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BERLIN
DER
DREISSIGJÄHRIGE
KRIEG
EUROPÄISCHE KATASTROPHE,
DEUTSCHES TRAUMA
1618-1648
Vor 400 Jahren begann der Dreißigjährige Krieg:
Als am 23. Mai 1618 protestantische Adelige die Statthalter des römisch
deutschen Kaisers Ferdinand II. aus den Fenstern der Prager Burg stürzten,
konnte niemand ahnen, was damit seinen Anfang nahm: der längste Krieg
auf deutschem Boden, zugleich der erste im vollen Sinne «europäische
Krieg». Herfried Münkler erzählt vom Schwedenkönig Gustav Adolf und
von großen Feldherren wie Wallenstein oder Tilly, von geschickter Bündnis
politik, dramatischen Schlachten und einer nie da gewesenen Gewalt, die
ganze Landschaften verheerte. Dabei behält er auch unsere Zeit im Blick:
Besser als alle späteren Konflikte, so zeigt Münkler, lässt uns der
Dreißigjährige Krieg die Kriege der Gegenwart verstehen.
DER
D REISSIG JÄ H RIG E
KRIEG
EU RO PÄISCH E KA TA STRO PH E,
DEUTSCHES TRAUM A
1618-1648
Rowohlt • Berlin
4- Auflage Dezember 2017
Copyright © 2017 by Rowohlt • Berlin Verlag GmbH, Berlin
Karten Peter Palm, Berlin
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Pinkuin Satz und Datentechnik, Berlin
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ISB N 978 3 87134 813 6
Für Marina
INHALT
EIN LEIT U N G
DEU TSCH E ERIN N ER U N G UND
DEUTSCHES TRAUM A
1. K A P I T E L
« IH R K E N N T N IC H T DIE FO LG EN E U R E S T U N S » :
AN FÄ N G E UND V O RG ESCH IC H TEN
2. K APITEL
EIN A U FST A N D , D ER DAS R E IC H E R S C H Ü T T E R T :
DER BÖ H M ISCH -PFÄ LZISCH E K R IE G
3. K APITEL
FO RT G A N G UND A U SW EIT U N G :
DER N IED ERSÄ CH SISC H -D Ä N ISCH E K R IE G
4. K A P IT E L
IT A LIEN ISC H -PO LN ISC H ES ZW ISC H EN SPIEL
Ein europäischer Krieg auf deutschem Boden 381 Der mantuanische Erb
folgekrieg 392 Wallensteins polnischer Diversionskrieg und der Feldzug
in die Niederlande 406
5. K A P IT E L
D IE Z E I T D E R G R O S S E N S C H L A C H T E N :
DER SCH W ED ISCH E K R IE G
Gustav Adolfs Landung aufUsedom 41s Die Debatte über Gustav Adolfs
Kriegsgründe 422 Das Streben nach Neutralität: Die Zögerlichkeit der
protestantischen Fürsten, sich den Schweden anzuschließen 428 Wal
lensteins Entlassung 43s Konsolidierung der schwedischen Position in
Mecklenburg und Pommern 440 Gustav Adolfs Heer 453 Der Leipziger
Konvent 461 Die Vernichtung Magdeburgs 464 Entscheidungszwang
und Entscheidungsvermeidung: Johann Georg von Sachsen 486 Breiten
feld, die blutigste Schlacht des Krieges 491 Gustav Adolfs Siegeszug durch
Deutschland 504 Zwischenspiele der Diplomatie 526 Tillys Ende an
Lech und Donau 533 Die Verwüstung Bayerns, das Schwanken Sachsens
und der Wiederaufstieg Wallensteins 547 Stellungskrieg bei Nürnberg
und Entscheidungsschlacht bei Lützen: zwei Etappen im Duell zwischen
Gustav Adolf und Wallenstein 562 Politische Bewegung, militärischer
Stillstand 596 Wallensteins Ermordung in Eger 617
6. K A P I T E L
EIN K R IE G , D ER N IC H T EN D EN W ILL:
VOM Z E R F A L L D ER M A C H T
Das Eigenleben des Krieges und seine Bilder 635 Die Schlacht bei Nörd-
lingen und der Zusammenbruch der schwedischen Macht in Oberdeutsch
land 645 Vom Prager Frieden zur Schlacht von Wittstock 660 Die große
Klage: Unglücksbewältigung in Literatur und bildender Kunst 679 Das
Eingreifen Frankreichs: Verhandlungen, Bündnisse und der Krieg am
Oberrhein 711 Der Niedergang der spanischen Macht: finanziell und
militärisch, zu Wasser und zu Lande 737
7. K A P I T E L
ZW ISCH EN K R IE G UND FR IED EN :
DER LAN GE W EG NACH M Ü N ST ER UND
OSNABRÜCK
SCHLUSS
DER D R EISSIG JÄ H R IG E K RIEG ALS AN ALYSEFO LIE
G EG EN W Ä R TIG ER UND Z U K Ü N FT IG E R K R IE G E
Anmerkungen 845
Literatur 925
Namenregister 958
Dank 972
Bildnachweis 975
EINLEITUN G
DEUTSCHE ERINNERUNG UND
DEUTSCHES TRAUMA
«Wie der Kampf», so resümiert Freytag die Situation nach Ende des Krie
ges, «waren auch die Zustände, welche nach dem Kriege eintraten, außer
allem Vergleich mit anderen Niederlagen kultivierter Völker. Gewiß sind
in einzelnen Zeiträumen der Völkerwanderung große Landschaften Euro
pas noch mehr verödet worden, zuweilen hat im Mittelalter eine Pest die
Bewohner großer Städte ebensosehr dezimiert; aber solches Unglück war
entweder lokal oder wurde leicht durch den Überschuß von Menschen
kraft geheilt, der aus der Umgegend auf dem geleerten Grund zusammen
strömte, oder es fiel in eine Zeit, wo die Völker nicht fester auf dem Boden
standen als lockere Sanddünen am Strand, welche leicht von einer Stelle
zur andern geweht werden. » 5
Historische Zäsuren
und antiquarisches Interesse
Aber ist die Darstellung der Kriegsfolgen bei Gustav Freytag überhaupt
zutreffend? Oder hatte er maßlos übertrieben? Hatte sich das deutsche
Bürgertum im 19. Jahrhundert womöglich in ein Trauma «hineinerzählen»
lassen, für das es keine Grundlage gab? Diente der Dreißigjährige Krieg
nur als Pauschalentschuldigung für alles, was in der deutschen Geschichte
schiefgelaufen war, und als Generalerklärung für alle Unterschiede etwa
zur Entwicklung Frankreichs, das man sich ebenso zum Vorbild nahm, wie
man zu ihm auf eine ressentimentgeladene Distanz ging? Musste man den
i6 E IN L E IT U N G
grund gedrängt. Er ist wohl nicht aus der historischen Erinnerung der Deut
schen verschwunden, dient aber nicht mehr als Erklärungsmuster: Wenn
gegenwärtige Entwicklungen in Deutschland oder besondere Mentalitä
ten der Deutschen erklärt werden sollen, dann findet sich so gut wie keine
Bezugnahme mehr auf den Dreißigjährigen Krieg. Der zeitliche Abstand
ist zu groß geworden, als dass sich noch plausible Kontinuitätslinien bis
zur Gegenwart ziehen ließen. Das zeigt sich auch im historischen Wissen
über einzelne Städte und Regionen: Die Erinnerung an Belagerungen und
Durchzüge von «Kriegsvölkern» in der Zeit des Dreißigjährigen Krieges
sind zu einer Angelegenheit der Lokalhistoriker geworden, und das Wissen
um verwüstete und aufgegebene Ortschaften ist nur noch in Gemarkungs
namen präsent. Dass der Zweite Weltkrieg im historischen Gedächtnis der
Deutschen inzwischen die Stelle des Dreißigjährigen Krieges einnimmt,
dürfte auch damit zu tun haben, dass er, ebenso wie der Dreißigjährige
Krieg, nicht auf das Kampfgeschehen im engeren Sinn beschränkt blieb;
als Vernichtungskrieg in Osteuropa und dann auch als Bombenkrieg rich
tete er sich vor allem gegen die Zivilbevölkerung und ließ einen völlig ver
wüsteten Raum zurück. Die Schrecken des Zweiten Weltkriegs haben im
Geschichtsbewusstsein der Deutschen, wie eingangs erwähnt, die Schre
cken des Dreißigjährigen Krieges überlagert und verdrängt.
Geschichtspolitisch hat der Zweite Weltkrieg jedoch eine ganz andere
Funktion als der Dreißigjährige Krieg: Stand in dessen Zentrum die große
Erzählung von den Deutschen als Opfer - Opfer ihrer konfessionellen Zer
rissenheit, Opfer der geopolitischen Konstellationen, Opfer des Machtwil
lens der Nachbarstaaten - , so steht bei der Beschäftigung mit dem Zweiten
Weltkrieg seit den 1980er Jahren die deutsche Täterrolle im Mittelpunkt.
Lief das Geschichtsnarrativ des Dreißigjährigen Krieges immer auch auf
eine Anklage der anderen hinaus - in der katholischen Historiographie
erschien der Schwedenkönig Gustav Adolf als Aggressor und Eroberer,
während in der protestantischen Historiographie der imperialen Politik
Spaniens und des Kaisers eine vergleichbare Rolle zukam - , so wurde die
Beschäftigung mit dem Zweiten Weltkrieg zur Auseinandersetzung mit
der eigenen Schuld und Verantwortung, von der Erpressungs- und Anne
xionspolitik Hitlers vor Kriegsbeginn bis zum millionenfachen Mord an
Deutsche Erinnerung und deutsches Trauma 19
den europäischen Juden. Aus dem Trauma der Opferrolle ist das Trauma
der Schuld an furchtbaren Verbrechen geworden.18 Die Vorstellung von
der großen Zäsur in der deutschen Geschichte hat sich verschoben: Nicht
mehr 1618 bis 1648, sondern 1933 bis 1945 war der tiefe Zivilisationsbruch.
Inzwischen freilich ist auch das tiefsitzende Bedürfnis zu beobachten,
die erinnerungspolitisch komfortable Position des Opfers zurückzuerlan
gen. Seit einiger Zeit bemüht man sich etwa, den Zweiten Weltkrieg umzu
erzählen oder einzelne Etappen herauszugreifen: Die Konzentration auf
den Bombenkrieg zwischen 1943 und 1945, als Deutschland verstärkt zum
Ziel alliierter Bomberflotten wurde, ist ein solches Verfahren der Umerzäh
lung.19 Damit ist die Grundkonstellation der Erzählung vom Dreißigjäh
rigen Krieg wiederhergestellt - und schon begegnen wir auch wieder ver
gleichbaren Folgen. Die Warn- und Verbotsschilder, die vordem zu Vorsicht
und Zurückhaltung im politischen Reden und Handeln aufgefordert haben,
sind umgestellt worden oder verschwunden, und es macht sich, wo die
Umerzählung vorherrscht, eine Stimmung des Trotzes und der Revision
breit. Dazu gehört die Obsession, von den «Anderen» bedroht zu sein, die
schnell in Aggression Umschlägen kann: Man sei der Welt nichts schuldig
und habe auf nichts und niemand Rücksicht zu nehmen. Das ist eine Men
talität, wie sie durch das Trauma- und Opfernarrativ des Dreißigjährigen
Krieges befördert wurde, und insofern ist nachzuvollziehen, warum einige
Historiker dieses Narrativ destruieren wollten. Sie wollten korrigieren, was
sie als Folge einer bestimmten Geschichtspolitik ausgemacht hatten.
Die Kontroversen über die Folgen des Dreißigjährigen Krieges für die deut
sche Geschichte gehören inzwischen der Vergangenheit an. Das Opfer
narrativ lässt sich nicht nur wegen der zeitlichen Distanz und der beiden
Weltkriege nicht mehr reaktivieren; es ist auch das Unverständnis für die
konfessionellen Konflikte hinzugekommen. Dass man ein Land verheert
und verwüstet, Menschen massenhaft tötet oder deren Lebensgrundlagen
auf Jahre hinaus zerstört, weil man unterschiedliche Gottesvorstellungen
hat und einen anderen Umgang mit dem Sakralen pflegt, ist für uns nicht
mehr nachvollziehbar. Die große Distanz zum Dreißigjährigen Krieg als
politisch-kulturellem Identitätsmarker der Deutschen resultiert nicht
20 E IN L E IT U N G
Dass uns der Dreißigjährige Krieg inzwischen so fernliegt und fremd gewor
den ist, hat auch mit dem Westfälischen Frieden zu tun, der ihn beendete,
vor allem aber mit der in Münster und Osnabrück ausgehandelten Ordnung,
die von der amerikanischen Politikwissenschaft als «Westfälisches System»
oder «Westfälische Ordnung» bezeichnet worden ist.24 Wenngleich man
diese Bezeichnungen des Friedensschlusses als Westfälische Ordnung wie
derholt kritisiert hat,25bringen sie doch eine grundlegende Veränderung im
Verhältnis der Mächte zum Ausdruck. Der Westfälische Frieden hat, auch
wenn er mit dem Anspruch formuliert wurde, ein «immerwährender», ein
«ewiger» Friede zu sein,26 die Praxis des Kriegführens zur Durchsetzung
politischer Ziele keineswegs beendet, und eigenüich war das auch nicht
beabsichtigt. Er hat vielmehr den Krieg reguliert, ihn als das Recht eines
Deutsche Erinnerung und deutsches Trauma 23
lange Dauer des Krieges resultierte nämlich auch daraus, dass in ihm unter
schiedliche Kriegstypen und unterschiedliche Konfliktebenen ineinander
verschränkt und miteinander verflochten waren. Alle den westfälischen
Verhandlungen vorangegangenen Versuche, den Krieg zu beenden, sind an
dieser Komplexität gescheitert. Sie vermochten sie nicht aufzulösen. Der
Westfälische Frieden schuf die Grundlagen dafür, dass die Komplexität
eines Krieges in die Ordnung des Friedens überführt werden konnte. Unter
dem Eindruck der beiden Weltkriege ist das in Vergessenheit geraten. Die
jüngsten Kriege im Nahen Osten, in der Maghrebregion und in der Sahel-
zone erinnern uns wieder daran.
den?32 Dabei spielten von vornherein die konkreten Interessen der großen
Mächte eine Rolle, schließlich war zu entscheiden, wer am Ende davon pro-
dtieren würde, wenn eine hierarchische Ordnung durch eine des potenziel
len Gleichgewichts abgelöst wurde. Insofern war dieser Krieg ein «Welt»-
Ordnungskrieg, der als Hegemonialkrieg geführt wurde.
Der Kaiser im «Heiligen Römischen Reich deutscher Nation», wie
die offizielle Bezeichnung lautete, war der erste Aspirant auf die Position an
der Spitze der europäischen Hierarchie; um diese aber wirklich einnehmen
zu können, mangelte es ihm seit dem 13. Jahrhundert an den erforderlichen
Ressourcen. Das Reich war der Verfassung nach ein Wahlkaisertum, und
sobald der Kaiser die Mittel des Reichs in Anspruch nehmen wollte, war er
auf die Zustimmung der Reichsstände angewiesen, die ihm häufig versagt
blieb oder nur unter stark einschränkenden Bedingungen bewilligt wurde.
Möglicherweise wäre im Verlauf des Dreißigjährigen Krieges Wallenstein
der Mann gewesen, das zu ändern, doch gerade weil sie das befürchteten,
zwangen die Kurfürsten den Kaiser im Jahre 1630 zur Entlassung seines
Generalissimus.
Im Unterschied zum Wiener Zweig des Hauses Habsburg verfügte
dessen Madrider Linie über wirkliche Macht, und spätestens Philipp II.
herrschte über ein Reich, in dem, wie sein Vater Karl V. es einmal formu
liert haben soll, «die Sonne nie unterging». Die Grundlage der spanischen
Macht waren die Silbervorkommen der Neuen Welt und eine - wesentlich
aus diesem Silber finanzierte - Infanterie, die bis in den Dreißigjährigen
Krieg hinein als das militärisch Beste galt, was es in Europa gab.33 König
Philipp III. sowie sein Sohn Philipp IV. und deren leitender Minister Oli-
vares verfolgten vor und während des Krieges eine Politik, die im Bündnis
mit der Wiener Linie der Casa d’Austria an einer imperialen Ordnung mit
den Habsburgern an der Spitze ausgerichtet war.34 Hätten sie sich durchge
setzt, so wäre dies wohl auf eine Erneuerung des hierarchischen Modells
der politischen Ordnung in Europa hinausgelaufen. Aber die spanische
Macht war nach demographischen und fiskalischen Krisen im Kernland
verwundbar, und ihre legendäre Infanterie stieß im Unabhängigkeitskrieg
der Niederlande an die Grenzen ihrer Möglichkeiten.35 Die Niederländer
hatten sich neue Formen militärischer Disziplin und taktischen Agierens
26 E IN L E IT U N G
angeeignet, die sich denen der Spanier nach einiger Zeit als ebenbürtig
erwiesen.36 Im Kriegsverlauf wurde die Kluft zwischen dem imperialen
Anspruch und der schwindenden Macht Spaniens immer deutlicher. Die
politische Ordnung in Europa wechselte auch deshalb, weil es niemanden
mehr gab, der die erforderlichen Ressourcen für die Rolle des Hierarchen
hatte. Der Krieg war gewissermaßen ein sich hinziehender Test auf konti
nuierliche Ressourcenverfügbarkeit.
Ein weiterer Aspirant auf den Platz an der Spitze der europäischen
Hierarchie war die Römische Kurie, deren Einfluss in großen Teilen Euro
pas mit Ausbreitung der Reformation jedoch deutlich abgenommen hatte.
Zwar war die Papstkirche mit dem Konzil von Trient und dem Beginn der
Gegenreformation beziehungsweise der katholischen Reform 37 wieder in
die Offensive gekommen; es stand aber außer Zweifel, dass der Protes
tantismus nur in einem großen Krieg umfassend zurückgedrängt werden
konnte. Unter diesen Umständen wäre eigentlich zu erwarten gewesen,
dass der Papst eifrig den Kaiser und Spanien unterstützte, denn diese hat
ten sich den Kampf für den katholischen Glauben auf die Fahnen geschrie
ben. Seit Errichtung des Kirchenstaates war der Papst jedoch auch ein
italienischer Regionalfürst, und als solcher stimmte seine Machträson mit
den Imperativen der Universalkirche nicht überein. Die spanische Macht
in Italien schränkte die Handlungsfähigkeit der dortigen Fürsten ein, wes
halb Urban V III. ein starkes Interesse daran hatte, Spanien zu schwächen
und ein Gleichgewicht mit Frankreich herzustellen. Es kam also nicht zu
einem Dreibund zwischen Kurie, Kaiser und Spanien, stattdessen unter
stützte Urban V III. die antihabsburgische Politik Kardinal Richelieus.38
Die konfessionellen Fronten des Dreißigjährigen Kriegs waren keineswegs
so eindeutig, wie die Bezeichnung als Konfessionskrieg es nahelegt; immer
wieder kam es zu Koalitionsbildungen über die Glaubensbekenntnisse hin
weg. Schon das macht es schwer, den Konflikt wesentlich als Religionskrieg
zu sehen.39 Er war das zweifellos, aber zugleich war er noch viel mehr.
Die französische Politik war in ihrer Opposition zur imperialen Stel
lung des Hauses Habsburg keineswegs von Anfang an darauf ausgerichtet,
ein System gleichberechtigter Staaten mit Frankreich als Schiedsrichter
zu schaffen. Der sogenannte Große Plan Heinrichs IV., den der Herzog
Deutsche Erinnerung und deutsches Trauma 27
von Sully ausgearbeitet hat, drehte sich ebenfalls um die Oberhoheit über
Europa - in diesem Fall freilich die Frankreichs. In dem von Ludwig X III.
und Ludwig XIV. zeitweilig verfolgten Projekt, sich zum Kaiser des Heili
gen Römischen Reichs wählen zu lassen, ist ein Nachklang dessen zu finden.
Während des Dreißigjährigen Krieges stellte Richelieu derart weitgesteckte
Ziele in den Hintergrund und beschränkte sich darauf, eine habsburgische
Universalmonarchie, wie die zeitgenössische Bezeichnung für ein gesamt
europäisches Imperium lautete, zu verhindern.40 Das hatte auch damit zu
tun, dass Frankreich im konfessionellen Bürgerkrieg eine relative Schwä
chung erfuhr und der hugenottische Widerstand periodisch wieder auf
lebte.41 Selbst der schwedische König Gustav II. Adolf scheint nach seinem
Sieg bei Breitenfeld im Jahr 1631 mit der Vorstellung geliebäugelt zu haben,
sich zum deutschen Kaiser wählen zu lassen, womit das Übergewicht der
Katholiken im Reich durch das der Evangelischen abgelöst worden wäre.
Inwieweit damit die schwedische Ostseehegemonie hätte flankiert wer
den sollen oder ob sich die Herrschaft Gustav Adolfs von Schweden nach
Deutschland, von Stockholm nach Frankfurt oder Nürnberg verlagert
hätte, mag hier dahingestellt bleiben.42 Bedeutsam für die Beschreibung
des Krieges als Hybrid zwischen Imperial- und Hegemonialkrieg ist, dass
selbst der «Löwe aus dem Norden», der in seinen offiziellen Proklamati
onen das schwedische Eingreifen mit der Verteidigung des evangelischen
Glaubens begründete, sich den imperialen Suggestionen nicht entziehen
konnte, nachdem er zu einem maßgeblichen Kriegsakteur geworden war.43
Sobald eine Großmacht militärisch die Oberhand bekam, stand sie vor der
Frage, ob sie das in einer imperialen oder hegemonialen Ordnung politisch
festschreiben wollte.
Der ständige Wechsel des Kriegsglücks führte jedoch dazu, dass die
imperialen Projekte schnell zurückgestutzt wurden. Das Ergebnis des Krie
ges war die Aufteilung Europas in Hegemonialsphären, die zur Grundlage
der europäischen Pentarchie wurden, der Ordnung der fünf großen Mächte.
Sie bestand im 17. Jahrhundert aus Spanien, Frankreich, England, dem Kai
serhaus in Wien und Schweden. Mit dem Übergang vom 17. zum 18. Jahr
hundert schieden Spanien sowie Schweden aus und wurden schrittweise
durch Preußen und Russland ersetzt. Die Aufteilung der Hegemonialzonen,
28 E IN L E IT U N G
auf die Logistik der gegnerischen Armeen zielenden Strategie. Erst im anti-
napoleonischen Partisanenkrieg der Spanier ist er als «Volkskrieg» in die
europäische Kriegführung zurückgekehrt, und prompt stellten sich erneut
die Grausamkeiten gegen die ländliche Bevölkerung ein, wie sie für den
Dreißigjährigen Krieg typisch waren. Francisco de Goya hat in seinen an
die Arbeiten Hans Ulrich Francks erinnernden Desastres de la Guerra diese
Grausamkeiten festgehalten. Davor und auch wieder danach gelang es im
Rahmen der Westfälischen Ordnung, die völkerrechtliche Trennung von
Kombattanten und Nonkombattanten bis in die Kleinkriegführung durch
zusetzen. Sieht man von Entwicklungen an der europäischen Peripherie ab,
in Spanien, auf dem Balkan und im Kaukasus, so hatte sie bis ins 20. Jahr
hundert Bestand.49
Um dieser Trennung zwischen Kombattanten und Nonkombattanten
als Kernbestand regulierter Kriegführung Geltung zu verschaffen, bedurfte
es nach dem Dreißigjährigen Krieg einer grundlegenden Veränderung des
Militärwesens. Diese lässt sich unter der Überschrift «Verstaatlichung»
zusammenfassen: An die Stelle der Söldnerverbände, die von Kriegsunter
nehmern aufgestellt worden waren, traten nun Armeen, die «des Königs
Rock» trugen, also aus staatlichen Magazinen uniformiert und bewaffnet
und aus Staatsmitteln versorgt und besoldet wurden. Vorläufer und erste
Ansätze lassen sich bereits während des Dreißigjährigen Krieges beobach
ten;50 die Geschichte des Krieges ist ein ständiges Hin und Her zwischen
Verstaatlichung und Entstaatlichung. In der Westfälischen Ordnung muss
ten die Truppen im Kriegsfall nicht erst angeworben werden, sondern
standen in den Garnisons- und Festungsstädten zum Einsatz bereit. Sie
mussten lediglich, wie es zeitgenössisch hieß, vom «Friedens- auf den
Kriegsfuß» versetzt werden, was bedeutet, dass die für landwirtschaftliche
Arbeiten abgestellten Soldaten zu ihren Einheiten zurückbeordert wurden.
Die Unterhaltskosten des stehenden Heeres waren im Frieden niedriger als
im Krieg, doch war der Unterschied nicht mehr so groß wie zuvor, als Frie
den hieß, dass sämtliche Truppen abgedankt wurden.51 Obendrein wurden
jetzt systematisch und von langer Hand Magazine zur Versorgung des Mili
tärs errichtet, und es wurde ein Staatsschatz gebildet, durch den die Kosten
eines Krieges für einige Zeit gedeckt waren. So wurde zum Ausnahmefall,
Deutsche Erinnerung und deutsches Trauma 31
was im Dreißigjährigen Krieg noch die Regel war: dass die angeworbenen
Verbände keinen regelmäßigen Sold erhielten und, da sie nicht anderweitig
versorgt wurden, raubten und plünderten. Dass der Dreißigjährige Krieg
zum Trauma der Deutschen wurde, lag mehr am «kleinen» als am «gro
ßen Krieg».
Die Vermischung der unterschiedlichen Kriegstypen war es, die es
so ungemein schwierig gemacht hat, den Krieg zu beenden. Wäre es nur
darum gegangen, mit Waffengewalt die Frage zu klären, ob ein bestimmter
Landstreifen oder eine Region zu diesem oder jenem Herrscher gehörten,
so hätte sich das in einer Entscheidungsschlacht der beiden Konkurrenten
schnell klären lassen. Da aber im Dreißigjährigen Krieg die Probleme der
unterschiedlichen Kriegstypen noch hinzukamen, war keine Schlacht aus
reichend, um von den kriegführenden Parteien als Entscheidung anerkannt
zu werden. Es waren zu viele Fragen, die gleichzeitig beantwortet werden
mussten. Erst in der Westfälischen Ordnung wurde der Krieg als praktika
ble Entscheidungsinstanz politischer Konflikte wiederhergestellt.
Ressourcenverbrauch, Kriegsfinanzierung
und Heeresversorgung
Jeder Krieg ist eine Form erhöhten und letztlich unproduktiven Ressour
cenverbrauchs. Aber die Kriege unterscheiden sich durch das Maß, in
dem ihr Ressourcenverbrauch den in Friedenszeiten übertrifff. Ebenso
unterscheiden sie sich durch die Folgen, die sich bei ihrem Ende aus dem
zeitweilig erhöhten Ressourcenverbrauch ergeben. Die oben diskutierten
Thesen Ergangs, Steinbergs und Wehlers, denen zufolge die Verwüstungen
und Menschenverluste im Dreißigjährigen Krieg lange Zeit überschätzt
worden seien, beruhen auf der Annahme, dass für den erhöhten Ressour
cenverbrauch im Krieg ausschließlich die Waffentechnik verantwortlich sei.
Insbesondere Steinberg hat seine Thesen daher mit dem Verweis auf die
sehr viel größere Zerstörungskraft der Waffen begründet, die in den Welt
kriegen des 20. Jahrhunderts eingesetzt wurden.“ Dabei wird der Einfluss
3* E IN L E IT U N G
tierungen verwehrten einem Landesherrn also den Zugriff auf das Mehr
produkt seines Landes. Solange es dabei blieb, waren die Folgen begrenzt.
Sobald aber die für die einquartierten Truppen aufzubringenden Leistun
gen höher waren als das, was der Landesherr in Friedenszeiten abschöpfte,
hatte die gesamte Bevölkerung schwer zu leiden. Das Besondere an der von
Wallenstein praktizierten Methode der Einquartierung bestand darin, dass
er sie nicht auf gegnerisches Gebiet beschränkte, sondern auch auf eigene
Territorien ausdehnte, was im Ergebnis auf die Eintreibung einer Steuer zur
Fmanzierung der Armee hinauslief. Wallenstein scheint eine sehr genaue
Vorstellung davon gehabt zu haben, dass ein stehendes Heer einen effekti
ven Steuerstaat zur Voraussetzung hattet5
Im Prinzip war dieses System eine Land und Leute belastende, aber
relativ erträgliche Form der Kriegsfinanzierung. Da Nachhaltigkeit belohnt
■ wurde und die Soldaten selbst davon profitierten, wenn sie Menschen, Vieh
und Gebäude schonend behandelten, kam es in der Regel nicht zu sinnlo
sen Zerstörungen. Außerdem ließ sich die Disziplin des für längere Zeit ein
quartierten Militärs leidlich aufrechterhalten. Das war anders beim zwei
ten Versorgungstyp, der dadurch gekennzeichnet war, dass die Truppen in
Bewegung waren und das Interesse der Soldaten am schonenden Umgang
mit Land und Leuten schwand. Man hat das Heer auf dem Marsch als
•wandernde Stadt» bezeichnet,56 weil eigentlich alles mitgeführt wurde,
was zum täglichen Leben erforderlich war. Wenn aber die mitgeführten
Vorräte zur Neige gingen und es für die Soldaten zu einer Frage des Über
lebens wurde, wo und wie sie an Nahrungsmittel kamen, verwandelte sich
das Heer in eine große Zerstörungsmaschine. Mochten die Ersten, die ein
Dorf plünderten, noch allerhand Brauchbares zurücklassen, so fand doch
iede Gruppe, die danach kam, immer weniger vor, und wenn auch mit
Gewalt und Folter bei den Bauern nichts mehr zu holen war, nahm die Wut
überhand. Die Bauern, ihre Frauen, Kinder und Knechte wurden erschla
gen, ihre Höfe in Brand gesetzt. Dass die Soldaten damit sich selbst scha
deten, wenn sie einige Wochen später erneut durch die verwüstete Gegend
marschierten, spielte dabei keine Rolle.
Was bei der Armee auf dem Marsch immer wieder vorkam, war bei
Söldnerverbänden wie denen Ernst von Mansfelds die Regel; sie stehen
34 E I N L E IT U N G
ten und keinen Honig mehr machen, sondern nur noch fressen können.»60
Diese als «Marode-Brüder» oder «Schnapp-Hahnen» bezeichneten Ban
den trugen die Verheerungen des Krieges in alle Gebiete Deutschlands und
beschränkten sich im Unterschied zu den Streifscharen, die den Durchzug
eines Heeres begleiteten, nicht auf einen spezifischen Kriegsschauplatz.
Das hatte Folgen für den Grad der Verwüstungen, die der Krieg hin
terließ: Wo die Schröpfung der Landbevölkerung auf das Gebiet begrenzt
blieb, in dem für einen Sommer und Herbst «das Kriegstheater aufgeschla
gen» worden war, bot sich die Möglichkeit zur Erholung der bäuerlichen
Wirtschaft im darauffolgenden Jahr - wenn denn der Krieg nicht erneut in
diesem Gebiet stattfand. Die Bauern hatten nämlich die Gewohnheit, ihr
Vieh in die Wälder zu treiben und auch Frauen und Kinder dort zu verste
cken, sobald sich die Nachricht von heranziehenden Soldatentrupps ver
breitete. Das im Wald verborgene Vieh war nach Abzug der Soldaten die
Grundlage für die Wiederaufnahme der bäuerlichen Wirtschaft.
Mit den Marodeursbanden entwickelte sich der bereits erwähnte
Kleinkrieg zwischen Soldateska und Landbevölkerung. Nachdem die
großen Schlachten in der Mitte des Krieges keine Entscheidung gebracht
hatten und das Kriegsgeschehen mehr und mehr zerfaserte, griff das Maro
deurswesen um sich. Die intensive Kriegsgewalt, wie sie bei Belagerungen
und Feldschlachten anzutreffen war, verschwand zwar nicht völlig aus dem
Kriegsgeschehen, aber sie wurde durch eine diffuse Gewalt überlagert, die
dem Krieg seine desaströse Wirkung verlieh. Wer nur die von der Waffen-
technik abhängige Intensität der Kriegsgewalt im Auge hat, wie Ergang,
Steinberg und Wehler, um auf dieser Grundlage die mittel- und langfristi
gen Folgen des Krieges abzuschätzen, hat das für den Dreißigjährigen Krieg
Typische übersehen: die lange Dauer der diffusen Gewalt. Viel stärker als
die großen Schlachten, die keine Entscheidung im Ringen um Macht und
Einfluss gebracht haben, hat sie den Krieg in das kollektive Gedächtnis der
Deutschen eingeschrieben.
Das ist im Übrigen einer der Aspekte, die den Dreißigjährigen Krieg
im Europa des 17.Jahrhunderts mit einigen Kriegen unserer Gegenwart
an der Peripherie Europas verbinden. Diese Kriege werden nicht nach
den Vorgaben der von Clausewitz so bezeichneten «Niederwerfungs-
3<S EIN LEITU N G
Der Dreißigjährige Krieg war das große Trauma der Deutschen, aber er
ist es nicht mehr. Das mag auch der Grund dafür sein, dass in den letzten
Jahrzehnten keine umfassende Darstellung dieses Krieges mehr geschrie
ben worden ist. Zugespitzt kann man sagen, dass die letzte große Darstel
lung die von Cicely Veronica Wedgwood ist, und sie stammt aus dem Jahre
1938. Was zumal nach dem Zweiten Weltkrieg in Deutschland veröffentlicht
wurde, waren entweder Analysen des Krieges, die voraussetzten, dass man
mit seinem Verlauf gut vertraut war, oder aber Einzelstudien zu speziellen
Fragen und Aspekten. Der Dreißigjährige Krieg ist zu einem Thema im
Normalbetrieb der Wissenschaft geworden. Das kann als ein zuverlässi
ger Indikator für die Enttraumatisierung eines Themas beziehungsweise
Abschnitts der Geschichte angesehen werden. Andererseits zeigt das Feh
len von Gesamtdarstellungen oder auch das Ausweichen auf Biographien
prägender Gestalten wie Wallenstein oder Gustav Adolf, dass eine ausge
prägte Zurückhaltung besteht, sich auf dieses Terrain zu begeben. Symp
tomatisch dafür könnte sein, dass der Verfasser dieses Buches von seiner
akademischen Profession her Politikwissenschaftler ist - und eben nicht
Historiker.
Deutsche Erinnerung und deutsches Trauma 37
Es gibt zwei Gründe, warum der Dreißigjährige Krieg gerade aus poli
tikwissenschaftlicher Perspektive ein wichtiger und für gegenwärtige Fra
gen hochgradig aufschlussreicher Abschnitt der deutschen und europäi
schen Geschichte ist, und zumindest einer dieser Gründe hat nichts mit der
vordem so dominanten Traumabearbeitung zu tun: Es stellt sich die Frage,
ob und inwieweit der Dreißigjährige Krieg als Paradigma und Analysefo
lie für einige Kriege der Gegenwart und vor allem die der Zukunft dienen
kann. Diese Frage geht aus von der These, dass die Ära der klassischen Staa
te nkriege, der «Westfälischen Kriege», definitiv zu Ende gegangen ist, dass
damit entgegen einer zumal in Deutschland verbreiteten Vorstellung der
Krieg jedoch nicht verschwunden, sondern in veränderter Gestalt wieder
aufgetaucht ist. Aber welche Gestalt ist das, und wie lassen sich diese Kriege
analytisch fassen, um der Politik Fiandreichungen für deren Vermeidung
oder Beendigung zu geben? Die Vermutung, die neuen Kriege besäßen
strukturelle Ähnlichkeiten mit dem Dreißigjährigen Krieg, also dem gro
ßen Krieg vor Installierung der Westfälischen Ordnung, ist in jüngster Zeit
immer wieder geäußert worden, aber um darauf eine Antwort geben zu
können, muss dieser Krieg zunächst einmal sorgfältig beschrieben werden:
im Hinblick auf die Motivlagen der beteiligten Mächte, auf seine struktu
rellen Faktoren, seinen Verlauf, den Kriegseintritt immer neuer Mächte, die
den Krieg nicht «ausbrennen» ließen, und schließlich die Faktoren seiner
Beendigung. Das ist eine komplexe Aufgabe, die nur in einer umfangrei
chen Darstellung zu bewältigen ist. Diese Darstellung, in der erzählende
und analytische Teile einander abwechseln, ist die Grundlage für das
Schlusskapitel des Buches, das die Frage behandelt, ob und inwiefern wir
aus der Beschäftigung mit dem Dreißigjährigen Krieg lernen können, um
die politischen Herausforderungen unserer Gegenwart besser zu bewälti
gen.
Der zweite Grund, weshalb der Dreißigjährige Krieg gerade aus poli
tiktheoretischer Perspektive interessant ist, besteht in dem gravierenden
Defizit an strategischem Denken in der politisch interessierten deutschen
Öffentlichkeit. Stark vereinfacht kann man vielleicht sagen, dass die vorherr
schende Reaktion auf politikstrategische Herausforderungen hierzulande
der Verweis auf juridische Regelungen ist, zumeist solche des Völkerrechts,
38 E IN L E IT U N G
wobei generell unterstellt wird, dass die Rahmenbedingungen nicht nur für
die Geltung, sondern auch für das Geltendmachen des Rechts selbstver
ständlich gegeben seien und die Rechtsdurchsetzung mit der Bewältigung
der Herausforderung identisch sei. Die Auseinandersetzung mit dem Drei
ßigjährigen Krieg ist eine vorzügliche Übung zur Desillusionierung solcher
Erwartungen. In der Anfangsphase des Krieges nämlich sind alle Parteien
in der festen Überzeugung in den Konflikt hineingegangen, das Recht auf
ihrer Seite zu haben, und dementsprechend haben sie den eigenen Gewalt
gebrauch als einen Akt der Rechtswahrung und Rechtsdurchsetzung legi
timiert. Das wird nachfolgend im Einzelnen dargestellt. Die ersten Kriegs
jahre zumindest veranschaulichen auf erschreckende Weise die römische
Formel summum ius, summa iniuria, die den Umschlag von Rechtsinsistenz
in eine Anhäufung von Unrechtsakten auf den Begriff bringt. Wer die Vor
geschichte und die ersten Jahre des Krieges studiert, wird gegenüber der
Fixierung auf das Recht als Bewältigungsform politischer Herausforderun
gen skeptisch werden und darüber nachdenken, ob nicht strategische Kom
promissbildung sinnvoller ist als das dogmatische Insistieren auf rechtli
chen Bestimmungen. Diese Fragen werden implizit im ersten und zweiten
Kapitel des Buches behandelt.
Neben dem Reaktionsmodell des Rechtlichen steht hierzulande das
des Moralischen. Die Erörterung politischer Herausforderungen im Hori
zont moralischer Normen und Imperative ist vielfach an die Stelle strate
gischen Denkens getreten. Das kann man sich leisten, solange nicht die
Gefahr droht, die aufgezeigten Werte und die aus ihnen resultierenden Ver
pflichtungen durchsetzen zu müssen, jedenfalls nicht außerhalb des eige
nen Staatsgebiets. Sobald die Moralkommunikation jedoch folgenreich
wird, gerät sie unter die Vorgaben strategischer Überlegungen, bei denen
die Kosten der Wertdurchsetzung gegen deren Risiken abgewogen werden,
und auch dieses Abwägen erweist sich als ein weiterer Prozess der Desil
lusionierung. Über die verhängnisvollen Folgen unbedingter Wertbindung
lässt sich anhand des Dreißigjährigen Krieges sehr viel lernen - unter
anderem auch, dass es ohne eine Abkehr davon zu keinem Friedensschluss
gekommen wäre. Die auf ihren Werten insistierende Römische Kurie hat
deswegen dem auf Kompromissen beruhenden Friedensschluss von 1648
Deutsche Erinnerung und deutsches Trauma 39
Fenstersturz in Prag
i Vormittag des 23. Mai 1618 drängte eine beständig wachsende Men
schenmenge durch das Zentrum von Prag; sie zog vom Karolinum, wo
sich die Vertreter der Stände versammelt hatten, zum Hradschin, zur Burg,
wo die Statthalter des Kaisers residierten. Die kaiserlichen Beamten sollten
zur Rede gestellt und gefragt werden, weshalb sie die Ständeversammlung
des böhmischen Adels und der Städte nun schon zum zweiten Mal hatten
verbieten lassen und wer für den, wie die Ständevertreter meinten, rüden
Ton des kaiserlichen Verbotsschreibens verantwortlich sei. 1 Manche der in
Richtung Burg Drängenden meinten, das Schreiben sei überhaupt nicht
in Wien, sondern in Prag verfasst worden, und man glaubte aus ihm die
Auffassung einiger Standesgenossen herauszuhören, die der katholischen
Gegenreformation eng verbunden waren, vor allem die des Jaroslaw von
Martinitz und des Wilhelm Slawata. Auch machten in der Menge Gerüchte
die Runde, denen zufolge die kaiserlichen Statthalter einen Anschlag auf die
Ständeversammlung planten, um ein «absolutes Dominat» der Habsbur
ger in Böhmen durchzusetzen. Dagegen wollte man sich wehren.
An der Spitze des Zuges marschierten Joachim Andreas von Schlick,
der Führer des böhmischen Adels, ein Lutheraner, der bislang eher auf eine
zurückhaltende und vorsichtige Politik gegenüber dem habsburgischen
42 « I H R K E N N T N IC H T D IE F O L G E N EU R E S TUNS
Kaiserhaus gesetzt hatte, und Heinrich Matthias von Thurn, ein Calvinist,
der seit langem für entschiedenen Widerstand gegen die Eingriffe der kai
serlichen Beamten in die Rechte des böhmischen Adels eintrat. Die unter
schiedlichen Einstellungen der beiden protestantischen Konfessionen, der
Lutheraner und der Calvinisten, gegenüber dem Landesherrn spielten auch
in Böhmen eine Rolle. Nun allerdings marschierten die beiden gemeinsam.
Die kaiserlichen Beamten hatten es zu weit getrieben. Das einte Lutheraner
und Reformierte und verband selbst so gegensätzliche Charaktere wie den
gemäßigten Schlick und den Heißsporn Thurn.2
Der Konflikt, der an diesem Vormittag offen ausbrach, betraf die stän
dischen Rechte. Es handelte sich um einen Verfassungskonflikt, der mit
der unterschiedlichen Interpretation von Verträgen und Vereinbarungen
zusammenhing. Gleichzeitig betraf er aber auch die freie Religionsaus
übung in Böhmen, also das Recht der Menschen, sich den eigenen Vorstel
lungen gemäß um ihr Seelenheil zu sorgen. Das Dokument, auf das sich
die Stände als Hüter der Freiheit und Sicherheit Böhmens beriefen, war
der Majestätsbrief Kaiser Rudolfs II. aus dem Juli 1609. In ihm wurden die
Protestanten - im Text als «Utraquisten» bezeichnet - den Katholiken
gleichgestellt, was auf die organisatorische Eigenständigkeit ihrer Kirche
hinauslief und bedeutete, dass sie ungehindert Kirchen- und Schulgebäude
errichten durften. Zudem erlaubte ihnen der Majestätsbrief, aus ihrer Mitte
«Defensoren» zu wählen, die als Verteidiger ihrer Rechte auftraten.3 Mat
thias, seit 1611 Rudolfs Nachfolger als böhmischer König, hatte diese Pri
vilegien bestätigt, und auch Erzherzog Ferdinand, der ein Jahr zuvor neu
gewählte böhmische König, hatte ausdrücklich zugesagt, dass er die den
Böhmen im Majestätsbrief zugesicherten religiösen Freiheiten uneinge
schränkt anerkenne. Darauf hatte die dem neuen König huldigende Stän
deversammlung - die Huldigung war «der herrschaftsstiftende Akt am
Anfang einer Regierung»4 - Wert gelegt.
Dafür gab es aus ihrer Sicht gute Gründe, und einer davon war, dass Fer
dinand in der Steiermark eine rigorose Politik der Rekatholisierung betrie
ben hatte. Einige befürchteten, er werde auch in Böhmen auf diese Weise
Vorgehen. Dass es unter den Adligen des Landes eine kleine Gruppe gab, die
nichts sehnsüchtiger erwartete, als gemeinsam mit dem Landesherrn der
Fenstersturz in Prag 43
Der unmittelbare Anlass für die erste Einberufung der böhmischen Stände
un März 1618 waren die Auseinandersetzungen um protestantische Kirchen
bauten in Braunau und Klostergrab gewesen. Lutheraner hatten in Braunau
auf dem Land des dortigen Benediktinerklosters eine Kirche errichtet, die
der Abt des Klosters unter Verweis auf seine Besitzrechte wieder schlie
ßen ließ. Die kaiserlichen Statthalter in Prag unterstützten das, indem sie
die Braunauer, die gegen die Anordnung des Abts protestierten, in einem
Schreiben anwiesen, den Kirchenschlüssel im Kloster abzuliefern. Als
einige von ihnen daraufhin nach Wien reisten, um sich bei Kaiser Matthias
unter Verweis auf die im Majestätsbrief zugesicherten Rechte zu beschwe
ren, wurden sie kurzerhand in Arrest genommen. In Klostergrab wiederum
hatte der Prager Erzbischof die auf seinem Grund stehende evangelische
Kirche einfach abreißen lassen und evangelische Gottesdienste verboten.
Letzteres war fraglos ein Verstoß gegen den Majestätsbrief. Am 11. März
1618 hatte die Ständeversammlung dann ein Schreiben an den Kaiser auf
gesetzt, in dem dieser aufgefordert wurde, die Braunau und Klostergrab
betreffenden Beschwerden der Bürgerschaft zur Kenntnis zu nehmen und
die Rechte der Böhmen zu respektieren. In der kaiserlichen Antwort vom
44 « I H R K E N N T N IC H T D IE F O L G E N EU R E S T U N S »
vom Abfall der Niederlande über die beiden englischen Revolutionen bis
zur Französischen Revolution von 1789: Das Zusammenwirken von Lan
desherrschaft und Ständeversammlung hatte sich nach einer längeren Peri
ode atmosphärischer Störungen und gehäufter Missverständnisse in einen
antagonistischen Konflikt verwandelt, dessen gewaltsame Austragung nur
noch durch das demütige Nachgeben einer Seite hätte vermieden werden
können. Die große Mehrheit der böhmischen Ständevertreter war dazu
nicht bereit. Ihr Zorn richtete sich gegen die kaiserlichen Statthalter in
der Burg: Man wollte von ihnen wissen, ob sie das Versammlungsverbot
gebilligt oder gar dazu geraten hatten. Um sie zur Rede zu stellen, zog man
am besagten Morgen des 23. Mai los. A uf dem Weg zur kaiserlichen Burg
schlossen sich dem Zug immer mehr Personen an; schließlich war es eine
eroße Menschenmenge, die sich Zutritt zum Hradschin verschaffte, und
die Burgwache sah angesichts dieser Überzahl keine Möglichkeit, sie am
Betreten der Burg zu hindern. Wäre nur eine Delegation der im Karolinum
Versammelten in die Burg gekommen, so hätte man sie hier leicht fest
setzen und dann die Burgtore schließen können. Dass eine führungslose
Menge danach in der Lage gewesen wäre, den Hradschin zu stürmen, darf
bezweifelt werden. So aber überrumpelte man die Statthalter mitsamt der
Burgwache und bekam das Heft des Handelns in die Hand.
In der Burg angekommen, begaben sich die Ständevertreter zunächst
in den Landtagssaal, wo die von den Defensoren verfasste Antwort auf das
kaiserliche Dekret verlesen wurde. Man verständigte sich darauf, diesen
Text den Statthaltern vorzutragen. Also ging es vom Landtagssaal weiter
in deren Sitzungszimmer, wo sich vier von ihnen aufhielten: der Oberst
burggraf Adam von Sternberg, dessen Schwiegersohn Jaroslaw von Mar-
tinitz, der Oberstlandrichter Wilhelm Slawata sowie der Grandprior des
Malteserordens Diepold von Lobkowitz; bei ihnen befand sich noch der
Sekretär Philipp Fabricius. Zdenko von Lobkowitz, der Großkanzler des
Königreichs Böhmen, fehlte, da er sich zu Amtsgeschäften in Wien aufhielt.
«Unangemeldet, gar keck und mit großer Importunitet», also Frechheit
oder Rücksichtslosigkeit, seien sie hereingekommen, schrieb Martinitz
später in seinem Bericht über die Ereignisse, «daß gemeldete Canzlei fast
allein von denen Herren- und Ritterstandspersonen ganz voll gewesen,
46 « I H R K E N N T N IC H T DIE F O L G E N EU R E S T U N S »
die Bürger aber meistenteils draußen vor der Tür, welche deshalben auch
ganz offen bleiben müssen, gestanden».11 Martinitz hält genau fest, wer bei
dem Aufruhr welche Rolle spielte: Es war vor allem der Hochadel, der sich
gegen den Kaiser stellte. Nach einem kurzen Wortgeplänkel verlas Paul von
Rziczan die Antwort der Stände auf das Versammlungsverbot: Auch auf
die Gefahr hin, «Leib und Leben, Ehre und Gut» zu verlieren, habe man
sich miteinander verbunden, um der Exekution des Dekrets zu widerste
hen. Man wisse, dass dieses Schreiben auf Veranlassung einiger Feinde der
freien Religionsausübung in Böhmen verfasst worden sei, und wolle des
wegen von den Anwesenden darüber Auskunft, «ob sie, oder etliche von
ihnen, von gemeltem [besagtem] Schreiben gewußt, dazu geraten oder das-
selbig approbiert hätten»12.
Der Oberstburggraf verweigerte auf diese fordernde Frage zunächst
jede Auskunft; man habe sich durch Eid zur Geheimhaltung aller Verhand
lungen verpflichtet. Wenn die Herren wissen wollten, wer dem Kaiser zu
diesem Schreiben geraten habe, so müssten sie sich an den Kaiser selbst
wenden. Einzelne aus der Gruppe der Ständevertreter riefen dazwischen,
man wisse ja ohnehin, dass Martinitz und Slawata bei der Antwort ihre Fin
ger im Spiel gehabt hätten, und werde sie dafür bestrafen. Sie hätten das
Gemeinwohl geschädigt. Graf Thum wiederholte daraufhin die Frage, wer
der Verfasser des kaiserlichen Dekrets sei und welchen Anteil die Statthal
ter daran hätten. Vom Auftreten der Eindringlinge eingeschüchtert und
wohl auch unter dem Eindruck ihrer Waffen, erklärte der Oberstburggraf,
nur unter äußerem Zwang verletze er das Dienstgeheimnis, und versicherte,
dass das Schreiben nicht in Prag entworfen worden sei. Doch die Situation
war inzwischen zu aufgeheizt, als dass mit dieser Auskunft die Gemüter
hätten beruhigt werden können. Adam von Sternberg und Diepold von
Lobkowitz wurden aus dem Saal herausgedrängt, während sich einige Stän
devertreter der Herren Slawata und Martinitz bemächtigten, sie zu den weit
geöffneten Fenstern zerrten und in den 17 Meter tiefen Schlossgraben war
fen. Und weil sie schon dabei waren, warfen sie den Sekretär Fabricius noch
hinterher. Das Ganze spielte sich zwischen neun und zehn Uhr ab. Aus den
Vertretern der Stände waren politische Rebellen geworden.
Fenstersturz in Prag 47
groß war, dass keine Seite mehr hinter sie zurückkonnte. Zugleich muss
te sie so angelegt sein, dass sie von den Moderaten mitvollzogen werden
konnte. Was lag da näher als die Reinszenierung des ersten Prager Fens
tersturzes?
Man hatte sich jedoch mit dem ersten Prager Fenstersturz von 1419
nicht besonders gründlich beschäftigt, sonst hätte man damit gerechnet,
dass ein Sturz aus größerer Höhe nicht zwangsläufig mit dem Tod endet.
Damals hatte man Leute bereitgehalten, die den durch den Sturz Verletzten
Fenstersturz in Prag 49
den Garaus machten. Darauf hatte man bei der Reinszenierung verzichtet,
sei es, weil man zusätzliche Personen ins Vertrauen hätte ziehen müssen
und so das Risiko einer vorzeitigen Aufdeckung des Komplotts erhöht
hätte, sei es, weil man offenes Blutvergießen scheute und darauf setzte, dass
die bei einem Sturz aus solcher Höhe zugezogenen Verletzungen zum Tode
führen würden. Doch genau das trat nicht ein: Alle drei «Defenestrierten»
überlebten. Sie schlugen nicht auf hartem Steinpflaster auf, sondern lande
ten auf einem großen Abfallhaufen, wie er in Burggräben allenthalben zu
rinden war; offenbar hatten auch die weiten Mäntel die Fallgeschwindig
keit gebremst, und die drei rutschten eher an der abgeschrägten Burgmauer
hinunter, als dass sie in freiem Fall stürzten. Jedenfalls verletzte sich nur
Siawata so schwer, dass er aus eigener Kraft kaum gehen konnte.
Als die Rebellen an den Fenstern der Burg bemerkten, dass die drei
überlebt hatten, feuerten sie ihre Pistolen auf sie ab, trafen aber nicht. Mar-
tinitz gelang noch in der Nacht die Flucht aus Prag, von wo aus er sich
nach Regensburg und München begab, um über den ungeheuerlichen
Vorfall zu berichten. Auch der Sekretär Fabricius konnte entkommen; er
reiste nach Wien, wo er dem Kaiser die erste Nachricht von den Ereig
nissen in Prag übermittelte. Fünf Jahre später wurde ihm der treffliche
Adelstitel «von Hohenfall» verliehen. Siawata wurde von seiner herbei-
gelaufenen Dienerschaft in das Haus des Zdenko von Lobkowitz gebracht,
seinem gerade in Wien weilenden Kollegen aus dem Statthalterkollegium.
Als Thurns Leute anrückten, um ihn aus dem Lobkowitz sehen Anwesen
herauszuholen, trat ihnen Polyxena von Lobkowitz entgegen und sorgte
dafür, dass sich Thum und seine Leute wieder zurückzogen. In diesem
Zurückweichen zeigte sich die Halbherzigkeit und Inkonsequenz der Pra-
eer Aufständischen. Polyxena von Lobkowitz hatte in der Zeit davor als
«Muse der Rekatholisierung» in Böhmen gewirkt; 14 wirklich entschlos
sene Aufständische hätten sich durch sie nicht bremsen lassen. Dass sie
vor Polyxena zurückwichen, ließ von Beginn an Zweifel aufkommen, ob
dieser Aufstand erfolgreich sein würde.
Der Anfang des Dreißigjährigen Krieges war von einer Paradoxie
geprägt: Man scheute vor Blutvergießen zurück und setzte doch (was man
indes nicht wissen konnte) einen Krieg in Gang, der zu einem der groß-
5° « I H R K E N N T N IC H T DIE F O L G E N E U R E S T U N S »
ten Blutvergießen der Geschichte werden sollte. Der von einer mutigen
und entschlossenen Frau gerettete Slawata blieb bis zu seiner Genesung in
deren Haus; danach verließ auch er heimlich Prag, um angesichts der eska
lierenden Lage nicht erneut in Gefahr zu kommen.
zigkeit Gottes, nicht allein am Leben nichts, sondern auch an der Gesund
heit wenig geschadet. » 15 Gottesfürchtige Leute hätten gesehen, so Mar-
tinitz weiter, wie «die allerseeligste und lobenswürdigste Jungfrau Maria,
Mutter Gottes, als seine [Martinitz] vortreffliche Patronin erschienen [sei],
welche ihn mit ihrem ausgebreiteten und unterlegten Mantel in dem Fall
gleichsam aufgehalten, desto sanfter zur Erden mählich fallen lassen und
also von gewissem Tod beim Leben und Gesundheit gnädiglich zu erhalten
geholfen hat» . 16
Die Radikalen beider Seiten spielten sich in die Hände, und durch die
ses Zusammenspiel wurden die politisch Gemäßigten mehr und mehr aus
geschaltet. In Böhmen waren das die Lutheraner, die auf eine Übereinkunft
mit dem Hause Habsburg gesetzt hatten, und in Wien war es Kardinal Klesl,
der auch nach den Prager Ereignissen an einer Politik des Ausgleichs fest-
halten wollte. Die Erzählung vom wunderbaren Eingreifen der Gottesmut
52 « I H R K E N N T N IC H T D IE F O L G E N E U R E S T U N S »
ter stand nicht zuletzt auch für eine Politik der Konfrontation und wurde
zum Einspruch gegen all diejenigen, die auf kompromissorientierte Ver
handlungen mit den Böhmen setzten: Die Gottesmutter selbst wollte, dass
mit der Rückgewinnung Böhmens für den Katholizismus ernst gemacht
wurde.
Mit dem Prager Fenstersturz begann der Dreißigjährige Krieg - auch wenn
im Mai 1618 keiner der Beteiligten eine Vorstellung davon hatte, wie lange
dieser Krieg dauern und wie viel Leid und Unglück er über die Menschen
bringen würde. Die aufständischen Böhmen orientierten sich außer an den
Hussitenkriegen ihrer Vorfahren am Beispiel der Niederlande, die sich in
einem langewährenden Krieg erfolgreich gegen das übermächtige Spanien
behauptet hatten.19 In Wien dagegen setzte man darauf, dass man den Auf
stand des böhmischen Adels - denn um mehr handelte es sich zunächst
ja nicht - schnell niederwerfen könne. Nur zu gut wusste man um die
Zerstrittenheit der Böhmen, um die Gegensätze zwischen Tschechen und
Deutschen, Lutheranern und Calvinisten, hohem und niederem Adel, städ
tischem Bürgertum und bäuerlichen Schichten, und ob sich die Markgraf
schaften Mähren, Nieder- und Oberlausitz sowie das Herzogtum Schlesien
den Prager Aufständischen anschließen würden, war noch völlig offen.20Im
Augenblick jedenfalls waren die Böhmen auf sich allein gestellt, und einige
kaiserliche Berater in Wien betrachteten den Aufstand als eine gute Gele
genheit, die seit den Hussitenkriegen gemachten Konzessionen zurück
zunehmen, vor allem die im Majestätsbrief Kaiser Rudolfs II. gewährten
Privilegien, und im Zuge einer entschiedenen Rekatholisierungspolitik ein
straffes landesherrschaftliches Regiment in Böhmen durchzusetzen. Aus
ihrer Sicht bot der Prager Fenstersturz die Chance für eine Politik, die von
einigen schon vor langem entworfen worden, aber stets an der Zögerlich-
keit der Kaiser Rudolf und Matthias gescheitert war.
Matthias war, als der Prager Aufstand begann, schwer krank, und sein
Anlässe und Ursachen 53
dem Theatro oder Schawplatz deß Teutschlands in praxi, zumalen als viel
die Materiam von Krieg und Frieden belanget, so viel gelernet und erfahren
haben, als hiebevor und für Alters keiner in etlichen seculis thun können » . 26
Dieser Krieg übertrefFe durch seine Länge und die Härte der Auseinander
setzung alle früheren historischen Beispiele, aus ihm sei ein Wissen über
Krieg und Frieden zu gewinnen, das allem anderen Wissen so weit über
legen sei, dass sich daraus sogar ein privilegierter Standort gegenüber dem
rer Antike ergebe.27 Das wollte etwas heißen in einer Zeit, da die Ereignisse
und Konstellationen der Antike noch allgemein als unerreichtes Vorbild
wie Wahrzeichen galten. Ein solcher Krieg konnte angesichts seiner zeit
lichen Dauer und räumlichen Ausdehnung nicht die Folge eines einzigen
Ereignisses sein, schon gar nicht die Folge eines so randständigen Vorgangs,
wie es der Prager Fenstersturz nun einmal war. Die Historiker mussten die
untergründigen Entwicklungen herausfinden, die zu diesem Krieg geführt
hatten, und dabei mussten sie zeigen, dass alle Ereignisse, die sich in der
Vorgeschichte des Krieges zugetragen hatten, in dessen Richtung wiesen.
«Den wahrsten Grund [für die Entstehung des Krieges] freilich»,
schrieb Thukydides, «zugleich den meistbeschwiegensten, sehe ich im
Wachstum Athens, das die erschreckten Spartaner zum Kriege zwang. » 28
den [Kerkyra und Korinth] sollten sich möglichst aneinander reiben, damit
im Notfall, wenn Athen Krieg führen müsse, Korinth und die anderen See
mächte schon geschwächt wären. » 30 Unter solchen Umständen waren alle
Ereignisse, die den Krieg auslösten, bloße Anlässe; die eigentliche Ursache
des Krieges lag in einer weithin selbstläufigen Entwicklung, jenseits der
Reichweite der politischen Akteure: im steten Wachstum des auf Handel
und Wandel angelegten Athen und in der sozioökonomischen Stagnation
des Militärstaats Sparta. 31
Wer in seiner Darstellung des Dreißigjährigen Krieges der thukydi-
deischen Unterscheidung zwischen Anlass und Ursache folgte, musste
historisch weit zurückgreifen, um jene Entwicklungen auszumachen, die
zwangsläufig zum Krieg führten, ihn unvermeidlich machten. Friedrich
Schiller etwa geht in seiner Geschichte des Dreißigjährigen Krieges ein ganzes
Jahrhundert zurück, wenn er mit den Anfängen der Reformation in Sach
sen beginnt, sich danach mit dem Augsburger Religionsfrieden beschäftigt,
um anschließend auf das Zerwürfnis von Lutheranern und Calvinisten ein
zugehen. Erst dann kommt er zu den genuin politischen Konflikten im Vor
feld des Krieges, der Reichsexekution gegen Donauwörth, der Bildung der
protestantischen Union und der katholischen Liga, dem Erbfolgestreit von
Jülich-Kleve-Berg, bevor er sich schließlich den Konstellationen in Böhmen
und dem Prager Fenstersturz zuwendet. Die aufgeführten politischen Kon
flikte, die auch anders hätten ausgehen können und deswegen eher dem
weiten Feld der Kontingenz zugehören als dem der Determination, sind für
Schiller nur ein Ausdruck des großen Streits zwischen den Konfessionen.
Bei einer solchen Herleitung konnten die Ereignisse in Prag bloß der Anlass
des Krieges, nicht aber dessen Ursache sein. Diese lag, wenn man bis zur
Reformation zurückging, wesentlich in der Glaubensspaltung. Schiller war
jedoch nicht der Auffassung, die Glaubensspaltung habe zwangsläufig zum
Krieg führen müssen; er beschreibt sie vielmehr als die Grundierung von
Konstellationen, in denen machtpolitische Konflikte eine deutlich größere
Eskalationsdynamik und damit Kriegswahrscheinlichkeit entfalteten, als
das üblicherweise der Fall gewesen wäre. Wer unter solchen Bedingungen
den Krieg vermeiden wollte, musste eine sehr viel aktivere und weitsichti
gere Friedenspolitik betreiben als sonst.
Anlässe und Ursachen 57
Rcarda Huch ist einen anderen Weg gegangen, als sie in ihrem mehr als
tuusendseitigen Werk Der Dreißigjährige Krieg, zunächst in drei Bänden
zwischen 1912 und 1914 unter dem Titel Der große Krieg in Deutschland ver-
orentlicht, die von den Historikern in die Zeit vor 1618 eingezeichneten
Hauptlinien des Konflikts in eine Fülle von Episoden aufgelöst hat; diese
stehen unvermittelt nebeneinander, und erst im Nachhinein erschließt sich,
wie sie Zusammenhängen und was sie mit dem Krieg zu tun haben. Huch
schleicht sich gleichsam über diverse Erzählstränge in das Geschehen ein:
Der Krieg entsteht fast unmerklich aus einer Reihe von politischen Pro-
ekten, Machenschaften und Intrigen, mit denen die fraglichen Akteure
beschäftigt sind. Es gibt in Huchs Erzählung keine Zäsur, die für das Ende
58 « I H R K E N N T N IC H T DIE F O L G E N E U R E S T U N S »
des Friedens und den Beginn des Krieges steht. Der Krieg schleicht sich
ein, nicht überall, sondern nur in begrenzten Räumen, und man hat den
Eindruck, diese Kriege, die zunächst nicht mehr als eine bewaffnete Fort
setzung der vorangegangenen Machenschaften und Intrigen sind, könnten
auch schnell wieder beendet werden. An die Stelle der großen Erzählung
vom unversöhnlichen Gegensatz zwischen Protestanten und Katholiken
tritt bei Huch ein mosaikförmiges Bild vom Wollen und Tun zahlloser
Akteure, die auf ihren Vorteil bedacht sind und ihre Position im verwirren
den Spiel um Macht und Reichtum zu verbessern trachten. Der Übergang
vom Frieden zum Krieg ändert dieses Spiel nicht grundsätzlich; eigentlich
machen alle unter den Bedingungen des Krieges so weiter, wie sie zuvor im
Frieden agiert haben. Mit einem Mal ist Krieg, und kaum einer hat gemerkt,
wie es dazu kam. Bei Schiller entsteht der Krieg, weil einflussreiche Akteure
ihn bewusst angesteuert haben, nachdem ihnen die Konflikte der Zeit nicht
mehr anders lösbar schienen; bei Huch ist er die Folge dessen, dass sich die
politischen Akteure nicht entschiedener um die Bewahrung des Friedens
gekümmert, sondern den Ereignissen ihren Lauf gelassen haben.
In Huchs Darstellung hätte die Unterscheidung von Anlass und Ursa
che keinerlei Sinn. Es gibt für sie keine beherrschenden Entwicklungen, die,
wie ein großer Magnet, die verwirrende Fülle der Episoden strukturieren
und ordnen. Demzufolge können Entscheidungen und Ereignisse auch
nicht zu bloßen Anlässen gegenüber den eigentlichen Ursachen herabge
stuft werden. Überall hat der Zufall seine Hand im Spiel, und die Darstel
lung der Vorgeschichte des Krieges wird zu einer großen Studie über Kon
tingenz. An die Stelle der konfrontativen Gruppenbildung, auf der Schillers
Ätiologie des Krieges beruht, treten bei Huch die persönlichen Dispositi
onen der kleinen und großen Machthaber, ihre Ziele und Absichten, vor
allem auch ihre charakterlichen Eigenschaften, die vorsichtige Zurückhal
tung bei den einen und die hochfliegenden Pläne bei den anderen. Sie alle
wissen nicht, worauf ihr Tun und Handeln hinausläuft - und sie machen
sich auch keine Gedanken darüber. Der Krieg ist nicht die Folge langfristi
ger Entwicklungen, sondern das unbeabsichtigte Ergebnis eines leichtfer
tigen Spiels. Selbstverständlich wäre er, folgt man Huchs Darstellung, zu
verhindern gewesen - wenn der eine Herrscher länger gelebt hätte und der
Anlässe und Ursachen 59
andere früher gestorben wäre, wenn Laune und Mutwille hier und da zu
änderen Entschlüssen geführt hätten, wenn die Mutterliebe im einen Fall
cennger und die väterliche Anerkennung im anderen Fall größer gewesen
wäre. Wo solche Kontingenzen das politische Feld beherrschen, ist jeder
Anlass immer auch eine Ursache, weil sich, wenn er ausgeblieben wäre, die
gesamte Abfolge des Geschehens verändert hätte.
Das ist eine Sichtweise, die sich in dieser Radikalität eher in literari-
j>dien als in historiographischen Darstellungen des Krieges findet - wobei
mmzuzufügen ist, dass die Erzählerin Ricarda Huch Historikerin war, eine
cer ersten Frauen, die an einer Universität promoviert wurden, in diesem
rali in Zürich, weil Frauen an deutschen Universitäten noch nicht zum Stu
dium zugelassen waren. Methodische Prinzipien und der Imperativ narrati
ver Stringenz hindern den Historiker daran, der Vorstellung einer völligen
Kontingenz der Ereignisse zu folgen - dass alles auch anders hätte kom
men können, wenn nur an einer einzigen Stelle eine andere Entscheidung
verrotten worden wäre. Das sind, wie die Lektüre von Huchs Werk zeigt,
- Hintergrundannahmen», und die Darstellung des Krieges kann sich nicht
dann erschöpfen, Kontingenzen zu beobachten und herauszustellen, wie
es denn so hätte gewesen sein sollen. Das Wirrwarr der Episoden muss sich
schließlich auch bei Huch zu einem Mosaik formen, und das ist am ehes
ten möglich, wenn sich die Darstellung auf einzelne Personen konzentriert
_r.d deren Handeln ausleuchtet. In diesem Sinn beruhen die Biographien
m den großen Gestalten des Dreißigjährigen Krieges, die umfangreichen
Werke vor allem zu Wallenstein und Gustav Adolf, auf der Annahme einer
weitgehenden Zufallshaftigkeit des Geschehens, in das die jeweilige Haupt-
i r u der Darstellung ordnend und wegweisend eingreift. Solche Biogra-
rhien sind von ihren theoretisch-methodologischen Voraussetzungen her
das Gegenstück zu den Gesamtdarstellungen, in denen der Dreißigjährige
Krieg als eine zwangsläufige Folge der bis weit ins 16. Jahrhundert zurück
reichenden Entwicklungen erscheint. In den biographisch ausgerichte-
:en Darstellungen tritt die Anlass-Ursache-Unterscheidung zurück, und
das politische Geschehen wird zu einem offenen Feld, in das die großen
Akteure ihren Willen einschreiben - eine Sicht also, bei der der Krieg
aus einer bestimmten Verkettung von Umständen und Zufällen entstand,
6o « I H R K E N N T N IC H T DIE F O L G E N EU R E S T U N S »
denen ein kluger und vorausschauender Akteur durchaus eine andere Rich
tung hätte geben können.
Kaiser Rudolf II. hätte, wenn er ein anderer gewesen wäre, eine solche
Rolle spielen können. Wenn Rudolf, so der Historiker Volker Press, ange
sichts der wachsenden religionspolitischen Konflikte im Reich und der
SelbsÜähmung der Reichsinstitutionen eine aktivere Politik betrieben und
dabei seine kaiserliche Rolle konfessionsubergreifend verstanden hätte, ori
entiert etwa an der Politik seines Vaters Maximilian II., dem «eigentlichen
Kaiser des Religionsfriedens»,33 dann wäre es womöglich nicht zur Bildung
der konfessionellen Gruppierungen, der protestantischen Union und der
katholischen Liga, gekommen, und die eskalatorische Konfliktdynamik,
die von den Deterministen herausgestellt wird, wäre gebremst, wenn nicht
gestoppt worden. Aber Rudolf war für eine solche Rolle völlig ungeeignet;
wochenlang verharrte er in grüblerischer Untätigkeit, ließ niemanden zu
sich, beschäftigte sich mit Astrolabien oder alchemistischen Experimenten
und widmete sich allerlei Skurrilitäten; dann wieder reagierte er bei jeder
Gelegenheit mit Tobsuchtsanfällen und wütete gegen seine Umgebung.
Außerdem lag er in beständigem Streit mit seinen Brüdern, namentlich
mit Matthias, der ihn von der Macht zu verdrängen suchte. Der «Bruder
kampf im Hause Habsburg», der in Form einer schrittweisen Entmachtung
Rudolfs durch Matthias ausgetragen wurde,34hat zur Paralyse der Reichsin
stitutionen erheblich beigetragen. Von Rudolf jedenfalls ist keine Initiative
gekommen, die den Konflikt moderiert oder entschärft hätte. Denkt man
diesen Ansatz zu Ende, so war es das Verhängnis Deutschlands, dass in der
politisch entscheidenden Phase vor dem großen Krieg eine psychisch labile
Person, ein von Depressionen und Entschlusslosigkeit geplagter Mann an
der Spitze des Reichs stand, der mit seinen kaiserlichen Aufgaben hoff
nungslos überfordert war.35
Matthias, der seinem älteren Bruder Anfang des Jahres 1612 offiziell
als Kaiser nachfolgte, nachdem er seit längerem schon de facto als solcher
agiert hatte, besaß zwar einen stärkeren Machtwillen als Rudolf und war
auch in höherem Maße von seinen Fähigkeiten überzeugt,36 aber auch er
unternahm keinen Versuch, die gelähmten Reichsinstitutionen als Vermitt-
lungs- und Schiedsinstanzen wieder arbeitsfähig zu machen. Im Rückblick,
Der Streit um das Marburger Land 61
fen sein.»37 Drei Jahre vor den Prager Ereignissen hat Moritz die künftige
Entwicklung recht präzise vorweggenommen, so jedenfalls könnte man
meinen. Man sollte darum annehmen, dass er selbst als Herrscher eines
mittelgroßen Landes einiges unternommen hätte, um den «verhängnisvol
len Brand» zu verhindern, von dem er in dem Brief spricht. Getan hat er
jedoch das genaue Gegenteil: Die Landgrafschaft Hessen-Kassel war eines
der energischsten Mitglieder der protestantischen Union und gehörte -
im Unterschied zu den Reichsstädten, die sich ebenfalls der Union ange
schlossen hatten, aber auf eine eher vorsichtige und zurückhaltende Politik
drängten - zu den entschiedenen Unterstützern der kurpfälzischen Politik,
die das Risiko einer bewaffneten Konfrontation mit der katholischen Liga
in Kauf nahm. Das mag damit zu tun gehabt haben, dass sich Moritz als
Reformierter der Kurpfalz, die als politische Speerspitze des Calvinismus
in Deutschland galt, eng verbunden fühlte; ebenso aber dürfte er von der
Vorstellung geprägt gewesen sein, dass der Krieg in Deutschland unver
meidlich sei und man deswegen auf ihn vorbereitet sein sollte.
Landgraf Moritz verfolgte diese Politik des Vorbereitetseins schon seit
längerem; im Jahre 1600 bereits hatte er eine 9000 Mann starke Söldner
truppe aufgestellt, die zu unterhalten seinem nicht gerade reichen Land
durchaus schwerfiel. 1604 besetzte er unter Einsatz dieser Söldner den grö
ßeren Teil des Marburger Landes und überrumpelte damit seinen Cousin,
den Landgrafen von Hessen-Darmstadt, der in der Marburger Erbangele
genheit auf einen Entscheid des kaiserlichen Hofes gesetzt hatte. Seitdem
musste Moritz damit rechnen, dass der Kaiser gegen ihn entschied und
eine Reichsexekution anordnete, um diese Entscheidung durchzusetzen,
was ihn umso fester an die Kurpfalz und die kurpfälzisch dominierte Union
band. Außerdem suchte er Rückhalt bei Frankreich, zu dem bereits sein
Vater enge politische Kontakte gepflegt hatte.38 Man kann den Brief an
Ludwig X III. darum auch ganz anders verstehen, nämlich als eine durch
Anlehnung an Frankreich erfolgte politisch-militärische Rückversicherung
für den Fall, dass der Kaiser gegen die Interessen des Landgrafen entschied.
Liest man den Brief im politischen Kontext, so handelte es sich bei ihm
weniger um die Warnung vor einem großen Krieg in Deutschland als viel
mehr um eine Vorbereitung darauf: Der französische König - also eine
Der streit um das Marburger Land 63
ii. Februar 1605 erging ein Erlass des Kaisers mit dem Hinweis darauf, «daß
Reichslehen nicht ohne Zustimmung des Kaisers vermacht, geteilt und
schiedsrichterlichem Spruche unterworfen werden dürften»; «die Akten
über die Marburger Erbfolge [wurden] eingefordert».39 Das kaiserliche
Eingreifen verschärfte den Streit, denn während Moritz bei seiner Auffas
sung blieb, ihm stehe die Hälfte der Erbschaft zu, erklärte Ludwig, der Kas
seler Cousin habe durch sein eigenmächtiges Vorgehen den Erbanspruch
verwirkt und das Erbe stehe nunmehr in Gänze der Darmstädter Linie zu.
Da Moritz jedoch mit Hilfe seines Militärs vollendete Tatsachen geschaffen
hatte, blieb der Status quo zunächst bestehen. Erst mit Beginn des Dreißig
jährigen Krieges kam in die Marburger Angelegenheit wieder Bewegung,
und je nach Kriegsglück war das umstrittene Gebiet einmal bei Kassel und
dann wieder bei Darmstadt. Beigelegt wurde der Streit im Rahmen der
Festlegungen des Westfälischen Friedens - im Übrigen ganz so, wie das
Austrägalgericht dies entschieden hatte.40
Es ging in der Marburger Angelegenheit indes nicht nur um die Zuge
hörigkeit von Territorien zu der einen oder der anderen Landgrafschaft,
sondern auch um religionspolitische Fragen. In der Tradition Philipps des
Großmütigen, der im Marburger Religionsgespräch zwischen Luther und
Zwingli und ihren unterschiedlichen Abendmahlsauffassungen zu vermit
teln versucht hatte, war Hessen in der Abendmahlskontroverse zwischen
Lutheranern und Calvinisten in allen vier Landgrafschaften lange Zeit neu
tral geblieben. Das hatte sich mit Moritz’ Regierungsantritt in Hessen-Kas
sel geändert; der junge Landgraf neigte der calvinistischen Abendmahls
auffassung zu, begnügte sich aber zunächst damit, dieser Auffassung
nahestehende Theologen in die maßgeblichen Kirchenämter zu berufen.
Im Sommer 1605, nach der Besetzung des Marburger Gebiets durch sein
Militär, gab er die zurückhaltende Linie auf und ordnete für das gesamte
Land eine Reihe konfessioneller Neuerungen an: Eine davon besagte, «daß
das Abendmahl nicht durch Reichung der Hostie, sondern durch Brechung
des Brotes gespendet werden sollte», eine weitere, «daß das Verbot, Gott
abzubilden, als zweites Gesetz der zehn Gebote gelehrt und demgemäß der
Bilderschmuck aus den Kirchen entfernt werden solle».41 Auch wenn in
den landgräflichen Anordnungen nirgendwo ein Wechsel der Konfession
Der Streit um das Marburger Land 65
der Erbschaft zur Folge hätten. Für den Fall, dass der Konflikt als Rechts
streit ausgetragen worden wäre, bei dem ein Reichsgericht das letzte Wort
gehabt hätte, hätte Moritz’ Wechsel zur reformierten Abendmahlspraxis
eine erhebliche Schwächung seiner Erbansprüche bedeutet. Vermutlich
war deshalb in seinen Anordnungen nicht von einem Wechsel der Konfes
sion die Rede. Die Folge war jedenfalls, dass Hessen-Kassel mehr an einer
militärischen als an einer rechtlichen Lösung des Erbschaftsstreits gelegen
war, während Hessen-Darmstadt in enger Anlehnung an Kursachsen eine
ausgesprochen kaisertreue Politik betrieb.44
Das pohtische Dilemma des Reichs lässt sich auch an der «Komposi-
uenspolitik» des Kardinals Klesl aufzeigen, der die kaiserliche Politik seit
Anfang 1611 leitete und mit den Folgen, die die Blockade der Reichsinstitu-
nenen mit sich brachte, bestens vertraut war. Mit dieser Politik versuchte
Klesl die unterschiedlichen Komponenten der habsburgischen Herrschaft
neu zu ordnen. A uf der einen Seite setzte Klesl, wie an seiner Reaktion
auf den Protest der böhmischen Stände gegen die wiederholte Verletzung
ues Majestätsbriefs ablesbar,44 in den habsburgischen Erblanden auf eine
entschiedene Politik der Konfessionalisierung, durch die er sicherstellen
»olite, dass das Haus Habsburg gegenüber den anderen Reichsfürsten
nicht ins machtpolitische Hintertreffen geriet; auf der anderen Seite war
68 « I H R K E N N T N IC H T D IE F O L G E N E U R E S T U N S »
Reichs behandelte, nicht gelang. Eine weitere Chance war dahin, vom Weg
einer zunehmenden Polarisierung abzubiegen. Aber war der Krieg damit
wirklich unvermeidlich?
Nicht nur das Versagen oder Scheitern von Politikern war für die politisch
gefährliche Lage im Reich verantwortlich, sondern auch die Entstehung
von Konstellationen, bei denen der äußere Zwang schwand, im Reich über
alle konfessionellen Gegensätze hinweg zusammenzuarbeiten. Einer der
Gründe war der im November 1606 in Zsitva-Torok geschlossene zwanzig
jährige Waffenstillstand mit den Türken, der 1615 vorzeitig für weitere zwan
zig Jahre verlängert wurde. Damit hatte der «äußere Feind» an Bedeutung
eingebüßt, der in der Vergangenheit immer wieder zur Kooperation genö
tigt hatte.51 Über Jahrzehnte hatte die «Türkengefahr» den Kaiser davon
abgehalten, sich den inneren Problemen des Reichs und insbesondere des
sen konfessioneller Spaltung zu widmen; stattdessen hatte ihn die Heraus
forderung durch das Osmanische Reich gezwungen, ein ums andere Mal
auf die Protestanten zuzugehen, wenn er deren Zustimmung benötigte,
um Sondersteuern für die Finanzierung der Türkenkriege zu erheben. Der
Wegfall der «Türkengefahr» veränderte die Lage im Reich von Grund auf;
wahrscheinlich wäre die Geschichte in der ersten Hälfte des 17. Jahrhun
derts anders verlaufen, wenn die Heere der Osmanen weiterhin in Rich
tung Wien vorgestoßen wären. Die militärischen Kräfte der Hohen Pforte
waren während dieser Zeit im Südosten ihres Reichs jedoch durch fortge
setzte Kriege gegen die offensiv gewordenen Perser gebunden.
Die Folge war, dass die Habsburger bei der Konsolidierung ihrer Herr
schaft in den Erblanden weithin freie Hand hatten, dass sie auf die Stände
weniger Rücksicht nehmen mussten als zuvor und deswegen auch in Böh
men auf eine Politik setzen konnten, in der besänftigende Konzessionen
keinen Platz mehr hatten. Pointiert gesagt: Die Deeskalation des einen
Konflikts hat die Eskalation des anderen Konflikts zu einem veritablen
Krieg überhaupt erst möglich gemacht. Bei fortbestehender «Türken
gefahr» hätte der Prager Fenstersturz keineswegs zum Bruch zwischen
den böhmischen Ständen und dem habsburgischen Landesherrn führen
müssen. Für sich genommen war der Fenstersturz ein Ereignis, das man
War der Krieg wirklich «unvermeidlich»? 71
burger mit einer Auseinandersetzung begonnen, die auch mit einem poli
tischen Zerwürfnis hätte enden können: Philipp III. von Spanien machte
nämlich als Enkel Kaiser Maximilians II. Erbrechte auf Ungarn und Böh
men geltend, die nach Madrider Auffassung höher waren als die des vom
Wiener Erzhaus zum Erben bestimmten Ferdinand von Steiermark, der
«nur» ein Enkel von Ferdinand I. war. Ferdinand hätte die Berechtigung
dieses höherwertigen Anspruchs unter Verweis auf das Wahlrecht der
ungarischen und böhmischen Stände bestreiten können, aber dann hätte
er sich auf eine weitere Stärkung der Stände in beiden Ländern eingelassen,
und das hätte im Widerspruch zu der unter Matthias begonnenen Konso-
lidierungspolitik in den habsburgischen Erblanden gestanden.53 Ferdinand
entschloss sich deshalb, mit seinem spanischen Vetter Verhandlungen auf
zunehmen, die einen Interessenausgleich der beiden zum Ziel hatten. Die
Verhandlungen wurden von Ferdinands Onkel Maximilian vorangetrieben.
Erzherzog Maximilian, selbst kinderlos und also ohne wesentliche eigene
Interessen in dieser Frage, besaß bei den deutschen Reichsständen großes
Ansehen, so dass man ihm Zutrauen konnte, die geistlichen Kurfürsten
sowie Johann Georg von Sachsen, den Kopf der lutheranischen Partei, für
die Kaiserwahl Ferdinands zu gewinnen.54Es war jedenfalls ein geschickter
Schachzug der Wiener Politik, neben den ungarischen und böhmischen
Erbansprüchen sogleich die Kaiserwürde ins Spiel zu bringen, denn der
Spanier Philipp hätte nie und nimmer eine Chance gehabt, zum deutschen
Kaiser gewählt zu werden. Damit wäre den Habsburgern eine seit mehr als
anderthalb Jahrhunderten besetzte Position verlorengegangen, und ohne
die Kaiserwürde hätte, wie sich bei den Verhandlungen schon bald zeigte,
das spanische Interesse an einer engen Verbindung mit der Wiener Linie
keine rechte Substanz mehr gehabt. Wien war für Madrid nur interessant,
weil und solange es über die Kaiserwürde verfügte.55 Insofern kann man
wohl davon ausgehen, dass die Erbansprüche Philipps auf Ungarn und
Böhmen nur aus verhandlungstaktischen Gründen ins Spiel gebracht wur
den und es in politikstrategischer Hinsicht um ganz andere Ziele ging.
Die zwischen dem spanischen Gesandten am Kaiserhof, Don Baltha
sar de Züniga, dem Vorgänger Onates, und Hans Ulrich von Eggenberg,
einem engen Vertrauten Ferdinands,56 geführten Verhandlungen liefen
Das Porträt zeigt Ferdinand II. auf dem Höhepunkt seiner Macht,
nicht nur als gewählten Kaiser, sondern auch, verdeutlicht durch den
Lorbeerkranz auf seinem Haupt, als Sieger im Krieg. Für den Kriegskaiser
Ferdinand stehen auch die Waffen, Feldzeichen und Pauken, die das
Porträt umrahmen. 1619 zum Kaiser gewählt, waren die achtzehn Jahre
seiner Regierungszeit wesentlich durch Kriege gekennzeichnet, in denen es
Ferdinand um die Festigung der habsburgischen Macht in den Erblanden
and im Reich sowie die Ausbreitung der katholischen Gegenreformation in
Deutschland ging.
mit dem Eisass ein zentrales Teilstück der «spanischen Gasse», die von
Genua über die Alpenpässe und den Rhein bis in die südlichen Nieder
lande führte. A uf diese Verbindungslinie war man angewiesen, um die in
den Niederlanden stehenden Truppen im Fall eines Wiederaufflammens
des Krieges versorgen und verstärken zu können.57 Zwar dienten die spani
schen Gelder Ferdinand zunächst dazu, die zur Steiermark gehörige Stadt
Gradiska, die von venezianischen Truppen hart bedrängt war, militärisch
zu entsetzen, aber schon bald wurden die Soldaten dort (zusammen mit
spanischen Truppen aus Flandern) gegen die rebellierenden Böhmen ins
Feld geführt, und das spanische Geld finanzierte (mit weiteren Subsidien)
den Krieg des Kaisers in Mitteleuropa. «Die eindrucksvolle und sofortige
Unterstützung Ferdinands durch den König von Spanien [machte] den lan
gen Jahrzehnten des Mißtrauens und der Mißverständnisse ein Ende, die
die beiden Hauptzweige des Hauses Habsburg voneinander geschieden
hatten» - so das Resümee des britischen Historikers GeofFrey Parker.58
Im Gefühl seiner neuen Handlungsmacht war Ferdinand nicht bereit,
sich auf Verhandlungen mit den Prager Rebellen einzulassen. So wurde
die bei einigen von ihnen durchaus vorhandene Konzessionsbereitschaft
nicht weiter ausgetestet. Trotz der spanischen Hilfe war die neu gewon
nene Macht des Kaisers nicht groß genug, das böhmische Heer ohne den
militärischen Beistand Herzog Maximilians von Bayern und der unter sei
ner Führung stehenden Liga-Truppen schnell und vernichtend zu schlagen.
Im Gegenzug für die militärische Hilfe hatte der Kaiser dem Bayernher
zog aber Zugeständnisse machen müssen, die einer schnellen Beendigung
des Krieges entgegenstanden.59 Dabei ging es um die Übertragung der
Kurwürde von den pfälzischen Wittelsbachern auf die bayerischen Wit
telsbacher und die Einverleibung der Oberpfalz in das Herzogtum Bayern.
Außerdem nutzten die Spanier die Chance, am Rhein zwecks Sicherung der
«spanischen Gasse» militärische Präsenz zu zeigen und sich dadurch stra
tegische Vorteile für die zu erwartende Auseinandersetzung mit den nörd
lichen Niederlanden zu verschaffen.60 So hatte sich der Krieg in Böhmen
mit der spanischen Politik in den Niederlanden verbunden. Was sich auf
den ersten Blick wie ein regional begrenzter Aufstand ausnahm, war von
Beginn an ein tief in die europäischen Konstellationen verstricktes Ereignis,
Kalenderstreit und Reichsexekution gegen Donauwörth 75
und erst dadurch wurde es zu dem Funken, der das Pulverfass entzündete.
Insofern war der Prager Fenstersturz mehr als ein bloßer Anlass zum Krieg,
der gegen jeden anderen Anlass auszutauschen gewesen wäre.
Es war denn auch ein Konflikt in einer dieser bikonfessionellen Städte, der
dazu führte, dass sich politisch-militärische Parteien der beiden Konfessio
nen im Reich formierten. Von 1595 bis 1618 ist es in etwa zwanzig Städ
ten zu konfessionell geprägten Krawallen und Aufständen gekommen,63
aber keiner davon hatte derart weitreichende Folgen wie der von 1607 in
Donauwörth.64 Donauwörth hatte damals etwa 4000 Einwohner; bereits
Mitte des 16. Jahrhunderts, als der Augsburger Religionsfrieden in Kraft
trat, waren die Protestanten in der großen Mehrheit. Zudem befanden sie
sich im Besitz der einzigen Pfarrkirche und stellten die Mehrheit der Rats
mitglieder. Um 1600 gab es in Donauwörth nur noch sechzehn katholische
Haushalte. Die Seelsorge für die Katholiken fand in dem an der Stadtmauer
gelegenen Benediktinerkloster «Zum Heiligen Kreuz» statt. Die religiösen
Rituale beider Seiten waren so räumlich hinreichend voneinander getrennt,
Kalenderstreit und Reichsexekution gegen Donauwörth 77
und es gab über lange Zeit keine Konflikte, wenn man einmal davon absieht,
dass der protestantische Rat der Stadt die katholische Seite notorisch
benachteiligte, indem er alles daransetzte, die Vergabe des Bürgerrechts an
Katholiken zu verhindern.
Mit der Gegenreformation kamen dann jedoch zunehmend Zöglinge
des Dillinger Jesuitenkonvikts in das Donauwörther Kloster, denen die bis
dahin praktizierte Zurückhaltung bei der öffentlichen Präsentation der
eigenen Rituale zuwider war. Um den Katholizismus wieder sichtbar zu
machen, erneuerten sie untergegangene Prozessionspraxen, statteten die
Prozessionen mit neuem Gepränge aus und sorgten dafür, dass Katholiken
aus der näheren und ferneren Umgebung Donauwörths daran teilnahmen.
Da man über Land zu benachbarten Kirchen zog und in Donauwörth selbst
das offene Präsentieren von Symbolen eher mied, blieb es anfänglich bei
einem konkurrierenden Nebeneinander; es waren voneinander getrennte
Raume, die symbolisch als «Eigenräume» markiert wurden.65
Das änderte sich im Frühjahr 1605, als man erstmals die der Prozession
vorangetragenen Fahnen beim Durchschreiten des städtischen Gebiets ent
faltete und frei flattern ließ, anstatt sie, wie bisher, eingerollt zu lassen. Bei
eingerollter Fahne waren die Bilder und Schriffzeichen verdeckt, und das
meß, dass man den durchschrittenen Raum als «fremden Raum» respek
tierte. Das Ausrollen der Fahne hingegen stand für weitergehende Ansprü
che. was eine Reihe radikaler Protestanten in Donauwörth umgehend
als Provokation begriff. Der Rat der Stadt, der zu Recht eine Eskalation
befürchtete, erhob Einspruch gegen die veränderte Form der Prozession
und nötigte die Mönche, bei der für den 16. Mai 1605 vorgesehenen Veran
staltung die Fahnen eingerollt zu lassen. Der Augsburger Bischof Heinrich
von Knöringen, der sich auf eine seitens des Donauwörther Stadtrats frei
lich bestrittene Schirmvogtei über das Benediktinerkloster berief, wandte
sich daraufhin an den kaiserlichen Hofrat und forderte ihn auf, gegen
Donauwörth einzuschreiten, um die freie Religionsausübung in der Stadt
zu gewährleisten. Am 24. Oktober 1605 wertete der Reichshofrat das Ein-
wirken des Donauwörther Rats auf die Mönche als Religions- und Land-
riedensbruch. Dieser Bescheid des Hofrats erging als mandatum sine clau
sula, womit prozessuales Einreden keine aufschiebende Wirkung für den
7« « I H R K E N N T N IC H T D IE F O L G E N E U R E S T U N S »
POLEN
BÖHMEN
(kein Kreis)
Kreise
BBMB Kurrheinischer Kreis
m HHl Oberrheinischer Kreis
EHÜZ3 Burgundischer Kreis
1' 1 Österreichischer Kreis
I 1 Westfälischer Kreis
I. - : I Obersächsischer Kreis
L l ■/1 Niedersächsischer Kreis
I ' I Fränkischer Kreis
1 I Schwäbischer Kreis
1 I Bayerischer Kreis
.... ■■ 11 Reichsgrenze
82 « I H R K E N N T N IC H T DIE F O L G E N EU R E S T U N S
Christoph und Achatius von Dohna sowie Vollrad von Plessen und Hip
polyt von Colli zu nennen - , die diese Sichtweise teilten: Der große Glau
benskrieg zwischen Katholiken und Protestanten sei unvermeidlich,70
und deswegen könne man nichts Besseres tun, als diesen Krieg politisch
vorzubereiten.
Christian und seine Anhänger waren unentwegt damit beschäftigt,
protestantische Bündnisse zu entwerfen, um der von den beiden Linien
der Habsburger sowie Papst und Jesuiten vorangetriebenen «Verschwö
rung» entgegentreten zu können. Sie entwickelten über mehr als ein Jahr
zehnt rege diplomatische Aktivitäten, und dabei variierte eigentlich nur die
Reichweite der Bündnisprojekte, die sie verfolgten. Die Niederlande waren
darin immer eingeschlossen, was schon aufgrund der personellen Verbin
dungen zwischen der Kurpfalz und dem Haus Nassau-Oranien nahelag.
Den Oraniern oblag die militärische Führung im Krieg der Niederlande
gegen Spanien, und in ihrem Heer dienten auch zahlreiche pfälzische Offi
ziere. Neben der kurpfälzisch-niederländischen Achse als Zentrum aller
Bündnisprojekte spielte im einen Fall der französische König Heinrich IV.
eine besondere Rolle, im anderen der englische König Jakob I., dem die
politische Führung des internationalen Protestantismus zugetraut wurde,
und fast immer waren die Mächte des Nordens, Dänemark und Schweden,
in den antikatholisch-antihabsburgischen Bündnisplänen der Heidelber
ger mit von der Partie.71 Die auf katholischer Seite virulente Vorstellung
einer mächtigen «protestantischen Internationalen» war zwar ebenfalls
eine Verschwörungstheorie, die Disparates zu einem großen Ganzen ord
nete; sie hatte in den kurpfälzischen Bündnisprojekten wenigstens so etwas
wie einen politisch identifizierbaren Kern.
Die meisten dieser Bündnisprojekte waren typische Intellektuellen
produkte: Sie orientierten sich an den politischen Idealperspektiven der
ins Auge gefassten Mächte, schenkten deren tatsächlicher Politik, den
konkreten Verhältnissen des Landes, seinen internationalen Interessen
und Verwicklungen sowie den Neigungen und Fähigkeiten der Personen,
die es beherrschten, jedoch nur wenig Beachtung. Der vorsichtige und
zögerliche Jakob I. dachte nicht daran, «sich an die Spitze eines interna
tionalen protestantischen Bündnisses zu stellen», und dem französischen
Die Gründung von Union und Liga 85
Projekte waren analytisch genial, aber realpolitisch naiv. So wurden sie zum
europäischen Verhängnis.
Eines der großen Probleme, mit denen die kurpfälzische Politik zu
kämpfen hatte, war die notorische Distanz Kursachsens gegenüber der für
die Heidelberger elementaren Annahme, der Krieg sei unvermeidlich. In
Dresden war man der Überzeugung, mit etwas gutem Willen und entspre
chender Kompromissbereitschaft lasse sich der Frieden im Reich bewah
ren. Grundlage dieser Politik der Friedenswahrung war für Kursachsen
die Orientierung am Augsburger Religionsfrieden, und auch wenn dieser
von Katholiken und Protestanten immer wieder unterschiedlich ausgelegt
wurde - in Anbetracht der Formelkompromisse und der vielen Zusatzver
einbarungen kaum verwunderlich - , so gab es doch keinen Grund anzu
nehmen, dass man in strittigen Fragen nicht zu einem für beide Seiten
akzeptablen Ausgleich kommen könne. Das war eine Sicht, die sich im Gro
ßen und Ganzen nicht von der Kardinal Klesls unterschied, aber in einem
grundlegenden Gegensatz zu der stand, die in Heidelberg vorherrschte -
insofern stand die kursächsische Politik vor dem Krieg und noch in dessen
erstem Jahrzehnt dem katholischen Kaiser näher als den protestantischen
Glaubensbrüdern in Heidelberg, den «Calvinern», wie man sie in Dres
den nannte, denen gegenüber man eine tiefe Abneigung pflegte.74
Wenn schon in Deutschland keine geschlossene Front des Protestan
tismus herzustellen war, so einer der Einwände gegen die kurpfälzische
Politik, wie sollte das dann im internationalen Rahmen möglich sein?
Gerade wegen der Uneinigkeit in Deutschland, so die Antwort der Heidel
berger, müsse man auf internationale Bündnisse setzen, denn nur auf diese
Weise lasse sich die politische Schwäche des deutschen Protestantismus
ausgleichen, die auf die katholische Seite wie eine Einladung zum Angriff
wirken müsse; dies ließe sich schon an den zunehmenden Restitutions
forderungen erkennen. Damit wurde eine weitere Trennlinie innerhalb
des deutschen Protestantismus sichtbar: In Kursachsen, das sich als Hüter
und Oberhaupt des orthodoxen Luthertums sah, nahm man die politi
schen Konflikte als Herausforderungen im Kontext des Reichs wahr - man
könnte mit einem anachronistischen Zungenschlag auch von einer nationa
len Perspektive sprechen75 - und fürchtete, dass die Internationalisierung
Die Gründung von Union und Liga 87
ederzeit zum Guten wenden und den Frieden erhalten könne, und dabei
dürfe ihm die Politik nicht durch fehlendes Vertrauen in seine Güte und
Gnade im Wege stehen.
nern und Calvinisten keine Rolle spielen sollte, das also eine breitere Basis
hatte, als dies bei einer Koalition ausschließlich der Reformierten der Fall
war. Die Pfälzer vollzogen damit eine strategische Wende, weg von den
internationalen Bündnisprojekten, die sie bis dahin favorisiert hatten, hin
zu einem nur aus Reichsständen bestehenden Bündnis, und dieses Bündnis
sollte im Unterschied zu den bisher verfolgten Projekten keinen Offensiv-,
sondern Defensivcharakter haben. Es ging nicht länger um die Revision des
Augsburger Religionsfriedens, in den die Calvinisten ja nicht eingeschlos
sen waren, sondern um dessen Verteidigung, wie man sie bereits in der
auf dem Regensburger Reichstag eingebrachten Beschlussvorlage formu
liert hatte. Damit betrieb man eine sehr viel wirklichkeitsnähere Politik als
zuvor. Die kurpfälzische Politik wechselte aus dem Bereich der utopischen
Projektemacherei auf das Feld der Realpolitik hinüber.
Am 12. Mai 1608 (nach dem julianischen Kalender, dem die Vertragschlie
ßenden folgten, war es freilich erst der 2. Mai), also knapp zwei Wochen
nach Schließung des Reichstags in Regensburg, trafen sich reformierte und
lutherische Fürsten im säkularisierten Kloster Auhausen nahe Nördlingen,
um die Protestantische Union zu bilden, ein auf zehn Jahre abgeschlossenes
Bündnis, in dem sich die Mitglieder für den Fall eines Angriffs von außen
zu gegenseitiger Hilfe verpflichteten.81 In der Präambel des Vertrags wurde
auf den 1495 vom Wormser Reichstag verkündeten Allgemeinen Land
frieden und die zu seiner Bewahrung im Jahre 1555 festgelegte Exekutions
ordnung mit den dafür verantwortlichen Reichskreisen Bezug genommen,
sogleich aber betont, dass beides in jüngster Zeit durch «beschwerlichen
mißverstanndt» in Zweifel gezogen und durch «feindtliche und thetli-
che handtlungen uberschrieten und in mehr weeg frefenlichen darwieder
gehandelt» worden sei.82 Das protestantische Sonderbündnis legitimierte
sich also mit dem Anspruch, die bestehende Ordnung des Reichs erhalten
und verteidigen zu wollen. Das war ein geschickter Schachzug, der auf die
reichskonservativen Lutheraner abzielte und Distanz hielt zu der bislang
von den Pfälzern betriebenen Revisionspolitik. Ausdrücklich wurde ver
sichert, dass man dem Kaiser den gebührenden Gehorsam erweise, den
Reichsständen in guter Nachbarschaft zugetan sei und der Verfassung
D ie Gründung von Union und Liga 93
des Reichs keinerlei Abbruch tun wolle, sondern das Bündnis «vielmehr
zu besterckung derselben und beßeren erhaltung friedes und einigkeit im
Reich» geschlossen habe und «alß liebhaber und gehorsame Stendte des
Reichs Teütscher nation unsers geliebten Vatterlandts» handele.83 Die auf
diese Präambel folgenden achtzehn Artikel des Vertrags legen dann detail-
jert die Führung des Bündnisses, die gegenseitigen Verpflichtungen sowie
den Umgang mit Beute und Gefangenen fest. Hier ging es um die Konditi
onen von Koalitionskriegführung. Der Vertrag von Auhausen war nicht nur
eine politische Deklaration oder Absichtserklärung; er schuf die Voraus
setzungen für eine operative Politik, mit der die Unterzeichner sich hinfort
cegen eine Wiederholung der Ereignisse von Donauwörth zur Wehr setzen
wollten. Entgegen den Bekundungen der Präambel veränderte das sehr
wohl die Verfassungswirklichkeit im Reich.
Es kann also nicht verwundern, dass das reichs- und verfassungskon
servative Kursachsen den Auhausener Vertrag nicht unterschrieb und
uer Union nicht beitrat. Aber es folgten nicht länger alle dem Luthertum
inhängenden Fürsten der kursächsischen Linie, sondern Herzog Johann
Friedrich von Württemberg, Herzog Philipp Ludwig von Pfalz-Neuburg
und Markgraf Georg Friedrich von Baden-Durlach, allesamt strenge
Lutheraner, waren in Auhausen dabei und unterschrieben am 14. Mai
den Vertrag im Kapitelsaal des einstigen Klosters - einem Ort somit, dem
svmbolische wie programmatische Bedeutung zukam. Außer ihnen Unter
zeichneten Fürst Christian von Anhalt-Bernburg für die Kurpfalz, Mark
ern Christian von Brandenburg-Bayreuth sowie Markgraf Joachim Ernst
von Brandenburg-Ansbach. Einige Zeit später traten dann noch Kurfürst
rr.ann Sigismund von Brandenburg, Landgraf Moritz von Hessen-Kassel,
Gottfried Graf zu Oettingen sowie die Reichsstädte Nürnberg, Straßburg
und Ulm dem protestantischen Schutz- und Trutzbündnis bei. Vor allem
der Beitritt der traditionell reichsfreundlichen Städte zeigte die tiefgrei-
rer.de Veränderung, die sich zwischenzeitlich vollzogen hatte: Kursachsen
war nicht länger der dominante Anführer des deutschen Protestantismus,
und die Kurpfalz war nicht mehr bloß ein Sammelpunkt der notorisch
Unzufriedenen; nunmehr befand sich Sachsen in der Außenseiterposi-
ron. und die politische Führung des deutschen Protestantismus war von
94 « I H R K E N N T N IC H T D IE F O L G E N E U R E S T U N S »
Im Allgemeinen wird
Friedrich V. als ein Opfer der
unverantwortlichen Politik
seiner Räte dargestellt, die ihn
in das «böhmische Abenteuer»
hineinmanövriert haben. In
einer Mischung aus politischer
Sorglosigkeit, calvinistischem
Vertrauen in die eigene
Gottesauserwähltheit und dem
Bestreben, seiner attraktiven
Gemahlin Elisabeth Stuart eine
repräsentativere Residenzstadt
als Heidelberg zu bieten, hat
er sich auf das von seinen
Räten forcierte Projekt zur
Annahme der böhmischen
Krone eingelassen - und ist nach
einjähriger Herrschaft wieder
aus Böhmen vertrieben worden.
ein wichtiges Glied darin, aber auch nicht mehr. Damit verschätzte er sich
jedoch im Charakter der Union, schwächte sie letzten Endes und machte
das Schwert, das er für den Kampf geschmiedet hatte, wieder stumpf. Das
begann mit dem Bündnis, das die Kurpfalz 1612 mit dem englischen König
Jakob I. schloss und zu dessen Besiegelung die Ehe zwischen Friedrich und
Elisabeth angebahnt wurde. Dieses Bündnis, das die Risikobereitschaft der
pfälzischen Politik nur noch bestärkte, beruhte auf einer doppelten Fehl
einschätzung: Jakob überschätzte die innere Festigkeit und Handlungsfä
higkeit der Union, und die Pfälzer wiederum überschätzten die Bereitschaft
des englischen Königs, sich in die Konflikte des Kontinents verstricken zu
lassen.87In der Folge überschätzten die Pfälzer ihr politisches Gewicht, und
gleichzeitig vermochten sie die politischen Möglichkeiten, die ihnen die
Union bot, nicht zu nutzen.
Auch die katholische Seite war nicht untätig geblieben: Unter Führung
Herzog Maximilians von Bayern wurde am 10. Juli 1609 in München die
L:ga als Pendant zur Union gegründet; neben Bayern gehörten ihr vor
allem süddeutsche Prälaten an, die sich durch das Bündnis der Protestan-
;en bedroht fühlten. Es waren dies der Fürstbischof von Würzburg, die
Bischöfe von Konstanz, Augsburg, Passau und Regensburg, der Propst von
Ellwangen und der Fürstabt von Kempten. Schon ein Jahr später traten die
Erzbistümer am Rhein der Liga bei, Kurmainz, Kurtrier und Kurköln, und
bald danach erlangten auch die habsburgischen Erzherzoge Maximilian,
Regent von Tirol, und Ferdinand, Herr über die Steiermark, sowie der bur-
gundische Reichskreis Aufnahme. Damit konnte es die Liga ohne weiteres
mit der Union aufnehmen, zumal ihre finanzielle Ausstattung eine sehr viel
solidere Grundlage hatte als die der Union. Außerdem stand mit Herzog
Maximilian ein umsichtiger und sehr viel realistischerer Politiker an ihrer
Spitze, als das mit Friedrich V. und Christian von Anhalt bei der Union
der Fall war. Freilich hatte auch die Liga das Problem, das der Union so
sehr zu schaffen machte, nämlich die recht unterschiedliche Interessenlage
ihrer Mitglieder, die einer entschiedenen Politik des Bündnisses ein ums
andere Mal im Wege stand. Maximilian hat den Beitritt der beiden habs
burgischen Erzherzoge nicht als Stärkung, sondern als Lähmung der Liga
98 « I H R K E N N T N IC H T D IE F O L G E N E U R E S T U N S »
Union, gegenüber dem Kaiser, aber auch gegenüber den eigenen Landstän
den, die ihm während seiner langen Regierungszeit von 1598 bis 1651 nie
mals Schwierigkeiten bereiteten. Sie vertrauten darauf, dass der Herzog in
seiner Finanz- und Kriegspolitik stets die allgemeinen Interessen des Lan
des im Auge hatte, so dass sie sich nicht als Repräsentanten des Gemein
wohls gegen das fürstliche Eigeninteresse stellen mussten. Das waren her
vorragende Voraussetzungen für die Führung eines Bündnisses.
Auch hatten die Bündnispartner der Liga größeres Vertrauen zu ihrem
Bundesobristen Maximilian als die Unierten zu Christian von Anhalt. Die
Liga hatte die deutlich effizientere und autoritärere Bundesstruktur.89 Des
wegen war sie in Krisen und Konflikten schneller reaktionsfähig, und ihre
letztlich unter bayerischem Kommando stehenden Truppen waren sehr
viel schlagkräftiger als das zusammengestückelte Heer der Union. Da Maxi
milian bei der Verfolgung seiner politischen Ziele keine anderen Optionen
hatte als die Liga, konzentrierte er sich ganz auf sie und baute sie zu einem
Instrument aus, mit dem er seine Macht als bayerischer Herzog erweitern
wollte. Das war auch deswegen möglich, weil der Kaiser (zum Zeitpunkt
der Gründung noch Rudolf II., danach Matthias) dem Bündnis zunächst
nicht beitrat, es aber wohlwollend unterstützte, so dass es zu einer struktu
rellen Arbeitsteilung zwischen Liga und Kaiser kam: Die Liga konzentrierte
sich ausschließlich auf die katholischen Interessen im Reich, während die
internationalen Verbindungen der katholischen Seite vom Kaiser gepflegt
wurden. Das betraf vor allem die Kontakte zu Spanien, also das Verhält
nis zwischen den beiden Zweigen des Hauses Habsburg. So blieb die Liga
frei von Verpflichtungen gegenüber Madrid und konnte sich, als diese an
sie herangetragen wurden, erfolgreich dagegen zur Wehr setzen. Kurzum:
Die Liga verfügte im Vergleich zur Union über eine sehr viel größere ope
rative Beweglichkeit, und das sollte sich in der Anfangsphase des Krieges in
aller Deutlichkeit zeigen.90Die mit jeder Form von Koalitionskriegführung
verbundenen Probleme wurden bei der Liga durch die starke Stellung des
Bundesobristen in Grenzen gehalten, und Maximilian sorgte dafür, dass
es dabei blieb. Als die Liga durch den Beitritt zweier habsburgischer Erz
herzoge nur noch schwer zu steuern war, trat Maximilian, wie gesagt, aus
und paralysierte sie dadurch, um bei ihrer Wiederbelebung dafür zu sor
Der Erbschaftsstreit um das Herzogtum Jülich-Kleve-Berg 101
gen, dass sie ein politisches Instrument in seinen Händen blieb. Im Fall der
Union dagegen führten die Koalitionsfragen zur Lähmung des Bündnisses,
und um diese Lähmung zu überwinden, hätte es einer sehr viel stärkeren
Macht an ihrer Spitze bedurft als der Kurpfalz und eines sehr viel stärker
auf die Handlungsfähigkeit des Bündnisses bedachten Anführers als eines
Christian von Anhalt.
Der Erbschaftsstreit um
das Herzogtum Jülich-Kleve-Berg
nicht allzu sehr exponierte, um zu vermeiden, dass sich eine gegen seine
Entscheidung gerichtete Koalition aus Reichsständen und auswärtigen
Mächten bildete. Solange er nicht entschieden hatte, konnte man die Erb
prätendenten gegeneinander ausspielen; hatte er sich erst einmal festgelegt,
war das nicht mehr möglich. Es war nicht zuletzt diese Konstellation, die
dazu führte, dass man im Reich nicht gerade tatkräftig nach einer Lösung
des Problems suchte. Durch die Untätigkeit des Kaisers verlor der Herzog
von Burgau im Ringen um die Nachfolge an Bedeutung, und auch der Her
zog von Pfalz-Zweibrücken spielte zuletzt keine Rolle mehr, da es ihm nicht
gelungen war, relevante Verbündete auf seine Seite zu ziehen.
So konkurrierten in der Erbschaftsfrage mehr und mehr der branden-
burgische Kurfürst Johann Sigismund und Herzog Philipp Ludwig von
Pfalz-Neuburg beziehungsweise dessen Sohn Wolfgang Wilhelm. Da Bran
denburg sich die Unterstützung der Kurpfalz und der vereinigten niederlän
dischen Provinzen, der Generalstaaten, gesichert hatte, war es naheliegend,
dass die Neuburger auf der Gegenseite nach Verbündeten suchten. Aber
wer war die Gegenseite? Philipp Ludwig, ein Lutheraner, setzte auf ein
lutherisches Bündnis, kam dabei aber infolge der notorisch abwartenden
Haltung Kursachsens nicht sonderlich weit. Sein Sohn Wolfgang Wilhelm
verhandelte nicht nur mit dem Kaiser, sondern nahm auch mit Philipp III.
von Spanien und Erzherzog Albrecht, dem Regenten der spanischen
Niederlande, Kontakt auf. Als klar war, dass er dort auf Gegenliebe stieß,
stellte sich der französische König Heinrich IV., um dessen Unterstützung
zunächst beide Seiten geworben hatten, auf die Seite Brandenburgs. Nicht
weil er, wie einige meinten, im Grunde seines Herzens nach wie vor Calvi
nist war, sondern weil aus machtpolitischen Gründen das fragliche Gebiet
an der sensiblen Nordostflanke Frankreichs keinem prospanischen Fürsten
anheimfallen sollte.95
Bei dieser Entwicklung spielte einmal mehr Christian von Anhalt eine
zentrale Rolle: In der entscheidenden Phase der Koalitionsbildung reiste
er selbst nach Frankreich, um Heinrich IV. für das von ihm seit langem
verfolgte Projekt einer internationalen antihabsburgischen Koalition zu
gewinnen. Und dieses Mal stieß er beim französischen König auf offene
Ohren, denn jetzt passten die eher geopolitischen Überlegungen Heinrichs
io 6 « I H R K E N N T N IC H T D IE FO L G E N EU R E S TU N S
Heinrich IV., um zum Jahr 1610 zurückzukommen, war einerseits ein kühl
kalkulierender Kopf, andererseits aber durchaus entscheidungsfreudig.103
Darin war er dem Schwedenkönig Gustav Adolf vergleichbar, der ebenfalls
viele Aspekte zu bedenken vermochte und doch in der Lage war, alles auf
eine Karte zu setzen, wenn er den Einsatz für lohnend hielt. Ein solcher Typ
von Politiker befand sich in Spanien nicht an den Schalthebeln der Macht.
In Frankreich hatte nach Heinrichs Ermordung mit der Königinwitwe
Maria de’Medici für einige Zeit ein Charaktertyp das Sagen, der gänzlich
andere Präferenzen hatte als Heinrich, der auch die Lage anders beurteilte
110 « I H R K E N N T N IC H T D IE FO L G E N EU R E S T U N S »
und eher am Status quo als an dessen Veränderung orientiert war. Insofern
kann man wohl sagen, der Attentäter Ravaillac habe entscheidend in den
Gang der europäischen Geschichte eingegriffen, als er Heinrich erstach. Er
hat wahrscheinlich verhindert, dass der große Krieg in Europa bereits 1610
oder 1611 begann. A uf den ersten Blick verhinderte Ravaillac den Krieg, tat
sächlich aber hat er ihn lediglich verzögert. Vermutlich hat die Ermordung
Heinrichs IV. dazu geführt, dass der Krieg, als er dann tatsächlich losbrach,
sich sehr viel länger hinzog, als er gedauert hätte, wenn es 1610 zur Mäch
tekonfrontation gekommen wäre. Es spricht vieles dafür, dass eine solche
Konfrontation sich wegen des gleichzeitigen Kriegseintritts sämtlicher
relevanter Großmächte explosionsartig entladen hätte und vergleichsweise
schnell auf dem Schlachtfeld entschieden worden wäre. Man kann das als
eine müßige kontrafaktische Spekulation über Geschichtsverläufe abtun,104
und doch handelt es sich dabei um die analytische Kehrseite der Theorien,
die mit der Unterscheidung von Anlass und Ursache arbeiten: Wo diese
erwägen, ob der Krieg unvermeidlich war und jeder beliebige Anlass zu sei
nem Ausbruch hätte führen können oder ob es, wenn es diesen oder jenen
Anlass nicht gegeben hätte, auch nicht zum Krieg gekommen wäre, geht es
hier um die Frage, mit welchen politischen, gesellschaftlichen und nicht
zuletzt menschlichen Kosten der Krieg verbunden gewesen wäre, wenn es
sich von Anfang an um eine große Konfrontation gehandelt hätte und er
nicht erst schrittweise zu einem Krieg geworden wäre.
Durch den Tod Heinrichs IV. blieb der Jülicher Erbfolgekrieg räum
lich wie zeitlich eng begrenzt. Er ist für die Vorgeschichte des Dreißigjähri
gen Krieges vor allem deshalb von Interesse, weil er einen anderen Verlauf
nahm als der Konflikt zwischen Ständen und Landesherren in Böhmen.
Nach dem Tod Johann Wilhelms ergriffen Kurfürst Johann Sigismund von
Brandenburg und Pfalzgraf Wolfgang Wilhelm die Initiative und ließen
durch entsprechend instruierte Vertrauensmänner von Jülich-Kleve-Berg
Besitz ergreifen. Dabei waren sie in einigen Teilen des Landes zunächst
erfolgreich, aber sobald sich ihre Aktionen überschnitten und die beiden
um Loyalität konkurrierten, rief das die Stände des Niederrheins auf den
Plan, die erklärten, sich vor einer abschließenden Entscheidung des Kaisers
keinem der beiden anschließen zu wollen. Damit war aus Sicht der Präten
Der Erbschaftsstreit um das Herzogtum Jülich-Kleve-Berg tu
denten eine dritte Partei im Spiel, denn sie sahen im Kaiser eher einen Kon
kurrenten als eine neutrale Entscheidungsinstanz - zu Recht, wie sich im
weiteren Verlauf der Auseinandersetzung zeigen sollte.105
In dieser Situation ergriff Landgraf Moritz von Hessen-Kassel die
Initiative; er wollte verhindern, dass sich die protestantischen Mächte
gegenseitig blockierten, so dass am Schluss die katholische Seite obsiegte.
Moritz vermittelte ein Treffen beider Seiten in Dortmund, wo diese sich
im «Dortmunder Rezeß» vom 10. Juni 1609 auf eine vorläufige Teilung des
Landes verständigten: «Daß erstlich beyde Persohnen / biß zur fernem
gütlichen oder rechtlichen Austragh / sich jure familiaritatis, vnd als nahe
Verwandten vndt Bludtfreunden mit einander freundlich wollen begehen /
vndt wieder alle andere Anmassunge / zu erhaltung vnd defension der Lan
den / zu sammen setzen So gelang es, den Widerstand der Stände
gegen die Inbesitznahme der Territorien zu überwinden und in Düssel
dorf eine gemeinsame Regierung der beiden «Possedierenden», wie sie
sich fortan bezeichneten, zu errichten. Dabei missachteten sie die kaiserli
chen Mandate, die jede Inbesitznahme durch einen Erbprätendenten ver
boten, bis der kaiserliche Reichshofrat in der Angelegenheit entschieden
hatte. Aus Sicht des Kaisers standen sie damit in offenem Aufruhr gegen
das Reich, während sie selbst argumentierten, der Reichshofrat sei in der
Angelegenheit gar nicht zuständig, sondern in einem solchen Fall könne
der Kaiser nur gemeinsam mit einer Versammlung der Standesgenossen
entscheiden. Insofern sei ihr Handeln nicht Aufruhr, sondern Widerstand
gegen Unrecht.107 Das war ein Legitimationsmuster, wie es im Verlauf des
Dreißigjährigen Krieges immer wieder auftauchte: der Vorwurf des Auf
ruhrs und die dem entgegengesetzte Rechtfertigung, man leiste nur legiti
men Widerstand.
Die kaiserliche Seite beließ es indes nicht bei bloßen Ankündigungen:
Erzherzog Leopold, Bischof von Passau und Straßburg, traf am 23. Juli in
der von einer kaisertreuen Garnison unter dem Amtmann Johann von Rau
schenberg gehaltenen Festung Jülich ein und wurde dort umgehend zum
einzig legitimen Vertreter der Landesregierung erklärt. Damit veränderte
sich die Konstellation gravierend, denn Leopolds Erscheinen mobilisierte
nicht nur die katholischen Vertreter innerhalb der Stände, sondern ließ
112 « I H R K E N N T N IC H T D IE FO L G E N EU R E S T U N S »
Für Christian von Anhalt war das ein großer Erfolg der protestantischen
Aktionspartei: A uf dem Unionstag in Schwäbisch Hall hatten sich die ver
sammelten Fürsten und Städte nach anfänglichem Zögern entschlossen, die
Possedierenden zu unterstützen, und damit faktisch offensiv agiert; außer
dem hatten die oberdeutschen Unionsmitglieder, als Erzherzog Leopold in
seinen Bistümern Passau und Straßburg mit Truppenwerbungen begann
und mehrere Regimenter Fußsoldaten sowie berittene Einheiten aufstellen
ließ, diese blockiert und am Durchzug in Richtung Niederrhein gehindert,
so dass sie den bedrängten Verteidigern Jülichs nicht zu Hilfe kommen
konnten; schließlich waren Truppen der Union in Straßburger Gebiet ein
gefallen und hatten das dort bereitgestellte Militär Leopolds «zerstreut»
- bei alldem hatte auf Seiten der Protestanten Kursachsen kaum eine Rolle
gespielt. Währenddessen hatte die katholische Liga dem Scheitern Erz
herzog Leopolds am Niederrhein tatenlos zugesehen und darauf verzich
tet, militärisch einzugreifen.110 Es dürften nicht zuletzt diese Erfolge im
Jülicher Erbfolgekrieg gewesen sein, die Christian acht Jahre später davon
überzeugt sein ließen, dass die Union beim böhmischen Ständeaufstand
gegen Habsburg zu einer ähnlich geschlossenen Politik und einer ebenso
wirkungsvollen Unterstützung der protestantischen Sache fähig sein werde.
Das war ein Irrtum mit weitreichenden Folgen.
Bereits damals gab es Anzeichen dafür, dass die Union zu einer offen
siven Politik, wie sie Christian vorschwebte, ungeeignet war und dass bei
riskanteren Entscheidungen eine größere Zahl von Bündnispartnern für
strikte Zurückhaltung eintreten würde. Das zeigte sich auf dem Unionstag
von Heilbronn, der ein halbes Jahr nach den Beschlüssen von Schwäbisch
Hall ein ganz anderes Gesicht der Union zeigte. Als die Versammlung am
29. Juni 1610 eröffnet wurde, hatte die Belagerung Jülichs noch nicht begon
114 « I H R K E N N T N IC H T D IE F O L G E N E U R E S T U N S »
nen, und es war nicht absehbar, wie sich die Lage am Niederrhein entwi
ckeln würde. Stattdessen kam aus Prag die Nachricht, der Kaiser wolle in
Übereinstimmung mit den katholischen und den von Sachsen angeführten
konservativen protestantischen Ständen die Unierten zu Landfriedensbre
chern erklären und bestrafen. Sosehr man sich in der Jülicher Angelegen
heit im Recht sah, so unsicher waren sich nun viele wegen des offensiven
Vorgehens auf Straßburger Gebiet. Einige machten geltend, derlei sei durch
die Beschlüsse von Schwäbisch Hall nicht gedeckt; es handele sich dabei
um die Aktionen einiger Fürsten, bei der man die Städte nicht gefragt
habe, weswegen sie für die entstandenen Kosten nicht aufkommen wür
den.111 Neben den unterschiedlichen Sichtweisen der Reformierten und
der Lutheraner trat damit der alte Gegensatz zwischen Städten und Fürs
ten hervor, und die Städte wehrten sich gegen eine Entwicklung der Union,
bei der sie für die Kosten dessen aufkommen mussten, worüber die Fürsten
allein entschieden hatten. Die Städte befanden sich bei diesem Konflikt in
einer starken Position, denn die Fürsten waren auf ihr Geld angewiesen:
Die finanziellen Mittel der Städte machten sie von den Steuerbewilligun
gen ihrer Landstände unabhängig und verschafften ihnen einen politischen
Spielraum, den sie sonst nicht gehabt hätten. Das wussten die Reichsstädte
und spielten ihre Karten dementsprechend aus. Die Versammlung in Heil
bronn zeigte, dass die Union alles andere als eine geschmeidige Waffe in der
Hand der kurpfälzischen Politik war.
Tatsächlich war der Jülicher Erfolg der Union mit einem Zurückwei
chen in drei anderen Fragen verbunden: erstens dem am 6. September in
Willstätt Unterzeichneten Vergleich mit dem Stift Straßburg, wonach die
Union unverzüglich ihre Truppen aus Straßburger Gebiet abzog und im
Gegenzug die dort für Leopold geworbenen Truppen entlassen wurden.
Zweitens verzichtete man auf ein offensives Vorgehen gegen Herzog Maxi
milian, durch das dieser gezwungen werden sollte, die ursprünglichen Ver
hältnisse in Donauwörth wiederherzustellen. Dieser Verzicht wiederum
war, drittens, die Voraussetzung dafür, dass man sich mit Maximilian darauf
verständigen konnte, dass beide Seiten, Union und Liga, abrüsteten und
bis zum 15. November 1610 das angeworbene Militär wieder abdankten.
So entledigte sich die Union der «Unternehmungen, die ihr zu schwer zu
Der Erbschaftsstreit um das Herzogtum Jülich-KIeve-Berg US
Mit Leopolds kläglichem Scheitern hatte sich das geändert, und das kai
sertreue und reichskonservative Sachsen erschien aus habsburgischer Sicht
nun als optimale Lösung. Kurfürst Christian II. von Sachsen erklärte sich
bereit, zwei der auf Straßburger Gebiet geworbenen Infanterieregimenter
in Sold zu nehmen und sie durch eigene Kavallerie zu verstärken, um die
beanspruchten Gebiete zu besetzen. Doch das von den rheinischen Erz
bischöfen verfolgte Projekt, das lutherische Sachsen in die katholische
Liga aufzunehmen und dessen Ressourcen für militärische Operationen
am Niederrhein zu nutzen, scheiterte am Widerstand des Bayernherzogs
Maximilian, der die Liga als Bündnis unter seiner Führung erhalten wissen
wollte; an ihrer Umwandlung in eine Exekutionsmacht kaiserlicher Ent
scheidungen war er nicht interessiert - er wäre der Verlierer einer solchen
Bündnistransformation gewesen. Damit war klar, dass Sachsen für die Kos
ten eines Gebietsgewinns am Niederrhein selbst würde aufkommen müs
sen, und das dämpfte angesichts der leeren Staatskasse den zeitweiligen
Enthusiasmus der Dresdner Politik.
Das sächsische Intermezzo blieb am Niederrhein nicht ohne Folgen,
machte es den beiden Possedierenden doch klar, wie prekär ihre Stellung
war, nachdem sich die Union als Unterstützungsmacht zurückgezogen
hatte und mit Frankreich unter der Regentschaft Maria de’Medicis nicht
länger zu rechnen war. Unter diesen Umständen gab es für Kurbranden
burg und Pfalz-Neuburg prinzipiell zwei Möglichkeiten: Entweder man
reaktivierte die alten Verbündeten beziehungsweise suchte neue Unter
stützer - oder aber man ließ sich auf einen Kompromiss ein, in den alle in
die Jülicher Angelegenheit involvierten Akteure des Reichs eingeschlossen
waren. Zunächst versuchte man es mit der letztgenannten Möglichkeit; das
Ergebnis war der am 31. März 1611 zwischen Brandenburg, Pfalz-Neuburg
und Sachsen geschlossene Jüterboger Vertrag, der eher auf einen For
melkompromiss als auf eine politisch handhabbare Übereinkunft hinaus
lief. Moriz Ritter hat ihn so zusammengefasst: «Hier suchte man in der
zunächst drängenden Frage des Besitzes der Jülicher Lande alle Teile zu
befriedigen: Brandenburg und Neuburg, indem man sie in ihrem Besitze
beließ, Sachsen, indem man es unter gewissen Voraussetzungen in den
ungeteilten Mitbesitz aufnehmen wollte, den Kaiser, indem man ihm die
Der Erbschaftsstreit um das Herzogtum Jülich-Kleve-Berg 117
Einige Schlussfolgerungen
für die Darstellung des Krieges
Auf Bündnissuche
len, mit denen man eine militärische Entscheidung hätte suchen können.1
Dazu hätte er sich freilich auch an die Stände der österreichischen Erb
lande wenden müssen, die aufgrund ihrer Sympathien für den böhmischen
Ständeaufstand nicht bereit waren, ein kaiserliches Heer für den Feldzug
gegen die Böhmen zu finanzieren. Das Geld für die Kriegführung musste
anderweitig beschafft werden. Obendrein war der schwerkranke Kaiser
weder willens noch in der Lage, einen Unterwerfungskrieg gegen die Böh
men zu führen. Die Verhaftung Klesls, die von den Erzherzogen Ferdinand
und Maximilian angeordnet wurde, und seine anschließende Deportie
rung nach Tirol zielten deshalb vor allem auf Kaiser Matthias, dem damit
sein politisches Ausführungsinstrument aus der Hand geschlagen wurde.
Als Ferdinand und Maximilian an Matthias’ Krankenbett traten, um dem
Noch-Kaiser von Klesls Verhaftung zu berichten, wurde dieser «erst von
Grimm, dann von Angst erfaßt, um sich schließlich ins Unvermeidliche zu
schicken»2. Es ist also durchaus zutreffend, wenn die Verhaftung Klesls als
«Staatsstreich» (oder «Hausstreich») bezeichnet wird,3 durch den der
Kaiser entmachtet und Erzherzog Ferdinand zur entscheidenden Person
in Wien wurde.
Die Machtverteilung in Wien wurde neu geordnet, aber das wäre kaum
ohne die Einwilligung der spanischen Linie möglich gewesen. Graf Onate,
der Madrider Botschafter am Kaiserhof, scheint von Anfang an in den Coup
d’Etat der beiden Erzherzoge eingeweiht gewesen zu sein, und vermutlich
war er bei der Vorbereitung der Aktion sogar die treibende Kraft im Hin
tergrund. In Madrid war man zuvor nämlich zu dem Ergebnis gekommen,
dass die Gesamtinteressen des Hauses Habsburg großen Schaden nehmen
würden, wenn man die rebellischen Böhmen gewähren lasse und nicht mit
aller Entschiedenheit gegen sie vorgehe. Da solches mit Kaiser Matthias
nicht möglich war, musste man dem Schwerkranken seine rechte Hand
nehmen, um das aus spanischer Sicht erforderliche militärische Vorgehen
gegen die Böhmen durchsetzen zu können.
Dabei hatte ausgerechnet Klesl in einer Denkschrift, die er kurz
nach Eintreffen der Nachricht vom Prager Fenstersturz verfasst hatte, die
Grundlinien dieser neuen Politik entwickelt. Die eigentliche Ursache
des Aufstands, so schrieb er darin, sei in der protestantischen Ketzerei zu
Auf Bündnissuche 123
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und der Katholiken. Es bleibe dem Kaiser darum gar nichts anderes übrig,
als den Kampf gegen die Böhmen aufzunehmen und ihn mit äußerster Ent
schlossenheit zu führen. In der offiziellen Begründung solle aber, so die
Denkschrift weiter, nicht der religiöse Streit, sondern die Verteidigung der
Rechte des Landesherrn herausgestellt werden. Nicht als Religionskonflikt,
sondern als Streit um die politische Ordnung und die Position des Lan
desherrn solle dieser Krieg propagandistisch dargestellt werden. Was Klesl
unter allen Umständen vermeiden wollte, war eine Konfrontation der Kon
fessionen, die dazu hätte führen können, dass sich die zerstrittenen Protes
tanten zu einer geschlossenen Front formierten. Wenn es hingegen um die
Rechte des Landesherrn und die der Stände gehe, würden sich auch viele
protestantische Landesfürsten fragen, ob sie einen Aufstand unterstützen
sollten, der ihren Interessen eindeutig zuwiderlief.
Selbst Klesl hielt den Krieg inzwischen für unvermeidlich, aber er wollte
verhindern, dass er zu einer eskalierenden Konfrontation der Konfessionen
wurde; stattdessen setzte er auf eine sukzessive Ausschaltung der landstän
dischen Gegner der habsburgischen Herrschaft. Klesl wollte vermeiden,
dass das angesammelte Pulver schlagartig explodierte, es sollte langsam
abbrennen. In diesem Sinne erging am 18. Juni eine kaiserliche Antwort auf
die böhmischen Beschwerden und die dort ergriffenen Maßnahmen, der
zufolge der Majestätsbrief von Seiten des Kaisers nicht verletzt worden
sei und über aufgekommene Missverständnisse eine noch einzusetzende
Kommission befinden werde. Alle von den Pragern vorgenommenen krie
gerischen Maßnahmen, wie die Mobilisierung des Landesaufgebots und
zusätzliche Truppenwerbungen, seien sofort einzustellen; sie seien gegen
die Landesverfassung gerichtet und griffen in die Rechte des Landesfürsten
ein. Kennt man den Hintergrund des kaiserlichen Patents nicht, lässt sich
diese Antwort als Ausdruck von Verhandlungs- und Kompromissbereit
schaft missverstehen; tatsächlich handelte es sich um ein politisches Strate
gen! für den bevorstehenden Krieg, das die protestantische Unterstützung
für die Böhmen möglichst gering halten sollte. Faktisch ist die kaiserliche
Politik in ihrer offiziellen Selbstdarstellung bis zum Restitutionsedikt von
1629 diesen Vorgaben Klesls gefolgt.
Auf Bündnissuche US
Die habsburgische Strategie, den Streit mit den Böhmen als Verfassungs
und nicht als Konfessionskonflikt darzustellen, zeigte bald Wirkung. Als
die böhmischen Stände auf der Suche nach Verbündeten bei der Union
und einer Reihe protestantischer Mächte außerhalb des Reichs um Unter
stützung nachsuchten, wurden sie allenthalben abschlägig beschieden -
mit Ausnahme der Niederlande, bezeichnenderweise der einzigen Macht,
für die das Argument, die Rechte des Landesherrn seien in Gefahr, keine
Rolle spielte. Im Frühjahr 1619 beschloss man im Haag, den Böhmen
Hilfsgelder von 25 000 Talern pro Monat zu zahlen, zunächst freilich auf
drei Monate begrenzt und nur für den Fall, dass die Böhmen tatsächlich
Krieg führen und die Niederlande sich im Frieden befinden würden. Stellt
man dem allein die päpstlichen Subsidien gegenüber, die an Wien gezahlt
wurden - sie beliefen sich von Juli 1618 bis Ende 1620 auf eine Summe
von 304 000 Talern, hinzuzurechnen sind die im selben Zeitraum an die
Liga gezahlten 204 000 Taler - , 5 so zeigt sich darin der Erfolg von Klesls
Doppelstrategie, den Krieg als Verfassungskonflikt zu deklarieren und ihn
allenfalls verdeckt als Konfessionskrieg zu führen. Dem hatten die Böhmen
nichts Vergleichbares entgegenzusetzen.
Innerhalb Böhmens war die Suche nach Verbündeten durchaus erfolg
reich, aber auch hier nicht auf allen Ebenen gleichermaßen. Man ging kon
sequent vor: Unmittelbar nach dem Fenstersturz wurde ein dreißigköpfiges
Direktorium eingesetzt, das Ständeheer wurde aufgeboten und unter den
Befehl des Grafen Thurn gestellt, des Weiteren wurden die Jesuiten aus
dem Land vertrieben und das Eigentum jener Adligen konfisziert, die als
Anhänger der Gegenreformation hervorgetreten waren. Man war bemüht,
die Kontrolle über das gesamte Land zu gewinnen, und dazu gehörte auch,
dass man gegen die Städte vorging, die sich dem Aufstand nicht angeschlos
sen hatten. Vergleicht man indes die Entwicklung des Aufstands in Böhmen
mit der des Aufstands in den Niederlanden ein halbes Jahrhundert davor,
so fällt auf, dass der böhmische Aufstand überwiegend eine Angelegenheit
des Adels war und es nicht oder nur unzulänglich gelang, die Bauernschaft
auf dem Lande und die Bürger in den Städten für seine Ziele zu mobili
sieren. In den Adelskreisen gab es eine ausgeprägte Neigung, die für den
Erfolg des Aufstands erforderlichen Anstrengungen zu unterschätzen, was
126 E IN A U FSTA N D , D ER DAS R EIC H E R S C H Ü T T E R T
sich unter anderem darin zeigte, dass nur bescheidene finanzielle Mittel für
die Werbung von Söldnern und die Aufstellung eines schlagkräftigen Hee
res bereitgestellt wurden .6 Offenbar gab man sich der Hoffnung hin, man
könne mit relativ geringem Aufwand erfolgreich sein.
Zur Selbsttäuschung der böhmischen Aufständischen über das Risiko,
das sie eingegangen waren, und die radikalen Maßnahmen, die vonnöten
waren, um den Aufstand zum Erfolg zu führen, trug auch bei, dass sie von
den Ständen der anderen habsburgischen Erblande Zuspruch und Unter
stützung erfuhren. Im Oktober 1618 schlossen sich die Stände Schlesiens
dem böhmischen Aufstand an, und mit dem Tod von Kaiser Matthias am
20. März 1619 sahen sich auch die Stände Mährens sowie der Ober- und
Niederlausitz von ihren Loyalitätsverpflichtungen gegenüber dem Hause
Habsburg entbunden. Am 31. Juli 1619 schlossen sich die Böhmen, Mähren,
Schlesier und Lausitzer zur Confoederatio Bohemica zusammen, indem sie
sich eine aus hundert Artikeln bestehende libertäre und föderative Verfas
sung gaben. Auch den ober- und niederösterreichischen Ständen wurde der
Beitritt zu dem «Staatenbund» angetragen, doch diese zögerten, den ent
scheidenden Schritt in den Aufstand mitzumachen. Immerhin traten sie in
enge Beziehungen zur Böhmischen Konföderation und sagten ihr alle nur
denkbare Unterstützung zu.7 Von den habsburgischen Erblanden blieben
zunächst nur die Ungarn abseits und steuerten einen loyalistischen Kurs.
Für Ferdinand bedeutete das freilich keine nennenswerte Unterstützung,
da stets mit einem Einfall Bethlen Gabors, des Fürsten von Siebenbürgen,
nach Ungarn gerechnet werden musste, so dass die ungarischen Kräfte
im eigenen Land gebunden waren. Außerdem konnte die Stimmung in
Ungarn jederzeit Umschlagen, und die antihabsburgischen Kräfte konnten
die Oberhand gewinnen.
Ferdinand durfte nicht damit rechnen, in den habsburgischen Erblan
den nennenswerte Kräfte mobilisieren zu können - weder in Gestalt von
Militäreinheiten, die man ihm zur Verfügung gestellt hätte, noch in Form
von Sondersteuern, die ihm von den Ständen bewilligt worden wären.
Unter diesen Umständen war er auf auswärtige Hilfe angewiesen. Das war
einer der Gründe dafür, warum der sich abzeichnende Krieg von den Habs
burgern nicht als eine innerhalb ihrer Erblande zu erledigende Angelegen
Auf Bündnissuche 127
heit behandelt wurde. Ferdinand, seit 1617 böhmischer König und gemäß
den hausinternen Absprachen der Casa d'Austria designierter Nachfolger
auf dem Kaiserthron, war also noch stärker als die Böhmen auf Unterstüt
zung von außen angewiesen. Er erhielt sie, wie schon erwähnt, vom Papst,
weiterhin von einigen italienischen Mächten, unter anderem der Republik
Genua, die Subsidien zahlte, und dem Großherzog der Toskana, der Sol
daten schickte,8 vor allem aber vom spanischen König, der in großem Stil
Finanzmittel zur Verfügung stellte und kriegserprobte Truppen in Marsch
setzte, und schließlich auch von der neuformierten katholischen Liga unter
Führung Herzog Maximilians. Doch die spanische und die bayerische
Hilfe hatte ihren Preis, und die Entrichtung dieses Preises lief auf eine Ent
grenzung des Krieges hinaus. Auch wenn einige Historiker die erste Hälfte
des Krieges bis zum militärischen Eingreifen Schwedens als «deutschen
Krieg» bezeichnen und davon die zweite Hälfe als «europäischen Krieg»
absetzen,9 so war dieser Krieg doch von Anfang an ein europäischer Kon
flikt: Dafür sorgten die Subsidien des Papstes an die Habsburger und die
der Holländer an die Böhmen, die Entsendung flandrisch-wallonischer
Truppen zugunsten des Kaisers sowie das Eingreifen des Siebenbürger
Woiwoden Bethlen Gabor und schließlich die zeitweilige Finanzierung
eines auf Seiten der Böhmen stehenden Söldnerverbands unter Ernst von
Mansfeld durch den savoyischen Herzog Karl Emanuel.
Dass Spanien den österreichischen Habsburgern zu Hilfe kommen
würde, stand trotz der Wiederannäherung beider Linien und des Onate-
Vertrags keineswegs von Anfang an fest. Spanien war, wie beschrieben, wirt
schaftlich erschöpft und brauchte dringend eine längere Friedensperiode.10
Der Herzog von Lerma, der bis Oktober 1618 die spanische Politik leitete,
plädierte dafür, auf Matthias und Ferdinand besänftigend einzuwirken
und ihnen nahezulegen, den böhmischen Forderungen entgegenzukom
men.11 Bei den am 14. Juli 1618 geführten Beratungen im Staatsrat bot er
100 000 Dukaten an, die mit dem Hinweis zu versehen seien, das sei das
Letzte und Äußerste, was Spanien erübrigen könne. Dagegen bestanden Bal
thasar de Züniga und der Herzog von Infantado darauf, dass Kaiser Matthias
und König Ferdinand unverzüglich 200 000 Dukaten zur Verfügung gestellt
würden und man darüber hinaus bereit sein müsse, diese Summe noch ein
128 E IN A U FSTA N D , D ER DAS R EIC H E R S C H Ü T T E R T
mal deutlich zu erhöhen, falls die Niederlande auf Seiten der Böhmen in den
Konflikt eingriffen. Dann werde man auch nicht umhinkönnen, Wien mit
Truppen zu Hilfe zu kommen, indes nicht mit Einheiten aus Italien, wie es
Graf Onate vorgeschlagen hatte, sondern mit Truppen aus Flandern und der
Wallonie, die Erzherzog Albrecht, Statthalter der südlichen Niederlande, in
seiner Eigenschaft als Reichsstand nach Böhmen entsenden solle.
Züniga, der lange die spanischen Interessen am Kaiserhof vertreten
hatte und mit den Verhältnissen im Reich gut vertraut war, wusste um die
dort grassierenden antispanischen und antiitalienischen Affekte, die er
nicht unnötig mobilisieren wollte.12 Lerma dagegen fürchtete, weitgehende
Zusagen an die österreichischen Habsburger würden diese dazu verleiten,
einen Krieg zu beginnen, den am Ende Madrid finanzieren müsse. Die
anschließend getroffene Entscheidung war ein Kompromiss: Man über
wies 200 ooo Dukaten sofort und stellte weitere Gelder in Aussicht, wies
Graf Onate aber an, auf die Wiener Politik im Sinne eines Ausgleichs mit
den Böhmen einzuwirken. Dem konnte auch Züniga zustimmen, denn er
wollte kriegerische Auseinandersetzungen vermeiden, bis die Wahl des
neuen Kaisers erfolgt war.
Für die spanische Unterstützung war ausschlaggebend, dass Züniga
nach Lermas Sturz seit Oktober 1618 die Außenpolitik Madrids bestimmte;
zusammen mit Graf Onate steuerte er einen Kurs, der auf eine immer stär
kere Unterstützung Wiens hinauslief. Bis Juli 1619 hatte Spanien bereits
3,4 Millionen Taler an die österreichischen Habsburger gezahlt; Ende 1624
summierten sich diese Hilfsgelder auf sechs Millionen Taler. Des Weite
ren waren im März 1621 etwa 40 000 von Spanien finanzierte Soldaten aus
den südlichen Niederlanden an Orten im Einsatz, an denen sie direkt oder
indirekt zur Durchsetzung der Wiener Politik dienten.13 Auch unter Züniga
hatte sich Spanien nicht in diese Rolle hineingedrängt, sondern man hatte
zunächst auf die Wiederherstellung der katholischen Liga im Reich gesetzt,
die den Habsburgern zu Hilfe kommen sollte. Graf Onate hatte sich
mehrfach an Herzog Maximilian gewandt, damit dieser die Initiative zur
Erneuerung der Liga ergriff, war damit aber über lange Zeit nicht durchge
drungen. Währenddessen verschlechterte sich die Lage für die Habsburger
zusehends. Unter diesen Umständen entschloss sich Züniga, die spanische
Auf Bündnissuche 119
für den streng katholischen Landesherrn in Wien. Sie hatten Sorge, dass
der Habsburger in Ungarn die rigide Konfessionalisierungspolitik fortset
zen würde, die er in der Steiermark betrieben hatte, und obendrein konn
ten sie bei ihm keine Neigung erkennen, ständische Rechte zu respektieren.
Ferdinand musste den Verlust eines weiteren seiner Erblande befürchten,
und tatsächlich wählte am 25. August ein schnell einberufener Landtag des
ungarischen Adels Bethlen Gabor zum König von Ungarn. Erst eineinhalb
Jahre später, am 31. Dezember 1621, verzichtete Gabriel Bethlen von Iktar,
wie er auf Deutsch hieß, auf die Stephanskrone und ließ sich dafür mit den
Herzogtümern Oppeln und Ratibor belehnen.17
Mit Überfällen und schnellen Eroberungen war Bethlen Gabor sehr
erfolgreich, doch wenn es darum ging, die von seiner leichten Reiterei über
rannten Gebiete zu halten und zu verteidigen, zeigten sich die Schwach
punkte des siebenbürgischen Fürsten. Das begrenzte seinen Wert als Bünd
nispartner, der für den Augenblick der Überraschung groß war, aber mit der
Dauer eines Konflikts kontinuierlich sank. Bethlen Gabor agierte als grausa
mer Eroberer und beutegieriger Plünderer der habsburgischen Lande; eine
längerfristige Politik konnte nicht auf ihn zählen. Das war ein Problem für
die Böhmen, denn was sie brauchten, war ein durchhaltefähiger Verbündeter.
Der Fürst von Siebenbürgen verursachte mit seinen blitzschnellen Überfäl
len zwar jedes Mal großes Entsetzen, aber dann verschwand er wieder dort
hin, woher er gekommen war, und spielte für längere Zeit keine Rolle mehr.
Am 18. August 1619 setzte die Ständeversammlung in Prag Ferdinand
als böhmischen König mit der Begründung ab, dass er die Rechte des
Landes fortgesetzt verletzt habe. Damit war unklar, ob Ferdinand bei der
Kaiserwahl in Frankfurt überhaupt über die böhmische Kurstimme ver
fügen konnte. Ferdinands Angelegenheiten standen auf Messers Schneide.
Er hatte nur eine Chance, das Heft des Handelns wieder in die Hand zu
bekommen, und die bestand darin, dass er möglichst schnell zum Kaiser
gewählt wurde, um anschließend unter Nutzung der kaiserlichen Rechte
eine offensive Politik gegen seine Feinde und Widersacher betreiben zu
können. Der Kaisertitel war zunächst nicht viel mehr als symbolische
Macht, aber die Symbole der Macht sollten Ferdinand Zugang zu den Res
sourcen der Macht verschaffen.
m EIN A U FSTA N D , DER DAS R EIC H E R S C H Ü T T E R T
wussten nicht, was sie wollten. Das Hinauszögern der Wahl hatte nichts
gebracht.
Durch die Berichte der Beteiligten sind wir über den Ablauf der Kaiserwahl
gut informiert: Alle wurden nacheinander einzeln um einen Wahlvorschlag
und die anschließende Stimmabgabe gebeten. 19 Kurfürst Schweikhard
eröffnete den Wahlakt, indem er den Trierer Kurfürsten um die Stimmab
gabe bat. Der nannte König Ferdinand, Erzherzog Albrecht (den Statthalter
der spanischen Niederlande) und Herzog Maximilian als geeignete Kandi
daten und gab schließlich seine Stimme für Ferdinand ab. Ihm folgte der
Kurfürst von Köln, der erklärte, er wisse, dass sein Bruder, der Bayernher
zog Maximilian, auf die Kandidatur verzichte, und seine Stimme ebenfalls
König Ferdinand gab. Das war der entscheidende Augenblick der Wahl:
Eigentlich wäre den Regeln nach jetzt die böhmische Stimme abzugeben
gewesen, aber Schweikhard wandte sich an den pfälzischen Gesandten, den
Grafen Johann Albrecht von Solms-Braunfels, der daraufhin sechs Kandi
daten für wählbar erklärte: König Christian IV. von Dänemark, Kurfürst
Johann Georg von Sachsen, König Ferdinand, Erzherzog Albrecht sowie
die Herzoge Maximilian von Bayern und Karl Emanuel von Savoyen. Da
Kurfürst Friedrich V., für den er spreche, wünsche, dass die traurigen Ver
hältnisse, in denen sich das Reich seit langem befinde, beendet würden,
halte er Herzog Maximilian von Bayern für den am besten Geeigneten. Das
war ein letzter Versuch der Pfälzer, die katholische Phalanx aufzusprengen,
indem sie Maximilian doch noch ins Spiel brachten; nach der vorange
gangenen Erklärung des Kölner Kurfürsten musste er aber ins Leere lau
fen. Schweikhard forderte nach der pfälzischen Erklärung Ferdinand zur
Stimmabgabe auf, doch der bat darum, dass in Anbetracht seiner beson
deren Situation erst die anderen Wähler befragt wurden. Also wurde der
sächsische Gesandte aufgerufen, der sich ohne Einschränkung für Fer
dinand aussprach. Der anschließend befragte Brandenburger Gesandte
nannte noch einmal Erzherzog Albrecht und Herzog Maximilian, stimmte
dann aber für Ferdinand, da Maximilian die Wahl ja ausschlagen würde.
Schweikhard gab daraufhin seine eigene Stimme ab, und zwar ebenfalls für
Ferdinand, nachdem auch er Albrecht und Maximilian für geeignet erklärt
134 E IN A U FSTA N D , D ER DAS R EIC H E R S C H Ü T T E R T
hatte. Nun war Ferdinand daran, sich zu erklären, und unter Verweis auf die
Goldene Bulle gab er sich selbst die Stimme. Damit hatten sechs der sieben
Wahlberechtigten für Ferdinand gestimmt, und es war klar, dass der Pfälzer
Gesandte am Ergebnis der Kaiserwahl nichts mehr würde ändern können.
Gefragt, ob er sich von der Mehrheit absondern oder doch Ferdinand die
Stimme geben wolle, erklärte sich Graf Solms ebenfalls für Ferdinand, der
damit einstimmig zum neuen Kaiser gewählt war.20
Die Wahl Ferdinands war eine desaströse Niederlage der pfälzischen
Politik, mit der alle zuvor erzielten Erfolge zunichte waren. Als bedeutungs
los hatten sich auch einige Maßnahmen im Vorfeld der Wahl erwiesen. So
hatte man Truppen der Union in der Umgebung Frankfurts zusammenge
zogen - angeblich um ligistische Anschläge auf die Kaiserwahl zu verhin
dern,21 tatsächlich eher eine Machtdemonstration der Protestanten, die
deutlich machen sollte, dass die katholische Partei trotz ihrer Mehrheit im
Kurfürstenkollegium im Reich keineswegs das Sagen hatte. Der Rat der
Reichsstadt Frankfurt, der den Unierten zuneigte, hatte zudem von der
Union zwei Kompanien mit je zweihundert Mann ausgeliehen, um mit
ihrer Hilfe die Stadt gegen Anschläge zu sichern. Das hatte bei den geist
lichen Kurfürsten erhebliche Besorgnis ausgelöst: Der Kölner Kurfürst
dachte zeitweilig über die Auflösung des Treffens nach, und der Mainzer
fürchtete gar eine zweite Bartholomäusnacht, bei der nicht die Protestan
ten, sondern die Katholiken die Opfer sein würden.22 Zuletzt freilich blieb
die militärische Machtdemonstration folgenlos, da sich die kurfürstlichen
Wähler nicht einschüchtern ließen und die Pfälzer Seite sich nicht traute,
das Militär einzusetzen, um die Kaiserwahl zu verhindern.
Der einzige Erfolg, den die Pfälzer im Verlauf dieser für den weiteren
Gang der Ereignisse entscheidenden Zeitspanne erzielt hatten, war die am
26. August 1619, also zwei Tage vor der Frankfurter Entscheidung, erfolgte
Wahl Friedrichs V. zum böhmischen König. Friedrich war keineswegs der
von den Böhmen bevorzugte Kandidat gewesen. Außer ihm waren noch
Herzog Karl Emanuel von Savoyen und Kurfürst Johann Georg von Sach
sen im Spiel. Karl Emanuel, der sich immer wieder auf riskante Projekte
einließ, wenn sie ihm Macht und Prestige versprachen, war nicht wirklich
ein aussichtsreicher Kandidat, da sein Herrschaftsgebiet zu weit entfernt
Auf Bündnissuche 135
lag und es keine mächtigen Verbündeten in seinem Gefolge gab. Das war
anders bei Kurfürst Johann Georg von Sachsen, den die von Graf Schlick
angeführten Lutheraner in Böhmen präferierten. Johann Georgs Herr
schaftsgebiet grenzte unmittelbar an Böhmen, und zusammen mit den in
der Confoederatio Bohemica zusammengeschlossenen Ländern hätte Kur
sachsen einen beachtlichen Machtblock in Mitteleuropa bilden können.
Außerdem war Johann Georg das Haupt der Lutheraner im Reich, konnte
also in Norddeutschland, im ober- und niedersächsischen Reichskreis, auf
eine Reihe von Verbündeten zurückgreifen, zu denen im Falle eines Krieges
gegen den Kaiser auch die Reformierten mit den in der Union verbündeten
süddeutschen Lutheranern gehören würden. Unter diesen Umständen war
der Kurfürst von Sachsen die erste Wahl.
Aber der Kandidat wies alle diesbezüglichen Ansinnen zurück.23
Johann Georg, seit 1611 Kurfürst, war kein entschlossener Machtpolitiker,
und man sagte ihm nach, er könne erst ab Mittag politische Entscheidungen
treffen, weil er dann so viele Kannen Bier geleert habe, dass er seiner Sinne
nicht mehr mächtig sei. Jedenfalls galt «Bierjörge», wie man ihn nannte,
als ein großer Zecher und leidenschaftlicher Jäger, der die meiste Zeit mit
dem Verzehr von Wildbret und Bier verbrachte. In politischen Entschei
dungen folgte er seinem Hofprediger Matthias Hoe von Hoenegg,24 der auf
ihn einen ähnlich großen Einfluss hatte wie die (jesuitischen) Beichtväter
auf die katholischen Fürsten; in militärischen Fragen verließ Johann Georg
sich, nachdem er schließlich doch in den Krieg eingetreten war, völlig auf
seinen General Hans Georg von Arnim-Boitzenburg. Letzteres war auch
angezeigt, denn Arnim war ein erfahrener Soldat,25 während der Kurfürst
sich auf dem Schlachtfeld als kopflos und furchtsam erwies. So jedenfalls
sah ihn die protestantische Aktionspartei, die Johann Georg wegen seiner
konservativ-reichstreuen Politik verachtete und diese auf persönliche Las
ter und Schwächen des Kurfürsten zurückführte.
Man kann den Sachsen indes auch in ein besseres Licht rücken, wenn
man das politisch-militärische Scheitern der Aktionspartei in Böhmen und
der Pfalz sowie schließlich im niedersächsisch-dänischen Krieg dagegen
stellt und das Leid und Elend bedenkt, das durch die Hochrisikopolitik der
Pfälzer verursacht wurde. Schließlich stand der sächsische Kurfürst später
13<S E IN A U FSTA N D , D ER DAS R E IC H E R S C H Ü T T E R T
Heidelberg nicht leicht gefallen zu sein. Einerseits fühlte er sich durch die
Wahl zum böhmischen König geschmeichelt, andererseits ängstigte ihn die
Größe der damit verbundenen Aufgabe. Tatsächlich überdeckte sein unbe
kümmertes Auftreten nur, dass er eigentlich entscheidungsschwach war und
zu einem guten Teil den Vorgaben seiner Berater folgte. Die aber gaben
ihm in der böhmischen Angelegenheit unterschiedliche Ratschläge. Jakob I.,
Friedrichs Schwiegervater, riet entschieden davon ab, die böhmische Krone
anzunehmen, und auch der Herzog von Bouillon, einer der Führer der fran
zösischen Hugenotten, auf dessen Ritterakademie Friedrich ausgebildet
worden war, empfahl politische Zurückhaltung. Ähnliches war von einer
größeren Zahl der Unionsmitglieder zu vernehmen. Aber Friedrich stand
unter Zugzwang, denn die pfälzische Politik hatte seit Monaten in Prag dar
aufhingewirkt, dass er zum neuen König gewählt wurde. Ein Rückzug hätte
Christian von Anhalt und Achatius von Dohna, der in Prag verhandelt hatte,
desavouiert. Dementsprechend drängten sie Friedrich zum Aufbruch nach
Prag. Für seine Entscheidung dürfte schließlich auch die Haltung seiner
Ehefrau Elisabeth Stuart von Bedeutung gewesen sein, die ihm entschlossen
zuriet, nach Prag zu gehen und die böhmische Krone zu tragen.28Elisabeth
kam aus London, und die pfälzische Residenzstadt Heidelberg wirkte auf sie
provinziell, während Prag die Wiederaufnahme eines mondänen höfischen
Lebens versprach. Zu diesem Zeitpunkt war Elisabeth wie ihr eine Woche
jüngerer Mann gerade dreiundzwanzig Jahre alt, und sicherlich haben beide
die Reichweite ihrer Entscheidung nicht erfasst. «Ach, nun geht die Pfalz
nach Böhmen», soll Friedrichs Mutter ihrem Sohn nachgerufen haben, als
dieser an einem nebligen und regnerischen Herbsttag Heidelberg verließ.29
Kaiser Ferdinand
und Herzog Maximilian
debattiert wurde, ob man Friedrich zu- oder abraten solle, die böhmische
Krone anzunehmen, und wie die Union ihm bei deren Verteidigung helfen
könne.30Wie nicht anders zu erwarten, trafen zwei Positionen aufeinander;
nur der Markgraf Georg Friedrich von Baden-Durlach unterstützte das
böhmische Projekt uneingeschränkt, während die überwiegende Mehrheit
der Versammelten auf Distanz blieb. Die Reichsstädte meinten sogar, es
spreche mehr gegen die Annahme der böhmischen Krone als dafür, wes
halb die Union nicht verpflichtet sei, das Vorhaben zu unterstützen. Ver
pflichtet sei sie, kam man schließlich überein, Friedrich bei der Verteidi
gung seiner Erblande zur Seite zu stehen, während er in Böhmen auf sich
selbst gestellt bleiben sollte. Damit konnten Friedrich und die ihn beraten
den Politiker immerhin davon ausgehen, dass das Risiko des böhmischen
Projekts begrenzt war: Die Erblande des Kurfürsten waren demnach durch
die Union gesichert, und der Einsatz bestand im Wesentlichen aus den
finanziellen Mitteln, die Friedrich zur Verteidigung Böhmens aufbringen
musste.31
Ausgesprochen enttäuschend war dagegen die englische Reaktion auf
Friedrichs Ersuchen nach Unterstützung. Jakob wollte einem Konflikt mit
Spanien unter allen Umständen aus dem Weg gehen, und diesen hielt er
für unausweichlich, wenn er sich entschlossen auf die Seite seines Schwie
gersohns stellte. Es war vor allem die Furcht vor einem großen Hegemo-
nialkrieg in Europa, die Jakob veranlasste, als Vermittler in dem Konflikt
auftreten zu wollen, statt sich als Partei in den Krieg hineinziehen zu las
sen.32 Jakob verfolgte eine Politik der friedlichen Koexistenz mit Spanien,
und um diese abzusichern, versuchte er seit längerem, eine Ehe zwischen
seinem Sohn Karl und einer Tochter des spanischen Königs Philipp anzu
bahnen. Dabei kam ihm das böhmische Abenteuer seines Schwiegersohns
in die Quere. Er war ungehalten darüber, dass Friedrich sich überhaupt um
die böhmische Krone bemüht hatte. Dass er sie nun auch noch aus den
Händen von Aufrührern und Rebellen entgegennehmen wollte, war für
ihn, Jakob, der in England eine frühabsolutistische Politik verfolgte und der
Vorstellung vom Gottesgnadentum anhing,33 eine einzige Provokation. Ein
solches Projekt wollte er weder mit Soldaten noch mit Subsidien unterstüt
zen.
Kaiser Ferdinand und Herzog Maximilian 139
Rückweg von Frankfurt in München eintraf, um mit ihm über die Unter
stützung zu sprechen, die der Kaiser von der Liga erwarten konnte.37 Maxi
milian machte für jedwede Hilfe seitens der Liga zur Voraussetzung, dass
diese unter seiner alleinigen Direktionsgewalt stand; der Kaiser dürfe die
«ihro Fürstlichen Durchl. vberlassene absolut, vnd völlige Direction, weder
Selbsten verhindern / noch andernn / zu thun gestatten / sondern vielmehr
auf allerley Weise vnd Weg trachten / daß selbiges aller orthen befurdert
werde» - so die erste Festlegung des Münchner Vertrags.38Zweitens wurde
bestimmt, «daß ihro May. vnd dero hauß sich mit den Feinden in keinem
Tractat, Suspension vnd Niederlegung der Waffen oder einigerley Friedens-
Conditiones einlassen soll ohne Wissen / Willen und Zuziehung Ihro fürst
lichen Durchleuchtigkeit in Bayrn»39. Damit war Maximilian im Rahmen
der Koalitionskriegführung als gleichberechtigter Akteur anerkannt, der
nicht nur Hilfe leistete, sondern dem auch ein unbeschränkter Einfluss auf
die Gestaltung der politischen Rahmenbedingungen bis zum Ende des Krie
ges zugestanden wurde. Außerdem bedang sich Maximilian aus, dass der
Kaiser ihm alle infolge des Krieges entstandenen Schäden und Auslagen
aus seinem Besitz erstatte; so «soll Ihre Kayserliche May. vnd dero gantzes
löbl. Hauß bey Verpfändung aller dero Haab vnd Güter/nichts davon aus
genommen / obligirt und verbunden seyn / Ihre Fürstl. Durcheuchtigkeit in
Bayrn / so wol die erlittne Schäden [... ] als auch alle angewandte Unkosten
zu refundirn vnd abzustatten / welche sie zu der Kriegsverfassung vnd der
Soldatesca [... ] angewendt zu haben»40. Das bedeutete, dass Ferdinand dem
Bayernherzog einen Teil seiner österreichischen Erblande als Pfand abtreten
musste, bis er in der Lage war, die dem Herzog entstandenen Kriegskosten
zu bezahlen. Damit bekam Maximilian einen Hebel in die Hand, mit dem
er seine Vorstellungen von der Nachkriegsordnung durchsetzen konnte.
Aber das war keineswegs alles, denn es kamen noch zwei im Vertrag nicht
enthaltene, nur durch den Grafen Onate bezeugte Verabredungen hinzu.
Erstens durfte Maximilian im Verlauf des Krieges im Reich gemachte Erobe
rungen auf Dauer behalten und seinem Herzogtum einverleiben. Das betraf
pfälzisches Gebiet, namentlich die an Bayern grenzende Oberpfalz, auf die
Maximilian seit längerem ein Auge geworfen hatte. Als diese Verabredung im
Mai 1620 schriftlich fixiert wurde, stand fest, dass der Krieg nicht auf Böhmen
Kaiser Ferdinand und Herzog Maximilian 141
begrenzt bleiben würde. Im Prinzip war damit ein Krieg zwischen Liga und
Union unvermeidlich - jedenfalls wenn Letztere zu ihren Defensivverspre
chen für Friedrichs Erblande stand. In der zweiten Nebenabsprache sagte
Ferdinand dem Bayernherzog die Übertragung von Friedrichs Kurwürde zu.
Beide, Kurfürst Friedrich wie Herzog Maximilian, waren Wittelsbacher, und
im Hausvertrag von Pavia aus dem Jahre 1329, der die Teilung in eine pfäl
zische und eine bayerische Linie regelte, war vorgesehen, dass beide Linien
die Kur abwechselnd innehaben sollten. Doch in den knapp zwei Jahrzehnte
später getroffenen Festlegungen der Goldenen Bulle (1356) wurde die Kur
würde definitiv den Pfälzern zugesprochen.41 Die Übertragung der Kur auf
den Bayern war insofern ein Eingriff in das Grundgesetz des Reichs, und es
stellte sich die Frage, ob der Kaiser aus eigener Machtvollkommenheit und
ohne Mitwirkung der Kurfürsten dazu überhaupt berechtigt war. Immerhin
gab es einen Präzedenzfall: Kaiser Karl V. hatte nach dem Schmalkaldischen
Krieg die Kurwürde innerhalb des wettinischen Fürstenhauses neu vergeben,
indem er sie von dem Ernestiner Johann Friedrich dem Großmütigen auf
den Albertiner Moritz übertragen hatte.
Maximilian hatte die Notlage des Kaisers optimal genutzt. In dem Positio
nierungsspiel, das die verschiedenen Akteure im unmittelbaren Vorfeld des
Krieges betrieben, hatte er die erfolgversprechendsten Züge gemacht, die
eigenen Risiken überschaubar gehalten und die Aussicht auf Zugewinne
gesteigert, wo dies nur möglich war. Als Person ist Maximilian nicht leicht
zu fassen: A uf der einen Seite pflegte er einen asketischen Lebensstil, der
von tief religiöser Überzeugung getragen war, auf der anderen Seite war
er ein kalt berechnender Politiker, der im Konfliktfall die Staatsinteres
sen höher stellte als die Forderungen der Religion. Maximilians Biograph
Andreas Kraus hat deswegen die Frage aufgeworfen, ob Maximilian «die
Religion als Vorwand für politische Ziele mißbraucht» habe und nur so
lange gut katholisch gewesen sei, wie «die Interessen seines Staates und
die Interessen seiner Konfession» miteinander zur Deckung gebracht
werden konnten.42 Jedenfalls hat Maximilian niemals darauf gesetzt, dass
eine Sache siegen werde, weil sie gottgefällig war, sondern ging stets davon
aus, dass er selbst mit politischen Schritten und militärischen Maßnahmen
142, EIN A U FSTA N D , D ER DAS R EIC H E R S C H Ü T T E R T
für den Sieg seiner Sache Sorge tragen müsse. Da die Ressourcen seines
Herrschaftsgebiets keine selbständige Großmachtpolitik erlaubten, musste
er darauf bedacht sein, günstige Gelegenheiten entschlossen zu nutzen
und aus Bündnissen möglichst viel herauszuholen, und schließlich galt es
sicherzustellen, dass keiner, der ihm gefährlich werden konnte, zu mächtig
wurde. In der politischen Metaphorik Machiavellis war Maximilian eher
ein Fuchs als ein Löwe, und dementsprechend galt er Freund wie Feind
«als besonders unberechenbar, verschlagen und unzuverlässig»43.
Kaiser Ferdinand, Maximilians Bündnispartner im Münchner Vertrag,
war in vieler Hinsicht das Gegenteil des Bayernherzogs: «E r war», schreibt
Moriz Ritter über ihn, «ein Fürst von schwachem Urteil, mäßiger Arbeit
samkeit und ohne wahre Herrscherkraft, ein vollgültiger Vertreter jener
Mittelmäßigkeit, welche die deutschen Fürsten und Staatsmänner zu blo
ßen Werkzeugen der großen geistigen Gegensätze machte, die die Welt in
den Krieg hineintrieben. » ^ Das ist aus einer Perspektive heraus formuliert,
die den Krieg für unvermeidlich hielt und dementsprechend die Herrscher
und Politiker als bloße Instrumente der «großen geistigen Gegensätze»
betrachtete, die ohnehin in den Krieg führen mussten. Im Fall Ferdinands
kann man sagen, dass er, um seine Macht als Landesherr durchzusetzen,
den Krieg bewusst in Kauf genommen, wenn nicht gar angestrebt hat - frei
lich nicht als den großen und langen Krieg, der daraus geworden ist und
der nach Ferdinands Tod noch mehr als ein Jahrzehnt andauern sollte. Er
wolle als «princeps absolutus» in den Erblanden herrschen, hatte Ferdi
nand erklärt,45was ihn nicht davon abhielt, alle Entscheidungen mit seinem
Beichtvater Wilhelm Lamormaini zu besprechen und sie auf ihre Überein
stimmung mit den Geboten der Religion überprüfen zu lassen. Gleichzeitig
sah Ferdinand sich seit seiner Italienreise im Frühjahr 1598 als ein «Werk
zeug Gottes», dem die Aufgabe übertragen war, die Gegenreformation in
den habsburgischen Erblanden voranzutreiben.46 Diese Überzeugung ver
lieh ihm eine gewisse Standhaftigkeit, die sein Kalkül begrenzte und seinen
Durchhaltewillen bestärkte. Einen erheblichen Teil seiner Zeit verbrachte
er mit Andachtsübungen, und diese Zeit fehlte ihm dann bei der Bewäl
tigung seiner politischen Aufgaben. So hörte er täglich zwei Messen und
betete das große Brevier herunter. Wenn man ihm die Wunder der Heili-
Kaiser Ferdinand und Herzog Maximilian 143
Es gab indes im Bunde mit Ferdinand noch einen Weiteren, den man
dort wohl nicht erwartet hatte: den sächsischen Kurfürsten Johann Georg.
Nachdem dieser sich nicht dazu hatte entschließen können, die ihm mehr
fach angetragene Krone Böhmens anzunehmen, weil er in seinem luthe
rischen Obrigkeitsverständnis den Aufstand der Stände zutiefst ablehnte
und darin eine Rebellion gegen die von Gott gesetzte Ordnung sah, wollte
er in dem bevorstehenden Krieg doch auch nicht ganz beiseitestehen und
tatenlos Zusehen, wie andere die Beute unter sich aufteilten. In der Umge
bung des Kaisers, wo man zunächst auf die sächsische Neutralität gesetzt
hatte, spürte man diese Neigung und nahm wahr, dass Johann Georg, wie
wohl er alles dafür getan hatte, dass die Böhmen ihn nicht zu ihrem König
wählten, doch darüber indigniert war, dass nun sein innerprotestantischer
Widersacher Friedrich böhmischer König war.49 Offenbar hatte er darauf
144 E IN A U FSTA N D , D ER DAS R EIC H E R S C H Ü T T E R T
waren. Sie mussten erst ausgerüstet und in Form gebracht werden - außer
man übernahm einen just verfügbaren, das heißt: einen aus einem gerade
beendeten Krieg abziehenden Söldnerverband, wie das die Böhmen mit
den Einheiten unter Ernst von Mansfeld taten.S5 Wer eine solche Option
besaß, hatte einen klaren Vorteil - jedenfalls dann, wenn es gelang, die Ein
heiten strategisch sinnvoll einzusetzen, solange die Gegenseite über keine
vergleichbaren Streitkräffe verfügte. Hier zeigte sich die Schwäche der böh
mischen Kriegführung: Statt das Mansfeld’sche Korps gegen die Zentren
der gegnerischen Macht einzusetzen, betraute man es mit der Belagerung
von Pilsen, immobilisierte es damit und verspielte so den kurzfristigen
Vorteil. Als die Mansfelder nach siebenwöchiger Belagerung die Stadt
am 21. November 1618 im Sturm nahmen, war der Zeitvorteil dahin, denn
nun standen dem Kaiser die in den Kämpfen um Gradiska freigeworde
nen Einheiten56 sowie die aus den südlichen Niederlanden herangeführten
Truppen zur Verfügung, so dass sich auf dem böhmisch-mährisch-österrei
chischen Kriegsschauplatz ein militärisches Gleichgewicht herausgebildet
148 E IN A UFSTAND, D ER DAS R E IC H E R S C H Ü T T E R T
hatte. Außerdem stand der Winter vor der Tür, und damit wurden größere
Truppenbewegungen unmöglich.
Immerhin besaß Mansfeld mit Pilsen nun eine Festung, von der aus
er Westböhmen beherrschte und die Verbindungen in die Oberpfalz kon
trollierte. Zudem konnte er Pilsen zum Waffenplatz seiner Streitmacht
ausbauen. Bei der vorangegangenen Belagerung hatten sich freilich schon
bald die Probleme gezeigt, mit denen die militärische Führung während
des ganzen Krieges zu kämpfen hatte: Um Pilsen vollständig einzuschlie
ßen und es von der Versorgung durch das Umland abzuschneiden, hatten
die Prager Direktoren Mansfeld zwar Adelsreiterei und bewaffnetes Land
volk zu Hilfe geschickt, sich aber knausrig gezeigt, was die Mittel für die
Besoldung seiner Truppen und die Heranführung von schwerem Geschütz
anging. Das fehlende Geld wurde zum Problem, weil durch den Herzog von
Savoyen nur 2000 Söldner finanziert wurden, Mansfeld seine Truppe aber
inzwischen auf 4000 Mann aufgestockt hatte, und große Kanonen waren
die Voraussetzung für die vorgesehene Erstürmung der Stadt. Die von den
Prager Direktoren bevorzugte Aushungerung hätte dagegen zu viel Zeit in
Anspruch genommen. Neben den strategischen Nachteilen, die ein so zeit
aufwendiges Vorhaben zur Folge gehabt hätte, wären in dieser Zeit auch die
Söldner sowie deren Hilfstruppen zu besolden gewesen. Die Prager Regie
rung war mit den Soldzahlungen aber schon jetzt im Rückstand. Dement
sprechend machte sich Unzufriedenheit unter den Berufssoldaten breit.
Mansfeld musste mehrfach die Truppe verlassen und sich um die finan
ziellen Probleme kümmern, also neues Geld für seine Männer auftreiben.37
Er war bestrebt, dies in den Wintermonaten zu tun, in denen das Kriegsge
schehen weitgehend ruhte. Seine längere Abwesenheit vom Kriegsschau
platz war einer energischen Kriegführung jedoch abträglich. Auch wenn
in seinem Fall die Doppelfunktion als General und Kriegsunternehmer
besonders ausgeprägt war, so lassen sich die damit verbundenen Probleme
doch bei fast allen Heerführern des Dreißigjährigen Krieges beobachten.
Geld war der nervus rerum des Krieges, und wenn die Soldzahlungen aus
blieben, riskierten die Generäle und Obristen nicht nur eine Meuterei unter
den Soldaten, sondern auch die Schwächung des Heeres. Die Soldaten
mussten sich häufig selbst versorgen, und wenn sie kein Geld hatten, um
Auf dem böhmischen Kriegsschauplatz 149
sich etwas zu kaufen, verschwanden auch schon bald die Marketender, die
sonst den Truppen auf dem Fuß folgten.58 Söldnertruppen neigten daher
dazu, eine Stadt zu stürmen, anstatt durch lange Belagerung ihre Kapitula
tion zu erzwingen, denn eine gestürmte Stadt durften sie nach Kriegsrecht
plündern, während dies bei einer Kapitulation nicht der Fall war.59 Immer
wieder wurde in diesem Krieg die rechtlich abgesicherte Gelegenheit, in
großem Stil Beute zu machen, zum Ersatz für ausbleibenden Sold und zu
einem Mittel, die Soldaten bei Laune zu halten. Solche Plünderungen aber
waren ein Problem, wenn man nach der Eroberung auf die Stadt und ihre
Bevölkerung angewiesen war, sei es, weil man keine großen Kräfte für die
Besatzung zurücklassen wollte, sei es, weil die Stadt zum eigenen Herr
schaftsgebiet gehörte und man auf ihre zukünftige Loyalität zählen musste.
So war es auch im Falle Pilsens, und Mansfeld hatte seinen Söldnern trotz
der Erstürmung der Stadt deren Plünderung untersagt.60 Umso dringlicher
war es für ihn, Geld für die ausstehenden Soldzahlungen aufzutreiben.
Als Erstes verabschiedete Mansfeld einen Teil der Truppen, um so die
Summe des zu zahlenden Soldes zu vermindern. Er entließ all jene, die er
nur für Schanzarbeiten zur Vorbereitung der Belagerung gebraucht hatte,
und behielt von den Kampftruppen nur seine erfahrenen Soldaten, mit
denen er schon in der Vergangenheit Krieg geführt hatte. Solche Abdan
kungen waren ein probates Mittel, um die im Verhältnis zu den finanziellen
Möglichkeiten einer kriegführenden Partei überdimensionierten Militärap
parate wieder zu verschlanken. Zurück blieben dabei nur die Kadertrup
pen, die man brauchte, um die Truppenstärke, wenn es erforderlich und
finanziell möglich war, wieder zu erhöhen. Mansfelds erfahrene Soldaten
waren ein Kaderverband, der schnell verdoppelt und verdreifacht werden
konnte. Diese Kader zusammenzuhalten und sie den jeweils Interessierten
zur Verfügung zu stellen, war Mansfelds Geschäftsmodell. Militärverbände,
die eine solche Kaderstruktur aufwiesen und je nach Lage vergrößert und
verkleinert werden konnten, waren sehr viel leistungsfähiger als neu auf
gestellte Truppen, denen im Gefecht die erfahrenen Soldaten fehlten, das
«geübte, versuchte und beschossene Volck», wie man es nannte.61 Vor
allem verfügte ein auf diese Weise flexibler Truppenverband über eine hin
reichend große Zahl von Drillmeistern, denen es oblag, die neu Angewor
150 EIN A UFSTAND, D ER DAS R E IC H E R S C H Ü T T E R T
men, wenn ein Krieg drohte oder man seine Ansprüche gegen andere mit
Waffengewalt durchsetzen wollte. Stehende Heere gab es so gut wie nicht,
und die Handvoll Soldaten, die von den Städten für den Wachdienst an
ihren Toren besoldet wurden, hatten eher polizeiliche als militärische Auf
gaben. Das war, gemessen an späteren Strukturen, ein relativ günstiges Ver
fahren, um militärische Arbeitskraft zu organisieren: Kosten - sieht man
einmal von der auf die Gesamtbevölkerung bezogen dünnen Schicht der
Ritter ab - fielen nur im Bedarfsfall an. Krieg war ein saisonal und regional
beschränktes Ereignis. Nur dort, wo eine verdichtete Staatlichkeit und ein
gesellschaftliches Mehrprodukt, ein Überschuss an Gütern, zusammenka
men, war es möglich, Krieg in größeren Räumen und über längere Zeit zu
führen. Vor dem Dreißigjährigen Krieg war das eigentlich nur in den Nie
derlanden der Fall, wo mit dem spanischen Weltreich und den aufständi
schen Provinzen zwei reiche Akteure aufeinandertrafen, die über stehende
Heere verfügten. Was sich hier entwickelte, war eine neue Art der Kriegfüh
rung, in der Festungssysteme eine besondere Rolle spielten und oft mehr
gegen die Logistik des Gegners operiert wurde als gegen dessen Streitkräfte.
In diesem Krieg erfuhren die Waffensysteme und die taktischen Forma
tionen einen Entwicklungsschub, der zum Schwungrad dessen wurde, was
man als die militärische Revolution in Europa bezeichnet.63
Während in Westeuropa mit dem Geld, das in das Kriegswesen floss,
die Waffentechnologie weiterentwickelt wurde und Heere professioneller
Söldner entstanden, hielt man im östlichen Mitteleuropa an den leichten
Reiterverbänden fest, die schwarmartig in ein Gebiet einfielen und es ver
wüsteten. Diese Verbände waren nicht in der Lage, eine Schlacht gegen die
modernen Heere mit ihren unterschiedlichen Waffengattungen zu füh
ren.64Andererseits war die leichte Reiterei nicht überflüssig geworden, und
wenn sie auch in den Feldschlachten des Dreißigjährigen Krieges keine
ausschlaggebende Rolle spielte, so war sie doch bei der Verfolgung eines
geschlagenen Gegners überaus nützlich. Geradezu unentbehrlich war sie,
wenn es darum ging, große Räume zu beherrschen, gegen den Feind aufzu
klären oder die Versorgungslinien gegnerischer Truppen anzugreifen. Die
ständige Klage Mansfelds, dass ihm die Reiterei fehle und er deswegen nur
beschränkt handlungsfähig sei, belegt dies nur allzu deutlich.65
Auf dem böhmischen Kriegsschauplatz 153
Im Herbst 1619 sah es für die Böhmen indes noch recht gut aus. Der Einfall
Bethlen Gabors nach Ungarn war erfolgreich, die Verbände des Sieben
bürgers stießen vor bis Preßburg, das heutige Bratislava, und eroberten
die Stadt. Damit war der Weg nach Wien offen, so dass dem in Böhmen
stehenden Bucquoy vom kaiserlichen Kriegsrat der Befehl erteilt wurde,
sich mit seinen Einheiten zurückzuziehen, um das Zentrum der habsbur
gischen Lande zu decken.68 In diesen Rückzug hineinzustoßen und dem
Gegner dabei größere Verluste zuzufügen, ihm vor allem den Tross und die
mitgeführten Kanonen wegzunehmen, wäre die Chance des böhmischen
Ständeheeres gewesen. In einer geordneten Schlacht hätten die kriegs
unerfahrenen Bauernsoldaten dieses Heeres die wallonisch-flandrischen
Berufssoldaten Bucquoys kaum besiegen können, aber fortgesetzte Atta
cken auf einen nicht in Gefechtsformation befindlichen Heereszug hätten
gute Erfolgsaussichten gehabt. Die Böhmen ließen diese Gelegenheit unge
nutzt verstreichen und folgten den Kaiserlichen erst in größerem Abstand.
Es fehlte die militärische Initiative, um den «Beobachtungskrieg» in einen
auf militärische Entscheidungen ausgerichteten Krieg zu verwandeln, und
es fehlte am Sold, um die Truppen für die erforderlichen Anstrengungen zu
1 54 E IN A UFSTAND, D E R DAS R E IC H E R S C H Ü T T E R T
motivieren: Als sie den Befehl erhielten, den abziehenden Gegner zu ver
folgen, erklärten ihre Wortführer, sie würden ihre Stellungen erst verlassen,
nachdem ihnen zumindest ein Teil des rückständigen Soldes ausbezahlt
worden sei.
Gleich zu Beginn des Krieges zeigte sich hier ein Problem, das immer
wieder auftreten sollte: der «Kampfstreik» beziehungsweise die Befehls
verweigerung von Truppen, die seit längerem keinen Sold erhalten hatten.
Indem die Truppen meuterten, griffen sie auf das einzige ihnen zur Ver
fügung stehende Mittel zurück, um Soldzahlungen, zumindest Abschlags
zahlungen auf den Sold, zu erzwingen. Sie verweigerten die Befehle, um
die ihnen gegebenen Zusagen durchzusetzen und den Kriegsherrn zur
Vertragstreue zu zwingen.69 Die Alternative zur Meuterei war die Deser
tion, aber damit gab der Betreffende seinen Anspruch auf den ausstehen
den Sold auf.70 Beides, Meuterei wie Desertion, stand unter strenger Strafe,
und diese Strafen waren in den Artikelbriefen, die den Kriegsknechten bei
ihrer Anwerbung verlesen wurden, eingehend beschrieben. Desertion war
im Prinzip ein individueller Vorgang, auch wenn es im Verlauf des Krieges
immer wieder zu Massendesertionen kam; Meuterei dagegen war nur im
Kollektiv möglich und setzte ein gefestigtes Vertrauensverhältnis innerhalb
der Truppe voraus. Dass Soldaten desertierten, war ein normaler Begleit
vorgang der Kriegführung dieser Zeit, und in bestimmten Phasen nahm die
militärische Führung Desertion hin, ohne größere Anstrengungen dagegen
zu unternehmen. Sie wurde verschiedentlich als ein Vorgang der Reinigung
der Truppe von unwilligen und unfähigen Soldaten angesehen und hatte
erhebliche Soldersparnis zur Folge. Desertion in großem Stil führte dazu,
dass eine Einheit auf ihre Kaderstruktur abgeschmolzen wurde.71 Das war
manchem Obristen in Phasen, in denen das Kriegsgeschehen Stillstand,
durchaus recht. Vor und während einer Schlacht war das anders: Hier
wurde Desertion als Feigheit und Verrat begriffen und hart bestraft - in der
Regel mit dem Tod. Dementsprechend wurden in gefechtsnahen Konstel
lationen auch geeignete Vorkehrungen getroffen.
Meutereien dagegen waren stets eine überaus ernst zu nehmende Her
ausforderung für die Heeresführung, und sie verlangten eine unmittelbare
Reaktion - in der Regel Abschlagszahlungen auf den Sold, mit denen die
Auf dem böhmischen Kriegsschauplatz ISS
Unterdessen zog Friedrich von der Pfalz mit großer Pracht in Prag ein
und ließ sich zum König von Böhmen krönen. Von Heidelberg aus war er
zunächst nach Amberg gereist, dem Verwaltungszentrum der Oberpfalz,
wo der kaiserliche Gesandte Graf Fürstenberg ihn noch einmal von seinem
Vorhaben, die böhmische Königskrone anzunehmen, abzuhalten suchte. Er
brachte einen eigens dafür einberufenen Reichstag ins Gespräch, auf dem
alle kontroversen Fragen geklärt werden sollten. Von einem Reichstag, so
Friedrichs Entgegnung, sei keine Lösung zu erwarten, wie ja auch die letzten
Reichstage zu nichts geführt hätten, und was die böhmische Krone anbe-
treffe, so wolle er sich diese Frage noch offenhalten.79 Nach einwöchigem
Aufenthalt in Amberg reiste der Kurfürst bis zur böhmischen Grenze, wo
ihn eine Delegation aus Prag erwartete, die ihn als neuen König begrüßte.
Von dort zog der über 500 Personen umfassende Hofstaat über Eger weiter
nach Prag, wo man am frühen Morgen des 31. Oktober ankam. Prächtige
Kutschen, über 1000 reich ausstaffierte Reiter, zahllose Bürger, die Spalier
standen - der Einzug Friedrichs soll etwa 50 000 Gulden gekostet haben.
Das war in Anbetracht der Soldrückstände, unter denen die Armee litt
und die gerade im Winter 1619/20 dramatische Ausmaße annahmen, eher
unangemessen. Ludwig Camerarius, einer der Friedrich begleitenden Räte,
stellte dazu in einem Brief an den kurpfälzischen Kanzler Johann Chris
toph von der Grün fest: «M eo judicio [nach meinem Urteil] wäre das Geld
zu Zahlung des Kriegsvolks besser angelegt gewest.»80
Am 4. November folgte die Krönung im Veitsdom, ein nicht weniger
prachtvolles und aufwendiges Ereignis, das so gar nicht zu der Lage passte,
in der sich das Land befand: Dukaten wurden in die Menge geworfen, und
aus einem Brunnen floss weißer und roter Wein für jedermann. Es hat den
Anschein, als wollte man mit der Feier davon ablenken, dass man sich im
Krieg befand, dass dieser Krieg bislang nicht wirklich glücklich verlief und
immer mehr Mächte, auf die man als Bündnispartner gesetzt hatte, auf
Distanz gingen. Friedrich ließ sich offenkundig von der optimistischen
Friedrich V., Kurfürst von der Pfalz, wird im Prager Veitsdom zum
König von Böhmen gekrönt. Die Zeremonie wird nicht von dem
Prager Erzbischof vorgenommen, sondern von dem utraquistischen
Administrator Georg Dicastus. Friedrich ist umgeben von den Direktoren
der Confoederatio Bohemica, die ihm huldigen, indem sie die Krone
berühren. An der Zeremonie nehmen nur wenige Reichsfürsten teil; sie
sitzen auf den bezifferten Plätzen am linken unteren Bildrand, wo sie als
Beglaubiger der Krönung dienen. Der zeitgenössische Stich zeigt, wie man
Friedrich salbt, ihm den Königsmantel anlegt und die Krone aufsetzt.
der Adelsrebellion eine Rolle gespielt hatten und sich nicht durch die ange
reisten Pfälzer Räte ablösen ließen. Wenn es zu Revirements kam, dann
wurden Böhmen durch Böhmen ersetzt. Schließlich hatten sie ihre liber
tär-ständischen Freiheiten nicht erkämpft, um die kaiserlich-katholischen
gegen kurpfälzisch-reformierte Amtsträger austauschen zu lassen. Doch
die im Verlauf der Rebellion an die Macht gekommenen Männer waren
ihren Aufgaben nicht oder nur unzureichend gewachsen, und so mangelte
es an vielem, was hätte funktionieren müssen, um sich gegen eine Koalition
übermächtiger Feinde zu behaupten. Bei den kurpfälzischen Räten machte
sich Skepsis breit, ob das böhmische Abenteuer ihres Fürsten ein glückli
ches Ende nehmen werde.
«Es ist allenthalben», so berichtet Camerarius im Anschluss an die
Krönung Friedrichs nach Heidelberg, «tarn in politicis quam re militari
[in politischen wie in militärischen Angelegenheiten] ein übermachte Con-
fusion und Unordnung / bey der Cantzley und Cammer alles unrichtig
und im üblen Zustand / daß unser gnädigster Herr in eine sehr schwere
gefährliche Regierung einsitzet.» Und: «D er grösste Mangel ist an Geld /
und da deßwegen nicht Rath und Mittel gefunden werden / dürffte einmal
urplötzlich groß Ungelegenheit entstehen.»82 Immerhin wurde Christian
von Anhalt, der das böhmische Abenteuer Friedrichs initiiert und den Kur
fürsten maßgeblich zur Annahme der böhmischen Krone gedrängt hatte,
an die Spitze des böhmischen Militärs gestellt. Damit wurde die bislang
zwischen Graf Thurn und Graf Georg Friedrich von Hohenlohe geteilte
Führung beseitigt, die unter anderem für die zögerliche und widersprüchli
che Kriegführung verantwortlich war.
Camerarius war aus der Pfalz mitgekommen, um zu helfen, effiziente
Strukturen herzustellen, und sah sich nun in Prag zu Passivität verurteilt. Er
wurde in eine Beobachterposition hineingedrängt, und was er sah, erfüllte
ihn mit großer Sorge. Dazu gehörte auch der Umstand, dass Friedrich selbst
zwar von der Prager Bevölkerung freundlich und offenherzig aufgenommen
wurde, seine Frau Elisabeth aber auf wachsende Ablehnung stieß. Camera
rius vermerkt mit Genugtuung, dass Friedrich bei der Krönungszeremonie
die vom Oberstburggrafen vorgesprochene Verpflichtungsformel «in Böh
mischer Sprache» nachgesprochen habe und ihm das so gut gelungen sei,
König für ein Jahr: Friedrich von der Pfalz in Böhmen 161
«daß die Böhmen es nicht genug rühmen können / und daher die vorhin /
GOtt lob / ins gemein starcke Benevolentz vermehret wird».83 Was ihn
dagegen beunruhigte, war das Auftreten der Königin: Sie beherrschte das
Deutsche nur rudimentär, pflegte deswegen Englisch oder Französisch zu
sprechen; Böhmisch sprach und verstand sie überhaupt nicht. Schon bald
wurde in Prag mit Missfallen beobachtet, dass sie sich bei der Einteilung
des Tagesablaufs an keine Ordnung hielt, weder bei den Mahlzeiten noch
beim Kirchenbesuch. Und auch ihre Kleidung, zumal das üppige Dekollete
- «die entblößte Brust» - , das von ihr und ihrem Hofstaat gepflegt wurde,
erregte erheblichen Unwillen.84 Camerarius hält fest: «Wann nur das Eng
lisch exorbitirn [gemeint ist das Auftreten der Königin] nicht die Gemühter
ändert / so ist alles gut. Daß man mit dem Essen / und zur Kirchen gehen
aufs Frauenzimmer warten muß / und andere puntilien verursachen schon
offendicula, und ärgert sonderlich die Böhmischen Damen / daß man die
Brüste nicht zudecket. Sed forte corrigenda ista, ut omnino corrigenda sunt
[das ist entschieden zu ändern, so wie alles zu verändern ist]. » 88Camerarius
beobachtete all dies, und da er daran nichts ändern konnte, weil er auf die
böhmische Verwaltung keinen Zugriff und auf die selbstbewusste Königin
- Moriz Ritter nennt sie «übermütig»86 - keinen Einfluss hatte, brachte er
seine Hoffnung und sein Vertrauen auf Gott zum Ausdruck: « Gott kan und
wird alles zu erwünschtem End schicken / der bißhero alles so wunderbar
geführt hat.»87
Neben Stil- und Geschmacksfragen gab es zwei größere Probleme, die
zur Entfremdung zwischen Friedrich und den Böhmen beitrugen: das eine
war dynastischer, das andere konfessionspolitischer Art. Friedrich wollte
die Verbindung zwischen der Pfalz und Böhmen durch die Vererbung der
ihm gerade übertragenen Königswürde gesichert wissen und drängte darauf,
dass die Stände seinen ältesten Sohn Friedrich Heinrich so schnell wie mög
lich zum künftigen König wählten.88 Friedrich war damals dreiundzwanzig
Jahre alt, sein Sohn erst fünf, und so kam diese Forderung vielen Stände
vertretern wie eine Verhöhnung des gerade erst durchgesetzten Wahlrechts
vor. Sie vertrösteten den König, indem sie ihm versprachen, dass sich die
im Frühjahr 1620 zusammentretende Ständeversammlung mit dieser Frage
befassen werde. Immer deutlicher wurde sichtbar, dass Friedrichs dynasti
1Ö2 E IN AUFSTA ND, D E R DAS R E IC H E R S C H Ü T T E R T
sehe Ambitionen, die für ihn das Risiko des böhmischen Abenteuers abfe
dern sollten, und das politische Selbstbewusstsein der Ständevertreter nicht
zusammenpassten.
Friedrichs Auftreten in Prag stellte aber nicht nur das Verfassungsver
ständnis der Böhmen in Frage, sondern berührte bald auch den zweiten
Grund, weshalb die Böhmen gegen die Habsburger revoltiert hatten. Die
Prager waren stolz auf ihren Veitsdom, der die Grablege der böhmischen
Könige und der letzten drei hahsburgischen Kaiser war und den man im
Laufe der Zeit mit Altären, Bildern und Schnitzwerk reich ausgestattet
hatte. Die lutheranisch-hussitischen Pfarrer, die hier den Gottesdienst hiel
ten, hatten sich daran ebenso wenig gestört wie die Prager Bevölkerung.
Für die calvinistische Verkündigungsauffassung, die sich ganz auf das Wort
konzentrierte, war die aufs Auge gerichtete Pracht jedoch unerträglich,
und so drängte Abraham Scultetus, der aus Heidelberg mitgekommene
Hofprediger des Kurfürsten, auf die Reinigung des Domes von den «ver
dammten Götzenbildern». Als man ihm zur Geduld riet, um die Empfin
dungen der Prager nicht zu verletzen, erwiderte er mit den Worten des Pro
pheten Samuel, wer mit der Zerstörung der Götzenbilder warte, sei nicht
mit ganzem Herzen zu Gott bekehrt.89 Also wurde der Dom von seinen
Kunstwerken «gesäubert», damit Friedrich dort ein Weihnachtsfest nach
reformiertem Verständnis feiern konnte. In der Folge wuchs bei den Böh
men der Verdacht, ihre Verbindung mit den Reformierten könne sich als
ein großes Missverständnis heraussteilen. Dieser Verdacht verstärkte sich,
als Scultetus im Frühjahr 1620 forderte, Friedrich solle die unter königli
chem Patronat stehenden Pfarrstellen nicht länger durch die lutherisch
dominierte Landesbehörde besetzen lassen, sondern die Besetzungen nach
eigenem Ermessen selbst vornehmen, um durch calvinistische Pfarrer das
reformierte Bekenntnis in Böhmen zu befördern. Das war für viele Böh
men eine Erneuerung der religiösen Bevormundung, von der sie sich mit
der Vertreibung der Jesuiten gerade erst befreit zu haben glaubten.
Unterdessen hatte sich die militärische Lage für die Böhmen verschlechtert,
ebenso die Aussicht auf zuverlässige Verbündete. Bethlen Gabor wollte
zwar trotz des mit dem Kaiser geschlossenen Vertrags seine Verbindungen
König für ein Jahr: Friedrich von der Pfalz in Böhmen 163
sen - nämlich 12000 Infanteristen und 1000 Pferde - , habe ich befohlen,
dem Grafen Onate sofort von hier aus 200 000 Dukaten, zumindest aber
150 000 zu schicken; der Rest, der erforderlich ist, muß aus Italien beschafft
werden, nämlich 80 bis 90000 Dukaten pro Monat, mehr kann ich beim
gegenwärtigen Zustand meiner Finanzen nicht tun.»93 Das war eine völlig
andere Sprache als die, welche die Gesandten Friedrichs und der Union zu
hören bekamen, wenn sie um Unterstützung baten.
Anfang Januar spätestens dürfte Philipp sich entschlossen haben, den
Kaiser mit den Truppen zu unterstützen, die unter dem Befehl Bucquoys in
Österreich und Böhmen der böhmischen Ständearmee gegenüberstanden.
Zudem wollte er durch einen großangelegten Angriff auf die Pfalz Bewe
gung in den Krieg bringen und eine Entscheidung herbeiführen - auch
auf die Gefahr hin, dass dies auf das Ende des Waffenstillstands mit den
nördlichen Niederlanden hinauslaufen würde. Am 11. Januar 1620 teilte
er Erzherzog Albrecht mit, dass die aus Italien nach Flandern in Marsch
gesetzten 6000 Infanteristen und das in Portugal aufgestellte Regiment
mit allen «in Flandern entbehrlichen Truppen» zusammengefasst werden
sollten, «um eine Armee zu bilden, die von dort aus in die Pfalz einmar
schiert». Noch einmal verwies er auf die Geldmittel, die in Spanien sowie
den unter spanischer Herrschaft stehenden Königreichen Neapel und Sizi
lien aufzubringen seien, und forderte von Albrecht, auf den Bayernherzog
Maximilian und die Fürsten der katholischen Liga einzuwirken, damit auch
sie dem Kaiser zu Hilfe kämen. Er schloss mit der Feststellung, es sei «für
eine Sache, die so sehr Unserem Herren dient», angebracht, «zu allen Mit
teln zu greifen».94Die politische Führung in Madrid hatte eine sehr genaue
Vorstellung, worum es ging und was sie erreichen wollte - dass Gott dabei
auf ihrer Seite war, weil sie dessen Willen ins Werk setzte, stand für sie
außer Frage.
Man muss sich dieses spanische Agieren vor Augen führen, um einen
Eindruck davon zu bekommen, wie kraftlos, zögerlich und unentschlos
sen die protestantische Union vorging: Man hatte zwar eine Armee auf
gestellt, um die Erblande des pfälzischen Kurfürsten gegen Angriffe zu
schützen, wollte sich aber aus dem böhmischen Abenteuer heraushalten.
Die Unionstruppen standen dem Heer der Liga an der Donau gegenüber;
König für ein Jahr: Friedrich von der Pfalz in Böhmen löS
man beobachtete sich, doch dabei blieb es. Zwischenzeitlich wurde seitens
der Union erwogen, die Truppen zu nutzen, um einen Schlag gegen das
inzwischen bayerische Donauwörth zu führen, was wohl zur Konfronta
tion mit dem Liga-Heer geführt hätte; dann kam die Idee auf, den Schlag
gegen Donauwörth mit einem Angriff des in Böhmen stehenden Mansfeld
auf Passau zu kombinieren, womit die Versorgungslinien der Kaiserlichen
in Böhmen durchtrennt worden wären. Die Liga-Truppen hätten damit
auch gegen Mansfeld operieren und sich infolgedessen auffeilen müssen -
aber das alles waren nur Ideen, die nie zu strategischen Projekten wurden,
geschweige denn zur Ausführung kamen.95 Stattdessen wurde am 3. Juli
1620 unter französischer Vermittlung der Ulmer Vertrag unterzeichnet, in
dem Union und Liga übereinkamen, sich gegenseitig nicht anzugreifen
und die Territorien der je anderen Seite zu respektieren. Die Vertreter der
Lmon willigten wohl auch darum ein, weil das militärische Kräfteverhält
nis sich stark zugunsten der Liga verschoben hatte: Ihren 24500 Fußsolda
ten und 5500 Reitern, nach damaligen Maßstäben ein kriegsstarkes Heer
exercitus formatus), konnte die Union gerade einmal 9500 Mann entge
genstellen.96 An ein offensives Agieren war unter diesen Umständen nicht
zu denken.
Auf den ersten Blick nahm sich die wechselseitige Neutralisierung bei
der Heere im Ulmer Vertrag9, als ein Erfolg der Union aus. Man war wei
terhin in der Lage, die Zusage einer Verteidigung der Kurpfalz einzuhalten
und hatte, wie man meinte, den Bayernherzog in einen Vertrag eingebun
den, der ihn an einem Angriff auf die Oberpfalz hinderte. Zu mehr hatte
man sich nicht verpflichtet. Böhmen spielte in den vertraglichen Verein
barungen ausdrücklich keine Rolle. Vermutlich war den protestantischen
Verbündeten klar, dass mit dem Ulmer Vertrag die Streitkräfte der Liga für
den Einsatz in Böhmen frei würden. Zwar war nicht ausgeschlossen, dass
auch die Truppen der Union in Böhmen eingreifen konnten, aber das war
nach Lage der Dinge und angesichts der bestehenden Kräfteverhältnisse
völlig ausgeschlossen. Ob nun «das Selbstgefühl der Union schon weit
genug herabgedrückt [war], um einem derartigen Anerkenntnis keine erns
ten Schwierigkeiten entgegenzusetzen», wie Ritter schreibt,98 ob man sich
angesichts der Anstalten Ambrosio Spfnolas, mit einem starken spanischen
166 E IN AUFSTA ND, D ER DAS R E IC H E R S C H Ü T T E R T
Entscheidungsschlacht
am Weißen Berg
Für die Böhmen hatte sich die Lage seit Beginn des Jahres 1620 nicht ver
bessert. Über Monate hin lag die Hauptarmee unter Christian von Anhalt
den Truppen Bucquoys bei Eggenburg gegenüber, beide Seiten in starken
Verschanzungen, so dass keine von ihnen sich einen Angriff auf die gegneri
schen Positionen zutraute. Die Böhmen litten darunter stärker als die Kai
serlichen, denn der ausgebliebene Sold hatte zu massiver Unzufriedenheit
im Heer geführt; hinzu kamen Hunger und Desertion, Kälte und Krank
heiten. Der Mannschaftsbestand des Ständeheeres nahm kontinuierlich ab:
Im Frühjahr waren es gerade einmal 9000 Mann, über die Christian von
Anhalt noch verfügte.101 Währenddessen trafen auf kaiserlicher Seite die
Entscheidungsschlacht am Weißen Berg 167
Mit dem Eindringen der Streitkräfte der Liga und des Kaisers nach Böh
men veränderte sich die militärische Lage. Aus dem Kleinkrieg des Früh
jahrs und Frühsommers wurde ab dem späten August ein Bewegungskrieg,
bei dem vor allem Tilly, der Kommandeur des ligistischen Heeres, die
Initiative an sich riss und seine strategischen Vorstellungen durchsetzte.
Johann Tserclaes Graf von Tilly,106 in Brabant geboren und aufgewachsen,
Entscheidungsschlacht am Weißen Berg 16 9
400 000 Gulden, und es spricht manches dafür, dass die Gegenseite durch
aus bereit war, ihm diese Summe zu zahlen - nicht mit einem Mal, denn
auch Maximilian war sich über Mansfelds Absichten nicht im Klaren, aber
doch in mehreren Tranchen und bei entsprechenden Sicherheiten. Über
diesen Verhandlungen verging Zeit, und der Winter kam immer näher.112
Sollte Mansfeld auf Zeitgewinn gesetzt haben, dann nicht im Hinblick auf
Entsatz, mit dem nicht zu rechnen war, sondern in Erwartung eines kalten
Winters, in dem eine Belagerung nicht aufrechterhalten werden konnte.
Als Christian von Anhalt Mansfeld aufforderte, mit allen Soldaten
und seinem Geschütz zum böhmischen Hauptheer zu stoßen, entsprach
Mansfeld dem nicht. In Anbetracht des bei Pilsen stehenden kaiserlich-
ligistischen Hauptheeres wäre das auch schwer möglich gewesen: Wäre
Mansfeld der Aufforderung umgehend gefolgt, hätte das mit großer Wahr
scheinlichkeit zur Vernichtung seiner Streitmacht geführt. Für den weite
ren Verlauf des Krieges war indes ausschlaggebend, dass Tilly und Bucquoy,
als sie den Entschluss fassten, das böhmische Hauptheer anzugreifen, das
mit ihrer gesamten Streitmacht tun konnten. Durch den Pilsner Akkord,
in dem Mansfeld fürs Stillhalten bezahlt wurde, war es nicht erforderlich,
Kräfte zurückzulassen, um Mansfeld in Pilsen eingeschlossen zu halten. Es
wäre für Mansfeld eigentlich naheliegend gewesen, Tilly und Bucquoy zu
folgen, um dem böhmischen Hauptheer im entscheidenden Augenblick
zu Hilfe zu kommen. Was auch immer Mansfelds Absichten gewesen sein
mögen - durch den Pilsner Akkord ermöglichte er den Kaiserlichen und
der Liga, ihre Kräfte zusammenzufassen und diese konzentriert gegen das
böhmische Hauptheer einzusetzen. Das sollte sich als kriegsentscheidend
erweisen.
Ebenso kriegsentscheidend war indes, dass sich Maximilian und Tilly
Ende Oktober 1620 gegen Bucquoy durchsetzten.113 Bucquoy nämlich
wollte es mit der Neutralisierung Mansfelds und dem Zurückdrängen des
böhmischen Hauptheers aus Niederösterreich und Mähren bewenden las
sen und seine erschöpften Truppen in die Winterquartiere verlegen. Durch
die Erfolge im Herbst war das Kriegsjahr 1620 das beste, das die kaiserliche
Seite in diesem Krieg bislang gehabt hatte, und das sollte nach Bucquoys
Auffassung genügen. Maximilian und Tilly dagegen suchten die Entschei-
Entscheidungsschlacht am Weißen Berg 173
düng und strebten eine Schlacht gegen die böhmische Hauptmacht an.
Es kam zum Streit, und erst als Maximilian drohte, das Heer zu verlassen
und nach München zurückzureisen, gab Bucquoy nach und marschierte
mit Tilly zusammen auf Prag. Als die Heere beider Seiten am 8. November
am Weißen Berg unweit von Prag aufeinandertrafen, waren die kaiserlich-
ligistischen Truppen mit etwa 19000 Fußsoldaten, 6000 Berittenen und
:i Kanonen den Böhmen, die über 11600 Fußsoldaten, 11400 Berittene
und 10 Kanonen verfügten, leicht überlegen.114 Wären Mansfelds Söldner
zum böhmischen Hauptheer gestoßen, so hätten die Böhmen eine zahlen
mäßige Überlegenheit gehabt. Ob das zu einem anderen Schlachtverlauf
geführt hätte, kann in Anbetracht der Art und Weise, wie sich die kaiser-
lich-ligistischen Truppen durchsetzten, jedoch bezweifelt werden.
Mehrere Tage bewegten sich beide Heere auf dem Marsch in Rich
tung Prag nebeneinanderher; bei dem Ort Rakonitz (Rakovnik) kam
es zu einem Scharmützel, doch dann entfernten sich die Heeressäulen
wieder voneinander. Am Morgen des 8. November stellte die Vorhut des
kaiserlich-ligistischen Heeres fest, dass sich die Böhmen nicht nach Prag
zurückgezogen, sondern vor der Stadt auf einem langen Bergrücken, dem
Weißen Berg, Stellung bezogen hatten, um dort den Angriff des Gegners
zu erwarten. Christian von Anhalt rechnete freilich damit, dass Bucquoy
und Tilly unter dem Eindruck der von ihm gewählten günstigen Position,
die inzwischen noch durch zwei große Schanzen an den Flanken der Auf
stellung verstärkt worden war, vor einem Frontalangriff zurückschrecken
und den Rückzug antreten würden. Wenn sie doch angriffen, so mussten
sie das den Berg hinauf tun, wo sie von den Verteidigern mit Kanonenfeuer
und Musketensalven empfangen würden, wodurch ihre Ordnung leicht
erschüttert werden konnte. In die so entstandene Unordnung hinein sollte
dann der böhmische Gegenangriff erfolgen. Das Gelände kam den Vertei
digern auch darin zugute, dass sich unterhalb des Bergrückens ein Flüss
chen hinzog, die Särka, die auf beiden Seiten von morastigem Gelände
gesäumt wurde, so dass sie kaum passierbar war. Über die Särka führte nur
eine einzige Brücke, bei deren Überschreiten die Angreifer in hohem Maße
verwundbar waren.
Christian von Anhalt hatte das böhmische Heer in zwei taktisch zusam
174 EIN AUFSTA ND, D E R DAS R E IC H E R S C H Ü T T E R T
£>„>mms »er r'Stm e<! auflhi Weriliei! (jrtg. "V n ^iifM XÄBrr. Senn
R e g im e n t-
Vorerst aber war nicht klar, ob die Schlacht überhaupt stattfinden würde.
A uf böhmischer Seite ging man anscheinend nicht davon aus, denn Fried
rich, der sich zunächst beim Heer aufgehalten hatte, ritt am Morgen nach
Prag zurück, um dort mit den gerade eingetroffenen englischen Gesandten
zu sprechen. Offenbar vertraute man darauf, dass die bezogenen Stellun
gen «unangreifbar» waren. Auch auf kaiserlich-ligistischer Seite war man
zunächst uneins, ob man die von den Böhmen angebotene Schlacht wagen
solle. Tilly drängte darauf, Bucquoy war dagegen. In einem am Vormit
tag stattfindenden Kriegsrat verwies Bucquoy darauf, dass man aufgrund
der topographischen Gegebenheiten die Tiefe der gegnerischen Aufstel
lung nicht erkennen könne, also nicht wisse, welche Reserven Anhalt auf
der Rückseite des Hügels bereithalte. Wenn man auf einen standhaften
Feind treffe und sich zurückziehen müsse, hätte man erneut das morastige
Gelände der Särka zu durchqueren, was bei einem entschlossen nachdrän
genden Feind zu einer Panik im eigenen Heer führen könne. Tilly hielt
dagegen, dass mit einem Gegenangriff Anhalts nicht zu rechnen sei. Ihm
sprangen einige Offiziere bei, die die gegnerische Aufstellung erkundet hat
ten und zu dem Ergebnis gekommen waren, dass sie keineswegs so stark
sei, wie sie sich auf den ersten Blick ausnehme. In ihrer Zuversicht ließen
sie sich auch durch den Einwand Bucquoys nicht erschüttern, der Angriff
müsse bergauf geführt werden und sei allein dadurch äußerst riskant.
In dieser Situation scheint ein Karmelitermönch den Ausschlag gege
ben zu haben: Domenicus a Jesu Maria war im Heerestross mitgezogen
und hatte die Hauptfahne des ligistischen Heeres mit dem Bild der Jung
frau Maria geweiht. Ungebeten drang er in den Kriegsrat ein und präsen
tierte dort ein Gemälde von der Anbetung des Jesuskindes durch die Hir
ten, das er einige Tage zuvor in Strakonitz (Strakonice) gefunden habe.118
Maria und Josef waren die Augen ausgestochen worden - ein unter Calvi-
nisten durchaus verbreiteter Akt «frommer Bildschändung», der für die
zumeist katholischen Bauernsöhne im kaiserlich-ligistischen Heer eine
grässliche Versündigung am Göttlichen war. Pater Domenicus machte die
calvinistische Bildschändung zum entscheidenden Argument: Die Heili
gen verlangten die Schlacht, und die Schar der himmlischen Engel werde
den Soldaten in der Schlacht beistehen. Das wirkte. Bucquoy ließ sich
Entscheidungsschlacht am Weißen Berg 179
_mstimmen, und Maximilian gab die Parole Sancta Maria als Feldgeschrei
i_s. Neben der regelmäßigen Besoldung führte die Vorstellung, für eine
heilige Sache zu kämpfen, dazu, dass die katholische Seite an Motivation
überlegen war.
-\ls der Angriff begann, zogen sich Maximilian und Bucquoy aus dem
unmittelbaren Hauptgeschehen zurück: Maximilian, weil er Tilly die allei
nige Kommandogewalt überlassen wollte und seine Anwesenheit eher
störend gewirkt hätte; Bucquoy, weil er sich bei dem Scharmützel nahe
Rakonitz eine Verwundung am Bein zugezogen hatte. Er übertrug das
Kommando über die kaiserlichen Truppen dem Generalwachtmeister
Rudolf von Tiefenbach.119 Die Kaiserlichen, die den rechten Flügel bilde
ren und den geringeren Geländeanstieg vor sich hatten, griffen etwas früher
an als die Ligistischen; sie trafen auf den von Graf Thurn kommandierten
linken Flügel der Böhmen. Thurn schickte ihnen zunächst seine Berittenen
entgegen, und als diese von der kaiserlichen Kavallerie zurückgeworfen
wurden, setzte er die Musketiere ein. Diese feuerten ihre Musketen aber
hastig und auf viel zu große Entfernung ab, so dass die Salven beim Geg
ner wenig Wirkung zeitigten. Überstürzt zogen sie sich daraufhin zurück,
und ihr eiliger Rückzug hätte die gesamte böhmische Front erfasst, wenn
nicht zwei von Anhalts Sohn - er trug wie sein Vater den Vornamen Chris-
nan - geführte Reiterschwadronen die Kaiserlichen in einem wuchtigen
Gegenangriff wieder zurückgetrieben hätten. Oberst Leonhard Helfried
von Meggau, der eine Schwadron kaiserlicher Arkebusiere führte, fiel bei
dieser Attacke, und das Regiment Tiefenbach-Breuner, das den Vorstoß
regen die Böhmen angeführt hatte, geriet in große Unordnung. Das war
die Krise der Schlacht, und wenn die Böhmen dieses Momentum genutzt
r.ätten und zu einem konzentrierten Gegenangriff übergegangen wären,
hätte die Schlacht am Weißen Berg einen anderen Verlauf nehmen können.
Aber Hohenlohe, der den rechten Flügel der Böhmen führte, kam Thurn
nicht zu Hilfe; Anhalt, der Oberkommandierende, setzte weiterhin strikt
auf Defensive, und so ging der für die böhmische Seite günstige Augenblick
ungenutzt vorüber.
Er währte ohnehin nur kurz, denn Tilly hatte die Probleme des rech
ten Flügels erkannt und Oberst Johann Philipp Cratz von Scharffenstein
befohlen, mit seinen bayerischen Kürassieren den böhmischen Reitern
in die Flanke zu fallen. Das war die Wende: Der kaiserliche Oberst Hans
Philipp Breuner wurde befreit, die Ordnung seines Regiments wiederher
gestellt, und der junge Anhalt, der die schneidigen Attacken der Böhmen
geführt hatte, geriet nun selbst in Gefangenschaft. Das kaiserlich-neapo
litanische Regiment des Obersten Carlo Spinelli wurde ins erste Treffen
beordert, um die Wucht des Angriffs zu verstärken. Die Neapolitaner war
fen das Kavallerieregiment des Obersten Solms zurück,120 und damit war
der linke böhmische Flügel zertrümmert. Der Angriff hatte die Kammlinie
des Weißen Bergs erreicht, und ein Teil der kaiserlichen Truppen wandte
sich nun gegen den rechten böhmischen Flügel, um ihn von der Seite her
aufzurollen, während der andere Teil gegen den ummauerten Park vor
stieß, in dem sich das mährische Regiment des Grafen Schlick festgesetzt
hatte und noch für einige Zeit erbitterten Widerstand leistete. Unterdes
sen hatten sich auf dem linken Flügel der Angreifer Tillys polnische Reiter,
zumeist als Kosaken bezeichnet, gegen eine fünffache Übermacht ungari
scher Husaren durchgesetzt und diese in die Flucht geschlagen. Die wilde
Flucht der Ungarn, von denen etwa 1000 bei dem Versuch, die Moldau auf
einem Wehr zu überqueren, den Tod fanden, ließ - mit dem Flankenangriff
von Spinellis neapolitanischer Infanterie - den rechten böhmischen Flügel
zusammenbrechen. Die Musketiere warfen, oftmals ohne einen einzigen
Schuss abgefeuert zu haben, ihre Gewehre weg, die Pikeniere entledigten
sich ihrer Piken, und alles strebte in ungeordneter Flucht auf Prag zu.
Am frühen Nachmittag war die Schlacht entschieden. Als Friedrich um
diese Zeit mit einer Eskorte von 500 Reitern aus Prag zu seinen Truppen
zurückreiten wollte, kamen ihm diese entgegen, unter ihnen auch Christian
von Anhalt, der seinem König zurief, alles sei verloren, er solle eilends die
Stadt verlassen. Die Schlacht hatte gerade einmal zwei Stunden gedauert,
Ein satirisches Flugblatt auf die Versuche des als «W interkönig»
verspotteten Kurfürsten Friedrich von der Pfalz, wieder in den Besitz
des in der Schlacht am Weißen Berg verlorenen Königreichs Böhmen zu
gelangen. Auf dem linken Bilddrittel reißt der kaiserliche Adler dem am
Boden liegenden Friedrich die Krone vom Kopf; das Szepter in Friedrichs
Hand ist zerbrochen. Die im geöffneten Zelt hinter dem Adler stehenden
Kurfürsten statten diesen mit neuen Federn aus: von Oppenheim über
Creütznach bis Simmeren Städte aus Friedrichs Herrschaftsgebiet. Das
mittlere Bilddrittel zeigt Friedrich auf dem Heidelberger Fass («vorzeit
voll Wein jetzt bodenloß») mit einem Affen sitzend; der Genuss des
böhmischen Bieres ist ihm nicht bekommen, und so speit er «Länder /
Stätt und C ron», die er sich einverleibt hatte, wieder aus. Die drei Männer,
die den Fasswagen ziehen, hoffen im Gasthof Geld und Gut zu bekommen,
werden aber abgewiesen, während die Räte, die den Pfalzgrafen zu
dem böhmischen Abenteuer verführt haben, niedergeschlagen dem
Wagen folgen; über ihnen einige Vögel, die vom Zelt wegfliegen: «D ie
Predicanten mit Geheul / Fliegen davon wie Kauz und E u l.» Noch aber
ist Hoffnung: Ein mit Gold beladener Esel lockt englische Soldaten
herbei, und ein dahinjagender Reiter steht für die Hilfe aus dem Südosten:
«Bethlen kombt / bringt Türcken m it.»
schiacht: Das Heer der böhmischen Rebellen bestand nicht mehr, über
hundert Fahnen und sämtliche Kanonen der Böhmen waren den Truppen
des Kaisers und der Liga in die Hände gefallen; Friedrich, den man von nun
an spöttisch den «Winterkönig» nannte, war mit vielen seiner Getreuen
auf der Flucht, andere waren in Gefangenschaft geraten; an eine Weiter
führung des Ständewiderstands war nicht zu denken. Die katholische Seite
hatte auf ganzer Linie gesiegt.
Eine so dramatische Wende des Krieges nahm sich aus wie ein Wunder,
und so war es naheliegend, sie auch mit einem Wunder in Verbindung zu
bringen. Im entscheidenden Augenblick der Schlacht, so wussten Augen
zeugen zu berichten,122 sei aus dem Rauch und Donner des Gefechts ein
Karmelitermönch aufgetaucht, habe ein Bild hochgehalten, auf dem der
Mutter Gottes die Augen ausgestochen gewesen seien, und habe mit dem
Kruzifix den eigenen Soldaten den Weg zum Angriff auf die Feinde gewie
sen. Einige berichteten später, sie hätten auch gesehen, wie Gemälde und
Kruzifix Flammen auf die Feinde gespien hätten, die daraufhin geflohen
seien. Es war die alte Erzählung von den himmlischen Heerscharen, die mit
den irdischen Streitern in den Kampf zogen und ihnen schließlich zum Sieg
verhalfen. Offenbar haben diese und ähnliche Erzählmuster die auf katho
lischer Seite kämpfenden Soldaten angefeuert und ihnen Siegeszuversicht
eingeflößt. Sie haben - neben anderem - dazu beigetragen, dass die katho
lische Seite im ersten Jahrzehnt des Krieges immer wieder die Oberhand
gewann. Der Vorstellung, dass Maria, die Mutter Gottes, auf Seiten der
Katholischen mit in den Kampf zog, hatten die Protestanten über lange
Zeit nichts Gleichwertiges entgegenzusetzen.
Friedrich hatte kurze Zeit geschwankt, ob er in Prag bleiben und die Vertei
digung seiner Königsstadt organisieren oder nach Schlesien fliehen sollte.
In Anbetracht der Auflösung des Heeres und unter dem Eindruck wüten-
Das kaiserliche Strafgericht über die böhmischen Rebellen 185
der Soldaten, die durch Prag zogen und den ausstehenden Sold verlang
ten, war an eine Verteidigung der Stadt jedoch nicht zu denken. Als die
Königin mit ihren Kindern Prag verließ, kam in der engeren Umgebung
Friedrichs, bei den aus Heidelberg Mitgekommenen und den Trägern der
Rebellion gegen Habsburg, eine panikartige Stimmung auf, und sie alle
verließen überstürzt die Stadt.123 Dabei wurde ein Teil der böhmischen
Kanzlei zurückgelassen, so dass den in Prag einziehenden Siegern wichtige
Dokumente in die Hände fielen, auf die sie ihre anschließende Politik der
•<Säuberung» stützen konnten. Auch die Krone von Böhmen blieb in Prag
zurück - sei es, weil man fürchtete, dass ihre Mitnahme zu einem Aufstand
empörter Bürger führen würde, sei es, weil man sie in der Eile schlichtweg
vergaß. Es war ein langer Zug von Flüchtlingen, der Prag verließ, und mit
den politischen und konfessionellen Veränderungen in Böhmen sollten
ihm noch viele folgen. Während die Anführer der Rebellion nach Nord
osten zogen, brachten die Sieger eine Kiste auf den Weg nach Wien, in
der die Dokumente über die Privilegien des Landes einschließlich der von
Rudolf und Matthias unterschriebenen Majestätsbriefe lagen: Die Selbst-
omdung der habsburgischen Landesherrn gegenüber den böhmischen
Untertanen stand nunmehr zur Disposition, und «es heißt, daß der Kaiser
von dem Majestätsbrief selbst das Siegel herausgerissen und ihn der Mitte
nach zerschnitten habe»124. Ob das erfunden ist oder den Tatsachen ent
spricht - das Gerücht bringt zum Ausdruck, was die einstigen Vorrechte
der Böhmen jetzt noch wert waren: nichts mehr. Dieses Schicksal teilten
die Böhmen mit den Ständen in Mähren und Österreich, deren ursprüngli
che Rechte allesamt kassiert wurden.
Um einiges besser erging es Schlesien und den beiden Lausitzen, wo
der sächsische Kurfürst Johann Georg die Aufgabe übernommen hatte, die
Rebellion zu beenden. Die sächsischen Truppen marschierten Anfang Sep
tember 1620 in die Niederlausitz ein, rückten auf Bautzen vor und zwangen
die gut befestigte Stadt nach dreiwöchiger Belagerung zur Kapitulation.
Die kleine Streitmacht, die von den Lausitzern und Schlesiern aufgestellt
worden war und unter dem Kommando des Herzogs von Jägerndorf ope
rierte, traute sich eine unmittelbare Konfrontation mit dem sächsischen
Heer nicht zu und wich diesem aus. Neben dem Beschuss von Bautzen
i8 6 EIN A U FSTA N D , D ER DAS R EIC H E R S C H Ü T T E R T
Der Stich aus dem 19. Jahrhundert zeigt Kaiser Ferdinand, der das Siegel
vom Majestätsbrief abgeschnitten hat und im Begriff steht, das Wiener
Exemplar des Briefes ins Feuer zu werfen. Die Bindungen des Landesherrn,
die Kaiser Rudolf am 6. Juli 1609 in einer Situation der Schwäche von
den böhmischen Ständen abgerungen worden waren, wurden damit für
ungültig erklärt.
Am 9. und 10. November 1620 zogen große Teile der siegreichen Armee in
Prag ein; dabei kam es zu Gewalttaten und Plünderungen, die aber bald
eingedämmt und unterbunden wurden. Am 13. November nahm Herzog
Maximilian in Stellvertretung des Kaisers die Unterwerfung der Ständever
treter entgegen. Da Maximilian sich nun wieder den genuin bayerischen
Interessen zuwenden wollte, übertrug er am 17. November die kaiserlichen
Vollmachten dem Fürsten Karl von Liechtenstein und trat die Heimreise
188 E IN A U FSTA N D , D ER DAS R EIC H E R S C H Ü T T E R T
nach München an. 126 Damit hatten die Anhänger des Kaisers und alle, die
sich für die Ereignisse der letzten zweieinhalb Jahre rächen wollten, freie
Hand. Das nun folgende Strafgericht bestand im Wesentlichen aus drei Ele
menten: aus politischen und religiösen Maßnahmen, mit denen die Herr
schaft Habsburgs und der Gegenreformation durchgesetzt werden sollte;
der körperlichen Bestrafung derer, die am Aufstand gegen Habsburg und an
der Herrschaft Friedrichs beteiligt waren; und schließlich der Enteignung
jener, die diesen Aufstand im weiteren Sinn unterstützt hatten. Zusammen
genommen lief das auf einen radikalen Elitenwechsel hinaus, bei dem die
traditionelle Führungsschicht Böhmens durch eine aus Deutschen, Italie
nern, Spaniern und Franzosen bestehende «internationale» Elite ersetzt
wurde. 127 Böhmen wurde nicht nur der Herrschaft der Sieger, sondern auch
einer Herrschaft von Fremden unterworfen.
Unmittelbar nach dem Einzug der kaiserlich-ligistischen Truppen in
Prag begann auch die Rekatholisierung Böhmens. Die calvinistischen Pre
diger wurden umgehend vertrieben; mit den Lutheranern ließ man sich
noch zwei Jahre Zeit; danach mussten auch die ersten lutherischen Pfar
rer das Land verlassen. Der Kaiser wollte den Sachsen Johann Georg, der
sich als Schutzherr des Luthertums sah und auf den er als Verbündeten
womöglich noch angewiesen sein konnte, zunächst nicht verprellen. 128
Aber dann machten die Jesuiten im Umfeld des Kaisers Druck, indem
sie die Duldung der Ketzerei als Sünde bezeichneten. Vor allem Wilhelm
Lamormaini, seit Februar 1624 Beichtvater des Kaisers, sorgte für eine voll
ständige Durchsetzung der Gegenreformation . 129 Im Sommer 1627 wurde
den noch in Böhmen gebliebenen evangelischen Adligen die Entscheidung
abverlangt, binnen sechs Monaten das Land zu verlassen oder zum katho
lischen Bekenntnis überzutreten. Ein Viertel von ihnen wählte die Emigra
tion; ihnen schlossen sich viele Handwerker und Gewerbetreibende an, so
dass bis Ende 1627 etwa 150 000 Menschen das Land verließen. Der Verlust
eines Zehntels der Gesamtbevölkerung Böhmens war ein wirtschaftlicher
Aderlass, von dessen Folgen sich das Land so schnell nicht wieder erholen
sollte.
Verglichen mit der konfessionellen betraf die politische Neuordnung
Böhmens nur die Elite des Landes. Bis Mai 1627 regierte Karl von Liech-
Dis kaiserliche Strafgericht über die böhmischen Rebellen 189
:enstein das Land willkürlich nach dem Recht des Siegers. Dann wurde die
erneuerte Landesordnung» in Kraft gesetzt, mit deren Ausarbeitung
man sich in Wien reichlich Zeit gelassen hatte.130 Als Eroberer des Landes
sah sich Ferdinand an frühere Gesetze nicht gebunden, und die Rebellen
hatten keinen Anspruch mehr auf ihre einstigen Privilegien. Das Gesetz-
jebungsrecht lag allein beim König, der hinfort nicht mehr gewählt wurde,
sondern aus dem Hause Habsburg durch Erbrecht bestimmt wurde. Nur
das Steuerbewilligungsrecht verblieb bei den Ständen, aber auch dieses
Recht wurde so zurechtgestutzt, dass es keine Eingriffe in die königlichen
Hoheitsrechte mehr erlaubte. Der alte Dualismus zwischen dem Landes
herrn und dem Landtag, der Ständevertretung, durch den beide Seiten
;:ch wechselseitig eingeschränkt und kontrolliert hatten, wurde abgeschafft,
und die Stände wurden auf ein untergeordnetes Organ des Landesherrn
reduziert. Lfm jeden Zweifel zu beseitigen, wer im Land das Sagen hatte,
wurde die Böhmische Hofkanzlei, in der die Verwaltungs- und Justizange-
.egenheiten des Landes verhandelt wurden, von Prag nach Wien verlegt.
Böhmen wurde fortan von Wien aus regiert.
Am tiefsten griffen die vollzogenen Enteignungen in die soziopolitische
Ordnung Böhmens ein: Die Hälfte des Bodens wechselte den Besitzer.131
Das vom Kaiser eingesetzte Gericht hatte drei Kategorien von Schuldigen
gebildet: die Hauptschuldigen, die führend am Aufstand beteiligt gewesen
waren - ihr gesamtes Vermögen wurde eingezogen, und sie sollten auch
roch an Leib und Leben gestraft werden; die Mitschuldigen, die während
ces Aufstands ein Amt innegehabt oder sich dem Aufstand danach ange
schlossen hatten beziehungsweise dem «Winterkönig» zu Diensten gewe
sen waren - sie sollten die Hälfte ihres Vermögens verlieren; schließlich die
bloßen Mitläufer des Aufstandes - sie sollten «mit der Verschlechterung
ihres Besitzes bestraft werden, ihr Allodbesitz in Lehnbesitz umgewandelt
oder ein jährlicher Zins ihnen auferlegt».132 Es war im Übrigen einer der
• Defenestrierten» vom Mai 1618, Wilhelm Slawata, der dem Kaiser diese
Politik der systematischen Konfiskation antrug und auf ihre Ausgestaltung
Einfluss nahm. Insofern war das kaiserliche Strafgericht auch eine Ausein
andersetzung innerhalb des böhmischen Adels, durch die alte Geschlechter
enteignet und entmachtet wurden und neue Familien nach oben kamen.
190 E IN A U FSTA N D , D ER DAS R E IC H E R S C H Ü T T E R T
zogen werden. «So sollten dem ehemaligen Hauptmann des Prager Schlos
ses, Dionys Cernin, weil er die Stände bewaffnet in die Burg eingelassen und
so den Fenstersturz ermöglicht hatte, zuvor zwei Finger der rechten Hand
abgehauen, dem Dr. Jessenius und dem Martin Fruewein die Zunge ausge
schnitten, einigen andern früher die Hände abgehauen, einige bei lebendi
gem Leib gevierteilt werden.»138 Die Urteile wurden Ferdinand vorgelegt,
und der wiederum befragte seine Vertrauten, wie er damit umgehen solle.
Peter Heinrich von Stralendorff riet dazu, alle Urteile in eine lebenslängliche
Galeerenstrafe umzuwandeln, fand dafür aber keine Unterstützung. So wur
den die Urteile bestätigt, wenngleich ihr Vollzug in einzelnen Fällen abge
mildert wurde. An dem Tag, an dem sie in Prag vollstreckt wurden, wollte
Ferdinand auf einer Wallfahrt in der Kirche Maria Zell frommen Übungen
nachgehen. Als Weihegeschenk für die Gottesmutter, die ihm so eindrück
lich geholfen hatte, stiftete er eine goldene Krone im Wert von 10 000 Gul
den.139Es ging dem Kaiser darum, sich durch das Prager Blutgericht nicht zu
beflecken und weiterhin des Beistands der Heiligen gewiss zu sein.
Die Exekution der Rebellen war auf den 21. Juni angesetzt und fand vor
dem Altstädter Rathaus statt. Den zum Tode Verurteilten hatte man geist
lichen Beistand zugestanden, auch durch lutherische und utraquistische
Pfarrer, nicht jedoch durch reformierte Prediger und solche der böhmi
schen Bruderunität. Das Abendmahl wurde in lutherischer Form ausgeteilt,
weshalb überzeugte Reformierte, wie Wenzel Budowecz, seine Annahme
verweigerten. Vereinzelt fanden auch Bekehrungsversuche durch katholi
sche Geistliche statt, die aber erfolglos blieben. Ein Kanonenschuss kün
digte den Beginn der Hinrichtungen an. Um Unruhen vorzubeugen, hatte
man die Stadttore geschlossen und Militär aufgeboten, darunter auch
Wallensteins Kürassiere, die als besonders zuverlässig galten. Graf Joachim
-Andreas von Schlick wurde als Erster aufs Schafott geführt und enthaup
tet, erst danach wurde ihm die rechte Hand abgeschlagen; als Nächster war
Wenzel Budowecz an der Reihe, als Vierter Kaspar Cappleri de Sulewicz,
ein sechsundachtzigjähriger Mann, der stolperte und den Pfarrer Johan
nes Rosacius bitten musste, ihn bis zum Richtblock zu führen, damit kei
ner meine, er sei von Verzweiflung ergriffen.140 Vierundzwanzig Personen
wurden enthauptet, drei gehängt. Es war das Privileg des Adels, mit dem
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Ferdinand habe in Wien seinen Sieg gefeiert, aber die wahren Sieger dieser
ersten Phase des Krieges seien der spanische König Philipp III. und der
3 ayernherzog Maximilian gewesen - so das Urteil der britischen Historike
rin Cicely Veronica Wedgwood.141 Legt man das Frühjahr 1621 zugrunde, so
hatten spanische Truppen die Rheinpfalz besetzt, womit die Spanier zwar
die logistischen Voraussetzungen für die Wiederaufnahme des Krieges
gegen die niederländischen Generalstaaten zweifellos verbessert, zugleich
aber eine weitere Front eröffnet hatten, an der Soldaten und Ressourcen
gebunden waren. Ob das von Vorteil sein würde, musste sich erst noch
zeigen. Immerhin, die nördlichen Niederlande hatten, entgegen den der
Union gegebenen Zusagen, keinen Diversionskrieg gegen die südlichen
Niederlande eröffnet, um die spanischen Truppen dort zu binden. Es war
durchaus möglich, dass der über zwölfJahre geltende und nun auslaufende
Waffenstillstand verlängert werden würde. Spanien wollte dem aber nur
unter Bedingungen zustimmen, die für das Weltreich günstiger waren als
die bisherigen,142 und ob die Holländer dann noch zur Verlängerung des
Waffenstillstands bereit wären, blieb abzuwarten. Genaugenommen hatte
Spanien noch gar nichts gewonnen, sondern nur seine Ausgangspositionen
verbessert. Das galt nicht weniger für den Bayernherzog Maximilian: Er
war zwar der glänzende Sieger des Böhmenkriegs, und Kaiser Ferdinand
194 E IN A U FSTA N D , D ER DAS R E IC H E R S C H Ü T T E R T
stand tief in seiner Schuld, aber weder hatte Bayern zu diesem Zeitpunkt
den erhofften Gebietszuwachs erfahren, noch war die in einem geheimen
Zusatz zum Münchner Vertrag in Aussicht gestellte Übertragung der pfäl
zischen Kur auf Maximilian erfolgt. 143 Maximilian hatte Oberösterreich als
Pfand in der Hand, mehr nicht.
Den eigentlichen Sieger der Ereignisse nennt Wedgwood nicht: Es war
Johann Georg von Sachsen, der nicht nur die Kontrolle über die Ober- und
Niederlausitz erlangt, sondern sich auch als der wahre und weitsichtige Füh
rer der deutschen Protestanten positioniert hatte. Sein Rivale Friedrich V.
hatte sein Renommee verspielt; selbst in Brandenburg wollte (und konnte)
man ihm keinen Schutz gewähren, eine Rückkehr in die Pfalz war infolge
der Kriegslage und der am 29. Januar 1621 erfolgten Ächtung des Pfalzgrafen
unmöglich, und die Union, deren Direktor der Pfälzer war, stand kurz vor
der Auflösung. Der einzige Ort, wo er einen einigermaßen sicheren Exilauf
enthalt fand, war Den Haag in den Niederlanden.144Aus Sicht der Luthera
ner in Dresden, Darmstadt und weiten Teilen Norddeutschlands war jetzt
die Gelegenheit, Frieden zu schließen und die Verhältnisse im Reich so zu
ordnen, dass dieser Friede von Dauer war.
Aber ein solcher Friedensschluss war für den reichskonservativen Pro
testantismus nicht einfach zu erreichen. Cicely Veronica Wedgwood, die
das Problem in den 1930er Jahren sorgfältig durchdacht hat, nennt vier Vor
aussetzungen für einen Friedensschluss nach dem Ende des böhmischen
Krieges:145 Kurfürst Friedrich musste unter Verzicht auf die böhmische
Krone den Kaiser um Vergebung bitten, und dieser musste die erbetene
Amnestie gewähren; sodann musste Spanien sich aus der Pfalz zurückzie
hen und die dort errungenen Vorteile wieder aufgeben, damit Friedrich in
die Kurpfalz zurückkehren konnte; weiterhin musste der in der Oberpfalz
mit der Neuaufstellung eines Heeres beschäftigte Mansfeld seine Soldaten
abdanken; und schließlich musste Ferdinand seine Schulden bezahlen, und
zwar vollständig, damit die im geheimen Zusatz zum Münchner Vertrag
vorgesehene Übertragung der Kurwürde nicht vollzogen werden musste.
Tatsächlich wurde keine dieser Voraussetzungen erfüllt. Die letztgenannte
war sachlich unerfüllbar, und zwei weitere hätten die Akteure gezwun
gen, gegen ihre objektiven Interessen zu handeln. Nur auf die böhmische
Der Krieg um die Pfalz 195
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ren. Bei einem so weitreichenden Schritt, wie es die Ächtung eines Kurfürs
ten war, hätte Ferdinand zumindest die Zustimmung der anderen Kurfürs
ten einholen müssen - was er wohlweislich nicht tat, denn Kursachsen und
Kurbrandenburg hätten sie in jedem Fall verweigert. Der Kaiser musste den
Schritt jedoch tun, um seine Zusagen gegenüber Maximilian einlösen zu
Können, denn erst wenn Friedrich geächtet war, konnte die Besetzung der
Oberpfalz als Reichsexekution dargestellt werden. Obendrein war Maxi
milian erst durch die Ächtung Friedrichs von den Regelungen des Ulmer
Vertrags entbunden, in dem er sich gegenüber der Union verpflichtet hatte,
dass Truppen der Liga nicht in das Gebiet von Unionsmitgliedern Vordrin
gen würden. Gegenüber einem Geächteten, so ließ sich argumentieren, gal
ten solche Zusagen nicht. Der Kaiser saß in einer Falle, die er selbst aufge
stellt hatte, als er im Oktober 1619 den Bayern um Hilfe gegen die Böhmen
gebeten und unter dem Einfluss von Graf Onate Maximilians Forderungen
akzeptiert hatte.147
Friedrich mochte am Ausbruch des Krieges eine gewisse Mitschuld
haben, denn ohne sein leichtfertiges Agieren wäre der böhmische Aufstand
eine «innerhabsburgische» Angelegenheit geblieben. Aber daran, dass der
Krieg mit der Niederschlagung des böhmischen Aufstands nicht zu Ende
w ar, trugen Ferdinand und Maximilian die Hauptschuld - wenn man über
haupt von Schuldigen sprechen will. Die Feststellung von Schuld ist an
eine auf Akteure zentrierte Perspektive gebunden; betrachtet man das Jahr
1621 dagegen aus systemischer Perspektive, so ist festzustellen, dass durch
den Krieg in Böhmen - im Unterschied zu dem vorangegangenen Krieg
am Niederrhein148 - so viele Streitpunkte und Problemfelder miteinander
verknüpft worden waren, dass sie sich mit politischen Mitteln vorerst nicht
voneinander trennen ließen. Eine solche Trennung aber wäre die Vorausset
zung dafür gewesen, dass man sich im Frühjahr 1621 auf einen Frieden hätte
verständigen können. Erst siebenundzwanzig Jahre später, in den Verhand
lungen von Münster und Osnabrück, sollte es gelingen, die Problemfelder
zu separieren.
Mansfeld und seine Kadertruppen waren bei alldem noch die geringste
Schwierigkeit. Nach dem Rückzug aus Westböhmen hatte der Kriegsun
198 E IN A U FSTA N D , D ER DAS R E IC H E R S C H Ü T T E R T
ternehmer sein Rriegsvolk zwischen dem Flüsschen Naab und der böh
mischen Grenze versammelt. Er war Friedrichs Wunsch gefolgt und stellte
neue Truppen auf, um erneut nach Böhmen vorzustoßen beziehungsweise
die Oberpfalz gegen den erwarteten Angriff der Liga-Truppen zu verteidi
gen. Mansfelds ständig wachsende Streitmacht wurde aus den begrenzten
Ressourcen der Oberpfalz versorgt, Subsidien aus den Niederlanden kamen
noch hinzu. 149 Im Mai bezog Mansfeld nahe der böhmischen Grenze eine
feste Stellung, von der aus er Vorstöße auf böhmisches Gebiet unternahm;
behaupten konnte er sich dort nicht, da ihm auf der böhmischen Seite Tilly
mit den verbliebenen ligistischen Truppen gegenüberstand. 150
Es kam zu gelegentlichen Scharmützeln, die sich zwischen Juli und Sep
tember 1621 zu einem regelrechten Stellungskrieg steigerten, in dem sich
beide Seiten mit Kanonen beschossen und Kommandoaktionen gegen die
Stellungen der anderen Seite durchführten.151 In diesen stationären Abnut
zungskrieg kam Bewegung, als Maximilian im Raum Straubing einen grö
ßeren Truppenverband aufstellte, mit dem er von Süden her in die Ober
pfalz vorstieß, so dass Mansfeld in Gefahr geriet, von Tilly und Maximilian
in die Zange genommen zu werden. In die Enge getrieben, nahm Mansfeld
die zuletzt erfolgreiche Praxis wieder auf, mit dem Gegner zu verhandeln
und den Eindruck zu erwecken, er werde, wenn man ihm nur genügend
Geld biete, die Seiten wechseln. Diese Aussicht war für Maximilian äußerst
attraktiv, da sie ihm die Chance bot, die Oberpfalz ohne Kampf und die
damit verbundene Verwüstung des Landes in Besitz zu nehmen, während
der Pfälzer Friedrich mit einem Schlag ohne eigene Truppen dastünde.152
Wie üblich zogen sich die Verhandlungen in die Länge; Mansfeld erhöhte
seine Forderungen, reduzierte sie wieder, und so verging die Zeit. Zwi
schen dem 8. und 10. Oktober verließ Mansfeld dann, von der Gegenseite
offenbar unbemerkt, jedenfalls nicht daran gehindert, die Oberpfalz und
marschierte in Eilmärschen nach Westen. Das von ihm geführte Heer
bestand aus 10 000 bis 12 000 Fußsoldaten, 3000 bis 4000 Reitern und
18 Kanonen.153 Das war eine beachtliche Streitmacht, mit deren Ankunft
sich das Kräfteverhältnis am Rhein schlagartig veränderte.
Die Verteidigung der Rheinpfalz gegen die spanischen Truppen stützte
sich auf drei Festungen: die Festungsstädte Mannheim und Frankenthal
Der Krieg um die Pfalz 199
rern zur Folge, führte bei widrigen Wetterverhältnissen gerade bei ihnen
zu erhöhten Krankheitsraten beziehungsweise zum Ausbruch von Seuchen
und demoralisierte die Soldaten, wenn die Belagerung schließlich erfolglos
aufgehoben werden musste. Auch erhöhte diese Art der Kriegführung die
Verwundbarkeit der Belagerer, die leicht zwischen zwei Fronten geraten
konnten, wenn den Belagerten Entsatz zu Hilfe kam. Also mussten sie nicht
nur Erdwerke zum Schutz gegen Ausfälle der Festungstruppen errichten,
sondern auch solche zum Schutz ihres Rückens, was zusätzlich Zeit kostete
und bei den Soldaten für Unzufriedenheit sorgte. Schanzarbeiten waren
nämlich ausgesprochen unbeliebt, und die Söldner bevorzugten es, wenn
dazu Bauern aus der Umgebung herangezogen wurden. Eine Stadt verteidi
gungsfähig zu machen, war aber auch nicht ganz einfach. In Friedenszeiten
entstanden vor den Stadtmauern und Bollwerken Vorstädte, zumeist aus
kleinen Häusern und Katen, in denen die ärmere Bevölkerung lebte, und
diese Vorstädte wurden von den Verteidigern nunmehr abgerissen oder
niedergebrannt, um freies Schussfeld zu haben und dem Angreifer keine
Unterkünfte für seine Soldaten zu bieten. Belagerungskrieg war stets mit der
ausgreifenden Verwüstung der Umgebung einer Festung verbunden. 155
Um einem Angreifer, der über schwere Kanonen verfügte, Widerstand
leisten zu können, hatte sich der Bau von Befestigungswerken seit dem
Spätmittelalter grundlegend verändert. 156 An die Stelle der hohen Mauern,
die mit Leitern gestürmt werden mussten, waren abgeschrägte Bastionen
getreten, die sich nach einem geometrisch ausgeklügelten System von Win
keln und Vorsprüngen gegenseitig deckten, so dass ein Angreifer unter flan
kierendes Feuer genommen werden konnte. Unter solchen Umständen war
ein Frontalangriff unmöglich oder zumindest mit so schweren Verlusten
verbunden, dass die meisten Angreifer davor zurückschreckten. Während
in die herkömmlichen Burg- und Stadtmauern, die umso furchteinflößen
der waren, je höher sie aufragten - man spricht auch von einer «vertikalen
Verteidigung» - , von schweren Belagerungsgeschützen relativ schnell eine
Bresche geschlagen werden konnte, hielten die auf ihrer Innenseite durch
Erdaufschüttungen abgestützten Bastionen der neuartigen Festungsanla
gen auch längerem Artilleriebeschuss stand. Der Sturm auf eine Festung
musste also gründlich vorbereitet werden, und dazu gehörte neben syste
Der Krieg um die Pfalz 201
So ging das Jahr 1621 zu Ende, ohne dass erkennbar war, welche Seite an
Rhein und Neckar die Oberhand gewinnen würde. Ein schwerwiegendes
Der Krieg um die Pfalz 203
Manko lastete freilich auf der Sache des Kurfürsten, und das bestand darin,
dass sich die protestantische Union am 14. Mai 1621 aufgelöst hatte. Friedrich
hatte dadurch seine letzte eigene Machtbasis verloren; fortan war er gänz
lich auf die Hilfe fremder Mächte angewiesen. Was die Schlacht am Weißen
Berg für ihn als böhmischen König bedeutet hatte, war der Heilbronner
Beschluss zur Auflösung der Union für ihn als pfälzischer Kurfürst. 1617
war das Unionsbündnis um vier Jahre verlängert worden, im Frühsommer
1621 hätte es erneut verlängert werden müssen. Dies wurde zum Problem,
seitdem Friedrich, der Kopf und Anführer der Union, vom Kaiser geächtet
war: Jeder, der ihn nun unterstützte, lief selbst Gefahr, der kaiserlichen Acht
zu verfallen. Zwar hatte man bei einer ersten Versammlung in Heilbronn
am 7. Februar 1621 noch die finanziellen Mittel zum weiteren Unterhalt der
Truppen bewilligt und auch die Verpflichtung zum Schutz der Kurpfalz
anerkannt, aber einige Unionsangehörige hatten das unter dem Vorbehalt
getan, dass diese Verpflichtung in zwei Monaten auslaufen werde und die
beschlossenen Zahlungen nur noch zur Abwicklung der Armee dienten.162
Der vom Kaiser damit beauftragte Landgraf Ludwig von Hessen-Darmstadt
war nach Heilbronn gekommen, um den Versammelten die Risiken einer
weiteren Unterstützung des Pfalzgrafen in aller Deutlichkeit vor Augen zu
führen. Bei den traditionell reichstreuen Städten stieß er damit schon halb
geöffnete Türen auf. Als erste Stadt kündigte Straßburg die Beteiligung an
den Kriegskosten der Union, und als den anderen Städten eine Frist von
sechs Wochen eingeräumt wurde, um dem Straßburger Beispiel zu folgen,
taten sie es allesamt. Einer der Gründe dafür war, dass die Städte durch
die Achtung am stärksten verwundbar waren, da ihre über Land ziehenden
Kaufleute ohne kaiserlichen Schutz nicht auskamen. War eine Stadt geäch
tet, so konnte sich jeder ungestraft am Eigentum ihrer Händler und Kauf
leute vergreifen, und wer in der Stadt Geld geliehen hatte, musste es nicht
zurückzahlen. Unter diesen Umständen war den Städten ihr Eigeninteresse
wichtiger als die Solidarität mit den protestantischen Glaubensbrüdern.
Als Nächstes fiel ausgerechnet Landgraf Moritz von Hessel-Kassel ab.
Was er fürchtete, war nicht die Ächtung durch den Kaiser, sondern die an
seiner Grenze aufmarschierten spanischen Truppen des Generals Spfnola.
Dieser Macht waren die Streitkräfte des Landgrafen nicht gewachsen, und
204 E IN A U FSTA N D , D ER DAS R EIC H E R S C H Ü T T E R T
Bevor unter der Führung des Dänen Christian IV. und des Schweden Gus
tav Adolf die nordischen Mächte in den Krieg eingriffen, waren es zwei
deutsche Reichsfürsten, die dafür sorgten, dass die militärische Wider
standskraft des Protestantismus nicht auf die Söldner des notorisch unzu
verlässigen Mansfeld beschränkt blieb. Dieser hatte die im Eisass und in Tei
len der Rheinpfalz bezogenen Winterquartiere genutzt und seine Truppen
durch neue Werbungen verstärkt. Sein Ruf, dass bei ihm der Sold zwar nur
unregelmäßig ausgezahlt werde, man aber ungehemmt rauben und plün
dern könne, sorgte dafür, dass er entsprechenden Zulauf hatte. Im Frühjahr
1622, als die Witterung wieder größere militärische Bewegungen erlaubte,
hatte Mansfeld seine Truppen auf insgesamt 35 000 Mann gebracht. Das
war eine beachtliche Streitmacht, freilich eine von sehr unterschiedlicher
Kampfstärke, bei der man bezweifeln konnte, dass sie einem zahlenmäßig
gleich starken Gegner, wie den Truppen der Liga unter Tilly oder einem
spanisch-flämischen Heeresverband unter Cordoba, auf dem Schlachtfeld
gewachsen war. Mansfeld scheint das gewusst und selbst an der Kampfkraft
seiner Truppen gezweifelt zu haben, denn er achtete während des gesamten
Kriegsjahres rö22 darauf, dem Gegner auszuweichen. Nur einmal stellte er
sich zur Schlacht, und das auch nur, weil er dabei aus einem Hinterhalt agie
ren konnte und außerdem drückend überlegen war. Zumeist aber waren
das Heer der Liga, die spanischen Truppen, die Verbände des Erzherzogs
Leopold sowie die kaiserlichen Einheiten, die zusammen über eine Stärke
von etwa 100 000 Mann verfügten, deutlich überlegen - jedenfalls solange
sie koordiniert agierten.164
Wäre es dabei geblieben, hätte sich Mansfeld in der Pfalz nicht halten
können. Aber im Kriegsjahr rö22 tauchen zwei Männer auf, die auf eigene
Faust und eigene Rechnung Truppen anwarben und mit ihnen auf Seiten
des Kurpfälzers in den Krieg zogen. Einer der beiden war Markgraf Georg
Friedrich von Baden-Durlach, ein kämpferischer Protestant, obwohl
Lutheraner, den die Selbstauflösung der Union zutiefst beschämt hatte und
206 E IN A U FSTA N D , D ER DAS R E IC H E R S C H Ü T T E R T
für den es mit seinem Glauben und seiner Ehre nicht vereinbar war, den
Pfalzgrafen im Stich zu lassen.16s Georg Friedrich war sich über das Risiko
seines Eintretens für den geächteten Pfalzgrafen im Klaren, deswegen
dankte er am 22. April 1622 zugunsten seines Sohnes Friedrich ab. Im vor
angegangenen Winter hatte er eine aus Landeskindern und Geworbenen
bestehende Streitmacht zusammengestellt, mit der er in den Krieg um die
Pfalz eingreifen wollte. Die Markgrafschaft Baden und das Erbe seines Soh
nes sollte dadurch jedoch nicht in Mitleidenschaft gezogen werden, deswe
gen trennte Georg Friedrich seine Herrschaft von dem geplanten Kriegszug.
Da er in den zurückliegenden Jahren solide gewirtschaftet hatte, verfügte
er über genügend Geld, um die Truppen auszurüsten und für einige Zeit
zu versorgen. Der Markgraf konnte sich freilich keine langwierige Krieg
führung erlauben und musste darum die Entscheidungsschlacht suchen.
Georg Friedrich war mit den zeitgenössischen Kriegstheorien gut ver
traut und hatte viel gelesen, verfügte aber über keine größeren praktischen
Kriegserfahrungen.166 Er war ein Theoretiker, der sich anheischig machte,
den Praxistest zu bestehen.
Christian von Braunschweig, der andere der beiden, die Pfalzgraf
Friedrich zu Hilfe kamen, war das genaue Gegenteil des Markgrafen.167 Er
war mehr als ein Vierteljahrhundert jünger als der Markgraf und handelte
in einer Mischung aus jugendlichem Überschwang und Abenteuerlust,
romantischen Ritterlichkeitsvorstellungen, in denen sich Minne- und Waf
fendienst miteinander verbanden, und einer Abneigung gegen jede Form
traditioneller Autorität und deren Bedeutung für die Ordnung des Reichs.
Als jüngerer Bruder des Herzogs Friedrich Ulrich von Braunschweig-Wol-
fenbüttel hatte er keinen Anspruch auf ein eigenes Herrschaftsgebiet. Seine
Mutter hatte deshalb dafür gesorgt, dass er im Alter von sechzehn Jahren
als Administrator des Bistums Halberstadt eingesetzt wurde, aus dem er
hinreichend Mittel bezog, um ein angenehmes Leben zu führen. Das aber
war Christians Sache nicht, und so hatte er die Halberstädter Mittel bereits
1621 genutzt, um in den Krieg einzugreifen, war dabei aber nicht sonderlich
weit gekommen.168 Ein überzeugter Glaubenskämpfer scheint Christian
nicht gewesen zu sein, auch wenn der Spott, mit dem er seine katholischen
Gegner überschüttete, nahelegt, dass er sich mit den theologischen Kontra-
Der Markgraf von Baden und Christian von Braunschweig 207
versen seit der Reformation beschäftigt hatte. Die Folge waren aber nicht
tiefere religiöse Überzeugungen, sondern zynische Distanz gegenüber dem
katholischen Heiligenglauben.
Christian war indes ein glühender Verehrer der Pfalzgräfin Elisabeth,
die nach der Flucht aus Prag einige Monate durch Norddeutschland gezo
gen war und um Unterstützung für ihren Mann gebeten hatte, jedoch
überall auf taube Ohren gestoßen war. Nicht so bei dem gerade einund
zwanzigjährigen Christian, der sich zum ritterlichen Streiter der gedemü-
tigten Frau machte, was er unter anderem dadurch zum Ausdruck brachte,
dass er im Gefecht einen Handschuh Elisabeths am Hut trug. Auch soll
er geschworen haben, er wolle sein Schwert nicht eher in die Scheide ste
cken, als bis die böhmische Krone wieder auf dem Haupte Elisabeths sitze.
Immerhin - Christian hatte einige militärische Erfahrungen in den Nieder
landen gesammelt, sah sich als Schüler Moritz von Oraniens und war davon
überzeugt, zum Kriegsmann geboren zu sein. Aufgrund seiner tollkühnen
208 E IN A U FSTA N D , D ER DAS R E IC H E R S C H Ü T T E R T
Aktionen nannte man ihn schon bald «den tollen Halberstädter», was mal
Bewunderung, mal Distanz zum Ausdruck brachte. In jedem Fall ist Chris
tian von Braunschweig eine der interessantesten Gestalten des Krieges. Er
konnte dazu werden, weil der Krieg Leuten wie ihm die Möglichkeit ver
schaffte, sich in die Geschichte einzuschreiben. Gleichzeitig verliehen Per
sonen wie Christian dem Kriegsgeschehen etwas Bizarres, wie es in Frie
denszeiten nur selten zu finden ist.
Am 22. April 1622 vereinbarten Mansfeld und Markgraf Georg Friedrich,
den Krieg von nun an gemeinsam zu führen und ihre Operationen aufein
ander abzustimmen. Als Erstes wollten sie dem von ligistischen Truppen
weiträumig umfassten Heidelberg zu Hilfe kommen und Tilly mit verein
ten Kräften schlagen. Bei Mingolsheim ging die Armee Mansfelds, bei der
sich inzwischen auch Pfalzgraf Friedrich eingefunden hatte, über den Rhein
und näherte sich Tilly, der daraufhin die Umschließung Heidelbergs auf
gab. Einige Zeit belauerte man sich, dann zog sich Mansfeld wieder zurück,
und Tilly, der zwischenzeitlich Zuzug erhalten hatte, folgte ihm, während
Cordoba in der nördlichen Rheinpfalz blieb. Nahe Mingolsheim stellte
Mansfeld dem nachdrängenden Tilly am 27. April eine Falle, in die dieser
hineintappte: Mansfeld hatte den Eindruck erweckt, er wolle sich weiter
zurückziehen, und Tilly stieß in diese scheinbare Rückzugsbewegung (es
war indessen nur der Tross, der abzog) mit einer schnellen Kavallerieat
tacke hinein. Da Mansfeld den Ort Mingolsheim in Brand gesetzt hatte,
konnte Tilly nicht erkennen, dass dessen Heer hinter dem brennenden
Städtchen in Kampfaufstellung bereitstand. Die Kavallerie Tillys wurde
zurückgeworfen und brachte dabei, ihrerseits nun von Mansfelds Kavalle
rie attackiert, die nachfolgende Infanterie in Verwirrung. Die Liga-Armee
verlor hier 2000 Männer, die Hälfte davon Berittene, dazu vier Kanonen
und acht Fahnen. Das war eine bemerkenswerte Schlappe, auf die Tilly mit
Rückzug nach Osten reagierte.169 Für seine Gegner blieb es indes bei einem
taktischen Erfolg, weil der in der Nähe stehende Markgraf von Baden es für
unritterlich hielt, einen geschlagenen Feind anzugreifen, und Mansfeld auf
eine Verfolgung verzichtete, da der Vorteil der Defensive dann auf Seiten
Tillys gelegen hätte. Womöglich spielte dabei auch das Gerücht eine Rolle,
der bei dem Gefecht verwundete Tilly sei gefallen und man könne damit
Der Markgraf von Baden und Christian von Braunschweig 209
rechnen, dass sich das Heer der Liga auflösen werde. Jedenfalls ließen Mans
feld wie Georg Friedrich die Gelegenheit, das Heer der Liga auseinanderzu
treiben, ungenutzt verstreichen, und das sollte sich rächen.
Von Wiesloch zog sich Tilly nach Wimpfen zurück, wo er eine starke
Position einnahm. Wimpfen war eine oberhalb des Neckars liegende Fes
tung, von der aus sich das angrenzende Gebiet gut kontrollieren ließ. Aber
Tilly war besorgt, denn die Schlappe bei Mingolsheim hatte gezeigt, dass
der Krieg um die Rheinpfalz verloren werden konnte, wenn es den Katho
lischen nicht gelang, ihre potenzielle Überlegenheit in der Operationsfüh
rung auch zur Geltung zu bringen. «Das Wohl des Heiligen Römischen
Reichs steht auf dem Spiel», schrieb Tilly an Cordoba und forderte ihn
eindringlich auf, zu Hilfe zu kommen und seine Streitkräfte mit den eigenen
zu vereinen.170Der Brandbrief zeigte Wirkung, denn Cordoba traf am 4. Mai
mit 4000 Fußsoldaten und 1300 Reitern in Wimpfen ein - just zu dem
Zeitpunkt, als sich die seit dem 1. Mai vereinigten Truppen Mansfelds und
des Markgrafen von Baden wieder trennten. Die Folge war, dass die etwa
13 000 Mann des Markgrafen am oberen Neckar der auf 20 000 Mann ange
wachsenen ligistisch-spanischen Streitmacht allein gegenüberstanden.
Über die Gründe für die, wie sich schon bald herausstellte, verhäng
nisvolle Entscheidung, die Truppen zu trennen, sind in der Forschung
allerhand Vermutungen angestellt worden. Eine davon ist, dass sich Georg
Friedrich und Mansfeld nicht über den gemeinsamen Oberbefehl ver
ständigen konnten; der Markgraf war der Ranghöhere, der Rriegsunter-
nehmer der Erfahrenere, und wer von beiden den Vorrang erhalten sollte,
war unter diesen Umständen nicht zu klären. Natürlich hätte man dem im
Mansfeld’schen Heer weilenden Pfalzgrafen den Oberbefehl übertragen
können, aber Friedrich war gänzlich kriegsunerfahren und hatte auch, wie
sein Verhalten in der Schlacht am Weißen Berg gezeigt hatte,171 keine Nei
gung, diese Aufgabe zu übernehmen. Eine weniger auf Rangfragen und
persönliche Animositäten abzielende Erklärung bringt die mit einer so
großen Armee verbundenen logistischen Probleme ins Spiel: 30 000 Sol
daten ließen sich kaum über eine längere Zeit versorgen. Man hätte diese
Zeit verkürzen können, wenn man das ligistisch-spanische Heer angegrif
fen hätte, aber das verfügte mit Wimpfen über einen starken Rückhalt, und
210 E IN A U FSTA N D , D ER DAS R E IC H E R S C H Ü T T E R T
und die Kavallerie in drei Treffen aufgestellt, um die Kräfte je nach Stand
des Kampfgeschehens einsetzen zu können. Die vier leichten Geschütze,
über die ei .verfügte, hatte er vor der Front des ersten Treffens postiert, die
schweren Kanonen in deren Rückraum auf dem höchsten Punkt, von wo
aus sie über die eigene Infanterie hinwegschießen konnten, um Breschen in
die festgefügte gegnerische Front zu schlagen.
Am frühen Morgen des 6. Mai begann die Schlacht mit einer von bei
den Seiten geführten Kanonade. Aufgrund der großen Entfernung, über
die sie geführt wurde, hatte sie freilich wenig Wirkung. Tilly zeigte Respekt
vor der Abwehrlinie des Badeners und suchte ihn durch vorgeschickte
Plänkler zum Angriff zu verleiten. Der Markgraf reagierte darauf nicht
212 E IN A U FSTA N D , D ER DAS R EIC H E R S C H Ü T T E R T
und blieb unbeirrt in der Defensive, auch dann, als seine Kürassiere eine
größere Kavallerieeinheit Tillys in die Flucht schlugen. Gegen Mittag trat
eine Waffenruhe ein; das Kanonenfeuer flaute ab, und auch die Musketiere
hörten auf zu schießen. Tilly nutzte die Ruhephase, um die Truppen im
Rückraum seiner Angriffsformation umzustellen, und der dabei aufstei
gende Staub verführte den Markgrafen zu der Annahme, es sei Mansfeld,
der sich nähere, um Tilly in den Rücken zu fallen. Das war ein Irrtum mit
fatalen Folgen, denn er brachte den Markgrafen dazu, von nun an offensiver
zu agieren; so setzte er, durch Artilleriefeuer vorbereitet, seine Kavallerie
gegen den rechten Flügel des Gegners ein. Als Georg Friedrich auch noch
Infanterie nachschob, gerieten Tillys Tercios zeitweilig ins Wanken, und
die markgräflichen Einheiten fingen an, sich als Sieger zu fühlen, zumal sie
davon ausgingen, Mansfelds Einheiten stünden im Rücken des Gegners.
Jedenfalls ließ die Wucht ihres Angriffs nach, und Tillys Einheiten fanden
wieder Halt. Unterdessen rückte Cordoba mit den spanisch-flämischen
Truppen auf dem linken Flügel vor, und jetzt rächte sich, dass der Markgraf
die feste Defensivposition aufgegeben hatte. Zwar rissen seine Kanonen
große Lücken in die Formationen der Angreifer, aber die ließen sich nicht
stoppen, so dass sich die badischen Truppen zurückziehen mussten. Hätte
Georg Friedrich in dieser Situation über Reserven verfügt, hätte er seine
Front wahrscheinlich stabilisieren können. Doch dann explodierten fünf
in der Nähe der Kanonen platzierte Pulverwagen und rissen eine breite
Lücke in den Abwehrring. Bei den Truppen des Markgrafen brach darauf
hin Panik aus, die Kavallerie floh in Richtung Böllinger Bach, und Teile der
Infanterie schlossen sich ihr an. Damit war die Schlacht entschieden.
Wie erbittert das Gefecht geführt worden war, zeigt der Umstand, dass
die Verluste auf dem Schlachtfeld mit etwa 2000 Toten auf beiden Seiten
gleich hoch waren.175 Es war dennoch eine vernichtende Niederlage für
die Badener, da sie ihren gesamten Artilleriepark sowie die mitgeführte
Kriegskasse verloren hatten. Zwar konnte der Markgraf Ende Mai aus den
Geflohenen wieder fünf Infanterieregimenter mit einer Gesamtstärke von
6000 Mann formieren, aber als eigenständiger Akteur sollte er im pfälzi
schen Krieg keine Rolle mehr spielen.
Die Trennung der Truppen, namentlich der Abzug Mansfelds aus dem
Der Markgraf von Baden und Christian von Braunschweig ai3
Raum Wimpfen, war der ausschlaggebende Fehler, der den Krieg um die
Pfalz zugunsten der Katholischen entschied - wenn man nicht den Zufalls
treffer auf einen Pulverwagen als die entscheidende Wende ansehen will.
Der verbreitete Wunderglauben wollte sich nicht mit einem Zufall zufrie
dengeben, und so berichtete ein Wimpfener Dominikaner später, ein Engel
habe in das Schlachtgeschehen eingegriffen und die überraschende Wende
herbeigeführt. Das war eine Variation der Erzählung vom Eingreifen der
Gottesmutter in der Schlacht am Weißen Berg,176 nur dass es in diesem
Fall ein ganz reales Ereignis war, das zur göttlichen Einmischung stilisiert
wurde.177
Nach dem hart errungenen Sieg bei Wimpfen gönnte Tilly seinen Truppen
eine Ruhepause. Er verzichtete darauf, sich umgehend gegen Mansfeld zu
wenden, um ihn aus der Rheinpfalz herauszudrängen oder zur Schlacht zu
stellen. Schließlich erreichte ihn die Nachricht, dass Christian von Braun
schweig, der sich Ende des vergangenen Jahres nach Westfalen zurückgezo
gen hatte, inzwischen aus den im Raum Paderborn bezogenen Winterquar
tieren aufgebrochen war und in südliche Richtung vorrückte. Dabei musste
er auf das in Oberhessen stehende ligistische Korps unter Graf Anholt sto
ßen, von dem Christian im Jahr zuvor zum Rückzug gezwungen worden
war, das jedoch zu schwach war, um diesen Erfolg gegen Christians mittler
weile erheblich stärkere Kräfte zu wiederholen. Anholt zog sich zum Main
zurück und wartete auf Unterstützung durch die Hauptmacht Tillys. Der
war damit beschäftigt herauszufinden, welche Pläne Mansfeld verfolgte. Er
befürchtete, dass Mansfeld von Ladenburg aus, wo er zum Zeitpunkt von
Tillys Sieg bei Wimpfen stand, nach Norden marschieren könnte, um sich
mit den nach Süden vorrückenden Truppen des Braunschweigers zu verei
nigen. Diese Vereinigung wollte Tilly verhindern. Mansfeld dachte jedoch
nicht daran, auf Christian zuzumarschieren; stattdessen wandte er sich in
die entgegengesetzte Richtung, um das von Truppen Erzherzog Leopolds
belagerte Hagenau zu unterstützen. Er führte Krieg, als ginge es allein und
ausschließlich um ihn und seine Interessen: Das Projekt, im nördlichen
Eisass ein eigenes Fürstentum zu erobern, war für ihn wichtiger als eine
koordinierte Strategie im pfälzischen Krieg.178 Pfalzgraf Friedrich, der sich
2 X4 E IN A U FSTA N D , D ER DAS R EIC H E R S C H Ü T T E R T
immer noch bei Mansfelds Heer befand, konnte daran nichts ändern; da
er nicht in der Lage war, für eine regelmäßige Besoldung der Truppen zu
sorgen, war er auf das Wohlwollen des Kriegsunternehmers angewiesen.
Immerhin: Nach einer Woche im nördlichen Eisass, dem erfolgrei
chen Entsatz Hagenaus und der Verstärkung seiner Verbände durch etwa
3000 Soldaten Erzherzog Leopolds, die Mansfeld in eigene Dienste über
nahm, marschierte er wieder nach Norden, um nunmehr in das Gebiet des
kaisertreuen Landgrafen Ludwig von Hessen-Darmstadt einzufallen. Dort
trieb er Kontributionen ein und ließ seine Soldaten plündern. Außerdem
wollte er den Landgrafen zwingen, ihm die Festung Rüsselsheim auszulie
fern, damit Christian von Braunschweig dort den Main überschreiten und
seine Truppen sich mit denen Mansfelds vereinigen konnten. Als der Land
graf die Übergabe Rüsselsheims verweigerte, ließ Mansfeld ihn zum Gefan
genen erklären, was an der landgräflichen Weigerung indes nichts änderte.
Jetzt rächte sich, dass man durch den Zug nach Hagenau eine ganze
Woche verloren hatte, denn es fehlte die Zeit, um das gut befestigte Rüssels
heim, das im Handstreich nicht zu nehmen war, zu belagern und zur Über
gabe zu zwingen. Zudem hinterließ die rüde Behandlung des Landgrafen
Ludwig bei den evangelischen Reichsständen einen überaus ungünstigen
Eindruck.179 Friedrich, so die vorherrschende Ansicht, hatte sich mit einer
Räuberbande eingelassen, um seine augenscheinlich verlorene Sache doch
noch zu retten, und unter diesen Umständen hielt man sich besser, wie der
sächsische Kurfürst, an den Kaiser. Durch die Verbindung mit Mansfeld
geriet Pfalzgraf Friedrich immer stärker in die politische Isolation. Das war
das Problem mit Mansfeld: Er machte, was er wollte, und wer sich mit ihm
verbündete, hatte einen hohen Preis zu zahlen.
Dass Mansfeld die Landgrafschaft Hessen-Darmstadt so ungehindert
plündern konnte, lag auch an der Trennung Tillys und Cordobas nach der
Schlacht von Wimpfen; während Tilly in Wimpfen blieb, um seinen Sol
daten eine Ruhephase zu verschaffen und die Verluste auszugleichen, zog
Cordoba nach Oppenheim, das er zuvor bereits als Waffenplatz und Ope
rationsbasis genutzt hatte. Anfang Juni brach Tilly schließlich von Wimp
fen auf, um dem Landgrafen zu Hilfe zu kommen und die Vereinigung der
Mansfeld’schen Truppen mit denen des Braunschweigers zu verhindern.
Der Markgraf von Baden und Christian von Braunschweig US
den Waffen gegriffen hatte, weil er seine Verfügung über das Stift Halber
stadt gefährdet sah, und wollte ihm mit der reichsrechtlich korrekten Ein
setzung als Bischof von Halberstadt entgegenkommen. Christian hätte so
ein Leben in materieller Sicherheit führen können, doch darum ging es ihm
nicht. Er suchte das Abenteuer und sah sich als ein Ritter der schönen Eli
sabeth Stuart, der Gemahlin Friedrichs, die er unter keinen Umständen im
Stich lassen wollte, wie das viele andere getan hatten. Also lehnte er das kai
serliche Angebot ab und trieb seine Kriegsvorbereitungen weiter voran.183
Durch das Wesertal und durch Hessen rückte Christian mit 12 000 Fuß
soldaten, 5000 Reitern und 3 Kanonen Richtung Main vor. Nachdem sich
die geplante Vereinigung mit Mansfeld bei Aschaffenburg zerschlagen
hatte, wollte er den Main in der Umgebung von Frankfurt überqueren. Am
15. Juni erreichte er bei Oberursel kurmainzisches Gebiet; zwei Tage später
überschritten die inzwischen wieder vereinigten Truppen Tillys und Cor
dobas bei Aschaffenburg den Main, um den Braunschweiger nördlich der
Mainlinie zum Kampf zu stellen, bevor er sich mit den Truppen Mansfelds
verbinden konnte. Die Freie Reichsstadt Frankfurt, die über eine beidseitig
gesicherte Mainbrücke verfügte, war für alle Parteien ein lohnendes Ziel;
wer es schaffte, sie unter Kontrolle zu bringen, hatte einen großen Vorteil.
Der Rat der Stadt fürchtete, in einen Kampf hineingezogen zu werden,
bei dem man nur verlieren konnte, und ließ die Ebenen vor der Stadtum
wallung unter Wasser setzen, so dass sich keine von beiden Seiten der Stadt
bemächtigen konnte. Das war für Christian mehr von Nachteil als für Tilly.
Christian ließ daraufhin das nahe Frankfurt gelegene Städtchen Höchst
besetzen, das, auf der nördlichen Seite des Mains gelegen, den Flussüber
gang seiner Armee decken sollte. Einen Fluss zu überqueren, war ein mili
tärisch überaus riskantes Manöver. Diejenigen, die den Fluss bereits über
schritten hatten, konnten denen, die noch auf der anderen Seite standen,
nicht zu Hilfe kommen, wenn sie vom Gegner angegriffen wurden. Fluss
übergänge waren deshalb eigentlich nur dann möglich, wenn keine feind
lichen Truppen in der Nähe standen, die sich auf die Nachhut werfen und
diese in den Fluss hineintreiben konnten, oder wenn eine Schanze oder
Befestigung vorhanden war, die den Flussübertritt deckte. Der Verbindung
218 E IN A U FSTA N D , D ER DAS R EIC H E R S C H Ü T T E R T
mit Mansfeld wegen musste sich Christian auf dieses riskante Manöver
einlassen - oder er musste sich Tilly allein zum Kampf stellen und ihn
angreifen. Das aber war keine attraktive Option, da Tilly den Truppen des
Braunschweigers im Verhältnis von drei zu zwei überlegen war und über die
kampferprobteren Soldaten verfügte.
Am 18. Juni befahl Christian den Bau einer Schiffsbrücke über den Main,
die bereits am darauffolgenden Tag fertig wurde. Das war in solch kurzer
Zeit nur möglich, weil ihm die Frankfurter mit Holzlieferungen halfen -
ein Beleg für protestantische Solidarität, auch wenn man darauf bedacht
war, politisch neutral zu bleiben. Die zentrale strategische Devise lautete
nunmehr, nach dem Übergang der Avantgarde, die das linke Mainufer
sichern sollte, den Tross über den Fluss zu setzen, in dem die westfälische
Beute mitgeführt wurde, die für die weitere Kriegsfinanzierung unerläss
lich war. Derweil hatte Tilly Frankfurt umgangen und das Flüsschen Nidda
überschritten, er näherte sich schon den Positionen des Braunschweigers.
Der bezog Gefechtspositionen hinter dem Sulzbach, wobei diese auf ihrer
rechten Seite an die Niddasümpfe angelehnt waren. Dem Übergang über
den Sulzbach bei dem D orf Sossenheim kam entscheidende Bedeutung
zu; wer ihn beherrschte, beherrschte die Lage. Christian war an Kavalle
rie, Tilly an Artillerie überlegen. Durch eine entschlossene Kavallerieatta
cke auf Tillys Zentrum wollte sich der «tolle Halberstädter» die Chance
eines geordneten Mainübergangs verschaffen: Es ging ihm also nicht um
eine Entscheidungsschlacht, sondern um einen harten Schlag, der Tillys
Zentrum davon abhalten sollte, nachzudrängen, wenn seine Truppen den
Main überschritten.184
Der Schlachtplan des Braunschweigers war im Prinzip vernünftig, nur
setzte er höhere Kampfkraft, Disziplin und Durchhaltefähigkeit voraus, als
sie die von ihm geführten Truppen besaßen. Deren Stärke lag im schnel
len Ansturm, aber nicht im längeren Gefecht. Alles kam somit darauf an,
dass die Kavallerieattacke, mit der Christian die Schlacht eröffnen wollte,
bei den Truppen Tillys eine deutliche Wirkung zeigte, diese weit zurück
warf und ihre Formationen derart durcheinanderbrachte, dass sie für einige
Zeit gefechtsunfähig waren. Tatsächlich gelang es Christians Kavallerie,
über Sossenheim hinaus vorzustoßen, aber dann geriet sie in das Feuer von
Der Markgraf von Baden und Christian von Braunschweig 219
Das war auch in der Schlacht bei Höchst der Fall: Aus der von Christian
gewählten Aufstellung - der Anlehnung seines rechten Flügels an das
Sumpfgebiet der Nidda vor deren Mündung in den Main und der Anleh
nung des linken Flügels an den Schäferberg, eine kleinere Erhebung in dem
sonst eher ebenen Gelände - schlussfolgerte Tilly, dass Christians Attacke
bei Sossenheim erfolgen würde, weshalb er dem Dorf gegenüber seine
zwölf Kanonen aufstellte.187 In ihrem konzentrischen Feuer erlitt Chris
tians Kavallerie schwere Verluste; es gelang ihr nicht, bis zu den gegneri
schen Kanonen vorzudringen, um diese auszuschalten, geschweige denn
Tillys Infanterie in Unordnung zu bringen. Es kam hinzu, dass von den
Merians Kupferstecher, der den Kampf zwischen Tilly und Christian von
Braunschweig um den Mainübergang im Juni 1622 festgehalten hat, war, da
im nahe gelegenen Frankfurt tätig, mit den geographischen Verhältnissen
gut vertraut. Die Mündung der Nidda in den Main ist gut zu erkennen.
Gekämpft wird auf der linken Bildhälfte, wo die Infanterieformationen
stehen und der Rauch abgefeuerter Kanonen zu sehen ist. In der unteren
Bildmitte das befestigte Höchst, davor, ganz am unteren Bildrand,
Trosswagen und Kavalleristen, die der Brücke über den Main zustreben,
dem Nadelöhr des Rückzugs, wo das Desaster für Christian seinen Lauf
nahm.
drei Geschützen, die Christian südlich von Sossenheim am Knick des Sulz
bachs zur Unterstützung des Angriffs aufgestellt hatte, eines aufgrund von
Überladung zerbarst und ein weiteres durch einen Volltreffer seitens Tillys
Artillerie zerstört wurde. Christians Kanoniere waren unerfahren, die Tillys
hingegen Meister ihres Fachs. Christian ließ wegen des ins Stocken gera
tenen Kavallerieangriffs seine Infanterie vorrücken, woraufhin auch Tilly
seine Infanteriemassen zum Angriff Vorgehen ließ. Sossenheim fiel in die
Hände von Tillys Truppen, und damit war die Position Christians unhalt
bar geworden.
222 E IN A U FSTA N D , D ER DAS R E IC H E R S C H Ü T T E R T
Der Braunschweiger befahl den Rückzug nach Höchst und die Über
querung des Mains, wobei die wertvolle Bagage, zumal die Wagen mit den
zusammengeraubten und erpressten Schätzen, den Anfang machen sollte.
Aber die Flussüberquerung der schweren Wagen nahm Zeit in Anspruch,
und derweil brach in dem wenig kampferprobten Heer Panik aus: Alles
drängte zur Brücke, die diese Massen nicht aufnehmen konnte; viele stürz
ten ins Wasser, andere versuchten, den Fluss schwimmend oder zu Pferd zu
durchqueren, aber der Main war an seinem Unterlauf recht tief und hatte
eine beachtliche Strömung, so dass die meisten ertranken. Dass es nicht zur
vollständigen Vernichtung der Armee Christians von Braunschweig kam,
lag an der Standhaftigkeit des als Reserve bereitgehaltenen Eschwey sehen
Kavallerieregiments unter Oberst Heinrich Piper von Minden. Es brachte
die auf die rechtsmainische Seite der Schiffsbrücke vorstoßenden sieben
Kavalleriekompanien Tillys unter Oberstleutnant Winand von Eynatten
zum Stehen. So konnte Christian zwei Drittel seines Heeres sowie große
Teile des Trosses retten, vor allem die Kriegskasse, und mit 3000 Reitern
sowie 8000 Fußsoldaten zu Mansfeld stoßen, mit dessen Truppen er sich
zwischen Bensheim und Pfungstadt vereinigte.188 Das Leibregiment Chris
tians und ein Infanterieregiment unter Oberst Kochler waren zerschlagen,
aber aus dem Rest der Armee formten Christian und sein Stellvertreter,
Reichsfreiherr Dodo zu Imhausen und Rnyphausen, schon bald wieder
eine einsatzfähige Truppe.
Man kann die Schlacht bei Höchst als eine schwere Niederlage Chris
tians beschreiben, wie das in der älteren Literatur zumeist der Fall ist.189
Damit verbindet sich in der Regel ein vernichtendes Urteil über Christi
ans Fähigkeiten als Feldherr: Der «tolle Halberstädter» sei zu unerfahren
gewesen und habe übermütig und unvorsichtig agiert. Dem steht eine
jüngere Sichtweise gegenüber, die von den Problemen ausgeht, mit denen
Christian bei Höchst konfrontiert war: der Unerfahrenheit seiner Trup
pen, der Kriegserfahrenheit seines Gegenspielers, den Schwierigkeiten im
Zusammenwirken mit Mansfeld, der ständig seine Dispositionen änderte
und Christian nicht bis zum Main entgegenkam. Die neuere Forschung
wertet daher den erfolgreichen Mainübergang sowie die Rettung eines
Großteils der Truppen mitsamt der Kriegskasse als einen beachtlichen Teil
Das Ende des Kriegs um die Pfalz 223
erfolg des Halberstädters, dessen Attribut «toll» somit für seine Tollkühn
heit und seinen Wagemut steht.190
Die Darstellung der Schlacht bei Höchst am 20. Juni 1622 kann nicht
abgeschlossen werden, ohne einen Blick auf das Schicksal derer zu wer
fen, die von Christians Armee auf der rechten Mainseite zurückgeblieben
waren: Erstmals zeigte sich hier die Wut der Bauern auf die, die sie zuvor
ausgeplündert hatten. Mit Sensen und Dreschflegeln fielen sie über ein
zelne Soldaten her und machten sie gnadenlos nieder, um sie anschließend
ihrerseits auszuplündern. Sie beschränkten sich dabei nicht auf die Wertsa
chen der Soldaten, sondern beraubten sie auch ihrer Kleider und Stiefel; das
galt auch für die angetriebenen Leichen der im Main Ertrunkenen. Besser
erging es den Soldaten, die sich den Truppen Tillys ergaben und in dessen
Heer «untergesteckt» wurden, also den Eid auf die Fahne des Regiments
ablegen mussten, in dem sie zukünftig dienten.191 Zurück blieb außerdem
die Besatzung des Schlosses Höchst, die lange Widerstand geleistet und
dann unter der Bedingung kapituliert hatte, dass Tilly ihr einen ehrenvollen
Abzug zusicherte. Als Oberstleutnant von Eynatten unter den Abziehen
den jedoch Plünderer zu identifizieren glaubte, darunter auch diejenigen,
die zuvor einen katholischen Priester kastriert haben sollten, ließ er diese
gefangen nehmen und aufhängen. Das war die übliche Strafe, die auf Plün
derung und Vergewaltigung stand. So zeigen Jacques Callots Radierungen
den Lebenszyklus von Soldaten, die zu Plünderern und Vergewaltigern
wurden und zuletzt am Galgen oder auf dem Rad endeten.192 In diesem Fall
war der Strafvollzug indes ein Problem, weil er mit dem Bruch von Tillys
Ehrenwort verbunden war.193
che Position Friedrichs neben Mansfeld irritiert, verließ er das Lager, ohne
sich zu verabschieden. Anschließend befahl er Oberst Pleickhard von
Heimstatt die Abdankung der von ihm besoldeten Truppen.194 Im Ergeb
nis war das ein größerer Verlust für die pfälzische Sache als der, den Chris
tian bei Höchst erlitten hatte. Zwar konnte man die vom badischen Mark
grafen entlassenen Soldaten, wenn sie wollten, unmittelbar in die Armeen
Mansfelds oder Christians übernehmen, doch dadurch wurden die Finan
zierungsprobleme des Heeres nur größer, als sie ohnehin schon waren.
Vor allem aber wurde die politische Basis des Widerstands gegen Kaiser
und Liga mit dem Ausscheiden des lutherischen Markgrafen noch schma
ler. Es kam hinzu, dass das Verhältnis zwischen Ernst von Mansfeld und
Christian von Braunschweig alles andere als kooperativ war: Christian
warf Mansfeld vor, dass er ihn am Main im Stich gelassen habe, und Mans
feld erwiderte, Christians Anmarsch zum Main habe zu lange gedauert, er
habe sich bei seinem Vorstoß nach Süden zu viel Zeit gelassen. Obendrein
gab es Streitigkeiten, weil der Herzog an der Tafel des Kurfürsten einen
höheren Rang einnahm als der Graf und Christian im Vergleich zu dem
kränkelnden und körperlich klein geratenen Kriegsunternehmer eine sehr
viel eindrucksvollere Figur abgab.195
Bei einem Kriegsrat am 22. Juni 1622 beschloss man, das rechte Rheinu
fer aufzugeben und, da im nördlichen Teil der Rheinpfalz spanische Trup
pen standen, in das Gebiet des Straßburger Bischofs, des Erzherzogs Leo
pold, einzufallen und die Soldaten dort durch Plündern und Brandschatzen
bei Laune zu halten. Das waren freilich Operationen, die eher im Interesse
Mansfelds als in dem des Pfalzgrafen lagen, der mehr und mehr zu dem
Ergebnis gelangte, dass die Verteidigung der Rhein- und die Rückeroberung
der Oberpfalz mit Hilfe Mansfelds ein Projekt ohne Erfolgsaussicht war. In
dieser Situation entschloss sich Friedrich, anstatt weiterhin auf die militä
rische Karte zu setzen, eine politische Lösung anzustreben, zu der ihn sein
Londoner Schwiegervater seit längerem drängte. Am 22. Mai 1622, also etwa
einen Monat zuvor, hatten in Brüssel Verhandlungen zwischen dem Statt
halter der südlichen Niederlande als Vertreter Spaniens und Gesandten
König Jakobs begonnen, in denen es um die Zukunft der Pfalz ging. Wären
diese Verhandlungen erfolgreich gewesen und hätten zu einem alle Seiten
Das Ende des Kriegs um die Pfalz 225
lerie (mit Ausnahme zweier leichter Kanonen) und nutzte die so freige
wordenen Pferde, um Fußsoldaten zu Reitern zu machen. Da es sich um
Zugpferde handelte, saßen oft zwei Mann auf einem Tier; so wurde das
Tempo, mit dem sich das Söldnerheer durch das nördliche Frankreich und
danach die südlichen Niederlande bewegte, erheblich gesteigert, weshalb
man auch von einer armee volante, einer fliegenden Armee, sprach. Da sie
keinen Tross mitführte, musste sie sich aus dem Land versorgen, und das
hatte zur Folge, dass sie eine breite Spur der Verwüstung hinterließ. Befes
tigte Städte wurden umgangen, Widerstand leistende Scharen von Bauern,
etwa im Flennegau, auseinandergejagt. Nahe Fleurus stieß man dann auf
spanische Truppen, die unter dem Kommando Cordobas in Eilmärschen
herbeigezogen waren, um das feindliche Söldnerheer abzufangen. Wollten
Mansfeld und Christian ihr Ziel, Bergen op Zoom, erreichen, so mussten
sie eine Schlacht wagen und den Durchbruch schaffen, um auf der alten
Römerstraße von Köln nach Cambrai weitermarschieren zu können.
Am frühen Morgen des 29. August begann die Durchbruchsschlacht
von Fleurus. Cordoba verfügte über etwa 7000 Mann zu Fuß, Mansfeld
und Christian waren bei den Fußsoldaten nahezu gleich stark; an Reiterei
waren sie mit etwa 6000 Mann den etwa 2500 Reitern Cordobas deutlich
überlegen, während dieser mit sieben Feldstücken gegenüber den zweien
des Söldnerheeres im Vorteil war. Zudem konnte Cordoba sich leisten, in
der Defensive zu bleiben; Mansfeld und Christian dagegen mussten angrei
fen, um den Durchbruch zu schaffen. Außerdem standen sie vor dem Pro
blem, dass in der Nacht zuvor 1500 Berittene erklärt hatten, sie würden sich
an der Schlacht nicht beteiligen, da sie keinen Sold erhalten hätten. Immer
hin erreichte Mansfeld, dass sie auf dem Schlachtfeld blieben und sich so
postierten, dass man sie für eine Reserveeinheit halten konnte.
Fleurus wurde zu der Schlacht, in der Christian von Braunschweig sei
nem R uf als der «tolle Halberstädter» gerecht wurde: In einem kühnen
Angriff zersprengte die von ihm geführte Kavallerie des linken Flügels die
gegnerische Reiterei, drang bis zu den Trosswagen des spanischen Heeres
vor und attackierte anschließend die Infanterieregimenter Cordobas von
der Seite und vom Rücken her, während der das Zentrum kommandie
rende Mansfeld die Fußtruppen zum Angriff führte. Durch die ständigen
Bei Fleurus gelang den Truppen Mansfelds und Christians von
Braunschweig im August 1612 unter hohen Verlusten der Durchbruch in
Richtung Niederlande. Da der spanische General Gonzalo Fernändez de
Cordoba dies hatte verhindern wollen, ist Fleurus als ein Sieg der beiden
protestantischen Söldnerführer anzusehen. Aber auch die Spanier feierten
Fleurus als einen Sieg, da sie das Schlachtfeld behaupteten. Das heute im
Madrider Prado hängende Bild von Vincenzo Carducci zeigt die Schlacht
mit dem von rechts ins Bild reitenden Cordoba.
groß, und beide beanspruchten hernach den Sieg für sich: Mansfeld und
Christian, weil sie den Durchbruch erzwungen hatten, die Spanier, weil sie
nach dem Durchzug der Söldner das Schlachtfeld wieder besetzen konnten,
was üblicherweise als Zeichen des Sieges galt. In diesem Fall aber täuschte
die Symbolik, denn strategisch hatten sich Mansfeld und Christian durch
gesetzt, und Cordoba hatte die ihm zugedachte Aufgabe nicht erfüllt. Als
die Truppen Anfang Oktober vor Bergen op Zoom eintrafen, mussten die
Spanier die Belagerung aufheben. Das war ein herber Rückschlag für sie,
zumal sie auf einen schnellen und durchschlagenden Erfolg gesetzt hatten.
Der lag nun in weiter Ferne.
Bei den von ihm angeführten Kavallerieattacken hatte Christian einen
Schuss in den Arm bekommen; einige sprechen von einem Durchschuss
der linken Hand, andere von einem Einschuss vier Finger oberhalb des Ell
bogens.202 Vorerst war keine Zeit, die Wunde zu behandeln, da das Heer
eilends weiterziehen musste. Nach einigen Tagen hatte Wundbrand den
Arm befallen, und als das Heer in Breda, einer Festungsstadt der Gene
ralstaaten, angelangt war, musste der Arm amputiert werden. Die Art, wie
Christian diese Amputation vornehmen ließ, war typisch für den «tollen
Halberstädter»: Sie fand in Anwesenheit des Heeres statt, jedenfalls der
braunschweigischen Truppen, und Christian ließ während des Schnei
dens und Sägens die Trommel schlagen, um seine Schmerzensschreie zu
übertönen. Christian tat alles, um den Eindruck zu vermeiden, er werde
als Versehrter nun aus dem Kriegsgeschehen ausscheiden. Als er nach der
Amputation, so berichtet das Theatrum Europaeum, in Breda das Bett hüten
musste, ließ er einen spanischen Trompeter, der sich wegen des Austauschs
von Gefangenen in der Stadt aufhielt, an sein Lager kommen und trug ihm
auf, «dem Spinola zu sagen, der tolle Herzog hätte zwar seinen einen Arm
verloren, aber den anderen behalten, sich an seinen Feinden zu rächen»203.
Seinem Bruder schrieb Christian, «und ob zwar der eine Arm großen Man
gel erlitten, so verhoffen [wir] doch dem Vaterlande noch mit dem übrigen
gute Dienste zu erweisen»204. Aus der bei Fleurus gemachten Beute ließ er
Münzen mit der Aufschrift «Altera restat» schlagen - der andere ist geblie
ben. Das war, wie auch die Spinola zugesandte Botschaft, als Beleg eines
Durchhaltewillens zu verstehen.
23° E IN A U FSTA N D , D ER DAS R E IC H E R S C H Ü T T E R T
Symbolkrieg, Propagandakrieg
und die Übertragung der Kurwürde
Putten, die als Kämpfer gegen Hunger, Pest, Krieg und Ketzerei dargestellt
werden - die gegenreformatorische Variante der vier apokalyptischen Rei
ter aus der Offenbarung des Johannes.207
Die böhmischen Reformierten hatten gegen den katholischen Marien
kult opponiert, indem sie auf den Bildern, die in ihre Hände fielen, den
Heiligen und vor allem der Mutter Gottes die Augen ausstachen. Das war
eine demonstrative Provokation, ergab aber keine eigene politisch-religiöse
Symbolik. Der «tolle Halberstädter» war da mit der Aufschrift Toutpour
Dieu etpourElle einen Schritt weiter; der Elisabeth-Bezug war eine Symbolik
seines ritterlichen Minnedienstes, spielte aber für die Soldaten seines Hee
res keine Rolle. Christian hatte offenbar ein Gespür für die symbolpolitische
Schwachstelle des Protestantismus - was Mansfeld dagegen völlig abging - ,
konnte jedoch keine wirkliche Lösung anbieten. Das pour Elle blieb auf
ihn und die Verhöhnung Tillys beschränkt. Dem «geharnischten Mönch»
wurde eine für ihre körperliche Schönheit gerühmte Frau entgegengestellt.
Derweil hatte der Abzug von Mansfelds und Christians Truppen Tilly den
nötigen Spielraum verschafft, um die Eroberung der Rheinpfalz zu been
den und die drei noch in der Hand Friedrichs befindlichen Festungsstädte
- Mannheim, Frankenthal und die Residenzstadt Heidelberg - unter seine
Kontrolle zu bringen. Mit Heidelberg machte Tilly den Anfang.208 Nach
dem Abrücken Cordobas in die südlichen Niederlande zog er die Truppen
Erzherzog Leopolds an sich, und am r6. August 1622 war die Residenzstadt
des Pfalzgrafen vollständig eingeschlossen. Die vor allem aus englischen
Soldaten bestehenden Verteidiger unter dem Kommando des Niederlän
ders Hendrik van der Merven waren nicht gewillt, sich kampflos zu erge
ben, und leisteten zunächst an den äußeren Bastionen, dann in der Kern
stadt am linken Neckarufer und schließlich, nachdem man auch die Stadt
hatte aufgeben müssen, im Schloss erbitterten Widerstand. Tilly hatte sie
mehrfach zur Kapitulation aufgefordert, doch van der Merven hatte dies
zurückgewiesen, so dass die Soldaten Tillys, als sie am 16. September in
das Stadtzentrum eindrangen, das dem Kriegsbrauch entsprechende Recht
auf Plünderung ausgiebig in Anspruch nahmen. Die Bevölkerung erlebte
drei Tage lang «eine Orgie von Mord, Schändung und Plünderung».209
131 E IN A U FSTA N D , D ER DAS R E IC H E R S C H Ü T T E R T
weder die Katholiken noch das Haus Habsburg je wieder in eine so prekäre
Lage kommen würden wie in den Jahren 1618 und 1619. Natürlich hatte
man in Spanien kein Interesse daran, es mit dem Bayernherzog Maximilian
zu verderben, ohne den der Siegeszug der zurückliegenden drei Jahre nicht
möglich gewesen wäre. Die Ansicht, Spanien solle an einem mächtigen
katholischen Block im Reich interessiert sein, wurde vor allem von Baltha
sar Züniga vertreten, aber es war unklar, ob er sich gegen die «Friedens
partei» am spanischen H of unter dem Herzog von Lerma würde durch
setzen können. A uf der Seite Zünigas stand die Römische Kurie unter dem
neuen Papst Gregor XV., und dessen Beauftragter, der Kapuzinerpater
Hyazinth von Casale (eigentlich Federico Natta, Conte dAlfiano), wirkte
nachdrücklich auf den Kaiser ein, seine Versprechen gegenüber dem Bay
ernherzog nunmehr einzulösen.218 Pater Hyazinth wurde in dieser Situa
tion zum wichtigsten Unterstützer Maximilians. Es war offenbar auch der
diplomatisch versierte Kapuziner, der die Formel erfunden hatte, mit der
die Übertragung der Kur auf den Weg gebracht worden war, ohne dass
dabei neue Fronten geschaffen wurden. Man hatte Maximilian einstweilen
zuffiedengestellt, ohne den offenen Widerspruch Spaniens und Kursach
sens zu riskieren: Durch die geheime Ausstellung der Belehnungsurkunde
war die Übertragung der Kur bereits im Herbst 1621 faktisch vollzogen
worden, aber dieser Akt wurde nicht öffentlich gemacht. Um die Öffent-
lichmachung und den formellen Vollzug der Kurübertragung ging es jetzt.
Ende September 1621 bereits hatte Hyazinth dem Bayernherzog eine dies
bezügliche Urkunde des Kaisers überbracht. Doch würde der Kaiser nun,
mehr als ein Jahr danach und unter dem Eindruck einer deutlich verän
derten Gesamtlage, zu dieser Vereinbarung stehen? Und würde es möglich
sein, für die offizielle Übertragung der Kur eine klare Mehrheit im Kurfürs
tenkollegium zu finden? Die Antwort darauf stand im Spätherbst 1622 auf
Messers Schneide.
Der Dreißigjährige Krieg war - neben vielem anderen - auch ein Propagan
dakrieg, und er war dies in einem Ausmaß, in dem ihm erst die Kriege des
20. Jahrhunderts mit ihrer ausgeprägten propagandistischen Komponente
vergleichbar sind. Das gilt nicht nur für die karikierenden Flugblätter, mit
23<* E IN A U FSTA N D , D ER DAS R EIC H E R S C H Ü T T E R T
Maximilian und Ferdinand, aber auch den Dissens zwischen dem Kaiser
und Madrid in der Frage der Kurübertragung offen.221
Durch diese Briefe kamen Johann Georg von Sachsen und seine reichs
konservativen beziehungsweise kaisertreuen Anhänger unter Druck. Es
wurden umgehend Gesandtschaften des süddeutschen Protestantismus
und des niedersächsischen Reichskreises in Dresden vorstellig, die den
Kurfürsten beschworen, sich mit aller Entschiedenheit diesem Vorhaben
entgegenzustellen, das nicht im Interesse des Reichs, sondern allein in dem
der katholischen Partei liege. Verfüge die katholische Seite nämlich erst ein
mal über eine klare Mehrheit im Kurfürstenkollegium, dann werde sie auch
die bisher bloß angekündigte Restitutionspolitik in die Tat umsetzen, was
die norddeutschen Fürstenhäuser in arge Bedrängnis brächte.222 Wenn Fer
dinand II. an einer Übertragung der Kur von Heidelberg nach München
festhielt, so riskierte er nicht nur, seinen bisherigen Verbündeten Kursach
sen zu verlieren, sondern auch die gerade zerfallene Front des Protestantis
mus im Reich wiederherzustellen. Zudem musste er damit rechnen, dass
dann Jakob I. mit seiner Drohung ernst machen und in den Krieg eingrei-
fen würde. Es gab somit gute Gründe dafür, dass der Kaiser zögerte und
den immer drängender auffretenden Maximilian, der die Übertragung der
Kur öffentlich machen wollte, um den damit verbundenen Einfluss endlich
auch nutzen zu können, weiter hinzuhalten suchte.
Irgendwann musste jedoch eine Entscheidung fallen, und die bis auf
Frankenthal vollständige Kontrolle über die Rheinpfalz legte es der Wiener
Politik nahe, im November 1622 zu einem Deputationstag nach Regens
burg einzuladen. A uf ihm sollte die feierliche Übertragung der Kur vollzo
gen werden - und das hieß, dass der Krieg mit großer Wahrscheinlichkeit
weitergehen würde.223 Es war kein Kurfürstenkonvent, der in Regensburg
stattfinden sollte, sondern ein Deputationstag - und allein das war reichs
rechtlich problematisch: Wenn überhaupt, so hatten die Kurfürsten über
die Kurübertragung zu befinden. Der Kaiser wollte sich indes gar nicht mit
den Kurfürsten beraten, um anschließend eine gemeinsame Beschlussfas
sung umzusetzen, sondern hatte die Entscheidung bereits aus jener eige
nen Machtvollkommenheit (plenitudo potestatis) getroffen, die er für sich
in Anspruch nahm und die reichsrechtlich ebenfalls höchst umstritten
238 E IN A U FSTA N D , D ER DAS R EIC H E R S C H Ü T T E R T
«sich etlich mal im Kopf gekratzt und gar unlustig erzeiget», und auch Kai
ser Ferdinand habe bei den Feierlichkeiten «gar forchtsamb geredet».227
Die Infantin Isabella in Brüssel, die von Onate über den Gang der Ver
handlungen und die Inauguration Maximilians als Kurfürst unterrichtet
worden war, schrieb an Philipp IV.: «Der Kaiser hat sich damit in neue
und gefährliche Kämpfe eingelassen; Euer Majestät aber wird zu erwägen
haben, was hinsichtlich der deutschen Angelegenheiten und Hülfeleis-
tung zu thun ist.»228 Bei denen, die auf ein Ende des Krieges gesetzt hat
ten, machte sich Resignation breit; sie spürten mehr oder weniger deutlich,
dass das Geschehen eine Eigenlogik entwickelt hatte, gegen die sie nicht
anzukommen vermochten. Die Anhänger einer entschiedenen Stärkung
der katholischen Macht im Reich, namentlich der Kapuziner Hyazinth und
etliche Jesuiten in seinem Umfeld, «frohlockten» hingegen, wie der säch
sische Gesandte Lebzelter nach Dresden berichtete.229 Für sie war die Ver
sammlung von Regensburg nur ein Zwischenschritt auf dem Weg zu ihrem
Ziel, den Protestantismus im Reich gänzlich auszutilgen. «M an mußte auf
keine Allianzen oder andern Respekt und Personen, sondern nur darauf
sehen, daß die katholische Kirche befestigt und befördert werden möchte»,
soll Pater Hyazinth in einer Predigt verkündet haben, wie die sächsischen
Gesandten mitzuteilen wussten.230 Die Weichen waren auf Fortsetzung des
Krieges gestellt.
3. K A P I T E L
FORTGANG UND AUSW EITUNG:
DER N IED ERSÄ CH SISC H
DÄNISCH E KRIEG
P
eriodisierungen des Dreißigjährigen Krieges orientieren sich zumeist
an den zentralen Kriegsschauplätzen und den Ereignissen, die ihre
Verlagerung auslösen. In vielen Darstellungen wird der Beginn des nieder-
sächsisch-dänischen Krieges deshalb auf das Jahr 1625 datiert, jenes Jahr, in
dem sich König Christian IV. von Dänemark zum Obersten des niedersäch
sischen Reichskreises wählen ließ.1 Die Zwischenphase von 1623 bis 1624
wird dabei ohne weitere Begründung dem mit dem Jahreswechsel 1622/23
zu Ende gegangenen böhmisch-pfälzischen Krieg zugerechnet. Im Unter
schied dazu werden hier die Rriegshandlungen dieser Zwischenphase als
Auftakt zum niedersächsisch-dänischen Krieg begriffen: Mit dem Vorstoß
Tillys nach Hessen, wo er den Konflikt zwischen der Darmstädter und der
Kasseler Linie der hessischen Landgrafen zugunsten des kaisertreuen Darm
städters entschied,2 und anschließend nach Westfalen begann eine weitere
Ausdehnung der Kriegsschauplätze - mit der Folge, dass der Krieg immer
mehr Gebiete erreichte und mit der Zeit ganz Deutschland verheeren sollte.
Einen solchen Krieg ohne räumlich abgegrenzte Kriegsschauplätze hat es
in Deutschland bis zum Zweiten Weltkrieg - genaugenommen bis zum
Beginn des systematischen Bombenkriegs - nicht mehr gegeben. Vor allem
das hat den Dreißigjährigen Krieg zum großen Trauma in der historischen
242 FO R T G A N G UND A U SW EITU N G
Erinnerung der Deutschen werden lassen. Die Jahre 1623 und 1624 bilden
die Phase, in der sich diese Veränderung vollzogen hat; deswegen soll ihnen
hier größere Aufmerksamkeit zuteil werden, als das sonst üblich ist.
Zunächst fand lediglich eine Verlagerung des Krieges statt: Die böhmi
schen, pfälzischen, kurmainzischen und elsässischen Schauplätze, auf denen
sich das Kriegsgeschehen bis dahin überwiegend abgespielt hatte, wurden
vorerst geschlossen, und in West- und Norddeutschland entstanden neue
Schauplätze, auf denen der Krieg in den folgenden zehn Jahren im Wesent
lichen geführt wurde. Viele der bis dahin verwüsteten und ausgeplünderten
Gebiete Süddeutschlands erhielten dadurch eine «Erholungspause», in
der sich das wirtschaftliche und gesellschaftliche Leben erneuerte, bis diese
Territorien dann ein weiteres Mal von der Kriegsfurie überrollt wurden. Für
den Gesamtverlauf des Krieges spielten solche regionalen «Rekreationspe-
rioden» eine wichtige Rolle (zumindest in der ersten Kriegsphase), denn
so blieben die Ressourcen verfügbar, die den Krieg nicht «ausbrennen»
ließen. Anders formuliert: Was für die Menschen zeitweilig von Vorteil war,
sorgte über den gesamten Raum und die gesamte Zeit hin dafür, dass der
Krieg länger andauerte. Ein so vielfältig verflochtenes Geschehen wie das
des Dreißigjährigen Krieges ist durch fundamentale Ambivalenzen gekenn
zeichnet, und zu diesen Ambivalenzen gehörte, dass das Glück der einen
Region zum Unglück einer anderen Region wurde.
Die militärischen Protagonisten bei der Verlagerung des Kriegsge
schehens von Süd- nach Norddeutschland waren Mansfeld, Christian
von Braunschweig und Tilly: die beiden ersten durch ihren Abzug aus
der Rheinpfalz und den Vorstoß in die Niederlande; Tilly durch die Ver
schiebung seiner Truppen nach Oberhessen, wo sie im Konflikt der beiden
Landgrafen dafür sorgten, dass die vom Kaiser bestätigten Ansprüche der
Darmstädter Linie durchgesetzt wurden und Moritz von Hessen-Kassel,
den man in Wien als Usurpator ansah, das gesamte Marburger Erbe vorerst
verlor. Tilly verlegte starke Kräfte in die Wetterau nördlich von Frankfurt,
wo sie im Winter 1622/23 Quartier bezogen. Er selbst hatte sein Hauptquar
tier in Assenheim bei Friedberg eingerichtet, von wo er im Frühjahr 1623
in die Kernlande des Kasseler Landgrafen vorstieß.3 Die Legitimation zu
diesem Vorstoß weit über die Territorien der Liga hinaus hatte ihm unge
Ein neuer Kriegsschauplatz entsteht 243
wollt Herzog Christian verschafft, der sich nach einem kurzen Aufenthalt
in den Niederlanden in neuerlichem Streit von Mansfeld trennte und mit
den ihm verbliebenen Einheiten in die welfischen Territorien seines Bru
ders, des Herzogs Friedrich Ulrich von Braunschweig-Wolfenbüttel, zog,
wo er mit neuen Werbungen begann.4Angesichts dieser Gefahr erhielt Tilly
den Auftrag, nach Norden vorzurücken und gegen Christians Rüstungen
einzuschreiten.
Der Bruch mit Mansfeld kam Christian sehr zupass, denn so konnte
er dem niedersächsischen Kreis gegenüber erklären, die Präsenz seiner
Soldaten und die Werbung weiterer Einheiten dienten bloß dem Schutz
des Kreises vor einem bevorstehenden Angriff ligistischer Truppen, und
als Beleg dafür verwies er auf die Truppen Tillys. Womöglich hatte er den
Bruch sogar fingiert, um politischen Spielraum zu gewinnen.5 Im nieder
sächsischen Kreis war man tatsächlich besorgt, da man fürchtete, Kaiser
und Liga könnten den Siegeszug der zurückliegenden Jahre nutzen, um in
Norddeutschland, wo ein großer Teil des katholischen Kirchenbesitzes von
protestantischen Fürsten übernommen worden war, die Restitutionsforde
rungen der Katholiken durchzusetzen.6Jedenfalls trat Christian für einige
Monate in die Dienste seines Bruders Friedrich Ulrich, der 50 000 Gulden
für den Unterhalt der Truppen zahlte,7 und ließ über König Christian IV.
von Dänemark gleichzeitig sondieren, ob und unter welchen Bedingungen
er sich mit dem Kaiser doch noch aussöhnen könne. Vermutlich war das
ebenso eine Finte wie das demonstrative Zerwürfnis mit Mansfeld, denn
nun ließ sich gegen ihn kaum mehr der Vorwurf erheben, er sei ein Rebell
gegen Kaiser und Reich. A u f diese Weise gegen eine Reichsexekution
durch Tilly geschützt, gewann Christian Zeit, um seine Truppen einsatzfä
hig zu machen. Welche Pläne er für das Jahr 1623 hatte, bleibt unklar, aber
es spricht vieles dafür, dass er einen Vorstoß nach Böhmen führen wollte.
Dabei sollte ihm aus der entgegengesetzten Richtung Bethlen Gabor ent-
gegenkommen; es handelte sich also um eine Operation auf der «äußeren
Linie», bei der es darum ging, die Kräfte der «inneren Linie» in die Zange
zu nehmen. Offenkundig hatte Christian sein Elisabeth Stuart gegebenes
Versprechen nicht vergessen, er werde nicht eher ruhen, bis sie wieder als
böhmische Königin in Prag residiere.
244 FO R T G A N G UND A U SW EITU N G
Sers, und dieser willigte in die Abdankung seiner Truppen ein, so wäre das
mithin das Schlimmste, da dann Tausende marodierender Kriegsknechte
durchs Land ziehen und die Bevölkerung ausrauben würden.10 Angesichts
dieses Entscheidungsdilemmas lavierte der Kreisoberst und versuchte,
Herzog Christian dazu zu bringen, den Reichskreis zu verlassen. Christian
wiederum war damit beschäftigt, seine Kriegskasse zu füllen, indem er die
Vermögenswerte des von ihm verwalteten Stifts Halberstadt verpfändete
und alles dort vorhandene Gold und Silber einsammeln ließ. So kamen
schließlich 110000 Gulden für seine Kriegskasse zusammen.11 Das war
indes ein Anzeichen dafür, dass Christian nicht länger im Kreisgebiet blei
ben wollte. Vor die Entscheidung gestellt, die Truppen abzudanken und
den Kaiser um Gnade zu bitten oder den Kampf gegen Tilly aufzunehmen,
entschied er sich für Letzteres. Am 28. Juli erklärte er seinen Rücktritt als
Halberstädter Administrator. Damit hatte er alle Brücken zur Rückkehr in
ein friedliches Leben abgebrochen.12
Inzwischen war es zu ersten Vorhutgefechten zwischen Truppen Tillys
und denen Christians gekommen; Letztere hatten sich dabei gut behaup
tet, was Christian Mut machte, gegen Tilly bestehen zu können. Dennoch
entschloss er sich, der ultimativen Aufforderung des niedersächsischen
Kreises Folge zu leisten und mit seinem Heer abzuziehen. Zwei Gründe
dürften dafür ausschlaggebend gewesen sein: Zum einen versuchte Chris
tian, seinen Bruder, den Herzog von Braunschweig-Wolfenbüttel, aus dem
Konflikt herauszuhalten, um zu verhindern, dass er vom Kaiser geächtet
und sein Herrschaftsgebiet verwüstet wurde; zum anderen wollte er seine
der Tilly sehen Streitmacht unterlegenen Truppen mit denen Mansfelds
vereinen. Diese standen in Ostfriesland, und die Verbindung beider Heere
würde die Siegchancen gegen Tilly deutlich erhöhen. In der Folge entwi
ckelte sich ein intensiver Briefwechsel der beiden Kriegsunternehmer, in
dem Christian den Mansfelder bedrängte, ihm zu Hilfe zu kommen. Wie
fast immer war Mansfelds Reaktion undurchsichtig; er machte keine ein
deutigen Zusagen, lehnte das Vorhaben aber auch nicht rundweg ab. Er
wollte die uneingeschränkte Handlungsfähigkeit behalten, und seine eige
nen Interessen waren ihm wichtiger als der Ausgang des Krieges. Darin
unterschied er sich von Christian, bei dem es genau umgekehrt war.
246 FO R T G A N G UND A U SW EITU N G
Wald, und Christian nahm bei Iburg Quartier, um dort auf das Eintref
fen Mansfelds zu warten. Er wusste, dass Tilly aus Eschwege, wo er sich
zuletzt aufgehalten hatte, aufgebrochen war und am 29./30.Juli bei Höxter
auf einer Schiffsbrücke die Weser überquert hatte. Tilly wollte die Truppen
des Braunschweigers nicht entkommen lassen; er ging davon aus, dass sich
Christian wie im vergangenen Jahr in die Niederlande zurückzog, wohin er
ihn nicht verfolgen durfte, weil weder Kurfürst Maximilian noch Kaiser Fer
dinand in den Krieg um die Niederlande hineingezogen werden wollten.16
.Also setzte er ihm in Eilmärschen nach, um ihn zu einer Verfolgungsschlacht
zu stellen. Christian von Braunschweig wiederum wollte, sobald er Zuzug
von Mansfeld erhalten hatte, den anrückenden Tilly in einer für den Vertei
diger vorteilhaften Stellung erwarten und ihm eine Falle stellen, ähnlich wie
Mansfeld das bei Mingolsheim gelungen war.17 Aber Mansfeld kam nicht,
und so verlor Christian bei Iburg wertvolle drei Tage, die ihm beim Rückzug
m die Niederlande fehlten. Als er sich entschloss, den Rückzug fortzusetzen,
war ihm Tilly, der ihn sonst kaum eingeholt hätte, bereits dicht auf den Fer
sen; in den nächsten Tagen kam es zu einer Reihe von Nachhutgefechten, in
denen sich die Halberstädter Truppen behaupten konnten.18
Christian ließ sich durch die kleinen Abwehrerfolge jedoch nicht täu
schen; ihm war klar, dass es nach dem Fernbleiben Mansfelds das Beste
war, das Heer dem Zugriff Tillys zu entziehen, indem er die niederländi
sche Grenze überschritt.19 Für die Nacht vom 4. auf den 5. August wurde
ein detaillierter Abmarschplan entworfen: Zuerst der Tross, dann die
Artillerie, anschließend das Heer; wenn der Morgen graute, sollte Tilly das
Lager verlassen vorfinden. Aus welchen Gründen auch immer - das Heer
«verschlief» den Abzug,20 und als die Nachhut unter Graf Thurn endlich
abrückte, hatte man bereits fünf Stunden Verspätung. So wurde der weitere
Marsch ununterbrochen von Rückzugsgefechten begleitet, in denen Tilly
seinem Kontrahenten schwer zusetzte, um den Rückzug in Flucht zu ver
wandeln. Christian erkannte die Gefahr und kam zu dem Ergebnis, dass
eine Schlacht gegen Tilly unvermeidlich geworden war; andernfalls würde
das Heer auf dem Rückzug aufgerieben werden und die gesamte Ausrüs
tung verlieren. Also bezog er nahe Stadtlohn im westlichen Münsterland
eine Stellung und erwartete Tillys Angriff.
248 FO R T G A N G UND A U SW EITU N G
Die Schlacht von Stadtlohn sollte für Christian ein militärisches Desas
ter und für Tilly einer seiner größten Erfolge werden.21 Christian hat sich
von der Niederlage bei Stadtlohn nie mehr erholt. Zwar versuchte er bis
zu seinem Tod am 6. Juni 1626, also knapp drei Jahre nach Stadtlohn, als
Heerführer Jakobs von England sowie Christians von Dänemark erneut ins
Geschehen einzugreifen, aber eine größere Rolle war ihm dabei nicht mehr
vergönnt. Sein früher Tod - er war, als er an Tuberkulose starb, noch keine
siebenundzwanzig Jahre alt - war auch eine Folge der Katastrophe von
Stadtlohn, die ihm Selbstvertrauen und Zuversicht geraubt hatte. Für Tilly
dagegen war Stadtlohn eine weitere Etappe in der langen Abfolge seiner
Siege. Obwohl die Schlacht von Stadtlohn Tillys glänzendster Sieg war, da
der Gegner hier nicht nur geschlagen, sondern vernichtet wurde,22 hat sie
in der Ruhmesgeschichte Tillys keine besondere Stellung, denn sie blieb
politisch ohne größere Folgen. Das wäre anders gewesen, wenn Tilly, was er
eigentlich wollte, anschließend die nördlichen Niederlande hätte angreifen
dürfen. «D a doch das Heilige Römische Reich», so schrieb er an Maximi
lian, «bis diese Widerspenstigen [die nördlichen Niederlande] exstirpiert
sind, des festen Friedens sicherlich sich nit zu vertrösten hat.»23
Christians Fehler bei Stadtlohn war einmal mehr die Schlachtaufstel
lung, bei der er die Rückzugsmöglichkeiten nicht hinreichend berücksich
tigte. Im Rücken von Christians Heer floss das Flüsschen Berkel, das nur an
zwei Brücken mit schweren Wagen überquert werden konnte. Dort drohte
sich das Heer beim Rückzug zu stauen, was zwangsläufig zu einer Panik füh
ren würde. Christians linker Flügel war an ein Morastgebiet angelehnt, das
sich bis nach Stadtlohn erstreckte und, obwohl es infolge des heißen Som
mers ziemlich ausgetrocknet war, größere Kavallerieattacken auf die Flanke
des braunschweigischen Heeres unmöglich machte. Der rechte Flügel
wiederum war durch den Almsicker Liester gedeckt, einen dichten Fichten-
und Kiefernwald, der ebenfalls keine geschlossene Kavallerieattacke zuließ.
Wie bei Höchst im Jahr zuvor hatte Christian auf den Schutz der Flanken
geachtet, aber ebenso wie dort hatte er seine Truppen so aufgestellt, dass
jede Rückwärtsbewegung die Gefahr einer Panik einschloss. Zudem hatte
er, wie schon beim Mainübergang, das Problem, dass der Tross des Heeres
nicht verloren werden durfte, denn in ihm befanden sich die Wagen mit
Ein neuer Kriegsschauplatz entsteht 249
selbst konnte mit einigen Begleitern entkommen. Als sich die Reste des
Heeres hinter der niederländischen Grenze sammelten, waren von dem
21 ooo Mann starken Heer gerade einmal 6ooo übrig geblieben.
Tilly, der Christian nicht verfolgen durfte, wandte sich nun gegen
Mansfeld in Ostfriesland. Zu einer größeren Offensive war er aber nicht
in der Lage, da Mansfeld das Land hatte fluten lassen, um es für die ligis-
tischen Truppen unpassierbar zu machen. Außerdem wurden die kaiser
lichen Regimenter unter Collalto nach Mähren und Ungarn beordert, wo
Bethlen Gabor ein weiteres Mal eingefallen war. Tilly zog sich daraufhin
nach Westfalen zurück.25Mansfeld wiederum konnte diesen Rückzug nicht
ausnutzen, denn auch seine Truppen waren infolge der verschlechterten
Versorgungslage in Ostfriesland zusammengeschmolzen. Also verhan
delte er wieder einmal, dieses Mal in der Absicht, von den Ständen Ost
frieslands 300 000 Gulden zu bekommen, mit denen er den rückständigen
Sold auszahlen und die Truppen abdanken konnte.26Im Januar 1624 bekam
er, was er wollte: Das Mansfeld sehe Heer, von dem nicht mehr viel übrig
geblieben war, löste sich auf, während Mansfeld selbst mit einigen seiner
Offiziere nach England reiste, um Verhandlungen über die Neuaufstellung
eines Heeres zu führen.
Damit stand dem deutschen Protestantismus erstmals seit Gründung
der Union keine Streitmacht mehr zur Verfügung. Der Kaiser und die
Liga hatten auf der ganzen Linie gesiegt. Wäre der Krieg zu diesem Zeit
punkt ausschließlich ein «deutscher Krieg» gewesen, so wäre er zu Ende
gewesen: Pfalzgraf Friedrich hatte keine Truppen mehr, die Armee des
Braunschweigers war zerschlagen, und die Mansfelds hatte sich aufgelöst;
Kursachsen war ruhiggestellt, nachdem am 23. Juni 1623 die bislang bloß
besetzte Oberlausitz an Sachsen verpfändet worden war;27 die Reichsstädte,
zumeist protestantisch, fürchteten die Macht des Kaisers sowie Tillys, und
dem niedersächsischen Kreis saß noch die Furcht aus der Zeit im Nacken,
als Christian von Braunschweig dort Truppen geworben hatte. Es waren die
äußeren Mächte, die dafür sorgten, dass der Krieg im Reich weiter schwelte
und bald wieder aufloderte. Bethlen Gabor gehörte dazu, aber auch Eng
land und Frankreich, die Niederlande und Dänemark sollten von nun an
eine größere Rolle spielen.
Auftritt Wallenstein 251
Auftritt Wallenstein
Das Porträt
zeigt Wallen
stein am Anfang
seines kometen
haften Aufstiegs.
Im Unterschied
zu späteren
Porträts, die
einen erschöpf
ten und bereits
von Krankheit
gezeichneten
Feldherrn
zeigen, lässt
sich auf dem
Kupferstich von
1625 die Energie
und der Durch
setzungswille
Wallensteins
erkennen. Der
a d db.Jb c xxv Feldherrnstab
verweist auf die
gerade erfolgte
Ernennung zum
kaiserlichen
Generalissimus.
ter. Kepler stellte in dem Horoskop Parallelen zu zwei Politikern her, die
unter ähnlichen Gestirnskonstellationen geboren waren: der englischen
Königin Elizabeth und dem polnischen Großkanzler Zamoyski. Inwieweit
deren Lebensgeschichte Kepler in seiner Vorhersage beeinflusst hat, muss
ebenso offenbleiben wie die Frage, welchen Einfluss das Horoskop auf Wal
lenstein hatte, nachdem es ihm seit 1614 bekannt war. 1624 trat Wallenstein
nochmals an Kepler heran und bat um Antwort auf sehr konkrete Fragen,
worauf Kepler allerdings mit Zurückhaltung reagierte. Keplers Horoskop
hat jedenfalls das Wallenstein-Bild vieler Historiker wie Schriftsteller stark
beeinflusst: Es hat die Struktur vorgegeben, nach der Wallensteins Pläne
und Handlungen beurteilt wurden. Auch dadurch lässt sich die Überein
stimmung zwischen dem Horoskop und dem uns präsenten Wallenstein-
Bild erklären.
schierte, desto weniger Gehöfte und Dörfer, aus denen sich die Truppen
versorgen konnten, lagen auf seinem Weg. Also wurden wieder Einheiten
detachiert, um Nahrungsmittel zu beschaffen, und schon schlug Bethlen
erneut zu. Noch bevor man Pressburg erreicht hatte, entschloss sich die
Führung, das Heer zu teilen: Der Marchese Caraffa und Don Balthasar de
Marradas zogen mit der Kavallerie nach Kremsier weiter, während Wallen
stein mit den Fußtruppen in einem verschanzten Lager bei Göding blieb.
Die Stellungen ließen sich gegen einen Angriff Bethlens gut verteidigen,
aber der tat den Verschanzten nicht den Gefallen anzugreifen, sondern
beschränkte sich darauf, deren Nachschub zu unterbinden: Irgendwann
würden die Nahrungsmittel knapp werden, Wallenstein müsste das Lager
verlassen und Bethlen würde mit dessen ausgehungerten Soldaten leichtes
Spiel haben, wenn sie nicht kapitulierten. Bethlen hatte Zeit, Wallenstein
nicht - so jedenfalls schien es. Dementsprechend dringlicher wurden Wal
lensteins Briefe an seinen Schwiegervater Harrach in Wien, in denen er ein
ums andere Mal die Unterstützung durch leichte Kavallerie oder die als
baldige Eröffnung eines Diversionskrieges gegen Siebenbürgen forderte -
der Einfall eines polnischen Heeres sollte Bethlen zum Abzug aus Mähren
zwingen. Bleibe beides aus, so Wallenstein, würden die hungernden Sol
daten die Offiziere gefangen nehmen und an Bethlen ausliefern, um dann
selbst in dessen Dienste überzuwechseln. «Das Volk», so schrieb er am
10. November an Harrach, werde «sich eines anderen resolvieren [... ] und
aus Not uns Capi [Anführer] bei die Köpf nehmen, dem Feind übergeben,
und selbst in Feinds Dienst verbleiben, wie sies denn noch alle, die wenig
in Not gewesen, getan haben.»43
Was Wallenstein nicht wusste, war, dass auch für Bethlen die Zeit
begrenzt war: Der Winter stand vor der Tür, die türkischen Einheiten
waren mit der Beute, die sie gemacht hatten, reichlich versorgt und woll
ten den Rückzug antreten, und selbst in Bethlens eigenen Verbänden
drängte man zum Aufbruch in die Heimat, seitdem Gerüchte aufgetaucht
waren, wonach ein polnisches Heer in Siebenbürgen eingefallen sei. Am
17. November wollte Bethlen die Entscheidung erzwingen und verlangte
von seinen Reitern, zu Fuß die Schanzen des Lagers von Göding anzugrei
fen. Aber die Reiter weigerten sich, in dieser ihnen unvertrauten Weise zu
x6o FO R T G A N G UND A U SW EITU N G
:and, die auch für seine Nachkommen und «zu allewigen Zeiten» gelten
sollte. Mit dieser Rangerhöhung war auch das Verhältnis Wallensteins zu
Tilly geklärt, der als Graf deutlich unter dem neuen Herzog stand, und
auch wenn Tillys Dienstherr Maximilian inzwischen Kurfürst war, so stand
ihm doch Wallenstein als Herzog «fast ebenbürtig zur Seite»46. Das alles
dürfte nicht ohne Wallensteins Einflussnahme - beziehungsweise die sei
ner Parteigänger in der Umgebung des Kaisers - erfolgt sein. Man kann in
diesem raschen Aufstieg den Ausdruck seines schier unstillbaren Ehrgeizes
sehen, seiner Habgier und seines Machthungers, wie ihn Keplers Horoskop
charakterisiert hatte; man kann das Drängen auf eine nahezu unbegrenzte
Kommandogewalt und auf Rangerhöhung indes auch auf Wallensteins
Umsichtigkeit zurückführen, sich gegen das notorische Kompetenzgeran-
gel und die ewigen Rangstreitigkeiten abzusichern.47 In welchem Ausmaß
es solcher Umsicht bedurfte, konnte Wallenstein schon bald feststellen.48
Dänemarks Kriegseintritt
einmal mehr Ernst von Mansfeld, der zusätzlich zu den Geldern aus Eng
land und den Niederlanden auch von Frankreich Subsidien erhielt, um ein
Heer für den Kampf gegen die Habsburger aufzustellen.55
Die bislang gemachten Erfahrungen legten jedoch nahe, dass ein von
Mansfeld angeführtes Söldnerheer allein nicht genügen würde, die ver
bundene Macht von Kaiser und Liga zurückzudrängen. Um dieses Ziel zu
erreichen, boten sich zwei Möglichkeiten an, die gegebenenfalls miteinan
der kombiniert werden konnten: erstens der Versuch, einen Keil zwischen
Kaiser Ferdinand und Kurfürst Maximilian zu treiben, indem man deren
unterschiedliche Interessen gegeneinander ausspielte; zweitens das Vor
haben, eine der beiden dem Luthertum verpflichteten nordischen Mächte,
Dänemark oder Schweden (oder auch beide gemeinsam), in den Krieg
zu verwickeln und sie zur militärischen Spitze gegen Kaiser und Liga zu
machen. Das erste Projekt wurde vor allem von Frankreich verfolgt, und
Pere Joseph, der Kapuziner-Diplomat im Dienste Richelieus, war von nun
an damit beschäftigt, den Bayernherzog Maximilian und die geistlichen
Kurfürsten am Rhein gegen das Wiener Kaiserhaus auszuspielen. Bei
Maximilian erzielte die französische Diplomatie Teilerfolge, aber es gelang
den Franzosen nie, den Bayern dauerhaft gegen das Wiener Kaiserhaus in
Stellung zu bringen. Der Kölner Erzbischof Ferdinand, ein Bruder Maximi
lians, folgte der von München vorgegebenen Linie, der Mainzer Erzbischof
lavierte, hielt sich aber stärker an das Kaiserhaus, und nur der Trierer Erzbi
schof Philipp Christoph von Sötern ließ sich auf eine profranzösische und
antihabsburgische Politik ein.56Durchschlagende politische Wirkung sollte
die französische Diplomatie erst im späteren Kriegsverlauf erzielen.
Somit konzentrierte sich 1625 alles auf die Frage, ob die nordischen
Mächte in den Krieg eingreifen würden. Das Problem war, dass Dänemark
und Schweden seit Jahrzehnten um die Vorherrschaft in der Ostsee konkur
rierten und deswegen auch mehrere Kriege gegeneinander geführt hatten.57
Schweden, das dabei den Kürzeren gezogen hatte, ließ sich danach auf eine
Expansionspolitik in südöstliche Richtung ein, und in mehreren Kriegen
gegen Polen hatten die in Stockholm regierenden protestantischen Wasa
den in Warschau residierenden katholischen Wasa einige Hafenstädte und
einen größeren Küstenstreifen im Baltikum weggenommen. Als es nun um
1Ö4 FO R T G A N G UND A U SW EITU N G
die Frage ging, ob die nordischen Mächte sich in den Krieg im Reich einmi-
schen würden,58war Schweden wieder einmal in einen Krieg mit Polen ver
wickelt. Dennoch zeigte Gustav Adolf ebenso wie Christian von Dänemark
Interesse, an die Spitze einer protestantischen Koalition zu treten, um den
Kampf gegen die Habsburger und die katholische Liga wiederaufzuneh
men. Der Kriegseintritt bot beiden Mächten die Möglichkeit, nach Süden
zu expandieren, und wer dabei erfolgreich war, würde auch das Ringen um
die Ostseehegemonie (dominium maris Baltici) für sich entscheiden. Dar
aus folgte indes, dass beide Mächte sich schwerlich zu einer gemeinsamen
Kriegführung bereitfinden würden. Der Eintritt der einen Seite schloss die
Beteiligung der anderen aus. Die Generalstaaten der Niederlande, der eng
lische König und Richelieu, die am Zustandekommen einer antihabsburgi
schen Koalition arbeiteten, mussten sich also für eine der beiden Mächte
entscheiden, und dabei hatten sie sicherzustellen, dass der jeweilige Rivale
die kriegerischen Verwicklungen des anderen nicht nutzte, um ihm in den
Rücken zu fallen. Keine der zwei nordischen Mächte konnte von sich aus
und aus eigenem Antrieb in den Krieg auf deutschem Boden eingreifen,
beide bedurften der «Rückendeckung» durch ein Bündnis.
Für Schweden sprach, dass Gustav Adolf in den Kriegen im Baltikum
reichlich Kriegserfahrung gesammelt hatte und über kriegserprobte Trup
pen verfügte. Doch ein Eingreifen Schwedens in die Konflikte des Reichs
ließ sich nicht so leicht rechtfertigen, denn bislang hatten weder der Kaiser
noch die Liga schwedische Interessen berührt. Es war darum auch unge
wiss, ob sich der einflussreiche schwedische Adel auf diesen Krieg über
haupt einlassen und seinem König folgen würde. Allerdings hatte Gustav
Adolf bereits einen Kriegsplan, und der sah vor, dass er mit seinen Truppen
aus dem polnisch-pommerschen Grenzgebiet die Oder entlang in südlicher
Richtung nach Schlesien vorstoßen würde, wo er sich mit Bethlen Gabor
vereinigen wollte, der sich als Bündnispartner wieder einmal ins Gespräch
gebracht hatte. Zur Rechtfertigung dieses Vorgehens wollte Gustav Adolf
mit Pfalzgraf Friedrich ein festes Bündnis schließen, denn so konnte er als
dessen Interessenvertreter im Reich auftreten.59
Im Falle Dänemarks war eine solche Rechtskonstruktion nicht von
nöten, denn Christian IV. war auch Herzog von Holstein und gehörte
Dänemarks Kriegseintritt 265
damit zu den Ständen des Reichs. Von einem Eingreifen äußerer Mächte
wäre also nicht die Rede gewesen. Als Reichsstand konnte Christian gegen
illegitime oder ungerechte Entscheidungen des Kaisers Widerstand leisten,
and diese in den zurückliegenden Jahren mehrfach benutzte Rechtsfigur
kam auch hier ins Spiel. Vor allem für den strikt auf Legitimität bedachten
Jakob scheint das ein Grund gewesen zu sein, mehr auf Christian als auf
Gustav Adolf zu setzen. Die Zugehörigkeit Christians zu den Reichsstän
den war jedoch nur eine Fassade, de facto handelte es sich durchaus um
die Intervention einer äußeren Macht: Zu Dänemark gehörten nämlich
nicht nur die Herzogtümer Schleswig und Holstein, sondern auch Island
und Grönland, weiterhin größere Teile des heutigen Schweden sowie die
Ostseeinseln Gotland und Ösel. Außerdem war Christian in Personalunion
auch König von Norwegen. Sein Königreich umfasste also ein Gebiet, das
vom Nordkap bis nach Hamburg und von Island bis zur Insel Ösel vor der
estnischen Küste reichte.
Die wichtigste Einnahmequelle des Königs waren nicht Steuern, son
dern Handelszölle, und bei diesen Zöllen hatten die Landstände nicht
mitzureden; der König konnte somit eine von den Ständen weitgehend
unabhängige Politik betreiben.60 Als er sich entschloss, in den Krieg im
Reich einzugreifen, tat er das gegen den Ratschlag des Staatsrats, auf des
sen Unterstützung er dank der Zölle aus dem Öresund, die alle die Passage
zwischen Nord- und Ostsee durchfahrenden Schiffe zahlen mussten, nicht
angewiesen war. Außerdem wurden ihm von Frankreich, England und
den Generalstaaten Subsidien zugesagt, die ungefähr die Hälfte der veran
schlagten Kriegskosten abdeckten. Zunächst freilich agierte Christian sehr
vorsichtig, denn ihm war offenbar klar, dass er sich auf ein hochriskantes
Unternehmen einlassen würde. Den Ausschlag dafür dürfte letztlich die
Konkurrenz mit Schweden gegeben haben: Wenn er nicht in den Krieg ein
getreten wäre, hätte das an seiner Stelle Gustav Adolf getan, und Christian
fürchtete, ein erfolgreicher Feldzug der Schweden in Deutschland würde
sich auf die Machtverhältnisse in der Ostsee auswirken. Er wollte die Ost
seehegemonie, die nach dem Kalmarkrieg von 1611 bis 1613 eindeutig bei
Dänemark lag, durch sein Eingreifen im Reich festigen. Dazu sollte auch
die Einsetzung seiner Söhne in die Administration ehemals katholischer
266 FO R T G A N G UND A U SW EITU N G
Bistümer dienen. Das Stift Halberstadt und das Erzstift Bremen waren
dabei im Gespräch.61
Wie riskant das dänische Kriegsprojekt indes war, zeigt ein Blick auf
seine Finanzierung:62 Im Unterschied zu Schweden, das infolge seiner Mili
tärverfassung auf eine im eigenen Land ausgehobene Armee zurückgreifen
konnte,63 operierte Dänemark mit geworbenen Söldnern. Christian wollte
diesen Krieg nach demselben Modell führen wie den für ihn überaus erfolg
reichen Kalmarkrieg, als seine Truppen auf schwedisches Gebiet vorgesto
ßen waren und durch die Plünderung des Landes ihre Unterhaltskosten
deutlich gesenkt hatten. Diesen Dreischritt - Vorfinanzierung der Armee
aus eigenen Mitteln, Unterhalt der Truppen in Gebieten außerhalb des
Königreichs, Refinanzierung der vorgeschossenen Kriegskosten durch Ent
schädigungen von Seiten des Kriegsgegners - wollte Christian wiederho
len. Aber dieses Modell hatte zur Voraussetzung, dass der König siegte und
den Krieg außerhalb des eigenen Territoriums führen konnte. Das war das
Dänemarks Kriegseintritt 267
Risiko, das Christian einging, als er damit begann, eine Armee in der Stärke
von 30 000 Fußsoldaten und 7000 bis 8000 Reitern aufzustellen. Zusam
men mit den Truppen Mansfelds würde er damit dem Liga-Heer unter Tilly
deutlich überlegen sein, und diese Überlegenheit würde das Risiko des
Krieges begrenzen. Dennoch zögerte Christian, die Kampfhandlungen zu
eröffnen, und das kann als ein Beleg dafür angesehen werden, dass er sich
nicht sicher war, ob er sich auf dieses Risiko tatsächlich einlassen sollte.
im IV. Abschnitt der Haager Allianz noch vor den die Landkriegführung
betreffenden Passagen auf ein englisch-niederländisches Bündnis Bezug
genommen, in dem es um einen gemeinsamen Seekrieg gegen Spanien
ging; auch wenn Spanien nicht namentlich genannt wurde, so waren in den
Seekriegspassagen des Vertrags doch dessen Flotten gemeint. Der König
von England, so heißt es dort, werde «eine weitere Flotte auslaufen lassen,
um derjenigen, die sich schon auf See befindet, zu helfen, um damit die
Kräfte der Gegenpartei abzulenken und zu behindern».67 Die «Gegen
partei» konnte nur Spanien sein. Vermutlich war mittelfristig auch an eine
Beteiligung der dänischen Flotte gedacht, weil sie die bei weitem stärkste in
der Ostsee war und Dänemark sich aus einem Krieg, in dem es um die Kon
trolle des Handels ging, kaum heraushalten konnte.68 Auch bezüglich der
Restitution Friedrichs konnte man sich nicht auf ein konkretes Kriegsziel
einigen. Als die Engländer darauf drängten, die Rückführung Friedrichs
in seine Erblande und dessen Wiedereinsetzung in die Kur in den Vertrag
aufzunehmen, lehnte Christian dies mit der Begründung ab, dass die Nie
dersachsen, an deren Spitze er sich hatte wählen lassen, nur zur Kreisvertei
digung bereit seien. Es stand also zu befürchten, dass diese Allianz die erste
größere Belastung nicht überstehen würde.
Die Probleme der Haager Allianz zeigten sich noch vor Kriegsbeginn
im Rückzug Kurbrandenburgs aus der Koalition, zu deren Zustandekom
men Kurfürst Georg Wilhelm zuvor einiges beigetragen hatte. Seit 1616 mit
einer Schwester Friedrichs von der Pfalz verheiratet und durch die Ehe
schließung seiner eigenen Schwester mit Gustav Adolf auch Schweden eng
verbunden, hatte er auf den schwedischen König als Anführer, zumindest
als Teilnehmer der Koalition gesetzt und dementsprechend Sondierungs
gespräche für diese Koalition führen lassen.69 Erstmals seit Kriegsbeginn
hatte Brandenburg eine politisch aktive Haltung eingenommen; die Rei
sen des Rates Christian von Bellin nach Stockholm, Kopenhagen und Den
Haag standen am Anfang der Allianz, aber dann ging die Initiative auf Eng
land und die Generalstaaten über, und das kleine Brandenburg geriet poli
tisch an den Rand. Es war jedoch weniger die politische Marginalisierung
seines Landes, sondern die Nichtteilnahme Schwedens, die Georg Wilhelm
einen Rückzieher machen ließen. Jetzt wollte er die Allianz nicht mehr mit
Dänemarks Kriegseintritt 269
Truppen - er hatte zunächst 3000 Mann zugesagt - , sondern nur noch mit
Subsidien unterstützen, und auch das nur, wenn sich der Angriff ausschließ
lich gegen die Liga und nicht gegen den Kaiser richtete, was jedoch ange
sichts der Bündnisstruktur von Kaiser und Liga so gut wie unmöglich war.
Der böhmische Historiker Anton Gindely hat deshalb von einer «ebenso
lächerlichen wie unvernünftigen Bedingung» gesprochen.70 Sie hatte auch
nur die Funktion, Brandenburg wieder auf Distanz zur Haager Allianz zu
bringen, nachdem sich das kleine Land zeitweilig für seine Verhältnisse
und Möglichkeiten sehr weit vorgewagt hatte. Für eine solche wagemutige
Politik, so glaubte man in Berlin, brauchte man einen starken Verbündeten
in räumlicher Nähe. Als der infolge der Absage Gustav Adolfs nicht mehr
vorhanden war, näherte man sich wieder der vorsichtigen Politik Kursach
sens an, in deren Windschatten sich Brandenburg bisher bewegt hatte.
Im Rückzieher Brandenburgs wurde einmal mehr die zögerliche Poli
tik des deutschen Protestantismus nach dem Zerfall der protestantischen
Union sichtbar: Man war sich nicht sicher, welche Ziele man verfolgen
sollte und wie viel man dafür riskieren konnte. Selbst das reformierte Bran
denburg zögerte ein ums andere Mal - mit der Folge, dass die lutherischen
Sachsen die Gangart bestimmten, und die war kaisertreu.71 So blieb die
.Anzahl der protestantischen Parteigänger Christians im Reich überschau
bar; neben den Fürsten des niedersächsischen Kreises war es eigentlich nur
Landgraf Moritz von Hessen-Kassel, der sich ihm vorbehaltlos anschloss.
-Als die Haager Allianz am 29. November beziehungsweise 9. Dezember
1623 besiegelt wurde, war es jahreszeitlich schon zu spät, um die Trup
pen noch ins Feld zu führen. Unterdessen verhandelten die potenziellen
Kriegsgegner in Braunschweig über die Frage, ob sich nicht doch noch ein
Ausgleich finden lasse, der einen weiteren Krieg unnötig mache. Das war
eine Gelegenheit für die sächsische Politik, ein weiteres Mal die Rolle des
Mittlers zu übernehmen. Als Kompromiss schlugen die Sachsen vor, dass
Christian IV., Mansfeld und die Niedersachsen die Waffen niederlegen
sollten, wenn die Gegenseite, Tilly und Wallenstein, Zusagen würde, mit
ihren Truppen den niedersächsischen Kreis zu verlassen sowie dort keine
Kontributionen zu erheben, und Kaiser Ferdinand den Niedersachsen zusi
cherte, sie im Besitz der ehemals geistlichen Güter zu belassen.72 Von der
i r jo FO R T G A N G UND A U SW EITU N G
Wallensteins Heer
nicht feiert und Tag zu Tag mehr [Kriegs-]VoIk aufbringt und also eher,
dann wir uns versehen werden, in Schlesien und diesen Landen sein wird.
Darum ist gewiss kein Minuten zu verlieren.»77 Wallenstein drohte damit,
wie er das auch später noch einige Mal tat, sich von dem Vorhaben abzu
wenden, wenn man in Wien nicht endlich dem von ihm als zwingend ange
sehenen Zeitrhythmus folge: «Ich hab mich wohl offeriert, Ihr Mait. zu
dienen, welchem ich auch unterthänigst nachkommen will, aber werde ich
sehen, dass man Muthwilligkeit verliert und vermeint, nachher wann uns
der Feind am Hals ist, erst zu der Werbung [der Anwerbung der Soldaten]
zu greifen, so will ich mich in solchen Labyrint nicht stecken, in welchen ich
um meine Ehr kommen müsst, sondern bin resolviert [entschlossen], eher
von allen meinen Diensten abzusehen. Dann ich weiss gewiss, dass nicht
anderes draus erfolgen könnte als dem Kaiser Verlust seiner Länder und
mir Verlust Ehr und Reputation. Bitt derowegen meinen Herrn ganz dienst
lich, er wolle ihm dies so hochwichtiges Werk befohlen sein lassen.»78
Nicht Wallensteins Ungeduld, sondern die allgemeine Lage dürfte dazu
geführt haben, dass Ferdinand die Instruktion zur Aufstellung eines Heeres
unterschrieb. Darin reklamierte er für sich noch einmal die Rolle dessen,
der den Frieden zu suchen und zu wahren habe, und machte geltend, dass
er von inneren Rebellen und äußeren Feinden dazu gezwungen werde, sich
aus einem Friedensherrn in einen Kriegsfürsten zu verwandeln. Stets habe
er, Ferdinand, darauf gesetzt, dass «ein jeder nach seines Stands und Orts
Vermögen solcher Unserer friedfertigen Intention beistehen und succuriern
helfen [werde], so erfahren Wir doch nicht ohne sonderbare Unsers kaiser
lichen Gemüths Bittrigkeit und Beschwerung, [dass] die obengenannten
Unsern und des Reichs Feind und Rebellen schädliche Machinationes und
Praktiken auch nach so ansehnlichen gegen sie von Gott dem Allmächtigen
erhaltene Sieg und Victorien nit allein noch nit aufhören oder durch gezie
mende Mittel bei Uns als dem Oberhaupt den Frieden suchen, sondern
eben dieser Zeit mit mehrer Assistenz ihre rebellische nicht allein gegen
Uns, sondern des ganzen römischen Reichs Stand und Verfassung gemachte
Anschläg durchzudringen im Werk sein, auch neben Aufwieglung frembder
Potentaten den Erbfeind christlichen Namens in die Societät ihrer gottlo
sen Waffen zu bringen keine Mühe und Arbeit gespart [haben].»79
274 FO R T G A N G UND A U SW EITU N G
Hier wird auf die Unternehmungen Ernst von Mansfelds und Chris
tians von Braunschweig ebenso angespielt wie auf die Beziehungen eini
ger protestantischer Reichsstände zu Dänemark, England, Schweden, den
Generalstaaten und Frankreich. Schließlich werden auch die neuerlichen
Kontakte zu Bethlen Gabor erwähnt, die über die Hohe Pforte in Kons
tantinopel zustande kamen. Dagegen positioniert sich der Kaiser als Macht
der Bewahrung und Kraft des Konservativen. Doch das ist nur eine dem
Herkömmlichen verpflichtete Eröffnung, um die revolutionären Schritte
anzukündigen, die in den darauffolgenden Abschnitten der Instruktion
aufgeführt werden. Der Kaiser versicherte sich zunächst der Tradition, um
anschließend mit ihr zu brechen.
bot, nicht einzelne Regimenter, wie bis dahin üblich, sondern eine ganze
Armada «auf eigene Kosten» aufzustellen: Diese Armee war ein Instru
ment der kaiserlichen Politik - und keine Verstärkung anderer. Um das
zu unterstreichen, hatte Ferdinand Wallenstein am 25. Juli zum General
ernannt. Wallenstein war dem Grafen Tilly damit nicht nur als Herzog von
Friedland, sondern auch im Rang des Generals übergeordnet, denn Tilly
kommandierte das Heer der Liga als Generalleutnant, somit als Stellver
treter Maximilians. Wallenstein hingegen war niemandes Stellvertreter,
sondern verfügte über selbständige Kommandogewalt.81 Der Kaiser hatte
ihn, wie es im Ernennungsschreiben heißt, «umb der gueten beywoh-
nenden qualiteten, Kriegs experienz und erfahrenhait zuem General über
dißen Unnßern nach dem Heil. Römischen Reich abgeordtneten succurs»
ernannt und allem Militär im Reich befohlen, «daß ir in allem demjeni
gen, waß sein, deß Herzogen zue Friedtlandt L. [Liebden] von einer zuer
andern Zeit in Unßerm Nammen schaffen, anordnen und commandiren
würdet, demselben gehorsamblich nachkohmen und volnziehen, alß gene
ralen über den succurs seine L. erkhennen, ehren, respectiern und in allen
schuldigen, gebührlichen respect, observanz und gehorsamb erzaigen».82
Das lief auf einen grundlegenden Wechsel der militärischen Über- und
Unterordnungsverhältnisse im Reich hinaus. Auch wenn Wallenstein in
den Instruktionen vom 27. Juni ein gutes und kooperatives Verhältnis zu
Tilly nahegelegt wurde,83 so war doch klar, dass Tilly und Maximilian vor
erst die zweite Geige spielen würden, jedenfalls so lange, wie Wallensteins
Generalat währte - und das sollte bis zum Regensburger Kurfürstentag im
Sommer rÖ3o der Fall sein, als die Kurfürsten den Kaiser zur Entlassung
Wallensteins zwangen.84 Im Sommer 1625 befand sich Maximilian freilich
in einer Zwickmühle, aus der er vorerst nicht herauskam: Erstens hatte er
den Kaiser monatelang bedrängt, endlich größere Kriegsanstrengungen
zu unternehmen, so dass er nun, da der Kaiser dies tat, schlecht dagegen
protestieren konnte, und zweitens war da die äußere Bedrohung durch die
Allianz der protestantischen Mächte im europäischen Nordwesten sowie
die Militärpräsenz des Dänenkönigs im niedersächsischen Kreis, wo inzwi
schen erste Scharmützel mit den Truppen Tillys stattgefunden hatten. Das
Heer der Liga, das unter Geldmangel und Nachschubproblemen litt,85 war
2 76 FO R T G A N G UND A U SW EITU N G
auf starke Unterstützung angewiesen, und nach Lage der Dinge konnte die
nur von Wallenstein und dem von ihm aufgestellten Heer kommen. Maxi
milian blieb also nichts anderes übrig, als die missliebige Entwicklung erst
einmal hinzunehmen.
Die andere große Veränderung der bestehenden Verhältnisse betraf
die Finanzierung des Heeres, das in dem Instruktionsschreiben an Wallen
stein auf eine Stärke von 24 000 Mann festgesetzt wurde,86 wobei sich im
Sommer 1625 bereits abzeichnete, dass es diese Größenordnung erheblich
übersteigen würde. Einer Mitteilung des kaiserlichen Gesandten in Madrid
zufolge soll Wallenstein auf die Frage, wie man ein Heer von 50 000 Mann
unterhalten könne, wenn das bereits bei 20 000 Mann nicht möglich sei,
geantwortet haben, es sei sehr viel leichter, ein Heer von 50 000 Mann zu
unterhalten als eines von 20 000, weil man mit dem größeren Heer auch
sehr viel mehr durchsetzen könne.87 Für Wallenstein war die Frage der
Truppenfinanzierung somit eine Frage der sich verändernden machtpo
litischen Gesamtkonstellation: A uf den Finanzierungsaufwand für ein
kleines Heer konnten die Reichsstände mit Verzögerungen und Obstruk
tionstaktiken reagieren; bei einem großen Heer war das nicht möglich, weil
ein solches Heer sich einfach nahm, was es brauchte - so Wallensteins
Rechnung. Es kam nicht darauf an, die Stärke des Heeres den gegebenen
Finanzierungsmöglichkeiten anzupassen, sondern man musste ein so gro
ßes Heer schaffen, dass sich allein durch dessen Existenz die bestehenden
Finanzierungsstrukturen veränderten. Das war mit Wallensteins Anerbie
ten gemeint, die Armee «auf eigene Kosten» aufzustellen: Es ging um die
Vorfinanzierung eines Heeres, um die Mittel, die vonnöten waren, dieses
Instrument zu schaffen; war es erst einmal da, so hatte das Heer sich sei
nen Unterhalt selbst zu besorgen, und wenn es entsprechend groß war, war
es dazu auch in der Lage. Wallensteins Schachzug von 1625 kehrte also die
bisherige Herangehensweise um, bei der man die Größe des Heeres als
abhängige Variable des Finanzaufkommens angesehen hatte. Wallenstein
beabsichtigte dagegen, die Abschöpfung von Steuern und anderen Einnah
men zu einer abhängigen Variable des Heeres zu machen. Es war neben der
Veränderung der Machtverhältnisse im Reich dieser Vorschlag, der dem
kaiserlichen Hofkriegsrat so großes Kopfzerbrechen bereitet hatte, dass er
Wallensteins Heer 277
Das änderte sich mit Wallenstein, denn der Unterhalt der von ihm auf
gestellten Armee hing fast ausschließlich an den Kontributionen, die er im
Übrigen nicht auf besetzte Feindgebiete beschränkte. Kein Gebiet, über das
er Macht hatte, war dabei ausgenommen, ob es sich nun um Freundes- oder
um Feindesland handelte, selbst die Erblande des Kaisers bildeten keine
Ausnahme. Ob Wallenstein damit seine Instruktionen überschritt, wie häu
fig zu lesen ist,97 ist zweifelhaft. Der Text schließt solche Kontributionen
282 FO RTG A N G UND A U SW EITU N G
jedenfalls nicht aus, und der Kaiser hat auf die wiederholten Klagen über
Wallensteins Praxis nicht mit dem Erlass von Beschränkungen reagiert. Er
ließ Wallenstein gewähren, wobei er wohl davon ausging, dass sich die Ver
bitterung gegen Wallenstein und nicht gegen ihn, den Kaiser, richten werde.
Man könnte meinen, Ferdinand habe hier nach den Vorschlägen gehandelt,
die Machiavelli im V II. Kapitel seines Principe für die Absicherung eines
Macht- oder Verfassungswechsels gemacht hat.98 Nach der Eroberung der
Romagna hatte Cesare Borgia dort mit Ramiro d’Orco einen strengen und
grausamen Statthalter eingesetzt, den er mit weitgehenden Vollmachten
ausstattete. Nachdem dieser in kurzer Zeit für Ruhe und Sicherheit im
Land gesorgt hatte, ließ ihn Cesare absetzen und hinrichten. D ’Orcos in
zwei Stücke zerschlagenen Körper stellte er auf dem Marktplatz von Cesena
aus. Cesare Borgia habe damit sichergestellt, so Machiavelli, dass die Bevöl
kerung die an ihr begangenen Grausamkeiten nicht ihm, Cesare, sondern
seinem Statthalter anlastete, von dem er sie nunmehr befreit habe.
Legt man dieses Analyseraster zugrunde (wogegen sich der tiefkatho
lische Ferdinand in Anbetracht der Verfemung Machiavellis durch die Kir
che mit Sicherheit gewehrt hätte), so hatte der Kaiser seinem General die
Aufgabe zugedacht, mit dem System der Kontributionen eine neue Steuer
im Reich durchzusetzen, die nicht an die Bewilligung durch die Stände
gebunden war und nach Gutdünken wie politischem Erfordernis eingetrie
ben werden konnte. Das war ein tiefer Eingriff in die Verfassung des Reichs,
die dadurch von einer Mischverfassung mit monarchischen und aristokra
tischen Elementen (monarchia mixta) in Richtung einer souveränen Mon
archie verändert zu werden drohte. Das erklärt, warum die Reichsfürsten
schließlich alles daransetzten, Wallenstein wieder loszuwerden. Sie sahen
in ihm den Mann, der mit den Mitteln des Krieges dafür sorgte, dass sich
im Reich eine souveräne Macht des Kaisers ausbildete. Zu diesem Ergeb
nis kam schließlich auch Carl Schmitt.99 Die Frage nach dem Charakter
der Wallenstein sehen Generalate weiterführend, lässt sich also festhalten,
dass es sich weniger um eine Diktatur Wallensteins, sondern um einen mit
seiner Hilfe versuchten stillschweigenden Staatsstreich gehandelt hat, der,
wenn er von Dauer gewesen wäre, einen grundlegenden Verfassungswech
sel im Reich zur Folge gehabt hätte. Die Reichsstände polemisierten gegen
Wallensteins Heer 283
Wallenstein; tatsächlich hätten sie jedoch ihre Vorwürfe gegen den Kaiser,
den Nutznießer der Veränderungen, richten müssen.
Betrachtet man den Streit um das von Wallenstein aufgestellte Heer
und die Art seiner Finanzierung als einen Streit um das Recht des Kaisers,
neue Steuern einzuführen, so erkennt man, dass sich damit eine Situa
tion entwickelte, die in den Niederlanden und in England zur Revolution
geführt hat. In diesen Revolutionen haben sich die Besitzenden gegen eine
Steuer zur Wehr gesetzt, die ohne ihre Zustimmung eingeführt wurde. Auf
dem Erfolg ihres Widerstands beruht bis heute das Budgetrecht des Parla
ments als dessen wichtigste Befugnis - eine tragende Säule der Gewalten
teilung. Auch im Reich setzten sich letzten Endes diejenigen durch, die sich
gegen die Einführung einer neuen Steuer wehrten, nur führte ihr Wider
stand nicht zu einer Revolution, sondern zur Absetzung Wallensteins auf
dem Regensburger Kurfürstentag im Jahr 1630. Will man das Theorem vom
deutschen Sonderweg historisch konkretisieren, so steht am Anfang dieser
Entwicklung, die sich von Westeuropa abhob, die Auseinandersetzung um
das Besteuerungsrecht, bei der es nicht zur Bildung einer revolutionären
Partei mit einem entsprechenden politischen Programm kam - sondern
es genügte, den Generalissimus des Herrschers abzusetzen, um solche
Ansprüche abzuwehren.
Die Austragung dieses Konflikts und sein Ausgang hingen in Deutsch
land letzten Endes damit zusammen, dass er mit einem Krieg verbunden
war, der sowohl ein innerstaatlicher als auch ein zwischenstaatlicher Krieg
war. Der Unterschied zwischen Verfassungswahrung und Verfassungs
bruch wurde dadurch unklar: Wie aus den Vorreden zu allen Verträgen und
Deklarationen ersichtlich, nahmen alle Seiten für sich in Anspruch, Vertei
diger der alten Ordnung zu sein. Dementsprechend verlief die Bildung von
Parteien nach anderen Vorgaben als denen, die zur Gegenüberstellung von
Revolutionären und Konservativen führten. Dabei begannen in den euro
päischen Revolutionen die nachmaligen Revolutionäre häufig als Konser
vative, als Verteidiger der Verfassung, und die nachmaligen Reaktionäre
machten zunächst mit tiefen Eingriffen in die bestehende Ordnung von
sich reden.100
Ein weiterer Grund für die Sonderentwicklung Deutschlands war die
284 FO RTG A N G UND A U SW EITU N G
Person Wallensteins und die Rolle, die er bei der Ausweitung der kaiserli
chen Eingriffsrechte in die Besitz- und Vermögensverhältnisse spielte. Für
Wallenstein stand der casus necessitatis, der Not- und Ausnahmefall, im Mit
telpunkt seiner Überlegungen. Das ist wenig überraschend, wenn man in
Rechnung stellt, dass seine Vorstellungen durch die Besitzumwälzung nach
dem böhmischen Aufstand geprägt wurden. Der Widerstand gegen Wal
lenstein war nicht geeignet, eine breite Volksbewegung zu werden. Dass
der Kaiser beziehungsweise seine Räte diesen Mann zum Angelpunkt des
Veränderungsprojekts machten, war ein genialer Schachzug, denn so war es
möglich, dass sich der Hof, wenn dies unumgänglich werden sollte, davon
distanzieren und alle Verantwortung auf Wallenstein abschieben konnte:
Der eigentliche Nutznießer der umstürzlerischen Veränderung konnte so
jederzeit in die Rolle eines Bewahrers des Bestehenden zurückwechseln.
Was eigentlich ein struktureller Prozess war, fand in Wallenstein seine Ver
körperung. Das zeigt sich nirgendwo deutlicher als in der Beschreibung der
Verhältnisse im Reich durch den spanischen Botschafter, den Markgrafen
von Aytona, am 12. Februar 1628: «D er Kaiser in seiner Güte hat», heißt
es dort, «ohne daß die Warnungen von vielen Seiten etwas dagegen aus
zurichten vermochten, dem Herzoge [Wallenstein] eine solche Macht ein
geräumt, daß man die Besorgnis darüber nicht verwinden kann; denn zur
Stund ist der Herzog der Herr über alles, ohne dem Kaiser etwas Anderes
zu belassen als den Namen. Der Herzog behauptet dem ganzen Hause Ew.
M. sehr getreu zu sein. Er ist es unter der Voraussetzung, daß man ihn über
das Ganze mit der absoluten Macht walten läßt, die er zur Zeit in Händen
hat. Allein bei dem geringsten Widerspruche gegen seine Entwürfe wird
man keine Sicherheit haben; denn er ist von Natur so heftig und unbestän
dig, daß er seiner selbst nicht Herr zu bleiben weiß.»101
Das verweist auf eine weitere Dimension des Dreißigjährigen Krieges,
die dazu beigetragen hat, dass er so lange dauerte und es so kompliziert und
mühsam war, zu einem Frieden zu finden: die Verbindung der Glaubens
frage mit dem Souveränitätsproblem. Nun hat es das auch in anderen Län
dern gegeben, etwa in Frankreich, wo Ludwig XIV. das religiöse Toleranz
garantierende Edikt von Nantes am 18. Oktober 1685 aufhob, um seinen
Souveränitätsanspruch geltend zu machen. Aber der Konfessionskrieg in
Wallensteins Heer 285
die Frage, ob ein Erfolg Wallensteins dazu geführt hätte, dass sehr viel frü
her ein tschechischer Nationalstaat entstanden wäre.106 Einen Schub hat
die Beschäftigung mit Wallenstein im Übrigen immer dann erfahren, wenn
man seinen Aufstieg und Fall als historischen Spiegel benutzen konnte, um
sich den zukünftigen Weg eines politisch-militärisch durchsetzungsfähigen
Zeitgenossen vor Augen zu führen: Das gilt für Schillers Auseinanderset
zung mit dem Dreißigjährigen Krieg und insbesondere mit der Person
Wallenstein, in der sich - auch - der Aufstieg Napoleons spiegelt,107 und
das gilt noch einmal für Alfred Döblins Wallenstein-Roman, in dem die
Karriere Ludendorffs reflektiert wird sowie die Frage, welchen Verlauf der
Krieg und die deutsche Geschichte genommen hätten, wenn Kaiser Fer
dinand beziehungsweise der in ihm gespiegelte Kaiser Wilhelm keine so
schwachen und abhängigen Gestalten gewesen wären.108 Die Undurch
sichtigkeit Wallensteins, sowohl seines Charakters als auch seiner Pläne,
hat dazu geführt, dass er zu einem geschichtspolitischen Deutungsmuster
wurde, das immer dann griff, wenn man es mit mächtigen Militärs zu tun
hatte, die politische Ansprüche erhoben. Das hat die Beschäftigung mit
Wallenstein intensiviert, teilweise aber den Blick für sein Agieren im Drei
ßigjährigen Krieg verstellt.
Eine der vielen Kontroversen um Wallenstein dreht sich um die Frage, was
dessen System der Heeresfinanzierung längerfristig für das soziale und
wirtschaftliche Leben Deutschlands bedeutet hätte, wenn es nicht mit dem
Sturz Wallensteins beziehungsweise seiner Ermordung in Eger beendet
worden wäre. A uf der einen Seite steht die These, Wallenstein habe mit
dem Kontributionssystem einen weiteren Eskalationsschub eingeleitet.
Die anderen Söldnerführer hätten rasch vieles von den Wallenstein’schen
Neuerungen kopiert, so dass dem Krieg weitere Ressourcen zugeführt wor
den seien, die sein baldiges «Ausbrennen» verhindert hätten. Obendrein
habe Wallensteins Art der Heeresfinanzierung auch Folgen für die Krieg
führung selbst gehabt. «Einmal», so der Erlanger Historiker Axel Gotthard,
der diese Sicht prononciert vorgetragen hat, «weil möglichst weite Land
striche besetzt, mit Musterplätzen, Garnisonen usw. überzogen sein müs
sen - damit das kontribuierende Gebiet ausreichend groß ist. Trotzdem
Wallensteins Heer 287
tes von Unserer Armada abgewendet» und Wallenstein dafür gerühmt, dass
durch ihn «die fast verfallene Kriegsdisciplin wieder erhoben und bestätigt
worden, welches allein vielen ansehnlichen Kriegsobristen einen unsterbli
chen Namen gemacht».115 Ist es Wallenstein nun tatsächlich gelungen, die
«verfallene Kriegsdisciplin» wiederherzustellen? Er hat es jedenfalls ver
sucht und ist mit drakonischen Strafen gegen willkürliche Plünderungen
vorgegangen. Der Wallenstein-Biograph Diwald bemerkt dazu: «D a sind
Entlassungen, Haftbefehle, Kerkerstrafen bei höchsten Offizieren, da wer
den Regimentskommandeure in Eisen gelegt, da befiehlt Wallenstein die
Verhaftung eines seiner tapfersten Reiterobristen, Daniel Hebrons, wegen
Gelderpressungen, da stößt er einen Rittmeister aus der Armee, weil ein
Kornett seiner Kompanie Bauern eine Schafherde und neun Kühe geraubt
hat.»116
Das größte Aufsehen erregte die Hinrichtung des Obristen Adam
Wilhelm von Schellard. Nachdem Wallenstein ihn mehrfach aufgefordert
hatte, die exzessiven Übergriffe von Angehörigen seines Regiments auf die
Zivilbevölkerung abzustellen, dies aber nichts fruchtete, ließ er ihn verhaf
ten und in Ketten legen. Ein Kriegsgericht verurteilte den Obristen zum
Tode auf dem Rad, und Wallenstein erwies ihm die Gnade, ihn erst ent
haupten zu lassen, bevor sein Körper zerschlagen und aufs Rad geflochten
wurde. Wallenstein tat viel dafür, dass sich die Soldaten seines Heeres an
das Kriegsrecht hielten, und er konnte sich das leisten. Sein Heer litt nie
unter mangelndem Zuzug, denn bei ihm gab es den höchsten Sold, und
der wurde regelmäßig ausgezahlt. Im Unterschied zu Tilly musste Wallen
stein nie Plünderungen zulassen oder doch hinnehmen, weil sie ein Ersatz
für ausbleibende Soldzahlungen waren.117 Das schloss indes nicht aus, dass
auch Wallensteins Truppen plünderten, aber da der Feldherr dagegen ein
schritt, war es seltener der Fall als bei anderen Heeren. «Das ist der ganze
Sinn des Kontributionssystems», so der Wallenstein-Biograph Hellmut
Diwald, der die These von der Gesellschaft und Wirtschaft schonenden
Heeresfinanzierung durch Wallenstein am entschiedensten vorgetragen
hat, «dieser eigentümlichen, genialen, verfluchten, gerühmten und bald
von jedem Fürsten imitierten Schöpfung Wallensteins, eines Systems, das
sein Wesen erst im Laufe des Krieges zeigt, eines Systems, das dem Augen
290 FO R T G A N G UND A U SW EITU N G
schein nach unerhörte Belastungen bringt, das aber - wäre es nach Wal
lensteins Konzeption befolgt worden - das Reich vor all den grauenvollen
Zerstörungen bis zur Wurzel bewahrt hätte, die nach Wallensteins Ende, im
zweiten Akt des Krieges, Wirklichkeit wurden.»118
Das Finanzierungssystem des Heeres brach mit der Entlassung Wal
lensteins auf dem Kurfiirstentag in Regensburg zusammen. Mit ihm war
der Garant des Geldflusses herausgebrochen. Hans de Witte, der in Prag
ansässige Bankier Wallensteins, der die Geldströme in Gang hielt, war von
einem Tag auf den anderen bankrott; alle, die ihm bis dahin bereitwillig
Kredit gewährt hatten, waren nun zögerlich, nachdem der große Kriegs
unternehmer verschwunden war, der die Bedienung der Kredite garantiert
hatte. Vier Wochen nach Wallensteins Entlassung stürzte sich de Witte in
den Brunnen seines Hauses und ertrank.119 Unterdessen lösten sich die
ersten Regimenter der vordem so stolzen Armee auf; nachdem der Kaiser
als Zahlungsverpflichteter an die Stelle Wallensteins getreten war, war kein
Sold mehr zu bekommen; Soldaten wie Offiziere verließen die kaiserlichen
Truppen und suchten anderswo Beschäftigung. Binnen weniger Monate
war die zuvor gefürchtete Armee nur noch ein Schatten ihrer selbst.
Eine Kriegsetappe:
Der Kampf um die Dessauer Brücke
1625 war der Krieg in Norddeutschland noch nicht richtig in Gang gekom
men: Tilly war mit dem Heer der Liga zwar in den niedersächsischen
Kreis eingerückt, aber dann hatten Versorgungsprobleme und der starke
Widerstand dänischer und niedersächsischer Truppen ihn am weiteren
Vormarsch gehindert; der Feldzug erstarrte zu einem Positionskrieg, bei
dem feste Plätze und Schlösser belagert und erobert, gehalten und zurück
erobert wurden. Dabei machte keine der beiden Seiten entscheidende Fort
schritte. Tilly wartete darauf, dass Wallenstein mit seinem neuen Heer auf
dem Kriegsschauplatz erscheinen würde, und Christian wartete ab, ob es
zu der erhofften Allianz mit England, den Generalstaaten und Frankreich
Eine Kriegsetappe: Der Kampf um die Dessauer Brücke 291
kommen würde. Für die nördlichen Niederlande hatte sich mit dem Fall
der Festung Breda - einem Ereignis, das heute mehr durch Veläzquez’ gro
ßes Gemälde im Madrider Prado als durch seine Relevanz für den Fort
gang des Krieges bekannt ist - die militärische Lage verschlechtert, und
es war absehbar, dass die zugesagten Gelder zunächst einmal im eigenen
Land gebraucht würden, um die Festungsbarriere gegen General Spinola,
den Sieger von Breda, wieder zu stabilisieren. In Frankreich war ein neuer
Hugenottenaufstand ausgebrochen, der Richelieus Aufmerksamkeit in
Anspruch nahm, und in England war König Karl damit beschäftigt, die
Regierungsgeschäffe neu zu ordnen. Außerdem musste noch geklärt wer
den, welche strategische Rolle Mansfeld spielen würde: ob er sich mit den
Truppen Christians zusammenschließen sollte, um einen großen Schlag
gegen Tilly zu führen, oder als strategische Reserve zurückzuhalten war
für den Fall, dass Wallenstein zum norddeutschen Kriegsschauplatz mar
schieren würde. Nach dem fehlgeschlagenen Versuch, das belagerte Breda
zu entsetzen, hatte Mansfeld am Niederrhein ein Heerlager errichtet, von
wo aus ihm beide Möglichkeiten offenstanden.120 Tilly wiederum erhielt
aus München die Anweisung, unter keinen Umständen die Armee in einer
Schlacht gegen den Dänen Christian aufs Spiel zu setzen,121 und Wallenstein
blieb bis zum Frühherbst mit der Aufstellung und Musterung seiner Trup
pen beschäftigt.122 Von Wallensteins Truppen war vorerst nicht zu erwarten,
dass sie in das Geschehen eingriffen, zumal auch noch erwogen wurde, sie
nach Mähren zu verlegen, da ein neuerlicher Einfall Bethlen Gabors drohte.
Und so war 1625 ein Jahr des Scharmützel- und Belagerungskrieges ohne
entscheidende Veränderungen.
Als sich Tilly und Wallenstein am 13. Oktober bei Hemmendorf, einem
Ort an der Straße von Hameln nach Hildesheim, erstmals trafen, ging es
nicht um Kriegsstrategien, sondern um die Aufteilung der Winterquartiere,
die von ihren Truppen bezogen werden sollten. Man verständigte sich dar
auf, dass Tilly im Raum Hildesheim und Braunschweig und Wallenstein in
den Gebieten um Halberstadt und Magdeburg Quartier nehmen würden.
Wallenstein erhielt damit die besseren Quartiere, denn die von ihm bezo
genen Gebiete waren bislang vom Krieg verschont geblieben, während in
den Territorien Tillys seit Jahren Truppen konzentriert worden waren und
292 FO R T G A N G UND A U SW EITU N G
Im Winter 1625/26 ruhte der Krieg, und beide Seiten nutzten die Ruhe
pause, um die bereits erwähnten Verhandlungen in Braunschweig zu führen,
in denen die Chancen für einen schiedlich-friedlichen Ausgleich erkundet
werden sollten. Womöglich wäre das Kriegsjahr 1626 so ähnlich verlaufen
wie das vorangegangene, wenn nicht auf dänisch-niedersächsischer Seite
Ernst von Mansfeld, Christian von Braunschweig und Johann Ernst von
Weimar darauf gedrängt hätten, entschiedener vorzugehen. Christian von
Dänemark, von einem schweren Sturz bei Hameln im zurückliegenden
Jahr wieder gut erholt, war mit dem bisherigen Kriegsverlauf dagegen nicht
unzufrieden und durchaus gewillt, den Krieg auch in diesem Jahr in der
bewährten Form weiterzuführen. Tilly und Wallenstein wiederum hielten
sich zunächst zurück, weil sie ihre Truppen verstärken und in Form bringen
wollten; beide bezweifelten, dass ihre Heere in der gegenwärtigen Verfas
sung gefechtsfähig waren.128 Hier hatte man nichts dagegen, dass die Kriegs
pause noch einige Zeit andauerte. Für Mansfeld stellten sich die Dinge
anders dar: Er musste seinen Geldgebern zeigen, dass es sich lohnte, ihn als
Kriegsunternehmer zu beschäftigen, das heißt, er musste Bewegung in das
Kriegsgeschehen bringen. Auch Christian von Braunschweig und Herzog
Johann Ernst von Weimar waren von Ungeduld getrieben und hielten stra
tegisches Abwarten für bloßes Nichtstun.
Den ersten Vorstoß führte Johann Ernst von Weimar, durchaus in
Abstimmung mit Christian IV., und dieser Stoß richtete sich gegen das Bis
tum Osnabrück, auf das der Däne seit längerem ein Auge geworfen hatte,
weil er dort einen seiner Söhne als Nutznießer der reichen Stiftseinnahmen
einsetzen wollte.129 Im September 1625 war der amtierende Bischof gestor
294 FO R T G A N G UND A U SW EITU N G
einem riesigen Wurm erlegen, der seine inneren Organe zerfressen habe.131
Das sollte heißen, dass der Teufel Christian geholt hatte, bevor er weiteres
Unheil anrichten konnte.
«So wüst und unbesonnen der junge Fürst auch sein mochte», urteilt
Moriz Ritter, «unter den schwachen Köpfen und schlaffen Händen, denen
im allgemeinen der Krieg anvertraut war, hatte er als eine zur That drän
gende Kraft gewirkt. Sein Tod war daher ein Verlust gleich dem einer verlo
renen Schlacht.»132 Emphatischer noch ist das Urteil Cicely Veronica Wedg
woods: «Christian hatte das Zeug zu einem großen Führer und wäre einer
geworden, wenn er nur auch die Geduld gehabt hätte zu lernen.» Seine
«zumindest unverzagte Tatkraft [... ] hätte ihm einen besseren Namen als
den eines bloßen Freibeuters antragen sollen. Seine Zeitgenossen nannten
ihn den Hollen Halberstädter>, aber seine Tollheit hatte etwas von höherer
Inspiration.»133 Auch wenn uns heute die Emphase solcher Urteile fremd
ist, so treffen sie doch einen zentralen Punkt: Christian hat den Krieg mit
einer Leidenschaft geführt, die den anderen Protagonisten nicht eigen war;
'.vahrend diese Gewinn und Verlust, Chancen und Risiken gegeneinander
abwogen, zog er bedingungslos in den Kampf. Christian von Braunschweig
war ein Kriegsunternehmer wie Mansfeld oder auch Wallenstein, aber einer
ohne jedweden Geschäftssinn, einer, der den Krieg nicht zur Selbstberei
cherung oder zum Erwerb eines Herzogtums betrieb, sondern für den er zu
einem Prozess der Verschwendung wurde - und dies wurde von Christian
bewusst vorangetrieben. Insofern hat er die Bezeichnung «der tolle Hal
berstädter» zu Recht erhalten.
Die eine der drei zur Bindung gegnerischer Kräfte unternommenen Diver
sionsoperationen, die Christian IV. von Dänemark zur Vorbereitung der
entscheidenden Auseinandersetzung mit Tilly in Gang gesetzt hatte, war
zur Hälfte erfolgreich gewesen; die andere war letztlich im Sand verlau
fen. Damit hing alles an der dritten Diversion, die von Mansfeld geführt
werden sollte: Sie richtete sich gegen Wallenstein und sollte dessen Heer
binden, so dass es Tilly nicht zu Hilfe kommen konnte, wenn Christian IV.
gegen ihn die Entscheidung in einer Feldschlacht suchte. Mansfeld standen
starke Kräfte zur Verfügung, nämlich ein komplettes Heer. Von seinen Ope
296 FO RTG A N G UND A U SW EITU N G
rationen hing der Gesamtverlauf des Feldzugs ab, und deswegen verstärkte
Christian dessen Heer noch durch eigene Verbände unter Hans Philipp
Fuchs von Bimbach, einem gemäßigten Lutheraner, der zunächst in der
kaiserlichen Armee und danach in den Truppen der Union gedient hatte.
Fuchs war ein vorsichtiger Stratege aus der niederländischen Schule, der für
derart riskante Operationen wie die Mansfelds denkbar ungeeignet war.134
Mansfeld seinerseits war froh, eigenständig vorgehen zu können, wie er das
gewohnt war, und nicht an die engräumige Operationsführung des Dänen
gebunden zu sein. Gleichwohl war er dessen Oberbefehl unterstellt. Wie
weit Mansfeld sich bei einem Diversionsvorstoß gegen Wallenstein vom
dänisch-niedersächsischen Heer entfernen durfte, war umstritten. Prinzi
piell bestanden drei Möglichkeiten, Wallenstein an einem Angriff auf die
linke Flanke des dänisch-niedersächsischen Heeres oder an seiner Vereini
gung mit Tilly zu hindern:135 der direkte Angriff auf die kaiserliche Armada;
die Blockierung ihres Nachschubs, um sie zum Rückzug in die böhmischen
Versorgungsgebiete zu zwingen; schließlich die großräumige Umgehung
der kaiserlichen Truppen, um auf Ziele vorzustoßen, die für den Kaiser
von so großer Bedeutung waren, dass er Wallenstein auffordem würde, den
Mansfeld’schen Scharen zu folgen.
Gegen die erste Option sprach, dass der Ausgang einer Schlacht immer
ungewiss war und Wallenstein eine deutlich größere Zahl an Soldaten
zur Verfügung hatte als Mansfeld. Außerdem hatte Mansfeld eine ausge
prägte Neigung, große Schlachten zu vermeiden. Für die zweite Möglich
keit sprach, dass die Elbe in Reichweite lag; wenn es gelang, den Fluss für
den Nachschub des kaiserlichen Heeres zu blockieren, musste Wallen
stein abziehen - oder seinerseits die Schlacht suchen. Es kam also darauf
an, dass Mansfeld als Erster an der Elbe war, dort eine Blockade errichtete
und aus einer verschanzten Stellung heraus die Angriffe der Kaiserlichen
abwehren konnte, wie er das 1622 in der Oberpfalz getan hatte.136 Mansfeld
selbst präferierte indes die dritte Option: einen Marsch seines Heeres nach
Süden, bei dem die Quartiere der Kaiserlichen im Raum Magdeburg-Hal-
berstadt und das neutrale Kursachsen umgangen wurden, um über Schle
sien nach Böhmen einzufallen. Dabei konnte er mit der Unzufriedenheit
der böhmischen Bevölkerung infolge der Zwangskatholisierung und der
Eine Kriegsetappe: Der Kampf um die Dessauer Brücke 297
dänische Verband unter dem General Fuchs von Bimbach hinzu, so dass
Mansfeld über 10 000 bis 12 000 Mann verfügte.
Wallensteins strategischem Blick war indes die Bedeutung der Elb
übergänge nicht entgangen: Zum einen war die Elbe die Versorgungsachse
seines Heeres, auf der er den Nachschub, den er aus Böhmen und dem
Herzogtum Friedland bezog, mit Lastkähnen heranführen ließ; zum ande
ren deckte sie die Flanke seiner Aufstellung. «Wer Herr der schiffbaren
Flüsse ist, ist auch Herr des Landes», schrieb Collalto an Oberst Johann
von Aldringen, der die Dessauer Brücke sichern sollte.140Die Elbbrücke bei
Magdeburg stand unter Wallensteins eigener Kontrolle, die flussaufwärts
gelegene Brücke bei Wittenberg lag bereits auf kursächsischem Gebiet und
wurde durch Streitkräfte Johann Georgs gesichert. Dass Christian IV. es
Mansfeld gestatten würde, in kursächsisches Gebiet vorzustoßen, war ganz
unwahrscheinlich, weil die dann zu erwartende Parteinahme des sächsi
schen Kurfürsten zugunsten des Kaisers die Kräfteverhältnisse deutlich
verändert hätte. Der einzige Elbübergang, der für Wallenstein gefährlich
werden konnte, war somit die Elbbrücke bei Dessau, die zum Fürsten
tum Anhalt-Dessau gehörte, einem jener kleinen Herrschaftsgebiete, die
nicht über die militärische Fähigkeit verfügten, ihre neuralgischen Orte zu
schützen. Wenn Mansfeld, von dem Wallenstein wusste, dass er seit Mitte
Februar in der Altmark stand, ohne dass der brandenburgische Kurfürst
etwas dagegen unternahm, angreifen würde und ihn dabei womöglich der
Brandenburger unterstützte, dann war die Dessauer Brücke die strategisch
wichtigste Position des gesamten Feldzugs.141 Seit Februar, also zur glei
chen Zeit, als Mansfeld in die Altmark marschierte, ließ Wallenstein beid
seits dieser Brücke Schanzen aufwerfen, die er mit Kanonen bestückte. Bei
Roßlau am nördlichen Ufer wurde ein starkes Bollwerk errichtet, das von
vier Kompanien unter Johann von Aldringen bezogen wurde;142 das sollte
einen Handstreich gegen die Brücke, «die strategisch wertvollste Posi
tion der Kaiserlichen in ganz Mitteldeutschland»,143 unmöglich machen.
Wenn man so will, war es Mansfelds Pech, dass er es im Frühjahr nicht mit
einem Taktiker, sondern einem Strategen als Gegner zu tun hatte, dessen
Blick nicht auf das unmittelbar vor ihm liegende Feld möglicher Attacken
beschränkt war, sondern der weiträumig und in großen Zusammenhängen
Eine Kriegsetappe: Der Kampf um die Dessauer Brücke 299
dachte und dabei den Punkt der Entscheidung ausgemacht hatte, bevor
sich der Gegner auf ihn zubewegte.
Wie die Briefe an Harrach zeigen, war Wallenstein im März unsicher
und nervös. Seine Kundschafter berichteten, dass sich zwei feindliche
Kolonnen auf seine Positionen zubewegten, Mansfeld rechts und Fuchs
links der Elbe. Womöglich waren die Truppen von Fuchs nur die Vorhut
der gesamten dänisch-niedersächsischen Armee, deren Stoß sich wider
Erwarten nicht gegen das Heer der Liga, sondern gegen die Kaiserlichen
richtete. Also befahl Wallenstein seinem Obristen Aldringen, die Verschan
zungen an der Dessauer Brücke weiter auszubauen. Währenddessen blieb
er selbst in einer Wartestellung, um die Gegenseite zu beobachten. Am
12. April versuchte Mansfeld, die Dessauer Brücke im Handstreich zu neh
men, doch das Unternehmen scheiterte an der Aufmerksamkeit der Vertei
diger. Bereits zwei Tage zuvor hatte Wallenstein seine abwartende Haltung
aufgegeben und mit überlegenen Kräften einen schnellen Schlag gegen
die linkselbisch vorrückenden Einheiten des Generals Fuchs geführt und
ihnen bei Wolmirstedt in der Nähe von Magdeburg eine schwere Schlappe
zugefügt. Wallensteins Kürassiere hatten das dänische Fußvolk niedergerit
ten, woraufhin Fuchs sich in größter Eile bis nach Tangermünde zurückzog,
wo er zuvor die Elbe überschritten hatte. Wallenstein griff Fuchs in Tanger
münde erneut an und zwang ihn zum Rückzug bis Stendal. Damit stand
fest, dass Fuchs die Mansfelder beim Kampf um die Dessauer Brücke nicht
unterstützen würde. Es kam hinzu, dass Fuchs, der seiner Ansicht nach
ungerechtfertigt von Christian dem Kommando Mansfelds unterstellt wor
den war, Mansfelds Befehl, auf die rechte Seite der Elbe zu wechseln und in
Eilmärschen nach Dessau zu marschieren, keine Folge leistete.
Mansfeld hat Fuchs’ Insubordination später für den Fehlschlag von
Dessau verantwortlich gemacht. Tatsächlich hat Fuchs auf Zeit gespielt;
man muss ihm jedoch zugute halten, dass seine Truppen nach den zwei
für sie unglücklich verlaufenen Zusammenstößen mit Wallensteins Reitern
vorerst nicht einsatzfähig waren und deshalb, selbst wenn sie rechtzeitig
bei Roßlau eingetroffen wären, für Mansfeld keine relevante Verstärkung
dargestellt hätten. Dieser hatte selbst den Fehler begangen, auf die Nach
richt von Wallensteins Überraschungsschlag bei Wolmirstedt den Angriff
3° o FO R T G A N G UND A U SW EITU N G
Tagen wieder sammelte und zum Aufbau eines neuen Heeres nutzte. Das
war indes nur möglich, weil Wallenstein die Verfolgung bei Zerbst einge
stellt und sich wieder auf die Elbe zurückgezogen hatte.146 In den Wiener
Hofkreisen, vor allem seitens der «bayerischen Partei», wie Wallenstein
seine Gegner nannte, ist ihm das als Nachlässigkeit vorgehalten worden.
Damit verband sich eine Reihe weiterer Unterstellungen, um nicht zu sagen
Denunziationen gegen Wallenstein, die den Sieg schmälerten oder gar ins
Gegenteil verkehrten.147 Wallenstein hatte bei dem Vorstoß bis Zerbst
jedoch davon ausgehen müssen, dass die Entscheidung des Feldzugs auf
der linken Elbseite fallen würde, und er wollte sich nicht zu weit von Tilly
entfernen, um ihm in der entscheidenden Auseinandersetzung mit dem
dänisch-niedersächsischen Hauptheer beistehen zu können. Das aber hieß,
dass er sich auf die linke Elbseite zurückziehen musste und Mansfeld nicht
weiter verfolgen konnte.
denken, und angesichts des Umstands, dass außer Tilly nach wie vor auch
Wallenstein seinem Heer gegenüberstand, freundete er sich allmählich mit
dem von Mansfeld favorisierten Projekt an.
Die Entscheidung fiel, als Anfang Juni Matthias Quadt von Wickrath
bei Christian eintraf und ihm mitteilte, Bethlen sei für monatlich 40 000 Ta
ler Subsidien bereit, sich der Haager Allianz anzuschließen. Er schlug vor,
ein Heer von 12 000 Mann nach Südosten in Marsch zu setzten, das sich
mit seinen Truppen vereinigen solle.150 Das war eine Streitmacht, auf die
Wallenstein in jedem Fall reagieren musste - spätestens dann, wenn die
kaiserlichen Erblande bedroht waren. Als Mansfeld meldete, seine Trup
pen seien marschbereit, gab Christian die entsprechenden Instruktionen:
Mansfelds um ein dänisches Korps von 7000 Mann verstärkte Söldner
sollten nach Schlesien marschieren und bis zum Eintreffen Bethlens an der
Oder eine feste Stellung beziehen. Das war eine Einschränkung von Mans
felds Handlungsfreiheit, die dieser hinnehmen konnte, denn sobald seine
Truppen in Schlesien standen, waren die Kommunikationswege nach
Wolfenbüttel lang und unsicher, und Mansfeld würde selbst entscheiden,
was er für richtig hielt. Sehr viel weniger traf das auf die zweite Instruktion
Christians zu, in der er den Herzog von Sachsen-Weimar zum Mitkom
mandanten des Unternehmens ernannte und anordnete, dass Mansfeld mit
ihm alle größeren Entscheidungen abzustimmen habe. Zudem sollte der
dänische Rat Joachim von Mitzlaff das Heer als Commissarius begleiten
und dafür sorgen, dass Mansfeld nicht zu selbständig agierte. Christian
hatte den Söldnerführer somit an eine doppelte Kette gelegt.
Position, die mit gesenkten Lanzen eine stachelige Front bildeten, um die
Kavallerie auf Abstand zu halten. Die wiederum nahm dann nach der Tak
tik des Caracolierens die Pikeniere unter Feuer, was diese untätig aushalten
mussten, da die eigenen Musketiere im Innern des Tercios standen und
nicht zurückschießen konnten. Die Pikeniere konnten allerdings auch mit
gefällter Lanze zum Angriff auf die Reiter übergehen, oder es wurden ein
zelne Musketiere in die Reihen der Pikeniere eingeschoben, um ihrerseits
die Reiter unter Feuer zu nehmen.
Jeder Wechsel der taktischen Formation im Gefecht war riskant, denn
dabei konnte Unordnung entstehen, und diese Unordnung bot für den
Gegner die Chance, in die Infanterieformationen hineinzustoßen und sie
aufzusprengen. War das der Fall, so waren die Fußknechte den Reitern
wehrlos ausgeliefert: Die überlangen Lanzen waren für den Nahkampf
ungeeignet, die Musketen konnten nicht nachgeladen werden, und beim
Kampf mit dem Schwert waren die gepanzerten Reiter den nur leicht
geschützten Fußsoldaten überlegen.159 In der Regel war das der Moment,
Der oberösterreichische Bauernaufstand 3 ll
bei dem in den Reihen der Infanteristen Panik ausbrach und viele sich
zur Flucht wandten.160 Das war der Augenblick der Entscheidung: Wenn
es gelang, ein Tercio zu zersprengen, und die dort entstandene Panik auf
andere Tercios Übergriff, war die Schlacht entschieden.
Pappenheim legte es darauf an, diesen Augenblick möglichst frühzeitig
herbeizuführen. Im Unterschied zu anderen Generälen vertraute er nicht
darauf, dass er im Verlauf eines über Stunden geführten Gefechts eintrat,
sondern versuchte, ihn mit seinen Kürassieren zu erzwingen. Das trug ihm
den Ruf ein, er pflege eine tollkühne Gefechtsführung und gehe übermäßig
hohe Risiken ein, wie Tilly mehrfach klagte. Pappenheim konnte darauf
erwidern, er suche die frühe Entscheidung der Schlacht, um der Gegen
seite die Chance zu nehmen, in einem sich hinziehenden Gefecht ihrerseits
die Gunst des Augenblicks nutzen zu können.
Im Jahre 1625 stand Pappenheim in spanisch-genuesischem Dienst und
hatte ein selbständiges Kommando im Kampf gegen französische Trup
pen inne, die das Veltlin als Teil der «spanischen Gasse» sperren sollten.
Nach dem im März 1626 geschlossenen Frieden von Moncon musste er sich
nach einer neuen militärischen Verwendung umtun, und die fand er in den
Diensten des bayerischen Kurfürsten Maximilian. Im Rang eines Gene
ralwachtmeisters bekam er das Kommando über eine etwa 8000 Mann
starke Truppe, die er nach Oberösterreich führte, um den dortigen Bau
ernaufstand niederzuschlagen.161 Mit einer Kriegslist gelang es ihm, seine
Truppen in das von den Bauern eingeschlossene Linz zu schleusen und die
Stadt zu entsetzen. Dort unterstellte er die zuvor von den Bauern mehr
fach geschlagenen Kaiserlichen seinem Kommando, um offensiv gegen die
Aufständischen vorzugehen. In der ihm eigenen Art verlor er dabei keine
Zeit, und schon wenige Tage nach dem Entsatz von Linz, am 9. Novem
ber, kam es zur ersten Schlacht: Nahe Eferding stieß Pappenheim auf ein
in einer bewaldeten Stellung verschanztes Bauernheer, das er durch einige
Scheinangriffe sowie die demonstrative Positionierung seiner Kanonen
zum Angriff verlockte, um ihm in offenem Gelände eine vernichtende
Niederlage zuzufügen. Während die bayerisch-kaiserlichen Truppen nur
geringfügige Verluste erlitten, blieben mehr als 3000 Bauern tot auf dem
Schlachtfeld, die meisten von ihnen niedergeritten und erschlagen, nach
311 FO R T G A N G UND A U SW EITU N G
dem sie bei ihrem Angriff von Flankenfeuer erfasst worden und in Panik
geraten waren.
Wenige Tage darauf stieß Pappenheim auf ein weiteres Bauernheer, das
die Stadt Gmunden belagerte. Als sich Pappenheims Truppen näherten,
zogen die Bauern sich auf eine Verteidigungsstellung im Wald zurück, in
der sie mit Kavallerie nicht anzugreifen waren und ein Infanterieangriff im
Kampf Mann gegen Mann enden musste. In einem solchen Kampf spielte
die waffentechnische und taktische Überlegenheit der Soldaten keine
Rolle; letzten Endes entschied die schiere Überzahl. Dann aber ließ sich
der von einem Theologiestudenten geführte Häuf zu demselben Fehler
verleiten, den auch die Bauern bei Eferding gemacht hatten: Die Aufstän
dischen verließen, durch die Gefechtsaufstellung Pappenheims dazu ver
leitet, ihre Stellungen und griffen den scheinbar ungedeckten linken Flügel
des Pappenheim’schen Heeres an. Die dort postierten Kaiserlichen zogen
sich bis unter die Mauern Gmundens zurück, wo die Bauern in heftiges
Musketenfeuer liefen und ihr Angriff den Schwung verlor. Ähnlich erging
es denen, die den rechten Flügel angriffen und nach einem Scheinrückzug
des von Pappenheim selbst geführten Flügels ebenfalls in konzentriertes
Musketenfeuer gerieten. Die zum Stehen gebrachten Angreifer wurden
von Kürassieren umfasst und niedergehauen. So war auch die Schlacht von
Gmunden eher ein Massaker als ein Gefecht. Bei Vöcklabrück und Wolfs
eck besiegte Pappenheim weitere Bauernhaufen; dabei wurden auch die
Anführer des Aufstandes getötet oder fielen in die Hände des ligistisch-
kaiserlichen Heeres.
Das war das Ende des Aufstandes. Ihm folgten in Linz Exekutionen in
großer Zahl, dazu Eingriffe in die Besitzverhältnisse derer, die beim Auf
stand zwar keine führende Rolle gespielt, aber in der einen oder anderen
Weise die Aufständischen unterstützt hatten. Bei dem Gericht, das der
Statthalter Herberstorff, Pappenheims Stiefvater (er hatte Pappenheims
früh verwitwete Mutter geheiratet), hielt und das von jedem weiteren Auf
stand abschrecken sollte, zeigte sich auch wieder die religiöse Dimension
des Krieges, die bereits am Anfang des Aufstandes gestanden hatte, denn
jetzt wurde die katholische Gegenreformation konsequent durchgesetzt,
und sie zielte als Erstes auf den Adel und die Bürgerschaft Oberösterreichs.
Der oberösterreichische Bauernaufstand 313
«Sie mußten», so der Historiker Moriz Ritter, «kraft neuer Erlasse aus
wandern oder katholisch werden. Merkwürdigerweise machte man jedoch
den Bauern gegenüber eine kleine Ausnahme. War es die Sorge vor einem
nochmaligen Verzweiflungsausbruch oder die Rechnung, daß man dem
verwüsteten Land nicht noch weitere Arbeitskräfte entziehen durfte - [ . . . ]
bei der auch jetzt noch nicht gebrochenen Hartnäckigkeit der Bauern ließ
man es bei dem Verbot aller protestantisch gottesdienstlichen Handlungen
und protestantischer Lehrer und Bücher, sowie dem Gebot der Teilnahme
am katholischen Gottesdienst, ohne jedoch zur Ausweisung wegen des
Bekenntnisses zu schreiten. Man durfte erwarten, daß so, wenn nicht die
alte, so doch die jüngere Generation gewonnen werde.»162 Man nahm den
Bauern die adligen wie städtischen Anführer und setzte darauf, dass sie
dann wieder folgsam sein würden.
Auch in Böhmen kam es im Frühjahr und Sommer 1626 vereinzelt zu
Bauernunruhen, doch erreichten diese bei weitem nicht die Dynamik und
Intensität des oberösterreichischen Bauernaufstands. Das war auch eine
Folge der systematischen Vertreibungen, die in den vorangegangenen Jah
ren stattgefunden hatten. Potenzielle Anführer fehlten, und die Kommuni
kationsbeziehungen und Vertrauensverhältnisse, ohne die keine Bewegung
auskommt, wurden durch die Emigration zerstört. Eine Rolle dürfte aber
auch gespielt haben, dass Wallenstein seine Beamten zu größter Aufmerk
samkeit aufgefordert hatte, was Anzeichen von Unruhen anging, und ein
entschiedenes Vorgehen verlangte,163 da er auf eine zuverlässig funktionie
rende Versorgungsbasis seines Heeres in Friedland angewiesen war. Der
Aufstand in Böhmen, auf den Mansfeld gesetzt hatte, kam nicht in Gang; er
blieb, wie Anton Gindely festhält, «ein rasch vorübergehender Zwischen
fall, der die Besitzer des Landes bloß schreckte, aber nicht schwächte».164
sehen Tiefebene, wo sich die Truppen mit den Einheiten Bethlen Gabors
verbanden, was aber ohne Bedeutung blieb, weil es in diesem Raum keine
strategischen Ziele gab, die Einfluss auf den Fortgang des Krieges gehabt
hätten. Immerhin war es Mansfeld durch den Vorstoß nach Schlesien,
Mähren und Ungarn gelungen, Wallenstein von seinen Positionen an der
Elbe abzuziehen, wenngleich auch das strategisch bedeutungslos war, weil
am 26. August nicht Christian Tilly, sondern umgekehrt Tilly Christian
besiegte. Der Sieg Tillys über den Dänen beruhte nicht zuletzt darauf, dass
Wallenstein bei seinem Aufbruch 12 000 Fußsoldaten und 5000 Reiter
zurückgelassen hatte, so dass Tillys Truppen denen Christians überlegen
waren. Wallenstein ist Mansfeld also nicht mit dem gesamten Heer gefolgt,
sondern nur mit 14 000 Mann.165
Am 10. Juli brachen Mansfeld und Herzog Johann Ernst von Havelberg
in Richtung Oder auf. Am 13. Juli erfuhr Wallenstein vom Aufbruch der bei
den; er war sich darüber im Klaren, dass ihr Ziel nur Schlesien sein konnte,
und reagierte darauf, indem er den Obersten Pechmann mit 5000 Reitern
losschickte, um den Vorstoß des Gegners zu beobachten und Nachzügler
sowie Trossknechte in der Weise zu attackieren, wie Wallenstein dies zwei
Jahre zuvor von Seiten Bethlen Gabors erlebt hatte. Wallenstein selbst war
tete zunächst ab, was ihm später zum Vorwurf gemacht werden sollte: Statt
Mansfeld den Weg nach Schlesien abzuschneiden, habe er diesem einen
uneinholbaren Vorsprung eingeräumt. Aber Wallenstein zögerte, weil das
Gerücht aufgetaucht war, Gustav Adolf werde in Kürze mit 18 000 Mann
in Pommern landen, um parallel zur Oder ebenfalls nach Schlesien vor
zustoßen. Dieses Gerücht sollte sich als falsch herausstellen, völlig aus der
Luft gegriffen war es jedoch nicht, denn in den Kriegsplänen der Haager
Allianz hatte ein solcher Kriegszug Gustav Adolfs zeitweilig eine Rolle
gespielt.166 Tatsächlich verließ der Schwedenkönig zu dieser Zeit mit einer
großen Flotte Stockholm - aber er landete mit seinen Truppen nicht in
Pommern, sondern in Ostpreußen, um gegen seinen katholischen Vetter
Sigismund III. Krieg zu führen.167
Unterdessen erreichten Mansfelds Truppen Mitte Juli bei Frankfurt
die Oder, wo Mansfeld den Fluss überquerte und auf dessen rechter Seite
weitermarschierte, während Johann Ernst mit seinen Verbänden auf der
Der oberösterreichische Bauernaufstand 315
linken Flussseite blieb und parallel zu Mansfeld nach Schlesien zog. Die
Trennung der beiden hatte vor allem logistische Gründe, denn so hatte
jeder sein eigenes Gebiet, aus dem er sich versorgen konnte. Ohnehin
war es eine verbreitete Praxis, dass größere Heere in mehreren Kolonnen
parallel marschierten, um den sich dahinwälzenden Heerwurm nicht gar
zu lang werden zu lassen. Je länger ein solcher Heereszug war, desto grö
ßer wurden die Versorgungsprobleme für die Arrieregarde; auch wurden
die Wege für die nachfolgenden Einheiten immer schwieriger zu passieren.
Also marschierte man, wenn die Topographie des Geländes das zuließ, in
mindestens zwei Kolonnen parallel zueinander.168 Lag ein Fluss dazwi
schen, so hatte das zwar den Nachteil, dass man sich bei Feindberührung
nicht ohne weiteres zu Hilfe kommen konnte, aber auch den Vorteil, dass
man auf Lastkähnen Nachschub mitführen konnte und so von den Versor
gungsmöglichkeiten des Landes unabhängig war. Letzteres war für Mans
feld und Johann Ernst von Bedeutung: Schlesien war zu dieser Zeit durch
den Krieg bereits schwer mitgenommen, zunächst durch den jahrelangen
Kleinkrieg des Herzogs von Jägerndorf gegen sächsische und kaiserliche
Truppen und sodann durch die Seuchen, die sich im Gefolge der durchzie
henden Heere und der Flüchtlingsströme aus Böhmen stark ausgebreitet
hatten.169 Dennoch wurden die Truppen Mansfelds in Schlesien freundlich
aufgenommen; die mehrheitlich protestantische Bevölkerung sah in ihnen
Befreier von der ungeliebten habsburgischen Herrschaft und den Zwängen
der Gegenreformation.
Mansfeld wollte sich diese Sympathien erhalten und drängte darauf,
die Bevölkerung schonend zu behandeln; weil Johann Ernst das nicht in
gleicher Weise tat, kam es mehrfach zu Auseinandersetzungen zwischen
ihnen.170 Meinungsverschiedenheiten dieser Art dürften ein weiterer
Grund dafür gewesen sein, dass die beiden seit Frankfurt getrennt vonein
ander auf beiden Seiten der Oder marschierten. Der Leidtragende dessen
war Johann Ernst, denn seine Kolonne war den überfallartigen Attacken
von Pechmanns Kavallerie ausgesetzt, die dem Heer auf der linken Oder
seite folgte. Nahe der Stadt Oppeln gelang es Johann Ernst, das Regiment
des Obersten Hebron in ein längeres Gefecht zu verwickeln und ihm grö
ßere Verluste zuzufügen. Das änderte freilich nichts an dem permanenten
316 FO R T G A N G UND A U SW EITU N G
Aderlass, den die Angriffe Pechmanns zur Folge hatten; an den kaiserlichen
Rat Questenberg berichtete Pechmann, man habe «viel mansfeldisches
Volk, so sich vom Heereszug gesondert hat, gnadenlos niedergemacht».1' 1
Mitte August bezogen Mansfeld und Johann Ernst im Raum Teschen,
Troppau, Jägerndorf eine feste Stellung, die, zwischen Schlesien, Mähren
und Ungarn gelegen, alle Optionen für die Fortsetzung des Feldzugs offen
ließ. Hier erwarteten sie Bethlen und seine Truppen; nach deren Eintreffen
wollten sie entscheiden, wie es weitergehen sollte. Aber sie warteten ver
geblich, denn Bethlen traf nicht ein.
konnte, überraschte ihn. Außerdem graute ihm vor einem weiteren Rriegs-
zug in Ungarn, bei dem sich wiederholen würde, was er dort zwei Jahre
zuvor erlebt hatte.173 Wenn er schon in der ungarischen Tiefebene Krieg
führen sollte, dann wollte er in großem Umfang über leichte Reiterei verfü
gen. Wallenstein hatte ein Heer für die Kriegführung in Mitteleuropa aufge
stellt, ein Heer, mit dem man Schlachten gewinnen konnte. Gegen Bethlen
Gabor war damit aber wenig auszurichten, denn der stellte sich, wie Wal
lenstein ja erlebt hatte, nicht zur Schlacht. Bethlens leichte Reiter konnten
nur mit eigenen leichten Reitern bekämpft werden, und dementsprechend
forderte Wallenstein den Wiener Hofkriegsrat auf, in Polen oder Ungarn
in großem Stil leichte Reiter anzuwerben. Mansfeld spielte in diesen Über
legungen keine besondere Rolle; es war Bethlen, der Wallenstein Sorgen
machte - und da er ahnte, dass Wien ihm die geforderten Reiter nicht zur
Verfügung stellen würde, zögerte er, mit einem Heer aufzubrechen, das für
den absehbaren Feldzug ungeeignet war. Wallenstein hatte darauf gesetzt,
dass Mansfeld in Schlesien und Ungarn infolge ausbleibender Versorgung
zugrunde gehen würde. Jetzt aber saß dieser in einer Wartestellung, von der
aus er Böhmen bedrohte. Also musste Wallenstein handeln.
Am 27. August vereinigten sich die Heeresteile Mansfelds und Johann
Ernsts bei Fulnek wieder; drei Tage darauf trafen sich beide Heerführer
bei Leipnik an der March, um den weiteren Fortgang des Kriegszugs zu
besprechen. An diesem Kriegsrat nahmen auch die Obersten der einzelnen
Regimenter teil. Mansfeld schlug vor, nicht länger auf Bethlen zu warten
und ihm auch nicht entgegenzuziehen - tatsächlich dauerte es bis zum
13. September, also noch zwei Wochen, bis Bethlen in Debrezin einrückte - ,
sondern stattdessen nach Westen vorzustoßen. Er wollte entweder nach
Mähren und Böhmen bis in die Oberpfalz ziehen, um von dort nach Bayern
oder ins Eisass zu gelangen, oder aber Verbindung mit den aufständischen
Bauern in Oberösterreich aufnehmen, um den dortigen Kriegsschauplatz
zu verstetigen.174 Ob es Mansfeld dabei, wie einige Historiker meinen, um
die Wiederaufnahme der alten Eisassträume ging oder um einen Verhee
rungskrieg gegen die kaiserlichen Erblande, mit dem die Finanzierungs
möglichkeiten des kaiserlichen Heeres drastisch eingeschränkt werden
sollten, oder um eine Operation gegen die «spanische Gasse», mit der sich
318 FO R T G A N G UND A U SW EITU N G
stein überquerte also den Fluss Waag und rückte bis Neuhäusel vor, womit
er Bethlen den Weg zu Mansfeld abschnitt.
Habsburgern und Osmanen besiegelt, und dieser Frieden hielt für mehrere
Jahrzehnte. Das bedeutete für die politisch-militärischen Konstellationen
im Reich mittelfristig eine größere Veränderung als der große Sieg, den
Tilly zwischenzeitlich über Christian von Dänemark errungen hatte.181
Seit Mai 1626 führte Tilly einen Belagerungskrieg, in dessen Verlauf er dem
Dänenkönig eine besetzte Festungsstadt nach der anderen wegnahm. Als
Erstes war Hannoversch Münden an der Reihe, am Zusammenfluss von
Fulda und Werra gelegen, also ein Ort von einiger strategischer Bedeutung.
Wer Münden beherrschte, kontrollierte den nordhessisch-südniedersächsi-
schen Raum, und daran musste Tilly gelegen sein, nachdem Christian von
Braunschweig wenige Wochen zuvor den Versuch unternommen hatte, in
Hessen-Kassel einen Kriegsschauplatz in seinem Rücken zu eröffnen.185
Hatte Tilly Münden in der Hand, so würde das künftig nicht mehr mög
lich sein. Die Stadt wurde von 800 Soldaten unter Oberst Lawis verteidigt.
Der verweigerte bei der üblichen dreimaligen Kapitulationsaufforderung
die Übergabe,186 woraufhin die Artillerie Tillys eine breite Bresche in die
herkömmlich gebauten Stadtmauern schoss. Lawis setzte darauf, dass die
Angreifer durch die vor der Mauerbresche fließende Werra aufgehalten
würden, doch die fanden an zwei Stellen eine Furt, überschritten den Fluss
und drangen in die Stadt ein. Die Verteidiger zogen sich auf den Friedhof
zurück, konnten sich dort aber nicht halten. Zuletzt leisteten sie im Schloss
Widerstand, wo sie samt und sonders getötet wurden. Weil ein Mündener
Bürger angeblich eine mit Splittern und Nägeln geladene Kanone aus kur
zer Distanz auf die Angreifer abgefeuert hatte, richtete sich die Gewalt der
Eroberer nicht nur gegen die Soldaten, sondern auch gegen die Bevölke
rung der Stadt. Über 1000 Einwohner wurden in einem furchtbaren Mas
saker getötet.187
Tilly ist diesem Morden nicht entgegengetreten. Das hat eine gewisse
Bedeutung für die Beurteilung seines Verhaltens bei der späteren Erobe
rung Magdeburgs, als es ebenfalls zu einem Massaker kam. Gemäß Kriegs
recht war nach dreimaliger Ablehnung der Kapitulationsaufforderung die
Plünderung einer im Sturm genommenen Stadt zulässig, und die Soldaten,
die sie verteidigt hatten, durften, auch wenn sie «Quartier» riefen - die
damals übliche Parole, wenn man sich ergeben wollte - , 188 nicht mit Pardon
Die Schlacht von Lutter am Barenberg 315
stand, und das war deren exemplarischer Charakter. Wenn sich nämlich
herumsprach, was sich bei der Eroberung ereignet hatte und womit man
rechnen musste, wenn man der Kapitulationsaufforderung Tillys keine
Folge leistete, so war das ein starkes Motiv dafür, eine befestigte Stadt ohne
größeren Widerstand zu übergeben. Gleichzeitig war es eine Aufforderung
an die Bürgerschaft, dem Militärkommandanten in den Arm zu fallen, wenn
er Widerstand leisten wollte. Das demonstrative Massaker war ein Strate-
gem, um den potenziellen Interessenkonflikt zwischen Einwohnerschaft
und Verteidigern einer Stadt in einen offenen Gegensatz zu verwandeln
und die einfachen Soldaten zur Befehlsverweigerung zu motivieren. Es gab
also durchaus Gründe dafür, warum Tilly dem Massaker von Münden kei
nen Einhalt gebot. So kapitulierte Göttingen, die nächste befestigte Stadt,
der er sich näherte, relativ schnell, und als er sich anschließend gegen Nort
heim wandte, konnte er damit rechnen, dass man dort eher dem Göttinger
als dem Mündener Vorbild folgen würde. Dem wirkte die andere Seite ent
gegen, indem sie Offiziere, die eine Stadt widerstandslos oder nach bloß
symbolischen Kampfhandlungen übergaben, wegen Feigheit zum Tode
verurteilte und, sofern man ihrer habhaft wurde, öffentlich exekutierte. Die
Androhung des unehrenhaften Todes sollte die Bereitschaft fördern, bei der
Verteidigung einen jedenfalls ehrenhaften Tod zu sterben.
Mit dem Siegeszug Tillys wuchs der Druck auf Moritz, Landgraf von Hes
sen-Kassel, der nach dem fehlgeschlagenen Vorstoß Christians von Braun
schweig ohnehin im Verdacht stand, es mit dem Dänen zu halten. Tilly
forderte ihn auf, kaiserliche Garnisonen aufzunehmen beziehungsweise
seine Festungsstädte für kaiserlich-ligistische Einheiten zu öffnen. Weiter
hin forderte er die Einberufung der Landstände; auf deren Versammlung
sollte der Landgraf erklären, dass er die Regierungsgeschäfte niederlege.
Die lutherisch gesinnte Ritterschaft des Territoriums drängte ihrerseits auf
die Entfernung und Bestrafung der Räte, die sie für die Politik des Land
grafen verantwortlich machten, während die städtischen Vertreter, die
bisher die landgräfliche Politik unterstützt hatten, vor einem aussichtlosen
Kampf gegen die Übermacht Tillys warnten.192 Moritz warf Tilly daraufhin
in einem langen Schreiben vor, durch die von ihm betriebene Stärkung der
Die Schlacht von Lutter am Barenberg 317
waren demoralisiert. Christian solle sich, wenn es denn sein müsse, zumin
dest an einem anderen Ort zur Schlacht stellen, da die bezogene Hügelstel
lung durch die Wälder auf beiden Seiten umgangen werden könne, ohne
dass sich dies verhindern lasse. Es sei besser, die Bagage zu verlieren als das
Heer. Christian jedoch hielt an seiner Entscheidung fest.
Neben dem Umstand, dass das dänisch-niedersächsische Heer über
wiegend aus kampfunerfahrenen Truppen bestand, waren die Regimenter
aus den darin versammelten Landsmannschaften auch noch bunt zusam
mengewürfelt: Sie bestanden aus Engländern und Schotten, Franzosen
und Holländern, Holsteinern und, in der großen Mehrzahl, protestanti
schen Deutschen. Das hätte kein Nachteil sein müssen, wenn diese Einhei
ten schon einige Male gemeinsam im Kampf gestanden hätten und dabei
«zusammengeschweißt» worden wären, also das Gefühl der Zusammen
gehörigkeit, des Füreinander-Einstehens, aber auch des Sich-aufeinander-
verlassen-Könnens ausgebildet hätten. Das war aber nicht der Fall, und das
Fehlen eines landsmannschaftlichen Zusammenhalts machte sich negativ
bemerkbar. Hält man den Bericht des Obersten Robert Monro über die
Einsätze seines ausschließlich aus Schotten bestehenden Regiments dage
gen, so erfährt man, welche Bedeutung das landsmannschaftliche Zusam
mengehörigkeitsempfinden in einer fremden und feindlichen Umgebung
erlangen konnte. Dieses Schottenregiment, das zunächst in dänischen und
danach in schwedischen Diensten stand, war militärisch sehr viel leistungs
fähiger als Einheiten, die sich nicht auf solche Kohäsionsfaktoren stützen
konnten.197
Das Gelände bei Lutter war dem am Weißen Berg nicht unähnlich.198
Christian hatte sein Heer in drei Treffen auf einem ansteigenden Hügel
postiert; am Fuß des Hügels zog sich ein Bach, die Neile, mit morastigen
Uferstreifen auf beiden Seiten hin. Er konnte an einer Stelle auf einer Brü
cke überquert werden. Ansonsten waren Bach und Morast für Fußtruppen
wie Reiterei durchaus passierbar, freilich bei einer deutlichen Verlangsa
mung der Bewegung und dem absehbaren Verlust der Gefechtsordnung.
Für eine reine Verteidigungsschlacht war die Stellung des dänisch-nieder-
sächsischen Heeres also durchaus geeignet; es hätten allerdings in großem
Stil Verschanzungen aufgeworfen werden müssen, wozu man in der Kürze
33° FO R T G A N G UND A U SW EITU N G
der Zeit nicht gekommen war. Vor allem hätten die Flanken des Heeres im
Hinblick auf die angrenzenden Waldgebiete gesichert werden müssen, was
Christian aus Nachlässigkeit oder Unerfahrenheit unterließ.
D orf Dolgen beschäftigt gewesen wäre und seine Aufgabe als strategische
Reserve der Hauptmacht völlig aus dem Auge verloren hätte. Die dänische
Reserve spielte für die Schlacht danach keine Rolle mehr. Ein kleiner ligis-
tischer Verband hatte die gesamte strategische Reserve Christians de facto
ausgeschaltet.
Nachdem die von Fuchs gegen Tillys Zentrum gedrehten Bataillone
durch die Neile gewatet waren, hatten sie jede Gefechtsordnung verlo
ren, und es handelte sich um eine bloße Masse von 6000 Mann. Anstatt
die Ordnung wieder herzustellen, ließ Fuchs sie in aufgelöster Forma
tion angreifen, woraufhin ihre Attacke ebenso wie der Reiterangriff unter
schweren Verlusten zusammenbrach. Solms und der Sohn des Fandgrafen
fanden dabei den Tod, und bald wurde auch Fuchs, als er seine zurückflu
tenden Soldaten aufzuhalten versuchte, von einer Musketenkugel tödlich
getroffen. Damit war die Schlacht entschieden, denn nun ließ Tilly seine
Truppen gegen das bereits demoralisierte zweite Treffen Christians anrü
cken, das sich, auch weil in seiner Flanke plötzlich die kaiserlichen Solda
ten von Tillys anderem Detachement auffauchten und ihm das mit dem
D orf Dolgen beschäftigte dritte Treffen nicht zu Hilfe kam, zur Flucht
wandte. Christian, der mehr persönlichen Mut als taktisches Geschick
besaß, versuchte an der Spitze seines Leibregiments die Schlacht noch ein
mal zu wenden, konnte aber das vorrückende Zentrum Tillys nicht mehr
aufhalten und entkam mit knapper Not der Gefangennahme. Christian ver
lor an diesem Tag 8000 Mann und den gesamten Artilleriepark; 3000 bis
4000 seiner Soldaten waren gefallen, 2500 gefangen genommen, der Rest
war verschwunden, also vermutlich desertiert. Von Tillys Männern, so gab
er selbst an, seien 200 getötet und 300 verwundet worden. Es kamen noch
200 Ausfälle in den kaiserlichen Regimentern hinzu, die Wallenstein zur
Verfügung gestellt hatte.
Die Schlacht von Lutter am Barenberg war Tillys wichtigster Sieg im
Dreißigjährigen Krieg. In ihrem Verlauf ähnelte sie seinem Sieg bei Stadt
lohn, aber während er dort dem Kriegsgeschehen keine grundlegende
Wende zu geben vermochte, war das bei Lutter am Barenberg der Fall: Die
Bedrohung durch die Haager Koalition war beseitigt, die Kriegslage in
Norddeutschland von Grund auf verändert, und auch wenn Tilly die Reste
Die Weiterführung des Krieges 333
von Christians Armee nicht verfolgte und dieser bei Wolfenbüttel zumin
dest seine zersprengte Reiterei sammeln und neu formieren konnte, so
spielte der Däne als eigenständiger Faktor im Landkrieg fortan keine Rolle
mehr. Im Herbst behauptete Christian nur noch ein Gebiet zwischen der
unteren Elbe und der Weser sowie die im Osten an die Elbe anschließen
den Gebiete nördlich der Havel. Die niedersächsischen Fürsten, die den
Dänen zu ihrem Kreisobersten gewählt hatten, fielen nun reihenweise von
ihm ab,199 und es war abzusehen, dass Christian bei einer Weiterführung
des Krieges weitgehend auf die Hilfsmittel seines eigenen Königreichs
angewiesen sein würde. Nach dieser Niederlage hatte man in London und
im Haag große Zweifel daran, ob der Dänenkönig der Richtige war, Kaiser
und Liga in Deutschland Paroli zu bieten.
Auf dem Papier nahm sich die Ausgangslage Christians Anfang 1627 nicht
so schlecht aus, wie man nach der schweren Niederlage von Lutter hatte
erwarten müssen. In Schlesien stand eine Armee von etwa 15 000 Mann,
bestehend aus den von Mansfeld im vergangenen Sommer dort zurück
gelassenen Truppen, den Überresten des Mansfeldschen Heeres, die
Mitzlaff aus Ungarn zurückgebracht hatte, sowie den im Winter neu rekru
tierten Soldaten. Die Truppen hatten eine Reihe fester Plätze bezogen, und
Mitzlaff war zuversichtlich, Schlesien gegen die kaiserlichen Einheiten
verteidigen zu können. Weiterhin stand in Mecklenburg ein Armeekorps
mit 12 000 Mann, das von Markgraf Georg Friedrich von Baden-Durlach
befehligt wurde. Nach der Niederlage von Wimpfen hatte er sich aus der
Politik zurückgezogen, die Regierung der Markgrafschaft seinem Sohn
übertragen200 und war als General in die Dienste des Dänenkönigs getreten.
Schließlich hatte Christian selbst im Verlauf des Winters seine bei Lutter
zerschlagene Hauptarmee wieder aufgefüllt und auf einen Gesamtbestand
von 30 000 Mann gebracht. Diese Hauptarmee sollte den Raum von der
Unterelbe bis zur Weser schützen, wobei sie sich auf eine Verteidigungs
334 FO R T G A N G UND A U SW EITU N G
linie mit den Festungen Wolfenbüttel, Nienburg, Northeim und Stade stüt
zen konnte.
Das Problem dieser Aufstellung war ihre grundsätzlich defensive Aus
richtung sowie der Umstand, dass die von der Elbe bis zur Oder verteilten
Truppen im Falle eines Angriffs weitgehend auf sich allein gestellt waren.
Wallensteins strategischem Blick ist das nicht entgangen: Christians starre
Defensive lud geradezu ein, sich die Heeresteile der Reihe nach vorzuneh
men und sie einzeln auszuschalten. Tilly und Wallenstein kamen überein,
dass die Truppen der Liga den Krieg links der Elbe führen sollten, wäh
rend sich die kaiserliche Armee auf Schlesien, die Oder und das Gebiet
rechts der Elbe konzentrierte. Wie sich schon bald zeigte, hatte Tilly die
weitaus schwierigere Aufgabe übernommen, während Wallenstein in die
sem Kriegsjahr mit eher geringem Aufwand große Erfolge erzielte. Damit
wurde die Konstellation von 1626 ins Gegenteil verkehrt, als Wallenstein
einen glanzlosen, mit großen Verlusten verbundenen Krieg in Ungarn
geführt hatte, während Tilly als der strahlende Sieger einer entscheidenden
Schlacht die Glückwünsche aus Wien, München und Brüssel entgegen
nahm. Papst Urban hatte Tilly als Zeichen des Dankes gar einen geweih
ten Hut übersandt.201 Wallenstein dagegen wurde wegen seiner angeblich
zögerlichen und unentschiedenen Kriegführung kritisiert, und die ersten
Stimmen wurden laut, die seine Ablösung als kaiserlicher Generalissimus
forderten.202 Am Ende des Kriegsjahres 1627 sollte die Stimmungslage
genau umgekehrt sein.
Das Verhältnis zwischen Tilly und Wallenstein war weiterhin durch
aufgabenorientierte Professionalität gekennzeichnet;203 Tilly litt allerdings
darunter, dass es bei den Soldaten und Offizieren eine wachsende Nei
gung gab, den Dienst im Heer der Liga zu quittieren und stattdessen in
die Dienste Wallensteins überzuwechseln; fatalerweise war diese Neigung
gerade bei den Tüchtigsten und Leistungsfähigsten festzustellen.204Das lag
freilich nicht nur an den besseren Quartieren und dem höheren Sold, son
dern auch an den deutlich besseren Aussichten auf Belohnung und Karriere
in der Umgebung Wallensteins. Trotz seines glänzenden Sieges bei Lutter
am Barenberg schien Tillys Stern bald zu sinken, während der Wallensteins
weiter im Steigen begriffen war. Enttäuschung und Resignation machten
Die Weiterführung des Krieges 335
sich im Umfeld Tillys breit - und dazu gab es durchaus Anlass, wenn man
die geringfügigen Belohnungen Tillys mit denen Wallensteins verglich, der
es zum Herzog von Friedland gebracht hatte. Im Sommer 1627 kam noch
das Fürstentum Sagan in Schlesien hinzu.205 Wenn man etwas werden
wollte, war es ratsam, in den Dienst Wallensteins zu wechseln.
denen sich weder durch die Bekleidung noch die als Erkennungszeichen
getragenen Armbinden feststellen ließ, welcher Seite die Toten einmal ange
hört hatten. Nur die Leichen höherer Offiziere wurden geborgen und ihren
Familien überbracht, wie das Tilly mit dem bei Lutter getöteten zweiten
Sohn des Landgrafen von Hessen-Kassel tat.212 Die einfachen Soldaten ließ
man liegen, und neben den Bauern machten sich die Leute aus dem Tross
des siegreichen Heeres an die «Resteverwertung» des Schlachtfelds. Als
die Schweden am Tag nach der Schlacht von Lützen ihren toten König Gus
tav Adolf suchten, war er, als man ihn endlich fand, bereits völlig ausgeplün
dert.213 Und die Wallenstein’schen Kürassiere, die nach dem Gefecht bei
Landsberg an der Warthe nach ihrem Kommandeur, dem Oberst Pechmann,
suchten, fanden von ihm nur noch ein paar Stücke seiner Rüstung.214
Die Belagerung Wolfenbüttels zog sich über drei Monate hin. Ende
November war Pappenheim klar, dass er, wenn die Verteidiger nicht bald
kapitulierten, die Belagerung aufheben und in die Winterquartiere abzie-
hen musste. Um doch noch zum Erfolg zu kommen, ließ er die Bauern der
Umgebung zusammentreiben und einen Staudamm aufschütten, durch
den das Flüsschen Oker in die Stadt hinein umgeleitet wurde und diese
überflutete. Als Erstes liefen die Keller voll, und bald standen auch die
Erdgeschosse der Häuser unter Wasser.2ls Am 9. Dezember kapitulierten
die Verteidiger Wolfenbüttels, nachdem sie für sich freien Abzug heraus
gehandelt hatten. «Ich habe aber die Maisten underwegs niederhaun, teils
auch unterstoßen lassen», schrieb Pappenheim in einem Brief an den
Markgrafen von Kulmbach.216 Ritterlichkeit gab es nur sehr begrenzt, wenn
man es nicht mit adligen Standesgenossen zu tun hatte: Wer von den Sol
daten nicht in Pappenheims Dienste treten wollte (was mit «unterstoßen»
gemeint ist), wurde kurzerhand niedergemacht.
Tilly brauchte das gesamte Jahr 1627, um den dänischen Festungsgür
tel Glied für Glied aufzubrechen. An einen Vorstoß in die Territorien des
Dänenkönigs war danach nicht mehr zu denken. Das war die Art von Tillys
strategischem Vorgehen: Er wollte die Festungen nicht umgehen, sondern
sie erobern, bevor er sich auf einen Vorstoß nach Holstein einließ. Die Folge
war, dass Tilly dieses Mal gegenüber Wallenstein das Nachsehen hatte. Der
stand in Schlesien zwar ebenfalls vor der Aufgabe, eine größere Anzahl
33« FO R T G A N G UND A U SW EITU N G
war als Nächstes dran, danach Troppau, das mit zwei Wochen den längsten
Widerstand leistete. Ende Juli war Schlesien in Wallensteins Hand.
Anfang August brach das kaiserliche Heer in drei Kolonnen nach Nordwes
ten auf. Die von Wallenstein und Schlick geführten Kolonnen bewegten
sich parallel zueinander über Cottbus in Richtung Elbe und rückten dann
auf dem linken Elbufer bis Lauenburg vor, ohne auf ernsthaften Widerstand
zu stoßen. Rechts davon operierte ein weiteres Detachement unter Hans
Georg von Arnim-Boitzenburg, das über Brandenburg nach Mecklenburg
vorstieß. Mecklenburg interessierte Wallenstein besonders, denn die bei
den Herzoge des Landes, Johann Albrecht von Mecklenburg-Güstrow und
Adolf Friedrich von Mecklenburg-Schwerin, hatten den Dänenkönig offen
unterstützt. Wallenstein wollte an ihnen ein Exempel statuieren, das dem an
Friedrich V. ähnlich sein sollte. Doch dazu musste Mecklenburg zunächst
erobert und besetzt werden. Das geschah Ende August; zu größeren Kampf
handlungen kam es dabei nicht. Das System der «Mausefallen» hatte dazu
geführt, dass die gegnerischen Truppen sich schnell zurückzogen, bevor
solche Auffangnetze gespannt werden konnten. Wallenstein bedankte sich
bei Arnim ausdrücklich für dessen zielstrebige und effektive Operations
führung: «Ich erfreu mich mit dem Herrn», schrieb er an ihn, «daß er mit
einer Handvoll Kriegsvolk mehr effektuiert als andere, die fünfmal so viel
davon haben. Daraus sein Valor [Wert] zu sehen ist.»219 An Wallensteins
Erfolgen ist auch bemerkenswert, dass zwei seiner Heeresabteilungen von
Protestanten geführt wurden: dem Grafen Schlick, der am Weißen Berg
noch auf böhmischer Seite gekämpft hatte, und dem gelobten Freiherrn
von Arnim, der zuvor in schwedischen Diensten gestanden hatte.
In den ersten beiden Augustwochen erkämpften Truppen Tillys den
Übergang über die Havel; Markgraf Georg Friedrich, der sich mit etwa
10 ooo Mann in Havelberg festgesetzt hatte, leistete erbitterten Wider
stand. Nach sechs Tagen ständiger Scharmützel gelang es den von Herzog
Georg von Lüneburg geführten Truppen des Liga-Heeres, den Fluss zu
überqueren.220 Als sich unter den dänischen Verteidigern des Havelberger
Dombergs, die sich auf eine hinhaltende Verteidigung vorbereitet hatten,
die Nachricht verbreitete, Truppen Wallensteins seien im Anmarsch (es
340 FO R T G A N G UND A U SW EITU N G
handelte sich um das Korps unter Arnim, das zu dieser Zeit in der Prignitz
operierte), räumten sie über Nacht ihre Stellungen und zogen sich nach
Norden zurück. Bevor man von kaiserlichen und ligistischen Truppen in
die Zange genommen wurde, gab man lieber die strategisch wichtige Posi
tion an der Mündung der Havel in die Elbe auf. Der Rückzug aus Havelberg
in der Nacht zum 14. August markiert die endgültige Wende des Krieges
im Norden: Hatten die Truppen Christians bis dahin zähen Widerstand
geleistet (was sie im Nordwesten noch einige Zeit taten), so begann für sie
nun eine Phase des Zurückweichens, was dazu führte, dass bis Jahresende
nicht bloß Holstein von Wallensteins Truppen besetzt wurde, sondern die
von Graf Schlick geführten Verbände bis zur nördlichen Spitze Jütlands
vorstießen, wo ihr Vormarsch am Öresund zum Stehen kam.
Nach Havelberg war das die zweite Wende dieses Kriegsabschnitts:
Der in Form weit ausholender Bewegungen und gelegentlicher Gefechte
geführte Krieg endete, und was nun begann, war ein amphibischer Krieg, in
dem Christian, der sich mit den Resten eines Heeres auf die Inseln Fünen
und Seeland zurückgezogen hatte, die Initiative zurückgewann und ein stra
tegisches Gleichgewicht herstellte. Zu Lande waren die Heere des Kaisers
und der Liga die Herren des Geschehens, und alle Versuche des dänischen
Königs, hier wieder Fuß zu fassen, sei es, um Jütland oder Holstein zurück
zuerobern, sei es, um Wallenstein Nadelstiche zu versetzen, scheiterten
kläglich oder endeten, wie die Schlacht bei Wolgast, für den König in einem
Desaster.221 Umgekehrt verfügte Wallenstein, der nach einer schweren Ver
wundung Tillys Mitte September vor Pinneberg für den Rest des Jahres die
Operationen allein leitete, über keinerlei Möglichkeit, den Dänen über das
Meer hinweg zu folgen: Es fehlten die Schiffe. In Einzelfällen, wie im Fall
von Fehmarn, gelang es ihm zwar, ein größeres Truppenkontingent auf der
Insel anzulanden, aber er konnte es weder dauerhaft versorgen noch ver
stärken, da die dänische Flotte die Zufahrten sperrte. Wenn Wallenstein
Glück hatte, konnte er die Truppen dann zurückziehen, oder diesen blieb
nach einigen Wochen nichts anderes übrig als zu kapitulieren.222
So war der Krieg in einen labilen Stillstand geraten; zwar kam es immer
wieder zu größeren oder kleineren Scharmützeln, aber sie veränderten
nichts an der strategischen Gesamtlage. Wallenstein beherrschte das Land,
Die Zölle, die auf die Schiffspassage durch den Öresund erhoben wurden,
ermöglichten es der dänischen Krone, ohne Freigabe finanzieller Mittel
durch die Ständevertreter Krieg zu führen. Der Kupferstich entstammt
dem fünften Band der Civitates Orbis Terrarum von Georg Braun und Franz
Hogenberg und zeigt den regen Schiffsverkehr im Öresund, eine Folge
des ständig wachsenden wirtschaftlichen Austauschs zwischen Nord- und
Ostsee.
Christian das Meer, und es war nicht abzusehen, dass einer der beiden in
der Lage sein würde, daran etwas zu ändern. Eigentlich wäre es unter die
sen Umständen naheliegend gewesen, von der Kriegführung zu einer Ver
handlungslösung überzuwechseln, doch dem stand der Umstand entgegen,
dass Tilly und Wallenstein bei ihrem Treffen in Lauenburg am 2. Septem
ber, also noch vor Tillys Verwundung, ein Zwölfpunkteprogramm für den
Frieden aufgestellt hatten, das so hart war, dass es von Christian umgehend
zurückgewiesen wurde. Mit einer anderen Reaktion hatte man auf Seiten
des Kaisers und der Liga freilich auch nicht gerechnet. Golo Mann hat die
Lauenburger Friedensbedingungen knapp zusammengefasst: Christian
müsse «sein Heer entlassen und völlig abrüsten; auf die Würde des nie
dersächsischen Rreisdirektors für immer verzichten; das Territorium, das
allein ihm ein scheinbares Recht auf jenes Reichsamt gegeben, Holstein,
an den Kaiser abtreten, der darüber nach Belieben verfügen würde; den
Schaden, den der von ihm geführte unnötige Krieg den deutschen Fürsten
und Städten getan, zur Gänze vergüten, das hieß, auch den von der ande
ren Seite verursachten Schaden; in keiner Zukunft mehr gegen das Haus
Österreich gerichtete Bündnisse eingehen; die Schiffahrt durch den Sund
freigeben, so, dass sie nicht mehr durch Zölle belästigt würde».223
A uf drei Punkte dieser Bedingungen für den Frieden würde sich Chris
34* FO R T G A N G UND A U SW EITU N G
tian, solange er nicht völlig geschlagen war, niemals einlassen: den Verzicht
auf die Grafschaft Holstein; die Preisgabe der auf die Passage durch den
Öresund erhobenen Zölle, die wichtigste Einnahmequelle des Königs;
und schließlich die Entschädigungszahlungen, die, wenn sie in der Höhe
des entstandenen Schadens entrichtet werden sollten, Dänemark auf Jahr
zehnte finanziell ruiniert hätten. Aber diese Zahlungen waren verhandel
bar; die Holstein-Frage war schon schwieriger, doch auch bei ihr ließen
sich Kompromisse finden; die Zölle für die Sundpassage hingegen stellten
Dänemarks Rolle als Hegemonialmacht im Ostseeraum in Frage. Hier ging
es darum, wer zukünftig Herr in der Ostsee sein würde, und die Beantwor
tung dieser Frage sollte für den Fortgang des Krieges bis zum Lübecker Frie
den im Jahr 1629 ausschlaggebend sein. Wal lenstein, der beim Lauenburger
Zwölfpunkteprogramm federführend war, hatte diesen Punkt bewusst ein
gebracht - erstens, weil die Sundzölle die Basis der dänischen Kriegsfinanz
bildeten, und zweitens, weil sie der Angelpunkt für ein Projekt waren, das,
wenn es gelang, das Machtgefüge nicht nur im Ostseeraum, sondern in
ganz Nordwesteuropa grundlegend verändern würde. Im Grunde genom
men war Christian für Wallenstein nur noch ein kleiner Stein in dem gro
ßen Spiel um die Neuordnung der europäischen Machtverhältnisse, und
dabei hatte er neben Schweden vor allem die Niederlande und England im
Auge. Die Schachfigur Dänemark mochte für sich allein inzwischen unbe
deutend sein,224 aber wenn man mit ihr den richtigen Zug machte, ließ sich
die machtpolitische Gesamtlage verändern. Das war es, was Wallensteins
strategische Überlegungen im Herbst 1627 prägte.
Das spanisch-kaiserliche
Ostseeprojekt
Wallenstein befand sich zu dieser Zeit auf dem Höhepunkt seiner Macht -
sowohl hinsichtlich seines persönlichen Reichtums und der Gebiete, in
denen er die Landesherrschaff übernommen hatte, als auch in seinem Ver
hältnis zum Kaiser. Nie mehr sollten ihm so viele Optionen zur Verfügung
Das spanisch-kaiserliche Ostseeprojekt 343
stehen wie damals. Im Frühjahr 1627 bereits war ihm das Fürstentum Sagan
in Schlesien als erbliches Lehen übergeben worden, und nun ging es ihm,
nachdem er für kurze Zeit den Eindruck erweckt hatte, er sei an Jütland
interessiert, um das Herzogtum Mecklenburg, das der Kaiser gegen den
Widerstand einiger Reichsstände Mitte Februar 1628 auf Wallenstein über
trug. Einmal mehr fehlte dem Kaiser das Geld, um die bei Wallenstein ange
häuften Schulden zu begleichen. Wie schon im Falle Friedlands und Sagans
bezahlte Ferdinand II. mit Land und dem Recht, es zu nutzen. Die Über
tragung erfolgte in zwei Schritten: Zunächst erwarb Wallenstein das Land
gegen eine Minderung der Schulden, die der Kaiser bei ihm hatte, dann
wurde ihm das bereits gekaufte Land vom Kaiser als Lehen übertragen.
Die entscheidende Passage des auf den 12. Februar 1628 datierten
kaiserlichen Schreibens lautete: «Wir überlassen [...] obangeregtes Her
zogthum Mecklenburg, Fürstenthum Wenden, Grafschaft Schwerin, Herr
schaft der Lande Rostock und Stargardt und in Summa den ganzen Stato,
den [die bisherigen Herzoge] sonsten besitzen, mit aller landesfürstlichen
Hoheit, Superiorität, Jurisdiction und Regalien [... ] Unsers Oheimbs und
Herzogens zu Friedland Ld. seiner weltkundigen uns erwiesener erspriess-
lichen und nützlichen Dienste halber.»225 A uf den ersten Blick stellten
Friedland, Sagan und Mecklenburg einen Flickenteppich von Herrschafts
gebieten dar; tatsächlich aber verband die Elbe dies alles miteinander; oder
anders gesagt: sie war der «Zentralnerv» der Wallenstein’schen Herr
schaftsbildung, wie Wedgwood schreibt.226 Wallenstein interessierte sich
dabei ebenso wenig für nationale Zugehörigkeiten, wie er auf konfessio
nelle Unterschiede und Gegensätze Rücksicht nahm. Es gehörte zu seinen
Grundüberzeugungen, dass sich die Frage der religiösen Identität politisch
neutralisieren ließ, wenn man ihr nicht zu viel Bedeutung beimaß und sie
nicht zu einem das Leben der Menschen bestimmenden Faktor machte.
Das hieß nicht, dass Wallenstein eine Politik der religionspolitischen Tole
ranz betrieb; das kann man mit Blick auf sein Herzogtum Friedland nicht
sagen. Aber er wollte konfessionelle Vorschriften in jedem Fall so locker
halten, dass sie die Menschen nicht zu Widerstand und Aufruhr antrieben.
Letzten Endes waren für ihn Fragen der Religion machtpolitische Fragen,
und nach dieser Maßgabe waren sie auch zu beantworten.
344 FO R T G A N G UND A U SW EITU N G
ließ.229 Seinem strategisch geschulten Blick war nicht entgangen, wie sehr
das Wiener Kaiserhaus von spanischen Hilfsgeldern abhing: Solange diese
flössen, konnte man den Krieg weiterführen, aber man musste davon aus
gehen, dass die Zahlungen irgendwann eingestellt würden - oder Spanien
dafür Gegenleistungen erwartete, die den Kaiser in Schwierigkeiten brach
ten. 1628 war ein Wendepunkt in der spanischen Unterstützung des Wiener
Kaiserhauses. Zum einen gelang es in diesem Jahr einem niederländischen
Kaperverband unter dem Admiral Piet Hein (Heyn), die spanische Silber-
flotte in der Karibik - in der Bucht von Matanzas - zu überraschen und
ohne weitere Verluste unter die eigene Kontrolle zu bringen; zum anderen
drängte Spanien, das auf kaiserlich-ligistische Unterstützung in den Nieder
landen lange vergeblich gewartet hatte, nun entschieden darauf, dass ihm
im Streit um die Erbfolge im Herzogtum Mantua kaiserliche Truppen zu
Hilfe kamen.230 Wallenstein dürfte erkannt haben, dass die Überdehnung
der kaiserlichen Macht damit akut wurde: Vergeblich riet er dem Kaiser,
er solle sich aus dem Streit um Mantua heraushalten, und als Ferdinand II.
sich dann doch auf spanischer Seite gegen die Franzosen in Italien enga
gierte, stellte er eher zögerlich die für den neuen Kriegsschauplatz benö
tigten Truppen ab. Er ahnte, dass sie ihm im Nordosten des Reichs gegen
Schweden fehlen würden. Der Verlust der spanischen Silberflotte war auch
darum ein herber Schlag, weil dadurch nicht nur die spanischen Subsidien
für den Krieg in Deutschland ausblieben, sondern das erbeutete Silber - es
ging um immerhin elfeinhalb Millionen Gulden - nun den Generalstaaten
zur Verfügung stand, die es nutzten, um den fast versiegten Festungs- und
Belagerungskrieg in ihrem Land neu zu entfachen.231
Im Mai 1629 begann Prinz Friedrich Heinrich mit der Belagerung des
m spanischer Hand befindlichen Herzogenbusch, und es war klar, dass
diese Festung nicht zu halten war, wenn der Kaiser ihr keine Armee zum
Entsatz schickte. Das sprach dafür, so schnell wie möglich mit Dänemark
Frieden zu schließen. Wallenstein forderte Graf Trauttmansdorff auf, den
Kaiser zum Abschluss eines umfassenden Friedens zu bringen, damit das
Reich stabilisiert werden und die Armee, wenn auch in verkleinerter Form,
erhalten bleiben könne. Dabei dürfe er keine Zeit verlieren, «denn unsere
Feinde werden sich stärken und wir werden weichen müssen aus Mangel
34<S FO R T G A N G UND A U SW EITU N G
lungen unternahm und Projekte verfolgte, die den Krieg erheblich voran
trieben. Wie lässt sich das erklären? Lässt sich das «Rätsel Wallenstein»
auflösen, indem die konkurrierenden Rationalitäten dieses augenschein
lich überaus widersprüchlichen Verhaltens nachgezeichnet werden?
Es gab für Wallenstein gute Gründe, die gegen einen umfassenden Frieden
und für die Weiterführung des Krieges sprachen. Sobald nämlich ein sta
biler Frieden im Reich und an dessen Peripherie herrschte, gab es keinen
Anlass mehr, ein so großes Heer wie das von ihm geschaffene weiterhin zu
unterhalten. Im Jahr 1628, als die dänische Bedrohung nicht mehr akut war
und es eigentlich nur noch um die Frage ging, wie und zu welchen Bedin
gungen der Friedensschluss mit Christian IV. erfolgen sollte, mehrten sich
die Klagen über die mit den Einquartierungen kaiserlicher Regimenter und
die mit den Kontributionen verbundenen Lasten. Vor allem seitens der
Liga wurden diese Klagen laut und energisch vorgetragen, da inzwischen
auch deren Mitglieder (vorerst mit Ausnahme Bayerns) von den Einquar
tierungen kaiserlicher Truppen und von Kontributionen nicht mehr ver
schont blieben, obwohl sie doch, so der Einwand, ihren Beitrag durch die
Zahlungen an die Liga bereits entrichtet hätten.235
A uf dem Liga-Treffen in Bingen vom Anfang Juli 1628 begnügte man
sich erstmals nicht mehr mit der Forderung nach einer deutlichen Trup
penreduzierung, sondern verlangte die Entlassung Wallensteins.236 Über
seine Gewährsleute am Wiener H of dürfte Wallenstein alsbald davon erfah
ren haben, und spätestens von diesem Zeitpunkt an war ihm klar, dass der
Frieden seine Machtposition im Reich grundsätzlich in Frage stellen würde.
Dabei ging es nicht nur um seine Stellung als Oberkommandierender des
kaiserlichen Heeres; die Reichsstände störten sich auch an seiner Beleh
nung mit dem Herzogtum Mecklenburg, der sie in einer Reihe von symbo
lischen Akten die Anerkennung verweigerten.
Der Frieden, das scheint Wallenstein im Verlauf des Jahres 1628 immer
klarer geworden sein, drohte zu einer Gefahr für das zu werden, was er im
Krieg errungen hatte. Er war darauf angewiesen, dass der Krieg weiterging,
und dementsprechend brachte er die Idee ins Spiel, dass nach dem Frie
densschluss mit Dänemark der Krieg gegen die Türken, den «Erbfeind»
348 FO R T G A N G UND A U SW EITU N G
nal bin. Ferner kann ich für die Signoria hinzufügen, daß das Geheimnis
erforderlich ist in Rücksicht auf die Fürsten der Liga, welche es nicht wohl
aufnehmen würden, daß Frankreich die Protestanten anruft das Reich zu
verwirren [es ging um die Subsidien für Schweden], während ich doch dies
für das Beste von Allem halte, was unter den gegenwärtigen Umständen
geschehen kann.»245 Es ist unklar, ob Richelieu die Geheimhaltung hier so
betont, weil er wollte, dass seine Pläne tatsächlich geheim blieben - oder
ob es gerade seine Absicht war, dass die Venezianer das Besprochene unter
dem Siegel der Geheimhaltung überall kundtaten.
Dass Wallenstein sich mit Politikern wie Richelieu und Olivares auf einer
Ebene sehen konnte, war nicht zuletzt die Folge seiner Ernennung zum
«Generalobersten Feldhauptmann» sowie zum «General des Ozeani
schen und Baltischen Meeres». Beide Urkunden stellte Kaiser Ferdinand
am 21. April 1628 aus, aber die Rangerhöhung wurde bereits einige Monate
35* FO R T G A N G UND A U SW EITU N G
zuvor angekündigt und von Wallenstein genutzt. In der Position des Gene
ralissimus sah Wallenstein sich endgültig nicht mehr als bloßes Instrument
der kaiserlichen Politik, sondern nahm für sich in Anspruch, diese selbstän
dig und im Hinblick auf die jeweiligen Herausforderungen und Gelegen
heiten zu gestalten. Das war eine freie und selbstbewusste, aber durchaus
naheliegende Deutung jener Passage in der Bestellungsurkunde, in der es
heißt, er sei eingesetzt «vber alles Volck, Ausschuß, schwär vnd leichte
Cauagleria vnd Fueßuolck aller nationen, so sich in der Armada vnd vnn-
serer Besoldung befündten werden, mit aller auf solchen hohen General-
Bevelch gehöriger authoritet, praeeminenz, praerogatiuen vnd allen andern
Vortlß gelegenheinthen»246. In der Urkunde über die Ernennung Wallen
steins zum «General [Admiral] des Ozeanischen und Baltischen Meeres»
heißt es, der Kaiser übertrage ihm «volkhombentlichen gewaldt und facul-
tet, mit solchen alß vnßer Capitain-General allens daßyenige zuthuen vnd
anzuordnen, so vonnötten zu sein von Zeit zue Zeit [... ] thuenlich befund-
ten wurdt.»247
Wallensteins Berufung zum Admiral für die Nord- und die Ostsee war
der Versuch, einem Projekt Schwung zu verleihen, das von Spanien seit
einigen Jahren mit wenig Erfolg betrieben worden war: Man wollte den
niederländischen Handel in Nord- wie Ostsee treffen, um dadurch die mili
tärisch so ungemein widerstandsfähigen Generalstaaten doch noch nieder
zuringen. Bis zum Erscheinen der kaiserlichen Truppen an den Küsten der
Meere hatte ein solches Projekt jedoch keine Realisierungschance gehabt,
weil die Hansestädte ihre eigenen Interessen verfolgten und sich nicht in
die Politik des Kaiserhauses einbinden ließen. Zur Geschichte des Reichs
gehörte auch, dass sich in Norddeutschland, zumal an den Küsten und im
Mündungsbereich der großen Flüsse, eine Ordnungsstruktur herausgebil
det hatte, die sich von den an Territorialität und herrschaftlicher Obrigkeit
orientierten Verhältnissen Ost- und Süddeutschlands grundsätzlich unter
schied. Träger dieser Ordnung war die Hanse, ein Geflecht von Kaufmanns
und Städtebünden, die in Nordeuropa seit dem 12. und 13. Jahrhundert
einen Wirtschaftsraum entwickelt hatte, in dem die politische Ordnung
den wirtschaftlichen Erfordernissen folgte und nicht umgekehrt wie sonst
im Reich.248 Nun war die Hanse seit dem 15. Jahrhundert jedoch im Nie-
Das spanisch-kaiserliche Ostseeprojekt 353
der Weser und Wallensteins Heer die Mündungsgebiete von der Elbe bis zur
Oder mit den Häfen Wismar, Rostock und Stralsund unter ihre Kontrolle
bringen. Wenn das gelang, so die Überzeugung, würde man die Holländer
vom Handel ausschließen und ein spanisch-deutsches Handelsmonopol
durchsetzen können. In Danzig hatten die Spanier diesbezüglich beim pol
nischen König bereits selbst vorgefühlt.251 Es war jedoch die Frage, ob die
an ihre Selbständigkeit gewöhnten Hansestädte bereit waren, sich in ein
System einbinden zu lassen, in dem sie wirtschaftlich von Spanien abhän
gig sein würden und unter der politischen Kontrolle des Kaisers und seiner
Gesandten stünden. Die eher freihändlerischen Prinzipien der Hanse hät
ten dann merkantilistischen Regulationsbestimmungen weichen müssen;
die welterfahrenen Kaufleute der Hanse kannten die staatliche Regulation
der spanischen Wirtschaft und verspürten wenig Neigung, sich darauf ein
zulassen. Außerdem befürchteten sie, dass die protestantische Konfession,
der sie überwiegend anhingen, in einem solchen System unter Druck gera
ten würde. Schon ganz und gar nicht wollten sich einzelne Städte in ein
solches Handelsbündnis fügen. Der Leitbegriff, auf den die Hansevertreter
in dieser Situation immer wieder zurückgriffen, lautete Neutralität. Unter
keinen Umständen wollte man sich in einen Seekrieg hineinziehen lassen,
der den Handel, von dem man lebte, zum Erliegen brachte. Also wurde ein
Hansetag ausgeschrieben, auf dem man gemeinsam über die Vorschläge
beraten wollte. So gewann man zumindest Zeit.
A uf dem Hansetag vom März 1628 wurde dann von den Städten eine
Reihe von Erwartungen und Voraussetzungen formuliert, die von kaiser
licher Seite nicht sogleich beantwortet werden konnten. Außerdem mach
ten die Vertreter der Städte geltend, dass sie nicht bevollmächtigt seien, so
weitreichende Verträge ohne Zustimmung des Rates ihrer Stadt zu unter
zeichnen. Die Beratungen mussten auf den Herbst vertagt werden. So ver
rann die Zeit, und die kaiserliche Seite kam nicht weiter. Tatsächlich war
sie keineswegs nur ein Vermittler zwischen spanischen und hansischen
Interessen, sondern verfolgte ihr eigenes Projekt, in das inzwischen auch
Wallenstein maßgeblich eingebunden war. Es ging darum, eine namhafte
Zahl von Kriegsschiffen zusammenzubringen, mit denen man die Han
delsschiffe der Hansestädte auf ihren Fahrten durch die Nord- und Ostsee
Das Bild zeigt Wallensteins «F lo tte » vor Wismar. Die Werftkapazitäten
der Ostseehäfen waren begrenzt, und der Bau von Schiffen kostete Zeit.
Daran scheiterte Wallensteins Vorhaben, innerhalb eines Jahres eine Flotte
bauen zu lassen, die es mit der Seemacht Dänemarks aufnehmen und die
Machtverhältnisse im Ostseeraum verändern konnte. Nur wenige Schiffe
wurden fertiggestellt, und diese wenigen kamen nicht zum Einsatz.
In fast allen größeren Darstellungen des Krieges taucht die Frage auf, warum
Wallenstein sich auf die Belagerung Stralsunds überhaupt eingelassen hat:
ob es sich dabei um eine Frage des Prestiges gehandelt habe oder ob im Rin
gen um Stralsund ein strategischer Zweck erkennbar sei. Ist Wallensteins
strategische Urteilskraft vor Stralsund womöglich seiner persönlichen Eitel
keit zum Opfer gefallen? Und hatte dieses Eitelkeitsproblem, das in der Wei
gerung der Stadt gründete, eine kaiserliche Besatzung aufzunehmen, zuletzt
sogar weitreichende Folgen für den Kriegsverlauf? Oder war Wallensteins
Scheitern an Stralsund nur eine Episode des Krieges, die von der protes
tantischen Geschichtsschreibung zu einem Wendepunkt des Geschehens
hochstilisiert wurde, weil hier erstmals ein nachhaltiger Erfolg der Protes
tanten zu verzeichnen war - und obendrein einer, der sich auf den Wider
standswillen einer protestantischen Stadt zurückführen ließ?253 Während
Das Ringen um Stralsund: Episode oder Wende des Krieges? 357
die fehlgeschlagene Belagerung Stralsunds für die einen eine Episode des
Krieges ist, die dessen Verlauf nicht weiter bestimmt hat, erkennen andere in
den Ereignissen in und um Stralsund die Wende des Krieges: Der Siegeslauf
der katholischen Mächte ist hier sichtbar an seine Grenze gestoßen. Das
Meer erwies sich als Raum der Protestanten, und von dort her setzten sie
auch zum Gegenschlag an. Die Lage Stralsunds passt dazu: Die Hansestadt
war auf allen Seiten vom Meer umgeben und nur über eine schmale Land
zunge mit dem Festland verbunden. Die Macht des Tellurischen, des festen
Bodens, endete, wo das Thalassische, das Meer, begann.254
Jenseits dieser religionssoziologisch aufgeladenen Metaphysik des
Geographischen gab es im Fall von Stralsund freilich auch eine Reihe poli
tisch-militärischer Entscheidungen, die auf die kommenden Kriegsereig-
rüsse vorauswiesen. So wurden die dänischen Einheiten, die in der ersten
Phase der Belagerung die Stralsunder Bürger unterstützt hatten, durch ein
schwedisches Regiment und einen schwedischen Militärkommandanten
abgelöst. Damit griff erstmals die zweite nordische Macht in den Krieg ein,
und die Verteidiger Stralsunds lassen sich als Vorhut Gustav Adolfs verste
hen, mit dessen Landung auf Usedom der Kriegsverlauf eine grundlegend
andere Richtung nahm.
Die Bedeutung der Belagerung Stralsunds erschließt sich im Zusam
menhang mit dem spanisch-kaiserlichen Ostseeprojekt: Billigt man diesem
-<eine größere Relevanz für den Kriegsverlauf zu, so hat auch die Belage
rung Stralsunds beziehungsweise ihr Scheitern keine besondere Bedeutung.
Wallenstein hat sich demnach in ein Kräftemessen ohne strategischen Sinn
nineingesteigert, sich durch die Weigerung der Stralsunder Bürgerschaft,
eme kaiserliche Garnison in die Stadt aufzunehmen, provozieren lassen,
and am Schluss wollte er nur noch ein Exempel statuieren. Dafür spricht
der Gestus, in dem er sich immer wieder über die Stralsunder äußerte: Sie
seien «lose Buben», und die müssten bestraft werden.255 Wallenstein war
mdigniert. Der Widerstand der Stadt war für ihn eine Art Majestätsbelei
digung. So etwas durfte unter keinen Umständen Schule machen. Ande
rerseits war Stralsunds geographische Lage so einmalig, dass der erfolgrei
che Widerstand kaum als Vorbild für andere Städte herhalten konnte. Das
begrenzte seine Bedeutung in Wallensteins Augen und ermöglichte ihm
358 FO R T G A N G UND A U SW EITU N G
Am 23. Mai 1628 war Arnim mit 8000 Mann in das Hainholz nahe von
Stralsund eingerückt und hatte dort größere Schanzen aufwerfen lassen.
Damit begann im strengen Sinn die Belagerung der Stadt. Der Kampf
reichte freilich bis in den Dezember 1627 zurück, als der kaiserliche Oberst
Ernst Georg Sparr den Rat der Stadt mit einer Kontributionsforderung
von 150 000 Talern konfrontiert hatte, wobei er ein Drittel umgehend
einziehen wollte.257 Bei dieser Forderung handelte es sich um das übliche
Verfahren Wallensteins, Kontributionen zum Unterhalt des Heeres einzu
treiben: Nur wenn die Stadt zahle, werde sie von Einquartierungen ver
schont bleiben. Die Stralsunder erklärten sich nach längeren Beratungen
bereit, 30 000 Taler zu zahlen, wollten aber Garantien dafür, dass ihnen
Einquartierungen dann auch tatsächlich erspart blieben, und obendrein
wollten sie diese Sonderzahlung auf die von ihnen zu entrichtende Land
steuer angerechnet wissen. Sie begannen also zu verhandeln, wie sie das
als Kaufleute gewohnt waren. Da sie dabei recht selbstbewusst auftraten,
Das Ringen um Stralsund: Episode oder Wende des Krieges? 359
fen uns zu den Waffen. Als wir aufsprangen, sahen wir schon, wie der Feind
in einer Stärke von über 1000 Mann unter dem R uf <Sa Sa Sa Sa Sa Sa> her
anstürmte.»267 - «Ich halte es für angebracht», hat Monro das Sturmge
schrei der Angreifer später kommentiert, «hier etwas über die Angewohn
heit der Kaiserlichen zu sagen, die beim Angriff wie die Türken brüllten, als
ob Gebrüll entschlossene Soldaten erschrecken könnte.»268
Es gelang den Angreifern, eine erste Schanze zu nehmen und in den
Raum zwischen Schanze und Tor einzudringen, aber sie vermochten sich
dort nicht festzusetzen, sondern wurden durch einen entschlossenen
Gegenangriff schwedischer Kompanien unter Oberst Rosladin zurückge
worfen.269 So wogte der Kampf die ganze Nacht hin und her, und als sich
die Angreifer im Morgengrauen zurückzogen, hatten sie über 1000 Mann
verloren, aber nichts erreicht. Dem standen Verluste von etwa 200 Mann
auf Seiten der Verteidiger gegenüber. Wallenstein erkannte, dass Stralsund,
nachdem kriegserprobte Einheiten die Verteidigung übernommen hatten,
nicht im Sturm zu nehmen war. Hätte er es nur mit bewaffneter Bürger
schaft und ein paar hundert Söldnern zu tun gehabt, so wäre die Stadt in der
Nacht vom 7. zum 8. Juli wohl gefallen. Die Gegenangriffe der Verteidiger
zeigten, dass sie sich nicht demoralisieren ließen und standhalten würden.
Außerdem erhielten sie über See regelmäßig Verstärkungen, dazu Verpfle
gung und Munition, so dass sie eine Belagerung durchzuhalten vermochten,
so lange sie auch dauern würde. Das hätte sich nur ändern lassen, wenn
Wallenstein über eine kriegsstarke Flotte verfügt hätte. «Ich habe wohl bei
dreizehn Schiffe, aber mit keinem kann ich auf die See», schrieb er damals
an Collalto, «denn Gabriel de Roi hat die Matrosen und Büchsenmeister
entlassen.»270Also begann Wallenstein wieder zu verhandeln.
Doch auch in den Verhandlungen konnte er seinen Willen nicht
durchsetzen: Weder wurden die fremden Truppen abgezogen, noch nahm
die Stadt eine kaiserliche Garnison auf, und zu einer Geldzahlung an den
Kaiser war sie auch nicht bereit. Im Gegenteil: An die Stelle des dänischen
Einflusses in Stralsund trat eine zunehmende Abhängigkeit von Schweden.
Es war der Herzog Bogislaw von Pommern, der durch fortgesetzte Vermitt
lungsdienste schließlich ein Übereinkommen zustande brachte, das Wal
lenstein ermöglichte, die Belagerung ohne gravierenden Gesichtsverlust
Der Lübecker Friedensschluss und das kaiserliche Restitutionsedikt 363
aufzuheben. Hinzu kam der große Sieg über die dänische Armee, den er
am 2. September bei Wolgast errang und der die Schlappe von Stralsund
verdeckte. Gegenüber dem Kaiser versuchte er, die vergebliche Belagerung
als eine belanglose Episode darzustellen, aber diese Darstellung entsprach
keineswegs der tatsächlichen Lage: Das spanisch-kaiserliche Ostseeprojekt
war nun definitiv am Ende. Wie gezeigt,271 war es zuvor ohnehin nicht gut
vorangekommen, und die Hansestädte, die man für einen Erfolg brauchte,
hatten die Verhandlungen über die Bereitstellung von Schiffen immer wie
der hinausgezögert. Wallensteins hartes Auftreten gegenüber Stralsund
dürfte nicht zuletzt den Zweck gehabt haben, die Hansestädte angesichts
der kaiserlichen Forderungen gefügig zu machen. Das war gründlich miss
lungen. Nach dem Fehlschlag von Stralsund würden sie sich erst recht nicht
auf ein Bündnis mit dem Kaiser gegen Dänemark und Schweden einlassen;
der angeschlagene Christian war auf See nach wie vor ein Machtfaktor, und
Gustav Adolf hatte gezeigt, dass mit ihm zu rechnen war, wenn es darauf
ankam.
Im Sommer 1628 haben sich auf den Verteidigungswällen von Stral
sund und in den Angriffsgräben vor den Toren der Stadt die Machtverhält-
nisse im Norden wieder verschoben, und daran vermochte auch Wallen
steins eindrucksvoller Sieg bei Wolgast nichts zu ändern. Wallenstein zog
daraus die Konsequenz, auf einen schnellen Friedensschluss mit Dänemark
zu drängen.
Bislang hatten die weitreichenden Forderungen des Kaisers und der Liga
gegenüber Christian von Dänemark die Aufnahme von Friedensverhand
lungen unmöglich gemacht. Es kam freilich noch ein weiteres Problem
hinzu, das eher im Hintergrund eine Rolle spielte, und das war die stete For
derung der Reichsstände nach einer deutlichen Verringerung der Truppen.
Die Frage dabei war, welche Einheiten aufgelöst werden sollten: die des
364 FO R T G A N G UND A U SW EITU N G
Kaisers oder die der Liga. Seitens der katholischen Reichsstände ging es vor
allem um die Verkleinerung des Wallenstein’schen Heeres, wozu der Kaiser
durchaus bereit war, wenn auch ligistische Regimenter aufgelöst würden.
Doch wer sollte den Anfang machen, und wie sollte das Abrüstungsver
hältnis zwischen Wallensteins Heer und dem sehr viel kleineren Heer der
Liga aussehen? Wie ließ sich vermeiden, dass die so dringlich gewünschte
Abrüstung auf eine Entwaffnung der katholischen Reichsstände hinauslief?
Es war das Misstrauen der Verbündeten untereinander, das der Aufnahme
von Friedensgesprächen mehr entgegenstand als ihr Verhältnis zum Feind.
So legte Kurfürst Maximilian plötzlich wieder großen Kriegseifer an den
Tag und ließ seinen Feldmarschall Pappenheim einen Plan ausarbeiten, wie
die dänischen Inseln doch noch angegriffen und Christian seiner restlichen
Macht beraubt werden könne.272 Wallenstein wies den Vorschlag Pappen
heims jedoch mit der Bemerkung zurück, es gebe bequemere Mittel, mit
den Dänen zu Rande zu kommen. Ihm ging es um zügige Friedensverhand
lungen, und dabei wollte er es sein, der die Verhandlungen führte. Deswe
gen lehnte er auch die mehrfach angebotene Vermittlerrolle des Herzogs
Friedrich von Schleswig-Holstein-Gottorf ab. Um Herr der Verhandlungen
zu sein, musste Wallenstein mit Christian direkt verhandeln. Es war eine
Reihe verwirrender Schachzüge, die im Vorfeld der Lübecker Verhandlun
gen getätigt wurden und die mehr mit den Machtverhältnissen im Reich als
mit dem zukünftigen Verhältnis zu Dänemark zu tun hatten.
Andererseits war es naheliegend, die Verhandlungen bald zu beginnen
und zügig zu führen, da England gerade in einen Krieg gegen Frankreich ver
wickelt war, in dem es um die Unterstützung der Hugenotten in La Rochelle
ging, so dass der dänische König nicht mit einer größeren Unterstützung
durch die Engländer rechnen konnte, wie die Haager Allianz sie vorgese
hen hatte. Die Zerstrittenheit der antihabsburgischen Mächte führte auch
dazu, dass Spanien seine Erwartungen gegenüber Kaiser und Liga erhöhte:
Beiden Mächten hatte man in den zurückliegenden Jahren immer wieder
unter die Arme gegriffen, und nun sollten sie Spanien im Kampf gegen die
Niederlande helfen. Wenn Kaiser und Liga nicht in wirtschaftlicher Hin
sicht über das Ostseeprojekt, auf das man in Madrid so große Hoffnung
gesetzt hatte, Druck auf die Niederlande ausüben würden, dann musste
Der Lübecker Friedensschluss und das kaiserliche Restitutionsedikt 36 s
Die Verhandlungen, die am 23. Januar 1629 mit dem Austausch der Voll
machten formell begannen, wurden von Unterhändlern geführt: Wal
lenstein, der sich während dieser Zeit in seiner neu bezogenen mecklen
burgischen Residenz Güstrow aufhielt, hatte den General Aldringen, die
Obersten Johann Balthasar von Dietrichstein und Hannibal von Schauen
burg sowie den Hofkammerrat Reinhard von Walmerode entsandt, Tilly
den bayerischen Rat Hans Christoph von Ruepp sowie seinen Obersten
Der Lübecker Friedensschluss und das kaiserliche Restitutionsedikt 367
Jost Maximilian von Gronsfeld. Ihnen standen auf dänischer Seite eben
falls sechs Personen gegenüber: der königliche Kanzler Christian Friis, der
Reichskanzler Jakob Ulfeldt und der Reichsrat Albert Skeel sowie Levin
von Marschalck, der deutsche Kanzler des Königs, und die Brüder Detlev
und Heinrich Rantzau.277 Die Anfangsphase der Verhandlungen war durch
diplomatisches Geplänkel geprägt. Die Dänen bestritten, dass Wallenstein
zu Recht den Titel eines «Generals des Ozeanischen und Baltischen Mee
res» führte, denn das Recht über die nordischen Meere stehe allein ihrem
König zu; außerdem wiesen sie den Vorwurf zurück, ihr König habe den
Krieg begonnen. Die kaiserliche Seite wiederum bestand ausdrücklich auf
dem Titel Wallensteins und dem darin ausgedrückten kaiserlichen Rechts
anspruch auf Nord- und Ostsee sowie die Kontrolle der in sie mündenden
Ströme und Flüsse. Auch stritt man sich über die jeweils ausgestellten Ver
handlungsvollmachten. Die größten Verzögerungen beim Fortgang der
Verhandlungen resultierten daraus, dass sich immer wieder Mitglieder der
Delegationen zu ihren Auftraggebern begeben mussten, um sie über die
Vorschläge der Gegenseite zu unterrichten sowie Instruktionen für die wei
tere Verhandlungsführung einzuholen. Das war für die Dänen ein geringe
res Problem, weil sie mit dem König selbst Rücksprache hielten und der
Weg zwischen Lübeck und den dänischen Inseln schnell zurückzulegen war.
Die kaiserlich-ligistische Delegation musste zunächst Tilly und Wallenstein
kontaktieren, die sich jedoch an unterschiedlichen Orten aufhielten, sich
also noch untereinander abzustimmen hatten und bei gravierenden Fragen
mit ihren Auftraggebern in München und Wien sprachen. Die Folge war,
dass die Verhandlungen in den ersten Monaten nicht vom Fleck kamen.
Dass man auf diese Weise nicht zu einem schnellen Friedensschluss kam,
scheint Wallenstein schnell klar geworden zu sein; er nutzte die gegebenen
Konstellationen zielstrebig aus, um sich zum eigentlichen Verhandlungs
partner der Dänen aufzuschwingen. Bereits vor Übergabe der offiziellen
Friedensbedingungen hatte er dem Kaiser eine Denkschrift zustellen lassen,
in der er eine zur offiziellen Linie konträre Sicht entwickelte. Er warnte vor
der Formierung eines neuen antihabsburgischen Bündnisses, das entstehen
werde, wenn man die Dänen in eine Lage bringe, in der sie nur noch die
Wahl zwischen einem Unterwerfungsfrieden oder der Wiederaufnahme des
368 FO R T G A N G UND A U SW EITU N G
Krieges hatten. «Es befinden sich beim König Ambassadoren von Frank
reich, Engelland, Schweden und Holland, welche nicht alleine große Hilfe
von Volk [Kriegsvolk] und Geld dem König versprechen, sondern auch da
er Fried machen wird, nicht schlechte Bedrohungen thun. Der König ist
wegen so viel erlittenen Spotts und Schadens desperiert [verzweifelt], von
Natur stolz und geizig, möchte sich in ein neue Conföderation mit ihnen
einlassen, wenn er sehen sollte, daß man der Tractation [der Friedensver
handlung] kein Anfang machen will. >>278Wallenstein warnte auch vor einer
Fortdauer des gegenwärtig eingefrorenen Kriegszustands im Norden, da
man in diesem Fall eine große Militärpräsenz aufrechterhalten müsse, die
von den ausgezehrten Ländern nicht mehr getragen werden könne. Er nahm
hierin die notorischen Klagen der Reichsstände über die Belastungen durch
das Militär auf und machte daraus ein Argument für eine zu den offiziellen
Friedensbedingungen des Kaisers und der Liga alternativen Verhandlungs
führung. Diese sei erforderlich, damit der Kaiser seine Truppen andernorts
einsetzen könne - Wallenstein spielte auf den mantuanischen Erbfolgekrieg
an - , und im Wissen um die sich zuspitzende Krise im Süden des Reichs
könne sich die Haltung der Dänen schnell versteifen. Statt Christian auf
die Knie zu zwingen, solle der Kaiser ihn für sich gewinnen und durch ein
großzügiges Entgegenkommen dauerhaft zu einer prohabsburgischen Poli
tik verpflichten. «Dadurch werden sie ihn und seine Nachkommen devin-
ciren, daß ermehrE.M. [Eurer Majestät] wegen der empfangenen Wohlthat,
als seinen Conföderirten, welche ihn auf’s Eis geführt haben, vertrauen und
deren Confident allezeit verbleiben w ird.»279
Dann folgt Wallensteins Vorschlag für die Friedenskonditionen:
«Ohne Restituierung Jütlands, Schleswigs und Holsteins wird gewiß kein
Fried geschehen. Ist dies restituirt, so verhoffe ich gänzlich, daß der König
nicht allein ein Fried wird machen, sondern sich ganz und gar mit E.M. und
Dero hochlöblichsten Haus conföderiren. Der Stifter [Bremen, Halberstadt
etc.] und anderer Reichssachen wird er sich auch nicht anmaßen [ - ] . » 280-
In Wallensteins Vorschlag ist von einer Zahlung der Kriegskosten durch den
Dänen schon gar nicht mehr die Rede, was nahelegt, dass dies ohnehin als
Verhandlungsposition bei den Friedensgesprächen vorgesehen war, und
auch die Frage des Öresunds wird von ihm nicht weiter angesprochen.
Der Lübecker Friedensschluss und das kaiserliche Restitutionsedikt 369
lutland, Schleswig und Holstein sind der entscheidende Punkt, und hier
schlägt Wallenstein vor, die besetzten Territorien dem König zurückzuge
ben. Er setzt auf ein mehr als großzügiges Friedensangebot, bei dem fast
alle dänischen Wünsche und Forderungen erfüllt würden. Der Verlierer des
Krieges solle nicht als solcher behandelt werden, und das werde Christian
auf Dauer zu einem zuverlässigen Partner von Kaiser und Reich machen.
Was hat Wallenstein, der sonst auf die Ausnutzung eines Sieges bedacht
war und gegenüber Dänemark bislang eine andere Linie vertreten hatte,
dazu veranlasst, einen so großzügigen Verhandlungsfrieden vorzuschlagen?
Einige Zeit zuvor hatte Wallenstein mit dem Gedanken gespielt, sich als
Entschädigung für seine dem Kaiser geleisteten Dienste mit dem Herzog
rumjütland belehnen zu lassen; aber er hatte dieses Projekt schon bald wie
der verworfen, weil er bezweifelte, dass er sich in Jütland auf Dauer werde
halten können. Der fehlgeschlagene Versuch, in Nord- und Ostsee eine
Flotte aufzustellen, mit der man beide Meere kontrollieren konnte, hatte
ihn belehrt, dass die Ressourcen des Kaisers für eine nachhaltige Macht
entfaltung im Norden nicht ausreichten. Wallenstein war kein politischer
Träumer und hing nicht Projekten an, die er als unrealisierbar erkannt hatte.
Das Scheitern des Ostseeprojekts hatte ihn dazu gebracht, das Verhältnis
zu Dänemark neu zu bewerten, und diese Neubewertung hatte er in seiner
Denkschrift vom 20. Februar vorgenommen.
Es gab aber noch eine andere Sorge, die Wallenstein zur Großzügigkeit
gegenüber Dänemark veranlasste: Er nahm seit langem an, dass der Schwe
denkönig Gustav Adolf in den Krieg eingreifen würde.281 Was Gustav Adolf
bislang daran gehindert hatte, war die Rivalität mit Dänemark und der Krieg
mit den Wasa in Polen, die Ansprüche auf die schwedische Krone erhoben.
Gefährlich für die Stellung des Kaisers in Norddeutschland wurde Gus
tav Adolf erst, wenn er den Krieg mit Polen beendete und womöglich ein
Bündnis mit Dänemark einging. Wallenstein wusste um die Avancen, die
Gustav Adolf den Dänen während der Verhandlungen in Lübeck machte,
zumal er sich als Schutzherr Stralsunds auch an den Friedensgesprächen
hatte beteiligen wollen.282 Durch die großzügigen Friedensbedingungen
sollte Dänemark auf Distanz zu Schweden gehalten werden. Beide Mächte
gegeneinander auszuspielen, war ein zentrales Element der Machträson,
370 FO R T G A N G UND A U SW EITU N G
die das Reich «zur Versicherung der Seekanten»283 befolgen musste. Und
dann war da, drittens, noch die Verwicklung des Reichs in den mantuani-
schen Erbfolgekrieg. Wallenstein hatte zwar mehrfach davor gewarnt, sich
in diese Auseinandersetzung hineinziehen zu lassen, von der letzten Endes
allein Spanien profitierte und durch die sich der Kaiser definitiv die Feind
schaft Frankreichs zuziehen musste,284aber inzwischen war Wien bereits so
tief in den Konflikt verstrickt, dass es daraus nicht mehr herauskam. Wal
lenstein sah sich seit einiger Zeit mit der Forderung konfrontiert, Teile sei
nes Heeres nach Italien in Marsch zu setzen. Damit aber schwand die Stärke
des Heeres im Norden, und es war ratsam, so schnell wie möglich mit den
Dänen Frieden zu schließen.
Wallensteins Vorschläge fielen in Wien nicht sogleich auf fruchtbaren
Boden. Als die dort festgelegten, viel härteren Friedensbedingungen der
dänischen Delegation vorgelegt wurden, drohte diese damit, die Verhand
lungen abzubrechen. Offenbar hatte man auf dänischer Seite die schwierige
Lage durchschaut, in der sich der militärische Sieger des Krieges inzwi
schen befand. Walmerode verfasste daraufhin eine Denkschrift, in der er
die Rückgabe Schleswigs an Christian ins Spiel brachte, dabei aber an dem
Verzicht auf die norddeutschen Bistümer und einer Entschädigungszah
lung von fünf Millionen Talern festhielt.285 In dieser Situation schlug Wal
lenstein vor, sich mit Tilly ins Benehmen zu setzen und eine eigenständige
Verhandlungsführung zu eröffnen. Tilly willigte ein und traf am 5. April
in Güstrow ein, wo er mehr als einen Monat blieb, was den Fortgang der
Verhandlungen erheblich erleichterte. Anfänglich war Tilly gegenüber der
Konzilianz Wallensteins skeptisch, doch nach einiger Zeit schwenkte er auf
dessen Friedensprogramm ein. Was auch immer ihn dazu veranlasst haben
mochte, die freundlich-zuvorkommende Art, mit der Wallenstein ihn
behandelte, oder das vom Kaiser zwischenzeitlich verkündete Restitutions
edikt, das durchzusetzen alle Kraft erfordern würde - die beiden Heerführer
erklärten in gleichlautenden Schriften an Maximilian und Ferdinand, dass
sich die Lage im Norden zu verschlechtern drohe, weil Frankreich, Eng
land, Schweden und Holland im Begriff seien, Dänemark erneut für ihre
Absichten einzusetzen; dass in Anbetracht des Restitutionsedikts mit der
Loyalität der norddeutschen Protestanten nicht zu rechnen sei; dass das
Der Lübecker Friedensschluss und das kaiserliche Restitutionsedikt 371
Der Kriegsverlauf in den Jahren 1627 und 1628 und besonders Wallensteins
Agieren in dieser Zeitspanne hatten die Dimension des Macht- und Hege-
monialkriegs in den Vordergrund treten lassen, und fast hätte man überse
hen können, dass es in diesem Krieg immer auch um religiöse Fragen ging.
Das änderte sich mit dem Erlass des kaiserlichen Restitutionsedikts am
6. März 1629, das die Frage der konfessionellen Machtverteilung im Reich
wieder auf die politische Tagesordnung setzte: Mussten geistliche Stifte,
die von der evangelischen Seite nach dem Passauer Vertrag von 1552 bezie
hungsweise dem Augsburger Religionsfrieden von 1555 mit Beschlag belegt
worden waren, nunmehr, da sich die Machtverhältnisse geändert hatten,
an die katholische Seite zurückgegeben werden? Diese Frage hatte schon
vor Ausbruch des Krieges beide Seiten dazu veranlasst, einen bewaffneten
Konflikt als unvermeidlich anzusehen: die Katholiken, weil sie glaubten,
nur unter Einsatz von Gewalt den Zustand herstellen zu können, den sie
als Rechtszustand ansahen; die Protestanten, weil sie befürchteten, dass
die katholische Seite nur auf einen für sie günstigen Zeitpunkt wartete, um
sich wieder in den Besitz dessen zu bringen, was ihr in der zweiten Hälfte
des 16. Jahrhunderts verlorengegangen war.286 Aus protestantischer Sicht
ging es indes nicht nur darum, von wem das in den fraglichen Territorien
erwirtschaftete Mehrprodukt abgeschöpft wurde, sondern an den Besitz
rechten hing auch das territorial gebundene ius reformandi, das Recht zur
Festlegung des Bekenntnisses in den betreffenden Territorien. Das Restitu
tionsedikt bedeutete nach protestantischer Auffassung, dass «die religiöse
Überzeugung von Hunderttausenden von Menschen der gewaltsamen
Umgestaltung preisgegeben» wurde.287 Nach den Erfahrungen, die man
Der Lübecker Friedensschluss und das kaiserliche Restitutionsedikt 373
zu haben war.289Man musste sich für das eine oder das andere entscheiden,
und da die Kurfürsten und die Reichsstände das nicht taten, gaben sie dem
Kaiser die Möglichkeit, den nach außen erfolgreichen Krieg nun in einen
Krieg im Innern zu verwandeln, in dem mehr als ein halbes Jahrhundert
Reichsgeschichte revidiert werden sollte. Aus dem Mächtekonflikt wurde
so erneut ein Religionskrieg innerhalb des Reichs, der wiederum alle Vor
aussetzungen dafür hatte, einen neuen Hegemonialkrieg zu entfachen. So
wurde im Frühjahr 1629 die bis dahin wohl größte Chance vertan, den
Krieg in allen seinen Ausprägungen zu beenden.
Man wird sich indes die Katholiken ebenso wenig als einen geschlossenen
und an gemeinsamen Zielen orientierten Block vorstellen dürfen, wie das
die Protestanten in den zurückliegenden zehn Kriegsjahren waren. Viel
mehr gab es innerhalb der katholischen Partei eine Reihe von Spaltungsli
nien, von denen die ideologischen und die interessenpolitischen die wich
tigsten waren. Hätten die Protestanten im Reich eine geschlossene Partei
gebildet oder wenigstens eine einheitliche politische Führung besessen,
hätten sie diese Gegensätze ausnutzen und Koalitionen mit den modera
ten Kräften unter den Katholiken eingehen können, die mit dem Restitu
tionsedikt nicht einverstanden waren. Da es diese protestantische Führung
jedoch nicht gab und die Kurfürsten von Sachsen und Brandenburg eine
zögerliche, unentschlossene Politik betrieben, setzten sich im Vorfeld des
Restitutionsedikts die ideologischen Scharfmacher des Katholizismus
durch. Sie wollten sich nicht mit den Regelungen von 1552 und 1555 begnü
gen, sondern den Protestantismus bis auf ein paar bedeutungslose Rück
zugsgebiete in Norddeutschland zurückzudrängen. Die wichtigsten Köpfe
dieser ideologisch-militanten Gruppe waren Adam Contzen und Wilhelm
Lamormaini, beide Jesuiten, Ersterer Beichtvater Kurfürst Maximilians,
Letzterer Beichtvater Kaiser Ferdinands. Sie hatten nicht nur «Zugang
zum Machthaber» (Carl Schmitt), sondern kontrollierten auch das Gewis
sen der Machthaber.290 Lamormaini hat, wie er gegenüber dem päpstlichen
Nuntius Carafa erklärte, dem Kaiser die Verweigerung der Absolution
angedroht, wenn er seiner Pflicht zur Ausrottung der Ketzerei im Reich
nicht nachkomme.291
Der Lübecker Friedensschluss und das kaiserliche Restitutionsedikt 37S
Der Historiker Robert Bireley, der beste Kenner von Contzen und
Lamormaini,292 hat die Jahre zwischen 1627 und 1635 als die Hochphase
ihres Einflusses beschrieben, in der sie die anfänglich günstige militäri
sche Lage des Kaisers konsequent zu gegenreformatorischen Zwecken
ausnutzen wollten: Gott habe den katholischen Mächten durch die auf
den Schlachtfeldern errungenen Siege die Mittel an die Hand gegeben, die
frühere Stellung der Kirche im Reich wiederherzustellen, und vor dieser
Aufgabe unter Verweis auf politische Risiken und Unwägbarkeiten zurück
zuschrecken, sei eine Sünde und ein Vergehen wider Gott. Das war sowohl
gegen die Moderaten unter den Katholiken als auch gegen die Anhänger
eines Denkens in den Kategorien der Staatsräson gerichtet. Adam Contzen
trat dabei als konsequenter Antimachiavellist auf und erklärte, die jüngs
ten Erfolge der katholischen Waffen zeigten, dass christliche Prinzipien
und politischer Erfolg sehr wohl in ein und derselben Rechnung aufgin
gen. Machiavelli hatte das bezweifelt und dazu angeraten, im Konfliktfall
den langfristigen Erfolg höher zu stellen als die Vorgaben des christlichen
Gewissens. Contzen setzte auf einen vollständigen Sieg der katholischen
Sache und verglich die aktuelle Lage mit der des Makkabäeraufstands: Wie
die Helden des Alten Testaments müsse man auch jetzt auf den göttlichen
Beistand vertrauen, denn Gott werde denen helfen, die für seine Sache
kämpften.
Das war eine Argumentation, wie man sie mit entgegengesetzter Prä
ferenz auch bei einem entschiedenen Calvinisten finden konnte: Gegen
die ratio Status wurde die ratio conscientiae ins Feld geführt, und als Beweis
dafür, dass man sich mit der Orientierung an den Vorgaben des Glaubens
und des Gewissens nicht auf der politischen Verliererstraße befand, wur
den die Helden des Alten Testaments als Zeugen aufgerufen. Wer jetzt,
so auch Lamormaini, eine Politik des Ausgleichs und des Kompromisses
betrieb, zeigte damit bloß, dass es ihm an Gottvertrauen mangelte. Bireley
spricht davon, Contzen und Lamormaini hätten mit dieser Sicht den Reli-
gionskrieg zum «Heiligen Krieg» gesteigert, zu einem Krieg, in dem man
nicht eigenen Interessen folgte, sondern das Werkzeug Gottes war.293 Es
war diese Sicht, die Brandenburg und Sachsen in die Arme Gustav Adolfs
trieb und dadurch dessen Siegeszug durch Deutschland möglich machte.
3 7 <S FO R T G A N G UND A U SW EITU N G
auch.»298 Die bereits lange gehegte Befürchtung, das Reich sei machtpo
litisch überdehnt, wurde für Wallenstein mit dem Restitutionsedikt akut.
Er war sich darüber im Klaren, dass seine Truppen zur Durchsetzung des
Edikts eingesetzt werden würden und daher auch für den konfessionellen
Bürgerkrieg brauchbar sein mussten. Wallenstein aber hatte das Heer als
ein Instrument zum Kampf gegen äußere Feinde geschaffen, und so dien
ten darin an höchster Stelle auch zahlreiche Lutheraner. Zum Widerstand
der «unkatholischen» Bevölkerung würde also noch die Demissionierung
einiger seiner besten Heerführer hinzukommen. Während Tilly die unein
geschränkte Zusage gegeben hatte, seine Truppen zur Durchsetzung des
Edikts einzusetzen, war Wallenstein dazu nicht bereit.299 In einem Schrei
ben an die Hansestädte, mit denen er wegen der Küstensicherung weit
gehendes Einverständnis pflegte, erklärte er: «Wir vernehmen, die Han
sestädte bilden sich ein, man wolle das kaiserl. Edict wegen Reformation
der Religion exequieren [durchsetzen], das sind wir aber durchaus nicht
gemeint [gewillt], sondern das Edict kann nicht Bestand haben, und wir
versprechen den Hansestädten, dass ihnen das geringste deswegen nicht
zugemuthet werden soll, denn man kann den Religionsfrieden nicht also
übern Haufen stossen.»300
Neben der Frage nach den politischen Kosten der Restitution, bei deren
Beantwortung sich die Militanten durchgesetzt hatten, war zu entscheiden,
an wen genau die von den Protestanten innegehabten Stifte, Bistümer und
Klöster zurückgegeben werden sollten. Nach der Entfremdung von oft
mehr als einem halben Jahrhundert waren die einstigen Besitzer zumeist
nicht mehr vorhanden. Also begann ein heftiger Streit, wer der Nutznießer
der Restitutionspolitik sein sollte. Neben den fürstlichen Familien, die um
die begehrten Positionen des Administrators eines Bistums kämpften, mel
deten auch Benediktiner, Zisterzienser und Prämonstratenser Ansprüche
an und wollten ihre verlorenen Klöster zurückhaben. Dabei standen ihnen
jedoch fast immer die Jesuiten im Weg, die ihre mächtige Hand bereits mit
dem Argument auf den Besitz gelegt hatten, nur sie seien in der Lage, den
Kampf um die Rückgewinnung der Menschen für den katholischen Glau
ben erfolgreich zu führen. Der kaiserliche Beichtvater Lamormaini, selbst
Jesuit, unterstützte seinen Orden, wo und wie er nur konnte: Mal nutzte er
378 FO R T G A N G UND A U SW EITU N G
seinen Einfluss auf den Kaiser, mal tat er kund, dass sich «die alten Orden
[... ] in dem Kampf mit dem Protestantismus ohnmächtig erwiesen [hät
ten]; nur die Jesuiten seien demselben gewachsen; darum müßten von
den zu restituierenden Klöstern sämtliche Frauenklöster und die geringen
Männerklöster ihrem ursprünglichen Charakter ausgetilgt werden, um als
Jesuitenschulen neu zu erstehen»301. Damit war klar, dass es den Militan
ten in der katholischen Partei nicht um die Wiederherstellung der früheren
Besitzverhältnisse ging, sondern um eine verbesserte Kampfaufstellung
im Ringen um die konfessionelle Ordnung Deutschlands. Das wiederum
bestärkte viele Protestanten in der Auffassung, dass die Wiederherstellung
der Verhältnisse von 1552 oder 1555 nur der Anfang sei und die Gegenre
formation danach weiter Vordringen werde. Allen Einsprüchen von protes
tantischer Seite zum Trotz, denen zufolge die Restitution nicht durch ein
kaiserliches Edikt angeordnet werden könne, sondern von einem Reichstag
erörtert und beschlossen werden müsse, wurde die Exekution des Edikts
vorangetrieben. Johann Philipp Abele (Abelin), ein Mitarbeiter Matthäus
Merians beim Theatrum Europaeum, hielt fest, damals seien «nicht allein
viel Kirchen, Schulen und andre Stiftungen, so nach dem passauischen Ver
trag die Evangelischen an sich gebracht, sondern auch die, so sie allbereit
vor demselben in Besitz gehabt, mit Gewalt und Kriegsmacht occupiert,
die evangelischen Prediger abgeschafft und an deren statt päpstische Pries
ter und Geistliche eingesetzt und die Leute zum Abfall oder Auszug und
an etlichen Orten mit Hinterlassung all des Ihrigen gezwungen worden.
Dabei haben die starken Einquartierungen des Kriegsvolkes, der Mutwille
der Soldaten, Durchzüge, Musterplätz, Contributionen und dergleichen
die Beschwernisse der Evangelischen nit wenig vermehrt.»302
Überblickt man den Dreißigjährigen Krieg in seinem Gesamtverlauf, so
war das Restitutionsedikt der schwerste Fehler des Kaisers, da er damit die
zuvor von seinem Heer errungenen Siege politisch zunichte machte. Das
Edikt verhinderte die Transformation militärischer Erfolge in politische
Stabilität und sorgte dafür, dass die Stellung des Kaisers auch im anschlie
ßenden Jahrzehnt vom Waffenglück abhängig blieb. Als dieses Glück dem
Kaiser und der katholischen Partei nicht mehr so hold war wie im ersten
Kriegsjahrzehnt, war ihm der Rekurs auf politische Macht verwehrt, weil
Der Lübecker Friedensschluss und das kaiserliche Restitutionsedikt 379
I
m Jahre 1627 schrieb Gustav Adolf an seinen Kanzler Axel Oxenstierna:
«Die Dinge sind so weit gekommen, daß alle Kriege, die in Europa
geführt werden, miteinander vermischt und zu einem einzigen geworden
sind.»1 Das war eine gänzlich andere Sicht als die des Kaisers und des Wie
ner Hofes, die in der Schlussphase des niedersächsisch-dänischen Krieges
in der Überzeugung handelten, dass sich die Kriege in Europa voneinander
trennen ließen und man das Geschehen dort zu konzentrieren vermochte,
wo man es haben wollte, ohne dass dabei Dritte dem Kaiser einen Strich
durch die Rechnung machen konnten. Diese Sichtweise lag dem kaiserli
chen Handeln zugrunde, als er den Lübecker Frieden mit dem Erlass des
Restitutionsedikts verband. Die kaiserlichen Räte in Wien gingen davon
aus, man könne sich nunmehr, da die äußere Herausforderung durch den
Dänenkönig beziehungsweise die Haager Allianz beseitigt war, in aller
Ruhe auf die Neuordnung der konfessionellen Verhältnisse im Reich kon
zentrieren, ohne dass daraus neue Herausforderungen erwachsen oder
Dritte die Konzentration auf das Innere des Reichs als Schwächung nach
außen ausnutzen würden.
Diese Wiener Fehleinschätzung brachte nicht nur Gustav Adolf ins
382 IT A L IE N IS C H -P O L N IS C H E S Z W ISC H E N SP IE L
Spiel, sondern auch weitere Akteure. Einer von ihnen war Richelieu, der
seit 1624, als er die Leitung der französischen Politik übernommen hatte,
nur darauf wartete, das große Vorhaben Heinrichs IV. wieder aufzuneh
men und Frankreich zum Schiedsrichter der europäischen Angelegenhei
ten zu machen. Das kaiserliche Restitutionsedikt, durch das die konfessio
nelle Dimension des Krieges wieder deutlich herausgestellt wurde, spielte
ihm, dem Kardinal der römisch-katholischen Kirche, dabei in die Hände.
Daneben beförderte der Lübecker Frieden bei Olivares, dem Taktgeber
der spanischen Politik, den Anspruch, dass der Kaiser seinen nun erfolg
ten Machtzuwachs nutzte, um Spanien im Krieg gegen die Niederlande
zu unterstützen und damit die umfangreiche Hilfe zurückzuerstatten, die
Spanien ihm geleistet hatte. Und dann war da noch die englische Forde
rung nach Wiedereinsetzung des Pfalzgrafen, die schon für sich genommen
dafür sorgte, dass alle Konfliktlagen in Europa miteinander zusammenhin
gen. Man konnte nirgendwo den Hebel ansetzen, ohne dass dies andern
orts Auswirkungen hatte. Das galt bereits allein für die strukturell festste
hende Interessenlage, in der die Fülle der kontingenten Ereignisse noch
gar nicht enthalten war, die jederzeit die Pläne und Vorhaben der Parteien
durcheinanderbringen konnten. Das Wiener Agieren am Ende der ersten
Kriegsdekade war, um das Mindeste zu sagen, nicht kontingenzresistent:
Wien überschätzte die Festigkeit der Klammer, die in der gemeinsamen
Katholizität der Verbündeten bestand.
Vermutlich war auf kaiserlicher Seite Wallenstein der Einzige, der die
Dinge wie Gustav Adolf sah: dass die Kriege in Europa miteinander zusam
menhingen und man in keinem dieser Kriege einen Schritt machen konnte,
ohne dass dies Folgen für die anderen Kriege hatte. Seine ständige Furcht
vor der Überdehnung des Reichs,2 die sich gerade auf dem Höhepunkt sei
ner Machtentfaltung äußerte, kann als Anhaltspunkt dafür gesehen werden:
Überdehnt war das Reich nämlich nur, wenn alles mit allem zusammen
hing. Auch in Spanien analysierte man die jeweiligen Konflikte im europäi
schen Zusammenhang, sonst hätte man sich im böhmischen Krieg nicht so
entschieden für die österreichische Linie des Hauses Habsburg engagiert.
Die von Eberhard Straub untersuchten Beratungen im spanischen Staats
rat und die für den König angefertigten Gutachten seiner engsten Berater
Ein europäischer Krieg auf deutschem Boden 383
lieh offengelegt hätten. Richelieu brachte hier zum Ausdruck, wie er Oliva-
res und dessen Ziele sah.
tionen ähnlich wie Richelieu (und in mancher Hinsicht auch wie Gustav
Adolf), der auf einen konfessionellen Block wenig gab und die machtpoli
tische Lage in Europa von den Interessen der Staaten her analysierte. Dies
war der Blickwinkel, aus dem er darüber entschied, wer als Freund und wer
als Feind anzusehen sei. Wallensteins politische Vorschläge waren deswe
gen sehr viel stärker als die seiner Wiener Kontrahenten auf die sich immer
wieder verändernden Verhältnisse hin angelegt: Sie variierten ständig und
hatten deshalb auch keine normative Achse. Das ist beiden, Wallenstein
wie Richelieu, immer wieder zum Vorwurf gemacht worden, zumal sie sich
auch nicht, wie Gustav Adolf, um eine normative Grundierung ihrer Politik
bemühten, sondern die leitenden Staatsinteressen unverhohlen herausstell
ten. Das war ganz anders bei Lamormaini, der gegen Ende der 1620er Jahre
zunehmend zum Gegner Wallensteins wurde und für den der innerchrist
liche Frieden auf gegenreformatorischer Grundlage die durchgängige Leit
vorstellung war.
In einem Brief an Pere Jean Suffren, den Beichtvater Maria de’Medicis
und später auch Ludwigs XIII., hat Lamormaini seine politischen Ziele
beschrieben.8 Pater Suffren hatte den Briefwechsel am 18. September 1629
begonnen. Lamormaini antwortete am 24. November und fasste zunächst
die Absicht Suffrens dahingehend zusammen, dass es ihm um «den Frie
den und die Eintracht der Häupter der Christenheit [gehe] und den Ver
such, den wir zwei und mit uns alle Wohlgesinnten zu machen haben, damit
nicht dem Feinde des Friedens, dem Widersacher der Ehre Gottes, es ver-
stattet werde, seine Saat des Unkrauts auszustreuen und diese frommen
Fürsten miteinander [in einen Krieg] zu verwickeln».9Seinem Herrn, dem
Kaiser, liege nichts mehr am Herzen, als «nicht bloß in seinen Königrei
chen und Erbländern die katholische Religion herzustellen, sondern auch,
so weit ihm zur Zeit durch die Constitutionen des Reiches und die öffent
lichen Verträge das gestattet ist - im ganzen römischen Reiche. Besonders
für den allerchristlichsten König [Ludwig X III.] ist er so gesinnt, daß er
wünscht ihn zum vertrautesten Freunde zu haben, heilige Bündnisse mit
ihm einzugehen und zu vermitteln, daß auch der katholische König [Phi
lipp IV.] in diese Gemeinschaft eintritt.»10 Lamormaini klagte über das
Auftreten eines französischen Gesandten am Kaiserhof, der in der mantua-
386 IT A L IE N IS C H -P O L N IS C H E S Z W ISC H E N SP IE L
und Montferrat ein Streit um die Nachfolge anstand. Montferrat lag geo
graphisch wie ein Riegel zwischen dem spanischen Mailand und dem tra
ditionell Frankreich zuneigenden Savoyen. Das also war der nächste Kon
flikt zwischen Spanien und Frankreich, und um ihn sollte es in den späten
1620er Jahren gehen. Wer Montferrat beherrschte, hatte den Schlüssel zur
Herrschaft über Italien - so jedenfalls sahen es Richelieu und Olivares.15
Frankreich wiederum blickte nicht nur auf die Niederlande und Nord
italien, sondern ebenso auf Südwestdeutschland, wo in der Rheinpfalz
immer noch spanische Truppen standen, die für Richelieu ein Bestandteil
des habsburgischen Einschließungsrings waren. Damit wurde die Frage
Ein europäischer Krieg auf deutschem Boden 389
Adolf die ihm von Richelieu zugedachte Rolle übernehmen konnte - und
damit kam Polen ins Spiel. Man musste, so die Überlegung Wallensteins,
die Polen in ihrem seit Jahren andauernden Krieg gegen die Schweden nach
Kräften unterstützen; wenn nämlich der Krieg in Polen beendet wurde,
wozu König Sigismund, vor allem aber der landständische Adel neigte,
dann würde Gustav Adolf freie Hand haben und sich mit seinen kriegser
probten Truppen dem deutschen Kriegsschauplatz zuwenden. «Lassen wir
den König von Polen im Stich», schrieb Wallenstein, «dann haben wir hin
terher am Schweden einen ärgeren Feind als am Türken.»18Wallenstein tat
einiges dafür, dass sich Sigismund nicht vom Kaiser und den katholischen
Mächten des Reichs im Stich gelassen fühlte: 1627 bereits schickte er ihm
eine wesentlich aus Kürassieren bestehende Kavallerieeinheit zur Unter
stützung, und im Frühjahr 1629 setzte er eine kleine Armee unter Feldmar
schall von Arnim in Marsch, um den Krieg in Polen fortzusetzen. Riche
lieu wiederum verfolgte das entgegengesetzte Ziel: Er wollte den Krieg in
Polen beenden, und deswegen entsandte er keine Soldaten, sondern einen
Diplomaten, den Baron Hercule-Girard de Charnace, mit dem doppelten
Auftrag, so schnell wie möglich einen Waffenstillstand zwischen Polen und
Schweden zu erreichen und gleichzeitig einen Friedensschluss des Kaisers
mit den Dänen zu verhindern.19 Letzteres ist Charnace misslungen; bei Ers-
terem hingegen war er erfolgreich.
Gustav Adolf wiederum, um auch noch den dritten großen Akteur die
ser Phase des Krieges ins Auge zu fassen, musste sich um die flankierenden
Mächte Polen und Dänemark kümmern, bevor er sich auf das Reich kon
zentrieren konnte: Dänemark war durch die starke Flotte, die Christian IV.
geschaffen hatte, der gefährlichste Konkurrent um die Kontrolle des Meeres,
und ohne weitgehende Sicherheiten seitens Dänemarks war an einen Feld
zug in Deutschland nicht zu denken. Polen hingegen war für Gustav Adolf
bedrohlich, weil der zum Katholizismus konvertierte Vetter Sigismund aus
dem Hause Wasa seinen Anspruch auf die schwedische Krone nicht aufge
ben wollte.20 Außerdem führte der schwedische König gegen Polen Krieg,
um die Kontrolle über die Hafenstädte und Flussmündungen von der
Narwa bis zur Weichsel zu erlangen. A uf diese Weise wollte er das Ringen
mit Dänemark um die Ostseehegemonie für sich entscheiden: Hatte Chris
Ein europäischer Krieg auf deutschem Boden 391
tian IV. für diesen Zweck auf eine starke Flotte gesetzt, so strebte Gustav II.
Adolf die Beherrschung des Küstensaums an, um die dort erhobenen Zölle
für sich vereinnahmen zu können.21 Die Handelszölle nämlich waren der
eigentliche Ertrag des dominium maris Baltici: Christian sammelte sie am
Öresund ein; Gustav Adolf hatte dafür die Häfen der östlichen und südli
chen Küsten im Blick. Zwei unterschiedliche Wege, um zu demselben Ziel
zu gelangen. Beide, Christian wie Gustav Adolf, waren indes zu dem Ergeb
nis gekommen, die Herrschaft im Ostseeraum könne nur dann als dauer
haft gesichert gelten, wenn die dem Reich zugehörigen Küstengebiete unter
Kontrolle gebracht waren, und deswegen entschieden sich auch beide, in
den auf deutschem Boden geführten Krieg zu intervenieren.
Das kennzeichnet den Dreißigjährigen Krieg als einen europäischen
(und eben nicht bloß deutschen) Krieg: Es konnte kein anderer Krieg in
Europa geführt werden, ohne dass er nach einiger Zeit mit dem Krieg im
Reich in Verbindung kam und in seinem weiteren Verlauf von den Ereig
nissen dort abhängig war. Das gilt für den Unabhängigkeitskrieg der Nie
derlande gegen Spanien, für den in Polen geführten Krieg zwischen der
lutherischen und der katholischen Linie des Hauses Wasa und auch für
den mantuanischen Erbfolgekrieg in Norditalien. Ende der 1620er Jahre
gerieten die Konflikte in Europa in einen besonders engen Zusammen
hang miteinander, und zu allen drei genannten Kriegsschauplätzen wurden
Einheiten der kaiserlichen Armee entsandt. Der Krieg zeigte damit eine
starke Tendenz zur räumlichen Ausdehnung; er wurde exzentrisch. Aber
diese Phase der Exzentrizität war nur von kurzer Dauer und wurde schon
bald von einer neuen Phase des Konzentrischen abgelöst: Die Kriegsschau
plätze außerhalb des Reichs verloren an Bedeutung, und die Truppen kehr
ten nach Deutschland zurück. Damit wurde der Krieg aber nicht weniger
europäisch, im Gegenteil: Es kam zu einem weiteren Zustrom von Soldaten
nach Deutschland, sei es in Gestalt der Söldner aus Schottland und Irland,
die regimentsweise entsandt wurden, oder sei es in Gestalt der schwedi
schen Truppen, mit denen Gustav Adolf auf Usedom landete.
Alle Kriege in Europa hingen miteinander zusammen und seien zu
einem einzigen großen Krieg geworden, hatte Gustav Adolf 1627 erklärt; er
hätte auch mit Blick auf sein eigenes Agieren hinzufügen können, dass über
39i IT A L IE N IS C H -P O L N IS C H E S Z W ISC H E N SP IE L
sich aus dem Konflikt, in dem es für ihn nichts zu gewinnen gab, eigent
lich heraushalten. Aber er war nun einmal Spanien verpflichtet, das ihn
während der zurückliegenden Jahre immer wieder mit Geld und Truppen
unterstützt hatte und nun eine Gegenleistung erwartete; zudem war Ferdi
nand in zweiter Ehe mit Eleonora Gonzaga verheiratet, der Schwester von
Vincenzo II., und das führte zu einer zusätzlichen Verbindlichkeit.
Man kann den mantuanischen Erbfolgestreit als einen Konflikt begrei
fen, der auf dem Rechtswege ausgetragen und durch den Kaiser entschie
den worden wäre, wenn sich die beiden Großmächte Spanien und Frank
reich nicht eingemischt und die mantuanische Erbfolge zum Gegenstand
ihrer geopolitischen Rivalität gemacht hätten. Man kann noch einen Schritt
weitergehen und dem Kaiser beziehungsweise einigen seiner Räte vorwer
fen, dass sie nicht auf eine strikt unparteiische Haltung des Reichs geach
tet haben, sondern sich auf die Seite Spaniens beziehungsweise des von
Madrid favorisierten Ferrante von Guastalla stellten. Wallenstein jedenfalls
hat es so gesehen: «Ich habe den Krieg wider den von Nevers nie für recht
befunden, und befinds noch nicht», und ein anderes Mal erklärte er: «Gott
straft die Spanier, dieweil sie den armen Nevers ohne Ursach angreifen.»24
Man kann diese Passagen so lesen, als sei es Wallenstein um die Durch
setzung des Rechts gegen die Gewalt gegangen. Tatsächlich trieb ihn aber
die Befürchtung, der italienische Streit werde Frankreich in den Krieg in
Deutschland hineinziehen, und dann werde dieser außer Kontrolle geraten.
«D er Unrechte Streit um Mantua erweitert den Krieg.» Und: «Wenn Fried
in Italien ist, so ist Fried mit Frankreich auch.»25 Es war demnach nicht die
Frage von Recht und Unrecht, auf die Wallensteins irenische Haltung in der
mantuanischen Erbfolgefrage zurückging, sondern das genuin machtpoli
tische Problem, dass sich der Kaiser durch sein prospanisches Eingreifen
einen zusätzlichen Feind schuf und der Frieden damit in weite Ferne rückte.
Wer die besser begründeten Ansprüche auf das Herzogtum Mantua hatte,
Karl von Nevers oder Ferrante von Guastalla, hat Wallenstein allenfalls
nachrangig beschäftigt; was ihn umtrieb, waren die Kräfteverhältnisse in
West- und Mitteleuropa und die Sorge, der Kaiser trage durch seine Inter
vention in Italien zur Neuentstehung einer antihabsburgischen Koalition
bei, der er auf Dauer nicht gewachsen sein werde. Die Rechtsfrage war für
Der mantuanische Erbfolgekrieg 395
Wallenstein nur ein Argument, mit dem er seiner Sicht am Kaiserhof Nach
druck verschaffen wollte.
Es gehört zu den ironischen Pointen der Politikgeschichte, dass die
Gegenspieler Wallensteins in dieser Frage ähnlich auftraten wie er, wenn
auch mit gänzlich anderen Absichten. Die Spanier drängten den Kaiser, in
den mantuanischen Streit einzugreifen, um einem reinen Machtkonflikt den
Charakter einer Rechtsauseinandersetzung zu verleihen. Sie waren an einer
Austragung des Konflikts in der Form einer Rechtsabwägung unter Aufsicht
des Kaisers nicht etwa deswegen interessiert, weil sie bedingungslose Hüter
des Rechts waren, sondern weil sie einen Krieg mit Frankreich vermeiden
wollten. Sie wollten den Status quo in Italien aufrechterhalten, und dazu
waren sie auf den Kaiser angewiesen. Caspar de Guzmän, Graf von Olivares
und Herzog von San Lucar (deswegen auch als Conde Duque bezeichnet),
der erste Minister Philipps IV., war sich darüber im Klaren, dass Spanien in
eine Phase des relativen Niedergangs eingetreten war und sich eigentlich
keinen großen Hegemonialkrieg leisten konnte.26 Olivares argumentierte,
dass Spanien ohne den Kaiser in Italien nichts unternehmen solle, da allein
der Kaiser Gewalt in Recht verwandeln könne. Umgekehrt sei der Kaiser
auf Spanien angewiesen, wenn es darum gehe, Vorhaben gewaltsam durch
zusetzen, denn ohne Spaniens Hilfe laufe die Rechtsprechung des Kaisers
in Italien ins Leere und seine Autorität verfalle.27 Es gebe also gute Gründe
dafür, dass der Kaiser die spanischen Interessen berücksichtige.
In welcher Weise Spanien die kaiserliche Rechtsbefugnis in Italien zu
nutzen gedachte, wird in einem Brief des Markgrafen von Aytona, dem
spanischen Gesandten in Wien, deutlich, in dem er ein gemeinsames Vor
gehen beider Linien des Hauses Habsburg in der mantuanischen Erbstrei
tigkeit umreißt: «Ich zog in Betracht, daß mit dem Abschluß dieses Ver
trages alles erreicht wird, was E. M. sich wünschten, nämlich Reputation
und Rechtfertigung ihrer Waffen. Die Reputation wird gewonnen, weil die
ganze Welt erkennen muss, dass die Waffen E. M. den Herzog von Nevers
zwangen, dem Kaiser zu gehorchen, und daß kein Fürst Italiens seine Staa
ten zu besitzen vermag ohne die Erlaubnis und Autorität der Casa d’Austria,
vornehmlich jedoch E .M . [Philipps IV.]. Die Rechtfertigung E. M. wird
daraus ersichtlich, daß sie, obschon in der Lage, den Herzog von Nevers
396 IT A L IE N IS C H -P O L N IS C H E S Z W ISC H E N SP IE L
Es war indes gar nicht die umstrittene Nachfolge in Mantua selbst, die den
Zusammenstoß der beiden Großmächte unvermeidlich machte, sondern
die geographische Lage des Herzogtums Montferrat, das seit 1531 durch
die Heirat Federico Gonzagas mit Margherita Paleologos mit Mantua ver
bunden war.29 Das mantuanische Gebiet, zwischen den Herzogtümern
Mailand, Parma, Modena, Mirandola und der Republik Venedig gelegen,
spielte geopolitisch nicht die ausschlaggebende Rolle. Montferrat, nörd
lich der Republik Genua und zwischen dem Herzogtum Mailand und den
Der mantuanische Erbfolgekrieg 397
Territorien des Herzogs von Savoyen gelegen, war dagegen für die Franzo
sen der Zugang nach Italien und für die Spanier ein zentraler Bestandteil
ihrer Verbindungsachse in die Niederlande: Wer die am nördlichen Ende
des Herzogtums gelegene Festung Casale beherrschte, war der Herr über
Norditalien. Der Herzog von Mantua war selbst zu schwach, eine solche
Rolle zu spielen, aber sobald er als Verbündeter einer der beiden Groß
mächte, Spanien oder Frankreich, auftrat, veränderte sich das von Grund
auf. Es kam also nicht von ungefähr, daß der Krieg mit Operationen begann,
in denen es um die Kontrolle der Festung Casale ging. Don Gonzalo de
Cordoba, der spanische Statthalter in Mailand, der Anfang der 1620er Jahre
die wallonischen Truppen in der linksrheinischen Pfalz kommandiert und
mit Tilly zusammen bei Wimpfen gesiegt hatte,30 marschierte im Bündnis
mit Karl Emmanuel von Savoyen in Montferrat ein. Er wollte Karl von
Nevers daran hindern, auch von diesem Gebiet Besitz zu ergreifen, nach
dem ihm das zuvor durch einen Überraschungscoup in Mantua gelungen
war. Der Einfall spanischer Truppen war ein klarer Rechtsbruch, ein Erobe
rungskrieg, wenn man so will, durch den sich Spanien ins Unrecht gesetzt
hätte, wenn ihm nicht der Kaiser beigesprungen wäre, indem er am 1. April
1628 die Sequestrierung für Mantua und Montferrat verkündete. Dadurch
waren alle Ansprüche Karl von Nevers’ aufgehoben, bis eine Prüfung ihrer
Rechtsmäßigkeit durch den Kaiser erfolgt war; für die Zwischenzeit wurde
ein kaiserlicher Treuhänder eingesetzt, der die Verwaltung beider Herzog
tümer übernahm. Am 2. Mai erschien Graf Johann V III. von Nassau-Sie
gen in Mantua und forderte Karl von Nevers auf, ihm die Verwaltung seiner
Herzogtümer zu übergeben.31
Nevers weigerte sich, der kaiserlichen Sequestrierung Folge zu leis
ten - und er hatte gute Gründe dafür. Zunächst, so argumentierte er, müsse
der Raub- und Eroberungskrieg, den Cordoba und Karl Emmanuel gegen
Montferrat begonnen hätten, beendet werden; beide müssten sich zurück
ziehen, bevor er der Anordnung des Kaisers entsprechen könne. Cordoba
dachte aber nicht an Rückzug, obwohl der Handstreich, mit dem er die
Festung Casale in seinen Besitz hatte bringen wollen, fehlgeschlagen war
und er sich auf eine langwierige Belagerung einstellen musste. Damit saß
der Kaiser in der Falle: Was als Rechtsakt einer neutralen, übergeordne
398 IT A L IE N IS C H -P O L N IS C H E S Z W ISC H E N SP IE L
ten Instanz gedacht war, wurde zur Parteinahme in einem Konflikt, der mit
dem spanisch-savoyischen Militärschlag zum Krieg eskaliert war und in
dem der Kaiser nun ebenfalls zu Gewaltmitteln greifen musste. Die Alter
native war, dass der Kaiser Nevers’ Weigerung hinnahm und sich aus dem
Streit zurückzog. Das hätte allerdings einen gravierenden Autoritätsverlust
in Italien mit sich gebracht, und zudem hätte Wien damit das Bündnis mit
Spanien in Frage gestellt. Es lag also nahe, eine Armee nach Italien zu ent
senden, um die Sequestrierung gegen Nevers durchzusetzen.
Damit riskierte der Kaiser eine offene Auseinandersetzung mit Frank
reich und nahm in Kauf, dass sich sein Verhältnis zu den Kurfürsten im
Reich weiter verschlechterte; die neigten nämlich Karl von Nevers zu,32
auch weil die Eröffnung eines weiteren Kriegsschauplatzes die von ihnen
angestrebte Reduzierung des Heeres blockieren würde. Den Krieg mit
Frankreich fürchteten die rheinischen Kurfürsten aufgrund ihrer geogra
phischen Nähe und Maximilian wegen seiner politischen Beziehungen zu
den Franzosen. Immer wieder hatte Maximilian in den zurückliegenden
Jahren mit französischen Gesandten verhandelt und diese Verhandlungen
als ein Mittel der Distanzierung von den Habsburgern eingesetzt: unmit
telbar gegenüber dem Kaiser, strategisch gegenüber Spanien. Ein offener
Konflikt mit Frankreich, gar ein Krieg, hätte die von Maximilian verfolgte
Politik einer «Mittelpartei» in Frage gestellt; für Maximilian sollte sie die
Selbständigkeit des Reichs gegenüber dem Kaiser und dessen Erblanden
ermöglichen. Auch Johann Georg von Sachsen verfolgte die Idee einer
«Mittelpartei», wobei ihm an einem Ausgleich zwischen den Militanten
in den Reihen der Katholiken und den Radikalen innerhalb des Protes
tantismus gelegen war.33 Maximilian wie Johann Georg nahmen für sich in
Anspruch, das Herz der «Mittelpartei» zu sein, und arbeiteten gelegent
lich zusammen; eine gemeinsame politische Perspektive fanden sie jedoch
nie.
Hinzu kam, dass sich Papst Urban V III. am n. September 1628 mit
einem Brief an Maximilian und die katholischen Kurfürsten (namentlich
an den Bayern als ihren Wortführer) wandte und sie bat, die Ausweitung
des Krieges nach Italien zu verhindern. Der fünf Jahre zuvor zum Papst
gewählte Urban V III., der Florentiner Kaufmannsfamilie der Barberini
Der mantuanische Erbfolgekrieg 399
Doch noch war es nicht so weit: In Wien versuchte man, durch Verhand
lungen und Verzögerungen aus der selbstgestellten Falle herauszukommen.
Mit den Spaniern verständigte man sich darauf, dass Montferrat eine Ange
legenheit ihrer Truppen blieb und kaiserliche Truppen nur das Herzogtum
Mantua besetzen sollten. Das hatte für den Kaiser den Vorzug, dass es zu
keiner unmittelbaren Konfrontation zwischen seinen Soldaten und denen
Frankreichs kam und bei der Belagerung Casales sich weiterhin die Spanier
die Zähne ausbeißen mussten. Dort war eine Konfrontation mit den Fran
zosen zu erwarten, denn die Spanier mussten die Festung erobern, wenn
sie ihre Ziele erreichen wollten, die Franzosen hingegen mussten sie ent
setzen. Noch im Winter zog ein französisches Heer mit Richelieu an der
Spitze über die Alpen. Ein Augenzeuge schilderte Richelieu so: «Hoch
zu Rosse im Harnisch und mit Federhut, mit einem Schlachtschwerte an
400 IT A L IE N IS C H -P O L N IS C H E S Z W ISC H E N SP IE L
der Seite, mit zwei Pistolen im Sattelbug. Vor der Front des Heeres ließ er
sein Pferd vielfach voltigieren, mit lautem Reden, daß er auf dieses Fach
sich verstünde.»37 Nachdem das Heer den Herzog von Savoyen in die
Flucht geschlagen und sich der Stadt Susa bemächtigt hatte, wo Richelieu
dem Herzog die Friedensbedingungen diktierte, rückte es auf Casale vor:
Im März 1629 musste Cordoba die Belagerung abbrechen und sich in Eil
märschen auf Mailand zurückziehen. Für Spanien endete das Montferrat-
Unternehmen in einem Desaster.38 Cordoba hatte seinen R uf als überaus
fähiger General verspielt, und auch der Ruhm der spanischen Truppen als
Meister des Belagerungskrieges hatte schwer gelitten. Philipp IV. soll später
die Entscheidung, in Montferrat zu intervenieren, als seinen größten politi
schen Fehler bezeichnet haben.
Eine vergleichbare Äußerung ist von Kaiser Ferdinand nicht über
liefert, obwohl auch er allen Grund dazu gehabt hätte. Der Fehler, sich in
die mantuanischen Erbschaftsstreitigkeiten einzumischen, war sicherlich
nicht weniger gravierend als das Restitutionsedikt. Im April 1629 drängte
Ferdinand darauf, dass Wallenstein größere Heeresverbände nach Süden
in Marsch setzte. Den Oberbefehl über diese Truppen erhielt General
leutnant Ramboldo Collalto, der in Mantua geboren war und am Wiener
H of die militärischen Fäden in Händen hielt.39 Da Collalto aber kurz nach
Beginn des Feldzugs schwer erkrankte (er verstarb im folgenden Jahr) und
kein Nachfolger ernannt wurde, führten Johann von Aldringen und Mat
thias Gallas das Kommando, ergänzt durch Ottavio Piccolomini, der bei
Verhandlungen als kaiserlicher Unterhändler tätig wurde. Es waren somit
überwiegend Italiener, die den Krieg um Mantua für den Kaiser führten,
und der Einzige, auf den das nicht zutraf, der Luxemburger Aldringen, hatte
lange im norditalienischen Raum gedient und sprach fließend Italienisch.40
Doch der Feldzug nahm von Anfang an nicht den Verlauf, den man sich
am Wiener H of vorgestellt hatte: Schon bei der Überquerung der Alpen
kam es zu schweren Übergriffen des Militärs auf die Bevölkerung, so dass
der in Tirol regierende Erzherzog Leopold, der im Jülicher Erbstreit und
im Krieg um die Pfalz eine Rolle gespielt hatte,41 am 25. Mai an den Kai
ser schrieb: «Ew. K. M. [Eure Kaiserliche Majestät] können nicht glauben,
wie das Kriegsvolk im Durchziehen hauset. Ich bin auch etliche Jahre dem
Der mantuanische Erbfolgekrieg 401
nur ein Vorspiel dessen, was noch folgen sollte. Im Herbst 1629 standen in
der Lombardei etwa 40 000 Soldaten bereit, um in das Herzogtum Man
tua einzumarschieren.45 Dass ihr Einfall so furchtbare Folgen hatte, lag an
zweierlei: der Missernte von 1628, als im Sommer schwere Regenfälle die
Po-Ebene überschwemmt hatten, und einem Pestausbruch, für den wahr
scheinlich die kaiserlichen Soldaten verantwortlich waren, die das Virus
eingeschleppt hatten. Im Heer war die Seuche endemisch, und der Anteil
der Pesttoten war deshalb deutlich niedriger als hei der Bevölkerung, die
mit den durchziehenden Truppen in Kontakt kam. So blieben die Einhei
ten trotz der grassierenden Pest operationsfähig und rückten seit Herbst
1629 der Hauptstadt des Herzogtums immer näher. Die dem Herzog von
Nevers zu Hilfe geeilten venezianischen Streitkräfte wurden geschlagen
(was Wallenstein veranlasste, Pläne zur Eroberung Venedigs zu schmie
den46) und die Festungen des Herzogtums der Reihe nach erobert, ohne
dass sie größeren Widerstand leisten konnten. Im Dezember 1629 wurde
der Einschließungsring um Mantua zugezogen, jedoch nur für kurze Zeit,
da der beginnende Winter einer längeren Belagerung entgegenstand. Um
Weihnachten musste die Einschließung gelockert werden, und die kaiser
lichen Truppen zogen sich ins Umland zurück. Ende Mai 1630 nahmen sie
die Belagerung erneut auf, und diesmal dauerte es nur knapp drei Wochen,
bis die Festungsstadt am Mincio kapitulierte. In ihren Mauern hatte die
Pest gewütet, und von den ursprünglich 30 000 Einwohnern waren bei
der Übergabe der Stadt gerade noch 7000 am Leben. «In Mantua», so der
Historiker Lauro Martines, «starben binnen vier Monaten, zwischen März
und Mitte Juli, über 25 000 Soldaten, Einwohner und Flüchtlinge an der
Seuche. In den Wochen vor der Eroberung der Stadt starben täglich 250 bis
300 Menschen, und die Leichen lagen tagelang in den Straßen herum.»47
Unter diesen Umständen brach der Widerstand zusammen; als die
Belagerer zum Sturm antraten, war der Wille zur Verteidigung nicht mehr
vorhanden, und die gut befestigte Stadt ergab sich den Angreifern, ohne
dass diese größere Verluste hatten hinnehmen müssen. Das war in man
cher Hinsicht das Glück der verbliebenen Einwohner, denn dadurch blieb
ihnen eine Gewaltorgie erspart, wie sie sonst nach der Erstürmung einer
Stadt üblich war. Was Mantua indes nicht erspart blieb, war die Plünderung.
Der mantuanische Erbfolgekrieg 4 °3
die in diesem Fall nicht auf drei Tage beschränkt blieb, sondern sich über
Wochen hinzog. Es handelte sich dabei um zwei strukturell voneinander zu
unterscheidende Vorgänge: zum einen die Plünderung der Bürgerhäuser
durch die Soldaten, zum anderen das systematische Ausräumen des Her
zogspalastes durch die höheren Offiziere. Die Soldatenplünderungen ver
liefen nach dem üblichen Muster: Die Söldner drangen truppweise in die
Häuser ein und nahmen das mit, was ihnen wertvoll erschien und was sie
tragen konnten. Das begrenzte zunächst den Umfang des Geraubten. Wie
hätten sie auch die Menge dessen, was es in dieser reichen Stadt zu holen
gab, über die Alpen nach Deutschland schaffen sollen? Also entstanden
in und vor der Stadt Märkte, auf denen die Söldner die geraubten Gegen
stände zu Geld machten. Es waren die Marketender aus dem Tross des
Heeres, aber auch Trödler und Kaufleute aus der Umgebung Mantuas, die
das Raubgut aufkauften und dabei überaus gute Geschäfte machten. Die
Soldaten mussten die geplünderten Gegenstände loswerden, und da sie
deren Wert nicht wirklich einschätzen konnten, schlugen sie fast alles weit
unter Wert los. Sie brauchten Geld, und sobald sie das bekamen, waren sie
zufrieden.
Es gab bei der Plünderung freilich auch «Sozialrevolutionäre» Ein
sprengsel, die dort zutage traten, wo die notorisch am Existenzminimum
lebenden Trossangehörigen auf eine urbane Wohlhabenheit stießen, die für
sie sonst in unerreichbarer Ferne lag. «So beobachtete man die Ehefrauen
oder Geliebten von Soldaten dabei, wie sie sich auf offener Straße sch a m
los > ihrer schmutzigen Kleidung entledigten, in die Häuser der Reichen
eindrangen und den dortigen Frauen die Kleider vom Leib rissen; sie zogen
sie an, rannten zurück auf die Straße, tanzten dort und verbeugten sich spöt
tisch voreinander, wie es die feinen Herrschaften taten.»48 Lauro Martines
vermutet, dass darin vor allem die Freude zum Ausdruck kam, nicht der
Pestepidemie zum Opfer gefallen zu sein. Das lässt sich nicht ausschließen.
Viel stärker als die bloße Überlebensfreude traten in diesem Verhalten aber
Elemente der Sozialrevolte hervor, wie sie in Konstellationen der Anomie
immer wieder zu beobachten sind: Sie bringen keine neue Gesellschafts
ordnung hervor und führen auch nicht zu einem dauerhaft neuen Status der
augenblicklichen Gewalthaber. Sie sind eher symbolischer als sozialstruk
404 IT A L IE N IS C H -P O L N IS C H E S Z W ISC H E N SP IE L
tureller Art und spiegeln die diffusen Wünsche wie Ressentiments, die für
einen kurzen Augenblick ausgelebt werden können. Sie bilden die karneva
leske Seite bei der Eroberung und Plünderung einer Stadt.
Die systematische Ausplünderung des Herzogspalasts von Mantua
durch die Generäle Aldringen und Gallas war die andere Seite der Verwüs
tung Mantuas. Über zwei Jahrhunderte hatten die Herzoge aus dem Hause
Gonzaga Bilder und Bücher, Statuen und Teppiche, Möbel und Schmuck,
Medaillen und Gemmen zusammengetragen und so eine der prachtvolls
ten Kunstsammlungen Italiens geschaffen. Das Geld, das für diese Samm
lungen vonnöten war, hatten sie nicht selten als Condottieri im Dienste
einer kriegführenden Partei erworben.49 Die Gonzaga waren eine kriege
rische Familie, die sich durch investment in culture auf den Weg der Selbst-
zivilisierung begeben hatte, und im Verlauf der Jahrzehnte waren aus rauen
Söldnergenerälen fürstliche Kunstliebhaber geworden. Der Palazzo ducale
in Mantua war vor allem durch zwei Sammlungen berühmt: die Gemäl
degalerie und die herzogliche Bibliothek. Die Gemäldegalerie hatte in den
Jahren vor dem Sacco di Mantova bereits einen gravierenden Aderlass hin
nehmen müssen, als Herzog Vincenzo II. viele seiner Bilder an den engli
schen König Karl I. verkauft hatte. Schwerkrank und ohne direkte Nach
kommen, hatte er einige seiner kulturellen Schätze zu Geld gemacht, um
sich anderen Vergnügungen als denen des Kunstgenusses zu widmen. Es
war indes noch genug da, um das Ausräumen des Palasts zu einem lukra
tiven Unternehmen zu machen, und die siegreichen Generäle wollten die
Kulturgüter des Herzogspalasts nutzen, um denselben Weg zu beschreiten,
den die Gonzaga in den zwei Jahrhunderten zuvor gegangen waren.
Kurz nach der Eroberung Mantuas ließ Johann von Aldringen den
Zugang zum Herzogspalast von 3000 Soldaten großräumig absperren.50
Die Kostbarkeiten sollten vor einer wahllosen Plünderung durch die Sol
daten bewahrt werden. Offiziell wurden alle beweglichen Gegenstände des
Palasts für den Kaiser beschlagnahmt; tatsächlich gingen sie jedoch in den
Besitz von Aldringen, Gallas und Piccolomini über, und auch der schwer
kranke Collalto wurde mit einigem bedacht. Transportprobleme stellten
sich für das Heereskommando nicht: Es wurden Fuhrwerke bereitgestellt,
die, von Militär eskortiert, in einem langen Zug die Beute über die Alpen
Der mantuanische Erbfolgekrieg 405
schafften, wo sie den Grundstock für die Ausstaffierung der Schlösser und
Anwesen bildeten, die den kaiserlichen Generälen als Anerkennung für
ihre Leistungen übereignet wurden. Aldringen, der vom Sohn eines Kanz
leischreibers zum Feldmarschall aufgestiegen war, fand vier Jahre nach dem
Coup von Mantua in der Schlacht bei Landshut den Tod, aber sein Vermö
gen ging an die Erben über; Gallas staffierte damit seinen Palast in Prag aus,
den er als Dank für seine Beteiligung an der Ermordung Wallensteins erhal
ten sollte;51 und Piccolomini brachte die italienische Beute in seine nord
böhmischen Schlösser, die ihm aus Wallensteins Herzogtum Friedland
übereignet wurden, nachdem er die Tötung des Generalissimus in Eger
koordiniert hatte.S2 Die Beute aus dem Herzogspalast wird auf 18 Millio
nen Gulden geschätzt und bildete den Hauptposten des Vermögenstrans
fers von Italien nach Deutschland.53 Das war aber keineswegs alles, denn
durch die Ausräubung des Mantuaner Ghettos und die Vertreibung der
1800 Juden aus der Stadt, von denen jeder nur drei Dukaten mitnehmen
durfte, kam noch einmal eine Summe von 800 000 Gulden zusammen.
An der schwierigen Lage des Kaisers hatte die Eroberung Mantuas nichts
geändert. Casale blieb in französischer Hand, und auch die Festung Pine-
rolo war in den Besitz der Franzosen geraten. Spanien stand unter wach
sendem Druck, sich bei der Schwerpunktsetzung seiner strategischen Ziele
zwischen Flandern und Montferrat zu entscheiden, denn die Holländer
hatten die spanischen Truppenverlegungen nach Norditalien genutzt und
die Initiative übernommen. Hinzu kam, dass der Kaiser seine Truppen
aus Italien abziehen und in den Nordosten Deutschlands verlegen musste,
wo Gustav Adolf sich inzwischen eine stabile Operationsbasis verschafft
hatte. An die gleichzeitige Unterhaltung von zwei großen Kriegsschau
plätzen, einem gegen die Schweden in Pommern und Mecklenburg und
einem gegen Frankreich in Norditalien (und womöglich einem weiteren
im Eisass), war trotz der Größe des kaiserlichen Heeres nicht zu denken:
zum einen, weil mit dem Umfang der zu kontrollierenden Gebiete auch das
Erfordernis von Besatzungstruppen wuchs, was die bewegliche Feldarmee
kontinuierlich verkleinerte, und zum anderen, weil die Kurfürsten immer
energischer auf eine Reduzierung des kaiserlichen Heeres drängten, das
406 IT A L IE N IS C H -P O L N IS C H E S Z W ISC H E N SP IE L
zu unterhalten sie nicht länger bereit waren. Und schließlich war an eine
Weiterführung des Krieges in Italien auch darum nicht zu denken, weil der
Kaiser im Sommer 1630 auf dem Kurfürstentag in Regensburg den Organi
sator seines Heeres, den Generalissimus Wallenstein, unter dem Druck der
Kurfürsten hatte entlassen müssen.
Der Frieden von Cherasco, mit dem der mantuanische Krieg im Früh
jahr 1631 beendet wurde, war ein demütigender Frieden für den Kaiser, der
seine Autorität und auch die Macht Spaniens schwer beschädigte: Der Her
zog von Nevers behielt Mantua und Montferrat, Casale blieb in französi
scher Hand, die kaiserlichen Truppen wurden aus Italien zurückgezogen.
Der Friede von Lübeck, bei dem der Kaiser aus einer Position der Stärke
heraus verhandelt hatte, war ein großzügiger Friedensschluss; der Friede
von Cherasco ein Vertrag der Schwäche und des Rückzugs. Zwischen
Lübeck und Cherasco hatte die Macht des Kaisers ihren Zenit überschrit
ten. Es war allerdings nicht nur das Haus Habsburg, das durch das italie
nische Abenteuer einen schweren Schlag erlitten hatte, sondern auch der
Katholizismus insgesamt. Der mantuanische Erbfolgekrieg, klagte Papst
Urban V III. am 1. Mai 1632, habe die katholische Sache zu Fall gebracht,
«denn jedermann weiß, daß vor dem Krieg die Habsburger, die Franzosen
und alle anderen katholischen Fürsten sich über auswärtige Fragen einig
waren und daß [... ] die katholische Religion in Deutschland, in Frankreich
und überall gute Fortschritte machte».54 Das sah im Frühjahr 1632 ganz
anders aus.
Eher widerwillig und missmutig als von dem möglichen Nutzen des Unter
nehmens überzeugt, hatte sich Wallenstein auf das Italien-Abenteuer des
Kaisers eingelassen und den Großteil seiner feldverwendungsfähigen
Armee in die Lombardei in Marsch gesetzt. Er folgte damit kaiserlichem
Befehl. Wallenstein selbst ging davon aus, dass die Hauptgefahr für das
Wallensteins polnischer Diversionskrieg 407
Reich im Nordwesten und Nordosten lag und dass der Krieg um die Nie
derlande sowie die Abwehr einer schwedischen Invasion entscheidend
sein würden. Deswegen wollte er den schwedischen König so lange wie
möglich in Polen binden und tat alles dafür, dass der polnisch-schwe
dische Krieg fortdauerte. Zu diesem Zweck entsandte er im Frühjahr
1629 ein 10 000 Mann starkes Korps unter Feldmarschall Arnim, das den
Polen zu Hilfe kommen sollte. Arnim war für dieses heikle Unternehmen
der richtige Mann: Er hatte von 1613 bis 1617 in der schwedischen Armee
gedient, dann im Rang eines Obersten seinen Abschied genommen, um
in polnische Dienste zu wechseln. In den Jahren 1623 und 1624 hatte er als
Regimentskommandeur noch einmal bei den Schweden gedient, bevor er
schließlich zu Wallenstein stieß. Er kannte also den Gegner ebenso gut wie
den Verbündeten. Mit diesem Schachzug, Arnim nach Polen zu schicken,
um die polnische Kriegführung gegen Gustav Adolf zu intensivieren, hin
derte Wallenstein den Schwedenkönig daran, «den Schwerpunkt der Ope
rationen von Preußen nach Pommern zu verlegen und eine auf Stralsund
gestützte Offensive gegen die Kaiserlichen zu unternehmen».55
Die kaiserlichen Truppen wurden in Polen allerdings alles andere als
freundlich aufgenommen. Früher erfolgte Angebote kaiserlicher Waffen-
hilfe hatte der polnische Reichstag, der Sejm, stets zurückgewiesen, und
erst 1629 hatte er sich gegen den heftigen Widerstand einer Minderheit
anders entschieden. Das Verhältnis beider Seiten war angespannt, unter
anderem deswegen, weil die von den Polen zugesagte Versorgung der kai
serlichen Truppen nicht klappte, wobei dahingestellt bleiben mag, oh dem
eine Absicht zugrunde lag oder ob die Polen damit logistisch überfordert
waren. Jedenfalls hungerten die Soldaten, was, wie nicht anders zu erwar
ten, zu Plünderungen führte, und die wiederum waren kaum geeignet, das
Verhältnis zu verbessern. Das polnische Unbehagen gegenüber den kai
serlichen Truppen erwuchs im Wesentlichen daraus, dass man vor deren
Eintreffen dem Abschluss eines Waffenstillstands mit den Schweden nahe
war - Gustav Adolf wollte ja den polnischen Kriegsschauplatz schließen,
um in den Krieg auf deutschem Boden eingreifen zu können - , was sich nun
zerschlug. Der polnische Landadel war der Lasten des Krieges überdrüssig
und argwöhnte nicht zu Unrecht, der Kaiser wolle den polnischen König
408 IT A L IE N IS C H -P O L N IS C H E S Z W ISC H E N SP IE L
Das französische Eingreifen machte aus diesem faktischen dann einen for
malen Waffenstillstand, der, auf eine Dauer von sechs Jahren abgeschlos
sen, die Voraussetzung dafür war, dass sich Gustav Adolf gänzlich dem
deutschen Kriegsschauplatz widmen konnte. Am l.Juli 1629 traf Riche-
lieus Sondergesandter Charnace in Warschau ein, um die kriegerische Ent
schlossenheit Gustav Adolfs gegen den Kaiser zu wenden.57 Das kam der
Überzeugung Gustav Adolfs entgegen, wonach die Entscheidung im Zen
trum, auf dem Boden des Kaiserreichs, fallen werde, weshalb Schweden
dort eingreifen müsse, wenn es an der Neuordnung der Machtverhältnisse
beteiligt sein wolle. Zu dieser Sicht hatte nicht zuletzt der schwedische Aus
schluss vom Lübecker Frieden beigetragen. Richelieus Politik wiederum
war an der Devise orientiert, dass Frankreich sich möglichst viele Optionen
offenhalten müsse und sich unter keinen Umständen auf eine konfessio
nelle Blockbildung einlassen dürfe.
Das galt sowohl für eine Blockkonfrontation zwischen den katholi
schen und den protestantischen Mächten als auch für die Positionierung
Frankreichs gegen das Reich in seiner Gesamtheit; vielmehr sollten in so
vielen Fragen wie möglich die Kurfürsten als Repräsentanten des Reichs
gegen den Kaiser ausgespielt werden. Nur indem man vermied, dass Frank
reich Bestandteil eines politischen Blocks wurde, war es möglich, Paris wie
der zum Schiedsrichter und Aufseher über die europäischen Angelegenhei
ten zu machen. Darum ging es Richelieu: das Projekt aufzunehmen, das
von Heinrich IV. verfolgt worden war. Gegner dieser selbständig-pragmati
schen Politik waren nicht nur die auf ein Bündnis zwischen Frankreich, Spa
nien, Papst und Kaiser setzende Königinwitwe Maria de’Medici, sondern
4 io IT A L IE N IS C H -P O L N IS C H E S Z W ISC H E N SP IE L
auch jene Kräfte, die unter dem Eindruck der kaiserlichen Parteinahme
für Spanien den Einmarsch französischer Truppen ins Eisass forderten.
Ein offener Krieg gegen das Reich, so Richelieu und seine Berater, würde
jedoch zwangsläufig dazu führen, dass Kurfürsten und Kaiser zusammen
rücken und alle Trenn- und Spaltungslinien, mit denen die französische
Diplomatie bislang gearbeitet hatte, aufgelöst würden. Hatten erst einmal
die Generäle das Sagen, würden die Handlungsspielräume der Politik - also
die Richelieus - immer enger werden. Unter diesen Umständen setzte der
Kardinal darauf, Gustav Adolf im Kampf gegen den Kaiser zu unterstützen,
ein allzu enges Bündnis mit den Schweden aber zu vermeiden.
Es war ein ebenso schwieriger wie langwieriger Prozess, in dem die
schwedisch-französische Annäherung erfolgte: Der am 26. September 1629
Unterzeichnete Waffenstillstandsvertrag von Altmark, der den Krieg zwi
schen Polen und Schweden beendete, war die erste Etappe; der Vertrag
von Bärwalde, am 23. Januar 1631 geschlossen, die zweite. Der Vertrag von
Bärwalde regelte die französischen Subsidienzahlungen für die Schweden
unter der Voraussetzung, dass sie die Neutralität Bayerns und der katholi
schen Liga respektierten, freilich nur, sofern diese selbst neutral blieben.58
Was sich zwischen Altmark und Bärwalde entwickelte, war ein Verhältnis
des wechselseitigen Aufeinander-angewiesen-Seins: Richelieu brauchte
Gustav Adolf (den König, «der mit allen seinen Nachbarn Krieg führt»59,
wie die französischen Diplomaten ihn beschrieben) als Schwert gegen den
Kaiser, um nicht selbst in den Krieg eintreten zu müssen, und Gustav Adolf
brauchte die französischen Subsidien, um den Krieg in Deutschland über
haupt führen zu können. Was beide verband, war der gemeinsame Feind;
was sie trennte, waren die von ihnen verfolgten politischen Ziele.
Die Aufgabe, die Charnace im Sommer 1629 zu bewältigen hatte,
bestand darin, die von schwedischer und polnischer Seite erhobenen Maxi
malforderungen einander anzunähern. Das wurde möglich, als sich der
Brandenburger Kurfürst in die Verhandlungen einschaltete und vorschlug,
«die Schweden sollten ihre im preußischen Landesinnern gemachten
Eroberungen räumen und treuhänderisch an ihn übergeben, wofür er die
Häfen Pillau, Fischhausen, Lochstädt und Memel samt ihren Zöllen Gus
tav Adolf als Faustpfand überlassen würde».60 Ohne diese Zolleinnahmen
Wallensteins polnischer Diversionskrieg 411
es ihr nicht gelungen, den schwedischen König weiter in einen lange wäh
renden Krieg außerhalb des Reichs zu verwickeln. Ohne dass dies sogleich
erkennbar war, wurde das Jahr 1629 zum Wendepunkt des Krieges: Die Sie
gesserie der katholischen Partei und des Kaisers war zu Ende, und auf sie
sollten in den Jahren danach schwere Niederlagen folgen.
5. K A P I T E L
DIE ZEIT DER G R O SSEN SC H L A C H T E N :
DER SCH W EDISCH E KRIEG
B
eim Sprung vom Boot aufs Land verletzte sich Gustav Adolf leicht, je
denfalls kam er nicht sicher auf, stolperte und stürzte zu Boden. Derlei
galt als schlechtes Omen. Der König wusste das und versuchte, aus dem
Sturz eine Demutsgeste gegenüber Gott zu machen, indem er niederkniete
und betete.1 Dieses Ankunftsgebet aufUsedom ist in der protestantischen
Mythologie breit ausgestaltet worden: Nicht um machtpolitischer Ziele
willen habe Gustav Adolf in den Krieg eingegriffen; vielmehr sei er ein In
strument Gottes gewesen, damit der evangelische Glaube in Deutschland,
dem Ausgangspunkt der reformatorischen Rückkehr zum Evangelium,
nicht untergehe. Nicht als Eroberer, sondern als Retter und Beschützer
kam Gustav Adolf demzufolge nach Deutschland, und mit der symbo
lischen Szene am Strand von Usedom nahm er sich selbst in die Pflicht,
dieser Aufgabe auch zu genügen. «Dies ist der Mann, der helfen kann»,
lautete eine der Formeln, mit denen Gustav Adolfs Kniefall auf deutschem
Boden betitelt wurde; damit wurde eine eigentlich für Christus vorbehalte
ne Formulierung auf den Schwedenkönig übertragen. Sein Tun wurde mit
erzählerischen und bildnerischen Mitteln geheiligt - freilich nicht, indem
man ihn, wie das bei Katholiken der Fall gewesen wäre, mit Heiligen um
geben und seinen Kopf in eine Gloriole gehüllt hätte; man zeigte ihn statt-
Gustav Adolf steht ganz vorn im Boot. Ein weiteres Boot mit stehen
dem Fahnenträger kommt heran. Im Hintergrund ragen die Masten und
Segel der schwedischen Flotte auf. Der Historienmaler Carl Häberlin
hat in seinen Illustrationen zu Schillers Geschichte des Dreißigjährigen
Krieges den Augenblick der Landung auf Usedom als weltgeschichtlichen
Moment in Szene gesetzt. «G ustav Adolf war der erste», so die von
Häberlin illustrierte Passage bei Schiller, «d er hier ans Land stieg. Im
Angesicht seines Gefolges kniete er nieder auf Deutschlands Erde und
dankte der Allmacht für die Erhaltung seiner Armee und seiner Flotte.»
Gustav Adolfs Landung auf Usedom 417
der die Feinde / gleichen Ruhm mit Juda Maccabaeo in warheit führet /
vnd nit ein geringes Zeugniß der Göttlichen beywohnung / vnd künftigen
guten außgangs deß Göttlichen Ehren Wercks ist.»5
Es war eine eher kleine Streitmacht, mit der Gustav Adolf am 26. Juni 1630
nach dem julianischen Kalender - beziehungsweise am 6. Juli nach dem
gregorianischen - an der Nordwestspitze von Usedom landete, dort, wo
der Peenestrom in das offene Meer mündet. «10400 Mann Infanterie,
2750 Reiter und 81 leichte Geschütze wurden von der 100 Transportschiffe,
25 Kriegsschiffe und vier bewaffnete Kauffahrer umfassenden Flotte an
Land gesetzt.»6 Das war eine große logistische Leistung, und doch hät
ten die angelandeten Truppen kaum ausgereicht, einem entschlossenen
Gegenschlag der kaiserlichen Truppen standzuhalten, wie ihn Wallenstein
gegen die Dänen bei Wolgast geführt hatte.7 Gustav Adolf hatte den Lan
dungsort bei Peenemünde freilich geschickter ausgewählt als der dänische
König Christian, der sich nicht für eine der Küste vorgelagerte Insel, son
dern für das Festland entschieden hatte. Im letzten Fall waren die Kaiserli
chen schnell und in großer Zahl an Ort und Stelle gewesen, um die Inva
sionsstreitmacht am Küstensaum zu halten und ins Meer zurückzuwerfen.
Das war auf der Ostseeinsel Usedom so nicht möglich, denn hier mussten
die Verteidiger selbst auf die Insel übersetzen, und dabei waren sie auf die
selbe Weise verwundbar wie die angelandeten Schweden.
Es mag sein, dass General Torquato Conti, der die kaiserlichen Trup
pen in Pommern befehligte, diese Probleme im Auge hatte, als er auf einen
unmittelbaren Schlag gegen die auf Usedom gelandeten Schweden verzich
tete, aber er blieb auch passiv, als die Schweden ihre Basis erweiterten und
in Pommern Fuß fassten. Zwei Wochen nach der Landung verfügte Gustav
Adolf bereits über 16 000 Mann Infanterie und 3200 Kavalleristen,8und das
war eine Streitmacht, mit der es Conti aus eigenem Entschluss und ohne
Verstärkung nicht mehr aufnehmen konnte. Wallenstein, der Contis Ent
schlusskraft hätte aufhelfen können, hatte sich zu dieser Zeit bereits nach
Memmingen begeben, wo er sein Hauptquartier aufgeschlagen hatte, um
die Truppenbewegungen in Norditalien zu koordinieren. Vor allem aber
wollte er von Memmingen aus beobachten, wie sich das Geschehen auf
Gustav Adolfs Landung auf Usedom 419
sei.11 Das war für Grubbe, den Sekretär Gustav Adolfs, der die Gedanken
und Stimmungen des Königs zu Papier brachte, eine wichtige Selbstverge
wisserung, denn ohne den Segen Gottes würde dem Vorhaben kein dauer
hafter Erfolg beschieden sein. So aber hatte alles gut begonnen, und man
konnte voll Zuversicht in die Zukunft blicken. Jetzt kam es darauf an, die
Operationsbasis zu verbreitern und Verbündete unter den deutschen Pro
testanten zu finden. Beides waren unabdingbare Voraussetzungen für den
Vorstoß ins Reich.
Die Vergewisserung, dass Gottes Segen auf dem Unternehmen liege,
kam nicht von ungefähr, denn Gustav Adolf scheint immer wieder von
Zweifeln umgetrieben worden zu sein, ob es richtig sei, in den seit einem
Jahrzehnt andauernden Krieg in Deutschland einzugreifen, einen Krieg,
bei dem nicht abzusehen war, wann er enden würde. Stürzte der König sich
und sein Heer womöglich in ein Abenteuer, aus dem es kein Entkommen
gab? Das klägliche Scheitern des dänischen Konkurrenten, der Schweden
eineinhalb Jahrzehnte zuvor noch eine bittere Niederlage beigebracht hatte,
war ein Warnzeichen. Allein die Solidarität mit den unterdrückten protes
tantischen Glaubensbrüdern in Deutschland konnte keine hinreichende
Begründung sein, sich auf ein derart riskantes Unterfangen einzulassen,
zumal die protestantischen Fürsten in Deutschland wenig dafür taten, ihrer
Bedrückung selbst abzuhelfen. Ein unüberhörbarer Hilferuf jedenfalls war
von ihrer Seite an Gustav Adolf nicht ergangen. Gleichwohl erklärte er bei
seiner Abschiedsrede vor den Reichsräten in Stockholm am 19. Mai 1630:
«Da Mancher sich einbilden mag, daß wir uns diesen Krieg ohne gegebene
Ursache aufbürden, so nehme ich Gott den Allerhöchsten, in dessen Ange
sicht ich hier sitze, zum Zeugen, daß ich solches nicht aus eigenem Gefallen
oder Kriegslust unternommen, sondern dazu seit mehreren Jahren auffal
lende Ursache habe, meist darum, daß unsere unterdrückten Religionsge
nossen mögen von dem päpstlichen Joche befreit werden, was wir auch mit
Gottes Gnade hoffen ausführen zu können.»12 Gegenüber den Reichsräten
hat der König also seine Verbundenheit mit den unterdrückten Glaubens
brüdern deutlich betont.
Im Umgang mit den Großen seines Reichs bediente Gustav Adolf sich
freilich handfesterer Argumente, in denen unüberhörbar der schwedische
Gustav Adolfs Landung auf Usedom 421
In der Literatur zu Gustav Adolf ist das Motivbündel für das Handeln des
Königs immer wieder unter der Fragestellung betrachtet worden, welcher
Aspekt für den König wohl der entscheidende gewesen sei und welcher eher
propagandistischem Schein und politischer Täuschung gedient habe. So
Die Debatte über Gustav Adolfs Kriegsgründe 413
thun, zumal bei seiner Persönlichkeit. [... ] Ein solcher Mann zog die allge
meine Aufmerksamkeit auf sich, auch wenn er nicht König gewesen wäre.
Dazu kam der ihn umgebende Glanz der bisherigen Waffenerfolge über die
Dänen, die Russen, die Polen. Es wird gesagt, daß seine Soldaten ihn ver
ehrten nicht bloß wie ihren König, sondern gleich wie ein höheres Wesen.18
Umso wirksamer musste sein Beispiel in Betreff der Religionsausübung
sein. [... ] Überhaupt gehörten in der Fürsorge der Religionsausübung die
schwedischen Kriegsartikel zu den schärfsten der ganzen Z eit.»19
Nun lässt sich freilich auch die in vielen Zeugnissen dokumentierte
Religiosität und Bekenntnispraxis des Königs als ein politisches Strate-
gem dekonstruieren, das dem Zweck diente, die Truppe zu disziplinieren
und so ihre Kampfkraft zu erhöhen. A uf diese Weise ist es ohne weiteres
möglich, den König immer weiter zu skelettieren, bis zuletzt nur noch ein
machtpolitisches Gerüst übrig bleibt. Psychologisch ist das wenig plausibel,
da im Handeln Gustav Adolfs beide Aspekte eng miteinander verbunden,
wenn nicht gar zu einer einzigen Handlungsdirektive verschmolzen waren.
Das zeigt sich erst recht bei dem dritten Motivationsstrang, der in der For
schungsliteratur als leitend für das königliche Agieren ausgemacht worden
ist. Gemeint sind die wirtschaftspolitischen Motive des Königs: Der Krieg
sei demnach zur Festigung der ökonomischen Position Schwedens geführt
worden, wobei es nicht nur um die fiskalische Kontrolle des Ostseehandels
gegangen sei, sondern vor allem um die Stellung Schwedens in der europä
ischen Eisen- und Kupferproduktion; das Vordringen des Kaisers bis zur
Ost- und Nordseeküste habe Deutschland dem ungarischen Kupferhan
del geöffnet und damit das schwedische Quasi-Monopol über das Kupfer
in Norddeutschland gefährdet.20 Paradigmatisch für diese Sichtweise ist
die Gustav-Adolf-Biographie des sozialdemokratischen Historikers Franz
Mehring, der den Schwedenkönig als devastator Germaniae bezeichnete, der
einem hemmungslosen Militarismus angehangen habe.21 Mehring ging es
vor allem um Geschichtspolitik, also den Gebrauch historischer Beispiele
für politische Zwecke, und in diesem Sinn wollte er dem protestantischen
Nationalkonservatismus einen seiner Heroen entreißen beziehungsweise
zeigen, dass dieser mehr ein Verwüster denn ein Befreier Deutschlands
gewesen sei. Nachdem einige Autoren eine direkte Verbindungslinie zwi-
Die Debatte über Gustav Adolfs Rriegsgründe 4 15
sehen Gustav Adolf und den Hohenzollern in Berlin hergestellt und Gustav
Adolf gewissermaßen «borussifiziert» hatten, war dessen Desavouierung
immer auch ein Angriff auf Kaiser Wilhelm, von dem «ein klassenbewuss
ter Proletarier» nur Unglück und Verderben zu erwarten habe.
Deutlicher als sonst der Fall, tritt bei Franz Mehring die geschichtspo
litische Grundierung in der Beschäftigung mit dem Schwedenkönig zutage:
Man schreibt über Gustav Adolf und hat dabei stets die Fragen und Heraus
forderungen der eigenen Zeit vor Augen beziehungsweise stellt bewusst Par
allelen zwischen dem Schwedenkönig und einigen politischen Akteuren der
Gegenwart her. Diese geschichtspolitische Nutzung Gustav Adolfs geht bis
auf den Preußenkönig Friedrich II. zurück, der mit Blick auf die begrenzte
wirtschaftliche Leistungsfähigkeit Schwedens und die herausragenden
Leistungen seiner Armee eine Wahlverwandtschaft zwischen sich und Gus
tav Adolf erkannt hat. Einiges daran traf auf frappierende Weise zu, denn
eigentlich war Schweden im 17. Jahrhundert ebenso wenig wie Preußen im
426 D IE Z E IT D ER G R O SSE N SC H L A C H T E N
18. Jahrhundert ökonomisch den Aufgaben gewachsen, die den beiden Län
dern von ihren Herrschern aufgebürdet wurden. Diese Hypertrophie mili
tärischer Macht im Verhältnis zu politischer, ökonomischer und kultureller
(oder ideologischer) Macht wird üblicherweise als Militarismus bezeich
net,22 und ganz zweifellos ist der in diesem Sinn verstandene Militarismus
ein Bindeglied zwischen dem Aufstieg Schwedens und dem Preußens. Zu
den Bindegliedern gehört indes auch, dass keine der beiden Mächte ihre
Kriege ohne Subsidien anderer hätte führen können. Clausewitz hat das
in einer prägnanten Formel zusammengefasst: «Gustav Adolf betrieb ein
Geschäft, welches weit die Grenzen seiner Kräfte überstieg, wie der Kauf
mann durch bloßen Kredit.»23 Die Armee, so lässt sich diese Formulierung
weiterführen, war durch ihre Leistungsfähigkeit der Garant des Kredits. Das
ist eine weitere Definition von Militarismus: Militarismus liegt vor, wenn
die Armee - und nur die Armee - die internationale Kreditfähigkeit eines
Landes garantiert und diese Armee mitsamt ihren Generälen durch Dritte
finanziert wird, damit sie bestimmte Aufgaben in deren Interesse erledigt.
Werden aus dem Motivbündel Gustav Adolfs einzelne «eigentliche»
Beweggründe herausgelöst, hinter denen man propagandistische Zwecke
und eine legitimatorische Ideologie vermutet, dient das vor allem dem
geschichtspolitischen Kampf. Es geht dabei nicht darum, der komplexen
Vorstellungswelt Gustav Adolfs gerecht zu werden, sondern ihn als poli
tisches Vorbild oder Schreckbild zu präsentieren. Das Gustav-Adolf-Bild
der proschwedischen Schriften, wie es zwischen 1630 und 1633 entstan
den ist, wird dekonstruiert. Doch diese Dekonstruktion eröffnet entgegen
einer weitverbreiteten Vorstellung keineswegs den Blick auf eine unver
stellte Wirklichkeit, sondern legt nur die Elemente frei, aus denen ein
«politisches Image» geformt worden ist. Das Bedürfnis nach geschichts
politischen Konstruktionen besteht unterdessen fort und will befriedigt
werden. Das zeigt sich an der Gustav-Adolf-Biographie Günter Barudios.
der den Schwedenkönig, indem er ihn als einen Verfechter des «libertä
ren Verfassungsstaats» beschreibt, für die Bundesrepublik Deutschland
und die Europäische Union anschlussfähig gemacht hat.24 Einem solchen
Vorbild kann dann nach Barudios Auffassung auch zugesprochen werden,
was unter Historikern gänzlich aus der Mode gekommen ist: historische
Die Debatte über Gustav Adolfs Kriegsgründe 4»7
man davon ausgeht, sie seien der schwedischen Propaganda einfach auf den
Leim gegangen. Der Krieg dauerte bereits zu lange, und die Propagandisten
beider Seiten hatten in den zurückliegenden Jahren ihre Instrumente schon
allzu häufig eingesetzt, als dass eine solche Annahme plausibel wäre.
Nach seiner Landung auf Usedom blieb Gustav Adolf zunächst auf sich
allein gestellt. Die protestantischen Fürsten im östlichen Norddeutschlanc
hielten sich zurück und reklamierten im Konflikt zwischen König und Kai
ser Neutralität für sich. Während der ersten Wochen war die Hansestadt
Stralsund der einzige Verbündete der Schweden, und nur die vertriebenen
Herzoge von Mecklenburg, die nichts mehr zu verlieren hatten, schick
ten Gesandte ins schwedische Lager, um Unterstützung anzubieten. Die
bestand indes in nicht mehr als gutem Willen und der Hoffnung, Gustav
Adolf werde sie, wenn er militärisch erfolgreich sei, wieder in ihre Herzog
tümer einsetzen. Alle anderen warteten zunächst einmal ab, wie sich die
Lage entwickelte. Einige, allen voran Kurfürst Johann Georg von Sachsen
misstrauten dem Schweden und hätten es lieber gesehen, wenn er sich aus
dem Krieg in Deutschland herausgehalten hätte.31 So distanziert wie der
sächsische verhielt sich der brandenburgische Kurfürst nicht; schließlich
war er der Schwager Gustav Adolfs und hatte in den zurückliegenden Jah
ren mehrfach versucht, den Schweden in den Krieg hineinzuziehen. Aber
auch er wollte zunächst abwarten, ob es dem König gelingen würde, sich
in Deutschland festzusetzen. Und so beanspruchte er ebenso wie Herzog
Bogislaw von Pommern, in dessen Gebiet die Schweden gelandet waren
die Anerkennung der Neutralität durch die Schweden. Genau die aber
konnte und wollte Gustav Adolf keinem von ihnen zugestehen; stattdessen
drängte er darauf, sich zu entscheiden, ob sie ihm gegenüber «Freund oder
Feind» sein wollten.32
Das Streben nach Neutralität 429
Es gab eine Reihe von Gründen dafür, dass die deutschen Fürsten
zunächst einmal abwarten wollten. Nur zu deutlich hatte man das politische
Schicksal derer vor Augen, die sich fünf Jahre zuvor auf die Seite des Dänen
königs Christian geschlagen hatten und in dessen Scheitern hineingerissen
worden waren. Christian selbst mochte zwar im Lübecker Frieden glimpf
lich davongekommen sein, doch das galt nicht für seine deutschen Partei
gänger, die im Stich zu lassen eine der Voraussetzungen dafür gewesen war,
dass Christian selbst so günstige Friedensbedingungen erhalten hatte. Das
kaiserliche Restitutionsedikt bedrohte zwar nahezu alle protestantischen
Landesherren mit Cebietsverlusten, was ein guter Grund gewesen wäre,
sich auf die Seite des Schweden zu schlagen, aber die offene politische und
erst recht militärische Parteinahme gegen den Kaiser konnte schnell, wie
das Beispiel des Pfalzgrafen oder der Fierzöge von Mecklenburg zeigte, mit
dem Verlust des gesamten Herrschaftsgebiets enden. Man hatte die Stärke
des Wallenstein’schen Heeres in den letzten Jahren kennengelernt und
wusste nicht, ob Gustav Adolf dem gewachsen sein würde. Wie, so schei
nen sich die meisten gefragt zu haben, wollte er mit seinen begrenzten Res
sourcen gegen diese gewaltige Übermacht ankommen? Die glaubensfesten
Protestanten mochten im schwedischen König den seit langem erwarteten
Befreier sehen, aber die Fürsten und ihre Räte hatten die Kräfteverhältnisse
zu bedenken und auf dieser Grundlage Voraussagen zu machen, wie sich
der Krieg entwickeln werde. Es sprach zunächst wenig dafür, dass es Gustav
Adolf anders ergehen würde als Christian von Dänemark.
Die jetzt einsetzende Propagandaschlacht war eine innerprotestanti
sche Auseinandersetzung um die Frage, ob man Gustav Adolf eine grund-
.egende Wende in diesem Krieg Zutrauen könne und sich ihm anschließen
solle oder ob es ratsam sei, auf Abstand zu bleiben und zunächst einmal
abzuwarten. Die Analogien zwischen dem schwedischen König und den
großen Gestalten des Alten Testaments, die Stilisierung Gustav Adolfs zu
emem neuen Luther und schließlich die christusähnliche Zeichnung des
Königs, der als Befreier von der Macht des Bösen gekommen sei,33 waren
Formeln, die Mut machen sollten; sie versicherten, dass der Schwede kein
w eiter Christian sei, denn Gott selbst sei mit ihm. Wie sehr es dabei um
eme innerprotestantische Streitfrage ging, zeigt sich an der Parallelisie
43° D IE Z E IT D ER G R O SSE N SC H L A C H T E N
rung Gustav Adolfs mit Martin Luther; der nämlich hatte den Gebrauch
von Waffengewalt im Konflikt mit dem Papsttum abgelehnt und darauf
bestanden, dass es sich um eine Auseinandersetzung handele, die allein mit
Wort und Schrift auszutragen sei. A uf Luthers Ablehnung von Waffenge
walt berief man sich vor allem in Kursachsen. So sah man sich ganz in der
Tradition des Reformators, als man in Dresden die Bündnisangebote des
Schweden dilatorisch behandelte und trotz des Restitutionsedikts an einer
kaisernahen und reichstreuen Politik festhielt. Dagegen wandte sich die
Darstellung Gustav Adolfs als «neuer Luther», wie sie in einer Reihe von
Predigten und Flugschriften zu finden ist: Man sei in eine neue Etappe des
heilsgeschichtlichen Kampfes eingetreten, in der, da sich der Antichrist in
Rom bewaffnet habe, auch die Protestanten zu den Waffen greifen und in
dem großen apokalyptischen Ringen solcherart gerüstet auf die Seite Got
tes treten müssten.34 Die apokalyptische Grundierung brachte zum Aus
druck, dass es um einen Kampf zwischen Gott und Teufel ging, bei dem es
keine Neutralität und kein zögerliches Beiseitestehen geben konnte.
Die Frage, ob sich Gustav Adolf würde behaupten können, bezog ihre
Dramatik nicht nur aus dem Blick auf die realen Kräfteverhältnisse, die im
Herbst 1630 für Schweden in Nordostdeutschland so schlecht gar nicht
waren, sondern auch aus den Enttäuschungen eines Jahrzehnts der Nieder
lagen, die zu allgemeiner Niedergeschlagenheit und fehlendem Vertrauen
in die eigenen Fähigkeiten geführt hatten. Gegen diesen Geist gingen die
Flugschriften mit biblischen Analogien an, in denen durch die Verheißung
eines gottgesandten Anführers die Kräfteverhältnisse umgekehrt und die
Resignation überwunden werden sollten. Mehr noch als die Befreiung des
Gottesvolkes aus der Babylonischen Gefangenschaft wurde dabei auf die
Herausführung der Juden aus Ägypten verwiesen:35 Es war ein Fremder -
Moses - , der kam und zum Retter des Volkes wurde, und obwohl die Streit
macht des Pharao den Israeliten um ein Vielfaches überlegen war, wurde sie
doch besiegt. Gustav Adolf war ein neuer Moses, den Gott den deutschen
Protestanten zu Hilfe gesandt hatte, und so hatte man ihm zu folgen. Ein
mal mehr zeigt sich in dieser Argumentation die enge Verbindung politi
scher und religiöser Fragen, die den Krieg am Brennen hielt.
Nun gab es freilich neben dem sozialpsychologischen Erfordernis
Das Streben nach Neutralität 431
Gustav Adolf musste seine Position auf Usedom und danach an der Oder
mündung sichern und ausbauen. Er positionierte Kriegsschiffe von Rügen
bis über die Odermündung hinaus, um zu verhindern, dass die Gegenseite
aber See Verstärkungen heranführte. Die in Mecklenburg und Vorpom
mern befindlichen kaiserlichen Truppen standen unter dem Befehl des
Herzogs Federigo Savelli, die in Hinterpommern unter dem des bereits
erwähnten Torquato Conti; es lag für Gustav Adolf also nahe, Stettin zu
besetzen, so dass beide Korps, wenn sie sich vereinigen wollten, dies nur
oderaufwärts konnten. Hatte Gustav Adolf sich erst einmal in den Besitz
von Stettin gebracht, so blieb Savelli und Conti nichts anderes übrig, als sich
nach Süden zurückzuziehen, denn mit Stettin als Rückendeckung konnte
der König den einen wie den anderen mit überlegenen Kräften angreifen,
431 D IE Z E IT D ER G R O SSE N SC H L A C H T E N
ohne dass dem Angegriffenen das jeweils andere Korps der Kaiserlichen zu
helfen vermochte. Der Erfolg der schwedischen Landung hing also davon
ab, dass der König Stettin zu seiner festen Basis und zu seinem Waffenplatz
machte.38 Schon daher konnte Gustav Adolf auf das pommersche Neutrali
tätsersuchen keine Rücksicht nehmen. Als Abgesandte des Herzogs Bogis-
law noch vor Abfahrt der Flotte nach Usedom Gustav Adolf um Respektie
rung der pommerschen Neutralität baten, antwortete er ihnen, wie Gustav
Droysen schreibt, er werde allerdings «in Pommern landen, weil er keinen
Platz wüßte, wo er es mit besserem Fug und Recht thun könnte, wie hier.
Auch hätte Pommern ihm genug Ursache gegeben, es nicht gar so höflich,
sondern als Feind zu behandeln.»39Als Begründung für die, wie er meinte,
feindliche Haltung Pommerns verwies er darauf, dass es Wallenstein, als
dieser bis zur Ostsee vorgedrungen war, keinen Widerstand geleistet und
auch nicht seine protestantischen Glaubensbrüder zu Hilfe gerufen habe.
Gustav Adolf wertete das als indirekte Parteinahme für den Kaiser. Er selbst
hätte sich zwar, so erklärte der Schwedenkönig den pommerschen Gesand
ten, «in den deutschen Krieg nicht mischen wollen, so lange derselbe fern
von seinen Grenzen geblieben sei und ihm weder genützt noch geschadet
habe. Da er [der Krieg] sich aber zu seiner und der Ostsee höchster Gefahr
genähert und mitten in Pommern eingenistet, würde er die begehrte Hülfe
[um die ihn der Herzog von Pommern jedoch nicht gebeten hatte] gewiß
nicht abgeschlagen haben. Er unternehme den Krieg nicht allein für die
Restitution der Freunde und Blutsverwandten, sondern auch und vor
nehmlich seiner eigenen Versicherung halber.»40 In diesem Fall stellte Gus
tav Adolf also das politische Motiv für sein Eingreifen heraus.
Am 10. Juli, also nur vier Tage nach der Landung auf Usedom, erschien
Gustav Adolf mit einem Teil seiner Truppen vor Stettin und erzwang die
Übergabe der Stadt. Die pommerschen Truppen unter Oberst Damitz
wurden dem schwedischen Kommando unterstellt, und zwischen Herzog
Bogislaw und dem König wurde ein Vertrag geschlossen, der de facto auf
die Unterwerfung Pommerns unter schwedische Oberherrschaft hinaus
lief: Alle zu Pommern gehörigen Provinzen und Städte, die Gustav Adolf
bereits erobert hatte oder noch erobern würde, sollten ausnahmslos und
unentgeltlich zu Pommern gehören, freilich unter der Voraussetzung, dass
Das Streben nach Neutralität 433
der Herzog sich verpflichtete, kein Stück seines Landes unter fremde Kont
rolle kommen zu lassen. Außerdem dürfe er mit keiner anderen Macht ohne
Zustimmung Gustav Adolfs einen Vertrag schließen. Zudem behielt sich
der König ausdrücklich vor, dass, sollte Bogislaw XIV. kinderlos sterben,
wovon auszugehen war, Schweden das Land in Besitz nehme, bis die Nach
folgefrage zu seiner Zufriedenheit geklärt sei.41 Bogislaw hatte allen Grund,
wenige Tage nach Abschluss dieses Vertrags an den Kaiser zu schreiben,
um ihm zu versichern, er sei mit nackter Gewalt zu dieser Vereinbarung
gezwungen worden.42 Er hielt diese Rückversicherung für unbedingt nötig,
obwohl im Vertrag ausdrücklich festgehalten war, dass dieser nicht gegen
Kaiser und Reich gerichtet sei.
So einfach wie mit dem Pommernherzog konnte es sich Gustav Adolf
mit Kurfürst Georg Wilhelm von Brandenburg nicht machen: Mit ihm
musste er verhandeln, und in einem langen Gespräch mit dessen Gesand
ten Cuno von Wilmersdorf am 22. Juli wies er die von diesem vorgebrachte
Bitte, die brandenburgische Neutralität zu respektieren, entschieden
zurück. Wie die Athener in dem von Thukydides überlieferten Dialog mit
den Meliern, argumentierte er, dass es sich hier um eine Konstellation
handele, in der es keine Neutralität geben könne. Anders als die Athe
ner berief er sich jedoch nicht auf die Physik der Macht, sondern auf die
existenzielle Entscheidungssituation des konfessionellen Bürgerkriegs.
Gegenüber Georg Wilhelm stellte er also die religiöse Dimension seiner
Intervention heraus: «Weiß denn Se. Lbd. [Seine Liebden] noch nicht,
daß des Kaisers und der Seinigen Intent sei, nicht eher aufzuhören, bis die
evangelische Religion im Reiche ganz ausgerottet werde, und daß Se. Lbd.
sich nicht Anderes zu versehen haben, als daß Sie werden gezwungen wer
den, entweder Ihre Religion zu verleugnen oder Ihre Lande zu verlassen?
Meinen Sie, daß Sie mit Bitten und Flehen ein Anderes erlangen werden?
Um Gottes willen bedenken Sie sich doch ein wenig und fassen mascula
consilia [mannhafte Beschlüsse], Sie sehen hier, wie wunderbarlich Gott
diesen frommen Herrn, den Herzog in Pommern, welcher auch so unschul
diger Weise - indem er gar nichts verwirkt, sondern nur sein Bier in Ruhe
getrunken hat - so jämmerlich um das Seine gebracht worden ist, fato quo-
dam necessario [durch eine gewissermaßen erzwungene Fügung] - denn er
434 D IE Z E IT D ER G R O SSE N SC H L A C H T E N
wohl gemußt - errettet hat, daß er sich mit mir verglichen [indem er mit mir
einen Vergleich geschlossen hat]. Was derselbe/afo [durch Fügung] gethan
das mag Se. Lbd. deliberato consilio [aus wohlbedachtem Ratschluss] thun. -
Ich kann nicht wiederum zurück: jacta est alea; transivimus Rubiconem [der
Würfel ist gefallen, wir haben den Rubicon überschritten]. Ich suche in die
sem Werke nicht das Meine, ganz keinen Gewinn, als die Sicherheit meines
Königreiches: sonsten habe ich nichts davon als Unkosten, Mühe, Arbeit
und Gefahr Leibes und Lebens.»43
Die Sicherheit Schwedens und die Verteidigung des protestantischen
Bekenntnisses in Deutschland stehen in Gustav Adolfs Argumentation also
eng beieinander; sie sind kein Widerspruch, sie bilden eine Einheit. Die
Alternative, wie sie sich in Gustav Adolfs Augen darstellte, lief darauf hinaus
entweder für seine Sache entschlossen einzutreten und dafür zu kämpfen
oder sich zum Spielball des Schicksals zu machen und daran zugrunde zu
gehen. Gustav Adolfs Argumentation war ein Generalangriff auf die Unent
schlossenheit und den mangelnden Mut der protestantischen Fürsten in
Deutschland, und hinter dem Spott auf den biertrinkenden Bogislaw ver
barg sich der auf den mindestens ebenso trinkfesten Johann Georg von
Sachsen. Der nämlich weigerte sich beharrlich, Partei zu ergreifen und sich
dem Schwedenkönig anzuschließen, und solange der Sachse nicht auf die
schwedische Seite überwechselte, würden das auch viele andere protestan
tische Fürsten nicht tun. Diesen mitleidigen bis verachtungsvollen Blick auf
die protestantischen Fürsten hat Gustav Adolf bis zuletzt behalten. Es gab
für ihn nur wenige Ausnahmen.
Georg Wilhelm gehörte nicht zu diesen Ausnahmen, und so setzte
Gustav Adolf dessen Gesandten Wilmersdorf weiter unter Druck: «Ich
will von keiner Neutralität etwas wissen noch hören. Der Kurfürst muß
Freund oder Feind sein. Wenn ich an seine Grenze komme: so muß er
kalt oder warm sich erklären. Hier streiten Gott und der Teufel. Will der
Kurfürst es mit Gott halten, wohl, so trete er zu mir: will er es lieber mit
dem Teufel halten, so muß er zuvor mit mir fechten, tertium non dabitur
[ein Drittes wird es nicht geben]: das seid gewis. Das überbringt ihm .»4*
Es ging Gustav Adolf dabei um die Festungen in Brandenburg, vor allem
um Spandau und Küstrin, durch deren Kontrolle er seine Operationsbasis
Wallensteins Entlassung 435
erheblich ausweiten konnte. Wenn sich der Kurfürst schon nicht offen an
seine Seite stellen wolle, «so gebt mir Euere Festungen, so will ich euch
vertheidigen, und euer Herr mag dann verharren in seiner Thatlosigkeit, die
er so sehr liebt».45
Sein Herr, so Wilmersdorf dagegen, sei ein Freund des Friedens, und
augenblicklich sei die Chance darauf durch die Einberufung eines Kur
fürstentags nach Regensburg besonders günstig; dort könne über alle
Beschwernisse gesprochen werden, um Abhilfe zu schaffen. Werde der
Krieg hingegen von neuem entfacht, so würden dadurch nur «Fand und
Leute verdorben». Daraufhin Gustav Adolf: Wenn die durch den Kaiser
Vertriebenen wieder in ihr Land zurückdürften, die durch den Kaiser Ent-
eigneten ihren Besitz zurückerhielten, den Ständen die überkommenen
Freiheiten gelassen würden und auch das Königreich Schweden vom Kaiser
nichts zu befürchten habe, so könne er, Gustav Adolf, sich mit dem Frieden
anfreunden. Freilich bedürfe er auf dem Weg dorthin einiger Sicherheiten
- worin die wohl bestehen könnten: «Was meint Ihr, Papier und Tinte?»46
Wilmersdorf beharrte darauf, dass schriftliche Zusicherungen genügen
müssten, während Gustav Adolf unter den «Gewisheiten und Cautionen»,
von denen er sprach, die brandenburgischen Festungen meinte. So trennte
man sich, ohne eine Verständigung erreicht zu haben. Der König und seine
Interventionsarmee blieben zunächst auf sich allein gestellt. Hätten die
Kaiserlichen in dieser Situation unter Zusammenziehung aller verfügbaren
Kräfte die Schweden angegriffen, hätten diese sich schwerlich in Deutsch
land halten können. Dass sie es nicht taten, hatte wesentlich mit den Vor
gängen auf dem Regensburger Kurfürstentag zu tun.
Wallensteins Entlassung
eröffnet. Das war, gemessen an Früherem, nur eine kleine Verspätung, was
zeigt, dass die Mehrheit der Versammelten ein großes Interesse an dem
Regensburger Treffen hatte. Es gab viel zu besprechen und einiges zu regeln.
Das Problem dabei war, dass der Kaiser und die Kurfürsten mit unter
schiedlichen Agenden und gegensätzlichen Erwartungen nach Regensburg
gekommen waren. Die beiden protestantischen Kurfürsten, der Sachse unc
der Brandenburger, erschienen aus Protest gegen das kaiserliche Restitu
tionsedikt nicht persönlich, sondern hatten Gesandtschaften geschickt
denen aufgetragen war, gegen das Edikt zu protestieren und Koalitionen
gegen seine Durchführung zu schmieden. Sie hatten damit keinen Erfolg:
Das Restitutionsedikt war mithin das Einzige, was den Kurfürstentag unbe
schadet überstand. Das lag auch daran, dass die katholische Mehrheit zwar
einige Bedenken wegen der politischen Folgen des Edikts hatte, an seiner
Rücknahme aber nicht wirklich interessiert war - einige aus religionspo
litischen Gründen, andere eher aus egoistischen Motiven, weil sie daraui
setzten, dass bei der Restitution auch für sie etwas abfallen würde.
Mehr als alles andere lag dem Kaiser, der in den letzten Jahren deut
lich gealtert und zunehmend kränklich war, die Wahl seines Sohnes zum
Römischen König, also zu seinem Nachfolger, am Herzen.47 Dann gab es da
die offene Frage der Nebenkriegsschauplätze, über die er sich mit den Kur
fürsten beraten wollte, und die von diesen Nebenkriegsschauplätzen ausge
hende Bedrohung des Friedens im Reich: Im Blick hatte er dabei vor allem
die ewig unruhigen Generalstaaten und ihre Versuche, Friedrich V. sein
Pfälzer Fürstentum zurückzugeben; sodann die Angriffspläne des schwedi
schen Königs, die bei Eröffnung des Kurfürstentags bereits realisiert waren:
und schließlich das aus kaiserlicher Sicht aggressive Vorgehen Frankreichs
und Venedigs im Erbfolgestreit von Mantua. Im Reich jedoch herrschte
zurzeit Frieden, und diesen Frieden wollte Ferdinand, wie er versicherte
zu einem umfassenden Frieden in Europa ausweiten. Aber wie? Der Kaiser
hatte einen erneuten Feldzug gegen die Niederlande im Sinn, der dieses
Mal mit stärkeren Kräften als zuletzt durchgeführt werden sollte, um den
Niederländern den Krieg so nahe zu bringen, dass sie bereit waren, Frieden
zu schließen. Auch gegen Frankreich musste man, wenn es sich weiterhin
in die mantuanische Angelegenheit einmischte, mit kriegerischen Mitteln
Wallensteins Entlassung 437
vorgehen, und gegen Schweden war dies nicht weniger erforderlich, nach
dem am 8. April bereits schwedische Truppen von Stralsund nach Rügen
übergesetzt und die dort stehenden kaiserlichen Truppen von der Insel ver
trieben hatten. Das alles zusammengenommen hieß, dass an eine Abdan
kung der kaiserlichen Truppen, wie sie von der Liga, namentlich einigen
Kurfürsten, mehrfach gefordert wurde, nicht zu denken war. Die Abdan
kung des Heeres konnte nach Abschluss eines Universalfriedens ins Werk
gesetzt werden; jetzt aber brauchte man das Heer noch. Das war die Sicht
des Kaisers und seiner Berater.
Die katholischen Kurfürsten sahen das völlig anders. Für sie war der
wichtigste Punkt die Reduzierung des Heeres, die Beendigung der Kon
tributionen, die zu dessen Finanzierung erhoben wurden, und schließlich
der Wechsel im Kommando des kaiserlichen Heeres, also die Entlassung
Wallensteins. Wallenstein war für die katholischen Kurfürsten und die
ihnen folgenden Reichsstände zum Inbegriff all dessen geworden, was in
den letzten Jahren falsch gelaufen war. Folglich musste er weg. Die Neben
kriegsschauplätze interessierten die Kurfürsten dagegen nicht sonderlich,
schließlich hatte der Kaiser sie gegen ihren Rat eröffnet, und im Reich
herrschte ja Frieden. Also brauchte man diese riesige Armee nicht länger.
Und am wenigsten brauchte man ihren eigenwilligen Oberbefehlshaber,
der hinter all dem steckte, was die Kurfürsten jetzt ändern wollten. Was für
den Kaiser die Wahl seines Sohnes zum Römischen König war, war für die
Kurfürsten die Absetzung Wallensteins.
Wallenstein verhielt sich auffällig zurückhaltend, um nicht zu sagen
passiv. Weder versuchte er, persönlich Kontakt zu den Kurfürsten aufzu
nehmen, noch bemühte er sich darum, seine Wertschätzung bei den kaiser
lichen Räten in Wien sicherzustellen.48 In der Literatur ist darum vermutet
worden, Wallenstein sei im Frühjahr und Sommer 1630 zu erschöpft und
niedergeschlagen gewesen, um sich ernstlich seiner drohenden Absetzung
entgegenzustellen.49 Dafür waren weniger die Stimmungsschwankungen
verantwortlich, denen Wallenstein seit jeher unterlag, sondern eine Lage,
von der er nicht mehr wusste, wie er sie in den Griff bekommen sollte: Die
Kurfürsten standen in notorischer Opposition zu ihm, und er sah keine
Möglichkeit, den Gesprächsfaden mit ihnen wieder aufzunehmen. Der Kai
438 D IE Z E IT D ER G R O SSE N SC H L A C H T E N
ser hatte sich mit dem Erlass des Restitutionsedikts und dem Engagement
in der mantuanischen Erbfolgekrise seinen, Wallensteins, nachdrücklichen
Einreden widersetzt und das Reich in eine, wie der Generalissimus meinte.
Überforderung hineinmanövriert, die inzwischen bedrohliche Züge ange
nommen hatte. Und auch das Heer, auf dem Wallensteins Machtstellung
beruhte, befand sich in einer Krise, weil unsicher war, wie die Finanzierung
künftig aussehen sollte, und weil die Truppen auf Nebenkriegsschauplätze
aufgeteilt waren, so dass sie sich nicht mehr uneingeschränkt in seiner
Hand befanden. Man kann Wallensteins Verhalten im Juli und August 1630
auch so deuten, dass er geradezu auf seine Entlassung gewartet habe und
diese für ihn, als sie erfolgte, eine Befreiung von der untragbar geworde
nen Bürde gewesen sei. Die Bereitwilligkeit, mit der er seine Absetzung als
Oberkommandierender des kaiserlichen Heeres hinnahm, spricht jeden
falls dafür. Gleichzeitig steht sie dem Wallenstein-Bild entgegen, wonach
der Herzog von Friedland und Mecklenburg von grenzenlosem Machtstre
ben und großer Habgier getrieben gewesen sei.
Wallenstein verzichtete also darauf, sich nach Regensburg zu begeben
um durch seine Präsenz die drohende Entwicklung aufzuhalten. Stattdes-
sen schlug er sein Hauptquartier in dem mehr als 100 Kilometer entfernten
Memmingen auf, wo er im Palast der Fugger Quartier nahm. Da ihn, wie
üblich, seine 600 Mann starke Leibgarde begleitete, wurde das Memmin-
ger Hauptquartier von einigen in Regensburg als Drohgebärde gegenüber
dem Kurfürstentag wahrgenommen.50 Tatsächlich jedoch entglitt Wallen
stein zu dieser Zeit der Gang der Dinge mehr und mehr: A uf die Operatio
nen in Italien hatte er so gut wie keinen Einfluss, die Generäle im Nordos
ten, die gegen die Schweden kämpfen sollten, forderten Verstärkungen an
die er ihnen kurzfristig nicht geben konnte, und auch der Kurfürstentag in
Regensburg nahm einen Verlauf, den der Herzog nicht zu kontrollieren ver
mochte. Das Hauptquartier in Memmingen war der Abglanz einer Macht
die realiter nicht mehr vorhanden war.
Die Schwäche Wallensteins war zugleich die Schwäche des Kaisers. In der
Erwartung, dass er auf diese Weise die Wahl seines Sohnes zum Römischen
König sicherstellen könne, opferte er Wallenstein und willigte am 13. August
Wallensteins Entlassung 439
insofern auch der Sieg Frankreichs, und die Niederlage des Kaisers wurde
zur Niederlage Spaniens.53 Das begann mit der unterbliebenen Wahl des
Kaisersohns zum Römischen König, auf die Spanien gesetzt hatte, während
aus der französischen Delegation gestreut wurde, es sei eigentlich an der
Zeit, wieder einmal einen Wittelsbacher, also den bayerischen Kurfürsten
Maximilian, zum Kaiser zu wählen, und es endete damit, dass der Kaiser
die mit der Intervention in den mantuanischen Erbfolgestreit verfolgter.
Ziele restlos aufgeben musste.54An ein Eingreifen in den Niederlanden war
unter diesen Umständen nicht mehr zu denken, zumal nach der Landunc
Gustav Adolfs abzusehen war, dass die verfügbaren Streitkräfte vollständig
gegen die Schweden eingesetzt werden mussten. Die dem Kaiser zuge
schriebene, aber nicht belegte Äußerung über die schwedische Interven
tion - «D a haben wir eben ein feinderl m ehr»55 - brachte die Stimmung
in Regensburg durchaus zum Ausdruck; die aber änderte sich schnell nach
der Beendigung des Kurfürstentags.
«Gustav Adolf war kein systematischer Staatsmann, wie Richelieu, der die
neuen Ordnungen, die er der Welt auferlegen wollte, sich von Anfang an
ausrechnete und in festem Zusammenhang vor seinem geistigen Auge hielt
er war ein wagender Kriegsmann, der, erfüllt von dem unbedingten Recht
seiner Sache und seines Gebots, die Forderungen, die er stellte, nach den
wechselnden Gelegenheiten und Vermittlungen einrichtete.»56 Moriz Rit
ters prägnante Charakterisierung des Kardinals und des Königs ist dahin
gehend zu ergänzen, dass Richelieu durch die Stärke und den Reichtum
Frankreichs auch die Ressourcen zur Verfügung standen, ohne die sich
eine langfristig angelegte systematische Politik nicht betreiben ließ, wäh
rend Gustav Adolf diese Voraussetzungen fehlten: Aufgrund der begrenz
ten Kräfte Schwedens war er zu einem pragmatischen Vorgehen gezwun
gen, bei dem er von Fall zu Fall entschied, welchen Schritt er als nächsten
Konsolidierung der schwedischen Position 441
machte, und dabei reagierte er mehr auf die sich bietenden Gelegenheiten,
als dass er einem von Anfang an feststehenden Plan folgte. Das sollte auch
nach seinem großen Sieg bei Breitenfeld so bleiben. Das macht es unmög
lich, belastbare Aussagen darüber zu machen, welche Ziele Gustav Adolf
verfolgen wollte, als er nach der Landung auf Usedom seine Operations
basis an den Mündungsarmen der Oder konsolidierte und mit Stettin als
Zentrum eine feste Basis in Pommern errichtete. Zuvor, als er sich selbst
als Bündnispartner des Dänen Christian ins Gespräch gebracht hatte, war
em Vorstoß parallel zur Oder nach Schlesien geplant gewesen, um von dort
aus in unterschiedlichen Richtungen gegen die kaiserlichen Erblande ope
rieren zu können. Ein solches Vorgehen hatte freilich zur Voraussetzung,
dass die rechte schwedische Flanke durch einen starken Bündnispartner
gedeckt wurde, der es mit dem im Nordwesten Deutschlands stehenden
Heer der Liga unter Tilly aufnehmen konnte. Einen solchen Bündnispart
ner hatte Gustav Adolf im Sommer 1630 nicht, und er war auch trotz der
sich abzeichnenden Verträge mit dem Landgrafen Wilhelm von Hessen-
Kassel, der reichen und mächtigen Hansestadt Magdeburg sowie Herzog
Franz Karl von Sachsen-Lauenburg nicht in Sicht. An einen Vorstoß nach
Schlesien war zunächst also nicht zu denken.
Hinzu kamen die gravierenden Versorgungsprobleme, mit denen das
schwedische Heer seit seiner Landung auf Usedom zu kämpfen hatte. A uf
der seit Mitte April schwedisch kontrollierten Insel Rügen waren entge
gen der Anordnung des Königs keine Versorgungsdepots angelegt worden,
aus Schweden traf Verpflegung nur in sehr geringen Mengen ein, und aus
Preußen, wo Oxenstierna die Kontrolle hatte, kamen so gut wie keine Ver
stärkungen und auch kein Geld. Gustav Adolfs wütende Briefe konnten
daran nichts ändern. Auch die eingespielte schwedische Kriegsmaschine
hef zunächst leer. Zwar hatte der König bis Ende August die pommersche
Küste östlich der Oder unter seine Herrschaft gebracht, aber Pommern war
ein durch die Einquartierungen Wallensteins wirtschaftlich ausgepresstes
Land, aus dem sich die schwedische Armee nicht versorgen ließ.57 In der
Folge schwand die Disziplin der Soldaten, und im Land breitete sich eine
antischwedische Stimmung aus. In einem Brief an Oxenstierna schrieb
Lars Grubbe, im Heer herrsche mehr Zuchtlosigkeit, als dies bei der Sold
442 D IE Z E IT D ER G R O SSE N SC H L A C H T E N
nerarmee Mansfelds der Fall gewesen sei. Das war sicherlich übertrieben
aber in jedem Fall war es ein schlechtes Zeichen.
Da weit ausgreifende Operationen unter diesen Umständen nicht in
Frage kamen, konzentrierte sich Gustav Adolf darauf, seine Position zu
festigen.58 Die Passivität der kaiserlichen Kommandeure kam ihm dabe:
zugute; sie hatten sich bei Gartz und Greifenhagen festgesetzt, um den
erwarteten Vorstoß der Schweden entlang der Oder zu blockieren. Nach
dem er bis auf Kolberg und Greifswald alle größeren Städte in seine Hann
bekommen hatte, entschloss sich Gustav Adolf, nach Mecklenburg vorzu
stoßen. Mehr noch als strategische Überlegungen dürfte dabei die Heeres
versorgung eine Rolle gespielt haben, denn Mecklenburg war nicht durch
die jahrelange Einquartierung von Truppen ausgesogen, sondern hatte
unter der kurzen Herrschaft Wallensteins als Versorgungszentrum der kai
serlichen Truppen eine wirtschaftliche Blüte erlebt. Hier konnten sich die
Schweden holen, was sie brauchten, um zu überwintern. Für den Vorstoß
nach Mecklenburg hatte Gustav Adolf jedoch nur eine kleine Streitmach:
von 4000 Fußsoldaten und 1500 Reitern zur Verfügung. An die Einnahme
Rostocks, das anfängliche Ziel des Unternehmens, war damit nicht zu den
ken. Immerhin drang Gustav Adolf bis Ribnitz vor und besetzte die Stadl
Ein weiterer Vorstoß kam nicht in Frage, da Herzog Franz Karl von Lau
enburg, der im Westen eine kleine Armee gesammelt hatte und die Stad:
Ratzeburg zu seinem Waffenplatz machen wollte, von einem Armeekorps
der Liga unter Graf Pappenheim geschlagen worden war. Von ihm war keine
Unterstützung zu erwarten. Im Gegenteil: Gustav Adolf musste damit rech
nen, dass sich Pappenheim in Rostock mit den kaiserlichen Truppen unter
Savelli verbinden und ihn von dort aus mit überlegenen Kräften angreifen
würde. Zum Glück der Schweden tat Pappenheim das nicht, sondern zog
sich, nachdem er die Truppen des Lauenburgers zerstreut hatte, wieder
über die Elbe zurück. Selbst der tatkräftigste und sonst durchweg risiko
bereite Heerführer der katholischen Seite agierte zu dieser Zeit ausgespro
chen vorsichtig und zurückhaltend.
Es waren somit zwei Erfahrungen, die Gustav Adolf während der ers
ten Monate in Deutschland machte: die Zögerlichkeit der protestantischen
Fürsten, sich ihm anzuschließen und gemeinsam mit ihm den Krieg zur
Konsolidierung der schwedischen Position 443
getan.61 Das Beispiel des Lauenburgers zeigte jedoch, dass es nicht ratsam
war, sich zu früh als Verbündeter der Schweden zu erkennen zu geben -
jedenfalls so lange ein militärisches Zusammenwirken mit den Truppen
Gustav Adolfs noch nicht möglich war, weil man sonst mit der Übermacht
der kaiserlichen und ligistischen Streitkräfte konfrontiert worden wäre
gegen die man für sich allein keine Chance gehabt hätte. Die Folge war, dass
Gustav Adolf eine ganze Reihe von «stillen», aber keine offenen Verbün
dete hatte. Magdeburg war die einzige Ausnahme. Sobald er stark genug
war, würden sich diese stillen Verbündeten ihm anschließen und offen auf
seine Seite treten. Bis dahin aber mussten sie sich zurückhalten, um sich
nicht zum Ziel ligistisch-kaiserlicher Attacken zu machen. Wie der Fall von
Magdeburg zeigt, für das die frühzeitige Parteinahme im Untergang endete
war diese Basisdirektive richtig.62
Die beiden protestantischen Fürsten, die ein Militärbündnis mit den
Schweden hätten abschließen können, ohne dass sie sogleich von einer
kaiserlich-ligistischen Übermacht niederzuwerfen waren, die Kurfürsten
von Brandenburg und Sachsen, trafen sich zwar Anfang September auf
Schloss Zabelitz und verständigten sich über Maßnahmen zum Wider
stand gegen das kaiserliche Restitutionsedikt, aber dabei hielten sie an der
bisherigen Linie fest, der deutsche Protestantismus solle einen eigenen
von Schweden unabhängigen Weg gehen. Man beschloss (wogegen sich
der sächsische Kurfürst bis dahin gesperrt hatte), eine Versammlung der
evangelischen Reichsstände einzuberufen, auf der beraten werden sollte
welche Richtung man zwischen dem Kaiser und dem schwedischen König
einschlagen wollte.63
Die Absicht, einen Konvent der protestantischen Stände für Januar oder
Februar 1631 nach Leipzig auszuschreiben, löste umgehend hektische diplo
matische Betriebsamkeit aus. Schließlich kündigte sich darin das Wiederer
starken einer protestantischen Partei an, die dieses Mal unter der Führung
Kursachsens stehen würde, das bis dahin eine weitgehend kaisertreue Linie
verfolgt hatte.64 In Absprache mit dem Mainzer Kurfürsten ließ Landgrar
Georg von Hessen-Darmstadt seinen Kanzler Wolf den Entwurf für einer,
neuen Religionsfrieden in Deutschland ausarbeiten. Er stellte eine Revi
Konsolidierung der schwedischen Position 445
Das zeigte sich auch im Verlauf des Leipziger Konvents. Am 16. Februar
wurde die Versammlung eröffnet, kam aber nicht recht voran, weil einige
protestantische Reichsstände die Aufstellung einer protestantischen Bun
desarmee im Sinn hatten, die nach dem Vorbild der Liga-Armee einheitlich
Konsolidierung der schwedischen Position 447
geführt werden sollte. Man wollte zwar kein Bündnis mit den Schweden
eingehen, aber von ihnen als bewaffneter Akteur ernst genommen und als
gleichberechtigter Verhandlungspartner wahrgenommen werden. Dazu
war kein Reichsstand für sich allein in der Lage. Im Status der bewaffneten
Neutralität und bei politisch geschlossenem Auftreten durfte man bessere
Verhandlungsergebnisse erwarten, als wenn man einzeln mit dem schwe
dischen König Abkommen traf, in denen man zuletzt dann doch, wie das
auch für Hessen-Kassel galt, die schwedische Oberhoheit anerkennen
musste. Die Präferenz für das gemeinsame Auftreten war sicherlich nach
vollziehbar - wenn man denn bereit war, mit den Schweden überhaupt ein
Bündnis zu schließen, und genau das traf auf Kursachsen nicht zu. Johann
Georg hatte den Konvent einberufen, um «durch diese Demonstration
protestantischer Einheit und durch die Drohung, militärisch aufzurüsten,
den Kaiser zu beeindrucken und zum Einlenken in der leidigen Restituti
onsangelegenheit zu bewegen»68. Wie es nach dem Konvent weitergehen
sollte, hatte der Kurfürst offengelassen. Das war neben der Abhängigkeit
448 D IE Z E IT D ER G R O SSE N SC H L A C H T E N
von der schwedischen Präsenz die zweite Schwäche der sächsischen Posi
tion: dass Sachsen nicht in der Lage war, längerfristige Projekte zu entwer
fen, weil es dabei offenbart hätte, dass es auf wackeligen Füßen stand.
«In Gefahr und höchster Not / bringt der Mittelweg den Tod.»69 Die
ser später vielzitierte Aphorismus des schlesischen Dichters Friedrich von
Logau dürfte unter anderem auch auf die sächsische Politik eines mittleren
Wegs bezogen gewesen sein, der Logau ablehnend gegenüberstand. Es gibt,
so die Aussage seines Sinnspruchs, Situationen, in denen man sich für das
eine oder das andere entscheiden muss und der sonst als «golden» apo
strophierte Mittelweg unmittelbar ins Verderben führt. Über lange Zeit war
es dem Kurfürsten gelungen, durch seine Politik eines Mittelwegs zwischen
den Parteien den Krieg von Sachsen fernzuhalten und das Land dennoch
durch den Zugewinn der beiden Lausitzen zu einem Profiteur des Krieges
zu machen. Das verband ihn mit Maximilian von Bayern, dem dasselbe
bis in die frühen 1630er Jahre gelungen war. Für beide sollte sich das jetzt
ändern. Sachsen und Bayern wurden nun zum Operationsgebiet für die
Fleere beider Seiten und blieben es bis zum Kriegsende.70Die Option eines
Mittelwegs gab es nur noch dem Anschein nach, und wo einer der Kur
fürsten dennoch versuchte, einen solchen Mittelweg zu gehen, scheiterte er.
Die Grammatik der politischen Entscheidungen wurde, wie Gustav Adolf
dies dem Herrn von Wilmersdorf nahezubringen versucht hatte,71 durch
die schwedische Intervention auf eine Ordnung des Binären umgestellt,
bei der man sich entweder als Freund oder als Feind zu erklären hatte, es
ein «Weder-noch» oder « Sowohl-als-auch» im Sinne von Entscheidungs
vermeidung nicht mehr gab beziehungsweise die kriegführenden Mächte
dafür sorgten, dass es nicht mehr geltend gemacht werden konnte.
Dass es sich dabei um einen prinzipiellen Wandel der politischen Kon
stellationen und nicht etwa um eine Ungeschicklichkeit der sächsischen
Politik handelte, zeigt sich darin, dass der bayerische Kurfürst Maximilian,
der eine ähnliche, in den Einzelzielen freilich entgegengesetzte Politik ver
folgte wie Johann Georg, ebenso scheiterte wie dieser. Beide erkannten
die Gefahren, die aus dem wachsenden Einfluss äußerer Akteure auf einen
Friedensschluss im Reich resultierte, wobei Maximilian als Bedrohung vor
allem Spanien, Johann Georg hingegen Schweden im Auge hatte. Während
Konsolidierung der schwedischen Position 449
verschifft und beteiligte sich dort am Kampf um die Festung Kolberg, die,
ebenso wie Greifswald, weiterhin in kaiserlicher Hand war.78
Diese beiden stark befestigten Städte mussten eingeschlossen wer
den, um die Besatzungen daran zu hindern, im Rücken der schwedischen
Truppen zu operieren; dadurch waren die Offensivkräfte des Königs stark
eingeschränkt. Kolberg kapitulierte im März 1631, Greifswald leistete noch
bis Juni Widerstand. Greifenhagen und Gartz, die kaiserlichen Sperrpositi
onen an der Oder, die den Vorstoß der Schweden nach Süden blockieren
sollten, waren bereits Ende Dezember 1630 gefallen, woraufhin sich die
Truppen des Kaisers in die Oderfestung Frankfurt zurückzogen, um dort
ihr Winterquartier einzurichten. Gustav Adolf dachte freilich nicht daran,
den bisherigen Kriegsgepflogenheiten gemäß die Truppen im Spätherbst
Winterquartiere beziehen zu lassen,79 sondern setzte den Krieg im Winter
fort, wobei ihm die Vertrautheit der nationalschwedischen Einheiten mit
Eis und Schnee zugutekam. In Greifenhagen und Gartz hatte er so die kai
serlichen Truppen überrumpelt, die es sich in ihren Quartieren bequem
gemacht und nicht mit einem schwedischen Angriff gerechnet hatten. Es
waren leichte Siege, die Gustav Adolf im Winter 1630/31 errang.
Die schnellen Erfolge machten Gustav Adolf zuversichtlich, dass der
Krieg für ihn so weitergehen werde. «Wir haben in diesem Lande», schrieb
er am 22. Januar 1631 aus Bärwalde an den Reichsrat in Stockholm, «durch
Gottes Gnade einen guten Fuß und sedem belli [wörtlich Sitz des Krieges;
eme feste Position] gefaßt, welche dergestalt beschaffen ist, daß uns nach
menschlichem Ermessen der Feind so leicht nicht daraus drängen soll.»80
Was Gustav Adolf dabei falsch einschätzte, war die zeitliche Begrenztheit
der Vorteile, die ihm aus der unklaren Führungs- und Befehlsstruktur
der Gegenseite nach der Entlassung Wallensteins erwuchsen. Der hatte
sich, nachdem ihm der Regensburger Beschluss übermittelt worden war,
umstandslos in die Lage gefügt und war nach Gitschin, seiner böhmischen
Residenz, aufgebrochen.81 Von dort aus kommunizierte er zwar weiterhin
mit einigen der höheren Offiziere, doch er gab keine Anweisungen mehr
und erteilte keine Befehle, sondern erörterte die politische und militäri
sche Lage. Wallenstein hatte die Position eines kommentierenden Beob
achters eingenommen.
451 D IE Z E IT D ER G R O SSE N SC H L A C H T E N
heim war nicht nur für seine Initiative und seinen Wagemut, sondern auch
rar seinen Leichtsinn und seine Ungeduld bekannt, weshalb es zwischen
ihm und Tilly immer wieder zu Auseinandersetzungen kam. Tilly soll zwar
mehrfach erklärt haben, «daß er nur deshalb länger leben wolle, um mit
ihm, Gustav Adolf, auf Leben und Tod zu kämpfen»86, doch unter Bedin
gungen, bei denen er von vornherein im Nachteil war, wollte er den Kampf
nicht wagen. Nachdem er sich einen Eindruck von den an der Oder stehen
den kaiserlichen Regimentern verschafft hatte, soll er, so berichtete Oberst
Hebron an Oxenstierna, «sehr melancholisch und malcontent [übellau
nig » gewesen sein und erklärt haben: «Das ist kein Volk [Kriegsvolk], die
Schweden damit zu schlagen; mit diesem Volk kann ich meine Reputation,
die ich solange erhalten habe, nicht hazardieren.»87
.Angesichts des geringen Widerstands, auf den er bis dahin gestoßen war,
entwickelte Gustav Adolf für das Kriegsjahr 1631 große Pläne: Bis zum
Frühjahr wollte er nicht weniger als 80 000 Soldaten zusätzlich zur Verfü
gung haben, um mit fünfArmeen Kaiser und Liga anzugreifen. Die Last des
Krieges - also die Finanzierung dieses gewaltigen Heeres - sollte in die kai
serlichen Erblande getragen und auf die «päpstliche Klerisei» abgewälzt
werden: Der Krieg sollte fortan den Krieg ernähren.88Aber ein solcher Vor
stoß musste auf der rechten Flanke, also gegen Niedersachsen, wo starke
.kaiserliche Kräfte standen, gedeckt werden, und deswegen hatte der König
eine Aufstellung gewählt, bei der eine durchgehende Front von der Weser
bis an die polnische Grenze gebildet wurde. Die erste der fünf Armeen, die
unter der persönlichen Führung des Königs stand, die sogenannte Royal
armee, sollte in einer Stärke von 42 000 Mann die Basis der schwedischen
Kriegführung schützen, also Vorpommern und Mecklenburg sowie die
Ostseeküste. Die zweite und die dritte Armee unter Gustav Horn und
Maximilian TeufFel sollten sich im Raum Stettin und in Hinterpommern
sammeln, die Oder kontrollieren, sich der Mark Brandenburg bemächtigen
454 D IE Z E IT D ER G R O SSE N SC H L A C H T E N
und nach Schlesien eindringen. Für diese beiden Armeen war eine Stärke
von zusammen 46 000 Mann vorgesehen. Die vierte Armee, 10 000 Mann
stark, sollte bei Magdeburg aufgestellt werden, die Elbe unter Kontrolle
bringen und in Verbindung mit der Hauptarmee des Königs die Kurfürsten
von Brandenburg und von Sachsen dazu bringen, in ein offizielles Bündnis
mit Gustav Adolf einzutreten. Eine fünfte Armee schließlich, deren Kern
10 000 englische und schottische Söldner bildeten, sollte in wohlgesinnten
Städten wie Bremen, Braunschweig und Hildesheim aufgestellt werden.
Vier Regimenter Infanterie und 1000 Reiter unter Oberst Leslie sollten zu
ihnen stoßen und eine feste Stellung an der Weser beziehen.89
Ein solch rasanter Aufwuchs des Heeres war kaum möglich, ohne dass
sich unter den eilends angeworbenen Söldnern auch solche befanden, die
Militär und Krieg als Freibrief begriffen, um zu rauben und zu morden.
Gustav Adolf setzte jedoch darauf, von der Bevölkerung als Freund und
Beschützer - und nicht als Feind und Eroberer - wahrgenommen zu wer
den, und deswegen erließ er ein strenges Reglement für das Verhalten der
Soldaten in den besetzten Gebieten. Außer einer Lagerstatt sowie Essig
und Salz durften sie von dem Wirt, in dessen Haus sie untergebracht waren,
nichts verlangen. Nur gegen Barzahlung oder einen Berechtigungsschein
sollten Offizieren, Soldaten und Marketendern der Armee Nahrung und
Pferde gestellt werden. Jede Erpressung und Gewaltandrohung sollte streng
geahndet werden.90 So jedenfalls stellte es sich der König vor.
Die Realität indes sah anders aus. Schweden konnte trotz erheblicher
Steuer- und Abgabenerhöhungen die erforderlichen Summen zum Unter
halt des Heeres nicht aufbringen. Am 18. Juli 1631 schrieb Gustav Adolf an
seinen Kanzler Oxenstierna aus dem Lager von Werben, er müsse «einzig
ex rapto [aus Geraubtem], zum Schaden und Verderben all unserer Nach
barn, den Krieg führen [ . . . ] - was bis auf diese Stunde continuiret - so dass
wir nichts haben, die Leute damit zu conteniren, ausser was sie selbst mit
unleidlichem Plündern und Rauben usurpiren».91 Und in einem weiteren
Brief an den Kanzler schrieb er, alle, Offiziere wie Soldaten, hätten darauf
vertraut, dass Oxenstierna einen größeren Geldbetrag transferieren werde.
«Nebst dieser Hoffnung haben wir nur Kommissbrot zu ihrem [der Solda
ten] Unterhalte gehabt, was wir von den Städten erpresst; allein nun hat
Gustav Adolfs Heer 455
auch das ein Ende. Mit den Reitern, die sich nicht damit begnügen wollten,
hat man keine Ordnung halten können; sie leben bloß von unordentlichem
und ungebührlichem Plündern. Einer hat dadurch den andern ruinirt, so
dass nichts mehr zu fangen [zu erlangen] ist, weder für sie [die Kavalleris
ten] noch die Soldaten in den Städten und auf dem Lande.»92
Der Erfolg bei der Anwerbung von Söldnern hing davon ab, wieviel
Vertrauen sie in die Zahlungsfähigkeit des Kriegsherrn hatten. In dieser
Hinsicht hatte Gustav Adolf Glück, denn durch den Zusammenbruch des
Wallenstein’schen Finanzierungssystems und die Auflösung seines Heeres
waren viele Soldaten aus kaiserlichen Diensten ausgeschieden und auf der
Suche nach neuen Beschäftigungsverhältnissen. Die französischen und
niederländischen Subsidien verschafften den Schweden die Möglichkeit,
diese Männer in Dienst zu nehmen. So kam Gustav Adolf Ende des Jahres
1630 auf eine Heeresstärke von 76 600 Mann. Zusammen mit den im Som
mer 1631 auf die schwedische Seite gewechselten kursächsischen Truppen
sowie den Einheiten Kurbrandenburgs, die im Verband des sächsischen
Heeres kämpften, verfügte er Ende 1631 über eine Streitmacht von nahezu
100 000 Mann.93 Die Folge war, dass der relative Anteil der nationalschwedi
schen Soldaten im Heer des Königs immer geringer wurde, so dass sich das
Heer in seiner Zusammensetzung schon bald nicht mehr von den anderen
Heeren unterschied, die auf dem deutschen Kriegsschauplatz eingesetzt
wurden.94 Trotz aller Strenge, mit der Gustav Adolf zunächst den Gepflo
genheiten der Söldner entgegentrat, hatte er damit auf Dauer keinen grö
ßeren Erfolg als Wallenstein. Die Aufrechterhaltung der Disziplin und die
Rücksichtnahme der Soldaten auf die Bevölkerung waren mehr eine Frage
der verfügbaren Geldmittel als des Willens der Männer an der Spitze des
Heeres.
Trotz des beträchtlichen Aufwuchses des Heeres war es weit davon ent
fernt, in fünf Armeen aufgespalten werden zu können, um eine Front von
der Weser bis zur Warthe zu bilden und sich mit unaufhaltsamer Macht
nach Süden zu bewegen. Der skeptische Oxenstierna, der für die Geldbe
schaffung zuständig war und um die finanziellen Möglichkeiten Schwedens
wusste, hatte, als Gustav Adolf ihm seine Vorstellungen mitteilte, umge
hend einen alternativen Kriegsplan entworfen, der deutlich bescheidener
456 D IE Z E IT D ER G R O SSE N SC H L A C H T E N
ausfiel. Letzten Endes musste sich der doch realistisch denkende König
daran orientieren. In einem Schreiben an Gustav Adolf hob Oxenstierna
hervor, «daß eine feste und geordnete Vertheidigung dessen, was man
inne habe, das rechte Fundament des Krieges und die bequemste Offensive
wäre. Darum müsse man vor Allem dafür sorgen, das zu behalten, was man
jetzt habe, und wenn sich günstige Gelegenheit darbiete, Frieden machen.
Jedenfalls aber sollte man die Pommer sehe Garnison von der Armee tren
nen und sie nicht mit zur Action verwenden; dann würde Gustaf Adolf,
wenn die Feldtruppen abzögen, alle Plätze und Pässe sicher in seiner Hand
behalten.»9S
Anstelle der bedingungslosen Offensive, wie sie Gustav Adolf vor
schwebte, bevorzugte Oxenstierna eine strategische Defensive, aus der
heraus offensive Operationen unternommen werden konnten; außerdem
setzte er für den Frieden nicht umstandslos einen grundlegenden Sieg
voraus. Oxenstierna wollte sich durchaus mit einem Verhandlungsfrieden
begnügen, wenn dieser zu günstigen Bedingungen für Schweden zu haben
war. Trotz dieser gegensätzlichen Auffassungen funktionierte die Zusam
menarbeit zwischen Gustav Adolf und Axel Oxenstierna sehr gut. Sie
ergänzten sich vorzüglich - nicht zuletzt deshalb, weil Gustav Adolf bereit
war, in entscheidenden Situationen auf seinen Kanzler zu hören.96
Das war auch beim Kriegsplan für 1631 der Fall: Oxenstierna schlug vor,
11400 Mann zur Sicherung der Festungen und festen Plätze in Pommern
zurückzuhalten und das Feldheer in zwei Armeen zu teilen:97 Die größere
unter Führung des Königs sollte 27 Regimenter mit etwa 30 000 Mann
umfassen und die Aufgabe haben, dem konzentrierten Gegenstoß der kai
serlichen und ligistischen Truppen, mit dem Oxenstierna rechnete, ent
schlossen entgegenzuwirken. Dabei sollte sie auch in der Lage sein, eine
große Schlacht zu schlagen (was dann bei Breitenfeld der Fall war). Die
zweite Armee unter dem Oberbefehl von Gustav Horn,98 bestehend aus
12 Regimentern mit knapp 14 000 Mann, sollte den Oderraum sichern und,
falls sich die Möglichkeit dazu bot, nach Schlesien vorstoßen.
Gustav Adolf wollte es für den Winter 1630/31 nicht hei dem Erfolg von
Greifenhagen und Gartz bewenden lassen, sondern die Initiative behalten,
Gustav Adolfs Heer 457
König agierte vorsichtig und zurückhaltend, weil er sich nicht von einem
bis dahin ungeschlagenen Heerführer zu einer großen Schlacht zwingen las
sen wollte. Wer von beiden den ersten großen Sieg errang, würde dadurch
Reputationsvorteile haben, die sich auf lange Zeit nicht mehr ausgleichen
ließen. Während Gustav Adolf seine Streitkräfte breit aufgestellt hatte, um
seine Positionen zu verteidigen, konnte Tilly seine Streitkräffe konzentrie
ren; er war also dort, wo er angriff, kräftemäßig überlegen. Tilly entschied
sich für Neubrandenburg. Gustav Adolf wollte Dodo von Knyphausen, der
dort mit 750 Mann postiert war, die Anweisung geben, nach einem gewis
sen Widerstand Verhandlungen anzubieten und dabei entweder freien
Abzug herauszuhandeln oder in Gefangenschaft zu gehen. A uf keinen Fall
aber solle er damit rechnen, dass ihm der König zu Hilfe kommen und
Neubrandenburg entsetzen werde. Doch der Reiter, der diese Anweisung
überbringen sollte, kam nie bei Knyphausen an; er wurde von kroatischen
Soldaten abgefangen.103
Dodo von Knyphausen hatte kein Glück: Bei Höchst und Stadtlohn
hatte er auf der Seite der Verlierer gestanden, und nach der Schlacht von
Stadtlohn hatte Christian von Braunschweig ihn wegen des frühen Ausein-
anderfallens seiner Einheit gar zum Tode verurteilen wollen; jetzt musste
er eine Stadt verteidigen, die mit den zur Verfügung stehenden Kräften
nicht zu verteidigen war.104 Demmin war für Gustav Adolf die strategisch
entscheidende Verteidigungsposition, Neubrandenburg nur ein vorge
schobener Posten, an dem Tilly so lange aufgehalten werden sollte, bis das
einsetzende Tauwetter weitere Operationen unmöglich machte. Zwischen
zeitlich wollte Gustav Adolf in Odernähe gegen Schwedt und Angermünde
operieren, so dass Landsberg und Frankfurt bedroht schienen und Tilly
sich dadurch veranlasst sah, diesen wichtigen Plätzen zu Hilfe zu kommen.
Generalmajor Knyphausen wusste von alldem nichts und wies Tillys
Aufforderung, sich zu ergeben beziehungsweise in Kapitulationsverhand
lungen einzutreten, dreimal zurück - beim letzten Mal mit der Bemerkung,
«er werde sich bis auf den letzten Mann halten».105 Aber da war schon
eine Bresche in die Stadtmauer geschossen, und der Sturm stand kurz
bevor. Jetzt erst, so berichtet Monro, schickte Knyphausen einen Offizier
mit Trommler zur Bresche, um Verhandlungen aufzunehmen, doch dieses
Gustav Adolfs Heer 459
-Angebot fand keine Beachtung mehr. Der Parlamentär und sein Trommler
wurden bei dem Angriff auf die Bresche getötet, ebenso alle Soldaten, die
m diesem Bereich eingesetzt waren. «D a man ihnen <Quartiers verweigert
hatte», so Monro, also eine Kapitulation nicht mehr annahm, «kämpften
sie alle tapfer bis zum letzten Mann.» «In seiner Wut» habe der Angreifer
«den größten Teil der Verteidiger über die Klinge springen» lassen.106 Es
blieb indes nicht bei der Tötung der Soldaten, es wurde auch ein Teil der
Einwohnerschaft Neubrandenburgs von den entfesselten Truppen Tillys
niedergemacht. So wiederholte sich in Neubrandenburg, was Tilly einige
Jahre zuvor bei der Eroberung Mündens vorgeführt hatte,107 nur dass es
sich in diesem Fall um das Vorspiel zu einem noch größeren Massaker han
delte, nämlich zur Vernichtung Magdeburgs.
Gustav Adolf revanchierte sich mit einem Vorstoß auf Landsberg und
Frankfurt, den er seit längerem schon geplant hatte und nun ausführte,
camit die Schlappe von Neubrandenburg dem Siegercharisma des Königs
keinen Abbruch tat. Dabei hatte Gustav Adolf keine Zeit zu verlieren.
-Am 27. März nach julianischem Kalender brach man auf, geriet auf dem
-Anmarsch in Scharmützel mit kroatischen Streifscharen des Kaisers, was
auf das Marschtempo aber keinen Einfluss hatte, und am 2. April, also nach
gregorianischem Kalender am 12. April, standen die Truppen vor Frankfurt.
Die starke kaiserliche Besatzung war fest entschlossen, die gutbefestigte
Stadt zu verteidigen, und hatte deswegen die beiden Vorstädte vor dem
Lebuser und dem Gubener Tor niedergebrannt. Vor den Stadtmauern
waren hohe Wälle mit Palisaden errichtet worden. Bei Belagerungen war
es üblich, dass die Angreifer zunächst das Terrain um die Stadt erkunde
ten und sich dann vorsichtig den Befestigungen näherten. Eine wichtige
Rolle spielten dabei Schanzkörbe, die von Infanteristen aus biegsamen
.Asten und Zweigen geflochten, anschließend mit Erde gefüllt und an die
gegnerischen Stellungen herangeschoben wurden. Sie dienten als Deckung
sowohl für die Bedienungsmannschaft der Kanonen als auch für Dragoner,
die in ihrem Schutz ein regelmäßiges Musketen- oder Arkebusenfeuer auf
die Verteidiger eröffneten.
Nicht so in diesem Fall: Während ein Teil der Fußtruppen noch mit
dem Anfertigen der Schanzkörbe begann, stürmte ein anderer Teil, der
460 D IE Z E IT D ER G R O SSE N SC H L A C H T E N
eigentlich nur den Feind hinter die Wälle zurückdrängen sollte, über den
Graben vor, riss die Palisaden nieder, nahm den Wall und drängte die Ver
teidiger aus den Außenwerken auf die Stadttore zurück. A u f Sturmleitern
wurden die Mauern überstiegen, und mit Petarden wurden die Tore aufge-
sprengt.108 Angesichts der Wucht dieses Angriffs gerieten die Kaiserlichen
in Panik; ein Teil von ihnen floh über die Oderbrücke aus der Stadt, ein
anderer ergab sich. Dass die Kaiserlichen neben 1000 Gefangenen auch
1700 Tote zu beklagen hatten, lag nicht an ihrem anhaltenden Widerstand,
sondern war die Rache der Angreifer für das Massaker in Neubranden
burg.109 «Durch diesen von Gott verliehenen Sieg», so schrieb Gustav
Adolf wenige Tage danach an Oxenstierna, «haben wir nicht allein den
größten Theil der feindlichen Armee vernichtet, Uns seiner Artillerie
bemächtigt, sondern auch die wenigen übrig Gebliebenen zersprengt und
ihnen alle Kräfte genommen, so daß wir sagen können: ehe der Feind sich
wieder gestärkt hat, gehen wir ins römische Reich, wohin wir wollen, und
bringen Unsern unterdrückten und ins Elend geführten Religionsverwand
ten einen mächtigen Beistand. Dazu hat Uns Gott augenscheinlich diese
herrliche Victorie bescheert.»110
Das war kein an die Öffentlichkeit gerichtetes Schreiben. Wäre Gustav
Adolf die Rettung und Bewahrung des protestantischen Bekenntnisses nur
ein Vorwand gewesen, um dahinter rein machtpolitische Ziele zu verfolgen,
so hätte es in dieser vertraulichen Kommunikation zwischen König und
Kanzler keinen Grund gegeben, die Hilfe für die Glaubensbrüder als göttli
chen Auftrag herauszustellen. Wäre es Gustav Adolf allein um Machtpolitik
gegangen, so hätte es nahegelegen, in diesem Brief geopolitische Überle
gungen auszubreiten, etwa darüber, wie man den Erfolg von Frankfurt
(und den kurz darauf folgenden von Landsberg) nutzen könne. Davon ist
aber nicht die Rede. Das ist ein weiterer Beleg dafür, dass wir es bei Gustav
Adolf mit einer komplexen Motivlage zu tun haben, in der machtpolitische
Erwägungen und religionspolitische Motive eng miteinander verknüpft
waren. Gustav Adolfs Agieren lässt sich sicherlich nicht auf Interessenkal
küle reduzieren, wie dies bei Wallenstein möglich ist. War Tilly der Glau
benskämpfer, dessen Tun und Handeln vor allem durch den Dienst an der
Gottesmutter Maria bestimmt war, während die für Wallenstein maßgebh-
Der Leipziger Konvent 461
Gescheitert ist die kursächsische Politik freilich nicht an dem von ihr
unterstellten Als-ob selbst, sondern daran, dass ihr die Machtmittel fehlten,
dieses Als-ob für die Verhandlungspartner verbindlich zu machen. Johann
Georg und seine Räte hatten die paradoxe Voraussetzung für den Erfolg
ihrer Strategie nicht begriffen: dass sich nämlich das Absehen von der Rea
lität nur durchsetzen ließ, wenn man Herr dieser Realität war. Das aber war
Kursachsen nicht, und die Leipziger Versammlung der protestantischen
Fürsten und Grafen sowie der Reichsstädte war es auch nicht.112 Das Als-
ob war nur für den eine Option, der aus einer Position der Stärke heraus
agierte, und das hieß: der über eine starke Heeresmacht verfügte. Es konnte
also nicht ausbleiben, dass man in Leipzig immer wieder darauf zurückkam,
dass man sich bewaffnen müsse, wenn man zwischen dem Kaiser, Gus
tav Adolf und der Liga eine Rolle spielen wolle. Genau das wollte Johann
Georg aber vermeiden, denn er fürchtete, dass der Druck, sich für die eine
oder andere Seite entscheiden zu müssen, dann noch größer würde.
Sieht man genauer hin, so lassen sich erhebliche Risse in der nach
außen geschlossenen Fassade der kursächsischen Politik ausmachen. Der
kursächsische Hofprediger Matthias Hoe von Hoenegg eröffnete den Kon
vent mit einer Predigt über den 83. Psalm, der mit den Worten beginnt:
«GO tt schweige doch nicht also / Vnd sey doch nicht so still: / Gott halte
doch nicht so inne. Denn sihe, / Deine Feinde toben, / und die Dich hassen,
/ richten den Kopff auf.»113 Daraus ließ sich kaum eine an Ausgleichsver-
handlungen orientierte Friedenspredigt machen. Der Oberhofprediger, der
das Ohr des Kurfürsten besaß, stellte die biblische Klage über das «Toben
der Feinde» mit dem gegenwärtigen «Wüten und Toben» des Papsttums
zusammen und zeichnete so eine Lage, in der nicht das demütige Hin
nehmen der «listige[n] anschlege» (Psalm 83,5) gegen die Gläubigen, die
Protestanten, angezeigt war, sondern der Zusammenschluss aller evangeli
schen Kräfte, um Kaiser und Liga Widerstand zu leisten.114 Dem Hofpre
diger gelang der Spagat, indem er nicht den Kaiser, sondern stets nur den
Papst und die katholischen Orden als das gegenwärtige Pendant der Feinde
im Psalm benannte. So konnte er sich in die Tradition der antipäpstlichen
Polemik Luthers stellen, ohne zugleich dessen Forderung nach Gehorsam
gegenüber der weltlichen Obrigkeit verwerfen zu müssen.
Der Leipziger Konvent 4<S3
Derweil spitzte sich die Lage um Magdeburg zu. Die Stadt an der Elbe hatte
zu den ersten gehört, die sich Gustav Adolf anschlossen. Im Sommer 163c
war es in Magdeburg zu einer Rebellion von Teilen der Einwohnerschaft
gegen die Durchführung des Restitutionsedikts gekommen, nachdem
Kaiser Ferdinand seinen zweitgeborenen Sohn, den damals vierzehnjähri
gen Leopold Wilhelm, der bereits über eine Reihe einträglicher Pfründen
verfügte,117 zum Bischof hatte wählen lassen. Nun trafen kaiserliche Depu
tierte ein, um die protestantischen Domherren abzusetzen. Schon die Wahl
Leopold Wilhelms war unter kaiserlichem Druck erfolgt, denn man hatte
Die Vernichtung Magdeburgs 4<SS
von wo aus er den Warenverkehr von und nach Magdeburg teilweise blo
ckierte und einen Scharmützelkrieg gegen das Umland der Stadt führte. In
Magdeburg war inzwischen der von Gustav Adolf entsandte Oberst Diet
rich von Falkenberg eingetroffen, ein gebürtiger Westfale, der zeitweilig im
Dienst des Kasseler Landgrafen gestanden hatte, bevor er 1623 in schwe
dische Dienste übergewechselt war.121 Falkenberg systematisierte die Ver
teidigung Magdeburgs, indem er die Stadtbefestigungen instand setzen
und durch die Errichtung vorgelagerter Schanzen verstärken ließ. Diese
Schanzen sollten den Gegner daran hindern, unmittelbar bis an die Stadt
mauern heranzurücken. Sie machten die Belagerung zu einem langwierigen
Vorgang, verhinderten einen Überraschungscoup gegen eine unaufmerk
same Besatzung und sorgten dafür, dass sich ein Sturmangriff im Vorfeld
der Stadtmauern «festfraß». Namen wie «Trutz Kaiser», «Trutz Tilly»
und «Trutz Pappenheim», die man den Schanzen gab, sollten dem Wider
standswillen Ausdruck verleihen und die Zuversicht bei der Verteidigung
gegen die Übermacht der kaiserlichen Truppen stärken. Ansonsten ver
sicherte Falkenberg, dass Gustav Adolf schon bald die Stadt entsetzen
werde.
Doch so weit war es zunächst noch nicht. Pappenheim drängte Tilly
zwar unausgesetzt, ihm Verstärkungen zu schicken oder mit dem gesam
ten Heer anzurücken, um Magdeburg zur Kapitulation zu zwingen oder
im Sturm zu nehmen, doch Tilly zögerte. Er wollte die ihm verbliebenen
Kräfte nicht über Wochen oder gar Monate durch die Belagerung binden,
und obendrein hatte er Zweifel, ob die Eroberung der inzwischen gutbe
festigten Stadt überhaupt möglich sei: Spfnola hatte Breda monatelang
belagert, bevor die Stadt kapitulierte, La Rochelle hatte gegen die Truppen
Richelieus ebenfalls über Monate Widerstand geleistet, und Wallenstein
war an Stralsund gescheitert. Er müsse wissen, so Tilly an Pappenheim,
dass er hier nicht ein paar Bauern vor sich habe, sondern einen Wall und
Soldaten.122 Pappenheim dürfte sich über diese Anspielung auf seine ober
österreichischen Siege geärgert haben, schließlich hatte er auch das gut
befestigte Wolfenbüttel erobert. Tilly war skeptisch, ob er genügend Zeit
haben würde, Magdeburg zur Übergabe zu zwingen; er wollte stattdessen
sein Augenmerk vor allem auf Gustav Adolf richten und verhindern, dass
468 D IE Z E IT D ER G R O SSE N S C H L A C H T E N
der Schwede politisch und militärisch weiter an Boden gewann. Zwei Mal
tauchte er mit dem Gros seines Heeres vor Magdeburg auf, und zwei Mal
zog er wieder weiter, weil andere Aufgaben ihm wichtiger waren. Pappen
heim dagegen drängte darauf, alle Kräfte auf Magdeburg zu konzentrieren.
Für ihn war die Herrschaft über Magdeburg «das Fundament und Cen
trum des Krieges»,123 denn wer Magdeburg in der Hand habe, kontrol
liere den Schiffsverkehr auf der Elbe und könne durch die Beherrschung
der Elbfestung auch verhindern, dass die bis Soest vorgestoßenen Nieder
länder sich mit dem an der Oder und in Mecklenburg stehenden Gustav
Adolf verbänden. Das sah Tilly ganz ähnlich,124 aber er wollte eine größere
operative Beweglichkeit behalten. Tilly, klagte Pappenheim in einem Brief
an Maximilian, habe ihm erst den Angriff auf Magdeburg verboten, ihm
anschließend 5000 Reiter und 1300 Fußsoldaten entzogen und dann doch
keinen Angriff auf Gustav Adolf gewagt.125
Der Konflikt zwischen Pappenheim und Tilly war grundsätzlicher
Art; es handelte sich keineswegs nur um einen Disput über das Vorgehen
gegen Magdeburg. Pappenheim lehnte Tillys Defensivstrategie gegenüber
den Schweden von Grund auf ab und plädierte für einen entschlossenen
Offensivstoß gegen Gustav Adolf. Da er dafür aber kein rechtes Ziel anzu
geben vermochte, war es naheliegend, dass er sich auf Magdeburg konzen
trierte, womöglich in der Hoffnung, Gustav Adolf könne so dazu verleitet
werden, seine sicheren Positionen an der Oder aufzugeben und bis zur Elbe
vorzustoßen. Tillys Defensivstrategie lief für Pappenheim auf eine Form
des «Soldatenverbrauchs» hinaus, die keinerlei relevanten Ergebnisse
zeitigte. Für ihn war Tillys Vorsicht nicht Ausdruck strategischer Umsicht,
sondern eine Folge des Alters: Tilly war in Pappenheims Augen zu alt für
den Krieg und den Aufgaben eines Oberkommandierenden nicht mehr
gewachsen. Wahrscheinlich hatte Pappenheim damit gerechnet, dass ihm
nach der Entlassung Wallensteins der Posten des Oberkommandierenden
angetragen würde, so dass in seinen Klagen auch Enttäuschung über die
ausgebliebene Beförderung zum Ausdruck kam. Materielle Begehrlichkei
ten kamen wohl hinzu: Pappenheim war nicht verborgen geblieben, mit
welchen Reichtümern die nach Italien entsandten kaiserlichen Generäle
nach Deutschland zurückgekehrt waren, während er als General der Liga
Die Vernichtung Magdeburgs 469
Seit Ende März 1631 wurde es für Magdeburg ernst: Tilly sah nach dem Ver
lust von Frankfurt und Landsberg keine Möglichkeit mehr für einen aus
sichtsreichen Vorstoß zur Oder, und in Mecklenburg oder Pommern waren
wegen der schwierigen Versorgungslage infolge aufgetauter Wege größere
Operationen vorerst unmöglich. Also zog er mit dem Hauptheer nach Mag
deburg und sorgte dafür, dass der Einschließungsring um die Stadt immer
enger gezogen wurde. In Magdeburg wiederum standen sich zwei Parteien
gegenüber: die Partei derer, die auf jeden Fall durchhalten wollten und
dabei auf die Zusage Gustav Adolfs vertrauten, dass er der Stadt zu Hilfe
kommen werde, wenn sie bedroht sei; und die Partei jener, die erklärten,
der König sei allen Zusagen zum Trotz bislang nicht gekommen, weswegen
man Verhandlungen aufnehmen müsse, um eine Erstürmung der Stadt zu
verhindern. Einige hofften dabei wohl, man könne auf diesem Weg ein für
Magdeburg ähnlich günstiges Ergebnis erzielen wie im Sommer 1629 (was
illusionär war), andere vertraten die Auffassung, dass eine Kapitulation der
Stadt ihrer Eroberung unbedingt vorzuziehen sei. Eine weitere, vermutlich
sehr kleine Gruppe, die im Verborgenen agierte, ging sogar so weit, Tilly
470 D IE Z E IT D ER G R O SSE N SC H L A C H T E N
dadurch Vorschub zu leisten, dass sie ihm Informationen über die Stärke
der Verteidiger, die Besatzung in den Schanzen, die Meinungsverschieden
heiten im Rat und anderes mehr zukommen ließ. Es scheint sich bei dieser
Gruppe um «die Vornehmsten» Magdeburgs gehandelt zu haben, jeden
falls vermuteten das diejenigen, die für eine bedingungslose Verteidigung
Magdeburgs waren. Diese gehörten überwiegend zu den unteren Schichten,
dem «gemeinen Pöbel».129 Infolgedessen kam es wiederholt zu Tumulten,
in denen sich Fischer und Schiffsleute gegen das städtische Patriziat wand
ten. Die sozialen Gegensätze hatten sich in Magdeburg zu politischen Spal
tungslinien verdichtet.
Nach dem Eintreffen Tillys betrug die Stärke der Kaiserlichen 22600
Fußsoldaten und 3100 Berittene sowie 86 Geschütze. Außerdem standen
bei der Dessauer Brücke, um die Mansfeld und Wallenstein im Jahr 1626
gekämpft hatten, weitere 4850 Soldaten, die schwedische Truppen an der
Überquerung des Stroms hindern sollten. Dagegen verfügte Falkenberg
über gerade einmal 3000 Mann, zudem musste er sich auch noch mit den
inneren Zerwürfnissen in der Stadt beschäftigen. Er klagte, dass er in Mag
deburg «Vielen wenig Zutrauen dürfe».130 Unter diesen Umständen ent
schloss er sich dazu, die Schanzen aufzugeben und die Verteidigung auf die
Stadt selbst zu konzentrieren. Doch dieser Entschluss kam zu spät, denn
Pappenheim hatte bereits damit begonnen, die Schanzen der Reihe nach zu
erobern, und dabei verloren die Verteidiger um die 500 Mann.131
Der Verlust der Außenwerke hatte zur Folge, dass die Belagerer ihr
Vorgehen von der Aushungerung auf die Erstürmung der Stadt umstellen
konnten. Falkenberg bereitete die Verteidigung auf einen Kampf um die
Wälle und die dahinterliegenden Tore der Stadtmauer vor. Das hieß, dass
die Vorstädte Sudenburg und Neustadt aufgegeben und deren Einwohner
in die Stadt hereingeholt werden mussten. Anschließend sollten die Vor
städte niedergebrannt und dem Erdboden gleichgemacht werden. Das war
keine einfache Entscheidung, denn sie bedeutete, dass die Vorstädter Haus
und H of verloren und in der Stadt von dem Wohlwollen anderer abhingen.
Wer nicht bei Bekannten und Verwandten unterkam, musste mit einer Not
unterkunft in der Nicolaikirche vorliebnehmen. Falkenberg trug sein Vor
haben dem Rat vor, und der gab ihm die Genehmigung, die erforderlichen
Die Vernichtung Magdeburgs 471
Gründe für eine Kapitulation gab, hätte all jene, die auf Gottes Hilfe und
ein Wunder vertrauten, nicht überzeugt.
Tillys erste Aufforderung zur Kapitulation erfolgte am 4. Mai 1631.136
Es waren drei Briefe, die gegen Abend von einem Trompeter in die Stadt
gebracht wurden: einer an den Bürgermeister und den Rat, einer an den
Administrator Christian Wilhelm und einer an den Oberkommandieren
den Falkenberg. Entweder wusste Tilly nicht, wer in Magdeburg das Sagen
hatte, oder er versuchte, die dafür in Frage Kommenden gegeneinander
auszuspielen. Es antwortete der Rat, und die beiden anderen schlossen sich
ihm an. Man wolle, so die Antwort des Rats, mit den Kurfürsten sowie den
Hansestädten über die Aufnahme von Verhandlungen sprechen und bitte
um Pässe, damit Gesandte zu ihnen reisen könnten. Das diente dem Zeit
gewinn. Tilly übersandte erst eine Woche später, am 12. Mai, die erbetenen
Pässe, merkte aber an, dass die von Magdeburg gewünschten Beratungen
Zeit brauchten,• die Angelegenheit dulde jedoch keinen weiteren Aufschub.
Magdeburg könne Unterredungen führen, wann immer und so lange es
wolle, aber kapitulieren müsse es jetzt. Am 14. Mai antwortete der Rat, die
Gesandten seien jetzt reisefertig, Tilly möge einen Trompeter schicken, der
sie durch die Linien der Belagerer bringe.
Aber Tilly reagierte nicht. Er war nicht länger bereit, das von den Mag
deburgern eröffnete Spiel auf Zeit mitzuspielen. Inzwischen hatte er erfah
ren, Gustav Adolf habe sich mit dem Brandenburger geeinigt: Spandau sei
den Schweden übertragen worden und der König habe sich nach Potsdam
begeben. Es war also nicht mehr auszuschließen, dass er zum Entsatz Mag
deburgs anrücken würde. Außerdem gab es das Gerücht, auch der sächsi
sche Kurfürst Johann Georg wolle den Magdeburgern zu Hilfe kommen
und marschiere auf die Dessauer Brücke zu. Tilly ließ Vorbereitungen
zur Zerstörung der Brücke treffen, und als schwedische Reiter bei Zerbst
auftauchten, wurde sie tatsächlich abgebrochen. Am 17. Mai begann das
Bombardement Magdeburgs, in dessen Schutz sich die Kaiserlichen in
den Laufgräben immer näher an die Stadtmauer heranarbeiteten. Sie sollte
untermininiert werden, um sie zum Einsturz zu bringen. Seitenarme der
Elbe wurden gestaut, damit man den Fluss beim Angriff leichter durch
schreiten konnte. Der niedrige Wasserstand kam den Belagerern ohne
Die Vernichtung Magdeburgs 473
hin entgegen. Die Verteidiger setzten sich zur Wehr, indem sie Ausfälle
unternahmen, Laufgräben und Sturmleitern zerstörten und mit Contre-
—unen - Sprengsätzen gegen die feindlichen Minen - die an die Mauern
herangeführten Stollen sprengten. Des Weiteren feuerten sie mit den auf
een Wällen postierten Geschützen auf die Laufgräben der Belagerer. Man
habe, berichtet der kaiserliche Soldat Peter Hagendorf, «mit Schanzen und
Laufgräben alles zugebaut, doch hat es viel Leute gekostet».137 Infolge der
Abwehrmaßnahmen wurde in Magdeburg aber das Schießpulver knapp,
und es war absehbar, dass die Verteidiger auf diese Weise nicht mehr lange
uurchhalten konnten.
Am i8.Mai erfolgte Tillys dritte und letzte Kapitulationsaufforde
rung, mit der die Stadt vor die Entscheidung zwischen Unterwerfung oder
Erstürmung gestellt wurde. Tilly ging noch einmal auf den Wunsch des
Rats ein, freies Geleit für die Gesandten zu erhalten: Dazu sei es nun zu spät,
ede weitere Verzögerung werde die Gefahr nur vergrößern. «Die Stadt»,
so fasst Gustav Droysen Tillys Ultimatum zusammen, «möge vielmehr
hoch kurze Resolution fassen und sich dem Kaiser unterwerfen. Wo nicht,
wurde er vor Gott, der Welt und seinem eigenen Gewissen entschuldigt
sein, daß nicht er, sondern sie selbst die einzige Ursache allen Unglücks
wären.»138 Am darauffolgenden Tag ließ der Rat die gesamte Bürgerschaft
versammeln und befragte sie, ob man sich mit Tilly auf Verhandlungen
einlassen solle oder nicht. Es gab unterschiedliche Meinungen: Einige
wuen für Verhandlungen, andere wollten sich bis zum letzten Mann weh
ren. wiederum andere meinten, diese Frage solle der Rat entscheiden. Der
Rat beschloss zu verhandeln, Falkenberg indes bat darum, damit bis zum
nächsten Morgen zu warten. Währenddessen brach der ständige Beschuss
rer Stadt ab, und man konnte beobachten, dass die Kanonen zurückgezo
gen wurden. Viele meinten daraufhin, Tilly hebe die Belagerung auf, weil
schwedische Truppen sich der Stadt näherten.
Tilly täuschte die Magdeburger jedoch nur. Sie gingen davon aus, dass
er unterhandeln wollte, deswegen waren die Verteidigungswälle am frühen
Morgen des 20. Mai weniger dicht besetzt als sonst. An einigen Stellen hat
ten sich die Verteidiger - zu den 2500 Soldaten Falkenbergs kamen noch
5000 Männer der Bürgerwehr - zu Gottesdiensten versammelt. Andere
474 D IE Z E IT D ER G R O SSE N SC H L A C H T E N
hatten die Lunten gelöscht, nachdem die Nacht über nicht geschossen
worden war. Der Angriff der Sturmkolonnen Pappenheims traf die Mag
deburger mit voller Wucht, und schnell war der Neustädter Wall erobert.
Durch eine Pforte am Fischerufer drangen Kroaten in die Stadt ein. Fal
kenberg führte ein paar Kompanien zum Gegenangriff heran; für kurze
Zeit stand der Kampf auf Messers Schneide. «D a bin ich mit stürmender
Hand», berichtet Hagendorf, «ohne allen Schaden in die Stadt gekommen.
Aber in der Stadt, am Neustädter Tor, bin ich 2mal durch den Leib geschos
sen worden, das ist meine Beute gewesen.»139 Unter dem Eindruck dieses
Widerstands gab Pappenheim den Befehl, ein paar Häuser in Brand zu set
zen, um den Gegner zu verwirren. Als Falkenberg im Kampf tödlich ver
wundet wurde und weitere Offiziere der Verteidiger fielen, war der Kampf
um Magdeburg entschieden: Immer mehr kaiserliche Soldaten drangen
in die Stadt ein, und schon bald war der Weg frei, um zu rauben und zu
plündern. Es war eine Orgie der Gewalt, die am frühen Vormittag über die
Bevölkerung Magdeburgs hereinbrach. Sie ging erst am frühen Abend zu
Ende, als aufkommende Winde das Feuer weiter anfachten, bis schließlich
die ganze Stadt in Flammen stand. Die Gluthitze zwang die Eroberer, sich
zurückzuziehen, und auch für die Plünderer war kaum noch etwas zu holen,
da nahezu alle Häuser brannten. Am Tag nach der Eroberung war von der
stolzen und reichen Stadt an der Elbe kaum etwas übrig geblieben.140
Die Zahl derer, die hei der Eroberung Magdeburgs ums Leben kamen, kann
nur geschätzt werden. Tilly ließ Tausende Leichen, die zu bestatten als zu
aufwendig angesehen wurde, mit Karren zur Elbe schaffen und in den Fluss
werfen. Monatelang wurden elbabwärts Leichen aus dem Wasser gezogen,
und ein dem Magdeburger Inferno Entkommener schrieb, er hoffe, «daß
milde Menschen, die an der Elbe wohnen, die Leichen aus dem Wasser
fischen und ihnen bei sich Ruhe in der Erde gönnen».141 Wie viele Tote
genau in die Elbe geworfen wurden, hat keiner gezählt und festgehalten:
eine Schätzung von 8000 findet sich in einem Brief Leonhard Wolffs, der
als kaiserlicher Soldat an der Eroberung Magdeburgs teilgenommen hat.14:
Tote, bei denen man wusste, um wen es sich handelte, wurden mitunter
auf einem Friedhof bestattet. Wolff weist aber auch darauf hin, dass man
Die Vernichtung Magdeburgs 475
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’ - ~ j J i . Barfüßer j s S Ca/JuuJta
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auch Leonhard Wolff meint, die Stadt hätte nicht im ersten Sturm genom
men werden können, «wo nicht Gott sie wegen der übergroßen Hoffahrt
und Sünde gestraft hätte».150 Die an der Erstürmung (und vermutlich auch
Plünderung) Beteiligten erzählten ihre Verantwortlichkeit weg, indem sie
von Gottes Strafe sprachen und sich selbst als Werkzeug eines letztlich
heilsgeschichtlichen Geschehens kleinredeten. Man darf darin wohl eine
Form der Traumabewältigung sehen.
Aber wie ließ sich ein solcher Gewaltexzess in der Öffentlichkeit recht-
fertigen? Eine Erklärung dafür war, dass sich in Magdeburg die gesamte
Bürgerschaft am Kampf beteiligt hatte, so dass die Gewalt der Angreifer
auch die Zivilbevölkerung treffen musste. «Die Kaiserlichen», so Zacha
rias Bandhauer, ein in Magdeburg geborener Prämonstratenser, Propst
des Klosters Jerichow, der die Erstürmung Magdeburgs aus dem Lager des
Tilly sehen Heeres vor der Stadt beobachtete, «hatten nunmehr die Mau
ern inne und die meisten, die sie in der Furie erreichen konnten, und beson
ders, was Waffen trug, niedergemacht. Aber die Bürger und Soldaten bega
ben sich oben in die Häuser, daraus sie größeren Schaden taten mit Steinen
und anderen Waffen, als auf dem Wall geschehen.»151 Die Behauptung, es
sei angesichts einer fanatisierten Bürgerschaft gar nicht möglich gewesen,
zwischen Kombattanten und Nonkombattanten zu unterscheiden, findet
sich auch in einer Wiener Zeitung, die am 31. Mai über den Fall Magdeburgs
berichtete: «Und hat man, daß die Belagerten also halsstarrig und verwegen
gewesen, daß auch da sie gesehen, daß es schon mit ihrem Tun und Weh
ren verloren und vergebens gewesen, jedoch sich jung und alt, Mann und
Weib, ja auch die Kinder von 7 und 8 Jahren mit Steinwerfen und heißem
Wasser gießen aufs äußerste gewehrt, und letztlich, da sie ganz übermannt
sich gesehen, die Stadt selbst an unterschiedlichen Orten angezündet und
eine solche Brunst verursachet, ob welchem die Unsrigen erbittert und nit
allein die darin gelegenen Soldaten, sondern auch die meisten Bürger und
gemeinen Pöbel niedergehaut und die Stadt Gottlob erobert.»152
Der Verweis auf die Schuld der Magdeburger Bürger, die sich am
Widerstand beteiligt und schließlich sogar das Feuer selbst gelegt hätten,
geht mit der Erzählung einher, Tilly habe alles unternommen, um den
Brand zu löschen. So schrieb Zacharias Bandhauer in seinem Tagebuch:
Tilly reitet in eine Stadt hinein, die im Begriff steht, in einer gewaltigen
Feuersbrunst unterzugehen. Der um 1890 entstandene Holzstich nach
einem Gemälde von Emil Klein hält das Entsetzen des Generals und der
ihn begleitenden Soldaten fest. Nur flüchtig huscht der Blick über die toten
Leiber und leidenden Menschen, die rechts und links des von Trümmern
gesäumten Weges am Boden liegen. Das Bild zeigt die Ohnmacht des
Siegers just in dem Augenblick, da er eigentlich sein Ziel erreicht hat.
480 D IE Z E IT D ER G R O SSE N SC H L A C H T E N
«Tilly wollte gern, das Feuer wäre gelöscht worden und die Stadt erhalten,
rief den Soldaten zu, sie sollten niemand mehr umbringen, der Sieg wäre
schon ihrer; sie sollten löschen helfen, er verhieße ihnen gute Belohnung.
Es war aber nicht möglich zu retten, denn das Feuer wegen des angelegten
Pulvers gar zu geschwind überhand genommen. [... ] Tilly bemühte sich
auch sehr, die Ueberwundenen beim Leben zu erhalten, aber die Feuers
brunst hatte mehr Schaden getan als die Soldaten.»153 Und auch Georg
Ackermann, der am Sturm beteiligte Offizier, berichtet: «Aber den Herrn
General Tilly jammerte die schöne Domkirche und ließ alsbald 500 Fuß
soldaten zum Löschen kommandieren und war selber dabei; er erhielt dar
auf so nicht allein den Dom, sondern auch das schöne Kloster [Unserer
Lieben Frauen] und alle Häuser am Domplatz.» Dem stellt Ackermann
das Verhalten der Magdeburger gegenüber: «E s wollte sich aber kein ein
ziger Bürger von den Waffen zum Löschen begeben, sondern fochten an
allen Enden der Stadt unaufhörlich und verzweifelt mitsamt der Reiterei,
worüber wir unsere Kräfte verloren.»154 Neben der Vorstellung einer Strafe
Gottes, die über Magdeburg gekommen sei, steht somit die Erklärung, die
Bürger Magdeburgs seien selbst für den Untergang ihrer Stadt verantwort
lich, da sie sich den Löscharbeiten verweigert hätten. A uf der anderen Seite
habe Tilly nicht nur seine Soldaten zum Löschen befohlen, sondern sich
auch selbst daran beteiligt.
Es gab eine weitere Möglichkeit, sich von der Schuld freizusprechen,
die sich schon bei Bandhauer findet. Dabei ging es um die Frage, wer für
die Feuersbrunst verantwortlich war, der sehr viel mehr Menschen zum
Opfer fielen als den Waffen der Eroberer. Wo vom erbitterten Widerstand
der Einwohner die Rede ist, wird zumeist auch behauptet, es habe sich bei
dem großen Brand um eine von den Verteidigern selbst vorbereitete Aktion
gehandelt: Sie hätten Pulverladungen in den Häusern deponiert und diese
entzündet, als klar war, dass Tilly die Stadt erobert hatte. Dafür aber hätte in
Magdeburg Pulver im Überfluss vorhanden sein müssen, wogegen Berichte
sprechen, die einen zuletzt spürbaren Mangel verzeichnen. Dass man den
Brand systematisch vorbereitet hat, ist unwahrscheinlich, nachdem sich
große Teile der Bürgerschaft am Nachmittag des 19. Mai aufVerhandlungen
mit Tilly eingestellt hatten. Außerdem hätte eine solche «Verteidigungs
Die Vernichtung Magdeburgs 481
teska hierin keine Vorsicht und Aufhören gewußt hat. Um 10 Uhr vormit
tags hat alles in Feuer gestanden und um 10 Uhr Nachts hat die ganze Stadt
völlig in der Asche gelegen.»158
Was ein begrenzter und nach den Kämpfen leicht zu löschender Brand
geblieben wäre, wurde durch den Zusammenbruch der Ordnung, auf Sei
ten der Besiegten wie auf Seiten der Sieger, zu einem um sich greifenden
Flächenbrand. Doch auch der wäre vermutlich auf ein bestimmtes Stadt
viertel beschränkt geblieben, wenn nicht die starken Windböen hinzuge
kommen wären. Dass die Zahl der Toten so hoch war, hatte wiederum mit
der in den Straßen tobenden Kriegsgewalt zu tun, denn viele Menschen
blieben in den Häusern und versteckten sich im Keller oder auf dem Dach
boden, wo sie verbrannten oder erstickten.
Nun gab es für sie gute Gründe, im Haus zu bleiben und nicht auf die
Straße zu flüchten, wo eine rasende Soldateska die Männer auf der Stelle
tötete und die Frauen vergewaltigte, einzeln oder in Gruppen. Es drangen
jedoch auch Soldaten in die Häuser ein, einzeln oder in kleinen Gruppen,
um nach Geld und Schmuck, Stoffen und Kleidern zu suchen. Dazu muss
ten sie freilich mit den Hausbewohnern sprechen oder ihnen Gewalt andro
hen, um zu erfahren, wo etwas versteckt war. War es aber erst einmal zur
«Kooperation» zwischen Hausbewohnern und Plünderern gekommen,
schwand auch der unmittelbare Gewaltimpuls, und die Soldaten zogen wei
ter. Dann folgten die nächsten Plünderer, und solange die Hausbewohner
noch etwas anzubieten hatten, standen die Chancen gut, die Begegnung zu
überleben. Kritisch wurde es erst, wenn die Bewohner vollkommen ausge
plündert waren.159 Dann versteckten sie sich, um der Wut der Soldaten zu
entgehen, und dabei hofften sie, dass diese das Haus nur verwüsten und
weiterziehen würden. Aber die letzten Soldaten verließen die Häuser erst,
als diese schon in Brand geraten waren - mit der Folge, dass die Bewohner
darin verbrannten oder erstickten.
In den Stunden vor dem Untergang der Stadt im Feuer kam es in Mag
deburg zu einer Orgie der Vergewaltigungen, wie der Prämonstratenser
Bandhauer bezeugt: «Weil es noch früh war, als sie [die Soldaten] herein
kamen, fanden sie noch viel Leut, Frauen und Jungfrauen in Betten, nah
men sie warm heraus, ehe sie sich anziehen konnten, und führten sie gefan-
Die Vernichtung Magdeburgs 483
;en hinweg. [... ] Aber den meisten waren ihre Kleider ausgezogen, wenige
sind ungeschändet von den Soldaten weggelassen.»160 Auch ein Jesuiten
pater namens Wiltheim berichtet von einer entfesselten Soldateska, die
tötete und vergewaltigte. Er habe entgegenkommende Soldaten ermahnt,
« die Frauenehre zu schonen und sich des Mordens zu enthalten, wie Tilly
es befohlen hatte. Aber ach, schon waren alle Straßen gepflastert mit den
nackten Leichen der Gemordeten. Öffentlich tobten unsere siegreichen
Soldaten ihre hündische Lust an den Frauen der Geschlagenen aus.»161
Die beiden Geistlichen haben die Gewaltexzesse vor dem großen
Brand festgehalten und sich damit dem wohl furchtbarsten Ereignis des
Krieges gestellt, das sich nicht auf die Magdeburger schieben oder als Strafe
Gottes einordnen ließ. Wiltheim ist so weit gegangen, in diesen Gewaltor-
Sien den Grund dafür zu sehen, dass sich das bis dahin siegreiche in ein
besiegtes Heer verwandelte. Magdeburg wurde zum zentralen Element in
einer Kette von Ursachen, die erklären sollten, warum die Siegesserie des
kaiserlichen Heeres zu Beginn der 1630er Jahre riss und Tilly, der bislang
in allen Schlachten gesiegt hatte, danach zum Verlierer wurde. «A m ein-
drücklichsten», so der Germanist Michael Schilling, «hat das Blatt <Mag-
deburger Laug> den Zusammenhang von Zerstörung und anschließender
göttlicher Strafe inszeniert. Aus dem brennenden Magdeburg am linken
Bildrand bringen Pferdefuhrwerke Säcke voll Asche, die von Engeln auf
einen Haufen geschüttet und mit den Tränen der Opfer zu einer scharfen
Lauge verarbeitet wird. Mit eben dieser Lauge waschen dann auf der rech
ten Seite schwedische Soldaten unter Aufsicht König Gustav Adolfs den
kaiserlichen Truppen den Kopf. Im Hintergrund beobachtet die protestan
tische Öffentlichkeit beifällig das Geschehen.»162 Diese theologisch-mora
lische Erklärung der Kriegswende konkurriert mit politisch-militärischen
Erklärungen, bei denen die Überdehnung der kaiserlichen Macht oder tak
tische Innovationen der Schweden im Zentrum stehen.
Es gab auf Seiten der Kaiserlichen aber auch einen ganz anderen
Umgang mit der Magdeburger Gewaltorgie. Dabei setzte man an der Volks
etymologie der Stadt als «Mädchenburg» an und griff auf die in Soldaten
kreisen verbreitete Metapher der Brautwerbung für die Belagerung einer
Stadt zurück.163 Städte wurden off als Frauengestalten personifiziert, wäh
484 D IE Z EIT D ER G R O SSE N SC H L A C H T E N
rend die Anführer der sie belagernden Heere natürlich durchweg Männer
waren. Dem Namen der Stadt gemäß erschien Magdeburg als Jungfrau, und
eine solche stand auch im Mittelpunkt des Stadtwappens; der Kranz, den
sie in die Höhe hält, galt als Zeichen ihrer Unberührtheit.164 Magdeburg
hatte zweimal, 1551 und 1629, einer Belagerung durch kaiserliche Truppen
widerstanden. Die Jungfräulichkeit der Stadt war also, folgt man der Meta
phorik, noch unversehrt. Im Frühjahr 1631, als die Kaiserlichen den Bela
gerungsring enger zogen, pflanzte man aus Holz geschnitzte Jungfrauenfi
guren auf die Stadttore, um zu zeigen, dass Magdeburg auch diesmal nicht
«genommen» werden könne. Nebenbei bedeutete das eine Provokation
für den Marienverehrer Tilly, dem hier eine andere Jungfrau als die Got
tesmutter entgegengestellt wurde. «Sie hatten», so berichtet Bandhauer,
«au f dem Krökentor ein hölzernes Jungfrauenbild, gar schön geschnitzt
und farbig geputzt, [von] einer ziemlichen Größe, lassen aufsetzen, einen
Kranz auf den Kopf, anzudeuten, daß vor diesem zur Zeit Karls V. die Stadt
Jahr und Tag belagert gewesen und die Jungfrau dennoch ihr Kränzlein auf
dem Kopf behalten. Den anderen Kranz hielt sie in der linken Hand vor die
Brust, daß sie der Herzog von Friedland auch belagert anno Christi 1629.
Aber dennoch hat sie ihr Kränzlein noch behalten. Den dritten Kranz zeigte
sie mit dem rechten Arm ausgestreckt in die Höhe, als wollte sie anzeigen:
Trutz, wer ist so keck, der das Kränzle darf holen?»165
Jetzt da die Stadt erobert war, verkehrte sich die Symbolik der Jungfrau
ins Gegenteil: «Gott sei ewig gelobt», so Pappenheim in einem Schreiben
am Tag nach dem Sturm, «Magdeburg ist gedämpft, und ihre Jungfrau
schaft ist hinweg.»166 Und schon bald sang man das höhnische Lied: «Vor
Jahren hat die alte Magd / Dem Kaiser einen Tanz versagt. / Jetzt tanzt sie
mit dem alten Knecht, / So geschieht dem stolzen Mädchen recht. / Es
war nie keine Nuß so hart, / Die endlich nicht aufbissen w ard.»167 Eher
melancholisch als übermütig kommentiert Bandhauer das Geschehen:
«Aber der alte Bräutigam General Tilly hat’s gewagt und geholt. Über die
sen Kranz und diesen Sieg hat sich aber Tilly nicht gefreut, sondern schwer
seufzend beklagte er das Schicksal der Stadt.»168 Bei Bandhauer findet sich
auch die Bemerkung, die hölzerne Jungfrau vom Krökentor habe nach der
Eroberung der Stadt zerschossen, verstümmelt und verbrannt im Graben
Die Vernichtung Magdeburgs 48s
vor der Stadtmauer gelegen; auch das war ein Symbol dessen, was Magde
burg ereilt hatte.
Tilly war also alles andere als ein glänzender Sieger. Im Gegenteil, der
Untergang Magdeburgs wurde für ihn zum strategischen Desaster. Das
zeigte sich als Erstes in der Logistik: Tilly hatte darauf gesetzt, dass er in
der reichen Elbmetropole seine Truppen über einige Zeit versorgen und
die Elbfestung zu seinem Waffenplatz für den Feldzug gegen Gustav Adolf
machen könnte. An beides war nach dem Brand der Stadt nicht mehr zu
denken. Die unsicheren und in sich widersprüchlichen Bewegungen, die
Tilly sein Eleer in den kommenden Monaten machen ließ,169 sind auch
darauf zurückzuführen, dass ihm mit dem Brand von Magdeburg der
Angelpunkt seiner Operationen abhandengekommen war. Tillys Versuch,
nach Mecklenburg einzudringen, um die dortigen Ressourcen zu nutzen,
scheiterte daran, dass Gustav Adolf am Zusammenfluss von Havel und
Eibe bei Werben ein festes Lager bezogen hatte. Tilly wollte die Schwe
den zu einer Schlacht zu provozieren, aber Gustav Adolf ließ sich darauf
nicht ein, woraufhin Tilly wieder abzog. Nun bat er Maximilian und den
Kaiser darum, mit seinem Heer nach Sachsen einrücken zu dürfen, was
chm jedoch nicht erlaubt wurde; man befürchtete in München und Wien,
Johann Georg damit in die Arme Gustav Adolfs zu treiben. Tilly war
gezwungen, den Sommer weithin tatenlos zu verbringen. Noch schlimmer
aber waren die propagandistischen Folgen, die der Untergang Magdeburgs
nach sich zog: War Tilly bis dahin das Image vom «Mönch im Harnisch»
zu eigen gewesen, so wurde er nun als «Jungfrauenschänder» dargestellt,
wobei die Metaphern um Magdeburg und das tatsächliche Verhalten sei
ner Soldaten verbunden und auf den Oberkommandierenden projiziert
wurden.170 Tilly hat in Magdeburg unwiederbringlich den Nimbus verlo
ren, gegen den selbst Münden und Neubrandenburg nichts hatten ausrich-
:en können.171 Die Folgen sollten sich schon bald auch auf dem Schlacht-
:eld zeigen.
486 D IE Z E IT D ER G R O SSE N SC H L A C H T E N
Gustav Adolf war, obwohl er der Stadt nicht zu Hilfe gekommen war, der
politische Gewinner des Magdeburger Untergangs. Mit dem Kaiser und
der Liga, die ein solches Blutbad angerichtet hatten, konnten die protes
tantischen Stände unmöglich verhandeln; es blieb nur die Wahl zwischen
Unterwerfung oder bewaffnetem Widerstand, und Letzterer bedeutete,
dass sie sich den Schweden anschlossen. «Wir sind leider verloren», soll
Johann Georg ausgerufen haben, als man ihm die Nachricht vom Unter
gang Magdeburgs überbrachte. «Niemand gewinnt dem Tilly was ab; ich
sitze der in die Höhe ausgeschlagenen Flamme am nächsten!»172 Es waren
indes nicht nur Tilly und sein unterversorgtes Heer, die Johann Georg in
Bedrängnis brachten, sondern auch eine kleine Schrift Gustav Adolfs, in
der dieser erklärte, warum er Magdeburg nicht hatte unterstützen können:
Die Hauptschuldigen in dieser Apologie waren die Kurfürsten von Bran
denburg und Sachsen, von denen Gustav Adolf «nicht habe wissen können,
ob sie Freund oder Feind» seien. Die Politik der «dritten Partei», auf die
der sächsische Kurfürst bisher gesetzt hatte, war nach der Eroberung Mag
deburgs desavouiert.173
Der Kurfürst hatte den Augenblick verpasst, um auf Augenhöhe mit
dem schwedischen König zu verhandeln. A uf Grundlage der Leipziger
Schlusserklärung hätte Johann Georg als Repräsentant des politischen Pro
testantismus in Deutschland auftreten und mit diesem Anspruch die Bünd
nisverhandlungen führen können; nach dem Untergang Magdeburgs und
angesichts des Vorwurfs, durch seine Zögerlichkeit den Entsatz der Stadt
verhindert zu haben, war das nicht mehr möglich. Es war auch deswegen
nicht mehr möglich, weil Gustav Adolf von nun an konsequent die Stra
tegie verfolgte, nicht mit einem durch den Kurfürsten vertretenen Corpus
Evangelicorum zu verhandeln, sondern nur noch Bündnisse mit einzelnen
protestantischen Fürsten oder Ständen zu schließen. Da man befürchtete,
Tilly werde die Eroberung Magdeburgs zum Ausgangspunkt einer großen
Offensive machen (was er nicht tat), blieb keine Zeit für eine Taktik des
Entscheidungszwang und Entscheidungsvermeidung 487
Hinhaltens und Hinauszögerns, mit der man den König doch noch zu Ver
handlungen mit Johann Georg als dem Repräsentanten des deutschen Pro
testantismus hätte zwingen können. Waren Tilly und der Kaiser die logisti
schen und propagandistischen Verlierer der Magdeburger Katastrophe, so
war Johann Georg ihr politischer Verlierer. Durch Tillys unentschlossenes
Handeln, sein Umherirren zwischen Unstrut, Werra und Havel, wurde
Gustav Adolf im Sommer 1631 zum militärischen Profiteur der Magdebur
ger Katastrophe: Er konnte ganz Mecklenburg unter seine Kontrolle brin-
jen, bevor er Anfang Herbst auf einem Feld nordwestlich von Leipzig Tilly
in einer großen Schlacht besiegte.
Gustav Adolfs neue politische Strategie wurde in einer Denkschrift von
Dr. Jakob Steinberg mit dem Titel Normafuturarum actionum entwickelt.174
Steinberg schlug vor, grundsätzlich nur mit einzelnen Reichsständen Bünd
nisse abzuschließen und darauf zu bestehen, dass dem König für die Dauer
des Krieges das «absolute Direktorium» in allen militärisch-strategischen
Fragen eingeräumt wurde. Die Bündnispartner sollten sich verpflichten,
-<die Schweden mit Geld und Leuten zu unterstützen, ihnen ihre Festun-
jen zur Verfügung zu stellen und im Bedarfsfall für Quartiere und Ver-
pdegung zu sorgen».175 An die Stelle eines horizontalen Bündnissystems,
m dem die Mehrheit der Mitglieder über die Strategie entschied, die der
Bündnisoberste verfolgen sollte, trat damit ein vertikales Bündnissystem,
m dem Gustav Adolf allein die Entscheidungen traf. Dabei konnte er sich
mit den Bündnispartnern beraten und auf ihre Wünsche und Vorstellungen
emgehen, aber sie vermochten nicht, ihn auf bestimmte Schritte und Hand
lungen zu verpflichten. Die in der «Eventualkonföderation» mit Hessen-
Kassel verfolgte Linie wurde so zur allgemeinen politischen Linie: Ja, es
gab ein Corpus Evangelicorum, doch es bestand nur in den aufsummierten
Einzelbündnissen der protestantischen Reichsstände mit Schweden.
Der Erste, der sich dieser Politik Gustav Adolfs beugen musste, war der
Kurfürst von Brandenburg. Er hatte den Schweden die strategisch wichtige
Festung Spandau überlassen, damit diese Magdeburg entsetzten, aber nach
dem Untergang der Stadt wollte er die Festung zurückhaben; außerdem
bestand er auf seiner Neutralität im Konflikt zwischen König und Kai
ser. Für Gustav Adolf hätte das bedeutet, dass er die Havellinie aufgeben
488 D IE Z E IT D ER G R O SSE N SC H L A C H T E N
und sich auf die Oderlinie zurückziehen musste.176 Unter dem Eindruck
der Magdeburger Katastrophe hatte Gustav Adolf zeitweilig über diesen
Rückzug nachgedacht, doch als Tilly untätig bei Magdeburg verharrte und
anschließend ziellos nach Thüringen und Hessen marschierte, beschloss
der Schwedenkönig, an der Havellinie festzuhalten. Dafür brauchte er
jedoch ein Bündnis mit Brandenburg. Um den zögerlichen Georg Wilhelm
dazu zu zwingen, wählte Gustav Adolf ein doppeltes Vorgehen: Einerseits
drohte er, seine Truppen aus Brandenburg abzuziehen und das Land Tillv
zu überlassen, der es gewiss gründlich aussaugen werde; andererseits posi
tionierte er starke Kontingente nahe Berlin und ließ Kanonen auffahren, als
habe er vor, den Kurfürsten anzugreifen. Er wollte endlich wissen, woran
er mit Brandenburg war. «Unsere Tractate [Verhandlungen] mit dem Kur
fürsten von Brandenburg», schrieb er am 4. Juni an Feldmarschall Hom
«haben einen sehr seltsamen Verlauf; was den einen Tag abgehandelt ist
wird den andern umgestoßen, so daß wir uns auf keine Weise versichert
halten können.»177
Gut zwei Wochen später, am 21. Juni, gab Georg Wilhelm klein bei unc
schloss einen Vertrag, in dem er Gustav Adolf für die Dauer des Krieges das
Besatzungsrecht für Spandau einräumte, dazu das Recht, im Notfall die Fes
tung Küstrin mit eigenen Truppen zu besetzen, und schließlich die Zahlung
monatlicher Kontributionen in Höhe von 30 000 Reichstalern als Entgelt
für die Abwehr Tillys. Brandenburg stand damit in einem Klientelverhält
nis zu Gustav Adolf. Nur aus einer Notlage heraus und weil die Schweden
Druck auf ihn ausgeübt hätten, sei er dieses Bündnis eingegangen, Heß
Georg Wilhelm in Briefen an den Kaiser und den sächsischen Kurfürsten
mitteilen. Der Kaiser nahm die Erklärung nicht an, sondern forderte Georg
Wilhelm ultimativ auf, allen kaiserlichen Mandaten und Ermahnungen zu
folgen und in ein Bündnis gegen Schweden einzutreten. Für Johann Georg
wiederum war klar, dass Brandenburgs Bündnis mit Schweden die erste
Bresche im Leipziger Bund war und dass ihr weitere folgen würden. Der
Druck auf Johann Georg wuchs noch dadurch, dass Herzog Wilhelm von
Sachsen-Weimar sich durch Tillys Marsch in Richtung Unstrut und Werra
genötigt sah, seine gemäß den Leipziger Beschlüssen angeworbene Armee
wieder aufzulösen und nach Dresden unter den Schutz Johann Georgs zu
Entscheidungszwang und Entscheidungsvermeidung 489
flüchten.178 Gewährte der Kurfürst ihm Schutz, ergriff Johann Georg Par
tei, und seine Neutralität war in Frage gestellt; verweigerte er dagegen den
Schutz, so kündigte er selbst die Leipziger Beschlüsse auf und dankte als
Haupt des politischen Protestantismus in Deutschland ab. Johann Georg
musste sich entscheiden, auch deswegen, weil Wilhelms Bruder Bernhard
sich nicht nach Dresden, sondern ins Feldlager Gustav Adolfs begeben
hatte, um sich diesem als Offizier zur Verfügung zu stellen. Die Weima
rer zeigten so, welche zwei Optionen die deutschen Protestanten hatten.
Johann Georg musste nun beweisen, dass er tatsächlich eine Option war.
Die endgültige Festlegung des Kurfürsten erzwangen indes der Kaiser
und Tilly. Der Kaiser verbot Johann Georg den Aufbau des Heeres, den der
m sächsische Dienste getretene Feldmarschall Arnim organisierte. Hinzu
kam eine Erklärung Tillys, in der es hieß, der Augsburger Religionsfrieden,
auf den sich die kursächsische Politik durchweg berief, sei nur ein Inte
rim. Früher einmal seien die Katholiken dazu gezwungen worden, als die
Protestanten übermächtig waren und ihnen Vorschriften machen konnten,
490 D IE Z E IT D ER G R O SSE N SC H L A C H T E N
jetzt aber, da sich das Blatt gewendet habe und die Katholischen im Vor
teil seien, müsse man auch den Religionsfrieden neu verhandeln.179Johann
Georgs kaisertreue Gesinnung sei ihm zwar bekannt, fuhr Tilly fo rt, doch
er müsse ihn auffordern, sein Heer wieder aufzulösen, weil es zu Irritatio
nen und Missverständnissen führe, die sich später nicht mehr korrigieren
ließen. Tilly trat um einiges resoluter auf, als das sonst seine Art war. Er
hatte inzwischen vom Kaiser freie Hand bekommen, zur Elbe vorzustoßen
und in das Territorium des Kurfürsten einzudringen, wenn Johann Georg
nicht zu einer «wirklichen Deponierung der Waffen» bereit sei, «sondern
einen abschlägigen oder auch nur einen verzuglichen Bescheid erfolgen»
lasse.180 Der Kaiser wollte auf den sächsischen Kurfürsten hinfort keine
Rücksicht mehr nehmen. Kursachsen sollte sich den kaiserlichen Anord
nungen unterwerfen, oder Tilly würde das Land besetzen. Auch der Kaiser
verweigerte sich also dem kurfürstlichen Neutralitätsanspruch.
Doch Tilly rückte vorerst nicht bis zur Elbe vor, sondern marschierte
zur Havel nach Werben, wo es ihm, wie berichtet, nicht gelang, Gustav
Adolf aus seinem gut befestigten Lager herauszulocken. Noch traute dieser
sich eine offene Feldschlacht gegen Tilly nicht zu. Derweil war in Tillys
Rücken ein weiterer Unruheherd entstanden, denn Landgraf Wilhelm V.
von Hessen-Kassel ging nun mit einem 7000 Mann starken Heer gegen die
an Werra und Fulda stehenden kaiserlichen Besatzungen vor.181 Im Unter
schied zu dem immer noch zögerlichen sächsischen Kurfürsten hatte der
Landgraf eine Entscheidung getroffen und am 22. August sein Bündnis mit
Schweden öffentlich gemacht. Das war nicht ungefährlich für ihn, denn
aus Süddeutschland rückten starke kaiserliche Verbände unter Egon von
Fürstenberg und Otto Heinrich von Fugger heran. Sie waren bislang damit
beschäftigt gewesen, die von den evangelischen Ständen im Süden gemäß
den Leipziger Beschlüssen geworbenen Truppen zu zerstreuen. Fürsten
berg aber zog an Hessen-Kassel vorbei, denn Tilly hatte ihm den Befehl
gegeben, sich mit seinen Regimentern dem Hauptheer anzuschließen und
mit ihm in Kursachsen einzufallen. Damit war die Zeit des Zauderns und
Zögerns in Dresden zu Ende: Am 12. September wurde das Bündnis zwi
schen Gustav Adolf und Johann Georg geschlossen. Fünf Tage später kam
es bei Breitenfeld zur Entscheidungsschlacht.
Breitenfeld, die blutigste Schlacht des Krieges 491
Breitenfeld, die
blutigste Schlacht des Krieges
Dass es zur Schlacht bei Breitenfeld kam, war unter anderem die Folge einer
doppelten Fehlannahme. Gustav Adolf ging davon aus, er sei nach der Ver
bindung mit den Truppen des sächsischen Kurfürsten seinem Gegner an
Soldaten deutlich überlegen. Tilly hingegen nahm an, er habe es nur mit
der sächsischen Armee zu tun, als er sich entschloss, nördlich des von ihm
eingenommenen Leipzig eine Schlachtaufstellung gegen den anrückenden
Feind einzunehmen. Hätte er gewusst, dass er es mit dem bei Düben ver
einigten Heer der Sachsen und Schweden zu tun bekommen würde, hätte
er sicherlich noch ein paar Tage gewartet, zumindest bis die 6500 Vetera
nen eingetroffen wären, die durch Thüringen heranzogen und zum Zeit
punkt der Schlacht etwa 100 Kilometer von Leipzig entfernt waren. Hätte
er noch etwas länger gewartet, wäre Fugger mit weiteren 10 000 Mann
dazugekommen. So aber waren die Heere der Schweden und Sachsen
am 17. September 1631 den kaiserlich-ligistischen Truppen zahlenmäßig
überlegen: Die Schweden verfügten über 24 900 Mann, die Sachsen über
18 300 Mann, beide zusammen also über 43 200 Mann, denen auf Seiten
Tillys 32 000 Mann gegenüberstanden.182
Da Tilly einen Tag früher als Gustav Adolf auf dem Terrain zwischen
den Dörfern Podelwitz und Göbschelwitz eintraf, nahm er die zunächst
günstigere Position ein: Er bezog in dem ebenen Gebiet auf einem leichten
Höhenzug nach Norden hin Stellung, so dass ihm die Sonne im Rücken
stand. Schweden und Sachsen mussten nicht nur gegen die Sonne mar
schieren, sondern hatten am Vormittag auch starken Gegenwind, der auf
den ausgetrockneten Feldern Sand und Erde aufwirbelte.183 Obendrein
hatte Tillys Heer auf dem Schlachtfeld übernachtet, während die Truppen
Gustav Adolfs und des Kurfürsten in Kampfformation vorrückten und erst
gegen Mittag die vorgesehenen Gefechtspositionen erreichten. Robert
Monro, der mit seinem schottischen Regiment an der Schlacht von Breiten
feld teilnahm, hält in seinen Kriegserlebnissen fest, Tilly habe «das Gelände
höchst vorteilhaft für die Aufstellung seiner Infanterie, der Reiterei und
491 D IE Z EIT D ER G R O SSE N SC H L A C H T E N
der Artillerie ausgesucht» und der Feind sei nicht nur durch das Gelände,
sondern auch durch «die Windrichtung und den Sonnenstand» begüns
tigt gewesen.184 Bereits beim Anmarsch gerieten die Schweden und Sach
sen unter schweres Feuer der kaiserlich-ligistischen Kanonen, das sie nicht
erwidern konnten, weil ihre eigenen Geschütze erst in Stellung gebracht
werden mussten. «Wir rückten», so Monro, «in Schlachtaufstellung unter
Trompetengeschmetter, Trommelklang und mit fliegenden Fahnen vor, bis
wir in den Feuerbereich der Artillerie des Feindes kamen. [... ] Die ganze
Zeit über, in der wir unter Kanonendonner und dem Heulen und Jaulen der
heranfliegenden Kanonenkugeln nach dem Schlachtplan aufmarschierten,
feuerte der Feind in unsere Reihen, wo die Geschosse, wie man sich vorstel
len kann, große Verluste hervorriefen.»185
Monro bemüht sich, das Schlachtgeschehen präzise darzustellen.
Man kann davon ausgehen, dass der kriegserfahrene Mann das, was er
beschreibt, auch so wahrgenommen hat; aber das war keineswegs bei allen
Soldaten der Fall. Für die übliche Wahrnehmung des Geschehens dürfte
Breitenfeld, die blutigste Schlacht des Krieges 493
eher der Bericht des Soldaten Peter Hagendorf typisch sein, der freilich im
Verband der kaiserlich-ligistischen Truppen diente. Hagendorf berichtet,
wie man Anfang September nach Leipzig zog, die Stadt belagerte und nach
ihrer Übergabe in Richtung Norden marschierte, wo man sich mit dem
schwedischen König schlug - das alles ohne Blick für die Bedeutung der
Schlacht oder ein tiefergehendes Interesse am Schlachtverlauf. Er fasst die
Ereignisse von etwas mehr als einer Woche in wenigen Zeilen zusammen;
er beginnt mit der Belagerung Leipzigs: «Hier das Lager aufgeschlagen,
alsbald geschanzt, Laufgräben gemacht, die Kanonen aufgefahren und die
Stadt beschossen. Den 7. September da haben sie mit Akkord die Stadt samt
dem Schloß aufgegeben und sind abgezogen den 7. September im Jahr 1631.
Da sind wir im Lager wohlauf gewesen die Zeit über, bis der Schwede ist
angekommen. Den 17. September nach Eroberung der Stadt [Leipzig] ist
der König [Gustav Adolf] mit ganzer Macht samt der sächsischen Armee
angekommen. Da sind wir ihm entgegengegangen, über zwei Stunden
gemeint ist der Marsch vom Leipziger Lager auf den leichten Höhenzug
zwischen Podelwitz und Göbschelwitz]. An diesem Tag sind wir geschla
gen worden, die ganze bayrischen Armee, ausgenommen diese 4 Regimen
ter nicht, nämlich Pappenheim, Wallies, Wangier und Jung-Tilly. Denn wir
sind auf dem rechten Flügel gestanden und sind auf den Sachsen getroffen,
die haben wir alsbald in die Flucht geschlagen. Da wir vermeint haben, wir
haben gewonnen, ist aber unser linker Flügel ganz geschlagen gewesen. Da
haben wir uns auch müssen wenden. Zu allem Glück kommt uns die Nacht
auf den Hals, sonst wären wir auch kaputt gemacht worden.»186
Die Wahrnehmung und Beschreibung eines Schlachtverlaufs kann also
erheblich variieren.187 In der Wiedergabe Hagendorfs ist das Geschehen auf
ein Mindestmaß beschränkt, vor allem geht es um die Folgen für ihn selbst:
Er gehörte zu den Geschlagenen, wiewohl die eigenen Einheiten zunächst
erfolgreich waren; das Wichtigste für ihn aber war, mit heiler Haut davon
gekommen zu sein. Hagendorfs Blick ist auf seine unmittelbare Umgebung
gerichtet. Das ist es, was ihn beschäftigt; alles andere hält er nur insofern
für erwähnenswert, als es ihn mehr oder weniger betrifft. Der «Blick von
unten», die Wahrnehmung des einfachen Soldaten, verbindet sich hier mit
einer radikal subjektiven Sichtweise, dementsprechend eingeschränkt ist
494 D IE Z E IT D ER G R O SSE N SC H LA C H T EN
das Blickfeld. Der Verlauf der Schlacht in seinen einzelnen Abschnitten war
für Hagendorf ohne Relevanz, zumal er selbst keinen Einfluss darauf hatte.
Er war ein Teil der Massen, die von den Feldherren bewegt wurden, und
worauf es für ihn ankam, das teilte er mit. Wäre Hagendorfs Bericht das
einzige historische Zeugnis über die Schlacht von Breitenfeld, könnten wir
schwerlich ermessen, was sie für den Fortgang des Krieges bedeutet hat.
Dem steht der Blick vom Feldherrnhügel gegenüber, der das gesamte
Geschehen erfasst, das eigene Zentrum, die beiden Flügel, dazu den Gegner
und dessen Aufstellung; der die feindlichen Bewegungen in ihrer Bedeu
tung für den Schlachtverlauf zu begreifen versucht, um Befehle zu eigenen
Gegenmaßnahmen geben zu können, und beobachtet, ob und wie sie aus
geführt werden - kurzum: der weit genug reicht für Aktion und Reaktion.
Dieser Blick vom Feldherrnhügel ist freilich eine idealisierte Position, die
von den wirklichen Feldherren nur für kurze Zeit oder gar nicht eingenom
men wurde. Bei Breitenfeld dürfte Tilly in der Anfangsphase der Schlacht
eine solchen Stellung eingenommen haben. Gustav Adolf dagegen ist an
diesem Tag zu keinem Zeitpunkt in dieser Position gewesen: Sein Auf
marschraum bot keine Erhöhungen, von denen aus man das Schlachtfeld
überblicken konnte, der König und seine Umgebung befanden sich in der
Bewegung, und obendrein hatte Gustav Adolf die Angewohnheit, sich an
den Stellen des Kampfgeschehens aufzuhalten, wo er gebraucht zu werden
glaubte. Er neigte dazu, «von vorne» und nicht vom Feldherrnhügel aus zu
führen; das konnte er sich freilich nur leisten, weil er in der Lage war, sich
ein Bild von der Schlacht zu machen, als ob er sie vom Feldherrnhügel aus
überblicken würde. Hatte die Schlacht erst einmal begonnen, so war die
Sicht durch den Rauch der Musketen und Kanonen sowie den bei Kavalle
rieattacken aufgewirbelten Staub ohnehin so stark beeinträchtigt, dass man
sich auf seine Vorstellungskraft verlassen musste.
Dass die Wahrnehmung der Schlacht sehr unterschiedlich ausfallen
kann, gilt auch für den retrospektiv arbeitenden Historiker, der sich ent
weder auf den imaginierten Feldherrnhügel stellt und von dort das Gesche
hen überblickt oder sich selbst ins Kampfgetümmel stürzt und so tut, als
stünde er an der Seite eines der Kämpfer. Beides stimmt mit dem tatsäch
lichen Blickfeld der jeweiligen Akteure nicht unbedingt überein: Der His
Breitenfeld, die blutigste Schlacht des Krieges 49S
toriker auf dem Feldherrnhügel sieht sehr viel mehr, als der Feldherr im
Augenblick der Schlacht sehen konnte, und vor allem weiß er mehr, als der
Feldherr in der konkreten Situation wissen konnte. In gewisser Hinsicht
trifft das auch auf jenen Historiker zu, der sich in die Lage des einfachen
Soldaten hineinversetzt, denn sein Bericht ist raumzeitlich sehr viel stärker
strukturiert, als die unmittelbare Wahrnehmung der Kampfsituation das
zulässt. Wie auch immer das Geschehen durch den Historiker beschrieben
wird - es ist klarer und geordneter, als es die Beteiligten wahrgenommen
und im Nachhinein selbst dargestellt haben.
Oberst Monro nimmt bei alldem eine mittlere Position ein: Er befindet
sich mitten im Gefecht, muss aber mehr erfassen als nur die unmittelba
ren Vorgänge, um seine Soldaten dirigieren und die eintreffenden Befehle
ausführen zu können. Unter feindlichem Feuer hatte man am Vormittag
des 17. September schließlich die vorgesehenen Positionen erreicht; dann
wurden die eigenen Geschütze in Stellung gebracht, durch Schanzkörbe
rechts und links gegen Musketenfeuer gesichert und auf den Feind aus
gerichtet. Bis dahin hatten, sieht man von den Scharmützeln der Plänkler
und der leichten Reiterei einmal ab, nur die aufmarschierenden Schweden
und Sachsen Verluste erlitten. Tilly hatte den Geländevorteil und seinen
Zeitvorsprung genutzt. «Dann», so Monro, «brüllten unsere Kanonen
los, große und kleine, und zahlten dem Feind mit gleicher Münze zurück.
Dieses Artilleriefeuer dauerte dann auf beiden Seiten etwa zweieinhalb
Stunden. Während dieser Zeit standen unsere Schlachtreihen der Infante
rie und der Kavallerie fest wie eine Mauer, obwohl die Kanonenkugeln ab
und zu große Lücken in die Formationen unserer Leute rissen. Aber durch
die Wachsamkeit der Offiziere und dadurch, dass alle Hände mit anpackten,
wurden die Lücken sofort wieder geschlossen, und die Verwundeten wur
den auf die Seite zu den Feldschern gebracht. So standen die Offiziere fest,
überblickten ihren Kommandobereich, und einer trat für den anderen ein,
wenn sich eine Gelegenheit dazu ergab.»188
Monro hatte schon eine Reihe von Gefechten hinter sich und war nicht
leicht aus der Fassung zu bringen. Man darf unterstellen, dass er auch an
diesem Vormittag den Überblick behielt. An einer so großen Schlacht wie
der bei Breitenfeld hatte er jedoch noch nicht teilgenommen. Außerdem
49<5 D IE Z E IT D ER G R O SSE N SC H LA C H T EN
Tilly und Gustav Adolf scheinen sich bis zum Vorabend des 17. Septem
ber nicht sicher gewesen zu sein, ob sie die Schlacht annehmen sollten,
die ihnen ihr jeweiliges Gegenüber offenbar anbot. Es waren andere, die
ihnen die Entscheidung abnahmen oder zumindest erleichterten: bei
Tilly einmal mehr der ungestüme Pappenheim und bei Gustav Adolf der
gerade erst als Verbündeter gewonnene Kurfürst von Sachsen, der darauf
drängte, den in sein Land eingedrungenen Feind so schnell wie möglich
wieder hinauszuwerfen. Anscheinend hat der König erwogen, Tillys Heer
mit Diversionsoperationen aus Kursachsen herauszudrängen und dabei
eine Entscheidungsschlacht zu vermeiden. Das entsprach dem damaligen
Stand der Kriegslehre: Bei einer Schlacht ließ man sich auf eine Fülle von
Unwägbarkeiten ein, man begab sich in die Hand der Glücksgöttin Fortuna,
bei der man nicht wusste, wem sie gewogen war. Dagegen hatte man in der
Manöverstrategie, dem Operieren gegen die Versorgungslinien des Feindes,
die Vorgänge sehr viel besser unter Kontrolle. Seit der Vereinigung mit dem
sächsischen Heer war Gustav Adolf dem Gegner zahlenmäßig überlegen,
doch was die gerade erst geworbene sächsische Armee zu leisten imstande
war, hatte sie noch nicht unter Beweis gestellt. Die sächsischen Rekruten
mussten sich gegen Tillys altgediente, in vielen Schlachten erprobte Krie-
Breitenfeld, die blutigste Schlacht des Krieges 497
ger behaupten. Am Schluss setzten sich bei Gustav Adolf die politischen
gegen die militärischen Argumente durch, und der König ließ sich auf die
Schlacht ein. Seinem Temperament entsprechend tat er dies, nachdem er
die Entscheidung erst einmal getroffen hatte, mit großer Entschlossenheit.
Bei Tilly lagen die Dinge etwas anders: Er war dem anrückenden Feind
von Leipzig aus entgegenmarschiert, wie oben dargestellt in der Annahme,
es handele sich nur um die sächsische Armee. Dann trafen Meldungen ein,
dass auch die Schweden heranzogen, und das hieß, dass der Gegner kräf
temäßig überlegen war. Tilly berief einen Kriegsrat ein und gab zu beden
ken, ob es nicht besser sei, den Zuzug der Verstärkungen abzuwarten und
sich erst dann zur Schlacht zu stellen. Feldmarschall Pappenheim vermu
tete hinter diesem Vorschlag einmal mehr jene Zögerlichkeit, über die er
sich off beklagte. Er hatte kein Zutrauen mehr zu Tillys Urteilskraft und
Entscheidungsfähigkeit. Mit einer starken Kavallerieeinheit unternahm er
einen Erkundungsvorstoß nach Norden, um sich Klarheit darüber zu ver
schaffen, auf wen man treffen werde. Er stieß auf sächsische Kavallerie, die
er in die Flucht schlug; Gefangene ließ er mit der Bemerkung zum eigenen
Heer bringen, man habe es offenbar doch nur mit den Sachsen zu tun. Til
lys Aufforderung, sich zurückzuziehen, folgte Pappenheim nicht. Schließ
lich stieß er auf die Hauptarmee des Gegners und teilte Tilly mit, jetzt sei
ein Rückzug zu gefährlich, er brauche 2000 Mann Verstärkung.190 Da war
Tilly klar, dass Pappenheim ihn zur Schlacht zwingen wollte und er dem
nichts entgegenzusetzen hatte. «Dieser Kerl», soll er im Zorn gerufen
haben, «wird mich um meine Ehre und meinen guten R uf bringen und
den Kaiser um sein Land und sein V olk.»191
Vor Beginn der Schlacht wurden die Feldzeichen ausgegeben und der
Schlachtruf festgelegt: Auf Seiten Tillys handelte es sich um weiße Arm
bänder und den R uf «Jesu M aria!»; bei Schweden und Sachsen war es ein
grüner Zweig, der am Hutband befestigt wurde, und der R uf «Gott mit
uns!». Tilly hatte seinen spanischen Vorlieben gemäß eine tiefe Aufstel
lung gewählt, was daraufhinweist, dass er die Schlacht von Anfang an offen
siv führen wollte. Im Zentrum waren die aus Musketieren und Pikenieren
zusammengesetzten Tercios schachbrettförmig angeordnet. Sie sollten
nach vorbereitendem Artilleriefeuer und Kavallerieattacken auf die gegneri-
498 D IE Z E IT D ER G R O SSE N S C H L A C H T E N
sehen Flügel den entscheidenden Stoß führen, und dabei vertraute Tilly auf
die Angriffswucht seiner Veteranen. Die Einheiten des linken Flügels kom
mandierte Pappenheim, die des rechten Flügels Fürstenberg. Gustav Adolf
hatte sich für eine deutlich flachere Aufstellung entschieden; sie verschaffte
höhere Feuerkraft und größere Beweglichkeit, ließ aber nicht zu, derart
kraftvoll anzugreifen wie Tillys Tercios. Im Prinzip führte Gustav Adolf
das schwedische Zentrum selbst. Da er jedoch, wie oben angedeutet, die
Angewohnheit hatte, dorthin zu reiten, wo sich gerade das Hauptgeschehen
abspielte, übernahmen die Obersten Wolf Matthias von Teuffel und John
Hepburn das Kommando; Generalleutnant Johan Baner kommandierte
den rechten, Feldmarschall Gustav Horn den linken Flügel. Die schwedi
sche Aufstellung war eher defensiv, und ein Offensivstoß sollte aus der Ver
teidigung heraus geführt werden. Das sächsische Heer wiederum, das sich
an den linken Flügel der Schweden anschloss, hatte eine ganz eigene, eher
kompakte Aufstellung gewählt, bei der ebenfalls die Flügel von Kavallerie
und das Zentrum von Infanterieeinheiten gebildet wurden, wobei Kavalle
rie und Infanterie in Form von Dreiecken mit der Spitze gegen den Feind
positioniert waren. Der erfahrene Feldmarschall Arnim, der, auch wenn
sich Kurfürst Johann Georg bei der Armee befand, de facto das sächsische
Heer führte, misstraute offenbar der Kampfkraft seiner Truppen und stellte
deswegen seine Regimenter so auf, dass sie sich gegenseitig Rückhalt gaben.
Wenn sie dem Angriff von Tillys rechtem Flügel standhalten würden, hat
ten sie ihren Beitrag zur Schlacht geleistet.
Gustav Adolf entfaltete bei Beginn des Gefechts seinen starken rechten
Flügel - ob er das aus taktischen Überlegungen heraus tat oder nur, um
Sand und Staub auszuweichen, mag dahingestellt bleiben - , so dass der
ihm gegenüberstehende Pappenheim sich immer weiter von Tillys Zen
trum entfernte, zumal dieses sich nach rechts bewegte, da Tilly relativ früh
die Sachsen als Schwachstelle der gegnerischen Front ausgemacht hatte.
Dadurch entstand in Tillys Aufstellung eine Lücke zwischen dem linken
Flügel und dem Zentrum, in die Gustav Adolf hineinstieß, nachdem sein
eigener linker Flügel unter Horn am Nachmittag den Angriff der kaiserlich-
ligistischen Hauptmacht aufgefangen und zurückgeschlagen hatte. Zuvor
freilich hatte die Schlacht auf Messers Schneide gestanden, da ein Groß
Breitenfeld, die blutigste Schlacht des Krieges 499
teil der sächsischen Armee dem Angriff von Tillys rechtem Flügel unter
Fürstenberg nicht standgehalten hatte und vom Schlachtfeld geflohen war.
Gustav Adolfs Plan ging auf: Aus einer stabilen Defensive heraus führte er,
nachdem sich der Gegner durch fortgesetzte Angriffe erschöpft hatte, den
entscheidenden Gegenangriff, den Tilly nicht mehr parieren konnte. Tilly
hatte keine Reserven mehr, denn diese waren in der offensiven Aufstellung
der Spanischen Tercios nicht vorgesehen.
In den Analysen der Schlacht von Breitenfeld ist immer wieder mit Erstau
nen bemerkt worden, dass die beiden Flügel Tillys gleichzeitig angriffen.192
Das war damals unüblich; in der Regel lag zwischen den Attacken der Flü
gel ein zeitlicher Abstand, so dass sich beobachten ließ, wo der Gegner stär
ker und wo er schwächer war. Unklar ist auch, ob Pappenheim, der heim
Angriff den Anfang machte, während Fürstenberg unmittelbar danach
folgte, dies auf Weisung Tillys tat oder aber aus eigenem Entschluss han
delte. Manches spricht für Letzteres. Das schwedische Artilleriefeuer, so
wird berichtet, habe eine furchtbare Wirkung in den Reihen des kaiserlich-
ligistischen Ffeeres gehabt. Die Verluste dürften doppelt so hoch gewesen
sein wie die in den Reihen der Schweden.193 Einmal mehr scheint Pappen
heim zu dem Schluss gelangt zu sein, mit Tillys Zögerlichkeit verspiele man
den Sieg und ruiniere die Armee. Also ergriff er die Initiative und befahl
seinen Kürassieren anzugreifen. Die Schweden aber waren darauf vorbe
reitet, und zwischen den Kavallerieeinheiten, denen Pappenheims Angriff
Salt, standen Musketiere, die seine 4000 Kürassiere mit Salvenfeuer emp
fingen. Vor allem verfügten die Schweden über leichte Regimentskanonen,
die in den Reihen der Reiter aufgestellt waren und in schneller Folge in die
feindliche Kavallerie hineinschossen. Anstelle der traditionell gegen Reite
reiattacken eingesetzten Pikenierhecke194hatte Gustav Adolf die Feuerkraft
seiner Musketiere erhöht und ihnen durch die Regimentskanonen zusätz
lichen Rückhalt verschafft.
Als Pappenheim erkannte, dass seine Kavallerie die schwedischen Rei
hen nicht aufbrechen konnte, zog er das seinem Flügel zugeordnete Infan
terieregiment Holstein sowie die Arkebusierregimenter Merode und Picco
lomini nach, um die schwedischen Linien seinerseits unter Salvenfeuer zu
5oo D IE Z E IT D ER G R O SSE N SC H L A C H T E N
Tröpfe, die ihren Herzog im Stich gelassen und die gute Sache und ihr Land
verraten hatten, während wir als Fremde unser Leben für ihre Freiheit ein
setzten.»196
Es flohen indes nicht sämtliche sächsische Einheiten; mehrere Regi
menter unter Feldmarschall Arnim hielten stand und zogen sich kämp
fend auf den linken Flügel der Schweden zurück. Zwei Faktoren entschie
den den Ausgang der Schlacht zugunsten der Protestanten. Zunächst der
Umstand, dass Fürstenberg den rechten Flügel Tillys nach dem Sieg über
die Sachsen nicht unter Kontrolle behielt: Die Kroaten - und nicht etwa
die flüchtenden Sachsen selbst, wie Monro behauptete - plünderten die
sächsische Bagage,197 andere Einheiten verfolgten die Fliehenden und
standen damit für einen weiteren Angriff auf die Schweden nicht zur Ver
fügung. Insgesamt gab man sich mit dem Sieg über die Sachsen zufrieden,
offenbar in der Überzeugung, damit habe man seine Schuldigkeit für die
sen Tag getan. Es war also nur das Zentrum Tillys, das nun gegen den lin
ken schwedischen Flügel vorstieß; durch die Untätigkeit Fürstenbergs war
inzwischen jedoch so viel Zeit vergangen, dass Gustav Horn sich auf die
neue Lage einstellen und eine geschlossene Abwehrlinie entlang der Straße
von Leipzig nach Düben bilden konnte. Die schwedische Kavallerie deckte
die durch die Flucht der Sachsen offene Flanke. Horn stellte sie in einem
abknickenden Winkel zur Infanterie auf, deren Position er nur geringfü
gig verändern musste. Das ging schnell, und es entstanden keine Lücken.
Inzwischen hatte auch der Wind gedreht und blies nun den kaiserlich-ligis-
tischen Truppen Staub und Qualm entgegen.
Damit begann nach den Kämpfen auf beiden Flügeln die dritte Phase
der Schlacht. Tillys Zentrum rücke in drei Säulen zum Angriff vor. Sie tra-
fen auf eine schwedische Formation, die nach den von Gustav Adolf modi
fizierten Vorgaben der oranischen Strategielehre aufgestellt war, also nicht
in tiefen Blöcken, sondern in zweimal sechs Gliedern, einem ersten und
einem zweiten Treffen. Dazwischen überall leichte Kanonen, mit denen die
Feuerkraft der Musketiere erhöht wurde. Schon die ersten Salven brach
ten Tillys Tercios zum Stehen. Die so entstandene Verwirrung ausnutzend,
gingen die Schweden zum Pikenangriff über, trieben die Tercios auseinan
der und schlugen sie in die Flucht. Als auch die schwedische Kavallerie zur
Attacke überging, schlossen sich weitere, bislang noch unerschütterte Ein
heiten den Fliehenden an. Die Auflösung des kaiserlich-ligistischen Heeres
nahm ihren Anfang, als Gustav Adolf das Zentrum seiner Aufstellung in die
durch Pappenheims Linksschwenk entstandene Lücke hineinstoßen ließ.
Am Nachmittag des 17. September hörte Tillys Veteranenarmee, die in
den zurückliegenden zehn Jahren von Sieg zu Sieg geeilt war, auf zu beste
hen. Sie habe, so William Guthrie, aus den besten Soldaten Europas bestan
den.198 Diese galten als unbesiegbar. Insofern ging bei Breitenfeld auch
ein Mythos zugrunde, der bis dahin das militärische Planen und Handeln
beider Seiten bestimmt hatte. Damit veränderten sich die Konstellationen
des Krieges von Grund auf. Am Abend auf dem Schlachtfeld, als aus zer
brochenem Kriegsgerät wärmende Feuer entzündet wurden,199 dürfte das
den wenigsten klar gewesen sein. Die Folgen der Schlacht sollten sich aber
schon bald darauf zeigen.
Drei Tage nach seinem großen Sieg bei Breitenfeld schrieb Gustav Adolf,
er habe allen Grund, «Gott zu danken, daß er uns mildigliche beschützt
hat in einer so evidenten Gefahr, wie wir kaum je zuvor in einer gewe
sen».200 Ein ums andere Mal hatte er sich dorthin begeben, wo der Kampf
am härtesten tobte, um durch Befehl und Vorbild für die eigene Seite die
Oberhand zu gewinnen. Zugleich war dem Lutheraner Gustav Adolf die
Gustav Adolfs Siegeszug durch Deutschland SOS
Xähe des Todes stets präsent: Er hielt sich weder für unverwundbar, noch
war er der Überzeugung, Gott werde ihn in allen Gefahren beschützen. In
seiner Abschiedsrede vor Reichsrat und Reichstag beim Aufbruch nach
Deutschland hatte er erklärt: «Und da es die Regel ist, daß der Krug so
oft zum Brunnen geht, bis er schließlich bricht, so wird das auch mit mir
nicht anders geschehen, daß ich, der ich in so vielen Gefahren und bei so
Gelen Gelegenheiten mein Blut für das Wohlergehen des schwedischen
Reiches vergossen habe, obgleich ich bisher durch den gütigen Schutz Got
tes mit dem Leben davongekommen bin, dieses letztendlich doch verlie
ren muß.»201 Bei Breitenfeld war der Tod am König vorübergegangen. Das
war für Gustav Adolf nicht selbstverständlich, und so begann er einen Brief
vom 20. September auch mit dem tiefen Bedauern über den «Verlust so
tapferer Männer», fuhr dann aber fort, der errungene Sieg sei von unend
licher Wichtigkeit gewesen. Gustav Adolf hatte schnell erfasst, dass dieser
Sieg einen Wendepunkt des Krieges darstellte.202
Die Schweden konnten die auf dem Schlachtfeld erlittenen Verluste
von etwa 3000 Mann - die sächsischen Verluste allein dürften ebenso hoch
gewesen sein - leicht ausgleichen, indem sie ihre Regimenter mit gefangen
genommenen Soldaten des Gegners wieder auffüllten. Und nicht nur das:
Sie konnten neue Einheiten aufstellen und so das Heer weiter vergrößern.
Größere Probleme waren dabei nicht zu erwarten, denn viele Soldaten des
kaiserlichen Heeres waren Protestanten, und das Charisma des Siegers,
dem die Söldner neben der Aussicht auf regelmäßige Bezahlung folgten,
war nun von Tilly auf Gustav Adolf übergegangen. In einem am Tag nach
der Schlacht im schwedischen Heerlager verfassten Schreiben heißt es,
Tilly habe «in etwa 5 Stunden (so lange währte die Schlacht) seine Repu
tation verloren», denn man habe gesehen, «daß Tilly auch eine Schlacht
verlieren kann».203 Tilly selbst war in der Schlacht verwundet worden;
600 Fußsoldaten und 1500 Reiter hatten ihn, der auf einer Bahre transpor
tiert werden musste, vom Schlachtfeld eskortiert, zunächst nach Leipzig
und dann nach Halle, wo er medizinisch versorgt wurde. Auch er war dem
Tod nur knapp entgangen: In der Schlussphase der Schlacht, als sich die
Tercios in Auflösung befanden, hatte ein hochgewachsener schwedischer
Offizier dem General, der bereits durch mehrere Pistolenschüsse verwun-
Der Kupferstich bezieht sich auf den Sieg Gustav Adolfs über Tilly hei
Breitenfeld: Kurfürst Johann Georg schlägt mit seinem Stab dem aus den
Schüsseln «R eligion » und «R e g io » naschenden Tilly auf die Finger,
und Gustav Adolf bedroht ihn mit einer Schale. Tilly ist die Verkörperung
aller Laster: Er steht auf den Kugeln «B e tru g » und «M issgu n st», seine
Arme heißen « G eiz» und «T yran n ei». Gustav Adolf als Verkörperung
von «S tä rk e » und Johann Georg als «Verletzte G eduld» klären den
kaiserlichen General über ihre als Konfekt allegorisierten Werte auf:
«H eilig ist unß diß Confect / drum schlagen wir dich billich w eg.»
sollte er sich wenden? Beim Kriegsrat in Halle vom 24. bis 26. September
wurden drei Möglichkeiten diskutiert.206 Die erste Option war, den verblie
benen Streitkräften des Feindes zu folgen, sie zunichtezumachen und Nord
westdeutschland unter Kontrolle zu bringen. Diesen Vorschlag vertrat vor
allem der sächsische Feldmarschall Hans Georg von Arnim-Boitzenburg.
Die zweite Möglichkeit bestand in einem Vorstoß nach Südosten, entweder
entlang der Oder über Schlesien oder auf dem direkten Weg nach Böhmen,
um die kaiserlichen Erblande zu erobern, bis Wien vorzudringen und dem
Kaiser den Frieden zu diktierten. Diese «napoleonische Option» wurde
von einigen Offizieren vertreten, aber ihr wohl einflussreichster Fürspre
cher, Kanzler Oxenstierna, war beim Kriegsrat in Halle nicht zugegen.207
Die dritte Möglichkeit lief darauf hinaus, von Sachsen aus nach Südwesten
vorzustoßen und dabei in die «Pfaffengasse» einzufallen, also die reichen
Bistümer am Main, von Oberfranken bis zum Rhein, unter Kontrolle zu
bringen. Damit wurden der Liga die Finanzierungsgrundlagen entzogen,
und der südwestdeutsche Protestantismus, der sich seit Beginn der 1620er
Jahre dem Katholizismus hatte beugen müssen, konnte wieder in seine
alten Rechte eingesetzt werden. Dieser Option neigte der König selbst zu.
In allen drei Fällen gab es jedoch logistische Beschränkungen und
politische Faktoren, die genau zu bedenken waren. Bis das Heer wieder
in Bewegung gesetzt werden konnte, würde es Anfang Oktober sein; bis
zum Wintereinbruch musste man die wesentlichen Ziele erreicht haben,
und die Truppen sollten sich in einem Gebiet befinden, wo sie den Winter
über Quartier beziehen und versorgt werden konnten. Das sprach gegen
den Vorstoß auf Wien, denn bis Ende Herbst hätte man die Stadt kaum
eingenommen, und eine Belagerung im Winter war ausgeschlossen. Sol
che jahreszeitlichen und logistischen Überlegungen standen weder der
Verlagerung des Krieges nach Nordwestdeutschland noch der nach Süd
deutschland entgegen, wobei die Versorgungsmöglichkeiten in der bislang
vom Krieg verschonten «Pfaffengasse» deutlich besser waren als die in
Nordwestdeutschland, das in den letzten Jahren ein Hauptkriegsschauplatz
gewesen war. Den Ausschlag für den Vorstoß zu Main und Rhein dürften
aber die politischen Konstellationen gegeben haben, und dabei war, wie so
oft in der Koalitionskriegführung, der Blick auf den Freund wichtiger als
51° D IE Z E IT D ER G R O SSE N SC H L A C H T E N
der auf den Feind. Gustav Adolf hatte nicht vergessen, wie lange es gedauert
hatte, bis sich der sächsische Kurfürst ihm als Verbündeter angeschlossen
hatte, und nach wie vor misstraute er dessen Bündnisloyalität. Anderer
seits hatte sich die sächsische Armee bei Breitenfeld nicht gerade rühm
lich geschlagen, was die Verhandlungs- und Durchsetzungsmacht Johann
Georgs erheblich einschränkte. Gustav Adolf war politisch versiert genug,
das den sächsischen Kurfürsten nicht spüren zu lassen; vielmehr führte
er mit ihm ein Gespräch «von Sieger zu Sieger» und lobte Johann Georg
für den Mut, die Schlacht überhaupt gewagt zu haben. Über seine Flucht
vom Schlachtfeld wurde nicht geredet. Johann Georg wusste freilich, dass
sie jederzeit auf den Tisch kommen konnte, wenn er allzu fordernd auftrat
oder sich dem König entgegenstellte.
Der sächsische Kurfürst schlug vor, dass er sich selbst mit dem inzwi
schen reorganisierten sächsischen Heer in Richtung Main und Rhein auf
machte, um den dortigen Protestanten als Befreier zu Hilfe zu kommen;
Gustav Adolf hingegen solle den Krieg in Böhmen und Schlesien fortsetzen
und dabei versuchen, den Kaiser friedenswillig zu machen. Gustav Adolf
durchschaute Johann Georgs Plan: Der Sachse wollte sich aus dem Krieg
gegen den Kaiser heraushalten und selbst einen Feldzug mit Aussicht auf
große Beute führen. Dabei würde er wohl die Liga schwächen, aber deren
Oberhaupt, Kurfürst Maximilian von Bayern, nicht angreifen. Die Politik
der «dritten Partei» würde damit auf die politische Bühne zurückkehren:
Während Gustav Adolf mit dem Kaiser in Böhmen, Schlesien und Oberös
terreich Krieg führte, würde der sächsische Kurfürst die reichsten Gebiete
Deutschlands unter seine Kontrolle bringen und sich mit dem bayerischen
Kurfürsten über Einflussgebiete und Interessengrenzen verständigen.
Gustav Adolf fürchtete, Johann Georg werde bei nächster Gelegenheit
zum Kaiser zurückkehren. Er entschied sich darum für die umgekehrte
Rollenverteilung und legte fest, dass die Sachsen in Schlesien und Böhmen
Krieg führen sollten, da Johann Georg in diesen an sein Land angrenzen
den Gebieten ja auch eigene Interessen habe, während er, Gustav Adolf, mit
seinem Heer zum Main aufbrechen werde. Dort stehe ein harter Kampf
bevor, für den das sächsische Heer noch zu unerfahren sei, wie sich bei
Breitenfeld gezeigt habe. Johann Georg konnte dem schlecht widerspre
Gustav Adolfs Siegeszug durch Deutschland SU
chen; nun musste er den Preis für seine Flucht vom Schlachtfeld doch noch
bezahlen.
Die Entscheidung von Halle legte indes ein politisch-strategisches
Dilemma Gustav Adolfs offen, über das er sich schwerlich im Klaren gewe
sen sein dürfte, als er den Entschluss fasste, nach Deutschland zu gehen und
in den Krieg einzugreifen. Dabei ging es um die bereits erörterten Fragen,208
welche Motive für den König handlungsleitend waren: konfessions- oder
machtpolitische Ziele, und worin der Zweck des Krieges bestehen sollte: in
der Wiederherstellung des Augsburger Religionsfriedens oder in der Absi
cherung der schwedischen Vormachtstellung an der Ostsee. Für Gustav
Adolf verbanden sich beide Motivkomplexe miteinander, und er stellte je
nach Lage den einen oder den anderen heraus. Er sah sich nie gezwungen,
Zweck und Ziel präzise zu bestimmen. Mit Clausewitz kann man sagen, im
Zweck ist festgelegt, was man mit dem Krieg erreichen will, während die
Ziele beschreiben, was man in dem Krieg erreichen will.209 Ging es allein
um die Sicherung der schwedischen Ostseehegemonie, so hatte Gustav
Adolf sie mit dem Sieg von Breitenfeld erreicht: Er kontrollierte Pommern
und Mecklenburg und hatte die kaiserlichen Truppen aus Nordostdeutsch
land verdrängt. Gab es noch ein militärisches Ziel, das diesen Zweck beför
dern konnte, dann war dies die Ausdehnung der schwedischen Macht auf
Nordwestdeutschland, bis hin zur Kontrolle der Elb-, Weser- und Ems
mündung. Offenbar hatte Arnim mit seinem Vorschlag, den Krieg nach
Nordwestdeutschland zu verlagern, darauf spekuliert. Bestand der Zweck
des Krieges hingegen in der Verteidigung des deutschen Protestantismus,
so war die Eroberung Süddeutschlands das naheliegende Ziel. Anderer
seits war der politische Zweck eines Krieges erst dann durchgesetzt, wenn
die Gegenseite den Sieg anerkannte. Das war nur in Form eines Friedens
schlusses möglich, und über diese vierte Option ist in Halle nicht gespro
chen worden.
Gustav Adolfbezweifelte, dass der Gegner bereit war, die Wiederherstel
lung des Status quo bei Ausbruch des Krieges zu akzeptieren, und dass der
verbündete Kurfürst von Brandenburg eine schwedische Dauerherrschaft
in Pommern als Bestandteil der Ostseehegemonie hinnehmen würde, hielt
er für ebenso unwahrscheinlich. Das politische Dilemma des Schweden
S li D IE Z E IT D ER G R O SSE N SC H L A C H T E N
königs bestand darin, dass der von ihm verfolgte Zweck im einen Fall von
einem Verbündeten und im anderen von der Gegenseite nicht anerkannt
werden würde. Also blieb ihm nichts anderes übrig, als vorerst weiter die
Bahn militärischer Siege zu beschreiten und darauf zu hoffen, dass irgend
wann der Punkt erreicht war, an dem er das in dem Krieg Erreichte in das
mit dem Krieg zu Erreichende umwandeln konnte. Damit lief Gustav Adolf
jedoch Gefahr, sich entweder «zu Tode zu siegen» oder aber politische
Ziele formulieren zu müssen, bei denen er nicht mehr als Retter des Protes
tantismus und Befreier Deutschlands auftrat, sondern als Beherrscher des
Reichs. Um Letzteres ging es, wenn während des an Breitenfeld anschlie
ßenden Siegeszugs immer wieder vermutet wurde, der König wolle anstelle
Ferdinands deutscher Kaiser werden. Beim Kriegsrat in Halle hatte Johann
Georg dem Schweden zugetrunken, so berichtet der Diplomat Johan Adler
Salvius, und gerufen, er wolle nun mithelfen, «dass ihm die römische Krone
aufs Haupt gesetzt werde».210 Danach war diese Vorstellung in der Welt. Sie
war die Alternative zu einer Konstellation, in der Gustav Adolf von Sieg zu
Sieg eilen musste, ohne dass ein Ende in Sicht war.
Und dann waren da noch Richelieu, seit Bärwalde ein Verbünde
ter Schwedens, sowie Wallenstein, mit dessen Rückkehr in den Krieg
man jederzeit rechnen musste. Für Richelieu waren Gustav Adolfs Siege
zunächst auch Siege Frankreichs. Der König aber war sich darüber im Kla
ren, dass das nur galt, solange er nicht die Übermacht im Reich gewann
und keinerlei Gedanken an die Kaiserkrone verschwendete. In Frankreich
erwartete man, dass er die Habsburger lediglich zurückdrängte und sich
an die in Bärwalde gegebene Zusage hielt, gegenüber der Liga Neutralität
zu wahren.211 Mit dem Vorstoß in die «Pfaffengasse», Liga-Gebiet, zeigte
Gustav Adolf, dass er sich an die Vorgaben von Bärwalde nicht gebunden
fühlte; begründen konnte er das damit, dass auch Truppen der Liga sich bei
der Eroberung und Vernichtung Magdeburgs nicht an die von Frankreich
gewünschte Neutralität gehalten hatten. An Tillys Einfall in Kursachsen
und an der Schlacht bei Breitenfeld hatten sich ebenso Liga-Truppen betei
ligt. Richelieu hatte es also schwer, wenn er den König auf die Vorgaben
von Bärwalde festlegen wollte. Außerdem war Gustav Adolf seit Breitenfeld
der glänzende Sieger, und dem daraus erwachsenen Führungsanspruch im
Gustav Adolfs Siegeszug durch Deutschland 513
So ging der Krieg mit dem Vorstoß des schwedischen Heeres in Richtung
Mainfranken weiter. Wilhelm von Sachsen-Weimar nahm im Handstreich
Erfurt, eine protestantische Stadt, die politisch aber zu Kurmainz gehörte,
und am 2. Oktober 1631 zog Gustav Adolf dort ein. Hier verteilte der Schwe
denkönig nach der Zuweisung Böhmens und Schlesiens an Sachsen inner
halb seines eigenen Bereichs die Aufgaben: Wilhelm von Weimar sollte
Thüringen wieder unter seine Kontrolle bringen und dort neue Truppen
aufstellen; Johan Baner erhielt den Auftrag, Magdeburg zu erobern, in des
sen Trümmern sich eine kaiserliche Garnison befand; Wilhelm V. von Hes
sen-Kassel sollte seine Landgrafschaft von den dort stehenden feindlichen
Einheiten säubern; Äke Tott schließlich erhielt den Befehl, die mecklen
burgischen Hafenstädte zu erobern und von da aus nach Niedersachsen zu
ziehen, um auch hier den Feind zu vertreiben.215 Nach Niedersachsen hatte
sich auch Tilly zurückgezogen, darum bemüht, die verbliebenen Einheiten
zu sammeln, den bei Breitenfeld verlorenen Artilleriepark durch Kanonen
Gustav Adolfs Siegeszug durch Deutschland 515
mit Booten übersetzen musste. In beiden Fällen war man starkem Beschuss
ausgesetzt. Robert Monro meint, der Sturm auf die Marienburg sei «die
gefährlichste und wichtigste Aktion» gewesen, «die je während des Krie
ges in Deutschland durchgeführt wurde».217
Was als unmöglich erschien, gelang: Stoßtrupps überquerten mit Boo
ten den Main, danach folgten im Gänsemarsch Truppen über die schwan
kende Planke, das alles unter heftigem feindlichen Feuer. Sie vertrieben die
Verteidiger aus den Schanzen und drängten sie in die Festung zurück. Am
frühen Morgen des darauffolgenden Tages konnten schwedische und deut
sche Einheiten die Besatzung der dem Festungstor vorgelagerten Bastion
überrumpeln; als die Soldaten über den tiefen Graben in die Hauptfes
tung flüchteten, folgten ihnen die Angreifer, so dass es nicht mehr möglich
war, die Zugbrücke hochzuziehen und die Fallgitter herunterzulassen. Die
Verfolger machten die Besatzung bis auf den letzten Mann nieder. Monro
berichtet, auf die Rufe, man solle «Quartier geben», also die übergabewil-
ligen Verteidiger gefangen nehmen, sei geantwortet worden, es gebe nur
«Magdeburger Quartier». Es waren indes nicht nur die Soldaten, die dem
Wüten zum Opfer fielen, sondern auch die in die Marienburg geflüchte
ten Bürger mitsamt ihren Familien. «Z u dieser Zeit», so Monros Resü
mee, «begünstigte das Glück S.M. [Seine Majestät] wie früher auch hier
wunderbar, indem ihm entgegen der Erwartung aller großer Reichtum in
die Hand fiel und er dazu noch viele Kanonen und einen großen Vorrat an
Munition gewann, nicht weniger Lebensmittel aller Art im Überfluß.»218
Das Blutbad, das die Eroberer anrichteten, zeigt ein weiteres Mal die
Nachwirkungen der Vernichtung Magdeburgs. Zwar war es auch zuvor
schon bei der Eroberung von Festungen zu Massakern gekommen, wie in
Münden und Frankfurt an der Oder, aber nun gab es auch noch eine Recht
fertigung für das Massakrieren, nämlich den Anspruch auf Vergeltung für
Magdeburg. Dass sich stürmende Soldaten in einen Blutrausch hinein
steigerten, war das eine; dass sie das als berechtigte Vergeltung betrachten
konnten, war ein anderes; und selbstverständlich galt eine solche Recht
fertigung bei nächster Gelegenheit auch für die Gegenseite. So etablierte
sich ein neuer Kriegsbrauch, der jegliche Konvention missachtete und der
Gewalt keine Grenzen setzte. Das, was zuvor eine Ausnahme gewesen war,
Gustav Adolfs Siegeszug durch Deutschland 5 17
wurde zur allgemeinen Praxis. Die Marienburg wurde indes nicht «mag-
deburgisiert», also dem Erdboden gleichgemacht. Gustav Adolf ließ die
Festung umgehend wieder instand setzen sowie zusätzliche Sperrwerke
errichten.
Ein weiteres Element bei der Eroberung der Marienburg soll nicht
unerwähnt bleiben. Es wird berichtet, dass «der heimische Pöbel die
Gelegenheit [nutzte], zwischendurchzuschlüpfen und nach Kräften seinen
wohlhabenden Mitbürgern das Ihre zu stehlen».219 Die «wohlhabenden
Mitbürger» dürften gewusst haben, warum sie mit ihren Wertsachen in die
Marienburg geflüchtet waren: Sie fürchteten Neid und Rache der städti
schen Unterschicht, die sich nun etwas von dem aneignen wollte, was sie
sonst entbehrte; einige, die Glück hatten, konnten dabei mit einem Schlag
zu «gemachten Männern» werden. Grimmelshausens Kriegsromane, vor
allem Der abenteuerliche Simplicissimus und die Lebensbeschreibung der Erz
betrügerin und Landstörzerin Courage, führen vor Augen, wie schnell man
in den Wirren der Kämpfe zu Reichtum kam, aber auch wie schnell man
ihn wieder verlieren konnte.220 Die Sozialrevolutionäre Komponente, die
mit dem Umsturz der Verhältnisse bei der Eroberung einer Stadt für einen
kurzen Augenblick aufschien, gehörte durchweg zu diesem Krieg. Sie war
das urbane Pendant zu den zwischen Söldnern und Bauern ausgetragenen
sozialen Kämpfen. Während Letztere in den Stichen Hans Ulrich Francks
ihren Niederschlag fanden, blieben die innerstädtischen Sozialkonflikte
weitgehend unsichtbar, da sie sich, wie im Falle Magdeburgs,221 hinter den
proschwedischen oder prokaiserlichen Parteinahmen verbargen oder in
die Gewaltakte des Gegners bei der Eroberung verwoben waren.
Von Würzburg aus stellte Gustav Adolf den drei geistlichen Kurfürsten ein
Ultimatum, in dem er von ihnen verlangte, dass sie in ihren Territorien
umgehend das evangelische Bekenntnis zuließen, die den Protestanten ent
zogenen Besitztümer Zurückgaben, ihre Festungen für schwedisches Mili
tär öffneten und in die Errichtung von Werbeplätzen einwilligten. Außer
dem sollte jeder von ihnen monatlich 40 000 Reichstaler Kontribution
zahlen.222 Das waren Forderungen, wie sie zuvor, als sich die katholische
Seite noch auf der Siegerstraße befunden hatte, von den Generälen des Kai
518 D IE Z E IT D ER G R O SSE N SC H L A C H T E N
eine Folge von Breitenfeld: Der Mann, der zuvor so gut wie nie vor einer
großen Auseinandersetzung zurückgeschreckt war, zumal dann nicht, wenn
seine Truppen in der Überzahl waren, operierte nun mit äußerster Vorsicht.
«So gab er die letzte große Chance seiner langen Feldherrnlaufbahn aus der
Hand», resümiert Marcus Junkelmann. «Es war die Umkehrung der Situa
tion von Neubrandenburg keine neun Monate zuvor, als der König [Gustav
Adolf] trotz seiner großen Übermacht einem offenen Kräftemessen mit
dem gefürchteten Tilly aus dem Weg gegangen war. Nun haftete Gustav
Adolf und seiner Armee der Nimbus absoluter taktischer Überlegenheit
an und ließ sie eine verzweifelte operative Krise kampflos überstehen. Der
den Gegner demoralisierende R uf schwedischer Unbesiegbarkeit, der auf
der staubverhangenen Walstatt von Breitenfeld geboren worden war, stellte
die wertvollste Nachwirkung jener Schlacht dar.»225 Der neuerworbene
Siegernimbus hat Gustav Adolf in dieser Situation somit gerettet. «Dieser
König», schreibt Monro, «besaß wirklich eine seltene Urteilskraft, Ver
stand und Gewandtheit, dazu große Erfahrung im Kommando. Dennoch,
um die Wahrheit zu sagen, in der ganzen Zeit, in der ich dem König in allen
Kriegsläuften folgte, und das waren beinahe drei Jahre, habe ich ihn nie so
bedrückt im Gemüt und so entschlußlos gesehen wie zu der Zeit in Och-
senfurt, wo er selber nicht genau wußte, was er tun sollte, denn der Feind
stand vor und hinter ihm .»226
Gustav Adolf war in Gebiete vorgedrungen, die von der Reformation
unberührt geblieben waren, in denen er also nicht auf die Bindekraft kon
fessioneller Zugehörigkeit bauen konnte. Solange er Besatzungen zurück
ließ, würde es keinen Widerstand gegen die schwedisch-protestantische
Herrschaft geben, aber damit schrumpfte auch die Stärke seiner Feldarmee.
Erstmals war Gustav Adolf mit der «abnehmenden Kraft des Angriffs», wie
es bei Clausewitz heißt,227 konfrontiert und musste darauf eine Antwort fin
den. Er erteilte großzügig Werbepatente, aber auch diese Maßnahme hatte
Grenzen, denn die neu aufgestellten Truppen waren zu besolden und zu
versorgen, und das hieß, dass in befreundeten wie eroberten Gebieten wei
tere Kontributionen erhoben werden mussten. Sympathie oder Unterstüt
zung war damit nicht zu gewinnen. Raumbeherrschung durch die Vergrö
ßerung des Heeres bei ständigen Kontributionen war die Wallenstein’sche
§20 D IE Z E IT D ER G R O SSE N SC H L A C H T E N
Lösung dieses Problems; diesen Weg zu gehen konnte Gustav Adolf nicht
gänzlich vermeiden. Aber er wollte ihn nicht so weit und nicht so brutal
beschreiten, wie es der Herzog von Friedland getan hatte.
Der König nahm ergänzend zur Besetzung von Territorien und Städten
auch die Bevölkerung bis hin zu den einzelnen Haushalten in die Pflicht.
Mitunter wurde der Landbesitz neu verteilt, was möglich war, weil viele
Prälaten und Mönche vor den anrückenden Schweden geflohen waren.
Gustav Adolf bestimmte, dass sich an einem festgelegten Tag jeder huld
pflichtige Einwohner einzufinden und dem schwedischen König Treue
zu geloben hatte. Im Gegenzug nahm er die Huldigenden unter «Special
schutz und Protection» und versprach ihnen, «sie gegen alle Vergewalti
gung [zu] sichern [und] ihnen die Justiz bei seiner bereits angeordneten
Landesregierung [zu] eröffnen».228 Außerdem mussten die zum Huldi
gungszeremoniell zusammengekommenen Bauern und Städter «einen
Eid zu Gott auf das heilige Evangelium schwören, daß sie niemand anders,
denn Ihre Königliche Majestät zu Schweden, dero Nachkommen und dero
wohllöbliehe Regierung und Beamte für ihre alleinige, rechte, natürliche
Landes- und Erbherrschaft und Obrigkeit erkennen, ehren und halten,
... ihr gehorsam, gewärtig, getreulich und hold sein, ... und insgemein
sich also erweisen wollte, wie es unmittelbaren, erbgehuldigten, getreuen
Unterthanen von Rechts und landesüblicher Gewohnheit wegen gegen
ihren ordentlichen Landesfürsten und Erbherrn in aller Weis und Wege
obliegt, ohne alle List und Gefährde.»229 Man kann diesen Huldigungsakt
in Analogie zur Leitformel des Vertragstheoretikers Thomas Hobbes ver
stehen: pro protectione oboedientia - für Schutz Gehorsam.230 Solange der
König seine Untergebenen schützen kann, darf er als Gegenleistung erwar
ten, dass sie ihm gehorsam sind. Das Problem für die Konsolidierung der
schwedisch-protestantischen Herrschaft war dieses «Solange» sowie der
Umstand, dass die neuen Untertanen nur Nutznießer des Schutzes waren,
zu diesem selbst aber nichts beitrugen.
Durch Huldigungsakt und Treueid suchte der König die Bevölkerung
vom Widerstand gegen seine Administration abzuhalten und ihr klarzu
machen, dass Folgsamkeit in ihrem eigenen Interesse lag. Mehr noch als
auf Gehorsam war Gustav Adolf aber auf Personen angewiesen, die aktiv
Gustav Adolfs Siegeszug durch Deutschland 521
für die neue Ordnung eintraten und sie verteidigten, wenn äußere Feinde
sie angriffen. Zu diesem Zweck betrieb er eine auf das Recht des Siegers
gestützte Schenkungs- und Umverteilungspolitik, bei der er die Besitzun
gen der geflohenen Prälaten auf diejenigen übertrug, die sich ihm ohne jede
Einschränkung angeschlossen hatten. Die ihnen zur Nutzung übertragenen
Klöster und Kirchensprengel, Stifte und Abteien besaßen sie nur durch die
Macht des Königs, weswegen sie ein fundamentales Interesse daran hat
ten, dass diese Machtstellung erhalten blieb. Der König zeichnete auf diese
Weise Offiziere aus, die sich in den zurückliegenden Monaten besonders
hervorgetan hatten, und motivierte dadurch andere, es ihnen gleichzu
tun - ein Verfahren, das bereits Wallenstein angewandt hatte. Gleichzeitig
ersetzte Gustav Adolf die bisherige geistliche Führungsschicht durch eine
neue Elite, die überwiegend militärisch geprägt war; obendrein verpflich
tete er sich den protestantischen Adel auch angrenzender Gebiete, indem
er ihn mit neuen Besitztümern versah: Der Graf von Erbach bekam das
Kloster Amorbach, der Graf von Hanau das Kloster Schlüchtern, der Graf
von Solms die Abtei Bildhausen und so weiter. Das waren Maßnahmen, die
dazu beitragen sollten, die schwedische Stellung in Deutschland dauerhaft
zu festigen.
In gewisser Hinsicht ahmte Gustav Adolf nach, womit die katholische
Seite in der Zeit ihres Siegeszugs begonnen hatte - zumindest rechtfertigt
Gustav Droysen so diese «auf das Recht des Krieges» gestützte Politik.231
In zwei Punkten aber ging der schwedische König über die kaiserliche Pra
xis hinaus: Der Kaiser hatte die pfälzische Kurwürde auf Herzog Maximi
lian übertragen und die Herzoge von Mecklenburg enteignet, um an ihrer
Stelle Wallenstein einzusetzen, doch das waren Maßnahmen, die auf die
oberste Führungsschicht beschränkt blieben, während Gustav Adolf sich
ihrer in großem Stil bediente. Obendrein konnte sich der Kaiser darauf
berufen, dass er mit diesen Eingriffen in die Eigentumsverhältnisse Rebel
len bestrafte, die einen Aufstand angezettelt und trotz mehrfacher Ermah
nung nicht davon abgelassen hätten. Eine solche Rechtsfigur stand dem
schwedischen König nicht zur Verfügung; ihm blieb nur der Verweis auf
das Recht des Siegers. Insofern stellten Gustav Adolfs Maßnahmen in den
eroberten Gebieten eine weitere Eskalation der Gewaltherrschaft gegen
5»a D IE Z E IT D ER G R O SSE N SC H L A C H T E N
über der Herrschaft des Rechts dar, und daran änderte auch der Umstand
nichts, dass der König alle diese Maßnahmen unter den Vorbehalt eines
zukünftigen Friedensschlusses stellte.
Nach dem Abzug Tillys von Tauber und Main nahm Gustav Adolf die Poli
tik der Eroberung wieder auf. Wie schon im vergangenen Jahr schickte er
seine Truppen nicht ins Winterquartier, sondern setzte den Feldzug fort.
Das begann damit, dass er Oberst Christoph Hubald den Auftrag erteilte,
mit dem blauen Regiment - «blau», weil das Infanterieregiment blaue
Jacken trug232 - die Festung Hanau einzunehmen. Es gelang den Schwe
den, die kaiserliche Besatzung zu überrumpeln und gefangen zu nehmen.233
Wer diese Festung besaß, kontrollierte die fruchtbare Wetterau, die in den
zurückliegenden Kriegsjahren für die Versorgung der Truppen überaus
wichtig gewesen war.234 Kurz darauf zogen die kaiserlichen Garnisonen aus
Gelnhausen, Friedberg und Höchst ab, weil sie mit dem Verlust der Festung
Hanau ihre strategische Bedeutung verloren hatten. Damit war die Main
linie für Gustav Adolf gesichert.
Am 25. November hielt der König in Hanau Einzug. Dort empfing er
eine Gesandtschaft aus Frankfurt, die geltend machte, die Krönungsstadt
der Kaiser könne keine ausländische Besatzung aufnehmen; außerdem sei
die Anwesenheit von Truppen den Messen in der Stadt abträglich. Gustav
Adolf fragte zurück, wie man von Jahrmärkten reden könne, wenn es um die
Freiheit Deutschlands und die Zukunft des Protestantismus gehe. Wenn
man sich nicht in Güte fügen wollte, so habe er Kanonen, um Fügsamkeit
zu erzwingen.235 Das genügte: Am 27. November zog er in Frankfurt ein;
die gesamte Armee rückte nach Sachsenhausen ein, überquerte den Main
auf der großen Brücke, marschierte durch Frankfurt und verließ die Stadt
wieder am Mainzer Tor. Das war eher eine symbolische Inbesitznahme als
eine Besetzung. Der Grund für dieses Entgegenkommen war, dass sich der
Rat der Stadt verpflichtet hatte, Frankfurt gegen die Feinde des Königs zu
verteidigen, ihm selbst aber jederzeit Einlass zu gewähren. Die linksmai-
nische Festung Sachsenhausen wurde jedoch von schwedischen Truppen
dauerhaft besetzt.236
Ähnlich großzügig verfuhr Gustav Adolf mit Landgraf Georg von Hes-
Das schwedische Heer paradiert im November 1631 an den Befestigungen
des linksmainischen Sachsenhausen vorbei, bis es nach rechts abbiegt und
über den Wassergraben hinweg nach Sachsenhausen hineinmarschiert, die
Festung, von deren Wällen herab Salut geschossen wird, durchschreitet
und an der Mainbrücke wiederauftaucht, auf dieser den Main überquert,
um anschließend durch Frankfurt zu marschieren, am Kaiserdom vorbei
zum Mainzer Tor, wo es die Stadt wieder verlässt. Auf dem Main sind
Schiffe zu sehen, die Kanonen und Munition transportieren: In der Wahl-
und Krönungsstadt der Kaiser demonstriert Gustav Adolf seine Macht.
die Dauer des Krieges nur die Festung Rüsselsheim zu überlassen hatte.237
Dabei dürfte auch eine Rolle gespielt haben, dass der König bis Jahresende
weitere Ziele erreichen wollte und ein Streit mit dem Darmstädter Land
grafen dabei nur hinderlich gewesen wäre. Es ging um Heidelberg oder
Mainz, die Hauptstadt des abgesetzten Pfälzer Kurfürsten oder die Resi
denz des Reichserzkanzlers - die Einnahme einer der beiden Städte sollte
für die Siege Gustav Adolfs im Kriegsjahr 1631 die Krönung darstellen.
Derweil hatte sich Tillys Heer Nürnberg genähert, das mit Gustav
Adolf verbündet war. Tilly forderte Proviant und Kontribution, was die
Nürnberger ablehnten. Stattdessen setzten sie die imposanten Befestigun
gen der Stadt instand. Das genügte, um Tilly zum Abzug zu bringen; auf
eine längere Belagerung wollte er sich nicht einlassen, da er davon ausging,
dass Gustav Adolf, der kein zweites Magdeburg riskieren konnte, zum Ent
satz des Verbündeten heranziehen würde. Nachdem Tilly sich bei Würz
burg unter günstigeren Bedingungen nicht auf eine Schlacht eingelassen
hatte, wollte er es unter den sehr viel schlechteren Umständen bei einer
Belagerung erst recht nicht tun.238 Noch am 6. Dezember schrieb Gustav
Adolf an PfalzgrafJohann Casimir, dass « der alte Teufwel [Tilly] mit allen
seinen jungen, als da sein Lotringer, Papenheimb, Furstebergh, Fugher,
Aldringer, Galas, Ossa, vnd wen der böse geist mehr erweckt hat den armen
Christen zur straf, ligen itzo vor Nürnbergh, brauchen gewalt vnd list».239
Der König hatte sein Heer schon zum Entsatz der Stadt in Marsch gesetzt,
als die Nachricht eintraf, Tilly sei wieder abgezogen, Karl von Lothringen
sei auf dem Heimmarsch und der Kaiser habe 11000 Mann von Tillys Heer
nach Böhmen geschickt.240 Dort war gemäß den Verabredungen von Halle
ein sächsisches Heer einmarschiert und bis nach Prag vorgestoßen.241
Die nach der Breitenfelder Demütigung wiederhergestellte sächsische
Armee war Mitte Oktober aufgebrochen und hatte zunächst den kaiserli
chen General Tiefenbach aus der Lausitz vertrieben. Tiefenbach zog sich
nach Schlesien zurück, doch der sächsische Befehlshaber Arnim folgte ihm
nicht, sondern wandte sich nach Böhmen. Ob dafür die böhmischen Emi
granten den Ausschlag gaben oder die Vorstellung, die Grenzen Sachsens
ließen sich durch einen Vorstoß nach Böhmen sehr viel besser schützen als
durch Operationen in Schlesien, mag dahingestellt bleiben.242 In Abspra
Gustav Adolfs Siegeszug durch Deutschland S IS
che mit dem sächsischen Kurfürsten drang Arnim von Görlitz aus in Rich
tung Leitmeritz und Saaz vor und versetzte die schwachen kaiserlichen
Kräfte derart in Aufregung, dass die zum Schutz Prags bereitgehaltenen
Truppen in größter Eile die Stadt verließen. Kampflos zogen die Sachsen in
Prag ein; die kleine Armee Arnims musste sich jedoch wieder zurückziehen,
als Verstärkung für das kaiserliche Heer eintraf. Zuvor wurden freilich die
abgeschlagenen Köpfe der Rebellen vom Brückenturm entfernt, wo sie 1621
aufgehängt worden waren und mehr als zehn Jahre lang gehangen hatten.
Auch das war ein Zeichen dafür, wie grundlegend sich die Machtverhält
nisse geändert hatten.
Aber noch war dieses annus mirabilis des deutschen Protestantismus
nicht zu Ende, denn Gustav Adolf ließ sich, wie oben angedeutet, durch die
in diesem Jahr früh einsetzende Kälte nicht davon abhalten, den Feldzug
weiterzuführen. Von Höchst marschierte sein Heer in Richtung Darmstadt,
wahrscheinlich mit dem Ziel Heidelberg. An der Rheinschleife zwischen
Oppenheim und Gernsheim jedoch hatten die nach wie vor in der Rhein
pfalz stehenden Spanier auf der rechtsrheinischen Seite eine Sternschanze
errichtet, von der aus sie den Strom kontrollierten, Truppen vom einen
zum anderen Rheinufer verlegen und damit das schwedische Heer im
Rücken bedrohen konnten. Gustav Adolf wollte kein Risiko eingehen. Er
forderte die Spanier zum Abzug auf, und als die ablehnten, erkundete er
mit wenigen Begleitern in einem Kahn die Möglichkeiten, den Rhein zu
überqueren. In der Nacht auf den 17. Dezember setzte eine kleine Einheit
mit Booten auf den Kühkopf über. Spanische Kavallerie griff an, um sie
zurückzuwerfen, doch eine zweite Landungswelle sorgte dafür, dass sich
die Schweden halten konnten. Daraufhin zogen sich die Spanier zurück,
gaben die rechtsrheinische Sternschanze auf, und ihre in Oppenheim ver
bliebenen Soldaten kapitulierten am folgenden Tag. Einen breiten Strom
bei feindlichem Widerstand zu überschreiten war eine beispiellose Opera
tion - die Rheinüberquerung trug zu Gustav Adolfs R uf als hervorragender
Heerführer bei.
Anschließend zog das schwedische Heer nach Norden.243 Am
20. Dezember standen die Truppen vor Mainz, einer riesigen Festung,
die mit 2000 spanischen Soldaten viel zu schwach besetzt war. Aus dem
$26 D IE Z E IT D ER G R O SSE N SC H L A C H T E N
Anmarsch heraus ließ Gustav Adolf eine Reihe von Schanzen und Vorwer
ken stürmen, um seine Kanonen unmittelbar an die Stadtbefestigung her
anführen zu können. Die Kanonen einer «schwimmenden Batterie», eines
im Rhein verankerten Floßes, eröffneten das Feuer. Nach nur zwei Tagen
kapitulierte der spanische Kommandant gegen ehrenhaften Abzug. Am
24. Dezember hielt Gustav Adolf in Mainz Einzug. Seine Soldaten fanden
am Mittelrhein, der lange vom Krieg verschont geblieben war, vorzügliche
Winterquartiere, und der König konnte von Mainz aus seine Politik auf
dem Weg der Diplomatie fortsetzen. Er residierte im Zentrum des Reichs.
Einen glänzenderen Abschluss hätte man sich für den Feldzug des Jahres
1631 schwerlich vorstellen können.
Die militärische Präsenz der Schweden am Rhein war für Freunde wie
Feinde Gustav Adolfs ein Problem. Zunächst natürlich für die Spanier, die
sich in der Rheinpfalz eingerichtet hatten; für sie stellte dieses Gebiet ein
zentrales Verbindungsstück ihrer «spanischen Gasse» zwischen Nord
italien und den Niederlanden dar.244 Nach der Rheinüberquerung und
der Besetzung von Mainz fragte man sich in Madrid, ob man den Kriegs
zustand, der de facto herrschte, durch eine Kriegserklärung gegen Schwe
den in einen offiziellen Krieg verwandeln solle; letztlich entschloss man
sich, es nicht zu tun.245 Gustav Adolf stand vor derselben Frage, und auch
er scheint unschlüssig gewesen zu sein: Dagegen sprach, dass er bereits
zahlreiche Gegner hatte, denen er nicht ohne Not einen weiteren hinzu
fügen wollte. Der Bedarf an eigenen Soldaten würde dadurch nur weiter
anwachsen, und auch ohne Krieg gegen die Spanier plante Gustav Adolf,
im Kriegsjahr 1632 mit neun Armeen in einer Gesamtstärke von etwa
228 000 Soldaten zu operieren. Das war nahezu das Doppelte dessen, was
Wallenstein auf dem Höhepunkt seines ersten Generalats zur Verfügung
gehabt hatte.246 Ein Krieg mit Spanien würde zwangsläufig zu einer Über
dehnung der Kräfte führen. Für die Option, Spanien offiziell den Krieg zu
Zwischenspiele der Diplomatie 5 17
erklären, sprach hingegen, dass sich damit das Bündnis mit Frankreich fes
tigen ließ, nachdem man in Paris den schwedischen Vorstoß an den Rhein
mit Misstrauen beobachtet hatte und darin einen Einbruch des Verbün
deten in die eigene Interessensphäre sah. Außerdem würde ein Krieg mit
Spanien den schwedisch-niederländischen Beziehungen zugutekommen,
was wiederum Christian IV. von Dänemark mit Sicherheit daran hindern
würde, die Bindung der schwedischen Militärmacht in Deutschland zu nut
zen, um seine Position im Ostseeraum zu verbessern. Gustav Adolf legte
das Problem dem Reichsrat in Stockholm vor, und der sprach sich dafür aus,
vorerst auf eine Kriegserklärung gegen Spanien zu verzichten. Gustav Adolf
folgte dem.247 Die Truppenstärken, mit denen der König für das Jahr 1632
plante, zeigen für sich genommen an, in welche Schwierigkeiten der schwe
dische Siegeszug geraten war und dass man sich inzwischen in Dimensio
nen bewegte, die jedes bisherige Maß weit überschritten.
Es gab jedoch noch einen weiteren Aspekt, der aus schwedischer Sicht
für einen Konfrontationskurs gegen Spanien sprach, während er aus spani
scher Perspektive äußerste Zurückhaltung gegenüber Schweden nahelegte:
die Frage nach dem Charakter des Krieges und den Zwecken, die in ihm
verfolgt wurden. Handelte es sich um eine Rebellion gegen den Kaiser, die
in Böhmen begonnen und sich ausgeweitet hatte, bis auswärtige Mächte
in den Krieg eingriffen - oder um einen Konfessionskrieg zwischen Pro
testanten und Katholiken? Spanien war stets von Ersterem ausgegangen,
wobei es nicht zuletzt seine Auffassung vom Krieg in den Niederlanden auf
die Situation im Reich übertragen hatte. Es ging darum, die vormalige Ord
nung wiederherzustellen und die Feinde dieser Ordnung niederzuwerfen.
Diese reichskonservative Deutung entsprach den machtpolitischen Inter
essen Spaniens.248 Dagegen hatten die Schweden immer die Dimension
des Konfessionskriegs herausgestellt, in dem sich der Protestantismus in
Deutschland behaupten musste. Sofern man sich dabei auf den Augsburger
Religionsfrieden und die Rechte der Reichsstände berief, die es wieder
herzustellen gelte, lief auch die schwedische Kriegsdeutung auf eine kon
servative Position hinaus, die sich durch ihre defensive Ausrichtung legiti
mierte.249 Wie im Fall Spaniens stimmte diese Sicht des Konflikts mit den
eigenen machtpolitischen Interessen überein.
5^8 D IE Z E IT D ER G R O SSE N SC H L A C H T E N
ten könnten: Man habe zu wenig Soldaten, und diejenigen, über die man
verfuge, seien in schlechtem Zustand. Im Augenblick könne man allenfalls
6000 Mann einsetzen.256 Das gab den Ausschlag: Maximilian erklärte sich
bereit, Neutralitätsgespräche mit Gustav Adolf zu führen.
Damit aber legte er die Axt an die Wurzeln der Liga; die bislang laten
ten Zentrifugalkräfte wurden durch diese Verhandlungen freigesetzt. Erz
bischof Philipp Christoph von Sötern, der Trier und Speyer unter seiner
Herrschaft miteinander verband, schloss am 21. Dezember 1631 mit Lud
wig X III. einen Separatvertrag. Der sah unter anderem vor, dass französi
sche Truppen die Festung Ehrenbreitstein an der Mündung der Mosel in
den Rhein übernahmen. Damit standen neben den schwedischen nicht nur
spanische, sondern auch französische Truppen auf dem Boden des Reichs.
Außerdem stellte der Trierer Erzbischof seine Zahlungen an die Liga ein,
mit denen er ohnehin im Rückstand war. Er betrachte die Liga, so erklärte
er am 23. Dezember, als aufgelöst; Frankreich werde seine Bistümer Trier
und Speyer schützen.257 Dagegen setzte der nach Köln geflohene Mainzer
Erzbischof Anselm Casimir Wambolt von Umstadt ganz auf Spanien. Ein
Gesandter der Brüsseler Statthalterin bestärkte ihn durch die Ermahnung,
sich zu «dergleichen Neutralität, als Kurtrier sich bereits begeben haben
solle, nicht verleiten zu lassen», denn Spanien werde niemals dulden, dass
Frankreich derart auf die Angelegenheiten des Reichs Einfluss nehme.258
Der Kölner Kurfürst schließlich lavierte: Er trete gern in Neutralitätsgesprä
che mit Schweden ein, wenn zuvor sichergestellt sei, dass sie den Auftakt
zu Verhandlungen über einen allgemeinen Frieden bildeten. Damit folgte
er der Linie seines Bruders in München. Die bis dahin so mächtige und
erfolgreiche Liga der katholischen Reichsstände hatte zum Jahreswechsel
1631/32 de facto zu bestehen aufgehört, und das hatte nicht Schweden mit
militärischen, sondern Frankreich mit diplomatischen Mitteln bewirkt.259
König: «Wäre Euer Herr hier gewesen und hätte es auf seiner Seite richtig
gemacht, wie ich auf der meinen, so wäre es bei der Abrede verblieben. Weil
aber Euer Herr der Abrede zuwider außen geblieben und mir die Last allein
auf dem Halse gelassen, habe ich thun müssen, wie ich gekonnt, und zu mei
ner Sicherheit meinen Feind bestes Vermögens verfolgen müssen.»262 Als
die französischen Gesandten daraufhin erklärten, ihr König sei mit einem
Heer von 40 000 Mann unterwegs (es handelte sich indes um eine kleinere
Streitmacht unter Marschall La Force, die gegen die Festung Moyen-Vic
im Grenzbereich Lothringens zog263), verstand Gustav Adolf dies als eine
Drohung und antwortete: «Euer König bedarf nicht so viel Volks [Kriegs
volks], mich zu schlagen, denn wenn es an der Menge und Macht des Volks
gelegen, hätte ich den Kaiser nicht, sondern er mich geschlagen. Doch Euer
König ziehe hin, wo er wolle, so mag er Zusehen, daß er meiner Armee nicht
zu nahe komme, oder er muß ein Rencontre [Zusammentreffen] mit mir
halten.»264Dazu kam es nicht. Man gelangte zwar nicht zu einer wirklichen
Verständigung, aber das war nach Lage der Dinge auch nicht vonnöten.
Die Stellungen vor der Stadt wurden überrannt, und hätte Horn nicht einen
energischen Gegenangriff geführt, wären die Angreifer über eine Brücke in
den inneren Stadtbereich vorgedrungen. So konnten wenigstens die städti
schen Befestigungen gehalten werden, was einen geordneten Abzug in der
Nacht ermöglichte. Horn hatte 1300 Mann verloren, 500 davon waren getö
tet worden, 800 in Gefangenschaft geraten. Viele der Gefangenen waren
nach Breitenfeld in die schwedische Armee «untergestoßen» worden und
kehrten nun wieder zu ihren alten Kameraden zurück.270
Die Niederlage bei Bamberg war für die schwedische Armee eine emp
findliche Schlappe und gleichzeitig Tillys letzter Sieg. Gustav Adolf machte
Horn den Vorwurf, sein symbolisches Kapital, nämlich den R uf der Unbe
siegbarkeit, leichtfertig verspielt zu haben; das Charisma der Unbesiegbar
keit sei so viel wert wie 50 000 Mann. Das war wohl etwas hoch gegriffen,
aber keinesfalls abwegig. Gustav Adolf wollte seinen R uf so schnell wie
möglich zurückgewinnen, und es war klar, dass es dazu einer neuerlichen
Konfrontation mit Tilly bedurfte, in der die Scharte ausgewetzt wurde.
Also gab der König seinen ursprünglichen Plan auf, aus dem Mainzer Raum
in die Pfalz aufzubrechen, Heidelberg einzunehmen und ins evangelische
Württemberg vorzustoßen, um stattdessen mainaufwärts zu marschieren,
sich mit Horns Truppen zu vereinigen, nach Süden vorzudringen und bei
Ingolstadt die Donau zu erreichen. Dort hoffte er auf Tilly zu treffen.271 Als
Erstes richtete Gustav Adolf ein Schreiben an die evangelischen Stände
Frankens, namentlich an das verbündete Nürnberg, in dem er erklärte, der
jüngste Rückschlag werde seinen Siegeszug nicht aufhalten - und über
haupt sei Bamberg «ein schier offenes D orf», das jeder erobern könne.272
Tilly entschloss sich seinerseits zum Rückzug auf die Donau; er wollte «das
schlüpfrige Glück, welches ihn einmal verführt und dann die Ferse gewie
sen hatte», kein weiteres Mal auf die Probe stellen.273 Offenbar schätzte er
selbst seinen Erfolg von Bamberg nicht sonderlich hoch ein.
Am 31. März traf Gustav Adolf in Nürnberg ein, und sein Einzug war
ein einziger großer Triumphzug. Der König hatte ein Gespür für solche
Auftritte und wusste, wo sie angebracht waren und wie sie auszusehen hat
ten. Frankfurt war die Wahl- und Krönungsstadt der Kaiser, Nürnberg die
Stadt, wo die Insignien des Reichs aufbewahrt wurden. In Frankfurt hatte
536 D IE Z E IT D ER G R O SSE N S C H L A C H T E N
Gustav Adolf sein gesamtes Heer durch die Stadt marschieren lassen, eine
Machtdemonstration und symbolische Inbesitznahme; in Nürnberg dage
gen bestand der Zug aus glanzvollen Nürnberger Reitern mit Trompetern,
dem Rat der Stadt, schwedischer Kavallerie, ebenfalls mit Trompetern und
Heerpaukern, den Leibpferden des Königs, dem Hofmarschall und schließ
lich Gustav Adolf selbst, umgeben von Grafen und Herzogen, die sich ihm
angeschlossen hatten. Gustav Adolf legte Wert darauf, nicht nur als Mann
des Schlachtfelds wahrgenommen zu werden; er nutzte solche Anlässe, um
sein Siegercharisma in die Autorität eines legitimen Herrschers zu verwan
deln. A uf dem Schlachtfeld stand er den Generälen seiner Feinde gegen
über; hier maß er sich am Kaiser selbst. Gustav Adolfs Nürnberger Einzug
übertraf alles, was Kaiser Ferdinand an Pracht aufbieten konnte.
Tilly zog sich auf Ingolstadt zurück und hoffte, der Schwede werde ihm
in die Oberpfalz folgen. Er spekulierte darauf, dass Wallenstein, der in Böh
men gerade ein großes Heer auf die Beine stellte, den Truppen der Liga zu
Hilfe kommen würde und dass die beiden Feldherren die Schweden in die
Zange nehmen und aufreiben könnten. Das setzte jedoch voraus, dass Gus
tav Adolf östlich von Tilly zur Donau vorstieß, so dass dieser, wenn Gus
tav Adolf vor Wallenstein nach Westen zurückweichen musste, in seinem
Rücken die Pässe des fränkischen Jura blockieren konnte. Tillys Kalkül
war: Wenn Gustav Adolfs Vorstoß dem Kaiser galt und nach Wien führen
sollte, so war naheliegend, dass die Schweden den direkten Weg über die
Oberpfalz suchten. Außerdem befand sich Pfalzgraf Friedrich beim schwe
dischen Heer, und ihm würde an der Rückeroberung der Oberpfalz gelegen
sein, die bis 1620 zu seinen Territorien gehört hatte. Die andere Vorausset
zung für das Gelingen dieses Plans war, dass Wallenstein mitspielte und
nicht in Böhmen blieb, um die Sachsen zurückzudrängen. Dass er zu Hilfe
kommen werde, hatte er versprochen - meinten jedenfalls Kurfürst Maxi
milian und Tilly.274
Gustav Adolf war jedoch zu vorsichtig, um in die Falle hineinzutappen.
Er hatte sich entschlossen, auf Donauwörth vorzustoßen, und so erreichte
er den Fluss westlich von Tilly. Dieser entsandte daraufhin eiligst Truppen
nach Donauwörth, um die Stadt gegen die Schweden zu halten; gleichzeitig
errichtete er auf der rechten Donauseite entlang des Lech eine Sperrlinie,
Tillys Ende an Lech und Donau 537
Fall mit der Rückkehr der böhmischen Exilanten zu rechnen, die ihren von
Wallenstein übernommenen Besitz zurückhaben wollten. Wallenstein hätte
also Bayern gerettet und sein eigenes Herzogtum preisgegeben. Und über
haupt: Warum sollte er einem Kurfürsten zu Hilfe kommen, der für eine
ganz andere Ordnung des Reichs eintrat als er? Da war es naheliegend, die
militärische Macht des schwedischen Königs zu nutzen, um die Macht des
bayerischen Kurfürsten einzuschränken, und die entscheidende Auseinan
dersetzung mit Gustav Adolf, die Wallenstein seit langem als unausweich
lich betrachtete, allein und unter selbstgewählten Bedingungen zu führen.
Man muss also nicht Wallensteins Rachebedürfnis gegenüber Maximilian
bemühen, um zu erklären, warum er ihm nicht zu Hilfe kam. Spieltheo
retisch betrachtet, wäre jede Unterstützung für Maximilian aus der Sicht
Wallensteins ein falscher Zug gewesen.
Welche Motive auch immer für Wallenstein den Ausschlag gegeben haben -
er kam nicht und schickte keine Unterstützung. Kaiser Ferdinand, an den
sich Maximilian mit der dringlichen Bitte um Hilfe wandte, sah sich gegen
über seinem neuen Oberbefehlshaber nicht in der Position, ihm den Befehl
zu geben, den Bayern am Lech zu Hilfe zu kommen. Ferdinand befand sich
vor Wallenstein selbst in der Rolle eines Bittstellers, da er darauf hoffen
musste, dass der Mann, den er auf Drängen des bayerischen Kurfürsten
abgesetzt und gedemütigt hatte, ihn j etzt retten würde. Er war dankbar, dass
Wallenstein am 15. Dezember das Oberkommando übernommen hatte,
und er fürchtete, er würde es sofort niederlegen, wenn er ihm in seine Pläne
hineinredete. Obendrein war unklar, ob Wallenstein das Oberkommando
über den Aufbau des Heeres hinaus behalten wollte. Vereinbart war, dass er
es vorerst für die Zeit bis Ende März innehatte.278
Seit der Niederlage Tillys bei Breitenfeld hatte man sich in Wien
bemüht, Wallenstein zu reaktivieren. Die Gruppe seiner Feinde war ange
sichts der Erfolge Gustav Adolfs eher kleinlaut geworden, und die für das
Militärwesen zuständigen Räte wollten Wallenstein als Oberkomman
dierenden zurückgewinnen. Doch der verweigerte sich diesem Ansinnen
zunächst. Dabei mag Eitelkeit eine Rolle gespielt haben, vor allem aber
scheute Wallenstein vor der beträchtlichen Anzahl seiner Widersacher in
Tillys Ende an Lech und Donau 539
der Hofburg zurück. Im Augenblick zeigten sie sich nicht, doch sobald er die
Lage wieder stabilisiert hatte, würden sie wieder gegen ihn intrigieren und
Schwierigkeiten machen, wo sie nur konnten. Wallenstein schützte seine
Erkrankungen vor: Podagra, Gicht usw. Sein Gesundheitszustand erlaube
es ihm nicht, das Amt des Oberkommandierenden erneut zu übernehmen.
In Wien, wo man sah, wie sich die Lage von Tag zu Tag verschlechterte,
ließ man nicht locker. Schließlich erklärte sich Wallenstein, der mit Beginn
des sächsischen Vorstoßes nach Pardubitz ausgewichen war, zu einem Tref
fen mit dem Ersten Minister des Kaisers bereit. Auf halbem Weg zwischen
Pardubitz und Wien, in Znaim, traf er sich mit Fürst Eggenberg.279 Offen
bar setzte Wallenstein sämtliche seiner Bedingungen bei Eggenberg durch:
Er wurde zum «General-Capo» der kaiserlichen Truppen ernannt, über
nahm den Oberbefehl aber, wie erwähnt, lediglich für drei Monate, also
bis Ende März, und das ausdrücklich ohne Entgelt. Wallenstein willigte ein,
eine Armee aufzubauen, begrenzte seine Dienste jedoch zunächst auf die
Zeit des Aufbaus dieser Armee.
Von Znaim aus organisierte Wallenstein das Vorhaben, wobei er das
neue Heer auf eine Mannschaftsstärke von 100 ooo Mann bringen wollte.
An guten Soldaten und Offizieren war kein Mangel: Wallensteins Ruf
genügte, um die Männer, die früher schon unter ihm gedient hatten, erneut
zu seinen Fahnen zu rufen. Ein größeres Problem war der Ankauf von Waf
fen und Munition sowie Uniformen und was sonst noch zur materiellen
Ausstattung eines Heeres gehörte. Das System der Kontributionen, mit dem
Wallenstein während seines ersten Generalats gearbeitet hatte, konnte nach
dem Selbstmord des Bankiers de Witte nicht wieder eingerichtet werden; es
fehlte ein Mann, der das Vertrauen der Kreditmärkte besaß und damit die
Vorfinanzierung des Heeres sicherstellen konnte. Auch stand Wallenstein
dieses Mal nicht selbst als Investor zur Verfügung, sondern beschränkte sich
auf die Aufgaben des Organisators. Die Folge war, dass der Kaiser die erfor
derlichen Mittel in seinen Erblanden auftreiben musste beziehungsweise
auf Finanzmittel aus Madrid und Rom angewiesen war. Wallenstein achtete
recht genau darauf, dass die Belastungen, die mit Aufbau und Unterhalt des
Heeres verbunden waren, nicht an ihm hängenblieben.
Was kaum einer für möglich gehalten hätte, gelang: der Aufbau eines
54° D IE Z EIT D ER G R O SSE N SC H L A C H T E N
neuen Heeres, mit dem man Gustav Adolf in einer offenen Feldschlacht
gegenübertreten konnte. Zunächst war noch die Frage offen, wer dieses
Heer führen sollte. Die in Znaim getroffenen Verabredungen galten ja nur
bis zum 31. März 1632, vielleicht mit einer Übergangsphase von ein paar
Wochen, aber nicht länger. Erneut traf sich Eggenberg mit Wallenstein, um
ihn auch für die Führung des Heeres im Felde zu gewinnen, und vermutlich
war Wallenstein, der diese Aufgabe einige Monate zuvor noch entschieden
von sich gewiesen hatte, inzwischen nicht mehr abgeneigt; es sollten jedoch
Bedingungen gelten, die er selbst festgelegt hatte. Man traf sich in Göllers
dorf, diesmal auf halbem Weg zwischen Znaim und Wien. Es ist unklar, ob
die Ergebnisse des Treffens vom 13. April schriftlich festgehalten wurden
oder ob es sich um eine mündliche Verabredung entlang einiger schrift
lich fixierter Stichpunkte handelte.280 Eine von Wallenstein und Eggenberg
abgezeichnete Fassung wäre bedeutsam für die Beantwortung der Frage,
ob sich die Verhandlungen, die Wallenstein vor seiner Ermordung geführt
hat, innerhalb seiner Kompetenzen als Oberkommandierender des kaiser
lichen Heeres bewegten oder ob er diese dabei überschritt. Es spricht vie
les dafür, dass ihm in Göllersdorf nicht nur das Oberkommando über alle
kaiserlichen Truppen in Deutschland übertragen wurde, sondern dass er
es absolutissima forma erhielt. Das bedeutet, dass der Kaiser keine Befehle
unter Umgehung Wallensteins geben konnte, dass Wallenstein das unbe
schränkte Recht zu Konfiskationen hatte und über Werbeplätze und Trup
penzahl allein entschied und dass ihm auch das Recht eingeräumt wurde,
aus eigener Machtvollkommenheit Gespräche über Krieg und Frieden zu
führen. Wallenstein, der Herzog von Friedland, hätte sonst auf Rechte ver
zichtet, die Johann Georg von Sachsen und Maximilian von Bayern, denen
er sich tendenziell gleichgestellt sah, selbstverständlich für sich in Anspruch
nahmen. Damit waren wesentliche Elemente der Politik auf ihn übertragen
worden, weswegen einige in der Forschung davon sprechen, Wallenstein sei
damit zum Diktator im Reich avanciert.281 Wallenstein war, formal betrach
tet, nie mächtiger als nach den Göllersdorfer Vereinbarungen.
Für Tilly stellte sich die Lage anders dar: «Nicht nur das Bayernland ist in
Gefahr», schrieb er an den Kaiser, «sondern das gesamte Heilige Römi-
Tillys Ende an Lech und Donau S4i
sehe Reich. Wenn man den Fortschritten und Machinationen des Feindes
nicht unverzüglich einen hinreichend schnellen und energischen Wider
stand entgegensetzt, und zwar seitens Ihrer Kaiserlichen Majestät und
aller katholischen Staaten, dann ist es tatsächlich unrettbar um alle und
auch um uns geschehen. Ich bitte Eure Kaiserliche Majestät daher instän
dig, [... ] die Armee, die Eure Kaiserliche Majestät soeben aufgestellt hat,
ohne Verzögerung und verderblichen Aufzug [Verzug] in Marsch setzen zu
lassen [... ].» 282 An diesem Schreiben Tillys ist zweierlei bemerkenswert:
zunächst die Selbstverständlichkeit, mit der er davon ausging, dass es sich
um einen Religionskrieg handelte und dass mit Blick auf die Konfession
auch die Frage, wer Freund oder wer Feind sei, beantwortet werden könne.
Während Ferdinand diese Sicht teilte, sah Wallenstein das selbstverständ
lich anders, und auch Tillys Dienstherr, der bayerische Kurfürst, hatte bei
den Neutralitätsverhandlungen mit Gustav Adolf auf eine andere Deutung
des Krieges gesetzt. Bemerkenswert ist zweitens, dass Tilly annahm, der
Kaiser könne die von Wallenstein neu geschaffene Armee in Bewegung set
zen, indem er seinem Oberkommandierenden entsprechende Weisungen
erteilte. Aus der Zeit der gemeinsamen Kriegführung hätte Tilly wissen
können, dass das Verhältnis zwischen Wallenstein und dem Kaiser gänzlich
anders war als das zwischen ihm, Tilly, und Maximilian. Wallenstein nahm
stets eine deutlich größere Unabhängigkeit für sich in Anspruch, als Tilly
sie je besessen hatte. Eigentlich hätte er also Wallenstein selbst schreiben
müssen (was er davor und danach auch tat). Dass Tilly sich in diesem Fall
an den Kaiser wandte, hatte wohl damit zu tun, dass er Wallensteins aus
Zorn und Verachtung gespeiste Haltung gegenüber Maximilian kannte und
sie umgehen wollte.
Wallenstein kam Tilly aus den oben genannten Gründen nicht zu
Hilfe, und Donauwörth wurde von den vorrückenden Schweden schnell
erobert.283 Einmal mehr konnte Lennart Torstensson seine Fähigkeiten als
Artilleriekommandeur unter Beweis stellen. Herzog Rudolf Maximilian
von Sachsen-Lauenburg, der mit acht Infanteriekompanien, einem halben
Kavallerieregiment sowie einer größeren Anzahl Milizsoldaten die Stadt
halten sollte, beantwortete die schwedische KapitulationsaufForderung mit
der Erklärung, er habe dafür nur «Kraut und Kot sowie die blanke Spitze
542 D IE Z E IT D ER G R O SSE N S C H L A C H T E N
des Degens» übrig,284 aber als die Schweden von einem höhergelegenen
Hügel aus mit 20 Kanonen das Feuer auf die Stadt eröffneten, schlug die
Stimmung rasch um: Die Bürger beschworen den Herzog, die Stadt zu
übergeben. In der Nacht vom 5. auf den 6. April zogen die ligistischen Trup
pen ab; damit kamen sie einem Sturm der Schweden gerade noch zuvor.
Gustav Adolf hatte die Donau erreicht. Nach Oder und Elbe, Main und
Rhein musste er nur noch sie unter seine Kontrolle bringen, um Deutsch
land zu beherrschen.
Die Entscheidung darüber sollte am Lech fallen. Tilly hatte sich ent
schlossen, die Lechlinie zu halten, da er nur so die Donaulinie würde
verteidigen können; dazu hatte er nahe dem Städtchen Rain ein festes
Lager errichtet, von dem aus er seine Kräfte lechaufwärts in Richtung
Augsburg, aber auch donauabwärts in Richtung Ingolstadt verschieben
konnte. Die Mündung des Lech in die Donau war für ihn die Spitze eines
Dreiecks, dessen Schenkel, die durch die beiden Flussläufe gebildet wur
den, er verteidigen wollte. Tilly hatte 16 800 Fußsoldaten und 5300 Reiter
sowie 20 Kanonen zur Verfügung; dem standen auf Seiten Gustav Adolfs
24 600 Infanteristen, 14 800 Kavalleristen und 72 Kanonen gegenüber.285
Der König hatte beschlossen, weder an der Donau noch lechaufwärts einen
Flussübergang zu suchen, von dem aus er Tilly umgehen konnte, sondern
dessen Lager bei Rain anzugreifen. Seine Generäle hatten davon abgera
ten und auf die hohen Verluste hingewiesen, die bei einer Frontalattacke zu
erwarten waren, aber Gustav Adolf hatte diesen Einwand unter Verweis auf
seinen erfolgreichen Rheinübergang bei Oppenheim abgewehrt. Er wollte
die Gelegenheit nutzen, sich der Loyalität der schwäbischen Protestanten
sowie der Stadt Ulm zu versichern, und da er damit rechnen musste, dass
Wallenstein Tilly doch noch zu Hilfe kommen würde, war ihm eine groß
räumige Umgehung des ligistischen Lagers bei Rain zu riskant: Wenn die
Dinge schlecht liefen, konnte er zwischen Tilly und Wallenstein geraten. Er
wollte den Feind vor sich haben und nicht neben oder hinter sich.
Tilly ließ seine Position durch die Anlage von Erdwerken befestigen.
Ihr Zentrum bildete das durch Wälle geschützte Hauptlager, das 700 bis
800 Meter vom Lechufer entfernt lag; dort waren auch die schweren Kano
nen aufgestellt. Näher am Ufer befanden sich drei kleinere Lager, in denen
Tillys Ende an Lech und Donau 543
die leichten Kanonen postiert waren, die so den Fluss und das Ufer mit ihrem
Feuer bestreichen konnten. Die Lechbrücke bei Rain wurde abgebrochen;
außerdem ließ Tilly seine Kavallerie nach beiden Seiten ausschwärmen, um
festzustellen, ob die Schweden an einer anderen Stelle den Lech zu über
schreiten versuchten. Durch die Schneeschmelze in den Alpen und starke
Regenfälle war der sonst nicht besonders tiefe Fluss angeschwollen und
bildete eine passable Barriere gegen einen schwedischen Angriff. Offenbar
ging Tilly davon aus, Gustav Adolf werde wie bei Oppenheim versuchen,
den Fluss mit Booten zu überqueren. Die drei kleineren Lager in Ufernähe
sollten sicherstellen, dass seine Soldaten sogleich zur Stelle waren, wenn
die Boote den Fluss überquerten. Tillys Stellung am Lech hatte den Nach
teil, dass das gegenüberliegende Ufer, an dem die Schweden standen, um
einige Meter höher lag, was sich bei einem Artillerieduell rächen konnte.
Obendrein befand sich das Lager im Inneren einer Flussschleife: Von hier
aus konnte man die Umgebung zwar gut kontrollieren, dafür konnte der
Gegner das Lager nicht nur frontal, sondern auch von den Seiten her unter
Feuer nehmen. So gut, wie man auf den ersten Blick meinen mochte, war
Tillys Position nicht gewählt.
Gustav Adolfs Angriffsplan sah ein langanhaltendes Artillerieduell und
die Überquerung des Flusses mit Hilfe einer Pontonbrücke vor. Die für den
Bau der Brücke notwendigen Bretter und Balken verschaffte er sich durch
den Abbruch von Häusern der naheliegenden Ortschaft Oberndorf.286 Süd
lich der Lechschleife, wo Tillys Stellungen lagen, befand sich in der Fluss
mitte eine schmale Insel, die den Angreifern als Sprungbrett dienen konnte.
Die schwedischen Ingenieure, die sich mit den Möglichkeiten eines Brü
ckenschlags beschäftigten, schlugen vor, die Pontons knapp unter der Was
seroberfläche zu halten, so dass die Brücke kaum auszumachen und durch
Kanonenbeschuss nur schwer zu zerstören war.
Am 14. April eröffneten die Schweden das Artilleriefeuer. Torstensson
hatte die Kanonen zu drei Batterien zusammengefasst, jede mit 24 Geschüt
zen. Den ganzen Tag über wurde auf Tillys Stellungen gefeuert, wobei das
Bombardement eine doppelte Aufgabe hatte: zunächst der Gegenseite Ver
luste zuzufügen und sie zu demoralisieren, sodann aber auch, die gesamte
Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen und so vom Bau der Pontonbrücke
An zwei Stellen überschreiten die Schweden im April 1632 den Lech:
auf einer Brücke (Mitte der linken Bildhälfte) und mit Reitern, die den
Fluss durchqueren (ganz rechts). Die Masse des schwedischen Fußvolks
befindet sich noch auf dem linken Ufer, und man fragt sich, ob die wenigen
schwedischen Soldaten auf der anderen Seite dem massiven Angriff von
Tillys Infanterie standhalten können. Der Kupferstecher hat übersehen,
dass sich zwischen ihnen und den Truppen Tillys ein weiterer Flussarm
befand, so dass die schwedische Avantgarde sich auf einer Insel im Lech
festsetzen konnte, um ihre Artillerieüberlegenheit auszuspielen. Hier erlitt
Tilly die schwere Verwundung, an der er bald darauf verstarb.
nen, dann überquerten die Finnen auch noch den zweiten Flussarm und
bildeten einen Brückenkopf auf Tillys Flussseite.
Der Brückenkopf wurde stetig erweitert, Gegenangriffe der Tilly sehen
Reiterei schlug man zurück. Nachdem Tillys Stellvertreter General Aldrin-
gen schwer verwundet aus dem Gefecht ausscheiden musste, ritt Tilly
selbst heran, um die Angriffe zu koordinieren. Da traf ihn eine schwedi
sche Doppelkugel, zerschmetterte sein Bein und warf ihn vom Pferd. Man
brachte ihn ins Lager zurück. Kurfürst Maximilian musste jetzt selbst das
Kommando übernehmen, und nach Absprache mit seinen Regimentskom
mandeuren entschloss er sich, die Schlacht abzubrechen und den Rück
zug nach Ingolstadt anzutreten. Das war eine schwere Entscheidung, lief
sie doch darauf hinaus, dass er das Land den Schweden preisgab, um sein
Heer zu retten. Tilly, der das Bewusstsein inzwischen wiedererlangt hatte,
stimmte dem Entschluss zu. Als die Schweden am Morgen des 16. April die
Befestigungen der Liga-Armee stürmen wollten, waren sie leer. Die zur Ver
folgung losgeschickte Kavallerie bekam nur ein paar Nachzügler zu fassen.
Gustav Adolf war ein weiterer glänzender Flussübergang gelungen, aber
sein Ziel, die Vernichtung des Liga-Heeres, hatte er verfehlt.
Die Schweden belagerten später Ingolstadt, zogen jedoch bald wieder
ab. Damit fand der schwedische Siegeszug vorläufig ein Ende. Der Krieg,
der nach der Schlacht von Breitenfeld ein rasendes Tempo aufgenommen
hatte, wurde nun wieder entschleunigt, und dabei verzettelte er sich immer
mehr. Hatte man nach dem Siegeszug Gustav Adolfs den Eindruck gewin
nen können, der Krieg gehe seiner militärischen Entscheidung entgegen, so
konnte davon inzwischen keine Rede mehr sein. Es schien, als habe Gus
tav Adolf mit dem Rückzug der Bayern nach Ingolstadt und Regensburg
sein Ziel aus den Augen verloren. Der Krieg ging weiter, aber für mehrere
Monate richtete sich seine Gewalt nicht gegen den bewaffneten Feind, son
dern gegen eine weithin wehrlose Zivilbevölkerung, die beraubt und ausge
plündert wurde. Systematischen Widerstand gab es nicht. In dieser Lage, so
Golo Mann, «weiß Gustav Adolf nicht mehr, was er tun soll».287
Am 30. April verstarb Tilly in Ingolstadt an den Folgen seiner Verwun
dung. Die letzten Tage seines Lebens, das für einen ständig auf Feldzügen
befindlichen Soldaten sehr lange währte - er stand im dreiundsiebzigsten
546 D IE Z E IT D ER G R O SSE N SC H L A C H T E N
Zelt, die gerade ihren Branntwein tränken, den sie sich von dem anlässlich
des Begräbnisses ausgezahlten Sold gekauft hätten, könne man hundert
Jahre Krieg führen, selbst wenn man «kein gelernter Feldhauptmann» sei.
«Dann meinen Sie nicht», so die besorgte Fierling, «daß der Krieg aus
gehn könnt?» - «Weil der Feldhauptmann hin ist? Sein Sie nicht kindisch.
Solche finden sich ein Dutzend, Helden gibt’s immer.»291 Der Tod Tillys,
sollte das heißen, war für den Fortgang des Krieges keine relevante Zäsur.
Die Eroberung Augsburgs im Jahr 1632 war für Gustav Adolf strategisch
wie symbolisch von größter Bedeutung, unterstrich sie doch wie die
Rückgewinnung keiner anderen Stadt in Deutschland seinen Anspruch,
der Befreier und politische Führer des deutschen Protestantismus zu sein.
Augsburg - das war nicht nur die Stadt des Religionsfriedens von 1555, auf
den sich alle beriefen, wenn nach der Grundlage für eine Friedensordnung
Ausschau gehalten wurde, sondern die Stadt stand auch für die dort formu
lierte Confessio Augustana, das Augsburger Bekenntnis, in dem sich 1530 die
verschiedenen Strömungen der Reformation auf ein gemeinsames Glau
bensbekenntnis geeinigt hatten. Wer die Stadt am Lech in der Hand hatte,
war der erste Verhandlungspartner für einen zukünftigen Religionsfrieden
in Deutschland - gegenüber den Katholiken, aber vor allem auch innerhalb
der unterschiedlichen Gruppen des politischen Protestantismus.
Es war freilich nicht nur die konfessionspolitische Symbolik, die Gus
tav Adolf veranlasste, nach dem erfolgreichen Lechübergang die zurück
weichenden Liga-Truppen nicht mit ganzer Macht zu verfolgen, sondern
sich der Stadt Augsburg zuzuwenden. Tilly hatte die Stadt von achtzehn
Fähnlein Fußvolk und zwei Reiterkompanien besetzen lassen. Neben der
Verteidigung Ingolstadts und Regensburgs hatte für ihn die Kontrolle über
Augsburg eine elementare Bedeutung für den weiteren Kriegsverlauf. Das
548 D IE Z E IT D ER G R O SSE N S C H L A C H T E N
sah Gustav Adolf unter anderen Vorzeichen genauso: Nachdem er die Stadt
eingenommen hatte, schrieb er am 22. April an Oxenstierna, er habe nun
«die gewünschte Gelegenheit seine Intention fortzusetzen, und wegen der
Commodität der beiden Städte Ulm und Augsburg und des Trigons des
Lech und der Donau eine solche sedem belli [Sitz der Kriegführung] die
ser Orten zu formiren, daß ihn, wenn er defensive gehen wollte, der Feind
so leicht nicht daraus bringen sollte, und wäre er auch noch so stark».292
Augsburg wurde nach kurzen Verhandlungen und dem Zugeständnis eines
«leidlichen Accords» für die Besatzung eingenommen. Die Augsburger
Garnison unter Oberst de Treberes zog «m it Sack und Pack, Ober- und
Untergewehr, brennenden Lunten, Kugeln im Munde und fliegenden
Fahnen» ab und wurde von den Schweden bis in die Nähe von Ingolstadt
eskortiert.293 Diese Art der Übergabe kam Gustav Adolf zupass: Sie war das
genaue Gegenteil dessen, was sich ein Jahr zuvor in Magdeburg abgespielt
hatte, und das steigerte die Symbolkraft Augsburgs noch mehr.
Anschließend ging es darum, die inneren Verhältnisse in Augsburg neu
zu ordnen.294 Als Erstes wurde der katholische Magistrat abgesetzt und
durch eine evangelische Stadtregierung ersetzt, wobei aus Respekt vor der
patrizischen Stadtverfassung ein paar evangelische Familien in die Liste
der Stadtgeschlechter aufgenommen werden mussten. Sodann hatte die
gesamte Bürgerschaft dem König zu huldigen, und zwar in der Form, wie
jedes Jahr der Bürgereid geleistet wurde. Die Huldigungsformel war die
selbe, die Gustav Adolf in allen größeren von ihm eingenommenen Städ
ten vorgab: Die Bürger gelobten und schworen, dass sie Gustav Adolf und
der schwedischen Krone «getreu, hold, gehorsam und gewärtig sein, dero
Bestes prüfen, Schaden warnen und äußerster Möglichkeit nach abwenden,
auch alles das thun und lassen wollen, was getreuen Unterthanen ihren
natürlichen Herrn zu thun und zu leisten obliegt, treulich ohne Gefährde.
So wahr uns Gott helfe an Seele und Leib.»295 Es wurde vereinbart, dass die
Stadt eine starke schwedische Garnison aufzunehmen habe, dass eine von
schwedischen Soldaten ausgebildete Bürgerwehr gebildet werden solle und
schließlich eine monatliche Kontribution von 20 000 Gulden zu entrichten
sei. Außerdem sollte die Bürgerschaft umfangreiche Arbeiten an der Stadt
befestigung vornehmen. Anschließend wurde ein großes Fest gefeiert.
Die Verwüstung Bayerns 549
einen Teil an der Donau stehen zu lassen, um die Bayern in Schach zu hal
ten, und mit dem anderen nach Sachsen zu marschieren. Doch damit lud
der König Wallenstein geradezu ein, seinerseits die Initiative zu ergreifen
und sich mit überlegener Macht entweder auf die in Bayern verbliebenen
oder die nach Sachsen vorrückenden Teile des schwedischen Heeres zu
werfen. Das konnte auf eine Wiederholung dessen hinauslaufen, was Horn
gegen Tilly bei Bamberg widerfahren war.296 Und schließlich war da noch
die Möglichkeit, den ursprünglichen Plan weiterzuverfolgen und nach
Wien vorzustoßen, um dem Kaiser in seiner Hauptstadt einen diktierten
Frieden aufzuzwingen. In diesem Fall aber würde das schwedische Heer im
Rücken durch die bayerischen Festungen Ingolstadt und Regensburg und
auf den Flanken durch das in Böhmen stehende Heer Wallensteins bedroht
werden. Ein Vorstoß auf Wien wäre das riskanteste Vorhaben gewesen.
Der König konnte sich für keine dieser drei Möglichkeiten entschei
den; stattdessen reagierte er auf einen im Bodenseeraum ausgebrochenen
Bauernaufstand, der durch die Unterstützung kaiserlicher Truppen eine
antischwedische Stoßrichtung erlangt hatte und den der schwedische Statt
halter in Ulm, Oberst Ruthwen - wegen seiner Trinkgewohnheiten von
den Soldaten auch «Oberst Rotwein» genannt - , nicht in den Griff bekam.
Gustav Adolf zerschlug die aufständischen Bauernhaufen, deren Empö
rung sich weniger gegen das Vordringen des Protestantismus als gegen
die Gewaltakte von Soldaten in schwedischem Dienst gerichtet hatte, und
setzte nach Augsburger Vorbild in allen größeren Städten Oberschwabens
evangelische Magistrate ein. Ihm ging es vor allem um die Einrichtung loya
ler Verwaltungen; er mischte sich in Konfessionsfragen nicht weiter ein und
ließ den ortsansässigen Katholiken die Möglichkeit, ihr Bekenntnis auszu
üben. Aber Gustav Adolf betrachtete nur diejenigen als loyale Magistrate,
die dem evangelischen Bekenntnis angehörten, und infolgedessen vertief
ten sich die konfessionellen Spaltungslinien.297
Vor dem Feldzug zum Bodensee hatte Gustav Adolf einen Vorstoß tief
nach Bayern hinein unternommen, bei dem er mehrere Ziele verfolgte: Er
wollte München, neben Wien das Zentrum des politischen Katholizismus,
besetzen und so den bayerischen Kurfürsten Maximilian, nachdem er ihn
bei Rain nicht zur Entscheidungsschlacht hatte stellen können, demon-
Die Verwüstung Bayerns SSl
dazu, dass sich die Gewalt verselbständigte und schließlich gegen alles rich
tete, was auf dem Weg lag. Der schwedische Verwüstungsfeldzug in Bayern
wurde zum Vorspiel des Kriegsverlaufs in seinem letzten Jahrzehnt.
Die Schweden rückten auf Landshut vor; Feldmarschall Horn besetzte
die Stadt und erlegte ihr 100 ooo Reichstaler «Ranzion» auf, eine Art
Lösegeld, das als Ausgleich für die unterbliebene Plünderung gezahlt
wurde.301 Als Nächstes war Freising dran, dem es ähnlich erging. Schließ
lich erreichten die Truppen München, das ebenso kampflos übergeben
wurde wie zuvor Landshut und Freising. Er werde Magdeburg an München
rächen, erklärte Gustav Adolf, ließ sich dann aber dazu bewegen, der Stadt
gegen das exorbitante Lösegeld von 300 000 Reichstalern ein vergleichba
res Schicksal zu ersparen. Am 17. Mai zog er in München ein, begleitet von
Pfalzgraf Friedrich, dem es eine besondere Genugtuung war, im Residenz
schloss seines Gegenspielers um die Kurfürstenwürde Quartier zu bezie
hen. Das bei Kriegsbeginn fertiggestellte Schloss Maximilians galt als das
prächtigste im ganzen Reich. Könnte man es auf Rollen setzen, so würde
er es mit nach Schweden nehmen, soll Gustav Adolf gesagt haben. Er hielt
sich stattdessen an den Kunstsammlungen des Kurfürsten schadlos. Insge
samt verlief der Aufenthalt der Schweden in München jedoch leidlich dis
zipliniert, was wohl auch daran lag, dass der Großteil des Heeres außerhalb
der Stadt auf dem Schwabinger Anger kampierte. So wurden zwar Maximi
lians Besitzungen ausgeräumt, aber die Bürgerhäuser blieben weitgehend
verschont. Das war das Gegenteil dessen, was Gustav Adolf angedroht
hatte. Der König neigte dazu aufzubrausen, wenn er verärgert war, doch er
ließ sich auch schnell wieder beruhigen, wenn man ihm entgegenkam und
nachvollziehbare Argumente vorbrachte.
Der Einzug Gustav Adolfs in München war, wie sein Biograph Junkel-
mann schreibt, «der abschließende Höhepunkt seiner Laufbahn als größter
Eroberer, den Europa seit dem Mongolensturm des 13. Jahrhunderts gese
hen hatte».302 Die Einzüge in Frankfurt und Augsburg waren Inbesitznah
men symbolträchtiger Reichsstädte; der Einzug in München dagegen war
ein Triumph über den unmittelbaren Gegner, symbolisch und physisch
zugleich.
Nirgendwo wurde das deutlicher als in der «Auferweckung der Toten ».
Die Verwüstung Bayerns 553
gekommen, hätten die Pferde und das Beste, was sie fanden, geraubt und
seien wieder davongeritten. Dann seien andere Reiter eingetroffen, hätten
mitgenommen, was noch geblieben war, seien dann aber wiederum von
anderen Reitern vertrieben worden, die sich im Kloster an Wein und Bier
gütlich getan hätten. Drei Wochen hätten die Schweden so gehaust, dann
seien sie wieder abgezogen. Als die Mönche ins Kloster zurückkehrten, bot
sich ihnen ein grauenhafter Anblick: «Das Gotteshaus war voll Gestank
und Pferde-Mist, auf den Altären Überbleibsel von Futter, die Opferstö
cke alle zerbrochen, und die Grabstätte des Stifters geöffnet.» Die Bilder
des heiligen Rasso habe man «m it Kot bedecket außerhalb des Gottes
hauses gefunden».306 Im Kloster habe eine «abscheuliche Verwüstung»
geherrscht: «Keine ganze Tür, kein Schloss, kein Kasten, kein Schrank,
kein Fenster, das nicht zerbrochen war; alle Gänge, alle Zimmer, das Refec-
torium, Dormitorium, Colloquium waren mit Stroh, zerschlagenen Fens
ter- und Tür- und Kästen-Splittern, mit Pferd- und Menschen-Unrat, mit
Gestank und Grausen, so angefüllet, daß 5 Mann 10 Tage genug zu tun
gehabt, das Kloster nur vom größten Unrat zu reinigen.»307
Dass sich die protestantischen Soldaten in einem Kloster alles andere
als respektvoll aufführten, war nicht überraschend. Zur allgemeinen Zer
störungslust, die sich ausbreitet, wenn Soldaten, die oft unter freiem Him
mel kampieren, in Wohnräume kommen, von denen sie wissen, dass sie
diese schon bald wieder verlassen müssen, kam hier eine konfessionelle
Komponente dazu: die Gewalt gegen Sakralgegenstände und Heiligenbil
der der Katholiken, die das Wesen des Feindes treffen sollte. Indem man
zerstörte, was der Gegenseite heilig war, demütigte man sie nicht nur, son
dern beraubte sie auch ihrer Kraft und ihres Selbstbewusstseins. Doch
dabei blieb es nicht. «Noch elender als im Kloster sah es im D orf aus. Das
obere Wirtshaus, das schöne Richterhaus, das neue Schulhaus, in allem
43 Häuser, fast das ganze obere Dorf, lag in der Asche, wozu die Feinde am
24ten Mai Feuer angelegt haben. [... ] Von 140 Pferden waren einzige 3, von
400 Stück Hornvieh nur 4 mehr übrig. Schaf, Schwein und das gesamte
Geflügel war ganz und gar verloren.»308
Was Friesenegger beschreibt, fand nicht nur in Bayern statt, sondern
weitete sich mit Gustav Adolfs Feldzug gegen die aufständischen Bauern
Die Verwüstung Bayerns 555
ers nit getan und gar nichts brennt hätte, hätte er müssen hangen, seien also
26 First abgebrennt und zu Asche gemacht und auf die 75 Stück Ross und
Vieh. Ist auch unser Lustgärtner [der Gärtner des Klostergartens] versto-
chen und auch 3 Personen verbrennt worden.»313
Die Verwüstung Bayerns und Oberschwabens durch die Schweden
war auch eine Folge davon, dass Gustav Adolf die. erreichbaren und mit
Erfolgsaussicht zu bekämpfenden Gegner ausgegangen waren: Maximi
lian war in Regensburg verschanzt, Wallenstein blieb in Böhmen, und ein
Vorstoß auf Wien war unter den gegebenen Umständen nicht möglich. Das
Militär musste also untätig bleiben, was die um sich greifende Zerstörungs-
lust weiter antrieb. Es waren jedoch nicht nur schwedische Soldaten, die
raubten und plünderten, sondern an der Verwüstung des Landes beteiligte
sich auch das eigene bayerische Militär. Friesenegger hält fest: «Z u Anfang
Dezember [1632] rückte die baierische Armee zu 26 000 Mann stark, über
Rain und Donauwörth in Baiern herein, um den Feind von Landsberg und
der oberen Gegend zu vertreiben.» Dabei seien Einquartierungen vorge
nommen worden, und die Dörfer mussten für die Truppen, «Mann und
Pferd», Unterhalt aufbringen. «Hierzu geschahen allerorten die gewalt
tätigsten Erpressungen, Streifereien und Plünderungen, so daß Elend und
höchste Armut allgemein wurde.»314 Auch das war ein Vorspiel auf das
letzte Jahrzehnt des Krieges, als es für die Bevölkerung der Dörfer und
Städte zunehmend gleichgültig wurde, ob es eigene oder feindliche Solda
ten waren, die anrückten, da beide die Bevölkerung gleichermaßen drang
salierten. Die konfessionellen wie die politischen Frontlinien verloren ihre
Bedeutung, und an ihre Stelle trat der Gegensatz zwischen Bauern und Sol
daten. In vielen Darstellungen wird er als die prägende Konfliktlinie dieses
Krieges hervorgehoben.315
«M an kann aber wirklich nicht sagen», so Maurus Friesenegger in sei
nem Tagebuch über die Plünderungen des Jahres 1632 in Bayern, «ob die
Auswärtigen oder einheimische Diebe mehr geraubt haben; denn nicht nur
bei dem letzten Abmarsche, sondern auchbei dem öfteren Abzug der Feinde
und Einzug der anderen war immer das Kloster voll Männern und Weibern,
deren ein jedes nahm, was ihm gefiel. Wenigst wurde nach der Hand aut
Vorstellung und Gewissens-Rührung manches freiwillig und anderes bei
Die Verwüstung Bayerns 557
geht wie zuvor.319 Die «reichen Söhnlein» hingegen haben das Glück, dass
«die Büdinger», wer auch immer das war, den Kroaten «die Ware» gegen
entsprechendes Geld abnehmen, mit Sicherheit in der Erwartung, sie mit
Gewinn nach Hanau zurückverkaufen zu können. Die Praxis des Rauhens
und Plünderns, die von regulärem Militär ebenso gepflegt wurde wie von
Freibeutern, also Bewaffneten, die auf eigene Faust loszogen, war nur mög
lich in Zusammenarbeit mit denen, die das Raub- und Diebesgut aufkauf
ten, um damit Geschäfte zu machen. Der Krieg entwickelte mit der Zeit
seine eigenen Wirtschaftskreisläufe, und sie waren ein weiterer Grund für
seine lange Dauer.
Ein mindestens ebenso großes Problem wie der Mangel an großen strate
gischen Zielen war für Gustav Adolf die notorisch schwankende Haltung
Kursachsens und damit jenes Teils der protestantischen Stände, die sich an
Die Verwüstung Bayerns 559
der Politik Dresdens orientierten. Kurfürst Johann Georg hatte den Weg an
die Seite Schwedens nur zögerlich beschritten, und der Siegeszug Gustav
Adolfs hatte seinen Bedenken neue Nahrung gegeben. Wäre es nicht besser
gewesen, das politische Momentum nach dem großen Sieg von Breitenfeld
(zu dem die Sachsen freilich wenig beigetragen hatten) zu nutzen, um Frie
densverhandlungen aufzunehmen? Was waren die Ziele des schwedischen
Königs, und ließen sie sich überhaupt mit der Reichsverfassung in ihrer bis
herigen Form in Einklang bringen? Johann Georgs Reichskonservatismus
lehnte grundlegende Veränderungen ab, und dass diese kommen würden,
wenn der König militärisch weiterhin erfolgreich war, dürfte dem Kurfürs
ten klar gewesen sein. Wenn er auch meistens betrunken war, so war er
doch nicht dumm. Vermutlich hatte er von dem Projekt gehört, die geistli
chen Kurfürstentümer im Reich abzuschaffen und auf diese Weise den Weg
für die Wahl eines evangelischen Kaisers frei zu machen - wer auch immer
das sein würde. Vor allem von Schwedens engem Verbündeten, Landgraf
Wilhelm V. von Flessen-Kassel, wurde dieses Vorhaben vertreten,320 und
Johann Georg argwöhnte, Gustav Adolf wolle selbst zum deutschen Kai
ser gewählt werden - worauf er nach der Schlacht von Breitenfeld ja noch
einen Trinkspruch ausgebracht hatte.
Der sächsische Kurfürst ließ sondieren, ob man den Schweden durch
Separatfriedensverträge isolieren und aus Deutschland hinausdrängen
könnte. Zum einen nutzte er die guten Beziehungen seines Heeresbe
fehlshabers Arnim zu Wallenstein, um herauszubekommen, ob der Kaiser
womöglich zur Rücknahme des Restitutionsedikts bereit war und wie er
sich die Lösung der kurpfälzischen Frage vorstelle; kam man in diesen
Fragen überein, so würden sich auch alle weiteren Probleme lösen lassen.
Zum andern verhandelte er mit Kurbrandenburg über ein Separatbündnis
beider Länder, das Schweden aus den Angelegenheiten des deutschen Pro
testantismus ausschließen sollte.321 Ende Februar und Anfang März trafen
sich sächsische und brandenburgische Räte in Torgau, um die Chancen
einer gemeinsamen Politik gegen Schweden zu erkunden. Wider Erwarten
stieß Johann Georg bei Georg Wilhelm von Brandenburg jedoch auf wenig
Gegenliebe. Er hatte damit gerechnet, dass die Pommern-Frage Branden
burg auf Distanz zu Schweden bringen würde, aber das war nicht der Fall.
5<>0 D IE Z E IT D ER G R O SSE N SC H L A C H T E N
Hätte man sich auf dem Leipziger Konvent enger an Schweden angelehnt,
so die Antwort Georg Wilhelms, wäre den deutschen Protestanten viel
Unheil erspart geblieben. Offenbar spielte der Untergang Magdeburgs für
die brandenburgische Politik eine deutlich größere Rolle als für die sächsi
sche. Die brandenburgischen Räte traten dafür ein, vor Beginn allgemeiner
Friedensverhandlungen einen Konvent der evangelischen Stände abzuhal
ten, um eine gemeinsame Verhandlungslinie festzulegen. Diese Forderung
kam letzten Endes eher den Schweden entgegen, die in Deutschland einen
Corpus Evangelicorum unter ihrer Führung schaffen wollten, als den Sachsen,
die vorsahen, eigenständig mit dem Kaiser zu verhandeln und die Ergeb
nisse anschließend von den protestantischen Ständen annehmen zu lassen.
Letztlich ging es also um die Frage, wer die Verhandlungsführerschaft bei
Friedensgesprächen haben sollte: Schweden oder Sachsen, Gustav Adolf
oder Johann Georg.
Sieht man davon ab, dass eine gehörige Portion Eigeninteresse im Spiel
war, so kann man der sächsischen Sicht eine gewisse Rationalität nicht
absprechen. Johann Georg war vor allem daran interessiert, den Krieg zu
beenden, und dafür war er zu weitgehenden Konzessionen gegenüber dem
Kaiser und der katholischen Seite bereit. Selbstverständlich gründete sich
diese Bereitschaft darauf, dass Sachsen bislang eher zu den Gewinnern des
Krieges gehört hatte, so dass es eine Revision des Status quo nicht für not
wendig hielt. Das sahen jene protestantischen Stände, die in den zurücklie
genden Kriegsjahren vor allem Verluste hatten hinnehmen müssen, ganz
anders, weswegen sie sich stärker an Schweden anlehnten. Die ursprüngli
che Konfliktlinie innerhalb des Protestantismus zwischen Lutheranern und
Reformierten wurde zunehmend überlagert durch eine zwischen denen,
die mit dem Status quo abzüglich des kaiserlichen Restitutionsedikts leben
konnten, und jenen, die eine Entschädigung für die im Kriegsverlauf erlit
tenen Verluste erwarteten. Will man es pointieren, so kann man in anachro
nistischer Begrifflichkeit von den Anhängern eines «Verhandlungsfrie
dens» und denen eines «Siegfriedens» sprechen; Sachsen war in diesem
Fall der Repräsentant des Verhandlungsfriedens. Noch mehr freilich war
das Landgraf Georg von Hessen-Darmstadt, den Gustav Adolf einmal als
«des Heiligen Römischen Reiches Erzfriedsstifter»322 verspottet hatte. Er
Die Verwüstung Bayerns 561
pflegte einen engen Kontakt zu Sachsen und zum Kurfürsten von Mainz.
Auch er war eher ein Profiteur als ein Verlierer des bisherigen Kriegsver
laufs, war er doch in den Besitz des Marburger Erbes gelangt,323 das er bei
weiteren Siegen der Schweden und in Anbetracht der engen Anlehnung sei
nes Kasseler Vetters an Gustav Adolf kaum behalten würde. So waren die
prinzipiellen Fragen - Krieg oder Frieden - mit dem jeweiligen Eigeninter
esse verquickt, und das sprach nicht dafür, dass man zu einer belastbaren
Verständigung kommen konnte.
durchzusetzen, und dabei kamen beide nicht weiter. Man ging jedoch auch
weiterhin rücksichtsvoll miteinander um: Als Arnims Truppen Prag besetz
ten, ließ er vor Wallensteins Palais eine Wache aufziehen, außerdem sorgte
er dafür, dass das Herzogtum Friedland weitgehend ungeplündert blieb;
als Wallenstein im Frühjahr 1632 damit begann, die sächsische Armee aus
Böhmen hinauszutreiben, tat er das mit großer Vorsicht und war bemüht,
den sächsischen Truppen keine Niederlage zuzufügen. Arnim wiederum
war klug genug, Wallenstein nicht zu einer Schlacht herauszufordern. Das
weckte Misstrauen auf beiden Seiten, wobei Gustav Adolf mehr Grund
dazu hatte als der Wiener Hof.326
hatte, denn dann würde sich zeigen, dass die schwedische Politik auf einen
Umsturz der Reichsverfassung und eine Revolution der politischen Kon
stellationen im Reich hinauslief, während die sächsische Politik in diesen
Fragen ausgesprochen konservativ war. Wallenstein war überzeugt, dass die
Zeit für ihn arbeitete. Er musste nur warten, bis Kursachsen zum Kaiser
zurückkehrte, dann würde sich die strategische Lage im Reich grundlegend
ändern: Unter diesen Umständen nämlich war die exponierte schwedi
sche Position in Süddeutschland nicht mehr zu halten. Aus diesem Grund
agierte er zurückhaltend gegen die sächsische Armee, jagte sie nicht aus
dem Land, sondern drängte sie langsam hinaus. Es war ein Wesensmerkmal
der Wallenstein’schen Kriegführung, dass er Ziel und Zweck immer mitein
ander verband und dafür Sorge trug, dass sich die Ziele nicht gegenüber
dem Zweck verselbständigten.
Die Gegner Wallensteins verstanden das nicht oder wollten es nicht
verstehen: Er behandele die Sachsen zu rücksichtsvoll, nutze die Gelegen
heiten nicht, sie militärisch zu schlagen, und stecke mit ihnen vielleicht
sogar unter einer Decke. Schließlich habe er während des Winters mehr
fach mit dem sächsischen Generalleutnant von Arnim Kontakt gehabt,
sich mit ihm zu einem längeren Vieraugengespräch getroffen, und es sei
schon auffällig, wie sehr sich die Sachsen bei ihrem Vorstoß nach Böhmen
bemüht hätten, das Eigentum und die Ländereien des Herzogs von Fried
land zu schonen. Kaum war Wallenstein erneut im Amt, machte sich wie
der das alte Misstrauen gegen ihn bemerkbar, und man beobachtete und
bewertete seine Handlungen genau. Das hatte auch mit der herausragen
den Stellung des Generalissimus im kaiserlichen Machtapparat zu tun, mit
den außerordentlichen Befugnissen, die er sich in Znaim und Göllersdorf
ausbedungen hatte, und nicht zuletzt mit dem Umstand, dass er das Militä
rische vom Politischen her dachte und deswegen Entscheidungen traf, die
in Wien als Eingriff in die Zuständigkeiten der Politik wahrgenommen wur
den. Das Misstrauen gegen Wallenstein hatte aber auch mit seiner Person
zu tun, mit seiner Verschlossenheit, aus der er plötzlich hochfahren konnte,
und mit Äußerungen über seine Kontrahenten in Wien und München, die
von beißendem Spott begleitet waren. Wallenstein konnte durchaus zuvor
kommend und gewinnend sein, wenn er dazu aufgelegt war und ihm dies
564 D IE Z E IT D ER G R O SSE N SC H L A C H T E N
Nordwesten Böhmens zubewegte, also eine Position bezog, von der aus
er den Durchzug der Schweden nach Sachsen verhindern konnte. Es ist
unwahrscheinlich, dass Gustav Adolf sich auf ein Treffen mit dem deut
lich überlegenen kaiserlichen Heer einlassen wollte; stattdessen dürfte er
geplant haben, den von Regensburg aus in Richtung Eger marschierenden
Kurfürsten Maximilian, der etwa 7000 Mann bei sich hatte, abzufangen
und dessen Truppen zu zersprengen.338 Gelang ihm das, so war er die Sorge
um das ligistische Operationsheer los und konnte einen Teil der in Bayern
zurückgelassenen Truppen nachziehen, um mit etwa gleichstarken Kräften
die entscheidende Auseinandersetzung mit Wallenstein zu suchen. Doch
das Vorhaben, die Bayern zum Kampf zu stellen, misslang. Als Gustav Adolf
am 24. Juni in der Nähe von Weiden anlangte, musste er feststellen, dass
Maximilian mit seiner Armee bereits nördlich von Weiden war und damit
nicht mehr an der Vereinigung mit den Truppen Wallensteins gehindert
werden konnte. Er zog sich daraufhin auf Nürnberg zurück. Das vereinigte
kaiserlich-ligistische Heer, das nun 31000 Infanteristen, 13 000 Kavalleris
ten und 80 Kanonen umfasste, zog ebenfalls von Neustadt an der Waldnaab
in Richtung Nürnberg.
Gustav Adolf konnte sich mit weniger als 20 000 Mann nicht zur
Schlacht stellen.339 Aber Nürnberg als strategische Position und wichtigen
Verbündeten aufgeben konnte und wollte er auch nicht. Also ließ er um die
Reichsstadt eine zweite, ungefähr 16 Kilometer lange Umwallung errichten,
die sich wie ein äußerer Ring um die eigentlichen Befestigungsanlagen der
Stadt zog, und dazwischen brachte er sein Heer unter. Der Ring um Nürn
berg war zu groß, als dass Wallenstein ihn selbst noch einmal einschließen
konnte, und das ermöglichte Gustav Adolf, Nachschub, Verstärkungen und
das für die Verpflegung der Soldaten Erforderliche heranzuführen. Wenn
Wallenstein die Umwallung angreifen wollte, so musste er gegen gut gesi-
A u f der folgenden Doppelseite: Als Gustav Adolf seine Streitkräfte bei Nürn
berg konzentrierte, verlegte er sie nicht in die auf herkömmliche Weise
durch eine Doppelmauer mit zahllosen Wachtürmen befestigte Stadt, son
dern ließ sie großflächig in einem Ring um die Stadt unterbringen. Die
Truppen waren so verteilt, dass sie die ihnen zugewiesenen Verteidigungs
abschnitte schnell erreichen konnten. Die neue Art des Festungshaus mit
Sternschanzen, die flankierendes Feuer auf Angreifer ermöglichten, ist auf
dem Plan gut zu erkennen, ebenso das Exerzieren der Truppen außerhalb
der Schanzen.
57° D IE Z E IT D ER G R O SSE N SC H L A C H T E N
davon aus, dass er jetzt die Oberhand hatte, und nach langem untätigen
Warten drängte es ihn, die Initiative an sich zu reißen und die befestigten
Stellungen Wallensteins anzugreifen. Der Kampf um die Alte Veste, eine
alte Burgruine nahe Fürth, wurde zum nächsten Schritt im Nürnberger
Stellungskrieg.340
Gustav Adolf hatte sich jedoch gründlich verrechnet, als er darauf setzte,
dass ihm die größere Zahl der nun verfügbaren Soldaten beim Angriff auf
Wallensteins Hauptlager den Sieg sicherte. Zwei Umstände dürften bei die
ser Fehlkalkulation zusammengekommen sein: zum einen das Vertrauen,
dass er mit seinen kampferfahrenen Truppen bei entsprechender artille
ristischer Vorbereitung jeden Gegner aus seinen Stellungen werfen könne,
und zum anderen die Ungeduld des Königs, der sich nach einem knappen
Jahr weit ausgreifender Operationen und unausgesetzter Siege von Wal
lenstein für sechs Wochen in Nürnberg festgenagelt sah und das seinem
Gegner nun heimzahlen wollte. Nirgendwo sonst als im Kampf um die Alte
Veste traten die unterschiedlichen Temperamente des Schweden und des
Böhmen sowie ihre gegensätzlichen strategischen Leitvorstellungen deut
licher zutage. Gustav Adolf hatte stets das Gefühl, er müsse jede sich bie
tende Gelegenheit zur Entscheidung ergreifen. In den Monaten nach seiner
Landung auf Usedom hatte er sich kontrolliert und über längere Zeit eher
vorsichtig und zurückhaltend agiert - etwa bei Werben, wo er sich Tilly
nicht zur Schlacht gestellt hatte - , doch nach den Erfolgen im Anschluss an
den Sieg von Breitenfeld hatte er diese Zurückhaltung verloren. Die Unge
duld gewann die Kontrolle über ihn. Er spürte, dass er bei einem sich hin
ziehenden Krieg in Deutschland im Nachteil war und deshalb die schnelle
Entscheidung suchen musste, was seiner Vorliebe für die Offensive und
die Schlacht als Hauptmittel der Kriegführung entsprach. Wallenstein war
darin das genaue Gegenteil. Es mochte sein, dass man in Wien von ihm
eine schnelle Entscheidung im Duell mit dem Schweden erwartete, aber
davon ließ er sich nicht aus dem Konzept bringen. Seine abgrundtiefe
Verachtung für die Schreibtischstrategen des Hofkriegsrats war ein festes
Bollwerk, das ihn gegen dessen Erwartungen schützte. Nach den unguten
Erfahrungen, die er 1626 in Ungarn gemacht hatte,341 ließ er sich auf eine
offensive Operationsführung nur noch ein, wenn er kräftemäßig um das
574 D IE Z E IT D ER G R O SSE N SC H L A C H T E N
Gegner habe mit dem Abzug begonnen und es seien nur wenige Regimen
ter im Lager zurückgeblieben. Womöglich war das eine von Wallenstein
lancierte Fehlinformation, vielleicht hörte der König aber aus Gefangenen
aussagen auch nur das heraus, was er hören wollte. Jedenfalls gab er den
Befehl zum Angriff, und in der Folge stürmten seine Soldaten den ganzen
Tag über gegen die stark befestigte Nordseite von Wallensteins Lager an. Im
Zentrum der Verschanzungen befand sich eine bewaldete Anhöhe mit einer
Burgruine, der Alten Veste, wo der Friedländer einen größeren Teil seiner
Artillerie konzentriert hatte. Um ein gutes Schussfeld zu bekommen, hatte
er die Bäume um die Ruine fällen und in die Verschanzungen einbauen las
sen. Dieses Mal war die schwedische Artillerie nicht in der Überlegenheit,
wie zumeist in den zurückliegenden Schlachten, so dass die Infanterie ohne
eigene Artillerieunterstützung über deckungsloses Gelände hügelaufwärts
angreifen musste. Sie stürmte tapfer voran, erzielte aber keine nennenswer
ten Erfolge. Sobald sie sich in eine aussichtsreiche Position gebracht hatte,
wurde sie durch Gegenangriffe der kaiserlichen oder bayerischen Kavalle
rie zurückgeschlagen. Wallenstein, der die Attacken befehligte, stellte mit
großer Zufriedenheit fest, dass dieses erste Zusammentreffen mit seinem
Gegenspieler ganz so verlief, wie er sich das vorgestellt hatte. Bei der Alten
Veste behielt Wallensteins kühle Berechnung gegenüber Gustav Adolfs
impulsiver Entschlossenheit die Oberhand.
Gustav Adolf hatte Kampfgruppen aus Musketieren bilden lassen, die
in vorgeschobener Position den Angriff der Pikeniere durch ihr Feuer auf
die Verteidiger vorbereiten und unterstützen sollten. Da er von seinen Kano
nen nicht den gewohnten Gebrauch machen konnte, zumal sein Artillerie
kommandeur Lennart Torstensson bei einem Erkundungsritt von bayeri
schen Reitern gefangen genommen worden war, sollten die Musketiere die
fehlende Artilleriewirkung durch Musketenfeuer ersetzen. Oberst Monro,
der den Sturm auf die Alte Veste beschrieben hat, berichtet: «Kaum waren
die Sturmgruppen vorgegangen, mußten schon die Verstärkungen vorgezo
gen und eingesetzt werden, ihnen beizustehen. Der Tod war so häufig unter
Offizieren und Mannschaften, daß diejenigen, die verwundet wurden, froh
waren, mit dem Leben davongekommen zu sein, denn sie sahen unsere
Lage als verzweifelt an, da wir unsere Leute verloren, ohne gegen den Feind
576 D IE Z EIT D ER G R O SSE N SC H L A C H T E N
und alles auf eine Karte setzend; die Entscheidung für Augsburg und den
Lech als Zentrum der Operationen lag etwa dazwischen. Gustav Adolf ent
schied sich für den Kompromiss und marschierte zum Lech.354 Zwischen
Straßburg und München wollte er einen geschlossen protestantischen
Raum hersteilen, der wie ein Riegel gegen die katholischen Einflüsse aus
dem Süden wirken sollte.
Aber dieser Entschluss hatte nicht lange Bestand. Als Johann Georg
schrieb, neben den Streifscharen Holks und dem in Schlesien operierenden
Korps unter Gallas seien nun auch die Truppen Pappenheims im Anmarsch
auf Kursachsen (was eine Fehlinformation war), beschloss Gustav Adolf,
nach Sachsen zu marschieren, um den strategisch wichtigen Verbündeten
nicht im Stich zu lassen. Wenngleich Pappenheim auf sich warten ließ und
selbst Wallenstein zeitweilig nicht wusste, wo dessen Truppen standen, so
hatte sich die Gesamtlage doch weitreichend verändert: Wallenstein hatte
beschlossen, in diesem Jahr seine Truppen nicht in den Erblanden, sondern
in Kursachsen und angrenzenden Territorien Winterquartier beziehen zu
lassen. Das hatte grundlegende Folgen für seine Kriegführung gegen Sach
sen, die er in einem Brief an Gallas so beschrieb: «Allermasßen Wier nun
zwar von diesem ermeldten Veldtmarschalckh-Leuthenandt Holka [Holk],
umb eine diversion zu machen, das Landt mit Plündern, Brennen, Vieh
wegtreiben undt sonsten zu ruiniren undt dardurch den Churfürsten ...
zur ragion zu bringen dahin geschickhet, anietzo aber sehen, dz gantz keine
weder güettliche noch dergleichen Zwangsmittel etwass bey ihm verfangen
und er höchstgedachter Ihr Kay. Maj. Landen feindtseeliger weisse unab
lässig zuezusetzen obstiniret [beschlossen hat], dahero unsere Intention
nicht mehr auf bloße diverson besondern [sondern] auff occupirung seines
Landes gerichtet: Alss haben Wier dem herrn solches hiermit notificiren ...
wollen, dasßelbe zu conserviren, die vorhin [zuvor] angesteldten diversi
onsmittel mit Plündern, Brennen, Vieh wegtreiben ... gentzlich abzustellen
undt es in Ihr Kay. Maj. devotion zu nehmen undt zu erhalten.»355 Wenn
das Land als Winterquartier genutzt werden sollte, durfte es nicht länger
verwüstet werden. Aber Wallenstein ging es nicht nur um Winterquartiere
für seine Armee, sondern er wollte mit dem Zug nach Sachsen auch Gustav
Adolf zwingen, nach Norden zu marschieren, wo die Schweden von Wal
Stellungskrieg bei Nürnberg und Entscheidungsschlacht bei Lützen S8i
Diesmal war es der König, der das Kräffemessen verweigerte und in sei
nen Verschanzungen bei Naumburg verharrte. Wallenstein kam daraufhin
zu dem Schluss, dass in diesem Jahr keine große Schlacht mehr stattfinden
werde, und ordnete den Abmarsch in die Winterquartiere an. Das aber hieß,
dass die bis dahin konzentrierten Truppen in unterschiedliche Richtun
gen abzogen: Pappenheim mit 5000 Mann nach Halle, Gallas mit 6000 bis
8000 Mann in Richtung Grimma, während Wallenstein und Holk mit der
Hauptarmee, 15 000 bis 18 000 Mann, im Leipziger Raum blieben.3S7 Der
Militärhistoriker Guthrie hat das als eine der bizarrsten Entscheidungen
des Krieges bezeichnet;358 jedenfalls war es ausgesprochen leichtfertig, aus
582 D IE Z E IT D ER G R O SSE N SC H L A C H T E N
entscheidende Rolle, Bernhard von Weimar und Dodo von Imhausen und
Knyphausen, denen Gustav Adolf das Kommando über den linken Flügel
und das Zentrum übertrug. Der König selbst führte den rechten Flügel.
Zuerst galt es, möglichst unbemerkt an die kaiserlichen Truppen her
anzukommen. In Weißenfels, das auf dem Anmarschweg der Schweden lag,
hatte Wallenstein nur eine kleine Besatzung von 300 Mann zurückgelassen,
die von den Schweden überrumpelt wurde. Ein plötzlich aufkeimendes
Misstrauen hatte Wallenstein jedoch veranlasst, den Generalwachtmeister
Rudolf Colloredo mit 1000 Kroaten und Dragonern in Richtung Weißenfels
und Naumburg ausschwärmen zu lassen, um die Schweden zu beobachten.
Am Mittag des 15. November stießen Colloredos Reiter auf die anrücken
den Truppen Gustav Adolfs und stellten fest, dass sie es mit dessen gesam
584 D IE Z E IT D ER G R O SSE N SC H L A C H T E N
ter Armee zu tun hatten. Sie zogen sich auf das Flüsschen Rippach zurück,
hinter dessen sumpfigem Ufer sie eine Zeitlang Widerstand leisteten. Wäh
rend Colloredo Boten zu Wallenstein sandte, um ihn über den Anmarsch
des Feindes zu unterrichten, hinderten seine Dragoner die Schweden an
der Überquerung der Rippach und verschafften Wallenstein so wertvolle
Zeit. «Hätte nicht der Pass Ripack den König lange aufgehalten, würde er
den ersten Abend einen großen Effekt erzielt haben», schrieb Wallensteins
Stellvertreter Holk nach der Schlacht.360 Den Gegner etwa zwei Stunden
lang aufzuhalten hatte Mitte November eine große Wirkung, denn die Tage
waren kurz, und am Nachmittag ließ sich keine Schlacht mehr beginnen.
Gustav Adolf hatte zwar das Überraschungsmoment auf seiner Seite, aber
die Schlacht als einen Überfall zu gestalten war nach den Verzögerungen an
der Rippach nicht mehr möglich.
Im kaiserlichen Lager war man seit zwei Uhr nachmittags fieberhaft
damit beschäftigt, die bereits abgerückten Regimenter zurückzurufen:
Drei Kanonenschüsse wurden als Signal zur Umkehr abgefeuert, und es
wurden Meldereiter losgeschickt, die den Truppen hinterher] agten, um
sie bei der Rückkehr zur Eile anzutreiben. Wallenstein schrieb Briefe
mit neuen Anordnungen, während Holk die eintreffenden Regimenter
nachts noch in ihre Stellungen einwies. Der berühmteste Brief Wallen
steins war der an Pappenheim: «D er feindt marchirt hereinwarths, der
Herr lasse alles stehen und liegen und incaminire [bewege] sich herzu mitt
allem Volck und Stücken, auf dass er morgen frue bey uns [sich] befün-
den kann.»361 Pappenheim war gerade in Halle eingetroffen, als ihn Wal
lensteins Nachricht erreichte. Er war kein Mann des Bedenkens und des
Zögerns, und Wallensteins Postskriptum auf der Rückseite des Schreibens
- «cito cito citissime»: schnell, schnell, äußerst schnell - zeigte ihm, dass
größte Eile geboten war. Also ließ er umgehend die Pferde satteln, um mit
der Kavallerie vorauszueilen, während die Fußtruppen mit den Kano
nen folgen sollten. Sie waren naturgemäß langsamer, und wenn er sich an
ihnen orientierte, würde er frühestens am späten Abend bei Lützen eintref-
fen. Also unternahm Pappenheim mit seinen vier Kavallerieregimentern
einen Nachtmarsch, was hieß, dass seine Reiter nach einem Ritt von etwa
50 Kilometern erschöpft und übermüdet bei Lützen eintreffen würden. Für
Am Vorabend der Schlacht bei Lützen erreichte Pappenheim dieser Brief
Wallensteins: «D er feindt marchirt hereinwarths, der Herr lasse alles
stehen und liegen und incaminire [bewege] sich herzu mitt allem Volck
und Stücken, auf dass er morgen frue bey uns [sich] befänden kann.
Ich aber verbleibe hiemitt des herrn dienstwilliger AhzM. [Alhrecht
Herzog von Mecklenburg) / Lützen den 15. Novemb Ao [Anno] 1632 / Er
[der Feind] ist schon an dem pas wo gestern der böse weg gewest ist.»
Pappenheim trug das Schreiben bei sich, als er am nächsten Tag auf dem
Schlachtfeld von Lützen eintraf. Es weist großflächige Blutspuren auf, die
von Pappenheims tödlicher Verwundung stammen dürften.
586 D IE Z E IT D ER G R O SSE N SC H L A C H T E N
Pappenheim war das kein Problem, für viele seiner Reiter sehr wohl, wie
sich auf dem Schlachtfeld herausstellen sollte.
Derweil ließ Holk die verfügbaren Infanterieregimenter schanzen:
Artilleriestellungen mussten vorbereitet werden, und in dem ebenen
Gelände mit Höhenunterschieden von allenfalls ein bis zwei Metern
musste man Erdwälle aufwerfen, hinter denen die Musketiere Halt und
Deckung fanden. Es ist unwahrscheinlich, dass Wallenstein, wie mitunter
zu lesen ist, das Gelände bei Lützen mit Bedacht für die Schlacht ausge
sucht hat. Der schwedische Vorstoß kam zu überraschend. Aber mit dem
sicheren Blick des erfahrenen Feldherrn nutzte er die wenigen vorhande
nen Geländevorteile, um eine geeignete Defensivstellung zu beziehen. Er
hätte sich dabei auf den Floßgraben stützen können, einen zwei bis drei
Meter breiten und etwa einen Meter tiefen Kanal zwischen Saale und Elster,
der von den Flößern für den Transport von Holzstämmen genutzt wurde.
Diese Stellung hätte Gustav Adolf jedoch leicht von der Flanke her aufrol-
len können, und der Vorteil, den der Floßgraben gegen einen Frontalangriff
bot, hätte dann nichts genutzt. Wallenstein entschloss sich, stattdessen sei
nen linken Flügel an das Städtchen Lützen anzulehnen. Lützen hatte etwa
300 Häuser, war von Mauerbefestigungen umgeben und besaß in seinem
Zentrum ein aus Bruchsteinen errichtetes Schloss. Der Ort lag an der Post
straße von Weißenfels nach Leipzig. Die an die Stadtmauer angrenzenden
Gärten waren von Lehmwänden umgeben. Daran schloss sich ein Wind
mühlenhügel an, auf dem Wallenstein einen Teil seiner Artillerie postierte,
die von dort aus das gesamte Gelände bestreichen konnte. Dieser rechte
Flügel, der in Richtung des schwedischen Anmarschwegs obendrein durch
einen Mühlgraben mit ausgedehnten Sumpfwiesen gedeckt war, bildete
den festen Punkt in Wallensteins Aufstellung. A uf ihm - und nicht etwa
im Zentrum oder auf dem linken Flügel - wollte Wallenstein die Schlacht
entscheiden. Der Schwachpunkt seiner Aufstellung war hingegen der von
Holk und Piccolomini geführte linke Flügel, für den nur schwächere Kräfte
verfügbar waren, bis die von Halle kommenden Regimenter Pappenheims
ihn verstärken konnten.
Für Gustav Adolf hingegen war klar, dass er eine Angriffsschlacht schla
gen musste, bei der ihm das Überraschungsmoment verloren gegangen war.
Stellungskrieg bei Nürnberg und Entscheidungsschlacht bei Lützen 587
Jetzt kam alles darauf an, dass die Schlacht begann, bevor Wallensteins Ver
stärkungen eintrafen. Ob Gustav Adolf sich dabei über die zentrale Rolle
des Pappenheim’schen Korps im Klaren war, muss offenbleiben. Was er
jedoch mit Sicherheit wusste, war, dass mit jeder Stunde, die verging, die
eigene Überlegenheit dahinschmolz.362Aber am Morgen des 16. November
lag starker Nebel über der Ebene von Lützen, so dass Gustav Adolf zögerte,
die Schlacht zu eröffnen. Seine Armee rückte von dem D orf Meuchen, wo
der König und die höheren Offiziere übernachtet hatten, über den Floß
graben vor und nahm Gefechtsaufstellung ein: die schweren Kanonen
vor dem Zentrum, das wie üblich in zwei Treffen gestaffelt war, die Regi
mentskanonen auf die gesamte Breite der Front verteilt, die Fußtruppen im
Zentrum konzentriert, die Reiterei auf den beiden Flügeln, zwischen den
Reitereinheiten überall Musketiertrupps. Gustav Adolf führte den rechten,
Bernhard von Weimar den linken Flügel. Man kann davon ausgehen, dass
der König die Entscheidung auf dem rechten Flügel suchen wollte, der dem
schwachen linken Flügel Wallensteins gegenüberstand.
Lützen wurde eine taktisch uninspirierte Schlacht, da beide Seiten die geg
nerische Aufstellung mitsamt ihren Stärken und Schwächen nicht hatten
erkunden und darauf reagieren können. So lief das Geschehen auf einen
Abgleich von Kampfkraft und Opfermut hinaus. Da Wallenstein - im
Unterschied zu Tilly bei Breitenfeld - die flache Aufstellung anstelle des
Tercio-Systems übernommen und wie die Schweden Gruppen von Mus
ketieren zwischen den Kavallerieformationen postiert hatte, ergaben sich
auch aus der Grundformation der Truppen keine größeren Vor- oder Nach
teile für eine der beiden Seiten.
Als vormittags gegen zehn Uhr die Sonne allmählich durch den Nebel
brach, standen die Ffeere einander beidseits der Poststraße im Abstand von
einem Kilometer gegenüber. Während des Wartens hatten auf Seiten der
Evangelischen Feldprediger mit den Truppen gebetet, es wurden Kirchen
lieder gesungen, und Gustav Adolf, der auf seinem Schlachtross «Streiff»
die Front abgeritten war, hatte vor einzelnen Brigaden haltgemacht und
aufmunternde Worte an sie gerichtet.363 A uf Seiten der Kaiserlichen ging
es prosaischer zu: Auch Wallenstein ritt die Truppen ab, hielt jedoch keine
588 D IE Z E IT D ER G R O SSE N SC H L A C H T E N
konnte nur funktionieren, wenn sein eigener linker Flügel nicht zusammen
brach. Also musste die Lage dort stabilisiert werden.
Es dürfte halb eins am Mittag gewesen sein, als Gustav Adolf mit dem
Kavallerieregiment den Flügelwechsel vollzogen hatte. A uf der linken Seite
seiner Aufstellung herrschten sehr schlechte Sichtverhältnisse; Rauch
schwaden des brennenden Lützen vermischten sich mit dem Pulverqualm
der Schlacht, und zu alldem kam noch der erneut einsetzende Nebel. Als
Gustav Adolf die Smäländer zum Gegenangriff führte, geriet er in ein
Kampfgewühl, in dem er von seinen Kavalleristen getrennt wurde. Vermut
lich hat dabei auch seine starke Kurzsichtigkeit eine Rolle gespielt, denn
der König weigerte sich, in Kampfsituationen eine Brille zu tragen. Eine
Kugel zerschmetterte ihm den linken Ellenbogen. Was darauf folgte, ist
unklar: In einigen Berichten ist davon die Rede, Gustav Adolf sei aus dem
unmittelbaren Kampfgeschehen herausgeritten, habe sich von seinem per
sönlichen Pagen, dem Nürnberger Patriziersohn August von Leubelfing,365
den Arm verbinden lassen und sei dann in den Kampf zurückgekehrt.366
Das ist jedoch unwahrscheinlich, da Gustav Adolf nach einer so schwe
ren Verwundung (in manchen Quellen heißt es, der Armknochen habe
aus dem Ärmel herausgeragt) nicht mehr in der Lage gewesen sein dürfte,
sein Pferd mit der linken Hand zu lenken - was er jedoch musste, um in
der Rechten eine Waffe führen zu können. Viel wahrscheinlicher ist also,
dass der König nach seiner Verwundung den Zügel mit der Rechten ergriff,
infolgedessen keine Waffe mehr führen konnte und somit wehrlos war.367
Wahrscheinlich verlor er während des Wechsels der Zügelhand auch die
Kontrolle über sein Pferd, das von da an seine eigene Richtung nahm. Ein
Kürassier des kaiserlichen Regiments Götz feuerte seine Reiterpistole, sein
«Faustrohr», auf den Dahinjagenden ab und traf ihn im Rücken. Hätte der
König einen Harnisch getragen, wie das bei für den Nahkampf ausgerüste
ten Reitern üblich war, wäre die Kugel womöglich abgeprallt. Wegen einer
Verwundung der rechten Schulter, fünfjahre zuvor davongetragen, konnte
Gustav Adolf aber keinen Harnisch tragen, sondern nur ein Elchlederkol
ler. Die Kugel drang in den Körper ein, und der König stürzte rücklings
vom Pferd. Ob dieses ihn noch eine Strecke mitschleifte oder ob er sofort
zu Boden fiel, ist unklar, zumindest widersprechen sich die Berichte. Über
Der Tod des schwedischen Königs Gustav Adolf, das bei weitem folgen
reichste Einzelereignis der Schlacht bei Lützen, ist unzählige Male
dargestellt worden. Einmal wird ein aus unmittelbarer Nähe in den Rücken
des Königs abgefeuerter Pistolenschuss gezeigt, ein anderes Mal der
Kampf mit Hieb- und Stichwaffen. Carl Wahlbom, ein schwedischer Maler
der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, hat für die Darstellung des Todes
von Gustav Adolf eine wilde Kampfszene gewählt. Der König fällt dabei
rücklings von seinem sich aufbäumenden Pferd.
Die Nachricht vom Tod des Königs verstärkte auf dem linken schwedi
schen Flügel die Neigung der Soldaten, die Flucht zu ergreifen. Das war der
kritische Augenblick der Schlacht: Wäre jetzt eine große Panik ausgebro
chen, wäre die Schlacht für die Schweden verloren gewesen. Es waren vor
allem zwei Männer, die das verhinderten: der Feldprediger Jacob Fabricius,
der die Behauptung ausstreute, der König sei gar nicht tot, sondern nur
verwundet, und mit einigen hundert Mann den Choral «Erhalte uns, Herr,
Stellungskrieg bei Nürnberg und Entscheidungsschlacht bei Lützen 593
bei Deinem Wort» anstimmte,368 und Herzog Bernhard, der die zurück
weichenden Truppen sammelte und erneut zum Angriff führte. Die sich
abzeichnende Panik schlug ins Gegenteil um, als Bernhard die Soldaten mit
dem Ruf anfeuerte, sie müssten ihren König rächen. Aus der drohenden
«Rückwärtspanik» wurde jetzt eine «Vorwärtspanik», und die schwedi
schen Truppen drangen mit berserkerhafter Wut auf den Feind ein, der nun
seinerseits zurückwich. Bernhard von Weimar hatte sich zuvor kurzzeitig
mit Rnyphausen beraten, der für den Rückzug stimmte. Der achtundzwan-
zigjährige Bernhard entschied sich für den Angriff und entriss damit Wal
lenstein den schon fast sicheren Sieg. Sein kometenhafter Aufstieg begann
am Tag von Lützen.369
Nahezu gleichzeitig mit dem schwedischen König fand auch Feldmar
schall Pappenheim den Tod. Nach einer kurzen Einweisung hatte er das
Kommando auf dem linken Flügel der Kaiserlichen übernommen. Seiner
Gewohnheit entsprechend ritt er an die Spitze des Angriffs, mit dem er die
bedrohliche Lage entschärfen wollte. Da traf ihn die Kugel einer schwedi
schen Regimentskanone (anderen Berichten zufolge war er bereits zuvor
von mehreren Pistolenschüssen getroffen worden)370 und riss ihm die Seite
auf. Der ihn begleitende Trompeter brachte ihn aus dem Kampfgeschehen
heraus. Man legte ihn in eine Kutsche, um die Wunden zu versorgen. In
Windeseile verbreitete sich die Nachricht vom Ausfall des Feldmarschalls,
und in der Folge breitete sich Panik unter den von Pappenheim herange
führten Kavalleristen aus. Einige ergriffen die Flucht, andere verweigerten
den Befehl zum Angriff, darunter auch Offiziere. Hier mag dahingestellt
bleiben, ob dabei deren protestantisches Bekenntnis eine Rolle spielte, wie
häufig angeführt, oder ob vielmehr der Umstand ausschlaggebend war, dass
die Männer seit Mitternacht im Sattel gesessen hatten und vor dem Angriff
nicht mehr hatten verpflegt werden können. Voll Verzweiflung soll Pappen
heim noch beobachtet haben, dass sich mit der Flucht «seiner» Reiterre
gimenter die Lage auf Wallensteins rechtem Flügel weiter verschlechterte.
«Ist denn keiner mehr, der für den Kaiser treulich fechten will», soll der
Schwerverwundete gerufen haben.371 Dann wurde Pappenheim in der Kut
sche weggefahren. Ob er die Pleißenburg bei Leipzig noch lebend erreicht
hat, ist unklar: Einige berichten, er sei dort unter qualvollen Schmerzen
Beinahe gleichzeitig mit dem schwedischen König fand auch Graf
Pappenheim in der Schlacht bei Lützen den Tod. « Is t denn keiner mehr,
der für den Kaiser treulich fechten w ill», soll der Schwerverwundete noch
gerufen haben, als er seine Kavallerie flüchten sah. Auf der Zeichnung
von Rene Reinicke ist zu sehen, wie der sterbende Feldmarschall vom
Schlachtfeld gebracht wird.
gegen drei Uhr morgens gestorben; andere gehen davon aus, dass er bereits
unterwegs verstorben ist.372
Unterdessen ging die Schlacht mit Angriffen und Gegenstößen weiter,
und dabei vermochte keine Seite einen nachhaltigen Erfolg zu erringen.
Um seinen nach dem Tod Pappenheims und der Flucht seiner Regimen
ter erneut wankenden linken Flügel zu stabilisieren, entsandte Wallenstein
Piccolomini mit einigen Reiterregimentern vom rechten zum linken Flügel
- was sich auf dem rechten Flügel sofort bemerkbar machte, als Bernhard
von Weimar die Schweden wieder gesammelt zum Angriff führte. Es gelang
ihm, die große Batterie auf dem Windmühlenhügel zu erobern, und wahr
scheinlich hätte er in dieser Situation den Sieg errungen, wenn nicht vom
linken Flügel der Kaiserlichen Hilfe herbeigeeilt wäre, deren Einsatz den
Stellungskrieg bei Nürnberg und Entscheidungsschlacht bei Lützen S9S
Politische Bewegung,
militärischer Stillstand
Mit der Schlacht von Lützen ging das Kriegsjahr 1632 zu Ende; beide Seiten
waren mit der Reorganisation ihrer Kräfte beschäftigt, und keiner hatte die
Kraft, den Ausgang der Schlacht militärisch auszunutzen oder deren Ergeb
nis zu revidieren. Wallenstein zog sich mit den Überresten seines Heeres
nach Böhmen und Schlesien zurück. Er ließ das Heer also entgegen seinen
ursprünglichen Plänen nicht im Feindesland überwintern, sondern musste
Politische Bewegung, militärischer Stillstand 597
Bis zum Ende ihres Lebens mehr als zwanzig Jahre nach dem Tod ihres Man
nes verblieb sie im Gestus demonstrativer Trauer.
Wallenstein war mit der Lützener Schlacht gänzlich anders umgegan
gen: Er hatte die Offiziere, die nach dem Ausfall Pappenheims, teilweise an
der Spitze ihrer Einheiten, vom Schlachtfeld geflohen waren, festnehmen
und ihnen wegen Feigheit und Desertion den Prozess machen lassen. Er
wollte ein Exempel statuieren, das dafür sorgen sollte, dass sich so etwas in
einem von ihm geführten Heer nie wiederholte. Das «Prager Blutgericht»,
als das die öffentliche Hinrichtung von zwölf zum Tode verurteilten Offi
zieren in die Geschichte des Dreißigjährigen Krieges eingegangen ist,382
war sicherlich nicht die einzige Exekution, mit der die Neigung der Söld
ner, das eigene Leben mehr wertzuschätzen als den Tod für den Dienst
herrn, begrenzt werden sollte. Sie war aber die größte und spektakulärste
- fand sie doch dort statt, wo mehr als ein Jahrzehnt zuvor die böhmischen
Rebellen hingerichtet worden waren. Im Übrigen spricht vieles dafür, dass
Wallenstein mit dieser Aktion sein Verhältnis zu den Offizieren des Hee
res erheblich verschlechtert hat, was denen, die bald danach seinen Sturz
betrieben, sehr entgegenkam.
Unterdessen war Oxenstierna damit beschäftigt, den Bund der protes
tantischen Reichsstände zu festigen und dabei die schwedische Führungs
rolle zu sichern. Sie hatte in den zurückliegenden Jahren an der Person des
Königs und seinem Kriegscharisma gehangen und musste nun in die insti
tutioneile Ordnung eines Bundes überführt werden. Unmittelbarer Gegen
spieler Oxenstiernas war einmal mehr der sächsische Kurfürst Johann
Georg, der zu den Konstellationen des Leipziger Konvents zurückkehren
und eine allgemeine Versammlung der protestantischen Reichsstände
einberufen wollte. Unter seiner Leitung sollten dort die Grundlinien der
Kriegführung und der Friedensverhandlungen festgelegt werden.383 Das
war eine Kampfansage an Oxenstierna, denn an einer solchen Versamm
lung konnte Schweden als auswärtige Macht nicht teilnehmen. Obendrein
machte Johann Georg geltend, dass es keine alleinige schwedische Direk
tion in Sachen Kriegführung geben dürfe: Die Schweden sollten die Füh
rung in Oberdeutschland, also im Eisass, in Schwaben und in Bayern, inne
haben, während Kursachsen im ober- und im niedersächsischen Kreis für
Politische Bewegung, militärischer Stillstand 601
sich die Leitung beanspruchte. Das war für Oxenstierna nicht akzeptabel.
Den Schweden wäre damit nicht nur die schwierigere Aufgabe zugefallen,
sondern sie hätten auch, wie sich zuletzt mehrfach gezeigt hatte, immer wie
der den militärisch schwächeren Sachsen zu Hilfe kommen müssen, ohne
Einfluss auf deren Operationsführung zu haben. Erst recht wollte Sachsen
bei den Friedensverhandlungen die entscheidende Rolle spielen, und als
Christian von Dänemark sich als Vermittler anbot, stieß er sowohl in Wien
als auch in Dresden auf offene Ohren. Schweden dagegen lief Gefahr, bei
der Regelung der deutschen Angelegenheiten von seinem alten Rivalen
um die Ostseehegemonie ausgebootet zu werden. Das war die eine Front,
an der Oxenstierna sich zu behaupten hatte; die andere Front bildete der
Reichsrat in Stockholm, den er davon zu überzeugen hatte, dass der Krieg
in Deutschland auch nach dem Tod des Königs fortgesetzt werden musste
und «dass wir», wie er an Lars Grubbe schrieb, die Angelegenheiten «bil
ligerweise hier nicht aus den Händen geben können».384
Oxenstierna war all diesen Herausforderungen gewachsen. Er brachte
die schwedische Aristokratie dazu, an der von Gustav Adolf betriebenen
Kriegspolitik festzuhalten, wozu sicherlich auch die Aussicht auf Posten,
Beute und Gewinn beitrug, und er spielte die deutschen Protestanten so
geschickt gegeneinander aus, dass die kursächsische Politik zunächst kei
nen Einfluss bekam. Als Erstes versicherte er sich dabei des brandenbur-
gischen Kurfürsten Georg Wilhelm, der bei der Bildung eines proschwe
dischen Blocks großes Gewicht besaß. Er war für Oxenstierna jedoch kein
einfacher Gesprächspartner, weil man in der Pommern-Frage unterschied
liche Interessen verfolgte: Brandenburg wollte nach dem Tod des kinderlo
sen Herzogs Bogislaw das Land übernehmen, Schweden wollte damit seine
Ostseehegemonie absichern. Unter dem Eindruck der sich verschlech
ternden Lage der Protestanten und der Schwäche der sächsischen Armee
beschloss Georg Wilhelm, sich eng an Schweden anzulehnen, was er Ende
Februar 1633 bei einem Treffen mit dem sächsischen Kurfürsten unmiss
verständlich deutlich machte: Er sprach sich gegen einen protestantischen
Konvent ohne Einbezug Schwedens aus. Brandenburg war für Schweden
unverzichtbar, um das notorisch wankelmütige Sachsen einigermaßen
unter Kontrolle zu behalten.
602 D IE Z E IT D ER G R O SSE N SC H L A C H T E N
Mahnungen ohne weitere Folgen. Sachsen würde erst wieder ins Spiel
kommen, wenn allgemeine Friedensverhandlungen begannen, und dem
entsprechend war man daran interessiert, mit Wallenstein und dem Kai
ser erneut Verhandlungen aufzunehmen. Das war die Kehrseite des Heil-
bronner Bundes: dass er die Sachsen mitsamt ihrer Anhängerschaft dem
Kaiser beziehungsweise Wallenstein in die Hände trieb. Oxenstierna war
sich darüber im Klaren, dass er Friedensgespräche nicht einfach ablehnen
konnte, sondern sie verzögern und verschleppen musste. Darin bestand
die zweite Komponente im politischen Ringen zwischen Oxenstierna und
Wallenstein: Drehte sich die erste um die politische Geschlossenheit des
deutschen Protestantismus, so ging es in der zweiten um die Reichweite der
Friedensgespräche - allgemeiner Frieden versus Separatfrieden - wie auch
darum, bis zu welchem Grad die Vorkriegsverhältnisse wiederhergestellt
werden sollten. Konkret lief das auf die Frage hinaus, ob die Restitution der
Pfalz Bedingung für einen Friedensschluss war oder nicht.387
Oxenstierna war bestrebt, die Latte für einen «guten Frieden» mög
lichst hoch zu legen, und zu diesem Zweck griff er auf die Forderung nach
einer Restitution des pfälzischen Kurfürsten zurück. Friedrich V. war zwar
inzwischen gestorben - dreizehn Tage nach Gustav Adolfs Schlachtentod,
als sei mit dem schwedischen König seine letzte Hoffnung dahingegangen,
wieder in die einstige Position zurückzukehren - , aber der Anspruch seiner
noch unmündigen Kinder wurde im Heilbronner Bund aufrechterhalten.
Die Pfalz-Frage war ein heikler Punkt, denn hier war die katholische Seite
kaum kompromissbereit, und Bayern trat als notorischer Blockierer auf. In
Dresden wusste man darum und war der Pfalz-Frage deswegen stets ausge
wichen. Indem Oxenstierna sie im Heilbronner Bund in den Mittelpunkt
stellte, positionierte er sich als konsequenter Vertreter der protestantischen
Interessen. Die Restitution der Pfalz wurde zum Mittel, um den Weg zu
einem Friedensschluss zu erschweren, wenn nicht sogar unmöglich zu
machen. Sie war der Knüppel, den Oxenstierna den friedenswilligen Sach
sen immer wieder zwischen die Beine warf. So ganz uneigennützig, wie er
das darstellte, agierte er ohnehin nicht, denn er bestand darauf, dass die
kurpfälzischen Festungen unter schwedischer Kontrolle blieben und den
Lutheranern alle Rechte der Religionsausübung eingeräumt wurden. Als
604 D IE Z E IT D ER G R O SSE N SC H L A C H T E N
Die Verhandlungen zogen sich länger hin. Am 22. Juli wurde schließ
lich ein Abkommen geschlossen, das die Barauszahlung eines gesamten
Monatssoldes ohne Abzüge für erhaltene Naturallieferungen vorsah und
die Forderungen der Regimentsobersten durch die Übertragung eroberter
Ländereien und Güter beglich. Letzteres war jedoch mit der Erwartung
verbunden, dass aus diesen Werten auch alle weiteren Forderungen der
Regimentsangehörigen bezahlt würden. Klöster, Stifte und Teile katholi
scher Fürstentümer wurden daraufhin in großem Stil «verschenkt». Auf
diesem Wege gelangte auch Bernhard, der jüngste von zehn Söhnen des
Weimarer Fürstenhauses und damit ohne Aussicht, jemals zur Herrschaft zu
gelangen, in den Besitz des Herzogtums Franken, bestehend aus den Fürst
bistümern Würzburg und Bamberg.390 Die Folge dieser großen Schulden
tilgung war freilich, dass neue Restitutionsforderungen entstanden, dieses
Mal auf katholischer Seite, so dass die Hürden auf dem Weg zum Frieden
zahlreicher und vor allem höher wurden. Die schwedische Lösung setzte auf
einen «Siegfrieden», in dem diese Umverteilung bestätigt wurde, oder aber
die völlige Niederlage des Gegners, bei der sämtliche neuen Besitztitel mit
einem Schlag getilgt waren. Was im Vertrag des Heilbronner Bundes «der
konigl. Wuerden vnnd Mayt. vnnd Cronn Schweden gebührendte Satisfac-
tion» hieß,391 wurde immer mehr zu einer Sammlung unerfüllbarer Forde
rungen. Der Krieg behielt dadurch seine Eigendynamik, was heißt, dass er
stets aufs Neue Faktoren hervorbrachte, die für seinen Fortgang sorgten.
Das alles spielte im Frühjahr und Sommer 1633 jedoch keine große Rolle,
weil jede Seite mit sich selbst beschäftigt war und keine größeren Anstren
gungen unternahm, dem Gegner zuzusetzen. Der Kleinkrieg der Streifscha
ren ging unterdessen weiter. Man war dabei bestrebt, den Gegner in seinen
Quartieren zu überfallen, seine Einheiten zu zersprengen und Nachschub
transporte abzufangen, um sie der eigenen Seite zuzuführen. Hier und dort
wurden kleinere Einheiten des Gegners auch auf dem Marsch angegriffen.
Dieser Kleinkrieg wurde mit Reitern geführt, die auffauchten, wo man sie
nicht erwartete, zuschlugen und wieder verschwanden, bevor die Angegrif
fenen dazu kamen, Gegenmaßnahmen zu organisieren. Neben den leichten
Reitern, über die beide Seiten verfügten, gewann ein neuer Typ des Kavalle
6o6 D IE Z E IT D ER G R O SSE N SC H L A C H T E N
solches Gesindel befindet, vor Schaden davon haben, ist nicht zu beschrei
ben.»399 Der unbedarfteste Reiterjunge, der nichts anderes tue, als sich um
die Pferde zu kümmern, sei dem Feldherrn nützlicher als tausend Freibeu
ter, denn diese «spolieren [rauben] vor, neben und hinter der Armee alles,
was sie antreffen; und was sie nicht genießen können, verderben sie, also
daß die Regimenter, wenn sie in die Quartier oder ins Läger kommen, oft
nicht einen guten Trunk Wasser finden; und wenn sie alles Ernstes ange
halten werden, bei der Bagage zu bleiben, so wird man oft beinahe dieselbe
Stärke finden, als die Armee selber ist. Wenn sie aber gesellenweis mar
schieren, quartieren, kampieren und hausieren, so haben sie keinen Wacht
meister, der sie kommandiert, keinen Feldwaibel oder Schergianten, der
ihnen das Wams ausklopft oder vielmehr ausstäubt, keinen Korporal, der
sie wachen heißt, keinen Tambour, der sie des Zapfenstreichs, der Schar-
und Tagwacht erinnert, und in Summa niemand, der sie anstatt des Adju
tanten in Battaglia stellt und anstatt des Furiers einlogiert, sondern leben
vielmehr wie die Freiherrn.»400
Freiherren stehen in Grimmelshausens Sicht für die Auflösung der
Heeresordnung, des Militärreglements und der organisatorischen Hierar
chie. Kein Heerführer kann mit ihnen etwas anfangen. Aus der Perspektive
des Schlachten-, Festungs- und Manöverkriegs heraus gedacht und ohne
Vorstellung davon, dass der reine Verwüstungskrieg selbst zu einer strate
gischen Direktive werden konnte, war das konsequent. Im Grundsatz war
es indes eine konservative Sichtweise, die den Krieg wieder in seine alten
geordneten Bahnen zurückbringen wollte - was mit dem Westfälischen
Frieden dann auch geschah.
wollte den Kurfürsten, über dessen Distanz gegenüber den Schweden Wal
lenstein sehr genau unterrichtet war, nicht wieder auf deren Seite bringen.
Sicherlich hätte er sich auch gegen Horn und Herzog Bernhard in Ober
deutschland wenden können, die seit April wieder Bayern bedrohten und
dort bereits kleinere Eroberungen gemacht hatten. Aus Wallensteins Sicht
sprachen jedoch mindestens drei Gründe dagegen. Zunächst die flexible
Operationsführung der beiden: Wenn er mit Übermacht vorrückte, wür
den sie ihn ins Leere laufen lassen, indem sie sich zurückzogen, bis seine
eigenen Versorgungslinien länger und länger wurden. Wallenstein bevor
zugte eine Strategie der Überwältigung des Gegners durch große Überle
genheit der eigenen Kräfte, doch dafür brauchte er eine «Wand», gegen
die er den Gegner drücken konnte, und die gab es in diesem Fall nicht.401
Wenn es ihm doch gelang, einen der beiden, Horn oder Bernhard, zu stel
len und zu besiegen, würde sein Ziel, aussichtsreiche Verhandlungen zur
Beendigung des Krieges aufzunehmen, nur in größere Ferne rücken, weil
unter dem Eindruck des Sieges die Konzessionsbereitschaft in Wien und
München schlagartig schwinden würde. Zumindest die Rücknahme des
Restitutionsedikts durch den Kaiser musste er in Aussicht stellen können,
damit man einem Verhandlungsfrieden näher kam. Das also war Wallen
steins Dilemma: Er durfte den Gegner nicht wirklich schwächen, weil er
dadurch seine eigene politische Ausgangslage schwächte. Mehr noch als die
alte Abneigung gegen Kurfürst Maximilian, die in der einschlägigen Litera
tur zumeist angeführt wird, hat dieses Dilemma Wallensteins Handeln im
Kriegsjahr 1633 bestimmt und ihn dazu veranlasst, den Schwerpunkt seiner
Kriegführung gerade nicht nach Bayern und Schwaben zu verlegen.
Wallenstein ließ das inzwischen reorganisierte Heer in Schlesien ein
marschieren, machte dann aber halt und schloss mit dem sächsischen
Generalleutnant Arnim einen Waffenstillstand, der im Prinzip von Mitte
Juni bis Anfang Oktober dauerte.402 Um seine Untätigkeit, die in Wien und
München nach einiger Zeit kritisch vermerkt wurde, nicht gar zu auffällig
werden zu lassen, entsandte er Mitte August Holk mit einem größeren Ver
band nach Sachsen, wo dieser sich durch Plünderung und Brandschatzung
hervortat. Außerdem ließ Wallenstein mehrere Regimenter unter Aldrin-
gen zum Schutz Bayerns gegen Horn und Herzog Bernhard aufmarschieren.
6 io D IE Z E IT D ER G R O SSE N SC H L A C H T E N
Gleichzeitig gab er Aldringen jedoch die strenge Anweisung, sich auf keine
Schlacht oder Belagerung einzulassen. Im Ergebnis nährte Aldringens
Anwesenheit in Bayern das Misstrauen gegen Wallenstein, da man bei ihm
Verstärkungen anforderte, die er entweder nicht bewilligte oder zusagte
dann aber nicht entsandte.403 Holks Feldzug in Sachsen wiederum brachte
keine Bewegung in die Verhandlungen Wallensteins mit Arnim, sondern
führte nur dazu, dass Holk und Teile des Heeres einer Seuche zum Opfer
fielen. Anstelle von Holk machte Wallenstein Matthias Gallas zu seinem
Stellvertreter, was für ihn noch weitreichende Folgen haben sollte.404
Unterdessen war der Krieg im niedersächsischen Kreis wieder aufge
lebt. Die Protestanten brachten den von Jost Maximilian von Gronsfeld
geführten kaiserlichen Truppen am 8. Juli bei Hessisch Oldendorf eine
schwere Niederlage bei und eroberten anschließend die Festung Hameln.
Damit geriet die Weserlinie für die Kaiserlichen in Gefahr. Pappenheim,
der zuvor in diesem Raum kommandiert hatte, war nicht zu ersetzen.
Hatte er durch Schnelligkeit und Kühnheit die kräftemäßige Unterlegen
heit des Kaisers und der Liga im niedersächsischen Kreis wettgemacht, so
war der vorsichtige und mitunter schwerfällige Gronsfeld dazu nicht in der
Lage.405 In den meisten Darstellungen des Dreißigjährigen Krieges findet
die Schlacht von Hessisch Oldendorf keine größere Beachtung. Das hat
damit zu tun, dass für diese Zeitspanne das Augenmerk auf den sächsisch
schlesischen sowie den schwäbisch-bayerischen Kriegsschauplatz gerichtet
ist. Dabei wird übersehen, dass sich mit Gronsfelds Niederlage die Gesamt
situation im Nordwesten veränderte und die kaiserliche Macht nach West
falen zurückgedrängt wurde. In Wien und München wurde das sehr genau
registriert und als ein weiterer Punkt auf Wallensteins Versäumnisliste
rubriziert. Es waren schwedische Truppen unter Dodo von Knyphausen
sowie Truppen des Landgrafen von Hessen-Kassel unter General Melan-
der,406die zusammen mit dem Heer Herzog Georgs von Lüneburg den Sieg
bei Hessisch Oldendorf erfochten. Es war ein großer Sieg, der dieses Mal
im Zentrum der Schlachtaufstellung errungen wurde. Nach dem Bericht
des Theatrum Europaeum verloren die Kaiserlichen in dem dreistündigen
Ringen 5000 Mann, und 2500 wurden gefangen genommen, während
auf schwedischer und hessischer Seite nur 200 bis 300 Tote zu beklagen
6 io D IE Z E IT D ER G R O SSE N SC H L A C H T E N
Gleichzeitig gab er Aldringen jedoch die strenge Anweisung, sich auf keine
Schlacht oder Belagerung einzulassen. Im Ergebnis nährte Aldringens
Anwesenheit in Bayern das Misstrauen gegen Wallenstein, da man bei ihm
Verstärkungen anforderte, die er entweder nicht bewilligte oder zusagte,
dann aber nicht entsandte.403 Holks Feldzug in Sachsen wiederum brachte
keine Bewegung in die Verhandlungen Wallensteins mit Arnim, sondern
führte nur dazu, dass Holk und Teile des Heeres einer Seuche zum Opfer
fielen. Anstelle von Holk machte Wallenstein Matthias Gallas zu seinem
Stellvertreter, was für ihn noch weitreichende Folgen haben sollte.404
Unterdessen war der Krieg im niedersächsischen Kreis wieder aufge
lebt. Die Protestanten brachten den von Jost Maximilian von Gronsfeld
geführten kaiserlichen Truppen am 8. Juli bei Hessisch Oldendorf eine
schwere Niederlage bei und eroberten anschließend die Festung Hameln.
Damit geriet die Weserlinie für die Kaiserlichen in Gefahr. Pappenheim,
der zuvor in diesem Raum kommandiert hatte, war nicht zu ersetzen.
Hatte er durch Schnelligkeit und Kühnheit die kräftemäßige Unterlegen
heit des Kaisers und der Liga im niedersächsischen Kreis wettgemacht, so
war der vorsichtige und mitunter schwerfällige Gronsfeld dazu nicht in der
Lage.405 In den meisten Darstellungen des Dreißigjährigen Krieges findet
die Schlacht von Hessisch Oldendorf keine größere Beachtung. Das hat
damit zu tun, dass für diese Zeitspanne das Augenmerk auf den sächsisch
schlesischen sowie den schwäbisch-bayerischen Kriegsschauplatz gerichtet
ist. Dabei wird übersehen, dass sich mit Gronsfelds Niederlage die Gesamt
situation im Nordwesten veränderte und die kaiserliche Macht nach West
falen zurückgedrängt wurde. In Wien und München wurde das sehr genau
registriert und als ein weiterer Punkt auf Wallensteins Versäumnisliste
rubriziert. Es waren schwedische Truppen unter Dodo von Knyphausen
sowie Truppen des Landgrafen von Hessen-Kassel unter General Melan-
der,406 die zusammen mit dem Heer Herzog Georgs von Lüneburg den Sieg
bei Hessisch Oldendorf erfochten. Es war ein großer Sieg, der dieses Mal
im Zentrum der Schlachtaufstellung errungen wurde. Nach dem Bericht
des Theatrum Europaeum verloren die Kaiserlichen in dem dreistündigen
Ringen 5000 Mann, und 2500 wurden gefangen genommen, während
auf schwedischer und hessischer Seite nur 200 bis 300 Tote zu beklagen
Politische Bewegung, militärischer Stillstand 611
waren.407 Dazu kam auf kaiserlicher Seite der Verlust von 13 Kanonen sowie
70 Fahnen und Standarten mitsamt der Bagage. Eine Reihe höherer Offi
ziere geriet in die Hand des Gegners. «Auch ist Herrn Grafen von Merode
Gemahlin zusamt ihren Frauenzimmern und vielen Domherren gefangen
worden.»408 Offenbar hatten die kaiserlich-ligistischen Truppen - es dürfte
sich um 15 000 bis 16 000 Mann gehandelt haben - nicht im mindesten
damit gerechnet, dass sie die Schlacht zum Entsatz der von den Schwe
den belagerten Festung Hameln verlieren konnten. Wenige Tage nach der
Schlacht kapitulierte Hameln.
Wallenstein und Arnim verhandelten derweil über einen Separatfrie
den mit Sachsen, dem sich dann weitere protestantische Reichsstände
anschließen sollten. Die Verhandlungen kamen jedoch nicht recht voran,
weil Kurfürst Johann Georg als Vorleistung eine verbindliche Zusage des
Kaisers zur Rücknahme des Restitutionsedikts erwartete, wozu Ferdinand
nicht bereit war.409 Beide Seiten bestanden auf Garantien, die die jeweils
andere nicht geben konnte oder nicht geben wollte. Arnim berichtete sei
nem Kurfürsten Johann Georg, der sich dann mit Oxenstierna in Verbin
dung setzte, und da dieser auf den in Heilbronn formulierten Positionen
beharrte, scheute Johann Georg, wiewohl durchaus friedenswillig, vor
größeren Konzessionen im Alleingang zurück. Wallenstein wiederum, der
auf der Grundlage der Göllersdorfer Vereinbarungen viel weitergehende
Verhandlungsbefugnisse hatte als Arnim, drängte auf die Zusage aus Wien,
das Restitutionsedikt zurückzunehmen, erhielt sie jedoch nicht. Das hatte
neben der Sturheit des Kaisers und dem missionarischen Eifer, mit dem er
die Ausrottung der evangelischen Ketzerei im Reich anstrebte, auch hand
feste realpolitische Gründe: Ferdinand wollte sich nicht noch stärker an
seinen Generalissimus binden, als er das bereits getan hatte, und das wäre
bei einer solchen Zusage der Fall gewesen. Wallenstein war nicht der Mann,
der in einer solchen Situation resignierte, sich auf seine militärischen
Befugnisse zurückzog und andere die Politik machen ließ. Er fürchtete,
dass die Gelegenheit zur Beendigung des Krieges, die sich aus dem augen
blicklichen militärischen Gleichgewicht ergab, ungenutzt verstreichen und
der Krieg weitergehen würde. Also machte er Arnim den Vorschlag, das
Instrument des Militärischen, über das sie beide verfügten, zu nutzen, um
6 ii D IE Z E IT D ER G R O SSE N SC H L A C H T E N
Wien und München sowie Dresden und Mainz zu den Schritten zu nötigen,
die diese von sich aus zu machen nicht bereit oder nicht in der Lage waren.
Konkret schlug er vor, die beiden Heere, das kaiserliche in Böhmen und das
sächsisch-schwedische in Schlesien und Kursachsen, zu «konjugieren»,
sie also zu einem gemeinsamen Heer zu verbinden, das zum Angelpunkt
des Vertrauens zwischen den Verhandlungspartnern werden sollte. Das war
ein überaus kühner Vorschlag, der durch die in Göllersdorf ausgehandelten
Befugnisse nicht mehr gedeckt war.
Wallenstein wollte eine Mittelpartei herstellen. Diese war aber nur dann
wirklich handlungsfähig, wenn sie nicht selbst aus unterschiedlichen Grup
pen zusammengesetzt war und divergierende Interessen in ihrem Innern
zur Deckung bringen musste, sondern geschlossen und doch flexibel auf
trat. Dass dies durch die «Konjugation» der beiden Heere möglich sein
sollte, war die Sichtweise eines Militärs, der zu befehlen gewohnt war und
erwartete, dass Befehle befolgt und nicht zum Gegenstand von Verhand
lungen gemacht wurden. Der Vorschlag war zugleich von den politischen
Erfahrungen des Lübecker Friedensschlusses getragen, als Wallenstein
die Verhandlungen an sich gezogen und die erforderlichen Kompromisse
kurzerhand durchgesetzt hatte. Das wollte er jetzt wiederholen. Doch mit
Arnim ließ sich ein derart kühnes Vorhaben nicht verwirklichen. Sehr viel
vorsichtiger und abwägender als Wallenstein, beriet er dessen Vorschlag
mit Johann Georg - und damit war das Projekt bereits gescheitert. Hans
Georg von Arnim war als Generalleutnant der Stellvertreter des Oberkom
mandierenden, und dementsprechend handelte er auch; Wallenstein dage
gen war Generalissimus, also selbst der Oberkommandierende, und das
fand in seinen Plänen und Projekten auch Ausdruck. Anders formuliert:
Wallensteins Vorhaben konnte nur gelingen, wenn er auf der anderen Seite
einen ebenbürtigen Partner hatte - von den Befugnissen bis zu den cha
rakterlichen Dispositionen. Den aber hatte er nicht, und dass er das nicht
erkannte, war eine weitere Ursache seines Untergangs.
Zunächst hatte Wallenstein jedoch ein ganz anderes Problem, nämlich
die Dresdner Gerüchteküche. Es gab keine Information, die im kurfürstli
chen Schloss eintraf und ausschließlich dort blieb. Das war einerseits ein
Bestandteil des politischen Spiels, mit dem Kursachsen sein politisches
Politische Bewegung, militärischer Stillstand 613
Gewicht vergrößerte und den Eindruck erweckte, hier würden die großen
politischen Entscheidungen getroffen, andererseits aber auch die Folge
nachlässigen Umgangs mit einem Wissen, das geheim bleiben sollte. In der
sächsischen Hauptstadt hatte sich eine Szene von Informanten und Beob
achtern angesiedelt, die auf die Weitergabe von Informationen und deren
Aufblähung zu Gerüchten spezialisiert war. Zu dieser Szene gehörte auch
eine Gruppe böhmischer Exilanten, die sich nach 1620 in Dresden nieder
gelassen hatte, um von hier aus ihre Rückkehr in die Heimat vorzubereiten.
Diese Gruppe war ein Treibhaus der Gerüchte. Nun hatte man von den
Gesprächen zwischen Wallenstein und Arnim Wind bekommen und sah
darin einmal mehr eine Chance zur Revision der Niederlage am Weißen
Berg.
Es waren indes nicht nur die aus Böhmen Vertriebenen und Geflüch
teten, sondern auch eine Reihe von im Land gebliebenen Magnaten, die
darauf hofften, dass sich in den Verhandlungen zwischen Wallenstein und
Arnim die Möglichkeit ergab, die böhmischen Freiheiten zu erneuern. Dres
den war ein Ort der Gerüchte, aber auch einer der Projektemacher, und so
entstand in der Umgebung des Grafen Kinsky, eines der böhmischen Exi
lanten, die Idee, Wallensteins «Konjunktion» der Heere als Fokus einer
dritten Gruppierung oder Mittelpartei für einen Umsturz der politischen
Ordnung in Böhmen zu nutzen. Wallenstein sollte als das Zugpferd die
ser Revision dienen, und im Gegenzug wollte man ihm die «böhmische
Krone» anbieten. Man wusste, dass Wallenstein für den politischen Auf
stieg empfänglich war. Dieser hat sich auf den Vorschlag des Grafen Kinsky
jedoch nie wirklich eingelassen, und als Wallenstein bei einer Unterredung
damit konfrontiert wurde, hat er ihn als «rechtes Schelmenstück» bezeich
net. Aber die Sache war nun einmal in der Welt, und es war unvermeidlich,
dass das in Dresden kursierende Gerücht bis nach Wien drang. Nur zu gut
passte es dort in die Vorstellung von einer großen Verschwörung gegen den
Kaiser, an deren Spitze Wallenstein stand.
In diese Vorstellung fügte sich auch die Reise eines französischen
Gesandten ein, des Marquis de Feuquieres, der von Richelieu nach
Deutschland geschickt worden war, um die Chancen zur Bildung einer
von Frankreich unterstützten (und gesteuerten) «dritten Partei» zu erkun
614 D IE Z E IT D ER G R O SSE N SC H L A C H T E N
den.410 Dresden hatte zuerst gar nicht auf seinem Reiseplan gestanden, aber
die allenthalben umlaufenden Gerüchte über die von Wallenstein geführ
ten Verhandlungen veranlassten ihn zu einem Abstecher dorthin. Feu-
quieres blieb recht lange in der Stadt, denn er kam auf die Idee, anstelle der
aus Wallensteins Heer und Kursachsen gebildeten Mittelpartei lasse sich
auch eine Dreierkoalition aus Frankreich, Schweden und dem Herzog von
Friedland schmieden - was den französischen Interessen sehr viel mehr
entsprochen hätte als das Wallenstein’sche Projekt, das Reich zu befrieden,
um seine Kräfte gegen äußere Feinde zu bündeln. In Anbetracht der sehr
unterschiedlichen Interessen war Feuquieres Vorhaben zum Scheitern ver
urteilt, aber es wurde, nachdem es in die Dresdner Gerüchteküche Eingang
gefunden hatte, zu einem weiteren Beleg für den von Wallenstein angeb
lich betriebenen Hochverrat. Immer mehr Anhänger und Parteigänger des
Generalissimus in Wien gingen auf Distanz zu ihm, um nicht in seinen
absehbaren Sturz hineingerissen zu werden.411
dem Landweg. Das Erstaunliche war, dass die bayerische Besatzung von
Ingolstadt, die zumindest die Lastkähne hätte aufhalten können, diese pas
sieren ließ, so dass Bernhard am 4. November mit 10 000 Mann sowie Artil
lerie und Schiffsmaterial vor Regensburg stand. Das war eine der schnel
len Offensivoperationen, die für Bernhards Art der Kriegführung typisch
waren und auf denen sein R uf als genialer Heerführer gründete.
Regensburg war eine starke Festung - wenn ausreichend Soldaten in
der Stadt waren und auch die Bürgerschaft entschlossen war, sie zu vertei
digen. Das war jedoch nicht der Fall. Die etwa 1500 bayerischen Soldaten,
die Kurfürst Maximilian der Bürgerschaft aufgenötigt hatte, waren für die
Verteidigung gegen einen entschlossen angreifenden Feind zu wenig, und
gleichzeitig waren es zu viele, um der Bürgerschaft nicht zur Last zu fal
len, die diese lieber heute als morgen los sein wollte. Die Regensburger
Bürger mussten für die Soldaten im Monat 40 000 Gulden bezahlen, wäh
rend Bistum und Klöster keinen Beitrag zu leisten hatten - als ob die nicht
ebenso vom Schutz profitiert hätten. Das sorgte bei der überwiegend evan
gelischen Bevölkerung für Verärgerung (Kurfürst Maximilian sprach von
den «schwedischen Regensburgern»), die auch nicht dadurch besänftigt
wurde, dass die Ausgaben des Militärs wiederum der städtischen Wirt
schaft zugute kamen. «Das Geld, welches sie [die Bürgerschaft] auf die
Garnison spendiere», so Maximilian, falle «gleichsam per circulum in den
Säckel» zurück.416 Der Kurfürst bezweifelte indes selbst, dass sich die Stadt
lange gegen Bernhard werde halten können, und bat den Kaiser, Verstär
kungen zu schicken. Wallenstein, nach wie vor ganz auf Sachsen und Bran
denburg konzentriert, erwiderte, Bernhard operiere nur zum Schein gegen
Regensburg, sein eigentliches Ziel sei ein Einfall in Böhmen. Er fürchtete
einen koordinierten Angriff Arnims aus dem Norden sowie Bernhards
aus Südwesten und zögerte, weitere Truppen abzugeben. Am 10. Novem
ber begann Bernhard mit der Belagerung Regensburgs, am 14. November
kapitulierte die Stadt. Es gab keinen hartnäckigen Widerstand, weswegen
man das Problem zunächst einmal bei den bayerischen Verteidigern hätte
suchen müssen. Doch auch für den Fall von Regensburg wurde Wallenstein
verantwortlich gemacht.
Zuvor war es zu Irritationen gekommen, als der Kaiser an Wallen-
Wallensteins Ermordung in Eger 6 17
stein vorbei Gallas den Befehl erteilte, ein ausreichend starkes Hilfskorps
zur Donau in Marsch zu setzen. Das war ein Bruch der Göllersdorfer Ver
einbarungen, der dem Generalissimus zeigte, wie prekär seine Stellung
inzwischen war. Wallenstein machte in dieser Lage den Fehler, doch noch
zu einem Entlastungsvorstoß zur Donau aufzubrechen, womit er seine
Grundauffassung dementierte, Böhmen und Nordostdeutschland seien
der Schlüssel, um den Krieg zu entscheiden. Ein noch größerer Fehler war
jedoch, dass er diesen Kriegszug, als es im späten November zu einem
Wintereinbruch kam und starker Schneefall einsetzte, in dem bayerischen
Grenzort Furth abbrach und sich auf Pilsen zurückzog.417 Jetzt schwand
auch bei denen, die Wallenstein keineswegs für einen Verschwörer und Ver
räter hielten, das Vertrauen in seine militärische Urteilskraft. «Dieser Rück
zug», so Eggenberg, mit dem Wallenstein die Grundlagen seines zweiten
Generalats ausgehandelt hatte und der bislang als Kopf seiner Anhänger in
Wien gegolten hatte, «ist das Schändlichste, Gefährlichste, Unbedachteste,
was der Herzog je getan hat.»418 Es wurde einsam um Wallenstein.
hin nicht sonderlich leutselige Wallenstein mit seinen Soldaten immer wie
der in Berührung gekommen, aber 1633, als er vor allem mit Sondierungen
für Friedensgespräche beschäftigt war, ging auch dieser Kontakt verloren.
Wallenstein hatte kein Gespür mehr für die Stimmung unter den Soldaten.
Es ist unwahrscheinlich, dass der Oberkommandierende im Spätherbst 1633
noch jene uneingeschränkte Bewunderung und Verehrung genoss, wie sie
Schiller im ersten Teil seiner Trilogie, Wallensteins Lager, dargestellt hat.
Wallenstein selbst war es nie um die Verehrung und Bewunderung
seiner Soldaten gegangen. Für ihn war das Heer ein Instrument, um seine
Ziele zu verfolgen. Gehorsam genügte ihm. Dabei übersah er, was in den
Söldnerheeren des 17. Jahrhunderts die Voraussetzung für diesen Gehor
sam war. Die Lebensbeschreibung des Söldners Hagendorf gibt darüber
Aufschluss. Mit großer Zufriedenheit vermerkte Hagendorf, dass ihn sein
Hauptmann nach dem erfolgreichen Entsatz des belagerten Straubing zum
«Wachtmeister» befördert hatte. «Ich habe gutes Quartier gehabt bei
einem Weinwirt <Zur grünen Tanne>. Habe auch hübsch Geld gehabt und
bekommen.»419 Nicht nur dieses Zusammenhalt stiftende Mittel fiel 1633
aus, sondern auch die regelmäßigen Soldzahlungen. Wurde der Sold des
Öfteren nicht gezahlt, half die Anhänglichkeit gegenüber dem Truppen
führer weiter, die von den meisten Condottieri des Dreißigjährigen Krie
ges gepflegt wurde. Darauf hatte Wallenstein jedoch keinen Wert gelegt,
und das wurde für ihn jetzt zum Problem: Er hatte das Heer, Soldaten wie
Offiziere, als Apparat und nicht als Gefolgschaft behandelt, doch die Vor
aussetzungen für einen derartigen Umgang mit den Truppen begannen zu
schwinden. Zu Wallensteins Untergang trug bei, dass das Heer just zu dem
Zeitpunkt, als er es als Instrument brauchte, aufhörte, ein solches zu sein
- und dass Wallenstein diese Veränderung nicht realisierte. Lange Zeit, ver
mutlich bis in den Januar 1634 hinein, ging er davon aus, dass sich das Offi
zierskorps in einem Loyalitätskonflikt uneingeschränkt für ihn entscheiden
würde. Sein gesamtes Handeln beruhte auf dieser Annahme. Als Wallen
stein schließlich begriff, dass er sich irrte, war es zu spät.
Biographen Hellmut Diwald, Golo Mann sowie Josef Polisensky und Josef
Kollmann abgearbeitet. Die beiden Letztgenannten mussten sich dabei
noch mit einem Spezialproblem des tschechischen Blicks auf Wallenstein
auseinandersetzen, der Frage nämlich, ob Wallensteins angeblicher Griff
nach der Wenzelskrone zu einer tschechischen Nationalstaatsgründung
bereits im 17. Jahrhundert hätte führen können.422 Die «Wallenstein-Frage»
ist in mehrfacher Hinsicht in geschichtspolitische Debatten verwoben, aus
denen sie sich erst in den letzten Jahrzehnten gelöst hat.
Hellmut Diwald und Golo Mann haben Wallensteins Handeln dage
gen aus seinen eigenen Perspektiven und Optionen heraus zu erklären
versucht. Dabei sind sie mit unterschiedlicher Akzentsetzung, in der Kon
sequenz aber übereinstimmend, zu dem Ergebnis gekommen, Wallenstein
habe zwar das Ziel verfolgt, den Krieg zu beenden, es sei ihm jedoch keines
wegs darum gegangen, die kaiserliche Macht zu schwächen oder gar zu ver
nichten, sondern diese im Gegenteil gegenüber den Kurfürsten zu stärken.
Über seine Kontakte mit dem Gegner habe er den Wiener H of jederzeit
und vollständig informiert, einschließlich der Gespräche, die er mit den
böhmischen Exilanten geführt hatte. Gegen Verschwörungsabsichten spre
che auch, dass Wallenstein seinen Rücktritt vom Oberkommando angebo-
ten habe, ein Anerbieten, das er mehrfach wiederholte, als unübersehbar
war, dass der Kaiser und seine bisherigen Unterstützer am H of auf Distanz
zu ihm gingen. Wenn Wallenstein tatsächlich gegen den Kaiser konspi
riert und hinter dessen Rücken mit dem Feind verhandelt habe, dann erst
in den letzten Wochen seines Lebens, als er davon ausgehen musste, dass
der Wiener H of ihm nach dem Leben trachtete. Bei Diwald mehr als bei
Mann und explizit bei Polisensky und Kollmann findet sich die Vorstellung
einer Wallenstein’schen Gegenverschwörung, die eine Reaktion auf die
Verschwörung des Kaisers und einiger hoher Offiziere gegen den Genera
lissimus war.423 Unter diesen Offizieren spielte Ottavio Piccolomini, den
Wallenstein gefördert hatte und dem er vertraute, eine besondere Rolle. So
hat sich in den letzten Jahrzehnten die Debatte von der einer Verschwörung
Wallensteins gegen den Kaiser zu der einer Verschwörung Piccolominis
gegen Wallenstein verschoben.424
Angelpunkt von Piccolominis Verschwörung gegen Wallenstein ist die
Wallensteins Ermordung in Eger 621
Seit Ende Dezember 1633 trieben die Dinge auf eine Entscheidung zu. Der
Kaiser entschloss sich, Wallenstein das Oberkommando über die Armee
zu entziehen - allerdings nicht, indem er Wallensteins zwei Wochen zuvor
gegenüber Trauttmansdorff geäußertes Angebot annahm, den Oberbefehl
von sich aus niederzulegen und aus dem kaiserlichen Militär auszuscheiden,
und auch nicht in Form einer Wiederholung des Regensburger Kurfürsten
tags, der Wallenstein 1630 des Oberkommandos enthoben hatte. Es sollte
vielmehr eine Aktion werden, bei der Wallenstein festgenommen und nach
Wien überstellt wurde, um ihm den Prozess zu machen. Wenn das nicht
möglich war, sollte er getötet werden. Man wollte Wallenstein nicht einfach
loswerden, sondern seiner habhaft werden - oder ihn tot wissen. Daraus
lässt sich schlussfolgern, dass der Kaiser entweder von einer Verschwörung
innerhalb der Armee überzeugt war und davon ausging, das Rücktrittsge
such sei nur eine Finte; oder Ferdinand fürchtete, der abgetretene Genera
lissimus könne als Herzog von Friedland zum Zentrum einer Opposition
gegen die Politik des Kaiserhofs werden. Im letzten Fall ging es von Anfang
an nicht bloß um die Ausschaltung des Generalissimus, sondern auch um
die des Herzogs von Friedland. Man musste Wallenstein alle Macht und
allen Einfluss nehmen, und das ging nur in Form eines Prozesses oder
durch Exekution.
Es gab aber noch einen dritten Grund, der Ferdinand II. veranlasst
haben könnte, statt auf eine Entlassung oder Absetzung auf die Enteignung
oder Exekution Wallensteins zu setzen, und das war der Umstand, dass ihm
mit dem eingezogenen Vermögen des Herzogs die Mittel zur Verfügung
standen, um sich der Treue und Anhänglichkeit einer neuen Generation
führender Offiziere zu versichern - was dann auch tatsächlich der Fall war:
Alle, die am Sturz und der Ermordung Wallensteins beteiligt waren, wur
den in den Monaten danach reichlich belohnt.430
In einem Punkt freilich konnte man Wallenstein vorwerfen, seine
Befugnisse überschritten und gegen den Kaiser konspiriert zu haben, und
624 D IE Z EIT D ER G R O SSE N SC H L A C H T E N
das betraf, wie schon oben angedeutet, die mit Arnim verhandelte «K on
junktion» des kursächsischen und des kaiserlichen Heeres.431 Dabei war
man indes nicht vorangekommen, da Wallenstein darauf beharrte, dass
selbstverständlich ihm das Oberkommando zustand, wohingegen Arnim
für sich eine gleichberechtigte Kommandoposition beanspruchte. Das kam
für Wallenstein nicht in Frage - und insofern lässt sich durchaus fragen, ob
er sich tatsächlich auf eine Konspiration gegen den Kaiser eingelassen habe,
da die «Konjunktion» doch nur darauf hinausgelaufen wäre, das sächsi
sche Heer seinem Oberbefehl zu unterstellen. A uf dieses Vorhaben ließ sich
eine Anklage gegen ihn schwerlich stützen, und tatsächlich hat das Kon-
junktionsproj ekt in den Vorwürfen gegen Wallenstein keine Rolle gespielt.
Etwas anders verhält es sich bei der Versammlung der Generäle und
Obristen, die Wallenstein vom 11. bis 13. Januar in Pilsen veranstaltet hat.
Sie fand zu einem Zeitpunkt statt, als der Generalissimus bereits über die
von Wien gegen ihn eingeleiteten Maßnahmen informiert war und sich der
Loyalität seiner Offiziere versichern wollte. Gibt es einen Moment, von
dem an man von einer Verschwörung Wallensteins gegen den Kaiser spre
chen kann, dann den der Unterzeichnung des ersten Pilsener Revers. Zu
Beginn der Versammlung kündigte Wallenstein seinen Rücktritt vom Amt
des Oberkommandierenden an und begründete diesen mit grundlegenden
Differenzen gegenüber den strategischen Vorgaben aus Wien. Die Offiziere
begriffen schnell, was das für sie bedeutete: dass es danach niemanden
mehr gab, der für ihre Geldforderungen aufkommen würde. Sie beschwo
ren Wallenstein, im Amt zu bleiben, und der akzeptierte das - unter der
Voraussetzung, dass sie sich verpflichteten, «bey Hochgedachter Ihr Fürstl.
Gn. [etc.] diesfalß erbar undt getreü zue halten, auf keinerlei weiß von
deroselben unß zue separieren, zue trennen noch trennen zu laßen, beson-
dern alles dasselbe, so zue Ihrer undt der Armada Conservation geraichet,
nebenst Ihr Fürstl. Gn. [etc.] eüßerster möglichkeit zu beferdern undt
bey, nebenst undt für dieselbe alles unßere bies den lezten blutstropffen
ungesbarter aufzuesezen, wie wir dan auch, im fahl einer oder der ander
unßers mitteiß diesem zuewieder handeln unndt sich absondern wolte,
sambtlich undt ein ieder innsonderheit den oder dieselbe wie treuloße,
Aydts vergeßene Leuth zuverfolgen undt an deßen Haab und Güethern,
Wallensteins Ermordung in Eger 6 25
Leib undt Leben unß zurechnen schuldieg undt verbunden sein sollen und
wollen.»432 Auch Ottavio Piccolomini Unterzeichnete diesen Revers, um
Wallenstein in Sicherheit zu wiegen.433
Offenbar hat Piccolomini nach dem ersten Pilsener Revers in Wien
Druck gemacht: Man müsse schnell zur Tat schreiten, denn Wallenstein sei
misstrauisch geworden. Gleichzeitig nutzte er seinen Pilsener Aufenthalt,
um achtzehn Regimentskommandeure in die bevorstehende Absetzung
Wallensteins einzuweihen und sie für die kaiserliche Seite zu verpflichten.
Am 24. Januar Unterzeichnete Ferdinand dann das Ächtungsdekret gegen
Wallenstein, in das auch Feldmarschall Christian von Ilow und Feldmar
schallleutnant Adam Erdmann Trcka eingeschlossen waren. «Wir geben
euch allen zur Kenntnis», so der Beginn des Dekrets, «daß wir aus hoch
wichtigen und dringenden Ursachen mit unserem gewesenen General
obersten Feldhauptmann eine Veränderung vorzunehmen veranlaßt wor
den sind.» Anschließend wird dazu aufgefordert, dies allen Offizieren und
Soldaten des Heeres mitzuteilen; sie seien aus allen Verpflichtungen gegen
über Wallenstein entlassen. Ausdrücklich wird in diese Verpflichtungsent
bindung auch das Pilsener Revers einbezogen. Niemand solle sich «zu
unverantwortlichen, verzweifelten Entschlüssen verleiten lassen».434 Man
hatte in Wien offenbar erkannt, womit Wallenstein die Kommandeure des
Heeres an sich zu binden versuchte, deswegen beschäftigte sich die Äch
tungserklärung mehr mit der Entbindung von Verpflichtungen, als dass sie
etwas zur Ächtung des Generalissimus selber sagte; Begründungen gab sie
keine.
Nachdem Wallenstein erfahren hatte, dass man ihn absetzen wollte
(den Text der Ächtungserklärung kannte er noch nicht), fasste er den Ent
schluss, sich von seinem Hauptquartier in Pilsen nach Prag zu begeben, um
sich der Loyalität der in und um Prag befindlichen Regimenter zu versi
chern.435 Aber schon bald war klar, dass die Einheiten bereits zu Gallas und
Piccolomini übergegangen waren. Von da an standen beide Seiten vor der
Frage, ob sie die ihnen ergebenen Truppen gegeneinander kämpfen lassen
sollten und wie man damit umging, dass die Loyalität im Heer gespalten
war. Für einige Tage herrschte Verwirrung, weil Gallas und Piccolomini
zögerten, den am 28. Januar erteilten Befehl zu befolgen, Wallenstein aus
6 z6 D IE Z EIT D ER G R O SSE N SC H L A C H T E N
Welche Rolle hat bei alldem der von Schiller herausgestellte Glaube
Wallensteins gespielt, das menschliche Schicksal sei durch den Gang der
Gestirne vorbestimmt? Fest steht, dass sein Vertrauen gegenüber Picco
lomini unter anderem astrologisch begründet war, denn der war unter ähnli
chen Gestirnskonstellationen geboren wie er selbst. Das dürfte Wallenstein
auch daran gehindert haben, gegen Piccolomini jenes Misstrauen zu ent
wickeln, mit dem er sonst schnell bei der Hand war. Und welchen Einfluss
hatte Giovanni Battista Senno, Schillers Seni, aufWallenstein in den letzten
Tagen seines Lebens? Golo Mann bezeichnet Senno als «die junge Sumpf
blüte aus Padua», denn der von Wallenstein üppig alimentierte Astrologe
stand auch in den Diensten von Gallas, der ihm regelmäßig größere Geld
geschenke zukommen ließ. Gallas wollte sich keineswegs aus den Sternen
die Zukunft deuten lassen, sondern von dem bestens informierten Senno
erfahren, was Wallenstein dachte und beabsichtigte. Senno war es auch, der
dem kaiserlichen Rat Putz die Gelegenheit verschaffte, den Pilsener Revers
abzuschreiben und die Abschrift nach Wien zu schicken.437 Dass Senno
mit Wallensteins Gegnern unter einer Decke steckte, zeigte sich schließlich
nach der Ermordung des Generalissimus, denn er kam dabei nicht nur mit
dem Leben davon, was bei einem so engen Vertrauten Wallensteins mit
nichten selbstverständlich war, sondern durfte nach einem oberflächlichen
Verhör in Wien auch seiner Wege gehen. Er starb zweiundzwanzig Jahre
später in Genua.438 Die Astrologie hat Wallenstein jedenfalls nicht vor dem
Untergang bewahrt, aber dass sein Zaudern mit dem Warten auf günsti
gere Gestirnskonstellationen zusammenhing, wie Schiller es dargestellt hat,
lässt sich mit den verfügbaren Quellen ebenso wenig belegen. Mehr als der
Glaube an die Macht der Gestirne dürfte Wallensteins schlechter Gesund
heitszustand ihn daran gehindert haben, die erforderlichen Maßnahmen zu
ergreifen und das Blatt doch noch zu wenden.439
Am 22. Februar brach Wallenstein nach Eger auf, begleitet von den ihm
verbliebenen Vertrauten flow, Trcka und dem böhmischen Grafen Kinsky.
Trcka und Kinsky reisten in Begleitung ihrer Ehefrauen. Wallenstein konnte
kein Pferd mehr besteigen und bediente sich deswegen einer Sänfte. Der
Zug wurde von zehn Kompanien eskortiert, von denen man annahm, dass
628 D IE Z E IT D ER G R O SSE N SC H L A C H T E N
sie Wallenstein weiterhin ergeben waren und notfalls auch für ihn kämpfen
würden. In dem Städtchen Mies wurde übernachtet. Hier stieß der irische
Oberst Walter Butler mit seinem Reiterregiment hinzu, um den Marsch
nach Eger zu begleiten. Ob das ein Zufall war oder ein Schachzug Picco
lominis, ist nicht zu entscheiden. Butler gehörte zu den Unterzeichnern
des ersten Pilsener Revers, aber es ist wahrscheinlich, dass Piccolomini ihn
bei seinem letzten Pilsener Aufenthalt ins Vertrauen gezogen und auf die
Linie der Wallenstein-Gegner verpflichtet hatte.440 Jedenfalls ließ Butler
Piccolomini noch vor der Ankunft in Eger durch seinen Feldkaplan Patrick
Taaffe ausrichten, er wisse, was seine Pflicht sei und werde ihr nachkom-
men. Damit waren die Würfel gefallen: Piccolomini hatte jetzt jemanden in
der unmittelbaren Umgebung Wallensteins, der willens war, die Mordak
tion durchzuführen, und der über die dazu erforderlichen Mittel verfügte.
In Eger wurde Wallenstein vom Stadtkommandanten Oberstleutnant
John Gordon und dessen Stellvertreter Walter Leslie empfangen. Wal
lenstein wurde im Pachelbel’schen Haus einquartiert, wo er bereits bei
früheren Aufenthalten in Eger gewohnt hatte. In der Nacht trafen sich
Butler, Gordon und Leslie und beschlossen, Wallenstein in Eger unschäd
lich zu machen - ob durch Gefangennahme oder Mord, scheint bei dem
ersten Gespräch noch offengeblieben zu sein. Am nächsten Morgen, dem
25. Februar, berief Feldmarschall Ilow, der Ranghöchste der bei Wallen
stein Verbliebenen, eine Offiziersversammlung ein, in der er die während
der Nacht in Eger eingetroffene Nachricht von Wallensteins Absetzung als
ein Komplott bezeichnete und erklärte, Wallenstein habe die kaiserliche
Gnade zu Unrecht verloren. Ilow verlangte von den Anwesenden einen
neuerlichen Treueid, den Butler, Gordon und Leslie auch schworen. Spä
testens von diesem Augenblick an dürfte ihnen klar gewesen sein, dass sich
Wallenstein nur durch eine Mordaktion ausschalten ließ.
Um das gute Einverständnis miteinander zu besiegeln, lud Stadtkom
mandant Gordon Ilow, Trcka, Kinsky und Wallensteins Sekretär, den Ritt
meister Heinrich Niemann, zu einem Bankett auf die Burg ein.441 Die vier
trafen dort am frühen Abend ein. Dragoner, die den drei irisch-schotti
schen Offizieren ergeben waren, hatte man in Nebenzimmern des Bankett
saals versteckt. Weitere kamen nach dem Eintreffen der Gäste hinzu; dann
Wallensteins Ermordung in Eger 629
beiden Händen. Wallenstein stand am Fenster, breitete die Arme aus und
rief «Quartier», gab also zu erkennen, dass er keinen Widerstand leisten
wollte, aber da rammte ihm Deveroux schon die Partisane durch die Brust,
bis ihre Spitze an den Schulterblättern wieder herauskam. Wallenstein war
sofort tot.
Der Körper des toten Generalissimus wurde in einen Teppich gewi
ckelt und über Flur und Treppe aus dem Haus geschleift. Man brachte
ihn in einer bereitstehenden Kutsche zur Burg, wo er zu den vier anderen
Leichen geworfen wurde, die von den Dragonern zwischenzeitlich ausge
plündert worden waren. Als Piccolomini am darauffolgenden Tag in Eger
eintraf, um sich des Erfolgs der Aktion zu vergewissern, waren die fünf Kör
Wallensteins Ermordung in Eger 631
Wallensteins Tod wird häufig mit der Behauptung verbunden, damit sei die
Epoche der Condottieri, der großen Kriegsunternehmer, zu Ende gegangen.
Das ist genaugenommen nicht richtig, denn mit Herzog Bernhard folgte
ihm ein weiterer Condottiere, der bei Wallensteins Tod noch schwedischer
General war und erst nach der Niederlage bei Nördlingen im Herbst 1634
und dem anschließenden Zusammenbruch der schwedischen Machtstel
lung in Oberdeutschland zum selbständigen Kriegsunternehmer wurde.443
Aber Bernhard schaffte es genauso wenig wie Wallenstein, sich dauerhaft
als reichsunmittelbarer Fürst zu etablieren, wiewohl ihm das als Herzog
von Franken einmal für kurze Zeit gelang und er kurz vor seinem Tod gute
Aussichten auf ein Herzogtum im Eisass besaß. Herzog von Franken war
er von Gustav Adolfs Gnaden, Herzog des Eisass wäre er von Richelieus
Gnaden geworden. Auch Wallenstein war ein Herzog von Kaisers Gna
den - nur dass er selbst davon überzeugt war, er sei beides aus eigener Kraft
und durch eigene Leistung geworden. Vermutlich hätte Bernhard das nicht
anders gesehen.
Der böhmische Edelmann und der zehnte Sohn eines ernestinischen
Herzogs waren sich in ihren militärischen Fähigkeiten und ihrem eigen
sinnigen Auftreten nicht unähnlich. Sie nutzten den Krieg, um mit dem
Glücksrad der Fortuna aufzusteigen, aber sie konnten, als sie oben ange
kommen waren, die Bewegung des Rades nicht stoppen. So sahen viele
Menschen den Krieg als eine Zeit, in der die Macht der Glücksgöttin, das
Wechselspiel von Glück und Unglück, besonders groß war. Auch nach
dem Ende Wallensteins und Bernhards gab es etliche, die durch den Krieg
632. D IE Z E IT D ER G R O SSE N SC H L A C H T E N
hochkamen - wie der Reitergeneral Jan von Werth, der von sich selbst sagte,
er sei «ein armer Soldat von Fortuna» und müsse sein Glück mit dem
Degen suchen.444Wallenstein scheiterte daran, dass er seine Möglichkeiten
schlichtweg überschätzte, während Bernhard mit noch nicht fünfunddrei
ßig Jahren einer der Krankheiten erlag, von denen man im Heerlager und
auf Feldzügen leicht ereilt werden konnte.
Und doch vollzog sich in dieser Zeit eine Veränderung, die man poin
tiert beschreiben kann: Das Erwerbsinteresse wurde durch den Dienstge
danken verdrängt. Dieser Übergang lässt sich jedoch nur beobachten, wenn
man die handelnden Personen als Repräsentanten von Idealtypen begreift.
Oder man stellt typologisch die bayerische gegen die kaiserliche Heeresor
ganisation, Erstere als Beispiel für das landesherrlich finanzierte und kon
trollierte Heer, Letztere hingegen noch ganz dem tradierten Militärunter
nehmertum verpflichtet.445 In dieser Gegenüberstellung sticht heraus, dass
Tilly unter einer sehr viel direkteren landesherrlichen Kontrolle stand als
Wallenstein. Sobald man diese Beobachtung aber auf das Finanzierungs
system des Heeres rückbezieht, was bei einer Gegenüberstellung von
Erwerbsinteresse und Dienstgedanke ja naheliegt, zeigt sich, dass auch das
bayerisch-ligistische Heer organisatorisch auf der Regiments- und Kompa
niewirtschaft beruhte, was das Erwerbsinteresse der jeweiligen Regiments
und Kompanieinhaber beförderte. Kurfürst Maximilian suchte dem durch
die Entsendung von Kriegskommissaren einen Riegel vorzuschieben, hatte
damit aber nur mäßigen Erfolg. Im österreichischen Fall wiederum gilt die
Dominanz des Erwerbsinteresses sehr viel stärker für Wallensteins erstes
Generalat, bei dem er das Heer durch ein Kontributionssystem finanzierte,
als für das zweite Generalat, als die erforderlichen Mittel zum Großteil aus
den habsburgischen Erblanden aufgebracht werden mussten und infolge
dessen die Kontrolle Wiens sehr viel größer war. Formal waren Wallen
steins Kommandobefugnisse im zweiten Generalat erheblich größer als im
ersten, ohne jedoch durch die Versorgung und Finanzierung des Heeres
gedeckt zu sein. Das ist eine weitere Erklärung dafür, warum Wallensteins
Versuch scheitern musste, die Loyalität seiner Offiziere durch den Verweis
auf ihre finanzielle Abhängigkeit von ihm zu erzwingen. Die Offiziere wuss
ten, dass letzten Endes nicht Wallenstein, sondern der Hofkriegsrat in Wien
Wallensteins Ermordung in Eger 633
und damit der Kaiser für den Unterhalt des Heeres sorgte - und danach
richtete sich ihre Loyalität.
Davon ausgehend kann man Wallensteins Untergang auch als Folge
eines großen Missverständnisses begreifen: A uf der Grundlage der Göllers-
dorfer Vereinbarungen ging er von einem juristisch fixierten Anspruch auf
die alleinige Kommandogewalt über das Heer aus, aber dieser Anspruch
war nicht durch die Realität gedeckt wie im ersten Generalat, als Wallen
steins formale Kompetenzen geringer waren, sondern hing letzten Endes
an der Bereitschaft des Kaisers, sich an die in der Notlage nach Breitenfeld
gemachten Zusagen zu halten. Als diese Bereitschaft schwand und Wallen
stein auf den Zusagen bestand, war sein Schicksal besiegelt. Jetzt nämlich
zeigte sich, dass das, was er als «sein» Heer ansah, tatsächlich das Heer
des Kaisers war und dass die wichtigsten Offiziere des Heeres das begriffen
hatten. Und so war Wallenstein in Eger allein.
Wallensteins Tod steht noch in anderer Hinsicht für eine strukturelle
Veränderung des Kriegsgeschehens: Akteure, die eine politische Gesamt
perspektive hatten und sich zutrauten, diese auch zur Geltung zu bringen,
verschwanden. Für diesen Typus standen in der Mitte des Krieges der
Condottiere Wallenstein wie der legitime Herrscher Gustav Adolf. Beide
verstanden den Krieg zu nutzen, um ihre weitgesteckten politischen Ziele
zu verfolgen, und sie hatten gleichzeitig eine Vorstellung davon, dass der
Krieg, wenn er fortdauerte, sie irgendwann verschlingen würde. Gustav
Adolf wollte den Krieg durch einen Siegfrieden beenden, und wäre er dabei
nicht auf Wallenstein als Gegner gestoßen, hätte ihm das sogar gelingen
können. Wallenstein dagegen ist zu dem Ergebnis gelangt, dass jeder Sieg,
den er errang, nur weitere Gegner auf den Plan rief, weswegen er darauf
setzte, dass der Krieg als ein Konflikt innerhalb des Reichs durch einen Ver
handlungsfrieden beendet wurde. Der am Siegfrieden orientierte Gustav
Adolf scheiterte konsequenterweise auf dem Schlachtfeld, also am Gegner,
während der einen Verhandlungsfrieden anstrebende Wallenstein an den
eigenen Leuten zugrunde ging. Damit aber waren die beiden möglichen
Perspektiven, den Konflikt zu beenden, verstellt. Der Krieg ging also wei
ter - ohne politische Perspektive und ohne strategische Idee. Er ging «ein
fach so» weiter.
6. K A P I T E L
EIN K RIEG , DER N IC H T EN D EN W ILL:
VOM Z E R FA LL D ER M A CH T
ässt sich die erste Hälfte des Krieges plausibel analysieren, indem man
nach dem jeweils vorherrschenden politischen Willen hinter dem
Gewaltgeschehen sucht und die großen Akteure benennt, so ist das für
seine zweite Hälfte nur sehr schwer möglich. Zwar gab es diese Akteure
immer noch, und sie hatten nach wie vor einen politischen Willen, doch
waren ihre Möglichkeiten, diesen Willen zur Geltung zu bringen, deutlich
geringer. Das zeigt sich im Vergleich zwischen Oxenstierna und Gustav
Adolf ebenso wie zwischen Ferdinand II., dem Kaiser, der sich für den
Krieg entschied, und Ferdinand III., der im Unterschied zu seinem Vater
zwar selbst den Oberbefehl über das Heer innehatte, aber nie ausschlagge
bende Gestaltungsmacht erlangte.1 Mithin am deutlichsten zeigt sich die
Erosion der politischen Macht im Fall von Kurfürst Maximilian: In der ers
ten Kriegshälfte einer der beherrschenden Akteure, spielte er in der zwei
ten Hälfte zwar immer noch eine größere Rolle, war dabei jedoch eher in
das Geschehen verstrickt, als dass er es nach seinem Willen beeinflussen
konnte. Von einem bestimmenden Handlungsträger wurde er zu einem
reagierenden. Das gilt in ähnlicherWeise auch für Johann Georg, den säch
sischen Kurfürsten, der auf der Suche nach der politischen Mitte zwischen
636 E IN K R IE G , D ER N IC H T E N D EN W ILL
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Der Krieg, der sich längst verselbständigt hat, wird hier als Monstrum
gezeigt: Der menschliche Arm hält Waffen, Partisane, Reiterpistole und
Brandfackel, der gepanzerte Menschenfuß tritt einen Soldaten nieder.
Mit der Löwenpranke stopft sich das Monster Geldbeutel, Schätze und
liturgisches Gerät in den Rachen. Der Wolfskopf steht für Gier, der
Pferdefuß für Zügellosigkeit. Das Monster ist nicht allein, denn an seinem
Schwanz folgen ihm Schlangen, Ratten und Kröten, die für die Übel im
Gefolge des Krieges stehen, vor allem für Hunger und Pest.
entfernte. Sie gaben keinen Anlass zur Euphorie mehr, sondern hielten die
zunehmende Resignation lediglich auf. Das ist gemeint, wenn von einer Ver
selbständigung des Krieges gegenüber dem Willen der Beteiligten die Rede
ist. Das Kriegsgeschehen legte nicht mehr fest, wer der Stärkere und wer der
Schwächere, wer der Sieger und wer der Verlierer war, sondern vermengte
beides so miteinander, dass die Oppositionsbegriffe von Sieg und Nieder
lage ihre klärende Bedeutung verloren und nicht länger maßgeblich waren.
Man konnte den Eindruck gewinnen, der Krieg habe einen eigenen
Willen, den er gegen die Willen der Kriegführenden durchsetzte. Was diese
638 E IN K R IE G , D ER N IC H T E N D EN W ILL
Kriegsgott Mars aus dem Janus-Tempel stürmt und dabei durch Venus, die
Göttin der Liebe, nicht aufgehalten werden kann.
der Kriegführung, bei der beide Seiten wissen, dass sich das Blatt auch
wieder wenden kann. Der Niederländer wusste, wann der Kampf für ihn
aussichtslos war; er hatte mit Spinola verhandelt und kapituliert. Die Spa
nier mussten Breda nicht im Sturm erobern, was der Stadt das Schicksal
Magdeburgs erspart hat. Man hat sich darauf verständigt, es nicht bis zum
Äußersten kommen zu lassen. Dennoch ist der Kampf um Breda kein blo
ßes Spiel gewesen, wie die hinter Spinola aufgereckten Lanzen und der auf
Justins Seite aus dem Tal aufsteigende Rauch zeigen. Auch sieht man im
Hintergrund die Schanzen, die für den Belagerungskrieg angelegt wurden,
und die künstlich hervorgerufenen Überschwemmungen, mit denen Spi
nola seinen Belagerungsring gegen niederländischen Entsatz sichern wollte.
Um Breda ist hart gekämpft worden, aber auf eine solche Weise, dass man
danach zu ritterlichen Gesten noch in der Lage war. Das Bild ist auch ein
Versprechen für die Zukunft: Wie der Kampf um Breda zu Ende gegangen
ist, so könnte auch der Krieg insgesamt zu Ende gehen. Es kam zu einer
Entscheidung über Sieg und Niederlage, ohne dass dabei das Land völlig
verwüstet wurde und die Menschen zugrunde gingen.5
Ein solches Bild hat sich dem Besucher des Landes im Jahr 1635, als
Veläzquez sein monumentales Gemälde fertigstellte, nicht geboten. Wil
liam Crowne, der im darauffolgenden Jahr als Begleiter des Earl of Arundel
durch Deutschland reiste, hielt nach einer längeren Schiffsfahrt über Rhein
und Main fest: «Von Köln bis Frankfurt waren alle Städte, Dörfer und
Schlösser geschleift, ausgeplündert oder niedergebrannt.»6Selbst in Mainz
sei man an Bord des Schiffes geblieben, «weil es nichts in der Stadt gab, was
uns anzog, seit sie vom König von Schweden eingenommen und völlig zer
stört worden war. [... ] Die Menschen waren hier ebenfalls fast verhungert,
und die, die die anderen vorher unterstützen konnten, baten nun demütig
selbst darum, unterstützt zu werden. Nach dem Abendessen bekamen sie
alle am Schiff ein Almosen. Doch als sie dessen gewahr wurden, rangen sie
so heftig miteinander, dass einige von ihnen in den Rhein fielen und dabei
fast ertrunken wären.»7 Oder später, inzwischen in der Oberpfalz ange
langt: «Früh am nächsten morgen reisten wir [von Neumarkt] ab, kamen
an niedergebrannten Kirchen vorbei und durchquerten gefährliche Wälder,
von denen wir wussten, dass Kroaten dort lagerten. Schließlich kamen wir
Das Eigenleben des Krieges und seine Bilder 641
in ein armes, kleines D orf namens Hemau, wo wir blieben und speisten.
Das D orf war innerhalb von zwei Jahren 28 Mal ausgeplündert worden, an
einem Tag gar zwei Mal, und es gab, außer aufgefangenem Regenwasser,
kein Trinkwasser.»8
Veläzquez hat in «Las Lanzas» ein gänzlich anderes Bild vom Kriegs
schauplatz gemalt. Nun ist er nie in den Niederlanden gewesen. Seine
Vorstellungen von der Lage Bredas und der Topographie der Umgebung
verschaffte er sich anhand von Radierungen, die Jacques Callot für die
Brüsseler Regentin Isabella angefertigt hatte.9 Vermutlich wusste er auch,
dass der Vertrag, den Ambrosio Spinola und Justin von Nassau ausgehan
delt hatten, einen ehrenhaften Abzug der Holländer aus der Festung vorsah.
Die Verteidiger zogen in voller Bewaffnung und in Formation ab; es erwar
tete sie weder eine lange Gefangenschaft, noch waren sie gezwungen, in die
Dienste des Gegners einzutreten. Den geordneten Abzug aus der Festung,
die man so lange gehalten hatte, bis es keine Aussicht auf Entsatz mehr gab,
hat Veläzquez nicht dargestellt, wohl auch nicht darstellen wollen, denn es
hätte die verbreitete Vorstellung von dem großen Sieg in Frage gestellt, als
der die Einnahme Bredas zehn Jahre zuvor in Spanien gefeiert worden war.
Indem er all das in der Übergabe des Schlüssels und der demütigen Geste
des Holländers verdichtete, zeigte er den Sieg Spaniens und die Großmut
des Siegers. Genau so stellte man sich am H of und in adligen Kreisen die
eigene Kriegführung vor: siegreich und großmütig gegenüber dem Unter
legenen.
Von der Macht der Feldherren über das Gewaltgeschehen und einer zwei
felsfreien Verteilung von Sieg und Niederlage kann in Rubens’ Gemälde
«Die Folgen des Krieges» nicht die Rede sein. Der durch Mars verkörperte
Krieg ist hier zu einem eigenen Akteur geworden, der sich von einem in
Lust und Liebe aufgehenden Leben losreißt, eine verzweifelte Europa hin
ter sich lässt und Kunst und Kultur rücksichtslos niederwirft. Er wird von
der Furie Alecto gezogen, die ihm mit einer Brandfackel den Weg weist -
nicht um diesen zu erleuchten, sondern als Zeichen dafür, dass die Städte
und Dörfer in einer Feuersbrunst untergehen werden. Harpyien eilen der
Alecto voran, und ihr Atem sorgt für Hunger und Pest als Wegbegleiter des
Peter Paul Rubens, «D ie Folgen des K rieges», 1638.
sucht, während es diesen zum Kampf drängt, kann nicht unbedingt auf
ihre pazifistische Grundhaltung geschlossen werden. Venus hat durchweg
selbstbezogene Motive: Sie will Mars nicht entbehren. Ihr Verhältnis zum
Krieg ist, wie das rote Tuch zeigt, zutiefst ambivalent. Mars zieht sie an,
gerade weil er ein kriegerischer Mann ist, und sein kurzer Blick zurück zeigt,
dass auch er weiß, worauf er in nächster Zeit verzichten wird. Alecto und
die Harpyien hindern ihn daran, es sich noch einmal anders zu überlegen.
Wer sich bei der Betrachtung von Rubens’ Bild nur auf Mars und
Venus konzentriert, wird darin keinen Friedensappell, ja nicht einmal eine
Kriegskritik entdecken, sondern verbleibt gänzlich im Spannungsfeld von
Gewalt und körperlicher Attraktivität. Der Krieg, der gerade erst beginnt,
ist schön; er ist erfüllt von dem Streben nach Siegen und Größe, so wie
das auch Heere sind, die in guter Ordnung und mit klingendem Spiel in
den Kampf ziehen. Rubens, der ein Zeitgenosse des Dreißigjährigen Kriegs
in Deutschland war, von seinem Antwerpener Atelier aus aber auch den
Achtzigjährigen Krieg in den Niederlanden miterlebt hat, dürfte derlei off
genug beobachtet haben. Er nimmt die verführerische Aussicht auf Ruhm
und Ehre, Beute und Bewunderung mit ins Bild hinein, ja, er stellt sie gera
dezu in dessen Zentrum.
Doch der Titel des Bildes lautet nicht «Mars und Venus», sondern
«Die Folgen des Krieges», mitunter auch «Die Gräuel des Krieges», und
das Dargestellte erschöpft sich nicht in der spannungsgeladenen Beziehung
der beiden mythischen Götter: Fast die gesamte rechte Bildhälfte zeigt, was
der Krieg mit sich bringt.11 Hier dominieren Gewalt und Schrecken, deren
stärkster Ausdruck die weitaufgerissenen Augen der Alecto und ihr wild
hochstehendes Haar sind. Die Bösartigkeit der Furien und die niederge
worfenen Körper der Tugenden und Künste kontrastieren mit der körper
lichen Schönheit des Kriegsgotts. Es sind die Harmonie, erkennbar an der
zerbrochenen Laute, die lebende Fürsorge mit dem ängstlich umschlunge
nen Kind und die auf den Rücken geworfene Baukunst, erkennbar an dem
in der Hand gehaltenen Zirkel, die dem Kriegsgott als Erste zum Opfer
fallen. Doch auch Literatur und Wissenschaft werden von ihm zugrunde
gerichtet, wie das aufgeschlagene Buch unter seinem rechten Fuß zeigt.
Der Krieg hinterlässt eine Spur der Zerstörung und des Elends. Die hinter
644 E IN K R IE G , D ER N IC H T E N D EN W ILL
Venus stehende Europa scheint das zu wissen: Sie reißt die Arme zur Klage
hoch, nachdem sie die Gewalt des Krieges bereits am eigenen Leibe zu
spüren bekommen hat, denn ihr Kleid ist zerrissen. Die physiognomische
Ähnlichkeit von Europa und Venus deutet daraufhin, dass Frauen, die eben
noch die starken gepanzerten'Leiber der Krieger bewundert haben, deren
erste Opfer sind.
Rubens hat also eine andere Seite des Krieges dargestellt als Veläzquez.
Ging es diesem um die Symbolik von Sieg und Niederlage und die Einhe
gung der Gewalt durch Rituale und Kriegsrecht, so hat Rubens den Wandel
des Krieges vom faszinierenden Anfang zum Schrecken ohne Ende ins Bild
gesetzt. Er hat nicht die kriegführenden Parteien und schon gar nicht die
Feldherren als beherrschende Akteure gemalt, sondern zeigt den Krieg als
ein verselbständigtes Geschehen, auf das allenfalls Venus und Alecto Ein
fluss haben, die Sehnsucht nach häuslicher Ruhe und die Lust an der Zer
störung. Mars ist zwischen beiden hin- und hergerissen, aber es ist doch
unübersehbar, dass die Lust an der Zerstörung ihn für sich gewinnt. Geht
man von der Attraktivität der beiden um Mars konkurrierenden Frauenge
stalten aus, ist es nicht leicht nachzuvollziehen, warum dieser Alecto folgt.
Es muss in ihm einen Trieb geben, der stärker ist als die Anziehungskraft
der beiden Frauen, und dieser Trieb wird in der tiefsten und eigentlichen
Schicht von Rubens’ Gemälde subtil sichtbar gemacht: Der Krieg ist von
außen nicht beherrschbar, er macht, was er will, und sein Wollen ist zutiefst
unvernünftig. Die Kosten dieser Unvernunft sind unermesslich, und was
am Schluss bleibt, sind Elend und Zerstörung. Veläzquez’ Bild steht für
die Sichtweise, die bei den politischen Entscheidungseliten in der ersten
Kriegshälfte vorherrschte; Rubens’ Bild zeigt, dass sich seit Mitte des Krie
ges etwas geändert hat und man das Kriegsgeschehen nicht mehr als eine
Folge von Entschlüssen und Handlungen der kriegführenden Parteien
ansehen kann. Was zuvor als Resultat betrachtet wurde, hat sich als der
eigentliche Akteur entpuppt, und dieser lässt sich kaum aufhalten.
Die Schlacht bei Nördlingen 645
Das Kriegsjahr 1634 begann, wie das Kriegsjahr 1633 geendet hatte: mit
einer Konzentration auf Oberdeutschland. Mit Wallensteins Tod war auf
kaiserlicher Seite derjenige verschwunden, für den Sachsen und Branden
burg die strategisch entscheidenden Kriegsschauplätze gewesen waren und
der das Gebiet an der Donau immer nur als Nebenkriegsschauplatz angese
hen hatte. Wallensteins Nachfolger dagegen machten Süddeutschland zum
Hauptkriegsschauplatz. Dafür gab es eine Reihe von Gründen. Zunächst
standen hier mit den Armeen Horns und Herzog Bernhards die Haupt-
kräffe der schwedisch-protestantischen Seite, und im Unterschied zu Wal
lenstein, der auf die Schwachstellen des Gegners gezielt hatte, wollte man
nun den Krieg durch einen Angriff auf dessen Hauptkräfte entscheiden. Des
Weiteren hatte der Heilbronner Bund, politische wie finanzielle Grundlage
der schwedischen Macht im Reich, seine wichtigsten Territorien in Süd
deutschland, so dass militärische Erfolge hier nicht nur die Heeresmacht
der Schweden schwächten, sondern auch deren Stellung in ganz Deutsch
land erschütterten. Schließlich war eine Verlagerung des Kriegsgeschehens
in den Donauraum auch deswegen naheliegend, weil im Verlauf des Jahres
mit dem Zuzug spanischer Truppen zu rechnen war, die über Tirol nach
Bayern kommen und von dort zum Rhein marschieren sollten, entlang
dem es dann in die südlichen Niederlande weiterging. Es bot sich an, diese
Truppen auf ihrem Marsch zu nutzen, um die schwedischen Armeen aus
Süddeutschland zu verdrängen. Einige kaiserliche und bayerische Generäle
hatten bereits im Jahr 1633 auf einen ähnlichen Kriegsplan gesetzt, als der
Herzog von Feria spanische Truppen nach Deutschland führte, doch das
Vorhaben war gescheitert, weil Wallenstein eine stärkere spanische Präsenz
in Deutschland ablehnte und die Truppen des Herzogs wenig leistungsfä
hig waren.12 Das sollte im Jahr 1634 anders werden.
Nach Wallensteins Ermordung hatte der Kaiser seinen ältesten Sohn,
den König von Ungarn und Böhmen, der ebenfalls den Namen Ferdinand
646 E IN K R IE G , D ER N IC H T EN D EN W ILL
Im Unterschied dazu war auf der Gegenseite das Verhältnis zwischen Gus
tav Horn, dem Schwiegersohn Oxenstiernas, und Bernhard von Weimar
ausgesprochen spannungsgeladen. Beide hatten nach Gustav Adolfs Tod
damit gerechnet, das Oberkommando des Heeres zu erhalten - Horn als
Marschall von Schweden und «rechte Hand» des verstorbenen Königs,
Bernhard als derjenige, der die Schlacht von Lützen zu Ende geführt und
für den schwedischen Erfolg gesorgt hatte. Obendrein war Bernhard jetzt
Rubens’ Bild feiert die Einheit des Hauses Habsburg, die sich auch auf
dem Schlachtfeld bewährt. Der Kaisersohn Ferdinand mit dem dunklen
Umhang und der ungarischen Kopfbedeckung in der Linken begrüßt
seinen Cousin Fernando, der spanische Regimenter herangeführt hat. Der
über beiden schwebende Adler bringt die Lorbeerkränze als Zeichen des
Sieges. Im Hintergrund eine Kirche, stellvertretend für die zu schützende
Institution. Im Vordergrund links der alte Flussgott Donau, rechts von ihm
die auf einen Schild mit Doppeladler gestützte Germania, trauernd über
das neuerliche Blutvergießen.
Am 23. Mai begann Gallas mit der Belagerung von Regensburg, das von
4000 Schweden unter General Kagge gehalten wurde.17 Da Bernhard nur
über 10 000, Gallas hingegen über 25 000 Mann verfügte, bat er Horn um
Unterstützung. Der hatte inzwischen Biberach, Kempten und Memmingen
erobert und war gerade dabei, ganz Schwaben und den Oberrhein wie
der unter seine Kontrolle zu bringen. Dennoch eilte er Bernhard zu Hilfe,
und beider Truppen vereinigten sich bei Augsburg zu einer Stärke von
22 000 Mann. Unbeschadet dessen beschloss man, Gallas nicht direkt anzu
greifen, sondern Regensburg durch eine doppelte Diversion zu entsetzen:
Während Baner und Arnim nach Böhmen vorrücken sollten, wollten Horn
und Bernhard nach Bayern einfallen. Letzteren gelang es, am 22. Juli Lands
hut zu erobern, und beim Kampf um die Stadt fand General Aldringen den
Tod - nach einigen Berichten durch eine Kugel der eigenen Leute, nach
anderen von der eigenen Kavallerie auf der Flucht niedergeritten und zer
trampelt. «Genialität und Phantasie», so sein Biograph Arno Duch, «gin
gen ihm ab, dafür war er gewissenhaft und sachlich, [...], in großen und
kleinen Kämpfen bewies er Umsicht, Schlauheit und Tapferkeit.»18 Das
Diversionsprojekt zum Entsatz von Regensburg schlug trotz des Erfolgs
von Landshut fehl. Regensburg kapitulierte am 26. Juli, was ein empfind
licher Rückschlag für die schwedisch-protestantische Seite war. Dennoch
kamen Bernhard und Horn zu dem Ergebnis, dass damit die Krise zu Ende
sei, zumal Gallas sich mit seinen Truppen zunächst nach Böhmen zurück
zog; also trennten sie sich wieder. Herzog Bernhard blieb an der Donau,
während Horn tief nach Bayern vorstieß, um den über Tirol anrückenden
spanischen Einheiten des Kardinalinfanten den Weg zu versperren. Im
gemeinsamen Kriegsrat waren sich beide einig gewesen, dass Gallas durch
Arnim und Baner gebunden sei und vorerst nicht nach Oberdeutschland
zurückkommen werde. Doch die sächsischen Truppen unterstützten
Baners Vorstoß nicht, so dass Gallas zu der Überzeugung kam, die in Böh
men stehenden Truppen unter Colloredo seien stark genug, die Schweden
abzuwehren, und wieder zur Donau zurückkehrte. Am 16. August eroberte
er Donauwörth. Die schwedische Position an der Donau war damit in gro
ßer Gefahr, zumal Gallas umgehend auf Nördlingen vorrückte, das er am
17. August einschloss.
Die Schlacht bei Nördlingen 649
Am 5. September brachen Horn und Bernhard aus dem Lager bei Bopfin-
gen auf; um den Gegner zu täuschen, marschierten sie nach Süden, als
wollten sie zur Donau, schwenkten dann aber auf die Straße von Ulm nach
Nördlingen und rückten gegen die Positionen der kaiserlich-spanisch-
bayerischen Truppen auf einem Höhenzug südlich von Nördlingen vor.
Das Täuschungsmanöver gelang; in einem energischen Vorstoß eroberte
Die Schlacht bei Nördlingen 651
den Erfolg hatte, waren die eigenen Kräfte verausgabt, und dann hing alles
davon ab, dass es Bernhard gelang, die Defensive zu übernehmen und den
kaiserlich-bayerischen Gegenangriff abzuwehren.
Der 6. September begann für das schwedisch-protestantische Heer
vielversprechend: Während Bernhard an mehreren Stellen kleinere Schar
mützel eröffnete, um die ihm gegenüberstehenden Einheiten daran zu hin
dern, den Verteidigern der Höhe Albuch zu Hilfe zu kommen, und die Ver
teidiger Nördlingens einen Ausfall unternahmen, um gegnerische Kräfte
zu binden, gelang es Horns Sturmkolonnen im ersten Anlauf, die mittlere
Schanze auf der Höhe zu überrennen und die spanischen Regimenter
zurückzuwerfen. Doch anstatt sich in der eroberten Schanze festzusetzen
und diese gegen den zu erwartenden Gegenangriff zu halten, setzten die
Angreifer den Flüchtenden nach. Dabei gerieten ihre Kolonnen in Unord
nung. Sie verloren die Stoßkraft, und sobald der Kampf in ein allgemeines
Handgemenge überging, kam die zahlenmäßige Überlegenheit der katho-
<554 E IN K R IE G , D ER N IC H T E N D EN W ILL
lischen Seite zur Geltung. Als der Gegenangriff der kaiserlichen Infanterie
und Kavallerie begann, machte sich auch bemerkbar, dass der Vorstoß der
schwedisch-protestantischen Infanterieeinheiten nicht mit dem der Kaval
lerie koordiniert worden war, so dass die eigenen Reiter der bedrängten
Infanterie nicht zu Hilfe kommen konnten. Die Schweden wurden zurück
geworfen, und die Schanze ging wieder verloren. Die Unübersichtlichkeit
des Geländes erschwerte Horn den koordinierten Einsatz seiner Kräfte,
was sonst eigentlich seine Stärke war. Er hat dafür später «Eigenmächtig
keiten des Kriegsvolks» verantwortlich gemacht,24 was bedeutet, dass er
die Truppen nicht mehr in der Hand hatte. Es mag dahingestellt bleiben,
ob es an den örtlichen Gegebenheiten, an der Eigenwilligkeit untergeord
neter Truppenführer oder an einem Fehler Horns lag, der hinter der ersten
Welle seiner Sturmkolonnen keine hinreichenden Reserven bereitgestellt
hatte, die den Anfangserfolg sichern und die eroberten Positionen halten
konnten - jedenfalls kam es zu einem Abnutzungsgefecht um die Hügel
kuppe, das die Protestanten aufgrund ihrer zahlenmäßigen Unterlegenheit
verlieren mussten. Fünfzehn Mal soll Horns Infanterie vergeblich gegen
die Schanzen angerannt sein, danach war sie ausgebrannt. Auch eine Bri
gade, die Herzog Bernhard zur Unterstützung geschickt hatte, konnte dem
Kampf keine Wende mehr geben.
Das war die Krise der Schlacht; Gallas erkannte sie als den Moment,
in dem er selbst zum Angriff übergehen musste, um zwischen den beiden
Flügeln der Protestanten durchzustoßen, Horn und Bernhard voneinander
zu trennen und sie in der Flanke und im Rücken zu fassen. Horn war klar,
dass es jetzt nur noch darum ging, sich vom Feind zu lösen und Verteidi
gungsstellungen zu beziehen. Die Straße zwischen Nördlingen und Ulm
kam dafür in Frage. Die beiden Heerführer vereinbarten, sich beim Rück
zug wechselseitig Deckung zu geben: Zunächst sollten Bernhards Trup
pen die Horns decken, während der sich aus dem Hügelland zur Ulmer
Straße zurückzog; wenn Horns Infanterie Position bezogen hatte, sollten
seine Artillerie und eine entschieden angreifende Kavallerie Bernhard die
Möglichkeit geben, sich seinerseits nach Südwesten zurückzuziehen. Horn
gelang sein Teil der Vereinbarung, Bernhard nicht. Gallas hatte an der nach
lassenden Gefechtstätigkeit erkannt, was Horn und Bernhard vorhatten,
Im Unterschied zu Merians Kupferstich zeigt Pieter Meuleners Gemälde
von der Nördlinger Schlacht die Auflösung der Ordnung nach lange
währendem Kampf. Die Blickrichtung ist dieselbe wie auf Merians
Kupferstich, was man an der Lage Nördlingens erkennen kann, nur etwas
flacher angesetzt. In der Bildmitte scheint sich noch einmal ein größeres
Gefecht zu entwickeln, während sich am rechten oberen Bildrand die
schwedischen Verbände bereits in Auflösung befinden.
und reagierte darauf, indem er den Druck auf die in der Gefechtslinie ver
bliebenen Regimenter Bernhards erhöhte. Die wiederum waren wegen des
bereits begonnenen Abzugs der anderen Einheiten zu schwach, um dem
AngrifF standzuhalten, und wandten sich zur Flucht. Die Kavallerie, die es
besonders eilig hatte, ritt dabei in die zurückweichende eigene Infanterie
hinein und löste eine Panik aus. Aus dem Rückzug wurde Flucht, und als
die Fliehenden auf die abziehenden Regimenter Horns trafen und diese in
Verwirrung brachten, war die Schlacht für das schwedisch-protestantische
656 E IN K R IE G , D ER N IC H T E N D EN W ILL
Dabei kam ihm zupass, dass die von Bernhard von Weimar wieder
gesammelten Reste des schwedischen Heeres angesichts des drohen
den Zerfalls des Heilbronner Bundes ohne einen zuverlässigen Finanzier
dastanden. Sie boten sich geradezu an, in französische Dienste übernom
men zu werden. Richelieu nutzte die Gelegenheit, eine kriegserfahrene
Armee zu gewinnen, mit der sich der Krieg im oberdeutschen Raum unter
französischer anstatt schwedischer Ägide fortsetzen ließ. Derweil konnte
der Kardinal an den Aufbau eines französischen Heeres gehen, mit dem
er zu einem späteren Zeitpunkt in den Krieg eingreifen würde. Durch die
Anwerbung der Weimaraner, wie die Truppen Herzog Bernhards von da
an genannt wurden, verschaffte er sich eine Übergangsphase zwischen
der verdeckten Kriegsbeteiligung und dem offenen Kriegseintritt, die sich
nutzen ließ, um die maßgeblichen Kräfte am H of auf ein zunehmendes
Kriegsengagement einzustimmen. Währenddessen konnte er den Krieg
weiterführen, ohne ihn formell erklärt haben zu müssen.29 Es kam auch
nicht von ungefähr, dass er, als er im Mai 1635 Spanien den Krieg erklärte,
das Reich und den Kaiser von dieser Kriegserklärung aussparte. Das war
umso bemerkenswerter, als der Grund, den er für den Krieg gegen Spanien
geltend machte, auf dem Territorium des Reichs lag und der Kaiser in den
Vorgang tief verwickelt war: Spanische Trappen waren in das Erzbistum
Trier eingedrungen und hatten den mit Frankreich verbündeten und unter
französischem Schutz stehenden Kurfürsten Philipp Christoph von Sötern
gefangen genommen, ihn aber nicht nach Spanien oder in die südlichen
Niederlande gebracht, sondern an den Kaiser überstellt, der ihn in Wien
festhielt. Diese Flexibilität in der Frage eines offenen Kriegseintritts war für
Richelieu ein großer Vorteil, für den er aber einen Preis zu zahlen hatte: Er
musste Herzog Bernhard bei der Planung und Ausführung der Kriegszüge
große Freiheiten einräumen und ihm als Gegenleistung für seine militäri
schen Dienstleistungen die Übertragung des Eisass als eigenständiges Her
zogtum in Aussicht stellen.30A uf diese Weise wurde Bernhard zum letzten
großen Condottiere der europäischen Geschichte: Sein Heer wurde von
Frankreich finanziert, aber er führte Krieg auf eigene Faust und hatte dabei
stets seine eigenen Interessen und Ziele im Auge. Politisch weniger ambi
tioniert als Wallenstein, weshalb er mit seinem Auftraggeber nicht in einen
Die Schlacht bei Nördlingen ÖS9
Der Prager Frieden vom Mai 1635, dem ein im November des Vorjahres in
Pirna geschlossener Vorvertrag zugrunde lag, war zuallererst ein Separat
friedensvertrag zwischen dem sächsischen Kurfürsten und dem Kaiser. Er
war aber so angelegt, dass ihm alle Reichsstände beitreten konnten, denn
er sollte zur Grundlage eines Friedens im gesamten Reich werden. Als der
Kaiser weitreichende Amnestiezusagen machte und gleichzeitig all dieje
nigen mit Sanktionen bedrohte, die dem Frieden fernblieben, kam eine
662 E IN K R IE G , D ER N IC H T EN D E N W ILL
wer das Recht hatte, einem anderen den Krieg zu erklären, und bei wem
es sich eben bloß um einen Aufstand handelte. Diese Souveränitätsvor
stellung freilich konnte auf die Reichsverfassung nicht angewandt werden,
ohne sie zu sprengen. Das war ein Problem, das auch bei den sich über vier
Jahre hinziehenden Friedensverhandlungen in Münster und Osnabrück
eine zentrale Rolle spielte: dass jeder Vertrag, der nicht mit der Fiktion von
Aufstand und Amnestie arbeitete, Auswirkungen auf die innere Verfassung
des Reichs haben würde, die von mindestens einer Seite strikt abgelehnt
wurden.
Auf dem Weg zum Prager Frieden ging es zunächst darum, Kursachsen
für einen Separatfrieden zu gewinnen. Dazu mussten die sächsischen Inter
essen bedient werden, weshalb Kurfürst Johann Georg das Bistum Mag
deburg zuerkannt wurde; zudem musste der Vertrag Regelungen enthalten,
die den kursächsischen Führungsanspruch gegenüber den protestanti
schen Reichsständen festigte. Von der großzügigen kaiserlichen Amnestie
für die am Krieg Beteiligten, mit der man diesem Anspruch Rechnung tra
gen wollte, waren nur die böhmischen Rebellen sowie die pfälzische Fürs
tenfamilie ausgenommen. Sonderbünde der Fürsten, wie Union und Liga,
wurden grundsätzlich für ungesetzlich erklärt, ebenso eigene Streitkräfte
der Landesfürsten. Es sollte nur noch eine Reichsarmee geben, für die man
sich de facto auf eine geteilte Kommandostruktur verständigte: Im ober
und niedersächsischen Kreis sollte die Führung bei Johann Georg liegen,
während Süd- und Westdeutschland unter dem Kommando des Kaisers
standen, der sich wiederum mit dem bayerischen Kurfürsten über regionale
Zuständigkeiten absprach. Finanziert werden sollte die auf eine Sollstärke
von 78 000 Mann bezifferte Reichsarmee durch regelmäßig erhobene Steu
ern.43 Diese Armee war das Instrument, mit dem das längerfristige Ziel des
Prager Friedens, Schweden und Frankreich aus dem Reich herauszudrän
gen, durchgesetzt werden sollte.
Neben der Ausschließung der ausländischen Mächte hatte der Prager
Frieden noch ein zweites Manko: Die Reformierten wurden bei den kon
fessionspolitischen Regelungen nicht berücksichtigt. Nur die Anhänger
des Augsburger Bekenntnisses waren einbezogen. Das Recht der refor
mierten Fürsten auf freie und ungehinderte Religionsfestlegung war damit
664 E IN K R IE G , D ER N IC H T EN D EN W ILL
Tatsächlich war der Krieg nicht nur ein Verfassungskonflikt und ein Reli
gionskrieg, sondern von Anfang an auch ein Hegemonialkrieg, doch sind
diese drei Konfliktebenen im Kriegsverlauf immer enger miteinander ver
wachsen, und mit dem militärischen Eingreifen Schwedens und der zuneh
menden Verwicklung Frankreichs hat die Dimension des Hegemonialkon-
flikts erheblich an Gewicht gewonnen. Die Geschichte des Dreißigjährigen
Krieges ist auch die Geschichte beständiger Gewichtsverlagerung zwischen
diesen drei Typen des Krieges. Der Lübecker Friede mit Dänemark war 1629
zustande gekommen, weil sich die unterschiedlichen Dimensionen des
Krieges ein letztes Mal voneinander trennen ließen und der gescheiterte
Hegemonialaspirant Dänemark aus dem Krieg ausschied, ohne dass die
Konflikte innerhalb des Reichs zuvor gelöst sein mussten.53 Man kann den
Prager Frieden als analoges Projekt mit umgekehrter Reihenfolge begreifen:
Man versuchte, die verfassungspolitischen Fragen und die konfessionspoli
tischen Konflikte zu klären, um erst anschließend die internationale bezie
hungsweise hegemoniale Dimension des Krieges zu bearbeiten. Doch die
V o m P r a g e r F r ie d e n zu r S c h la c h t v o n W itts to c k 667
Trennung von innen und außen, die in Lübeck noch einmal möglich gewe
sen war, funktionierte in Prag nicht mehr. Warum nicht?
Zunächst war die schwedische Position nach der Niederlage von Nörd-
lingen eine andere als die Dänemarks nach 1627, als die kaiserlichen Trup
pen tief in das Königreich vorgedrungen waren und die Dänen bei Wolgast
eine weitere schwere Niederlage erlitten hatten. Deren letzter Halt war die
für den Kaiser beziehungsweise Wallenstein unangreifbare Flottenmacht;
sie verhinderte die völlige Niederwerfung Christians IV., verschaffte die
sem aber keine starke Verhandlungsposition bei allen Fragen innerhalb des
Reichs. Christian hat im Lübecker Frieden seine Verbündeten im Reich
samt und sonders aufgegeben. Das war im Fall Schwedens anders: Nach
Nördlingen war zwar die schwedische Machtstellung in Oberdeutsch
land zusammengebrochen, aber das bedeutete nicht, dass der Kaiser oder
der bayerische Kurfürst die zuvor von den Schweden besetzten Gebiete
beherrschte. Der Krieg ging mit einer räumlichen Verschiebung zum Ober
rhein weiter - nicht zuletzt deswegen, weil Frankreich als Finanzier und
Ausrüster des wieder aufgefüllten Weimaraner Heeres an die Stelle Schwe
dens beziehungsweise des Heilbronner Bundes trat.54 Außerdem bot der
Prager Vertrag für Südwestdeutschland keine verlässlichen Friedensrege
lungen, da der Herzog von Württemberg und der Markgraf von Baden-
Durlach als nondum reconciliati, als noch nicht mit dem Kaiser Ausgesöhnte,
von den allgemeinen Amnestiezusagen ausgenommen blieben.55
Oxenstierna durfte also davon ausgehen, dass er bei dem Versuch, die
schwedische Position in Südwestdeutschland wiederherzustellen, zuverläs
sige Verbündete finden würde. Hier rächte sich, dass der Prager Frieden aus
Separatverhandlungen zwischen dem Wiener Kaiserhaus und Kursachsen
hervorgegangen war: Johann Georg hatte an den südwestdeutschen Pro
testanten, die sich seinen Vorgaben notorisch widersetzt hatten, keinerlei
Interesse, und der Kaiser wollte Südwestdeutschland von der Rücknahme
des Restitutionsedikts ausgenommen wissen, um die Konzessionsbereit
schaff der Unnachgiebigeren unter den Katholiken am H of nicht überzu
strapazieren. Ohnehin scheint es in der Frage des Kirchenbesitzes zu einem
Ringen zwischen dem Kaiser und seinem Sohn, dem König von Ungarn
und Böhmen, gekommen zu sein, da dieser zu sehr viel größeren Zuge-
668 E I N KRIEG, D E R N I C H T E N D E N WILL
ständnissen bereit war als sein Vater.56 Dass Südwestdeutschland von der
Aufhebung des Restitutionsedikts ausgeschlossen wurde, war ein Kom
promiss zwischen den beiden, der wiederum die schwedische beziehungs
weise französische Position in diesem Raum stärkte.
Von der Niederlage bei Nördlingen weitgehend unbetroffen war die
schwedische Stellung in Norddeutschland. Dennoch war man in Schwe
den bereit, sich auf einen Frieden mit dem Kaiser einzulassen, wenn die
ser zu «ehrenvollen Bedingungen» geschlossen wurde.57 Dies sahen im
Grundsatz die assecuratio pacis und die satisfactio militum vor.58 Die asse-
curatio pacis forderte, dass das Herzogtum Pommern unter schwedische
Kontrolle gestellt wurde, was zulasten Kurbrandenburgs ging; das hätte die
kaiserlichen Interessen zumindest kurzfristig nicht negativ berührt. Bei der
satisfactio militum hingegen, der Abdankung der Soldaten, hätte Geld aufge
wendet werden müssen, das von den protestantischen Reichsständen auf
zubringen gewesen wäre, was ihren Beitritt zum Prager Frieden erheblich
erschwert und damit unwahrscheinlich gemacht hätte. Die bei der Abdan
kung der Truppen anfallenden Kosten sollten auch bei den Friedensver
handlungen in Münster und Osnabrück ein Haupthindernis auf dem Weg
zu einem schnellen Frieden darstellen.
Unter den gegebenen Umständen fiel es Oxenstierna nicht schwer, den
Stockholmer Reichsrat davon zu überzeugen, dass ein Friedensschluss mit
dem Kaiser vorerst nicht in greifbarer Nähe lag - jedenfalls nicht zu «ehren
vollen Bedingungen». Oxenstiernas Position wurde dadurch gestärkt, dass
Frankreich bereit war, einen Teil der schwedischen Kriegskosten zu über
nehmen. Das war dringend erforderlich, da der schwedischen Kriegfüh
rung mit dem Zerfall des Heilbronner Bundes die Finanzierungsgrundlage
entzogen war. Frankreich wurde so zum ausschlaggebenden Akteur, der für
die Fortsetzung des Krieges sorgte. Hätte Richelieu im Sommer 1635 eine
andere Politik verfolgt, so wäre der Krieg vielleicht nicht sogleich zu Ende
gewesen, da die beschäftigungslosen Truppen nach wie vor im Land stan
den und nach Auftraggebern Ausschau gehalten hätten, aber der Krieg hätte
an Intensität verloren und wäre nach dem dann unvermeidlichen Rückzug
Schwedens mit der Zeit wohl «eingeschlafen». Obwohl es 1635 noch nicht
offiziell in den Krieg eingetreten war, wurde Frankreich nun zur wichtigs
V o m P r a g e r F r ie d e n z u r S c h la c h t v o n W itts to c k 669
ten Triebkraft des Krieges, weswegen viele Historiker ab 1635 nicht mehr
vom «schwedischen», sondern vom «schwedisch-französischen Krieg»
sprechen.59
Erst einmal sah freilich alles so aus, als könnte das Jahr 1635 zu einem großen
Erfolg der kaiserlichen Politik werden, denn immer mehr Reichsstände tra
ten dem Prager Frieden bei. Nur wenige, wie etwa Landgraf Wilhelm von
Hessen-Kassel, widersetzten sich dieser Entwicklung. Oxenstierna sprach
davon, der Kaiser habe «mit diesem Frieden mehr erreicht als mit zwei
Schlachten bei Nördlingen».60 Die schwedische Position in Deutschland
wurde durch die Beitritte der Fürsten immer weiter geschwächt, insofern
war Oxenstiernas Behauptung wahrscheinlich durchaus zutreffend. Bestä
tigt wurde damit Wallensteins zuletzt verfolgte Politik, die nicht auf mili
tärische Siege, sondern auf die politische Aufweichung der durch Gustav
Adolfs Erfolge geeinten Front der Protestanten gesetzt hatte. «In summa»,
so Oxenstierna, «haben nun Unbeständigkeit, Bosheit und Torheit bei
diesen Verbündeten überall die Oberhand gewonnen und so tiefe Wurzeln
geschlagen, daß man ihnen nicht mehr helfen kann. Sie laufen in ihr eigenes
Verderben, und fast niemand ist übrig von denen, die mit uns kooperieren
sollten. Trotzdem», so muntert sich Oxenstierna selbst auf, «w ill ich für
meine Person meiner Pflicht nachkommen, es ist mein höchstes Gesetz,
dieses schwache, nunmehr schiefe Werk aufrecht zu erhalten, so lange ich
kann.»61
Das aber war nur möglich, wenn sich Schweden aus Süddeutschland
zurückzog und den Kriegsschauplatz am Rhein den Franzosen überließ,
die am Oberrhein mit den von ihnen finanzierten Truppen Herzog Bern
hards auftraten, während sie am Mittelrhein zwischen Mainz und Koblenz
sowie an der Mosel eigenes Militär einsetzten. Die Schweden suchten sich
dagegen auf dem norddeutschen Kriegsschauplatz festzusetzen, wo Feld
marschall Johan Baner das Kommando führte und allmählich die Initia
tive zurückerlangte. Zunächst musste er jedoch Meutereien von Soldaten
niederschlagen, die eine sofortige Auszahlung ihres Soldes verlangten, was
infolge der prekären Haushaltslage nicht möglich war. In einer Mischung
aus Härte und Versprechen gelang es Baner, die Disziplin wiederherzu
670 E I N KRI E G, D E R N I C H T E N D E N WILL
stellen. Er war sich darüber im Klaren, dass er sich damit nur Zeit gekauft
und keineswegs die Probleme des schwedischen Heeres gelöst hatte. Es
bedurfte eines großen Sieges, um die Reputation der schwedischen Waffen
zu erneuern und so viel Beute zu machen, dass die Soldaten in materieller
Hinsicht vorerst zufriedengestellt waren. Baner musste also die Schlacht
suchen und diese zur Not auch unter ungünstigen Bedingungen annehmen.
Im Sommer und Herbst 1635 hing die schwedische Position in Deutschland
erneut fast ausschließlich vom Kriegsglück ab. Doch Baner war der richtige
Mann, um mit diesem Entscheidungs- und Erfolgsdruck umzugehen.
Baner stammte nicht aus der schwedischen Militäraristokratie, son
dern war innerhalb des Militärs aufgestiegen.62 Als Kommandeur hielt er
seine Truppen ständig in Bewegung und sorgte dafür, dass sie ununterbro
chen Feindkontakt hatten. Er war ein Meister der Kleinkriegführung und
verfügte über bemerkenswerte taktische Fähigkeiten. Von strategischen
Fragen verstand er wenig, sie interessierten ihn auch nicht. Er überließ sie
Oxenstierna, was offenbar die Voraussetzung dafür war, dass die beiden
miteinander auskamen. Baner war kaum zur Kooperation fähig. Oxenstier-
nas politische Autorität jedoch erkannte er an, und dessen strategische
Vorgaben stellte er niemals in Frage. Auch mit Lennart Torstensson, dem
zweiten Mann der Armee, kam Baner gut zurecht. Ansonsten war er noto
risch damit beschäftigt, seine Generäle gegeneinander auszuspielen, zum
einen, weil er ihnen misstraute, zum andern, weil er überzeugt war, sie lie
ßen sich so zu besseren Leistungen motivieren. Baner war nach dem Urteil
des Kriegshistorikers William Guthrie eine der abstoßendsten Gestalten
des gesamten Krieges, zynisch und brutal, ein Alkoholiker und Weiberheld
- eine Charakterisierung im Übrigen, die in der Kriegsgeschichte immer
wieder auftaucht.
Die Trennung der Kriegsschauplätze zwischen Schweden und Frank
reich führte zu einer eigenständigen Entwicklung beider Heere. Unter
Gustav Adolf hatten sich die nationalschwedischen Teile des Heeres mit
den deutschen gemischt, und die Führungsebene hatte sich zunehmend
«eingedeutscht». Im Zuge der schnellen Heeresvergrößerung wuchs der
Anteil der deutschen Söldner auf bis zu vier Fünftel.63Das änderte sich nach
der Niederlage von Nördlingen und der Teilung des Heeres in die Truppen
Schiller mit Wallensteins Lager sowie Brecht mit seiner Mutter Courage
haben unsere Vorstellung vom Heerlager im Dreißigjährigen Krieg
geprägt. Das hier abgebildete, im Unterricht der 1930er Jahre eingesetzte
Schulwandbild entspricht dieser Vorstellung: Dem reich gedeckten Tisch
und den bereitstehenden Fässern nach zu urteilen, sind die Soldaten gut
versorgt, besser jedenfalls als die drei sich von links nähernden Gestalten,
die offenbar etwas vom Festmahl der Soldaten abhaben wollen. Die
abgestellten Wagen und die Zelte zeigen, dass sich das Militär hier für
einige Zeit eingerichtet hat.
Heer war also sehr viel stärker schwedisch geprägt als das Heer Gustav
Adolfs in den Jahren 1631 und 1632.65 Von den acht Generälen, die an der
Schlacht bei Wittstock teilnahmen, waren drei Schweden, vier Schotten
und nur einer ein Deutscher.66
Baner bevorzugte von sich aus eine Kleinkriegführung, die in schnellen
Schlägen, Hinterhalten und Überfällen bestand, bei der er nur begrenzte
Risiken einging und nie alles aufs Spiel setzen musste. Außerdem trug die
Kleinkriegführung denveränderten logistischen Gegebenheiten Rechnung.
Es gab in Deutschland kaum noch Regionen, aus denen man für längere
Zeit größere Truppenmassen versorgen konnte, weil fast alle bereits vom
Krieg verheert waren. Die Befehlshaber beider Seiten sahen sich gezwun
gen, ihre Verbände breiter zu verteilen; so wurden die Truppen andererseits
beweglicher, der Tross wurde kleiner und verlor an Bedeutung. Wer diese
neuen logistischen Umstände nicht begriff und daraus nicht die erforderli
chen Konsequenzen zog, erwies sich, wie Matthias Gallas, als ein «Heer
verderber», der seine Truppen nicht im Kampf zugrunde richtete, sondern
durch ihre Konzentration zu einer Schlacht, die dann nicht geschlagen
wurde.67 Baner, Torstensson und Turenne auf der einen sowie Piccolomini,
Montecuccoli und Mercy auf der anderen Seite konzentrierten ihre Trup
pen dagegen nur kurz und in kleinerer Zahl. Sie griffen überfallartig den
noch breit verteilten Gegner an, zerschlugen seine Einheiten, machten
Beute und lösten danach die eigene Truppenkonzentration wieder auf. Das
erklärt, warum der Anteil von Kavalleristen gegenüber Infanteristen im
letzten Jahrzehnt des Krieges ständig anstieg, bis beide Waffengattungen
sich ungefähr die Waage hielten.68
Unter diesen Umständen drängte der Krieg von sich aus noch weniger
zur militärischen Entscheidung, als er das zuvor getan hatte. Diese Art des
Krieges konnte endlos weitergeführt werden, und sie war noch sehr viel
stärker auf die Entkräftung und Verheerung des Landes angelegt als der
Krieg der zurückliegenden knapp zwei Jahrzehnte. «Die Verwüstung wei
ter Teile Deutschlands», so der Historiker Georg Schmidt, «begann erst
1635, als der Krieg alle geregelten Bahnen verließ.»69 Das ist, wenn man
die Landstriche betrachtet, in denen der Krieg vor 1635 über längere Zeit
geführt worden ist, sicherlich übertrieben. Es bringt aber pointiert zum
V o m P r a g e r F r ie d e n zu r S c h la c h t v o n W itts to c k 673
Ausdruck, dass man sich beim Tod Gustav Adolfs und Wallensteins noch
nicht hatte vorstellen können, zu welch furchtbaren Verheerungen der
Krieg noch führen würde.
stellte er es selbst danach dar - mit Verzögerung umgesetzt wurde, weil sich
der Kurfürst ständig entmischte. Koalitionskriegführung war schwierig,74
und während sie bei Nördlingen unter den habsburgischen Cousins gut
geklappt hatte, litt sie bei Wittstock unter einer Fülle von Spannungen.
Anfang September scheinen beide Seiten zu dem Ergebnis gelangt zu
sein, dass eine Entscheidungsschlacht unvermeidlich war, wenn man den
Feldzug des Jahres 1636 erfolgreich beenden wollte. Jedenfalls zogen Baner
wie Hatzfeld die detachierten Armeekorps an sich, um mit allen verfügba
ren Kräften in die Schlacht zu ziehen.75 Marrazino verließ das Odergebiet
an der Grenze zu Pommern und stieß mit seinen Regimentern bei Havel
berg zur Hauptarmee. Baner wiederum zog das Lesliesche Korps an sich,
ebenso die kleineren Detachements unter Hans Vitzthum, einem säch
sischen Lutheraner, der auch nach dem Prager Frieden auf schwedischer
Seite geblieben war, und Torsten Stälhandske, einem finnischen Kavalleris
ten, der es trotz seiner militärischen Erfolge nie in den inneren Zirkel der
schwedischen Heeresführung geschafft hat. Durch einen schnellen Vorstoß
zu dem Flüsschen Dosse gelang es Baner, den Zuzug der an der Havel ste
henden sächsischen Truppen unter Oberst Johann Kaspar von Klitzing zum
kaiserlich-sächsischen Hauptheer zu verhindern. Die Angaben über die
Kräfteverhältnisse beider Seiten differieren stark: Während Baner in seinen
Berichten behauptete, der Gegner sei ihm im Verhältnis von zwei zu drei
überlegen gewesen, machte Hatzfeld die entgegengesetzte Angabe. Einige
jüngere Forscher gehen inzwischen davon aus, beide Seiten seien ungefähr
gleich stark gewesen, die Schweden etwas weniger als 20 000 Mann, die
kaiserlich-sächsische Seite wahrscheinlich etwas mehr.76 Die Ausgangslage
war jedoch recht unterschiedlich: Baner, wie oben angedeutet, musste die
Schlacht schlagen und gewinnen, um die Sache Schwedens in Deutschland
zu retten; Hatzfeld hingegen konnte die Schlacht schlagen, musste es aber
nicht, weder aus politischen noch aus strategischen Gründen. So konnte
Hatzfeld sich auch in einem Lager verschanzen und darauf warten, dass
Baner ihn angriff. Baner musste Hatzfeld also unter Druck setzen, um ihn
daran zu hindern, eine günstige Position zu finden, was ihm nur teilweise
gelang. Hatzfeld bezog auf einer flachen Anhöhe südwestlich von Wittstock
Stellung und ließ das Gelände für eine Schlacht vorbereiten: Die Soldaten
67 6 E I N K RI E G, D E R N I C H T E N D E N WILL
warfen Schanzen auf und schufen freies Schussfeld für die günstig postier
ten Kanonen.77
Baner erreichte am Vormittag des 4. Oktober die Dosse. Er ließ das
Gelände hinter dem Fluss erkunden und kam zu dem Ergebnis, dass ein
Frontalangriff auf die Stellungen des Feindes unmöglich war. Baner wie
Torstensson hatten Gustav Adolfs Frontalangriff auf Wallensteins Lager
bei der Alten Veste nahe Nürnberg noch in Erinnerung und wollten die
sen Fehler nicht wiederholen.78 Die Ausgangslage war damit der von Nörd-
lingen nicht unähnlich, aber während Horn und Bernhard dort nur gegen
einen Flügel des Gegners operiert hatten, entschloss sich Baner zu einer
doppelten Bewegung: Der linke Flügel unter Stälhandske sollte ein weit
räumiges Umgehungsmanöver durchführen und der kaiserlich-sächsischen
Armee in den Rücken fallen, sobald diese ihren rechten Flügel entblößt
und alle Kräfte auf den schon zuvor von den Schweden angegriffenen lin
ken Flügel geworfen hatte. Der wiederum sollte von Torstensson auf kur
zem Bogen umgangen und von der Flanke her angegriffen werden. Baner
wollte mit dem Gros der Truppen folgen, während Leslie diesen Angriff
auf den Flügel des Feindes unterstützen sollte, indem er dessen Zentrum
angriff und ihn so daran hinderte, Kräfte an den linken Flügel abzugeben.
Als Reserve wurde Vitzthum mit einigen Regimentern zurückgehalten.
Es war absehbar, dass der schwedische rechte Flügel für längere Zeit die
Hauptlast des Kampfes zu tragen hatte. Alles kam darauf an, dass die gegen
das gegnerische Zentrum und gegen dessen Rücken eingesetzten Truppen
zum richtigen Zeitpunkt in das Kampfgeschehen eingriffen: Kamen sie zu
früh, hatte die Gegenseite die durch den schwedischen Flankenangriff pro
vozierten Kräfteverlagerungen noch nicht vollzogen, und sie attackierten
frontal ein noch ungeschwächtes Zentrum oder trafen auf Einheiten, die
ihnen noch nicht den Rücken boten. Es ging somit um einen nachhaltigen
Gebrauch der Kräfte, wie Clausewitz das genannt hat,79 aber der war nur
möglich, wenn der Gegner zuvor genau so reagierte, wie Baners Schlacht
plan das vorsah.
Der schwedische Angriff auf den linken feindlichen Flügel war dank
des Überraschungsmoments und des Eingreifens der von Baner geführten
Hauptmacht zunächst erfolgreich. Dann verschob Hatzfeld seine Trup-
Im Unterschied zu den Schlachtenbildern in Merians Theatrum Europaeum,
die das Geschehen aus der Vogelperspektive darstellen, haben Caspar
Luyken und Pieter van der Aa für ihre (freilich mehr als ein halbes
Jahrhundert später entstandene) Darstellung des schwedischen Sieges
bei Wittstock im Oktober 1636 den Blick in Augenhöhe der Kämpfenden
gewählt. Die gewalttätige Dynamik tritt dabei an die Stelle der sich
allmählich entwickelnden Ordnung, und aus dem Schachspiel mit
Regimentern wird ein blutiger Kampf.
pen und erlangte seinerseits die Übermacht. Nun folgte Leslies Angriff
auf Hatzfelds Zentrum, so dass dort starke Kräfte gebunden waren und
nicht auf den linken Flügel befehligt werden konnten. In dieser Situation
entschloss sich Hatzfeld, seinen eigenen rechten Flügel einzuziehen und
dessen Kräfte auf dem linken Flügel einzusetzen, wo er die Entscheidung
herbeiführen wollte. Doch die fiel auf ganz andere Weise, als Hatzfeld
erwartet hatte, denn damit gab er den Rücken frei, in den Stälhandskes
Reiterei nun hineinstieß. Zwei Mal hatte Hatzfeld die Chance gehabt, die
Schlacht für sich zu entscheiden: vor dem Angriff Leslies mit dem Fußvolk
und vor der Kavallerieattacke Stälhandskes, doch beide Male hatte er die
678 E I N K RI E G, D E R N I C H T E N D E N WILL
war diesem Ziel einige Male sehr nahe gekommen; in der Summe aber
muss man festhalten, dass Ferdinands Erfolge weitgehend auf die Konso
lidierung seiner Macht in den habsburgischen Erblanden beschränkt blie
ben. Mit Blick auf die Geschichte des Kaiserreichs war das nicht viel; im
Hinblick auf die Stellung des Hauses Habsburg in Mitteleuropa dagegen
schon sehr viel mehr. Ferdinand II. sei, so hat Anton Gindely Ende des
19. Jahrhunderts das Leben und Wirken des Kaisers zusammengefasst, ein
frommer und gutmütiger Mensch gewesen, «dessen Einsicht und That-
krafi allein auf die Bewältigung und Ausrottung seiner religiösen Gegner
gerichtet und damit auch erschöpft war, denn in allen anderen entschei
denden und tiefgehenden Fragen bewegte er sich nur auf der Oberfläche
und scheute die eingehende und mühevolle Arbeit».81 Ferdinand III.
übernahm von seinem Vater ein schweres Erbe: Fast keines der Probleme,
mit denen der verstorbene Kaiser zu tun gehabt hatte, war gelöst oder auch
nur einer Lösung nahe; die Lage war zwar nicht mehr so schlecht wie auf
dem Höhepunkt des schwedischen Siegeszugs einige Jahre zuvor, aber die
Anzahl der Feinde hatte sich vergrößert, und ein Ende des Krieges war
trotz des Prager Friedens nicht in Sicht.
Not und Elend nicht bleiben wird. Mehr noch als eine bloße Hoffnung for
muliert Logau eine feste Zuversicht, die er sich verschafft, indem er die Lage
Deutschlands in diesem Krieg als einen Augenblick begreift, der dem Dau
erhaften und Bleibenden wieder weichen muss. Aus Logaus Versen spricht
die Zuversicht, dass der Krieg die Konstellationen in Deutschland nicht auf
lange Zeit bestimmen wird, sondern nur eine Unterbrechung, eine Störung
ist. Die Gegenüberstellung von Augenblick und Dauer, Situation und Kon
stellation ist eine Form der Leidensbearbeitung und Unglücksbewältigung
des schlesischen Dichters, die durch eine weitere Form ergänzt wird: die
Kontrastierung des Eigenen und des Fremden. Mit dem Krieg haben sich
Sittenverfall und Lasterhaftigkeit ausgebreitet, aber sie sind ein Fremdim
port und werden sich gegen die alte deutsche Redlichkeit auf lange Sicht
nicht durchsetzen. Logau schreibt gegen die Furcht an, der nunmehr seit
Jahren zu beobachtende Verfall der Sitten werde eine Rückkehr zum Frü
heren unmöglich machen; man könne politisch wohl irgendwann Frieden
schließen, aber die sozialmoralische Verfassung der Gesellschaft aus Vor
kriegszeiten werde damit nicht zurückkommen.
Logau beschreibt die Lage aus einer gewissen Distanz. Nicht seine
eigene Situation bedenkt er, sondern die des Landes, und es geht ihm nicht
um materielle Zustände, sondern um die moralischen Folgen des Krieges.
Die physische Verwüstung Deutschlands ist dagegen ein großes Thema in
der Literatur, die unter dem unmittelbaren Eindruck des Krieges entstan
den ist: die abgebrannten Häuser, die verheerten Bauernhöfe, die zerstör
ten Städte. In den Selbstzeugnissen aus der Zeit des Krieges, den Tagebü
chern und Briefen, geht es zumeist um unmittelbare Ereignisse und deren
Erleben; dabei stehen die materiellen Folgen im Vordergrund, die Verluste
an Hab und Gut, aber auch der Tod von Verwandten und Freunden, dazu
die Beschäftigung mit der Frage, wie man selbst die nächsten Tage und
Wochen überleben wird.83 In den literarischen Zeugnissen des Krieges geht
es durchaus auch um solche Fragen, aber mehr noch darum, was wohl die
längerfristigen Auswirkungen des Unheils sein werden, das über das Land
gekommen ist, und ob es hinter dem Geschehen einen göttlichen Sinn gibt
oder zumindest eine innerweltliche Gesetzmäßigkeit, die aufzudecken
etwas Tröstliches hat. Das ist der Modus einer Leidensbearbeitung und
D ie g r o ß e K la g e : U n g lü c k s b e w ä ltig u n g in L ite r a tu r u n d b ild e n d e r K u n s t 681
Das ganze Land verheert, Kirche und Rathaus zerstört, die Männer erschla
gen und die Frauen vergewaltigt; Seuchen greifen um sich, während die
Rriegsgewalt kein Ende nehmen will und immer neue Ströme von Blut
fordert. Das war zunächst die Erfahrung in Schlesien, wo der Krieg schon
früh Einzug gehalten hatte und dann immer wieder das Land verwüstete.
Seit Ende der 1620er Jahre hatte sich die Kriegsgewalt verstetigt und mit der
Vertreibung von Bevölkerungsgruppen verbunden. In den frühen 1630er
Jahren hatte die Pest das Land heimgesucht und ganze Landstriche entvöl
kert.88Auch Gryphius arbeitet mit Antithesen, doch diese dienen nicht wie
bei Logau dazu, in all dem Niedergang die Zuversicht auf bessere Zeiten
aufrechtzuerhalten, sondern sie überbieten noch einmal im Negativen die
lange Liste der Verheerungen in den ersten Zeilen des Gedichts. Es ist die
Antithese von Diesseits und Jenseits, Immanenz und Transzendenz, die
von Gryphius als Steigerungsfaktor ins Spiel gebracht wird. Damit macht
er geltend, dass es in seiner Sicht noch etwas Schlimmeres gibt als Gewalt
und Elend, Not und Tod: Durch den Zwang zum Glaubenswechsel oder
zum geheuchelten Bekenntnis wird das Seelenheil verspielt. Der Blick von
der Immanenz auf die Transzendenz bietet keine tröstende Hoffnung auf
ein besseres Jenseits, sondern zeigt, wie die Gewalt im Diesseits den Men
schen auch das Jenseits verstellt.
Gryphius’ Gedicht «Threnen des Vaterlandes» hat freilich noch eine
tiefere Schicht, die der Deutung Ferdinand van Ingens zufolge in der Zah
lenmystik des «dreimal sechs» aufscheint. A uf den ersten Blick steht die
Formel «dreymal schon sechs jahr» für die achtzehn Jahre, die der Krieg
684 E IN K R IE G , D E R N IC H T E N D E N W IL L
zum Zeitpunkt der Abfassung des Gedichts im Jahr 1636 schon dauerte. Sie
entspricht aber zugleich der Teufelszahl, die auf die Apokalypse aus dem
letzten Buch des Neuen Testaments verweist.89Dort treten vier furchtbare
Reiter auf, als das Lamm die ersten vier Siegel des geheimnisvollen Buches
öffnet. Sie kommen auf einem weißen, einem roten, einem schwarzen
und einem fahlen Pferd daher und verkörpern Tyrannei, Krieg, Teuerung
(Hunger) und Pestilenz (Seuchen). Wenn Gryphius in dem Sonett von der
Kriegsgewalt, der Aufzehrung aller Vorräte und der Pest spricht, um dann
in der letzten Zeile noch die Tyrannei des Glaubenszwangs hinzuzufügen,
dann sieht er in alldem Vorboten des bevorstehenden Weitendes, das Ein
treten all dessen, was in der Offenbarung des Johannes als Auftakt zum
Jüngsten Gericht beschrieben worden ist. Die Kriegserfahrung steht dafür,
dass das Ende der Zeiten gekommen ist.
Ohne eine solche geschichtstheologische Dramatisierung schildern
Georg Philipp Harsdörffer und Johann Klaj im Genre der Schäferdichtung
den Krieg und seine Folgen. Der Schäfer Clajus, der aus seiner Heimat
Sesemin (ein Anagramm für Meißen) geflüchtet ist, trifft an der Pegnitz,
also in der Nürnberger Gegend, auf den Schäfer Strefon (hinter dem sich
Harsdörffer selbst verbirgt). Die beiden nehmen an einem Sängerwettstreit
teil und treffen auf die unglückliche Pamela, die sich einbildet, «sie were
das arme und in letzten Zügen liegende Teutschland». Sie beschreibt ihren
inneren Zustand so:
aus; von den Opfern ist nicht die Rede, der Krieg tritt stattdessen als eine
ohrenbetäubende Geräuschkulisse in Erscheinung, die dem Seelenfrieden
der Schäferin Pamela ein Ende gemacht und sie in ekstatischen Taumel
versetzt hat. Er ist also nicht viel mehr als ein in die friedliche Ruhe des
pastoralen Lebens einbrechender Lärm. Aber die zeittypische Schäferdich
tung hatte sich nicht zur Aufgabe gemacht, die Welt realistisch zu beschrei
ben, sondern verstand sich als Gegenentwurf zu dem, was die Menschen
als eine sich in rasender Eile verändernde Lebenswelt erfuhren. Das Leben
der Schäfer diente der Imagination einer Rückkehr in die Vergangenheit
eines arkadischen Lebens. Dass selbst die Pastoraldichtung nicht daran
vorbeikam, dem Krieg in Deutschland Tribut zu zahlen, zeigt dessen
Omnipräsenz.
Vermutlich spielen für die unterschiedlichen Wahrnehmungen des
Krieges nicht nur die literarischen Genres, sondern auch die Entstehungs
regionen der Texte eine Rolle. Nürnberg, wo Harsdörffer und Klajs Text
entstand, war weitgehend vom Krieg verschont geblieben. Im Stellungs
und Belagerungskrieg von 1632 zwischen Wallenstein und Gustav Adolf
war die Gefahr einmal bedrohlich nahe gewesen,91 ansonsten aber hatte
sich die Kriegserfahrung darauf beschränkt, dass die Stadt Kontributionen
zahlen musste und einige ihrer jungen Männer sich den vorbeiziehenden
Heeren anschlossen, Kriegsherren dienten und oft nicht zurückkehrten.92
Der Krieg stellte keinen so tiefen Eingriff in das städtische Leben dar, wie
das etwa in Schlesien, der Oberpfalz oder in Württemberg und am Ober
rhein der Fall war.
Den Zustand Schlesiens hat Andreas Gryphius in dem Prosatext
«Freystädtische Fewerstädt» beschrieben: «M an sehe wohin man wolle»,
heißt es nach einer kurzen Erinnerung an Wohlstand und Ordnung, «so
wirdt man die vorigen gutten Gesetze, welche bey oberhandt der Schwer
ter schweigen müssen, nirgendts als in Büchern, die schönesten Städte in
der Aschen, die berühmtsten Leute vnd rüstige Bürgerschaft! in Gräbern,
vnd was die numehr neunzehenjährige verhergung vber gelassen in vner-
mäßlichem Elend vnd Drangseligkeit antreffen.»93 Der Beschreibung des
sen, was ist, steht hier nichts gegenüber, kein Jenseits, kein Arkadien und
auch nicht die Aussicht, dass sich der deutsche Nationalcharakter durch
686 E IN K R IE G , D E R N IC H T E N D E N W IL L
[-]
Die Natur selbst verschafft neues Weltvertrauen, aber sie verweist, wie in
der zuletzt zitierten Strophe deutlich wird, auch auf den, der sie geschaffen
hat. Paul Gerhardts «Sommer-Lied» liest sich wie eine Antwort auf die
apokalyptischen Ängste des Andreas Gryphius und vieler anderer Zeitge
nossen. Die Beschreibung der Bäume und Blumen, der Vögel und Wildtiere,
schließlich der Nutztiere und Kulturpflanzen ist eine einzige große Versi
cherung, dass der Mensch Vertrauen haben kann zu dem sich im natürli
chen Gedeihen vollziehenden Wirken Gottes in der Welt. Wie eine Conclu-
sio des Beschriebenen lautet deshalb die siebte Strophe:
Gerhardt setzte den Bildern des Krieges also nicht nur idyllische Natur ent
gegen, sondern auch ein Gottvertrauen, das der Krieg bei vielen zerstört
hatte: Einem Gott, der solches zuließ, konnte man nicht vertrauen, und
wenn es keinen Gott gab, dem man vertrauen konnte, dann gab es wahr
D ie g r o ß e K la g e : U n g lü c k s b e w ä ltig u n g in L it e r a t u r u n d b ild e n d e r K u n s t 689
scheinlich überhaupt keinen Gott. Das Wiederaufleben der Natur ist Paul
Gerhardts Zeugnis wider solches Verzweifeln.
Freilich nahm nicht jeder das große Sterben so stoisch hin wie der
Söldner Hagendorf, der selbst schweres Leid erfahren musste. Als er von
Freising nach Straubing kommandiert wird, folgt ihm seine Frau nach, die
gerade ein Kind geboren hat. «Das Kind ist ihr aber unterwegs gestorben,
und sie ist nach etlichen Tagen auch gestorben zu München im Spital. Gott
verleihe ihr samt dem Kind und allen ihren Kindern [die schon zuvor bald
nach der Geburt starben] eine fröhlich Auferstehung, amen. Denn in dem
ewigen seeligen Leben wollen wir einander Wiedersehen. So ist nun mein
Weib samt ihren Kindern entschlafen.»100 Diesem Eintrag von 1633 folgte
zwei Jahre später, nachdem Hagendorf wieder geheiratet hatte, eine neuer
liche Todesnotiz: «Den 11. November ist mein Weib eines Kindes genesen.
Ist gleich getauft worden. Sein Name ist gewesen Jürg Martin, hat gelebt
24 Stunden. Gott gebe ihm eine fröhliche Auferstehung.»101 Im Jahr 1640:
«Meine Frau ist eines jungen Sohns genesen den 18. Februar. Hat geheißen
Quirinus, hat gelebt 6 Tage und ist gestorben. Gott verleihe ihm eine fröhli
che Auferstehung.»102 Und im darauffolgenden Jahr: «Den 9. April ist mein
Weib einer jungen Tochter genesen. Ist hier getauft worden zu Tirschen
reuth, liegt in der Oberpfalz am Böhmer Wald. Ihr Name ist Barbara. Gott
verleihe ihr langes Leben. »D o ch dann: «Den 9. Mai 1641 ist meine Tochter
gestorben zu Ingolstadt. Der liebe Gott verleihe ihr eine fröhliche Auferste
hung.»103 Wenige Jahre später: «Z u Pappenheim ist mein Weib einer jun
gen Tochter genesen, dem 3. November im Jahr 1645. Gott verleihe ihr lan
ges Leben.» Und im nächsten Jahr: «Den 22. August ist mein Töchterlein
gestorben. Margareta. Gott verleihe ihr eine fröhliche Auferstehung.»104
Immerhin, als der Krieg zu Ende ging, hatte Hagendorf mit seiner
zweiten Frau einen sechsjährigen Sohn und eine eineinhalbjährige Tochter,
Melchert Christoff und Anna Maria mit Namen. Den beiden überlebenden
Kindern, über deren weiteres Schicksal wir nichts wissen, weil Hagendorfs
Aufzeichnungen bald nach Kriegsende abbrechen, stehen acht während des
Krieges verstorbene Kinder gegenüber. Nun war die Kindersterblichkeit im
17. Jahrhundert hoch, und der Tod der acht Kinder hatte nicht unmittelbar
mit dem Krieg zu tun; mittelbar indes schon, denn das Leben im Heeres
690 E IN K R IE G , D E R N IC H T E N D E N W IL L
tross, die dort grassierenden Seuchen und Krankheiten sowie das ständige
Weiterziehen haben die übliche Kindersterblichkeit noch einmal deutlich
erhöht. Folgt man den Aufzeichnungen, so hat Hagendorf das ruhig hinge
nommen, und so, wie er die Geburt eines Kindes mit dem Wunsch auf ein
langes Leben verbunden hat, so den Tod mit dem Wunsch nach einer «fröh
lichen Auferstehung». Durch all die Kriegsjahre hindurch blieb für ihn der
Glaube an Gott und das jenseitige Leben zumindest formelhaft ein Halt.
Als ein A uf und Ab von Glück und Unglück hat dagegen Hans Jakob Chris
toffel von Grimmelshausen den Krieg beschrieben. Die von dem großen
Dichter des Dreißigjährigen Krieges entworfenen Romanfiguren, der
zunächst weltfremde und dann überaus weltkundige Simplicius Simplicis-
simus, die Erzbetrügerin und Landstreicherin Courage und der Soldat und
spätere Kriegsversehrte Springinsfeld, sind Gestalten, die der Krieg hervor
gebracht, geformt und geprägt hatte. In ihrer Einfältigkeit wie Niedertracht,
ihrem naiven Glücksvertrauen wie reflektierten Lernen aus Erfahrungen
sind sie Typen, die vom Krieg ebenso profitieren, wie sie an ihm leiden.
Sie alle haben sich dem rotierenden Glücksrad der Fortuna anvertraut, also
Gottvertrauen und Gottergebenheit durch die Bereitschaft ersetzt, sich den
Launen des Glücks auszusetzen und durch Entschlusskraft wie Gerissen
heit das Beste daraus zu machen. Es gibt für sie nichts, auf das sie sich dau
erhaft verlassen können, immer wieder aufs Neue steigen sie in das Spiel
mit dem Glück ein, das ihnen nach oben verhilft und Reichtümer beschert,
aber sie anschließend auch wieder nach unten reißt und ihnen alles nimmt.
Was Simplicius, Courage und Springinsfeld voneinander unterscheidet, ist
der Umgang mit diesem A uf und A b :105 Simplicius steigt letztlich aus dem
Glücksspiel aus, lässt das Soldatenleben hinter sich und wendet sich einem
sittlichen und frommen Leben zu; die Courage bleibt trotz mehrerer «Aus
stiege» im Kriegsgeschäft und landet am Schluss bei einer Bande umher
ziehender Zigeuner, deren Anführerin sie dank ihrer grenzenlosen Durch
triebenheit wird; Springinsfeld, der im Krieg ein Bein verloren hat und sich
selbst nunmehr als «Stelzvoraus» bezeichnet,106 verliert seine einstige
Unbekümmertheit und wird zum Skeptiker; dennoch kann er von dem
Spiel mit dem Glück nicht lassen. Er ist das Mittelglied zwischen dem reui-
D ie g r o ß e K la g e : U n g lü c k s b e w ä ltig u n g in L ite r a tu r u n d b ild e n d e r K u n s t 691
gen Simplicius und der störrischen Courage. Die drei stehen für die unter
schiedlichen Möglichkeiten, mit Leid und Unglück zurande zu kommen.
Der Krieg hat die bestehenden sozialen und moralischen Ordnun
gen aufgelöst. Es gibt keine Strukturen und Bindungen, keine Sitten und
Gewohnheiten mehr, die durch Alter und Tradition selbstverständlich sind.
Das ist der Ausgangspunkt von Grimmelshausens Kriegsromanen: Alles
ist möglich, nichts ist gewiss, der Augenschein kann jederzeit täuschen,
wer sich auf ihn verlässt, geht in die Irre. Indem der Krieg als der große
Zerstörer des Bestehenden und Überkommenen wirkt, ist er zugleich der
Ermöglicher dessen, was «unter normalen Umständen» ausgeschlossen
wäre. Diese Doppelgesichtigkeit des Krieges ist es, die das Pikareske von
Grimmelshausens Erzählungen in Gang setzt: Simplicius, Courage und
Springinsfeld nutzen den Umstand, dass alles möglich ist, zu ihrem Vorteil,
692 E IN K R IE G , D E R N IC H T EN DEN W IL L
nur um dann doch wieder alles zu verlieren, und das Bemerkenswerte dabei
ist, dass es dieselben Verhaltensweisen sind, die sie im einen Fall zu Gewin
nern und im anderen zu Verlierern machen. Die Orientierung an altherge
brachten Sitten wie moralischen Regeln ist unter diesen Umständen kein
sicheres Mittel mehr, um unbeschadet durchs Leben zu kommen.
Das beginnt bei der Herkunft der Protagonisten und geht bis zu ihren
wechselnden Identitäten. Simplicius’ Erinnerung beginnt mit dem Ein
bruch des Krieges in sein Leben, und zwar in Gestalt schwedischer Soldaten,
von denen die Idylle des elterlichen Bauernhofs im Spessart zerstört wird.
Er entkommt dem Überfall und wird schließlich von einem Einsiedler auf
gezogen, von dem man später erfährt, er sei früher Offizier und Kriegsheld
gewesen. Schon bald macht Simplicius die Erfahrung, dass die Grenzen
zwischen Adel und gemeinem Volk viel durchlässiger sind, als man meinen
möchte, und dass im Krieg Fortuna, die Glücksgöttin, den Menschen ihre
Positionen zuweist und wieder entzieht. Im Rückblick betrachtet Simpli
cius Fortuna als eine gefährliche Verführerin, ja geradezu als Gegenspie
lerin Gottes im Ringen um den Menschen: «Wann das Glück einen stür
zen will, so hebt es ihn zuvor in alle Höhe, und der gütige Gott lässet auch
einen jeden vor seinem Fall so treulich warnen. Das widerfuhr mir auch, ich
nahms aber nicht an !» 107 Der Mensch, so die Lehre, liefert sich dem Glück
selbst aus, und die Macht, die das Glück über sein Schicksal hat, ist umso
größer, je weniger Macht der Mensch über sich selbst hat. Der Krieg aber ist
eine Zeit, in der viele ihren Lüsten und Begierden freien Lauf lassen, weil
alles, was sie daran hindern könnte, außer Kraft gesetzt worden ist. «Meine
Hoffahrt», bekennt Simplicius an anderer Stelle, «vermehrte sich mit mei
nem Glück, daraus endlich nichts anders als mein Fall erfolgen konnte.»108
Schließlich begreift er, wie Glück und Unglück miteinander Zusammenhän
gen: «Ich sehe erst zurück und merke, daß mein extraordinari Glück im
Krieg und mein gefundener Schatz nichts anders als ein Ursach und Vorbe
reitung zu meinem Unglück gewesen, welches mich nimmermehr so weit
hinunter hätte werfen können, da es mich nit zuvor durch solche falsche
Blick angeschaut und hoch erhoben hätte; ja ich fände, daß dasjenige Gute,
so mir begegnet und ich vor gut gehalten, bös gewesen und mich in das
äußerste Verderben geleitet hatte.»109
D ie g r o ß e K la g e : U n g lü c k s b e w ä ltig u n g in L it e r a t u r u n d b ild e n d e r K u n s t 693
reiht er dem Heeresbann sich ein. / Wider das Laster muß er stark gewapp
net sein.»128 Der Krieg wird hier nicht grundsätzlich abgelehnt; vielmehr
wird geltend gemacht, dass die Soldaten, um ihre Aufgabe erfüllen zu kön
nen, doppelt gewappnet sein müssen: gegen die Waffen des Feindes und
gegen die Laster, die es im Krieg besonders leicht haben, von den Men
schen Besitz zu ergreifen.
Auch das dritte Blatt mit dem Titel «Die Schlacht» bringt keine ableh
nende Grundhaltung zum Ausdruck. Im Hintergrund nur schemenhaft
erkennbar sind der Kampf zweier Infanterieblöcke, aufgestellte Lanzen, die
kurz vor dem Aufeinanderprall beider Seiten gesenkt werden, dazu Fahnen
und über allem starker Qualm, der wohl von Artilleriefeuer stammt. Im
Vordergrund ein Reitergefecht; in der rechten Bildhälfte das heranspren
gende zweite Treffen der einen Seite, vorweg der Kommandeur mit gezück
tem Schwert, das seinen Männern die Angriffsrichtung weist, in der dritten
Angriffsreihe gut zu sehen ein Trompeter, der zum Sturm bläst. In der Bild
mitte ganz vorn verendete Pferde und einige getötete Soldaten, verstreute
Ausrüstungsgegenstände, die darauf schließen lassen, dass die von rechts
angreifenden Reiter im Begriff sind, den Gegner zurückzuwerfen. Marolles’
Text kommentiert: «Was Mars auch weiß an harten Stößen zu versetzen, /
an Schlägen allzumal, die manchen grob verletzen, / so ficht das nicht den
Mut des Unerschrocknen an, / der ohne Wanken den Gewittern trotzen
kann / und der, um sich den Ruhm des Kriegers zu erwerben, / mit seiner
Feinde Blut muß seinen Lorbeer färben.»129 In der Abbildung der Schlacht
hat der Krieg seinen Höhepunkt erreicht; es gibt Sieger und Verlierer. Was
jetzt noch folgen könnte, wäre der Blick auf ein verlassenes Schlachtfeld,
der Einzug des Siegers in die Hauptstadt des bezwungenen Gegners, die
Unterzeichnung der Kapitulationsurkunde oder des Friedensvertrags,
anschließend der Abzug und die Abdankung der Truppen. So jedenfalls
wäre es bei einem Krieg der Westfälischen Ordnung oder bei Kriegen frü
herer Zeiten zu erwarten gewesen.
Nicht jedoch beim Dreißigjährigen Krieg, und so beginnt die Dar
stellung des für ihn typischen Elends und Unglücks bei Callot erst nach
der Schlacht. Dafür stehen vor allem die fünf Blätter mit den Titeln «Die
Plünderung», «Die Plünderung auf einem Bauernhof», «Die Zerstörung
*ü
krempigen Hüten, die sie von den Bewohnern des Hofs unterscheiden. In
der vorderen Bildmitte sind Soldaten um einen Tisch versammelt, auf dem
geschlachtetes Federvieh liegt, daneben tote Schafe und Ferkel. Einer der
Eindringlinge versucht, mit seiner Hellebarde Vorräte herunterzuholen, die
an der Decke des Raums aufgehängt sind, während auf der rechten Bild
seite jemand eine Leiter bestiegen hat, um an Würste zu gelangen. Davor
werden in der Nähe einer Tür Wandverkleidungen entfernt, wohl weil man
dahinter Schätze zu finden hofft. Wie die auf dem Boden stehenden Kis
ten und Truhen zeigen, die von einem Soldaten durchsucht werden, war
die Vermutung nicht falsch, dass der Bauer seine Wertsachen versteckt hat.
702 E IN K R IE G , D E R N IC H T E N D E N W IL L
Womöglich hat das auch die im Hintergrund gefolterte Person verraten. Sie
baumelt mit dem Kopf nach unten über einem qualmenden Feuer; dane
ben sitzt eine weitere Person, die dazu gezwungen wird, ihre Füße ganz
nahe an die Flammen zu halten. Sie wird von einem hinter ihr stehenden
Soldaten offenbar gewürgt. Im Hintergrund der Bildmitte ein großes Bett,
auf dem eine Frau von zwei Soldaten vergewaltigt wird; andere stehen
daneben, einer davon mit hocherhobenem Humpen, sie warten darauf,
dass sie «an der Reihe» sind. Links vom Bett gibt eine Tür den Blick auf
einen Raum mit großen Fässern frei, aus denen sich die Soldaten mit Bier
oder Wein versorgen, links daneben stehen Männer in drohender Haltung
vor einer Person, die vor ihnen auf die Knie gefallen ist und sie anfleht. Im
Vordergrund der linken Bildhälfte ein Soldat, der einem auf den Rücken
geworfenen Mann die Degenspitze an den Hals gesetzt hat; ganz am linken
Bildrand ein weiterer Soldat, der eine mit ihrem Kind flüchtende Frau am
Haar gepackt hat. Vergewaltigt wird im Übrigen nicht nur auf dem großen
Bett in der Bildmitte, sondern auch in einem kleinen Raum hinter einer Tür
auf der rechten Bildhälfte. Ganz rechts verlässt ein Soldat mit einem großen
Packen auf dem Rücken den Raum. Marolles’ Kommentar zu diesem Bild
lautet: «Die Schurken tun sich noch mit ihren Streichen groß, / verheeren
alles rings und lassen nichts mehr los, / der eine foltert, bis sie ihm das Gold
verraten, / der andre stachelt auf zu tausend Missetaten, / und insgeheim
vergehn sie sich an alt und jung / mit Diebstahl, Raub, Mord, Vergewal
tigung.»131
Eine in vieler Hinsicht vergleichbare Gewaltszene findet sich am
Anfang von Grimmelshausens Der abenteuerliche Simplicissimus: Die Reiter,
die den elterlichen Bauernhof im Spessart überfallen, «durchstürmten das
Haus unten und oben; ja das heimlich Gemach war nicht sicher, gleichsam
ob wäre das golden Fell von Kolchis darinnen verborgen. Andere mach
ten von Tuch, Kleidungen und allerlei Hausrat große Päck zusammen, als
ob sie irgends einen Krempelmarkt anrichten wollten; was sie aber nicht
mitzunehmen gedachten, wurde zerschlagen; etliche durchstachen Heu
und Stroh mit ihren Degen, als ob sie nicht Schaf und Schwein genug zu
stechen gehabt hätten; etliche schütteten die Federn aus den Betten und
fülleten hingegen Speck, andere Dürrfleisch und sonst Gerät hinein, als ob
D ie g ro ß e K lag e: U n g lü ck sb ew ältig u n g in L ite ra tu r u n d b ild e n d e r K u n st 703
alsdann besser darauf zu schlafen gewest wäre. [... ] Unsere Magd ward im
Stall dermaßen traktiert, daß sie nicht mehr daraus gehen konnte, welches
zwar eine Schand ist zu melden. Den Knecht legten sie gebunden auf die
Erd, steckten ihm ein Sperrholz ins Maul und schütteten ihm einen Melk
kübel voll garstig Mistlachenwasser in Leib: das sie ein schwedischen Trunk
nenneten, wodurch sie ihn zwungen, ein Partei [eine weitere Gruppe von
Reitern] anderwärts zu führen, allda sie Viehe und Menschen hinwegnah
men und in unsern H of brachten, unter welchen mein Knan [Vater], meine
Meuder [Mutter] und unser Ursele [Simplicius’ Schwester] auch waren. Da
fing man erst an, die Steine [Zündsteine] von den Pistolen und hingegen an
deren Statt die Bauren Daumen aufzuschrauben und die arme Schelmen so
zu foltern, als wenn man hätt Hexen brennen wollen, maßen sie auch einen
von den gefangenen Bauren bereits in Backofen steckten und mit Feuer hin
ter ihm her waren, man gesehen er noch nichts bekennt hatte. Einem andern
machten sie ein Seil um den Kopf und raitelten [drehten] es mit einem Ben
gel [Prügel] zusammen, daß ihm das Blut zu Mund, Nas und Ohren her
aussprang. [... ] Allein mein Knan war meinem damaligen Bedünken nach
der glückseligste, weil er mit lachendem Munde bekennete, was andere mit
Schmerzen und jämmerlicher Wehklag sagen mußten; und solche Ehre
widerfuhr ihm ohne Zweifel darum, weil er der Hausvater war; dann setz
ten sie ihn zu einem Feuer, banden ihm, daß er weder Händ noch Füß regen
konnte, und rieben seine Fußsohlen mit angefeuchtetem Salz, welches ihm
unser alte Geiß wieder ablecken und dadurch so kützeln mußte, daß er vor
Lachen hätte bersten mögen. [... ] In solchem Gelächter bekannte er seine
Schuldigkeit und öffnete den verborgenen Schatz, welcher von Gold, Perlen
und Kleinodien viel reicher war als man hinter Bauren hätte suchen mögen.
Von den gefangenen Weibern, Mägden und Töchtern weiß ich sonderlich
nichts zu sagen, weil mich die Krieger nicht Zusehen ließen, wie sie mit
ihnen umgiengen. Das weiß ich noch wohl, daß man hin und wieder in den
Winkeln erbärmlich schreien hörte; schätze wohl, daß es meiner Meuder
und unserm Ursele nit besser gangen als den andern.»132
Die bei Callot auf fünf Blättern ausführlich dargestellten Verbrechen
der Marodeure enden, wie auf der neunten Radierung zu sehen, mit der
Entdeckung und Festnahme der Übeltäter durch eine Soldateneinheit, die
704 E IN K R IE G , D E R N IC H T E N D E N W IL L
mussten sie Stiefel und Obergewand ablegen, wie die Hüte und Kleider im
vorderen Bildzentrum zeigen. Der Weg zum Galgenbaum ist einer der Ent
kleidung all dessen, was die Männer als Soldaten gekennzeichnet hat; die
Leiber der Baumelnden sind nur noch mit einem Hemd bekleidet. Vor der
Hinrichtung wird dem Soldaten die Ehre genommen. Dass die Exekution
noch einige Zeit weitergehen wird, lassen nicht bloß die unter dem Baum
auf den Tod Wartenden vermuten, sondern auch ein am äußersten rechten
Bildrand noch mit Stiefeln, Hose und Obergewand Herangeführter, dem
ein Mönch Trost für seinen letzten Gang zuspricht.
Callots Radierungen sind, zumindest was die ersten vierzehn Blätter
anbetrifft, auch eine Bearbeitung des Elends und eine Bewältigung des
Unglücks. Sie zeigen, gemessen an den Gepflogenheiten der Kriegführung
und beurteilt nach dem Recht des Krieges, aus der Bahn geratene Gewalt
in ungeschönter Deutlichkeit, aber sie führen auch vor, wie diese Gewalt
abgestraft wird - und das in einer Härte und Konsequenz, dass heutige
Betrachter der Callot sehen Radierungen häufig Mitleid mit den Marodeu
ren haben. Dabei wird meist übersehen, dass es nicht nur um die Genugtu
ung ging, die dem zeitgenössischen Betrachter der Bilder im Nachhinein
verschafft wurde, sondern ebenso darum zu zeigen, dass die Führung des
Heeres bemüht war, das Marodeurswesen so weit wie möglich einzudäm
men. Callot beschränkt sich nicht darauf, die Gewalt des Unrechts ins Bild
zu setzen, vielmehr führt er auch die Gewalt des Rechts vor Augen. Das Ver
trauen, dass sich die Ordnung gegen die andringenden Kräfte ihrer Zerstö
rung selbst behaupten kann, wird so wiederhergestellt. Ob unrechtmäßige
und strafende Gewalt dazu das richtige Mittel ist, steht auf einem anderen
Blatt; Callots Radierungen bilden ihrer Intention nach in jedem Fall einen
strikten Gegensatz zu den apokalyptischen Darstellungen des Krieges.
Der Dreißigjährige Krieg war jedoch schon aufgrund seiner Dauer
kein Krieg, dessen Schrecken sich durch eine solche Komplementarität der
Gewaltdarstellung bewältigen ließ. Deswegen endet Callots Zyklus auch
nicht mit der Hinrichtung eines Delinquenten auf dem Rad, sondern setzt
sich in vier weiteren Bildern fort: «Das Hospital», «Sterbende am Stra
ßenrand», «Die Rache der Bauern» und «Die Verteilung der Belohnun
gen». Die ersten beiden Radierungen zeigen die Folgen der Kriegsgewalt
MW
ohne Gegenüberstellung von Recht und Unrecht, also schlichtweg das, was
die auf dem dritten Bild des Zyklus dargestellte Schlacht am Leib der Sol
daten hinterlässt: Verstümmelungen und tödliche Wunden. Der vorletzte
Stich zeigt einen der alternativen Vorgänge zur Wiederherstellung der Ord
nung durch das Militär selbst: Bauern haben eine Militärkolonne in einen
Hinterhalt gelockt und machen die Soldaten mit Sensen und Spießen,
Knüppeln und Dreschflegeln gnadenlos nieder - was mit dem Fortgang des
Krieges immer häufiger vorgekommen ist. Im Mittelpunkt der Radierung
steht eine Szene, in der den getöteten Soldaten ihre Habseligkeiten geraubt
und schließlich auch ihre Kleider vom Leib gerissen werden. Im Vergleich
weckt das fünfzehnte Bild mit dem Titel «Das Hospital», das einen Strom
von Versehrten zeigt, die an ihren breitkrempigen Hüten als ehemalige Sol
daten erkennbar sind, Hoffnung auf ein Ende des Leids. Man sieht Männer
mit einem oder zwei Stelzfüßen, einige mit Krücken, andere, die nur noch
kriechen können. Es ist das Elend des Krieges, das sich hier versammelt
hat. Aber in der unteren rechten Bildhälfte werden die Verarmten und Ver
sehrten gespeist. Die von einer Mauer geschützte Stadt mit ihrer großen
Kirche im Zentrum wirkt vom Krieg unberührt und bereit, die Elenden
aufzunehmen. Das Bild zeigt damit zugleich die Schrecken des Krieges wie
die Wiederherstellung von Mitgefühl und Ordnung.
Mit den drei Schreckensbildern lässt Callot es indes nicht bewenden; er
708 E IN K R IE G , D E R N IC H T E N D E N W IL L
schließt seinen Zyklus mit einer Radierung ab, die so gar nicht zum Thema
Elend und Unglück passen will: «Die Verteilung der Belohnungen». Das
Geschehen spielt sich in einem palastähnlichen Raum ab, in dessen Mitte
ein Herrscher thront, der die zu beiden Seiten seines Podiums stehenden
Offiziere belohnt. Es sind ausnahmslos hochrangige Militärs, die in der
dargestellten Szene befördert und beschenkt werden: auf der linken Bild
seite, den Fahnen nach zu urteilen, die Kommandeure von Fußtruppen,
auf der rechten Bildseite offenbar Kavallerieoffiziere. Sie haben den Krieg
überlebt, gehören der Siegerpartei an und nehmen nun die Ehrungen und
Geschenke entgegen, um derentwillen sie in den Krieg gezogen sind. Das
sind vermutlich nicht nur Halsketten und Brustbänder, wie sie links des
Thrones überreicht werden, sondern auch Geldgeschenke und Ländereien
als materielles Unterpfand der immateriellen Ehre.
Während das Bild keine Frage offenzulassen scheint, ist Marolies Text
irritierend: «Dies ist ein Offizier, gerecht und beispielhaft; / wie er die
Guten lohnt und auch die Bösen straft, / muß die Soldaten wohl bei ihrer
Ehre greifen, / kann ihnen doch das Glück nur aus der Tugend reifen, / und
für das Laster zahlt man, wie ein jeder weiß, / mit Schande, Schimpf und
Folter einen hohen Preis.»135 Die Bildunterschrift könnte so verstanden
werden, als seien hier die Guten wie die Bösen zu sehen, als werde sowohl
über die Tugend als auch über das Laster abgerechnet. Dieser Deutung
nach müssten die zur Linken des Offiziers Befindlichen die Bösen und
Lasterhaften sein, denen Schimpf und Schande und womöglich sogar die
Folter droht. Dafür gibt es in Callots Darstellung jedoch keine Anhalts
punkte. Marolies’ «wie ein jeder weiß» ist wohl auf die vorangegangenen
Bilder bezogen, auf denen die Bestrafung der Übeltäter dargestellt wurde,
während es auf dem letzten Bild nur noch um «die Verteilung der Beute»
geht, wie Bernd Schuchter angemerkt hat.136 Man kann in der Radierung
freilich auch einen kritischen Kommentar zu den üblichen Ehrungen und
Feiern nach Beendigung eines Krieges sehen - jedenfalls wenn man das
Bild nicht für sich betrachtet, sondern es in den Gesamtzusammenhang des
Zyklus stellt. Dann nämlich bekommen die Belohnungen einen faden Bei
geschmack angesichts der Marodeure, die von den Offizieren nicht unter
Kontrolle gehalten worden sind, sich bei ihren Überfällen und Raubzügen
D ie g ro ß e K lag e: U n g lü ck sb ew ältig u n g in L ite ra tu r und b ild e n d e r K u n st 709
aber sicher nur geringere Werte angeeignet haben, als sie hier großzügig
verteilt werden. Die Versehrten vor dem Hospital und die Sterbenden am
Wegrand (sechzehntes Bild) stünden dann nicht nur für die unvermeidli
chen Folgen des Krieges, sondern wären auch die Negativfolie zur Vergabe
von Belohnungen auf dem letzten Blatt des Callot’schen Zyklus.
Die Reichsstadt Augsburg als klagende Witwe in der unteren Bildmitte, mit
der Rechten auf die Stadtvedute verweisend, erinnert sich an die Durchset
zung des kaiserlichen Restitutionsedikts, als ihr der Status der Bikonfessio-
nalität genommen und die protestantischen Kirchen «zwangskatholisiert»
wurden. Für diese Erinnerung steht die Kirche auf der linken Bildseite,
aus der Bücher herausgeworfen werden, darunter auch die Bibel. Aber
dann kam Gustav Adolf mit dem schwedischen Heer, nahm die Stadt ein
und stellte die Rechte des protestantischen Bekenntnisses wieder her: Der
schwedische König ist der Beschützer der Witwen und Waisen. «D iß ist
der Mann / Der helffen kan .»
In den Monaten davor war zu allem Unglück auch noch die Pest nach
Augsburg zurückgekehrt und hatte der physisch geschwächten Bevölke
rung weiter zugesetzt. Nun stritt man über die Frage, ob man durchhalten
und auf schwedischen Entsatz warten oder in Verhandlungen mit den Bela
gerern eintreten solle. Die vier Jahre zuvor in Magdeburg geführten Debat
ten wiederholten sich in Augsburg: A uf der einen Seite stand die Gruppe
derer, die um das Schicksal der Stadt besorgt waren und bei einem Sturm
viel zu verlieren hatten; auf der anderen Seite jene, für die Widerstand eine
Glaubensverpflichtung war und die auf ein Wunder wie im Frühjahr 1632
hofften.148 Maximilian war zu klug, einen Sturmangriff auf Augsburg anzu
ordnen, zumal die militärische Lage sich so entwickelte, dass er sich Zeit
lassen konnte. Unter keinen Umständen sollten sich die Vorgänge bei der
Eroberung Magdeburgs wiederholen, als das große Feuer die Eroberung
wertlos gemacht und die anschließende publizistische Kampagne Tillys
Reputation ausgelöscht hatten. Die Opfer von Seuchen und Hunger, so
das Kalkül des Kurfürsten, würden politisch nicht auf sein Konto, sondern
auf das der Widerstandleistenden gehen. Diese Rechnung ging auf: Am
24. Mai 1635 willigte der Rat in die angebotenen Kapitulationsbedingungen
ein, und vier Tage später verließ die schwedische Garnison die Stadt. Ihr
schloss sich eine große Gruppe von Emigranten an, die den abzusehenden
Prozess der Rekatholisierung nicht über sich ergehen lassen, geschweige
denn mitmachen wollten.149
teure Heer weiterhin zu unterhalten - und dieses Geld konnte er nur von
Spanien bekommen. Also schloss man sich der Madrider Linie des Hauses
Habsburg wieder enger an, und das hieß, dass man noch stärker gegenüber
Frankreich Stellung bezog.
Mitte April 163s hielt Oxenstierna sich in Frankreich auf, wo er den Ver
trag von Compiegne aushandelte, der vorsah, dass Frankreich den Wiener
Habsburgern den Krieg erklärte und 200 000 Taler Subsidien an Schweden
zahlte. Außerdem verpflichteten sich beide Länder, keinen Separatfrieden
ohne das Wissen des anderen abzuschließen. Oxenstierna wiederum sagte
Frankreich zu, in allen von Schweden abhängigen Gebieten Deutschlands
für die Religionsfreiheit der Katholiken zu sorgen.153 Der Vertrag trat
jedoch nie in Kraft, weil Schweden ihn nicht ratifizierte und Frankreich
keine Subsidien zahlte. Noch setzten einflussreiche Vertreter in Stockholm
darauf, dass man mit dem Kaiser einen Friedensvertrag aushandeln konnte,
und daran wollte man sich nicht durch einen Bündnisvertrag mit Frank
reich hindern lassen. Der neue Kaiser Ferdinand III. führte unterdessen
die prospanische Politik weiter, die sein Vater auf dem Regensburger Kur
fürstentag von 1634/35 eingeleitet hatte. Der alte Kaiser hatte dort erklärt,
der König von Spanien sei rechtmäßiger Herr der unverändert zum Reich
gehörenden Niederlande, und er, der Kaiser, sei gewillt, den Bestimmun
gen des Burgundischen Vertrags von 1548 gemäß den spanischen König im
Kampf gegen die «Rebellen» zu unterstützen. Das Kaiserhaus sei in dem
Konflikt also nicht neutral, deswegen komme der Abschluss eines Nichtan-
griffsvertrags, wie von den Generalstaaten vorgeschlagen, nicht in Frage.154
Das lief, nachdem sich Frankreich auf die Seite der nördlichen Nieder
lande gestellt hatte, auf eine Bestätigung des inoffiziellen Kriegszustands
mit Frankreich hinaus. Die anwesenden Kurfürsten, die vom Schutz des
kaiserlichen Heeres abhängig waren, wagten nicht, dem Kaiser zu wider
sprechen, und versicherten, sie hätten nie beabsichtigt, den Niederlanden
neue Rechte und Freiheiten zuzugestehen. Damit banden sie sich ebenso
wie der Kaiser an Spanien. Der Historiker Christoph Kampmann hat die
Folgen dieser Entscheidung zusammengefasst: «Indem man sich nun der
Hilfe Spaniens bediente, um den Prager Frieden durchzusetzen, wurden
Leitprinzipien dieses Friedensschlusses aufgegeben: Denn statt die west-
718 E IN K R IE G , D E R N IC H T E N D E N W IL L
Das Problem der Offensiven von 1635 und 1636 war, dass Generalleut
nant Matthias Gallas, der unter dem König von Ungarn und Böhmen als
Oberkommandierendem tatsächlich die Truppen führte und auch für die
Ausarbeitung der Feldzugspläne verantwortlich war, kaum der Richtige
für eine offensive Kriegführung war. Er bevorzugte eine defensive Strate
gie, aus der heraus begrenzte Offensiven geführt werden konnten, und war
darin ein Schüler Wallensteins, der ebenfalls nach diesem Grundsatz agiert
hatte. Will man Gallas nicht von vornherein als «Heerverderber» abtun,
so muss man die Frage stellen, ob eine «napoleonische Strategie» unter
den Bedingungen des 17. Jahrhunderts überhaupt praktikabel war. Verneint
man das, so scheint Gallas’ Präferenz für die Rolle des «Cunctators», wie
man ihn in Wien nannte, des notorischen Zögerers, durchaus vernünftig
gewesen zu sein.163 Gallas’ eigene Feldzugspläne liefen jedenfalls stets auf
die Verteidigung der Rheinlinie hinaus, wurden dann aber von ihm selbst,
den Anweisungen und Forderungen aus Wien entsprechend, immer wieder
zu Offensivplänen umgestaltet, ohne dass darin ein schlüssiges Konzept zu
erkennen gewesen wäre. Dass dem kein durchschlagender Erfolg beschie-
den war, kann nicht überraschen.
Das Kriegsjahr 1634 hatte nach dem großen Sieg bei Nördlingen mit
der Besetzung ganz Südwestdeutschlands durch kaiserliche und bayerische
Truppen geendet, die bis zum Rhein und zum Neckar vorstießen. Dabei fiel
auch Heidelberg als eines der politischen Symbole dieses Krieges wieder in
katholische Hände. Noch vor Jahresende aber überschritten französische
Truppen von Mannheim aus den Rhein und eroberten Heidelberg, Stadt
und Schloss, im Handstreich zurück.164 Die bayerischen Verteidiger hatten
sich überrumpeln lassen; sie waren ebenso arg- wie sorglos, vermutlich
wegen der bevorstehenden Weihnachtstage, womöglich aber auch des
wegen, weil sich Frankreich und der Kaiser nach wie vor offiziell nicht im
Kriegszustand befanden und der bayerische Kurfürst wieder einmal mit der
französischen Seite verhandelte. Der Schlag gegen Heidelberg war jeden
falls eine Provokation, durch den der Druck auf Gallas, einen Offensivkrieg
gegen Frankreich zu führen, erhöht wurde. Zunächst jedoch musste man
sich mit schnellen Vorstößen der Werth’schen Kavallerie über den zuge
frorenen Rhein begnügen. In seiner «Doppelstellung als kaiserlicher wie
D as E in g re ifen Frankreichs 721
tik für Frankreich bedeutete, der Sturz des Kardinals würde herbeiführen
lassen. Dazu musste man jedoch Frankreich ganz andere Schläge versetzen
als beim Feldzug von 1635; gleichzeitig musste man vermeiden, dass es im
Zuge dieser Schläge in Frankreich zu einer «nationalen» Einigung unter
der Führung Richelieus kam. Das war eine diffizile Aufgabe, der man offen
bar dadurch Rechnung zu tragen suchte, dass man Karl von Lothringen als
Oberkommandierenden der bayerischen Einheiten innerhalb der Reichs
armada durch Johann von Götz ersetzte, der aus kaiserlichen in bayerische
Dienste überwechselte.168 Der Lothringer hatte seine eigenen Interessen
allzu offensichtlich verfolgt und sich dafür der bayerischen Regimenter
bedient, was Maximilian missfallen hatte. Offenbar stand er aber auch dem
Vorhaben im Wege, mit militärischen Mitteln einen Kurswechsel in Paris
zu erzwingen.
Diese politische Zwecksetzung ließ sich jedoch nicht mit einer Defen
sivstrategie erreichen, wie sie Gallas präferierte. Deswegen wäre es richtig
gewesen, auch ihn abzulösen. Das Problem war, dass man im kaiserlichen
Heer niemanden als Alternative hatte oder sich zumindest niemand auf
drängte, der ihn hätte ersetzen können. Feldmarschall Colloredo verkör
perte den Offensivgedanken, aber seine militärische Karriere wies eine
Reihe von Schlappen und Führungsfehlern auf;169 auch Feldmarschall
Piccolomini wäre für eine Offensivkriegführung in Frage gekommen,170
doch man schreckte in Wien davor zurück, die treibende Kraft bei der
Ermordung Wallensteins an die Spitze des Heeres zu stellen. Das vorge
sehene politisch-militärische Vorhaben und das mit seiner Ausführung
befasste Personal passten jedenfalls nicht zusammen. Im Rückblick lässt
sich jedenfalls so viel sagen: 1636 bestand für den Kaiser zum letzten Mal
die Möglichkeit, aus der Position des Siegers heraus einen Frieden zu
schließen,171 denn wäre Frankreich aus dem Krieg ausgeschieden, hätte sich
Schweden zwangsläufig aus Deutschland zurückgezogen.
Der Feldzugsplan für 1636 sah einen Zangenangriff auf Frankreich aus
Osten und Norden vor: Der eine Teil der Truppen sollte vom Rhein her
vorstoßen, während der andere von Flandern aus in die Picardie einfallen
und auf Paris marschieren sollte.172 Es handelte sich also um eine Operation
724 E IN K R IE G , D ER N IC H T E N D EN W ILL
auf der äußeren Linie, deren Gelingen von einer funktionierenden Kom
munikation zwischen beiden Angriffszangen abhing. Dass man sich über
den Punkt des Zusammentreffens beider Angriffskeile nicht verständigte,
zeigt, dass sich Kardinalinfant Fernando und Ferdinand III. über die Vor
aussetzungen einer erfolgversprechenden Koalitionskriegführung nicht
im Klaren waren. Was bei Nördlingen im taktischen Zusammenwirken
beider Armeen auf dem Schlachtfeld gut geklappt hatte, funktionierte bei
dem Feldzug von 1636 im strategischen Zusammenwirken nicht. Der Kardi
nalinfant, 1635 noch ganz mit den Niederländern beschäftigt, kam im Früh
jahr 1636 zu dem Ergebnis, dass die Holländer in diesem Jahr keinen Angriff
gegen die spanischen Niederlande unternehmen würden; er konnte also
seine Streitkräfte gegen Frankreich einsetzen. Da sich deren Aufstellung in
den südlichen Niederlanden aufgrund der begrenzten Räume und des ver
zweigten Fluss- und Kanalsystems leicht verändern ließ, begann der von
ihm geführte Angriff deutlich früher als jener der vom Oberrhein her kom
menden Reichsarmada.173 Es kam hinzu, dass Gallas etwa 30 000 Mann der
ihm verfügbaren Truppen hatte abgeben müssen, damit sie auf anderen
Kriegsschauplätzen eingesetzt werden konnten: 10 000 Mann unter Hatz
feld, die dem sächsischen Kurfürsten Johann Georg im Krieg gegen die
Schweden beistehen sollten, 10 000 Mann unter Götz gegen Wilhelm V.,
den Landgrafen von Hessen-Kassel, der einmal mehr seinen Darmstädter
Verwandten bedrängte, sowie schließlich weitere 10 000 Mann unter Picco
lomini, die zur Unterstützung des Kardinalinfanten in die südlichen Nie
derlande entsandt wurden und dort die Spitze des Angriffs in der Picardie
bildeten.174 Gallas standen also nur noch begrenzte Kräfte zur Verfügung,
was, wenn man die Versorgungsprobleme des Heeres ins Auge fasst, auch
von Vorteil sein konnte. Er musste dazu jedoch schnell und entschlossen
operieren, und genau das war Gallas’ Sache nicht. Dazu kam, dass am Wie
ner H of Bedenken geäußert wurden, ob es wirklich klug sei, den Krieg
gegen Frankreich durch eine solche Offensive zu forcieren. Schließlich
befand man sich nach wie vor offiziell nicht im Kriegszustand mit Frank
reich, und daher sei es, so vor allem die Hoffnung des alten Kaisers, noch
immer möglich, mit den Franzosen ein Übereinkommen zu finden.175
Ob man Gallas das mitteilte oder ob es genügte, ihn nicht zu ent-
Das Eingreifen Frankreichs 7 *5
den Kaiserlichen erobert. Die strategische Funktion, die es bis dahin für
die antihabsburgische Koalition gehabt hatte, übernahm Hessen-Kassel,
wo nach Wilhelms frühem Tod am 1. Oktober 1637 seine Gemahlin Ama
lie Elisabeth aus dem Hause Hanau-Münzenberg die Regierungsgeschäfte
übernahm und mit großer Entschlossenheit führte.180
Nachdem Gallas von Drusenheim aufgebrochen war, zogen sich Her
zog Bernhard und Kardinal La Valette nach Lothringen zurück, offenbar
in der Erwartung, dass die Kaiserlichen über Lothringen nach Frankreich
Vordringen würden; vielleicht auch mit dem Ziel, das in den letzten Jahren
unter großen Anstrengungen eroberte Herzogtum gegen seine Rückerobe
rung durch Herzog Karl zu verteidigen. Sie gingen jedenfalls davon aus,
Gallas werde den Feldzug von 1635 wiederholen und versuchen, mit der in
die Picardie eingedrungenen Armee des Kardinalinfanten zu kooperieren.
Gallas Vormarsch nahm in diesem Jahr aber einen anderen Weg: Er fiel in
Burgund ein, wo ein französisches Heer unter dem Herzog von Enghien
die Stadt Dole belagerte. Bei Champhtte gelang es dem von Enghien ent
sandten General Josias Rantzau, einem gebürtigen Holsteiner, der lange
in schwedischen Diensten gestanden hatte, zusammen mit Truppen
Bernhards und La Valettes Gallas den Weg zu versperren.181 Anstatt den
schwachen Gegner anzugreifen und den Vörmarschweg freizukämpfen,
errichtete Gallas ein Lager, in dem er mehr als einen Monat wartete, bis
er in Richtung Dijon weiterzog. Mittlerweile war es Anfang Oktober, es
gab starke Regenfälle, die das Fortkommen verlangsamten. Vor dem befes
tigten Städtchen Saint-Jean-de-Losne kam er dann zum Stehen, und am
27. Oktober entschloss sich Gallas zum Rückzug. Der wurde zum Desaster,
denn auf den aufgeweichten Wegen blieben die Kanonen und schweren
Wagen stecken und mussten zurückgelassen werden; die Soldaten litten
Hunger und desertierten in großer Zahl, «also daß w ir», so der Gallas
verfolgende Herzog Bernhard, «m it Gefangenen überhäuft worden».182
Bernhard schätzte die Verluste der kaiserlichen Armee während des Rück
zugs auf 5000 Mann und hielt bereits Anfang November fest: «Also ist die
große Corpus [Armeekorps] und starke Macht in kurzer Zeit durch Gottes
gnädigen Beistand dergestalt ruiniert worden, daß wenig Dienste mehr von
solchen zu hoffen.»183
Das Eingreifen Frankreichs 727
Man wird das Scheitern des Zangenangriffs auf Frankreich sicherlich nicht
allein Gallas anlasten können; auch der Vorstoß des Kardinalinfanten war
bei Corbie zum Stehen gekommen. Aber Fernando ruinierte das Heer nicht
auf dem Rückzug wie Gallas, der erst mit dem Vormarsch zu lange gezögert
und dann die Rückzugsorder zu spät gegeben hatte. Der Hofkriegsrat in
Wien zog aus dem Desaster Konsequenzen, entfernte Gallas vom Ober
rhein und übertrug ihm das Kommando über die gegen die Schweden ein
gesetzte Armee in Böhmen. Das ist nicht unbedingt als Misstrauenserklä
rung zu verstehen; nachdem man bei Wittstock gerade eine folgenreiche
Niederlage erlitten hatte,184 kam es auf diesem Kriegsschauplatz darauf an,
die Armee zu reorganisieren und vorerst aus der Defensive heraus zu ope
rieren. Dafür war Gallas der richtige Mann. Es gelang ihm, sich mit dem
Feldzug gegen Baner, den er bis nach Pommern zurückdrängte, zu rehabi
litieren.185
Auch in Nordostdeutschland, wo nun schon seit mehreren Jahren unun
terbrochen Krieg geführt wurde, zeigten sich immer deutlicher die Folgen
für Land und Leute. Am 26. Oktober 1637 schrieb Baner an Oxenstierna:
«Undt hatt Gott der allmechtige überaus ein solch Unglück über die Marek,
lande Mecklenburg undt Pommern verhenget, dass fast alles viehe, davon
man noch etliche jahr leben können, hinweg gestorben, und die dörffer
undt Felder damit gleichsam beseet seind, so wohl auch die heusser voll
todte menschen liegen, undt der Jammer gewiss so gross ist, dass er nicht
grösser sein könnte, noch genug zu beschreiben ist. [... ] Denn zwischen
hier [Stettin] und der Elbe ist alles devastiret [verwüstet], auff jentseit [der
Elbe] bis in Francken ist es nicht viell besser, undt also in Deutschland
wenig zu hoffen, ausgenommen in den kayserlichen erblendern.»186 Aus
den Beobachtungen Baners, die auf viele andere Regionen gleichermaßen
zutreffen, lässt sich mehreres folgern. Zunächst, dass der Krieg nicht so
weitergeführt werden konnte wie bisher, sondern dass man ihn entweder
beenden oder mit sehr viel kleineren Heeren fortsetzen musste. Wenn man
den Krieg fortsetzte, musste bei der operativen Führung noch stärker auf
die logistischen Gegebenheiten geachtet werden: Es galt, alles daranzu
setzen, den Krieg aus den eigenen Gebieten in die des Gegners zu tragen,
um die eigenen Truppen daraus zu versorgen und das Land gleichzeitig so
728 E IN K R IE G , D ER N IC H T EN D EN W ILL
zu «devastieren», dass dem Gegner die Möglichkeiten oder der Wille zur
Fortsetzung des Krieges genommen wurden.
Mehr als der Missmut über seine zögerliche Kriegführung trug zu Gallas’
zeitweiligem Bedeutungsverlust innerhalb der kaiserlichen Militärführung
bei, dass Defensivstrategen wie er unter den veränderten Erfordernissen
der Kriegführung immer weniger gebraucht wurden. Die prägenden Gene
räle der kommenden Kriegsjahre waren Praktiker der schnellen Offensive,
die mehr auf Kavallerie als auf Infanterie und Artillerie setzten: In mancher
Hinsicht trifft das auf Baner zu, vor allem aber auf Bernhard von Weimar
und Jan von Werth. Beide bestimmten das Kriegsgeschehen am Oberrhein,
das aus einer Mischung aus Reitergefechten und Festungskrieg bestand.
Was sich auf den ersten Blick wie ein Widerspruch oder zumindest wie ein
ungeordnetes Nebeneinander ausnimmt, verhielt sich tatsächlich komple
mentär zueinander: Die Truppen konnten umso weiträumiger operieren, je
mehr sie sich auf einen festen Rückhalt verlassen konnten, der ihnen als
Waffenplatz und Rückzugsort diente. In der Periode der großen Heere, der
Ära Tillys, vor allem aber Wallensteins und Gustav Adolfs, boten diesen
Rückhalt ausgedehnte Territorien, in denen die je erfolgreiche Seite auch
ihre konfessionspolitischen Ziele durchsetzte. Diese Territorien mussten
durch eine Reihe von Festungen und Garnisonen gesichert werden, womit
die Beweglichkeit der Truppen abnahm. Das änderte sich nunmehr, da
man sich auf wenige Festungen konzentrierte, das breite Land dagegen
ungeschützt ließ und mit leichter Kavallerie sowie Dragonern hier und
dort auffauchte, ohne die Territorien dauerhaft besetzen und kontrollieren
zu wollen. In der Folge trat die konfessionelle Komponente des Krieges
immer mehr zurück, und der obrigkeitlich ausgeübte Zwang zum Wech
sel des Bekenntnisses wurde seltener. Die Dimension des Religionskrie
ges, die in der ersten Kriegshälfte großes Gewicht gehabt hatte, verlor an
Relevanz, während Raub und Verwüstung, die den Krieg zwar von Anfang
an begleitet hatten, von der Heeresführung aber nach Möglichkeit einge
dämmt worden waren, nun die Oberhand erhielten. Es gehört zur Ironie
des Dreißigjährigen Krieges, dass gerade diese Entwicklung die Friedens
verhandlungen von Münster und Osnabrück erleichtert hat.
Das Eingreifen Frankreichs 729
Von Frieden konnte am Oberrhein indes noch lange nicht die Rede sein.
Herzog Bernhard nahm 1637 das Vorhaben eines Angriffs über den Rhein
hinweg wieder auf, und die kaiserliche Seite versuchte zu verhindern, dass
er durch die Eroberung der Festung Breisach festen Fuß fasste. Dabei kam
Bernhard zugute, dass das Kommando über die kaiserlichen Truppen Her
zog Federigo Savelli übertragen worden war, einem Mann, der sich bereits
1630/31 als überfordert und unfähig erwiesen und die Festung Demmin den
Schweden ausgeliefert hatte.187 Die ständigen Konflikte zwischen Savelli
und Werth führten dazu, dass die Kaiserlichen das ganze Kriegsjahr 1637
damit beschäftigt waren, die Brückenköpfe einzudämmen, die Bernhard
errichtete, um den Krieg auf die andere Rheinseite zu tragen. Bernhard
war dabei kein großes Glück beschieden,188 aber seine aktive Kriegführung
sorgte dafür, dass es in diesem Jahr zu keinen Einfällen kaiserlicher Trup
pen ins Eisass und darüber hinaus kam. Überhaupt war das Kriegsjahr 1637
eher ein «ruhiges Jahr», in dem die Gewalt zwar stets präsent war, sich aber
nirgendwo ballte.
Das änderte sich mit Beginn des Jahres 1638, als Herzog Bernhard
in Schweizer Gebiet eindrang, um dort Proviant zu sammeln und einen
Rheinübergang zu suchen, bei dem er nicht sogleich auf gegnerische Trup
pen stieß, die seinen Brückenkopf angriffen und das Heer am Übersetzen
hinderten. Die Schweiz war ein neutrales Gebiet, aber nur im Prinzip: In
Graubünden, im Veltlin, kämpften seit den frühen 1620er Jahren Spanier
und Franzosen um die Kontrolle der Alpenpässe, immer wieder hatten
Durchzüge stattgefunden, und Schweizer Söldner waren in allen Heeren
vertreten. Die politischen Sympathien der einzelnen Kantone waren recht
unterschiedlich verteilt; die protestantischen hatten der Union nahegestan
den und später Sympathien mit den Schweden und dem Nördlinger Bund
entwickelt, während die katholischen aus einer grundsätzlich antihabsbur
gischen Haltung heraus zum Kaiser auf Distanz blieben. Basel stellte einen
besonderen Fall dar, insofern es formal noch zum Reich gehörte, aus dem
es dann mit dem Westfälischen Frieden ausscheiden sollte. Überhaupt
wurde die eidgenössische Verbindung erst 1648 im völkerrechtlichen Sinn
als eigenständiger politischer Akteur anerkannt.189 Bernhards Einfall in das
Basler Gebiet war also eher ein Tabubruch als ein völkerrechtswidriger
73° E IN K R IE G , D ER N IC H T E N D EN W ILL
Akt, und Basel oder die Schweiz wurden dadurch nicht zum Kriegsschau
platz. Für seinen Feldzug von 1638, der mit der Eroberung Breisachs endete,
nutzte Bernhard seine Basler Verbindungen, und seine spektakulären Siege
wären ihm kaum ohne den regelmäßigen Zufluss von Versorgungsgütern
aus Basel gelungen.
Bernhard kaufte alles, was er brauchte, wandte zu keinem Zeitpunkt
Gewalt an und erwies sich für die Basler als zuverlässiger Geschäftspart
ner. Max Conrad von Rehlinger, der als Agent des Herzogs in Bern und
Basel tätig war und die Geschäfte abwickelte, schrieb seinem Auftragge
ber: «Ist also die ganze Schweizerei ein elend Status und sonderlich der
Evangelischen, bei all ihrem vielen Land, Menge Volks und genug Geld.
Ich rathe, treibe und sollicitire [bearbeite] sie eifrig: aber sie bleiben bei
ihrem phlegmatischen alten Tand. Gott behüte sie vor Feindes Gefahr und
Krieg, denn ich sorge, es würde schlecht hergehen. Ihr Wunsch und Wille
wäre, daß euer Fürstlichen Gnaden Armee, auch die des Feindes, weit von
ihren Grenzen wäre, damit sie in stiller Ruhe sitzen bleiben möchten; denn
Das Eingreifen Frankreichs 731
sie fliehen alles Kriegswesen ärger als den Tod.»190 Das war ein Hinweis,
dass Bernhard keinen ernstlichen Widerstand zu erwarten hatte, solange er
dafür sorgte, dass es beim Aufenthalt seiner Armee auf Basler Gebiet nicht
zu Übergriffen auf die Bevölkerung kam.
Bernhards Plan gelang: Die Kaiserlichen rechneten nicht damit, dass
er den Rhein nahe dem Bodensee von Süden her überschreiten würde, und
schon gar nicht erwarteten sie dies im Winter, wenn normalerweise die
Waffen ruhten und die Soldaten ihre Quartiere bezogen hatten. Auch darin
war Bernhard ein gelehriger Schüler Gustav Adolfs, der 1630 und 1631 eben
falls die Zeit zwischen Dezember und Februar für Operationen genutzt
hatte. Neben der Unterstützung durch die Basler hing der Erfolg seines
Unternehmens aber auch davon ah, dass die Verteidiger der Festung Hoh
entwiel, die von den Kaiserlichen zwar immer wieder belagert, aber nie
eingenommen worden war,191 dem Vorstoß auf der rechten Oberrheinseite
keine Steine in den Weg legten. Bereits im November 1637 hatte Herzog
Bernhard mit dem Kommandanten des Hohentwiel, Oberst Conrad Wie
derhold, einen Geheimvertrag geschlossen. Er scheint den Feldzug von
1638 also von langer Hand vorbereitet zu haben. Am 20. Januar überquerten
Vorausabteilungen seiner Armee auf Kähnen bei Säckingen den Rhein. Die
Stadt, deren Bürger keinerlei Widerstand leisteten, diente als Sicherung
bei dem anschließenden Rheinübertritt des gesamten Heeres. Tags darauf
wurde Laufenburg eingenommen; damit hatte Bernhard auf der rechten
Rheinseite festen Fuß gefasst. «Gott hat mich gesegnet», schrieb er an
Oberst Hans Ludwig von Erlach, einen Berner Patrizier in seinem Heer,
«daß alles glücklich und wohl abgegangen ist.»192
Bernhards Ziel war, wie die kaiserliche Seite richtig vermutet hatte,
die Festung Breisach. A uf einem Felsrücken am Rhein gelegen, hatte sie
sich als Schlüsselposition zur Beherrschung des Flussabschnitts erwie
sen; was Ehrenbreitstein am Mittelrhein war, war Breisach am Oberrhein.
Die Festung ließ sich nicht im Sturm nehmen, sondern konnte nur aus
gehungert werden, doch um eine lange Belagerung durchführen zu kön
nen, musste man die Umgebung der Festung im Umkreis von mindestens
50 Kilometern beherrschen. Es war jederzeit mit Entsatzversuchen des
Gegners zu rechnen; die kaiserlich-bayerische Seite würde alles daran-
Die Verfügung über Festungsstädte spielte im Dreißigjährigen Krieg eine
zentrale Rolle. Dementsprechend waren sie hart umkämpft, zumal dann,
wenn mit ihnen auch die Kontrolle strategisch wichtiger Straßen und
Wasserwege verbunden war. Wer das hier abgebildete Breisach innehatte,
kontrollierte den Oberrhein.
griff eine größere Zahl von Gefangenen zu befreien und einige dem Feind
in die Hand gefallene Kanonen zurückzuerobern. Da seine Verluste jedoch
bedenklich waren, entschloss er sich, die Schlacht abzubrechen und sich
zurückzuziehen.
Savelli konnte den 28. Februar als Sieg verbuchen, überschätzte jedoch
dessen Bedeutung und Tragweite. Anstatt den abziehenden Feind zu
verfolgen oder zumindest weiter zu beobachten, ließ er seine Truppe bei
Rheinfelden den Sieg feiern. Bernhard hingegen sammelte seine Truppen
und rückte, von der Gegenseite unbemerkt, erneut auf Rheinfelden vor.
Was ihn bei Lützen ausgezeichnet hatte, bewährte sich auch bei Rheinfel
den: seine Weigerung, einen Rückschlag als Niederlage hinzunehmen, und
seine Entschlossenheit, die Scharte umgehend auszuwetzen. Als Savelli
gemeldet wurde, dass sich das Weimaraner Heer näherte, ließ er seine
Truppen in aller Eile Schlachtaufstellung nehmen:194 als erstes Treffen eine
dünne Linie von Musketieren, die einen zum Rhein verlaufenden Graben
als Deckung nutzten, dahinter als zweites Treffen das Gros von Infanterie
und Kavallerie sowie im dritten Treffen die Reserven. Savellis Schwäche
war die fehlende Artillerie;195 er hatte am 28. Februar zwar einige Kanonen
erbeutet, aber da er niemanden besaß, der sie bedienen konnte, hatte er sie
vor Rheinfelden auf offenem Feld stehen lassen. Das sollte sich als verhäng
nisvoller Fehler erweisen, denn nun fielen die Kanonen den vorrückenden
Truppen Bernhards in die Hände, die sie umgehend wieder gegen Savellis
Aufstellung einsetzten.
Bernhards Sieg in der zweiten Schlacht von Rheinfelden ist zum einen
auf den entschlossenen Angriff seiner Soldaten zurückzuführen, bei dem er
dieses Mal dafür sorgte, dass Flügel und Zentrum auf gleicher Höhe blie
ben, und zum anderen auf den taktisch geschickten Einsatz der Artillerie,
die mit der vorrückenden Infanterie vorgezogen wurde, so dass sie ihre
Salven in Pistolenschussweite in die gegnerischen Formationen feuerte, wo
sie verheerende Wirkung hatten. Aus der Schlappe vom 28. Februar hatte
Bernhard also in zweifacher Hinsicht gelernt. Savellis Kavallerieflügel flo
hen vom Schlachtfeld oder wurden umfasst. Der 3. März wurde so zu einem
glänzenden Triumph Bernhards: Die kaiserliche Armee wurde völlig ver
nichtet, 500 Mann wurden getötet, 3000 gefangen genommen, unter ihnen
734 E IN K R IE G , D ER N IC H T E N D EN W ILL
Nachdem das Verhältnis zwischen Wien und Madrid am Ende des Man
tuanischen Erbfolgekriegs mit dem Friedensschluss von Regensburg im
Jahr 1630 einen Tiefpunkt erreicht hatte, erfuhr es auf dem Schlachtfeld bei
Nördlingen eine Neubelebung, die den Kriegsverlauf in der zweiten Hälfte
der 1630er Jahre prägen sollte. Da waren zunächst spanische Truppen, die in
der Pfalz standen und dort eine Reihe von Festungen hielten, was sowohl
im spanischen Interesse war, weil so die «spanische Gasse», der camino
real, gesichert wurde, als auch in dem des Kaisers, weil die Spanier damit
ein Einfallstor nach Oberdeutschland verschlossen, wofür sonst kaiserliche
Truppen hätten aufgeboten werden müssen. Weiterhin banden die spani
schen Armeen in der Lombardei und den südlichen Niederlanden das Gros
der französischen Streitkräfte. Frankreich konnte daher am Oberrhein nur
sehr begrenzt aktiv werden, weswegen viele Bitten Herzog Bernhards nicht
oder erst mit großer Verzögerung erfüllt wurden. Zudem war da die gewal
tige Summe von 500 000 Talern, die seit der Schlacht bei Nördlingen Jahr
für Jahr von Spanien an den Kaiser überwiesen wurde und wesentlich dazu
beitrug, dass dieser den Krieg weiterführen konnte.203 Und schließlich war
Ferdinand III., der am 15. Februar 1637 die Regierungsgeschäffe übernom
men hatte, mit Maria Anna von Spanien, einer Schwester König Philipps IV.,
verheiratet, so dass man in Madrid nicht länger den antispanischen Einfluss
der Kaisergattin fürchten musste, wie das in der Zeit Ferdinands II. und
dessen zweiter Ehefrau Eleonora Gonzaga der Fall gewesen war.204
Die spanischen Subsidien für den Kaiser beliefen sich auf dieselbe
Summe wie die französischen für Schweden. Sie dienten in beiden Fällen
dazu, die militärische Handlungsfähigkeit des Empfängers sicherzustellen,
aber während sie im Fall Schwedens von elementarer Bedeutung waren,
konnte das kaiserliche Heer nach dem Beitritt vieler Reichsstände zum
Prager Frieden auch ohne sie unterhalten werden. Wollte man neue Heere
aufstellen, war jedoch auch die kaiserliche Seite auf Subsidien angewiesen.
Sofern man keine schweren Niederlagen einstecken musste, kam man mit
73» E IN K R IE G , D ER N IC H T E N D EN W ILL
den eigenen Mitteln aus; Niederlagen wie die von 1638 wurden mit den
spanischen Geldern aufgefangen. Das heißt: Solange man über die Gelder
aus Madrid verfügte, besaßen Niederlagen nur begrenzte politische Wir
kung, und deswegen hatten die großen Siege Herzog Bernhards auch nur
begrenzte politische Effekte. Das sollte sich von dem Augenblick an ändern,
als die spanischen Gelder nicht mehr flössen. Von 1639/40 an hatten militä
rische Niederlagen für Wien ein ganz anderes Gewicht als zuvor.205
Als Gegenleistung für die Subsidien hatte Olivares, der leitende Minis
ter Philipps IV., erwartet, dass der Kaiser durch militärisches Eingreifen
die Generalstaaten dazu zwingen werde, in einen für Spanien vorteilhaften
Frieden einzuwilligen. Trotz wiederholter Anläufe hatte sich Ferdinand II.
jedoch nie nachhaltig gegen die nördlichen Niederlande engagiert - auch
nicht nach seiner Erklärung auf dem Kurfürstentag von 1636/37 in Regens
burg. Also begnügte man sich in Madrid damit, dass das kaiserliche Mili
tär seinen Beitrag zur Sicherung der «spanischen Gasse» leistete. Dabei
kam dem Oberrhein und vor allem der Festung Breisach eine herausgeho
bene Bedeutung zu, und so war es ein schwerer Schlag für Madrid, dass
die Festung 1636 verlorenging und de facto in französische Hände geriet.
Die gesamte spanische Militärstrategie sah die südlichen Niederlande als
Aufmarschbasis für den Krieg gegen die Generalstaaten und gegen Frank
reich vor. Da ein Krieg in den Pyrenäen mit unlösbaren logistischen Proble
men verbunden war, konzentrierten Franzosen und Spanier ihre Kräfte im
Nordwesten. Die Pyrenäen schützten Spanien zwar gegenüber den Franzo
sen, aber sobald man eine Offensivkriegführung betreiben wollte, war man
auf Flandern und Brabant angewiesen.
Um die Probleme auf dem camino real zu umgehen, entschloss man
sich im Sommer 1639, frische Truppen auf dem Seeweg in die südlichen
Niederlande zu bringen: In La Coruna wurde ein Geschwader von 70 Schif
fen unter Admiral Antonio de Oquendo zusammengestellt, das 13 000 Sol
daten in den Hafen von Dünkirchen bringen sollte.206 Ende September
wurde der spanische Flottenverband von einem holländischen Geschwader
unter Admiral Maarten Tromp gesichtet und angegriffen. Tromp ließ seine
Schiffe in Kiellinie auf die Spanier zulaufen, um die volle Feuerkraft seiner
Bordkanonen einsetzen zu können.207 Für Oquendo war eine Seeschlacht
Der Niedergang der spanischen Macht 739
mit den für die Niederlande bestimmten Soldaten an Bord zu riskant, des
wegen drehte er in die Downs ab, ein flaches Seegebiet vor Kent, wo man
davon ausgehen konnte, dass die Soldaten beim Untergang eines Schiffes
mit Booten an Land gebracht werden konnten. Die Holländer verstärkten
unterdessen ihre Flotte, und am 31. Oktober griff Tromp mit drei Geschwa
dern an. Die Spanier verloren 40 Schiffe, darunter auch das Flaggschiff
Santa Teresa und mehrere tausend Mann Besatzung und Landsoldaten.208
Tatsächlich traf die Niederlage in der Seeschlacht bei den Downs oder
bei Dover, wie sie wechselweise genannt wird, die spanische Machtstel
lung stärker als der Untergang der Armada ein halbes Jahrhundert zuvor,
da es nun keine sichere Verbindung in die Niederlande mehr gab und die
erlittenen Verluste nur noch sehr schwer ausgeglichen werden konnten.
Die Katastrophe bei Dover war der Auftakt zu einer ganzen Abfolge von
Rückschlägen und Niederlagen, die den spanischen Niedergang besiegel
ten. Die Folgen blieben nicht auf das spanische Imperium beschränkt, son
dern betrafen auch den Kaiser, insofern die Subsidienzahlungen von nun
an geringer ausfielen und schließlich ganz ausblieben. In Wien, so lässt sich
festhalten, hatte man aufs falsche Pferd gesetzt.
Wie so oft führte der Versuch, dem Niedergang entgegenzuwirken, zur
Verschärfung der Krise. Zuvor hatten die rückläufigen Silberimporte aus
der Neuen Welt bereits dazu geführt, dass in Spanien die Steuerbelastungen
angehoben wurden, um einen Zusammenbruch der Staatsfinanzen zu ver
meiden. Dabei nahm man keine Rücksicht mehr auf die Steuerprivilegien,
die Katalonien und dem seit 1580 vom spanischen König in Personalunion
mitregierten Portugal zugesichert worden waren. Schließlich erhöhte der
auf eine Verwaltungszentralisierung der spanischen «Kompositmonar-
chie» hinarbeitende Olivares die Steuerlast und die Verpflichtungen für
das Projekt einer union de armas noch einmal. Daraufhin brachen in Kata
lonien und Portugal Aufstände aus, die dafür sorgten, dass Spanien in den
folgenden Jahren mit sich selbst beschäftigt war. Nach mehr als einem Jahr
zehnt zähen Ringens, in das auch die französische Krone verwickelt war,
gelang es, Katalonien bei Spanien zu halten, während Portugal von 1640 an
politisch wieder eigene Wege ging.209
In den späten 1630er und frühen 1640er Jahren wurde der Niedergang
74° E IN K R IE G , D ER N IC H T EN D EN W ILL
Zunächst ging der Krieg in den Niederlanden aber weiter, und es gab auf
spanischer Seite die erkennbare Neigung, durch militärische Aktivität wett
zumachen, was dem Land an wirtschaftlicher und demographischer Potenz
- die kastilischen Kernlande litten seit einiger Zeit unter einem kontinuier
lichen Bevölkerungsrückgang - zunehmend abging. Da gegen die Gene
ralstaaten aufgrund des starken Festungsgürtels an ihrer Südgrenze keine
großen Fortschritte zu erzielen waren, konzentrierte der neue spanische
Militärkommandant Generalkapitän Francisco Manuel de Melo, ein gebür
tiger Portugiese, der 1640 der spanischen Krone gegenüber loyal geblieben
war, seine Truppen gegen Frankreich und belagerte die kleine Festung Roc-
roi gleich hinter der spanisch-französischen Grenze. Der Angriff hatte mehr
eine symbolische Bedeutung, als dass er von strategischer Relevanz war. Für
einen Vorstoß tief nach Frankreich hinein, wie ihn Werths Kavallerie bis
in die Nähe von Paris geführt hatte, fehlten Melo die Kräfte, und an eine
Zangenoperation war nicht zu denken. Eine solche war im Sommer 1636
missglückt,211 aber der Schrecken, den sie verbreitet hatte, war der französi
schen Politik noch gut im Gedächtnis. Deswegen wurde ein Heer unter dem
Herzog von Enghien in Marsch gesetzt, um einen Vorstoß der Spanier nach
Frankreich zu blockieren.
Der Herzog von Enghien, der später den Beinamen «der Große
Conde» erhielt, war zweiundzwanzig Jahre alt und zeichnete sich kaum
durch militärische Erfahrung, dafür aber durch große Risikobereitschaff
und ungestümes Draufgängertum aus, besaß also alle Voraussetzungen
für ein verheerendes Desaster oder einen großen Sieg.212 Während des
Der Niedergang der spanischen Macht 741
Anmarschs auf Rocroi erreichte den Herzog die Nachricht, dass Lud
wig X III. gestorben sei. Da wenige Monate zuvor auch Richelieu verstor
ben war, dessen Nachfolger, der Kardinal Mazarin, von seiner Herkunft her
ein Italiener, der Thronfolger ein fünfjähriges Kind und die Königinwitwe
eine Spanierin war, gab es große Unsicherheit, welche Richtung die fran
zösische Politik in Zukunft nehmen würde. Es hätte also gute Gründe für
Enghien gegeben, in einiger Entfernung von Rocroi eine Warteposition zu
beziehen, um zunächst einmal herauszufinden, ob es mit dem neuen politi
schen Personal in Paris zu einem Kurswechsel kommen sollte. Ein weiterer
Grund, das Risiko einer Schlacht nicht einzugehen, war der Umstand, dass
in einer solchen Lage der Ungewissheit eine Niederlage sehr viel größere
politische Folgen hatte als unter politisch gefestigten Konstellationen. Aber
auch das hinderte Enghien nicht daran, die Schlacht gegen das spanische
Heer zu wagen.
Melo wiederum war sich seiner Sache sehr sicher und vertraute seiner
in vielen Kämpfen erprobten Infanterie. Er verfügte über 18 ooo Fußsolda
ten und 5000 Kavalleristen, dazu 18 Kanonen, also etwa 23 000 Mann. Da
die französische Armee aus 14500 Infanteristen, 6500 Kavalleristen und
zwölf Kanonen, also 21000 Mann bestand (was Melo freilich nur schät
zen konnte), sah er keinen Anlass, die Konfrontation hinauszuzögern und
die Ankunft weiterer 5000 Mann unter General Beck abzuwarten, die er
ursprünglich zur Eroberung des Schlosses von Chäteau-Regnault an der
Maas entsandt, bei der Nachricht vom Anmarsch der Franzosen aber zur
Hauptarmee zurückbeordert hatte. Einen Sieg hielt Melo mit Blick auf
die nach den Rückschlägen der letzten Jahre angefochtene Stellung Spa
niens in den Niederlanden für wichtig, daher ging auch er das Risiko einer
Schlacht ein.
ein furchtbares Gemetzel mit für damalige Verhältnisse sehr hohen Ver
lusten. Das war nicht zuletzt eine Folge des mit allenfalls zwei Kilometern
nicht gerade breiten Schlachtfelds, das auf der einen Seite durch Sumpfge
lände und auf der anderen durch ein vorspringendes Waldstück begrenzt
war. Melo hatte im Wald Musketiere postiert, die den Angriff des rechten
französischen Kavallerieflügels unter Flankenfeuer nehmen sollten, aber
Enghien hatte durch Überläufer davon erfahren und seinerseits Truppen
ausschwärmen lassen, um die Spanier aus dem Wald zu vertreiben.
Als am 19. Mai beide Heere aufeinandertrafen, nahm die Schlacht
zunächst einen ähnlichen Verlauf wie bei Rheinfelden in der ersten Kon
frontation zwischen Bernhard und Savelli:213 Der französische rechte
Flügel warf den linken der Spanier zurück, während der rechte spanische
Flügel dem linken französischen hart zusetzte und ihn zurückdrängte. Ent
scheidend für den weiteren Schlachtverlauf war, dass die Franzosen ihren
Erfolg energischer ausnutzten als die Spanier: Enghien brach mit seiner
Kavallerie in die Zwischenräume des zweiten und dritten gegnerischen
Infanterietreffens ein, und da diese - im Unterschied zu den Pelotons des
ersten Treffens - nicht nach Art der spanischen Tercios, sondern nach den
Vorgaben der Oranier aufgestellt waren (es handelte sich um deutsche und
wallonische Regimenter) und offenbar über zu wenig Pikeniere verfügten,
um die Kavallerieattacke abwehren zu können, wurden sie zersprengt und
niedergeritten.214 Melos Kavallerie, die den Infanteristen in dieser Situation
hätte zu Hilfe kommen müssen, war entweder zu weit zurückgeworfen wor
den oder zu weit vorgerückt. Im Prinzip war von diesem Augenblick an die
Schlacht für die Spanier verloren. Dass sie für sie zur Katastrophe wurde,
lag daran, dass Melo die Niederlage nicht akzeptierte und mit den Tercios
des ersten Treffens das Feld behaupten wollte.
Es war die Standhaftigkeit der spanischen Infanterie, die ihr bei Rocroi
zum Verhängnis wurde. Dreimal griffen die Franzosen die Tercios an, und
dreimal wurden sie zurückgeschlagen. Ein Zufall entschied die Schlacht:
Als die Spanier versuchten, ihre rückwärtig stehende Bagage und die der
Belagerung Rocrois dienenden schweren Kanonen aus dem Kampfgesche
hen zu bringen, wurden diese Verbände von französischer Kavallerie aus
einandergejagt. A uf dem Schlachtfeld hatte man jedoch den Eindruck, es
Der Niedergang der spanischen Macht 743
seien die zur Unterstützung anrückenden Einheiten Becks, die hier ange
griffen und zerschlagen wurden, und daraufhin sanken der Mut und Kamp
feswille der bisher unerschütterlichen Infanteristen. Spanische Offiziere
signalisierten, sie seien bereit zu kapitulieren, doch als Enghien heranritt,
um sich dessen zu vergewissern, wurde auf ihn geschossen. Danach gab es
kein Halten mehr: Französische Infanterie und Kavallerie sprengten die
Tercios auf und töteten, was ihnen vor die Waffe kam. Vergeblich versuchte
Enghien, seine Soldaten dazu zu bringen, «Quartier zu geben» und die
gegnerischen Soldaten gefangen zu nehmen. Am Abend waren 5000 Spa
nier tot und mehr als ebenso viele gefangen. Die legendäre spanische Infan
terie, der Kern des Heeres in den südlichen Niederlanden, war vernichtet.
Dieser Verlust war nicht zu ersetzen.
Nach der Schlacht von Rocroi spielte Spanien für den weiteren Verlauf
des Dreißigjährigen Krieges keine Rolle mehr. Die Subsidienzahlungen an
Wien waren 1641 de facto eingestellt worden, und die Fähigkeit, unmittelbar
militärischen Beistand zu leisten, war nach Rocroi dahin. Zwar hielten sich
die Spanier weiterhin in den südlichen Niederlanden, zu Offensivoperatio
nen waren sie aber nicht mehr in der Lage. Infolgedessen hatte die franzö
sische Politik, die unter Mazarin tendenziell dieselben Ziele verfolgte wie
zuvor unter Richelieu, die freie Wahl, wo und wie sie das Gros ihres Heeres
einsetzte. Sie entschied sich für den deutschen Kriegsschauplatz. Dem dop
pelten Druck der Schweden und Franzosen waren Kaiser Ferdinand III.
und Kurfürst Maximilian auf Dauer nicht gewachsen, zumal mit der Zeit
immer mehr Reichsstände, die sich dem Prager Frieden angeschlossen
hatten, wieder von ihm abfielen, sich für neutral erklärten oder Separat
friedensverträge mit Frankreich oder Schweden abschlossen. Nach Rocroi
standen in Deutschland die Zeichen endgültig auf Frieden. Jetzt kam es nur
noch darauf an, den Weg dorthin zu finden, und das sollte sich als ausge
sprochen schwierig heraussteilen.
7. K A P I T E L
ZW ISCHEN KRIEG UND FRIEDEN:
DER LANGE WEG NACH M Ü N ST E R UND
OSNABRÜCK
Die Präliminarfriedensvereinbarung
V
on den 1630er Jahren an nahmen die Bemühungen um eine Beendi
gung des Krieges zu, bei den einen, weil sie dem Sterben und der Ver
heerung des Landes ein Ende machen wollten, bei den anderen, weil sie
die militärisch günstigen Konstellationen des Augenblicks in eine politisch
dauerhafte Form überführen wollten. Es gab viele Gründe, den Krieg zu
beenden, aber es war gerade die Vielfalt an Motiven und Gründen, die den
Weg zum Frieden immer wieder versperrte. Das ist eine weitere Paradoxie
des Krieges: Das Vielerlei der Motivationen führte zu einem ausgepräg
ten Misstrauen gegenüber dem Friedenswunsch der anderen. War dieser
nur ein weiteres Element in einem Machtkampf, der bislang mit Waffen
ausgetragen wurde? Würde der Friede, um eine bekannte Umkehrung der
Clausewitz’schen Formel zu gebrauchen, womöglich nichts anderes sein
als eine Fortsetzung des Krieges mit anderen Mitteln? Dieses Misstrauen
sorgte dafür, dass der Krieg weiterging, obwohl sich bei den meisten Betei
ligten längst die Einsicht durchgesetzt hatte, dass er militärisch nicht zu
gewinnen war. Aber gerade deswegen wollten die einen am Verhandlungs
tisch nicht verlieren, was sie im Kriegsverlauf an Erfolgen erzielt hatten,
und den anderen war daran gelegen, dass die materiellen Verluste und Zer-
7 4 -6 ZW ISC H EN K R IE G UND F R IE D E N
Störungen, die das Land erfahren hatte, nicht gänzlich vergebens gewesen
sein sollten. Bevor man beginnen konnte, über die Friedensbedingungen
zu beraten, musste man also zunächst einmal ein Minimum gegenseitigen
Vertrauens schaffen.1
Herkömmlicherweise kommt Vermittlern, die in das Kriegsgeschehen
nicht involviert sind, die Aufgabe zu, das Vertrauensdefizit zu überbrücken
und als Garant von Vertrauensvorschüssen zu dienen. Beim Dreißigjähri
gen Krieg war es jedoch so, dass es eine solche dritte Partei aufgrund der
vielfältigen Kriegsgründe und der langen Dauer des Krieges nicht gab: Alle
europäischen Großmächte hatten entweder selbst in den Krieg eingegriffen
oder waren doch interessierte Partei, und die Mächte, die tatsächlich abseits
gestanden und sich weder mit eigenen Truppen noch mit Hilfszahlungen
in das Geschehen eingemischt hatten, das Reich des russischen Zaren und
das Reich des osmanischen Sultans, kamen als Friedensvermittler nicht in
Frage; der eine gehörte nicht der lateinischen Christenheit an, der andere
war kein christlicher Herrscher. Die religiös-kulturelle Zugehörigkeit war
eine zwingende Voraussetzung dafür, das Misstrauen der Beteiligten über
brücken zu können.2 Das ist die zweite Paradoxie auf dem Weg zum Frie
den: dass man zwar nicht zuletzt wegen Glaubensfragen gegeneinander
Krieg führte, aber auf die Gemeinsamkeit dieses Glaubens angewiesen war,
um Frieden schließen zu können.
Zwei Akteure unternahmen von der Mitte der 1630er Jahre an unabhän
gig voneinander den Versuch, die Friedensgespräche in Gang zu bringen:
Dänemark und der Papst.3 Das protestantische Dänemark, das im Lübe
cker Frieden aus dem Krieg ausgeschieden war, stand aber vor allem bei
den Schweden im Verdacht, es wolle nunmehr auf diplomatischem Wege
erreichen, was ihm im Krieg mit militärischen Mitteln nicht gelungen war.
Es habe lediglich das Schwert mit der Feder vertauscht, doch die leitende
Absicht, die Sicherung der dänischen Vormachtrolle in der Ostsee, sei die
gleiche geblieben. Habe sich das dänische Schwert vor allem gegen den
Kaiser und die katholische Liga gerichtet, so ziele die dänische Feder nun
gegen Schweden, dem man die starke Position, die es durch seine militäri
schen Erfolge erlangt hatte, am Verhandlungstisch wieder streitig machen
wolle - so jedenfalls sah man es in Stockholm. Es kann daher nicht über
Die Präliminarfriedensvereinbarung 747
raschen, dass die Schweden alles taten, um Dänemark aus den Friedens
verhandlungen hinauszudrängen, da sie ihm die Rolle eines Vermittlers
nicht zugestehen wollten - bis dahin, dass Schweden einen Krieg gegen
Dänemark begann, in dessen Folge die dänische Gesandtschaft den Ver
handlungsort Osnabrück verließ und nicht mehr dorthin zurückkehrte.4
Waren es im Falle Dänemarks machtpolitische Aspekte, die seiner
Akzeptanz als Vermittler entgegenstanden, so war es beim Papst dessen
zwangsläufige Parteilichkeit in der konfessionellen Frage. Dass die Kurie
in der Anfangsphase des Krieges Kaiser und Liga mit Subsidien unterstützt
hatte, spielte dabei eine geringere Rolle. Aber den Papst als Gastgeber eines
Friedenskongresses zu akzeptieren hätte für die Protestantischen bedeutet,
ihm in der europäischen Politik eine Rolle zuzugestehen, die zu bestreiten
eines der Grundanliegen der Reformation gewesen war. Man hatte nichts
gegen die Vermittlungen einzuwenden, die der päpstliche Nuntius Fabio
Chigi bei den Verhandlungen in Münster dann tatsächlich leistete, aber
Chigi war umso effektiver, je weniger er dabei sichtbar in Erscheinung trat.
Als Patron eines Friedenskongresses kam der Papst jedenfalls nicht in Frage,
und daran scheiterte auch das von Urban V III. betriebene Projekt, im
Anschluss an den Prager Frieden und auf diesem aufbauend eine Lösung
für die «internationale» Komponente des Krieges zu finden. Dass der
Papst bei den protestantischen Mächten, den Generalstaaten und Schwe
den, kein Gehör finden würde, war klar. Doch hatten auch er selbst und sein
Legat Marzio Ginetti ein Problem damit, mit häretischen Mächten Gesprä
che zu führen. Dass Ginetti selbst die katholischen Mächte, also Frankreich,
Spanien und den Kaiser, nicht an einen Tisch bringen konnte, zeigt, wie
schwierig die Lage war.5 So wurde der Kölner Kongress, der durch eine
päpstliche Friedensinitiative zustande kommen sollte, zu einem weiteren
Fehlschlag auf dem Weg zum Frieden.
Gänzlich nutzlos waren Ginettis Bemühungen indes nicht, denn sie
klärten die Probleme, die vor dem Beginn von Friedensverhandlungen zu
bearbeiten waren.6Da war zunächst die Frage des Vorrangs: Üblicherweise
stand die erste Position dem Kaiser zu, doch er war in diesem Fall ja Kriegs
partei. Die kaiserliche Präzedenz widersprach überdies dem zentralen
Kriegsziel Frankreichs, das die traditionelle Pyramide der politischen Ord
748 ZW ISC H EN K R IE G UND F R IE D E N
nung Europas durch ein Gleichgewicht der Kräfte ablösen wollte, in dem
Frankreich nach Richelieus Plan die Rolle eines Stabilisators und Schieds
richters zufallen sollte.7 Richelieus geschickte Reaktion auf den kaiserli
chen Präzedenzanspruch bestand darin, dass er diesen nicht grundsätzlich
in Frage stellte, sondern bestritt, dass Ferdinand III. rechtmäßiger Kaiser
sei. An seiner Wahl habe weder die Kurpfalz noch Kurtrier teilgenommen;
der Trierer Erzbischof und Kurfürst Philipp Christoph von Sötern sei durch
seine Wiener Gefangenschaft sogar mit Gewalt von der Wahl ferngehalten
worden. Das war ein starkes Argument, das es der französischen Politik
während der gesamten Verhandlungen ermöglichte, um die Anerkennung
des Kaisers als Oberhaupt der westlichen Christenheit herumzukommen,
ohne die Frage nach Hierarchie oder Gleichgewicht wirklich zur Debatte
stellen zu müssen. Die einschneidende Veränderung in der politischen
Ordnung Europas, die im Verlauf der Friedensverhandlungen Platz griff,
die Umstellung von Hierarchie auf Gleichgewicht, vollzog sich, ohne dass
darüber verhandelt wurde.8 Das war bei den Vorgesprächen zum Kölner
Kongress noch nicht absehbar, doch wurden hier die Voraussetzungen für
diesen Wechsel geschaffen.
Das zweite große Problem war, dass Richelieu und der Kaiser gänzlich
andere Vorstellungen von dem Weg zum Frieden beziehungsweise der Art
des Friedens hatten: Während Richelieu einen Universalfriedensvertrag
anstrebte, der von allen kriegsbeteiligten europäischen Mächten multilate
ral ausgehandelt werden sollte, setzte der Kaiser auf Separatfriedensverträge
mit Schweden und Frankreich, die bilateral verhandelt und als Ergänzung
des Prager Friedens von 1635 gelten sollten. Daran konnte Richelieu kein
Interesse haben, da die Anerkennung des Prager Friedens als Grundlage des
europäischen Friedens die kaiserliche Präzedenz bestärkt hätte. Faktisch
wäre der Kaiser damit zum Herr des Friedens geworden, und obendrein
wäre es Richelieu dann nicht möglich gewesen, das enge Band zwischen
Madrid und Wien aufzulösen und die Machtballung der Casa d’Austria zu
beenden. Die Auflösung der politisch wie militärisch engen Bindungen bei
der Stränge des Hauses Habsburg war aber die Voraussetzung dafür, dass
ein Gleichgewicht der Mächte in Europa entstehen konnte.
Letzteres zu verhindern war die Leitlinie der Wiener wie der Madri
Die Präliminarfriedensvereinbarung 749
äußeren Interventen sein. Das sahen Frankreich und Schweden als Ver
bündete dieser nondum reconciliati gänzlich anders, schließlich waren sie
offiziell in den Krieg eingetreten, um deren Anliegen zu verteidigen, auch
wenn im Hintergrund noch ganz andere Motive eine Rolle gespielt haben
mochten. Für Schweden wäre ein Einschwenken auf die kaiserliche Sicht
gleichbedeutend damit gewesen, dass es seine protestantischen Verbünde
ten, ähnlich wie Dänemark das 1629 getan hatte, im Stich ließ, um aus dem
Krieg herauszukommen; für Frankreich hätte es bedeutet, dass es seinen
wichtigsten Hebel zur Durchsetzung von Universalfriedensverhandlungen
aus der Hand gab. Es waren also recht unterschiedliche Motive, aus denen
heraus beide Mächte die nondum reconciliati in den Mittelpunkt ihrer Ver
handlungsstrategie stellten; für das Zustandekommen der Friedensgesprä
che - oder deren Scheitern - spielten sie eine zentrale Rolle. Eine Schlüssel
position kam dabei Hessen-Kassel zu, das zu Schweden und Frankreich seit
langem eine enge Verbindung unterhielt. Die kleine Landgrafschaft in einer
eher armen Gegend Deutschlands bekam so ein außergewöhnlich großes
politisches Gewicht.
Der päpstliche Legat musste also die Erfahrung machen, dass die Vorstel
lungen der kriegführenden Parteien zu weit auseinanderlagen, um eine
gemeinsame Minimalposition entwickeln zu können, und das galt nicht
nur für die konfessionellen Gegner, sondern auch für die katholischen
Mächte. So ging der Krieg weiter, wenngleich er seinen Charakter verän
derte: Krieg und Frieden traten in eine noch engere Beziehung. Ging es,
sofern man den Gegner nicht niederwerfen konnte, sonst darum, Territo
rien zu besetzen, um bei den Friedensgesprächen ein Faustpfand zu haben,
mit dem man die Gegenseite zu Konzessionen zwingen konnte, so hatten
militärische Erfolge von den späten 1630er Jahren an die Aufgabe, der eige
nen Vorstellung vom Frieden beziehungsweise von dem Weg dorthin ein
so großes Gewicht zu verschaffen, dass sie sich durchsetzen konnte. Das
hatte zur Folge, dass man noch weniger als bisher darum bemüht war, die
besetzten Territorien schonend zu behandeln. Der Krieg wurde dadurch in
seiner Schlussphase noch grausamer.
Dabei sah es für die kaiserliche Seite zunächst recht gut aus. Die
Die Präliminarfriedensvereinbarung 751
Schwäche Spaniens kam anfänglich noch nicht voll zum Tragen, weil auch
Schweden eine längere Schwächeperiode erlebte. In Wien hatte man durch
aus registriert, dass die französischen Subsidien die schwedischen Streit-
kräfie stabilisiert hatten,10 aber man wusste auch, dass das 1638 in Hamburg
geschlossene Militärbündnis der beiden Mächte auf drei Jahre befristet
war, und hoffte, dass es nicht verlängert würde, weil es für Frankreich nicht
die erwarteten Effekte hatte und für Schweden eine beständig wachsende
Last war. Wenn die französischen Hilfsgelder ausliefen, so die Erwartung,
würde Schweden gezwungen sein, in einen Separatfrieden mit dem Kaiser
einzuwilligen. Man glaubte, dass großzügige Angebote in der Pommern-
Frage die schwedische Friedensbereitschaff deutlich befördern würden.
Gespräche zwischen dem kaiserlichen Gesandten Carl von Lützow und
dem schwedischen Feldmarschall Baner gaben allen Anlass zur Zuver
sicht.11 Als Baner Anfang Mai 1641 in Halberstadt verstarb und es danach zu
Auflösungserscheinungen im schwedischen Heer kam, verstärkte dies noch
die Hoffnung.12 Das erklärt, warum der Wiener H of trotz des bedrohlichen
Zerfalls der spanischen Macht weiterhin auf Zeit spielte. Im Rückblick ist
klar, dass man eine Phase relativer Stärke politisch ungenutzt verstreichen
ließ. Zunächst hatte es aber den Anschein, als müsse man nur abwarten,
denn das schwedische Heer war nach Dienstverweigerungen und Meuterei
nicht einsatzfähig, und auch die französischen Truppen sowie die Weima
raner Söldner, die nun unter dem Kommando des Schweizers Hans Ludwig
von Erlach standen, waren vorerst nicht zu größeren Offensivoperationen
in der Lage. Das sollte sich jedoch ändern.
Das von Baner geführte schwedische Heer war im Wesentlichen eine
Söldnertruppe, die durch das Vertrauen in ihren Befehlshaber zusammen
gehalten wurde: das Vertrauen in seine Fähigkeit, die Truppen zum Sieg
zu führen, sie Beute machen zu lassen sowie für gute Winterquartiere zu
sorgen. War dieses Vertrauen vorhanden, so ließen sich auch längere Pha
sen stockender Soldzahlungen überbrücken, ohne dass das Heer sogleich
zerfiel. Starb der Kommandeur einer solchen Truppe, verhielt es sich frei
lich anders, denn nun war offen, ob der Nachfolger die ausstehenden Zah
lungen übernehmen würde. So war es auch nach dem Tod Baners im Jahr
1641.13 Die Lage stabilisierte sich, als Lennart Torstensson, Gustav Adolfs
752 ZW ISCH EN K R IE G UND F R IE D E N
rief. Die Reichsstände waren stark daran interessiert, dass die Friedensge
spräche zügig aufgenommen wurden. In den Regensburger Verhandlungen
wurde aber deutlich, dass die Positionen des Kaisers dem entgegenstanden.
Das betraf vor allem die engen Bindungen Wiens an Spanien. Insbesondere
Kurfürst Maximilian, früher eher ein Kriegstreiber, drängte in Nürnberg
und Regensburg auf baldigen Frieden.15 Er drohte damit, die französische
Karte ins Spiel zu bringen, also Verhandlungen über einen bayerisch
französischen Separatfrieden zu beginnen. Diese Drohung wurde in Wien
ernst genommen, denn damit wäre der auf dem Verbot von Separatfrie
densverträgen beruhende Prager Frieden aufgekündigt worden, und zwar
durch den für den Kaiser wichtigsten Reichsstand. Das hätte eine Ketten
reaktion nach sich gezogen, da dann auch andere Reichsstände sich nicht
mehr an den Prager Frieden gebunden gesehen hätten. Obendrein hätte
die mit einem Separatfrieden verbundene Neutralisierung Bayerns die kai
serlichen Erblande französischen Angriffen aus dem Westen schutzlos aus
geliefert. Durch die Gegendrohung, man werde im Fall eines bayerischen
Separatfriedens die Übertragung der Kur von Heidelberg nach München
zur Disposition stellen, konnte man Maximilian noch einmal auf der Seite
des Kaisers halten. Das bis dahin vertrauensvolle Verhältnis zwischen Wien
und München wurde dadurch aber massiv beschädigt.16
Ein weiteres Problem stand in Nürnberg und Regensburg zur Debatte:
die Frage des weiteren Umgangs mit den nondum reconciliati. Um den auf
Frieden drängenden Reichsständen entgegenzukommen, erklärte der Kai
ser, er wolle Braunschweig-Lüneburg und Hessen-Kassel in die Amnestie
des Prager Friedens einschließen, «wenn sie ihre Verbindung mit dem
Feinde aufgeben würden».17 Aber warum sollten diese sich auf ein solches
Angebot einlassen, das sie dem kaiserlichen Wohlwollen auf Gedeih und
Verderb ausgeliefert hätte? Vor allem für die Landgräfin Amalie Elisabeth
von Hessen-Kassel hätte der Beitritt zum Prager Frieden nur Nachteile
gebracht, da damit alle Ansprüche, die sie gegen die hessen-darmstädtische
Linie des Landgrafenhauses geltend machte,18 und zwei Jahrzehnte Kriegs
anstrengungen hinfällig gewesen wären. Im Bündnis mit Schweden und
Frankreich ließen sich die Ansprüche hingegen aufrechterhalten, und ange
sichts der Kriegslage war es nicht unwahrscheinlich, dass sich ein Teil von
S E X 810 S R iM P E R Il S T ä T W M S o L E N M IA A F V O K a T I S B O N E N S E S -
i' iftpni «So um in i f et.fruVn* S r nt i.U n lftfifv in 'T nopfnnfn htM»
Die Einberufung eines Reichstags nach Regensburg im Jahr 1640 zeigt, dass
man nach mehr als zwei Jahrzehnten Krieg wieder verstärkt auf die Institu
tionen des Reiches setzte - ebenjene Institutionen, die sich vor Kriegsbe
ginn selbst lahmgelegt hatten. Auch wenn der Reichstag von 1640/41 keine
greifbaren Fortschritte zur Beendigung des Krieges brachte, so kam dort
doch der Friedenswille der Reichsstände sehr deutlich zum Ausdruck. In
der Mitte des Bildes oben der Kaiser auf dem Thron, rechts und links von
ihm die Vertreter der Kurfürsten; an den Längsseiten die Gesandten der
Bistümer und Fürstentümer; außerhalb des Karrees Prälaten, Offiziere und
Vertreter der Reichsstädte.
ihnen auch durchsetzen ließ.19 Indem der Kaiser die Trennung von Frank
reich und Schweden zur Voraussetzung einer Aussöhnung erklärte, machte
er diese eigentlich unmöglich.
Gleichzeitig versuchte der Kaiser selbst, mit Schweden einen Separat
frieden zu schließen. Um die schwedische Bereitschaft zu fördern, gab er zu
Die Präliminarfriedensvereinbarung 7SS
erkennen, dass man keine Einwände habe, wenn Schweden das Erbe des
kinderlos verstorbenen Herzogs Bogislaw in Pommern antrete. Das war je
doch ein verhängnisvoller Schachzug, der zum Anfang vom Ende des Pra
ger Friedens werden sollte. Herzog Bogislaw hatte in seinem Testament den
Kurfürsten von Brandenburg als Erben eingesetzt, und Kurfürst Friedrich
Wilhelm (der «Große Kurfürst»), der zwischenzeitlich die Nachfolge sei
nes eher konzilianten Vaters angetreten hatte,20verstand das Angebot Ferdi
nands an Schweden dahingehend, dass der Kaiser die brandenburgischen
Interessen dranzugeben bereit war, wenn es zu seinem eigenen Vorteil war.
Im Oktober 1641, kurz nach dem Abschluss des Regensburger Reichstags,
ließ Friedrich Wilhelm offiziell mitteilen, er werde fortan eine neutrale
Position einnehmen, und dazu gehöre auch, dass er alle Zahlungen für die
Reichsarmee einstelle. Der Zahlungsausfall war zu verschmerzen, denn die
Beiträge des ohnehin armen und durch den Krieg noch weiter verarmten
Brandenburgs waren nicht hoch; im Hinblick auf den Prager Frieden je
doch war der Kurswechsel Brandenburgs überaus folgenreich, denn damit
verließ ein Kurfürst die Prager Friedensordnung. Schon bald war abseh
bar, dass Friedrich Wilhelm nicht der Einzige bleiben würde, der zur kai
serlichen Friedensordnung auf Distanz ging. Die Annahme Brandenburgs
nämlich, es könne in der Pommern-Frage seine Interessen unabhängig vom
Kaiser und in direkten Verhandlungen mit Schweden besser vertreten, galt
mutatis mutandis auch für andere Reichsstände.
Ein grundlegender Konstruktionsfehler der Prager Friedensordnung
wurde damit sichtbar: Bei dem Versuch, den Frieden auf die Mächte außer
halb des Reichs auszudehnen, mussten einige Mächte innerhalb des Reichs
Nachteile hinnehmen, und das führte zwangsläufig dazu, dass sie sich vom
Friedensvertrag distanzierten. Gleichzeitig waren weder Schweden noch
Frankreich auf diese Weise in substanzielle Friedensverhandlungen einzu
binden; der Prager Frieden hätte sich nur durchsetzen lassen, wenn man in
der Lage gewesen wäre, Schweden und Frankreich mit kriegerischen Mit
teln aus dem Reich hinauszudrängen, und als klar war, dass die Kräfte dazu
nicht ausreichten, war der Prager Frieden gescheitert.
756 ZW ISC H EN K R IE G UND F R IE D E N
Kronen, wie Schweden und Frankreich häufig bezeichnet wurden; die bei
den Großmächte hatten indes darauf bestanden, dass die zum Kongress
Zugelassenen nicht namentlich festgelegt wurden, womit je nach Lageent
wicklung weitere Verbündete hinzukommen konnten. Das war eine weit
reichende Konzession der kaiserlichen Seite, die eigentlich ein Interesse
haben musste, die Anzahl der Reichsstände auf dem Kongress möglichst
gering zu halten, damit der Prager Kompromiss nicht wieder aufgeschnürt
wurde und Fragen der Reichsverfassung außen vor blieben. Dass die Ver
bündeten nicht benannt wurden, schuf einen Anreiz für die Reichsstände,
den Prager Frieden zu kündigen und in ein Bündnis mit Schweden oder
Frankreich einzutreten; auf diese Weise konnten sie Zugang zum Friedens
kongress bekommen und die eigenen Belange dort selbst vertreten.
Bei Unterzeichnung des Hamburger Präliminarfriedens gab es keiner
lei Zweifel, dass sich die Verhandlungen über lange Zeit hinziehen würden.
Dass es jedoch fast sieben Jahre dauern sollte, bis die Verträge in Münster
und Osnabrück unterzeichnet wurden, und man sich darüber hinaus erst
nach dem Nürnberger «Friedensexekutionshauptschluss» vom 26.Juni
1650 sicher sein konnte, dass der geschlossene Frieden auch halten würde,
hat wohl keiner der in Hamburg Beteiligten vorausgeahnt. Am ehesten
dürfte jedoch stutzig gemacht haben, dass es nicht zu Vereinbarungen über
einen Waffenstillstand kam. Tatsächlich setzten beide Seiten nach wie vor
auf einen Umschwung der militärischen Lage, und Gründe dafür gab es auf
beiden Seiten: Die kaiserliche Seite hoffte weiterhin darauf, dass Schweden
angesichts des desolaten Zustands seiner Armee zum Separatfrieden bereit
sein werde, und die beiden Kronen waren überzeugt, dass die spanischen
Ressourcen durch die Aufstände in Portugal und Katalonien aufgebraucht
würden,24 was schon bald die militärische Handlungsfähigkeit der Gegen
seite einschränken werde. So schloss man einen Präliminarfrieden in der
festen Absicht, den Krieg vorerst weiterzuführen.
758 Z W ISC H EN K R IE G UND F R IE D E N
Im Sommer und Frühherbst 1641 sah es zeitweilig so aus, als würde sich
eine Reihe deutscher Offiziere in schwedischen Diensten mitsamt ihren
Einheiten auf die Seite des Kaisers ziehen lassen. Es ist nicht zu entschei
den, ob die Offiziere in der ernstlichen Absicht verhandelten, die Seite zu
wechseln, oder ob es ihnen lediglich darum ging, Druck auf die Schweden
auszuüben, damit diese den rückständigen Sold endlich auszahlten.25 Am
Ende bot offenbar auch Wien zu wenig Geld an, und schließlich gelang es
Torstensson, aus dem zerfallenen Haufen der schwedischen Truppen in
Deutschland wieder ein schlagkräftiges Heer zu machen.
Im März 1642 brach die Armee auf und marschierte durch das neu
trale Brandenburg nach Schlesien; am 4. Mai wurde die Festung Glogau
eingenommen, am 3. Juni Schweidnitz. Danach stießen die Schweden nach
Mähren vor und eroberten Anfang Juli Olmütz.26 Vor der Eroberung von
Schweidnitz hatte Torstensson eine kaiserliche Armee unter Franz Albrecht
von Sachsen-Lauenburg zum Kampf gestellt und vernichtend geschlagen:
Bei vernachlässigbaren schwedischen Verlusten verloren die Kaiserlichen
4000 Mann an Toten und Verwundeten, 1200 wurden gefangen genom
men. Das kaiserliche Hauptheer unter Piccolomini, das zum Entsatz von
Schweidnitz herangezogen war, hatte sich daraufhin wieder zurückgezogen.
Es schien, als seien jene Zeiten zurückgekehrt, in denen die Schweden ihre
Gegner vor sich hertrieben und sie schlugen, wann und wo immer sie sich
zur Schlacht stellten.
Der Sommer und Herbst 1642 war von Märschen in Böhmen und
Mähren, Schlesien und Sachsen geprägt, wo Schweden und Kaiserliche
am 2. November aufeinandertrafen und eine Schlacht in der Nähe des
Dorfes Breitenfeld schlugen. E lf Jahre zuvor hatte dort Gustav Adolf sei
nem Gegner Tilly jene schwere Niederlage beigebracht, die zum Zusam
menbruch der kaiserlich-ligistischen Macht in Norddeutschland führte;27
die Schlacht von 1642 wird daher in der Geschichte des Dreißigjährigen
Krieges als «Breitenfeld II» geführt. Die zwei Schlachten haben freilich
Die zweite Schlacht von Breitenfeld und der schwedisch-dänische Krieg 759
tischen Effekten des Krieges. Das muss auch deshalb so deutlich herausge
stellt werden, weil Breitenfeld II in den meisten Darstellungen des Dreißig
jährigen Krieges nur am Rande erwähnt wird oder gar nicht vorkommt.35
Erzherzog Leopold Wilhelm legte nach der Niederlage das Oberkom
mando über das kaiserliche Eleer nieder und konzentrierte sich, von einem
kurzen Intermezzo im Jahr 1645 abgesehen, auf seine Neigung als Kunst
sammler und Mäzen, mit der ihm größerer Erfolg beschieden war denn als
Heerführer; auf seine Sammlungen geht das Kunsthistorische Museum in
Wien zurück.36 Auch Piccolomini gab nach einiger Zeit seinen Posten auf
und wechselte in spanische Dienste, um von Brüssel aus den weiteren Nie
dergang der kaiserlichen Macht zu beobachten. Erst im Mai 1648 kehrte
er in die Dienste des Kaisers zurück, weniger jedoch, um noch Feldzüge
zu führen, als um die Abdankung der Streitkräfte zu organisieren und zu
überwachen.37 Das Unglück des Hauses Habsburg wollte es, dass an die
Stelle von Leopold Wilhelm und Piccolomini erneut Matthias Gallas trat,
der seinem R uf als «Heerverderber» auch in den Jahren 1644 und 1645 in
jeder Hinsicht gerecht wurde.38
durch die schwedische Flotte war nicht nach Fünen zu kommen.43 Unter
dessen hatte die von Gustav Horn geführte Armee die dänische Grenze in
Richtung Schonen überschritten und war bis nach Malmö und Ystad vorge
drungen. Das half Torstensson zwar nicht weiter, erhöhte aber den Druck
auf Christian. Zu diesem Zeitpunkt stand Dänemark militärisch am Rande
des Abgrunds, und es blieb allein die Flotte, um es zu retten.
Die in Pommern zusammengezogene schwedische Flotte unter Clas
Fleming hatte inzwischen nicht, wie zunächst vorgesehen, Truppen auf See
land angelandet, damit diese auf Kopenhagen marschierten, sondern war
an der deutschen Küste verblieben. Ende Juni hatte sie von der Kieler Förde
aus Einheiten Torstenssons auf die Insel Fehmarn gebracht, die erobert
und besetzt wurde. Am l.Juli erschien die dänische Flotte und beschoss
die schwedischen Schiffe auf der Kolberger Heide am östlichen Ausgang
der Kieler Förde. Die Dänen waren an Feuerkraft überlegen, die Schweden
zeigten die größere Entschlossenheit und griffen immer wieder an, konn
ten aber keines der großen dänischen Schiffe versenken oder entern. Dann
brach die Nacht herein, und Fleming gab seinen Kapitänen den Befehl, sich
in die Kieler Förde zurückzuziehen, während sich die dänische Flotte an
deren Ausgang positionierte, um die Schweden am Auslaufen zu hindern.
Mochten diese während der Seeschlacht noch so kühn und tapfer gewesen
sein: Strategisch war das ein Sieg der Dänen, denn solange die schwedische
Flotte in der Kieler Förde festlag, war sie faktisch ausgeschaltet. Christian,
der seine Flotte persönlich geführt hatte, hatte sich Luft verschafft.44
Fleming und Torstensson beschlossen, dass die Flotte vorerst nicht das
Risiko einer erneuten Seeschlacht eingehen, sondern in der Förde bleiben
sollte. Man wartete darauf, dass ein in den Niederlanden von Louis De Geer,
einem aus Holland stammenden schwedischen Waffenfabrikanten, ange
heuerter Flottenverband die Dänen in die Zange nehmen und zugrunde
richten würde. Was man nicht wusste, war, dass die Dänen bereits im Lis-
ter Tief bei Sylt auf diese Hilfsflotte gestoßen waren und sie übel zugerich
tet hatten. Die Schweden warteten also vergeblich. Völlig überraschend
tauchten stattdessen am 24. Juni in der Nähe von Kiel deutsche Soldaten
auf, die einige zur Pflege an Land gebrachte schwedische Seeleute überfie
len und erschlugen: Gallas’ Armee war auf der Verfolgung der Schweden
Die zweite Schlacht von Breitenfeld und der schwedisch-dänische Krieg 767
Unterdessen hatte Gallas seinem R uf erneut alle Ehre gemacht. Bis Kiel
war er dem Heer Torstenssons hinterhermarschiert, hatte sich dann aber
damit begnügt, den Kontakt wiederhergestellt zu haben; offenbar glaubte
er, durch einen Sperrgürtel von Schanzen und Garnisonen, den er quer
durch Holstein legte, Torstensson im Norden festhalten zu können.48 Dazu
wäre vielleicht ein Heer von der Größe der Wallenstein’schen Armeen in
der Lage gewesen, nicht aber die allenfalls noch ein Drittel so großen Heere
der 1640er Jahre. Vor allem aber vergrößerte Gallas durch die Immobilisie
rung seiner Truppen das Problem ihrer Versorgung, denn eine Sperrlinie,
77° Z W ISC H EN K R IE G UND F R IE D E N
wie die von ihm gezogene, ließ sich über längere Zeit nur aufrechterhalten,
wenn sich in deren Rückraum Magazine befanden, aus denen die Solda
ten verpflegt werden konnten. Das war jedoch nicht der Fall. Torstensson
manövrierte Gallas ohne große Mühe aus und marschierte auf den deut
schen Kriegsschauplatz zurück; Gallas folgte ihm ein weiteres Mal, freilich
mit einer ausgezehrten Truppe, die kaum noch zu einer Schlacht in der
Lage war. Obwohl beide Armeen parallel marschierten, kam es nur zu klei
neren Scharmützeln.
Gallas war nichts anderes übrig geblieben, als Torstensson zu folgen,
denn nachdem dieser den Sperrgürtel durchstoßen hatte, lagen die kaiserli
chen Erblande ungeschützt vor ihm. Der Kaiser verfügte über keine zweite
Armee, die er gegen die heranmarschierenden Schweden hätte einsetzen
können. Von Siebenbürgen aus hatte György Räköczi, der Nachfolger
Bethlen Gabors, die Politik der Streifzüge und Überfälle nach Ungarn und
Mähren wiederaufgenommen und war dabei auf erhebliche Sympathien
bei ungarischen Protestanten gestoßen, die mit der Rekatholisierungs-
politik des Kaisers unzufrieden waren. Noch vor seinem Abmarsch nach
Dänemark hatte Torstensson mit Räköczi Kontakt aufgenommen und ihm
erhebliche Subsidien zugesagt, wenn er gegen den Kaiser Krieg führe und
ihn in Bedrängnis bringe.49Dieses Anerbieten diente dazu, die kaiserlichen
Truppen in den habsburgischen Erblanden zu binden und sie vom süddeut
schen Kriegsschauplatz fernzuhalten. Torstensson hatte damit Erfolg: Es
waren an die 20 000 Mann, die unter den Generälen Götz und Puchheim
gegen die Truppen Räköczis ins Feld geschickt wurden, und ihnen schlos
sen sich 8000 Ungarn unter dem Palatin Esterhazy an.
Das zeigt zum einen, dass die kaiserlichen Reserven durch die zuletzt
erlittenen Niederlagen noch nicht erschöpft waren, zum andern wird darin
ein immer wieder zum Vorschein kommendes Strukturmuster des Dreißig
jährigen Krieges sichtbar: Konfliktfelder am Rande des Reiches ließen sich
aktivieren, um den Kaiser an einer Konzentration seiner Kräfte zu hindern.
Andererseits hatte der Kaiser den Vorteil, auf der inneren Linie operieren
und seine Truppen schnell von einem Kriegsschauplatz zum anderen diri
gieren zu können, um die Angreifer zu stellen und zum Rückzug zu zwin
gen. Zogen diese sich dann wieder zurück, konnten ihnen die kaiserlichen
Die Lage an Nieder- und Oberrhein 771
Truppen bis zu einem bestimmten Radius folgen und dabei dem Gegner
größeren Schaden zufügen, als sie selbst erlitten. Dieses Verhältnis kehrte
sich jedoch um, sobald sie diesen Radius überschritten, weil sich dann
aufgrund der Weite des Raumes die Bewegungsoptionen des Gegners so
vervielfachten, dass er nicht mehr auszumanövrieren war und man ihn
auch nicht mehr zu einer Entscheidungsschlacht stellen konnte. Zugleich
wuchsen die Versorgungsprobleme der eigenen Seite, so dass das Heer,
wenn es diese imaginäre Linie überschritt, in einem ruinösen Zustand
zurückkehrte. Diese Erfahrung hatte Wallenstein bei seinem Ungarnfeld
zug gegen Mansfeld gemacht,50 danach Gallas bei seinen Vorstößen nach
Frankreich,51 und es war abzusehen, dass sie sich auch 1644 wiederholen
würde, wenn man Räköczi zurückdrängen und verfolgen würde. Nach den
ersten Erfolgen der siebenbürgischen Scharen war der Kaiser darum zu
Friedensgesprächen bereit und machte Räköczi ein großzügiges Angebot,
das dieser auch annahm.
Darin wiederum zeigten sich die Probleme, die das Operieren auf
der äußeren Linie mit sich brachte. Auch sie bildeten ein durchgängiges
Strukturmuster dieses Krieges. Angriffe auf der äußeren Linie ließen sich
in der Regel nicht gut koordinieren, so dass sie einen erheblichen Teil ihrer
Wirkung einbüßten, sie führten daher nicht zu einer starken Zersplitterung
der kaiserlichen Kräfte. Aber darum ging es 1644 nicht (was sich 1645 und
1646 wieder ändern sollte); es kam vielmehr darauf an, den Kaiser daran zu
hindern, den bayerischen Truppen in Württemberg und am Rhein zu Hilfe
zu kommen und die dort operierenden Franzosen und das mit diesem ver
bündete Hessen in Bedrängnis zu bringen. Diese Aufgabe war mit Räköczis
Einfall nach Ungarn jedenfalls erreicht worden, und wenn Räköczi mit dem
Kaiser Frieden schloss, so hatte das nicht viel zu bedeuten, denn wie für
Bethlen Gabor waren auch für ihn solche Friedensschlüsse nicht mehr als
zeitlich befristete Waffenstillstände.
Seit Anfang 1645 war Schweden wieder die beherrschende Macht auf dem
deutschen Kriegsschauplatz, was vor allem daran lag, dass der Kaiser bin
nen kürzester Zeit zwei Armeen verloren hatte. Die erste war die von Gal
las auf dem Rückzug von Holstein nach Böhmen geführte, die zweite die
von Hatzfeld in der Schlacht von Jankau am 6. März 1645 kommandierte
Armee. Gallas hatte, wie bereits erwähnt, seine Truppen im Sommer 1644
in eine Position gebracht, in der sie nur schlecht ernährt werden konnten.
Als er aufbrach, um Torstensson nachzueilen, der ohne große Anstrengun
gen seinen Sperrgürtel durchstoßen hatte, war die Armee bereits in einem
ausgesprochen schlechten Zustand.58 Sie war auf 13 000 Mann zusammen
geschmolzen, obwohl sie nicht gekämpft hatte. Allerdings ging es Torstens-
sons Armee nicht besser. Da sie noch in diverse Kämpfe verwickelt war, von
dem gescheiterten Versuch, die Ostsee bei Middelfart zu überqueren, bis zu
dem ständigen Kleinkrieg gegen dänische Bauern, war sie sogar noch stär
ker mitgenommen als die Truppen von Gallas.59 Dieser konnte mit Grund
davon ausgehen, die verbliebenen schwedischen Truppen auf dem Marsch
nach Deutschland zu stellen und aufzureiben.
Die Lage an Nieder- und Oberrhein 775
Statt den Schweden wie ein Schatten zu folgen, wollte Gallas sie an der
Elbe aufhalten. Torstensson umging jedoch ein weiteres Mal Gallas’ Stel
lung. Daraufhin tauschten beide die Rollen, so dass Gallas der Gejagte und
Torstensson der Jäger war. Zunächst bezog Gallas in Bernburg, später dann
in Magdeburg eine feste Position, wo er von Torstensson eingeschlossen
wurde.60 Gallas’ Rückzug war zur Flucht mit Unterbrechungen geworden.
Seine Kavallerieeinheiten unternahmen bei Magdeburg einen Ausbruchs
versuch, wurden aber gestellt und gefangen genommen. Ein Rest von 2000
bis 3000 Mann schaffte es schließlich im Februar 1645 nach Böhmen. Der
Erfolg, den Torstensson im Spätsommer und Herbst beim Wettlauf entlang
der Elbe erzielte, war größer als jener, der in den meisten Schlachten des
Krieges erzielt werden konnte: Das kaiserliche Heer war völlig vernichtet,
und die wenigen Überlebenden des Feldzugs waren gesundheitlich ruiniert
und demoralisiert. Gallas erhielt seinen Abschied und wurde durch Mel
chior Hatzfeld als Oberbefehlshaber des Heeres ersetzt.
Torstensson war klug genug, nicht zu versuchen, diese Situation zu
einem Vorstoß durch Böhmen und Mähren bis nach Wien auszunutzen,
was ihm in der Forschungsliteratur verschiedentlich als Fehler vorgehalten
worden ist.61 Auch die schwedischen Truppen waren von den Gewaltmär
schen der letzten Monate erschöpft, und so verschaffte ihnen Torstensson
bei Leipzig eine längere Ruhepause. Er nutzte diese Zeit, um den sächsi
schen Kurfürsten Johann Georg, der nach wie vor in einem Bündnis mit
dem Kaiser stand, unter Druck zu setzen. Um seine Aufforderung zu bestär
ken, dem Beispiel des Brandenburgers zu folgen, aus dem System des Prager
Friedens auszuscheren und sich für neutral zu erklären, ließ er sächsische
Dörfer und Städte plündern und niederbrennen. Daraufhin erklärte sich
Johann Georg zu Verhandlungen bereit. Offenbar war er zu dem Ergebnis
gekommen, dass vom Kaiser keine substanzielle Hilfe mehr zu erwarten
war. Die militärischen Ereignisse der nächsten Monate bestätigten diese
Einschätzung, und so schloss Johann Georg im Sommer 1645 mit den
Schweden einen Separatfrieden, in dem er sich verpflichtete, «sein Land
für alle Truppendurchzüge der Schweden offenzuhalten, ihnen Getreide
zu liefern und außerdem monatlich 11000 Thaler zu zahlen».62 Die Posi
tion des Kaisers in Nordostdeutschland verschlechterte sich im Verlauf der
77 6 ZW ISC H EN K R IE G UND F R IE D E N
1640er Jahre nicht nur durch Niederlagen, sondern auch durch den Abfall
von Verbündeten immer weiter. Es wurde einsam um Ferdinand III. Doch
es sollte noch schlimmer kommen.
Hatzfeld hatte die gegen Räköczi entsandten Truppen unter Götz und
Puchheim inzwischen nach Böhmen zurückbeordert und versucht, die
Reste von Gallas’ Armee wiederaufzurichten. Zusätzlich trafen Verstärkun
gen der Bayern ein, die eigentlich damit beschäftigt waren, die immer wie
der bis weit nach Süddeutschland vorstoßenden französischen Heere unter
dem Marschall Turenne abzuwehren. Die Bayern hatten bei Tuttlingen im
November 1643 und Freiburg im August 1644 die Franzosen besiegt, wobei
sich der aus lothringischen in bayerische Dienste übergewechselte Franz
von Mercy als überaus tüchtiger Feldherr erwiesen hatte;63 darum konnten
sie einen Teil ihrer Kavallerie unter Jan von Werth nach Böhmen schicken,
um den kaiserlichen Truppen zu Hilfe zu kommen. Damit stand dem Kaiser
in Böhmen wieder eine schlagkräftige Armee zur Verfügung, mit der sich,
so hoffte man, ein Angriff Torstenssons auf die habsburgischen Erblande
abwehren ließ. Beide Seiten waren etwa gleich stark: Hatzfeld verfügte über
10 000 Kavalleristen, 5000 Mann Infanterie und 26 Kanonen; Torstensson
über 9000 Mann Kavallerie, 6000 Mann Infanterie und 60 Geschütze.64
Ende Januar 1645 brach Torstensson in Sachsen auf. Er wollte entspre
chend den unter Gustav Adolf entwickelten Grundsätzen der schwedi
schen Operationsführung die festgefrorenen Winterwege für den Vorstoß
seiner Armee nutzen. Der Februar verging mit Manövern, bei denen sich
beide Seiten Vorteile zu verschaffen und gleichzeitig den Gegner aus star
ken Positionen herauszulocken versuchten. Torstensson war dabei im Vor
teil, denn er gab die Richtung des Angriffs vor, Hatzfeld dagegen musste
darauf reagieren, um einen Durchbruch der Schweden nach Ober- oder
Niederösterreich zu verhindern. Am 6. März 1645 trafen beide Armeen bei
Jankau etwa 50 Kilometer südöstlich von Prag aufeinander.
Kanonen immer wieder vorziehen, um sie mit der Infanterie auf einer
Linie einzusetzen.
Am frühen Nachmittag verschwanden die zurückweichenden Kaiser
lichen hinter einem Hügel, und Torstensson war gewillt, sie ziehen zu las
sen. Seine Soldaten waren nach dem nächtlichen Flankenmarsch erschöpft
und brauchten Ruhe. Doch als ein schwedischer Musketierverband ober
halb der Senke auftauchte, in der sich die angeschlagene kaiserliche Armee
Die Lage an Nieder- und Oberrhein 779
Die Schlacht von Alerheim bestand aus drei Elementen, die wenig mitein
ander zu tun hatten und sich erst bei Einbruch der Dunkelheit zu einem
Gesamtergebnis summierten. Es wurde als ein französischer Sieg gewertet,
weil die Bayern abzogen und das Schlachtfeld den Franzosen überließen.71
Urteilt man jedoch auf Grundlage der Verluste, so war die Schlacht von
Alerheim eher ein Patt zwischen beiden Seiten. Dass sie zu einer Wende
des Krieges in Süddeutschland wurde, lag am Tod eines einzigen Mannes,
des bayerischen Feldmarschalls Franz von Mercy.
Die Kräfteverhältnisse waren am 3. August nahezu ausgeglichen, nach
dem sich der schwedische General Königsmarck mit seinem «fliegenden
K orps»72 wieder von den Franzosen getrennt hatte. Mercy verfügte über
16 000, Conde und Turenne über 17 000 Soldaten. Die Bayern hatten eine
feste Stellung mit dem D orf Alerheim als Zentrum bezogen, die hier ste
henden Infanterieregimenter wurden von Mercy selbst geführt. Er hatte
zusätzlich Feldbefestigungen errichten lassen, hinter denen seine Kanonen
aufgestellt waren. Den rechten Flügel, der an den Wenneberg angelehnt
war, führte Feldmarschall Gottfried von Geleen, den linken Flügel kom
mandierte Jan von Werth; dieser Flügel wurde durch Schloss Alerheim
als Eckposition gesichert. Das war eine starke Stellung, und die meisten
Heerführer hätten sie nicht angegriffen, sondern Mercy auszumanövrieren
versucht. Aber Conde war ein Draufgänger und brannte auf die Schlacht,
nachdem sich Mercy zwischen Main und Donau durch geschickte Bewe
gungen immer wieder einer unmittelbaren Konfrontation entzogen hatte.
Die Franzosen entwickelten ihre Schlachtordnung erst gegen Mittag.
Das Zentrum mit den Infanterieverbänden kommandierte Graf Marsin;
sein Auftrag lautete, gegen das Dorf Alerheim vorzurücken und die baye
rischen Verteidiger daraus zu vertreiben. Den rechten Flügel bildete der
Marschall de Gramont mit der französischen Reiterei des Condeschen
Heeres. Er stand dem gefürchteten Werth gegenüber, doch da das Gelände
von Gräben und Abhängen durchzogen war, rechnete man hier nicht mit
einer größeren Attacke und hatte die besseren Einheiten der Kavallerie auf
den von Turenne befehligten linken Flügel gestellt: die weimaranischen
Reiterregimenter und das Armeekorps der hessischen Landgräfin unter
Generalmajor Johann von Geyso.
782 ZW ISC H EN K R IE G UND F R IE D E N
Die Schlacht begann am späten Nachmittag mit dem Angriff des fran
zösischen Infanteriezentrums auf Alerheim; es kam zu einem blutigen
Häuserkampf, bei dem die Franzosen keine größeren Fortschritte machten;
am frühen Abend wurden sie durch einen entschlossenen Gegenstoß der
Bayern aus dem D orf herausgetrieben und fluteten in völliger Auflösung
zurück. Etwa zu dieser Zeit hatte sich Mercy, der die Schlacht von einer
erhöhten Position hinter dem D orf leitete, weiter nach vorn begeben, um
den Angriff seiner Infanterie zu lenken; durch die Aufspaltung der franzö
sischen Ordnung in deren Zentrum wollte er die Schlacht zu seinen Guns
ten entscheiden. Da traf ihn eine Musketenkugel in den Kopf. Mit Mercys
Tod verlor das bayerische Heer die einheitliche Führung, da es niemand
gab, der an Mercys Stelle trat, und das war für den Ausgang der Schlacht
entscheidend.
Nach einer Niederlage der Bayern sah es zunächst jedoch noch nicht
aus, denn parallel zum Gegenangriff der bayerischen Infanterie gab auch
Werth auf dem rechten Flügel den Angriffsbefehl, und trotz des schwieri
gen Geländes schlug seine Kavallerie den französischen Flügel in die Flucht.
Marschall Gramont wurde gefangen, 60 Fahnen und Standarten sowie
mehrere Kanonen erbeutet und die französischen Gepäckwagen geplün
dert. In diesem Augenblick schien die Schlacht für die Franzosen verloren,
und das wäre sie auch tatsächlich gewesen, wenn das Gefecht nicht auf
dem anderen Flügel den genau entgegengesetzten Verlauf genommen hätte.
Turennes Kavallerie, allesamt kampferprobte Regimenter aus dem Heer
Herzog Bernhards, griff den Wenneberg an, warf die hier postierte kaiser
liche Kavallerie zurück, und als dann noch das zweite Treffen, die zuvor in
Reserve gehaltenen Hessen, in den Kampf eingriff, brach der rechte Flügel
des bayerischen Heeres zusammen. Feldmarschall Geleen wurde gefangen
genommen, dazu die meisten seiner höheren Offiziere, auch ein Großteil
der Geschütze ging verloren. Jetzt machte sich der Ausfall der einheitlichen
Führung bemerkbar, denn Werth erfuhr nicht, was auf dem anderen Flügel
passiert war, und kehrte in seine Ausgangsstellung zurück, statt dem ande
ren Flügel zu Hilfe zu kommen. Wäre er quer über das Schlachtfeld geritten,
so hätte er die Schlacht von Alerheim wahrscheinlich noch in einen baye
rischen Sieg verwandeln können. Napoleon, der sich auf St. Helena ein
Der Beginn der Friedensverhandlungen in Münster und Osnabrück 783
tierten.79 Dass der Kaiser den ersten Rang einnahm, war inzwischen kein
großes Problem mehr, da hinter der protokollarischen Präzedenz keine
große militärische Macht mehr stand - aber wem stand der zweite Rang
zu, Frankreich oder Spanien? Solche Rangfragen spielten beim Einzug der
Delegationen eine wichtige Rolle.80 Zu klären war etwa auch, ob man Repu
786 ZW ISC H EN K R IE G UND F R IE D E N
den Kurfürsten immer wieder sichtbar geworden waren. Erst als Henri
d’Orleans, Herzog von Longueville, als Hauptbevollmächtigter Frank
reichs im Jahr 1645 die Leitung der Gesandtschaft übernahm, konnte deren
Selbstblockade überwunden werden.83
Die schwedische Gesandtschaft wurde von Johan Oxenstierna geführt,
dem Sohn des Reichskanzlers, der sich vor allem um die Berichte nach
Stockholm kümmerte und darum bemüht war, die Vorgaben aus Schwe
den in Osnabrück zur Geltung zu bringen. Die Verhandlungen leitete im
Wesentlichen der Sekundargesandte Johan Adler Salvius. Auch zwischen
Oxenstierna und Salvius kam es wiederholt zu Konflikten, die zum Teil
lange zurückreichten und mit den schwedischen Kriegszielen zu tun hatten,
teilweise aber auch in unterschiedlichen Vorstellungen von professioneller
Verhandlungsführung begründet waren. Salvius jedenfalls wurde zu einem
der Architekten der Westfälischen Ordnung.84 Der eigentliche Standort
der schwedischen Verhandlungsdelegation war Osnabrück, aber man kam
nicht umhin, auch in Münster eine kleine Delegation zu unterhalten, die
den Kontakt zu den Franzosen pflegte und dafür sorgte, dass sich die beiden
miteinander verbündeten Mächte nicht gegeneinander ausspielen ließen.
Im Vergleich zu Frankreich und Schweden spielte die von Graf Pefia-
randa geführte spanische Delegation eine sehr viel geringere Rolle. Sie war
nur an den Verhandlungen mit den Niederländern und denen mit Frank
reich über die Beendigung der jeweils gegeneinander geführten Kriege
beteiligt, nicht aber an denen mit dem Kaiser. Auch in die Fragen des Reli
gionsfriedens im Reich waren die Spanier nicht involviert. Das zeigt die
schwierige Lage, in der sich das Weltreich inzwischen befand: Es hatte sich
von Anfang an mit Geld und Truppen am Krieg in Deutschland beteiligt
und war bis zum Eingreifen Schwedens unter den auswärtigen Mächten
der Hauptfinanzier gewesen; jetzt aber, da es um die Aushandlung des Frie
dens ging, war Spanien darauf beschränkt, über den Ausgang der eigenen
Kriege, dem gegen die Niederlande und dem gegen Frankreich, zu verhan
deln. Mit den Niederlanden wurde man sich bereits am 30. Januar 1648 in
Münster einig. Der Friedensvertrag, der vor allen anderen und unabhängig
von ihnen unterzeichnet wurde, beendete den Achtzigjährigen Krieg zwi
schen dem Weltreich und seinen abtrünnigen Provinzen.85 Die Verhand
788 ZW ISC H EN K R IE G UND F R IE D E N
Mindestens vier Jahre lang ist in Münster und Osnabrück verhandelt wor
den, wobei sich das «mindestens» darauf bezieht, dass es keine offizielle
Eröffnung des Friedenskongresses gab. Irgendwann und irgendwie begann
der Kongress dann doch, nachdem sich bereits erste Zweifel breitgemacht
hatten, ob er je eröffnet werde. Die Friedensverhandlungen nahmen also
ganz ähnlich ihren Anfang wie zuvor die Kriegführung, die ebenfalls nicht
mit einer offiziellen Erklärung und den sie begleitenden Ritualen begonnen
wurde. So, wie «irgendwann» zwischen 1618 und 1619 plötzlich Krieg war,
kam auch in Münster und Osnabrück «irgendwann» ein Verhandlungs
prozess in Gang, der dann seine eigene Dynamik entfaltete. «D er <Kon-
greß>», so Konrad Repgen, «begann via facti, durch die sukzessive Anreise
der Gesandten in den Jahren 1643 bis 1646, und auf eine ähnlich unspekta
kuläre Weise endete er durch die Abreise der Unterhändler zwischen 1647
und 1649.»91
Es waren die beschriebenen Rangordnungsfragen, die es erschwerten,
den Kongress förmlich und mit einer Zusammenkunft aller Gesandtschaf
ten zu eröffnen. Indem man einfach anfing, vermied man die Eskalation
der mit der Präzedenzfrage verbundenen Streitigkeiten, die leicht dazu
hätten führen können, dass der Kongress zu Ende gewesen wäre, bevor
er überhaupt begann. Außerdem gab es das Problem der zwei Verhand
lungsorte: Die Frage, an welchem von ihnen die offizielle Eröffnung des
Kongresses stattfinden sollte, hätte sich ebenso wenig einvernehmlich
klären lassen. Man schlich sich also gewissermaßen in die Verhandlungen
ein. Wie es üblich geworden ist, den Prager Fenstersturz als Kriegsbeginn
anzusehen, so ist es üblich geworden, die Vorlage der ersten Friedens
propositionen durch Frankreich und Schweden am 4. Dezember 1644 als
Beginn der Friedensverhandlungen anzusehen. Man kann in beiden Fällen
darüber streiten, denn weder begannen die Kampfhandlungen mit dem
Prager Fenstersturz noch waren mit der Vorlage der schwedischen und
französischen Bedingungen für den Friedensschluss bereits alle Delega
tionen in Westfalen eingetroffen. Die offizielle Einladung des Kaisers zum
79° ZW ISC H EN K R IE G UND F R IE D E N
präzises Datum für den Beginn des Friedens anzugeben, zumal zwischen
Vertragsunterzeichnung und Friedensschwur noch die Vertragsratifika
tion durch den spanischen König Philipp IV. am 1. März 1648 lag. Nimmt
man diese Abfolge zum Maßstab, so hätte der Dreißigjährige Krieg erst mit
dem Austausch der Ratifikationsurkunden am 18. Februar 1649 in Münster
geendet oder gar erst mit dem Nürnberger Reichsfriedensrezess vom 2. Juli
1650, der die Abdankung der schwedischen Truppen sicherstellte. Alles in
allem hat es sich darum als sinnvoll erwiesen, nicht ein einzelnes Datum,
sondern das ganze Jahr 1648 als Ende des Krieges anzusetzen, auch weil es
' 'f f 9 „ ■ S S t x fy s jv J , * S .
einige Zeit dauerte, bis der «freudensreiche Postillion», der die Nachricht
überbrachte, überall im Reich vorbeigekommen war und die teilweise noch
in vollem Gang befindlichen Kampfhandlungen, wie etwa die Belagerung
Prags durch die Schweden, beendet hatte.94
Der Dreißigjährige Krieg war nicht nur ein Amalgam verschiedener
Kriegstypen, vom Bürgerkrieg bis zum Staatenkrieg, vom Religionskrieg bis
zum Hegemonialkrieg, sondern auch ein Sammel- und Anlagerungskrieg
für viele andere Kriege in Europa, die sich auf je unterschiedliche Weise mit
dem Krieg in Deutschland verbunden hatten. Die erste Herausforderung
für die in Münster und Osnabrück versammelten Gesandtschaften bestand
also darin, diese unterschiedlichen Kriegstypen und diversen Kriegsebe
nen voneinander zu trennen und so zu ordnen, dass sie verhandelbar wur
den. Hier zeigte sich die Ambivalenz des Universalfriedenskongresses, wie
er von Frankreich und Schweden durchgesetzt worden war, im Vergleich
zu den Separatfriedensverträgen, die der Kaiser lange Zeit bevorzugt hatte:
Der Kongress sorgte dafür, dass der Kaiser nicht durch die Vorauswahl der
zu behandelnden Fragen zum faktischen Herrn des Geschehens wurde
und sämtliche Streitpunkte und Forderungen der Kriegsparteien auf den
Verhandlungstisch kommen konnten. Es gab jedoch eine solche Fülle von
Problemen unterschiedlichster Art, dass diese weder gleichzeitig noch
gleichgewichtig verhandelt werden konnten, weswegen auch in Münster
und Osnabrück eine Vorsortierung stattfinden musste, die vor allem von
der kaiserlichen, der französischen und der schwedischen Delegation vor
genommen wurde.
Die beherrschende Figur dabei wie auch bei der Bearbeitung der ein
zelnen Komplexe war der kaiserliche Hauptbeauftragte Trauttmansdorff.
Der Verlauf des Kongresses wird deshalb in vielen Darstellungen in drei
Phasen untergliedert: die Phase vor dem Eintreffen Trauttmansdorffs, die
Phase seiner Verhandlungsführung vom November 1645 bis zum Juli 1647
und die Phase nach Trauttmansdorffs Abreise am 16. Juli 1647, durch die
der Kongress zunächst in eine tiefe Krise geriet und zeitweilig am Rande
des Scheiterns stand.95 Trauttmansdorffs Abreise belegt indes nicht nur das
hohe Risiko des Scheiterns, das den Kongress von Anfang bis Ende beglei
tete, sondern auch den klugen Blick des kaiserlichen Delegationsleiters, der
794 ZW ISCH EN K R IE G UND F R IE D E N
offenbar begriffen hatte, dass das, was er selbst zum Erfolg der Verhandlun
gen hatte beitragen können, geleistet war und seine weitere Anwesenheit
in Münster mehr eine Belastung als eine Hilfe darstellen würde. Wenn er
gleichwohl enttäuscht abreiste, dann vor allem deswegen, weil es ihm nicht
vergönnt war, den Verhandlungsmarathon zum erfolgreichen Abschluss zu
bringen.
Es bedurfte dazu der Bildung einer aus den Reichsständen bestehen
den «Friedenspartei» beziehungsweise «Dritten Partei»,96 und letztlich
konnten erst erneute Kriegshandlungen den Frieden herbeiführen.97 Der
Durchbruch zum Frieden wäre allein mit den Mitteln der Kongressdiplo
matie nicht möglich gewesen; den Ausschlag gaben zuletzt unter ande
rem die Niederlage bayerisch-kaiserlicher Verbände in der Schlacht von
Zusmarshausen am 17. Mai 1648,98 der schwedische Vorstoß auf Prag99 und
schließlich die Erkenntnis, dass selbst für die auf den Kriegsschauplätzen
erfolgreichen Mächte Frankreich und Schweden die Weiterführung des
Krieges so hohe Belastungen bedeutete, dass es auch für sie angezeigt war,
in die auf dem Tisch liegenden Kompromisse einzuwilligen. Der doppelte
Der Westfälische Frieden 79S
Fasst man den Westfälischen Frieden im Hinblick auf seine Struktur ins
Auge, so lassen sich vor allem zwei Dimensionen voneinander unterschei
den, die im Verhandlungsverlauf zwar immer wieder zusammenspielten,
aber getrennten Lösungen zugeführt wurden: der deutsche Verfassungs
und der europäische Friedenskongress. Als dritte Dimension lässt sich dem
Im Herbst 1648 suchte der schwedische Feldmarschallleutnant Hans
Christian von Königsmarck, ein gebürtiger Brandenburger, dem Fortgang
der Ereignisse durch die Eroberung Prags neuen Schwung zu geben.
Es gelang indes nur die Eroberung der Prager Kleinseite, da die Stadt
von ihren Bürgern entschlossen verteidigt wurde. Die am 5. Oktober
begonnene Belagerung endete erst am 2. November - so lange hatte der
am 25. Oktober in Münster abgefertigte Bote mit der Nachricht vom
Friedensschluss für den Weg nach Prag gebraucht.
eingehen? Diese Frage hatte in den Anfängen des Krieges, etwa in den weit
ausgreifenden Bündnisprojekten, wie sie von den Heidelberger Reformier
ten entworfen wurden,105 aber auch im Kriegsverlauf, etwa in den Bündnis
sen Hessen-Kassels und Kurbrandenburgs mit Schweden und Frankreich,
eine entscheidende Rolle gespielt. Zudem ging es um das ius armorum, das
Recht einzelner Territorialfürsten, Truppen aufzustellen, die unter dem
eigenen Kommando standen und kein Teil der Reichsarmee waren.
Wie man die Bündnisrechtsfrage beantwortete, hatte unmittelbar
machtpolitische Konsequenzen, da man entweder den Kaiser stärkte oder
aber den Reichsständen politischen Spielraum verschaffte. Sie hatte aber
auch eine staatsrechtliche Dimension, und diese betraf den Charakter des
Reichs: Handelte es sich um einen von außen her undurchdringlichen Ver
band oder um einen politischen Körper, der für die angrenzenden Mächte
durchlässig war? Damit kam eine dritte Dimension der Bündnisrechtsfrage
ins Spiel, wobei es um die Verfasstheit des europäischen Staatensystems
ging, das, zunächst von Italien ausgehend und dann von Frankreich forciert,
einen wachsenden Anpassungsdruck auf die noch vorstaatlich verfassten
Gebiete Europas ausübte. Zugespitzt hieß das: Würde sich in der geopoli-
tischen Mitte der lateinischen Christenheit ein starker und durchsetzungs
fähiger Staat befinden, oder hätte man es mit einem eher offenen Raum
zu tun, auf den man einwirken konnte, ohne mit einer gleichgelagerten
Gegenreaktion rechnen zu müssen? Das europäische Staatensystem nach
1648 erhielt letztlich eine weiche Mitte, und das lag nicht zuletzt daran, dass
den Reichsständen in Münster und Osnabrück das Bündnisrecht zugestan
den wurde.
In der jüngeren Literatur ist verstärkt darauf hingewiesen worden, dass
das im Westfälischen Frieden festgeschriebene Bündnisrecht keine grund
legende Veränderung gegenüber der Tradition darstellt, da dieses Recht
den Fürsten des Reichs seit jeher zugestanden worden sei. Nicht einmal im
Prager Frieden von 1635, so Konrad Repgen, sei es grundsätzlich aufgeho
ben worden.106 Dabei wird jedoch übersehen, dass der ausschlaggebende
Bezugspunkt hier nicht die historische Tradition, sondern die Entstehung
der Staatenkonkurrenz seit dem 15./16. Jahrhundert ist. Vor allem in Frank
reich war unter dem Eindruck des Hundertjährigen Krieges und danach
Der Westfälische Frieden 799
folgte, eine Stufe darunter, das exercitium privatum religionis, also «nur mit
Bethaus, Dachreiter, privaten Predigern (mit und ohne Habit)», das heißt
«ohne öffentliche Staatsrangposition»; schließlich die devotio domestica,
die Hausandacht, zu der sich die Anhänger einer Konfession in der Wohn
stube versammelten. Die Gewissensfreiheit, libertas conscientiae, war auf
diese Weise gesichert, und das machte Deutschland zum Vorreiter einer
- freilich auf die christlichen Bekenntnisse beschränkten - Religionsfreiheit
in Europa.
Die religionsrechtlichen Regelungen waren im Übrigen ein Sieg der
Staatsräson über jene Unnachgiebigen innerhalb des Corpus Catholicorum,
die mit Wertbindungen und Wahrheitsansprüchen argumentierten. Gegen
deren Einspruch hatte Trauttmansdorff diese Fragen seit Februar 1647 mit
den Schweden verhandelt, die sich ihrerseits mit dem Corpus Evangelico-
rum abstimmten.112 Durch die am 13. Juni 1647 erfolgte Veröffentlichung der
Regelungen, des sogenannten Trauttmansdorffianums, entstand eine Situa
tion, in der dieser Kompromiss nicht mehr so leicht anfechtbar war. Über
haupt diente das Wechselspiel von Geheimhaltung und Veröffentlichung
bei den Verhandlungen in Münster und Osnabrück als ein wichtiges Instru
ment, um Kompromisslinien auszuloten und Übereinkünfte, zu denen man
gelangt war, noch vor Vertragsunterzeichnung und -ratifizierung so festzu
zurren, dass man kaum noch dahinter zurückkonnte, wenn man nicht als
Friedensverhinderer und Kriegstreiber dastehen wollte. Genauso erging es
den kompromissunwilligen Katholiken, die gegenüber den kompromissbe
reiten Katholiken in der Mehrheit waren, nunmehr jedoch in der undank
baren Rolle der Protestierer feststeckten. Sie setzten am 7. Oktober zwar
einen Beschluss des Corpus Catholicorum durch, in dem alle seit dem Som
mer gemachten Konzessionen an die evangelische Seite widerrufen und
als einseitige Zugeständnisse der Kaiserlichen dargestellt wurden, aber sie
liefen damit nur einer Entwicklung hinterher, die sie nicht mehr rückgängig
machen konnten. Im Zusammenwirken mit den katholischen Reichsstän
den von Kurmainz und Kurköln, Kurbayern sowie Bamberg und Würzburg
ging der Kaiser im November 1647 über den Einspruch hinweg und ließ die
letzte Verhandlungsrunde mit den Schweden auf der Grundlage des Trautt
mansdorffianums führen.
Der Westfälische Frieden 803
des Reichs Kosten und Lasten auf sich genommen, für die sie nunmehr
entschädigt werden müssten. Dahei dachten sie nicht an Geldzahlungen,
sondern an Territorien, die an sie abgetreten werden sollten. Man kann
Konrad Repgen darum schwerlich widersprechen, wenn er schreibt: «Daß
die Sieger sich im Jahre 1648 dafür [für ihre Annexionsforderungen] einer
Vokabel bedienten, die eigentlich etwas rechtlich geschuldetes bezeichnete,
war politische Semantik. Sie verschleierte, daß es sich um nur politisch legi
timierbare Forderungen handelte, um Annexionen. Die Satisfaktionsver
handlungen waren kaum verschleierte Machtpolitik.»116
Hinzuzufügen ist freilich, dass die Semantik des Rechts einen Effekt
hatte, der wesentlich zum Erfolg des Westfälischen Friedens beitrug, da
damit jener Begriff vermieden wurde, der gleich am Anfang des Repgen-
Zitats auffaucht: der des Siegers, dem dann der des Verlierers korrespon
diert. Selbstverständlich war den in Westfalen Verhandelnden klar, dass es
Sieger und Verlierer gab und dass man bei der Wiederherstellung des Frie
dens nicht an den Ergebnissen des Krieges vorbeikam. Indem man jedoch
darauf verzichtete, das explizit zum Ausdruck zu bringen, erleichterte man
gerade jenen, die am stärksten auf die Einlösung ihrer ursprünglichen
Kriegsziele verzichten mussten, den Vertrag zu akzeptieren. Das gilt nicht
nur für den Akt der Unterzeichnung und die anschließende Ratifikation,
sondern auch für die Jahre undjahrzehnte danach, als sich die Betreffenden
wieder so weit erholt hatten, dass sie an eine Revision des Ausgehandelten
hätten denken können. Die große Leistung der Friedensverträge von Müns
ter und Osnabrück war, dass keiner von denen, die dort in weitreichende
Kompromisse eingewilligt hatten, die Westfälische Ordnung grundsätz
lich in Frage stellte. Bis zu den Kriegen der Französischen Revolution und
Napoleons fanden alle Kriege, die in Europa geführt wurden, innerhalb der
in Westfalen geschaffenen Ordnung statt, und die napoleonischen Kriege
wiederum wurden damit beendet, dass auf dem Wiener Kongress die West
fälische Ordnung wiederhergestellt wurde.117
dann jedoch als stabil erwies, lösten sich diese Kriegsbündnisse schnell auf,
und es entwickelten sich gänzlich andere Konstellationen.
Auch Frankreich machte in seiner Proposition vom n.Juni 1645 Satis
faktionsforderungen geltend und verlangte für seine «Mühen, Verluste und
Ausgaben» den habsburgischen Besitz im Ober- und Untereisass sowie im
Sunt- und Breisgau, dazu die Kontrolle über die Festungen Breisach und
Philippsburg. Zunächst wollte man daraus ein Reichslehen bilden, mit dem
Frankreich wie Schweden Reichsstand geworden wäre. Als im Verlauf der
Verhandlungen jedoch klar wurde, wie gering die habsburgischen Besit
zungen im Eisass letzten Endes waren, änderten die Franzosen ihre Ver
handlungsstrategie und verlangten das gesamte Eisass für sich, also nicht
nur habsburgische Erblande, sondern Reichsgebiet. Sie gaben das Ziel auf,
in reichsständische Rechte und Pflichten einzutreten, und bestanden auf
der territorialen Abtretung des Eisass und seiner Einverleibung in fran
zösisches Staatsgebiet.122 Die das Eisass betreffenden Regelungen, die bis
zuletzt bei einer Reihe von Reichsständen auf großen Widerstand stießen,
wurden auf die seit 1552 unter französischem Protektorat stehenden Städte
und Bistümer Metz, Tirol und Verdun ausgeweitet. Auch Breisach und Phi
lippsburg gelangten unter französische Kontrolle und dienten fortan als
Brückenköpfe in Deutschland. Mit diesem Ergebnis kann die französische
Krone als ein weiterer Sieger der westfälischen Verhandlungen angesehen
werden.
Der Kaiser und mit ihm die Casa d’Austria waren dagegen Verlierer -
gemessen jedenfalls an den Zielen, die sie verfolgt hatten, und an dem,
was im Verlauf des Krieges für sie immer wieder erreichbar erschien. Am
Ende hatte dem Kaiser und seinen Verbündeten der lange Atem gefehlt,
beziehungsweise es waren ihm die Ressourcen und die Verbündeten aus
gegangen, die vonnöten waren, um den Krieg weiterzuführen. Man war,
zumal nach dem zeitweiligen Abfall so wichtiger Verbündeter wie Bayern
und der beiden rheinischen Kurfürsten, zu weitreichenden Konzessionen
bereit, um den Krieg zu beenden, da man befürchten musste, dass sich die
eigene Verhandlungsposition bei einem Fortgang der Kampfhandlungen
noch weiter verschlechtern würde. In der Umgebung Ferdinands III. kam
man letztlich zu dem Ergebnis, man sei alles in allem glimpflich davonge-
Die Gesandten des Kaisers, der Kurfürsten und der schwedischen Krone
haben sich 1650 in Nürnberg versammelt, um letzte strittige Punkte zu
klären und zu überprüfen, ob die in Münster und Osnabrück eingegan
genen Verpflichtungen eingehalten wurden: Truppenabdankung, Zahlung
von Kriegsentschädigung, Amnestie. Auf dem Tisch liegen die noch einmal
miteinander abgeglichenen Vertragsexemplare. Sie sind gerade unter
schrieben worden. Der Krieg war damit definitiv beendet.
kommen, und so gab man nach einigem Sträuben dem Drängen der zur
«Friedenspartei» verbundenen Reichsstände nach und unterschrieb die
Verträge von Münster und Osnabrück.123 Damit endeten die Kampfhand
lungen - jedenfalls sobald die Nachricht vom Friedensschluss in Münster
und Osnabrück auf den Kriegsschauplätzen eingetroffen war.
Es gab aber ein weiteres Problem, das gelöst werden musste: die Abdankung
der Truppen, die noch überall in Deutschland standen. Abdankung bedeu-
814 ZW ISC H EN K R IE G UND F R IE D E N
tete, dass der ausstehende Sold auszubezahlen war, und dabei stellte sich
die Frage, wer das Geld dafür aufbringen sollte. Im französischen Fall war
die Antwort einfach, da Frankreich, nachdem es sich mit Spanien in Müns
ter nicht hatte einigen können, weiterhin Krieg führte und die Armeen an
den nördlichen und südlichen Landesgrenzen brauchte. In gewisser Hin
sicht war es ein Glücksfall für den Frieden im Reich, dass der Krieg zwi
schen Frankreich und Spanien andauerte und gerade nicht der angestrebte
europäische Universalfrieden erreicht wurde, denn so sparte man sich die
Demohilisierungskosten der französischen Armeen, die angesichts der
Probleme mit Schweden vermutlich nicht aufzubringen gewesen wären.
Zudem saugten der französisch-spanische Krieg wie auch die wiederauf
lebenden Kriege im Mittelmeer gegen die Osmanen sowie der Krieg zwi
schen Russland und Polen die beschäftigungslos gewordenen Söldner an
und ersparten Deutschland eine jahrelange Auseinandersetzung mit maro
dierenden Söldnerhaufen auf der Suche nach Unterhalt und Beschäftigung.
Die Eindämmung des Marodeurswesens war auch der Grund, warum man
die Söldner nicht einfach entließ, sondern ein Interesse daran hatte, sie
formgerecht abzudanken und den noch ausstehenden Sold zu zahlen.
Dabei erwies sich vor allem das schwedische Heer in Deutschland als
ein Problem, da für Schweden nicht in Frage kam, was für einige Reichs
stände die Lösung war: Teile der Truppen zu behalten, um aus ihnen ein
stehendes Heer aufzubauen. Künftig sollten die Heere dauerhaft unterhal
ten werden, um bei Bedarf schnell vom Friedens- auf den Kriegsfuß versetzt
werden zu können. Der Historiker Johannes Burkhardt hat die neuen ste
henden Heere darum als die «stehengebliebenen Heere» des Dreißigjäh
rigen Krieges bezeichnet.124Auch das war eine Möglichkeit, einem sprung
haften Anstieg der Gewalttaten und Verbrechen nach der Entlassung von
etwa 200 ooo Gewaltspezialisten entgegenzuwirken. Mit den Truppen
Hessen-Kassels,125 Bayerns und des Kaisers konnte man so verfahren, aber
nicht mit den schwedischen, da diese wesentlich durch Subsidien und die
Ausplünderung des besetzten Landes finanziert wurden. Die von Schwe
den für die Abdankung ursprünglich geforderte Summe von 20 Millionen
Reichstalern wurde in Osnabrück auf fünf Millionen heruntergehandelt,
bevor es zur Vertragsunterzeichnung kam. Aber wer sollte diese Summe
Der Westfälische Frieden 8iS
aufbringen? Sie wurde auf sieben Reichskreise verteilt, die sie in drei Raten
zu zahlen hatten. Sie brachten das Geld tatsächlich auf, und die Summe
reichte dann auch aus, um die 60 ooo schwedischen Soldaten in Deutsch
land abzudanken, die auf 80 feste Plätze verteilt waren.126
A uf dem Nürnberger Exekutionstag, der vom Mai 1649 bis zum Juli 1650
dauerte,127 sollte die Umsetzung des in Münster und Osnabrück Beschlos
senen überwacht werden. Entgegen vielerlei Befürchtungen stellte man fest,
dass die Abdankung der Truppen erfolgt und ein Großteil der Soldaten
aus Deutschland verschwunden war. In der Wahrnehmung der Menschen
war der Krieg damit tatsächlich zu Ende. Paul Gerhardt brachte das neue
Gefühl des Friedens in die Verse:
D
ie Westfälische Ordnung hat Europa keinen dauerhaften Frieden
beschert. Aber sie hat religiöse Kriegsgründe zumindest innerhalb
des Reichs weitgehend beseitigt und langfristig Kriege als Staatenkriege
etabliert. Mit der nachfolgenden Ablösung von Söldnerheeren durch steu
erfinanzierte reguläre Armeen hat sie zudem verhindert, dass die kriegfüh
renden Parteien das von ihnen besetzte Land ausplünderten, verheerten
und ihre Gewalt in erster Linie gegen die Zivilbevölkerung richteten. Vie
les davon ist 1899 in die Haager Landkriegsordnung aufgenommen wor
den. Doch schon für die Kolonialkriegführung galt das Erreichte nur sehr
begrenzt, wenn überhaupt. Im Gefolge des Ersten und im Zweiten Welt
krieg sowie den anschließenden antikolonialen Befreiungskriegen ist die
Westfälische Ordnung von ihren Grundsätzen her in Frage gestellt worden.
Daran haben auch die Genfer Konventionen von 1864,1929,1949 und 1977,
deren letzte erstmals Regelungen zum Umgang mit Nonkombattanten auf
genommen hat, nichts zu ändern vermocht.
Es scheint also, als könne man aus der Westfälischen Ordnung nichts
mehr lernen. Dafür aber lässt sich umso mehr aus dem Dreißigjährigen
8 i8 SC H L U SS
Krieg lernen, dessen Formen der Kriegführung im großen Stil in die Pra
xis der Kriege zurückgekehrt sind. Wie im Dreißigjährigen Krieg ist mit
der Wiederkehr des «kleinen Kriegs» die Gewalt gegen die Bevölkerung
beziehungsweise die Auflösung des Unterschieds zwischen regulären
Truppen, Söldnerheeren und Marodeuren zurückgekommen. Der «kleine
Krieg» kennt eine strikte Unterscheidung zwischen Kombattanten und
Nonkombattanten nicht. So kann es kaum überraschen, dass in den Neuen
Kriegen sehr viel mehr am Kampf Unbeteiligte der Gewalt zum Opfer fal
len als solche, die sich bewaffnet und einer gewaltsam agierenden Gruppie
rung angeschlossen haben.1
Diese Beobachtung ist zeitlich eng mit dem Übergang vom 20. zum
21. Jahrhundert verbunden. Inzwischen stellt sich die bereits vor Jahren
aufgeworfene Frage2 neu und sehr viel dringlicher: Haben wir es über das
Ende der Westfälischen Ordnung hinaus mit einer Wiederkehr des Drei
ßigjährigen Krieges zu tun? Kann die modelltheoretische Betrachtung des
Dreißigjährigen Krieges so etwas wie den Analyserahmen für gegenwärtige
und zukünftige Kriege bieten? Damit verliert der Blick auf den Dreißigjäh
rigen Krieg das «Antiquarische», genauso aber das «Monumentalische»,
um zwei Begriffe Nietzsches aufzugreifen. Er erhält dafür eine selbstrefle
xiv-kritische Dimension, mit der man die ausschließlich selbstbezogene
Beschäftigung mit der eigenen Geschichte hinter sich lässt und wie in
einem «fernen Spiegel»3 die Vergangenheit betrachtet, um die Gegenwart
zu begreifen und womöglich sogar in die Zukunft zu sehen. Die folgenden
Überlegungen gehen von der These aus, dass mit dem Ende der Westfä
lischen Ordnung im Verlauf des 20. Jahrhunderts keineswegs, wie erhofft,
der Krieg als Geißel der Menschheit verschwunden ist, sondern dass wir
erneut mit einer Verschränkung der Kriegstypen konfrontiert sind, wie sie
schon im Dreißigjährigen Krieg zu beobachten war.
Man brauche für den Nahen Osten einen neuen Westfälischen Frieden,
hat Frank-Walter Steinmeier, damals noch deutscher Außenminister, im
Herbst 2016 bei der Verleihung des Westfälischen Friedenspreises erklärt.
Es kann dahingestellt bleiben, ob er sich darüber im Klaren war, dass der
Friedensschluss von Münster und Osnabrück nicht zu einer dauerhaften
Der Dreißigjährige Krieg als Analysefolie 819
für die untergründige Präsenz der Gewalt in der Zeit des Dreißigjährigen
Krieges und der heutigen Kriege zum Vorschein, das einen Blick auf das
Geschehen jenseits der Statistik ermöglicht.
Eine politikwissenschaftliche Analogiebildung muss indes Parallelen
finden, die über die Visualisierung von Gewalt, Schmerz und Leid hinaus
gehen. Dazu gehört, dass man auf jene Faktoren achtet, durch die sich die
erste Hälfte des 17. Jahrhunderts von unserer Gegenwart unterscheidet. Als
Erstes gilt das für die Rolle der Religion in gesellschaftlichen und politi
schen Konflikten. Der Dreißigjährige Krieg war durch den konfessionellen
Gegensatz seit der Reformation geprägt. Die religiös-konfessionelle Frage
verschärfte die bestehenden politischen Konflikte, und die politischen
Konflikte zogen ihrerseits konfessionelle Auseinandersetzungen an.10 Die
Westfälische Ordnung beruhte deshalb auf dem Imperativ, die religiös
konfessionelle Überformung von Konflikten zu neutralisieren und die vor
handenen Konflikte strikt von religiösen Fragen zu trennen. Das ist, wie
oben angedeutet, weitgehend gelungen, bis im Gefolge der Französischen
Revolution mit dem Nationalismus als neuer «politischer Religion»11
abermals Unbedingtheitsvorstellungen ins Spiel kamen, die einer kalkül
rationalen Interessenabwägung entgegenstanden. Grundsätzlich aber kann
die Entwicklung der europäischen Gesellschaften seit Mitte des 17. Jahrhun
derts - jedenfalls in politischer Hinsicht - auf der Grundlage des Säkulari
sationstheorems beschrieben werden: Religiöse Bindungen spielten für die
öffentliche Positionierung der Menschen eine immer geringere Rolle, und
der religiöse Glaube wurde schrittweise zu einer privaten und persönlichen
Angelegenheit.12 Religionskriege wurden bald als überwunden angesehen,
und als maßgebliche Zäsur galt dabei neben der Aufklärung vor allem der
Westfälische Frieden. Die Aufklärung wurde aus kulturwissenschaftlicher
Perspektive als Zäsur angenommen, die politische Historiographie stellte
dafür den Westfälischen Frieden ins Zentrum.
Bis vor kurzem ist, jedenfalls in der westlichen Welt, der Prozess der
Säkularisierung als eine Entwicklung betrachtet worden, hinter die es
kein Zurück mehr gebe. Das hat lange den Blick darauf verstellt, dass Reli
gion und Politik abermals Verbindungen eingegangen sind, die Gewalt
befördern. Dieser Vorgang ist nicht auf die arabisch-muslimische Welt
824 SC H L U SS
Die Frage, ob sich die auf den ersten Blick voneinander unabhängigen
Kriege im Vorderen Orient (die Bürgerkriege in Syrien und im Jemen, der
Krieg gegen den sich selbst so bezeichnenden «Islamischen Staat» in
Syrien und im Nordirak, schließlich der Bürgerkrieg in Libyen) sowie die
Kriege auf dem afrikanischen Kontinent (von Somalia und dem Sudan
über Nigeria bis nach Mali) und der Dreißigjährige Krieg in eine Analo
gie bringen lassen, führt zunächst zu einer zentralen Frage der historischen
8x6 SC H L U SS
Forschung über den Krieg der Jahre 1618 bis 1648: der nämlich, ob es sich
dabei überhaupt um einen zusammenhängenden und einheitlichen Krieg
gehandelt habe oder ob er erst von den Geschichtsschreibern des 19. Jahr
hunderts dazu gemacht worden sei. So lautet einer der Einwände der revi
sionistischen Historiographie gegen das angeblich überkommene Bild des
Dreißigjährigen Krieges: «Alle größeren und kleineren Kriege», so etwa
Sigfried H. Steinberg, «die seit 1609 in dem einen oder anderen Teil Mit
tel- und Osteuropas aufgeflammt waren, wurden durch Waffenstillstands-
oder Friedensverträge beendet. Die Vergegenwärtigung dieser Reihe, vom
spanisch-holländischen Waffenstillstand des Jahres 1609 bis zum Frieden
zwischen Schweden und Dänemark im Jahre 1645, reicht an sich aus, um
den Begriff eines einzigen dreißigjährigen Krieges > in Mißkredit zu brin
gen.»16 Tatsächlich beschreibt die jüngere Forschung den Krieg von 1618
bis 1648 zumeist als eine Abfolge von (mindestens) vier Kriegen: dem böh
misch-pfälzischen Krieg von 1618 bis 1623, dem niedersächsisch-dänischen
Krieg von 1624 bis 1629, dem schwedischen Krieg von 1630 bis 1634 und
schließlich dem schwedisch-französischen Krieg von 1634 bis 1648.17 Mit
jeder dieser Etappen war eine räumliche Verlagerung des Kriegsgeschehens
verbunden. Dennoch hat sich die Vorstellung durchgesetzt - und diese
Sicht konnte auch von der revisionistischen Geschichtsschreibung nicht
abgelöst werden dass dieser Krieg ein einziger zusammenhängender
Konflikt war, der bereits von den Zeitgenossen als solcher wahrgenommen
wurde.18
Bei der Beschäftigung mit der Frage, ob einzelne Kriege in einem so
ausgeprägten Zusammenhang miteinander stehen, dass sie als ein einziger
Krieg betrachtet werden können, auch wenn dieser Krieg in unterschied
lichen Räumen ausgetragen wird und unterschiedliche Entwicklungsetap
pen aufweist, zeigt sich, dass nicht nur frühere Kriege und deren historio-
graphische Darstellung ein «ferner Spiegel» gegenwärtiger Kriege sein
können, sondern dass dies auch umgekehrt gilt: Wir können durch die
Beobachtung der Kriege unserer Zeit etwas über die Kriege der Vergan
genheit lernen, das wir in dieser Weise sonst vermutlich nicht sehen wür
den. Noch werden die Kriege in Syrien und im Nordirak, im Jemen und
in Libyen weitgehend voneinander unabhängig betrachtet, wenngleich in
Der Dreißigjährige Krieg als Analysefolie 827
Strukturanalogien
nien am längsten in diesen Krieg verstrickt. Dabei hat nicht nur die katho
lische Solidarität und das Zusammengehörigkeitsgefühl des Hauses Habs
burg eine Rolle gespielt, sondern mehr noch das Interesse, die spanische
Hegemonie in Europa aufrechtzuerhalten. Spanien ist unter den externen
Interventen der große Verlierer: Es konnte keines seiner Kriegsziele errei
chen, stattdessen hat es seine Ressourcen erschöpft und wurde zuletzt von
inneren Aufständen und Sezessionsbewegungen in Portugal und Katalo
nien geschwächt, die seine europäische Stellung endgültig untergruben.37
Wenn England und Spanien das Paar der großen Gegensätze bilden, so
sind Frankreich und Schweden das Paar der kleinen Gegensätze: Beide grif
fen in den Krieg ein, und beide gehörten zu denen, die danach als Sieger
mächte dastanden. Sie hatten ihre Ziele erreicht: Schweden die Hegemonie
über die Ostsee und die Kontrolle der östlichen und südlichen Küstenre
gionen sowie, wenn man die religionspolitischen Ziele einbezieht, die Ret
tung des Protestantismus in Deutschland;38 Frankreich die politische Tren
nung der Wiener und der Madrider Linie des Hauses Habsburg, die das
definitive Ende des imperialen Anspruchs der Habsburger bedeutete, dazu
die Eingliederung des Eisass in den französischen Staat, das zum Sprung
brett für militärische Interventionen in den süddeutschen Raum wurde.39
Schweden und Frankreich sind freilich auf recht unterschiedlichen Wegen
zum Ziel gekommen: Schweden, indem es alles auf die militärische Karte
setzte, weil es über keine anderen relevanten Möglichkeiten verfügte;
Frankreich durch den sukzessiven und kombinierten Einsatz von diploma
tischem Raffinement, finanziellen Mitteln und schließlich eigenem Militär.
Schwedens Erfolg hing daran, dass seine Armeen erfolgreich waren. Dage
gen waren die eigenen Armeen, die Frankreich in der Schlussphase des
Krieges auf dem deutschen Kriegsschauplatz einsetzte, nie so erfolgreich
wie die der Schweden. Den wenigen Erfolgen der französischen Streitkräfte
stehen mindestens ebenso viele Niederlagen gegenüber, aber Frankreich
konnte Niederlagen und Rückschläge wegstecken, weil das Portfolio sei
ner Machtsorten sehr viel gleichmäßiger bestückt war als das der Schwe
den. Das Land im Norden spielte bei jeder Schlacht Vabanque; Frankreich
hingegen hatte stets so viel in der Hinterhand, dass es eine Schlappe ver
schmerzen konnte.
838 SC H L U SS
Schweden war sehr viel stärker als Frankreich darauf angewiesen, dass
ihm das Glück hold war, und wenn das nicht der Fall war, wie beim Tod Gus
tav Adolfs auf dem Schlachtfeld von Lützen, stand es sofort am politischen
Abgrund. Richelieu dagegen konnte sich darauf verlassen, dass ihm das
Glück schon irgendwann hold sein würde, wenn er es mit diplomatischen
Mitteln und finanziellen Verlockungen umgarnte - und dafür hatte der Kar
dinalpremier sehr viel Garn zur Verfügung. Richelieu war kein strahlender
Held wie Gustav Adolf, aber er musste es auch nicht sein; Gustav Adolf
wiederum musste glänzende Erfolge auf dem Schlachtfeld erringen, und
nur weil ihm das gelang und die Generäle, die nach dem Tod des Königs
an seine Stelle traten, überwiegend fähige Strategen und Truppenführer
waren, erging es Schweden in diesem Krieg nicht wie dem Dänenkönig
Christian IV., der große politische Ambitionen hatte und nach mehreren
militärischen Niederlagen froh sein konnte, ohne größere Gebietsverluste
aus dem Krieg herausgekommen zu sein. Die französische Politik war
weniger auf Risiko angelegt, und sie konnte sich das leisten, weil sie nie
wie die schwedische darauf angewiesen war, Gelegenheiten und Chancen
zu erzwingen. Frankreich hat unter Richelieu den Platz zurückgewonnen,
den es zu Beginn des 16. Jahrhunderts bereits innegehabt, aber infolge des
konfessionellen Bürgerkriegs eingebüßt hatte. Schweden dagegen tauchte
aufgrund seiner militärischen Erfolge wie ein Stern aus dem Nichts auf und
wurde dabei zum politischen Vorbild für Preußen, das unter Friedrich II.
einen ähnlichen Weg gegangen ist.40
Der hier angestellte Vergleich zwischen den äußeren Mächten mit
Interventionsoption lässt sich auf die heutigen Konflikte im Nahen Osten
und in der Sahelzone nur bedingt übertragen. Die politischen Konstel
lationen und die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen sind doch zu
verschieden. Die USA, die EU und Russland haben allerdings ähnliche
Möglichkeiten wie die beschriebenen Akteure, und diese reichen von einer
klugen oder auch nur unentschlossenen Politik des Heraushaltens bis zum
entschiedenen Ausspielen der militärischen Karte, vom geschickten Dosie
ren des Einsatzes der eigenen Macht, das sich immer Rückzugspositionen
offenhält, keine Risiken eingeht, die man nicht verschmerzen könnte, und
die politischen Ziele über lange Zeitstrecken hin verfolgt, bis hin zu einem
Der Dreißigjährige Krieg als Analysefolie 839
Neben den vier äußeren Interventen und Nichtinterventen zeigt die geo-
politische Analyse des Dreißigjährigen Krieges eine weitere Gruppe von
Akteuren, die in den Krieg sehr viel stärker involviert waren, weil sein
840 SC H L U SS
Ausgang für sie unmittelbare politische Folgen hatte. Zu nennen sind die
Niederlande und Dänemark sowie Polen und Siebenbürgen. Das eine
Gegensatzpaar bilden Polen und Siebenbürgen: Polen hat sich aus dem
Krieg weitgehend herausgehalten,42 und die in Polen regierende ältere
Linie des Hauses Wasa verzichtete auch darauf, den vorherigen Krieg
gegen die jüngeren Wasa in Schweden wiederaufzunehmen, um die Bin
dung der schwedischen Militärmacht an den deutschen Kriegsschauplatz
auszunutzen.43 Einige Male hatte es den Anschein, als wolle Polen einen
Krieg gegen Schweden beginnen, aber dann sorgten Richelieus Diploma
ten dafür, dass der schwedisch-polnische Waffenstillstand verlängert wurde
und die schwedischen Kräfte uneingeschränkt gegen den Kaiser eingesetzt
werden konnten. Dagegen führte Bethlen Gabor, der calvinistische Fürst
von Siebenbürgen, dessen Herrschaftsgebiet unter der Oberhoheit des
Osmanischen Reichs stand, auf eigene Faust Krieg und fiel immer wieder
in Ungarn ein. Mehrere Male stießen seine Truppen bis nach Wien vor und
versetzten die Stadt in Angst und Schrecken. Aber Bethlens leichte Reiter
waren strategisch nur im Verbund mit anderen Waffengattungen zu gebrau
chen, und über die verfügte der Woiwode von Siebenbürgen nicht. Die
regelmäßigen Vorstöße Bethlens sorgten zwar für große Aufregung, blie
ben für den Kriegsverlauf aber folgenlos. Obwohl Polen und Siebenbürgen
eine geradezu entgegengesetzte Politik verfolgten, hatten beide tendenziell
den gleichen Einfluss auf den Krieg in Deutschland - keinen.
Das war anders im Fall der Niederlande und Dänemarks. Für die nörd
lichen Niederlande, die sich im Verlauf des antispanischen Aufstands zu
einem eigenständigen Staatswesen entwickelt hatten, war die politische
und militärische Entwicklung in Deutschland von existenzieller Bedeutung.
Schon vor dem Krieg standen die Niederländer in einem engen Verhält
nis zu den pfälzischen Kurfürsten, und nach dem Scheitern Friedrichs V.
in Böhmen waren sie sein letzter zuverlässiger Bündnispartner, von der
Finanzierung der Söldnerheere Friedrichs bis zur Einrichtung eines Exil
hofs für ihn im Haag.44 Die Niederländer waren einer der wichtigen Finan
ziers des Krieges; gleichzeitig achteten sie aber sehr genau darauf, dass sie
nicht militärisch in ihn verwickelt wurden, und stellten ihren Verbündeten
keine eigenen Truppen zur Verfügung. Deswegen widerstanden Kaiser und
Der Dreißigjährige Krieg als Analysefolie 841
Liga den Spaniern, als diese darauf drängten, den Krieg in Deutschland auf
die Niederlande auszuweiten. Tilly forderte eine militärische Intervention
in den Niederlanden, doch Kurfürst Maximilian untersagte seinem Gene
ral ausdrücklich den Vorstoß über den Rhein in niederländisches Gebiet.45
Die Folge war, dass beide Kriege weitgehend voneinander getrennt blieben.
Maximilian und Ferdinand dürften mit ihrer Zurückhaltung richtig gelegen
haben: Sie wollten eine Ausweitung des Krieges vermeiden, weil sie fürch
teten, dass sie gerade dadurch die Formierung einer «protestantischen
Internationale» zum Schutz der Niederlande bewirken würden.
Im Unterschied zu den Niederlanden hat sich Christian IV. von Däne
mark offen in den Krieg in Deutschland eingemischt und ist für zwei Jahre
zur Kriegspartei geworden. Er hat also eine ganz andere Politik betrieben
als die Niederländer. Dafür gibt es mehrere Erklärungen.46Als Herzog von
Holstein war Christian Reichsstand und insofern von den Entwicklungen
in Deutschland unmittelbar betroffen. Während in den Niederlanden die
Stände die Politik bestimmten und dabei Vorsicht und Umsicht walten
ließen, konnte sich Christian infolge seiner Einnahmen aus den Öresund-
Zöllen gegen die ablehnende Haltung der Stände durchsetzen. Ausschlag
gebend für seinen Entschluss dürfte indes gewesen sein, dass die Politik im
Haag und in London ein protestantisches Bündnis schaffen wollte, in dem
der Schwede Gustav Adolf die militärische Führungsaufgabe übernehmen
sollte. Um das zu verhindern, stellte sich Christian an die Spitze der neuen
Kriegskoalition gegen den Kaiser und zog in den Krieg. Dabei musste er
dann eine Reihe bitterer Niederlagen einstecken.
Die aus Polen und Siebenbürgen, den Niederlanden und Dänemark
bestehende Vierergruppe potenzieller Interventen unterschied sich von der
erstgenannten Gruppe dadurch, dass es für sie schwerer war, sich aus dem
Krieg herauszuhalten, ohne Nachteile hinnehmen zu müssen. Vollständig
blieb nur Polen dem Krieg fern, aber auch dazu musste es immer wieder
durch die französische Diplomatie sowie französisches Geld motiviert wer
den. Siebenbürgen und Dänemark griffen militärisch offen in den Krieg ein,
wovon Bethlen Vorteile hatte, während Christian IV. dadurch die dänische
Position im Ostseeraum schwächte. A uf den Kriegsverlauf haben beide
nur geringen Einfluss gehabt. Entscheidenden Einfluss genommen haben
842 SC H L U SS
dagegen die Niederlande, die bis zur Intervention Schwedens das Zentrum
des antikatholischen und antihabsburgischen Widerstands waren und ihre
reich sprudelnden Finanzquellen dazu nutzten, den Krieg in Deutschland
am Laufen zu halten. Auch für die Analysen der gegenwärtigen Kriege im
Nahen Osten und in der Sahelzone muss dieser Aspekt berücksichtigt wer
den: Die offen militärischen Unternehmungen sind das eine, die verdeck
ten Finanzströme, die den Krieg nähren, das andere. Die Beschäftigung mit
den Niederlanden als einem Spiritus Rector des Krieges in seinem ersten
Jahrzehnt zeigt, dass die Analyse von Ursachen und Faktoren auf mehreren
Ebenen erfolgen muss und auch verborgene Einflussnahmen nicht überse
hen werden dürfen.
Zwischen dem Dreißigjährigen Krieg und den gegenwärtigen Kriegen
im genannten Raum lassen sich zwei weitere Ähnlichkeiten ausmachen:
das vermehrte Auftreten von Gewaltakteuren, die nicht unter der Direk
tionsgewalt eines Territorialstaats stehen, sowie die Entstehung großer
Flüchtlingsbewegungen, die teilweise auf systematische Vertreibungen zu
rückgehen, mit denen bestimmte Gebiete religiös vereinheitlicht werden
sollen. Einige der Exilanten nehmen das Schicksal der Vertreibung nicht
hin, sondern versuchen sich an deren Revision - entweder dadurch, dass
sie andere zur militärischen Intervention drängen, oder indem sie in das
Militär eines kriegsbeteiligten Staates eintreten und dem Kriegsgeschehen
eine besondere Kompromisslosigkeit verleihen. Die Zunahme an nichtter
ritorialen Kämpfergruppen und Flüchtlingsbewegungen steht dafür, dass
auch in dieser Hinsicht die Ära der Westfälischen Ordnung zu Ende ge
gangen ist und mit einer Rückkehr zu «vorwestfälischen» Verhältnissen zu
rechnen ist. Die Wiederkehr der Condottieri in Gestalt von Warlords47 ist
ein untrüglicher Indikator dafür.
Nach dem Grundsatz einer «Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen»
könnte man schlussfolgern, die Kriege im Vorderen Orient und in der Sahel
zone seien Ereignisse, in denen nachgeholt werde, was in Europa vor vier
Jahrhunderten stattgefunden habe. Dass dies so ist, lässt sich nicht prinzipi
ell ausschließen. A uf den ersten Blick könnte man den «Islamischen Staat»
als ein Beispiel für die Territorialisierung vagabundierender Kämpfer anse-
hen, die aus dem arabischen Raum und aus Europa nach Syrien und in den
Der Dreißigjährige Krieg als Analysefolie 843
EIN LEITU N G
DEUTSCHE ERIN N ERU N G
UND DEUTSCH ES TRAUM A
1 Die Erinnerung an dieses inzwischen verblasste Trauma findet sich noch in den Ti
teln populärer Kriegsdarstellungen, etwa Milner, Gegen L a n d und Leute, oder Huf,
M it Gottes Segen in die Hölle, z Plessner hat in seinem gleichnamigen Buch den Be
zug zum Dreißigjährigen Krieg selbst hergestellt, als er schrieb: «In Europa gibt es
drei große Völker, welche an der Entwicklung des modernen Staatsbewußtseins seit
dem 17. Jahrhundert nicht teilgenommen haben: Spanien, Italien und Deutschland.
Denn in dem entscheidenden Zeitraum war das Schicksal gegen sie.» Und als Be
gründung im deutschen Fall hielt er fest: «Deutschland zerfiel in den Glaubens
kämpfen, in dem Gegeneinander der Fürsten und der Kaisermacht.» In der Folge sei
der Volksbegriff für das nationale Selbstbewusstsein sehr viel wichtiger geworden als
der Staatsbegriff. (D ie verspätete Nation, S. 58). 3 Zur dieser Bezeichnung vgl. Tra-
verso, Im Bann der Gewalt, S. 40 ff; kritisch dazu Münkler, D er Große Krieg, S. 10 £
4 Moltke, «Rede im Reichstag am 14. Mai 1890»; in: Stumpf (Hg.), Kriegstheorie
und Kriegsgeschichte, S. 505. 5 Freytag, B ild er aus der deutschen Vergangenheit, Bd. 3,
S. 227. 6 Ebd., S. 227 f. 7 Zu Gustav Freytag vgl. Hahn/Oschmann (Hgg.), Gustav
Freytag (1816-1895), passim. 8 Dazu Hahn, «Gustav Freytag und die bürgerliche
Lebenswelt des 19.Jahrhunderts»; in: Hahn/Oschmann (Hgg.), Gustav Freytag,
S. 13-29. 9 Ergang, The M yth o fth e All-Destructive Fury, passim. 10 Zur gängigen
Berechnung von Kriegstoten vgl. Kolko, D as Jahrhundert d er Kriege, S. 95-110, insbes.
S. 107 ff. 11 Steinberg, The Thirty Years War; dt. Ausgabe D er Dreißigjährige Krieg,
S. 126-143. 12 Ebd., S. 7. 13 Ebd., S. 140 f. 14 Vgl. das zusammenfassende Kapitel
«Der Krieg und die deutsche Gesellschaft» in: Parker, D er Dreißigjährige Krieg,
S. 300-308. 15 Wehler, Deutsche Gesellschaftsgeschichte, Bd. 1, S. 53 f. 16 Ebd., S. 54.
Die Fixierung auf den Dreißigjährigen Krieg, so auch ManfredJakubowski-Tiessen in
dem Diskussionsband Krisen des 17. Jahrhunderts, habe «lange Zeit den Blick dafür
verstellt, daß die Zeit von 1580 bis 1720 insgesamt eine Zeit voller Spannungen und
Erschütterungen gewesen ist» (S. 7). 17 Wehler folgt den Zahlen Steinbergs, wenn
er schreibt: «Keineswegs sank die Einwohnerzahl des Reiches von ca. 16 Milk imJah
re 1620 auf ca. 10 Mill. imJahre 1650, wie man es in der Literatur manchmal liest. Viel
mehr schwankte sie vermutlich um 15 Milk, zwischen 15 und 16 Milk imJahre 1650.»
846 ANHANG
gesetzte Zäsur, und so, wie sich das Staatensystem schon in der Zeit davor entwickelt
hat, ist auch der neuen Völkerrechtsordnung ideenpolitisch vorgearbeitet worden,
insbesondere durch Hugo Grotius’ Schrift Vom Recht des Krieges und des Friedens aus
dem Jahre 1625; dazu Grewe, Epochen der Völkerrechtsgeschichte, S. 163 ff. und 323 ff,
sowie Kimminich, «Die Entstehung des neuzeitlichen Völkerrechts», S. 91 ff.
28 Dazu ausführlich Kunisch, Staatsverfassung und M achtpolitik, passim. 29 Waltz,
Theory o f International Politics, S. 114-116; theoretisch weniger ambitioniert, dafür
stärker an den Wendungen und Konflikten der europäischen Geschichte orientiert
ist Dehio, Gleichgewicht oder Hegemonie. 30 Vgl. hierzu nach wie vor den brillanten
Aufsatz von Alfred Vagts «Die Chimäre des europäischen Gleichgewichts» aus dem
Jahr 1942. 31 Die heuristische Begrifflichkeit führt zu einer bestimmten Fokussie
rung des Blicks, etwa wenn das, was Eduard Fueter ( Geschichte des europäischen Staa
tensystems) als dynamische Veränderung eines in sich stabilen Systems beschrieben
hat, von Brendan Simms (K a m p f um Vorherrschaft, S. 37-80) als Ringen um Hegemo
nie dargestellt wird. 32 Wie offen hierbei die Terminologie von Imperium und He
gemonie ist, zeigt ein Vergleich zwischen meinem Buch Im perien und Ulrich Menzels
D ie O rdnung der Welt: Während für Menzel Imperialität gegenüber Hegemonie die
weichere Herrschaftsform ist, verhält es sich in meiner Studie genau umgekehrt. Bei
de Arbeiten kommen oft zu denselben Ergebnissen - freilich unter entgegengesetzter
Begrifflichkeit. 33 Zu Entstehung und Kampfweise der spanischen Tercios vgl.
Schwarz, Gefechtsformen der Infanterie, S. 100 £, 120 f. und 210 ff., sowie White, «The
Experience of Spains Early Modern Soldiers», S. 1-38. 34 Dazu ausführlich Straub,
P a x et Im perium , S. 44 ff. und 109 ff, sowie Elliott, «Foreign Policy and Domestic Cri-
sis», S. 185 ff. 35 Vgl. Parker, D er Aufstand der N iederlande, S. 184 ff. und 248 ff, sowie
van der Lern, D ie Entstehung der N iederlande aus der Revolte, S. 95 ff. und 139 ff. 36
Dazu Hahlweg, D ie Heeresreform der Oranier, sowie Oestreich, «Der römische Stoi
zismus und die oranische Heeresreform», S. 11 ff; weiterhin Schulze, «Die Heeresre
form der Oranier», S. 233-239. 37 Inzwischen hat sich für das Zeitalter der Glau
benskämpfe der Begriff der Konfessionalisierung durchgesetzt, der den Vorzug hat,
gegenüber den kämpferischen Begriffsprägungen beider Seiten Distanz zu ermögli
chen; vgl. Zeeden, D ie Entstehung der Konfessionen; ders., Konfessionsbildung; Schmidt,
Konfessionalisierung, sowie Schilling, «Die Konfessionalisierung im Reich». 38 Zur
antihabsburgischen Politik Urbans vgl. Wedgwood, D er D reißigjährige Krieg, S. 168 f.,
214 f. und öfter. Es fällt auf, dass in der katholisch geprägten Kirchengeschichtsschrei
bung das Problem zumeist übergangen oder kleingeredet wird; vgl. etwa Schuchert,
Kirchengeschichte, Bd. 2, S. 742 f., sowie Tüchle, Reform ation und Gegenreformation,
S. 192. 39 Zum Begriff des Religionskriegs vgl. Repgen, «Was ist ein Religions
krieg?», S. 84-97, sowie Burkhardt, «Religionskrieg», S. 681-687; vor allem Bireley,
«The Thirty Years War as Germany’s Religious War», S. 85-104. 40 Zu Idee und
Begriff der Universalmonarchie allgemein Bosbach, M onarchia Universalis, S. 35-63;
848 ANHANG
der ihn in der Debatte über die Strategie Friedrichs des Großen eingeführt hat; vgl.
Delbrück, Geschichte der Kriegskunst, Bd. 4, S. 497 ff.
1. K A P I T E L
« IH R K E N N T N IC H T DIE F O L G E N E U R E S T U N S » :
AN FÄNG E UND V O RG ESCH IC H TEN
1 In den neueren Darstellungen des Dreißigjährigen Krieges wird der Prager Fenster
sturz zumeist nur kurz erwähnt und sein Ablauf nicht weiter erzählt; eine Ausnahme
ist Gotthard, D er Dreißigjährige Krieg, S. 59-78. Für eine ausführliche Darstellung vgl.
Gindely, Geschichte des dreißigjährigen Krieges, Bd. 1, S. 34-43; auch Moriz Ritter hat
in seinem Werk Deutsche Geschichte im Zeitalter d er Gegenreformation und des Dreißig
jährigen Krieges, Bd. 2, S. 453-458, die Prager Ereignisse gewürdigt. Die wichtigste
Quelle beider ist der Bericht des Statthalters Martinitz, eines der Hauptbetroffenen,
über den Tumult in der Burg und den Fenstersturz. Dieser ist auszugsweise abge
druckt in Roeck (Hg.), Gegenreformation und D reißigjähriger Krieg, S. 191-198; voll
ständig in Lorenz (Hg.), Quellen zu r Vorgeschichte und zu den Anfängen des D reißigjäh
rigen Krieges, S. 221-232. 2 Jörg-Peter Findeisen bezeichnet Thurn in seiner
Kurzbiographie als den «Kopf jener Verschwörung, die Böhmen veränderte», weist
aber «den zweifelhaften Ruhm» zurück, wonach Thurn «der <Urheber> des Drei
ßigjährigen Krieges» gewesen sei; Findeisen, D er Dreißigjährige Krieg, S. 140 und
141. 3 Der Majestätsbrief findet sich in deutscher Übersetzung bei Roeck (Hg.),
Gegenreformation und Dreißigjähriger Krieg, S. 146-152; ebenso Lorenz (Hg.), Quellen
zu r Vorgeschichte, S. 92-100. Utraquisten ist die Bezeichnung für diejenigen, die seit
dem 16. Jahrhundert in Böhmen das Abendmahl «in beiderlei Gestalt», also in der
Form von Brot und Wein, feierten, dogmatisch aber dem Katholizismus verbunden
blieben. Ihnen wurden im MajestätsbriefLutheraner und Calvinisten subsumiert. 4
Press, Kriege und Krisen, S. 173; vgl. auch Rill, K aiser M atthias, S. 145 ff. 5 Vgl. Ritter,
Deutsche Geschichte, Bd. 2, S. 454. 6 Ebd. 7 Ebd., S. 456; ausführlich Müller, «Der
Fall Klostergrab», S. 59 fT. 8 Gindely, Geschichte des dreißigjährigen Krieges, Bd. 1,
S. 31; die Metaphorik von Fuchs und Löwe geht auf Machiavellis Principe (Kapitel
XVIII) zurück. 9 Zur Biographie Klesls vgl. Findeisen, D er Dreißigjährige Krieg,
S. 124-130; Press, «Melchior Khlesl, Kardinal», S. 265-267, Krones, «Kardinal Mel
chior Klesl», S. 143-184, sowie Hermann, «Klesl», S. i486. Die Schreibweise des
Namens differiert und wurde hier wie an weiteren Stellen zu Klesl vereinheit
licht. 10 Press, K riege und Krisen, S. 170. 11 «Bericht des Statthalters Martinitz»,
zit. nach Roeck (Hg.), Gegenreformation und Dreißigjähriger Krieg, S. 192. 12 Ebd.,
S. 193. 13 Die Hussitenkriege werden gelegentlich den Kreuzzügen zugerechnet,
850 ANHANG
weil der Papst dazu aufgerufen hatte und sich ihnen Ritter aus ganz Europa anschlos
sen. Insgesamt kam es zu fünf Hussitenkreuzzügen, von denen jedoch keiner das
angestrebte Ziel erreichte; vgl. Riley-Smith, D ie Kreuzzüge, S. 384 f. 14 Press, Kriege
und Krisen, S. 192. 15 Zit. nach Roeck (Hg.), Gegenreformation und D reißigjähriger
Krieg, S. 196. 16 Ebd., S. 197. 17 Huch, D er D reißigjährige Krieg, Bd. 1, S. 198. 18
Ebd., S. 199. 19 Der Abfall der Niederlande von Spanien hatte im Jahr 1565 begon
nen; die Aufständischen hatten sich in drei Wellen gegen die Weltmacht behauptet.
Der 1609 für zwölf Jahre geschlossene Waffenstillstand lief de facto auf die staats
rechtliche Anerkennung der niederländischen Republik hinaus; vgl. Parker, D er A u f
stand der N iederlande, passim. Aus dem Blickwinkel von 1618 dürfte das niederländi
sche Beispiel eine ermutigende Wirkung auf die Böhmen gehabt haben. 20 Das im
Jahr 1526 an die Habsburger gefallene Königreich Böhmen war ein politisch komple
xes Gebilde; neben dem eigentlichen Königreich gehörten zu ihm auch noch die
«Länder der Wenzelskrone»: Mähren, Schlesien und die beiden Lausitzen. Die
Zugehörigkeit Böhmens zum Heiligen Römischen Reich war unklar; einerseits war
mit der böhmischen Krone die vierte weltliche Kurstimme verbunden (neben der
Kurpfalz, Kursachsen und Brandenburg), so dass Böhmen an der Kaiserwahl teil
nahm; andererseits war es aber nicht im Kurverein vertreten, beteiligte sich nicht
weiter an den Reichstagen und Kurfürstentagen und hatte auch sonst keinen Vertre
ter in den Reichsinstitutionen. 21 Zu den Problemen der Unterscheidung von
Anlass und Ursache vgl. Burkhardt, «Worum ging es im Dreißigjährigen Krieg?»,
S. 67-87. 22 Thukydides selbst spricht vom «Krieg zwischen den Peloponnesiern
und den Athenern»; die Bezeichnung «Peloponnesischer Krieg» findet sich erst
mals bei Diodor im ersten vorchristlichen Jahrhundert. 23 Zum Auftauchen der
Bezeichnung «Dreißigjähriger Krieg» in der Schlussphase des Krieges und zu ihrer
Fortdauer vgl. ausführlich Repgen, «Seit wann gibt es den Begriff dreißigjähriger
Krieg>?», S. 59-70, ders., «Die Entstehung und Verwendung des Terminus Dreißig
jähriger Krieg von 1620 bis 1695», S. 3-79, sowie ders., «Der Dreißigjährige Krieg im
deutschen Geschichtsbild von Schiller», S. 112-134. Repgen («Über die Geschichts
schreibung des Dreißigjährigen Krieges», S. 23, Fn. 111) hat auch auf den Vorbildcha
rakter des thukydideischen Werks für die zeitgenössische Wahrnehmung des großen
Krieges in Mitteleuropa hingewiesen. 24 Thukydides, Geschichte des Peloponnesi-
schen Krieges I, 9-24, S. 27-36. 25 Ebd., I, 23, S. 36. 26 Dedicatio zu Theatri E u ro
paei, sechster und letzter Teil, Frankfurt 1652, unpaginiert. 27 So Merzhäuser,
«Über die Schwelle geführt», S. 74. 28 Thukydides, Geschichte des Peloponnesischen
Krieges, I, 24, S. 37. 29 So bemerkt Thukydides über die spartanische Entscheidung,
den Vertrag über einen Dreißigjährigen Frieden nach nur vierzehnjähriger Laufzeit
für beendet zu erklären: «Zu diesem Beschluß der Spartaner, daß der Vertrag gebro
chen und der Krieg nötig sei, hatten freilich die Verbündeten mit ihren Reden weni
ger beigetragen als die Furcht vor Athen, daß es immer mächtiger werden könne, da
Anmerkungen 851
sie ihm doch den größten Teil von Hellas bereits untertan sahen.» (1, 88, S. 7ö) Und
noch einmal, die spartanische Politik resümierend: «Nun aber, da die Macht Athens
so augenscheinlich stieg und ihren Bund [das Bündnissystem Spartas] antastete, da
riß ihre Geduld, und sie entschlossen sich, anzugreifen und alles einzusetzen, um
seine Größe zu stürzen, wenn sie könnten, und eben den Krieg zu erklären.» (1, 118,
S. 93). 30 Ebd., I, 44, S. 50. 31 Zu den spezifischen Tücken einer Kriegsursachen
analyse wie der des Thukydides vgl. Münkler, «Die Weisheit der Regierenden»,
S. 80 ff. 32 So etwa der einschlägige Band 10 von Gebhardts H andbuch der deutschen
Geschichte, in dem Maximilian Lanzinner das konfessionelle Zeitalter und Gerhard
Schormann den Dreißigjährigen Krieg behandeln; weiterhin Schilling, Aufbruch und
Krise, sowie Heckei, Deutschland im konfessionellen Zeitalter; Zeeden, Hegemonial-
kriege und Glaubenskäm pfe, sowie Lutz, D as Ringen um deutsche E inheit und kirchliche
Erneuerung; ebenso Klueting, D as konfessionelle Zeitalter. 33 Press, Kriege und Krisen,
S. 163. 34 Dazu Rill, K aiser Matthias, S. 121-144. 35 In der zeitgenössischen
Begrifflichkeit war von der melancholia des Kaisers die Rede. Wahrscheinlich litt der
Kaiser aber weniger unter melancholischer Apathie als unter einer agitiert-depressi-
ven Erkrankung; womöglich hatte er auch Schübe von Schizophrenie; vgl. Gotthard,
D er D reißigjährige Krieg, S. 16; zur Biographie Rudolfs vgl. Press, «Rudolf II.
(1576-1612)», S. 99-111, sowie ausführlich Evans, R u d o lf II. Ohnm acht und Einsam
keit. 36 Für eine Vita des Kaisers vgl. Rill, K aiser M atthias; für eine Kurzbiographie
Findeisen, D er Dreißigjährige Krieg, S. 42-49, sowie Press, «Matthias (1612-1619)»,
S. 112-123; zur Vermittlungspolitik des Kaisers ausführlich Ritter, Deutsche Geschichte,
Bd. II, S. 359-417. 37 Zit. nach Parker, D er Dreißigjährige Krieg, S. 72. Parker gibt
eine russische Quelle für das Zitat an und weist darauf hin, dass es sonst nicht auf
taucht. Er benutzt es als eine der Antizipationen der kommenden Ereignisse. 38
Vgl. Ritter, Deutsche Geschichte, Bd. I, S. 412; ausführlich Gräf, Konfession und interna
tionales System, S. 201-327. 39 Ritter, Deutsche Geschichte, Bd. II, S. 239 t 40 Zum
wechselvollen Schicksal der früheren Landgrafschaft Hessen-Marburg während des
Dreißigjährigen Krieges vgl. Albrecht, «Die Kriegs- und Friedensziele der deutschen
Reichsstände», S. 241 ff; zum «Kasseler Einigungsvertrag», durch den das marbur-
gische Oberhessen, Katzenelnbogen und Schmalkalden zu Hessen-Kassel kamen,
vgl. ebd., S. 253. Ausführlich dazu Press, «Hessen im Zeitalter der Landesteilung»,
S. 267-331. 41 Ritter, Deutsche Geschichte, Bd. II, S. 238. 42 Ebd. 43 Ebd.,
S. 239. 4 4 Vgl. Albrecht, «Die Kriegs- und Friedensziele», S. 242. 45 Zum Begriff
der Konfessionalisierung und der so bezeichneten Praxis der konfessionellen Verein
heitlichung landesherrschaftlicher Territorien vgl. Zeeden, D ie Entstehung der Konfes
sionen, sowie ders., Konfessionsbildung; weiterhin Schmidt, Konfessionalisierung, sowie
Schilling, «Die Konfessionalisierung im Reich». 46 Vgl. oben, S. 44. 47 Im Prin
zip sah der geistliche Vorbehalt (reservatum ecclesiasticum), festgehalten in § 18 des
Augsburger Religionsfriedens, vor, dass geistliche Territorien, die nach dem Stichjahr
852 ANHANG
1552 noch im Besitz der katholischen Kirche waren, nicht säkularisiert werden durften.
Solche Säkularisierungen fanden aber in Norddeutschland weiterhin statt, und der
Kaiser legitimierte das in Form eines Lehensindults. Im Prinzip hätte diese vorläufige
Belehnung vom Papst bestätigt werden müssen, aber eine Bestätigung wurde nie ein
geholt. Das entsprach einer Politik des Kompromisses, da die protestantische Seite
bei den Verhandlungen in Augsburg den geistlichen Vorbehalt als diskriminierend
abgelehnt hatte (vgl. Heckei, Deutschland im konfessionellen Zeitalter, S. 47). Die Erz
stifte Bremen und Magdeburg waren auf diese Weise in protestantische Hände
gelangt (vgl. Press, Kriege und Krisen, S. i6if. und i8ö£). Dann aber begann Kaiser
Rudolf damit, die Indulte zu verweigern, womit er nicht nur Sitz und Stimme der
evangelischen Administratoren auf den Reichstagen in Frage stellte, sondern auch
die Praxis der Inbesitznahme seit 1552 delegitimierte. Die Einsetzung von Adminis
tratoren ehemaligen Kirchenbesitzes war eine beliebte Praxis evangelischer Fürsten
familien, die ihre zweiten und dritten Söhne dadurch angemessen ausstatteten, ohne
dafür eine weitere Teilung ihres Herrschaftsgebiets vornehmen zu müssen. Seit den
späten 1580erJahren machte die selbstbewusster gewordene katholische Seite jedoch
Rückgabeforderungen auf säkularisierte Kirchengüter geltend, was die Polarisierung
zwischen Protestanten und Katholiken deutlich verschärfte. 48 Ritter, Deutsche
Geschichte, Bd. II, S. 433 ff., sowie Press, Kriege und Krisen, S. 189 f. 49 Ritter, Deut
sche Geschichte, Bd. II, S. 377 f. 50 Vgl. Stolleis (Hg.), Staatsdenker, S. 13 t 51 Zur
Rolle des hostis externus als zum «Burgfrieden» nötigendes Element vgl. Walter,
Nützliche Feindschaft ?, passim. Selbst Luther, der eine Bekämpfung «des Türken» als
apokalyptischem Feind der Christen ablehnte, hat sich in dieser Frage immer wieder
zu Kompromissen genötigt gesehen, vgl. Roper, D er Mensch Luther, S. 492 h 52
Dazu ausführlich, wenn auch mit einer ausgesprochen spanienfreundlichen Grund
einstellung: Straub, P a x et Im perium , S. 109-129. 53 Zur Frage der Erbansprüche
und der Optionen Ferdinands vgl. Gindely, Geschichte des dreißigjährigen Krieges,
Bd. 1, S. 4 f. 54 Zur Rolle Erzherzog Maximilians vgl. Press, K riege und Krisen,
S. 189. 55 Vgl. Straub, P a x et imperium, S. 121. 56 Vgl. die Kurzbiographie Eggen
bergs bei Findeisen, D er D reißigjährige Krieg, S. 245-253. 57 Zum Onate-Vertragvgl.
Ritter, Deutsche Geschichte, Bd. II, S. 432, sowie Parker, D er Dreißigjährige Krieg,
S. 106 {.; zur «spanischen Gasse» und ihrer strategischen Bedeutung insgesamt Par
ker, T h eA rm y o fF lan d ers and the Spanish R oad, S. 80-105; skeptisch gegenüber der
Relevanz der «spanischen Gasse», des Cam ino real, wie man in Spanien sagte, für die
Madrider Verhandlungsstrategie Straub, P a x et imperium, S. 122 f. 58 Vgl. Parker, D er
Dreißigjährige Krieg, S. 106. 59 Vgl. unten, S. 139 ff. 60 Vgl. Egler, D ie Spanier in
der linksrheinischen Pfalz, S. 25 ff. 61 Ritter, Deutsche Geschichte, Bd. II, S. 9; allge
mein dazu Zemanek, K alender und Chronologie, sowie Landwehr, G eburt der Gegen
wart, S. 263-270. 62 Am Beispiel Augsburgs wird das exemplarisch dargestellt bei
Roeck, E ine Stadt in K rieg und Frieden. 63 Vgl. Friedrichs, «German town revolts
Anmerkungen 853
and the 17dl Century crisis», S. 27 ft. 64 Für eine ausführliche und detaillierte Dar
stellung der Vorgänge in Donauwörth vgl. Stieve, D er Ursprung des Dreißigjährigen
Krieges, sowie Breitling, «Der Streit um Donauwörth», S. 278 ff.; eine gute zusam
menfassende Darstellung bei Ritter, Deutsche Geschichte, Bd. II, S. 213-215 und
220-223. 65 Die Umzüge des protestantischen Oranierordens in Nordirland, die
während der letzten Jahrzehnte in Belfast immer wieder zu gewalttätigen Auseinan
dersetzungen geführt haben, folgen demselben Muster einer symbolischen Markie
rung von Räumen als «Eigenräume». 66 Ritter, Deutsche Geschichte, Bd. II, S. 215.
Neben den Klagen des Augsburger Bischofs scheint auch der Kapuziner Laurentius
von Brindisi bei der Erwirkung des kaiserlichen Mandats eine gewisse Rolle gespielt
zu haben. Laurentius weilte zwei Monate nach den Vorkommnissen in Donauwörth
und wurde im Benediktinerkloster davon unterrichtet. In einer in Prag gehaltenen
Predigt machte er für die dort ausgebrochene Pest die Zugeständnisse an die Donau-
wörther Protestanten verantwortlich. Im Zusammenhang mit einem Exorzismus an
der angeblich geistesgestörten Ehefrau Herzog Maximilians von Bayern soll er auf
diesen eingewirkt haben, in Donauwörth einzugreifen und die dortigen Katholiken
zu schützen. Als er anschließend nach Prag zurückkehrte, versicherte er dem Kaiser
die Bereitschaft des Bayernherzogs, in Donauwörth für die Geltung des Augsburger
Religionsfriedens zu sorgen; so die Darstellung von Carmignano, «La part de S. Lau
rent de Brindes dans le ban de Donauwörth», S. 460 ff. Vermutlich war der Kapuzi
nermönch aber bloß der Beschleuniger einer Entwicklung, die auch ohne ihn ihren
Gang genommen hätte. 67 Der Text der über Donauwörth verhängten Reichsacht
findet sich bei Roeck (Hg.), Gegenreformation und Dreißigjähriger Krieg, S. 133-134; zu
den juristischen Kontroversen über die Donauwörther Angelegenheit vgl. Stolleis,
Geschichte des öffentlichen Rechts, Bd. 1, S. 148-150, der zeigt, dass hier Reichsverfas
sungsrecht und Römisches Recht gegeneinander standen. 68 Ritter, Deutsche
Geschichte, Bd. II, S. 222. 69 Zit. nach Parker, D er Dreißigjährige Krieg, S. 85. 70
Dazu ebd., S. 87, sowie Press, Kriege und Krisen, S. 164; ausführlich van Schelven,
«Der Generalstab des politischen Calvinismus», S. 117-141. 71 Vgl. Press, Kriege
und Krisen, S. 163 £; zur Entwicklung der Kurpfalz in dieser Zeit auch ders., Calvinis
mus und Territorialstaat, passim. 72 Parker, D er D reißigjährige Krieg, S. 89. 73
Zusammenfassend Zernack, «Das Zeitalter der nordischen Kriege», S. 55-79- 74
Dazu Gotthard, «Politice seint wir Bäpstisch», S. 275 ft, sowie Müller, «Der Absturz
vom Grat», S. 52ff. 75 Dazu Wandruska, «Vom Begriff des <Vaterlands> in der Poli
tik des Dreißigjährigen Krieges», S. 175ft 76 Dazu eingehend Münkler/Grünber-
ger/Meyer, N ationenbildung, S. 290 ft 77 Zu Luthers Lehre von der weltlichen
Obrigkeit vgl. Münkler, «Politisches Denken in der Zeit der Reformation»,
S. 635-648; zur Konzeption des Widerstandsrechts im Calvinismus vgl. Bermbach,
«Widerstandsrecht, Souveränität, Kirche und Staat», S. 107-124. 78 Die folgende
Darstellung des Regensburger Reichstags folgt im Wesentlichen Ritter, Deutsche
854 ANHANG
Geschichte, Bd. II, S. 223-229; vgl. auch Heckei, Deutschland im konfessionellen Z eital
ter, S. 96-98. 79 Ritter, Deutsche Geschichte, Bd. II, S. 227. 80 Heckei, Deutschland
im konfessionellen Zeitalter, S. 98 81 Bei den Verhandlungen, die unter der Leitung
Christians von Anhalt in Vertretung des pfälzischen Kurfürsten stattfanden, überbot
der Herzog von Pfalz-Neuburg die Kurpfälzer Vorschläge, als er einen an der Tor-
gauer Bundesakte von 1591 orientierten Vertragsentwurf vorlegte, der einen gemein
samen Bundesschatz und ein einheitliches Bundesheer mit einer Normalstärke von
20 000 Mann ins Gespräch brachte. Das wurde dann so auch in die Bundesverfassung
aufgenommen; vgl. Ritter, Deutsche Geschichte, Bd. II, S. 247; weiterhin Horstkemper,
«Die protestantische Union und der Ausbruch des Dreißigjährigen Krieges»,
S. 21-51. 82 «Der Vertrag von Auhausen» (im Dokument selbst Ahausen); in:
Roeck (Hg.), Gegenreformation und D reißigjähriger Krieg, S. 138-144, hier S. 140; voll
ständig abgedruckt bei Lorenz (Hg.), Quellen zu r Vorgeschichte, S. 66-77. 83 Zit.
nach Roeck (Hg.), Gegenreformation und Dreißigjähriger Krieg, S. 141. 84 So Findei
sen, D er Dreißigjährige Krieg, S. 80; zur Biographie Friedrichs V. vgl. Joestel, «Kur
fürst Friedrich V. von der Pfalz», S. 152-158. 85 Zu Leben und Person Christians
vgl. die Kurzvita bei Findeisen, D er D reißigjährige Krieg, S. 131-137, sowie Schubert
«Christian I.», S. 221 ff.; zur Widersprüchlichkeit in Christians Leben gehört auch,
dass er sich, nachdem er zu Beginn der 1620er Jahre in Stockholm und Kopenhagen
vergeblich neue Verbündete zum Kampf gegen Kaiser und Liga gesucht hatte, 1624 in
Wien Kaiser Ferdinand unterwarf und von ihm Gnade erlangte. Auf Vermittlung
Wallensteins, mit dem er sich offenbar gut verstand, erhielt er «eine großzügig
dotierte Kammerherrenstelle beim Kaiser [...], nicht eben ein sonderliches Zeugnis
eines ungebrochenen konfessionellen Kämpfers» (Findeisen, S. 137). In sein Klein
fürstentum Bernburg zurückgekehrt, starb er am 17. April 1630, zu einem Zeitpunkt
des Krieges somit, als es für die protestantische Sache überaus schlecht stand. 86
Bei der Pfalz lag die erste Stimme der weltlichen Kurfürsten; das verlieh ihr politi
sches Gewicht. Geographisch war das pfälzische Territorium zweipolig: einerseits
die Oberpfalz, die an Böhmen grenzte und enge Verbindungen mit den Markgraf
schaften Kulmbach und Ansbach hatte, andererseits die Unterpfalz mit den Gebieten
um Heidelberg, Neustadt und Alzey. Die Pfalz hatte dadurch Einfluss nach vielen
Seiten hin, war im Kriegsfall dafür aber hochgradig verwundbar. Die geopolitische
Lage mag für eine aktive Bündnispolitik gesprochen haben, legte aber gleichzeitig
nahe, keine größeren politischen Risiken einzugehen. 87 Dazu Weiss, D ie Unter
stützung Friedrichs V. von der P falz durch Jakob I. und K a rl I. von England. 88 Dazu
Kraus, M axim ilian I., S. 324 f.; Albrecht, «Maximilian I. von Bayern», S. 477 ff; Lan
ger, «Kurfürst Maximilian I. von Bayern», S. 142 ff; Findeisen, D er Dreißigjährige
Krieg, S. 63-68, sowie Bireley, M axim ilian von Bayern, A d a m Contzen und die Gegenre
form ation, passim; zur bayerischen Politik vor Kriegsausbruch vgl. Edel, «Politik und
Macht bei Herzog Maximilian von Bayern», S. 107-139. 89 So Roeck (Hg.), Gegen-
Anmerkungen «SS
nach Parker, Der Dreißigjährige Krieg, S. 108. 103 Vgl. Dickermann, «Henry IV and
the Juliers Cleves crisis », S. 626 ff. 104 Zum Problem der Analyse von Entwicklun
gen durch kontrafaktische Konstruktionen vgl. Evans, Veränderte Vergangenheiten,
S. 59-105. 10s Zum Verlauf des Erbfolgekriegs bis zur Eroberung der FestungJülich
vgl. Ritter, Deutsche Geschichte, Bd. II, S. 283-327, sowie Press, Kriege und Krisen,
S. 174-182. 106 Der Dortmunder Rezess ist auszugsweise abgedruckt in Roeck
(Hg.), Gegenreformation und Dreißigjähriger Krieg, S. 144-146, Zitat S. 145. Für die
vollständige Fassung samt Ausführungsbestimmungen vgl. Lorenz (Hg.), Quellen zur
Vorgeschichte, S. 81-87. Die Datierung auf den 10.Juni folgt dem gregorianischen
Kalender; da beide vertragschließenden Parteien protestantisch waren, datierten sie
die Vertragsunterzeichnung gemäß dem julianischen Kalender auf den 31. Mai. 107
Zu den Auseinandersetzungen um den Reichshofrat vgl. Ehrenpreis, «Die Tätigkeit
des Reichshofrats», S. 27ff. 108 Vgl. Ritter, Deutsche Geschichte, Bd. II, S. 295. 109
Ritter (ebd., S. 339) schätzt die Kräfteverhältnisse auf 30 000 Belagerer gegenüber
2000 Verteidigern. 110 Ebd., S. 342 ff. 111 Ebd., S. 346 ff. 112 Ebd., S. 348. 113
Vgl. oben, S. i02f. 114 Dazu Ritter, Deutsche Geschichte, Bd. II, S. 363-366. 115
Ebd., S. 371. 116 Als die Eheschließung zwischen Wolfgang Wilhelm und Prinzessin
Magdalena am 11. November 1613 in München stattfand, gingen sowohl der Vater
Wolfgang Wilhelms als auch Herzog Maximilians Freunde davon aus, dass es sich um
eine gemischt konfessionelle Ehe handele; zur Pendelbrautschau des Neuburgers vgl.
Ritter, Deutsche Geschichte, Bd. II, S. 371 £ und 398. 117 Ebd., S. 407-410, sowie Press,
Kriege und Krisen, S. 183 f. 118 Dazu die rechtsgeschichtlichen Ausführungen bei
Heckei, Deutschland im konfessionellen Zeitalter, S. 122 £, ebenso Stolleis, Geschichte des
öffentlichen Rechts, Bd. 1, S. 126-141. 119 Dazu Brightwell, «Spain and Bohemia»,
S. 117 ff.
2. K A P IT E L
E IN A U F ST A N D , D E R DAS R E IC H E R S C H Ü T T E R T :
DER BÖ H M ISCH -PFÄLZISCH E K R IE G
1 Die wahren Absichten und Ziele der Politik Klesls sind ob seiner zahlreichen Wen
dungen und Winkelzüge schwer auszumachen. Gotthard (D er Dreißigjährige Krieg,
S. 78) spricht davon, Klesl habe tatsächlich auf Verhandlungen gesetzt, Kampmann
(Europa und das Reich, S. 38) geht eher von einer «Orientierungslosigkeit der kaiser
lichen Politik» aus; bei Parker (D er Dreißigjährige Krieg, S. 159) ist sogar davon die
Rede, Klesl habe «hinter den Kulissen einen Einigungsversuch mit den Aufständi
schen aushandeln» wollen. Zu Klesl allgemein: Findeisen, D er Dreißigjährige Krieg,
S. 124-130, sowie Press, «Melchior Khlesl, Kardinal», S. 265ff. 1 Ritter, Deutsche
Anmerkungen 857
Geschichte, Bd. III, S. 8; für eine ausführliche Schilderung der Verhaftung und Depor
tation Klesls sowie des Eindringens von Ferdinand und Maximilian bei Kaiser Mat
thias, der sie zunächst nicht hatte vorlassen wollen, vgl. Gindely, Geschichte des drei
ß igjährigen Krieges, Bd. 1, S. 55-57. 3 So etwa Kampmann, E uropa und das Reich,
S. 38, und Gotthard, D er Dreißigjährige Krieg, S. 78. 4 Das Referat der Denkschrift
folgt Ritter, Deutsche Geschichte, Bd. III, S. 5 f. 5 Vgl. Parker, D er D reißigjährige Krieg,
S. 126 £ 6 In marxistischer Terminologie heißt das, dass es sich um eine Adelsre
volte und nicht um eine «frühbürgerliche Revolution» gehandelt hat. 7 Vgl. Gott
hard, D er D reißigjährige Krieg, S. 81 £; Kampmann, Europa und das Reich, S. 36 £ 8
Vgl. Parker, D er D reißigjährige Krieg, S. 126. 9 So etwa Press, Kriege und Krisen,
S. 195 ff. ( «der deutsche Krieg») und 218ff. («der europäische Krieg»); eine dezi
dierte Gegenposition vertritt Kampmann, Europa und das Reich, S. 1: «Der Dreißig
jährige Krieg war ein europäischer Konflikt. Zwar war vornehmlich das römisch
deutsche Reich der Schauplatz dieses Krieges, ein <deutscher Krieg> ist er jedoch
von Anfang an nicht gewesen.» Letzteres ist gegen Günter Barudio gerichtet, der
seine Darstellung des Dreißigjährigen Krieges D er Teutsche K rieg betitelt hat. 10 Vgl.
oben, S. 107 £ 11 Vgl. Straub, P a x et Im perium , S. 132-136, sowie Guarino, «The Spa-
nish Monarchy and the Challenges of the Thirty Years War», S. 55 ff 12 Zu den in
der legenda negra enthaltenen antispanischen Ressentiments vgl. Pollmann, «Eine
natürliche Feindschaft», S. 73-93, sowie Schmidt, Spanische Universalmonarchie oder
«teutsche L ib ertet», S. 273-294; zur Entstehung der antispanischen Propaganda im
Unabhängigkeitskrieg der Niederlande vgl. Arndt, «Die Kriegspropaganda in den
Niederlanden», S. 239 ff 13 Dazu Parker, D er Dreißigjährige Krieg, S. 117. 14 Vgl.
Straub, P a x et Im perium , S. 146 £ 13 Zum Theorem des Portfolios von Machtsorten
vgl. Mann, Geschichte der M acht, Bd. 1, S. 46-56. 16 Vgl. Depner, D as Fürstentum
Siebenbürgen im K a m p f gegen Habsburg, S. 36-92. 17 Zu Bethlen Gabor vgl. Findei
sen, D er Dreißigjährige Krieg, S. 101-104. 18 Die Probleme der pfälzischen Politik
im Vorfeld der Kaiserwahl sind ausführlich dargestellt bei Gindely, Geschichte des
dreißigjährigen Krieges, Bd. 1, S. 106-114; relativ knapp Ritter, Deutsche Geschichte,
Bd. III, S. 41 £, sowie Wedgwood, D er 30jährige Krieg, S. 86 £ 19 Die nachfolgende
Darstellung folgt Gindely, Geschichte des dreißigjährigen Krieges, Bd. 1, S. 113 £ 20 Es
fällt auf, dass mit Ausnahme von Gindely die Frankfurter Wahl in den meisten Dar
stellungen des Dreißigjährigen Krieges nur kurz abgehandelt wird, obwohl sie von
den Verfassern derselben Darstellungen als der entscheidende Vorgang für den Aus
gang des böhmisch-pfälzischen Krieges und damit für die erste Phase des Dreißigjäh
rigen Krieges erklärt wird; so etwa bei Gotthard, D er D reißigjährige Krieg, S. 81 und 83,
und bei Kampmann, Europa und das Reich, S. 40. 21 Die Union setzte diese Trup
pen auch ein, als sie eine für Ferdinand geworbene Einheit von 500 Reitern zer
sprengte; vgl. Ritter, Deutsche Geschichte, Bd. III, S. 42 b 22 Ebd., S. 43. 23 Zur
Vita Johann Georgs vgl. Findeisen, D er Dreißigjährige Krieg, S. 69-78, sowie Blaschke,
8 s8 ANHANG
«Johann Georg I. Kurfürst von Sachsen», S. 525 f. Der sächsische Kurfürst gehört zu
den in Hinblick auf den Verlauf des Krieges zumeist unterschätzten Akteuren; eine
Ausnahme bildet Wedgwood, die in ihrer Darstellung des Dreißigjährigen Krieges
immer wieder aufJohann Georg zu sprechen kommt, was ihr von Seiten Steinbergs
(D er D reißigjährige Krieg, S. 152) den Vorwurf eingetragen hat, ihr Buch werde «durch
die sentimentale, sachsenfreundliche Einstellung der Verfasserin beeinträch
tigt ». 24 Vgl. Beyreuther, «Matthias Hoe von Hoenegg», S. 300-301. 25 Vgl.
Gollwitzer, «Arnim von Boitzenburg», S. 372-373, sowie Helbig, «Arnim-Boitzen-
burg». 26 Dazu oben, S. 90 ff. 27 Zu dieser Phase des Mansfeld sehen Söldner
verbands vgl. Krüssmann, E rnst von M ansfeld, S. 125-176. 28 Gindely ( Geschichte
des dreißigjährigen Krieges, Bd. 1, S. 128) schreibt über Elisabeth, sie habe zu keiner
Zeit die ehrgeizigen Pläne ihres Gemahls missbilligt. Gotthard (D e r Dreißigjährige
Krieg, S. 88) nennt Elisabeth eine «ehrgeizige Frau». 29 Zit. nach Wedgwood, D er
30jährige Krieg, S. 90. 30 Vgl. Ritter, Deutsche Geschichte, Bd. III, S. 51. 31 So Gin
dely, Geschichte des dreißigjährigen Krieges, Bd. 1, S. 127. 32 Ebd., S. 128-130; Gott
hard, D er D reißigjährige Krieg, S. 89 f. 33 Dazu ausführlich Goldie, «Absolutismus,
Parlamentarismus und Revolution in England», S. 288 f. 34 In dem Konflikt um
Oldenbarnevelt ging es sowohl um konfessionelle als auch politische Fragen: die Aus
legung der Prädestinationslehre (Arminianer versus Gomaristen), die Möglichkeit
einer Politik des friedlichen Ausgleichs mit dem Süden oder einer Politik der Rück
eroberung und schließlich auch Fragen der Aufstellung von Stadtmilizen; vgl. Parker,
D er Aufstand der N iederlande, S. 301-303, sowie von der Lern, D ie Entstehung der N ie
derlande, S. 181-184. 35 Vgl. Parker, D er D reißigjährige Krieg, S. 127. 36 Vgl. oben,
S. 127 fr. 37 Die überlegene Position Maximilians bei diesen Verhandlungen stellt
Gotthard heraus (D er Dreißigjährige Krieg, S. 84-87). 38 Zit. nach Roeck (Hg.),
Gegenreformation und D reißigjähriger K rieg, S. 210; der vollständige Text des Münch
ner Vertrags unter Einschluss seiner lateinischen Fassung bei Lorenz, Ausgewählte
Quellen, S. 398-407. 39 Ebd., S. 211. 40 Ebd., S. 212. 41 Gotthard, D er Dreißig
jährige Krieg, S. 85. 42 Kraus, M axim ilian I., S. 324 und 326. 43 Findeisen, D er
D reißigjährige Krieg, S. 68; zur Bündnispolitik Maximilians und seinem «außenpoliti
schen» Agieren vgl. Albrecht, D ie auswärtige Politik M axim ilians von Bayern, passim,
sowie Altmann, D ie Reichspolitik M axim ilians I., passim; zur Kriegspolitik des Bay
ernherzogs allgemein Lanzinner, «Maximilian I. von Bayern», S. 85 fF. 44 Ritter,
Deutsche Geschichte, Bd. III, S. 25; zur Vita Ferdinands II. vgl. Findeisen, D er Dreißig
jährige Krieg, S. 50-61; Hantsch, K aiser Ferdinand II .; Franzi, Ferdinand II., sowie
Albrecht, «Ferdinand II. (1619-1637)», S. 125-141. 45 Albrecht, «Ferdinand II.»,
S. 126; zur frühabsolutistischen Herrschaftsvorstellung Ferdinands vgl. Sturmberger,
K aiser Ferdinand II. und das Problem des Absolutismus; zu Ferdinands Vorstellung von
der Gegenreformation als seiner Aufgabe vgl. Bireley, Religion and Politics in the A ge o f
Counterreformation, sowie ders., The Jesuits and the Thirty Years War, S. 33-62.
Anmerkungen 859
46 Findeisen, Der D reißigjährige Krieg, S. 54. 47 Ritter, Deutsche Geschichte, Bd. III,
S. 25. 48 Ebd. 49 Zur komplexen Motivlage des Kurfürsten Gindely, Geschichte
des dreißigjährigen Krieges, Bd. 1, S. 171 f. so Vgl. ebd., S. 173. Johann Georg handelte
dabei in Abstimmung mit Landgraf Ludwig von Hessen-Darmstadt, der dem Kaiser
eng verbunden war. 51 Ebd., S. 173. 52 Ebd., S. 174; ausführlich zu den Verhand
lungen in Mühlhausen Ritter, Deutsche Geschichte, Bd. III, S. 82-89. 53 Zur Zusam
menstellung von Mansfelds Söldnerverband vgl. Krüssmann, E rnst von M ansfeld,
S. 118-124; zur Einnahme Pilsens ebd., S. 139-146; zu den Truppen Bucquoys vgl. Par
ker, The A rm y ofF la n d ers, S. 271 ff.; zur Rekrutierungspraxis von Söldnerverbänden
vgl. Kröner, «<Kriegsgurgeln, Freireuter und Marodebrüder>», S. 53 ffl, sowie Bur-
schel, Söldner im Nordwestdeutschland des 16. und 17. Jahrhunderts, S. 54-96. 54 Zu
den taktischen Formationen im späten 16. und frühen 17. Jahrhundert und deren
Bedeutung für die Gefechtsführung vgl. Fiedler, Taktik und Strategie der Landsknechte,
S. 89 sowie 145 ff, und insbesondere Ortenburg, Waffen der Landsknechte, S. 106-138,
weiterhin Rogers, «Tactics and the face of battle», S. 203-235. Lauro Martines (B lu
tiges Zeitalter ) beschäftigt sich eher mit dem Durchzug von Heeren, deren Logistik
sowie der Belagerung von befestigten Städten als mit der offenen Feldschlacht; für
eine knappe Zusammenfassung der zeitgenössischen Gefechtsformationen vgl. Jun-
kelmann, Tilly, S. 23-29. 55 Vgl. Krüssman, Ernst von M ansfeld, S. 25-139. 56 Vgl.
oben, S. 139 ff 57 Dazu Krüssmann, Ernst von M ansfeld, S. 142-154; zum Typus des
Militär- beziehungsweise Kriegsunternehmers vgl. vor allem Redlich, The Germ an
M ilitary Enterpriser and his Work Force, sowie Glete, «Warfare, entrepreneurship and
the fiscal-military state», S. 300-321. 58 Dazu grundsätzlich Burschei, Söldner,
S. 165-206, sowie Redlich, «Der Marketender», S. 227-252. 59 Dazu Redlich, D e
Praeda M ilitari, sowie Burschei, Söldner, S. 206-217, und Martines, Blutiges Zeitalter,
S. 187-204. 60 Vgl. Krüssmann, E rnst von M ansfeld, S. 143 ff. Infolge der Belagerung
war das wirtschaftliche Leben Pilsens weitgehend zum Erliegen gekommen; im Früh
jahr 1619 waren von den 1500 bis 1800 Einwohnern nur noch 150 übrig; ebd.,
S. 145. 61 Vgl. Kröner, «Soldat oder Soldateska?», S. 118. 62 Zu Bürgerwehren,
Bauernaufgeboten und spätem Rittertum vgl. Delbrück, Geschichte der Kriegskunst,
Bd. 3, S. 489-543, sowie Dörfer, «Vom Niedergang der feudalen Heeresverfassung
zum Militärwesen der frühen Neuzeit», S. 13-35, und Wohlfeil, «Das Heerwesen im
Übergang vom Ritter- zum Söldnerheer», S. 107-127; zur Modernisierung der Bau
ernaufgebote in Form des Defensionswesens vgl. Schulze, «Die deutschen Landes-
defensionen im 16. und 17.Jahrhundert», S. 129-149; zu den Condottieri und den
Ordonnanz-Kompanien Delbück, Geschichte der Kriegskunst, Bd. 3, S. 581-626; wei
terhin Trease, D ie Condottieri, sowie Mallett, M ercenaries and their Masters; zu dieser
Zwischenzeit oder Übergangsphase insgesamt Haie, War and Society in Renaissance
Europe, Parker, D ie militärische Revolution, S. 25-67, Parrott, «From military enter-
prise to Standing armies», S. 74 ff, sowie van Nimwegen, «The transformation of
86 o ANHANG
army Organization», S. 159 ff.; für den Abschluss dieser Transformation vgl. Schmidt,
«Staat und Armee im Zeitalter des <miles perpetuus>», S. 213-248. 63 Der Begriff
der «militärischen Revolution» im frühneuzeitlichen Europa geht auf Michael
Roberts (The M ilitary Revolution) zurück, der ihn Mitte der 1950er Jahre in die wis
senschaftliche Debatte eingeführt hat; Roberts’ Überlegungen werden weitergeführt
bei Parker, The M ilitary Revolution; zur Debatte über diesen Begriff und seine Bedeu
tung für die Wissenschaft vgl. Rogers (Hg.), The M ilitary Revolution Debate. Das Kon
zept der militärischen Revolution ist eine der Erklärungen für die Überlegenheit der
Europäer gegenüber dem «Rest der Welt» seit der Frühen Neuzeit. Zur Diskussion
dieser Fragen vgl. auch Croxton, «A Territorial Imperative?», S. 253-279. 64 Das
hatte sich in der Schlacht von Liegnitz (1241) noch ganz anders dargestellt, als ein
mongolisches Reiterheer ein schwer gepanzertes Ritteraufgebot vernichtend schlug;
vgl. Schmielewski, «Liegnitz/Wahlstatt», S. 207-231. Zur strategisch-taktischen
Überlegenheit der Reiterschwärme vgl. Hofer, «Das Ende des langen Rittes»,
S. 156-176; zur europäischen Rezeption des Gebrauchs leichter Reiterei vgl. Ägoston,
«Empires and warfare in east-central Europe, 1550-1750», S. 110 ff. 65 Krüssmann,
E rnst von M ansfeld, S. 192 ff. und 237 fr. 66 Vgl. oben, S. 152. 67 Vgl. oben,
S. 151 f. 68 Zu Karl Bonaventura von Bucquoy und dessen Agieren auf dem böhmi
schen Kriegsschauplatz vgl. Broucek, «Feldmarschall Bucquoy als Armeekomman
deur», S. 25-57; allgemein Findeisen, D er Dreißigjährige Krieg, S. 168-172. 69 Zur
Meuterei, um ausstehende Soldzahlungen zu erzwingen, vgl. Burschei, Söldner,
S. 195 ff., sowie ders., «Krieg, Staat, Disziplin», S. 648 ff. 70 Ebd., S. 217 ff. 71 Bur-
schel (Söldner, S. 220) schätzt das Problem der Desertion während des Dreißigjähri
gen Krieges als eher gering ein und vertritt die These, Desertion sei erst nach dem
Krieg «zu dem innermilitärischen Problem schlechthin» geworden. Zu diesem
Ergebnis kommt er auf der Grundlage gründlichen Aktenstudiums. In den Akten fin
det sich indes nur, was als Problem wahrgenommen und wogegen angegangen wurde.
Wo das nicht der Fall war, entstanden auch keine Akten. Der notorische Schwund der
Mannschaftsstärke von Einheiten war sicherlich auch eine Folge von Seuchen und
Krankheiten, aber in ihm fand auch eine kontinuierliche Desertionsrate ihren Nie
derschlag; vgl. Kaiser, « <würdt allso die Armee gewaltig ruiniret ...> » , S. 103 ff.,
sowie ders., «Ausreißer und Meuterer im Dreißigjährigen Krieg», S. 49 ff; weiterhin
Burschei, «Die Erfindung der Desertion», S. 72-85. Profiteure der Desertion waren
nicht zuletzt die Obristen und Hauptleute, weil sie den so eingesparten Sold, den sie
gegenüber dem Kriegsherrn weiterhin geltend machten, in die eigene Tasche steck
ten. Zum Problem der notorischen Differenz zwischen Nominal- und Realstärke der
Truppen vgl. Burschei, Söldner, S. 120 f. 72 Dazu Gindely, Geschichte des dreißigjähri
gen Krieges, Bd. 1, S. 145 f. 73 Zur Unterscheidung zwischen Zweck und Ziel in der
Kriegführung vgl. Clausewitz, Vom Kriege, S. 960 ff. 74 Gindely, Geschichte des drei
ß igjährigen Krieges, Bd. x, S. 147. 75 Ebd., S. 97 ff; Ritter, Deutsche Geschichte, Bd. III,
Anmerkungen 861
ohne grossen vortheil mit dem feinde schlagen, ob er sich schon praesentiret, es were
denn, dass mangelt proviant und gelt auszuharren, darzu zwingen thete, denn nicht
geschlagen zu werden ist auch eine grosse victoria, welche sonsten sehr ungewiss,
wan man es allein daraufwaget [...].» Zit. nach Frauenholz, Söldnertum , S. 49 f. 109
Ritter, Deutsche Geschichte, Bd. III, S. 97. 110 Hierzu und zum Folgenden Krüss-
mann, E rnst von M ansfeld, S. 201 ff. 111 Die Verluste des ligistischen Heeres resultier
ten aus Hunger und Krankheiten, schlechtem Wasser und der nächtlichen Herbst
kälte seit Oktober; vgl. Riezler, «Kriegstagebücher», S. 83 ff. und 87 ff.; zur Rolle von
Krankheiten in der Kriegführung der Frühen Neuzeit allgemein Burschei, Söldner,
S. 258-272. 112 Vgl. Krüssman, Ernst von M ansfeld, S. 205-2x0; Ritter, Deutsche
Geschichte, Bd. III, S. 102 f. Das Problem Mansfelds bei diesen Verhandlungen war,
dass er wegen eines früheren (verräterischen) Frontwechsels imJahre 1610 von Kaiser
Matthias geächtet worden war. Selbstverständlich verlangte er bei diesen Verhand
lungen die Aufhebung der kaiserlichen Acht, aber solange er ein Geächteter war,
konnte er sich nicht sicher sein, ob sich die Gegenseite an ihr Wort gebunden fühlen
würde. 113 Bucquoy war seit 1606 Ritter des Ordens vom Goldenen Vließ und kai
serlicher Feldmarschall; er war damals 49 Jahre alt und hatte den böhmischen Krieg
bereits zwei Jahre lang für den Kaiser geführt. 114 Die Zahlen nach Guthrie, Battles
ofth e Thirty Years War, S. 61 f.; zum Schlachtverlauf selbst ebd., S. 64-67; Chaline, L a
bataille de la montagne blanche, S. 33-213; Ritter, Deutsche Geschichte, Bd. III,
S. 105-109; Gindely, Geschichte des dreißigjährigen Krieges, Bd. 1, S. 115-228; Wedg
wood, D er 30jährige Krieg, S. 110-112. In jüngeren deutschsprachigen Arbeiten zum
Dreißigjährigen Krieg wird häufig auf eine ausführliche Darstellung der Schlacht ver
zichtet und nur deren Ergebnis mitgeteilt. 115 Die nachfolgende Darstellung der
Schlacht am Weißen Berg gründet sich auf Guthrie, Battles, S. 63-66; Gindely,
Geschichte des dreißigjährigen Krieges, Bd. 1, S. 215-219; Ritter, Deutsche Geschichte,
Bd. III, S. 105-108, sowie Rill, Tilly, S. 92-95. 116 Die Arkebuse war leichter als die
Muskete, die am Beginn des Dreißigjährigen Krieges zum Schuss auf eine Gabel
gelegt wurde, um sicherer zielen zu können; vgl. Ortenburg, Waffen der Landsknechte,
S. 52-57. 117 Polisensky und Kollmann ( Wallenstein , S. 63) gehen dagegen davon
aus, dass das Heer wenige Tage vor der Schlacht Sold erhalten habe und gerade des
wegen nicht besonders kampfmotiviert gewesen sei. 118 Die Episode findet sich in
allen größeren Darstellungen der Schlacht am Weißen Berg; am ausführlichsten ist
sie bei Chaline ausgearbeitet: L a bataille, S. 137-140; siehe auch Gotthard, D er D rei
ß igjährige Krieg, S. 100 f. 119 Der Titel eines Generalwachtmeisters entspricht nach
heutigen Vorstellungen dem eines Generalmajors; zu der Vita und den militärischen
Verwendungen Tiefenbachs vgl. Findeisen, D er D reißigjährige Krieg, S. 174 f. Trotz des
Erfolgs am Weißen Berg und der ausdrücklichen Belobigung Tiefenbachs durch
Maximilian blieb dieser stets ein «Mann der zweiten Reihe» - vielleicht auch des
wegen, weil Wallenstein seine Heerführerqualität als eher gering einschätzte.
Anmerkungen 863
120 Heinrich Wilhelm Graf Solms-Laubach, der die böhmische Kavallerie am Wei
ßen Berg führte. 121 Ritter, Deutsche Geschichte, Bd. III, S. 108; zu den Toten auf
dem Schlachtfeld müssen noch die etwa 1000 in der Moldau ertrunkenen Husaren
sowie die vor der eigentlichen Schlacht Getöteten hinzugerechnet werden; Guthrie
(Battles, S. 66) spricht von 4000 Gefallenen oder Gefangenen bei den Böhmen und
800 Gefallenen auf Seiten der kaiserlich-ligistischen Truppen, die meisten davon aus
dem Regiment Tiefenbach-Breuner. 122 Vgl. Chaline, L a bataille, S. 456-460;
Gotthard, D er D reißigjährige Krieg, S. 101 f. 123 In dem Bericht Christians von
Anhalt über die Schlacht am Weißen Berg (abgedruckt in Lorenz [Hg.], Quellen zur
Vorgeschichte, S. 501-511) wird die Flucht des Königs nachträglich gerechtfertigt:
«Vornehmblich so seind Ihre Majestät je mehr und mehr innen worden des großen
Falschs, Untreue und Verrätherei, so bei Großen und Kleinen daselbst unterbawet
und vorgeloffen, daß es auch auf dem und die Königliche Majestät in Gefahr gestan
den, es möchten dieselben arrestirt und dem Feinde verrathen und übergeben wer
den. Inmaßen dann es bei den Thoren ohne das sehr schwer zugegangen und von
männiglichen davor gehalten und judicirt worden, hätten sich Ihre Majestät noch
eine Stunde länger aufgehalten, daß sie von der Bürgerschaft nicht hinaus gelaßen
worden wären.» (S. 511) 124 Gindely, Geschichte des dreißigjährigen Krieges, Bd. 1,
S. 223. 125 Vgl. dazu die auf den 17. April 1621 datierte Erklärung Kaiser Ferdinands,
in der die zwischen Kursachsen und den schlesischen Ständen getroffene Vereinba
rung ratifiziert wird; abgedruckt bei Lorenz (Hg.), Quellen zu r Vorgeschichte,
S. 539-542. 126 Zur Vita Liechtensteins, der in Böhmen zu einem der reichsten
Männer aufstieg, vgl. Findeisen, D er D reißigjährige Krieg, S. 144 f. 127 Gotthard, D er
D reißigjährige Krieg, S. 104. 128 Hierzu und zum Folgenden vgl. ebd., S. 105 f. 129
Zur Vita Lamormainis Findeisen, D er Dreißigjährige Krieg, S. 145 £; ausführlich zu sei
ner Rolle Bireley, Religion and Politics in the A ge o f Counterreformation, passim;
zurückhaltender, was die Rekatholisierung anbetrifft, Brockmann, Dynastie, K aiser
am t und Konfession, passim. 130 Vgl. hierzu Gotthard, D er Dreißigjährige Krieg,
S. 104 £; weiterhin Bergerhausen, «Die <Verneuerte Landesordnung> in Böhmen
1627», S. 327-351. 131 Hierzu und zum Folgenden Gindely, Geschichte des dreißigjäh
rigen Krieges, Bd. 1, S. 237-241. 132 Ebd., S. 237. 133 Vgl. Mann, Wallenstein,
S. 189-215; Diwald, Wallenstein, S. 169-194, sowie Polisensky/Kollmann, Wallenstein,
S. 69-93. 134 Insofern gilt die auf den älteren Cato (Livius, Röm . Geschichte,
XXXIV, 9,12) zurückgehende Formel, wonach der Krieg den Krieg ernähre - bellum
se ipse alet - , nicht nur für Geld und materielle Ressourcen, sondern auch für die
Personen, die durch den Krieg hervorgebracht und vom Krieg auch wieder verzehrt
werden. 135 Wedgwood, D er30jährige Krieg, S. 123. 136 Vgl. Krüssmann, M ansfeld,
S. 233-237; letzte Reste des Widerstands hielten sich bis November 1621 in Tabor und
bis Anfang März 1622 in Wittingau (Tfebon). 137 Hierzu und zum Folgenden Gin
dely, Geschichte des dreißigjährigen Krieges, Bd. 1, S. 240-244, sowie Wedgwood, D er
864 ANHANG
30jährige Krieg, S. 124 £ 138 Gindely, Geschichte des dreißigjährigen Krieges, Bd. 1,
S. 241 f. 139 Ebd., S. 242. 140 Diwald, Wallenstein, S. 146. 141 Wedgwood, D er
30jährige Krieg, S. 115. 141 Vgl. oben, S. 108. 143 Vgl. oben, S. 139 b 144 Vgl. Mout,
«Der Winterkönig im Exil», S. 257 ff 145 Wedgwood, D er 30jährige Krieg,
S. 116. 146 In einigen Darstellungen ist davon die Rede, die Kriegsschauplätze seien
infolge der Eroberung Böhmens durch den Kaiser und die Liga voneinander getrennt
worden: Der Krieg im Südosten, der von Bethlen Gabor und dem Herzog von Jägern-
dorf geführt wurde, sei nun räumlich von den Kriegshandlungen im Westen getrennt
gewesen. Diese Beschreibung des Geschehens folgt freilich zu sehr der Sicht Fried
richs; außerdem wird zwischen dem Hauptkriegsschauplatz und den Nebenkriegs
schauplätzen nicht unterschieden: Die Kriege Bethlen Gabors wurden nun zum
Nebenkriegsschauplatz, während der Hauptkriegsschauplatz von Böhmen in die
Pfalz und angrenzende Gebiete verlagert wurde. Zum Begriff des «Kriegsschauplat
zes» und dem des «Kriegstheaters», die im Folgenden verwendet werden, vgl. Uhle-
Wettler, «Theatre of War», S. 1064 ff, sowie allgemein Füssel, «Theatrum Belli»,
S. 205 ff. 147 Vgl. oben, S. 140. 148 Vgl. oben, S. 101 ff. 149 Rrüssmann, M ans
feld , S. 237-277. 150 Bucquoy war im Frühjahr 1621 mit dem Gros der kaiserlichen
Truppen nach Mähren marschiert, wo er die erneut eingefallenen Streifscharen Beth
len Gabors bekämpfte. Bethlens leichte Reiter konnten gegen die Infanterie Buc-
quoys keine Schlacht schlagen, und Bethlen neigte ohnehin nicht dazu, alles auf eine
Karte zu setzen und sich auf eine Schlacht einzulassen. Bucquoys Streitmacht wie
derum war nicht in der Lage, die siebenbürgisch-ungarischen Reiter zur Schlacht zu
stellen. Das änderte sich im Herbst 1621, als der Herzog von Jägerndorf, der bis dahin
im schlesisch-böhmisch-sächsischen Grenzgebiet operiert und dort den sächsischen
wie den kaiserlichen Truppen zu schaffen gemacht hatte, zu Bethlen stieß, so dass
dieser zahlenmäßig überlegen war. Zu diesem Zeitpunkt war Bucquoy bereits tot:
Am 10. Juli 1621 war er in dem Gefecht bei Neuhäusel tödlich verwundet worden.
Gegen Mansfeld stand Tilly nicht die gesamte Streitmacht der Liga zur Verfügung, da
Maximilian bei seiner Rückkehr aus Böhmen von mehreren Regimentern begleitet
worden war. 151 Zu dieser Phase des stillstehenden Krieges vgl. Krüssmann, M ans
feld , S. 295-304, sowie Rill, Tilly, S. 107-110. 152 Dazu Krüssmann, M ansfeld,
S. 304-315, sowie Rill, Tilly, S. 110f. 153 Krüssmann, M ansfeld, S. 317. 154 Vgl. Reit
zenstein, D er Feldzug des Jahres 1621, passim, sowie Weiß, D ie Unterstützung F ried
richs V. von der Pfalz, S. 24-27. 155 Zum Festungs- und Belagerungskrieg vgl. Duffy,
Siege Warfare, weiterhin Haas, «Belagerungskrieg», S. 289ff; Eichberg, «Geometri
scher Krieg», S. 131 ff, sowie Heinisch, «Die Stadt als Festung», S. 283 ff. 156 Dazu
Parker, D ie militärische Revolution, S. 26-36. 157 Eine vorzügliche Darstellung der
zeitgenössischen Schriften über das Festungswesen findet sich bei Büchi, Fortifikati-
onsliteratur des 16. und 17. Jahrhunderts; vgl. auch die Beiträge in Marten u. a. (Hgg.),
Festungsbau. 158 Vgl. Parker, D er D reißigjährige Krieg, S. 72 b 159 Zit. nach Rill,
Anmerkungen 86s
Tilly, S. 113; auch die pfälzischen Truppen scheinen sich nicht viel besser in «ihrem»
Land verhalten zu haben: Die Soldaten des pfälzischen Heeres, heißt es, hätten
«ärger als die Feinde gehaust, Kisten und Kasten eröffnet und alles preis gemacht, die
Früchte aus den Scheuern und die Pfähle aus den Weingärten weggeführet, die Türen
ausgehoben und die Hütten daraus gemacht, Kühe und Schweine niedergeschossen
und alles verwüstet, daher der Pfalz Defensores [Verteidiger] ihre Devoratores [Ver
wüster] genennt worden. Sonst haben die Spanischen auch große Furcht und Flen
nen von einem Ort zum andern ins Land verursacht ...» Zit. nachJessen (Hg.), D er
D reißigjährige K rieg in Augenzeugenberichten, S. 131. 160 Dazu ausführlich Krüss-
mann, M ansfeld, S. 322. 161 Ebd., S. 326, sowie Rill, Tilly, S. 111 f. 162 Hierzu und
zum Folgenden Ritter, Deutsche Geschichte, Bd. III, S. 133 ff. 163 Diese Entscheidung
des Landgrafen Moritz wird in der einschlägigen Literatur (Malettke, «Der Dreißig
jährige Krieg in Hessen», S. 61 ff.; Weiand, Hessen-Kassel und die Reichsverfassung,
S. 24 ff.) zumeist in ihrer politischen Tragweite unterschätzt, weil Hessen-Kassel im
Jahr darauf - nach dem Auffauchen Christian von Braunschweigs auf dem Kriegs
schauplatz - wieder eine aktive Kriegspolitik betrieb, freilich eine, die wesentlich an
seinen oberhessischen Gebietsansprüchen orientiert war. 164 Diese Zahlen nach
Gindely, Geschichte des dreißigjährigen Krieges, Bd. 2, S. 32 h Sie mögen etwas zu hoch
gegriffen sein; vermutlich handelte es sich dabei nicht nur um die Kampftruppen,
sondern auch um die Trossknechte und den sonstigen Anhang der Söldner. 165 Vgl.
die Kurzbiographie Georg Friedrichs bei Findeisen, D er D reißigjährige K rieg, S. 118 £;
zur Charakteristik des Markgrafen vgl. auch Ritter, Deutsche Geschichte, Bd. III,
S. 153. 166 Dazu Guthrie, Battles, S. 87. 167 Zur Vita Christians vgl. Findeisen, D er
D reißigjährige Krieg, S. 105-111; ausführlich Wertheim, D er Tolle Halberstädter, sowie
Smid, D er Tolle Halberstädter. 168 Im Spätherbst 1621 stieß Christian mit einigen
tausend Mann, die er auf eigene Kosten geworben hatte, nach Süden vor, wurde aber
von dem Grafen Anholt, einem Unterführer Tillys, bei Kirtorf gestoppt und musste
sich nach Niedersachsen zurückziehen. 169 Zum Gefecht bei Mingolsheim vgl.
Guthrie, Battles, S. 87 f.; Krüssmann, M ansfeld, S. 399-401, sowie Rill, Tilly,
S. 118 f. 170 Zit. nach Rill, Tilly, S. 120. 171 Vgl. oben, S. 178. 172 Zu den mögli
chen Gründen der Trennung vgl. Krüssmann, M ansfeld, S. 403 £, sowie Rill, Tilly,
S. 120. 173 So auch Ritter, Deutsche Geschichte, Bd. III, S. 158. 174 Zum Schlacht
verlauf vgl. Guthrie, Battles, S. 89 £, sowie Rill, Tilly, S. 120-123; in der älteren Litera
tur Gindely, Geschichte des dreißigjährigen Krieges, Bd. 2, S. 35 h, sowie Ritter, Deutsche
Geschichte, Bd. III, S. 158 £.; für eine kritische Studie der Quellen zur Schlacht vgl.
Gmelin, «Beiträge zur Geschichte der Schlacht bei Wimpfen», S. 332 ff. 175 Diese
Angaben nach Guthrie, Battles, S. 90; in der älteren Literatur werden die Verluste Til
lys in der Schlacht von Wimpfen niedriger angegeben. 176 Vgl. oben, S. 184. 177
Vgl. Gmelin, «Beiträge zur Geschichte der Schlacht bei Wimpfen», S. 340. 178 Vgl.
Krüssmann, M ansfeld, S. 405-407, sowie Rill, Tilly, S. 123h 179 Krüssmann, M ans-
866 ANHANG
S. 407-414. 180 Welche Rolle Mansfeld bei diesen Entscheidungen spielte, ist
fe ld j
unklar, denn er scheint zu dieser Zeit schwer krank gewesen zu sein und konnte das
Heer nicht begleiten; ebd., S. 411 f. 181 Vgl. Smid, D er Tolle Halberstädter,
S. 23-27. 182 Zur Schatzbildung Christians vgl. ebd., S. 24; dass Christian sich und
seine Offiziere in einem eroberten Kloster von nackten Nonnen habe bewirten lassen,
ist wohl eine Erfindung, die ihn als Wüstling charakterisieren sollte. Sie wird in der
Literatur aber weiterhin kolportiert, etwa bei Franzi, Ferdinand II., S. 197. 183 Smid,
D er Tolle Halberstädter, S. 23. 184 Zur Schlacht von Höchst vgl. Guthrie, Battles,
S. 98 £; Rill, Tilly, S. 126-129, und Smid, D er Tolle Halberstädter, S. 28-32. 185 Dazu
ausführlich Ortenburg, Waffen der Landsknechte, S. 104 ff. sowie 126 f. 186 Das Fal
konett war ein leichtes Geschütz, das Kugeln von drei Pfund verschoss; es gab auch
halbe Falkonetts, die Kugeln von eineinhalb Pfund abfeuerten. Als Feldstücke
bezeichnete man nicht weiter normierte Kanonen geringeren Kalibers, die der leich
ten Artillerie zuzurechnen waren. Karthaunen waren schwere Geschütze, die Kugeln
mit einem Gewicht von etwa fünf Pfund verschossen. Das Falkonett hatte ein deut
lich längeres, in der Regel doppelt so langes Kanonenrohr wie die Karthaune, und
seine optimale Schussentfernung war mit etwa 750 Metern größer als die der Kart
haune, die bei etwa 500 Metern lag. Das Falkonett war für das Distanzgefecht somit
besser geeignet, während die Karthaune eine Waffe des Nahgefechts war. Der Einsatz
beider Geschütztypen war auch darum so kompliziert, weil es gerade die Waffe fürs
Nahgefecht war, die nach Beginn der Schlacht so gut wie unbeweglich war. Wollte
man sie nicht an einen schnell attackierenden Feind verlieren, so waren die Schwer
punkte der eigenen Gefechtsführung durch die Aufstellung der Karthaunen vorgege
ben. 187 Tilly verfügte außerdem über sieben leichte Kanonen, die aber nicht ein
gesetzt, sondern offenbar in Reserve gehalten wurden. 188 Diese Zahlenangaben
folgen Guthrie, Battles, S. 99, nicht Rill, Tilly, S. 128, der davon ausgeht, dass Christian
nur ein Drittel seiner Armee habe retten können. 189 So etwa Gindely, Geschichte
des dreißigjährigen Krieges, Bd. 2, S. 37; ähnlich auch Ritter, Deutsche Geschichte, Bd. III,
S. 161, der von einer «entblößten und demoralisierten Truppe» spricht, die Christian
dem Pfalzgrafen zugeführt habe; Rill, Tilly, S. 128 £, folgt diesem Urteil. 190 Am
Anfang dieser Sicht steht Wedgwood (D er 30jährige Krieg, S. 135); sie findet sich wei
terhin (zurückhaltend) bei Guthrie, Battles, S. 99; Smid, D er Tolle Halberstädter, S. 32,
sowie Flieger, D ie Schlacht bei Stadtlohn, S. 59-90, insbes. S. 86-89; außerdem Krüss-
mann, M ansfeld, S. 416£ 191 Zur Praxis des «Untersteckens» oder «Unterstel
lens» von Gefangenen in den eigenen Truppen vgl. Burschei, Söldner, S. 158 £ 192
Zu dieser «Moral» von Callots Radierungen vgl. Schuchter, Jacques Callot, S. 125 ff.,
sowie Chone, «Die Kriegsdarstellungen Jacques Callots», S. 409-426. 193 Dazu
Rill, Tilly, S. 128 f. 194 Vgl. Ritter, Deutsche Geschichte, Bd. III, S. 161. 195 Dazu
Krüssmann, M ansfeld, S. 4 17 {., sowie Smid, D er Tolle Halberstädter, S. 32. 196 Vgl.
oben, S. 139 £ 197 Ausführlich Ritter, Deutsche Geschichte, Bd. III, S. 161-163; es fällt
Anmerkungen 867
auf, dass die Brüsseler Verhandlungen in jüngeren Darstellungen des Krieges, wie
denen von Press, Kampmann und Gotthard, keinerlei Rolle spielen, ja nicht einmal
erwähnt werden. 198 Für Mansfeld war das ein Geschäftsmodell, für Christian von
Halberstadt ein politisches Projekt; zu dieser «Zwischenphase» für die beiden
Kriegsunternehmer vgl. Krüssmann, Mansfeld, S. 4x8-436, sowie Smid, Der Tolle H al
berstädter, S. 34. 199 Vgl. oben, S. 118. 200 Die langwierigen Verhandlungen, die
immer wieder durch Finten gegenüber Frankreich und Spanien abgesichert werden
mussten, sind ausführlich dargestellt bei Krüssmann, Mansfeld, S. 436-444. 201
Vgl. hierzu und zum Folgenden Krüssmann, Mansfeld, S. 444-454, und Smid, Der
Tolle Halberstädter, S. 34-36; einige knappe Bemerkungen, die sich auf die Angaben
zu den in der Schlacht bei Fleurus eingesetzten Regimentern beschränken, finden
sich bei Guthrie, Battles, S. 100 f. 202 Vgl. etwa Krüssmann, Mansfeld, S. 452 (linke
Hand); Smid, Der Tolle Halberstädter, S. 36 (oberhalb des Ellbogens). 203 Zit. nach
Jessen (Hg.), Der Dreißigjährige Krieg in Augenzeugenberichten, S. 148. 204 Zit. nach
Smid, D er Tolle Halberstädter, S. 37. 205 Vgl. ebd., S. 45 f. 206 Hierzu und zum Fol
genden Flieger, Die Schlacht bei Stadtlohn, S. 129. 207 Eine Abbildung des zeitge
nössischen Stichs von Bartholomäus Kilian findet sich bei Lahrkamp, Dreißigjähriger
Krieg, Westfälischer Frieden, S. 127. 208 Dazu Rill, Tilly, S. 131-133. 209 Ebd.,
S. 132. 210 Zit. nach Jessen, D er Dreißigjährige Krieg, S. 144. 211 Das gilt für Rill,
Tilly, S. 132 £, aber auch für Junkelmann, Tilly, der dem Bild des Feldherrn in der kol
lektiven Erinnerung der Deutschen einen eigenen Abschnitt gewidmet hat («Apoka
lyptisches Ungeheuer und verhöhnter Verlierer», S. 75-82). 212 Dazu Ritter, Deut
sche Geschichte, Bd. III, S. 167. 213 Die Bestände der Bibliotheca Palatina sind
inzwischen digitalisiert und in dieser Form in Heidelberg verfügbar. 214 So Gott
hard, Der Dreißigjährige Krieg, S. 114. Zu dieser Streitfrage vgl. Keunecke, «Die Vorbe
reitung der Heidelberger Bücherentführung», S. 408-415. 215 Zur Plünderung
Mantuas durch Gallas und Aldringen vgl. Martines, Blutiges Zeitalter, S. 200-204,
sowie unten, S. 403 f. 216 Hierzu und zum Folgenden Ritter, Deutsche Geschichte,
Bd. III, S. 172 t 217 Vgl. oben, S. 107 f.; ausführlich Straub, P ax et Imperium,
S. 163-204; insbes. S. 173ff. 218 Vgl. Ritter, Deutsche Geschichte, Bd. III, S. 176. 219
Dazu allgemein Schmidt, Spanische Universalmonarchie, S. 95 ff. 220 Vgl. oben,
S. 130 ff. 221 Vgl. Krüssmann, Mansfeld, S. 324 £ 222 Vgl. Ritter, Deutsche Geschichte,
Bd. III, S. 177. 223 Gotthard (D er Dreißigjährige Krieg, S. 112 f.) spricht davon, die
kaiserlich-katholische Seite habe «ihren Triumph so maßlos aus[genutzt], dass das
den Fortgang von Kampfhandlungen geradezu provozieren musste». Kampmann
(Europa und das Reich, S. 48) schreibt, die Belehnung Maximilians mit der pfälzi
schen Kur habe «ein kaum überwindbares Hindernis für eine Rückkehr zum Frie
den im Reich aufgerichtet». 224 Zum politiktheoretischen Hintergrund dieser
Auseinandersetzung vgl. Dreitzel, «Ständestaat und absolute Monarchie», S. 19-50,
insbes. S. 34 £; zur Bedeutung des Kaisers als Akteur, Nutznießer und schließlich Ver-
868 ANHANG
lierer des Krieges vgl. Kampmann, «The Emperor», S. 39 ff. 225 Gindely, Geschichte
des dreißigjährigen Krieges, Bd. 2, S. 47; Gotthard (D er Dreißigjährige Krieg, S. 114)
spricht gar von einer «irregulären Versammlung». 226 Für eine ausführliche Dar
stellung dieser Beratungen vgl. Ritter, Deutsche Geschichte, Bd. III, S. 185-187. 227
Zit. nach ebd., S. 187, Fn. 3 und 4. 228 Zit. nach ebd., S. 188. 229 Zit. nach Jessen,
D er Dreißigjährige Krieg, S. 153; in der Analyse Bireleys war das der Auftakt zu dem,
was er als «triumph of militance» bezeichnet und auf die Zeit zwischen 1624 und
1629 datiert (Bireley, The Jesuits, S. 63 fF.). 230 Zit. nach Jessen, D er Dreißigjährige
Krieg, S. 153.
3. K A P IT E L
FO RTG AN G UND A U SW EITU N G:
DER N IED ERSÄ C H SISC H -D Ä N ISC H E K RIEG
dänischen Königs Christian I V.; der bereits das Bistum Verden innehatte und Anwär
ter auf Bremen war, zu seinem Nachfolger wählte. Das war mehr als eine Geste der
Dankbarkeit gegenüber dem Dänenkönig, dem Patenonkel Christians; es ging Chris
tian darum, Dänemark in den Krieg hineinzuziehen, und je stärkere Interessen die in
Dänemark regierende Dynastie der Oldenburger im Reich und an der protestanti
schen Sache hatte, desto wahrscheinlicher war ihr Eingreifen in den Krieg; vgl. Ritter,
Deutsche Geschichte, Bd. 3, S. 251. 13 Hierzu und zum Folgenden Krüssmann, M ans
feld, S. 460-475. 14 Vgl. ebd., S. 489-498. 15 Ebd., S. 500-503. 16 Vgl. Kaiser,
Politik und Kriegführung, S. 205-207. 17 Vgl. oben, S. 208. 18 Dazu Smid, Der Tolle
Halberstädter, S. 50; Flieger, Stadtlohn, S. 163; Rill, Tilly, S. 142, sowie Guthrie, Battles,
S. 106. 19 In der Literatur ist häufig von einem Entschluss zur Flucht die Rede. Es
ging aber nicht um Flucht, sondern um geordneten Rückzug. 20 Dabei dürfte die
Übermüdung der Soldaten infolge des hohen Marschtempos bei großer Hitze, aber
auch der starke Zuspruch zu alkoholischen Getränken am Vorabend eine Rolle
gespielt haben; vgl. Flieger, Stadtlohn, S. 164. 21 Zur Schlachtbeschreibung vgl. Flie
ger, Stadtlohn, S. 165-187; Smid, Der Tolle Halberstädter, S. 50-52, sowie Guthrie, Batt
les, S. 109-116. 22 So Junkelmann, Tilly, S. 37. 23 Zit. nach Rill, Tilly, S. 145. 24
Zu Johann Jakob Freiherr von Bronkhorst, Graf von Anholt vgl. Flieger, Stadtlohn,
S. 93-102. Anholt hatte hier die Truppen Mansfelds beobachtet; er war darum mit
den räumlichen Gegebenheiten bei Stadtlohn vertraut. 25 Vgl. Rill, Tilly,
S. 146 f. 26 Vgl. Krüssmann, Mansfeld, S. 514-517. 27 Der «Immisionsrezeß», mit
dem die Verpfändung öffentlich angezeigt wurde, ist bei Lorenz (Hg.), Quellen zur
Vorgeschichte, S. 572-575, abgedruckt. 28 Dazu Rebitsch, Wallenstein, S. 20 ff. 29
Ausführlich Bermbach, «Widerstandsrecht, Souveränität, Kirche und Staat»,
S. 101-162. 30 Zu Tschernembl vgl. Sturmberger, Georg Erasmus von Tscher-
nembl. 31 Polisensky/Kollmann, Wallenstein, S. 19. 32 Die Vorgänge in Altdorf
sind ausführlich geschildert bei Diwald, Wallenstein, S. 29-32, sowie Mann, Wallen
stein, S. 24-31. 33 Polisensky/Kollmann, Wallenstein, S. 19. 34 Vgl. das Stichwort
«Hofmann» in Münkler/Münkler, Lexikon der Renaissance, S. 147-151; zu Wallen
steins Italienpräferenz vgl. Rebitsch, Wallenstein, S. 24 f. 35 «Wallenstein entledigte
sich der Pflichten gegen die Kirche, zu der er übergetreten war, indem er in der Oster
zeit zu den Sakramenten ging und in seinen Herrschaften den Jesuiten eine Stätte
ihrer Wirksamkeit bereitete, im Übrigen hatten die Gedanken von Religion und Kir
che über seine öffentliche Wirksamkeit keine Macht.» Ritter, Deutsche Geschichte,
Bd. III, S. 305. 36 Mit den 92 Untertanenfamilien, die zu Gut Hermanitz/
Hermanice, Wallensteins Erbe, gehörten, stand er «weit unten auf der Stufenleiter
der feudalen Grundherrn»; Polisensky/Kollmann, Wallenstein, S. 17. 37 Zur Beur
teilung der militärischen Leistungen Wallensteins vgl. Schmidt, «Wallenstein als
Feldherr», S. 241-260, sowie Rebitsch, Wallenstein, S. 51-95; vgl. auch die Charakte
risierung Wallensteins bei Wedgwood, D er Dreißigjährige Krieg, S. 150 ff.; zu den orga-
870 ANH ANG
und die Aufstellung einer kaiserlichen Armada ist in den wenigsten Darstellungen
zum Dreißigjährigen Krieg zutreffend erkannt beziehungsweise gezeigt worden; vgl.
etwa die Ausführungen zum ersten Generalat Wallensteins bei Kampmann, Europa
und das Reich, S. 56-59, oder bei Gotthard, Der Dreißigjährige Krieg, S. 187-191. 85
Kampmann, Europa und das Reich, S. 51. 86 Lorenz (Hg.), Quellen zur Geschichte
Wallensteins, S. 90. 87 Franz Christoph Graf Khevenhüller war von 1616 bis 1631 kai
serlicher Gesandter in Madrid; er verfasste anschließend die Annales Ferdinandi, in
denen diese Äußerung überliefert ist. Sie ist in dem Zusammenhang, in den sie von
Khevenhüller gestellt wurde, zweifellos falsch, trifft der Sache nach aber den Kern
von Wallensteins Vorgehen. 88 Zit. nach Diwald, Wallenstein, S. 277. 89 In der
Forschung wird die Entstehung des Kontributionssystems verschiedentlich so darge
stellt, als habe Wallenstein nach einiger Zeit gemerkt, dass er die Armee nicht aus
eigenen Mitteln unterhalten könne, und erst dann zum Instrument der Kontributio
nen gegriffen. Infolgedessen habe er sich doppelt entschädigen lassen: durch die Pra
xis der Kontributionen und die Aufrechnung der Armeekosten gegenüber dem Hof
(so Gotthard, D er Dreißigjährige Krieg, S. 187-197). Das ist unzutreffend: Wallenstein
hat, wie die erwähnten Einlassungen seines Schwiegervaters Karl von Harrach gegen
über dem Kaiser zeigen, von Anfang an mit offenen Karten gespielt, und was er vom
Hof erstattet haben wollte, waren seine Ausgaben für die Vorfinanzierung der Armee.
Er drängte auf Rückzahlung des Kredits, den er dem Kaiser gewährt hatte, und als der
Kaiser dem nicht nachkommen konnte, wurde Wallenstein mit dem Herzogtum
Mecklenburg «entschädigt». Die Armee hingegen finanzierte sich durch das Kontri
butionssystem. 90 Zit. nach Klopp, D er dreißigjährige Krieg, Bd. 3, Teil 1, S. 22. 91
Ebd., S. 20. 92 Döblin, Wallenstein, S. 469; verschiedentlich ist bei Döblin auch von
Tyrannei die Rede. 93 Schmitt, «Exkurs über Wallenstein als Diktator», S. 79-96,
hier S. 80. 94 Ebd., S. 82 ff. 95 Die Kontributionen sind freilich in der Instruktion
nur sehr vage Umrissen; sie werden zentral in den Verabredungen von Bruck an der
Leitha aus dem Jahre 1626, durch die Wallenstein von seiner angedrohten Demissio-
nierung abgehalten wurde. In Bruck wurden Wallensteins Befugnisse noch einmal
deutlich erweitert; vgl. Diwald, Wallenstein, S. 367 fr. 96 Vgl. Kampmann, Europa
und das Reich, S. 58. 97 Ebd., S. 59. 98 Machiavelli, D er Fürst, S. 29. 99 Schmitt,
«Exkurs über Wallenstein als Diktator», S. 86. 100 Vgl. dazu am Beispiel der engli
schen Revolutionen Schröder, Die englischen Revolutionen, S. 167 f. und 207-217. 101
Zit. nach Klopp, D er dreißigjährige Krieg, Bd. 3, Teil 1, S. 8f. 102 Vgl. Simms, K am pf
um Vorherrschaft, S. 43-62. 103 Garl Schmitts Urteil über Wallensteins zweites
Generalat unterscheidet sich nicht wesentlich von seiner Beurteilung des ersten
Generalats, wobei er sich freilich auf die formalen Festlegungen konzentrierte und
die tatsächliche Macht weitgehend außer Acht ließ; vgl. Schmitt, «Exkurs über Wal
lenstein als Diktator», S. 87 ff. 104 Meier, Die Ohnmacht des allmächtigen Dictators
Caesar, S. 17-100. 105 Diese Debatte ist mit den in ihren Wertungen gegensätzli-
Anmerkungen 873
chengüter drängt und damit den Kampf um die Macht im Reich in einen Glaubens
krieg verwandelt; schließlich Wallenstein, der den Religionskrieg gerade nicht will
und darauf aus ist, den Krieg als Kampf gegen Aufständische und Rebellen zu fuhren
und die Fragen der Konfession so weit wie möglich herauszuhalten. Dieser Wallen
stein ist ein Mann des Krieges, weil er nur in einer Konstellation des gewaltsamen
Umsturzes sein eigentliches Ziel, die Errichtung eines Herzogtums entlang der Elbe
von Böhmen bis nach Mecklenburg, erreichen kann. Damit ist das Wallenstein-Bild
Döblins dem Schillers entgegengesetzt: Zeichnet Schiller einen Wallenstein, der zwi
schen Kriegsherr und Friedensstifter hin- und herschwankt (vgl. Müller-Seidel, Fried
rich Schiller und die Politik, S. 136 f.), so begegnen wir bei Döblin einem Wallenstein,
der als der eigentliche Antipode der «Verfassungspartei» im Reich dargestellt wird.
Diese Partei will den Status quo ante wiederherstellen, und sie besteht aus den ligisti-
schen Mächten unter Führung des Bayernherzogs Maximilian sowie den lutheri
schen Herrschern unter Führung des sächsischen Kurfürsten Johann Georg. Wallen
stein dagegen präferiert den Krieg als großen Umsturz, um seine Ziele erreichen zu
können. 109 Gotthard, Der Dreißigjährige Krieg, S. 194. 110 Ebd., S. 195 und
197. 111 Zit. nach Klopp, Der dreißigjährige Krieg, Bd. 3, Teil 1, S. 23. 112 Rebitsch,
Wallenstein, S. 149. 113 Zit. nach Lorenz (Hg.), Quellen zur Geschichte Wallensteins,
S. 89. 114 Ebd., S. 89. In Augustinus’ De civitate Dei heißt es: «Quod sunt regna
remota iustitia nisi magna latrocinia» - was sind Königreiche, wenn die Gerechtig
keit aus ihnen verschwunden ist, anderes als große Räuberbanden. 115 Ebd. 116
Diwald, Wallenstein, S. 405. 117 Vgl. ebd., S. 281 ff. 118 Ebd., S. 280. 119 Zu Hans
de Witte, dem reformierten Holländer, der mit dem katholischen Sieg über die pro
testantischen Aufständischen in Böhmen und seiner Beteiligung am Prager Münz
konsortium reich geworden war und als Bankier Wallensteins die Finanzierung des
Heeres sicherte, vgl. Ernstberger, H ans de Witte. 120 Vgl. Krüssmann, Mansfeld,
S. 568-573. 121 Rill, Tilly, S. 161-167. 122 Diwald, Wallenstein, S. 325-331. 123 So
Wedgwood, D er 30jährige Krieg, S. 180; bei Parker (D er Dreißigjährige Krieg, S. 146)
findet sich die erstaunliche Behauptung, der Däne Christian und sein Heer seien 1625
nur darum «der totalen Vernichtung» entgangen, weil Tilly und Wallenstein sich
nicht «über ihre Zuständigkeiten einigen konnten». Davon kann keine Rede
sein. 124 Diwald, Wallenstein, S. 398. 125 Zit. nach Jessen (Hg.), D er Dreißigjäh
rige Krieg in Augenzeugenberichten, S. 172. 126 Zum Treffen von Hemmersdorf vgl.
die Biographien von Diwald, Wallenstein, S. 333 £, und Rill, Tilly, S. 166 ff, die das Tref
fen je aus der Sicht ihrer Protagonisten darstellen; zum Verhältnis Wallenstein-Tilly
auch Mann, Wallenstein, S. 362 f. und 381 ff. 127 Zit. nach Klopp, Der dreißigjährige
Krieg, Bd. 3, Teil 1, S. 24. 128 Vor allem im Hinblick auf die Größe und den Zustand
von Wallensteins Heer schwanken die Angaben; während Diwald (Wallenstein, S. 339)
davon ausgeht, dass Wallensteins Heer inzwischen eine Stärke von 30 000 Mann
erreicht hatte, verweist Ritter (Deutsche Geschichte, Bd. III, S. 318) auf einen BriefWal-
Anmerkungen «75
lensteins an Collalto, in dem Wallenstein schreibt, er verfüge über 18 ooo Mann, von
denen zwei Drittel vollverwendungsfähig seien; vgl. auch Krüssmann, Mansfeld,
S. 583. 129 Hierzu und zum Folgenden Ritter, Deutsche Geschichte, Bd. III,
S. 319 ff. 130 Dazu Smid, D er Tolle Halberstädter, S. 59 ff. 131 Vgl. Wedgwood, Der
30jährige Krieg, S. 182; im Theatrum Europaeum wird eine andere Erklärung für Chris
tians Tod genannt: «Als die Doctores den Körper eröffnet und besichtigt, haben sie
das Ingeweid und sonderlich die partes um das Herz schwarz, und gleichsam
schwarze Blattern daran gefunden, daraus man auf alt Gift schließen wollen, das lang
sam Effekt erreicht habe.» Zit. nach Jessen (Hg.), Der Dreißigjährige Krieg in Augen
zeugenberichten, S. 182. 132 Ritter, Deutsche Geschichte, Bd. III, S. 324. 133 Wedg
wood, Der 30jährige Krieg, S. 131. 134 Zu Fuchs von Bimbach vgl. Guthrie, Battles,
S. 125. 135 Ich folge hier den Überlegungen von Krüssmann, Mansfeld, S. 584 £ 136
Vgl. oben, S. 198. 137 Zit. nach Jessen (Hg.), D er Dreißigjährige Krieg in Augenzeu
genberichten, S. 172. 138 Vgl. Guthrie, Battles, S. 120. 139 Krüssmann, Mansfeld,
S. 587. 140 Zit. nach Diwald, Wallenstein, S. 342. 141 Hierzu und zum Folgenden
Guthrie, Battles, S. 120ff.; Krüssmann, Mansfeld, 8.590-595; Diwald, Wallenstein,
S. 342-347; sowie Ritter, Deutsche Geschichte, Bd. III, S. 322 f. 142 Zu Aldringen vgl.
Duch, «Aldringen», sowie Rebitsch, Wallenstein, S. 165-168. 143 Krüssmann,
Mansfeld, S. 590. 144 So argumentiert Krüssmann, Mansfeld, S. 593. 145 Guthrie,
Battles, S. 121. 146 Ebd., S. 122, und Krüssmann, Mansfeld, S. 595. 147 Vgl. Mann,
Wallenstein, S. 363 ff. 148 Hierzu und zum Folgenden vgl. Krüssmann, Mansfeld,
S. 597 f. 149 Ebd., S. 596 und 598. 150 Hierzu und zum Folgenden erneut Krüss
mann, Mansfeld, S. 599-602. 151 Dazu ausführlich Sturmberger, «Der oberösterrei
chische Bauernkrieg», sowie Winkelbauer, Ständefreiheit und Fürstenmacht, Bd. 1,
S. 69 £; knapp Gindely, Der dreißigjährige Krieg, Bd. 2, S. 95-98, sowie Ritter, Deutsche
Geschichte, Bd. III, S. 344 f. 152 Zit. nach Jessen (Hg.), D er Dreißigjährige Krieg in
Augenzeugenberichten, S. 175. 153 Ebd., S. 175 f. 154 Vgl. Chaune, «Die Kriegsdar
stellungen Callots», S. 409 ff., sowie Schuchter, Callot, S. 128, den das Würfelspiel an
das Würfeln der Soldaten um die Kleider Christi unter dessen Kreuz erinnert. 155
Scultetus hatte bei der «Säuberung» der Prager Kirchen durch Friedrich V. eine
unglückliche Rolle gespielt und erheblich zur Abneigung der Bevölkerung gegen den
reformierten Pfälzer beigetragen; vgl. oben, S. 162 f. 156 Gindely, Der dreißigjährige
Krieg, Bd. 2, S. 97. 157 Zur Biographie Pappenheims gibt es erstaunlich wenig Lite
ratur; neben der älteren Arbeit von Heß, G raf zu Pappenheim, sind hier nur Stadler,
Pappenheim und die Zeit des Dreißigjährigen Krieges, sowie Querengässer, Feldmar
schall Pappenheim, zu nennen; weiterhin zu Familie und Herkunft Schwackenhofer,
Die Reichserbmarschälle, Grafen und Herren von und zu Pappenheim; vgl. auch das
Kurzporträt Pappenheims bei Findeisen, D er Dreißigjährige Krieg, S. 275-284. 158
Dazu oben, S. 174 ff, sowie Junkelmann, Gustav Adolf, S. 210 ff. 159 Der Plattenhar
nisch eines Kürassiers wog etwa 25 Kilogramm. Im Unterschied zu den Ritterrüstun-
876 ANH ANG
gen des Spätmittelalters, die für eine bestimmte Person angefertigt wurden und von
großer technischer wie ästhetischer Kunstfertigkeit waren, handelte es sich hierbei
um Massenware, die sehr viel kostengünstiger war als die früheren Ritterrüstungen.
Dennoch war die Aufstellung eines Kürassierregiments relativ teuer: Ein Kürass kos
tete in den 1620er Jahren neun Reichstaler, während man für eine Muskete nur zwei
bis drei Reichstaler zahlen musste (vgl. Ortenburg, Waffen, S. 32-35, sowie Brnardic,
Imperial Armies, Bd. 2, S. 3f.). Um zu verhindern, dass diese immer häufiger aus Ble
chen anstatt gehärtetem Stahl gefertigten Harnische rosteten, wurden sie mit Leinöl
geschwärzt. Pappenheims Kürassiere trugen solche schwarzen Harnische, die ihr
Erkennungszeichen waren (vgl. Stadler, Pappenheim, S. 158 f.). Die hohen Ausrüs
tungskosten führten mit der Zeit dazu, dass immer weniger Kürassierregimenter auf
gestellt wurden; die «Pappenheimer» gehörten zu den letzten derartigen Einheiten
des Dreißigjährigen Krieges, in dessen Schlussphase vorwiegend berittene Arkebus-
siere und Dragoner eingesetzt wurden. Zur Gefechtsführung der Kavallerie vgl. Jun-
kelmann, Gustav Adolf, S. 216 ff. 160 Zur Analyse von Paniken im Gefecht vgl. Col-
lins, «Vorwärtspaniken und die Dynamik der Massengewalt», S. 206-211 und
218-222, sowie ders., Dynamik der Gewalt, insbes. S. 139-172. 161 Vgl. hierzu und
zum Folgenden Stadler, Pappenheim, S. 193-215, sowie Querengässer, Feldmarschall
Pappenheim, S. 23-26. 162 Ritter, Deutsche Geschichte, Bd. III, S. 344. 163 Vgl.
etwa Wallensteins Brief an den Schlosshauptmann David Hain zu Löwenthal, in dem
er diesen davon in Kenntnis setzt, «daß der leichtfertige Schelm Kristof von Redern
um Friedland soll reiten und das Landvolk zu rebellieren persuadieren». Hain solle
bekannt machen: Jeder, der «mit ihm die wenigste Gemeinschaft wird haben, soll
Leib, Gut und Ehre verfallen sein, der mir ihn aber lebendig oder tot zu Händen wird
bringen, soll 5000 Taler in continenti zu Recompens [dauerhaft als Ersatz/Beloh-
nung] bekommen». Zit. nach Jessen (Hg.), Der Dreißigjährige Krieg in Augenzeugen
berichten, S. 172. 164 Gindely, Geschichte des dreißigjährigen Krieges, Bd. 2, S. 98. 165
Die Zahlen differieren: Während Diwald (Wallenstein, S. 348) von 14000 Soldaten
spricht, die Wallenstein mitgeführt habe, schreibt Mann ( Wallenstein, S. 328), Wallen
stein habe mit 20 000 Infanteristen, Kavalleristen und Artilleristen die Elbe über
quert. Rechnet man indes zu den 14000 Soldaten bei Diwald die schon früher losge
schickten 5000 Kavalleristen unter Oberst Gabriel Pechmann von der Schönau hinzu,
stimmen die Zahlen tendenziell überein. 166 Vgl. oben, S. 263 f. 167 Dazu Junkel-
mann, Gustav Adolf, S. 253 ff., sowie Findeisen, Gustav II. Adolf, S. 85 ff. 168 Vgl.
Flieger, Stadtlohn, S. 133 f. 169 Vgl. Lammert, Seuchen, Hungers- und Kriegsnoth,
S. 72 f. und 87-91. 170 Zu den Operationen Mansfelds und Johann Ernsts ausführ
lich Opel, Der niedersächsisch-dänische Krieg, Bd. 2, S. 582 ff., sowie Krüssmann, M ans
feld, S. 603-623; außerdem Ritter, Deutsche Geschichte, Bd. III, S. 344-348. 171 Zit.
nach Krüssmann, Mansfeld, S. 607. 172 Vgl. hierzu die Darstellungen des Feldzugs
aus der Perspektive Wallensteins und seines Heeres bei Diwald, Wallenstein,
Anmerkungen 877
Schotten im Krieg allgemein Murdoch (Hg.), Scotland and the Thirty Years' War; spe
ziell zu Monro vgl. Brockington, «Robert Monro», S. 215-239. 208 Querengässer,
Pappenheim , S. 28. 209 Dazu Stadler, Pappenheim , S. 255-257. 210 Zit. nach Rill,
Tilly, S. 165; zum Hass der Soldaten auf Bauern vgl. auch die entsprechenden Passagen
bei Monro, Kriegserlebnisse, S. 30 f., 59, 70 und öfter. 211 Die «Pappenheimer»
scheinen an dieser Art von Kriegführung Gefallen gefunden zu haben, denn in den
ersten Wochen des folgenden Jahres machten sie auf ähnliche Weise die Gegend zwi
schen Gardelegen und Stendal unsicher; vgl. Querengässer, Pappenheim , S. 28. 212
Tilly fügte dem Leichnam Philipps einen Brief an den Vater bei, in dem er ihm sein
Beileid für das Unglück ausdrückte; vgl. Rill, Tilly, S. 184. 213 Vgl. Findeisen, Gus
tav II. A dolf, S. 13-22. 214 Vgl. Diwald, Wallenstein, S. 382. 215 Vgl. Stadler, P a p
penheim , S. 258-264. 216 Zit. nach Heß, Pappenheim , S. 62. 217 So Guthrie, Battles,
S. 134. 218 Hierzu und zum Folgenden Diwald, Wallenstein, S. 381t, Mann, Wallen
stein, S. 396 f. 219 Zit. nach Diwald, Wallenstein, S. 383. 220 Vgl. dazu die bei Jessen
(D er Dreißigjährige K rieg in Augenzeugenberichten, S. 190 f.) wiedergegebenen Zeug
nisse. 221 Zum Verlauf der Schlacht bei Wolgast, die in den meisten Darstellungen
des Dreißigjährigen Krieges allenfalls am Rande erwähnt wird, vgl. den ausführli
chen Bericht Monros, dessen schottisches Regiment ebenfalls an der pommerschen
Küste angelandet worden war: «Der Feind griff S. M. [Seine Majestät, also die Trup
pen des dänischen Königs] heftig an und hatte 14 Ordonnanzstücke aufgefahren. Er
feuerte damit auf die Schlachtaufstellung des Königs, bis dieser die Gefahr erkannte,
aber da er nicht in der Lage war, dem Feind Widerstand zu leisten, zog er sich, völlig
aus der Fassung gebracht, in großer Eile nach Wolgast zurück. Der König hatte, ohne
gekämpft zu haben, den größten Teil seiner Armee verloren [...].» Monro, Kriegser
lebnisse, S. 83 f. 222 Diese Art der Kriegführung ist aus Sicht des auf dänischer Seite
daranbeteiligtenRobertMonro eingehend beschrieben worden; ebd., S. 58-68. 223
Mann, Wallenstein, S. 399 h 224 «Der König», so schrieb Wallenstein damals über
Christian IV., «hält sich noch ganz in den Inseln, daher ich ihm denn noch nicht
kann zu kommen; er sauft sich alle Tage voll, verhoffe zu Gott, daß er einmal im
Rausch etwas wagen wird. Kriecht er heraus aus den wässerigen Örtern, so ist er
gewiss unser.» Zit. nach Jessen (Hg.), D er D reißigjährige K rieg in Augenzeugenberich
ten, S. 192. Das war bei Wolgast der Fall, wo Christian in die ihm von Wallenstein
gestellte Falle ging und einen Großteil seines Landheeres verlor. Dennoch war Däne
mark damit keineswegs, wie Guthrie (Battles , S. 136) meint, definitiv besiegt, denn
Christian verfugte nach wie vor über seine Flotte, die stärkste im Ostseeraum, und
gegen die besaß Wallenstein keine Gegenmittel. 225 Zit. nach Lorenz (Hg.), Quel
len zu r Geschichte Wallensteins, S. 157 h, Fn 1. 226 Wedgwood, D er 30jährige Krieg,
S. 211. 227 Dazu Schubert, «Wallenstein und der Staat», der auf die italienischen
Condottieri als Vorbild Wallensteins verweist, aber zugleich die These vertritt, dass
die Zeit der Condottieri damals bereits vorbei gewesen sei und Wallenstein scheitern
88o ANHANG
musste (S. 195 ff.). 228 Zit. nach Diwald, Wallenstein, S. 390. 229 Zum Begriff der
Überdehnung Kennedy, Aufstieg und F a ll der großen M ächte, S. 12 und 759 f., sowie
Münkler, Imperien, S. 172 fr. 230 Zum Mantuanischen Krieg ausführlich unten,
S. 392 ff.; zu den spanischen Forderungen nach kaiserlicher Hilfe vgl. Straub, F a x et
imperium, S. 327 fr. 231 Zur Rolle des spanischen Silbers bei der Entstehung der
Weltwirtschaft und als Motor der ökonomischen Mobilisierung Europas vgl. Cipolla,
D ie Odyssee des spanischen Silbers; Pomeranz, The G reat Divergence, sowie Findley/
O’Rourke, Pow er and Plenty, S. 212-226. 232 Zit. nach Diwald, Wallenstein,
S. 390. 233 Zit. nach ebd., S. 391. 234 Dazu Straub, F a x et Im perium , S. 288 ff. 235
Für eine ausführliche Referierung dieser Klagen vgl. Klopp, D er dreißigjährige Krieg,
Bd. 3, Teil 1, S. 142-155. 236 Vgl. Gindely, Geschichte des dreißigjährigen Krieges, Bd. 2,
S. 127. 237 Ausführlich Diwald, Wallenstein, S. 390 ff. 238 Zit. nach Klopp, D er drei
ß igjährige Krieg, Bd. 3, Teil 1, S. 172. 239 Zum Verlauf der osmanischen Perserkriege
und zur inneren Schwäche des Osmanischen Reichs vgl. Jorga, Geschichte des Osma
nischen Reichs, Bd. 3, S. 405-479; zur Geschichte des Safawidenreichs Newman, Safa-
vid Iran, sowie Mazzaoui, Safavid Iran; zur politischen Geschichte als Ereignisabfolge
vgl. Roemer, Persien a u f dem Weg in die Neuzeit, S. 309 fr. Wie Köhbach («Warum
beteiligte sich das Osmanische Reich nicht am Dreißigjährigen Krieg?», S. 277-294)
gezeigt hat, spielten dabei neben den Kriegen gegen das Safawidenreich die struktu
relle Veraltung des osmanischen Heeres sowie fortgesetzte innere Machtkämpfe eine
Rolle. 240 Dazu Rebitsch, Wallenstein, S. 128-136 und 151-155. 241 Dazu Posch,
Johannes Kepler, S. 192 ff. 242 Zur «Kunst der Verstellung» vgl. Münkler, Im N am en
des Staates, S. 306-313. 243 Zu Richelieu vgl. Burckhardt, Richelieu, insbes. Bd. 2,
S. 316 ff; Erlanger, Richelieu, S. 263 fr.; zu Olivares vgl. Maranon, Olivares,
S. 299-319. 244 Dazu ausführlich Straub, F a x et Im perium , S. 253-325, der freilich
aufgrund seiner apologetischen Grundtendenz gegenüber der spanischen Politik den
Aspekt der Optionsmehrung nicht erkannt hat und den Frieden als Olivares’ Leitvor
stellung herausstellt. 245 Zit. nach Klopp, D er dreißigjährige Krieg, Bd. 3, Teil 1,
S. 397. 246 Zit. nach Roeck, Gegenreformation undD reißigjährigerK rieg, S. 262. 247
Zit. nach ebd., S. 266. 248 Dazu Dollinger, D ie Hanse, passim, sowie Graichen/
Hammel-Kiesow, D ie Deutsche Hanse, insbes. S. 67-105. 249 Vgl. Dollinger, D ie
Hanse, S. 364 ff. 250 Zit. nach Opel, D er dänisch-niedersächsische Krieg, Bd. 3,
S. 485. 251 Diese Maßnahmen und Verhandlungen sind ausführlich dargestellt bei
Opel, D er dänisch-niedersächsische Krieg, Bd. 3, S. 483-511, ebenso bei Klopp, D er drei
ß igjäh rige Krieg, Bd. 3, Teil 1, S. 51-62. In den meisten jüngeren Darstellungen des
Dreißigjährigen Krieges wird dem Ostseeprojekt keine größere Aufmerksamkeit
geschenkt; so wird von Arndt (D er Dreißigjährige Krieg, S. 92) nur Wallensteins
Ernennung zum Admiral erwähnt; Schmidt (D er D reißigjährige Krieg, S. 40) lässt das
Projekt an Wallensteins Desinteresse bzw. seiner Präferenz für die Pazifizierung der
Ostsee scheitern, und Schormann (D er Dreißigjährige Krieg, S. 39) meint, ähnlich wie
Anmerkungen 881
Schmidt, Wallensteins Titel habe die Seemächte auf die Machtansprüche des Kaisers
überhaupt erst aufmerksam gemacht und die Lage für den Kaiser nur verschlech
tert. 252 Vgl. Rebitsch, Wallenstein, S. 139. 253 Stralsund als Episode bei Gindely,
Geschichte des dreißigjährigen Krieges, Bd. 1, S. 129 f.; dagegen als zentrales Kriegsge
schehen bei Klopp, D er dreißigjährige Krieg, Bd. 3, Teil 1, S. 73-130, sowie Opel, D er
niedersächsisch-dänische Krieg, Bd. 3, S. 544-620, dort unter der Kapitelüberschrift
«Höhepunkt der Kaisergewalt in der Belagerung Stralsunds». Auch für Leopold von
Ranke war die fehlgeschlagene Besetzung Stralsunds der Wendepunkt des Krie
ges. 254 Die Verbindung des Katholischen mit dem Land, dem Tellurischen, und
des Protestantischen mit dem offenen Meer, mehr noch dem Ozeanischen als dem
Thalassischen, findet sich vor allem bei Carl Schmitt, L a n d und M eer, S. 52 f. und
78-85; ebenso ders., Röm ischer Katholizismus und politische Form , S. 14£ 255 So
etwa am 2. Juli 1628 an Arnim; zit. nach Klopp, D er dreißigjährige Krieg, Bd. 3, Teil 1,
S. 94. 256 Ebd. Es gibt freilich keinen Beleg dafür, dass Wallenstein diesen Satz
wirklich gesagt hat. Es könnte sich auch um ein von protestantischer Seite lanciertes
Zitat handeln, durch das dem Ende der Belagerung eine zentrale Bedeutung zuge
schrieben werden sollte. Die Ketten am Himmel, von denen die Rede ist, sprechen
jedenfalls dafür. Andererseits war die Äußerung Wallensteins schon bald geläufig,
wie ein Kommentar von Robert Monro zeigt: «Er [Wallenstein] schwor in seinem
Zorn, er werde die Stadt in drei Nächten einnehmen, selbst wenn sie mit eisernen
Ketten zwischen Himmel und Erde hinge. Aber da er vergessen hatte, Gott auf seine
Seite zu ziehen, wurde er von ihm enttäuscht, der über alle Dinge nach seinem Gut
dünken entscheidet, der der höchste Wächter selber ist und weder schlummert noch
schläft.» Monroe, Kriegserlebnisse, S. 74. 257 Vgl. Opel, D er niedersächsisch-dänische
Krieg, Bd. 3, S. 548. 258 Ebd., S. 546. 259 Das von Matthäus Merlan eigentlich erst
1633 in Nachfolge der Gottfried’schen Weltchronik begonnene Theatrum Europaeum
wurde nachträglich um einen Band von 1618 bis 1629 ergänzt, der von Johann Philipp
Abele (oder Abelin), einem Elsässer mit stark proschwedischen Präferenzen, verfasst
worden ist. 260 Zit. nach Jessen (Hg.), D er Dreißigjährige K rieg in Augenzeugenbe
richten, S. 193 f- 261 Monro, Kriegserlebnisse, S. 70; was den Zeitpunkt des Eintref
fens der Schotten anbetrifft, folge ich Opel, D er niedersächsisch-dänische Krieg,
S. 563. 262 Monro, Kriegserlebnisse, S. 69. 263 Ebd., S. 81. 264 Opel, D er nieder-
sächsisch-dänische Krieg, S. 564. 265 Ebd., S. 598. 266 Hierzu und zum Folgenden
ebd., S. 605 ff. 267 Monro, Kriegserlebnisse, S. 74 b 268 Ebd., S. 77. 269 Opel,
D er niedersächsisch-dänische Krieg, Bd. 3, S. 606. 270 Zit. nach Klopp, D er dreißigjäh
rige Krieg, Bd. 3, Teil 1, S. 169. 271 Vgl. oben, S. 342 ff. 272 Opel, D er niedersäch
sisch-dänische K rieg, Bd. 3, S. 683. 273 Dazu unten, S. 393 f. 274 Zit. nach Opel, D er
niedersächsisch-dänische Krieg, Bd. 3, S. 694. 275 Ebd., S. 718 f. 276 Ebd.,
S. 695-698. 277 Hierzu und zum Folgenden ebd., S. 698f. 278 Zit. nach ebd.,
S. 719 {.; zur Rolle Wallensteins bei den Lübecker Verhandlungen zusammenfassend
882 A NH ANG
4. K A P IT E L
IT A LIEN ISC H -PO LN ISC H ES ZW ISC H EN SPIEL
1 Zit. nach Diwald, Wallenstein, S. 419. 2 Vgl. oben, S. 369 f. 3 Straub, P a x et Im pe
rium, passim; zu den Beratungen, in denen es um die großen Entscheidungen am
Ende der 1620er Jahre ging, ebd., S. 327-431. 4 Zit. nach Erlanger, Richelieu,
S. 140. s Entsprechende Äußerung aus Madrider wie Wiener Sicht finden sich bei
Straub, P a x et Im perium , S. 354 f. und 377. 6 Zit. nach Klopp, D er dreißigjährige Krieg,
Bd. 3, Teil 1, S. 290 h 7 Ebd., S. 298. 8 Der Briefwechsel zwischen Suffren und
Lamormaini ist auch deswegen interessant, weil sich hier zwei Angehörige desselben
Ordens, derJesuiten, über die politischen Fronten hinweg miteinander verständigten
und als potestates indirectae (Carl Schmitt) Neben-Außenpolitik betrieben. 9 Zit.
nach Klopp, D er dreißigjährige K rieg, Bd. 3, Teil 1, S. 294!.; als Quelle gibt Klopp «ein
römisches Privatarchiv» an. Der Brief ist auf Latein verfasst, die Übersetzung stammt
von Klopp. 10 Zit. ebd., S. 295. 11 Dazu unten, S. 392 fr. 12 Zit. nach Klopp, D er
dreißigjährige Krieg, Bd. 3, Teil 1, S. 297. 13 Ebd., S. 297 h 14 Dazu oben,
S. 261 ff. 15 Vgl. dazu die Nachzeichnung der in Madrid diesbezüglich geführten
Debatten bei Straub, P a x et Im perium , S. 327-369. 16 Dazu Burckhardt, Richelieu,
Bd. 2, S. 300-311. 17 Zit. nach Klopp, D er dreißigjährige Krieg, Bd. 3, Teil 1,
S. 396 f. 18 Zit. nach Diwald, Wallenstein, S. 398. 19 Dazu Burckhardt, Richelieu,
Bd. 2, S. 316-319 und 323. 20 Zur Rolle Sigismunds in Schweden und Polen vgl.
Findeisen, Gustav II. A dolf, S. 72 fr 21 In der einschlägigen Forschung besteht weit
gehend Konsens, dass die Interventionsentscheidung Gustav Adolfs nicht erfolgte,
um den Protestantismus in Deutschland zu verteidigen oder zu retten, auch wenn
dieses Motiv dabei eine gewisse Rolle spielte, sondern dass es primär um machtpoli
tische Motive ging; für eine zusammenfassende Darstellung der Forschung vgl.
Buchholz, «Der Eintritt Schwedens in den Dreißigjährigen Krieg», S. 291-314. Wäh
rend die jüngere schwedische Forschung mit dem Zentrum Lund sich vor allem mit
der Ressourcenfrage und den verfassungspolitischen Voraussetzungen der Groß
machtzeit beschäftigt hat (vgl. Lundkvist, «The Experience of Empire»), hat Klaus
Zernack («Schweden als europäische Großmacht») die Gewährleistung von Sicher
heit für den östlichen Reichsteil, die Entwicklung einer Alternative zur dänischen
Ostseeherrschaft und ökonomisch-handelspolitische Zugewinne als die tragenden
Motive der schwedischen Großmachtbildung herausgestellt (S. 338). Zernack betont
dabei, dass diese Motive aus einer strukturell defensiven Position Mitte des 16. Jahr
hunderts hervorgingen, als Schweden gleichzeitig von Russland und Dänemark her
unter Druck geriet (S. 334ff.). 22 Dazu oben, S. 199. 23 Zu den Verzweigungen
der Gonzaga-Familie und den Ansprüchen der beiden Prätendenten auf das mantua-
nische Erbe vgl. die ausführlichen Darlegungen bei Parrott, «The Mantuan Succes-
sion», S. 25-33. 24 Zit. nach Mann, Wallenstein, S. 541 und 542. 25 Zit. ebd., S. 542
884 ANH ANG
chen Nuntius Pallotto, der von 20 000 Fußsoldaten und 2000 Reitern spricht. 46
Dazu Ritter, «Wallensteins Eroberungspläne gegen Venedig», S. 47-58. 47 Marti
nes, Blutiges Zeitalter, S. 201. 48 Ebd., S. 202. 49 Zur Familie Gonzaga vgl. Simons,
Die Gonzaga, passim. 50 Martines, Blutiges Zeitalter, S. 203 f. 51 Zwischen Gallas
und den Erben Aldringens kam es zu einem Rechtsstreit um die Beute von Mantua;
dazu Rebitsch, Matthias Gallas, S. 399 ff. 52 Zu Ottavio Piccolomini mit eher nega
tivem Grundtenor Findeisen, Der Dreißigjährige Krieg, S. 317-323; ausgewogen
Bierther, «Piccolomini», S. 408-410, und Hallwich, «Piccolomini»; affirmativ und
rechtfertigend dagegen Barker, «Generalleutnant Ottavio Fürst Piccolomini»,
S. 322-369. 53 Hierzu und zum Folgenden Martines, Blutiges Zeitalter, S. 202. 54
Zit. nach Parker, Der Dreißigjährige Krieg, S. 182. 55 Junkelmann, Gustav Adolf,
S. 282. 56 Hierzu und zum Folgenden vgl. ebd., S. 282 £, außerdem Findeisen, Gus
tav II. A dolf S. 92 f., sowie ders., Der Dreißigjährige Krieg, S. 298. S7 Dazu knapp
Burckhardt, Richelieu, S. 323 £, ausführlich Erlanger, Richelieu, S. 38401, sowie grund
sätzlich Bely, «France and the Thirty Years War», S. 88 £ 58 Junkelmann, Gustav
Adolf, S. 325 £; zu den schwedischen Problemen mit den französischen Bedingungen
ausführlich Barudio, Gustav Adolf S. 469-481. 59 Zit. nach Findeisen, Gustav Adolf,
S. 93. 60 Junkelmann, Gustav A dolf S. 283. 61 Vgl. Findeisen, Gustav Adolf
S. 93. 62 Dazu Krüger, «Dänische und schwedische Kriegsfinanzierung»,
S. 285 £ 63 Hierzu und zum Folgenden Straub, Pax et Imperium, S. 383 ff, sowie Rit
ter, Deutsche Geschichte, Bd. III, S. 438 ff. 64 Vgl. oben, S. 345. 65 Johann VIII.,
Graf von Nassau-Siegen, trat 1612 in Rom zum Katholizismus über und diente unter
Spinola im spanischen Militär, bevor er 1623 in kaiserliche Dienste überwechselte. Im
Unterschied zu seinem Vater Johann VII. war er weder in theoretischer noch in prak
tischer Hinsicht ein bedeutender Militär. Die Ehe mit Ernestine Yolande de Ligue
ermöglichte ihm ein luxuriöses Leben in Brüssel; vgl. Findeisen, Der Dreißigjährige
Krieg, S. 328 £
5. K A P ITE L
DIE Z E IT D ER G R O SSE N S C H L A C H T E N :
DER SCH W ED ISCH E K R IE G
1 Vgl. Droysen, GustafA dolf Bd. 2, S. 161, sowie Junkelmann, Gustav Adolf, S. 309; im
Unterschied zu Junkelmann beschreibt Findeisen ( Gustav Adolf, S. 131 f.) die Szene
am Strand von Usedom als eine bewusste Selbstinszenierung. Das Gebet des Königs,
das in zeitgenössischen Schriften und Flugblättern verbreitet wurde, findet sich bei
Tschopp, Heilsgeschichtliche Deutungsmuster, S. 116 £ 2 Zum Gustav-Adolf-Bild im
Wandel der Geschichte und zu den Perspektiven seiner «Dekonstruktion» vgl. Paul,
886 ANH ANG
Klopp jedoch dem Herzog von Friedland eine Macht zusprechen, die er zu diesem
Zeitpunkt schon gar nicht mehr hatte. Klopps Wallenstein-Bild ist durch die
Annahme des späteren Verrats bestimmt, so dass Wallensteins Agieren imJahre 1630
als Vorwegnahme des vorgeblichen Verrats von 1633/34 beschrieben werden kann.
Das ist umso bemerkenswerter, als die widerstandslose Hinnahme seiner Absetzung
durch Wallenstein dieser Sicht deutlich entgegensteht. 53 Dazu ausführlich, Ritter,
Deutsche Geschichte, Bd. III, S. 451h 54 Dazu oben, S. 405 f. 55 Zit. nach Hobelt,
Ferdinand III., S. 56. 56 Ritter, Deutsche Geschichte, Bd. III, S. 464. 57 Dazu Jun-
kelmann, Gustav A dolf, S. 322. 58 Dazu ebd., S. 322-324, sowie ausführlich Droysen,
G u staf A d o lf S. 166-175. 59 Clausewitz, Vom Kriege, S. 877. 60 Vgl. Stadler, P ap
penheim , S. 444-447. 61 Dazu Droysen, Bernhard von Weimar, Bd. 1, S. 26-35. 62
Dazu unten, S. 464-486. 63 Vgl. Ritter, Deutsche Geschichte, Bd. III, S. 461 £ 64
Dazu zusammenfassend Gotthard, «<Politice seint wir Bäpstisch>», S. 310-319. Dort
als Resümee: «Die Dresdner Regenten betrieben auch in den Jahren und Jahrzehn
ten immer weiter anwachsender konfessioneller Polarität ihre Reichspolitik nicht als
Protestanten, sondern zuallererst als Kurfürsten, und als jene waren sie, so die sächsi
sche Interpretation, die <innersten>, <geheimsten> Räte des Kaisers, nicht etwa
Repräsentanten des Reiches» (S. 315). Mit der Ausschreibung des Leipziger Kon
vents verließ Sachsen diese Linie; dazu auch Burkhardt, «Der Dreißigjährige Krieg -
Einfluß der sächsischen Politik auf die deutsche Geschichte», S. 3-12. 65 Ritter,
Deutsche Geschichte, Bd. III, S. 462. 66 Junkelmann, Gustav A d o lf, S. 317. 67 Ritter,
Deutsche Geschichte, Bd. III, S. 463. 68Junkelmann, Gustav A dolf, S. 327. 69 Logau,
Sinngedichte. 70 Speziell zu Leipzig vgl. Schenkrich «<Tränen des Vaterlandes»»,
S. 37-44; für Bayern Friesenegger, Tagebuch aus dem Dreißigjährigen Krieg, S. 23 fr.
71 Vgl. oben, S. 433 ff. 72 Wedgwood, D er 30jährige Krieg, S. 202. 73 Ebd.,
S. 225. 74 Ebd., S. 247. 75 Vgl. ausführlich Droysen, G u staf A dolf, Bd. 2,
S. 175-185. 76 Zum Vertrag von Bärwalde ebd., S. 254-256, sowie Junkelmann, Gus
tav A dolf, S. 325 f. 77 Zu den Zahlen beim Aufbau der schwedischen Heeresmacht
vgl. Lorentzen, D ie schwedische Arm ee, S. 9 ff. 78 Monro, Kriegserlebnisse,
S. 789-799. 79 Diese Gepflogenheit ist in dem jedes weitere Kriegsjahr eröffnen
den Song in Brechts M utter Courage gespiegelt: «Das Frühjahr kommt. Wach auf Du
Christ! / Der Schnee schmilzt weg. Die Toten ruh’n. / Und was noch nicht gestorben
ist / Das macht sich auf die Socken nun.» (S. 1351 und öfter). 80 Zit. nach Droysen,
G u sta f A dolf, Bd. 2, S. 259. 81 Vgl. Mann, Wallenstein, S. 577-584, sowie Diwald, Wal
lenstein, S. 432 £ 82 Der Vorwurf der Heeressabotage wird breit ausgeführt bei
Ernstberger, «Wallensteins Heeressabotage», S. 42-72; der Sabotagethese folgt auch
Rill, Tilly, S. 233. 83 Zu Tillys neuer Position und seinen Versuchen, die kaiserliche
Armee wiederaufzurichten, vgl. Rill, Tilly, S. 228 ff 84 Zit. nachJunkelmann, Gustav
A dolf, S. 328 £ 85 «Es war ein unverzeihlicher Fehler Tilly’s, daß er die Fortschritte
Gustaf Adolfs ruhig mit ansah, ohne herbeizueilen und ihnen zu steuern; doppelt
Anmerkungen 889
unverzeihlich, seit er auch den Oberbefehl über das kaiserliche Heer hatte.» (Droy-
sen, G u sta f A dolf, Bd. 2, S. 260). «Tilly hatte bis in den Februar hinein zu Frankfurt
still gelegen, statt kühn und rasch zu handeln, endlos zaudernd.» (S. 271). 86 Rill,
Tilly, S. 223. 87 Zit. nach Droysen, G u staf A d o lf Bd. 2, S. 262. 88 Zu Gustav Adolfs
Rriegsplänen für den Feldzug von 1631 vgl. Junkelmann, Gustav A d o lf S. 323, sowie
ausführlich Droysen, G u staf A dolf, Bd. 2, S. 262-265; dort auch der Gegenentwurf
Oxenstiernas, dem Gustav Adolf dann folgte. 89 Dieses Vorhaben scheiterte daran,
dass Oberst Farensbach, der an den Werbungen beteiligt war, zu den Kaiserlichen
überlief und ihnen den Plan verriet. Grund dafür war offenbar, dass nicht er, sondern
Hamilton mit dem Kommando über diese Armee betraut werden sollte; vgl. Droysen,
G u sta f A dolf, Bd. 2, S. 263, Fn. 1. 90 Vgl. ebd., S. 260. 91 Zit. nach Lorentzen, D ie
schwedische Arm ee, S. 22. 92 Zit. nach ebd., S. 23. 93 Vgl. ebd., S. 10 f. 94 Lorent
zen vertritt die Auffassung, Gustav Adolf habe nationalschwedische Einheiten vor
zugsweise für den Festungs- und Garnisonsdienst eingesetzt, weil sie im Unterschied
zu den deutschen Söldnern nicht dazu neigten, nach einem eher symbolischen
Widerstand den Ort zu übergeben, sondern ihn entschlossen verteidigten. Dafür
habe er in der offenen Feldschlacht deutsche Söldner bevorzugt, die kampferfahren
waren und wussten, dass Zurückweichen und Flucht ein höheres Todesrisiko zur
Folge hatten als Standhalten; vgl. ebd., S. 11. Das heißt jedoch nicht, dass die national
schwedischen Verluste auf den Feldzügen Gustav Adolfs niedriger gewesen wären als
die bei Soldaten aus anderen Nationen: Von den 230 jungen Männern, die zwischen
1621 und 1639 in Bygdeä in Nordschweden rekrutiert wurden, sind 215 gefallen und
fünf kehrten als Krüppel heim. Die Folge war, dass die Zahl der männlichen Erwach
senen in Bygdeä von 468 imJahre 1621 auf 288 im Jahre 1639 zurückging (Parker, D er
D reißigjährige Krieg, S. 283; Parker stützt sich hier auf die paradigmatische Untersu-
chungvonj. Lindegren, Utskrivning och utsugning). Es ist also keineswegs so, dass der
Bevölkerungsrückgang infolge des Krieges ein auf Deutschland begrenztes Problem
gewesen wäre. Für die nationalschwedische Prägung des Heeres, die auch über Gus
tav Adolfs Tod hinaus fortbestand, sorgte das höhere Offizierskorps, das, von weni
gen Ausnahmen wie Bernhard von Weimar abgesehen, aus Schweden bestand. Von
Baner bis Torstensson und Wrangel stand eine Reihe überaus befähigter Offiziere zur
Verfügung, denen neben und nach Gustav Adolf die Erfolge der schwedischen Trup
pen wesentlich zu verdanken sind. 95 Droysen, G u staf A dolf, Bd. 2, S. 264. 96
Dazu Findeisen, A x e l Oxenstierna, passim. 97 Droysen, G u staf A dolf, Bd. 2,
S. 264 h 98 Zu Gustav Horn, Graf zu Björneborg, der einer eher defensiven Strate
gieschule anhing, vgl. Findeisen, D er Dreißigjährige Krieg, S. 324 f. 99 Zit. nach
Droysen, G u staf A dolf, Bd. 2, S. 266. 100 Ebd., S. 267 f. 101 Monro, Kriegserlebnisse,
S. 103. Monro hat eine starke Neigung, eigene wie gegnerische Verbände nach ihrer
Tapferkeit zu beurteilen. So berichtet er, wie seine Einheit auf dem Marsch von Neu
brandenburg nach Demmin bei dem Städtchen Letzin eine Truppe von 600 kaiserli-
890 ANHANG
chen Soldaten überraschte, so dass die Musketiere nach Letzin eindringen konnten,
bevor die Besatzung zu den Waffen griff. «Es waren dumme, unbedarfte Italiener, die
armseligsten Offiziere, die ich je gesehen habe, die es nicht wert waren, daß man sie
als Soldaten bezeichnet, denn obwohl sie von unserem Marsch wußten, ließen sie
sich auf so jämmerliche Weise überraschen» (S. 101). 102 Junkelmann, Gustav
A dolf, S. 329, spricht von 12 000, Droysen, G u staf A dolf, Bd. 2, S. 371, von 16 000 Mann.
Droysen erwähnt aber auch Berichte, in denen von 20 000 Mann die Rede ist. 103
Dazu ausführlich Droysen, G u staf A d o lf Bd. 2, S. 271-273 und 276-278. 104 Zu
Dodo Freiherr zu Imhausen und Knyphausen (auch Kniphausen) vgl. Findeisen, D er
D reißigjährige Krieg, S. 327 f. Er brachte es immerhin bis zum schwedischen Feldmar
schall und wurde in Anerkennung des bei Hessisch-Oldendorf errungenen Sieges
von Oxenstierna mit dem Emsland belehnt. Dort hat er im Sommer 1636 bei Hase
lünne in einem Gefecht den Tod gefunden. 105 So Tilly in einem Brief an Maximi
lian vom 22. März; zit. nach Droysen, G u staf A dolf, Bd. 2, S. 277. 106 Monro, Kriegs
erlebnisse, S. 105. 107 Vgl. oben, S. 324 ff. «Die Sieger», so das Resümee Droysens
(S. 278), «ergossen sich über die Straßen, drangen in die Häuser, in die Kirchen ein
und bereiteten den Bürgern dasselbe Schicksal wie dem Feinde. Die Männer wurden
gemordet, die Frauen und Jungfrauen geschändet, die ganze Stadt wurde ausgeplün
dert.» Junkelmann (S. 329) stellt hingegen fest: «250 der Verteidiger wurden nieder
gemacht, die übrigen 500 gefangen genommen. In der schwedischen Armee fand die
falsche Nachricht Verbreitung, die ganze Garnison sei massakriert worden, was für
große Erbitterung sorgte.» 108 Bei Petarden handelt es sich um eine Art Mörser
mit sehr kurzem Lauf, der, mit schnell abbrennendem Pulver gefüllt, am Stadttor
befestigt wurde, bevor man das Pulver zündete. 109 Ausführlich zur Eroberung
Frankfurts an der Oder Droysen, G u staf A dolf, Bd. 2, S. 284 h 110 Zit. nach ebd.,
S. 286. 111 Hierzu und zum Folgenden Droysen, G u staf A dolf, Bd. 2, S. 290-296,
sowie Ritter, Deutsche Geschichte, Bd. III, S. 480-485. 112 Ritter (ebd., S. 480f.)
weist daraufhin, dass der Leipziger Konvent von Seiten der protestantischen Fürsten
und Stände sowie der Reichsstädte so gut beschickt wurde wie keine Versammlung
in der Vergangenheit. 113 Luther: Bibel 154$, 83. Psalm, 1-4. 114 Zit. nach Tschopp,
Heilsgeschichtliche Deutungsmuster, S. 113 f. Hoe von Hoeneggs Predigt wurde umge
hend bei Gregorio Ritzschen in Leipzig gedruckt: D er drey vnd achtzigste Psalm ; vgl.
ebd., S. 325. 115 Droysen, Gustav A dolf, Bd. 2, S. 296. Droysens 1870 veröffentlichtes
Urteil ist unübersehbar durch das Leiden eines Liberalen an dem politischen Still
stand in der Zeit vor der Bismarck’schen Reichseinigung geprägt. Es ist ein weiterer
Beleg dafür, dass Gustav Adolf selbst da, wo er nicht im geschichtspolitischen Sinn
modelliert worden ist, ein Sammelpunkt für Urteile über die eigene Gegenwart
war. 116 Zit. nach ebd., S. 294. 117 Leopold Wilhelm war bereits Bischof von
Straßburg und Passau sowie Abt von Murbach. 118 Für eine ausführliche Darstel
lung der Magdeburger Ereignisse im Sommer 1630 aus einer proprotestantischen
Anmerkungen 891
Sicht Droysen, G u staf A dolf, Bd. 2, S. 103-125; aus katholischer Sicht vgl. Klopp, D er
dreißigjährige Krieg, Bd. 3, Teil 1, S. 492-520; jetzt vor allem Medick, «Historisches
Ereignis und zeitgenössische Erfahrung», S. 377-407, sowie Ballerstedt, «Belage
rung und Zerstörung Magdeburgs», S. 11-24. 119 Zu Christian Wilhelm und sei
nen Verbindungen nach Schweden sowie den Zusagen, die ihm Gustav Adolf
gemacht hatte, ausführlich Droysen, G u staf A d olf , Bd. 2, S. 113-125. 120 Vgl. oben,
S. 442. 121 Zur Vita Falkenbergs vgl. Findeisen, D er Dreißigjährige Krieg, S. 333.
Findeisen bezeichnet Falkenberg als einen «fanatischen Vorkämpfer des militanten
Protestantismus». Man kann in ihm auch einen uneingeschränkt loyalen Offizier
Gustav Adolfs sehen. 122 Nach Rill, Tilly, S. 225. 123 Zit. nach Droysen, G u staf
A dolf, Bd. 2, S. 280. 124 Rill, Tilly, S. 224. 125 Droysen, G u staf A dolf, Bd. 2, S. 280;
dazu auch Querengässer, Feldm arschall Pappenheim , S. 36 f. 126 Dazu Querengässer,
Feldm arschall Pappenheim , S. 28-30, sowie Stadler, Pappenheim , S. 331-345- « 7
Stadler, Pappenheim , S. 490 f. 128 Rill, Tilly, S. 225. 129 Vgl. Droysen, G u staf A dolf,
Bd. 2, S. 314. 130 Zit. nach ebd., S. 317. 131 Ebd., S. 319. 132 Vgl. Droysen, G u staf
A dolf, Bd. 2, S. 325. 133 Deswegen war es eine verbreitete Praxis, alle nutzlosen oder
überflüssigen Esser aus belagerten Städten zu vertreiben; vgl. Martines, Blutiges Z eit
alter, S. 118. Martines bezieht sich dabei auf den Militärtheoretiker Bernardino Rocca,
der den Belagerern als Reaktion empfiehlt, die aus der Stadt Vertriebenen in die Stadt
zurückzutreiben oder sie zu töten. 134 Zu den Verhandlungen mit Brandenburg
und Sachsen und den operativen Möglichkeiten Gustav Adolfs vgl. Junkelmann, Gus
tav A dolf, S. 331 ffi, sowie Findeisen, Gustav II. A dolf, S. 143 £, der zugunsten des
Königs feststellt, «die Unentschlossenheit der Kurfürsten von Sachsen und Branden
burg [sei die] Hauptursache zum zögerlichen Vormarsch zur Entlastung Magde
burgs» gewesen. Findeisen merkt aber auch an, «Gustav Adolf versprach den protes
tantischen Gruppierungen der Stadt mehr, als er erfüllen konnte». 135 Droysen,
G u staf A dolf, Bd. 2, S. 325. 136 Hierzu und zum Folgenden vgl. ebd., S. 327-332. 137
Hagendorf, Tagebuch eines Söldners, S. 104. 138 Droysen, G u staf A dolf, Bd. 2,
S. 330. 139 Hagendorf, Tagebuch eines Söldners, S. 204. 140 Zeitgenössische
Berichte über die Eroberung und den Brand Magdeburgs, sowohl aus Sicht überle
bender Einwohner als auch der Eroberer finden sich in dem von Ernst Neubauer her
ausgegebenen Bändchen M agdeburgs Zerstörung 1631. 141 Zit. nach Droysen, G u staf
A dolf, Bd. 2, S. 340. 142 Neubauer (Hg.), M agdeburgs Zerstörung, S. 66. Z u den
Ereignissen in Magdeburg weiterhin Puhle (Hg.), «... gantz verheeret!» M agdeburg
und der D reißigjährige Krieg, sowie Medick, «Historisches Ereignis und zeitgenössi
sche Erfahrung», S. 283 ff. 143 Neubauer (Hg.), M agdeburgs Zerstörung, S. 66. 144
Junkelmann, Gustav A dolf, S. 333, geht von 15 000 Einwohnern und 4000 Verteidigern
aus; an anderer Stelle (T illy, S.42) spricht er von «wenigstens 20000 [...], von
denen die meisten in ihren Kellerverstecken am Rauch erstickt waren». Rill, Tilly,
S. 252, geht sogar von 25 000 Toten aus. Guthrie, Battles, S. 157, wiederum spricht von
892 ANH ANG
mehr als 20 000 Toten in Magdeburg; auf kaiserlich-ligistischer Seite seien 300 Mann
getötet und 1600 verwundet worden. Zacharias Bandhauer, ein Augenzeuge der
Eroberung und des Untergangs von Magdeburg, spricht von 26 000 Menschen, die
umgekommen seien; Neubauer (Hg.), M agdeburgs Zerstörung, S. 23. 145 Zahlen
nach Guthrie,Battles, S. 33. i46Neubauer (Hg.),M agdeburgs Zerstörung, S. 66. 147
Ebd. 148 Zit. nach Junkelmann, Tilly, S. 44. 149 Zit. nach ebd. 150 Neubauer
(Hg.), M agdeburgs Zerstörung, S. 17 und 65. 151 Ebd., S. 22. 152 Zit. nach Jessen
(H g .), D er Dreißigjährige K rieg in Augenzeugenberichten, S. 264. 153 Neubauer (Hg.),
M agdeburgs Zerstörung, S. 22. 154 Ebd., S. 16; im Magdeburger Dom, den Tilly ver
schonte, haben nach dem Bericht Gerickes 4000 Menschen den Brand der Stadt
überlebt; vgl. ebd., S. 44. 155 Ebd., S. 45. 156 Ebd., S. 21. 157 Ebd., S. 16. 158
Ebd., S. 43. 159 Für die Mikrostruktur der Plünderungen sind die Berichte von
Daniel Friese («Vom magdeburgischen Unglück»), Simon Printz («Erzählung des
Konstablers») und Christoph Thodänus («Beschreibung seiner Erlebnisse bei der
Zerstörung Magdeburgs») aufschlussreich, alle in Neubauer (Hg.), M agdeburgs Z e r
störung. 160 Ebd., S. 22 f. 161 Zit. nach Junkelmann, Tilly, S. 46; in den Sätzen
Wiltheims wird die Dynamik des Massakers erkennbar. Elias Canetti hat die These
vertreten, dass im Massaker die Agierenden ihre eigene Todesangst überwinden; hier
dürfte es sich um die nachträgliche Bewältigung der während des Sturmangriffs aus
gestandenen Todesangst gehandelt haben; dazu Paul/Schwalb (Hgg.), Gewaltmassen,
S. 39 ff. und insbes. S. 51 f. 162 Schilling, «Die Zerstörung Magdeburgs in der zeitge
nössischen Literatur und Publizistik», S. 110. 163 Ebd., S. 100 f. 164 Als eine von
wenigen hat Wedgwood (D er 30jährige Krieg, S. 253 k) diesen Aspekt in einer Gesamt
darstellung des Krieges etwas ausführlicher behandelt. 16s Zit. nach Junkelmann,
Tilly, S. 44 f. 166 Zit. nach ebd., S. 44. 167 Zit. nach Droysen, G u staf A d olf , Bd. 2,
S. 339; weitere Beispiele bei Schilling, «Die Zerstörung Magdeburgs», S. 93-95,
sowie Lahne, M agdeburgs Zerstörung in der zeitgenössischen Publizistik. 168 Zit. nach
Junkelmann, Tilly, S. 45. 169 Dazu ausführlich Droysen, G u staf A dolf, Bd. 2,
S. 364-373, sowie Querengässer, Feldm arschall Pappenheim , S. 41. 170 20 Zeitungen,
205 Flugschriften und 42 illustrierte Flugblätter schilderten das Schicksal Magde
burgs und sorgten für eine stark antihabsburgische Grundstimmung in Europa; vgl.
Parker, D er Dreißigjährige Krieg, S. 204 k 171 Vgl. oben, S. 324 ff. 172 Zit. nach
Droysen, G u staf A dolf, S. 340. 173 Zur Politik des sächsischen Kurfürsten vgl. Gott
hard, «<Wer sich salviren könd, solts thun>», S. 64 ff; zur PersonJohann Georgs vor
allem Blaschke, D er Fürstenzug zu Dresden, S. 160-165. 174 Dazu Junkelmann, Gus
tav A dolf, S. 33, sowie ausführlich Barudio, Gustav A dolf, S. 492-503, der sich freilich
mehr mit normativen als strategischen Fragen beschäftigt. 175 Junkelmann, Gustav
A dolf, S. 336. 176 Vgl. hierzu Droysen, G u staf A dolf, Bd. 2, S. 341-354. 177 Zit. ebd.,
S. 346. 178 Vgl. Junkelmann, Gustav A dolf, S. 337; weiterhin Droysen, B ernhard von
Weimar, Bd. 1, S. 49 ff. 179 Zu Tillys Erklärung vom 20./30.Juni 1631 vgl. Droysen,
Anmerkungen 893
G ustaf Adolf, Bd. 2, S. 377 f. 180 Zit. nach ebd., Bd. 2, S. 378. 181 Vgl. Junkelmann,
Gustav Adolf, S. 339, sowie Droysen, G ustaf Adolf, Bd. 2, S. 379 k 182 Ich folge hier
den Berechnungen von Junkelmann, Gustav Adolf, S. 343 £; davon weichen die sehr
detaillierten Angaben Guthries (Battles, S. 20-23) leicht ab: Guthrie geht davon aus,
dass 14742 schwedische Infanteristen und 8064 Kavalleristen in Breitenfeld kämpf
ten, dazu 12100 sächsische Infanteristen und 5225 Kavalleristen, zusammen also
26 842 Mann Infanterie und 13 289 Mann Kavallerie und insgesamt 40131 Soldaten, zu
denen noch die Bedienungsmannschaften der 66 Kanonen, 54 schwedische und
12 sächsische, hinzuzurechnen sind. Tilly standen nach Guthrie 21400 Infanteristen
und 9900 Kavalleristen, zusammen 31300 Mann, zur Verfügung. Auch bei ihm
kamen noch einige hundert Mann für die 26 mitgeführten Kanonen dazu. Guthries
sehr präzise Zahlenangaben, die auf den Bestandslisten der Regimenter beruhen,
sind freilich zu relativieren, denn sie geben nicht das wieder, was am Tag der Schlacht
dem schwedischen König tatsächlich zur Verfügung stand. Guthrie selbst hält fest
(S. 23), dass zwischen der Musterung der Heere bei Düben und dem Tag von Breiten
feld um die 10 Prozent der Infanteristen «verschwunden» seien: die einen meldeten
sich krank, die anderen desertierten. Die niedrigste Ausfallrate hatten die Schotten
mit 5 Prozent, die höchste die schwedischen Konskribierten mit 15 Prozent. Guthrie
stützt seine Berechnungen auf das schwedische Generalstabswerk und merkt an, dass
es keine Zahlen zu ähnlichen Entwicklungen bei den sächsischen, ligistischen und
kaiserlichen Truppen gebe (S. 45, Fn. 40). Bemerkenswert ist auch eine Berechnung
Junkelmanns ( Gustav Adolf, S. 343 k), in der er die auf dem Schlachtfeld aufmar
schierten Truppen zu den insgesamt vorhandenen Kräften in Beziehung gesetzt hat:
Demnach hatte Gustav Adolf von den ihm unter Einbezug der Verbündeten zur Ver
fügung stehenden 82 700 Mann etwa 50 Prozent auf dem Schlachtfeld von Breiten
feld konzentriert; bei den 99 000 Mann, die Tilly im Prinzip befehligte, waren es
dagegen nur 33 Prozent, die er bei Breitenfeld zusammengezogen hatte. Hätte Tilly
noch ein paar Tage gewartet, und die aus Italien zurückkehrenden Regimenter wären
dazugestoßen, hätte auch er eine Rate nahe von 50 Prozent erreicht. Junkelmann hält
fest, dass die Truppenkonzentration im Fall der Schweden außergewöhnlich hoch
und bei den Truppen der Liga und des Kaisers eine «bemerkenswerte Leistung»
gewesen sei (S. 344). Man kann die Relation von so zu 33 Prozent aber nicht nur im
Hinblick auf die Organisations- und Koordinationsfähigkeit beider Seiten lesen, son
dern auch im Hinblick auf das dabei jeweils eingegangene Risiko. Das war im Fall
Gustav Adolfs erheblich höher: Er setzte deutlich mehr aufs Spiel, so dass die Folgen
einer Niederlage größer gewesen wären als bei Tilly. 183 Guthrie, Battles, S. 45, Fn.
43. 184 Monro, Kriegserlebnisse, S. 134 £ 185 Ebd., S. 136. 186 Gemeint sind mit
den «vier Regimentern» die des Feldmarschalls Gottfried Heinrich von Pappen
heim, des Generalwachtmeisters Joachim von Wahl sowie der Obersten Johann
Wangier und Werner von Tilly, einem Neffen des Oberkommandierenden. Das
894 ANHANG
«Regiment Pappenheim» kämpfte an diesem Tag nicht unter dem Kommando sei
nes Namensgebers, der auf dem anderen Flügel kommandierte. Vgl. Peters (Hg.),
Peter H a g e n d o rf- Tagebuch eines Söldners, S. 105 f.; zu Hagendorfs Tagebuch vgl. auch
Burschei, «Himmelreich und Hölle», passim. 187 Dazu grundsätzlich Münkler,
«Schlachtbeschreibung». 188 Monro, Kriegserlebnisse, S. 136. 189 Die nachfol
gende Darstellung der Schlacht stützt sich auf Marcus Junkelmann ( Gustav A dolf,
S. 344-352), einen versierten Militär- und Kriegshistoriker, weiterhin William
P. Guthrie (Battles , S. 27-37), der alle größeren Schlachten des Dreißigjährigen Krie
ges akribisch rekonstruiert hat, sowie Walter Opitz (D ie Schlacht bei Breitenfeld), der
die nach wie vor detaillierteste Studie zu den Quellen über den Schlachtverlauf vor
gelegt hat; zum eigentlichen Schlachtverlauf S. 87-112. Weiterhin wurden herangezo
gen Delbrück, Geschichte der Kriegskunst, Bd. 4, S. 260-269, Preil, Österreichs Schlacht
felder, S. 13-38, Parker, D er D reißigjährige Krieg, S. 205 f., sowie Droysen, G u staf A dolf,
S. 395-411; weiterhin Querengässer, Pappenheim , S. 42-45, und Rill, Tilly,
S. 265-271. 190 Vgl. Querengässer, Pappenheim , S. 42. 191 So Wedgwood, D er
30jährige Krieg, S. 259. Rill (T illy, S. 266) gibt den Satz etwas anders wieder: «Dieser
Unglückliche wird mich um meine Ehre und meine Reputation bringen, und den
Zusammenbruch des Kaisers auf sein Gewissen laden.» Vermutlich hat Tilly, der nur
sehr schlecht Deutsch sprach, den Satz auf Französisch gesagt. 192 Guthrie, Battles,
S. 27. 193 Ebd. 194 Vgl. oben, S. 309 f. 195 Zit. nach Droysen, G u staf A dolf, Bd. 2,
S. 406, Fn. 1. 196 Monro, Kriegserlebnisse, S. 139. Es waren freilich nicht die flüchten
den Sachsen, die über die Bagagewagen herfielen; sondern Kroaten in kaiserlichen
Diensten. 197 Vgl. Guthrie, Battles, S. 29. 198 Guthrie, Battles, S. 33. 7600 Mann
von Tillys Armee waren tot, 6000 wurden auf dem Schlachtfeld gefangen genommen,
3000 weitere am Tag danach. Einige Tausend weitere starben an ihren Verwundungen
oder wurden von sächsischen Bauern erschlagen. Unter den Toten waren auch viele
Offiziere des Heeres, das infolgedessen so schnell nicht wieder neu aufgestellt werden
konnte. 199 Monro, Kriegserlebnisse, S. 139. 200 Zit. nach Droysen, G u staf A d o lf
Bd. 2, S. 408. 201 Zit. nach Junkelmann, Gustav A dolf, S. 305 f. 202 So auch das
Urteil von Guthrie, Battles, S. 33; Junkelmann, Gustav A dolf, S. 352, schreibt, Schwe
den sei in der Schlacht von Breitenfeld «zur führenden Militärmacht in Europa» auf
gestiegen. 203 Zit. nach Droysen, G u staf A dolf, Bd. 2, S. 407 h 204 Zu dieser Epi
sode der Schlacht vgl. Rill, Tilly, S. 270, sowie Guthrie, Battles, S. 32. 205 Über die
militär- und strategiegeschichtliche Bedeutung der Schlacht von Breitenfeld herrscht
in der einschlägigen Kriegsgeschichtsschreibung bis heute Dissens: Während
Guthrie (Battles , S. 33) davon spricht, bei Breitenfeld sei die spanische Art der
Gefechtsführung gescheitert und von nun an seien alle Schlachten des Dreißigjähri
gen Krieges nach «schwedischem Stil», also mit flacher statt tiefer Aufstellung,
hoher Beweglichkeit anstelle kompakter Wucht, geschlagen worden, meint Junkel
mann (G ustav A d o lf , S. 351 £), Breitenfeld sei keineswegs das Aufeinandertreffen von
Anmerkungen 895
erklärte, wenn man ihm den Oberbefehl über das Heer gebe, werde er «die Stadt
innerhalb von fünf Tagen ärger zurichten als Magdeburg»; zit. nach Rill, Tilly, S. 289.
Diese Aussicht könnte für Tilly ein weiterer Grund gewesen sein, es nicht auf eine
Erstürmung Nürnbergs ankommen zu lassen, denn er wusste, was die Vernichtung
Magdeburgs ihn gekostet hatte: «Der vermeintliche Triumph» hatte sich «als eine
katastrophale moralische Niederlage» erwiesen, so Marcus Junkelmann, Tilly,
S. 75. 239 Zit. nachJunkelmann, Gustav Adolf, S. 370. 240 Die Zahlenangabe nach
Junkelmann, Gustav Adolf, S. 370. Rill, Tilly, S. 269, spricht von 17 000 Mann, die
unter dem Kommando von Gallas und Colloredo nach Böhmen abgezogen seien.
Diese Truppen kamen unter das Kommando Wallensteins, der am 15. Dezember
erneut den Oberbefehl über das kaiserliche Heer übernahm. 241 Offenbar haben
auch die Witterungsverhältnisse bei Tillys Entscheidung, seine Truppen in die Win
terquartiere zu verlegen, eine gewisse Rolle gespielt. «Dieses mal ist es eine sehr
große Kälte gewesen», schreibt Peter Hagendorf ( Tagebuch eines Söldners, S. 106)
über den Spätherbst 1631. Man sei darum «nach dem Bayernland zu in die Winter
quartiere» gegangen. «Mitte Dezember», so auch Monro (Kriegserlebnisse, S. 158),
sei man «bei sehr stürmischem Wetter unter Frost und Schnee» vor Mainz ange
kommen. 242 Dazu ausführlicher Ritter, Deutsche Geschichte, Bd. III, S. 504. 243
Hierzu und zum folgenden Junkelmann, Gustav Adolf, S. 370-374, sowie Guthrie,
Battles, S. 162 f. 244 Dazu Parker, The Army of Flanders and the Spanish Road,
S. 73. 245 Zu den während der Jahre 1631 und 1632 in Madrid geführten politisch
strategischen Debatten vgl. Straub, Faxet Imperium, S. 44sff. 246 Eine Armee unter
Horn mit 29000 Soldaten sollte in Franken operieren; eine unter Baner mit
39 000 Mann im Raum Magdeburg stehen und von dort aus nach Niedersachsen Vor
dringen; Tott in Mecklenburg sollte 29 000 und Wilhelm V. von Hessen-Kassel
18 000 Mann haben; Georg von Braunschweig-Lüneburg 6500 Mann und Wilhelm
von Sachsen-Weimar 8500 Mann; Arnims sächsische Armee sollte 24 000 Mann
umfassen; in Schlesien und Brandenburg sollten weitere Kräfte in einer Stärke von
30 000 Mann hinzukommen; die im Rhein-Main-Raum stehende Armee des Königs
selbst sollte 44 000 Mann haben; diese Angaben nach Guthrie, Battles, S. 163. 247
Junkelmann, Gustav Adolf, S. 374. 248 Zum publizistischen Ringen um die vorherr
schende Deutung des Kriegs in den Niederlanden vgl. Arndt, «Der spanisch-nieder
ländische Krieg in der deutschsprachigen Publizistik», S. 401. 249 Das ist die
Sichtweise, die Günter Barudio in seinem Buch Der Teutsche Krieg herausgestellt hat.
Er hat freilich übersehen, dass diese Rechtsauffassung für Schweden selbst ein macht
politisches Strategem war, ebenso wie dies bei den Spaniern der Fall war. 250 Was
man in Madrid übersah, war das Drängen Kaiser Ferdinands auf eine Politik der
Restitution und die Rückendeckung, die er dabei von Madrid erhielt. 251 Zit. nach
Straub, Pax et Imperium, S. 444. 252 Vgl. Israel, «Der niederländisch-spanische
Krieg und das Reich», S. 121. 253 Dazu im Überblick Malettke, «Frankreichs
Anmerkungen 897
Reichspolitik in der Zeit des Dreißigjährigen Krieges», S. 177-186. 154 Hierzu und
zum Folgenden Droysen, G u staf A dolf, Bd. 2, S. 474-479; Ritter, Deutsche Geschichte,
Bd. III, S. 516-522; Gindely, Geschichte des dreißigjährigen Krieges, Bd. 2,
S. 228-243. 255 Droysen, G u staf A dolf, Bd. 2, S. 476 h 256 Gindely, Geschichte des
dreißigjährigen Krieges, Bd. 2, S. 228. 257 Ritter, Deutsche Geschichte, Bd. III,
S. 520 £ 258 Zit. nach Droysen, G u staf A d olf , Bd. 2, S. 480. 259 Wenn Gustav
Droysen (ebd., S. 496) resümiert: «Der Bund der Liga war factisch zerrissen; die
Waffen hatten das Zerstörungswerk begonnen, die Diplomatie hatte es vollendet. Das
Vertrauen des katholischen Deutschland auf Frankreich aber hatte sich in furchtbars
ter Weise gerächt», so ist darin der geschichtspolitische Tonfall der Reichseinigungs-
kriege (das Buch erschien 1870!) unüberhörbar. 260 Zit. nach ebd., S. 483. 261
Zit. nach Gindely, Geschichte des dreißigjährigen Krieges, Bd. 2, S. 230 (Hervorhebung
bei Gindely). 262 Zit. nach Droysen, G u staf A dolf, Bd. 2, S. 487. 263 Dazu Ritter,
Deutsche Geschichte, Bd. II, S. 519. 264 Zit. nach Droysen, G u staf A dolf, Bd. 2,
S. 487. 265 Friesenegger, Tagebuch aus dem 30jährigen Krieg, S. 21. 266 Ebd. 267
Ebd., S. 22. 268 Droysen, G u staf A dolf, Bd. 2, S. 522. 269 Hierzu und zum Folgen
den vgl. Guthrie, Battles, S. 164, sowie Rill, Tilly, S. 298 ff. 270 Die Zahlenangaben
nach Guthrie, Battles, S. 165; Rill, Tilly, S. 300, geht von erheblich höheren schwedi
schen Verlusten aus. 271 Vgl. Droysen, G u staf A dolf, Bd. 2, S. 527. 272 Ebd.,
S. 528. 273 Ebd., S. 529. 274 Dazu Rill, Tilly, S. 302; eine andere Bewertung der
Zusagen Wallensteins bei Mann, Wallenstein, S. 689-691. 275 Schwere Vorwürfe
gegen Wallenstein, der seinen alten Kriegsgefährten Tilly schmählich im Stich gelas
sen habe, finden sich etwa bei Rill, Tilly, S. 306-313; Wallenstein habe Tilly seinem
Hass auf Maximilian geopfert (S. 307). Andere weisen auf die Verhandlungen hin, die
Wallenstein im Jahr 1631 mit Schweden und Sachsen geführt hat, und vermuten den
Grund für Wallensteins Untätigkeit. Damit wurde ein weiterer Mosaikstein dem Bild
von Wallenstein als Verräter hinzugefügt. 276 Polisensky und Kollmann ( Wollen
stem1, S. 240 ff.) stellen heraus, der Herzog von Friedland sei überwiegend mit den
böhmischen Problemen beschäftigt gewesen, da hier auch seine eigenen Besitzungen
bedroht waren. Diwald ( Wallenstein , S. 471-481), der auch vom «grellen Hochmut»
Wallensteins spricht (S. 480), hebt vor allem auf Maximilians Unzuverlässigkeit ab
und das gut begründete Misstrauen des Friedländers gegenüber dem Bayern, für den
er ein weiteres Mal die Rolle des «Mohren» spielen sollte (S. 473); Mann ( Wallen
stein , S. 689-692) hebt dagegen vor allem darauf ab, dass Wallenstein mit Eggenberg
noch die Bedingungen seines zweiten Generalats aushandeln musste und es für ihn
deswegen nicht angezeigt war, zuvor schon die Entscheidung gegen Gustav Adolf zu
suchen. 277 Vgl. oben, S. 317 ff. 278 Die Göllersdorfer Vereinbarung, die Wallen
stein als «General-Capo» einsetzte, wurde erst zwei Tage vor der Schlacht von Rain
getroffen - da aber wäre es zu spät gewesen, Tilly zu Hilfe zu kommen; vgl. Polisensky/
Kollmann, Wallenstein, S. 236-239. 279 Da es keine schriftlichen Dokumente über
898 ANHANG
die Vereinbarungen von Znaim gibt, bietet sich ein Blick auf die Instruktionen des
Kaisers für Eggenberg und deren Vergleich mit der anschließenden Praxis an (vgl-
Lorenz [Hg.], Quellen der Geschichte Wallenstein, S. 222-223). Ferdinand bot an, dass
sein Beichtvater Lamormaini, ein erklärter Feind Wallensteins, aus allen die Krieg
führung betreffenden Fragen herausgehalten werde. Lamormaini schrieb zusätzlich
einen Brief an Wallenstein, in dem er alle angeblichen Äußerungen, die er gegen den
Herzog von Friedland gemacht haben sollte, als verleumderisches Gerede bezeich-
nete und Wallenstein seiner vollen Loyalität versicherte (vgl. Mann, Wallenstein,
S. 659). Außerdem brachte Ferdinand in den Instruktionen seinen Sohn, den König
von Ungarn und Böhmen (der in Regensburg zum römischen König hatte gewählt
werden sollen, wofür der Kaiser Wallenstein geopfert hatte), als Assistenten und
Stellvertreter Wallensteins ins Spiel (vgl. Hobelt, Ferdinand III., S. 63 ff.). Das hat Wal
lenstein offenbar kategorisch abgelehnt. Danach war von einer Assistenz des Königs
von Ungarn und Böhmen nie mehr die Rede. 280 Eine kurze Zusammenfassung
der diesbezüglich recht unterschiedlichen Positionen findet sich bei Lorenz (Hg.),
Quellen zur Geschichte Wallensteins, S. 228-239, unter dem vorsichtigen Rubrum
«Göllersdorfer Absprache»; Golo Mann (Wallenstein, S. 692-698) geht von einer
mündlichen Verabredung aus. 281 So Polisensky/Kollmann, Wallenstein, S. 238,
und Diwald, Wallenstein, S. 479. 282 Zit. nach Rill, Tilly, S. 306. 283 Dazu Droysen,
Gustaf Adolf, Bd. 2, S. 34, Guthrie, Battles, S. 165 £, sowie vor allem Rill, Tilly,
S. 303 f. 284 «Kraut» steht für die Lunte der Musketiere, «Kot» für die Abwässer
der Stadt und der Degen für die Ehre der Offiziere. Bei Rill ist statt von «Kot» von
«Lot» die Rede (S. 304), und «Kraut und Lot» steht für «Pulver und Blei». 285
Die Angaben nach Guthrie, Battles, S. 165 f.; Rill, Tilly, S. 305, spricht von 27 000 Sol
daten Tillys bei Rain; die Differenz liegt womöglich in Milizangehörigen des bayeri
schen Landesdefensionswesen, die im einen Fall mitgezählt werden, im anderen
nicht. 286 Zum Verlauf der Schlacht bei Rain vgl. Guthrie, Battles, S. 167-169, sowie
Rill, Tilly, 8.308-310. 287 Mann, Wallenstein, S. 703. 288 Als weitere Sperrposi
tion an der Donau kam noch das von kaiserlichen Truppen besetzte Passau
hinzu. 289 Dazujunkelmann, Tilly, S. 75-82. 290 Hagendorf, Tagebuch eines Söld
ners, S. 106. 291 Brecht, «Mutter Courage und ihre Kinder»; Gesammelte Werke,
Bd. 4, S. 1400 £; Grimmelshausens «Erzbetrügerin und Landstörzerin Courage» ist
bei der Beerdigung Tillys nicht dabei. 292 Zit. nach Droysen, Gustaf Adolf, Bd. 2,
S. 548. 293Zit.ebd.jS. 542. 294HierzuundzumFolgendenebd.,S. 542-548. 295
Zit. ebd., S. 544 h, Fn. 2. 296 Vgl. oben, S. 534 h 297 Vgl. für den süddeutschen
Raum auch die auf die entgegengesetzten Perspektiven rekurrierenden Studien von
Kleinehagenbrock, «<Nunmüsst ihr doch alle wieder katholisch werden»», S. 59-122,
Kohlmann, «Won unsern Widersachern den bapisten vil erlitten und ussgestan-
den>», S. 123-211, Schulz, «Strafgericht Gottes oder menschliches Versagen»,
S. 219-290, sowie Ilg, «Der Kult des Kapuzinermärtyrers Fidelis», S. 291-439.
Anmerkungen 899
298 Zit. Droysen, G ustaf Adolf, Bd. 2, S. 550. 299 Ebd., S. 552. 300 Ebd.,
S. 553- 301 Hierzu und zum Folgenden ebd., S. 554-559, sowie Junkelmann, Gustav
Adolf, S. 422-426. 302 Junkelmann, Gustav Adolf, S. 425. 303 Vgl. Monro, Kriegs
erlebnisse, S. 211, Anm. 196. 304 Friesenegger, Tagebuch, S. 23; zum Quellenwert sol
cher Tagebücher vgl. die Einleitung in Krusenstjern, Selbstzeugnisse der Zeit des Drei
ßigjährigen Krieges, S. 9-26. 305 Friesenegger, Tagebuch, S. 24. 306 Ebd.,
S. 26. 307 Ebd., S. 27. 308 Ebd., S. 29. 309 Zit. nach Jessen (Hg.), D er Dreißig
jährige Krieg in Augenzeugenberichten, S. 290. 310 Ebd. 311 So Schindling, «Das
Strafgericht Gottes», S. 25. 312 Friesenegger, Tagebuch, S. 27. 313 Zit. nach Jessen
(Hg.), D er Dreißigjährige Krieg in Augenzeugenberichten, S. 290. 314 Friesenegger,
Tagebuch, S. 34. 315 Paradigmatisch dafür Langer, Der Dreißigjährige Krieg, insbes.
S. 103 ff.; dazu auch Kaiser, «Die Söldner und die Bevölkerung», sowie Rink, «Die
noch ungezähmte Bellona». 316 Friesenegger, Tagebuch, S. 28. 317 Ebd.,
S. 33. 318 Grimmelshausen, Werke, Bd. 1, S. 149. 319 «Also müßte ich [... ] innen
werden, daß einem ein einziges unglückliches Stündlein aller Wohlfahrt entsetzen
und von allem Glück und Heil dermaßen entfernen kann, daß es einen sein Lebtag
nachgehet.» Ebd. 320 Vgl. Junkelmann, Gustav Adolf, S. 400. 321 Dazu Ritter,
Deutsche Geschichte, Bd. III, S. 528 ff., sowie Droysen, G ustaf Adolf, Bd. 2, S. 560 ff. 322
Roberts, Gustavus Adolphus, Bd. 2, S. 660, Anm. 5. 323 Vgl. oben, S. 327. 324
Hierzu und zum Folgenden insbes. Diwald, Wallenstein, S. 457-465; Mann, Wallen
stein, S. 646-656; Polisensky/Kollmann, Wallenstein, S. 233-239. 325 In diesem
Sinne Droysen, G ustaf Adolf, Bd. 2, S. 561-563, der von einer «verräterischen Haltung
der kursächsischen Politik» spricht und Arnim als den «eigentlichen Mittelpunkt
der Friedenspartei, d.h. der österreichischen Partei in Sachsen» bezeichnet. 326 Im
Kern war es Arnims Vorstoß nach Böhmen, der Wallenstein gar keine andere Wahl
ließ, als wieder in kaiserliche Dienste zurückzukehren. Wäre Arnim gemäß den Vor
gaben des in Halle verabredeten Kriegsplans nach Schlesien marschiert, so hätte es
diesen Zwang nicht gegeben. Wallenstein war von den Einkünften seines Herzog
tums Friedland abhängig, nachdem das Herzogtum Mecklenburg für ihn verloren
war, und bei einem protestantischen Siegeszug in Böhmen wäre er seiner von «Rebel
len» konfiszierten Besitzungen verlustig gegangen. Im Gefolge der sächsischen
Armee kamen nämlich auch die böhmischen Exilanten zurück, die auf eine grundle
gende Revision der Besitzumwälzungen nach der Niederschlagung des Aufstands aus
waren. Arnim selbst konnte gegenüber Wallenstein so freundlich und zurückhaltend
auftreten, wie er wollte; Wallensteins Problem waren Graf Thurn und dessen Beglei
ter. 327 Mann, Wallenstein, S. 672; vgl. zu diesem Problem auch Kampmann,
«Zweiter Mann im Staat oder Staat im Staat?», S. 295-316. 328 Mann, Wallenstein,
S. 670-673. 329 Vgl. dazu das Porträt Holks (oder Holcks) in Rebitsch, Wallenstein,
S. 158-161. 330 Rebitsch, M atthias Gallas, S. 60-69; Hallwich, «Gallas», sowie
Duch, «Aldringen», S. 189. 331 Vgl. Mann, Wallenstein, S. 665-668. 332 Queren-
900 ANHANG
Lützen (die nach wie vor gründlichste und detaillierteste Arbeit, auf der die meisten
Darstellungen beruhen - neben dem sechsten Band des vom schwedischen General
stab herausgegebenen Sammelwerks Sveriges Krig 1611-1632, Stockholm 1939). Wei
terhin wurden die das Geschehen bei Lützen betreffenden Passagen in den biogra
phischen Einzelstudien herangezogen: Droysen, G ustaf Adolf, Bd. 2, S. 658-666;
Junkelmann, Gustav Adolf, S. 451-463; Findeisen, Gustav II. Adolf, S. 211-223; Baru-
dio, Gustav Adolf, S. 602-617; Diwald, Wallenstein, S. 491-496; Mann, Wallenstein,
S. 720-748; Stadler, Pappenheim, S. 728-732. 360 Zit. nach Junkelmann, Gustav
A dolf S. 451. 361 Zit. nach Preil, Österreichs Schlachtfelder, S. 39. Das infolge Pappen
heims tödlicher Verwundung auf dem Schlachtfeld von Lützen blutbefleckte Schrift
stück befindet sich im Wiener Heeresgeschichtlichen Museum. 362 Junkelmann,
Gustav Adolf, S. 453. 363 Seidler, Untersuchungen über die Schlacht bei Lützen,
S. 44. ■ 364 Ebd., S. 47. 365 In Conrad Ferdinand Meyers Novelle Gustav Adolfs
Page handelt es sich um eine junge Frau, die sich als Mann ausgibt, um ständig in der
Nähe des bewunderten Königs sein zu können. 366 So Junkelmann, Gustav A dolf
S. 457; für eine ausführliche Diskussion der unterschiedlichen Berichte vgl. Seidler,
Untersuchungen über die Schlacht bei Lützen, S. 58-77, der auf eine eigene Version ver
zichtet; Findeisen (Gustav II. Adolf, S. 13-22) berichtet über die Ergebnisse einer kri
minaltechnischen Untersuchung der Hinterlassenschaften Gustav Adolfs aus dem
Jahre 1991, die jedoch für die hier in Frage stehenden Abläufe keine Klarheit
bringt. 367 Ich folge hier der Darstellung bei Preil, Österreichs Schlachtfelder,
S. 51 f. 368 Vgl. Roberts, Gustavus Adolphus, Bd. 2, S. 770. 369 Zur Vita des Wei
maraners vgl. Droysen, Bernhard von Weimar, 2 Bde.; zum Begriff der Vorwärtspanik
vgl. Collins, «Vorwärtspaniken», S. 204 ff. 370 Junkelmann, Gustav Adolf, S. 456;
Querengässer, Pappenheim, S. 60. 371 Zit. nach Mann, Wallenstein, S. 740. 372
Stadler, Pappenheim, S. 732. 373 Zu den Zahlen Junkelmann, Gustav Adolf, S. 461,
ebenso Wolke, «Die Schlacht bei Lützen», S. 68; Guthrie, Battles, S. 218, geht von
etwa gleich hohen Verlusten beider Seiten aus. 374 Holk, «Relation von dem Tref
fen»; zit. nach Roeck (Hg.), Gegenreformation und Dreißigjähriger Krieg, S. 319.
37S Der einzige denkbare Konkurrent um diese Position, der neunundzwanzigjährige
Nils Brahe, der bei Lützen das erste Treffen des Zentrums führte und den Gustav
Adolf für einen seiner fähigsten Offiziere gehalten hatte, erlitt bei Lützen eine so
schwere Verwundung, dass er zwei Wochen später verstarb; vgl. Junkelmann, Gustav
Adolf, S. 459. Die bewährten schwedischen Heerführer, von Horn über Baner bis
Torstensson, waren in Lützen nicht dabei und standen demgemäß nicht zur Verfü
gung. 376 Dazu ausführlich Findeisen, Axel Oxenstierna, S. 284-342 sowie
367-401. 377 Chemnitz, Königlich Schwedischer in Deutschland geführter Krieg [1653],
zit. nach Jessen (Hg.), D er Dreißigjährige Krieg in Augenzeugenberichten, S. 326.
378 Ebd., S. 327. 379 Theatrum Europaeum, Teil II, S. 749; zit. nach ebd., S. 329.
380 Findeisen, Gustav II. Adolf, S. 226. 381 Vgl. Junkelmann, Gustav A dolf
902 ANH ANG
S. 462 f. 382 Dazu ausführlich Seidler, D as Prager Blutgericht 1633, insbes. S. 15-18,
zum Urteil selbst; weiterhin Mann, Wallenstein, S. 755-758, der herausstellt, Wallen
stein habe unerbittlich auch auf der Hinrichtung eines Achtzehnjährigen, immerhin
im Rang eines Rittmeisters, bestanden. 383 Hierzu und zum Folgenden Ritter,
Deutsche Geschichte, Bd. 3, S. 550 f. 384 Zit. nach Findeisen, Oxenstierna, S. 278. 385
Eine gekürzte Fassung des Bundesvertrags ist abgedruckt bei Roeck (Hg.), Gegenre
formation und Dreißigjähriger Krieg, S. 322-327; ausführlich dazu Kretzschmar, Der
Heilbronner Bund, 3 Bde. 386 Barudio (Der Teutsche Krieg, S. 424-429) misst die
sen Legitimationsformeln zentrale Relevanz bei und lässt dafür die Regelungen des
Bundes außer Betracht. 387 Ritter, Deutsche Geschichte, Bd. III, S. 552. 388
Rebitsch, Axel Oxenstierna, S. 279; sowie Lorentzen, Die schwedische Armee,
S. 32 ff. 389 Hierzu und zum Folgenden Ritter, Deutsche Geschichte, Bd. III,
S. 554-558. 390 Dazu Droysen, Bernhard von Weimar, Bd. 1, S. 174-190. 391 Zit.
nach Roeck (Hg.), Gegenreformation und Dreißigjähriger Krieg, S. 325. 392 Zu den
Dragonern vgl. Brzezinski/Hook, Die Armee Gustav Adolfs, S. 66 f. 393 Vgl. auch
Grimmelshausen (Werke, Bd. 1, S. 250), der seinen Simplicius berichten lässt, er sei in
seiner Zeit als Dragoner mit der Bemerkung aufgezogen worden, «wenn ein Drago
ner vom Pferd fällt, so stehet ein Musketier wieder auf». 394 Vgl. Weber, Gliede
rung und Einsatz des bayerischen Heeres im Dreißigjährigen Krieg, S. 400 £, ebenso
Damboer, Die Krise der Söldner, S. 15 h und 212 h 395 Friesenegger, Tagebuch,
S. 37-59. 396 Ebd., S. 52. 397 Ebd., S. 47. 398 Zu Werths Kriegführung imJahre
1633 vgl. Lahrkamp, Jan von Werth, S. 19-28. 399 Grimmelshausen, Werke, Bd. 2,
S. 55 f. 400 Ebd., S. 55. 401 Bei Wallensteins Feldzug von 1627 hatte das Meer, Ost
wie Nordsee, diese «Wand» gebildet. 402 Ritter, Deutsche Geschichte, Bd. III,
S. 560. 403 Vgl. Gindely, Geschichte des dreißigjährigen Krieges, Bd. 3, S. 9-11. 404
Dazu Rebitsch, M atthias Gallas, S. 68, sowie Hobelt, Ferdinand III., S. 67. 405 Zur
Vita vgl. Lahrkamp, «Gronsfeld», S. 128 f., sowie von Landmann, «Gronsfeld»,
S. 726-728; zur Schlacht selbst vgl. Schmidt, Die Belagerung von Hameln und die
Schlacht bei Hessisch Oldendorf. 406 Zu Peter Graf zu Holzappel, genannt Melander,
vgl. den biographischen Eintrag bei Findeisen, D er Dreißigjährige Krieg, S. 458 f.
Melander «zählte zweifellos zu den bedeutenden Heerführern der zweiten Kriegs
hälfte» (S. 459); weiterhin Höfer, D as Ende des Dreißigjährigen Krieges, S. 44-51. 407
Vgl. dazu den Auszug aus dem Theatrum Europaeum bei Milger, Gegen Lan d und Leute,
S. 267 f. 408 Ebd., S. 268. Der bei Hessisch Oldendorf in schwedische Gefangen
schaft geratene kaiserliche General Johann von Merode ist auf verschlungenen Pfa
den in die Begriffsbedeutung von Marodierern hineingeraten. Tatsächlich stammt
der Begriff vom französischen maraude, Mundraub, ab, ist aber auch mit dem in
schwedischen Diensten stehenden Obersten Werner von Merode verbunden worden,
dessen Regiment 1635 meuterte. Von Grimmelshausen wird in dem Roman D er aben
teuerliche Simplicissimus jedoch Johann von Merode als Stammvater der Freibeuter
Anmerkungen 903
lenstein sei kein Rechtsverfahren gewesen, sondern ein Akt der Staatsräson gemäß
dem Grundsatz «necessitas non habet legem», Not kennt kein Gebot. Ilja Mieck,
«Wallenstein», S. 163-186, hat dem formaljuristisch zugestimmt, aber daraufhinge
wiesen, dass die Anklage auf Verdächtigungen ohne Beweise und Behauptungen
ohne Belege beruhte. 414 Vgl. dazu das Piccolomini gewidmete Kapitel bei Mann,
Wallenstein, S. 886-910 - eine Spur, die bereits der Dramatiker Schiller gelegt hat;
ebenfalls zu Piccolomini Diwald, Wallenstein, S. 519 f. 415 Diwald, Wallenstein,
S. 520. 426 Zit. nach ebd., S. 522. 427 Vgl. Straub, Pax et Imperium, S. 458 ff. 428
Diwald, Wallenstein, S. 520 f. 429 Dazu Rebitsch, Matthias Gallas, S. 84 ff. 430 Vgl.
Mann, Wallenstein, S. 698-973; man hat den Wallenstein’schen Besitz, der weitge
hend aufgeteilt wurde, auf acht Millionen Gulden geschätzt (S. 969). 431 Vgl. oben,
S. 608 f. 432 Lorenz (Hg.), Quellen zur Geschichte Wallensteins, S. 373. 433 Die
Unterzeichner sind aufgeführt ebd., S. 373 k Piccolomini habe sich in der «hohen
Kunst des <Dissimulierens>» bewährt, schreibt sein Verteidiger Barker («General
leutnant Piccolomini», S. 341). 434 Lorenz (Hg.), Quellen zur Geschichte Wallen
steins, S. 380. 435 Für diese Schlussphase im Leben Wallensteins vgl. Mann, Wallen
stein, S. 915-943. 436 Das gilt mehr für Hellmut Diwald als für Golo Mann. 437
Mann, Wallenstein, S. 915. 438 Ebd., S. 942. 439 Polisensky und Kollmann ( Wal
lenstein1, S. 253-255) vertreten die Auffassung, es seien eher psychische als physische
Leiden gewesen, die Wallenstein am Ende seines Lebens geplagt und zur Apathie
verdammt hätten. 440 So auch Barker, «Generalleutnant Piccolomini»,
S. 345. 441 Zu den folgenden Vorgängen Diwald, Wallenstein, S. 529-531, sowie
Mann, Wallenstein, S. 935-943; vgl. ausführlich Srbik, Wallensteins Ende, S. 497-504.
Vgl. auch den von Gordon stammenden Bericht über Wallensteins Tod; abgedruckt
in Lorenz (Hg.), Quellen zur Geschichte Wallensteins, S. 404-415. 442 Wallenstein
wurde zwei Jahre später mit kaiserlicher Erlaubnis in die Kartause Walditz überführt,
wo er an der Seite seiner ersten Frau Lukrezia bestattet wurde. 443 Dazu Droysen,
Bernhard von Weimar, Bd. 2, passim. 444 Zit. nach Lahrkamp, Jan van Werth, S. 67 f.
und 100. 445 Zu diesem Übergang grundsätzlich Papke, Von der Miliz zum Stehen
den Heer, S. 139 und 148 £; weiterhin Sicken, «Die Schlacht bei Nördlingen», S. 181 ff.
6. K A P IT E L
E IN K R IE G , D E R N IC H T E N D E N W IL L :
VOM Z E R F A L L D ER M A C H T
Protestanten wie Katholiken nach der Ermordung in Eger und der anschließenden
Debatte über Verrat und Friedensprojekt anhand überwiegend Nürnberger Zeug
nisse vgl. Ernstberger, «Für und wider Wallenstein», S. 78-88. 4 Veläzquez’ «La
Lanzas» befindet sich im Prado in Madrid, Rubens’ «Die Folgen [oder Gräuel] des
Krieges» im Palazzo Pitti in Florenz. 5 Vgl. Lindemann, «Demut und Rechtferti
gung», S. 114 ff. 6 Crowne, Blutiger Sommer, S. 32. 7Ebd., S. 31. 8 Ebd., S. 39; die
Herausgeber Ritter und Keil merken hier an, in Hemau sei 1634 fast die Hälfte der
Bevölkerung an der Pest gestorben; ebd., S. 101, Anm. 77. 9 Vgl. Schuchter, Jacques
Callot, S. 78 ff. 10 Burckhardt, Erinnerungen an Rubens, S. 207; vgl. dazu die Kritik
von Heinen («Rubens Bilddiplomatie im Krieg», S. 171), demzufolge Burckhardt
Rubens’ Gemälde zum «protestantisch-deutschen Propagandawerk» umgedeutet
und übersehen habe, dass Rubens den Krieg als Vorbereitung des Friedens betrach
tete. Heinens Interpretation stützt sich wesentlich auf einen Brief von Rubens an Jus
tus Sustermans, den Hofmaler des toskanischen Großherzogs, und versteht die Bild
aussage von einem starken Bezug auf Vergils Aeneis her. 11 Vgl. hierzu Baumstark,
«Ikonographische Studien zu Rubens’ Kriegs- und Friedensallegorien», sowie Wohl
feil, «Kriegs- und Friedensallegorien». 12 Die Truppen des Herzogs von Feria
waren, als sie in Bayern eintrafen, schlecht ernährt, so dass man sie allgemein als
«Hungerleider» bezeichnete. Sie wurden zu einer weiteren Belastung für das seit
dem Einfall Gustav Adolfs ausgeplünderte Land und seine Menschen. Frieseneggers
Kriegstagebuch ist für das Jahr 1633 voll mit Klagen über Plünderungen und Über
griffe der Spanier, die von Friesenegger häufig auch als Burgunder bezeichnet werden.
Der Herzog von Feria, Don Diego de Saavedra y Fajardo, starb am 11. Januar 1634 in
München. 13 Nach dem desaströsen Feldzug von 1636 entging Gallas nur durch
eine persönliche Intervention König Ferdinands dem entehrenden Verdikt eines
Kriegsgerichts. Hermann Hallwich («Gallas», S. 92) schreibt über ihn, er habe
«ohne Zechgelage, Spielleute und Weibervolk nicht leben» können und sei «beson
ders in seinen letzten Lebensjahren dem Trünke vollständig ergeben» gewesen. Hell
muth Rößler ( «Gallas», S. 47) bemerkt, «zum großen General» hätten ihm ebenso
Bildung wie Charakter gefehlt, «so daß seine Erfolge ephemer bleiben mußten und
er alle kaiserlichen Erfolge zunichte machte». Zur Vorbereitung des Vorstoßes zur
Donau im Jahre 1634 vgl. Rebitsch, Matthias Gallas, S. 104-109. 14 Dazu Hobelt,
Ferdinand III., S. 69 ff; zu Ferdinand III. weiterhin Findeisen, D er Dreißigjährige
Krieg, S. 374-383. 15 Ferdinand/Fernando wurde im Alter von elf Jahren zum Kar
dinal-Erzbischof von Toledo ernannt, fand an den klerikalen Aufgaben aber keinen
Gefallen; es drängte ihn zum Militär. Als Nachfolger seiner Großtante Isabella wurde
er Statthalter der südlichen Niederlande, wo er nach einer Phase militärischer Erfolge
Ende 1641 am Fieber verstarb. 16 Ein Gemälde von Cornelius Schut aus demJahre
1635 zeigt beide auf ihren über getötete Gegner hinweggaloppierenden Pferden als
die gemeinsamen Sieger der Schlacht von Nördlingen - ikonographisch eine
906 ANHANG
Demonstration der Einheit des Hauses Habsburg. Das Gemälde befindet sich heute
im Oudheidkunig-Museum von Gent. 17 Hierzu und zum Folgenden Guthrie,
Battles, Bd. 1, S. 262 f.; mit abweichenden Zahlen zur Heeresstärke Gindely, Geschichte
des dreißigjährigen Krieges, Bd. 3, S. 41 f., sowie Struck, Die Schlacht bei Nördlingen,
S. 41-46. 18 Duch, «Aldringen», S. 190. 19 Im Prinzip handelte es sich weiterhin
um ligistische Einheiten, doch bestand die Liga inzwischen nur noch aus den beiden
Wittelsbachern, dem bayerischen Kurfürsten Maximilian und seinem Bruder Ferdi
nand, dem Erzbischof von Köln. Deswegen werden ab dieser Zeit die vormals ligisti-
schen Verbände als bayerische Truppen bezeichnet. 20 Dazu Schreiner, «Die Kata
strophe von Nördlingen», S. 44 ff., sowie Mann, D er Dreißigjährige Krieg und die
Schlacht bei Nördlingen. 21 Guthrie, Battles, Bd. 1, S. 264 h 22 Ebd., S. 265. 23
Zum Verlauf der Schlacht bei Nördlingen ebd., S. 269-277; weiterhin Struck, Die
Schlacht bei Nördlingen, S. 61-91, sowie Sicken, «Die Schlacht bei Nördlingen»,
S. 205-211. 24 Sicken, «Die Schlacht bei Nördlingen», S. 209. 25 Die Zahlen
nach Guthrie, Battles, Bd. 1, S. 275. 26 Richelieu, Politisches Testament und kleinere
Schriften, S. 228. 27 Vgl. oben, S. 384. 28 Richelieu, Politisches Testament und klei
nere Schriften, S. 229. 29 Dazu Burckhardt, Richelieu, Bd. 3, S. 61-86; dagegen Erlan
ger, Richelieu, S. 428-433, der Bernhard von Weimar so gut wie keiner Aufmerksam
keit würdigt. Für eine knappe, aber überaus luzide Analyse der Politik Richelieus
nach dem Zusammenbruch der schwedischen Machtstellung in Oberdeutschland
vgl. Kampmann, Europa und das Reich, S. 103-109. 30 Für eine allgemeine Charak
terisierung Bernhards und das Streben des Herzogs nach einer eigenen Herrschaft
vgl. Droysen, Bernhard von Weimar, Bd. 1, S. 100-110. 31 Zu Gallas’ wenig erfolgrei
chen Feldzügen in Lothringen und Burgund vgl. Rebitsch, Matthias Gallas, S. 124-166;
zu Werths französischer Gefangenschaft nach der Gefangennahme bei Rheinfelden
vgl. Lahrkamp, Jan von Werth, S. 105-118, sowie die romaneske Darstellung bei Wefers,
Jan van Werth und seine Zeit, S. 456-458. 32 Dazu Schreiner, «Die Katastrophe von
Nördlingen», S. 51 ff., sowie Kleinhagenbrock, «<Nun müßt ihr doch wieder alle
katholisch werden> » , S. 59 ff, Kohlmann, « Won unsern Widersachern den bapisten
vil erlitten und ussgestanden>», S. 123ff, und Schulz, «Strafgericht Gottes oder
menschliches Versagen?», S. 219ff. 33 Zillhardt, Der Dreißigjährige Krieg in zeitge
nössischer Darstellung, S. 151. 34 Zit. nach ebd., S. 29. 35 Zit. nach Schreiner, «Die
Katastrophe von Nördlingen», S. 67. 36 Vgl. oben, S. 660. 37 Vgl. dazu die Dar
stellung der Gespräche zwischen Oxenstierna und Johann Georg im Dezember 1633
bei Droysen, Bernhard von Weimar, Bd. 1, S. 80 ff. 38 Vgl. Wedgwood, Der 30jährige
Krieg, S. 339 f. 39 In der älteren protestantismusaffinen Historiographie des Krieges
ist der aus den kursächsischen Verhandlungen hervorgegangene Prager Frieden
darum auch als ein Kotau des kursächsischen Luthertums vor dem Kaiser dargestellt
worden. In der jüngeren Historiographie hat der Prager Frieden eine insgesamt posi
tivere Würdigung gefunden; vgl. Kampmann, Europa und das Reich, S. 109-121; sehr
Anmerkungen 907
liegt darin, dass Grimmelshausen das Schicksal seiner Hauptfigur aus ihren charak
terlichen Dispositionen heraus entwickelt und dem Leser dabei nahelegt, dass man
über die Kontrolle des eigenen Verhaltens die Kontrolle über sein Schicksal erlangen
könne. Brecht hingegen zeigt die Courage als eine durch die äußeren Umstände
gelenkte Frau, die gezwungen ist, ihre geschäftlichen Fähigkeiten und Findigkeiten
auch im Krieg einzusetzen. Man muss, so Brechts Botschaft, die Verhältnisse ändern,
wenn sich das Leben der Menschen ändern soll. 116 Grimmelshausen, Werke, Bd. 1,
S. 224 fr. 117 Grimmelshausen, Springinsfeld, S. 144. 118 Ebd., S. 224. 119 Ebd.,
S. 226. 120 Vgl. ebd., S. 197 f. 121 Ebd., S. 207. 122 Ebd., S. 214. 123 Grimmels
hausen, Werke, Bd. 1, S. 16. 124 Eine solche Deutung des Zyklus findet sich etwa bei
Schuchter, Callot, S. 120 ff; sie zeigt sich unter anderem darin, dass Schuchter für die
von ihm herausgegebene Ausgabe der Radierungen Callots als Übersetzung von Les
Miseres et les M alheurs de la G uerre den Titel D ie Schrecken des Krieges gewählt
hat. 12s Lorenz, «Mahnung - Dekorum - Ereignis», S. 216. 126 Dazu Schuchter,
Callot, S. 85-89. 127 Vgl. Parker, D er Dreißigjährige Krieg, S. 22yf. 128 Callot, D ie
großen Schrecken des Krieges, S. 58. 129 Ebd., S. 58. 130 Vgl. Callot, D ie großen
Schrecken des Krieges, Bild 5. 131 Callot, D ie großen Schrecken des Krieges, S. 59. 132
Grimmelshausen, Werke, Bd. 1, S. 17-99. 133 Ebd., S. 60. 134 Ebd. 135 Ebd.,
S. 61. 136 Schuchter, Callot, S. 136. Schuchter spricht von «einem fast gestelzt wir
kenden Genrebild». «Still und luftleer wirkt der Raum, auch die sich drängenden
Personen an den Rändern sind nichts mehr als Staffage für die Willkür der Macht,
welcher der König vorsitzt» (S. 137). 137 Vgl. Lorenz, «Mahnung - Dekorum -
Ereignis», S. 217 £ 138 Zur Geschichte Augsburgs im Dreißigjährigen Krieg vgl.
Roeck, A ls wollt die Welt schier brechen, passim, insbes. S. 239 ff. Es handelt sich um
eine aus der Augsburger Perspektive verfasste Geschichte der Stadt, die als paradig
matisch für die Darstellung städtischen Lebens in den Wirren des Dreißigjährigen
Krieges gelten darf. Sie stützt sich auf das materialmäßig sehr viel umfänglichere und
detailliertere zweibändige Werk desselben Verfassers: E ine Stadt in K rieg und Frieden.
Die nachfolgenden Ausführungen folgen im Wesentlichen den Arbeiten Bernd
Roecks. 139 Vgl. oben, S. 82 ff 140 Vgl. Roeck, A ls wollt die Welt schier brechen,
S. 230-247. 141 Dazu Roeck, A ls wollt die Welt schier brechen, S. 2osff. 142 Ebd.,
S. 181 ff. 143 Zu den demographischen Folgen der Pestepidemien in ihren regiona
len Differenzierungen vgl. Vasold, «Die deutschen Bevölkerungsverluste während
des Dreißigjährigen Krieges», S. 147-160. 144 Vgl. oben, S. 392® 145 Dazu auch
Englund, D ie Verwüstung Deutschlands, S. 44 ff. 146 Roeck, A ls wollt die Welt schier
brechen, S. 205. 147 Dafür sind die entsprechenden Einträge im Tagebuch Maurus
Frieseneggers aufschlussreich. 148 Vgl. Roeck, A ls wollt die Welt schier brechen,
S. 271 ff. 149 Ebd., S. 279. 150 Vgl. hierzu und zum Folgenden Öhman, D er K a m p f
um den Frieden, S. 70-119; Kampmann, Europa und das Reich, S. 123-127, sowie Parker,
D er Dreißigjährige Krieg, S. 226-236. 151 Dazu Findeisen, A x e l Oxenstierna,
Anmerkungen 911
S. 323-342. 152 Vgl. Parker, D er Dreißigjährige Krieg, S. 232 k 153 Vgl. Öhman, D er
K a m p f um den Frieden, S. 70. 154 Kampmann, Europa und das Reich, S. 122. 155
Ebd., S. 123. 156 Öhman, D er K a m p f um den Frieden, S. 80. 157 Ebd., S. 92. 158
Vgl. oben, S. 679 ff. 159 Öhman, D er K a m p f um den Frieden, S. 108. 160 Ebd.,
S. 123. 161 Dazu Parker, D er Dreißigjährige Krieg, S. 244 k 162 Vgl. Droysen, Bern
hard von Weimar, Bd. 2, S. 175-200. 163 Die in der einschlägigen Literatur lange vor
herrschende Charakterisierung, Gallas sei zwar ein durchaus kähiger Unterführer,
aber zu selbständigen Operationen nicht in der Lage und mit strategischen Heraus
korderungen überfordert gewesen, ist in einer neueren Monographie von Robert
Rebitsch in Frage gestellt worden. Vor allem an den beiden Feldzügen von 1635 und
1636 hat Rebitsch zu zeigen versucht, dass die meisten der Negativurteile über Gallas
auf Vorwürfe in bayerischen Berichten zurückgehen und Bestandteil der bei Koaliti
onskriegen üblichen Reibereien und Konflikte sind. Vor allem geht Rebitsch aber
davon aus, dass die Erwartung einer groß angelegten Offensive, die Richelieu zum
politischen Einlenken und zum Rückzug aus dem Krieg im Reich hätte zwingen kön
nen, auf unrealistischen Voraussetzungen beruhte und kaum zu verwirklichen war
(Rebitsch, M atthias Gallas, S. 124-1 66). 164 Die nachfolgende Darstellung des
Krieges am Oberrhein, im Eisass und in Lothringen sowie in der Picardie stützt sich
im Wesentlichen auf Droysen, Bernhard von Weimar, Bd. 2, S. 101-250, Lahrkamp, Jan
von Werth, S. 33-65, sowie Rebitsch, M atthias Gallas, S. 124-166. 165 Dazu Lahr
kamp, Ja n van Werth, S. 43. 1 66 Ebd., S. 44 ff. 167 Rebitsch, M atthias Gallas,
S. 140 ff. 168 Ebd., S. 138. 169 Vgl. Allmayer-Beck, «Rudolf Graf von Colloredo-
Waldsee», S. 328 f. 170 Vgl. Barker, «Generalleutnant Piccolomini», S. 350 ff. 171
So auch Parker, D er D reißigjährige Krieg, S. 235. 172 Vor allem in der französischen
Literatur zum Dreißigjährigen Krieg sind Analogien zwischen dem Zangenangriff
von 1636 und dem deutschen Angriff im Sommer 1914 hergestellt worden; vgl. Pages,
L a Guerre de Trente Ans, S. 204 f. 173 Es gibt in der einschlägigen Literatur eine Kon
troverse darüber, ob das Koordinationsdefizit auf Gallas’ notorische Schwerfälligkeit
und seine Abneigung gegenüber Offensivoperationen zurückzuführen ist oder ob die
Mängel im Zusammenwirken beider Armeen daraus resultierten, dass ein Zangenan
griff auf Frankreich zunächst gar nicht vorgesehen war und sich etwas, das sich so
ausnahm wie ein Zangenangriff, erst aus einer überraschenden Umdisposition des
Kardinalinfanten ergeben hat. Letztere Auffassung wird von Jonathan Israel («Oliva-
res, the Cardinal-Infante and Spain’s Strategy», S. 273-276) und Robert Rebitsch
(M atthias Gallas, S. 146-148) vertreten. Von der Planung eines Zangenangriffs gehen
dagegen Eberhard Straub (P a x et Im perium , S. 451k) und Robert Stradling («Oliva-
res and the Origins of the Franco-Spanish War», S. 69-94) aus. 174 Rebitsch, M a t
thias Gallas, S. 144 und 149. 175 Ebd., S. 151. 176 Ebd., S. 154; die Franche Comte,
die Freigrafschaft Burgund, hatte 1611 eine von den Schweizer Eidgenossen garan
tierte Neutralität erlangt, die jedoch von den beiden Kriegsparteien nicht mehr aner-
912 ANHANG
kannt wurde. 177 Dazu Schulze, «Der Sommerfeldzug Johann von Werths», ins-
bes. S. 57 ff. 178 Zu den Entsatzplänen für Hanau vgl. Droysen, B ernhard von Weimar,
Bd. 2, S. 218-230; zur strategischen Bedeutung Hanaus vgl. Müller, «Bau und Bedeu
tung der Festung Hanau im Dreißigjährigen Krieg», S. 93-122; zur Belagerung selbst
vgl. Kurz, «Das Leben in der blockierten Festung Hanau», S. 123-134, sowie Bus,
«Die Zeit der Verheerung», S. 208-214. 179 Zu Wilhelm Graf von Lamboy, einem
der wichtigsten Heerführer des Kaisers im letzten Jahrzehnt des Krieges, vgl. Neu
haus, «Lamboy», S. 440 f. 180 DazuPuppel, «AmalieElisabeth», S. 188-194. 181
Hierzu und zum Folgenden ausführlich Droysen, Bernhard von Weimar, Bd. 2,
S. 239-246. 182 Zit. nach ebd., S. 245. 183 Zit. nach ebd., S. 246; Gallas selbst gab
seine Verluste mit nur 1000 Mann an; Rebitsch, M atthias Gallas, S. 165. 184 Vgl.
oben, S. Ö74ff. 185 Dazu Rebitsch, M atthias Gallas, S. 170-183. 186 Zit. nach ebd.,
S. 183. 187 Vgl. oben, S. 457. Savelli hatte in Wien mächtige Fürsprecher und galt als
ein Günstling der Kaiserinwitwe Eleonora Gonzaga. Für eine knappe Charakterisie
rung seiner militärischen Fähigkeiten Guthrie, The Later Thirty Years War, S. 82; für
einige Invektiven Werths gegen Savelli vgl. Droysen, Bernhard von Weimar, Bd. 2,
S. 424. 188 Dazu Lahrkamp, Jan van Werth, S. 79-91; Droysen, B ernhard von Wei
mar, Bd. 2, S. 251-325. 189 Dazu Greyerz, «Die Schweiz während des Dreißigjähri
gen Krieges», S. 133-140, sowie Egger, «Johann RudolfWettstein und die internatio
nale Anerkennung der Schweiz», S. 423-432. 190 Zit. nach Droysen, B ernhard von
Weimar, Bd. 2, S. 333. 191 Vgl. Maurer, «Die württembergischen Höhenfestungen»,
S. 264-315. 192 Zit. nach Droysen, Bernhard von Weimar, Bd. 2, S. 337. 193 Guthrie
(The Later Thirty Years War, S. 82b) beziffert die Kräfteverhältnisse auf 7500 Mann
Savellis und 6000 Mann Bernhards, auf beiden Seiten doppelt so viel Kavallerie wie
Infanterie. An den Maßstäben der ersten Kriegshälfte gemessen, handelte es sich also
um eine kleine Schlacht, wie sie zuvor für Nebenkriegsschauplätze typisch war. Zum
Schlachtverlauf vgl. ebd., S. 83 t, sowie Droysen, Bernhard von Weimar, Bd. 2,
S. 340-342, und Lahrkamp, Ja n van Werth, S. 95b 194 Zur «zweiten Schlacht von
Rheinfelden» vgl. Guthrie, The Later Thirty Years War, S. 84-86, Droysen, Bernhard
von Weimar, Bd. 2, S. 343-346, und Lahrkamp, Ja n von Werth, S. 96-97. 195 Da die
Truppen auf dem Marsch von Villingen nach Rheinfelden die Täler und Pässe des
Schwarzwalds durchschreiten mussten, hatte Savelli die schwerfällige Artillerie
zurückgelassen. Es ist ebenso nachvollziehbar wie unverständlich, dass er keinerlei
Anstrengungen unternahm, dieses Manko nach seinem Erfolg vom 28. Februar durch
die in Rheinfelden stehenden Kanonen auszugleichen. 196 Während Savelli schon
bald ausgetauscht wurde, überstellte Bernhard Werth und Enckevort an die Franzo
sen, die ein großes Interesse daran hatten, den gefürchteten Reitergeneral Jan von
Werth für längere Zeit aus dem Krieg herauszuziehen. Erst im März 1642, also nach
vierjähriger Gefangenschaft, wurde er gegen den schwedischen Feldmarschall Gus
tav Horn ausgetauscht, der bei Nördlingen in kaiserliche Gefangenschaft geraten war;
Anmerkungen 913
dazu Lahrkamp, Jan von Werth, S. 105-118. 197 Vgl. Droysen, Bernhard von Weimar,
Bd. 2, S. 368 f. 198 Ebd., S. 377 ff. 199 Ebd., S. 470 £ 200 Zur Schlacht von Wit
tenweier vgl. ebd., S. 433-437, sowie Guthrie, The Later Thirty Years War, S. 88-90,
der daraufhinweist, dass mit den 16 000 Mann auf kaiserlicher Seite und den 18 800
Mann des Herzogs Bernhard es sich um eine deutlich größere Schlacht als die bei
Rheinfelden gehandelt habe. 201 Zit. nach Droysen, Bernhard von Weimar, Bd. 2,
S. 459 £ 202 Zit. nach Wedgwood, Der 30jährige Krieg, S. 370. 203 Vgl. Parker, Der
Dreißigjährige Krieg, S. 256, und Guarino, «The Spanish Monarchy», S. 58 £ 204
Parker, Der Dreißigjährige Krieg, S. 1856; Maria Anna hatte sich mit dem Abschied von
Spanien schwergetan, jedenfalls hatte sie sich mehr als einJahr Zeit gelassen, bis sie in
Wien eingetroffen war; dazu Hobelt, Ferdinand III., S. 54 ff. 205 Vgl. Kampmann,
Europa und das Reich, S. 142; zum Fluss der spanischen Hilfsgelder vgl. Ernst, «Spani
sche Subsidien für den Kaiser», S. 301 ff. 206 In einigen Quellen ist sogar von
24000 Soldaten die Rede, doch dürfte diese Zahl deutlich zu hoch liegen. 13000 ist
dagegen plausibel: Von der durchschnittlichen Ladekapazität der Schiffe her kann
man von etwa 200 Soldaten zusätzlich zur Besatzung an Bord ausgehen. 207 Das
war das erste Mal, dass die später so bezeichnete «Linienschifftaktik» angewandt
wurde. 208 Vgl. Israel, The Dutch Republic and the Hispanic World, S. 268-271. 209
Vgl. Thompson, «The Impact of War and Peace on Government and Society in
Seventeenth Century Spain», S. 161 £ 210 Die Niedergangsthese ist in den Arbeiten
John H. Elliots (Richelieu and Olivares; The Count-Duke of Olivares-, «Foreign Policy
and Domestic Crisis», S. 185ff.) breit ausgearbeitet; vgl. dazu auch Pietschmann,
«Spanien im Dreißigjährigen Krieg», S. 167-188, sowie Brinkmann, Aufstieg und Nie
dergang Spaniens-, die Auffassung eines durchgängigen Niedergangs bezweifelt hinge
gen Stradling, «Seventeenth Century Spain. Decline or Survival», S. 156-194, sowie
ders., «Catastrophe and Recovery: the defeat of Spain 1639-1643», S. 205-219;
zusammenfassend Kampmann, Europa und das Reich, S. 140-142. 211 Vgl. oben,
S. 720 ff. 212 Zur Schlacht von Rocroi, die, wie Gotthard (Der Dreißigjährige Krieg,
S. 280 f.) zu Recht moniert, in vielen Darstellungen des Dreißigjährigen Krieges nicht
vorkommt, obwohl sie auf die Schlussphase des Krieges großen Einfluss hatte, vgl.
Wedgwood, Der 30jährige Krieg, S. 397-401, sowie Guthrie, The Later Thirty Years War,
S. 171-180. 213 Vgl. oben, S. 732 f. 214 Guthrie, The Later Thirty Years War, S. 177.
914 ANHANG
7. K A P I T E L
ZW ISCH EN K R IE G UND FRIED EN :
DER LAN GE WEG NACH M Ü N ST ER
UND OSNABRÜCK
1 Aus der inzwischen kaum noch zu überschauenden Fülle der Literatur zum Westfä
lischen Frieden stütze ich mich, was den Weg nach Münster und Osnabrück anbe
trifft, auf Dickmann, D er Westfälische Frieden, S. 59-124, Öhman, D er K am pf um den
Frieden, S. 154-199, Duchhardt (Hg.), D er Westfälische Friede, Moormann van Kap-
pen/Wyduckel (Hgg.), Der Westfälische Frieden in rechts- und staatstheoretischer Per
spektive, sowie Westphal, Der Westfälische Frieden, S. 24-40. 2 Diese Dimension des
Westfälischen Friedens hat jüngst Derek Croxton im Untertitel The L a st Christian
Peace seines Buchs Westphalia noch einmal sehr deutlich herausgestellt. 3 Bregnsbo,
«Denmark and the Westphalian Peace», S. 361-368, sowie Jaitner, «Die Päpste im
Mächteringen des 16. und 17. Jahrhunderts», S. 61-67; zum Problem der Vermittlung
insgesamt Repgen, «Friedensvermittlung als Element europäischer Politik»,
S. 799-816. 4 Vgl. Dickmann, Der Westfälische Frieden, S. 120-124. 5 Vor allem
Konrad Repgen hat sich mit der Rolle der Kurie bei der Vorbereitung der Friedensge
spräche und während der Verhandlungen in Münster und Osnabrück eingehend
befasst; vgl. hierzu insbesondere «Die Hauptinstruktion Ginettis», S. 425 f£, und
«Fabrio Chigis Instruktion für den Westfälischen Friedenskongreß», S. 458 ff. 6
Hierzu und zum Folgenden vgl. Kampmann, Europa und das Reich, S. 132-138, sowie
Gotthard, Der Dreißigjährige Krieg, S. 310-320. 7 Dazu insbes. Burkhardt, Der Drei
ßigjährige Krieg, S. 30-63, sowie ders., «Die entgipfelte Pyramide», S. 51-60. 8
Dazu Repgen, «Der Westfälische Friede und die Ursprünge des europäischen
Gleichgewichts», S. 53-66, sowie Duchhardt, «Westfälischer Friede und internatio
nales System», S. 529-543. 9 Vgl. oben, S. 735h 10 Vgl. oben, S. 669 h 11 Vgl.
Öhman, Der K am p f um den Frieden, S. 139-148. 12 Ebd., S. 154-161. 13 Dazu
Lorentzen, Die schwedische Armee, S. 101 ff.; Lorentzen erörtert auch die Frage, ob es
eine Reihe von Offizieren gegeben habe, die gegen eine Fortsetzung des Krieges
gewesen seien und sich als bewaffneter Kern einer «dritten Partei» verstanden hät
ten (ebd., S. 97 fr.). 14 Für eine Kurzvita Torstenssons vgl. Findeisen, Der Dreißig
jährige Krieg, S. 437-442; er bezeichnet Torstensson als «Schwedens bedeutendsten
Heerführer nach Gustav Adolfs Tod» (S. 440). Guthrie ( 7he Later Thirty Years War,
S. 110) schreibt über Torstensson, er sei ein exzellenter Taktiker, ein weit überdurch
schnittlicher Stratege und der operativ beste Kopf des Krieges gewesen. 15 Kamp
mann, Europa und das Reich, S. 135. 16 Insofern ist Gindelys zusammenfassende
Beurteilung des Regensburger Reichstags viel zu optimistisch: «Es läßt sich nicht
verkennen, daß die Friedenssehnsucht diesmal fast das ganze Deutschland um den
Kaiser scharte und daß sich bei einem großen Teil der Reichsstände eine Ergebenheit
Anmerkungen 91S
für ihn zeigte, die man längst verschwunden wähnte.» (Gindely, Geschichte des drei
ß igjährigen Krieges, Bd. 3, S. 126). Dagegen die Spannungen auf dem Reichstag beto
nend Kampmann, Europa und das Reich, S. 135; zum Reichstag insgesamt Bierther,
D er Regensburger Reichstag von 16 4 0 /4 1. 17 Gindely, Geschichte des dreißigjährigen
Krieges, Bd. 3, S. 122. 18 Vgl. unten, S. 780. 19 Dazu Weiland, Hessen-Kassel und die
Reichsverfassung, S. 80 ff., sowie Puppel, D ie Regentin, passim. 20 Zur Vita Friedrich
Wilhelms, einem späten Akteur des Krieges, vgl. Kiehm, «Friedrich Wilhelm von
Brandenburg», S. 170-179, sowie Oestreich, Friedrich Wilhelm. D er Große K u r
fürst. 21 Dazu Westphal, D er Westfälische Frieden, S. 33 ff., Dickmann, D er Westfäli
sche Frieden, S. 103-113; der Vertragstext des Hamburger Präliminarfriedens in Auszü
gen bei Roeck (Hg.), Gegenreformation und Dreißigjähriger Krieg, S. 365-368. 22 So
Kampmann, Europa und das Reich, S. 136. 23 Zu den Kommunikationsverhältnissen
der Zeit vgl. Behringer, Im Zeichen des M erkur, insbes. S. 51-126. 24 Vgl. oben,
S. 739 f. 25 Für eine ausführlichere Darstellung dieser Verhandlungen vgl. Öhman,
D er K a m p f um den Frieden, S. 162 ff. 26 Zu den schwedischen Operationen im Früh
jahr und Sommer 1642 vgl. ebd., S. 165 £, sowie Guthrie, The Later Thirty Years War,
S. 107. 27 Vgl. oben, S. 491 ff 28 Zum Verlauf der zweiten Schlacht bei Breitenfeld
vgl. Preil, Österreichs Schlachtfelder, S. 71-84, Guthrie, The L a ter Thirty Years War,
S. 110-122, und Öhman, D er K a m p f um den Frieden, S. 166-178. Die Angaben zur
Truppenstärke folgen Guthrie, S. 115 f.; Preil geht von auf beiden Seiten geringeren
Truppenstärken aus; eine Schlachtbeschreibung aus der Perspektive eines schwedi
schen Soldaten findet sich bei Englund, D ie Verwüstung Deutschlands, S. 284-289. 29
Hierzu und zum Folgenden Guthrie, The L a ter Thirty Years War, S. 117 f. 30 Ebd.,
S. 121. 31 Zur Schlacht als «Auswringen der Kräfte» vgl. Clausewitz, Vom Kriege,
S. 420 f. 32 Vgl. Preil, Österreichs Schlachtfelder, S. 81. 33 Vgl. oben, S. 600. 34
Guthrie, The L a ter Thirty Years War, S. 121. 35 Das gilt auch für die sonst sehr auf
merksame Darstellung von Wedgwood, D er 30jährige Krieg, S. 392 k 36 Findeisen,
D er D reißigjährige Krieg, S. 389k 37 Vgl. Barker, «Generalleutnant Piccolomini»,
S. 355 und 358 £ 38 Dazu ausführlich, wenn auch nicht ohne apologetische Tendenz
Rebitsch, M atthias Gallas, S. 230-318. 39 Zu diesem in den meisten Darstellungen
des Krieges nur am Rande erwähnten «Filiationskonflikt» des Dreißigjährigen Krie
ges vgl. die aus schwedischer Sicht verfasste Kriegsdarstellung von Peter Englund,
D ie Verwüstung Deutschlands, S. 327 ff; weiterhin Böhme, «Lennart Torstensson und
Helmut Wrangel in Schleswig-Holsein und Jütland 1643-1645», S. 46 ff 40 Vgl.
oben, S. 363 ff 41 Dazu Englund, D ie Zerstörung Deutschlands, S. 330 £ 42 Vgl.
oben, S. 574 £ 43 Vgl. Englund, D ie Zerstörung Deutschlands, S. 353 ff. 44 Zur See
schlacht an der Kolberger Heide ebd., S. 376 ff 45 Zur Vita Wrangels, entfernt ver
wandt mit dem im Heere Torstensson verbliebenen Reiterobristen Helmut Wrangel,
vgl. Findeisen, D er Dreißigjährige Krieg, S. 459-462. 46 Zur Seeschlacht bei der
Insel Fehmarn vgl. Englund, D ie Zerstörung Deutschlands, S. 399-402. 47 Zum Frie-
9i6 ANHANG
National Gallery in London. Es gibt ein ähnliches Bild aus dem Umkreis ter Borchs,
das als Allegorie auf Hugo Grotius und den Westfälischen Frieden bezeichnet wird.
Es zeigt ebenfalls die Münster sehe Ratskammer und eine im Zentrum fast identische
Szene wie die auf dem Friedensschwur, in die jedoch ein Sarkophag mit Grabfigur
hineingestellt ist - eine Reverenz an den 1645 verstorbenen Hugo Grotius als Verfas
ser der D rei Bücher über K rieg und Frieden (D e iure belli ac pacis libri tres), der hier als
der intellektuelle Wegbereiter des Westfälischen Friedens dargestellt wird. Für eine
Abbildung vgl. Lahrkamp, D reißigjähriger Krieg. Westfälischer Frieden, S. 306. 94
Heinz Duchhardt hat deswegen demJahr 1648 eine Monographie gewidmet, in der er
in einer Art panoramischem Rundblick durch Europa die Lage in den einzelnen Län
dern Revue passieren lässt; vgl. Duchhardt, 1648. D as fa h r der Schlagzeilen, pas
sim. 95 So etwa bei Westphal, D er Westfälische Frieden, S. 63-91; weniger ausge
prägt bei Dickmann, D er Westfälische Frieden, S. 243 ff. und S. 406 ff.; im Unterschied
dazu hat Croxton ( Westphalia ) eine zeitliche Strukturierung seiner Darstellung der
Friedensverhandlungen nur als Hintergrund gewählt (BackgroundN egotiations, Con-
clusion ) und die Friedensverhandlung stattdessen problemorientiert dargestellt. Ähn
lich Repgen («Die Hauptprobleme der Westfälischen Friedensverhandlungen»), an
dem sich die nachfolgende Darstellung orientiert. Zum Forschungsstand und zur
jüngeren Sicht des Friedenskongresses und seiner Ergebnisse vgl. Lanzinner, «Neu
ere Forschungen zum Westfälischen Friedenskongress», S. 426-462, sowie Burk
hardt, «Das größte Friedenswerk der Neuzeit», S. 592-612; in beiden Aufsätzen fin
det sich auch ein zuverlässiger Überblick zur neueren Literatur. 96 Dazu Dickmann,
D er Westfälische Frieden, S. 424 ff. 97 Vgl. ausführlich Höfer, D as E n de des D reißig
jährigen Krieges, S. 142-227. 98 Vgl. ebd., S. 175-195, sowie Guthrie, The Later Thirty
Years War, S. 243-245. 99 Vgl. Hojda, «Der Kampf um Prag 1648 und das Ende des
Dreißigjährigen Krieges», S. 403-412. 100 Hierzu und zum Folgenden vgl. Repgen,
«Die Hauptprobleme der Westfälischen Friedensverhandlungen», S. 405 ff. 101 Vgl.
Heckei, Deutschland im konfessionellen Zeitalter, S. 205. 102 So Martin Heckei, ebd.,
S. 189-207. 103 So Repgen, «Die Hauptprobleme», S. 409-434. 104 Dazu
Böckenförde, «Der Westfälische Frieden und das Bündnisrecht der Reichsstände»,
S. 448-478; zur Bedeutung des Bodin’schen Souveränitätsbegriffs für die Verhand
lungen in Westfalen vgl. Wyduckel, «Rechts- und staatstheoretische Voraussetzun
gen und Folgen des Westfälischen Friedens», S. 212 ff. 105 Vgl. oben, S. 121 ff. 106
Repgen, «Die Hauptprobleme», S. 411. 107 Ebd., S. 412. 108 Dazu Repgen, «Die
Proteste Chigis und der päpstliche Protest gegen den Westfälischen Frieden»,
S. 539-561. 109 Zur damit erfolgten Suspension der religiösen Wahrheitsfrage und
deren Folgen vgl. Heckei, Deutschland im konfessionellen Zeitalter, S. 199 k 110 Für
eine ausführliche Darstellung der Normaljahresregelung in den Bestimmungen des
Westfälischen Friedens vgl. Fuchs, Ein <M edium zum Friedens, S. 159 ff. 111 Dazu
Heckei, Deutschland im konfessionellen Zeitalter, S. 202 f. 112 Hierzu und zum Fol-
Anmerkungen 919
genden Repgen, «Die Hauptprobleme», S. 414 b 113 Seit November 1646 verhan
delte Maximilian mit Schweden und Frankreich, was im März 1647 dann in den Waf
fenstillstand von Ulm mündete. Die Kurfürsten von Köln und Mainz schlossen sich
daraufhin den Bayern an; Kampmann, E uropa und das Reich, S. 153 f. 114 Dazu
Hobelt, Ferdinand III., S. 265-291. 115 Hierzu und zum Folgenden Repgen, «Die
Hauptprobleme», S. 419 If. 116 Ebd., S. 423. 117 Das wird regelmäßig von denen
übersehen, die wie Axel Gotthard (D er D reißigjährige Krieg, S. 332 f.) meinen, weil
sich der Begriff der Westfälischen Ordnung in den Verträgen von Münster und Osna
brück nicht finden lasse, habe es diese auch nicht gegeben. 118 Dazu Albrecht,
M axim ilian I. von Bayern, S. 1025-1030, sowie Tischer, Französische D iplom atie und
Diplom aten a u f dem Westfälischen Friedenskongress, S. 240 ff. 119 Heckei, Deutsch
land im konfessionellen Zeitalter, S. 195 b Hessen-Kassel erhielt beträchtliche Gebiete
im Bereich Hersfeld und Marburg; es gehörte damit auf die «Siegerseite», während
die Markgrafschaft Baden-Durlach eher auf der «Verliererseite» landete. 120 Ebd.,
S. 191. 121 Repgen, «Hauptprobleme», S. 424, Fn. 65. 122 So Heckei, Deutschland
im konfessionellen Zeitalter, S. 190; in der Darstellung Repgens geht die Veränderung
eher auf ein Angebot der kaiserlichen Seite als auf eine veränderte Haltung Frank
reichs zurück, vgl. Repgen, «Hauptprobleme», S. 430 b Einmal mehr spielten dabei
die konkurrierenden Begriffe «Landeshoheit» und «Souveränität» eine wichtige
Rolle. Vgl. dazu auch Kampmann, Europa und das Reich, S. 159 f. und 170. 123 Zur
Rolle der «Friedenspartei», einer «konfessionsübergreifenden Ständegruppie
rung», vgl. Kampmann, Europa und das Reich, S. 168 f. 124 Burkhardt, D er Dreißig
jährige Krieg, S. 213 fr. 125 Im späten 17. und im 18. Jahrhundert war Hessen-Kassel
(und nicht Brandenburg-Preußen) der am höchsten militarisierte Staat in Deutsch
land. Der Militarisierungsgrad eines Landes ergibt sich aus dem Verhältnis zwischen
Einwohnerzahl und Angehörigen des stehenden Heeres. Es waren auch die Nordhes
sen, die einen Teil ihrer Regimenter an die Briten vermieteten, die sie dann in Ame
rika einsetzten. 126 Repgen, «Hauptprobleme», S. 437. 127 Ausführlich dazu
Oschmann, D er N ürnberger Exekutionstag. 128 Gerhardt, Dichtungen und Schriften,
S. 785.
SCHLUSS
DER D R EISSIG JÄ H R IG E K R IE G ALS AN A LYSEFO LIE
G EG EN W Ä RTIG ER UND Z U K Ü N FT IG ER K R IE G E
1 Der Begriff der Neuen Kriege geht zurück auf Mary Kaldor, N eue und alte Kriege,
und wurde vom Verfasser dieses Textes stärker im Hinblick auf die ökonomische
Dimension dieser Kriege hin konturiert; vgl. Münkler, D ie neuen Kriege, S. 131 ff.; zur
920 ANHANG
Diskussion von Begriff und Konzept der Neuen Kriege vgl. ders., Kriegssplitter,
S. 208ff. 2 Münkler, D ie neuen Kriege, S. 75ff. 3 Die US-amerikanische Historike
rin Barbara Tuchman hat in ihrem Meisterwerk über das 14. Jahrhundert den Begriff
des «fernen Spiegels» eingeführt, um damit die Selbstbeobachtung durch den Blick
in die Vergangenheit zu bezeichnen (Tuchman, D er ferne Spiegel, S. 9-16). 4 «<Der
IS wird in neuer Form zurückkommen» Die jordanischen Islamismus-Fachleute
Mohammed Abu Rumman und Hassan Abu Hanieh im Gespräch»; in: Frankfurter
Allgem eine Zeitung, Nr. 260, 7.11.2016, S. 7. 5 Exemplarisch dafür sind die von der
Hamburger Arbeitsgemeinschaft Kriegsursachenforschung (AKUF) in regelmäßiger
Abfolge herausgegebenen Jahresberichte zum weltweiten Kriegsgeschehen. Im
Untertitel dieser Berichte - «Daten und Tendenzen der Kriege und bewaffneten
Konflikte» - kommt die methodische Grundlage der Kombination von Analytik
und Prognostik zum Ausdruck. 6 Vgl. dazu die kontrovers geführte Debatte in
Anna Geis (Hg.), D en K rieg überdenken. 7 Zur komparativen Herangehensweise
und den ihr zugrundeliegenden Methoden vgl. Kaelble/Schriewer (Hgg.), Gesell
schaften im Vergleich, sowie Epple/Erhart (Hgg.), D ie Welt beobachten. 8 Baumhauer,
K unst und K rieg in Langzeitkonflikten, S. 61 ff. und 123 ff. Steht bei Baumhauer Hans
Ulrich Frank im Zentrum der Aufmerksamkeit, so geht es Bernd Schuchter (Jacques
Callot, S. 174) um die Aktualität Jacques Callots: «Dieser große Krieg [der Dreißig
jährige Krieg] hatte gezeigt, wie dünn diese Schicht der Zivilisation ist, die den Men
schen im Alltag daran hindert, ein Tier zu werden, nach eigenem Gutdünken zu mor
den und zu stehlen. Der lange andauernde Krieg hatte diese Schicht rasch abgelöst
und es folgten viele Jahre von solch grausamer Barbarei und Unmenschlichkeit, die
man sich heute - da in Mitteleuropa seit 70 Jahren Frieden herrscht - nicht vorzustel
len vermag.» 9 Vgl. oben, S. Ö97ff. 10 Dieser Aspekt ist in der jüngeren For
schung besonders deutlich herausgearbeitet bei Kampmann, Europa und das Reich,
S. 17-34. 11 Zum Begriff der politischen Religion und deren Rolle in der Politik seit
dem Ende des Dreißigjährigen Krieges vgl. Voegelin, D ie politischen Religionen,
S. 49 ff., sowie Maier, Politische Religionen, S. 107 ff. 12 Eine ideengeschichtliche Dar
stellung der von den Aufklärern gegebenen Begründungen für eine Zurückdrängung
der Religion ins Private findet sich bei Cavuldak, Gem einwohl und Seelenheil, pas
sim. 13 Als einer der wichtigsten Sozialwissenschaftler, die die Validität der Säkula
risierungsthese angezweifelt haben, ist der Soziologe Jose Casanova (Public Religions
in the M odern W orld ) zu nennen, der die jüngste Verunsicherung der Europäer ange
sichts der neuerlichen Herausforderung durch politisierte Religionen als Folge ihres
naiven Vertrauens auf den fortschreitenden Prozess der Säkularisierung erklärt hat;
vgl. Casanova, Europas Angst vor der Religion; die Thesen Casanovas sind von dem
Politikwissenschaftler Wilfried Röhrich (D ie M acht der Religionen ) in einer verglei
chenden Überblicksdarstellung bestätigt worden: «Die Weltreligionen haben eine
politische Macht erlangt, die in ihrer Tragweite der der christlichen Kreuzzüge vom
Anmerkungen 921
11. bis 13. Jahrhundert und der der islamischen Djihad-Rriege vom 7. bis zum 17. Jahr
hundert nahekommt - zumal wenn man die Politisierung der jeweiligen Religion mit
dem Resultat eines religiösen Fundamentalismus in die Betrachtung einbezieht»
(S. 11). Zum Thema des politisch-religiösen Fundamentalismus vgl. die komparativ
angelegten Studien von Marty/Appleby, Herausforderung Fundamentalismus, Juer-
gensmeyer, D ie Globalisierung religiöser Gewalt, Armstrong, Im K a m p f um Gott, sowie
Victor und Victoria Trimondi, K rieg der Religionen. Es fällt auf, dass in den histori
schen Rückblicken dieser Arbeiten der Dreißigjährige Krieg keine Rolle spielt, wenn
gleich bei calvinistischen Autoren wie jesuitischen Beichtvätern zahllose Beispiele
für fundamentalistisches Denken zu finden sind. 14 Bloch, «Ungleichzeitigkeit
und Pflicht zu ihrer Dialektik» [1932]; in: ders., Erbschaft dieser Zeit, Bd. 4 der
Gesamtausgabe, Frankfurt am Main 1962, S. 116 ff. 15 Hegel, Grundlinien der Philoso
ph ie des Rechts, S. 17. 16 Steinberg, D er Dreißigjährige K rieg in Europa, S. 92. 17 So
etwa Schormann, D er D reißigjährige K rieg, S. 25-59, ebenso Kampmann, Europa und
das Reich, der außerdem den böhmischen und den pfälzischen Krieg gegeneinander
abgrenzt und zusätzlich von einem spanisch-französischen Krieg spricht (S. 41 ff. und
103 ff.), sowie Gotthard, D er Dreißigjährige Krieg, passim. Georg Schmidt (D er D rei
ß igjährige K rieg ) weicht davon ab, indem er die Jahre von 1618 bis 1629 als Zeit «vom
böhmischen Ständekonflikt zur gesamtdeutschen Betroffenheit» überschreibt
(S. 27 £), dieJahre von 1630 bis 1643 unter die Überschrift «Habsburg, Schweden und
Frankreich» stellt (S. 48 ff.) und die Schlussphase des Krieges als Ringen «um deut
sche Libertät> und Entschädigungen» zusammenfasst (S. 68ff.), also stärker den
Zusammenhang des Krieges herausstellt. Die Trennung eines böhmisch-pfälzischen
und eines niedersächsisch-dänischen Krieges findet sich bereits bei Moriz Ritter,
dem Doyen der deutschen Geschichtsschreibung zum Dreißigjährigen Krieg (D eut
sche Geschichte im Zeitalter der Gegenreformation und des D reißigjährigen Krieges,
Bd. III, S. 3-222 und 225-414), während er den Fortgang des Krieges nicht mehr wei
ter untergliedert hat; ähnlich Anton Gindely, der die 1. Abteilung seiner Geschichte des
dreißigjährigen Krieges dem «böhmischen Aufstand und seiner Bestrafung» widmet,
im zweiten Kapitel der 2. Abteilung den «niedersächsischen, dänischen und ungari
schen Krieg» behandelt (Bd. 2, S. 56-103) und danach den Krieg als zusammenhän
gendes Ganzes darstellt, das durch den Auftritt von Personen (Gustav Adolf und
Albrecht von Waldstein [sic!]) gegliedert wird. In der älteren Sicht wurden also nur
der böhmisch-pfälzische und der niedersächsisch-dänische Krieg als getrennte
Abschnitte behandelt, und danach floss das Kriegsgeschehen zu einem einzigen
Gewaltkontinuum zusammen, während in vielen jüngeren Darstellungen die nach
Protagonisten benannte Gliederung in Etappen bis zum Kriegsende durchgehalten
wird. 18 Genau dieses zeitgenössische Bewusstsein eines zusammenhängenden
Krieges hat Steinberg (D er Dreißigjährige Krieg, S. 112ff.) bestritten. Dagegen hat
Konrad Repgen («Die Entstehung und Verwendung des Terminus dreißigjähriger
922 ANHANG
Krieg> von 1650 bis 1695») detailliert nachgewiesen, dass der Begriff des Dreißigjäh
rigen Krieges bereits bei den Zeitgenossen verbreitet war und sich schon bald nach
Ende des Krieges die Vorstellung von einem zusammenhängenden Kriegsgeschehen
allgemein durchgesetzt hat. 19 Diese Sicht wird am nachdrücklichsten bei Kamp
mann, Europa und das Reich, ausgearbeitet. Ihr zufolge war der Dreißigjährige Krieg
von Anfang an potenziell ein europäischer Krieg, aber er wurde dies tatsächlich erst
durch seine Dauer. 20 Ihukydides, Geschichte des Peloponnesischen Krieges; zum
Fortwirken des Ihukydides und dem Einfluss seines Werks auf spätere Historiker vgl.
Meister, Thukydides als Vorbild der Historiker. 21 Schiller, Geschichte des Dreißigjäh
rigen Krieges; zu Schiller als Historiker dieses Krieges vgl. Alt, Schiller, Bd. 1, S. 587-675,
speziell zur Geschichte des Dreißigjährigen Krieges S. 663 ff., weiterhin Safrankski,
Schiller, S. 338 ff. 22 Vgl. oben, Schluss, Anm. 18. 23 Carl Schmitt hat in einer korri
gierenden Erweiterung seiner Freund-Feind-Unterscheidung später zwischen dem
«wirklichen» und dem «absoluten Feind» unterschieden (Schmitt, Theorie des P ar
tisanen, S. 87ff). Er hätte, was bei einer Studie über den Typ des Partisanen indes
nicht nahelag, die Figur des «konventionellen Feindes» danebenstellen können, der
als eine Form der Einhegung von Feindschaft nach der Ära der religiös-konfessionel
len Kriege, also der Westfälischen Ordnung, zu fassen ist. Dazu vertiefend Geulen/
von der Heiden/Liebsch (Hgg.), Vom Sinn der Feindschaft, sowie Brehl/Platt (Hgg.),
Feindschaft. 24 Das ist auf dem berühmten Bild «Die Übergabe von Breda» von
Veläzquez zu sehen; dazu oben, S. 637. 25 Vgl. oben, S. 474 ff. 26 Dazu Rill, Kaiser
Matthias, S. 121-173. 27 Dazu Münkler, Der neue Golfkrieg, insbes. S. 29 ff. 28
Richelieus strategisches Dilemma tritt in den Darstellungen des Dreißigjährigen
Krieges in der Regel stärker hervor als in den Biographen des Politikers, die zumeist
auf seine Umsicht und sein Raffinement abheben; vgl. etwa Burckhardt, Richelieu,
Bd. 2: Behauptung der M acht und kalter Krieg, S. 239-425. 29 Die Probleme der
Franzosen mit dem selbstbewussten Bernhard von Weimar werden detailliert geschil
dert von Gindely, Geschichte des dreißigjährigen Krieges, Bd. 3, S. 74 ff. und 103 ff. 30
Zu Begriff und Erscheinungsform des Postheroischen in den modernen Gesellschaf
ten «des Westens» vgl. Münkler, Kriegssplitter, S. 169 ff. 31 Parker, D er Dreißigjäh
rige Krieg, S. 114. 32 Dazu Schröder, Die Revolutionen Englands im 17. Jahrhundert,
S. 21-48, der sich freilich vor allem auf die inneren Konflikte konzentriert und die
Frage der englischen Außenpolitik weitgehend beiseitelässt; zur schwankenden Poli
tik Jakobs gegenüber einem internationalen protestantischen Bündnis vgl. Parker,
D er Dreißigjährige Krieg, S. 95, 99 und öfter; zu den Puritanern, die den König zur
Unterstützung der protestantischen Sache drängten, vgl. ebd., S. 114 und 132. 33
Dazu in knapper Zusammenfassung Parker, «The Soldiers of the Thirty Years War»,
S. 305 ff. 34 In diesem Zusammenhang ist an die Rolle der Obristen Gordon und
Butler bei der Ermordung Wallensteins zu erinnern; vgl. oben, S. 628 ff. 35 Im
Onate-Vertrag verzichtete Philipp III. auf den Anspruch, als einziger männlicher
Anmerkungen 913
Enkel Kaiser Maximilians II. die größten Rechte auf die Nachfolge als Kaiser des
Reichs zu haben; für dieses Entgegenkommen ließ er sich das Eisass und zwei Reich
senklaven in Italien abtreten. Gleichzeitig stellte Spanien dem Erzherzog Ferdinand,
mit dem dieser Vertrag ausgehandelt wurde, Barmittel in Höhe von einer Million
Taler zur Verfügung, damit er Söldner für die Verteidigung der Stadt Gradiska anwer
ben konnte; vgl. Parker, D er Dreißigjährige Krieg, S. 103-106. 36 Vgl. oben,
S. 646 ff. 37 Zum «Ende des spanischen Zeitalters» infolge seiner Verwicklung in
den Dreißigjährigen Krieg vgl. oben, S. 737 ff. 38 Dazu Lundkvist, «Die schwedi
schen Kriegs- und Friedensziele», S. 219 ff. 39 Zu den Leitlinien der französischen
Politik in der Ära Richelieus vgl. Wollenberg, Richelieu, S. 55 ff. und 83 ff, sowie Weber,
«Vom verdeckten zum offenen Krieg», S. 203 ff 40 Diese Parallele ist in der deut
schen Historiographie nach 1871 des Öfteren gezogen worden; vgl. Findeisen, Gus
tav II. A dolf, S. 231. 41 Goethe, Faust, Erster Teil, Zeilen 860-867. 42 Eine Aus
nahme bildet der Zuzug von 8000 polnischen Kosaken, die 1636 das am Rhein
operierende kaiserliche Heer unter General Gallas verstärken sollten. Ihre spezifi
schen militärischen Fähigkeiten waren jedoch in Süddeutschland und im Eisass nur
von geringer Relevanz. Sie hätten «unter furchtbaren Verwüstungen ganz Deutsch
land durchzogen», bemerkt Gindely ( Geschichte des dreißigjährigen Krieges, Bd. 3,
S. 87). «Der Kaiser hatte von diesen Hilfstruppen nicht nur keinen Gewinn, sondern
nur Schaden, da er wegen dieser seiner Bundesgenossen tausendfach verwünscht
wurde.» (Ebd.) 43 Für eine ausführliche Darstellung des Hauses Wasa und seiner
Spaltung in eine polnische und eine schwedische Linie vgl. Droysen, G u staf A dolf,
Bd. 1, S. 1-49; zur Politik des Schwedenkönigs gegenüber Polen vgl. ebd., S. 91 ff.,
sowie Bd. 2, S. 3-26. 4 4 Vgl. Parker, D er Dreißigjährige Krieg, S. 88 und 131. 45
Dazu Rill, T illy ,S . 142 ff 46 Für eine detaillierte Erörterung vgl. Parker, D er D reißig
jäh rige Krieg, S. 142 ff. 47 Dazu Mallett, M ercenaries and their Masters, sowie Trease,
D ie Condottieri. 48 Vgl. Huhnholz, Dschihadistische R aum praxis, S. 33 ff.
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Aa, Pieter van der (Verleger) 677 Arnim-Boitzenburg, Hans Georg von (kai
Abele, Johann Philipp (auch Abelin, Chro serlicher und später sächsischer General,
nist) 378 BeraterJohann Georgs I. von Sachsen)
Abu Hanieh, Hassan (Politikwissenschaft 135, 339£, 348, 358-361, 39°, 407- 409,
ler) 819 411, 489, 498, 501, 507, Sn, 524 £, 549, 559,
Ackermann, Georg (kaiserlicher Obrist) 561-563, 570, 582, 595, 609-614, 623 £,
475, 478, 480 f. 626, 648
Adolf II. von Holstein 307 t Arundel, Thomas Howard Earl of (engli
Adolf Friedrich I., Herzog von Mecklen scher Diplomat) 640, 665 h
burg-Schwerin 339, 428 f., 521 Assad, Baschar Hafiz al- 830, 833, 835
Albert von Toerring-Stein (Bischofvon August von Sachsen-Weißenfels (Sohn
Regensburg) 51 Johann Georgs I. von Sachsen) 464 k
Albrecht VII., Erzherzog von Österreich Augustinus, Aurelius (Theologe, Bischof
(Sohn Kaiser Maximilians II., Regent von Hippo) 288
der spanischen Niederlande) 105 £, 112, Avaux, Claude de Mesmes Graf d’ (franzö
118,128,133 f., 139,163 f. sischer Diplomat) 756, 786
Aldringen, Johann von (kaiserlicher Gene Aytona, Francisco de Moncada, Markgraf
ral) 233, 298-300, 366, 388, 400, 404f-, von (spanischer Botschafter in Wien)
515, 524, 53° f-, 545, S64, 581, 609 £, 614 £, 284, 395
621, 647 £, 650
Amalie Elisabeth von Hanau-Münzenberg, Bandhauer, Zacharias (Probst) 475, 478,
Landgräfin von Hessen-Kassel (Frau 480-485
Wilhelms V. von Hessen-Kassel) 726, Baner,Johan (schwedischer General) 498,
753, 771 £, 774,781 514, 566, 571, 582, 597, 604, 648, 669-676,
Anholt, JohannJakob, Graf von Bronck- 719, 777£, 751
horst-Batenburg (kaiserlicher Feldherr) Barudio, Günter (Historiker) 426 £
, ,
713 7 4 9 327 Bassompierre, Francois de (französischer
Anna, Prinzessin von Preußen (Frau Kur Diplomat und Marschall) 736
fürstjohann Sigismunds von Branden Baudissin, Georg von (schwedischer
burg) 117 Obrist) 570 £
Anna Maria Mauricia von Spanien Baumhauer, Till Ansgar (bildender
(genannt Anna von Österreich, Regen Künstler) 822
tin von Frankreich) 741 Bauschke, Bernd (Maler) 281
Anne Genevieve de Bourbon-Conde Bautru, Guillaume de, Graf von Serrant
786 (französischer Gesandter) 383 £
Antonie von Lothringen (FrauJohann Beck (General in spanischen Diensten)
Wilhelms vonJülich-Kleve-Berg 104 741-743
Namenregister 959
Enghien, Heinrich II. von Bourbon, Prinz 64s £, 657 £, 661-669,678 £, 697,712,
von Conde, Herzog von (französischer 715-720, 723 b, 729, 737 £, 746£, 772, 774,
Feldherr) 726, 740-743, 780 £, 783 794, 803, 832, 839-841
Ergang, Robert (Historiker) 16 £, 31, Ferdinand III., Kaiser des Heiligen Römi
35 schen Reiches, König von Ungarn und
Erlach, Hans Ludwig von (Obrist und Böhmen 376, 436-440, 635, 645-647,
General) 731,751 650, 661, 665, 667 £, 675, 678 h, 717-720,
Esterhazy, Nikolaus (Palatin von Ungarn) 724, 729, 737- 739, 743, 747- 756, 759,
319, 770 762h, 769-771,774- 776,779 £, 783-790,
Eugen Franz von Savoyen (genannt Prinz 792-795, 797-800, 803, 806, 812-814
Eugen) 348 Ferdinand von Bayern, Kurfürst und
Eynatten, Winand (Winnard) von (kur Erzbischofvon Köln 133 £, 239, 263, 327,
kölnischer Obrist) 222 f. 530 £, 678, 773
Ferdinand von Spanien und Portugal
Fabricius, Jacob (schwedischer Feldpredi (auch Fernando, «Kardinalinfant»,
ger) 592 f. Statthalter der spanischen Niederlande)
Fabricius, Philipp (böhmischer Kanzlei 646-650, 665£, 675, 724-727, 740, 836
sekretär) 45-50 Feria, Don Gomez Suärez de Figueroa,
Fadinger, Stefan (Anführer des oberöster Herzog von 614 £, 621, 645
reichischen Bauernaufstands) 306 f. Ferrante II. Gonzaga, Herzog von Guas-
Falkenberg, Dietrich von (schwedischer talla 393 £
Obrist) 467, 470-474 Feuquieres, Manasses de Pas, Marquis de
Federico II. Gonzaga, Herzog von Man (französischer Diplomat) 613 £
tua und Montferrat 398 Findeisen, Jörg-Peter (Historiker) 579,
Ferdinand I., Kaiser des Heiligen Römi 599
schen Reiches 72 Fleming, Clas Larsson (schwedischer
Ferdinand II., Erzherzog von Österreich Admiral) 764, 766 £
i °3 Franck, Hans Ulrich (Maler und Graphi
Ferdinand II., Kaiser des Heiligen Römi ker) 30, 517, 709-711, 822
schen Reiches (vormals Ferdinand Franz Albrecht, Herzog von Sachsen-
von Steiermark) 18, 25£, 34, 42-44,53, Lauenburg 506, 758
71-74, 90£, 97-101,120,122,126-134, Franz Karl, Herzog von Sachsen-Lauen-
136,139-H 5, 155- 157, 163 b, 166, 168, burg 441-444, 466
185-191,193 £, 196 £, 203 £, 214, 216, Freytag, Gustav (Schriftsteller) 13-15
224 £, 232-240,242-247,250,256,260 £, Friedrich I., Herzog von Württemberg 78
263-265,269-275,277-287,290,292, Friedrich II., König von Preußen 425, 838
296,298,303,306£, 309,320-322,327, Friedrich III., Herzog von Schleswig-
333, 340-346, 348£, 352.- 354, 361-379, Holstein-Gottorf 364
381-387,389 £, 393-401,404-410,413, Friedrich III., Prinz von Dänemark und
421,42.3 £, 427-429,431-433,435-400, Norwegen 294, 366
444-450,453,459-464,467,473, Friedrich IV., Kurfürst von der Pfalz 94
484-490,497,507,510,512-514,517 b, Friedrich V., Kurfürst von der Pfalz (als
521, 527-532, 536-541, 550 £, 559-564, Friedrich I. König von Böhmen, «Win
576£, 580, 593-595, 603, 609-611, 613, terkönig») 85, 95£, 97L, 133£, 136-139,
615-617, 619-626, 629, 631-633, 635£, 141,143-145,158-164,178,182-186,188 £,
962 ANH ANG
194; 196-199; 202 £, 205 £, 208 £, 213 £, Georg, Herzog von Braunschweig und
217, 223- 226, 23O-234, 236, 238 f., 2SO, Lüneburg 244 £, 339, 570 £, 582, 595,
261 f., 264, 267-270, 294, 303, 339, 382, 604, 610
389, 423, 429, 436, 464, 524, 536, 552, 577, Georg II., Landgrafvon Hessen-Darm
603, 665, 806, 836, 840 stadt 63, 65h, 327, 444, 522-524, 560 £
Friedrich V., Markgraf von Baden-Durlach Georg Friedrich, Markgraf von Baden-
206, 333 Durlach 93,138, 205 £, 208-212, 215,
Friedrich der Weise, Kurfürst von Sachsen 223 £, 333, 338 £, 553,667
63 Georg Wilhelm, Kurfürst von Branden
Friedrich Heinrich (Sohn Friedrichs V.) burg 122,186, 238, 268 £, 298, 303, 366,
161, 262, 345 374, 410, 418, 433- 436, 444, 454, 471 £,
Friedrich Heinrich, Prinz von Nassau- 486-489, 511, S59£, 601, 626, 755, 772
Oranien (Statthalter der Vereinigten Gerhardt, Paul (evangelischer Pfarrer und
Niederlande, kaiserlicher General) 411 f. Kirchenlieddichter) 686-689, 815
Friedrich Ulrich, Herzog von Braun- Gericke, Otto (später Otto von Guericke,
schweig-Wolfenbüttel 206, 243, 245, 469 Ratskämmerer von M agdeburg) 481 f.
Friedrich Wilhelm, Kurfürst von Branden Geyso, Johann von (hessischer General
burg 755 £, 784 major) 781
Friesenegger, M aurus (Pfarrvikar und Gideon (alttestamentarischer Richter) 417
Pfarrer im Kloster Andechs) 533 £, Gindely, Anton (Historiker) 166, 238, 269,
553- 557, 606, 783 3i3, 679
Friis, Christian (dänischer Kanzler) 367 Ginetti, Marzio (päpstlicher Legat, Kardi
Fruewein, Martin (Teilnehmer des böh nal) 747, 749 £
mischen Ständeaufstands) 191 Goethe, Johann Wolfgang von (Schriftstel
Fuchs von Bimbach, Hans Philipp ler) 839
(dänischer General) 296, 298-300, 328, Gordon, John (Stadtkommandant von
330-332 Eger) 628 f.
Fugger, Otto Heinrich Graf von (kaiser Gottfried Graf von Oettingen 93
licher Obrist und General) 490 £, 515, Gotthard, Axel (Historiker) 168, 286 £,
524; 650 666
Fürstenberg, Dietrich von, Fürstbischof Götz, Johann von (kaiserlicher Obrist
von Paderborn 216 und General) 589, 673, 723-725, 734f-,
Fürstenberg, Egon Graf von (kaiserlicher 770, 776
Obrist und General) 158, 325, 335, 490, Goya, Francisco de (Maler und Graphi
498-501,524 ker) 30
Furttenbach, Joseph (Chronist) 659 Gramont, Antoine III. de (französischer
Marschall) 781 f.
Gaddafi, Muammar al- 835 Gregor XIII. (Papst) 75f.
Gallas, Matthias (kaiserlicher General) Gregor XV. (Papst) 233, 235
233, 388, 400, 404 h; 5^4; 564 h; 580 £, 610, Grimmelshausen, Hans Jakob Christoffel
614, 616£, 623, 625-627, 631, 645-649, von (Schriftsteller) 29, 34 h, 517, 557h,
651, 654, 659 h, 672, 720-728, 763, 607h, 690-697, 702f.
765-767, 769-771, 774-776,779 Gronsfeld, Jost (Jobst) Maximilian Graf
Geleen, Gottfried von (kaiserlicher Feld von (kurbayerischer General) 366 £,
marschall) 781 £ 610, 725
Namenregister 963
Hülle, Anselm van (Maler) 447 (genannt Johann Friedrich der Groß
Hus, Jan (Theologe) 47 mütige) 141
Hussein, Saddam 83z f. Johann Georg, Herzog von Jägerndorf
Hyazinth von Casale (Federico Natta, 185-187, 315
Graf von Alfiano, Kapuzinerpater, Johann Georg I., Kurfürst von Sachsen 72,
Gesandter Papst Gregors XV.) 235 f., 88,132-136,143-145,185 £, 188,190,194 £,
240 214, 237 £, 298, 366, 374, 389, 398, 428,
434, 436, 444 - 449, 454, 462-464, 471 £,
Ilow, Christian von (kaiserlicher Feldmar 485-491, 496, 498, 500£, 506,510-517,
schall) 564, 625, 627 f. 573- 575, 578, 54°, 549, 559- 561, 570,
Ingen, Ferdinand van (Literaturwissen 579£, 600 -6 02, 608£, 611 £, 626,635f.,
schaftler) 683 f. 660£, 663-665, 6 67,6 74,678,724,759,
Isabella Clara Eugenia von Spanien 775, 785
(Tochter Philipps II., Frau Erzherzog Johann Sigismund, Kurfürst von Branden
Albrechts VII., Regentin der spani burg 93,110-113,115-118
schen Niederlande) 240,531, 641 Johann Wilhelm IV., Herzog vonJülich-
Kleve-Berg 100,103 £, 110,117
Jakob I., König von England 84 £, 94, 97, Johannes (Verfasser der Offenbarung)
112£, 136-138,163,199, 224-226, 237, 248, 230 £, 684, 714
261 f., 264 f., 267 f., 836 Josua (alttestamentarischer Anführer) 417
Jakobe, Herzogin vonJülich-Kleve-Berg Judas Makkabäus (alttestamentarischer
103 f. Anführer) 417 £
Jessenius, Jan (Rektor der Prager Uni Junkelmann, Marcus (Historiker) 519, 552,
versität, Teilnehmer des böhmischen 565, 579
Ständeaufstands) 191-193 Justin von Nassau (niederländischer
Jesus Christus 50,178, 216, 230, 401, 415, Admiral, Gouverneur von Breda)
417, 429; 447, 449; 497 639-641
Joachim Ernst, Markgraf von Branden
burg-Ansbach 93, 204 Kagge, Lars (schwedischer General) 648
Johann II., Herzog von Pfalz-Zweibrü Kampmann, Christoph (Historiker) 717 £
cken (Vormund Friedrichs V.) 94, Karl I., König von England 138, 261 £, 267,
103-105 291, 404, 664-666, 836
Johann VII., Graf von Nassau-Siegen 169 Karl I. Ludwig, Kurfürst von der Pfalz
Johann VIII., Graf von Nassau-Siegen (Sohn Friedrichs V.) 665, 806
397) 412 Karl I. von Gonzaga-Nevers, Herzog von
Johann Albrecht, Herzog von Mecklen Nevers (Prätendent im mantuanischen
burg-Güstrow 339, 428 f., 521 Erbfolgestreit) 393-398, 402, 406, 412
Johann Casimir, Graf von Pfalz-Zweibrü- Karl IV., Herzog von Lothringen 515, 518,
cken-Kleeberg 524 524, 650, 697 £, 771- 773, 776, 735 £
Johann Ernst I., Herzog von Sachsen- Karl V., Kaiser des Heiligen Römischen
Weimar 293, 302, 304, 314-318, 373, 377, Reiches (als Carlos I. König von Spa
443 f- nien) 29,141, 392 £,465, 484
Johann Friedrich, Herzog von Württem Karl Emanuel I., Herzog von Savoyen 127,
berg 93, 204 133-136,148, 236, 396£, 400, 697k
Johann Friedrich I., Kurfürst von Sachsen Karl von Burgau 103-105
Namenregister 9ÖS
Kepler, Johannes (Astronom und Mathe Leopold V., Erzherzog von Österreich-
matiker) 254 f-, 261, 350 Tirol, Fürstbischof von Passau und
Khevenhüller, Franz Christoph (kaiser Straßburg 115-120, 202, 206, 213 k, 224,
licher Diplomat und Historiograph) 373 231, 400 f.
Kinsky von Wchinitz und Tettau, Wil Leopold Wilhelm, Erzherzog von Öster
helm Graf (böhmischer Adliger) 613, reich, Fürstbischofvon Passau, Straß
627-629 burg, Breslau und Olmütz (Sohn Kaiser
Klaj, Johann (Dichter) 684 f. Ferdinands II.) 464-466, 759 k, 763
Klein, Emil (Maler) 479 Lerma, Francisco Gömez de Sandoral y
Klesl, Melchior (Kardinal, Bischofvon Rojas, Herzog von (Ratgeber Phil
Wien) 44,51, 53, 67-71, 86,122-125, 308 ipps III.) 110 f., 127-129, 235
Klitzing, Johann Kaspar von (sächsischer Leslie, Alexander (schottischer Feldmar
Obrist) 675 schall) 674-677
Klopp, Onno (Historiker) 384, 423 f. Leslie, George (schwedischer General)
Kochler (Obrist im Dienst Christians von 454
Braunschweig) 222 Leslie, Walter (kaiserlicher Offizier, stell
Kollmann, Josef (Historiker) 619 k vertretender Stadtkommandant von
Koniecpolski, Alexander (polnischer Eger) 628 k
Feldherr) 408 Leubelfing, August von (Page Gustavs II.
Königsmarck, Hans Christoph von Adolf) 589
(schwedischer General) 781, 797 Liechtenstein, Karl Fürst von (kaiserlicher
Kraus, Andreas (Historiker) 141 Statthalter in Böhmen) 187-190,192
Lindlo, Thimar von (kurbayerischer
LAllemand, Friedrich (Fritz) Wilhelm General) 307 k
(Maler) 123 Lobkowitz, Diepold von (Grandprior des
L’Isle, Melchior Baron de (französischer Malteserordens, kaiserlicher Statthalter
Diplomat, Herr von Hunnewald, St. in Böhmen) 45 f.
Hippolyte und Dangolsheim) 531-533 Lobkowitz, Polyxena von (Frau von
La Force, Jacques Nompar de Caumont, Zdenko von Lobkowitz) 49
Herzog von (französischer Marschall) Lobkowitz, Zdenko von (Großkanzler des
533, 72-5 Königreichs Böhmen) 45, 49
La Valette, Jean Louis de Nogaret de (Kar Logau, Friedrich von (Dichter) 448,
dinal, französischer General) 725 f. 679-682
Lamberg, Johann Maximilian Graf von Lohelius, Johann (Erzbischofvon Prag)
(kaiserlicher Diplomat) 792 43
Lamboy, Wilhelm Graf von (kaiserlicher Lorentzen, Theodor (Historiker) 431
General) 725,773 Lorenz, Angelika (Historikerin) 697
Lamormaini, Wilhelm (Beichtvater Ludendorff, Erich (deutscher General und
Ferdinands II.) 142,188, 374 k, 377 k, Politiker) 286
384-387, 621 Ludwig I., Graf von Erbach 521
Lasne, Michel (Graphiker) 351 Ludwig IV., Landgrafvon Hessen-Mar
Lawis, Sewis von (kaiserlicher, später burg 63
dänischer Obrist) 324 Ludwig V., Landgraf von Hessen-Darm-
Lebzelter, Friedrich (sächsischer Rat und stadt 63-67, 203 k, 214, 238, 241k, 327,
Gesandter) 240 768
966 ANH ANG
Ludwig XIII., König von Frankreich 27, gin von Schweden (Frau Gustavs II.
61-63, 67,106, 351, 384-386, 389, 450, 531, Adolf) 268, 599 £
533, 697, 718 £, 740 f. Marolles, Abbe Michel de (Kunstsammler,
Ludwig XIV., König von Frankreich 27, Übersetzer und Essayist) 697-699, 702,
284, 741 704 £,708
Luise Juliana von Oranien-Nassau, Kür Marradas, Don Balthasar Graf (spanisch
fürstin von der Pfalz (Mutter Fried kaiserlicher General) 167, 257, 622
richs V.) 137 Marrazino, Rodolfo Giovanni (auch Graf
Luther, Martin (Theologe und Reforma Rudolf Morzin, kaiserlicher Feldmar
tor) 63-65, 87 f., 195, 429 f., 462 schall) 674 h
Lützow, Carl von (kaiserlicher Gesandter) Marschalck, Levin von (deutscher Kanzler
751, 756 Christians IV.) 367
Luyken, Caspar (Kupferstecher) 677, 762 Marsin, Jean Gaspard Ferdinand Graf von
(französischer Feldmarschall) 781
Macdaniel, Dionysios (irischer Haupt Martines, Lauro (Historiker) 402 £
mann) 629 Martinitz, Jaroslaw von (böhmischer Statt
Machiavelli, Niccolö (Politiktheoretiker) halter) 41-43,45-51
142, 282, 375 Matthias, Kaiser des Heiligen Römischen
Magni, Valeriano (Kapuzinerfrater) 278, Reiches 41-44, 46, 49, 52, 60 £, 68-72,
287 100,120-122,124,126-128,130,185, 216,
Mann, Golo (Historiker) 341,545, 564, 832
579, 619 £, 627 Maximilian I., Herzog, später Kurfürst
Mann, Thomas (Schriftsteller) 681 von Bayern 34, 74, 78 £, 82, 90, 97-101,
Mansfeld, Peter Ernst (II.) Graf von 114,116 £, 122,127-130,132-134,139-HS,
(General und Kriegsunternehmer) 33 £, 164-166,168,170-173,178 h, 187 h, 190,
126,136,146-153,157, 16s, 167 k, 171-173, 193 £, 196-198,219,225, 233-240,244,
190,194,196,198, 201 £, 205,208-210, 247 £, 260 £, 263,272,274-276,278,280,
212-217, 222-224, 226-229, 231h, 236, 307-309, 311, 349, 364-366, 370, 374, 379,
239,242 £, 245-247,250,262 £, 267,269, 389, 398, 440, 448 £, 468, 485, 510, 513 h,
274, 280, 291, 293, 295-304, 313-323, 333, 518, 521, 528-534, 536- 538, 54° £, 545,
423, 441 £, 470, 537, 553, 730, 771, 829 549-553, SS6, 567, 581, 609, 616, 632, 635,
Mansfeld, Wolfvon (kaiserlicher General) 663 £, 667, 678, 712, 715, 720-723, 743,
469 753, 783, 803, 841
Mao Tse-tung (chinesischer Politiker und Maximilian I., Kaiser des Heiligen Römi
Partisanenkriegstheoretiker) 167 schen Reiches 392
Maria (MutterJesu) 50-52,169 £, 178,184, Maximilian II., Kaiser des Heiligen Römi
213, 230 £, 256,401,417,460 £, 484 h, 497, schen Reiches 60, 72
546, 555 Maximilian III., Erzherzog von Inner
Maria Anna von Spanien (Frau Kaiser und Oberösterreich 72, 97 £, 100 £
Ferdinands II., Schwester Philipps IV.) Mazarin, Jules (Kardinal, französischer
261£, 737 Premierminister) 741, 743
Maria deMedici, Königin von Frankreich Meggau, Leonhard Helfried von (kaiser
(Frau Heinrichs IV.) 110,113 £, 120, 262, licher General) 179
384 h, 4°9 £, 657 Mehring, Franz (Historiker) 425
Maria Eleonora von Brandenburg, Köni Meier, Christian (Historiker) 285
Namenregister 967
Pechmann von der Schönau, Gabriel (kai Puchheim, Adolf Graf von (kaiserlicher
serlicher Obrist) 314-316, 318, 337 f. General) 770, 776
Pekar, Josef (Historiker) 619 Pufendorf, Samuel (Rechtsphilosoph und
Penaranda, Caspar de Bracamonte y Historiker) 279
Guzmän, Graf von (spanischer Diplo
mat) 787 Quadt von Wickrath, Matthias (Gesandter
Pere Joseph (Frangois-Joseph Le Clerc Bethlen Gabors) 304
du Tremblay de Maffliers, Kapuzi Questenberg, Gerhard von (kaiserlicher
nermönch, Vertrauter von Kardinal Rat) 316,345
Richelieu) 263, 351, 439, 513, 636
Peters, Jan (Historiker) 492 Räköczi, György (Fürst von Siebenbür
Philipp I., Landgrafvon Hessen (genannt gen) 770 £, 776,779
Philipp der Großmütige) 63-66 Ramsay, Jakob von (englischer, später
Philipp II., Landgrafvon Hessen-Rhein schwedischer Obrist) 693
fels 63 Ranke, Leopold von (Historiker) 316, 820
Philipp II., König von Spanien 25 Rantzau, Detlev (dänischer Diplomat)
Philipp III., König von Spanien 25 £, 367
7 2 - 7 4 , 105,127,138,163 £, 166 f., 193, Rantzau, Heinrich (dänischer Diplomat)
195 £, 234 367
Philipp IV., König von Spanien 25 h, 196, Rantzau, Josias (General in französischen
234, 240, 261 £, 383-386, 395 £, 400, 528, Diensten) 726
646, 665 h, 717, 737-739, 791 Rasin, Jaroslaw Sezyma (böhmischer
Philipp Christoph von Sötern, Kurfürst Exilant) 561
und Erzbischofvon Trier und Speyer Rasso (Frankenkönig) 554
263,531, 658, 678, 748 Rauschenberg, Johann von (Amtmann
Philipp Ludwig, Herzog von Pfalz-Neu vonJülich) m-113
burg 82, 93,103-105,11s Ravaillac, Francois (Mörder Hein
Philipp Moritz, Graf von Hanau-Münzen richs IV.) 106,110,120
berg 521 Rehlinger, Max Conrad von (Vertrauter
Philipp von Hessen-Kassel (Sohn von Bernhards von Sachsen-Weimar) 730
Moritz von Hessen-Kassel) 331 £, Reinicke, Rene (Maler) 594
337 Repgen, Konrad (Historiker) 789, 798,
Piccolomini, Ottavio (kaiserlicher 800, 805, 828
General) 252, 400, 404 £, 499 £, 564 £, Richel, Bartholomäus (bayerischer
586, S94, 620-622, 625-628, 630£, 672, Gesandter) 621
722-724,758-760,762 £ Richelieu, ArmandJean du Plessis, Her
Pieroni, Giovanni (Architekt Wallen zog von (Kardinal, Premierminister
steins) 251 £ Ludwigs XIII.) 26,106, 262-264, 291,
Piper von Minden, Heinrich (Obrist) 221 349-35L 379, 382-385, 388-390, 399 £,
Plessen, Vollrad von (pfälzischer Geheim 409 £, 440,449,467,512 £, 530,613 £, 631,
rat) 84 636 656-658, 668, 7x6, 722£, 741, 743,
Plessner, Helmuth (Philosoph und Sozio 748, 834, 838, 840
loge) 11 Ritter, Moriz (Historiker) 57, 79, 82, 90,
Polisensky, Josef (Historiker) 619 h 116 £, 142,157,161,165,170, 295, 313, 440,
Press, Volker (Historiker) 60,102 446, 614
Namenregister 969
Vitzthum, Hans (Obrist) 532, 621, 675 f. Wiederhold, Conrad (Obrist, Komman
Wahlbom, Carl (Maler) 592 dant von Hohentwiel) 731
Wallenstein, Albrecht Wenzel Eusebius, Wilhelm II., Kaiser des Deutschen Rei
Herzog von Friedland, Mecklenburg ches 286, 425
und Sagan (Generalissimus der kai Wilhelm IV., Herzog von Sachsen-Weimar
serlichen Armee) 25, 32 f.,36, 39, 59, 98, 244, 443 f-, 488 f., SH, 566, 574
190f., 251-257, 260{., 270-293, 295-304, Wilhelm IV., Landgrafvon Hessen-Kassel
313 h, 316-322, 327 b, 334f-, 337- 372, 62 b
376 f., 382, 384 b, 389b, 394-396,400, Wilhelm V., Herzog von Bayern 98f.
402, 405-409, 411b, 418 b, 421, 432,435, Wilhelm V., Herzog vonJülich-Kleve-Berg
437- 439, 441- 443, 445, 449, 45lb, 455, 103,117
460 f., 465-468, 470, 484, 508 f., 512-515, Wilhelm V., Landgrafvon Hessen-Kassel
519- 521,526,536-542, 547, 549- 551, 556, 327, 441, 443, 446, 467, 49°, 514, 559, S61,
559, 561-567, 570- 578, 580-588, 590b, 570 b, 574, 610, 669, 673, 724-726, 772
593-596, 598-600, 603, 607-633, 638, Wilhelm VI., Landgrafvon Hessen-Kassel
645b, 658-660, 665, 667, 669, 671-673, 772
676, 681 f., 685, 720,723, 728, 761, 764, Wilhelm von Waldburg (Marschall und
769, 771, 799, 829 Reichsgraf) 104
Wallies, Joachim von (auch von Wahl, Wilmersdorf, Cuno von (brandenburgi-
kaiserlicher Feldherr) 493 scher Gesandter) 433-435, 448
Walmerode, Reinhard von (Hofkammer Wiltheim, Gaspard (Jesuitenpater) 483
rat) 366 b Winckel, Johann Georg aus dem (schwedi
Waltz, Kenneth (Politikwissenschaftler) scher Obrist) 711
24 Witte, Hans de (Bankier Wallensteins)
Wambolt von Umstadt, Anselm Casimir, 290,452,539
Kurfürst und Erzbischofvon Mainz 435, Wolf, Anton (hessisch-darmstädtischer
444, Si8, 531, 56of., 678 Kanzler) 444
Wangier, Johann (kaiserlicher General) Wolff, Leonhard (kaiserlicher Soldat)
493 474 b, 478
Wartenberg, Franz Wilhelm Graf von, Wolfgang Wilhelm von Pfalz-Neuburg,
Fürstbischof von Osnabrück und Herzog von Jülich-Berg 105,110-113,
Regensburg 294, 297 115-118, 772 b
Wedgwood, Cicely Veronica (Histori Wrangel, Carl Gustav (schwedischer Feld
kerin) 36,166,190,193 b, 295, 343, 449, marschall, später Admiral) 674,767
661 f.
Wehler, Hans-Ulrich (Historiker) 17, 31,35 Zamoyski, Jan (polnischer Großkanzler)
Weingartner, Johannes (kaiserlicher Hof 255
prediger) 621b Zeller, Christoph (Anführer des oberös
Welser, Philippine (Frau Ferdinands II., terreichischen Bauernaufstands) 306 b
Erzherzog von Österreich) 103 Züniga, Don Balthasar de (spanischer
Werth, Jan von (bayerischer General) Diplomat) 72^106,127-129,235
606f., 631 f., 659, 720-722, 725, 728, 733b, Zwingli, Huldrych (protestantischer
764, 776, 780-783 Theologe) 66
DANK
Beim Schreiben dieses Buches stellte ich fest, dass ich mir - und damit
auch den Lesern - sehr viel mehr erklären musste, als ich anfangs dachte.
Dabei verdanke ich mancher im späten 19. Jahrhundert verfassten Publika
tion mindestens ebenso viel wie den jüngeren Forschungen. Das hat nicht
zuletzt damit zu tun, dass die älteren historiographischen Arbeiten sich für
Aspekte des Geschehens interessiert haben, die in der neueren Forschung
keine Rolle mehr spielen. Letztere interessiert sich stärker für Strukturen
als für Abläufe und gibt deswegen dem Analytischen gegenüber dem Nar
rativen den Vorzug. Da ich eine Verbindung von beidem, der erzählenden
Darstellung des Geschehens und dessen analytischer Durchdringung, im
Sinn hatte, war es unerlässlich, nicht nur die jüngere Forschungsliteratur,
sondern auch die ausführlichen Darstellungen der älteren Historiographie
einzubeziehen. Bei der Beschaffung dieses mehrere Bücherregale füllenden
Materials war mir Hana Rydza eine unentbehrliche Hilfe. Ohne ihr Enga
gement und ihre Zuverlässigkeit wäre manches nicht möglich gewesen. Ihr
gilt mein herzlicher Dank.
Dieses Buch wäre nicht entstanden ohne die großzügige Förderung
durch die Carl Friedrich von Siemens Stiftung, deren Geschäftsführer
Prof. Dr. Heinrich Meier mir ein einjähriges Siemens-Fellowship in Mün
chen angeboten hat. In der wunderbaren Umgebung der Schellingstraße
hatte ich die Chance, mich ganz auf die Niederschrift zu konzentrieren.
München, eines der politischen Steuerungszentren des Dreißigjährigen
Krieges, war der richtige Ort, ein Buch über diesen Krieg zu schreiben.
Wenn es mir an Motivation fehlte, bin ich ein paar hundert Meter zur Feld
herrnhalle gegangen und habe mir den dort als Statue postierten Tilly
angesehen oder die daneben befindliche maximilianische Residenz, deren
Bau mit Kriegsbeginn abgeschlossen worden war und die Gustav Adolf, als
er München besetzt hatte, so gut gefiel, dass er sie am liebsten auf Räder
Dank 973
Vor allem aber gilt mein Dank meiner Frau Prof. Dr. Marina Münkler,
die mir im Werden des Buches, und zwar in allen seinen Phasen, eine auf
merksame Gesprächspartnerin war, die den Text gelesen, kritisiert und ver
bessert hat, und sich davon auch nicht durch ihre eigenen Verpflichtungen
und Belastungen hat abhalten lassen. Durch ihre sorgfältige Lektüre, den
kritischen Blick für Unschärfen wie unnötige Überspitzungen und nicht
zuletzt durch aufmunternden Zuspruch hat sie mir mehr geholfen, als ich
im Text durch Hinweise hätte kenntlich machen können. Ihr ist das Buch
gewidmet.
BILDNACHW EIS