Sie sind auf Seite 1von 978

HERFRIED MUNKLER

BERLIN

DER
DREISSIGJÄHRIGE
KRIEG
EUROPÄISCHE KATASTROPHE,
DEUTSCHES TRAUMA
1618-1648
Vor 400 Jahren begann der Dreißigjährige Krieg:

Herfried Münkler verbindet große Geschichtsschreibung


mit dem Blick auf unsere Gegenwart

Als am 23. Mai 1618 protestantische Adelige die Statthalter des römisch­
deutschen Kaisers Ferdinand II. aus den Fenstern der Prager Burg stürzten,
konnte niemand ahnen, was damit seinen Anfang nahm: der längste Krieg
auf deutschem Boden, zugleich der erste im vollen Sinne «europäische
Krieg». Herfried Münkler erzählt vom Schwedenkönig Gustav Adolf und
von großen Feldherren wie Wallenstein oder Tilly, von geschickter Bündnis­
politik, dramatischen Schlachten und einer nie da gewesenen Gewalt, die
ganze Landschaften verheerte. Dabei behält er auch unsere Zeit im Blick:
Besser als alle späteren Konflikte, so zeigt Münkler, lässt uns der
Dreißigjährige Krieg die Kriege der Gegenwart verstehen.

«Eine monumentale Darstellung ... Münkler zeichnet den


Dreißigjährigen Krieg mit einem Detailreichtum nach,
den es in der deutschsprachigen Geschichtsschreibung seit
mehr als hundert Jahren nicht mehr gegeben hat.»

GUSTAV SEIBT, SÜ D DEU TSCH E ZEITUNG


Noch heute gilt «Dreißigjähriger Krieg» als Metapher
für die Schrecken des Krieges schlechthin, dauerte es
doch Jahrzehnte, bis die Verwüstungen überwunden
waren, die der längste Krieg auf deutschem Boden
angerichtet hatte. Dabei war, als am 23. Mai 1618
protestantische Adelige die Statthalter des römisch­
deutschen Kaisers Ferdinand II. aus den Fenstern der
Prager Burg stürzten, kaum abzusehen, was folgen
sollte: ein Flächenbrand, der erste im vollen Sinne
«europäische Krieg».

Fesselnd erzählt Herfried Münkler vom Schweden­


könig Gustav Adolf und dem Feldherrn Wallenstein,
von Kardinalen und Kurfürsten, von den Lands­
knechten und den durch Krieg und Krankheiten -
ein Viertel der Bevölkerung fand den Tod - verheer­
ten Landschaften Deutschlands. Auch die europäi­
sche Staatenordnung lag in Trümmern - und doch
entstand auf diesen Trümmern eine wegweisende
Friedensordnung, mit der eine neue Epoche ihren
Ausgang nahm.

Herfried Münkler führt den Krieg in all seinen


Aspekten vor Augen, behält dabei aber auch unsere
Gegenwart im Blick: Der Dreißigjährige Krieg kann
uns, wie er zeigt, besser als alle späteren Konflikte
die Kriege der Gegenwart verstehen lassen. Eine
packende Gesamtdarstellung, die historische Erzäh­
lung und politische Analyse vereint.
Herfried Münkler
geboren 1951, ist Professor für Politikwissenschaft
an der Berliner Humboldt-Universität und Mitglied
der Berlin-Brandenburgischen Akademie der
Wissenschaften. Viele seiner Bücher gelten als
Standardwerke, etwa «Die neuen Kriege» (2002),
«Imperien» (2005), «Die Deutschen und ihre
Mythen» (2009), das mit dem Preis der Leipziger
Buchmesse ausgezeichnet wurde, sowie «Der
Große Krieg» (2013) und «Die neuen Deutschen»
(2016), die beide monatelang auf der «Spiegel»-
Bestsellerliste standen.

Umschlaggestaltung: Frank Ortmann


Umschlagabbildung: Radierung (17. Jh.) von Jan Martszen d. J. /bpk
Foto des Autors: © Caro/Zensen
HERFRIED M Ü N K LER

DER
D REISSIG JÄ H RIG E
KRIEG

EU RO PÄISCH E KA TA STRO PH E,
DEUTSCHES TRAUM A
1618-1648

Rowohlt • Berlin
4- Auflage Dezember 2017
Copyright © 2017 by Rowohlt • Berlin Verlag GmbH, Berlin
Karten Peter Palm, Berlin
Satz Arno Pro O T F (inDesign) bei
Pinkuin Satz und Datentechnik, Berlin
Druck und Bindung G G P Media GmbH, Pößneck,
Germany
ISB N 978 3 87134 813 6
Für Marina
INHALT

EIN LEIT U N G
DEU TSCH E ERIN N ER U N G UND
DEUTSCHES TRAUM A

Historische Zäsuren und antiquarisches Interesse 15 Die Westfälische


Ordnung, der Aufstieg des Staates und die Verstaatlichung des Krieges 22
Hierarchie und Gleichgewicht 24 Die Vielfalt der Kriegstypen 29 Res­
sourcenverbrauch, Kriegsfinanzierung und Heeresversorgung 31 Der
Dreißigjährige Krieg und wir 36

1. K A P I T E L
« IH R K E N N T N IC H T DIE FO LG EN E U R E S T U N S » :
AN FÄ N G E UND V O RG ESCH IC H TEN

Fenstersturz in Prag 41 Anlässe und Ursachen 52 Der Streit um das


Marburger Land zwischen den hessischen Landgrafen 61 War der Krieg
wirklich «unvermeidlich»? 67 Kalenderstreit und Reichsexekution
gegen Donauwörth 75 Die Gründung von Union und Liga 82 Der Erb­
schaftsstreit um das Herzogtum Jülich-Kleve-Berg 101 Einige Schlussfol­
gerungen für die Darstellung des Krieges 119

2. K APITEL
EIN A U FST A N D , D ER DAS R E IC H E R S C H Ü T T E R T :
DER BÖ H M ISCH -PFÄ LZISCH E K R IE G

Auf Bündnissuche 121 Kaiser Ferdinand und Herzog Maximilian 137


A uf dem böhmischen Kriegsschauplatz 14s König für ein Jahr: Friedrich
von der Pfalz in Böhmen 158 Entscheidungsschlacht am Weißen Berg 166
Das kaiserliche Strafgericht über die böhmischen Rebellen 184 Der Krieg
um die Pfalz 193 Der Markgraf von Baden und Christian von Braun­
schweig zos Das Ende des Kriegs um die Pfalz Z23 Symbolkrieg, Propa­
gandakrieg und die Übertragung der Kurwürde 130

3. K APITEL
FO RT G A N G UND A U SW EIT U N G :
DER N IED ERSÄ CH SISC H -D Ä N ISCH E K R IE G

Ein neuer Kriegsschauplatz entsteht 141 Auftritt Wallenstein 251 Däne­


marks Kriegseintritt 261 Wallensteins Heer 270 Eine Kriegsetappe:
Der Kampf um die Dessauer Brücke 290 Der oberösterreichische Bau­
ernaufstand und der Ungarnfeldzug Mansfelds und Wallensteins 302
Die Schlacht von Lutter am Barenberg 324 Die Weiterführung des Krie­
ges 333 Das spanisch-kaiserliche Ostseeprojekt 342 Das Ringen um
Stralsund: Episode oder Wende des Krieges? 356 Der Lübecker Friedens­
schluss und das kaiserliche Restitutionsedikt 363

4. K A P IT E L
IT A LIEN ISC H -PO LN ISC H ES ZW ISC H EN SPIEL

Ein europäischer Krieg auf deutschem Boden 381 Der mantuanische Erb­
folgekrieg 392 Wallensteins polnischer Diversionskrieg und der Feldzug
in die Niederlande 406
5. K A P IT E L
D IE Z E I T D E R G R O S S E N S C H L A C H T E N :
DER SCH W ED ISCH E K R IE G

Gustav Adolfs Landung aufUsedom 41s Die Debatte über Gustav Adolfs
Kriegsgründe 422 Das Streben nach Neutralität: Die Zögerlichkeit der
protestantischen Fürsten, sich den Schweden anzuschließen 428 Wal­
lensteins Entlassung 43s Konsolidierung der schwedischen Position in
Mecklenburg und Pommern 440 Gustav Adolfs Heer 453 Der Leipziger
Konvent 461 Die Vernichtung Magdeburgs 464 Entscheidungszwang
und Entscheidungsvermeidung: Johann Georg von Sachsen 486 Breiten­
feld, die blutigste Schlacht des Krieges 491 Gustav Adolfs Siegeszug durch
Deutschland 504 Zwischenspiele der Diplomatie 526 Tillys Ende an
Lech und Donau 533 Die Verwüstung Bayerns, das Schwanken Sachsens
und der Wiederaufstieg Wallensteins 547 Stellungskrieg bei Nürnberg
und Entscheidungsschlacht bei Lützen: zwei Etappen im Duell zwischen
Gustav Adolf und Wallenstein 562 Politische Bewegung, militärischer
Stillstand 596 Wallensteins Ermordung in Eger 617

6. K A P I T E L
EIN K R IE G , D ER N IC H T EN D EN W ILL:
VOM Z E R F A L L D ER M A C H T

Das Eigenleben des Krieges und seine Bilder 635 Die Schlacht bei Nörd-
lingen und der Zusammenbruch der schwedischen Macht in Oberdeutsch­
land 645 Vom Prager Frieden zur Schlacht von Wittstock 660 Die große
Klage: Unglücksbewältigung in Literatur und bildender Kunst 679 Das
Eingreifen Frankreichs: Verhandlungen, Bündnisse und der Krieg am
Oberrhein 711 Der Niedergang der spanischen Macht: finanziell und
militärisch, zu Wasser und zu Lande 737
7. K A P I T E L
ZW ISCH EN K R IE G UND FR IED EN :
DER LAN GE W EG NACH M Ü N ST ER UND
OSNABRÜCK

Die Präliminarfriedensvereinbarung 745 Die zweite Schlacht von Brei­


tenfeld und der schwedisch-dänische Krieg 758 Die Lage an Nieder- und
Oberrhein und der Untergang des kaiserlichen Heeres bei Jankau 769
Der Beginn der Friedensverhandlungen in Münster und Osnabrück 783
Der Westfälische Frieden 789

SCHLUSS
DER D R EISSIG JÄ H R IG E K RIEG ALS AN ALYSEFO LIE
G EG EN W Ä R TIG ER UND Z U K Ü N FT IG E R K R IE G E

Was heißt «Ende der Westfälischen Ordnung»? 817 Historische Analo­


gien als methodische Herausforderung 821 Die Kriege im Vorderen Ori­
ent und in Nordafrika als neuer Dreißigjähriger Krieg 825 Strukturanalo-
gien 834

Anmerkungen 845
Literatur 925
Namenregister 958
Dank 972
Bildnachweis 975
EINLEITUN G
DEUTSCHE ERINNERUNG UND
DEUTSCHES TRAUMA

ie Erinnerung an den Dreißigjährigen Krieg war das große Trauma


der Deutschen, bis dieses Trauma durch die kollektive Erinnerung
an die Gewalt und Zerstörung abgelöst wurde, die mit den beiden Welt­
kriegen einhergingen. Die Verwüstung der Städte, die Verheerung des Lan­
des und das massenhafte Sterben der Menschen in den Jahren von 1618 bis
1648 standen beispielhaft für die Schrecken des Krieges,1 doch diente der
Dreißigjährige Krieg darüber hinaus als Erklärung dafür, warum die deut­
sche Geschichte, so die Annahme, seit dem 17. Jahrhundert ganz anders
verlaufen sei als die der meisten europäischen Nationen: Während diese
politisch handlungsfähige Staaten gebildet und ihre jeweiligen Interessen
in gegenseitiger Konkurrenz zur Geltung gebracht hätten, sei Deutschland
zum Tummelplatz für die Heere ebenjener Mächte geworden und habe erst
mit großer Verspätung einen eigenen Nationalstaat bilden können. Dass
die Deutschen unter den Europäern zur «verspäteten Nation» wurden,
wie die von dem Soziologen Helmuth Plessner geprägte Formel lautet,2
hat dieser Erinnerung zufolge ihre Ursache im Dreißigjährigen Krieg, der
seinerseits wiederum auf die konfessionelle Spaltung des Landes zurück­
zuführen sei.
Gemäß dieser Beschreibung ist Deutschland einen «Sonderweg»
gegangen: Während sich bei den mächtigen Akteuren der europäischen
Politik, bei Frankreich und England, Spanien und Schweden, eine verbind­
liche Konfession durchsetzte, blieb Deutschland konfessionell gespalten,
12 E IN L E IT U N G

und im Westfälischen Frieden wurde dies festgeschrieben. Die Spaltung,


so die geschichtspolitische Meistererzählung weiter, habe sich im 18. Jahr­
hundert zum machtpolitischen Gegensatz zwischen dem protestantischen
Preußen und dem katholischen Österreich, zwischen der Herrscherfami­
lie der Hohenzollern und dem Hause Habsburg zugespitzt, der bald zwei
Jahrhunderte lang einer deutschen Nationalstaatsgründung entgegenstand.
Folgt man dieser Sichtweise, so ist der im Dreißigjährigen Krieg ausgetra­
gene Konflikt erst 1866 in der Schlacht bei Königgrätz (beziehungsweise
Sadowa, wie man in Österreich sagt) zugunsten des protestantischen Nor­
dens entschieden worden - geographisch nicht zufällig in Böhmen, also
dort, wo der Dreißigjährige Krieg seinen Anfang genommen hat. Der Krieg
habe Deutschland gegenüber seinen Nachbarn um zwei Jahrhunderte
zurückgeworfen, und deswegen müssten die Deutschen in Jahrzehnten
nachholen, wozu andere Jahrhunderte Zeit gehabt hätten. Die Trauma-
Erzählung wurde damit zum Beschleunigungsimperativ der Politik.
Als Spätankömmling, so die politische Pointe der Erzählung, habe
Deutschland sich seinen Platz unter den europäischen Großmächten nach­
träglich erobern müssen, und dabei sei es vor allem mit jenen Mächten in
Konflikt geraten, die sich im Dreißigjährigen Krieg Einfluss auf die deut­
sche Politik verschafft und diesen Einfluss im Westfälischen Frieden auf
Dauer gefestigt hätten. Die drei Einigungskriege, die Preußen zwischen
1864 und 1870 geführt hat, konnten demnach als Revision der Ergebnisse
des Dreißigjährigen Krieges angesehen werden, und die den Deutschen
angetane Gewalt wurde zur Rechtfertigung für die nunmehr von den Deut­
schen den anderen zugefügte Gewalt. Wer sich als Opfer begreift, hat off
keine Probleme damit, andere zum Opfer zu machen. Noch bei Beginn des
Ersten Weltkriegs gehörte es zu den gängigen Begründungen für das mili­
tärisch offensive Vorgehen der Deutschen, man dürfe nicht zulassen, dass
dem neuen Reich dasselbe Schicksal widerfahre wie dem alten Reich im
Dreißigjährigen Krieg. Das im kollektiven Gedächtnis der Nation veran­
kerte Trauma wurde zur Rechtfertigung eines aggressiven Auftretens und
zum Imperativ, die Wiederholung eines solchen Krieges auf deutschem
Territorium unter allen Umständen zu verhindern. Das Mittel, das die
Geschichtserzählung nahelegte, war eine Außenpolitik, die vor einem Prä-
Deutsche Erinnerung und deutsches Trauma 13

ventivkrieg nicht zurückschreckte. Dies wiederum, so die Anschlusserzäh­


lung von einem zweiten Trauma, habe dazu beigetragen, dass es in Europa
im 20. Jahrhundert zu einem weiteren «Dreißigjährigen Krieg» gekom­
men sei, wie die beiden zu einem Geschehen zusammengefügten Welt­
kriege bezeichnet worden sind3 - eine überaus bittere Pointe, wenn vom
«Lernen aus der Geschichte» die Rede ist.
Lange Zeit stand neben dem traumagespeisten Imperativ aggressiver
Machtpolitik die ebenfalls durch den Rückbezug auf den Dreißigjährigen
Krieg gestützte Überzeugung, einen derart langen und gesellschaftlich ver­
heerenden Krieg nicht noch einmal zulassen zu dürfen. Es war der greise
Generalfeldmarschall Helmuth von Moltke, der legendäre Sieger von König-
grätz und Sedan, der am 14. Mai 1890 in einer Reichstagsrede vor einem
neuen großen Krieg in Europa warnte, einem Krieg, der nicht «in einem
oder in zwei Feldzügen» erledigt sein werde; «es kann ein siebenjähriger,
es kann ein dreißigjähriger Krieg werden, - und wehe dem, der Europa in
Brand steckt, der zuerst die Lunte in das Pulverfaß schleudert!»4
Nahm man diese Warnung ernst, so lief sie darauf hinaus, die Entste­
hung von politischen Konstellationen zu verhindern, die denen vor Beginn
des Dreißigjährigen Krieges ähnelten. Das konnte zu einer klug angelegten
Entspannungspolitik führen, ebenso aber zur Planung kurzer Kriege, die
in schnellen Feldzügen entschieden werden sollten. In diesem Fall wirkte
das Geschichtsnarrativ des Dreißigjährigen Krieges wie eine Aufforderung,
Kriege nach der zügig gesuchten Entscheidungsschlacht umgehend wie­
der zu beenden. Das Problem der deutschen Politik vor 1914 war, dass sie
zwischen beiden Optionen, der Kriegsverhinderung auf der einen und der
schnellen Niederwerfung des Gegners auf der anderen Seite, hin und her
schwankte. Die Trauma-Erzählung ließ keine eindeutige Entscheidung und
Festlegung zu.
Ms Helmuth von Moltke vor einem neuen Dreißigjährigen Krieg
warnte, äußerte er sich nicht nur als professioneller Militär, sondern
brachte auch die Vorstellungswelt des deutschen Bürgertums zum Aus­
druck, die durch die Schilderungen des Dreißigjährigen Kriegs in Gustav
Freytags weitverbreitetem Werk Bilder aus der deutschen Vergangenheit
- erschienen in mehreren Bänden zwischen 1859 und 1867 - geprägt war.
14 E IN L E IT U N G

«Wie der Kampf», so resümiert Freytag die Situation nach Ende des Krie­
ges, «waren auch die Zustände, welche nach dem Kriege eintraten, außer
allem Vergleich mit anderen Niederlagen kultivierter Völker. Gewiß sind
in einzelnen Zeiträumen der Völkerwanderung große Landschaften Euro­
pas noch mehr verödet worden, zuweilen hat im Mittelalter eine Pest die
Bewohner großer Städte ebensosehr dezimiert; aber solches Unglück war
entweder lokal oder wurde leicht durch den Überschuß von Menschen­
kraft geheilt, der aus der Umgegend auf dem geleerten Grund zusammen­
strömte, oder es fiel in eine Zeit, wo die Völker nicht fester auf dem Boden
standen als lockere Sanddünen am Strand, welche leicht von einer Stelle
zur andern geweht werden. » 5

Freytag ging es darum, das Exzeptionelle dieses Krieges herauszustel­


len, seine Einmaligkeit und Unvergleichbarkeit vor allem im Hinblick auf
das Unglück und Elend, das den Deutschen widerfahren sei: «Hier aber
wird eine große Nation mit alter Kultur, mit vielen hundert festgemauerten
Städten, vielen tausend Dorffluren, mit Acker- und Weideland, das durch
mehr als dreißig Generationen desselben Stammes bebaut war, so verwüs­
tet, daß überall leere Räume entstehen, in denen die wilde Natur, die so
lange im Dienste des Menschen gebändigt war, wieder die alten Feinde
des Menschen aus dem Boden erzeugt, wucherndes Gestrüpp und wilde
Tiere. Wenn ein solches Unglück plötzlich über eine Nation hereinbräche,
es würde ohne Zweifel auch eine kleine Zahl der Überlebenden unfähig
machen ein Volk zu bilden, ja schon das Entsetzen würde sie vernichten;
hier aber hat das allmähliche Eintreten der Verringerung den Überleben­
den das Schreckliche zur Gewohnheit gemacht. Eine ganze Generation
war aufgewachsen innerhalb der Zeit der Zerstörung. Die gesamte Jugend
kannte keinen anderen Zustand als den der Gewalttat, der Flucht, der all­
mählichen Verkleinerung von Stadt und Dorf, des Wechsels der Konfes­
sion. » 6 Gustav Freytags Zeilen können als Kurzfassung der deutschen
Trauma-Erzählung gelten.
Das von ihm prominent entfaltete Opfernarrativ hatte eine ambivalente
Wirkung: 7 Auf der einen Seite fügte es sich in einen Zustand der Trauer,
des melancholischen Erinnerns und der politischen Zurückhaltung; auf
der anderen Seite verschaffte es denen, die als Opfer der Geschichte und
Deutsche Erinnerung und deutsches Trauma iS

der geopolitischen Konstellationen vorgestellt wurden, ein gutes Gewissen,


wenn es darum ging, die eigenen Ansprüche durchzusetzen: Man war ja
Opfer und hatte in der Vergangenheit gelitten, weswegen Gegenwart und
Zukunft dafür entschädigen mussten. Je eindringlicher das Opfernarrativ,
desto größer der Anspruch auf Ausgleich. Das lässt sich an der Haltung des
deutschen Bürgertums beobachten, dem die meisten Leser Gustav Frey­
tags entstammten und von dem er, ein politisch Liberaler, erwartete, dass es
im neugeschaffenen Deutschen Reich eine führende Rolle spielen werde.8
Es war vor allem das Bildungsbürgertum, das die Opfererzählung des Drei­
ßigjährigen Krieges aufsaugte und daraus schlussfolgerte, man dürfe unter
keinen Umständen noch einmal in diese Rolle hineingedrängt werden.
Man verstand Machtpolitik darum nicht als ein Projekt, dessen Chancen
und Risiken, Erträge und Kosten kühl kalkuliert werden mussten, sondern
glaubte, ein Recht auf die Umkehrung der früheren Konstellationen zu
haben. Sobald moralische Ansprüche ins Spiel kommen, erscheinen Risi­
kokalkulationen und Kosten-Nutzen-Erwägungen als kleinliches Denken
gegenüber dem, was als historische Gerechtigkeit verstanden wird. Hierin
lag die politische Wirkung der Opfererzählung und der traumatischen
Fixierung auf den Dreißigjährigen Krieg in der kollektiven Erinnerung der
Deutschen.

Historische Zäsuren
und antiquarisches Interesse

Aber ist die Darstellung der Kriegsfolgen bei Gustav Freytag überhaupt
zutreffend? Oder hatte er maßlos übertrieben? Hatte sich das deutsche
Bürgertum im 19. Jahrhundert womöglich in ein Trauma «hineinerzählen»
lassen, für das es keine Grundlage gab? Diente der Dreißigjährige Krieg
nur als Pauschalentschuldigung für alles, was in der deutschen Geschichte
schiefgelaufen war, und als Generalerklärung für alle Unterschiede etwa
zur Entwicklung Frankreichs, das man sich ebenso zum Vorbild nahm, wie
man zu ihm auf eine ressentimentgeladene Distanz ging? Musste man den
i6 E IN L E IT U N G

Deutschen vielleicht das Narrativ ihrer Selbsttraumatisierung nehmen, um


ihnen die Chance zu eröffnen, einen normalen Platz in der europäischen
Völkerfamilie zu finden?
Zwei ihrer Herkunft nach deutsche Autoren haben in englischsprachi­
gen Arbeiten diesen Weg beschriften und die These verfochten, der Drei­
ßigjährige Krieg habe keineswegs so tief in die deutsche Geschichte ein­
gegriffen, wie dies von vielen Historikern behauptet worden sei. In seinem
1956 erschienenen Buch The Myth of the All-Destructive Fury of the Thirty
Years War hat Robert Ergang die Zahl der Kriegstoten heruntergerechnet,
indem er nur die in Schlachten und Gefechten zu Tode Gekommenen als
solche gelten ließ und die Opfer von Hunger und Seuchen, beides unmit­
telbare Folgen des Krieges, kurzerhand herausnahm9 - ein Verfahren, das
der sonst üblichen Berechnung von Menschenverlusten entgegenstand
und das gerade in diesem Krieg, in dem die Verwüstung des Landes eine
bewusst eingesetzte Strategie war, in die Irre führen musste.10 Der Dreißig­
jährige Krieg wird bei Ergang zur Sammelbezeichnung für einige Schlach­
ten, die sich von denen der Kriege davor und danach eigentlich nicht unter­
scheiden.
Zu einer größeren Debatte führte dann das zehn Jahre darauf erschie­
nene Buch The Thirty Years War and the Conflict for European Hegemony
von Sigfried H. Steinberg, in dem dieser die Folgen des Krieges für Wirt­
schaft und Gesellschaft in Deutschland als vernachlässigbar darstellte und
die These vertrat, die Bevölkerung in den Kriegsjahren sei insgesamt sogar
leicht gewachsen.11 «A n die Stelle der Fabel von der allgemeinen Verwüs­
tung und dem Massenelend», so Steinberg, «ist daher die weniger sensa­
tionelle Erkenntnis zu setzen, daß zwischen 1600 und 1650 in Deutschland
eine Umschichtung der Bevölkerungen und des Besitzes stattfand, die eini­
gen Gegenden, Ortschaften und Personen zum Vorteil und anderen zum
Schaden gereichte. [... ] Im Jahre 1648 war Deutschland weder besser noch
schlechter daran als im Jahre 1609: es war lediglich anders, als es ein halbes
Jahrhundert zuvor gewesen war.»12 Dass Hunderte Dörfer und Tausende
Gehöfte verschwanden, wird von Steinberg dementsprechend eher auf
das Wirken feudaler Großgrundbesitzer zurückgeführt denn als Folge des
Dreißigjährigen Krieges begriffen.13
Deutsche Erinnerung und deutsches Trauma 17

Wissenschaftlich sind Steinbergs Thesen längst widerlegt; hier geht es


um ihre geschichtspolitische Funktion, den Deutschen das Narrativ von
den verheerenden Wirkungen des Dreißigjährigen Krieges als rechtferti­
gende Erklärung für den Verlauf ihrer Geschichte im 19. und 20. Jahrhun­
dert zu entwinden: Während Ergang und Steinberg in der englischspra­
chigen Historiographie eher geringe Spuren hinterlassen haben,14 fanden
sie hierzulande über Hans-Ulrich Wehlers Deutsche Gesellschaftsgeschichte
Eingang in die Forschung und das Bild der Kriegsfolgen. «Unstreitig»,
schreibt Wehler, «hat jedoch auch der Mythos des großen Brennens und
Mordens die realhistorische Wirkung der Feldzüge und Epidemien über­
mäßig dramatisiert. Das muß zurechtgerückt werden.»15 Wehler verweist
auf den wirtschaftlichen Abschwung, der sich seit dem Ende der 1630er
Jahre überall in Europa bemerkbar gemacht habe, «so daß es sich bei
der ökonomischen Stockung keineswegs um eine deutsche Besonderheit
handelte».16 Die Folgen des Krieges als «ökonomische Stockung» zu
bezeichnen, ist freilich mindestens ein Euphemismus, eine Beschönigung
und Verharmlosung der Kriegsfolgen. Sofern diese Wertung nicht aus einer
unkritischen Übernahme der Thesen Ergangs und Steinbergs resultiert,17
ist sie nur aus dem geschichtspolitischen Motiv heraus zu verstehen, dem
deutschen Selbstverständigungsdiskurs den Verweis auf den Dreißigjähri­
gen Krieg als allgemeine Erklärung und Entschuldigung für den weiteren
\ erlauf der Geschichte zu entreißen. Diese Revision einer geschichtspo­
litischen Betrachtung des Krieges läuft darauf hinaus, ihn als historische
Zäsur in Frage zu stellen und eher als einen Verstärker der großen Krisen
zu begreifen, von denen die gesellschaftliche Entwicklung Europas in der
frühen Neuzeit geprägt worden ist. Wichtiger als der Krieg waren demnach
die sozioökonomischen Krisen, mit denen man sich stattdessen beschäfti­
gen solle. Das ist in zugespitzter Form die Sicht der Gesellschaftsgeschichte,
die in kritischer Absetzung von der herkömmlichen Politikgeschichte ent­
worfen wurde.
Es hätte dieser Perspektivenkontroverse in der Geschichtswissenschaft
indes nicht bedurft, um die Bedeutung des Dreißigjährigen Krieges für das
Selbstverständnis der Deutschen zu relativieren: Die beiden Weltkriege
haben den Dreißigjährigen Krieg geschichtspolitisch längst in den Hinter-
i8 E IN L E IT U N G

grund gedrängt. Er ist wohl nicht aus der historischen Erinnerung der Deut­
schen verschwunden, dient aber nicht mehr als Erklärungsmuster: Wenn
gegenwärtige Entwicklungen in Deutschland oder besondere Mentalitä­
ten der Deutschen erklärt werden sollen, dann findet sich so gut wie keine
Bezugnahme mehr auf den Dreißigjährigen Krieg. Der zeitliche Abstand
ist zu groß geworden, als dass sich noch plausible Kontinuitätslinien bis
zur Gegenwart ziehen ließen. Das zeigt sich auch im historischen Wissen
über einzelne Städte und Regionen: Die Erinnerung an Belagerungen und
Durchzüge von «Kriegsvölkern» in der Zeit des Dreißigjährigen Krieges
sind zu einer Angelegenheit der Lokalhistoriker geworden, und das Wissen
um verwüstete und aufgegebene Ortschaften ist nur noch in Gemarkungs­
namen präsent. Dass der Zweite Weltkrieg im historischen Gedächtnis der
Deutschen inzwischen die Stelle des Dreißigjährigen Krieges einnimmt,
dürfte auch damit zu tun haben, dass er, ebenso wie der Dreißigjährige
Krieg, nicht auf das Kampfgeschehen im engeren Sinn beschränkt blieb;
als Vernichtungskrieg in Osteuropa und dann auch als Bombenkrieg rich­
tete er sich vor allem gegen die Zivilbevölkerung und ließ einen völlig ver­
wüsteten Raum zurück. Die Schrecken des Zweiten Weltkriegs haben im
Geschichtsbewusstsein der Deutschen, wie eingangs erwähnt, die Schre­
cken des Dreißigjährigen Krieges überlagert und verdrängt.
Geschichtspolitisch hat der Zweite Weltkrieg jedoch eine ganz andere
Funktion als der Dreißigjährige Krieg: Stand in dessen Zentrum die große
Erzählung von den Deutschen als Opfer - Opfer ihrer konfessionellen Zer­
rissenheit, Opfer der geopolitischen Konstellationen, Opfer des Machtwil­
lens der Nachbarstaaten - , so steht bei der Beschäftigung mit dem Zweiten
Weltkrieg seit den 1980er Jahren die deutsche Täterrolle im Mittelpunkt.
Lief das Geschichtsnarrativ des Dreißigjährigen Krieges immer auch auf
eine Anklage der anderen hinaus - in der katholischen Historiographie
erschien der Schwedenkönig Gustav Adolf als Aggressor und Eroberer,
während in der protestantischen Historiographie der imperialen Politik
Spaniens und des Kaisers eine vergleichbare Rolle zukam - , so wurde die
Beschäftigung mit dem Zweiten Weltkrieg zur Auseinandersetzung mit
der eigenen Schuld und Verantwortung, von der Erpressungs- und Anne­
xionspolitik Hitlers vor Kriegsbeginn bis zum millionenfachen Mord an
Deutsche Erinnerung und deutsches Trauma 19

den europäischen Juden. Aus dem Trauma der Opferrolle ist das Trauma
der Schuld an furchtbaren Verbrechen geworden.18 Die Vorstellung von
der großen Zäsur in der deutschen Geschichte hat sich verschoben: Nicht
mehr 1618 bis 1648, sondern 1933 bis 1945 war der tiefe Zivilisationsbruch.
Inzwischen freilich ist auch das tiefsitzende Bedürfnis zu beobachten,
die erinnerungspolitisch komfortable Position des Opfers zurückzuerlan­
gen. Seit einiger Zeit bemüht man sich etwa, den Zweiten Weltkrieg umzu­
erzählen oder einzelne Etappen herauszugreifen: Die Konzentration auf
den Bombenkrieg zwischen 1943 und 1945, als Deutschland verstärkt zum
Ziel alliierter Bomberflotten wurde, ist ein solches Verfahren der Umerzäh­
lung.19 Damit ist die Grundkonstellation der Erzählung vom Dreißigjäh­
rigen Krieg wiederhergestellt - und schon begegnen wir auch wieder ver­
gleichbaren Folgen. Die Warn- und Verbotsschilder, die vordem zu Vorsicht
und Zurückhaltung im politischen Reden und Handeln aufgefordert haben,
sind umgestellt worden oder verschwunden, und es macht sich, wo die
Umerzählung vorherrscht, eine Stimmung des Trotzes und der Revision
breit. Dazu gehört die Obsession, von den «Anderen» bedroht zu sein, die
schnell in Aggression Umschlägen kann: Man sei der Welt nichts schuldig
und habe auf nichts und niemand Rücksicht zu nehmen. Das ist eine Men­
talität, wie sie durch das Trauma- und Opfernarrativ des Dreißigjährigen
Krieges befördert wurde, und insofern ist nachzuvollziehen, warum einige
Historiker dieses Narrativ destruieren wollten. Sie wollten korrigieren, was
sie als Folge einer bestimmten Geschichtspolitik ausgemacht hatten.

Die Kontroversen über die Folgen des Dreißigjährigen Krieges für die deut­
sche Geschichte gehören inzwischen der Vergangenheit an. Das Opfer­
narrativ lässt sich nicht nur wegen der zeitlichen Distanz und der beiden
Weltkriege nicht mehr reaktivieren; es ist auch das Unverständnis für die
konfessionellen Konflikte hinzugekommen. Dass man ein Land verheert
und verwüstet, Menschen massenhaft tötet oder deren Lebensgrundlagen
auf Jahre hinaus zerstört, weil man unterschiedliche Gottesvorstellungen
hat und einen anderen Umgang mit dem Sakralen pflegt, ist für uns nicht
mehr nachvollziehbar. Die große Distanz zum Dreißigjährigen Krieg als
politisch-kulturellem Identitätsmarker der Deutschen resultiert nicht
20 E IN L E IT U N G

zuletzt daraus, dass wir gegenüber religiösen Kontroversen gleichgültig


geworden sind. Wo man Derartiges beobachtet, wie in den Kriegen, Bür­
gerkriegen und terroristischen Attacken der islamischen Welt, reagiert
man mit Abscheu und Unverständnis - um anschließend mit Erstaunen
zur Kenntnis zu nehmen, dass es solche Kriege auch in unserer eigenen
Geschichte gegeben hat. Geographischer Abstand im einen und histori­
scher Abstand im anderen Fall sorgen jedoch dafür, dass diese Konflikte als
etwas zutiefst Fremdes begriffen werden.20
Friedrich Nietzsche hat die überhandnehmende Vergangenheitsori­
entierung ohne Bezug zur Gegenwart und ohne Nutzen für das Begreifen
ihrer Herausforderungen als «antiquarisch» bezeichnet. Ein antiquari­
sches Interesse an der Geschichte sei vorherrschend, «wenn die Historie
dem vergangenen Leben so dient, daß sie das Weiterleben und gerade das
höhere Leben untergräbt, wenn der historische Sinn das Leben nicht mehr
konserviert, sondern mumisiert [...]. Die antiquarische Historie entartet
selbst in dem Augenblicke, in dem das frische Leben der Gegenwart sie
nicht mehr beseelt und begeistert. Jetzt dorrt die Pietät ab, die gelehrten-
haffe Gewöhnung besteht ohne sie fort und dreht sich egoistisch-selbstge­
fällig um ihren eigenen Mittelpunkt. Dann erblickt man [... ] das widrige
Schauspiel einer blinden Sammelwut, eines rastlosen Zusammenscharrens
alles einmal Dagewesenen. Der Mensch hüllt sich in Moderduft; es gelingt
ihm, selbst eine bedeutendere Anlage, ein edleres Bedürfnis durch die
antiquarische Manier zu unersättlicher Neugier, richtiger Alt- und Allbe­
gier herabzustimmen; oftmals sinkt er so tief, daß er zuletzt mit jeder Kost
zufrieden ist und mit Lust selbst den Staub bibliographischer Quisquilien
frisst.»21
Wer die in den letzten zwei, drei Jahrzehnten entstandene Literatur
zum Dreißigjährigen Krieg durchstöbert, stößt immer wieder auf ein sol­
ches antiquarisches Interesse; die Ereignisse von 1618 bis 1648 sind von den
Historikern im buchstäblichen Sinn historisiert worden. Der Krieg gehört,
liest man die einschlägigen Arbeiten, einer Vergangenheit an, die definitiv
vergangen ist - im Unterschied zu den Vergangenheiten, von denen formel­
haft gesagt wird, dass sie «nicht vergehen wollen». Kaum etwas ist so kenn­
zeichnend für die Abgeschlossenheit eines Geschichtsabschnitts wie die Art
Deutsche Erinnerung und deutsches Trauma 21

seiner Darstellung: Wenn die Aufsätze zu Einzelaspekten des Geschehens


überhandnehmen und so gut wie keine großen Gesamtdarstellungen mehr
verfasst werden, dann zeigt das, dass der fragliche Geschichtsabschnitt
tatsächlich nur noch von antiquarischem Interesse ist, Gegenstand eines
Gesprächs von Fachgelehrten, die sich gegenseitig darauf hinweisen, wel­
che speziellen Aspekte des Krieges und seiner Folgen trotz aller bisherigen
Bemühungen noch genauer untersucht werden müssen, aber mit keinem
Wort darauf eingehen, welchen Erkenntniswert die weitere Erforschung
dieser Spezialaspekte für uns heute haben könnte.
Das ist kein Einwand gegen den Wert solcher Forschungen; außer­
dem ist die Eigenlogik der Wissenschaft selbstreferenziell, und die Frage
nach dem Ertrag oder - mit Nietzsche - «Nutzen» der Forschung wird
an eine wissenschaftliche Disziplin zumeist von außen herangetragen. Wo
die Wissenschaft, zumal die Geistes- und Sozialwissenschaffen, sich von
vornherein unter den Imperativ gesellschaftlicher und politischer Nützlich­
keit stellen soll, wird sie schnell zur bestellten Expertise, deren Wert und
Bedeutung an die Interessen des Bestellers gebunden sind, was dem Selbst­
verständnis von Wissenschaft zuwiderläuft. Im Schatten der politischen
und gesellschaftlichen Aufmerksamkeit lässt sich sehr viel ruhiger und
gelassener forschen, als wenn jedes Ergebnis, und sei es noch so vorläufig
und fragil, sogleich im Fokus des allgemeinen Interesses steht. Das alles ist
wahr. Und doch ist es für die Beschäftigung mit einem historischen Thema
wichtig, dass sie irgendwann auf ein Interesse stößt, das über die freundli­
che Aufmerksamkeit der Fachkollegen hinausgeht. Dafür muss es freilich
Gründe geben, die in der Sache selbst liegen. Die hier vorgelegte Darstel­
lung des Dreißigjährigen Krieges geht davon aus, dass es seit geraumer Zeit
solche Gründe gibt.
Nietzsches Beschreibung des antiquarischen Interesses soll ihr als
Warnschild dienen: Es gibt keine unmittelbaren Verbindungslinien zwi­
schen uns und der Zeit des Dreißigjährigen Krieges, und dass dieser sich
auf einem Territorium abgespielt hat, das im Wesentlichen mit dem heuti­
gen Deutschland identisch ist, berührt uns wenig - solange man nicht bei
Grabungen auf Skelette von Getöteten einer großen Schlacht dieses Krie­
ges stößt, wie vor geraumer Zeit nahe Wittstock an der Dosse. Wenn so
22 E IN L E IT U N G

etwas geschieht, lässt sich mit Hilfe moderner Untersuchungsmethoden


ein genaueres Bild von der Ernährung und den Krankheiten der Bestatte­
ten gewinnen.22 Das Urteil über den Krieg selbst revidieren solche Funde
und ihre Auswertung indes nicht: Sie sind ein Fall fürs Museum, und wenn
sie entsprechende Aufmerksamkeit erregen, vergrößern sie die Zahl der
Besucher oder werden unter Umständen gar zum Publikumsmagneten, der
sich touristisch bewirtschaften lässt. Unser geneigtes Interesse wird befrie­
digt, unser Wissen vermehrt, aber unser politisches Selbstbild ändert sich
dadurch nicht. Ganz anders ist das, sobald wir uns mit den jüngsten Kriegen
an der europäischen Peripherie beziehungsweise der Peripherie der globa­
len Wohlstandszonen beschäftigen und mit Erstaunen feststellen, dass es
strukturelle Ähnlichkeiten zwischen ihnen und dem Dreißigjährigen Krieg
gibt. Ist dieser Krieg, den wir eben noch als ein überwundenes Trauma der
Deutschen betrachtet haben, womöglich so etwas wie eine Blaupause für
die Kriege des 21.Jahrhunderts? Das ist das nichtantiquarische Interesse,
das im Hintergrund dieser Darstellung steht.23

Die Westfalische Ordnung, der Aufstieg


des Staates und die Verstaatlichung des Krieges

Dass uns der Dreißigjährige Krieg inzwischen so fernliegt und fremd gewor­
den ist, hat auch mit dem Westfälischen Frieden zu tun, der ihn beendete,
vor allem aber mit der in Münster und Osnabrück ausgehandelten Ordnung,
die von der amerikanischen Politikwissenschaft als «Westfälisches System»
oder «Westfälische Ordnung» bezeichnet worden ist.24 Wenngleich man
diese Bezeichnungen des Friedensschlusses als Westfälische Ordnung wie­
derholt kritisiert hat,25bringen sie doch eine grundlegende Veränderung im
Verhältnis der Mächte zum Ausdruck. Der Westfälische Frieden hat, auch
wenn er mit dem Anspruch formuliert wurde, ein «immerwährender», ein
«ewiger» Friede zu sein,26 die Praxis des Kriegführens zur Durchsetzung
politischer Ziele keineswegs beendet, und eigenüich war das auch nicht
beabsichtigt. Er hat vielmehr den Krieg reguliert, ihn als das Recht eines
Deutsche Erinnerung und deutsches Trauma 23

jeden Souveräns festgeschrieben (ius ad bellum) und dadurch die Krieg­


führung einer Reihe von auf Symmetrie ausgelegten Regeln (ius in bello)
unterworfen. Die Äquivalenz der Souveräne trat an die Stelle der Hierar­
chie, an deren Spitze der Kaiser als Garant der Friedensordnung stand. Die
Anwendung von Gewalt, um einen politischen Willen durchzusetzen, war
aus seiner Sicht, zumindest innerhalb des Reichs, Rebellion und Aufstand
gewesen. Solange das so war, blieb die Beachtung des Kriegsrechts pre­
kär. Es kommt nicht von ungefähr, dass nur wenige der am Dreißigjähri­
gen Krieg beteiligten Mächte sich offiziell den Krieg erklärt hatten. In der
Westfälischen Ordnung dagegen war (und ist nach wie vor) der souveräne
Staat verpflichtet, dafür zu sorgen, dass die Regeln des Krieges beachtet
und befolgt werden, und das beginnt mit dem Akt der Kriegserklärung. Die
Westfälische Ordnung war so angelegt, dass die Durchsetzung der Regeln
im Interesse der Staaten lag und es dafür keiner übergeordneten Instanz
bedurfte.27 Sie war und ist eine «Ordnung ohne Hüter».
Dem Grundsatz nach wurde die Entscheidung über Krieg und Frieden
in der Westfälischen Ordnung gemäß den Interessen der Staaten und nicht
unter Bezug auf Wertbindungen oder religiöse Verpflichtungen getroffen.28 Das
hat den Krieg nicht aus der Welt geschafft, ihn aber sehr viel stärker einem
rationalen Kalkül unterstellt, was nicht bedeutet, dass sich ein solches Kal­
kül immer durchsetzen konnte oder Fehlkalkulationen vermieden worden
wären. Kalkülrational geführte Kriege sind jedenfalls in der Regel schneller
und leichter zu beenden als Kriege, in denen Identität und Werte, Ambitio­
nen und Verpflichtungen, Machtgier und religiöse Solidarität ineinander
verschränkt sind wie im Dreißigjährigen Krieg. Wo es in erster Linie um
Macht und Interessen geht, sind Kompromisse sehr viel leichter zu finden,
und jeder Beteiligte verfügt über einen prinzipiellen Maßstab, an dem sich
ablesen lässt, ob die Fortführung des Krieges den eigenen Interessen noch
entspricht oder nicht mehr; dazu müssen nur die wahrscheinlichen Kosten
mit dem möglichen Nutzen ins Verhältnis gesetzt werden. Hätte man das
im Dreißigjährigen Krieg getan - er hätte keine dreißig Jahre gedauert.
Die entscheidende Veränderung, die mit der Westfälischen Ordnung
gegenüber der vorherigen Ordnung des Politischen eintrat, war die Sepa­
rierung der Kriegstypen und die Entflechtung der Konfliktebenen. Die
24 E IN L E IT U N G

lange Dauer des Krieges resultierte nämlich auch daraus, dass in ihm unter­
schiedliche Kriegstypen und unterschiedliche Konfliktebenen ineinander
verschränkt und miteinander verflochten waren. Alle den westfälischen
Verhandlungen vorangegangenen Versuche, den Krieg zu beenden, sind an
dieser Komplexität gescheitert. Sie vermochten sie nicht aufzulösen. Der
Westfälische Frieden schuf die Grundlagen dafür, dass die Komplexität
eines Krieges in die Ordnung des Friedens überführt werden konnte. Unter
dem Eindruck der beiden Weltkriege ist das in Vergessenheit geraten. Die
jüngsten Kriege im Nahen Osten, in der Maghrebregion und in der Sahel-
zone erinnern uns wieder daran.

Hierarchie und Gleichgewicht

Der amerikanische Politikwissenschaftler Kenneth Waltz hat die These


vertreten, internationale Konstellationen seien entweder nach dem Prinzip
der Hierarchie oder dem der Anarchie strukturiert.29 Das ist angesichts der
Fülle möglicher Ordnungsbildungen zu schematisch. So lässt sich als Vari­
ante dessen, was Waltz als Anarchie bezeichnet, durchaus ein sich selbst
regulierendes Gleichgewicht vorstellen, ebenso eines, das keinen hege-
monialen, sondern einen bloß balancierenden Ordnungshüter hat - eine
Rolle, die Großbritannien im 18. und 19. Jahrhundert häufig zugeschrieben
wurde.30 Beides ist kaum angemessen als Anarchie zu beschreiben, ebenso
wenig aber kann die Rolle des Hegemons in einem System sich prinzipiell
als gleich anerkennender Staaten als Hierarchie bezeichnet werden. Eher
kann man diese Konstellation als eine Zwischenform, als Hybridbildung
von Hierarchie und Anarchie begreifen, wenn man denn auf das Opposi­
tionspaar als heuristisches Hilfsmittel nicht verzichten will.31 Für eine ana­
lytische Beschreibung des Dreißigjährigen Krieges ist das insofern relevant,
weil dieser sich nicht zuletzt um die Frage des politischen Ordnungsideals
gedreht hat: Sollte Europa künftig nach den Vorgaben einer Hierarchie
geordnet sein oder nach denen eines Systems gleichberechtigter Akteure,
deren Interessen durch einen Hegemon in gewisser Weise gelenkt wür-
Deutsche Erinnerung und deutsches Trauma 25

den?32 Dabei spielten von vornherein die konkreten Interessen der großen
Mächte eine Rolle, schließlich war zu entscheiden, wer am Ende davon pro-
dtieren würde, wenn eine hierarchische Ordnung durch eine des potenziel­
len Gleichgewichts abgelöst wurde. Insofern war dieser Krieg ein «Welt»-
Ordnungskrieg, der als Hegemonialkrieg geführt wurde.
Der Kaiser im «Heiligen Römischen Reich deutscher Nation», wie
die offizielle Bezeichnung lautete, war der erste Aspirant auf die Position an
der Spitze der europäischen Hierarchie; um diese aber wirklich einnehmen
zu können, mangelte es ihm seit dem 13. Jahrhundert an den erforderlichen
Ressourcen. Das Reich war der Verfassung nach ein Wahlkaisertum, und
sobald der Kaiser die Mittel des Reichs in Anspruch nehmen wollte, war er
auf die Zustimmung der Reichsstände angewiesen, die ihm häufig versagt
blieb oder nur unter stark einschränkenden Bedingungen bewilligt wurde.
Möglicherweise wäre im Verlauf des Dreißigjährigen Krieges Wallenstein
der Mann gewesen, das zu ändern, doch gerade weil sie das befürchteten,
zwangen die Kurfürsten den Kaiser im Jahre 1630 zur Entlassung seines
Generalissimus.
Im Unterschied zum Wiener Zweig des Hauses Habsburg verfügte
dessen Madrider Linie über wirkliche Macht, und spätestens Philipp II.
herrschte über ein Reich, in dem, wie sein Vater Karl V. es einmal formu­
liert haben soll, «die Sonne nie unterging». Die Grundlage der spanischen
Macht waren die Silbervorkommen der Neuen Welt und eine - wesentlich
aus diesem Silber finanzierte - Infanterie, die bis in den Dreißigjährigen
Krieg hinein als das militärisch Beste galt, was es in Europa gab.33 König
Philipp III. sowie sein Sohn Philipp IV. und deren leitender Minister Oli-
vares verfolgten vor und während des Krieges eine Politik, die im Bündnis
mit der Wiener Linie der Casa d’Austria an einer imperialen Ordnung mit
den Habsburgern an der Spitze ausgerichtet war.34 Hätten sie sich durchge­
setzt, so wäre dies wohl auf eine Erneuerung des hierarchischen Modells
der politischen Ordnung in Europa hinausgelaufen. Aber die spanische
Macht war nach demographischen und fiskalischen Krisen im Kernland
verwundbar, und ihre legendäre Infanterie stieß im Unabhängigkeitskrieg
der Niederlande an die Grenzen ihrer Möglichkeiten.35 Die Niederländer
hatten sich neue Formen militärischer Disziplin und taktischen Agierens
26 E IN L E IT U N G

angeeignet, die sich denen der Spanier nach einiger Zeit als ebenbürtig
erwiesen.36 Im Kriegsverlauf wurde die Kluft zwischen dem imperialen
Anspruch und der schwindenden Macht Spaniens immer deutlicher. Die
politische Ordnung in Europa wechselte auch deshalb, weil es niemanden
mehr gab, der die erforderlichen Ressourcen für die Rolle des Hierarchen
hatte. Der Krieg war gewissermaßen ein sich hinziehender Test auf konti­
nuierliche Ressourcenverfügbarkeit.
Ein weiterer Aspirant auf den Platz an der Spitze der europäischen
Hierarchie war die Römische Kurie, deren Einfluss in großen Teilen Euro­
pas mit Ausbreitung der Reformation jedoch deutlich abgenommen hatte.
Zwar war die Papstkirche mit dem Konzil von Trient und dem Beginn der
Gegenreformation beziehungsweise der katholischen Reform 37 wieder in
die Offensive gekommen; es stand aber außer Zweifel, dass der Protes­
tantismus nur in einem großen Krieg umfassend zurückgedrängt werden
konnte. Unter diesen Umständen wäre eigentlich zu erwarten gewesen,
dass der Papst eifrig den Kaiser und Spanien unterstützte, denn diese hat­
ten sich den Kampf für den katholischen Glauben auf die Fahnen geschrie­
ben. Seit Errichtung des Kirchenstaates war der Papst jedoch auch ein
italienischer Regionalfürst, und als solcher stimmte seine Machträson mit
den Imperativen der Universalkirche nicht überein. Die spanische Macht
in Italien schränkte die Handlungsfähigkeit der dortigen Fürsten ein, wes­
halb Urban V III. ein starkes Interesse daran hatte, Spanien zu schwächen
und ein Gleichgewicht mit Frankreich herzustellen. Es kam also nicht zu
einem Dreibund zwischen Kurie, Kaiser und Spanien, stattdessen unter­
stützte Urban V III. die antihabsburgische Politik Kardinal Richelieus.38
Die konfessionellen Fronten des Dreißigjährigen Kriegs waren keineswegs
so eindeutig, wie die Bezeichnung als Konfessionskrieg es nahelegt; immer
wieder kam es zu Koalitionsbildungen über die Glaubensbekenntnisse hin­
weg. Schon das macht es schwer, den Konflikt wesentlich als Religionskrieg
zu sehen.39 Er war das zweifellos, aber zugleich war er noch viel mehr.
Die französische Politik war in ihrer Opposition zur imperialen Stel­
lung des Hauses Habsburg keineswegs von Anfang an darauf ausgerichtet,
ein System gleichberechtigter Staaten mit Frankreich als Schiedsrichter
zu schaffen. Der sogenannte Große Plan Heinrichs IV., den der Herzog
Deutsche Erinnerung und deutsches Trauma 27

von Sully ausgearbeitet hat, drehte sich ebenfalls um die Oberhoheit über
Europa - in diesem Fall freilich die Frankreichs. In dem von Ludwig X III.
und Ludwig XIV. zeitweilig verfolgten Projekt, sich zum Kaiser des Heili­
gen Römischen Reichs wählen zu lassen, ist ein Nachklang dessen zu finden.
Während des Dreißigjährigen Krieges stellte Richelieu derart weitgesteckte
Ziele in den Hintergrund und beschränkte sich darauf, eine habsburgische
Universalmonarchie, wie die zeitgenössische Bezeichnung für ein gesamt­
europäisches Imperium lautete, zu verhindern.40 Das hatte auch damit zu
tun, dass Frankreich im konfessionellen Bürgerkrieg eine relative Schwä­
chung erfuhr und der hugenottische Widerstand periodisch wieder auf­
lebte.41 Selbst der schwedische König Gustav II. Adolf scheint nach seinem
Sieg bei Breitenfeld im Jahr 1631 mit der Vorstellung geliebäugelt zu haben,
sich zum deutschen Kaiser wählen zu lassen, womit das Übergewicht der
Katholiken im Reich durch das der Evangelischen abgelöst worden wäre.
Inwieweit damit die schwedische Ostseehegemonie hätte flankiert wer­
den sollen oder ob sich die Herrschaft Gustav Adolfs von Schweden nach
Deutschland, von Stockholm nach Frankfurt oder Nürnberg verlagert
hätte, mag hier dahingestellt bleiben.42 Bedeutsam für die Beschreibung
des Krieges als Hybrid zwischen Imperial- und Hegemonialkrieg ist, dass
selbst der «Löwe aus dem Norden», der in seinen offiziellen Proklamati­
onen das schwedische Eingreifen mit der Verteidigung des evangelischen
Glaubens begründete, sich den imperialen Suggestionen nicht entziehen
konnte, nachdem er zu einem maßgeblichen Kriegsakteur geworden war.43
Sobald eine Großmacht militärisch die Oberhand bekam, stand sie vor der
Frage, ob sie das in einer imperialen oder hegemonialen Ordnung politisch
festschreiben wollte.
Der ständige Wechsel des Kriegsglücks führte jedoch dazu, dass die
imperialen Projekte schnell zurückgestutzt wurden. Das Ergebnis des Krie­
ges war die Aufteilung Europas in Hegemonialsphären, die zur Grundlage
der europäischen Pentarchie wurden, der Ordnung der fünf großen Mächte.
Sie bestand im 17. Jahrhundert aus Spanien, Frankreich, England, dem Kai­
serhaus in Wien und Schweden. Mit dem Übergang vom 17. zum 18. Jahr­
hundert schieden Spanien sowie Schweden aus und wurden schrittweise
durch Preußen und Russland ersetzt. Die Aufteilung der Hegemonialzonen,
28 E IN L E IT U N G

von denen die normative Ordnung der souveränen Staaten machtpolitisch


überlagert wurde, ist im Verlauf des Dreißigjährigen Kriegs ausgefochten
worden. Diese Zonen waren so etwas wie ein realpolitischer Kompro­
miss zwischen den imperialen Ambitionen der Großmächte und dem
System souveräner Staaten, als das die Westfälische Ordnung in den Völ­
kerrechtstexten beschrieben wird. Die Bildung eines solchen souveränen
Staates fand in Deutschland jedoch nicht statt; das Heilige Römische Reich
deutscher Nation blieb als Überrest der imperialen Ordnung bestehen.
Die geopolitische Mitte des europäischen Raumes, also Deutschland,
wurde auch deshalb zum Kriegsschauplatz der alten imperialen Mächte
und der neuen Hegemonialaspiranten, weil am Reichsgedanken die Legi­
timität der alten Ordnung hing.44 Nach dem Westfälischen Frieden geriet
das Reich in die ökonomischen und politischen Einflusssphären der euro­
päischen Pentarchie, die Zugriff auf die Verhältnisse in seinem Innern hatte:
Schweden, insofern es mit dem Friedensvertrag zum Reichsstand wurde;
Frankreich, dem das zuvor habsburgische Eisass zufiel, indem es eine bis
zum Rhein und mitunter darüber hinaus reichende Einflusszone in Süd­
westdeutschland errichtete; die Habsburger in Wien durch ihre Stellung
als Kaiser des Reichs; schließlich England, das den Handel in der Nordsee
schrittweise unter seine Kontrolle brachte und dadurch die norddeutsche
Wirtschaft kontrollierte. Allein Spanien hatte durch die in Münster festge­
schriebene Trennung der Wiener von der Madrider Linie der Habsburger
seinen Einfluss auf das Reich verloren, und nach einiger Zeit schied es ganz
aus der europäischen Pentarchie aus und zog sich auf die außereuropäi­
schen Territorien zurück.
Die der Westfälischen Ordnung zugrundeliegenden Normen gleich­
berechtigter souveräner Staaten entsprachen also ebenso wenig der
machtpolitischen Realität Europas, wie das zuvor die hierarchische Ord­
nungsvorstellung des Mittelalters getan hatte. Insofern ist es ratsam, die
Normstruktur des Völkerrechts nicht mit den realen Machtkonstellationen
zu verwechseln. Dennoch wirkten die neuen Normen auf die tatsächlichen
Machtverhältnisse ein und veränderten sie dahingehend, dass die Vorstel­
lung von einer christlichen Einheit mit hierarchischer Spitze zunehmend
obsolet wurde. Die großen Kriege wurden nunmehr um die Reichweite der
Deutsche Erinnerung und deutsches Trauma 19

Hegemonialzonen geführt. Bis ins 20. Jahrhundert hinein ging es in Europa


nicht mehr um prinzipiell andere Ordnungsmodelle.

Die Vielfalt der Kriegstypen

Mit der Charakterisierung des Krieges als Ständeaufstand, Staatenkrieg,


Konfessionskrieg sowie Imperial- und Hegemonialkrieg ist die Fülle der
zwischen 1618 und 1648 ineinander verschränkten Kriegstypen noch immer
nicht erschöpft. Der Dreißigjährige Krieg enthielt obendrein Elemente
emes genuinen Bürgerkriegs, insofern es in seinem Verlauf zu Bauernauf­
ständen kam, die vom Militär niedergeschlagen wurden.45 Es gab diese Bau­
ernaufstände in vielen Gebieten des Reichs, auch wenn sie nirgendwo die
Ausdehnung und Intensität des oberösterreichischen Aufstandes annah-
men. Andernorts mündeten sie in einen Kleinkrieg gegen einzelne Solda­
tentrupps, die von den Bauern überfallen und niedergemacht wurden. Das
waren Racheakte für die Gewalt, die marodierende Söldner wie reguläre
Einheiten den Bauern auf der Suche nach Geld und Gut angetan hatten.46
Dabei entstammten die meisten Söldner selbst der Bauernschaft und waren
Soldaten geworden, um der Drangsalierung durch das Militär zu entgehen.
Das berühmteste Beispiel für einen solchen Wechsel ist Grimmelshausens
mit autobiographischen Zügen ausgestattete Romanfigur Simplicius Sim-
plicissimus: Simplicissimus wird nach einem Überfall schwedischer Solda­
ten auf den elterlichen Bauernhof nach einiger Zeit selbst Soldat und ver­
übt Überfälle auf Bauern und Reisende, bis er sich schließlich wieder in
einen Bauern zurückverwandelt.47 So entwickelte sich neben den anderen
Kriegstypen ein «Krieg im Kriege», der durchaus Züge eines Bürgerkrie­
ges trug.
Dieser «kleine Krieg» wurde im Verlauf der 1620er Jahre zum stän­
digen Begleiter des «großen Krieges». Es gehört zu den folgenreichen
Leistungen der Westfälischen Ordnung, den «großen Krieg» reguliert
und den «kleinen Krieg» auf die bewaffnete Macht des Gegners gerich­
tet zu haben.48 Für mehrere Jahrhunderte wurde der kleine Krieg zu einer
30 E IN L E IT U N G

auf die Logistik der gegnerischen Armeen zielenden Strategie. Erst im anti-
napoleonischen Partisanenkrieg der Spanier ist er als «Volkskrieg» in die
europäische Kriegführung zurückgekehrt, und prompt stellten sich erneut
die Grausamkeiten gegen die ländliche Bevölkerung ein, wie sie für den
Dreißigjährigen Krieg typisch waren. Francisco de Goya hat in seinen an
die Arbeiten Hans Ulrich Francks erinnernden Desastres de la Guerra diese
Grausamkeiten festgehalten. Davor und auch wieder danach gelang es im
Rahmen der Westfälischen Ordnung, die völkerrechtliche Trennung von
Kombattanten und Nonkombattanten bis in die Kleinkriegführung durch­
zusetzen. Sieht man von Entwicklungen an der europäischen Peripherie ab,
in Spanien, auf dem Balkan und im Kaukasus, so hatte sie bis ins 20. Jahr­
hundert Bestand.49
Um dieser Trennung zwischen Kombattanten und Nonkombattanten
als Kernbestand regulierter Kriegführung Geltung zu verschaffen, bedurfte
es nach dem Dreißigjährigen Krieg einer grundlegenden Veränderung des
Militärwesens. Diese lässt sich unter der Überschrift «Verstaatlichung»
zusammenfassen: An die Stelle der Söldnerverbände, die von Kriegsunter­
nehmern aufgestellt worden waren, traten nun Armeen, die «des Königs
Rock» trugen, also aus staatlichen Magazinen uniformiert und bewaffnet
und aus Staatsmitteln versorgt und besoldet wurden. Vorläufer und erste
Ansätze lassen sich bereits während des Dreißigjährigen Krieges beobach­
ten;50 die Geschichte des Krieges ist ein ständiges Hin und Her zwischen
Verstaatlichung und Entstaatlichung. In der Westfälischen Ordnung muss­
ten die Truppen im Kriegsfall nicht erst angeworben werden, sondern
standen in den Garnisons- und Festungsstädten zum Einsatz bereit. Sie
mussten lediglich, wie es zeitgenössisch hieß, vom «Friedens- auf den
Kriegsfuß» versetzt werden, was bedeutet, dass die für landwirtschaftliche
Arbeiten abgestellten Soldaten zu ihren Einheiten zurückbeordert wurden.
Die Unterhaltskosten des stehenden Heeres waren im Frieden niedriger als
im Krieg, doch war der Unterschied nicht mehr so groß wie zuvor, als Frie­
den hieß, dass sämtliche Truppen abgedankt wurden.51 Obendrein wurden
jetzt systematisch und von langer Hand Magazine zur Versorgung des Mili­
tärs errichtet, und es wurde ein Staatsschatz gebildet, durch den die Kosten
eines Krieges für einige Zeit gedeckt waren. So wurde zum Ausnahmefall,
Deutsche Erinnerung und deutsches Trauma 31

was im Dreißigjährigen Krieg noch die Regel war: dass die angeworbenen
Verbände keinen regelmäßigen Sold erhielten und, da sie nicht anderweitig
versorgt wurden, raubten und plünderten. Dass der Dreißigjährige Krieg
zum Trauma der Deutschen wurde, lag mehr am «kleinen» als am «gro­
ßen Krieg».
Die Vermischung der unterschiedlichen Kriegstypen war es, die es
so ungemein schwierig gemacht hat, den Krieg zu beenden. Wäre es nur
darum gegangen, mit Waffengewalt die Frage zu klären, ob ein bestimmter
Landstreifen oder eine Region zu diesem oder jenem Herrscher gehörten,
so hätte sich das in einer Entscheidungsschlacht der beiden Konkurrenten
schnell klären lassen. Da aber im Dreißigjährigen Krieg die Probleme der
unterschiedlichen Kriegstypen noch hinzukamen, war keine Schlacht aus­
reichend, um von den kriegführenden Parteien als Entscheidung anerkannt
zu werden. Es waren zu viele Fragen, die gleichzeitig beantwortet werden
mussten. Erst in der Westfälischen Ordnung wurde der Krieg als praktika­
ble Entscheidungsinstanz politischer Konflikte wiederhergestellt.

Ressourcenverbrauch, Kriegsfinanzierung
und Heeresversorgung

Jeder Krieg ist eine Form erhöhten und letztlich unproduktiven Ressour­
cenverbrauchs. Aber die Kriege unterscheiden sich durch das Maß, in
dem ihr Ressourcenverbrauch den in Friedenszeiten übertrifff. Ebenso
unterscheiden sie sich durch die Folgen, die sich bei ihrem Ende aus dem
zeitweilig erhöhten Ressourcenverbrauch ergeben. Die oben diskutierten
Thesen Ergangs, Steinbergs und Wehlers, denen zufolge die Verwüstungen
und Menschenverluste im Dreißigjährigen Krieg lange Zeit überschätzt
worden seien, beruhen auf der Annahme, dass für den erhöhten Ressour­
cenverbrauch im Krieg ausschließlich die Waffentechnik verantwortlich sei.
Insbesondere Steinberg hat seine Thesen daher mit dem Verweis auf die
sehr viel größere Zerstörungskraft der Waffen begründet, die in den Welt­
kriegen des 20. Jahrhunderts eingesetzt wurden.“ Dabei wird der Einfluss
3* E IN L E IT U N G

der Militärorganisation auf den Ressourcenverbrauch übersehen, und die­


ser Einfluss dürfte mindestens ebenso groß gewesen sein wie die der Waf­
fentechnik geschuldeten Effekte.
Die Beschäftigung mit dem Niveau des Ressourcenverbrauchs im
Krieg ermöglicht einen neuen Blick auf die traumatischen Folgen des Drei­
ßigjährigen Krieges in Deutschland. Die Westfälische Ordnung hat Krieg
unter anderem dadurch wieder führbar gemacht, dass sie die ineinander
verschränkten Kriegstypen voneinander getrennt und den Krieg einer an
den Staatsinteressen ausgerichteten Kalkülrationalität unterworfen hat.
Zugleich hat sie den Ressourcenverbrauch im Krieg so weit gesenkt, dass
dieser wieder als ein Mittel der Politik, «ein wahres politisches Instru­
ment», wie es bei Clausewitz heißt, gelten konnte.53 Allgemein formuliert
bedeutet das: Das Militär wurde so reorganisiert, dass der Ressourcenver­
brauch in Friedenszeiten erhöht und die Ressourcenvernichtung in Kriegs­
zeiten begrenzt wurde. Die Folge war, dass die Differenz zwischen Krieg
und Frieden nicht mehr als so dramatisch erfahren wurde, wie das im Drei­
ßigjährigen Krieg der Fall war.
Diese eher abstrakte Überlegung zum Verhältnis von Militärwesen und
Kriegführung lässt sich an einigen Beobachtungen zur Heeresversorgung im
Dreißigjährigen Krieg konkretisieren. Dabei sind vier Versorgungstypen zu
unterscheiden. Da ist zunächst das System der Kontributionen, das Wallen­
stein während seines ersten Generalats von 1625 bis 1630 perfektionierte.54
Dieses System beruhte darauf, dass die Truppen über einen größeren Land­
strich verteilt und «einquartiert» wurden, was heißt, dass diese Gebiete
nicht nur Unterkünfte und Lebensmittel für die Soldaten bereitstellen, son­
dern auch noch für ihre Besoldung aufkommen mussten. Zumeist erfolgten
solche Einquartierungen in «Feindesland». Sie waren der Preis, den eine
Bevölkerung zu zahlen hatte, wenn ihr Landesherr Krieg führte, aber sein
Territorium nicht vor gegnerischen Truppen schützen konnte. Einquar­
tierung bedeutete, dass das Mehrprodukt des Landes, sein Überschuss an
Gütern, von den Besatzungstruppen verzehrt wurde. Das traf zunächst den
Landesherrn, denn eigentlich war er es ja, der sich dieses Mehrprodukt in
Form von Abgaben aneignete, um seine Hofhaltung, seine Repräsentati­
onsprojekte, sein Heer und anderes mehr damit zu finanzieren. Einquar-
Deutsche Erinnerung und deutsches Trauma 33

tierungen verwehrten einem Landesherrn also den Zugriff auf das Mehr­
produkt seines Landes. Solange es dabei blieb, waren die Folgen begrenzt.
Sobald aber die für die einquartierten Truppen aufzubringenden Leistun­
gen höher waren als das, was der Landesherr in Friedenszeiten abschöpfte,
hatte die gesamte Bevölkerung schwer zu leiden. Das Besondere an der von
Wallenstein praktizierten Methode der Einquartierung bestand darin, dass
er sie nicht auf gegnerisches Gebiet beschränkte, sondern auch auf eigene
Territorien ausdehnte, was im Ergebnis auf die Eintreibung einer Steuer zur
Fmanzierung der Armee hinauslief. Wallenstein scheint eine sehr genaue
Vorstellung davon gehabt zu haben, dass ein stehendes Heer einen effekti­
ven Steuerstaat zur Voraussetzung hattet5
Im Prinzip war dieses System eine Land und Leute belastende, aber
relativ erträgliche Form der Kriegsfinanzierung. Da Nachhaltigkeit belohnt
■ wurde und die Soldaten selbst davon profitierten, wenn sie Menschen, Vieh
und Gebäude schonend behandelten, kam es in der Regel nicht zu sinnlo­
sen Zerstörungen. Außerdem ließ sich die Disziplin des für längere Zeit ein­
quartierten Militärs leidlich aufrechterhalten. Das war anders beim zwei­
ten Versorgungstyp, der dadurch gekennzeichnet war, dass die Truppen in
Bewegung waren und das Interesse der Soldaten am schonenden Umgang
mit Land und Leuten schwand. Man hat das Heer auf dem Marsch als
•wandernde Stadt» bezeichnet,56 weil eigentlich alles mitgeführt wurde,
was zum täglichen Leben erforderlich war. Wenn aber die mitgeführten
Vorräte zur Neige gingen und es für die Soldaten zu einer Frage des Über­
lebens wurde, wo und wie sie an Nahrungsmittel kamen, verwandelte sich
das Heer in eine große Zerstörungsmaschine. Mochten die Ersten, die ein
Dorf plünderten, noch allerhand Brauchbares zurücklassen, so fand doch
iede Gruppe, die danach kam, immer weniger vor, und wenn auch mit
Gewalt und Folter bei den Bauern nichts mehr zu holen war, nahm die Wut
überhand. Die Bauern, ihre Frauen, Kinder und Knechte wurden erschla­
gen, ihre Höfe in Brand gesetzt. Dass die Soldaten damit sich selbst scha­
deten, wenn sie einige Wochen später erneut durch die verwüstete Gegend
marschierten, spielte dabei keine Rolle.
Was bei der Armee auf dem Marsch immer wieder vorkam, war bei
Söldnerverbänden wie denen Ernst von Mansfelds die Regel; sie stehen
34 E I N L E IT U N G

für den dritten Versorgungstyp. Da diese Söldner ständig den Auftraggeber


wechselten, gab es für sie keinen wirklichen Unterschied zwischen Feindes­
und Freundesland. Längere Einquartierungen kamen nicht vor, da sie nur
für den Einsatz und nicht für die Präsenz in einem bestimmten Raum besol­
det wurden. Es gab für die Söldner also keinen Grund, die Bevölkerung zu
schonen. Ihre Art der Kriegführung folgte den Grundsätzen der Verwüs­
tungsstrategie, selbst wenn dabei keine strategische Devise zugrunde lag.57
Während der ersten Phase des Krieges gehörten die Mansfeld’schen Reiter
zu den am meisten gefürchteten Söldnern. Wo sie auftauchten, verbreite­
ten sie Angst und Schrecken. Sie hinterließen eine Spur der Verwüstung,
und dies hatte nicht einmal den Zweck, dem Gegner einen politischen Wil­
len aufzuzwingen, sondern war schlichtweg das typische Verhalten dieser
Söldner. Es gab aber auch Heerführer, von denen die Verwüstung eines
Landes in strategischer Absicht eingesetzt wurde, beispielsweise Gustav
Adolf, der das bis dahin vom Krieg noch kaum berührte Bayern systema­
tisch verwüsten ließ58 - sei es aus Rache für die vorherige Plünderung der
protestantischen Gebiete, sei es, weil der Schwedenkönig damit Kurfürst
Maximilian in die Knie zwingen wollte. War Maximilian erst einmal ausge­
schaltet, glaubte Gustav Adolf mit dem Kaiser leichtes Spiel zu haben - was
sich als Fehlrechnung erweisen sollte.
Die schlimmsten Folgen hatte aber die Bildung von Marodeurshaufen,
die plündernd und sengend durchs Land zogen. Das war der vierte Versor­
gungstyp. Die Marodeure glichen mehr großen Räuberbanden als einem
Truppenverband. Grimmelshausen berichtet in dem Kapitel «Von dem
Orden der Merode-Brüder» seines Simplicissimus: «Wenn ein Reiter sein
Pferd oder ein Musketier seine Gesundheit verliert oder wenn ihm seine
Frau oder sein Kind krank wird und Zurückbleiben will, so hat man schon
anderthalb Merode-Brüder - ein Völkchen, das sich am ehesten mit den
Zigeunern vergleichen lässt, weil es nach eigenem Belieben vor oder hinter
oder neben der Armee oder mittendrin herumstreicht, und das diesen auch
in Sitten und Gebräuchen ähnelt.»59 Grimmelshausen wollte die Maro­
deure gegen die Soldaten absetzen, aber er wusste durchaus, dass auch sie
ein Produkt des Krieges waren: «Denn sie gleichen den Drohnen in den
Bienenkörben, die, wenn sie ihren Stachel verloren haben, nicht mehr arbei-
Deutsche Erinnerung und deutsches Trauma 35

ten und keinen Honig mehr machen, sondern nur noch fressen können.»60
Diese als «Marode-Brüder» oder «Schnapp-Hahnen» bezeichneten Ban­
den trugen die Verheerungen des Krieges in alle Gebiete Deutschlands und
beschränkten sich im Unterschied zu den Streifscharen, die den Durchzug
eines Heeres begleiteten, nicht auf einen spezifischen Kriegsschauplatz.
Das hatte Folgen für den Grad der Verwüstungen, die der Krieg hin­
terließ: Wo die Schröpfung der Landbevölkerung auf das Gebiet begrenzt
blieb, in dem für einen Sommer und Herbst «das Kriegstheater aufgeschla­
gen» worden war, bot sich die Möglichkeit zur Erholung der bäuerlichen
Wirtschaft im darauffolgenden Jahr - wenn denn der Krieg nicht erneut in
diesem Gebiet stattfand. Die Bauern hatten nämlich die Gewohnheit, ihr
Vieh in die Wälder zu treiben und auch Frauen und Kinder dort zu verste­
cken, sobald sich die Nachricht von heranziehenden Soldatentrupps ver­
breitete. Das im Wald verborgene Vieh war nach Abzug der Soldaten die
Grundlage für die Wiederaufnahme der bäuerlichen Wirtschaft.
Mit den Marodeursbanden entwickelte sich der bereits erwähnte
Kleinkrieg zwischen Soldateska und Landbevölkerung. Nachdem die
großen Schlachten in der Mitte des Krieges keine Entscheidung gebracht
hatten und das Kriegsgeschehen mehr und mehr zerfaserte, griff das Maro­
deurswesen um sich. Die intensive Kriegsgewalt, wie sie bei Belagerungen
und Feldschlachten anzutreffen war, verschwand zwar nicht völlig aus dem
Kriegsgeschehen, aber sie wurde durch eine diffuse Gewalt überlagert, die
dem Krieg seine desaströse Wirkung verlieh. Wer nur die von der Waffen-
technik abhängige Intensität der Kriegsgewalt im Auge hat, wie Ergang,
Steinberg und Wehler, um auf dieser Grundlage die mittel- und langfristi­
gen Folgen des Krieges abzuschätzen, hat das für den Dreißigjährigen Krieg
Typische übersehen: die lange Dauer der diffusen Gewalt. Viel stärker als
die großen Schlachten, die keine Entscheidung im Ringen um Macht und
Einfluss gebracht haben, hat sie den Krieg in das kollektive Gedächtnis der
Deutschen eingeschrieben.
Das ist im Übrigen einer der Aspekte, die den Dreißigjährigen Krieg
im Europa des 17.Jahrhunderts mit einigen Kriegen unserer Gegenwart
an der Peripherie Europas verbinden. Diese Kriege werden nicht nach
den Vorgaben der von Clausewitz so bezeichneten «Niederwerfungs-
3<S EIN LEITU N G

Strategie»61 geführt und kulminieren demzufolge auch nicht in großen


Entscheidungsschlachten, die auf den Abschluss eines Friedensvertrags
hoffen lassen. Eher folgten sie einer «Ermattungsstrategie», selbst wenn
sie vermutlich nicht so geplant worden sind.62 Diese Ermattungsstrate­
gie ist häufig mit einer Verwüstungsstrategie gepaart. Die Ermattung der
Kriegsparteien ist das, worauf der Krieg hinausläuft, wenn keine Seite die
Fähigkeit besitzt, den Gegner niederzuwerfen und ihm den eigenen Willen
aufzuzwingen. Wenn die Kriegsparteien es in einer solchen Situation nicht
schaffen, den Krieg zu beenden, dauert er an, bis alle Beteiligten so entkräf­
tet sind, dass der Krieg aus purer Erschöpfung, gleichsam «von selbst», zu
Ende geht. In mancher Hinsicht war das auch 1648 der Fall.

Der Dreißigjährige Krieg und wir

Der Dreißigjährige Krieg war das große Trauma der Deutschen, aber er
ist es nicht mehr. Das mag auch der Grund dafür sein, dass in den letzten
Jahrzehnten keine umfassende Darstellung dieses Krieges mehr geschrie­
ben worden ist. Zugespitzt kann man sagen, dass die letzte große Darstel­
lung die von Cicely Veronica Wedgwood ist, und sie stammt aus dem Jahre
1938. Was zumal nach dem Zweiten Weltkrieg in Deutschland veröffentlicht
wurde, waren entweder Analysen des Krieges, die voraussetzten, dass man
mit seinem Verlauf gut vertraut war, oder aber Einzelstudien zu speziellen
Fragen und Aspekten. Der Dreißigjährige Krieg ist zu einem Thema im
Normalbetrieb der Wissenschaft geworden. Das kann als ein zuverlässi­
ger Indikator für die Enttraumatisierung eines Themas beziehungsweise
Abschnitts der Geschichte angesehen werden. Andererseits zeigt das Feh­
len von Gesamtdarstellungen oder auch das Ausweichen auf Biographien
prägender Gestalten wie Wallenstein oder Gustav Adolf, dass eine ausge­
prägte Zurückhaltung besteht, sich auf dieses Terrain zu begeben. Symp­
tomatisch dafür könnte sein, dass der Verfasser dieses Buches von seiner
akademischen Profession her Politikwissenschaftler ist - und eben nicht
Historiker.
Deutsche Erinnerung und deutsches Trauma 37

Es gibt zwei Gründe, warum der Dreißigjährige Krieg gerade aus poli­
tikwissenschaftlicher Perspektive ein wichtiger und für gegenwärtige Fra­
gen hochgradig aufschlussreicher Abschnitt der deutschen und europäi­
schen Geschichte ist, und zumindest einer dieser Gründe hat nichts mit der
vordem so dominanten Traumabearbeitung zu tun: Es stellt sich die Frage,
ob und inwieweit der Dreißigjährige Krieg als Paradigma und Analysefo­
lie für einige Kriege der Gegenwart und vor allem die der Zukunft dienen
kann. Diese Frage geht aus von der These, dass die Ära der klassischen Staa­
te nkriege, der «Westfälischen Kriege», definitiv zu Ende gegangen ist, dass
damit entgegen einer zumal in Deutschland verbreiteten Vorstellung der
Krieg jedoch nicht verschwunden, sondern in veränderter Gestalt wieder­
aufgetaucht ist. Aber welche Gestalt ist das, und wie lassen sich diese Kriege
analytisch fassen, um der Politik Fiandreichungen für deren Vermeidung
oder Beendigung zu geben? Die Vermutung, die neuen Kriege besäßen
strukturelle Ähnlichkeiten mit dem Dreißigjährigen Krieg, also dem gro­
ßen Krieg vor Installierung der Westfälischen Ordnung, ist in jüngster Zeit
immer wieder geäußert worden, aber um darauf eine Antwort geben zu
können, muss dieser Krieg zunächst einmal sorgfältig beschrieben werden:
im Hinblick auf die Motivlagen der beteiligten Mächte, auf seine struktu­
rellen Faktoren, seinen Verlauf, den Kriegseintritt immer neuer Mächte, die
den Krieg nicht «ausbrennen» ließen, und schließlich die Faktoren seiner
Beendigung. Das ist eine komplexe Aufgabe, die nur in einer umfangrei­
chen Darstellung zu bewältigen ist. Diese Darstellung, in der erzählende
und analytische Teile einander abwechseln, ist die Grundlage für das
Schlusskapitel des Buches, das die Frage behandelt, ob und inwiefern wir
aus der Beschäftigung mit dem Dreißigjährigen Krieg lernen können, um
die politischen Herausforderungen unserer Gegenwart besser zu bewälti­
gen.
Der zweite Grund, weshalb der Dreißigjährige Krieg gerade aus poli­
tiktheoretischer Perspektive interessant ist, besteht in dem gravierenden
Defizit an strategischem Denken in der politisch interessierten deutschen
Öffentlichkeit. Stark vereinfacht kann man vielleicht sagen, dass die vorherr­
schende Reaktion auf politikstrategische Herausforderungen hierzulande
der Verweis auf juridische Regelungen ist, zumeist solche des Völkerrechts,
38 E IN L E IT U N G

wobei generell unterstellt wird, dass die Rahmenbedingungen nicht nur für
die Geltung, sondern auch für das Geltendmachen des Rechts selbstver­
ständlich gegeben seien und die Rechtsdurchsetzung mit der Bewältigung
der Herausforderung identisch sei. Die Auseinandersetzung mit dem Drei­
ßigjährigen Krieg ist eine vorzügliche Übung zur Desillusionierung solcher
Erwartungen. In der Anfangsphase des Krieges nämlich sind alle Parteien
in der festen Überzeugung in den Konflikt hineingegangen, das Recht auf
ihrer Seite zu haben, und dementsprechend haben sie den eigenen Gewalt­
gebrauch als einen Akt der Rechtswahrung und Rechtsdurchsetzung legi­
timiert. Das wird nachfolgend im Einzelnen dargestellt. Die ersten Kriegs­
jahre zumindest veranschaulichen auf erschreckende Weise die römische
Formel summum ius, summa iniuria, die den Umschlag von Rechtsinsistenz
in eine Anhäufung von Unrechtsakten auf den Begriff bringt. Wer die Vor­
geschichte und die ersten Jahre des Krieges studiert, wird gegenüber der
Fixierung auf das Recht als Bewältigungsform politischer Herausforderun­
gen skeptisch werden und darüber nachdenken, ob nicht strategische Kom­
promissbildung sinnvoller ist als das dogmatische Insistieren auf rechtli­
chen Bestimmungen. Diese Fragen werden implizit im ersten und zweiten
Kapitel des Buches behandelt.
Neben dem Reaktionsmodell des Rechtlichen steht hierzulande das
des Moralischen. Die Erörterung politischer Herausforderungen im Hori­
zont moralischer Normen und Imperative ist vielfach an die Stelle strate­
gischen Denkens getreten. Das kann man sich leisten, solange nicht die
Gefahr droht, die aufgezeigten Werte und die aus ihnen resultierenden Ver­
pflichtungen durchsetzen zu müssen, jedenfalls nicht außerhalb des eige­
nen Staatsgebiets. Sobald die Moralkommunikation jedoch folgenreich
wird, gerät sie unter die Vorgaben strategischer Überlegungen, bei denen
die Kosten der Wertdurchsetzung gegen deren Risiken abgewogen werden,
und auch dieses Abwägen erweist sich als ein weiterer Prozess der Desil­
lusionierung. Über die verhängnisvollen Folgen unbedingter Wertbindung
lässt sich anhand des Dreißigjährigen Krieges sehr viel lernen - unter
anderem auch, dass es ohne eine Abkehr davon zu keinem Friedensschluss
gekommen wäre. Die auf ihren Werten insistierende Römische Kurie hat
deswegen dem auf Kompromissen beruhenden Friedensschluss von 1648
Deutsche Erinnerung und deutsches Trauma 39

nicht zugestimmt, sondern ihn verurteilt. Die Paradoxien unbedingter


’iVerbindung lassen sich am Beispiel des Dreißigjährigen Krieges sehr
cenau studieren.
Aber strategisches Denken lässt sich nicht dekretieren, sondern will
ceübt sein. Ein Krieg, der sich über einen Zeitraum von dreißig Jahren
erstreckt hat, ist ein vorzüglicher Übungsplatz für strategisches Denken.
Das ist der Grund, warum sich die nachfolgende Darstellung immer wie­
der auf strategische Entscheidungen einlässt, indem sie sowohl die Motive
und Zielsetzungen als auch deren unbeabsichtigte Effekte beschreibt - von
Fragen der Fortsetzung oder Beendigung der Krieges über solche der Eröff­
nung neuer Kriegsschauplätze beziehungsweise Schließung bestehender
und der Planung von Feldzügen, insbesondere zur Zeit Tillys, Wallensteins
und Gustav Adolfs, mit der Alternative einer «Verselbständigung» des
Krieges, bei der jegliche Strategie von den Erfordernissen der Logistik auf-
cezehrt wird, bis hin zu den taktischen Dispositionen bei der Führung von
Schlachten. Mit diesen Fragen beschäftigen sich die Kapitel zwei bis sieben.
Sie sind - auch - eine Übung in strategischem Denken und eine Betrach­
rung von Erfolg und Scheitern.
1. K A P I T E L
« I H R K E N N T N IC H T DIE FO LG EN
EURES TUN S»:
ANFÄNGE UND VORGESCH ICH TEN

Fenstersturz in Prag

i Vormittag des 23. Mai 1618 drängte eine beständig wachsende Men­
schenmenge durch das Zentrum von Prag; sie zog vom Karolinum, wo
sich die Vertreter der Stände versammelt hatten, zum Hradschin, zur Burg,
wo die Statthalter des Kaisers residierten. Die kaiserlichen Beamten sollten
zur Rede gestellt und gefragt werden, weshalb sie die Ständeversammlung
des böhmischen Adels und der Städte nun schon zum zweiten Mal hatten
verbieten lassen und wer für den, wie die Ständevertreter meinten, rüden
Ton des kaiserlichen Verbotsschreibens verantwortlich sei. 1 Manche der in
Richtung Burg Drängenden meinten, das Schreiben sei überhaupt nicht
in Wien, sondern in Prag verfasst worden, und man glaubte aus ihm die
Auffassung einiger Standesgenossen herauszuhören, die der katholischen
Gegenreformation eng verbunden waren, vor allem die des Jaroslaw von
Martinitz und des Wilhelm Slawata. Auch machten in der Menge Gerüchte
die Runde, denen zufolge die kaiserlichen Statthalter einen Anschlag auf die
Ständeversammlung planten, um ein «absolutes Dominat» der Habsbur­
ger in Böhmen durchzusetzen. Dagegen wollte man sich wehren.
An der Spitze des Zuges marschierten Joachim Andreas von Schlick,
der Führer des böhmischen Adels, ein Lutheraner, der bislang eher auf eine
zurückhaltende und vorsichtige Politik gegenüber dem habsburgischen
42 « I H R K E N N T N IC H T D IE F O L G E N EU R E S TUNS

Kaiserhaus gesetzt hatte, und Heinrich Matthias von Thurn, ein Calvinist,
der seit langem für entschiedenen Widerstand gegen die Eingriffe der kai­
serlichen Beamten in die Rechte des böhmischen Adels eintrat. Die unter­
schiedlichen Einstellungen der beiden protestantischen Konfessionen, der
Lutheraner und der Calvinisten, gegenüber dem Landesherrn spielten auch
in Böhmen eine Rolle. Nun allerdings marschierten die beiden gemeinsam.
Die kaiserlichen Beamten hatten es zu weit getrieben. Das einte Lutheraner
und Reformierte und verband selbst so gegensätzliche Charaktere wie den
gemäßigten Schlick und den Heißsporn Thurn.2
Der Konflikt, der an diesem Vormittag offen ausbrach, betraf die stän­
dischen Rechte. Es handelte sich um einen Verfassungskonflikt, der mit
der unterschiedlichen Interpretation von Verträgen und Vereinbarungen
zusammenhing. Gleichzeitig betraf er aber auch die freie Religionsaus­
übung in Böhmen, also das Recht der Menschen, sich den eigenen Vorstel­
lungen gemäß um ihr Seelenheil zu sorgen. Das Dokument, auf das sich
die Stände als Hüter der Freiheit und Sicherheit Böhmens beriefen, war
der Majestätsbrief Kaiser Rudolfs II. aus dem Juli 1609. In ihm wurden die
Protestanten - im Text als «Utraquisten» bezeichnet - den Katholiken
gleichgestellt, was auf die organisatorische Eigenständigkeit ihrer Kirche
hinauslief und bedeutete, dass sie ungehindert Kirchen- und Schulgebäude
errichten durften. Zudem erlaubte ihnen der Majestätsbrief, aus ihrer Mitte
«Defensoren» zu wählen, die als Verteidiger ihrer Rechte auftraten.3 Mat­
thias, seit 1611 Rudolfs Nachfolger als böhmischer König, hatte diese Pri­
vilegien bestätigt, und auch Erzherzog Ferdinand, der ein Jahr zuvor neu
gewählte böhmische König, hatte ausdrücklich zugesagt, dass er die den
Böhmen im Majestätsbrief zugesicherten religiösen Freiheiten uneinge­
schränkt anerkenne. Darauf hatte die dem neuen König huldigende Stän­
deversammlung - die Huldigung war «der herrschaftsstiftende Akt am
Anfang einer Regierung»4 - Wert gelegt.
Dafür gab es aus ihrer Sicht gute Gründe, und einer davon war, dass Fer­
dinand in der Steiermark eine rigorose Politik der Rekatholisierung betrie­
ben hatte. Einige befürchteten, er werde auch in Böhmen auf diese Weise
Vorgehen. Dass es unter den Adligen des Landes eine kleine Gruppe gab, die
nichts sehnsüchtiger erwartete, als gemeinsam mit dem Landesherrn der
Fenstersturz in Prag 43

Gegenreformation zum Sieg zu verhelfen, war allgemein bekannt. Jaroslaw


von Martinitz etwa, einer der Statthalter des Kaisers in Prag, spielte dabei
eine wichtige Rolle. Der von ihm erteilte Erlass, wer von den Untertanen
seiner Besitzungen nicht zur katholischen Beichte und Kommunion gehe,
müsse 50 Taler Strafe zahlen, richtete sich eindeutig gegen die Protestanten
und verletzte die im Majestätsbrief jedem Bürger und Bauern zugesicherte
Religionsfreiheit.5 Die allgemeine Unruhe wurde noch dadurch gesteigert,
dass die weitgehend protestantische Altstadt von Prag einen Rat erhalten
hatte, der zu mehr als der Hälfte aus Katholiken bestand.6 Generell ließ
sich beobachten, dass bei der Ämtervergabe in der landesherrschaftlichen
Administration entschiedene Anhänger der Gegenreformation bevorzugt
wurden. Das sich ausbreitende Misstrauen gegenüber dem Landesherrn
und den von ihm eingesetzten Beamten kam also nicht von ungefähr. Aber
es war bislang eher diffus geblieben. Am frühen Vormittag des 23. Mai 1618
wurde es zum Antrieb für eine politische Aktion.

Der unmittelbare Anlass für die erste Einberufung der böhmischen Stände
un März 1618 waren die Auseinandersetzungen um protestantische Kirchen­
bauten in Braunau und Klostergrab gewesen. Lutheraner hatten in Braunau
auf dem Land des dortigen Benediktinerklosters eine Kirche errichtet, die
der Abt des Klosters unter Verweis auf seine Besitzrechte wieder schlie­
ßen ließ. Die kaiserlichen Statthalter in Prag unterstützten das, indem sie
die Braunauer, die gegen die Anordnung des Abts protestierten, in einem
Schreiben anwiesen, den Kirchenschlüssel im Kloster abzuliefern. Als
einige von ihnen daraufhin nach Wien reisten, um sich bei Kaiser Matthias
unter Verweis auf die im Majestätsbrief zugesicherten Rechte zu beschwe­
ren, wurden sie kurzerhand in Arrest genommen. In Klostergrab wiederum
hatte der Prager Erzbischof die auf seinem Grund stehende evangelische
Kirche einfach abreißen lassen und evangelische Gottesdienste verboten.
Letzteres war fraglos ein Verstoß gegen den Majestätsbrief. Am 11. März
1618 hatte die Ständeversammlung dann ein Schreiben an den Kaiser auf­
gesetzt, in dem dieser aufgefordert wurde, die Braunau und Klostergrab
betreffenden Beschwerden der Bürgerschaft zur Kenntnis zu nehmen und
die Rechte der Böhmen zu respektieren. In der kaiserlichen Antwort vom
44 « I H R K E N N T N IC H T D IE F O L G E N EU R E S T U N S »

21. März wurde die Ständeversammlung daraufhin für ungesetzlich erklärt,


und die Magistrate der böhmischen Städte wurden angewiesen, keine
Abordnungen dorthin zu entsenden. Das Vorgehen der Stände wurde «als
Anlaß zu Aufruhr und Zwietracht verurteilt», den «Anstiftern ein Strafver­
fahren angekündigt».7
Die Reaktion aus Wien schweißte die unterschiedlichen Gruppen des
böhmischen Adels und der Bürgerschaft fürs Erste zusammen. Die einen
fühlten sich von Erzherzog Ferdinand betrogen, der den Majestätsbrief ja
ausdrücklich bestätigt hatte, die anderen argwöhnten, bei dieser Antwort
aus Wien hätten die Prager Statthalter die Feder geführt und weder Kaiser
Matthias noch Erzherzog Ferdinand wüssten, worum es gehe. Sie täuschten
sich, denn «der wirkliche Verfasser des kaiserlichen Schreibens war [... ]
der Kardinal Klesl, der es diesmal für angezeigt hielt, eine energische Spra­
che zu führen und, wie er sich brieflich gegen einige Vertrauenspersonen
ausdrückte, es für zweckmäßig erachtete, daß der Kaiser nicht schleichend
<wie ein Fuchs>, sondern gewaltsam <wie ein Löwe> auftrete».8 Dass Mel­
chior Klesl, der eher auf Ausgleich und Kompromiss bedachte Direktor
des Geheimen Rates in Wien,9 in dieser Frage Kompromisslosigkeit und
Schärfe den Vorzug gab, ist ein weiteres Indiz dafür, wie verhärtet die Fron­
ten inzwischen waren. Klesl, Sohn eines Bäckers und evangelisch getauft,
hatte durch die Protektion der Jesuiten in Kirche und Universität Karriere
gemacht und war von seiner inneren Überzeugung her sicherlich ein «kom­
promissloser Reformkatholik»;10 aber er war auch ein geschickter Politi­
ker, der in großen Zusammenhängen dachte und auf lange Sicht plante. Es
war eigentlich nicht seine Art, Dinge übers Knie zu brechen. Wenn Klesl
geglaubt hatte, auf diese Weise die Böhmen einschüchtern zu können, so
hatte er sich jedenfalls getäuscht. Am 21. Mai trafen sich die Stände im Pra­
ger Karolinum erneut, um über die kaiserliche Antwort zu beraten und auf
sie zu reagieren.
Kaum war die Versammlung am 21. Mai eröffnet, wurde ihr im Auf­
trag der Statthalter ein neuer Erlass des Kaisers vorgelegt, der, wenn auch
in verbindlicherem Ton, ihr Zusammentreten untersagte und die Versam­
melten aufforderte, unverzüglich auseinanderzugehen. Damit war in Prag
eingetreten, was am Anfang einer jeden europäischen Revolution stand -
Fenstersturz in Prag 45

vom Abfall der Niederlande über die beiden englischen Revolutionen bis
zur Französischen Revolution von 1789: Das Zusammenwirken von Lan­
desherrschaft und Ständeversammlung hatte sich nach einer längeren Peri­
ode atmosphärischer Störungen und gehäufter Missverständnisse in einen
antagonistischen Konflikt verwandelt, dessen gewaltsame Austragung nur
noch durch das demütige Nachgeben einer Seite hätte vermieden werden
können. Die große Mehrheit der böhmischen Ständevertreter war dazu
nicht bereit. Ihr Zorn richtete sich gegen die kaiserlichen Statthalter in
der Burg: Man wollte von ihnen wissen, ob sie das Versammlungsverbot
gebilligt oder gar dazu geraten hatten. Um sie zur Rede zu stellen, zog man
am besagten Morgen des 23. Mai los. A uf dem Weg zur kaiserlichen Burg
schlossen sich dem Zug immer mehr Personen an; schließlich war es eine
eroße Menschenmenge, die sich Zutritt zum Hradschin verschaffte, und
die Burgwache sah angesichts dieser Überzahl keine Möglichkeit, sie am
Betreten der Burg zu hindern. Wäre nur eine Delegation der im Karolinum
Versammelten in die Burg gekommen, so hätte man sie hier leicht fest­
setzen und dann die Burgtore schließen können. Dass eine führungslose
Menge danach in der Lage gewesen wäre, den Hradschin zu stürmen, darf
bezweifelt werden. So aber überrumpelte man die Statthalter mitsamt der
Burgwache und bekam das Heft des Handelns in die Hand.
In der Burg angekommen, begaben sich die Ständevertreter zunächst
in den Landtagssaal, wo die von den Defensoren verfasste Antwort auf das
kaiserliche Dekret verlesen wurde. Man verständigte sich darauf, diesen
Text den Statthaltern vorzutragen. Also ging es vom Landtagssaal weiter
in deren Sitzungszimmer, wo sich vier von ihnen aufhielten: der Oberst­
burggraf Adam von Sternberg, dessen Schwiegersohn Jaroslaw von Mar-
tinitz, der Oberstlandrichter Wilhelm Slawata sowie der Grandprior des
Malteserordens Diepold von Lobkowitz; bei ihnen befand sich noch der
Sekretär Philipp Fabricius. Zdenko von Lobkowitz, der Großkanzler des
Königreichs Böhmen, fehlte, da er sich zu Amtsgeschäften in Wien aufhielt.
«Unangemeldet, gar keck und mit großer Importunitet», also Frechheit
oder Rücksichtslosigkeit, seien sie hereingekommen, schrieb Martinitz
später in seinem Bericht über die Ereignisse, «daß gemeldete Canzlei fast
allein von denen Herren- und Ritterstandspersonen ganz voll gewesen,
46 « I H R K E N N T N IC H T DIE F O L G E N EU R E S T U N S »

die Bürger aber meistenteils draußen vor der Tür, welche deshalben auch
ganz offen bleiben müssen, gestanden».11 Martinitz hält genau fest, wer bei
dem Aufruhr welche Rolle spielte: Es war vor allem der Hochadel, der sich
gegen den Kaiser stellte. Nach einem kurzen Wortgeplänkel verlas Paul von
Rziczan die Antwort der Stände auf das Versammlungsverbot: Auch auf
die Gefahr hin, «Leib und Leben, Ehre und Gut» zu verlieren, habe man
sich miteinander verbunden, um der Exekution des Dekrets zu widerste­
hen. Man wisse, dass dieses Schreiben auf Veranlassung einiger Feinde der
freien Religionsausübung in Böhmen verfasst worden sei, und wolle des­
wegen von den Anwesenden darüber Auskunft, «ob sie, oder etliche von
ihnen, von gemeltem [besagtem] Schreiben gewußt, dazu geraten oder das-
selbig approbiert hätten»12.
Der Oberstburggraf verweigerte auf diese fordernde Frage zunächst
jede Auskunft; man habe sich durch Eid zur Geheimhaltung aller Verhand­
lungen verpflichtet. Wenn die Herren wissen wollten, wer dem Kaiser zu
diesem Schreiben geraten habe, so müssten sie sich an den Kaiser selbst
wenden. Einzelne aus der Gruppe der Ständevertreter riefen dazwischen,
man wisse ja ohnehin, dass Martinitz und Slawata bei der Antwort ihre Fin­
ger im Spiel gehabt hätten, und werde sie dafür bestrafen. Sie hätten das
Gemeinwohl geschädigt. Graf Thum wiederholte daraufhin die Frage, wer
der Verfasser des kaiserlichen Dekrets sei und welchen Anteil die Statthal­
ter daran hätten. Vom Auftreten der Eindringlinge eingeschüchtert und
wohl auch unter dem Eindruck ihrer Waffen, erklärte der Oberstburggraf,
nur unter äußerem Zwang verletze er das Dienstgeheimnis, und versicherte,
dass das Schreiben nicht in Prag entworfen worden sei. Doch die Situation
war inzwischen zu aufgeheizt, als dass mit dieser Auskunft die Gemüter
hätten beruhigt werden können. Adam von Sternberg und Diepold von
Lobkowitz wurden aus dem Saal herausgedrängt, während sich einige Stän­
devertreter der Herren Slawata und Martinitz bemächtigten, sie zu den weit
geöffneten Fenstern zerrten und in den 17 Meter tiefen Schlossgraben war­
fen. Und weil sie schon dabei waren, warfen sie den Sekretär Fabricius noch
hinterher. Das Ganze spielte sich zwischen neun und zehn Uhr ab. Aus den
Vertretern der Stände waren politische Rebellen geworden.
Fenstersturz in Prag 47

Es dürfte sich bei dem Fenstersturz keineswegs um eine spontane, aus


Wortwechsel und Handgemenge entstandene Aktion gehandelt haben. Er
scheint vielmehr, zumindest in seinen Grundzügen, geplant und vorbe­
reitet gewesen zu sein - von der Konzentration auf Martinitz und Slawata
bis zu dem Umstand, dass man gegen die beiden keine Waffen gebrauchte,
sie nicht mit dem Degen niederstieß oder Pistolen auf sie abfeuerte, son­
dern «defenestrierte». Damit wiederholte man einen Vorgang, der sich
ziemlich genau zweihundert Jahre vorher ebenfalls in Prag abgespielt hatte:
Am 30. Juli 1419 waren Anhänger des vier Jahre zuvor auf dem Konstanzer
Konzil verbrannten Theologen Jan Hus in das Rathaus der Neustadt ein-
gedrungen, um dort inhaftierte Glaubensgenossen zu befreien. Im Zuge
dieser Befreiungsaktion hatten sie den Bürgermeister, mehrere Ratsherren
und Richter sowie einige Gemeindeälteste, insgesamt zehn Personen, aus
dem Fenster geworfen, die dann im H of von einer aufgebrachten Menge
mit Hiebwaffen totgeschlagen wurden. Dieser erste Prager Fenstersturz
steht für den Anfang der Hussitenkriege, in denen sich die Böhmen gegen
die Ritterheere des Kaisers militärisch behauptet hatten; zuletzt trotzten sie
ihren Widersachern eine Reihe religionspolitischer Zugeständnisse ab.13
Man stellte sich am 23. Mai 1618 also in eine politische Tradition, vollzog
Gewissermaßen ein spezifisch böhmisches Aufstandsritual und ging davon
aus, dass der danach zu erwartende Krieg für die Aufständischen ähnlich
errolgreich verlaufen werde wie die früheren Hussitenkriege.
Es scheint aber nicht nur das mit der Wiederholungstat verbunde­
ne Erfolgsversprechen gewesen sein, das Graf Thum und seine Anhänger
dazu veranlasste, die beiden Statthalter samt Sekretär aus dem Fenster zu
werfen; die Wiederholungsinszenierung dürfte auch dazu gedient haben,
die Bedenken eines Großteils der Ständevertreter, was einen Mord an den
kaiserlichen Statthaltern anlangt, zu schmälern. Bis zum 23. Mai nämlich
waren Thurn und seine auf offene Konfrontation mit dem Haus Habsburg
setzenden Anhänger immer wieder auf den Widerstand der Moderaten
unter den Ständevertretern gestoßen, zumeist Lutheraner, die zwar ihre
Rechte verteidigen, es aber nicht zum offenen Bruch mit den Habsbur-
cern kommen lassen wollten. Thurn und seine Anhängerschaft hingegen
wollten den Bruch, und dazu brauchten sie eine Tat, deren Symbolkraft so
Matthäus Merians Theatrum Europaeum, das über die großen Ereignisse
in der Politik und auf den Schlachtfeldern berichtete, enthielt zahlreiche
Kupferstiche. Die von Merian ins Bild gesetzte Szene des Prager Fens­
tersturzes ist übersichtlich angelegt: Der Großteil der Personen, die in
die Prager Burg eingedrungen sind, befindet sich außerhalb des Raumes,
in dem die «D efenestration» stattfindet; von links stürmt eine Gruppe
Bewaffneter herein; in einem angrenzenden Raum wird beratschlagt. Das
eigentliche Geschehen wird durch Dreiergruppen bestimmt, je zwei Rebel­
len, die einen der drei Männer ergriffen haben, die sie sogleich aus dem
Fenster stürzen werden: die kaiserlichen Statthalter Martinitz und Slawata
sowie den Sekretär Fabricius.

groß war, dass keine Seite mehr hinter sie zurückkonnte. Zugleich muss­
te sie so angelegt sein, dass sie von den Moderaten mitvollzogen werden
konnte. Was lag da näher als die Reinszenierung des ersten Prager Fens­
tersturzes?
Man hatte sich jedoch mit dem ersten Prager Fenstersturz von 1419
nicht besonders gründlich beschäftigt, sonst hätte man damit gerechnet,
dass ein Sturz aus größerer Höhe nicht zwangsläufig mit dem Tod endet.
Damals hatte man Leute bereitgehalten, die den durch den Sturz Verletzten
Fenstersturz in Prag 49

den Garaus machten. Darauf hatte man bei der Reinszenierung verzichtet,
sei es, weil man zusätzliche Personen ins Vertrauen hätte ziehen müssen
und so das Risiko einer vorzeitigen Aufdeckung des Komplotts erhöht
hätte, sei es, weil man offenes Blutvergießen scheute und darauf setzte, dass
die bei einem Sturz aus solcher Höhe zugezogenen Verletzungen zum Tode
führen würden. Doch genau das trat nicht ein: Alle drei «Defenestrierten»
überlebten. Sie schlugen nicht auf hartem Steinpflaster auf, sondern lande­
ten auf einem großen Abfallhaufen, wie er in Burggräben allenthalben zu
rinden war; offenbar hatten auch die weiten Mäntel die Fallgeschwindig­
keit gebremst, und die drei rutschten eher an der abgeschrägten Burgmauer
hinunter, als dass sie in freiem Fall stürzten. Jedenfalls verletzte sich nur
Siawata so schwer, dass er aus eigener Kraft kaum gehen konnte.
Als die Rebellen an den Fenstern der Burg bemerkten, dass die drei
überlebt hatten, feuerten sie ihre Pistolen auf sie ab, trafen aber nicht. Mar-
tinitz gelang noch in der Nacht die Flucht aus Prag, von wo aus er sich
nach Regensburg und München begab, um über den ungeheuerlichen
Vorfall zu berichten. Auch der Sekretär Fabricius konnte entkommen; er
reiste nach Wien, wo er dem Kaiser die erste Nachricht von den Ereig­
nissen in Prag übermittelte. Fünf Jahre später wurde ihm der treffliche
Adelstitel «von Hohenfall» verliehen. Siawata wurde von seiner herbei-
gelaufenen Dienerschaft in das Haus des Zdenko von Lobkowitz gebracht,
seinem gerade in Wien weilenden Kollegen aus dem Statthalterkollegium.
Als Thurns Leute anrückten, um ihn aus dem Lobkowitz sehen Anwesen
herauszuholen, trat ihnen Polyxena von Lobkowitz entgegen und sorgte
dafür, dass sich Thum und seine Leute wieder zurückzogen. In diesem
Zurückweichen zeigte sich die Halbherzigkeit und Inkonsequenz der Pra-
eer Aufständischen. Polyxena von Lobkowitz hatte in der Zeit davor als
«Muse der Rekatholisierung» in Böhmen gewirkt; 14 wirklich entschlos­
sene Aufständische hätten sich durch sie nicht bremsen lassen. Dass sie
vor Polyxena zurückwichen, ließ von Beginn an Zweifel aufkommen, ob
dieser Aufstand erfolgreich sein würde.
Der Anfang des Dreißigjährigen Krieges war von einer Paradoxie
geprägt: Man scheute vor Blutvergießen zurück und setzte doch (was man
indes nicht wissen konnte) einen Krieg in Gang, der zu einem der groß-
5° « I H R K E N N T N IC H T DIE F O L G E N E U R E S T U N S »

ten Blutvergießen der Geschichte werden sollte. Der von einer mutigen
und entschlossenen Frau gerettete Slawata blieb bis zu seiner Genesung in
deren Haus; danach verließ auch er heimlich Prag, um angesichts der eska­
lierenden Lage nicht erneut in Gefahr zu kommen.

Der Prager Fenstersturz wurde unmittelbar danach bereits von beiden


Seiten propagandistisch ausgebeutet: von den protestantischen Aufständi­
schen als Anknüpfung an die Hussitenkriege und den heroischen Wider­
stand der Böhmen gegen die fremden Eindringlinge, worauf man mit der
Reinszenierung des ersten Prager Fenstersturzes ja hingearbeitet hatte; von
Seiten der katholischen Landesherrschaft, indem man das Überleben der
«Defenestrierten» auf das Eingreifen der Jungfrau Maria zurückführte, die
ihren Sturz gebremst habe. Die propagandistische Absicht war im letzteren
Fall klar: Wie die Gottesmutter den dreien beigestanden und sie gerettet
habe, so werde sie auch den für die katholische Sache Kämpfenden in dem
bevorstehenden Krieg beistehen. Diese Zuversicht beseelte das ligistische
Heer tatsächlich; sie ging auf die Wundererzählung von der Rettung der
Defenestrierten zurück und zog sich wie ein roter Faden durch das erste
Jahrzehnt des Krieges. Bis zu Tillys Niederlage gegen die Schweden bei
Breitenfeld galten die der Jungfrau Maria gewidmeten Fahnen und Standar­
ten des ligistischen Heeres als Garanten dafür, dass man den Sieg davontra­
gen werde und dass, wenn der Sieg denn das Leben kostete, die Gottesmut­
ter den im Kampf Gefallenen beim Jüngsten Gericht als Fürsprecherin zur
Seite stehen werde. Maria wurde so zum Siegeszeichen der Katholischen.
Die Behauptung, die beiden Statthalter und ihr Sekretär seien durch
das Eingreifen der Heiligen Jungfrau gerettet worden, findet sich erstmals
in dem von Martinitz angefertigten Bericht über den Fenstersturz: Als Ers­
ter sei er selbst mit dem Kopf voran aus dem Fenster geworfen worden und
habe in diesem Augenblick gerufen: «Jesu - fili Dei, miserere mei, Mater
Dei, memento mei - Jesus, Sohn Gottes, erbarme dich meiner, Mutter Got­
tes, gedenke meiner!» Dieser Ausruf habe ihn gerettet: «Als er [Martinitz]
aber allzeit off nacheinander die heiligsten Namen <Jesu-Maria> stark aus-
geruff, hat ihn solcher erschröckliche Wurf und Fall, aus sonderbarer, durch
vornehmste unser lieben Frauen Vorbitte erlangten Gnade und Barmher­
Fenstersturz in Prag Sl

zigkeit Gottes, nicht allein am Leben nichts, sondern auch an der Gesund­
heit wenig geschadet. » 15 Gottesfürchtige Leute hätten gesehen, so Mar-
tinitz weiter, wie «die allerseeligste und lobenswürdigste Jungfrau Maria,
Mutter Gottes, als seine [Martinitz] vortreffliche Patronin erschienen [sei],
welche ihn mit ihrem ausgebreiteten und unterlegten Mantel in dem Fall
gleichsam aufgehalten, desto sanfter zur Erden mählich fallen lassen und
also von gewissem Tod beim Leben und Gesundheit gnädiglich zu erhalten
geholfen hat» . 16

Im Vergleich zur protestantischen Anknüpfung an die Hussitenkriege


war das zweifellos die stärkere Erzählung. In ihrem großen Werk über den
Dreißigjährigen Krieg, halb historische Darstellung, halb historischer
Roman, hat die Schriftstellerin Ricarda Huch die Folgen dieser Wunder­
erzählung ausführlich dargestellt: Einem geschlossenen Reisewagen ent­
steigen in Regensburg zwei in dicke Mäntel gehüllte Männer und begeben
sich eilends zum Kollegium der Jesuiten. Dort angelangt, offenbart sich
einer der beiden dem Rektor des Kollegs als Jaroslaw von Martinitz und
berichtet von dem, was ihm in Prag widerfahren ist. «Indem er laut die
benedeite Jungfrau lobte, kniete der Rektor vor Martinitz nieder; er müsse
durchaus demjenigen Verehrung erweisen, sagte er, den die Heilige Jung­
frau so sichtbarlich beschützt habe. » 17 Von all dem müsse der Bischof erfah­
ren, und umgehend begab er sich mit Martinitz zu dessen Amtssitz. Dort
musste Martinitz erneut berichten. «<Was für ein herrliches Wunder>, rief
der Bischof, und der Rektor fügte mit funkelnden Augen hinzu, da alles
so wohl abgegangen sei, müsse man frohlocken, daß die Unkatholischen
einmal ihre Tücke und mehr als herodische Grausamkeit gründlich offen­
bart hätten. Nun müsse doch jedermann und auch der Kaiser einsehen, daß
Moderation da nicht am Platze wäre, sondern daß Disteln und Dornen nur
mit Feuer könnten ausgerottet werden. » 18

Die Radikalen beider Seiten spielten sich in die Hände, und durch die­
ses Zusammenspiel wurden die politisch Gemäßigten mehr und mehr aus­
geschaltet. In Böhmen waren das die Lutheraner, die auf eine Übereinkunft
mit dem Hause Habsburg gesetzt hatten, und in Wien war es Kardinal Klesl,
der auch nach den Prager Ereignissen an einer Politik des Ausgleichs fest-
halten wollte. Die Erzählung vom wunderbaren Eingreifen der Gottesmut­
52 « I H R K E N N T N IC H T D IE F O L G E N E U R E S T U N S »

ter stand nicht zuletzt auch für eine Politik der Konfrontation und wurde
zum Einspruch gegen all diejenigen, die auf kompromissorientierte Ver­
handlungen mit den Böhmen setzten: Die Gottesmutter selbst wollte, dass
mit der Rückgewinnung Böhmens für den Katholizismus ernst gemacht
wurde.

Anlässe und Ursachen

Mit dem Prager Fenstersturz begann der Dreißigjährige Krieg - auch wenn
im Mai 1618 keiner der Beteiligten eine Vorstellung davon hatte, wie lange
dieser Krieg dauern und wie viel Leid und Unglück er über die Menschen
bringen würde. Die aufständischen Böhmen orientierten sich außer an den
Hussitenkriegen ihrer Vorfahren am Beispiel der Niederlande, die sich in
einem langewährenden Krieg erfolgreich gegen das übermächtige Spanien
behauptet hatten.19 In Wien dagegen setzte man darauf, dass man den Auf­
stand des böhmischen Adels - denn um mehr handelte es sich zunächst
ja nicht - schnell niederwerfen könne. Nur zu gut wusste man um die
Zerstrittenheit der Böhmen, um die Gegensätze zwischen Tschechen und
Deutschen, Lutheranern und Calvinisten, hohem und niederem Adel, städ­
tischem Bürgertum und bäuerlichen Schichten, und ob sich die Markgraf­
schaften Mähren, Nieder- und Oberlausitz sowie das Herzogtum Schlesien
den Prager Aufständischen anschließen würden, war noch völlig offen.20Im
Augenblick jedenfalls waren die Böhmen auf sich allein gestellt, und einige
kaiserliche Berater in Wien betrachteten den Aufstand als eine gute Gele­
genheit, die seit den Hussitenkriegen gemachten Konzessionen zurück­
zunehmen, vor allem die im Majestätsbrief Kaiser Rudolfs II. gewährten
Privilegien, und im Zuge einer entschiedenen Rekatholisierungspolitik ein
straffes landesherrschaftliches Regiment in Böhmen durchzusetzen. Aus
ihrer Sicht bot der Prager Fenstersturz die Chance für eine Politik, die von
einigen schon vor langem entworfen worden, aber stets an der Zögerlich-
keit der Kaiser Rudolf und Matthias gescheitert war.
Matthias war, als der Prager Aufstand begann, schwer krank, und sein
Anlässe und Ursachen 53

Tod war absehbar. Mit seinem voraussichtlichen Nachfolger Ferdinand, der


bereits böhmischer König war, würde man eine entschlossenere Politik
betreiben können. So jedenfalls dachten diejenigen, die mit Klesls Kurs
des Verhandelns und Ausgleichens zutiefst unzufrieden waren und jetzt
die «Ära der Schwäche» beenden wollten. In der Frage, wie es in Böhmen
weitergehen solle, standen sich zwei Parteien gegenüber, die in den zurück­
hegenden zehn Jahren bereits im Reich auf Konfrontationskurs gegangen
waren. Hatte es bislang jedoch immer wieder Möglichkeiten des Sich-
Arrangierens, des Hinausschiebens und der Formelkompromisse gegeben,
so war das in der böhmischen Angelegenheit kaum noch der Fall. Der Fens­
tersturz hatte eine Entwicklung in Gang gesetzt, die von den Radikalen auf
beiden Seiten als unumkehrbar betrachtet wurde. Nicht das Ereignis selbst
rührte zum Krieg, sondern eine bestimmte Interpretation dieses Ereignis­
ses und seine politische Verbindlichmachung.
War der Prager Fenstersturz somit die Ursache des Dreißigjährigen
Krieges? Oder war er doch nur der Anlass, den seit langem schwelenden
Konflikt in einen offenen Krieg zu überführen, wozu auch jeder andere
.Anlass hätte dienen können? War der große Krieg in Mitteleuropa unver­
meidlich, weil sich zwischen den Parteien so viel Konfliktstoff angesam­
melt hatte, dass er mit politischen Mitteln nicht mehr zu entschärfen war?
Oder hätte er bei einem anderen Verlauf des zwischen Landesherrn und
Ständevertretung ausgetragenen böhmischen Machtkampfs vermieden
werden können? Ob der Funkenflug, der die mitteleuropäischen Spannun­
gen explodieren ließ, vermeidbar oder unvermeidbar war, ob er von einigen
aus Leichtsinn oder mutwillig und im Bewusstsein der möglichen Folgen
erzeugt wurde - das ist eine Frage, zu deren Beantwortung immer wieder
zwischen Anlass und Ursache unterschieden worden ist.21

Die geschichts- wie politiktheoretisch elementare und doch so überaus


heikle Unterscheidung von Anlass und Ursache geht auf den griechischen
Historiker Thukydides zurück, dessen Werk auch in anderer Hinsicht für
die Analyse des Dreißigjährigen Krieges aufschlussreich ist. Thukydides
hat die aus einer Abfolge verschiedener Kriege bestehende Epoche der
athenisch-spartanischen Konfrontation in den letzten Jahrzehnten des
54 « I H R K E N N T N IC H T DIE F O L G E N E U R E S T U N S »

5. vorchristlichen Jahrhunderts zu einem einzigen Krieg, dem «Peloponne-


sischen Krieg», zusammengefasst; seine Darstellung wurde daher zunächst
auch unter dem Titel Xyngraphe, «Zusammenschreibung», überliefert.22
Die Historiographie des großen Krieges im 17. Jahrhundert hat sich an die­
ser thukydideischen Vorgabe orientiert, als sie die durch Waffenstillstände
und Friedensschlüsse voneinander getrennten Kriege zwischen 1618 und
1648 in Mitteleuropa ebenfalls zu einem einzigen zusammenhängenden
Krieg, dem Dreißigjährigen Krieg, «zusammenschrieb».23 Thukydides
ging es bei dieser «Zusammenschreibung» darum, die außerordentli­
che Ausdehnung des Krieges und damit seine paradigmatische Bedeu­
tung gegenüber allen anderen Kriegen herauszustellen: Der von Homer
beschriebene Trojanische Krieg hatte zehnJahre gedauert, die von Herodot
behandelten Perserkriege hatten sich über zwanzig Jahre hingezogen, aber
der Krieg zwischen Athen und Sparta hatte sich über nahezu dreißig Jahre
erstreckt.24Allein durch seine Dauer war er der Krieg aller Kriege, und wer
die in ihm ausgetragenen Konflikte, ihre Ursachen und ihre Folgen betrach­
tete, drang zum Kern des Politischen vor. Die «Zusammenschreibung»
der einzelnen Kriege zu einem einzigen Krieg war also die Voraussetzung
dafür, dass dieser Krieg einen paradigmatischen Charakter erhielt, durch
den er alle anderen Kriege in den Schatten stellte. «Wer [ ...] das Gewe­
sene klar erkennen will», so Thukydides am Ende seiner Vorrede über die
Bedeutung des Peleponnesischen Krieges, «und damit auch das Künftige,
das wieder einmal, nach der menschlichen Natur, gleich oder ähnlich sein
wird, der mag sie [die Darstellung dieses Krieges] für nützlich halten, und
das soll mir genug sein: zum dauernden Besitz, nicht als Prunkstück fürs
einmalige Hören ist sie verfaßt.»25
Dieser Wertung konnten sich die meisten Autoren, die seit Mitte des
17. Jahrhunderts das Erlebte und Gehörte zu begreifen versuchten, durchaus
anschließen: Der große Krieg in Mitteleuropa war der schrecklichste, der je
stattgefunden hatte, und da dieses Urteil der allgemeinen Wahrnehmung
entsprach, hat sich die Bezeichnung «Dreißigjähriger Krieg» schnell und
umstandslos durchgesetzt. So heißt es im Widmungstraktat zum sechsten
Band von Matthäus Merians Theatrum Europaeum, der sich mit der Schluss­
phase des Krieges beschäftigt, dass die Zeitzeugen dieses Ereignisses «auf
Anlässe und Ursachen SS

dem Theatro oder Schawplatz deß Teutschlands in praxi, zumalen als viel
die Materiam von Krieg und Frieden belanget, so viel gelernet und erfahren
haben, als hiebevor und für Alters keiner in etlichen seculis thun können » . 26

Dieser Krieg übertrefFe durch seine Länge und die Härte der Auseinander­
setzung alle früheren historischen Beispiele, aus ihm sei ein Wissen über
Krieg und Frieden zu gewinnen, das allem anderen Wissen so weit über­
legen sei, dass sich daraus sogar ein privilegierter Standort gegenüber dem
rer Antike ergebe.27 Das wollte etwas heißen in einer Zeit, da die Ereignisse
und Konstellationen der Antike noch allgemein als unerreichtes Vorbild
wie Wahrzeichen galten. Ein solcher Krieg konnte angesichts seiner zeit­
lichen Dauer und räumlichen Ausdehnung nicht die Folge eines einzigen
Ereignisses sein, schon gar nicht die Folge eines so randständigen Vorgangs,
wie es der Prager Fenstersturz nun einmal war. Die Historiker mussten die
untergründigen Entwicklungen herausfinden, die zu diesem Krieg geführt
hatten, und dabei mussten sie zeigen, dass alle Ereignisse, die sich in der
Vorgeschichte des Krieges zugetragen hatten, in dessen Richtung wiesen.
«Den wahrsten Grund [für die Entstehung des Krieges] freilich»,
schrieb Thukydides, «zugleich den meistbeschwiegensten, sehe ich im
Wachstum Athens, das die erschreckten Spartaner zum Kriege zwang. » 28

Auf diesen stummen Zwang der Entwicklungsprozesse kam er immer wie­


der zu sprechen: dass die Athener nicht länger Athener hätten bleiben kön­
nen, wenn sie den Spartanern die Furcht vor dem ständigen und selbst im
Frieden anhaltenden Machtzuwachs Athens hätten nehmen wollen. Die
Spartaner dachten bei ihren Entscheidungen mehrfach darüber nach, ob
sie sich Athen mit Krieg entgegenstellen sollten und ob dieser Krieg wirk-
uch unvermeidlich war.29 Während sie in Thukydides’ Darstellung zögerten
und vor dem Krieg zurückschreckten, weil sie dessen furchtbare Folgen zu
kennen glaubten, gab es in Athen eine Reihe von Politikern, die im Prinzip
an der Erhaltung des Friedens interessiert waren, zumal Athen davon ja in
besonderem Maße profitierte - aber, da auch sie davon überzeugt waren,
uer Krieg werde zwangsläufig kommen, eine Politik betrieben, die von der
Gegenseite als aggressiv verstanden werden musste: «Denn sie meinten,
der Peloponnesische Krieg werde auch so kommen, und wollten Kerkyra
nicht den Korinthern überlassen mit seiner großen Flotte, sondern die bei­
S<5 « I H R K E N N T N IC H T DIE F O L G E N E U R E S T U N S »

den [Kerkyra und Korinth] sollten sich möglichst aneinander reiben, damit
im Notfall, wenn Athen Krieg führen müsse, Korinth und die anderen See­
mächte schon geschwächt wären. » 30 Unter solchen Umständen waren alle
Ereignisse, die den Krieg auslösten, bloße Anlässe; die eigentliche Ursache
des Krieges lag in einer weithin selbstläufigen Entwicklung, jenseits der
Reichweite der politischen Akteure: im steten Wachstum des auf Handel
und Wandel angelegten Athen und in der sozioökonomischen Stagnation
des Militärstaats Sparta. 31
Wer in seiner Darstellung des Dreißigjährigen Krieges der thukydi-
deischen Unterscheidung zwischen Anlass und Ursache folgte, musste
historisch weit zurückgreifen, um jene Entwicklungen auszumachen, die
zwangsläufig zum Krieg führten, ihn unvermeidlich machten. Friedrich
Schiller etwa geht in seiner Geschichte des Dreißigjährigen Krieges ein ganzes
Jahrhundert zurück, wenn er mit den Anfängen der Reformation in Sach­
sen beginnt, sich danach mit dem Augsburger Religionsfrieden beschäftigt,
um anschließend auf das Zerwürfnis von Lutheranern und Calvinisten ein­
zugehen. Erst dann kommt er zu den genuin politischen Konflikten im Vor­
feld des Krieges, der Reichsexekution gegen Donauwörth, der Bildung der
protestantischen Union und der katholischen Liga, dem Erbfolgestreit von
Jülich-Kleve-Berg, bevor er sich schließlich den Konstellationen in Böhmen
und dem Prager Fenstersturz zuwendet. Die aufgeführten politischen Kon­
flikte, die auch anders hätten ausgehen können und deswegen eher dem
weiten Feld der Kontingenz zugehören als dem der Determination, sind für
Schiller nur ein Ausdruck des großen Streits zwischen den Konfessionen.
Bei einer solchen Herleitung konnten die Ereignisse in Prag bloß der Anlass
des Krieges, nicht aber dessen Ursache sein. Diese lag, wenn man bis zur
Reformation zurückging, wesentlich in der Glaubensspaltung. Schiller war
jedoch nicht der Auffassung, die Glaubensspaltung habe zwangsläufig zum
Krieg führen müssen; er beschreibt sie vielmehr als die Grundierung von
Konstellationen, in denen machtpolitische Konflikte eine deutlich größere
Eskalationsdynamik und damit Kriegswahrscheinlichkeit entfalteten, als
das üblicherweise der Fall gewesen wäre. Wer unter solchen Bedingungen
den Krieg vermeiden wollte, musste eine sehr viel aktivere und weitsichti­
gere Friedenspolitik betreiben als sonst.
Anlässe und Ursachen 57

Seit Anfang des 17. Jahrhunderts, so Schillers implizite Kriegsursachen-


inalyse, kam es im Reich zu einer eskalatorischen Abfolge von Konflikten,
ice einen großen Krieg immer wahrscheinlicher machten und eine Reihe
von Problemen derart miteinander verknoteten, dass, sobald der Krieg
einmal begonnen hatte, nicht mehr mit einem schnellen Ende zu rechnen
war. Die Ätiologie des Krieges bei Schiller ist zugleich die Erklärung seiner
langen Dauer und des Verstreichens so vieler Gelegenheiten, bei denen es
rar rationale Akteure nahegelegen hätte, den Krieg zu beenden. Der Prager
Fenstersturz ist aus der Sicht Schillers nur der Schlussakt einer Entwick­
lung, die in den vorangegangenen Jahrzehnten immer schneller auf den
Krieg zulief und im Frühjahr und Sommer 1618 von niemandem mehr zu
stoppen war. Diesem von Schiller vorgegebenen Modell der Kriegsursa-
ahenanalyse sind die meisten Historiker gefolgt, zumal Moriz Ritter, des­
sen zwischen 1889 und 1908 veröffentlichte dreibändige Deutsche Geschichte
Zeitalter der Gegenreformation und des Dreißigjährigen Krieges bis heute
aas an Detailreichtum der Darstellung unübertroffene Standardwerk dieser
Zroche darstellt. Fast alle Reihenwerke der Zeit behandeln Reformation,
Gegenreformation und Dreißigjährigen Krieg in einem Zusammenhang -
und das heißt in der Regel: in einem Band.32 Der Dreißigjährige Krieg ist
bei diesem Ansatz fest an die Geschichte des 16.Jahrhunderts rückgebun-
ien: Das 16.Jahrhundert ist die Vorgeschichte des Krieges, und im Krieg
kulminiert alles, was sich im 16. Jahrhundert entwickelt hat.

Rcarda Huch ist einen anderen Weg gegangen, als sie in ihrem mehr als
tuusendseitigen Werk Der Dreißigjährige Krieg, zunächst in drei Bänden
zwischen 1912 und 1914 unter dem Titel Der große Krieg in Deutschland ver-
orentlicht, die von den Historikern in die Zeit vor 1618 eingezeichneten
Hauptlinien des Konflikts in eine Fülle von Episoden aufgelöst hat; diese
stehen unvermittelt nebeneinander, und erst im Nachhinein erschließt sich,
wie sie Zusammenhängen und was sie mit dem Krieg zu tun haben. Huch
schleicht sich gleichsam über diverse Erzählstränge in das Geschehen ein:
Der Krieg entsteht fast unmerklich aus einer Reihe von politischen Pro-
ekten, Machenschaften und Intrigen, mit denen die fraglichen Akteure
beschäftigt sind. Es gibt in Huchs Erzählung keine Zäsur, die für das Ende
58 « I H R K E N N T N IC H T DIE F O L G E N E U R E S T U N S »

des Friedens und den Beginn des Krieges steht. Der Krieg schleicht sich
ein, nicht überall, sondern nur in begrenzten Räumen, und man hat den
Eindruck, diese Kriege, die zunächst nicht mehr als eine bewaffnete Fort­
setzung der vorangegangenen Machenschaften und Intrigen sind, könnten
auch schnell wieder beendet werden. An die Stelle der großen Erzählung
vom unversöhnlichen Gegensatz zwischen Protestanten und Katholiken
tritt bei Huch ein mosaikförmiges Bild vom Wollen und Tun zahlloser
Akteure, die auf ihren Vorteil bedacht sind und ihre Position im verwirren­
den Spiel um Macht und Reichtum zu verbessern trachten. Der Übergang
vom Frieden zum Krieg ändert dieses Spiel nicht grundsätzlich; eigentlich
machen alle unter den Bedingungen des Krieges so weiter, wie sie zuvor im
Frieden agiert haben. Mit einem Mal ist Krieg, und kaum einer hat gemerkt,
wie es dazu kam. Bei Schiller entsteht der Krieg, weil einflussreiche Akteure
ihn bewusst angesteuert haben, nachdem ihnen die Konflikte der Zeit nicht
mehr anders lösbar schienen; bei Huch ist er die Folge dessen, dass sich die
politischen Akteure nicht entschiedener um die Bewahrung des Friedens
gekümmert, sondern den Ereignissen ihren Lauf gelassen haben.
In Huchs Darstellung hätte die Unterscheidung von Anlass und Ursa­
che keinerlei Sinn. Es gibt für sie keine beherrschenden Entwicklungen, die,
wie ein großer Magnet, die verwirrende Fülle der Episoden strukturieren
und ordnen. Demzufolge können Entscheidungen und Ereignisse auch
nicht zu bloßen Anlässen gegenüber den eigentlichen Ursachen herabge­
stuft werden. Überall hat der Zufall seine Hand im Spiel, und die Darstel­
lung der Vorgeschichte des Krieges wird zu einer großen Studie über Kon­
tingenz. An die Stelle der konfrontativen Gruppenbildung, auf der Schillers
Ätiologie des Krieges beruht, treten bei Huch die persönlichen Dispositi­
onen der kleinen und großen Machthaber, ihre Ziele und Absichten, vor
allem auch ihre charakterlichen Eigenschaften, die vorsichtige Zurückhal­
tung bei den einen und die hochfliegenden Pläne bei den anderen. Sie alle
wissen nicht, worauf ihr Tun und Handeln hinausläuft - und sie machen
sich auch keine Gedanken darüber. Der Krieg ist nicht die Folge langfristi­
ger Entwicklungen, sondern das unbeabsichtigte Ergebnis eines leichtfer­
tigen Spiels. Selbstverständlich wäre er, folgt man Huchs Darstellung, zu
verhindern gewesen - wenn der eine Herrscher länger gelebt hätte und der
Anlässe und Ursachen 59

andere früher gestorben wäre, wenn Laune und Mutwille hier und da zu
änderen Entschlüssen geführt hätten, wenn die Mutterliebe im einen Fall
cennger und die väterliche Anerkennung im anderen Fall größer gewesen
wäre. Wo solche Kontingenzen das politische Feld beherrschen, ist jeder
Anlass immer auch eine Ursache, weil sich, wenn er ausgeblieben wäre, die
gesamte Abfolge des Geschehens verändert hätte.
Das ist eine Sichtweise, die sich in dieser Radikalität eher in literari-
j>dien als in historiographischen Darstellungen des Krieges findet - wobei
mmzuzufügen ist, dass die Erzählerin Ricarda Huch Historikerin war, eine
cer ersten Frauen, die an einer Universität promoviert wurden, in diesem
rali in Zürich, weil Frauen an deutschen Universitäten noch nicht zum Stu­
dium zugelassen waren. Methodische Prinzipien und der Imperativ narrati­
ver Stringenz hindern den Historiker daran, der Vorstellung einer völligen
Kontingenz der Ereignisse zu folgen - dass alles auch anders hätte kom­
men können, wenn nur an einer einzigen Stelle eine andere Entscheidung
verrotten worden wäre. Das sind, wie die Lektüre von Huchs Werk zeigt,
- Hintergrundannahmen», und die Darstellung des Krieges kann sich nicht
dann erschöpfen, Kontingenzen zu beobachten und herauszustellen, wie
es denn so hätte gewesen sein sollen. Das Wirrwarr der Episoden muss sich
schließlich auch bei Huch zu einem Mosaik formen, und das ist am ehes­
ten möglich, wenn sich die Darstellung auf einzelne Personen konzentriert
_r.d deren Handeln ausleuchtet. In diesem Sinn beruhen die Biographien
m den großen Gestalten des Dreißigjährigen Krieges, die umfangreichen
Werke vor allem zu Wallenstein und Gustav Adolf, auf der Annahme einer
weitgehenden Zufallshaftigkeit des Geschehens, in das die jeweilige Haupt-
i r u der Darstellung ordnend und wegweisend eingreift. Solche Biogra-
rhien sind von ihren theoretisch-methodologischen Voraussetzungen her
das Gegenstück zu den Gesamtdarstellungen, in denen der Dreißigjährige
Krieg als eine zwangsläufige Folge der bis weit ins 16. Jahrhundert zurück­
reichenden Entwicklungen erscheint. In den biographisch ausgerichte-
:en Darstellungen tritt die Anlass-Ursache-Unterscheidung zurück, und
das politische Geschehen wird zu einem offenen Feld, in das die großen
Akteure ihren Willen einschreiben - eine Sicht also, bei der der Krieg
aus einer bestimmten Verkettung von Umständen und Zufällen entstand,
6o « I H R K E N N T N IC H T DIE F O L G E N EU R E S T U N S »

denen ein kluger und vorausschauender Akteur durchaus eine andere Rich­
tung hätte geben können.
Kaiser Rudolf II. hätte, wenn er ein anderer gewesen wäre, eine solche
Rolle spielen können. Wenn Rudolf, so der Historiker Volker Press, ange­
sichts der wachsenden religionspolitischen Konflikte im Reich und der
SelbsÜähmung der Reichsinstitutionen eine aktivere Politik betrieben und
dabei seine kaiserliche Rolle konfessionsubergreifend verstanden hätte, ori­
entiert etwa an der Politik seines Vaters Maximilian II., dem «eigentlichen
Kaiser des Religionsfriedens»,33 dann wäre es womöglich nicht zur Bildung
der konfessionellen Gruppierungen, der protestantischen Union und der
katholischen Liga, gekommen, und die eskalatorische Konfliktdynamik,
die von den Deterministen herausgestellt wird, wäre gebremst, wenn nicht
gestoppt worden. Aber Rudolf war für eine solche Rolle völlig ungeeignet;
wochenlang verharrte er in grüblerischer Untätigkeit, ließ niemanden zu
sich, beschäftigte sich mit Astrolabien oder alchemistischen Experimenten
und widmete sich allerlei Skurrilitäten; dann wieder reagierte er bei jeder
Gelegenheit mit Tobsuchtsanfällen und wütete gegen seine Umgebung.
Außerdem lag er in beständigem Streit mit seinen Brüdern, namentlich
mit Matthias, der ihn von der Macht zu verdrängen suchte. Der «Bruder­
kampf im Hause Habsburg», der in Form einer schrittweisen Entmachtung
Rudolfs durch Matthias ausgetragen wurde,34hat zur Paralyse der Reichsin­
stitutionen erheblich beigetragen. Von Rudolf jedenfalls ist keine Initiative
gekommen, die den Konflikt moderiert oder entschärft hätte. Denkt man
diesen Ansatz zu Ende, so war es das Verhängnis Deutschlands, dass in der
politisch entscheidenden Phase vor dem großen Krieg eine psychisch labile
Person, ein von Depressionen und Entschlusslosigkeit geplagter Mann an
der Spitze des Reichs stand, der mit seinen kaiserlichen Aufgaben hoff­
nungslos überfordert war.35
Matthias, der seinem älteren Bruder Anfang des Jahres 1612 offiziell
als Kaiser nachfolgte, nachdem er seit längerem schon de facto als solcher
agiert hatte, besaß zwar einen stärkeren Machtwillen als Rudolf und war
auch in höherem Maße von seinen Fähigkeiten überzeugt,36 aber auch er
unternahm keinen Versuch, die gelähmten Reichsinstitutionen als Vermitt-
lungs- und Schiedsinstanzen wieder arbeitsfähig zu machen. Im Rückblick,
Der Streit um das Marburger Land 61

der im Unterschied zu den Zeitgenossen um den Fortgang der Geschichte


weiß und diese auf «verpasste Gelegenheiten» hin absucht, sind die
Regierungszeiten Rudolfs und Matthias’ durch Stillstand und Zuwarten
gekennzeichnet. Aber konnte man in dem Jahrzehnt vor Kriegsausbruch
überhaupt erkennen, dass dringender Handlungsbedarf bestand, wenn
man den bewaffneten Zusammenstoß der Konfessionen noch vermeiden
•»sollte? Oder erschien es aus zeitgenössischer Perspektive nicht viel sinn­
voller, angesichts der bestehenden Verhältnisse eine grundlegende Reform
ier Reichsinstitutionen hintanzustellen, um die allenthalben zutage tre­
tenden konfessionellen Konflikte nicht noch weiter anzuheizen? Der Blick
des Historikers auf die Vorgeschichte eines Krieges hat in der Regel etwas
Besserwisserisches - zum einen, weil er es tatsächlich besser weiß als die
rändelnden Personen in ihrer Zeit, die eben nicht über das Wissen des
Historikers verfügen; zum anderen aber auch deswegen, weil der Histori­
ker häufig unterstellt, dass alles, was er weiß, auch die Zeitgenossen hät­
ten wissen können, und als Beleg dafür führt er eine Reihe von Zitaten an,
ite den Eindruck vermitteln, die Klügeren unter den Zeitgenossen hätten
tatsächlich gewusst, was der spätere Historiker weiß. Welche Relevanz das
•eweilige Wissen hat, bleibt dabei freilich unterbelichtet.

Der Streit um das Marburger Land


zwischen den hessischen Landgrafen

- Ich befürchte sehr», schrieb Landgraf Moritz von Hessen-Kassel am


: c März 1615 an den französischen König Ludwig XIII., «daß die Staaten
des Reichs, die jetzt so grimmig miteinander im Streit liegen, einen ver­
hängnisvollen Brand entzünden, von dem nicht nur sie selbst ergriffen
werden [...], sondern auch all jene Länder, die in irgendeiner Weise mit
Deutschland verbunden sind. All dies wird zweifellos die gefährlichsten
Folgen haben und zum vollständigen Zusammenbruch und einer unver­
meidlichen Änderung des gegenwärtigen Zustandes von Deutschland
mhren. Und davon werden vielleicht auch einige andere Staaten betrof­
62 « I H R K E N N T N IC H T D IE F O L G E N E U R E S T U N S »

fen sein.»37 Drei Jahre vor den Prager Ereignissen hat Moritz die künftige
Entwicklung recht präzise vorweggenommen, so jedenfalls könnte man
meinen. Man sollte darum annehmen, dass er selbst als Herrscher eines
mittelgroßen Landes einiges unternommen hätte, um den «verhängnisvol­
len Brand» zu verhindern, von dem er in dem Brief spricht. Getan hat er
jedoch das genaue Gegenteil: Die Landgrafschaft Hessen-Kassel war eines
der energischsten Mitglieder der protestantischen Union und gehörte -
im Unterschied zu den Reichsstädten, die sich ebenfalls der Union ange­
schlossen hatten, aber auf eine eher vorsichtige und zurückhaltende Politik
drängten - zu den entschiedenen Unterstützern der kurpfälzischen Politik,
die das Risiko einer bewaffneten Konfrontation mit der katholischen Liga
in Kauf nahm. Das mag damit zu tun gehabt haben, dass sich Moritz als
Reformierter der Kurpfalz, die als politische Speerspitze des Calvinismus
in Deutschland galt, eng verbunden fühlte; ebenso aber dürfte er von der
Vorstellung geprägt gewesen sein, dass der Krieg in Deutschland unver­
meidlich sei und man deswegen auf ihn vorbereitet sein sollte.
Landgraf Moritz verfolgte diese Politik des Vorbereitetseins schon seit
längerem; im Jahre 1600 bereits hatte er eine 9000 Mann starke Söldner­
truppe aufgestellt, die zu unterhalten seinem nicht gerade reichen Land
durchaus schwerfiel. 1604 besetzte er unter Einsatz dieser Söldner den grö­
ßeren Teil des Marburger Landes und überrumpelte damit seinen Cousin,
den Landgrafen von Hessen-Darmstadt, der in der Marburger Erbangele­
genheit auf einen Entscheid des kaiserlichen Hofes gesetzt hatte. Seitdem
musste Moritz damit rechnen, dass der Kaiser gegen ihn entschied und
eine Reichsexekution anordnete, um diese Entscheidung durchzusetzen,
was ihn umso fester an die Kurpfalz und die kurpfälzisch dominierte Union
band. Außerdem suchte er Rückhalt bei Frankreich, zu dem bereits sein
Vater enge politische Kontakte gepflegt hatte.38 Man kann den Brief an
Ludwig X III. darum auch ganz anders verstehen, nämlich als eine durch
Anlehnung an Frankreich erfolgte politisch-militärische Rückversicherung
für den Fall, dass der Kaiser gegen die Interessen des Landgrafen entschied.
Liest man den Brief im politischen Kontext, so handelte es sich bei ihm
weniger um die Warnung vor einem großen Krieg in Deutschland als viel­
mehr um eine Vorbereitung darauf: Der französische König - also eine
Der streit um das Marburger Land 63

ixreme Macht - wird daraufhingewiesen, dass bestimmte Entwicklungen


m Reich auch seine Interessen berühren könnten; er wird aufgefordert, die
rohtischen Entwicklungen genau zu beobachten und gegebenenfalls auf
eme militärische Intervention vorbereitet zu sein.
Der Streit um die Aufteilung der Landgrafschaft Hessen-Marburg, der
r_e PoÜtik der Kasseler wie der Darmstädter Linie der hessischen Landgra-
:en vor dem Dreißigjährigen Krieg und während seines Verlaufs bestimmte,
ac raradigmatisch für die Konfliktlagen im Reich und die darin regelmäßig
zutage tretende Vermischung dynastischer Interessen und konfessioneller
lacehörigkeiten, kühler Interessenpolitik und religiöser Überzeugungen.
Landgraf Philipp der Großmütige, neben Kurfürst Friedrich dem Weisen
rer wichtigste Unterstützer Luthers, hatte die Landgrafschaft unter seinen
wer Söhnen aufgeteilt: Wilhelm erhielt Hessen-Kassel, Ludwig Hessen-
Marburg, Georg Hessen-Darmstadt und Philipp die Gegend um Rheinfels.
Nur zwei dieser Söhne, nämlich der Kasseler und der Darmstädter, hatten
selbst Nachkommen, während der Rheinfelser 1583 und der Marburger
:cc4 kinderlos starben. Ludwig von Hessen-Marburg hatte sein Herr­
schaftsgebiet, das zwischen dem der Darmstädter und dem der Kasseler
Lerne lag und deswegen für beide von Interesse war, zu gleichen Teilen bei-
cen Linien vermacht. Der Erbschaftsstreit zwischen Moritz, der 1592 sei­
nem Vater Wilhelm gefolgt war, und Ludwig V. von Hessen-Darmstadt, der
:59b die Nachfolge seines Vaters Georg angetreten hatte, drehte sich um die
Frage, ob «zu gleichen Teilen» nach Linien oder nach Köpfen geteilt wer-
aen sollte: Moritz, der einzige Sohn Wilhelms, bestand auf einer Teilung
rach Linien, während Ludwig, der Älteste von drei Geschwistern, unter
Verweis auf die Landesteilung seines Großvaters Philipp auf einer Teilung
rach Köpfen bestand; dann hätte die Darmstädter Linie drei Viertel, die
Kasseler hingegen nur ein Viertel aus der Erbmasse des Marburger Onkels
erhalten.
Das Austrägalgericht, vor dem der Streit verhandelt wurde, entschied
auf eine Teilung nach Linien, woraufhin Moritz die um Marburg gelege-
ren Gebiete mit seinen Truppen umgehend okkupierte und Oberhessen
mit Gießen als Zentrum seinem Vetter Ludwig überließ. Der wiederum
ernannte das Urteil des Gerichts nicht an und rief den Kaiser zu Hilfe. Am
64 « I H R K E N N T N I C H T DIE F O L G E N E U R E S T UNS

ii. Februar 1605 erging ein Erlass des Kaisers mit dem Hinweis darauf, «daß
Reichslehen nicht ohne Zustimmung des Kaisers vermacht, geteilt und
schiedsrichterlichem Spruche unterworfen werden dürften»; «die Akten
über die Marburger Erbfolge [wurden] eingefordert».39 Das kaiserliche
Eingreifen verschärfte den Streit, denn während Moritz bei seiner Auffas­
sung blieb, ihm stehe die Hälfte der Erbschaft zu, erklärte Ludwig, der Kas­
seler Cousin habe durch sein eigenmächtiges Vorgehen den Erbanspruch
verwirkt und das Erbe stehe nunmehr in Gänze der Darmstädter Linie zu.
Da Moritz jedoch mit Hilfe seines Militärs vollendete Tatsachen geschaffen
hatte, blieb der Status quo zunächst bestehen. Erst mit Beginn des Dreißig­
jährigen Krieges kam in die Marburger Angelegenheit wieder Bewegung,
und je nach Kriegsglück war das umstrittene Gebiet einmal bei Kassel und
dann wieder bei Darmstadt. Beigelegt wurde der Streit im Rahmen der
Festlegungen des Westfälischen Friedens - im Übrigen ganz so, wie das
Austrägalgericht dies entschieden hatte.40
Es ging in der Marburger Angelegenheit indes nicht nur um die Zuge­
hörigkeit von Territorien zu der einen oder der anderen Landgrafschaft,
sondern auch um religionspolitische Fragen. In der Tradition Philipps des
Großmütigen, der im Marburger Religionsgespräch zwischen Luther und
Zwingli und ihren unterschiedlichen Abendmahlsauffassungen zu vermit­
teln versucht hatte, war Hessen in der Abendmahlskontroverse zwischen
Lutheranern und Calvinisten in allen vier Landgrafschaften lange Zeit neu­
tral geblieben. Das hatte sich mit Moritz’ Regierungsantritt in Hessen-Kas­
sel geändert; der junge Landgraf neigte der calvinistischen Abendmahls­
auffassung zu, begnügte sich aber zunächst damit, dieser Auffassung
nahestehende Theologen in die maßgeblichen Kirchenämter zu berufen.
Im Sommer 1605, nach der Besetzung des Marburger Gebiets durch sein
Militär, gab er die zurückhaltende Linie auf und ordnete für das gesamte
Land eine Reihe konfessioneller Neuerungen an: Eine davon besagte, «daß
das Abendmahl nicht durch Reichung der Hostie, sondern durch Brechung
des Brotes gespendet werden sollte», eine weitere, «daß das Verbot, Gott
abzubilden, als zweites Gesetz der zehn Gebote gelehrt und demgemäß der
Bilderschmuck aus den Kirchen entfernt werden solle».41 Auch wenn in
den landgräflichen Anordnungen nirgendwo ein Wechsel der Konfession
Der Streit um das Marburger Land 65

vom Luthertum zum Calvinismus angekündigt wurde, so konnte Moritz


doch davon ausgehen, dass die veränderte Austeilung des Abendmahls,
Erkennungszeichen für die unterschiedlichen Auffassungen Luthers und
Calvins, zu einer allmählichen Verdrängung des Luthertums in der Land-
Grafschaft Hessen-Kassel führen würde.
Diese Verordnungen waren freilich nur der Anfang, denn nun for­
derte Moritz, der sich dabei auf die Position eines «Bischofs» seines
Herrschaftsgebiets berief, von den Geistlichen seines Landes, dass sie sich
den Vorgaben fügten oder aber ihr Amt niederlegten und emigrierten;
von seinen Untertanen erwartete er, dass sie sich die Belehrung durch die
von ihm eingesetzten Geistlichen anhörten - «die Annahme der wahren
lehre dürfe er zwar nicht erzwingen, aber sie anzuhören könne er selbst
cen Juden befehlen».42 Dagegen regte sich Widerstand, den der Landgraf
umgehend brechen ließ: Pfarrer, die den landgräflichen Anordnungen
nicht folgen wollten, wurden entlassen; ebenso erging es vier widerspens­
tigen Theologieprofessoren der hessischen Landesuniversität in Marburg,
und als dem ein Tumult der Marburger Bürgerschaft folgte, wurden Trup-
ren in der Stadt einquartiert, die für Ruhe sorgten. Schließlich wurde die
Ritterschaft an der Werra dazu gebracht, in ihren Patronatspfarreien nicht
Anger Geistliche mit lutherischer Gesinnung zu dulden.43 Die aus Marburg
vertriebenen Lutheraner gingen ins darmstädtische Gießen, wo die beste-
nende Akademie im Jahre 1607 zur Universität erhoben wurde. Die Theo-
logische Fakultät dort war der Luther sehen Abendmahlsauffassung wie
überhaupt dessen Theologie verpflichtet, und dementsprechend wurden
die in der Landgrafschaft Hessen-Darmstadt angestellten Pfarrer künftig in
Gießen ausgebildet.
Aber in demselben Maße, wie sich Moritz in seinem Herrschaftsbe­
reich mit Hilfe der Söldnereinheiten durchzusetzen vermochte, machte
er sich im Teilungsstreit mit seinem Darmstädter Vetter politisch und
rechtlich verwundbar. Im Testament des verstorbenen Landgrafen von
Hessen-Marburg hieß es nämlich, dass das im Jahre 1530 von Philipp dem
Großmütigen für seine Lande angenommene «Augsburger Bekenntnis»
•unversehrt bewahrt werden solle und dass Verletzungen des Testaments -
und darum handelte es sich bei Moritz’ Vorgehen zweifellos - den Verlust
66 « I H R K E N N T N IC H T D IE F O L G E N EU R E S T U N S »

der Erbschaft zur Folge hätten. Für den Fall, dass der Konflikt als Rechts­
streit ausgetragen worden wäre, bei dem ein Reichsgericht das letzte Wort
gehabt hätte, hätte Moritz’ Wechsel zur reformierten Abendmahlspraxis
eine erhebliche Schwächung seiner Erbansprüche bedeutet. Vermutlich
war deshalb in seinen Anordnungen nicht von einem Wechsel der Konfes­
sion die Rede. Die Folge war jedenfalls, dass Hessen-Kassel mehr an einer
militärischen als an einer rechtlichen Lösung des Erbschaftsstreits gelegen
war, während Hessen-Darmstadt in enger Anlehnung an Kursachsen eine
ausgesprochen kaisertreue Politik betrieb.44

Die beschriebene Konfrontation zwischen den beiden Landgrafen ist bei­


spielhaft für die Vorgeschichte und den Verlauf des Krieges: Zunächst ging
es um eine dynastische Erbschaftsangelegenheit und einen daraus resultie­
renden Konflikt, der im Rahmen der vorhandenen Institutionen auf dem
Rechtsweg gelöst werden konnte. Die Ordnung des Reichs war darauf
angelegt zu verhindern, dass solche Konflikte zu einem Krieg eskalierten,
aber die schiedlich-friedliche Lösung funktionierte nur so lange, wie die
an einer Auseinandersetzung beteiligten Parteien von der Neutralität der
Entscheidungsinstanzen überzeugt waren und darauf vertrauten, dass jede
Seite ein faires Verfahren bekommen würde. Das war jedoch mit Beginn
der von den Landesherren betriebenen Konfessionalisierung und wachsen­
den Zweifeln an der Neutralität des Kaisers sowie der Reichsinstitutionen
immer weniger der Fall.45 Das Misstrauen gegenüber dem Kaiser und den
Institutionen des Reichs wurde noch verstärkt, wenn, wie im Fall von Hes­
sen-Kassel, ein Konfessionswechsel erfolgte, der zur Entstehung einer Exil­
partei führte, von der die Zulässigkeit des Konfessionswechsels bestritten
und die Legitimität des dafür verantwortlichen Herrschers in Zweifel gezo­
gen wurde. Das war insbesondere bei einem Wechsel zum calvinistischen
Bekenntnis so, denn dieses war nicht in den Augsburger Religionsfrieden
eingeschlossen und stand deswegen auch nicht unter dessen besonderem
Schutz. Im Fall von Landgraf Moritz kam noch hinzu, dass der de facto
erfolgte Konfessionswechsel seinen Erbanspruch auf Hessen-Marburg
deutlich geschwächt hatte.
Im Prinzip konnte Moritz also gar kein Interesse an einem Verfahren
Wir der Krieg wirklich «unvermeidlich»? 67

haben, sondern musste darauf setzen, dass die Reichsinstitutionen wei­


terhin blockiert blieben. Seine im Brief an Ludwig X III. ausgesprochene
Warnung vor einem drohenden Krieg im Reich, der auch die angrenzen­
den Staaten in Mitleidenschaft ziehen werde, zielte darauf, die politische
Sendung an Frankreich zu erneuern, mit der sich Moritz Rückhalt gegen­
über seinem Darmstädter Vetter und dem Kaiser verschaffen wollte. Das
reim Luthertum verbliebene Hessen-Darmstadt wiederum hatte wegen
ies Streits um Hessen-Marburg ausgeprägtes Interesse an einem starken
Kaisertum, war dieses doch der Garant dafür, dass es seine Ansprüche auf
rem Rechtsweg geltend machen konnte und diese nach der Entscheidung
r_ seinen Gunsten qua Reichsexekution auch durchgesetzt würden. In
Verbindung mit der Paralyse der Reichsinstitutionen führte die Konfessio-
nulisierungspolitik der Landesherren dazu, dass jeder Konfessionswechsel
-mes Landes die Gruppe der bedingungslos am Frieden orientierten Fürs­
ten verkleinerte. Deswegen wurde die Gruppe derer, die auf Krieg setzten,
» eil sie ihn für unvermeidlich hielten, nicht unbedingt größer - aber sie
erlangte immer größeren Einfluss.

War der Krieg wirklich


«unvermeidlich» ?

Das pohtische Dilemma des Reichs lässt sich auch an der «Komposi-
uenspolitik» des Kardinals Klesl aufzeigen, der die kaiserliche Politik seit
Anfang 1611 leitete und mit den Folgen, die die Blockade der Reichsinstitu-
nenen mit sich brachte, bestens vertraut war. Mit dieser Politik versuchte
Klesl die unterschiedlichen Komponenten der habsburgischen Herrschaft
neu zu ordnen. A uf der einen Seite setzte Klesl, wie an seiner Reaktion
auf den Protest der böhmischen Stände gegen die wiederholte Verletzung
ues Majestätsbriefs ablesbar,44 in den habsburgischen Erblanden auf eine
entschiedene Politik der Konfessionalisierung, durch die er sicherstellen
»olite, dass das Haus Habsburg gegenüber den anderen Reichsfürsten
nicht ins machtpolitische Hintertreffen geriet; auf der anderen Seite war
68 « I H R K E N N T N IC H T D IE F O L G E N E U R E S T U N S »

Klesl sich aber durchaus darüber im Klaren, dass die Reichsinstitutionen


wieder funktionstüchtig gemacht werden mussten, und sei es nur, um bei
der nächsten Kaiserwahl erneut einen Habsburger an die Spitze des Reichs
zu stellen. Zwar verfügte die katholisch-habsburgische Seite mit den drei
geistlichen Kurfürstentümern Mainz, Köln und Trier sowie der an der böh­
mischen Krone hängenden Kurstimme der Habsburger seihst gegenüber
den drei protestantischen Kurfürsten der Pfalz, Sachsens und Brandenburgs
über die Mehrheit im Kurfürstenkollegium; aber Mehrheitsentscheidun­
gen bei der Kaiserwahl waren unüblich, und eine Kaiserwahl entlang der
konfessionellen Gegensätze hätte die innere Spaltung des Reichs noch wei­
ter vertieft. Da die böhmischen Stände überwiegend protestantisch waren,
musste bei einer knappen Entscheidung obendrein mit deren Widerspruch,
wenn nicht Widerstand gerechnet werden. Das sprach für eine entschie­
dene Rekatholisierung Böhmens, was wiederum das Misstrauen der Pro­
testanten im Reich gegenüber dem Kaiser und seiner Politik geschürt hätte,
und zwar bei Lutheranern wie Calvinisten. In der Folge wäre die protestan­
tische Seite noch stärker darauf bedacht gewesen, die Reichsinstitutionen
zu blockieren, was Klesl ja gerade zu verhindern suchte.
Klesl befand sich somit in einem klassischen Dilemma, das er auflö-
sen wollte, indem er die Politik in den habsburgischen Erblanden von der
im Reich entkoppelte. Die Politik der Rekatholisierung in den Erblanden
sollte mit einem Ausgleich der konfessionellen Gegensätze im Reich ver­
bunden werden, um das gespaltene Reich mit Hilfe des Reichstags wieder
zusammenzufügen. Klesl war bewusst, dass eine solche Neukomposition
der Teile und Faktoren des Reichs nur gelingen konnte, wenn er sich auf
weitgehende Konzessionen gegenüber den protestantischen Administra­
toren ehemals geistlicher, inzwischen säkularisierter Territorien einließ.
Das aber hieß, dass der Augsburger Religionsfrieden großzügig ausgelegt
werden musste.47 Dies wiederum lehnten die Strikten unter den Anhän­
gern der Gegenreformation ab, während viele Protestanten Klesl wegen
der von ihm forcierten Rekatholisierungspolitik in den Erblanden miss­
trauten und den Verdacht hatten, er wolle sie in einen politischen Hinter­
halt locken. Klesls Problem war, dass er zu viele Bälle gleichzeitig im Spiel
halten musste und infolgedessen nicht in der Lage war, Vertrauensverhält­
War der Krieg wirklich «unvermeidlich»? 69

nisse aufzubauen, ohne die seine Ausgleichs- und Kompositionspolitik


keinen Erfolg haben konnte.48 So scheiterte der Regensburger Reichstag
von 1613, und als die Gesandten auseinandergingen, ohne einen Reichs­
tagsabschied beschlossen zu haben, war der Reichstag als Institution lahm­
gelegt.49 Damit waren auch Klesls Anstrengungen zunächst einmal geschei­
tert. Aber Klesl ließ sich durch solche Rückschläge nicht aus dem Konzept
bringen und suchte immer wieder nach Gelegenheiten, doch noch zum
Erfolg zu kommen.
In vielen Darstellungen der Vorgeschichte des Krieges wird die Kom­
positionspolitik Klesls nur beiläufig dargestellt und Klesl als ein Politiker
behandelt, der allenfalls ein Taktiker ohne Blick für strategische Konstella­
tionen gewesen sei. Deswegen, so der Tenor dieser Arbeiten, könne es auch
nicht überraschen, dass ihm zuletzt niemand mehr vertraut habe. Letzteres
mag durchaus der Fall gewesen sein, und doch ist dieses Urteil über Klesl
ungerecht. Er hatte erkannt, dass die institutioneile Blockade des Reichs
durch eine umfassende Reform der Reichsverfassung nicht zu lösen war.
Zwar gab es ein verbreitetes Bewusstsein von den strukturellen Proble­
men der Reichsverfassung, das seinen Höhepunkt in der Debatte über die
Frage fand, wo der Ort der Souveränität im Reich sei - beim Kaiser, bei
den Kurfürsten oder gar bei den Reichsständen insgesamt - , so aber gleich­
zeitig wollte keine Seite den ersten Schritt machen, um einen größeren
Reformprozess in Gang zu setzen. Klesl vermied es, sich in einer Reform
der Reichsinstitutionen zu verhaken; vielmehr versuchte er, unterhalb des­
sen Bewegung in die Verhältnisse zu bringen, indem er die in der gelähmten
Struktur des Reichs festsitzenden Parteien neu gruppierte. Der Schlüssel
zu dieser Neugruppierung war die Trennung zwischen Territorialstaat
und Reich, um den politischen Akteuren auf beiden Ebenen voneinander
unabhängige Spielräume zu verschaffen und auf diesem Wege Kompro­
misse zwischen ihnen zu ermöglichen. Durch die Entkopplung von Ter­
ritorialstaat und Reich sollte die Politik der Konfessionalisierung auf die
Landesherrschaft begrenzt und das Reich als überkonfessionelle Ebene
wieder funktionsfähig gemacht werden - das jedenfalls war die leitende
Idee. Klesl ist daran gescheitert, dass ihm diese Trennung, die er als Auf­
gabe der operativen Politik und nicht einer strukturellen Neuordnung des
70 « I H R K E N N T N IC H T D IE F O L G E N EU R E S T U N S »

Reichs behandelte, nicht gelang. Eine weitere Chance war dahin, vom Weg
einer zunehmenden Polarisierung abzubiegen. Aber war der Krieg damit
wirklich unvermeidlich?

Nicht nur das Versagen oder Scheitern von Politikern war für die politisch
gefährliche Lage im Reich verantwortlich, sondern auch die Entstehung
von Konstellationen, bei denen der äußere Zwang schwand, im Reich über
alle konfessionellen Gegensätze hinweg zusammenzuarbeiten. Einer der
Gründe war der im November 1606 in Zsitva-Torok geschlossene zwanzig­
jährige Waffenstillstand mit den Türken, der 1615 vorzeitig für weitere zwan­
zig Jahre verlängert wurde. Damit hatte der «äußere Feind» an Bedeutung
eingebüßt, der in der Vergangenheit immer wieder zur Kooperation genö­
tigt hatte.51 Über Jahrzehnte hatte die «Türkengefahr» den Kaiser davon
abgehalten, sich den inneren Problemen des Reichs und insbesondere des­
sen konfessioneller Spaltung zu widmen; stattdessen hatte ihn die Heraus­
forderung durch das Osmanische Reich gezwungen, ein ums andere Mal
auf die Protestanten zuzugehen, wenn er deren Zustimmung benötigte,
um Sondersteuern für die Finanzierung der Türkenkriege zu erheben. Der
Wegfall der «Türkengefahr» veränderte die Lage im Reich von Grund auf;
wahrscheinlich wäre die Geschichte in der ersten Hälfte des 17. Jahrhun­
derts anders verlaufen, wenn die Heere der Osmanen weiterhin in Rich­
tung Wien vorgestoßen wären. Die militärischen Kräfte der Hohen Pforte
waren während dieser Zeit im Südosten ihres Reichs jedoch durch fortge­
setzte Kriege gegen die offensiv gewordenen Perser gebunden.
Die Folge war, dass die Habsburger bei der Konsolidierung ihrer Herr­
schaft in den Erblanden weithin freie Hand hatten, dass sie auf die Stände
weniger Rücksicht nehmen mussten als zuvor und deswegen auch in Böh­
men auf eine Politik setzen konnten, in der besänftigende Konzessionen
keinen Platz mehr hatten. Pointiert gesagt: Die Deeskalation des einen
Konflikts hat die Eskalation des anderen Konflikts zu einem veritablen
Krieg überhaupt erst möglich gemacht. Bei fortbestehender «Türken­
gefahr» hätte der Prager Fenstersturz keineswegs zum Bruch zwischen
den böhmischen Ständen und dem habsburgischen Landesherrn führen
müssen. Für sich genommen war der Fenstersturz ein Ereignis, das man
War der Krieg wirklich «unvermeidlich»? 71

politisch hätte kleinreden können, zumal ja auch niemand zu Tode gekom­


men war. Doch das habsburgische Interesse, den politischen Eigensinn der
Stände zu brechen, um die eigenen Handlungsspielräume zu vergrößern,
aeß die am 23. Mai r6r8 entstandene Lage als gute Gelegenheit erschei­
nen, in Böhmen ein für alle Mal klare Verhältnisse zu schaffen. In diesem
S:nn war der Fenstersturz im Prager Hradschin tatsächlich nur der Anlass,
um ein politisches Projekt zu verwirklichen, das seit einiger Zeit auf der
habsburgischen Agenda stand. Das hätte jedoch lediglich für einen zeitlich
begrenzten Feldzug gegen die Böhmen gesprochen, bei dem sich dieser
Krieg nicht mit den Spannungs- und Spaltungslinien im Reich verbunden
hatte. Gerade das hatte Klesl mit seiner Politik der Separation und Kompo-
s.aon verhindern wollen. Erst durch die Verbindung mit den Problemen im
Reich erhielten die Ereignisse in Prag die Sprengkraft, die sie zum Auslöser
eines sich dann über dreißig Jahre hinziehenden Krieges werden ließen.
Der Wegfall der äußeren Bedrohung seitens der Türken war jedoch nur
aas eine, was die Handlungsfähigkeit der Habsburger erhöhte; das andere
war die seit 1613 in Gang gekommene Wiederannäherung zwischen der
Wiener und der Madrider Linie, aus der eine neue Geschlossenheit der
Zs s j d’Austria erwuchs.52 Sorgte der Waffenstillstand mit den Osmanen
dafür, dass die Kräfte der Erblande nicht länger an der ungarischen Süd-
c-stgrenze gebunden waren, so flössen dem Kaiserhaus in Wien durch den
zwischen Juni und Juli 1617 vertraglich festgehaltenen Ausgleich beider
Linien Ressourcen zu, ohne die es den böhmischen Feldzug nicht hätte
rarren können. Der Onate-Vertrag, wie der Interessenausgleich nach dem
iranischen Gesandten am Wiener Hof, Don Iiiigo Velez de Guevara, Graf
von Onate, genannt wurde, schloss den Kaiser an die große spanische Geld-
rumpe an, die mit dem Silber aus der Neuen Welt gespeist wurde. Ferdi­
nand II., der seinem Vetter Matthias Anfang 1619 als Kaiser folgte, besaß
infolge der spanischen Gelder sowie der Verfügung über kriegserprobte
iranische Truppen eine Handlungsfähigkeit wie keiner seiner Amtsvor-
rar.cer in den Jahrzehnten zuvor. Auch hier kann man sagen: Hätte Spanien
am 1617 eine andere Politik verfolgt, dann hätte der böhmische Konflikt
einen anderen Verlauf genommen.
Dabei hatte die Annäherung zwischen den beiden Linien der Habs­
7* « I H R K E N N T N IC H T DIE F O L G E N EU R E S T U N S »

burger mit einer Auseinandersetzung begonnen, die auch mit einem poli­
tischen Zerwürfnis hätte enden können: Philipp III. von Spanien machte
nämlich als Enkel Kaiser Maximilians II. Erbrechte auf Ungarn und Böh­
men geltend, die nach Madrider Auffassung höher waren als die des vom
Wiener Erzhaus zum Erben bestimmten Ferdinand von Steiermark, der
«nur» ein Enkel von Ferdinand I. war. Ferdinand hätte die Berechtigung
dieses höherwertigen Anspruchs unter Verweis auf das Wahlrecht der
ungarischen und böhmischen Stände bestreiten können, aber dann hätte
er sich auf eine weitere Stärkung der Stände in beiden Ländern eingelassen,
und das hätte im Widerspruch zu der unter Matthias begonnenen Konso-
lidierungspolitik in den habsburgischen Erblanden gestanden.53 Ferdinand
entschloss sich deshalb, mit seinem spanischen Vetter Verhandlungen auf­
zunehmen, die einen Interessenausgleich der beiden zum Ziel hatten. Die
Verhandlungen wurden von Ferdinands Onkel Maximilian vorangetrieben.
Erzherzog Maximilian, selbst kinderlos und also ohne wesentliche eigene
Interessen in dieser Frage, besaß bei den deutschen Reichsständen großes
Ansehen, so dass man ihm Zutrauen konnte, die geistlichen Kurfürsten
sowie Johann Georg von Sachsen, den Kopf der lutheranischen Partei, für
die Kaiserwahl Ferdinands zu gewinnen.54Es war jedenfalls ein geschickter
Schachzug der Wiener Politik, neben den ungarischen und böhmischen
Erbansprüchen sogleich die Kaiserwürde ins Spiel zu bringen, denn der
Spanier Philipp hätte nie und nimmer eine Chance gehabt, zum deutschen
Kaiser gewählt zu werden. Damit wäre den Habsburgern eine seit mehr als
anderthalb Jahrhunderten besetzte Position verlorengegangen, und ohne
die Kaiserwürde hätte, wie sich bei den Verhandlungen schon bald zeigte,
das spanische Interesse an einer engen Verbindung mit der Wiener Linie
keine rechte Substanz mehr gehabt. Wien war für Madrid nur interessant,
weil und solange es über die Kaiserwürde verfügte.55 Insofern kann man
wohl davon ausgehen, dass die Erbansprüche Philipps auf Ungarn und
Böhmen nur aus verhandlungstaktischen Gründen ins Spiel gebracht wur­
den und es in politikstrategischer Hinsicht um ganz andere Ziele ging.
Die zwischen dem spanischen Gesandten am Kaiserhof, Don Baltha­
sar de Züniga, dem Vorgänger Onates, und Hans Ulrich von Eggenberg,
einem engen Vertrauten Ferdinands,56 geführten Verhandlungen liefen
Das Porträt zeigt Ferdinand II. auf dem Höhepunkt seiner Macht,
nicht nur als gewählten Kaiser, sondern auch, verdeutlicht durch den
Lorbeerkranz auf seinem Haupt, als Sieger im Krieg. Für den Kriegskaiser
Ferdinand stehen auch die Waffen, Feldzeichen und Pauken, die das
Porträt umrahmen. 1619 zum Kaiser gewählt, waren die achtzehn Jahre
seiner Regierungszeit wesentlich durch Kriege gekennzeichnet, in denen es
Ferdinand um die Festigung der habsburgischen Macht in den Erblanden
and im Reich sowie die Ausbreitung der katholischen Gegenreformation in
Deutschland ging.

zerrauf hinaus, dass Philipp auf seine ungarisch-böhmischen Erbansprüche


verzichtete und dafür mit den italienischen Fürstentümern Piombino und
Finale abgefunden wurde. Beides waren Reichslehen, die seit 1598 bezie-
rrr.gsweise 1603 faktisch bereits unter spanischer Herrschaft standen. Fol-
rerreicher als dieser Tausch war, dass Ferdinand Barmittel in Höhe von
e r e r Million Taler zugesagt wurden, für die er als Gegenleistung die öster­
reichischen Herrschafts- und Hoheitsrechte im Eisass an Philipp abtreten
sollte. Das war der eigentliche Kern des Vertrags: Wien bekam die dringend
: -endigten Finanzmittel, ohne die der Kaiser notorisch von der Zustim­
mung der Stände in seinen Erblanden abhängig war, und Madrid erhielt
74 « I H R K E N N T N IC H T D IE F O L G E N EU R E S T U N S »

mit dem Eisass ein zentrales Teilstück der «spanischen Gasse», die von
Genua über die Alpenpässe und den Rhein bis in die südlichen Nieder­
lande führte. A uf diese Verbindungslinie war man angewiesen, um die in
den Niederlanden stehenden Truppen im Fall eines Wiederaufflammens
des Krieges versorgen und verstärken zu können.57 Zwar dienten die spani­
schen Gelder Ferdinand zunächst dazu, die zur Steiermark gehörige Stadt
Gradiska, die von venezianischen Truppen hart bedrängt war, militärisch
zu entsetzen, aber schon bald wurden die Soldaten dort (zusammen mit
spanischen Truppen aus Flandern) gegen die rebellierenden Böhmen ins
Feld geführt, und das spanische Geld finanzierte (mit weiteren Subsidien)
den Krieg des Kaisers in Mitteleuropa. «Die eindrucksvolle und sofortige
Unterstützung Ferdinands durch den König von Spanien [machte] den lan­
gen Jahrzehnten des Mißtrauens und der Mißverständnisse ein Ende, die
die beiden Hauptzweige des Hauses Habsburg voneinander geschieden
hatten» - so das Resümee des britischen Historikers GeofFrey Parker.58
Im Gefühl seiner neuen Handlungsmacht war Ferdinand nicht bereit,
sich auf Verhandlungen mit den Prager Rebellen einzulassen. So wurde
die bei einigen von ihnen durchaus vorhandene Konzessionsbereitschaft
nicht weiter ausgetestet. Trotz der spanischen Hilfe war die neu gewon­
nene Macht des Kaisers nicht groß genug, das böhmische Heer ohne den
militärischen Beistand Herzog Maximilians von Bayern und der unter sei­
ner Führung stehenden Liga-Truppen schnell und vernichtend zu schlagen.
Im Gegenzug für die militärische Hilfe hatte der Kaiser dem Bayernher­
zog aber Zugeständnisse machen müssen, die einer schnellen Beendigung
des Krieges entgegenstanden.59 Dabei ging es um die Übertragung der
Kurwürde von den pfälzischen Wittelsbachern auf die bayerischen Wit­
telsbacher und die Einverleibung der Oberpfalz in das Herzogtum Bayern.
Außerdem nutzten die Spanier die Chance, am Rhein zwecks Sicherung der
«spanischen Gasse» militärische Präsenz zu zeigen und sich dadurch stra­
tegische Vorteile für die zu erwartende Auseinandersetzung mit den nörd­
lichen Niederlanden zu verschaffen.60 So hatte sich der Krieg in Böhmen
mit der spanischen Politik in den Niederlanden verbunden. Was sich auf
den ersten Blick wie ein regional begrenzter Aufstand ausnahm, war von
Beginn an ein tief in die europäischen Konstellationen verstricktes Ereignis,
Kalenderstreit und Reichsexekution gegen Donauwörth 75

und erst dadurch wurde es zu dem Funken, der das Pulverfass entzündete.
Insofern war der Prager Fenstersturz mehr als ein bloßer Anlass zum Krieg,
der gegen jeden anderen Anlass auszutauschen gewesen wäre.

Kalenderstreit und Reichsexekution


gegen Donauwörth

Wie stark die Polarisierung zwischen Protestanten und Katholiken im


Reich inzwischen war, zeigt der Streit um die Annahme des gregoriani­
schen Kalenders. Dieser brachte die kalendarische und astronomische
Zeit wieder zur Deckung, indem er durch eine Datumsumstellung die im
"manischen Kalender pro Jahr fehlenden elf Minuten und zwölf Sekunden
ausglich. Im 16. Jahrhundert war seit der Neuordnung des Kalenders durch
’ mus Caesar eine Zeitverspätung von zehn Tagen entstanden, die sich bei
der Bestimmung der Fest- und Feiertage, aber auch im gesellschaftlichen
und wirtschaftlichen Leben West- und Mitteleuropas zunehmend als Pro­
blem erwies. Am 24. Februar 1582 veröffentliche Papst Gregor X III. die
Bulle Inter gravissima, die anordnete, «dass am 4. Oktober des Jahres bei
Zahlung des folgenden Tages zehn Tage übersprungen werden sollten».
Diese Anordnung erließ der Papst auf der Grundlage seiner päpstlichen
Gewalt; «an alle Regierungen richtete er die Bitte und den Befehl, den
neuen Kalender in ihren Landen einzuführen».61
Die Annahme des neuen Kalenders wäre für alle europäischen Länder
von Vorteil gewesen, insbesondere dann, wenn sie diese Kalenderreform
jeschlossen und gleichzeitig durchgeführt hätten. Als Kaiser Rudolf nach
längerem Zögern im September und dann abermals im Dezember 1583, also
bereits mit einer mehr als einjährigen Verzögerung, die Einführung des
neuen Kalenders anordnete, verschwieg er die päpstliche Urheberschaft der
Reform, um sie für die protestantischen Reichsstände zustimmungsfähig
zu machen. Während die katholischen Stände den neuen Kalender annah-
nen, trat ein, was die kaiserliche Kanzlei befürchtet hatte: Die Protestanten
verweigerten die Übernahme der Kalenderreform mit dem Argument, sie
76 « I H R K E N N T N IC H T D IE F O L G E N E U R E S T U N S »

komme vom Papst, dem jede Befugnis zu Eingriffen in weltliche Angele­


genheiten fehle; sie sprachen von einem usurpatorischen Übergriff der
Kurie, dem man mit aller Entschiedenheit entgegentreten müsse. Infolge­
dessen bestanden im Reich nunmehr zwei Zeitrechnungen nebeneinander.
Dieses Nebeneinander mit seinen um zehn Tage abweichenden Datierun­
gen dauerte bis zum Jahr 1700, als schließlich auch das Corpus Evangelico-
rum den gregorianischen Kalender für seine Territorien übernahm, indem
es auf den 18. Februar unmittelbar den 1. März folgen ließ.
Bis dahin bereitete die doppelte Zeitrechnung jedoch erhebliche
Probleme: In den Einrichtungen des Reichs mussten Termine mit unter­
schiedlicher Datierung angegeben werden, und in den bikonfessionellen
Reichsstädten, von denen es seit dem Augsburger Religionsfrieden einige
gab, wurden die kirchlichen Feiertage von den Katholiken zehn Tage frü­
her begangen als von den Protestanten, was das wirtschaftliche und gesell­
schaftliche Leben in diesen Städten beeinträchtigte.62 Außerdem wurde
beim Übertritt eines Reisenden von katholischem in protestantisches
Hoheitsgebiet und umgekehrt sofort erfahrbar, dass das Reich tief gespal­
ten war. Die gesellschaftliche Tragweite der unterschiedlichen Zeitord­
nungen dürfte in mancher Hinsicht größer gewesen sein als die der unter­
schiedlichen Abendmahlsauffassungen.

Es war denn auch ein Konflikt in einer dieser bikonfessionellen Städte, der
dazu führte, dass sich politisch-militärische Parteien der beiden Konfessio­
nen im Reich formierten. Von 1595 bis 1618 ist es in etwa zwanzig Städ­
ten zu konfessionell geprägten Krawallen und Aufständen gekommen,63
aber keiner davon hatte derart weitreichende Folgen wie der von 1607 in
Donauwörth.64 Donauwörth hatte damals etwa 4000 Einwohner; bereits
Mitte des 16. Jahrhunderts, als der Augsburger Religionsfrieden in Kraft
trat, waren die Protestanten in der großen Mehrheit. Zudem befanden sie
sich im Besitz der einzigen Pfarrkirche und stellten die Mehrheit der Rats­
mitglieder. Um 1600 gab es in Donauwörth nur noch sechzehn katholische
Haushalte. Die Seelsorge für die Katholiken fand in dem an der Stadtmauer
gelegenen Benediktinerkloster «Zum Heiligen Kreuz» statt. Die religiösen
Rituale beider Seiten waren so räumlich hinreichend voneinander getrennt,
Kalenderstreit und Reichsexekution gegen Donauwörth 77

und es gab über lange Zeit keine Konflikte, wenn man einmal davon absieht,
dass der protestantische Rat der Stadt die katholische Seite notorisch
benachteiligte, indem er alles daransetzte, die Vergabe des Bürgerrechts an
Katholiken zu verhindern.
Mit der Gegenreformation kamen dann jedoch zunehmend Zöglinge
des Dillinger Jesuitenkonvikts in das Donauwörther Kloster, denen die bis
dahin praktizierte Zurückhaltung bei der öffentlichen Präsentation der
eigenen Rituale zuwider war. Um den Katholizismus wieder sichtbar zu
machen, erneuerten sie untergegangene Prozessionspraxen, statteten die
Prozessionen mit neuem Gepränge aus und sorgten dafür, dass Katholiken
aus der näheren und ferneren Umgebung Donauwörths daran teilnahmen.
Da man über Land zu benachbarten Kirchen zog und in Donauwörth selbst
das offene Präsentieren von Symbolen eher mied, blieb es anfänglich bei
einem konkurrierenden Nebeneinander; es waren voneinander getrennte
Raume, die symbolisch als «Eigenräume» markiert wurden.65
Das änderte sich im Frühjahr 1605, als man erstmals die der Prozession
vorangetragenen Fahnen beim Durchschreiten des städtischen Gebiets ent­
faltete und frei flattern ließ, anstatt sie, wie bisher, eingerollt zu lassen. Bei
eingerollter Fahne waren die Bilder und Schriffzeichen verdeckt, und das
meß, dass man den durchschrittenen Raum als «fremden Raum» respek­
tierte. Das Ausrollen der Fahne hingegen stand für weitergehende Ansprü­
che. was eine Reihe radikaler Protestanten in Donauwörth umgehend
als Provokation begriff. Der Rat der Stadt, der zu Recht eine Eskalation
befürchtete, erhob Einspruch gegen die veränderte Form der Prozession
und nötigte die Mönche, bei der für den 16. Mai 1605 vorgesehenen Veran­
staltung die Fahnen eingerollt zu lassen. Der Augsburger Bischof Heinrich
von Knöringen, der sich auf eine seitens des Donauwörther Stadtrats frei­
lich bestrittene Schirmvogtei über das Benediktinerkloster berief, wandte
sich daraufhin an den kaiserlichen Hofrat und forderte ihn auf, gegen
Donauwörth einzuschreiten, um die freie Religionsausübung in der Stadt
zu gewährleisten. Am 24. Oktober 1605 wertete der Reichshofrat das Ein-
wirken des Donauwörther Rats auf die Mönche als Religions- und Land-
riedensbruch. Dieser Bescheid des Hofrats erging als mandatum sine clau­
sula, womit prozessuales Einreden keine aufschiebende Wirkung für den
7« « I H R K E N N T N IC H T D IE F O L G E N E U R E S T U N S »

Vollzug der Anordnung hatte; bei Zuwiderhandlung sollte unverzüglich


die Acht über die Stadt verhängt werden. Das war eine klare Parteinahme
des Reichshofrats, verfahrenstechnisch fragwürdig, da die Aufhebung des
Einredevorbehalts nur bei unzweifelhaft rechtswidrigen Handlungen oder
einer nicht wiedergutzumachenden Schädigung der klagenden Partei als
zulässig galt. Dass dies im Falle Donauwörths gegeben war, kann bezweifelt
werden. Die Intervention des kaiserlichen Hofrats war für die protestanti­
sche Seite ein weiteres Indiz dafür, dass der Kaiser und die Institutionen
des Reichs nicht länger konfessionsneutral handelten und die katholische
Seite stets begünstigten.
Es kam, wie es unter solchen Umständen kommen musste: Während
die Donauwörther Einreden gegen den kaiserlichen Erlass noch zur Ver­
handlung anstanden, setzte das Kloster für den 25. April 1606 eine Pro­
zession an, die mit vollem Gepränge über den Markt der Stadt zu einem
nahe gelegenen D orf führen sollte. Als die Prozession auf dem Marktplatz
ankam, wurden ihre Fahnen von einem protestantischen Mob zerrissen,
die mitgeführten Reliquien in den Straßendreck getreten sowie die Prozes­
sionsteilnehmer verprügelt und ins Kloster zurückgejagt. Auf eine erneute
Klage des Augsburger Bischofs wurde das Mandat in verschärfter Form
erneuert; nachdem der Donauwörther Rat die Schuld an den Ereignissen
vom 25. April auf «den Pöbel» der Stadt geschoben hatte, «schritt der Kai­
ser zwar noch nicht zur Verhängung der Acht, aber er erteilte am 16. März
1607 dem Herzog Maximilian von Bayern den Auftrag, in seiner, des Kai­
sers, Vertretung die Donauwörther Klostergeistlichen und Katholiken
in der Ausübung ihrer Religion zu schützen».66 Das war eine neuerliche
einseitige Entscheidung, wenn nicht ein Rechtsbruch des Kaisers, denn
Donauwörth gehörte nicht dem bayerischen, sondern dem schwäbischen
Reichskreis an, so dass für die Durchsetzung des kaiserlichen Mandats
nicht der (katholische) Herzog von Bayern, sondern der (protestantische)
Herzog von Württemberg zuständig gewesen wäre. Diese Entscheidung
des Kaisers beziehungsweise seiner engeren Umgebung sollte weitrei­
chende Folgen haben.
Offenbar war sich Herzog Maximilian über die Probleme im Klaren,
die sein Eingreifen in einer dem schwäbischen Reichskreis zugehörigen
Kilenderstreit und Reichsexekution gegen Donauwörth 79

Szadt nach sich ziehen würde, und entsprechend zurückhaltend trat er


zunächst auf: Die von ihm instruierten Subdelegierten erhielten den Auf­
trag, den Rat der Stadt Donauwörth darauf zu verpflichten, die katholische
Religionsausübung ohne jede weitere Störung zu ermöglichen; als Beweis
cieser Bereitschaft verlangten sie von ihm, eine Prozession in Donauwörth
zu gestatten, die sofort stattfinden sollte, mit vollem Gepränge und bei
freier Wahl des Weges. Während der Rat im Wissen darum, was eine Ableh­
rung dieses Vorschlags für Konsequenzen haben würde, darauf einzugehen
bereit war, verlangte eine erregte, zum Teil bewaffnete Bürgerschaft, die
sch vor dem Rathaus versammelt hatte, dass die Prozession auf die frühere
rescheidene Form beschränkt blieb. Die bayerischen Subdelegierten muss­
ten unverrichteter Dinge abziehen; sie seien in ihrer Sicherheit bedroht
»■ erden, berichteten sie dem Herzog. Danach schlug Maximilian eine
ir.iere Gangart ein: Entweder die Stadt erfülle ohne Wenn und Aber die
Rrrierungen (zu denen er inzwischen weitere hinzugefügt hatte), oder die
Acht werde über sie verhängt, und er, Maximilian, werde das Geforderte
zu: Waffengewalt durchsetzen.
.Am 10. November 1607 wurden die Verhandlungen mit Donauwörth
iz-cebrochen, zwei Tage später veröffentlichten die bayerischen Subdele-
cierren die vom Kaiser bereits im August unterschriebene Ächtung der
Scadt.' Innerhalb weniger Tage setzte Maximilian ein aus 6000 Fußsolda­
ten und 500 Berittenen bestehendes Heer in Marsch. Die schnelle Verfüg­
barkeit dieser Streitmacht spricht dafür, dass Maximilian den Schlag gegen
r-enauwörth seit längerem vorbereitet hatte. Angesichts dieser erdrücken-
re r Übermacht und ohne Aussicht auf fremde Hilfe kam es in Donauwörth
rr keinem ernstlichen Widerstand. «Nachdem sie gegen die vom Rat bewil-
zrze Übergabe der Stadt einen letzten Tumult erregt hatten, machten sich
zze Agitatoren mitsamt den Predigern aus dem Staube», fasst Moriz Ritter
den Schlussakt der Donauwörther Affäre zusammen.68 Am 17. Dezember
jcc- rückte bayerisches Militär in Donauwörth ein, und bayerische Kom-
zw'-care übernahmen die Verwaltung. Der Status einer Freien Reichsstadt
»zlz damit vorerst kassiert.
Aber das war nur der Anfang: Im Juni 1609 überließ der Kaiser dem
bavemherzog die Stadt als Pfand für die Maximilian bei der Vollstreckung
P R E"• U S S E N :■ r\

POLEN

BÖHMEN
(kein Kreis)

Kreise
BBMB Kurrheinischer Kreis
m HHl Oberrheinischer Kreis
EHÜZ3 Burgundischer Kreis
1' 1 Österreichischer Kreis
I 1 Westfälischer Kreis
I. - : I Obersächsischer Kreis
L l ■/1 Niedersächsischer Kreis
I ' I Fränkischer Kreis
1 I Schwäbischer Kreis
1 I Bayerischer Kreis
.... ■■ 11 Reichsgrenze
82 « I H R K E N N T N IC H T DIE F O L G E N EU R E S T U N S

der Reichsacht entstandenen Ausgaben. Da Donauwörth für die von Maxi­


milian geforderte Summe von 250 000 Gulden - vornehmlich handelte es
sich dabei um den Sold für die aufgebotenen Soldaten - nicht aufkommen
konnte, wurde sie zu einer bayerischen Provinzstadt. Unter Berufung auf
seine landesherrschaftliche Kirchenhoheit verbot Maximilian, das protes­
tantische Bekenntnis in der Stadt weiter auszuüben. Alle, die sich diesem
Verbot nicht unterwerfen wollten, wurden vertrieben. So entstand eine
weitere Gruppe von Exilanten, der mit Beginn des Dreißigjährigen Krie­
ges noch viele folgen sollten; mit Flugschriften wurde ein Propagandakrieg
um die Affäre von Donauwörth geführt, der die Unversöhnlichkeit beider
Konfessionen immer mehr verfestigte. «Maximilian, Maximilian, ihr kennt
nicht die Folgen eures Tuns», soll Herzog Philipp Ludwig von Pfalz-Neu­
burg geklagt haben, als er von der Besetzung Donauwörths durch bayeri­
sches Militär erfuhr.69

Die Gründung von Union und Liga

Das bayerische Vorgehen in Donauwörth hat die einander keineswegs


wohlgesonnenen Protestantengruppen im Reich aufgeschreckt. Die Unter­
drückung des evangelischen Bekenntnisses in der einstigen Reichsstadt war
geeignet, die immer wieder kursierende Behauptung zu bestätigen, wonach
es eine stillschweigende Übereinkunft der Katholiken gab, den Protestan­
tismus in Deutschland zurückzudrängen und schließlich gänzlich auszurot­
ten. Das Ziel dieser Verschwörung sei, die religionspolitischen Verhältnisse
wiederherzustellen, wie es sie vor der Reformation gegeben hatte. Sol­
che «Verschwörungstheorien» waren aufgekommen, als ein zunehmend
selbstbewusst auftretender politischer Katholizismus unter Berufung auf
eine bestimmte Auslegung des Augsburger Religionsfriedens damit begann,
die Restitution aller nach 1552 säkularisierten Kirchengüter zu fordern.
Dadurch wurde der territoriale Besitz der meisten protestantischen Herr­
schaftsgebiete in Frage gestellt. Eine solche Restitutionspolitik hätte, konse­
quent durchgeführt, die politische Landkarte des Reichs grundlegend ver­
D ie Gründung von Union und Liga 83

ändert und die Macht der protestantischen Fürsten erheblich beschnitten.


Man konnte bezweifeln, dass diese danach noch in der Lage gewesen wären,
einem entschlossen auftretenden Katholizismus erfolgreich Widerstand zu
leisten. Die Restitutionsforderungen, so argumentierte die protestantische
Bewegungspartei, die einer solchen Entwicklung nicht tatenlos Zusehen
wollte, seien Teil des großen jesuitischen Plans, den Protestantismus im
Reich auszulöschen - und Donauwörth stehe für den Anfang davon. Mit
dem Schlag gegen Donauwörth habe der große Endkampf zwischen den
•<Kindern des Lichts» und den «Kindern der Finsternis» begonnen. Ein
Konflikt, bei dem es zunächst nur um das offene Tragen von Prozessions­
rahnen gegangen war, wurde schon bald danach in apokalyptischen Bildern
beschrieben.
Verschwörungstheorien haben die fatale Eigenschaft, dass sie unab­
hängig voneinander eingetretene Ereignisse, politische Projekte Einzelner
and gelegentliche Äußerungen von Personen, die dem engeren Macht­
zirkel zugerechnet werden, in einen Zusammenhang bringen; mit einem
Mal sind Dinge klar, die bislang unklar waren, und was zuvor unverbun­
den nebeneinandergestanden hat, erweist sich aus solch einer Perspektive
als Element eines großen Vorhabens. Derartige Erklärungen entwickeln
ihre eigene Suggestivität, wie sich auch an der innerprotestantischen
Debatte über die Absichten der katholischen Seite beobachten lässt: Der
wiedererstarkte Katholizismus, so war aus Heidelberg, dem politischen
Zentrum der Reformierten, zu hören, hole nunmehr zum entscheiden­
den Schlag gegen den Protestantismus aus, und auf diesen Schlag müsse
man vorbereitet sein. Das aber hieß: Bündnisse schmieden, um geschlos­
sen handeln zu können und sich nicht gegeneinander ausspielen zu lassen.
.Am besten sei es, dem Schlag der katholischen Seite zuvorzukommen und
seinerseits zuzuschlagen, solange die Gegenseite nicht damit rechnete.
Christian von Anhalt-Bernburg, seit 1595 Statthalter in der Oberpfalz und
strategischer Kopf der kurpfälzischen Politik, war von dem Gedanken
umgetrieben, dass es, wenn man noch länger zuwarte und zaudere, schon
bald zu spät sein werde, um der katholischen Seite noch effektiven Wider­
stand entgegenzusetzen. Christian zog mit solchen Überlegungen eine
Reihe brillanter Köpfe an - neben Ludwig Camerarius sind die Brüder
84 « I H R K E N N T N IC H T D IE F O L G E N EU R E S T U N S »

Christoph und Achatius von Dohna sowie Vollrad von Plessen und Hip­
polyt von Colli zu nennen - , die diese Sichtweise teilten: Der große Glau­
benskrieg zwischen Katholiken und Protestanten sei unvermeidlich,70
und deswegen könne man nichts Besseres tun, als diesen Krieg politisch
vorzubereiten.
Christian und seine Anhänger waren unentwegt damit beschäftigt,
protestantische Bündnisse zu entwerfen, um der von den beiden Linien
der Habsburger sowie Papst und Jesuiten vorangetriebenen «Verschwö­
rung» entgegentreten zu können. Sie entwickelten über mehr als ein Jahr­
zehnt rege diplomatische Aktivitäten, und dabei variierte eigentlich nur die
Reichweite der Bündnisprojekte, die sie verfolgten. Die Niederlande waren
darin immer eingeschlossen, was schon aufgrund der personellen Verbin­
dungen zwischen der Kurpfalz und dem Haus Nassau-Oranien nahelag.
Den Oraniern oblag die militärische Führung im Krieg der Niederlande
gegen Spanien, und in ihrem Heer dienten auch zahlreiche pfälzische Offi­
ziere. Neben der kurpfälzisch-niederländischen Achse als Zentrum aller
Bündnisprojekte spielte im einen Fall der französische König Heinrich IV.
eine besondere Rolle, im anderen der englische König Jakob I., dem die
politische Führung des internationalen Protestantismus zugetraut wurde,
und fast immer waren die Mächte des Nordens, Dänemark und Schweden,
in den antikatholisch-antihabsburgischen Bündnisplänen der Heidelber­
ger mit von der Partie.71 Die auf katholischer Seite virulente Vorstellung
einer mächtigen «protestantischen Internationalen» war zwar ebenfalls
eine Verschwörungstheorie, die Disparates zu einem großen Ganzen ord­
nete; sie hatte in den kurpfälzischen Bündnisprojekten wenigstens so etwas
wie einen politisch identifizierbaren Kern.
Die meisten dieser Bündnisprojekte waren typische Intellektuellen­
produkte: Sie orientierten sich an den politischen Idealperspektiven der
ins Auge gefassten Mächte, schenkten deren tatsächlicher Politik, den
konkreten Verhältnissen des Landes, seinen internationalen Interessen
und Verwicklungen sowie den Neigungen und Fähigkeiten der Personen,
die es beherrschten, jedoch nur wenig Beachtung. Der vorsichtige und
zögerliche Jakob I. dachte nicht daran, «sich an die Spitze eines interna­
tionalen protestantischen Bündnisses zu stellen», und dem französischen
Die Gründung von Union und Liga 85

König Heinrich IV. ging es zunächst darum, einen «neuen Glaubenskrieg


:n Europa» zu verhindern, «der den schwer errungenen und mühsam
bewahrten inneren Frieden Frankreichs gefährden würde».72 Dänemark
und Schweden wiederum konkurrierten miteinander um die Flegemo-
rde im Ostseeraum, und es war unwahrscheinlich, dass sie, obwohl beide
dem Luthertum verpflichtet, gemeinsam in ein antikatholisches Bündnis
eintreten würden;73 dafür war das gegenseitige Misstrauen zu groß. Der­
lei schnöde Interessenpolitik spielte in den Entwürfen der reformierten
Intellektuellen jedoch eine allenfalls nachrangige Rolle; ihr Blick war ganz
aut die große Auseinandersetzung gerichtet, in der sich das Überleben des
wahren Glaubens und damit das Seelenheil der Menschen entscheiden
würde.
Was die operative Politik in dem Jahrzehnt vor Kriegsbeginn und wäh­
rend der ersten Jahre des Krieges anbetrifff, so erwiesen sich die Heidelber­
ger Bündnisprojekte als Hirngespinste, und wer sich auf sie verließ, endete
in einer politischen Katastrophe - wie sich das dann auch am Schicksal des
Kurfürsten Friedrich V. zeigen sollte. Überblickt man indes den Krieg in
-einer ganzen Länge, so wird in den Bündnisprojekten eine geniale Anti­
zipation langfristiger Interessen und Gegensätze erkennbar, denn alle von
den reformierten Intellektuellen auf antihabsburgischer Seite als Partner
ms Kalkül gezogenen Länder traten irgendwann in ihn ein. Sie taten das
rreilich nacheinander und immer erst dann, wenn eine zuvor in den Krieg
imgetretene antikatholische oder antihabsburgische Macht auf die Ver-
_e:erstraße geraten war. Dementsprechend agierten diese Mächte niemals
i s einheitlicher Block, wie das die kurpfälzischen Projektemacher vor­
gesehen hatten. Hätten sie so agiert, wie man sich das in Heidelberg und
Amberg vorgestellt hatte, dann hätte der Krieg wohl einen anderen Ver­
lauf genommen: Er hätte deutlich kürzer gedauert, und die habsburgische
Macht wäre stark zurückgedrängt, wenn nicht vernichtet worden. Danach
ir-er wäre diese Koalition auch wieder zerfallen, und die unterschiedlichen
Ir.teressen der für geraume Zeit verbündeten Länder wären wieder in aller
Schärfe hervorgetreten. Der Protestantismus war eine wertepolitische
Klammer, mit der die Interessengegensätze für einige Zeit hintangestellt,
irer nicht zum Verschwinden gebracht werden konnten. Die Heidelberger
86 « I H R K E N N T N IC H T D IE F O L G E N EU R E S T U N S »

Projekte waren analytisch genial, aber realpolitisch naiv. So wurden sie zum
europäischen Verhängnis.
Eines der großen Probleme, mit denen die kurpfälzische Politik zu
kämpfen hatte, war die notorische Distanz Kursachsens gegenüber der für
die Heidelberger elementaren Annahme, der Krieg sei unvermeidlich. In
Dresden war man der Überzeugung, mit etwas gutem Willen und entspre­
chender Kompromissbereitschaft lasse sich der Frieden im Reich bewah­
ren. Grundlage dieser Politik der Friedenswahrung war für Kursachsen
die Orientierung am Augsburger Religionsfrieden, und auch wenn dieser
von Katholiken und Protestanten immer wieder unterschiedlich ausgelegt
wurde - in Anbetracht der Formelkompromisse und der vielen Zusatzver­
einbarungen kaum verwunderlich - , so gab es doch keinen Grund anzu­
nehmen, dass man in strittigen Fragen nicht zu einem für beide Seiten
akzeptablen Ausgleich kommen könne. Das war eine Sicht, die sich im Gro­
ßen und Ganzen nicht von der Kardinal Klesls unterschied, aber in einem
grundlegenden Gegensatz zu der stand, die in Heidelberg vorherrschte -
insofern stand die kursächsische Politik vor dem Krieg und noch in dessen
erstem Jahrzehnt dem katholischen Kaiser näher als den protestantischen
Glaubensbrüdern in Heidelberg, den «Calvinern», wie man sie in Dres­
den nannte, denen gegenüber man eine tiefe Abneigung pflegte.74
Wenn schon in Deutschland keine geschlossene Front des Protestan­
tismus herzustellen war, so einer der Einwände gegen die kurpfälzische
Politik, wie sollte das dann im internationalen Rahmen möglich sein?
Gerade wegen der Uneinigkeit in Deutschland, so die Antwort der Heidel­
berger, müsse man auf internationale Bündnisse setzen, denn nur auf diese
Weise lasse sich die politische Schwäche des deutschen Protestantismus
ausgleichen, die auf die katholische Seite wie eine Einladung zum Angriff
wirken müsse; dies ließe sich schon an den zunehmenden Restitutions­
forderungen erkennen. Damit wurde eine weitere Trennlinie innerhalb
des deutschen Protestantismus sichtbar: In Kursachsen, das sich als Hüter
und Oberhaupt des orthodoxen Luthertums sah, nahm man die politi­
schen Konflikte als Herausforderungen im Kontext des Reichs wahr - man
könnte mit einem anachronistischen Zungenschlag auch von einer nationa­
len Perspektive sprechen75 - und fürchtete, dass die Internationalisierung
Die Gründung von Union und Liga 87

•er Glaubensspaltung die mit ihr verbundenen politischen Probleme end­


gültig unlösbar machen werde. In Heidelberg sah man die Dinge dagegen
cenau umgekehrt: Hier war man der Überzeugung, dass der Protestan­
tismus in Deutschland nur durch die Internationalisierung des Konflikts
iberleben könne.
In dieser gegensätzlichen Beurteilung der politischen Lage kamen zu
5-ecinn des 17.Jahrhunderts die jeweiligen Entstehungsbedingungen der
beiden Zweige des Protestantismus zum Vorschein: die politischen und
sozialen Faktoren sowie die unterschiedlichen theologischen Grundaus-
r.chtungen Luthers und Calvins. Martin Luther hatte in den kämpferischen
Schriften der 1520er Jahre die Reformation des Glaubens eng mit den Gra-
der Deutschen Nation gegenüber der römischen Kurie verbunden.76
3 er Adressat von Luthers Schriften waren «die Deutschen». Dadurch
utte er zahlreiche Humanisten zu Parteigängern der Reformation gemacht,
batte politischen Rückhalt bei einigen Landesherren gefunden und die
S-.mpathien breiter Kreise der Bevölkerung für sich mobilisiert. Das war
bei dem Flüchtling Jean Calvin anders, der, aus seiner französischen Hei­
mat vertrieben, von Genf aus eine über viele Länder verstreute Anhänger­
schaft zu organisieren hatte. Von daher lag bei den lutherischen Kursachsen
eine «nationale» Wahrnehmung der politischen Konstellationen nahe,
* ährend die Heidelberger Reformierten von vornherein gewohnt waren, in
m.:e[nationalen Zusammenhängen zu denken und bedrohlichen Entwick-
. mgen in diesem Kontext zu begegnen. Dementsprechend betrachteten sie
me Jesuiten als Speerspitze der Gegenreformation und als ihre Hauptgeg-
r.er: die Lutheraner dagegen nahmen die von den Jesuiten ausgehende Her-
aisrorderung lange Zeit nicht sonderlich ernst. Was für die Reformierten
m_ Heidelberg ein internationales Netzwerk war, das einen beherrschenden
Einfluss auf die Politik der katholischen Fürsten erlangt hatte, war für die
Dresdner Lutheraner bloß ein neuer Orden, der in den katholischen Tei-
.en Deutschlands einige Universitäten und Konvikte übernommen bezie-
rungsweise gegründet hatte. Diese Sichtweise bewegte sich innerhalb der
".Ergaben des Augsburger Religionsfriedens und berührte nicht den Status
110 . Also gab es auch keinen Grund, die reichskonservative Politik zu Über­
reifen oder gar in Frage zu stellen.
88 « I H R K E N N T N IC H T D IE F O L G E N E U R E S T U N S »

Ein weiterer Unterschied zwischen Lutheranern und Calvinisten


in der Wahrnehmung politischer Herausforderungen resultierte aus der
Luther sehen Obrigkeitslehre sowie der Calvin’schen Auffassung von der
Prädestination. Luther hatte unter Rekurs auf Römer 13 immer wieder
betont, dass jeder Christ der Obrigkeit Gehorsam schuldig sei, denn diese
sei von Gott als «A m t», als Institution, eingesetzt und diene dazu, der
Bosheit in der Welt zu wehren. Ohne Gehorsam gegenüber der Obrigkeit
werde jede Gesellschaft im Chaos der Gewalttätigkeit versinken. Das stellte
sich für Calvinisten, die nicht, wie Luther, auf den Rückhalt des Landes­
herrn zählen konnten, sondern heftigen Verfolgungen ausgesetzt waren,
gänzlich anders dar; unter dem Eindruck einer sie bekämpfenden Obrig­
keit entwickelten sie monarchomachische Theorien, in denen Widerstand
gegen die Obrigkeit gerechtfertigt, mitunter sogar gefordert wurde.77 Für
Kursachsen war der Kaiser eine dem Landesherrn übergeordnete Obrig­
keit, und der war man Gehorsam schuldig, wie der Dresdner Oberhofpre-
diger Matthias Hoe von Hoenegg seinem Herrn, Kurfürst Johann Georg,
immer wieder versicherte. In Heidelberg dagegen sah man im Kaiser und
seinen Verbündeten eine Obrigkeit, gegen die jede Form von Widerstand
gerechtfertigt war.
Neben diesen Differenzen in der «politischen Theologie» spielten bei
der unterschiedlichen Lagebeurteilung in Heidelberg und Dresden auch
genuin theologische Fragen eine Rolle: In Luthers Theologie kam der Vor­
stellung von der Gnade Gottes eine zentrale Bedeutung zu, und auf diese
Gnade musste der Christ vertrauen; im Zentrum der Calvin’schen Theo­
logie stand dagegen der Gedanke einer doppelten Prädestination, durch
die im Leben eines Menschen von Anfang an festgelegt war, ob er zu den
Erlösten oder zu den Verdammten gehörte. Es war also naheliegend, dass
man in Heidelberg von der Unvermeidlichkeit eines großen Krieges zwi­
schen Katholiken und Protestanten überzeugt war, wobei freilich nur die
Auserwählten zu erkennen vermochten, worauf die Entwicklung hinauslief.
Dass die Lutheraner Einwände gegen diese Sicht hatten, zeigte - aus calvi-
nistischer Perspektive - nur, dass sie nicht zu den Erwählten zählten. Für
die reformierte Aktionspartei war der große Konflikt determiniert. Dage­
gen setzte man in Dresden darauf, dass Gott, wenn er nur wolle, die Dinge
Die Gründung von Union und Liga 89

ederzeit zum Guten wenden und den Frieden erhalten könne, und dabei
dürfe ihm die Politik nicht durch fehlendes Vertrauen in seine Güte und
Gnade im Wege stehen.

Die Folgen der bayerisch-katholischen Aneignung Donauwörths für das


rohtische Selbstverständnis der Protestanten - und insbesondere das
•curpfälzisch-kursächsische Verhältnis - zeigten sich auf dem am 12. Januar
:?oS in Regensburg eröffneten Reichstag.78 Kaiser Rudolf hatte die Ver­
sammlung der Reichsstände vor allem deswegen einberufen, damit sie die
Finanzmittel für die Aufstellung eines Heeres von 24 000 Mann über einen
Zeitraum von mehreren Jahren bewilligten; mit diesen Truppen wollte der
Kaiser Stefan Bocskay, dem Fürsten von Siebenbürgen, entgegentreten, der
nach Ungarn eingefallen war und dem sich zahlreiche mit der habsburgi­
schen Herrschaft unzufriedene ungarische Adlige angeschlossen hatten.
Außerdem sollte das Heer die Festungen Gran, Erlau und Kaniza von den
Türken zurückerobern, was darauf hinauslief, dass der gerade erst geschlos­
sene Friedensvertrag von Zsitva-Torok aufgehoben wurde. Die Mehrheit
de: Reichsstände, und zwar die katholischen wie die protestantischen, war
•edoch wenig geneigt, die dafür benötigten Finanzmittel zu bewilligen,
schon gar nicht über einen so langen Zeitraum und für eine so große Streit­
macht. Wäre der Reichstag störungsfrei verlaufen, so hätte der Kaiser wohl
Mittel für ein kleines Heer über eine knapp bemessene Zeit erhalten, um
die Ordnung in Ungarn wiederherzustellen.
Aber nach dem bayerischen Auftreten gegen Donauwörth war dies
iäin normaler Reichstag. Die protestantische Seite war vor allem darauf
redacht, sich künftig gegen Übergriffe seitens der Katholiken abzusichern.
Die Erregung bei den Protestanten war so groß, dass selbst Kursachsen und
cce seiner Politik folgenden Länder zu der von den Pfälzern einberufenen
Versammlung erschienen, auf der das gemeinsame Auftreten der protestan­
tischen Seite abgestimmt werden sollte. Zu einer solchen Geschlossenheit
mitte die evangelische Seite sich seit mehr als einem Jahrzehnt nicht mehr
curchringen können. Und mehr noch: die Kursachsen schlossen sich die­
ses Mal der von der Kurpfalz seit langem verfolgten Linie an, die Bewilli­
gung der Türkensteuer vom Entgegenkommen des Kaisers und der katholi-
90 « I H R K E N N T N IC H T DIE F O L G E N EU R E S T U N S »

sehen Reichsstände bei den protestantischen Ansprüchen auf Garantie der


Religionsfreiheit abhängig zu machen. Unter dem Eindruck der Ereignisse
in Donauwörth sollte der Augsburger Religionsfrieden im Reichstagsab­
schied förmlich bestätigt und Angriffe auf seine Geltung, gleichgültig, ob
in Büchern oder Predigten, unter Strafe gestellt werden. Diese Forderung
wurde am 6. und 7. Februar 1608 der Versammlung vorgetragen.
Die gemäßigten Vertreter der katholischen Seite waren unter Führung
des Mainzer Erzbischofs Johann Schweikhard von Kronberg bereit, dem
protestantischen Antrag zu folgen. Doch dann setzte sich in den Reihen der
Katholiken die Gruppe der Intransigenten unter dem bayerischen Herzog
Maximilian durch, die fürchtete, ein solches Zugeständnis könne als Bestä­
tigung der nach dem Stichjahr von 1552 erfolgten Säkularisierungen angese­
hen werden und die Restitution des katholischen Besitzes ein für alle Mal
erledigen. Diese Position wurde durch Erzherzog Ferdinand unterstützt,
der den nicht nach Regensburg gekommenen Kaiser Rudolf vertrat. So for­
mulierte man einen Zusatz, der die Rückgabe all dessen verlangte, was den
Katholiken seit 1552 abgenommen worden sei. Die protestantische Seite
lehnte diesen Zusatz in aller Entschiedenheit ab, und als die katholische
Partei auf ihm bestand, erklärten die Protestanten am 27. Februar, den Ver­
handlungen bis auf weiteres fernzubleiben. Damit stand die Versammlung
kurz vor dem Scheitern. «Der Reichstag selber», so das Urteil des Histo­
rikers Moriz Ritter, «hatte sich in einen Kongress aufgelöst, in welchem
die beiden Parteien wie selbständige Mächte einander gegenüb erstanden,
zwischen denen keine Mehrheitsentscheidung, sondern nur freiester Aus­
gleich statthaft ist.»79
Diese Entwicklung lag keineswegs im Interesse der katholischen Seite,
und dementsprechend machte sie einen Rückzieher, der im Wesentlichen
auf die Beseitigung des von ihr eingebrachten Zusatzes und die Bestätigung
des Religionsfriedens hinauslief. Aber man wollte sich nicht zur Gänze
geschlagen geben, zumal die Bedenken fortbestanden, die zu dem Zusatz
geführt hatten. Also fügte man die Bemerkung an, die Zusätze beider Sei­
ten sollten übergangen werden, doch dürfe daraus keiner der beiden Seiten
ein Präjudiz erwachsen. Die Pfälzer lehnten diesen revidierten Zusatz mit
der Begründung ab, bei Reichstagsverhandlungen seien solche Vorbehalte
D ie Gründung von Union und Liga 91

und Erwähnungen gegensätzlicher Auffassungen unzulässig, während die


Kursachsen den nunmehrigen Zusatz annehmbar fanden und ihm zustim-
men wollten. Damit war die Einmütigkeit der Protestanten bereits beendet,
und erneut standen sich die von der Pfalz angeführte radikale Aktionspar-
:ei und die von Sachsen dominierte konservative Gruppierung gegenüber.
Die Pfälzer bekräftigten noch einmal ihre Position und beschlossen,
zusammen mit ihrer Anhängerschaft den Reichstag zu verlassen. Neben der
Kurpfalz waren dies die Gesandten von Pfalz-Zweibrücken, Braunschweig-
"Ablfenbüttel, Brandenburg-Ansbach, Kurbrandenburg, Baden-Durlach,
Hessen-Kassel, Anhalt und die Wetterauer Grafen. In Regensburg blieben
aeben Kursachsen die Gesandten von Pfalz-Neuburg, Pommern, Lüneburg
u r i Hessen-Darmstadt sowie die Vertreter der Reichsstädte. Die Spaltung
rer deutschen Protestanten trat damit erneut in aller Deutlichkeit zutage.
'— r erhin waren Sachsen und die ihm folgenden Parteien nicht bereit,
zusammen mit den katholischen Ständen den Reichstag fortzusetzen und die
rr«~unschten Beschlüsse zu fassen. Infolgedessen gingen die Stände ohne
Eeizhstagsabschied auseinander. Der Reichstag war gesprengt, und damit
wur die letzte bis dahin noch arbeitsfähige Institution des Reichs lahmgelegt.
Aut Mai 1608 löste Erzherzog Ferdinand den Reichstag offiziell auf.
Als man zwischen August und Oktober 1613 in Regensburg erneut
zu einem Reichstag zusammenkam, wiederholten sich die Abläufe, ja
—ehr noch: Die auf Konfrontation setzenden Parteien hatten an Stärke
rfwonnen, und die auf Ausgleich bedachte Mittelpartei war zusammenge-
iunrumpft. Jetzt freilich setzte die katholische Seite auf das Majoritätsprin-
ur und stimmte am 22. Oktober 1613 für einen Reichstagsabschied, der von
rer protestantischen Minderheit umgehend verworfen wurde. «Die Krise
wir da, das Reich brach auseinander, wie es sich 1608 schon abgezeichnet
raue.» Der nächste Reichstag sollte knapp dreißigjahre später stattfinden,
* : u September 1640 bis Oktober 1641, also in der Schlussphase des Krieges
und unter völlig veränderten Bedingungen.
Mit der Lahmlegung des Reichstags im Frühjahr 1608 war das Erfor­
dernis alternativer Kooperationsstrukturen nicht länger von der Hand zu
* iden. Als Erste reagierte die kurpfälzische Politik: Sie strebte ein Bündnis
icr protestantischen Mächte an, in dem die Spaltung zwischen Luthera­
91 « I H R K E N N T N IC H T DIE F O L G E N EU R E S T U N S »

nern und Calvinisten keine Rolle spielen sollte, das also eine breitere Basis
hatte, als dies bei einer Koalition ausschließlich der Reformierten der Fall
war. Die Pfälzer vollzogen damit eine strategische Wende, weg von den
internationalen Bündnisprojekten, die sie bis dahin favorisiert hatten, hin
zu einem nur aus Reichsständen bestehenden Bündnis, und dieses Bündnis
sollte im Unterschied zu den bisher verfolgten Projekten keinen Offensiv-,
sondern Defensivcharakter haben. Es ging nicht länger um die Revision des
Augsburger Religionsfriedens, in den die Calvinisten ja nicht eingeschlos­
sen waren, sondern um dessen Verteidigung, wie man sie bereits in der
auf dem Regensburger Reichstag eingebrachten Beschlussvorlage formu­
liert hatte. Damit betrieb man eine sehr viel wirklichkeitsnähere Politik als
zuvor. Die kurpfälzische Politik wechselte aus dem Bereich der utopischen
Projektemacherei auf das Feld der Realpolitik hinüber.

Am 12. Mai 1608 (nach dem julianischen Kalender, dem die Vertragschlie­
ßenden folgten, war es freilich erst der 2. Mai), also knapp zwei Wochen
nach Schließung des Reichstags in Regensburg, trafen sich reformierte und
lutherische Fürsten im säkularisierten Kloster Auhausen nahe Nördlingen,
um die Protestantische Union zu bilden, ein auf zehn Jahre abgeschlossenes
Bündnis, in dem sich die Mitglieder für den Fall eines Angriffs von außen
zu gegenseitiger Hilfe verpflichteten.81 In der Präambel des Vertrags wurde
auf den 1495 vom Wormser Reichstag verkündeten Allgemeinen Land­
frieden und die zu seiner Bewahrung im Jahre 1555 festgelegte Exekutions­
ordnung mit den dafür verantwortlichen Reichskreisen Bezug genommen,
sogleich aber betont, dass beides in jüngster Zeit durch «beschwerlichen
mißverstanndt» in Zweifel gezogen und durch «feindtliche und thetli-
che handtlungen uberschrieten und in mehr weeg frefenlichen darwieder
gehandelt» worden sei.82 Das protestantische Sonderbündnis legitimierte
sich also mit dem Anspruch, die bestehende Ordnung des Reichs erhalten
und verteidigen zu wollen. Das war ein geschickter Schachzug, der auf die
reichskonservativen Lutheraner abzielte und Distanz hielt zu der bislang
von den Pfälzern betriebenen Revisionspolitik. Ausdrücklich wurde ver­
sichert, dass man dem Kaiser den gebührenden Gehorsam erweise, den
Reichsständen in guter Nachbarschaft zugetan sei und der Verfassung
D ie Gründung von Union und Liga 93

des Reichs keinerlei Abbruch tun wolle, sondern das Bündnis «vielmehr
zu besterckung derselben und beßeren erhaltung friedes und einigkeit im
Reich» geschlossen habe und «alß liebhaber und gehorsame Stendte des
Reichs Teütscher nation unsers geliebten Vatterlandts» handele.83 Die auf
diese Präambel folgenden achtzehn Artikel des Vertrags legen dann detail-
jert die Führung des Bündnisses, die gegenseitigen Verpflichtungen sowie
den Umgang mit Beute und Gefangenen fest. Hier ging es um die Konditi­
onen von Koalitionskriegführung. Der Vertrag von Auhausen war nicht nur
eine politische Deklaration oder Absichtserklärung; er schuf die Voraus­
setzungen für eine operative Politik, mit der die Unterzeichner sich hinfort
cegen eine Wiederholung der Ereignisse von Donauwörth zur Wehr setzen
wollten. Entgegen den Bekundungen der Präambel veränderte das sehr
wohl die Verfassungswirklichkeit im Reich.
Es kann also nicht verwundern, dass das reichs- und verfassungskon­
servative Kursachsen den Auhausener Vertrag nicht unterschrieb und
uer Union nicht beitrat. Aber es folgten nicht länger alle dem Luthertum
inhängenden Fürsten der kursächsischen Linie, sondern Herzog Johann
Friedrich von Württemberg, Herzog Philipp Ludwig von Pfalz-Neuburg
und Markgraf Georg Friedrich von Baden-Durlach, allesamt strenge
Lutheraner, waren in Auhausen dabei und unterschrieben am 14. Mai
den Vertrag im Kapitelsaal des einstigen Klosters - einem Ort somit, dem
svmbolische wie programmatische Bedeutung zukam. Außer ihnen Unter­
zeichneten Fürst Christian von Anhalt-Bernburg für die Kurpfalz, Mark­
ern Christian von Brandenburg-Bayreuth sowie Markgraf Joachim Ernst
von Brandenburg-Ansbach. Einige Zeit später traten dann noch Kurfürst
rr.ann Sigismund von Brandenburg, Landgraf Moritz von Hessen-Kassel,
Gottfried Graf zu Oettingen sowie die Reichsstädte Nürnberg, Straßburg
und Ulm dem protestantischen Schutz- und Trutzbündnis bei. Vor allem
der Beitritt der traditionell reichsfreundlichen Städte zeigte die tiefgrei-
rer.de Veränderung, die sich zwischenzeitlich vollzogen hatte: Kursachsen
war nicht länger der dominante Anführer des deutschen Protestantismus,
und die Kurpfalz war nicht mehr bloß ein Sammelpunkt der notorisch
Unzufriedenen; nunmehr befand sich Sachsen in der Außenseiterposi-
ron. und die politische Führung des deutschen Protestantismus war von
94 « I H R K E N N T N IC H T D IE F O L G E N E U R E S T U N S »

Dresden nach Heidelberg übergewechselt. Das war für die kurpfälzische


Politik ein großer Erfolg, aber zugleich war es auch eine große Bürde: Von
nun an kam es nämlich nicht mehr darauf an, in politischen Fragen ent­
schlossen vorzupreschen, sondern die in der Union Verbündeten zusam­
menzuhalten und eine Politik zu verfolgen, die von allen mitgetragen wer­
den konnte.
Die Aufgabe, den Zusammenhalt der Union zu sichern und sie gleich­
zeitig als eine politisch handlungsfähige Größe im Reich zu positionieren,
lag bei dem durch den Bündnisvertrag eingerichteten Direktorium, das der
Kurpfalz übertragen wurde. Realiter lag es damit bei Christian von Anhalt-
Bernburg, dem in Amberg residierenden Statthalter der Oberpfalz, der seit
mehr als einem Jahrzehnt die kurpfälzische Politik bestimmte, da Kurfürst
Friedrich IV. infolge von Trunksucht und daraus resultierender körper­
licher Schwäche dazu nicht in der Lage war. Als Friedrich IV. im Herbst
1610 starb, übernahm sein erst vierzehnjähriger Sohn Friedrich V. die Herr­
schaft in der Pfalz. Er stand zunächst unter der Vormundschaft des Herzogs
Johann II. von Pfalz-Zweibrücken, geriet aber schnell unter den Einfluss
Christian von Anhalts, der für sein politisches Schicksal entscheidend wer­
den sollte. War Friedrich IV. physisch und psychisch nicht in der Lage, die
kurpfälzische Politik zu leiten, so war Friedrich V. dazu wenig motiviert: Er
lebte - jedenfalls bis 1618 - weitgehend «unbekümmert in den Tag hinein,
überzeugt, Gott habe ihm sein Amt verliehen, er sei auserwählt»; darum
werde alles, was er in die Hand nehme, schon gutgehen.84Indes - alles, was
Friedrich in die Hand bekam, war von Christian von Anhalt vorsortiert und
ausgesucht, eingeschlossen Elisabeth Stuart, die Tochter des englischen
Königs Jakob I., die Christian im Zusammenhang mit seinen großange­
legten bündnispolitischen Projekten für den pfälzischen Kurfürsten ausge­
wählt und die Friedrich am 24. Februar 1613 in London geheiratet hatte. Eli­
sabeth, mit der Friedrich eine offenbar glückliche Ehe führte, sollte in den
ersten Jahren des Krieges für dessen Verlauf eine fast ebenso wichtige Rolle
spielen wie der Kurfürst selbst. Zunächst aber gab Christian von Anhalt
politisch den Ton an.
Man hat Christian von Anhalt als den «Agitator des europäischen
Umsturzes» bezeichnet, den eigentlich Verantwortlichen für den Dreißig-
Die Gründung von Union und Liga 95

Im Allgemeinen wird
Friedrich V. als ein Opfer der
unverantwortlichen Politik
seiner Räte dargestellt, die ihn
in das «böhmische Abenteuer»
hineinmanövriert haben. In
einer Mischung aus politischer
Sorglosigkeit, calvinistischem
Vertrauen in die eigene
Gottesauserwähltheit und dem
Bestreben, seiner attraktiven
Gemahlin Elisabeth Stuart eine
repräsentativere Residenzstadt
als Heidelberg zu bieten, hat
er sich auf das von seinen
Räten forcierte Projekt zur
Annahme der böhmischen
Krone eingelassen - und ist nach
einjähriger Herrschaft wieder
aus Böhmen vertrieben worden.

ihrigen Krieg. Jedenfalls handelte es sich bei ihm um einen hochgradig


.ieologisch ausgerichteten Politiker, der die politischen Konstellationen
wesentlich nach der Unterscheidung von Freund und Feind beurteilte und
_r.ausgesetzt mit dem Schmieden antihabsburgisch-antikatholischer Koa-
rnonen beschäftigt war.85 Der 1568 geborene Christian war in einem luthe-
ramschen Elternhaus aufgewachsen, in dem man Melanchthons Theologie
cevenüber einem orthodoxen Luthertum, den sogenannten Gnesioluthe-
ranem, bevorzugte. 1592 bekannte Christian sich offen zum Calvinismus
m d folgte damit einem Weg, den viele Anhänger Melanchthons einschlu-
;en. um sich von einer zunehmend selbstzufriedenen und behäbig gewor­
renen lutheranischen Orthodoxie abzusetzen. Christian war ungewohn­
ten sprachbegabt und hatte eine überaus gewinnende Art im Umgang mit
Menschen. Schon früh entfloh er der Enge des anhaltinischen Hofes mit
reu beiden Residenzen Dessau und Bernburg; er reiste nach Dresden, Prag
r d Wien, beteiligte sich an einer Gesandtschaft zum türkischen Sultan
rach Konstantinopel und unternahm schließlich die für junge Adlige obli-
n :e Italienreise. 1591 war er Führer eines Hilfskorps, das die deutschen Pro-
96 « I H R K E N N T N IC H T D IE F O L G E N E U R E S T U N S »

testanten zur Unterstützung des Hugenottenführers Heinrich von Navarra


geworben hatten, und im Jahr darauf kommandierte er ein protestantisches
Heer in der Straßburger Bischofsfehde. Christian verfügte somit, als er 1594
Statthalter in der Oberpfalz wurde, über militärische Erfahrungen und
internationale Kontakte, und vor allem hatte er gute Beziehungen zu Hein­
rich IV., dem früheren Hugenottenführer, der nach seiner Konversion zum
Katholizismus («Paris ist eine Messe w ert») französischer König gewor­
den war. Im Prinzip hätte sich die relativ kleine Kurpfalz, deren Reputa­
tion im Reich größer war als ihre Ressourcen,86keinen erfahreneren Mann
wünschen können. Aber Christian neigte dazu, seine eigenen Fähigkeiten,
zunächst die des Diplomaten, später auch die des Feldherrn, zu überschät­
zen, und besonders überschätzte er das Gewicht der Pfalz in dem politi­
schen Spiel, auf das er sich eingelassen hatte.
Die protestantische Union, an deren Zustandekommen Christian maß­
geblichen Anteil hatte, war als Bündnis für eine riskante Politik ungeeignet,
was sich auch in ihrer strukturell defensiven Ausrichtung zeigte. Sie war
entstanden, weil nach der Affäre von Donauwörth auch die lutherischen
Landesherrn Süddeutschlands sowie die süddeutschen Reichsstädte eine
ausgreifende Restitutionspolitik der katholischen Seite fürchteten, und
Kurbrandenburg stieß zur Union, weil es sich bei der Verfolgung seiner
Erbansprüche am Niederrhein, von denen noch die Rede sein wird, deren
politisch-militärischen Rückhalt sichern wollte. Die Interessen der in der
Union Verbündeten waren somit überaus heterogen, und schon deswegen
erforderte deren Führung großes politisches Geschick, viel Geduld und
immer wieder Zurückhaltung bei Möglichkeiten, die eine auf Risiko hin
angelegte Politik nutzen würde. Für eine von Geduld und Zurückhaltung
gekennzeichnete Politik aber war Christian nicht der richtige Mann.
Der große Erfolg, den die Pfälzer mit der Bildung eines auch Luthe­
raner einschließenden Bündnisses erzielt hatten, der Übergang von der
Projektemacherei zur Realpolitik, legte nahe, dass sich Christian und die
Intellektuellen in seiner Umgebung von den internationalen Koalitionspro­
jekten verabschiedeten und sich auf die Konstellationen im Reich konzen­
trierten. Darauf aber wollte sich Christian nicht beschränken; für ihn war
die Union erst der Anfang eines großen Systems protestantischer Bündnisse,
Die Gründung von Union und Liga 97

ein wichtiges Glied darin, aber auch nicht mehr. Damit verschätzte er sich
jedoch im Charakter der Union, schwächte sie letzten Endes und machte
das Schwert, das er für den Kampf geschmiedet hatte, wieder stumpf. Das
begann mit dem Bündnis, das die Kurpfalz 1612 mit dem englischen König
Jakob I. schloss und zu dessen Besiegelung die Ehe zwischen Friedrich und
Elisabeth angebahnt wurde. Dieses Bündnis, das die Risikobereitschaft der
pfälzischen Politik nur noch bestärkte, beruhte auf einer doppelten Fehl­
einschätzung: Jakob überschätzte die innere Festigkeit und Handlungsfä­
higkeit der Union, und die Pfälzer wiederum überschätzten die Bereitschaft
des englischen Königs, sich in die Konflikte des Kontinents verstricken zu
lassen.87In der Folge überschätzten die Pfälzer ihr politisches Gewicht, und
gleichzeitig vermochten sie die politischen Möglichkeiten, die ihnen die
Union bot, nicht zu nutzen.

Auch die katholische Seite war nicht untätig geblieben: Unter Führung
Herzog Maximilians von Bayern wurde am 10. Juli 1609 in München die
L:ga als Pendant zur Union gegründet; neben Bayern gehörten ihr vor
allem süddeutsche Prälaten an, die sich durch das Bündnis der Protestan-
;en bedroht fühlten. Es waren dies der Fürstbischof von Würzburg, die
Bischöfe von Konstanz, Augsburg, Passau und Regensburg, der Propst von
Ellwangen und der Fürstabt von Kempten. Schon ein Jahr später traten die
Erzbistümer am Rhein der Liga bei, Kurmainz, Kurtrier und Kurköln, und
bald danach erlangten auch die habsburgischen Erzherzoge Maximilian,
Regent von Tirol, und Ferdinand, Herr über die Steiermark, sowie der bur-
gundische Reichskreis Aufnahme. Damit konnte es die Liga ohne weiteres
mit der Union aufnehmen, zumal ihre finanzielle Ausstattung eine sehr viel
solidere Grundlage hatte als die der Union. Außerdem stand mit Herzog
Maximilian ein umsichtiger und sehr viel realistischerer Politiker an ihrer
Spitze, als das mit Friedrich V. und Christian von Anhalt bei der Union
der Fall war. Freilich hatte auch die Liga das Problem, das der Union so
sehr zu schaffen machte, nämlich die recht unterschiedliche Interessenlage
ihrer Mitglieder, die einer entschiedenen Politik des Bündnisses ein ums
andere Mal im Wege stand. Maximilian hat den Beitritt der beiden habs­
burgischen Erzherzoge nicht als Stärkung, sondern als Lähmung der Liga
98 « I H R K E N N T N IC H T D IE F O L G E N E U R E S T U N S »

begriffen. Er hat das Bündnis darum zeitweilig verlassen, um es 1619, ganz


im Sinne seiner eigenen Vorstellungen, zu reorganisieren. Diese Vorstel­
lungen liefen darauf hinaus, dass er die Politik des Bündnisses bestimmte
und es keinen gab, der ihn daran hindern konnte. Das Ausscheiden der
beiden Habsburger aus der Liga hat ihm diese Möglichkeit verschafft. Von
nun an war das katholische Bündnis - auch - ein Instrument der bayeri­
schen Interessenpolitik.
In fast jeder Hinsicht war Maximilian das Gegenteil von Friedrich V.
und Christian von Anhalt.88 Zwar wies auch seine Politik religiös geprägte
Züge auf, aber diese fanden dort ihre Grenze, wo landesherrschaftliche
Interessen betroffen waren. Das zeigte sich im Kriegsverlauf immer wieder,
sowohl im Konflikt mit Wallenstein als auch in der Auseinandersetzung mit
Ferdinand II. und Tilly über die Frage, ob die nach Norddeutschland vor­
gestoßenen Truppen der Liga von Ostfriesland aus in die Niederlande ein­
fallen und die Generalstaaten im Verbund mit der im Süden operierenden
spanischen Flandernarmee in die Zange nehmen sollten. Maximilian hat
dieses, rein militärstrategisch betrachtet, überaus attraktive Projekt mehr­
fach verhindert: Erstens, weil er «seine» Truppen nicht im Interesse Spa­
niens eingesetzt wissen wollte, und zweitens, weil er eine «Internationa­
lisierung» des Krieges fürchtete, die der Verfolgung seiner Interessen nur
abträglich sein konnte. In der Literatur über Maximilian ist darum immer
wieder die Frage diskutiert worden, ob der Bayernherzog tatsächlich ein
so entschiedener Kämpfer für die Wiederaufrichtung des Katholizismus in
Deutschland gewesen sei, wie er selbst dies dargestellt hat, oder ob es nicht
vielmehr die Direktiven der Staatsräson waren, welche die Leitlinien seiner
Politik bildeten.
Die Voraussetzungen für eine derart entschlossene und kraftvolle Füh­
rung der katholischen Liga hatte Maximilian nach seinem Regierungsan­
tritt am 4. Februar 1598 selbst geschaffen. Er übernahm von seinem Vater
Herzog Wilhelm V. ein Land, das sich ein Jahrzehnt lang notorisch am
Rande des Staatsbankrotts bewegt hatte. Wilhelm, der eine große Leiden­
schaft für Prachtbauten hatte, musste abdanken, weil niemand mehr bereit
war, ihm Kredit zu gewähren, und auch die Landstände angesichts des rui­
nierten Staatshaushalts am Ende ihrer Geduld waren. Maximilian war das
Die Gründung von Union und Liga 99

Das Porträt zeigt


Maximilian in der zweiten
Hälfte des Krieges, als
es ihm vor allem darum
ging, die herkömmlichen
Kräfteverhältnisse im
Reich zu bewahren. In
der ersten Kriegshälfte
trat er dagegen als ein
entschiedener Anhänger
der Gegenreformation
auf, die er mit Hilfe
der katholischen Liga
politisch durchsetzen
wollte. Trotz seiner
Bemühungen um den
Sieg der katholischen
Kirche in Deutschland
verlor Maximilian
niemals seine spezifisch
bayerischen Interessen
aus dem Auge.

genaue Gegenteil seines Vaters: sparsam und finanzpolitisch versiert, auf


iie Rationalisierung der Verwaltung bedacht und von ungeheurem Fleiß
zei der Überwachung all dessen, was er angeordnet hatte. In der Regel
stand er morgens gegen vier Uhr auf, um Dokumente und Briefe durch­
zuarbeiten sowie die Berichte seiner Administratoren zu studieren. Maxi­
milian war eine jener frühabsolutistischen Persönlichkeiten, die sich vom
Staatsinteresse leiten ließen und den Staat nicht als Mittel ihrer Selbstdar­
stellung nutzten. Bei der Entwicklung dieser strengen Selbstdisziplin dürfte
mm zugutegekommen sein, dass er von Jesuiten erzogen und ausgebildet
worden war, zunächst in München, dann an der Universität Ingolstadt, wo
Erzherzog Ferdinand, der spätere Kaiser, sein Kommilitone war. Jedenfalls
schaffte es Maximilian innerhalb weniger Jahre, die Defizite im bayerischen
Staatshaushalt zu beseitigen und stattdessen einen Staatsschatz anzule-
een, der ihm den gewünschten politischen Spielraum gab: gegenüber den
anderen mittelstarken Mächten im Reich, gegenüber der protestantischen
lO O « I H R K E N N T N IC H T DIE F O L G E N EU R E S T U N S »

Union, gegenüber dem Kaiser, aber auch gegenüber den eigenen Landstän­
den, die ihm während seiner langen Regierungszeit von 1598 bis 1651 nie­
mals Schwierigkeiten bereiteten. Sie vertrauten darauf, dass der Herzog in
seiner Finanz- und Kriegspolitik stets die allgemeinen Interessen des Lan­
des im Auge hatte, so dass sie sich nicht als Repräsentanten des Gemein­
wohls gegen das fürstliche Eigeninteresse stellen mussten. Das waren her­
vorragende Voraussetzungen für die Führung eines Bündnisses.
Auch hatten die Bündnispartner der Liga größeres Vertrauen zu ihrem
Bundesobristen Maximilian als die Unierten zu Christian von Anhalt. Die
Liga hatte die deutlich effizientere und autoritärere Bundesstruktur.89 Des­
wegen war sie in Krisen und Konflikten schneller reaktionsfähig, und ihre
letztlich unter bayerischem Kommando stehenden Truppen waren sehr
viel schlagkräftiger als das zusammengestückelte Heer der Union. Da Maxi­
milian bei der Verfolgung seiner politischen Ziele keine anderen Optionen
hatte als die Liga, konzentrierte er sich ganz auf sie und baute sie zu einem
Instrument aus, mit dem er seine Macht als bayerischer Herzog erweitern
wollte. Das war auch deswegen möglich, weil der Kaiser (zum Zeitpunkt
der Gründung noch Rudolf II., danach Matthias) dem Bündnis zunächst
nicht beitrat, es aber wohlwollend unterstützte, so dass es zu einer struktu­
rellen Arbeitsteilung zwischen Liga und Kaiser kam: Die Liga konzentrierte
sich ausschließlich auf die katholischen Interessen im Reich, während die
internationalen Verbindungen der katholischen Seite vom Kaiser gepflegt
wurden. Das betraf vor allem die Kontakte zu Spanien, also das Verhält­
nis zwischen den beiden Zweigen des Hauses Habsburg. So blieb die Liga
frei von Verpflichtungen gegenüber Madrid und konnte sich, als diese an
sie herangetragen wurden, erfolgreich dagegen zur Wehr setzen. Kurzum:
Die Liga verfügte im Vergleich zur Union über eine sehr viel größere ope­
rative Beweglichkeit, und das sollte sich in der Anfangsphase des Krieges in
aller Deutlichkeit zeigen.90Die mit jeder Form von Koalitionskriegführung
verbundenen Probleme wurden bei der Liga durch die starke Stellung des
Bundesobristen in Grenzen gehalten, und Maximilian sorgte dafür, dass
es dabei blieb. Als die Liga durch den Beitritt zweier habsburgischer Erz­
herzoge nur noch schwer zu steuern war, trat Maximilian, wie gesagt, aus
und paralysierte sie dadurch, um bei ihrer Wiederbelebung dafür zu sor­
Der Erbschaftsstreit um das Herzogtum Jülich-Kleve-Berg 101

gen, dass sie ein politisches Instrument in seinen Händen blieb. Im Fall der
Union dagegen führten die Koalitionsfragen zur Lähmung des Bündnisses,
und um diese Lähmung zu überwinden, hätte es einer sehr viel stärkeren
Macht an ihrer Spitze bedurft als der Kurpfalz und eines sehr viel stärker
auf die Handlungsfähigkeit des Bündnisses bedachten Anführers als eines
Christian von Anhalt.

Der Erbschaftsstreit um
das Herzogtum Jülich-Kleve-Berg

Die Probleme der Union zeigten sich umgehend im Erbschaffsstreit um das


Herzogtum Jülich-Kleve-Berg mit den Grafschaften Mark und Ravensberg.
Seit langem war absehbar, dass Herzog Johann Wilhelm kinderlos sterben
würde. Der Streit um Jülich-Kleve-Berg fand seinen Niederschlag in zwei
Krisen: Die erste zog sich vom März 1609 bis zum Oktober 1610 hin und
stürzte Westeuropa beinahe in einen großen Krieg, der nur durch eine
Reihe von Zufällen nicht stattfand; in der zweiten Krise zwischen Mai und
September 1614 bewährten sich dann ein letztes Mal die Krisenbearbei-
rungsmechanismen des Reichs, die sich seit dem Augsburger Religionsfrie-
ien herausgebildet hatten. In beiden Krisen um Jülich-Kleve-Berg zeigte
sich einmal mehr der labile, ungeklärte Zustand, in dem sich das Reich zu
Beginn des 17. Jahrhunderts befand: Es taumelte ständig am Rande eines
Krieges, und jeder regional begrenzte Konflikt hatte das Zeug, zum Anlass
eines ganz Europa erfassenden Konfliktes zu werden; andererseits verstri­
chen viele Ereignisse, die ein Anlass zum Krieg hätten sein können; und
schließlich blieben einige Kriege, die stattfanden, räumlich wie zeitlich eng
begrenzt. Es gab darum im Frühjahr 1618 keinen Grund zu der Annahme,
dass der Konflikt in Böhmen zwangsläufig zu einem großen europäischen
Krieg führen werde. Nachdem man die beiden großen Krisen um das Her-
zojtum Jülich-Kleve-Berg gemeistert hatte, war man sogar zuversichtlich,
auch mit diesem Problem fertigwerden zu können, ohne in einen Krieg
hineinzuschlittern.
102 « I H R K E N N T N IC H T D IE F O L G E N EU R E S T U N S »

Am Niederrhein war wegen des benachbarten Kurköln, wo der Ver­


bleib bei der katholischen Kirche in den Jahren 1583 bis 1585 nur unter
Einsatz von Militär hatte sichergestellt werden können, sowie der Nähe zu
den Niederlanden die Wahrscheinlichkeit eines großen Krieges um einiges
höher als danach in Böhmen. Der Historiker Volker Press hat den Nieder­
rhein darum eine «Wetterecke der europäischen Politik» genannt.91 Es
war nicht zuletzt die Zuversicht der Akteure, die politischen Prozesse unter
Kontrolle behalten zu können, die den Konflikt in Böhmen eskalieren ließ.
Selbstverständlich spielte die beschriebene Lähmung der Reichsinstitu­
tionen im böhmischen Fall eine wichtige Rolle, aber die hatte es auch schon
beim Jülicher Erbfolgekrieg gegeben, und doch waren dort die Militärope­
rationen eng begrenzt geblieben. Gerade das scheint dazu beigetragen zu
haben, dass einige leichtsinnig wurden und die Risiken falsch einschätzten.
Daneben gab es all jene, die ohnehin von der Unvermeidlichkeit eines gro­
ßen Krieges in Europa überzeugt waren und deswegen keinerlei Anstalten
machten, einen Waffengang zu verhindern. Aber auch die hatte es bereits
im Streit um Jülich-Kleve-Berg gegeben, und trotzdem ist es dort zweimal
«gutgegangen». Dass dabei der Zufall eine Rolle gespielt hatte, übersahen
die meisten, wie ja Politiker häufig dazu neigen, den Faktor Kontingenz bei
der Betrachtung von Ereignissen und deren Ausgang zu unterschätzen, weil
sie alles (oder doch fast alles) ihrem eigenen Planen und Handeln zuschrei­
ben.
Die Nachfolge im Herzogtum Jülich-Kleve-Berg war ebenso attrak­
tiv wie kompliziert. Sie war attraktiv, weil die fraglichen Gebiete zu den
wohlhabendsten Deutschlands gehörten und aus ihnen demgemäß hohe
Einnahmen zu erzielen waren; außerdem waren sie geopolitisch zentral
gelegen: Wer den Niederrhein beherrschte, war ein starker Akteur in der
nordwesteuropäischen Politik. Letzteres war auch der Grund, warum die
Nachfolge in Düsseldorf, der Residenz des Herzogs, keine Angelegenheit
war, die ausschließlich innerhalb des Reichs geklärt werden konnte; die
Interessen Spaniens, Frankreichs und der Niederlande waren unmittelbar
berührt. Die Nachfolgefrage war kompliziert, weil zu der internationalen
Interessenkollision eine konfessionelle Zersplitterung im Herzogtum hin­
zukam; die Herrscher hatten angesichts der verschiedenen Einflussnahmen
Der Erbschaftsstreit um das Herzogtum Jülich-Kleve-Berg 103

auf ihre Gebiete darauf verzichtet, eine Konfessionalisierungspolitik nach


den Vorgaben des Augsburger Religionsfriedens (cuius regio eius religio)
zu betreiben. Daher lagen hier katholische, lutherische und reformierte
Gemeinden nebeneinander. Vor allem aber gab es eine Reihe von Prä­
tendenten auf die Erbfolge, deren unterschiedlich begründete Ansprüche
nicht leicht gegeneinander zu gewichten waren. Schließlich verbanden sich
mit den verschiedenen Prätendenten auch noch unterschiedliche konfessi­
onelle Zugehörigkeiten, womit einmal mehr die opponierenden Parteien
der Protestanten und Katholiken im Spiel waren.92 Der Erbfolgestreit um
das Herzogtum Jülich-Kleve-Berg hatte somit alle Voraussetzungen, zu
einem großen europäischen Krieg zu eskalieren.
Als Herzog Johann Wilhelm am 25. März 1609 in Düsseldorf starb, hat­
ten sich alle Seiten bereits auf den Eintritt des Erbfalls eingestellt: Johann
Wilhelm war nämlich nicht nur kinderlos, sondern auch «geisteskrank»,
und da er nicht in der Lage war, sein Land selbst zu regieren, stand seine
Herrschaft von Anfang an unter einer Regentschaft. Deren Befugnisse
waren freilich umstritten: Bereits unter Johann Wilhelms Vater, Herzog
Wilhelm V., war eine solche Regentschaft eingerichtet worden, weil der
Herzog in den letzten Jahren seines Lebens als schwachsinnig galt und seine
Entscheidungen zahlreiche Streitigkeiten verursacht hatten. Die Regenten
hatten ihre Entscheide jedoch dem Herzog zur Unterschrift vorlegen müs­
sen. Die Frage war nun, ob im Fall des geisteskranken Johann Wilhelm die
Entscheidungsbefugnisse der vom Kaiser eingesetzten Regenten größer
wurden, etwa der Art, dass sie Entscheidungen ohne herzogliche Einwilli­
gung treffen konnten, oder ob die Ehefrau Johann Wilhelms, die Herzogin
Jakobe, die Position ihres Schwiegervaters übernahm und die Regentenent­
scheide gegenzeichnete. Nun hatte Johann Wilhelm aber noch vier Schwes­
tern, die für ihre Ehemänner ebenfalls Erbansprüche erhoben, nämlich für
die Häuser Brandenburg, Pfalz-Neuburg, Pfalz-Zweibrücken und schließ­
lich, nicht ganz ebenbürtig, da der Verbindung Erzherzog Ferdinands von
Tirol mit der Augsburger Bürgertochter Philippine Welser entstammend,
noch der Markgraf Karl von Burgau. Sie widersetzten sich einer stärkeren
Rolle der Herzogin Jakobe und verlangten, den «irrsinnigen Herzog und
die Administration seiner Lande unter Curatel» zu stellen.93
104 « IH R K E N N T N IC H T D IE FO L G E N EU R E S T U N S »

Jakobe, eine, wie immer wieder zu lesen, eigenwillige und machtbe­


wusste Frau, geriet sehr schnell mit den Prätendenten des Erbes in Konflikt,
danach mit den katholischen Räten und den protestantischen Vertretern
in den Ständen des Landes. Nachdem sie sich mit allen relevanten Grup­
pen überworfen hatte, kam es zu einem Ausbruch des sogenannten Volks­
zorns gegen sie. Dieser Tumult war von ihren Gegnern mit der Behauptung
angezettelt worden, sie sei ebenso herrschsüchtig wie untreu und halte den
Herzog ohne Not gefangen. Ihre Schwägerin Herzogin Sibylla erhob gegen
Jakobe Anklage wegen Ehebruchs, und so wurde Jakobe unter Kassierung
aller Rechte und Befugnisse kurzerhand eingekerkert. Am 3. September
1597 fand man sie tot in ihrer Zelle, wahrscheinlich ermordet von Schergen
eines ihrer Widersacher, des prokaiserlichen Marschalls Wilhelm von Wald­
burg. Anschließend verpflichteten sich die mit der Regentschaft betrauten
Räte, nach dem Tod des geisteskranken Herzogs keinem der Prätendenten
Zugang zu den Landen zu gewähren, bevor nicht die Rechte aller Bewerber
von Kaiser und Reich geprüft und beurteilt worden seien. Das zielte darauf
ab, die zu diesem Zeitpunkt allesamt protestantischen Bewerber vom Her­
zogtum fernzuhalten und dort den katholischen Einfluss sicherzustellen.94
Die Distanz zu den Erbprätendenten wurde noch verstärkt, als der geistes­
kranke Herzog in zweiter Ehe Antonie von Lothringen heiratete, die auf
eine enge Verbindung mit dem Kaiser achtete, und die vierte von Johann
Wilhelms Schwestern, die bereits erwähnte Sibylla, den ebenfalls bereits
genannten Markgrafen von Burgau heiratete, der katholisch war. Den drei
protestantischen Prätendenten blieb damit nichts anderes übrig, als sich
auf die Suche nach Verbündeten zu begeben, die ihnen im Erbfall beiste­
hen würden. Das war der Stand der Dinge, als Johann Wilhelm am 25. März
1609 starb.
Politisch waren die Erbstreitigkeiten um das Herzogtum Jülich-Kleve-
Berg eine Zeitbombe: Spanien und die südlichen Niederlande waren an
einer katholischen, die nördlichen Niederlande dagegen an einer protes­
tantischen Nachfolge interessiert, die Anwärter konnten sich untereinander
nicht verständigen, und die kaiserliche Macht war durch den «Bruderzwist
im Hause Habsburg» gelähmt. Zudem gab es gute Gründe dafür, dass sich
der Kaiser, wenngleich seine Präferenzen einer katholischen Lösung galten,
Der Erbschaftsstreit um das Herzogtum Jülich-KIeve-Berg l°S

nicht allzu sehr exponierte, um zu vermeiden, dass sich eine gegen seine
Entscheidung gerichtete Koalition aus Reichsständen und auswärtigen
Mächten bildete. Solange er nicht entschieden hatte, konnte man die Erb­
prätendenten gegeneinander ausspielen; hatte er sich erst einmal festgelegt,
war das nicht mehr möglich. Es war nicht zuletzt diese Konstellation, die
dazu führte, dass man im Reich nicht gerade tatkräftig nach einer Lösung
des Problems suchte. Durch die Untätigkeit des Kaisers verlor der Herzog
von Burgau im Ringen um die Nachfolge an Bedeutung, und auch der Her­
zog von Pfalz-Zweibrücken spielte zuletzt keine Rolle mehr, da es ihm nicht
gelungen war, relevante Verbündete auf seine Seite zu ziehen.
So konkurrierten in der Erbschaftsfrage mehr und mehr der branden-
burgische Kurfürst Johann Sigismund und Herzog Philipp Ludwig von
Pfalz-Neuburg beziehungsweise dessen Sohn Wolfgang Wilhelm. Da Bran­
denburg sich die Unterstützung der Kurpfalz und der vereinigten niederlän­
dischen Provinzen, der Generalstaaten, gesichert hatte, war es naheliegend,
dass die Neuburger auf der Gegenseite nach Verbündeten suchten. Aber
wer war die Gegenseite? Philipp Ludwig, ein Lutheraner, setzte auf ein
lutherisches Bündnis, kam dabei aber infolge der notorisch abwartenden
Haltung Kursachsens nicht sonderlich weit. Sein Sohn Wolfgang Wilhelm
verhandelte nicht nur mit dem Kaiser, sondern nahm auch mit Philipp III.
von Spanien und Erzherzog Albrecht, dem Regenten der spanischen
Niederlande, Kontakt auf. Als klar war, dass er dort auf Gegenliebe stieß,
stellte sich der französische König Heinrich IV., um dessen Unterstützung
zunächst beide Seiten geworben hatten, auf die Seite Brandenburgs. Nicht
weil er, wie einige meinten, im Grunde seines Herzens nach wie vor Calvi­
nist war, sondern weil aus machtpolitischen Gründen das fragliche Gebiet
an der sensiblen Nordostflanke Frankreichs keinem prospanischen Fürsten
anheimfallen sollte.95
Bei dieser Entwicklung spielte einmal mehr Christian von Anhalt eine
zentrale Rolle: In der entscheidenden Phase der Koalitionsbildung reiste
er selbst nach Frankreich, um Heinrich IV. für das von ihm seit langem
verfolgte Projekt einer internationalen antihabsburgischen Koalition zu
gewinnen. Und dieses Mal stieß er beim französischen König auf offene
Ohren, denn jetzt passten die eher geopolitischen Überlegungen Heinrichs
io 6 « I H R K E N N T N IC H T D IE FO L G E N EU R E S TU N S

und die antikatholisch-antihabsburgischen Pläne Christians zusammen. Es


muss offenbleiben, wer hier wen instrumentalisiert hätte, wenn das Vorha­
ben gelungen wäre, den Erbschaftsstreit um Jülich-Kleve-Berg zu nutzen,
um die Machtverhältnisse in Europa neu zu ordnen. Dazu ist es jedoch
nicht gekommen, denn Heinrich IV. wurde am 14. Mai 1610, wenige Tage
bevor er an der Spitze seiner Armee in den Krieg ziehen wollte, von dem
katholischen Fanatiker Francois Ravaillac ermordet. Die Königinwitwe
Maria de’Medici, die für ihren noch minderjährigen Sohn Ludwig X III.
die Regentschaft führte, ließ die Armee zwar gegen die Festung Jülich mar­
schieren, aber nach deren schnellem Fall zog sie das Militär zurück und
verzichtete auf jede weitere Provokation gegen Erzherzog Albrecht in den
südlichen Niederlanden, die zu einem Zusammenstoß zwischen Spanien
und Frankreich hätte führen müssen. A uf einen solchen hatte Heinrich IV.
jedoch gerade gesetzt - jedenfalls lassen seine Planungen den Schluss zu,
dass er einen gleichzeitigen Angriffskrieg gegen das spanisch kontrollierte
Herzogtum Mailand und gegen die spanischen Niederlande mit dem Zen­
trum Brüssel führen wollte. Sein Vorstoß auf Jülich sollte Spanien zu einer
Reaktion zwingen, die den großen europäischen Krieg ausgelöst hätte.96
Maria de’Medicis «Rückzieher» erfolgte aufgrund einer Lagebeschrei­
bung, wie sie in ähnlicher Weise auch dem spanischen Agieren im Erbfol­
gestreit von Jülich-Kleve-Berg zugrunde lag: Eine protestantische Erbfolge
am Niederrhein lag nicht im spanischen Interesse, aber man wollte in
Madrid den gerade geschlossenen zwölfjährigen Waffenstillstand mit den
Generalstaaten nicht durch eine Intervention in Deutschland aufs Spiel
setzen; deswegen hatte der in Brüssel residierende Erzherzog Albrecht alle
Hilfsersuche, die ihn aus Jülich erreichten, dilatorisch behandelt - zweifel­
los in Abstimmung mit Madrid.97 Die führenden Politiker in Madrid, vom
Herzog von Lerma über Balthasar de Züniga und den Grafen Onate bis zum
Grafen Olivares, gingen ebenso wie die führenden Männer in Paris, vom
Herzog von Sully, dem strategischen Kopf hinter Heinrich IV., bis zu Kar­
dinal Richelieu, der die französische Politik unter Ludwig X III. bestimmte,
davon aus, dass der Kampf um die Hegemonie in Europa zwischen Spa­
nien und Frankreich ausgetragen werden würde. Spanien sah sich dabei in
der Rolle des beatus possidens, der die Hegemonialposition innehatte und
Der Erbschaftsstreit um das Herzogtum Jülich-Kleve-Berg 107

sie lediglich verteidigen musste, während Frankreich angreifen und sie


erobern musste, woran es durch ein halbes Jahrhundert innerer Streitigkei­
ten und konfessioneller Bürgerkriege gehindert worden war. Deutschland
und Italien waren die Gebiete, in denen dieses Ringen um die europäische
Hegemonie ausgetragen würde. Insoweit stimmten beide Mächte in der
Analyse der politischen Lage überein, und dementsprechend beobachteten
ihre führenden Politiker jede Veränderung und jede politische Erbange­
legenheit in beiden Territorien mit äußerster Aufmerksamkeit.98 Aber die
Schlussfolgerungen, die man für die operative Politik daraus zog, unter­
schieden sich doch deutlich voneinander, und diese Unterschiede betrafen
nicht nur Madrid und Paris, sondern sie änderten sich auch mit dem poli­
tischen Führungspersonal, das in den Herrschaftszentren jeweils das Sagen
hatte. Natürlich suchte man nach mächtigen Verbündeten im Kampf um
die europäische Hegemonie, wobei England immer wieder ins Spiel kam,
und nicht zuletzt wurde in diesem Dreieck notorisch über Heiratsprojekte
nachgedacht, die Konkurrenz in Kooperation verwandeln sollten.
Dafür, wie Madrid und Paris die allgemeine Lage beurteilten, spielten
mehrere Parameter eine Rolle: Da war zunächst der Blick auf die Situa­
tion im Innern des jeweiligen Landes, auf die wirtschaftliche Entwicklung,
die finanzielle Leistungsfähigkeit und auf die inneren Konflikte, die offen
zutage tretenden, aber auch die latent vorhandenen. Je nachdem, zu wel­
chem Ergebnis man dabei kam, hielt man das Land für fähig, Krieg zu füh­
ren, oder eben nicht. Heinrich IV. war schließlich zu dem Ergebnis gekom­
men, die innere Spaltung der französischen Gesellschaft sei überwunden
und die von ihm eingeleitete Reform der Verwaltung habe dazu geführt,
dass es keine Staatsschulden mehr gebe und stattdessen ein Staatsschatz
angesammelt worden sei, der eine offensive Außenpolitik ermögliche.99
Zur selben Zeit gelangte in Madrid der Herzog von Lerma zu der Auf­
fassung, dass Spanien den Krieg in den Niederlanden beenden müsse, da er
gewaltige Ressourcen verschlungen hatte, ohne dass Fortschritte oder gar
ein militärischer Sieg absehbar waren, und dass die administrative Struktur
des Imperiums neu geordnet werden solle.100 Trotz des permanenten Sil­
berzuflusses aus der Neuen Welt - er deckte bis zu einem Viertel der Staats­
ausgaben Spaniens - hatte man sich in den zurückliegenden Jahrzehnten
io 8 « I H R K E N N T N IC H T D IE F O L G E N E U R E S T U N S »

ständig am Rande des Staatsbankrotts bewegt, und mehrere Male hatte


man diesen auch erklären müssen. Im Jahr 1607 standen Einnahmen von
etwa sechs Millionen Dukaten Ausgaben in Höhe von dreizehn Millionen
Dukaten gegenüber.101 Unter diesen Umständen war die Verwicklung in
einen neuerlichen Krieg unbedingt zu vermeiden.
Ein weiterer Gesichtspunkt bei der Lagebeurteilung: Lief die Zeit
für oder gegen die eigene Macht und die von ihr erhobenen Ansprüche?
Bei dieser Frage ging es nicht nur um die internationalen Konstellationen
im Allgemeinen, also die Veränderung von Bündnissystemen oder sich
abzeichnende Koalitionen, sondern auch um die Entwicklung der eigenen
Ressourcen im Vergleich zu denen des Hauptkonkurrenten im Ringen um
Macht und Einfluss. Erwogen wurde, ob man der Profiteur einer ungestör­
ten Entwicklung sein würde - oder ob man eingreifen musste, um Nach­
teile zu vermeiden, und Eingreifen lief in der Regel darauf hinaus, dass man
Krieg führte. Die Spanier kamen gegen Ende des zwölfjährigen Waffenstill­
stands mit den Niederlanden zu dem Ergebnis, dass dessen Folgen für sie
unbefriedigend waren, weil er zu einer Verschlechterung der eigenen und
zu einer Verbesserung der niederländischen Position geführt hatte. Don
Carlos Coloma, einer der Kommandeure der spanischen Armee in Flan­
dern, formulierte das so: «Wenn die Holländer in nur zwölf Jahren des
Friedens all dies unternommen und erreicht haben, so ist leicht zu sehen,
wozu sie imstande sind, wenn wir ihnen noch mehr Zeit geben. [... ] Wird
der Waffenstillstand fortgesetzt, so sind wir dazu verurteilt, alle Übel eines
Friedens und zugleich alle Gefahren des Krieges zu erdulden.»102
Derartige Schlussfolgerungen aus der Analyse der internationalen
Lage waren indes keineswegs zwingend, und oft kamen die damit Befassten
zu entgegengesetzten Ergebnissen. Es handelte sich um Urteile, bei deren
Zustandekommen die Gewichtung einzelner Faktoren sowie die Grund­
einstellung des Beurteilenden eine große Rolle spielten: Wie man Risiken
einschätzte und gegen Chancen abwog, lag letzten Endes «im Auge des
Betrachters». In dieser Frage kamen sowohl spanische als auch französi­
sche Politiker mitunter zu unterschiedlichen Ergebnissen, und welches
davon sich durchsetzte und zur Leitlinie der Politik wurde, entschied sich
häufig in einem Machtkampf. Man kann es auch umgekehrt formulieren:
Der Erbschaftsstreit um das Herzogtum Jülich-Kleve-Berg 109

Bei den Machtkämpfen in den europäischen Metropolen ging es immer


auch um unterschiedliche Beurteilungen der politischen Konstellationen
auf dem Kontinent und die daraus zu ziehenden Konsequenzen.
Wenn diese diversen Aspekte gegeneinander abgewogen wurden, dürfte
das Okkasionelle häufig eine ausschlaggebende Rolle gespielt haben - also
das unerwartete und an den Augenblick gebundene Eintreten von Gele­
genheiten, die, sofern energisch wahrgenommen, eine Veränderung der
Machtverhältnisse zu eigenen Gunsten versprachen. Solche Gelegenheiten
waren häufig jedoch trügerisch, und was auf den ersten Blick große Vorteile
verhieß, konnte sich schnell als das Gegenteil erweisen. Alles hing davon
ab, wie man die Lage im Allgemeinen beurteilte: Wer den großen Krieg
in Europa für unvermeidlich hielt, hatte eine stärkere Neigung, «günstige
Gelegenheiten» zu ergreifen und einen Krieg zu beginnen, als derjenige,
der von der Zwangsläufigkeit eines großen Krieges nicht überzeugt war
und in Betracht zog, dass man einen solchen Krieg auch verlieren konnte.
In der Regel bewegten sich diejenigen, die über die Entscheidungskompe­
tenz verfügten, irgendwo dazwischen: Sie wollten nicht auf die allererste
Gelegenheit hereinfallen, gingen aber durchaus davon aus, dass es günstige
Gelegenheiten gab, erfolgreich einzugreifen, beziehungsweise Situationen,
in denen man nicht länger zuwarten konnte, wenn man den Kampf um die
Macht nicht verheren wollte. In einer Ordnung, die Entscheidungskompe­
tenz bei wenigen zentrierte und überdies Macht- und adlige Statusfragen
unmittelbar miteinander verknüpfte, spielte der Charakter des jeweiligen
Herrschers und seiner Berater die ausschlaggebende Rolle.

Heinrich IV., um zum Jahr 1610 zurückzukommen, war einerseits ein kühl
kalkulierender Kopf, andererseits aber durchaus entscheidungsfreudig.103
Darin war er dem Schwedenkönig Gustav Adolf vergleichbar, der ebenfalls
viele Aspekte zu bedenken vermochte und doch in der Lage war, alles auf
eine Karte zu setzen, wenn er den Einsatz für lohnend hielt. Ein solcher Typ
von Politiker befand sich in Spanien nicht an den Schalthebeln der Macht.
In Frankreich hatte nach Heinrichs Ermordung mit der Königinwitwe
Maria de’Medici für einige Zeit ein Charaktertyp das Sagen, der gänzlich
andere Präferenzen hatte als Heinrich, der auch die Lage anders beurteilte
110 « I H R K E N N T N IC H T D IE FO L G E N EU R E S T U N S »

und eher am Status quo als an dessen Veränderung orientiert war. Insofern
kann man wohl sagen, der Attentäter Ravaillac habe entscheidend in den
Gang der europäischen Geschichte eingegriffen, als er Heinrich erstach. Er
hat wahrscheinlich verhindert, dass der große Krieg in Europa bereits 1610
oder 1611 begann. A uf den ersten Blick verhinderte Ravaillac den Krieg, tat­
sächlich aber hat er ihn lediglich verzögert. Vermutlich hat die Ermordung
Heinrichs IV. dazu geführt, dass der Krieg, als er dann tatsächlich losbrach,
sich sehr viel länger hinzog, als er gedauert hätte, wenn es 1610 zur Mäch­
tekonfrontation gekommen wäre. Es spricht vieles dafür, dass eine solche
Konfrontation sich wegen des gleichzeitigen Kriegseintritts sämtlicher
relevanter Großmächte explosionsartig entladen hätte und vergleichsweise
schnell auf dem Schlachtfeld entschieden worden wäre. Man kann das als
eine müßige kontrafaktische Spekulation über Geschichtsverläufe abtun,104
und doch handelt es sich dabei um die analytische Kehrseite der Theorien,
die mit der Unterscheidung von Anlass und Ursache arbeiten: Wo diese
erwägen, ob der Krieg unvermeidlich war und jeder beliebige Anlass zu sei­
nem Ausbruch hätte führen können oder ob es, wenn es diesen oder jenen
Anlass nicht gegeben hätte, auch nicht zum Krieg gekommen wäre, geht es
hier um die Frage, mit welchen politischen, gesellschaftlichen und nicht
zuletzt menschlichen Kosten der Krieg verbunden gewesen wäre, wenn es
sich von Anfang an um eine große Konfrontation gehandelt hätte und er
nicht erst schrittweise zu einem Krieg geworden wäre.
Durch den Tod Heinrichs IV. blieb der Jülicher Erbfolgekrieg räum­
lich wie zeitlich eng begrenzt. Er ist für die Vorgeschichte des Dreißigjähri­
gen Krieges vor allem deshalb von Interesse, weil er einen anderen Verlauf
nahm als der Konflikt zwischen Ständen und Landesherren in Böhmen.
Nach dem Tod Johann Wilhelms ergriffen Kurfürst Johann Sigismund von
Brandenburg und Pfalzgraf Wolfgang Wilhelm die Initiative und ließen
durch entsprechend instruierte Vertrauensmänner von Jülich-Kleve-Berg
Besitz ergreifen. Dabei waren sie in einigen Teilen des Landes zunächst
erfolgreich, aber sobald sich ihre Aktionen überschnitten und die beiden
um Loyalität konkurrierten, rief das die Stände des Niederrheins auf den
Plan, die erklärten, sich vor einer abschließenden Entscheidung des Kaisers
keinem der beiden anschließen zu wollen. Damit war aus Sicht der Präten­
Der Erbschaftsstreit um das Herzogtum Jülich-Kleve-Berg tu

denten eine dritte Partei im Spiel, denn sie sahen im Kaiser eher einen Kon­
kurrenten als eine neutrale Entscheidungsinstanz - zu Recht, wie sich im
weiteren Verlauf der Auseinandersetzung zeigen sollte.105
In dieser Situation ergriff Landgraf Moritz von Hessen-Kassel die
Initiative; er wollte verhindern, dass sich die protestantischen Mächte
gegenseitig blockierten, so dass am Schluss die katholische Seite obsiegte.
Moritz vermittelte ein Treffen beider Seiten in Dortmund, wo diese sich
im «Dortmunder Rezeß» vom 10. Juni 1609 auf eine vorläufige Teilung des
Landes verständigten: «Daß erstlich beyde Persohnen / biß zur fernem
gütlichen oder rechtlichen Austragh / sich jure familiaritatis, vnd als nahe
Verwandten vndt Bludtfreunden mit einander freundlich wollen begehen /
vndt wieder alle andere Anmassunge / zu erhaltung vnd defension der Lan­
den / zu sammen setzen So gelang es, den Widerstand der Stände
gegen die Inbesitznahme der Territorien zu überwinden und in Düssel­
dorf eine gemeinsame Regierung der beiden «Possedierenden», wie sie
sich fortan bezeichneten, zu errichten. Dabei missachteten sie die kaiserli­
chen Mandate, die jede Inbesitznahme durch einen Erbprätendenten ver­
boten, bis der kaiserliche Reichshofrat in der Angelegenheit entschieden
hatte. Aus Sicht des Kaisers standen sie damit in offenem Aufruhr gegen
das Reich, während sie selbst argumentierten, der Reichshofrat sei in der
Angelegenheit gar nicht zuständig, sondern in einem solchen Fall könne
der Kaiser nur gemeinsam mit einer Versammlung der Standesgenossen
entscheiden. Insofern sei ihr Handeln nicht Aufruhr, sondern Widerstand
gegen Unrecht.107 Das war ein Legitimationsmuster, wie es im Verlauf des
Dreißigjährigen Krieges immer wieder auftauchte: der Vorwurf des Auf­
ruhrs und die dem entgegengesetzte Rechtfertigung, man leiste nur legiti­
men Widerstand.
Die kaiserliche Seite beließ es indes nicht bei bloßen Ankündigungen:
Erzherzog Leopold, Bischof von Passau und Straßburg, traf am 23. Juli in
der von einer kaisertreuen Garnison unter dem Amtmann Johann von Rau­
schenberg gehaltenen Festung Jülich ein und wurde dort umgehend zum
einzig legitimen Vertreter der Landesregierung erklärt. Damit veränderte
sich die Konstellation gravierend, denn Leopolds Erscheinen mobilisierte
nicht nur die katholischen Vertreter innerhalb der Stände, sondern ließ
112 « I H R K E N N T N IC H T D IE FO L G E N EU R E S T U N S »

auch die beiden «Possedierenden» wieder auf Distanz zueinander gehen:


Während Kurbrandenburg offen gegen den Kaiser opponierte, betrieb
Wolfgang Wilhelm, der ja zuvor bereits bei den katholischen Mächten son­
diert hatte, inwieweit sie seine Ansprüche unterstützen würden, eine Poli­
tik des Lavierens. Da er mit Geldmitteln sehr viel besser ausgestattet war als
die chronisch klammen Vertreter Kurbrandenburgs, neigte die Waage sich
zu seinen Gunsten. Das wiederum rief Christian von Anhalt und Landgraf
Moritz auf den Plan, die der Loyalität des Pfalzgrafen gegenüber der Union
misstrauten, dazu die nördlichen Niederlande, die seit längerem schon in
einer festen Verbindung zu Kurbrandenburg standen. Auch König Jakob I.
von England plädierte dafür, dass Jülich-Kleve-Berg von einer wirklichen
Macht regiert werden solle und nicht von einem kleinen Fürsten wie dem
von Pfalz-Neuburg, der, da notorisch von der Unterstützung anderer
abhängig, ein Element der Instabilität in diesen politisch sensiblen Raum
bringen werde.108 So blieb Kurbrandenburg im Spiel, obwohl es selbst nur
einen bescheidenen Einsatz aufbrachte. Das lag weniger an seinem gerin­
gen Interesse an den Besitzungen am Niederrhein als vielmehr an dem
Umstand, dass Johann Sigismund zu dieser Zeit seine Aufmerksamkeit und
die Ressourcen seines Staates auf das ihm als Lehen der polnischen Krone
überlassene Preußen konzentrieren musste.
Zwischenzeitlich hatte sich freilich gezeigt, dass das Eingreifen Erzher­
zog Leopolds überstürzt erfolgt war und keinem rechten Plan folgte; seine
Bemühungen, von Erzherzog Albrecht in Brüssel und von Spanien militä­
rische Unterstützung zu bekommen, schlugen fehl, da die spanische Politik
zu diesem Zeitpunkt jeden neuerlichen Krieg in Nordwesteuropa vermei­
den wollte. Darauf aber wäre eine militärische Parteinahme für Leopold
hinausgelaufen, nachdem sich Heinrich IV. auf die Seite Brandenburgs
gestellt hatte. Als auch eine Versammlung der kaisertreuen Fürsten in Prag
ohne Ergebnis blieb, gab Leopold die Jülicher Angelegenheit verloren und
verließ den Niederrhein. Die in der Festung Jülich verbliebenen Soldaten
mussten ebenfalls einlenken: Der vereinigten Streitmacht der Possedieren­
den, der sie unterstützenden Union, den nach dem Tod Heinrichs IV. dann
doch in Marsch gesetzten französischen Truppen (die zahlenmäßig freilich
erheblich kleiner waren als die vom König zugesagten Kontingente) sowie
Der Erbschaftsstreit um das Herzogtum Jülich-Kleve-Berg 113

einer Armee der nördlichen Niederlande und einer Hilfstruppe Jakobs I.


waren die Soldaten des Amtmanns Rauschenberg nicht gewachsen - nach
einer Belagerung von knapp einem Monat übergaben sie die Festung.109
Damit endete die erste Etappe des Jülicher Erbfolgekriegs zugunsten Bran­
denburgs und Neuburgs, die entsprechend den Festlegungen des Dort­
munder Vertrags das Land zunächst gemeinsam verwalteten.

Für Christian von Anhalt war das ein großer Erfolg der protestantischen
Aktionspartei: A uf dem Unionstag in Schwäbisch Hall hatten sich die ver­
sammelten Fürsten und Städte nach anfänglichem Zögern entschlossen, die
Possedierenden zu unterstützen, und damit faktisch offensiv agiert; außer­
dem hatten die oberdeutschen Unionsmitglieder, als Erzherzog Leopold in
seinen Bistümern Passau und Straßburg mit Truppenwerbungen begann
und mehrere Regimenter Fußsoldaten sowie berittene Einheiten aufstellen
ließ, diese blockiert und am Durchzug in Richtung Niederrhein gehindert,
so dass sie den bedrängten Verteidigern Jülichs nicht zu Hilfe kommen
konnten; schließlich waren Truppen der Union in Straßburger Gebiet ein­
gefallen und hatten das dort bereitgestellte Militär Leopolds «zerstreut»
- bei alldem hatte auf Seiten der Protestanten Kursachsen kaum eine Rolle
gespielt. Währenddessen hatte die katholische Liga dem Scheitern Erz­
herzog Leopolds am Niederrhein tatenlos zugesehen und darauf verzich­
tet, militärisch einzugreifen.110 Es dürften nicht zuletzt diese Erfolge im
Jülicher Erbfolgekrieg gewesen sein, die Christian acht Jahre später davon
überzeugt sein ließen, dass die Union beim böhmischen Ständeaufstand
gegen Habsburg zu einer ähnlich geschlossenen Politik und einer ebenso
wirkungsvollen Unterstützung der protestantischen Sache fähig sein werde.
Das war ein Irrtum mit weitreichenden Folgen.
Bereits damals gab es Anzeichen dafür, dass die Union zu einer offen­
siven Politik, wie sie Christian vorschwebte, ungeeignet war und dass bei
riskanteren Entscheidungen eine größere Zahl von Bündnispartnern für
strikte Zurückhaltung eintreten würde. Das zeigte sich auf dem Unionstag
von Heilbronn, der ein halbes Jahr nach den Beschlüssen von Schwäbisch
Hall ein ganz anderes Gesicht der Union zeigte. Als die Versammlung am
29. Juni 1610 eröffnet wurde, hatte die Belagerung Jülichs noch nicht begon­
114 « I H R K E N N T N IC H T D IE F O L G E N E U R E S T U N S »

nen, und es war nicht absehbar, wie sich die Lage am Niederrhein entwi­
ckeln würde. Stattdessen kam aus Prag die Nachricht, der Kaiser wolle in
Übereinstimmung mit den katholischen und den von Sachsen angeführten
konservativen protestantischen Ständen die Unierten zu Landfriedensbre­
chern erklären und bestrafen. Sosehr man sich in der Jülicher Angelegen­
heit im Recht sah, so unsicher waren sich nun viele wegen des offensiven
Vorgehens auf Straßburger Gebiet. Einige machten geltend, derlei sei durch
die Beschlüsse von Schwäbisch Hall nicht gedeckt; es handele sich dabei
um die Aktionen einiger Fürsten, bei der man die Städte nicht gefragt
habe, weswegen sie für die entstandenen Kosten nicht aufkommen wür­
den.111 Neben den unterschiedlichen Sichtweisen der Reformierten und
der Lutheraner trat damit der alte Gegensatz zwischen Städten und Fürs­
ten hervor, und die Städte wehrten sich gegen eine Entwicklung der Union,
bei der sie für die Kosten dessen aufkommen mussten, worüber die Fürsten
allein entschieden hatten. Die Städte befanden sich bei diesem Konflikt in
einer starken Position, denn die Fürsten waren auf ihr Geld angewiesen:
Die finanziellen Mittel der Städte machten sie von den Steuerbewilligun­
gen ihrer Landstände unabhängig und verschafften ihnen einen politischen
Spielraum, den sie sonst nicht gehabt hätten. Das wussten die Reichsstädte
und spielten ihre Karten dementsprechend aus. Die Versammlung in Heil­
bronn zeigte, dass die Union alles andere als eine geschmeidige Waffe in der
Hand der kurpfälzischen Politik war.
Tatsächlich war der Jülicher Erfolg der Union mit einem Zurückwei­
chen in drei anderen Fragen verbunden: erstens dem am 6. September in
Willstätt Unterzeichneten Vergleich mit dem Stift Straßburg, wonach die
Union unverzüglich ihre Truppen aus Straßburger Gebiet abzog und im
Gegenzug die dort für Leopold geworbenen Truppen entlassen wurden.
Zweitens verzichtete man auf ein offensives Vorgehen gegen Herzog Maxi­
milian, durch das dieser gezwungen werden sollte, die ursprünglichen Ver­
hältnisse in Donauwörth wiederherzustellen. Dieser Verzicht wiederum
war, drittens, die Voraussetzung dafür, dass man sich mit Maximilian darauf
verständigen konnte, dass beide Seiten, Union und Liga, abrüsteten und
bis zum 15. November 1610 das angeworbene Militär wieder abdankten.
So entledigte sich die Union der «Unternehmungen, die ihr zu schwer zu
Der Erbschaftsstreit um das Herzogtum Jülich-KIeve-Berg US

werden begannen»112. Nur weil der Erfolg im Jülicher Erbfolgekrieg dieses


Zurückweichen in anderen Fragen überstrahlte, konnten die Vertreter der
protestantischen Aktionspartei glauben, mit der Union lasse sich offensive
Politik betreiben. Der Ausnahmefall Jülich täuschte über die tiefen Gegen­
sätze innerhalb der Union hinweg, die in Heilbronn für den, der sie sehen
wollte, gut erkennbar geworden waren. Die Union funktionierte nur, wenn
die Interessen all ihrer Mitglieder verletzt wurden. Wer dieses Bündnis
offensiv einsetzen wollte, musste es zwangsläufig zerstören. Andererseits
zeigte sich in dem Übereinkommen zwischen Union und Liga aber auch,
dass der Vorrat an Verständigungswillen und Kompromissbereitschaft
noch nicht aufgebraucht war und man Übereinkünfte treffen konnte, die
den Frieden bewahrten.

Derweil hatte sich die gemeinsame Regierung von Jülich-Kleve-Berg als


schwieriger erwiesen denn erwartet; eine Schlüsselrolle kam dabei einmal
mehr konfessionellen Fragen zu. Im Herzogtum bestanden, wie erwähnt,113
katholische, lutherische und reformierte Gemeinden nebeneinander, was
diese aber nicht als Vorzug gegenüber monokonfessionellen Territorien
begriffen. Vielmehr versuchten sie, den Machtwechsel in Düsseldorf dafür
zu nutzen, die eigene Position zu verbessern und die der anderen zu ver­
schlechtern. Die brandenburgische Verwaltung begünstigte die refor­
mierten Gemeinden, während Wolfgang Wilhelm den Vorgaben seines
Herkunftsgebiets entsprechend - sein Vater Philipp Ludwig war einer der
großen lutherischen Landesfürsten - das Luthertum unterstützte und dafür
sorgte, dass das Augsburger Bekenntnis in den lutherischen Gemeinden
von einer dezidiert anticalvinischen Abendmahlspraxis und Gnadentheo­
logie begleitet wurde. Durch den Einbezug altkirchlicher Elemente wurde
vielen Katholiken der Übertritt ins Luthertum erleichtert.114
Der sich anbahnende Konflikt zwischen den beiden Possedierenden
hätte sich noch weiter verschärft, wenn nicht der Kaiser erneut eingegrif­
fen und das sächsische Fürstengeschlecht der Wettiner ins Spiel gebracht
hätte. Die sächsischen Ansprüche hatten früher schon einmal eine Rolle
gespielt, wurden am Prager H of aber nicht weiter verfolgt, solange Aussicht
auf eine katholische Lösung mit Erzherzog Leopold an der Spitze bestand.
116 « I H R K E N N T N IC H T D IE FO L G E N E U R E S T U N S »

Mit Leopolds kläglichem Scheitern hatte sich das geändert, und das kai­
sertreue und reichskonservative Sachsen erschien aus habsburgischer Sicht
nun als optimale Lösung. Kurfürst Christian II. von Sachsen erklärte sich
bereit, zwei der auf Straßburger Gebiet geworbenen Infanterieregimenter
in Sold zu nehmen und sie durch eigene Kavallerie zu verstärken, um die
beanspruchten Gebiete zu besetzen. Doch das von den rheinischen Erz­
bischöfen verfolgte Projekt, das lutherische Sachsen in die katholische
Liga aufzunehmen und dessen Ressourcen für militärische Operationen
am Niederrhein zu nutzen, scheiterte am Widerstand des Bayernherzogs
Maximilian, der die Liga als Bündnis unter seiner Führung erhalten wissen
wollte; an ihrer Umwandlung in eine Exekutionsmacht kaiserlicher Ent­
scheidungen war er nicht interessiert - er wäre der Verlierer einer solchen
Bündnistransformation gewesen. Damit war klar, dass Sachsen für die Kos­
ten eines Gebietsgewinns am Niederrhein selbst würde aufkommen müs­
sen, und das dämpfte angesichts der leeren Staatskasse den zeitweiligen
Enthusiasmus der Dresdner Politik.
Das sächsische Intermezzo blieb am Niederrhein nicht ohne Folgen,
machte es den beiden Possedierenden doch klar, wie prekär ihre Stellung
war, nachdem sich die Union als Unterstützungsmacht zurückgezogen
hatte und mit Frankreich unter der Regentschaft Maria de’Medicis nicht
länger zu rechnen war. Unter diesen Umständen gab es für Kurbranden­
burg und Pfalz-Neuburg prinzipiell zwei Möglichkeiten: Entweder man
reaktivierte die alten Verbündeten beziehungsweise suchte neue Unter­
stützer - oder aber man ließ sich auf einen Kompromiss ein, in den alle in
die Jülicher Angelegenheit involvierten Akteure des Reichs eingeschlossen
waren. Zunächst versuchte man es mit der letztgenannten Möglichkeit; das
Ergebnis war der am 31. März 1611 zwischen Brandenburg, Pfalz-Neuburg
und Sachsen geschlossene Jüterboger Vertrag, der eher auf einen For­
melkompromiss als auf eine politisch handhabbare Übereinkunft hinaus­
lief. Moriz Ritter hat ihn so zusammengefasst: «Hier suchte man in der
zunächst drängenden Frage des Besitzes der Jülicher Lande alle Teile zu
befriedigen: Brandenburg und Neuburg, indem man sie in ihrem Besitze
beließ, Sachsen, indem man es unter gewissen Voraussetzungen in den
ungeteilten Mitbesitz aufnehmen wollte, den Kaiser, indem man ihm die
Der Erbschaftsstreit um das Herzogtum Jülich-Kleve-Berg 117

Bestätigung dieser Anordnung zuerkannte. In ähnlicher Weise regelte man


die Frage der schließlichen Rechtsentscheidung: als Richter erkannte man
den Kaiser an, aber als Beisitzer sollte er in diesem Fall sich sechs zwischen
Sachsen, Brandenburg und Neuburg zu vereinbarende Fürsten gefallen las­
sen. » 115

Dass es überhaupt zu diesem Vertrag kam, zeigt einmal mehr, wie


gering der Rriegswille bei den Beteiligten war: Was man hier verhandelt
hatte, war eine «Übereinkunft um jeden Preis». Dass der Vertrag dann
doch nicht umgesetzt wurde, lag zunächst an Johann Sigismunds Gemah­
lin Anna, die als Enkelin Herzog Wilhelms V. und Nichte des kinderlos
verstorbenen Johann Wilhelm Trägerin der Erbansprüche war; gegen ihren
Willen konnte und wollte der Kurfürst sich nicht durchsetzen. Da brachte
der andere Possedierende, der Neuburger Wolfgang Wilhelm, wieder
Bewegung in die Angelegenheit, indem er auf Brautsuche ging. Zwischen
Brandenburg und Bayern hin- und herpendelnd, sondierte er mögliche
Eheschließungen, bei denen ihn vor allem die politischen Konsequenzen
interessierten: Eine Ehe mit der Tochter des brandenburgischen Kurfürs­
ten hätte den Konflikt unter den Possedierenden entschärft; die Eheschlie­
ßung mit der Schwester des bayerischen Herzogs würde ihm dagegen einen
wichtigen Verbündeten im Ringen um die Macht am Niederrhein einbrin-
gen. Wolfgang Wilhelm entschied sich für Letzteres und erfüllte auch die
Bedingung, die Maximilian ihm als Hürde für das Bündnis vorgegeben
hatte: Er konvertierte zum Katholizismus, zunächst nur heimlich, um die
Nachfolge als Herzog von Pfalz-Neuburg nicht zu gefährden,116 später auch
öffentlich.
Fast zeitgleich, am 13. Dezember 1613, erklärte der Brandenburger
Johann Sigismund seinen Übertritt zum reformierten Bekenntnis, verzich­
tete aber darauf, dies mit einer Inanspruchnahme des ius reformandi, also
einer Zwangskonversion der Bevölkerung in seinen Herrschaftsgebieten,
zu verbinden. Dafür hingen in Brandenburg die Landstände und die Geist­
lichkeit zu stark dem Luthertum an, zumal auch in der kurfürstlichen Fami­
lie einige am lutherischen Bekenntnis festhielten. In Preußen hatte der Kur­
fürst gegenüber dem polnischen Lehnsherrn zusichern müssen, die freie
Ausübung des katholischen Bekenntnisses in keiner Weise einzuschränken.
n8 « I H R K E N N T N IC H T D IE F O L G E N E U R E S T U N S »

Darüber hinaus hatte er den preußischen Landständen zugesagt, keine vom


Augsburger Bekenntnis abweichende protestantische Religionsausübung
zuzulassen. Kurbrandenburg hätte damit zu einem Vorbild dafür werden
können, wie die gefährliche Verknüpfung von Politik und Konfession auf­
zulösen war. Doch vor dem Dreißigjährigen Krieg sah man darin eher einen
Ausnahme- und Sonderfall als ein Vorbild für den Umgang mit konfessio­
nellen Konflikten.
Durch die Konfessionswechsel Wolfgang Wilhelms und Johann Sigis­
munds hatten sich die politisch-militärischen Bündnisoptionen am Nie­
derrhein verändert: Der Madrider H of ebenso wie Erzherzog Albrecht
in Brüssel gaben nun ihre zurückhaltende Einstellung auf, unterstützten
den in Düsseldorf residierenden Neuburger mit einer Jahrespension von
12 ooo Gulden und gaben Ambrosio Spinola, dem Kommandeur des spa­
nischen Militärs in den südlichen Niederlanden, den Auftrag, im Fall eines
brandenburgischen Angriffs auf den Jülicher Besitz des Pfalzgrafen diesem
mit seiner gesamten Heeresmacht zu Hilfe zu kommen. Der Übertritt des
Brandenburger Kurfürsten zum Calvinismus hatte die vorherige Lagebeur­
teilung geändert: Ein Lutheraner wurde nicht eo ipso als ein Verbündeter
der nördlichen Niederlande angesehen - ein Calvinist schon. Und umge­
kehrt sagte Prinz Moritz von Oranien, der die Streitkräfte der nördlichen
Niederlande kommandierte, Kurprinz Georg Wilhelm von Brandenburg,
der zwischenzeitlich die Verwaltung der brandenburgischen Territorien
am Niederrhein übernommen hatte, jede mögliche Hilfe zu. Konfessio­
nelle Konflikte innerhalb der Aachener Bürgerschaft, Kontroversen um
die kommerziellen Rechte der Kölner Kaufleute und die handstreichartige
Ersetzung des neuburgischen Truppenteils in der Festung Jülich durch eine
Einheit der nördlichen Niederlande führten schließlich zum Einmarsch der
flandrischen Armee unter Spinola - und kurz darauf zur Gegenintervention
der Generalstaaten unter Moritz von Oranien. Aber beide Seiten operier­
ten vorsichtig und beschränkten sich darauf, einige Festungen unter ihre
Kontrolle zu bringen. Während die Spanier Wesel besetzten, sicherten sich
die Niederländer neben Jülich noch Emmerich und Rees; da keine der bei­
den Seiten den Waffenstillstand von 1609 sprengen wollte, einigte man sich
im Vertrag von Xanten auf die Festschreibung des Status quo: Kurbranden-
Einige Schlussfolgerungen für die Darstellung des Krieges 119

bürg wurde Kleve-Mark zugesprochen, Pfalz-Neuburg Jülich-Berg, und so


wurde aus dem bisherigen Provisorium eine Dauerlösung, bei der Sachsen,
Burgau und Pfalz-Zweibrücken leer ausgingen. Die fremden Truppen, so
die Vereinbarung, sollten abziehen, was sie jedoch nicht taten. Die Spanier
blieben in Wesel und die Holländer in Jülich; beide Seiten benutzten die
Festungen als militärisches Glacis für das mit dem Auslaufen des Waffen­
stillstands in den Niederlanden erwartete Wiederaufleben des Krieges."7
Dieser Vorteile wegen hatte man sie ja schließlich besetzt.

Einige Schlussfolgerungen
für die Darstellung des Krieges

Der Verlauf der Erbfolgestreitigkeiten um Jülich-Kleve-Berg und die zwei­


malige Eskalation ist für die Debatte über Anfänge und Ursprünge des
Dreißigjährigen Krieges in mehrfacher Hinsicht aufschlussreich. Zum
einen zeigt sich darin wie in einem Brennglas die Fülle der Konflikte, die,
sobald sie sich überlappten, das Potenzial hatten, zum Krieg zu werden; es
waren dies Erbfälle und unklare Nachfolgeregelungen, Bekenntnisfragen in
gemischtkonfessionellen Gebieten und Konfessionswechsel von Landes­
herren sowie deren Suche nach mächtigen Verbündeten, bei der schnell die
Grenzen des Reichs überschritten und die Konflikte «internationalisiert»
wurden. Aus einem im Modus von Rechtsansprüchen ausgetragenen Kon­
flikt im Reich - bevorzugt war von Aufruhr und Landfriedensbruch, aber
auch von Widerstand gegen Unrecht und Wiederherstellung des Rechtszu­
stands die Rede - 118 wurde so Krieg im genuinen Sinn.
Andererseits wird im Konfliktverlauf am Niederrhein deutlich, dass es
eine Reihe von Mechanismen gab, Konflikte zu begrenzen, Übereinkünfte
zu finden und Eskalationsdynamiken aufzuhalten, die in der böhmischen
Krise von 1618 hätten genutzt werden können. Der Verlauf der Auseinan­
dersetzungen um Jülich-Kleve-Berg zeigt, dass der Krieg keineswegs unver­
meidlich war und es nur eines «Anlasses» bedurfte, um ihn in Gang zu
setzen, wie dies eine Ex-post-Betrachtung nahezulegen scheint. Hätte sich
120 « I H R K E N N T N IC H T D IE F O L G E N E U R E S T U N S »

in Spanien 1617/18 nicht die ökonomische Lagebeurteilung geändert/19


dann hätte Ferdinand im Konflikt mit den Böhmen ohne Geld und ohne
Truppen dagestanden, und unter diesen Umständen hätte er sich wohl
auf Verhandlungen mit den böhmischen Ständen einlassen müssen, wie
das vor ihm die Kaiser Rudolf und Matthias getan haben. Der böhmische
Konflikt hätte dann einen Verlauf nehmen können, der dem des Jülicher
Erbfolgestreits ähnlich gewesen wäre. Festzuhalten ist aber auch: Flätte der
Fanatiker Ravaillac Fleinrich IV. nicht erstochen, dann hätte sich der Jüli­
cher Erbfolgestreit ganz anders entwickelt und vermutlich einen großen
Krieg in Europa ausgelöst, in dem es um den Hegemonialkonflikt zwischen
Spanien und Frankreich gegangen wäre. So stehen beide Sichtweisen, die
der Zwangsläufigkeit des Krieges und die seiner Kontingenz, nebeneinan­
der, und es ist kaum möglich zu begründen, warum die eine der anderen
überlegen sein soll.
Die Grundannahme einer Determiniertheit des politischen Gesche­
hens relativiert die Bedeutung von Entscheidungen ebenso sehr wie die
Grundannahme einer weitgehenden Geschehenskontingenz. Das aber ist
es, was für den heutigen Leser jenseits gepflegter Unterhaltung mit histo­
rischen Themen oder einfühlsamer Anteilnahme am Leid der Bevölkerung
den Dreißigjährigen Krieg interessant und lehrreich macht: die Beschäf­
tigung mit Entscheidungen beziehungsweise Nicht-Entscheidungen und
deren mittel- und langfristigen Folgen. Wenn richtig ist, was im Schlusska­
pitel des Buches ausführlicher behandelt wird, dass nämlich der Dreißig­
jährige Krieg sehr viel stärker als die Kriege des 18. bis 20. Jahrhunderts zum
Analysemodell für die religiös grundierten und konfessionellen Kriege
unserer Gegenwart geeignet ist, dann ist die Auseinandersetzung mit ihm
sowie mit seiner Vor- und Nachgeschichte eine Schulung der politischen
Urteilskraft.
2 . KAPITEL
E IN A U F S T A N D , D E R DAS R E I C H
ERSCH Ü TTERT: DER BÖ H M ISCH ­
PFÄLZISCH E K R IEG

Auf Bündnissuche

er böhmisch-pfälzische Krieg kam nur zögerlich in Gang. Zum einen


hatten die beiden Konfliktparteien keine Streitkräfte zur Hand, mit
denen sie sogleich hätten losschlagen können; zum anderen waren sie
zunächst damit beschäftigt, die Verhältnisse im Innern ihrer Herrschaft zu
konsolidieren und potenzielle Gegner des Waffengangs auszuschalten. Vor
allem aber ging es über einen Zeitraum von mehr als einem Jahr darum,
Verbündete und Unterstützungsmächte zu finden und dabei die für den
Krieg erforderlichen Ressourcen zu sammeln. Das kostete Zeit, nicht nur
wegen der schwierigen Entscheidungsprozesse bei den um Hilfe Gebete­
nen, sondern auch wegen der Langsamkeit der Kommunikationswege, die
in der Regel der Reisedauer der Gesandten entsprach. Bis zum Sommer
1620 gab es lediglich sporadische Kampfhandlungen, die jedoch nur dem
gegenseitigen Abtasten der Heere und der Demonstration militärischer
Handlungsfähigkeit dienten.
Die innere Machtkonsolidierung auf Seiten der Habsburger begann
mit dem Sturz des Kardinals Klesl, der unter Kaiser Matthias die Staats­
geschäfte geleitet hatte. Klesl wollte die Böhmen durch scharfe Mandate
in die Schranken weisen, setzte ansonsten aber auf Verhandlungen und
unternahm keine energischen Anstrengungen, um Streitkräfte aufzustel­
122 E IN AUFSTA ND, D E R DAS R E IC H E R S C H Ü T T E R T

len, mit denen man eine militärische Entscheidung hätte suchen können.1
Dazu hätte er sich freilich auch an die Stände der österreichischen Erb­
lande wenden müssen, die aufgrund ihrer Sympathien für den böhmischen
Ständeaufstand nicht bereit waren, ein kaiserliches Heer für den Feldzug
gegen die Böhmen zu finanzieren. Das Geld für die Kriegführung musste
anderweitig beschafft werden. Obendrein war der schwerkranke Kaiser
weder willens noch in der Lage, einen Unterwerfungskrieg gegen die Böh­
men zu führen. Die Verhaftung Klesls, die von den Erzherzogen Ferdinand
und Maximilian angeordnet wurde, und seine anschließende Deportie­
rung nach Tirol zielten deshalb vor allem auf Kaiser Matthias, dem damit
sein politisches Ausführungsinstrument aus der Hand geschlagen wurde.
Als Ferdinand und Maximilian an Matthias’ Krankenbett traten, um dem
Noch-Kaiser von Klesls Verhaftung zu berichten, wurde dieser «erst von
Grimm, dann von Angst erfaßt, um sich schließlich ins Unvermeidliche zu
schicken»2. Es ist also durchaus zutreffend, wenn die Verhaftung Klesls als
«Staatsstreich» (oder «Hausstreich») bezeichnet wird,3 durch den der
Kaiser entmachtet und Erzherzog Ferdinand zur entscheidenden Person
in Wien wurde.
Die Machtverteilung in Wien wurde neu geordnet, aber das wäre kaum
ohne die Einwilligung der spanischen Linie möglich gewesen. Graf Onate,
der Madrider Botschafter am Kaiserhof, scheint von Anfang an in den Coup
d’Etat der beiden Erzherzoge eingeweiht gewesen zu sein, und vermutlich
war er bei der Vorbereitung der Aktion sogar die treibende Kraft im Hin­
tergrund. In Madrid war man zuvor nämlich zu dem Ergebnis gekommen,
dass die Gesamtinteressen des Hauses Habsburg großen Schaden nehmen
würden, wenn man die rebellischen Böhmen gewähren lasse und nicht mit
aller Entschiedenheit gegen sie vorgehe. Da solches mit Kaiser Matthias
nicht möglich war, musste man dem Schwerkranken seine rechte Hand
nehmen, um das aus spanischer Sicht erforderliche militärische Vorgehen
gegen die Böhmen durchsetzen zu können.
Dabei hatte ausgerechnet Klesl in einer Denkschrift, die er kurz
nach Eintreffen der Nachricht vom Prager Fenstersturz verfasst hatte, die
Grundlinien dieser neuen Politik entwickelt. Die eigentliche Ursache
des Aufstands, so schrieb er darin, sei in der protestantischen Ketzerei zu
Auf Bündnissuche 123

•]

* je 'A

im m m m gpiSBl
| iS | Wpmmk
.HP
3 \
*T" -v

Der Schlachtenmaler Friedrich Wilhelm (Fritz) L’A llemand (1812 bis


1866) hat in seinem Aquarell «D as Heer sammelt sich vor der Hofburg in
Wien und ruft nach <Nandl> [Erzherzog Ferdinand]» dem Kriegsbeginn
einen markant heroischen Anfang verliehen: Eine Kürassiereinheit
ist vor die Hofburg geritten und ruft nach ihrem Oberbefehlshaber -
unübersehbar eine Rückprojektion der bellizistischen Vorstellungswelt
des 19. Jahrhunderts in die Anfänge des Dreißigjährigen Krieges. Offenbar
handelt es sich bei der Szene um die Ankunft der Dampierre’schen
Kürassiere am 11. Juni 1619, durch die Erzherzog Ferdinand aus der
Bedrängnis durch die Landstände befreit wurde.

suchen, die ihrer Natur nach zu Unzufriedenheit und Empörung führe.4


Das eigentliche Ziel des Aufstands sei die Regierungsübernahme durch die
protestantischen Stände, die Bildung einer Konföderation aus allen habs­
burgischen Erblanden und folglich die Unterdrückung des Landesherrn
124 E IN A U FSTA N D , D ER DAS R EIC H E R S C H Ü T T E R T

und der Katholiken. Es bleibe dem Kaiser darum gar nichts anderes übrig,
als den Kampf gegen die Böhmen aufzunehmen und ihn mit äußerster Ent­
schlossenheit zu führen. In der offiziellen Begründung solle aber, so die
Denkschrift weiter, nicht der religiöse Streit, sondern die Verteidigung der
Rechte des Landesherrn herausgestellt werden. Nicht als Religionskonflikt,
sondern als Streit um die politische Ordnung und die Position des Lan­
desherrn solle dieser Krieg propagandistisch dargestellt werden. Was Klesl
unter allen Umständen vermeiden wollte, war eine Konfrontation der Kon­
fessionen, die dazu hätte führen können, dass sich die zerstrittenen Protes­
tanten zu einer geschlossenen Front formierten. Wenn es hingegen um die
Rechte des Landesherrn und die der Stände gehe, würden sich auch viele
protestantische Landesfürsten fragen, ob sie einen Aufstand unterstützen
sollten, der ihren Interessen eindeutig zuwiderlief.
Selbst Klesl hielt den Krieg inzwischen für unvermeidlich, aber er wollte
verhindern, dass er zu einer eskalierenden Konfrontation der Konfessionen
wurde; stattdessen setzte er auf eine sukzessive Ausschaltung der landstän­
dischen Gegner der habsburgischen Herrschaft. Klesl wollte vermeiden,
dass das angesammelte Pulver schlagartig explodierte, es sollte langsam
abbrennen. In diesem Sinne erging am 18. Juni eine kaiserliche Antwort auf
die böhmischen Beschwerden und die dort ergriffenen Maßnahmen, der
zufolge der Majestätsbrief von Seiten des Kaisers nicht verletzt worden
sei und über aufgekommene Missverständnisse eine noch einzusetzende
Kommission befinden werde. Alle von den Pragern vorgenommenen krie­
gerischen Maßnahmen, wie die Mobilisierung des Landesaufgebots und
zusätzliche Truppenwerbungen, seien sofort einzustellen; sie seien gegen
die Landesverfassung gerichtet und griffen in die Rechte des Landesfürsten
ein. Kennt man den Hintergrund des kaiserlichen Patents nicht, lässt sich
diese Antwort als Ausdruck von Verhandlungs- und Kompromissbereit­
schaft missverstehen; tatsächlich handelte es sich um ein politisches Strate­
gen! für den bevorstehenden Krieg, das die protestantische Unterstützung
für die Böhmen möglichst gering halten sollte. Faktisch ist die kaiserliche
Politik in ihrer offiziellen Selbstdarstellung bis zum Restitutionsedikt von
1629 diesen Vorgaben Klesls gefolgt.
Auf Bündnissuche US

Die habsburgische Strategie, den Streit mit den Böhmen als Verfassungs­
und nicht als Konfessionskonflikt darzustellen, zeigte bald Wirkung. Als
die böhmischen Stände auf der Suche nach Verbündeten bei der Union
und einer Reihe protestantischer Mächte außerhalb des Reichs um Unter­
stützung nachsuchten, wurden sie allenthalben abschlägig beschieden -
mit Ausnahme der Niederlande, bezeichnenderweise der einzigen Macht,
für die das Argument, die Rechte des Landesherrn seien in Gefahr, keine
Rolle spielte. Im Frühjahr 1619 beschloss man im Haag, den Böhmen
Hilfsgelder von 25 000 Talern pro Monat zu zahlen, zunächst freilich auf
drei Monate begrenzt und nur für den Fall, dass die Böhmen tatsächlich
Krieg führen und die Niederlande sich im Frieden befinden würden. Stellt
man dem allein die päpstlichen Subsidien gegenüber, die an Wien gezahlt
wurden - sie beliefen sich von Juli 1618 bis Ende 1620 auf eine Summe
von 304 000 Talern, hinzuzurechnen sind die im selben Zeitraum an die
Liga gezahlten 204 000 Taler - , 5 so zeigt sich darin der Erfolg von Klesls
Doppelstrategie, den Krieg als Verfassungskonflikt zu deklarieren und ihn
allenfalls verdeckt als Konfessionskrieg zu führen. Dem hatten die Böhmen
nichts Vergleichbares entgegenzusetzen.
Innerhalb Böhmens war die Suche nach Verbündeten durchaus erfolg­
reich, aber auch hier nicht auf allen Ebenen gleichermaßen. Man ging kon­
sequent vor: Unmittelbar nach dem Fenstersturz wurde ein dreißigköpfiges
Direktorium eingesetzt, das Ständeheer wurde aufgeboten und unter den
Befehl des Grafen Thurn gestellt, des Weiteren wurden die Jesuiten aus
dem Land vertrieben und das Eigentum jener Adligen konfisziert, die als
Anhänger der Gegenreformation hervorgetreten waren. Man war bemüht,
die Kontrolle über das gesamte Land zu gewinnen, und dazu gehörte auch,
dass man gegen die Städte vorging, die sich dem Aufstand nicht angeschlos­
sen hatten. Vergleicht man indes die Entwicklung des Aufstands in Böhmen
mit der des Aufstands in den Niederlanden ein halbes Jahrhundert davor,
so fällt auf, dass der böhmische Aufstand überwiegend eine Angelegenheit
des Adels war und es nicht oder nur unzulänglich gelang, die Bauernschaft
auf dem Lande und die Bürger in den Städten für seine Ziele zu mobili­
sieren. In den Adelskreisen gab es eine ausgeprägte Neigung, die für den
Erfolg des Aufstands erforderlichen Anstrengungen zu unterschätzen, was
126 E IN A U FSTA N D , D ER DAS R EIC H E R S C H Ü T T E R T

sich unter anderem darin zeigte, dass nur bescheidene finanzielle Mittel für
die Werbung von Söldnern und die Aufstellung eines schlagkräftigen Hee­
res bereitgestellt wurden .6 Offenbar gab man sich der Hoffnung hin, man
könne mit relativ geringem Aufwand erfolgreich sein.
Zur Selbsttäuschung der böhmischen Aufständischen über das Risiko,
das sie eingegangen waren, und die radikalen Maßnahmen, die vonnöten
waren, um den Aufstand zum Erfolg zu führen, trug auch bei, dass sie von
den Ständen der anderen habsburgischen Erblande Zuspruch und Unter­
stützung erfuhren. Im Oktober 1618 schlossen sich die Stände Schlesiens
dem böhmischen Aufstand an, und mit dem Tod von Kaiser Matthias am
20. März 1619 sahen sich auch die Stände Mährens sowie der Ober- und
Niederlausitz von ihren Loyalitätsverpflichtungen gegenüber dem Hause
Habsburg entbunden. Am 31. Juli 1619 schlossen sich die Böhmen, Mähren,
Schlesier und Lausitzer zur Confoederatio Bohemica zusammen, indem sie
sich eine aus hundert Artikeln bestehende libertäre und föderative Verfas­
sung gaben. Auch den ober- und niederösterreichischen Ständen wurde der
Beitritt zu dem «Staatenbund» angetragen, doch diese zögerten, den ent­
scheidenden Schritt in den Aufstand mitzumachen. Immerhin traten sie in
enge Beziehungen zur Böhmischen Konföderation und sagten ihr alle nur
denkbare Unterstützung zu.7 Von den habsburgischen Erblanden blieben
zunächst nur die Ungarn abseits und steuerten einen loyalistischen Kurs.
Für Ferdinand bedeutete das freilich keine nennenswerte Unterstützung,
da stets mit einem Einfall Bethlen Gabors, des Fürsten von Siebenbürgen,
nach Ungarn gerechnet werden musste, so dass die ungarischen Kräfte
im eigenen Land gebunden waren. Außerdem konnte die Stimmung in
Ungarn jederzeit Umschlagen, und die antihabsburgischen Kräfte konnten
die Oberhand gewinnen.
Ferdinand durfte nicht damit rechnen, in den habsburgischen Erblan­
den nennenswerte Kräfte mobilisieren zu können - weder in Gestalt von
Militäreinheiten, die man ihm zur Verfügung gestellt hätte, noch in Form
von Sondersteuern, die ihm von den Ständen bewilligt worden wären.
Unter diesen Umständen war er auf auswärtige Hilfe angewiesen. Das war
einer der Gründe dafür, warum der sich abzeichnende Krieg von den Habs­
burgern nicht als eine innerhalb ihrer Erblande zu erledigende Angelegen­
Auf Bündnissuche 127

heit behandelt wurde. Ferdinand, seit 1617 böhmischer König und gemäß
den hausinternen Absprachen der Casa d'Austria designierter Nachfolger
auf dem Kaiserthron, war also noch stärker als die Böhmen auf Unterstüt­
zung von außen angewiesen. Er erhielt sie, wie schon erwähnt, vom Papst,
weiterhin von einigen italienischen Mächten, unter anderem der Republik
Genua, die Subsidien zahlte, und dem Großherzog der Toskana, der Sol­
daten schickte,8 vor allem aber vom spanischen König, der in großem Stil
Finanzmittel zur Verfügung stellte und kriegserprobte Truppen in Marsch
setzte, und schließlich auch von der neuformierten katholischen Liga unter
Führung Herzog Maximilians. Doch die spanische und die bayerische
Hilfe hatte ihren Preis, und die Entrichtung dieses Preises lief auf eine Ent­
grenzung des Krieges hinaus. Auch wenn einige Historiker die erste Hälfte
des Krieges bis zum militärischen Eingreifen Schwedens als «deutschen
Krieg» bezeichnen und davon die zweite Hälfe als «europäischen Krieg»
absetzen,9 so war dieser Krieg doch von Anfang an ein europäischer Kon­
flikt: Dafür sorgten die Subsidien des Papstes an die Habsburger und die
der Holländer an die Böhmen, die Entsendung flandrisch-wallonischer
Truppen zugunsten des Kaisers sowie das Eingreifen des Siebenbürger
Woiwoden Bethlen Gabor und schließlich die zeitweilige Finanzierung
eines auf Seiten der Böhmen stehenden Söldnerverbands unter Ernst von
Mansfeld durch den savoyischen Herzog Karl Emanuel.
Dass Spanien den österreichischen Habsburgern zu Hilfe kommen
würde, stand trotz der Wiederannäherung beider Linien und des Onate-
Vertrags keineswegs von Anfang an fest. Spanien war, wie beschrieben, wirt­
schaftlich erschöpft und brauchte dringend eine längere Friedensperiode.10
Der Herzog von Lerma, der bis Oktober 1618 die spanische Politik leitete,
plädierte dafür, auf Matthias und Ferdinand besänftigend einzuwirken
und ihnen nahezulegen, den böhmischen Forderungen entgegenzukom­
men.11 Bei den am 14. Juli 1618 geführten Beratungen im Staatsrat bot er
100 000 Dukaten an, die mit dem Hinweis zu versehen seien, das sei das
Letzte und Äußerste, was Spanien erübrigen könne. Dagegen bestanden Bal­
thasar de Züniga und der Herzog von Infantado darauf, dass Kaiser Matthias
und König Ferdinand unverzüglich 200 000 Dukaten zur Verfügung gestellt
würden und man darüber hinaus bereit sein müsse, diese Summe noch ein­
128 E IN A U FSTA N D , D ER DAS R EIC H E R S C H Ü T T E R T

mal deutlich zu erhöhen, falls die Niederlande auf Seiten der Böhmen in den
Konflikt eingriffen. Dann werde man auch nicht umhinkönnen, Wien mit
Truppen zu Hilfe zu kommen, indes nicht mit Einheiten aus Italien, wie es
Graf Onate vorgeschlagen hatte, sondern mit Truppen aus Flandern und der
Wallonie, die Erzherzog Albrecht, Statthalter der südlichen Niederlande, in
seiner Eigenschaft als Reichsstand nach Böhmen entsenden solle.
Züniga, der lange die spanischen Interessen am Kaiserhof vertreten
hatte und mit den Verhältnissen im Reich gut vertraut war, wusste um die
dort grassierenden antispanischen und antiitalienischen Affekte, die er
nicht unnötig mobilisieren wollte.12 Lerma dagegen fürchtete, weitgehende
Zusagen an die österreichischen Habsburger würden diese dazu verleiten,
einen Krieg zu beginnen, den am Ende Madrid finanzieren müsse. Die
anschließend getroffene Entscheidung war ein Kompromiss: Man über­
wies 200 ooo Dukaten sofort und stellte weitere Gelder in Aussicht, wies
Graf Onate aber an, auf die Wiener Politik im Sinne eines Ausgleichs mit
den Böhmen einzuwirken. Dem konnte auch Züniga zustimmen, denn er
wollte kriegerische Auseinandersetzungen vermeiden, bis die Wahl des
neuen Kaisers erfolgt war.
Für die spanische Unterstützung war ausschlaggebend, dass Züniga
nach Lermas Sturz seit Oktober 1618 die Außenpolitik Madrids bestimmte;
zusammen mit Graf Onate steuerte er einen Kurs, der auf eine immer stär­
kere Unterstützung Wiens hinauslief. Bis Juli 1619 hatte Spanien bereits
3,4 Millionen Taler an die österreichischen Habsburger gezahlt; Ende 1624
summierten sich diese Hilfsgelder auf sechs Millionen Taler. Des Weite­
ren waren im März 1621 etwa 40 000 von Spanien finanzierte Soldaten aus
den südlichen Niederlanden an Orten im Einsatz, an denen sie direkt oder
indirekt zur Durchsetzung der Wiener Politik dienten.13 Auch unter Züniga
hatte sich Spanien nicht in diese Rolle hineingedrängt, sondern man hatte
zunächst auf die Wiederherstellung der katholischen Liga im Reich gesetzt,
die den Habsburgern zu Hilfe kommen sollte. Graf Onate hatte sich
mehrfach an Herzog Maximilian gewandt, damit dieser die Initiative zur
Erneuerung der Liga ergriff, war damit aber über lange Zeit nicht durchge­
drungen. Währenddessen verschlechterte sich die Lage für die Habsburger
zusehends. Unter diesen Umständen entschloss sich Züniga, die spanische
Auf Bündnissuche 119

Politik grundsätzlich zu verändern: Er gab die von Lerma verfolgten mittel-


meerischen Zielsetzungen auf, um sämtliche Ressourcen des Imperiums in
den Krieg im Reich werfen zu können. Aus Zünigas Sicht war das kein Akt
der Selbstlosigkeit oder gar Selbstaufopferung, sondern ein Kampf um die
Stellung Spaniens in Europa: Würden die österreichischen Habsburger in
Böhmen unterliegen, wären auch die südlichen Niederlande nicht mehr zu
halten und Spanien würde über kurz oder lang aus Mittel- und Westeuropa
herausgedrängt. Zunächst waren Züniga jedoch die Hände gebunden, denn
vor der Wahl Ferdinands zum Kaiser, so seine Überzeugung, konnte ein gar
zu sichtbares spanisches Agieren dazu führen, dass die Wahl scheiterte und
das Haus Habsburg den Zugriff auf die Kaiserkrone verlor.14 Diese Konstel­
lation war dafür verantwortlich, dass der Krieg nur langsam in Gang kam,
als wüssten die Konfliktparteien noch nicht, ob sie wirklich Krieg führen
oder doch noch versuchen wollten, auf dem Verhandlungsweg eine Über­
einkunft zu finden.
Herzog Maximilian von Bayern hatte sich lange bitten lassen, bevor
er den Entschluss fasste, die seit 1615 zerfallene Liga wiederzubeleben. Er
strebte ein Bündnis unter seiner alleinigen Führung an, in dem die Habs­
burger nichts zu melden hatten. Um seine Bedingungen durchzusetzen,
ließ er Ferdinand warten, und dabei konnte ihn auch Onate nicht aus der
Ruhe bringen, der ihn zur Eile drängte. Erst als die Wahl des neuen Kaisers
bevorstand, schien es Maximilian an der Zeit, den katholischen Block neu
zu formieren und dabei nicht nur die Stimmen der drei geistlichen Kurfürs­
tentümer zu kontrollieren, sondern auch die regelmäßigen Einzahlungen
von Mainz, Köln und Trier in die gemeinsame Kasse der Liga wieder ein­
zuführen - um eine Armee zu finanzieren, die schon bald das wichtigste
Instrument zur Durchsetzung seines politischen Willens sein würde. Es war
absehbar, dass im Portfolio der Machtsorten militärische Macht in nächster
Zeit die wichtigste sein würde, und die Liga war für Maximilian das Mit­
tel, um die ökonomische und finanzielle Macht der katholischen Partei im
Reich in militärische Macht zu verwandeln. Im Unterschied zu den ande­
ren Machtsorten, bei denen zur wirtschaftlichen noch die ideologische hin­
zukam,15 wollte er in der Liga die militärische Macht allein kontrollieren.
Erst als absehbar war, dass Ferdinand den Preis für seine Unterstützung
13° EIN A UFSTAND, D ER DAS REIC H E R S C H Ü T T E R T

zu zahlen bereit war, organisierte Maximilian die Instrumente, die vonnö­


ten waren, damit der Kaiser den Gehorsam seiner böhmischen Untertanen
erzwingen konnte. Maximilians Agieren zwischen dem Sommer 1618 und
dem Sommer 1619 war ein Meisterstück machiavellistischer Politik. Die
auf seine Initiative hin wiederbelebte Liga wurde zum politischen Para­
dox: Sie wurde mit der doppelten Aufgabe gebildet, den Habsburgern in
ihren Erblanden wieder in den politischen Sattel zu helfen, und gleichzeitig
sollte sie sicherstellen, dass ein wiedererstarkter habsburgischer Kaiser den
Reichsständen gegenüber nicht zu mächtig wurde. Manches, was an der
Politik Maximilians auf den ersten Blick als widersprüchlich und inkonse­
quent erscheint, wird verständlich, wenn man die paradoxe Doppelfunk­
tion der Liga und die beiden Imperative der bayerischen Politik betrachtet:
die katholische Partei im Reich zu stärken, was nur in Zusammenarbeit
mit dem habsburgischen Kaiser möglich war, und zugleich die politische
Handlungsmacht der Reichsstände zu verteidigen, was auf eine Konfronta­
tion mit dem Kaiser hinauslaufen musste.
Zunächst aber bestand im Reich ein Interregnum: Kaiser Matthias war
am 20. März 1619 gestorben, und da es zu seinen Lebzeiten nicht möglich
gewesen war, unter dem Titel «Römischer König» einen Nachfolger zu
wählen, blieb der Thron vorerst unbesetzt. In dieser Zeit führte der Mainzer
Erzbischof Johann Schweikhard von Kronberg als Erzkanzler des Reichs
die Amtsgeschäffe. Er lud erst für Juli nach Frankfurt, wo seit 1147 die meis­
ten Kaiserwahlen stattgefunden hatten. Die Wahl Ferdinands erfolgte am
28. August 1619, die anschließende Kaiserkrönung am 9. September. Für
Ferdinand, den durch Übereinkunft der habsburgischen Erzherzoge desi­
gnierten Nachfolger auf dem Kaiserthron, begann dabei die Zeit knapp zu
werden, denn nur als Kaiser verfügte er über den Einfluss und die Legiti­
mation, um hinreichend Verbündete für den Krieg um Böhmen an sich zu
binden. Ohne Kaisertitel war er für die spanische wie die bayerische Politik
uninteressant. Die Zeit drängte auch deshalb, weil Bethlen Gabor, der mit
den Böhmen ein Militärbündnis geschlossen hatte, im August 1619 mit sei­
nen Truppen in Ungarn einfiel.16Er konnte sich dabei auf die Unterstützung
der meisten ungarischen Adligen verlassen, die aus konfessionellen Grün­
den größere Sympathien für den siebenbürgischen Calvinisten hegten als
Auf Bündnissuche 131

für den streng katholischen Landesherrn in Wien. Sie hatten Sorge, dass
der Habsburger in Ungarn die rigide Konfessionalisierungspolitik fortset­
zen würde, die er in der Steiermark betrieben hatte, und obendrein konn­
ten sie bei ihm keine Neigung erkennen, ständische Rechte zu respektieren.
Ferdinand musste den Verlust eines weiteren seiner Erblande befürchten,
und tatsächlich wählte am 25. August ein schnell einberufener Landtag des
ungarischen Adels Bethlen Gabor zum König von Ungarn. Erst eineinhalb
Jahre später, am 31. Dezember 1621, verzichtete Gabriel Bethlen von Iktar,
wie er auf Deutsch hieß, auf die Stephanskrone und ließ sich dafür mit den
Herzogtümern Oppeln und Ratibor belehnen.17
Mit Überfällen und schnellen Eroberungen war Bethlen Gabor sehr
erfolgreich, doch wenn es darum ging, die von seiner leichten Reiterei über­
rannten Gebiete zu halten und zu verteidigen, zeigten sich die Schwach­
punkte des siebenbürgischen Fürsten. Das begrenzte seinen Wert als Bünd­
nispartner, der für den Augenblick der Überraschung groß war, aber mit der
Dauer eines Konflikts kontinuierlich sank. Bethlen Gabor agierte als grausa­
mer Eroberer und beutegieriger Plünderer der habsburgischen Lande; eine
längerfristige Politik konnte nicht auf ihn zählen. Das war ein Problem für
die Böhmen, denn was sie brauchten, war ein durchhaltefähiger Verbündeter.
Der Fürst von Siebenbürgen verursachte mit seinen blitzschnellen Überfäl­
len zwar jedes Mal großes Entsetzen, aber dann verschwand er wieder dort­
hin, woher er gekommen war, und spielte für längere Zeit keine Rolle mehr.
Am 18. August 1619 setzte die Ständeversammlung in Prag Ferdinand
als böhmischen König mit der Begründung ab, dass er die Rechte des
Landes fortgesetzt verletzt habe. Damit war unklar, ob Ferdinand bei der
Kaiserwahl in Frankfurt überhaupt über die böhmische Kurstimme ver­
fügen konnte. Ferdinands Angelegenheiten standen auf Messers Schneide.
Er hatte nur eine Chance, das Heft des Handelns wieder in die Hand zu
bekommen, und die bestand darin, dass er möglichst schnell zum Kaiser
gewählt wurde, um anschließend unter Nutzung der kaiserlichen Rechte
eine offensive Politik gegen seine Feinde und Widersacher betreiben zu
können. Der Kaisertitel war zunächst nicht viel mehr als symbolische
Macht, aber die Symbole der Macht sollten Ferdinand Zugang zu den Res­
sourcen der Macht verschaffen.
m EIN A U FSTA N D , DER DAS R EIC H E R S C H Ü T T E R T

Die kurpfälzische Politik hatte das Dilemma Ferdinands erkannt. Man


war darum bemüht, die Wahl des Kaisers zu verschieben, jedenfalls so
lange wie möglich hinauszuzögern, um in Prag vollendete Tatsachen zu
schaffen, die Operationen Bethlen Gabors in Ungarn wirken zu lassen und
den Habsburgern den Zugriff auf die Legitimitätssymbole des Kaisertitels
zu verwehren. Aber man befand sich selbst in einem Dilemma, aus dem
man nicht herauskam: Es gab nämlich keinen Gegenkandidaten zu Ferdi­
nand.18 Mögliche Alternativen wären Kurfürst Johann Georg von Sachsen
und Herzog Maximilian von Bayern gewesen, doch beide hatten sich nicht
zu einer Gegenkandidatur bereitgefunden. Johann Georg wäre trotz sei­
ner reichskonservativen Grundhaltung als Protestant nicht mehrheitsfähig
gewesen, und Maximilian meinte, dass er seine politischen Ziele eher im
Gefolge des Habsburgers erreichen könne als in Gegnerschaft zu ihm. Das
Dilemma, in dem die pfälzische Politik steckte, war also noch größer als das
Ferdinands. Ferdinand ging es darum, dass die Wahl möglichst bald statt­
fand; die Pfälzer setzten darauf, sie möglichst lange hinauszuzögern. Aber
während Ferdinand am Ziel war, sobald die Wahl stattgefunden hatte - da
er der einzige Kandidat war, konnte sie nur zu seinen Gunsten ausfallen -,
würden die Pfälzer mit einer Verzögerung um ein paar Wochen nichts
erreichen, wenn sich in dieser Zeit die politischen Konstellationen nicht
grundlegend veränderten. So gelang es den Pfälzern wohl, die Kaiserwahl
vom zunächst dafür ausgeschriebenen 20. Juli bis zum 28. August hinaus­
zuzögern, aber damit war für sie nichts gewonnen, da das Kurfürstenkolle­
gium nicht bereit war, auf die zuvor erfolgte Absetzung Ferdinands durch
die böhmischen Stände zu reagieren und den in Frankfurt eingetroffenen
böhmischen Ständevertretern das Wahlrecht zu übertragen. Für Ferdinand
und die geistlichen Kurfürsten kam das ohnehin nicht in Frage, weil damit
die Mehrheit im Kurfürstenkollegium von den Katholiken zu den Protes­
tanten übergegangen wäre, und auch Kursachsen und Kurbrandenburg
wollten sich nicht darauf einlassen, Rebellen zu unterstützen. Das Inter­
esse, die eigene Macht zu sichern, war für beide deutlich größer als eine
wie auch immer geartete protestantische Solidarität. Demzufolge waren
die Konstellationen Ende August dieselben wie Ende Juli: Die katholische
Seite war sich einig, die Protestanten waren zerstritten beziehungsweise
Auf Bündnissuche 133

wussten nicht, was sie wollten. Das Hinauszögern der Wahl hatte nichts
gebracht.

Durch die Berichte der Beteiligten sind wir über den Ablauf der Kaiserwahl
gut informiert: Alle wurden nacheinander einzeln um einen Wahlvorschlag
und die anschließende Stimmabgabe gebeten. 19 Kurfürst Schweikhard
eröffnete den Wahlakt, indem er den Trierer Kurfürsten um die Stimmab­
gabe bat. Der nannte König Ferdinand, Erzherzog Albrecht (den Statthalter
der spanischen Niederlande) und Herzog Maximilian als geeignete Kandi­
daten und gab schließlich seine Stimme für Ferdinand ab. Ihm folgte der
Kurfürst von Köln, der erklärte, er wisse, dass sein Bruder, der Bayernher­
zog Maximilian, auf die Kandidatur verzichte, und seine Stimme ebenfalls
König Ferdinand gab. Das war der entscheidende Augenblick der Wahl:
Eigentlich wäre den Regeln nach jetzt die böhmische Stimme abzugeben
gewesen, aber Schweikhard wandte sich an den pfälzischen Gesandten, den
Grafen Johann Albrecht von Solms-Braunfels, der daraufhin sechs Kandi­
daten für wählbar erklärte: König Christian IV. von Dänemark, Kurfürst
Johann Georg von Sachsen, König Ferdinand, Erzherzog Albrecht sowie
die Herzoge Maximilian von Bayern und Karl Emanuel von Savoyen. Da
Kurfürst Friedrich V., für den er spreche, wünsche, dass die traurigen Ver­
hältnisse, in denen sich das Reich seit langem befinde, beendet würden,
halte er Herzog Maximilian von Bayern für den am besten Geeigneten. Das
war ein letzter Versuch der Pfälzer, die katholische Phalanx aufzusprengen,
indem sie Maximilian doch noch ins Spiel brachten; nach der vorange­
gangenen Erklärung des Kölner Kurfürsten musste er aber ins Leere lau­
fen. Schweikhard forderte nach der pfälzischen Erklärung Ferdinand zur
Stimmabgabe auf, doch der bat darum, dass in Anbetracht seiner beson­
deren Situation erst die anderen Wähler befragt wurden. Also wurde der
sächsische Gesandte aufgerufen, der sich ohne Einschränkung für Fer­
dinand aussprach. Der anschließend befragte Brandenburger Gesandte
nannte noch einmal Erzherzog Albrecht und Herzog Maximilian, stimmte
dann aber für Ferdinand, da Maximilian die Wahl ja ausschlagen würde.
Schweikhard gab daraufhin seine eigene Stimme ab, und zwar ebenfalls für
Ferdinand, nachdem auch er Albrecht und Maximilian für geeignet erklärt
134 E IN A U FSTA N D , D ER DAS R EIC H E R S C H Ü T T E R T

hatte. Nun war Ferdinand daran, sich zu erklären, und unter Verweis auf die
Goldene Bulle gab er sich selbst die Stimme. Damit hatten sechs der sieben
Wahlberechtigten für Ferdinand gestimmt, und es war klar, dass der Pfälzer
Gesandte am Ergebnis der Kaiserwahl nichts mehr würde ändern können.
Gefragt, ob er sich von der Mehrheit absondern oder doch Ferdinand die
Stimme geben wolle, erklärte sich Graf Solms ebenfalls für Ferdinand, der
damit einstimmig zum neuen Kaiser gewählt war.20
Die Wahl Ferdinands war eine desaströse Niederlage der pfälzischen
Politik, mit der alle zuvor erzielten Erfolge zunichte waren. Als bedeutungs­
los hatten sich auch einige Maßnahmen im Vorfeld der Wahl erwiesen. So
hatte man Truppen der Union in der Umgebung Frankfurts zusammenge­
zogen - angeblich um ligistische Anschläge auf die Kaiserwahl zu verhin­
dern,21 tatsächlich eher eine Machtdemonstration der Protestanten, die
deutlich machen sollte, dass die katholische Partei trotz ihrer Mehrheit im
Kurfürstenkollegium im Reich keineswegs das Sagen hatte. Der Rat der
Reichsstadt Frankfurt, der den Unierten zuneigte, hatte zudem von der
Union zwei Kompanien mit je zweihundert Mann ausgeliehen, um mit
ihrer Hilfe die Stadt gegen Anschläge zu sichern. Das hatte bei den geist­
lichen Kurfürsten erhebliche Besorgnis ausgelöst: Der Kölner Kurfürst
dachte zeitweilig über die Auflösung des Treffens nach, und der Mainzer
fürchtete gar eine zweite Bartholomäusnacht, bei der nicht die Protestan­
ten, sondern die Katholiken die Opfer sein würden.22 Zuletzt freilich blieb
die militärische Machtdemonstration folgenlos, da sich die kurfürstlichen
Wähler nicht einschüchtern ließen und die Pfälzer Seite sich nicht traute,
das Militär einzusetzen, um die Kaiserwahl zu verhindern.
Der einzige Erfolg, den die Pfälzer im Verlauf dieser für den weiteren
Gang der Ereignisse entscheidenden Zeitspanne erzielt hatten, war die am
26. August 1619, also zwei Tage vor der Frankfurter Entscheidung, erfolgte
Wahl Friedrichs V. zum böhmischen König. Friedrich war keineswegs der
von den Böhmen bevorzugte Kandidat gewesen. Außer ihm waren noch
Herzog Karl Emanuel von Savoyen und Kurfürst Johann Georg von Sach­
sen im Spiel. Karl Emanuel, der sich immer wieder auf riskante Projekte
einließ, wenn sie ihm Macht und Prestige versprachen, war nicht wirklich
ein aussichtsreicher Kandidat, da sein Herrschaftsgebiet zu weit entfernt
Auf Bündnissuche 135

lag und es keine mächtigen Verbündeten in seinem Gefolge gab. Das war
anders bei Kurfürst Johann Georg von Sachsen, den die von Graf Schlick
angeführten Lutheraner in Böhmen präferierten. Johann Georgs Herr­
schaftsgebiet grenzte unmittelbar an Böhmen, und zusammen mit den in
der Confoederatio Bohemica zusammengeschlossenen Ländern hätte Kur­
sachsen einen beachtlichen Machtblock in Mitteleuropa bilden können.
Außerdem war Johann Georg das Haupt der Lutheraner im Reich, konnte
also in Norddeutschland, im ober- und niedersächsischen Reichskreis, auf
eine Reihe von Verbündeten zurückgreifen, zu denen im Falle eines Krieges
gegen den Kaiser auch die Reformierten mit den in der Union verbündeten
süddeutschen Lutheranern gehören würden. Unter diesen Umständen war
der Kurfürst von Sachsen die erste Wahl.
Aber der Kandidat wies alle diesbezüglichen Ansinnen zurück.23
Johann Georg, seit 1611 Kurfürst, war kein entschlossener Machtpolitiker,
und man sagte ihm nach, er könne erst ab Mittag politische Entscheidungen
treffen, weil er dann so viele Kannen Bier geleert habe, dass er seiner Sinne
nicht mehr mächtig sei. Jedenfalls galt «Bierjörge», wie man ihn nannte,
als ein großer Zecher und leidenschaftlicher Jäger, der die meiste Zeit mit
dem Verzehr von Wildbret und Bier verbrachte. In politischen Entschei­
dungen folgte er seinem Hofprediger Matthias Hoe von Hoenegg,24 der auf
ihn einen ähnlich großen Einfluss hatte wie die (jesuitischen) Beichtväter
auf die katholischen Fürsten; in militärischen Fragen verließ Johann Georg
sich, nachdem er schließlich doch in den Krieg eingetreten war, völlig auf
seinen General Hans Georg von Arnim-Boitzenburg. Letzteres war auch
angezeigt, denn Arnim war ein erfahrener Soldat,25 während der Kurfürst
sich auf dem Schlachtfeld als kopflos und furchtsam erwies. So jedenfalls
sah ihn die protestantische Aktionspartei, die Johann Georg wegen seiner
konservativ-reichstreuen Politik verachtete und diese auf persönliche Las­
ter und Schwächen des Kurfürsten zurückführte.
Man kann den Sachsen indes auch in ein besseres Licht rücken, wenn
man das politisch-militärische Scheitern der Aktionspartei in Böhmen und
der Pfalz sowie schließlich im niedersächsisch-dänischen Krieg dagegen­
stellt und das Leid und Elend bedenkt, das durch die Hochrisikopolitik der
Pfälzer verursacht wurde. Schließlich stand der sächsische Kurfürst später
13<S E IN A U FSTA N D , D ER DAS R E IC H E R S C H Ü T T E R T

auch dem schwedischen und dem französischen Eingreifen in den Krieg


ausgesprochen skeptisch gegenüber, obwohl es auf protestantischer Seite
erfolgte; er fürchtete, dass die «Internationalisierung» des Krieges diesen
nur verlängern und seine Beendigung erschweren würde. In der Beurtei­
lung der Lage hatte er durchaus recht, nur spielte das für die operative Poli­
tik keine Rolle, denn der Krieg war durch die niederländischen Subsidien
für die aufständischen Böhmen, vor allem aber durch die massive päpstli­
che wie spanische Hilfe für Ferdinand von Anfang an «internationalisiert».
Indem Sachsen sich heraushielt, wurde es allerdings nicht, wie man sich das
in Dresden wohl vorgestellt hatte, zur «dritten Partei», die als Vermittler
und Friedensstifter auftreten konnte, sondern zum Objekt der Entschei­
dungen anderer - zunächst denen Ferdinands, später auch denen Gustav
Adolfs, für beide war Johann Georg eine wichtige, letzten Endes aber nicht
ausschlaggebende Größe. Dennoch gehörte er am Ende des Krieges zu
den Gewinnern, denn die beiden Lausitzen, die er gleich bei Kriegsbeginn
weitgehend kampflos besetzt hatte, wurden ihm im Frieden von Münster
zugesprochen. Andererseits hatte das Kurfürstentum Sachsen einen hohen
Preis dafür zu zahlen, denn es wurde in der zweiten Kriegshälfte zum
Durchzugsgebiet, Schlachtfeld und Quartier für die Heere beider Seiten.

Friedrich V. war in fast jeder Hinsicht das Gegenteil Johann Georgs; er


schien risikobereit und war von sich und seinen Fähigkeiten überzeugt.26
Dass sich die Böhmen schließlich für ihn als neuen König entschieden, lag
sowohl an diesen Eigenschaften, die ihn dazu brachten, sich überhaupt auf
das böhmische Abenteuer einzulassen, als auch an der Aussicht, dass der
Kurpfälzer nicht alleine stand, sondern mächtige Verbündete auf seiner
Seite hatte: die nördlichen Niederlande, seinen Schwiegervater Jakob I.,
König von England, und die Union der protestantischen Reichsfürsten,
deren Direktorium beim pfälzischen Kurfürsten lag. Außerdem hatte Fried­
rich die von dem savoyischen Herzog Karl Emanuel zeitweilig finanzierte
Söldnertruppe unter Ernst von Mansfeld in seine Dienste übernommen;
seit September 1618 operierte sie in Böhmen und bildete dort einen wichti­
gen Faktor im militärischen Kräfteverhältnis.27
Seiner Risikofreude zum Trotz scheint Friedrich der Abschied aus
Kaiser Ferdinand und Herzog Maximilian 137

Heidelberg nicht leicht gefallen zu sein. Einerseits fühlte er sich durch die
Wahl zum böhmischen König geschmeichelt, andererseits ängstigte ihn die
Größe der damit verbundenen Aufgabe. Tatsächlich überdeckte sein unbe­
kümmertes Auftreten nur, dass er eigentlich entscheidungsschwach war und
zu einem guten Teil den Vorgaben seiner Berater folgte. Die aber gaben
ihm in der böhmischen Angelegenheit unterschiedliche Ratschläge. Jakob I.,
Friedrichs Schwiegervater, riet entschieden davon ab, die böhmische Krone
anzunehmen, und auch der Herzog von Bouillon, einer der Führer der fran­
zösischen Hugenotten, auf dessen Ritterakademie Friedrich ausgebildet
worden war, empfahl politische Zurückhaltung. Ähnliches war von einer
größeren Zahl der Unionsmitglieder zu vernehmen. Aber Friedrich stand
unter Zugzwang, denn die pfälzische Politik hatte seit Monaten in Prag dar­
aufhingewirkt, dass er zum neuen König gewählt wurde. Ein Rückzug hätte
Christian von Anhalt und Achatius von Dohna, der in Prag verhandelt hatte,
desavouiert. Dementsprechend drängten sie Friedrich zum Aufbruch nach
Prag. Für seine Entscheidung dürfte schließlich auch die Haltung seiner
Ehefrau Elisabeth Stuart von Bedeutung gewesen sein, die ihm entschlossen
zuriet, nach Prag zu gehen und die böhmische Krone zu tragen.28Elisabeth
kam aus London, und die pfälzische Residenzstadt Heidelberg wirkte auf sie
provinziell, während Prag die Wiederaufnahme eines mondänen höfischen
Lebens versprach. Zu diesem Zeitpunkt war Elisabeth wie ihr eine Woche
jüngerer Mann gerade dreiundzwanzig Jahre alt, und sicherlich haben beide
die Reichweite ihrer Entscheidung nicht erfasst. «Ach, nun geht die Pfalz
nach Böhmen», soll Friedrichs Mutter ihrem Sohn nachgerufen haben, als
dieser an einem nebligen und regnerischen Herbsttag Heidelberg verließ.29

Kaiser Ferdinand
und Herzog Maximilian

Als Friedrich in Prag eintraf, brachte er keineswegs die Bündniszusagen mit,


auf die man bei seiner Wahl gesetzt hatte. Im September hatte in Rothen­
burg ob der Tauber eine Unionsversammlung stattgefunden, auf der
13« EIN A U FSTA N D , D ER DAS R EIC H E R S C H Ü T T E R T

debattiert wurde, ob man Friedrich zu- oder abraten solle, die böhmische
Krone anzunehmen, und wie die Union ihm bei deren Verteidigung helfen
könne.30Wie nicht anders zu erwarten, trafen zwei Positionen aufeinander;
nur der Markgraf Georg Friedrich von Baden-Durlach unterstützte das
böhmische Projekt uneingeschränkt, während die überwiegende Mehrheit
der Versammelten auf Distanz blieb. Die Reichsstädte meinten sogar, es
spreche mehr gegen die Annahme der böhmischen Krone als dafür, wes­
halb die Union nicht verpflichtet sei, das Vorhaben zu unterstützen. Ver­
pflichtet sei sie, kam man schließlich überein, Friedrich bei der Verteidi­
gung seiner Erblande zur Seite zu stehen, während er in Böhmen auf sich
selbst gestellt bleiben sollte. Damit konnten Friedrich und die ihn beraten­
den Politiker immerhin davon ausgehen, dass das Risiko des böhmischen
Projekts begrenzt war: Die Erblande des Kurfürsten waren demnach durch
die Union gesichert, und der Einsatz bestand im Wesentlichen aus den
finanziellen Mitteln, die Friedrich zur Verteidigung Böhmens aufbringen
musste.31
Ausgesprochen enttäuschend war dagegen die englische Reaktion auf
Friedrichs Ersuchen nach Unterstützung. Jakob wollte einem Konflikt mit
Spanien unter allen Umständen aus dem Weg gehen, und diesen hielt er
für unausweichlich, wenn er sich entschlossen auf die Seite seines Schwie­
gersohns stellte. Es war vor allem die Furcht vor einem großen Hegemo-
nialkrieg in Europa, die Jakob veranlasste, als Vermittler in dem Konflikt
auftreten zu wollen, statt sich als Partei in den Krieg hineinziehen zu las­
sen.32 Jakob verfolgte eine Politik der friedlichen Koexistenz mit Spanien,
und um diese abzusichern, versuchte er seit längerem, eine Ehe zwischen
seinem Sohn Karl und einer Tochter des spanischen Königs Philipp anzu­
bahnen. Dabei kam ihm das böhmische Abenteuer seines Schwiegersohns
in die Quere. Er war ungehalten darüber, dass Friedrich sich überhaupt um
die böhmische Krone bemüht hatte. Dass er sie nun auch noch aus den
Händen von Aufrührern und Rebellen entgegennehmen wollte, war für
ihn, Jakob, der in England eine frühabsolutistische Politik verfolgte und der
Vorstellung vom Gottesgnadentum anhing,33 eine einzige Provokation. Ein
solches Projekt wollte er weder mit Soldaten noch mit Subsidien unterstüt­
zen.
Kaiser Ferdinand und Herzog Maximilian 139

Auch die Unterstützung durch die nördlichen Niederlande fiel mit


25 000 Talern pro Monat geringer aus als erwartet. Das Land war durch die
Auseinandersetzungen zwischen der Friedenspartei um Johan van Olden-
barnevelt und der Kriegspartei unter Führung Moritz von Nassaus politisch
gespalten, und auch nach der Verhaftung und Hinrichtung Oldenbarne-
velts steuerte man einen vorsichtigen Kurs, um einen Bruch des Waffen­
stillstands mit Spanien zu vermeiden.34 Immerhin beschloss man für den
Fall, dass Erzherzog Albrecht in Brüssel seine Truppen gegen die Pfalz
einsetzte, einen Diversionskrieg gegen die südlichen Niederlande zu eröff­
nen, der Albrecht dazu zwingen sollte, seine Truppen zur Verteidigung der
eigenen Position im Land zu behalten.35 Das war ungefähr die Linie, auf die
sich auch die Union verständigt hatte. Im Ergebnis hieß das, dass Friedrich
beim Krieg um Böhmen auf sich allein gestellt war.
Das wäre zu verkraften gewesen, wenn sich Ferdinand in einer ähn­
lichen Lage befunden hätte, was infolge der spanischen und päpstlichen
Hilfsgelder jedoch nicht der Fall war,36 und die Kaiserwahl verbesserte
Ferdinands Situation noch einmal erheblich. Als Kaiser war Ferdinand ein
überaus attraktiver Verbündeter, nicht nur für Spanien, sondern auch für
Maximilian von Bayern und die katholische Liga. Die meisten der katho­
lischen Fürsten im Reich wären jedoch in dem absehbaren Krieg um Böh­
men am liebsten neutral geblieben, einem Konflikt, in dem sie selbst nichts
zu gewinnen hatten und der sie eine Menge Geld kosten würde. Darin
unterschieden sie sich nicht von den meisten ihrer protestantischen Kon­
trahenten. Andererseits waren sie sich aber auch darüber im Klaren, dass
eine dauerhafte Inbesitznahme Böhmens durch Friedrich die konfessio­
nellen Machtverhältnisse im Reich grundlegend verändern würde, allein
schon durch die dann protestantische Mehrheit im Kurfürstenkollegium.
Als Herzog Maximilian im Sommer 1619 noch vor der Frankfurter Kaiser­
wahl aktiv wurde und die Liga unter seiner Führung wiederbelebte, schlos­
sen sie sich ihm an, ohne dass zunächst klar war, ob und wie die Liga in den
böhmischen Konflikt eingreifen würde.
In dieser Situation hing alles von Maximilian ab, und der nutzte seine
komfortable Lage aus, als Kaiser Ferdinand, begleitet von dem spanischen
Gesandten Onate, der einmal mehr im Hintergrund die Fäden zog, auf dem
140 E IN A U FSTA N D , D ER DAS R EIC H E R S C H Ü T T E R T

Rückweg von Frankfurt in München eintraf, um mit ihm über die Unter­
stützung zu sprechen, die der Kaiser von der Liga erwarten konnte.37 Maxi­
milian machte für jedwede Hilfe seitens der Liga zur Voraussetzung, dass
diese unter seiner alleinigen Direktionsgewalt stand; der Kaiser dürfe die
«ihro Fürstlichen Durchl. vberlassene absolut, vnd völlige Direction, weder
Selbsten verhindern / noch andernn / zu thun gestatten / sondern vielmehr
auf allerley Weise vnd Weg trachten / daß selbiges aller orthen befurdert
werde» - so die erste Festlegung des Münchner Vertrags.38Zweitens wurde
bestimmt, «daß ihro May. vnd dero hauß sich mit den Feinden in keinem
Tractat, Suspension vnd Niederlegung der Waffen oder einigerley Friedens-
Conditiones einlassen soll ohne Wissen / Willen und Zuziehung Ihro fürst­
lichen Durchleuchtigkeit in Bayrn»39. Damit war Maximilian im Rahmen
der Koalitionskriegführung als gleichberechtigter Akteur anerkannt, der
nicht nur Hilfe leistete, sondern dem auch ein unbeschränkter Einfluss auf
die Gestaltung der politischen Rahmenbedingungen bis zum Ende des Krie­
ges zugestanden wurde. Außerdem bedang sich Maximilian aus, dass der
Kaiser ihm alle infolge des Krieges entstandenen Schäden und Auslagen
aus seinem Besitz erstatte; so «soll Ihre Kayserliche May. vnd dero gantzes
löbl. Hauß bey Verpfändung aller dero Haab vnd Güter/nichts davon aus­
genommen / obligirt und verbunden seyn / Ihre Fürstl. Durcheuchtigkeit in
Bayrn / so wol die erlittne Schäden [... ] als auch alle angewandte Unkosten
zu refundirn vnd abzustatten / welche sie zu der Kriegsverfassung vnd der
Soldatesca [... ] angewendt zu haben»40. Das bedeutete, dass Ferdinand dem
Bayernherzog einen Teil seiner österreichischen Erblande als Pfand abtreten
musste, bis er in der Lage war, die dem Herzog entstandenen Kriegskosten
zu bezahlen. Damit bekam Maximilian einen Hebel in die Hand, mit dem
er seine Vorstellungen von der Nachkriegsordnung durchsetzen konnte.
Aber das war keineswegs alles, denn es kamen noch zwei im Vertrag nicht
enthaltene, nur durch den Grafen Onate bezeugte Verabredungen hinzu.
Erstens durfte Maximilian im Verlauf des Krieges im Reich gemachte Erobe­
rungen auf Dauer behalten und seinem Herzogtum einverleiben. Das betraf
pfälzisches Gebiet, namentlich die an Bayern grenzende Oberpfalz, auf die
Maximilian seit längerem ein Auge geworfen hatte. Als diese Verabredung im
Mai 1620 schriftlich fixiert wurde, stand fest, dass der Krieg nicht auf Böhmen
Kaiser Ferdinand und Herzog Maximilian 141

begrenzt bleiben würde. Im Prinzip war damit ein Krieg zwischen Liga und
Union unvermeidlich - jedenfalls wenn Letztere zu ihren Defensivverspre­
chen für Friedrichs Erblande stand. In der zweiten Nebenabsprache sagte
Ferdinand dem Bayernherzog die Übertragung von Friedrichs Kurwürde zu.
Beide, Kurfürst Friedrich wie Herzog Maximilian, waren Wittelsbacher, und
im Hausvertrag von Pavia aus dem Jahre 1329, der die Teilung in eine pfäl­
zische und eine bayerische Linie regelte, war vorgesehen, dass beide Linien
die Kur abwechselnd innehaben sollten. Doch in den knapp zwei Jahrzehnte
später getroffenen Festlegungen der Goldenen Bulle (1356) wurde die Kur­
würde definitiv den Pfälzern zugesprochen.41 Die Übertragung der Kur auf
den Bayern war insofern ein Eingriff in das Grundgesetz des Reichs, und es
stellte sich die Frage, ob der Kaiser aus eigener Machtvollkommenheit und
ohne Mitwirkung der Kurfürsten dazu überhaupt berechtigt war. Immerhin
gab es einen Präzedenzfall: Kaiser Karl V. hatte nach dem Schmalkaldischen
Krieg die Kurwürde innerhalb des wettinischen Fürstenhauses neu vergeben,
indem er sie von dem Ernestiner Johann Friedrich dem Großmütigen auf
den Albertiner Moritz übertragen hatte.

Maximilian hatte die Notlage des Kaisers optimal genutzt. In dem Positio­
nierungsspiel, das die verschiedenen Akteure im unmittelbaren Vorfeld des
Krieges betrieben, hatte er die erfolgversprechendsten Züge gemacht, die
eigenen Risiken überschaubar gehalten und die Aussicht auf Zugewinne
gesteigert, wo dies nur möglich war. Als Person ist Maximilian nicht leicht
zu fassen: A uf der einen Seite pflegte er einen asketischen Lebensstil, der
von tief religiöser Überzeugung getragen war, auf der anderen Seite war
er ein kalt berechnender Politiker, der im Konfliktfall die Staatsinteres­
sen höher stellte als die Forderungen der Religion. Maximilians Biograph
Andreas Kraus hat deswegen die Frage aufgeworfen, ob Maximilian «die
Religion als Vorwand für politische Ziele mißbraucht» habe und nur so
lange gut katholisch gewesen sei, wie «die Interessen seines Staates und
die Interessen seiner Konfession» miteinander zur Deckung gebracht
werden konnten.42 Jedenfalls hat Maximilian niemals darauf gesetzt, dass
eine Sache siegen werde, weil sie gottgefällig war, sondern ging stets davon
aus, dass er selbst mit politischen Schritten und militärischen Maßnahmen
142, EIN A U FSTA N D , D ER DAS R EIC H E R S C H Ü T T E R T

für den Sieg seiner Sache Sorge tragen müsse. Da die Ressourcen seines
Herrschaftsgebiets keine selbständige Großmachtpolitik erlaubten, musste
er darauf bedacht sein, günstige Gelegenheiten entschlossen zu nutzen
und aus Bündnissen möglichst viel herauszuholen, und schließlich galt es
sicherzustellen, dass keiner, der ihm gefährlich werden konnte, zu mächtig
wurde. In der politischen Metaphorik Machiavellis war Maximilian eher
ein Fuchs als ein Löwe, und dementsprechend galt er Freund wie Feind
«als besonders unberechenbar, verschlagen und unzuverlässig»43.
Kaiser Ferdinand, Maximilians Bündnispartner im Münchner Vertrag,
war in vieler Hinsicht das Gegenteil des Bayernherzogs: «E r war», schreibt
Moriz Ritter über ihn, «ein Fürst von schwachem Urteil, mäßiger Arbeit­
samkeit und ohne wahre Herrscherkraft, ein vollgültiger Vertreter jener
Mittelmäßigkeit, welche die deutschen Fürsten und Staatsmänner zu blo­
ßen Werkzeugen der großen geistigen Gegensätze machte, die die Welt in
den Krieg hineintrieben. » ^ Das ist aus einer Perspektive heraus formuliert,
die den Krieg für unvermeidlich hielt und dementsprechend die Herrscher
und Politiker als bloße Instrumente der «großen geistigen Gegensätze»
betrachtete, die ohnehin in den Krieg führen mussten. Im Fall Ferdinands
kann man sagen, dass er, um seine Macht als Landesherr durchzusetzen,
den Krieg bewusst in Kauf genommen, wenn nicht gar angestrebt hat - frei­
lich nicht als den großen und langen Krieg, der daraus geworden ist und
der nach Ferdinands Tod noch mehr als ein Jahrzehnt andauern sollte. Er
wolle als «princeps absolutus» in den Erblanden herrschen, hatte Ferdi­
nand erklärt,45was ihn nicht davon abhielt, alle Entscheidungen mit seinem
Beichtvater Wilhelm Lamormaini zu besprechen und sie auf ihre Überein­
stimmung mit den Geboten der Religion überprüfen zu lassen. Gleichzeitig
sah Ferdinand sich seit seiner Italienreise im Frühjahr 1598 als ein «Werk­
zeug Gottes», dem die Aufgabe übertragen war, die Gegenreformation in
den habsburgischen Erblanden voranzutreiben.46 Diese Überzeugung ver­
lieh ihm eine gewisse Standhaftigkeit, die sein Kalkül begrenzte und seinen
Durchhaltewillen bestärkte. Einen erheblichen Teil seiner Zeit verbrachte
er mit Andachtsübungen, und diese Zeit fehlte ihm dann bei der Bewäl­
tigung seiner politischen Aufgaben. So hörte er täglich zwei Messen und
betete das große Brevier herunter. Wenn man ihm die Wunder der Heili-
Kaiser Ferdinand und Herzog Maximilian 143

sen schilderte, so Ritter, sei er in andächtige Geistesruhe versunken.47 Die


Stärke des Kaisers war zugleich seine größte Schwäche, denn sie hinderte
ihn daran, eine Entwicklung, an deren Zustandekommen er maßgeblich
beteiligt war, auch zu beherrschen und zu lenken.
In Maximilian und Ferdinand hatten sich zwei Partner gefunden, die
über einen Zeitraum von fast zwei Jahrzehnten das Kriegsgeschehen vor­
antrieben - zumeist in dieselbe, gelegentlich aber auch in unterschiedliche
Richtungen. Die in der Literatur anzutreffende Vorstellung, die beiden
hätten während ihrer gemeinsamen Zeit an der Ingolstädter Jesuitenuni­
versität eine enge Freundschaft geschlossen, die dann die Grundlage des
Kriegsbündnisses gebildet habe, verdeckt die komplexe Gemengelage.
Während Maximilian Ferdinand mehrfach instrumentalisierte und ihn
einige Male an der Verwirklichung seiner Pläne hinderte, blieb Ferdinand
immer wieder auf das Entgegenkommen des Bayernherzogs angewiesen,
wenn er seine Ziele verfolgen wollte. Insofern herrschte in der Beziehung
der beiden eine Asymmetrie, die nicht nur aus unterschiedlichen Machtpo­
tenzialen erwuchs, sondern auch damit zu tun hatte, dass Maximilian der
geschicktere Politiker war, der sich stets mehrere Optionen offenhielt. Bei
Ferdinand stand Politik oft nicht im Mittelpunkt; wenn er seine religiösen
Exerzitien absolviert hatte, widmete er sich der Musik und der Jagd .48

Es gab indes im Bunde mit Ferdinand noch einen Weiteren, den man
dort wohl nicht erwartet hatte: den sächsischen Kurfürsten Johann Georg.
Nachdem dieser sich nicht dazu hatte entschließen können, die ihm mehr­
fach angetragene Krone Böhmens anzunehmen, weil er in seinem luthe­
rischen Obrigkeitsverständnis den Aufstand der Stände zutiefst ablehnte
und darin eine Rebellion gegen die von Gott gesetzte Ordnung sah, wollte
er in dem bevorstehenden Krieg doch auch nicht ganz beiseitestehen und
tatenlos Zusehen, wie andere die Beute unter sich aufteilten. In der Umge­
bung des Kaisers, wo man zunächst auf die sächsische Neutralität gesetzt
hatte, spürte man diese Neigung und nahm wahr, dass Johann Georg, wie­
wohl er alles dafür getan hatte, dass die Böhmen ihn nicht zu ihrem König
wählten, doch darüber indigniert war, dass nun sein innerprotestantischer
Widersacher Friedrich böhmischer König war.49 Offenbar hatte er darauf
144 E IN A U FSTA N D , D ER DAS R EIC H E R S C H Ü T T E R T

gesetzt, trotz seiner ablehnenden Haltung gewählt zu werden, um dann die


Krone auszuschlagen und in dem Streit als friedenwahrender Vermittler
auftreten zu können. Dieses Kalkül war nicht aufgegangen. Aber Johann
Georg wollte und konnte nicht hinnehmen, dass sich Friedrich in der
unmittelbaren Umgebung seines Herrschaftsgebiets etablierte und, wenn
er sich dort behauptete, zum gefeierten Anführer des Protestantismus im
Reich aufsteigen würde.
Der sächsische Kurfürst konnte sich jedoch nicht ohne weiteres auf die
Seite des Kaisers stellen, wenn er seinen Anspruch, den Protestantismus im
Reich politisch zu führen, aufrechterhalten wollte. Er musste Forderungen
formulieren, die diesen Führungsanspruch unterstrichen.50 Erstens ging
es um die ursprünglich geistlichen Güter, die nach 1552, dem Stichjahr des
Augsburger Religionsfriedens, in protestantischen Besitz gelangt waren
und gegenüber denen die katholische Seite in den vorangegangenen drei
Jahrzehnten regelmäßig Restitutionsforderungen erhoben hatte. Daran
dürfe nicht gerührt werden, verlangte er. Im Grundsatz erwartete Johann
Georg für seine Hilfe also eine «Besitzstandsgarantie». Sodann forderte
er, dass der Kaiser nach dem Sieg die Lutheraner (ausdrücklich nur sie!)
in seinen Ländern nicht verfolgen, sondern ihre bisherige Religionsfreiheit
bestätigen werde. Und schließlich bestand er darauf, dass ihm als Entschä­
digung für seine Kosten die Ober- und Unterlausitz verpfändet würden.
Beide grenzten unmittelbar an Johann Georgs Territorien und boten sich
zu deren Arrondierung an. Der Sachse verfolgte eine ähnliche Politik wie
der Bayer: Was für Maximilian die Oberpfalz, waren für ihn die beiden Lau­
sitzen. Überhaupt hatten Maximilian und Johann Georg mehr gemeinsam,
als man bei den konfessionellen Gegensätzen erwartet hätte: Beide sorgten
sich um die Rechte der Reichsstände, also das, was im damaligen Sprachge­
brauch «teutsche Libertät» hieß, und dabei hatten sie ein wachsames Auge
auf den Kaiser, der diese Rechte immer wieder in Frage stellte. Beide posi­
tionierten sich als Anführer ihrer Glaubensrichtung im Reich, wobei Maxi­
milian mit dem Kaiser und Johann Georg mit den Pfälzern beziehungs­
weise dem süddeutschen Protestantismus um diese Position konkurrierten,
und beide waren alles andere als uneigennützig, sobald sich eine Gelegen­
heit zur Erweiterung ihres Territoriums und zum Ausbau ihrer Macht bot.
Auf dem böhmischen Kriegsschauplatz HS

Im Prinzip kam Ferdinand dem sächsischen Kurfürsten ebenso entge­


gen, wie er das bei dem Bayernherzog getan hatte. Er sicherte Johann Georg
zu, dass er den Majestätsbrief gegenüber allen, die sich ihm unterwürfen,
beachten werde, dass er die Lausitz an ihn verpfänden werde, und stellte
in Aussicht, sie «nach Zeit und Umständen ihm [...] als Fürstentum zu
übertragen»51. Die Frage der ursprünglich geistlichen Besitztümer wurde
am 11. März 1620 bei einem Zusammentreffen der ligistischen Fürsten mit
Johann Georg in Mühlhausen verhandelt. Man kam überein, dass die geist­
lichen Stifte in den ober- und niedersächsischen Kreisen bei ihren gegen­
wärtigen Besitzern verbleiben sollten, freilich mit der Klausel, dass diese
Zusage nur so lange gelte, wie sich die betreffenden Reichsstände dem
Kaiser gegenüber als gehorsam erwiesen. Im Gegenzug verpflichtete sich
Johann Georg, die Stände des ober- und niedersächsischen Reichskreises
für ein Bündnis mit dem Kaiser zu gewinnen.
Auch Maximilian versuchte in Mühlhausen, seinem großen Ziel, der
Übertragung der Kurwürde von der Pfalz auf Bayern, ein paar Schritte
näherzukommen. Er beantragte, dass der Kaiser Pfalzgraf Friedrich wegen
dessen Annahme der böhmischen Krone mit der Acht belege. Diese Forde­
rung mitzutragen, lehnte Johann Georg freilich ab, da er sonst als derjenige
dagestanden hätte, der einen protestantischen Kurhut preisgab. Man solle
den Gegner nicht durch die Verhängung der Acht aufreizen, solange die
Angelegenheit nicht auf dem Schlachtfeld geklärt sei, wandte er ein, und so
einigte man sich darauf, dass es vorerst bei einer Androhung bleiben solle.52
Als man in Mühlhausen auseinanderging, war das prokaiserliche Bündnis
fähig, einen Krieg zu führen.

Auf dem böhmischen


Kriegsschauplatz

Während die Bündnisse noch geschmiedet wurden, hatten die Kriegshand­


lungen längst begonnen. Es blieb zunächst bei Scharmützeln, in denen
jede Seite ihre Position zu behaupten oder zu verbessern bestrebt war, aber
146 E IN A U FSTA N D , D ER DAS R EIC H E R S C H Ü T T E R T

davor zurückscheute, sich auf eine größere, womöglich kriegsentschei­


dende Schlacht einzulassen. Beide Seiten rechneten mit Verstärkung, und
unter diesen Umständen war es nicht ratsam, schon jetzt alles auf eine Karte
zu setzen. Bis zum Frühjahr 1620 war der Krieg, der in Böhmen, Mähren,
Ungarn und Teilen Österreichs geführt wurde, ein Manöverkrieg, in dem es
darum ging, den Gegner durch die Besetzung seines Landes zu schädigen
und die eigenen Streitkräfte zusammenzuhalten und zu versorgen, indem
man sie nach Möglichkeit nicht in eigenen Territorien operieren ließ oder
einquartierte, sondern sich dafür die des Gegners aussuchte. Wo es doch
zu größeren Kampfhandlungen kam, wie etwa bei der Belagerung und
Eroberung der kaisertreu gebliebenen Stadt Pilsen durch die Streitmacht
Ernst von Mansfelds oder bei dem Gefecht der Truppen des kaiserlichen
Feldherrn Bucquoy gegen die Mansfeldischen Reiter bei Sablat (Zäblati),
waren dies Kämpfe zwischen Berufssoldaten, die aus anderen Regionen
nach Böhmen dirigiert worden waren.
Mansfelds Söldnertruppe war im Kern in Savoyen aufgestellt und
danach mehrfach verstärkt worden; es handelte sich überwiegend um
deutsche Söldner, die in dem zwei Jahre dauernden Krieg um Monferrat
Kampferfahrung gesammelt hatten. Bucquoys Streitkräfte bestanden aus
Wallonen und Flandern, aber auch vielen Niederdeutschen, die in der
Armee der südlichen Niederlande ihr Auskommen gesucht und gefunden
hatten.53 Die Kampfkraft dieser Truppen war um ein Vielfaches höher als
die des böhmischen Ständeheeres und ähnlich aufgestellter Verbände, in
denen die Männer über wenig oder keine Kampferfahrung verfügten, im
Zusammenhalt von Gefechtsformationen nicht geübt waren und auch das
Zusammenwirken von Pikenieren und Musketieren nicht beherrschten.54
Mit ihnen konnte man bewegliche Operationen durchführen, Territorien
besetzen, Angst und Schrecken verbreiten, aber keine Schlachten schlagen.
Das sollte sich am 8. November 1620 in der Schlacht am Weißen Berg in
aller Deutlichkeit zeigen.
Die Aufstellung von kriegstüchtigen Truppen kostete Zeit. In der
Regel verfügten die Landesherren zu Beginn des 17. Jahrhunderts noch
nicht über ein stehendes Heer, den sogenannten miles perpetuus, sondern
boten je nach Erfordernis Streitkräfte auf, die aber nicht sofort einsatzfähig
Auf dem böhmischen Kriegsschauplatz 147

Ernst von Mansfeld, der in


den ersten Jahren des Krieges
eine maßgebliche Rolle
spielte, war der Inbegriff
eines Söldnerführers, der die
Aufgaben eines Generals mit
denen eines Condottiere aus
der Renaissancezeit verband.
In heutiger Begrifflichkeit
würde man ihn als «W arlord»
bezeichnen. Aufgrund der
zahllosen Gewalttaten seiner
Söldner gegen Bauern und
Kaufleute ist Mansfeld
auch als einer der großen
«Kriegsverbrecher» der
Zeit kritisiert worden.
Konfessionelle Bindungen
spielten für ihn ebenso wenig
eine Rolle wie politische
Loyalitäten.

waren. Sie mussten erst ausgerüstet und in Form gebracht werden - außer
man übernahm einen just verfügbaren, das heißt: einen aus einem gerade
beendeten Krieg abziehenden Söldnerverband, wie das die Böhmen mit
den Einheiten unter Ernst von Mansfeld taten.S5 Wer eine solche Option
besaß, hatte einen klaren Vorteil - jedenfalls dann, wenn es gelang, die Ein­
heiten strategisch sinnvoll einzusetzen, solange die Gegenseite über keine
vergleichbaren Streitkräffe verfügte. Hier zeigte sich die Schwäche der böh­
mischen Kriegführung: Statt das Mansfeld’sche Korps gegen die Zentren
der gegnerischen Macht einzusetzen, betraute man es mit der Belagerung
von Pilsen, immobilisierte es damit und verspielte so den kurzfristigen
Vorteil. Als die Mansfelder nach siebenwöchiger Belagerung die Stadt
am 21. November 1618 im Sturm nahmen, war der Zeitvorteil dahin, denn
nun standen dem Kaiser die in den Kämpfen um Gradiska freigeworde­
nen Einheiten56 sowie die aus den südlichen Niederlanden herangeführten
Truppen zur Verfügung, so dass sich auf dem böhmisch-mährisch-österrei­
chischen Kriegsschauplatz ein militärisches Gleichgewicht herausgebildet
148 E IN A UFSTAND, D ER DAS R E IC H E R S C H Ü T T E R T

hatte. Außerdem stand der Winter vor der Tür, und damit wurden größere
Truppenbewegungen unmöglich.
Immerhin besaß Mansfeld mit Pilsen nun eine Festung, von der aus
er Westböhmen beherrschte und die Verbindungen in die Oberpfalz kon­
trollierte. Zudem konnte er Pilsen zum Waffenplatz seiner Streitmacht
ausbauen. Bei der vorangegangenen Belagerung hatten sich freilich schon
bald die Probleme gezeigt, mit denen die militärische Führung während
des ganzen Krieges zu kämpfen hatte: Um Pilsen vollständig einzuschlie­
ßen und es von der Versorgung durch das Umland abzuschneiden, hatten
die Prager Direktoren Mansfeld zwar Adelsreiterei und bewaffnetes Land­
volk zu Hilfe geschickt, sich aber knausrig gezeigt, was die Mittel für die
Besoldung seiner Truppen und die Heranführung von schwerem Geschütz
anging. Das fehlende Geld wurde zum Problem, weil durch den Herzog von
Savoyen nur 2000 Söldner finanziert wurden, Mansfeld seine Truppe aber
inzwischen auf 4000 Mann aufgestockt hatte, und große Kanonen waren
die Voraussetzung für die vorgesehene Erstürmung der Stadt. Die von den
Prager Direktoren bevorzugte Aushungerung hätte dagegen zu viel Zeit in
Anspruch genommen. Neben den strategischen Nachteilen, die ein so zeit­
aufwendiges Vorhaben zur Folge gehabt hätte, wären in dieser Zeit auch die
Söldner sowie deren Hilfstruppen zu besolden gewesen. Die Prager Regie­
rung war mit den Soldzahlungen aber schon jetzt im Rückstand. Dement­
sprechend machte sich Unzufriedenheit unter den Berufssoldaten breit.
Mansfeld musste mehrfach die Truppe verlassen und sich um die finan­
ziellen Probleme kümmern, also neues Geld für seine Männer auftreiben.37
Er war bestrebt, dies in den Wintermonaten zu tun, in denen das Kriegsge­
schehen weitgehend ruhte. Seine längere Abwesenheit vom Kriegsschau­
platz war einer energischen Kriegführung jedoch abträglich. Auch wenn
in seinem Fall die Doppelfunktion als General und Kriegsunternehmer
besonders ausgeprägt war, so lassen sich die damit verbundenen Probleme
doch bei fast allen Heerführern des Dreißigjährigen Krieges beobachten.
Geld war der nervus rerum des Krieges, und wenn die Soldzahlungen aus­
blieben, riskierten die Generäle und Obristen nicht nur eine Meuterei unter
den Soldaten, sondern auch die Schwächung des Heeres. Die Soldaten
mussten sich häufig selbst versorgen, und wenn sie kein Geld hatten, um
Auf dem böhmischen Kriegsschauplatz 149

sich etwas zu kaufen, verschwanden auch schon bald die Marketender, die
sonst den Truppen auf dem Fuß folgten.58 Söldnertruppen neigten daher
dazu, eine Stadt zu stürmen, anstatt durch lange Belagerung ihre Kapitula­
tion zu erzwingen, denn eine gestürmte Stadt durften sie nach Kriegsrecht
plündern, während dies bei einer Kapitulation nicht der Fall war.59 Immer
wieder wurde in diesem Krieg die rechtlich abgesicherte Gelegenheit, in
großem Stil Beute zu machen, zum Ersatz für ausbleibenden Sold und zu
einem Mittel, die Soldaten bei Laune zu halten. Solche Plünderungen aber
waren ein Problem, wenn man nach der Eroberung auf die Stadt und ihre
Bevölkerung angewiesen war, sei es, weil man keine großen Kräfte für die
Besatzung zurücklassen wollte, sei es, weil die Stadt zum eigenen Herr­
schaftsgebiet gehörte und man auf ihre zukünftige Loyalität zählen musste.
So war es auch im Falle Pilsens, und Mansfeld hatte seinen Söldnern trotz
der Erstürmung der Stadt deren Plünderung untersagt.60 Umso dringlicher
war es für ihn, Geld für die ausstehenden Soldzahlungen aufzutreiben.
Als Erstes verabschiedete Mansfeld einen Teil der Truppen, um so die
Summe des zu zahlenden Soldes zu vermindern. Er entließ all jene, die er
nur für Schanzarbeiten zur Vorbereitung der Belagerung gebraucht hatte,
und behielt von den Kampftruppen nur seine erfahrenen Soldaten, mit
denen er schon in der Vergangenheit Krieg geführt hatte. Solche Abdan­
kungen waren ein probates Mittel, um die im Verhältnis zu den finanziellen
Möglichkeiten einer kriegführenden Partei überdimensionierten Militärap­
parate wieder zu verschlanken. Zurück blieben dabei nur die Kadertrup­
pen, die man brauchte, um die Truppenstärke, wenn es erforderlich und
finanziell möglich war, wieder zu erhöhen. Mansfelds erfahrene Soldaten
waren ein Kaderverband, der schnell verdoppelt und verdreifacht werden
konnte. Diese Kader zusammenzuhalten und sie den jeweils Interessierten
zur Verfügung zu stellen, war Mansfelds Geschäftsmodell. Militärverbände,
die eine solche Kaderstruktur aufwiesen und je nach Lage vergrößert und
verkleinert werden konnten, waren sehr viel leistungsfähiger als neu auf­
gestellte Truppen, denen im Gefecht die erfahrenen Soldaten fehlten, das
«geübte, versuchte und beschossene Volck», wie man es nannte.61 Vor
allem verfügte ein auf diese Weise flexibler Truppenverband über eine hin­
reichend große Zahl von Drillmeistern, denen es oblag, die neu Angewor­
150 EIN A UFSTAND, D ER DAS R E IC H E R S C H Ü T T E R T

benen möglichst schnell im Gebrauch der Waffen und in taktischen Forma­


tionen zu unterweisen.
Dass die Mannschaftsstärke des Mansfeld’schen Korps Ende Novem­
ber reduziert wurde, war mit Blick auf die jahreszeitlich bedingte Einstel­
lung der Kampfhandlungen aus finanziellen Gründen naheliegend. Es
zeigte aber auch die strategische Kurzsichtigkeit der böhmischen Stände
und ihrer Direktoren, denn gerade diese Zeit hätte man zur Ausbildung
neu angeworbener Soldaten nutzen können, um im Frühjahr dann zeitig
mit starken Kräften in die Offensive zu gehen und die Entscheidung des
Krieges auf dem Schlachtfeld zu suchen. Dazu hätten freilich erhebliche
Finanzmittel bereitgestellt werden müssen, doch dafür waren die Stände zu
knausrig. Sie wollten, um es zu pointieren, politische Mitspracherechte und
religiöse Freiheiten, aber beides sollte nicht viel kosten. Am liebsten hätten
sie einen Dritten gefunden, der die militärischen Unternehmungen finan­
zierte, und entsprechend sind die Stände im darauffolgenden Jahr auch an
die Königswahl in Böhmen herangegangen. Das ist der wohl entscheidende
Unterschied zwischen dem Aufstand der Niederlande und dem in Böhmen.
Die Niederländer hatten eine Vorstellung davon, worauf sie sich einließen,
wenn sie gegen ein Weltreich rebellierten, und dementsprechend waren sie
bereit, das Projekt ihrer Unabhängigkeit von Spanien durch den Einsatz
von Hab und Gut zu unterstützen. Das war bei den Böhmen nicht der Fall,
und so hielten sie die Trappe Mansfelds knapp und glaubten, den Krieg
mit einem kostengünstigen Aufgebot aus Adel und bewaffnetem Landvolk
gewinnen zu können.

Militärgeschichtlich gesehen war das frühe 17. Jahrhundert die Endphase


einer Zwischenzeit, in der das Kriegswesen aus zwei miteinander konkur­
rierenden, mitunter auch komplementären Elementen bestand. Einerseits
gab es die überkommenen Formen des mittelalterlichen Lehnswesens, das
Kriegführung über personale Bindungen und Verpflichtungen organisierte
und durch ein Aufgebot freier Bauern, häufig in Gestalt eines Landesde-
fensionswesens modernisiert, ergänzt wurde. Die Defensionsregelungen
sahen vor, dass im Verteidigungsfall die wehrhaften Männer, Städter wie
Bauern, zu den Waffen gerufen und relativ ortsnah eingesetzt wurden.
Das Bild - ein Holzstich nach einem Gemälde von Werner Schuch -
zeigt die Vorstellung, die man sich Ende des 19. Jahrhunderts in der
akademischen Historienmalerei vom Dreißigjährigen Krieg und den
berüchtigten Söldnerverbänden Ernst von Mansfelds gemacht hat: keine
Heersäulen, keine nach Infanterie und Kavallerie geordneten Verbände,
auch keine Trennung von Tross und Kampftruppen, sondern alles in
bunter Mischung. Im Zentrum ein schwerer Wagen, der über einen vom
Regen aufgeweichten Weg gezogen wird; Fass und Frau unter der Zeltplane
lassen vermuten, dass es sich um einen Marketenderwagen handelt. Rechts
davon ein störrischer Esel, der vorangeprügelt wird: Dieser Trupp hat es
nicht auf den Feind, sondern auf das nächste Gehöft oder Dorf abgesehen.

Andererseits war ein professionelles Kriegertum entstanden, dessen Wur­


zeln ebenfalls bis ins Mittelalter zurückreichten, das aber im Verlauf des
15. Jahrhunderts durch das Condotteri-System Italiens, die Organisation
militärischer Arbeitskraft durch einen Kriegsunternehmer, einen erheb­
lichen Entwicklungsschub erfahren hatte. Dabei trat der Sold, also Geld­
zahlung als Grundlage der Dienstbereitschaft, an die Stelle der personalen
Bindung.62 In beiden Fällen wurde militärische Leistungsfähigkeit je nach
Bedarf verfügbar gemacht: Die Ritter und die Bauern wurden aufgeboten,
wenn ein Kampf zu bestehen war, aber sie befanden sich nicht ständig im
Krieg, und die Truppen eines Condottiere (von italienisch condotta, Füh­
rung) wurden von einem Fürsten oder einer Stadt unter Vertrag genom-
152 EIN A UFSTAND, D E R DAS R E IC H E R S C H Ü T T E R T

men, wenn ein Krieg drohte oder man seine Ansprüche gegen andere mit
Waffengewalt durchsetzen wollte. Stehende Heere gab es so gut wie nicht,
und die Handvoll Soldaten, die von den Städten für den Wachdienst an
ihren Toren besoldet wurden, hatten eher polizeiliche als militärische Auf­
gaben. Das war, gemessen an späteren Strukturen, ein relativ günstiges Ver­
fahren, um militärische Arbeitskraft zu organisieren: Kosten - sieht man
einmal von der auf die Gesamtbevölkerung bezogen dünnen Schicht der
Ritter ab - fielen nur im Bedarfsfall an. Krieg war ein saisonal und regional
beschränktes Ereignis. Nur dort, wo eine verdichtete Staatlichkeit und ein
gesellschaftliches Mehrprodukt, ein Überschuss an Gütern, zusammenka­
men, war es möglich, Krieg in größeren Räumen und über längere Zeit zu
führen. Vor dem Dreißigjährigen Krieg war das eigentlich nur in den Nie­
derlanden der Fall, wo mit dem spanischen Weltreich und den aufständi­
schen Provinzen zwei reiche Akteure aufeinandertrafen, die über stehende
Heere verfügten. Was sich hier entwickelte, war eine neue Art der Kriegfüh­
rung, in der Festungssysteme eine besondere Rolle spielten und oft mehr
gegen die Logistik des Gegners operiert wurde als gegen dessen Streitkräfte.
In diesem Krieg erfuhren die Waffensysteme und die taktischen Forma­
tionen einen Entwicklungsschub, der zum Schwungrad dessen wurde, was
man als die militärische Revolution in Europa bezeichnet.63
Während in Westeuropa mit dem Geld, das in das Kriegswesen floss,
die Waffentechnologie weiterentwickelt wurde und Heere professioneller
Söldner entstanden, hielt man im östlichen Mitteleuropa an den leichten
Reiterverbänden fest, die schwarmartig in ein Gebiet einfielen und es ver­
wüsteten. Diese Verbände waren nicht in der Lage, eine Schlacht gegen die
modernen Heere mit ihren unterschiedlichen Waffengattungen zu füh­
ren.64Andererseits war die leichte Reiterei nicht überflüssig geworden, und
wenn sie auch in den Feldschlachten des Dreißigjährigen Krieges keine
ausschlaggebende Rolle spielte, so war sie doch bei der Verfolgung eines
geschlagenen Gegners überaus nützlich. Geradezu unentbehrlich war sie,
wenn es darum ging, große Räume zu beherrschen, gegen den Feind aufzu­
klären oder die Versorgungslinien gegnerischer Truppen anzugreifen. Die
ständige Klage Mansfelds, dass ihm die Reiterei fehle und er deswegen nur
beschränkt handlungsfähig sei, belegt dies nur allzu deutlich.65
Auf dem böhmischen Kriegsschauplatz 153

Das Geschehen des Dreißigjährigen Krieges entwickelte sich zwi­


schen diesen beiden Elementen der Kriegführung, ihrem direkten Zusam­
mentreffen, ihrer Vermischung und schließlich ihrer strategischen wie
taktischen Kombination. Die wiederholten Einfälle Bethlen Gabors nach
Ungarn und bis vor die Tore Wiens stehen für den mittelosteuropäischen
Typ der Kriegführung,66 während die Operationen am Niederrhein wäh­
rend der zweiten Jülicher Erbfolgekrise den westeuropäischen Typ von
Kriegführung repräsentieren.67 Der Krieg in Böhmen und den angrenzen­
den Gebieten wurde in einer Mischform beider Typen ausgetragen, wobei
schon früh absehbar war, dass langfristig derjenige die Oberhand behal­
ten würde, der an modernen Truppen überlegen und weniger der Tradi­
tion verhaftet war. Insofern war es eine weitere Fehlentscheidung, dass die
Prager Direktoren stärker auf ihr Ständeheer als auf die Söldnerverbände
Mansfelds setzten. Sie investierten einfach nicht genug in den Erfolg ihres
politischen Projekts.

Im Herbst 1619 sah es für die Böhmen indes noch recht gut aus. Der Einfall
Bethlen Gabors nach Ungarn war erfolgreich, die Verbände des Sieben­
bürgers stießen vor bis Preßburg, das heutige Bratislava, und eroberten
die Stadt. Damit war der Weg nach Wien offen, so dass dem in Böhmen
stehenden Bucquoy vom kaiserlichen Kriegsrat der Befehl erteilt wurde,
sich mit seinen Einheiten zurückzuziehen, um das Zentrum der habsbur­
gischen Lande zu decken.68 In diesen Rückzug hineinzustoßen und dem
Gegner dabei größere Verluste zuzufügen, ihm vor allem den Tross und die
mitgeführten Kanonen wegzunehmen, wäre die Chance des böhmischen
Ständeheeres gewesen. In einer geordneten Schlacht hätten die kriegs­
unerfahrenen Bauernsoldaten dieses Heeres die wallonisch-flandrischen
Berufssoldaten Bucquoys kaum besiegen können, aber fortgesetzte Atta­
cken auf einen nicht in Gefechtsformation befindlichen Heereszug hätten
gute Erfolgsaussichten gehabt. Die Böhmen ließen diese Gelegenheit unge­
nutzt verstreichen und folgten den Kaiserlichen erst in größerem Abstand.
Es fehlte die militärische Initiative, um den «Beobachtungskrieg» in einen
auf militärische Entscheidungen ausgerichteten Krieg zu verwandeln, und
es fehlte am Sold, um die Truppen für die erforderlichen Anstrengungen zu
1 54 E IN A UFSTAND, D E R DAS R E IC H E R S C H Ü T T E R T

motivieren: Als sie den Befehl erhielten, den abziehenden Gegner zu ver­
folgen, erklärten ihre Wortführer, sie würden ihre Stellungen erst verlassen,
nachdem ihnen zumindest ein Teil des rückständigen Soldes ausbezahlt
worden sei.
Gleich zu Beginn des Krieges zeigte sich hier ein Problem, das immer
wieder auftreten sollte: der «Kampfstreik» beziehungsweise die Befehls­
verweigerung von Truppen, die seit längerem keinen Sold erhalten hatten.
Indem die Truppen meuterten, griffen sie auf das einzige ihnen zur Ver­
fügung stehende Mittel zurück, um Soldzahlungen, zumindest Abschlags­
zahlungen auf den Sold, zu erzwingen. Sie verweigerten die Befehle, um
die ihnen gegebenen Zusagen durchzusetzen und den Kriegsherrn zur
Vertragstreue zu zwingen.69 Die Alternative zur Meuterei war die Deser­
tion, aber damit gab der Betreffende seinen Anspruch auf den ausstehen­
den Sold auf.70 Beides, Meuterei wie Desertion, stand unter strenger Strafe,
und diese Strafen waren in den Artikelbriefen, die den Kriegsknechten bei
ihrer Anwerbung verlesen wurden, eingehend beschrieben. Desertion war
im Prinzip ein individueller Vorgang, auch wenn es im Verlauf des Krieges
immer wieder zu Massendesertionen kam; Meuterei dagegen war nur im
Kollektiv möglich und setzte ein gefestigtes Vertrauensverhältnis innerhalb
der Truppe voraus. Dass Soldaten desertierten, war ein normaler Begleit­
vorgang der Kriegführung dieser Zeit, und in bestimmten Phasen nahm die
militärische Führung Desertion hin, ohne größere Anstrengungen dagegen
zu unternehmen. Sie wurde verschiedentlich als ein Vorgang der Reinigung
der Truppe von unwilligen und unfähigen Soldaten angesehen und hatte
erhebliche Soldersparnis zur Folge. Desertion in großem Stil führte dazu,
dass eine Einheit auf ihre Kaderstruktur abgeschmolzen wurde.71 Das war
manchem Obristen in Phasen, in denen das Kriegsgeschehen Stillstand,
durchaus recht. Vor und während einer Schlacht war das anders: Hier
wurde Desertion als Feigheit und Verrat begriffen und hart bestraft - in der
Regel mit dem Tod. Dementsprechend wurden in gefechtsnahen Konstel­
lationen auch geeignete Vorkehrungen getroffen.
Meutereien dagegen waren stets eine überaus ernst zu nehmende Her­
ausforderung für die Heeresführung, und sie verlangten eine unmittelbare
Reaktion - in der Regel Abschlagszahlungen auf den Sold, mit denen die
Auf dem böhmischen Kriegsschauplatz ISS

Situation beruhigt wurde. So war es auch beim böhmischen Heer im Herbst


1619. Als es sich endlich in Bewegung setzte, war die Gelegenheit vertan, die
Truppen Bucquoys auf dem Rückzug anzufallen und in Einzelgefechte zu
verwickeln.72 Schließlich kam es am 24. Oktober bei Ulrichskirchen doch
noch zu einem Zusammenstoß beider Seiten, der sich aber nicht zu einer
Schlacht entwickelte, da Bucquoy dem kräftemäßig überlegenen Gegner
auswich und sich über die Donau zurückzog. Die Kaiserlichen brachen die
Donaubrücke hinter sich ab, und so konnten Thurn und Hohenlohe mit
den Böhmen nicht nachsetzen. Die böhmischen Truppen bezogen links
der Donau Stellung, und Thurn und Hohenlohe begaben sich nach Preß-
burg, wo sie mit Bethlen Gabor das weitere Vorgehen besprachen. Man
kam überein, einen Vorstoß auf Wien zu unternehmen, wobei freilich offen
blieb, welches strategische Ziel dabei verfolgt werden sollte: die Einnahme
Wiens und damit die Besetzung des feindlichen Zentrums, die Verheerung
des Landes, um die Ressourcen des Kaisers für eine offensive Kriegführung
nach Böhmen und Mähren hinein zu vermindern, oder die Unterstützung
der österreichischen Opposition gegen die Habsburger, die eine Rebellion
der Landstände anstoßen sollte, um nach böhmischem Vorbild die Abset­
zung des Landesherrn zu betreiben.
Das Problem des von den aufständischen Böhmen und Bethlen Gabor
geführten Koalitionskrieges war, dass man sich nie auf einen gemeinsamen
Zweck des Krieges verständigen konnte, so dass beide Seiten ihre je eige­
nen Ziele verfolgten.73 Das Ergebnis war strategisches Chaos. Um Wien zu
erobern, fehlte den verbündeten Heeren, die am 21. November bei Preß-
burg in einer Stärke von mehr als 40 000 Mann die Donau überschritten,
das schwere Geschütz, mit dem man die Mauern der stark befestigten Stadt
hätte brechen können. Die beiden anderen Ziele schlossen sich gegensei­
tig aus: Wenn man einen Aufstand gegen die Habsburger entfachen wollte,
musste man die Bevölkerung gut behandeln und durfte sie nicht ausplün­
dern. Genau das aber tat das Heer: die Böhmen, um sich für den rückstän­
digen Sold durch Beute schadlos zu halten, und die Reiter Bethlens, weil
sie genau dafür in den Krieg gezogen waren. Die Dörfer und Städte auf
dem Weg nach Wien wurden ausgeplündert, einige niedergebrannt. Die
siebenbürgischen Reiter Bethlens, denen sich inzwischen auch Ungarn
156 EIN A UFSTAND, D ER DAS R E IC H E R S C H Ü T T E R T

angeschlossen hatten, taten sich dabei durch besondere Grausamkeiten


hervor.74
Graf Thurn wiederum scheint darauf gesetzt zu haben, dass ihm dieses
Mal gelingen werde, woran er im Frühjahr des Jahres bei seinem ersten Vor­
stoß vor die Tore Wiens gescheitert war: die österreichischen Stände zum
Aufstand gegen die Habsburger zu bringen und damit den Krieg erfolgreich
zu beenden. Obwohl Thurn Anfang Juni mit einer sehr viel geringeren Hee­
resmacht vor Wien aufgetaucht war - es dürften 10 ooo Mann gewesen sein,
die sich bis zum Abzug Mitte Juni auf 5000 Mann verringerten - , waren
seine Erfolgsaussichten damals erheblich größer gewesen als jetzt. Als sich
die Truppen beim ersten Vorstoß am 5. Juni den Vorstädten Wiens näher­
ten, war die Stadt nämlich so gut wie nicht verteidigungsbereit.75 Ferdi­
nand. der sich zu dieser Zeit in Wien aufhielt, reagierte auf die Bedrohung,
indem er seine geistlichen Übungen verdoppelte; gleichzeitig erteilte er die
Anweisung, die in der näheren Umgebung stehenden eigenen Militärver­
bände umgehend nach Wien in Marsch zu setzen. Am Vormittag des 5. Juni
empfing er die protestantischen Landstände zu einer Audienz, bei der diese
von ihrem Landesherrn in harschem Ton verlangten, den Krieg gegen die
böhmischen Glaubensgenossen zu beenden und in den österreichischen
Erblanden dieselbe Religionsfreiheit zu gewährleisten, die den Böhmen
im Majestätsbrief zugestanden worden war. Es ist unklar, ob sich die Szene
tatsächlich so zugetragen hat oder ob es sich um eine nachträgliche Stili­
sierung zu einem Mythos des historischen Augenblicks handelt. Jedenfalls
wird berichtet, Ferdinand habe dieses Ansinnen in großer Ruhe und Gelas­
senheit zurückgewiesen, woraufhin die Ständevertreter eine drohende Hal­
tung eingenommen hätten. Just in diesem Moment seien vier Kornetts des
Kürassierregiments Dampierre in die Wiener Hofburg eingeritten, womit
sich die Lage sofort verändert habe. Die Ständevertreter hätten sich schleu­
nigst entfernt, und die «fünfte Kolonne», die in Wien bereitgestanden habe,
um den vor der Stadt stehenden Böhmen die Tore zu öffnen, habe sich eine
solche Aktion nicht mehr zugetraut und sei untätig geblieben. Da Thurn
die Voraussetzungen für eine Belagerung der Stadt oder gar ihrer Erstür­
mung fehlten, trat er eine Woche später den Rückzug an. Wahrscheinlich
nötigte ihn dazu auch der militärische Erfolg, den die in Böhmen operie­
Auf dem böhmischen Kriegsschauplatz 157

renden kaiserlichen Verbände unter Bucquoy bei Sablat errungen hatten.


Mansfeld hatte unvorsichtig agiert und war in eine Falle gegangen. Seine
Söldner hatten erhebliche Verluste erlitten, und das in Österreich stehende
Heer der Böhmen geriet in Gefahr, von seinen rückwärtigen Verbindun­
gen abgeschnitten zu werden.76 «Der Zug des Grafen Thurn gegen Wien»,
so das Urteil Moriz Ritters, «bezeichnete einen Höhepunkt, aber auch die
vorläufige Grenze der böhmischen Erfolge.»77
Der neuerliche Vorstoß auf Wien Ende November 1619 verlief nach
demselben Muster - allerdings befanden sich dieses Mal von Anfang an
starke Verbände in Wien, so dass an einen Sturm trotz der sehr viel größe­
ren Zahl der Angreifer nicht zu denken war.78Bucquoy war nämlich nicht in
Böhmen geblieben, sondern hatte sich nach Wien zurückgezogen, wo die
Einquartierung seiner Soldaten in Bürgerhäusern für erhebliche Unruhe
sorgte. Eine längere Belagerung der Stadt kam für die Böhmen nicht in
Frage, da die Versorgung einer so großen Armee zu viele Probleme mit sich
gebracht hätte. Der Einfall polnischer leichter Reiter nach Siebenbürgen
veranlasste Bethlen und mit ihm auch Thurn schließlich zum Rückzug. Es
war das letzte Mal, dass die Böhmen zu einer strategischen Offensive in der
Lage waren, denn nun stellte Bethlen Gabor das Bündnis mit der Confoede-
ratio Bohemica in Frage. Für ihn zeichnete sich ab, dass er in das Bündnis
mehr investieren musste, als er im günstigsten Fall an Gewinn einstreichen
konnte. Er schloss mit dem Kaiser einen Vertrag, der ihn und seine Nach­
folger in den Besitz größerer Teile Ungarns brachte. Ferdinand ließ sich
auf so weitgehende Konzessionen ein, weil er hoffte, dadurch den Fürsten
von Siebenbürgen auf längere Zeit militärisch neutralisieren und sich ganz
auf einen Krieg gegen die Confoederatio Bohemica konzentrieren zu kön­
nen: Gegen sie wollte er im Jahr 1620 die Entscheidung herbeiführen. Die
Voraussetzung dafür schuf er, indem er die Böhmen Schritt für Schritt von
ihren Verbündeten trennte und mögliche Nebenkriegsschauplätze schloss.
Dadurch war er in der Lage, alle verfügbaren Kräfte gegen das Zentrum der
antihabsburgischen Koalition einzusetzen.
158 E IN A UFSTAND, D ER DAS R E IC H E R S C H Ü T T E R T

König für ein Jahr:


Friedrich von der Pfalz in Böhmen

Unterdessen zog Friedrich von der Pfalz mit großer Pracht in Prag ein
und ließ sich zum König von Böhmen krönen. Von Heidelberg aus war er
zunächst nach Amberg gereist, dem Verwaltungszentrum der Oberpfalz,
wo der kaiserliche Gesandte Graf Fürstenberg ihn noch einmal von seinem
Vorhaben, die böhmische Königskrone anzunehmen, abzuhalten suchte. Er
brachte einen eigens dafür einberufenen Reichstag ins Gespräch, auf dem
alle kontroversen Fragen geklärt werden sollten. Von einem Reichstag, so
Friedrichs Entgegnung, sei keine Lösung zu erwarten, wie ja auch die letzten
Reichstage zu nichts geführt hätten, und was die böhmische Krone anbe-
treffe, so wolle er sich diese Frage noch offenhalten.79 Nach einwöchigem
Aufenthalt in Amberg reiste der Kurfürst bis zur böhmischen Grenze, wo
ihn eine Delegation aus Prag erwartete, die ihn als neuen König begrüßte.
Von dort zog der über 500 Personen umfassende Hofstaat über Eger weiter
nach Prag, wo man am frühen Morgen des 31. Oktober ankam. Prächtige
Kutschen, über 1000 reich ausstaffierte Reiter, zahllose Bürger, die Spalier
standen - der Einzug Friedrichs soll etwa 50 000 Gulden gekostet haben.
Das war in Anbetracht der Soldrückstände, unter denen die Armee litt
und die gerade im Winter 1619/20 dramatische Ausmaße annahmen, eher
unangemessen. Ludwig Camerarius, einer der Friedrich begleitenden Räte,
stellte dazu in einem Brief an den kurpfälzischen Kanzler Johann Chris­
toph von der Grün fest: «M eo judicio [nach meinem Urteil] wäre das Geld
zu Zahlung des Kriegsvolks besser angelegt gewest.»80
Am 4. November folgte die Krönung im Veitsdom, ein nicht weniger
prachtvolles und aufwendiges Ereignis, das so gar nicht zu der Lage passte,
in der sich das Land befand: Dukaten wurden in die Menge geworfen, und
aus einem Brunnen floss weißer und roter Wein für jedermann. Es hat den
Anschein, als wollte man mit der Feier davon ablenken, dass man sich im
Krieg befand, dass dieser Krieg bislang nicht wirklich glücklich verlief und
immer mehr Mächte, auf die man als Bündnispartner gesetzt hatte, auf
Distanz gingen. Friedrich ließ sich offenkundig von der optimistischen
Friedrich V., Kurfürst von der Pfalz, wird im Prager Veitsdom zum
König von Böhmen gekrönt. Die Zeremonie wird nicht von dem
Prager Erzbischof vorgenommen, sondern von dem utraquistischen
Administrator Georg Dicastus. Friedrich ist umgeben von den Direktoren
der Confoederatio Bohemica, die ihm huldigen, indem sie die Krone
berühren. An der Zeremonie nehmen nur wenige Reichsfürsten teil; sie
sitzen auf den bezifferten Plätzen am linken unteren Bildrand, wo sie als
Beglaubiger der Krönung dienen. Der zeitgenössische Stich zeigt, wie man
Friedrich salbt, ihm den Königsmantel anlegt und die Krone aufsetzt.

Stimmung in Prag anstecken und unternahm nicht die Anstrengungen, die


erforderlich gewesen wären, um das Heft des Handelns in die Hand zu
bekommen. «E r macht sich die Sache leicht und setzt alles auf Gott», so
sein Berater Camerarius.81 Aber Friedrich waren auch die Hände gebun­
den: Fast alle wichtigen Ämter in Prag waren mit Personen besetzt, die bei
i6 o EIN A UFSTAND, DER DAS R E IC H E R S C H Ü T T E R T

der Adelsrebellion eine Rolle gespielt hatten und sich nicht durch die ange­
reisten Pfälzer Räte ablösen ließen. Wenn es zu Revirements kam, dann
wurden Böhmen durch Böhmen ersetzt. Schließlich hatten sie ihre liber­
tär-ständischen Freiheiten nicht erkämpft, um die kaiserlich-katholischen
gegen kurpfälzisch-reformierte Amtsträger austauschen zu lassen. Doch
die im Verlauf der Rebellion an die Macht gekommenen Männer waren
ihren Aufgaben nicht oder nur unzureichend gewachsen, und so mangelte
es an vielem, was hätte funktionieren müssen, um sich gegen eine Koalition
übermächtiger Feinde zu behaupten. Bei den kurpfälzischen Räten machte
sich Skepsis breit, ob das böhmische Abenteuer ihres Fürsten ein glückli­
ches Ende nehmen werde.
«Es ist allenthalben», so berichtet Camerarius im Anschluss an die
Krönung Friedrichs nach Heidelberg, «tarn in politicis quam re militari
[in politischen wie in militärischen Angelegenheiten] ein übermachte Con-
fusion und Unordnung / bey der Cantzley und Cammer alles unrichtig
und im üblen Zustand / daß unser gnädigster Herr in eine sehr schwere
gefährliche Regierung einsitzet.» Und: «D er grösste Mangel ist an Geld /
und da deßwegen nicht Rath und Mittel gefunden werden / dürffte einmal
urplötzlich groß Ungelegenheit entstehen.»82 Immerhin wurde Christian
von Anhalt, der das böhmische Abenteuer Friedrichs initiiert und den Kur­
fürsten maßgeblich zur Annahme der böhmischen Krone gedrängt hatte,
an die Spitze des böhmischen Militärs gestellt. Damit wurde die bislang
zwischen Graf Thurn und Graf Georg Friedrich von Hohenlohe geteilte
Führung beseitigt, die unter anderem für die zögerliche und widersprüchli­
che Kriegführung verantwortlich war.
Camerarius war aus der Pfalz mitgekommen, um zu helfen, effiziente
Strukturen herzustellen, und sah sich nun in Prag zu Passivität verurteilt. Er
wurde in eine Beobachterposition hineingedrängt, und was er sah, erfüllte
ihn mit großer Sorge. Dazu gehörte auch der Umstand, dass Friedrich selbst
zwar von der Prager Bevölkerung freundlich und offenherzig aufgenommen
wurde, seine Frau Elisabeth aber auf wachsende Ablehnung stieß. Camera­
rius vermerkt mit Genugtuung, dass Friedrich bei der Krönungszeremonie
die vom Oberstburggrafen vorgesprochene Verpflichtungsformel «in Böh­
mischer Sprache» nachgesprochen habe und ihm das so gut gelungen sei,
König für ein Jahr: Friedrich von der Pfalz in Böhmen 161

«daß die Böhmen es nicht genug rühmen können / und daher die vorhin /
GOtt lob / ins gemein starcke Benevolentz vermehret wird».83 Was ihn
dagegen beunruhigte, war das Auftreten der Königin: Sie beherrschte das
Deutsche nur rudimentär, pflegte deswegen Englisch oder Französisch zu
sprechen; Böhmisch sprach und verstand sie überhaupt nicht. Schon bald
wurde in Prag mit Missfallen beobachtet, dass sie sich bei der Einteilung
des Tagesablaufs an keine Ordnung hielt, weder bei den Mahlzeiten noch
beim Kirchenbesuch. Und auch ihre Kleidung, zumal das üppige Dekollete
- «die entblößte Brust» - , das von ihr und ihrem Hofstaat gepflegt wurde,
erregte erheblichen Unwillen.84 Camerarius hält fest: «Wann nur das Eng­
lisch exorbitirn [gemeint ist das Auftreten der Königin] nicht die Gemühter
ändert / so ist alles gut. Daß man mit dem Essen / und zur Kirchen gehen
aufs Frauenzimmer warten muß / und andere puntilien verursachen schon
offendicula, und ärgert sonderlich die Böhmischen Damen / daß man die
Brüste nicht zudecket. Sed forte corrigenda ista, ut omnino corrigenda sunt
[das ist entschieden zu ändern, so wie alles zu verändern ist]. » 88Camerarius
beobachtete all dies, und da er daran nichts ändern konnte, weil er auf die
böhmische Verwaltung keinen Zugriff und auf die selbstbewusste Königin
- Moriz Ritter nennt sie «übermütig»86 - keinen Einfluss hatte, brachte er
seine Hoffnung und sein Vertrauen auf Gott zum Ausdruck: « Gott kan und
wird alles zu erwünschtem End schicken / der bißhero alles so wunderbar
geführt hat.»87
Neben Stil- und Geschmacksfragen gab es zwei größere Probleme, die
zur Entfremdung zwischen Friedrich und den Böhmen beitrugen: das eine
war dynastischer, das andere konfessionspolitischer Art. Friedrich wollte
die Verbindung zwischen der Pfalz und Böhmen durch die Vererbung der
ihm gerade übertragenen Königswürde gesichert wissen und drängte darauf,
dass die Stände seinen ältesten Sohn Friedrich Heinrich so schnell wie mög­
lich zum künftigen König wählten.88 Friedrich war damals dreiundzwanzig
Jahre alt, sein Sohn erst fünf, und so kam diese Forderung vielen Stände­
vertretern wie eine Verhöhnung des gerade erst durchgesetzten Wahlrechts
vor. Sie vertrösteten den König, indem sie ihm versprachen, dass sich die
im Frühjahr 1620 zusammentretende Ständeversammlung mit dieser Frage
befassen werde. Immer deutlicher wurde sichtbar, dass Friedrichs dynasti­
1Ö2 E IN AUFSTA ND, D E R DAS R E IC H E R S C H Ü T T E R T

sehe Ambitionen, die für ihn das Risiko des böhmischen Abenteuers abfe­
dern sollten, und das politische Selbstbewusstsein der Ständevertreter nicht
zusammenpassten.
Friedrichs Auftreten in Prag stellte aber nicht nur das Verfassungsver­
ständnis der Böhmen in Frage, sondern berührte bald auch den zweiten
Grund, weshalb die Böhmen gegen die Habsburger revoltiert hatten. Die
Prager waren stolz auf ihren Veitsdom, der die Grablege der böhmischen
Könige und der letzten drei hahsburgischen Kaiser war und den man im
Laufe der Zeit mit Altären, Bildern und Schnitzwerk reich ausgestattet
hatte. Die lutheranisch-hussitischen Pfarrer, die hier den Gottesdienst hiel­
ten, hatten sich daran ebenso wenig gestört wie die Prager Bevölkerung.
Für die calvinistische Verkündigungsauffassung, die sich ganz auf das Wort
konzentrierte, war die aufs Auge gerichtete Pracht jedoch unerträglich,
und so drängte Abraham Scultetus, der aus Heidelberg mitgekommene
Hofprediger des Kurfürsten, auf die Reinigung des Domes von den «ver­
dammten Götzenbildern». Als man ihm zur Geduld riet, um die Empfin­
dungen der Prager nicht zu verletzen, erwiderte er mit den Worten des Pro­
pheten Samuel, wer mit der Zerstörung der Götzenbilder warte, sei nicht
mit ganzem Herzen zu Gott bekehrt.89 Also wurde der Dom von seinen
Kunstwerken «gesäubert», damit Friedrich dort ein Weihnachtsfest nach
reformiertem Verständnis feiern konnte. In der Folge wuchs bei den Böh­
men der Verdacht, ihre Verbindung mit den Reformierten könne sich als
ein großes Missverständnis heraussteilen. Dieser Verdacht verstärkte sich,
als Scultetus im Frühjahr 1620 forderte, Friedrich solle die unter königli­
chem Patronat stehenden Pfarrstellen nicht länger durch die lutherisch
dominierte Landesbehörde besetzen lassen, sondern die Besetzungen nach
eigenem Ermessen selbst vornehmen, um durch calvinistische Pfarrer das
reformierte Bekenntnis in Böhmen zu befördern. Das war für viele Böh­
men eine Erneuerung der religiösen Bevormundung, von der sie sich mit
der Vertreibung der Jesuiten gerade erst befreit zu haben glaubten.

Unterdessen hatte sich die militärische Lage für die Böhmen verschlechtert,
ebenso die Aussicht auf zuverlässige Verbündete. Bethlen Gabor wollte
zwar trotz des mit dem Kaiser geschlossenen Vertrags seine Verbindungen
König für ein Jahr: Friedrich von der Pfalz in Böhmen 163

zu ihnen nicht aufgeben, aber in Anbetracht seines notorischen Schwan­


kens konnte man bei der strategischen Planung für das Jahr 1620 nicht auf
ihn bauen. Die Union, der Bündnispartner im Reich, hatte zwar Truppen
geworben, diese blieben jedoch, wie man das in Rothenburg beschlossen
hatte, in Wartestellung an der oberen Donau. Jakob I. weigerte sich wei­
terhin, seinem Schwiegersohn irgendeine Hilfe zu gewähren, was er noch
einmal bekräftigte, als der württembergische Hofrat Benjamin Bouwing-
hausen im Sommer 1620 in Den Haag, London und Paris sondierte, mit
welcher Unterstützung der bedrängte Pfälzer rechnen könne. In England
wurde ihm am deutlichsten beschieden, dass von dort keinerlei Unterstüt­
zung zu erwarten sei.90Auch die Niederlande zögerten, sich auf den Diver­
sionskrieg einzulassen, den sie für den Fall zugesagt hatten, dass spani­
sche Truppen aus den südlichen Niederlanden eingesetzt würden, um die
Kurpfalz zu erobern.91 Genau das zeichnete sich aber ab. Währenddessen
brachen im böhmischen Ständeheer im Frühjahr und Sommer 1620 Meu­
tereien aus, mit denen die Soldaten die ausstehenden Soldzahlungen ein­
forderten, und Christian von Anhalt, dem neuen Oberkommandierenden,
war es bis dahin nicht gelungen, in der aus Einzelteilen zusammengefüg­
ten Heeresmasse militärische Disziplin durchzusetzen und die Truppen
taktisch so zu schulen, dass sie in einer Schlacht aussichtsreich eingesetzt
werden konnten.92
Während sich die Dinge für Friedrich immer weiter zum Schlechten
wandelten, entwickelten sie sich für Ferdinand zum Besseren. Den Anstoß
dafür gab der spanische König, der durch die Nachricht von der neuerlichen
Bedrohung Wiens im November 1619 aufgeschreckt worden war. Zuvor
schon hatte Philipp angeordnet, wie er an Erzherzog Albrecht in Brüssel
schrieb, «daß von den Truppen, die in Italien stehen, sogleich 7000 Infan­
teristen nach dem Elsaß aufbrechen sollen, davon sind 2000 Wallonen und
1000 Neapolitaner für Böhmen, die übrigen 4000 zur Verstärkung Euren
Heeres [in den spanischen Niederlanden] bestimmt; und zwar zusätzlich
zu dem Regiment portugiesischer Infanterie, das in Portugal aufgestellt
wird und ebenfalls so bald wie möglich in Marsch gesetzt wird. Bis zur
Ankunft der Geldmittel, die für den Unterhalt der Truppen nötig sein wer­
den, die von jetzt an in Böhmen auf meine Rechnung versorgt werden müs­
164 EIN AUFSTA ND, D ER DAS R E IC H E R S C H Ü T T E R T

sen - nämlich 12000 Infanteristen und 1000 Pferde - , habe ich befohlen,
dem Grafen Onate sofort von hier aus 200 000 Dukaten, zumindest aber
150 000 zu schicken; der Rest, der erforderlich ist, muß aus Italien beschafft
werden, nämlich 80 bis 90000 Dukaten pro Monat, mehr kann ich beim
gegenwärtigen Zustand meiner Finanzen nicht tun.»93 Das war eine völlig
andere Sprache als die, welche die Gesandten Friedrichs und der Union zu
hören bekamen, wenn sie um Unterstützung baten.
Anfang Januar spätestens dürfte Philipp sich entschlossen haben, den
Kaiser mit den Truppen zu unterstützen, die unter dem Befehl Bucquoys in
Österreich und Böhmen der böhmischen Ständearmee gegenüberstanden.
Zudem wollte er durch einen großangelegten Angriff auf die Pfalz Bewe­
gung in den Krieg bringen und eine Entscheidung herbeiführen - auch
auf die Gefahr hin, dass dies auf das Ende des Waffenstillstands mit den
nördlichen Niederlanden hinauslaufen würde. Am 11. Januar 1620 teilte
er Erzherzog Albrecht mit, dass die aus Italien nach Flandern in Marsch
gesetzten 6000 Infanteristen und das in Portugal aufgestellte Regiment
mit allen «in Flandern entbehrlichen Truppen» zusammengefasst werden
sollten, «um eine Armee zu bilden, die von dort aus in die Pfalz einmar­
schiert». Noch einmal verwies er auf die Geldmittel, die in Spanien sowie
den unter spanischer Herrschaft stehenden Königreichen Neapel und Sizi­
lien aufzubringen seien, und forderte von Albrecht, auf den Bayernherzog
Maximilian und die Fürsten der katholischen Liga einzuwirken, damit auch
sie dem Kaiser zu Hilfe kämen. Er schloss mit der Feststellung, es sei «für
eine Sache, die so sehr Unserem Herren dient», angebracht, «zu allen Mit­
teln zu greifen».94Die politische Führung in Madrid hatte eine sehr genaue
Vorstellung, worum es ging und was sie erreichen wollte - dass Gott dabei
auf ihrer Seite war, weil sie dessen Willen ins Werk setzte, stand für sie
außer Frage.
Man muss sich dieses spanische Agieren vor Augen führen, um einen
Eindruck davon zu bekommen, wie kraftlos, zögerlich und unentschlos­
sen die protestantische Union vorging: Man hatte zwar eine Armee auf­
gestellt, um die Erblande des pfälzischen Kurfürsten gegen Angriffe zu
schützen, wollte sich aber aus dem böhmischen Abenteuer heraushalten.
Die Unionstruppen standen dem Heer der Liga an der Donau gegenüber;
König für ein Jahr: Friedrich von der Pfalz in Böhmen löS

man beobachtete sich, doch dabei blieb es. Zwischenzeitlich wurde seitens
der Union erwogen, die Truppen zu nutzen, um einen Schlag gegen das
inzwischen bayerische Donauwörth zu führen, was wohl zur Konfronta­
tion mit dem Liga-Heer geführt hätte; dann kam die Idee auf, den Schlag
gegen Donauwörth mit einem Angriff des in Böhmen stehenden Mansfeld
auf Passau zu kombinieren, womit die Versorgungslinien der Kaiserlichen
in Böhmen durchtrennt worden wären. Die Liga-Truppen hätten damit
auch gegen Mansfeld operieren und sich infolgedessen auffeilen müssen -
aber das alles waren nur Ideen, die nie zu strategischen Projekten wurden,
geschweige denn zur Ausführung kamen.95 Stattdessen wurde am 3. Juli
1620 unter französischer Vermittlung der Ulmer Vertrag unterzeichnet, in
dem Union und Liga übereinkamen, sich gegenseitig nicht anzugreifen
und die Territorien der je anderen Seite zu respektieren. Die Vertreter der
Lmon willigten wohl auch darum ein, weil das militärische Kräfteverhält­
nis sich stark zugunsten der Liga verschoben hatte: Ihren 24500 Fußsolda­
ten und 5500 Reitern, nach damaligen Maßstäben ein kriegsstarkes Heer
exercitus formatus), konnte die Union gerade einmal 9500 Mann entge­
genstellen.96 An ein offensives Agieren war unter diesen Umständen nicht
zu denken.
Auf den ersten Blick nahm sich die wechselseitige Neutralisierung bei­
der Heere im Ulmer Vertrag9, als ein Erfolg der Union aus. Man war wei­
terhin in der Lage, die Zusage einer Verteidigung der Kurpfalz einzuhalten
und hatte, wie man meinte, den Bayernherzog in einen Vertrag eingebun­
den, der ihn an einem Angriff auf die Oberpfalz hinderte. Zu mehr hatte
man sich nicht verpflichtet. Böhmen spielte in den vertraglichen Verein­
barungen ausdrücklich keine Rolle. Vermutlich war den protestantischen
Verbündeten klar, dass mit dem Ulmer Vertrag die Streitkräfte der Liga für
den Einsatz in Böhmen frei würden. Zwar war nicht ausgeschlossen, dass
auch die Truppen der Union in Böhmen eingreifen konnten, aber das war
nach Lage der Dinge und angesichts der bestehenden Kräfteverhältnisse
völlig ausgeschlossen. Ob nun «das Selbstgefühl der Union schon weit
genug herabgedrückt [war], um einem derartigen Anerkenntnis keine erns­
ten Schwierigkeiten entgegenzusetzen», wie Ritter schreibt,98 ob man sich
angesichts der Anstalten Ambrosio Spfnolas, mit einem starken spanischen
166 E IN AUFSTA ND, D ER DAS R E IC H E R S C H Ü T T E R T

Heer in die Rheinpfalz einzufallen, auf die Verteidigung dieser Gebiete


konzentrieren wollte und der Ulmer Vertrag die Möglichkeit eröffnete,
die Truppen zusammenzuhalten, wie Anton Gindely meint," oder ob die
französischen Vermittler und die Union in ihrer wechselseitigen Wahrneh­
mung von falschen Voraussetzungen ausgingen, wie Cicely Veronica Wedg­
wood erklärt100 - das Ergebnis war dasselbe: Maximilian hatte freie Hand,
seine Heeresmacht gegen Friedrich und die Böhmen einzusetzen, und die
Union war am Schluss mit ihren schwachen Kräften nicht in der Lage, die
Rheinpfalz gegen den Angriff der flandrischen Armee zu schützen. Das
Neutralitätsversprechen des Ulmer Vertrags nutzte somit allein der Liga
und dem Kaiser. Wahrscheinlich wäre die Lage aber auch nicht anders
gewesen, wenn die Union den Ulmer Vertrag nicht geschlossen hätte. Die
Übermacht der Gegenseite war einfach zu groß. Um daran etwas zu ändern,
hätte die Union massiv aufrüsten müssen, wozu sie nicht in der Lage war,
weil die Reichsstädte, die als Einzige die dafür erforderlichen Mittel hätten
aufbringen können, dazu nicht bereit waren. Vor allem aber hätten die Pro­
testanten geschlossen auftreten und eine gemeinsame Front bilden müssen.
Davon waren sie weit entfernt.

Entscheidungsschlacht
am Weißen Berg

Für die Böhmen hatte sich die Lage seit Beginn des Jahres 1620 nicht ver­
bessert. Über Monate hin lag die Hauptarmee unter Christian von Anhalt
den Truppen Bucquoys bei Eggenburg gegenüber, beide Seiten in starken
Verschanzungen, so dass keine von ihnen sich einen Angriff auf die gegneri­
schen Positionen zutraute. Die Böhmen litten darunter stärker als die Kai­
serlichen, denn der ausgebliebene Sold hatte zu massiver Unzufriedenheit
im Heer geführt; hinzu kamen Hunger und Desertion, Kälte und Krank­
heiten. Der Mannschaftsbestand des Ständeheeres nahm kontinuierlich ab:
Im Frühjahr waren es gerade einmal 9000 Mann, über die Christian von
Anhalt noch verfügte.101 Währenddessen trafen auf kaiserlicher Seite die
Entscheidungsschlacht am Weißen Berg 167

Verstärkungen ein, die Philipp III. zum Jahreswechsel 1619/20 in Marsch


gesetzt hatte. Vor allem die 7000 Mann unter Don Balthasar de Marra-
ias, der zuvor Gradiska verteidigt hatte und nun als Generalwachtmeister
nach der heutigen Rangordnung Generalmajor) das aus Italien eingetrof­
fene spanische Kriegsvolk führte, machten sich bemerkbar. Marradas, der
von Passau aus in das südliche Böhmen eingedrungen war, band die im
Raum Pilsen konzentrierten Kräfte Mansfelds; beide Seiten führten einen
auf feste Plätze gestützten Kleinkrieg gegeneinander, bei dem sie sich von
ihren jeweiligen Versorgungsbasen abzuschneiden suchten.102 Eine solche
Art der Kriegführung ließ sich, wie sich im weiteren Verlauf des Krieges
noch zeigen sollte, unendlich lange ausdehnen. Hauptleidtragende war die
ländliche Bevölkerung, die ausgeplündert und drangsaliert wurde, ohne
dass für sie ein Ende dessen absehbar war.
Mansfeld, inzwischen zum böhmischen Feldmarschall ernannt, sah in
dieser Strategie die einzige Möglichkeit, sich gegen den kräftemäßig überle­
genen Gegner zu behaupten. Eine große, womöglich kriegsentscheidende
Schlacht war unter allen Umständen zu vermeiden; stattdessen sollten die
Kräfte der Gegenseite durch die Verteidigung der festen Plätze gebunden
und zur Aufteilung gezwungen werden, um sie anschließend, sofern eine
punktuelle Überlegenheit hergestellt werden konnte, überfallartig anzu­
greifen und so nach und nach aufzuzehren.103 Man kann dieses Vorhaben
als strategische Defensive unter Einbezug taktischer Offensiven bezeich­
nen, kann aber auch von einem «lange auszuhaltenden Krieg» im Sinne
Mao Tse-tungs sprechen, bei dem am Schluss die Oberhand gewinnen
würde, wer den längeren Atem und die höhere Opferbereitschaft hätte. Die
Pointe dieser Strategie war, dass sie die zahlenmäßige Überlegenheit der
Gegenseite in deren Schwäche verwandelte, denn die großen Truppenmas­
sen mussten über längere Zeit versorgt werden, und die Versorgung der
durch die Belagerung eines festen Platzes gebundenen Truppen bot zusätz­
liche Angriffspunkte. Wenn die gegnerische Überlegenheit nur unter der
Voraussetzung der Beschleunigung wirksam werden konnte, war ein auf
Entschleunigung angelegtes Gegenhandeln die naheliegende Antwort. Auf
die Bevölkerung des Kriegsgebiets nahm man dabei keine Rücksicht. Und
da das Kriegsgebiet im Unterschied zur Entscheidungsschlacht bei einer
i6 8 EIN A UFSTAND, D ER DAS R E IC H E R S C H Ü T T E R T

solchen Art der Kriegführung räumlich immer weiter ausgedehnt wurde,


war die Bevölkerung Süd- und Westböhmens unmittelbarer Gewalt ausge­
setzt.
Mansfelds Operationen im Frühjahr und Sommer 1620 haben wesent­
lich zu seinem R uf als besonders grausamer Heerführer beigetragen. In
Prag konnte und wollte man seinen strategischen Vorschlägen nicht fol­
gen. Ob Mansfelds Strategie als Leitlinie für die gesamte Kriegführung
erfolgreich gewesen wäre, muss dahingestellt bleiben. Mit dem Vorstoß
des ligistischen Heeres auf den böhmischen Kriegsschauplatz veränderte
sich die Lage jedenfalls weiter zu Ungunsten der Böhmen. Unmittelbar
nach Abschluss des Ulmer Vertrags hatte Herzog Maximilian seine Trup­
pen nach Osten in Marsch gesetzt. Am 24. Juli überschritten erste Verbände
die Grenze nach Oberösterreich, um das Bayern als Pfand zugestandene
Gebiet «ob der Enns» unter Kontrolle zu bringen.104 Seit Beginn des böh­
mischen Aufstands befand sich Oberösterreich im Widerstand gegen die
Habsburger. Man weigerte sich, Steuern zu zahlen und Soldaten zu werben.
Stattdessen hatte man eine kleine Söldnereinheit und ein aus bewaffneten
Bauern bestehendes Heer aufgeboten, um sich zu verteidigen. Außerdem
setzte man darauf, dass man im Notfall von den Böhmen Hilfe bekommen
würde. Als die ligistischen Truppen in Oberösterreich einrückten, waren
aber sowohl die Einheiten Mansfelds als auch die Thurns durch starke
gegnerische Kräfte gebunden. Die Truppen der Liga trafen auf keinen nen­
nenswerten Widerstand; so wurde das Land besetzt und unter bayerische
Verwaltung gestellt. Unter dem Statthalter Adam von Herberstorff wurde
ein strenges Regiment errichtet - der Historiker Axel Gotthard spricht von
einer «drückenden, demütigenden Zwangherrschaft»105 - , das jedes Auf­
begehren im Keim erstickte.

Mit dem Eindringen der Streitkräfte der Liga und des Kaisers nach Böh­
men veränderte sich die militärische Lage. Aus dem Kleinkrieg des Früh­
jahrs und Frühsommers wurde ab dem späten August ein Bewegungskrieg,
bei dem vor allem Tilly, der Kommandeur des ligistischen Heeres, die
Initiative an sich riss und seine strategischen Vorstellungen durchsetzte.
Johann Tserclaes Graf von Tilly,106 in Brabant geboren und aufgewachsen,
Entscheidungsschlacht am Weißen Berg 16 9

Ein Porträt aus den beiden


letzten Lebensjahren des
Feldherrn Johann Tserclaes
Graf von Tilly, als der 1559
Geborene bereits über
siebzig Jahre alt war. Im
Lütticher Jesuitenkolleg
erzogen, blieb Tilly durch
eine Religiosität geprägt, die
vor allem in einer großen
Marienfrömmigkeit bestand.
Man hat Tilly darum auch
als «Heiligen im Harnisch»,
«geharnischten M önch»
(er blieb unverheiratet) und
«General der Mutter G ottes»
bezeichnet.

hatte zu diesem Zeitpunkt bereits eine lange Militärkarriere hinter sich.


In den Niederlanden hatte er in spanischen Diensten gekämpft, später in
Ungarn in kaiserlichem Dienst gegen die Türken; dementsprechend war
er mit den neuen Strategien Nordwesteuropas107 ebenso vertraut wie mit
der Kriegführung, die sich in den Türkenkriegen herausgebildet hatte. Er
beherrschte die Gefechtstaktik der spanischen Tercios, die Kombination
von Pikenieren und Musketieren, ebenso wie den Einsatz der schweren
Reiterei in der Schlacht und den leichter Reiterei davor und danach. Vor
allem aber scheute er nicht davor zurück, eine Schlacht zu schlagen. Tilly
war ein Mann des kontrollierten Risikos, und das vor allem unterschied
ihn von den anderen Generälen, die bis dahin auf dem böhmischen Kriegs­
schauplatz das Geschehen bestimmt hatten. Während diese nach dem von
Graf Johann V II. von Nassau-Siegen formulierten Prinzip handelten, dass
nicht geschlagen zu werden auch eine Art des Siegens sei,108 hatte Tilly die
170 EIN AUFSTA ND, D ER DAS R E IC H E R S C H Ü T T E R T

Kosten dieser zähen Art der Kriegführung in den Niederlanden kennen­


gelernt und bevorzugte auf Entscheidung ausgerichtete Operationen. Das
ließ Tilly zur beherrschenden Gestalt in der ersten Hälfe des Dreißigjähri­
gen Krieges werden.
Herzog Maximilian, der das ligistische Heer offiziell führte und sich
auch ständig bei ihm aufhielt, war sich darüber im Klaren, dass er kein
Heerführer, sondern ein Politiker war, und überließ darum alle militäri­
schen Entscheidungen seinem Generalleutnant. Tilly, wie Maximilian jesu­
itisch erzogen, nutzte das nicht aus, um eigene Macht zu gewinnen oder
politisch zu intrigieren, sondern diente dem Bayernherzog in militärischer
Unterordnung. Man hat Tilly auch als «geharnischten Mönch» bezeichnet,
und das war eine weithin zutreffende Charakterisierung. Als Tilly den Feld­
zug gegen die Böhmen begann, hatte er das siebte Lebensjahrzehnt bereits
begonnen, war aber rüstig und infolge seiner strengen Lebensführung den
körperlichen Strapazen des Krieges gewachsen. Auch darin unterschied er
sich von den meisten anderen Generälen dieses Krieges, die dem Trunk
und der Völlerei ergeben waren und an der Gicht und anderen Krankhei­
ten litten. «Daß der Führer von Mietlingstruppen», so Moriz Ritter, «die
Ausbrüche der niedrigsten und der schrecklichsten Triebe der Menschen­
natur bald passieren lassen, bald auch den kriegerischen Zwecken dienstbar
machen müsse, war ein Grundsatz, den ihn die spanisch-niederländische
und eindringlicher noch die kaiserlich-ungarische Kriegführung gelehrt
hatten; nach eigener Sinnesrichtung indes schlicht und wohlwollend,
suchte er gewissermaßen ein Gegengewicht gegen solche Zugeständnisse,
indem er selber lebte wie ein Mönch und die grausige Kriegführung der
Zeit durch den Gedanken der Vernichtung von Ketzerei und Aufstand zu
adeln suchte.»109 Man kann diese Formel von der Veredelung der Gewalt
durch den guten und frommen Zweck freilich auch umkehren und Tilly als
Inbegriff der Bigotterie begreifen, für den die Marienverehrung bloß der
Deckmantel für die zahllosen grausamen Verbrechen war, die von Soldaten
unter seinem Kommando gerade auch gegen Frauen verübt wurden.
Tilly schloss sich nach der Besetzung Oberösterreichs zunächst nicht
den bei Eggenburg festsitzenden Truppen Bucquoys an, sondern bewegte
sein Heer über beschwerliche Wege durch Böhmen, um dann in einer
Entscheidungsschlacht am Weißen Berg 171

überraschenden Wendung nach Niederösterreich vorzustoßen und in


der Flanke des böhmischen Heeres aufzutauchen. Das stand damit in der
Gefahr, umfasst zu werden, und so entschloss sich Christian von Anhalt,
die verschanzten Stellungen bei Eggenburg aufzugeben und sich nach
Mahren zurückzuziehen. So kam wieder Bewegung in das Kriegsgesche­
hen. und diese wurde noch dadurch gesteigert, dass Tilly, statt den Böhmen
nach Mähren zu folgen, in Richtung Prag marschierte. Nicht Christian von
Anhalt, sondern Tilly bestimmte den Kriegsschauplatz. Die Initiative war
damit endgültig auf die kaiserlich-katholische Seite übergegangen.
Ende September zog sich auch Mansfeld, der zeitweilig eine Stellung
eingenommen hatte, die den Weg nach Prag blockierte, mit den ihm verblie­
benen Truppen nach Pilsen zurück. Bald darauf marschierte die kaiserlich-
dgistische Hauptmacht vor der inzwischen wieder gut befestigten Stadt
a u f.10 Mansfeld hatte Pilsen mit reichlich Proviant versorgt und umfang­
reiche Befestigungs- und Schanzarbeiten durchführen lassen. Das kaiser-
lich-ligistische Heer dagegen war durch Krankheiten geschwächt,111 und
die schlechte Witterung machte ihm zu schaffen. Unter diesen Umständen
entschlossen sich Tilly und Bucquoy, Pilsen nicht anzugreifen, sondern mit
Mansfeld zu verhandeln. Das kam diesem durchaus entgegen, denn seine
Soldaten hatten zuletzt wieder keinen Sold erhalten, und wenn seine Geg­
ner für die Übergabe Pilsens entsprechend zahlten, würde er seine Truppen
womöglich entlohnen und Zusammenhalten können. Aus Sicht des Kriegs­
unternehmers Mansfeld waren diese Truppen eine zwingende Vorausset­
zung seines Geschäftsmodells, und er musste alles dafür tun, sie in ihrem
Grundbestand zu erhalten. Andererseits durfte er seinen R uf als solider
Partner bei der Führung eines Krieges nicht gefährden, denn von diesem
Ruf hing ab, ob man ihn in Zukunft - von welcher Seite auch immer - wie­
der unter Vertrag nahm. Jemand, dem nachgesagt wurde, seinen Auftrag­
geber im Stich zu lassen und mit dem Feind Geschäfte zu machen, konnte
kaum auf neue Verträge hoffen.
Bis heute streitet man darüber, ob Mansfeld die Verhandlungen zur
Übergabe Pilsens in aufrichtiger Absicht oder doch nur geführt hat, um Zeit
zu gewinnen. Für die kampflose Übergabe Pilsens und der anderen von ihm
kontrollierten Plätze in Westböhmen forderte er die gewaltige Summe von
172 EIN AUFSTA ND, D E R DAS R E IC H E R S C H Ü T T E R T

400 000 Gulden, und es spricht manches dafür, dass die Gegenseite durch­
aus bereit war, ihm diese Summe zu zahlen - nicht mit einem Mal, denn
auch Maximilian war sich über Mansfelds Absichten nicht im Klaren, aber
doch in mehreren Tranchen und bei entsprechenden Sicherheiten. Über
diesen Verhandlungen verging Zeit, und der Winter kam immer näher.112
Sollte Mansfeld auf Zeitgewinn gesetzt haben, dann nicht im Hinblick auf
Entsatz, mit dem nicht zu rechnen war, sondern in Erwartung eines kalten
Winters, in dem eine Belagerung nicht aufrechterhalten werden konnte.
Als Christian von Anhalt Mansfeld aufforderte, mit allen Soldaten
und seinem Geschütz zum böhmischen Hauptheer zu stoßen, entsprach
Mansfeld dem nicht. In Anbetracht des bei Pilsen stehenden kaiserlich-
ligistischen Hauptheeres wäre das auch schwer möglich gewesen: Wäre
Mansfeld der Aufforderung umgehend gefolgt, hätte das mit großer Wahr­
scheinlichkeit zur Vernichtung seiner Streitmacht geführt. Für den weite­
ren Verlauf des Krieges war indes ausschlaggebend, dass Tilly und Bucquoy,
als sie den Entschluss fassten, das böhmische Hauptheer anzugreifen, das
mit ihrer gesamten Streitmacht tun konnten. Durch den Pilsner Akkord,
in dem Mansfeld fürs Stillhalten bezahlt wurde, war es nicht erforderlich,
Kräfte zurückzulassen, um Mansfeld in Pilsen eingeschlossen zu halten. Es
wäre für Mansfeld eigentlich naheliegend gewesen, Tilly und Bucquoy zu
folgen, um dem böhmischen Hauptheer im entscheidenden Augenblick
zu Hilfe zu kommen. Was auch immer Mansfelds Absichten gewesen sein
mögen - durch den Pilsner Akkord ermöglichte er den Kaiserlichen und
der Liga, ihre Kräfte zusammenzufassen und diese konzentriert gegen das
böhmische Hauptheer einzusetzen. Das sollte sich als kriegsentscheidend
erweisen.
Ebenso kriegsentscheidend war indes, dass sich Maximilian und Tilly
Ende Oktober 1620 gegen Bucquoy durchsetzten.113 Bucquoy nämlich
wollte es mit der Neutralisierung Mansfelds und dem Zurückdrängen des
böhmischen Hauptheers aus Niederösterreich und Mähren bewenden las­
sen und seine erschöpften Truppen in die Winterquartiere verlegen. Durch
die Erfolge im Herbst war das Kriegsjahr 1620 das beste, das die kaiserliche
Seite in diesem Krieg bislang gehabt hatte, und das sollte nach Bucquoys
Auffassung genügen. Maximilian und Tilly dagegen suchten die Entschei-
Entscheidungsschlacht am Weißen Berg 173

düng und strebten eine Schlacht gegen die böhmische Hauptmacht an.
Es kam zum Streit, und erst als Maximilian drohte, das Heer zu verlassen
und nach München zurückzureisen, gab Bucquoy nach und marschierte
mit Tilly zusammen auf Prag. Als die Heere beider Seiten am 8. November
am Weißen Berg unweit von Prag aufeinandertrafen, waren die kaiserlich-
ligistischen Truppen mit etwa 19000 Fußsoldaten, 6000 Berittenen und
:i Kanonen den Böhmen, die über 11600 Fußsoldaten, 11400 Berittene
und 10 Kanonen verfügten, leicht überlegen.114 Wären Mansfelds Söldner
zum böhmischen Hauptheer gestoßen, so hätten die Böhmen eine zahlen­
mäßige Überlegenheit gehabt. Ob das zu einem anderen Schlachtverlauf
geführt hätte, kann in Anbetracht der Art und Weise, wie sich die kaiser-
lich-ligistischen Truppen durchsetzten, jedoch bezweifelt werden.
Mehrere Tage bewegten sich beide Heere auf dem Marsch in Rich­
tung Prag nebeneinanderher; bei dem Ort Rakonitz (Rakovnik) kam
es zu einem Scharmützel, doch dann entfernten sich die Heeressäulen
wieder voneinander. Am Morgen des 8. November stellte die Vorhut des
kaiserlich-ligistischen Heeres fest, dass sich die Böhmen nicht nach Prag
zurückgezogen, sondern vor der Stadt auf einem langen Bergrücken, dem
Weißen Berg, Stellung bezogen hatten, um dort den Angriff des Gegners
zu erwarten. Christian von Anhalt rechnete freilich damit, dass Bucquoy
und Tilly unter dem Eindruck der von ihm gewählten günstigen Position,
die inzwischen noch durch zwei große Schanzen an den Flanken der Auf­
stellung verstärkt worden war, vor einem Frontalangriff zurückschrecken
und den Rückzug antreten würden. Wenn sie doch angriffen, so mussten
sie das den Berg hinauf tun, wo sie von den Verteidigern mit Kanonenfeuer
und Musketensalven empfangen würden, wodurch ihre Ordnung leicht
erschüttert werden konnte. In die so entstandene Unordnung hinein sollte
dann der böhmische Gegenangriff erfolgen. Das Gelände kam den Vertei­
digern auch darin zugute, dass sich unterhalb des Bergrückens ein Flüss­
chen hinzog, die Särka, die auf beiden Seiten von morastigem Gelände
gesäumt wurde, so dass sie kaum passierbar war. Über die Särka führte nur
eine einzige Brücke, bei deren Überschreiten die Angreifer in hohem Maße
verwundbar waren.
Christian von Anhalt hatte das böhmische Heer in zwei taktisch zusam­
174 EIN AUFSTA ND, D E R DAS R E IC H E R S C H Ü T T E R T

mengehörigen Truppenteilen, sogenannten Treffen, aufgestellt.115 Das erste


Treffen lehnte sich mit seinem linken Flügel an einen ummauerten Park an;
es wurde von elf Truppenkörpern gebildet, die abwechselnd aus Fußsolda­
ten und Reiterei bestanden. Das dahinterstehende zweite Treffen war ähn­
lich aufgestellt, wobei die Truppenkörper so postiert waren, dass sie sich in
die Zwischenräume des ersten Treffens schieben ließen. So entstand eine
schachbrettartige Struktur, die ein hohes Maß an Beweglichkeit ermögli­
chen sollte. Da Anhalt sich für die niederländische Art der Gefechtsaufstel­
lung entschieden hatte, waren die Truppenkörper nicht so tief gegliedert,
wie das bei den Spaniern üblich war. Das verschaffte der Aufstellung Breite,
nahm ihr aber für den Fall des eigenen Angriffs die Wucht. Man setzte dabei
stärker auf die Musketiere als die Pikeniere. Der gefechtsverbundene Ein­
satz von Musketieren und Pikenieren sollte die Vorzüge von Schuss- und
Stichwaffe kombinieren: Solange das Gefecht auf Distanz geführt wurde,
standen die Pikeniere mit ihren aufgestellten Stoßwaffen im Zentrum des
Truppenkörpers, während die Musketiere beziehungsweise Arkebusiere116
um diesen Kern herum formiert waren; auf diese Weise hatten sie das
erforderliche Schussfeld für das Feuergefecht. Aber die Feuerfrequenz der
damaligen Schusswaffen war nicht besonders hoch, und selbst wenn die
Musketiere in fünf Gliedern hintereinander aufgestellt waren und nachein­
ander ihre Salven abfeuerten, waren sie doch durch schnelle Kavallerieatta­
cken hochgradig verwundbar: Brach in einem Truppenkörper erst einmal
Panik aus, dann geriet die ganze Gefechtsordnung durcheinander. Den Ein­
bruch von Kavallerie in die Reihen der Musketiere zu verhindern, war die
Aufgabe der Pikeniere, die bei einer Kavallerieattacke oder dem Ansturm
gegnerischer Fußsoldaten mit den Musketieren die Position wechselten
und mit ihren gesenkten Stoßwaffen einen schützenden Ring oder Halb­
kreis um die ins Innere des Gefechtskörpers zurückgewichenen Musketiere
bildeten. Ein so aufgestellter Truppenkörper - in der Regel handelte es sich
um ein Regiment, das bei Kriegsbeginn etwa 3000 Mann umfasste - war im
Gefecht um so leistungsfähiger, je besser und zuverlässiger das Zusammen­
wirken von Musketieren und Pikenieren klappte. Das galt gerade bei einer
geringeren Tiefe der Gefechtsformationen, die eine breitere Front und
dadurch stärkeres Salvenfeuer möglich machte, aber bei stoßkeilförmigen
nl'iAc Pefrneation ierfKaiif; vnh ofinunq auf dem'kfcipr bag brt '‘Otacj Anno >£ 2

£>„>mms »er r'Stm e<! auflhi Weriliei! (jrtg. "V n ^iifM XÄBrr. Senn

R e g im e n t-

Die Schlachtenbilder und Skizzen von Schlachtordnungen aus Merians


Theatrum Europaeum sind als historische Dokumente nicht unbedingt
zuverlässig. Diese Skizze von der Aufstellung des böhmischen Heeres vor
der Schlacht am Weißen Berg etwa zeigt die durch Schanzen gesicherten
Artilleriepositionen auf beiden Flügeln, positioniert davor aber jeweils
ein Infanterieregiment (Hollach und Schlick), so dass die Kanonen
kein freies Schussfeld haben. Unzutreffend ist auch die Aufstellung der
Infanterieeinheiten nach dem Vorbild der spanischen Tercios mit dem
Pikenierviereck in der Mitte, darum eine «H eck e» von Musketieren und
vier Musketierpelotons an den Ecken. Tatsächlich hatten die Böhmen am
Weißen Berg, orientiert an den Vorgaben der oranischen Heeresordnung,
eine erheblich flachere Aufstellung gewählt, die ihnen dann zum
Verhängnis wurde.

Angriffen in höherem Maße verwundbar war. Gerade an diesem Zusam­


menspiel aber haperte es im böhmischen Heer. Christian von Anhalt hatte
eine Aufstellung gewählt, die für ein gut geübtes Heer geeignet war, aber
hochriskant für ein Heer wie das der Böhmen.
Die beiden Flanken der böhmischen Schlachtaufstellung waren
durch Erdschanzen gesichert, hinter denen man Kanonen postiert hatte.
Diese flankierenden Geschützbastionen sollten der Aufstellung Festigkeit
verleihen und Angriffe auf die Flanken des Heeres unmöglich machen.
176 E IN AUFSTA ND, D E R DAS R E IC H E R S C H Ü T T E R T

Außerdem hatte Anhalt hinter dem Hügelrücken die leichte ungarisch-


siebenbürgische Reiterei als drittes Treffen aufgestellt, das durch einen
wuchtigen Gegenangriff entweder die ins Wanken geratene Front stabili­
sieren oder einen zurückweichenden Gegner attackieren und dessen Rück­
zug in Flucht verwandeln sollte. Die Stärke der böhmischen Position waren
also der leichte Bergrücken, der morastige Flusslauf davor und die beiden
Kanonenschanzen an den Flanken. Eine Schwäche dagegen war der Man­
gel an Gefechtserfahrung, von den einfachen Soldaten bis zur Generali­
tät, der zur Folge hatte, dass die militärische Führung den Truppen mehr
abverlangte, als diese zu leisten imstande waren, sowie der Umstand, dass
infolge des wieder einmal ausgebliebenen Soldes im Heer eine Stimmung
der Gleichgültigkeit und latenten Einsatzverweigerung entstanden war.117
Die Kämpfe begannen am frühen Morgen mit einem Reitergefecht
zwischen einer unterhalb des Bergrückens bei dem Dorf Rusfn als Siche­
rung postierten ungarischen Abteilung und einem kaiserlichen Kaval­
lerieregiment. Bei diesem Vorhutgefecht trieb die kaiserliche Kavallerie
die Ungarn in einer entschlossenen Attacke in die Flucht, ohne dass den
Ungarn berittene Einheiten der böhmischen Hauptmacht zu Hilfe gekom­
men wären. Daraufhin ging Tilly das Risiko ein, die Särka auf der einzigen
in diesem Abschnitt vorhandenen Brücke zu überschreiten; er setzte darauf,
dass Anhalt die Gelegenheit zum Angriff auf die ligistische Avantgarde ver­
streichen lassen würde, um seine Position auf dem Hügelrücken nicht auf­
zugeben. Hätte Anhalt, so Tillys Kalkül, derlei vor, so hätte er zuvor bereits
die Ungarn bei dem Örtchen Rusin unterstützt. Womöglich hat Anhalt
diese Chance zum Angriff auf die ligistische Avantgarde, die im Augenblick
der Särka-Überschreitung auf sich allein gestellt war, aber auch gar nicht
erkannt, denn als der Übergang begann, lag noch dichter Morgennebel in
der Senke und erschwerte die Sicht. Jedenfalls konnte Tilly seine Truppen
auf dem linken Flügel ungestört entwickeln und den nachfolgenden Kaiser­
lichen den rechten Flügel überlassen.
Das kaiserlich-ligistische Heer war in drei Treffen gegliedert, eine
Gefechtsformation, die im Vergleich zu derjenigen der Böhmen eine grö­
ßere Tiefe aufwies und eher für den Angriff als die Abwehr ausgelegt war.
Die zwölf Kanonen des kaiserlich-ligistischen Heeres wurden, ebenfalls
Pikeniere (links), Arkebusiere (Mitte) und Musketiere (rechts) bildeten
die schwere Infanterie, also die in größeren Gefechten und Schlachten
eingesetzten Fußtruppen. Sie waren mit Stangen- und Handfeuerwaffen
ausgerüstet, und die effektive Kombination beider entschied über Sieg und
Niederlage. Der bis zu 4,5 Meter lange Spieß, seit etwa 1560 als Pike (von
französisch «p iq u e r», stechen) bezeichnet, bestand aus einem hölzernen
Schaft mit einem zwischen 25 und 50 Zentimeter langen Spießeisen.
Die Arkebuse (Hakenbüchse) war die im Vergleich zur Muskete
(Doppelhaken) leichtere Handfeuerwaffe; sie verschoss Kugeln mit einem
Gewicht von 23 Gramm, während die Muskete Kugeln von 46 Gramm
verschoss. Die Arkebuse war leichter zu handhaben, die Muskete (benannt
nach dem Luntenschloss in Form eines Raubvogelkopfs, lateinisch
«m uchetus», Sperber) hatte dafür eine höhere Durchschlagskraft.
Aufgrund der langen Nachladedauer blieben Arkebusiere und Musketiere
bei Kavallerieangriffen auf den Schutz der Pikeniere angewiesen.
Außerdem führten die Pikeniere den Stoßangriff auf die gegnerischen
Infanterieverbände. Das war auch der Grund, warum Pikeniere im
Unterschied zu Arkebusieren und Musketieren, wie auf den Abbildungen
zu sehen, zumeist gepanzerte Rüstungen trugen.

im Unterschied zu den Böhmen, nicht auf den Flügeln, sondern mitten


vor der Front aufgestellt, von wo sie die Gefechtskörper im ersten Treffen
der Böhmen unter Feuer nehmen sollten. Aufgrund der tieferen Staffelung
der Regimenter und der Aufstellung in drei Treffen hatte das kaiserlich-
ligistische Heer eine geringere Breite als das der Böhmen. Tilly, der den
Aufmarsch befehligte, hatte die Schwachstelle der breiteren böhmischen
Aufstellung sofort erkannt: Die flankierenden Kanonen schützten gegen
Angriffe auf die Flügel, ließen das Zentrum aber weithin ungedeckt, und
genau dort wollte er die Entscheidung herbeiführen.
i?8 EIN A UFSTAND, D ER DAS R E IC H E R S C H Ü T T E R T

Vorerst aber war nicht klar, ob die Schlacht überhaupt stattfinden würde.
A uf böhmischer Seite ging man anscheinend nicht davon aus, denn Fried­
rich, der sich zunächst beim Heer aufgehalten hatte, ritt am Morgen nach
Prag zurück, um dort mit den gerade eingetroffenen englischen Gesandten
zu sprechen. Offenbar vertraute man darauf, dass die bezogenen Stellun­
gen «unangreifbar» waren. Auch auf kaiserlich-ligistischer Seite war man
zunächst uneins, ob man die von den Böhmen angebotene Schlacht wagen
solle. Tilly drängte darauf, Bucquoy war dagegen. In einem am Vormit­
tag stattfindenden Kriegsrat verwies Bucquoy darauf, dass man aufgrund
der topographischen Gegebenheiten die Tiefe der gegnerischen Aufstel­
lung nicht erkennen könne, also nicht wisse, welche Reserven Anhalt auf
der Rückseite des Hügels bereithalte. Wenn man auf einen standhaften
Feind treffe und sich zurückziehen müsse, hätte man erneut das morastige
Gelände der Särka zu durchqueren, was bei einem entschlossen nachdrän­
genden Feind zu einer Panik im eigenen Heer führen könne. Tilly hielt
dagegen, dass mit einem Gegenangriff Anhalts nicht zu rechnen sei. Ihm
sprangen einige Offiziere bei, die die gegnerische Aufstellung erkundet hat­
ten und zu dem Ergebnis gekommen waren, dass sie keineswegs so stark
sei, wie sie sich auf den ersten Blick ausnehme. In ihrer Zuversicht ließen
sie sich auch durch den Einwand Bucquoys nicht erschüttern, der Angriff
müsse bergauf geführt werden und sei allein dadurch äußerst riskant.
In dieser Situation scheint ein Karmelitermönch den Ausschlag gege­
ben zu haben: Domenicus a Jesu Maria war im Heerestross mitgezogen
und hatte die Hauptfahne des ligistischen Heeres mit dem Bild der Jung­
frau Maria geweiht. Ungebeten drang er in den Kriegsrat ein und präsen­
tierte dort ein Gemälde von der Anbetung des Jesuskindes durch die Hir­
ten, das er einige Tage zuvor in Strakonitz (Strakonice) gefunden habe.118
Maria und Josef waren die Augen ausgestochen worden - ein unter Calvi-
nisten durchaus verbreiteter Akt «frommer Bildschändung», der für die
zumeist katholischen Bauernsöhne im kaiserlich-ligistischen Heer eine
grässliche Versündigung am Göttlichen war. Pater Domenicus machte die
calvinistische Bildschändung zum entscheidenden Argument: Die Heili­
gen verlangten die Schlacht, und die Schar der himmlischen Engel werde
den Soldaten in der Schlacht beistehen. Das wirkte. Bucquoy ließ sich
Entscheidungsschlacht am Weißen Berg 179

_mstimmen, und Maximilian gab die Parole Sancta Maria als Feldgeschrei
i_s. Neben der regelmäßigen Besoldung führte die Vorstellung, für eine
heilige Sache zu kämpfen, dazu, dass die katholische Seite an Motivation
überlegen war.
-\ls der Angriff begann, zogen sich Maximilian und Bucquoy aus dem
unmittelbaren Hauptgeschehen zurück: Maximilian, weil er Tilly die allei­
nige Kommandogewalt überlassen wollte und seine Anwesenheit eher
störend gewirkt hätte; Bucquoy, weil er sich bei dem Scharmützel nahe
Rakonitz eine Verwundung am Bein zugezogen hatte. Er übertrug das
Kommando über die kaiserlichen Truppen dem Generalwachtmeister
Rudolf von Tiefenbach.119 Die Kaiserlichen, die den rechten Flügel bilde­
ren und den geringeren Geländeanstieg vor sich hatten, griffen etwas früher
an als die Ligistischen; sie trafen auf den von Graf Thurn kommandierten
linken Flügel der Böhmen. Thurn schickte ihnen zunächst seine Berittenen
entgegen, und als diese von der kaiserlichen Kavallerie zurückgeworfen
wurden, setzte er die Musketiere ein. Diese feuerten ihre Musketen aber
hastig und auf viel zu große Entfernung ab, so dass die Salven beim Geg­
ner wenig Wirkung zeitigten. Überstürzt zogen sie sich daraufhin zurück,
und ihr eiliger Rückzug hätte die gesamte böhmische Front erfasst, wenn
nicht zwei von Anhalts Sohn - er trug wie sein Vater den Vornamen Chris-
nan - geführte Reiterschwadronen die Kaiserlichen in einem wuchtigen
Gegenangriff wieder zurückgetrieben hätten. Oberst Leonhard Helfried
von Meggau, der eine Schwadron kaiserlicher Arkebusiere führte, fiel bei
dieser Attacke, und das Regiment Tiefenbach-Breuner, das den Vorstoß
regen die Böhmen angeführt hatte, geriet in große Unordnung. Das war
die Krise der Schlacht, und wenn die Böhmen dieses Momentum genutzt
r.ätten und zu einem konzentrierten Gegenangriff übergegangen wären,
hätte die Schlacht am Weißen Berg einen anderen Verlauf nehmen können.

A u f der folgenden Doppelseite: Zu sehen ist der Augenblick der Schlacht, in


dem die Ordnung der böhmischen Armee bereits zerbrochen ist und sich
mit Ausnahme des Thurn’schen Regiments (H) alles auf der Flucht befindet,
allem voran die ungarische Reiterei (D). Die linke Artilleriebastion der
Böhmen (B) ist schon gestürmt, die rechte steht kurz davor, erobert zu
werden. Während das erste Treffen des kaiserlich-ligistischen Heeres in
Einzelgefechten den Gegner niederkämpft, rückt das zweite Treffen (A)
in geschlossener Ordnung nach. Im oberen rechten Bildviertel ist Prag zu
erkennen, wo die Flüchtenden Schutz suchen.
182 E IN AUFSTA ND, D E R DAS R E IC H E R S C H Ü T T E R T

Aber Hohenlohe, der den rechten Flügel der Böhmen führte, kam Thurn
nicht zu Hilfe; Anhalt, der Oberkommandierende, setzte weiterhin strikt
auf Defensive, und so ging der für die böhmische Seite günstige Augenblick
ungenutzt vorüber.
Er währte ohnehin nur kurz, denn Tilly hatte die Probleme des rech­
ten Flügels erkannt und Oberst Johann Philipp Cratz von Scharffenstein
befohlen, mit seinen bayerischen Kürassieren den böhmischen Reitern
in die Flanke zu fallen. Das war die Wende: Der kaiserliche Oberst Hans
Philipp Breuner wurde befreit, die Ordnung seines Regiments wiederher­
gestellt, und der junge Anhalt, der die schneidigen Attacken der Böhmen
geführt hatte, geriet nun selbst in Gefangenschaft. Das kaiserlich-neapo­
litanische Regiment des Obersten Carlo Spinelli wurde ins erste Treffen
beordert, um die Wucht des Angriffs zu verstärken. Die Neapolitaner war­
fen das Kavallerieregiment des Obersten Solms zurück,120 und damit war
der linke böhmische Flügel zertrümmert. Der Angriff hatte die Kammlinie
des Weißen Bergs erreicht, und ein Teil der kaiserlichen Truppen wandte
sich nun gegen den rechten böhmischen Flügel, um ihn von der Seite her
aufzurollen, während der andere Teil gegen den ummauerten Park vor­
stieß, in dem sich das mährische Regiment des Grafen Schlick festgesetzt
hatte und noch für einige Zeit erbitterten Widerstand leistete. Unterdes­
sen hatten sich auf dem linken Flügel der Angreifer Tillys polnische Reiter,
zumeist als Kosaken bezeichnet, gegen eine fünffache Übermacht ungari­
scher Husaren durchgesetzt und diese in die Flucht geschlagen. Die wilde
Flucht der Ungarn, von denen etwa 1000 bei dem Versuch, die Moldau auf
einem Wehr zu überqueren, den Tod fanden, ließ - mit dem Flankenangriff
von Spinellis neapolitanischer Infanterie - den rechten böhmischen Flügel
zusammenbrechen. Die Musketiere warfen, oftmals ohne einen einzigen
Schuss abgefeuert zu haben, ihre Gewehre weg, die Pikeniere entledigten
sich ihrer Piken, und alles strebte in ungeordneter Flucht auf Prag zu.
Am frühen Nachmittag war die Schlacht entschieden. Als Friedrich um
diese Zeit mit einer Eskorte von 500 Reitern aus Prag zu seinen Truppen
zurückreiten wollte, kamen ihm diese entgegen, unter ihnen auch Christian
von Anhalt, der seinem König zurief, alles sei verloren, er solle eilends die
Stadt verlassen. Die Schlacht hatte gerade einmal zwei Stunden gedauert,
Ein satirisches Flugblatt auf die Versuche des als «W interkönig»
verspotteten Kurfürsten Friedrich von der Pfalz, wieder in den Besitz
des in der Schlacht am Weißen Berg verlorenen Königreichs Böhmen zu
gelangen. Auf dem linken Bilddrittel reißt der kaiserliche Adler dem am
Boden liegenden Friedrich die Krone vom Kopf; das Szepter in Friedrichs
Hand ist zerbrochen. Die im geöffneten Zelt hinter dem Adler stehenden
Kurfürsten statten diesen mit neuen Federn aus: von Oppenheim über
Creütznach bis Simmeren Städte aus Friedrichs Herrschaftsgebiet. Das
mittlere Bilddrittel zeigt Friedrich auf dem Heidelberger Fass («vorzeit
voll Wein jetzt bodenloß») mit einem Affen sitzend; der Genuss des
böhmischen Bieres ist ihm nicht bekommen, und so speit er «Länder /
Stätt und C ron», die er sich einverleibt hatte, wieder aus. Die drei Männer,
die den Fasswagen ziehen, hoffen im Gasthof Geld und Gut zu bekommen,
werden aber abgewiesen, während die Räte, die den Pfalzgrafen zu
dem böhmischen Abenteuer verführt haben, niedergeschlagen dem
Wagen folgen; über ihnen einige Vögel, die vom Zelt wegfliegen: «D ie
Predicanten mit Geheul / Fliegen davon wie Kauz und E u l.» Noch aber
ist Hoffnung: Ein mit Gold beladener Esel lockt englische Soldaten
herbei, und ein dahinjagender Reiter steht für die Hilfe aus dem Südosten:
«Bethlen kombt / bringt Türcken m it.»

und obwohl sie keineswegs zu den besonders blutigen des Dreißigjähri­


gen Krieges gehörte - einige Tage später sollen auf dem Schlachtfeld etwa
1600 Leichen gezählt worden sein121 - , war es doch eine Entscheidungs­
184 EIN AUFSTA ND, D ER DAS R E IC H E R S C H Ü T T E R T

schiacht: Das Heer der böhmischen Rebellen bestand nicht mehr, über
hundert Fahnen und sämtliche Kanonen der Böhmen waren den Truppen
des Kaisers und der Liga in die Hände gefallen; Friedrich, den man von nun
an spöttisch den «Winterkönig» nannte, war mit vielen seiner Getreuen
auf der Flucht, andere waren in Gefangenschaft geraten; an eine Weiter­
führung des Ständewiderstands war nicht zu denken. Die katholische Seite
hatte auf ganzer Linie gesiegt.
Eine so dramatische Wende des Krieges nahm sich aus wie ein Wunder,
und so war es naheliegend, sie auch mit einem Wunder in Verbindung zu
bringen. Im entscheidenden Augenblick der Schlacht, so wussten Augen­
zeugen zu berichten,122 sei aus dem Rauch und Donner des Gefechts ein
Karmelitermönch aufgetaucht, habe ein Bild hochgehalten, auf dem der
Mutter Gottes die Augen ausgestochen gewesen seien, und habe mit dem
Kruzifix den eigenen Soldaten den Weg zum Angriff auf die Feinde gewie­
sen. Einige berichteten später, sie hätten auch gesehen, wie Gemälde und
Kruzifix Flammen auf die Feinde gespien hätten, die daraufhin geflohen
seien. Es war die alte Erzählung von den himmlischen Heerscharen, die mit
den irdischen Streitern in den Kampf zogen und ihnen schließlich zum Sieg
verhalfen. Offenbar haben diese und ähnliche Erzählmuster die auf katho­
lischer Seite kämpfenden Soldaten angefeuert und ihnen Siegeszuversicht
eingeflößt. Sie haben - neben anderem - dazu beigetragen, dass die katho­
lische Seite im ersten Jahrzehnt des Krieges immer wieder die Oberhand
gewann. Der Vorstellung, dass Maria, die Mutter Gottes, auf Seiten der
Katholischen mit in den Kampf zog, hatten die Protestanten über lange
Zeit nichts Gleichwertiges entgegenzusetzen.

Das kaiserliche Strafgericht


über die böhmischen Rebellen

Friedrich hatte kurze Zeit geschwankt, ob er in Prag bleiben und die Vertei­
digung seiner Königsstadt organisieren oder nach Schlesien fliehen sollte.
In Anbetracht der Auflösung des Heeres und unter dem Eindruck wüten-
Das kaiserliche Strafgericht über die böhmischen Rebellen 185

der Soldaten, die durch Prag zogen und den ausstehenden Sold verlang­
ten, war an eine Verteidigung der Stadt jedoch nicht zu denken. Als die
Königin mit ihren Kindern Prag verließ, kam in der engeren Umgebung
Friedrichs, bei den aus Heidelberg Mitgekommenen und den Trägern der
Rebellion gegen Habsburg, eine panikartige Stimmung auf, und sie alle
verließen überstürzt die Stadt.123 Dabei wurde ein Teil der böhmischen
Kanzlei zurückgelassen, so dass den in Prag einziehenden Siegern wichtige
Dokumente in die Hände fielen, auf die sie ihre anschließende Politik der
•<Säuberung» stützen konnten. Auch die Krone von Böhmen blieb in Prag
zurück - sei es, weil man fürchtete, dass ihre Mitnahme zu einem Aufstand
empörter Bürger führen würde, sei es, weil man sie in der Eile schlichtweg
vergaß. Es war ein langer Zug von Flüchtlingen, der Prag verließ, und mit
den politischen und konfessionellen Veränderungen in Böhmen sollten
ihm noch viele folgen. Während die Anführer der Rebellion nach Nord­
osten zogen, brachten die Sieger eine Kiste auf den Weg nach Wien, in
der die Dokumente über die Privilegien des Landes einschließlich der von
Rudolf und Matthias unterschriebenen Majestätsbriefe lagen: Die Selbst-
omdung der habsburgischen Landesherrn gegenüber den böhmischen
Untertanen stand nunmehr zur Disposition, und «es heißt, daß der Kaiser
von dem Majestätsbrief selbst das Siegel herausgerissen und ihn der Mitte
nach zerschnitten habe»124. Ob das erfunden ist oder den Tatsachen ent­
spricht - das Gerücht bringt zum Ausdruck, was die einstigen Vorrechte
der Böhmen jetzt noch wert waren: nichts mehr. Dieses Schicksal teilten
die Böhmen mit den Ständen in Mähren und Österreich, deren ursprüngli­
che Rechte allesamt kassiert wurden.
Um einiges besser erging es Schlesien und den beiden Lausitzen, wo
der sächsische Kurfürst Johann Georg die Aufgabe übernommen hatte, die
Rebellion zu beenden. Die sächsischen Truppen marschierten Anfang Sep­
tember 1620 in die Niederlausitz ein, rückten auf Bautzen vor und zwangen
die gut befestigte Stadt nach dreiwöchiger Belagerung zur Kapitulation.
Die kleine Streitmacht, die von den Lausitzern und Schlesiern aufgestellt
worden war und unter dem Kommando des Herzogs von Jägerndorf ope­
rierte, traute sich eine unmittelbare Konfrontation mit dem sächsischen
Heer nicht zu und wich diesem aus. Neben dem Beschuss von Bautzen
i8 6 EIN A U FSTA N D , D ER DAS R EIC H E R S C H Ü T T E R T

kam es zu keinen weiteren Kampfhandlungen, denn schon Anfang Novem­


ber unterwarf sich der Adel der Niederlausitz. Mitte Januar 1621 folgten die
Stände der Oberlausitz - unter der Voraussetzung, dass ihre politischen
und religiösen Freiheiten respektiert würden. Der sächsische Kurfürst wil­
ligte ein, und damit war der erste Teil der von ihm übernommenen Aufgabe
erledigt. Johann Georg war der Hauptprofiteur des bisherigen Kriegsver­
laufs, hatte er doch mit geringem Aufwand zwei Markgrafschaffen unter
seine Kontrolle gebracht, die er im weiteren Fortgang des Krieges dann sei­
nem Herrschaftsbereich einverleibte. Nicht ganz so einfach wie in den bei­
den Lausitzen verliefen die Dinge in Schlesien, dessen Unterwerfung der
Kaiser ebenfalls den Sachsen übertragen hatte. Nach seiner Flucht aus Prag
hatte Friedrich zunächst in Breslau Quartier bezogen, von hier aus wollte er
die Rückeroberung Böhmens organisieren. Sein bisheriges Auftreten hatte
die schlesischen Stände jedoch wenig überzeugt, und so machten sie ihm
keine Zusagen. Kurz vor Weihnachten flüchtete Friedrich weiter in den
Herrschaftsbereich des Kurfürsten Georg Wilhelm von Brandenburg, der
mit einer Schwester des «Winterkönigs» verheiratet war und dem calvi-
nistischen Bekenntnis anhing. Friedrich hoffte, dass er ihm helfen würde,
seine Herrschaft in Böhmen wiederherzustellen. Aber auch daraus sollte
nichts werden.
Die schlesischen Stände verhandelten nach der Abreise Friedrichs mit
dem sächsischen Kurfürsten, ob er ihnen dieselben Friedensbedingungen
gewähren wolle wie den Lausitzern. Als Johann Georg für eine allgemeine
Amnestie sowie den Erhalt sämtlicher politischer und religiöser Freiheiten
eine Sühne von 500 000 Gulden verlangte, die an den Kaiser zu zahlen sei,
willigten die Stände ein; die Summe wurde dann noch auf 300 000 Gulden
heruntergehandelt. Am 28. Februar 1621 wurde der «Dresdner Accord»
unterschrieben, der diese Vereinbarungen festhielt. Kaiser Ferdinand
sperrte sich zwar für einige Zeit gegen die darin gegebenen Zusagen und
verlangte, über Leben und Besitz der Rädelsführer in Schlesien frei verfü­
gen zu können, womit dort dieselben Bedingungen gegolten hätten wie
in Böhmen und Mähren. Der sächsische Kurfürst blieb jedoch bei seiner
Linie, die schließlich auch in Wien akzeptiert wurde.125 Nur dem Herzog
Johann Georg von Jägerndorf wurde sein Fürstentum aberkannt - mit der
Das kaiserliche Strafgericht über die böhmischen Rebellen 187

Der Stich aus dem 19. Jahrhundert zeigt Kaiser Ferdinand, der das Siegel
vom Majestätsbrief abgeschnitten hat und im Begriff steht, das Wiener
Exemplar des Briefes ins Feuer zu werfen. Die Bindungen des Landesherrn,
die Kaiser Rudolf am 6. Juli 1609 in einer Situation der Schwäche von
den böhmischen Ständen abgerungen worden waren, wurden damit für
ungültig erklärt.

Folge, dass er in den nächsten Jahren ein Organisator des antihabsburgi­


schen Widerstands in Mitteleuropa blieb. Die Amnestie stellte sicher, dass
der Adel Schlesiens und der beiden Lausitzen seine Rechte und seinen
Besitz behielt - der entscheidende Unterschied zum kaiserlichen Strafge­
richt in Böhmen und Mähren.

Am 9. und 10. November 1620 zogen große Teile der siegreichen Armee in
Prag ein; dabei kam es zu Gewalttaten und Plünderungen, die aber bald
eingedämmt und unterbunden wurden. Am 13. November nahm Herzog
Maximilian in Stellvertretung des Kaisers die Unterwerfung der Ständever­
treter entgegen. Da Maximilian sich nun wieder den genuin bayerischen
Interessen zuwenden wollte, übertrug er am 17. November die kaiserlichen
Vollmachten dem Fürsten Karl von Liechtenstein und trat die Heimreise
188 E IN A U FSTA N D , D ER DAS R EIC H E R S C H Ü T T E R T

nach München an. 126 Damit hatten die Anhänger des Kaisers und alle, die
sich für die Ereignisse der letzten zweieinhalb Jahre rächen wollten, freie
Hand. Das nun folgende Strafgericht bestand im Wesentlichen aus drei Ele­
menten: aus politischen und religiösen Maßnahmen, mit denen die Herr­
schaft Habsburgs und der Gegenreformation durchgesetzt werden sollte;
der körperlichen Bestrafung derer, die am Aufstand gegen Habsburg und an
der Herrschaft Friedrichs beteiligt waren; und schließlich der Enteignung
jener, die diesen Aufstand im weiteren Sinn unterstützt hatten. Zusammen­
genommen lief das auf einen radikalen Elitenwechsel hinaus, bei dem die
traditionelle Führungsschicht Böhmens durch eine aus Deutschen, Italie­
nern, Spaniern und Franzosen bestehende «internationale» Elite ersetzt
wurde. 127 Böhmen wurde nicht nur der Herrschaft der Sieger, sondern auch
einer Herrschaft von Fremden unterworfen.
Unmittelbar nach dem Einzug der kaiserlich-ligistischen Truppen in
Prag begann auch die Rekatholisierung Böhmens. Die calvinistischen Pre­
diger wurden umgehend vertrieben; mit den Lutheranern ließ man sich
noch zwei Jahre Zeit; danach mussten auch die ersten lutherischen Pfar­
rer das Land verlassen. Der Kaiser wollte den Sachsen Johann Georg, der
sich als Schutzherr des Luthertums sah und auf den er als Verbündeten
womöglich noch angewiesen sein konnte, zunächst nicht verprellen. 128
Aber dann machten die Jesuiten im Umfeld des Kaisers Druck, indem
sie die Duldung der Ketzerei als Sünde bezeichneten. Vor allem Wilhelm
Lamormaini, seit Februar 1624 Beichtvater des Kaisers, sorgte für eine voll­
ständige Durchsetzung der Gegenreformation . 129 Im Sommer 1627 wurde
den noch in Böhmen gebliebenen evangelischen Adligen die Entscheidung
abverlangt, binnen sechs Monaten das Land zu verlassen oder zum katho­
lischen Bekenntnis überzutreten. Ein Viertel von ihnen wählte die Emigra­
tion; ihnen schlossen sich viele Handwerker und Gewerbetreibende an, so
dass bis Ende 1627 etwa 150 000 Menschen das Land verließen. Der Verlust
eines Zehntels der Gesamtbevölkerung Böhmens war ein wirtschaftlicher
Aderlass, von dessen Folgen sich das Land so schnell nicht wieder erholen
sollte.
Verglichen mit der konfessionellen betraf die politische Neuordnung
Böhmens nur die Elite des Landes. Bis Mai 1627 regierte Karl von Liech-
Dis kaiserliche Strafgericht über die böhmischen Rebellen 189

:enstein das Land willkürlich nach dem Recht des Siegers. Dann wurde die
erneuerte Landesordnung» in Kraft gesetzt, mit deren Ausarbeitung
man sich in Wien reichlich Zeit gelassen hatte.130 Als Eroberer des Landes
sah sich Ferdinand an frühere Gesetze nicht gebunden, und die Rebellen
hatten keinen Anspruch mehr auf ihre einstigen Privilegien. Das Gesetz-
jebungsrecht lag allein beim König, der hinfort nicht mehr gewählt wurde,
sondern aus dem Hause Habsburg durch Erbrecht bestimmt wurde. Nur
das Steuerbewilligungsrecht verblieb bei den Ständen, aber auch dieses
Recht wurde so zurechtgestutzt, dass es keine Eingriffe in die königlichen
Hoheitsrechte mehr erlaubte. Der alte Dualismus zwischen dem Landes­
herrn und dem Landtag, der Ständevertretung, durch den beide Seiten
;:ch wechselseitig eingeschränkt und kontrolliert hatten, wurde abgeschafft,
und die Stände wurden auf ein untergeordnetes Organ des Landesherrn
reduziert. Lfm jeden Zweifel zu beseitigen, wer im Land das Sagen hatte,
wurde die Böhmische Hofkanzlei, in der die Verwaltungs- und Justizange-
.egenheiten des Landes verhandelt wurden, von Prag nach Wien verlegt.
Böhmen wurde fortan von Wien aus regiert.
Am tiefsten griffen die vollzogenen Enteignungen in die soziopolitische
Ordnung Böhmens ein: Die Hälfte des Bodens wechselte den Besitzer.131
Das vom Kaiser eingesetzte Gericht hatte drei Kategorien von Schuldigen
gebildet: die Hauptschuldigen, die führend am Aufstand beteiligt gewesen
waren - ihr gesamtes Vermögen wurde eingezogen, und sie sollten auch
roch an Leib und Leben gestraft werden; die Mitschuldigen, die während
ces Aufstands ein Amt innegehabt oder sich dem Aufstand danach ange­
schlossen hatten beziehungsweise dem «Winterkönig» zu Diensten gewe­
sen waren - sie sollten die Hälfte ihres Vermögens verlieren; schließlich die
bloßen Mitläufer des Aufstandes - sie sollten «mit der Verschlechterung
ihres Besitzes bestraft werden, ihr Allodbesitz in Lehnbesitz umgewandelt
oder ein jährlicher Zins ihnen auferlegt».132 Es war im Übrigen einer der
• Defenestrierten» vom Mai 1618, Wilhelm Slawata, der dem Kaiser diese
Politik der systematischen Konfiskation antrug und auf ihre Ausgestaltung
Einfluss nahm. Insofern war das kaiserliche Strafgericht auch eine Ausein­
andersetzung innerhalb des böhmischen Adels, durch die alte Geschlechter
enteignet und entmachtet wurden und neue Familien nach oben kamen.
190 E IN A U FSTA N D , D ER DAS R E IC H E R S C H Ü T T E R T

Der Bedeutendste dieser «Kriegsgewinnler» war Albrecht Wenzel Euse­


bius von Waldstein beziehungsweise Wallenstein, der als Oberst eines
Kürassierregiments an der Schlacht am Weißen Berg teilgenommen hatte
und nun bei der Neuverteilung des böhmischen Grundbesitzes eine große
Rolle spielte. Im Rahmen der Enteignungen wurde er zu einem der größten
Landbesitzer Böhmens.133 Der Krieg selbst brachte die Existenzen hervor,
die ihn weiterführten und intensivierten.134
Einige Monate zögerte Liechtenstein - Wedgwood nennt ihn «einen
mittelmäßigen Politiker, zaghaft, vorsichtig, mäßig unehrlich und ziemlich
schlau»135 - noch damit, die große Umwälzung in Böhmen voranzutreiben.
Mansfeld hielt weiterhin verschiedene Positionen in Westböhmen, und es
stand zu befürchten, dass ihm mit Beginn der Straf- und Rachemaßnahmen
gegen die Anführer des Aufstands eine Unterstützung zuteilwürde, mit der
er den Krieg um Böhmen neu entfachen konnte. Noch bevor Tilly Ende
März 1621 mit den in Pilsen verbliebenen Söldnern Mansfelds - der selbst
hielt sich zu dem Zeitpunkt in der Oberpfalz auf - einen Vertrag zur Über­
gabe der Stadt geschlossen hatte und die Mansfeld’schen Truppen gegen
die Zahlung von 140 000 Gulden136 aus Pilsen sowie Falkenau und Elbo-
gen abgezogen waren, ließ Liechtenstein am 20. Februar 1621 die führenden
Köpfe des Aufstandes festnehmen und den Prozess gegen sie vorbereiten.
Keiner der Betroffenen hatte an Flucht gedacht; sie gingen davon aus, der
Kaiser werde sie amnestieren und wieder in Gnade aufnehmen. Darin zeigt
sich ein weiteres Mal die grenzenlose Naivität, mit der ein Großteil des
böhmischen Adels den Aufstand betrieben hatte: als Spiel mit begrenztem
Einsatz, bei dem, wenn man verlieren würde, am Schluss alles so blieb, wie
es zuvor gewesen war. Umso größer war jetzt das Entsetzen; die Herren
wandten sich mit einer Bittschrift an den sächsischen Kurfürsten, der sich
beim Kaiser für sie verwenden und dafür sorgen sollte, dass sie weiterhin
im Genuss ihrer Besitzungen blieben.137 Die Frauen der Gefangenen schrie­
ben ähnlich lautende Bittgesuche an den Herzog von Bayern - doch vergeb­
lich. Der Kaiser wollte in Böhmen ein Exempel statuieren.
Das in Prag eingesetzte Gericht ordnete bei allen am Fenstersturz
Beteiligten die Konfiskation der Güter an und verhängte siebenundzwanzig
Todesurteile. Diese sollten bei einigen in besonders grausamer Weise voll­
Das kaiserliche Strafgericht über die böhmischen Rebellen 191

zogen werden. «So sollten dem ehemaligen Hauptmann des Prager Schlos­
ses, Dionys Cernin, weil er die Stände bewaffnet in die Burg eingelassen und
so den Fenstersturz ermöglicht hatte, zuvor zwei Finger der rechten Hand
abgehauen, dem Dr. Jessenius und dem Martin Fruewein die Zunge ausge­
schnitten, einigen andern früher die Hände abgehauen, einige bei lebendi­
gem Leib gevierteilt werden.»138 Die Urteile wurden Ferdinand vorgelegt,
und der wiederum befragte seine Vertrauten, wie er damit umgehen solle.
Peter Heinrich von Stralendorff riet dazu, alle Urteile in eine lebenslängliche
Galeerenstrafe umzuwandeln, fand dafür aber keine Unterstützung. So wur­
den die Urteile bestätigt, wenngleich ihr Vollzug in einzelnen Fällen abge­
mildert wurde. An dem Tag, an dem sie in Prag vollstreckt wurden, wollte
Ferdinand auf einer Wallfahrt in der Kirche Maria Zell frommen Übungen
nachgehen. Als Weihegeschenk für die Gottesmutter, die ihm so eindrück­
lich geholfen hatte, stiftete er eine goldene Krone im Wert von 10 000 Gul­
den.139Es ging dem Kaiser darum, sich durch das Prager Blutgericht nicht zu
beflecken und weiterhin des Beistands der Heiligen gewiss zu sein.
Die Exekution der Rebellen war auf den 21. Juni angesetzt und fand vor
dem Altstädter Rathaus statt. Den zum Tode Verurteilten hatte man geist­
lichen Beistand zugestanden, auch durch lutherische und utraquistische
Pfarrer, nicht jedoch durch reformierte Prediger und solche der böhmi­
schen Bruderunität. Das Abendmahl wurde in lutherischer Form ausgeteilt,
weshalb überzeugte Reformierte, wie Wenzel Budowecz, seine Annahme
verweigerten. Vereinzelt fanden auch Bekehrungsversuche durch katholi­
sche Geistliche statt, die aber erfolglos blieben. Ein Kanonenschuss kün­
digte den Beginn der Hinrichtungen an. Um Unruhen vorzubeugen, hatte
man die Stadttore geschlossen und Militär aufgeboten, darunter auch
Wallensteins Kürassiere, die als besonders zuverlässig galten. Graf Joachim
-Andreas von Schlick wurde als Erster aufs Schafott geführt und enthaup­
tet, erst danach wurde ihm die rechte Hand abgeschlagen; als Nächster war
Wenzel Budowecz an der Reihe, als Vierter Kaspar Cappleri de Sulewicz,
ein sechsundachtzigjähriger Mann, der stolperte und den Pfarrer Johan­
nes Rosacius bitten musste, ihn bis zum Richtblock zu führen, damit kei­
ner meine, er sei von Verzweiflung ergriffen.140 Vierundzwanzig Personen
wurden enthauptet, drei gehängt. Es war das Privileg des Adels, mit dem
tt£*fhcA|^Übüi^e^i^uicfeillxccution x&e mcLnbifX0yfiynt>$.nt
VC auffiVm^rurfcn tfmrm,vn$
? Ä r iÄ n »frb ifttitik fX m jJta ) &ic fneun (V()Jtffctiii Vierffm «üß üer
5(0» nffciiJemT&fert(t(ui
f?» ¥ ;;Ln& lcn ’ f ra,c" Strm.aitttr wti>~Siir
^ ^«•ffr ^fs’jtrfpunt xnn UuW|}tfe j«n?aÄ»
T prftitg • rnö■ ' rtga'icff trorftr7

Die Hinrichtung der siebenundzwanzig zum Tode verurteilten Anführer


des böhmischen Aufstands vor dem Prager Rathaus erfolgte in einer
feierlichen Zeremonie, durch die der Aufstand formell gesühnt und damit
beendet wurde. Auf dem Rathausbalkon vorne links haben sich die neuen
Herren mit dem kaiserlichen Statthalter Fürst Karl zu Liechtenstein
an der Spitze versammelt. Die Verurteilten werden nach Rang und
Stand exekutiert: Drei Bürgerliche werden gehängt, zwei auf dem
Exekutionspodest, einer gesondert im rechten oberen Bildviertel, während
die Adligen durch das Schwert hingerichtet werden. Die abgeschlagenen
Köpfe der wichtigsten Personen wurden anschließend am Brückenturm
aufgehängt (rechts oben), um möglichen Nachahmern als Abschreckung zu
dienen.

Schwert gerichtet zu werden; Bürger mussten mit dem Strick vorliebneh­


men. Dr. Jan Jessenius, Mediziner und Rektor der Prager Universität, wurde
zuvor noch die Zunge herausgeschnitten. Die Exekutionen zogen sich über
vier Stunden hin, ständig von Trommelwirbel begleitet, der verhindern
sollte, dass die Verurteilten sich an die Menge wenden konnten, die sich auf
dem Altstädter Ring versammelt hatte. Der Scharfrichter Jan Mydlär ver-
Der Krieg um die Pfalz 193

rrauchte vier Schwerter, da ein Richtschwert nach sechsmaligem Gebrauch


i_s stumpf galt. Er verdiente an diesem Tag 634 Taler, eine stattliche Summe.
Gemäß der Logik der Zeit machte er seine Sache gut, es kam zu keinen Pan­
nen. Die Köpfe von zwölf Verurteilten, dazu zwei abgehackte Hände und
i:e Zunge des Dr. Jessenius wurden am Turm der Altstädter Moldaubrü­
cke aufgehängt und blieben dort zehn Jahre lang, bis sie bei einem Vorstoß
sächsischer Truppen nach Prag entfernt wurden. Der böhmische Aufstand
endete am Vormittag des 21. Juni 1621 vor dem Rathaus der Prager Altstadt.
Aber der Krieg ging weiter. Mehr noch: Er begann jetzt erst richtig.

Der Krieg um die Pfalz

Ferdinand habe in Wien seinen Sieg gefeiert, aber die wahren Sieger dieser
ersten Phase des Krieges seien der spanische König Philipp III. und der
3 ayernherzog Maximilian gewesen - so das Urteil der britischen Historike­
rin Cicely Veronica Wedgwood.141 Legt man das Frühjahr 1621 zugrunde, so
hatten spanische Truppen die Rheinpfalz besetzt, womit die Spanier zwar
die logistischen Voraussetzungen für die Wiederaufnahme des Krieges
gegen die niederländischen Generalstaaten zweifellos verbessert, zugleich
aber eine weitere Front eröffnet hatten, an der Soldaten und Ressourcen
gebunden waren. Ob das von Vorteil sein würde, musste sich erst noch
zeigen. Immerhin, die nördlichen Niederlande hatten, entgegen den der
Union gegebenen Zusagen, keinen Diversionskrieg gegen die südlichen
Niederlande eröffnet, um die spanischen Truppen dort zu binden. Es war
durchaus möglich, dass der über zwölfJahre geltende und nun auslaufende
Waffenstillstand verlängert werden würde. Spanien wollte dem aber nur
unter Bedingungen zustimmen, die für das Weltreich günstiger waren als
die bisherigen,142 und ob die Holländer dann noch zur Verlängerung des
Waffenstillstands bereit wären, blieb abzuwarten. Genaugenommen hatte
Spanien noch gar nichts gewonnen, sondern nur seine Ausgangspositionen
verbessert. Das galt nicht weniger für den Bayernherzog Maximilian: Er
war zwar der glänzende Sieger des Böhmenkriegs, und Kaiser Ferdinand
194 E IN A U FSTA N D , D ER DAS R E IC H E R S C H Ü T T E R T

stand tief in seiner Schuld, aber weder hatte Bayern zu diesem Zeitpunkt
den erhofften Gebietszuwachs erfahren, noch war die in einem geheimen
Zusatz zum Münchner Vertrag in Aussicht gestellte Übertragung der pfäl­
zischen Kur auf Maximilian erfolgt. 143 Maximilian hatte Oberösterreich als
Pfand in der Hand, mehr nicht.
Den eigentlichen Sieger der Ereignisse nennt Wedgwood nicht: Es war
Johann Georg von Sachsen, der nicht nur die Kontrolle über die Ober- und
Niederlausitz erlangt, sondern sich auch als der wahre und weitsichtige Füh­
rer der deutschen Protestanten positioniert hatte. Sein Rivale Friedrich V.
hatte sein Renommee verspielt; selbst in Brandenburg wollte (und konnte)
man ihm keinen Schutz gewähren, eine Rückkehr in die Pfalz war infolge
der Kriegslage und der am 29. Januar 1621 erfolgten Ächtung des Pfalzgrafen
unmöglich, und die Union, deren Direktor der Pfälzer war, stand kurz vor
der Auflösung. Der einzige Ort, wo er einen einigermaßen sicheren Exilauf­
enthalt fand, war Den Haag in den Niederlanden.144Aus Sicht der Luthera­
ner in Dresden, Darmstadt und weiten Teilen Norddeutschlands war jetzt
die Gelegenheit, Frieden zu schließen und die Verhältnisse im Reich so zu
ordnen, dass dieser Friede von Dauer war.
Aber ein solcher Friedensschluss war für den reichskonservativen Pro­
testantismus nicht einfach zu erreichen. Cicely Veronica Wedgwood, die
das Problem in den 1930er Jahren sorgfältig durchdacht hat, nennt vier Vor­
aussetzungen für einen Friedensschluss nach dem Ende des böhmischen
Krieges:145 Kurfürst Friedrich musste unter Verzicht auf die böhmische
Krone den Kaiser um Vergebung bitten, und dieser musste die erbetene
Amnestie gewähren; sodann musste Spanien sich aus der Pfalz zurückzie­
hen und die dort errungenen Vorteile wieder aufgeben, damit Friedrich in
die Kurpfalz zurückkehren konnte; weiterhin musste der in der Oberpfalz
mit der Neuaufstellung eines Heeres beschäftigte Mansfeld seine Soldaten
abdanken; und schließlich musste Ferdinand seine Schulden bezahlen, und
zwar vollständig, damit die im geheimen Zusatz zum Münchner Vertrag
vorgesehene Übertragung der Kurwürde nicht vollzogen werden musste.
Tatsächlich wurde keine dieser Voraussetzungen erfüllt. Die letztgenannte
war sachlich unerfüllbar, und zwei weitere hätten die Akteure gezwun­
gen, gegen ihre objektiven Interessen zu handeln. Nur auf die böhmische
Der Krieg um die Pfalz 195

3 d) faire eine £iu)Cl fliegen mitte iardj


W^|«im<Ocr f)n(ic cui £iccg
£ « * «gelten j u vcrlöinbtgcn Jetinen
JtcjjnhfffrJcn (äjeu vni woimcn Jcr
,^<T5r ad) mit grojcr (hin f lirchfct
f (joö enit gebet tut Jie fljre.
»‘ 7
A-t-M
^“rc^ &j«-

3«jj Ü einen guSttt,


3d) aber bleibe^
mJan Ons t«j>vk Bugmg Jet Jef) finit CGuben ;
ig&brntt l)ab \
uno mir Utrfrn «fjafcn, f)in6rf t(l mir
u>ef tfl (internal teygeircjt Jtc fronJtt
L ticrccbfi&tt. VltUyt nir
IS trfje n : nnfencmfa;

^ « cn mirt.ituh a'.’ct
fftttfige <jri(l ^Kr.ir aiitm K'iu'tf nuin
■ «itniu Hint&^ct

— ^!‘

'Päp/hfific On,firaÄcS in dir .Augfpurqifckc Confeßu Verworffr,


Confcfsion kü rtjhd ) begriffen,
■unpcf. auff den feilen Jer JVopfcfcA vnj Apoffef in (jdfkr U>ert irurtocf, itiuf) t)itrt6 der AÄer(jöi;|7mfrljufj
:lf51(u|c ßff Vn<) mxjcyää Jtefe IgtmJerf /aljr Über fitfctit^feitb erraffen uni
rcn. vnJ fefjuidtger OandcLrfccit au f der \Sbemclifen Conleüion.f
^an Jtrf IjnJjren 3 al>fclc, tui(7 dem. Palmen. 174 £s Weben J tr „
QVIa. aVDIcrVnt o M n la Verira. orls t V I .

Das Flugblatt stellt den Protestantismus in der lutherischen


Ausprägung als die wahre Religion dar: im Zentrum ein siebenarmiger
Leuchter, der auf der Bibel als sicherem Fundament steht. Die Kerzen
an den Spitzen des Leuchters sind durch den als Taube dargestellten
Heiligen Geist entzündet worden. Der Altarsockel, auf dem der
Leuchter steht, wird durch Kurfürst Johann Georg von Sachsen und
Martin Luther flankiert, die den Bund mit Gott schützen: der Kurfürst
mit dem Schwert, der Reformator mit dem Buch.
196 E IN A U FSTA N D , D ER DAS R E IC H E R S C H Ü T T E R T

Krone hätte Friedrich verzichten können, ohne seine tatsächliche Lage zu


verschlechtern. Doch er dachte nicht an einen derartigen Schritt, sondern
bemühte sich um große Bündnisprojekte, wie sie schon früher die pfälzi­
sche Politik gekennzeichnet hatten. Er entsandte Boten, die mit den Schwe­
den, den Dänen, den Niederländern und den Briten Verhandlungen über
die Weiterführung des Krieges einleiten sollten, und beauftragte Mansfeld,
Werbungen vorzunehmen und neue Truppen aufzustellen.
Für Friedrich fiel all dies unter die Vorstellung eines legitimen Wider­
stands. Solange er sich jedoch nicht unterwarf, gab es für Spanien auch kei­
nen Grund, die in der Rheinpfalz stehenden Truppen abzuziehen. Zudem
war unklar, welche Politik Spanien gegenüber den Niederlanden verfolgen
würde: Philipp III. starb am 31. März 1621, und sein Sohn Philipp IV. war
damit beschäftigt, den Kreis seiner Vertrauten und Berater neu zu ordnen.
Eine gewisse Rolle spielte auch, dass die Truppen Spinolas nicht als Ver­
bände Spaniens, sondern als solche des burgundischen Reichskreises in
die Rheinpfalz eingerückt waren und damit über dieselbe Legitimation
verfügten, wie sie auch Maximilian in Böhmen für sich in Anspruch nahm.
Aber das war bloß die Fassade, hinter der sich die Interessen der den Kai­
ser unterstützenden Mächte verbargen - und da Ferdinand II. notorische
Geldprobleme hatte, zumal jetzt, als mit Böhmen das reichste seiner Erb­
länder wirtschaftlich ruiniert war, war es ihm unmöglich, seine Helfer zu
bezahlen. Er musste sie anderweitig entschädigen. Im Falle Maximilians war
das die in Aussicht gestellte Inbesitznahme der Oberpfalz und die Übertra­
gung der pfälzischen Kurwürde. Vor allem deswegen konnte der Krieg nach
der Schlacht am Weißen Berg und der Vertreibung der letzten Truppen, die
Friedrichs Sache unterstützten, nicht beendet werden. Mit anderen Wor­
ten: Die Abhängigkeit des Kaisers vom Bayernherzog führte dazu, dass der
Krieg, der bislang auf den ostmitteleuropäischen Raum beschränkt war,
nunmehr nach Westen, an Rhein, Main und Neckar, verlagert wurde.
Diese Verlagerung146begann am 29. Januar 1621, als über Kurfürst Fried­
rich die Reichsacht verhängt wurde. Es handelte sich dabei um einen reichs­
rechtlich äußerst fragwürdigen Vorgang, denn der Kaiser griff damit in die
Rechte derer ein, die ihn in Frankfurt gewählt hatten und denen gegenüber
er gelobt hatte, die Ordnung des Reiches jederzeit zu achten und zu bewah­
Der Krieg um die Pfalz 197

ren. Bei einem so weitreichenden Schritt, wie es die Ächtung eines Kurfürs­
ten war, hätte Ferdinand zumindest die Zustimmung der anderen Kurfürs­
ten einholen müssen - was er wohlweislich nicht tat, denn Kursachsen und
Kurbrandenburg hätten sie in jedem Fall verweigert. Der Kaiser musste den
Schritt jedoch tun, um seine Zusagen gegenüber Maximilian einlösen zu
Können, denn erst wenn Friedrich geächtet war, konnte die Besetzung der
Oberpfalz als Reichsexekution dargestellt werden. Obendrein war Maxi­
milian erst durch die Ächtung Friedrichs von den Regelungen des Ulmer
Vertrags entbunden, in dem er sich gegenüber der Union verpflichtet hatte,
dass Truppen der Liga nicht in das Gebiet von Unionsmitgliedern Vordrin­
gen würden. Gegenüber einem Geächteten, so ließ sich argumentieren, gal­
ten solche Zusagen nicht. Der Kaiser saß in einer Falle, die er selbst aufge­
stellt hatte, als er im Oktober 1619 den Bayern um Hilfe gegen die Böhmen
gebeten und unter dem Einfluss von Graf Onate Maximilians Forderungen
akzeptiert hatte.147
Friedrich mochte am Ausbruch des Krieges eine gewisse Mitschuld
haben, denn ohne sein leichtfertiges Agieren wäre der böhmische Aufstand
eine «innerhabsburgische» Angelegenheit geblieben. Aber daran, dass der
Krieg mit der Niederschlagung des böhmischen Aufstands nicht zu Ende
w ar, trugen Ferdinand und Maximilian die Hauptschuld - wenn man über­
haupt von Schuldigen sprechen will. Die Feststellung von Schuld ist an
eine auf Akteure zentrierte Perspektive gebunden; betrachtet man das Jahr
1621 dagegen aus systemischer Perspektive, so ist festzustellen, dass durch
den Krieg in Böhmen - im Unterschied zu dem vorangegangenen Krieg
am Niederrhein148 - so viele Streitpunkte und Problemfelder miteinander
verknüpft worden waren, dass sie sich mit politischen Mitteln vorerst nicht
voneinander trennen ließen. Eine solche Trennung aber wäre die Vorausset­
zung dafür gewesen, dass man sich im Frühjahr 1621 auf einen Frieden hätte
verständigen können. Erst siebenundzwanzig Jahre später, in den Verhand­
lungen von Münster und Osnabrück, sollte es gelingen, die Problemfelder
zu separieren.

Mansfeld und seine Kadertruppen waren bei alldem noch die geringste
Schwierigkeit. Nach dem Rückzug aus Westböhmen hatte der Kriegsun­
198 E IN A U FSTA N D , D ER DAS R E IC H E R S C H Ü T T E R T

ternehmer sein Rriegsvolk zwischen dem Flüsschen Naab und der böh­
mischen Grenze versammelt. Er war Friedrichs Wunsch gefolgt und stellte
neue Truppen auf, um erneut nach Böhmen vorzustoßen beziehungsweise
die Oberpfalz gegen den erwarteten Angriff der Liga-Truppen zu verteidi­
gen. Mansfelds ständig wachsende Streitmacht wurde aus den begrenzten
Ressourcen der Oberpfalz versorgt, Subsidien aus den Niederlanden kamen
noch hinzu. 149 Im Mai bezog Mansfeld nahe der böhmischen Grenze eine
feste Stellung, von der aus er Vorstöße auf böhmisches Gebiet unternahm;
behaupten konnte er sich dort nicht, da ihm auf der böhmischen Seite Tilly
mit den verbliebenen ligistischen Truppen gegenüberstand. 150
Es kam zu gelegentlichen Scharmützeln, die sich zwischen Juli und Sep­
tember 1621 zu einem regelrechten Stellungskrieg steigerten, in dem sich
beide Seiten mit Kanonen beschossen und Kommandoaktionen gegen die
Stellungen der anderen Seite durchführten.151 In diesen stationären Abnut­
zungskrieg kam Bewegung, als Maximilian im Raum Straubing einen grö­
ßeren Truppenverband aufstellte, mit dem er von Süden her in die Ober­
pfalz vorstieß, so dass Mansfeld in Gefahr geriet, von Tilly und Maximilian
in die Zange genommen zu werden. In die Enge getrieben, nahm Mansfeld
die zuletzt erfolgreiche Praxis wieder auf, mit dem Gegner zu verhandeln
und den Eindruck zu erwecken, er werde, wenn man ihm nur genügend
Geld biete, die Seiten wechseln. Diese Aussicht war für Maximilian äußerst
attraktiv, da sie ihm die Chance bot, die Oberpfalz ohne Kampf und die
damit verbundene Verwüstung des Landes in Besitz zu nehmen, während
der Pfälzer Friedrich mit einem Schlag ohne eigene Truppen dastünde.152
Wie üblich zogen sich die Verhandlungen in die Länge; Mansfeld erhöhte
seine Forderungen, reduzierte sie wieder, und so verging die Zeit. Zwi­
schen dem 8. und 10. Oktober verließ Mansfeld dann, von der Gegenseite
offenbar unbemerkt, jedenfalls nicht daran gehindert, die Oberpfalz und
marschierte in Eilmärschen nach Westen. Das von ihm geführte Heer
bestand aus 10 000 bis 12 000 Fußsoldaten, 3000 bis 4000 Reitern und
18 Kanonen.153 Das war eine beachtliche Streitmacht, mit deren Ankunft
sich das Kräfteverhältnis am Rhein schlagartig veränderte.
Die Verteidigung der Rheinpfalz gegen die spanischen Truppen stützte
sich auf drei Festungen: die Festungsstädte Mannheim und Frankenthal
Der Krieg um die Pfalz 199

sowie die gut befestigte Residenzstadt Heidelberg. Die kurpfälzischen


Streitkräfte, nicht mehr als 5000 Mann, hatten sich dorthin zurückgezogen,
wo sie im Frühherbst 1621 von niederländischen und englischen Truppen
verstärkt wurden.154 Die niederländischen Generalstaaten hatten sich doch
noch entschlossen, ihrem alten Verbündeten zu Hilfe zu kommen, aber da
i er Waffenstillstand mit Spanien bald auslief und sie ihre Kräfte « zu Hause »
brauchten, hatten sie nur kleine Einheiten entsandt. Auch Jakob I. leistete
seinem ins Unglück geratenen Schwiegersohn nun militärischen Beistand
und hatte ein Regiment unter Oberst Horace Vere über den Ärmelkanal
geschickt, das von Holland aus rheinaufwärts in die Pfalz marschiert war.
Die pfälzischen Truppen und ihre niederländisch-englischen Unterstüt­
zer waren den in die Rheinpfalz eingerückten spanisch-flandrischen Ein­
heiten unter Ambrosio Spinola kräftemäßig deutlich unterlegen, aber der
Rückhalt durch die drei Festungen glich das vorerst aus. Schließlich war
ein Teil der spanischen Truppen in die spanischen Niederlande zurückmar­
schiert, um dort den Krieg gegen die Generalstaaten wieder aufzunehmen.
Für einen umfassenden Belagerungskrieg indes genügten die verbliebe­
nen etwa 11000 Mann unter dem Kommando des spanischen Generals
Gonzalo Fernändez de Cordoba kaum. Sie konzentrierten sich auf Mann­
heim, die stärkste der drei Festungen, in der Erwartung, dass ihr Fall auch
die beiden anderen zur Kapitulation bewegen würde. Aber in Mannheim
Kommandierte der Engländer Vere, ein erfahrener Soldat, den der Pfalzgraf
zum General in der Rheinpfalz ernannt hatte, und der dachte nicht daran,
die Festung zu übergeben.
Zwar hatte man auch in Böhmen und Mähren zeitweise einen Festungs-
Krieg geführt, aber dieser war vorwiegend ein Begleiter des Bewegungs- und
Scharmützelkrieges gewesen, der bis zur Entscheidungsschlacht am Weißen
Berg das Kriegsgeschehen geprägt hatte. In der Rheinpfalz trafen dagegen
Truppen und Kommandeure aufeinander, die mit dem Festungskrieg, wie
er während der letzten drei Jahrzehnte in den Niederlanden praktiziert wor­
den war, aufs Beste vertraut waren. Festungskrieg beruht auf dem Grund­
satz der Entschleunigung, durch die der Gegner erschöpft und ermattet
werden soll. Die sich über Monate hinziehende Belagerung einer Festung
war teuer, hatte große logistische Anstrengungen vor allem bei den Belage­
200 E IN A U FSTA N D , D ER DAS R EIC H E R S C H Ü T T E R T

rern zur Folge, führte bei widrigen Wetterverhältnissen gerade bei ihnen
zu erhöhten Krankheitsraten beziehungsweise zum Ausbruch von Seuchen
und demoralisierte die Soldaten, wenn die Belagerung schließlich erfolglos
aufgehoben werden musste. Auch erhöhte diese Art der Kriegführung die
Verwundbarkeit der Belagerer, die leicht zwischen zwei Fronten geraten
konnten, wenn den Belagerten Entsatz zu Hilfe kam. Also mussten sie nicht
nur Erdwerke zum Schutz gegen Ausfälle der Festungstruppen errichten,
sondern auch solche zum Schutz ihres Rückens, was zusätzlich Zeit kostete
und bei den Soldaten für Unzufriedenheit sorgte. Schanzarbeiten waren
nämlich ausgesprochen unbeliebt, und die Söldner bevorzugten es, wenn
dazu Bauern aus der Umgebung herangezogen wurden. Eine Stadt verteidi­
gungsfähig zu machen, war aber auch nicht ganz einfach. In Friedenszeiten
entstanden vor den Stadtmauern und Bollwerken Vorstädte, zumeist aus
kleinen Häusern und Katen, in denen die ärmere Bevölkerung lebte, und
diese Vorstädte wurden von den Verteidigern nunmehr abgerissen oder
niedergebrannt, um freies Schussfeld zu haben und dem Angreifer keine
Unterkünfte für seine Soldaten zu bieten. Belagerungskrieg war stets mit der
ausgreifenden Verwüstung der Umgebung einer Festung verbunden. 155
Um einem Angreifer, der über schwere Kanonen verfügte, Widerstand
leisten zu können, hatte sich der Bau von Befestigungswerken seit dem
Spätmittelalter grundlegend verändert. 156 An die Stelle der hohen Mauern,
die mit Leitern gestürmt werden mussten, waren abgeschrägte Bastionen
getreten, die sich nach einem geometrisch ausgeklügelten System von Win­
keln und Vorsprüngen gegenseitig deckten, so dass ein Angreifer unter flan­
kierendes Feuer genommen werden konnte. Unter solchen Umständen war
ein Frontalangriff unmöglich oder zumindest mit so schweren Verlusten
verbunden, dass die meisten Angreifer davor zurückschreckten. Während
in die herkömmlichen Burg- und Stadtmauern, die umso furchteinflößen­
der waren, je höher sie aufragten - man spricht auch von einer «vertikalen
Verteidigung» - , von schweren Belagerungsgeschützen relativ schnell eine
Bresche geschlagen werden konnte, hielten die auf ihrer Innenseite durch
Erdaufschüttungen abgestützten Bastionen der neuartigen Festungsanla­
gen auch längerem Artilleriebeschuss stand. Der Sturm auf eine Festung
musste also gründlich vorbereitet werden, und dazu gehörte neben syste­
Der Krieg um die Pfalz 201

matischem Beschuss auch das Vortreiben gedeckter Gräben, in denen die


Belagerer bis in unmittelbare Nähe der Verteidigungswerke kamen, um sie
zu unterminieren oder in einem handstreichartigen Angriff zu nehmen. Bei
dieser Art der Kriegführung spielten Mathematiker und Ingenieure eine
zentrale Rolle, womit eine Verwissenschaftlichung des Krieges um sich
griff und an die Stelle von Tapferkeit und Schneid Berechnung und Syste­
matik traten.157 Vor Beginn des Dreißigjährigen Krieges hatte es im Reich
euren regelrechten Bauboom bei der Modernisierung von Festungsstädten
gegeben.158 Der Festungs- und Belagerungskrieg wurde neben der eher
seltenen Entscheidungsschlacht, dem Scharmützelkrieg sowie dem Beute­
krieg zur vierten «Säule» der Kriegführung zwischen 1618 und 1648. Durch
die systematische Entschleunigung des Kriegsgeschehens hat er das Seine
zur langen Dauer des Krieges beigetragen.
Seit dem Auftauchen Mansfelds und seiner Streitmacht war es mit dem
Festungs- und Belagerungskrieg in der Rheinpfalz vorerst vorbei: Cordoba
musste die Belagerung Mannheims aufgeben und sich auf gesicherte Posi­
tionen in der nördlichen Rheinpfalz zurückziehen, um von Mansfeld nicht
im Rücken gefasst zu werden. Da sich Vere und Mansfeld nicht über das
Oberkommando verständigen konnten und offenbar auch unterschiedliche
Vorstellungen darüber hatten, wie der Krieg weitergeführt werden sollte,
verfolgten sie Cordoba nicht, sondern trennten sich wieder; Vere konzen­
trierte sich auf die Verteidigung der rheinpfälzischen Festungen, während
Mansfeld am Mittel- und Oberrhein einen Beutekrieg begann, der gegen
die dortigen Mitglieder der katholischen Liga gerichtet war und der Versor­
gung seiner Söldner diente. Bistümern und Städten wurden Nahrungsmit­
tel und Geld abgepresst, und dabei entwickelte sich ein Typ von Kriegfüh­
rung, der sehr schnell Schule machte. «Die Mansfelder», heißt es in einem
zeitgenössischen Bericht, «haben die armen unbewehrten Bauern hau-
tenweise in die brennenden Häuser mitten in die Flammen geworfen, und
diejenigen, die sich retten wollten, wie die Hunde niedergeschossen. Sie
haben die Kirchen aufgebrochen, beraubt, die Altäre abgerissen, das heilig
hochwürdige Sakrament mit Füßen getreten, einander ihre blutrünstigen
Schuhe mit dem heiligen Öle und Chrysam angestrichen und beschmiert.
Sie haben die Taufsteine ausgeschüttet und beschmiert und sie auf unehr-
202 E IN A U FSTA N D , D ER DAS R EIC H E R S C H Ü T T E R T

liehe Weise zuschanden gemacht. Sie haben alle Weibspersonen öffentlich


geschändet und nach verübtem Mutwillen dieselben ins Feuer geworfen.
Sie haben junge Kinder von neun, zehn Jahren mit unaussprechlicher teuf­
lischer Unzucht verderbt, so lange unmenschlich rottenweise geschändet,
bis sie unter ihnen gestorben. Wie dann junger und alter Weibsbilder eine
gute Anzahl danach in offenen Wegen, in den alten verbrannten Scheuern
noch unehrlich, unbedeckt tot gefunden worden, andere aber dermaßen
verderbt, daß sie kaum atmen können und nach wenigen Tagen ebenfalls
weggestorben.»159 Die der Truppenversorgung dienenden Plünderungen
gingen einher mit sadistischen Grausamkeiten, sexueller Gewalt und der
Schändung sakraler Gegenstände. In Letzterem zeigte sich die religiöse
Aufladung der Gewalt, die daraufhinweist, in welchem Maße dieser Krieg
durchweg auch ein Religionskrieg war. Mansfeld jedenfalls war bestrebt,
seine Söldner auf Kosten des Hauses Habsburg zu versorgen, und da der
Habsburger Erzherzog Leopold Bischof von Straßburg war, fiel er ins Eisass
ein, um dort Kontributionen einzutreiben und zu plündern.160
Die Schwierigkeiten Veres und Mansfelds, sich auf einen gemeinsamen
Kriegsplan und über das Oberkommando zu verständigen, wiederholten
sich im Verhältnis zwischen Cordoba und dem Ende Oktober an Neckar
und Rhein eingetroffenen Tilly.161 Möglicherweise warf Cordoba Tilly
vor, dass er Mansfeld aus der Oberpfalz habe entkommen lassen, aber mit
Sicherheit zeigten sich darin auch die unterschiedlichen politischen Inter­
essen der Spanier und der Liga: Während Tilly die Pfalz für Bayern erobern
sollte, setzten die Spanier zu diesem Zeitpunkt noch auf die Wiedereinset­
zung des Kurfürsten Friedrich unter ihrem Protektorat. Nachdem sich die
beiden Männer uneins getrennt hatten, schickte sich Tilly an, Heidelberg
zu belagern, während Cordoba in der nördlichen Pfalz Quartier bezog.
Mansfeld behielt derweil infolge seiner höheren Beweglichkeit die strate­
gische Initiative. Er hatte die Fußtruppen im Rhein-Neckar-Raum einquar­
tiert, während er mit seinen Reitern hier und dort auffauchte, um Beute zu
machen und das Land zu verheeren.

So ging das Jahr 1621 zu Ende, ohne dass erkennbar war, welche Seite an
Rhein und Neckar die Oberhand gewinnen würde. Ein schwerwiegendes
Der Krieg um die Pfalz 203

Manko lastete freilich auf der Sache des Kurfürsten, und das bestand darin,
dass sich die protestantische Union am 14. Mai 1621 aufgelöst hatte. Friedrich
hatte dadurch seine letzte eigene Machtbasis verloren; fortan war er gänz­
lich auf die Hilfe fremder Mächte angewiesen. Was die Schlacht am Weißen
Berg für ihn als böhmischen König bedeutet hatte, war der Heilbronner
Beschluss zur Auflösung der Union für ihn als pfälzischer Kurfürst. 1617
war das Unionsbündnis um vier Jahre verlängert worden, im Frühsommer
1621 hätte es erneut verlängert werden müssen. Dies wurde zum Problem,
seitdem Friedrich, der Kopf und Anführer der Union, vom Kaiser geächtet
war: Jeder, der ihn nun unterstützte, lief selbst Gefahr, der kaiserlichen Acht
zu verfallen. Zwar hatte man bei einer ersten Versammlung in Heilbronn
am 7. Februar 1621 noch die finanziellen Mittel zum weiteren Unterhalt der
Truppen bewilligt und auch die Verpflichtung zum Schutz der Kurpfalz
anerkannt, aber einige Unionsangehörige hatten das unter dem Vorbehalt
getan, dass diese Verpflichtung in zwei Monaten auslaufen werde und die
beschlossenen Zahlungen nur noch zur Abwicklung der Armee dienten.162
Der vom Kaiser damit beauftragte Landgraf Ludwig von Hessen-Darmstadt
war nach Heilbronn gekommen, um den Versammelten die Risiken einer
weiteren Unterstützung des Pfalzgrafen in aller Deutlichkeit vor Augen zu
führen. Bei den traditionell reichstreuen Städten stieß er damit schon halb
geöffnete Türen auf. Als erste Stadt kündigte Straßburg die Beteiligung an
den Kriegskosten der Union, und als den anderen Städten eine Frist von
sechs Wochen eingeräumt wurde, um dem Straßburger Beispiel zu folgen,
taten sie es allesamt. Einer der Gründe dafür war, dass die Städte durch
die Achtung am stärksten verwundbar waren, da ihre über Land ziehenden
Kaufleute ohne kaiserlichen Schutz nicht auskamen. War eine Stadt geäch­
tet, so konnte sich jeder ungestraft am Eigentum ihrer Händler und Kauf­
leute vergreifen, und wer in der Stadt Geld geliehen hatte, musste es nicht
zurückzahlen. Unter diesen Umständen war den Städten ihr Eigeninteresse
wichtiger als die Solidarität mit den protestantischen Glaubensbrüdern.
Als Nächstes fiel ausgerechnet Landgraf Moritz von Hessel-Kassel ab.
Was er fürchtete, war nicht die Ächtung durch den Kaiser, sondern die an
seiner Grenze aufmarschierten spanischen Truppen des Generals Spfnola.
Dieser Macht waren die Streitkräfte des Landgrafen nicht gewachsen, und
204 E IN A U FSTA N D , D ER DAS R EIC H E R S C H Ü T T E R T

da mit nennenswerten Bündnispartnern nicht zu rechnen war, gab ausge­


rechnet einer der frühen Anführer des kämpferischen Protestantismus als
Erster unter den Fürsten auf und erließ am 24. März 1621 Instruktionen, die
auf ein Ausscheiden seines Landes aus der Union hinausliefen.163 Danach
gab es kein Halten mehr: Der Herzog von Württemberg und der Markgraf
von Ansbach beantragten, unter Vermittlung des Landgrafen Ludwig und
des Erzbischofs von Mainz mit Spinola einen Vertrag auszuhandeln, der es
ihnen ermöglichte, die Truppen der Union aus der Rheinpfalz zurückzuzie­
hen beziehungsweise sie von den kurpfälzischen Truppen zu trennen. Dazu
wurde ihnen zunächst eine Frist bis zum 14. Mai und dann bis zum 31. Juli
zugestanden. Am 14. Mai trafen die verbliebenen Mitglieder der Union ein
letztes Mal in Heilbronn zusammen, um die besagte Auflösung des Bünd­
nisses zu beschließen.
Dieser Beschluss nimmt sich aus wie der Schlusspunkt einer länger­
währenden Agonie. Darum handelte es sich zweifellos auch; insofern hat
die Heilbronner Übereinkunft: vom 14. Mai 1621 nichts Dramatisches, son­
dern steht nur für das formale Ende eines längeren Zerfallsprozesses. Er
war zugleich aber auch das Ende eines handlungsfähigen Protestantismus
innerhalb des Reichs; von nun an handelten die einzelnen protestantischen
Fürsten und Städte unabhängig voneinander, orientiert an der allgemeinen
Lage und den eigenen Interessen. Unter diesen Umständen war man den
vereinten Kräften der Liga und des Kaisers nicht gewachsen. Politische
Handlungsfähigkeit erlangte der deutsche Protestantismus fortan nur noch,
wenn ihm auswärtige Mächte zu Hilfe kamen, sei es aus konfessioneller
Solidarität, sei es aus machtpolitischen Interessen. Insofern war das Ende
der Union ein weiterer Schritt bei der Internationalisierung des Konflikts,
und tatsächlich wirkte die Schwäche des deutschen Protestantismus wie
ein Sog, der unablässig Kräfte von außen in den Krieg hineinzog.
Der Markgraf von Baden und Christian von Braunschweig 205

Der Markgraf von Baden


und Christian von Braunschweig

Bevor unter der Führung des Dänen Christian IV. und des Schweden Gus­
tav Adolf die nordischen Mächte in den Krieg eingriffen, waren es zwei
deutsche Reichsfürsten, die dafür sorgten, dass die militärische Wider­
standskraft des Protestantismus nicht auf die Söldner des notorisch unzu­
verlässigen Mansfeld beschränkt blieb. Dieser hatte die im Eisass und in Tei­
len der Rheinpfalz bezogenen Winterquartiere genutzt und seine Truppen
durch neue Werbungen verstärkt. Sein Ruf, dass bei ihm der Sold zwar nur
unregelmäßig ausgezahlt werde, man aber ungehemmt rauben und plün­
dern könne, sorgte dafür, dass er entsprechenden Zulauf hatte. Im Frühjahr
1622, als die Witterung wieder größere militärische Bewegungen erlaubte,
hatte Mansfeld seine Truppen auf insgesamt 35 000 Mann gebracht. Das
war eine beachtliche Streitmacht, freilich eine von sehr unterschiedlicher
Kampfstärke, bei der man bezweifeln konnte, dass sie einem zahlenmäßig
gleich starken Gegner, wie den Truppen der Liga unter Tilly oder einem
spanisch-flämischen Heeresverband unter Cordoba, auf dem Schlachtfeld
gewachsen war. Mansfeld scheint das gewusst und selbst an der Kampfkraft
seiner Truppen gezweifelt zu haben, denn er achtete während des gesamten
Kriegsjahres rö22 darauf, dem Gegner auszuweichen. Nur einmal stellte er
sich zur Schlacht, und das auch nur, weil er dabei aus einem Hinterhalt agie­
ren konnte und außerdem drückend überlegen war. Zumeist aber waren
das Heer der Liga, die spanischen Truppen, die Verbände des Erzherzogs
Leopold sowie die kaiserlichen Einheiten, die zusammen über eine Stärke
von etwa 100 000 Mann verfügten, deutlich überlegen - jedenfalls solange
sie koordiniert agierten.164
Wäre es dabei geblieben, hätte sich Mansfeld in der Pfalz nicht halten
können. Aber im Kriegsjahr rö22 tauchen zwei Männer auf, die auf eigene
Faust und eigene Rechnung Truppen anwarben und mit ihnen auf Seiten
des Kurpfälzers in den Krieg zogen. Einer der beiden war Markgraf Georg
Friedrich von Baden-Durlach, ein kämpferischer Protestant, obwohl
Lutheraner, den die Selbstauflösung der Union zutiefst beschämt hatte und
206 E IN A U FSTA N D , D ER DAS R E IC H E R S C H Ü T T E R T

für den es mit seinem Glauben und seiner Ehre nicht vereinbar war, den
Pfalzgrafen im Stich zu lassen.16s Georg Friedrich war sich über das Risiko
seines Eintretens für den geächteten Pfalzgrafen im Klaren, deswegen
dankte er am 22. April 1622 zugunsten seines Sohnes Friedrich ab. Im vor­
angegangenen Winter hatte er eine aus Landeskindern und Geworbenen
bestehende Streitmacht zusammengestellt, mit der er in den Krieg um die
Pfalz eingreifen wollte. Die Markgrafschaft Baden und das Erbe seines Soh­
nes sollte dadurch jedoch nicht in Mitleidenschaft gezogen werden, deswe­
gen trennte Georg Friedrich seine Herrschaft von dem geplanten Kriegszug.
Da er in den zurückliegenden Jahren solide gewirtschaftet hatte, verfügte
er über genügend Geld, um die Truppen auszurüsten und für einige Zeit
zu versorgen. Der Markgraf konnte sich freilich keine langwierige Krieg­
führung erlauben und musste darum die Entscheidungsschlacht suchen.
Georg Friedrich war mit den zeitgenössischen Kriegstheorien gut ver­
traut und hatte viel gelesen, verfügte aber über keine größeren praktischen
Kriegserfahrungen.166 Er war ein Theoretiker, der sich anheischig machte,
den Praxistest zu bestehen.
Christian von Braunschweig, der andere der beiden, die Pfalzgraf
Friedrich zu Hilfe kamen, war das genaue Gegenteil des Markgrafen.167 Er
war mehr als ein Vierteljahrhundert jünger als der Markgraf und handelte
in einer Mischung aus jugendlichem Überschwang und Abenteuerlust,
romantischen Ritterlichkeitsvorstellungen, in denen sich Minne- und Waf­
fendienst miteinander verbanden, und einer Abneigung gegen jede Form
traditioneller Autorität und deren Bedeutung für die Ordnung des Reichs.
Als jüngerer Bruder des Herzogs Friedrich Ulrich von Braunschweig-Wol-
fenbüttel hatte er keinen Anspruch auf ein eigenes Herrschaftsgebiet. Seine
Mutter hatte deshalb dafür gesorgt, dass er im Alter von sechzehn Jahren
als Administrator des Bistums Halberstadt eingesetzt wurde, aus dem er
hinreichend Mittel bezog, um ein angenehmes Leben zu führen. Das aber
war Christians Sache nicht, und so hatte er die Halberstädter Mittel bereits
1621 genutzt, um in den Krieg einzugreifen, war dabei aber nicht sonderlich
weit gekommen.168 Ein überzeugter Glaubenskämpfer scheint Christian
nicht gewesen zu sein, auch wenn der Spott, mit dem er seine katholischen
Gegner überschüttete, nahelegt, dass er sich mit den theologischen Kontra-
Der Markgraf von Baden und Christian von Braunschweig 207

Der jüngere Sohn


des Herzogs von
Braunschweig-
Wolfenbüttel war eher
ein Abenteurer als ein
Kriegsunternehmer,
tollkühn und verwegen,
aber militärisch ohne
Fortune. Er inszenierte
sich als Ritter der aus
Böhmen vertriebenen
Elisabeth Stuart und
brachte dadurch einen
romantischen Zug
in die Kriegführung.
Das heroische
Porträt Anton van
Dycks zeigt ihn nach
der erfolgreichen
Durchbruchsschlacht
von Fleurus, in der er
den linken Unterarm
verlor.

versen seit der Reformation beschäftigt hatte. Die Folge waren aber nicht
tiefere religiöse Überzeugungen, sondern zynische Distanz gegenüber dem
katholischen Heiligenglauben.
Christian war indes ein glühender Verehrer der Pfalzgräfin Elisabeth,
die nach der Flucht aus Prag einige Monate durch Norddeutschland gezo­
gen war und um Unterstützung für ihren Mann gebeten hatte, jedoch
überall auf taube Ohren gestoßen war. Nicht so bei dem gerade einund­
zwanzigjährigen Christian, der sich zum ritterlichen Streiter der gedemü-
tigten Frau machte, was er unter anderem dadurch zum Ausdruck brachte,
dass er im Gefecht einen Handschuh Elisabeths am Hut trug. Auch soll
er geschworen haben, er wolle sein Schwert nicht eher in die Scheide ste­
cken, als bis die böhmische Krone wieder auf dem Haupte Elisabeths sitze.
Immerhin - Christian hatte einige militärische Erfahrungen in den Nieder­
landen gesammelt, sah sich als Schüler Moritz von Oraniens und war davon
überzeugt, zum Kriegsmann geboren zu sein. Aufgrund seiner tollkühnen
208 E IN A U FSTA N D , D ER DAS R E IC H E R S C H Ü T T E R T

Aktionen nannte man ihn schon bald «den tollen Halberstädter», was mal
Bewunderung, mal Distanz zum Ausdruck brachte. In jedem Fall ist Chris­
tian von Braunschweig eine der interessantesten Gestalten des Krieges. Er
konnte dazu werden, weil der Krieg Leuten wie ihm die Möglichkeit ver­
schaffte, sich in die Geschichte einzuschreiben. Gleichzeitig verliehen Per­
sonen wie Christian dem Kriegsgeschehen etwas Bizarres, wie es in Frie­
denszeiten nur selten zu finden ist.
Am 22. April 1622 vereinbarten Mansfeld und Markgraf Georg Friedrich,
den Krieg von nun an gemeinsam zu führen und ihre Operationen aufein­
ander abzustimmen. Als Erstes wollten sie dem von ligistischen Truppen
weiträumig umfassten Heidelberg zu Hilfe kommen und Tilly mit verein­
ten Kräften schlagen. Bei Mingolsheim ging die Armee Mansfelds, bei der
sich inzwischen auch Pfalzgraf Friedrich eingefunden hatte, über den Rhein
und näherte sich Tilly, der daraufhin die Umschließung Heidelbergs auf­
gab. Einige Zeit belauerte man sich, dann zog sich Mansfeld wieder zurück,
und Tilly, der zwischenzeitlich Zuzug erhalten hatte, folgte ihm, während
Cordoba in der nördlichen Rheinpfalz blieb. Nahe Mingolsheim stellte
Mansfeld dem nachdrängenden Tilly am 27. April eine Falle, in die dieser
hineintappte: Mansfeld hatte den Eindruck erweckt, er wolle sich weiter
zurückziehen, und Tilly stieß in diese scheinbare Rückzugsbewegung (es
war indessen nur der Tross, der abzog) mit einer schnellen Kavallerieat­
tacke hinein. Da Mansfeld den Ort Mingolsheim in Brand gesetzt hatte,
konnte Tilly nicht erkennen, dass dessen Heer hinter dem brennenden
Städtchen in Kampfaufstellung bereitstand. Die Kavallerie Tillys wurde
zurückgeworfen und brachte dabei, ihrerseits nun von Mansfelds Kavalle­
rie attackiert, die nachfolgende Infanterie in Verwirrung. Die Liga-Armee
verlor hier 2000 Männer, die Hälfte davon Berittene, dazu vier Kanonen
und acht Fahnen. Das war eine bemerkenswerte Schlappe, auf die Tilly mit
Rückzug nach Osten reagierte.169 Für seine Gegner blieb es indes bei einem
taktischen Erfolg, weil der in der Nähe stehende Markgraf von Baden es für
unritterlich hielt, einen geschlagenen Feind anzugreifen, und Mansfeld auf
eine Verfolgung verzichtete, da der Vorteil der Defensive dann auf Seiten
Tillys gelegen hätte. Womöglich spielte dabei auch das Gerücht eine Rolle,
der bei dem Gefecht verwundete Tilly sei gefallen und man könne damit
Der Markgraf von Baden und Christian von Braunschweig 209

rechnen, dass sich das Heer der Liga auflösen werde. Jedenfalls ließen Mans­
feld wie Georg Friedrich die Gelegenheit, das Heer der Liga auseinanderzu­
treiben, ungenutzt verstreichen, und das sollte sich rächen.
Von Wiesloch zog sich Tilly nach Wimpfen zurück, wo er eine starke
Position einnahm. Wimpfen war eine oberhalb des Neckars liegende Fes­
tung, von der aus sich das angrenzende Gebiet gut kontrollieren ließ. Aber
Tilly war besorgt, denn die Schlappe bei Mingolsheim hatte gezeigt, dass
der Krieg um die Rheinpfalz verloren werden konnte, wenn es den Katho­
lischen nicht gelang, ihre potenzielle Überlegenheit in der Operationsfüh­
rung auch zur Geltung zu bringen. «Das Wohl des Heiligen Römischen
Reichs steht auf dem Spiel», schrieb Tilly an Cordoba und forderte ihn
eindringlich auf, zu Hilfe zu kommen und seine Streitkräfte mit den eigenen
zu vereinen.170Der Brandbrief zeigte Wirkung, denn Cordoba traf am 4. Mai
mit 4000 Fußsoldaten und 1300 Reitern in Wimpfen ein - just zu dem
Zeitpunkt, als sich die seit dem 1. Mai vereinigten Truppen Mansfelds und
des Markgrafen von Baden wieder trennten. Die Folge war, dass die etwa
13 000 Mann des Markgrafen am oberen Neckar der auf 20 000 Mann ange­
wachsenen ligistisch-spanischen Streitmacht allein gegenüberstanden.
Über die Gründe für die, wie sich schon bald herausstellte, verhäng­
nisvolle Entscheidung, die Truppen zu trennen, sind in der Forschung
allerhand Vermutungen angestellt worden. Eine davon ist, dass sich Georg
Friedrich und Mansfeld nicht über den gemeinsamen Oberbefehl ver­
ständigen konnten; der Markgraf war der Ranghöhere, der Rriegsunter-
nehmer der Erfahrenere, und wer von beiden den Vorrang erhalten sollte,
war unter diesen Umständen nicht zu klären. Natürlich hätte man dem im
Mansfeld’schen Heer weilenden Pfalzgrafen den Oberbefehl übertragen
können, aber Friedrich war gänzlich kriegsunerfahren und hatte auch, wie
sein Verhalten in der Schlacht am Weißen Berg gezeigt hatte,171 keine Nei­
gung, diese Aufgabe zu übernehmen. Eine weniger auf Rangfragen und
persönliche Animositäten abzielende Erklärung bringt die mit einer so
großen Armee verbundenen logistischen Probleme ins Spiel: 30 000 Sol­
daten ließen sich kaum über eine längere Zeit versorgen. Man hätte diese
Zeit verkürzen können, wenn man das ligistisch-spanische Heer angegrif­
fen hätte, aber das verfügte mit Wimpfen über einen starken Rückhalt, und
210 E IN A U FSTA N D , D ER DAS R E IC H E R S C H Ü T T E R T

Mansfeld war ohnehin kein Anhänger einer auf Entscheidungsschlachten


ausgerichteten Kriegführung. Womöglich gab es auch strategisch-operative
Überlegungen, die bei der Trennung beider Heere eine Rolle spielten, und
die könnten darauf hinauslaufen, dass der Markgraf die katholischen Kräfte
am oberen Neckar binden wollte, während Mansfeld zum unteren Neckar
zog, der Gegenseite Ladenburg als wichtigen Waffenplatz mit Rheinüber­
gang entriss und die Verbindung zu dem von Norden anrückenden Chris­
tian von Braunschweig herstellte. Das war jedoch ein riskanter Plan, der
leicht schiefgehen konnte.172 Letztlich spricht vieles dafür, dass es vor allem
persönliche Gründe waren, die zur Trennung der protestantischen Heere
führten.173
Am Mittag des 5. Mai 1622 hatte Georg Friedrich südlich von Wimpfen
eine Position bezogen, die im Osten vom Neckar und im Süden vom Böllin-
ger Bach begrenzt war. Mit seinen 13 000 Mann war er dem Liga-Heer deut­
lich unterlegen; überlegen war er hingegen an Kanonen, was eine Defen­
sivschlacht nahelegte.174 Vor allem verfügte er über 70 Wagen, auf denen
jeweils eine leichte drehbare Kanone montiert war, gesichert mit schweren
Holzplanken und daran befestigten Speerspitzen. Man kann darin eine
Frühform des Panzerwagens im Sinne eines gut geschützten Artillerieträ­
gers sehen; zu dieser Konstruktion ist der Markgraf wahrscheinlich durch
die Beschäftigung mit den Hussitenkriegen motiviert worden, in denen die
böhmischen Heere ebenfalls Wagen zur Defensivformation eingesetzt hat­
ten. Zudem kann man in diesen Wagen eine Variante der Kombination von
Musketieren und Pikenieren erkennen, wie sie seit dem 16. Jahrhundert bei
den Fußsoldaten üblich geworden war.
Der Markgraf hatte die Kanonenwagen in Form eines Halbkrei­
ses aufstellen lassen; zwischen ihnen standen die schwereren Kanonen.
2000 Musketiere waren bei den Kanonenwagen postiert, der Rest der
Fußtruppen knapp dahinter. A uf der linken Flanke, die an ein Wäldchen
grenzte, standen weitere Kanonen, und die Kavallerie Georg Friedrichs war
so postiert, dass sie an der Wagenburg vorbei angreifen konnte. Das war
eine starke Verteidigungsstellung, deren Stärke jedoch auch eine Schwäche
war, da diese starre Front nicht erlaubte, taktisch auf gegnerische Schwer­
punktbildungen zu reagieren. Tilly wiederum hatte seine Infanterie in zwei
Der Kupferstich in Merians Theatrum Europaeum zeigt jenen Augenblick
der Schlacht bei Wimpfen, als explodierende Pulverwagen die
Abwehrlinien der markgräflichen Truppen aufrissen. In den Berichten ist
von einigen hundert verstümmelten Toten die Rede. Die grauen Vierecke
im unteren Bilddrittel zeigen die ursprünglichen Positionen der Truppen
Tillys an, so dass die Entwicklung der Schlacht nachverfolgt werden kann.

und die Kavallerie in drei Treffen aufgestellt, um die Kräfte je nach Stand
des Kampfgeschehens einsetzen zu können. Die vier leichten Geschütze,
über die ei .verfügte, hatte er vor der Front des ersten Treffens postiert, die
schweren Kanonen in deren Rückraum auf dem höchsten Punkt, von wo
aus sie über die eigene Infanterie hinwegschießen konnten, um Breschen in
die festgefügte gegnerische Front zu schlagen.
Am frühen Morgen des 6. Mai begann die Schlacht mit einer von bei­
den Seiten geführten Kanonade. Aufgrund der großen Entfernung, über
die sie geführt wurde, hatte sie freilich wenig Wirkung. Tilly zeigte Respekt
vor der Abwehrlinie des Badeners und suchte ihn durch vorgeschickte
Plänkler zum Angriff zu verleiten. Der Markgraf reagierte darauf nicht
212 E IN A U FSTA N D , D ER DAS R EIC H E R S C H Ü T T E R T

und blieb unbeirrt in der Defensive, auch dann, als seine Kürassiere eine
größere Kavallerieeinheit Tillys in die Flucht schlugen. Gegen Mittag trat
eine Waffenruhe ein; das Kanonenfeuer flaute ab, und auch die Musketiere
hörten auf zu schießen. Tilly nutzte die Ruhephase, um die Truppen im
Rückraum seiner Angriffsformation umzustellen, und der dabei aufstei­
gende Staub verführte den Markgrafen zu der Annahme, es sei Mansfeld,
der sich nähere, um Tilly in den Rücken zu fallen. Das war ein Irrtum mit
fatalen Folgen, denn er brachte den Markgrafen dazu, von nun an offensiver
zu agieren; so setzte er, durch Artilleriefeuer vorbereitet, seine Kavallerie
gegen den rechten Flügel des Gegners ein. Als Georg Friedrich auch noch
Infanterie nachschob, gerieten Tillys Tercios zeitweilig ins Wanken, und
die markgräflichen Einheiten fingen an, sich als Sieger zu fühlen, zumal sie
davon ausgingen, Mansfelds Einheiten stünden im Rücken des Gegners.
Jedenfalls ließ die Wucht ihres Angriffs nach, und Tillys Einheiten fanden
wieder Halt. Unterdessen rückte Cordoba mit den spanisch-flämischen
Truppen auf dem linken Flügel vor, und jetzt rächte sich, dass der Markgraf
die feste Defensivposition aufgegeben hatte. Zwar rissen seine Kanonen
große Lücken in die Formationen der Angreifer, aber die ließen sich nicht
stoppen, so dass sich die badischen Truppen zurückziehen mussten. Hätte
Georg Friedrich in dieser Situation über Reserven verfügt, hätte er seine
Front wahrscheinlich stabilisieren können. Doch dann explodierten fünf
in der Nähe der Kanonen platzierte Pulverwagen und rissen eine breite
Lücke in den Abwehrring. Bei den Truppen des Markgrafen brach darauf­
hin Panik aus, die Kavallerie floh in Richtung Böllinger Bach, und Teile der
Infanterie schlossen sich ihr an. Damit war die Schlacht entschieden.
Wie erbittert das Gefecht geführt worden war, zeigt der Umstand, dass
die Verluste auf dem Schlachtfeld mit etwa 2000 Toten auf beiden Seiten
gleich hoch waren.175 Es war dennoch eine vernichtende Niederlage für
die Badener, da sie ihren gesamten Artilleriepark sowie die mitgeführte
Kriegskasse verloren hatten. Zwar konnte der Markgraf Ende Mai aus den
Geflohenen wieder fünf Infanterieregimenter mit einer Gesamtstärke von
6000 Mann formieren, aber als eigenständiger Akteur sollte er im pfälzi­
schen Krieg keine Rolle mehr spielen.
Die Trennung der Truppen, namentlich der Abzug Mansfelds aus dem
Der Markgraf von Baden und Christian von Braunschweig ai3

Raum Wimpfen, war der ausschlaggebende Fehler, der den Krieg um die
Pfalz zugunsten der Katholischen entschied - wenn man nicht den Zufalls­
treffer auf einen Pulverwagen als die entscheidende Wende ansehen will.
Der verbreitete Wunderglauben wollte sich nicht mit einem Zufall zufrie­
dengeben, und so berichtete ein Wimpfener Dominikaner später, ein Engel
habe in das Schlachtgeschehen eingegriffen und die überraschende Wende
herbeigeführt. Das war eine Variation der Erzählung vom Eingreifen der
Gottesmutter in der Schlacht am Weißen Berg,176 nur dass es in diesem
Fall ein ganz reales Ereignis war, das zur göttlichen Einmischung stilisiert
wurde.177

Nach dem hart errungenen Sieg bei Wimpfen gönnte Tilly seinen Truppen
eine Ruhepause. Er verzichtete darauf, sich umgehend gegen Mansfeld zu
wenden, um ihn aus der Rheinpfalz herauszudrängen oder zur Schlacht zu
stellen. Schließlich erreichte ihn die Nachricht, dass Christian von Braun­
schweig, der sich Ende des vergangenen Jahres nach Westfalen zurückgezo­
gen hatte, inzwischen aus den im Raum Paderborn bezogenen Winterquar­
tieren aufgebrochen war und in südliche Richtung vorrückte. Dabei musste
er auf das in Oberhessen stehende ligistische Korps unter Graf Anholt sto­
ßen, von dem Christian im Jahr zuvor zum Rückzug gezwungen worden
war, das jedoch zu schwach war, um diesen Erfolg gegen Christians mittler­
weile erheblich stärkere Kräfte zu wiederholen. Anholt zog sich zum Main
zurück und wartete auf Unterstützung durch die Hauptmacht Tillys. Der
war damit beschäftigt herauszufinden, welche Pläne Mansfeld verfolgte. Er
befürchtete, dass Mansfeld von Ladenburg aus, wo er zum Zeitpunkt von
Tillys Sieg bei Wimpfen stand, nach Norden marschieren könnte, um sich
mit den nach Süden vorrückenden Truppen des Braunschweigers zu verei­
nigen. Diese Vereinigung wollte Tilly verhindern. Mansfeld dachte jedoch
nicht daran, auf Christian zuzumarschieren; stattdessen wandte er sich in
die entgegengesetzte Richtung, um das von Truppen Erzherzog Leopolds
belagerte Hagenau zu unterstützen. Er führte Krieg, als ginge es allein und
ausschließlich um ihn und seine Interessen: Das Projekt, im nördlichen
Eisass ein eigenes Fürstentum zu erobern, war für ihn wichtiger als eine
koordinierte Strategie im pfälzischen Krieg.178 Pfalzgraf Friedrich, der sich
2 X4 E IN A U FSTA N D , D ER DAS R EIC H E R S C H Ü T T E R T

immer noch bei Mansfelds Heer befand, konnte daran nichts ändern; da
er nicht in der Lage war, für eine regelmäßige Besoldung der Truppen zu
sorgen, war er auf das Wohlwollen des Kriegsunternehmers angewiesen.
Immerhin: Nach einer Woche im nördlichen Eisass, dem erfolgrei­
chen Entsatz Hagenaus und der Verstärkung seiner Verbände durch etwa
3000 Soldaten Erzherzog Leopolds, die Mansfeld in eigene Dienste über­
nahm, marschierte er wieder nach Norden, um nunmehr in das Gebiet des
kaisertreuen Landgrafen Ludwig von Hessen-Darmstadt einzufallen. Dort
trieb er Kontributionen ein und ließ seine Soldaten plündern. Außerdem
wollte er den Landgrafen zwingen, ihm die Festung Rüsselsheim auszulie­
fern, damit Christian von Braunschweig dort den Main überschreiten und
seine Truppen sich mit denen Mansfelds vereinigen konnten. Als der Land­
graf die Übergabe Rüsselsheims verweigerte, ließ Mansfeld ihn zum Gefan­
genen erklären, was an der landgräflichen Weigerung indes nichts änderte.
Jetzt rächte sich, dass man durch den Zug nach Hagenau eine ganze
Woche verloren hatte, denn es fehlte die Zeit, um das gut befestigte Rüssels­
heim, das im Handstreich nicht zu nehmen war, zu belagern und zur Über­
gabe zu zwingen. Zudem hinterließ die rüde Behandlung des Landgrafen
Ludwig bei den evangelischen Reichsständen einen überaus ungünstigen
Eindruck.179 Friedrich, so die vorherrschende Ansicht, hatte sich mit einer
Räuberbande eingelassen, um seine augenscheinlich verlorene Sache doch
noch zu retten, und unter diesen Umständen hielt man sich besser, wie der
sächsische Kurfürst, an den Kaiser. Durch die Verbindung mit Mansfeld
geriet Pfalzgraf Friedrich immer stärker in die politische Isolation. Das war
das Problem mit Mansfeld: Er machte, was er wollte, und wer sich mit ihm
verbündete, hatte einen hohen Preis zu zahlen.
Dass Mansfeld die Landgrafschaft Hessen-Darmstadt so ungehindert
plündern konnte, lag auch an der Trennung Tillys und Cordobas nach der
Schlacht von Wimpfen; während Tilly in Wimpfen blieb, um seinen Sol­
daten eine Ruhephase zu verschaffen und die Verluste auszugleichen, zog
Cordoba nach Oppenheim, das er zuvor bereits als Waffenplatz und Ope­
rationsbasis genutzt hatte. Anfang Juni brach Tilly schließlich von Wimp­
fen auf, um dem Landgrafen zu Hilfe zu kommen und die Vereinigung der
Mansfeld’schen Truppen mit denen des Braunschweigers zu verhindern.
Der Markgraf von Baden und Christian von Braunschweig US

Nachdem Mansfeld die Festung Rüsselsheim nicht in die Hand bekom­


men hatte, hatte man sich für Aschaffenburg als neuen Ort der Vereinigung
entschieden und Christian von Braunschweig dorthin beordert; die Haupt­
macht des pfälzisch-badischen Heeres - Markgraf Georg Friedrich war mit
seinen reorganisierten Truppen zu Mansfeld gestoßen - brach von Darm­
stadt in Richtung Aschaffenburg auf.180 Man kam aber nicht weit, denn als
das auf dem Weg liegende kurmainzische Dieburg den Durchzug verwei­
gerte, nachdem man Nachricht vom Anmarsch Tillys bekommen hatte, ent­
schlossen sich die Mansfeldischen zum Rückzug in Richtung Rhein. Bei
diesem Rückzug verlor das Heer einen Teil seines schwerfälligen Trosses
an die entschlossen nachdrängende leichte Reiterei Tillys, der die bei Min-
golsheim erlittene Schlappe auszuwetzen suchte. Am n. Juni überschritten
Mansfelds Truppen den Neckar, und damit endeten auch die Nachhutge­
fechte. Tilly nämlich wandte sich nunmehr dem Main zu, um Christian und
sein Heer an dessen Überquerung zu hindern.
Im Unterschied zum vergangenen Jahr führte Christian im Frühjahr
1622 eine beträchtliche Streitmacht - es dürfte sich um etwa 15 000 Mann
gehandelt haben - , und bei diesem Heer befand sich auch der große, in
Westfalen zusammengeraubte Kriegsschatz. Beides, Heer wie Kriegsschatz,
konnte erheblichen Einfluss auf den Fortgang des Kriegs um die Pfalz
haben. Hatte Christian im Jahr 1621 noch mit den ihm als Administrator
von Halberstadt verfügbaren Mitteln Truppen geworben, so hatte er im
Winter 1621/22 in großem Stil damit begonnen, die zum kurkölnischen
Bistum Paderborn gehörenden Städte, Lippstadt und Soest etwa, zu beset­
zen und auszuplündern.181 Im Unterschied zu Mansfeld, der plündern und
brandschatzen ließ, um seine Soldaten zu entlohnen, bei dem es sich also
um ein «Von der Hand in den Mund»-Plündern handelte, ging es Chris­
tian um die Bildung eines Kriegsschatzes, mit dem er Söldner anwerben
und in seinen Diensten halten konnte. Die Ausplünderung von Teilen
Westfalens durch Christian von Braunschweig war also ein Projekt der
Vorsorge, bei dem geraubt wurde, um Kriegführung in großem Umfang zu
ermöglichen. Der Krieg befand sich zum Jahreswechsel 1621/22 noch im
Anfangsstadium, und die Akteure erprobten unterschiedliche Methoden,
ihn zu finanzieren. Bei Mansfeld waren Kriegsschauplatz und geplünderte
2 16 E IN A U FSTA N D , D ER DAS R E IC H E R S C H Ü T T E R T

Territorien tendenziell identisch, wobei er verschiedentlich den Kriegs­


schauplatz wechselte, um noch nicht verwüstete Gebiete ausplündern zu
können; Christian dagegen suchte sich reiche Gebiete aus, um dort einen
Kriegsschatz zusammenzurauben, den er dann auf einem anderswo gelege­
nen Kriegsschauplatz einsetzte. Er plünderte Westfalen aus, um in der Pfalz
Krieg führen zu können.
Dabei ging der Braunschweiger mit großer Gründlichkeit zu Werke:
Von Januar an erschienen seine Obristen mit einer Schar Berittener vor
den Toren westfälischer Städte und verlangten deren Übergabe, die Aus­
lieferung der Vorräte und der Waffen, vor allem der Kanonen, und dazu
eine hohe Entschädigungszahlung dafür, dass man nicht in die Stadt ein­
drang und sie in Brand setzte. Man nannte das Brandschatzung, und die
Städte und Dörfer, die bezahlten, erhielten ein Salvaguardia genanntes
Schreiben, das so etwas wie einen Schutzbrief darstellte. Je wohlhabender
eine Stadt, desto höher die Summe, mit der sie sich freikaufen musste. Die
Zahlungsbereitschaff stellte Christian sicher, indem er Dörfer in Stadtnähe
zu Demonstrationszwecken niederbrennen ließ. In Soest fiel ihm der dem
Propst des Patroklistiffes anvertraute Paderborner Domschatz mit einem
Wert von 330 000 Gulden in die Hände, im Kloster Olinghausen war es der
Erbschatz Dietrichs von Fürstenberg, der 50 Zentner Silber und 63 Säcke
Gold umfasste, und von der reichen Beute in Paderborn selbst war der ver­
goldete Silberschrein des heiligen Liborius das wertvollste Stück. In den
ebenfalls ausgeraubten Gräbern des Paderborner Doms fanden sich meh­
rere Tausend Gulden. Aus dem Paderborner Schrein ließ Christian Mün­
zen mit der Aufschrift «Gottes Freund, der Pfaffen Feind» prägen. Über
die vergoldeten Apostelfiguren an den Längsseiten des Schreins soll er vor
deren Einschmelzung gesagt haben, Jesus habe sie aufgefordert, hinauszu­
gehen in alle Welt, und er, Christian, sorge nun dafür, dass sie das auch tat­
sächlich täten.182
Auf Seiten des Kaisers hat man die von Christian und seinem Verfahren
der Kriegsfinanzierung ausgehende Gefahr schnell erkannt; um zu verhin­
dern, dass derlei Schule machte, bot ihm der Kaiser eine Amnestie und
die offizielle Belehnung mit dem Stift Halberstadt an, die Kaiser Matthias
verweigert hatte. Offenbar ging man in Wien davon aus, dass Christian zu
Der Markgraf von Baden und Christian von Braunschweig 217

den Waffen gegriffen hatte, weil er seine Verfügung über das Stift Halber­
stadt gefährdet sah, und wollte ihm mit der reichsrechtlich korrekten Ein­
setzung als Bischof von Halberstadt entgegenkommen. Christian hätte so
ein Leben in materieller Sicherheit führen können, doch darum ging es ihm
nicht. Er suchte das Abenteuer und sah sich als ein Ritter der schönen Eli­
sabeth Stuart, der Gemahlin Friedrichs, die er unter keinen Umständen im
Stich lassen wollte, wie das viele andere getan hatten. Also lehnte er das kai­
serliche Angebot ab und trieb seine Kriegsvorbereitungen weiter voran.183

Durch das Wesertal und durch Hessen rückte Christian mit 12 000 Fuß­
soldaten, 5000 Reitern und 3 Kanonen Richtung Main vor. Nachdem sich
die geplante Vereinigung mit Mansfeld bei Aschaffenburg zerschlagen
hatte, wollte er den Main in der Umgebung von Frankfurt überqueren. Am
15. Juni erreichte er bei Oberursel kurmainzisches Gebiet; zwei Tage später
überschritten die inzwischen wieder vereinigten Truppen Tillys und Cor­
dobas bei Aschaffenburg den Main, um den Braunschweiger nördlich der
Mainlinie zum Kampf zu stellen, bevor er sich mit den Truppen Mansfelds
verbinden konnte. Die Freie Reichsstadt Frankfurt, die über eine beidseitig
gesicherte Mainbrücke verfügte, war für alle Parteien ein lohnendes Ziel;
wer es schaffte, sie unter Kontrolle zu bringen, hatte einen großen Vorteil.
Der Rat der Stadt fürchtete, in einen Kampf hineingezogen zu werden,
bei dem man nur verlieren konnte, und ließ die Ebenen vor der Stadtum­
wallung unter Wasser setzen, so dass sich keine von beiden Seiten der Stadt
bemächtigen konnte. Das war für Christian mehr von Nachteil als für Tilly.
Christian ließ daraufhin das nahe Frankfurt gelegene Städtchen Höchst
besetzen, das, auf der nördlichen Seite des Mains gelegen, den Flussüber­
gang seiner Armee decken sollte. Einen Fluss zu überqueren, war ein mili­
tärisch überaus riskantes Manöver. Diejenigen, die den Fluss bereits über­
schritten hatten, konnten denen, die noch auf der anderen Seite standen,
nicht zu Hilfe kommen, wenn sie vom Gegner angegriffen wurden. Fluss­
übergänge waren deshalb eigentlich nur dann möglich, wenn keine feind­
lichen Truppen in der Nähe standen, die sich auf die Nachhut werfen und
diese in den Fluss hineintreiben konnten, oder wenn eine Schanze oder
Befestigung vorhanden war, die den Flussübertritt deckte. Der Verbindung
218 E IN A U FSTA N D , D ER DAS R EIC H E R S C H Ü T T E R T

mit Mansfeld wegen musste sich Christian auf dieses riskante Manöver
einlassen - oder er musste sich Tilly allein zum Kampf stellen und ihn
angreifen. Das aber war keine attraktive Option, da Tilly den Truppen des
Braunschweigers im Verhältnis von drei zu zwei überlegen war und über die
kampferprobteren Soldaten verfügte.
Am 18. Juni befahl Christian den Bau einer Schiffsbrücke über den Main,
die bereits am darauffolgenden Tag fertig wurde. Das war in solch kurzer
Zeit nur möglich, weil ihm die Frankfurter mit Holzlieferungen halfen -
ein Beleg für protestantische Solidarität, auch wenn man darauf bedacht
war, politisch neutral zu bleiben. Die zentrale strategische Devise lautete
nunmehr, nach dem Übergang der Avantgarde, die das linke Mainufer
sichern sollte, den Tross über den Fluss zu setzen, in dem die westfälische
Beute mitgeführt wurde, die für die weitere Kriegsfinanzierung unerläss­
lich war. Derweil hatte Tilly Frankfurt umgangen und das Flüsschen Nidda
überschritten, er näherte sich schon den Positionen des Braunschweigers.
Der bezog Gefechtspositionen hinter dem Sulzbach, wobei diese auf ihrer
rechten Seite an die Niddasümpfe angelehnt waren. Dem Übergang über
den Sulzbach bei dem D orf Sossenheim kam entscheidende Bedeutung
zu; wer ihn beherrschte, beherrschte die Lage. Christian war an Kavalle­
rie, Tilly an Artillerie überlegen. Durch eine entschlossene Kavallerieatta­
cke auf Tillys Zentrum wollte sich der «tolle Halberstädter» die Chance
eines geordneten Mainübergangs verschaffen: Es ging ihm also nicht um
eine Entscheidungsschlacht, sondern um einen harten Schlag, der Tillys
Zentrum davon abhalten sollte, nachzudrängen, wenn seine Truppen den
Main überschritten.184
Der Schlachtplan des Braunschweigers war im Prinzip vernünftig, nur
setzte er höhere Kampfkraft, Disziplin und Durchhaltefähigkeit voraus, als
sie die von ihm geführten Truppen besaßen. Deren Stärke lag im schnel­
len Ansturm, aber nicht im längeren Gefecht. Alles kam somit darauf an,
dass die Kavallerieattacke, mit der Christian die Schlacht eröffnen wollte,
bei den Truppen Tillys eine deutliche Wirkung zeigte, diese weit zurück­
warf und ihre Formationen derart durcheinanderbrachte, dass sie für einige
Zeit gefechtsunfähig waren. Tatsächlich gelang es Christians Kavallerie,
über Sossenheim hinaus vorzustoßen, aber dann geriet sie in das Feuer von
Der Markgraf von Baden und Christian von Braunschweig 219

Tillys Kanonen, die dieser im Halbkreis um sein Zentrum herum postiert


hatte; dabei erlitt die Kavallerie schwere Verluste, und der Angriff kam zum
Stehen. Seit seinem Eintritt in die Dienste Herzog Maximilians hatte sich
Tilly um die Artillerieausbildung gekümmert, und so gehörte die bayeri­
sche Artillerie seit Kriegsanfang zum Besten, was auf den Kriegsschauplät­
zen ins Gefecht geführt werden konnte.
Die größte Wirkung zeitigte der Einsatz von Kanonen zu Beginn
einer Schlacht, wenn die Truppen einander gegenüberstanden und sich
noch nicht im Handgemenge befanden. Danach nämlich waren Freund
und Feind für die Kanoniere nicht mehr zu unterscheiden. Die Kanonen
wurden vor der Front von Infanterie und Kavallerie postiert, wo sie freies
Schussfeld hatten. Man schoss mit Eisenkugeln aufeinander, die, wenn sie
in eine geschlossene Formation einschlugen, verheerende Wirkung hatten.
Mitunter wurden auch Kugeln eingesetzt, die beim Aufprall auseinander­
klappten oder in zwei durch eine Kette verbundene Teile zersprangen, was
die Wirkung bei dicht aufgestellter Infanterie noch einmal erhöhte. Auch
Kartätschen wurden verschossen, mit Bleikugeln oder kleinen Eisenstü­
cken gefüllte Hohlgeschosse, die über dem Gegner explodieren sollten und
deren Streueffekt zu schweren Verwundungen führte. Kartätschenfeuer
setzte freilich Artilleristen voraus, die ihr Handwerk genau verstanden. Das
taktische Ziel beim Einsatz der Artillerie war, die festgefügte Ordnung der
gegnerischen Tercios «aufzuweichen» und so den Angriff der eigenen
Kavallerie, vor allem aber die Stoßattacke der Infanterie vorzubereiten.185
Unter diesen Umständen war jede Seite bestrebt, die Wirkung der
gegnerischen Artillerie auf die eigene Aufstellung so weit wie möglich
zu begrenzen. Ein Mittel dazu war eine entschlossene Kavallerieattacke
auf die Kanonen, die infolge ihrer Postierung vor der eigenen Infanterie
überaus verwundbar waren. Um den Verlust der Kanonen zu verhindern,
reagierte die angegriffene Seite mit einer Gegenattacke ihrer Kavallerie
oder dem Vorrücken der Infanterieformationen. A uf diese Weise entwi­
ckelte sich nahezu jede Schlacht des Dreißigjährigen Krieges. Bei der Auf­
stellung der Schlachtordnung kam es somit darauf an vorwegzunehmen,
wo der Schwerpunkt des gegnerischen Angriffs liegen würde, auf einem
der Flügel oder im Zentrum, um die eigenen Kanonen entsprechend zu
220 E IN A U FSTA N D , D ER DAS R E IC H E R S C H Ü T T E R T

postieren. Ein Stellungswechsel während der Schlacht war unter günstigen


Bedingungen vielleicht mit den leichten Kanonen möglich, den Falkonetts
und Feldstücken, nicht aber mit den schweren Kanonen, den sogenann­
ten Kartaunen.186 Deren Geschützrohr wog etwa 90 Zentner und war auf
einer schweren Lafette montiert; um diese Ungetüme zu bewegen, muss­
ten mehr als 20 Pferde vorgespannt werden. Die Stellung während des
Gefechts zu wechseln, war auch deshalb unmöglich, weil die neue Position
der Kanonen vorbereitet werden musste, und dafür waren aufwendige
Schanzarbeiten erforderlich. Dazu gehörte die Aufstellung von mit Erde
gefüllten großen Schanzkörben rechts und links von der Kanone, um deren
Bedienung gegen Musketenfeuer zu schützen, weiterhin die Vorbereitung
des Untergrunds, der den Rückstoßbewegungen der Kanone beim Abfeu­
ern genügen musste, um ein Herausspringen des Rohrs aus der Lafette oder
deren Umkippen zu verhindern. Während die Kavallerie die beweglichste
und damit für den Heerführer am freiesten einsetzbare Waffengattung
im Gefecht war, war die Artillerie, erst einmal postiert, unbeweglich und
oftmals nur bei Schlachtbeginn einsetzbar. Das sollte sich erst mit Gus­
tav Adolf ändern. Für den Verlauf einer Schlacht war somit entscheidend,
dass der Feldherr den Schlachtplan des Gegners aus der Topographie des
Geländes, den Gepflogenheiten und Vorlieben des Kontrahenten und der
Disposition seines Aufmarschs frühzeitig ablesen konnte und dementspre­
chend seine Anordnungen traf. Tilly war ein Meister dieses antizipierenden
Ablesens, und einen Großteil seiner Siege verdankte er dieser Fähigkeit.

Das war auch in der Schlacht bei Höchst der Fall: Aus der von Christian
gewählten Aufstellung - der Anlehnung seines rechten Flügels an das
Sumpfgebiet der Nidda vor deren Mündung in den Main und der Anleh­
nung des linken Flügels an den Schäferberg, eine kleinere Erhebung in dem
sonst eher ebenen Gelände - schlussfolgerte Tilly, dass Christians Attacke
bei Sossenheim erfolgen würde, weshalb er dem Dorf gegenüber seine
zwölf Kanonen aufstellte.187 In ihrem konzentrischen Feuer erlitt Chris­
tians Kavallerie schwere Verluste; es gelang ihr nicht, bis zu den gegneri­
schen Kanonen vorzudringen, um diese auszuschalten, geschweige denn
Tillys Infanterie in Unordnung zu bringen. Es kam hinzu, dass von den
Merians Kupferstecher, der den Kampf zwischen Tilly und Christian von
Braunschweig um den Mainübergang im Juni 1622 festgehalten hat, war, da
im nahe gelegenen Frankfurt tätig, mit den geographischen Verhältnissen
gut vertraut. Die Mündung der Nidda in den Main ist gut zu erkennen.
Gekämpft wird auf der linken Bildhälfte, wo die Infanterieformationen
stehen und der Rauch abgefeuerter Kanonen zu sehen ist. In der unteren
Bildmitte das befestigte Höchst, davor, ganz am unteren Bildrand,
Trosswagen und Kavalleristen, die der Brücke über den Main zustreben,
dem Nadelöhr des Rückzugs, wo das Desaster für Christian seinen Lauf
nahm.

drei Geschützen, die Christian südlich von Sossenheim am Knick des Sulz­
bachs zur Unterstützung des Angriffs aufgestellt hatte, eines aufgrund von
Überladung zerbarst und ein weiteres durch einen Volltreffer seitens Tillys
Artillerie zerstört wurde. Christians Kanoniere waren unerfahren, die Tillys
hingegen Meister ihres Fachs. Christian ließ wegen des ins Stocken gera­
tenen Kavallerieangriffs seine Infanterie vorrücken, woraufhin auch Tilly
seine Infanteriemassen zum Angriff Vorgehen ließ. Sossenheim fiel in die
Hände von Tillys Truppen, und damit war die Position Christians unhalt­
bar geworden.
222 E IN A U FSTA N D , D ER DAS R E IC H E R S C H Ü T T E R T

Der Braunschweiger befahl den Rückzug nach Höchst und die Über­
querung des Mains, wobei die wertvolle Bagage, zumal die Wagen mit den
zusammengeraubten und erpressten Schätzen, den Anfang machen sollte.
Aber die Flussüberquerung der schweren Wagen nahm Zeit in Anspruch,
und derweil brach in dem wenig kampferprobten Heer Panik aus: Alles
drängte zur Brücke, die diese Massen nicht aufnehmen konnte; viele stürz­
ten ins Wasser, andere versuchten, den Fluss schwimmend oder zu Pferd zu
durchqueren, aber der Main war an seinem Unterlauf recht tief und hatte
eine beachtliche Strömung, so dass die meisten ertranken. Dass es nicht zur
vollständigen Vernichtung der Armee Christians von Braunschweig kam,
lag an der Standhaftigkeit des als Reserve bereitgehaltenen Eschwey sehen
Kavallerieregiments unter Oberst Heinrich Piper von Minden. Es brachte
die auf die rechtsmainische Seite der Schiffsbrücke vorstoßenden sieben
Kavalleriekompanien Tillys unter Oberstleutnant Winand von Eynatten
zum Stehen. So konnte Christian zwei Drittel seines Heeres sowie große
Teile des Trosses retten, vor allem die Kriegskasse, und mit 3000 Reitern
sowie 8000 Fußsoldaten zu Mansfeld stoßen, mit dessen Truppen er sich
zwischen Bensheim und Pfungstadt vereinigte.188 Das Leibregiment Chris­
tians und ein Infanterieregiment unter Oberst Kochler waren zerschlagen,
aber aus dem Rest der Armee formten Christian und sein Stellvertreter,
Reichsfreiherr Dodo zu Imhausen und Rnyphausen, schon bald wieder
eine einsatzfähige Truppe.
Man kann die Schlacht bei Höchst als eine schwere Niederlage Chris­
tians beschreiben, wie das in der älteren Literatur zumeist der Fall ist.189
Damit verbindet sich in der Regel ein vernichtendes Urteil über Christi­
ans Fähigkeiten als Feldherr: Der «tolle Halberstädter» sei zu unerfahren
gewesen und habe übermütig und unvorsichtig agiert. Dem steht eine
jüngere Sichtweise gegenüber, die von den Problemen ausgeht, mit denen
Christian bei Höchst konfrontiert war: der Unerfahrenheit seiner Trup­
pen, der Kriegserfahrenheit seines Gegenspielers, den Schwierigkeiten im
Zusammenwirken mit Mansfeld, der ständig seine Dispositionen änderte
und Christian nicht bis zum Main entgegenkam. Die neuere Forschung
wertet daher den erfolgreichen Mainübergang sowie die Rettung eines
Großteils der Truppen mitsamt der Kriegskasse als einen beachtlichen Teil­
Das Ende des Kriegs um die Pfalz 223

erfolg des Halberstädters, dessen Attribut «toll» somit für seine Tollkühn­
heit und seinen Wagemut steht.190
Die Darstellung der Schlacht bei Höchst am 20. Juni 1622 kann nicht
abgeschlossen werden, ohne einen Blick auf das Schicksal derer zu wer­
fen, die von Christians Armee auf der rechten Mainseite zurückgeblieben
waren: Erstmals zeigte sich hier die Wut der Bauern auf die, die sie zuvor
ausgeplündert hatten. Mit Sensen und Dreschflegeln fielen sie über ein­
zelne Soldaten her und machten sie gnadenlos nieder, um sie anschließend
ihrerseits auszuplündern. Sie beschränkten sich dabei nicht auf die Wertsa­
chen der Soldaten, sondern beraubten sie auch ihrer Kleider und Stiefel; das
galt auch für die angetriebenen Leichen der im Main Ertrunkenen. Besser
erging es den Soldaten, die sich den Truppen Tillys ergaben und in dessen
Heer «untergesteckt» wurden, also den Eid auf die Fahne des Regiments
ablegen mussten, in dem sie zukünftig dienten.191 Zurück blieb außerdem
die Besatzung des Schlosses Höchst, die lange Widerstand geleistet und
dann unter der Bedingung kapituliert hatte, dass Tilly ihr einen ehrenvollen
Abzug zusicherte. Als Oberstleutnant von Eynatten unter den Abziehen­
den jedoch Plünderer zu identifizieren glaubte, darunter auch diejenigen,
die zuvor einen katholischen Priester kastriert haben sollten, ließ er diese
gefangen nehmen und aufhängen. Das war die übliche Strafe, die auf Plün­
derung und Vergewaltigung stand. So zeigen Jacques Callots Radierungen
den Lebenszyklus von Soldaten, die zu Plünderern und Vergewaltigern
wurden und zuletzt am Galgen oder auf dem Rad endeten.192 In diesem Fall
war der Strafvollzug indes ein Problem, weil er mit dem Bruch von Tillys
Ehrenwort verbunden war.193

Das Ende des Kriegs um die Pfalz

Am Tag der Höchster Schlacht schied Markgraf Georg Friedrich von


Baden-Durlach aus dem Krieg aus. Niedergeschlagen von der verlorenen
Schlacht bei Wimpfen, infolge der zur Neige gehenden finanziellen Mittel
in seinen Möglichkeiten begrenzt und vermutlich auch durch die schwa­
22.4 E IN A U FSTA N D , D ER DAS R EIC H E R S C H Ü T T E R T

che Position Friedrichs neben Mansfeld irritiert, verließ er das Lager, ohne
sich zu verabschieden. Anschließend befahl er Oberst Pleickhard von
Heimstatt die Abdankung der von ihm besoldeten Truppen.194 Im Ergeb­
nis war das ein größerer Verlust für die pfälzische Sache als der, den Chris­
tian bei Höchst erlitten hatte. Zwar konnte man die vom badischen Mark­
grafen entlassenen Soldaten, wenn sie wollten, unmittelbar in die Armeen
Mansfelds oder Christians übernehmen, doch dadurch wurden die Finan­
zierungsprobleme des Heeres nur größer, als sie ohnehin schon waren.
Vor allem aber wurde die politische Basis des Widerstands gegen Kaiser
und Liga mit dem Ausscheiden des lutherischen Markgrafen noch schma­
ler. Es kam hinzu, dass das Verhältnis zwischen Ernst von Mansfeld und
Christian von Braunschweig alles andere als kooperativ war: Christian
warf Mansfeld vor, dass er ihn am Main im Stich gelassen habe, und Mans­
feld erwiderte, Christians Anmarsch zum Main habe zu lange gedauert, er
habe sich bei seinem Vorstoß nach Süden zu viel Zeit gelassen. Obendrein
gab es Streitigkeiten, weil der Herzog an der Tafel des Kurfürsten einen
höheren Rang einnahm als der Graf und Christian im Vergleich zu dem
kränkelnden und körperlich klein geratenen Kriegsunternehmer eine sehr
viel eindrucksvollere Figur abgab.195
Bei einem Kriegsrat am 22. Juni 1622 beschloss man, das rechte Rheinu­
fer aufzugeben und, da im nördlichen Teil der Rheinpfalz spanische Trup­
pen standen, in das Gebiet des Straßburger Bischofs, des Erzherzogs Leo­
pold, einzufallen und die Soldaten dort durch Plündern und Brandschatzen
bei Laune zu halten. Das waren freilich Operationen, die eher im Interesse
Mansfelds als in dem des Pfalzgrafen lagen, der mehr und mehr zu dem
Ergebnis gelangte, dass die Verteidigung der Rhein- und die Rückeroberung
der Oberpfalz mit Hilfe Mansfelds ein Projekt ohne Erfolgsaussicht war. In
dieser Situation entschloss sich Friedrich, anstatt weiterhin auf die militä­
rische Karte zu setzen, eine politische Lösung anzustreben, zu der ihn sein
Londoner Schwiegervater seit längerem drängte. Am 22. Mai 1622, also etwa
einen Monat zuvor, hatten in Brüssel Verhandlungen zwischen dem Statt­
halter der südlichen Niederlande als Vertreter Spaniens und Gesandten
König Jakobs begonnen, in denen es um die Zukunft der Pfalz ging. Wären
diese Verhandlungen erfolgreich gewesen und hätten zu einem alle Seiten
Das Ende des Kriegs um die Pfalz 225

befriedigenden Ergebnis geführt, so wäre damit der Krieg beendet worden:


Es wäre beim böhmisch-pfälzischen Krieg geblieben, und der Dreißigjäh­
rige Krieg hätte nicht stattgefunden. Man kann darüber streiten, ob die
Brüsseler Verhandlungen von vornherein zum Scheitern verurteilt waren,
weil Jakob I. sowie sein Verhandlungsführer Sir John Digby, der seit länge­
rem schon im Reichsgebiet die Möglichkeiten zur Beendigung des Krieges
sondiert hatte, sie nur benutzten, um sich vor einer größeren militärischen
Unterstützung Friedrichs zu drücken - tatsächlich finanzierte England zu
dieser Zeit nur die zwei Regimenter unter Horace Vere, die sich auf die
Verteidigung von Heidelberg, Mannheim und Frankenthal beschränkten -,
oder ob ein Ausgleich zu erzielen gewesen wäre, wenn der aus dem Hin­
tergrund agierende Bayernherzog die Verhandlungen nicht sabotiert hätte.
Maximilian war nämlich an einem friedlichen Ausgleich nicht interessiert,
solange die Pfälzer Kurwürde nicht auf ihn übertragen, also die geheime
Zusatzklausel des Münchner Vertrags erfüllt war.196Die Frage war indes, wie
Hel Macht der Bayer tatsächlich hatte und wie sehr sich Kaiser Ferdinand
gegenüber seinem bayerischen Verbündeten in der Pflicht sah.
In Brüssel trafen die unterschiedlichen Interessen der am Konflikt
Beteiligten unmittelbar aufeinander, und dabei zeigte sich, dass es nicht nur
den Gegensatz zwischen der katholischen und der protestantischen Seite
gab, sondern auch erhebliche Spannungen innerhalb der beiden Parteien.
Infolgedessen zogen sich die Verhandlungen bis Ende September 1622 hin,
ohne dass Fortschritte gemacht wurden.197 Als man auseinanderging, wur­
den die Gespräche nicht abgebrochen, sondern nur verschoben; im Prinzip
war jedoch klar, dass man beim gegenwärtigen Stand der Dinge nicht zu
einer Einigung kommen würde. Spanien und England strebten die Wie­
dereinsetzung Friedrichs in der Pfalz an, Maximilian widersetzte sich dem,
solange die Kur nicht auf ihn übertragen war, der Kaiser changierte, da er
dem Bayern Oberösterreich als Pfand für dessen Kriegskosten abgetreten
hatte, das er zurückhaben wollte, und Friedrich wiederum war nicht bereit,
auf die böhmische Krone als Vorleistung für eine Verständigung zu verzich­
ten. Seine Position war jedoch schwach, und vor die Entscheidung gestellt,
weiterhin im Gefolge des Mansfeld’schen Heeres auf die Rückeroberung
seiner Länder zu setzen oder der Aufforderung seines Schwiegervaters in
2ZÖ E IN A U FSTA N D , D ER DAS R EIC H E R S C H Ü T T E R T

London zu folgen und in die Beendigung der Kriegshandlungen einzuwilli­


gen, entschied er sich für Letzteres. Das bedeutete, dass Friedrich sich von
Mansfeld und dem Braunschweiger trennen musste, denn deren Truppen
waren ohne Raubzüge in die angrenzenden Territorien nicht zusammenzu­
halten. Also erteilte Friedrich am 13. Juli 1622 den beiden einen ehrenvollen
Abschied und begab sich nach Sedan in den Schutz des lothringischen Her­
zogs von Bouillon.

Mansfeld und Christian waren von diesem Augenblick an selbständige


Kriegsunternehmer, die in niemandes Auftrag standen und sich entschei­
den mussten, ob sie ihre Truppen abdanken und ihr bisheriges Geschäffs-
modell beziehungsweise das politische Projekt einer Wiedereinsetzung
Elisabeths aufgeben198 oder sich nach einem neuen Auftraggeber umtun
sollten. Am ehesten kamen dafür die Generalstaaten der Niederlande in
Frage, die sich nach dem Auslaufen des Waffenstillstands mit Spanien im
Kriegszustand befanden und seitdem einige Schlappen erlitten hatten. Im
Januar 1622 hatte Spinola die Festung Jülich erobert, die über mehr als ein
Jahrzehnt von einer niederländischen Besatzung gehalten worden war,199
und Ende Juli hatte Cordoba die Truppen, die nicht länger in der Pfalz
gebraucht wurden, mit seinen Streitkräffen vereinigt, um die niederländi­
sche Festung Bergen op Zoom zu belagern. Durch den Verlust von Ber­
gen op Zoom hätte sich die strategische Lage der nördlichen Niederlande
erheblich verschlechtert. Ende August wurden sich die Generalstaaten mit
Mansfeld und Christian - beide hatten sich zwischenzeitlich wieder einmal
zerstritten - handelseinig, und es wurde vereinbart, dass deren Truppen
in die Dienste des Prinzen von Oranien traten, um das belagerte Bergen
op Zoom zu entsetzen. Das war die Voraussetzung dafür, dass die Truppen
zusammengehalten werden konnten. Von nun an übernahmen die Gene­
ralstaaten die Besoldung.200
Das Problem, das sich damit stellte, war die Heranführung der in
Lothringen festsitzenden Truppen Mansfelds und Christians; sie muss­
ten die spanischen Niederlande, also Feindesland, durchqueren, und
das in möglichst kurzer Zeit.201 Also wurden mehr als 200 Bagagewagen
verbrannt, man verzichtete auf die Mitführung der schwerfälligen Artil­
Das Ende des Kriegs um die Pfalz 227

lerie (mit Ausnahme zweier leichter Kanonen) und nutzte die so freige­
wordenen Pferde, um Fußsoldaten zu Reitern zu machen. Da es sich um
Zugpferde handelte, saßen oft zwei Mann auf einem Tier; so wurde das
Tempo, mit dem sich das Söldnerheer durch das nördliche Frankreich und
danach die südlichen Niederlande bewegte, erheblich gesteigert, weshalb
man auch von einer armee volante, einer fliegenden Armee, sprach. Da sie
keinen Tross mitführte, musste sie sich aus dem Land versorgen, und das
hatte zur Folge, dass sie eine breite Spur der Verwüstung hinterließ. Befes­
tigte Städte wurden umgangen, Widerstand leistende Scharen von Bauern,
etwa im Flennegau, auseinandergejagt. Nahe Fleurus stieß man dann auf
spanische Truppen, die unter dem Kommando Cordobas in Eilmärschen
herbeigezogen waren, um das feindliche Söldnerheer abzufangen. Wollten
Mansfeld und Christian ihr Ziel, Bergen op Zoom, erreichen, so mussten
sie eine Schlacht wagen und den Durchbruch schaffen, um auf der alten
Römerstraße von Köln nach Cambrai weitermarschieren zu können.
Am frühen Morgen des 29. August begann die Durchbruchsschlacht
von Fleurus. Cordoba verfügte über etwa 7000 Mann zu Fuß, Mansfeld
und Christian waren bei den Fußsoldaten nahezu gleich stark; an Reiterei
waren sie mit etwa 6000 Mann den etwa 2500 Reitern Cordobas deutlich
überlegen, während dieser mit sieben Feldstücken gegenüber den zweien
des Söldnerheeres im Vorteil war. Zudem konnte Cordoba sich leisten, in
der Defensive zu bleiben; Mansfeld und Christian dagegen mussten angrei­
fen, um den Durchbruch zu schaffen. Außerdem standen sie vor dem Pro­
blem, dass in der Nacht zuvor 1500 Berittene erklärt hatten, sie würden sich
an der Schlacht nicht beteiligen, da sie keinen Sold erhalten hätten. Immer­
hin erreichte Mansfeld, dass sie auf dem Schlachtfeld blieben und sich so
postierten, dass man sie für eine Reserveeinheit halten konnte.
Fleurus wurde zu der Schlacht, in der Christian von Braunschweig sei­
nem R uf als der «tolle Halberstädter» gerecht wurde: In einem kühnen
Angriff zersprengte die von ihm geführte Kavallerie des linken Flügels die
gegnerische Reiterei, drang bis zu den Trosswagen des spanischen Heeres
vor und attackierte anschließend die Infanterieregimenter Cordobas von
der Seite und vom Rücken her, während der das Zentrum kommandie­
rende Mansfeld die Fußtruppen zum Angriff führte. Durch die ständigen
Bei Fleurus gelang den Truppen Mansfelds und Christians von
Braunschweig im August 1612 unter hohen Verlusten der Durchbruch in
Richtung Niederlande. Da der spanische General Gonzalo Fernändez de
Cordoba dies hatte verhindern wollen, ist Fleurus als ein Sieg der beiden
protestantischen Söldnerführer anzusehen. Aber auch die Spanier feierten
Fleurus als einen Sieg, da sie das Schlachtfeld behaupteten. Das heute im
Madrider Prado hängende Bild von Vincenzo Carducci zeigt die Schlacht
mit dem von rechts ins Bild reitenden Cordoba.

Kavallerieattacken standen die spanischen Tercios dicht gedrängt und bil­


deten so ein gutes Ziel für die beiden Kanonen Mansfelds, während die
Artillerie Cordobas bereits von Christians Kavallerie ausgeschaltet worden
war. Das war schlachtentscheidend, denn damit war Cordoba die Waf­
fengattung genommen, bei der er überlegen war. Nach sechsstündigem
Gefecht wichen die spanischen Verbände zurück und gaben den Weg nach
Nordosten frei.
Die Verluste beider Seiten waren mit 2000 bis 3000 Mann etwa gleich
Das Ende des Kriegs um die Pfalz 229

groß, und beide beanspruchten hernach den Sieg für sich: Mansfeld und
Christian, weil sie den Durchbruch erzwungen hatten, die Spanier, weil sie
nach dem Durchzug der Söldner das Schlachtfeld wieder besetzen konnten,
was üblicherweise als Zeichen des Sieges galt. In diesem Fall aber täuschte
die Symbolik, denn strategisch hatten sich Mansfeld und Christian durch­
gesetzt, und Cordoba hatte die ihm zugedachte Aufgabe nicht erfüllt. Als
die Truppen Anfang Oktober vor Bergen op Zoom eintrafen, mussten die
Spanier die Belagerung aufheben. Das war ein herber Rückschlag für sie,
zumal sie auf einen schnellen und durchschlagenden Erfolg gesetzt hatten.
Der lag nun in weiter Ferne.
Bei den von ihm angeführten Kavallerieattacken hatte Christian einen
Schuss in den Arm bekommen; einige sprechen von einem Durchschuss
der linken Hand, andere von einem Einschuss vier Finger oberhalb des Ell­
bogens.202 Vorerst war keine Zeit, die Wunde zu behandeln, da das Heer
eilends weiterziehen musste. Nach einigen Tagen hatte Wundbrand den
Arm befallen, und als das Heer in Breda, einer Festungsstadt der Gene­
ralstaaten, angelangt war, musste der Arm amputiert werden. Die Art, wie
Christian diese Amputation vornehmen ließ, war typisch für den «tollen
Halberstädter»: Sie fand in Anwesenheit des Heeres statt, jedenfalls der
braunschweigischen Truppen, und Christian ließ während des Schnei­
dens und Sägens die Trommel schlagen, um seine Schmerzensschreie zu
übertönen. Christian tat alles, um den Eindruck zu vermeiden, er werde
als Versehrter nun aus dem Kriegsgeschehen ausscheiden. Als er nach der
Amputation, so berichtet das Theatrum Europaeum, in Breda das Bett hüten
musste, ließ er einen spanischen Trompeter, der sich wegen des Austauschs
von Gefangenen in der Stadt aufhielt, an sein Lager kommen und trug ihm
auf, «dem Spinola zu sagen, der tolle Herzog hätte zwar seinen einen Arm
verloren, aber den anderen behalten, sich an seinen Feinden zu rächen»203.
Seinem Bruder schrieb Christian, «und ob zwar der eine Arm großen Man­
gel erlitten, so verhoffen [wir] doch dem Vaterlande noch mit dem übrigen
gute Dienste zu erweisen»204. Aus der bei Fleurus gemachten Beute ließ er
Münzen mit der Aufschrift «Altera restat» schlagen - der andere ist geblie­
ben. Das war, wie auch die Spinola zugesandte Botschaft, als Beleg eines
Durchhaltewillens zu verstehen.
23° E IN A U FSTA N D , D ER DAS R E IC H E R S C H Ü T T E R T

Symbolkrieg, Propagandakrieg
und die Übertragung der Kurwürde

Christian von Braunschweig wusste um den Wert politischer Symbole und


hatte eine ausgeprägte Neigung zu großen Gesten. Solche hatte er bereits
gezeigt, als er aus dem Paderborner Domschatz «Pfaffenthaler» schlug
oder als er den Handschuh Elisabeths, den diese hatte fallen lassen, erst
wieder zurückzugeben versprach, wenn sie durch seine Hilfe als böhmische
Königin nach Prag zurückgekehrt sei. Als er 1623 die Niederlande verließ,
um im niedersächsischen Kreis Truppen zu werben, die den Krieg um die
Pfalz wiederaufnehmen sollten, ließ er auf seiner Leibfahne die Parole Tout
pour Dieu et pour Elle anbringen: Für Gott und für Sie, womit Elisabeth
gemeint war. Andere Fahnen trugen neben dem Namenszug Christians
die Aufschrift Recuperare aut mori, Zurückgewinnen oder Sterben, womit
das Programm seiner Kriegführung Umrissen sein sollte.205 Die Parole Tout
pour Dieu et pour Elle war jedoch nicht nur eine Reverenz an die Gemahlin
Friedrichs, sondern zugleich auch eine Verhöhnung Tillys, der ein glühen­
der Marienverehrer war und dessen Leibregiment Fahnen mit Symbolen
der Marienverehrung führte. Eine davon zeigte die Wallfahrtskapelle von
Altötting, die Tilly selbst mehrfach aufgesucht hatte, und oberhalb der
Kapelle Maria mit dem Jesuskind im Strahlenkranz.206 Tillys Komman­
dofahne, die in der Schlacht von Breitenfeld in schwedische Hände fiel
- sie wird heute als Trophäe aus dem Dreißigjährigen Krieg in Stockholm
aufbewahrt - , trug die auf Bernardino da Siena zurückgehende Symbolik
« IH S » - für griechisch Iesous, Hyos, Soter: Jesus, Sohn (Gottes), Retter/
Heiland - , und auf dem Querbalken des « H » war ein Kreuz mit Maria
und Johannes sowie ein von Lanzen und Kreuznägeln durchbohrtes Herz
zu sehen. Es war die marienzentrierte Heiligensymbolik des gegenrefor-
matorischen Katholizismus, die Tilly als militärische Emblematik nutzte,
um deutlich zu machen, worin die Legitimation seines Kampfes bestand.
Höhepunkt dieser Marienverehrung war im Jahr 1638, also noch während
des Krieges, die Errichtung der Mariensäule im Zentrum Münchens: Maria
als Patrona Bavariae, Schutzheilige Bayerns, ist darauf umgeben von vier
Symbolkrieg, Propagandakrieg und die Übertragung der Kurwürde 131

Putten, die als Kämpfer gegen Hunger, Pest, Krieg und Ketzerei dargestellt
werden - die gegenreformatorische Variante der vier apokalyptischen Rei­
ter aus der Offenbarung des Johannes.207
Die böhmischen Reformierten hatten gegen den katholischen Marien­
kult opponiert, indem sie auf den Bildern, die in ihre Hände fielen, den
Heiligen und vor allem der Mutter Gottes die Augen ausstachen. Das war
eine demonstrative Provokation, ergab aber keine eigene politisch-religiöse
Symbolik. Der «tolle Halberstädter» war da mit der Aufschrift Toutpour
Dieu etpourElle einen Schritt weiter; der Elisabeth-Bezug war eine Symbolik
seines ritterlichen Minnedienstes, spielte aber für die Soldaten seines Hee­
res keine Rolle. Christian hatte offenbar ein Gespür für die symbolpolitische
Schwachstelle des Protestantismus - was Mansfeld dagegen völlig abging - ,
konnte jedoch keine wirkliche Lösung anbieten. Das pour Elle blieb auf
ihn und die Verhöhnung Tillys beschränkt. Dem «geharnischten Mönch»
wurde eine für ihre körperliche Schönheit gerühmte Frau entgegengestellt.

Derweil hatte der Abzug von Mansfelds und Christians Truppen Tilly den
nötigen Spielraum verschafft, um die Eroberung der Rheinpfalz zu been­
den und die drei noch in der Hand Friedrichs befindlichen Festungsstädte
- Mannheim, Frankenthal und die Residenzstadt Heidelberg - unter seine
Kontrolle zu bringen. Mit Heidelberg machte Tilly den Anfang.208 Nach
dem Abrücken Cordobas in die südlichen Niederlande zog er die Truppen
Erzherzog Leopolds an sich, und am r6. August 1622 war die Residenzstadt
des Pfalzgrafen vollständig eingeschlossen. Die vor allem aus englischen
Soldaten bestehenden Verteidiger unter dem Kommando des Niederlän­
ders Hendrik van der Merven waren nicht gewillt, sich kampflos zu erge­
ben, und leisteten zunächst an den äußeren Bastionen, dann in der Kern­
stadt am linken Neckarufer und schließlich, nachdem man auch die Stadt
hatte aufgeben müssen, im Schloss erbitterten Widerstand. Tilly hatte sie
mehrfach zur Kapitulation aufgefordert, doch van der Merven hatte dies
zurückgewiesen, so dass die Soldaten Tillys, als sie am 16. September in
das Stadtzentrum eindrangen, das dem Kriegsbrauch entsprechende Recht
auf Plünderung ausgiebig in Anspruch nahmen. Die Bevölkerung erlebte
drei Tage lang «eine Orgie von Mord, Schändung und Plünderung».209
131 E IN A U FSTA N D , D ER DAS R E IC H E R S C H Ü T T E R T

In der alten Stadt, so heißt es in einem zeitgenössischen Bericht, sei «ein


•rmmerlich Zetergeschrei [entstanden] durch Massacrieren, Plündern und
Geldherausmartern mit Däumeln, Knebeln, Prügeln, Peinigen, Nägelboh­
ren, Sengen an heimlichen Orten, Aufhenken, Brennen an den Fußsohlen,
mit Schänd- und Wegführung der Frauen und Jungfrauen», und «dieses
P.andern sei bis in den dritten Tag continuiert worden».210 Die hier berich­
teten Vorgänge sollten sich bei der Eroberung von Städten noch viele Male
■ «tederholen. Fleidelberg machte den Anfang, und neben den Ereignissen
in Magdeburg 1631, also neun Jahre später, war es vor allem die Plünderung
der «Neckarperle», die für den schlechten R uf Tillys bis heute verantwort-
jch ist. Tilly steht darin Mansfeld nur wenig nach - auch wenn jüngere
Biographen sich bemüht haben, Tilly in besseres Licht zu rücken, indem
sie betonten, dass die Plünderung Heidelbergs dem damaligen Kriegsrecht
entsprochen habe.211
Kurz nach der Eroberung der Kernstadt kapitulierten die Verteidiger
ces Schlosses, nachdem sie von Horace Vere, dem in Mannheim befind-
rchen Oberkommandierenden des englischen Truppenkontingents,
die Erlaubnis dazu erhalten hatten. Am 20. September zogen die etwa
500 Mann van der Mervens mit Waffen und Tross - «mit klingendem
Spiel», also in allen Ehren - in Richtung Frankfurt ab. Tilly wandte sich
unterdessen gegen Mannheim, das, nachdem sich Vere zunächst in die
Zitadelle zurückgezogen hatte, am 2. November kapitulierte. Damit war
nur noch Frankenthal in pfälzischer Hand; um mit dessen Belagerung zu
beginnen, war die Jahreszeit bereits zu weit fortgeschritten. Am 23. März
1623 Unterzeichneten die englische und die spanische Regierung einen Ver­
trag, der die Übergabe Frankenthals nicht an die Liga, sondern an die Brüs­
seler Statthalterschaft vorsah, und zwar zu treuhänderischen Bedingun­
gen: Die Festung sollte an die englische Besatzung zurückgegeben werden,
wenn es nicht innerhalb von achtzehn Monaten zu einer Aussöhnung zwi­
schen dem Kaiser und dem Kurfürsten gekommen sein sollte.212 Danach
zog eine spanische Truppe in Frankenthal ein, und damit stand die gesamte
Fü.einpfalz unter der Kontrolle des Kaisers und seiner Verbündeten. Ende
1622 und Anfang 1623 war die Herrschaft Friedrichs in seinen Erblanden zu
Ende gegangen. Der Krieg schien für ihn endgültig verloren.
Symbolkrieg, Propagandakrieg und die Übertragung der Kurwürde 233

Zu den Siegestrophäen gehörte die berühmte Heidelberger Bibliotheca


Palatina, die bedeutendste Büchersammlung nördlich der Alpen, mit der
nur die Vatikanische Bibliothek in Rom vergleichbar war. Sie enthielt grie­
chische Handschriften, vor allem aber sämtliche reformatorische Schriften,
und Letzteres war wohl der Grund, warum die Römische Kurie so großen
Wert darauf legte, dass diese Bestände nach Rom überführt wurden. Auf
Seiten der Sieger konnte man dem Papst diesen Wunsch schlecht abschla-
gen, nachdem er die Kriegführung mit erheblichen Subsidienzahlungen
unterstützt hatte. Mit 50 Wagen wurden die Schätze nach Rom gebracht,
wo sie der Vatikanischen Bibliothek einverleibt wurden und wo sie sich
bis heute befinden.213 In der Forschung wird immer noch darüber gestrit­
ten, wer für dieses «Geschenk» an den Papst verantwortlich sei, Herzog
Maximilian oder Kaiser Ferdinand II. - immerhin hat Maximilian, als der
Wagenzug durch München kam, die Heidelberger Bücher mit seinen «Exli­
bris» versehen lassen.214 Dieser Streit bezieht seine Brisanz nicht zuletzt
daraus, dass eine solche Plünderung von Kulturgütern gemäß den kriegs­
rechtlichen Regelungen nach 1648 ein Kriegsverbrechen dargestellt hätte,
das nur durch die Rückführung des Beuteguts wiedergutgemacht werden
konnte. Noch aber galten diese Regelungen nicht. Bibliotheken waren wäh­
rend des gesamten Krieges ein bevorzugtes Beutegut der Fürsten; als die
Schweden Würzburg eroberten, ließen sie die bischöfliche Bibliothek nach
Uppsala bringen, und auch die kaiserlichen Generäle Gallas und Aldrin-
gen hielten sich an die herzogliche Bibliothek, als sie 1630 Mantua ausplün­
derten.215
Wahrscheinlich wären im Herbst 1622 und Frühjahr 1623 Verhand­
lungen zur Beendigung des Krieges leichter gefallen, wenn sich Friedrich
gegen Tilly und Cordoba in der Rheinpfalz militärisch behauptet hätte. Die
von England immer wieder ins Spiel gebrachte Formel eines Ausgleichs
zielte nämlich darauf ab, dass Friedrich V. auf Böhmen sowie die zugehö­
rigen Gebiete verzichtete und der Kaiser im Gegenzug Friedrich im Besitz
seiner Erblande sowie der damit verbundenen Stellung im Reich beließ.
Das lief, wenn man von den inneren Verhältnissen Böhmens absieht, auf
die Wiederherstellung des Status quo ante hinaus.216
Spanien hatte große Sympathien für eine solche Lösung, denn man
234 E IN A U FSTA N D , D ER DAS R E IC H E R S C H Ü T T E R T

spürte in Madrid zunehmend die finanziellen Belastungen des Krieges, die


das Land inzwischen deutlich überforderten. Die 1618 diskutierte Frage, ob
Spanien dringlich Frieden brauche und sich diesen Krieg überhaupt leis­
ten könne,217 tauchte mit dem Tod Philipps III. und dem Regierungsan­
tritt seines Sohnes Philipp IV. erneut auf. Außerdem hatten die Spanier das
Ziel, um dessentwillen sie in den Krieg eingetreten waren, im Wesentlichen
erreicht: Die Position der Habsburger in Mitteleuropa war wiederherge­
stellt. Es gab aus der Perspektive Madrids also keinen Grund, den kräfte­
zehrenden Krieg weiterzuführen. Bei einer Restitution des Pfalzgrafen
unter spanischer Mitwirkung konnte man zudem davon ausgehen, dass
die geostrategischen Interessen Spaniens - man wollte über eine sichere
Verbindung zwischen Norditalien und den Niederlanden verfügen, die
«spanische Gasse», den camino espanol oder camino real - berücksichtigt
würden.
Die Spanier waren sich darüber im Klaren, dass Maximilian mit einer
solchen Lösung nicht einverstanden war, gingen aber davon aus, dass der
Kaiser andere Möglichkeiten als die Absetzung des Pfalzgrafen finden
würde, den Bayernherzog angemessen zu belohnen und zufriedenzustel­
len. Ende 1622 und Anfang 1623 war die Position Maximilians nicht mehr
so stark wie noch im Jahr zuvor: Die zeitweilige Übereinstimmung seiner
Interessen mit Kursachsen begann sich aufzulösen, und der Kaiser war seit
dem Zerfall der protestantischen Union und der Eroberung der Rhein­
pfalz erheblich weniger auf eine militärische Unterstützung durch die Liga
angewiesen. Jetzt hing alles davon ab, wie sich der Kaiser gegenüber Maxi­
milian verhalten würde und ob Spanien sich auf Konzessionen gegenüber
den bayerischen Ansprüchen einließ. Bayern und Spanien, die beiden
wichtigsten Unterstützungsmächte des Kaisers in den vorangegangenen
Feldzügen, standen sich nun gegenüber, und beide suchten auf den Kaiser
in ihrem Sinne einzuwirken.
Aber das war nur die machtpolitische Sicht der Lage. Sobald man eine
konfessionspolitische Perspektive einnahm, stellten sich die Konstellatio­
nen gänzlich anders dar: Dann nämlich ergab sich infolge der Niederlagen
des kämpferischen Protestantismus die einmalige Chance, große Teile des
Reichs wieder dem Katholizismus zuzuführen und sicherzustellen, dass
Symbolkrieg, Propagandakrieg und die Übertragung der Kurwürde 2.35

weder die Katholiken noch das Haus Habsburg je wieder in eine so prekäre
Lage kommen würden wie in den Jahren 1618 und 1619. Natürlich hatte
man in Spanien kein Interesse daran, es mit dem Bayernherzog Maximilian
zu verderben, ohne den der Siegeszug der zurückliegenden drei Jahre nicht
möglich gewesen wäre. Die Ansicht, Spanien solle an einem mächtigen
katholischen Block im Reich interessiert sein, wurde vor allem von Baltha­
sar Züniga vertreten, aber es war unklar, ob er sich gegen die «Friedens­
partei» am spanischen H of unter dem Herzog von Lerma würde durch­
setzen können. A uf der Seite Zünigas stand die Römische Kurie unter dem
neuen Papst Gregor XV., und dessen Beauftragter, der Kapuzinerpater
Hyazinth von Casale (eigentlich Federico Natta, Conte dAlfiano), wirkte
nachdrücklich auf den Kaiser ein, seine Versprechen gegenüber dem Bay­
ernherzog nunmehr einzulösen.218 Pater Hyazinth wurde in dieser Situa­
tion zum wichtigsten Unterstützer Maximilians. Es war offenbar auch der
diplomatisch versierte Kapuziner, der die Formel erfunden hatte, mit der
die Übertragung der Kur auf den Weg gebracht worden war, ohne dass
dabei neue Fronten geschaffen wurden. Man hatte Maximilian einstweilen
zuffiedengestellt, ohne den offenen Widerspruch Spaniens und Kursach­
sens zu riskieren: Durch die geheime Ausstellung der Belehnungsurkunde
war die Übertragung der Kur bereits im Herbst 1621 faktisch vollzogen
worden, aber dieser Akt wurde nicht öffentlich gemacht. Um die Öffent-
lichmachung und den formellen Vollzug der Kurübertragung ging es jetzt.
Ende September 1621 bereits hatte Hyazinth dem Bayernherzog eine dies­
bezügliche Urkunde des Kaisers überbracht. Doch würde der Kaiser nun,
mehr als ein Jahr danach und unter dem Eindruck einer deutlich verän­
derten Gesamtlage, zu dieser Vereinbarung stehen? Und würde es möglich
sein, für die offizielle Übertragung der Kur eine klare Mehrheit im Kurfürs­
tenkollegium zu finden? Die Antwort darauf stand im Spätherbst 1622 auf
Messers Schneide.

Der Dreißigjährige Krieg war - neben vielem anderen - auch ein Propagan­
dakrieg, und er war dies in einem Ausmaß, in dem ihm erst die Kriege des
20. Jahrhunderts mit ihrer ausgeprägten propagandistischen Komponente
vergleichbar sind. Das gilt nicht nur für die karikierenden Flugblätter, mit
23<* E IN A U FSTA N D , D ER DAS R EIC H E R S C H Ü T T E R T

denen sich die Parteien gegenseitig herabzusetzen suchten,219 sondern auch


für die Publikation geheimer Dokumente, aus denen hervorging, dass die
Begründungen und Erklärungen, deren sich eine Partei öffentlich bediente,
keineswegs mit den von ihr insgeheim verfolgten Zielen und Plänen über­
einstimmten. Die Offenlegung dieses «Insgeheimen» warf nicht nur ein
Licht auf das machtpolitische Ränkespiel, es schuf auch Raum für Ver­
schwörungstheorien, denn mit der Publikation von Geheimabsprachen
verbreitete sich die Auffassung, dass es natürlich noch weit mehr Geheim­
nisse gebe - und so kursierten bald die wildesten Vorstellungen über die
verborgenen Absichten der Gegenseite. Die Realisierung dieser Absichten
zu verhindern, wurde wiederum zur Motivation für neue Kriegsanstren­
gungen.
Die Veröffentlichung geheimer Absprachen und Übereinkünfte
brachte beide Seiten immer wieder in Schwierigkeiten. Als Bucquoy 1619
den Mansfeldern bei Seblat in Südböhmen eine gehörige Schlappe zufügte,
fielen ihm Briefe in die Hände, die zwischen Mansfeld und dem Herzog von
Savoyen gewechselt worden waren und aus denen das Interesse des Savoy-
ers an der böhmischen Krone sowie seine an Mansfeld geleisteten Zahlun­
gen hervorgingen. Die Veröffentlichung dieser Korrespondenz durch die
kaiserliche Kanzlei stellte den Herzog bloß und zwang ihn, sich aus dem
eben erst beginnenden Krieg zurückzuziehen.220 Auch die im November
1620 bei der kopflosen Flucht Friedrichs aus Prag den Katholischen zugefal­
lene Korrespondenz Christians von Anhalt mit den protestantischen Fürs­
ten Europas, die im Frühjahr 1621 als «Anhaitische Geheime Cantzley»
veröffentlicht wurde, war ein großer Propagandacoup für den Kaiser und
seine Verbündeten, da daraus das ganze Gespinst der reformierten Bünd­
nisbestrebungen ersichtlich wurde. Als im November 1621 dann Soldaten
des Regiments Löwenstein, das zu den Truppen Mansfelds gehörte, Briefe
zwischen dem Wiener Kaiserhof und der Brüsseler Statthalterschaft in die
Hände fielen, in denen es auch um die geheime Mission des Kapuziners
Hyazinth und die Übertragung der pfälzischen Kur auf die Wittelsbacher
in München ging, wurde daraus ein Propagandacoup der protestantischen
Seite: Im Frühjahr 1622 veröffentlichte Ludwig Camerarius diese Briefe
in drei Flugschriften und legte darin die geheimen Absprachen zwischen
Symbolkrieg, Propagandakrieg und die Übertragung der Kurwürde 237

Maximilian und Ferdinand, aber auch den Dissens zwischen dem Kaiser
und Madrid in der Frage der Kurübertragung offen.221
Durch diese Briefe kamen Johann Georg von Sachsen und seine reichs ­
konservativen beziehungsweise kaisertreuen Anhänger unter Druck. Es
wurden umgehend Gesandtschaften des süddeutschen Protestantismus
und des niedersächsischen Reichskreises in Dresden vorstellig, die den
Kurfürsten beschworen, sich mit aller Entschiedenheit diesem Vorhaben
entgegenzustellen, das nicht im Interesse des Reichs, sondern allein in dem
der katholischen Partei liege. Verfüge die katholische Seite nämlich erst ein­
mal über eine klare Mehrheit im Kurfürstenkollegium, dann werde sie auch
die bisher bloß angekündigte Restitutionspolitik in die Tat umsetzen, was
die norddeutschen Fürstenhäuser in arge Bedrängnis brächte.222 Wenn Fer­
dinand II. an einer Übertragung der Kur von Heidelberg nach München
festhielt, so riskierte er nicht nur, seinen bisherigen Verbündeten Kursach­
sen zu verlieren, sondern auch die gerade zerfallene Front des Protestantis­
mus im Reich wiederherzustellen. Zudem musste er damit rechnen, dass
dann Jakob I. mit seiner Drohung ernst machen und in den Krieg eingrei-
fen würde. Es gab somit gute Gründe dafür, dass der Kaiser zögerte und
den immer drängender auffretenden Maximilian, der die Übertragung der
Kur öffentlich machen wollte, um den damit verbundenen Einfluss endlich
auch nutzen zu können, weiter hinzuhalten suchte.
Irgendwann musste jedoch eine Entscheidung fallen, und die bis auf
Frankenthal vollständige Kontrolle über die Rheinpfalz legte es der Wiener
Politik nahe, im November 1622 zu einem Deputationstag nach Regens­
burg einzuladen. A uf ihm sollte die feierliche Übertragung der Kur vollzo­
gen werden - und das hieß, dass der Krieg mit großer Wahrscheinlichkeit
weitergehen würde.223 Es war kein Kurfürstenkonvent, der in Regensburg
stattfinden sollte, sondern ein Deputationstag - und allein das war reichs­
rechtlich problematisch: Wenn überhaupt, so hatten die Kurfürsten über
die Kurübertragung zu befinden. Der Kaiser wollte sich indes gar nicht mit
den Kurfürsten beraten, um anschließend eine gemeinsame Beschlussfas­
sung umzusetzen, sondern hatte die Entscheidung bereits aus jener eige­
nen Machtvollkommenheit (plenitudo potestatis) getroffen, die er für sich
in Anspruch nahm und die reichsrechtlich ebenfalls höchst umstritten
238 E IN A U FSTA N D , D ER DAS R EIC H E R S C H Ü T T E R T

war.224 So bestätigte er den auch von katholischen Reichsständen geäußer­


ten Vorwurf, er verfolge eine Politik, die am Ende auf eine Aufhebung der
«teutschen libertät» hinauslaufe und den Kaiser zum Souverän im Reich
nach Art des spanischen Königs mache. Die Formel von der «spanischen
servitut» wurde zum Gegenbegriff der «teutschen libertät», wiewohl
zu diesem Zeitpunkt die spanische Politik de facto auf eine Verteidigung
ständischer Rechte hinauslief, während einer dieser Reichsstände, näm­
lich Maximilian von Bayern, durch sein Drängen auf die pfälzische Kur zu
deren ärgsten Gefährdern gehörte.
Ferdinand wollte die Regensburger Versammlung, deren Nutznießer
Maximilian sein würde, in der Tat dazu nutzen, auch für sich einen Vorteil
herauszuschlagen, indem er seine Befugnisse gegenüber den Reichsstän­
den demonstrativ ausweitete. Der Zeitpunkt dafür war gut gewählt, denn
die katholischen Kurfürsten würden dem nicht offen widersprechen oder
sich dem Projekt gar widersetzen können, der geächtete Pfälzer konnte an
der Versammlung nicht teilnehmen, und die Einwände der beiden verblie­
benen Protestanten, des Sachsen und des Brandenburgers, ließen sich als
konfessionelles Agieren abtun, mit dem die Protestanten auch schon in
der Vergangenheit den Ablauf von Reichstagen blockiert hatten. Deswegen
musste der Kaiser auch aus eigener Machtbefugnis und ohne Beratung mit
dem Kurfürstenkollegium handeln. Für einen solchen Akt brauchte Fer­
dinand eine Bühne, und dazu genügte ihm ein Kurfürstenkonvent nicht.
«D er Deputationstag», so Anton Gindely, «unterschied sich dadurch vom
Kurfürstenkonvent, daß dazu außer den Kurfürsten auch die Herzoge von
Baiern, Braunschweig und Pommern, der Landgraf von Darmstadt, der
Erzbischof von Salzburg und die Bischöfe von Würzburg, Bamberg und
Speyer Zutritt hatten. Die zahlreichere Versammlung sollte den zu fassen­
den Beschlüssen mehr Glanz verleihen.»225 Der Glanz der Veranstaltung
sollte kompensieren, was ihr an reichsrechtlichen Grundlagen mangelte.
Zunächst aber gingen die Brüsseler Beratungen zwischen England
und Spanien über die Frage weiter, wie, unabhängig von der Kurübertra­
gung, mit den rheinpfälzischen Besitzungen Friedrichs verfahren werden
sollte. Graf Onate machte den Vorschlag, dem Pfalzgrafen die Einkünfte
der Ämter Heidelberg, Mannheim und Frankenthal zu überlassen und
Symbolkrieg, Propagandakrieg und die Übertragung der Kurwürde 239

ihm Heidelberg als Residenz zu übergeben, wohingegen Frankenthal und


Mannheim unter spanischer Kontrolle verbleiben sollten. Dagegen spra­
chen sich das von Maximilians Bruder regierte Kurköln und der bayerische
Herzog selbst aus; sie wollten von Friedrich zuvor eine Erklärung, in der er
ieder Zusammenarbeit mit Mansfeld entsagte. Da Friedrich dazu aber nicht
bereit war, kamen diese Gespräche nicht voran, und es ging daraufhin nur
noch um die Übertragung der Kur, die in Regensburg öffentlich vollzogen
werden sollte. Die katholische Partei war dafür, die protestantische dagegen,
und Spanien hatte Bedenken. Man verständigte sich schließlich auf einen
Mittelweg, der dem Herzog von Bayern Genugtuung verschaffen und die
Lutheraner nicht weiter provozieren sollte. So einigte man sich darauf, die
Kur auf Maximilian persönlich und nur für dessen Lebzeiten zu übertragen
und für den Fall einer Aussöhnung zwischen dem Pfälzer und dem Bay­
ern die Möglichkeit offenzulassen, dass die Kur an einen Sohn oder Nef­
fen Friedrichs zurückfiel. Das war ein Formelkompromiss, der die weitere
Behandlung dieser Frage vom Fortgang des Krieges abhängig machte. Er
war indes dazu geeignet, die protestantische Seite erneut zu spalten, so dass
sie keinen geschlossenen Widerstand mehr leistete, und die reichstreuen
Lutheraner so weit zufriedenzustellen, dass sie an ihrer kaiserfreundli­
chen Politik festhalten konnten.226 Bis auf weiteres waren Formelkompro­
misse das Mittel, dessen sich der Kaiser bediente, um sich im Dickicht der
Abhängigkeiten, in das er sich begeben hatte, überhaupt noch bewegen zu
connen. Diese Formelkompromisse dienten dazu, den Krieg nicht weiter
anzuheizen, aber sie trugen nicht dazu bei, ihn zu beenden oder einen Weg
zu eröffnen, der zu seiner Beendigung führte. Sie lösten die Probleme ein­
zelner Protagonisten des Krieges, halfen aber nicht, die Krise im Reich zu
bewältigen.
De facto wurden auf diese Weise Konstellationen geschaffen, die nicht
mehr umkehrbar waren, und das fand seinen Ausdruck in der feierlichen
Inauguration Maximilians als neuer Kurfürst, die am 25. Februar 1623 in
Regensburg stattfand. Sachsen und Brandenburg blieben der Zeremonie
rern, ebenso Graf Onate als spanischer Gesandter, der bis zuletzt auf eine
Verschiebung der öffentlichen Inauguration gedrängt hatte. Vom Mainzer
Erzbischof heißt es in einem Bericht des sächsischen Gesandten, er habe
24° E IN A U FSTA N D , D ER DAS R E IC H E R S C H Ü T T E R T

«sich etlich mal im Kopf gekratzt und gar unlustig erzeiget», und auch Kai­
ser Ferdinand habe bei den Feierlichkeiten «gar forchtsamb geredet».227
Die Infantin Isabella in Brüssel, die von Onate über den Gang der Ver­
handlungen und die Inauguration Maximilians als Kurfürst unterrichtet
worden war, schrieb an Philipp IV.: «Der Kaiser hat sich damit in neue
und gefährliche Kämpfe eingelassen; Euer Majestät aber wird zu erwägen
haben, was hinsichtlich der deutschen Angelegenheiten und Hülfeleis-
tung zu thun ist.»228 Bei denen, die auf ein Ende des Krieges gesetzt hat­
ten, machte sich Resignation breit; sie spürten mehr oder weniger deutlich,
dass das Geschehen eine Eigenlogik entwickelt hatte, gegen die sie nicht
anzukommen vermochten. Die Anhänger einer entschiedenen Stärkung
der katholischen Macht im Reich, namentlich der Kapuziner Hyazinth und
etliche Jesuiten in seinem Umfeld, «frohlockten» hingegen, wie der säch­
sische Gesandte Lebzelter nach Dresden berichtete.229 Für sie war die Ver­
sammlung von Regensburg nur ein Zwischenschritt auf dem Weg zu ihrem
Ziel, den Protestantismus im Reich gänzlich auszutilgen. «M an mußte auf
keine Allianzen oder andern Respekt und Personen, sondern nur darauf
sehen, daß die katholische Kirche befestigt und befördert werden möchte»,
soll Pater Hyazinth in einer Predigt verkündet haben, wie die sächsischen
Gesandten mitzuteilen wussten.230 Die Weichen waren auf Fortsetzung des
Krieges gestellt.
3. K A P I T E L
FORTGANG UND AUSW EITUNG:
DER N IED ERSÄ CH SISC H ­
DÄNISCH E KRIEG

Ein neuer Kriegsschauplatz entsteht

P
eriodisierungen des Dreißigjährigen Krieges orientieren sich zumeist
an den zentralen Kriegsschauplätzen und den Ereignissen, die ihre
Verlagerung auslösen. In vielen Darstellungen wird der Beginn des nieder-
sächsisch-dänischen Krieges deshalb auf das Jahr 1625 datiert, jenes Jahr, in
dem sich König Christian IV. von Dänemark zum Obersten des niedersäch­
sischen Reichskreises wählen ließ.1 Die Zwischenphase von 1623 bis 1624
wird dabei ohne weitere Begründung dem mit dem Jahreswechsel 1622/23
zu Ende gegangenen böhmisch-pfälzischen Krieg zugerechnet. Im Unter­
schied dazu werden hier die Rriegshandlungen dieser Zwischenphase als
Auftakt zum niedersächsisch-dänischen Krieg begriffen: Mit dem Vorstoß
Tillys nach Hessen, wo er den Konflikt zwischen der Darmstädter und der
Kasseler Linie der hessischen Landgrafen zugunsten des kaisertreuen Darm­
städters entschied,2 und anschließend nach Westfalen begann eine weitere
Ausdehnung der Kriegsschauplätze - mit der Folge, dass der Krieg immer
mehr Gebiete erreichte und mit der Zeit ganz Deutschland verheeren sollte.
Einen solchen Krieg ohne räumlich abgegrenzte Kriegsschauplätze hat es
in Deutschland bis zum Zweiten Weltkrieg - genaugenommen bis zum
Beginn des systematischen Bombenkriegs - nicht mehr gegeben. Vor allem
das hat den Dreißigjährigen Krieg zum großen Trauma in der historischen
242 FO R T G A N G UND A U SW EITU N G

Erinnerung der Deutschen werden lassen. Die Jahre 1623 und 1624 bilden
die Phase, in der sich diese Veränderung vollzogen hat; deswegen soll ihnen
hier größere Aufmerksamkeit zuteil werden, als das sonst üblich ist.
Zunächst fand lediglich eine Verlagerung des Krieges statt: Die böhmi­
schen, pfälzischen, kurmainzischen und elsässischen Schauplätze, auf denen
sich das Kriegsgeschehen bis dahin überwiegend abgespielt hatte, wurden
vorerst geschlossen, und in West- und Norddeutschland entstanden neue
Schauplätze, auf denen der Krieg in den folgenden zehn Jahren im Wesent­
lichen geführt wurde. Viele der bis dahin verwüsteten und ausgeplünderten
Gebiete Süddeutschlands erhielten dadurch eine «Erholungspause», in
der sich das wirtschaftliche und gesellschaftliche Leben erneuerte, bis diese
Territorien dann ein weiteres Mal von der Kriegsfurie überrollt wurden. Für
den Gesamtverlauf des Krieges spielten solche regionalen «Rekreationspe-
rioden» eine wichtige Rolle (zumindest in der ersten Kriegsphase), denn
so blieben die Ressourcen verfügbar, die den Krieg nicht «ausbrennen»
ließen. Anders formuliert: Was für die Menschen zeitweilig von Vorteil war,
sorgte über den gesamten Raum und die gesamte Zeit hin dafür, dass der
Krieg länger andauerte. Ein so vielfältig verflochtenes Geschehen wie das
des Dreißigjährigen Krieges ist durch fundamentale Ambivalenzen gekenn­
zeichnet, und zu diesen Ambivalenzen gehörte, dass das Glück der einen
Region zum Unglück einer anderen Region wurde.
Die militärischen Protagonisten bei der Verlagerung des Kriegsge­
schehens von Süd- nach Norddeutschland waren Mansfeld, Christian
von Braunschweig und Tilly: die beiden ersten durch ihren Abzug aus
der Rheinpfalz und den Vorstoß in die Niederlande; Tilly durch die Ver­
schiebung seiner Truppen nach Oberhessen, wo sie im Konflikt der beiden
Landgrafen dafür sorgten, dass die vom Kaiser bestätigten Ansprüche der
Darmstädter Linie durchgesetzt wurden und Moritz von Hessen-Kassel,
den man in Wien als Usurpator ansah, das gesamte Marburger Erbe vorerst
verlor. Tilly verlegte starke Kräfte in die Wetterau nördlich von Frankfurt,
wo sie im Winter 1622/23 Quartier bezogen. Er selbst hatte sein Hauptquar­
tier in Assenheim bei Friedberg eingerichtet, von wo er im Frühjahr 1623
in die Kernlande des Kasseler Landgrafen vorstieß.3 Die Legitimation zu
diesem Vorstoß weit über die Territorien der Liga hinaus hatte ihm unge­
Ein neuer Kriegsschauplatz entsteht 243

wollt Herzog Christian verschafft, der sich nach einem kurzen Aufenthalt
in den Niederlanden in neuerlichem Streit von Mansfeld trennte und mit
den ihm verbliebenen Einheiten in die welfischen Territorien seines Bru­
ders, des Herzogs Friedrich Ulrich von Braunschweig-Wolfenbüttel, zog,
wo er mit neuen Werbungen begann.4Angesichts dieser Gefahr erhielt Tilly
den Auftrag, nach Norden vorzurücken und gegen Christians Rüstungen
einzuschreiten.
Der Bruch mit Mansfeld kam Christian sehr zupass, denn so konnte
er dem niedersächsischen Kreis gegenüber erklären, die Präsenz seiner
Soldaten und die Werbung weiterer Einheiten dienten bloß dem Schutz
des Kreises vor einem bevorstehenden Angriff ligistischer Truppen, und
als Beleg dafür verwies er auf die Truppen Tillys. Womöglich hatte er den
Bruch sogar fingiert, um politischen Spielraum zu gewinnen.5 Im nieder­
sächsischen Kreis war man tatsächlich besorgt, da man fürchtete, Kaiser
und Liga könnten den Siegeszug der zurückliegenden Jahre nutzen, um in
Norddeutschland, wo ein großer Teil des katholischen Kirchenbesitzes von
protestantischen Fürsten übernommen worden war, die Restitutionsforde­
rungen der Katholiken durchzusetzen.6Jedenfalls trat Christian für einige
Monate in die Dienste seines Bruders Friedrich Ulrich, der 50 000 Gulden
für den Unterhalt der Truppen zahlte,7 und ließ über König Christian IV.
von Dänemark gleichzeitig sondieren, ob und unter welchen Bedingungen
er sich mit dem Kaiser doch noch aussöhnen könne. Vermutlich war das
ebenso eine Finte wie das demonstrative Zerwürfnis mit Mansfeld, denn
nun ließ sich gegen ihn kaum mehr der Vorwurf erheben, er sei ein Rebell
gegen Kaiser und Reich. A u f diese Weise gegen eine Reichsexekution
durch Tilly geschützt, gewann Christian Zeit, um seine Truppen einsatzfä­
hig zu machen. Welche Pläne er für das Jahr 1623 hatte, bleibt unklar, aber
es spricht vieles dafür, dass er einen Vorstoß nach Böhmen führen wollte.
Dabei sollte ihm aus der entgegengesetzten Richtung Bethlen Gabor ent-
gegenkommen; es handelte sich also um eine Operation auf der «äußeren
Linie», bei der es darum ging, die Kräfte der «inneren Linie» in die Zange
zu nehmen. Offenkundig hatte Christian sein Elisabeth Stuart gegebenes
Versprechen nicht vergessen, er werde nicht eher ruhen, bis sie wieder als
böhmische Königin in Prag residiere.
244 FO R T G A N G UND A U SW EITU N G

Für Christian war die Festung Wolfenbüttel, wo er im Februar 1623 mit


seinem Stab Quartier bezog, ein vorzüglicher Standort, um die Kriegsvor­
bereitungen voranzutreiben. Am nördlichen Harzrand gab es Eisenhütten
mit angeschlossenen Manufakturen, in denen Harnische und Handfeuer­
waffen produziert wurden; außerdem hatten ihm die Generalstaaten Waf­
fen für 5000 Mann sowie einige Kanonen zur Verfügung gestellt. Inzwi­
schen hatte Christian 12000 Mann unter den Fahnen seiner Regimenter
versammelt.8Außerdem warb Herzog Wilhelm von Sachsen-Weimar, mit
dem er seit der Schlacht von Fleurus verbunden war, im Eichsfeld Trup­
pen an; Ende März stießen sie zu Christian, um sich seinem Kommando
zu unterstellen. So bildete sich eine zahlenmäßig beträchtliche, wenn auch
nicht sonderlich kriegserfahrene Streitmacht, und die löste sowohl im
niedersächsischen Kreis als auch bei Kaiser und Liga erhebliche Befürch­
tungen aus: im Reichskreis wegen der zahlreichen Räubereien und Gewalt­
taten der Söldner, bei Ferdinand und Maximilian wegen der neuen Bedro­
hung, die von dieser Armee ausging.
Der Kaiser verlangte die unverzügliche Abdankung von Christians
Truppen, und Kurfürst Maximilian erteilte Tilly den Auftrag, mit seinen
Regimentern aus der Wetterau bis an die Grenze des niedersächsischen
Kreises vorzurücken, um die angeordnete Auflösung von Christians Heer
notfalls mit Gewalt durchzusetzen. Also zog Tilly mit 13 000 Fußsoldaten
und 4000 Reitern in das Gebiet des Landgrafen Moritz, zunächst bis Hers-
feld, wo der kaiserliche General Collalto mit drei Regimentern Infanterie
und zwei Regimentern Kavallerie zu ihm stieß - allesamt kampferfahrene
Truppen, gegen die eine Schlacht zu wagen für Christian nicht ratsam war.9
Jetzt war der niedersächsische Kreisobrist Georg von Lüneburg in einer
schwierigen Situation: Stellte er sich auf die Seite Christians, um zu ver­
hindern, dass Tilly die Oberhand erhielt und der gesamte Reichskreis das
büßen musste, war das Rebellion gegen den Kaiser; ergriff er dagegen für
den Kaiser Partei, musste er mit Gegenmaßnahmen Christians rechnen,
und dessen Macht hatte er wenig entgegenzusetzen, zumal Tilly inzwi­
schen seinen Vorstoß gestoppt und quer zur Werra eine Linie besetzt hatte,
auf der er den Weg nach Süden für Christians Truppen blockieren konnte.
Verhandelte er aber mit Christian, so die dritte Möglichkeit des Lünebur-
Ein neuer Kriegsschauplatz entsteht *45

Sers, und dieser willigte in die Abdankung seiner Truppen ein, so wäre das
mithin das Schlimmste, da dann Tausende marodierender Kriegsknechte
durchs Land ziehen und die Bevölkerung ausrauben würden.10 Angesichts
dieses Entscheidungsdilemmas lavierte der Kreisoberst und versuchte,
Herzog Christian dazu zu bringen, den Reichskreis zu verlassen. Christian
wiederum war damit beschäftigt, seine Kriegskasse zu füllen, indem er die
Vermögenswerte des von ihm verwalteten Stifts Halberstadt verpfändete
und alles dort vorhandene Gold und Silber einsammeln ließ. So kamen
schließlich 110000 Gulden für seine Kriegskasse zusammen.11 Das war
indes ein Anzeichen dafür, dass Christian nicht länger im Kreisgebiet blei­
ben wollte. Vor die Entscheidung gestellt, die Truppen abzudanken und
den Kaiser um Gnade zu bitten oder den Kampf gegen Tilly aufzunehmen,
entschied er sich für Letzteres. Am 28. Juli erklärte er seinen Rücktritt als
Halberstädter Administrator. Damit hatte er alle Brücken zur Rückkehr in
ein friedliches Leben abgebrochen.12
Inzwischen war es zu ersten Vorhutgefechten zwischen Truppen Tillys
und denen Christians gekommen; Letztere hatten sich dabei gut behaup­
tet, was Christian Mut machte, gegen Tilly bestehen zu können. Dennoch
entschloss er sich, der ultimativen Aufforderung des niedersächsischen
Kreises Folge zu leisten und mit seinem Heer abzuziehen. Zwei Gründe
dürften dafür ausschlaggebend gewesen sein: Zum einen versuchte Chris­
tian, seinen Bruder, den Herzog von Braunschweig-Wolfenbüttel, aus dem
Konflikt herauszuhalten, um zu verhindern, dass er vom Kaiser geächtet
und sein Herrschaftsgebiet verwüstet wurde; zum anderen wollte er seine
der Tilly sehen Streitmacht unterlegenen Truppen mit denen Mansfelds
vereinen. Diese standen in Ostfriesland, und die Verbindung beider Heere
würde die Siegchancen gegen Tilly deutlich erhöhen. In der Folge entwi­
ckelte sich ein intensiver Briefwechsel der beiden Kriegsunternehmer, in
dem Christian den Mansfelder bedrängte, ihm zu Hilfe zu kommen. Wie
fast immer war Mansfelds Reaktion undurchsichtig; er machte keine ein­
deutigen Zusagen, lehnte das Vorhaben aber auch nicht rundweg ab. Er
wollte die uneingeschränkte Handlungsfähigkeit behalten, und seine eige­
nen Interessen waren ihm wichtiger als der Ausgang des Krieges. Darin
unterschied er sich von Christian, bei dem es genau umgekehrt war.
246 FO R T G A N G UND A U SW EITU N G

Im Oktober 1622 hatte Mansfeld nach Auslaufen des Dienstvertrags mit


den Niederlanden seine Truppen nach Ostfriesland verlegt, wo sie Winter­
quartiere bezogen. Er versuchte von dort, auf die politischen Verhältnisse
des Landes Einfluss zu nehmen.13 Nachdem das Projekt eines elsässischen
Herzogtums aussichtslos geworden war, strebte Mansfeld nun etwas Ver­
gleichbares in Ostfriesland an, wo die Herrschaft der Adelsfamilie Cirksena
auf recht unsicheren Füßen stand. Mansfeld ging es darum, die Parteien
gegeneinander auszuspielen, die Konflikte zu befeuern und für sich Vor­
teile daraus zu schlagen. Zunächst hatte er damit einigen Erfolg, aber schon
bald erwies sich die Einquartierung des Heeres für alle im Land als derart
drückend, dass sich eine Koalition bildete, die Mansfeld und seine Söldner
so schnell wie möglich wieder loswerden wollte.
Das war indessen nicht so einfach, denn die nördlichen Niederlande
hatten ein vitales Interesse daran, dass Mansfeld mit seinem Heer in Ost-
friesland blieb. Im Haag betrachtete man sie als strategische Reserve für
den Fall, dass Kaiser oder Liga doch noch auf Seiten der spanischen Statt­
halter in Brüssel eingreifen sollten. Mansfelds Standort in Ostfriesland war
für die Holländer geradezu optimal: Er befand sich nicht auf ihrem Gebiet,
weswegen seine Söldner dort auch keinen Schaden anrichteten, aber er war
in der Nähe, so dass er jederzeit zu Hilfe kommen konnte, wenn man ihn
anforderte. Die Voraussetzung dafür war freilich, dass Mansfeld sein Heer
zusammenhielt, und um das sicherzustellen, übernahmen die General­
staaten einen Teil der Besoldung. Auch für Mansfeld war das eine zufrie­
denstellende Konstellation: Sie bot ihm Ruhe nach den Anstrengungen
des vergangenen Jahres, war mit keinen größeren Risiken verbunden und
eröffnete die Aussicht, dass er, sobald der Krieg im Nordwesten des Reichs
aufflammte, sofort dabei sein konnte. Derweil verhandelte er mit England
und Frankreich, um sich als Söldnerführer wieder ins Gespräch zu bringen.
Diese Verhandlungen verliefen vielversprechend.14 Mansfeld verspürte
daher wenig Neigung, seine komfortable Ausgangslage aufzugeben, um
den Braunschweiger zu unterstützen und mit ihm das Risiko einer Schlacht
gegen Tilly einzugehen.15
Mitte Juli begann Christians Heer mit dem Abzug aus dem Raum
Göttingen und Halberstadt. Ende Juli durchquerte es den Teutoburger
Ein neuer Kriegsschauplatz entsteht 247

Wald, und Christian nahm bei Iburg Quartier, um dort auf das Eintref­
fen Mansfelds zu warten. Er wusste, dass Tilly aus Eschwege, wo er sich
zuletzt aufgehalten hatte, aufgebrochen war und am 29./30.Juli bei Höxter
auf einer Schiffsbrücke die Weser überquert hatte. Tilly wollte die Truppen
des Braunschweigers nicht entkommen lassen; er ging davon aus, dass sich
Christian wie im vergangenen Jahr in die Niederlande zurückzog, wohin er
ihn nicht verfolgen durfte, weil weder Kurfürst Maximilian noch Kaiser Fer­
dinand in den Krieg um die Niederlande hineingezogen werden wollten.16
.Also setzte er ihm in Eilmärschen nach, um ihn zu einer Verfolgungsschlacht
zu stellen. Christian von Braunschweig wiederum wollte, sobald er Zuzug
von Mansfeld erhalten hatte, den anrückenden Tilly in einer für den Vertei­
diger vorteilhaften Stellung erwarten und ihm eine Falle stellen, ähnlich wie
Mansfeld das bei Mingolsheim gelungen war.17 Aber Mansfeld kam nicht,
und so verlor Christian bei Iburg wertvolle drei Tage, die ihm beim Rückzug
m die Niederlande fehlten. Als er sich entschloss, den Rückzug fortzusetzen,
war ihm Tilly, der ihn sonst kaum eingeholt hätte, bereits dicht auf den Fer­
sen; in den nächsten Tagen kam es zu einer Reihe von Nachhutgefechten, in
denen sich die Halberstädter Truppen behaupten konnten.18
Christian ließ sich durch die kleinen Abwehrerfolge jedoch nicht täu­
schen; ihm war klar, dass es nach dem Fernbleiben Mansfelds das Beste
war, das Heer dem Zugriff Tillys zu entziehen, indem er die niederländi­
sche Grenze überschritt.19 Für die Nacht vom 4. auf den 5. August wurde
ein detaillierter Abmarschplan entworfen: Zuerst der Tross, dann die
Artillerie, anschließend das Heer; wenn der Morgen graute, sollte Tilly das
Lager verlassen vorfinden. Aus welchen Gründen auch immer - das Heer
«verschlief» den Abzug,20 und als die Nachhut unter Graf Thurn endlich
abrückte, hatte man bereits fünf Stunden Verspätung. So wurde der weitere
Marsch ununterbrochen von Rückzugsgefechten begleitet, in denen Tilly
seinem Kontrahenten schwer zusetzte, um den Rückzug in Flucht zu ver­
wandeln. Christian erkannte die Gefahr und kam zu dem Ergebnis, dass
eine Schlacht gegen Tilly unvermeidlich geworden war; andernfalls würde
das Heer auf dem Rückzug aufgerieben werden und die gesamte Ausrüs­
tung verlieren. Also bezog er nahe Stadtlohn im westlichen Münsterland
eine Stellung und erwartete Tillys Angriff.
248 FO R T G A N G UND A U SW EITU N G

Die Schlacht von Stadtlohn sollte für Christian ein militärisches Desas­
ter und für Tilly einer seiner größten Erfolge werden.21 Christian hat sich
von der Niederlage bei Stadtlohn nie mehr erholt. Zwar versuchte er bis
zu seinem Tod am 6. Juni 1626, also knapp drei Jahre nach Stadtlohn, als
Heerführer Jakobs von England sowie Christians von Dänemark erneut ins
Geschehen einzugreifen, aber eine größere Rolle war ihm dabei nicht mehr
vergönnt. Sein früher Tod - er war, als er an Tuberkulose starb, noch keine
siebenundzwanzig Jahre alt - war auch eine Folge der Katastrophe von
Stadtlohn, die ihm Selbstvertrauen und Zuversicht geraubt hatte. Für Tilly
dagegen war Stadtlohn eine weitere Etappe in der langen Abfolge seiner
Siege. Obwohl die Schlacht von Stadtlohn Tillys glänzendster Sieg war, da
der Gegner hier nicht nur geschlagen, sondern vernichtet wurde,22 hat sie
in der Ruhmesgeschichte Tillys keine besondere Stellung, denn sie blieb
politisch ohne größere Folgen. Das wäre anders gewesen, wenn Tilly, was er
eigentlich wollte, anschließend die nördlichen Niederlande hätte angreifen
dürfen. «D a doch das Heilige Römische Reich», so schrieb er an Maximi­
lian, «bis diese Widerspenstigen [die nördlichen Niederlande] exstirpiert
sind, des festen Friedens sicherlich sich nit zu vertrösten hat.»23
Christians Fehler bei Stadtlohn war einmal mehr die Schlachtaufstel­
lung, bei der er die Rückzugsmöglichkeiten nicht hinreichend berücksich­
tigte. Im Rücken von Christians Heer floss das Flüsschen Berkel, das nur an
zwei Brücken mit schweren Wagen überquert werden konnte. Dort drohte
sich das Heer beim Rückzug zu stauen, was zwangsläufig zu einer Panik füh­
ren würde. Christians linker Flügel war an ein Morastgebiet angelehnt, das
sich bis nach Stadtlohn erstreckte und, obwohl es infolge des heißen Som­
mers ziemlich ausgetrocknet war, größere Kavallerieattacken auf die Flanke
des braunschweigischen Heeres unmöglich machte. Der rechte Flügel
wiederum war durch den Almsicker Liester gedeckt, einen dichten Fichten-
und Kiefernwald, der ebenfalls keine geschlossene Kavallerieattacke zuließ.
Wie bei Höchst im Jahr zuvor hatte Christian auf den Schutz der Flanken
geachtet, aber ebenso wie dort hatte er seine Truppen so aufgestellt, dass
jede Rückwärtsbewegung die Gefahr einer Panik einschloss. Zudem hatte
er, wie schon beim Mainübergang, das Problem, dass der Tross des Heeres
nicht verloren werden durfte, denn in ihm befanden sich die Wagen mit
Ein neuer Kriegsschauplatz entsteht 249

dem in Halberstadt zusammengerafften Schatz, der nun, da Christian des


Stifts entsagt hatte, der einzige Rückhalt für die Besoldung seiner Truppen
war. Die Sicherung des Trosses hatte damit strategische Relevanz. Es war
eine «Alles-oder-nichts-Aufstellung», die Christian gewählt hatte: Seine
Truppen mussten siegen beziehungsweise den ganzen Tag über den Angrif-
:en Tillys standhalten, oder das Heer würde untergehen.
Tilly scheint die vertrackte Lage, in die sich der Braunschweiger gebracht
natte, schnell erkannt zu haben - womöglich auch deswegen, weil ihn Graf
-Anholt, der früher bereits in diesem Raum operiert hatte, über die örtliche
Geländebeschaffenheit informierte.24 Er begriff, dass er, sobald er Christi­
ans Front ins Wanken gebracht hatte, einen großen Sieg erringen konnte.
Gegen zwei Uhr nachmittags eröffnete Tilly die Schlacht mit einem Angriff
seines linken Flügels, vier Infanterie- und fünf Kavallerieregimentern. Für
.curze Zeit wogte das Gefecht hin und her, dann wich die von Reichsfreiherr
Dodo zu Knyphausen kommandierte Infanterie Christians zurück, und die­
ser Rückzug artete schnell in eine Flucht aus. Vergebens suchte Knyphausen
die Truppen zum Stehen zu bringen; sie drängten zur Berkelbrücke, die sie
in Panik überquerten. Damit entblößten sie den rechten Flügel des braun­
schweigischen Heeres, so dass der schnell vorrückende linke Flügel Tillys
Christians Zentrum von der Flanke her mit Kavallerie angreifen konnte. Der
Schutz, den der Almsicker Liester gerade gegen Kavallerieattacken hatte bie-
:en sollen, war durch den überstürzten Rückzug des rechten Flügels unter
Knyphausen dahin. Als dann auch das von Tilly selbst kommandierte Zen­
trum zum Angriff überging, gab es kein Halten mehr. Nach zweistündigem
Kampf löste sich das Heer des Braunschweigers auf, und was folgte, war ein
Massaker. Tilly gab der von seinem Neffen geführten kroatischen leichten
Kavallerie den Angriffsbefehl, und die machte die Reste des Halberstädter
Heeres gnadenlos nieder. In ihrer Panik hatten die Soldaten Christians viel­
rach die Waffen weggeworfen, um schneller flüchten zu können. A uf einen
toten Soldaten Tillys kamen zehn auf Seiten Christians, was dafür spricht,
dass die meisten von ihnen nicht während der Schlacht, sondern auf der
Flucht den Tod fanden. Die gesamte Artillerie des Braunschweigers, aber
auch der Tross mit den Schatzwagen fielen Tilly in die Hände, und dazu
gerieten nahezu sämtliche höheren Offiziere in Gefangenschaft. Christian
250 FO R T G A N G UND A U SW EITU N G

selbst konnte mit einigen Begleitern entkommen. Als sich die Reste des
Heeres hinter der niederländischen Grenze sammelten, waren von dem
21 ooo Mann starken Heer gerade einmal 6ooo übrig geblieben.
Tilly, der Christian nicht verfolgen durfte, wandte sich nun gegen
Mansfeld in Ostfriesland. Zu einer größeren Offensive war er aber nicht
in der Lage, da Mansfeld das Land hatte fluten lassen, um es für die ligis-
tischen Truppen unpassierbar zu machen. Außerdem wurden die kaiser­
lichen Regimenter unter Collalto nach Mähren und Ungarn beordert, wo
Bethlen Gabor ein weiteres Mal eingefallen war. Tilly zog sich daraufhin
nach Westfalen zurück.25Mansfeld wiederum konnte diesen Rückzug nicht
ausnutzen, denn auch seine Truppen waren infolge der verschlechterten
Versorgungslage in Ostfriesland zusammengeschmolzen. Also verhan­
delte er wieder einmal, dieses Mal in der Absicht, von den Ständen Ost­
frieslands 300 000 Gulden zu bekommen, mit denen er den rückständigen
Sold auszahlen und die Truppen abdanken konnte.26Im Januar 1624 bekam
er, was er wollte: Das Mansfeld sehe Heer, von dem nicht mehr viel übrig
geblieben war, löste sich auf, während Mansfeld selbst mit einigen seiner
Offiziere nach England reiste, um Verhandlungen über die Neuaufstellung
eines Heeres zu führen.
Damit stand dem deutschen Protestantismus erstmals seit Gründung
der Union keine Streitmacht mehr zur Verfügung. Der Kaiser und die
Liga hatten auf der ganzen Linie gesiegt. Wäre der Krieg zu diesem Zeit­
punkt ausschließlich ein «deutscher Krieg» gewesen, so wäre er zu Ende
gewesen: Pfalzgraf Friedrich hatte keine Truppen mehr, die Armee des
Braunschweigers war zerschlagen, und die Mansfelds hatte sich aufgelöst;
Kursachsen war ruhiggestellt, nachdem am 23. Juni 1623 die bislang bloß
besetzte Oberlausitz an Sachsen verpfändet worden war;27 die Reichsstädte,
zumeist protestantisch, fürchteten die Macht des Kaisers sowie Tillys, und
dem niedersächsischen Kreis saß noch die Furcht aus der Zeit im Nacken,
als Christian von Braunschweig dort Truppen geworben hatte. Es waren die
äußeren Mächte, die dafür sorgten, dass der Krieg im Reich weiter schwelte
und bald wieder aufloderte. Bethlen Gabor gehörte dazu, aber auch Eng­
land und Frankreich, die Niederlande und Dänemark sollten von nun an
eine größere Rolle spielen.
Auftritt Wallenstein 251

Auftritt Wallenstein

Albrecht Wenzel Eusebius von Waldstein, unter dem Namen Wallenstein in


die Geschichte eingegangen, hatte bereits im böhmischen Krieg eine Rolle
gespielt, als er das von ihm geführte Reiterregiment mitsamt der mähri­
schen Kriegskasse dem Zugriff der Stände entzog und beides den Habsbur­
gern zur Verfügung stellte. Im Konflikt der Loyalitäten hatte Wallenstein
sich auf die Seite Wiens und gegen die Aufständischen in Prag gestellt.
Diese Entscheidung war alles andere als selbstverständlich, denn ursprüng­
lich gehörte Wallenstein, von den Eltern her lutherisch-utraquistisch, durch
den Verwandten, bei dem er aufwuchs, der böhmischen Brüderunität an.
Die Böhmischen Brüder ( Unitas Fratrum) waren eine Reformgruppe der
Hussiten und folgten pazifistischen Idealen.28
Im August 1599 nahm Wallenstein an der zur Reichsstadt Nürnberg
gehörenden Akademie Altdorf sein Studium auf. Offiziell war Altdorf eine
Hochschule, die dem Luthertum zugerechnet wurde, doch die meisten
Professoren vertraten die Theorie vom legitimen Widerstand der Stände
und Magistrate gegen eine ungerechte Obrigkeit.29 So kann es nicht ver­
wundern, dass viele von denen, die in den ersten zwei Jahrzehnten des
17. Jahrhunderts gegen die Herrschaftsansprüche des Hauses Habsburg
opponierten, in Altdorf studiert hatten. Zu ihnen gehörten auch Wilhelm
von Ruppa (Vilem von Roupov), Präsident des Prager Direktoriums, und
Georg Erasmus von Tschernembl, der Kopf des adeligen Widerstands gegen
die Habsburger in Österreich.30Wallenstein hat sich für solche Fragen nicht
interessiert, wie er denn überhaupt kein theoretischer Kopf war. Als man
nach seiner Ermordung in Eger Wallensteins Prager Stadtpalast durch­
suchte, fand man so gut wie keine Bücher. Die wenigen, auf die man stieß,
befassten sich mit Militärwesen und Festungsbau - und selbst bei diesen
ist unklar, ob sie Wallenstein oder seinem Architekten Pieroni gehörten.31
In Altdorf fiel Wallenstein vorwiegend durch seine Beteiligung an Schläge­
reien und Degenstechereien auf, und als er nach gerade acht Monaten im
April 1620 die Universität verließ, kam er damit seiner Relegation zuvor.32
Seine Weltgewandtheit und Vielsprachigkeit - «neben Tschechisch
252 FO R T G A N G UND A U SW EITU N G

und Deutsch beherrschte er das Italienische, das Spanische las er fließend,


vom Französischen hatte er zumindest einen sicheren Begriff»33 - erwarb
Wallenstein auf den Reisen, die er nach dem Scheitern seines Studiums in
Altdorf gemäß den damaligen Gepflogenheiten des Adels durch Europa
unternahm. Italien hatte es ihm besonders angetan. So pflegte er einen
italienischen Lebensstil und schätzte es, wenn er von Italienern umgeben
war, von seinem Lieblingsarchitekten Giovanni Pieroni über seinen Hofas­
trologen Giovanni Battista Senno (Seni) bis zu dem unter den führenden
Offizieren des Heeres ihm besonders nahestehenden Ottavio Piccolomini.
Das vorherrschende Bild des älteren Wallenstein als eines verbitterten und
von Krankheiten gezeichneten Mannes verdeckt, dass Wallenstein in den
knapp zwei Jahrzehnten vor Kriegsbeginn und auch noch in den ersten
Jahren danach bestrebt war, das Leben eines italienischen Hofmannes,
eines Cortegiano, zu führen.34 Mehr als eigentliche Glaubensfragen dürf­
ten es die Orientierung an Italien sowie karrierestrategische Überlegun­
gen gewesen sein, die ihn veranlasst hatten, zum Katholizismus überzutre­
ten.35
Um dem Cortegiano-Ideal genügen zu können, brauchte Wallenstein
freilich ein Vermögen, und das hatte er infolge häufiger Erbteilungen inner­
halb seiner Familie nicht.36 Aber Wallenstein war ehrgeizig und wollte es
nach oben schaffen. Zwei Ehen mit begüterten Frauen, eine überaus aktive
Rolle bei der Vermögensumwälzung in Böhmen nach der Niederschlagung
des Adelsaufstandes, die Beteiligung am Prager Münzkonsortium, das aus
der systematischen Münzverschlechterung gewaltigen Gewinn schlug, und
schließlich die Tätigkeit eines Kriegsunternehmers waren die Mittel, um
das eigene Vermögen schnell zu vermehren. Noch mehr als um Reichtum
ging es ihm jedoch um Macht und Einfluss, und da war eine militärische
Karriere naheliegend. Zum Höfling war Wallenstein trotz aller Orientie­
rung am Cortegiano-Ideal nicht geeignet. Dafür war er zu unbeherrscht
und auch zu ungeduldig. Obwohl er durchaus Intrigen spinnen und Koali­
tionen schmieden konnte, fehlten ihm doch die Voraussetzungen für einen
bei Hofe umtriebigen Politiker. Die mitunter schroffe Art, in der er seine
Umgebung behandelte, schuf ihm Feinde, die er von der Sache und seinen
Interessenlagen her nicht unbedingt hätte haben müssen.
Auftritt Wallenstein 253

Das Porträt
zeigt Wallen­
stein am Anfang
seines kometen­
haften Aufstiegs.
Im Unterschied
zu späteren
Porträts, die
einen erschöpf­
ten und bereits
von Krankheit
gezeichneten
Feldherrn
zeigen, lässt
sich auf dem
Kupferstich von
1625 die Energie
und der Durch­
setzungswille
Wallensteins
erkennen. Der
a d db.Jb c xxv Feldherrnstab
verweist auf die
gerade erfolgte
Ernennung zum
kaiserlichen
Generalissimus.

Wallensteins Fähigkeiten waren vor allem organisatorischer Art, und


sowohl bei der Verwaltung des riesigen Besitzes, den er nach 1620 an sich
gerissen hatte, als auch bei der Aufstellung von Heeren, deren Größe bis
dahin niemand für möglich gehalten hätte, waren seine Leistungen über­
ragend. Wallensteins Aufstieg vollzog sich im Zeichen des Mars: In tak­
tischen Fragen war er tüchtig und verfügte über einen klaren Blick für
Konstellationen des Gefechtsfelds und die sich daraus ergebenden Mög­
lichkeiten. In dieser Hinsicht waren ihm Tilly und Gustav Adolf jedoch
mindestens ebenbürtig. Als Stratege dachte Wallenstein in geopolitisch
umfassenden Zusammenhängen und erkannte Schwerpunktbildungen
und ihre Folgen. Dabei war er Tilly eindeutig überlegen, und womöglich
254 FO RTG A N G UND A U SW EITU N G

auch Gustav Adolf.37 Aber keiner kam Wallenstein gleich, sobald es um


die Aufstellung und Versorgung großer Heere ging. Er war ein hervorra­
gender Organisator und Logistiker, und besser als jeder andere wusste er
um die Abhängigkeit der Truppen von einer regelmäßigen Versorgung.
A uf diesem Wissen baute er seine strategischen Projekte auf, und in die­
sem Bereich entdeckte er schnell Schwächen des Gegners, die andere nicht
sahen. Dementsprechend war Wallensteins Strategie auch nicht auf eine
Entscheidungsschlacht, sondern auf die Ermattung und Auszehrung des
Gegners gerichtet - ganz im Gegensatz zu Gustav Adolf, der sehr viel stär­
ker an der Entscheidungsschlacht orientiert war. In der Folge erscheint der
Schwede in Darstellungen des Dreißigjährigen Krieges als der strahlende
Held, als ein Heerführer, der sich immer wieder selbst ins Gefecht stürzte,
während Wallenstein als der große Organisator und Strippenzieher im Hin­
tergrund präsentiert wird, als einer, der, wenn er doch einmal eine Schlacht
schlug, dies vom Feldherrnhügel aus tat und das unmittelbare Kampfge­
schehen mied. Gustav Adolfs Körper war mit den Wunden und Narben sei­
ner Feldzüge bedeckt; Wallensteins Körper dagegen war von Krankheiten
gezeichnet, die, wie Gicht und Syphilis, zwar typische Soldatenkrankheiten
waren, die man sich jedoch nicht auf dem Schlachtfeld, sondern im Lager
zuzog.38
Was für Tilly die Marienverehrung war, war für Wallenstein der Glaube,
dass ein Menschenleben weitgehend durch Gestirnskonstellationen vor­
bestimmt sei. Im Herbst 1608 ließ Wallenstein sich von dem kaiserlichen
Astronomen und Mathematiker Johannes Kepler, der sich mit astrologi­
schen Nebentätigkeiten materiell über Wasser hielt, das Horoskop stellen.39
Kepler sagte dem im Sternzeichen des Wassermanns und der Konjunktion
von Saturn und Jupiter Geborenen einen fulminanten Aufstieg voraus,
hielt aber auch fest, Wallenstein würde mit der Zeit habgierig, falsch und
machthungrig werden, dazu launisch, streitsüchtig und grausam.40 Bemer­
kenswert dabei ist, dass Kepler Wallenstein weder persönlich noch vom
Namen her, sondern nur dessen Geburtsdatum kannte. Wahrscheinlich
hat Wallenstein dieses Horoskop erst gelesen, nachdem der über einen
Mittelsmann engagierte Kepler endlich bezahlt worden war und es dem
Mittelsmann Wallensteins übergeben hatte, und das war einige Jahre spä­
Auftritt Wallenstein 255

ter. Kepler stellte in dem Horoskop Parallelen zu zwei Politikern her, die
unter ähnlichen Gestirnskonstellationen geboren waren: der englischen
Königin Elizabeth und dem polnischen Großkanzler Zamoyski. Inwieweit
deren Lebensgeschichte Kepler in seiner Vorhersage beeinflusst hat, muss
ebenso offenbleiben wie die Frage, welchen Einfluss das Horoskop auf Wal­
lenstein hatte, nachdem es ihm seit 1614 bekannt war. 1624 trat Wallenstein
nochmals an Kepler heran und bat um Antwort auf sehr konkrete Fragen,
worauf Kepler allerdings mit Zurückhaltung reagierte. Keplers Horoskop
hat jedenfalls das Wallenstein-Bild vieler Historiker wie Schriftsteller stark
beeinflusst: Es hat die Struktur vorgegeben, nach der Wallensteins Pläne
und Handlungen beurteilt wurden. Auch dadurch lässt sich die Überein­
stimmung zwischen dem Horoskop und dem uns präsenten Wallenstein-
Bild erklären.

Mit Wallenstein betrat einer der großen Protagonisten des Dreißigjährigen


Krieges die Bühne, und obwohl er bereits seit 1618/19 an den Ereignissen
beteiligt war, tat er sich als gestaltender Akteur doch erst seit 1623 hervor.
Das war das Jahr, in dem Bethlen Gabor erneut nach Oberungarn und
Südmähren einfiel, um mit dem aus Norden anrückenden Christian von
Braunschweig zusammenzuwirken.41 Da Bethlen wieder einmal verspätet
auf dem vorgesehenen Kriegsschauplatz erschien, konnten die kaiserlichen
Regimenter, die eben noch bei Stadtlohn siegreich gewesen waren, in Eil­
märschen nach Mähren beordert werden, um den Angriff abzuwehren. Sie
kamen zwar zu spät, um noch gegen Bethlen eingesetzt zu werden, wirkten
aber als Reserve für den Fall, dass seine Truppen bis nach Böhmen vor­
stoßen sollten. In diesem Zusammenhang wurde Wallenstein am 3. Juni
1623 zum kaiserlichen Generalwachtmeister (Generalmajor) ernannt, um
als Stellvertreter des mit dem Kommando betrauten Marchese Girolamo
Caraffa di Montenegro (verschiedentlich auch Negromonte genannt)
die Operationen gegen die Einheiten Bethlens zu führen. Das war eine
große Herausforderung, denn die kaiserliche Armee umfasste lediglich
15 000 Mann - und auch das nur, weil Wallenstein seine organisatorischen
Fähigkeiten bei der Ausrüstung der Truppen unter Beweis gestellt hatte - ,
während Bethlen eine Streitmacht von über 40 000 Mann ins Feld führte.42
256 FO R T G A N G UND A U SW EITU N G

Dieser Feldzug sollte Wallensteins erstes selbständiges Kommando werden,


und das verschaffte ihm die Grundlage für seinen kometenhaften Aufstieg
im kaiserlichen Heer.
Dabei verlief der Feldzug alles andere als glücklich. Bethlens Heer
bestand vorwiegend aus leichter Reiterei, die den kaiserlichen Infanterie­
verbänden immer wieder überfallartig zusetzte und sich danach so schnell,
wie sie gekommen war, auch wieder zurückzog. Am 24. Oktober schrieb
Wallenstein an seinen Schwiegervater Karl von Harrach in Wien, von dem
er annahm, dass er das Ohr des Kaisers hatte, und machte geltend, der Kai­
ser müsse umgehend leichte Kavallerie in großer Zahl und guter Qualität
schicken, sonst werde der Feldzug in einer Katastrophe enden. Aber der
Kaiser schickte keine leichten Reiter; er hatte sie nicht, und die Staatskas­
sen ließen deren Anwerbung in großem Stil auch nicht zu. Wallenstein zog
daraus die Lehre, dass er hinfort die Heere, mit denen er operierte, selbst
zusammenstellte. Unter keinen Umständen wollte er noch einmal vom
Wiener Kriegskabinett und seinen Entscheidungen abhängig sein - das
heißt, er musste zukünftig, wenn es nach seinen Vorstellungen gehen sollte,
als selbständiger Kriegsunternehmer auffreten. Wallenstein hatte damit
bereits Erfahrungen gesammelt, doch dabei ging es bloß um die Aufstel­
lung eines einzelnen Regiments. Künftig sollte es um die Aufstellung einer
kompletten Armada gehen, wie ein vollständiges Heer zeitgenössisch hieß,
und Wallenstein achtete darauf, für welchen Kriegsschauplatz die Truppen
bestimmt waren. Der Krieg im Osten erforderte eine andere Zusammen­
setzung der militärischen Fähigkeiten als der im Westen, der im Norden
wiederum eine andere als der im Süden - keiner hat das besser begriffen als
Wallenstein. Dementsprechend ungehalten wurde er, wenn ihm der Wiener
Hofkriegsrat einen Strich durch die Rechnung machte und seine Truppen
auf Kriegsschauplätze dirigierte, für die sie nicht vorgesehen waren.
Der Herbstfeldzug der Kaiserlichen gegen Bethlen kam nicht recht
voran. Bethlen stellte sich nicht zur Schlacht, sondern attackierte den Tross
und einzelne Detachements des Heeres. Um dessen Verwundbarkeit auf
dem Marsch zu vermindern, mussten die Truppen zusammengehalten
und zu einer einzigen Marschsäule konzentriert werden. Das wiederum
vergrößerte die Versorgungsprobleme, denn je dichter das Heer mar­
Auftritt Wallenstein 157

schierte, desto weniger Gehöfte und Dörfer, aus denen sich die Truppen
versorgen konnten, lagen auf seinem Weg. Also wurden wieder Einheiten
detachiert, um Nahrungsmittel zu beschaffen, und schon schlug Bethlen
erneut zu. Noch bevor man Pressburg erreicht hatte, entschloss sich die
Führung, das Heer zu teilen: Der Marchese Caraffa und Don Balthasar de
Marradas zogen mit der Kavallerie nach Kremsier weiter, während Wallen­
stein mit den Fußtruppen in einem verschanzten Lager bei Göding blieb.
Die Stellungen ließen sich gegen einen Angriff Bethlens gut verteidigen,
aber der tat den Verschanzten nicht den Gefallen anzugreifen, sondern
beschränkte sich darauf, deren Nachschub zu unterbinden: Irgendwann
würden die Nahrungsmittel knapp werden, Wallenstein müsste das Lager
verlassen und Bethlen würde mit dessen ausgehungerten Soldaten leichtes
Spiel haben, wenn sie nicht kapitulierten. Bethlen hatte Zeit, Wallenstein
nicht - so jedenfalls schien es. Dementsprechend dringlicher wurden Wal­
lensteins Briefe an seinen Schwiegervater Harrach in Wien, in denen er ein
ums andere Mal die Unterstützung durch leichte Kavallerie oder die als­
baldige Eröffnung eines Diversionskrieges gegen Siebenbürgen forderte -
der Einfall eines polnischen Heeres sollte Bethlen zum Abzug aus Mähren
zwingen. Bleibe beides aus, so Wallenstein, würden die hungernden Sol­
daten die Offiziere gefangen nehmen und an Bethlen ausliefern, um dann
selbst in dessen Dienste überzuwechseln. «Das Volk», so schrieb er am
10. November an Harrach, werde «sich eines anderen resolvieren [... ] und
aus Not uns Capi [Anführer] bei die Köpf nehmen, dem Feind übergeben,
und selbst in Feinds Dienst verbleiben, wie sies denn noch alle, die wenig
in Not gewesen, getan haben.»43
Was Wallenstein nicht wusste, war, dass auch für Bethlen die Zeit
begrenzt war: Der Winter stand vor der Tür, die türkischen Einheiten
waren mit der Beute, die sie gemacht hatten, reichlich versorgt und woll­
ten den Rückzug antreten, und selbst in Bethlens eigenen Verbänden
drängte man zum Aufbruch in die Heimat, seitdem Gerüchte aufgetaucht
waren, wonach ein polnisches Heer in Siebenbürgen eingefallen sei. Am
17. November wollte Bethlen die Entscheidung erzwingen und verlangte
von seinen Reitern, zu Fuß die Schanzen des Lagers von Göding anzugrei­
fen. Aber die Reiter weigerten sich, in dieser ihnen unvertrauten Weise zu
x6o FO R T G A N G UND A U SW EITU N G

kämpfen. Am 19. November kam es durch die Vermittlung des ungarischen


Palatins Stanislaus Thurzo zu einem Waffenstillstand, in dessen Folge Beth-
len nach Osten abzog. Wallenstein und seine Fußtruppen waren gerettet.
Wallensteins erste weitgehend selbständige Operation ist somit alles
andere als glänzend verlaufen. Er entging nur knapp einer Katastrophe.
Doch er lernte daraus. Schon im darauffolgenden Jahr entwickelte er einen
Plan zur Reorganisation des Heeres, in den die Erfahrungen des Herbst­
feldzugs gegen Bethlen Gabor einflossen. Wallensteins Leitidee bestand
darin, zukünftig auf Heere zu verzichten, die aus Truppen unterschiedlicher
Herren mit eigenen Kommandostrukturen zusammengesetzt waren, und
stattdessen ein Heer aufzustellen, das wie aus einem Guss war. Vor allem
sollten die Truppen unter einem Oberbefehl stehen, dem sich alle Kom­
mandeure zu fügen hatten, ohne dass sie erst beim Landesherrn nachfra-
gen mussten, ob er auch mit der Entscheidung einverstanden sei. Das aber
hieß, dass Wallenstein nicht nur als Kriegsunternehmer, sondern auch als
General auftreten musste. Dieses Projekt hat Wallenstein 1625 in die Tat
umgesetzt.

Zunächst aber mussten die Voraussetzungen dafür geschaffen werden. Am


3. September 1623 wurde Wallenstein zum Fürsten von Friedland und Rei­
chenberg erhoben, und zwei Tage später wurde ihm Friedland vom Kai­
ser als erbliches Lehen zugeteilt. Dieses geschlossene Herrschaftsgebiet
nordöstlich von Prag, zwischen Elbe und Neisse gelegen, wurde von Wal­
lenstein wirtschaftlich so organisiert, dass es als Ausrüstungs- und Versor­
gungsbasis eines großen Heeres dienen konnte.44 Als im Frühjahr 1625 mit
dem absehbaren Kriegseintritt Dänemarks selbst Kurfürst Maximilian von
Bayern den Kaiser zu verstärkten Rüstungen drängte, weil die Streitkräffe
der Liga allein der neuen Herausforderung nicht gewachsen seien, nahm
Ferdinand Wallensteins Angebot, ein Heer aufzustellen, an und ernannte
ihn zum Oberbefehlshaber aller kaiserlichen Truppen - «zum Capo über
alles Iero Volckh, so diser Zeit im Heiligen Römischen Reich und Nider-
landt vorhanden oder noch dahinwerts geschückht und abgeordtnet wer­
den möchte», wie es im kaiserlichen Intimat heißt.45
Am 13. Juni folgte die Erhebung Wallensteins zum Herzog von Fried-
Dänemarks Kriegseintritt 261

:and, die auch für seine Nachkommen und «zu allewigen Zeiten» gelten
sollte. Mit dieser Rangerhöhung war auch das Verhältnis Wallensteins zu
Tilly geklärt, der als Graf deutlich unter dem neuen Herzog stand, und
auch wenn Tillys Dienstherr Maximilian inzwischen Kurfürst war, so stand
ihm doch Wallenstein als Herzog «fast ebenbürtig zur Seite»46. Das alles
dürfte nicht ohne Wallensteins Einflussnahme - beziehungsweise die sei­
ner Parteigänger in der Umgebung des Kaisers - erfolgt sein. Man kann in
diesem raschen Aufstieg den Ausdruck seines schier unstillbaren Ehrgeizes
sehen, seiner Habgier und seines Machthungers, wie ihn Keplers Horoskop
charakterisiert hatte; man kann das Drängen auf eine nahezu unbegrenzte
Kommandogewalt und auf Rangerhöhung indes auch auf Wallensteins
Umsichtigkeit zurückführen, sich gegen das notorische Kompetenzgeran-
gel und die ewigen Rangstreitigkeiten abzusichern.47 In welchem Ausmaß
es solcher Umsicht bedurfte, konnte Wallenstein schon bald feststellen.48

Dänemarks Kriegseintritt

Die Präsenz des Kaisers und der Liga in Norddeutschland beunruhigte


nicht nur die nördlichen Niederlande, sondern gab auch den Herrschern
von Dänemark und Schweden Anlass, über ein Eingreifen in den Krieg
nachzudenken. Auch König Jakob von England stand im Begriff, seine vor­
sichtige Haltung, die eher an politischem Ausgleich als an militärischer Ein­
mischung orientiert war, zu revidieren. Seine früheren Versuche, mit Spa­
nien zusammen die Wiedereinsetzung seines Schwiegersohns (und damit
auch seiner Tochter) in der Pfalz zu erwirken, hatten keinerlei Erfolg gezei­
tigt, und auch das Projekt einer Ehe zwischen seinem Sohn Karl und der
spanischen Infantin Maria, einer Schwester König Philipps IV., auf dem
Jakob eine Koalition der beiden Seemächte hatte begründen wollen, hatte
sich als Chimäre erwiesen. Der Prinz von Wales war, nachdem sich die Ver­
handlungen über eine Eheschließung immer mehr in die Länge gezogen
hatten, im April 1623 nach Madrid gereist, um deren Fortgang an Ort und
Stelle zu forcieren. Dabei hatte er die zwei für das Verhältnis der beiden
262 FO RTG A N G UND A U SW EITU N G

Königreiche zentralen Fragen, seine Eheschließung mit der Infantin und


die Restitution des Pfalzgrafen, miteinander verbunden, um im «Paket»
eine Lösung zu finden. Graf Olivares, der unter Philipp IV. die Leitung der
spanischen Politik übernommen hatte, wollte beide Fragen indes getrennt
behandelt wissen, weil er bezweifelte, dass man in den zwei Angelegenhei­
ten gleichermaßen Fortschritte erzielen könne.49 Das spanische Angebot
bestand darin, dass sowohl der zukünftige englische König Karl als auch der
am Wiener H of zu erziehende Sohn des Pfälzers zum Katholizismus kon­
vertieren mussten. Das war für England unannehmbar. Jakob fühlte sich
von den Spaniern hingehalten und getäuscht, und in seinem Zorn darüber
war er bereit, sich an die Spitze einer protestantisch-antihabsburgischen
Koalition zu stellen.50Als Erstes wollte er den beschäftigungslosen Söldner­
führer Ernst von Mansfeld in seine Dienste nehmen und ihm Geldmittel
zur Verfügung stellen, mit denen er eine Armee anwerben sollte, um erneut
in den Krieg einzugreifen.51
Auch Frankreich war vom Wiedererstarken der habsburgischen Macht
beeindruckt und suchte nach Möglichkeiten des Gegenhandelns. Vor allem
die spanischen Besatzungen in den linksrheinischen Festungen der Pfalz
beunruhigten die französische Politik. Durch die bereits 1620 errungenen
militärischen Erfolge im Kampf um die Kontrolle der Veltliner Alpenpässe,
die starke Position, die Spanien seit Wiederaufnahme des Krieges in den
Niederlanden innehatte, und die spanische Militärpräsenz in der Pfalz war
ein regelrechter Ring um Frankreich entstanden, der in Paris als systema­
tisch betriebene Einkreisung wahrgenommen wurde.52 Die Politik des 1624
in den Conseil d’Etat berufenen Richelieu stand somit unter zwei Prämis­
sen: den spanischen Einkreisungsring durch eine dagegen gerichtete Bünd­
nispolitik aufzusprengen und darüber hinaus Frankreich (wieder) zum
Schiedsrichter im politischen Machtgefüge Europas zu machen.53 Riche­
lieu nahm damit eine Politik auf, die Heinrich IV. bis zu seiner Ermordung
verfolgt hatte, die unter der Regentschaft seiner Witwe Maria de’Medici
jedoch nicht weitergeführt worden war.54Aber für mehr als ein verdecktes
Eingreifen in den Krieg reichten die französischen Kräfte zunächst nicht
aus, zumal Richelieu die Veltlin-Frage als vordringlich ansah und im Herbst
1624 eine Armee nach Norditalien in Marsch setzte. Der Nutznießer war
Dänemarks Kriegseintritt 263

einmal mehr Ernst von Mansfeld, der zusätzlich zu den Geldern aus Eng­
land und den Niederlanden auch von Frankreich Subsidien erhielt, um ein
Heer für den Kampf gegen die Habsburger aufzustellen.55
Die bislang gemachten Erfahrungen legten jedoch nahe, dass ein von
Mansfeld angeführtes Söldnerheer allein nicht genügen würde, die ver­
bundene Macht von Kaiser und Liga zurückzudrängen. Um dieses Ziel zu
erreichen, boten sich zwei Möglichkeiten an, die gegebenenfalls miteinan­
der kombiniert werden konnten: erstens der Versuch, einen Keil zwischen
Kaiser Ferdinand und Kurfürst Maximilian zu treiben, indem man deren
unterschiedliche Interessen gegeneinander ausspielte; zweitens das Vor­
haben, eine der beiden dem Luthertum verpflichteten nordischen Mächte,
Dänemark oder Schweden (oder auch beide gemeinsam), in den Krieg
zu verwickeln und sie zur militärischen Spitze gegen Kaiser und Liga zu
machen. Das erste Projekt wurde vor allem von Frankreich verfolgt, und
Pere Joseph, der Kapuziner-Diplomat im Dienste Richelieus, war von nun
an damit beschäftigt, den Bayernherzog Maximilian und die geistlichen
Kurfürsten am Rhein gegen das Wiener Kaiserhaus auszuspielen. Bei
Maximilian erzielte die französische Diplomatie Teilerfolge, aber es gelang
den Franzosen nie, den Bayern dauerhaft gegen das Wiener Kaiserhaus in
Stellung zu bringen. Der Kölner Erzbischof Ferdinand, ein Bruder Maximi­
lians, folgte der von München vorgegebenen Linie, der Mainzer Erzbischof
lavierte, hielt sich aber stärker an das Kaiserhaus, und nur der Trierer Erzbi­
schof Philipp Christoph von Sötern ließ sich auf eine profranzösische und
antihabsburgische Politik ein.56Durchschlagende politische Wirkung sollte
die französische Diplomatie erst im späteren Kriegsverlauf erzielen.
Somit konzentrierte sich 1625 alles auf die Frage, ob die nordischen
Mächte in den Krieg eingreifen würden. Das Problem war, dass Dänemark
und Schweden seit Jahrzehnten um die Vorherrschaft in der Ostsee konkur­
rierten und deswegen auch mehrere Kriege gegeneinander geführt hatten.57
Schweden, das dabei den Kürzeren gezogen hatte, ließ sich danach auf eine
Expansionspolitik in südöstliche Richtung ein, und in mehreren Kriegen
gegen Polen hatten die in Stockholm regierenden protestantischen Wasa
den in Warschau residierenden katholischen Wasa einige Hafenstädte und
einen größeren Küstenstreifen im Baltikum weggenommen. Als es nun um
1Ö4 FO R T G A N G UND A U SW EITU N G

die Frage ging, ob die nordischen Mächte sich in den Krieg im Reich einmi-
schen würden,58war Schweden wieder einmal in einen Krieg mit Polen ver­
wickelt. Dennoch zeigte Gustav Adolf ebenso wie Christian von Dänemark
Interesse, an die Spitze einer protestantischen Koalition zu treten, um den
Kampf gegen die Habsburger und die katholische Liga wiederaufzuneh­
men. Der Kriegseintritt bot beiden Mächten die Möglichkeit, nach Süden
zu expandieren, und wer dabei erfolgreich war, würde auch das Ringen um
die Ostseehegemonie (dominium maris Baltici) für sich entscheiden. Dar­
aus folgte indes, dass beide Mächte sich schwerlich zu einer gemeinsamen
Kriegführung bereitfinden würden. Der Eintritt der einen Seite schloss die
Beteiligung der anderen aus. Die Generalstaaten der Niederlande, der eng­
lische König und Richelieu, die am Zustandekommen einer antihabsburgi­
schen Koalition arbeiteten, mussten sich also für eine der beiden Mächte
entscheiden, und dabei hatten sie sicherzustellen, dass der jeweilige Rivale
die kriegerischen Verwicklungen des anderen nicht nutzte, um ihm in den
Rücken zu fallen. Keine der zwei nordischen Mächte konnte von sich aus
und aus eigenem Antrieb in den Krieg auf deutschem Boden eingreifen,
beide bedurften der «Rückendeckung» durch ein Bündnis.
Für Schweden sprach, dass Gustav Adolf in den Kriegen im Baltikum
reichlich Kriegserfahrung gesammelt hatte und über kriegserprobte Trup­
pen verfügte. Doch ein Eingreifen Schwedens in die Konflikte des Reichs
ließ sich nicht so leicht rechtfertigen, denn bislang hatten weder der Kaiser
noch die Liga schwedische Interessen berührt. Es war darum auch unge­
wiss, ob sich der einflussreiche schwedische Adel auf diesen Krieg über­
haupt einlassen und seinem König folgen würde. Allerdings hatte Gustav
Adolf bereits einen Kriegsplan, und der sah vor, dass er mit seinen Truppen
aus dem polnisch-pommerschen Grenzgebiet die Oder entlang in südlicher
Richtung nach Schlesien vorstoßen würde, wo er sich mit Bethlen Gabor
vereinigen wollte, der sich als Bündnispartner wieder einmal ins Gespräch
gebracht hatte. Zur Rechtfertigung dieses Vorgehens wollte Gustav Adolf
mit Pfalzgraf Friedrich ein festes Bündnis schließen, denn so konnte er als
dessen Interessenvertreter im Reich auftreten.59
Im Falle Dänemarks war eine solche Rechtskonstruktion nicht von­
nöten, denn Christian IV. war auch Herzog von Holstein und gehörte
Dänemarks Kriegseintritt 265

damit zu den Ständen des Reichs. Von einem Eingreifen äußerer Mächte
wäre also nicht die Rede gewesen. Als Reichsstand konnte Christian gegen
illegitime oder ungerechte Entscheidungen des Kaisers Widerstand leisten,
and diese in den zurückliegenden Jahren mehrfach benutzte Rechtsfigur
kam auch hier ins Spiel. Vor allem für den strikt auf Legitimität bedachten
Jakob scheint das ein Grund gewesen zu sein, mehr auf Christian als auf
Gustav Adolf zu setzen. Die Zugehörigkeit Christians zu den Reichsstän­
den war jedoch nur eine Fassade, de facto handelte es sich durchaus um
die Intervention einer äußeren Macht: Zu Dänemark gehörten nämlich
nicht nur die Herzogtümer Schleswig und Holstein, sondern auch Island
und Grönland, weiterhin größere Teile des heutigen Schweden sowie die
Ostseeinseln Gotland und Ösel. Außerdem war Christian in Personalunion
auch König von Norwegen. Sein Königreich umfasste also ein Gebiet, das
vom Nordkap bis nach Hamburg und von Island bis zur Insel Ösel vor der
estnischen Küste reichte.
Die wichtigste Einnahmequelle des Königs waren nicht Steuern, son­
dern Handelszölle, und bei diesen Zöllen hatten die Landstände nicht
mitzureden; der König konnte somit eine von den Ständen weitgehend
unabhängige Politik betreiben.60 Als er sich entschloss, in den Krieg im
Reich einzugreifen, tat er das gegen den Ratschlag des Staatsrats, auf des­
sen Unterstützung er dank der Zölle aus dem Öresund, die alle die Passage
zwischen Nord- und Ostsee durchfahrenden Schiffe zahlen mussten, nicht
angewiesen war. Außerdem wurden ihm von Frankreich, England und
den Generalstaaten Subsidien zugesagt, die ungefähr die Hälfte der veran­
schlagten Kriegskosten abdeckten. Zunächst freilich agierte Christian sehr
vorsichtig, denn ihm war offenbar klar, dass er sich auf ein hochriskantes
Unternehmen einlassen würde. Den Ausschlag dafür dürfte letztlich die
Konkurrenz mit Schweden gegeben haben: Wenn er nicht in den Krieg ein­
getreten wäre, hätte das an seiner Stelle Gustav Adolf getan, und Christian
fürchtete, ein erfolgreicher Feldzug der Schweden in Deutschland würde
sich auf die Machtverhältnisse in der Ostsee auswirken. Er wollte die Ost­
seehegemonie, die nach dem Kalmarkrieg von 1611 bis 1613 eindeutig bei
Dänemark lag, durch sein Eingreifen im Reich festigen. Dazu sollte auch
die Einsetzung seiner Söhne in die Administration ehemals katholischer
266 FO R T G A N G UND A U SW EITU N G

Christian IV., König von


Dänemark und Herzog
von Holstein, sah sich als
Herr des europäischen
Nordens. Die Konkurrenz
mit den Niederlanden und
mit Schweden war für ihn
ein wichtiger Grund, in
den «deutschen K rieg»
einzugreifen. Der Stich
zeigt ihn zu Beginn des
niedersächsisch-dänischen
Krieges mit Harnisch und
Feldherrnstab auf dem
Höhepunkt seiner Macht.

Bistümer dienen. Das Stift Halberstadt und das Erzstift Bremen waren
dabei im Gespräch.61
Wie riskant das dänische Kriegsprojekt indes war, zeigt ein Blick auf
seine Finanzierung:62 Im Unterschied zu Schweden, das infolge seiner Mili­
tärverfassung auf eine im eigenen Land ausgehobene Armee zurückgreifen
konnte,63 operierte Dänemark mit geworbenen Söldnern. Christian wollte
diesen Krieg nach demselben Modell führen wie den für ihn überaus erfolg­
reichen Kalmarkrieg, als seine Truppen auf schwedisches Gebiet vorgesto­
ßen waren und durch die Plünderung des Landes ihre Unterhaltskosten
deutlich gesenkt hatten. Diesen Dreischritt - Vorfinanzierung der Armee
aus eigenen Mitteln, Unterhalt der Truppen in Gebieten außerhalb des
Königreichs, Refinanzierung der vorgeschossenen Kriegskosten durch Ent­
schädigungen von Seiten des Kriegsgegners - wollte Christian wiederho­
len. Aber dieses Modell hatte zur Voraussetzung, dass der König siegte und
den Krieg außerhalb des eigenen Territoriums führen konnte. Das war das
Dänemarks Kriegseintritt 267

Risiko, das Christian einging, als er damit begann, eine Armee in der Stärke
von 30 000 Fußsoldaten und 7000 bis 8000 Reitern aufzustellen. Zusam­
men mit den Truppen Mansfelds würde er damit dem Liga-Heer unter Tilly
deutlich überlegen sein, und diese Überlegenheit würde das Risiko des
Krieges begrenzen. Dennoch zögerte Christian, die Kampfhandlungen zu
eröffnen, und das kann als ein Beleg dafür angesehen werden, dass er sich
nicht sicher war, ob er sich auf dieses Risiko tatsächlich einlassen sollte.

Am 29. November 1625 wurde im Haag der Allianzvertrag zwischen Eng­


land, Dänemark und den Generalstaaten geschlossen, in dem die Kondi­
tionen des Zusammenwirkens festgelegt waren.64Angesichts der Kriege im
Reich und der von ihnen ausgehenden Gefährdung der Reichsverfassung,
so heißt es in der Vorrede, habe man sich entschlossen, «zur rechten Zeit
vorzubeugen und den allzu gewaltigen, unerträglichen Fortgang dieser
schlimmen Absichten und Bedrückungen zu hindern, zur Wiederaufrich­
tung und Conservation der besagten Freiheit, der Rechte und Constitu­
tionen des Kaiserreichs, sich einem so voraussehbaren Verderben und all
jenen, die jetzt oder in Zukunft dessen Urheber sein werden, zuwidersetzen
und entgegenzustellen.»65Bereits sieben Monate vor Abschluss der Haager
Allianz hatte Christian sich zum Obristen des niedersächsischen Reichs­
kreises wählen lassen. Damit besaß er eine hinreichende Legitimation, um
im Reich als Verteidiger der Verfassung auftreten zu können, wie das in der
Vorrede des Vertrags annonciert wird. In dieser reichskonservativen Aus­
richtung steckte jedoch ein politisches Problem von großer Sprengkraft.
Legitimationspolitisch mochte die reichskonservative Begründung
des Bündnisses ihre Vorzüge haben, aber es handelte sich dabei lediglich
um einen Kompromiss, der die unterschiedlichen Interessen der Beteilig­
ten verdecken sollte:66 England ging es neben der Restitution des Pfalzgra­
fen vor allem um den Kampf gegen Spanien. Nachdem Jakob I. am 27. März
1625 gestorben war und sein Sohn Karl, der in Madrid Düpierte, die Nach­
folge angetreten hatte, trat dieses Interesse noch stärker hervor. Mindes­
tens ebenso stark wie England waren die Generalstaaten an einem gegen
Spanien gerichteten Krieg interessiert. Christian dagegen bestand darauf,
dass er keinen Krieg gegen Spanien führen wolle. Tatsächlich wurde aber
268 FO R T G A N G UND A U SW EITU N G

im IV. Abschnitt der Haager Allianz noch vor den die Landkriegführung
betreffenden Passagen auf ein englisch-niederländisches Bündnis Bezug
genommen, in dem es um einen gemeinsamen Seekrieg gegen Spanien
ging; auch wenn Spanien nicht namentlich genannt wurde, so waren in den
Seekriegspassagen des Vertrags doch dessen Flotten gemeint. Der König
von England, so heißt es dort, werde «eine weitere Flotte auslaufen lassen,
um derjenigen, die sich schon auf See befindet, zu helfen, um damit die
Kräfte der Gegenpartei abzulenken und zu behindern».67 Die «Gegen­
partei» konnte nur Spanien sein. Vermutlich war mittelfristig auch an eine
Beteiligung der dänischen Flotte gedacht, weil sie die bei weitem stärkste in
der Ostsee war und Dänemark sich aus einem Krieg, in dem es um die Kon­
trolle des Handels ging, kaum heraushalten konnte.68 Auch bezüglich der
Restitution Friedrichs konnte man sich nicht auf ein konkretes Kriegsziel
einigen. Als die Engländer darauf drängten, die Rückführung Friedrichs
in seine Erblande und dessen Wiedereinsetzung in die Kur in den Vertrag
aufzunehmen, lehnte Christian dies mit der Begründung ab, dass die Nie­
dersachsen, an deren Spitze er sich hatte wählen lassen, nur zur Kreisvertei­
digung bereit seien. Es stand also zu befürchten, dass diese Allianz die erste
größere Belastung nicht überstehen würde.
Die Probleme der Haager Allianz zeigten sich noch vor Kriegsbeginn
im Rückzug Kurbrandenburgs aus der Koalition, zu deren Zustandekom­
men Kurfürst Georg Wilhelm zuvor einiges beigetragen hatte. Seit 1616 mit
einer Schwester Friedrichs von der Pfalz verheiratet und durch die Ehe­
schließung seiner eigenen Schwester mit Gustav Adolf auch Schweden eng
verbunden, hatte er auf den schwedischen König als Anführer, zumindest
als Teilnehmer der Koalition gesetzt und dementsprechend Sondierungs­
gespräche für diese Koalition führen lassen.69 Erstmals seit Kriegsbeginn
hatte Brandenburg eine politisch aktive Haltung eingenommen; die Rei­
sen des Rates Christian von Bellin nach Stockholm, Kopenhagen und Den
Haag standen am Anfang der Allianz, aber dann ging die Initiative auf Eng­
land und die Generalstaaten über, und das kleine Brandenburg geriet poli­
tisch an den Rand. Es war jedoch weniger die politische Marginalisierung
seines Landes, sondern die Nichtteilnahme Schwedens, die Georg Wilhelm
einen Rückzieher machen ließen. Jetzt wollte er die Allianz nicht mehr mit
Dänemarks Kriegseintritt 269

Truppen - er hatte zunächst 3000 Mann zugesagt - , sondern nur noch mit
Subsidien unterstützen, und auch das nur, wenn sich der Angriff ausschließ­
lich gegen die Liga und nicht gegen den Kaiser richtete, was jedoch ange­
sichts der Bündnisstruktur von Kaiser und Liga so gut wie unmöglich war.
Der böhmische Historiker Anton Gindely hat deshalb von einer «ebenso
lächerlichen wie unvernünftigen Bedingung» gesprochen.70 Sie hatte auch
nur die Funktion, Brandenburg wieder auf Distanz zur Haager Allianz zu
bringen, nachdem sich das kleine Land zeitweilig für seine Verhältnisse
und Möglichkeiten sehr weit vorgewagt hatte. Für eine solche wagemutige
Politik, so glaubte man in Berlin, brauchte man einen starken Verbündeten
in räumlicher Nähe. Als der infolge der Absage Gustav Adolfs nicht mehr
vorhanden war, näherte man sich wieder der vorsichtigen Politik Kursach­
sens an, in deren Windschatten sich Brandenburg bisher bewegt hatte.
Im Rückzieher Brandenburgs wurde einmal mehr die zögerliche Poli­
tik des deutschen Protestantismus nach dem Zerfall der protestantischen
Union sichtbar: Man war sich nicht sicher, welche Ziele man verfolgen
sollte und wie viel man dafür riskieren konnte. Selbst das reformierte Bran­
denburg zögerte ein ums andere Mal - mit der Folge, dass die lutherischen
Sachsen die Gangart bestimmten, und die war kaisertreu.71 So blieb die
.Anzahl der protestantischen Parteigänger Christians im Reich überschau­
bar; neben den Fürsten des niedersächsischen Kreises war es eigentlich nur
Landgraf Moritz von Hessen-Kassel, der sich ihm vorbehaltlos anschloss.
-Als die Haager Allianz am 29. November beziehungsweise 9. Dezember
1623 besiegelt wurde, war es jahreszeitlich schon zu spät, um die Trup­
pen noch ins Feld zu führen. Unterdessen verhandelten die potenziellen
Kriegsgegner in Braunschweig über die Frage, ob sich nicht doch noch ein
Ausgleich finden lasse, der einen weiteren Krieg unnötig mache. Das war
eine Gelegenheit für die sächsische Politik, ein weiteres Mal die Rolle des
Mittlers zu übernehmen. Als Kompromiss schlugen die Sachsen vor, dass
Christian IV., Mansfeld und die Niedersachsen die Waffen niederlegen
sollten, wenn die Gegenseite, Tilly und Wallenstein, Zusagen würde, mit
ihren Truppen den niedersächsischen Kreis zu verlassen sowie dort keine
Kontributionen zu erheben, und Kaiser Ferdinand den Niedersachsen zusi­
cherte, sie im Besitz der ehemals geistlichen Güter zu belassen.72 Von der
i r jo FO R T G A N G UND A U SW EITU N G

Restitution des Pfalzgrafen war in dem Vermittlungsvorschlag keine Rede,


und dass sich die protestantische Seite überhaupt auf Verhandlungen ein­
ließ, zeigt ihre Schwäche und Gespaltenheit. Doch selbst über diesen Ver­
mittlungsvorschlag konnte man sich nicht verständigen. Als die Parteien
am 8. März 1626 ergebnislos auseinandergingen, war das der Auftakt zur
nächsten Runde des Krieges.

Wallensteins Heer

Im Januar 1625 wiederholte Wallenstein ein Angebot, das er bereits in den


zwei vorangegangenen Jahren mehrfach gemacht hatte,73 ohne dass der
Hofkriegsrat in Wien darauf eingegangen wäre: Er wollte «auf eigene Kos­
ten» ein Heer in der Größe von etwa 20 000 Mann aufstellen. Was sich auf
den ersten Blick wie ein großzügiges Angebot ausnahm, das dem finanz­
schwachen Kaiser ermöglichen sollte, was er unter den gegebenen Umstän­
den am dringlichsten brauchte: ein eigenes Heer, war nichts weniger als ein
Projekt, das die Machtverhältnisse im Reich grundlegend verändern würde
- nicht nur die militärischen, sondern auch die politischen. Wallensteins
Angebot war derart grundstürzend, dass man in Wien nicht binnen weniger
Tage darauf einging. Man verhandelte über bald ein halbes Jahr, bevor der
Kaiser am 27. Juni 1625 die Instruktion für die Aufstellung des Heeres unter­
schrieb und einen Monat später, am 25. Juli, Wallenstein zum General der
kaiserlichen Kriegsmacht ernannte. Ferdinand scheint bewusst gewesen zu
sein, dass er damit sein politisches Schicksal mit dem Wallensteins verband.
Wenn er hinsichtlich der Tragweite seiner Entscheidung der Aufklärung
bedurft hätte, so lieferte ihm diese das von seinem wichtigsten Ratgeber
und Minister, dem Reichsfürsten Hans Ulrich von Eggenberg, angefertigte
Gutachten: Der Präsident der Hofkammer und des Geheimen Rats und
obendrein engste Vertraute des Kaisers führte darin aus, dass Ferdinand
eine Streitmacht wie die von Wallenstein vorgesehene nicht benötige, da er
mit den Türken Frieden geschlossen habe und es vorerst zu einer so grund­
legenden Veränderung der kaiserlichen Politik keinen Anlass gebe.74Eggen­
Wallensteins Heer 271

berg, der nicht zu Wallensteins Gegnern am Wiener H of gehörte, erkannte,


dass es um mehr ging als um ein vorteilhaftes Angebot Wallensteins.
Bei Kriegsbeginn gab es kein kaiserliches Heer, sondern nur einzelne
Regimenter unter dem Befehl des Grafen Heinrich Duval von Dampierre,
die in einem größeren Krieg nur im Verbund mit anderen Einheiten, etwa
den spanischen Regimentern Bucquoys oder denen der Liga, ein operativ
selbständiges Heer bildeten. Der Kaiser war militärisch auf die Unterstüt­
zung durch die Reichsstände beziehungsweise seine internationalen Ver­
bündeten angewiesen, die ihm für begrenzte Zeit und vorgegebene Zwecke
Truppen zur Verfügung stellten. Das war nicht erst seit jüngster Zeit so, und
es war auch kein Spezifikum der habsburgischen Kaiser, sondern reichte bis
weit ins Mittelalter zurück: Wenn der Kaiser Soldaten brauchte, musste er
sich diese von einem Reichstag bewilligen lassen. Er konnte Truppen auch
aus den Ressourcen seiner Erblande aufstellen; dafür hatte er sich jedoch
mit den Ständevertretern ins Benehmen zu setzen, und die reagierten
zumeist mit einer Mischung aus Zurückhaltung und Ablehnung, lief das
xaiserliche Ersuchen doch darauf hinaus, dass sie als ein Teil des Reiches
rür dessen Gesamtaufgaben aufkommen mussten. Es waren immer nur
Teile des benötigten Heeres, die der Kaiser so bekommen konnte. Nicht
anders verhielt es sich auch in den ersten Jahren des Dreißigjährigen Krie­
ges, als Ferdinand von der Hilfe Spaniens, des Papstes und der katholischen
Liga abhängig war. Sobald militärische Macht im Reich ins Spiel kam, war
der Kaiser auf das Wohlwollen anderer angewiesen.
Das Vorhaben Wallensteins, ein komplettes Heer aufzustellen, über
das der Kaiser frei verfügen konnte, sollte diese seit Jahrhunderten beste­
henden Verhältnisse verändern. Auch wenn man dem in Wien insgesamt
positiv gegenüberstand, so wollten die politischen Folgen dieser - revolu­
tionären - Veränderung doch wohl erwogen werden. Man brauchte also
Zeit, um die Konsequenzen nach allen Seiten hin auszuleuchten, und diese
Konsequenzen waren nicht nur machtpolitischer und finanztechnischer
.Art, sondern betrafen auch die Grundprinzipien der Reichsverfassung. Die
nämlich beruhte auf dem Grundsatz, dass der Kaiser als Kaiser, also abzüg­
lich dessen, worüber er als Landesherr gebot, über politische und recht­
liche, aber so gut wie keine militärische Macht verfügte. Die Macht des
272 FO R T G A N G UND A U SW EITU N G

Kaisers gründete sich auf die hierarchisch strukturierte Rechtsordnung des


Reiches; zur Exekution seiner Entscheidungen war der Kaiser auf die Hilfe
der Reichsstände angewiesen. So hatte sich das auch in der Vorgeschichte
des Dreißigjährigen Krieges dargestellt: sowohl bei der vom Bayernherzog
Maximilian durchgeführten Reichsexekution gegen Donauwörth als auch
bei der Nichtexekution der kaiserlichen Entscheidung im Streit um das
Marburger Erbe.75 Die Ordnung des Reichs war eine, die in ihrem Inneren
Krieg als eigenen Aggregatzustand des Politischen nicht kannte, sondern
für die es nur Rebellionen und Rechtsexekutionen gab.76 Krieg gab es nur
in den äußeren Beziehungen des Reichs, und solche Kriege beschränkten
sich zumeist auf zeitlich wie räumlich begrenzte Feldzüge.
Nun dauerte der Krieg aber schon sieben Jahre, und militärische Macht
war inzwischen zur wichtigsten Ressource geworden, wenn es darum ging,
einen politischen Willen geltend zu machen. Die Rechtshierarchie des
Reichs war schon vor Kriegsbeginn durch die konfessionelle Spaltung der
Reichsstände sowie die Lahmlegung einer Reihe von Reichsorganen außer
Kraft gesetzt worden, doch nun kam noch hinzu, dass sich die Grundlage
der politischen Macht von der Rechtsprechung auf die Gewaltanwendung
verschoben hatte. Bis zu Wallensteins großem Angebot hatte man diese
Verschiebung der politischen Ressourcen als einen Ausnahmezustand
begriffen, der nach einiger Zeit wieder enden werde. Was Wallenstein vor­
schlug, lief indes darauf hinaus, den Ausnahmezustand zur Normalität zu
machen und auf der Grundlage dieser veränderten Normauffassung die
realen Machtverhältnisse neu zu ordnen.
Dem wie immer ungeduldigen Wallenstein ging diese Neuausrichtung
viel zu langsam voran. Angesichts der Bedrohung durch das sich abzeich­
nende Bündnis der Seemächte im Nordwesten Europas war er überzeugt,
dass man keine Zeit vergeuden dürfe - und genau das taten die Wiener
Räte nach seiner Auffassung. Wallenstein dachte von außen her, die Wiener
Räte hingegen von innen, und deswegen war das Problembewusstsein bei­
der Seiten unterschiedlich ausgeprägt. Über seinen Schwiegervater suchte
Wallenstein die Wiener Entscheidungen zu beschleunigen. Am 28. April
schrieb er an Karl von Harrach, dieser solle erreichen, «auf dass Ihre Mait.
[Majestät] wegen der Werbung nit länger temporisieren, dieweil der Feind
Wallensteins Heer 273

nicht feiert und Tag zu Tag mehr [Kriegs-]VoIk aufbringt und also eher,
dann wir uns versehen werden, in Schlesien und diesen Landen sein wird.
Darum ist gewiss kein Minuten zu verlieren.»77 Wallenstein drohte damit,
wie er das auch später noch einige Mal tat, sich von dem Vorhaben abzu­
wenden, wenn man in Wien nicht endlich dem von ihm als zwingend ange­
sehenen Zeitrhythmus folge: «Ich hab mich wohl offeriert, Ihr Mait. zu
dienen, welchem ich auch unterthänigst nachkommen will, aber werde ich
sehen, dass man Muthwilligkeit verliert und vermeint, nachher wann uns
der Feind am Hals ist, erst zu der Werbung [der Anwerbung der Soldaten]
zu greifen, so will ich mich in solchen Labyrint nicht stecken, in welchen ich
um meine Ehr kommen müsst, sondern bin resolviert [entschlossen], eher
von allen meinen Diensten abzusehen. Dann ich weiss gewiss, dass nicht
anderes draus erfolgen könnte als dem Kaiser Verlust seiner Länder und
mir Verlust Ehr und Reputation. Bitt derowegen meinen Herrn ganz dienst­
lich, er wolle ihm dies so hochwichtiges Werk befohlen sein lassen.»78
Nicht Wallensteins Ungeduld, sondern die allgemeine Lage dürfte dazu
geführt haben, dass Ferdinand die Instruktion zur Aufstellung eines Heeres
unterschrieb. Darin reklamierte er für sich noch einmal die Rolle dessen,
der den Frieden zu suchen und zu wahren habe, und machte geltend, dass
er von inneren Rebellen und äußeren Feinden dazu gezwungen werde, sich
aus einem Friedensherrn in einen Kriegsfürsten zu verwandeln. Stets habe
er, Ferdinand, darauf gesetzt, dass «ein jeder nach seines Stands und Orts
Vermögen solcher Unserer friedfertigen Intention beistehen und succuriern
helfen [werde], so erfahren Wir doch nicht ohne sonderbare Unsers kaiser­
lichen Gemüths Bittrigkeit und Beschwerung, [dass] die obengenannten
Unsern und des Reichs Feind und Rebellen schädliche Machinationes und
Praktiken auch nach so ansehnlichen gegen sie von Gott dem Allmächtigen
erhaltene Sieg und Victorien nit allein noch nit aufhören oder durch gezie­
mende Mittel bei Uns als dem Oberhaupt den Frieden suchen, sondern
eben dieser Zeit mit mehrer Assistenz ihre rebellische nicht allein gegen
Uns, sondern des ganzen römischen Reichs Stand und Verfassung gemachte
Anschläg durchzudringen im Werk sein, auch neben Aufwieglung frembder
Potentaten den Erbfeind christlichen Namens in die Societät ihrer gottlo­
sen Waffen zu bringen keine Mühe und Arbeit gespart [haben].»79
274 FO R T G A N G UND A U SW EITU N G

Hier wird auf die Unternehmungen Ernst von Mansfelds und Chris­
tians von Braunschweig ebenso angespielt wie auf die Beziehungen eini­
ger protestantischer Reichsstände zu Dänemark, England, Schweden, den
Generalstaaten und Frankreich. Schließlich werden auch die neuerlichen
Kontakte zu Bethlen Gabor erwähnt, die über die Hohe Pforte in Kons­
tantinopel zustande kamen. Dagegen positioniert sich der Kaiser als Macht
der Bewahrung und Kraft des Konservativen. Doch das ist nur eine dem
Herkömmlichen verpflichtete Eröffnung, um die revolutionären Schritte
anzukündigen, die in den darauffolgenden Abschnitten der Instruktion
aufgeführt werden. Der Kaiser versicherte sich zunächst der Tradition, um
anschließend mit ihr zu brechen.

Aber was war eigentlich so revolutionär an der Aufstellung einer Streit­


macht, die dem Kaiser zur Verteidigung und Wiederherstellung seiner Posi­
tion im Reich dienen sollte? Zwar hatte der Bayernherzog Maximilian seit
längerem darauf gedrängt, dass der Kaiser größere Rüstungs anstrengungen
unternehmen und neue Regimenter aufstellen solle, anstatt alte abzudan­
ken, aber Maximilian hatte das unter der Voraussetzung gefordert, dass die
neuen kaiserlichen Einheiten zur ligistischen Armee stoßen und sich dem
Oberbefehl Tillys wie den politischen Vorgaben Maximilians unterstellen
würden. So jedenfalls hatte es der Münchner Vertrag vom 13. Oktober 1619
vorgesehen, in dem Maximilian «das völlig Directorium vber der Catholi-
schen Verfassungs- vnd Defensionswesen» übertragen und festgelegt wor­
den war, dass «auch Jhre Kayserliche May. noch iemand anderer vnd dem­
selben Hauß in keinerley Weise oder Orth solch Jhro Fürstlichen Durchl.
vberlassene absolut, vnd völlige Direction, weder selbsten verhindern /
noch andern zu thun gestatten / sondern vielmehr auf allerley Weise vnd
Weg trachten / daß selbiges aller Orthen befurdert werde»80. Indem Ferdi­
nand nun eine eigene Armee unter dem Kommando Wallensteins aufstel­
len ließ, die nicht nur gegen Bethlen Gabor operieren sollte, was Maximi­
lian nicht weiter beunruhigt hätte, sondern im gesamten Reich, löste er sich
aus den Bindungen des Münchner Vertrags, und das sorgte in den nächsten
Jahren für ständigen Konfliktstoff zwischen Maximilian und Ferdinand.
Das also war die machtpolitische Pointe von Wallensteins Ange­
Wallensteins Heer 175

bot, nicht einzelne Regimenter, wie bis dahin üblich, sondern eine ganze
Armada «auf eigene Kosten» aufzustellen: Diese Armee war ein Instru­
ment der kaiserlichen Politik - und keine Verstärkung anderer. Um das
zu unterstreichen, hatte Ferdinand Wallenstein am 25. Juli zum General
ernannt. Wallenstein war dem Grafen Tilly damit nicht nur als Herzog von
Friedland, sondern auch im Rang des Generals übergeordnet, denn Tilly
kommandierte das Heer der Liga als Generalleutnant, somit als Stellver­
treter Maximilians. Wallenstein hingegen war niemandes Stellvertreter,
sondern verfügte über selbständige Kommandogewalt.81 Der Kaiser hatte
ihn, wie es im Ernennungsschreiben heißt, «umb der gueten beywoh-
nenden qualiteten, Kriegs experienz und erfahrenhait zuem General über
dißen Unnßern nach dem Heil. Römischen Reich abgeordtneten succurs»
ernannt und allem Militär im Reich befohlen, «daß ir in allem demjeni­
gen, waß sein, deß Herzogen zue Friedtlandt L. [Liebden] von einer zuer
andern Zeit in Unßerm Nammen schaffen, anordnen und commandiren
würdet, demselben gehorsamblich nachkohmen und volnziehen, alß gene­
ralen über den succurs seine L. erkhennen, ehren, respectiern und in allen
schuldigen, gebührlichen respect, observanz und gehorsamb erzaigen».82
Das lief auf einen grundlegenden Wechsel der militärischen Über- und
Unterordnungsverhältnisse im Reich hinaus. Auch wenn Wallenstein in
den Instruktionen vom 27. Juni ein gutes und kooperatives Verhältnis zu
Tilly nahegelegt wurde,83 so war doch klar, dass Tilly und Maximilian vor­
erst die zweite Geige spielen würden, jedenfalls so lange, wie Wallensteins
Generalat währte - und das sollte bis zum Regensburger Kurfürstentag im
Sommer rÖ3o der Fall sein, als die Kurfürsten den Kaiser zur Entlassung
Wallensteins zwangen.84 Im Sommer 1625 befand sich Maximilian freilich
in einer Zwickmühle, aus der er vorerst nicht herauskam: Erstens hatte er
den Kaiser monatelang bedrängt, endlich größere Kriegsanstrengungen
zu unternehmen, so dass er nun, da der Kaiser dies tat, schlecht dagegen
protestieren konnte, und zweitens war da die äußere Bedrohung durch die
Allianz der protestantischen Mächte im europäischen Nordwesten sowie
die Militärpräsenz des Dänenkönigs im niedersächsischen Kreis, wo inzwi­
schen erste Scharmützel mit den Truppen Tillys stattgefunden hatten. Das
Heer der Liga, das unter Geldmangel und Nachschubproblemen litt,85 war
2 76 FO R T G A N G UND A U SW EITU N G

auf starke Unterstützung angewiesen, und nach Lage der Dinge konnte die
nur von Wallenstein und dem von ihm aufgestellten Heer kommen. Maxi­
milian blieb also nichts anderes übrig, als die missliebige Entwicklung erst
einmal hinzunehmen.
Die andere große Veränderung der bestehenden Verhältnisse betraf
die Finanzierung des Heeres, das in dem Instruktionsschreiben an Wallen­
stein auf eine Stärke von 24 000 Mann festgesetzt wurde,86 wobei sich im
Sommer 1625 bereits abzeichnete, dass es diese Größenordnung erheblich
übersteigen würde. Einer Mitteilung des kaiserlichen Gesandten in Madrid
zufolge soll Wallenstein auf die Frage, wie man ein Heer von 50 000 Mann
unterhalten könne, wenn das bereits bei 20 000 Mann nicht möglich sei,
geantwortet haben, es sei sehr viel leichter, ein Heer von 50 000 Mann zu
unterhalten als eines von 20 000, weil man mit dem größeren Heer auch
sehr viel mehr durchsetzen könne.87 Für Wallenstein war die Frage der
Truppenfinanzierung somit eine Frage der sich verändernden machtpo­
litischen Gesamtkonstellation: A uf den Finanzierungsaufwand für ein
kleines Heer konnten die Reichsstände mit Verzögerungen und Obstruk­
tionstaktiken reagieren; bei einem großen Heer war das nicht möglich, weil
ein solches Heer sich einfach nahm, was es brauchte - so Wallensteins
Rechnung. Es kam nicht darauf an, die Stärke des Heeres den gegebenen
Finanzierungsmöglichkeiten anzupassen, sondern man musste ein so gro­
ßes Heer schaffen, dass sich allein durch dessen Existenz die bestehenden
Finanzierungsstrukturen veränderten. Das war mit Wallensteins Anerbie­
ten gemeint, die Armee «auf eigene Kosten» aufzustellen: Es ging um die
Vorfinanzierung eines Heeres, um die Mittel, die vonnöten waren, dieses
Instrument zu schaffen; war es erst einmal da, so hatte das Heer sich sei­
nen Unterhalt selbst zu besorgen, und wenn es entsprechend groß war, war
es dazu auch in der Lage. Wallensteins Schachzug von 1625 kehrte also die
bisherige Herangehensweise um, bei der man die Größe des Heeres als
abhängige Variable des Finanzaufkommens angesehen hatte. Wallenstein
beabsichtigte dagegen, die Abschöpfung von Steuern und anderen Einnah­
men zu einer abhängigen Variable des Heeres zu machen. Es war neben der
Veränderung der Machtverhältnisse im Reich dieser Vorschlag, der dem
kaiserlichen Hofkriegsrat so großes Kopfzerbrechen bereitet hatte, dass er
Wallensteins Heer 277

monatelang darüber beraten musste. Wallensteins Angebot war verlockend


- aber was war der politische Preis dafür? A uf jeden Fall eine deutliche Ver­
schlechterung des Verhältnisses zwischen Kaiser und Reichsständen.
Dass Wallensteins Angebot nicht bedeutete, er werde das Heer auf
Dauer aus seinen privaten Mitteln finanzieren, war in Wien allen mit der
Materie einigermaßen Vertrauten klar. Die Unterhaltskosten einer solchen
Streitmacht überstiegen die Möglichkeiten auch des reichsten Mannes im
Reich. Karl von Harrach erläuterte dem Kaiser, es sei unmöglich, dass Wal­
denstein «den völligen Krieg auf sein Spesa führen soll und kann», denn
dergleichen Krieg kann niemand als ein großer Potentat und nit ein Pri­
vatmann führen».88Im Grunde genommen gab es nur zwei Wege, das Heer
zu finanzieren: Entweder übernahm der Kaiser nach der Aufstellung des
Heeres dessen Kosten, oder er gab dem Heer die Möglichkeit, sich aus den
von ihm kontrollierten Gebieten selbst zu finanzieren. Der Kaiser hatte
als Einnahmequelle jedoch nur die Besteuerung, und diese war auf seine
Erblande beschränkt. Das Heer dagegen konnte seine Einnahmen aus dem
cesamten Reich beziehen. Es war naheliegend, dass sich Ferdinand ange­
sichts dieser Alternative für die Selbstfinanzierung des Heeres entschied,
und das hieß, dass er Wallenstein das Recht zur Erhebung von Kontribu­
tionen einräumte, aus denen das Heer bezahlt wurde. Zwar drang er im
mstruktionsbrief darauf, das Land nicht zu sehr mit Kontributionen zu
belasten, aber er gab Wallenstein das Mandat dazu und beschränkte dieses
nicht auf Feindesland, sondern ließ ihm freie Hand, wo auch immer für den
Unterhalt der Truppen zu sorgen.89
De facto lief das auf eine reichsweit einzutreibende Kriegssteuer hinaus,
die freilich nicht von der sonst dafür zuständigen Landesverwaltung ein-
jetrieben wurde, sondern von Kommissaren Wallensteins, der sich dabei
auf die durch den Krieg eingetretene Notlage berief. Wie nicht anders zu
erwarten, bedienten sich diese Kommissare häufig erpresserischer Mittel,
um die erforderlichen Summen einzutreiben. So drohten sie vielen Reichs­
städten, in ihnen Werbeplätze für neu aufzustellende Truppen einzurichten,
was für das städtische Wirtschaftsleben katastrophale Folgen gehabt hätte.
Dann ließen sie sich gegen entsprechende Zahlungen die Werbeplätze
-<abkaufen», was heißt, dass sie andernorts eingerichtet wurden, wenn die
278 FO R T G A N G UND A U SW EITU N G

Stadt als Entschädigung für dieses «Entgegenkommen» einige zehntau­


send Taler entrichtete. Das von Wallenstein entwickelte Kontributionssys­
tem war ein extrakonstitutionelles Mittel, bei dem unklar blieb, ob Wallen­
stein es auf die Erfordernisse des Krieges beschränken wollte oder ob es
ihm darum ging, mit diesem Hebel die Verfassung des Reichs dauerhaft zu
verändern.
Valeriano Magni, Kapuziner in bayerischem Dienst, der Wallensteins
Stellung und dessen Absichten in Maximilians Auftrag auskundschaften
sollte, hat diese Entwicklung in seinen an den Kurfürsten Maximilian
adressierten Berichten nicht als eine auf den Krieg beschränkte Ausnah­
mesituation, sondern als radikale Veränderung der Verhältnisse im Reich
beschrieben: «So ist es geschehen, daß Friedland [Wallenstein] sich nach
und nach zum absoluten Herren des Kaisers und seines Rathes gemacht
hat. Er selber hat wiederholt sich ausgesprochen: er achte ein oder zwei
Fürstenthümer nicht so hoch wie das Verbleiben in den Waffen.»90 In
den «Kapuziner-Relationen» von 1628 wird das Heer als ein Instrument
beschrieben, mit dem Wallenstein das Machtgefüge im Reich Umstürzen
wolle, und nicht etwa äußere Verhältnisse, sondern Wallensteins charak­
terliche Dispositionen werden dafür verantwortlich gemacht: «Friedland
ist von Natur zur absoluten Herrschaft geneigt.»91 Das waren die noch dif­
fusen, schon bald aber immer stärker ausgeprägten Sorgen, mit denen die
Reichsstände den Aufstieg Wallensteins und den Aufbau eines kaiserlichen
Heeres beobachteten.
«Sichtbar war eine Diktatur über dem Heiligen Römischen Reich
errichtet, deren Gesicht und Ziele unsichtbar waren», hat Alfred Döb-
lin in seinem inzwischen in Vergessenheit geratenen Wallenstein-Roman
aus dem Jahre 1920 geschrieben.92 Die Ziele mögen tatsächlich unsichtbar
gewesen sein, aber ein Gesicht hatte die Diktatur durchaus, wenn man
von ihr denn sprechen will: Es war das Gesicht Wallensteins. Man kann
darin, wie Hellmut Diwald das in seiner Wallenstein-Biographie nahelegt,
einen raffinierten Schachzug des Kaisers sehen, der Wallenstein, ohne das
im Instruktionsschreiben klar zu sagen, mit extrakonstitutionellen Befug­
nissen ausgestattet hatte, um auf diese Weise die Verfassung des Reichs
zu verändern, und zwar in eine Richtung, von der letzten Endes nur einer
Wallensteins Heer 279

profitieren würde - er selbst. Aber der Kaiser blieb im Hintergrund und


erweckte den Anschein, mit all dem nur insofern etwas zu tun zu haben, als
Wallenstein sein General war. Die Zusammenarbeit zwischen Wallenstein
und Ferdinand beruhte somit auf den wechselseitigen Interessen, die beide
miteinander verbanden, und wäre mit den Kurfürsten nicht ein dritter
Akteur dazwischengekommen, hätte dieses Bündnis für lange Zeit Bestand
haben und zu einer grundlegenden Veränderung der Reichsverfassung
führen können. Man kann aber auch die These vertreten, Wallenstein habe
sich in seinen Plänen und Handlungen nur an den Herausforderungen des
Krieges orientiert, keine weiteren politischen Ziele als den Sieg des Kaisers
und die Festigung der kaiserlichen Stellung im Reich angestrebt, wie er das
selbst in seinen Briefen immer wieder herausgestellt hat; alle anderslau­
tenden Behauptungen waren demnach Denunziationen seiner Feinde, die
sich um ihre eigene Macht und ihr Vermögen sorgten und deswegen den
Mann auszuschalten suchten, der als Einziger dem Kaiser zum Sieg verhel­
fen konnte.
Der Staatsrechtler Carl Schmitt ist in seinem Buch Die Diktatur der
Frage nachgegangen, ob man Wallenstein als Diktator bezeichnen könne,
wie das in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts häufiger geschah, unter
anderem bei Samuel Pufendorf.93 Der Vorwurf, er habe eine Diktatur
errichtet, war aber bereits während der beiden Generalate Wallensteins zu
hören, und zwar von Seiten der Reichsstände, die ihre Stellung durch den
Aufstieg Wallensteins bedroht sahen. Schmitt nennt zwei Gründe, die dafür
sprechen, dass die beiden Generalate Wallensteins, das zweite in noch grö­
ßerem Maße als das erste, als Diktatur charakterisiert werden könnten: die
völlige Missachtung der Stände und ihrer Rechte im Reich und die Selb­
ständigkeit Wallensteins gegenüber dem Kaiser. In einem ersten Schritt hat
er, der juristischen Herangehensweise entsprechend, die formelle Bestel­
lung Wallensteins geprüft. Er macht geltend, dass die aus dem Italieni­
schen übernommene Bezeichnung «C apo» nur für die Direktionsgewalt
über die kaiserlichen Truppen stehe und die auf Wallenstein übertragenen
Befugnisse rein militärischer Art seien: Schutz und Geleit, Pardon und
Gnade sowie die Freilassung von Gefangenen gegen die Zahlung von Löse­
geld - Letzteres nur eingeschränkt, denn bei Befehlshabern, Fürsten und
280 FO R T G A N G UND A U SW EITU N G

Standesherrn sollte das nur mit kaiserlicher Zustimmung möglich sein.94


Außerdem wurden Wallenstein mehrere kaiserliche Räte zur Seite gestellt,
die ihn in allen weiterreichenden Fragen beraten - und wohl auch kontrol­
lieren - sollten. Die juristische Prüfung der Bestellung Wallensteins zum
Oberbefehlshaber der kaiserlichen Truppen im Reich, so Schmitts Resü­
mee, lasse keine diktatorischen Befugnisse erkennen.
Aber wie sah es mit Wallensteins tatsächlicher Machtbefugnis aus?
Schmitt räumt ein, dass nicht alles im Rahmen einer Instruktion habe festge­
legt werden können. Immerhin würden darin umfassende Konfiskationen
angesprochen, die Wallenstein vornehmen konnte, aber bei diesen Konfis­
kationen waren seiner Willkür enge Grenzen gesetzt: Der Zugriff auf das
Vermögen von Gegnern war auf eine kleine, durch den Kaiser qua Ächtung
freigegebene Personengruppe begrenzt. Es ist bemerkenswert, dass Schmitt
neben der Befugnis zur Konfiskation nicht deren Praxis angesprochen hat,
zumal Wallenstein Teilkonfiskationen durchführte, bei denen nicht der
Kaiser, sondern Wallenstein selbst und seine Finanzkommissare festlegten,
wer davon betroffen war und wer nicht.95 Nun gehörte es seit langem zu
den kriegsrechtlichen Regelungen, dass die Bevölkerung von Gebieten, in
denen Militär einquartiert war, den Soldaten das «Servis» zur Verfügung
zu stellen hatte: Unterkunft, Holz, Licht und Salz. Für alles andere, insbe­
sondere den Sold, hatte der Kriegsherr zu sorgen.96 Sieht man einmal von
den wilden Plünderungen der Mansfeld’schen und Halberstädterschen
Söldner ab, die sich um das Kriegsrecht nicht scherten, war bereits Tilly
dazu übergegangen, die Bewohner der besetzten feindlichen Gebiete zu
Naturallieferungen an sein Militär zu zwingen. Im Unterschied zu Mans­
feld und Christian ließ Tilly seine Truppen jedoch nicht wahllos plündern
(wenngleich auch das immer wieder vorkam und Tilly nicht in jedem Fall
dagegen einschritt), sondern erlegte den besetzten Städten und Regionen
Lieferungen auf, für die diese zu sorgen hatten, was heißt, dass sie selbst
über die Verteilung der Lasten entschieden. Für die Besoldung des Militärs
aber war selbstverständlich die Liga verantwortlich, auch wenn es mit der
Fortdauer des Krieges immer wieder zu erheblichen Verzögerungen bei der
Auszahlung kam. Im Briefwechsel zwischen Tilly und Maximilian war diese
Klage immer wieder zu hören.
Das 1954 entstandene Gemälde Bernd Bauschkes steht für die geschichts­
politische Auseinandersetzung mit der Zeit des Dreißigjährigen Krieges in
Deutschland. Während die Historienmalerei des 19. Jahrhunderts sich mit
großen Schlachten und heroischen Momenten beschäftigte, konzentrierte
sich die Historienmalerei der (frühen) DDR auf die Leiden der Bevöl­
kerung: Ein Trupp Soldaten überfällt ein Dorf, Männer werden getötet,
Frauen betteln um ihr Leben; ein Haus ist in Brand gesetzt, während ein
anderes noch geplündert wird; das Vieh wird weggeführt, ein Wagen des
Soldatentrupps mit geplündertem Gut beladen.

Das änderte sich mit Wallenstein, denn der Unterhalt der von ihm auf­
gestellten Armee hing fast ausschließlich an den Kontributionen, die er im
Übrigen nicht auf besetzte Feindgebiete beschränkte. Kein Gebiet, über das
er Macht hatte, war dabei ausgenommen, ob es sich nun um Freundes- oder
um Feindesland handelte, selbst die Erblande des Kaisers bildeten keine
Ausnahme. Ob Wallenstein damit seine Instruktionen überschritt, wie häu­
fig zu lesen ist,97 ist zweifelhaft. Der Text schließt solche Kontributionen
282 FO RTG A N G UND A U SW EITU N G

jedenfalls nicht aus, und der Kaiser hat auf die wiederholten Klagen über
Wallensteins Praxis nicht mit dem Erlass von Beschränkungen reagiert. Er
ließ Wallenstein gewähren, wobei er wohl davon ausging, dass sich die Ver­
bitterung gegen Wallenstein und nicht gegen ihn, den Kaiser, richten werde.
Man könnte meinen, Ferdinand habe hier nach den Vorschlägen gehandelt,
die Machiavelli im V II. Kapitel seines Principe für die Absicherung eines
Macht- oder Verfassungswechsels gemacht hat.98 Nach der Eroberung der
Romagna hatte Cesare Borgia dort mit Ramiro d’Orco einen strengen und
grausamen Statthalter eingesetzt, den er mit weitgehenden Vollmachten
ausstattete. Nachdem dieser in kurzer Zeit für Ruhe und Sicherheit im
Land gesorgt hatte, ließ ihn Cesare absetzen und hinrichten. D ’Orcos in
zwei Stücke zerschlagenen Körper stellte er auf dem Marktplatz von Cesena
aus. Cesare Borgia habe damit sichergestellt, so Machiavelli, dass die Bevöl­
kerung die an ihr begangenen Grausamkeiten nicht ihm, Cesare, sondern
seinem Statthalter anlastete, von dem er sie nunmehr befreit habe.
Legt man dieses Analyseraster zugrunde (wogegen sich der tiefkatho­
lische Ferdinand in Anbetracht der Verfemung Machiavellis durch die Kir­
che mit Sicherheit gewehrt hätte), so hatte der Kaiser seinem General die
Aufgabe zugedacht, mit dem System der Kontributionen eine neue Steuer
im Reich durchzusetzen, die nicht an die Bewilligung durch die Stände
gebunden war und nach Gutdünken wie politischem Erfordernis eingetrie­
ben werden konnte. Das war ein tiefer Eingriff in die Verfassung des Reichs,
die dadurch von einer Mischverfassung mit monarchischen und aristokra­
tischen Elementen (monarchia mixta) in Richtung einer souveränen Mon­
archie verändert zu werden drohte. Das erklärt, warum die Reichsfürsten
schließlich alles daransetzten, Wallenstein wieder loszuwerden. Sie sahen
in ihm den Mann, der mit den Mitteln des Krieges dafür sorgte, dass sich
im Reich eine souveräne Macht des Kaisers ausbildete. Zu diesem Ergeb­
nis kam schließlich auch Carl Schmitt.99 Die Frage nach dem Charakter
der Wallenstein sehen Generalate weiterführend, lässt sich also festhalten,
dass es sich weniger um eine Diktatur Wallensteins, sondern um einen mit
seiner Hilfe versuchten stillschweigenden Staatsstreich gehandelt hat, der,
wenn er von Dauer gewesen wäre, einen grundlegenden Verfassungswech­
sel im Reich zur Folge gehabt hätte. Die Reichsstände polemisierten gegen
Wallensteins Heer 283

Wallenstein; tatsächlich hätten sie jedoch ihre Vorwürfe gegen den Kaiser,
den Nutznießer der Veränderungen, richten müssen.
Betrachtet man den Streit um das von Wallenstein aufgestellte Heer
und die Art seiner Finanzierung als einen Streit um das Recht des Kaisers,
neue Steuern einzuführen, so erkennt man, dass sich damit eine Situa­
tion entwickelte, die in den Niederlanden und in England zur Revolution
geführt hat. In diesen Revolutionen haben sich die Besitzenden gegen eine
Steuer zur Wehr gesetzt, die ohne ihre Zustimmung eingeführt wurde. Auf
dem Erfolg ihres Widerstands beruht bis heute das Budgetrecht des Parla­
ments als dessen wichtigste Befugnis - eine tragende Säule der Gewalten­
teilung. Auch im Reich setzten sich letzten Endes diejenigen durch, die sich
gegen die Einführung einer neuen Steuer wehrten, nur führte ihr Wider­
stand nicht zu einer Revolution, sondern zur Absetzung Wallensteins auf
dem Regensburger Kurfürstentag im Jahr 1630. Will man das Theorem vom
deutschen Sonderweg historisch konkretisieren, so steht am Anfang dieser
Entwicklung, die sich von Westeuropa abhob, die Auseinandersetzung um
das Besteuerungsrecht, bei der es nicht zur Bildung einer revolutionären
Partei mit einem entsprechenden politischen Programm kam - sondern
es genügte, den Generalissimus des Herrschers abzusetzen, um solche
Ansprüche abzuwehren.
Die Austragung dieses Konflikts und sein Ausgang hingen in Deutsch­
land letzten Endes damit zusammen, dass er mit einem Krieg verbunden
war, der sowohl ein innerstaatlicher als auch ein zwischenstaatlicher Krieg
war. Der Unterschied zwischen Verfassungswahrung und Verfassungs­
bruch wurde dadurch unklar: Wie aus den Vorreden zu allen Verträgen und
Deklarationen ersichtlich, nahmen alle Seiten für sich in Anspruch, Vertei­
diger der alten Ordnung zu sein. Dementsprechend verlief die Bildung von
Parteien nach anderen Vorgaben als denen, die zur Gegenüberstellung von
Revolutionären und Konservativen führten. Dabei begannen in den euro­
päischen Revolutionen die nachmaligen Revolutionäre häufig als Konser­
vative, als Verteidiger der Verfassung, und die nachmaligen Reaktionäre
machten zunächst mit tiefen Eingriffen in die bestehende Ordnung von
sich reden.100
Ein weiterer Grund für die Sonderentwicklung Deutschlands war die
284 FO RTG A N G UND A U SW EITU N G

Person Wallensteins und die Rolle, die er bei der Ausweitung der kaiserli­
chen Eingriffsrechte in die Besitz- und Vermögensverhältnisse spielte. Für
Wallenstein stand der casus necessitatis, der Not- und Ausnahmefall, im Mit­
telpunkt seiner Überlegungen. Das ist wenig überraschend, wenn man in
Rechnung stellt, dass seine Vorstellungen durch die Besitzumwälzung nach
dem böhmischen Aufstand geprägt wurden. Der Widerstand gegen Wal­
lenstein war nicht geeignet, eine breite Volksbewegung zu werden. Dass
der Kaiser beziehungsweise seine Räte diesen Mann zum Angelpunkt des
Veränderungsprojekts machten, war ein genialer Schachzug, denn so war es
möglich, dass sich der Hof, wenn dies unumgänglich werden sollte, davon
distanzieren und alle Verantwortung auf Wallenstein abschieben konnte:
Der eigentliche Nutznießer der umstürzlerischen Veränderung konnte so
jederzeit in die Rolle eines Bewahrers des Bestehenden zurückwechseln.
Was eigentlich ein struktureller Prozess war, fand in Wallenstein seine Ver­
körperung. Das zeigt sich nirgendwo deutlicher als in der Beschreibung der
Verhältnisse im Reich durch den spanischen Botschafter, den Markgrafen
von Aytona, am 12. Februar 1628: «D er Kaiser in seiner Güte hat», heißt
es dort, «ohne daß die Warnungen von vielen Seiten etwas dagegen aus­
zurichten vermochten, dem Herzoge [Wallenstein] eine solche Macht ein­
geräumt, daß man die Besorgnis darüber nicht verwinden kann; denn zur
Stund ist der Herzog der Herr über alles, ohne dem Kaiser etwas Anderes
zu belassen als den Namen. Der Herzog behauptet dem ganzen Hause Ew.
M. sehr getreu zu sein. Er ist es unter der Voraussetzung, daß man ihn über
das Ganze mit der absoluten Macht walten läßt, die er zur Zeit in Händen
hat. Allein bei dem geringsten Widerspruche gegen seine Entwürfe wird
man keine Sicherheit haben; denn er ist von Natur so heftig und unbestän­
dig, daß er seiner selbst nicht Herr zu bleiben weiß.»101
Das verweist auf eine weitere Dimension des Dreißigjährigen Krieges,
die dazu beigetragen hat, dass er so lange dauerte und es so kompliziert und
mühsam war, zu einem Frieden zu finden: die Verbindung der Glaubens­
frage mit dem Souveränitätsproblem. Nun hat es das auch in anderen Län­
dern gegeben, etwa in Frankreich, wo Ludwig XIV. das religiöse Toleranz
garantierende Edikt von Nantes am 18. Oktober 1685 aufhob, um seinen
Souveränitätsanspruch geltend zu machen. Aber der Konfessionskrieg in
Wallensteins Heer 285

Frankreich unterscheidet sich vom Dreißigjährigen Krieg im Reich doch


darin, dass er weitgehend (wenn man von kleineren englischen und spa­
nischen Unterstützungsleistungen für die jeweils verbundenen Parteien
absieht) ein innerer Krieg geblieben ist. Der Krieg im Reich hatte dagegen
aufgrund der geopolitischen Konstellationen, insbesondere der «Mittel­
lage» Deutschlands,102 von Anfang an eine internationale Dimension. Zu
den Fragen der Konfession und den Problemen der Verfassungsordnung
kamen also noch die Spannungen innerhalb der europäischen Machtver­
hältnisse hinzu, und das hatte zur Folge, dass Ferdinand beziehungsweise
Wallenstein den Krieg nutzen konnte, um die VerfassungsOrdnung des
Reichs zu verändern. Das unterscheidet die deutsche Entwicklung von der
Englands, wo nach zwei Revolutionen ein stabiles Gleichgewicht von Par­
lamentsregierung und konstitutioneller Monarchie entstand, und ebenso
von der Entwicklung Frankreichs, wo in einer dem englischen Modell
entgegengesetzten Auflösung des Souveränitätsproblems sich der Proto­
typ absolutistischer Herrschaft entwickelte. Wallenstein hat für das Reich
eine Lösung im Sinne des französischen Modells angestrebt. Nachdem der
Kaiser sich auf dem Kurfürstentag von Regensburg im Jahre 1630 als zu
schwach erwies, diesen Weg gegen die Reichsstände durchzusetzen, ließ
Wallenstein während seines zweiten Generalats, in das einzuwilligen Kaiser
und Reichsstände durch die Siege Gustav Adolfs gezwungen waren, Nei­
gungen erkennen, ihn notfalls auch allein zu beschreiten. Dabei hat er dann
auch diktatorische Elemente ausgebildet, die letzten Endes aber nicht grif­
fen.103 Eine auf Caesar gemünzte Formel des Althistorikers Christian Meier
aufgreifend, könnte man von der «Ohnmacht des allmächtigen Dictators»
Wallenstein sprechen.104
Die Diskussion über Wallenstein, über seinen angeblichen oder tat­
sächlichen Verrat am Kaiser, über seine diktatorischen Bestrebungen und
nicht zuletzt über seinen Charakter, ist seit dem 19. Jahrhundert durch
die Frage bestimmt worden, welchen Verlauf die deutsche Geschichte
genommen hätte, wenn Wallenstein die ihm zugeschriebenen Ziele, einen
Friedensschluss zu erreichen oder die kaiserliche Macht zu stärken, hätte
realisieren können.103 Die von dem «Rätsel Wallenstein» ausgehende Fas­
zination zeigt sich auch in der Diskussion tschechischer Historiker über
2.86 FO R T G A N G UND A U SW EITU N G

die Frage, ob ein Erfolg Wallensteins dazu geführt hätte, dass sehr viel frü­
her ein tschechischer Nationalstaat entstanden wäre.106 Einen Schub hat
die Beschäftigung mit Wallenstein im Übrigen immer dann erfahren, wenn
man seinen Aufstieg und Fall als historischen Spiegel benutzen konnte, um
sich den zukünftigen Weg eines politisch-militärisch durchsetzungsfähigen
Zeitgenossen vor Augen zu führen: Das gilt für Schillers Auseinanderset­
zung mit dem Dreißigjährigen Krieg und insbesondere mit der Person
Wallenstein, in der sich - auch - der Aufstieg Napoleons spiegelt,107 und
das gilt noch einmal für Alfred Döblins Wallenstein-Roman, in dem die
Karriere Ludendorffs reflektiert wird sowie die Frage, welchen Verlauf der
Krieg und die deutsche Geschichte genommen hätten, wenn Kaiser Fer­
dinand beziehungsweise der in ihm gespiegelte Kaiser Wilhelm keine so
schwachen und abhängigen Gestalten gewesen wären.108 Die Undurch­
sichtigkeit Wallensteins, sowohl seines Charakters als auch seiner Pläne,
hat dazu geführt, dass er zu einem geschichtspolitischen Deutungsmuster
wurde, das immer dann griff, wenn man es mit mächtigen Militärs zu tun
hatte, die politische Ansprüche erhoben. Das hat die Beschäftigung mit
Wallenstein intensiviert, teilweise aber den Blick für sein Agieren im Drei­
ßigjährigen Krieg verstellt.

Eine der vielen Kontroversen um Wallenstein dreht sich um die Frage, was
dessen System der Heeresfinanzierung längerfristig für das soziale und
wirtschaftliche Leben Deutschlands bedeutet hätte, wenn es nicht mit dem
Sturz Wallensteins beziehungsweise seiner Ermordung in Eger beendet
worden wäre. A uf der einen Seite steht die These, Wallenstein habe mit
dem Kontributionssystem einen weiteren Eskalationsschub eingeleitet.
Die anderen Söldnerführer hätten rasch vieles von den Wallenstein’schen
Neuerungen kopiert, so dass dem Krieg weitere Ressourcen zugeführt wor­
den seien, die sein baldiges «Ausbrennen» verhindert hätten. Obendrein
habe Wallensteins Art der Heeresfinanzierung auch Folgen für die Krieg­
führung selbst gehabt. «Einmal», so der Erlanger Historiker Axel Gotthard,
der diese Sicht prononciert vorgetragen hat, «weil möglichst weite Land­
striche besetzt, mit Musterplätzen, Garnisonen usw. überzogen sein müs­
sen - damit das kontribuierende Gebiet ausreichend groß ist. Trotzdem
Wallensteins Heer 287

muss man die Schauplätze im Kriegstheater zweitens immer wieder verla­


gern, von erschöpften, ausgesaugten Gebieten in noch prosperierende, weil
bislang unbehelligte, friedliche Gegenden. Dass sich Wallensteins Truppen
in den späten 1620er Jahren über ganz Norddeutschland ergossen, liegt in
der Logik des Systems. Dieses war für eine Eingrenzung, gar Regionalisie­
rung des Konflikts nicht günstig.»109
Gotthard geht in seiner Beurteilung von Wallensteins System der Hee­
resfinanzierung und Kriegswirtschaft davon aus, es habe sich dabei nicht
um eine Neuschöpfung, sondern um eine «konsequente Effizienzsteige­
rung» der bisherigen Methoden zur Kriegsfinanzierung gehandelt. Wallen­
stein habe «mehr Sozialprodukt für den Heeresbedarf» abgeschöpft «als
die Feldherrn vor ihm ».110 Das ist im Prinzip eine Variation der Kapuziner-
Relation des Valeriano Magni, in der freilich weniger strukturelle Zwänge
dafür verantwortlich gemacht werden als vielmehr der Machtwille Wallen­
steins: «Das Verfahren, die Soldaten durch die Erweiterung der Quartiere
zu befriedigen, hängt völlig von seinen Winken ab, so daß der Kaiser über
die Armee des Friedland keine andere Autorität hat als welche dieser will
und zugesteht. [... ] Er sucht alles Geld nicht bloß aus den Erbländern,
sondern auch aus dem ganzen Reiche heraus zu saugen. Darum hört er
nicht auf andere Vorschläge. Wie der spanische Botschafter mir gesagt, hat
seine Regierung um der eigenen Interessen im Reiche willen dem Kaiser
800 000 Thaler jährlich für den Unterhalt des Heeres angeboten. Als der
Kaiser das dem Friedland mittheilte, nahm er es sehr übel und wollte nichts
davon wissen, mit der Behauptung, daß er die Mittel finden werde, das
Heer zu unterhalten. Zu anderer Zeit hat er sich geäußert, daß er das Heer
noch 25 Jahre lang erhalten und in jeden beliebigen Theil Europas führen
werde.»111 800000 Taler waren indes nur ein Bruchteil dessen, was der
Unterhalt des Heeres im Jahr kostete. Ein einziges Infanterieregiment von
etwa 3000 Mann kostete pro Jahr um die 400 000 Gulden; im Jahre 1628
dürfte die gesamte kaiserliche Armee um die 20 Millionen Gulden gekostet
haben.112
Die Gegenposition dazu argumentiert, Wallensteins Kontributionssys­
tem sei eine im Vergleich mit alternativen Formen der Heeresfinanzierung
sozioökonomisch eher schonende Form der Mehrproduktabschöpfung
288 FO R T G A N G UND A U SW EITU N G

gewesen, da es nicht nur das vom Heer kontrollierte Feindesland, sondern


auch die eigenen Territorien einbezog. Dadurch habe sich die Belastung
gleichmäßig verteilt und sei so leichter zu tragen gewesen als bei einem Sys­
tem, das einem begrenzten Gebiet die gesamte Last des Heeres übertrug.
Das destruktive Element der Kriegsfinanz bei räumlich begrenzten Kon­
tributionen steigerte sich noch, wenn der Sold der Soldaten, der anderwei­
tig aufgebracht werden sollte, einmal ausblieb. Dann nämlich schwand die
Disziplin im Heer, und die Soldaten holten sich selbst, wovon sie meinten,
dass es ihnen zustand. Ein zuverlässiges Finanzierungssystem erleichterte
es demgegenüber, die Disziplin aufrechtzuerhalten.
In der «Instruktion für Wallenstein» vom 27. Juni 1625 hieß es aus­
drücklich, Wallenstein solle dafür sorgen, «dass unter dem Kriegsvolk
starke Disciplina gehalten werde, [... ] damit die Freund nicht unterdrückt,
die armen Unterthanen ausgesogen und vertilgt, durch Verschwendung
der Victualien und Vivers [Lebensmittel und Unterkunft] das Kriegsvolk
selbst nachmalen in Hunger und Noth gesetzet, auch andere unzählige aus
einem undisziplinierten Wesen erfolgende Ungelegenheit, Defection und
Abfall verhütet werden»113. Die regelmäßige Soldauszahlung, die durch das
Kontributionssystem gewährleistet werden sollte, wird hier als die Voraus­
setzung eines regulierten Kriegswesens dargestellt, als Vorbedingung der
Disziplin unter den Soldaten, die im Weiteren den eigenen Untertanen wie
dem Heer selbst zugute komme. In den zitierten Abschnitt ist eine lateini­
sche Passage eingeschoben, bei der es sich um die Variation eines bekann­
ten Augustinus-Satzes handelt: «Sine qua [disciplina] bella nihil aliud
quam magna sunt latrocinia» - ohne Disziplin sind Kriege nichts anderes
als [Züge von] Räuberbanden.114 Das von Wallenstein aufzustellende Heer
sollte also für eine Abkehr von dem seit Kriegsbeginn zu beobachtenden
Disziplinverfall sorgen, es sollte die Rückkehr zu den früheren Regeln des
Kriegsrechts bewirken.
Unter diesen Voraussetzungen wurde in der Instruktion von Wallen­
stein erwartet, dass er strikt unterband, was über «die tägliche Nothdurft»
des Heeres hinausging; ausdrücklich genannt werden «das unchristliche
Brennen, Sengen, Brandschätzen, Rauben, Schänden und Nothzwängen
ehrlicher Frauen und Jungfrauen». Gelinge das, so «werde der Zorn Got­
Wallensteins Heer 289

tes von Unserer Armada abgewendet» und Wallenstein dafür gerühmt, dass
durch ihn «die fast verfallene Kriegsdisciplin wieder erhoben und bestätigt
worden, welches allein vielen ansehnlichen Kriegsobristen einen unsterbli­
chen Namen gemacht».115 Ist es Wallenstein nun tatsächlich gelungen, die
«verfallene Kriegsdisciplin» wiederherzustellen? Er hat es jedenfalls ver­
sucht und ist mit drakonischen Strafen gegen willkürliche Plünderungen
vorgegangen. Der Wallenstein-Biograph Diwald bemerkt dazu: «D a sind
Entlassungen, Haftbefehle, Kerkerstrafen bei höchsten Offizieren, da wer­
den Regimentskommandeure in Eisen gelegt, da befiehlt Wallenstein die
Verhaftung eines seiner tapfersten Reiterobristen, Daniel Hebrons, wegen
Gelderpressungen, da stößt er einen Rittmeister aus der Armee, weil ein
Kornett seiner Kompanie Bauern eine Schafherde und neun Kühe geraubt
hat.»116
Das größte Aufsehen erregte die Hinrichtung des Obristen Adam
Wilhelm von Schellard. Nachdem Wallenstein ihn mehrfach aufgefordert
hatte, die exzessiven Übergriffe von Angehörigen seines Regiments auf die
Zivilbevölkerung abzustellen, dies aber nichts fruchtete, ließ er ihn verhaf­
ten und in Ketten legen. Ein Kriegsgericht verurteilte den Obristen zum
Tode auf dem Rad, und Wallenstein erwies ihm die Gnade, ihn erst ent­
haupten zu lassen, bevor sein Körper zerschlagen und aufs Rad geflochten
wurde. Wallenstein tat viel dafür, dass sich die Soldaten seines Heeres an
das Kriegsrecht hielten, und er konnte sich das leisten. Sein Heer litt nie
unter mangelndem Zuzug, denn bei ihm gab es den höchsten Sold, und
der wurde regelmäßig ausgezahlt. Im Unterschied zu Tilly musste Wallen­
stein nie Plünderungen zulassen oder doch hinnehmen, weil sie ein Ersatz
für ausbleibende Soldzahlungen waren.117 Das schloss indes nicht aus, dass
auch Wallensteins Truppen plünderten, aber da der Feldherr dagegen ein­
schritt, war es seltener der Fall als bei anderen Heeren. «Das ist der ganze
Sinn des Kontributionssystems», so der Wallenstein-Biograph Hellmut
Diwald, der die These von der Gesellschaft und Wirtschaft schonenden
Heeresfinanzierung durch Wallenstein am entschiedensten vorgetragen
hat, «dieser eigentümlichen, genialen, verfluchten, gerühmten und bald
von jedem Fürsten imitierten Schöpfung Wallensteins, eines Systems, das
sein Wesen erst im Laufe des Krieges zeigt, eines Systems, das dem Augen­
290 FO R T G A N G UND A U SW EITU N G

schein nach unerhörte Belastungen bringt, das aber - wäre es nach Wal­
lensteins Konzeption befolgt worden - das Reich vor all den grauenvollen
Zerstörungen bis zur Wurzel bewahrt hätte, die nach Wallensteins Ende, im
zweiten Akt des Krieges, Wirklichkeit wurden.»118
Das Finanzierungssystem des Heeres brach mit der Entlassung Wal­
lensteins auf dem Kurfiirstentag in Regensburg zusammen. Mit ihm war
der Garant des Geldflusses herausgebrochen. Hans de Witte, der in Prag
ansässige Bankier Wallensteins, der die Geldströme in Gang hielt, war von
einem Tag auf den anderen bankrott; alle, die ihm bis dahin bereitwillig
Kredit gewährt hatten, waren nun zögerlich, nachdem der große Kriegs­
unternehmer verschwunden war, der die Bedienung der Kredite garantiert
hatte. Vier Wochen nach Wallensteins Entlassung stürzte sich de Witte in
den Brunnen seines Hauses und ertrank.119 Unterdessen lösten sich die
ersten Regimenter der vordem so stolzen Armee auf; nachdem der Kaiser
als Zahlungsverpflichteter an die Stelle Wallensteins getreten war, war kein
Sold mehr zu bekommen; Soldaten wie Offiziere verließen die kaiserlichen
Truppen und suchten anderswo Beschäftigung. Binnen weniger Monate
war die zuvor gefürchtete Armee nur noch ein Schatten ihrer selbst.

Eine Kriegsetappe:
Der Kampf um die Dessauer Brücke

1625 war der Krieg in Norddeutschland noch nicht richtig in Gang gekom­
men: Tilly war mit dem Heer der Liga zwar in den niedersächsischen
Kreis eingerückt, aber dann hatten Versorgungsprobleme und der starke
Widerstand dänischer und niedersächsischer Truppen ihn am weiteren
Vormarsch gehindert; der Feldzug erstarrte zu einem Positionskrieg, bei
dem feste Plätze und Schlösser belagert und erobert, gehalten und zurück­
erobert wurden. Dabei machte keine der beiden Seiten entscheidende Fort­
schritte. Tilly wartete darauf, dass Wallenstein mit seinem neuen Heer auf
dem Kriegsschauplatz erscheinen würde, und Christian wartete ab, ob es
zu der erhofften Allianz mit England, den Generalstaaten und Frankreich
Eine Kriegsetappe: Der Kampf um die Dessauer Brücke 291

kommen würde. Für die nördlichen Niederlande hatte sich mit dem Fall
der Festung Breda - einem Ereignis, das heute mehr durch Veläzquez’ gro­
ßes Gemälde im Madrider Prado als durch seine Relevanz für den Fort­
gang des Krieges bekannt ist - die militärische Lage verschlechtert, und
es war absehbar, dass die zugesagten Gelder zunächst einmal im eigenen
Land gebraucht würden, um die Festungsbarriere gegen General Spinola,
den Sieger von Breda, wieder zu stabilisieren. In Frankreich war ein neuer
Hugenottenaufstand ausgebrochen, der Richelieus Aufmerksamkeit in
Anspruch nahm, und in England war König Karl damit beschäftigt, die
Regierungsgeschäffe neu zu ordnen. Außerdem musste noch geklärt wer­
den, welche strategische Rolle Mansfeld spielen würde: ob er sich mit den
Truppen Christians zusammenschließen sollte, um einen großen Schlag
gegen Tilly zu führen, oder als strategische Reserve zurückzuhalten war
für den Fall, dass Wallenstein zum norddeutschen Kriegsschauplatz mar­
schieren würde. Nach dem fehlgeschlagenen Versuch, das belagerte Breda
zu entsetzen, hatte Mansfeld am Niederrhein ein Heerlager errichtet, von
wo aus ihm beide Möglichkeiten offenstanden.120 Tilly wiederum erhielt
aus München die Anweisung, unter keinen Umständen die Armee in einer
Schlacht gegen den Dänen Christian aufs Spiel zu setzen,121 und Wallenstein
blieb bis zum Frühherbst mit der Aufstellung und Musterung seiner Trup­
pen beschäftigt.122 Von Wallensteins Truppen war vorerst nicht zu erwarten,
dass sie in das Geschehen eingriffen, zumal auch noch erwogen wurde, sie
nach Mähren zu verlegen, da ein neuerlicher Einfall Bethlen Gabors drohte.
Und so war 1625 ein Jahr des Scharmützel- und Belagerungskrieges ohne
entscheidende Veränderungen.
Als sich Tilly und Wallenstein am 13. Oktober bei Hemmendorf, einem
Ort an der Straße von Hameln nach Hildesheim, erstmals trafen, ging es
nicht um Kriegsstrategien, sondern um die Aufteilung der Winterquartiere,
die von ihren Truppen bezogen werden sollten. Man verständigte sich dar­
auf, dass Tilly im Raum Hildesheim und Braunschweig und Wallenstein in
den Gebieten um Halberstadt und Magdeburg Quartier nehmen würden.
Wallenstein erhielt damit die besseren Quartiere, denn die von ihm bezo­
genen Gebiete waren bislang vom Krieg verschont geblieben, während in
den Territorien Tillys seit Jahren Truppen konzentriert worden waren und
292 FO R T G A N G UND A U SW EITU N G

gekämpft hatten.123 Diese Aufteilung der Winterquartiere war indes durch­


aus sinnvoll, da Tilly mit den dänisch-niedersächsischen Truppen bereits
Gefechtskontakt gehabt hatte, so dass ein Positionswechsel beider Heere
überaus riskant gewesen wäre. Zudem war es angezeigt, die Winterquar­
tiere nicht in einem Gebiet zu konzentrieren, weil dies zu Versorgungspro­
blemen geführt hätte. Auch war es ratsam, starke Kräfte in der Nähe der
Elbe bereitzustellen, die Kurbrandenburg in Schach hielten, von dem man
wusste, dass es sich dem Dänenkönig eigentlich hatte anschließen wollen.
Überdies musste man immer noch mit einem Eingreifen des schwedischen
Königs rechnen, was vor allem in den Überlegungen Wallensteins eine
große Rolle spielte.124
In Anbetracht der schwierigen Ausgangslage verlief das Treffen zwi­
schen Tilly und Wallenstein überraschend harmonisch. «Ich und der
General Tilly vergleichen uns gar wohl», schrieb Wallenstein nach dem
Hemmendorfer Treffen an den Kaiser, «wolle Gott, daß alle Ihro Majes­
tät Minister mindestens sich so wohl vergleichen täten.»125 Man kann
sich kaum einen größeren Gegensatz vorstellen als zwischen den beiden
Männern:126 auf der einen Seite der jesuitisch erzogene Brabanter Adlige
Tilly mit der Kriegserfahrung von bald fünf Jahrzehnten; auf der anderen
Seite der in religiösen Fragen eher laxe Böhme Wallenstein, der inzwi­
schen zwar ebenfalls einige Kriegserfahrung gesammelt hatte, dem aber der
Ruhm siegreich bestandener Schlachten noch fehlte. Dann der körperliche
Unterschied: Tilly klein und zierlich mit grauem kurzgeschnittenem Haar,
Wallenstein dagegen hochgewachsen, in der Blüte der Jahre und vor Selbst­
bewusstsein strotzend. Und der Rangunterschied: Der Graf auf der einen,
der neugekürte Herzog auf der anderen Seite; Tilly, der sich auch in militä­
rischen Fragen immer wieder in München rückversichern musste, Wallen­
stein, mit weitreichenden Vollmachten des Kaisers ausgestattet, ein Mann
mit eigenen strategischen Vorstellungen und gewillt, diese auch durchzu­
setzen. Das war eine Ausgangslage, bei der mit erheblichen Konflikten zu
rechnen war, doch zu denen kam es nicht. Das Treffen von Hemmendorf
verlief so, dass sich zwischen beiden Männern ein Verhältnis gegensei­
tigen Respekts entwickelte. Es wurde keine Freundschaft, derlei war bei­
den ohnehin fremd; man hatte jedoch so viel Achtung voreinander, dass
Eine Kriegsetappe: Der Kampf um die Dessauer Brücke 293

man die strategischen Dispositionen gemeinsam absteckte und sich dabei


gegenseitig den Raum für eigene Operationsführung ließ. Sofern erforder­
lich, kam man sich aber auch immer wieder zu Hilfe. Das gilt vor allem für
Wallenstein; freilich verfügte er über die größeren Ressourcen, während
Tilly bis zu Wallensteins Entlassung immer der bedürftige und notleidende
Partner war. Davon, dass Wallenstein beabsichtigt habe, «die katholische
Liga zu Grunde zu richten», wie es in den Kapuziner-Relationen heißt,127
kann also keine Rede sein.

Im Winter 1625/26 ruhte der Krieg, und beide Seiten nutzten die Ruhe­
pause, um die bereits erwähnten Verhandlungen in Braunschweig zu führen,
in denen die Chancen für einen schiedlich-friedlichen Ausgleich erkundet
werden sollten. Womöglich wäre das Kriegsjahr 1626 so ähnlich verlaufen
wie das vorangegangene, wenn nicht auf dänisch-niedersächsischer Seite
Ernst von Mansfeld, Christian von Braunschweig und Johann Ernst von
Weimar darauf gedrängt hätten, entschiedener vorzugehen. Christian von
Dänemark, von einem schweren Sturz bei Hameln im zurückliegenden
Jahr wieder gut erholt, war mit dem bisherigen Kriegsverlauf dagegen nicht
unzufrieden und durchaus gewillt, den Krieg auch in diesem Jahr in der
bewährten Form weiterzuführen. Tilly und Wallenstein wiederum hielten
sich zunächst zurück, weil sie ihre Truppen verstärken und in Form bringen
wollten; beide bezweifelten, dass ihre Heere in der gegenwärtigen Verfas­
sung gefechtsfähig waren.128 Hier hatte man nichts dagegen, dass die Kriegs­
pause noch einige Zeit andauerte. Für Mansfeld stellten sich die Dinge
anders dar: Er musste seinen Geldgebern zeigen, dass es sich lohnte, ihn als
Kriegsunternehmer zu beschäftigen, das heißt, er musste Bewegung in das
Kriegsgeschehen bringen. Auch Christian von Braunschweig und Herzog
Johann Ernst von Weimar waren von Ungeduld getrieben und hielten stra­
tegisches Abwarten für bloßes Nichtstun.
Den ersten Vorstoß führte Johann Ernst von Weimar, durchaus in
Abstimmung mit Christian IV., und dieser Stoß richtete sich gegen das Bis­
tum Osnabrück, auf das der Däne seit längerem ein Auge geworfen hatte,
weil er dort einen seiner Söhne als Nutznießer der reichen Stiftseinnahmen
einsetzen wollte.129 Im September 1625 war der amtierende Bischof gestor­
294 FO R T G A N G UND A U SW EITU N G

ben; das Domkapitel hatte sich den dänischen Vorstellungen widersetzt


und stattdessen Graf Franz Wilhelm von Wartenberg, den Kandidaten der
katholischen Seite, zum neuen Bischof gewählt. Der Weimarer marschierte,
die Positionen Tillys umgehend, mit einem größeren Truppenverband in
das Stift ein und zwang die Domherren mit Waffengewalt, den Prinzen
Friedrich von Dänemark als Koadjutor des Bistums zu akzeptieren. Das
freilich war eher ein Randereignis; für den Fortgang des Krieges bedeutsa­
mer war, dass sich Tilly auf seiner linken Flanke bedroht sah und Westfalen
erneut zum Kriegsschauplatz wurde.
Den zweiten Vorstoß führte Christian von Braunschweig, und dieser
richtete sich nach Südwesten: Im April durchbrach er mit einer überwie­
gend aus Reitern bestehenden Truppe die Postenkette Tillys, überschritt
die Weser und fiel in Nordhessen ein, wo er hoffte, zusammen mit Landgraf
Moritz einen neuen Kriegsschauplatz im Rücken Tillys eröffnen zu können,
um die Kräfte der Gegenseite zu zersplittern.130 Moritz war diesem Projekt
zunächst nicht abgeneigt, vor allem wollte er das inzwischen seinem Darm­
städter Konkurrenten zugefallene Marburger Land wieder unter seine Kon­
trolle bringen. Er hatte aber mit einem starken dänisch-niedersächsischen
Verband gerechnet, nicht mit der kleinen Truppe Christians von Braun­
schweig, mit der es nicht möglich war, die Einheiten Tillys von Nordhessen
fernzuhalten geschweige denn aus Oberhessen zu vertreiben. Sich mit dem
Halberstädter einzulassen, hieß für Moritz, die Landgrafschaft zum Kriegs­
schauplatz zu machen und dabei das Schicksal des depossedierten Pfälzers
zu riskieren - und davor schreckte er zurück, zumal die Landstände Hes­
sen-Kassels in gut lutherischer Manier eher kaisertreu waren und schon
in der Vergangenheit der Politik des reformierten Landgrafen die Unter­
stützung verweigert hatten. Die Folge war, dass sich Christian von Braun­
schweig mit seinen Söldnern wieder nach Göttingen zurückziehen musste,
von wo aus er einen weiteren Vorstoß unternahm, um kaiserliche Regi­
menter zwischen Fulda und Werra zu zersprengen. Doch auch hier musste
er angesichts der Bedrohung Göttingens durch Tilly sehr schnell wieder
zurückweichen. Danach warf die Tuberkulose den rastlosen Halberstädter
aufs Krankenbett; er starb am lö.Juni in Wolfenbüttel, noch keine sieben­
undzwanzig Jahre alt. Seine Feinde behaupteten, er sei wie König Herodes
Eine Kriegsetappe: Der Kampf um die Dessauer Brücke 2 95

einem riesigen Wurm erlegen, der seine inneren Organe zerfressen habe.131
Das sollte heißen, dass der Teufel Christian geholt hatte, bevor er weiteres
Unheil anrichten konnte.
«So wüst und unbesonnen der junge Fürst auch sein mochte», urteilt
Moriz Ritter, «unter den schwachen Köpfen und schlaffen Händen, denen
im allgemeinen der Krieg anvertraut war, hatte er als eine zur That drän­
gende Kraft gewirkt. Sein Tod war daher ein Verlust gleich dem einer verlo­
renen Schlacht.»132 Emphatischer noch ist das Urteil Cicely Veronica Wedg­
woods: «Christian hatte das Zeug zu einem großen Führer und wäre einer
geworden, wenn er nur auch die Geduld gehabt hätte zu lernen.» Seine
«zumindest unverzagte Tatkraft [... ] hätte ihm einen besseren Namen als
den eines bloßen Freibeuters antragen sollen. Seine Zeitgenossen nannten
ihn den Hollen Halberstädter>, aber seine Tollheit hatte etwas von höherer
Inspiration.»133 Auch wenn uns heute die Emphase solcher Urteile fremd
ist, so treffen sie doch einen zentralen Punkt: Christian hat den Krieg mit
einer Leidenschaft geführt, die den anderen Protagonisten nicht eigen war;
'.vahrend diese Gewinn und Verlust, Chancen und Risiken gegeneinander
abwogen, zog er bedingungslos in den Kampf. Christian von Braunschweig
war ein Kriegsunternehmer wie Mansfeld oder auch Wallenstein, aber einer
ohne jedweden Geschäftssinn, einer, der den Krieg nicht zur Selbstberei­
cherung oder zum Erwerb eines Herzogtums betrieb, sondern für den er zu
einem Prozess der Verschwendung wurde - und dies wurde von Christian
bewusst vorangetrieben. Insofern hat er die Bezeichnung «der tolle Hal­
berstädter» zu Recht erhalten.

Die eine der drei zur Bindung gegnerischer Kräfte unternommenen Diver­
sionsoperationen, die Christian IV. von Dänemark zur Vorbereitung der
entscheidenden Auseinandersetzung mit Tilly in Gang gesetzt hatte, war
zur Hälfte erfolgreich gewesen; die andere war letztlich im Sand verlau­
fen. Damit hing alles an der dritten Diversion, die von Mansfeld geführt
werden sollte: Sie richtete sich gegen Wallenstein und sollte dessen Heer
binden, so dass es Tilly nicht zu Hilfe kommen konnte, wenn Christian IV.
gegen ihn die Entscheidung in einer Feldschlacht suchte. Mansfeld standen
starke Kräfte zur Verfügung, nämlich ein komplettes Heer. Von seinen Ope­
296 FO RTG A N G UND A U SW EITU N G

rationen hing der Gesamtverlauf des Feldzugs ab, und deswegen verstärkte
Christian dessen Heer noch durch eigene Verbände unter Hans Philipp
Fuchs von Bimbach, einem gemäßigten Lutheraner, der zunächst in der
kaiserlichen Armee und danach in den Truppen der Union gedient hatte.
Fuchs war ein vorsichtiger Stratege aus der niederländischen Schule, der für
derart riskante Operationen wie die Mansfelds denkbar ungeeignet war.134
Mansfeld seinerseits war froh, eigenständig vorgehen zu können, wie er das
gewohnt war, und nicht an die engräumige Operationsführung des Dänen
gebunden zu sein. Gleichwohl war er dessen Oberbefehl unterstellt. Wie
weit Mansfeld sich bei einem Diversionsvorstoß gegen Wallenstein vom
dänisch-niedersächsischen Heer entfernen durfte, war umstritten. Prinzi­
piell bestanden drei Möglichkeiten, Wallenstein an einem Angriff auf die
linke Flanke des dänisch-niedersächsischen Heeres oder an seiner Vereini­
gung mit Tilly zu hindern:135 der direkte Angriff auf die kaiserliche Armada;
die Blockierung ihres Nachschubs, um sie zum Rückzug in die böhmischen
Versorgungsgebiete zu zwingen; schließlich die großräumige Umgehung
der kaiserlichen Truppen, um auf Ziele vorzustoßen, die für den Kaiser
von so großer Bedeutung waren, dass er Wallenstein auffordem würde, den
Mansfeld’schen Scharen zu folgen.
Gegen die erste Option sprach, dass der Ausgang einer Schlacht immer
ungewiss war und Wallenstein eine deutlich größere Zahl an Soldaten
zur Verfügung hatte als Mansfeld. Außerdem hatte Mansfeld eine ausge­
prägte Neigung, große Schlachten zu vermeiden. Für die zweite Möglich­
keit sprach, dass die Elbe in Reichweite lag; wenn es gelang, den Fluss für
den Nachschub des kaiserlichen Heeres zu blockieren, musste Wallen­
stein abziehen - oder seinerseits die Schlacht suchen. Es kam also darauf
an, dass Mansfeld als Erster an der Elbe war, dort eine Blockade errichtete
und aus einer verschanzten Stellung heraus die Angriffe der Kaiserlichen
abwehren konnte, wie er das 1622 in der Oberpfalz getan hatte.136 Mansfeld
selbst präferierte indes die dritte Option: einen Marsch seines Heeres nach
Süden, bei dem die Quartiere der Kaiserlichen im Raum Magdeburg-Hal-
berstadt und das neutrale Kursachsen umgangen wurden, um über Schle­
sien nach Böhmen einzufallen. Dabei konnte er mit der Unzufriedenheit
der böhmischen Bevölkerung infolge der Zwangskatholisierung und der
Eine Kriegsetappe: Der Kampf um die Dessauer Brücke 297

Besitzumwälzungen nach 1620 rechnen. Es gab obendrein Bauernunruhen,


in deren Verlauf bereits einige Lehnsherren von ihren Bauern erschlagen
worden waren. In einem zeitgenössischen Bericht heißt es: «Wie dann um
Markersdorf viel solcher rebellischen Bauern sich zusammengetan, selbi­
gen Ort unversehens überfallen und darin den Herrn von Wartenberg und
seine Gemahlin ermordet. Solchem Exempel haben die Bauern im König-
grätzer Kreis auch gefolgt und ihren Herrn, so einer vom Adel und gleich­
falls reformieren wollen, erschlagen. Nicht besser machten es auch die Bau­
ern um Kuttenberg, welche den Herrn von Werda, Hauptmann daselbst,
um gleicher Ursachen willen hinrichteten.»137 Bei einem Einfall in Böh­
men war ein Aufstand von Teilen der Bevölkerung zu erwarten. Die große
Unwägbarkeit eines solchen Feldzugs bestand jedoch darin, dass Wallen­
stein dem Mansfeld sehen Heer nicht folgte, sondern mit Tilly zusammen
das dänisch-niedersächsische Heer angriff, dem Mansfeld dann nicht zu
Hilfe kommen konnte. Das war auch der Grund, warum sich Christian von
Dänemark für die zweite Option entschied: Ein in Schlesien und Böhmen
stehender Mansfeld würde ihn, Christian, bei einer Konfrontation mit Tilly
nicht unterstützen können, aber ein an der Elbe stehendes Mansfeld sches
Heer würde binnen weniger Tagesmärsche an der Weser sein.
Unter strategischen Gesichtspunkten war Christians Entscheidung
nachvollziehbar: Im Unterschied zu Tilly, der seine Truppen so verteilt
hatte, dass er sie in relativ kurzer Zeit konzentrieren konnte, um mit geball­
ter Macht gegen das dänisch-niedersächsische Heer vorzurücken, hatte
Christian auf eine exzentrische Strategie gesetzt, mit der die Kräfte der
Gegenseite verzettelt werden sollten. Von den 35 000 bis 40 000 Mann, über
die er verfügte, standen ihm in der um sein Hauptquartier in Wolfenbüttel
konzentrierten Hauptstreitmacht etwa 20 000 Mann zur Verfügung; die
anderen waren durch die Vorstöße nach Westfalen und Hessen gebunden,
und die Truppen Mansfelds waren bereits am 20. Februar in die Altmark
abgerückt, wo sie in dem zu Kurbrandenburg gehörenden, also eigentlich
neutralen Gebiet Quartier bezogen hatten.138 Es war eine bunt zusammen­
gewürfelte Truppe, die Mansfeld hatte:139 Neben seiner berittenen Leib­
garde handelte es sich um sechs bis acht Regimenter deutscher Fußtruppen,
dazu 3000 Schotten sowie niederländische Reiterei. Schließlich kam der
298 FO R T G A N G UND A U SW EITU N G

dänische Verband unter dem General Fuchs von Bimbach hinzu, so dass
Mansfeld über 10 000 bis 12 000 Mann verfügte.
Wallensteins strategischem Blick war indes die Bedeutung der Elb­
übergänge nicht entgangen: Zum einen war die Elbe die Versorgungsachse
seines Heeres, auf der er den Nachschub, den er aus Böhmen und dem
Herzogtum Friedland bezog, mit Lastkähnen heranführen ließ; zum ande­
ren deckte sie die Flanke seiner Aufstellung. «Wer Herr der schiffbaren
Flüsse ist, ist auch Herr des Landes», schrieb Collalto an Oberst Johann
von Aldringen, der die Dessauer Brücke sichern sollte.140Die Elbbrücke bei
Magdeburg stand unter Wallensteins eigener Kontrolle, die flussaufwärts
gelegene Brücke bei Wittenberg lag bereits auf kursächsischem Gebiet und
wurde durch Streitkräfte Johann Georgs gesichert. Dass Christian IV. es
Mansfeld gestatten würde, in kursächsisches Gebiet vorzustoßen, war ganz
unwahrscheinlich, weil die dann zu erwartende Parteinahme des sächsi­
schen Kurfürsten zugunsten des Kaisers die Kräfteverhältnisse deutlich
verändert hätte. Der einzige Elbübergang, der für Wallenstein gefährlich
werden konnte, war somit die Elbbrücke bei Dessau, die zum Fürsten­
tum Anhalt-Dessau gehörte, einem jener kleinen Herrschaftsgebiete, die
nicht über die militärische Fähigkeit verfügten, ihre neuralgischen Orte zu
schützen. Wenn Mansfeld, von dem Wallenstein wusste, dass er seit Mitte
Februar in der Altmark stand, ohne dass der brandenburgische Kurfürst
etwas dagegen unternahm, angreifen würde und ihn dabei womöglich der
Brandenburger unterstützte, dann war die Dessauer Brücke die strategisch
wichtigste Position des gesamten Feldzugs.141 Seit Februar, also zur glei­
chen Zeit, als Mansfeld in die Altmark marschierte, ließ Wallenstein beid­
seits dieser Brücke Schanzen aufwerfen, die er mit Kanonen bestückte. Bei
Roßlau am nördlichen Ufer wurde ein starkes Bollwerk errichtet, das von
vier Kompanien unter Johann von Aldringen bezogen wurde;142 das sollte
einen Handstreich gegen die Brücke, «die strategisch wertvollste Posi­
tion der Kaiserlichen in ganz Mitteldeutschland»,143 unmöglich machen.
Wenn man so will, war es Mansfelds Pech, dass er es im Frühjahr nicht mit
einem Taktiker, sondern einem Strategen als Gegner zu tun hatte, dessen
Blick nicht auf das unmittelbar vor ihm liegende Feld möglicher Attacken
beschränkt war, sondern der weiträumig und in großen Zusammenhängen
Eine Kriegsetappe: Der Kampf um die Dessauer Brücke 299

dachte und dabei den Punkt der Entscheidung ausgemacht hatte, bevor
sich der Gegner auf ihn zubewegte.
Wie die Briefe an Harrach zeigen, war Wallenstein im März unsicher
und nervös. Seine Kundschafter berichteten, dass sich zwei feindliche
Kolonnen auf seine Positionen zubewegten, Mansfeld rechts und Fuchs
links der Elbe. Womöglich waren die Truppen von Fuchs nur die Vorhut
der gesamten dänisch-niedersächsischen Armee, deren Stoß sich wider
Erwarten nicht gegen das Heer der Liga, sondern gegen die Kaiserlichen
richtete. Also befahl Wallenstein seinem Obristen Aldringen, die Verschan­
zungen an der Dessauer Brücke weiter auszubauen. Währenddessen blieb
er selbst in einer Wartestellung, um die Gegenseite zu beobachten. Am
12. April versuchte Mansfeld, die Dessauer Brücke im Handstreich zu neh­
men, doch das Unternehmen scheiterte an der Aufmerksamkeit der Vertei­
diger. Bereits zwei Tage zuvor hatte Wallenstein seine abwartende Haltung
aufgegeben und mit überlegenen Kräften einen schnellen Schlag gegen
die linkselbisch vorrückenden Einheiten des Generals Fuchs geführt und
ihnen bei Wolmirstedt in der Nähe von Magdeburg eine schwere Schlappe
zugefügt. Wallensteins Kürassiere hatten das dänische Fußvolk niedergerit­
ten, woraufhin Fuchs sich in größter Eile bis nach Tangermünde zurückzog,
wo er zuvor die Elbe überschritten hatte. Wallenstein griff Fuchs in Tanger­
münde erneut an und zwang ihn zum Rückzug bis Stendal. Damit stand
fest, dass Fuchs die Mansfelder beim Kampf um die Dessauer Brücke nicht
unterstützen würde. Es kam hinzu, dass Fuchs, der seiner Ansicht nach
ungerechtfertigt von Christian dem Kommando Mansfelds unterstellt wor­
den war, Mansfelds Befehl, auf die rechte Seite der Elbe zu wechseln und in
Eilmärschen nach Dessau zu marschieren, keine Folge leistete.
Mansfeld hat Fuchs’ Insubordination später für den Fehlschlag von
Dessau verantwortlich gemacht. Tatsächlich hat Fuchs auf Zeit gespielt;
man muss ihm jedoch zugute halten, dass seine Truppen nach den zwei
für sie unglücklich verlaufenen Zusammenstößen mit Wallensteins Reitern
vorerst nicht einsatzfähig waren und deshalb, selbst wenn sie rechtzeitig
bei Roßlau eingetroffen wären, für Mansfeld keine relevante Verstärkung
dargestellt hätten. Dieser hatte selbst den Fehler begangen, auf die Nach­
richt von Wallensteins Überraschungsschlag bei Wolmirstedt den Angriff
3° o FO R T G A N G UND A U SW EITU N G

auf die Dessauer Brücke abzubrechen, um dem bedrängten Fuchs bei­


zustehen. Wenn dieses Zurückweichen Mansfelds seinen Grund in der
durch Fuchs’ Rückzug gefährdeten Flanken- und Rückensicherung gehabt
hätte,144 dann wäre es konsequent gewesen, wenn Mansfeld, nachdem er
Fuchs nicht mehr hatte helfen können, das Dessauer Vorhaben abgebro­
chen hätte. Wollte er hingegen die Dessauer Brücke unbedingt unter seine
Kontrolle bringen, so hätte er in der Zeit, da Wallenstein einen Teil seiner
Kräfte gegen Fuchs geworfen hatte und infolgedessen die Verteidiger der
Roßlauer Schanzen nicht verstärken konnte, einen massiven Angriff auf
die Stellungen Aldringens führen müssen, um die Brücke ungeachtet der
hohen Verluste eines Sturmangriffs zu erobern. Als Mansfeld am 21. April
wieder bei Roßlau erschien und durch ein mehrtägiges Bombardement den
Angriff auf die Verschanzungen des nördlichen Brückenkopfes vorbereitete,
war es dafür bereits zu spät, denn inzwischen waren die von Wallenstein
zu Hilfe geschickten Truppen eingetroffen und hatten die vier Kompanien
Aldringens verstärkt. Wallensteins Leibregiment und das Regiment Tiefen­
bach hatten auf der südlichen Seite der Elbe Position bezogen und konnten
die Verteidiger des nördlichen Brückenkopfs jederzeit unterstützen. Und
schließlich war Wallenstein selbst mit seinen schweren und leichten Rei­
tern im Anmarsch, so dass die ihm verfügbaren Kräfte denen Mansfelds um
das Doppelte überlegen waren.145 Durch den Versuch, Fuchs zu Hilfe zu
kommen, hatte Mansfeld Zeit verloren und nichts gewonnen. Dieser Fehler
ließ sich nicht mehr ausbügeln.
Mansfeld hatte also, irritiert durch Wallensteins entschlossenes und
energisches Agieren, den richtigen Zeitpunkt zum Angriff verpasst. Als er
am 25. April den Sturmangriff befahl, konnte er freilich nicht wissen, dass
zwei Tage zuvor Aldringens durch den dauernden Beschuss arg mitge­
nommene Truppen verstärkt worden waren. Da die Brücke mit Zeltpla­
nen verhängt war, hatten die Kaiserlichen unbemerkt die Elbe überquert.
In einem fünfstündigen Gefecht gerieten die Angreifer schon bald in die
Defensive, dann in eine Rückwärtsbewegung, und auch durch den Einsatz
seiner Kavallerie vermochte Mansfeld das Blatt nicht mehr zu wenden.
Gegen Mittag befahl er den Rückzug in Richtung Zerbst, der aber schnell
seine Ordnung verlor, weil Wallensteins Kavallerie immer wieder in die
Der Stich versucht, die verschiedenen Etappen der Schlacht an der
Dessauer Brücke im Jahr 1626 in einem Bild wiederzugeben. Das Haupt­
geschehen spielt sich zwischen der Schanze des Herzogs von Friedland
unmittelbar vor der Elbbrücke (Mitte unten) und der Schanze Mansfelds
(obere Bildmitte) ab. Im Hintergrund Zerbst, wohin Teile der Mansfel-
dischen flüchten. Im Bildzentrum das zweifache Aufeinandertreffen der
Infanterieblöcke und dazwischen ein Reitergefecht, bei dem sich die
Kavallerie Mansfelds bereits zur Flucht gewendet hat. Unten rechts das
Städtchen Dessau, unten links einzelne Soldaten, die sich in die Elbe
gestürzt haben, um sich zu retten.

sich zurückziehenden Mansfeld’schen Regimenter hineinstieß. Vor Zerbst


bezogen sie noch einmal Gefechtsaufstellung, konnten sich aber nicht hal­
ten und flohen oder wurden niedergesäbelt.
Mansfeld verlor an der Dessauer Brücke und bei Zerbst den Großteil
seiner Truppen, sicherlich über 5000 Mann, darunter die gesamte nieder­
ländische Kavallerie und viele Kanonen. Wallensteins Sieg war ein Tri­
umph des entschlossenen Gegenangriffs und der energischen Verfolgung.
Es dürften 2000 bis 3000 Mann gewesen sein, die Mansfeld in den nächsten
302 FO R T G A N G UND A U SW EITU N G

Tagen wieder sammelte und zum Aufbau eines neuen Heeres nutzte. Das
war indes nur möglich, weil Wallenstein die Verfolgung bei Zerbst einge­
stellt und sich wieder auf die Elbe zurückgezogen hatte.146 In den Wiener
Hofkreisen, vor allem seitens der «bayerischen Partei», wie Wallenstein
seine Gegner nannte, ist ihm das als Nachlässigkeit vorgehalten worden.
Damit verband sich eine Reihe weiterer Unterstellungen, um nicht zu sagen
Denunziationen gegen Wallenstein, die den Sieg schmälerten oder gar ins
Gegenteil verkehrten.147 Wallenstein hatte bei dem Vorstoß bis Zerbst
jedoch davon ausgehen müssen, dass die Entscheidung des Feldzugs auf
der linken Elbseite fallen würde, und er wollte sich nicht zu weit von Tilly
entfernen, um ihm in der entscheidenden Auseinandersetzung mit dem
dänisch-niedersächsischen Hauptheer beistehen zu können. Das aber hieß,
dass er sich auf die linke Elbseite zurückziehen musste und Mansfeld nicht
weiter verfolgen konnte.

Der oberösterreichische Bauernaufstand


und der Ungarnfeldzug Mansfelds
und Wallensteins

Mansfelds taktische Fähigkeiten mochten begrenzt sein, aber als Organisa­


tor von Heeren war er allen anderen - mit Ausnahme Wallensteins - über­
legen. In der Umgebung von Havelberg sammelte er seine Truppen, ließ
Soldaten werben und formte aus ihnen neue Einheiten. Sechs Wochen nach
den Niederlagen bei Dessau und Zerbst hatte er wieder eine Streitmacht
von 4000 Fußknechten und 2000 Berittenen zusammen sowie 8 Kano­
nen.148 Das war freilich eine sehr viel kleinere Truppe als die, über die er
vor dem 25. April verfügt hatte, und so bat er Christian um eine Verstär­
kung von 3000 Fußsoldaten und 1000 Reitern. Als deren Anführer schlug
er Herzog Johann Ernst von Sachsen-Weimar vor. Mit diesem Heer von
10 000 Mann wollte Mansfeld nach Schlesien und Böhmen vorstoßen und
in den kaiserlichen Erblanden einen Aufstand gegen die Habsburger anzet-
teln, der, wie er an Christian schrieb, Wallenstein dazu zwingen werde, mit
Der oberösterreichische Bauernaufstand 3 °3

seinem Heer den norddeutschen Kriegsschauplatz zu verlassen und eben-


ralls nach Schlesien zu ziehen. Währenddessen, so hoffte Mansfeld, werde
er seine eigenen Truppen mit schlesischen und böhmischen Freiwilligen
verstärken und mit den Einheiten Bethlen Gabors Zusammentreffen, der
sich wieder einmal als Bündnispartner angeboten hatte. Mit ihm gemein­
sam wollte Mansfeld einen Bewegungskrieg gegen Wallenstein führen, bei
dem dessen Heer durch ständige Märsche und mangelnde Versorgung rui­
niert werden sollte. Das Heer Mansfelds sollte dagegen vom Ostseehafen
Stettin aus über die Oder mit Nahrungsmitteln und Munition versorgt wer­
den. Da die Ostsee von dänischen Schiffen kontrolliert wurde, stellte eine
Versorgung über Stettin kein Problem dar.
Es ist bemerkenswert, wie schnell sich Mansfeld von der schweren Nie­
derlage gegen Wallenstein erholte und das Scheitern seines Auftrags, die
Dessauer Brücke zu nehmen, dazu nutzte, das von ihm zuvor bereits favo­
risierte Projekt eines Diversionskriegs in Schlesien und Böhmen wieder
ms Gespräch zu bringen. Zunächst aber musste Christian diesem Projekt
zustimmen, und dazu brachte Mansfeld Friedrich von der Pfalz ins Spiel,
als dessen Feldherr er sich gerierte, um gegenüber dem Dänen Bewegungs­
spielraum zu gewinnen. Es waren jedoch zwei ganz andere Einflussnahmen,
die Christian von Dänemark Anfang Juni dazu bewogen, sich mit der schle­
sischen Diversion Mansfelds einverstanden zu erklären: die Fürsprache des
Brandenburger Kurfürsten Georg Wilhelm und das Eintreffen eines Boten
von Bethlen Gabor im dänischen Hauptquartier in Wolfenbüttel.
Der Brandenburger Kurfürst war durch den inzwischen mehrere
Monate andauernden Aufenthalt Mansfelds in der Altmark in eine politi­
sche Zwickmühle geraten: einerseits durch die von Mansfelds Truppen ver­
ursachten Verheerungen und die Werbung neuer Einheiten, andererseits
durch die immer entschiedenere Drohung des Kaisers, man werde ihm die
kaiserliche Armada ins Land schicken, wenn er dem Treiben des «proscri-
birten Reichsaechters» kein Ende setze.149 Von den Ständen der Altmark
und vom kaiserlichen H of bedrängt, forderte der Kurfürst Christian auf,
für einen umgehenden Abzug des Mansfeld’schen Heeres zu sorgen. Infol­
gedessen begann dieser damit, noch einmal über die von ihm zunächst
verworfene dritte Option einer schlesisch-böhmischen Diversion nachzu­
3 °4 FO R T G A N G UND A U SW EITU N G

denken, und angesichts des Umstands, dass außer Tilly nach wie vor auch
Wallenstein seinem Heer gegenüberstand, freundete er sich allmählich mit
dem von Mansfeld favorisierten Projekt an.
Die Entscheidung fiel, als Anfang Juni Matthias Quadt von Wickrath
bei Christian eintraf und ihm mitteilte, Bethlen sei für monatlich 40 000 Ta­
ler Subsidien bereit, sich der Haager Allianz anzuschließen. Er schlug vor,
ein Heer von 12 000 Mann nach Südosten in Marsch zu setzten, das sich
mit seinen Truppen vereinigen solle.150 Das war eine Streitmacht, auf die
Wallenstein in jedem Fall reagieren musste - spätestens dann, wenn die
kaiserlichen Erblande bedroht waren. Als Mansfeld meldete, seine Trup­
pen seien marschbereit, gab Christian die entsprechenden Instruktionen:
Mansfelds um ein dänisches Korps von 7000 Mann verstärkte Söldner
sollten nach Schlesien marschieren und bis zum Eintreffen Bethlens an der
Oder eine feste Stellung beziehen. Das war eine Einschränkung von Mans­
felds Handlungsfreiheit, die dieser hinnehmen konnte, denn sobald seine
Truppen in Schlesien standen, waren die Kommunikationswege nach
Wolfenbüttel lang und unsicher, und Mansfeld würde selbst entscheiden,
was er für richtig hielt. Sehr viel weniger traf das auf die zweite Instruktion
Christians zu, in der er den Herzog von Sachsen-Weimar zum Mitkom­
mandanten des Unternehmens ernannte und anordnete, dass Mansfeld mit
ihm alle größeren Entscheidungen abzustimmen habe. Zudem sollte der
dänische Rat Joachim von Mitzlaff das Heer als Commissarius begleiten
und dafür sorgen, dass Mansfeld nicht zu selbständig agierte. Christian
hatte den Söldnerführer somit an eine doppelte Kette gelegt.

Am 17. Mai war unterdessen in Oberösterreich beidseits der Donau der


seit langem erwartete Bauernaufstand ausgebrochen.151 Bereits im Jahr
zuvor hatten sich bei der Einsetzung eines katholischen Pfarrers in Zwie­
spalten einige hundert Bauern zusammengerottet, den Pfarrer sowie den
Verwalter Grünbacher verjagt und anschließend das Schloss Frankenburg
belagert. Als sich die Bauern schon wieder zerstreut hatten, griff der baye­
rische Statthalter Adam von Herberstorff ein und befahl allen Bewohnern
der Gegend, am Pfingsttag gegen Mittag ohne Wehr und Waffen «bei der
großen Linde», einem bekannten Treffpunkt, zu erscheinen - «und wel-
Der oberösterreichische Bauernaufstand 3°S

eher nicht erscheint», so der Verwalter Grünbacher in seinem Bericht,


sollte «um Leib und Leben, Hab und Gut verfallen sein».152 Als etwa
5000 Personen zusammengekommen waren, ließ HerberstorfF sie von
seinen Soldaten umstellen und hieß die Richter und Ratspersonen der
Gemeinden vortreten. Die vierunddreißig Männer, die sich meldeten,
wurden an einen Platz geführt, der von Musketieren gesichert war. Der
zurückbleibenden Menge wurde befohlen, stillzustehen und zuzusehen,
was sich jetzt ereignen werde. «Darauf Herr Statthalter [HerberstorfF]
den herausgenommenen Richtern, Ratsverwandten und Achtern ange­
zeigt, was massen sie alle das Leben verwirkt; aber zu Gnaden wolle er
dem halben Teil das Leben schenken, solcher Gestalt, daß allerwegen
zwei miteinander um das Leben spielen sollen, der verliert, soll henken.
Ist also ein schwarzer Mantel auf die Erde ausgebreitet, haben allerwegen
zwei miteinander gewürfelt, welche verloren, sind alsbald vom Freimann
[Henker] gebunden. [...] Aus den 19 Personen, welche ihr Leben ver­
spielt, sind durch mich [Grünbacher] und andere zwei Personen ausgebe­
ten und ihnen das Leben geschenkt worden. Die andern 17 Personen sind
justifiziert [hingerichtet] worden.»153
HerberstorfFs «kurzer Prozess» ist als Frankenburger Würfelspiel
bekannt geworden, und die Empörung darüber hat bei dem Bauernauf­
stand des folgenden Jahres, der sich nicht zuletzt gegen den bayerischen
Statthalter richtete, eine erhebliche Rolle gespielt. HerberstorfF hatte ein
bei der Bestrafung von Söldnern und Landsknechten verbreitetes Ver­
fahren auf Zivilpersonen übertragen: das in Paaren erfolgende Würfeln,
wie es auch in Callots Radierung «Die Gehenkten» aus dem Zyklus
Les Miseres et les Malheurs de la Guerre zu sehen ist, wo rechts unter dem
bereits mit Gehenkten bestückten Baum zwei Verurteilte um ihr Leben
würfeln.154 Was bei Söldnern und Landsknechten ein Gnadenerweis war,
wurde im Umgang mit Zivilpersonen zur zynischen Grausamkeit. Vom
Verfahren her war es nämlich kein Gnadenakt, sonst hätten die ausgewähl­
ten Personen zunächst rechtmäßig zum Tode verurteilt werden müssen
- was nicht der Fall war. HerberstorfF ging es vielmehr um einen demon­
strativen Akt der Abschreckung, der die Bauern von künftigen Zusammen­
rottungen und Gewalttaten abschrecken sollte.
Ein Schulwandbild mit dem Titel «Frankenburger Würfelspiel» aus den
frühen 1930er Jahren. Links der bayerische Statthalter Adam von Herbers-
torff zu Pferde, rechts die lokalen Honoratioren der oberösterreichischen
Bauern, im Zentrum die mächtige Linde, an der die gehängt wurden, die
das vor dem Baum stattfindende Würfelspiel verloren hatten. Das Bild
wurde offenbar vielfach als Unterrichtsmaterial eingesetzt, da sich in vielen
Schulmuseen Reproduktionen davon erhalten haben.

Im oberösterreichischen Bauernaufstand trat die religiöse Grundierung


des Krieges in aller Deutlichkeit hervor; der Aufstand begann im Frühjahr
1626 als Widerstand gegen die Rekatholisierungsbestrebungen Kaiser Fer­
dinands, der trotz der Verpfändung Oberösterreichs an Bayern nach wie
vor der Landesherr war. Zu Ostern hatte er angeordnet, dass Adlige und
Bürger das Abendmahl in den katholischen Kirchen zu begehen hätten; wer
sich weigere, müsse das Land verlassen oder habe mit der Einquartierung
von Soldaten zu rechnen - einem verbreiteten Enteignungsverfahren. Als
diese Anordnungen auf die Bauern ausgeweitet wurden, brach der Aufstand
los. Unter Führung von Stefan Fadinger und dessen Schwager Christoph
Der oberösterreichische Bauernaufstand 307

Zeller zogen Tausende von Bauern und Handwerkern los, um ihrerseits


katholische Pfarrer zu vertreiben, vor allem die überaus verhassten Jesui­
ten. Amtspersonen, die sich ihnen entgegenstellten, wurden erschlagen.
Christian IV., der in dem Aufstand die ersehnte Unterstützung sah, mit der
die Macht des Kaisers und der Liga geschwächt werden konnte, schickte
den Prediger Scultetus nach Oberösterreich,155 um die Aufstandsbewegung
weiter anzuheizen.
Fadinger und Zeller legten derweil bemerkenswerte militärische
Fähigkeiten an den Tag, und so gelang es ihnen, die Stadt Linz, wo der
Statthalter Herberstorff residierte, mit 50 000 Mann einzuschließen. Doch
dann fanden beide im Kampf den Tod, die kaiserlichen Truppen wurden
durch die Regimenter Löbl und Breuner verstärkt und fügten den nunmehr
führungslosen Bauern eine Reihe von Rückschlägen zu. Am 7. September
wurde ein Waffenstillstand geschlossen, der festlegte, dass allen Bauern, die
zum Gehorsam zurückkehrten, Amnestie gewährt wurde. Wie bereits beim
Bauernkrieg ein Jahrhundert zuvor zeigte sich hier abermals der Schwach­
punkt von Bauernaufständen: Sie begannen mit großer Wucht, wuchsen
binnen kurzer Zeit zu einer mächtigen Bewegung an, hatten aber kein
Durchhaltevermögen und verliefen sich nach einigen Wochen. Deshalb
gelang es in den abschließenden Verhandlungen auch nicht, der Gegenseite
Zugeständnisse abzuringen. Es war, als sei die anfängliche Wut verraucht,
und die zuvor in ihrer Empörung zu jeder Gewalttat bereiten Bauern kehr­
ten zu ihrer Beschäftigung zurück, als ob nichts geschehen wäre.
Der oberösterreichische Bauernaufstand wäre wohl Mitte 1626 been­
det gewesen, wenn sich nicht Kurfürst Maximilian eingeschaltet hätte.
Ohne Rücksicht auf die zwischen kaiserlichen Gesandten und Vertretern
der Bauern laufenden Verhandlungen ließ er am 18. September ein kaiser­
liches Regiment unter Herzog Adolf von Holstein und tags darauf ein fast
4000 Mann starkes bayerisches Korps unter dem Generalwachtmeister
Thimar von Lindlo in das Hausrückviertel einmarschieren. Daraufhin brach
der Aufstand von neuem los, und innerhalb einer Woche fügten die Bauern
Holstein, Lindlo und einem weiteren kaiserlichen Verband schwere Nie­
derlagen zu. Ihre Wut richtete sich nicht nur gegen die Soldaten, sondern
auch gegen die Katholiken, denen sie vorwarfen, heimtückisch das Militär
308 FO R T G A N G UND A U SW EITU N G

ins Land gerufen zu haben, während gleichzeitig Friedensverhandlungen


geführt wurden. Jetzt wütete der Krieg «mit allen Schrecknissen eines Bür­
gerkriegs»156.

Der neuerliche Bauernaufstand zwang Maximilian, ein kleines Heer auf­


zustellen, das unter Führung des Grafen Gottfried Heinrich zu Pappen­
heim die Rebellion niederschlagen sollte. Mit Pappenheim betrat eine der
bemerkenswertesten Gestalten des Krieges die Bühne.157 Pappenheim war
ein entschiedener Anhänger militärischer Offensivstrategien und prakti­
zierte diese, als er in mehreren Schlachten an der Spitze seiner Kürassiere
mit blanker Waffe in die gegnerischen Linien einbrach. Dabei nahm er auf
sich selbst keine Rücksicht; kein Kampf, aus dem er nicht mit zum Teil
schweren Verwundungen zurückkam, auch solchen am Kopf, wie die Por­
träts zeigen. Wegen der vielen sichtbaren Narben erhielt er von seinen Sol­
daten den Namen «Schrammhans». In der Schlacht am Weißen Berg, in
der Pappenheim ein Regiment von 1000 Kürassieren geführt hatte, wurde
er bei einem Angriff besonders schwer verwundet; sechs der zwanzig Ver­
wundungen, die er in dieser Schlacht erlitten hatte, waren normalerweise
tödlich. Pappenheim überlebte, zunächst wegen seiner robusten Konstitu­
tion, vor allem aber, weil er am Morgen nach der Schlacht, eingeklemmt
unter seinem Pferd, dessen Körper ihn in der kalten Nacht gewärmt hatte,
von Plünderern gefunden und nach Prag gebracht wurde.
Gottfried Heinrich zu Pappenheim wurde als Protestant geboren und
erzogen, trat aber im Alter von zweiundzwanzig Jahren unter dem Einfluss
von Kardinal Klesl zum Katholizismus über - was seiner Karriere in kaiserli­
chen Diensten zugutekam. Zuvor hatte er in Tübingen und Altdorf studiert
und die für junge Adlige obligate Bildungsreise durch Europa absolviert. Er
beherrschte das Lateinische und sprach neben seiner Muttersprache Itali­
enisch, Französisch und Spanisch. Eigentlich war unter diesen Umständen
eine Karriere im Verwaltungsdienst zu erwarten, und Pappenheim, dem das
schwäbische Familienerbe in Treuchtlingen schon früh zu klein wurde, war
zunächst auch als Beamter in kaiserlichem Dienst tätig. Aber dann wech­
selte er ohne einen von außen ersichtlichen Grund im Sommer 1617 in den
Militärdienst und warb im Rheinland für den Bayernherzog Maximilian
Der oberösterreichische Bauernaufstand 3 °9

eine 200 Mann starke Kürassiereinheit an. Die schweren Verwundungen,


die er in der Schlacht am Weißen Berg erlitt, schienen für seine Soldaten­
karriere das Ende zu bedeuten: Als Rekonvaleszent hielt er sich für längere
Zeit in seinem Treuchtlinger Besitz auf und zeigte vorerst wenig Interesse
am Soldatenberuf. Am pfälzischen Krieg nahm er nicht teil.
Der Verwaltung seiner Güter überdrüssig, kehrte Pappenheim schließ­
lich doch wieder in den Militärdienst zurück. 1623 wurde er vom Kaiser
zum Befehlshaber eines Kürassierregiments ernannt, das in den folgenden
Kriegsjahren als «die Pappenheimer» bekannt wurde und in der Schlacht
bei Stadtlohn eine zentrale Rolle spielte; später war es das herausgehobene
Regiment im Verband der von Pappenheim geführten schweren Kavallerie.
Pappenheim bevorzugte den Stoßangriff mit blanker Waffe gegenüber der
Taktik des Caracolierens, bei der die Kavallerie an den Gegner heranritt, in
einem gewissen Abstand die Reiterpistolen abfeuerte und dann gliedweise
zur Seite schwenkte, damit das nachfolgende Glied der Formation seine
Pistolen abfeuern konnte. So entwickelte sich ein rollendes Feuergefecht,
das nach dem spanischen Wort für Schnecke, caracola, benannt wurde.
Wenn der so angegriffene Gegner infolge des ständigen Beschusses schließ­
lich erste Schwächen zeigte, war der Augenblick für den Stoßangriff mit der
Blankwaffe, den «C h ok», gekommen. War dieser erfolgreich, so wurde die
Ordnung des gegnerischen Infanteriegevierts aufgesprengt, was fast immer
einem Wendepunkt der Schlacht gleichkam.
Pappenheims Art, die schweren Reiter zu führen, zeichnete sich
dadurch aus, dass er die Zeit des Caracolierens relativ kurz hielt oder, wenn
die Verhältnisse das hergaben, ohne vorbereitendes Caracolieren zum Stoß­
angriff anreiten ließ. Ausschlaggebend war die Aufstellung der gegnerischen
Tercios und das Zusammenwirken von Musketieren und Pikenieren.158
Zunächst bildeten die Musketiere eine mehrere Glieder tiefe «Hecke»,
aus der heraus regelmäßiges Salvenfeuer auf den Gegner unterhalten wurde.
Währenddessen standen die Pikeniere mit aufgerichteten Lanzen im Zen­
trum der viereckigen Aufstellung. Sobald jedoch die feindliche Kavallerie
gegen die Infanterieformation anritt und die Musketiere infolge der langen
Dauer, die das Nachladen der Musketen in Anspruch nahm, in die Gefahr
gerieten, niedergeritten zu werden, wechselten sie mit den Pikenieren die
3io FO R T G A N G UND A U SW EITU N G

Ein Kupferstich nach einem


Gemälde des Anton van Dyck,
der Gottfried Heinrich Graf
zu Pappenheim im Harnisch,
mit Feldherrnstab in der
Rechten und Visierhelm in
der Linken zeigt. Verwiesen
wird damit auf seinen
militärischen Aufstieg als
Kommandeur der schweren
Schlachtenkavallerie.
Pappenheim galt als tollkühn,
und fast immer stürmte er an
der Spitze seiner Kürassiere in
den Kampf. Das Porträt zeigt
indes auch Verwundungen,
die er dabei erlitten hat, eine
Narbe an der rechten Schläfe
sowie die auf der Stirn.

Position, die mit gesenkten Lanzen eine stachelige Front bildeten, um die
Kavallerie auf Abstand zu halten. Die wiederum nahm dann nach der Tak
tik des Caracolierens die Pikeniere unter Feuer, was diese untätig aushalten
mussten, da die eigenen Musketiere im Innern des Tercios standen und
nicht zurückschießen konnten. Die Pikeniere konnten allerdings auch mit
gefällter Lanze zum Angriff auf die Reiter übergehen, oder es wurden ein­
zelne Musketiere in die Reihen der Pikeniere eingeschoben, um ihrerseits
die Reiter unter Feuer zu nehmen.
Jeder Wechsel der taktischen Formation im Gefecht war riskant, denn
dabei konnte Unordnung entstehen, und diese Unordnung bot für den
Gegner die Chance, in die Infanterieformationen hineinzustoßen und sie
aufzusprengen. War das der Fall, so waren die Fußknechte den Reitern
wehrlos ausgeliefert: Die überlangen Lanzen waren für den Nahkampf
ungeeignet, die Musketen konnten nicht nachgeladen werden, und beim
Kampf mit dem Schwert waren die gepanzerten Reiter den nur leicht
geschützten Fußsoldaten überlegen.159 In der Regel war das der Moment,
Der oberösterreichische Bauernaufstand 3 ll

bei dem in den Reihen der Infanteristen Panik ausbrach und viele sich
zur Flucht wandten.160 Das war der Augenblick der Entscheidung: Wenn
es gelang, ein Tercio zu zersprengen, und die dort entstandene Panik auf
andere Tercios Übergriff, war die Schlacht entschieden.
Pappenheim legte es darauf an, diesen Augenblick möglichst frühzeitig
herbeizuführen. Im Unterschied zu anderen Generälen vertraute er nicht
darauf, dass er im Verlauf eines über Stunden geführten Gefechts eintrat,
sondern versuchte, ihn mit seinen Kürassieren zu erzwingen. Das trug ihm
den Ruf ein, er pflege eine tollkühne Gefechtsführung und gehe übermäßig
hohe Risiken ein, wie Tilly mehrfach klagte. Pappenheim konnte darauf
erwidern, er suche die frühe Entscheidung der Schlacht, um der Gegen­
seite die Chance zu nehmen, in einem sich hinziehenden Gefecht ihrerseits
die Gunst des Augenblicks nutzen zu können.
Im Jahre 1625 stand Pappenheim in spanisch-genuesischem Dienst und
hatte ein selbständiges Kommando im Kampf gegen französische Trup­
pen inne, die das Veltlin als Teil der «spanischen Gasse» sperren sollten.
Nach dem im März 1626 geschlossenen Frieden von Moncon musste er sich
nach einer neuen militärischen Verwendung umtun, und die fand er in den
Diensten des bayerischen Kurfürsten Maximilian. Im Rang eines Gene­
ralwachtmeisters bekam er das Kommando über eine etwa 8000 Mann
starke Truppe, die er nach Oberösterreich führte, um den dortigen Bau­
ernaufstand niederzuschlagen.161 Mit einer Kriegslist gelang es ihm, seine
Truppen in das von den Bauern eingeschlossene Linz zu schleusen und die
Stadt zu entsetzen. Dort unterstellte er die zuvor von den Bauern mehr­
fach geschlagenen Kaiserlichen seinem Kommando, um offensiv gegen die
Aufständischen vorzugehen. In der ihm eigenen Art verlor er dabei keine
Zeit, und schon wenige Tage nach dem Entsatz von Linz, am 9. Novem­
ber, kam es zur ersten Schlacht: Nahe Eferding stieß Pappenheim auf ein
in einer bewaldeten Stellung verschanztes Bauernheer, das er durch einige
Scheinangriffe sowie die demonstrative Positionierung seiner Kanonen
zum Angriff verlockte, um ihm in offenem Gelände eine vernichtende
Niederlage zuzufügen. Während die bayerisch-kaiserlichen Truppen nur
geringfügige Verluste erlitten, blieben mehr als 3000 Bauern tot auf dem
Schlachtfeld, die meisten von ihnen niedergeritten und erschlagen, nach­
311 FO R T G A N G UND A U SW EITU N G

dem sie bei ihrem Angriff von Flankenfeuer erfasst worden und in Panik
geraten waren.
Wenige Tage darauf stieß Pappenheim auf ein weiteres Bauernheer, das
die Stadt Gmunden belagerte. Als sich Pappenheims Truppen näherten,
zogen die Bauern sich auf eine Verteidigungsstellung im Wald zurück, in
der sie mit Kavallerie nicht anzugreifen waren und ein Infanterieangriff im
Kampf Mann gegen Mann enden musste. In einem solchen Kampf spielte
die waffentechnische und taktische Überlegenheit der Soldaten keine
Rolle; letzten Endes entschied die schiere Überzahl. Dann aber ließ sich
der von einem Theologiestudenten geführte Häuf zu demselben Fehler
verleiten, den auch die Bauern bei Eferding gemacht hatten: Die Aufstän­
dischen verließen, durch die Gefechtsaufstellung Pappenheims dazu ver­
leitet, ihre Stellungen und griffen den scheinbar ungedeckten linken Flügel
des Pappenheim’schen Heeres an. Die dort postierten Kaiserlichen zogen
sich bis unter die Mauern Gmundens zurück, wo die Bauern in heftiges
Musketenfeuer liefen und ihr Angriff den Schwung verlor. Ähnlich erging
es denen, die den rechten Flügel angriffen und nach einem Scheinrückzug
des von Pappenheim selbst geführten Flügels ebenfalls in konzentriertes
Musketenfeuer gerieten. Die zum Stehen gebrachten Angreifer wurden
von Kürassieren umfasst und niedergehauen. So war auch die Schlacht von
Gmunden eher ein Massaker als ein Gefecht. Bei Vöcklabrück und Wolfs­
eck besiegte Pappenheim weitere Bauernhaufen; dabei wurden auch die
Anführer des Aufstandes getötet oder fielen in die Hände des ligistisch-
kaiserlichen Heeres.
Das war das Ende des Aufstandes. Ihm folgten in Linz Exekutionen in
großer Zahl, dazu Eingriffe in die Besitzverhältnisse derer, die beim Auf­
stand zwar keine führende Rolle gespielt, aber in der einen oder anderen
Weise die Aufständischen unterstützt hatten. Bei dem Gericht, das der
Statthalter Herberstorff, Pappenheims Stiefvater (er hatte Pappenheims
früh verwitwete Mutter geheiratet), hielt und das von jedem weiteren Auf­
stand abschrecken sollte, zeigte sich auch wieder die religiöse Dimension
des Krieges, die bereits am Anfang des Aufstandes gestanden hatte, denn
jetzt wurde die katholische Gegenreformation konsequent durchgesetzt,
und sie zielte als Erstes auf den Adel und die Bürgerschaft Oberösterreichs.
Der oberösterreichische Bauernaufstand 313

«Sie mußten», so der Historiker Moriz Ritter, «kraft neuer Erlasse aus­
wandern oder katholisch werden. Merkwürdigerweise machte man jedoch
den Bauern gegenüber eine kleine Ausnahme. War es die Sorge vor einem
nochmaligen Verzweiflungsausbruch oder die Rechnung, daß man dem
verwüsteten Land nicht noch weitere Arbeitskräfte entziehen durfte - [ . . . ]
bei der auch jetzt noch nicht gebrochenen Hartnäckigkeit der Bauern ließ
man es bei dem Verbot aller protestantisch gottesdienstlichen Handlungen
und protestantischer Lehrer und Bücher, sowie dem Gebot der Teilnahme
am katholischen Gottesdienst, ohne jedoch zur Ausweisung wegen des
Bekenntnisses zu schreiten. Man durfte erwarten, daß so, wenn nicht die
alte, so doch die jüngere Generation gewonnen werde.»162 Man nahm den
Bauern die adligen wie städtischen Anführer und setzte darauf, dass sie
dann wieder folgsam sein würden.
Auch in Böhmen kam es im Frühjahr und Sommer 1626 vereinzelt zu
Bauernunruhen, doch erreichten diese bei weitem nicht die Dynamik und
Intensität des oberösterreichischen Bauernaufstands. Das war auch eine
Folge der systematischen Vertreibungen, die in den vorangegangenen Jah­
ren stattgefunden hatten. Potenzielle Anführer fehlten, und die Kommuni­
kationsbeziehungen und Vertrauensverhältnisse, ohne die keine Bewegung
auskommt, wurden durch die Emigration zerstört. Eine Rolle dürfte aber
auch gespielt haben, dass Wallenstein seine Beamten zu größter Aufmerk­
samkeit aufgefordert hatte, was Anzeichen von Unruhen anging, und ein
entschiedenes Vorgehen verlangte,163 da er auf eine zuverlässig funktionie­
rende Versorgungsbasis seines Heeres in Friedland angewiesen war. Der
Aufstand in Böhmen, auf den Mansfeld gesetzt hatte, kam nicht in Gang; er
blieb, wie Anton Gindely festhält, «ein rasch vorübergehender Zwischen­
fall, der die Besitzer des Landes bloß schreckte, aber nicht schwächte».164

Das wäre womöglich anders gewesen, wenn Mansfeld im Sommer 1626


nach Böhmen eingefallen wäre und die friedländisch-kaiserliche Verwal­
tung auseinandergejagt hätte. Auch stellte Mansfeld keine Verbindung zu
den Aufständischen in Oberösterreich her, die militärische Kompetenz
durchaus hätten brauchen können, wie sich bei den Niederlagen gegen
Pappenheim zeigte. Stattdessen endete Mansfelds Feldzug in der ungari-
314 FO R T G A N G UND A U SW EITU N G

sehen Tiefebene, wo sich die Truppen mit den Einheiten Bethlen Gabors
verbanden, was aber ohne Bedeutung blieb, weil es in diesem Raum keine
strategischen Ziele gab, die Einfluss auf den Fortgang des Krieges gehabt
hätten. Immerhin war es Mansfeld durch den Vorstoß nach Schlesien,
Mähren und Ungarn gelungen, Wallenstein von seinen Positionen an der
Elbe abzuziehen, wenngleich auch das strategisch bedeutungslos war, weil
am 26. August nicht Christian Tilly, sondern umgekehrt Tilly Christian
besiegte. Der Sieg Tillys über den Dänen beruhte nicht zuletzt darauf, dass
Wallenstein bei seinem Aufbruch 12 000 Fußsoldaten und 5000 Reiter
zurückgelassen hatte, so dass Tillys Truppen denen Christians überlegen
waren. Wallenstein ist Mansfeld also nicht mit dem gesamten Heer gefolgt,
sondern nur mit 14 000 Mann.165
Am 10. Juli brachen Mansfeld und Herzog Johann Ernst von Havelberg
in Richtung Oder auf. Am 13. Juli erfuhr Wallenstein vom Aufbruch der bei­
den; er war sich darüber im Klaren, dass ihr Ziel nur Schlesien sein konnte,
und reagierte darauf, indem er den Obersten Pechmann mit 5000 Reitern
losschickte, um den Vorstoß des Gegners zu beobachten und Nachzügler
sowie Trossknechte in der Weise zu attackieren, wie Wallenstein dies zwei
Jahre zuvor von Seiten Bethlen Gabors erlebt hatte. Wallenstein selbst war­
tete zunächst ab, was ihm später zum Vorwurf gemacht werden sollte: Statt
Mansfeld den Weg nach Schlesien abzuschneiden, habe er diesem einen
uneinholbaren Vorsprung eingeräumt. Aber Wallenstein zögerte, weil das
Gerücht aufgetaucht war, Gustav Adolf werde in Kürze mit 18 000 Mann
in Pommern landen, um parallel zur Oder ebenfalls nach Schlesien vor­
zustoßen. Dieses Gerücht sollte sich als falsch herausstellen, völlig aus der
Luft gegriffen war es jedoch nicht, denn in den Kriegsplänen der Haager
Allianz hatte ein solcher Kriegszug Gustav Adolfs zeitweilig eine Rolle
gespielt.166 Tatsächlich verließ der Schwedenkönig zu dieser Zeit mit einer
großen Flotte Stockholm - aber er landete mit seinen Truppen nicht in
Pommern, sondern in Ostpreußen, um gegen seinen katholischen Vetter
Sigismund III. Krieg zu führen.167
Unterdessen erreichten Mansfelds Truppen Mitte Juli bei Frankfurt
die Oder, wo Mansfeld den Fluss überquerte und auf dessen rechter Seite
weitermarschierte, während Johann Ernst mit seinen Verbänden auf der
Der oberösterreichische Bauernaufstand 315

linken Flussseite blieb und parallel zu Mansfeld nach Schlesien zog. Die
Trennung der beiden hatte vor allem logistische Gründe, denn so hatte
jeder sein eigenes Gebiet, aus dem er sich versorgen konnte. Ohnehin
war es eine verbreitete Praxis, dass größere Heere in mehreren Kolonnen
parallel marschierten, um den sich dahinwälzenden Heerwurm nicht gar
zu lang werden zu lassen. Je länger ein solcher Heereszug war, desto grö­
ßer wurden die Versorgungsprobleme für die Arrieregarde; auch wurden
die Wege für die nachfolgenden Einheiten immer schwieriger zu passieren.
Also marschierte man, wenn die Topographie des Geländes das zuließ, in
mindestens zwei Kolonnen parallel zueinander.168 Lag ein Fluss dazwi­
schen, so hatte das zwar den Nachteil, dass man sich bei Feindberührung
nicht ohne weiteres zu Hilfe kommen konnte, aber auch den Vorteil, dass
man auf Lastkähnen Nachschub mitführen konnte und so von den Versor­
gungsmöglichkeiten des Landes unabhängig war. Letzteres war für Mans­
feld und Johann Ernst von Bedeutung: Schlesien war zu dieser Zeit durch
den Krieg bereits schwer mitgenommen, zunächst durch den jahrelangen
Kleinkrieg des Herzogs von Jägerndorf gegen sächsische und kaiserliche
Truppen und sodann durch die Seuchen, die sich im Gefolge der durchzie­
henden Heere und der Flüchtlingsströme aus Böhmen stark ausgebreitet
hatten.169 Dennoch wurden die Truppen Mansfelds in Schlesien freundlich
aufgenommen; die mehrheitlich protestantische Bevölkerung sah in ihnen
Befreier von der ungeliebten habsburgischen Herrschaft und den Zwängen
der Gegenreformation.
Mansfeld wollte sich diese Sympathien erhalten und drängte darauf,
die Bevölkerung schonend zu behandeln; weil Johann Ernst das nicht in
gleicher Weise tat, kam es mehrfach zu Auseinandersetzungen zwischen
ihnen.170 Meinungsverschiedenheiten dieser Art dürften ein weiterer
Grund dafür gewesen sein, dass die beiden seit Frankfurt getrennt vonein­
ander auf beiden Seiten der Oder marschierten. Der Leidtragende dessen
war Johann Ernst, denn seine Kolonne war den überfallartigen Attacken
von Pechmanns Kavallerie ausgesetzt, die dem Heer auf der linken Oder­
seite folgte. Nahe der Stadt Oppeln gelang es Johann Ernst, das Regiment
des Obersten Hebron in ein längeres Gefecht zu verwickeln und ihm grö­
ßere Verluste zuzufügen. Das änderte freilich nichts an dem permanenten
316 FO R T G A N G UND A U SW EITU N G

Aderlass, den die Angriffe Pechmanns zur Folge hatten; an den kaiserlichen
Rat Questenberg berichtete Pechmann, man habe «viel mansfeldisches
Volk, so sich vom Heereszug gesondert hat, gnadenlos niedergemacht».1' 1
Mitte August bezogen Mansfeld und Johann Ernst im Raum Teschen,
Troppau, Jägerndorf eine feste Stellung, die, zwischen Schlesien, Mähren
und Ungarn gelegen, alle Optionen für die Fortsetzung des Feldzugs offen­
ließ. Hier erwarteten sie Bethlen und seine Truppen; nach deren Eintreffen
wollten sie entscheiden, wie es weitergehen sollte. Aber sie warteten ver­
geblich, denn Bethlen traf nicht ein.

Derweil hatte Wallenstein am 8. August den Befehl zum Abmarsch des


Hauptkontingents gegeben:172 Gustav Adolf war nicht in Pommern gelan­
det, zu größeren Gefechtshandlungen zwischen Christian und Tilly war es
ebenfalls nicht gekommen, und außerdem ließ Wallenstein für diesen Fall
starke Verbände an der Elbe zurück. Aber nun musste er Mansfeld verfol­
gen, denn inzwischen befand sich dieser in einer Position, von der aus er
nach Böhmen einfallen konnte, und daran würde ihn Pechmanns Kaval­
lerie kaum hindern können. Wallenstein trieb seine Truppen zur Eile an.
Deren Marschleistung von etwa 30 Kilometern am Tag war beachtlich, und
so schaffte Wallensteins Heer die 600 Kilometer von Zerbst nach Dvur
in 22 Tagen; damit war Wallenstein schneller als Mansfeld, und da er auf
der inneren Linie marschierte, hatte er 200 Kilometer weniger zurückzule­
gen als sein Kontrahent. Er kam gerade noch rechtzeitig, um einen Einfall
Mansfelds nach Böhmen zu blockieren; freilich nur deshalb, weil Mansfeld
so lange auf Bethlen gewartet hatte und untätig geblieben war. Der Preis
der Gewaltmärsche war, dass Wallensteins Heer durch die Abgänge von
Erschöpften und Kranken von Tag zu Tag zusammenschmolz. Am Ende des
Feldzugs, im November, war von denen, die in Zerbst aufgebrochen waren,
nur noch ein Viertel übrig - und das, obwohl man keine einzige Schlacht
geschlagen hatte.
Hatte Wallenstein, der «podagrische Stratege», wie Leopold von
Ranke ihn genannt hat, doch zu lange gewartet? Offenbar ist er von einer
stärkeren Verteidigung Schlesiens durch die Kaiserlichen ausgegangen; dass
Mansfeld ohne nennenswerten Widerstand durch Schlesien marschieren
Der oberösterreichische Bauernaufstand 317

konnte, überraschte ihn. Außerdem graute ihm vor einem weiteren Rriegs-
zug in Ungarn, bei dem sich wiederholen würde, was er dort zwei Jahre
zuvor erlebt hatte.173 Wenn er schon in der ungarischen Tiefebene Krieg
führen sollte, dann wollte er in großem Umfang über leichte Reiterei verfü­
gen. Wallenstein hatte ein Heer für die Kriegführung in Mitteleuropa aufge­
stellt, ein Heer, mit dem man Schlachten gewinnen konnte. Gegen Bethlen
Gabor war damit aber wenig auszurichten, denn der stellte sich, wie Wal­
lenstein ja erlebt hatte, nicht zur Schlacht. Bethlens leichte Reiter konnten
nur mit eigenen leichten Reitern bekämpft werden, und dementsprechend
forderte Wallenstein den Wiener Hofkriegsrat auf, in Polen oder Ungarn
in großem Stil leichte Reiter anzuwerben. Mansfeld spielte in diesen Über­
legungen keine besondere Rolle; es war Bethlen, der Wallenstein Sorgen
machte - und da er ahnte, dass Wien ihm die geforderten Reiter nicht zur
Verfügung stellen würde, zögerte er, mit einem Heer aufzubrechen, das für
den absehbaren Feldzug ungeeignet war. Wallenstein hatte darauf gesetzt,
dass Mansfeld in Schlesien und Ungarn infolge ausbleibender Versorgung
zugrunde gehen würde. Jetzt aber saß dieser in einer Wartestellung, von der
aus er Böhmen bedrohte. Also musste Wallenstein handeln.
Am 27. August vereinigten sich die Heeresteile Mansfelds und Johann
Ernsts bei Fulnek wieder; drei Tage darauf trafen sich beide Heerführer
bei Leipnik an der March, um den weiteren Fortgang des Kriegszugs zu
besprechen. An diesem Kriegsrat nahmen auch die Obersten der einzelnen
Regimenter teil. Mansfeld schlug vor, nicht länger auf Bethlen zu warten
und ihm auch nicht entgegenzuziehen - tatsächlich dauerte es bis zum
13. September, also noch zwei Wochen, bis Bethlen in Debrezin einrückte - ,
sondern stattdessen nach Westen vorzustoßen. Er wollte entweder nach
Mähren und Böhmen bis in die Oberpfalz ziehen, um von dort nach Bayern
oder ins Eisass zu gelangen, oder aber Verbindung mit den aufständischen
Bauern in Oberösterreich aufnehmen, um den dortigen Kriegsschauplatz
zu verstetigen.174 Ob es Mansfeld dabei, wie einige Historiker meinen, um
die Wiederaufnahme der alten Eisassträume ging oder um einen Verhee­
rungskrieg gegen die kaiserlichen Erblande, mit dem die Finanzierungs­
möglichkeiten des kaiserlichen Heeres drastisch eingeschränkt werden
sollten, oder um eine Operation gegen die «spanische Gasse», mit der sich
318 FO R T G A N G UND A U SW EITU N G

Mansfeld bei den Niederländern als einem denkbaren Geldgeber wieder


ins Gespräch gebracht hätte, oder nur darum, einen Feldzug in Ungarn zu
vermeiden, das Mansfeld als Kriegsschauplatz aus den Jahren 1595 bis 1604
kannte - all das muss dahingestellt bleiben.
Ebenso wie Wallenstein war Mansfeld offenbar der Auffassung, dass
der Krieg in Mittel- und Westeuropa entschieden würde und Ungarn nur
ein Nebenkriegsschauplatz sei. Er hatte den Diversionsfeldzug nach Schle­
sien ins Gespräch gebracht, jedoch nicht, um von Schlesien nach Ungarn
zu marschieren, sondern um den Krieg von dort nach Böhmen und ins
Reich zurückzubringen. Der Herzog von Sachsen-Weimar war jedoch
gegen eine Wendung nach Westen und bestand darauf, dass man sich mit
Bethlen treffen müsse, wie das vorgesehen sei. Deswegen plädierte er dafür,
den Gebirgszug der Beskiden zu überschreiten und nach Oberungarn zu
marschieren. Da die Mehrheit des Kriegsrats dem Herzog folgte, musste
Mansfeld sich dem erst einmal notgedrungen fügen. Als man in Kremsier
die Oderbrücke zerstört vorfand, auf der anderen Seite des Flusses die
Reiter Pechmanns sah und Wallensteins Hauptmacht am 2. September in
Olmütz eintraf, war klar, dass sich Mansfelds Plan nicht mehr realisieren
ließ.175 Wallensteins Eilmärsche hatten sich doch noch gelohnt. Mansfeld
und Johann Ernst zogen über die Weißen Karpaten nach Oberungarn, wo
sie auf Bethlen Gabor warteten.
Für Wallenstein stellten von da an nicht mehr die Truppen Mansfelds,
sondern die Bethlens die zentrale Herausforderung dar. Bethlen würde
die Vereinigung mit Mansfeld suchen, und deswegen kam es jetzt darauf
an, dass sich Wallenstein mit starken Kräften zwischen die beiden schob.
Wenn Bethlen sich mit Mansfeld vereinigen wollte, würde er eine Schlacht
gegen Wallenstein schlagen müssen. Für diesen war das die einmalige
Chance, den sonst nicht zu fassenden Fürsten von Siebenbürgen zu stel­
len und dessen Schwarmtruppen zu vernichten. Wallenstein hatte zu dieser
Zeit noch 8000 Mann Fußsoldaten und 4000 Reiter; was ihm nach wie vor
fehlte, war leichte Kavallerie. Wallenstein konnte Bethlen darum seinerseits
nicht zur Schlacht stellen, er konnte ihn nicht einmal verfolgen, sondern
musste darauf setzen, dass Bethlen von sich aus die Schlacht suchte oder
einen Fehler machte, der ihn zur Annahme einer Schlacht zwang. Wallen­
Der oberösterreichische Bauernaufstand 319

stein überquerte also den Fluss Waag und rückte bis Neuhäusel vor, womit
er Bethlen den Weg zu Mansfeld abschnitt.

Am 30. September standen sich die Truppen Wallensteins und Bethlens


bei dem D orf Dregelypalänk gegenüber. Bethlen hatte türkische Unterstüt­
zung bekommen und war Wallenstein zahlenmäßig weit überlegen. Aber
die Truppen Mansfelds waren nicht zur Stelle, weswegen Bethlen an einem
für ihn günstigen Ausgang des Treffens zweifelte und um Waffenstillstand
ersuchte, zumindest bis zum nächsten Tag. Wallenstein lehnte den Waffen­
stillstand ab und wollte sofort losschlagen, ließ sich von dem ungarischen
Palatin Nikolaus Esterhazy, der mit einem kleinen Verband Husaren zu ihm
gestoßen war, dann aber doch dazu bewegen, die Schlacht auf den kom­
menden Tag zu verschieben.176 Immerhin war es bereits später Nachmittag,
und eine bei einbrechender Dunkelheit abgebrochene Schlacht lag nicht
in Wallensteins Interesse. Doch am nächsten Tag waren Bethlen und sein
Heer verschwunden: In der Nacht hatten sie sich in aller Stille zurückge­
zogen; zur Irreführung des Gegners hatte man die Nacht über Wachfeuer
brennen lassen, so dass die Vorposten Wallensteins nicht misstrauisch wur­
den. «War noch drei Stund Tag gewest», schrieb Wallenstein an Harrach,
«so hab ich eine schöne victori in Händen gehabt, denn der Feind ist so
verzagt gewest, daß solches dem Herrn Bethlehem noch nie widerfahren
ist.»177
Nun aber war die Gelegenheit zur Schlacht dahin; Bethlen zu verfol­
gen, erschien Wallenstein sinnlos, da dieser sich mit seiner leichten Reiterei
schneller bewegen konnte als Wallensteins Streitmacht. Außerdem nah­
men inzwischen die Versorgungsprobleme überhand. A uf dem Rückzug
nach Neuhäusel breitete sich im Heer die Ruhr aus, eine Folge der Ernäh­
rung mit unreifen Feldfrüchten, und auch andere Krankheiten griffen um
sich, wie etwa die «ungarische Krankheit», ein in der Regel tödliches
Fleckfieber, und der Milzbrand, der den Pferdebestand des Heeres hinweg­
raffte. Auch wenn man das in Wien anders sah und sich eine Verfolgung
Bethlens wünschte, so blieb Wallenstein doch gar nichts anderes übrig, als
den Rückzug nach Mähren und von dort weiter nach Böhmen anzutreten.
Wallenstein habe in Ungarn «wider die Kriegsraison gehandelt», lautet
320 FO R T G A N G UND A U SW EITU N G

einer der Vorwürfe in den Kapuziner-Relationen.178 Das war eine Wertung


vom grünen Tisch, die das Leid der Truppen ignorierte und von strategi­
schen Fragen wenig verstand. Aus der Sicht Wallensteins war das Ziel des
Feldzugs auch ohne Entscheidungsschlacht erreicht: Bethlen war aus den
Erblanden des Kaisers herausgedrängt, er hatte in Ungarn, im Unterschied
zu seinen früheren Zügen, keine Unterstützung gefunden, und Mansfelds
Truppen saßen in Ungarn fest und würden sich infolge von Hunger und
Unzufriedenheit innerhalb weniger Wochen auflösen.
Auch wenn einige in Wien anderer Auffassung waren und allerhand Ver­
dächtigungen gegen Wallenstein streuten, hatte dieser im Grundsatz recht:
Die Chancen Bethlens, seinen Anspruch auf die Stephanskrone in Ungarn
durchzusetzen, waren deutlich kleiner als in den Jahren zuvor, sein Vorstoß
nach Westen war nicht bis Pressburg oder gar in die Nähe Wiens gekom­
men, sondern bereits in Ungarn abgefangen worden, und das, obwohl Beth­
len dieses Mal über türkische Unterstützung verfügte. Zudem hatte das von
Mansfeld über Schlesien nach Ungarn geführte Heer in der entscheidenden
Phase des Feldzugs keine Rolle gespielt - weder in Norddeutschland noch
in Ungarn. Der strategische Plan der Haager Allianz, durch großräumig
angelegte Diversionsoperationen die Kräfte der Gegenseite zu zersplittern
und dadurch im Zentrum des Krieges, in Deutschland, die Oberhand zu
gewinnen, war nicht aufgegangen. Er sollte nach dem Fehlschlag von 1626
auch nicht wieder aufgenommen werden - zum einen hatten die Protestan­
ten inzwischen begriffen, was Wallenstein schon seit längerem wusste, dass
dieser Krieg nämlich im Reich und nicht an dessen Peripherie entschieden
wurde; zum anderen spielte Bethlen Gabor hinfort als Bestandteil einer
antihabsburgischen Koalition keine Rolle mehr, und der Friede, den der
Kaiser mit der Hohen Pforte in Konstantinopel geschlossen hatte, hielt.
Ende 1626 schien Bethlen Gabor definitiv verstanden zu haben, dass
seine eigenen Kräfte für einen Erfolg gegen die habsburgische Position
in Ungarn nicht ausreichten und dass ihm die Unterstützung, die er als
Partner einer antihabsburgischen Koalition erhielt, nicht viel nutzte. Zum
ersten Mal nach den gemeinsam mit den Böhmen geführten Feldzügen
war Bethlen wieder ein Heer der protestantischen Verbündeten zu Hilfe
gekommen, doch mit Mansfelds Truppen war ein noch größeres Heer sei­
Der oberösterreichische Bauernaufstand 321

ner katholischen Gegner auf dem südöstlichen Kriegsschauplatz erschie­


nen; außerdem bereiteten ihm Mansfelds Truppen durch die Konkurrenz
um die wenigen Versorgungsgüter mehr Probleme, als dass sie ihn entlas­
teten. Das Eintreffen Mansfelds in Ungarn hatte die Handlungsspielräume
Bethlens eher verkleinert als vergrößert. Immerhin hatte Bethlen in diesem
Jahr erstmals nennenswerte Unterstützung durch türkische Truppen erhal­
ten, auch wenn es sich dabei nicht um Einheiten der Hohen Pforte, sondern
um Truppen des bosnischen Paschas handelte. Dies aber waren Truppen
desselben Typs, wie Bethlen sie aus Siebenbürgen mitbrachte, und mit
ihnen ließ sich keine Schlacht gegen ein Heer aus Mittel- und Westeuropa
schlagen. Trotz zahlenmäßiger Überlegenheit hatte sich Bethlen bei Dre-
gelypalánk auf die von Wallenstein gesuchte Schlacht nicht eingelassen,
sondern war zurückgewichen - und als Wallenstein daraufhin Bethlen
nicht verfolgte, also weder in eine Falle gelockt noch durch lange Märsche
aufgerieben werden konnte, war der Feldzug für Bethlen strategisch ver­
loren. Er war klug genug, das zu realisieren. Im Übrigen genügte zu dieser
Einsicht bereits die Unzufriedenheit seiner Reiter, die in diesem Jahr, da
sie in Ungarn festgehalten worden waren und nicht bis nach Mähren, Böh­
men oder Österreich vorstoßen konnten, so gut wie keine Beute gemacht
hatten. Die Aussicht auf Beute aber war die Motivationsressource, mit der
Bethlen sie zu Kriegszügen bewegte. Außerdem spürte er selbst zuneh­
mend den mit seinen Feldzügen einhergehenden körperlichen Verfall. Also
ließ Bethlen sich auf einen dauerhaften Friedensschluss mit dem Kaiser
ein und schied endgültig aus der antihabsburgischen Koalition aus.179 Am
28. Dezember 1626 wurde in Pressburg ein Friedensvertrag unterschrieben,
der im Grundsatz eine Erneuerung des Nikolsburger Friedens war. Damit
endete die Auseinandersetzung zwischen Bethlen und Ferdinand II.
Das Ausscheiden Bethlens bedeutete für den Kaiser eine grundlegende
Veränderung der strategischen Gesamtlage; von nun an konnte er sich aus­
schließlich auf die Kriegsschauplätze im Reich konzentrieren - auch des­
halb, weil die Kräfte des Osmanischen Reichs durch den immer wieder auf­
flackernden Krieg gegen die schiitischen Perser gebunden waren, die den
Osmanen in Mesopotamien eine Reihe schwerer Niederlagen bereitet hat­
ten.180Im Vertrag von Zsön wurde im September 1627 der Frieden zwischen
32 2 FO R T G A N G UND A U SW EITU N G

Der Kupferstich zeigt


Bethlen Gabor im Alter
von vierzig Jahren als
ungarischen König, worauf
unter anderem die Kleidung
hindeutet. Da er als Fürst
von Siebenbürgen Vasall des
türkischen Sultans war, legte
Bethlen auf den ungarischen
Königstitel allergrößten
Wert. Er konnte allerdings
nur Teile Ungarns dauerhaft
unter seiner Herrschaft
halten und wurde in den
diversen Friedensverträgen,
die er mit dem Kaiser
schloss, auch nur für diese
anerkannt.

Habsburgern und Osmanen besiegelt, und dieser Frieden hielt für mehrere
Jahrzehnte. Das bedeutete für die politisch-militärischen Konstellationen
im Reich mittelfristig eine größere Veränderung als der große Sieg, den
Tilly zwischenzeitlich über Christian von Dänemark errungen hatte.181

Die Truppen Mansfelds bezogen Mitte Oktober an der unteren Gran


(Hron) ein Heerlager, in dem beraten wurde, welche Möglichkeiten blie­
ben, den Feldzug fortzuführen. Das in Havelberg aufgebrochene Heer
war seit dem späten August zweigeteilt, und zwar in den Hauptverband
in Ungarn und die unter dem Kommando Joachim von Mitzlaffs in Trop-
pau, Teschen und Jägerndorf zur Kontrolle Schlesiens zurückgelassenen
Einheiten. Es lag nahe, beide Heeresteile wieder zu vereinen. Solange das
Heer Wallensteins in Ungarn stand, hatte Bethlen darauf gedrängt, die in
Schlesien zurückgebliebenen Verbände nach Ungarn zu ziehen. Das hatte
Mansfeld jedoch abgelehnt, weil es daraufhinausgelaufen wäre, Schlesien
Der oberösterreichische Bauernaufstand 3i 3

aufzugeben und sich ganz auf den ungarischen Kriegsschauplatz zu kon­


zentrieren, von dem er inzwischen wusste, dass das Heer dort nicht zu ver­
sorgen war. Es war somit sinnvoller, mit den in Ungarn stehenden Truppen
nach Schlesien zurückzukehren, um die dortigen Positionen zu halten und
das Heer wieder aufzufüllen. Damit war jedoch Herzog Johann Ernst nicht
einverstanden, weil es dem Auftrag widersprach, sich mit den Truppen
Bethlens zu vereinigen. Außerdem befürchtete er, ein Rückzug des Heeres
werde die Soldaten demoralisieren und die ohnehin hohe Desertionsquote
weiter in die Höhe treiben. Abermals kam es zum Streit zwischen den bei­
den Heerführern.
In dieser Situation entschloss sich Mansfeld, seine Truppen Bethlen zu
unterstellen und das Heer zu verlassen, um durch den türkisch kontrollier­
ten Teil Ungarns Bosnien zu erreichen. Von einem der dortigen Häfen aus
wollte er nach Venedig reisen und mit dem Rat der Seerepublik über neue
Geldzuweisungen verhandeln. Mansfeld tauschte also wieder einmal die
Rolle, der kommandierende General trat als Rriegsunternehmer auf.182 In
der ersten Novemberwoche verließ er in Begleitung einiger Offiziere und
eskortiert von einer Schar türkischer Reiter das Heer. Über Ofen wollte er
entweder das mit den Osmanen verbündete Ragusa oder das venezianische
Spalato erreichen. In der Nähe von Sarajewo erlitt er jedoch einen Blut­
sturz; am Abend diktierte er seinen letzten Willen, und in der Nacht zum
30. November starb er im Alter von sechsundvierzig Jahren. Seinen Tod ließ
er als einen heroischen Akt inszenieren. Von Gefolgsleuten aufgerichtet,
wurde ihm der Harnisch angelegt und das Schwert vor ihm in den Boden
gerammt, so dass er sich darauf wie auf einen Stock stützen konnte: Ein
Heerführer starb nicht im Bett, sondern stehend und in Rüstung.183 Zwei
Wochen später starb auch Johann Ernst, womöglich an einer Lebensmittel­
vergiftung, vielleicht auch an einer Krankheit, an der er seit dem Sommer
laborierte.184 Der Weimarer Herzog war dreiunddreißig Jahre alt. Bethlen
Gabor blieben nach dem Frieden von Pressburg noch drei Jahre, bis er an
der Wassersucht starb. Mehr noch als auf dem Schlachtfeld forderte der
Krieg seinen Tribut durch Krankheit und Auszehrung.
3M FO R T G A N G UND A U SW EITU N G

Die Schlacht von


Lutter am Barenberg

Seit Mai 1626 führte Tilly einen Belagerungskrieg, in dessen Verlauf er dem
Dänenkönig eine besetzte Festungsstadt nach der anderen wegnahm. Als
Erstes war Hannoversch Münden an der Reihe, am Zusammenfluss von
Fulda und Werra gelegen, also ein Ort von einiger strategischer Bedeutung.
Wer Münden beherrschte, kontrollierte den nordhessisch-südniedersächsi-
schen Raum, und daran musste Tilly gelegen sein, nachdem Christian von
Braunschweig wenige Wochen zuvor den Versuch unternommen hatte, in
Hessen-Kassel einen Kriegsschauplatz in seinem Rücken zu eröffnen.185
Hatte Tilly Münden in der Hand, so würde das künftig nicht mehr mög­
lich sein. Die Stadt wurde von 800 Soldaten unter Oberst Lawis verteidigt.
Der verweigerte bei der üblichen dreimaligen Kapitulationsaufforderung
die Übergabe,186 woraufhin die Artillerie Tillys eine breite Bresche in die
herkömmlich gebauten Stadtmauern schoss. Lawis setzte darauf, dass die
Angreifer durch die vor der Mauerbresche fließende Werra aufgehalten
würden, doch die fanden an zwei Stellen eine Furt, überschritten den Fluss
und drangen in die Stadt ein. Die Verteidiger zogen sich auf den Friedhof
zurück, konnten sich dort aber nicht halten. Zuletzt leisteten sie im Schloss
Widerstand, wo sie samt und sonders getötet wurden. Weil ein Mündener
Bürger angeblich eine mit Splittern und Nägeln geladene Kanone aus kur­
zer Distanz auf die Angreifer abgefeuert hatte, richtete sich die Gewalt der
Eroberer nicht nur gegen die Soldaten, sondern auch gegen die Bevölke­
rung der Stadt. Über 1000 Einwohner wurden in einem furchtbaren Mas­
saker getötet.187
Tilly ist diesem Morden nicht entgegengetreten. Das hat eine gewisse
Bedeutung für die Beurteilung seines Verhaltens bei der späteren Erobe­
rung Magdeburgs, als es ebenfalls zu einem Massaker kam. Gemäß Kriegs­
recht war nach dreimaliger Ablehnung der Kapitulationsaufforderung die
Plünderung einer im Sturm genommenen Stadt zulässig, und die Soldaten,
die sie verteidigt hatten, durften, auch wenn sie «Quartier» riefen - die
damals übliche Parole, wenn man sich ergeben wollte - , 188 nicht mit Pardon
Die Schlacht von Lutter am Barenberg 315

rechnen. Dass aber die gesamte Einwohnerschaft abgeschlachtet wurde,


war durch keinerlei kriegsrechtliche Regel gedeckt und auch kein Kriegs­
brauch. Offenbar war Tilly bereit, Kriegsrecht und Kriegsbräuche zu igno­
rieren, wenn er sich davon einen Abschreckungseffekt versprach. Das Wort
« magdeburgisieren» als Bezeichnung für die völlige Zerstörung einer Stadt
und die restlose Auslöschung ihrer Bevölkerung geht auf Tillys Eroberung
Magdeburgs zurück, bei der vier Fünftel der Einwohner den Tod fanden;
die entsprechende Praxis gab es - wie an Münden zu sehen - bereits zuvor.
Sicherlich war es heikel, eine in Rage geratene Soldateska im Zaum zu
halten: Sturmangriffe auf einen hartnäckig Widerstand leistenden Feind
waren mit einem hohen Erregungsniveau verbunden, was wiederum die
Voraussetzung dafür war, dass die Angreifer voranstürmten und dabei den
Tod oder schwere Verwundungen in Kauf nahmen. Das konnte sich zu
einem regelrechten Rausch steigern, wenn sich, wie etwa in Münden, das
Gerücht verbreitete, nicht nur das Militär, sondern auch die Bürgerschaft
habe Widerstand geleistet. Solche zur Raserei gesteigerte Erregung entlud
sich allzu off in einem an den gegnerischen Soldaten verübten Massaker.
Wurde eine befestigte Stadt erobert, war - im Unterschied zum Schlacht­
feld, wo sich in der Regel keine Zivilisten aufhielten - die Wahrscheinlich­
keit groß, dass, wie bei der Eroberung Heidelbergs - ebenfalls durch Tilly -,
auch deren Einwohnerschaft Opfer dieser Entladung wurde.189 In solchen
Situationen wäre es die Pflicht der militärischen Führung gewesen, das
Massaker zu stoppen und die Gewaltanwendung zu begrenzen. Das war in
Anbetracht der Wut und der Entfesselung der Soldaten nicht einfach, und
der Umstand, dass Gewaltexzesse des Öfteren eine «Entschädigung» für
ausgebliebene Soldzahlungen waren, machte das Einschreiten der Offiziere
noch schwieriger. Aber es ist doch etwas anderes, wenn der neben Tilly
in die Stadt einreitende Oberst Egon Fürstenberg, der Kommandant des
Regiments, das durch die Mauerbresche gestürmt war und dabei erhebli­
che Verluste erlitten hatte, seinen Soldaten zurief: «Haut die rebellischen
Hunde alle nieder!»190 Spätestens jetzt hätte Tilly eingreifen müssen. Dass
er das nicht tat, war aus heutiger Sicht ein Kriegsverbrechen.
Jenseits der Disposition der Soldaten, Massaker zu begehen,191 gab es
freilich auch eine strategische Rationalität, die hinter solchen Gräueltaten
316 FO R T G A N G UND A U SW EITU N G

stand, und das war deren exemplarischer Charakter. Wenn sich nämlich
herumsprach, was sich bei der Eroberung ereignet hatte und womit man
rechnen musste, wenn man der Kapitulationsaufforderung Tillys keine
Folge leistete, so war das ein starkes Motiv dafür, eine befestigte Stadt ohne
größeren Widerstand zu übergeben. Gleichzeitig war es eine Aufforderung
an die Bürgerschaft, dem Militärkommandanten in den Arm zu fallen, wenn
er Widerstand leisten wollte. Das demonstrative Massaker war ein Strate-
gem, um den potenziellen Interessenkonflikt zwischen Einwohnerschaft
und Verteidigern einer Stadt in einen offenen Gegensatz zu verwandeln
und die einfachen Soldaten zur Befehlsverweigerung zu motivieren. Es gab
also durchaus Gründe dafür, warum Tilly dem Massaker von Münden kei­
nen Einhalt gebot. So kapitulierte Göttingen, die nächste befestigte Stadt,
der er sich näherte, relativ schnell, und als er sich anschließend gegen Nort­
heim wandte, konnte er damit rechnen, dass man dort eher dem Göttinger
als dem Mündener Vorbild folgen würde. Dem wirkte die andere Seite ent­
gegen, indem sie Offiziere, die eine Stadt widerstandslos oder nach bloß
symbolischen Kampfhandlungen übergaben, wegen Feigheit zum Tode
verurteilte und, sofern man ihrer habhaft wurde, öffentlich exekutierte. Die
Androhung des unehrenhaften Todes sollte die Bereitschaft fördern, bei der
Verteidigung einen jedenfalls ehrenhaften Tod zu sterben.

Mit dem Siegeszug Tillys wuchs der Druck auf Moritz, Landgraf von Hes­
sen-Kassel, der nach dem fehlgeschlagenen Vorstoß Christians von Braun­
schweig ohnehin im Verdacht stand, es mit dem Dänen zu halten. Tilly
forderte ihn auf, kaiserliche Garnisonen aufzunehmen beziehungsweise
seine Festungsstädte für kaiserlich-ligistische Einheiten zu öffnen. Weiter­
hin forderte er die Einberufung der Landstände; auf deren Versammlung
sollte der Landgraf erklären, dass er die Regierungsgeschäfte niederlege.
Die lutherisch gesinnte Ritterschaft des Territoriums drängte ihrerseits auf
die Entfernung und Bestrafung der Räte, die sie für die Politik des Land­
grafen verantwortlich machten, während die städtischen Vertreter, die
bisher die landgräfliche Politik unterstützt hatten, vor einem aussichtlosen
Kampf gegen die Übermacht Tillys warnten.192 Moritz warf Tilly daraufhin
in einem langen Schreiben vor, durch die von ihm betriebene Stärkung der
Die Schlacht von Lutter am Barenberg 317

Landstände de facto einen Konfessionswechsel zum Luthertum erzwingen


zu wollen.193 Schließlich begnügte Tilly sich damit, dass Moritz am 19. Juli
ein Revers unterschrieb, in dem er sich zu dreierlei verpflichtete: keine
gegen den Kaiser gerichtete Korrespondenz mit auswärtigen Mächten
mehr zu unterhalten; sich mit der Ritterschaft des Landes nach Maßgabe
der kaiserlichen Erwartungen auszusöhnen; und schließlich in die Festun­
gen seines Landes keine fremden Truppen aufzunehmen und kaiserlich-
ligistischen Truppen jederzeit Durchzug und Quartier zu gewähren. Militä­
risch war Landgraf Moritz damit erst einmal ausgeschaltet.
Die politische Abrechnung mit Moritz kam nicht von Tilly, sondern
von seinem Darmstädter Verwandten: Am 21. April 1626 erging ein durch
den Kölner Erzbischof einzutreibender Vollstreckungsbefehl gegen
Moritz, in dem ihm als Schadensleistung für sein Handeln in der Marbur-
ger Erbstreitigkeit die Zahlung von 1357 000 Gulden auferlegt wurde. Da
Moritz diese Summe nicht zahlen konnte, wurde dem Darmstädter Gläu­
biger ein Großteil der Landgrafschaft: Hessen-Kassel als Pfand zuerkannt,
und diese Verpfändung wurde sogleich mit Hilfe kaiserlich-ligistischer
Truppen durchgesetzt. Es war ein Glücksfall für Hessen-Kassel, dass der
Darmstädter Landgraf am 6. August starb, woraufhin Moritz sieben Monate
später zugunsten seines Sohnes Wilhelm abdankte. Die beiden Nachfol­
ger, besagter Wilhelm in Kassel und Georg II. in Darmstadt, handelten
am 4. Oktober 1627 einen Vergleich aus, in dem die Kasseler als Ausgleich
für die Darmstädter Forderungen die Grafschaft Katzenelnbogen und das
Amt Schmalkalden abtraten. Hessen-Kassel war damit als antikaiserlicher
Akteur vorerst auch politisch erledigt.

Derweil ging der Festungs- und Belagerungskrieg zwischen Christian von


Dänemark und Tilly weiter, und dabei verlor die dänisch-niedersächsische
Seite immer mehr an Boden; ein Detachement Tillys unter Graf Anholt
vertrieb die dänische Besatzung im Bistum Osnabrück, die Herzog Johann
Ernst im Frühjahr dort hinterlassen hatte,194 und am 11. August 1626 kapitu­
lierte Göttingen. Christian begriff, dass er bei dieser Art der Kriegführung
auf Dauer verlieren würde, und entschloss sich, offensiver vorzugehen. Das
war auch deswegen angezeigt, weil die von Wallenstein an der Elbe zurück­
3 i8 FO R T G A N G UND A U SW EITU N G

gelassenen Truppen sich in Bewegung gesetzt hatten, um zur Hauptarmee


Tillys zu stoßen. Christian wollte diese Vereinigung verhindern und rückte
von Wolfenbüttel auf das Eichsfeld vor. Als die dänische Streitmacht dort
anlangte, hatten die Wallenstein’schen Regimenter unter Oberst Desfours
das Eichsfeld jedoch bereits passiert. Der amerikanische Kriegshistoriker
William Guthrie, der die Schlachten des Dreißigjährigen Krieges einer ein­
gehenden Analyse unterzogen hat, beschreibt die damit für Christian ein­
getretene Lage folgendermaßen: Er hatte die Chance verpasst, Tillybei der
Belagerung einer Stadt anzugreifen, bei welcher der Belagerer in erhöhtem
Maße verwundbar war; es war ihm nicht gelungen, das Wallensteinsche
Armeekorps auf dem Marsch zur Weser zu stellen und zu zerschlagen; und
jetzt sah er sich einem kräftemäßig überlegenen Tilly gegenüber.195 Unter
diesen Umständen blieb Christian nichts anderes übrig, als sich wieder
auf Wolfenbüttel zurückfallen zu lassen, um dort eine feste Position zu
beziehen.
Am 24. August befahl Christian den Rückzug; der Marsch führte am
Westhang des Harzes vorbei. Das war für Tilly die Chance, den Dänen in
schneller Verfolgung zu stellen und ihn zur Schlacht zu zwingen, ganz so,
wie ihm das drei Jahre zuvor mit dem Halberstädter bei Stadtlohn gelungen
war. So kam es vom 25. bis zum 27. August zu fortgesetzten Scharmützeln
zwischen der von General Fuchs geführten Nachhut des dänisch-nieder-
sächsischen Heeres und der von den Wallenstein’schen Reiterregimentern
unter Oberst Desfours gebildeten Vorhut Tillys.196Jetzt wurde für Christian
der Tross zum Hauptproblem, denn auf den von starken Regenfällen auf­
geweichten Wegen kamen die Wagen nur sehr langsam voran. Da die Rück­
zugsstraße durch ausgedehnte Wälder führte, war eine Beschleunigung
durch parallel marschierende Kolonnen nicht möglich. Christian musste
also, wie drei Jahre zuvor der Halberstädter, den Kampf aufnehmen, wenn
er Bagage, Kanonen und einen Teil seines Heeres nicht auf dem Rückzug
verlieren wollte. Nahe dem Dorf Lutter, zu dem auch ein gleichnamiges
Schloss gehörte, beides in der Nähe von Seesen gelegen, stellte er sich zur
Schlacht. General Fuchs hatte Christian nachdrücklich vor einer Schlacht
gewarnt, nachdem er in mehreren Nachhutgefechten die Unterlegenheit
seiner Soldaten registriert hatte; die dänisch-niedersächsischen Truppen
Die Schlacht von Lutter am Barenberg 329

waren demoralisiert. Christian solle sich, wenn es denn sein müsse, zumin­
dest an einem anderen Ort zur Schlacht stellen, da die bezogene Hügelstel­
lung durch die Wälder auf beiden Seiten umgangen werden könne, ohne
dass sich dies verhindern lasse. Es sei besser, die Bagage zu verlieren als das
Heer. Christian jedoch hielt an seiner Entscheidung fest.
Neben dem Umstand, dass das dänisch-niedersächsische Heer über­
wiegend aus kampfunerfahrenen Truppen bestand, waren die Regimenter
aus den darin versammelten Landsmannschaften auch noch bunt zusam­
mengewürfelt: Sie bestanden aus Engländern und Schotten, Franzosen
und Holländern, Holsteinern und, in der großen Mehrzahl, protestanti­
schen Deutschen. Das hätte kein Nachteil sein müssen, wenn diese Einhei­
ten schon einige Male gemeinsam im Kampf gestanden hätten und dabei
«zusammengeschweißt» worden wären, also das Gefühl der Zusammen­
gehörigkeit, des Füreinander-Einstehens, aber auch des Sich-aufeinander-
verlassen-Könnens ausgebildet hätten. Das war aber nicht der Fall, und das
Fehlen eines landsmannschaftlichen Zusammenhalts machte sich negativ
bemerkbar. Hält man den Bericht des Obersten Robert Monro über die
Einsätze seines ausschließlich aus Schotten bestehenden Regiments dage­
gen, so erfährt man, welche Bedeutung das landsmannschaftliche Zusam­
mengehörigkeitsempfinden in einer fremden und feindlichen Umgebung
erlangen konnte. Dieses Schottenregiment, das zunächst in dänischen und
danach in schwedischen Diensten stand, war militärisch sehr viel leistungs­
fähiger als Einheiten, die sich nicht auf solche Kohäsionsfaktoren stützen
konnten.197
Das Gelände bei Lutter war dem am Weißen Berg nicht unähnlich.198
Christian hatte sein Heer in drei Treffen auf einem ansteigenden Hügel
postiert; am Fuß des Hügels zog sich ein Bach, die Neile, mit morastigen
Uferstreifen auf beiden Seiten hin. Er konnte an einer Stelle auf einer Brü­
cke überquert werden. Ansonsten waren Bach und Morast für Fußtruppen
wie Reiterei durchaus passierbar, freilich bei einer deutlichen Verlangsa­
mung der Bewegung und dem absehbaren Verlust der Gefechtsordnung.
Für eine reine Verteidigungsschlacht war die Stellung des dänisch-nieder-
sächsischen Heeres also durchaus geeignet; es hätten allerdings in großem
Stil Verschanzungen aufgeworfen werden müssen, wozu man in der Kürze
33° FO R T G A N G UND A U SW EITU N G

der Zeit nicht gekommen war. Vor allem hätten die Flanken des Heeres im
Hinblick auf die angrenzenden Waldgebiete gesichert werden müssen, was
Christian aus Nachlässigkeit oder Unerfahrenheit unterließ.

Nachdem es an den vorangegangenen Tagen ausgiebig geregnet hatte, war


der 22. August ein sonniger und heißer Tag. Tilly reagierte darauf, indem
er am Vormittag seine Truppen ruhen ließ und sie erst gegen Mittag in
Gefechtsformation brachte; Christians Heer stand dagegen seit dem Mor­
gen in Schlachtlinie. Von Mittag an hatte Tilly die Sonne im Rücken, wäh­
rend sie den dänisch-niedersächsischen Soldaten im Gesicht stand. Die
dänische Kommandostruktur ging in die Tiefe. Fuchs kommandierte das
erste TrefFen, der König selbst das zweite Treffen, und das dritte Treffen, die
strategische Reserve, stand unter dem Befehl von Rheingraf Otto Ludwig
von Salm-Kyrburg, der, wie Guthrie meint, ein passabler Regimentskom­
mandeur sein mochte, aber mit einem selbständigen Armeekommando
überfordert war. Verhängnisvoller war freilich, dass es sich um eine sehr
grobmaschige Kommandostruktur handelte, bei der keine eigenständige
Führung der Flügel vorgesehen war, und es zwischen den Kommandeuren
eines Treffens und den darin aufgestellten Bataillonen keine Zwischenebe­
nen gab. Obendrein war das Zusammenwirken der drei Treffen schwierig,
da Fuchs keinen Zugriff auf das vom König geführte zweite Treffen hatte,
Christian aber in der entscheidenden Phase der Schlacht fehlte, weil er zum
Tross zurückgeritten war, bei dem es Probleme mit dem Vorankommen gab,
und Christian meinte, nur er selbst könne diese Probleme lösen. Einmal
mehr beschäftigte ihn die Bagage mehr als das Heer. Im Unterschied zu
Christian stützte sich Tilly auf eine Kommandostruktur, die nicht auf Tiefe,
sondern auf Breite hin angelegt war: Das Heer war in das Zentrum und
zwei Flügel gegliedert und hatte auf jedem Flügel noch eine eigenständige
Abteilung, die durch die Wälder Vordringen und den Gegner von der Seite
und im Rücken attackieren sollte.
Tilly eröffnete die Schlacht, indem er seinen rechten Flügel die Neile
überqueren und auf die vor dem ersten Treffen postierten dänischen Kano­
nen vorrücken ließ. Diese hatten sich zuvor bereits mit Tillys Artillerie
ein Feuergefecht geliefert. Fuchs musste darauf reagieren, wenn er seine
Die Schlacht von Lutter am Barenberg 331

Geschütze nicht verlieren wollte, und schickte zunächst die Kavallerie


gegen Tillys Truppen, die inzwischen die Brücke besetzt hatten. Der däni­
sche Gegenangriff kam zunächst gut voran und warf Tillys Reiter zurück,
während ein Infanteriebataillon auf der Brücke standhielt und wie ein Wel­
lenbrecher die dänische Kavallerie in zwei Teile aufspaltete. Tillys Angriff
war jedenfalls gestoppt, und die Dänen zogen sich auf ihre Ausgangspo­
sition zurück. Währenddessen ritten auf dem anderen dänischen Flügel,
ohne dass Fuchs den Befehl dazu gegeben hätte, die beiden Kürassierregi­
menter unter Graf Hermann Wilhelm von Solms-Hohensolms und Philipp
von Hessen-Kassel, dem zweiundzwanzigjährigen Sohn des Landgrafen,
zum Angriff; sie überquerten die Neile und setzten, ohne auf größeren
Widerstand von Tillys linkem Flügel zu stoßen, zu einer wilden Attacke auf
dessen Zentrum an. Es war absehbar, dass sie dabei zwischen das Zentrum
und den linken Flügel Tillys geraten und aufgerieben werden würden. In
diesem Augenblick stand Fuchs vor der Entscheidung, die Kavallerie sei­
nes rechten Flügels abzuschreiben und sich auf den Kampf um die Brücke
zu konzentrieren oder aber sein Zentrum nach rechts schwenken und zur
Unterstützung der eigenmächtigen Kavallerieattacke das Zentrum Tillys
angreifen zu lassen. Fuchs traf die - im Nachhinein betrachtet - falsche
Entscheidung und ließ seine Infanterie den Bach durchwaten und das Zen­
trum des Liga-Heeres angreifen. Das hätte Erfolg haben können, wenn das
zweite Treffen diesen Angriff unterstützt und anstelle von Fuchs’ erstem
Treffen den Kampf um die Neilebrücke übernommen hätte. Aber Chris­
tian war beim Tross. Die Abwesenheit des Königs hatte zur Folge, dass das
zweite Treffen nicht in das Geschehen eingriff.
Als König Christian wieder auf dem Schlachtfeld eintraf, musste er
sich zunächst mit dem Geschehen vertraut machen. Just zu dieser Zeit trat
eines der durch die Wälder rechts und links der dänisch-niedersächsischen
Aufstellung unbemerkt vorgerückten Detachements Tillys auf den Plan
und besetzte das D orf Dolgen in der Flanke von Christians Heer. Darauf­
hin ließ der das dritte Treffen kommandierende Rheingraf das D orf mit
seinen Kanonen in Brand schießen. Die ligistischen Soldaten zogen sich
wieder in den Wald zurück, und ihr Geplänkel hätte keine weitere Wir­
kung gehabt, wenn nicht der Rheingraf von jetzt an wesentlich mit dem
332 FO R T G A N G UND A U SW EITU N G

D orf Dolgen beschäftigt gewesen wäre und seine Aufgabe als strategische
Reserve der Hauptmacht völlig aus dem Auge verloren hätte. Die dänische
Reserve spielte für die Schlacht danach keine Rolle mehr. Ein kleiner ligis-
tischer Verband hatte die gesamte strategische Reserve Christians de facto
ausgeschaltet.
Nachdem die von Fuchs gegen Tillys Zentrum gedrehten Bataillone
durch die Neile gewatet waren, hatten sie jede Gefechtsordnung verlo­
ren, und es handelte sich um eine bloße Masse von 6000 Mann. Anstatt
die Ordnung wieder herzustellen, ließ Fuchs sie in aufgelöster Forma­
tion angreifen, woraufhin ihre Attacke ebenso wie der Reiterangriff unter
schweren Verlusten zusammenbrach. Solms und der Sohn des Fandgrafen
fanden dabei den Tod, und bald wurde auch Fuchs, als er seine zurückflu­
tenden Soldaten aufzuhalten versuchte, von einer Musketenkugel tödlich
getroffen. Damit war die Schlacht entschieden, denn nun ließ Tilly seine
Truppen gegen das bereits demoralisierte zweite Treffen Christians anrü­
cken, das sich, auch weil in seiner Flanke plötzlich die kaiserlichen Solda­
ten von Tillys anderem Detachement auffauchten und ihm das mit dem
D orf Dolgen beschäftigte dritte Treffen nicht zu Hilfe kam, zur Flucht
wandte. Christian, der mehr persönlichen Mut als taktisches Geschick
besaß, versuchte an der Spitze seines Leibregiments die Schlacht noch ein­
mal zu wenden, konnte aber das vorrückende Zentrum Tillys nicht mehr
aufhalten und entkam mit knapper Not der Gefangennahme. Christian ver­
lor an diesem Tag 8000 Mann und den gesamten Artilleriepark; 3000 bis
4000 seiner Soldaten waren gefallen, 2500 gefangen genommen, der Rest
war verschwunden, also vermutlich desertiert. Von Tillys Männern, so gab
er selbst an, seien 200 getötet und 300 verwundet worden. Es kamen noch
200 Ausfälle in den kaiserlichen Regimentern hinzu, die Wallenstein zur
Verfügung gestellt hatte.
Die Schlacht von Lutter am Barenberg war Tillys wichtigster Sieg im
Dreißigjährigen Krieg. In ihrem Verlauf ähnelte sie seinem Sieg bei Stadt­
lohn, aber während er dort dem Kriegsgeschehen keine grundlegende
Wende zu geben vermochte, war das bei Lutter am Barenberg der Fall: Die
Bedrohung durch die Haager Koalition war beseitigt, die Kriegslage in
Norddeutschland von Grund auf verändert, und auch wenn Tilly die Reste
Die Weiterführung des Krieges 333

von Christians Armee nicht verfolgte und dieser bei Wolfenbüttel zumin­
dest seine zersprengte Reiterei sammeln und neu formieren konnte, so
spielte der Däne als eigenständiger Faktor im Landkrieg fortan keine Rolle
mehr. Im Herbst behauptete Christian nur noch ein Gebiet zwischen der
unteren Elbe und der Weser sowie die im Osten an die Elbe anschließen­
den Gebiete nördlich der Havel. Die niedersächsischen Fürsten, die den
Dänen zu ihrem Kreisobersten gewählt hatten, fielen nun reihenweise von
ihm ab,199 und es war abzusehen, dass Christian bei einer Weiterführung
des Krieges weitgehend auf die Hilfsmittel seines eigenen Königreichs
angewiesen sein würde. Nach dieser Niederlage hatte man in London und
im Haag große Zweifel daran, ob der Dänenkönig der Richtige war, Kaiser
und Liga in Deutschland Paroli zu bieten.

Die Weiterführung des Krieges

Auf dem Papier nahm sich die Ausgangslage Christians Anfang 1627 nicht
so schlecht aus, wie man nach der schweren Niederlage von Lutter hatte
erwarten müssen. In Schlesien stand eine Armee von etwa 15 000 Mann,
bestehend aus den von Mansfeld im vergangenen Sommer dort zurück­
gelassenen Truppen, den Überresten des Mansfeldschen Heeres, die
Mitzlaff aus Ungarn zurückgebracht hatte, sowie den im Winter neu rekru­
tierten Soldaten. Die Truppen hatten eine Reihe fester Plätze bezogen, und
Mitzlaff war zuversichtlich, Schlesien gegen die kaiserlichen Einheiten
verteidigen zu können. Weiterhin stand in Mecklenburg ein Armeekorps
mit 12 000 Mann, das von Markgraf Georg Friedrich von Baden-Durlach
befehligt wurde. Nach der Niederlage von Wimpfen hatte er sich aus der
Politik zurückgezogen, die Regierung der Markgrafschaft seinem Sohn
übertragen200 und war als General in die Dienste des Dänenkönigs getreten.
Schließlich hatte Christian selbst im Verlauf des Winters seine bei Lutter
zerschlagene Hauptarmee wieder aufgefüllt und auf einen Gesamtbestand
von 30 000 Mann gebracht. Diese Hauptarmee sollte den Raum von der
Unterelbe bis zur Weser schützen, wobei sie sich auf eine Verteidigungs­
334 FO R T G A N G UND A U SW EITU N G

linie mit den Festungen Wolfenbüttel, Nienburg, Northeim und Stade stüt­
zen konnte.
Das Problem dieser Aufstellung war ihre grundsätzlich defensive Aus­
richtung sowie der Umstand, dass die von der Elbe bis zur Oder verteilten
Truppen im Falle eines Angriffs weitgehend auf sich allein gestellt waren.
Wallensteins strategischem Blick ist das nicht entgangen: Christians starre
Defensive lud geradezu ein, sich die Heeresteile der Reihe nach vorzuneh­
men und sie einzeln auszuschalten. Tilly und Wallenstein kamen überein,
dass die Truppen der Liga den Krieg links der Elbe führen sollten, wäh­
rend sich die kaiserliche Armee auf Schlesien, die Oder und das Gebiet
rechts der Elbe konzentrierte. Wie sich schon bald zeigte, hatte Tilly die
weitaus schwierigere Aufgabe übernommen, während Wallenstein in die­
sem Kriegsjahr mit eher geringem Aufwand große Erfolge erzielte. Damit
wurde die Konstellation von 1626 ins Gegenteil verkehrt, als Wallenstein
einen glanzlosen, mit großen Verlusten verbundenen Krieg in Ungarn
geführt hatte, während Tilly als der strahlende Sieger einer entscheidenden
Schlacht die Glückwünsche aus Wien, München und Brüssel entgegen­
nahm. Papst Urban hatte Tilly als Zeichen des Dankes gar einen geweih­
ten Hut übersandt.201 Wallenstein dagegen wurde wegen seiner angeblich
zögerlichen und unentschiedenen Kriegführung kritisiert, und die ersten
Stimmen wurden laut, die seine Ablösung als kaiserlicher Generalissimus
forderten.202 Am Ende des Kriegsjahres 1627 sollte die Stimmungslage
genau umgekehrt sein.
Das Verhältnis zwischen Tilly und Wallenstein war weiterhin durch
aufgabenorientierte Professionalität gekennzeichnet;203 Tilly litt allerdings
darunter, dass es bei den Soldaten und Offizieren eine wachsende Nei­
gung gab, den Dienst im Heer der Liga zu quittieren und stattdessen in
die Dienste Wallensteins überzuwechseln; fatalerweise war diese Neigung
gerade bei den Tüchtigsten und Leistungsfähigsten festzustellen.204Das lag
freilich nicht nur an den besseren Quartieren und dem höheren Sold, son­
dern auch an den deutlich besseren Aussichten auf Belohnung und Karriere
in der Umgebung Wallensteins. Trotz seines glänzenden Sieges bei Lutter
am Barenberg schien Tillys Stern bald zu sinken, während der Wallensteins
weiter im Steigen begriffen war. Enttäuschung und Resignation machten
Die Weiterführung des Krieges 335

sich im Umfeld Tillys breit - und dazu gab es durchaus Anlass, wenn man
die geringfügigen Belohnungen Tillys mit denen Wallensteins verglich, der
es zum Herzog von Friedland gebracht hatte. Im Sommer 1627 kam noch
das Fürstentum Sagan in Schlesien hinzu.205 Wenn man etwas werden
wollte, war es ratsam, in den Dienst Wallensteins zu wechseln.

Dass der Belagerungskrieg gegen die Festungsstädte Norddeutschlands


sehr viel schwieriger werden würde als der in Schlesien, war im Frühjahr
1627 noch nicht abzusehen. Es war indes fraglich, ob das Massaker von
Münden nachwirken und die Verteidiger der Städte zur schnellen Über­
gabe veranlassen würde,206 denn inzwischen waren bei Christian von Däne­
mark neue Regimenter aus England und Schottland eingetroffen, denen die
Erfahrungen des vergangenen Jahres fremd waren und die darauf brannten,
sich im Kampf auszuzeichnen.207 Die Folgen dessen sollte Tilly bald zu spü­
ren bekommen. Als Erstes rückte Graf Fürstenberg, der Eroberer von Mün­
den, gegen Northeim vor. Tilly hatte bereits im Jahr zuvor versucht, die gut
befestigte Stadt einzunehmen, sich dann aber durch den Vorstoß Christi­
ans ins Eichsfeld genötigt gesehen, die Belagerung abzubrechen und dem
Dänenkönig entgegenzuziehen. Fürstenberg knüpfte da an, wo der Fes­
tungskrieg im vergangenen Sommer geendet hatte. Zu seinem Erstaunen
musste er feststellen, dass der ihm seit Münden vorauseilende Ruf, auf den
Tilly gesetzt hatte, bei den Verteidigern Northeims keine Wirkung zeigte:
Sie lehnten die Kapitulationsaufforderung ab und widerstanden mehreren
Sturmangriffen. Verhandlungen führten schließlich dazu, dass sie in allen
Ehren abziehen konnten. Immerhin war Northeim damit aus dem Fes­
tungsgürtel der Dänen herausgelöst, und im September fielen dann auch
noch Nienburg und Stade. In einem mühevollen Wechsel von Belagerun­
gen und Sturmangriffen wurde eine Festung nach der anderen erobert und
so die Verteidigungslinie der Dänen Stück für Stück aufgebrochen. Dar­
über verging für Tilly das Kriegsjahr 1627 ohne spektakuläre Erfolge.
Zuletzt, am 9. Dezember, kapitulierte auch das von Pappenheim seit
Anfang September belagerte Wolfenbüttel, das holländische Ingenieure zu
einer der modernsten Festungen Norddeutschlands ausgebaut hatten.208
Die vom Grafen Philipp Reinhard von Solms befehligten Verteidiger setz­
33<5 FO R T G A N G UND A U SW EITU N G

ten den Belagerern durch häufige Ausfälle hart zu.209Während Pappenheim


und Solms sich wechselseitig ihrer Ritterlichkeit versicherten, streiften Pap­
penheims Reiter durch die umliegenden Gegenden, plünderten und brand­
schatzten die Dörfer, um dabei aus den Bauern herauszupressen, was noch
herauszupressen war. Nicht von ungefähr zeigten sich damals im Harz erste
Formen eines gewaltsamen Widerstands der Bauern, der sich in diesem Fall
nicht, wie in Oberösterreich, gegen religiösen Zwang und die ihn ausüben­
den Jesuiten, sondern gegen die Soldaten im Allgemeinen und die Reiter
Pappenheims im Besonderen richtete. «D er Wehrstand soll leben - der
Nährstand soll geben» war eine der höhnischen Formeln, wie sie unter
Soldaten mit Blick auf die Bauern üblich waren, oder man sang in den
Unterkünften des Militärs: «Sobald ein Soldat wird geboren, / Sind ihm
drei Bauern auserkoren: / der erste, der ihn ernährt / der andre, der ihm
ein schönes Weib beschert, / der dritte, der für ihn zur Hölle fährt.»210 Pap­
penheims Reiter haben während der Belagerung Wolfenbüttels viel dazu
beigetragen, dass die Bauern der Gegend in den Soldaten, zumal in den
Berittenen, ihren Todfeind sahen und diese, wenn sie ihrer habhaft wur­
den, gnadenlos totschlugen. Wie kaum anders zu erwarten, führte das zu
Repressalien, die den Hass der Bauern auf das Militär weiter steigerten. Sie
stellten Hinterhalte, schachteten Gruben aus, in die Reiter hineinstürzten,
und nutzten alle Möglichkeiten eines gnadenlosen Kleinkriegs. So wurde
der Partisanenkrieg zum Begleiter des Festungs- und Belagerungskrieges.
Die konzentrierte Gewalt der Belagerer richtete sich gegen die Verteidiger
der Festung, wohingegen die diffuse Gewalt die nähere und weitere Umge­
bung der Festungsstädte erfasste.211
Die Belagerung einer Festung war somit nicht nur für die Einwohner
der befestigten Stadt eine Periode des Grauens, sondern auch für die Land­
bevölkerung in einem Umkreis von 20 bis 30 Kilometern. Im Vergleich dazu
war die Feldschlacht ein Vorgang, der nur die Soldaten selbst betraf und
bei dem die Bauern sich Entschädigung verschafften, indem sie nach dem
Kampf auf dem Schlachtfeld erschienen und die Toten und Schwerver­
wundeten ausplünderten. Von mitgeführten Wertgegenständen bis zu den
Stiefeln war für sie alles von Interesse, was zur Folge hatte, dass auf einem
Schlachtfeld wenige Tage später zumeist nur noch nackte Körper lagen, bei
Die Weiterführung des Krieges 337

denen sich weder durch die Bekleidung noch die als Erkennungszeichen
getragenen Armbinden feststellen ließ, welcher Seite die Toten einmal ange­
hört hatten. Nur die Leichen höherer Offiziere wurden geborgen und ihren
Familien überbracht, wie das Tilly mit dem bei Lutter getöteten zweiten
Sohn des Landgrafen von Hessen-Kassel tat.212 Die einfachen Soldaten ließ
man liegen, und neben den Bauern machten sich die Leute aus dem Tross
des siegreichen Heeres an die «Resteverwertung» des Schlachtfelds. Als
die Schweden am Tag nach der Schlacht von Lützen ihren toten König Gus­
tav Adolf suchten, war er, als man ihn endlich fand, bereits völlig ausgeplün­
dert.213 Und die Wallenstein’schen Kürassiere, die nach dem Gefecht bei
Landsberg an der Warthe nach ihrem Kommandeur, dem Oberst Pechmann,
suchten, fanden von ihm nur noch ein paar Stücke seiner Rüstung.214
Die Belagerung Wolfenbüttels zog sich über drei Monate hin. Ende
November war Pappenheim klar, dass er, wenn die Verteidiger nicht bald
kapitulierten, die Belagerung aufheben und in die Winterquartiere abzie-
hen musste. Um doch noch zum Erfolg zu kommen, ließ er die Bauern der
Umgebung zusammentreiben und einen Staudamm aufschütten, durch
den das Flüsschen Oker in die Stadt hinein umgeleitet wurde und diese
überflutete. Als Erstes liefen die Keller voll, und bald standen auch die
Erdgeschosse der Häuser unter Wasser.2ls Am 9. Dezember kapitulierten
die Verteidiger Wolfenbüttels, nachdem sie für sich freien Abzug heraus­
gehandelt hatten. «Ich habe aber die Maisten underwegs niederhaun, teils
auch unterstoßen lassen», schrieb Pappenheim in einem Brief an den
Markgrafen von Kulmbach.216 Ritterlichkeit gab es nur sehr begrenzt, wenn
man es nicht mit adligen Standesgenossen zu tun hatte: Wer von den Sol­
daten nicht in Pappenheims Dienste treten wollte (was mit «unterstoßen»
gemeint ist), wurde kurzerhand niedergemacht.
Tilly brauchte das gesamte Jahr 1627, um den dänischen Festungsgür­
tel Glied für Glied aufzubrechen. An einen Vorstoß in die Territorien des
Dänenkönigs war danach nicht mehr zu denken. Das war die Art von Tillys
strategischem Vorgehen: Er wollte die Festungen nicht umgehen, sondern
sie erobern, bevor er sich auf einen Vorstoß nach Holstein einließ. Die Folge
war, dass Tilly dieses Mal gegenüber Wallenstein das Nachsehen hatte. Der
stand in Schlesien zwar ebenfalls vor der Aufgabe, eine größere Anzahl
33« FO R T G A N G UND A U SW EITU N G

von Festungen erobern zu müssen, ging die Herausforderung aber gänz­


lich anders an. Wallenstein befehligte im Frühjahr 1627 ein Heer von mehr
als 100 000 Mann, und das setzte er für ein großes strategisches Projekt
ein: Er wollte den Feind in Schlesien innerhalb kurzer Zeit schlagen und
gleichzeitig verhindern, dass sich größere Verbände des dänischen Heeres
oderaufwärts bis zu dem zwischen Elbe und Havel stehenden Markgrafen
von Baden-Durlach zurückziehen konnten, um mit diesem gemeinsam
eine neue Widerstandslinie zu bilden. Das hätte Wallensteins Vorstoß nach
Nordwesten, hei dem er Tilly zu überholen beabsichtigte, verzögert oder
aufgehalten. Nachdem er das zurückliegende Jahr in Ungarn verloren hatte,
wollte Wallenstein den Dänenkrieg noch in diesem Jahr beenden - und
zwar so gründlich, dass Christian IV. sich danach nie wieder in die Angele­
genheiten des Reichs einmischen würde. Also ließ er bereits im April den
Unterlauf der Havel und die Brücken über die Oder mit starken Kräften
besetzen. Dadurch sollte ein Netz gespannt werden, in dem aus Schlesien
entkommende Truppen gefangen und an der Verbindung mit dem bei
Havelberg stehenden Markgrafen gehindert wurden. Die Havellinie war
die letzte der «Mausefallen»,217 die Wallenstein für die ihrer Vernichtung
in Schlesien entgangenen Truppen aufstellte. Dass er die Truppen Chris­
tians zerschlagen würde, stand für ihn außer Frage: Im Heerlager an der
Neiße hatte er mehr als 40 000 Mann zusammengezogen, um mit ihnen
nach Schlesien einzufallen. Er war dem Feind somit um fast das Dreifache
überlegen. Außerdem führte er einen gewaltigen Geschützpark mit sich,
dem die Mauern der nicht auf dem neuesten Stand befindlichen Festungen
Schlesiens kaum standhalten würden.
Innerhalb von 24 Stunden kapitulierte die Garnison von Leobschütz,
und die meisten Soldaten wechselten in Wallensteins Dienste;218 in Jägern-
dorf wurde eine Woche lang Widerstand geleistet, bevor die Verteidiger
aufgaben; schließlich hielten die Protestanten nur noch die starke Festung
Cosel an der Oder, bei der man mit einer längeren Belagerung rechnete,
aber Wallenstein fand einen Weg durch das versumpfte Gebiet, das die Fes­
tung umgab, und eroberte sie nach nur vier Tagen. Die dänische Kavallerie
entkam, was von Wallenstein offenbar beabsichtigt war, wurde jedoch von
Pechmanns Kürassieren an der Warthe gestellt und aufgerieben. Teschen
Die Weiterführung des Krieges 339

war als Nächstes dran, danach Troppau, das mit zwei Wochen den längsten
Widerstand leistete. Ende Juli war Schlesien in Wallensteins Hand.

Anfang August brach das kaiserliche Heer in drei Kolonnen nach Nordwes­
ten auf. Die von Wallenstein und Schlick geführten Kolonnen bewegten
sich parallel zueinander über Cottbus in Richtung Elbe und rückten dann
auf dem linken Elbufer bis Lauenburg vor, ohne auf ernsthaften Widerstand
zu stoßen. Rechts davon operierte ein weiteres Detachement unter Hans
Georg von Arnim-Boitzenburg, das über Brandenburg nach Mecklenburg
vorstieß. Mecklenburg interessierte Wallenstein besonders, denn die bei­
den Herzoge des Landes, Johann Albrecht von Mecklenburg-Güstrow und
Adolf Friedrich von Mecklenburg-Schwerin, hatten den Dänenkönig offen
unterstützt. Wallenstein wollte an ihnen ein Exempel statuieren, das dem an
Friedrich V. ähnlich sein sollte. Doch dazu musste Mecklenburg zunächst
erobert und besetzt werden. Das geschah Ende August; zu größeren Kampf­
handlungen kam es dabei nicht. Das System der «Mausefallen» hatte dazu
geführt, dass die gegnerischen Truppen sich schnell zurückzogen, bevor
solche Auffangnetze gespannt werden konnten. Wallenstein bedankte sich
bei Arnim ausdrücklich für dessen zielstrebige und effektive Operations­
führung: «Ich erfreu mich mit dem Herrn», schrieb er an ihn, «daß er mit
einer Handvoll Kriegsvolk mehr effektuiert als andere, die fünfmal so viel
davon haben. Daraus sein Valor [Wert] zu sehen ist.»219 An Wallensteins
Erfolgen ist auch bemerkenswert, dass zwei seiner Heeresabteilungen von
Protestanten geführt wurden: dem Grafen Schlick, der am Weißen Berg
noch auf böhmischer Seite gekämpft hatte, und dem gelobten Freiherrn
von Arnim, der zuvor in schwedischen Diensten gestanden hatte.
In den ersten beiden Augustwochen erkämpften Truppen Tillys den
Übergang über die Havel; Markgraf Georg Friedrich, der sich mit etwa
10 ooo Mann in Havelberg festgesetzt hatte, leistete erbitterten Wider­
stand. Nach sechs Tagen ständiger Scharmützel gelang es den von Herzog
Georg von Lüneburg geführten Truppen des Liga-Heeres, den Fluss zu
überqueren.220 Als sich unter den dänischen Verteidigern des Havelberger
Dombergs, die sich auf eine hinhaltende Verteidigung vorbereitet hatten,
die Nachricht verbreitete, Truppen Wallensteins seien im Anmarsch (es
340 FO R T G A N G UND A U SW EITU N G

handelte sich um das Korps unter Arnim, das zu dieser Zeit in der Prignitz
operierte), räumten sie über Nacht ihre Stellungen und zogen sich nach
Norden zurück. Bevor man von kaiserlichen und ligistischen Truppen in
die Zange genommen wurde, gab man lieber die strategisch wichtige Posi­
tion an der Mündung der Havel in die Elbe auf. Der Rückzug aus Havelberg
in der Nacht zum 14. August markiert die endgültige Wende des Krieges
im Norden: Hatten die Truppen Christians bis dahin zähen Widerstand
geleistet (was sie im Nordwesten noch einige Zeit taten), so begann für sie
nun eine Phase des Zurückweichens, was dazu führte, dass bis Jahresende
nicht bloß Holstein von Wallensteins Truppen besetzt wurde, sondern die
von Graf Schlick geführten Verbände bis zur nördlichen Spitze Jütlands
vorstießen, wo ihr Vormarsch am Öresund zum Stehen kam.
Nach Havelberg war das die zweite Wende dieses Kriegsabschnitts:
Der in Form weit ausholender Bewegungen und gelegentlicher Gefechte
geführte Krieg endete, und was nun begann, war ein amphibischer Krieg, in
dem Christian, der sich mit den Resten eines Heeres auf die Inseln Fünen
und Seeland zurückgezogen hatte, die Initiative zurückgewann und ein stra­
tegisches Gleichgewicht herstellte. Zu Lande waren die Heere des Kaisers
und der Liga die Herren des Geschehens, und alle Versuche des dänischen
Königs, hier wieder Fuß zu fassen, sei es, um Jütland oder Holstein zurück­
zuerobern, sei es, um Wallenstein Nadelstiche zu versetzen, scheiterten
kläglich oder endeten, wie die Schlacht bei Wolgast, für den König in einem
Desaster.221 Umgekehrt verfügte Wallenstein, der nach einer schweren Ver­
wundung Tillys Mitte September vor Pinneberg für den Rest des Jahres die
Operationen allein leitete, über keinerlei Möglichkeit, den Dänen über das
Meer hinweg zu folgen: Es fehlten die Schiffe. In Einzelfällen, wie im Fall
von Fehmarn, gelang es ihm zwar, ein größeres Truppenkontingent auf der
Insel anzulanden, aber er konnte es weder dauerhaft versorgen noch ver­
stärken, da die dänische Flotte die Zufahrten sperrte. Wenn Wallenstein
Glück hatte, konnte er die Truppen dann zurückziehen, oder diesen blieb
nach einigen Wochen nichts anderes übrig als zu kapitulieren.222
So war der Krieg in einen labilen Stillstand geraten; zwar kam es immer
wieder zu größeren oder kleineren Scharmützeln, aber sie veränderten
nichts an der strategischen Gesamtlage. Wallenstein beherrschte das Land,
Die Zölle, die auf die Schiffspassage durch den Öresund erhoben wurden,
ermöglichten es der dänischen Krone, ohne Freigabe finanzieller Mittel
durch die Ständevertreter Krieg zu führen. Der Kupferstich entstammt
dem fünften Band der Civitates Orbis Terrarum von Georg Braun und Franz
Hogenberg und zeigt den regen Schiffsverkehr im Öresund, eine Folge
des ständig wachsenden wirtschaftlichen Austauschs zwischen Nord- und
Ostsee.

Christian das Meer, und es war nicht abzusehen, dass einer der beiden in
der Lage sein würde, daran etwas zu ändern. Eigentlich wäre es unter die­
sen Umständen naheliegend gewesen, von der Kriegführung zu einer Ver­
handlungslösung überzuwechseln, doch dem stand der Umstand entgegen,
dass Tilly und Wallenstein bei ihrem Treffen in Lauenburg am 2. Septem­
ber, also noch vor Tillys Verwundung, ein Zwölfpunkteprogramm für den
Frieden aufgestellt hatten, das so hart war, dass es von Christian umgehend
zurückgewiesen wurde. Mit einer anderen Reaktion hatte man auf Seiten
des Kaisers und der Liga freilich auch nicht gerechnet. Golo Mann hat die
Lauenburger Friedensbedingungen knapp zusammengefasst: Christian
müsse «sein Heer entlassen und völlig abrüsten; auf die Würde des nie­
dersächsischen Rreisdirektors für immer verzichten; das Territorium, das
allein ihm ein scheinbares Recht auf jenes Reichsamt gegeben, Holstein,
an den Kaiser abtreten, der darüber nach Belieben verfügen würde; den
Schaden, den der von ihm geführte unnötige Krieg den deutschen Fürsten
und Städten getan, zur Gänze vergüten, das hieß, auch den von der ande­
ren Seite verursachten Schaden; in keiner Zukunft mehr gegen das Haus
Österreich gerichtete Bündnisse eingehen; die Schiffahrt durch den Sund
freigeben, so, dass sie nicht mehr durch Zölle belästigt würde».223
A uf drei Punkte dieser Bedingungen für den Frieden würde sich Chris­
34* FO R T G A N G UND A U SW EITU N G

tian, solange er nicht völlig geschlagen war, niemals einlassen: den Verzicht
auf die Grafschaft Holstein; die Preisgabe der auf die Passage durch den
Öresund erhobenen Zölle, die wichtigste Einnahmequelle des Königs;
und schließlich die Entschädigungszahlungen, die, wenn sie in der Höhe
des entstandenen Schadens entrichtet werden sollten, Dänemark auf Jahr­
zehnte finanziell ruiniert hätten. Aber diese Zahlungen waren verhandel­
bar; die Holstein-Frage war schon schwieriger, doch auch bei ihr ließen
sich Kompromisse finden; die Zölle für die Sundpassage hingegen stellten
Dänemarks Rolle als Hegemonialmacht im Ostseeraum in Frage. Hier ging
es darum, wer zukünftig Herr in der Ostsee sein würde, und die Beantwor­
tung dieser Frage sollte für den Fortgang des Krieges bis zum Lübecker Frie­
den im Jahr 1629 ausschlaggebend sein. Wal lenstein, der beim Lauenburger
Zwölfpunkteprogramm federführend war, hatte diesen Punkt bewusst ein­
gebracht - erstens, weil die Sundzölle die Basis der dänischen Kriegsfinanz
bildeten, und zweitens, weil sie der Angelpunkt für ein Projekt waren, das,
wenn es gelang, das Machtgefüge nicht nur im Ostseeraum, sondern in
ganz Nordwesteuropa grundlegend verändern würde. Im Grunde genom­
men war Christian für Wallenstein nur noch ein kleiner Stein in dem gro­
ßen Spiel um die Neuordnung der europäischen Machtverhältnisse, und
dabei hatte er neben Schweden vor allem die Niederlande und England im
Auge. Die Schachfigur Dänemark mochte für sich allein inzwischen unbe­
deutend sein,224 aber wenn man mit ihr den richtigen Zug machte, ließ sich
die machtpolitische Gesamtlage verändern. Das war es, was Wallensteins
strategische Überlegungen im Herbst 1627 prägte.

Das spanisch-kaiserliche
Ostseeprojekt

Wallenstein befand sich zu dieser Zeit auf dem Höhepunkt seiner Macht -
sowohl hinsichtlich seines persönlichen Reichtums und der Gebiete, in
denen er die Landesherrschaff übernommen hatte, als auch in seinem Ver­
hältnis zum Kaiser. Nie mehr sollten ihm so viele Optionen zur Verfügung
Das spanisch-kaiserliche Ostseeprojekt 343

stehen wie damals. Im Frühjahr 1627 bereits war ihm das Fürstentum Sagan
in Schlesien als erbliches Lehen übergeben worden, und nun ging es ihm,
nachdem er für kurze Zeit den Eindruck erweckt hatte, er sei an Jütland
interessiert, um das Herzogtum Mecklenburg, das der Kaiser gegen den
Widerstand einiger Reichsstände Mitte Februar 1628 auf Wallenstein über­
trug. Einmal mehr fehlte dem Kaiser das Geld, um die bei Wallenstein ange­
häuften Schulden zu begleichen. Wie schon im Falle Friedlands und Sagans
bezahlte Ferdinand II. mit Land und dem Recht, es zu nutzen. Die Über­
tragung erfolgte in zwei Schritten: Zunächst erwarb Wallenstein das Land
gegen eine Minderung der Schulden, die der Kaiser bei ihm hatte, dann
wurde ihm das bereits gekaufte Land vom Kaiser als Lehen übertragen.
Die entscheidende Passage des auf den 12. Februar 1628 datierten
kaiserlichen Schreibens lautete: «Wir überlassen [...] obangeregtes Her­
zogthum Mecklenburg, Fürstenthum Wenden, Grafschaft Schwerin, Herr­
schaft der Lande Rostock und Stargardt und in Summa den ganzen Stato,
den [die bisherigen Herzoge] sonsten besitzen, mit aller landesfürstlichen
Hoheit, Superiorität, Jurisdiction und Regalien [... ] Unsers Oheimbs und
Herzogens zu Friedland Ld. seiner weltkundigen uns erwiesener erspriess-
lichen und nützlichen Dienste halber.»225 A uf den ersten Blick stellten
Friedland, Sagan und Mecklenburg einen Flickenteppich von Herrschafts­
gebieten dar; tatsächlich aber verband die Elbe dies alles miteinander; oder
anders gesagt: sie war der «Zentralnerv» der Wallenstein’schen Herr­
schaftsbildung, wie Wedgwood schreibt.226 Wallenstein interessierte sich
dabei ebenso wenig für nationale Zugehörigkeiten, wie er auf konfessio­
nelle Unterschiede und Gegensätze Rücksicht nahm. Es gehörte zu seinen
Grundüberzeugungen, dass sich die Frage der religiösen Identität politisch
neutralisieren ließ, wenn man ihr nicht zu viel Bedeutung beimaß und sie
nicht zu einem das Leben der Menschen bestimmenden Faktor machte.
Das hieß nicht, dass Wallenstein eine Politik der religionspolitischen Tole­
ranz betrieb; das kann man mit Blick auf sein Herzogtum Friedland nicht
sagen. Aber er wollte konfessionelle Vorschriften in jedem Fall so locker
halten, dass sie die Menschen nicht zu Widerstand und Aufruhr antrieben.
Letzten Endes waren für ihn Fragen der Religion machtpolitische Fragen,
und nach dieser Maßgabe waren sie auch zu beantworten.
344 FO R T G A N G UND A U SW EITU N G

Für Wallenstein waren geographische und ökonomische Fragen sehr


viel wichtiger als solche der Konfession und der Zurechnung zu einer
Nation. Dementsprechend baute er entlang geographischer Gegebenhei­
ten und wirtschaftlicher Möglichkeiten ein Herrschaftsgebilde auf, das sich
von der oberen bis zur unteren Elbe erstreckte, das über den großen Fluss
an den europäischen Handel angebunden war und in dem sich eine nach
merkantilistischen Prinzipien organisierte Wirtschaft entwickeln ließ. Sie
sollte dauerhaft ein Mehrprodukt erwirtschaften, das Wallenstein für seine
eigenen Zwecke abschöpfen konnte.227 Dabei war er selbst dem Luxus nicht
abgeneigt, wie seine Güstrower Hofhaltung während dieser Jahre zeigt.
Um diesen Herrschaftsraum an der Elbe zu entwickeln, musste der Krieg
jedoch zu Ende gehen, und insofern verwundert es nicht, dass seit 1628 in
Wallensteins Briefen immer wieder davon die Rede ist, man müsse die zur
Zeit günstigen Rahmenbedingungen nutzen, um einen umfassenden und
dauerhaften Frieden zu schaffen. Bereits im Herbst 1627, als absehbar war,
dass die Festlandspositionen des Dänenkönigs zusammenbrechen würden,
schrieb Wallenstein nach Wien an Gerhard von Questenberg, der Kaiser
solle so schnell wie möglich mit Dänemark Frieden schließen, «denn sol­
che Gelegenheit, im Reich Friedt zu machen, wird sich nicht bald präsen­
tieren wie itzunder»228. Das war für einen Mann, der durch den Krieg groß
geworden war, eine bemerkenswerte Äußerung. Von nun an - und zwar bis
zu seiner Ermordung in Eger - musste sich Wallenstein zwischen Krieg und
Frieden entscheiden. Da er sich beide Optionen offenzuhalten versuchte
- den Krieg, dem er seine Größe verdankte, und den Frieden, in dem er
diese Größe erst würde genießen können - entwickelte er immer mehr eine
Disposition der Entscheidungsschwäche, der Zögerlichkeit und des bloßen
Zuwartens. Die Anfänge dieser Selbstpassivierung, die in den Monaten vor
seiner Ermordung dann deutlich hervortrat, lassen sich bereits im Jahr 1628
ausmachen: So forderte er in Briefen zum Frieden auf und formulierte
zugleich Bedingungen dafür, die nicht zu erfüllen waren.
Wallenstein scheint sich darüber im Klaren gewesen zu sein, dass das
Reich angesichts der dem Kaiser unter normalen Umständen zur Verfü­
gung stehenden Mittel in seiner augenblicklichen Machtentfaltung über­
dehnt war und dass diese Überdehnung sich auf Dauer nicht durchhalten
Das spanisch-kaiserliche Ostseeprojekt 345

ließ.229 Seinem strategisch geschulten Blick war nicht entgangen, wie sehr
das Wiener Kaiserhaus von spanischen Hilfsgeldern abhing: Solange diese
flössen, konnte man den Krieg weiterführen, aber man musste davon aus­
gehen, dass die Zahlungen irgendwann eingestellt würden - oder Spanien
dafür Gegenleistungen erwartete, die den Kaiser in Schwierigkeiten brach­
ten. 1628 war ein Wendepunkt in der spanischen Unterstützung des Wiener
Kaiserhauses. Zum einen gelang es in diesem Jahr einem niederländischen
Kaperverband unter dem Admiral Piet Hein (Heyn), die spanische Silber-
flotte in der Karibik - in der Bucht von Matanzas - zu überraschen und
ohne weitere Verluste unter die eigene Kontrolle zu bringen; zum anderen
drängte Spanien, das auf kaiserlich-ligistische Unterstützung in den Nieder­
landen lange vergeblich gewartet hatte, nun entschieden darauf, dass ihm
im Streit um die Erbfolge im Herzogtum Mantua kaiserliche Truppen zu
Hilfe kamen.230 Wallenstein dürfte erkannt haben, dass die Überdehnung
der kaiserlichen Macht damit akut wurde: Vergeblich riet er dem Kaiser,
er solle sich aus dem Streit um Mantua heraushalten, und als Ferdinand II.
sich dann doch auf spanischer Seite gegen die Franzosen in Italien enga­
gierte, stellte er eher zögerlich die für den neuen Kriegsschauplatz benö­
tigten Truppen ab. Er ahnte, dass sie ihm im Nordosten des Reichs gegen
Schweden fehlen würden. Der Verlust der spanischen Silberflotte war auch
darum ein herber Schlag, weil dadurch nicht nur die spanischen Subsidien
für den Krieg in Deutschland ausblieben, sondern das erbeutete Silber - es
ging um immerhin elfeinhalb Millionen Gulden - nun den Generalstaaten
zur Verfügung stand, die es nutzten, um den fast versiegten Festungs- und
Belagerungskrieg in ihrem Land neu zu entfachen.231
Im Mai 1629 begann Prinz Friedrich Heinrich mit der Belagerung des
m spanischer Hand befindlichen Herzogenbusch, und es war klar, dass
diese Festung nicht zu halten war, wenn der Kaiser ihr keine Armee zum
Entsatz schickte. Das sprach dafür, so schnell wie möglich mit Dänemark
Frieden zu schließen. Wallenstein forderte Graf Trauttmansdorff auf, den
Kaiser zum Abschluss eines umfassenden Friedens zu bringen, damit das
Reich stabilisiert werden und die Armee, wenn auch in verkleinerter Form,
erhalten bleiben könne. Dabei dürfe er keine Zeit verlieren, «denn unsere
Feinde werden sich stärken und wir werden weichen müssen aus Mangel
34<S FO R T G A N G UND A U SW EITU N G

des Unterhalts».232 Wallenstein bezog das zunächst auf den dänischen


König: «Unsere Sachen werden nicht in solchen gutem terminis auf die
Dauer bleiben können, dagegen aber haben sich die des dänischen Königs
noch nie in so argen befunden.»233 Er hatte aber nicht nur Dänemark, son­
dern die machtpolitische Gesamtlage Europas im Auge, und die entwi­
ckelte sich für den Kaiser alles andere als erfreulich.
Sowohl die aktuelle Situation des Kriegs mit Dänemark als auch die
dem Kaiserhaus längerfristig verfügbaren Ressourcen im Ringen um die
Macht in Europa sprachen aus Wallensteins Sicht für einen baldigen Frie­
densschluss - dennoch entwarf er Pläne, die darauf hinausliefen, den Krieg
nicht etwa zu beenden, sondern ihn sogar auszuweiten. So verhandelte
er mit Polen, um dessen eher friedenswilligen König Sigismund dazu zu
bewegen, den Krieg gegen Gustav Adolf fortzusetzen,• gleichzeitig verhan­
delte er mit Schweden, das er in einen Krieg gegen Dänemark um die Ost­
seehegemonie hineinziehen wollte, da so der Dänenkönig auch auf seinen
Inseln angreifbar sein würde; vor allem aber beriet er sich mit Spanien über
den Aufbau einer Flotte, die den Kaiser - und das hieß konkret: ihn, Wal­
lenstein - in die Lage versetzen sollte, selbst die Hegemonie im Ostseeraum
zu erringen; außerdem sollten die Niederländer mit dieser Flotte aus dem
Ostseehandel herausgedrängt werden.
Das war das größte Projekt, das Wallenstein zu diesem Zeitpunkt ver­
folgte, denn wenn es gelang, die Grundlagen des niederländischen Reich­
tums zu treffen, würde das den Generalstaaten die wirtschaftliche Basis für
den Krieg gegen Spanien entziehen. Die Niederländer waren die führende
Macht im lukrativen Ostseehandel, und wenn ihnen dieser verloren ging,
würden sie sich politisch neu orientieren müssen. Ein solcher Schlag gegen
die Niederländer hatte schon lange auf der spanischen Agenda gestan­
den,234 aber bislang hatten die Voraussetzungen gefehlt, dieses Projekt in
großem Stil zu verfolgen, und nur in großem Stil würde es die Effekte haben,
um die es ging. All das lief jedoch auf eine Eskalation des Krieges hinaus.
Das «Rätsel Wallenstein» entstand nicht erst in der Zeit des zweiten
Generalats mit der Frage, ob sich der Herzog gegen den Kaiser verschworen
habe oder nicht, sondern bereits während des ersten Generalats, als Wal­
lenstein allenthalben zu einem schnellen Friedensschluss riet, aber Hand­
Das spanisch-kaiserliche Ostseeprojekt 347

lungen unternahm und Projekte verfolgte, die den Krieg erheblich voran­
trieben. Wie lässt sich das erklären? Lässt sich das «Rätsel Wallenstein»
auflösen, indem die konkurrierenden Rationalitäten dieses augenschein­
lich überaus widersprüchlichen Verhaltens nachgezeichnet werden?

Es gab für Wallenstein gute Gründe, die gegen einen umfassenden Frieden
und für die Weiterführung des Krieges sprachen. Sobald nämlich ein sta­
biler Frieden im Reich und an dessen Peripherie herrschte, gab es keinen
Anlass mehr, ein so großes Heer wie das von ihm geschaffene weiterhin zu
unterhalten. Im Jahr 1628, als die dänische Bedrohung nicht mehr akut war
und es eigentlich nur noch um die Frage ging, wie und zu welchen Bedin­
gungen der Friedensschluss mit Christian IV. erfolgen sollte, mehrten sich
die Klagen über die mit den Einquartierungen kaiserlicher Regimenter und
die mit den Kontributionen verbundenen Lasten. Vor allem seitens der
Liga wurden diese Klagen laut und energisch vorgetragen, da inzwischen
auch deren Mitglieder (vorerst mit Ausnahme Bayerns) von den Einquar­
tierungen kaiserlicher Truppen und von Kontributionen nicht mehr ver­
schont blieben, obwohl sie doch, so der Einwand, ihren Beitrag durch die
Zahlungen an die Liga bereits entrichtet hätten.235
A uf dem Liga-Treffen in Bingen vom Anfang Juli 1628 begnügte man
sich erstmals nicht mehr mit der Forderung nach einer deutlichen Trup­
penreduzierung, sondern verlangte die Entlassung Wallensteins.236 Über
seine Gewährsleute am Wiener H of dürfte Wallenstein alsbald davon erfah­
ren haben, und spätestens von diesem Zeitpunkt an war ihm klar, dass der
Frieden seine Machtposition im Reich grundsätzlich in Frage stellen würde.
Dabei ging es nicht nur um seine Stellung als Oberkommandierender des
kaiserlichen Heeres; die Reichsstände störten sich auch an seiner Beleh­
nung mit dem Herzogtum Mecklenburg, der sie in einer Reihe von symbo­
lischen Akten die Anerkennung verweigerten.
Der Frieden, das scheint Wallenstein im Verlauf des Jahres 1628 immer
klarer geworden sein, drohte zu einer Gefahr für das zu werden, was er im
Krieg errungen hatte. Er war darauf angewiesen, dass der Krieg weiterging,
und dementsprechend brachte er die Idee ins Spiel, dass nach dem Frie­
densschluss mit Dänemark der Krieg gegen die Türken, den «Erbfeind»
348 FO R T G A N G UND A U SW EITU N G

des Wiener Kaiserhauses, weitergeführt werden solle. Immer wieder taucht


in Wallensteins Briefen die Vorstellung auf, er werde das Heer nach Südos­
ten «transferieren» und einen Krieg gegen das Osmanische Reich begin­
nen, um die Türken aus Europa herauszudrängen.237 «D er Herr», schreibt
Wallenstein am 17. Mai 1628 an Arnim, «weiß meine Intention, daß ich gern
den Krieg wider den Türken transferieren wollte, und habe allbereits den
Kaiser und alle Minister, wiewohl etliche mit harter Mühe, dazu dispo­
niert.»238 Wallenstein wollte den Krieg, auf den er angewiesen war, mög­
lichst weit weg von den beiden Zentren seiner Herrschaft, Friedland und
Mecklenburg, geführt wissen. Also sprach er vom Frieden, den das Reich
brauche, und plante gleichzeitig einen neuen Krieg, der die Kräfte des
Reichs abermals bis zum Äußersten anspannen würde.
Nimmt man Wallensteins Pläne für einen großen, offensiv geführten
Türkenkrieg ernst - was nicht alle Forscher tun, denn einige halten das
Türkenkriegsprojekt für bloßes Gerede, mit dem Wallenstein Zeit für die
Erhaltung des Heeres gewinnen wollte - , dann verfolgte der Herzog ein
Vorhaben, das erst ein knappes Jahrhundert später von Prinz Eugen reali­
siert wurde. Die Chancen für einen erfolgreichen Türkenkrieg waren Ende
der 1620er Jahre indes nicht schlecht, da das Osmanische Reich in immer
neue Kriege mit den Persern verwickelt war239 und ein Balkanfeldzug des
Kaisers für den Sultan einen Zweifrontenkrieg bedeutet hätte, der die Kräfte
der Osmanen wahrscheinlich überfordert hätte. Man darf bezweifeln, dass
sich der Kaiser und der Wiener Hof, von den Kurfürsten ganz zu schweigen,
auf einen solchen Krieg eingelassen hätten, auch wenn Wallenstein in dem
Brief an Arnim behauptete, er habe die maßgeblichen Personen des Reichs
für sein Projekt gewonnen. Tatsächlich hatte der Kaiser zu eben der Zeit,
als Wallenstein dies schrieb, den Frieden mit den Türken verlängert und auf
ein solides Fundament gestellt. So sehr die Idee eines Kreuzzugs in der Vor­
stellungswelt Ferdinands II. eine Rolle spielen mochte - was ihn vor allem
beschäftigte, war die Wiederherstellung der römisch-katholischen Macht in
Deutschland, die nach dem Sieg über die Dänen in greifbare Nähe gerückt
war. Die Türken ermöglichten durch ihr Stillhalten in den späten 1620er
Jahren die kaiserliche Machtentfaltung im Reich, gleichzeitig verschaffte
die habsburgische Präferenz für das Vorantreiben der Gegenreformation in
Das spanisch-kaiserliche Ostseeprojekt 349

Deutschland dem Osmanischen Reich in dessen schwieriger Lage Entlas­


tung. An dieser stillschweigenden Interessenkoalition zwischen Wien und
Konstantinopel konnte auch der Herzog von Friedland und Mecklenburg,
wie Wallenstein sich jetzt offiziell nannte, nichts ändern.

Gleichwohl verfügte Wallenstein im Unterschied etwa zu Tilly, der an die


Weisungen Maximilians gebunden war und diese selbst dann befolgte, wenn
er sie, wie bei dem Verbot eines Feldzugs gegen die Niederlande, für falsch
hielt, über politische Handlungsmacht: Er exekutierte nicht einfach Vorga­
ben, die er aus Wien erhielt, sondern setzte durchweg allgemein formulierte
Erwartungen des Kaisers nach eigener Auffassung in operative Politik um.
Darin stand er politischen Akteuren wie Richelieu oder Olivares deutlich
näher als Heerführern wie Tilly. Dieser war stets Militär, nie Politiker; Wal­
lenstein hingegen war fast immer beides zugleich, und beinahe könnte man
sagen, er war ein Machtpolitiker, der angesichts der Konstellation im Reich,
dem fortdauernden Krieg und der Schwäche des Kaisers, zum Militär
geworden war - sei es, weil er nur in dieser Rolle seine eigenen Vorstellun­
gen umsetzen konnte, sei es, weil er hier das größte Defizit im kaiserlichen
Machtportfolio ausgemacht hatte und diese Lücke ausfüllen wollte.
Aber selbst wenn Letzteres für Wallenstein ausschlaggebend gewesen
sein sollte, so handelte er doch nie ausschließlich im Interesse des Kaisers
oder des Reichs, sondern hatte stets auch die eigenen Interessen im Auge.
Nach der Niederschlagung des böhmischen Aufstands hatte er sich hem­
mungslos bereichert, und er tat das als Kriegsunternehmer und Darlehens­
geber nach wie vor.240 Man würde jedoch der Vielschichtigkeit und Kom­
plexität Wallensteins nicht gerecht, wenn man das Streben nach Reichtum
(«H abgier») zum alleinigen Antrieb seines Handelns erklären und so das
«Rätsel Wallenstein» auflösen würde. Es ging Wallenstein immer auch
um politische Gestaltungsmacht, die man analog zu «Habgier» auch als
«Machtgier» bezeichnen kann. Freilich gingen beide Imperative, persön­
liche Bereicherung und Gestaltung der politischen Verhältnisse, nicht
immer in derselben Rechnung auf, und das betraf auch die Frage von Krieg
und Frieden. Wallenstein musste sich entscheiden und wollte sich doch
nicht festlegen - oder jedenfalls erst dann, wenn die zu Rate gezogenen
350 FO R T G A N G UND A U SW EITU N G

Astrologen versicherten, dass eine bestimmte Entscheidung unbedingt die


richtige sei. 1628 traf er sich deswegen persönlich mit Johannes Kepler, der
ihm zuvor schon zweimal das Horoskop gestellt hatte.241
Unter diesen Umständen war es für Wallenstein naheliegend, sich alle
Entscheidungen so lange wie möglich offenzuhalten, was konkret hieß,
über möglichst viele Optionen zu verfügen. In Anbetracht der sich ständig
verändernden Rahmenbedingungen wollte er reaktionsfähig bleiben und
dabei vermeiden, für die Gegenseite, für wen auch immer, infolge selbst-
auferlegter Beschränkungen berechenbar zu werden. Simulare e dissimu-
lare, Täuschen und Verbergen, dieser für die Verhaltenslehren des Barock
zentrale Imperativ war auch für Wallenstein die zentrale Maxime des Han­
delns.242 Wer bedingungslos auf Frieden setzte und dies allen zeigte, war
leicht auszurechnen und infolgedessen auch leicht auszumanövrieren; das
galt selbstverständlich auch für den, der nichts anderes im Kopf hatte als
die Fortsetzung des Krieges. Legt man spieltheoretische Maßstäbe an, so
vergrößerte Wallenstein seine Handlungsspielräume, wenn er beide Optio­
nen gleichermaßen verfolgte und seine Mit- wie Gegenspieler im Unklaren
darüber ließ, wofür er sich letztlich entscheiden werde. Optiorisvielfalt war
in seinem Fall gleichbedeutend mit Macht.
Wallenstein verhielt sich dabei nicht anders als die beiden großen Poli­
tiker seiner Zeit, Richelieu in Frankreich und Olivares in Spanien.243 Auch
Olivares verfolgte damals eine Politik des Friedens, den der für unabding­
bar hielt, wenn Spanien seine Stellung behaupten wollte; gleichzeitig aber
bereitete er sich auf einen Krieg vor, und während er mit Frankreich und
England (getrennt) über den Frieden verhandelte, unternahm er mancher­
lei, um beide Mächte in einen Krieg gegeneinander zu verwickeln.244 Die­
selbe Politik betrieb von Paris aus Richelieu - und Wallenstein wollte mit
beiden mithalten. Das erklärt zum Teil zumindest seine Doppelzüngigkeit
in der Frage von Krieg und Frieden. Wie Richelieu pflegte auch Wallenstein
die Kunst des Geheimnisses. «Um eines jedoch bitte ich», will Richelieu
zu dem venezianischen Gesandten Contarini gesagt haben, «das strengste
Geheimnis. Denn was in Eurem Senate vorgeht, das weiß man aller Orten,
und ich sehe nicht ab, wie ihr jemals etwas Gutes ausrichten könnt. Es
handelt sich dabei auch um mein persönliches Interesse, weil ich Cardi-
Das spanisch-kaiserliche Ostseeprojekt 351

Das von Michel Lasne


geschaffene Bild zeigt
Richelieu als Mann der
Kirche, was er seit seiner
Ernennung zum Ersten
Minister Ludwigs X III.
jedoch nur noch der
Form nach war. Richelieu
nutzte allerdings die
kirchlichen Verbindungen
und Loyalitäten: Der
Kapuziner Pere Joseph
etwa war sein wichtigster
Spion, Diplomat und
Berater in allen das Reich
betreffenden Fragen. Kein
europäischer Politiker
verstand es so gut wie
Richelieu, Diplomatie und
Kriegführung miteinander
zu verbinden.

nal bin. Ferner kann ich für die Signoria hinzufügen, daß das Geheimnis
erforderlich ist in Rücksicht auf die Fürsten der Liga, welche es nicht wohl
aufnehmen würden, daß Frankreich die Protestanten anruft das Reich zu
verwirren [es ging um die Subsidien für Schweden], während ich doch dies
für das Beste von Allem halte, was unter den gegenwärtigen Umständen
geschehen kann.»245 Es ist unklar, ob Richelieu die Geheimhaltung hier so
betont, weil er wollte, dass seine Pläne tatsächlich geheim blieben - oder
ob es gerade seine Absicht war, dass die Venezianer das Besprochene unter
dem Siegel der Geheimhaltung überall kundtaten.

Dass Wallenstein sich mit Politikern wie Richelieu und Olivares auf einer
Ebene sehen konnte, war nicht zuletzt die Folge seiner Ernennung zum
«Generalobersten Feldhauptmann» sowie zum «General des Ozeani­
schen und Baltischen Meeres». Beide Urkunden stellte Kaiser Ferdinand
am 21. April 1628 aus, aber die Rangerhöhung wurde bereits einige Monate
35* FO R T G A N G UND A U SW EITU N G

zuvor angekündigt und von Wallenstein genutzt. In der Position des Gene­
ralissimus sah Wallenstein sich endgültig nicht mehr als bloßes Instrument
der kaiserlichen Politik, sondern nahm für sich in Anspruch, diese selbstän­
dig und im Hinblick auf die jeweiligen Herausforderungen und Gelegen­
heiten zu gestalten. Das war eine freie und selbstbewusste, aber durchaus
naheliegende Deutung jener Passage in der Bestellungsurkunde, in der es
heißt, er sei eingesetzt «vber alles Volck, Ausschuß, schwär vnd leichte
Cauagleria vnd Fueßuolck aller nationen, so sich in der Armada vnd vnn-
serer Besoldung befündten werden, mit aller auf solchen hohen General-
Bevelch gehöriger authoritet, praeeminenz, praerogatiuen vnd allen andern
Vortlß gelegenheinthen»246. In der Urkunde über die Ernennung Wallen­
steins zum «General [Admiral] des Ozeanischen und Baltischen Meeres»
heißt es, der Kaiser übertrage ihm «volkhombentlichen gewaldt und facul-
tet, mit solchen alß vnßer Capitain-General allens daßyenige zuthuen vnd
anzuordnen, so vonnötten zu sein von Zeit zue Zeit [... ] thuenlich befund-
ten wurdt.»247
Wallensteins Berufung zum Admiral für die Nord- und die Ostsee war
der Versuch, einem Projekt Schwung zu verleihen, das von Spanien seit
einigen Jahren mit wenig Erfolg betrieben worden war: Man wollte den
niederländischen Handel in Nord- wie Ostsee treffen, um dadurch die mili­
tärisch so ungemein widerstandsfähigen Generalstaaten doch noch nieder­
zuringen. Bis zum Erscheinen der kaiserlichen Truppen an den Küsten der
Meere hatte ein solches Projekt jedoch keine Realisierungschance gehabt,
weil die Hansestädte ihre eigenen Interessen verfolgten und sich nicht in
die Politik des Kaiserhauses einbinden ließen. Zur Geschichte des Reichs
gehörte auch, dass sich in Norddeutschland, zumal an den Küsten und im
Mündungsbereich der großen Flüsse, eine Ordnungsstruktur herausgebil­
det hatte, die sich von den an Territorialität und herrschaftlicher Obrigkeit
orientierten Verhältnissen Ost- und Süddeutschlands grundsätzlich unter­
schied. Träger dieser Ordnung war die Hanse, ein Geflecht von Kaufmanns­
und Städtebünden, die in Nordeuropa seit dem 12. und 13. Jahrhundert
einen Wirtschaftsraum entwickelt hatte, in dem die politische Ordnung
den wirtschaftlichen Erfordernissen folgte und nicht umgekehrt wie sonst
im Reich.248 Nun war die Hanse seit dem 15. Jahrhundert jedoch im Nie-
Das spanisch-kaiserliche Ostseeprojekt 353

dergang: Die aufsteigenden Territorialmächte Dänemark und Schweden


hatten die Handelskontrolle in der Ostsee übernommen, in der Nordsee
hatten Niederländer und Engländer das Zepter in Händen, und im Osten
machte sich Russland als aufstrebende Macht bemerkbar, indem es die han­
sischen Kaufleute mehr und mehr ihrer Privilegien beraubte.249
Vor diesem Hintergrund entstand in der Mitte der 1620er Jahre, von
Spanien ausgehend und dann von dem kaiserlichen Gesandten Graf Georg
Ludwig von Schwarzenberg vorangetrieben, das Projekt eines spanisch­
hansischen Handelsbündnisses, mit dem die Vorherrschaft der skandinavi­
schen Mächte sowie der Niederländer im Nord- und Ostseeraum gebrochen
werden sollte. Dieses Handelsbündnis, so die Vorstellung Schwarzenbergs,
würde unter kaiserlicher Schirmherrschaft zustande kommen; der Kai­
ser sollte die einander fremden Akteure zusammenbringen und dabei als
Garant des erforderlichen Vertrauens dienen. Auch die habsburgischen
Interessen würden dabei nicht zu kurz kommen, denn die kaiserliche
Macht, die sich seit dem Spätmittelalter nördlich der Mittelgebirge immer
weiter ausgedünnt hatte, würde gestärkt werden, und womöglich wären
die seit dem 16. Jahrhundert protestantischen Hansestädte angesichts der
wirtschaftlichen Vorteile, die eine Liaison mit Spanien brachte, zur Rück­
kehr zum katholischen Glauben bereit. «Was hat», so Schwarzenberg in
einer an den Kaiser gerichteten Denkschrift, «die Ketzereien bishero erhal­
ten und mehr befördert, als daß die verführten Nationen von dem Haus
Ostreich [... ] durch den Teufel und seinen Anhang abgehalten werden?
Dagegen was kann die rechte Religion mehr propagieren und erweitern, als
wenn eben dieselben verführten Nationen durch die Navigation und durch
die vertraulichen Commercien mit dem Haus Ostreich bekannt, vertraut,
in Konversation gebracht und, weil fides ex auditu, verhoffentlich mit der
Zeit und leicht bekehrt werden können. Das Exempel so vieler indianischer
Völker und Nationen ist klar genug.»250
Es war der Entwurf einer merkantilistischen Handelspolitik, der die
Hansestädte dazu motivieren sollte, diesem Bündnis beizutreten, und die
Möglichkeit dazu bot der Vorstoß des kaiserlich-ligistischen Heeres bis an
die Küsten von Nord- und Ostsee. Dabei sollten die Truppen Tillys die ost­
friesische Küste mit den Häfen von Leer und Emden sowie die Mündung
354 FO R T G A N G UND A U SW EITU N G

der Weser und Wallensteins Heer die Mündungsgebiete von der Elbe bis zur
Oder mit den Häfen Wismar, Rostock und Stralsund unter ihre Kontrolle
bringen. Wenn das gelang, so die Überzeugung, würde man die Holländer
vom Handel ausschließen und ein spanisch-deutsches Handelsmonopol
durchsetzen können. In Danzig hatten die Spanier diesbezüglich beim pol­
nischen König bereits selbst vorgefühlt.251 Es war jedoch die Frage, ob die
an ihre Selbständigkeit gewöhnten Hansestädte bereit waren, sich in ein
System einbinden zu lassen, in dem sie wirtschaftlich von Spanien abhän­
gig sein würden und unter der politischen Kontrolle des Kaisers und seiner
Gesandten stünden. Die eher freihändlerischen Prinzipien der Hanse hät­
ten dann merkantilistischen Regulationsbestimmungen weichen müssen;
die welterfahrenen Kaufleute der Hanse kannten die staatliche Regulation
der spanischen Wirtschaft und verspürten wenig Neigung, sich darauf ein­
zulassen. Außerdem befürchteten sie, dass die protestantische Konfession,
der sie überwiegend anhingen, in einem solchen System unter Druck gera­
ten würde. Schon ganz und gar nicht wollten sich einzelne Städte in ein
solches Handelsbündnis fügen. Der Leitbegriff, auf den die Hansevertreter
in dieser Situation immer wieder zurückgriffen, lautete Neutralität. Unter
keinen Umständen wollte man sich in einen Seekrieg hineinziehen lassen,
der den Handel, von dem man lebte, zum Erliegen brachte. Also wurde ein
Hansetag ausgeschrieben, auf dem man gemeinsam über die Vorschläge
beraten wollte. So gewann man zumindest Zeit.
A uf dem Hansetag vom März 1628 wurde dann von den Städten eine
Reihe von Erwartungen und Voraussetzungen formuliert, die von kaiser­
licher Seite nicht sogleich beantwortet werden konnten. Außerdem mach­
ten die Vertreter der Städte geltend, dass sie nicht bevollmächtigt seien, so
weitreichende Verträge ohne Zustimmung des Rates ihrer Stadt zu unter­
zeichnen. Die Beratungen mussten auf den Herbst vertagt werden. So ver­
rann die Zeit, und die kaiserliche Seite kam nicht weiter. Tatsächlich war
sie keineswegs nur ein Vermittler zwischen spanischen und hansischen
Interessen, sondern verfolgte ihr eigenes Projekt, in das inzwischen auch
Wallenstein maßgeblich eingebunden war. Es ging darum, eine namhafte
Zahl von Kriegsschiffen zusammenzubringen, mit denen man die Han­
delsschiffe der Hansestädte auf ihren Fahrten durch die Nord- und Ostsee
Das Bild zeigt Wallensteins «F lo tte » vor Wismar. Die Werftkapazitäten
der Ostseehäfen waren begrenzt, und der Bau von Schiffen kostete Zeit.
Daran scheiterte Wallensteins Vorhaben, innerhalb eines Jahres eine Flotte
bauen zu lassen, die es mit der Seemacht Dänemarks aufnehmen und die
Machtverhältnisse im Ostseeraum verändern konnte. Nur wenige Schiffe
wurden fertiggestellt, und diese wenigen kamen nicht zum Einsatz.

schützen und das beanspruchte Handelsmonopol gegen andere Kauffah­


re r durchsetzen konnte. Das jedenfalls war die offizielle Version. Aber es
war abzusehen, dass die Schiffe der Hanse bei der Invasion der dänischen
Inseln als Truppentransporter dienen sollten. Wallenstein war ein Admiral
ohne Flotte, und bevor er Kriegsschiffe bauen und ausrüsten ließ, wollte er
einstweilen auf die Schiffe der Hanse zurückgreifen.
Der spanische Gesandte Gabriel de Roy hatte den Auftrag, mit den
Hansestädten über die Bereitstellung von Schiffen zu verhandeln und
durch finanzielle Angebote etwas nachzuhelfen. Eine Flotte ließ sich eben
nicht in gleicher Weise aus dem Boden stampfen wie ein Landheer, und
als Wallenstein das doch versuchte und in Wismar Schiffe in Auftrag gab,
musste er das lernen: Der Bau eines Schiffes dauerte ein bis zwei Jahre, und
die Werftkapazität in Wismar war beschränkt. Als die wenigen Schiffe, die
schließlich fertig wurden und über eine Besatzung verfügten, in See ste­
chen sollten, scheiterte das daran, dass vor dem Hafen von Wismar ein
356 FO R T G A N G UND A U SW EITU N G

schwedisches Geschwader kreuzte, das sie am Auslaufen hinderte. Im


Frühjahr 1629 waren sechs große Kriegsschiffe, eine Galeere, zwei Fregatten
und mehrere kleine Schiffe einsatzfähig, aber mit diesem Verband konnte
man keinen Krieg führen.252 In dieser Situation dürfte Wallenstein erkannt
haben, dass aus dem mit so großen Erwartungen begonnenen Projekt, die
Ostsee in ein mare clausum zu verwandeln, einen nach den Grundsätzen
der Territorialherrschaff kontrollierten Raum, nichts werden würde. Der
spanische Gesandte de Roy hatte es mit Geld versucht, der kaiserliche Ver­
handlungsführer Graf Schwarzenberg hatte unverhohlene Drohungen aus­
gestoßen, und er selbst, Wallenstein, hatte die widerspenstige Hansestadt
Stralsund zu erobern versucht - allesamt waren sie am hansischen Eigen­
sinn gescheitert. Gegen diese Mischung aus Verhandlungsgeschick und
Entschlossenheit, Flexibilität und Sturheit hatten sie kein Mittel gefunden.
So stellte Wallenstein anstelle des Krieges wieder den Frieden ins Zentrum
seines Planens und Handelns.

Das Ringen um Stralsund:


Episode oder Wende des Krieges?

In fast allen größeren Darstellungen des Krieges taucht die Frage auf, warum
Wallenstein sich auf die Belagerung Stralsunds überhaupt eingelassen hat:
ob es sich dabei um eine Frage des Prestiges gehandelt habe oder ob im Rin­
gen um Stralsund ein strategischer Zweck erkennbar sei. Ist Wallensteins
strategische Urteilskraft vor Stralsund womöglich seiner persönlichen Eitel­
keit zum Opfer gefallen? Und hatte dieses Eitelkeitsproblem, das in der Wei­
gerung der Stadt gründete, eine kaiserliche Besatzung aufzunehmen, zuletzt
sogar weitreichende Folgen für den Kriegsverlauf? Oder war Wallensteins
Scheitern an Stralsund nur eine Episode des Krieges, die von der protes­
tantischen Geschichtsschreibung zu einem Wendepunkt des Geschehens
hochstilisiert wurde, weil hier erstmals ein nachhaltiger Erfolg der Protes­
tanten zu verzeichnen war - und obendrein einer, der sich auf den Wider­
standswillen einer protestantischen Stadt zurückführen ließ?253 Während
Das Ringen um Stralsund: Episode oder Wende des Krieges? 357

die fehlgeschlagene Belagerung Stralsunds für die einen eine Episode des
Krieges ist, die dessen Verlauf nicht weiter bestimmt hat, erkennen andere in
den Ereignissen in und um Stralsund die Wende des Krieges: Der Siegeslauf
der katholischen Mächte ist hier sichtbar an seine Grenze gestoßen. Das
Meer erwies sich als Raum der Protestanten, und von dort her setzten sie
auch zum Gegenschlag an. Die Lage Stralsunds passt dazu: Die Hansestadt
war auf allen Seiten vom Meer umgeben und nur über eine schmale Land­
zunge mit dem Festland verbunden. Die Macht des Tellurischen, des festen
Bodens, endete, wo das Thalassische, das Meer, begann.254
Jenseits dieser religionssoziologisch aufgeladenen Metaphysik des
Geographischen gab es im Fall von Stralsund freilich auch eine Reihe poli­
tisch-militärischer Entscheidungen, die auf die kommenden Kriegsereig-
rüsse vorauswiesen. So wurden die dänischen Einheiten, die in der ersten
Phase der Belagerung die Stralsunder Bürger unterstützt hatten, durch ein
schwedisches Regiment und einen schwedischen Militärkommandanten
abgelöst. Damit griff erstmals die zweite nordische Macht in den Krieg ein,
und die Verteidiger Stralsunds lassen sich als Vorhut Gustav Adolfs verste­
hen, mit dessen Landung auf Usedom der Kriegsverlauf eine grundlegend
andere Richtung nahm.
Die Bedeutung der Belagerung Stralsunds erschließt sich im Zusam­
menhang mit dem spanisch-kaiserlichen Ostseeprojekt: Billigt man diesem
-<eine größere Relevanz für den Kriegsverlauf zu, so hat auch die Belage­
rung Stralsunds beziehungsweise ihr Scheitern keine besondere Bedeutung.
Wallenstein hat sich demnach in ein Kräftemessen ohne strategischen Sinn
nineingesteigert, sich durch die Weigerung der Stralsunder Bürgerschaft,
eme kaiserliche Garnison in die Stadt aufzunehmen, provozieren lassen,
and am Schluss wollte er nur noch ein Exempel statuieren. Dafür spricht
der Gestus, in dem er sich immer wieder über die Stralsunder äußerte: Sie
seien «lose Buben», und die müssten bestraft werden.255 Wallenstein war
mdigniert. Der Widerstand der Stadt war für ihn eine Art Majestätsbelei­
digung. So etwas durfte unter keinen Umständen Schule machen. Ande­
rerseits war Stralsunds geographische Lage so einmalig, dass der erfolgrei­
che Widerstand kaum als Vorbild für andere Städte herhalten konnte. Das
begrenzte seine Bedeutung in Wallensteins Augen und ermöglichte ihm
358 FO R T G A N G UND A U SW EITU N G

die Aufhebung der Belagerung, nachdem mehrere Sturmangriffe erfolglos


geblieben waren.
Misst man dem Ostseeprojekt hingegen zentrale Bedeutung bei, dann
war Wallensteins Scheitern an Stralsund mehr als eine Episode: Dann
nämlich war die Belagerung der Stadt ein Testfall, der darüber entscheiden
sollte, ob Wallenstein sich gegen das Taktieren und Hinauszögern der Han­
sestädte notfalls auch mit Gewalt durchsetzen konnte, um deren Bürger zur
Kooperation in einem Seekrieg gegen die nordischen Mächte zu zwingen.
Ohne die Unterstützung der Hansestädte war ein solcher Seekrieg nicht zu
führen. Doch wie stark war der Widerstand, und unter welchen Umstän­
den würde man ihn aufgeben? Es ist ganz unwahrscheinlich, dass Wallen­
stein Überlegungen dieser Art nicht angestellt hat; in dem Briefwechsel mit
Arnim wird das immer wieder deutlich. Dafür spricht auch die Wallenstein
zugeschriebene Äußerung: «Und wäre Stralsund mit Ketten an den Him­
mel gebunden: es müßte herunter.»256 Aber Wallenstein schaffte es nicht,
Stralsund herunterzuholen, und so musste er sich nach der Aufhebung der
Belagerung von den zeitweilig hochfliegenden Plänen zu einer grundlegen­
den Umwälzung der europäischen Machtverhältnisse verabschieden.

Am 23. Mai 1628 war Arnim mit 8000 Mann in das Hainholz nahe von
Stralsund eingerückt und hatte dort größere Schanzen aufwerfen lassen.
Damit begann im strengen Sinn die Belagerung der Stadt. Der Kampf
reichte freilich bis in den Dezember 1627 zurück, als der kaiserliche Oberst
Ernst Georg Sparr den Rat der Stadt mit einer Kontributionsforderung
von 150 000 Talern konfrontiert hatte, wobei er ein Drittel umgehend
einziehen wollte.257 Bei dieser Forderung handelte es sich um das übliche
Verfahren Wallensteins, Kontributionen zum Unterhalt des Heeres einzu­
treiben: Nur wenn die Stadt zahle, werde sie von Einquartierungen ver­
schont bleiben. Die Stralsunder erklärten sich nach längeren Beratungen
bereit, 30 000 Taler zu zahlen, wollten aber Garantien dafür, dass ihnen
Einquartierungen dann auch tatsächlich erspart blieben, und obendrein
wollten sie diese Sonderzahlung auf die von ihnen zu entrichtende Land­
steuer angerechnet wissen. Sie begannen also zu verhandeln, wie sie das
als Kaufleute gewohnt waren. Da sie dabei recht selbstbewusst auftraten,
Das Ringen um Stralsund: Episode oder Wende des Krieges? 359

antworteten Wallensteins Offiziere mit Drohungen. Der Rat von Stralsund


reagierte darauf, indem er die Bürgerschaft in Verteidigungsbereitschaft
versetzte. Zusätzlich zu den 4000 Mann, die zur Verfügung standen, wur­
den 500 Söldner angeworben. Außerdem wurden die Wälle, Mauern und
Türme der Stadtbefestigung instandgesetzt und die 80 Kanonen, die in den
städtischen Arsenalen standen, in Stellung gebracht.258
Im Theatrum Europaeum1S9 wurden die Zurüstungen Stralsunds so
beschrieben: «Wie nun die Stralsunder gemerkt, daß es ernst werden wollte,
haben sie sich zur Gegenwehr aufs beste, [wie] sie konnten, gefaßt gemacht,
die Stücke [Kanonen] auf die Wälle gezogen, und etlichen hohen Häusern
die Dächer abgebrochen, dieselben obenher mit Wasen [ausgestochenen
Rasenstücken] und Erden, damit ihnen nicht leicht die Feuerkugeln und
Granaten schaden möchten, beschüttet und Geschütz darauf gestellt. [... ]
Und damit nicht zuviel an Proviant in der Stadt verzehrt, noch einige Zag­
heit unter ihnen verursacht werden möchte, haben etliche ihre Weib und
Kinder samt ihrem besten Schatz an Gold, Silber und anderem Mobilien
zur Vorsorge beseits geschafft und auf Schiffen nach Lübeck, Hamburg und
andern Orten abführen lassen und nur alte Weibspersonen zum Kochen
und Waschen, heiß Wasser, Pech und andere Sachen zum Sturm zu berei­
ten, bei sich behalten.»260
Arnim hatte die der Stadt vorgelagerte Insel Dänholm besetzen lassen;
er hoffte, von dort aus die Zufahrt der Schiffe nach Stralsund blockieren zu
können. In Stralsund reagierte man darauf mit einer Gegenblockade der
Insel, um die Soldaten von Munitions- und Versorgungsgüterlieferungen
abzuschneiden. Als Oberst Monro sich mit drei Kompanien schottischer
Infanteristen Stralsund näherte, dessen Verteidiger er im Auftrag des däni­
schen Königs verstärken sollte, wurde sein Schiff von Dänholm aus unter
Feuer genommen, um es zur Umkehr zu zwingen. «A m 28. Mai [=7. Juni]»,
so Monro in seinem Bericht, «kamen wir nicht ohne Gefahren zu Wasser
und zu Lande in die Stadt Stralsund hinein. Die kaiserliche Armee lag davor
und hatte ihre Batterien ganz nahe am Wasser stehen. Als wir hineinsegel­
ten, schossen sie unseren Mast ab, nachdem wir schon vorher auf Grund
gelaufen waren, so daß wir nun in Gefahr gerieten, zu ertrinken oder getö­
tet zu werden.»261 Doch das Schiff kam wieder frei, und die schottischen
3<So FO R T G A N G UND A U SW EITU N G

Soldaten wurden in Stralsund angelandet. Die neuen Einheiten wurden


dringend benötigt. «Wir stellten uns auf dem Marktplatz auf, wurden aber
sofort losgeschickt, die Stellungen am Frankentor einzunehmen, um die
andere Abteilung [die bereits früher in Stralsund eingetroffenen Kompa­
nien des schottischen Regiments] abzulösen, die dort drei Tage und Nächte
Wache gehalten hatte, denn das war der schwächste Abschnitt der ganzen
Stadtbefestigung und die einzige Stelle, die vom Feind angegriffen wurde.
[... ] Wir hielten dort 48 Stunden Wache, bis wir von der anderen Abtei­
lung wieder abgelöst wurden, und das ging singulis noctibus per vices [alle
Nächte im Wechsel] sechs Wochen lang, so daß ich nicht aus den Kleidern
kam, ausgenommen, ich wechselte den Anzug oder die Wäsche.»262
Inzwischen ließ Arnim die Stadt regelmäßig des Nachts bestürmen; als
er schließlich feststellen musste, dass er es nicht mehr nur mit bewaffne­
ten Bürgern, sondern mit erfahrenen Soldaten zu tun hatte, wechselte er
das Vorgehen und ließ die Stadt durchgehend mit Kanonen und Mörsern
beschießen. Als Mörser bezeichnet man Steilfeuergeschütze mit kurzem
Rohr, die vorzugsweise hei der Belagerung von Städten eingesetzt wurden.
Sie verschossen Hohlgranaten mit Spreng- oder Brandladung, die in der
Stadt selbst - und nicht etwa an deren Umwallung - Zerstörungen anrichten
und Brände auslösen sollten. Aufgrund ihrer ballistischen Flugbahn durch­
schlugen sie die Gebäude von oben her, wo diese am wenigsten geschützt
waren und die Granaten die größte Durchschlagskraft hatten. Auch Monro
musste mit solchen Geschossen Erfahrungen machen, als er infolge einer
Verwundung nicht auf Wache stand, sondern sich in einem Notlazarett
in der Stadt befand: Eine Sprengkugel durchschlug die Unterkunft vom
Dach bis zum Erdgeschoss, wo Monro lag und sich nicht bewegen konnte.
«Ich befahl meine Seele in Gottes Hand und dachte bei mir, daß der gut
beschützt ist, den der Herr beschützt. Und da er mich schon aus so vie­
len Gefahren errettet hatte, vertraute ich ihm, Er werde nicht zulassen, daß
ich unter Mauertrümmern ersticke.»263 Nach einigen Tagen stellte Arnim
den Beschuss ein und nahm wieder Verhandlungen auf; er wollte erreichen,
dass die schottischen Truppen in dänischen Diensten aus Stralsund abzo­
gen.264Wallenstein selbst, der sich auf dem Weg zu den Belagerern befand,
hatte die neuerlichen Gespräche befürwortet, seinem Feldmarschall Arnim
Das Ringen um Stralsund: Episode oder Wende des Krieges? 3 Ö1

aber gleichzeitig verboten, es zu einem Abschluss kommen zu lassen; es


gehe bloß darum, «die Verteidiger schläfriger zu machen».26s
Tatsächlich hatte jedoch der Kaiser nach einem Gutachten seines Hof­
kriegsrats Wallenstein dringlich von weiterer Gewaltanwendung gegen
Stralsund abgeraten, um zu verhindern, dass sich weitere Hansestädte
in die Botmäßigkeit der Dänen oder Schweden begaben. Damit war das
Dilemma der kaiserlichen Seite Umrissen: Sie hatte ein Interesse daran, den
Krieg gegen Christian IV. bald zu beenden, entfernte sich von diesem Ziel
aber immer mehr, je stärker die Hansestädte infolge des auf sie ausgeübten
Drucks die Dänen oder auch die Schweden zu Hilfe riefen. So dauerte der
Krieg fort, während die Klagen über die Belastungen durch die Truppen
Wallensteins immer lauter wurden. Der Kaiser äußerte nur Bedenken und
überließ es Wallenstein, damit umzugehen, wie er dies für richtig hielt. Aber
auch Wallenstein war unschlüssig, welches Verhalten Stralsund gegenüber
richtig sei. Das erklärt die bedächtige Langsamkeit, mit der er sich von Prag
aus, wo er mit dem Kaiser konferiert hatte, zu seinen Truppen vor Stralsund
begab. Der Widerstand der Stadt hatte die strukturelle Schwäche der kai­
serlichen Position an der Ostseeküste offengelegt.
Nachdem Wallenstein am 26. Juni bei den Belagerern eingetroffen war
und ihnen Verstärkungen zugeführt hatte, ließ er in der Nacht vom 7. auf
den 8. Juli erneut angreifen.266 Die Angreifer hatten jedoch das Problem,
dass sie nur an wenigen Stellen über Land bis an die Wälle, Mauern und
Tore der Stadt Vordringen konnten, da die Verteidigungsanlagen sonst von
Wasser umgeben waren und ein Angriff mit Booten keinerlei Erfolgschance
hatte. Die Tore und deren unmittelbare Umgebung stellten aus Sicht der
Verteidiger die neuralgischen Punkte der Stadtbefestigung dar. Hier hatte
man zur Verstärkung Dreiecksschanzen, sogenannte Ravelins, aufgeworfen,
so dass die Angreifer zunächst diese Außenwerke überwinden mussten, bis
sie zum Tor Vordringen konnten. Während Arnim alle drei Tore der Stadt,
zu denen es Zugänge gab, gleichzeitig angegriffen hatte, konzentrierte Wal­
lenstein sich auf das Frankentor, wo er sich die besten Chancen ausrech­
nete. In drei Abteilungen wurden etwa 4000 Mann Fußvolk gegen dieses
Tor und seine Vorfeldbefestigungen zum Sturm geführt. Monro berichtet:
«Zwischen 10 und 11 Uhr nachts gaben unsere Wachtposten Feuer und rie­
3<$2 FO R T G A N G UND A U SW EITU N G

fen uns zu den Waffen. Als wir aufsprangen, sahen wir schon, wie der Feind
in einer Stärke von über 1000 Mann unter dem R uf <Sa Sa Sa Sa Sa Sa> her­
anstürmte.»267 - «Ich halte es für angebracht», hat Monro das Sturmge­
schrei der Angreifer später kommentiert, «hier etwas über die Angewohn­
heit der Kaiserlichen zu sagen, die beim Angriff wie die Türken brüllten, als
ob Gebrüll entschlossene Soldaten erschrecken könnte.»268
Es gelang den Angreifern, eine erste Schanze zu nehmen und in den
Raum zwischen Schanze und Tor einzudringen, aber sie vermochten sich
dort nicht festzusetzen, sondern wurden durch einen entschlossenen
Gegenangriff schwedischer Kompanien unter Oberst Rosladin zurückge­
worfen.269 So wogte der Kampf die ganze Nacht hin und her, und als sich
die Angreifer im Morgengrauen zurückzogen, hatten sie über 1000 Mann
verloren, aber nichts erreicht. Dem standen Verluste von etwa 200 Mann
auf Seiten der Verteidiger gegenüber. Wallenstein erkannte, dass Stralsund,
nachdem kriegserprobte Einheiten die Verteidigung übernommen hatten,
nicht im Sturm zu nehmen war. Hätte er es nur mit bewaffneter Bürger­
schaft und ein paar hundert Söldnern zu tun gehabt, so wäre die Stadt in der
Nacht vom 7. zum 8. Juli wohl gefallen. Die Gegenangriffe der Verteidiger
zeigten, dass sie sich nicht demoralisieren ließen und standhalten würden.
Außerdem erhielten sie über See regelmäßig Verstärkungen, dazu Verpfle­
gung und Munition, so dass sie eine Belagerung durchzuhalten vermochten,
so lange sie auch dauern würde. Das hätte sich nur ändern lassen, wenn
Wallenstein über eine kriegsstarke Flotte verfügt hätte. «Ich habe wohl bei
dreizehn Schiffe, aber mit keinem kann ich auf die See», schrieb er damals
an Collalto, «denn Gabriel de Roi hat die Matrosen und Büchsenmeister
entlassen.»270Also begann Wallenstein wieder zu verhandeln.
Doch auch in den Verhandlungen konnte er seinen Willen nicht
durchsetzen: Weder wurden die fremden Truppen abgezogen, noch nahm
die Stadt eine kaiserliche Garnison auf, und zu einer Geldzahlung an den
Kaiser war sie auch nicht bereit. Im Gegenteil: An die Stelle des dänischen
Einflusses in Stralsund trat eine zunehmende Abhängigkeit von Schweden.
Es war der Herzog Bogislaw von Pommern, der durch fortgesetzte Vermitt­
lungsdienste schließlich ein Übereinkommen zustande brachte, das Wal­
lenstein ermöglichte, die Belagerung ohne gravierenden Gesichtsverlust
Der Lübecker Friedensschluss und das kaiserliche Restitutionsedikt 363

aufzuheben. Hinzu kam der große Sieg über die dänische Armee, den er
am 2. September bei Wolgast errang und der die Schlappe von Stralsund
verdeckte. Gegenüber dem Kaiser versuchte er, die vergebliche Belagerung
als eine belanglose Episode darzustellen, aber diese Darstellung entsprach
keineswegs der tatsächlichen Lage: Das spanisch-kaiserliche Ostseeprojekt
war nun definitiv am Ende. Wie gezeigt,271 war es zuvor ohnehin nicht gut
vorangekommen, und die Hansestädte, die man für einen Erfolg brauchte,
hatten die Verhandlungen über die Bereitstellung von Schiffen immer wie­
der hinausgezögert. Wallensteins hartes Auftreten gegenüber Stralsund
dürfte nicht zuletzt den Zweck gehabt haben, die Hansestädte angesichts
der kaiserlichen Forderungen gefügig zu machen. Das war gründlich miss­
lungen. Nach dem Fehlschlag von Stralsund würden sie sich erst recht nicht
auf ein Bündnis mit dem Kaiser gegen Dänemark und Schweden einlassen;
der angeschlagene Christian war auf See nach wie vor ein Machtfaktor, und
Gustav Adolf hatte gezeigt, dass mit ihm zu rechnen war, wenn es darauf
ankam.
Im Sommer 1628 haben sich auf den Verteidigungswällen von Stral­
sund und in den Angriffsgräben vor den Toren der Stadt die Machtverhält-
nisse im Norden wieder verschoben, und daran vermochte auch Wallen­
steins eindrucksvoller Sieg bei Wolgast nichts zu ändern. Wallenstein zog
daraus die Konsequenz, auf einen schnellen Friedensschluss mit Dänemark
zu drängen.

Der Lübecker Friedensschluss


und das kaiserliche Restitutionsedikt

Bislang hatten die weitreichenden Forderungen des Kaisers und der Liga
gegenüber Christian von Dänemark die Aufnahme von Friedensverhand­
lungen unmöglich gemacht. Es kam freilich noch ein weiteres Problem
hinzu, das eher im Hintergrund eine Rolle spielte, und das war die stete For­
derung der Reichsstände nach einer deutlichen Verringerung der Truppen.
Die Frage dabei war, welche Einheiten aufgelöst werden sollten: die des
364 FO R T G A N G UND A U SW EITU N G

Kaisers oder die der Liga. Seitens der katholischen Reichsstände ging es vor
allem um die Verkleinerung des Wallenstein’schen Heeres, wozu der Kaiser
durchaus bereit war, wenn auch ligistische Regimenter aufgelöst würden.
Doch wer sollte den Anfang machen, und wie sollte das Abrüstungsver­
hältnis zwischen Wallensteins Heer und dem sehr viel kleineren Heer der
Liga aussehen? Wie ließ sich vermeiden, dass die so dringlich gewünschte
Abrüstung auf eine Entwaffnung der katholischen Reichsstände hinauslief?
Es war das Misstrauen der Verbündeten untereinander, das der Aufnahme
von Friedensgesprächen mehr entgegenstand als ihr Verhältnis zum Feind.
So legte Kurfürst Maximilian plötzlich wieder großen Kriegseifer an den
Tag und ließ seinen Feldmarschall Pappenheim einen Plan ausarbeiten, wie
die dänischen Inseln doch noch angegriffen und Christian seiner restlichen
Macht beraubt werden könne.272 Wallenstein wies den Vorschlag Pappen­
heims jedoch mit der Bemerkung zurück, es gebe bequemere Mittel, mit
den Dänen zu Rande zu kommen. Ihm ging es um zügige Friedensverhand­
lungen, und dabei wollte er es sein, der die Verhandlungen führte. Deswe­
gen lehnte er auch die mehrfach angebotene Vermittlerrolle des Herzogs
Friedrich von Schleswig-Holstein-Gottorf ab. Um Herr der Verhandlungen
zu sein, musste Wallenstein mit Christian direkt verhandeln. Es war eine
Reihe verwirrender Schachzüge, die im Vorfeld der Lübecker Verhandlun­
gen getätigt wurden und die mehr mit den Machtverhältnissen im Reich als
mit dem zukünftigen Verhältnis zu Dänemark zu tun hatten.
Andererseits war es naheliegend, die Verhandlungen bald zu beginnen
und zügig zu führen, da England gerade in einen Krieg gegen Frankreich ver­
wickelt war, in dem es um die Unterstützung der Hugenotten in La Rochelle
ging, so dass der dänische König nicht mit einer größeren Unterstützung
durch die Engländer rechnen konnte, wie die Haager Allianz sie vorgese­
hen hatte. Die Zerstrittenheit der antihabsburgischen Mächte führte auch
dazu, dass Spanien seine Erwartungen gegenüber Kaiser und Liga erhöhte:
Beiden Mächten hatte man in den zurückliegenden Jahren immer wieder
unter die Arme gegriffen, und nun sollten sie Spanien im Kampf gegen die
Niederlande helfen. Wenn Kaiser und Liga nicht in wirtschaftlicher Hin­
sicht über das Ostseeprojekt, auf das man in Madrid so große Hoffnung
gesetzt hatte, Druck auf die Niederlande ausüben würden, dann musste
Der Lübecker Friedensschluss und das kaiserliche Restitutionsedikt 36 s

dieser Druck eben in militärischer Form hergestellt werden, etwa indem


Teile des kaiserlichen oder des ligistischen Heeres an der niederländischen
Grenze zusammengezogen wurden. Mit dieser Vorstellung konnten sich
einige Liga-Mitglieder überhaupt nicht anfreunden, weil das hieß, dass ein
erheblicher Teil des Heeres in ihren Territorien einquartiert wurde. Wenn
man denn Spanien Hilfe leisten müsse, so rieten sie, solle man das in Italien
am, wo der Streit um die Nachfolge des kinderlosen Herzogs von Mantua
zu eskalieren drohte, weil Spanien und Frankreich unterschiedliche Nach-
rolgekandidaten favorisierten.273 Die Truppen sollten demnach nicht nach
VVesten, sondern nach Süden verlegt werden. Die Voraussetzung für das
eine wie das andere aber war die Beendigung des Krieges mit Dänemark.
Drei Fragen standen einem baldigen Beginn der Friedensverhandlun­
gen entgegen: Es galt zu entscheiden, wo die Gespräche stattfinden sollten;
wer bei den Gesprächen auf Seiten von Kaiser und Liga federführend sein
würde; und schließlich, wie die Bedingungen für einen Friedensschluss
aussehen sollten. Alle diese Fragen hingen miteinander zusammen. Da die
zuletzt von Wallenstein und Tilly formulierten Bedingungen für die däni­
sche Seite nicht annehmbar waren, musste man sich aufeinander zubewe­
gen, aber wer sollte auf kaiserlich-ligistischer Seite die erforderlichen Kon­
zessionen bewilligen? Die Entscheidung über den Ort der Verhandlungen
war so etwas wie ein Präjudiz für die Konzessionsbereitschaft beider Seiten.
Das waren dieselben Fragen, die auch bei der Vorbereitung der Friedens­
verhandlungen von Münster und Osnabrück eineinhalb Jahrzehnte später
eine zentrale Rolle spielen sollten; in beiden Fällen führten sie dazu, dass
die Verhandlungen nicht sogleich in Gang kamen.
Was den Ort der Verhandlungen anbetraf, war die Verständigung am
leichtesten. Wallenstein hatte Kiel oder Lauenburg vorgeschlagen, was
Christian nicht akzeptieren wollte, da beide Orte in den vom Gegner
besetzten Territorien seines Reichs lagen und dort geführte Friedensver­
handlungen ein Symbol der dänischen Niederlage gewesen wären. Chris­
tian hatte stattdessen Hamburg und Lübeck vorgeschlagen, Hansestädte,
die nicht am Krieg beteiligt gewesen waren und somit als neutral angese­
hen werden konnten. Man einigte sich auf Lübeck. Beim Problem der Ver­
handlungsführerschaff ging es um die Rangfolge zwischen Kaiser und Bay­
366 FO R T G A N G UND A U SW EITU N G

ernherzog beziehungsweise Wallenstein und Tilly. Die Liga bestand darauf,


dass Tilly nicht als «Assistenzrat und Adjunkt, sondern als ein kaiserlicher
Mitkommissarius» an den Verhandlungen beteiligt sein solle,274 wogegen
man in Wien nichts einzuwenden hatte, solange der Vorrang Wallensteins
gegenüber Tilly gewahrt blieb. Ausweichend reagierte man in Wien hin­
gegen auf die Forderung Maximilians, das Ergebnis der Verhandlungen
müsse von den Kurfürsten gebilligt werden. Das würde heißen, so der Ein­
wand aus Wien, dass die beiden protestantischen Kurfürsten, der Sachse
und der Brandenburger, auf die Verhandlungen Einfluss gewännen, was
man in Wien unter allen Umständen verhindern wollte. Man verwies statt -
dessen die katholischen Kurfürsten darauf, dass sie durch Tilly ja an den
Verhandlungen beteiligt seien.
Die Friedensbedingungen, die von den Siegern vorgelegt wurden, lie­
ßen indes keine schnelle Einigung erwarten: Christian, so der den Dänen
am 12. März 1629 offiziell übergebene Friedensentwurf der kaiserlich-ligis-
tischen Seite, sollte auf Holstein, Schleswig und Dithmarschen verzichten
und Jütland so lange an den Kurfürsten von Sachsen abtreten, bis dieser
dort für seine dem Kaiser geleisteten Dienste entschädigt war. Weiterhin
sollten der dänische König und sein Sohn allen Ansprüchen auf die Bistü­
mer und Stifte in Norddeutschland entsagen. Vor allem aber sollte Däne­
mark den Kaiser und die Liga für sämtliche Kriegskosten entschädigen,
den Öresund für die Feinde des Reichs sperren und ihn für dessen Freunde
offen halten.275 Christians Gegenforderungen standen denen des Kaisers
und der Liga nicht nach: Er verlangte, dass die kaiserlichen Truppen sein
Land umgehend räumen und Ersatz für den dort angerichteten Schaden
leisten sollten.276

Die Verhandlungen, die am 23. Januar 1629 mit dem Austausch der Voll­
machten formell begannen, wurden von Unterhändlern geführt: Wal­
lenstein, der sich während dieser Zeit in seiner neu bezogenen mecklen­
burgischen Residenz Güstrow aufhielt, hatte den General Aldringen, die
Obersten Johann Balthasar von Dietrichstein und Hannibal von Schauen­
burg sowie den Hofkammerrat Reinhard von Walmerode entsandt, Tilly
den bayerischen Rat Hans Christoph von Ruepp sowie seinen Obersten
Der Lübecker Friedensschluss und das kaiserliche Restitutionsedikt 367

Jost Maximilian von Gronsfeld. Ihnen standen auf dänischer Seite eben­
falls sechs Personen gegenüber: der königliche Kanzler Christian Friis, der
Reichskanzler Jakob Ulfeldt und der Reichsrat Albert Skeel sowie Levin
von Marschalck, der deutsche Kanzler des Königs, und die Brüder Detlev
und Heinrich Rantzau.277 Die Anfangsphase der Verhandlungen war durch
diplomatisches Geplänkel geprägt. Die Dänen bestritten, dass Wallenstein
zu Recht den Titel eines «Generals des Ozeanischen und Baltischen Mee­
res» führte, denn das Recht über die nordischen Meere stehe allein ihrem
König zu; außerdem wiesen sie den Vorwurf zurück, ihr König habe den
Krieg begonnen. Die kaiserliche Seite wiederum bestand ausdrücklich auf
dem Titel Wallensteins und dem darin ausgedrückten kaiserlichen Rechts­
anspruch auf Nord- und Ostsee sowie die Kontrolle der in sie mündenden
Ströme und Flüsse. Auch stritt man sich über die jeweils ausgestellten Ver­
handlungsvollmachten. Die größten Verzögerungen beim Fortgang der
Verhandlungen resultierten daraus, dass sich immer wieder Mitglieder der
Delegationen zu ihren Auftraggebern begeben mussten, um sie über die
Vorschläge der Gegenseite zu unterrichten sowie Instruktionen für die wei­
tere Verhandlungsführung einzuholen. Das war für die Dänen ein geringe­
res Problem, weil sie mit dem König selbst Rücksprache hielten und der
Weg zwischen Lübeck und den dänischen Inseln schnell zurückzulegen war.
Die kaiserlich-ligistische Delegation musste zunächst Tilly und Wallenstein
kontaktieren, die sich jedoch an unterschiedlichen Orten aufhielten, sich
also noch untereinander abzustimmen hatten und bei gravierenden Fragen
mit ihren Auftraggebern in München und Wien sprachen. Die Folge war,
dass die Verhandlungen in den ersten Monaten nicht vom Fleck kamen.
Dass man auf diese Weise nicht zu einem schnellen Friedensschluss kam,
scheint Wallenstein schnell klar geworden zu sein; er nutzte die gegebenen
Konstellationen zielstrebig aus, um sich zum eigentlichen Verhandlungs­
partner der Dänen aufzuschwingen. Bereits vor Übergabe der offiziellen
Friedensbedingungen hatte er dem Kaiser eine Denkschrift zustellen lassen,
in der er eine zur offiziellen Linie konträre Sicht entwickelte. Er warnte vor
der Formierung eines neuen antihabsburgischen Bündnisses, das entstehen
werde, wenn man die Dänen in eine Lage bringe, in der sie nur noch die
Wahl zwischen einem Unterwerfungsfrieden oder der Wiederaufnahme des
368 FO R T G A N G UND A U SW EITU N G

Krieges hatten. «Es befinden sich beim König Ambassadoren von Frank­
reich, Engelland, Schweden und Holland, welche nicht alleine große Hilfe
von Volk [Kriegsvolk] und Geld dem König versprechen, sondern auch da
er Fried machen wird, nicht schlechte Bedrohungen thun. Der König ist
wegen so viel erlittenen Spotts und Schadens desperiert [verzweifelt], von
Natur stolz und geizig, möchte sich in ein neue Conföderation mit ihnen
einlassen, wenn er sehen sollte, daß man der Tractation [der Friedensver­
handlung] kein Anfang machen will. >>278Wallenstein warnte auch vor einer
Fortdauer des gegenwärtig eingefrorenen Kriegszustands im Norden, da
man in diesem Fall eine große Militärpräsenz aufrechterhalten müsse, die
von den ausgezehrten Ländern nicht mehr getragen werden könne. Er nahm
hierin die notorischen Klagen der Reichsstände über die Belastungen durch
das Militär auf und machte daraus ein Argument für eine zu den offiziellen
Friedensbedingungen des Kaisers und der Liga alternativen Verhandlungs­
führung. Diese sei erforderlich, damit der Kaiser seine Truppen andernorts
einsetzen könne - Wallenstein spielte auf den mantuanischen Erbfolgekrieg
an - , und im Wissen um die sich zuspitzende Krise im Süden des Reichs
könne sich die Haltung der Dänen schnell versteifen. Statt Christian auf
die Knie zu zwingen, solle der Kaiser ihn für sich gewinnen und durch ein
großzügiges Entgegenkommen dauerhaft zu einer prohabsburgischen Poli­
tik verpflichten. «Dadurch werden sie ihn und seine Nachkommen devin-
ciren, daß ermehrE.M. [Eurer Majestät] wegen der empfangenen Wohlthat,
als seinen Conföderirten, welche ihn auf’s Eis geführt haben, vertrauen und
deren Confident allezeit verbleiben w ird.»279
Dann folgt Wallensteins Vorschlag für die Friedenskonditionen:
«Ohne Restituierung Jütlands, Schleswigs und Holsteins wird gewiß kein
Fried geschehen. Ist dies restituirt, so verhoffe ich gänzlich, daß der König
nicht allein ein Fried wird machen, sondern sich ganz und gar mit E.M. und
Dero hochlöblichsten Haus conföderiren. Der Stifter [Bremen, Halberstadt
etc.] und anderer Reichssachen wird er sich auch nicht anmaßen [ - ] . » 280-
In Wallensteins Vorschlag ist von einer Zahlung der Kriegskosten durch den
Dänen schon gar nicht mehr die Rede, was nahelegt, dass dies ohnehin als
Verhandlungsposition bei den Friedensgesprächen vorgesehen war, und
auch die Frage des Öresunds wird von ihm nicht weiter angesprochen.
Der Lübecker Friedensschluss und das kaiserliche Restitutionsedikt 369

lutland, Schleswig und Holstein sind der entscheidende Punkt, und hier
schlägt Wallenstein vor, die besetzten Territorien dem König zurückzuge­
ben. Er setzt auf ein mehr als großzügiges Friedensangebot, bei dem fast
alle dänischen Wünsche und Forderungen erfüllt würden. Der Verlierer des
Krieges solle nicht als solcher behandelt werden, und das werde Christian
auf Dauer zu einem zuverlässigen Partner von Kaiser und Reich machen.
Was hat Wallenstein, der sonst auf die Ausnutzung eines Sieges bedacht
war und gegenüber Dänemark bislang eine andere Linie vertreten hatte,
dazu veranlasst, einen so großzügigen Verhandlungsfrieden vorzuschlagen?
Einige Zeit zuvor hatte Wallenstein mit dem Gedanken gespielt, sich als
Entschädigung für seine dem Kaiser geleisteten Dienste mit dem Herzog­
rumjütland belehnen zu lassen; aber er hatte dieses Projekt schon bald wie­
der verworfen, weil er bezweifelte, dass er sich in Jütland auf Dauer werde
halten können. Der fehlgeschlagene Versuch, in Nord- und Ostsee eine
Flotte aufzustellen, mit der man beide Meere kontrollieren konnte, hatte
ihn belehrt, dass die Ressourcen des Kaisers für eine nachhaltige Macht­
entfaltung im Norden nicht ausreichten. Wallenstein war kein politischer
Träumer und hing nicht Projekten an, die er als unrealisierbar erkannt hatte.
Das Scheitern des Ostseeprojekts hatte ihn dazu gebracht, das Verhältnis
zu Dänemark neu zu bewerten, und diese Neubewertung hatte er in seiner
Denkschrift vom 20. Februar vorgenommen.
Es gab aber noch eine andere Sorge, die Wallenstein zur Großzügigkeit
gegenüber Dänemark veranlasste: Er nahm seit langem an, dass der Schwe­
denkönig Gustav Adolf in den Krieg eingreifen würde.281 Was Gustav Adolf
bislang daran gehindert hatte, war die Rivalität mit Dänemark und der Krieg
mit den Wasa in Polen, die Ansprüche auf die schwedische Krone erhoben.
Gefährlich für die Stellung des Kaisers in Norddeutschland wurde Gus­
tav Adolf erst, wenn er den Krieg mit Polen beendete und womöglich ein
Bündnis mit Dänemark einging. Wallenstein wusste um die Avancen, die
Gustav Adolf den Dänen während der Verhandlungen in Lübeck machte,
zumal er sich als Schutzherr Stralsunds auch an den Friedensgesprächen
hatte beteiligen wollen.282 Durch die großzügigen Friedensbedingungen
sollte Dänemark auf Distanz zu Schweden gehalten werden. Beide Mächte
gegeneinander auszuspielen, war ein zentrales Element der Machträson,
370 FO R T G A N G UND A U SW EITU N G

die das Reich «zur Versicherung der Seekanten»283 befolgen musste. Und
dann war da, drittens, noch die Verwicklung des Reichs in den mantuani-
schen Erbfolgekrieg. Wallenstein hatte zwar mehrfach davor gewarnt, sich
in diese Auseinandersetzung hineinziehen zu lassen, von der letzten Endes
allein Spanien profitierte und durch die sich der Kaiser definitiv die Feind­
schaft Frankreichs zuziehen musste,284aber inzwischen war Wien bereits so
tief in den Konflikt verstrickt, dass es daraus nicht mehr herauskam. Wal­
lenstein sah sich seit einiger Zeit mit der Forderung konfrontiert, Teile sei­
nes Heeres nach Italien in Marsch zu setzen. Damit aber schwand die Stärke
des Heeres im Norden, und es war ratsam, so schnell wie möglich mit den
Dänen Frieden zu schließen.
Wallensteins Vorschläge fielen in Wien nicht sogleich auf fruchtbaren
Boden. Als die dort festgelegten, viel härteren Friedensbedingungen der
dänischen Delegation vorgelegt wurden, drohte diese damit, die Verhand­
lungen abzubrechen. Offenbar hatte man auf dänischer Seite die schwierige
Lage durchschaut, in der sich der militärische Sieger des Krieges inzwi­
schen befand. Walmerode verfasste daraufhin eine Denkschrift, in der er
die Rückgabe Schleswigs an Christian ins Spiel brachte, dabei aber an dem
Verzicht auf die norddeutschen Bistümer und einer Entschädigungszah­
lung von fünf Millionen Talern festhielt.285 In dieser Situation schlug Wal­
lenstein vor, sich mit Tilly ins Benehmen zu setzen und eine eigenständige
Verhandlungsführung zu eröffnen. Tilly willigte ein und traf am 5. April
in Güstrow ein, wo er mehr als einen Monat blieb, was den Fortgang der
Verhandlungen erheblich erleichterte. Anfänglich war Tilly gegenüber der
Konzilianz Wallensteins skeptisch, doch nach einiger Zeit schwenkte er auf
dessen Friedensprogramm ein. Was auch immer ihn dazu veranlasst haben
mochte, die freundlich-zuvorkommende Art, mit der Wallenstein ihn
behandelte, oder das vom Kaiser zwischenzeitlich verkündete Restitutions­
edikt, das durchzusetzen alle Kraft erfordern würde - die beiden Heerführer
erklärten in gleichlautenden Schriften an Maximilian und Ferdinand, dass
sich die Lage im Norden zu verschlechtern drohe, weil Frankreich, Eng­
land, Schweden und Holland im Begriff seien, Dänemark erneut für ihre
Absichten einzusetzen; dass in Anbetracht des Restitutionsedikts mit der
Loyalität der norddeutschen Protestanten nicht zu rechnen sei; dass das
Der Lübecker Friedensschluss und das kaiserliche Restitutionsedikt 371

Die Publikation von Verträgen


war ein oft genutztes Mittel,
Übereinkünften zwischen
den Parteien noch vor deren
Ratifikation Verbindlichkeit
zu verschaffen; strikte
Geheimhaltung dagegen
begünstigte bei Verhandlungen
den Fortgang der Gespräche.
Der Vertrag des Lübecker
Friedens zwischen dem Kaiser
und dem König von Dänemark
im Jahr 1629 war kaum
unterschrieben, als er bereits
in der Druckerei von Valentin
Schmalhertz in Lübeck
veröffentlicht wurde.

Vordringen Schwedens in Polen zu einer Bedrohung der kaiserlichen Erb­


lande werden könne und dass man nicht in der Lage sei, die langgestreck­
ten Küsten des Nordens gegen Landeunternehmen der Gegner zu schüt­
zen, weil die auf dem Landweg marschierenden Truppen für eine Strecke,
die Schiffe in wenigen Stunden zurücklegten, mehrere Wochen brauchten.
Man solle dem dänischen König darum seine Länder zurückgeben, wenn
er im Gegenzug auf seine Stellung im niedersächsischen Kreis und die von
ihm erhobenen Ansprüche auf die norddeutschen Bistümer verzichtete.
Auf dieser Grundlage verhandelte man in Lübeck weiter, und am 7. Mai
willigte Christian in Wallensteins und Tillys Vorschläge ein. In Anbetracht
des Kriegsverlaufs war das für Dänemark ein sehr gutes Ergebnis, bei dem
freilich nicht vergessen werden sollte, dass der dänische König, ohne dass
dies im Vertrag Erwähnung fand, auf eines seiner wesentlichen Kriegsziele
verzichtete: den Schutz der Protestanten im Reich und die Erneuerung
des Religionsfriedens. Als die Unterhändler am 22. Mai den Vertrag unter­
37* FO R T G A N G UND A U SW EITU N G

zeichneten, akzeptierte Christian stillschweigend auch, dass der Kaiser die


infolge des Krieges eingetretene Lage zum Erlass eines Edikts genutzt hatte,
mit dem die Besitz- und Einflussverhältnisse zwischen Katholiken und
Protestanten im Reich grundlegend verändert wurden. Dieses Edikt dürfte
auch der Grund gewesen sein, aus dem sich Ferdinand auf die von Wallen­
stein vorgeschlagene «weiche Linie» der Verhandlungen eingelassen hatte:
Ihm ging es mehr um die Wiederherstellung des Katholizismus im Reich
als um den Aufbau einer Machtposition an Nord- und Ostsee.

Der Kriegsverlauf in den Jahren 1627 und 1628 und besonders Wallensteins
Agieren in dieser Zeitspanne hatten die Dimension des Macht- und Hege-
monialkriegs in den Vordergrund treten lassen, und fast hätte man überse­
hen können, dass es in diesem Krieg immer auch um religiöse Fragen ging.
Das änderte sich mit dem Erlass des kaiserlichen Restitutionsedikts am
6. März 1629, das die Frage der konfessionellen Machtverteilung im Reich
wieder auf die politische Tagesordnung setzte: Mussten geistliche Stifte,
die von der evangelischen Seite nach dem Passauer Vertrag von 1552 bezie­
hungsweise dem Augsburger Religionsfrieden von 1555 mit Beschlag belegt
worden waren, nunmehr, da sich die Machtverhältnisse geändert hatten,
an die katholische Seite zurückgegeben werden? Diese Frage hatte schon
vor Ausbruch des Krieges beide Seiten dazu veranlasst, einen bewaffneten
Konflikt als unvermeidlich anzusehen: die Katholiken, weil sie glaubten,
nur unter Einsatz von Gewalt den Zustand herstellen zu können, den sie
als Rechtszustand ansahen; die Protestanten, weil sie befürchteten, dass
die katholische Seite nur auf einen für sie günstigen Zeitpunkt wartete, um
sich wieder in den Besitz dessen zu bringen, was ihr in der zweiten Hälfte
des 16. Jahrhunderts verlorengegangen war.286 Aus protestantischer Sicht
ging es indes nicht nur darum, von wem das in den fraglichen Territorien
erwirtschaftete Mehrprodukt abgeschöpft wurde, sondern an den Besitz­
rechten hing auch das territorial gebundene ius reformandi, das Recht zur
Festlegung des Bekenntnisses in den betreffenden Territorien. Das Restitu­
tionsedikt bedeutete nach protestantischer Auffassung, dass «die religiöse
Überzeugung von Hunderttausenden von Menschen der gewaltsamen
Umgestaltung preisgegeben» wurde.287 Nach den Erfahrungen, die man
Der Lübecker Friedensschluss und das kaiserliche Restitutionsedikt 373

mit dem Vorgehen Ferdinands in der Steiermark und in Böhmen gemacht


hatte, konnte es keinen Zweifel daran geben, dass die Durchsetzung des
Edikts auf die Vertreibung all derer hinauslaufen würde, die zu einem Kon­
fessionswechsel nicht bereit waren. Diese Befürchtung hatte vor der Veröf­
fentlichung des Edikts zum Widerstand gegen Kaiser und Liga motiviert,
und nun war sie die Ursache von Angst und Schrecken bei den Protestan­
ten.
A uf dem Ligatag in Würzburg und dem Kurfürstentag von Mühlhausen
im Oktober und November 1627 waren nicht nur die notorischen Klagen
über die untragbar gewordenen Belastungen durch die Einquartierung
kaiserlicher Truppen vorgebracht worden und die Hoffnung, dass «des
Verheerens, Würgens und Rauhens ein Ende gemacht und Mittel zur Stif­
tung eines gewünschten Friedens auf die Bahn gebracht werden», wie es
bei Khevenhüller heißt,288 sondern es wurde auch die Erwartung geäußert,
dass man nun, da die Katholiken militärisch so glänzend dastanden, mit der
Restitution beginne. Abgesehen davon, dass es Kaiser Ferdinand ein Her­
zensanliegen war, all das rückgängig zu machen, was seine habsburgischen
Vorgänger aufgrund ihrer politischen Schwäche den Protestanten zugestan­
den hatten, war damit auch eine politische Kompromisslinie vorgezeichnet,
entlang derer man die katholischen Reichsstände zufriedenstellen konnte,
ohne das Heer abdanken zu müssen. Die Restitution war nämlich ein Pro­
jekt, das sich ohne entsprechende militärische Zwangsmittel kaum durch­
setzen ließ - es stand zu erwarten, dass all die, denen Enteignung oder
Zwangskonversion drohte, Widerstand leisten würden.
Für Ferdinand selbst mag es beim Restitutionsedikt allein um einen
weiteren Schritt bei der Durchsetzung der Gegenreformation gegangen
sein; für viele seiner Räte und Berater hingegen war die Restitution ein
Kompromiss, der die katholischen Reichsstände dazu bringen sollte, wei­
terhin die Last von Kontributionen und Einquartierungen zu tragen, wenn
sie dadurch wieder in den Besitz der verlorenen Stifte und Bistümer gelang­
ten. Der Kaiser spielte also die Restitutionserwartung gegen den Friedens­
wunsch aus, und er vermochte das, weil die meisten der in Mühlhausen Ver­
sammelten nicht begriffen hatten, dass beides, ein umfassender Frieden im
Reich und die Wiedereinsetzung in den früheren Besitz, nicht zusammen
374 FO R T G A N G UND A U SW EITU N G

zu haben war.289Man musste sich für das eine oder das andere entscheiden,
und da die Kurfürsten und die Reichsstände das nicht taten, gaben sie dem
Kaiser die Möglichkeit, den nach außen erfolgreichen Krieg nun in einen
Krieg im Innern zu verwandeln, in dem mehr als ein halbes Jahrhundert
Reichsgeschichte revidiert werden sollte. Aus dem Mächtekonflikt wurde
so erneut ein Religionskrieg innerhalb des Reichs, der wiederum alle Vor­
aussetzungen dafür hatte, einen neuen Hegemonialkrieg zu entfachen. So
wurde im Frühjahr 1629 die bis dahin wohl größte Chance vertan, den
Krieg in allen seinen Ausprägungen zu beenden.

Man wird sich indes die Katholiken ebenso wenig als einen geschlossenen
und an gemeinsamen Zielen orientierten Block vorstellen dürfen, wie das
die Protestanten in den zurückliegenden zehn Kriegsjahren waren. Viel­
mehr gab es innerhalb der katholischen Partei eine Reihe von Spaltungsli­
nien, von denen die ideologischen und die interessenpolitischen die wich­
tigsten waren. Hätten die Protestanten im Reich eine geschlossene Partei
gebildet oder wenigstens eine einheitliche politische Führung besessen,
hätten sie diese Gegensätze ausnutzen und Koalitionen mit den modera­
ten Kräften unter den Katholiken eingehen können, die mit dem Restitu­
tionsedikt nicht einverstanden waren. Da es diese protestantische Führung
jedoch nicht gab und die Kurfürsten von Sachsen und Brandenburg eine
zögerliche, unentschlossene Politik betrieben, setzten sich im Vorfeld des
Restitutionsedikts die ideologischen Scharfmacher des Katholizismus
durch. Sie wollten sich nicht mit den Regelungen von 1552 und 1555 begnü­
gen, sondern den Protestantismus bis auf ein paar bedeutungslose Rück­
zugsgebiete in Norddeutschland zurückzudrängen. Die wichtigsten Köpfe
dieser ideologisch-militanten Gruppe waren Adam Contzen und Wilhelm
Lamormaini, beide Jesuiten, Ersterer Beichtvater Kurfürst Maximilians,
Letzterer Beichtvater Kaiser Ferdinands. Sie hatten nicht nur «Zugang
zum Machthaber» (Carl Schmitt), sondern kontrollierten auch das Gewis­
sen der Machthaber.290 Lamormaini hat, wie er gegenüber dem päpstlichen
Nuntius Carafa erklärte, dem Kaiser die Verweigerung der Absolution
angedroht, wenn er seiner Pflicht zur Ausrottung der Ketzerei im Reich
nicht nachkomme.291
Der Lübecker Friedensschluss und das kaiserliche Restitutionsedikt 37S

Der Historiker Robert Bireley, der beste Kenner von Contzen und
Lamormaini,292 hat die Jahre zwischen 1627 und 1635 als die Hochphase
ihres Einflusses beschrieben, in der sie die anfänglich günstige militäri­
sche Lage des Kaisers konsequent zu gegenreformatorischen Zwecken
ausnutzen wollten: Gott habe den katholischen Mächten durch die auf
den Schlachtfeldern errungenen Siege die Mittel an die Hand gegeben, die
frühere Stellung der Kirche im Reich wiederherzustellen, und vor dieser
Aufgabe unter Verweis auf politische Risiken und Unwägbarkeiten zurück­
zuschrecken, sei eine Sünde und ein Vergehen wider Gott. Das war sowohl
gegen die Moderaten unter den Katholiken als auch gegen die Anhänger
eines Denkens in den Kategorien der Staatsräson gerichtet. Adam Contzen
trat dabei als konsequenter Antimachiavellist auf und erklärte, die jüngs­
ten Erfolge der katholischen Waffen zeigten, dass christliche Prinzipien
und politischer Erfolg sehr wohl in ein und derselben Rechnung aufgin­
gen. Machiavelli hatte das bezweifelt und dazu angeraten, im Konfliktfall
den langfristigen Erfolg höher zu stellen als die Vorgaben des christlichen
Gewissens. Contzen setzte auf einen vollständigen Sieg der katholischen
Sache und verglich die aktuelle Lage mit der des Makkabäeraufstands: Wie
die Helden des Alten Testaments müsse man auch jetzt auf den göttlichen
Beistand vertrauen, denn Gott werde denen helfen, die für seine Sache
kämpften.
Das war eine Argumentation, wie man sie mit entgegengesetzter Prä­
ferenz auch bei einem entschiedenen Calvinisten finden konnte: Gegen
die ratio Status wurde die ratio conscientiae ins Feld geführt, und als Beweis
dafür, dass man sich mit der Orientierung an den Vorgaben des Glaubens
und des Gewissens nicht auf der politischen Verliererstraße befand, wur­
den die Helden des Alten Testaments als Zeugen aufgerufen. Wer jetzt,
so auch Lamormaini, eine Politik des Ausgleichs und des Kompromisses
betrieb, zeigte damit bloß, dass es ihm an Gottvertrauen mangelte. Bireley
spricht davon, Contzen und Lamormaini hätten mit dieser Sicht den Reli-
gionskrieg zum «Heiligen Krieg» gesteigert, zu einem Krieg, in dem man
nicht eigenen Interessen folgte, sondern das Werkzeug Gottes war.293 Es
war diese Sicht, die Brandenburg und Sachsen in die Arme Gustav Adolfs
trieb und dadurch dessen Siegeszug durch Deutschland möglich machte.
3 7 <S FO R T G A N G UND A U SW EITU N G

Dieser Position der Militanten standen in der katholischen Partei die


Moderaten gegenüber sowie diejenigen, die man in Analogie zur Parteien­
bildung in Frankreich als Politiques bezeichnen kann, als die Gruppe derer,
die genuin politische Überlegungen höher stellten als religiöse Anforderun­
gen und die dementsprechend auf Kompromiss und Ausgleich setzten. Im
Zentrum ihrer Überlegungen standen die Zurückweisung der Vorstellung
vom «Heiligen Krieg» und die Kritik an der engen Verbindung von Politik
und Wundererwartung. Der Dominikaner Cosmas Morelles in Köln bezog
eine solche Position, als er unter Berufung auf Thomas von Aquin die These
vertrat, die Katholiken könnten sehr wohl dauerhaft Gebiete an die Protes­
tanten abtreten, ohne dabei ihren Gewissenspflichten entgegenzuhandeln,
denn alles sei dem Frieden unterzuordnen. Dass der Frieden das höchste
Gut sei, war auch die Auffassung von Peter Päzmäny, dem Primas der
katholischen Kirche in Ungarn:294 Für den Kaiser habe die Sicherung der
habsburgischen Erblande oberste Priorität, und da diese erfolgt sei, könne
er nunmehr guten Gewissens Frieden schließen. Diese Sicht kam jedoch
erst unter Ferdinand III. zum Tragen, da der im Unterschied zu seinem
Vater die Ziele der Kirche denen des Hauses Habsburg unterordnete.295Mit
der Niederlage der Kaiserlichen in der Schlacht von Jankau am 6. März 1645
wurde indes auch klar, dass die Hoffnung auf göttliche Hilfe, die am 6. Sep­
tember 1634 mit dem großen Sieg von Nördlingen über die Schweden noch
einmal kräftigen Auftrieb erhalten hatte, keine politisch sichere Basis war.
Die ideologische Sicht der Militanten musste erst durch eine Reihe von
schweren Niederlagen «widerlegt» werden, bevor der Weg zu den Frie­
densverhandlungen von Münster und Osnabrück offenstand. 1628/29 war
er noch versperrt.
Die Position der Politiques wurde in Deutschland von Wallenstein
und seinen Anhängern vertreten.296 Für ihn war, wie sein Biograph Diwald
schreibt, «das Nebeneinander beider Religionen im Reich [... ] eine Tat­
sache [...], die durch keine Gewaltmaßnahme mehr beseitigt werden
konnte».297 «Die Unkatholischen», so Wallenstein am 10. November
1629, seien allesamt durch «das kaiserliche Edikt wider uns motiviert, wir
werden viel mehr Diversionen haben als Spanien, denn das ganze Reich
wird wider uns sein, der Schwed der Türk und Bethlehem [Bethlen Gabor]
Der Lübecker Friedensschluss und das kaiserliche Restitutionsedikt 377

auch.»298 Die bereits lange gehegte Befürchtung, das Reich sei machtpo­
litisch überdehnt, wurde für Wallenstein mit dem Restitutionsedikt akut.
Er war sich darüber im Klaren, dass seine Truppen zur Durchsetzung des
Edikts eingesetzt werden würden und daher auch für den konfessionellen
Bürgerkrieg brauchbar sein mussten. Wallenstein aber hatte das Heer als
ein Instrument zum Kampf gegen äußere Feinde geschaffen, und so dien­
ten darin an höchster Stelle auch zahlreiche Lutheraner. Zum Widerstand
der «unkatholischen» Bevölkerung würde also noch die Demissionierung
einiger seiner besten Heerführer hinzukommen. Während Tilly die unein­
geschränkte Zusage gegeben hatte, seine Truppen zur Durchsetzung des
Edikts einzusetzen, war Wallenstein dazu nicht bereit.299 In einem Schrei­
ben an die Hansestädte, mit denen er wegen der Küstensicherung weit­
gehendes Einverständnis pflegte, erklärte er: «Wir vernehmen, die Han­
sestädte bilden sich ein, man wolle das kaiserl. Edict wegen Reformation
der Religion exequieren [durchsetzen], das sind wir aber durchaus nicht
gemeint [gewillt], sondern das Edict kann nicht Bestand haben, und wir
versprechen den Hansestädten, dass ihnen das geringste deswegen nicht
zugemuthet werden soll, denn man kann den Religionsfrieden nicht also
übern Haufen stossen.»300
Neben der Frage nach den politischen Kosten der Restitution, bei deren
Beantwortung sich die Militanten durchgesetzt hatten, war zu entscheiden,
an wen genau die von den Protestanten innegehabten Stifte, Bistümer und
Klöster zurückgegeben werden sollten. Nach der Entfremdung von oft
mehr als einem halben Jahrhundert waren die einstigen Besitzer zumeist
nicht mehr vorhanden. Also begann ein heftiger Streit, wer der Nutznießer
der Restitutionspolitik sein sollte. Neben den fürstlichen Familien, die um
die begehrten Positionen des Administrators eines Bistums kämpften, mel­
deten auch Benediktiner, Zisterzienser und Prämonstratenser Ansprüche
an und wollten ihre verlorenen Klöster zurückhaben. Dabei standen ihnen
jedoch fast immer die Jesuiten im Weg, die ihre mächtige Hand bereits mit
dem Argument auf den Besitz gelegt hatten, nur sie seien in der Lage, den
Kampf um die Rückgewinnung der Menschen für den katholischen Glau­
ben erfolgreich zu führen. Der kaiserliche Beichtvater Lamormaini, selbst
Jesuit, unterstützte seinen Orden, wo und wie er nur konnte: Mal nutzte er
378 FO R T G A N G UND A U SW EITU N G

seinen Einfluss auf den Kaiser, mal tat er kund, dass sich «die alten Orden
[... ] in dem Kampf mit dem Protestantismus ohnmächtig erwiesen [hät­
ten]; nur die Jesuiten seien demselben gewachsen; darum müßten von
den zu restituierenden Klöstern sämtliche Frauenklöster und die geringen
Männerklöster ihrem ursprünglichen Charakter ausgetilgt werden, um als
Jesuitenschulen neu zu erstehen»301. Damit war klar, dass es den Militan­
ten in der katholischen Partei nicht um die Wiederherstellung der früheren
Besitzverhältnisse ging, sondern um eine verbesserte Kampfaufstellung
im Ringen um die konfessionelle Ordnung Deutschlands. Das wiederum
bestärkte viele Protestanten in der Auffassung, dass die Wiederherstellung
der Verhältnisse von 1552 oder 1555 nur der Anfang sei und die Gegenre­
formation danach weiter Vordringen werde. Allen Einsprüchen von protes­
tantischer Seite zum Trotz, denen zufolge die Restitution nicht durch ein
kaiserliches Edikt angeordnet werden könne, sondern von einem Reichstag
erörtert und beschlossen werden müsse, wurde die Exekution des Edikts
vorangetrieben. Johann Philipp Abele (Abelin), ein Mitarbeiter Matthäus
Merians beim Theatrum Europaeum, hielt fest, damals seien «nicht allein
viel Kirchen, Schulen und andre Stiftungen, so nach dem passauischen Ver­
trag die Evangelischen an sich gebracht, sondern auch die, so sie allbereit
vor demselben in Besitz gehabt, mit Gewalt und Kriegsmacht occupiert,
die evangelischen Prediger abgeschafft und an deren statt päpstische Pries­
ter und Geistliche eingesetzt und die Leute zum Abfall oder Auszug und
an etlichen Orten mit Hinterlassung all des Ihrigen gezwungen worden.
Dabei haben die starken Einquartierungen des Kriegsvolkes, der Mutwille
der Soldaten, Durchzüge, Musterplätz, Contributionen und dergleichen
die Beschwernisse der Evangelischen nit wenig vermehrt.»302
Überblickt man den Dreißigjährigen Krieg in seinem Gesamtverlauf, so
war das Restitutionsedikt der schwerste Fehler des Kaisers, da er damit die
zuvor von seinem Heer errungenen Siege politisch zunichte machte. Das
Edikt verhinderte die Transformation militärischer Erfolge in politische
Stabilität und sorgte dafür, dass die Stellung des Kaisers auch im anschlie­
ßenden Jahrzehnt vom Waffenglück abhängig blieb. Als dieses Glück dem
Kaiser und der katholischen Partei nicht mehr so hold war wie im ersten
Kriegsjahrzehnt, war ihm der Rekurs auf politische Macht verwehrt, weil
Der Lübecker Friedensschluss und das kaiserliche Restitutionsedikt 379

er es versäumt hatte, durch einen klugen Friedensschluss im Innern ihren


Erhalt zu sichern. Hätten die Sieger des niedersächsisch-dänischen Krieges
im Innern des Reichs eine so großzügige Friedensregelung getroffen, wie
sie das im Lübecker Frieden Dänemark gegenüber getan haben, dann wäre
der Krieg mit großer Wahrscheinlichkeit zu Ende gegangen. Der Lübecker
Frieden und das Restitutionsedikt folgten jedoch unterschiedlichen politi­
schen Imperativen. Das heißt freilich nicht, dass wir es hier mit einem tat­
sächlichen Widerspruch der kaiserlichen Politik zu tun haben: Man kann
beides durchaus in eine komplementäre Beziehung bringen, wenn man
davon ausgeht, dass Wien und München gegenüber dem dänischen König
nur deswegen so großzügig waren, weil sie im Innern des Reichs freie Hand
haben wollten. Dort sollte realisiert werden, was Maximilian und Ferdi­
nand viel wichtiger war als eine starke Position an der Ostsee, nämlich die
Zurückdrängung des Protestantismus und die Durchsetzung der Gegenre­
formation. Das aber heißt, dass ihnen die Dimension des Religionskriegs
wichtiger war als die des Hegemonialkriegs. Was sie dabei nicht sahen, war
die enge Verbindung beider Rriegsebenen, die sich nicht mehr so trennen
ließen, wie sie sich das vorstellten - und das hatte zur Folge, dass die Poli­
tik der Restitution die nächsten Interventionsmächte auf den deutschen
Kriegsschauplatz rief: das Schweden Gustav Adolfs und in dessen Hinter­
grund das Frankreich Richelieus.
4 . KAPITEL

ITALIENISCH -PO LNISCH ES


ZW ISCHENSPIEL

Ein europäischer Krieg


auf deutschem Boden

I
m Jahre 1627 schrieb Gustav Adolf an seinen Kanzler Axel Oxenstierna:
«Die Dinge sind so weit gekommen, daß alle Kriege, die in Europa
geführt werden, miteinander vermischt und zu einem einzigen geworden
sind.»1 Das war eine gänzlich andere Sicht als die des Kaisers und des Wie­
ner Hofes, die in der Schlussphase des niedersächsisch-dänischen Krieges
in der Überzeugung handelten, dass sich die Kriege in Europa voneinander
trennen ließen und man das Geschehen dort zu konzentrieren vermochte,
wo man es haben wollte, ohne dass dabei Dritte dem Kaiser einen Strich
durch die Rechnung machen konnten. Diese Sichtweise lag dem kaiserli­
chen Handeln zugrunde, als er den Lübecker Frieden mit dem Erlass des
Restitutionsedikts verband. Die kaiserlichen Räte in Wien gingen davon
aus, man könne sich nunmehr, da die äußere Herausforderung durch den
Dänenkönig beziehungsweise die Haager Allianz beseitigt war, in aller
Ruhe auf die Neuordnung der konfessionellen Verhältnisse im Reich kon­
zentrieren, ohne dass daraus neue Herausforderungen erwachsen oder
Dritte die Konzentration auf das Innere des Reichs als Schwächung nach
außen ausnutzen würden.
Diese Wiener Fehleinschätzung brachte nicht nur Gustav Adolf ins
382 IT A L IE N IS C H -P O L N IS C H E S Z W ISC H E N SP IE L

Spiel, sondern auch weitere Akteure. Einer von ihnen war Richelieu, der
seit 1624, als er die Leitung der französischen Politik übernommen hatte,
nur darauf wartete, das große Vorhaben Heinrichs IV. wieder aufzuneh­
men und Frankreich zum Schiedsrichter der europäischen Angelegenhei­
ten zu machen. Das kaiserliche Restitutionsedikt, durch das die konfessio­
nelle Dimension des Krieges wieder deutlich herausgestellt wurde, spielte
ihm, dem Kardinal der römisch-katholischen Kirche, dabei in die Hände.
Daneben beförderte der Lübecker Frieden bei Olivares, dem Taktgeber
der spanischen Politik, den Anspruch, dass der Kaiser seinen nun erfolg­
ten Machtzuwachs nutzte, um Spanien im Krieg gegen die Niederlande
zu unterstützen und damit die umfangreiche Hilfe zurückzuerstatten, die
Spanien ihm geleistet hatte. Und dann war da noch die englische Forde­
rung nach Wiedereinsetzung des Pfalzgrafen, die schon für sich genommen
dafür sorgte, dass alle Konfliktlagen in Europa miteinander zusammenhin­
gen. Man konnte nirgendwo den Hebel ansetzen, ohne dass dies andern­
orts Auswirkungen hatte. Das galt bereits allein für die strukturell festste­
hende Interessenlage, in der die Fülle der kontingenten Ereignisse noch
gar nicht enthalten war, die jederzeit die Pläne und Vorhaben der Parteien
durcheinanderbringen konnten. Das Wiener Agieren am Ende der ersten
Kriegsdekade war, um das Mindeste zu sagen, nicht kontingenzresistent:
Wien überschätzte die Festigkeit der Klammer, die in der gemeinsamen
Katholizität der Verbündeten bestand.
Vermutlich war auf kaiserlicher Seite Wallenstein der Einzige, der die
Dinge wie Gustav Adolf sah: dass die Kriege in Europa miteinander zusam­
menhingen und man in keinem dieser Kriege einen Schritt machen konnte,
ohne dass dies Folgen für die anderen Kriege hatte. Seine ständige Furcht
vor der Überdehnung des Reichs,2 die sich gerade auf dem Höhepunkt sei­
ner Machtentfaltung äußerte, kann als Anhaltspunkt dafür gesehen werden:
Überdehnt war das Reich nämlich nur, wenn alles mit allem zusammen­
hing. Auch in Spanien analysierte man die jeweiligen Konflikte im europäi­
schen Zusammenhang, sonst hätte man sich im böhmischen Krieg nicht so
entschieden für die österreichische Linie des Hauses Habsburg engagiert.
Die von Eberhard Straub untersuchten Beratungen im spanischen Staats­
rat und die für den König angefertigten Gutachten seiner engsten Berater
Ein europäischer Krieg auf deutschem Boden 383

zeigen den «gesamteuropäischen Blick», der in Madrid vorherrschte.3


Auch in Paris war Richelieu keineswegs der Einzige, der die Auswirkungen
jedes einzelnen Ereignisses für das gesamteuropäische System analysierte.
«Denn wenn das Haus Österreich», so hatte der Herzog von Angouleme
erklärt, «nach eigenem Gutdünken und ohne jeden Widerspruch sein
Zepter schwingen kann, wird es die ganze Christenheit in Schrecken ver­
setzen. Jeder muß sich vor dem ehrgeizigen Hirngespinst einer universalen
Monarchie hüten. Es gilt, diesem mit Recht gefürchteten Unheil zuvorzu­
kommen.»4Mit dem «Haus Österreich» meinte der Herzog nicht nur die
Wiener, sondern auch die Madrider Linie der Habsburger. Das Bewusst­
sein dieser Einheit spielte bei der Ausweitung des Krieges auf Oberitalien
eine wichtige Rolle.5
Wenn man - wie Richelieu - unterstellte, dass das Zusammenwirken
von Madrid und Wien in der Habsburger Politik eine Konstante der euro­
päischen Machtkonstellation war (was indes keineswegs immer zutraf),
so lag es nahe, gemäß den Vorgaben der französischen Staatsräson mög­
lichst viele Keile dazwischenzutreiben und jede nur denkbare Koalition
einzugehen, die die habsburgische Macht schwächen und die Spielräume
der französischen Politik erweitern konnte. Diese Direktive sollte die
beiden folgenden Kriegsdekaden bestimmen. Aufschlussreich für sie ist
die Wiedergabe eines Gesprächs zwischen dem französischen Gesandten
Guillaume de Bautru und Olivares in den Memoires Richelieus: A uf diverse
Vorhaltungen Bautrus erwidert Olivares, man möge sich mit diesen Fragen
an den Kaiser wenden, denn der habe die Entscheidungsgewalt. Darauf
Bautru: «D er Kaiser ist in dieser Sache parteiisch für das spanische Inter­
esse: Sie haben ihn genötigt, sich in solcher Weise zu erklären. Sie haben die
Gutwilligkeit dieses Fürsten dienstbar gemacht für Ihre Leidenschaften.»
Worauf Olivares entgegnet: «Wir haben dem Kaiser Menschen und Geld
geliefert: er gibt uns den Rechtsgrund.» Und Bautru dazu: «Endlich hat
die Wahrheit Sie zum Reden gebracht. Wir Andere wußten seit langem, daß
Sr. Katholischen Majestät [dem spanischen König] der kaiserliche Adler
dient wie dem Falkner der Falke.»6- Das war sicherlich nicht die wörtliche
Wiedergabe einer diplomatischen Unterredung, sondern deren Stilisierung
in dem Sinne, was beide gesagt hätten, wenn sie die Motive ihres Tuns wirk­
384 IT A L IE N IS C H -P O L N IS C H E S Z W ISC H E N SP IE L

lieh offengelegt hätten. Richelieu brachte hier zum Ausdruck, wie er Oliva-
res und dessen Ziele sah.

Richelieus Sicht auf die europäischen Machtverhältnisse war in Frankreich


allerdings nicht unumstritten. Die Königswitwe Maria de’Medici vertrat
einen prinzipiell anderen Standpunkt: Sie, die anstelle ihres noch unmün­
digen Sohnes die Regentschaft übernommen hatte und nun mit Riche­
lieu um den entscheidenden Einfluss auf den König rang, setzte auf eine
Koalition der katholischen Mächte. Spanien, Frankreich und das Wiener
Kaiserhaus sollten sich der Herausforderung durch die protestantischen
Mächte, die Generalstaaten, England, Dänemark und Schweden, gemein­
sam stellen und politisch geschlossen reagieren. Die Koalition sollte nicht
nur auf der vertrauensvollen Zusammenarbeit zwischen Spanien und dem
Kaiserhaus beruhen, bei der Frankreich lediglich der Juniorpartner war,
sondern auf den Interessen aller drei Mächte, deren Klammer die Katho-
lizität der Koalition war. A uf dieser Grundlage strebte die Königinmutter
eine Politik an, die den Ausgleich mit Spanien und dem Wiener Kaiserhaus
suchte und gleichzeitig die protestantischen Mächte als gemeinsamen Geg­
ner begriff. Richelieus «Primat der Außenpolitik» teilte sie nur bedingt;
nicht weniger wichtig waren ihr die inneren Verhältnisse des Königreichs,
wo sie den konfessionellen Gegensatz durch die Ausschaltung der Huge­
notten überwinden wollte. Auch Richelieu wollte dies, doch ging es ihm
dabei um die Zerschlagung des Hugenottentums als politischer Partei und
nicht um die Glaubensausübung der Reformierten. Für Maria de’Medici
war das zu wenig; sie wollte in Frankreich wieder ein einheitliches katholi­
sches Bekenntnis hersteilen.
Eine ähnliche Position gab es auch am Wiener Kaiserhof; ihr wich­
tigster Repräsentant war der kaiserliche Beichtvater Wilhelm Lamormaini.
Ob Kaiser Ferdinand, wie der katholisch-apologetische Historiker Onno
Klopp angenommen hat, diese Position teilte und «einen engen Bund der
drei Häupter, seiner selbst und der zwei Könige von Frankreich und von
Spanien», anstrebte,7 ist dagegen fraglich. Eher ist davon auszugehen, dass
Ferdinand, so wie auch Ludwig XIII., einmal der einen, dann wieder der
anderen Sichtweise zuneigte. Wallenstein wiederum sah die Konstella­
Ein europäischer Krieg auf deutschem Boden 3«S

tionen ähnlich wie Richelieu (und in mancher Hinsicht auch wie Gustav
Adolf), der auf einen konfessionellen Block wenig gab und die machtpoli­
tische Lage in Europa von den Interessen der Staaten her analysierte. Dies
war der Blickwinkel, aus dem er darüber entschied, wer als Freund und wer
als Feind anzusehen sei. Wallensteins politische Vorschläge waren deswe­
gen sehr viel stärker als die seiner Wiener Kontrahenten auf die sich immer
wieder verändernden Verhältnisse hin angelegt: Sie variierten ständig und
hatten deshalb auch keine normative Achse. Das ist beiden, Wallenstein
wie Richelieu, immer wieder zum Vorwurf gemacht worden, zumal sie sich
auch nicht, wie Gustav Adolf, um eine normative Grundierung ihrer Politik
bemühten, sondern die leitenden Staatsinteressen unverhohlen herausstell­
ten. Das war ganz anders bei Lamormaini, der gegen Ende der 1620er Jahre
zunehmend zum Gegner Wallensteins wurde und für den der innerchrist­
liche Frieden auf gegenreformatorischer Grundlage die durchgängige Leit­
vorstellung war.
In einem Brief an Pere Jean Suffren, den Beichtvater Maria de’Medicis
und später auch Ludwigs XIII., hat Lamormaini seine politischen Ziele
beschrieben.8 Pater Suffren hatte den Briefwechsel am 18. September 1629
begonnen. Lamormaini antwortete am 24. November und fasste zunächst
die Absicht Suffrens dahingehend zusammen, dass es ihm um «den Frie­
den und die Eintracht der Häupter der Christenheit [gehe] und den Ver­
such, den wir zwei und mit uns alle Wohlgesinnten zu machen haben, damit
nicht dem Feinde des Friedens, dem Widersacher der Ehre Gottes, es ver-
stattet werde, seine Saat des Unkrauts auszustreuen und diese frommen
Fürsten miteinander [in einen Krieg] zu verwickeln».9Seinem Herrn, dem
Kaiser, liege nichts mehr am Herzen, als «nicht bloß in seinen Königrei­
chen und Erbländern die katholische Religion herzustellen, sondern auch,
so weit ihm zur Zeit durch die Constitutionen des Reiches und die öffent­
lichen Verträge das gestattet ist - im ganzen römischen Reiche. Besonders
für den allerchristlichsten König [Ludwig X III.] ist er so gesinnt, daß er
wünscht ihn zum vertrautesten Freunde zu haben, heilige Bündnisse mit
ihm einzugehen und zu vermitteln, daß auch der katholische König [Phi­
lipp IV.] in diese Gemeinschaft eintritt.»10 Lamormaini klagte über das
Auftreten eines französischen Gesandten am Kaiserhof, der in der mantua-
386 IT A L IE N IS C H -P O L N IS C H E S Z W ISC H E N SP IE L

nischen Angelegenheit11 eine sehr schroffe Position vertreten und dadurch


die Frankreich Wohlgesonnenen am H of vor den Kopf gestoßen habe.
Diese Sache könne aber leicht aus der Welt geschafft werden, wenn Ludwig
einen weiteren Gesandten schicke, der den Kaiser «als älteren Fürsten und
als Träger der Würde» anspreche und die französische Vorstellung zu der
Angelegenheit von Mantua und Montferrat angemessen vortrage. Offenbar
war sich Lamormaini nicht darüber im Klaren, dass die Rangfrage ein Teil
des Problems zwischen Paris und Wien war, denn die Position, die er für
den Kaiser in Anspruch nahm, war exakt die, die auch Frankreich für sich
beanspruchte: die des Schiedsrichters über die europäischen Angelegen­
heiten. Sobald in Lamormainis Schreiben vom Kaiser und seiner Würde
die Rede war, wurde Frankreich die Rolle des Juniorpartners zugewiesen.
Lamormaini scheint das nicht erkannt zu haben, denn er fährt fort:
«In dieser Weise kann - wie ich durchaus sicher weiß - alles zu allseitiger
Zufriedenheit beigelegt werden. Der Kaiser wird dem allerchristlichsten
König nicht bloß nach Wunsch antworten, sondern wird auch in väterli­
cher Gesinnung für den König, in frommem Sinne für die Kirche, die Gele­
genheit geben, dass der allerchristlichste König [Ludwig X III.] und der
katholische König [Philipp IV.] wie Brüder unter einander und mit dem
Kaiser ein unauflösliches Bündnis eingehen, nicht bloß damit der Eine
nicht die Rechte des Anderen verletze, sondern auch damit aller Ungerech­
tigkeit auf Erden ein Damm entgegen gestellt und das Reich Christi über
die gesammte Welt ausgebreitet werde, allen dreien zum hohen Lobe und
Ruhme, welchen die Geschichtsbücher allen kommenden Zeiten verkün­
den werden. Endlich auch würde es gereichen zum zeitlichen Vortheile
[zum Vorteil in dieser Welt], weil die Könige, einzeln für sich, neue König­
reiche erwerben und besitzen werden.»12 Den hier skizzierten Eroberungs­
gedanken hat Lamormaini im Übrigen ganz ernst gemeint, denn er schließt
seine Überlegungen mit einer Mischung aus Feststellung und Aufforde­
rung: «Europa wird zu enge für so viele Völker [Kriegsvölker], wenn wir
nicht die von allen Seiten her gesammelten Heere, die sich gewöhnt haben
an Müßiggang, an Krieg und Raub, hinaus führen in die weiten Länder der
Ungläubigen und dort den Glauben herstellen.»13 Expansion in die außer­
europäische Welt, um in Europa Frieden zu schaffen - das war Lamormai-
Ein europäischer Krieg auf deutschem Boden 38 7

nis Vorschlag, wie sich die Interessengegensätze zwischen den katholischen


Mächten überwinden ließen.
Lamormainis Vorstellung von einem festen Bündnis der katholischen
Mächte war jedoch ebenso zum Scheitern verurteilt wie die Bündnispro­
jekte, die vor Kriegsausbruch von der protestantischen Aktionspartei
geschmiedet worden waren oder der Haager Allianz von 1625 zugrunde
lagen. Die Haager Allianz14 war aufgrund erheblicher Interessenunter­
schiede nie wirklich wirksam geworden, und Christian IV., der sich auf
sie verlassen hatte, stand zumeist ziemlich allein da. Sobald Bündnistreue
gefordert war, blickten die alliierten Länder auf ihre je eigenen Interessen,
die mit denen der Bündnispartner oft nicht übereinstimmten; jeder hatte
den Eindruck, dass seine Anstrengungen vor allem anderen zugutekamen.
Ein ums andere Mal zeigte sich im Verlauf des Dreißigjährigen Krieges, dass
die Wertbindung der gemeinsamen Konfession weniger tragfähig war als
ein Zusammenhalt, der auf gemeinsamen Interessen beruhte. Lamormainis
politischer Romantizismus hatte dort seine Grenzen, wo er geteilte Werte
in gemeinsame Interessen zu transformieren versuchte oder argumentierte,
gemeinsame Werte seien eine solide Grundlage für eine gemeinsame Inter­
essenpolitik. Das war die Schwäche eines Ansatzes, der schon in der ersten
Phase des Krieges zum Scheitern der protestantischen Koalitionen geführt
hatte und der nun noch einmal von katholischer Seite ins Spiel gebracht
wurde. Folgte man den Anhängern einer gemeinsamen katholischen Politik,
geriet man aufs politische Abstellgleis oder manövrierte sich in eine Situa­
tion der Überforderung, wie das der Kaiser mit dem Restitutionsedikt tat.

Ein Blick auf die geopolitischen Interessenkonflikte in Europa zeigt, dass


eine konfessionsgestützte Koalition aus Spanien, Frankreich und dem Kai­
serhaus kaum zu einer gemeinsamen Politik in der Lage war: Spanien kon­
zentrierte sich auf die Niederlande und betrachtete alle Akteure als Gegner,
von denen die Generalstaaten offiziell oder insgeheim unterstützt wur­
den - und dazu gehörte eben auch Frankreich, das eine gute Chance sah,
hier den angeblichen oder tatsächlichen Einkreisungsring der Habsburger
aufzusprengen. Seit Mitte der 1620er Jahre blickte Spanien aber auch auf
Italien, wo mit dem absehbaren Tod des kinderlosen Herzogs von Mantua
Die Festungsstadt Mantua, auf drei Seiten von Wasser umgeben, war nur
schwer im Sturm zu nehmen oder auszuhungern. Das machte ihre strategi­
sche Bedeutung für die Beherrschung der oberitalienischen Tiefebene aus.
Der Plan zeigt die beiden Brücken über den seenartig erweiterten Fluss
Mincio und die modern ausgebauten Bastionen der beiden Brückenköpfe.
Nicht durch Belagerungskunst, sondern infolge der in Mantua wütenden
Pest gelang es den kaiserlichen Generälen Aldringen und Gallas, die Stadt
zu erobern.

und Montferrat ein Streit um die Nachfolge anstand. Montferrat lag geo­
graphisch wie ein Riegel zwischen dem spanischen Mailand und dem tra­
ditionell Frankreich zuneigenden Savoyen. Das also war der nächste Kon­
flikt zwischen Spanien und Frankreich, und um ihn sollte es in den späten
1620er Jahren gehen. Wer Montferrat beherrschte, hatte den Schlüssel zur
Herrschaft über Italien - so jedenfalls sahen es Richelieu und Olivares.15
Frankreich wiederum blickte nicht nur auf die Niederlande und Nord­
italien, sondern ebenso auf Südwestdeutschland, wo in der Rheinpfalz
immer noch spanische Truppen standen, die für Richelieu ein Bestandteil
des habsburgischen Einschließungsrings waren. Damit wurde die Frage
Ein europäischer Krieg auf deutschem Boden 389

einer Restitution des Pfalzgrafen erneut aufgeworfen, an der England und


die Generalstaaten interessiert waren. Das wiederum stand den Interessen
des bayerischen Kurfürsten Maximilian entgegen, der sich durch jede Form
einer Restitution des Pfalzgrafen bedroht sah, was zu einer Interessenkon­
vergenz von Paris und München führte. Dementsprechend versuchte die
rranzösische Politik, Maximilian als Hebel zu benutzen, mit dem die Kur-
rarsten gegen den Kaiser in Stellung gebracht werden konnten - und in
eurer Reihe von Fragen ist das durchaus gelungen.16
Die Vorstellung von einem Bündnis der katholischen Mächte, oben­
drein noch unter der Führung des Kaisers, hatte keinerlei Realisierungs­
chance. Im Gegenteil: Seit Mitte der 1620er Jahre, als der Kaiser durch die
Aufstellung eines eigenen Heeres vom Wohlwollen der Liga unabhängig
geworden war und Maximilian an Einfluss verloren hatte, versuchte die
französische Politik, Anschluss an die protestantischen Mächte des Nor­
dens zu gewinnen und in diese konfessionsunabhängige Koalition auch
Kurfürst Maximilian sowie die von ihm angeführte Liga einzubinden. Hatte
Richelieu zunächst darauf gesetzt, über eine als «dritte Partei» bezeichnete
Gruppe Einfluss auf das Geschehen in Deutschland zu nehmen, wobei stets
unklar blieb, ob diese «dritte Partei» nun vom bayerischen oder vom säch­
sischen Kurfürsten angeführt wurde, so sah er sich nunmehr gezwungen,
auf die Gegner des Kaisers zuzugehen und mit ihnen Allianzen zu schmie­
den: Da war zunächst das eher lockere Bündnis mit Dänemark, dem nach
dem Lübecker Frieden dann eine Allianz mit Schweden folgte, die in der
/weiten Kriegshälfte den Gang der Ereignisse bestimmte. «Der Schwe­
denkönig», so soll Richelieu zu dem venezianischen Gesandten Contarini
m Grenoble gesagt haben, «ist bereit zum Einbruch in Deutschland. Er
bedarf nur des Geldes, und auch dessen nicht einmal viel. Er verlangt jähr­
lich 400 000 Reichsthaler gleich 1200 000 Franken. Davon hat die Repu­
blik [Venedig] ein Drittel auf sich zu nehmen, der König [Ludwig X III.]
zwei Drittel. Und dann verpflichten wir ihn zum Kriege im Reiche auf sechs
Jahre. Das ist ein solides Geschäft.»17 Prägnanter ließ sich Richelieus an
Interessen orientierte Politik nicht zusammenfassen.
Wallenstein betrachtete die Rolle des Schwedenkönigs aus der entge­
gengesetzten Position. Für ihn kam es darauf an zu verhindern, dass Gustav
390 IT A L IE N IS C H -P O L N IS C H E S Z W ISC H E N SP IE L

Adolf die ihm von Richelieu zugedachte Rolle übernehmen konnte - und
damit kam Polen ins Spiel. Man musste, so die Überlegung Wallensteins,
die Polen in ihrem seit Jahren andauernden Krieg gegen die Schweden nach
Kräften unterstützen; wenn nämlich der Krieg in Polen beendet wurde,
wozu König Sigismund, vor allem aber der landständische Adel neigte,
dann würde Gustav Adolf freie Hand haben und sich mit seinen kriegser­
probten Truppen dem deutschen Kriegsschauplatz zuwenden. «Lassen wir
den König von Polen im Stich», schrieb Wallenstein, «dann haben wir hin­
terher am Schweden einen ärgeren Feind als am Türken.»18Wallenstein tat
einiges dafür, dass sich Sigismund nicht vom Kaiser und den katholischen
Mächten des Reichs im Stich gelassen fühlte: 1627 bereits schickte er ihm
eine wesentlich aus Kürassieren bestehende Kavallerieeinheit zur Unter­
stützung, und im Frühjahr 1629 setzte er eine kleine Armee unter Feldmar­
schall von Arnim in Marsch, um den Krieg in Polen fortzusetzen. Riche­
lieu wiederum verfolgte das entgegengesetzte Ziel: Er wollte den Krieg in
Polen beenden, und deswegen entsandte er keine Soldaten, sondern einen
Diplomaten, den Baron Hercule-Girard de Charnace, mit dem doppelten
Auftrag, so schnell wie möglich einen Waffenstillstand zwischen Polen und
Schweden zu erreichen und gleichzeitig einen Friedensschluss des Kaisers
mit den Dänen zu verhindern.19 Letzteres ist Charnace misslungen; bei Ers-
terem hingegen war er erfolgreich.
Gustav Adolf wiederum, um auch noch den dritten großen Akteur die­
ser Phase des Krieges ins Auge zu fassen, musste sich um die flankierenden
Mächte Polen und Dänemark kümmern, bevor er sich auf das Reich kon­
zentrieren konnte: Dänemark war durch die starke Flotte, die Christian IV.
geschaffen hatte, der gefährlichste Konkurrent um die Kontrolle des Meeres,
und ohne weitgehende Sicherheiten seitens Dänemarks war an einen Feld­
zug in Deutschland nicht zu denken. Polen hingegen war für Gustav Adolf
bedrohlich, weil der zum Katholizismus konvertierte Vetter Sigismund aus
dem Hause Wasa seinen Anspruch auf die schwedische Krone nicht aufge­
ben wollte.20 Außerdem führte der schwedische König gegen Polen Krieg,
um die Kontrolle über die Hafenstädte und Flussmündungen von der
Narwa bis zur Weichsel zu erlangen. A uf diese Weise wollte er das Ringen
mit Dänemark um die Ostseehegemonie für sich entscheiden: Hatte Chris­
Ein europäischer Krieg auf deutschem Boden 391

tian IV. für diesen Zweck auf eine starke Flotte gesetzt, so strebte Gustav II.
Adolf die Beherrschung des Küstensaums an, um die dort erhobenen Zölle
für sich vereinnahmen zu können.21 Die Handelszölle nämlich waren der
eigentliche Ertrag des dominium maris Baltici: Christian sammelte sie am
Öresund ein; Gustav Adolf hatte dafür die Häfen der östlichen und südli­
chen Küsten im Blick. Zwei unterschiedliche Wege, um zu demselben Ziel
zu gelangen. Beide, Christian wie Gustav Adolf, waren indes zu dem Ergeb­
nis gekommen, die Herrschaft im Ostseeraum könne nur dann als dauer­
haft gesichert gelten, wenn die dem Reich zugehörigen Küstengebiete unter
Kontrolle gebracht waren, und deswegen entschieden sich auch beide, in
den auf deutschem Boden geführten Krieg zu intervenieren.
Das kennzeichnet den Dreißigjährigen Krieg als einen europäischen
(und eben nicht bloß deutschen) Krieg: Es konnte kein anderer Krieg in
Europa geführt werden, ohne dass er nach einiger Zeit mit dem Krieg im
Reich in Verbindung kam und in seinem weiteren Verlauf von den Ereig­
nissen dort abhängig war. Das gilt für den Unabhängigkeitskrieg der Nie­
derlande gegen Spanien, für den in Polen geführten Krieg zwischen der
lutherischen und der katholischen Linie des Hauses Wasa und auch für
den mantuanischen Erbfolgekrieg in Norditalien. Ende der 1620er Jahre
gerieten die Konflikte in Europa in einen besonders engen Zusammen­
hang miteinander, und zu allen drei genannten Kriegsschauplätzen wurden
Einheiten der kaiserlichen Armee entsandt. Der Krieg zeigte damit eine
starke Tendenz zur räumlichen Ausdehnung; er wurde exzentrisch. Aber
diese Phase der Exzentrizität war nur von kurzer Dauer und wurde schon
bald von einer neuen Phase des Konzentrischen abgelöst: Die Kriegsschau­
plätze außerhalb des Reichs verloren an Bedeutung, und die Truppen kehr­
ten nach Deutschland zurück. Damit wurde der Krieg aber nicht weniger
europäisch, im Gegenteil: Es kam zu einem weiteren Zustrom von Soldaten
nach Deutschland, sei es in Gestalt der Söldner aus Schottland und Irland,
die regimentsweise entsandt wurden, oder sei es in Gestalt der schwedi­
schen Truppen, mit denen Gustav Adolf auf Usedom landete.
Alle Kriege in Europa hingen miteinander zusammen und seien zu
einem einzigen großen Krieg geworden, hatte Gustav Adolf 1627 erklärt; er
hätte auch mit Blick auf sein eigenes Agieren hinzufügen können, dass über
39i IT A L IE N IS C H -P O L N IS C H E S Z W ISC H E N SP IE L

Verlauf und Ausgang der Kriege außerhalb Deutschlands letzten Endes in


Deutschland entschieden wurde. Der in Deutschland geführte Krieg war
zum Zentralkonflikt aller Kriege in Europa geworden. Das machte seine
Beendigung so schwierig und den Krieg selbst zu einem nicht enden wol­
lenden Verhängnis, vor allem für die in Deutschland lebenden Menschen.
Es waren vor allem vier Räume, in denen der Krieg hier vom Anfang der
1630er Jahre bis zu seiner Beendigung geführt wurde: das Gebiet der mittle­
ren Elbe und ihrer Nebenflüsse, wo mit Breitenfeld und Lützen die größten
Schlachten geschlagen wurden; das Donaugebiet zwischen Tuttlingen und
Regensburg mit einem Streifen von 50 bis 100 Kilometern Breite rechts und
links der Donau, wo ebenfalls immer wieder große Schlachten stattfanden;
dann die Gebiete am Rhein, besonders zwischen Basel und Koblenz, aber
auch mit gelegentlicher Ausweitung auf den Niederrhein, wo in erster Linie
ein zäher Festungs- und Belagerungskrieg geführt wurde; und schließlich
kam noch die Oder von Schlesien bis zu ihrer Mündung hinzu, die einen
weiteren selbständigen Raum der Kriegführung bildete. Die Machtvertei­
lung in Europa wurde entlang dieser vier Flüsse ausgefochten. Bevor es
dazu kam, trat der Krieg zunächst jedoch in seine exzentrische Phase ein.

Der mantuanische Erbfolgekrieg

In der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts waren die spanisch-französischen


Hegemonialkriege in Italien ausgetragen worden. In das Ringen um die
europäische Hegemonie war damals auch das Kaiserreich verwickelt.
Einerseits als Träger alter Rechte in «Reichsitalien», wie man den Raum
bis zur nördlichen Grenze des Kirchenstaates nannte, und andererseits,
weil die deutschen Kurfürsten im Jahre 1519 den Enkel Kaiser Maximilians,
den spanischen König Carlos, zum Kaiser gewählt hatten; dieser hatte als
Karl V. die spanischen und deutschen Ressourcen gebündelt, um sich im
Ringen um die Herrschaft über Italien durchzusetzen und Frankreich von
der Halbinsel zu verdrängen. Danach war die französische Politik mit kon­
fessionellen Streitigkeiten im Innern befasst, und so hatte sich eine habsbur­
Der mantuanische Erbfolgekrieg 393

gische Oberhoheit in Italien gefestigt, innerhalb derer die spanische Linie


das Sagen hatte, während der Kaiser über die althergebrachten Rechtstitel
verfügte. Da die Kaiser aber mit den Konflikten in Deutschland und dem
Krieg gegen die auf dem Balkan vordringenden Türken beschäftigt waren,
spielten die Rechtstitel in Italien so gut wie keine Rolle mehr. So kam das
Land wieder zur Ruhe, und es entstand - unter spanischer Aufsicht - eine
stabile Ordnung auf der Halbinsel. Diese Stabilität war im Wesentlichen der
französischen Schwäche geschuldet; mit dem Wiederaufstieg Frankreichs
zu Beginn des 17. Jahrhunderts änderte sich das: Frankreich wollte seine
frühere Position in Westeuropa zurückgewinnen, und Italien war einer der
Räume, wo dieses Vorhaben zur Ausführung gebracht werden konnte.
Dass dieser neuerliche Hegemonialkonflikt in Form eines Krieges aus­
getragen wurde, war von Anfang an wahrscheinlich; wo dieser Krieg ausge­
tragen wurde, war hingegen offen, denn hier spielten zufällige Entwicklun­
gen ebenso eine Rolle wie willkürliche Entscheidungen der Politik. Bislang
waren die Niederlande das bevorzugte Gebiet, wo Frankreich die spanische
Macht zu schwächen suchte, indem es Bündnisse mit den Generalstaaten
schloss und kontinuierlichen Druck auf die «spanische Gasse» ausübte, die
Versorgungsachse der Spanier zwischen Genua und Mailand auf der einen
und Brüssel auf der anderen Seite.22 In den Niederlanden ging es nicht nur
um die Grenzziehung zwischen dem südlichen (katholischen) und dem
nördlichen (reformierten) Teil, sondern auch darum, wer der Aufseher
und Schiedsrichter der europäischen Ordnung sein würde. Dass sich die
spanisch-französische Rivalität für einige Jahre räumlich nach Italien ver­
lagerte, sozusagen vom nördlichen zum südlichen Ende der «spanischen
Gasse», hatte mit dynastischen Problemen im Herzogtum Mantua zu tun,
wo es konkurrierende Rechtsansprüche auf die Nachfolge des kinderlo­
sen Vincenzo II. gab. A uf der einen Seite stand Karl von Gonzaga-Nevers
als der von Frankreich unterstützte Kandidat, auf der anderen Ferrante II.
Gonzaga, Herzog von Guastalla, den Spanien bevorzugte.23 Da das Herzog­
tum Mantua zu «Reichsitalien» gehörte, also ein Lehen des Kaisers war,
der bei Erbstreitigkeiten die jeweiligen Rechtsansprüche zu prüfen hatte,
kam neben Spanien und Frankreich auch das Kaiserreich ins Spiel. Dessen
Kräfte waren freilich anderweitig gebunden, und Kaiser Ferdinand wollte
394 IT A L IE N IS C H -P O L N IS C H E S Z W ISC H E N SP IE L

sich aus dem Konflikt, in dem es für ihn nichts zu gewinnen gab, eigent­
lich heraushalten. Aber er war nun einmal Spanien verpflichtet, das ihn
während der zurückliegenden Jahre immer wieder mit Geld und Truppen
unterstützt hatte und nun eine Gegenleistung erwartete; zudem war Ferdi­
nand in zweiter Ehe mit Eleonora Gonzaga verheiratet, der Schwester von
Vincenzo II., und das führte zu einer zusätzlichen Verbindlichkeit.
Man kann den mantuanischen Erbfolgestreit als einen Konflikt begrei­
fen, der auf dem Rechtswege ausgetragen und durch den Kaiser entschie­
den worden wäre, wenn sich die beiden Großmächte Spanien und Frank­
reich nicht eingemischt und die mantuanische Erbfolge zum Gegenstand
ihrer geopolitischen Rivalität gemacht hätten. Man kann noch einen Schritt
weitergehen und dem Kaiser beziehungsweise einigen seiner Räte vorwer­
fen, dass sie nicht auf eine strikt unparteiische Haltung des Reichs geach­
tet haben, sondern sich auf die Seite Spaniens beziehungsweise des von
Madrid favorisierten Ferrante von Guastalla stellten. Wallenstein jedenfalls
hat es so gesehen: «Ich habe den Krieg wider den von Nevers nie für recht
befunden, und befinds noch nicht», und ein anderes Mal erklärte er: «Gott
straft die Spanier, dieweil sie den armen Nevers ohne Ursach angreifen.»24
Man kann diese Passagen so lesen, als sei es Wallenstein um die Durch­
setzung des Rechts gegen die Gewalt gegangen. Tatsächlich trieb ihn aber
die Befürchtung, der italienische Streit werde Frankreich in den Krieg in
Deutschland hineinziehen, und dann werde dieser außer Kontrolle geraten.
«D er Unrechte Streit um Mantua erweitert den Krieg.» Und: «Wenn Fried
in Italien ist, so ist Fried mit Frankreich auch.»25 Es war demnach nicht die
Frage von Recht und Unrecht, auf die Wallensteins irenische Haltung in der
mantuanischen Erbfolgefrage zurückging, sondern das genuin machtpoli­
tische Problem, dass sich der Kaiser durch sein prospanisches Eingreifen
einen zusätzlichen Feind schuf und der Frieden damit in weite Ferne rückte.
Wer die besser begründeten Ansprüche auf das Herzogtum Mantua hatte,
Karl von Nevers oder Ferrante von Guastalla, hat Wallenstein allenfalls
nachrangig beschäftigt; was ihn umtrieb, waren die Kräfteverhältnisse in
West- und Mitteleuropa und die Sorge, der Kaiser trage durch seine Inter­
vention in Italien zur Neuentstehung einer antihabsburgischen Koalition
bei, der er auf Dauer nicht gewachsen sein werde. Die Rechtsfrage war für
Der mantuanische Erbfolgekrieg 395

Wallenstein nur ein Argument, mit dem er seiner Sicht am Kaiserhof Nach­
druck verschaffen wollte.
Es gehört zu den ironischen Pointen der Politikgeschichte, dass die
Gegenspieler Wallensteins in dieser Frage ähnlich auftraten wie er, wenn
auch mit gänzlich anderen Absichten. Die Spanier drängten den Kaiser, in
den mantuanischen Streit einzugreifen, um einem reinen Machtkonflikt den
Charakter einer Rechtsauseinandersetzung zu verleihen. Sie waren an einer
Austragung des Konflikts in der Form einer Rechtsabwägung unter Aufsicht
des Kaisers nicht etwa deswegen interessiert, weil sie bedingungslose Hüter
des Rechts waren, sondern weil sie einen Krieg mit Frankreich vermeiden
wollten. Sie wollten den Status quo in Italien aufrechterhalten, und dazu
waren sie auf den Kaiser angewiesen. Caspar de Guzmän, Graf von Olivares
und Herzog von San Lucar (deswegen auch als Conde Duque bezeichnet),
der erste Minister Philipps IV., war sich darüber im Klaren, dass Spanien in
eine Phase des relativen Niedergangs eingetreten war und sich eigentlich
keinen großen Hegemonialkrieg leisten konnte.26 Olivares argumentierte,
dass Spanien ohne den Kaiser in Italien nichts unternehmen solle, da allein
der Kaiser Gewalt in Recht verwandeln könne. Umgekehrt sei der Kaiser
auf Spanien angewiesen, wenn es darum gehe, Vorhaben gewaltsam durch­
zusetzen, denn ohne Spaniens Hilfe laufe die Rechtsprechung des Kaisers
in Italien ins Leere und seine Autorität verfalle.27 Es gebe also gute Gründe
dafür, dass der Kaiser die spanischen Interessen berücksichtige.
In welcher Weise Spanien die kaiserliche Rechtsbefugnis in Italien zu
nutzen gedachte, wird in einem Brief des Markgrafen von Aytona, dem
spanischen Gesandten in Wien, deutlich, in dem er ein gemeinsames Vor­
gehen beider Linien des Hauses Habsburg in der mantuanischen Erbstrei­
tigkeit umreißt: «Ich zog in Betracht, daß mit dem Abschluß dieses Ver­
trages alles erreicht wird, was E. M. sich wünschten, nämlich Reputation
und Rechtfertigung ihrer Waffen. Die Reputation wird gewonnen, weil die
ganze Welt erkennen muss, dass die Waffen E. M. den Herzog von Nevers
zwangen, dem Kaiser zu gehorchen, und daß kein Fürst Italiens seine Staa­
ten zu besitzen vermag ohne die Erlaubnis und Autorität der Casa d’Austria,
vornehmlich jedoch E .M . [Philipps IV.]. Die Rechtfertigung E. M. wird
daraus ersichtlich, daß sie, obschon in der Lage, den Herzog von Nevers
396 IT A L IE N IS C H -P O L N IS C H E S Z W ISC H E N SP IE L

vollständig niederzuwerfen, es vorgezogen, so groß und mächtig wie Sie


sind, eine milde Großzügigkeit und Mäßigung walten zu lassen, nur um die
aufgeregten Gemüter der italienischen Fürsten zu beruhigen.»28
Der Düpierte der Auseinandersetzung um Mantua war am Schluss der
Kaiser, der selbst keine starken Interessen hatte, sondern dem es lediglich
darum ging, angesichts der von Spanien und Frankreich betriebenen Kon­
flikteskalation seine Autorität in «Reichsitalien» aufrechtzu erhalten. Dazu
musste er allerdings Truppen nach Norditalien entsenden, die die spani­
sche «Rechtsposition» stützen sollten, auch wenn es gar nicht zu einer
rechtlichen Regelung gekommen war. Nachdem seine Truppen in Nord­
italien fürchterliche Verwüstungen hinterlassen hatten, gab er zuletzt klein
bei, weil die militärische Lage im Nordosten des Reichs ihn zum Rückzug
nach Deutschland zwang. Wallenstein hat dieses Ergebnis vorausgesehen
und vor einem größeren Engagement im Konflikt um Mantua gewarnt: Da
Karl von Nevers einen besser begründeten Anspruch und zudem Frank­
reich als Rückendeckung habe, solle man ihn als neuen Herzog akzeptieren.
Wallensteins Leitidee war, die Kriege in Europa, auch wenn sie miteinander
zusammenhingen, als voneinander getrennte Vorgänge zu behandeln. Das
war eine strategische Reaktion auf Gustav Adolf, der alle Kriege miteinan­
der verbunden sah: Gerade weil die Kriege in Europa miteinander zusam­
menhingen, so Wallenstein, war es ratsam, sie als isoliert zu behandeln. Der
Praxistest sprach jedoch für Gustav Adolf: Die Kriege in Europa ließen
sich pragmatisch nicht mehr voneinander trennen. Dass der Kaiser in den
mantuanischen Erbfolgekrieg hineingezogen wurde, lag keineswegs nur an
einer falschen Lagebeurteilung, sondern war strukturell unvermeidbar.

Es war indes gar nicht die umstrittene Nachfolge in Mantua selbst, die den
Zusammenstoß der beiden Großmächte unvermeidlich machte, sondern
die geographische Lage des Herzogtums Montferrat, das seit 1531 durch
die Heirat Federico Gonzagas mit Margherita Paleologos mit Mantua ver­
bunden war.29 Das mantuanische Gebiet, zwischen den Herzogtümern
Mailand, Parma, Modena, Mirandola und der Republik Venedig gelegen,
spielte geopolitisch nicht die ausschlaggebende Rolle. Montferrat, nörd­
lich der Republik Genua und zwischen dem Herzogtum Mailand und den
Der mantuanische Erbfolgekrieg 397

Territorien des Herzogs von Savoyen gelegen, war dagegen für die Franzo­
sen der Zugang nach Italien und für die Spanier ein zentraler Bestandteil
ihrer Verbindungsachse in die Niederlande: Wer die am nördlichen Ende
des Herzogtums gelegene Festung Casale beherrschte, war der Herr über
Norditalien. Der Herzog von Mantua war selbst zu schwach, eine solche
Rolle zu spielen, aber sobald er als Verbündeter einer der beiden Groß­
mächte, Spanien oder Frankreich, auftrat, veränderte sich das von Grund
auf. Es kam also nicht von ungefähr, daß der Krieg mit Operationen begann,
in denen es um die Kontrolle der Festung Casale ging. Don Gonzalo de
Cordoba, der spanische Statthalter in Mailand, der Anfang der 1620er Jahre
die wallonischen Truppen in der linksrheinischen Pfalz kommandiert und
mit Tilly zusammen bei Wimpfen gesiegt hatte,30 marschierte im Bündnis
mit Karl Emmanuel von Savoyen in Montferrat ein. Er wollte Karl von
Nevers daran hindern, auch von diesem Gebiet Besitz zu ergreifen, nach­
dem ihm das zuvor durch einen Überraschungscoup in Mantua gelungen
war. Der Einfall spanischer Truppen war ein klarer Rechtsbruch, ein Erobe­
rungskrieg, wenn man so will, durch den sich Spanien ins Unrecht gesetzt
hätte, wenn ihm nicht der Kaiser beigesprungen wäre, indem er am 1. April
1628 die Sequestrierung für Mantua und Montferrat verkündete. Dadurch
waren alle Ansprüche Karl von Nevers’ aufgehoben, bis eine Prüfung ihrer
Rechtsmäßigkeit durch den Kaiser erfolgt war; für die Zwischenzeit wurde
ein kaiserlicher Treuhänder eingesetzt, der die Verwaltung beider Herzog­
tümer übernahm. Am 2. Mai erschien Graf Johann V III. von Nassau-Sie­
gen in Mantua und forderte Karl von Nevers auf, ihm die Verwaltung seiner
Herzogtümer zu übergeben.31
Nevers weigerte sich, der kaiserlichen Sequestrierung Folge zu leis­
ten - und er hatte gute Gründe dafür. Zunächst, so argumentierte er, müsse
der Raub- und Eroberungskrieg, den Cordoba und Karl Emmanuel gegen
Montferrat begonnen hätten, beendet werden; beide müssten sich zurück­
ziehen, bevor er der Anordnung des Kaisers entsprechen könne. Cordoba
dachte aber nicht an Rückzug, obwohl der Handstreich, mit dem er die
Festung Casale in seinen Besitz hatte bringen wollen, fehlgeschlagen war
und er sich auf eine langwierige Belagerung einstellen musste. Damit saß
der Kaiser in der Falle: Was als Rechtsakt einer neutralen, übergeordne­
398 IT A L IE N IS C H -P O L N IS C H E S Z W ISC H E N SP IE L

ten Instanz gedacht war, wurde zur Parteinahme in einem Konflikt, der mit
dem spanisch-savoyischen Militärschlag zum Krieg eskaliert war und in
dem der Kaiser nun ebenfalls zu Gewaltmitteln greifen musste. Die Alter­
native war, dass der Kaiser Nevers’ Weigerung hinnahm und sich aus dem
Streit zurückzog. Das hätte allerdings einen gravierenden Autoritätsverlust
in Italien mit sich gebracht, und zudem hätte Wien damit das Bündnis mit
Spanien in Frage gestellt. Es lag also nahe, eine Armee nach Italien zu ent­
senden, um die Sequestrierung gegen Nevers durchzusetzen.
Damit riskierte der Kaiser eine offene Auseinandersetzung mit Frank­
reich und nahm in Kauf, dass sich sein Verhältnis zu den Kurfürsten im
Reich weiter verschlechterte; die neigten nämlich Karl von Nevers zu,32
auch weil die Eröffnung eines weiteren Kriegsschauplatzes die von ihnen
angestrebte Reduzierung des Heeres blockieren würde. Den Krieg mit
Frankreich fürchteten die rheinischen Kurfürsten aufgrund ihrer geogra­
phischen Nähe und Maximilian wegen seiner politischen Beziehungen zu
den Franzosen. Immer wieder hatte Maximilian in den zurückliegenden
Jahren mit französischen Gesandten verhandelt und diese Verhandlungen
als ein Mittel der Distanzierung von den Habsburgern eingesetzt: unmit­
telbar gegenüber dem Kaiser, strategisch gegenüber Spanien. Ein offener
Konflikt mit Frankreich, gar ein Krieg, hätte die von Maximilian verfolgte
Politik einer «Mittelpartei» in Frage gestellt; für Maximilian sollte sie die
Selbständigkeit des Reichs gegenüber dem Kaiser und dessen Erblanden
ermöglichen. Auch Johann Georg von Sachsen verfolgte die Idee einer
«Mittelpartei», wobei ihm an einem Ausgleich zwischen den Militanten
in den Reihen der Katholiken und den Radikalen innerhalb des Protes­
tantismus gelegen war.33 Maximilian wie Johann Georg nahmen für sich in
Anspruch, das Herz der «Mittelpartei» zu sein, und arbeiteten gelegent­
lich zusammen; eine gemeinsame politische Perspektive fanden sie jedoch
nie.
Hinzu kam, dass sich Papst Urban V III. am n. September 1628 mit
einem Brief an Maximilian und die katholischen Kurfürsten (namentlich
an den Bayern als ihren Wortführer) wandte und sie bat, die Ausweitung
des Krieges nach Italien zu verhindern. Der fünf Jahre zuvor zum Papst
gewählte Urban V III., der Florentiner Kaufmannsfamilie der Barberini
Der mantuanische Erbfolgekrieg 399

entstammend, verfolgte eine profranzösische Politik und sah sich in der


Tradition der Renaissancepäpste eher als italienischer Territorialfürst denn
als Haupt der Gegenreformation. Er widersetzte sich damit der jesuiti­
schen Auffassung, der in Deutschland ausgetragene Krieg sei ein Religions­
krieg, und verschaffte sich politische Spielräume gegenüber den Habsbur­
gern, die sich als Speerspitze der Gegenreformation sahen und auf dieser
Grundlage Loyalität einforderten.34 Urban begründete seine Bitte, Italien
den Einmarsch kaiserlicher Regimenter zu ersparen, mit deren Charakter:
«Denn wir müssen fürchten», schrieb er, «daß ein aus allerlei Nationen
zusammen gelaufenes Heer in der Maßlosigkeit seines wilden Kriegseifers
der Gottlosigkeit den Eingang bahne. Denn der erbärmliche Zustand vie­
ler Nationen legt zur Genüge dar, welchen schweren Nachtheil unter dem
Geklirre der Waffen die Religion erleidet.»35 Als er dies schrieb, dürfte
Urban an den Sacco di Roma gedacht haben, bei dem ein Jahrhundert zuvor
spanische Infanterie und deutsche Landsknechte in Rom eine Orgie der
Verwüstung angerichtet hatten. Urban hatte ein gutes Gespür für Konstel­
lationen: Tatsächlich endete der Einmarsch kaiserlicher Truppen in Italien
mit dem Sacco di Mantova am 18. Juli 1630, dem «militärischen Höhepunkt
und moralischen Tiefpunkt der kaiserlichen Kriegführung im mantuani-
schen Erbfolgekrieg».36

Doch noch war es nicht so weit: In Wien versuchte man, durch Verhand­
lungen und Verzögerungen aus der selbstgestellten Falle herauszukommen.
Mit den Spaniern verständigte man sich darauf, dass Montferrat eine Ange­
legenheit ihrer Truppen blieb und kaiserliche Truppen nur das Herzogtum
Mantua besetzen sollten. Das hatte für den Kaiser den Vorzug, dass es zu
keiner unmittelbaren Konfrontation zwischen seinen Soldaten und denen
Frankreichs kam und bei der Belagerung Casales sich weiterhin die Spanier
die Zähne ausbeißen mussten. Dort war eine Konfrontation mit den Fran­
zosen zu erwarten, denn die Spanier mussten die Festung erobern, wenn
sie ihre Ziele erreichen wollten, die Franzosen hingegen mussten sie ent­
setzen. Noch im Winter zog ein französisches Heer mit Richelieu an der
Spitze über die Alpen. Ein Augenzeuge schilderte Richelieu so: «Hoch
zu Rosse im Harnisch und mit Federhut, mit einem Schlachtschwerte an
400 IT A L IE N IS C H -P O L N IS C H E S Z W ISC H E N SP IE L

der Seite, mit zwei Pistolen im Sattelbug. Vor der Front des Heeres ließ er
sein Pferd vielfach voltigieren, mit lautem Reden, daß er auf dieses Fach
sich verstünde.»37 Nachdem das Heer den Herzog von Savoyen in die
Flucht geschlagen und sich der Stadt Susa bemächtigt hatte, wo Richelieu
dem Herzog die Friedensbedingungen diktierte, rückte es auf Casale vor:
Im März 1629 musste Cordoba die Belagerung abbrechen und sich in Eil­
märschen auf Mailand zurückziehen. Für Spanien endete das Montferrat-
Unternehmen in einem Desaster.38 Cordoba hatte seinen R uf als überaus
fähiger General verspielt, und auch der Ruhm der spanischen Truppen als
Meister des Belagerungskrieges hatte schwer gelitten. Philipp IV. soll später
die Entscheidung, in Montferrat zu intervenieren, als seinen größten politi­
schen Fehler bezeichnet haben.
Eine vergleichbare Äußerung ist von Kaiser Ferdinand nicht über­
liefert, obwohl auch er allen Grund dazu gehabt hätte. Der Fehler, sich in
die mantuanischen Erbschaftsstreitigkeiten einzumischen, war sicherlich
nicht weniger gravierend als das Restitutionsedikt. Im April 1629 drängte
Ferdinand darauf, dass Wallenstein größere Heeresverbände nach Süden
in Marsch setzte. Den Oberbefehl über diese Truppen erhielt General­
leutnant Ramboldo Collalto, der in Mantua geboren war und am Wiener
H of die militärischen Fäden in Händen hielt.39 Da Collalto aber kurz nach
Beginn des Feldzugs schwer erkrankte (er verstarb im folgenden Jahr) und
kein Nachfolger ernannt wurde, führten Johann von Aldringen und Mat­
thias Gallas das Kommando, ergänzt durch Ottavio Piccolomini, der bei
Verhandlungen als kaiserlicher Unterhändler tätig wurde. Es waren somit
überwiegend Italiener, die den Krieg um Mantua für den Kaiser führten,
und der Einzige, auf den das nicht zutraf, der Luxemburger Aldringen, hatte
lange im norditalienischen Raum gedient und sprach fließend Italienisch.40
Doch der Feldzug nahm von Anfang an nicht den Verlauf, den man sich
am Wiener H of vorgestellt hatte: Schon bei der Überquerung der Alpen
kam es zu schweren Übergriffen des Militärs auf die Bevölkerung, so dass
der in Tirol regierende Erzherzog Leopold, der im Jülicher Erbstreit und
im Krieg um die Pfalz eine Rolle gespielt hatte,41 am 25. Mai an den Kai­
ser schrieb: «Ew. K. M. [Eure Kaiserliche Majestät] können nicht glauben,
wie das Kriegsvolk im Durchziehen hauset. Ich bin auch etliche Jahre dem
Der mantuanische Erbfolgekrieg 401

Kriegswesen nachgezogen, versichere aber Ew. K. M., daß ich es [derarti­


ges] nie gestattet habe, wiewohl es ohne Schaden nicht abgehen mag. Aber
Brennen, Weiber-Schänden, die Leute todt schlagen, Ohren und Nasen
abschneiden, Fenster und Öfen einschlagen - [...] - Das abzustellen ist
den Off cieren gar wohl möglich. [... ] Ich wollte Ew. K. M. viele vornehme
Officiere nennen, die, vor weniger Zeit schlecht aufgezogen, jetzo an drei
oder viermal hunderttausend Gulden baares Geld haben, nicht von dem
Feinde bekommen, sondern das Meiste von der katholischen Kur- und
Fürsten armen Leuten. [...] Gedenken Ew. K .M ., wie jetzo diese Leute
in Italien hausen werden, wo sie alles wohlauf finden, zumal da die meisten
Soldaten, ja gar die meisten Officiere, calvinisch oder lutherisch sind. Helfe
Gott den armen Frauenklöstern, die in so großer Anzahl sich aller Orten
befinden!»42 Namentlich erwähnt Leopold das Regiment des Obersten
von Merode, der in verballhornter Form zum Namenspatron des Marodie-
rens im Sinne der verbreiteten soldatischen Praxis, die Bevölkerung auszu­
plündern und zu schikanieren, geworden ist.43
Ferdinand reagierte auf diese Klagen und schrieb an Collalto: «Mein
lieber Graf, Ihr wißt, welche und wie große Gnaden in den vorigen Jahren
ich von der Hand Gottes und durch die Fürbitte der allerseligsten Jungfrau,
meiner Generallissima, gegen die Nicht-Katholiken erhalten habe, wie sehr
ich der göttlichen Majestät und der gesegneten Mutter des Heilands ver­
pflichtet bin, und wie leicht die Gnade sich in Züchtigung wandeln könnte.
Darum befehle ich euch auf das dringlichste und mit allem nur möglichen
Eifer: Ihr sollt gegen die Ubelthäter, wer immer es sei, solche Demonstra­
tion thun, daß daraus die ganze Welt erkenne, daß ich ein gerechter Fürst
bin und daß ich Diener habe, welche die Gerechtigkeit lieben und meinem
Befehle gehorchen. Ferner werdet Ihr verschaffen, daß die Pfarrer, Seelsor­
ger, Priester und Ordensleute ihre Pflichten ohne jegliche Hinderung ver­
richten. So werdet Ihr handeln als ein getreuer Diener, der die Gnade seines
Herrn zu schätzen weiß, welche ich euch immer zu bewahren wünsche.»44
Was Ferdinand also beschäftigte, war weniger das Leid der Bevölkerung als
vielmehr sein Ansehen in der politischen Welt und seine Stellung vor Gott
und der Jungfrau Maria, um deren Gunst und Gnade er fürchtete.
Die Verheerungen, die Collaltos Soldaten in Tirol anrichteten, waren
402 IT A L IE N IS C H -P O L N IS C H E S Z W ISC H E N SP IE L

nur ein Vorspiel dessen, was noch folgen sollte. Im Herbst 1629 standen in
der Lombardei etwa 40 000 Soldaten bereit, um in das Herzogtum Man­
tua einzumarschieren.45 Dass ihr Einfall so furchtbare Folgen hatte, lag an
zweierlei: der Missernte von 1628, als im Sommer schwere Regenfälle die
Po-Ebene überschwemmt hatten, und einem Pestausbruch, für den wahr­
scheinlich die kaiserlichen Soldaten verantwortlich waren, die das Virus
eingeschleppt hatten. Im Heer war die Seuche endemisch, und der Anteil
der Pesttoten war deshalb deutlich niedriger als hei der Bevölkerung, die
mit den durchziehenden Truppen in Kontakt kam. So blieben die Einhei­
ten trotz der grassierenden Pest operationsfähig und rückten seit Herbst
1629 der Hauptstadt des Herzogtums immer näher. Die dem Herzog von
Nevers zu Hilfe geeilten venezianischen Streitkräfte wurden geschlagen
(was Wallenstein veranlasste, Pläne zur Eroberung Venedigs zu schmie­
den46) und die Festungen des Herzogtums der Reihe nach erobert, ohne
dass sie größeren Widerstand leisten konnten. Im Dezember 1629 wurde
der Einschließungsring um Mantua zugezogen, jedoch nur für kurze Zeit,
da der beginnende Winter einer längeren Belagerung entgegenstand. Um
Weihnachten musste die Einschließung gelockert werden, und die kaiser­
lichen Truppen zogen sich ins Umland zurück. Ende Mai 1630 nahmen sie
die Belagerung erneut auf, und diesmal dauerte es nur knapp drei Wochen,
bis die Festungsstadt am Mincio kapitulierte. In ihren Mauern hatte die
Pest gewütet, und von den ursprünglich 30 000 Einwohnern waren bei
der Übergabe der Stadt gerade noch 7000 am Leben. «In Mantua», so der
Historiker Lauro Martines, «starben binnen vier Monaten, zwischen März
und Mitte Juli, über 25 000 Soldaten, Einwohner und Flüchtlinge an der
Seuche. In den Wochen vor der Eroberung der Stadt starben täglich 250 bis
300 Menschen, und die Leichen lagen tagelang in den Straßen herum.»47
Unter diesen Umständen brach der Widerstand zusammen; als die
Belagerer zum Sturm antraten, war der Wille zur Verteidigung nicht mehr
vorhanden, und die gut befestigte Stadt ergab sich den Angreifern, ohne
dass diese größere Verluste hatten hinnehmen müssen. Das war in man­
cher Hinsicht das Glück der verbliebenen Einwohner, denn dadurch blieb
ihnen eine Gewaltorgie erspart, wie sie sonst nach der Erstürmung einer
Stadt üblich war. Was Mantua indes nicht erspart blieb, war die Plünderung.
Der mantuanische Erbfolgekrieg 4 °3

die in diesem Fall nicht auf drei Tage beschränkt blieb, sondern sich über
Wochen hinzog. Es handelte sich dabei um zwei strukturell voneinander zu
unterscheidende Vorgänge: zum einen die Plünderung der Bürgerhäuser
durch die Soldaten, zum anderen das systematische Ausräumen des Her­
zogspalastes durch die höheren Offiziere. Die Soldatenplünderungen ver­
liefen nach dem üblichen Muster: Die Söldner drangen truppweise in die
Häuser ein und nahmen das mit, was ihnen wertvoll erschien und was sie
tragen konnten. Das begrenzte zunächst den Umfang des Geraubten. Wie
hätten sie auch die Menge dessen, was es in dieser reichen Stadt zu holen
gab, über die Alpen nach Deutschland schaffen sollen? Also entstanden
in und vor der Stadt Märkte, auf denen die Söldner die geraubten Gegen­
stände zu Geld machten. Es waren die Marketender aus dem Tross des
Heeres, aber auch Trödler und Kaufleute aus der Umgebung Mantuas, die
das Raubgut aufkauften und dabei überaus gute Geschäfte machten. Die
Soldaten mussten die geplünderten Gegenstände loswerden, und da sie
deren Wert nicht wirklich einschätzen konnten, schlugen sie fast alles weit
unter Wert los. Sie brauchten Geld, und sobald sie das bekamen, waren sie
zufrieden.
Es gab bei der Plünderung freilich auch «Sozialrevolutionäre» Ein­
sprengsel, die dort zutage traten, wo die notorisch am Existenzminimum
lebenden Trossangehörigen auf eine urbane Wohlhabenheit stießen, die für
sie sonst in unerreichbarer Ferne lag. «So beobachtete man die Ehefrauen
oder Geliebten von Soldaten dabei, wie sie sich auf offener Straße sch a m ­
los > ihrer schmutzigen Kleidung entledigten, in die Häuser der Reichen
eindrangen und den dortigen Frauen die Kleider vom Leib rissen; sie zogen
sie an, rannten zurück auf die Straße, tanzten dort und verbeugten sich spöt­
tisch voreinander, wie es die feinen Herrschaften taten.»48 Lauro Martines
vermutet, dass darin vor allem die Freude zum Ausdruck kam, nicht der
Pestepidemie zum Opfer gefallen zu sein. Das lässt sich nicht ausschließen.
Viel stärker als die bloße Überlebensfreude traten in diesem Verhalten aber
Elemente der Sozialrevolte hervor, wie sie in Konstellationen der Anomie
immer wieder zu beobachten sind: Sie bringen keine neue Gesellschafts­
ordnung hervor und führen auch nicht zu einem dauerhaft neuen Status der
augenblicklichen Gewalthaber. Sie sind eher symbolischer als sozialstruk­
404 IT A L IE N IS C H -P O L N IS C H E S Z W ISC H E N SP IE L

tureller Art und spiegeln die diffusen Wünsche wie Ressentiments, die für
einen kurzen Augenblick ausgelebt werden können. Sie bilden die karneva­
leske Seite bei der Eroberung und Plünderung einer Stadt.
Die systematische Ausplünderung des Herzogspalasts von Mantua
durch die Generäle Aldringen und Gallas war die andere Seite der Verwüs­
tung Mantuas. Über zwei Jahrhunderte hatten die Herzoge aus dem Hause
Gonzaga Bilder und Bücher, Statuen und Teppiche, Möbel und Schmuck,
Medaillen und Gemmen zusammengetragen und so eine der prachtvolls­
ten Kunstsammlungen Italiens geschaffen. Das Geld, das für diese Samm­
lungen vonnöten war, hatten sie nicht selten als Condottieri im Dienste
einer kriegführenden Partei erworben.49 Die Gonzaga waren eine kriege­
rische Familie, die sich durch investment in culture auf den Weg der Selbst-
zivilisierung begeben hatte, und im Verlauf der Jahrzehnte waren aus rauen
Söldnergenerälen fürstliche Kunstliebhaber geworden. Der Palazzo ducale
in Mantua war vor allem durch zwei Sammlungen berühmt: die Gemäl­
degalerie und die herzogliche Bibliothek. Die Gemäldegalerie hatte in den
Jahren vor dem Sacco di Mantova bereits einen gravierenden Aderlass hin­
nehmen müssen, als Herzog Vincenzo II. viele seiner Bilder an den engli­
schen König Karl I. verkauft hatte. Schwerkrank und ohne direkte Nach­
kommen, hatte er einige seiner kulturellen Schätze zu Geld gemacht, um
sich anderen Vergnügungen als denen des Kunstgenusses zu widmen. Es
war indes noch genug da, um das Ausräumen des Palasts zu einem lukra­
tiven Unternehmen zu machen, und die siegreichen Generäle wollten die
Kulturgüter des Herzogspalasts nutzen, um denselben Weg zu beschreiten,
den die Gonzaga in den zwei Jahrhunderten zuvor gegangen waren.
Kurz nach der Eroberung Mantuas ließ Johann von Aldringen den
Zugang zum Herzogspalast von 3000 Soldaten großräumig absperren.50
Die Kostbarkeiten sollten vor einer wahllosen Plünderung durch die Sol­
daten bewahrt werden. Offiziell wurden alle beweglichen Gegenstände des
Palasts für den Kaiser beschlagnahmt; tatsächlich gingen sie jedoch in den
Besitz von Aldringen, Gallas und Piccolomini über, und auch der schwer­
kranke Collalto wurde mit einigem bedacht. Transportprobleme stellten
sich für das Heereskommando nicht: Es wurden Fuhrwerke bereitgestellt,
die, von Militär eskortiert, in einem langen Zug die Beute über die Alpen
Der mantuanische Erbfolgekrieg 405

schafften, wo sie den Grundstock für die Ausstaffierung der Schlösser und
Anwesen bildeten, die den kaiserlichen Generälen als Anerkennung für
ihre Leistungen übereignet wurden. Aldringen, der vom Sohn eines Kanz­
leischreibers zum Feldmarschall aufgestiegen war, fand vier Jahre nach dem
Coup von Mantua in der Schlacht bei Landshut den Tod, aber sein Vermö­
gen ging an die Erben über; Gallas staffierte damit seinen Palast in Prag aus,
den er als Dank für seine Beteiligung an der Ermordung Wallensteins erhal­
ten sollte;51 und Piccolomini brachte die italienische Beute in seine nord­
böhmischen Schlösser, die ihm aus Wallensteins Herzogtum Friedland
übereignet wurden, nachdem er die Tötung des Generalissimus in Eger
koordiniert hatte.S2 Die Beute aus dem Herzogspalast wird auf 18 Millio­
nen Gulden geschätzt und bildete den Hauptposten des Vermögenstrans­
fers von Italien nach Deutschland.53 Das war aber keineswegs alles, denn
durch die Ausräubung des Mantuaner Ghettos und die Vertreibung der
1800 Juden aus der Stadt, von denen jeder nur drei Dukaten mitnehmen
durfte, kam noch einmal eine Summe von 800 000 Gulden zusammen.

An der schwierigen Lage des Kaisers hatte die Eroberung Mantuas nichts
geändert. Casale blieb in französischer Hand, und auch die Festung Pine-
rolo war in den Besitz der Franzosen geraten. Spanien stand unter wach­
sendem Druck, sich bei der Schwerpunktsetzung seiner strategischen Ziele
zwischen Flandern und Montferrat zu entscheiden, denn die Holländer
hatten die spanischen Truppenverlegungen nach Norditalien genutzt und
die Initiative übernommen. Hinzu kam, dass der Kaiser seine Truppen
aus Italien abziehen und in den Nordosten Deutschlands verlegen musste,
wo Gustav Adolf sich inzwischen eine stabile Operationsbasis verschafft
hatte. An die gleichzeitige Unterhaltung von zwei großen Kriegsschau­
plätzen, einem gegen die Schweden in Pommern und Mecklenburg und
einem gegen Frankreich in Norditalien (und womöglich einem weiteren
im Eisass), war trotz der Größe des kaiserlichen Heeres nicht zu denken:
zum einen, weil mit dem Umfang der zu kontrollierenden Gebiete auch das
Erfordernis von Besatzungstruppen wuchs, was die bewegliche Feldarmee
kontinuierlich verkleinerte, und zum anderen, weil die Kurfürsten immer
energischer auf eine Reduzierung des kaiserlichen Heeres drängten, das
406 IT A L IE N IS C H -P O L N IS C H E S Z W ISC H E N SP IE L

zu unterhalten sie nicht länger bereit waren. Und schließlich war an eine
Weiterführung des Krieges in Italien auch darum nicht zu denken, weil der
Kaiser im Sommer 1630 auf dem Kurfürstentag in Regensburg den Organi­
sator seines Heeres, den Generalissimus Wallenstein, unter dem Druck der
Kurfürsten hatte entlassen müssen.
Der Frieden von Cherasco, mit dem der mantuanische Krieg im Früh­
jahr 1631 beendet wurde, war ein demütigender Frieden für den Kaiser, der
seine Autorität und auch die Macht Spaniens schwer beschädigte: Der Her­
zog von Nevers behielt Mantua und Montferrat, Casale blieb in französi­
scher Hand, die kaiserlichen Truppen wurden aus Italien zurückgezogen.
Der Friede von Lübeck, bei dem der Kaiser aus einer Position der Stärke
heraus verhandelt hatte, war ein großzügiger Friedensschluss; der Friede
von Cherasco ein Vertrag der Schwäche und des Rückzugs. Zwischen
Lübeck und Cherasco hatte die Macht des Kaisers ihren Zenit überschrit­
ten. Es war allerdings nicht nur das Haus Habsburg, das durch das italie­
nische Abenteuer einen schweren Schlag erlitten hatte, sondern auch der
Katholizismus insgesamt. Der mantuanische Erbfolgekrieg, klagte Papst
Urban V III. am 1. Mai 1632, habe die katholische Sache zu Fall gebracht,
«denn jedermann weiß, daß vor dem Krieg die Habsburger, die Franzosen
und alle anderen katholischen Fürsten sich über auswärtige Fragen einig
waren und daß [... ] die katholische Religion in Deutschland, in Frankreich
und überall gute Fortschritte machte».54 Das sah im Frühjahr 1632 ganz
anders aus.

Wallensteins polnischer Diversionskrieg


und der Feldzug in die Niederlande

Eher widerwillig und missmutig als von dem möglichen Nutzen des Unter­
nehmens überzeugt, hatte sich Wallenstein auf das Italien-Abenteuer des
Kaisers eingelassen und den Großteil seiner feldverwendungsfähigen
Armee in die Lombardei in Marsch gesetzt. Er folgte damit kaiserlichem
Befehl. Wallenstein selbst ging davon aus, dass die Hauptgefahr für das
Wallensteins polnischer Diversionskrieg 407

Reich im Nordwesten und Nordosten lag und dass der Krieg um die Nie­
derlande sowie die Abwehr einer schwedischen Invasion entscheidend
sein würden. Deswegen wollte er den schwedischen König so lange wie
möglich in Polen binden und tat alles dafür, dass der polnisch-schwe­
dische Krieg fortdauerte. Zu diesem Zweck entsandte er im Frühjahr
1629 ein 10 000 Mann starkes Korps unter Feldmarschall Arnim, das den
Polen zu Hilfe kommen sollte. Arnim war für dieses heikle Unternehmen
der richtige Mann: Er hatte von 1613 bis 1617 in der schwedischen Armee
gedient, dann im Rang eines Obersten seinen Abschied genommen, um
in polnische Dienste zu wechseln. In den Jahren 1623 und 1624 hatte er als
Regimentskommandeur noch einmal bei den Schweden gedient, bevor er
schließlich zu Wallenstein stieß. Er kannte also den Gegner ebenso gut wie
den Verbündeten. Mit diesem Schachzug, Arnim nach Polen zu schicken,
um die polnische Kriegführung gegen Gustav Adolf zu intensivieren, hin­
derte Wallenstein den Schwedenkönig daran, «den Schwerpunkt der Ope­
rationen von Preußen nach Pommern zu verlegen und eine auf Stralsund
gestützte Offensive gegen die Kaiserlichen zu unternehmen».55
Die kaiserlichen Truppen wurden in Polen allerdings alles andere als
freundlich aufgenommen. Früher erfolgte Angebote kaiserlicher Waffen-
hilfe hatte der polnische Reichstag, der Sejm, stets zurückgewiesen, und
erst 1629 hatte er sich gegen den heftigen Widerstand einer Minderheit
anders entschieden. Das Verhältnis beider Seiten war angespannt, unter
anderem deswegen, weil die von den Polen zugesagte Versorgung der kai­
serlichen Truppen nicht klappte, wobei dahingestellt bleiben mag, oh dem
eine Absicht zugrunde lag oder ob die Polen damit logistisch überfordert
waren. Jedenfalls hungerten die Soldaten, was, wie nicht anders zu erwar­
ten, zu Plünderungen führte, und die wiederum waren kaum geeignet, das
Verhältnis zu verbessern. Das polnische Unbehagen gegenüber den kai­
serlichen Truppen erwuchs im Wesentlichen daraus, dass man vor deren
Eintreffen dem Abschluss eines Waffenstillstands mit den Schweden nahe
war - Gustav Adolf wollte ja den polnischen Kriegsschauplatz schließen,
um in den Krieg auf deutschem Boden eingreifen zu können - , was sich nun
zerschlug. Der polnische Landadel war der Lasten des Krieges überdrüssig
und argwöhnte nicht zu Unrecht, der Kaiser wolle den polnischen König
408 IT A L IE N IS C H -P O L N IS C H E S Z W ISC H E N SP IE L

benutzen, um den schwedischen König von Deutschland fernzuhalten.


Man erschwerte Arnim die Operationen in Preußen, wo und wie man nur
konnte, worüber dieser sich dann in einem fort bei Wallenstein beklagte.^
Die militärischen Operationen verliefen für die polnisch-deutschen
Streitkräfte jedoch zunächst erfolgreich. Erstmals während seiner Feldzüge
in Polen sah sich Gustav Adolf einem zahlenmäßig überlegenen Gegner
gegenüber. Er versuchte deshalb, das kaiserliche Heer anzugreifen, bevor
es sich mit der polnischen Hauptstreitmacht verbinden konnte. Uber Mari­
enwerder stieß er gegen Arnim vor, doch der konnte sich einer Gefechtsbe­
rührung entziehen und seine Truppen mit denen des Hetmans Alexander
Koniecpolski vereinen. Mit einer solchen Übermacht konfrontiert, zogen
sich die Schweden von Marienwerder auf Marienburg zurück, verfolgt
von der entschlossen nachdrängenden deutsch-polnischen Kavallerie. Bei
Honigsfelde in der Stuhmer Heide kam es zu einem Gefecht, in dem die
Schweden eine empfindliche Niederlage erlitten und Gustav Adolf nur mit
knapper Not der Gefangennahme entkam. Außerdem verlor er zehn sei­
ner aufsehenerregenden Lederkanonen, von denen zumindest eine in die
Residenz Wallensteins nach Güstrow gebracht wurde, damit sie dort auf
ihre Leistungsfähigkeit untersucht werden konnte. Es handelte sich um ein
leichtes Geschütz, dessen dünnwandiges Kanonenrohr mit Leder umklei­
det war, um bei Erhitzung das Zerspringen des Laufs zu verhindern. Auf die
Bedeutung dieser Kanone konnte man sich keinen rechten Reim machen,
bis Tilly bei Breitenfeld mit ihrem taktischen Einsatz konfrontiert wurde.
Zunächst sah man darin eher ein Zeugnis schwedischer Rückständigkeit.
Gustav Adolf bezog bei Marienburg ein gut verschanztes Lager, gegen
das die polnischen Truppen vergeblich anstürmten. Meinungsverschieden­
heiten mit Arnim führten dazu, dass sich dessen Truppen an diesen Angrif­
fen nicht beteiligten; Arnim rückte aber auch nicht auf Danzig vor, was die
Polen von ihm verlangten, um den schwedischen Nachschub abzuschnei­
den, sondern zog sich in Richtung Pommern zurück. Bald darauf reichte
er seinen Rücktritt ein, was der Beendigung des kaiserlichen Diversions­
unternehmens gleichkam. Bei Arnims Demissionierung spielte eine Reihe
von Gründen mit, unter anderem die äußeren Probleme des Feldzugs in
Polen, die Arnim auf fehlende Unterstützung durch die kaiserliche Poli­
Wallensteins polnischer Diversionskrieg 409

tik zurückführte; ausschlaggebend war jedoch das Restitutionsedikt vom


Frühjahr, das den überzeugten Lutheraner Arnim auf Distanz zum Kaiser
gebracht hatte. Er verabschiedete sich von Wallenstein, indem er ihm den
Hut Gustav Adolfs übersandte, den dieser bei dem Reitergefecht in der
Stuhmer Heide verloren hatte. Mit dem Rückzug des deutschen Kontin­
gents kam der Krieg in Polen zum Stillstand und näherte sich wieder dem
De-facto-Waffenstillstand an, der durch Wallensteins Eingreifen unterbro­
chen worden war.

Das französische Eingreifen machte aus diesem faktischen dann einen for­
malen Waffenstillstand, der, auf eine Dauer von sechs Jahren abgeschlos­
sen, die Voraussetzung dafür war, dass sich Gustav Adolf gänzlich dem
deutschen Kriegsschauplatz widmen konnte. Am l.Juli 1629 traf Riche-
lieus Sondergesandter Charnace in Warschau ein, um die kriegerische Ent­
schlossenheit Gustav Adolfs gegen den Kaiser zu wenden.57 Das kam der
Überzeugung Gustav Adolfs entgegen, wonach die Entscheidung im Zen­
trum, auf dem Boden des Kaiserreichs, fallen werde, weshalb Schweden
dort eingreifen müsse, wenn es an der Neuordnung der Machtverhältnisse
beteiligt sein wolle. Zu dieser Sicht hatte nicht zuletzt der schwedische Aus­
schluss vom Lübecker Frieden beigetragen. Richelieus Politik wiederum
war an der Devise orientiert, dass Frankreich sich möglichst viele Optionen
offenhalten müsse und sich unter keinen Umständen auf eine konfessio­
nelle Blockbildung einlassen dürfe.
Das galt sowohl für eine Blockkonfrontation zwischen den katholi­
schen und den protestantischen Mächten als auch für die Positionierung
Frankreichs gegen das Reich in seiner Gesamtheit; vielmehr sollten in so
vielen Fragen wie möglich die Kurfürsten als Repräsentanten des Reichs
gegen den Kaiser ausgespielt werden. Nur indem man vermied, dass Frank­
reich Bestandteil eines politischen Blocks wurde, war es möglich, Paris wie­
der zum Schiedsrichter und Aufseher über die europäischen Angelegenhei­
ten zu machen. Darum ging es Richelieu: das Projekt aufzunehmen, das
von Heinrich IV. verfolgt worden war. Gegner dieser selbständig-pragmati­
schen Politik waren nicht nur die auf ein Bündnis zwischen Frankreich, Spa­
nien, Papst und Kaiser setzende Königinwitwe Maria de’Medici, sondern
4 io IT A L IE N IS C H -P O L N IS C H E S Z W ISC H E N SP IE L

auch jene Kräfte, die unter dem Eindruck der kaiserlichen Parteinahme
für Spanien den Einmarsch französischer Truppen ins Eisass forderten.
Ein offener Krieg gegen das Reich, so Richelieu und seine Berater, würde
jedoch zwangsläufig dazu führen, dass Kurfürsten und Kaiser zusammen­
rücken und alle Trenn- und Spaltungslinien, mit denen die französische
Diplomatie bislang gearbeitet hatte, aufgelöst würden. Hatten erst einmal
die Generäle das Sagen, würden die Handlungsspielräume der Politik - also
die Richelieus - immer enger werden. Unter diesen Umständen setzte der
Kardinal darauf, Gustav Adolf im Kampf gegen den Kaiser zu unterstützen,
ein allzu enges Bündnis mit den Schweden aber zu vermeiden.
Es war ein ebenso schwieriger wie langwieriger Prozess, in dem die
schwedisch-französische Annäherung erfolgte: Der am 26. September 1629
Unterzeichnete Waffenstillstandsvertrag von Altmark, der den Krieg zwi­
schen Polen und Schweden beendete, war die erste Etappe; der Vertrag
von Bärwalde, am 23. Januar 1631 geschlossen, die zweite. Der Vertrag von
Bärwalde regelte die französischen Subsidienzahlungen für die Schweden
unter der Voraussetzung, dass sie die Neutralität Bayerns und der katholi­
schen Liga respektierten, freilich nur, sofern diese selbst neutral blieben.58
Was sich zwischen Altmark und Bärwalde entwickelte, war ein Verhältnis
des wechselseitigen Aufeinander-angewiesen-Seins: Richelieu brauchte
Gustav Adolf (den König, «der mit allen seinen Nachbarn Krieg führt»59,
wie die französischen Diplomaten ihn beschrieben) als Schwert gegen den
Kaiser, um nicht selbst in den Krieg eintreten zu müssen, und Gustav Adolf
brauchte die französischen Subsidien, um den Krieg in Deutschland über­
haupt führen zu können. Was beide verband, war der gemeinsame Feind;
was sie trennte, waren die von ihnen verfolgten politischen Ziele.
Die Aufgabe, die Charnace im Sommer 1629 zu bewältigen hatte,
bestand darin, die von schwedischer und polnischer Seite erhobenen Maxi­
malforderungen einander anzunähern. Das wurde möglich, als sich der
Brandenburger Kurfürst in die Verhandlungen einschaltete und vorschlug,
«die Schweden sollten ihre im preußischen Landesinnern gemachten
Eroberungen räumen und treuhänderisch an ihn übergeben, wofür er die
Häfen Pillau, Fischhausen, Lochstädt und Memel samt ihren Zöllen Gus­
tav Adolf als Faustpfand überlassen würde».60 Ohne diese Zolleinnahmen
Wallensteins polnischer Diversionskrieg 411

wäre das finanziell schmalbrüstige Schweden nicht in der Lage gewesen, in


Deutschland Krieg zu führen. Wie wichtig diese Einnahmen für die Schwe­
den waren, zeigt auch der wenige Monate nach Altmark geschlossene Ver­
trag von Tiegenhof, demzufolge mit der Ausnahme von Mitau die livländi-
schen Häfen in schwedischer Hand blieben und die Hansestadt Danzig sich
bereit erklärte, den größeren Teil der auf der Weichsel erhobenen Zölle
an Schweden abzutreten. Es handelte sich um Summen zwischen 350 000
und 660 000 Reichstaler pro Jahr.61 Neben den französischen Subsidien
waren sie das zweite Standbein der schwedischen Kriegsfinanz. Insgesamt
war beides jedoch bloß die «Anschubfinanzierung» für einen Krieg, der
auch von Gustav Adolf schon bald nach dem alten Condottiere-Grundsatz
geführt wurde, dass der Krieg den Krieg ernähren müsse.62 Aber ohne sie
hätte der schwedische König kaum auf dem deutschen Kriegsschauplatz
reüssieren können. Wallenstein hatte die Konstellation zutreffend analy­
siert und mit dem Diversionsprojekt unter Arnim im Prinzip die richtige
Gegenmaßnahme getroffen: Dass sie letzten Endes nicht griff, lag am kai­
serlichen Restitutionsedikt, am mantuanischen Erbfolgekrieg, der eine
stärkere Unterstützung Arnims verhinderte, und an dem Unwillen der
Polen, ihr Land zum Ersatzkriegsschauplatz werden zu lassen.

Wallensteins Aufmerksamkeit war aber nicht nur durch die Kriege in


Norditalien und Polen absorbiert, sondern auch durch die dramatische
Verschlechterung der Lage Spaniens in den Niederlanden.63 Der Abzug
großer Truppenteile, die nach Norditalien verlegt wurden, dazu sinkende
Geldüberweisungen von Madrid nach Brüssel, der Verlust der Silberflotte
des Jahres 162864 und schließlich die Abberufung des legendären Gene­
rals Spinola, der das Kommando in Mailand übernahm, hatten im Grenz­
raum zwischen den südlichen und den nördlichen Niederlanden zu einem
Machtvakuum geführt, in das Prinz Friedrich Heinrich von Nassau-Ora-
nien hineinstieß, als er Anfang Mai 1629 die für die Verteidigung der südli­
chen Niederlande wichtige Festung Herzogenbusch angriff und belagerte.
Herzogenbusch musste aus spanischer Sicht unter allen Umständen gehal­
ten werden, doch ohne deutsche Unterstützung war das undenkbar; die
4000 Mann, die in der Festung stationiert waren, würden die Stadt gegen
4 X2 IT A L IE N IS C H -P O L N IS C H E S Z W ISC H E N SP IE L

die zehnfache Übermacht Friedrich Heinrichs nicht lange halten können.


Wallenstein ließ einen größeren Truppenverband in die Niederlande einrü­
cken, der unter dem Oberbefehl von Graf johann von Nassau-Siegen stand,
seit 1628 kaiserlicher Feldmarschall und vor der Übernahme der niederlän­
dischen Aufgabe mit der Durchsetzung des kaiserlichen Sequesters gegen
Karl von Nevers wenig erfolgreich.65 Wallenstein griff also nicht auf einen
seiner eigenen Offiziere zurück, sondern auf einen Favoriten des Wiener
Hofkriegsrats; der hatte den Vorzug, mit den Verhältnissen in den Nieder­
landen vertraut zu sein, gehörte aber kaum zu den strategisch und taktisch
versierten Feldherren des Krieges. Eine solche Besetzung des Oberkom­
mandos war eigentlich untypisch für Wallenstein, und man kann daraus
schlussfolgern, dass er dem Unternehmen keine große Bedeutung beimaß.
Für ihn war Nordostdeutschland wichtiger.
Der Feldzug verlief ausgesprochen unglücklich: Die Armee drang zwar
in Geldern ein, wo sie an der Ijssel, dem nördlichsten Mündungsarm des
Rheins, ein festes Lager bezog und sich in einer kühnen Operation der Stadt
Amersfort bemächtigte. Aber der Zweck der Operation, nämlich Friedrich
Heinrich dazu zu bringen, die Belagerung von Herzogenbusch aufzuhe­
ben, wurde nicht erreicht. Der Oranierprinz behielt die Nerven, wandte
sich nicht den kaiserlichen Truppen zu, sondern führte seinerseits einen
Gegenschlag: Niederländische Truppen überrumpelten die Besatzung der
Festung Wesel und nahmen diesen strategisch wichtigen Platz ein. Seit dem
niederrheinischen Erbfolgestreit hatten die Spanier Wesel besetzt gehalten
und damit die wichtigste Verbindung zwischen dem rechten und linken
Ufer am Niederrhein kontrolliert. Obendrein diente Wesel als unentbehrli­
ches Versorgungslager für die an der Ijssel stehenden spanischen Truppen.
Diese zogen sich eilends zurück, um wenigstens mit Rheinsberg die letzte
wichtige Position am Niederrhein zu sichern; der Rückzug demoralisierte
die Verteidiger Herzogenbuschs so sehr, dass sie am 14. September kapi­
tulierten. Johann von Nassau musste daraufhin seine Verbände ebenfalls
zurückführen, um sie im Raum Jülich und Berg einzuquartieren. Damit war
auch der dritte Feldzug außerhalb Deutschlands gescheitert. Die kaiserli­
che Macht, eben noch auf ihrem Höhepunkt, hatte in Norditalien und den
Niederlanden einen erheblichen Prestigeverlust erlitten, und in Polen war
Wallensteins polnischer Diversionskrieg 41 3

es ihr nicht gelungen, den schwedischen König weiter in einen lange wäh­
renden Krieg außerhalb des Reichs zu verwickeln. Ohne dass dies sogleich
erkennbar war, wurde das Jahr 1629 zum Wendepunkt des Krieges: Die Sie­
gesserie der katholischen Partei und des Kaisers war zu Ende, und auf sie
sollten in den Jahren danach schwere Niederlagen folgen.
5. K A P I T E L
DIE ZEIT DER G R O SSEN SC H L A C H T E N :
DER SCH W EDISCH E KRIEG

Gustav Adolfs Landung


aufUsedom

B
eim Sprung vom Boot aufs Land verletzte sich Gustav Adolf leicht, je­
denfalls kam er nicht sicher auf, stolperte und stürzte zu Boden. Derlei
galt als schlechtes Omen. Der König wusste das und versuchte, aus dem
Sturz eine Demutsgeste gegenüber Gott zu machen, indem er niederkniete
und betete.1 Dieses Ankunftsgebet aufUsedom ist in der protestantischen
Mythologie breit ausgestaltet worden: Nicht um machtpolitischer Ziele
willen habe Gustav Adolf in den Krieg eingegriffen; vielmehr sei er ein In­
strument Gottes gewesen, damit der evangelische Glaube in Deutschland,
dem Ausgangspunkt der reformatorischen Rückkehr zum Evangelium,
nicht untergehe. Nicht als Eroberer, sondern als Retter und Beschützer
kam Gustav Adolf demzufolge nach Deutschland, und mit der symbo­
lischen Szene am Strand von Usedom nahm er sich selbst in die Pflicht,
dieser Aufgabe auch zu genügen. «Dies ist der Mann, der helfen kann»,
lautete eine der Formeln, mit denen Gustav Adolfs Kniefall auf deutschem
Boden betitelt wurde; damit wurde eine eigentlich für Christus vorbehalte­
ne Formulierung auf den Schwedenkönig übertragen. Sein Tun wurde mit
erzählerischen und bildnerischen Mitteln geheiligt - freilich nicht, indem
man ihn, wie das bei Katholiken der Fall gewesen wäre, mit Heiligen um­
geben und seinen Kopf in eine Gloriole gehüllt hätte; man zeigte ihn statt-
Gustav Adolf steht ganz vorn im Boot. Ein weiteres Boot mit stehen­
dem Fahnenträger kommt heran. Im Hintergrund ragen die Masten und
Segel der schwedischen Flotte auf. Der Historienmaler Carl Häberlin
hat in seinen Illustrationen zu Schillers Geschichte des Dreißigjährigen
Krieges den Augenblick der Landung auf Usedom als weltgeschichtlichen
Moment in Szene gesetzt. «G ustav Adolf war der erste», so die von
Häberlin illustrierte Passage bei Schiller, «d er hier ans Land stieg. Im
Angesicht seines Gefolges kniete er nieder auf Deutschlands Erde und
dankte der Allmacht für die Erhaltung seiner Armee und seiner Flotte.»
Gustav Adolfs Landung auf Usedom 417

dessen in unmittelbarem Kontakt mit Gott. Gustav Adolf wurde so zum


Gesandten des Herrn.
Es ist nicht leicht auseinanderzuhalten, was an diesen Bildern und
Erzählungen sinnstiftende Zutaten des 19. Jahrhunderts sind, als im protes­
tantischen Teil Deutschlands ein regelrechter Gustav-Adolf-Kult einsetzte,
und was bereits von den Zeitgenossen in diesem symbolisch überhöhten
Sinn wahrgenommen wurde.2 Das mythische Bild vom «Löwen aus Mitter­
nacht», der eingreift, um seine Glaubensbrüder zu retten und zu beschüt­
zen, war jedenfalls zeitgenössisch. In ihm wurden die alttestamentarischen
Helden Elias oder Gideon, Josua oder Judas Makkabäus gespiegelt.3 Zur
Selbstweihe durch das demonstrative Gebet des Königs am Strand kam
noch hinzu, dass just in dem Moment, als die ersten Boote den König und
eine Vorausabteilung seines Heeres an Land brachten, ein heftiges Gewitter
tobte. In einer Zeit, da Kometen am Himmel als Vorzeichen großer Ereig­
nisse angesehen wurden,4 war auch ein Gewitter kein bloßes Naturschau­
spiel, sondern ein Bedeutungsträger - es kündigte eine grundlegende Ver­
änderung im weiteren Gang des Geschehens an.
Natürlich hat sich die schwedische Propaganda all dessen bedient, um
das Eingreifen ihres Königs in Deutschland zu rechtfertigen, aber mehr
noch geht die Stilisierung Gustav Adolfs als Retter des Protestantismus auf
Texte und Bilder deutscher Protestanten zurück, die angesichts des zehn­
jährigen Siegeszugs der katholischen Partei und unter dem Eindruck des
kaiserlichen Restitutionsedikts in großer Furcht waren, dass die Tage des
Protestantismus in Deutschland gezählt seien. Für sie war Gustav Adolf tat­
sächlich der Erlöser, auf den man so lange vergeblich gewartet hatte, und
sein anschließender Siegeszug quer durch Deutschland bestätigte das. Was
für Katholiken die Gottesmutter Maria war, wurde für die Protestanten die
Heldenfigur Gustav Adolfs. Sie ist nicht erst eine Erfindung des r9. Jahrhun­
derts, sondern wurde von vielen Zeitgenossen bereits so wahrgenommen.
So heißt es in einem zeitgenössischen Text: «Vnd so hoch haben wirs dem
Himmlischen KriegsFürsten / Christo JE su zu dancken / der an vnserm
Allergnädigsten Könige vnd Herrn / einen solchen hochlöblichsten Krie­
ges Helden der Christenheit zugeführet / welcher an Gottesfürchtiger
Muthfassung / vnd auffmuthung seines Volcks zu frewdigem Auffzuge wie­
4 x8 D IE Z E IT D ER G R O SSE N SC H L A C H T E N

der die Feinde / gleichen Ruhm mit Juda Maccabaeo in warheit führet /
vnd nit ein geringes Zeugniß der Göttlichen beywohnung / vnd künftigen
guten außgangs deß Göttlichen Ehren Wercks ist.»5

Es war eine eher kleine Streitmacht, mit der Gustav Adolf am 26. Juni 1630
nach dem julianischen Kalender - beziehungsweise am 6. Juli nach dem
gregorianischen - an der Nordwestspitze von Usedom landete, dort, wo
der Peenestrom in das offene Meer mündet. «10400 Mann Infanterie,
2750 Reiter und 81 leichte Geschütze wurden von der 100 Transportschiffe,
25 Kriegsschiffe und vier bewaffnete Kauffahrer umfassenden Flotte an
Land gesetzt.»6 Das war eine große logistische Leistung, und doch hät­
ten die angelandeten Truppen kaum ausgereicht, einem entschlossenen
Gegenschlag der kaiserlichen Truppen standzuhalten, wie ihn Wallenstein
gegen die Dänen bei Wolgast geführt hatte.7 Gustav Adolf hatte den Lan­
dungsort bei Peenemünde freilich geschickter ausgewählt als der dänische
König Christian, der sich nicht für eine der Küste vorgelagerte Insel, son­
dern für das Festland entschieden hatte. Im letzten Fall waren die Kaiserli­
chen schnell und in großer Zahl an Ort und Stelle gewesen, um die Inva­
sionsstreitmacht am Küstensaum zu halten und ins Meer zurückzuwerfen.
Das war auf der Ostseeinsel Usedom so nicht möglich, denn hier mussten
die Verteidiger selbst auf die Insel übersetzen, und dabei waren sie auf die­
selbe Weise verwundbar wie die angelandeten Schweden.
Es mag sein, dass General Torquato Conti, der die kaiserlichen Trup­
pen in Pommern befehligte, diese Probleme im Auge hatte, als er auf einen
unmittelbaren Schlag gegen die auf Usedom gelandeten Schweden verzich­
tete, aber er blieb auch passiv, als die Schweden ihre Basis erweiterten und
in Pommern Fuß fassten. Zwei Wochen nach der Landung verfügte Gustav
Adolf bereits über 16 000 Mann Infanterie und 3200 Kavalleristen,8und das
war eine Streitmacht, mit der es Conti aus eigenem Entschluss und ohne
Verstärkung nicht mehr aufnehmen konnte. Wallenstein, der Contis Ent­
schlusskraft hätte aufhelfen können, hatte sich zu dieser Zeit bereits nach
Memmingen begeben, wo er sein Hauptquartier aufgeschlagen hatte, um
die Truppenbewegungen in Norditalien zu koordinieren. Vor allem aber
wollte er von Memmingen aus beobachten, wie sich das Geschehen auf
Gustav Adolfs Landung auf Usedom 419

dem Regensburger Kurfürstentag entwickelte. Wallenstein wusste um die


ablehnende Einstellung der Reichsstände ihm gegenüber und rechnete
damit, dass es in Regensburg auch um ihn und das von ihm geschaffene
Heer gehen würde. Er hatte somit andere Sorgen, als sich mit Gustav Adolf
und seinen Truppen zu beschäftigen. «D er Schwed», schrieb er an Coll-
alto, «hat sich Rügens und Usedoms bemächtigt, die Pommern halten alle
mit ihm wie nicht weniger die Märker und Hansestädt, Torquato [Conti]
begehrt Succurs, denn er ist bei weitem den Schweden nicht stark genug,
ich kann ihm keinen Mann schicken.»9
Was Wallenstein seit langem befürchtet hatte, war nunmehr eingetre­
ten, und er hatte zu diesem Zeitpunkt keine Möglichkeit des Gegenhan­
delns: Das Gros seiner Streitkräfte befand sich in Italien, und die im Nord­
osten stehenden Truppen waren nach seiner Auffassung zu schwach, um
gegen die Schweden offensiv vorzugehen. General Conti war sicherlich
auch nicht der richtige Kommandeur, um eine schneidige Attacke gegen
das schwedische Heer zu führen; Wallenstein gehörte schwerlich zu denen,
die solches von ihm erwarteten, war die Leitidee der von ihm vertretenen
Strategie doch, dass man am Ort der Entscheidung kräffemäßig deutlich
überlegen sein müsse. Das aber war unter den gegebenen Bedingungen
ausgeschlossen. Also fuhr Wallenstein in dem Brief an Collalto fort: «Bei
dieser Beschaffenheit werden wir müssen das Volk [Kriegsvolk] aus Italien
abfordern und uns in unseren Ländern defendieren, und also wird Italien
verloren werden.»10 Das war eine ziemlich präzise Beschreibung der nun­
mehr entstandenen Lage und eine treffsichere Vorwegnahme dessen, was
kommen sollte.
«Gott [hat] das Glück und die Gnade gegeben», die Truppen des
Gegners vom Landungsort fernzuhalten, berichtete Lars Grubbe über die
Landung der schwedischen Truppen in Deutschland. Das «unverständige
Commando» des gegnerischen Befehlshabers und der Umstand, dass des­
sen Truppen von «einem besonderen Schrecken» erfasst worden seien,
hätten dazu beigetragen, dass das riskante Unternehmen reibungslos abge­
laufen sei. Die Fehler und Missgeschicke des Gegners wollte Grubbe frei­
lich nicht als Nachlässigkeit des Feindes gewertet wissen, sondern als ein
Zeichen dafür, dass «Gottes Segen» mit dem schwedischen Unternehmen
4-20 D IE Z E IT D ER G R O SSE N SC H L A C H T E N

sei.11 Das war für Grubbe, den Sekretär Gustav Adolfs, der die Gedanken
und Stimmungen des Königs zu Papier brachte, eine wichtige Selbstverge­
wisserung, denn ohne den Segen Gottes würde dem Vorhaben kein dauer­
hafter Erfolg beschieden sein. So aber hatte alles gut begonnen, und man
konnte voll Zuversicht in die Zukunft blicken. Jetzt kam es darauf an, die
Operationsbasis zu verbreitern und Verbündete unter den deutschen Pro­
testanten zu finden. Beides waren unabdingbare Voraussetzungen für den
Vorstoß ins Reich.
Die Vergewisserung, dass Gottes Segen auf dem Unternehmen liege,
kam nicht von ungefähr, denn Gustav Adolf scheint immer wieder von
Zweifeln umgetrieben worden zu sein, ob es richtig sei, in den seit einem
Jahrzehnt andauernden Krieg in Deutschland einzugreifen, einen Krieg,
bei dem nicht abzusehen war, wann er enden würde. Stürzte der König sich
und sein Heer womöglich in ein Abenteuer, aus dem es kein Entkommen
gab? Das klägliche Scheitern des dänischen Konkurrenten, der Schweden
eineinhalb Jahrzehnte zuvor noch eine bittere Niederlage beigebracht hatte,
war ein Warnzeichen. Allein die Solidarität mit den unterdrückten protes­
tantischen Glaubensbrüdern in Deutschland konnte keine hinreichende
Begründung sein, sich auf ein derart riskantes Unterfangen einzulassen,
zumal die protestantischen Fürsten in Deutschland wenig dafür taten, ihrer
Bedrückung selbst abzuhelfen. Ein unüberhörbarer Hilferuf jedenfalls war
von ihrer Seite an Gustav Adolf nicht ergangen. Gleichwohl erklärte er bei
seiner Abschiedsrede vor den Reichsräten in Stockholm am 19. Mai 1630:
«Da Mancher sich einbilden mag, daß wir uns diesen Krieg ohne gegebene
Ursache aufbürden, so nehme ich Gott den Allerhöchsten, in dessen Ange­
sicht ich hier sitze, zum Zeugen, daß ich solches nicht aus eigenem Gefallen
oder Kriegslust unternommen, sondern dazu seit mehreren Jahren auffal­
lende Ursache habe, meist darum, daß unsere unterdrückten Religionsge­
nossen mögen von dem päpstlichen Joche befreit werden, was wir auch mit
Gottes Gnade hoffen ausführen zu können.»12 Gegenüber den Reichsräten
hat der König also seine Verbundenheit mit den unterdrückten Glaubens­
brüdern deutlich betont.
Im Umgang mit den Großen seines Reichs bediente Gustav Adolf sich
freilich handfesterer Argumente, in denen unüberhörbar der schwedische
Gustav Adolfs Landung auf Usedom 421

Großmachtanspruch zum Ausdruck kam. Dieser nämlich, so eine der zen­


tralen Begründungen für die Intervention in Deutschland, sei durch den
Kaiser in Frage gestellt worden: zunächst durch dessen Anspruch auf die
Vorherrschaft im Ostseeraum, was seinen Niederschlag in dem Wallenstein
verliehenen Titel eines «Generals des Ozeanischen und Baltischen Mee­
res» gefunden habe; sodann in dem von Wallenstein verfolgten Projekt, für
den Kaiser eine Kriegsflotte aufzubauen und die Kontrolle über den Ost-
seehandel sowie die dort erhobenen Zölle zu erlangen; und schließlich in
der Entsendung eines Hilfskorps nach Polen, um die katholischen Wasa
zu unterstützen. Das waren allesamt Argumente dafür, dass Schweden sich
in einer Position der defensio befand und gegen einen mächtigen Angrei­
fer seinen Status zu verteidigen hatte. Die Verteidigung des Status quo war
einer der in der Theorie des Krieges geforderten gerechten Gründe (causae
iustae), die vonnöten waren, damit man von einem gerechten Krieg (bel­
lum iustum) sprechen konnte.13 Der Intervent Gustav Adolf war dieser Auf­
fassung nach also der Verteidiger, und der Kaiser war der Angreifer. Diese
Sichtweise stand der Situation des Sommers 1630 zwar augenscheinlich völ­
lig entgegen, aber sie genügte, um Gustav Adolf vom Odium des Aggressors
zu befreien, und gegenüber der eigenen Bevölkerung diente sie dazu, den
Krieg als unvermeidlich darzustellen: Wer nicht bereit war, sich zu verteidi­
gen, willigte in seinen Niedergang und schließlich in den Untergang ein.
Die Rolle des Verteidigers - sowohl des evangelischen Bekenntnisses als
auch der schwedischen Interessen -, die Gustav Adolf für sich in Anspruch
nahm, war geeignet, alle Zweifel an der Richtigkeit des Eingreifens zu ver­
treiben. Gustav Adolf, so die Selbstsuggestion, führte den Krieg nicht aus
eigenem, freiem Entschluss, sondern weil er ihm von anderen aufgezwun­
gen worden war. Wenn dem König aber gar nichts anderes übrig blieb, als
in Deutschland zu intervenieren, dann war jedes weitere Nachdenken über
die Risiken überflüssig; es gehörte zu den Herrscherpflichten eines Königs,
solche Risiken auf sich zu nehmen und mit ihnen umzugehen. Und wenn
dazu sowohl die protestantische Solidarität als auch die genuinen Interes­
sen Schwedens nötigten, dann stimmten ratio conscientiae und ratio Status,
Gewissenspflichten und Staatsräson, zusammen. Gustav Adolf scheint in
den Debatten im Reichstag und im Reichsrat sowie in den Gesprächen
422 D IE Z E IT D ER G R O SSE N SC H L A C H T E N

Das Flugblatt bringt das neue


Selbstbewusstsein der deutschen
Protestanten nach den militä­
rischen Erfolgen Gustav Adolfs
zum Ausdruck. Einem Jesuiten
wird der Kopf gewaschen, als
Stellvertreter für den Papst - das
Wappen Urbans V III. ist an der
Seite des Thrones zu sehen - und
den Kaiser, der im Untertext
als Opfer jesuitischen Macht­
willens erwähnt wird: «W ir
wollten tilgen Luthers L eh r»,
gesteht der Jesuit, «N uhn sitzen
wir im Badt / Daß Keyserthum
haben wir Regiert / Sampt des
Papstes Stuhl guberniert.» Da
meint selbst der am linken Rand
stehende «D o rff P faff»: «B esser
man jagt euch auß dem Landt.»

mit seinem Kanzler Axel Oxenstierna zu diesem Ergebnis gekommen zu


sein, und auf dem Einklang von Gewissen und Staatsinteresse gründeten
die Entschlossenheit und die Konsequenz, mit denen er nach der Landung
auf Usedom den Feldzug in Deutschland führte: umsichtig und entschie­
den, keineswegs verwegen und tollkühn, durchaus mit Respekt vor seinen
kriegserfahrenen Gegnern, aber jederzeit erfüllt von der Überzeugung,
dass Gott mit ihm sei und sein Segen auf ihm ruhe.

Die Debatte über


Gustav Adolfs Kriegsgründe

In der Literatur zu Gustav Adolf ist das Motivbündel für das Handeln des
Königs immer wieder unter der Fragestellung betrachtet worden, welcher
Aspekt für den König wohl der entscheidende gewesen sei und welcher eher
propagandistischem Schein und politischer Täuschung gedient habe. So
Die Debatte über Gustav Adolfs Kriegsgründe 413

hat sich der Historiker Gustav Droysen in seiner großen zweibändigen


Gustav-Adolf-Biographie von 1869/70 gegen das in Deutschland vorherr­
schende, namentlich durch Heinrich von Treitschke vertretene Bild des
schwedischen Königs als Glaubensheld und Streiter für das evangelische
Bekenntnis gewandt und stattdessen die machtpolitische Dimension in
Gustav Adolfs Handeln herausgestellt.14 In der an Droysen anschließenden
Debatte und in Weiterführung seines Ansatzes ist daraus ein Bild Gustav
Adolfs entstanden, das ihn als rücksichtslosen Machtpolitiker zeigt, dem es
wesentlich um die Sicherung und Ausweitung des dominium maris Baltici
für Schweden gegangen sei; das Schicksal des Protestantismus habe ihm nur
als propagandistisches Strategem gedient, um Mitstreiter in Deutschland
zu finden.15 Eine solche Sicht berief sich auf die 1644 abgegebene Erklärung
des Kanzlers Axel Oxenstierna: «Pommern und die Seeküste sind gleich
einer Bastion für die Krone Schwedens, und darin besteht unsere Sicher­
heit gegen den Kaiser. Das war die vornehmste Ursache, welche die selige
Majestät in die Waffen brachte.»16 Droysen spitzte diese geostrategische
Überlegung, von Oxenstierna im Rückblick zum Hauptmotiv des Königs
erklärt, weiter zu: «D er Gegensatz zwischen Gustav Adolf und dem Haus
Habsburg beruht in der politischen Stellung beider zu der Frage der Ost­
seeherrschaft. Das ist eine rein politische Frage.»17
Droysens Zeitgenosse Onno Klopp hat indes in seiner gegenüber dem
Kaiser und der katholischen Sache durchweg apologetischen Darstellung
des Dreißigjährigen Krieges Gustav Adolfs machtpolitische Seite zwar her­
ausgestellt, den Schwedenkönig aber nicht darauf reduziert. Anders als die
bisherigen Anführer des Protestantismus in Deutschland - Klopp nennt
den Pfalzgrafen, Mansfeld, den Halberstädter sowie Christian IV. von
Dänemark - , bei denen «das Wort der Religion oft nur ein Name war, dem
das Thun des Privatlebens sehr wenig entsprach», beschreibt er den Schwe­
den als einen Mann, der seine Glaubensüberzeugungen ernst genommen
habe: «E r huldigte nicht dem Trünke, oder einer anderen augenfälligen
niederen Leidenschaft, geeignet ihn im Ansehen der Menschen herabzu­
setzen. Dagegen ging er den Seinen voran mit dem Beispiele der Theil-
nahme an dem öffentlichen Cultus. Es ward bemerkt, daß er in Stettin an
einem Morgen drei Predigten hörte. Ein solches Beispiel mußte Wirkung
424 D IE Z EIT D ER G R O SSE N SC H L A C H T E N

thun, zumal bei seiner Persönlichkeit. [... ] Ein solcher Mann zog die allge­
meine Aufmerksamkeit auf sich, auch wenn er nicht König gewesen wäre.
Dazu kam der ihn umgebende Glanz der bisherigen Waffenerfolge über die
Dänen, die Russen, die Polen. Es wird gesagt, daß seine Soldaten ihn ver­
ehrten nicht bloß wie ihren König, sondern gleich wie ein höheres Wesen.18
Umso wirksamer musste sein Beispiel in Betreff der Religionsausübung
sein. [... ] Überhaupt gehörten in der Fürsorge der Religionsausübung die
schwedischen Kriegsartikel zu den schärfsten der ganzen Z eit.»19
Nun lässt sich freilich auch die in vielen Zeugnissen dokumentierte
Religiosität und Bekenntnispraxis des Königs als ein politisches Strate-
gem dekonstruieren, das dem Zweck diente, die Truppe zu disziplinieren
und so ihre Kampfkraft zu erhöhen. A uf diese Weise ist es ohne weiteres
möglich, den König immer weiter zu skelettieren, bis zuletzt nur noch ein
machtpolitisches Gerüst übrig bleibt. Psychologisch ist das wenig plausibel,
da im Handeln Gustav Adolfs beide Aspekte eng miteinander verbunden,
wenn nicht gar zu einer einzigen Handlungsdirektive verschmolzen waren.
Das zeigt sich erst recht bei dem dritten Motivationsstrang, der in der For­
schungsliteratur als leitend für das königliche Agieren ausgemacht worden
ist. Gemeint sind die wirtschaftspolitischen Motive des Königs: Der Krieg
sei demnach zur Festigung der ökonomischen Position Schwedens geführt
worden, wobei es nicht nur um die fiskalische Kontrolle des Ostseehandels
gegangen sei, sondern vor allem um die Stellung Schwedens in der europä­
ischen Eisen- und Kupferproduktion; das Vordringen des Kaisers bis zur
Ost- und Nordseeküste habe Deutschland dem ungarischen Kupferhan­
del geöffnet und damit das schwedische Quasi-Monopol über das Kupfer
in Norddeutschland gefährdet.20 Paradigmatisch für diese Sichtweise ist
die Gustav-Adolf-Biographie des sozialdemokratischen Historikers Franz
Mehring, der den Schwedenkönig als devastator Germaniae bezeichnete, der
einem hemmungslosen Militarismus angehangen habe.21 Mehring ging es
vor allem um Geschichtspolitik, also den Gebrauch historischer Beispiele
für politische Zwecke, und in diesem Sinn wollte er dem protestantischen
Nationalkonservatismus einen seiner Heroen entreißen beziehungsweise
zeigen, dass dieser mehr ein Verwüster denn ein Befreier Deutschlands
gewesen sei. Nachdem einige Autoren eine direkte Verbindungslinie zwi-
Die Debatte über Gustav Adolfs Rriegsgründe 4 15

Gustav II. Adolf, König


von Schweden. Der um
1640 angefertigte Stich
geht auf ein Gemälde
zurück, das Gustav
Adolf kurz vor Beginn
seiner Intervention in
den «deutschen K rieg»
zeigt. Das Staatsporträt
verbindet die Insignien
des Herrschers und des
Feldherrn miteinander.

sehen Gustav Adolf und den Hohenzollern in Berlin hergestellt und Gustav
Adolf gewissermaßen «borussifiziert» hatten, war dessen Desavouierung
immer auch ein Angriff auf Kaiser Wilhelm, von dem «ein klassenbewuss­
ter Proletarier» nur Unglück und Verderben zu erwarten habe.
Deutlicher als sonst der Fall, tritt bei Franz Mehring die geschichtspo­
litische Grundierung in der Beschäftigung mit dem Schwedenkönig zutage:
Man schreibt über Gustav Adolf und hat dabei stets die Fragen und Heraus­
forderungen der eigenen Zeit vor Augen beziehungsweise stellt bewusst Par­
allelen zwischen dem Schwedenkönig und einigen politischen Akteuren der
Gegenwart her. Diese geschichtspolitische Nutzung Gustav Adolfs geht bis
auf den Preußenkönig Friedrich II. zurück, der mit Blick auf die begrenzte
wirtschaftliche Leistungsfähigkeit Schwedens und die herausragenden
Leistungen seiner Armee eine Wahlverwandtschaft zwischen sich und Gus­
tav Adolf erkannt hat. Einiges daran traf auf frappierende Weise zu, denn
eigentlich war Schweden im 17. Jahrhundert ebenso wenig wie Preußen im
426 D IE Z E IT D ER G R O SSE N SC H L A C H T E N

18. Jahrhundert ökonomisch den Aufgaben gewachsen, die den beiden Län­
dern von ihren Herrschern aufgebürdet wurden. Diese Hypertrophie mili­
tärischer Macht im Verhältnis zu politischer, ökonomischer und kultureller
(oder ideologischer) Macht wird üblicherweise als Militarismus bezeich­
net,22 und ganz zweifellos ist der in diesem Sinn verstandene Militarismus
ein Bindeglied zwischen dem Aufstieg Schwedens und dem Preußens. Zu
den Bindegliedern gehört indes auch, dass keine der beiden Mächte ihre
Kriege ohne Subsidien anderer hätte führen können. Clausewitz hat das
in einer prägnanten Formel zusammengefasst: «Gustav Adolf betrieb ein
Geschäft, welches weit die Grenzen seiner Kräfte überstieg, wie der Kauf­
mann durch bloßen Kredit.»23 Die Armee, so lässt sich diese Formulierung
weiterführen, war durch ihre Leistungsfähigkeit der Garant des Kredits. Das
ist eine weitere Definition von Militarismus: Militarismus liegt vor, wenn
die Armee - und nur die Armee - die internationale Kreditfähigkeit eines
Landes garantiert und diese Armee mitsamt ihren Generälen durch Dritte
finanziert wird, damit sie bestimmte Aufgaben in deren Interesse erledigt.
Werden aus dem Motivbündel Gustav Adolfs einzelne «eigentliche»
Beweggründe herausgelöst, hinter denen man propagandistische Zwecke
und eine legitimatorische Ideologie vermutet, dient das vor allem dem
geschichtspolitischen Kampf. Es geht dabei nicht darum, der komplexen
Vorstellungswelt Gustav Adolfs gerecht zu werden, sondern ihn als poli­
tisches Vorbild oder Schreckbild zu präsentieren. Das Gustav-Adolf-Bild
der proschwedischen Schriften, wie es zwischen 1630 und 1633 entstan­
den ist, wird dekonstruiert. Doch diese Dekonstruktion eröffnet entgegen
einer weitverbreiteten Vorstellung keineswegs den Blick auf eine unver­
stellte Wirklichkeit, sondern legt nur die Elemente frei, aus denen ein
«politisches Image» geformt worden ist. Das Bedürfnis nach geschichts­
politischen Konstruktionen besteht unterdessen fort und will befriedigt
werden. Das zeigt sich an der Gustav-Adolf-Biographie Günter Barudios.
der den Schwedenkönig, indem er ihn als einen Verfechter des «libertä­
ren Verfassungsstaats» beschreibt, für die Bundesrepublik Deutschland
und die Europäische Union anschlussfähig gemacht hat.24 Einem solchen
Vorbild kann dann nach Barudios Auffassung auch zugesprochen werden,
was unter Historikern gänzlich aus der Mode gekommen ist: historische
Die Debatte über Gustav Adolfs Kriegsgründe 4»7

Größe.25 Demnach hat Gustav Adolf interveniert, um dem aufkommenden


Absolutismus der Habsburger Grenzen zu setzen und all denen zu Hilfe
zu kommen, die im Reich ständische Libertät bewahren wollten.26 Auch
das ist eher Geschichtspolitik als eine Analyse der komplexen Motivlage
Gustav Adolfs.
Es sind solche geschichtspolitischen Indienstnahmen des Königs, von
seiner Ausdeutung als «Christ und Held» bis zur Interpretation als Reprä­
sentant des neuzeitlichen Verfassungsstaates, die den Zugang zu Gustav
Adolf so schwer und mühsam gemacht haben. Viel besser lässt sich das Ent­
scheiden und Handeln des Königs nachvollziehen, wenn man hinnimmt,
dass es für ihn zwischen einer Militärintervention, die den bedrängten Pro­
testantismus in Deutschland unterstützen sollte, und einer Politik der ent­
schlossenen Verfolgung schwedischer Interessen keinen Widerspruch gab.
Ohnehin flössen in der zeitgenössischen Wahrnehmung politische und
religiöse Motive zusammen, und dementsprechend nahmen sich die Kon­
trahenten auch gegenseitig wahr. D er sächsische Oberhofprediger Matthias
Hoe von Hoenegg warf in seiner Eröffnungspredigt zum Leipziger Konvent
der Liga und dem Kaiser vor, es gehe ihnen um politische und religiöse
Macht, und deswegen versuchten sie, mit militärischem wie dogmatischem
Druck den Protestantismus in Deutschland zu vernichten.27 Zumeist
wurde der Krieg als ein Strafgericht Gottes wahrgenommen,28 und zwar
unabhängig davon, ob man ihn wesentlich als einen Kampf zwischen Gut
und Böse, zwischen Gott und Teufel begriff, wie das die Radikalen beider
Seiten taten.29 Der militärische Kampf ist immer auch als eine spirituelle
Auseinandersetzung angesehen worden,30 weswegen es wenig sinnvoll ist,
im Rückblick den geostrategisch denkenden Machtpolitiker Gustav Adolf
gegen den Glaubenskämpfer Gustav Adolf auszuspielen, wenn man dessen
Selbstverständnis und seinen «eigentlichen» Motiven auf die Spur kom­
men will. Obendrein war für den Verlauf des Krieges nicht wichtig, welche
Motive Gustav Adolf insgeheim hatte und welche er öffentlich verbreitete;
vielmehr kam es bei der Suche nach Verbündeten darauf an, was diese
potenziellen Partner über die Gründe dachten, die Gustav Adolf zur Inter­
vention in Deutschland veranlasst hatten. Dabei sollte man die potenziellen
Bündnispartner des Königs weder für dumm noch für naiv halten, indem
4^8 D IE Z E IT D ER G R O SSE N SC H L A C H T E N

man davon ausgeht, sie seien der schwedischen Propaganda einfach auf den
Leim gegangen. Der Krieg dauerte bereits zu lange, und die Propagandisten
beider Seiten hatten in den zurückliegenden Jahren ihre Instrumente schon
allzu häufig eingesetzt, als dass eine solche Annahme plausibel wäre.

Das Streben nach Neutralität:


Die Zögerlichkeit der protestantischen Fürsten,
sich den Schweden anzuschließen

Nach seiner Landung auf Usedom blieb Gustav Adolf zunächst auf sich
allein gestellt. Die protestantischen Fürsten im östlichen Norddeutschlanc
hielten sich zurück und reklamierten im Konflikt zwischen König und Kai­
ser Neutralität für sich. Während der ersten Wochen war die Hansestadt
Stralsund der einzige Verbündete der Schweden, und nur die vertriebenen
Herzoge von Mecklenburg, die nichts mehr zu verlieren hatten, schick­
ten Gesandte ins schwedische Lager, um Unterstützung anzubieten. Die
bestand indes in nicht mehr als gutem Willen und der Hoffnung, Gustav
Adolf werde sie, wenn er militärisch erfolgreich sei, wieder in ihre Herzog­
tümer einsetzen. Alle anderen warteten zunächst einmal ab, wie sich die
Lage entwickelte. Einige, allen voran Kurfürst Johann Georg von Sachsen
misstrauten dem Schweden und hätten es lieber gesehen, wenn er sich aus
dem Krieg in Deutschland herausgehalten hätte.31 So distanziert wie der
sächsische verhielt sich der brandenburgische Kurfürst nicht; schließlich
war er der Schwager Gustav Adolfs und hatte in den zurückliegenden Jah­
ren mehrfach versucht, den Schweden in den Krieg hineinzuziehen. Aber
auch er wollte zunächst abwarten, ob es dem König gelingen würde, sich
in Deutschland festzusetzen. Und so beanspruchte er ebenso wie Herzog
Bogislaw von Pommern, in dessen Gebiet die Schweden gelandet waren
die Anerkennung der Neutralität durch die Schweden. Genau die aber
konnte und wollte Gustav Adolf keinem von ihnen zugestehen; stattdessen
drängte er darauf, sich zu entscheiden, ob sie ihm gegenüber «Freund oder
Feind» sein wollten.32
Das Streben nach Neutralität 429

Es gab eine Reihe von Gründen dafür, dass die deutschen Fürsten
zunächst einmal abwarten wollten. Nur zu deutlich hatte man das politische
Schicksal derer vor Augen, die sich fünf Jahre zuvor auf die Seite des Dänen­
königs Christian geschlagen hatten und in dessen Scheitern hineingerissen
worden waren. Christian selbst mochte zwar im Lübecker Frieden glimpf­
lich davongekommen sein, doch das galt nicht für seine deutschen Partei­
gänger, die im Stich zu lassen eine der Voraussetzungen dafür gewesen war,
dass Christian selbst so günstige Friedensbedingungen erhalten hatte. Das
kaiserliche Restitutionsedikt bedrohte zwar nahezu alle protestantischen
Landesherren mit Cebietsverlusten, was ein guter Grund gewesen wäre,
sich auf die Seite des Schweden zu schlagen, aber die offene politische und
erst recht militärische Parteinahme gegen den Kaiser konnte schnell, wie
das Beispiel des Pfalzgrafen oder der Fierzöge von Mecklenburg zeigte, mit
dem Verlust des gesamten Herrschaftsgebiets enden. Man hatte die Stärke
des Wallenstein’schen Heeres in den letzten Jahren kennengelernt und
wusste nicht, ob Gustav Adolf dem gewachsen sein würde. Wie, so schei­
nen sich die meisten gefragt zu haben, wollte er mit seinen begrenzten Res­
sourcen gegen diese gewaltige Übermacht ankommen? Die glaubensfesten
Protestanten mochten im schwedischen König den seit langem erwarteten
Befreier sehen, aber die Fürsten und ihre Räte hatten die Kräfteverhältnisse
zu bedenken und auf dieser Grundlage Voraussagen zu machen, wie sich
der Krieg entwickeln werde. Es sprach zunächst wenig dafür, dass es Gustav
Adolf anders ergehen würde als Christian von Dänemark.
Die jetzt einsetzende Propagandaschlacht war eine innerprotestanti­
sche Auseinandersetzung um die Frage, ob man Gustav Adolf eine grund-
.egende Wende in diesem Krieg Zutrauen könne und sich ihm anschließen
solle oder ob es ratsam sei, auf Abstand zu bleiben und zunächst einmal
abzuwarten. Die Analogien zwischen dem schwedischen König und den
großen Gestalten des Alten Testaments, die Stilisierung Gustav Adolfs zu
emem neuen Luther und schließlich die christusähnliche Zeichnung des
Königs, der als Befreier von der Macht des Bösen gekommen sei,33 waren
Formeln, die Mut machen sollten; sie versicherten, dass der Schwede kein
w eiter Christian sei, denn Gott selbst sei mit ihm. Wie sehr es dabei um
eme innerprotestantische Streitfrage ging, zeigt sich an der Parallelisie­
43° D IE Z E IT D ER G R O SSE N SC H L A C H T E N

rung Gustav Adolfs mit Martin Luther; der nämlich hatte den Gebrauch
von Waffengewalt im Konflikt mit dem Papsttum abgelehnt und darauf
bestanden, dass es sich um eine Auseinandersetzung handele, die allein mit
Wort und Schrift auszutragen sei. A uf Luthers Ablehnung von Waffenge­
walt berief man sich vor allem in Kursachsen. So sah man sich ganz in der
Tradition des Reformators, als man in Dresden die Bündnisangebote des
Schweden dilatorisch behandelte und trotz des Restitutionsedikts an einer
kaisernahen und reichstreuen Politik festhielt. Dagegen wandte sich die
Darstellung Gustav Adolfs als «neuer Luther», wie sie in einer Reihe von
Predigten und Flugschriften zu finden ist: Man sei in eine neue Etappe des
heilsgeschichtlichen Kampfes eingetreten, in der, da sich der Antichrist in
Rom bewaffnet habe, auch die Protestanten zu den Waffen greifen und in
dem großen apokalyptischen Ringen solcherart gerüstet auf die Seite Got­
tes treten müssten.34 Die apokalyptische Grundierung brachte zum Aus­
druck, dass es um einen Kampf zwischen Gott und Teufel ging, bei dem es
keine Neutralität und kein zögerliches Beiseitestehen geben konnte.
Die Frage, ob sich Gustav Adolf würde behaupten können, bezog ihre
Dramatik nicht nur aus dem Blick auf die realen Kräfteverhältnisse, die im
Herbst 1630 für Schweden in Nordostdeutschland so schlecht gar nicht
waren, sondern auch aus den Enttäuschungen eines Jahrzehnts der Nieder­
lagen, die zu allgemeiner Niedergeschlagenheit und fehlendem Vertrauen
in die eigenen Fähigkeiten geführt hatten. Gegen diesen Geist gingen die
Flugschriften mit biblischen Analogien an, in denen durch die Verheißung
eines gottgesandten Anführers die Kräfteverhältnisse umgekehrt und die
Resignation überwunden werden sollten. Mehr noch als die Befreiung des
Gottesvolkes aus der Babylonischen Gefangenschaft wurde dabei auf die
Herausführung der Juden aus Ägypten verwiesen:35 Es war ein Fremder -
Moses - , der kam und zum Retter des Volkes wurde, und obwohl die Streit­
macht des Pharao den Israeliten um ein Vielfaches überlegen war, wurde sie
doch besiegt. Gustav Adolf war ein neuer Moses, den Gott den deutschen
Protestanten zu Hilfe gesandt hatte, und so hatte man ihm zu folgen. Ein­
mal mehr zeigt sich in dieser Argumentation die enge Verbindung politi­
scher und religiöser Fragen, die den Krieg am Brennen hielt.
Nun gab es freilich neben dem sozialpsychologischen Erfordernis
Das Streben nach Neutralität 431

neuer Zuversicht auch einen politikorganisatorischen Handlungsbedarf:


Das schwedische Heer war zwar kriegserprobt, aber recht klein; es musste,
um den Kräften des Kaisers gewachsen zu sein, durch Werbungen deutlich
vergrößert werden. Aber wie sollte das arme Schweden eine solche Ver­
größerung finanzieren? «Die neue Großmacht», so der Historiker Theo­
dor Lorentzen, der sich mit dem schwedischen Militärwesen eingehend
beschäftigt hat, «war ein Koloss mit thönernen Füssen.» 36 Der schwedi­
sche Diplomat Johan Adler Salvius hat das auf die griffige Formel gebracht:
«Andere Völker fangen Krieg an, weil sie reich sind, Schweden, weil es arm
:5t.»3 Die potenziellen Verbündeten konnten sich ausrechnen, dass sie für
die Kosten des schwedischen Heeres würden aufkommen müssen, auch
und gerade dann, wenn es siegreich war. Es war daher nicht unbedingt ver­
lockend, sich in ein Bündnis mit Schweden zu begeben: Wenn der Feldzug
scheiterte und die Schweden sich wieder zurückziehen mussten, verfiel
man dem Strafgericht des Kaisers, und wenn die Schweden siegten und die
Kaiserliche Macht zurückdrängten, würde man die schwedische Heeres­
macht für lange Zeit finanzieren müssen, und das würde wohl teurer kom­
men als die Forderungen, die der Kaiser zuletzt geltend gemacht hatte. Also
beanspruchten die pommerschen und brandenburgischen Gesandten, die
bei Gustav Adolf auffauchten, dass der König die Neutralität ihrer Länder
respektiere.

Gustav Adolf musste seine Position auf Usedom und danach an der Oder­
mündung sichern und ausbauen. Er positionierte Kriegsschiffe von Rügen
bis über die Odermündung hinaus, um zu verhindern, dass die Gegenseite
aber See Verstärkungen heranführte. Die in Mecklenburg und Vorpom­
mern befindlichen kaiserlichen Truppen standen unter dem Befehl des
Herzogs Federigo Savelli, die in Hinterpommern unter dem des bereits
erwähnten Torquato Conti; es lag für Gustav Adolf also nahe, Stettin zu
besetzen, so dass beide Korps, wenn sie sich vereinigen wollten, dies nur
oderaufwärts konnten. Hatte Gustav Adolf sich erst einmal in den Besitz
von Stettin gebracht, so blieb Savelli und Conti nichts anderes übrig, als sich
nach Süden zurückzuziehen, denn mit Stettin als Rückendeckung konnte
der König den einen wie den anderen mit überlegenen Kräften angreifen,
431 D IE Z E IT D ER G R O SSE N SC H L A C H T E N

ohne dass dem Angegriffenen das jeweils andere Korps der Kaiserlichen zu
helfen vermochte. Der Erfolg der schwedischen Landung hing also davon
ab, dass der König Stettin zu seiner festen Basis und zu seinem Waffenplatz
machte.38 Schon daher konnte Gustav Adolf auf das pommersche Neutrali­
tätsersuchen keine Rücksicht nehmen. Als Abgesandte des Herzogs Bogis-
law noch vor Abfahrt der Flotte nach Usedom Gustav Adolf um Respektie­
rung der pommerschen Neutralität baten, antwortete er ihnen, wie Gustav
Droysen schreibt, er werde allerdings «in Pommern landen, weil er keinen
Platz wüßte, wo er es mit besserem Fug und Recht thun könnte, wie hier.
Auch hätte Pommern ihm genug Ursache gegeben, es nicht gar so höflich,
sondern als Feind zu behandeln.»39Als Begründung für die, wie er meinte,
feindliche Haltung Pommerns verwies er darauf, dass es Wallenstein, als
dieser bis zur Ostsee vorgedrungen war, keinen Widerstand geleistet und
auch nicht seine protestantischen Glaubensbrüder zu Hilfe gerufen habe.
Gustav Adolf wertete das als indirekte Parteinahme für den Kaiser. Er selbst
hätte sich zwar, so erklärte der Schwedenkönig den pommerschen Gesand­
ten, «in den deutschen Krieg nicht mischen wollen, so lange derselbe fern
von seinen Grenzen geblieben sei und ihm weder genützt noch geschadet
habe. Da er [der Krieg] sich aber zu seiner und der Ostsee höchster Gefahr
genähert und mitten in Pommern eingenistet, würde er die begehrte Hülfe
[um die ihn der Herzog von Pommern jedoch nicht gebeten hatte] gewiß
nicht abgeschlagen haben. Er unternehme den Krieg nicht allein für die
Restitution der Freunde und Blutsverwandten, sondern auch und vor­
nehmlich seiner eigenen Versicherung halber.»40 In diesem Fall stellte Gus­
tav Adolf also das politische Motiv für sein Eingreifen heraus.
Am 10. Juli, also nur vier Tage nach der Landung auf Usedom, erschien
Gustav Adolf mit einem Teil seiner Truppen vor Stettin und erzwang die
Übergabe der Stadt. Die pommerschen Truppen unter Oberst Damitz
wurden dem schwedischen Kommando unterstellt, und zwischen Herzog
Bogislaw und dem König wurde ein Vertrag geschlossen, der de facto auf
die Unterwerfung Pommerns unter schwedische Oberherrschaft hinaus­
lief: Alle zu Pommern gehörigen Provinzen und Städte, die Gustav Adolf
bereits erobert hatte oder noch erobern würde, sollten ausnahmslos und
unentgeltlich zu Pommern gehören, freilich unter der Voraussetzung, dass
Das Streben nach Neutralität 433

der Herzog sich verpflichtete, kein Stück seines Landes unter fremde Kont­
rolle kommen zu lassen. Außerdem dürfe er mit keiner anderen Macht ohne
Zustimmung Gustav Adolfs einen Vertrag schließen. Zudem behielt sich
der König ausdrücklich vor, dass, sollte Bogislaw XIV. kinderlos sterben,
wovon auszugehen war, Schweden das Land in Besitz nehme, bis die Nach­
folgefrage zu seiner Zufriedenheit geklärt sei.41 Bogislaw hatte allen Grund,
wenige Tage nach Abschluss dieses Vertrags an den Kaiser zu schreiben,
um ihm zu versichern, er sei mit nackter Gewalt zu dieser Vereinbarung
gezwungen worden.42 Er hielt diese Rückversicherung für unbedingt nötig,
obwohl im Vertrag ausdrücklich festgehalten war, dass dieser nicht gegen
Kaiser und Reich gerichtet sei.
So einfach wie mit dem Pommernherzog konnte es sich Gustav Adolf
mit Kurfürst Georg Wilhelm von Brandenburg nicht machen: Mit ihm
musste er verhandeln, und in einem langen Gespräch mit dessen Gesand­
ten Cuno von Wilmersdorf am 22. Juli wies er die von diesem vorgebrachte
Bitte, die brandenburgische Neutralität zu respektieren, entschieden
zurück. Wie die Athener in dem von Thukydides überlieferten Dialog mit
den Meliern, argumentierte er, dass es sich hier um eine Konstellation
handele, in der es keine Neutralität geben könne. Anders als die Athe­
ner berief er sich jedoch nicht auf die Physik der Macht, sondern auf die
existenzielle Entscheidungssituation des konfessionellen Bürgerkriegs.
Gegenüber Georg Wilhelm stellte er also die religiöse Dimension seiner
Intervention heraus: «Weiß denn Se. Lbd. [Seine Liebden] noch nicht,
daß des Kaisers und der Seinigen Intent sei, nicht eher aufzuhören, bis die
evangelische Religion im Reiche ganz ausgerottet werde, und daß Se. Lbd.
sich nicht Anderes zu versehen haben, als daß Sie werden gezwungen wer­
den, entweder Ihre Religion zu verleugnen oder Ihre Lande zu verlassen?
Meinen Sie, daß Sie mit Bitten und Flehen ein Anderes erlangen werden?
Um Gottes willen bedenken Sie sich doch ein wenig und fassen mascula
consilia [mannhafte Beschlüsse], Sie sehen hier, wie wunderbarlich Gott
diesen frommen Herrn, den Herzog in Pommern, welcher auch so unschul­
diger Weise - indem er gar nichts verwirkt, sondern nur sein Bier in Ruhe
getrunken hat - so jämmerlich um das Seine gebracht worden ist, fato quo-
dam necessario [durch eine gewissermaßen erzwungene Fügung] - denn er
434 D IE Z E IT D ER G R O SSE N SC H L A C H T E N

wohl gemußt - errettet hat, daß er sich mit mir verglichen [indem er mit mir
einen Vergleich geschlossen hat]. Was derselbe/afo [durch Fügung] gethan
das mag Se. Lbd. deliberato consilio [aus wohlbedachtem Ratschluss] thun. -
Ich kann nicht wiederum zurück: jacta est alea; transivimus Rubiconem [der
Würfel ist gefallen, wir haben den Rubicon überschritten]. Ich suche in die­
sem Werke nicht das Meine, ganz keinen Gewinn, als die Sicherheit meines
Königreiches: sonsten habe ich nichts davon als Unkosten, Mühe, Arbeit
und Gefahr Leibes und Lebens.»43
Die Sicherheit Schwedens und die Verteidigung des protestantischen
Bekenntnisses in Deutschland stehen in Gustav Adolfs Argumentation also
eng beieinander; sie sind kein Widerspruch, sie bilden eine Einheit. Die
Alternative, wie sie sich in Gustav Adolfs Augen darstellte, lief darauf hinaus
entweder für seine Sache entschlossen einzutreten und dafür zu kämpfen
oder sich zum Spielball des Schicksals zu machen und daran zugrunde zu
gehen. Gustav Adolfs Argumentation war ein Generalangriff auf die Unent­
schlossenheit und den mangelnden Mut der protestantischen Fürsten in
Deutschland, und hinter dem Spott auf den biertrinkenden Bogislaw ver­
barg sich der auf den mindestens ebenso trinkfesten Johann Georg von
Sachsen. Der nämlich weigerte sich beharrlich, Partei zu ergreifen und sich
dem Schwedenkönig anzuschließen, und solange der Sachse nicht auf die
schwedische Seite überwechselte, würden das auch viele andere protestan­
tische Fürsten nicht tun. Diesen mitleidigen bis verachtungsvollen Blick auf
die protestantischen Fürsten hat Gustav Adolf bis zuletzt behalten. Es gab
für ihn nur wenige Ausnahmen.
Georg Wilhelm gehörte nicht zu diesen Ausnahmen, und so setzte
Gustav Adolf dessen Gesandten Wilmersdorf weiter unter Druck: «Ich
will von keiner Neutralität etwas wissen noch hören. Der Kurfürst muß
Freund oder Feind sein. Wenn ich an seine Grenze komme: so muß er
kalt oder warm sich erklären. Hier streiten Gott und der Teufel. Will der
Kurfürst es mit Gott halten, wohl, so trete er zu mir: will er es lieber mit
dem Teufel halten, so muß er zuvor mit mir fechten, tertium non dabitur
[ein Drittes wird es nicht geben]: das seid gewis. Das überbringt ihm .»4*
Es ging Gustav Adolf dabei um die Festungen in Brandenburg, vor allem
um Spandau und Küstrin, durch deren Kontrolle er seine Operationsbasis
Wallensteins Entlassung 435

erheblich ausweiten konnte. Wenn sich der Kurfürst schon nicht offen an
seine Seite stellen wolle, «so gebt mir Euere Festungen, so will ich euch
vertheidigen, und euer Herr mag dann verharren in seiner Thatlosigkeit, die
er so sehr liebt».45
Sein Herr, so Wilmersdorf dagegen, sei ein Freund des Friedens, und
augenblicklich sei die Chance darauf durch die Einberufung eines Kur­
fürstentags nach Regensburg besonders günstig; dort könne über alle
Beschwernisse gesprochen werden, um Abhilfe zu schaffen. Werde der
Krieg hingegen von neuem entfacht, so würden dadurch nur «Fand und
Leute verdorben». Daraufhin Gustav Adolf: Wenn die durch den Kaiser
Vertriebenen wieder in ihr Land zurückdürften, die durch den Kaiser Ent-
eigneten ihren Besitz zurückerhielten, den Ständen die überkommenen
Freiheiten gelassen würden und auch das Königreich Schweden vom Kaiser
nichts zu befürchten habe, so könne er, Gustav Adolf, sich mit dem Frieden
anfreunden. Freilich bedürfe er auf dem Weg dorthin einiger Sicherheiten
- worin die wohl bestehen könnten: «Was meint Ihr, Papier und Tinte?»46
Wilmersdorf beharrte darauf, dass schriftliche Zusicherungen genügen
müssten, während Gustav Adolf unter den «Gewisheiten und Cautionen»,
von denen er sprach, die brandenburgischen Festungen meinte. So trennte
man sich, ohne eine Verständigung erreicht zu haben. Der König und seine
Interventionsarmee blieben zunächst auf sich allein gestellt. Hätten die
Kaiserlichen in dieser Situation unter Zusammenziehung aller verfügbaren
Kräfte die Schweden angegriffen, hätten diese sich schwerlich in Deutsch­
land halten können. Dass sie es nicht taten, hatte wesentlich mit den Vor­
gängen auf dem Regensburger Kurfürstentag zu tun.

Wallensteins Entlassung

Der neue Mainzer Erzbischof Anselm Casimir Wambolt von Umstadt


hatte in seiner Eigenschaft als Erzkanzler des Reichs auf den 3. Juni 1630
zu einem Kurfürstentag nach Regensburg geladen. Am 13. Juni traf Kaiser
Ferdinand II. mit großem Gefolge ein, am 3. Juli wurde die Versammlung
4 3 <S D IE Z E IT D ER G R O SSE N SC H LA C H T EN

eröffnet. Das war, gemessen an Früherem, nur eine kleine Verspätung, was
zeigt, dass die Mehrheit der Versammelten ein großes Interesse an dem
Regensburger Treffen hatte. Es gab viel zu besprechen und einiges zu regeln.
Das Problem dabei war, dass der Kaiser und die Kurfürsten mit unter­
schiedlichen Agenden und gegensätzlichen Erwartungen nach Regensburg
gekommen waren. Die beiden protestantischen Kurfürsten, der Sachse unc
der Brandenburger, erschienen aus Protest gegen das kaiserliche Restitu­
tionsedikt nicht persönlich, sondern hatten Gesandtschaften geschickt
denen aufgetragen war, gegen das Edikt zu protestieren und Koalitionen
gegen seine Durchführung zu schmieden. Sie hatten damit keinen Erfolg:
Das Restitutionsedikt war mithin das Einzige, was den Kurfürstentag unbe­
schadet überstand. Das lag auch daran, dass die katholische Mehrheit zwar
einige Bedenken wegen der politischen Folgen des Edikts hatte, an seiner
Rücknahme aber nicht wirklich interessiert war - einige aus religionspo­
litischen Gründen, andere eher aus egoistischen Motiven, weil sie daraui
setzten, dass bei der Restitution auch für sie etwas abfallen würde.
Mehr als alles andere lag dem Kaiser, der in den letzten Jahren deut­
lich gealtert und zunehmend kränklich war, die Wahl seines Sohnes zum
Römischen König, also zu seinem Nachfolger, am Herzen.47 Dann gab es da
die offene Frage der Nebenkriegsschauplätze, über die er sich mit den Kur­
fürsten beraten wollte, und die von diesen Nebenkriegsschauplätzen ausge­
hende Bedrohung des Friedens im Reich: Im Blick hatte er dabei vor allem
die ewig unruhigen Generalstaaten und ihre Versuche, Friedrich V. sein
Pfälzer Fürstentum zurückzugeben; sodann die Angriffspläne des schwedi­
schen Königs, die bei Eröffnung des Kurfürstentags bereits realisiert waren:
und schließlich das aus kaiserlicher Sicht aggressive Vorgehen Frankreichs
und Venedigs im Erbfolgestreit von Mantua. Im Reich jedoch herrschte
zurzeit Frieden, und diesen Frieden wollte Ferdinand, wie er versicherte
zu einem umfassenden Frieden in Europa ausweiten. Aber wie? Der Kaiser
hatte einen erneuten Feldzug gegen die Niederlande im Sinn, der dieses
Mal mit stärkeren Kräften als zuletzt durchgeführt werden sollte, um den
Niederländern den Krieg so nahe zu bringen, dass sie bereit waren, Frieden
zu schließen. Auch gegen Frankreich musste man, wenn es sich weiterhin
in die mantuanische Angelegenheit einmischte, mit kriegerischen Mitteln
Wallensteins Entlassung 437

vorgehen, und gegen Schweden war dies nicht weniger erforderlich, nach­
dem am 8. April bereits schwedische Truppen von Stralsund nach Rügen
übergesetzt und die dort stehenden kaiserlichen Truppen von der Insel ver­
trieben hatten. Das alles zusammengenommen hieß, dass an eine Abdan­
kung der kaiserlichen Truppen, wie sie von der Liga, namentlich einigen
Kurfürsten, mehrfach gefordert wurde, nicht zu denken war. Die Abdan­
kung des Heeres konnte nach Abschluss eines Universalfriedens ins Werk
gesetzt werden; jetzt aber brauchte man das Heer noch. Das war die Sicht
des Kaisers und seiner Berater.
Die katholischen Kurfürsten sahen das völlig anders. Für sie war der
wichtigste Punkt die Reduzierung des Heeres, die Beendigung der Kon­
tributionen, die zu dessen Finanzierung erhoben wurden, und schließlich
der Wechsel im Kommando des kaiserlichen Heeres, also die Entlassung
Wallensteins. Wallenstein war für die katholischen Kurfürsten und die
ihnen folgenden Reichsstände zum Inbegriff all dessen geworden, was in
den letzten Jahren falsch gelaufen war. Folglich musste er weg. Die Neben­
kriegsschauplätze interessierten die Kurfürsten dagegen nicht sonderlich,
schließlich hatte der Kaiser sie gegen ihren Rat eröffnet, und im Reich
herrschte ja Frieden. Also brauchte man diese riesige Armee nicht länger.
Und am wenigsten brauchte man ihren eigenwilligen Oberbefehlshaber,
der hinter all dem steckte, was die Kurfürsten jetzt ändern wollten. Was für
den Kaiser die Wahl seines Sohnes zum Römischen König war, war für die
Kurfürsten die Absetzung Wallensteins.
Wallenstein verhielt sich auffällig zurückhaltend, um nicht zu sagen
passiv. Weder versuchte er, persönlich Kontakt zu den Kurfürsten aufzu­
nehmen, noch bemühte er sich darum, seine Wertschätzung bei den kaiser­
lichen Räten in Wien sicherzustellen.48 In der Literatur ist darum vermutet
worden, Wallenstein sei im Frühjahr und Sommer 1630 zu erschöpft und
niedergeschlagen gewesen, um sich ernstlich seiner drohenden Absetzung
entgegenzustellen.49 Dafür waren weniger die Stimmungsschwankungen
verantwortlich, denen Wallenstein seit jeher unterlag, sondern eine Lage,
von der er nicht mehr wusste, wie er sie in den Griff bekommen sollte: Die
Kurfürsten standen in notorischer Opposition zu ihm, und er sah keine
Möglichkeit, den Gesprächsfaden mit ihnen wieder aufzunehmen. Der Kai­
438 D IE Z E IT D ER G R O SSE N SC H L A C H T E N

ser hatte sich mit dem Erlass des Restitutionsedikts und dem Engagement
in der mantuanischen Erbfolgekrise seinen, Wallensteins, nachdrücklichen
Einreden widersetzt und das Reich in eine, wie der Generalissimus meinte.
Überforderung hineinmanövriert, die inzwischen bedrohliche Züge ange­
nommen hatte. Und auch das Heer, auf dem Wallensteins Machtstellung
beruhte, befand sich in einer Krise, weil unsicher war, wie die Finanzierung
künftig aussehen sollte, und weil die Truppen auf Nebenkriegsschauplätze
aufgeteilt waren, so dass sie sich nicht mehr uneingeschränkt in seiner
Hand befanden. Man kann Wallensteins Verhalten im Juli und August 1630
auch so deuten, dass er geradezu auf seine Entlassung gewartet habe und
diese für ihn, als sie erfolgte, eine Befreiung von der untragbar geworde­
nen Bürde gewesen sei. Die Bereitwilligkeit, mit der er seine Absetzung als
Oberkommandierender des kaiserlichen Heeres hinnahm, spricht jeden­
falls dafür. Gleichzeitig steht sie dem Wallenstein-Bild entgegen, wonach
der Herzog von Friedland und Mecklenburg von grenzenlosem Machtstre­
ben und großer Habgier getrieben gewesen sei.
Wallenstein verzichtete also darauf, sich nach Regensburg zu begeben
um durch seine Präsenz die drohende Entwicklung aufzuhalten. Stattdes-
sen schlug er sein Hauptquartier in dem mehr als 100 Kilometer entfernten
Memmingen auf, wo er im Palast der Fugger Quartier nahm. Da ihn, wie
üblich, seine 600 Mann starke Leibgarde begleitete, wurde das Memmin-
ger Hauptquartier von einigen in Regensburg als Drohgebärde gegenüber
dem Kurfürstentag wahrgenommen.50 Tatsächlich jedoch entglitt Wallen­
stein zu dieser Zeit der Gang der Dinge mehr und mehr: A uf die Operatio­
nen in Italien hatte er so gut wie keinen Einfluss, die Generäle im Nordos­
ten, die gegen die Schweden kämpfen sollten, forderten Verstärkungen an
die er ihnen kurzfristig nicht geben konnte, und auch der Kurfürstentag in
Regensburg nahm einen Verlauf, den der Herzog nicht zu kontrollieren ver­
mochte. Das Hauptquartier in Memmingen war der Abglanz einer Macht
die realiter nicht mehr vorhanden war.

Die Schwäche Wallensteins war zugleich die Schwäche des Kaisers. In der
Erwartung, dass er auf diese Weise die Wahl seines Sohnes zum Römischen
König sicherstellen könne, opferte er Wallenstein und willigte am 13. August
Wallensteins Entlassung 439

in dessen Entlassung ein. Indem er Wallenstein entließ, gab er jedoch ein


entscheidendes Mittel aus der Hand. Ferdinand verfügte zwar nach wie vor
über das Heer, aber das war zerstreut und auf unterschiedlichen Kriegs­
schauplätzen gebunden, als Machtinstrument im Innern war es also nicht
einzusetzen. Außerdem fehlte mit Wallenstein der Wille, der diese Kräfte
zu einer einheitlichen Macht geformt hatte. So begann vom Tag der Entlas­
sung Wallensteins an der Zerfall der Armee. Dass das Heer um die Hälfte
reduziert werden müsse, war eine der Forderungen, die die Kurfürsten in
Regensburg durchsetzen wollten. Mit der Absetzung Wallensteins begann
die Heeresreduzierung von selbst. Mit einem Schlag stand der Kaiser mit
ieeren Händen da. Er hatte nichts mehr, womit er die Kurfürsten unter
Druck setzen oder aber ködern konnte, und so wurde er zwangsläufig zum
großen Verlierer des Kurfürsten tags.31 Sein wichtigstes Ziel, die Wahl eines
Nachfolgers, um im Falle eines überraschenden Todes ein Interregnum zu
vermeiden, erreichte er nicht, und auch für seine außenpolitischen Projekte
m Italien und den Niederlanden erhielt er keinerlei Unterstützung. Mit der
sich schnell entwickelnden schwedischen Machtposition in Pommern
befasste man sich in Regensburg nur am Rande. Die einen unterschätzten
die Herausforderung durch Gustav Adolf, die anderen wollten sich mit ihr
nicht befassen, weil jede Beschäftigung damit ihr Hauptziel, die Entlassung
Wallensteins und die Reduzierung der Armee, durchkreuzt hätte. Den Nie­
dergang der kaiserlichen Macht hatten nicht Gustav Adolf und das schwe­
dische Heer eingeleitet, sondern die katholischen Kurfürsten mit ihrem
Widerstand gegen eine starke Stellung des Kaisers im Reich.52
Der Regensburger Kurfürstentag von 1630 war indes nicht nur aus dem
Reich beschickt worden, sondern es waren auch Gesandte aus den Ländern
gekommen, mit denen es einen Konflikt gab. Der Kurfürstentag wurde
dabei zu einem Triumph Frankreichs und zu einem Desaster für Spanien.
Man kann das auf das größere Geschick Pere Josephs beim Verhandeln und
Intrigieren zurückführen, muss dann aber hinzufügen, dass der Kopf der
französischen Delegation es erheblich leichter hatte als die Spanier, deren
Interessen eng mit denen des Kaisers verknüpft waren. Dagegen stimmte
die von Pere Joseph verfolgte Linie weitgehend mit den Verhandlungs­
zielen der katholischen Kurfürsten überein. Der Sieg der Kurfürsten war
44° D IE Z E IT D ER G R O SSE N SC H L A C H T E N

insofern auch der Sieg Frankreichs, und die Niederlage des Kaisers wurde
zur Niederlage Spaniens.53 Das begann mit der unterbliebenen Wahl des
Kaisersohns zum Römischen König, auf die Spanien gesetzt hatte, während
aus der französischen Delegation gestreut wurde, es sei eigentlich an der
Zeit, wieder einmal einen Wittelsbacher, also den bayerischen Kurfürsten
Maximilian, zum Kaiser zu wählen, und es endete damit, dass der Kaiser
die mit der Intervention in den mantuanischen Erbfolgestreit verfolgter.
Ziele restlos aufgeben musste.54An ein Eingreifen in den Niederlanden war
unter diesen Umständen nicht mehr zu denken, zumal nach der Landunc
Gustav Adolfs abzusehen war, dass die verfügbaren Streitkräfte vollständig
gegen die Schweden eingesetzt werden mussten. Die dem Kaiser zuge­
schriebene, aber nicht belegte Äußerung über die schwedische Interven­
tion - «D a haben wir eben ein feinderl m ehr»55 - brachte die Stimmung
in Regensburg durchaus zum Ausdruck; die aber änderte sich schnell nach
der Beendigung des Kurfürstentags.

Konsolidierung der schwedischen Position


in Mecklenburg und Pommern

«Gustav Adolf war kein systematischer Staatsmann, wie Richelieu, der die
neuen Ordnungen, die er der Welt auferlegen wollte, sich von Anfang an
ausrechnete und in festem Zusammenhang vor seinem geistigen Auge hielt
er war ein wagender Kriegsmann, der, erfüllt von dem unbedingten Recht
seiner Sache und seines Gebots, die Forderungen, die er stellte, nach den
wechselnden Gelegenheiten und Vermittlungen einrichtete.»56 Moriz Rit­
ters prägnante Charakterisierung des Kardinals und des Königs ist dahin­
gehend zu ergänzen, dass Richelieu durch die Stärke und den Reichtum
Frankreichs auch die Ressourcen zur Verfügung standen, ohne die sich
eine langfristig angelegte systematische Politik nicht betreiben ließ, wäh­
rend Gustav Adolf diese Voraussetzungen fehlten: Aufgrund der begrenz­
ten Kräfte Schwedens war er zu einem pragmatischen Vorgehen gezwun­
gen, bei dem er von Fall zu Fall entschied, welchen Schritt er als nächsten
Konsolidierung der schwedischen Position 441

machte, und dabei reagierte er mehr auf die sich bietenden Gelegenheiten,
als dass er einem von Anfang an feststehenden Plan folgte. Das sollte auch
nach seinem großen Sieg bei Breitenfeld so bleiben. Das macht es unmög­
lich, belastbare Aussagen darüber zu machen, welche Ziele Gustav Adolf
verfolgen wollte, als er nach der Landung auf Usedom seine Operations­
basis an den Mündungsarmen der Oder konsolidierte und mit Stettin als
Zentrum eine feste Basis in Pommern errichtete. Zuvor, als er sich selbst
als Bündnispartner des Dänen Christian ins Gespräch gebracht hatte, war
em Vorstoß parallel zur Oder nach Schlesien geplant gewesen, um von dort
aus in unterschiedlichen Richtungen gegen die kaiserlichen Erblande ope­
rieren zu können. Ein solches Vorgehen hatte freilich zur Voraussetzung,
dass die rechte schwedische Flanke durch einen starken Bündnispartner
gedeckt wurde, der es mit dem im Nordwesten Deutschlands stehenden
Heer der Liga unter Tilly aufnehmen konnte. Einen solchen Bündnispart­
ner hatte Gustav Adolf im Sommer 1630 nicht, und er war auch trotz der
sich abzeichnenden Verträge mit dem Landgrafen Wilhelm von Hessen-
Kassel, der reichen und mächtigen Hansestadt Magdeburg sowie Herzog
Franz Karl von Sachsen-Lauenburg nicht in Sicht. An einen Vorstoß nach
Schlesien war zunächst also nicht zu denken.
Hinzu kamen die gravierenden Versorgungsprobleme, mit denen das
schwedische Heer seit seiner Landung auf Usedom zu kämpfen hatte. A uf
der seit Mitte April schwedisch kontrollierten Insel Rügen waren entge­
gen der Anordnung des Königs keine Versorgungsdepots angelegt worden,
aus Schweden traf Verpflegung nur in sehr geringen Mengen ein, und aus
Preußen, wo Oxenstierna die Kontrolle hatte, kamen so gut wie keine Ver­
stärkungen und auch kein Geld. Gustav Adolfs wütende Briefe konnten
daran nichts ändern. Auch die eingespielte schwedische Kriegsmaschine
hef zunächst leer. Zwar hatte der König bis Ende August die pommersche
Küste östlich der Oder unter seine Herrschaft gebracht, aber Pommern war
ein durch die Einquartierungen Wallensteins wirtschaftlich ausgepresstes
Land, aus dem sich die schwedische Armee nicht versorgen ließ.57 In der
Folge schwand die Disziplin der Soldaten, und im Land breitete sich eine
antischwedische Stimmung aus. In einem Brief an Oxenstierna schrieb
Lars Grubbe, im Heer herrsche mehr Zuchtlosigkeit, als dies bei der Sold­
442 D IE Z E IT D ER G R O SSE N SC H L A C H T E N

nerarmee Mansfelds der Fall gewesen sei. Das war sicherlich übertrieben
aber in jedem Fall war es ein schlechtes Zeichen.
Da weit ausgreifende Operationen unter diesen Umständen nicht in
Frage kamen, konzentrierte sich Gustav Adolf darauf, seine Position zu
festigen.58 Die Passivität der kaiserlichen Kommandeure kam ihm dabe:
zugute; sie hatten sich bei Gartz und Greifenhagen festgesetzt, um den
erwarteten Vorstoß der Schweden entlang der Oder zu blockieren. Nach­
dem er bis auf Kolberg und Greifswald alle größeren Städte in seine Hann
bekommen hatte, entschloss sich Gustav Adolf, nach Mecklenburg vorzu­
stoßen. Mehr noch als strategische Überlegungen dürfte dabei die Heeres­
versorgung eine Rolle gespielt haben, denn Mecklenburg war nicht durch
die jahrelange Einquartierung von Truppen ausgesogen, sondern hatte
unter der kurzen Herrschaft Wallensteins als Versorgungszentrum der kai­
serlichen Truppen eine wirtschaftliche Blüte erlebt. Hier konnten sich die
Schweden holen, was sie brauchten, um zu überwintern. Für den Vorstoß
nach Mecklenburg hatte Gustav Adolf jedoch nur eine kleine Streitmach:
von 4000 Fußsoldaten und 1500 Reitern zur Verfügung. An die Einnahme
Rostocks, das anfängliche Ziel des Unternehmens, war damit nicht zu den­
ken. Immerhin drang Gustav Adolf bis Ribnitz vor und besetzte die Stadl
Ein weiterer Vorstoß kam nicht in Frage, da Herzog Franz Karl von Lau­
enburg, der im Westen eine kleine Armee gesammelt hatte und die Stad:
Ratzeburg zu seinem Waffenplatz machen wollte, von einem Armeekorps
der Liga unter Graf Pappenheim geschlagen worden war. Von ihm war keine
Unterstützung zu erwarten. Im Gegenteil: Gustav Adolf musste damit rech­
nen, dass sich Pappenheim in Rostock mit den kaiserlichen Truppen unter
Savelli verbinden und ihn von dort aus mit überlegenen Kräften angreifen
würde. Zum Glück der Schweden tat Pappenheim das nicht, sondern zog
sich, nachdem er die Truppen des Lauenburgers zerstreut hatte, wieder
über die Elbe zurück. Selbst der tatkräftigste und sonst durchweg risiko­
bereite Heerführer der katholischen Seite agierte zu dieser Zeit ausgespro­
chen vorsichtig und zurückhaltend.
Es waren somit zwei Erfahrungen, die Gustav Adolf während der ers­
ten Monate in Deutschland machte: die Zögerlichkeit der protestantischen
Fürsten, sich ihm anzuschließen und gemeinsam mit ihm den Krieg zur
Konsolidierung der schwedischen Position 443

Verteidigung des Protestantismus zu führen, und der Umstand, dass mit


der Ausweitung der eigenen Machtbasis die Stärke seiner für Offensivope­
rationen einsetzbaren Truppen kontinuierlich zurückging. Clausewitz hat
das als das «Gesetz der abnehmenden Kraft des Angriffs» bezeichnet.59
Dieses Gesetz gilt grundsätzlich, wirkt sich im jeweiligen Fall aber unter­
schiedlich aus. Im Prinzip war Gustav Adolf davon auch bei seinen Feldzü­
gen im Baltikum und in Preußen betroffen, doch blieb hier der Anteil der
durch Festungs- und Garnisonsdienst immobilisierten Truppen im Ver­
hältnis zum Feldheer sehr viel geringer als auf dem deutschen Kriegsschau­
platz. Das hatte mit der Stärke des Gegners zu tun und mit dessen Fähigkeit,
in die Operationsbasis der anderen Seite einzubrechen, aber auch mit der
Dichte der Festungen, die man besetzt halten musste, um den Gegner an
einem solchen Einbruch zu hindern. Diese Erfahrung hatte auch Wallen­
stein gemacht, was diejenigen, die an der Größe seiner Armee Kritik übten,
zumeist übersahen: Mindestens die Hälfte der Truppen war unbeweglich,
ein anderer Teil war auf Nebenkriegsschauplätzen eingesetzt, so dass man
dort, wo man die Schlacht suchte, oft nur ein Viertel des Gesamtheeres zur
Verfügung hatte. Das unterschied das inzwischen erreichte «Niveau» des
Krieges von dessen Anfangsjahren, als sehr viel weniger Kapazitäten zu
Sicherungszwecken immobilisiert werden mussten. Die Folge dieser stra­
tegischen Entwicklung war, dass der Krieg immer aufwendiger und teurer
wurde. Gustav Adolf brauchte eine sehr viel größere Armee als ursprüng­
lich geplant, um zu einer wirksamen Offensivkriegführung in der Lage zu
sein. Die Vergrößerung des Heeres aber war nur durch neue umfassende
Werbungen oder durch starke Verbündete möglich.
Neben dem Herzog von Lauenburg, der sich ihm schon früh ange­
schlossen hatte, dessen Truppen jedoch durch Pappenheim zerschlagen
worden waren,60 kamen für Bündnisse, wie gesagt, nur die Landgrafschaft
Hessen-Kassel, die große und reiche Stadt Magdeburg sowie die Herzoge
von Sachsen-Weimar in Frage: Die Kasseler Landgrafen hatten von Kriegs­
beginn an unter den protestantischen Fürsten zu den aktiven gehört, Mag­
deburg besaß seit dem 16. Jahrhundert eine Tradition, entschieden für das
lutherische Bekenntnis einzutreten, und von den Weimarer Herzogen hat­
ten einige seit Anfang des Krieges in den protestantischen Heeren Dienst
444 D IE Z EIT D ER G R O SSE N SC H L A C H T E N

getan.61 Das Beispiel des Lauenburgers zeigte jedoch, dass es nicht ratsam
war, sich zu früh als Verbündeter der Schweden zu erkennen zu geben -
jedenfalls so lange ein militärisches Zusammenwirken mit den Truppen
Gustav Adolfs noch nicht möglich war, weil man sonst mit der Übermacht
der kaiserlichen und ligistischen Streitkräfte konfrontiert worden wäre
gegen die man für sich allein keine Chance gehabt hätte. Die Folge war, dass
Gustav Adolf eine ganze Reihe von «stillen», aber keine offenen Verbün­
dete hatte. Magdeburg war die einzige Ausnahme. Sobald er stark genug
war, würden sich diese stillen Verbündeten ihm anschließen und offen auf
seine Seite treten. Bis dahin aber mussten sie sich zurückhalten, um sich
nicht zum Ziel ligistisch-kaiserlicher Attacken zu machen. Wie der Fall von
Magdeburg zeigt, für das die frühzeitige Parteinahme im Untergang endete
war diese Basisdirektive richtig.62
Die beiden protestantischen Fürsten, die ein Militärbündnis mit den
Schweden hätten abschließen können, ohne dass sie sogleich von einer
kaiserlich-ligistischen Übermacht niederzuwerfen waren, die Kurfürsten
von Brandenburg und Sachsen, trafen sich zwar Anfang September auf
Schloss Zabelitz und verständigten sich über Maßnahmen zum Wider­
stand gegen das kaiserliche Restitutionsedikt, aber dabei hielten sie an der
bisherigen Linie fest, der deutsche Protestantismus solle einen eigenen
von Schweden unabhängigen Weg gehen. Man beschloss (wogegen sich
der sächsische Kurfürst bis dahin gesperrt hatte), eine Versammlung der
evangelischen Reichsstände einzuberufen, auf der beraten werden sollte
welche Richtung man zwischen dem Kaiser und dem schwedischen König
einschlagen wollte.63

Die Absicht, einen Konvent der protestantischen Stände für Januar oder
Februar 1631 nach Leipzig auszuschreiben, löste umgehend hektische diplo­
matische Betriebsamkeit aus. Schließlich kündigte sich darin das Wiederer­
starken einer protestantischen Partei an, die dieses Mal unter der Führung
Kursachsens stehen würde, das bis dahin eine weitgehend kaisertreue Linie
verfolgt hatte.64 In Absprache mit dem Mainzer Kurfürsten ließ Landgrar
Georg von Hessen-Darmstadt seinen Kanzler Wolf den Entwurf für einer,
neuen Religionsfrieden in Deutschland ausarbeiten. Er stellte eine Revi­
Konsolidierung der schwedischen Position 445

sion des kaiserlichen Restitutionsedikts in Aussicht und war damit hinrei­


chend attraktiv, um den sächsischen Kurfürsten und die ihm anhängenden
Reichsstände davon abzuhalten, gegenüber dem Kaiser weiter auf Distanz
zu gehen. Auch wenn die katholischen Kurfürsten von einer Rücknahme
des Restitutionsedikts wenig angetan waren, verständigte man sich doch auf
eine für Februar 1631 anberaumte Versammlung in Frankfurt, wo die katho­
lischen und die protestantischen Stände einen Versuch machen wollten,
sich über die Religionsverfassung im Reich zu einigen.65 Bis dahin sollten
.die Restitutionsakte ausgesetzt werden. Das war die erste politische Maß­
nahme der katholischen Seite gegen einen wachsenden Einfluss Schwedens
auf den deutschen Protestantismus. Man wollte Zeit gewinnen.
Die Landung Gustav Adolfs hatte, ohne dass es bisher zu größeren mili­
tärischen Auseinandersetzungen gekommen war, die politischen Konstella­
tionen in Deutschland grundlegend verändert. Sachsen und Brandenburg,
die auf dem Flöhepunkt der Wallenstein’schen Machtentfaltung politisch
vernachlässigbare Größen im Spiel der Mächte dargestellt hatten, erlangten
neue Bedeutung, und die Liga war bereit, ihnen entgegenzukommen, damit
sie nicht ins schwedische Lager überwechselten. Sie waren die politischen
Profiteure der schwedischen Intervention, und wenngleich Johann Georg
offiziell eine Friedensregelung in Deutschland ohne Einbezug der Schwe­
den anstrebte und die Überzeugung vertrat, das schwedische Eingreifen
stehe der von ihm gewünschten «innerreichischen» Regelung entgegen,
dürfte ihm doch klar gewesen sein, dass er ohne den Vorstoß Gustav Adolfs
das politische Leichtgewicht geblieben wäre, zu dem er durch die militäri­
schen Erfolge Wallensteins geworden war. Er musste darum die jetzt ent­
standene Konstellation ausnutzen, um sich als politischen Faktor wieder
ins Spiel zu bringen. Mehr als das kaiserliche Restitutionsedikt dürfte also
die günstige Ausgangslage für ihn den Ausschlag gegeben haben, einen
Konvent der protestantischen Stände nach Leipzig einzuberufen. Dabei
mögen es Informationen über die diplomatischen Anstrengungen Gustav
Adolfs gewesen sein, eine protestantische Allianz unter schwedischer Füh­
rung zu bilden, die Johann Georg zu einer Eile veranlassten, wie er sie sonst
eher selten zeigte.
Sachsen war durch die schwedische Präsenz in Deutschland politisch
446 D IE Z E IT D ER G R O SSE N SC H L A C H T E N

aufgewertet worden, aber es musste jetzt auch Führungsfähigkeit zeigen,


um von den Schweden nicht an die Wand gespielt zu werden. Wie die
schwedische Führungsrolle aussehen konnte, zeigte die am 21. November
1630 geschlossene «Eventualkonföderation» zwischen Gustav Adolf und
LandgrafWilhelm V. von Hessen-Kassel. Dabei wurde «eine unverhohlen
gegen den Kaiser gerichtete Offensivallianz»66für den Fall vereinbart, dass
die Schweden ihre Position in Deutschland ausbauen und zu einer ent­
schiedeneren Kriegführung übergehen würden. Auch wenn es sich im Kern
um ein Militärbündnis handelte, so hatte dieses doch politische Zielsetzun­
gen, und die liefen - mit Moriz Ritters Worten - auf die «Vernichtung der
katholischen Gegenreformation hinaus, wie sie ihren letzten Ausdruck im
Restitutionsedikt gefunden hatte, Sturz der kaiserlichen Militärdiktatur mit
all ihren Bedrückungen und mit allen sonstigen Einschränkungen reichs­
ständischer Selbstherrlichkeit, Herstellung endlich der durch den Kaiser
gestürzten oder in Besitz und Rechten beschränkten Reichsstände, alles
unter den drei Schlagworten <evangelische Religionsfreiheit, deutsche
Freiheit und Restitution»»67.
Das war ein deutlich radikaleres Projekt als das von Johann Georg ver­
folgte des politischen Ausgleichs, und es war klar, dass dieses Vorhaben
nicht auf diplomatischem, sondern nur auf militärischem Wege durchzuset­
zen war. Mit der schwedischen Intervention war der Protestantismus nicht
nur als politische Größe wieder im Spiel, sondern er verfügte auch wieder
über zwei alternative Perspektiven. Das Problem dabei war, dass Kursach­
sen seine neuerlangte Verhandlungsposition nicht aus eigener Kraft besaß,
sondern ein politischer Kostgänger der Schweden war: Würden diese näm­
lich aus Deutschland herausgedrängt, was Johann Georg im Grundsatz ja
wollte, so würde auch die Option eines Ausgleichs wieder verschwinden.
Kursachsen war zwischen beiden Optionen hin- und hergerissen, und dem­
entsprechend wechselhaft war die sächsische Politik.

Das zeigte sich auch im Verlauf des Leipziger Konvents. Am 16. Februar
wurde die Versammlung eröffnet, kam aber nicht recht voran, weil einige
protestantische Reichsstände die Aufstellung einer protestantischen Bun­
desarmee im Sinn hatten, die nach dem Vorbild der Liga-Armee einheitlich
Konsolidierung der schwedischen Position 447

An der Politik Johann


Georgs, des Kurfürsten
von Sachsen, scheiden
sich die Geister - von
den Zeitgenossen bis zu
heutigen Historikern:
Man kann in ihm einen
opportunistischen Zau­
derer sehen, der stets auf
seinen Vorteil bedacht
war, oder aber einen vor­
ausschauenden Politiker,
der jede weitere Eskala­
tion des Krieges vermei­
den wollte. «Scopus vitae
meae C hristus» lautet die
Umschrift des Porträts:
Das Ziel meines Lebens
ist Christus. Der Stich
von Anselm van Hülle
zeigt Johann Georg in der
Schlussphase des Krieges.

geführt werden sollte. Man wollte zwar kein Bündnis mit den Schweden
eingehen, aber von ihnen als bewaffneter Akteur ernst genommen und als
gleichberechtigter Verhandlungspartner wahrgenommen werden. Dazu
war kein Reichsstand für sich allein in der Lage. Im Status der bewaffneten
Neutralität und bei politisch geschlossenem Auftreten durfte man bessere
Verhandlungsergebnisse erwarten, als wenn man einzeln mit dem schwe­
dischen König Abkommen traf, in denen man zuletzt dann doch, wie das
auch für Hessen-Kassel galt, die schwedische Oberhoheit anerkennen
musste. Die Präferenz für das gemeinsame Auftreten war sicherlich nach­
vollziehbar - wenn man denn bereit war, mit den Schweden überhaupt ein
Bündnis zu schließen, und genau das traf auf Kursachsen nicht zu. Johann
Georg hatte den Konvent einberufen, um «durch diese Demonstration
protestantischer Einheit und durch die Drohung, militärisch aufzurüsten,
den Kaiser zu beeindrucken und zum Einlenken in der leidigen Restituti­
onsangelegenheit zu bewegen»68. Wie es nach dem Konvent weitergehen
sollte, hatte der Kurfürst offengelassen. Das war neben der Abhängigkeit
448 D IE Z E IT D ER G R O SSE N SC H L A C H T E N

von der schwedischen Präsenz die zweite Schwäche der sächsischen Posi­
tion: dass Sachsen nicht in der Lage war, längerfristige Projekte zu entwer­
fen, weil es dabei offenbart hätte, dass es auf wackeligen Füßen stand.
«In Gefahr und höchster Not / bringt der Mittelweg den Tod.»69 Die­
ser später vielzitierte Aphorismus des schlesischen Dichters Friedrich von
Logau dürfte unter anderem auch auf die sächsische Politik eines mittleren
Wegs bezogen gewesen sein, der Logau ablehnend gegenüberstand. Es gibt,
so die Aussage seines Sinnspruchs, Situationen, in denen man sich für das
eine oder das andere entscheiden muss und der sonst als «golden» apo­
strophierte Mittelweg unmittelbar ins Verderben führt. Über lange Zeit war
es dem Kurfürsten gelungen, durch seine Politik eines Mittelwegs zwischen
den Parteien den Krieg von Sachsen fernzuhalten und das Land dennoch
durch den Zugewinn der beiden Lausitzen zu einem Profiteur des Krieges
zu machen. Das verband ihn mit Maximilian von Bayern, dem dasselbe
bis in die frühen 1630er Jahre gelungen war. Für beide sollte sich das jetzt
ändern. Sachsen und Bayern wurden nun zum Operationsgebiet für die
Fleere beider Seiten und blieben es bis zum Kriegsende.70Die Option eines
Mittelwegs gab es nur noch dem Anschein nach, und wo einer der Kur­
fürsten dennoch versuchte, einen solchen Mittelweg zu gehen, scheiterte er.
Die Grammatik der politischen Entscheidungen wurde, wie Gustav Adolf
dies dem Herrn von Wilmersdorf nahezubringen versucht hatte,71 durch
die schwedische Intervention auf eine Ordnung des Binären umgestellt,
bei der man sich entweder als Freund oder als Feind zu erklären hatte, es
ein «Weder-noch» oder « Sowohl-als-auch» im Sinne von Entscheidungs­
vermeidung nicht mehr gab beziehungsweise die kriegführenden Mächte
dafür sorgten, dass es nicht mehr geltend gemacht werden konnte.
Dass es sich dabei um einen prinzipiellen Wandel der politischen Kon­
stellationen und nicht etwa um eine Ungeschicklichkeit der sächsischen
Politik handelte, zeigt sich darin, dass der bayerische Kurfürst Maximilian,
der eine ähnliche, in den Einzelzielen freilich entgegengesetzte Politik ver­
folgte wie Johann Georg, ebenso scheiterte wie dieser. Beide erkannten
die Gefahren, die aus dem wachsenden Einfluss äußerer Akteure auf einen
Friedensschluss im Reich resultierte, wobei Maximilian als Bedrohung vor
allem Spanien, Johann Georg hingegen Schweden im Auge hatte. Während
Konsolidierung der schwedischen Position 449

Tohann Georg ausländische Hilfe ablehnte, auch die des Schwedenkönigs,


versuchte Maximilian die Rivalität der Bourbonen mit den Habsburgern
auszunutzen, um seine eigenen politischen Handlungsspielräume zu ver­
größern.72 Er wollte der spanischen Gefahr durch das Ausspielen der «fran­
zösischen Karte» begegnen und, wie die britische Historikerin Wedgwood
es formuliert hat, «das Reich vom Einfluss einer ausländischen Macht
durch Herbeirufung einer anderen befreien».73 Infolgedessen gewann
Richelieu zunehmend Einfluss auf die deutschen Angelegenheiten, und
der bayerische Kurfürst geriet in dasselbe Verhältnis zu Frankreich wie der
sächsische zu Schweden: Für einige Zeit ging man Bündnisse miteinander
ein und kämpfte gegen gemeinsame Feinde, aber dann geriet man wieder
auf Konfrontationskurs und führte Krieg gegeneinander. So scheiterten
beide, Bayern und Sachsen, als sie auf unterschiedlichen Wegen versuchten,
dasselbe Ziel zu erreichen.
War eine alternative Entwicklung vorstellbar? Ja, wenn Kaiser Ferdi­
nand auf dem Kurfürstentag von 1630 nicht nur Wallenstein, sondern auch
das Restitutionsedikt zu opfern bereit gewesen wäre. Mit der Entlassung
Wallensteins hatte das Spiel mit der «französischen Karte», die von den
in der Liga verbündeten Kurfürsten immer wieder eingesetzt worden war,
seine politische Bedeutung verloren; mit dem Verzicht auf das Restitutions­
edikt hätte sich die Anlehnung vieler Protestanten an Gustav Adolf erübrigt,
und der schwedische König hätte in Deutschland kaum Verbündete gefun­
den. Ferdinand war bereit, mit Wallenstein den Mann aufzugeben, der ihn
erst auf die Höhe der Macht gebracht hatte, aber unter keinen Umständen
wollte er auf das Projekt verzichten, das zur idee directrice seiner Herrschaft
geworden war: die Durchsetzung der Gegenreformation in Deutschland.
«Er war», so Wedgwoods resümierendes Urteil über Ferdinand, «kein
Politiker, sondern der Führer eines Kreuzzuges, und er hätte ebensogut
Christus verleugnen wie das Restitutionsedikt aufgeben können.»74

Der politische Nutznießer von Ferdinands Unnachgiebigkeit war Gustav


Adolf. Nach dem Abschluss der «Eventualkonföderation» mit Hessen-
Kassel und zuvor des Bündnisvertrags mit Magdeburg, wo ein Aufruhr den
zu vorsichtigem Abwarten neigenden Rat der Stadt zum Pakt mit Schweden
450 D IE Z E IT D ER G R O SSE N SC H L A C H T E N

gezwungen hatte,75 wurde in dem am 23. Januar 1631 geschlossenen Vertrag


von Bärwalde die schwedisch-französische Kooperation in eine verlässli­
che Form gebracht: Frankreich verpflichtete sich, jährlich 400 000 Reichs­
taler zu zahlen, wenn Schweden 30 000 Mann Infanterie und 6000 Mann
Kavallerie gegen den Kaiser ins Feld führte.76 Für die bislang geleisteten
Dienste gegen den Kaiser wurden weitere 120 000 Taler ausgezahlt. Die
Verhandlungen hatten mehrfach zu scheitern gedroht, wobei nicht inhaltli­
che Differenzen, sondern formale Fragen das Problem darstellten: Wer von
den beiden Königen sollte als Erster genannt werden? Es ging um die Frage
der Präzedenz, die symbolisch für Vorrang und Nachordnung stand. Der
französische Verhandlungsführer Charnace hatte ganz selbstverständlich
Ludwig X III. an die erste Stelle gesetzt, was Gustav II. Adolf nicht akzep­
tieren konnte, hätte dies doch so ausgesehen, als sei er der Erfüllungsgehilfe
Frankreichs. Schließlich einigte man sich darauf, dass in dem schwedischen
Vertrag der französische und in dem französischen Vertrag der schwedi­
sche König zuerst genannt wurden. Gustav Adolf konnte es noch so an
Geld mangeln - die Gleichrangigkeit beider Könige musste zum Ausdruck
gebracht werden. Da sich bald darauf auch die Generalstaaten verpflich­
teten, Schweden mit eben den monatlichen Zahlungen zu unterstützen,
die sie in der Vergangenheit an Christian IV. geleistet hatten, waren die
drängendsten Finanzierungsprobleme vorerst beseitigt, und Gustav Adolf
konnte sich auf den Aufbau seines Heeres und die Pläne für den Feldzug
des Jahres 1631 konzentrieren.
Schon Ende 1630 handelte es sich bei dem, was gemeinhin als «das
schwedische Heer» bezeichnet wird, keineswegs mehr um eine national­
schwedische Truppe; von den 42 000 Mann, die dem König zur Verfügung
standen,77 dürften etwa die Hälfte Schweden und die andere Hälfte in
Deutschland und andernorts unter Vertrag genommene Söldner gewesen
sein. Vor allem in Schottland und England wurden Infanterieregimenter
geworben, wobei man diejenigen, die bereits für Christian IV. in Deutsch­
land gekämpft hatten, wieder auffüllte und in schwedische Dienste über­
nahm. Unter ihnen befand sich auch das Regiment von Robert Monro,
das sich bei der Verteidigung Stralsunds hervorgetan hatte. Es wurde aus
Preußen, wohin es zeitweilig verlegt worden war, nach Hinterpommern
Konsolidierung der schwedischen Position 4SI

verschifft und beteiligte sich dort am Kampf um die Festung Kolberg, die,
ebenso wie Greifswald, weiterhin in kaiserlicher Hand war.78
Diese beiden stark befestigten Städte mussten eingeschlossen wer­
den, um die Besatzungen daran zu hindern, im Rücken der schwedischen
Truppen zu operieren; dadurch waren die Offensivkräfte des Königs stark
eingeschränkt. Kolberg kapitulierte im März 1631, Greifswald leistete noch
bis Juni Widerstand. Greifenhagen und Gartz, die kaiserlichen Sperrpositi­
onen an der Oder, die den Vorstoß der Schweden nach Süden blockieren
sollten, waren bereits Ende Dezember 1630 gefallen, woraufhin sich die
Truppen des Kaisers in die Oderfestung Frankfurt zurückzogen, um dort
ihr Winterquartier einzurichten. Gustav Adolf dachte freilich nicht daran,
den bisherigen Kriegsgepflogenheiten gemäß die Truppen im Spätherbst
Winterquartiere beziehen zu lassen,79 sondern setzte den Krieg im Winter
fort, wobei ihm die Vertrautheit der nationalschwedischen Einheiten mit
Eis und Schnee zugutekam. In Greifenhagen und Gartz hatte er so die kai­
serlichen Truppen überrumpelt, die es sich in ihren Quartieren bequem
gemacht und nicht mit einem schwedischen Angriff gerechnet hatten. Es
waren leichte Siege, die Gustav Adolf im Winter 1630/31 errang.
Die schnellen Erfolge machten Gustav Adolf zuversichtlich, dass der
Krieg für ihn so weitergehen werde. «Wir haben in diesem Lande», schrieb
er am 22. Januar 1631 aus Bärwalde an den Reichsrat in Stockholm, «durch
Gottes Gnade einen guten Fuß und sedem belli [wörtlich Sitz des Krieges;
eme feste Position] gefaßt, welche dergestalt beschaffen ist, daß uns nach
menschlichem Ermessen der Feind so leicht nicht daraus drängen soll.»80
Was Gustav Adolf dabei falsch einschätzte, war die zeitliche Begrenztheit
der Vorteile, die ihm aus der unklaren Führungs- und Befehlsstruktur
der Gegenseite nach der Entlassung Wallensteins erwuchsen. Der hatte
sich, nachdem ihm der Regensburger Beschluss übermittelt worden war,
umstandslos in die Lage gefügt und war nach Gitschin, seiner böhmischen
Residenz, aufgebrochen.81 Von dort aus kommunizierte er zwar weiterhin
mit einigen der höheren Offiziere, doch er gab keine Anweisungen mehr
und erteilte keine Befehle, sondern erörterte die politische und militäri­
sche Lage. Wallenstein hatte die Position eines kommentierenden Beob­
achters eingenommen.
451 D IE Z E IT D ER G R O SSE N SC H L A C H T E N

Ganz sang- und klanglos ging Wallensteins Verschwinden von der


Spitze des Heeres jedoch nicht vonstatten. Schon bald nach seiner Abreise
aus Memmingen brach das Finanzierungssystem des Heeres zusammen
- die Kredite flössen nicht mehr, nachdem Hans de Witte sich das Leben
genommen hatte. Zwar ließ Wallenstein das kaiserliche Heer weiterhin
aus seinen Vorratsspeichern und Waffenfabriken in Friedland beliefern
aber nur noch, wenn man das Gelieferte auch bezahlen konnte. War das
nicht der Fall, gingen die Produkte auf die Märkte - vor allem Hamburg
hatte hier eine zentrale Stellung - und wurden an diejenigen verkauft, die
dafür zu zahlen in der Lage waren. Wallenstein wechselte von der Rolle des
Heeresorganisators in die eines Unternehmers zurück, der vom Krieg pro­
fitierte. Mit Heeressabotage, die man ihm unterstellt hat,82 hatte das wenig
zu tun. Wallenstein wurde nur wieder der, der er vor 1625 gewesen war:
einer, der Geschäfte machte. Die Folge war, dass die Versorgung der kai­
serlichen Truppen kollabierte. Als Tilly, der neue Oberkommandierende
des ligistischen und kaiserlichen Heeres, im Januar 1631 die in Frankfurt an
der Oder liegenden Truppen inspizierte,83 schrieb er an Trauttmansdorff in
Wien, «daß ich die Tag meines Lebens khein Armada gesehen, deren alle
nothwendige Requisita von grösserstem bis zum geringsten auf einmal tota-
liter abgehen, [... ] kein Geld noch Proviant vorhanden, dass ich gegen den
Feindt, wie gern ich gleichsamb wolte, nichts furchtbarlichs tentiren khan.
sondern muess alle Occasiones wieder meinen Willen vergebens hingehen
lassen. Unnd verwundert mich über dass zum höchsten, dass die armen
Soldaten bei ihrer so grossen Bedürftigkheit so lange geplieben seindt.»84
Solche Beschreibungen hatten sicherlich auch die Aufgabe, in Wien
deutlich zu machen, dass mit einem schnellen Sieg über Gustav Adolf vor­
erst nicht zu rechnen war: Mit derart heruntergekommenen Truppen ließ
sich nichts Entscheidendes bewerkstelligen. Dennoch ist es unangebracht,
Tilly Untätigkeit vorzuhalten, wie Gustav Droysen das getan hat,85 und den
alten Haudegen mit Zauderern wie Conti und Savelli auf eine Stufe zu stel­
len, oder auch mit Schauenburg, der inzwischen die kaiserlichen Truppen
an der Oder befehligte. Es ist richtig, dass Pappenheim, inzwischen Feld­
marschall, ein schnelles und entschlossenes Vorgehen gegen Gustav Adolf
forderte und Tilly drängte, endlich die Initiative zu ergreifen. Aber Pappen­
Gustav Adolfs Heer 453

heim war nicht nur für seine Initiative und seinen Wagemut, sondern auch
rar seinen Leichtsinn und seine Ungeduld bekannt, weshalb es zwischen
ihm und Tilly immer wieder zu Auseinandersetzungen kam. Tilly soll zwar
mehrfach erklärt haben, «daß er nur deshalb länger leben wolle, um mit
ihm, Gustav Adolf, auf Leben und Tod zu kämpfen»86, doch unter Bedin­
gungen, bei denen er von vornherein im Nachteil war, wollte er den Kampf
nicht wagen. Nachdem er sich einen Eindruck von den an der Oder stehen­
den kaiserlichen Regimentern verschafft hatte, soll er, so berichtete Oberst
Hebron an Oxenstierna, «sehr melancholisch und malcontent [übellau­
nig » gewesen sein und erklärt haben: «Das ist kein Volk [Kriegsvolk], die
Schweden damit zu schlagen; mit diesem Volk kann ich meine Reputation,
die ich solange erhalten habe, nicht hazardieren.»87

Gustav Adolfs Heer

.Angesichts des geringen Widerstands, auf den er bis dahin gestoßen war,
entwickelte Gustav Adolf für das Kriegsjahr 1631 große Pläne: Bis zum
Frühjahr wollte er nicht weniger als 80 000 Soldaten zusätzlich zur Verfü­
gung haben, um mit fünfArmeen Kaiser und Liga anzugreifen. Die Last des
Krieges - also die Finanzierung dieses gewaltigen Heeres - sollte in die kai­
serlichen Erblande getragen und auf die «päpstliche Klerisei» abgewälzt
werden: Der Krieg sollte fortan den Krieg ernähren.88Aber ein solcher Vor­
stoß musste auf der rechten Flanke, also gegen Niedersachsen, wo starke
.kaiserliche Kräfte standen, gedeckt werden, und deswegen hatte der König
eine Aufstellung gewählt, bei der eine durchgehende Front von der Weser
bis an die polnische Grenze gebildet wurde. Die erste der fünf Armeen, die
unter der persönlichen Führung des Königs stand, die sogenannte Royal­
armee, sollte in einer Stärke von 42 000 Mann die Basis der schwedischen
Kriegführung schützen, also Vorpommern und Mecklenburg sowie die
Ostseeküste. Die zweite und die dritte Armee unter Gustav Horn und
Maximilian TeufFel sollten sich im Raum Stettin und in Hinterpommern
sammeln, die Oder kontrollieren, sich der Mark Brandenburg bemächtigen
454 D IE Z E IT D ER G R O SSE N SC H L A C H T E N

und nach Schlesien eindringen. Für diese beiden Armeen war eine Stärke
von zusammen 46 000 Mann vorgesehen. Die vierte Armee, 10 000 Mann
stark, sollte bei Magdeburg aufgestellt werden, die Elbe unter Kontrolle
bringen und in Verbindung mit der Hauptarmee des Königs die Kurfürsten
von Brandenburg und von Sachsen dazu bringen, in ein offizielles Bündnis
mit Gustav Adolf einzutreten. Eine fünfte Armee schließlich, deren Kern
10 000 englische und schottische Söldner bildeten, sollte in wohlgesinnten
Städten wie Bremen, Braunschweig und Hildesheim aufgestellt werden.
Vier Regimenter Infanterie und 1000 Reiter unter Oberst Leslie sollten zu
ihnen stoßen und eine feste Stellung an der Weser beziehen.89
Ein solch rasanter Aufwuchs des Heeres war kaum möglich, ohne dass
sich unter den eilends angeworbenen Söldnern auch solche befanden, die
Militär und Krieg als Freibrief begriffen, um zu rauben und zu morden.
Gustav Adolf setzte jedoch darauf, von der Bevölkerung als Freund und
Beschützer - und nicht als Feind und Eroberer - wahrgenommen zu wer­
den, und deswegen erließ er ein strenges Reglement für das Verhalten der
Soldaten in den besetzten Gebieten. Außer einer Lagerstatt sowie Essig
und Salz durften sie von dem Wirt, in dessen Haus sie untergebracht waren,
nichts verlangen. Nur gegen Barzahlung oder einen Berechtigungsschein
sollten Offizieren, Soldaten und Marketendern der Armee Nahrung und
Pferde gestellt werden. Jede Erpressung und Gewaltandrohung sollte streng
geahndet werden.90 So jedenfalls stellte es sich der König vor.
Die Realität indes sah anders aus. Schweden konnte trotz erheblicher
Steuer- und Abgabenerhöhungen die erforderlichen Summen zum Unter­
halt des Heeres nicht aufbringen. Am 18. Juli 1631 schrieb Gustav Adolf an
seinen Kanzler Oxenstierna aus dem Lager von Werben, er müsse «einzig
ex rapto [aus Geraubtem], zum Schaden und Verderben all unserer Nach­
barn, den Krieg führen [ . . . ] - was bis auf diese Stunde continuiret - so dass
wir nichts haben, die Leute damit zu conteniren, ausser was sie selbst mit
unleidlichem Plündern und Rauben usurpiren».91 Und in einem weiteren
Brief an den Kanzler schrieb er, alle, Offiziere wie Soldaten, hätten darauf
vertraut, dass Oxenstierna einen größeren Geldbetrag transferieren werde.
«Nebst dieser Hoffnung haben wir nur Kommissbrot zu ihrem [der Solda­
ten] Unterhalte gehabt, was wir von den Städten erpresst; allein nun hat
Gustav Adolfs Heer 455

auch das ein Ende. Mit den Reitern, die sich nicht damit begnügen wollten,
hat man keine Ordnung halten können; sie leben bloß von unordentlichem
und ungebührlichem Plündern. Einer hat dadurch den andern ruinirt, so
dass nichts mehr zu fangen [zu erlangen] ist, weder für sie [die Kavalleris­
ten] noch die Soldaten in den Städten und auf dem Lande.»92
Der Erfolg bei der Anwerbung von Söldnern hing davon ab, wieviel
Vertrauen sie in die Zahlungsfähigkeit des Kriegsherrn hatten. In dieser
Hinsicht hatte Gustav Adolf Glück, denn durch den Zusammenbruch des
Wallenstein’schen Finanzierungssystems und die Auflösung seines Heeres
waren viele Soldaten aus kaiserlichen Diensten ausgeschieden und auf der
Suche nach neuen Beschäftigungsverhältnissen. Die französischen und
niederländischen Subsidien verschafften den Schweden die Möglichkeit,
diese Männer in Dienst zu nehmen. So kam Gustav Adolf Ende des Jahres
1630 auf eine Heeresstärke von 76 600 Mann. Zusammen mit den im Som­
mer 1631 auf die schwedische Seite gewechselten kursächsischen Truppen
sowie den Einheiten Kurbrandenburgs, die im Verband des sächsischen
Heeres kämpften, verfügte er Ende 1631 über eine Streitmacht von nahezu
100 000 Mann.93 Die Folge war, dass der relative Anteil der nationalschwedi­
schen Soldaten im Heer des Königs immer geringer wurde, so dass sich das
Heer in seiner Zusammensetzung schon bald nicht mehr von den anderen
Heeren unterschied, die auf dem deutschen Kriegsschauplatz eingesetzt
wurden.94 Trotz aller Strenge, mit der Gustav Adolf zunächst den Gepflo­
genheiten der Söldner entgegentrat, hatte er damit auf Dauer keinen grö­
ßeren Erfolg als Wallenstein. Die Aufrechterhaltung der Disziplin und die
Rücksichtnahme der Soldaten auf die Bevölkerung waren mehr eine Frage
der verfügbaren Geldmittel als des Willens der Männer an der Spitze des
Heeres.
Trotz des beträchtlichen Aufwuchses des Heeres war es weit davon ent­
fernt, in fünf Armeen aufgespalten werden zu können, um eine Front von
der Weser bis zur Warthe zu bilden und sich mit unaufhaltsamer Macht
nach Süden zu bewegen. Der skeptische Oxenstierna, der für die Geldbe­
schaffung zuständig war und um die finanziellen Möglichkeiten Schwedens
wusste, hatte, als Gustav Adolf ihm seine Vorstellungen mitteilte, umge­
hend einen alternativen Kriegsplan entworfen, der deutlich bescheidener
456 D IE Z E IT D ER G R O SSE N SC H L A C H T E N

ausfiel. Letzten Endes musste sich der doch realistisch denkende König
daran orientieren. In einem Schreiben an Gustav Adolf hob Oxenstierna
hervor, «daß eine feste und geordnete Vertheidigung dessen, was man
inne habe, das rechte Fundament des Krieges und die bequemste Offensive
wäre. Darum müsse man vor Allem dafür sorgen, das zu behalten, was man
jetzt habe, und wenn sich günstige Gelegenheit darbiete, Frieden machen.
Jedenfalls aber sollte man die Pommer sehe Garnison von der Armee tren­
nen und sie nicht mit zur Action verwenden; dann würde Gustaf Adolf,
wenn die Feldtruppen abzögen, alle Plätze und Pässe sicher in seiner Hand
behalten.»9S
Anstelle der bedingungslosen Offensive, wie sie Gustav Adolf vor­
schwebte, bevorzugte Oxenstierna eine strategische Defensive, aus der
heraus offensive Operationen unternommen werden konnten; außerdem
setzte er für den Frieden nicht umstandslos einen grundlegenden Sieg
voraus. Oxenstierna wollte sich durchaus mit einem Verhandlungsfrieden
begnügen, wenn dieser zu günstigen Bedingungen für Schweden zu haben
war. Trotz dieser gegensätzlichen Auffassungen funktionierte die Zusam­
menarbeit zwischen Gustav Adolf und Axel Oxenstierna sehr gut. Sie
ergänzten sich vorzüglich - nicht zuletzt deshalb, weil Gustav Adolf bereit
war, in entscheidenden Situationen auf seinen Kanzler zu hören.96

Das war auch beim Kriegsplan für 1631 der Fall: Oxenstierna schlug vor,
11400 Mann zur Sicherung der Festungen und festen Plätze in Pommern
zurückzuhalten und das Feldheer in zwei Armeen zu teilen:97 Die größere
unter Führung des Königs sollte 27 Regimenter mit etwa 30 000 Mann
umfassen und die Aufgabe haben, dem konzentrierten Gegenstoß der kai­
serlichen und ligistischen Truppen, mit dem Oxenstierna rechnete, ent­
schlossen entgegenzuwirken. Dabei sollte sie auch in der Lage sein, eine
große Schlacht zu schlagen (was dann bei Breitenfeld der Fall war). Die
zweite Armee unter dem Oberbefehl von Gustav Horn,98 bestehend aus
12 Regimentern mit knapp 14 000 Mann, sollte den Oderraum sichern und,
falls sich die Möglichkeit dazu bot, nach Schlesien vorstoßen.
Gustav Adolf wollte es für den Winter 1630/31 nicht hei dem Erfolg von
Greifenhagen und Gartz bewenden lassen, sondern die Initiative behalten,
Gustav Adolfs Heer 457

bevor mit einsetzendem Tauwetter die Wege unpassierbar wurden, was


größere Truppenbewegungen unmöglich machte. Sein Ziel war Demmin,
ein gut befestigter Platz an einer strategisch zentralen Position zwischen
Pommern und Mecklenburg, den Lars Grubbe in einem seiner Berichte als
«durch Arbeit und Natur so fortificiert» beschrieb, «daß er nicht leicht zu
erobern». «Vor der Stadt ist ein kleines Schloß und ein starker Thurm, der
mitten im Morast liegt und die Umgegend beherrscht.»99 Ohne schwere,
mauerbrechende Kanonen war hier nichts zu erreichen, und Gustav Adolf
erteilte Lennart Torstensson den Auftrag, diese Geschütze auf den zugefro­
renen Wegen heranzuführen. Tilly wiederum, der die Operationsführung
auf kaiserlich-ligistischer Seite übernommen hatte, gab Savelli den Befehl,
Demmin mindestens drei Wochen zu halten; bis dahin wollte er mit den
in der Oderfestung Frankfurt stehenden Truppen zum Entsatz herangeeilt
sein.100
Das Kriegsjahr 1631 sollte zu einem Jahr des Ringens zwischen Gus­
tav Adolf und Tilly werden, und Demmin war dabei die erste Etappe. Sie
ging an den schwedischen König: Bereits nach dreitägiger Belagerung war
Savelli bereit, die Stadt aufzugeben, wenn man ihm freien Abzug gewährte.
Gegen das Versprechen, drei Monate lang in Pommern und Mecklenburg
nicht gegen den König zu kämpfen, zog er ab und überließ die Stadt mit
Vorrat und Munition sowie der dortigen Artillerie den Schweden. «Wäre
der Gouverneur, der Herzog von Savelli», so der Schotte Monro, «so tap­
fer gewesen wie jene, die er befehligte, hätte er angesichts der Jahreszeit und
der Lage in der Stadt diese einen Monat länger halten können, so daß er
nach unserer Einschätzung kein guter Soldat war, zumal er wußte, daß ihn
sein General [Tilly] hätte entsetzen können.»101
Tilly hatte seine Truppen aus ihren Winterquartieren geholt und eine
Streitmacht von 12 000 bis 15 000 Mann zusammengezogen. Er suchte nun
nach einem Schwachpunkt in den schwedischen Positionen, an dem er
ansetzen konnte, um dem König die erste größere Schlappe zuzufügen.102
Gustav Adolf ging davon aus, dass Tilly bei Prenzlau, Neubrandenburg oder
Ribnitz zuschlagen könnte, und traf entsprechende Verteidigungsmaßnah­
men. Tilly hatte den Vorteil, sich den Ort des Angriffs aussuchen zu können,
und Gustav Adolf musste darauf reagieren. Der sonst so draufgängerische
458 D IE Z E IT D ER G R O SSE N SC H L A C H T E N

König agierte vorsichtig und zurückhaltend, weil er sich nicht von einem
bis dahin ungeschlagenen Heerführer zu einer großen Schlacht zwingen las­
sen wollte. Wer von beiden den ersten großen Sieg errang, würde dadurch
Reputationsvorteile haben, die sich auf lange Zeit nicht mehr ausgleichen
ließen. Während Gustav Adolf seine Streitkräfte breit aufgestellt hatte, um
seine Positionen zu verteidigen, konnte Tilly seine Streitkräffe konzentrie­
ren; er war also dort, wo er angriff, kräftemäßig überlegen. Tilly entschied
sich für Neubrandenburg. Gustav Adolf wollte Dodo von Knyphausen, der
dort mit 750 Mann postiert war, die Anweisung geben, nach einem gewis­
sen Widerstand Verhandlungen anzubieten und dabei entweder freien
Abzug herauszuhandeln oder in Gefangenschaft zu gehen. A uf keinen Fall
aber solle er damit rechnen, dass ihm der König zu Hilfe kommen und
Neubrandenburg entsetzen werde. Doch der Reiter, der diese Anweisung
überbringen sollte, kam nie bei Knyphausen an; er wurde von kroatischen
Soldaten abgefangen.103
Dodo von Knyphausen hatte kein Glück: Bei Höchst und Stadtlohn
hatte er auf der Seite der Verlierer gestanden, und nach der Schlacht von
Stadtlohn hatte Christian von Braunschweig ihn wegen des frühen Ausein-
anderfallens seiner Einheit gar zum Tode verurteilen wollen; jetzt musste
er eine Stadt verteidigen, die mit den zur Verfügung stehenden Kräften
nicht zu verteidigen war.104 Demmin war für Gustav Adolf die strategisch
entscheidende Verteidigungsposition, Neubrandenburg nur ein vorge­
schobener Posten, an dem Tilly so lange aufgehalten werden sollte, bis das
einsetzende Tauwetter weitere Operationen unmöglich machte. Zwischen­
zeitlich wollte Gustav Adolf in Odernähe gegen Schwedt und Angermünde
operieren, so dass Landsberg und Frankfurt bedroht schienen und Tilly
sich dadurch veranlasst sah, diesen wichtigen Plätzen zu Hilfe zu kommen.
Generalmajor Knyphausen wusste von alldem nichts und wies Tillys
Aufforderung, sich zu ergeben beziehungsweise in Kapitulationsverhand­
lungen einzutreten, dreimal zurück - beim letzten Mal mit der Bemerkung,
«er werde sich bis auf den letzten Mann halten».105 Aber da war schon
eine Bresche in die Stadtmauer geschossen, und der Sturm stand kurz
bevor. Jetzt erst, so berichtet Monro, schickte Knyphausen einen Offizier
mit Trommler zur Bresche, um Verhandlungen aufzunehmen, doch dieses
Gustav Adolfs Heer 459

-Angebot fand keine Beachtung mehr. Der Parlamentär und sein Trommler
wurden bei dem Angriff auf die Bresche getötet, ebenso alle Soldaten, die
m diesem Bereich eingesetzt waren. «D a man ihnen <Quartiers verweigert
hatte», so Monro, also eine Kapitulation nicht mehr annahm, «kämpften
sie alle tapfer bis zum letzten Mann.» «In seiner Wut» habe der Angreifer
«den größten Teil der Verteidiger über die Klinge springen» lassen.106 Es
blieb indes nicht bei der Tötung der Soldaten, es wurde auch ein Teil der
Einwohnerschaft Neubrandenburgs von den entfesselten Truppen Tillys
niedergemacht. So wiederholte sich in Neubrandenburg, was Tilly einige
Jahre zuvor bei der Eroberung Mündens vorgeführt hatte,107 nur dass es
sich in diesem Fall um das Vorspiel zu einem noch größeren Massaker han­
delte, nämlich zur Vernichtung Magdeburgs.
Gustav Adolf revanchierte sich mit einem Vorstoß auf Landsberg und
Frankfurt, den er seit längerem schon geplant hatte und nun ausführte,
camit die Schlappe von Neubrandenburg dem Siegercharisma des Königs
keinen Abbruch tat. Dabei hatte Gustav Adolf keine Zeit zu verlieren.
-Am 27. März nach julianischem Kalender brach man auf, geriet auf dem
-Anmarsch in Scharmützel mit kroatischen Streifscharen des Kaisers, was
auf das Marschtempo aber keinen Einfluss hatte, und am 2. April, also nach
gregorianischem Kalender am 12. April, standen die Truppen vor Frankfurt.
Die starke kaiserliche Besatzung war fest entschlossen, die gutbefestigte
Stadt zu verteidigen, und hatte deswegen die beiden Vorstädte vor dem
Lebuser und dem Gubener Tor niedergebrannt. Vor den Stadtmauern
waren hohe Wälle mit Palisaden errichtet worden. Bei Belagerungen war
es üblich, dass die Angreifer zunächst das Terrain um die Stadt erkunde­
ten und sich dann vorsichtig den Befestigungen näherten. Eine wichtige
Rolle spielten dabei Schanzkörbe, die von Infanteristen aus biegsamen
.Asten und Zweigen geflochten, anschließend mit Erde gefüllt und an die
gegnerischen Stellungen herangeschoben wurden. Sie dienten als Deckung
sowohl für die Bedienungsmannschaft der Kanonen als auch für Dragoner,
die in ihrem Schutz ein regelmäßiges Musketen- oder Arkebusenfeuer auf
die Verteidiger eröffneten.
Nicht so in diesem Fall: Während ein Teil der Fußtruppen noch mit
dem Anfertigen der Schanzkörbe begann, stürmte ein anderer Teil, der
460 D IE Z E IT D ER G R O SSE N SC H L A C H T E N

eigentlich nur den Feind hinter die Wälle zurückdrängen sollte, über den
Graben vor, riss die Palisaden nieder, nahm den Wall und drängte die Ver­
teidiger aus den Außenwerken auf die Stadttore zurück. A u f Sturmleitern
wurden die Mauern überstiegen, und mit Petarden wurden die Tore aufge-
sprengt.108 Angesichts der Wucht dieses Angriffs gerieten die Kaiserlichen
in Panik; ein Teil von ihnen floh über die Oderbrücke aus der Stadt, ein
anderer ergab sich. Dass die Kaiserlichen neben 1000 Gefangenen auch
1700 Tote zu beklagen hatten, lag nicht an ihrem anhaltenden Widerstand,
sondern war die Rache der Angreifer für das Massaker in Neubranden­
burg.109 «Durch diesen von Gott verliehenen Sieg», so schrieb Gustav
Adolf wenige Tage danach an Oxenstierna, «haben wir nicht allein den
größten Theil der feindlichen Armee vernichtet, Uns seiner Artillerie
bemächtigt, sondern auch die wenigen übrig Gebliebenen zersprengt und
ihnen alle Kräfte genommen, so daß wir sagen können: ehe der Feind sich
wieder gestärkt hat, gehen wir ins römische Reich, wohin wir wollen, und
bringen Unsern unterdrückten und ins Elend geführten Religionsverwand­
ten einen mächtigen Beistand. Dazu hat Uns Gott augenscheinlich diese
herrliche Victorie bescheert.»110
Das war kein an die Öffentlichkeit gerichtetes Schreiben. Wäre Gustav
Adolf die Rettung und Bewahrung des protestantischen Bekenntnisses nur
ein Vorwand gewesen, um dahinter rein machtpolitische Ziele zu verfolgen,
so hätte es in dieser vertraulichen Kommunikation zwischen König und
Kanzler keinen Grund gegeben, die Hilfe für die Glaubensbrüder als göttli­
chen Auftrag herauszustellen. Wäre es Gustav Adolf allein um Machtpolitik
gegangen, so hätte es nahegelegen, in diesem Brief geopolitische Überle­
gungen auszubreiten, etwa darüber, wie man den Erfolg von Frankfurt
(und den kurz darauf folgenden von Landsberg) nutzen könne. Davon ist
aber nicht die Rede. Das ist ein weiterer Beleg dafür, dass wir es bei Gustav
Adolf mit einer komplexen Motivlage zu tun haben, in der machtpolitische
Erwägungen und religionspolitische Motive eng miteinander verknüpft
waren. Gustav Adolfs Agieren lässt sich sicherlich nicht auf Interessenkal­
küle reduzieren, wie dies bei Wallenstein möglich ist. War Tilly der Glau­
benskämpfer, dessen Tun und Handeln vor allem durch den Dienst an der
Gottesmutter Maria bestimmt war, während die für Wallenstein maßgebh-
Der Leipziger Konvent 461

chen Direktiven in der machtpolitischen Position des Kaisers und seinem


eigenen Nutzen lagen, so wurde Gustav Adolf stets durch beides angeleitet:
durch die machtpolitische Stellung Schwedens und die Verteidigung des
protestantischen Bekenntnisses im Reich.

Der Leipziger Konvent

Anfang Februar versammelten sich die protestantischen Stände in Leipzig,


um sich auf eine gemeinsame Linie beim Frankfurter Compositionstag zu
verständigen.111 Unter kursächsischem Einfluss einigte man sich auf eine
Agenda, bei der ein eventuelles Bündnis mit Schweden oder die Stellung
zum Kaiser nicht verhandelt wurden, sondern die Beratungen auf die Reli-
gionsgravamina, die Beschwerden über die religiöse Bedrängnis, konzen­
triert waren - als könne man in Frankfurt miteinander verhandeln, als habe
man nicht zehn Jahre lang Krieg gegeneinander geführt. Diese Agenda lässt
sich als eine auf dem Prinzip des Als-ob begründete politische Strategie
ansehen: Man tat einfach so, als ob es den bisherigen Krieg nicht gegeben
hätte; als ob Fragen der Religion darin keine Rolle gespielt hätten; als ob
Gustav Adolfs Heer nicht in Deutschland stünde und es nach dessen Ein­
greifen noch möglich wäre, Neutralität zu beanspruchen. Folgt man die­
ser Sicht des strategischen Als-ob, so handelte es sich um einen kühnen
Schachzug der sächsischen Politik, die so tat, als könne man einfach noch
emmal ganz von vorn anfangen und alles vergessen, was friedensorientier­
ten Ausgleichsverhandlungen entgegenstand. Das war die Voraussetzung
für die Rückgewinnung einer belastbaren Verhandlungsperspektive und
die Verlagerung des Geschehens vom Militärischen aufs Diplomatische:
.Amnesie als Voraussetzung von Amnestie. Ebenso gut aber kann man in der
kursächsischen Agenda auch einen Akt der Realitätsverweigerung sehen,
eine Herangehensweise, bei der die tatsächlichen Konstellationen nicht zur
Kenntnis genommen und durch Wunschvorstellungen ersetzt wurden. Das
war dann bloßes Herumtappen in einem Feld, das längst von anderen poli­
tisch kartographiert und aufgeteilt worden war.
462 D IE Z EIT D ER G R O SSE N SC H L A C H T E N

Gescheitert ist die kursächsische Politik freilich nicht an dem von ihr
unterstellten Als-ob selbst, sondern daran, dass ihr die Machtmittel fehlten,
dieses Als-ob für die Verhandlungspartner verbindlich zu machen. Johann
Georg und seine Räte hatten die paradoxe Voraussetzung für den Erfolg
ihrer Strategie nicht begriffen: dass sich nämlich das Absehen von der Rea­
lität nur durchsetzen ließ, wenn man Herr dieser Realität war. Das aber war
Kursachsen nicht, und die Leipziger Versammlung der protestantischen
Fürsten und Grafen sowie der Reichsstädte war es auch nicht.112 Das Als-
ob war nur für den eine Option, der aus einer Position der Stärke heraus
agierte, und das hieß: der über eine starke Heeresmacht verfügte. Es konnte
also nicht ausbleiben, dass man in Leipzig immer wieder darauf zurückkam,
dass man sich bewaffnen müsse, wenn man zwischen dem Kaiser, Gus­
tav Adolf und der Liga eine Rolle spielen wolle. Genau das wollte Johann
Georg aber vermeiden, denn er fürchtete, dass der Druck, sich für die eine
oder andere Seite entscheiden zu müssen, dann noch größer würde.
Sieht man genauer hin, so lassen sich erhebliche Risse in der nach
außen geschlossenen Fassade der kursächsischen Politik ausmachen. Der
kursächsische Hofprediger Matthias Hoe von Hoenegg eröffnete den Kon­
vent mit einer Predigt über den 83. Psalm, der mit den Worten beginnt:
«GO tt schweige doch nicht also / Vnd sey doch nicht so still: / Gott halte
doch nicht so inne. Denn sihe, / Deine Feinde toben, / und die Dich hassen,
/ richten den Kopff auf.»113 Daraus ließ sich kaum eine an Ausgleichsver-
handlungen orientierte Friedenspredigt machen. Der Oberhofprediger, der
das Ohr des Kurfürsten besaß, stellte die biblische Klage über das «Toben
der Feinde» mit dem gegenwärtigen «Wüten und Toben» des Papsttums
zusammen und zeichnete so eine Lage, in der nicht das demütige Hin­
nehmen der «listige[n] anschlege» (Psalm 83,5) gegen die Gläubigen, die
Protestanten, angezeigt war, sondern der Zusammenschluss aller evangeli­
schen Kräfte, um Kaiser und Liga Widerstand zu leisten.114 Dem Hofpre­
diger gelang der Spagat, indem er nicht den Kaiser, sondern stets nur den
Papst und die katholischen Orden als das gegenwärtige Pendant der Feinde
im Psalm benannte. So konnte er sich in die Tradition der antipäpstlichen
Polemik Luthers stellen, ohne zugleich dessen Forderung nach Gehorsam
gegenüber der weltlichen Obrigkeit verwerfen zu müssen.
Der Leipziger Konvent 4<S3

Auf diese politische Linie schwenkte schließlich auch Kurfürst Johann


Georg ein, als klar wurde, dass die evangelischen Reichsstände ihre For­
derungen nach Wiederherstellung des Augsburger Religionsfriedens,
Bewahrung der überkommenen Reichsverfassung und Verteidigung der
ständischen Libertät nicht zur Geltung bringen konnten, solange sie nicht
über ein Heer verfügten, das sie zu einem eigenen Faktor in den politischen
Auseinandersetzungen werden ließ. Sobald man jedoch mit den Beratun­
gen darüber begann, stellte sich die Frage, wie man eine protestantische
Streitmacht errichten konnte, ohne gegen die Reichsverfassung zu versto­
ßen. Selbstverständlich hätte man es sich einfach machen und zur Recht­
fertigung auf das Heer der katholischen Liga verweisen können, dem nun
(wieder) ein protestantisches Heer gegenübergestellt werden sollte. Doch
das wäre dem Eingeständnis gleichgekommen, dass man der eskalatori-
schen Logik konfessioneller Konfrontation folgte, was man ja vermeiden
wollte. Vor allem hätte es dann keinen Grund mehr gegeben, warum sich
die protestantischen Reichsstände nicht dem offensichtlich erfolgreichen
Gustav Adolf anschließen sollten. Mit der Erörterung dieser Dilemmata ver­
brachte man in Leipzig viel Zeit. Schließlich verständigte man sich darauf,
dass Kursachsen ein Heer von 11000 Mann aufstellen solle, Brandenburg
weitere 5000 Mann anwerben werde, und die anderen Stände wollten das
Ihrige tun - alles freilich nach den Vorgaben der Defensionsverfassung des
Reichs, also ohne gemeinsames Oberkommando. Dass dies im Vergleich mit
der kaiserlichen, aber auch der schwedischen Macht keine relevante Größe
war, dürfte den Beteiligten klar gewesen sein. Dennoch kündigten sie dem
Kaiser ihr Vorhaben an und baten ihn um Zustimmung. Der freilich wies das
Vorhaben mit äußerster Entschiedenheit zurück und erließ Mandate mit der
Aufforderung, den in Leipzig gegründeten Bund sofort wieder aufzulösen.
Gustav Droysen hat über die protestantischen Stände ein vernichten­
des Urteil gefällt: «Sie behandelten Gustaf Adolf, als säße er unthätig wie
sie in seiner nordischen Heimath, und nicht, als stände er mit siegreichen
Waffen an den Grenzen ihrer Territorien. Sie versuchten ihn mit Phrasen
abzuspeisen, wie sie es unter sich zu thun gewohnt waren. Eben jetzt, wo
die streitenden Mächte ihre Kraft auf das Höchste anspannten und es den
blutigen Austrag eines gewaltigen Gegensatzes galt, mißkannten sie ihre
4Ö 4 D IE Z E IT D ER G R O SSE N SC H L A C H T E N

Ohnmacht so durchaus, daß sie sich zusammenthaten, um mitten zwischen


den Kämpfenden eine, wie sie meinten, selbständige Partei zu bilden: eine
Partei der devoten Mißvergnügten dem Kaiser gegenüber, eine Partei der
glaubenstreuen Reichspatrioten Gustaf Adolf gegenüber; nur daß sie auf
das Strengste gegen jenen eine schüchterne Defensive, gegen diesen eine
faule Neutralität zu beobachten gedachten, mochte kommen, was da wollte.
Man wird nicht sagen dürfen, daß ihnen allen das politische Verständniß
der Situation fehlte, aber die Erkenntniß und das Eingeständniß des eige­
nen Unvermögens und vor allem der Muth des Entschlusses ging ihnen ab.
Sie waren geflissentlich blind, getrösteten sich der frommen und fürsichti­
gen Phrasen und suchten nach immer neuen rettenden Redewendungen in
einem Moment, wo nur noch Thaten retten konnten.»115
Was Droysen im Rückblick zu einem düster-pathetischen Urteil veran-
lasste, reizte die der politisch-konfessionellen Gegenseite zugehörigen Zeit­
genossen zu hämischem Spott: «Ach, die armen lutherischen Hündlein
Hatten zu Leipzig ein Conventlein! / Wer war dabei? / Anderthalb Fürst­
lein. / Was wollen sie machen? / Ein kleines Krieglein. / Wer soll ihn füh­
ren? / Das schwedische Königlein. / Wer soll das Geld dazu geben? / Das
sächsische Jägerlein. / Wer wird sich dieses freuen? / Das pfälzische Fürst­
lein. / Worum ist es ihm zu thun? / Um sein Heidelberger Nestlein.»116

Die Vernichtung Magdeburgs

Derweil spitzte sich die Lage um Magdeburg zu. Die Stadt an der Elbe hatte
zu den ersten gehört, die sich Gustav Adolf anschlossen. Im Sommer 163c
war es in Magdeburg zu einer Rebellion von Teilen der Einwohnerschaft
gegen die Durchführung des Restitutionsedikts gekommen, nachdem
Kaiser Ferdinand seinen zweitgeborenen Sohn, den damals vierzehnjähri­
gen Leopold Wilhelm, der bereits über eine Reihe einträglicher Pfründen
verfügte,117 zum Bischof hatte wählen lassen. Nun trafen kaiserliche Depu­
tierte ein, um die protestantischen Domherren abzusetzen. Schon die Wahl
Leopold Wilhelms war unter kaiserlichem Druck erfolgt, denn man hatte
Die Vernichtung Magdeburgs 4<SS

in Magdeburg bereits den kursächsischen Prinzen August zum Bischof


gewählt und musste diese Wahl jetzt für ungültig erklären, um den kaiserli­
chen Spross im Bischofsamt installieren zu können. Das Domkapitel hatte
sich diesem Druck gebeugt, was bei Teilen der Bevölkerung großes Miss­
fallen erregt hatte. Dem war dann die Restitution der Magdeburger Klöster
gefolgt, und als sich der Rat der Stadt dieser Entwicklung nicht entgegen­
stellte, richtete sich der Zorn eines großen Teils der Einwohnerschaft auch
gegen ihn.118
Gegen den Willen des Rats hatte die versammelte Bürgerschaft bereits
im Sommer 1629 die Aufnahme eines kaiserlichen Infanterieregiments ver­
weigert, das Wallenstein in die Stadt verlegen wollte, und die Fischer und
Schiffer der Stadt hatten Elbkähne, die Fracht für das kaiserliche Militär
transportierten, angehalten und durchsucht. Wallenstein hatte die Stadt
daraufhin einschließen und belagern lassen. Er wollte an ihr ein Exempel
statuieren, doch was in Stralsund nicht gelungen war, misslang auch hier:
Die Stadt hielt ersten Angriffen stand und wies die Forderung, eine kaiser­
liche Besatzung aufzunehmen und 300 000 Taler Kontribution zu zahlen,
entschieden zurück. Als ein Teil der Eiansestädte Anstalten machte, ihre
Schwesterstadt zu unterstützen, hob Wallenstein die Belagerung gegen
Zahlung von 10 000 Talern wieder auf. Er war im Hinblick auf seine Ost­
seepläne an einem guten Verhältnis zu den Hansestädten interessiert und
wollte es wegen Magdeburg nicht ruinieren. In Magdeburg fühlte sich das
wie ein Sieg an, und gemessen an den Erfahrungen, die andere Städte mit
Wallensteins Forderungen gemacht hatten, war es das auch. Im Verbund
mit der Erinnerung an die Jahre 1550 und 1551, als Magdeburg unter der stol­
zen Bezeichnung «Unseres Herrgotts Kanzlei» der Belagerung durch Kai­
ser Karl V. getrotzt hatte, entstand in der Stadt eine Vorstellung von Unbe­
siegbarkeit - jedenfalls bei den unteren Schichten und befeuert durch die
evangelischen Prediger, die bei ihnen in besonderem Maße Gehör fanden.
Die vermögenden Bürger Magdeburgs standen dieser Entwicklung skep­
tisch bis ablehnend gegenüber und wollten gut kaiserlich bleiben: Bei einer
Belagerung hatte man viel zu verlieren, selbst wenn die Stadt nicht gestürmt
und verwüstet wurde, denn allein die Blockade des Warenverkehrs hatte
große Verluste zur Folge.
D IE Z E IT D ER G R O SSE N SC H L A C H T - 1

Deutlicher als in anderen Handelsstädten zeigte sich in M agien :rx


ite soziale Grundierung, die den konfessionellen Auseinanderse trennet
immer auch zu eigen war, jedoch unterschiedlich zutage trat. UaarBe?
weise hatten die ärmeren Schichten, die Bewohner der Vorstäzh* oc
Handwerker und das Dienstpersonal, eine größere Affinität zu der. ncu&
len Strömungen der Reformation, als das bei den arrivierten Burcerr mm
dem städtischen Patriziat der Fall war. Ob die Präferenzen in Glaubasacar
gen etwas mit den Glaubensinhalten zu tun hatten oder auf den Urrscaa«!
zurückzuführen sind, dass die Arrivierten institutionell gefestigter 3j s -
gionspraktiken anhingen und alle Bewegungen, die auf Veränderrrs at»
waren, ablehnten, mag hier dahingestellt bleiben. Der politische Erfoa: as-
städtischen Unterschicht hing jedoch davon ab, ob sie einen Anführer r a s t
Genau das war in Magdeburg der Fall, wo der schwedische Kriegsrat Vatax
Stalmann für die proschwedische Partei warb, als Agent des brandeaäw
gischen Markgrafen Christian Wilhelm, der wegen seiner Untersrummc
Christians IV. das Amt als Administrator des Erzbistums verloren ~-;-f "
Als dann im Sommer 1630 kaiserliche Gesandte nach Magdeburg t a r n a
um die Huldigung der Bürgerschaft gegenüber dem neuen Bische: cean
Kaisersohn Leopold Wilhelm, entgegenzunehmen, erzwangen Ter.* acr
Bürgerschaft den Anschluss Magdeburgs an Schweden. Stalmann sowie asr
nach Magdeburg zurückgekehrte Christian Wilhelm hatten erklärt. G=ssa»
Adolf werde die Stadt gegen ihre Feinde schützen. Mit einigen hirsässE
Söldnern begann der Markgraf danach einen «Befreiungskrieg» ee-zsai
das im Magdeburger Umland befindliche kaiserliche Militär, bei csrt «r
anfangs erfolgreich war. Diese Erfolge waren jedoch im Wesentlich Cu -“iiiPTT
Umstand geschuldet, dass es nach der Entlassung Wallensteins keir Kai­
serliches Oberkommando gab und niemand so recht wusste, was zu tm
war.
Keiner außer Pappenheim. Nachdem dieser im Oktober 1630 den fies
zog von Lauenburg geschlagen und die Elblinie gegen Gustav Adolf Bes­
chert hatte,120 zog er im späten November gegen Magdeburg, drängte ne
markgräflichen Streifscharen zurück und traf Anstalten, die Stadt zu bea-
gern. Da ihm für eine vollständige Einschließung die Kräfte fehlten, mnssae
er sich mit der Errichtung eines festen Lagers nahe Magdeburg begnzaex
466 D IE Z E IT D ER G R O SSE N SC H L A C H T E N

Deutlicher als in anderen Handelsstädten zeigte sich in Magdeburg


die soziale Grundierung, die den konfessionellen Auseinandersetzungen
immer auch zu eigen war, jedoch unterschiedlich zutage trat. Üblicher­
weise hatten die ärmeren Schichten, die Bewohner der Vorstädte, die
Handwerker und das Dienstpersonal, eine größere Affinität zu den radika­
len Strömungen der Reformation, als das bei den arrivierten Bürgern und
dem städtischen Patriziat der Fall war. Ob die Präferenzen in Glaubensfra­
gen etwas mit den Glaubensinhalten zu tun hatten oder auf den Umstand
zurückzuführen sind, dass die Arrivierten institutionell gefestigten Reli­
gionspraktiken anhingen und alle Bewegungen, die auf Veränderung aus
waren, ablehnten, mag hier dahingestellt bleiben. Der politische Erfolg der
städtischen Unterschicht hing jedoch davon ab, ob sie einen Anführer hatte.
Genau das war in Magdeburg der Fall, wo der schwedische Kriegsrat Johan
Stalmann für die proschwedische Partei warb, als Agent des brandenbur-
gischen Markgrafen Christian Wilhelm, der wegen seiner Unterstützung
Christians IV. das Amt als Administrator des Erzbistums verloren hatte.119
Als dann im Sommer 1630 kaiserliche Gesandte nach Magdeburg kamen,
um die Huldigung der Bürgerschaft gegenüber dem neuen Bischof, dem
Kaisersohn Leopold Wilhelm, entgegenzunehmen, erzwangen Teile der
Bürgerschaft den Anschluss Magdeburgs an Schweden. Stalmann sowie der
nach Magdeburg zurückgekehrte Christian Wilhelm hatten erklärt, Gustav
Adolf werde die Stadt gegen ihre Feinde schützen. Mit einigen hundert
Söldnern begann der Markgraf danach einen «Befreiungskrieg» gegen
das im Magdeburger Umland befindliche kaiserliche Militär, bei dem er
anfangs erfolgreich war. Diese Erfolge waren jedoch im Wesentlichen dem
Umstand geschuldet, dass es nach der Entlassung Wallensteins kein kai­
serliches Oberkommando gab und niemand so recht wusste, was zu tun
war.
Keiner außer Pappenheim. Nachdem dieser im Oktober 1630 den Her­
zog von Lauenburg geschlagen und die Elblinie gegen Gustav Adolf gesi­
chert hatte,120 zog er im späten November gegen Magdeburg, drängte die
markgräflichen Streifscharen zurück und traf Anstalten, die Stadt zu bela­
gern. Da ihm für eine vollständige Einschließung die Kräfte fehlten, musste
er sich mit der Errichtung eines festen Lagers nahe Magdeburg begnügen,
Die Vernichtung Magdeburgs 467

von wo aus er den Warenverkehr von und nach Magdeburg teilweise blo­
ckierte und einen Scharmützelkrieg gegen das Umland der Stadt führte. In
Magdeburg war inzwischen der von Gustav Adolf entsandte Oberst Diet­
rich von Falkenberg eingetroffen, ein gebürtiger Westfale, der zeitweilig im
Dienst des Kasseler Landgrafen gestanden hatte, bevor er 1623 in schwe­
dische Dienste übergewechselt war.121 Falkenberg systematisierte die Ver­
teidigung Magdeburgs, indem er die Stadtbefestigungen instand setzen
und durch die Errichtung vorgelagerter Schanzen verstärken ließ. Diese
Schanzen sollten den Gegner daran hindern, unmittelbar bis an die Stadt­
mauern heranzurücken. Sie machten die Belagerung zu einem langwierigen
Vorgang, verhinderten einen Überraschungscoup gegen eine unaufmerk­
same Besatzung und sorgten dafür, dass sich ein Sturmangriff im Vorfeld
der Stadtmauern «festfraß». Namen wie «Trutz Kaiser», «Trutz Tilly»
und «Trutz Pappenheim», die man den Schanzen gab, sollten dem Wider­
standswillen Ausdruck verleihen und die Zuversicht bei der Verteidigung
gegen die Übermacht der kaiserlichen Truppen stärken. Ansonsten ver­
sicherte Falkenberg, dass Gustav Adolf schon bald die Stadt entsetzen
werde.
Doch so weit war es zunächst noch nicht. Pappenheim drängte Tilly
zwar unausgesetzt, ihm Verstärkungen zu schicken oder mit dem gesam­
ten Heer anzurücken, um Magdeburg zur Kapitulation zu zwingen oder
im Sturm zu nehmen, doch Tilly zögerte. Er wollte die ihm verbliebenen
Kräfte nicht über Wochen oder gar Monate durch die Belagerung binden,
und obendrein hatte er Zweifel, ob die Eroberung der inzwischen gutbe­
festigten Stadt überhaupt möglich sei: Spfnola hatte Breda monatelang
belagert, bevor die Stadt kapitulierte, La Rochelle hatte gegen die Truppen
Richelieus ebenfalls über Monate Widerstand geleistet, und Wallenstein
war an Stralsund gescheitert. Er müsse wissen, so Tilly an Pappenheim,
dass er hier nicht ein paar Bauern vor sich habe, sondern einen Wall und
Soldaten.122 Pappenheim dürfte sich über diese Anspielung auf seine ober­
österreichischen Siege geärgert haben, schließlich hatte er auch das gut­
befestigte Wolfenbüttel erobert. Tilly war skeptisch, ob er genügend Zeit
haben würde, Magdeburg zur Übergabe zu zwingen; er wollte stattdessen
sein Augenmerk vor allem auf Gustav Adolf richten und verhindern, dass
468 D IE Z E IT D ER G R O SSE N S C H L A C H T E N

der Schwede politisch und militärisch weiter an Boden gewann. Zwei Mal
tauchte er mit dem Gros seines Heeres vor Magdeburg auf, und zwei Mal
zog er wieder weiter, weil andere Aufgaben ihm wichtiger waren. Pappen­
heim dagegen drängte darauf, alle Kräfte auf Magdeburg zu konzentrieren.
Für ihn war die Herrschaft über Magdeburg «das Fundament und Cen­
trum des Krieges»,123 denn wer Magdeburg in der Hand habe, kontrol­
liere den Schiffsverkehr auf der Elbe und könne durch die Beherrschung
der Elbfestung auch verhindern, dass die bis Soest vorgestoßenen Nieder­
länder sich mit dem an der Oder und in Mecklenburg stehenden Gustav
Adolf verbänden. Das sah Tilly ganz ähnlich,124 aber er wollte eine größere
operative Beweglichkeit behalten. Tilly, klagte Pappenheim in einem Brief
an Maximilian, habe ihm erst den Angriff auf Magdeburg verboten, ihm
anschließend 5000 Reiter und 1300 Fußsoldaten entzogen und dann doch
keinen Angriff auf Gustav Adolf gewagt.125
Der Konflikt zwischen Pappenheim und Tilly war grundsätzlicher
Art; es handelte sich keineswegs nur um einen Disput über das Vorgehen
gegen Magdeburg. Pappenheim lehnte Tillys Defensivstrategie gegenüber
den Schweden von Grund auf ab und plädierte für einen entschlossenen
Offensivstoß gegen Gustav Adolf. Da er dafür aber kein rechtes Ziel anzu­
geben vermochte, war es naheliegend, dass er sich auf Magdeburg konzen­
trierte, womöglich in der Hoffnung, Gustav Adolf könne so dazu verleitet
werden, seine sicheren Positionen an der Oder aufzugeben und bis zur Elbe
vorzustoßen. Tillys Defensivstrategie lief für Pappenheim auf eine Form
des «Soldatenverbrauchs» hinaus, die keinerlei relevanten Ergebnisse
zeitigte. Für ihn war Tillys Vorsicht nicht Ausdruck strategischer Umsicht,
sondern eine Folge des Alters: Tilly war in Pappenheims Augen zu alt für
den Krieg und den Aufgaben eines Oberkommandierenden nicht mehr
gewachsen. Wahrscheinlich hatte Pappenheim damit gerechnet, dass ihm
nach der Entlassung Wallensteins der Posten des Oberkommandierenden
angetragen würde, so dass in seinen Klagen auch Enttäuschung über die
ausgebliebene Beförderung zum Ausdruck kam. Materielle Begehrlichkei­
ten kamen wohl hinzu: Pappenheim war nicht verborgen geblieben, mit
welchen Reichtümern die nach Italien entsandten kaiserlichen Generäle
nach Deutschland zurückgekehrt waren, während er als General der Liga
Die Vernichtung Magdeburgs 469

an den deutschen Kriegsschauplatz gefesselt blieb, wo weniger zu holen


war; das Projekt, anstelle des im Bündnis mit Christian IV. gescheiterten
Friedrich Ulrich zum Herzog von Braunschweig-Wolfenbüttel zu werden,
war nicht erfolgreich gewesen, und so war er bislang leer ausgegangen.126
Magdeburg bot nun die Chance, einiges nachzuholen, und vor allem dürfte
Pappenheim das Amt des Magdeburger Burggrafen gereizt haben. Dabei
kam er jedoch mit dem kaiserlichen Obersten Wolf von Mansfeld in Kon­
flikt, der ebenfalls auf dieses Amt spekulierte.127 Pappenheims Eifer gegen
Magdeburg wurde schließlich noch durch den persönlichen Hass genährt,
der entstanden war, als ihn die Bürger im Sommer 1629 beim Einfordern
der Kontributionen so «hochmütig» abgefertigt hatten.128 Pappenheim
hatte es jedenfalls eilig, und deswegen bot er Falkenberg 400 000 Taler und
einen Grafentitel, wenn der ihm Magdeburg übergebe. Falkenberg wies
dieses Angebot empört zurück und drohte, wenn noch einmal ein Bote mit
solchen Vorschlägen komme, werde er ihn aufhängen lassen. Das dürfte
Pappenheims Zorn weiter angefeuert haben.

Seit Ende März 1631 wurde es für Magdeburg ernst: Tilly sah nach dem Ver­
lust von Frankfurt und Landsberg keine Möglichkeit mehr für einen aus­
sichtsreichen Vorstoß zur Oder, und in Mecklenburg oder Pommern waren
wegen der schwierigen Versorgungslage infolge aufgetauter Wege größere
Operationen vorerst unmöglich. Also zog er mit dem Hauptheer nach Mag­
deburg und sorgte dafür, dass der Einschließungsring um die Stadt immer
enger gezogen wurde. In Magdeburg wiederum standen sich zwei Parteien
gegenüber: die Partei derer, die auf jeden Fall durchhalten wollten und
dabei auf die Zusage Gustav Adolfs vertrauten, dass er der Stadt zu Hilfe
kommen werde, wenn sie bedroht sei; und die Partei jener, die erklärten,
der König sei allen Zusagen zum Trotz bislang nicht gekommen, weswegen
man Verhandlungen aufnehmen müsse, um eine Erstürmung der Stadt zu
verhindern. Einige hofften dabei wohl, man könne auf diesem Weg ein für
Magdeburg ähnlich günstiges Ergebnis erzielen wie im Sommer 1629 (was
illusionär war), andere vertraten die Auffassung, dass eine Kapitulation der
Stadt ihrer Eroberung unbedingt vorzuziehen sei. Eine weitere, vermutlich
sehr kleine Gruppe, die im Verborgenen agierte, ging sogar so weit, Tilly
470 D IE Z E IT D ER G R O SSE N SC H L A C H T E N

dadurch Vorschub zu leisten, dass sie ihm Informationen über die Stärke
der Verteidiger, die Besatzung in den Schanzen, die Meinungsverschieden­
heiten im Rat und anderes mehr zukommen ließ. Es scheint sich bei dieser
Gruppe um «die Vornehmsten» Magdeburgs gehandelt zu haben, jeden­
falls vermuteten das diejenigen, die für eine bedingungslose Verteidigung
Magdeburgs waren. Diese gehörten überwiegend zu den unteren Schichten,
dem «gemeinen Pöbel».129 Infolgedessen kam es wiederholt zu Tumulten,
in denen sich Fischer und Schiffsleute gegen das städtische Patriziat wand­
ten. Die sozialen Gegensätze hatten sich in Magdeburg zu politischen Spal­
tungslinien verdichtet.
Nach dem Eintreffen Tillys betrug die Stärke der Kaiserlichen 22600
Fußsoldaten und 3100 Berittene sowie 86 Geschütze. Außerdem standen
bei der Dessauer Brücke, um die Mansfeld und Wallenstein im Jahr 1626
gekämpft hatten, weitere 4850 Soldaten, die schwedische Truppen an der
Überquerung des Stroms hindern sollten. Dagegen verfügte Falkenberg
über gerade einmal 3000 Mann, zudem musste er sich auch noch mit den
inneren Zerwürfnissen in der Stadt beschäftigen. Er klagte, dass er in Mag­
deburg «Vielen wenig Zutrauen dürfe».130 Unter diesen Umständen ent­
schloss er sich dazu, die Schanzen aufzugeben und die Verteidigung auf die
Stadt selbst zu konzentrieren. Doch dieser Entschluss kam zu spät, denn
Pappenheim hatte bereits damit begonnen, die Schanzen der Reihe nach zu
erobern, und dabei verloren die Verteidiger um die 500 Mann.131
Der Verlust der Außenwerke hatte zur Folge, dass die Belagerer ihr
Vorgehen von der Aushungerung auf die Erstürmung der Stadt umstellen
konnten. Falkenberg bereitete die Verteidigung auf einen Kampf um die
Wälle und die dahinterliegenden Tore der Stadtmauer vor. Das hieß, dass
die Vorstädte Sudenburg und Neustadt aufgegeben und deren Einwohner
in die Stadt hereingeholt werden mussten. Anschließend sollten die Vor­
städte niedergebrannt und dem Erdboden gleichgemacht werden. Das war
keine einfache Entscheidung, denn sie bedeutete, dass die Vorstädter Haus
und H of verloren und in der Stadt von dem Wohlwollen anderer abhingen.
Wer nicht bei Bekannten und Verwandten unterkam, musste mit einer Not­
unterkunft in der Nicolaikirche vorliebnehmen. Falkenberg trug sein Vor­
haben dem Rat vor, und der gab ihm die Genehmigung, die erforderlichen
Die Vernichtung Magdeburgs 471

Schritte zu unternehmen, forderte ihn aber auch auf, dabei zurückhaltend


vorzugehen.132 Das Niederbrennen der Vorstädte führte vor Augen, was die
Stadt zu erwarten hatte, wenn sie erstürmt wurde. Mit der Aufnahme der
Yorstädter verschärfte sich auch das Versorgungsproblem, denn von nun an
war man ausschließlich auf die eingelagerten Vorräte angewiesen.133 Hatte
sich die Belagerung Magdeburgs seit November 1630 dahingeschleppt,
ohne dass Entscheidendes passiert wäre, so kam es jetzt zu einer dramati­
schen Beschleunigung des Geschehens. Konkret hieß das: Gustav Adolfs
Entsatzheer musste in den nächsten Tagen eintreffen, oder Magdeburg war
verloren.
In dieser Lage versicherte Falkenberg den ihn bedrängenden Ratsmit­
gliedern, der König habe ihm in einem neuen Schreiben sein Erscheinen
angekündigt und er habe sichere Informationen, dass das schwedische
Heer innerhalb weniger Tage eintreffen werde. Tatsächlich hatte Falkenberg
jedoch nichts in der Hand. Gustav Adolf hatte der Stadt zwar Hilfe zugesagt,
aber in seinen Briefen auch daraufhingewiesen, dass er aufgehalten werde,
weil die Verhandlungen mit den Kurfürsten von Brandenburg und Sach­
sen nicht vorankämen und er ohne Zugriff auf die Festungen Küstrin und
Spandau sowie die sächsische Zusage, ihn bei Wittenberg die Elbe passie­
ren zu lassen, nicht auf Magdeburg vorrücken könne.134 Hätte Falkenberg
preisgegeben, was er wirklich wusste, hätte die Gruppe derer, die Kapitu­
lationsverhandlungen aufnehmen wollten, mit Sicherheit weiteren Zulauf
erhalten. Das heißt aber nicht, dass die Mehrheit der Magdeburger dann
in die Kapitulation eingewilligt hätte. Durch den Zuzug der Vorstädter, die
bereits ihre Häuser verloren hatten, erhielten auch die Durchhaltewilligen
Unterstützung, und die Gruppierung derjenigen, die in der nun eingetrete­
nen Lage nicht auf weltliche, sondern auf göttliche Hilfe setzten, war nach
wie vor groß. Die evangelischen Pfarrer, so Gustav Droysen, predigten
gegen alle, die «mit den Päpstlichen und den Feinden des Evangeliums»
verhandeln und sich mit ihnen zusammentun wollten. «Solche Leute, sag­
ten sie, hätten kein Vertrauen zu Gott, der sein Wort gewiß halten und der
Stadt in so gerechter Sache wohl beispringen werde, sondern wollten lieber
dem Teufel dienen und ihr Vaterland dem abgöttischen Papstthum in den
Rachen stecken.»135 Das Eingeständnis, dass es aus militärischer Sicht gute
471 D IE Z EIT D ER G R O SSE N SC H L A C H T E N

Gründe für eine Kapitulation gab, hätte all jene, die auf Gottes Hilfe und
ein Wunder vertrauten, nicht überzeugt.
Tillys erste Aufforderung zur Kapitulation erfolgte am 4. Mai 1631.136
Es waren drei Briefe, die gegen Abend von einem Trompeter in die Stadt
gebracht wurden: einer an den Bürgermeister und den Rat, einer an den
Administrator Christian Wilhelm und einer an den Oberkommandieren­
den Falkenberg. Entweder wusste Tilly nicht, wer in Magdeburg das Sagen
hatte, oder er versuchte, die dafür in Frage Kommenden gegeneinander
auszuspielen. Es antwortete der Rat, und die beiden anderen schlossen sich
ihm an. Man wolle, so die Antwort des Rats, mit den Kurfürsten sowie den
Hansestädten über die Aufnahme von Verhandlungen sprechen und bitte
um Pässe, damit Gesandte zu ihnen reisen könnten. Das diente dem Zeit­
gewinn. Tilly übersandte erst eine Woche später, am 12. Mai, die erbetenen
Pässe, merkte aber an, dass die von Magdeburg gewünschten Beratungen
Zeit brauchten,• die Angelegenheit dulde jedoch keinen weiteren Aufschub.
Magdeburg könne Unterredungen führen, wann immer und so lange es
wolle, aber kapitulieren müsse es jetzt. Am 14. Mai antwortete der Rat, die
Gesandten seien jetzt reisefertig, Tilly möge einen Trompeter schicken, der
sie durch die Linien der Belagerer bringe.
Aber Tilly reagierte nicht. Er war nicht länger bereit, das von den Mag­
deburgern eröffnete Spiel auf Zeit mitzuspielen. Inzwischen hatte er erfah­
ren, Gustav Adolf habe sich mit dem Brandenburger geeinigt: Spandau sei
den Schweden übertragen worden und der König habe sich nach Potsdam
begeben. Es war also nicht mehr auszuschließen, dass er zum Entsatz Mag­
deburgs anrücken würde. Außerdem gab es das Gerücht, auch der sächsi­
sche Kurfürst Johann Georg wolle den Magdeburgern zu Hilfe kommen
und marschiere auf die Dessauer Brücke zu. Tilly ließ Vorbereitungen
zur Zerstörung der Brücke treffen, und als schwedische Reiter bei Zerbst
auftauchten, wurde sie tatsächlich abgebrochen. Am 17. Mai begann das
Bombardement Magdeburgs, in dessen Schutz sich die Kaiserlichen in
den Laufgräben immer näher an die Stadtmauer heranarbeiteten. Sie sollte
untermininiert werden, um sie zum Einsturz zu bringen. Seitenarme der
Elbe wurden gestaut, damit man den Fluss beim Angriff leichter durch­
schreiten konnte. Der niedrige Wasserstand kam den Belagerern ohne­
Die Vernichtung Magdeburgs 473

hin entgegen. Die Verteidiger setzten sich zur Wehr, indem sie Ausfälle
unternahmen, Laufgräben und Sturmleitern zerstörten und mit Contre-
—unen - Sprengsätzen gegen die feindlichen Minen - die an die Mauern
herangeführten Stollen sprengten. Des Weiteren feuerten sie mit den auf
een Wällen postierten Geschützen auf die Laufgräben der Belagerer. Man
habe, berichtet der kaiserliche Soldat Peter Hagendorf, «mit Schanzen und
Laufgräben alles zugebaut, doch hat es viel Leute gekostet».137 Infolge der
Abwehrmaßnahmen wurde in Magdeburg aber das Schießpulver knapp,
und es war absehbar, dass die Verteidiger auf diese Weise nicht mehr lange
uurchhalten konnten.
Am i8.Mai erfolgte Tillys dritte und letzte Kapitulationsaufforde­
rung, mit der die Stadt vor die Entscheidung zwischen Unterwerfung oder
Erstürmung gestellt wurde. Tilly ging noch einmal auf den Wunsch des
Rats ein, freies Geleit für die Gesandten zu erhalten: Dazu sei es nun zu spät,
ede weitere Verzögerung werde die Gefahr nur vergrößern. «Die Stadt»,
so fasst Gustav Droysen Tillys Ultimatum zusammen, «möge vielmehr
hoch kurze Resolution fassen und sich dem Kaiser unterwerfen. Wo nicht,
wurde er vor Gott, der Welt und seinem eigenen Gewissen entschuldigt
sein, daß nicht er, sondern sie selbst die einzige Ursache allen Unglücks
wären.»138 Am darauffolgenden Tag ließ der Rat die gesamte Bürgerschaft
versammeln und befragte sie, ob man sich mit Tilly auf Verhandlungen
einlassen solle oder nicht. Es gab unterschiedliche Meinungen: Einige
wuen für Verhandlungen, andere wollten sich bis zum letzten Mann weh­
ren. wiederum andere meinten, diese Frage solle der Rat entscheiden. Der
Rat beschloss zu verhandeln, Falkenberg indes bat darum, damit bis zum
nächsten Morgen zu warten. Währenddessen brach der ständige Beschuss
rer Stadt ab, und man konnte beobachten, dass die Kanonen zurückgezo­
gen wurden. Viele meinten daraufhin, Tilly hebe die Belagerung auf, weil
schwedische Truppen sich der Stadt näherten.
Tilly täuschte die Magdeburger jedoch nur. Sie gingen davon aus, dass
er unterhandeln wollte, deswegen waren die Verteidigungswälle am frühen
Morgen des 20. Mai weniger dicht besetzt als sonst. An einigen Stellen hat­
ten sich die Verteidiger - zu den 2500 Soldaten Falkenbergs kamen noch
5000 Männer der Bürgerwehr - zu Gottesdiensten versammelt. Andere
474 D IE Z E IT D ER G R O SSE N SC H L A C H T E N

hatten die Lunten gelöscht, nachdem die Nacht über nicht geschossen
worden war. Der Angriff der Sturmkolonnen Pappenheims traf die Mag­
deburger mit voller Wucht, und schnell war der Neustädter Wall erobert.
Durch eine Pforte am Fischerufer drangen Kroaten in die Stadt ein. Fal­
kenberg führte ein paar Kompanien zum Gegenangriff heran; für kurze
Zeit stand der Kampf auf Messers Schneide. «D a bin ich mit stürmender
Hand», berichtet Hagendorf, «ohne allen Schaden in die Stadt gekommen.
Aber in der Stadt, am Neustädter Tor, bin ich 2mal durch den Leib geschos­
sen worden, das ist meine Beute gewesen.»139 Unter dem Eindruck dieses
Widerstands gab Pappenheim den Befehl, ein paar Häuser in Brand zu set­
zen, um den Gegner zu verwirren. Als Falkenberg im Kampf tödlich ver­
wundet wurde und weitere Offiziere der Verteidiger fielen, war der Kampf
um Magdeburg entschieden: Immer mehr kaiserliche Soldaten drangen
in die Stadt ein, und schon bald war der Weg frei, um zu rauben und zu
plündern. Es war eine Orgie der Gewalt, die am frühen Vormittag über die
Bevölkerung Magdeburgs hereinbrach. Sie ging erst am frühen Abend zu
Ende, als aufkommende Winde das Feuer weiter anfachten, bis schließlich
die ganze Stadt in Flammen stand. Die Gluthitze zwang die Eroberer, sich
zurückzuziehen, und auch für die Plünderer war kaum noch etwas zu holen,
da nahezu alle Häuser brannten. Am Tag nach der Eroberung war von der
stolzen und reichen Stadt an der Elbe kaum etwas übrig geblieben.140

Die Zahl derer, die hei der Eroberung Magdeburgs ums Leben kamen, kann
nur geschätzt werden. Tilly ließ Tausende Leichen, die zu bestatten als zu
aufwendig angesehen wurde, mit Karren zur Elbe schaffen und in den Fluss
werfen. Monatelang wurden elbabwärts Leichen aus dem Wasser gezogen,
und ein dem Magdeburger Inferno Entkommener schrieb, er hoffe, «daß
milde Menschen, die an der Elbe wohnen, die Leichen aus dem Wasser
fischen und ihnen bei sich Ruhe in der Erde gönnen».141 Wie viele Tote
genau in die Elbe geworfen wurden, hat keiner gezählt und festgehalten:
eine Schätzung von 8000 findet sich in einem Brief Leonhard Wolffs, der
als kaiserlicher Soldat an der Eroberung Magdeburgs teilgenommen hat.14:
Tote, bei denen man wusste, um wen es sich handelte, wurden mitunter
auf einem Friedhof bestattet. Wolff weist aber auch darauf hin, dass man
Die Vernichtung Magdeburgs 475

bei Aufräumarbeiten in den Kellern der abgebrannten Häuser - nicht sel­


ten suchte man dabei nach vergrabenen Wertgegenständen - noch lange
danach Tote fand, die in den Kellern erstickt waren: «Was sich versteckt
ist vom Rauch erstickt, daß man in einem Keller 40 bis 50 Personen findet.
... Es ist aber, weil die Keller zumteil verfallen sind, noch nicht die Hälfe
eirunden.»143 Vor seiner Zerstörung hatte Magdeburg um die 25000 Ein­
wohner; einige davon hatten die Stadt rechtzeitig verlassen, andere hatten
sich aus dem Umland dorthin geflüchtet. Hinzu kamen die 2500 Soldaten,
die man zur Verteidigung geworben hatte und von denen fast alle getötet
wurden. Von der Einwohnerschaft dürften etwa 5000 Menschen überlebt
haben. Man kann also davon ausgehen, dass beim Untergang Magdeburgs
11m die 20 000 Menschen den Tod gefunden haben.144 Bedenkt man, dass
bei der größten Schlacht des Dreißigjährigen Krieges, der von Breiten­
feld, um die 12 000 Soldaten getötet wurden,145 so war der 20. Mai, an dem
Magdeburg unterging, der blutigste Tag in der gesamten Geschichte des
Krieges.
«Diese Stadt», schreibt Leonhard Wolff, «so zuvor an Reichtum, Stärke,
Kaufmannschaft und anderer Nahrung der berühmtesten eine gewesen ist,
ist innerhalb 10 Stunden so erbärmlich ruiniert, ihr Gedächtnis erloschen,
der Reichtum zerschmolzen und auf den Grund ausgebrannt, daß manch’
Uebergebliebener die Stätte, da sein Haus gestanden, nicht zu finden
weiß.»146 Der Untergang Magdeburgs sei schrecklicher gewesen, «als es zu
Troja, glaub’ ich, zugegangen ist».147 «E s ist gewiß seit der Zerstörungjeru-
salems», so Pappenheim am Tag nach der Katastrophe, «kein gräulicheres
Werk und Strafe Gottes gesehen worden.»148 Papst Urban V III. gratulierte
Tilly zu seinem Erfolg und schrieb ohne jegliche Anteilnahme: «Wenn er
die Vergeltung sieht, freut sich der Gerechte; er badet seine Füße im Blut
des Frevlers.»149 Das war die eine Richtung, in der das furchtbare Ereig­
nis gedeutet wurde: Man war zum Zeugen der gerechten Strafe geworden,
die Gott über das stolze und hochmütige Magdeburg verhängt hatte. Als er
Magdeburg «in Glut und Asche liegen» sah, so der Offizier Georg Acker­
mann, der bis 1627 auf Seiten der Protestanten gekämpft hatte und nach
der Kapitulation Wolfenbüttels in ein Regiment Pappenheims eingetreten
war, habe er darin «Gottes sonderbare Allmacht und Strafe» erkannt, und
Der in Merians Theatrum Europaeum veröffentlichte Kupferstich zu der
Belagerung Magdeburgs und dem Sturmangriff der Truppen Tillys auf
die vorgelagerten Bastionen ist die wohl bekannteste Abbildung von den
Kämpfen des Dreißigjährigen Krieges. Der Stich fasst, wie die meisten
Schlachtbilder der Zeit, unterschiedliche Etappen des Ringens um
S S-N itcia. (T V hf Ldt"Fragen

,u
’ - ~ j J i . Barfüßer j s S Ca/JuuJta
»• ^ - - «-r t -JC.

Magdeburg zusammen. Die Kampfhandlungen der unteren Bildhälfite


fallen in die Wochen vor der Eroberung, die Feuersbrunst am Rand der
Stadt oben links gehört bereits zum 20. Mai, als die Stadt erobert und
eingeäschert wurde. Da der Brand noch nicht um sich gegriffen hat, ist die
Handelsstadt an der Elbe ein letztes Mal in ihrer ganzen Pracht zu sehen.
478 D IE Z E IT D ER G R O SSE N SC H L A C H T E N

auch Leonhard Wolff meint, die Stadt hätte nicht im ersten Sturm genom­
men werden können, «wo nicht Gott sie wegen der übergroßen Hoffahrt
und Sünde gestraft hätte».150 Die an der Erstürmung (und vermutlich auch
Plünderung) Beteiligten erzählten ihre Verantwortlichkeit weg, indem sie
von Gottes Strafe sprachen und sich selbst als Werkzeug eines letztlich
heilsgeschichtlichen Geschehens kleinredeten. Man darf darin wohl eine
Form der Traumabewältigung sehen.
Aber wie ließ sich ein solcher Gewaltexzess in der Öffentlichkeit recht-
fertigen? Eine Erklärung dafür war, dass sich in Magdeburg die gesamte
Bürgerschaft am Kampf beteiligt hatte, so dass die Gewalt der Angreifer
auch die Zivilbevölkerung treffen musste. «Die Kaiserlichen», so Zacha­
rias Bandhauer, ein in Magdeburg geborener Prämonstratenser, Propst
des Klosters Jerichow, der die Erstürmung Magdeburgs aus dem Lager des
Tilly sehen Heeres vor der Stadt beobachtete, «hatten nunmehr die Mau­
ern inne und die meisten, die sie in der Furie erreichen konnten, und beson­
ders, was Waffen trug, niedergemacht. Aber die Bürger und Soldaten bega­
ben sich oben in die Häuser, daraus sie größeren Schaden taten mit Steinen
und anderen Waffen, als auf dem Wall geschehen.»151 Die Behauptung, es
sei angesichts einer fanatisierten Bürgerschaft gar nicht möglich gewesen,
zwischen Kombattanten und Nonkombattanten zu unterscheiden, findet
sich auch in einer Wiener Zeitung, die am 31. Mai über den Fall Magdeburgs
berichtete: «Und hat man, daß die Belagerten also halsstarrig und verwegen
gewesen, daß auch da sie gesehen, daß es schon mit ihrem Tun und Weh­
ren verloren und vergebens gewesen, jedoch sich jung und alt, Mann und
Weib, ja auch die Kinder von 7 und 8 Jahren mit Steinwerfen und heißem
Wasser gießen aufs äußerste gewehrt, und letztlich, da sie ganz übermannt
sich gesehen, die Stadt selbst an unterschiedlichen Orten angezündet und
eine solche Brunst verursachet, ob welchem die Unsrigen erbittert und nit
allein die darin gelegenen Soldaten, sondern auch die meisten Bürger und
gemeinen Pöbel niedergehaut und die Stadt Gottlob erobert.»152
Der Verweis auf die Schuld der Magdeburger Bürger, die sich am
Widerstand beteiligt und schließlich sogar das Feuer selbst gelegt hätten,
geht mit der Erzählung einher, Tilly habe alles unternommen, um den
Brand zu löschen. So schrieb Zacharias Bandhauer in seinem Tagebuch:
Tilly reitet in eine Stadt hinein, die im Begriff steht, in einer gewaltigen
Feuersbrunst unterzugehen. Der um 1890 entstandene Holzstich nach
einem Gemälde von Emil Klein hält das Entsetzen des Generals und der
ihn begleitenden Soldaten fest. Nur flüchtig huscht der Blick über die toten
Leiber und leidenden Menschen, die rechts und links des von Trümmern
gesäumten Weges am Boden liegen. Das Bild zeigt die Ohnmacht des
Siegers just in dem Augenblick, da er eigentlich sein Ziel erreicht hat.
480 D IE Z E IT D ER G R O SSE N SC H L A C H T E N

«Tilly wollte gern, das Feuer wäre gelöscht worden und die Stadt erhalten,
rief den Soldaten zu, sie sollten niemand mehr umbringen, der Sieg wäre
schon ihrer; sie sollten löschen helfen, er verhieße ihnen gute Belohnung.
Es war aber nicht möglich zu retten, denn das Feuer wegen des angelegten
Pulvers gar zu geschwind überhand genommen. [... ] Tilly bemühte sich
auch sehr, die Ueberwundenen beim Leben zu erhalten, aber die Feuers­
brunst hatte mehr Schaden getan als die Soldaten.»153 Und auch Georg
Ackermann, der am Sturm beteiligte Offizier, berichtet: «Aber den Herrn
General Tilly jammerte die schöne Domkirche und ließ alsbald 500 Fuß­
soldaten zum Löschen kommandieren und war selber dabei; er erhielt dar­
auf so nicht allein den Dom, sondern auch das schöne Kloster [Unserer
Lieben Frauen] und alle Häuser am Domplatz.» Dem stellt Ackermann
das Verhalten der Magdeburger gegenüber: «E s wollte sich aber kein ein­
ziger Bürger von den Waffen zum Löschen begeben, sondern fochten an
allen Enden der Stadt unaufhörlich und verzweifelt mitsamt der Reiterei,
worüber wir unsere Kräfte verloren.»154 Neben der Vorstellung einer Strafe
Gottes, die über Magdeburg gekommen sei, steht somit die Erklärung, die
Bürger Magdeburgs seien selbst für den Untergang ihrer Stadt verantwort­
lich, da sie sich den Löscharbeiten verweigert hätten. A uf der anderen Seite
habe Tilly nicht nur seine Soldaten zum Löschen befohlen, sondern sich
auch selbst daran beteiligt.
Es gab eine weitere Möglichkeit, sich von der Schuld freizusprechen,
die sich schon bei Bandhauer findet. Dabei ging es um die Frage, wer für
die Feuersbrunst verantwortlich war, der sehr viel mehr Menschen zum
Opfer fielen als den Waffen der Eroberer. Wo vom erbitterten Widerstand
der Einwohner die Rede ist, wird zumeist auch behauptet, es habe sich bei
dem großen Brand um eine von den Verteidigern selbst vorbereitete Aktion
gehandelt: Sie hätten Pulverladungen in den Häusern deponiert und diese
entzündet, als klar war, dass Tilly die Stadt erobert hatte. Dafür aber hätte in
Magdeburg Pulver im Überfluss vorhanden sein müssen, wogegen Berichte
sprechen, die einen zuletzt spürbaren Mangel verzeichnen. Dass man den
Brand systematisch vorbereitet hat, ist unwahrscheinlich, nachdem sich
große Teile der Bürgerschaft am Nachmittag des 19. Mai aufVerhandlungen
mit Tilly eingestellt hatten. Außerdem hätte eine solche «Verteidigungs­
Die Vernichtung Magdeburgs 481

maßnahme» vorausgesetzt, dass in der Bürgerschaft eine große Geschlos­


senheit herrschte, was nicht der Fall war. Otto Gericke (nach der Adelung
im Jahre 1666 von Guericke), Ratsmitglied und für das Bau- und Fes-
mngswesen Magdeburgs zuständig, berichtet, der Konflikt zwischen bei­
den Parteien innerhalb der Bürgerschaft sei mit dem Untergang der Stadt
keineswegs zu Ende gewesen. «Insgemein aber, weil zwei Parteien in der
Stadt waren (die eine für den Anschluß an Schweden, die andere dagegen),
legte ein Teil die Schuld auf den andern und waren sie also vor wie nach
der Eroberung ganz heftig wider einander.»155 Das macht eine kollektive
Selbstvernichtung unwahrscheinlich.
Unbestritten ist, dass Pappenheim, nachdem seine Sturmtruppen in
die Stadt eingedrungen waren, eine Reihe von Häusern in Brand setzen ließ.
So schreibt Bandhauer, als Parteigänger der Kaiserlichen ein in dieser Frage
verlässlicher Gewährsmann: «Als Pappenheim gesehen, daß er solchen
starken Widerstand gefunden und auf der andern Seite noch nichts unter­
nommen worden, hat er seinen Soldaten befohlen, ein paar Häuser bei dem
Wall und der Stadtmauer in Brand zu stecken, damit teils die Magdeburger
erschräken, teils seine Soldaten wegen des Rauchs über sich beim Herauf­
kommen auf den Wall von den Magdeburger, die stark auf sie Feuer gaben
auf sie schossen], nicht gesehen wurden und einander unterstützten und
den furieusen Magdeburgern besser begegnen konnten.»156 Ackermann,
der Offizier, nennt einen weiteren Grund für das Anzünden der Häuser:
Pappenheim habe auf diese Weise versucht, «die Bürger von den Waffen
abzubringen und zum Löschen zu veranlassen».157 Das von den Eroberern
eelegte Feuer wäre auf die Häuser an Wall und Mauer und ein paar angren­
zende Straßenzüge beschränkt geblieben, wenn nicht ein starker Wind mit
wechselnden Richtungen eingesetzt hätte, durch den die Flammen ange­
rächt und das Feuer über die ganze Stadt verteilt wurde. Gericke berichtet,
dass das «Morden, Brennen, Plündern, Peinigen, Prügeln», bei dem «mit
gräulichem Mordgeschrei viel tausend unschuldige Menschen, Weiber
und Kinder kläglich ermordet» worden seien, etwas länger als zwei Stun­
den angedauert habe, als «durch den unversehens zustoßenden Wind das
Feuer überhand genommen, das zwar anfangs Pappenheim den Bürgern
zum Schrecken einzulegen befohlen, nachmals aber die gemeine Solda­
482 D IE Z E IT D ER G R O SSE N SC H L A C H T E N

teska hierin keine Vorsicht und Aufhören gewußt hat. Um 10 Uhr vormit­
tags hat alles in Feuer gestanden und um 10 Uhr Nachts hat die ganze Stadt
völlig in der Asche gelegen.»158
Was ein begrenzter und nach den Kämpfen leicht zu löschender Brand
geblieben wäre, wurde durch den Zusammenbruch der Ordnung, auf Sei­
ten der Besiegten wie auf Seiten der Sieger, zu einem um sich greifenden
Flächenbrand. Doch auch der wäre vermutlich auf ein bestimmtes Stadt­
viertel beschränkt geblieben, wenn nicht die starken Windböen hinzuge­
kommen wären. Dass die Zahl der Toten so hoch war, hatte wiederum mit
der in den Straßen tobenden Kriegsgewalt zu tun, denn viele Menschen
blieben in den Häusern und versteckten sich im Keller oder auf dem Dach­
boden, wo sie verbrannten oder erstickten.
Nun gab es für sie gute Gründe, im Haus zu bleiben und nicht auf die
Straße zu flüchten, wo eine rasende Soldateska die Männer auf der Stelle
tötete und die Frauen vergewaltigte, einzeln oder in Gruppen. Es drangen
jedoch auch Soldaten in die Häuser ein, einzeln oder in kleinen Gruppen,
um nach Geld und Schmuck, Stoffen und Kleidern zu suchen. Dazu muss­
ten sie freilich mit den Hausbewohnern sprechen oder ihnen Gewalt andro­
hen, um zu erfahren, wo etwas versteckt war. War es aber erst einmal zur
«Kooperation» zwischen Hausbewohnern und Plünderern gekommen,
schwand auch der unmittelbare Gewaltimpuls, und die Soldaten zogen wei­
ter. Dann folgten die nächsten Plünderer, und solange die Hausbewohner
noch etwas anzubieten hatten, standen die Chancen gut, die Begegnung zu
überleben. Kritisch wurde es erst, wenn die Bewohner vollkommen ausge­
plündert waren.159 Dann versteckten sie sich, um der Wut der Soldaten zu
entgehen, und dabei hofften sie, dass diese das Haus nur verwüsten und
weiterziehen würden. Aber die letzten Soldaten verließen die Häuser erst,
als diese schon in Brand geraten waren - mit der Folge, dass die Bewohner
darin verbrannten oder erstickten.
In den Stunden vor dem Untergang der Stadt im Feuer kam es in Mag­
deburg zu einer Orgie der Vergewaltigungen, wie der Prämonstratenser
Bandhauer bezeugt: «Weil es noch früh war, als sie [die Soldaten] herein­
kamen, fanden sie noch viel Leut, Frauen und Jungfrauen in Betten, nah­
men sie warm heraus, ehe sie sich anziehen konnten, und führten sie gefan-
Die Vernichtung Magdeburgs 483

;en hinweg. [... ] Aber den meisten waren ihre Kleider ausgezogen, wenige
sind ungeschändet von den Soldaten weggelassen.»160 Auch ein Jesuiten­
pater namens Wiltheim berichtet von einer entfesselten Soldateska, die
tötete und vergewaltigte. Er habe entgegenkommende Soldaten ermahnt,
« die Frauenehre zu schonen und sich des Mordens zu enthalten, wie Tilly
es befohlen hatte. Aber ach, schon waren alle Straßen gepflastert mit den
nackten Leichen der Gemordeten. Öffentlich tobten unsere siegreichen
Soldaten ihre hündische Lust an den Frauen der Geschlagenen aus.»161
Die beiden Geistlichen haben die Gewaltexzesse vor dem großen
Brand festgehalten und sich damit dem wohl furchtbarsten Ereignis des
Krieges gestellt, das sich nicht auf die Magdeburger schieben oder als Strafe
Gottes einordnen ließ. Wiltheim ist so weit gegangen, in diesen Gewaltor-
Sien den Grund dafür zu sehen, dass sich das bis dahin siegreiche in ein
besiegtes Heer verwandelte. Magdeburg wurde zum zentralen Element in
einer Kette von Ursachen, die erklären sollten, warum die Siegesserie des
kaiserlichen Heeres zu Beginn der 1630er Jahre riss und Tilly, der bislang
in allen Schlachten gesiegt hatte, danach zum Verlierer wurde. «A m ein-
drücklichsten», so der Germanist Michael Schilling, «hat das Blatt <Mag-
deburger Laug> den Zusammenhang von Zerstörung und anschließender
göttlicher Strafe inszeniert. Aus dem brennenden Magdeburg am linken
Bildrand bringen Pferdefuhrwerke Säcke voll Asche, die von Engeln auf
einen Haufen geschüttet und mit den Tränen der Opfer zu einer scharfen
Lauge verarbeitet wird. Mit eben dieser Lauge waschen dann auf der rech­
ten Seite schwedische Soldaten unter Aufsicht König Gustav Adolfs den
kaiserlichen Truppen den Kopf. Im Hintergrund beobachtet die protestan­
tische Öffentlichkeit beifällig das Geschehen.»162 Diese theologisch-mora­
lische Erklärung der Kriegswende konkurriert mit politisch-militärischen
Erklärungen, bei denen die Überdehnung der kaiserlichen Macht oder tak­
tische Innovationen der Schweden im Zentrum stehen.
Es gab auf Seiten der Kaiserlichen aber auch einen ganz anderen
Umgang mit der Magdeburger Gewaltorgie. Dabei setzte man an der Volks­
etymologie der Stadt als «Mädchenburg» an und griff auf die in Soldaten­
kreisen verbreitete Metapher der Brautwerbung für die Belagerung einer
Stadt zurück.163 Städte wurden off als Frauengestalten personifiziert, wäh­
484 D IE Z EIT D ER G R O SSE N SC H L A C H T E N

rend die Anführer der sie belagernden Heere natürlich durchweg Männer
waren. Dem Namen der Stadt gemäß erschien Magdeburg als Jungfrau, und
eine solche stand auch im Mittelpunkt des Stadtwappens; der Kranz, den
sie in die Höhe hält, galt als Zeichen ihrer Unberührtheit.164 Magdeburg
hatte zweimal, 1551 und 1629, einer Belagerung durch kaiserliche Truppen
widerstanden. Die Jungfräulichkeit der Stadt war also, folgt man der Meta­
phorik, noch unversehrt. Im Frühjahr 1631, als die Kaiserlichen den Bela­
gerungsring enger zogen, pflanzte man aus Holz geschnitzte Jungfrauenfi­
guren auf die Stadttore, um zu zeigen, dass Magdeburg auch diesmal nicht
«genommen» werden könne. Nebenbei bedeutete das eine Provokation
für den Marienverehrer Tilly, dem hier eine andere Jungfrau als die Got­
tesmutter entgegengestellt wurde. «Sie hatten», so berichtet Bandhauer,
«au f dem Krökentor ein hölzernes Jungfrauenbild, gar schön geschnitzt
und farbig geputzt, [von] einer ziemlichen Größe, lassen aufsetzen, einen
Kranz auf den Kopf, anzudeuten, daß vor diesem zur Zeit Karls V. die Stadt
Jahr und Tag belagert gewesen und die Jungfrau dennoch ihr Kränzlein auf
dem Kopf behalten. Den anderen Kranz hielt sie in der linken Hand vor die
Brust, daß sie der Herzog von Friedland auch belagert anno Christi 1629.
Aber dennoch hat sie ihr Kränzlein noch behalten. Den dritten Kranz zeigte
sie mit dem rechten Arm ausgestreckt in die Höhe, als wollte sie anzeigen:
Trutz, wer ist so keck, der das Kränzle darf holen?»165
Jetzt da die Stadt erobert war, verkehrte sich die Symbolik der Jungfrau
ins Gegenteil: «Gott sei ewig gelobt», so Pappenheim in einem Schreiben
am Tag nach dem Sturm, «Magdeburg ist gedämpft, und ihre Jungfrau­
schaft ist hinweg.»166 Und schon bald sang man das höhnische Lied: «Vor
Jahren hat die alte Magd / Dem Kaiser einen Tanz versagt. / Jetzt tanzt sie
mit dem alten Knecht, / So geschieht dem stolzen Mädchen recht. / Es
war nie keine Nuß so hart, / Die endlich nicht aufbissen w ard.»167 Eher
melancholisch als übermütig kommentiert Bandhauer das Geschehen:
«Aber der alte Bräutigam General Tilly hat’s gewagt und geholt. Über die­
sen Kranz und diesen Sieg hat sich aber Tilly nicht gefreut, sondern schwer
seufzend beklagte er das Schicksal der Stadt.»168 Bei Bandhauer findet sich
auch die Bemerkung, die hölzerne Jungfrau vom Krökentor habe nach der
Eroberung der Stadt zerschossen, verstümmelt und verbrannt im Graben
Die Vernichtung Magdeburgs 48s

vor der Stadtmauer gelegen; auch das war ein Symbol dessen, was Magde­
burg ereilt hatte.
Tilly war also alles andere als ein glänzender Sieger. Im Gegenteil, der
Untergang Magdeburgs wurde für ihn zum strategischen Desaster. Das
zeigte sich als Erstes in der Logistik: Tilly hatte darauf gesetzt, dass er in
der reichen Elbmetropole seine Truppen über einige Zeit versorgen und
die Elbfestung zu seinem Waffenplatz für den Feldzug gegen Gustav Adolf
machen könnte. An beides war nach dem Brand der Stadt nicht mehr zu
denken. Die unsicheren und in sich widersprüchlichen Bewegungen, die
Tilly sein Eleer in den kommenden Monaten machen ließ,169 sind auch
darauf zurückzuführen, dass ihm mit dem Brand von Magdeburg der
Angelpunkt seiner Operationen abhandengekommen war. Tillys Versuch,
nach Mecklenburg einzudringen, um die dortigen Ressourcen zu nutzen,
scheiterte daran, dass Gustav Adolf am Zusammenfluss von Havel und
Eibe bei Werben ein festes Lager bezogen hatte. Tilly wollte die Schwe­
den zu einer Schlacht zu provozieren, aber Gustav Adolf ließ sich darauf
nicht ein, woraufhin Tilly wieder abzog. Nun bat er Maximilian und den
Kaiser darum, mit seinem Heer nach Sachsen einrücken zu dürfen, was
chm jedoch nicht erlaubt wurde; man befürchtete in München und Wien,
Johann Georg damit in die Arme Gustav Adolfs zu treiben. Tilly war
gezwungen, den Sommer weithin tatenlos zu verbringen. Noch schlimmer
aber waren die propagandistischen Folgen, die der Untergang Magdeburgs
nach sich zog: War Tilly bis dahin das Image vom «Mönch im Harnisch»
zu eigen gewesen, so wurde er nun als «Jungfrauenschänder» dargestellt,
wobei die Metaphern um Magdeburg und das tatsächliche Verhalten sei­
ner Soldaten verbunden und auf den Oberkommandierenden projiziert
wurden.170 Tilly hat in Magdeburg unwiederbringlich den Nimbus verlo­
ren, gegen den selbst Münden und Neubrandenburg nichts hatten ausrich-
:en können.171 Die Folgen sollten sich schon bald auch auf dem Schlacht-
:eld zeigen.
486 D IE Z E IT D ER G R O SSE N SC H L A C H T E N

Entscheidungszwang und Entscheidungsvermeidung:


Johann Georg von Sachsen

Gustav Adolf war, obwohl er der Stadt nicht zu Hilfe gekommen war, der
politische Gewinner des Magdeburger Untergangs. Mit dem Kaiser und
der Liga, die ein solches Blutbad angerichtet hatten, konnten die protes­
tantischen Stände unmöglich verhandeln; es blieb nur die Wahl zwischen
Unterwerfung oder bewaffnetem Widerstand, und Letzterer bedeutete,
dass sie sich den Schweden anschlossen. «Wir sind leider verloren», soll
Johann Georg ausgerufen haben, als man ihm die Nachricht vom Unter­
gang Magdeburgs überbrachte. «Niemand gewinnt dem Tilly was ab; ich
sitze der in die Höhe ausgeschlagenen Flamme am nächsten!»172 Es waren
indes nicht nur Tilly und sein unterversorgtes Heer, die Johann Georg in
Bedrängnis brachten, sondern auch eine kleine Schrift Gustav Adolfs, in
der dieser erklärte, warum er Magdeburg nicht hatte unterstützen können:
Die Hauptschuldigen in dieser Apologie waren die Kurfürsten von Bran­
denburg und Sachsen, von denen Gustav Adolf «nicht habe wissen können,
ob sie Freund oder Feind» seien. Die Politik der «dritten Partei», auf die
der sächsische Kurfürst bisher gesetzt hatte, war nach der Eroberung Mag­
deburgs desavouiert.173
Der Kurfürst hatte den Augenblick verpasst, um auf Augenhöhe mit
dem schwedischen König zu verhandeln. A uf Grundlage der Leipziger
Schlusserklärung hätte Johann Georg als Repräsentant des politischen Pro­
testantismus in Deutschland auftreten und mit diesem Anspruch die Bünd­
nisverhandlungen führen können; nach dem Untergang Magdeburgs und
angesichts des Vorwurfs, durch seine Zögerlichkeit den Entsatz der Stadt
verhindert zu haben, war das nicht mehr möglich. Es war auch deswegen
nicht mehr möglich, weil Gustav Adolf von nun an konsequent die Stra­
tegie verfolgte, nicht mit einem durch den Kurfürsten vertretenen Corpus
Evangelicorum zu verhandeln, sondern nur noch Bündnisse mit einzelnen
protestantischen Fürsten oder Ständen zu schließen. Da man befürchtete,
Tilly werde die Eroberung Magdeburgs zum Ausgangspunkt einer großen
Offensive machen (was er nicht tat), blieb keine Zeit für eine Taktik des
Entscheidungszwang und Entscheidungsvermeidung 487

Hinhaltens und Hinauszögerns, mit der man den König doch noch zu Ver­
handlungen mit Johann Georg als dem Repräsentanten des deutschen Pro­
testantismus hätte zwingen können. Waren Tilly und der Kaiser die logisti­
schen und propagandistischen Verlierer der Magdeburger Katastrophe, so
war Johann Georg ihr politischer Verlierer. Durch Tillys unentschlossenes
Handeln, sein Umherirren zwischen Unstrut, Werra und Havel, wurde
Gustav Adolf im Sommer 1631 zum militärischen Profiteur der Magdebur­
ger Katastrophe: Er konnte ganz Mecklenburg unter seine Kontrolle brin-
jen, bevor er Anfang Herbst auf einem Feld nordwestlich von Leipzig Tilly
in einer großen Schlacht besiegte.
Gustav Adolfs neue politische Strategie wurde in einer Denkschrift von
Dr. Jakob Steinberg mit dem Titel Normafuturarum actionum entwickelt.174
Steinberg schlug vor, grundsätzlich nur mit einzelnen Reichsständen Bünd­
nisse abzuschließen und darauf zu bestehen, dass dem König für die Dauer
des Krieges das «absolute Direktorium» in allen militärisch-strategischen
Fragen eingeräumt wurde. Die Bündnispartner sollten sich verpflichten,
-<die Schweden mit Geld und Leuten zu unterstützen, ihnen ihre Festun-
jen zur Verfügung zu stellen und im Bedarfsfall für Quartiere und Ver-
pdegung zu sorgen».175 An die Stelle eines horizontalen Bündnissystems,
m dem die Mehrheit der Mitglieder über die Strategie entschied, die der
Bündnisoberste verfolgen sollte, trat damit ein vertikales Bündnissystem,
m dem Gustav Adolf allein die Entscheidungen traf. Dabei konnte er sich
mit den Bündnispartnern beraten und auf ihre Wünsche und Vorstellungen
emgehen, aber sie vermochten nicht, ihn auf bestimmte Schritte und Hand­
lungen zu verpflichten. Die in der «Eventualkonföderation» mit Hessen-
Kassel verfolgte Linie wurde so zur allgemeinen politischen Linie: Ja, es
gab ein Corpus Evangelicorum, doch es bestand nur in den aufsummierten
Einzelbündnissen der protestantischen Reichsstände mit Schweden.
Der Erste, der sich dieser Politik Gustav Adolfs beugen musste, war der
Kurfürst von Brandenburg. Er hatte den Schweden die strategisch wichtige
Festung Spandau überlassen, damit diese Magdeburg entsetzten, aber nach
dem Untergang der Stadt wollte er die Festung zurückhaben; außerdem
bestand er auf seiner Neutralität im Konflikt zwischen König und Kai­
ser. Für Gustav Adolf hätte das bedeutet, dass er die Havellinie aufgeben
488 D IE Z E IT D ER G R O SSE N SC H L A C H T E N

und sich auf die Oderlinie zurückziehen musste.176 Unter dem Eindruck
der Magdeburger Katastrophe hatte Gustav Adolf zeitweilig über diesen
Rückzug nachgedacht, doch als Tilly untätig bei Magdeburg verharrte und
anschließend ziellos nach Thüringen und Hessen marschierte, beschloss
der Schwedenkönig, an der Havellinie festzuhalten. Dafür brauchte er
jedoch ein Bündnis mit Brandenburg. Um den zögerlichen Georg Wilhelm
dazu zu zwingen, wählte Gustav Adolf ein doppeltes Vorgehen: Einerseits
drohte er, seine Truppen aus Brandenburg abzuziehen und das Land Tillv
zu überlassen, der es gewiss gründlich aussaugen werde; andererseits posi­
tionierte er starke Kontingente nahe Berlin und ließ Kanonen auffahren, als
habe er vor, den Kurfürsten anzugreifen. Er wollte endlich wissen, woran
er mit Brandenburg war. «Unsere Tractate [Verhandlungen] mit dem Kur­
fürsten von Brandenburg», schrieb er am 4. Juni an Feldmarschall Hom
«haben einen sehr seltsamen Verlauf; was den einen Tag abgehandelt ist
wird den andern umgestoßen, so daß wir uns auf keine Weise versichert
halten können.»177
Gut zwei Wochen später, am 21. Juni, gab Georg Wilhelm klein bei unc
schloss einen Vertrag, in dem er Gustav Adolf für die Dauer des Krieges das
Besatzungsrecht für Spandau einräumte, dazu das Recht, im Notfall die Fes­
tung Küstrin mit eigenen Truppen zu besetzen, und schließlich die Zahlung
monatlicher Kontributionen in Höhe von 30 000 Reichstalern als Entgelt
für die Abwehr Tillys. Brandenburg stand damit in einem Klientelverhält­
nis zu Gustav Adolf. Nur aus einer Notlage heraus und weil die Schweden
Druck auf ihn ausgeübt hätten, sei er dieses Bündnis eingegangen, Heß
Georg Wilhelm in Briefen an den Kaiser und den sächsischen Kurfürsten
mitteilen. Der Kaiser nahm die Erklärung nicht an, sondern forderte Georg
Wilhelm ultimativ auf, allen kaiserlichen Mandaten und Ermahnungen zu
folgen und in ein Bündnis gegen Schweden einzutreten. Für Johann Georg
wiederum war klar, dass Brandenburgs Bündnis mit Schweden die erste
Bresche im Leipziger Bund war und dass ihr weitere folgen würden. Der
Druck auf Johann Georg wuchs noch dadurch, dass Herzog Wilhelm von
Sachsen-Weimar sich durch Tillys Marsch in Richtung Unstrut und Werra
genötigt sah, seine gemäß den Leipziger Beschlüssen angeworbene Armee
wieder aufzulösen und nach Dresden unter den Schutz Johann Georgs zu
Entscheidungszwang und Entscheidungsvermeidung 489

IwMi D as Flugblatt stellt den


'^U- ÄHusfittftm/ IStanöfttBura- Anschluss Brandenburgs und
Sachsens an Schw eden im Ja h r
1631 als B ündn is im Zeichen
b iblischer Verheißungen dar.
D ie drei M änner - G ustav A d o lf
in der M itte, Jo h an n G eorg von
Sachsen und G eorg W ilhelm
von B randenburg zu beiden
Seiten - stehen einträchtig b ei­
sam m en. D as K leeblatt (latei­
nisch trifo liu m ), au f dem sie
stehen, ist ein Sinnbild des fe s­
ten B andes, das sie um schlingt.
So sind sie vom K leeblatt
über das verknotete Tuch in
H üfthöhe bis zum Sym bol des
G öttlichen über ihnen dreifach
m iteinander verbunden - alle­
gorisch w ird h ier beschw oren,
was p olitisch fragil ist.

flüchten.178 Gewährte der Kurfürst ihm Schutz, ergriff Johann Georg Par­
tei, und seine Neutralität war in Frage gestellt; verweigerte er dagegen den
Schutz, so kündigte er selbst die Leipziger Beschlüsse auf und dankte als
Haupt des politischen Protestantismus in Deutschland ab. Johann Georg
musste sich entscheiden, auch deswegen, weil Wilhelms Bruder Bernhard
sich nicht nach Dresden, sondern ins Feldlager Gustav Adolfs begeben
hatte, um sich diesem als Offizier zur Verfügung zu stellen. Die Weima­
rer zeigten so, welche zwei Optionen die deutschen Protestanten hatten.
Johann Georg musste nun beweisen, dass er tatsächlich eine Option war.
Die endgültige Festlegung des Kurfürsten erzwangen indes der Kaiser
und Tilly. Der Kaiser verbot Johann Georg den Aufbau des Heeres, den der
m sächsische Dienste getretene Feldmarschall Arnim organisierte. Hinzu
kam eine Erklärung Tillys, in der es hieß, der Augsburger Religionsfrieden,
auf den sich die kursächsische Politik durchweg berief, sei nur ein Inte­
rim. Früher einmal seien die Katholiken dazu gezwungen worden, als die
Protestanten übermächtig waren und ihnen Vorschriften machen konnten,
490 D IE Z E IT D ER G R O SSE N SC H L A C H T E N

jetzt aber, da sich das Blatt gewendet habe und die Katholischen im Vor­
teil seien, müsse man auch den Religionsfrieden neu verhandeln.179Johann
Georgs kaisertreue Gesinnung sei ihm zwar bekannt, fuhr Tilly fo rt, doch
er müsse ihn auffordern, sein Heer wieder aufzulösen, weil es zu Irritatio­
nen und Missverständnissen führe, die sich später nicht mehr korrigieren
ließen. Tilly trat um einiges resoluter auf, als das sonst seine Art war. Er
hatte inzwischen vom Kaiser freie Hand bekommen, zur Elbe vorzustoßen
und in das Territorium des Kurfürsten einzudringen, wenn Johann Georg
nicht zu einer «wirklichen Deponierung der Waffen» bereit sei, «sondern
einen abschlägigen oder auch nur einen verzuglichen Bescheid erfolgen»
lasse.180 Der Kaiser wollte auf den sächsischen Kurfürsten hinfort keine
Rücksicht mehr nehmen. Kursachsen sollte sich den kaiserlichen Anord­
nungen unterwerfen, oder Tilly würde das Land besetzen. Auch der Kaiser
verweigerte sich also dem kurfürstlichen Neutralitätsanspruch.
Doch Tilly rückte vorerst nicht bis zur Elbe vor, sondern marschierte
zur Havel nach Werben, wo es ihm, wie berichtet, nicht gelang, Gustav
Adolf aus seinem gut befestigten Lager herauszulocken. Noch traute dieser
sich eine offene Feldschlacht gegen Tilly nicht zu. Derweil war in Tillys
Rücken ein weiterer Unruheherd entstanden, denn Landgraf Wilhelm V.
von Hessen-Kassel ging nun mit einem 7000 Mann starken Heer gegen die
an Werra und Fulda stehenden kaiserlichen Besatzungen vor.181 Im Unter­
schied zu dem immer noch zögerlichen sächsischen Kurfürsten hatte der
Landgraf eine Entscheidung getroffen und am 22. August sein Bündnis mit
Schweden öffentlich gemacht. Das war nicht ungefährlich für ihn, denn
aus Süddeutschland rückten starke kaiserliche Verbände unter Egon von
Fürstenberg und Otto Heinrich von Fugger heran. Sie waren bislang damit
beschäftigt gewesen, die von den evangelischen Ständen im Süden gemäß
den Leipziger Beschlüssen geworbenen Truppen zu zerstreuen. Fürsten­
berg aber zog an Hessen-Kassel vorbei, denn Tilly hatte ihm den Befehl
gegeben, sich mit seinen Regimentern dem Hauptheer anzuschließen und
mit ihm in Kursachsen einzufallen. Damit war die Zeit des Zauderns und
Zögerns in Dresden zu Ende: Am 12. September wurde das Bündnis zwi­
schen Gustav Adolf und Johann Georg geschlossen. Fünf Tage später kam
es bei Breitenfeld zur Entscheidungsschlacht.
Breitenfeld, die blutigste Schlacht des Krieges 491

Breitenfeld, die
blutigste Schlacht des Krieges

Dass es zur Schlacht bei Breitenfeld kam, war unter anderem die Folge einer
doppelten Fehlannahme. Gustav Adolf ging davon aus, er sei nach der Ver­
bindung mit den Truppen des sächsischen Kurfürsten seinem Gegner an
Soldaten deutlich überlegen. Tilly hingegen nahm an, er habe es nur mit
der sächsischen Armee zu tun, als er sich entschloss, nördlich des von ihm
eingenommenen Leipzig eine Schlachtaufstellung gegen den anrückenden
Feind einzunehmen. Hätte er gewusst, dass er es mit dem bei Düben ver­
einigten Heer der Sachsen und Schweden zu tun bekommen würde, hätte
er sicherlich noch ein paar Tage gewartet, zumindest bis die 6500 Vetera­
nen eingetroffen wären, die durch Thüringen heranzogen und zum Zeit­
punkt der Schlacht etwa 100 Kilometer von Leipzig entfernt waren. Hätte
er noch etwas länger gewartet, wäre Fugger mit weiteren 10 000 Mann
dazugekommen. So aber waren die Heere der Schweden und Sachsen
am 17. September 1631 den kaiserlich-ligistischen Truppen zahlenmäßig
überlegen: Die Schweden verfügten über 24 900 Mann, die Sachsen über
18 300 Mann, beide zusammen also über 43 200 Mann, denen auf Seiten
Tillys 32 000 Mann gegenüberstanden.182
Da Tilly einen Tag früher als Gustav Adolf auf dem Terrain zwischen
den Dörfern Podelwitz und Göbschelwitz eintraf, nahm er die zunächst
günstigere Position ein: Er bezog in dem ebenen Gebiet auf einem leichten
Höhenzug nach Norden hin Stellung, so dass ihm die Sonne im Rücken
stand. Schweden und Sachsen mussten nicht nur gegen die Sonne mar­
schieren, sondern hatten am Vormittag auch starken Gegenwind, der auf
den ausgetrockneten Feldern Sand und Erde aufwirbelte.183 Obendrein
hatte Tillys Heer auf dem Schlachtfeld übernachtet, während die Truppen
Gustav Adolfs und des Kurfürsten in Kampfformation vorrückten und erst
gegen Mittag die vorgesehenen Gefechtspositionen erreichten. Robert
Monro, der mit seinem schottischen Regiment an der Schlacht von Breiten­
feld teilnahm, hält in seinen Kriegserlebnissen fest, Tilly habe «das Gelände
höchst vorteilhaft für die Aufstellung seiner Infanterie, der Reiterei und
491 D IE Z EIT D ER G R O SSE N SC H L A C H T E N

V on 162s bis 1649 hat der


kaiserlich-ligistische Söldner
Peter H agendorf in einem
Tagebuch festgehalten,
was ihm w iderfahren ist -
in einer bem erkensw ert
sorgfältigen Schrift.
O ffenbar hat H agendorf
seine Aufzeichnungen um
1647/48 in eine system atische
N iederschrift gebracht. Das
Tagebuch H agendorfs wurde
1988 von Ja n Peters in der
H andschriftenabteilung der
B erlin er Staatsbibliothek
gefunden. E s scheint 1803 aus
dem Nachlass eines Predigers
dorthin gelangt zu sein.

der Artillerie ausgesucht» und der Feind sei nicht nur durch das Gelände,
sondern auch durch «die Windrichtung und den Sonnenstand» begüns­
tigt gewesen.184 Bereits beim Anmarsch gerieten die Schweden und Sach­
sen unter schweres Feuer der kaiserlich-ligistischen Kanonen, das sie nicht
erwidern konnten, weil ihre eigenen Geschütze erst in Stellung gebracht
werden mussten. «Wir rückten», so Monro, «in Schlachtaufstellung unter
Trompetengeschmetter, Trommelklang und mit fliegenden Fahnen vor, bis
wir in den Feuerbereich der Artillerie des Feindes kamen. [... ] Die ganze
Zeit über, in der wir unter Kanonendonner und dem Heulen und Jaulen der
heranfliegenden Kanonenkugeln nach dem Schlachtplan aufmarschierten,
feuerte der Feind in unsere Reihen, wo die Geschosse, wie man sich vorstel­
len kann, große Verluste hervorriefen.»185
Monro bemüht sich, das Schlachtgeschehen präzise darzustellen.
Man kann davon ausgehen, dass der kriegserfahrene Mann das, was er
beschreibt, auch so wahrgenommen hat; aber das war keineswegs bei allen
Soldaten der Fall. Für die übliche Wahrnehmung des Geschehens dürfte
Breitenfeld, die blutigste Schlacht des Krieges 493

eher der Bericht des Soldaten Peter Hagendorf typisch sein, der freilich im
Verband der kaiserlich-ligistischen Truppen diente. Hagendorf berichtet,
wie man Anfang September nach Leipzig zog, die Stadt belagerte und nach
ihrer Übergabe in Richtung Norden marschierte, wo man sich mit dem
schwedischen König schlug - das alles ohne Blick für die Bedeutung der
Schlacht oder ein tiefergehendes Interesse am Schlachtverlauf. Er fasst die
Ereignisse von etwas mehr als einer Woche in wenigen Zeilen zusammen;
er beginnt mit der Belagerung Leipzigs: «Hier das Lager aufgeschlagen,
alsbald geschanzt, Laufgräben gemacht, die Kanonen aufgefahren und die
Stadt beschossen. Den 7. September da haben sie mit Akkord die Stadt samt
dem Schloß aufgegeben und sind abgezogen den 7. September im Jahr 1631.
Da sind wir im Lager wohlauf gewesen die Zeit über, bis der Schwede ist
angekommen. Den 17. September nach Eroberung der Stadt [Leipzig] ist
der König [Gustav Adolf] mit ganzer Macht samt der sächsischen Armee
angekommen. Da sind wir ihm entgegengegangen, über zwei Stunden
gemeint ist der Marsch vom Leipziger Lager auf den leichten Höhenzug
zwischen Podelwitz und Göbschelwitz]. An diesem Tag sind wir geschla­
gen worden, die ganze bayrischen Armee, ausgenommen diese 4 Regimen­
ter nicht, nämlich Pappenheim, Wallies, Wangier und Jung-Tilly. Denn wir
sind auf dem rechten Flügel gestanden und sind auf den Sachsen getroffen,
die haben wir alsbald in die Flucht geschlagen. Da wir vermeint haben, wir
haben gewonnen, ist aber unser linker Flügel ganz geschlagen gewesen. Da
haben wir uns auch müssen wenden. Zu allem Glück kommt uns die Nacht
auf den Hals, sonst wären wir auch kaputt gemacht worden.»186
Die Wahrnehmung und Beschreibung eines Schlachtverlaufs kann also
erheblich variieren.187 In der Wiedergabe Hagendorfs ist das Geschehen auf
ein Mindestmaß beschränkt, vor allem geht es um die Folgen für ihn selbst:
Er gehörte zu den Geschlagenen, wiewohl die eigenen Einheiten zunächst
erfolgreich waren; das Wichtigste für ihn aber war, mit heiler Haut davon­
gekommen zu sein. Hagendorfs Blick ist auf seine unmittelbare Umgebung
gerichtet. Das ist es, was ihn beschäftigt; alles andere hält er nur insofern
für erwähnenswert, als es ihn mehr oder weniger betrifft. Der «Blick von
unten», die Wahrnehmung des einfachen Soldaten, verbindet sich hier mit
einer radikal subjektiven Sichtweise, dementsprechend eingeschränkt ist
494 D IE Z E IT D ER G R O SSE N SC H LA C H T EN

das Blickfeld. Der Verlauf der Schlacht in seinen einzelnen Abschnitten war
für Hagendorf ohne Relevanz, zumal er selbst keinen Einfluss darauf hatte.
Er war ein Teil der Massen, die von den Feldherren bewegt wurden, und
worauf es für ihn ankam, das teilte er mit. Wäre Hagendorfs Bericht das
einzige historische Zeugnis über die Schlacht von Breitenfeld, könnten wir
schwerlich ermessen, was sie für den Fortgang des Krieges bedeutet hat.
Dem steht der Blick vom Feldherrnhügel gegenüber, der das gesamte
Geschehen erfasst, das eigene Zentrum, die beiden Flügel, dazu den Gegner
und dessen Aufstellung; der die feindlichen Bewegungen in ihrer Bedeu­
tung für den Schlachtverlauf zu begreifen versucht, um Befehle zu eigenen
Gegenmaßnahmen geben zu können, und beobachtet, ob und wie sie aus­
geführt werden - kurzum: der weit genug reicht für Aktion und Reaktion.
Dieser Blick vom Feldherrnhügel ist freilich eine idealisierte Position, die
von den wirklichen Feldherren nur für kurze Zeit oder gar nicht eingenom­
men wurde. Bei Breitenfeld dürfte Tilly in der Anfangsphase der Schlacht
eine solchen Stellung eingenommen haben. Gustav Adolf dagegen ist an
diesem Tag zu keinem Zeitpunkt in dieser Position gewesen: Sein Auf­
marschraum bot keine Erhöhungen, von denen aus man das Schlachtfeld
überblicken konnte, der König und seine Umgebung befanden sich in der
Bewegung, und obendrein hatte Gustav Adolf die Angewohnheit, sich an
den Stellen des Kampfgeschehens aufzuhalten, wo er gebraucht zu werden
glaubte. Er neigte dazu, «von vorne» und nicht vom Feldherrnhügel aus zu
führen; das konnte er sich freilich nur leisten, weil er in der Lage war, sich
ein Bild von der Schlacht zu machen, als ob er sie vom Feldherrnhügel aus
überblicken würde. Hatte die Schlacht erst einmal begonnen, so war die
Sicht durch den Rauch der Musketen und Kanonen sowie den bei Kavalle­
rieattacken aufgewirbelten Staub ohnehin so stark beeinträchtigt, dass man
sich auf seine Vorstellungskraft verlassen musste.
Dass die Wahrnehmung der Schlacht sehr unterschiedlich ausfallen
kann, gilt auch für den retrospektiv arbeitenden Historiker, der sich ent­
weder auf den imaginierten Feldherrnhügel stellt und von dort das Gesche­
hen überblickt oder sich selbst ins Kampfgetümmel stürzt und so tut, als
stünde er an der Seite eines der Kämpfer. Beides stimmt mit dem tatsäch­
lichen Blickfeld der jeweiligen Akteure nicht unbedingt überein: Der His­
Breitenfeld, die blutigste Schlacht des Krieges 49S

toriker auf dem Feldherrnhügel sieht sehr viel mehr, als der Feldherr im
Augenblick der Schlacht sehen konnte, und vor allem weiß er mehr, als der
Feldherr in der konkreten Situation wissen konnte. In gewisser Hinsicht
trifft das auch auf jenen Historiker zu, der sich in die Lage des einfachen
Soldaten hineinversetzt, denn sein Bericht ist raumzeitlich sehr viel stärker
strukturiert, als die unmittelbare Wahrnehmung der Kampfsituation das
zulässt. Wie auch immer das Geschehen durch den Historiker beschrieben
wird - es ist klarer und geordneter, als es die Beteiligten wahrgenommen
und im Nachhinein selbst dargestellt haben.
Oberst Monro nimmt bei alldem eine mittlere Position ein: Er befindet
sich mitten im Gefecht, muss aber mehr erfassen als nur die unmittelba­
ren Vorgänge, um seine Soldaten dirigieren und die eintreffenden Befehle
ausführen zu können. Unter feindlichem Feuer hatte man am Vormittag
des 17. September schließlich die vorgesehenen Positionen erreicht; dann
wurden die eigenen Geschütze in Stellung gebracht, durch Schanzkörbe
rechts und links gegen Musketenfeuer gesichert und auf den Feind aus­
gerichtet. Bis dahin hatten, sieht man von den Scharmützeln der Plänkler
und der leichten Reiterei einmal ab, nur die aufmarschierenden Schweden
und Sachsen Verluste erlitten. Tilly hatte den Geländevorteil und seinen
Zeitvorsprung genutzt. «Dann», so Monro, «brüllten unsere Kanonen
los, große und kleine, und zahlten dem Feind mit gleicher Münze zurück.
Dieses Artilleriefeuer dauerte dann auf beiden Seiten etwa zweieinhalb
Stunden. Während dieser Zeit standen unsere Schlachtreihen der Infante­
rie und der Kavallerie fest wie eine Mauer, obwohl die Kanonenkugeln ab
und zu große Lücken in die Formationen unserer Leute rissen. Aber durch
die Wachsamkeit der Offiziere und dadurch, dass alle Hände mit anpackten,
wurden die Lücken sofort wieder geschlossen, und die Verwundeten wur­
den auf die Seite zu den Feldschern gebracht. So standen die Offiziere fest,
überblickten ihren Kommandobereich, und einer trat für den anderen ein,
wenn sich eine Gelegenheit dazu ergab.»188
Monro hatte schon eine Reihe von Gefechten hinter sich und war nicht
leicht aus der Fassung zu bringen. Man darf unterstellen, dass er auch an
diesem Vormittag den Überblick behielt. An einer so großen Schlacht wie
der bei Breitenfeld hatte er jedoch noch nicht teilgenommen. Außerdem
49<5 D IE Z E IT D ER G R O SSE N SC H LA C H T EN

war er in der beschriebenen Situation nicht nur Beobachter: Er gehörte zz


den Offizieren, die dafür sorgten, dass die Lücken geschlossen wurden, die
feindliche Kugeln in die Aufstellung gerissen hatten. Auch wenn die Infan­
terieformationen noch gar nicht ins Gefecht eingegriffen hatten, musste er
doch ständig Kommandos geben und sicherstellen, dass seine Einheit unter
dem feindlichen Artilleriefeuer nicht auseinanderfiel. Das Krachen der
Kanonen und die Schreie der Sterbenden dürften seine Sinne in Anspruch
genommen haben. Monros im Gestus unmittelbarer Authentizität verfass­
ter Bericht bietet eine strukturierte Ordnung, die Monro erst im Rückblick
in die Darstellung hineinerzählt hat, und dabei entsteht auch der heroische
Ton, der das Erzählte überwölbt. Das alles muss man in Rechnung stellen
wenn man Monros Bericht liest. Er ist eine der wichtigsten Quellen, auf
deren Grundlage Spätere den Verlauf der Schlacht von Breitenfeld rekon­
struiert und dargestellt haben.189

Tilly und Gustav Adolf scheinen sich bis zum Vorabend des 17. Septem­
ber nicht sicher gewesen zu sein, ob sie die Schlacht annehmen sollten,
die ihnen ihr jeweiliges Gegenüber offenbar anbot. Es waren andere, die
ihnen die Entscheidung abnahmen oder zumindest erleichterten: bei
Tilly einmal mehr der ungestüme Pappenheim und bei Gustav Adolf der
gerade erst als Verbündeter gewonnene Kurfürst von Sachsen, der darauf
drängte, den in sein Land eingedrungenen Feind so schnell wie möglich
wieder hinauszuwerfen. Anscheinend hat der König erwogen, Tillys Heer
mit Diversionsoperationen aus Kursachsen herauszudrängen und dabei
eine Entscheidungsschlacht zu vermeiden. Das entsprach dem damaligen
Stand der Kriegslehre: Bei einer Schlacht ließ man sich auf eine Fülle von
Unwägbarkeiten ein, man begab sich in die Hand der Glücksgöttin Fortuna,
bei der man nicht wusste, wem sie gewogen war. Dagegen hatte man in der
Manöverstrategie, dem Operieren gegen die Versorgungslinien des Feindes,
die Vorgänge sehr viel besser unter Kontrolle. Seit der Vereinigung mit dem
sächsischen Heer war Gustav Adolf dem Gegner zahlenmäßig überlegen,
doch was die gerade erst geworbene sächsische Armee zu leisten imstande
war, hatte sie noch nicht unter Beweis gestellt. Die sächsischen Rekruten
mussten sich gegen Tillys altgediente, in vielen Schlachten erprobte Krie-
Breitenfeld, die blutigste Schlacht des Krieges 497

ger behaupten. Am Schluss setzten sich bei Gustav Adolf die politischen
gegen die militärischen Argumente durch, und der König ließ sich auf die
Schlacht ein. Seinem Temperament entsprechend tat er dies, nachdem er
die Entscheidung erst einmal getroffen hatte, mit großer Entschlossenheit.
Bei Tilly lagen die Dinge etwas anders: Er war dem anrückenden Feind
von Leipzig aus entgegenmarschiert, wie oben dargestellt in der Annahme,
es handele sich nur um die sächsische Armee. Dann trafen Meldungen ein,
dass auch die Schweden heranzogen, und das hieß, dass der Gegner kräf­
temäßig überlegen war. Tilly berief einen Kriegsrat ein und gab zu beden­
ken, ob es nicht besser sei, den Zuzug der Verstärkungen abzuwarten und
sich erst dann zur Schlacht zu stellen. Feldmarschall Pappenheim vermu­
tete hinter diesem Vorschlag einmal mehr jene Zögerlichkeit, über die er
sich off beklagte. Er hatte kein Zutrauen mehr zu Tillys Urteilskraft und
Entscheidungsfähigkeit. Mit einer starken Kavallerieeinheit unternahm er
einen Erkundungsvorstoß nach Norden, um sich Klarheit darüber zu ver­
schaffen, auf wen man treffen werde. Er stieß auf sächsische Kavallerie, die
er in die Flucht schlug; Gefangene ließ er mit der Bemerkung zum eigenen
Heer bringen, man habe es offenbar doch nur mit den Sachsen zu tun. Til­
lys Aufforderung, sich zurückzuziehen, folgte Pappenheim nicht. Schließ­
lich stieß er auf die Hauptarmee des Gegners und teilte Tilly mit, jetzt sei
ein Rückzug zu gefährlich, er brauche 2000 Mann Verstärkung.190 Da war
Tilly klar, dass Pappenheim ihn zur Schlacht zwingen wollte und er dem
nichts entgegenzusetzen hatte. «Dieser Kerl», soll er im Zorn gerufen
haben, «wird mich um meine Ehre und meinen guten R uf bringen und
den Kaiser um sein Land und sein V olk.»191
Vor Beginn der Schlacht wurden die Feldzeichen ausgegeben und der
Schlachtruf festgelegt: Auf Seiten Tillys handelte es sich um weiße Arm­
bänder und den R uf «Jesu M aria!»; bei Schweden und Sachsen war es ein
grüner Zweig, der am Hutband befestigt wurde, und der R uf «Gott mit
uns!». Tilly hatte seinen spanischen Vorlieben gemäß eine tiefe Aufstel­
lung gewählt, was daraufhinweist, dass er die Schlacht von Anfang an offen­
siv führen wollte. Im Zentrum waren die aus Musketieren und Pikenieren
zusammengesetzten Tercios schachbrettförmig angeordnet. Sie sollten
nach vorbereitendem Artilleriefeuer und Kavallerieattacken auf die gegneri-
498 D IE Z E IT D ER G R O SSE N S C H L A C H T E N

sehen Flügel den entscheidenden Stoß führen, und dabei vertraute Tilly auf
die Angriffswucht seiner Veteranen. Die Einheiten des linken Flügels kom­
mandierte Pappenheim, die des rechten Flügels Fürstenberg. Gustav Adolf
hatte sich für eine deutlich flachere Aufstellung entschieden; sie verschaffte
höhere Feuerkraft und größere Beweglichkeit, ließ aber nicht zu, derart
kraftvoll anzugreifen wie Tillys Tercios. Im Prinzip führte Gustav Adolf
das schwedische Zentrum selbst. Da er jedoch, wie oben angedeutet, die
Angewohnheit hatte, dorthin zu reiten, wo sich gerade das Hauptgeschehen
abspielte, übernahmen die Obersten Wolf Matthias von Teuffel und John
Hepburn das Kommando; Generalleutnant Johan Baner kommandierte
den rechten, Feldmarschall Gustav Horn den linken Flügel. Die schwedi­
sche Aufstellung war eher defensiv, und ein Offensivstoß sollte aus der Ver­
teidigung heraus geführt werden. Das sächsische Heer wiederum, das sich
an den linken Flügel der Schweden anschloss, hatte eine ganz eigene, eher
kompakte Aufstellung gewählt, bei der ebenfalls die Flügel von Kavallerie
und das Zentrum von Infanterieeinheiten gebildet wurden, wobei Kavalle­
rie und Infanterie in Form von Dreiecken mit der Spitze gegen den Feind
positioniert waren. Der erfahrene Feldmarschall Arnim, der, auch wenn
sich Kurfürst Johann Georg bei der Armee befand, de facto das sächsische
Heer führte, misstraute offenbar der Kampfkraft seiner Truppen und stellte
deswegen seine Regimenter so auf, dass sie sich gegenseitig Rückhalt gaben.
Wenn sie dem Angriff von Tillys rechtem Flügel standhalten würden, hat­
ten sie ihren Beitrag zur Schlacht geleistet.
Gustav Adolf entfaltete bei Beginn des Gefechts seinen starken rechten
Flügel - ob er das aus taktischen Überlegungen heraus tat oder nur, um
Sand und Staub auszuweichen, mag dahingestellt bleiben - , so dass der
ihm gegenüberstehende Pappenheim sich immer weiter von Tillys Zen­
trum entfernte, zumal dieses sich nach rechts bewegte, da Tilly relativ früh
die Sachsen als Schwachstelle der gegnerischen Front ausgemacht hatte.
Dadurch entstand in Tillys Aufstellung eine Lücke zwischen dem linken
Flügel und dem Zentrum, in die Gustav Adolf hineinstieß, nachdem sein
eigener linker Flügel unter Horn am Nachmittag den Angriff der kaiserlich-
ligistischen Hauptmacht aufgefangen und zurückgeschlagen hatte. Zuvor
freilich hatte die Schlacht auf Messers Schneide gestanden, da ein Groß­
Breitenfeld, die blutigste Schlacht des Krieges 499

teil der sächsischen Armee dem Angriff von Tillys rechtem Flügel unter
Fürstenberg nicht standgehalten hatte und vom Schlachtfeld geflohen war.
Gustav Adolfs Plan ging auf: Aus einer stabilen Defensive heraus führte er,
nachdem sich der Gegner durch fortgesetzte Angriffe erschöpft hatte, den
entscheidenden Gegenangriff, den Tilly nicht mehr parieren konnte. Tilly
hatte keine Reserven mehr, denn diese waren in der offensiven Aufstellung
der Spanischen Tercios nicht vorgesehen.

In den Analysen der Schlacht von Breitenfeld ist immer wieder mit Erstau­
nen bemerkt worden, dass die beiden Flügel Tillys gleichzeitig angriffen.192
Das war damals unüblich; in der Regel lag zwischen den Attacken der Flü­
gel ein zeitlicher Abstand, so dass sich beobachten ließ, wo der Gegner stär­
ker und wo er schwächer war. Unklar ist auch, ob Pappenheim, der heim
Angriff den Anfang machte, während Fürstenberg unmittelbar danach
folgte, dies auf Weisung Tillys tat oder aber aus eigenem Entschluss han­
delte. Manches spricht für Letzteres. Das schwedische Artilleriefeuer, so
wird berichtet, habe eine furchtbare Wirkung in den Reihen des kaiserlich-
ligistischen Ffeeres gehabt. Die Verluste dürften doppelt so hoch gewesen
sein wie die in den Reihen der Schweden.193 Einmal mehr scheint Pappen­
heim zu dem Schluss gelangt zu sein, mit Tillys Zögerlichkeit verspiele man
den Sieg und ruiniere die Armee. Also ergriff er die Initiative und befahl
seinen Kürassieren anzugreifen. Die Schweden aber waren darauf vorbe­
reitet, und zwischen den Kavallerieeinheiten, denen Pappenheims Angriff
Salt, standen Musketiere, die seine 4000 Kürassiere mit Salvenfeuer emp­
fingen. Vor allem verfügten die Schweden über leichte Regimentskanonen,
die in den Reihen der Reiter aufgestellt waren und in schneller Folge in die
feindliche Kavallerie hineinschossen. Anstelle der traditionell gegen Reite­
reiattacken eingesetzten Pikenierhecke194hatte Gustav Adolf die Feuerkraft
seiner Musketiere erhöht und ihnen durch die Regimentskanonen zusätz­
lichen Rückhalt verschafft.
Als Pappenheim erkannte, dass seine Kavallerie die schwedischen Rei­
hen nicht aufbrechen konnte, zog er das seinem Flügel zugeordnete Infan­
terieregiment Holstein sowie die Arkebusierregimenter Merode und Picco­
lomini nach, um die schwedischen Linien seinerseits unter Salvenfeuer zu
5oo D IE Z E IT D ER G R O SSE N SC H L A C H T E N

nehmen. Zudem sammelte er erneut seine Kürassierregimenter, um den


schwedischen Flügel anzugreifen und aufzurollen. Dazu musste er noch
weiter nach links ausholen und entfernte sich so immer weiter von Tillys
Zentrum. Gustav Adolf winkelte daraufhin die am äußersten Rand seines
rechten Flügels stehenden Regimenter nach hinten ab und verstärkte sie
durch ein Kavallerieregiment seines zweiten Treffens. Sieben Mal soll Pap­
penheim mit seinen Reitern angegriffen haben, doch jedes Mal prallte der
Angriff an der schwedischen Feuerkraft ab. Am Nachmittag gegen vier Uhr
waren Pappenheims Reiter erschöpft und desorganisiert. Die Lücke zum
Zentrum war immer größer geworden, und in diese stieß nun, wie oben
bereits angedeutet, der von frischen Einheiten des zweiten Treffens vorge­
tragene schwedische Gegenangriff. Ihm hatte der linke Flügel des kaiser-
lich-ligistischen Heeres nichts mehr entgegenzusetzen. Er löste sich auf.
Der Erfolg der Schweden auf dem rechten Flügel wäre für den
Schlachtverlauf indes folgenlos geblieben, wenn es nicht Horn auf dem
linken Flügel gelungen wäre, die Flucht eines Großteils der sächsischen
Armee durch geschicktes Taktieren auszugleichen und den Stoß von Til­
lys rechtem Flügel sowie dessen Zentrum aufzufangen. Die von Fürsten­
berg kommandierte Kavallerieattacke hatte zunächst einen ganz anderen
Verlauf genommen als der von Pappenheim geführte Angriff: Unter ihrer
Wucht waren die sächsischen Infanterieregimenter auseinandergebrochen,
deren gesamte Artillerie war in die Hände der Angreifer gefallen, diese hat­
ten die Kanonen umgedreht und aus kurzer Entfernung in die Reihen der
Sachsen hineingeschossen. Einige Offiziere suchten die Ordnung wieder-
herzustellen, doch als sie dabei den Tod fanden, gab es kein Halten mehr
und die sächsische Armee floh vom Schlachtfeld. Als einer der Ersten floh
Kurfürst Johann Georg; erst in Eilenburg, mehr als zehn Kilometer vom
Schlachtfeld entfernt, machte er halt. Dieser Ort habe «den Namen nicht
vergebens gehabt, weil sie eilen mußten», spottete man im schwedischen
Lager.195 Das war eher zurückhaltend. Monro verlieh seiner Verachtung
für die Soldaten des Kurfürsten deutlicher Ausdruck: «Die ganze Nacht
[nach der Schlacht] über aber gaben die Sachsen, unsere tapferen Kame­
raden, Fersengeld, weil sie dachten, es sei alles verloren. Dafür plünderten
sie unsere Wagen und unser Gepäck als gute Belohnung für diese elenden
Breitenfeld, die blutigste Schlacht des Krieges S °l

Tröpfe, die ihren Herzog im Stich gelassen und die gute Sache und ihr Land
verraten hatten, während wir als Fremde unser Leben für ihre Freiheit ein­
setzten.»196
Es flohen indes nicht sämtliche sächsische Einheiten; mehrere Regi­
menter unter Feldmarschall Arnim hielten stand und zogen sich kämp­
fend auf den linken Flügel der Schweden zurück. Zwei Faktoren entschie­
den den Ausgang der Schlacht zugunsten der Protestanten. Zunächst der
Umstand, dass Fürstenberg den rechten Flügel Tillys nach dem Sieg über
die Sachsen nicht unter Kontrolle behielt: Die Kroaten - und nicht etwa
die flüchtenden Sachsen selbst, wie Monro behauptete - plünderten die
sächsische Bagage,197 andere Einheiten verfolgten die Fliehenden und
standen damit für einen weiteren Angriff auf die Schweden nicht zur Ver­
fügung. Insgesamt gab man sich mit dem Sieg über die Sachsen zufrieden,
offenbar in der Überzeugung, damit habe man seine Schuldigkeit für die­
sen Tag getan. Es war also nur das Zentrum Tillys, das nun gegen den lin­
ken schwedischen Flügel vorstieß; durch die Untätigkeit Fürstenbergs war
inzwischen jedoch so viel Zeit vergangen, dass Gustav Horn sich auf die
neue Lage einstellen und eine geschlossene Abwehrlinie entlang der Straße
von Leipzig nach Düben bilden konnte. Die schwedische Kavallerie deckte
die durch die Flucht der Sachsen offene Flanke. Horn stellte sie in einem
abknickenden Winkel zur Infanterie auf, deren Position er nur geringfü­
gig verändern musste. Das ging schnell, und es entstanden keine Lücken.
Inzwischen hatte auch der Wind gedreht und blies nun den kaiserlich-ligis-
tischen Truppen Staub und Qualm entgegen.
Damit begann nach den Kämpfen auf beiden Flügeln die dritte Phase
der Schlacht. Tillys Zentrum rücke in drei Säulen zum Angriff vor. Sie tra-

A u f der folgenden Doppelseite: Der Kupferstich aus Merians Theatrum Euro-


paeum zeigt die Entwicklung der Schlacht bei Breitenfeld aus Sicht der
siegreichen Schweden. Gustav Adolfs linker Flügel geht zu einem massi­
ven Angriff vor, dem die Kaiserlichen nicht standhalten können. An ihrem
hinteren Rand lösen sich Tillys Einheiten auf. Ganz links stehen verlassene
Kanonen, die auf die Flucht der Sachsen hindeuten. Währenddessen geht
das in mehrere Treffen gegliederte schwedische Zentrum zusammen mit
dem linken Flügel zum Angriff über. Der Kupferstecher hat den Kampf der
Infanteriemassen ins Zentrum seiner Darstellung gerückt; wer sich in das
Bild hineinliest, findet darin eine bemerkenswert analytische Schlachtdar­
stellung.
S °4 D IE Z E IT D ER G R O SSE N SC H L A C H T E N

fen auf eine schwedische Formation, die nach den von Gustav Adolf modi­
fizierten Vorgaben der oranischen Strategielehre aufgestellt war, also nicht
in tiefen Blöcken, sondern in zweimal sechs Gliedern, einem ersten und
einem zweiten Treffen. Dazwischen überall leichte Kanonen, mit denen die
Feuerkraft der Musketiere erhöht wurde. Schon die ersten Salven brach­
ten Tillys Tercios zum Stehen. Die so entstandene Verwirrung ausnutzend,
gingen die Schweden zum Pikenangriff über, trieben die Tercios auseinan­
der und schlugen sie in die Flucht. Als auch die schwedische Kavallerie zur
Attacke überging, schlossen sich weitere, bislang noch unerschütterte Ein­
heiten den Fliehenden an. Die Auflösung des kaiserlich-ligistischen Heeres
nahm ihren Anfang, als Gustav Adolf das Zentrum seiner Aufstellung in die
durch Pappenheims Linksschwenk entstandene Lücke hineinstoßen ließ.
Am Nachmittag des 17. September hörte Tillys Veteranenarmee, die in
den zurückliegenden zehn Jahren von Sieg zu Sieg geeilt war, auf zu beste­
hen. Sie habe, so William Guthrie, aus den besten Soldaten Europas bestan­
den.198 Diese galten als unbesiegbar. Insofern ging bei Breitenfeld auch
ein Mythos zugrunde, der bis dahin das militärische Planen und Handeln
beider Seiten bestimmt hatte. Damit veränderten sich die Konstellationen
des Krieges von Grund auf. Am Abend auf dem Schlachtfeld, als aus zer­
brochenem Kriegsgerät wärmende Feuer entzündet wurden,199 dürfte das
den wenigsten klar gewesen sein. Die Folgen der Schlacht sollten sich aber
schon bald darauf zeigen.

Gustav Adolfs Siegeszug


durch Deutschland

Drei Tage nach seinem großen Sieg bei Breitenfeld schrieb Gustav Adolf,
er habe allen Grund, «Gott zu danken, daß er uns mildigliche beschützt
hat in einer so evidenten Gefahr, wie wir kaum je zuvor in einer gewe­
sen».200 Ein ums andere Mal hatte er sich dorthin begeben, wo der Kampf
am härtesten tobte, um durch Befehl und Vorbild für die eigene Seite die
Oberhand zu gewinnen. Zugleich war dem Lutheraner Gustav Adolf die
Gustav Adolfs Siegeszug durch Deutschland SOS

Xähe des Todes stets präsent: Er hielt sich weder für unverwundbar, noch
war er der Überzeugung, Gott werde ihn in allen Gefahren beschützen. In
seiner Abschiedsrede vor Reichsrat und Reichstag beim Aufbruch nach
Deutschland hatte er erklärt: «Und da es die Regel ist, daß der Krug so
oft zum Brunnen geht, bis er schließlich bricht, so wird das auch mit mir
nicht anders geschehen, daß ich, der ich in so vielen Gefahren und bei so
Gelen Gelegenheiten mein Blut für das Wohlergehen des schwedischen
Reiches vergossen habe, obgleich ich bisher durch den gütigen Schutz Got­
tes mit dem Leben davongekommen bin, dieses letztendlich doch verlie­
ren muß.»201 Bei Breitenfeld war der Tod am König vorübergegangen. Das
war für Gustav Adolf nicht selbstverständlich, und so begann er einen Brief
vom 20. September auch mit dem tiefen Bedauern über den «Verlust so
tapferer Männer», fuhr dann aber fort, der errungene Sieg sei von unend­
licher Wichtigkeit gewesen. Gustav Adolf hatte schnell erfasst, dass dieser
Sieg einen Wendepunkt des Krieges darstellte.202
Die Schweden konnten die auf dem Schlachtfeld erlittenen Verluste
von etwa 3000 Mann - die sächsischen Verluste allein dürften ebenso hoch
gewesen sein - leicht ausgleichen, indem sie ihre Regimenter mit gefangen
genommenen Soldaten des Gegners wieder auffüllten. Und nicht nur das:
Sie konnten neue Einheiten aufstellen und so das Heer weiter vergrößern.
Größere Probleme waren dabei nicht zu erwarten, denn viele Soldaten des
kaiserlichen Heeres waren Protestanten, und das Charisma des Siegers,
dem die Söldner neben der Aussicht auf regelmäßige Bezahlung folgten,
war nun von Tilly auf Gustav Adolf übergegangen. In einem am Tag nach
der Schlacht im schwedischen Heerlager verfassten Schreiben heißt es,
Tilly habe «in etwa 5 Stunden (so lange währte die Schlacht) seine Repu­
tation verloren», denn man habe gesehen, «daß Tilly auch eine Schlacht
verlieren kann».203 Tilly selbst war in der Schlacht verwundet worden;
600 Fußsoldaten und 1500 Reiter hatten ihn, der auf einer Bahre transpor­
tiert werden musste, vom Schlachtfeld eskortiert, zunächst nach Leipzig
und dann nach Halle, wo er medizinisch versorgt wurde. Auch er war dem
Tod nur knapp entgangen: In der Schlussphase der Schlacht, als sich die
Tercios in Auflösung befanden, hatte ein hochgewachsener schwedischer
Offizier dem General, der bereits durch mehrere Pistolenschüsse verwun-
Der Kupferstich bezieht sich auf den Sieg Gustav Adolfs über Tilly hei
Breitenfeld: Kurfürst Johann Georg schlägt mit seinem Stab dem aus den
Schüsseln «R eligion » und «R e g io » naschenden Tilly auf die Finger,
und Gustav Adolf bedroht ihn mit einer Schale. Tilly ist die Verkörperung
aller Laster: Er steht auf den Kugeln «B e tru g » und «M issgu n st», seine
Arme heißen « G eiz» und «T yran n ei». Gustav Adolf als Verkörperung
von «S tä rk e » und Johann Georg als «Verletzte G eduld» klären den
kaiserlichen General über ihre als Konfekt allegorisierten Werte auf:
«H eilig ist unß diß Confect / drum schlagen wir dich billich w eg.»

det war, im Kampfgetümmel seinen Karabiner in den Nacken geschlagen


Er hätte den kleinen und schmächtigen Tilly überwältigt, wenn nicht Her
zog Franz Albrecht von Sachsen-Lauenburg herangaloppiert wäre und den
Schweden mit seiner Reiterpistole vom Pferd geschossen hätte.204 Tilly
genas wieder, die kaiserlich-ligistische Armee aber war bei Breitenfeld ver
nichtet worden.205
Nach Breitenfeld stand Deutschland für Gustav Adolf offen. In protes
tantischen Flugschriften wurde er als Retter und Held gefeiert. Aber wohin
Gustav Adolfs Siegeszug durch Deutschland S °7

sollte er sich wenden? Beim Kriegsrat in Halle vom 24. bis 26. September
wurden drei Möglichkeiten diskutiert.206 Die erste Option war, den verblie­
benen Streitkräften des Feindes zu folgen, sie zunichtezumachen und Nord­
westdeutschland unter Kontrolle zu bringen. Diesen Vorschlag vertrat vor
allem der sächsische Feldmarschall Hans Georg von Arnim-Boitzenburg.
Die zweite Möglichkeit bestand in einem Vorstoß nach Südosten, entweder
entlang der Oder über Schlesien oder auf dem direkten Weg nach Böhmen,
um die kaiserlichen Erblande zu erobern, bis Wien vorzudringen und dem
Kaiser den Frieden zu diktierten. Diese «napoleonische Option» wurde
von einigen Offizieren vertreten, aber ihr wohl einflussreichster Fürspre­
cher, Kanzler Oxenstierna, war beim Kriegsrat in Halle nicht zugegen.207
Die dritte Möglichkeit lief darauf hinaus, von Sachsen aus nach Südwesten
vorzustoßen und dabei in die «Pfaffengasse» einzufallen, also die reichen
Bistümer am Main, von Oberfranken bis zum Rhein, unter Kontrolle zu
bringen. Damit wurden der Liga die Finanzierungsgrundlagen entzogen,
und der südwestdeutsche Protestantismus, der sich seit Beginn der 1620er
Jahre dem Katholizismus hatte beugen müssen, konnte wieder in seine
alten Rechte eingesetzt werden. Dieser Option neigte der König selbst zu.
In allen drei Fällen gab es jedoch logistische Beschränkungen und
politische Faktoren, die genau zu bedenken waren. Bis das Heer wieder
in Bewegung gesetzt werden konnte, würde es Anfang Oktober sein; bis
zum Wintereinbruch musste man die wesentlichen Ziele erreicht haben,
und die Truppen sollten sich in einem Gebiet befinden, wo sie den Winter
über Quartier beziehen und versorgt werden konnten. Das sprach gegen
den Vorstoß auf Wien, denn bis Ende Herbst hätte man die Stadt kaum
eingenommen, und eine Belagerung im Winter war ausgeschlossen. Sol­
che jahreszeitlichen und logistischen Überlegungen standen weder der
Verlagerung des Krieges nach Nordwestdeutschland noch der nach Süd­
deutschland entgegen, wobei die Versorgungsmöglichkeiten in der bislang
vom Krieg verschonten «Pfaffengasse» deutlich besser waren als die in
Nordwestdeutschland, das in den letzten Jahren ein Hauptkriegsschauplatz
gewesen war. Den Ausschlag für den Vorstoß zu Main und Rhein dürften
aber die politischen Konstellationen gegeben haben, und dabei war, wie so
oft in der Koalitionskriegführung, der Blick auf den Freund wichtiger als
51° D IE Z E IT D ER G R O SSE N SC H L A C H T E N

der auf den Feind. Gustav Adolf hatte nicht vergessen, wie lange es gedauert
hatte, bis sich der sächsische Kurfürst ihm als Verbündeter angeschlossen
hatte, und nach wie vor misstraute er dessen Bündnisloyalität. Anderer­
seits hatte sich die sächsische Armee bei Breitenfeld nicht gerade rühm­
lich geschlagen, was die Verhandlungs- und Durchsetzungsmacht Johann
Georgs erheblich einschränkte. Gustav Adolf war politisch versiert genug,
das den sächsischen Kurfürsten nicht spüren zu lassen; vielmehr führte
er mit ihm ein Gespräch «von Sieger zu Sieger» und lobte Johann Georg
für den Mut, die Schlacht überhaupt gewagt zu haben. Über seine Flucht
vom Schlachtfeld wurde nicht geredet. Johann Georg wusste freilich, dass
sie jederzeit auf den Tisch kommen konnte, wenn er allzu fordernd auftrat
oder sich dem König entgegenstellte.
Der sächsische Kurfürst schlug vor, dass er sich selbst mit dem inzwi­
schen reorganisierten sächsischen Heer in Richtung Main und Rhein auf­
machte, um den dortigen Protestanten als Befreier zu Hilfe zu kommen;
Gustav Adolf hingegen solle den Krieg in Böhmen und Schlesien fortsetzen
und dabei versuchen, den Kaiser friedenswillig zu machen. Gustav Adolf
durchschaute Johann Georgs Plan: Der Sachse wollte sich aus dem Krieg
gegen den Kaiser heraushalten und selbst einen Feldzug mit Aussicht auf
große Beute führen. Dabei würde er wohl die Liga schwächen, aber deren
Oberhaupt, Kurfürst Maximilian von Bayern, nicht angreifen. Die Politik
der «dritten Partei» würde damit auf die politische Bühne zurückkehren:
Während Gustav Adolf mit dem Kaiser in Böhmen, Schlesien und Oberös­
terreich Krieg führte, würde der sächsische Kurfürst die reichsten Gebiete
Deutschlands unter seine Kontrolle bringen und sich mit dem bayerischen
Kurfürsten über Einflussgebiete und Interessengrenzen verständigen.
Gustav Adolf fürchtete, Johann Georg werde bei nächster Gelegenheit
zum Kaiser zurückkehren. Er entschied sich darum für die umgekehrte
Rollenverteilung und legte fest, dass die Sachsen in Schlesien und Böhmen
Krieg führen sollten, da Johann Georg in diesen an sein Land angrenzen­
den Gebieten ja auch eigene Interessen habe, während er, Gustav Adolf, mit
seinem Heer zum Main aufbrechen werde. Dort stehe ein harter Kampf
bevor, für den das sächsische Heer noch zu unerfahren sei, wie sich bei
Breitenfeld gezeigt habe. Johann Georg konnte dem schlecht widerspre­
Gustav Adolfs Siegeszug durch Deutschland SU

chen; nun musste er den Preis für seine Flucht vom Schlachtfeld doch noch
bezahlen.
Die Entscheidung von Halle legte indes ein politisch-strategisches
Dilemma Gustav Adolfs offen, über das er sich schwerlich im Klaren gewe­
sen sein dürfte, als er den Entschluss fasste, nach Deutschland zu gehen und
in den Krieg einzugreifen. Dabei ging es um die bereits erörterten Fragen,208
welche Motive für den König handlungsleitend waren: konfessions- oder
machtpolitische Ziele, und worin der Zweck des Krieges bestehen sollte: in
der Wiederherstellung des Augsburger Religionsfriedens oder in der Absi­
cherung der schwedischen Vormachtstellung an der Ostsee. Für Gustav
Adolf verbanden sich beide Motivkomplexe miteinander, und er stellte je
nach Lage den einen oder den anderen heraus. Er sah sich nie gezwungen,
Zweck und Ziel präzise zu bestimmen. Mit Clausewitz kann man sagen, im
Zweck ist festgelegt, was man mit dem Krieg erreichen will, während die
Ziele beschreiben, was man in dem Krieg erreichen will.209 Ging es allein
um die Sicherung der schwedischen Ostseehegemonie, so hatte Gustav
Adolf sie mit dem Sieg von Breitenfeld erreicht: Er kontrollierte Pommern
und Mecklenburg und hatte die kaiserlichen Truppen aus Nordostdeutsch­
land verdrängt. Gab es noch ein militärisches Ziel, das diesen Zweck beför­
dern konnte, dann war dies die Ausdehnung der schwedischen Macht auf
Nordwestdeutschland, bis hin zur Kontrolle der Elb-, Weser- und Ems­
mündung. Offenbar hatte Arnim mit seinem Vorschlag, den Krieg nach
Nordwestdeutschland zu verlagern, darauf spekuliert. Bestand der Zweck
des Krieges hingegen in der Verteidigung des deutschen Protestantismus,
so war die Eroberung Süddeutschlands das naheliegende Ziel. Anderer­
seits war der politische Zweck eines Krieges erst dann durchgesetzt, wenn
die Gegenseite den Sieg anerkannte. Das war nur in Form eines Friedens­
schlusses möglich, und über diese vierte Option ist in Halle nicht gespro­
chen worden.
Gustav Adolfbezweifelte, dass der Gegner bereit war, die Wiederherstel­
lung des Status quo bei Ausbruch des Krieges zu akzeptieren, und dass der
verbündete Kurfürst von Brandenburg eine schwedische Dauerherrschaft
in Pommern als Bestandteil der Ostseehegemonie hinnehmen würde, hielt
er für ebenso unwahrscheinlich. Das politische Dilemma des Schweden­
S li D IE Z E IT D ER G R O SSE N SC H L A C H T E N

königs bestand darin, dass der von ihm verfolgte Zweck im einen Fall von
einem Verbündeten und im anderen von der Gegenseite nicht anerkannt
werden würde. Also blieb ihm nichts anderes übrig, als vorerst weiter die
Bahn militärischer Siege zu beschreiten und darauf zu hoffen, dass irgend­
wann der Punkt erreicht war, an dem er das in dem Krieg Erreichte in das
mit dem Krieg zu Erreichende umwandeln konnte. Damit lief Gustav Adolf
jedoch Gefahr, sich entweder «zu Tode zu siegen» oder aber politische
Ziele formulieren zu müssen, bei denen er nicht mehr als Retter des Protes­
tantismus und Befreier Deutschlands auftrat, sondern als Beherrscher des
Reichs. Um Letzteres ging es, wenn während des an Breitenfeld anschlie­
ßenden Siegeszugs immer wieder vermutet wurde, der König wolle anstelle
Ferdinands deutscher Kaiser werden. Beim Kriegsrat in Halle hatte Johann
Georg dem Schweden zugetrunken, so berichtet der Diplomat Johan Adler
Salvius, und gerufen, er wolle nun mithelfen, «dass ihm die römische Krone
aufs Haupt gesetzt werde».210 Danach war diese Vorstellung in der Welt. Sie
war die Alternative zu einer Konstellation, in der Gustav Adolf von Sieg zu
Sieg eilen musste, ohne dass ein Ende in Sicht war.
Und dann waren da noch Richelieu, seit Bärwalde ein Verbünde­
ter Schwedens, sowie Wallenstein, mit dessen Rückkehr in den Krieg
man jederzeit rechnen musste. Für Richelieu waren Gustav Adolfs Siege
zunächst auch Siege Frankreichs. Der König aber war sich darüber im Kla­
ren, dass das nur galt, solange er nicht die Übermacht im Reich gewann
und keinerlei Gedanken an die Kaiserkrone verschwendete. In Frankreich
erwartete man, dass er die Habsburger lediglich zurückdrängte und sich
an die in Bärwalde gegebene Zusage hielt, gegenüber der Liga Neutralität
zu wahren.211 Mit dem Vorstoß in die «Pfaffengasse», Liga-Gebiet, zeigte
Gustav Adolf, dass er sich an die Vorgaben von Bärwalde nicht gebunden
fühlte; begründen konnte er das damit, dass auch Truppen der Liga sich bei
der Eroberung und Vernichtung Magdeburgs nicht an die von Frankreich
gewünschte Neutralität gehalten hatten. An Tillys Einfall in Kursachsen
und an der Schlacht bei Breitenfeld hatten sich ebenso Liga-Truppen betei­
ligt. Richelieu hatte es also schwer, wenn er den König auf die Vorgaben
von Bärwalde festlegen wollte. Außerdem war Gustav Adolf seit Breitenfeld
der glänzende Sieger, und dem daraus erwachsenen Führungsanspruch im
Gustav Adolfs Siegeszug durch Deutschland 513

deutschen Protestantismus ließ sich wenig entgegensetzen. Insofern war


Breitenfeld für Richelieu ambivalent: Es war auch ein französischer Sieg,
da hier die Vormachtstellung des Hauses Habsburg zertrümmert worden
war, doch gleichzeitig hatte dieser Sieg den politischen Spielraum Schwe­
dens gegenüber Frankreich erheblich vergrößert. Richelieu konnte kein
Interesse daran haben, dass die habsburgische Hegemonie in Deutschland
durch eine Hegemonie der Schweden abgelöst wurde, eine Entwicklung,
vor der Pere Joseph ständig warnte. Je größer die Erfolge Gustav Adolfs
waren, desto komplizierter wurde sein Verhältnis zu Frankreich.
Und Wallenstein? Kaiser Ferdinand hatte nach dessen Absetzung den
Kontakt zum Herzog von Friedland nie abreißen lassen und ihn mehrfach
um Gutachten zur militärischen Lage gebeten. In seinen Briefen redete er
Wallenstein als «General-Obristen Feldhauptmann» an.212 Für Ferdinand
und diejenigen unter seinen Räten, die gegen die Absetzung des Genera­
lissimus eingetreten waren, stellte Wallenstein so etwas wie eine politisch­
militärische Rückversicherung dar, zumindest für den Fall, dass Tilly sich
der Herausforderung, zwei Heere zu befehligen, nicht gewachsen zeigte.
Mit der Niederlage von Breitenfeld war dieser Fall eingetreten. Maximi­
lian von Bayern war zwar nach wie vor ein eingefleischter Gegner Wallen­
steins, aber Tillys Niederlage hatte seine Position gegenüber dem Kaiser
geschwächt. Der hatte mit Wallenstein eine denkbare Alternative. Der
bayerische Kurfürst dagegen hatte keine; er musste bedingungslos an Tilly
festhalten. Demgemäß schrieb Maximilian an Tilly: «Ihr werdet Euch in
nit geringer Bekümmernis befinden, derowegen ich Euch gnädigst kondo­
liere. Mir gereicht dies allein zum Trost, daß Ihr Euch, wie ich vernommen,
mit Eurer Person salvo retiriert [gerettet] habt; zumal wohl zu erachten ist,
daß man Eurer Person auf alle mögliche Weg nachzustellen nit unterlassen
wird. Es ist mir sehr unlieb zu vernehmen gewesen, daß Ihr am Arm und
Fuß verletzt worden; dennoch ist dem Allmächtigen billig zu danken, daß
er Euch hat so gnädiglich konservieren und erretten wollen. Haltet Euch
anjetz an solchen Orten und Enden, wo Ihr Euch am sichersten zu halten
getrauet.»213
Auch im katholischen Lager waren die Folgen der Schlacht somit ambi­
valent: Der Kaiser hatte eine schwere Niederlage erlitten und doch gegen­
S14 D IE Z E IT D ER G R O SSE N S C H L A C H T E N

über der Liga politischen Spielraum gewonnen. Maximilian würde fortan


nicht das Gewicht haben, eine Rückberufung Wallensteins zu verhindern,
wenn der Kaiser sie für erforderlich hielt. Aber würde Wallenstein über­
haupt bereit sein, ein zweites Mal das Oberkommando zu übernehmen?
Das war unklar, und so war er für den Kaiser bloß eine vage Option. Seit
Breitenfeld war Wallenstein jedenfalls wieder ein begehrter Mann: Der
Kaiser ließ vorfühlen, ob er mit ihm rechnen könne, wenn er ihn brauche;
Pappenheim drängte Wallenstein, von sich aus tätig zu werden und wie­
der in kaiserliche Dienste zu treten - «Gott und der Religion zu Dienst,
dem Kaiser und allgemeinen Vaterlande zu Hülfe», wie er an den Herzog
schrieb214 - , und selbst die protestantische Seite versuchte, Wallenstein auf
ihre Seite zu ziehen. Man vermutete, dass er nach seiner Entlassung Res­
sentiments gegen Kaiser und Liga hatte, und wollte verhindern, dass er der
Gegenseite wieder zur Verfügung stand. Dass Wallenstein in Fragen der
Konfession flexibel war, hatte man sehr wohl bemerkt. Er selbst nahm all
das mit Genugtuung zur Kenntnis, ließ sich aber auf nichts ein, zumal Kai­
ser und Liga vorerst noch auf Tilly setzten. Wallenstein hatte Zeit, denn er
konnte davon ausgehen, dass die Zeit für ihn arbeitete.

So ging der Krieg mit dem Vorstoß des schwedischen Heeres in Richtung
Mainfranken weiter. Wilhelm von Sachsen-Weimar nahm im Handstreich
Erfurt, eine protestantische Stadt, die politisch aber zu Kurmainz gehörte,
und am 2. Oktober 1631 zog Gustav Adolf dort ein. Hier verteilte der Schwe­
denkönig nach der Zuweisung Böhmens und Schlesiens an Sachsen inner­
halb seines eigenen Bereichs die Aufgaben: Wilhelm von Weimar sollte
Thüringen wieder unter seine Kontrolle bringen und dort neue Truppen
aufstellen; Johan Baner erhielt den Auftrag, Magdeburg zu erobern, in des­
sen Trümmern sich eine kaiserliche Garnison befand; Wilhelm V. von Hes­
sen-Kassel sollte seine Landgrafschaft von den dort stehenden feindlichen
Einheiten säubern; Äke Tott schließlich erhielt den Befehl, die mecklen­
burgischen Hafenstädte zu erobern und von da aus nach Niedersachsen zu
ziehen, um auch hier den Feind zu vertreiben.215 Nach Niedersachsen hatte
sich auch Tilly zurückgezogen, darum bemüht, die verbliebenen Einheiten
zu sammeln, den bei Breitenfeld verlorenen Artilleriepark durch Kanonen
Gustav Adolfs Siegeszug durch Deutschland 515

aus den Weserfestungen zu ersetzen und wieder ein schlagkräftiges Heer


auf die Beine zu stellen. Mitte Oktober hatte Tilly nach der Vereinigung mit
den Truppen Aldringens und Fuggers wieder 25 000 Mann zusammen, mit
denen er durch Hessen zum Main marschierte. In Aschaffenburg stießen
weitere 10 000 Soldaten unter Herzog Karl von Lothringen zu ihm.216 Das
war eine bemerkenswerte Leistung, die bewies, dass man vorerst nicht auf
Wallenstein zurückgreifen musste. Der Krieg konnte auch ohne ihn weiter­
gehen.
Am 6. Oktober standen Gustav Adolfs Truppen vor der zum Bistum
Würzburg gehörigen Festung Königshofen; sie waren damit in einen Kern­
bereich der katholischen Liga eingedrungen. Dass er deren Neutralität zu
achten habe, wie im Vertrag von Bärwalde festgelegt, interessierte Gustav
Adolf nicht. Nachdem die schwedische Artillerie einen Turm der Festung
zusammengeschossen hatte, kapitulierte die Besatzung. Die Soldaten wur­
den in schwedische Dienste übernommen, ihr Hauptmann nach Würzburg
geschickt, um anzukündigen, dass Gustav Adolf ihm bald folgen werde. Die
Residenzstadt des Fürstbischofs Franz von Hatzfeld war eine reiche Stadt
in einer wohlhabenden Region, und Gustav Adolf setzte darauf, dass sein
Heer hier überwintern konnte, falls das erforderlich werden sollte. Voraus­
setzung dafür war jedoch, dass er Würzburg unversehrt einnahm. Als die
Schweden am frühen Morgen des 14. Oktober vor der Stadt erschienen und
in die ungeschützten Vorstädte eindrangen, forderte Gustav Adolf bis zum
kommenden Vormittag die Kapitulation. Da Würzburg kaum befestigt und
der Fürstbischof geflohen war, willigten die Verteidiger ein. Die in der Stadt
befindlichen Truppen zogen sich in die Festung Marienburg zurück, die auf
der anderen Mainseite oberhalb der Stadt lag. Einige wohlhabende Bürger
schlossen sich mit ihren Familien den Soldaten an; ihre wertvollste Habe
nahmen sie mit.
Die Besetzung Würzburgs war für Gustav Adolf nicht viel wert, solange
die Marienburg in feindlicher Hand war, da der Gegner von dort aus die
Stadt beschoss. Die Marienfestung stand auf einem hohen Felsen und war
stark befestigt. Bei ihrem Rückzug aus der Stadt hatten die Verteidiger
einen Bogen der Mainbrücke herausgebrochen, so dass man die Brücke in
ihrem Mittelteil nur auf einer schmalen Planke passieren konnte oder aber
516 D IE Z E IT D ER G R O SSE N SC H L A C H T E N

mit Booten übersetzen musste. In beiden Fällen war man starkem Beschuss
ausgesetzt. Robert Monro meint, der Sturm auf die Marienburg sei «die
gefährlichste und wichtigste Aktion» gewesen, «die je während des Krie­
ges in Deutschland durchgeführt wurde».217
Was als unmöglich erschien, gelang: Stoßtrupps überquerten mit Boo­
ten den Main, danach folgten im Gänsemarsch Truppen über die schwan­
kende Planke, das alles unter heftigem feindlichen Feuer. Sie vertrieben die
Verteidiger aus den Schanzen und drängten sie in die Festung zurück. Am
frühen Morgen des darauffolgenden Tages konnten schwedische und deut­
sche Einheiten die Besatzung der dem Festungstor vorgelagerten Bastion
überrumpeln; als die Soldaten über den tiefen Graben in die Hauptfes­
tung flüchteten, folgten ihnen die Angreifer, so dass es nicht mehr möglich
war, die Zugbrücke hochzuziehen und die Fallgitter herunterzulassen. Die
Verfolger machten die Besatzung bis auf den letzten Mann nieder. Monro
berichtet, auf die Rufe, man solle «Quartier geben», also die übergabewil-
ligen Verteidiger gefangen nehmen, sei geantwortet worden, es gebe nur
«Magdeburger Quartier». Es waren indes nicht nur die Soldaten, die dem
Wüten zum Opfer fielen, sondern auch die in die Marienburg geflüchte­
ten Bürger mitsamt ihren Familien. «Z u dieser Zeit», so Monros Resü­
mee, «begünstigte das Glück S.M. [Seine Majestät] wie früher auch hier
wunderbar, indem ihm entgegen der Erwartung aller großer Reichtum in
die Hand fiel und er dazu noch viele Kanonen und einen großen Vorrat an
Munition gewann, nicht weniger Lebensmittel aller Art im Überfluß.»218
Das Blutbad, das die Eroberer anrichteten, zeigt ein weiteres Mal die
Nachwirkungen der Vernichtung Magdeburgs. Zwar war es auch zuvor
schon bei der Eroberung von Festungen zu Massakern gekommen, wie in
Münden und Frankfurt an der Oder, aber nun gab es auch noch eine Recht­
fertigung für das Massakrieren, nämlich den Anspruch auf Vergeltung für
Magdeburg. Dass sich stürmende Soldaten in einen Blutrausch hinein­
steigerten, war das eine; dass sie das als berechtigte Vergeltung betrachten
konnten, war ein anderes; und selbstverständlich galt eine solche Recht­
fertigung bei nächster Gelegenheit auch für die Gegenseite. So etablierte
sich ein neuer Kriegsbrauch, der jegliche Konvention missachtete und der
Gewalt keine Grenzen setzte. Das, was zuvor eine Ausnahme gewesen war,
Gustav Adolfs Siegeszug durch Deutschland 5 17

wurde zur allgemeinen Praxis. Die Marienburg wurde indes nicht «mag-
deburgisiert», also dem Erdboden gleichgemacht. Gustav Adolf ließ die
Festung umgehend wieder instand setzen sowie zusätzliche Sperrwerke
errichten.
Ein weiteres Element bei der Eroberung der Marienburg soll nicht
unerwähnt bleiben. Es wird berichtet, dass «der heimische Pöbel die
Gelegenheit [nutzte], zwischendurchzuschlüpfen und nach Kräften seinen
wohlhabenden Mitbürgern das Ihre zu stehlen».219 Die «wohlhabenden
Mitbürger» dürften gewusst haben, warum sie mit ihren Wertsachen in die
Marienburg geflüchtet waren: Sie fürchteten Neid und Rache der städti­
schen Unterschicht, die sich nun etwas von dem aneignen wollte, was sie
sonst entbehrte; einige, die Glück hatten, konnten dabei mit einem Schlag
zu «gemachten Männern» werden. Grimmelshausens Kriegsromane, vor
allem Der abenteuerliche Simplicissimus und die Lebensbeschreibung der Erz­
betrügerin und Landstörzerin Courage, führen vor Augen, wie schnell man
in den Wirren der Kämpfe zu Reichtum kam, aber auch wie schnell man
ihn wieder verlieren konnte.220 Die Sozialrevolutionäre Komponente, die
mit dem Umsturz der Verhältnisse bei der Eroberung einer Stadt für einen
kurzen Augenblick aufschien, gehörte durchweg zu diesem Krieg. Sie war
das urbane Pendant zu den zwischen Söldnern und Bauern ausgetragenen
sozialen Kämpfen. Während Letztere in den Stichen Hans Ulrich Francks
ihren Niederschlag fanden, blieben die innerstädtischen Sozialkonflikte
weitgehend unsichtbar, da sie sich, wie im Falle Magdeburgs,221 hinter den
proschwedischen oder prokaiserlichen Parteinahmen verbargen oder in
die Gewaltakte des Gegners bei der Eroberung verwoben waren.

Von Würzburg aus stellte Gustav Adolf den drei geistlichen Kurfürsten ein
Ultimatum, in dem er von ihnen verlangte, dass sie in ihren Territorien
umgehend das evangelische Bekenntnis zuließen, die den Protestanten ent­
zogenen Besitztümer Zurückgaben, ihre Festungen für schwedisches Mili­
tär öffneten und in die Errichtung von Werbeplätzen einwilligten. Außer­
dem sollte jeder von ihnen monatlich 40 000 Reichstaler Kontribution
zahlen.222 Das waren Forderungen, wie sie zuvor, als sich die katholische
Seite noch auf der Siegerstraße befunden hatte, von den Generälen des Kai­
518 D IE Z E IT D ER G R O SSE N SC H L A C H T E N

sers und der Liga gegenüber protestantischen Territorien erhoben worden


waren. Es lässt sich nicht mit Sicherheit sagen, ob Gustav Adolf davon aus­
ging, dass sein Ansinnen erfüllbar war.223 Er wollte die geistlichen Kurfürs­
ten zwingen, politisch Farbe zu bekennen, namentlich den Kurfürsten von
Mainz, in dessen Gebiet die schwedischen Truppen bereits standen: Blie­
ben sie weiter auf Seiten des Kaisers, oder waren sie bereit, sich den neuen
Verhältnissen zu fügen? Man kann es eine «entwaffnete Neutralität» nen­
nen, in die Gustav Adolf die Kurfürsten am Rhein hineindrängen wollte.
Wenn sie einwilligten, war die Liga am Ende; willigten sie nicht ein, so
waren es nicht die Schweden, die den Bärwalder Neutralitätszusagen zuwi­
derhandelten, sondern die drei Liga-Mitglieder selbst. So jedenfalls sah es
Gustav Adolf, und mit der kurfürstlichen Weigerung, seine Forderungen
zu erfüllen, würde er freie Hand haben für den Vorstoß zum Rhein. Diese
«Einladung» erhielt er prompt, da der Mainzer Erzbischof sich an Kurfürst
Maximilian, an die spanischen Statthalter in Brüssel sowie den Herzog von
Lothringen wandte und um Hilfe bat.
Mit dem lothringischen Herzog hatte es Gustav Adolf ohnehin zu tun,
denn der war mit mehr als 10 000 Mann herangezogen, die sich mit den
Truppen Tillys verbanden. Tilly, inzwischen nahe Tauberbischofsheim
stehend, verfügte nun über 35 000 Soldaten und war damit den Truppen
Gustav Adolfs in Würzburg deutlich überlegen. Der Schwedenkönig hatte
beim Vorstoß durch Thüringen und Nordfranken in allen Festungen und
größeren Städten Garnisonen zurückgelassen, wodurch die Anzahl der ihm
verfügbaren Soldaten auf weniger als 15 000 Mann zusammengeschmolzen
war. Er hatte den «Kulminationspunkt des Angriffs», wie Clausewitz es
nennt,224überschritten und befand sich in einer Krise, die seinen Siegeszug
leicht hätte beenden können, wenn er es mit einem entschlossenen und tat­
kräftigen Gegner zu tun gehabt hätte.
Gustav Adolf sammelte zusammen, was er an eigenen Kräften fand,
und marschierte mit ihnen nach Ochsenfurt, wo Tilly vermutlich den Main
überschreiten würde. Dort stellte man sich auf die Verteidigung der Stadt
ein, gegebenenfalls auch auf den Abbruch der Mainbrücke, doch es kam
nur zu Plänkelgefechten; Tilly wollte das Risiko einer Schlacht gegen Gus­
tav Adolf nicht eingehen und zog in Richtung Südosten ab. Auch das war
Gustav Adolfs Siegeszug durch Deutschland 519

eine Folge von Breitenfeld: Der Mann, der zuvor so gut wie nie vor einer
großen Auseinandersetzung zurückgeschreckt war, zumal dann nicht, wenn
seine Truppen in der Überzahl waren, operierte nun mit äußerster Vorsicht.
«So gab er die letzte große Chance seiner langen Feldherrnlaufbahn aus der
Hand», resümiert Marcus Junkelmann. «Es war die Umkehrung der Situa­
tion von Neubrandenburg keine neun Monate zuvor, als der König [Gustav
Adolf] trotz seiner großen Übermacht einem offenen Kräftemessen mit
dem gefürchteten Tilly aus dem Weg gegangen war. Nun haftete Gustav
Adolf und seiner Armee der Nimbus absoluter taktischer Überlegenheit
an und ließ sie eine verzweifelte operative Krise kampflos überstehen. Der
den Gegner demoralisierende R uf schwedischer Unbesiegbarkeit, der auf
der staubverhangenen Walstatt von Breitenfeld geboren worden war, stellte
die wertvollste Nachwirkung jener Schlacht dar.»225 Der neuerworbene
Siegernimbus hat Gustav Adolf in dieser Situation somit gerettet. «Dieser
König», schreibt Monro, «besaß wirklich eine seltene Urteilskraft, Ver­
stand und Gewandtheit, dazu große Erfahrung im Kommando. Dennoch,
um die Wahrheit zu sagen, in der ganzen Zeit, in der ich dem König in allen
Kriegsläuften folgte, und das waren beinahe drei Jahre, habe ich ihn nie so
bedrückt im Gemüt und so entschlußlos gesehen wie zu der Zeit in Och-
senfurt, wo er selber nicht genau wußte, was er tun sollte, denn der Feind
stand vor und hinter ihm .»226
Gustav Adolf war in Gebiete vorgedrungen, die von der Reformation
unberührt geblieben waren, in denen er also nicht auf die Bindekraft kon­
fessioneller Zugehörigkeit bauen konnte. Solange er Besatzungen zurück­
ließ, würde es keinen Widerstand gegen die schwedisch-protestantische
Herrschaft geben, aber damit schrumpfte auch die Stärke seiner Feldarmee.
Erstmals war Gustav Adolf mit der «abnehmenden Kraft des Angriffs», wie
es bei Clausewitz heißt,227 konfrontiert und musste darauf eine Antwort fin­
den. Er erteilte großzügig Werbepatente, aber auch diese Maßnahme hatte
Grenzen, denn die neu aufgestellten Truppen waren zu besolden und zu
versorgen, und das hieß, dass in befreundeten wie eroberten Gebieten wei­
tere Kontributionen erhoben werden mussten. Sympathie oder Unterstüt­
zung war damit nicht zu gewinnen. Raumbeherrschung durch die Vergrö­
ßerung des Heeres bei ständigen Kontributionen war die Wallenstein’sche
§20 D IE Z E IT D ER G R O SSE N SC H L A C H T E N

Lösung dieses Problems; diesen Weg zu gehen konnte Gustav Adolf nicht
gänzlich vermeiden. Aber er wollte ihn nicht so weit und nicht so brutal
beschreiten, wie es der Herzog von Friedland getan hatte.
Der König nahm ergänzend zur Besetzung von Territorien und Städten
auch die Bevölkerung bis hin zu den einzelnen Haushalten in die Pflicht.
Mitunter wurde der Landbesitz neu verteilt, was möglich war, weil viele
Prälaten und Mönche vor den anrückenden Schweden geflohen waren.
Gustav Adolf bestimmte, dass sich an einem festgelegten Tag jeder huld­
pflichtige Einwohner einzufinden und dem schwedischen König Treue
zu geloben hatte. Im Gegenzug nahm er die Huldigenden unter «Special­
schutz und Protection» und versprach ihnen, «sie gegen alle Vergewalti­
gung [zu] sichern [und] ihnen die Justiz bei seiner bereits angeordneten
Landesregierung [zu] eröffnen».228 Außerdem mussten die zum Huldi­
gungszeremoniell zusammengekommenen Bauern und Städter «einen
Eid zu Gott auf das heilige Evangelium schwören, daß sie niemand anders,
denn Ihre Königliche Majestät zu Schweden, dero Nachkommen und dero
wohllöbliehe Regierung und Beamte für ihre alleinige, rechte, natürliche
Landes- und Erbherrschaft und Obrigkeit erkennen, ehren und halten,
... ihr gehorsam, gewärtig, getreulich und hold sein, ... und insgemein
sich also erweisen wollte, wie es unmittelbaren, erbgehuldigten, getreuen
Unterthanen von Rechts und landesüblicher Gewohnheit wegen gegen
ihren ordentlichen Landesfürsten und Erbherrn in aller Weis und Wege
obliegt, ohne alle List und Gefährde.»229 Man kann diesen Huldigungsakt
in Analogie zur Leitformel des Vertragstheoretikers Thomas Hobbes ver­
stehen: pro protectione oboedientia - für Schutz Gehorsam.230 Solange der
König seine Untergebenen schützen kann, darf er als Gegenleistung erwar­
ten, dass sie ihm gehorsam sind. Das Problem für die Konsolidierung der
schwedisch-protestantischen Herrschaft war dieses «Solange» sowie der
Umstand, dass die neuen Untertanen nur Nutznießer des Schutzes waren,
zu diesem selbst aber nichts beitrugen.
Durch Huldigungsakt und Treueid suchte der König die Bevölkerung
vom Widerstand gegen seine Administration abzuhalten und ihr klarzu­
machen, dass Folgsamkeit in ihrem eigenen Interesse lag. Mehr noch als
auf Gehorsam war Gustav Adolf aber auf Personen angewiesen, die aktiv
Gustav Adolfs Siegeszug durch Deutschland 521

für die neue Ordnung eintraten und sie verteidigten, wenn äußere Feinde
sie angriffen. Zu diesem Zweck betrieb er eine auf das Recht des Siegers
gestützte Schenkungs- und Umverteilungspolitik, bei der er die Besitzun­
gen der geflohenen Prälaten auf diejenigen übertrug, die sich ihm ohne jede
Einschränkung angeschlossen hatten. Die ihnen zur Nutzung übertragenen
Klöster und Kirchensprengel, Stifte und Abteien besaßen sie nur durch die
Macht des Königs, weswegen sie ein fundamentales Interesse daran hat­
ten, dass diese Machtstellung erhalten blieb. Der König zeichnete auf diese
Weise Offiziere aus, die sich in den zurückliegenden Monaten besonders
hervorgetan hatten, und motivierte dadurch andere, es ihnen gleichzu­
tun - ein Verfahren, das bereits Wallenstein angewandt hatte. Gleichzeitig
ersetzte Gustav Adolf die bisherige geistliche Führungsschicht durch eine
neue Elite, die überwiegend militärisch geprägt war; obendrein verpflich­
tete er sich den protestantischen Adel auch angrenzender Gebiete, indem
er ihn mit neuen Besitztümern versah: Der Graf von Erbach bekam das
Kloster Amorbach, der Graf von Hanau das Kloster Schlüchtern, der Graf
von Solms die Abtei Bildhausen und so weiter. Das waren Maßnahmen, die
dazu beitragen sollten, die schwedische Stellung in Deutschland dauerhaft
zu festigen.
In gewisser Hinsicht ahmte Gustav Adolf nach, womit die katholische
Seite in der Zeit ihres Siegeszugs begonnen hatte - zumindest rechtfertigt
Gustav Droysen so diese «auf das Recht des Krieges» gestützte Politik.231
In zwei Punkten aber ging der schwedische König über die kaiserliche Pra­
xis hinaus: Der Kaiser hatte die pfälzische Kurwürde auf Herzog Maximi­
lian übertragen und die Herzoge von Mecklenburg enteignet, um an ihrer
Stelle Wallenstein einzusetzen, doch das waren Maßnahmen, die auf die
oberste Führungsschicht beschränkt blieben, während Gustav Adolf sich
ihrer in großem Stil bediente. Obendrein konnte sich der Kaiser darauf
berufen, dass er mit diesen Eingriffen in die Eigentumsverhältnisse Rebel­
len bestrafte, die einen Aufstand angezettelt und trotz mehrfacher Ermah­
nung nicht davon abgelassen hätten. Eine solche Rechtsfigur stand dem
schwedischen König nicht zur Verfügung; ihm blieb nur der Verweis auf
das Recht des Siegers. Insofern stellten Gustav Adolfs Maßnahmen in den
eroberten Gebieten eine weitere Eskalation der Gewaltherrschaft gegen­
5»a D IE Z E IT D ER G R O SSE N SC H L A C H T E N

über der Herrschaft des Rechts dar, und daran änderte auch der Umstand
nichts, dass der König alle diese Maßnahmen unter den Vorbehalt eines
zukünftigen Friedensschlusses stellte.

Nach dem Abzug Tillys von Tauber und Main nahm Gustav Adolf die Poli­
tik der Eroberung wieder auf. Wie schon im vergangenen Jahr schickte er
seine Truppen nicht ins Winterquartier, sondern setzte den Feldzug fort.
Das begann damit, dass er Oberst Christoph Hubald den Auftrag erteilte,
mit dem blauen Regiment - «blau», weil das Infanterieregiment blaue
Jacken trug232 - die Festung Hanau einzunehmen. Es gelang den Schwe­
den, die kaiserliche Besatzung zu überrumpeln und gefangen zu nehmen.233
Wer diese Festung besaß, kontrollierte die fruchtbare Wetterau, die in den
zurückliegenden Kriegsjahren für die Versorgung der Truppen überaus
wichtig gewesen war.234 Kurz darauf zogen die kaiserlichen Garnisonen aus
Gelnhausen, Friedberg und Höchst ab, weil sie mit dem Verlust der Festung
Hanau ihre strategische Bedeutung verloren hatten. Damit war die Main­
linie für Gustav Adolf gesichert.
Am 25. November hielt der König in Hanau Einzug. Dort empfing er
eine Gesandtschaft aus Frankfurt, die geltend machte, die Krönungsstadt
der Kaiser könne keine ausländische Besatzung aufnehmen; außerdem sei
die Anwesenheit von Truppen den Messen in der Stadt abträglich. Gustav
Adolf fragte zurück, wie man von Jahrmärkten reden könne, wenn es um die
Freiheit Deutschlands und die Zukunft des Protestantismus gehe. Wenn
man sich nicht in Güte fügen wollte, so habe er Kanonen, um Fügsamkeit
zu erzwingen.235 Das genügte: Am 27. November zog er in Frankfurt ein;
die gesamte Armee rückte nach Sachsenhausen ein, überquerte den Main
auf der großen Brücke, marschierte durch Frankfurt und verließ die Stadt
wieder am Mainzer Tor. Das war eher eine symbolische Inbesitznahme als
eine Besetzung. Der Grund für dieses Entgegenkommen war, dass sich der
Rat der Stadt verpflichtet hatte, Frankfurt gegen die Feinde des Königs zu
verteidigen, ihm selbst aber jederzeit Einlass zu gewähren. Die linksmai-
nische Festung Sachsenhausen wurde jedoch von schwedischen Truppen
dauerhaft besetzt.236
Ähnlich großzügig verfuhr Gustav Adolf mit Landgraf Georg von Hes-
Das schwedische Heer paradiert im November 1631 an den Befestigungen
des linksmainischen Sachsenhausen vorbei, bis es nach rechts abbiegt und
über den Wassergraben hinweg nach Sachsenhausen hineinmarschiert, die
Festung, von deren Wällen herab Salut geschossen wird, durchschreitet
und an der Mainbrücke wiederauftaucht, auf dieser den Main überquert,
um anschließend durch Frankfurt zu marschieren, am Kaiserdom vorbei
zum Mainzer Tor, wo es die Stadt wieder verlässt. Auf dem Main sind
Schiffe zu sehen, die Kanonen und Munition transportieren: In der Wahl-
und Krönungsstadt der Kaiser demonstriert Gustav Adolf seine Macht.

sen-Darmstadt, der bislang eine dezidiert kaisertreue Politik verfolgt und


sich mehr im Feindes- als im Freundeslager aufgehalten hatte. Er war der
Schwiegersohn des sächsischen Kurfürsten, und schon deswegen schien es
dem König nicht angezeigt, ihn wie die Fürstbischöfe in Franken zu behan­
deln. Außerdem lagen Georgs Besitzungen zwischen den fränkischen Fürst­
bistümern und kurmainzischem Territorium, hatten also eine strategische
Bedeutung, und so war es ratsam, ihn als Bündnispartner zu gewinnen. Bei
einem Treffen in Frankfurt verständigte man sich darauf, dass das Gebiet
des Landgrafen von Kontributionen sowie Besatzungen, Einquartierungen
und Musterplätzen verschont blieb und der Landgraf den Schweden für
524 D IE Z E IT D ER G R O SSE N SC H L A C H T E N

die Dauer des Krieges nur die Festung Rüsselsheim zu überlassen hatte.237
Dabei dürfte auch eine Rolle gespielt haben, dass der König bis Jahresende
weitere Ziele erreichen wollte und ein Streit mit dem Darmstädter Land­
grafen dabei nur hinderlich gewesen wäre. Es ging um Heidelberg oder
Mainz, die Hauptstadt des abgesetzten Pfälzer Kurfürsten oder die Resi­
denz des Reichserzkanzlers - die Einnahme einer der beiden Städte sollte
für die Siege Gustav Adolfs im Kriegsjahr 1631 die Krönung darstellen.
Derweil hatte sich Tillys Heer Nürnberg genähert, das mit Gustav
Adolf verbündet war. Tilly forderte Proviant und Kontribution, was die
Nürnberger ablehnten. Stattdessen setzten sie die imposanten Befestigun­
gen der Stadt instand. Das genügte, um Tilly zum Abzug zu bringen; auf
eine längere Belagerung wollte er sich nicht einlassen, da er davon ausging,
dass Gustav Adolf, der kein zweites Magdeburg riskieren konnte, zum Ent­
satz des Verbündeten heranziehen würde. Nachdem Tilly sich bei Würz­
burg unter günstigeren Bedingungen nicht auf eine Schlacht eingelassen
hatte, wollte er es unter den sehr viel schlechteren Umständen bei einer
Belagerung erst recht nicht tun.238 Noch am 6. Dezember schrieb Gustav
Adolf an PfalzgrafJohann Casimir, dass « der alte Teufwel [Tilly] mit allen
seinen jungen, als da sein Lotringer, Papenheimb, Furstebergh, Fugher,
Aldringer, Galas, Ossa, vnd wen der böse geist mehr erweckt hat den armen
Christen zur straf, ligen itzo vor Nürnbergh, brauchen gewalt vnd list».239
Der König hatte sein Heer schon zum Entsatz der Stadt in Marsch gesetzt,
als die Nachricht eintraf, Tilly sei wieder abgezogen, Karl von Lothringen
sei auf dem Heimmarsch und der Kaiser habe 11000 Mann von Tillys Heer
nach Böhmen geschickt.240 Dort war gemäß den Verabredungen von Halle
ein sächsisches Heer einmarschiert und bis nach Prag vorgestoßen.241
Die nach der Breitenfelder Demütigung wiederhergestellte sächsische
Armee war Mitte Oktober aufgebrochen und hatte zunächst den kaiserli­
chen General Tiefenbach aus der Lausitz vertrieben. Tiefenbach zog sich
nach Schlesien zurück, doch der sächsische Befehlshaber Arnim folgte ihm
nicht, sondern wandte sich nach Böhmen. Ob dafür die böhmischen Emi­
granten den Ausschlag gaben oder die Vorstellung, die Grenzen Sachsens
ließen sich durch einen Vorstoß nach Böhmen sehr viel besser schützen als
durch Operationen in Schlesien, mag dahingestellt bleiben.242 In Abspra­
Gustav Adolfs Siegeszug durch Deutschland S IS

che mit dem sächsischen Kurfürsten drang Arnim von Görlitz aus in Rich­
tung Leitmeritz und Saaz vor und versetzte die schwachen kaiserlichen
Kräfte derart in Aufregung, dass die zum Schutz Prags bereitgehaltenen
Truppen in größter Eile die Stadt verließen. Kampflos zogen die Sachsen in
Prag ein; die kleine Armee Arnims musste sich jedoch wieder zurückziehen,
als Verstärkung für das kaiserliche Heer eintraf. Zuvor wurden freilich die
abgeschlagenen Köpfe der Rebellen vom Brückenturm entfernt, wo sie 1621
aufgehängt worden waren und mehr als zehn Jahre lang gehangen hatten.
Auch das war ein Zeichen dafür, wie grundlegend sich die Machtverhält­
nisse geändert hatten.
Aber noch war dieses annus mirabilis des deutschen Protestantismus
nicht zu Ende, denn Gustav Adolf ließ sich, wie oben angedeutet, durch die
in diesem Jahr früh einsetzende Kälte nicht davon abhalten, den Feldzug
weiterzuführen. Von Höchst marschierte sein Heer in Richtung Darmstadt,
wahrscheinlich mit dem Ziel Heidelberg. An der Rheinschleife zwischen
Oppenheim und Gernsheim jedoch hatten die nach wie vor in der Rhein­
pfalz stehenden Spanier auf der rechtsrheinischen Seite eine Sternschanze
errichtet, von der aus sie den Strom kontrollierten, Truppen vom einen
zum anderen Rheinufer verlegen und damit das schwedische Heer im
Rücken bedrohen konnten. Gustav Adolf wollte kein Risiko eingehen. Er
forderte die Spanier zum Abzug auf, und als die ablehnten, erkundete er
mit wenigen Begleitern in einem Kahn die Möglichkeiten, den Rhein zu
überqueren. In der Nacht auf den 17. Dezember setzte eine kleine Einheit
mit Booten auf den Kühkopf über. Spanische Kavallerie griff an, um sie
zurückzuwerfen, doch eine zweite Landungswelle sorgte dafür, dass sich
die Schweden halten konnten. Daraufhin zogen sich die Spanier zurück,
gaben die rechtsrheinische Sternschanze auf, und ihre in Oppenheim ver­
bliebenen Soldaten kapitulierten am folgenden Tag. Einen breiten Strom
bei feindlichem Widerstand zu überschreiten war eine beispiellose Opera­
tion - die Rheinüberquerung trug zu Gustav Adolfs R uf als hervorragender
Heerführer bei.
Anschließend zog das schwedische Heer nach Norden.243 Am
20. Dezember standen die Truppen vor Mainz, einer riesigen Festung,
die mit 2000 spanischen Soldaten viel zu schwach besetzt war. Aus dem
$26 D IE Z E IT D ER G R O SSE N SC H L A C H T E N

Anmarsch heraus ließ Gustav Adolf eine Reihe von Schanzen und Vorwer­
ken stürmen, um seine Kanonen unmittelbar an die Stadtbefestigung her­
anführen zu können. Die Kanonen einer «schwimmenden Batterie», eines
im Rhein verankerten Floßes, eröffneten das Feuer. Nach nur zwei Tagen
kapitulierte der spanische Kommandant gegen ehrenhaften Abzug. Am
24. Dezember hielt Gustav Adolf in Mainz Einzug. Seine Soldaten fanden
am Mittelrhein, der lange vom Krieg verschont geblieben war, vorzügliche
Winterquartiere, und der König konnte von Mainz aus seine Politik auf
dem Weg der Diplomatie fortsetzen. Er residierte im Zentrum des Reichs.
Einen glänzenderen Abschluss hätte man sich für den Feldzug des Jahres
1631 schwerlich vorstellen können.

Zwischenspiele der Diplomatie

Die militärische Präsenz der Schweden am Rhein war für Freunde wie
Feinde Gustav Adolfs ein Problem. Zunächst natürlich für die Spanier, die
sich in der Rheinpfalz eingerichtet hatten; für sie stellte dieses Gebiet ein
zentrales Verbindungsstück ihrer «spanischen Gasse» zwischen Nord­
italien und den Niederlanden dar.244 Nach der Rheinüberquerung und
der Besetzung von Mainz fragte man sich in Madrid, ob man den Kriegs­
zustand, der de facto herrschte, durch eine Kriegserklärung gegen Schwe­
den in einen offiziellen Krieg verwandeln solle; letztlich entschloss man
sich, es nicht zu tun.245 Gustav Adolf stand vor derselben Frage, und auch
er scheint unschlüssig gewesen zu sein: Dagegen sprach, dass er bereits
zahlreiche Gegner hatte, denen er nicht ohne Not einen weiteren hinzu­
fügen wollte. Der Bedarf an eigenen Soldaten würde dadurch nur weiter
anwachsen, und auch ohne Krieg gegen die Spanier plante Gustav Adolf,
im Kriegsjahr 1632 mit neun Armeen in einer Gesamtstärke von etwa
228 000 Soldaten zu operieren. Das war nahezu das Doppelte dessen, was
Wallenstein auf dem Höhepunkt seines ersten Generalats zur Verfügung
gehabt hatte.246 Ein Krieg mit Spanien würde zwangsläufig zu einer Über­
dehnung der Kräfte führen. Für die Option, Spanien offiziell den Krieg zu
Zwischenspiele der Diplomatie 5 17

erklären, sprach hingegen, dass sich damit das Bündnis mit Frankreich fes­
tigen ließ, nachdem man in Paris den schwedischen Vorstoß an den Rhein
mit Misstrauen beobachtet hatte und darin einen Einbruch des Verbün­
deten in die eigene Interessensphäre sah. Außerdem würde ein Krieg mit
Spanien den schwedisch-niederländischen Beziehungen zugutekommen,
was wiederum Christian IV. von Dänemark mit Sicherheit daran hindern
würde, die Bindung der schwedischen Militärmacht in Deutschland zu nut­
zen, um seine Position im Ostseeraum zu verbessern. Gustav Adolf legte
das Problem dem Reichsrat in Stockholm vor, und der sprach sich dafür aus,
vorerst auf eine Kriegserklärung gegen Spanien zu verzichten. Gustav Adolf
folgte dem.247 Die Truppenstärken, mit denen der König für das Jahr 1632
plante, zeigen für sich genommen an, in welche Schwierigkeiten der schwe­
dische Siegeszug geraten war und dass man sich inzwischen in Dimensio­
nen bewegte, die jedes bisherige Maß weit überschritten.
Es gab jedoch noch einen weiteren Aspekt, der aus schwedischer Sicht
für einen Konfrontationskurs gegen Spanien sprach, während er aus spani­
scher Perspektive äußerste Zurückhaltung gegenüber Schweden nahelegte:
die Frage nach dem Charakter des Krieges und den Zwecken, die in ihm
verfolgt wurden. Handelte es sich um eine Rebellion gegen den Kaiser, die
in Böhmen begonnen und sich ausgeweitet hatte, bis auswärtige Mächte
in den Krieg eingriffen - oder um einen Konfessionskrieg zwischen Pro­
testanten und Katholiken? Spanien war stets von Ersterem ausgegangen,
wobei es nicht zuletzt seine Auffassung vom Krieg in den Niederlanden auf
die Situation im Reich übertragen hatte. Es ging darum, die vormalige Ord­
nung wiederherzustellen und die Feinde dieser Ordnung niederzuwerfen.
Diese reichskonservative Deutung entsprach den machtpolitischen Inter­
essen Spaniens.248 Dagegen hatten die Schweden immer die Dimension
des Konfessionskriegs herausgestellt, in dem sich der Protestantismus in
Deutschland behaupten musste. Sofern man sich dabei auf den Augsburger
Religionsfrieden und die Rechte der Reichsstände berief, die es wieder­
herzustellen gelte, lief auch die schwedische Kriegsdeutung auf eine kon­
servative Position hinaus, die sich durch ihre defensive Ausrichtung legiti­
mierte.249 Wie im Fall Spaniens stimmte diese Sicht des Konflikts mit den
eigenen machtpolitischen Interessen überein.
5^8 D IE Z E IT D ER G R O SSE N SC H L A C H T E N

Die gegensätzliche Interpretation des Krieges und seiner maßgeblichen


Konfliktlinien hatte sich im Ringen um Kursachsen konkretisiert. Mehr als
zehn Jahre hatte Johann Georg es mit dem Kaiser gehalten und sich einer
Deutung des Krieges als Konfessionskrieg widersetzt. Er war damit der spa­
nischen Sichtweise gefolgt, und in Madrid hatte man das durchaus zu schät­
zen gewusst. Gleichzeitig hatte man die Politik Maximilians von Bayern mit
wachsendem Misstrauen beobachtet und den Kaiser mehrfach gedrängt,
entschieden gegen den bayerischen Kurfürsten vorzugehen. Maximilian
werde das Reich ins Verderben stürzen, so brachte man vor, nicht nur durch
seine notorischen Unterhandlungen mit Frankreich, sondern auch weil er
auf einer Revision des Augsburger Religionsfriedens beharre. Das könne
auf längere Zeit nur dazu führen, dass der sächsische Kurfürst dauerhaft
aus dem prokaiserlichen Lager heraus- und in ein Bündnis mit Schweden
hineingetrieben werde.250 Der Herzog Cesare von Guastalla hatte die spa­
nische Position mehrfach in Wien vorgetragen, war aber ein ums andere
Mal auf taube Ohren gestoßen. In einer Stellungnahme vom 7. September
1631, als Sachsen de facto bereits ins schwedische Lager übergewechselt war,
hielt Olivares in einer Denkschrift für Philipp IV. fest: «Am gleichen Tag,
an dem Sachsen mit dem Kaiser brechen wird, darf E. M. [Philipp] sicher
sein, daß aus dem Krieg in Deutschland ein Religionskrieg wird, den zu
beruhigen menschliche Kräfte übersteigt. An diesem Tag werden sich die
Heere des Kaisers wie Schaum auf dem Wasser auflösen, und wenn auch
bei Gott kein Ding unmöglich ist, darf E. M. doch überzeugt sein, daß der
Kaiser eine Todsünde begeht, wenn er es bis dahin kommen läßt. [... ] Das
heißt Gott versuchen, Wunder zu wirken, weil man allein mit dessen Hilfe
aus einer solchen Gefahr heil herauskommen kann.»251 Die Räson der spa­
nischen Politik legte nahe, jeden Anschein eines Religionskriegs zu vermei­
den, und das bedeutete, nicht in einen Krieg gegen Schweden einzutreten.
Ging es im Verhältnis zwischen Spanien und Schweden wesentlich
um den Charakter des Krieges, so war das Verhältnis zwischen Frankreich
und Schweden um einiges komplizierter - auch deswegen, weil Frankreich
inzwischen eine deutlich aktivere Rolle im Krieg spielte als Spanien. Letzte­
res wirkt auf den ersten Blick paradox, wenn man bedenkt, dass die Spanier
allein in Nordwestdeutschland zwölf Garnisonen mit etwa 8000 Soldaten
Zwischenspiele der Diplomatie 5*9

unterhielten, 2500 davon in Wesel, 2000 in Lingen und 1000 in Lippstadt,252


wohingegen Frankreich bislang offiziell nur in der Rolle eines Vermittlers
in das Geschehen eingegriffen hatte. Tatsächlich aber verfolgten die Fran­
zosen dabei überaus zielstrebig eigene Interessen. Es war ein Wesenszug
dieses Krieges, dass in ihm diplomatische Aktivitäten nicht, wie in den spä­
teren Kriegen der Westfälischen Ordnung, einen vermittelnden und dees-
kalierenden Charakter hatten, sondern immer wieder dazu beitrugen, dass
der Krieg komplizierter wurde und weiter eskalierte. Das lässt sich gerade
an der Rolle der französischen Diplomatie beobachten, bei der es sich letz­
ten Endes um eine Art verdeckter Kriegführung handelte. Ihr Hauptziel
war, die Macht des Kaisers zurückzudrängen und dadurch die Position des
Hauses Habsburg im Spiel der europäischen Mächte zu untergraben.253
Richelieu hatte zwei Karten im Spiel, die er abwechselnd einsetzte:
Schweden, mit dem er seit dem Vertragsschluss von Bärwalde verbündet
war, sowie Kurfürst Maximilian und die katholische Liga, mit denen er am
30. Mai 1631 im Vertrag von Fontainebleau eine Defensivallianz eingegangen
war. Beide Verträge ergänzten sich, wenn man ihre Stoßrichtung gegen den
Kaiser oder das Haus Habsburg betrachtete: Schweden als direkte Waffe
gegen den Kaiser; die katholischen Reichsstände als indirekte Schwächung
Habsburgs durch ihre Verpflichtung auf eine Politik der Neutralität, die sie
immer weiter vom Kaiser entfernen sollte. Aus dieser antihabsburgischen
Komplementarität wurde jedoch ein Gegensatz, sobald man sich auf das
Verhältnis zwischen Schweden und der Liga konzentrierte, die sich beide im
Bündnis mit Frankreich befanden, aber gegeneinander Krieg führten. Die­
ses zuvor latente Problem war mit Gustav Adolfs Vorstoß nach Mainfranken
akut geworden, und es führte nun, im Winter 1631/32, zu verstärkter diplo­
matischer Aktivität. Seitdem das schwedische Heer auf der linksrheinischen
Seite operierte und Gustav Adolf in Mainz residierte, gab es obendrein einen
Konflikt um die Interessen- und Einflussgebiete, der sich zu einer regelrech­
ten Kraftprobe zwischen Schweden und Frankreich auswuchs. Hier liegt die
zweite Paradoxie im Verhältnis der Schweden zu Frankreich und Spanien:
Die Ausweitung der schwedischen Operationsgebiete auf die linksrheini­
sche Seite führte gleichermaßen zu einer Konfrontation mit Spanien wie
mit Frankreich, weil Spanien und Frankreich in einem mehr oder weniger
530 D IE Z E IT D ER G R O SSE N SC H L A C H T E N

offenen Konflikt um die Hegemonie in Europa standen und Schweden


Frankreichs Verbündeter, aber Spaniens Kontrahent war.
Die Schwierigkeiten begannen unmittelbar nach der Schlacht von Brei­
tenfeld, als Kurfürst Maximilian das im Vertrag von Fontainebleau zum
Schutz der bayerischen Neutralität versprochene französische Heer anfor­
derte. Richelieu belehrte ihn, dass in Fontainebleau eine Defensivallianz
vereinbart worden sei, und da Tilly Kursachsen angegriffen habe, könne
Maximilian sich nicht auf den Vertrag berufen.254 Anfang November kam
Charnace, der deutschlanderfahrene Gesandte Richelieus, nach München,
um Maximilian für ein Neutralitätsabkommen mit Schweden zu gewin­
nen. Jetzt musste der Kurfürst Farbe bekennen und sich für oder gegen den
Kaiser entscheiden, was er bislang tunlichst vermieden hatte. Er wich aus,
indem er vorschlug, man solle, anstatt über Neutralitätsabkommen zu ver­
handeln, am «Traktat eines Generalfriedens» arbeiten. Abgesehen davon,
dass ein allgemeiner Frieden wenig Erfolgsaussichten hatte, lag er auch
nicht im französischen Interesse, das weiterhin darauf aus war, das Haus
Habsburg zurückzudrängen. Charnace hielt also dagegen, dass sich Gustav
Adolf nicht auf Friedensgespräche einlassen werde, solange die Liga kein
Neutralitätsabkommen mit ihm geschlossen habe. Er schob den schwedi­
schen König vor, um die Ziele der französischen Politik nicht offenlegen
zu müssen.
Ganz ähnlich, wie Gustav Adolf das Für und Wider der Frage einer
Kriegserklärung an Spanien durchgespielt hatte, ventilierte nun Maximi­
lian in einem Brief an seinen Bruder Ferdinand, den Erzbischof von Köln,
das Pro und Kontra eines Neutralitätsabkommens.255 Lasse Kurbayern sich
auf eine neutrale Position ein, so verletze es die mehrfach bekräftigten Ver­
pflichtungen gegenüber dem Kaiser; lehne man es ab, über die Neutralität
zu verhandeln, so werde Gustav Adolf in die Territorien der Liga einfallen
und sie erobern. Dass man ihm dabei kaum etwas entgegenzusetzen hätte,
so Maximilian weiter, liege auch am Kaiser, der seine Truppen zum Schutz
der Erblande aus dem Reich abgezogen habe. Über seine eigene militäri­
sche Handlungsfähigkeit unterrichtete sich Maximilian bei einem Treffen
mit Tilly und Aldringen in Donauwörth. Beide ließen ihm wenig Hoffnung,
dass sie mit den vorhandenen Kräften gegen Gustav Adolf etwas ausrich­
Zwischenspiele der Diplomatie 531

ten könnten: Man habe zu wenig Soldaten, und diejenigen, über die man
verfuge, seien in schlechtem Zustand. Im Augenblick könne man allenfalls
6000 Mann einsetzen.256 Das gab den Ausschlag: Maximilian erklärte sich
bereit, Neutralitätsgespräche mit Gustav Adolf zu führen.
Damit aber legte er die Axt an die Wurzeln der Liga; die bislang laten­
ten Zentrifugalkräfte wurden durch diese Verhandlungen freigesetzt. Erz­
bischof Philipp Christoph von Sötern, der Trier und Speyer unter seiner
Herrschaft miteinander verband, schloss am 21. Dezember 1631 mit Lud­
wig X III. einen Separatvertrag. Der sah unter anderem vor, dass französi­
sche Truppen die Festung Ehrenbreitstein an der Mündung der Mosel in
den Rhein übernahmen. Damit standen neben den schwedischen nicht nur
spanische, sondern auch französische Truppen auf dem Boden des Reichs.
Außerdem stellte der Trierer Erzbischof seine Zahlungen an die Liga ein,
mit denen er ohnehin im Rückstand war. Er betrachte die Liga, so erklärte
er am 23. Dezember, als aufgelöst; Frankreich werde seine Bistümer Trier
und Speyer schützen.257 Dagegen setzte der nach Köln geflohene Mainzer
Erzbischof Anselm Casimir Wambolt von Umstadt ganz auf Spanien. Ein
Gesandter der Brüsseler Statthalterin bestärkte ihn durch die Ermahnung,
sich zu «dergleichen Neutralität, als Kurtrier sich bereits begeben haben
solle, nicht verleiten zu lassen», denn Spanien werde niemals dulden, dass
Frankreich derart auf die Angelegenheiten des Reichs Einfluss nehme.258
Der Kölner Kurfürst schließlich lavierte: Er trete gern in Neutralitätsgesprä­
che mit Schweden ein, wenn zuvor sichergestellt sei, dass sie den Auftakt
zu Verhandlungen über einen allgemeinen Frieden bildeten. Damit folgte
er der Linie seines Bruders in München. Die bis dahin so mächtige und
erfolgreiche Liga der katholischen Reichsstände hatte zum Jahreswechsel
1631/32 de facto zu bestehen aufgehört, und das hatte nicht Schweden mit
militärischen, sondern Frankreich mit diplomatischen Mitteln bewirkt.259

Die anschließend unter Vermittlung französischer Diplomaten geführten


Verhandlungen - zu Charnace kamen noch der Marquis de Breze und der
Baron de ITsle - erwiesen sich als schwierig, denn beide Seiten, Gustav
Adolf wie Maximilian, bestanden auf Vorbedingungen, die für die andere
Seite nicht akzeptabel waren. Gustav Adolf etwa verlangte, dass die Liga ihre
531 D IE Z EIT D ER G R O SSE N SC H L A C H T E N

Streitkräfte vom Kaiser abziehe und sie französischem Kommando zum


Kampf gegen Spanien unterstelle. Diese Forderung zeige, so der sächsische
Rittmeister Vitzthum, der von den Mainzer Verhandlungen nach Dresden
berichtete, dass der König «sich mit der Neutralität nicht begnügen, son­
dern Freund oder Feind von ihnen haben wollte, da sie unter dem Schein der
Neutralität doch nicht unterlassen würden, dem Feinde allein Vorschub zu
thun».260Der Marquis de Breze wiederum kommentierte das entschiedene
Auftreten Gustav Adolfs wie folgt: «Der Appetit hat sich bei Gustav Adolf
infolge der gelungenen Eroberungen in dem Grade gesteigert, daß er bereits
alles anstrebt, und das Vertrauen in sein Glück ist bereits so hoch gestiegen,
daß er an keinem Erfolg mehr zweifelt und Angriff und Sieg für gleichbe­
deutend hält.»261 Darin zeigte sich das wachsende französische Misstrauen
gegenüber Gustav Adolf, der kategorisch erklärte, er wolle bei den Neutrali­
tätsgesprächen nichts von Restitution hören; gemeint war damit die Forde­
rung Maximilians, dass sich die Schweden von Rhein und Main zurückzie­
hen sollten. Für Maximilian war das eine Vorbedingung für die Neutralität
der Liga, weil er nur so seinen Anspruch auf die Führung der katholischen
Partei im Reich aufrechterhalten konnte. Da Gustav Adolf unnachgiebig
blieb, traten die Neutralitätsverhandlungen auf der Stelle. Schließlich ent­
schloss sich Maximilian, an der Seite des Kaisers zu bleiben und den Krieg
fortzuführen. Er rettete damit einen Rest der Liga, opferte aber sein Land,
das schon bald danach zum Kriegsschauplatz werden sollte.
Im Prinzip war Gustav Adolf an der Neutralität der Liga überhaupt
nicht interessiert, da ein Abkommen nur seinen Bewegungsspielraum ein­
geengt und ihn am Gebrauch seines wichtigsten Instruments gehindert
hätte: am Einsatz des Heeres. Obendrein misstraute er Maximilian und
vermutete, der Kurfürst wolle mit den Neutralitätsverhandlungen nur Zeit
gewinnen. Gegenüber Vitzthum erklärte er, seine einzige Rücksicht bestehe
darin, daß er sich «Frankreich nicht zum Feind mache». Und doch stand
in diesen Tagen das französisch-schwedische Bündnis auf Messers Schneide,
was nicht zuletzt daran lag, dass die französischen Gesandten Gustav Adolf
gegenüber sehr selbstbewusst und fordernd auffraten. So beklagten sie sich
darüber, dass die schwedischen Truppen auf das linke Rheinufer überge­
wechselt seien, was dem Vertrag von Bärwalde widerspreche. Darauf der
Tillys Ende an Lech und Donau 533

König: «Wäre Euer Herr hier gewesen und hätte es auf seiner Seite richtig
gemacht, wie ich auf der meinen, so wäre es bei der Abrede verblieben. Weil
aber Euer Herr der Abrede zuwider außen geblieben und mir die Last allein
auf dem Halse gelassen, habe ich thun müssen, wie ich gekonnt, und zu mei­
ner Sicherheit meinen Feind bestes Vermögens verfolgen müssen.»262 Als
die französischen Gesandten daraufhin erklärten, ihr König sei mit einem
Heer von 40 000 Mann unterwegs (es handelte sich indes um eine kleinere
Streitmacht unter Marschall La Force, die gegen die Festung Moyen-Vic
im Grenzbereich Lothringens zog263), verstand Gustav Adolf dies als eine
Drohung und antwortete: «Euer König bedarf nicht so viel Volks [Kriegs­
volks], mich zu schlagen, denn wenn es an der Menge und Macht des Volks
gelegen, hätte ich den Kaiser nicht, sondern er mich geschlagen. Doch Euer
König ziehe hin, wo er wolle, so mag er Zusehen, daß er meiner Armee nicht
zu nahe komme, oder er muß ein Rencontre [Zusammentreffen] mit mir
halten.»264Dazu kam es nicht. Man gelangte zwar nicht zu einer wirklichen
Verständigung, aber das war nach Lage der Dinge auch nicht vonnöten.

Tillys Ende an Lech und Donau

Noch während der Neutralitätsverhandlungen hatte Kurfürst Maximilian


alle Anstrengungen unternommen, leistungsfähige Streitkräfte aufzustel­
len. Da der Söldnermarkt infolge der Werbungen Schwedens und des neu­
erlichen Aufbaus eines kaiserlichen Heeres in Böhmen durch Wallenstein,
der nun wieder ins Spiel kam, leergefegt war und es obendrein um die
Kriegskasse der Liga nicht zum Besten bestellt war, ließ er Landeskinder
mobilisieren. «Churfürst Maximilian», so der Erlinger Pfarrvikar Maurus
Friesenegger in seinem Tagebuch, «ließ eilends den Ausschuß seiner Land-
Miliz aufbieten, um die baierischen Grenzen zu besetzen.»265 Von Flücht­
lingen aus Franken erfuhr man, der Feind habe «Schlösser, Kirchen und
Klöster mit großer Wut beraubet, [...] und allerort mit Tyrannei gehau-
set».266 Zwischenzeitlich habe sich die Lage wieder etwas beruhigt, doch
mit Beginn des neuen Jahres sei klar geworden, dass Bayern als « allge-
534 D IE Z E IT D ER G R O SSE N SC H L A C H T E N

meine Zuflucht der katholisch Gesinnten» stark bedroht war. «Demnach


wurde von unserem Churfürsten eilends die junge Mannschaft von 18 bis
40 Jahren [aus] geschrieben und von Erling 8 Buben ausgehoben, die sich
den 24. Januar [1632] in München zu stellen hatten.»267 Sicherlich waren
«grüne Rekruten» wie die acht jungen Männer aus Erling nur begrenzt ein-
setzbar und der direkten Konfrontation mit einer Veteraneneinheit, soge­
nannten «Beschossenen», kaum gewachsen. Sie gaben dem Heer indes
Masse, und darauf kam es in der aktuellen Lage zunächst einmal an.
Unterdessen hatte Feldmarschall Horn, von Gustav Adolf zum «Direc-
tor des würzburgischen Fürstentums» ernannt,268 eine Offensive auf Fran­
ken eröffnet und die bischöfliche Residenz Bamberg besetzt. Es waren
indes nur drei Regimenter mit zusammen weniger als 10 000 Mann, die
Horn zur Verfügung standen. Die weimarischen und thüringischen Trup­
pen, die eigentlich dazustoßen sollten, mussten im Raum Magdeburg ver­
bleiben, wo Pappenheim sehr aktiv war. Tilly, inzwischen nur noch Ober­
kommandierender der Liga-Truppen, erhielt von Maximilian den Auftrag
zu einer Gegenoffensive; er verfügte über etwas mehr als 20 000 Soldaten,
allerdings waren mehr als die Hälfte jene unerfahrenen Rekruten, von
denen Friesenegger berichtete. Immerhin befanden sich auch 5000 Vete­
ranen unter seinen Fahnen, auf die sich Tilly verlassen konnte.269 Um die
Mainübergänge zu sichern, entsandte Horn 1500 Reiter und 500 Muske­
tiere, die verhindern sollten, dass Tilly ihm den Rückzugsweg abschnitt. Da
sich Bamberg nur schwer verteidigen ließ, hatte der König Horn freigestellt,
die Stadt zu halten oder den Rückzug anzutreten. Horn entschied sich für
die Verteidigung, weil er mit Verstärkungen rechnete. Er unterschätzte, was
es hieß, dass sich von den 8000 Mann, mit denen er Bamberg verteidigen
wollte, 3000 gerade erst hatten anwerben lassen. Während Tilly die Rekru­
ten als Reserve zurückhielt und seine alterfahrenen Soldaten angreifen ließ,
mischte Horn die Rekruten mit den Veteranen und beorderte sie in die
ersten Verteidigungsstellungen. Dann bekam er doch Bedenken, zumal die
Verstärkungen nicht eintrafen, und ließ nicht nur die schweren Bagagewa­
gen, sondern auch die Artillerie den Rückzug antreten. Infolgedessen muss­
ten seine Soldaten das Gefecht ohne Artillerieunterstützung führen, wohin­
gegen Tilly seinen Angriff durch systematisches Artilleriefeuer vorbereitete.
Tillys Ende an Lech und Donau 535

Die Stellungen vor der Stadt wurden überrannt, und hätte Horn nicht einen
energischen Gegenangriff geführt, wären die Angreifer über eine Brücke in
den inneren Stadtbereich vorgedrungen. So konnten wenigstens die städti­
schen Befestigungen gehalten werden, was einen geordneten Abzug in der
Nacht ermöglichte. Horn hatte 1300 Mann verloren, 500 davon waren getö­
tet worden, 800 in Gefangenschaft geraten. Viele der Gefangenen waren
nach Breitenfeld in die schwedische Armee «untergestoßen» worden und
kehrten nun wieder zu ihren alten Kameraden zurück.270
Die Niederlage bei Bamberg war für die schwedische Armee eine emp­
findliche Schlappe und gleichzeitig Tillys letzter Sieg. Gustav Adolf machte
Horn den Vorwurf, sein symbolisches Kapital, nämlich den R uf der Unbe­
siegbarkeit, leichtfertig verspielt zu haben; das Charisma der Unbesiegbar­
keit sei so viel wert wie 50 000 Mann. Das war wohl etwas hoch gegriffen,
aber keinesfalls abwegig. Gustav Adolf wollte seinen R uf so schnell wie
möglich zurückgewinnen, und es war klar, dass es dazu einer neuerlichen
Konfrontation mit Tilly bedurfte, in der die Scharte ausgewetzt wurde.
Also gab der König seinen ursprünglichen Plan auf, aus dem Mainzer Raum
in die Pfalz aufzubrechen, Heidelberg einzunehmen und ins evangelische
Württemberg vorzustoßen, um stattdessen mainaufwärts zu marschieren,
sich mit Horns Truppen zu vereinigen, nach Süden vorzudringen und bei
Ingolstadt die Donau zu erreichen. Dort hoffte er auf Tilly zu treffen.271 Als
Erstes richtete Gustav Adolf ein Schreiben an die evangelischen Stände
Frankens, namentlich an das verbündete Nürnberg, in dem er erklärte, der
jüngste Rückschlag werde seinen Siegeszug nicht aufhalten - und über­
haupt sei Bamberg «ein schier offenes D orf», das jeder erobern könne.272
Tilly entschloss sich seinerseits zum Rückzug auf die Donau; er wollte «das
schlüpfrige Glück, welches ihn einmal verführt und dann die Ferse gewie­
sen hatte», kein weiteres Mal auf die Probe stellen.273 Offenbar schätzte er
selbst seinen Erfolg von Bamberg nicht sonderlich hoch ein.
Am 31. März traf Gustav Adolf in Nürnberg ein, und sein Einzug war
ein einziger großer Triumphzug. Der König hatte ein Gespür für solche
Auftritte und wusste, wo sie angebracht waren und wie sie auszusehen hat­
ten. Frankfurt war die Wahl- und Krönungsstadt der Kaiser, Nürnberg die
Stadt, wo die Insignien des Reichs aufbewahrt wurden. In Frankfurt hatte
536 D IE Z E IT D ER G R O SSE N S C H L A C H T E N

Gustav Adolf sein gesamtes Heer durch die Stadt marschieren lassen, eine
Machtdemonstration und symbolische Inbesitznahme; in Nürnberg dage­
gen bestand der Zug aus glanzvollen Nürnberger Reitern mit Trompetern,
dem Rat der Stadt, schwedischer Kavallerie, ebenfalls mit Trompetern und
Heerpaukern, den Leibpferden des Königs, dem Hofmarschall und schließ­
lich Gustav Adolf selbst, umgeben von Grafen und Herzogen, die sich ihm
angeschlossen hatten. Gustav Adolf legte Wert darauf, nicht nur als Mann
des Schlachtfelds wahrgenommen zu werden; er nutzte solche Anlässe, um
sein Siegercharisma in die Autorität eines legitimen Herrschers zu verwan­
deln. A uf dem Schlachtfeld stand er den Generälen seiner Feinde gegen­
über; hier maß er sich am Kaiser selbst. Gustav Adolfs Nürnberger Einzug
übertraf alles, was Kaiser Ferdinand an Pracht aufbieten konnte.
Tilly zog sich auf Ingolstadt zurück und hoffte, der Schwede werde ihm
in die Oberpfalz folgen. Er spekulierte darauf, dass Wallenstein, der in Böh­
men gerade ein großes Heer auf die Beine stellte, den Truppen der Liga zu
Hilfe kommen würde und dass die beiden Feldherren die Schweden in die
Zange nehmen und aufreiben könnten. Das setzte jedoch voraus, dass Gus­
tav Adolf östlich von Tilly zur Donau vorstieß, so dass dieser, wenn Gus­
tav Adolf vor Wallenstein nach Westen zurückweichen musste, in seinem
Rücken die Pässe des fränkischen Jura blockieren konnte. Tillys Kalkül
war: Wenn Gustav Adolfs Vorstoß dem Kaiser galt und nach Wien führen
sollte, so war naheliegend, dass die Schweden den direkten Weg über die
Oberpfalz suchten. Außerdem befand sich Pfalzgraf Friedrich beim schwe­
dischen Heer, und ihm würde an der Rückeroberung der Oberpfalz gelegen
sein, die bis 1620 zu seinen Territorien gehört hatte. Die andere Vorausset­
zung für das Gelingen dieses Plans war, dass Wallenstein mitspielte und
nicht in Böhmen blieb, um die Sachsen zurückzudrängen. Dass er zu Hilfe
kommen werde, hatte er versprochen - meinten jedenfalls Kurfürst Maxi­
milian und Tilly.274
Gustav Adolf war jedoch zu vorsichtig, um in die Falle hineinzutappen.
Er hatte sich entschlossen, auf Donauwörth vorzustoßen, und so erreichte
er den Fluss westlich von Tilly. Dieser entsandte daraufhin eiligst Truppen
nach Donauwörth, um die Stadt gegen die Schweden zu halten; gleichzeitig
errichtete er auf der rechten Donauseite entlang des Lech eine Sperrlinie,
Tillys Ende an Lech und Donau 537

um die Schweden am Eindringen nach Altbayern zu hindern. An dem Win­


kel, den Donau und Lech mit Donauwörth als Spitze bildeten, wollte er den
schwedischen Vormarsch zum Stehen bringen. Tilly dürfte sich indes dar­
über im Klaren gewesen sein, dass ihm dies mit seinen begrenzten Kräften
nur für kurze Dauer gelingen konnte. Aber er wollte Zeit gewinnen, da er
nach wie vor hoffte, Wallenstein werde den Bayern zu Hilfe kommen. Doch
Wallenstein kam nicht. Er gab eine Reihe von Ratschlägen, setzte das Heer
jedoch nicht in Bewegung. Wie lässt sich das erklären?
Ein Teil der Forschung hat sich in dieser Frage auf Wallensteins Persön­
lichkeit konzentriert und herausgestellt, dass er ein Rachebedürfnis gegen­
über Maximilian hegte.275 Der andere Teil hat nach politischen und stra­
tegischen Gründen gesucht, die Wallenstein veranlasst haben könnten zu
zögern, und dabei geht es um mehrere Punkte: zunächst den, dass Kurfürst
Maximilian noch kurz zuvor an eine Trennung vom Kaiser gedacht und
über ein von Frankreich garantiertes Neutralitätsabkommen mit Schweden
verhandelt hatte. Wallenstein konnte nicht wissen, woran er mit dem baye­
rischen Kurfürsten war. Ein weiterer Grund für Wallensteins Untätigkeit
könnte darin bestanden haben, dass er seine formelle Bestellung als Ober­
kommandierender des kaiserlichen Heeres klären wollte, bevor er sich auf
das in seiner Sicht kriegsentscheidende Duell mit Gustav Adolf einließ.276
Auch Wallensteins Versicherung, das Heer sei noch im Aufbau und nicht
einsatzfähig, lässt sich kaum von der Hand weisen. In militärischer Hinsicht
war da außerdem das Argument, dass sich Wallenstein bei einem Marsch
zum Lech sehr weit von seiner böhmischen Basis entfernen musste, wäh­
rend Gustav Adolf sich von seiner Position am Lech jederzeit weiter nach
Westen zurückziehen konnte. Dann würde Wallenstein ihm folgen oder den
Feldzug abbrechen müssen; einen Verfolgungsfeldzug aber scheute Wallen­
stein seit seinen ungarischen Erfahrungen gegen Mansfeld.277 Der Ertrag
des Feldzugs hätte allein darin bestanden, dass Bayern zeitweilig geschützt
wurde. Dafür hätte Wallenstein jedoch riskiert, dass die Sachsen, womög­
lich durch schwedische Einheiten aus dem norddeutschen Raum verstärkt,
weiter in Böhmen vorgedrungen wären und sein Herzogtum Friedland ver­
wüstet hätten, um nach den Grundsätzen der Diversionskriegführung ihn,
Wallenstein, zum Abzug aus Bayern zu zwingen. Außerdem war in diesem
538 D IE Z E IT D ER G R O SSE N S C H L A C H T E N

Fall mit der Rückkehr der böhmischen Exilanten zu rechnen, die ihren von
Wallenstein übernommenen Besitz zurückhaben wollten. Wallenstein hätte
also Bayern gerettet und sein eigenes Herzogtum preisgegeben. Und über­
haupt: Warum sollte er einem Kurfürsten zu Hilfe kommen, der für eine
ganz andere Ordnung des Reichs eintrat als er? Da war es naheliegend, die
militärische Macht des schwedischen Königs zu nutzen, um die Macht des
bayerischen Kurfürsten einzuschränken, und die entscheidende Auseinan­
dersetzung mit Gustav Adolf, die Wallenstein seit langem als unausweich­
lich betrachtete, allein und unter selbstgewählten Bedingungen zu führen.
Man muss also nicht Wallensteins Rachebedürfnis gegenüber Maximilian
bemühen, um zu erklären, warum er ihm nicht zu Hilfe kam. Spieltheo­
retisch betrachtet, wäre jede Unterstützung für Maximilian aus der Sicht
Wallensteins ein falscher Zug gewesen.

Welche Motive auch immer für Wallenstein den Ausschlag gegeben haben -
er kam nicht und schickte keine Unterstützung. Kaiser Ferdinand, an den
sich Maximilian mit der dringlichen Bitte um Hilfe wandte, sah sich gegen­
über seinem neuen Oberbefehlshaber nicht in der Position, ihm den Befehl
zu geben, den Bayern am Lech zu Hilfe zu kommen. Ferdinand befand sich
vor Wallenstein selbst in der Rolle eines Bittstellers, da er darauf hoffen
musste, dass der Mann, den er auf Drängen des bayerischen Kurfürsten
abgesetzt und gedemütigt hatte, ihn j etzt retten würde. Er war dankbar, dass
Wallenstein am 15. Dezember das Oberkommando übernommen hatte,
und er fürchtete, er würde es sofort niederlegen, wenn er ihm in seine Pläne
hineinredete. Obendrein war unklar, ob Wallenstein das Oberkommando
über den Aufbau des Heeres hinaus behalten wollte. Vereinbart war, dass er
es vorerst für die Zeit bis Ende März innehatte.278
Seit der Niederlage Tillys bei Breitenfeld hatte man sich in Wien
bemüht, Wallenstein zu reaktivieren. Die Gruppe seiner Feinde war ange­
sichts der Erfolge Gustav Adolfs eher kleinlaut geworden, und die für das
Militärwesen zuständigen Räte wollten Wallenstein als Oberkomman­
dierenden zurückgewinnen. Doch der verweigerte sich diesem Ansinnen
zunächst. Dabei mag Eitelkeit eine Rolle gespielt haben, vor allem aber
scheute Wallenstein vor der beträchtlichen Anzahl seiner Widersacher in
Tillys Ende an Lech und Donau 539

der Hofburg zurück. Im Augenblick zeigten sie sich nicht, doch sobald er die
Lage wieder stabilisiert hatte, würden sie wieder gegen ihn intrigieren und
Schwierigkeiten machen, wo sie nur konnten. Wallenstein schützte seine
Erkrankungen vor: Podagra, Gicht usw. Sein Gesundheitszustand erlaube
es ihm nicht, das Amt des Oberkommandierenden erneut zu übernehmen.
In Wien, wo man sah, wie sich die Lage von Tag zu Tag verschlechterte,
ließ man nicht locker. Schließlich erklärte sich Wallenstein, der mit Beginn
des sächsischen Vorstoßes nach Pardubitz ausgewichen war, zu einem Tref­
fen mit dem Ersten Minister des Kaisers bereit. Auf halbem Weg zwischen
Pardubitz und Wien, in Znaim, traf er sich mit Fürst Eggenberg.279 Offen­
bar setzte Wallenstein sämtliche seiner Bedingungen bei Eggenberg durch:
Er wurde zum «General-Capo» der kaiserlichen Truppen ernannt, über­
nahm den Oberbefehl aber, wie erwähnt, lediglich für drei Monate, also
bis Ende März, und das ausdrücklich ohne Entgelt. Wallenstein willigte ein,
eine Armee aufzubauen, begrenzte seine Dienste jedoch zunächst auf die
Zeit des Aufbaus dieser Armee.
Von Znaim aus organisierte Wallenstein das Vorhaben, wobei er das
neue Heer auf eine Mannschaftsstärke von 100 ooo Mann bringen wollte.
An guten Soldaten und Offizieren war kein Mangel: Wallensteins Ruf
genügte, um die Männer, die früher schon unter ihm gedient hatten, erneut
zu seinen Fahnen zu rufen. Ein größeres Problem war der Ankauf von Waf­
fen und Munition sowie Uniformen und was sonst noch zur materiellen
Ausstattung eines Heeres gehörte. Das System der Kontributionen, mit dem
Wallenstein während seines ersten Generalats gearbeitet hatte, konnte nach
dem Selbstmord des Bankiers de Witte nicht wieder eingerichtet werden; es
fehlte ein Mann, der das Vertrauen der Kreditmärkte besaß und damit die
Vorfinanzierung des Heeres sicherstellen konnte. Auch stand Wallenstein
dieses Mal nicht selbst als Investor zur Verfügung, sondern beschränkte sich
auf die Aufgaben des Organisators. Die Folge war, dass der Kaiser die erfor­
derlichen Mittel in seinen Erblanden auftreiben musste beziehungsweise
auf Finanzmittel aus Madrid und Rom angewiesen war. Wallenstein achtete
recht genau darauf, dass die Belastungen, die mit Aufbau und Unterhalt des
Heeres verbunden waren, nicht an ihm hängenblieben.
Was kaum einer für möglich gehalten hätte, gelang: der Aufbau eines
54° D IE Z EIT D ER G R O SSE N SC H L A C H T E N

neuen Heeres, mit dem man Gustav Adolf in einer offenen Feldschlacht
gegenübertreten konnte. Zunächst war noch die Frage offen, wer dieses
Heer führen sollte. Die in Znaim getroffenen Verabredungen galten ja nur
bis zum 31. März 1632, vielleicht mit einer Übergangsphase von ein paar
Wochen, aber nicht länger. Erneut traf sich Eggenberg mit Wallenstein, um
ihn auch für die Führung des Heeres im Felde zu gewinnen, und vermutlich
war Wallenstein, der diese Aufgabe einige Monate zuvor noch entschieden
von sich gewiesen hatte, inzwischen nicht mehr abgeneigt; es sollten jedoch
Bedingungen gelten, die er selbst festgelegt hatte. Man traf sich in Göllers­
dorf, diesmal auf halbem Weg zwischen Znaim und Wien. Es ist unklar, ob
die Ergebnisse des Treffens vom 13. April schriftlich festgehalten wurden
oder ob es sich um eine mündliche Verabredung entlang einiger schrift­
lich fixierter Stichpunkte handelte.280 Eine von Wallenstein und Eggenberg
abgezeichnete Fassung wäre bedeutsam für die Beantwortung der Frage,
ob sich die Verhandlungen, die Wallenstein vor seiner Ermordung geführt
hat, innerhalb seiner Kompetenzen als Oberkommandierender des kaiser­
lichen Heeres bewegten oder ob er diese dabei überschritt. Es spricht vie­
les dafür, dass ihm in Göllersdorf nicht nur das Oberkommando über alle
kaiserlichen Truppen in Deutschland übertragen wurde, sondern dass er
es absolutissima forma erhielt. Das bedeutet, dass der Kaiser keine Befehle
unter Umgehung Wallensteins geben konnte, dass Wallenstein das unbe­
schränkte Recht zu Konfiskationen hatte und über Werbeplätze und Trup­
penzahl allein entschied und dass ihm auch das Recht eingeräumt wurde,
aus eigener Machtvollkommenheit Gespräche über Krieg und Frieden zu
führen. Wallenstein, der Herzog von Friedland, hätte sonst auf Rechte ver­
zichtet, die Johann Georg von Sachsen und Maximilian von Bayern, denen
er sich tendenziell gleichgestellt sah, selbstverständlich für sich in Anspruch
nahmen. Damit waren wesentliche Elemente der Politik auf ihn übertragen
worden, weswegen einige in der Forschung davon sprechen, Wallenstein sei
damit zum Diktator im Reich avanciert.281 Wallenstein war, formal betrach­
tet, nie mächtiger als nach den Göllersdorfer Vereinbarungen.

Für Tilly stellte sich die Lage anders dar: «Nicht nur das Bayernland ist in
Gefahr», schrieb er an den Kaiser, «sondern das gesamte Heilige Römi-
Tillys Ende an Lech und Donau S4i

sehe Reich. Wenn man den Fortschritten und Machinationen des Feindes
nicht unverzüglich einen hinreichend schnellen und energischen Wider­
stand entgegensetzt, und zwar seitens Ihrer Kaiserlichen Majestät und
aller katholischen Staaten, dann ist es tatsächlich unrettbar um alle und
auch um uns geschehen. Ich bitte Eure Kaiserliche Majestät daher instän­
dig, [... ] die Armee, die Eure Kaiserliche Majestät soeben aufgestellt hat,
ohne Verzögerung und verderblichen Aufzug [Verzug] in Marsch setzen zu
lassen [... ].» 282 An diesem Schreiben Tillys ist zweierlei bemerkenswert:
zunächst die Selbstverständlichkeit, mit der er davon ausging, dass es sich
um einen Religionskrieg handelte und dass mit Blick auf die Konfession
auch die Frage, wer Freund oder wer Feind sei, beantwortet werden könne.
Während Ferdinand diese Sicht teilte, sah Wallenstein das selbstverständ­
lich anders, und auch Tillys Dienstherr, der bayerische Kurfürst, hatte bei
den Neutralitätsverhandlungen mit Gustav Adolf auf eine andere Deutung
des Krieges gesetzt. Bemerkenswert ist zweitens, dass Tilly annahm, der
Kaiser könne die von Wallenstein neu geschaffene Armee in Bewegung set­
zen, indem er seinem Oberkommandierenden entsprechende Weisungen
erteilte. Aus der Zeit der gemeinsamen Kriegführung hätte Tilly wissen
können, dass das Verhältnis zwischen Wallenstein und dem Kaiser gänzlich
anders war als das zwischen ihm, Tilly, und Maximilian. Wallenstein nahm
stets eine deutlich größere Unabhängigkeit für sich in Anspruch, als Tilly
sie je besessen hatte. Eigentlich hätte er also Wallenstein selbst schreiben
müssen (was er davor und danach auch tat). Dass Tilly sich in diesem Fall
an den Kaiser wandte, hatte wohl damit zu tun, dass er Wallensteins aus
Zorn und Verachtung gespeiste Haltung gegenüber Maximilian kannte und
sie umgehen wollte.
Wallenstein kam Tilly aus den oben genannten Gründen nicht zu
Hilfe, und Donauwörth wurde von den vorrückenden Schweden schnell
erobert.283 Einmal mehr konnte Lennart Torstensson seine Fähigkeiten als
Artilleriekommandeur unter Beweis stellen. Herzog Rudolf Maximilian
von Sachsen-Lauenburg, der mit acht Infanteriekompanien, einem halben
Kavallerieregiment sowie einer größeren Anzahl Milizsoldaten die Stadt
halten sollte, beantwortete die schwedische KapitulationsaufForderung mit
der Erklärung, er habe dafür nur «Kraut und Kot sowie die blanke Spitze
542 D IE Z E IT D ER G R O SSE N S C H L A C H T E N

des Degens» übrig,284 aber als die Schweden von einem höhergelegenen
Hügel aus mit 20 Kanonen das Feuer auf die Stadt eröffneten, schlug die
Stimmung rasch um: Die Bürger beschworen den Herzog, die Stadt zu
übergeben. In der Nacht vom 5. auf den 6. April zogen die ligistischen Trup­
pen ab; damit kamen sie einem Sturm der Schweden gerade noch zuvor.
Gustav Adolf hatte die Donau erreicht. Nach Oder und Elbe, Main und
Rhein musste er nur noch sie unter seine Kontrolle bringen, um Deutsch­
land zu beherrschen.
Die Entscheidung darüber sollte am Lech fallen. Tilly hatte sich ent­
schlossen, die Lechlinie zu halten, da er nur so die Donaulinie würde
verteidigen können; dazu hatte er nahe dem Städtchen Rain ein festes
Lager errichtet, von dem aus er seine Kräfte lechaufwärts in Richtung
Augsburg, aber auch donauabwärts in Richtung Ingolstadt verschieben
konnte. Die Mündung des Lech in die Donau war für ihn die Spitze eines
Dreiecks, dessen Schenkel, die durch die beiden Flussläufe gebildet wur­
den, er verteidigen wollte. Tilly hatte 16 800 Fußsoldaten und 5300 Reiter
sowie 20 Kanonen zur Verfügung; dem standen auf Seiten Gustav Adolfs
24 600 Infanteristen, 14 800 Kavalleristen und 72 Kanonen gegenüber.285
Der König hatte beschlossen, weder an der Donau noch lechaufwärts einen
Flussübergang zu suchen, von dem aus er Tilly umgehen konnte, sondern
dessen Lager bei Rain anzugreifen. Seine Generäle hatten davon abgera­
ten und auf die hohen Verluste hingewiesen, die bei einer Frontalattacke zu
erwarten waren, aber Gustav Adolf hatte diesen Einwand unter Verweis auf
seinen erfolgreichen Rheinübergang bei Oppenheim abgewehrt. Er wollte
die Gelegenheit nutzen, sich der Loyalität der schwäbischen Protestanten
sowie der Stadt Ulm zu versichern, und da er damit rechnen musste, dass
Wallenstein Tilly doch noch zu Hilfe kommen würde, war ihm eine groß­
räumige Umgehung des ligistischen Lagers bei Rain zu riskant: Wenn die
Dinge schlecht liefen, konnte er zwischen Tilly und Wallenstein geraten. Er
wollte den Feind vor sich haben und nicht neben oder hinter sich.
Tilly ließ seine Position durch die Anlage von Erdwerken befestigen.
Ihr Zentrum bildete das durch Wälle geschützte Hauptlager, das 700 bis
800 Meter vom Lechufer entfernt lag; dort waren auch die schweren Kano­
nen aufgestellt. Näher am Ufer befanden sich drei kleinere Lager, in denen
Tillys Ende an Lech und Donau 543

die leichten Kanonen postiert waren, die so den Fluss und das Ufer mit ihrem
Feuer bestreichen konnten. Die Lechbrücke bei Rain wurde abgebrochen;
außerdem ließ Tilly seine Kavallerie nach beiden Seiten ausschwärmen, um
festzustellen, ob die Schweden an einer anderen Stelle den Lech zu über­
schreiten versuchten. Durch die Schneeschmelze in den Alpen und starke
Regenfälle war der sonst nicht besonders tiefe Fluss angeschwollen und
bildete eine passable Barriere gegen einen schwedischen Angriff. Offenbar
ging Tilly davon aus, Gustav Adolf werde wie bei Oppenheim versuchen,
den Fluss mit Booten zu überqueren. Die drei kleineren Lager in Ufernähe
sollten sicherstellen, dass seine Soldaten sogleich zur Stelle waren, wenn
die Boote den Fluss überquerten. Tillys Stellung am Lech hatte den Nach­
teil, dass das gegenüberliegende Ufer, an dem die Schweden standen, um
einige Meter höher lag, was sich bei einem Artillerieduell rächen konnte.
Obendrein befand sich das Lager im Inneren einer Flussschleife: Von hier
aus konnte man die Umgebung zwar gut kontrollieren, dafür konnte der
Gegner das Lager nicht nur frontal, sondern auch von den Seiten her unter
Feuer nehmen. So gut, wie man auf den ersten Blick meinen mochte, war
Tillys Position nicht gewählt.
Gustav Adolfs Angriffsplan sah ein langanhaltendes Artillerieduell und
die Überquerung des Flusses mit Hilfe einer Pontonbrücke vor. Die für den
Bau der Brücke notwendigen Bretter und Balken verschaffte er sich durch
den Abbruch von Häusern der naheliegenden Ortschaft Oberndorf.286 Süd­
lich der Lechschleife, wo Tillys Stellungen lagen, befand sich in der Fluss­
mitte eine schmale Insel, die den Angreifern als Sprungbrett dienen konnte.
Die schwedischen Ingenieure, die sich mit den Möglichkeiten eines Brü­
ckenschlags beschäftigten, schlugen vor, die Pontons knapp unter der Was­
seroberfläche zu halten, so dass die Brücke kaum auszumachen und durch
Kanonenbeschuss nur schwer zu zerstören war.
Am 14. April eröffneten die Schweden das Artilleriefeuer. Torstensson
hatte die Kanonen zu drei Batterien zusammengefasst, jede mit 24 Geschüt­
zen. Den ganzen Tag über wurde auf Tillys Stellungen gefeuert, wobei das
Bombardement eine doppelte Aufgabe hatte: zunächst der Gegenseite Ver­
luste zuzufügen und sie zu demoralisieren, sodann aber auch, die gesamte
Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen und so vom Bau der Pontonbrücke
An zwei Stellen überschreiten die Schweden im April 1632 den Lech:
auf einer Brücke (Mitte der linken Bildhälfte) und mit Reitern, die den
Fluss durchqueren (ganz rechts). Die Masse des schwedischen Fußvolks
befindet sich noch auf dem linken Ufer, und man fragt sich, ob die wenigen
schwedischen Soldaten auf der anderen Seite dem massiven Angriff von
Tillys Infanterie standhalten können. Der Kupferstecher hat übersehen,
dass sich zwischen ihnen und den Truppen Tillys ein weiterer Flussarm
befand, so dass die schwedische Avantgarde sich auf einer Insel im Lech
festsetzen konnte, um ihre Artillerieüberlegenheit auszuspielen. Hier erlitt
Tilly die schwere Verwundung, an der er bald darauf verstarb.

lechaufwärts abzulenken. Am Nachmittag verstärkte Gustav Adolf dieses


Ablenkungsmanöver, indem er das Heer gegenüber Tillys Stellungen auf­
marschieren ließ, als wolle er über den Fluss hinweg angreifen. Tilly ließ
seine Truppen ebenfalls Schlachtaufstellung einnehmen, wodurch er sie
erst recht der Wirkung des schwedischen Artilleriefeuers aussetzte. Wäh­
rend der folgenden Nacht wurden die Arbeiten an der Pontonbrücke fort­
gesetzt. Gustav Adolf entzündete an mehreren Stellen grünes Holz, dessen
Rauch zusammen mit dem Pulverqualm des Artilleriefeuers die Sicht des
Gegners erschwerte. Am frühen Morgen setzten 300 finnische Soldaten in
Booten auf die Lechinsel über, die Brücke wurde am Inselufer verankert,
Verstärkungen über sie nachgezogen, darunter auch leichte Infanteriekano-
Tillys Ende an Lech und Donau 545

nen, dann überquerten die Finnen auch noch den zweiten Flussarm und
bildeten einen Brückenkopf auf Tillys Flussseite.
Der Brückenkopf wurde stetig erweitert, Gegenangriffe der Tilly sehen
Reiterei schlug man zurück. Nachdem Tillys Stellvertreter General Aldrin-
gen schwer verwundet aus dem Gefecht ausscheiden musste, ritt Tilly
selbst heran, um die Angriffe zu koordinieren. Da traf ihn eine schwedi­
sche Doppelkugel, zerschmetterte sein Bein und warf ihn vom Pferd. Man
brachte ihn ins Lager zurück. Kurfürst Maximilian musste jetzt selbst das
Kommando übernehmen, und nach Absprache mit seinen Regimentskom­
mandeuren entschloss er sich, die Schlacht abzubrechen und den Rück­
zug nach Ingolstadt anzutreten. Das war eine schwere Entscheidung, lief
sie doch darauf hinaus, dass er das Land den Schweden preisgab, um sein
Heer zu retten. Tilly, der das Bewusstsein inzwischen wiedererlangt hatte,
stimmte dem Entschluss zu. Als die Schweden am Morgen des 16. April die
Befestigungen der Liga-Armee stürmen wollten, waren sie leer. Die zur Ver­
folgung losgeschickte Kavallerie bekam nur ein paar Nachzügler zu fassen.
Gustav Adolf war ein weiterer glänzender Flussübergang gelungen, aber
sein Ziel, die Vernichtung des Liga-Heeres, hatte er verfehlt.
Die Schweden belagerten später Ingolstadt, zogen jedoch bald wieder
ab. Damit fand der schwedische Siegeszug vorläufig ein Ende. Der Krieg,
der nach der Schlacht von Breitenfeld ein rasendes Tempo aufgenommen
hatte, wurde nun wieder entschleunigt, und dabei verzettelte er sich immer
mehr. Hatte man nach dem Siegeszug Gustav Adolfs den Eindruck gewin­
nen können, der Krieg gehe seiner militärischen Entscheidung entgegen, so
konnte davon inzwischen keine Rede mehr sein. Es schien, als habe Gus­
tav Adolf mit dem Rückzug der Bayern nach Ingolstadt und Regensburg
sein Ziel aus den Augen verloren. Der Krieg ging weiter, aber für mehrere
Monate richtete sich seine Gewalt nicht gegen den bewaffneten Feind, son­
dern gegen eine weithin wehrlose Zivilbevölkerung, die beraubt und ausge­
plündert wurde. Systematischen Widerstand gab es nicht. In dieser Lage, so
Golo Mann, «weiß Gustav Adolf nicht mehr, was er tun soll».287
Am 30. April verstarb Tilly in Ingolstadt an den Folgen seiner Verwun­
dung. Die letzten Tage seines Lebens, das für einen ständig auf Feldzügen
befindlichen Soldaten sehr lange währte - er stand im dreiundsiebzigsten
546 D IE Z E IT D ER G R O SSE N SC H L A C H T E N

Lebensjahr - , beschäftigte er sich mit militärischen Anweisungen und reli­


giösen Praktiken. So drängte er darauf, dass ein Teil des Heeres von Ingol­
stadt nach Regensburg verlegt werden sollte, um wenigstens zwei Städte
an der Donau und auf diese Weise zumindest punktuell die Donaulinie zu
halten.288 Dass Augsburg, wohin er eine 5000 Mann starke Einheit verlegt
hatte, um die gut befestigte Stadt zu verteidigen, zwischenzeitlich kapituliert
hatte und nun in schwedischer Hand war, erfuhr Tilly noch, und das war ein
schwerer Schlag für ihn. Er vermachte sein Barvermögen den Soldaten, die
ihn mehr als zehn Jahre lang begleitet hatten. Nachdem Tilly gestorben war,
wurde er in der Stadt aufgebahrt, und die bei der Verteidigung der Befesti­
gungsanlagen nicht gebrauchten Truppen defilierten an seinem Sarg vorbei.
Das Herz des tiefgläubigen Marienverehrers wurde nach Altötting gebracht;
der Körper verblieb in Ingolstadt, wurde aber nach dem Krieg ebenfalls in
Altötting beigesetzt. Dort wurde eine Tilly-Kapelle errichtet, die das katho­
lische Gegenstück zum protestantischen Tilly-Bild werden sollte, in dem der
Feldherr als das apokalyptische Ungeheuer von Magdeburg verteufelt und
als der gedemütigte Verlierer von Breitenfeld verspottet wurde.289
Der Söldner Peter Hagendorf indes, der bei Donauwörth und Rain
zugegen war, hat über diese Ereignisse in seinem Tagebuch nur festgehal­
ten, dass «General Tilly [... ] mit einer Kugel geschossen worden, da sind
die andern davon gelaufen».290 Eine geschichtspolitische Ausdeutung war
mit einer derart lakonischen Bemerkung nicht verbunden. Der Augsburger
Bertolt Brecht hat Anna Fierling, seine «Mutter Courage», bei der Beer­
digung Tillys in Ingolstadt dabei sein lassen, um sie in ein Gespräch über
Kriegshelden und Kriegsdauer zu verwickeln. «D er Feldhauptmann», so
die Mutter Courage, «hat die letzte Zeit Sorgen gehabt, hör ich. Im Zwei­
ten Regiment solls Unruhen gegeben haben, weil er keinen Sold ausgezahlt,
sondern gesagt hat, es ist ein Glaubenskrieg, sie müssen ihn umsonst tun.»
Der Feldprediger, Anna Fierlings Gesprächspartner, weist sie darauf hin,
dass die Soldaten auch dieses Regiments jetzt «vor der hohen Leich» defi­
lieren. Anna Fierling bedauert den toten Tilly: Große Ziele habe er verfolgt,
doch er habe sie ohne die Unterstützung der einfachen Leute nicht ausfüh­
ren können, und die würden off alles kaputt machen, weil sie die großen
Ziele nicht verstünden. Darauf der Feldprediger: Mit den Soldaten vor dem
Die Verwüstung Bayerns S47

Zelt, die gerade ihren Branntwein tränken, den sie sich von dem anlässlich
des Begräbnisses ausgezahlten Sold gekauft hätten, könne man hundert
Jahre Krieg führen, selbst wenn man «kein gelernter Feldhauptmann» sei.
«Dann meinen Sie nicht», so die besorgte Fierling, «daß der Krieg aus­
gehn könnt?» - «Weil der Feldhauptmann hin ist? Sein Sie nicht kindisch.
Solche finden sich ein Dutzend, Helden gibt’s immer.»291 Der Tod Tillys,
sollte das heißen, war für den Fortgang des Krieges keine relevante Zäsur.

Die Verwüstung Bayerns,


das Schwanken Sachsens und
der Wiederaufstieg Wallensteins

Die Eroberung Augsburgs im Jahr 1632 war für Gustav Adolf strategisch
wie symbolisch von größter Bedeutung, unterstrich sie doch wie die
Rückgewinnung keiner anderen Stadt in Deutschland seinen Anspruch,
der Befreier und politische Führer des deutschen Protestantismus zu sein.
Augsburg - das war nicht nur die Stadt des Religionsfriedens von 1555, auf
den sich alle beriefen, wenn nach der Grundlage für eine Friedensordnung
Ausschau gehalten wurde, sondern die Stadt stand auch für die dort formu­
lierte Confessio Augustana, das Augsburger Bekenntnis, in dem sich 1530 die
verschiedenen Strömungen der Reformation auf ein gemeinsames Glau­
bensbekenntnis geeinigt hatten. Wer die Stadt am Lech in der Hand hatte,
war der erste Verhandlungspartner für einen zukünftigen Religionsfrieden
in Deutschland - gegenüber den Katholiken, aber vor allem auch innerhalb
der unterschiedlichen Gruppen des politischen Protestantismus.
Es war freilich nicht nur die konfessionspolitische Symbolik, die Gus­
tav Adolf veranlasste, nach dem erfolgreichen Lechübergang die zurück­
weichenden Liga-Truppen nicht mit ganzer Macht zu verfolgen, sondern
sich der Stadt Augsburg zuzuwenden. Tilly hatte die Stadt von achtzehn
Fähnlein Fußvolk und zwei Reiterkompanien besetzen lassen. Neben der
Verteidigung Ingolstadts und Regensburgs hatte für ihn die Kontrolle über
Augsburg eine elementare Bedeutung für den weiteren Kriegsverlauf. Das
548 D IE Z E IT D ER G R O SSE N S C H L A C H T E N

sah Gustav Adolf unter anderen Vorzeichen genauso: Nachdem er die Stadt
eingenommen hatte, schrieb er am 22. April an Oxenstierna, er habe nun
«die gewünschte Gelegenheit seine Intention fortzusetzen, und wegen der
Commodität der beiden Städte Ulm und Augsburg und des Trigons des
Lech und der Donau eine solche sedem belli [Sitz der Kriegführung] die­
ser Orten zu formiren, daß ihn, wenn er defensive gehen wollte, der Feind
so leicht nicht daraus bringen sollte, und wäre er auch noch so stark».292
Augsburg wurde nach kurzen Verhandlungen und dem Zugeständnis eines
«leidlichen Accords» für die Besatzung eingenommen. Die Augsburger
Garnison unter Oberst de Treberes zog «m it Sack und Pack, Ober- und
Untergewehr, brennenden Lunten, Kugeln im Munde und fliegenden
Fahnen» ab und wurde von den Schweden bis in die Nähe von Ingolstadt
eskortiert.293 Diese Art der Übergabe kam Gustav Adolf zupass: Sie war das
genaue Gegenteil dessen, was sich ein Jahr zuvor in Magdeburg abgespielt
hatte, und das steigerte die Symbolkraft Augsburgs noch mehr.
Anschließend ging es darum, die inneren Verhältnisse in Augsburg neu
zu ordnen.294 Als Erstes wurde der katholische Magistrat abgesetzt und
durch eine evangelische Stadtregierung ersetzt, wobei aus Respekt vor der
patrizischen Stadtverfassung ein paar evangelische Familien in die Liste
der Stadtgeschlechter aufgenommen werden mussten. Sodann hatte die
gesamte Bürgerschaft dem König zu huldigen, und zwar in der Form, wie
jedes Jahr der Bürgereid geleistet wurde. Die Huldigungsformel war die­
selbe, die Gustav Adolf in allen größeren von ihm eingenommenen Städ­
ten vorgab: Die Bürger gelobten und schworen, dass sie Gustav Adolf und
der schwedischen Krone «getreu, hold, gehorsam und gewärtig sein, dero
Bestes prüfen, Schaden warnen und äußerster Möglichkeit nach abwenden,
auch alles das thun und lassen wollen, was getreuen Unterthanen ihren
natürlichen Herrn zu thun und zu leisten obliegt, treulich ohne Gefährde.
So wahr uns Gott helfe an Seele und Leib.»295 Es wurde vereinbart, dass die
Stadt eine starke schwedische Garnison aufzunehmen habe, dass eine von
schwedischen Soldaten ausgebildete Bürgerwehr gebildet werden solle und
schließlich eine monatliche Kontribution von 20 000 Gulden zu entrichten
sei. Außerdem sollte die Bürgerschaft umfangreiche Arbeiten an der Stadt­
befestigung vornehmen. Anschließend wurde ein großes Fest gefeiert.
Die Verwüstung Bayerns 549

So erfolgreich die Einnahme Augsburgs für Gustav Adolf verlief, so


sehr wurde sein Versuch, Ingolstadt einzunehmen, zu einem Misserfolg.
Ingolstadt war die imposanteste und modernste bayerische Festung, und
es war klar, dass eine Belagerung der Stadt mehrere Monate in Anspruch
nehmen würde. So viel Zeit hatte Gustaf Adolf angesichts der massiven
Rüstungsanstrengungen Wallensteins in Böhmen und der politischen Wan­
kelmütigkeit Sachsens nicht. Also musste er einen Sturm wagen, der jedoch
abgewehrt wurde. Obendrein hatte er nicht verhindern können, dass ein
Teil des ligistischen Heeres nach Regensburg, zur anderen großen Donau­
festung, weiterzog. Zurück blieb eine 7000 Mann starke Besatzung, mit der
sich Ingolstadt gut verteidigen ließ. Tilly hatte das noch auf dem Sterbebett
vorgeschlagen, und Kurfürst Maximilian war diesem Rat gefolgt. Beide Fes­
tungen deckten sich gegenseitig, und das machte die Belagerung einer von
ihnen noch schwieriger, als es ohnehin schon war. Schließlich hatte Gus­
tav Adolf mit der langwierigen Belagerung gutausgebauter Festungsstädte
keine Erfahrung; er hatte bislang alle Städte durch Kapitulation oder im
schnellen Sturm genommen. Nach wenigen Tagen brach er die Belagerung
Ingolstadts ab.
Was aber sollte Gustav Adolf stattdessen tun? Man kann sich des Ein­
drucks nicht erwehren, dass der bislang so klug und entschlossen agierende
König nach dem Abbruch der Belagerung Ingolstadts zwischen Aktion und
Reaktion schwankte, ohne ein strategisches Ziel vor Augen zu haben. Er
hätte sich nach Böhmen wenden können, um gegen Wallenstein die Ent­
scheidung zu suchen und dessen noch im Aufbau befindliches Heer zu
zerschlagen. Aber was war, wenn Wallenstein genauso reagierte wie zuletzt
Tilly und sich auf stark befestigte Positionen zurückzog, um die Zeit als
strategische Ressource einzusetzen? Obendrein war damit zu rechnen, dass
die in Ingolstadt und Regensburg stehende bayerisch-ligistische Armee
dann wieder aktiv werden und alle Erfolge der Schweden in Süddeutsch­
land zunichtemachen würde. Das galt auch für den Fall, dass Gustav Adolf
den von Wallenstein zunehmend bedrängten Sachsen zu Hilfe kam. Er
wusste von den Verhandlungen, die Arnim und Wallenstein miteinander
führten, und zweifelte an der Bündnistreue Johann Georgs.
Selbstverständlich gab es auch die Möglichkeit, das Heer zu teilen,
SSO D IE Z E IT D ER G R O SSE N SC H L A C H T E N

einen Teil an der Donau stehen zu lassen, um die Bayern in Schach zu hal­
ten, und mit dem anderen nach Sachsen zu marschieren. Doch damit lud
der König Wallenstein geradezu ein, seinerseits die Initiative zu ergreifen
und sich mit überlegener Macht entweder auf die in Bayern verbliebenen
oder die nach Sachsen vorrückenden Teile des schwedischen Heeres zu
werfen. Das konnte auf eine Wiederholung dessen hinauslaufen, was Horn
gegen Tilly bei Bamberg widerfahren war.296 Und schließlich war da noch
die Möglichkeit, den ursprünglichen Plan weiterzuverfolgen und nach
Wien vorzustoßen, um dem Kaiser in seiner Hauptstadt einen diktierten
Frieden aufzuzwingen. In diesem Fall aber würde das schwedische Heer im
Rücken durch die bayerischen Festungen Ingolstadt und Regensburg und
auf den Flanken durch das in Böhmen stehende Heer Wallensteins bedroht
werden. Ein Vorstoß auf Wien wäre das riskanteste Vorhaben gewesen.
Der König konnte sich für keine dieser drei Möglichkeiten entschei­
den; stattdessen reagierte er auf einen im Bodenseeraum ausgebrochenen
Bauernaufstand, der durch die Unterstützung kaiserlicher Truppen eine
antischwedische Stoßrichtung erlangt hatte und den der schwedische Statt­
halter in Ulm, Oberst Ruthwen - wegen seiner Trinkgewohnheiten von
den Soldaten auch «Oberst Rotwein» genannt - , nicht in den Griff bekam.
Gustav Adolf zerschlug die aufständischen Bauernhaufen, deren Empö­
rung sich weniger gegen das Vordringen des Protestantismus als gegen
die Gewaltakte von Soldaten in schwedischem Dienst gerichtet hatte, und
setzte nach Augsburger Vorbild in allen größeren Städten Oberschwabens
evangelische Magistrate ein. Ihm ging es vor allem um die Einrichtung loya­
ler Verwaltungen; er mischte sich in Konfessionsfragen nicht weiter ein und
ließ den ortsansässigen Katholiken die Möglichkeit, ihr Bekenntnis auszu­
üben. Aber Gustav Adolf betrachtete nur diejenigen als loyale Magistrate,
die dem evangelischen Bekenntnis angehörten, und infolgedessen vertief­
ten sich die konfessionellen Spaltungslinien.297
Vor dem Feldzug zum Bodensee hatte Gustav Adolf einen Vorstoß tief
nach Bayern hinein unternommen, bei dem er mehrere Ziele verfolgte: Er
wollte München, neben Wien das Zentrum des politischen Katholizismus,
besetzen und so den bayerischen Kurfürsten Maximilian, nachdem er ihn
bei Rain nicht zur Entscheidungsschlacht hatte stellen können, demon-
Die Verwüstung Bayerns SSl

strativ demütigen. Außerdem wollte er München und anderen bayerischen


Städten derart hohe Kontributionszahlungen auferlegen, dass dem Kur­
fürsten die finanziellen Mittel für den Krieg ausgingen. Mit der Ausplün­
derung Bayerns war ein weiteres Ziel dieses Feldzugs verbunden, nämlich
Wallenstein vielleicht doch noch dazu zu bringen, dem Kurfürsten zu Hilfe
zu kommen. Obwohl die Schweden das Land gründlich ausraubten, wurde
dieses Ziel nicht erreicht: Wallenstein bewegte sich nicht. «Wenn man
nit eilen wird», so Maximilian an Wallenstein, «so geht der Donaustrom
auch ganz hinweg so wie der Rhein.»298Wallenstein setzte darauf, dass sich
Maximilian in den beiden Donaufestungen halten konnte, so dass Gustav
Adolf einen Vorstoß nach Wien nicht riskieren würde. Der materielle Ruin
des bayerischen Kurfürsten war ihm durchaus recht.
Maximilian saß in der Falle. Er versuchte, sich daraus zu befreien,
indem er die Neutralitätsgespräche mit Gustav Adolf wiederaufnahm; dazu
bediente er sich des französischen Gesandten in München, des Barons von
Saint-Etienne. Als der ins schwedische Feldlager kam und das Anliegen
des Kurfürsten vortrug, erklärte Gustav Adolf, er glaube nicht an die Auf­
richtigkeit Maximilians, denn aus abgefangenen Briefen entnehme er das
Gegenteil dessen, was Saint-Etienne ins Gespräch bringe. Der französische
Gesandte wurde energischer; der Kaiser habe versprochen, Maximilian in
Kürze mit 50 000 Mann beizustehen. Das könne ihm nur recht sein, so der
König darauf, «weil dadurch Bayerland desto eher ruiniert werde » .2" Wenn
aber Maximilian wirklich an Neutralität interessiert sei, so solle er seine
Soldaten die Waffen niederlegen lassen und die Armee auflösen; «alsdann
wolle er [Gustav Adolf] ihm Gesetze vorschreiben». Wenn der Kurfürst
sich bis Anfang Mai darauf nicht einlasse, werde er damit beginnen, «in
Bayern sengen, brennen, plündern und morden zu lassen».300 Gustav Adolf
war an einem Neutralitätsabkommen mit Bayern nicht mehr interessiert;
entweder würde Maximilian bedingungslos kapitulieren, oder er, Gustav
Adolf, würde einen beispiellosen Verwüstungsfeldzug in Gang setzen. Letz­
teres mochte im Zorn gesprochen sein, war aber wohl auch ein Ausdruck
der schwierigen Lage, in der sich der König befand, da alle denkbaren
Kriegsziele mit unwägbar hohen Risiken verbunden waren. Darin zeigt sich
eine latente Tendenz dieses Krieges: Der Verlust strategischer Ziele führte
552 D IE Z E IT D ER G R O SSE N SC H L A C H T E N

dazu, dass sich die Gewalt verselbständigte und schließlich gegen alles rich­
tete, was auf dem Weg lag. Der schwedische Verwüstungsfeldzug in Bayern
wurde zum Vorspiel des Kriegsverlaufs in seinem letzten Jahrzehnt.
Die Schweden rückten auf Landshut vor; Feldmarschall Horn besetzte
die Stadt und erlegte ihr 100 ooo Reichstaler «Ranzion» auf, eine Art
Lösegeld, das als Ausgleich für die unterbliebene Plünderung gezahlt
wurde.301 Als Nächstes war Freising dran, dem es ähnlich erging. Schließ­
lich erreichten die Truppen München, das ebenso kampflos übergeben
wurde wie zuvor Landshut und Freising. Er werde Magdeburg an München
rächen, erklärte Gustav Adolf, ließ sich dann aber dazu bewegen, der Stadt
gegen das exorbitante Lösegeld von 300 000 Reichstalern ein vergleichba­
res Schicksal zu ersparen. Am 17. Mai zog er in München ein, begleitet von
Pfalzgraf Friedrich, dem es eine besondere Genugtuung war, im Residenz­
schloss seines Gegenspielers um die Kurfürstenwürde Quartier zu bezie­
hen. Das bei Kriegsbeginn fertiggestellte Schloss Maximilians galt als das
prächtigste im ganzen Reich. Könnte man es auf Rollen setzen, so würde
er es mit nach Schweden nehmen, soll Gustav Adolf gesagt haben. Er hielt
sich stattdessen an den Kunstsammlungen des Kurfürsten schadlos. Insge­
samt verlief der Aufenthalt der Schweden in München jedoch leidlich dis­
zipliniert, was wohl auch daran lag, dass der Großteil des Heeres außerhalb
der Stadt auf dem Schwabinger Anger kampierte. So wurden zwar Maximi­
lians Besitzungen ausgeräumt, aber die Bürgerhäuser blieben weitgehend
verschont. Das war das Gegenteil dessen, was Gustav Adolf angedroht
hatte. Der König neigte dazu aufzubrausen, wenn er verärgert war, doch er
ließ sich auch schnell wieder beruhigen, wenn man ihm entgegenkam und
nachvollziehbare Argumente vorbrachte.
Der Einzug Gustav Adolfs in München war, wie sein Biograph Junkel-
mann schreibt, «der abschließende Höhepunkt seiner Laufbahn als größter
Eroberer, den Europa seit dem Mongolensturm des 13. Jahrhunderts gese­
hen hatte».302 Die Einzüge in Frankfurt und Augsburg waren Inbesitznah­
men symbolträchtiger Reichsstädte; der Einzug in München dagegen war
ein Triumph über den unmittelbaren Gegner, symbolisch und physisch
zugleich.
Nirgendwo wurde das deutlicher als in der «Auferweckung der Toten ».
Die Verwüstung Bayerns 553

Maximilian hatte von Regensburg aus angeordnet, dass die im Münchner


Zeughaus befindlichen Kanonen, die nicht mehr rechtzeitig weggeschaflt
werden konnten, vergraben werden sollten. Es handelte sich dabei um
Kanonen, die eigens für den Kurfürsten gegossen worden waren, aber auch
um viele Beutestücke aus den vorangegangenen Kriegsjahren, die Tilly in
den Schlachten gegen den Mansfelder und den Halberstädter, den Mark­
grafen von Baden-Durlach und den Dänenkönig Christian erbeutet hatte.
Sie waren so etwas wie eine Verkörperung des bisherigen Kriegsverlaufs.
Nun hatte man zwar die Geschützrohre vergraben, aber die Lafetten, auf
denen sie sonst lagen, aus Nachlässigkeit nicht zerstört. Die leeren Lafet­
ten fielen Gustav Adolf beim Besuch des Münchner Zeughauses auf, und
er ließ Nachforschungen anstellen, wo die zugehörigen Kanonenrohre ver­
blieben waren. Man riss die Dielen auf und fand sie darunter vergraben. Auf
einem Hocker sitzend, verfolgte der König ihre Ausgrabung und Bergung:
Es waren im Ganzen 119 Kanonen, die, wie man sagte, aus ihren Gräbern
auferstanden und zu neuem Leben erweckt wurden. Beinahe war es, als
würde Gustav Adolf in diesem Augenblick den bisherigen Kriegsverlauf
rückgängig und die Niederlagen der Protestanten ungeschehen machen.
Der König, ein bibelfester Lutheraner, bediente diese Vorstellung dadurch,
dass er den ersten Rohren, die mit Winden nach oben gezogen wurden,
zurief: «Surgite mortui - Erhebt Euch, Ihr Toten!»303

So geordnet wie in München erfolgte die Ausplünderung Bayerns sonst


nicht. Der Erlinger Pfarrvikar Friesenegger berichtet, wie sich die Verwüs­
tungsstrategie auf dem «flachen Land» darstellte. Nach der Einnahme von
Donauwörth sei alles «m it Vergraben, Einpacken und Flüchten beschäf­
tigt » gewesen. Die Bewohner Erlings «brachten die Nächte meistenteils in
den Wäldern zu».304 Bevor die feindlichen Soldaten leibhaftig auftauchten,
versetzten Gerüchte die Menschen in Furcht: Landshut, Moosburg und
Freising seien schon besetzt, und der Feind habe «aller Orten mit uner­
schwinglichen Schatzungen, Verwüsten, Brennen und Morden übel gehau-
set. Zur Überzeugung dieser Wahrheit sähe man alle Nächte von weitem
4, 5 und noch mehr Feuersbrünste.»305 Am 18. Mai, so Friesenegger, seien
dann auch Reiter nach Erling und zum Kloster Heiligenberg (Andechs)
SS4 D IE Z E IT D ER G R O SSE N SC H L A C H T E N

gekommen, hätten die Pferde und das Beste, was sie fanden, geraubt und
seien wieder davongeritten. Dann seien andere Reiter eingetroffen, hätten
mitgenommen, was noch geblieben war, seien dann aber wiederum von
anderen Reitern vertrieben worden, die sich im Kloster an Wein und Bier
gütlich getan hätten. Drei Wochen hätten die Schweden so gehaust, dann
seien sie wieder abgezogen. Als die Mönche ins Kloster zurückkehrten, bot
sich ihnen ein grauenhafter Anblick: «Das Gotteshaus war voll Gestank
und Pferde-Mist, auf den Altären Überbleibsel von Futter, die Opferstö­
cke alle zerbrochen, und die Grabstätte des Stifters geöffnet.» Die Bilder
des heiligen Rasso habe man «m it Kot bedecket außerhalb des Gottes­
hauses gefunden».306 Im Kloster habe eine «abscheuliche Verwüstung»
geherrscht: «Keine ganze Tür, kein Schloss, kein Kasten, kein Schrank,
kein Fenster, das nicht zerbrochen war; alle Gänge, alle Zimmer, das Refec-
torium, Dormitorium, Colloquium waren mit Stroh, zerschlagenen Fens­
ter- und Tür- und Kästen-Splittern, mit Pferd- und Menschen-Unrat, mit
Gestank und Grausen, so angefüllet, daß 5 Mann 10 Tage genug zu tun
gehabt, das Kloster nur vom größten Unrat zu reinigen.»307
Dass sich die protestantischen Soldaten in einem Kloster alles andere
als respektvoll aufführten, war nicht überraschend. Zur allgemeinen Zer­
störungslust, die sich ausbreitet, wenn Soldaten, die oft unter freiem Him­
mel kampieren, in Wohnräume kommen, von denen sie wissen, dass sie
diese schon bald wieder verlassen müssen, kam hier eine konfessionelle
Komponente dazu: die Gewalt gegen Sakralgegenstände und Heiligenbil­
der der Katholiken, die das Wesen des Feindes treffen sollte. Indem man
zerstörte, was der Gegenseite heilig war, demütigte man sie nicht nur, son­
dern beraubte sie auch ihrer Kraft und ihres Selbstbewusstseins. Doch
dabei blieb es nicht. «Noch elender als im Kloster sah es im D orf aus. Das
obere Wirtshaus, das schöne Richterhaus, das neue Schulhaus, in allem
43 Häuser, fast das ganze obere Dorf, lag in der Asche, wozu die Feinde am
24ten Mai Feuer angelegt haben. [... ] Von 140 Pferden waren einzige 3, von
400 Stück Hornvieh nur 4 mehr übrig. Schaf, Schwein und das gesamte
Geflügel war ganz und gar verloren.»308
Was Friesenegger beschreibt, fand nicht nur in Bayern statt, sondern
weitete sich mit Gustav Adolfs Feldzug gegen die aufständischen Bauern
Die Verwüstung Bayerns 555

des Bodenseegebiets auch auf Oberschwaben aus. Sebastian Bürster, Klos­


terbruder in Salem, schildert die Ankunft schwedischer Soldaten in Ober­
schwaben, womit der «B ock», wie Bürster den Krieg nennt, auch hier Ein­
zug hielt. «Den 26. Aprilis [1632] allhier geht der Bock an. An diesem Tag
seien [sind] die Schwedischen, eine großen Truppen, von Ravensburg aus
auf das Kloster, solches zu verbrennen und in die Asche zu legen, abgefer­
tigt. Eben wollten wir zu Nacht essen und seien zu der Tafel zu H of geses­
sen, als seien sie bei dem Untertore herein. Sobald sie aber in das Kloster
gekommen, haben sie 8 oder 9 Geistliche ertappt, [...] gefänglich nach
Ravensburg geführt, alldort so lange behalten, bis man ihnen die Ranzion
oder Brandschatzung, 6000 Taler, erlegt.»309 Bürster berichtet, dass der
Offizier des Trupps den Auftrag gehabt habe, die Kirche des Klosters in
Brand zu setzen. Als er aber «das schöne, heroische, majestätische Gewölb,
Gebäu und Altar ansichtig worden, ist ihm, wie er selbst bekennt, ein sol­
cher Greuel, Schrecken und Zittern angekommen, daß er gleichsam ertat-
tert, hat also nit können und mögen seinem anbefohlenen Befehl nachzu­
kommen und ins Werk zu setzen».310
Dieses Erzählmuster - man könnte auch von einer «Bewältigungsstra­
tegie» sprechen - 3U findet sich bei den Opfern der Gewalt immer wieder:
Etwas Wundersames habe sich zugetragen, als hätte ein Heiliger oder die
Gottesmutter selbst eingegriffen und die Mordbrenner an der Ausführung
ihrer schändlichen Tat gehindert. Auch bei Friesenegger gibt es eine solche
Passage. «Eben so wunderbarlich ist es auch, daß das Klostergebäude, wo
die Feinde öfters, und an mehreren Orten Feuer angeleget, um, der Wall­
fahrt zum Trotz, dasselbe ganz zu verheeren, wie die Ketzer von Augsburg,
Ulm, Nürnberg verlangten, niemal Feuer gefangen habe, so daß sich die
Gottlosen nach der Hand selbst verwunderten, und die Sache an mehre­
ren Orten erzählten, und auch zu Herrsching fragten, was denn das für ein
Ort, der kein Feuer fange.»312 Wie durch göttliche Fügung schreckte auch
der Offizier, von dem Bürster berichtet, vor der Brandstiftung zurück, weil
ein Zittern seinen Körper überfiel. Da dieser Offizier aber, so Bürster wei­
ter, von «seinem Obrist Major Rudtwein» in Ulm den Befehl bekommen
habe, neben der Klosterkirche noch ein paar Dörfer in Brand zu setzen,
habe er «im Hinwiederziehen den Flecken zu Neufa angezündt und, so
SSö D IE Z E IT D ER G R O SSE N SC H L A C H T E N

ers nit getan und gar nichts brennt hätte, hätte er müssen hangen, seien also
26 First abgebrennt und zu Asche gemacht und auf die 75 Stück Ross und
Vieh. Ist auch unser Lustgärtner [der Gärtner des Klostergartens] versto-
chen und auch 3 Personen verbrennt worden.»313
Die Verwüstung Bayerns und Oberschwabens durch die Schweden
war auch eine Folge davon, dass Gustav Adolf die. erreichbaren und mit
Erfolgsaussicht zu bekämpfenden Gegner ausgegangen waren: Maximi­
lian war in Regensburg verschanzt, Wallenstein blieb in Böhmen, und ein
Vorstoß auf Wien war unter den gegebenen Umständen nicht möglich. Das
Militär musste also untätig bleiben, was die um sich greifende Zerstörungs-
lust weiter antrieb. Es waren jedoch nicht nur schwedische Soldaten, die
raubten und plünderten, sondern an der Verwüstung des Landes beteiligte
sich auch das eigene bayerische Militär. Friesenegger hält fest: «Z u Anfang
Dezember [1632] rückte die baierische Armee zu 26 000 Mann stark, über
Rain und Donauwörth in Baiern herein, um den Feind von Landsberg und
der oberen Gegend zu vertreiben.» Dabei seien Einquartierungen vorge­
nommen worden, und die Dörfer mussten für die Truppen, «Mann und
Pferd», Unterhalt aufbringen. «Hierzu geschahen allerorten die gewalt­
tätigsten Erpressungen, Streifereien und Plünderungen, so daß Elend und
höchste Armut allgemein wurde.»314 Auch das war ein Vorspiel auf das
letzte Jahrzehnt des Krieges, als es für die Bevölkerung der Dörfer und
Städte zunehmend gleichgültig wurde, ob es eigene oder feindliche Solda­
ten waren, die anrückten, da beide die Bevölkerung gleichermaßen drang­
salierten. Die konfessionellen wie die politischen Frontlinien verloren ihre
Bedeutung, und an ihre Stelle trat der Gegensatz zwischen Bauern und Sol­
daten. In vielen Darstellungen wird er als die prägende Konfliktlinie dieses
Krieges hervorgehoben.315
«M an kann aber wirklich nicht sagen», so Maurus Friesenegger in sei­
nem Tagebuch über die Plünderungen des Jahres 1632 in Bayern, «ob die
Auswärtigen oder einheimische Diebe mehr geraubt haben; denn nicht nur
bei dem letzten Abmarsche, sondern auchbei dem öfteren Abzug der Feinde
und Einzug der anderen war immer das Kloster voll Männern und Weibern,
deren ein jedes nahm, was ihm gefiel. Wenigst wurde nach der Hand aut
Vorstellung und Gewissens-Rührung manches freiwillig und anderes bei
Die Verwüstung Bayerns 557

gerichtlicher Haus-Untersuchung zurückgebracht.»316 Was hier aufscheint,


ist die mit der Dauer des Krieges immer stärker ausgreifende Gesetzlosig­
keit, der die Regeln des sozialen Zusammenlebens mehr und mehr zum
Opfer fielen. Das betraf im Übrigen nicht nur die unteren Schichten der
Städte und die Besitzlosen auf dem Land, denen die Auflösung der etab­
lierten Ordnung eine Chance bot, ihre Situation zu verbessern oder sich
auch bloß das Nötigste zu verschaffen, sondern dazu gehörten etwa auch
alle, die als Hehler und Aufkäufer des geraubten Gutes zugange waren. Es
mussten nicht immer einzelne soziale Gruppen sein, wie die Marketender
im Tross des Heeres; mitunter waren es ganze Ortschaften, die sich mit der
raubenden Soldateska verbanden und die von ihr herbeigeschafften Wert­
gegenstände weitervertrieben.
Der Tagebuchschreiber Friesenegger nennt ein Beispiel: «Unter der
Zeit taten sich die Machtlfinger Bauern mit mehr andern in der Gegend
zusammen, versahen sich mit Waffen und wollten die berauschten und
schlafenden Freibeuter zu Herrsching nächtlicher Weile überfallen, mor­
den und die Beute ihnen abjagen. Allein die Herrschinger drohten der
Gewalt mit Gewalt zu widerstehen und für ihre besten Freunde und ange­
nehmsten Gäste, wie sie die Schweden nannten, zu streiten und schickten
die Bauern nach Haus. Und in der Tat lebten die Herrschinger vielfältig von
der Beute derlei Freibeuter und Räuber, die es überall genug gab, um wohl­
feil Geld .» 317 Grimmelshausen lässt seinen Simplicius Ähnliches erzählen:
Ein Trupp Kroaten raubt eine Schar junger Männer, die vor der Festung
Hanau auf dem winterlichen Eis herumgetollt hatten. Zu ihnen gehört
auch der Erzähler. «O b zwar nun die Hanauer gleich Lärmen hatten, sich
zu Pferd herausließen und die Kroaten mit einem Scharmützel etwas auf­
hielten und bekümmerten [belästigten], so mochten sie ihnen doch nichts
abgewinnen; denn diese leichte War ging sehr vorteilhaftig [schlau] durch
und nahm ihren Weg auf Büdingen zu, allwo sie futterten und den Bürgern
daselbst die gefangene hanauische reiche Söhnlein wieder zu lösen gaben,
auch ihre gestohlene Pferd und andere War verkauften.»318 Da der arme
Simplicius nicht zu den «reichen Söhnlein» gehört und man mit ihm
keinen guten Preis erzielen kann, wird er mitgenommen und findet sich,
statt in Hanau, im Stift Hersfeld wieder, wo es ihm bei weitem nicht so gut
Die Festung Hanau, deren mächtige Wälle um das Schloss herum auf
Merians Stadtvedute gut erkennbar sind, war seit Mitte der 1630er Jahre
das strategische Verbindungsglied zwischen dem schwedischen Heer
im Nordosten und den von Frankreich bezahlten und zum Teil auch
aufgestellten Heeren im Südwesten.

geht wie zuvor.319 Die «reichen Söhnlein» hingegen haben das Glück, dass
«die Büdinger», wer auch immer das war, den Kroaten «die Ware» gegen
entsprechendes Geld abnehmen, mit Sicherheit in der Erwartung, sie mit
Gewinn nach Hanau zurückverkaufen zu können. Die Praxis des Rauhens
und Plünderns, die von regulärem Militär ebenso gepflegt wurde wie von
Freibeutern, also Bewaffneten, die auf eigene Faust loszogen, war nur mög­
lich in Zusammenarbeit mit denen, die das Raub- und Diebesgut aufkauf­
ten, um damit Geschäfte zu machen. Der Krieg entwickelte mit der Zeit
seine eigenen Wirtschaftskreisläufe, und sie waren ein weiterer Grund für
seine lange Dauer.

Ein mindestens ebenso großes Problem wie der Mangel an großen strate­
gischen Zielen war für Gustav Adolf die notorisch schwankende Haltung
Kursachsens und damit jenes Teils der protestantischen Stände, die sich an
Die Verwüstung Bayerns 559

der Politik Dresdens orientierten. Kurfürst Johann Georg hatte den Weg an
die Seite Schwedens nur zögerlich beschritten, und der Siegeszug Gustav
Adolfs hatte seinen Bedenken neue Nahrung gegeben. Wäre es nicht besser
gewesen, das politische Momentum nach dem großen Sieg von Breitenfeld
(zu dem die Sachsen freilich wenig beigetragen hatten) zu nutzen, um Frie­
densverhandlungen aufzunehmen? Was waren die Ziele des schwedischen
Königs, und ließen sie sich überhaupt mit der Reichsverfassung in ihrer bis­
herigen Form in Einklang bringen? Johann Georgs Reichskonservatismus
lehnte grundlegende Veränderungen ab, und dass diese kommen würden,
wenn der König militärisch weiterhin erfolgreich war, dürfte dem Kurfürs­
ten klar gewesen sein. Wenn er auch meistens betrunken war, so war er
doch nicht dumm. Vermutlich hatte er von dem Projekt gehört, die geistli­
chen Kurfürstentümer im Reich abzuschaffen und auf diese Weise den Weg
für die Wahl eines evangelischen Kaisers frei zu machen - wer auch immer
das sein würde. Vor allem von Schwedens engem Verbündeten, Landgraf
Wilhelm V. von Flessen-Kassel, wurde dieses Vorhaben vertreten,320 und
Johann Georg argwöhnte, Gustav Adolf wolle selbst zum deutschen Kai­
ser gewählt werden - worauf er nach der Schlacht von Breitenfeld ja noch
einen Trinkspruch ausgebracht hatte.
Der sächsische Kurfürst ließ sondieren, ob man den Schweden durch
Separatfriedensverträge isolieren und aus Deutschland hinausdrängen
könnte. Zum einen nutzte er die guten Beziehungen seines Heeresbe­
fehlshabers Arnim zu Wallenstein, um herauszubekommen, ob der Kaiser
womöglich zur Rücknahme des Restitutionsedikts bereit war und wie er
sich die Lösung der kurpfälzischen Frage vorstelle; kam man in diesen
Fragen überein, so würden sich auch alle weiteren Probleme lösen lassen.
Zum andern verhandelte er mit Kurbrandenburg über ein Separatbündnis
beider Länder, das Schweden aus den Angelegenheiten des deutschen Pro­
testantismus ausschließen sollte.321 Ende Februar und Anfang März trafen
sich sächsische und brandenburgische Räte in Torgau, um die Chancen
einer gemeinsamen Politik gegen Schweden zu erkunden. Wider Erwarten
stieß Johann Georg bei Georg Wilhelm von Brandenburg jedoch auf wenig
Gegenliebe. Er hatte damit gerechnet, dass die Pommern-Frage Branden­
burg auf Distanz zu Schweden bringen würde, aber das war nicht der Fall.
5<>0 D IE Z E IT D ER G R O SSE N SC H L A C H T E N

Hätte man sich auf dem Leipziger Konvent enger an Schweden angelehnt,
so die Antwort Georg Wilhelms, wäre den deutschen Protestanten viel
Unheil erspart geblieben. Offenbar spielte der Untergang Magdeburgs für
die brandenburgische Politik eine deutlich größere Rolle als für die sächsi­
sche. Die brandenburgischen Räte traten dafür ein, vor Beginn allgemeiner
Friedensverhandlungen einen Konvent der evangelischen Stände abzuhal­
ten, um eine gemeinsame Verhandlungslinie festzulegen. Diese Forderung
kam letzten Endes eher den Schweden entgegen, die in Deutschland einen
Corpus Evangelicorum unter ihrer Führung schaffen wollten, als den Sachsen,
die vorsahen, eigenständig mit dem Kaiser zu verhandeln und die Ergeb­
nisse anschließend von den protestantischen Ständen annehmen zu lassen.
Letztlich ging es also um die Frage, wer die Verhandlungsführerschaft bei
Friedensgesprächen haben sollte: Schweden oder Sachsen, Gustav Adolf
oder Johann Georg.
Sieht man davon ab, dass eine gehörige Portion Eigeninteresse im Spiel
war, so kann man der sächsischen Sicht eine gewisse Rationalität nicht
absprechen. Johann Georg war vor allem daran interessiert, den Krieg zu
beenden, und dafür war er zu weitgehenden Konzessionen gegenüber dem
Kaiser und der katholischen Seite bereit. Selbstverständlich gründete sich
diese Bereitschaft darauf, dass Sachsen bislang eher zu den Gewinnern des
Krieges gehört hatte, so dass es eine Revision des Status quo nicht für not­
wendig hielt. Das sahen jene protestantischen Stände, die in den zurücklie­
genden Kriegsjahren vor allem Verluste hatten hinnehmen müssen, ganz
anders, weswegen sie sich stärker an Schweden anlehnten. Die ursprüngli­
che Konfliktlinie innerhalb des Protestantismus zwischen Lutheranern und
Reformierten wurde zunehmend überlagert durch eine zwischen denen,
die mit dem Status quo abzüglich des kaiserlichen Restitutionsedikts leben
konnten, und jenen, die eine Entschädigung für die im Kriegsverlauf erlit­
tenen Verluste erwarteten. Will man es pointieren, so kann man in anachro­
nistischer Begrifflichkeit von den Anhängern eines «Verhandlungsfrie­
dens» und denen eines «Siegfriedens» sprechen; Sachsen war in diesem
Fall der Repräsentant des Verhandlungsfriedens. Noch mehr freilich war
das Landgraf Georg von Hessen-Darmstadt, den Gustav Adolf einmal als
«des Heiligen Römischen Reiches Erzfriedsstifter»322 verspottet hatte. Er
Die Verwüstung Bayerns 561

pflegte einen engen Kontakt zu Sachsen und zum Kurfürsten von Mainz.
Auch er war eher ein Profiteur als ein Verlierer des bisherigen Kriegsver­
laufs, war er doch in den Besitz des Marburger Erbes gelangt,323 das er bei
weiteren Siegen der Schweden und in Anbetracht der engen Anlehnung sei­
nes Kasseler Vetters an Gustav Adolf kaum behalten würde. So waren die
prinzipiellen Fragen - Krieg oder Frieden - mit dem jeweiligen Eigeninter­
esse verquickt, und das sprach nicht dafür, dass man zu einer belastbaren
Verständigung kommen konnte.

In Gustav Adolf reifte die Vermutung, dass Kursachsen eine politische


Linie verfolgte, die der seinen entgegenstand. Eine nicht unerhebliche
Rolle spielten dabei die Verhandlungen, die Arnim seit dem Spätherbst 1631
mit Wallenstein führte.324 Ihr Inhalt ist kaum zu ermitteln, weil sie nicht
zu schriftlichen Abmachungen geführt haben. Einige Historiker gehen
von einer Verschwörung aus: im Falle Arnims gegen Gustav Adolf und
die protestantische Sache;32S im Falle Wallensteins als Vorgeschichte des
Verrats am Kaiser. Nicht einfacher wird das Urteil über diese Verhand­
lungen durch die Rasin-Relationen, Berichte, die der böhmische Exilant
Jaroslaw Sezyma Rasin nach der Ermordung Wallensteins und der Zusage
seiner Begnadigung durch den Kaiser sowie der Rückgabe seines böhmi­
schen Besitzes verfasst hat. Dass dieser Text, der noch durch Wallensteins
Erzfeind Slawata überarbeitet wurde, eher eine Gefälligkeitsdenunziation
als ein verlässliches historisches Dokument darstellt, ist in der Forschung
inzwischen Konsens. Arnim und Wallenstein tauschten sich jedenfalls
mehrfach miteinander aus, einmal auch in einem längeren Vieraugenge­
spräch in Schloss Kaunitz bei Prag. Was dabei verhandelt wurde, wissen
wir nicht, aber man kann davon ausgehen, dass jeder den anderen auf die
eigene Seite zu ziehen versuchte: Wallenstein wollte seinen einstigen Feld­
marschall - im Übrigen mit Wissen des Kaisers - dazu bringen, gemeinsam
mit dem sächsischen Kurfürsten auf die kaiserliche Seite überzuwechseln,
und Arnim dürfte sich bemüht haben, Wallenstein für die Friedenspartei
im Reich zu gewinnen. Beide respektierten sich, und im Grundsatz lagen
ihre Positionen nicht so weit auseinander. Das Problem, mit dem sie zu
kämpfen hatten, bestand eher darin, ihre Sichtweise im eigenen Lager
5Ö2 D IE Z E IT D ER G R O SSE N SC H L A C H T E N

durchzusetzen, und dabei kamen beide nicht weiter. Man ging jedoch auch
weiterhin rücksichtsvoll miteinander um: Als Arnims Truppen Prag besetz­
ten, ließ er vor Wallensteins Palais eine Wache aufziehen, außerdem sorgte
er dafür, dass das Herzogtum Friedland weitgehend ungeplündert blieb;
als Wallenstein im Frühjahr 1632 damit begann, die sächsische Armee aus
Böhmen hinauszutreiben, tat er das mit großer Vorsicht und war bemüht,
den sächsischen Truppen keine Niederlage zuzufügen. Arnim wiederum
war klug genug, Wallenstein nicht zu einer Schlacht herauszufordern. Das
weckte Misstrauen auf beiden Seiten, wobei Gustav Adolf mehr Grund
dazu hatte als der Wiener Hof.326

Stellungskrieg bei Nürnberg und


Entscheidungsschlacht bei Lützen: zwei Etappen
im Duell zwischen Gustav Adolf und Wallenstein

Im Frühjahr 1632 hatte Wallenstein die Sachsen aus Böhmen herausge­


drängt; er hatte das auf die von ihm bevorzugte, weitgehend unspektaku­
läre Art getan: keine Schlachten, sondern ein Manövrieren mit überlege­
nen Kräften, vor denen der Gegner von sich aus zurückwich. Das war nicht
nur strategisch sinnvoll, weil Wallenstein dadurch in der Konfrontation
mit einem weniger wichtigen Gegner keine eigenen Truppen verschliss,
sondern es war auch politisch sinnvoll, weil Wallenstein diesen Gegner
als einen zukünftigen Verbündeten ansah, den er noch brauchte. Mehr als
ein Jahrzehnt lang hatte Sachsen sich kaisertreu verhalten, und es war erst
infolge von Tillys unklugem Agieren auf die schwedische Seite gewechselt.
Wallenstein setzte darauf, dass er Sachsen wieder auf die kaiserliche Seite
ziehen konnte. Dass dies möglich war, glaubte er den mit Arnim geführten
Gesprächen entnommen zu haben. Sicherlich hatten die Sachsen in kon­
fessionellen Fragen Gemeinsamkeiten mit den Schweden, aber die genuin
politischen Interessen des Kurfürsten lagen sehr viel näher beim Kaiser als
beim schwedischen König. Die Probleme mit Gustav Adolf würden in aller
Deutlichkeit hervortreten, sobald dieser seine politischen Ziele offengelegt
Stellungskrieg bei Nürnberg und Entscheidungsschlacht bei Lützen 563

hatte, denn dann würde sich zeigen, dass die schwedische Politik auf einen
Umsturz der Reichsverfassung und eine Revolution der politischen Kon­
stellationen im Reich hinauslief, während die sächsische Politik in diesen
Fragen ausgesprochen konservativ war. Wallenstein war überzeugt, dass die
Zeit für ihn arbeitete. Er musste nur warten, bis Kursachsen zum Kaiser
zurückkehrte, dann würde sich die strategische Lage im Reich grundlegend
ändern: Unter diesen Umständen nämlich war die exponierte schwedi­
sche Position in Süddeutschland nicht mehr zu halten. Aus diesem Grund
agierte er zurückhaltend gegen die sächsische Armee, jagte sie nicht aus
dem Land, sondern drängte sie langsam hinaus. Es war ein Wesensmerkmal
der Wallenstein’schen Kriegführung, dass er Ziel und Zweck immer mitein­
ander verband und dafür Sorge trug, dass sich die Ziele nicht gegenüber
dem Zweck verselbständigten.
Die Gegner Wallensteins verstanden das nicht oder wollten es nicht
verstehen: Er behandele die Sachsen zu rücksichtsvoll, nutze die Gelegen­
heiten nicht, sie militärisch zu schlagen, und stecke mit ihnen vielleicht
sogar unter einer Decke. Schließlich habe er während des Winters mehr­
fach mit dem sächsischen Generalleutnant von Arnim Kontakt gehabt,
sich mit ihm zu einem längeren Vieraugengespräch getroffen, und es sei
schon auffällig, wie sehr sich die Sachsen bei ihrem Vorstoß nach Böhmen
bemüht hätten, das Eigentum und die Ländereien des Herzogs von Fried­
land zu schonen. Kaum war Wallenstein erneut im Amt, machte sich wie­
der das alte Misstrauen gegen ihn bemerkbar, und man beobachtete und
bewertete seine Handlungen genau. Das hatte auch mit der herausragen­
den Stellung des Generalissimus im kaiserlichen Machtapparat zu tun, mit
den außerordentlichen Befugnissen, die er sich in Znaim und Göllersdorf
ausbedungen hatte, und nicht zuletzt mit dem Umstand, dass er das Militä­
rische vom Politischen her dachte und deswegen Entscheidungen traf, die
in Wien als Eingriff in die Zuständigkeiten der Politik wahrgenommen wur­
den. Das Misstrauen gegen Wallenstein hatte aber auch mit seiner Person
zu tun, mit seiner Verschlossenheit, aus der er plötzlich hochfahren konnte,
und mit Äußerungen über seine Kontrahenten in Wien und München, die
von beißendem Spott begleitet waren. Wallenstein konnte durchaus zuvor­
kommend und gewinnend sein, wenn er dazu aufgelegt war und ihm dies
564 D IE Z E IT D ER G R O SSE N SC H L A C H T E N

als opportun erschien, aber die Fähigkeit, sich konsequent diplomatisch zu


verhalten, ging ihm ab. Das war ein Problem, weil, wie Golo Mann fest­
hält, «der Organisator der Armee [... ] den Staat, den es nicht gab, durch
diese seine eigene, einsame Person ersetzen» musste.327 In der Folge bekam
die Person Wallenstein eine Bedeutung, die sie in einem gefestigten Insti­
tutionensystem nicht gehabt hätte. Das war wiederum die Ursache dafür,
dass von dem Moment an, da Wallenstein zurück war, auch die Kritiker
und Neider, die Gerüchtestreuer und Verdachthaber allesamt wieder da
waren. Diese Schatten wurde Wallenstein nicht los. Er verachtete sie und
bekümmerte sich nicht weiter um das, was sie über ihn verbreiteten. Das
war richtig, denn nur so konnte er sich auf seine vielfältigen Aufgaben kon­
zentrieren. Aber es hatte zur Folge, dass Wallenstein zunehmend in politi­
sche Isolation geriet. Kennt man die Geschichte des zweiten Generalats, so
lässt sich dessen Ende von Anfang an absehen.

Zunächst freilich bewegte sich Wallenstein auf einem aufsteigenden Ast.


Im späten Frühjahr 1632 war das neue Heer einsatzfähig: 54 Regimenter
Infanterie, 75 Regimenter Kavallerie, eine starke Artillerieabteilung sowie
kroatische und polnische leichte Reiterei als Späher und Plänkler stan­
den zur Verfügung. Etwa 100 000 Mann hatte der Herzog von Friedland
zusammengebracht. Eigentlich hatte er die doppelte Anzahl unter Waffen
bringen wollen, aber der Söldnermarkt und die finanziellen Möglichkeiten
der habsburgischen Erblande hatten nicht mehr hergegeben. Wenngleich
die meisten Regimenter deswegen nur die Hälfte ihrer Sollstärke erreich­
ten, war dies doch die leistungsfähigste und zuverlässigste Armee, über die
der Kaiser je verfügt hatte.328 Der Däne Heinrich (Henrik) Holk, einer der
Verteidiger Stralsunds und damals Wallensteins Gegner, inzwischen in kai­
serliche Dienste übergewechselt und zum Generalwachtmeister befördert,
übernahm die Organisationsarbeit und wurde zu Wallensteins «rechter
Hand».329 Matthias Gallas und Johann von Aldringen stiegen zu Generä­
len der Artillerie auf,330 Christian von Ilow und Adam Trcka wurden zum
Feldmarschallleutnant befördert, und aus ligistischem Dienst übernahm
Wallenstein den draufgängerischen Pappenheim als Feldmarschall, ein
Rang, den später auch Ottavio Piccolomini bekleidete.331 Da Pappenheim
Stellungskrieg bei Nürnberg und Entscheidungsschlacht bei Lützen 565

im Nordwesten weitgehend selbständig operierte und dabei durch seine


schnelle und überfallartige Art der Kriegführung starke feindliche Kräfte
band,332 war er dort unabkömmlich, und Wallenstein verzichtete vorerst
darauf, ihn zum Hauptheer nach Böhmen zu holen. Wiewohl Pappenheim
in fast jeder Hinsicht das Gegenteil Wallensteins war, bewunderte er den
Generalissimus zutiefst. Er war ihm treu ergeben, jedoch ein zu eigenstän­
diger Charakter, als dass er es lange in Wallensteins straff organisiertem
Heer ausgehalten hätte. Insofern kam die räumliche Distanz dem Verhält­
nis der beiden durchaus zugute. Die Folge war, dass neben Holk vor allem
Piccolomini zum Vertrauten Wallensteins wurde. Wie kaum ein anderer
(allenfalls mit der Ausnahme von Gallas) wurde Piccolomini von Wallen­
stein gefördert, womit dieser den Mann groß machte, der bei seiner Ermor­
dung die entscheidende Rolle spielen sollte.333
Doch so weit war es noch nicht; Wallenstein wurde für die Auseinan­
dersetzung mit Gustav Adolf gebraucht, und selbst seinen ärgsten Wider­
sachern in Wien und München war klar, dass nur er diesen Zweikampf
führen und gewinnen konnte. Das wiederum wusste auch Wallenstein, und
deswegen lehnte er es ab, sein Heer auf Kriegsschauplätzen zu verzetteln,
die er für den Kampf gegen Gustav Adolf als bedeutungslos ansah. Marcus
Junkelmann hat dieses Duell als «den dramatischen Höhepunkt des Drei­
ßigjährigen Krieges» bezeichnet, als die Auseinandersetzung «zwischen
den beiden größten Heerführern ihrer Zeit».334Wallenstein hat sich auf das
Zusammentreffen gründlich vorbereitet, nicht nur durch den Aufbau und
die Organisation des Heeres, sondern auch durch eine Reihe von Operatio­
nen, die ihm die strategische Initiative gegenüber Gustav Adolf verschaffen
sollten. Zwei davon waren von besonderer Bedeutung: der Verzicht, nach
Bayern vorzustoßen und dort die Entscheidung gegen den Schwedenkö­
nig zu suchen, und die Bedrohung Sachsens, die Gustav Adolf zwingen
sollte, Süddeutschland zu verlassen und sich Wallenstein in einem Raum
zum Kampf zu stellen, den dieser nach seinen Vorstellungen ausgesucht
hatte. Wären die beiden in Bayern zusammengetroffen, hätte Gustav Adolf
die Initiative behalten, und sei es bloß dadurch, dass er sich nach Westen
zurückgezogen hätte und Wallenstein ihm zu seinem Nachteil hätte folgen
müssen. Wallenstein aber kannte den schwachen Punkt der schwedischen
$66 D IE Z E IT D ER G R O SSE N SC H L A C H T E N

Machtstellung in Deutschland: Wenn er den Druck auf die Sachsen erhöhte,


musste Gustav Adolf ihnen zu Hilfe kommen, entweder selbst oder indem
er ein größeres Armeekorps entsandte, und Wallenstein konnte sich dann
aussuchen, auf wen er sich werfen würde. Zog Gustav Adolf sämtliche in
Süddeutschland stehenden Truppen zusammen und marschierte nach
Thüringen und Sachsen, so würde das zudem zwangsläufig zur Erosion der
schwedischen Machtstellung an Donau und Rhein führen, so dass viele
Ergebnisse des Siegeszugs von 1631/32 wieder zur Disposition standen.
Gustav Adolf misstraute dem Durchhaltevermögen und der Opfer­
bereitschaft seiner deutschen Verbündeten, wenn er nicht zur Stelle war,
um sie gegen ihre Widersacher zu beschützen. In seinen Augen waren die
deutschen Protestanten allzu wetterwendisch, und man durfte von ihnen
nicht erwarten, dass sie in Glaubensfragen wie politischer Loyalität stand­
haft blieben, sobald sich die Lage verschlechterte. «Ihr pflicht- und gott­
vergessenen Buben, die ihr euren Glauben schon unter vielerlei Religion
verleugnet und die schändliche Abgötterei des Papsttums angenommen»,
herrschte er die Menschen in der Oberpfalz an, die nach der Eroberung
des Landes durch Tilly die Konfession gewechselt hatten, anstatt aus­
zuwandern.335 «Sollt ihr zu Gott nit soviel Vertrauen haben, daß ihr um
seines göttlichen Wortes willen Euer Haus, Hof, Weib und Kind nit hint­
ansetzt und verlasset? Ihr leichtfertigen, abtrünnigen Schelme. Deswegen
straft Euch auch Gott.»336A uf solche Glaubenshelden gab der König nicht
viel; er musste mit seiner Heeresmacht ständig bei ihnen sein, damit sie im
Glauben standhielten. Also konnte Gustav Adolf seine Truppen nicht zur
Konfrontation mit Wallenstein konzentrieren. Das war sein strategisches
Handicap gegenüber Wallenstein, der diese Sorge nicht hatte.
Gustav Adolf musste seine Kräfte verteilen: Horn ging zu Oxenstierna
an den Rhein, um die Spanier in Schach zu halten, Grubbe sollte die schwe­
dischen Kräfte im niedersächsischen Kreis koordinieren und Wilhelm
von Weimar in Thüringen neue Soldaten anwerben. Da der König ganze
22 000 Mann unter Baner und Bernhard von Weimar südlich der Donau
zurückließ, umfasste die Armee, mit der er nach Nordosten aufbrach, nicht
mehr als 10 000 Fußsoldaten, 8500 Reiter und 70 Kanonen.337 Gustav Adolf
hatte die Information, dass sich Wallenstein mit seinem Heer auf Eger im
Stellungskrieg bei Nürnberg und Entscheidungsschlacht bei Lützen 567

Nordwesten Böhmens zubewegte, also eine Position bezog, von der aus
er den Durchzug der Schweden nach Sachsen verhindern konnte. Es ist
unwahrscheinlich, dass Gustav Adolf sich auf ein Treffen mit dem deut­
lich überlegenen kaiserlichen Heer einlassen wollte; stattdessen dürfte er
geplant haben, den von Regensburg aus in Richtung Eger marschierenden
Kurfürsten Maximilian, der etwa 7000 Mann bei sich hatte, abzufangen
und dessen Truppen zu zersprengen.338 Gelang ihm das, so war er die Sorge
um das ligistische Operationsheer los und konnte einen Teil der in Bayern
zurückgelassenen Truppen nachziehen, um mit etwa gleichstarken Kräften
die entscheidende Auseinandersetzung mit Wallenstein zu suchen. Doch
das Vorhaben, die Bayern zum Kampf zu stellen, misslang. Als Gustav Adolf
am 24. Juni in der Nähe von Weiden anlangte, musste er feststellen, dass
Maximilian mit seiner Armee bereits nördlich von Weiden war und damit
nicht mehr an der Vereinigung mit den Truppen Wallensteins gehindert
werden konnte. Er zog sich daraufhin auf Nürnberg zurück. Das vereinigte
kaiserlich-ligistische Heer, das nun 31000 Infanteristen, 13 000 Kavalleris­
ten und 80 Kanonen umfasste, zog ebenfalls von Neustadt an der Waldnaab
in Richtung Nürnberg.
Gustav Adolf konnte sich mit weniger als 20 000 Mann nicht zur
Schlacht stellen.339 Aber Nürnberg als strategische Position und wichtigen
Verbündeten aufgeben konnte und wollte er auch nicht. Also ließ er um die
Reichsstadt eine zweite, ungefähr 16 Kilometer lange Umwallung errichten,
die sich wie ein äußerer Ring um die eigentlichen Befestigungsanlagen der
Stadt zog, und dazwischen brachte er sein Heer unter. Der Ring um Nürn­
berg war zu groß, als dass Wallenstein ihn selbst noch einmal einschließen
konnte, und das ermöglichte Gustav Adolf, Nachschub, Verstärkungen und
das für die Verpflegung der Soldaten Erforderliche heranzuführen. Wenn
Wallenstein die Umwallung angreifen wollte, so musste er gegen gut gesi-

A u f der folgenden Doppelseite: Als Gustav Adolf seine Streitkräfte bei Nürn­
berg konzentrierte, verlegte er sie nicht in die auf herkömmliche Weise
durch eine Doppelmauer mit zahllosen Wachtürmen befestigte Stadt, son­
dern ließ sie großflächig in einem Ring um die Stadt unterbringen. Die
Truppen waren so verteilt, dass sie die ihnen zugewiesenen Verteidigungs­
abschnitte schnell erreichen konnten. Die neue Art des Festungshaus mit
Sternschanzen, die flankierendes Feuer auf Angreifer ermöglichten, ist auf
dem Plan gut zu erkennen, ebenso das Exerzieren der Truppen außerhalb
der Schanzen.
57° D IE Z E IT D ER G R O SSE N SC H L A C H T E N

cherte Schanzen anrennen, und seine Sturmtruppen waren dem schwedi­


schen Abwehrfeuer deckungslos ausgesetzt. Doch Wallenstein griff nicht an,
sondern ließ bei Zirndorf in der Nähe von Fürth ebenfalls ein Lager errich­
ten, in dem er das Gros seiner Truppen konzentrierte. Des Weiteren baute
er in größerem Abstand um Nürnberg eine Reihe befestigter Lager auf, von
denen aus er die Versorgungslinien des schwedischen Heeres abschneiden
wollte. Man kann das als indirekte Belagerung bezeichnen, die darauf setzte,
dass mit der Zeit die Nahrungsmittelvorräte in Nürnberg knapp wurden
und das schwedische Heer daran zugrunde ging - oder den Kampf annahm.
Der Stellungskrieg bei Nürnberg war ein Ringen mit der Zeit, und die Zeit
konkretisierte sich in dem auf beiden Seiten um sich greifenden Hunger
und der Hoffnung, dass die in solchen Situationen zwangsläufig auftreten­
den Seuchen als Erstes dem Gegner zusetzen würden.
Um in dieser Lage die Initiative zurückzugewinnen, musste Gustav
Adolf seine auf diverse Nebenkriegsschauplätze verteilten Truppen zu sich
heranziehen. Die Frage war, wo sich Truppen abziehen ließen, ohne dass
dies gravierende Folgen hatte. Zunächst bot sich hierfür Sachsen an, da mit
dem Abzug des Wallenstein’schen Hauptheeres die für das Kurfürstentum
drohende Gefahr geschwunden war. Arnim hatte die Kaiserlichen schon
wieder aus der Lausitz hinausgedrängt und stieß nunmehr nach Schle­
sien vor. Er eroberte Breslau und Glogau und besetzte auch Wallensteins
Fürstentum Sagan, wo er nicht so rücksichtsvoll auftrat wie zuvor bei der
Besetzung von Teilen Friedlands. Wallenstein ließ sich zu einem Vergel­
tungsfeldzug provozieren: Sein Generalwachtmeister Holk drang mit den
im Raum Bamberg/Forchheim stehenden Truppen in die Gegend um Mei­
ßen vor, die er nach Kräften verwüstete. Dabei kam Holk bis vor die Tore
Dresdens, so dass Kurfürst Johann Georg Nacht für Nacht die brennenden
Dörfer in der Umgebung seiner Hauptstadt sehen konnte. Aber Holks
Diversionsfeldzug bewirkte das Gegenteil des Bezweckten: Johann Georg,
dessen politische Unzuverlässigkeit Gustav Adolf das ganze Frühjahr über
beschäftigt hatte, rückte wieder fest an die schwedische Seite. Der sorgen­
volle Blick des Königs nach Dresden erübrigte sich vorerst, und mehr noch:
Johann Georg schickte ihm einige seiner Regimenter zu Hilfe.
Weniger erfreulich entwickelte sich die Lage im niedersächsischen
Stellungskrieg bei Nürnberg und Entscheidungsschlacht bei Lützen 571

Kreis, wo Pappenheim in schnellen Bewegungen die Schweden unter


General Baudissin, die hessischen Truppen des Landgrafen Wilhelm
sowie die kleine Armee Georg von Lüneburgs beschäftigte und ihnen
immer wieder Niederlagen zufügte. Doch so erfolgreich, wie Pappenheim
in seiner Operationsführung war, so ignorant war er im Hinblick auf die
strategische Gesamtlage. So ließ er sich dazu verleiten, die von den Nieder­
ländern bedrängte spanische Festung Maastricht zu unterstützen, womit
sich die Lage im niedersächsischen Kreis entspannte und Wilhelm von
Hessen-Kassel einige seiner Regimenter nach Franken in Marsch setzen
konnte. Am überschaubarsten war aus schwedisch-protestantischer Sicht
die Lage in Bayern, wo es nach dem Abzug der ligistischen Mobilarmee
aus Regensburg nicht länger nötig war, starke Kräfte bereitzuhalten. Baner
und Bernhard von Weimar sollten, so die Anweisung des Königs, mit
10 ooo Mann ins westliche Franken marschieren, wo Oxenstierna, der sich
mit Horns Hilfe am Rhein Luft verschafft hatte, eine Entsatzarmee zusam­
menführte, um mit ihr auf Nürnberg vorzustoßen und dem König zu Hilfe
zu kommen.
In Nürnberg selbst und im schwedischen Lager war es derweil nicht
zu der dramatischen Zuspitzung gekommen, mit der Wallenstein gerech­
net hatte. Weder war die Blockade so dicht, dass keine Lebensmittel zu
den Schweden hereinkamen, noch waren Seuchen ausgebrochen, die das
Heer dezimiert hätten. Es dürfte das weitläufige Areal, das Gustav Adolf
hatte umwallen lassen, gewesen sein, das den Ausbruch von Seuchen ver­
hinderte. Das größte Problem war der Futtermangel für die Pferde, und es
war absehbar, dass man bald keine leistungsfähige Kavallerie mehr haben
würde. Andererseits hatte auch Wallenstein erhebliche Schwierigkeiten
bei der Versorgung seiner Truppen. Zwar hatte er einen besseren Zugriff
auf die Ressourcen des Landes, aber er musste die doppelte Anzahl von
Soldaten versorgen, und dabei hatte er keine Stadt wie Nürnberg mit ihren
Provianthäusern, Mühlen und Bäckereien im Rücken. Alles, worauf Gustav
Adolf in Nürnberg zurückgreifen konnte, musste Wallenstein selbst auf­
bauen. So stand die Lage in etwa im Patt, als nach einem sechswöchigen
Stellungskrieg Ende August die Entsatzarmee Oxenstiernas heranrückte
und zu den Truppen des Königs Verbindung aufnahm. Gustav Adolf ging
571 D IE Z E IT D ER G R O SSE N SC H L A C H T E N

davon aus, dass er jetzt die Oberhand hatte, und nach langem untätigen
Warten drängte es ihn, die Initiative an sich zu reißen und die befestigten
Stellungen Wallensteins anzugreifen. Der Kampf um die Alte Veste, eine
alte Burgruine nahe Fürth, wurde zum nächsten Schritt im Nürnberger
Stellungskrieg.340
Gustav Adolf hatte sich jedoch gründlich verrechnet, als er darauf setzte,
dass ihm die größere Zahl der nun verfügbaren Soldaten beim Angriff auf
Wallensteins Hauptlager den Sieg sicherte. Zwei Umstände dürften bei die­
ser Fehlkalkulation zusammengekommen sein: zum einen das Vertrauen,
dass er mit seinen kampferfahrenen Truppen bei entsprechender artille­
ristischer Vorbereitung jeden Gegner aus seinen Stellungen werfen könne,
und zum anderen die Ungeduld des Königs, der sich nach einem knappen
Jahr weit ausgreifender Operationen und unausgesetzter Siege von Wal­
lenstein für sechs Wochen in Nürnberg festgenagelt sah und das seinem
Gegner nun heimzahlen wollte. Nirgendwo sonst als im Kampf um die Alte
Veste traten die unterschiedlichen Temperamente des Schweden und des
Böhmen sowie ihre gegensätzlichen strategischen Leitvorstellungen deut­
licher zutage. Gustav Adolf hatte stets das Gefühl, er müsse jede sich bie­
tende Gelegenheit zur Entscheidung ergreifen. In den Monaten nach seiner
Landung auf Usedom hatte er sich kontrolliert und über längere Zeit eher
vorsichtig und zurückhaltend agiert - etwa bei Werben, wo er sich Tilly
nicht zur Schlacht gestellt hatte - , doch nach den Erfolgen im Anschluss an
den Sieg von Breitenfeld hatte er diese Zurückhaltung verloren. Die Unge­
duld gewann die Kontrolle über ihn. Er spürte, dass er bei einem sich hin­
ziehenden Krieg in Deutschland im Nachteil war und deshalb die schnelle
Entscheidung suchen musste, was seiner Vorliebe für die Offensive und
die Schlacht als Hauptmittel der Kriegführung entsprach. Wallenstein war
darin das genaue Gegenteil. Es mochte sein, dass man in Wien von ihm
eine schnelle Entscheidung im Duell mit dem Schweden erwartete, aber
davon ließ er sich nicht aus dem Konzept bringen. Seine abgrundtiefe
Verachtung für die Schreibtischstrategen des Hofkriegsrats war ein festes
Bollwerk, das ihn gegen dessen Erwartungen schützte. Nach den unguten
Erfahrungen, die er 1626 in Ungarn gemacht hatte,341 ließ er sich auf eine
offensive Operationsführung nur noch ein, wenn er kräftemäßig um das
574 D IE Z E IT D ER G R O SSE N SC H L A C H T E N

liehen Zeitspannen, die ihm in militärischer und in politischer Hinsicht zur


Verfügung standen.
Es gab freilich, wie so oft in diesem Krieg, auch logistische Erforder­
nisse, die Gustav Adolf dazu veranlassten, seinerseits nicht auf Zeit zu
spielen. Er hatte seit der Ankunft von Oxenstiernas Entsatzarmee - zu
den 20000 Mann der Royalarmee kamen 13000 unter schwedischem
Kommando stehende Soldaten, 4000 des nordhessischen Landgrafen,
6000 des thüringischen Herzogs Wilhelm und 5000 Kursachsen - eine so
große Menge an Kriegsvolk konzentriert, dass er sie kaum über eine län­
gere Zeitspanne würde versorgen können.342 Die Versorgungsfrage zwang
Gustav Adolf dazu, so schnell wie möglich eine Schlacht gegen Wallenstein
zu wagen oder aber abzuziehen. Im letzteren Fall hätte die Heranführung
von bald 30 000 Soldaten allein dazu gedient, den König aus einer Lage zu
befreien, in die er sich selbst gebracht hatte. Das kam für Gustav Adolf nicht
in Frage. Nachdem er den Herangezogenen drei Tage Ruhepause gegönnt
hatte, suchte er die Entscheidung.
Aber wie ließ sich Wallenstein aus seinen Verschanzungen locken? Am
31. August marschierte die schwedische Armee in Schlachtordnung vor der
Ostseite des Wallenstein sehen Lagers auf. Als die Schweden den Schanzen
näher kamen, wurden sie von heftigem Geschützfeuer empfangen, doch
Wallenstein verließ die Schanzen nicht. In der Nacht brachten die Schwe­
den ihrerseits Kanonen in Stellung, die am nächsten Tag die kaiserlichen
Positionen unter Beschuss nahmen. Das Gelände war für einen Sturman­
griff jedoch ungeeignet, da Wallenstein seine Kanonen in eine Position
zurückziehen ließ, wo sie von den Schweden nicht mehr beschossen wer­
den, ihrerseits aber die anstürmende schwedische Infanterie unter Feuer
nehmen konnten. Gustav Adolf wiederum konnte seine Geschütze nicht
weiter vorziehen, weil man sie sonst auf die andere Seite des Flüsschens
Rednitz bringen musste, wo sie in einer exponierten Position gestanden
hätten. Also entschied er, im Verlauf des kommenden Tages eine besser
geeignete Angriffsposition einzunehmen: Die Armee marschierte nach
Fürth, schwenkte dort nach Westen und stand danach im Norden von Wal­
lensteins Lager. Erneut wurde geschanzt.
Am Morgen des 3. September erhielt Gustav Adolf die Nachricht, der
Stellungskrieg bei Nürnberg und Entscheidungsschlacht bei Lützen 575

Gegner habe mit dem Abzug begonnen und es seien nur wenige Regimen­
ter im Lager zurückgeblieben. Womöglich war das eine von Wallenstein
lancierte Fehlinformation, vielleicht hörte der König aber aus Gefangenen­
aussagen auch nur das heraus, was er hören wollte. Jedenfalls gab er den
Befehl zum Angriff, und in der Folge stürmten seine Soldaten den ganzen
Tag über gegen die stark befestigte Nordseite von Wallensteins Lager an. Im
Zentrum der Verschanzungen befand sich eine bewaldete Anhöhe mit einer
Burgruine, der Alten Veste, wo der Friedländer einen größeren Teil seiner
Artillerie konzentriert hatte. Um ein gutes Schussfeld zu bekommen, hatte
er die Bäume um die Ruine fällen und in die Verschanzungen einbauen las­
sen. Dieses Mal war die schwedische Artillerie nicht in der Überlegenheit,
wie zumeist in den zurückliegenden Schlachten, so dass die Infanterie ohne
eigene Artillerieunterstützung über deckungsloses Gelände hügelaufwärts
angreifen musste. Sie stürmte tapfer voran, erzielte aber keine nennenswer­
ten Erfolge. Sobald sie sich in eine aussichtsreiche Position gebracht hatte,
wurde sie durch Gegenangriffe der kaiserlichen oder bayerischen Kavalle­
rie zurückgeschlagen. Wallenstein, der die Attacken befehligte, stellte mit
großer Zufriedenheit fest, dass dieses erste Zusammentreffen mit seinem
Gegenspieler ganz so verlief, wie er sich das vorgestellt hatte. Bei der Alten
Veste behielt Wallensteins kühle Berechnung gegenüber Gustav Adolfs
impulsiver Entschlossenheit die Oberhand.
Gustav Adolf hatte Kampfgruppen aus Musketieren bilden lassen, die
in vorgeschobener Position den Angriff der Pikeniere durch ihr Feuer auf
die Verteidiger vorbereiten und unterstützen sollten. Da er von seinen Kano­
nen nicht den gewohnten Gebrauch machen konnte, zumal sein Artillerie­
kommandeur Lennart Torstensson bei einem Erkundungsritt von bayeri­
schen Reitern gefangen genommen worden war, sollten die Musketiere die
fehlende Artilleriewirkung durch Musketenfeuer ersetzen. Oberst Monro,
der den Sturm auf die Alte Veste beschrieben hat, berichtet: «Kaum waren
die Sturmgruppen vorgegangen, mußten schon die Verstärkungen vorgezo­
gen und eingesetzt werden, ihnen beizustehen. Der Tod war so häufig unter
Offizieren und Mannschaften, daß diejenigen, die verwundet wurden, froh
waren, mit dem Leben davongekommen zu sein, denn sie sahen unsere
Lage als verzweifelt an, da wir unsere Leute verloren, ohne gegen den Feind
576 D IE Z EIT D ER G R O SSE N SC H L A C H T E N

voranzukommen, der durch seine Verschanzungen gedeckt war, während


wir, Offiziere wie Mannschaften, wie die Zielscheiben vor ihm standen, auf
die man nur zu feuern brauchte, da sie keine Deckung hatten, es sei denn
man bezeichnet den Schatten einiger großer Bäume im Wald als solche.»343
Bei der Einweisung von Verstärkungen wurde Monro dann verwundet,
offenbar von einem gegnerischen Scharfschützen, der auf einem Baum
saß und den Auftrag hatte, gezielt auf Offiziere der Angreifer zu schießen.
«Trotz meiner Verwundung und obwohl ich viel Blut verloren hatte, fühlte
ich mich kräftig genug, auf meinem Posten bis zum Abend auszuhalten.
Dann kam mein Oberstleutnant John Sinclair, uns abzulösen. Ich brachte
aber nur einen geringen Teil meiner Leute zurück, da ich beinahe zweihun­
dert Mann verloren hatte, nicht gerechnet die Offiziere und Soldaten, die
verwundet worden waren.»344 Als es gegen Abend zu regnen begann, sah
Gustav Adolf ein, dass dieser Kampf nicht zu gewinnen war, und brach das
Gefecht ab. Seine Truppen zogen sich in ihre Ausgangsstellungen zurück.
Die Schweden hatten an diesem Tag 1200 Tote und 2000 Verwundete, die
Kaiserlichen dagegen bloß 300 Tote und 700 Verwundete zu beklagen.34'
Insofern konnte Wallenstein den Kampf um die Alte Veste als Sieg verbu­
chen.
Am 11. September, als klar war, dass Gustav Adolf kein weiteres Mal
versuchen würde, das kaiserliche Lager zu stürmen, und sein Heer bereits
abzog, schrieb Wallenstein an den Kaiser: «So hat sich der König bei dieser
impresso [bei diesem Angriff] gewaltig die Hörner abgestoßen, indem er
allen zu verstehen gegeben, er wolle sich des Lagers bemächtigen oder kein
König sein, er hat auch damit sein Volk [Heer] über die Maßen discoura­
giert, daß er sie so harzadosamente [waghalsig] angeführt, daß sie in vor­
fallenden Occasionen ihm desto weniger trauen werden, und ob zwar Ew.
Maj. Volk [das kaiserliche Heer] Valor und Courage zuvor überflüssig [im
Überfluss] hat, so hat doch diese Occasion sie mehr assekutiert [bestärkt],
indem sie gesehen, wie der König, so alle seine Macht zusammengebracht,
repussiert [zurückgeschlagen] worden, das Praedikat invictissime [gänz­
lich unbesiegbar] nicht ihm, sondern Ew. Majestät gebührt.»346 Die erste
Runde im Duell mit Gustav Adolf, so Wallensteins stolzes Resümee, sei an
ihn gegangen, und er habe dem schwedischen König den R uf der Unbe-
Stellungskrieg bei Nürnberg und Entscheidungsschlacht bei Lützen 577

siegbarkeit genommen. Umgekehrt nahm er diesen R uf aber nicht für sich


selbst in Anspruch, sondern überließ ihn dem Kaiser als Geschenk.

Wallensteins Strategie war aufgegangen: Der Siegeszug Gustav Adolfs, in


Bayern bereits diffus und ziellos, war im Stellungskrieg bei Nürnberg zu
Ende gegangen. Wallenstein hatte mit seiner Auffassung, wie der Held aus
dem Norden zu bekämpfen und zu besiegen war, recht behalten. Er hatte
seine Kritiker ins Unrecht gesetzt. Doch wenn er hoffte, daraus politisches
Kapital schlagen zu können, so war das ein Irrtum. Die Kritiker und Nei­
der waren keineswegs verstummt: Wallenstein habe nicht verhindert, dass
die Entsatzarmee zu Gustav Adolf stieß, und nach seinem Erfolg gegen den
Schwedenkönig habe er diesen abziehen lassen, ohne ihm nachzusetzen
und den begrenzten Abwehrerfolg in einen entscheidenden Sieg zu ver­
wandeln.347Was sie dabei nicht sahen, war der Umstand, dass Gustav Adolf
nach dem misslungenen Angriff auf einen solchen Versuch Wallensteins
nur gewartet hatte, denn auch er suchte die Schlacht: Bevor der König am
18. September von Nürnberg nach Windsheim und Neustadt an der Aisch
aufbrach, marschierte er mit dem gesamten Heer noch einmal vor Wallen­
steins Lager auf, um «den Fuchs doch per diversionem [durch Ablenkung]
heraus zu kriegen», wie Johan Adler Salvius ein paar Tage später schrieb.348
Auch im protestantischen Lager wurden die Folgen der an der Alten
Veste erlittenen Schlappe diskutiert. Ludwig Camerarius, ehemals Rat des
böhmischen «Winterkönigs» und weiterhin bemüht, die Interessen Fried­
richs V. gegenüber den Schweden zur Geltung zu bringen, schrieb danach,
Gustav Adolf habe «den Feind mit großer Tapferkeit an [gegriffen], aber
nicht mit dem Erfolg, den wir wünschten, da der Feind äußerst vortheil-
haft gelagert war. - Wäre des Königs Unternehmen geglückt, so war es um
den Feind gethan.»349 Das war die typische Sichtweise eines Intellektuel­
len, der eher vertane Gelegenheiten wahrnahm und ihnen nachtrauerte, als
dass er Chancen und Risiken gegeneinander abwog und sich fragte, warum
Gustav Adolf auf die Finte seines Feindes hereingefallen war. Camerarius
war von derselben Ungeduld getrieben, die auch bei den Kritikern Wallen­
steins immer wieder aufscheint. Wenn man eine Niederlage erlitten hatte,
so rubrizierte man das im Konjunktiv: Was für ein gewaltiger Erfolg wäre
578 D IE Z E IT D ER G R O SSE N SC H L A C H T E N

es gewesen, wenn man gesiegt hätte. Die Konditionalkonstruktion tritt hier


an die Stelle einer verantwortungsvollen Bewertung der Lage.
In mancher Hinsicht neigte auch Gustav Adolf zu einer solchen Sicht­
weise. Das zeigte sich in seinem Wutausbruch unmittelbar vor dem Sturm
auf Wallensteins Lager. Anlass waren Berichte über die wachsende Zahl
von Desertionen gerade unter den deutschen Söldnern, und ihr Eindruck
verstärkte sich durch Einwände und Bedenken vorwiegend deutscher Offi­
ziere im Heer, die dem König von einem direkten Angriff auf die feindli­
chen Schanzen abrieten: «Ihr Fürsten, Grafen, Herren und Edelleute, ihr
seid es, die ihr am meisten euer eigenes Vaterland verderbt.» Zwar hätten
sich die Deutschen durchaus als tapfer erwiesen, den Ertrag aber durch
Raub und Plünderung verdorben. «Richtet euch selbst und prüfet, ich bitte
euch, euer eigenes Gewissen, wieviel Antheil ihr habt an den Erpressungen
und Grausamkeiten.» All das werde jetzt der schwedischen Armee zur Last
gelegt. «Ja, ihr Deutschen seid es vorzüglich, die ihr euer Vaterland bestehlt
und gegen eure eigenen Glaubensgenossen wütet.»350 Gustav Adolf hätte
sich nicht zu solchen Vorhaltungen hinreißen lassen, wenn er mit der all­
gemeinen Lage und seinem Heer zufrieden gewesen wäre. Er spürte, wie
seine Truppen den Heeren ähnlich wurden, die seit bald fünfzehn Jahren in
Deutschland kämpften, und fürchtete, diese Entwicklung werde weiterge­
hen, solange der Krieg dauerte. Als König wie als gläubigem Protestanten
war ihm das zuwider. Es gab viele Gründe, warum er auf eine Beschleuni­
gung des Geschehens setzte, und der Sittenverfall im Heer, den er in seiner
Wutrede anprangerte, war einer davon. Der Zwang zur Beschleunigung
dürfte Gustav Adolf auch beeinflusst haben, als er die Chancen und Risiken
eines Angriffs auf Wallensteins Lager abgewogen hatte.351
Überaus nüchtern und eigentlich «m odern» muten dagegen die
Reflexionen Monros über den Kampf um die Alte Veste an: «Aber solch
ein tapferer Befehlshaber, wie es unser Führer [Gustav Adolf] war, der
nichts fürchtete, wenn er den Kampf begann, hätte es nicht auf die leichte
Schulter nehmen dürfen, als er sah, daß sich die Sache zu seinem Nach­
teil entwickelte, sondern er hätte sich rechtzeitig, mit so wenig Verlusten,
wie nur möglich, zurückziehen müssen. [... ] Die Kühnheit eines einzigen
Tapferen an der Spitze kann dazu führen, eine ganze Armee aus Mangel an
Stellungskrieg bei Nürnberg und Entscheidungsschlacht hei Lützen S79

Urteilsvermögen einzusetzen, wie es hier geschah, als wir an diesen Hügel


der Alten Veste vor Nürnberg heranrückten, wo dann so viele in Gefahr
gebracht wurden, da sie, ebenfalls aus Mangel an Urteilsvermögen, ihrem
Führer auf dem Fuß folgten, wobei sie alle mehr unüberlegt als klug handel­
ten. Jedoch Wagemut, gepaart mit Verstand, führt zum Sieg, während ande­
rerseits ein voreiliger Mann ohne Urteilsvermögen und Klugheit in einer
Armee ebenso untragbar ist wie ein Feigling.»352 Das war die schärfste
Kritik, zu der sich Monro, sonst durchaus ein Bewunderer Gustav Adolfs,
hinreißen ließ. Sie zeigt, dass der Verlust des invictissime das Vertrauen der
Soldaten in ihren Anführer erschüttert hatte. Die im Rückblick urteilenden
Historiker sind in ihrer überwiegenden Mehrzahl diesem Urteil gefolgt.
Golo Mann: «Aus dem legendären Siegeszug des Vorjahres war Konfu­
sion und Entlarvung geworden; Hin-und-her-Ziehen ohne Zweck, je nach
dem, was der Feind tat; Sterben und verbrannte Erde.» Oder Junkelmann:
«Gustav Adolf verließ die Nürnberger Festungslandschaff mit angeschla­
gener Reputation, doch <im Felde unbesiegt».» Und Findeisen: «Der
Beherrscher Deutschlands war zum konfusen Marschierer geworden.»353
Das größte Manko der Schlappe an der Alten Veste bestand für Gustav
Adolf aber darin, dass er wieder mit demselben Problem konfrontiert war
wie vor dem Marsch nach Nürnberg: der Frage, wohin er sich mit seinem
Heer wenden sollte. Wieder gab es drei Möglichkeiten. Zunächst konnte
man zum Lech zurückmarschieren, um von hier aus Bayern, Schwaben
und das Bodenseegebiet zu beherrschen, sich mit dem im Eisass operie­
renden Horn zu verbinden und die Schweiz als Rekrutierungsgebiet für
neue leistungsfähige Söldner zu nutzen. Sodann gab es die Option, sich
nach Sachsen zu begeben, dem wilden Treiben Holks ein Ende zu machen
und die politisch-militärische Verbindung mit Kurfürst Johann Georg
aufrechtzuerhalten. Dafür sprach auch die Sorge um die «Rettungsleine»
der Schweden in Deutschland, nämlich der Schutz der Ostseehäfen. Und
schließlich gab es die von Oxenstierna favorisierte Möglichkeit, direkt auf
Wien zu marschieren und einen Angriff in das Herz des Feindes zu star­
ten. Der Rückzug nach Sachsen und der Vorstoß auf Wien waren die entge­
gengesetzten Pole dieses Optionsfeldes, Ersterer eher defensiv und auf die
Sicherung der Rückzugslinien bedacht, Letzterer bedingungslos offensiv
580 D IE Z E IT D ER G R O SSE N SC H L A C H T E N

und alles auf eine Karte setzend; die Entscheidung für Augsburg und den
Lech als Zentrum der Operationen lag etwa dazwischen. Gustav Adolf ent­
schied sich für den Kompromiss und marschierte zum Lech.354 Zwischen
Straßburg und München wollte er einen geschlossen protestantischen
Raum hersteilen, der wie ein Riegel gegen die katholischen Einflüsse aus
dem Süden wirken sollte.
Aber dieser Entschluss hatte nicht lange Bestand. Als Johann Georg
schrieb, neben den Streifscharen Holks und dem in Schlesien operierenden
Korps unter Gallas seien nun auch die Truppen Pappenheims im Anmarsch
auf Kursachsen (was eine Fehlinformation war), beschloss Gustav Adolf,
nach Sachsen zu marschieren, um den strategisch wichtigen Verbündeten
nicht im Stich zu lassen. Wenngleich Pappenheim auf sich warten ließ und
selbst Wallenstein zeitweilig nicht wusste, wo dessen Truppen standen, so
hatte sich die Gesamtlage doch weitreichend verändert: Wallenstein hatte
beschlossen, in diesem Jahr seine Truppen nicht in den Erblanden, sondern
in Kursachsen und angrenzenden Territorien Winterquartier beziehen zu
lassen. Das hatte grundlegende Folgen für seine Kriegführung gegen Sach­
sen, die er in einem Brief an Gallas so beschrieb: «Allermasßen Wier nun
zwar von diesem ermeldten Veldtmarschalckh-Leuthenandt Holka [Holk],
umb eine diversion zu machen, das Landt mit Plündern, Brennen, Vieh
wegtreiben undt sonsten zu ruiniren undt dardurch den Churfürsten ...
zur ragion zu bringen dahin geschickhet, anietzo aber sehen, dz gantz keine
weder güettliche noch dergleichen Zwangsmittel etwass bey ihm verfangen
und er höchstgedachter Ihr Kay. Maj. Landen feindtseeliger weisse unab­
lässig zuezusetzen obstiniret [beschlossen hat], dahero unsere Intention
nicht mehr auf bloße diverson besondern [sondern] auff occupirung seines
Landes gerichtet: Alss haben Wier dem herrn solches hiermit notificiren ...
wollen, dasßelbe zu conserviren, die vorhin [zuvor] angesteldten diversi­
onsmittel mit Plündern, Brennen, Vieh wegtreiben ... gentzlich abzustellen
undt es in Ihr Kay. Maj. devotion zu nehmen undt zu erhalten.»355 Wenn
das Land als Winterquartier genutzt werden sollte, durfte es nicht länger
verwüstet werden. Aber Wallenstein ging es nicht nur um Winterquartiere
für seine Armee, sondern er wollte mit dem Zug nach Sachsen auch Gustav
Adolf zwingen, nach Norden zu marschieren, wo die Schweden von Wal­
Stellungskrieg bei Nürnberg und Entscheidungsschlacht bei Lützen S8i

lensteins Hauptmacht und dem aus Westen heranrückenden Pappenheim


in die Zange genommen und vernichtet werden sollten.
Anfang Oktober stieß Wallenstein nach Kursachsen vor; zunächst
wollte er auf Dresden ziehen, änderte dann aber seinen Plan und mar­
schierte in Richtung Leipzig. Er ging davon aus, dass Gustav Adolf ihm fol­
gen würde: Wenn man die Schweden in Sachsen schlug, dann waren ihre
Positionen in Schwaben, Bayern und Franken nicht mehr zu halten. Das war
ein Argument, das Wallenstein gegenüber Kurfürst Maximilian gebrauchte,
der mit der Entscheidung für Sachsen überhaupt nicht einverstanden war,
nachdem er erfahren hatte, dass Gustav Adolf sich auf den Lech zube­
wegte.356 Man einigte sich darauf, dass Maximilian mit seinen bayerischen
Truppen sowie einem Korps kaiserlicher Soldaten unter General Aldrin-
gen, insgesamt mehr als 10 ooo Mann, nach Regensburg marschierte, um
sein Land zu schützen. Im Gegenzug willigte Maximilian ein, dass die
Truppen Pappenheims dem Kommando Wallensteins unterstellt wurden.
Gustav Adolf indes musste sich eingestehen, dass nicht er, sondern Wal­
lenstein festlegte, auf welchem Kriegsschauplatz die Entscheidung fallen
sollte: Am 18. Oktober entschloss er sich, dem sächsischen Verbündeten zu
Hilfe zu kommen und nach Norden zu marschieren. In 17 Tagen legte sein
Heer über 600 Kilometer zurück; am 5. November stand die schwedische
Hauptmacht in Arnstadt, von wo aus sie nach Naumburg vorrückte. Wal­
lenstein näherte sich, inzwischen durch den Zuzug Pappenheims verstärkt,
Weißenfels und bot Gustav Adolf dort eine Schlacht an.

Diesmal war es der König, der das Kräffemessen verweigerte und in sei­
nen Verschanzungen bei Naumburg verharrte. Wallenstein kam daraufhin
zu dem Schluss, dass in diesem Jahr keine große Schlacht mehr stattfinden
werde, und ordnete den Abmarsch in die Winterquartiere an. Das aber hieß,
dass die bis dahin konzentrierten Truppen in unterschiedliche Richtun­
gen abzogen: Pappenheim mit 5000 Mann nach Halle, Gallas mit 6000 bis
8000 Mann in Richtung Grimma, während Wallenstein und Holk mit der
Hauptarmee, 15 000 bis 18 000 Mann, im Leipziger Raum blieben.3S7 Der
Militärhistoriker Guthrie hat das als eine der bizarrsten Entscheidungen
des Krieges bezeichnet;358 jedenfalls war es ausgesprochen leichtfertig, aus
582 D IE Z E IT D ER G R O SSE N SC H L A C H T E N

dem Verharren der Schweden in den Verschanzungen bei Naumburg zu


schlussfolgern, für sie sei der Krieg des Jahres 1632 zu Ende. Die Winter­
kriegführung Gustav Adolfs in den beiden zurückliegenden Jahren hätte
Wallenstein eine Warnung sein müssen. Aber vermutlich wollte er, dass der
Krieg zu Ende war und er nach den körperlichen Strapazen des Sommers
und Herbstes für längere Zeit ein komfortables Quartier beziehen konnte.
Gichtanfälle machten ihm zu schaffen, er hatte Mühe zu reiten und musste
häufig in der Sänfte getragen werden. Wallensteins labile körperliche Ver­
fassung dürfte zumindest einer der Gründe für seinen Entschluss gewe­
sen sein.
Am 15. November noch vor fünf Uhr morgens marschierten die Schwe­
den von Naumburg los.359 Gustav Adolf hatte von der Verteilung der Kai­
serlichen erfahren und wollte die überraschend aufgetauchte Gelegenheit
nutzen, Wallenstein doch noch zur Entscheidungsschlacht zu stellen - und
zwar unter Bedingungen, die er und nicht, wie ein paar Tage zuvor, Wallen­
stein bestimmte. Er hatte zusammen mit den inzwischen dazugestoßenen
Truppen Bernhards von Weimar etwa 20 000 Mann zur Verfügung, wobei
seine Kavallerie nicht mehr die Qualität hatte, auf die der König so großen
Wert legte. Die im Stellungs- und Belagerungskrieg bei Nürnberg zugrunde
gegangenen Pferde hatten noch nicht ersetzt werden können. Dafür waren
die Schweden an Artillerie klar überlegen. Gustav Adolf, der nach dem
Fehlschlag an der Alten Veste und dem Hin und Her der Marschbewegun­
gen in Süddeutschland zeitweise recht niedergeschlagen gewesen war, hatte
nach dem Marsch von der Donau zur Elbe neue Zuversicht gewonnen und
wollte alles daransetzen, das Kriegsjahr 1632 doch noch zu einem erfolg­
reichen Abschluss zu bringen. Dafür musste jetzt aber alles ganz schnell
geschehen. Es ging darum, die kurzzeitige Arglosigkeit und Nachlässig­
keit der Gegenseite entschlossen auszunutzen. Deswegen verzichtete er
auch darauf, das Eintreffen des bei Torgau stehenden Korps unter Herzog
Georg von Lüneburg und der dorthin beorderten sächsischen Regimenter
des Generalleutnants von Arnim abzuwarten. Auch musste er ohne seine
bewährten schwedischen Unterführer auskommen, mit denen er bis dahin
seine Siege erzielt hat: Horn, Baner und Torstensson waren in der Schlacht
von Lützen nicht dabei. Stattdessen spielten zwei deutsche Generäle eine
Louis Braun ist vor allem als Maler des Deutsch-Französischen Krieges
von 1870/71 hervorgetreten; die dabei gewonnenen Eindrücke hat er in
die bald 150 Jahre frühere Schlacht von Lützen zurückgespiegelt: der
König Gustav II. Adolf vor der Front einer Kavallerieeinheit heim Gehet,
unmittelbar hinter ihm Reiter mit schwedischen Fahnen, vor ihm Gefallene
der vorangegangenen Kämpfe. Dieser Holzstich nach Brauns Gemälde
wurde 1894 in der Gartenlaube ahgedruckt, die von einem überwiegend
weiblichen Publikum gelesen wurde.

entscheidende Rolle, Bernhard von Weimar und Dodo von Imhausen und
Knyphausen, denen Gustav Adolf das Kommando über den linken Flügel
und das Zentrum übertrug. Der König selbst führte den rechten Flügel.
Zuerst galt es, möglichst unbemerkt an die kaiserlichen Truppen her­
anzukommen. In Weißenfels, das auf dem Anmarschweg der Schweden lag,
hatte Wallenstein nur eine kleine Besatzung von 300 Mann zurückgelassen,
die von den Schweden überrumpelt wurde. Ein plötzlich aufkeimendes
Misstrauen hatte Wallenstein jedoch veranlasst, den Generalwachtmeister
Rudolf Colloredo mit 1000 Kroaten und Dragonern in Richtung Weißenfels
und Naumburg ausschwärmen zu lassen, um die Schweden zu beobachten.
Am Mittag des 15. November stießen Colloredos Reiter auf die anrücken­
den Truppen Gustav Adolfs und stellten fest, dass sie es mit dessen gesam­
584 D IE Z E IT D ER G R O SSE N SC H L A C H T E N

ter Armee zu tun hatten. Sie zogen sich auf das Flüsschen Rippach zurück,
hinter dessen sumpfigem Ufer sie eine Zeitlang Widerstand leisteten. Wäh­
rend Colloredo Boten zu Wallenstein sandte, um ihn über den Anmarsch
des Feindes zu unterrichten, hinderten seine Dragoner die Schweden an
der Überquerung der Rippach und verschafften Wallenstein so wertvolle
Zeit. «Hätte nicht der Pass Ripack den König lange aufgehalten, würde er
den ersten Abend einen großen Effekt erzielt haben», schrieb Wallensteins
Stellvertreter Holk nach der Schlacht.360 Den Gegner etwa zwei Stunden
lang aufzuhalten hatte Mitte November eine große Wirkung, denn die Tage
waren kurz, und am Nachmittag ließ sich keine Schlacht mehr beginnen.
Gustav Adolf hatte zwar das Überraschungsmoment auf seiner Seite, aber
die Schlacht als einen Überfall zu gestalten war nach den Verzögerungen an
der Rippach nicht mehr möglich.
Im kaiserlichen Lager war man seit zwei Uhr nachmittags fieberhaft
damit beschäftigt, die bereits abgerückten Regimenter zurückzurufen:
Drei Kanonenschüsse wurden als Signal zur Umkehr abgefeuert, und es
wurden Meldereiter losgeschickt, die den Truppen hinterher] agten, um
sie bei der Rückkehr zur Eile anzutreiben. Wallenstein schrieb Briefe
mit neuen Anordnungen, während Holk die eintreffenden Regimenter
nachts noch in ihre Stellungen einwies. Der berühmteste Brief Wallen­
steins war der an Pappenheim: «D er feindt marchirt hereinwarths, der
Herr lasse alles stehen und liegen und incaminire [bewege] sich herzu mitt
allem Volck und Stücken, auf dass er morgen frue bey uns [sich] befün-
den kann.»361 Pappenheim war gerade in Halle eingetroffen, als ihn Wal­
lensteins Nachricht erreichte. Er war kein Mann des Bedenkens und des
Zögerns, und Wallensteins Postskriptum auf der Rückseite des Schreibens
- «cito cito citissime»: schnell, schnell, äußerst schnell - zeigte ihm, dass
größte Eile geboten war. Also ließ er umgehend die Pferde satteln, um mit
der Kavallerie vorauszueilen, während die Fußtruppen mit den Kano­
nen folgen sollten. Sie waren naturgemäß langsamer, und wenn er sich an
ihnen orientierte, würde er frühestens am späten Abend bei Lützen eintref-
fen. Also unternahm Pappenheim mit seinen vier Kavallerieregimentern
einen Nachtmarsch, was hieß, dass seine Reiter nach einem Ritt von etwa
50 Kilometern erschöpft und übermüdet bei Lützen eintreffen würden. Für
Am Vorabend der Schlacht bei Lützen erreichte Pappenheim dieser Brief
Wallensteins: «D er feindt marchirt hereinwarths, der Herr lasse alles
stehen und liegen und incaminire [bewege] sich herzu mitt allem Volck
und Stücken, auf dass er morgen frue bey uns [sich] befänden kann.
Ich aber verbleibe hiemitt des herrn dienstwilliger AhzM. [Alhrecht
Herzog von Mecklenburg) / Lützen den 15. Novemb Ao [Anno] 1632 / Er
[der Feind] ist schon an dem pas wo gestern der böse weg gewest ist.»
Pappenheim trug das Schreiben bei sich, als er am nächsten Tag auf dem
Schlachtfeld von Lützen eintraf. Es weist großflächige Blutspuren auf, die
von Pappenheims tödlicher Verwundung stammen dürften.
586 D IE Z E IT D ER G R O SSE N SC H L A C H T E N

Pappenheim war das kein Problem, für viele seiner Reiter sehr wohl, wie
sich auf dem Schlachtfeld herausstellen sollte.
Derweil ließ Holk die verfügbaren Infanterieregimenter schanzen:
Artilleriestellungen mussten vorbereitet werden, und in dem ebenen
Gelände mit Höhenunterschieden von allenfalls ein bis zwei Metern
musste man Erdwälle aufwerfen, hinter denen die Musketiere Halt und
Deckung fanden. Es ist unwahrscheinlich, dass Wallenstein, wie mitunter
zu lesen ist, das Gelände bei Lützen mit Bedacht für die Schlacht ausge­
sucht hat. Der schwedische Vorstoß kam zu überraschend. Aber mit dem
sicheren Blick des erfahrenen Feldherrn nutzte er die wenigen vorhande­
nen Geländevorteile, um eine geeignete Defensivstellung zu beziehen. Er
hätte sich dabei auf den Floßgraben stützen können, einen zwei bis drei
Meter breiten und etwa einen Meter tiefen Kanal zwischen Saale und Elster,
der von den Flößern für den Transport von Holzstämmen genutzt wurde.
Diese Stellung hätte Gustav Adolf jedoch leicht von der Flanke her aufrol-
len können, und der Vorteil, den der Floßgraben gegen einen Frontalangriff
bot, hätte dann nichts genutzt. Wallenstein entschloss sich, stattdessen sei­
nen linken Flügel an das Städtchen Lützen anzulehnen. Lützen hatte etwa
300 Häuser, war von Mauerbefestigungen umgeben und besaß in seinem
Zentrum ein aus Bruchsteinen errichtetes Schloss. Der Ort lag an der Post­
straße von Weißenfels nach Leipzig. Die an die Stadtmauer angrenzenden
Gärten waren von Lehmwänden umgeben. Daran schloss sich ein Wind­
mühlenhügel an, auf dem Wallenstein einen Teil seiner Artillerie postierte,
die von dort aus das gesamte Gelände bestreichen konnte. Dieser rechte
Flügel, der in Richtung des schwedischen Anmarschwegs obendrein durch
einen Mühlgraben mit ausgedehnten Sumpfwiesen gedeckt war, bildete
den festen Punkt in Wallensteins Aufstellung. A uf ihm - und nicht etwa
im Zentrum oder auf dem linken Flügel - wollte Wallenstein die Schlacht
entscheiden. Der Schwachpunkt seiner Aufstellung war hingegen der von
Holk und Piccolomini geführte linke Flügel, für den nur schwächere Kräfte
verfügbar waren, bis die von Halle kommenden Regimenter Pappenheims
ihn verstärken konnten.
Für Gustav Adolf hingegen war klar, dass er eine Angriffsschlacht schla­
gen musste, bei der ihm das Überraschungsmoment verloren gegangen war.
Stellungskrieg bei Nürnberg und Entscheidungsschlacht bei Lützen 587

Jetzt kam alles darauf an, dass die Schlacht begann, bevor Wallensteins Ver­
stärkungen eintrafen. Ob Gustav Adolf sich dabei über die zentrale Rolle
des Pappenheim’schen Korps im Klaren war, muss offenbleiben. Was er
jedoch mit Sicherheit wusste, war, dass mit jeder Stunde, die verging, die
eigene Überlegenheit dahinschmolz.362Aber am Morgen des 16. November
lag starker Nebel über der Ebene von Lützen, so dass Gustav Adolf zögerte,
die Schlacht zu eröffnen. Seine Armee rückte von dem D orf Meuchen, wo
der König und die höheren Offiziere übernachtet hatten, über den Floß­
graben vor und nahm Gefechtsaufstellung ein: die schweren Kanonen
vor dem Zentrum, das wie üblich in zwei Treffen gestaffelt war, die Regi­
mentskanonen auf die gesamte Breite der Front verteilt, die Fußtruppen im
Zentrum konzentriert, die Reiterei auf den beiden Flügeln, zwischen den
Reitereinheiten überall Musketiertrupps. Gustav Adolf führte den rechten,
Bernhard von Weimar den linken Flügel. Man kann davon ausgehen, dass
der König die Entscheidung auf dem rechten Flügel suchen wollte, der dem
schwachen linken Flügel Wallensteins gegenüberstand.

Lützen wurde eine taktisch uninspirierte Schlacht, da beide Seiten die geg­
nerische Aufstellung mitsamt ihren Stärken und Schwächen nicht hatten
erkunden und darauf reagieren können. So lief das Geschehen auf einen
Abgleich von Kampfkraft und Opfermut hinaus. Da Wallenstein - im
Unterschied zu Tilly bei Breitenfeld - die flache Aufstellung anstelle des
Tercio-Systems übernommen und wie die Schweden Gruppen von Mus­
ketieren zwischen den Kavallerieformationen postiert hatte, ergaben sich
auch aus der Grundformation der Truppen keine größeren Vor- oder Nach­
teile für eine der beiden Seiten.
Als vormittags gegen zehn Uhr die Sonne allmählich durch den Nebel
brach, standen die Ffeere einander beidseits der Poststraße im Abstand von
einem Kilometer gegenüber. Während des Wartens hatten auf Seiten der
Evangelischen Feldprediger mit den Truppen gebetet, es wurden Kirchen­
lieder gesungen, und Gustav Adolf, der auf seinem Schlachtross «Streiff»
die Front abgeritten war, hatte vor einzelnen Brigaden haltgemacht und
aufmunternde Worte an sie gerichtet.363 A uf Seiten der Kaiserlichen ging
es prosaischer zu: Auch Wallenstein ritt die Truppen ab, hielt jedoch keine
588 D IE Z E IT D ER G R O SSE N SC H L A C H T E N

größeren Ansprachen, sondern beschränkte sich in düsterer Strenge auf das


Versprechen von Belohnungen für besondere Tapferkeit und die Andro­
hung von Strafen für Feigheit und Desertion. Dann begannen die Kanonen
zu feuern, wahrscheinlich zuerst die kaiserlichen, da die Schweden näher
an sie heranrücken mussten und erst dann das Artilleriefeuer eröffnen
konnten. Als Erstes griff der vom König selbst kommandierte rechte Flü­
gel der Schweden an, und in hartem Kampf gelang es, die in Gräben ver­
schanzten Musketiere Wallensteins zurückzudrängen oder niederzukämp­
fen. Eine wuchtige Reiterattacke weitete den Erfolg aus, drang bis zu den
Kanonen der Kaiserlichen vor und nahm sie. In dieser Situation hielt Gus­
tav Adolf den Kampf auf seinem rechten Flügel für entschieden und gab
dem zweiten Treffen unter dem finnischen Obersten Torsten Stälhandske
den Befehl, durch einen entschlossenen Angriff den Zusammenbruch des
linken kaiserlichen Flügels herbeizuführen. Der wäre wahrscheinlich auch
erfolgt, wenn nicht just in diesem Augenblick die von Halle herangeführten
Reiterregimenter Pappenheims - es handelte sich um etwa 3000 Mann -
eingetroffen und unmittelbar zum Gegenangriff übergegangen wären. Pap­
penheims Eingreifen stabilisierte den kaiserlichen rechten Flügel vorerst.
Währenddessen hatte sich auf dem linken Flügel der Schweden die
Lage gänzlich anders entwickelt. Das von Herzog Bernhard geführte erste
Treffen stieß auf die stärksten Positionen Wallensteins und erlitt durch
starkes Artilleriefeuer vom Windmühlenhügel aus große Verluste. Lützen
stand, von Wallensteins Soldaten in Brand gesetzt, in hellen Flammen, und
der dichte Rauch trieb den Schweden entgegen. Schließlich fiel ihnen ein
kaiserliches Kürassierregiment in die Flanke und zwang sie zum Rückzug.
Damit war die linke Flanke des schwedischen Zentrums bedroht.364 Als
Gustav Adolf davon Kenntnis erhielt, wechselte er mit dem smäländischen
Kavallerieregiment vom rechten zum linken Flügel, um die Ordnung wie­
derherzustellen und die eigenen Truppen erneut zum Angriff zu führen.
Zwar hatte er dem rechten Flügel in seinem Schlachtplan die entscheidende
Rolle zugedacht und dort auch seine kampfstärksten Einheiten aufgestellt:
Er wollte Wallensteins linken Flügel zertrümmern, anschließend dessen
Zentrum von der entblößten Flanke her aufrollen und danach Wallen­
steins starke, an Lützen angelehnte Positionen angreifen. Doch dieser Plan
Stellungskrieg bei Nürnberg und Entscheidungsschlacht bei Lützen 589

konnte nur funktionieren, wenn sein eigener linker Flügel nicht zusammen­
brach. Also musste die Lage dort stabilisiert werden.
Es dürfte halb eins am Mittag gewesen sein, als Gustav Adolf mit dem
Kavallerieregiment den Flügelwechsel vollzogen hatte. A uf der linken Seite
seiner Aufstellung herrschten sehr schlechte Sichtverhältnisse; Rauch­
schwaden des brennenden Lützen vermischten sich mit dem Pulverqualm
der Schlacht, und zu alldem kam noch der erneut einsetzende Nebel. Als
Gustav Adolf die Smäländer zum Gegenangriff führte, geriet er in ein
Kampfgewühl, in dem er von seinen Kavalleristen getrennt wurde. Vermut­
lich hat dabei auch seine starke Kurzsichtigkeit eine Rolle gespielt, denn
der König weigerte sich, in Kampfsituationen eine Brille zu tragen. Eine
Kugel zerschmetterte ihm den linken Ellenbogen. Was darauf folgte, ist
unklar: In einigen Berichten ist davon die Rede, Gustav Adolf sei aus dem
unmittelbaren Kampfgeschehen herausgeritten, habe sich von seinem per­
sönlichen Pagen, dem Nürnberger Patriziersohn August von Leubelfing,365
den Arm verbinden lassen und sei dann in den Kampf zurückgekehrt.366
Das ist jedoch unwahrscheinlich, da Gustav Adolf nach einer so schwe­
ren Verwundung (in manchen Quellen heißt es, der Armknochen habe
aus dem Ärmel herausgeragt) nicht mehr in der Lage gewesen sein dürfte,
sein Pferd mit der linken Hand zu lenken - was er jedoch musste, um in
der Rechten eine Waffe führen zu können. Viel wahrscheinlicher ist also,
dass der König nach seiner Verwundung den Zügel mit der Rechten ergriff,
infolgedessen keine Waffe mehr führen konnte und somit wehrlos war.367
Wahrscheinlich verlor er während des Wechsels der Zügelhand auch die
Kontrolle über sein Pferd, das von da an seine eigene Richtung nahm. Ein
Kürassier des kaiserlichen Regiments Götz feuerte seine Reiterpistole, sein
«Faustrohr», auf den Dahinjagenden ab und traf ihn im Rücken. Hätte der
König einen Harnisch getragen, wie das bei für den Nahkampf ausgerüste­
ten Reitern üblich war, wäre die Kugel womöglich abgeprallt. Wegen einer
Verwundung der rechten Schulter, fünfjahre zuvor davongetragen, konnte
Gustav Adolf aber keinen Harnisch tragen, sondern nur ein Elchlederkol­
ler. Die Kugel drang in den Körper ein, und der König stürzte rücklings
vom Pferd. Ob dieses ihn noch eine Strecke mitschleifte oder ob er sofort
zu Boden fiel, ist unklar, zumindest widersprechen sich die Berichte. Über
Der Tod des schwedischen Königs Gustav Adolf, das bei weitem folgen­
reichste Einzelereignis der Schlacht bei Lützen, ist unzählige Male
dargestellt worden. Einmal wird ein aus unmittelbarer Nähe in den Rücken
des Königs abgefeuerter Pistolenschuss gezeigt, ein anderes Mal der
Kampf mit Hieb- und Stichwaffen. Carl Wahlbom, ein schwedischer Maler
der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, hat für die Darstellung des Todes
von Gustav Adolf eine wilde Kampfszene gewählt. Der König fällt dabei
rücklings von seinem sich aufbäumenden Pferd.

dem darniederliegenden König tobte der Reiterkampf, und wahrscheinlich


wurde er von mindestens einem Huftritt getroffen. Es war dann ein von
oben geführter Degenstich, der Gustav Adolf tötete.

Die Nachricht vom Tod des Königs verstärkte auf dem linken schwedi­
schen Flügel die Neigung der Soldaten, die Flucht zu ergreifen. Das war der
kritische Augenblick der Schlacht: Wäre jetzt eine große Panik ausgebro­
chen, wäre die Schlacht für die Schweden verloren gewesen. Es waren vor
allem zwei Männer, die das verhinderten: der Feldprediger Jacob Fabricius,
der die Behauptung ausstreute, der König sei gar nicht tot, sondern nur
verwundet, und mit einigen hundert Mann den Choral «Erhalte uns, Herr,
Stellungskrieg bei Nürnberg und Entscheidungsschlacht bei Lützen 593

bei Deinem Wort» anstimmte,368 und Herzog Bernhard, der die zurück­
weichenden Truppen sammelte und erneut zum Angriff führte. Die sich
abzeichnende Panik schlug ins Gegenteil um, als Bernhard die Soldaten mit
dem Ruf anfeuerte, sie müssten ihren König rächen. Aus der drohenden
«Rückwärtspanik» wurde jetzt eine «Vorwärtspanik», und die schwedi­
schen Truppen drangen mit berserkerhafter Wut auf den Feind ein, der nun
seinerseits zurückwich. Bernhard von Weimar hatte sich zuvor kurzzeitig
mit Rnyphausen beraten, der für den Rückzug stimmte. Der achtundzwan-
zigjährige Bernhard entschied sich für den Angriff und entriss damit Wal­
lenstein den schon fast sicheren Sieg. Sein kometenhafter Aufstieg begann
am Tag von Lützen.369
Nahezu gleichzeitig mit dem schwedischen König fand auch Feldmar­
schall Pappenheim den Tod. Nach einer kurzen Einweisung hatte er das
Kommando auf dem linken Flügel der Kaiserlichen übernommen. Seiner
Gewohnheit entsprechend ritt er an die Spitze des Angriffs, mit dem er die
bedrohliche Lage entschärfen wollte. Da traf ihn die Kugel einer schwedi­
schen Regimentskanone (anderen Berichten zufolge war er bereits zuvor
von mehreren Pistolenschüssen getroffen worden)370 und riss ihm die Seite
auf. Der ihn begleitende Trompeter brachte ihn aus dem Kampfgeschehen
heraus. Man legte ihn in eine Kutsche, um die Wunden zu versorgen. In
Windeseile verbreitete sich die Nachricht vom Ausfall des Feldmarschalls,
und in der Folge breitete sich Panik unter den von Pappenheim herange­
führten Kavalleristen aus. Einige ergriffen die Flucht, andere verweigerten
den Befehl zum Angriff, darunter auch Offiziere. Hier mag dahingestellt
bleiben, ob dabei deren protestantisches Bekenntnis eine Rolle spielte, wie
häufig angeführt, oder ob vielmehr der Umstand ausschlaggebend war, dass
die Männer seit Mitternacht im Sattel gesessen hatten und vor dem Angriff
nicht mehr hatten verpflegt werden können. Voll Verzweiflung soll Pappen­
heim noch beobachtet haben, dass sich mit der Flucht «seiner» Reiterre­
gimenter die Lage auf Wallensteins rechtem Flügel weiter verschlechterte.
«Ist denn keiner mehr, der für den Kaiser treulich fechten will», soll der
Schwerverwundete gerufen haben.371 Dann wurde Pappenheim in der Kut­
sche weggefahren. Ob er die Pleißenburg bei Leipzig noch lebend erreicht
hat, ist unklar: Einige berichten, er sei dort unter qualvollen Schmerzen
Beinahe gleichzeitig mit dem schwedischen König fand auch Graf
Pappenheim in der Schlacht bei Lützen den Tod. « Is t denn keiner mehr,
der für den Kaiser treulich fechten w ill», soll der Schwerverwundete noch
gerufen haben, als er seine Kavallerie flüchten sah. Auf der Zeichnung
von Rene Reinicke ist zu sehen, wie der sterbende Feldmarschall vom
Schlachtfeld gebracht wird.

gegen drei Uhr morgens gestorben; andere gehen davon aus, dass er bereits
unterwegs verstorben ist.372
Unterdessen ging die Schlacht mit Angriffen und Gegenstößen weiter,
und dabei vermochte keine Seite einen nachhaltigen Erfolg zu erringen.
Um seinen nach dem Tod Pappenheims und der Flucht seiner Regimen­
ter erneut wankenden linken Flügel zu stabilisieren, entsandte Wallenstein
Piccolomini mit einigen Reiterregimentern vom rechten zum linken Flügel
- was sich auf dem rechten Flügel sofort bemerkbar machte, als Bernhard
von Weimar die Schweden wieder gesammelt zum Angriff führte. Es gelang
ihm, die große Batterie auf dem Windmühlenhügel zu erobern, und wahr­
scheinlich hätte er in dieser Situation den Sieg errungen, wenn nicht vom
linken Flügel der Kaiserlichen Hilfe herbeigeeilt wäre, deren Einsatz den
Stellungskrieg bei Nürnberg und Entscheidungsschlacht bei Lützen S9S

Zusammenbruch des rechten Flügels verhinderte. Diese neuerliche Kräfte­


verschiebung war möglich, weil auf dem rechten schwedischen Flügel große
Verwirrung entstanden war, nachdem die mit Pappenheim eingetroffenen
Kroaten die schwedische Aufstellung großräumig umgangen und in deren
Rücken mehrere schwedische Pulverwagen in die Luft gejagt hatten.
So wogte die Schlacht hin und her, bis Wallenstein gegen Abend den
Befehl zum Rückzug gab, womit der Sieg symbolisch den Schweden zufiel.
Betrachtet man den Schlachtverlauf, dann war Lützen indes eher ein Patt
als ein schwedischer Sieg. Das zeigt sich auch in der Verteilung der üblichen
Trophäen: So fiel die gesamte kaiserliche Artillerie in schwedische Hände,
da beim Abzug keine Pferde zur Verfügung standen. Dafür büßten die Kai­
serlichen nur einige Fahnen und Standarten ein, während die Schweden
etwa 60 Fahnen verloren. Das spricht dafür, dass die entsprechenden Ein­
heiten völlig zerschlagen worden waren oder sich in der kurzen Phase der
Panik zwischen Gustav Adolfs Tod und der Wiederherstellung der Lage
durch Herzog Bernhard weitgehend aufgelöst hatten. Dazu passt, dass die
Schweden um die 5000 Tote und Verwundete zu beklagen hatten, während
es auf Seiten Wallensteins etwa 4000 waren.373
Was hat Wallenstein dazu veranlasst, den Rückzugsbefehl zu geben?
Der Generalissimus hatte eine Verwundung erlitten, die jedoch nicht son­
derlich schwer war. Trotz heftiger Gichtanfälle hatte er die Schlacht vom
Pferderücken aus geleitet, und es ist nicht auszuschließen, dass sein körper­
licher Zustand eine Rolle spielte. Wahrscheinlicher ist freilich, dass Falsch­
informationen über anrückende schwedische Verstärkungen, nämlich das
Korps Georgs von Lüneburg und die sächsischen Truppen Arnims, ihn
zu dieser Entscheidung veranlassten. So begründet sie jedenfalls Feldmar­
schall Holk in seinem Bericht über den Schlachtverlauf: Da «der Herzog
und alle hohen Offiziere blessiert» gewesen seien, «hielt man es für bes­
ser, abzumarschieren, die Stücke [Kanonen] stehen zu lassen und sich mit
Gallas zu konjugieren [vereinigen], bevor die Sächsischen sich mit den
Schweden konjugierten und man dadurch einer partikulären Ehre halber
die ganze Wohlfahrt des Kaisers hazardierte».374 Es war demnach kluge
Vorsicht, die Wallenstein den Rückzugsbefehl geben ließ. Mit dem Tod
Gustav Adolfs hatte er das unmittelbare Duell für sich entschieden (wobei
Der Tod Gustav Adolfs in der Schlacht bei Lützen musste von den
Protestanten verarbeitet werden: Der schwedische König hatte nicht
nur Sieg um Sieg errungen, sondern auch die notorisch zerstrittenen
Protestanten politisch geeint. Das Flugblatt zeigt Gustav Adolf im
Kampf mit einem vielköpfigen Drachen, dem er die meisten Köpfe schon
abgeschlagen hat. Der Drache beherrscht nur noch einen kleinen Teil
des Landes, der von seinem langen Schwanz umschlungen wird. Die dem
König auferlegte Aufgabe, so die Botschaft, ist fast erledigt.

unklar ist, ob Wallenstein zum Zeitpunkt des Rückzugsbefehls vom Tod


des Königs wusste). Jedenfalls spielte die Siegessymbolik, die der Behaup­
tung des Schlachtfelds zukam, für ihn keine Rolle.

Politische Bewegung,
militärischer Stillstand

Mit der Schlacht von Lützen ging das Kriegsjahr 1632 zu Ende; beide Seiten
waren mit der Reorganisation ihrer Kräfte beschäftigt, und keiner hatte die
Kraft, den Ausgang der Schlacht militärisch auszunutzen oder deren Ergeb­
nis zu revidieren. Wallenstein zog sich mit den Überresten seines Heeres
nach Böhmen und Schlesien zurück. Er ließ das Heer also entgegen seinen
ursprünglichen Plänen nicht im Feindesland überwintern, sondern musste
Politische Bewegung, militärischer Stillstand 597

ein weiteres Mal die kaiserlichen Erblande dafür in Anspruch nehmen.


Das gab seinen Kritikern erneut Auftrieb. A uf schwedischer Seite führte
Bernhard von Weimar, der noch auf dem Schlachtfeld von Lützen das
Kommando über das Heer übernommen hatte,375 die Truppen nach Naum­
burg zurück, wo sie neu zusammengestellt und wieder aufgefüllt werden
konnten. Zunächst aber waren die Schweden mit dem Tod ihres Königs
und dessen Folgen beschäftigt. Weit mehr noch als Tilly und Pappenheim
war Gustav Adolf das Idol des Heeres gewesen, und es blieb abzuwarten,
wie dieses auf den Verlust reagieren würde. Der König war der Kopf und
das Herz der schwedischen Kriegführung in Deutschland gewesen, und es
musste geklärt werden, wer an seine Stelle treten konnte.
Die politische Leitung, das zeichnete sich früh ab, würde Reichskanzler
Axel Oxenstierna übernehmen, der diese Aufgabe bereits früher verschie­
dentlich innegehabt hatte. Einen unmittelbaren Nachfolger auf dem Thron
gab es nicht, da Gustav Adolfs einzige Tochter Christina noch unmündig
war. Oxenstierna war sich darüber im Klaren, dass die schwedische Poli­
tik nur von Deutschland aus zu leiten war, da er nur so die erforderliche
Autorität aufbringen konnte, um die eigenwilligen deutschen Verbündeten
zusammenzuhalten. Also blieb er in Mainz, wo die Kommunikationswege
zu den Verbündeten Frankreich und Niederlande kurz waren. Oxenstierna
wurde für das kommende Jahrzehnt zum Kopf der schwedischen Poli­
tik, und diese Aufgabe hat er auch in schwierigen, mitunter verzweifel­
ten Situationen gemeistert.376 Die operative Führung des Heeres konnte
Oxenstierna jedoch nicht übernehmen, da ihm das Kriegswesen und die
begeisternd-mitreißende Art, über die Gustav Adolf verfügt hatte, fernlag.
Die Heeresführung teilten sich bis zur Katastrophe von Nördlingen im
Jahr 1634 Bernhard von Weimar und Horn, später übernahmen Baner und
dann Torstensson. Das Herz der schwedischen Politik, das für ihre Dyna­
mik und den Rhythmus des politisch-militärischen Geschehens gesorgt
hatte, konnte jedoch nicht ersetzt werden, und das hatte zur Folge, dass die
Direktionsgewalt über die Entwicklungen zunehmend von Schweden auf
Frankreich überging. Die alles beherrschende Autorität Gustav Adolfs, sein
Selbstbewusstsein und sein Siegercharisma hatten dem bis dahin entgegen­
gestanden.
598 D IE Z E IT D ER G R O SSE N SC H L A C H T E N

Axel Oxenstierna, zu Lebzeiten


des Königs bereits dessen
engster und wichtigster
Mitarbeiter, übernahm
nach Gustav Adolfs Tod die
Leitung der schwedischen
Politik und zeitweilig auch die
Militärführung in Deutschland.
Bis Kriegsende blieb er die
politisch beherrschende Gestalt
Schwedens.

Der in schwedischen Diensten stehende Bogislaw Philipp von Chem­


nitz hat die zunächst undurchsichtige Situation nach dem Ableben Gustav
Adolfs beschrieben. In Wien und München, Innsbruck und Brüssel habe
man Dankgottesdienste und Freudenkundgebungen veranstaltet und den
Tod des Königs wie einen großen Sieg gefeiert. Man habe gehofft, «das
Blättlein würde sich nunmehr wenden und der Evangelische Haufe als
Schafe ohne Hirte ihnen leichtlich wieder zu Teil werden».377 Gänzlich
unbegründet war diese Erwartung nicht, denn Chemnitz fährt fort: «Es
ging auch gleich nach des Hochseligsten Königs Ableben der Same einer
Differenz, Trennung und Zwietracht sowohl unter den Kurfürsten und
Ständen als vornehmlich mit der Krön Schweden an vielen Orten nicht
unkenntlich sich hervorzutun.»378 Oxenstierna war im Jahr 1633 vorwie­
gend damit beschäftigt, diese «Schafe ohne Hirte» zusammenzuhalten
und den Ausfall des Königs institutionell zu kompensieren. A uf der Gegen­
seite nahm Wallenstein frühere Gesprächsfäden wieder auf und erkundete
die Möglichkeiten für einen Separatfrieden, der zum Ziel hatte, die Schwe­
den in Deutschland politisch zu isolieren. Sie sollten in die Rolle von Frem-
Politische Bewegung, militärischer Stillstand S99

den hineingedrängt werden, die im Bündnis mit Frankreich einen Angriffs­


krieg gegen das Reich führten, um möglichst große Teile in ihren Besitz zu
bringen. Wallensteins Strategie lief darauf hinaus, die Elemente des Reli­
gionskriegs zurückzunehmen, damit er den Krieg als Staatenkrieg gegen
die äußeren Interventen weiterführen konnte - nicht um Eroberungen zu
machen, sondern um den Status quo ante wiederherzustellen. Oxenstierna
hingegen musste die protestantische Solidarität herausstellen und alles
dafür tun, dass sich die Wallenstein’sche Interpretation des Krieges nicht
durchsetzte. Insofern war das Jahr 1633, in dem es zu keinen größeren
Kampfhandlungen kam, ein indirekter Zweikampf zwischen Oxenstierna
und Wallenstein, der in politischen Schachzügen und weniger in militäri­
schen Feldzügen ausgetragen wurde.
A uf dem Schlachtfeld von Lützen musste man den Körper des Königs
finden und ihn aufbahren. Noch in der Nacht nach der Schlacht schickte
Herzog Bernhard Suchtrupps los, die einen schwer verwundeten Begleiter
des Königs fanden. Der berichtete, wie er den König habe fallen sehen und
das Pferd ihn noch ein Stück mitgeschleppt habe. Darauf suchten sie die
Umgebung ab und entdeckten «endlich des Königs Körper [...], ausgezo­
gen im Hemd und von Pferden zertreten und so verstellt, daß er kaum zu
erkennen w ar».379 In der Pfarrkirche von Meuchen, dem Dorf, wo Gustav
Adolf in der Nacht vor der Schlacht sein Hauptquartier aufgeschlagen hatte,
wurde der Leichnam gesäubert, die Wunden untersucht und danach der
Körper einbalsamiert, damit er den langen Rückweg nach Stockholm antre-
ten konnte. Der führte über Wittenberg ins Schloss von Wolgast, wo der Sarg
bis zum Sommer 1633 stand. «M an musste warten», so Jörg-Peter Findeisen,
«bis ein repräsentatives Geschwader in Schweden segelfertig war. Endlich
folgte die feierliche Überführung nach Schweden, schließlich die ehrenvolle
Beisetzung im Sommer 1634 in der Riddarholmskirche in Stockholm.»380
Dass zwischen der Ankunft in Schweden und der Bestattung noch einmal
ein ganzes Jahr verging, lag an Maria Eleonora, der Ehefrau Gustav Adolfs,
die den Sarg ein Jahr lang in ihrem Witwensitz Schloss Nyköping aufbahren
ließ, bevor sie ihn zur Bestattung freigab. Das Herz des Königs, das dem
Leichnam bereits bei der Einbalsamierung in Meuchen entnommen und
später in eine Goldkapsel eingeschlossen worden war, behielt sie bei sich.381
6 oo D IE Z EIT D ER G R O SSE N SC H L A C H T E N

Bis zum Ende ihres Lebens mehr als zwanzig Jahre nach dem Tod ihres Man­
nes verblieb sie im Gestus demonstrativer Trauer.
Wallenstein war mit der Lützener Schlacht gänzlich anders umgegan­
gen: Er hatte die Offiziere, die nach dem Ausfall Pappenheims, teilweise an
der Spitze ihrer Einheiten, vom Schlachtfeld geflohen waren, festnehmen
und ihnen wegen Feigheit und Desertion den Prozess machen lassen. Er
wollte ein Exempel statuieren, das dafür sorgen sollte, dass sich so etwas in
einem von ihm geführten Heer nie wiederholte. Das «Prager Blutgericht»,
als das die öffentliche Hinrichtung von zwölf zum Tode verurteilten Offi­
zieren in die Geschichte des Dreißigjährigen Krieges eingegangen ist,382
war sicherlich nicht die einzige Exekution, mit der die Neigung der Söld­
ner, das eigene Leben mehr wertzuschätzen als den Tod für den Dienst­
herrn, begrenzt werden sollte. Sie war aber die größte und spektakulärste
- fand sie doch dort statt, wo mehr als ein Jahrzehnt zuvor die böhmischen
Rebellen hingerichtet worden waren. Im Übrigen spricht vieles dafür, dass
Wallenstein mit dieser Aktion sein Verhältnis zu den Offizieren des Hee­
res erheblich verschlechtert hat, was denen, die bald danach seinen Sturz
betrieben, sehr entgegenkam.
Unterdessen war Oxenstierna damit beschäftigt, den Bund der protes­
tantischen Reichsstände zu festigen und dabei die schwedische Führungs­
rolle zu sichern. Sie hatte in den zurückliegenden Jahren an der Person des
Königs und seinem Kriegscharisma gehangen und musste nun in die insti­
tutioneile Ordnung eines Bundes überführt werden. Unmittelbarer Gegen­
spieler Oxenstiernas war einmal mehr der sächsische Kurfürst Johann
Georg, der zu den Konstellationen des Leipziger Konvents zurückkehren
und eine allgemeine Versammlung der protestantischen Reichsstände
einberufen wollte. Unter seiner Leitung sollten dort die Grundlinien der
Kriegführung und der Friedensverhandlungen festgelegt werden.383 Das
war eine Kampfansage an Oxenstierna, denn an einer solchen Versamm­
lung konnte Schweden als auswärtige Macht nicht teilnehmen. Obendrein
machte Johann Georg geltend, dass es keine alleinige schwedische Direk­
tion in Sachen Kriegführung geben dürfe: Die Schweden sollten die Füh­
rung in Oberdeutschland, also im Eisass, in Schwaben und in Bayern, inne­
haben, während Kursachsen im ober- und im niedersächsischen Kreis für
Politische Bewegung, militärischer Stillstand 601

sich die Leitung beanspruchte. Das war für Oxenstierna nicht akzeptabel.
Den Schweden wäre damit nicht nur die schwierigere Aufgabe zugefallen,
sondern sie hätten auch, wie sich zuletzt mehrfach gezeigt hatte, immer wie­
der den militärisch schwächeren Sachsen zu Hilfe kommen müssen, ohne
Einfluss auf deren Operationsführung zu haben. Erst recht wollte Sachsen
bei den Friedensverhandlungen die entscheidende Rolle spielen, und als
Christian von Dänemark sich als Vermittler anbot, stieß er sowohl in Wien
als auch in Dresden auf offene Ohren. Schweden dagegen lief Gefahr, bei
der Regelung der deutschen Angelegenheiten von seinem alten Rivalen
um die Ostseehegemonie ausgebootet zu werden. Das war die eine Front,
an der Oxenstierna sich zu behaupten hatte; die andere Front bildete der
Reichsrat in Stockholm, den er davon zu überzeugen hatte, dass der Krieg
in Deutschland auch nach dem Tod des Königs fortgesetzt werden musste
und «dass wir», wie er an Lars Grubbe schrieb, die Angelegenheiten «bil­
ligerweise hier nicht aus den Händen geben können».384
Oxenstierna war all diesen Herausforderungen gewachsen. Er brachte
die schwedische Aristokratie dazu, an der von Gustav Adolf betriebenen
Kriegspolitik festzuhalten, wozu sicherlich auch die Aussicht auf Posten,
Beute und Gewinn beitrug, und er spielte die deutschen Protestanten so
geschickt gegeneinander aus, dass die kursächsische Politik zunächst kei­
nen Einfluss bekam. Als Erstes versicherte er sich dabei des brandenbur-
gischen Kurfürsten Georg Wilhelm, der bei der Bildung eines proschwe­
dischen Blocks großes Gewicht besaß. Er war für Oxenstierna jedoch kein
einfacher Gesprächspartner, weil man in der Pommern-Frage unterschied­
liche Interessen verfolgte: Brandenburg wollte nach dem Tod des kinderlo­
sen Herzogs Bogislaw das Land übernehmen, Schweden wollte damit seine
Ostseehegemonie absichern. Unter dem Eindruck der sich verschlech­
ternden Lage der Protestanten und der Schwäche der sächsischen Armee
beschloss Georg Wilhelm, sich eng an Schweden anzulehnen, was er Ende
Februar 1633 bei einem Treffen mit dem sächsischen Kurfürsten unmiss­
verständlich deutlich machte: Er sprach sich gegen einen protestantischen
Konvent ohne Einbezug Schwedens aus. Brandenburg war für Schweden
unverzichtbar, um das notorisch wankelmütige Sachsen einigermaßen
unter Kontrolle zu behalten.
602 D IE Z E IT D ER G R O SSE N SC H L A C H T E N

Der entscheidende Schachzug gelang Oxenstierna zwischen Mitte


März und Ende April, als er die vier oberdeutschen Kreise in einen fes­
ten Bund mit Schweden brachte. Dieser legitimierte als Defensivbündnis
den Verbleib schwedischer Truppen auf dem Boden des Reichs, band
einen Großteil der deutschen Protestanten eng an Schweden, übertrug
Oxenstierna das uneingeschränkte Direktorium in allen «Kriegssachen»,
verpflichtete die evangelischen Reichsstände zur Finanzierung der protes­
tantischen Kriegsmacht in Deutschland und sicherte schließlich Schwe­
den zu, dass ihm bei Friedensschluss «Satisfaktion» für die Verteidigung
des deutschen Protestantismus geleistet werde. Bereits am 18. Januar hatte
Oxenstierna die vier oberdeutschen Reichskreise, Franken, Schwaben,
Kurrhein und Oberrhein, nach Ulm eingeladen, um über ein Bündnis zu
sprechen. Am 18. März wurde die Versammlung nicht in Ulm, sondern in
Heilbronn eröffnet, da Heilbronn besser gegen feindliche Überfälle gesi­
chert war. Was dort vereinbart wurde, war ein Vertrag, den jeder der vier
Reichskreise einzeln mit dem schwedischen Reichskanzler schloss. Schon
in der Anlage des Vertrags kamen die Machtverhältnisse zum Ausdruck:
Was Schweden einbrachte, war seine Militärmacht, wohingegen die vier
Reichskreise sich verpflichteten, für die Finanzierung dieser Militärmacht
aufzukommen. Das war der eigentliche Kern des «Heilbronner Bundes»,
und deswegen war es auch nur konsequent, wenn im zweiten Artikel des
Bundesvertrags festgelegt wurde, dass das Direktorium des Bündnisses
beim schwedischen Reichskanzler liege.385Außerdem entsandte Schweden
drei Vertreter in den Beirat des Bundes, während jedem Reichskreis nur
ein Vertreter zustand. Dieser machtpolitische Kern des Bündnisses wurde
von einer Präambel ummantelt, die den defensiven Charakter des Bündnis­
ses herausstellte, was zu den üblichen Legitimationsmustern des Krieges
gehörte.386
Mit dem Abschluss des Heilbronner Bundes war Kursachsen zunächst
einmal außen vor; wie verärgert man in Dresden war, zeigte sich, als Johann
Georg in scharfen Schreiben an die in Heilbronn versammelten Reichs­
kreise vor dem Abschluss dieses Bündnisses warnte. Da der Kursachse den
vier Kreisen jedoch keine Schutzgarantien geben konnte und auch in der
Vergangenheit nichts zu ihrer Sicherheit beigetragen hatte, verhallten seine
Politische Bewegung, militärischer Stillstand 603

Mahnungen ohne weitere Folgen. Sachsen würde erst wieder ins Spiel
kommen, wenn allgemeine Friedensverhandlungen begannen, und dem­
entsprechend war man daran interessiert, mit Wallenstein und dem Kai­
ser erneut Verhandlungen aufzunehmen. Das war die Kehrseite des Heil-
bronner Bundes: dass er die Sachsen mitsamt ihrer Anhängerschaft dem
Kaiser beziehungsweise Wallenstein in die Hände trieb. Oxenstierna war
sich darüber im Klaren, dass er Friedensgespräche nicht einfach ablehnen
konnte, sondern sie verzögern und verschleppen musste. Darin bestand
die zweite Komponente im politischen Ringen zwischen Oxenstierna und
Wallenstein: Drehte sich die erste um die politische Geschlossenheit des
deutschen Protestantismus, so ging es in der zweiten um die Reichweite der
Friedensgespräche - allgemeiner Frieden versus Separatfrieden - wie auch
darum, bis zu welchem Grad die Vorkriegsverhältnisse wiederhergestellt
werden sollten. Konkret lief das auf die Frage hinaus, ob die Restitution der
Pfalz Bedingung für einen Friedensschluss war oder nicht.387
Oxenstierna war bestrebt, die Latte für einen «guten Frieden» mög­
lichst hoch zu legen, und zu diesem Zweck griff er auf die Forderung nach
einer Restitution des pfälzischen Kurfürsten zurück. Friedrich V. war zwar
inzwischen gestorben - dreizehn Tage nach Gustav Adolfs Schlachtentod,
als sei mit dem schwedischen König seine letzte Hoffnung dahingegangen,
wieder in die einstige Position zurückzukehren - , aber der Anspruch seiner
noch unmündigen Kinder wurde im Heilbronner Bund aufrechterhalten.
Die Pfalz-Frage war ein heikler Punkt, denn hier war die katholische Seite
kaum kompromissbereit, und Bayern trat als notorischer Blockierer auf. In
Dresden wusste man darum und war der Pfalz-Frage deswegen stets ausge­
wichen. Indem Oxenstierna sie im Heilbronner Bund in den Mittelpunkt
stellte, positionierte er sich als konsequenter Vertreter der protestantischen
Interessen. Die Restitution der Pfalz wurde zum Mittel, um den Weg zu
einem Friedensschluss zu erschweren, wenn nicht sogar unmöglich zu
machen. Sie war der Knüppel, den Oxenstierna den friedenswilligen Sach­
sen immer wieder zwischen die Beine warf. So ganz uneigennützig, wie er
das darstellte, agierte er ohnehin nicht, denn er bestand darauf, dass die
kurpfälzischen Festungen unter schwedischer Kontrolle blieben und den
Lutheranern alle Rechte der Religionsausübung eingeräumt wurden. Als
604 D IE Z E IT D ER G R O SSE N SC H L A C H T E N

Oxenstierna schließlich auch das Bündnis mit Frankreich erneuerte, und


zwar im Wesentlichen zu Bedingungen, die Gustav Adolf ausgehandelt
hatte, war die schwedische Vormachtstellung im protestantischen Deutsch­
land vorerst gesichert.
Während sich die politischen Entwicklungen durchweg nach Oxen-
stiernas Vorstellungen vollzogen, war das bei der Suche nach einem Nach­
folger Gustav Adolfs in der Führung des Heeres nicht der Fall. A uf den
ersten Blick nahm sich die vorläufige Zuständigkeitsverteilung unter Gus­
tav Adolfs Generälen harmonisch aus: Gustav Horn übernahm die Eisass-
Armee, Johan Baner die Truppen in Schwaben, Pfalzgraf Christian von
Birkenfeld die am Rhein, Georg von Lüneburg die in Nordwestdeutsch­
land und Herzog Bernhard die zwischen Meißen und Franken stehenden
Einheiten.388 Was jedoch offenblieb, war die Position des Oberkomman­
dierenden, und Oxenstierna traute sich nicht, einen dieser Kommandeure
den anderen vorzuziehen und an die Spitze des Heeres zu stellen. Also
übernahm er selbst das Oberkommando, was im Ergebnis darauf hinauslief,
dass es keine strategische Führung gab. In der Folge blühten die Rivalitä­
ten, und es kam immer wieder zu Streitigkeiten zwischen den Befehlsha­
bern.389
Schließlich war auch noch die Frage zu beantworten, wie und von
wem die Truppen besoldet werden sollten. Zwar hatte man im Heilbron-
ner Bund bezüglich der im Jahr 1633 anfallenden Kosten eine Regelung
getroffen, aber die Soldaten hatten seit Monaten keinen Sold mehr erhalten,
und auch die Obristen, die gemäß den Vorgaben der Regimentswirtschaft
ihre Einheiten vorfinanzierten, warteten seit längerem auf ihr Geld. Gus­
tav Adolf hatte große Versprechungen gemacht, die er nach dem endgülti­
gen Sieg einlösen wollte, doch jetzt, da er tot war, war unklar, wer für diese
Zusagen geradestehen sollte. Am 30. April traten ein Teil der Obristen und
einige höhere Offiziere zu einem Bund zusammen und verlangten, dass der
Sold für die Soldaten, die Einlösung der «Reconpensen» (Entschädigun­
gen) für die Offiziere und die Auszahlung des zukünftigen Solds umgehend
sichergestellt wurden. Sie gaben Oxenstierna eine Frist von einem Monat,
ihre Forderungen zu erfüllen; danach würden sie keine Operationen mehr
durchführen.
Politische Bewegung, militärischer Stillstand 605

Die Verhandlungen zogen sich länger hin. Am 22. Juli wurde schließ­
lich ein Abkommen geschlossen, das die Barauszahlung eines gesamten
Monatssoldes ohne Abzüge für erhaltene Naturallieferungen vorsah und
die Forderungen der Regimentsobersten durch die Übertragung eroberter
Ländereien und Güter beglich. Letzteres war jedoch mit der Erwartung
verbunden, dass aus diesen Werten auch alle weiteren Forderungen der
Regimentsangehörigen bezahlt würden. Klöster, Stifte und Teile katholi­
scher Fürstentümer wurden daraufhin in großem Stil «verschenkt». Auf
diesem Wege gelangte auch Bernhard, der jüngste von zehn Söhnen des
Weimarer Fürstenhauses und damit ohne Aussicht, jemals zur Herrschaft zu
gelangen, in den Besitz des Herzogtums Franken, bestehend aus den Fürst­
bistümern Würzburg und Bamberg.390 Die Folge dieser großen Schulden­
tilgung war freilich, dass neue Restitutionsforderungen entstanden, dieses
Mal auf katholischer Seite, so dass die Hürden auf dem Weg zum Frieden
zahlreicher und vor allem höher wurden. Die schwedische Lösung setzte auf
einen «Siegfrieden», in dem diese Umverteilung bestätigt wurde, oder aber
die völlige Niederlage des Gegners, bei der sämtliche neuen Besitztitel mit
einem Schlag getilgt waren. Was im Vertrag des Heilbronner Bundes «der
konigl. Wuerden vnnd Mayt. vnnd Cronn Schweden gebührendte Satisfac-
tion» hieß,391 wurde immer mehr zu einer Sammlung unerfüllbarer Forde­
rungen. Der Krieg behielt dadurch seine Eigendynamik, was heißt, dass er
stets aufs Neue Faktoren hervorbrachte, die für seinen Fortgang sorgten.

Das alles spielte im Frühjahr und Sommer 1633 jedoch keine große Rolle,
weil jede Seite mit sich selbst beschäftigt war und keine größeren Anstren­
gungen unternahm, dem Gegner zuzusetzen. Der Kleinkrieg der Streifscha­
ren ging unterdessen weiter. Man war dabei bestrebt, den Gegner in seinen
Quartieren zu überfallen, seine Einheiten zu zersprengen und Nachschub­
transporte abzufangen, um sie der eigenen Seite zuzuführen. Hier und dort
wurden kleinere Einheiten des Gegners auch auf dem Marsch angegriffen.
Dieser Kleinkrieg wurde mit Reitern geführt, die auffauchten, wo man sie
nicht erwartete, zuschlugen und wieder verschwanden, bevor die Angegrif­
fenen dazu kamen, Gegenmaßnahmen zu organisieren. Neben den leichten
Reitern, über die beide Seiten verfügten, gewann ein neuer Typ des Kavalle­
6o6 D IE Z E IT D ER G R O SSE N SC H L A C H T E N

risten an Bedeutung, der Dragoner, der Beweglichkeit und Kampfkraft mit­


einander verband.392 Ein Spottvers lautete: «Dragoner sind halb Mensch,
halb Vieh, aufs Pferd gesetzte Infanterie.»393 So kann es nicht überraschen,
dass im weiteren Verlauf des Krieges der Anteil solcher Kavalleristen in den
Heeren stieg, während der Infanterieanteil zurückging, bis sich bei Kriegs­
ende beide Waffengattungen tendenziell die Waage hielten.394
Diese veränderte Art der Kriegführung, die den Krieg zwar von Anfang
an begleitet hatte, aber nun mehr und mehr zum vorherrschenden Typus
wurde, machte vor allem der Zivilbevölkerung zu schaffen, wie den Tage­
buchaufzeichnungen des Maurus Friesenegger gerade für das Jahr 1633 zu
entnehmen ist.395 Ständig musste man damit rechnen, dass Reiter auffauch­
ten und Dörfer überfielen. An die Stelle der durchziehenden Heereskolon­
nen trat die diffuse Präsenz von Streifscharen, bei denen man nicht mehr
wusste, welcher Seite sie angehörten. Friesenegger berichtet nach einem
Überfall: «Jedermann glaubte, daß es Schweden sein müssen. Nach der
Hand zeigte sich aber, daß es Kaiserliche gewesen seien.»396 Für die Bau­
ern war es off nicht mehr möglich, ihre Felder zu bestellen: « Z u Utting
nahmen derlei Räuber am 10. August alles Vieh und Pferd weg. Und da die
Bauern wieder einiges mit Geld einlösen wollten, sagte ein Redlicher ihnen,
sie sollten es nicht tun; denn über ein kurzes werden andere kommen, und
es neuerdings abnehmen. Und dessen wird, so lange als ein Klau und Huf
übrig sein wird, kein Ende sein. Und so zeigte es sich in der Tat allerorten.
Wehe für die Zukunft! Viele Äcker lagen schon öde, die Ernte war eben nicht
die beste, und das künftige Feld konnte man nicht anbauen aus Abgang der
Pferde. Welche bittere Aussicht für den äußersten Hunger!»397
Der große Krieg belastete die Zivilbevölkerung, da ihr wirtschaftlicher
Ertrag kontinuierlich abgeschöpft wurde, und die Verluste betrafen nach
mehr als zehn Kriegsjahren auch die Substanz der Dorf- und Stadtwirt­
schaft. Der kleine Krieg dagegen zehrte diese Substanz auf. Er brachte eine
Art der Kriegführung mit sich, bei der politische Vorgaben und strategische
Direktiven kaum noch eine Rolle spielten, so dass sich das Gewaltgesche­
hen verselbständigte. Es gab weder militärische Ziele noch politische Zwe­
cke; man fügte dem Gegner Schaden zu, wo und wie man konnte, und das
tat man in dem Bewusstsein, dass die andere Seite es ebenso tat. Ein Meis-
Politische Bewegung, militärischer Stillstand 607

Nach dem Tod von Tilly,


Pappenheim, Gustav Adolf
und Wallenstein übernahm
eine neue Generation
von Heerführern das
Kommando. Einer von ihnen
war der Reiterführer Jan von
Werth, ein Bauernjunge,
der sich in der bayerischen
Armee hochgedient hatte.
Der Stich von Wenzel
Hollar zeigt ihn in der
typischen Feldherrnpose zu
Pferde, rechts oben die ihn
begleitenden Symbole: bona
fama, der geflügelte Ruhm
im vierrädrigen Wagen,
davor die spezifischen
Kriegstugenden Werths mit
Fahnen und Emblemen, von
der celeritas (Schnelligkeit)
bis zur vigilantia (Wach­
samkeit).

ter dieser hochbeweglichen Kriegführung war der bayerische Reiterführer


Jan von Werth, der in mancher Hinsicht ein neuer Pappenheim war und
in anderer Hinsicht der Inbegriff jener Heerführer, von denen das letzte
Jahrzehnt des Krieges geprägt war: Sie führten Krieg, ohne sich zu fragen,
was daraus folgte und womit das enden sollte. Der Krieg war ihnen zur
Lebensgewohnheit geworden.398 Insofern steht das Jahr 1633 für eine Über­
gangsphase: Es begann etwas Neues, das noch viel schrecklicher war als das
bislang Erlebte, weil es nicht gelang, den Krieg zu beenden. Er ging nicht
bloß weiter, sondern machte eine Mutation durch, nach der er um einiges
verheerender war als zuvor.
Grimmelshausen erzählt in seinem Roman Der abenteuerliche Simplicis-
simus von den in immer größerer Zahl auftauchenden «Freireitern» oder
Freibeutern: «Sie wachen nicht, sie schanzen nicht, sie stürmen nicht und
kommen auch in keine Schlachtordnung, und sie ernähren sich doch! Was
aber der Feldherr, der Landmann und die Armada selbst, bei deren sich viel
6o8 D IE Z E IT D ER G R O SSE N SC H L A C H T E N

solches Gesindel befindet, vor Schaden davon haben, ist nicht zu beschrei­
ben.»399 Der unbedarfteste Reiterjunge, der nichts anderes tue, als sich um
die Pferde zu kümmern, sei dem Feldherrn nützlicher als tausend Freibeu­
ter, denn diese «spolieren [rauben] vor, neben und hinter der Armee alles,
was sie antreffen; und was sie nicht genießen können, verderben sie, also
daß die Regimenter, wenn sie in die Quartier oder ins Läger kommen, oft
nicht einen guten Trunk Wasser finden; und wenn sie alles Ernstes ange­
halten werden, bei der Bagage zu bleiben, so wird man oft beinahe dieselbe
Stärke finden, als die Armee selber ist. Wenn sie aber gesellenweis mar­
schieren, quartieren, kampieren und hausieren, so haben sie keinen Wacht­
meister, der sie kommandiert, keinen Feldwaibel oder Schergianten, der
ihnen das Wams ausklopft oder vielmehr ausstäubt, keinen Korporal, der
sie wachen heißt, keinen Tambour, der sie des Zapfenstreichs, der Schar-
und Tagwacht erinnert, und in Summa niemand, der sie anstatt des Adju­
tanten in Battaglia stellt und anstatt des Furiers einlogiert, sondern leben
vielmehr wie die Freiherrn.»400
Freiherren stehen in Grimmelshausens Sicht für die Auflösung der
Heeresordnung, des Militärreglements und der organisatorischen Hierar­
chie. Kein Heerführer kann mit ihnen etwas anfangen. Aus der Perspektive
des Schlachten-, Festungs- und Manöverkriegs heraus gedacht und ohne
Vorstellung davon, dass der reine Verwüstungskrieg selbst zu einer strate­
gischen Direktive werden konnte, war das konsequent. Im Grundsatz war
es indes eine konservative Sichtweise, die den Krieg wieder in seine alten
geordneten Bahnen zurückbringen wollte - was mit dem Westfälischen
Frieden dann auch geschah.

A uf Seiten der Protestanten war es naheliegend, zeitweilig auf größere Mili­


täroperationen zu verzichten, da man mit inneren Konflikten zu tun hatte.
Warum aber blieb die kaiserliche Seite, also Wallenstein, so ruhig, wo man
doch leicht gegen einen desorganisierten Gegner hätte erfolgreich sein kön­
nen? Wallenstein setzte auf Verhandlungen. Seit längerem war er der Über­
zeugung, dass Schlachtensiege oft das Gegenteil des Bezweckten bewirk­
ten, deswegen verzichtete er darauf, seine Armee, so wie er das im Herbst
1632 vorgehabt hatte, nach Sachsen zu führen und das Land zu besetzen. Er
Politische Bewegung, militärischer Stillstand 609

wollte den Kurfürsten, über dessen Distanz gegenüber den Schweden Wal­
lenstein sehr genau unterrichtet war, nicht wieder auf deren Seite bringen.
Sicherlich hätte er sich auch gegen Horn und Herzog Bernhard in Ober­
deutschland wenden können, die seit April wieder Bayern bedrohten und
dort bereits kleinere Eroberungen gemacht hatten. Aus Wallensteins Sicht
sprachen jedoch mindestens drei Gründe dagegen. Zunächst die flexible
Operationsführung der beiden: Wenn er mit Übermacht vorrückte, wür­
den sie ihn ins Leere laufen lassen, indem sie sich zurückzogen, bis seine
eigenen Versorgungslinien länger und länger wurden. Wallenstein bevor­
zugte eine Strategie der Überwältigung des Gegners durch große Überle­
genheit der eigenen Kräfte, doch dafür brauchte er eine «Wand», gegen
die er den Gegner drücken konnte, und die gab es in diesem Fall nicht.401
Wenn es ihm doch gelang, einen der beiden, Horn oder Bernhard, zu stel­
len und zu besiegen, würde sein Ziel, aussichtsreiche Verhandlungen zur
Beendigung des Krieges aufzunehmen, nur in größere Ferne rücken, weil
unter dem Eindruck des Sieges die Konzessionsbereitschaft in Wien und
München schlagartig schwinden würde. Zumindest die Rücknahme des
Restitutionsedikts durch den Kaiser musste er in Aussicht stellen können,
damit man einem Verhandlungsfrieden näher kam. Das also war Wallen­
steins Dilemma: Er durfte den Gegner nicht wirklich schwächen, weil er
dadurch seine eigene politische Ausgangslage schwächte. Mehr noch als die
alte Abneigung gegen Kurfürst Maximilian, die in der einschlägigen Litera­
tur zumeist angeführt wird, hat dieses Dilemma Wallensteins Handeln im
Kriegsjahr 1633 bestimmt und ihn dazu veranlasst, den Schwerpunkt seiner
Kriegführung gerade nicht nach Bayern und Schwaben zu verlegen.
Wallenstein ließ das inzwischen reorganisierte Heer in Schlesien ein­
marschieren, machte dann aber halt und schloss mit dem sächsischen
Generalleutnant Arnim einen Waffenstillstand, der im Prinzip von Mitte
Juni bis Anfang Oktober dauerte.402 Um seine Untätigkeit, die in Wien und
München nach einiger Zeit kritisch vermerkt wurde, nicht gar zu auffällig
werden zu lassen, entsandte er Mitte August Holk mit einem größeren Ver­
band nach Sachsen, wo dieser sich durch Plünderung und Brandschatzung
hervortat. Außerdem ließ Wallenstein mehrere Regimenter unter Aldrin-
gen zum Schutz Bayerns gegen Horn und Herzog Bernhard aufmarschieren.
6 io D IE Z E IT D ER G R O SSE N SC H L A C H T E N

Gleichzeitig gab er Aldringen jedoch die strenge Anweisung, sich auf keine
Schlacht oder Belagerung einzulassen. Im Ergebnis nährte Aldringens
Anwesenheit in Bayern das Misstrauen gegen Wallenstein, da man bei ihm
Verstärkungen anforderte, die er entweder nicht bewilligte oder zusagte
dann aber nicht entsandte.403 Holks Feldzug in Sachsen wiederum brachte
keine Bewegung in die Verhandlungen Wallensteins mit Arnim, sondern
führte nur dazu, dass Holk und Teile des Heeres einer Seuche zum Opfer
fielen. Anstelle von Holk machte Wallenstein Matthias Gallas zu seinem
Stellvertreter, was für ihn noch weitreichende Folgen haben sollte.404
Unterdessen war der Krieg im niedersächsischen Kreis wieder aufge­
lebt. Die Protestanten brachten den von Jost Maximilian von Gronsfeld
geführten kaiserlichen Truppen am 8. Juli bei Hessisch Oldendorf eine
schwere Niederlage bei und eroberten anschließend die Festung Hameln.
Damit geriet die Weserlinie für die Kaiserlichen in Gefahr. Pappenheim,
der zuvor in diesem Raum kommandiert hatte, war nicht zu ersetzen.
Hatte er durch Schnelligkeit und Kühnheit die kräftemäßige Unterlegen­
heit des Kaisers und der Liga im niedersächsischen Kreis wettgemacht, so
war der vorsichtige und mitunter schwerfällige Gronsfeld dazu nicht in der
Lage.405 In den meisten Darstellungen des Dreißigjährigen Krieges findet
die Schlacht von Hessisch Oldendorf keine größere Beachtung. Das hat
damit zu tun, dass für diese Zeitspanne das Augenmerk auf den sächsisch­
schlesischen sowie den schwäbisch-bayerischen Kriegsschauplatz gerichtet
ist. Dabei wird übersehen, dass sich mit Gronsfelds Niederlage die Gesamt­
situation im Nordwesten veränderte und die kaiserliche Macht nach West­
falen zurückgedrängt wurde. In Wien und München wurde das sehr genau
registriert und als ein weiterer Punkt auf Wallensteins Versäumnisliste
rubriziert. Es waren schwedische Truppen unter Dodo von Knyphausen
sowie Truppen des Landgrafen von Hessen-Kassel unter General Melan-
der,406die zusammen mit dem Heer Herzog Georgs von Lüneburg den Sieg
bei Hessisch Oldendorf erfochten. Es war ein großer Sieg, der dieses Mal
im Zentrum der Schlachtaufstellung errungen wurde. Nach dem Bericht
des Theatrum Europaeum verloren die Kaiserlichen in dem dreistündigen
Ringen 5000 Mann, und 2500 wurden gefangen genommen, während
auf schwedischer und hessischer Seite nur 200 bis 300 Tote zu beklagen
6 io D IE Z E IT D ER G R O SSE N SC H L A C H T E N

Gleichzeitig gab er Aldringen jedoch die strenge Anweisung, sich auf keine
Schlacht oder Belagerung einzulassen. Im Ergebnis nährte Aldringens
Anwesenheit in Bayern das Misstrauen gegen Wallenstein, da man bei ihm
Verstärkungen anforderte, die er entweder nicht bewilligte oder zusagte,
dann aber nicht entsandte.403 Holks Feldzug in Sachsen wiederum brachte
keine Bewegung in die Verhandlungen Wallensteins mit Arnim, sondern
führte nur dazu, dass Holk und Teile des Heeres einer Seuche zum Opfer
fielen. Anstelle von Holk machte Wallenstein Matthias Gallas zu seinem
Stellvertreter, was für ihn noch weitreichende Folgen haben sollte.404
Unterdessen war der Krieg im niedersächsischen Kreis wieder aufge­
lebt. Die Protestanten brachten den von Jost Maximilian von Gronsfeld
geführten kaiserlichen Truppen am 8. Juli bei Hessisch Oldendorf eine
schwere Niederlage bei und eroberten anschließend die Festung Hameln.
Damit geriet die Weserlinie für die Kaiserlichen in Gefahr. Pappenheim,
der zuvor in diesem Raum kommandiert hatte, war nicht zu ersetzen.
Hatte er durch Schnelligkeit und Kühnheit die kräftemäßige Unterlegen­
heit des Kaisers und der Liga im niedersächsischen Kreis wettgemacht, so
war der vorsichtige und mitunter schwerfällige Gronsfeld dazu nicht in der
Lage.405 In den meisten Darstellungen des Dreißigjährigen Krieges findet
die Schlacht von Hessisch Oldendorf keine größere Beachtung. Das hat
damit zu tun, dass für diese Zeitspanne das Augenmerk auf den sächsisch­
schlesischen sowie den schwäbisch-bayerischen Kriegsschauplatz gerichtet
ist. Dabei wird übersehen, dass sich mit Gronsfelds Niederlage die Gesamt­
situation im Nordwesten veränderte und die kaiserliche Macht nach West­
falen zurückgedrängt wurde. In Wien und München wurde das sehr genau
registriert und als ein weiterer Punkt auf Wallensteins Versäumnisliste
rubriziert. Es waren schwedische Truppen unter Dodo von Knyphausen
sowie Truppen des Landgrafen von Hessen-Kassel unter General Melan-
der,406 die zusammen mit dem Heer Herzog Georgs von Lüneburg den Sieg
bei Hessisch Oldendorf erfochten. Es war ein großer Sieg, der dieses Mal
im Zentrum der Schlachtaufstellung errungen wurde. Nach dem Bericht
des Theatrum Europaeum verloren die Kaiserlichen in dem dreistündigen
Ringen 5000 Mann, und 2500 wurden gefangen genommen, während
auf schwedischer und hessischer Seite nur 200 bis 300 Tote zu beklagen
Politische Bewegung, militärischer Stillstand 611

waren.407 Dazu kam auf kaiserlicher Seite der Verlust von 13 Kanonen sowie
70 Fahnen und Standarten mitsamt der Bagage. Eine Reihe höherer Offi­
ziere geriet in die Hand des Gegners. «Auch ist Herrn Grafen von Merode
Gemahlin zusamt ihren Frauenzimmern und vielen Domherren gefangen
worden.»408 Offenbar hatten die kaiserlich-ligistischen Truppen - es dürfte
sich um 15 000 bis 16 000 Mann gehandelt haben - nicht im mindesten
damit gerechnet, dass sie die Schlacht zum Entsatz der von den Schwe­
den belagerten Festung Hameln verlieren konnten. Wenige Tage nach der
Schlacht kapitulierte Hameln.
Wallenstein und Arnim verhandelten derweil über einen Separatfrie­
den mit Sachsen, dem sich dann weitere protestantische Reichsstände
anschließen sollten. Die Verhandlungen kamen jedoch nicht recht voran,
weil Kurfürst Johann Georg als Vorleistung eine verbindliche Zusage des
Kaisers zur Rücknahme des Restitutionsedikts erwartete, wozu Ferdinand
nicht bereit war.409 Beide Seiten bestanden auf Garantien, die die jeweils
andere nicht geben konnte oder nicht geben wollte. Arnim berichtete sei­
nem Kurfürsten Johann Georg, der sich dann mit Oxenstierna in Verbin­
dung setzte, und da dieser auf den in Heilbronn formulierten Positionen
beharrte, scheute Johann Georg, wiewohl durchaus friedenswillig, vor
größeren Konzessionen im Alleingang zurück. Wallenstein wiederum, der
auf der Grundlage der Göllersdorfer Vereinbarungen viel weitergehende
Verhandlungsbefugnisse hatte als Arnim, drängte auf die Zusage aus Wien,
das Restitutionsedikt zurückzunehmen, erhielt sie jedoch nicht. Das hatte
neben der Sturheit des Kaisers und dem missionarischen Eifer, mit dem er
die Ausrottung der evangelischen Ketzerei im Reich anstrebte, auch hand­
feste realpolitische Gründe: Ferdinand wollte sich nicht noch stärker an
seinen Generalissimus binden, als er das bereits getan hatte, und das wäre
bei einer solchen Zusage der Fall gewesen. Wallenstein war nicht der Mann,
der in einer solchen Situation resignierte, sich auf seine militärischen
Befugnisse zurückzog und andere die Politik machen ließ. Er fürchtete,
dass die Gelegenheit zur Beendigung des Krieges, die sich aus dem augen­
blicklichen militärischen Gleichgewicht ergab, ungenutzt verstreichen und
der Krieg weitergehen würde. Also machte er Arnim den Vorschlag, das
Instrument des Militärischen, über das sie beide verfügten, zu nutzen, um
6 ii D IE Z E IT D ER G R O SSE N SC H L A C H T E N

Wien und München sowie Dresden und Mainz zu den Schritten zu nötigen,
die diese von sich aus zu machen nicht bereit oder nicht in der Lage waren.
Konkret schlug er vor, die beiden Heere, das kaiserliche in Böhmen und das
sächsisch-schwedische in Schlesien und Kursachsen, zu «konjugieren»,
sie also zu einem gemeinsamen Heer zu verbinden, das zum Angelpunkt
des Vertrauens zwischen den Verhandlungspartnern werden sollte. Das war
ein überaus kühner Vorschlag, der durch die in Göllersdorf ausgehandelten
Befugnisse nicht mehr gedeckt war.
Wallenstein wollte eine Mittelpartei herstellen. Diese war aber nur dann
wirklich handlungsfähig, wenn sie nicht selbst aus unterschiedlichen Grup­
pen zusammengesetzt war und divergierende Interessen in ihrem Innern
zur Deckung bringen musste, sondern geschlossen und doch flexibel auf­
trat. Dass dies durch die «Konjugation» der beiden Heere möglich sein
sollte, war die Sichtweise eines Militärs, der zu befehlen gewohnt war und
erwartete, dass Befehle befolgt und nicht zum Gegenstand von Verhand­
lungen gemacht wurden. Der Vorschlag war zugleich von den politischen
Erfahrungen des Lübecker Friedensschlusses getragen, als Wallenstein
die Verhandlungen an sich gezogen und die erforderlichen Kompromisse
kurzerhand durchgesetzt hatte. Das wollte er jetzt wiederholen. Doch mit
Arnim ließ sich ein derart kühnes Vorhaben nicht verwirklichen. Sehr viel
vorsichtiger und abwägender als Wallenstein, beriet er dessen Vorschlag
mit Johann Georg - und damit war das Projekt bereits gescheitert. Hans
Georg von Arnim war als Generalleutnant der Stellvertreter des Oberkom­
mandierenden, und dementsprechend handelte er auch; Wallenstein dage­
gen war Generalissimus, also selbst der Oberkommandierende, und das
fand in seinen Plänen und Projekten auch Ausdruck. Anders formuliert:
Wallensteins Vorhaben konnte nur gelingen, wenn er auf der anderen Seite
einen ebenbürtigen Partner hatte - von den Befugnissen bis zu den cha­
rakterlichen Dispositionen. Den aber hatte er nicht, und dass er das nicht
erkannte, war eine weitere Ursache seines Untergangs.
Zunächst hatte Wallenstein jedoch ein ganz anderes Problem, nämlich
die Dresdner Gerüchteküche. Es gab keine Information, die im kurfürstli­
chen Schloss eintraf und ausschließlich dort blieb. Das war einerseits ein
Bestandteil des politischen Spiels, mit dem Kursachsen sein politisches
Politische Bewegung, militärischer Stillstand 613

Gewicht vergrößerte und den Eindruck erweckte, hier würden die großen
politischen Entscheidungen getroffen, andererseits aber auch die Folge
nachlässigen Umgangs mit einem Wissen, das geheim bleiben sollte. In der
sächsischen Hauptstadt hatte sich eine Szene von Informanten und Beob­
achtern angesiedelt, die auf die Weitergabe von Informationen und deren
Aufblähung zu Gerüchten spezialisiert war. Zu dieser Szene gehörte auch
eine Gruppe böhmischer Exilanten, die sich nach 1620 in Dresden nieder­
gelassen hatte, um von hier aus ihre Rückkehr in die Heimat vorzubereiten.
Diese Gruppe war ein Treibhaus der Gerüchte. Nun hatte man von den
Gesprächen zwischen Wallenstein und Arnim Wind bekommen und sah
darin einmal mehr eine Chance zur Revision der Niederlage am Weißen
Berg.
Es waren indes nicht nur die aus Böhmen Vertriebenen und Geflüch­
teten, sondern auch eine Reihe von im Land gebliebenen Magnaten, die
darauf hofften, dass sich in den Verhandlungen zwischen Wallenstein und
Arnim die Möglichkeit ergab, die böhmischen Freiheiten zu erneuern. Dres­
den war ein Ort der Gerüchte, aber auch einer der Projektemacher, und so
entstand in der Umgebung des Grafen Kinsky, eines der böhmischen Exi­
lanten, die Idee, Wallensteins «Konjunktion» der Heere als Fokus einer
dritten Gruppierung oder Mittelpartei für einen Umsturz der politischen
Ordnung in Böhmen zu nutzen. Wallenstein sollte als das Zugpferd die­
ser Revision dienen, und im Gegenzug wollte man ihm die «böhmische
Krone» anbieten. Man wusste, dass Wallenstein für den politischen Auf­
stieg empfänglich war. Dieser hat sich auf den Vorschlag des Grafen Kinsky
jedoch nie wirklich eingelassen, und als Wallenstein bei einer Unterredung
damit konfrontiert wurde, hat er ihn als «rechtes Schelmenstück» bezeich­
net. Aber die Sache war nun einmal in der Welt, und es war unvermeidlich,
dass das in Dresden kursierende Gerücht bis nach Wien drang. Nur zu gut
passte es dort in die Vorstellung von einer großen Verschwörung gegen den
Kaiser, an deren Spitze Wallenstein stand.
In diese Vorstellung fügte sich auch die Reise eines französischen
Gesandten ein, des Marquis de Feuquieres, der von Richelieu nach
Deutschland geschickt worden war, um die Chancen zur Bildung einer
von Frankreich unterstützten (und gesteuerten) «dritten Partei» zu erkun­
614 D IE Z E IT D ER G R O SSE N SC H L A C H T E N

den.410 Dresden hatte zuerst gar nicht auf seinem Reiseplan gestanden, aber
die allenthalben umlaufenden Gerüchte über die von Wallenstein geführ­
ten Verhandlungen veranlassten ihn zu einem Abstecher dorthin. Feu-
quieres blieb recht lange in der Stadt, denn er kam auf die Idee, anstelle der
aus Wallensteins Heer und Kursachsen gebildeten Mittelpartei lasse sich
auch eine Dreierkoalition aus Frankreich, Schweden und dem Herzog von
Friedland schmieden - was den französischen Interessen sehr viel mehr
entsprochen hätte als das Wallenstein’sche Projekt, das Reich zu befrieden,
um seine Kräfte gegen äußere Feinde zu bündeln. In Anbetracht der sehr
unterschiedlichen Interessen war Feuquieres Vorhaben zum Scheitern ver­
urteilt, aber es wurde, nachdem es in die Dresdner Gerüchteküche Eingang
gefunden hatte, zu einem weiteren Beleg für den von Wallenstein angeb­
lich betriebenen Hochverrat. Immer mehr Anhänger und Parteigänger des
Generalissimus in Wien gingen auf Distanz zu ihm, um nicht in seinen
absehbaren Sturz hineingerissen zu werden.411

Informationen über die Stimmungslage in Wien gelangten auch zu Wallen­


stein, der zunehmend von den Verhandlungen mit Arnim enttäuscht war.
Er war keinen Schritt weitergekommen und hatte das Jahr 1633, mit den
Worten von Moriz Ritter, in «tatenloser Defensive» vertan.412 Nun wollte
er sich gegenüber seinen Kritikern durch einen Militärschlag Luft verschaf­
fen: Gallas sollte nach Sachsen vorstoßen, Aldringen sich mit den aus Mai­
land kommenden Truppen des Herzogs von Feria verbinden, um das von
den Schweden belagerte Breisach zu entsetzen, und er selbst drang mit dem
Gros seines Heeres in Schlesien vor. Sein Ziel war die Oder bei Steinau, wo
eine 6000 Mann starke Einheit schwedischer Soldaten unter Graf Hein­
rich Matthias Thurn stand, einem der Anführer des Prager Fenstersturzes,
der unermüdlich Projekte zur Rückeroberung Böhmens vorantrieb.413
Wallenstein ging kein Risiko ein und umfasste Steinau mit 30 000 Mann.
Eine Tag später kapitulierte Thurn; die einfachen Söldner traten in Wal­
lensteins Dienste über, und Thurn, den man in Wien gern als Rädelsführer
des böhmischen Aufstands hingerichtet hätte, erkaufte seine Freilassung
gegen die von Wallenstein vorgegebene Anweisung an alle schlesischen
Festungskommandanten, die von ihnen gehaltenen Plätze unverzüglich an
Politische Bewegung, militärischer Stillstand 6lS

die Kaiserlichen auszuliefern - was dann auch so geschah.414 Glogau, Sagan,


Liegnitz, Breslau und Frankfurt an der Oder fielen Wallenstein dadurch
kampflos in die Hände. Das war ein großer Erfolg, der schwerer wog als
mancher Sieg, den die Schweden im Frühjahr und Sommer dieses Jahres in
Oberdeutschland errungen hatten.
Die weitgehend kampflose Rückeroberung Schlesiens konnte Wal­
lensteins Reputation am Wiener Kaiserhof jedoch nicht mehr retten. Man
empörte sich darüber, dass er den Grafen Thurn und die böhmischen Exi­
lanten nicht in Ketten nach Wien gebracht hatte. Thurn sei ein notorischer
Versager, entgegnete Wallenstein, der für den Kaiser an der Spitze gegne­
rischer Truppen sehr viel hilfreicher sei als in einem Wiener Gefängnis.
Von der Sache her war diese sarkastische Antwort durchaus zutreffend; die
Gegner Wallensteins streuten jedoch die Behauptung, Wallenstein habe
Thurn nur deswegen nicht nach Wien bringen lassen, weil dieser dort über
die hochverräterischen Gespräche berichtet hätte, die er mit Wallenstein
geführt habe. So wurde der Erfolg Wallensteins in Schlesien zu einem wei­
teren Anklagepunkt gegen ihn.
Das galt auch für die anderen Herbstoperationen. Aldringens Korps
entsetzte wie geplant zusammen mit den 9000 aus Mailand herangeführten
Soldaten des Herzogs von Feria die Festung Breisach, außerdem gelang es,
die Schweden unter Horn aus dem Bodenseegebiet und Teilen Oberschwa­
bens zu vertreiben. Da Aldringen gemäß einer Anweisung Wallensteins aus­
gesprochen vorsichtig operierte, wurde der Erfolg von Breisach aber nicht
weiter gewürdigt; die Operationsführung nährte wiederum den Verdacht,
dass Wallenstein ein einziges Ziel verfolgte, nämlich die Kriegführung des
Kaisers zu sabotieren und dem Gegner in die Hände zu spielen, wo immer
er konnte.415 Es sollte indes noch schlimmer kommen. Weil nach Aldrin­
gens Vorstoß zum Rhein keine kaiserlichen Truppen mehr an der Donau
standen, trat ein, was Wallenstein befürchtet hatte, als er Aldringen auffor­
derte, umsichtig vorzugehen: Herzog Bernhard, der dem bedrängten Horn
zu Hilfe geeilt war, aber zu spät kam, um den Entsatz Breisachs zu verhin­
dern, rückte nun in Eilmärschen entlang der Donau vor. In Ulm verschaffte
er sich Flusskähne, auf denen die Kanonen und Bagagewagen seines Hee­
res deutlich schneller transportiert werden konnten als mit Zugtieren auf
6i 6 D IE Z E IT D ER G R O SSE N S C H L A C H T E N

dem Landweg. Das Erstaunliche war, dass die bayerische Besatzung von
Ingolstadt, die zumindest die Lastkähne hätte aufhalten können, diese pas­
sieren ließ, so dass Bernhard am 4. November mit 10 000 Mann sowie Artil­
lerie und Schiffsmaterial vor Regensburg stand. Das war eine der schnel­
len Offensivoperationen, die für Bernhards Art der Kriegführung typisch
waren und auf denen sein R uf als genialer Heerführer gründete.
Regensburg war eine starke Festung - wenn ausreichend Soldaten in
der Stadt waren und auch die Bürgerschaft entschlossen war, sie zu vertei­
digen. Das war jedoch nicht der Fall. Die etwa 1500 bayerischen Soldaten,
die Kurfürst Maximilian der Bürgerschaft aufgenötigt hatte, waren für die
Verteidigung gegen einen entschlossen angreifenden Feind zu wenig, und
gleichzeitig waren es zu viele, um der Bürgerschaft nicht zur Last zu fal­
len, die diese lieber heute als morgen los sein wollte. Die Regensburger
Bürger mussten für die Soldaten im Monat 40 000 Gulden bezahlen, wäh­
rend Bistum und Klöster keinen Beitrag zu leisten hatten - als ob die nicht
ebenso vom Schutz profitiert hätten. Das sorgte bei der überwiegend evan­
gelischen Bevölkerung für Verärgerung (Kurfürst Maximilian sprach von
den «schwedischen Regensburgern»), die auch nicht dadurch besänftigt
wurde, dass die Ausgaben des Militärs wiederum der städtischen Wirt­
schaft zugute kamen. «Das Geld, welches sie [die Bürgerschaft] auf die
Garnison spendiere», so Maximilian, falle «gleichsam per circulum in den
Säckel» zurück.416 Der Kurfürst bezweifelte indes selbst, dass sich die Stadt
lange gegen Bernhard werde halten können, und bat den Kaiser, Verstär­
kungen zu schicken. Wallenstein, nach wie vor ganz auf Sachsen und Bran­
denburg konzentriert, erwiderte, Bernhard operiere nur zum Schein gegen
Regensburg, sein eigentliches Ziel sei ein Einfall in Böhmen. Er fürchtete
einen koordinierten Angriff Arnims aus dem Norden sowie Bernhards
aus Südwesten und zögerte, weitere Truppen abzugeben. Am 10. Novem­
ber begann Bernhard mit der Belagerung Regensburgs, am 14. November
kapitulierte die Stadt. Es gab keinen hartnäckigen Widerstand, weswegen
man das Problem zunächst einmal bei den bayerischen Verteidigern hätte
suchen müssen. Doch auch für den Fall von Regensburg wurde Wallenstein
verantwortlich gemacht.
Zuvor war es zu Irritationen gekommen, als der Kaiser an Wallen-
Wallensteins Ermordung in Eger 6 17

stein vorbei Gallas den Befehl erteilte, ein ausreichend starkes Hilfskorps
zur Donau in Marsch zu setzen. Das war ein Bruch der Göllersdorfer Ver­
einbarungen, der dem Generalissimus zeigte, wie prekär seine Stellung
inzwischen war. Wallenstein machte in dieser Lage den Fehler, doch noch
zu einem Entlastungsvorstoß zur Donau aufzubrechen, womit er seine
Grundauffassung dementierte, Böhmen und Nordostdeutschland seien
der Schlüssel, um den Krieg zu entscheiden. Ein noch größerer Fehler war
jedoch, dass er diesen Kriegszug, als es im späten November zu einem
Wintereinbruch kam und starker Schneefall einsetzte, in dem bayerischen
Grenzort Furth abbrach und sich auf Pilsen zurückzog.417 Jetzt schwand
auch bei denen, die Wallenstein keineswegs für einen Verschwörer und Ver­
räter hielten, das Vertrauen in seine militärische Urteilskraft. «Dieser Rück­
zug», so Eggenberg, mit dem Wallenstein die Grundlagen seines zweiten
Generalats ausgehandelt hatte und der bislang als Kopf seiner Anhänger in
Wien gegolten hatte, «ist das Schändlichste, Gefährlichste, Unbedachteste,
was der Herzog je getan hat.»418 Es wurde einsam um Wallenstein.

Wallensteins Ermordung in Eger

Auch das Vertrauen des Heeres in den Oberbefehlshaber schwand, sowohl


bei den Offizieren als auch bei den einfachen Soldaten. Die meisten von
ihnen waren zur Armee gekommen, weil Wallensteins Name für regelmä­
ßige Besoldung, reichlich Beute und Aufstiegsmöglichkeiten innerhalb
der Heereshierarchie stand. Doch diese Erwartung aus der Zeit des ersten
Generalats ließ sich jetzt nicht mehr so bedienen wie zuvor: erstens, weil
die Armee nicht mehr wie anfangs finanziert wurde; zweitens, weil nach
dem schwedischen Siegeszug 1631 und 1632 große Teile Deutschlands, die
zuvor zur Finanzierung des Heeres beigetragen hatten, nicht mehr unter
kaiserlicher Kontrolle standen; drittens, weil mit der weitgehenden Untä­
tigkeit des Heeres im Jahr 1633 auch der übliche Beutemechanismus nicht in
Gang gesetzt werden konnte. Dass sich im Heer Unzufriedenheit ausbreitete,
nahm Wallenstein nicht zur Kenntnis. Während der Feldzüge war der ohne­
6i 8 D IE Z E IT D ER G R O SSE N SC H L A C H T E N

hin nicht sonderlich leutselige Wallenstein mit seinen Soldaten immer wie­
der in Berührung gekommen, aber 1633, als er vor allem mit Sondierungen
für Friedensgespräche beschäftigt war, ging auch dieser Kontakt verloren.
Wallenstein hatte kein Gespür mehr für die Stimmung unter den Soldaten.
Es ist unwahrscheinlich, dass der Oberkommandierende im Spätherbst 1633
noch jene uneingeschränkte Bewunderung und Verehrung genoss, wie sie
Schiller im ersten Teil seiner Trilogie, Wallensteins Lager, dargestellt hat.
Wallenstein selbst war es nie um die Verehrung und Bewunderung
seiner Soldaten gegangen. Für ihn war das Heer ein Instrument, um seine
Ziele zu verfolgen. Gehorsam genügte ihm. Dabei übersah er, was in den
Söldnerheeren des 17. Jahrhunderts die Voraussetzung für diesen Gehor­
sam war. Die Lebensbeschreibung des Söldners Hagendorf gibt darüber
Aufschluss. Mit großer Zufriedenheit vermerkte Hagendorf, dass ihn sein
Hauptmann nach dem erfolgreichen Entsatz des belagerten Straubing zum
«Wachtmeister» befördert hatte. «Ich habe gutes Quartier gehabt bei
einem Weinwirt <Zur grünen Tanne>. Habe auch hübsch Geld gehabt und
bekommen.»419 Nicht nur dieses Zusammenhalt stiftende Mittel fiel 1633
aus, sondern auch die regelmäßigen Soldzahlungen. Wurde der Sold des
Öfteren nicht gezahlt, half die Anhänglichkeit gegenüber dem Truppen­
führer weiter, die von den meisten Condottieri des Dreißigjährigen Krie­
ges gepflegt wurde. Darauf hatte Wallenstein jedoch keinen Wert gelegt,
und das wurde für ihn jetzt zum Problem: Er hatte das Heer, Soldaten wie
Offiziere, als Apparat und nicht als Gefolgschaft behandelt, doch die Vor­
aussetzungen für einen derartigen Umgang mit den Truppen begannen zu
schwinden. Zu Wallensteins Untergang trug bei, dass das Heer just zu dem
Zeitpunkt, als er es als Instrument brauchte, aufhörte, ein solches zu sein
- und dass Wallenstein diese Veränderung nicht realisierte. Lange Zeit, ver­
mutlich bis in den Januar 1634 hinein, ging er davon aus, dass sich das Offi­
zierskorps in einem Loyalitätskonflikt uneingeschränkt für ihn entscheiden
würde. Sein gesamtes Handeln beruhte auf dieser Annahme. Als Wallen­
stein schließlich begriff, dass er sich irrte, war es zu spät.

Uber lange Zeit sind die Wallenstein-Forschung und die Historiographie


des Dreißigjährigen Krieges davon ausgegangen, Wallensteins häufig unkla­
Wallensteins Ermordung in Eger 619

res, teilweise widersprüchliches, zuletzt immer öfter gegen die Vorgaben


aus Wien opponierendes Verhalten lasse nur folgende Erklärungen zu: Er
habe sich mit einigen böhmischen Exilanten sowie dem Feind gegen den
Kaiser verschworen, um das Haus Habsburg vom Thron zu stoßen - so die
Auffassung, bei der man ihm egoistische Ziele und Absichten unterstellte,
oder um gegen die unnachgiebigen Kriegsparteien in Wien und München
einen Verhandlungsfrieden durchzusetzen - so die gegenüber Wallenstein
eher wohlwollenden Vertreter der Verschwörungsthese. Beide Sichtweisen
bewerteten das häufig konfuse Handeln Wallensteins und die zahllosen
Fehler, die ihm zuletzt unterliefen, als durchaus planvoll. Und so war das
stärkste Argument für die Verschwörungsthese, dass nur sie es erlaubte, ein
kohärentes Wallenstein-Bild zu zeichnen - vom habgierigen Profiteur in
Böhmen bis zum großen Strategen des Krieges. Stellte man die Verschwö­
rungsthese dagegen in Frage, wurde Wallenstein zu einer Person mit vie­
len Seiten, zu einem, der keineswegs immer der überragende Stratege war,
den man in ihm sehen wollte, und der in der Schlussphase seines Lebens
eher getrieben wurde, als dass er das Geschehen beherrschte. Das Bild vom
großen Feldherrn, der zum Verschwörer gegen den Kaiser wurde, und vom
machtpolitischen Aufsteiger, der keine Grenze kannte und immer höher
hinauswollte, lässt sich leichter begründen als die Vorstellung von dem
Mann, der, nachdem er durch den Krieg groß geworden war, zum Friedens­
stifter mutierte und um dieses Zieles willen alles daranzusetzen bereit war.
Der Letzte, der die These vom Verschwörer Wallenstein mit großem
Nachdruck vertrat und der Auffassung war, damit sei das «Rätsel Wallen­
stein» ein für allemal geklärt, war der tschechisch-österreichische Histori­
ker Josef Pekar.420 Ihm hat bereits der österreichische Historiker Heinrich
Ritter von Srbik widersprochen, der Wallensteins Friedensabsicht betont
hat, jedoch hinzufügte, es seien grobe politische Fehler gewesen, die letzt­
lich seinen Niedergang verursacht hätten.421 Nun haben Srbik und andere,
indem sie die Friedensidee als Triebkraft von Wallensteins Handeln im Jahr
1633 herausstellten, die These der Verschwörung und des Hochverrats nicht
wirklich widerlegt: Man kann sich auch aus ehrenhaften Gründen und mit
hochstehenden Motiven gegen die an der Macht Befindlichen verschwören
und ihren Sturz betreiben. An diesem Problem haben sich die Wallenstein-
620 D IE Z E IT D ER G R O SSE N S C H L A C H T E N

Biographen Hellmut Diwald, Golo Mann sowie Josef Polisensky und Josef
Kollmann abgearbeitet. Die beiden Letztgenannten mussten sich dabei
noch mit einem Spezialproblem des tschechischen Blicks auf Wallenstein
auseinandersetzen, der Frage nämlich, ob Wallensteins angeblicher Griff
nach der Wenzelskrone zu einer tschechischen Nationalstaatsgründung
bereits im 17. Jahrhundert hätte führen können.422 Die «Wallenstein-Frage»
ist in mehrfacher Hinsicht in geschichtspolitische Debatten verwoben, aus
denen sie sich erst in den letzten Jahrzehnten gelöst hat.
Hellmut Diwald und Golo Mann haben Wallensteins Handeln dage­
gen aus seinen eigenen Perspektiven und Optionen heraus zu erklären
versucht. Dabei sind sie mit unterschiedlicher Akzentsetzung, in der Kon­
sequenz aber übereinstimmend, zu dem Ergebnis gekommen, Wallenstein
habe zwar das Ziel verfolgt, den Krieg zu beenden, es sei ihm jedoch keines­
wegs darum gegangen, die kaiserliche Macht zu schwächen oder gar zu ver­
nichten, sondern diese im Gegenteil gegenüber den Kurfürsten zu stärken.
Über seine Kontakte mit dem Gegner habe er den Wiener H of jederzeit
und vollständig informiert, einschließlich der Gespräche, die er mit den
böhmischen Exilanten geführt hatte. Gegen Verschwörungsabsichten spre­
che auch, dass Wallenstein seinen Rücktritt vom Oberkommando angebo-
ten habe, ein Anerbieten, das er mehrfach wiederholte, als unübersehbar
war, dass der Kaiser und seine bisherigen Unterstützer am H of auf Distanz
zu ihm gingen. Wenn Wallenstein tatsächlich gegen den Kaiser konspi­
riert und hinter dessen Rücken mit dem Feind verhandelt habe, dann erst
in den letzten Wochen seines Lebens, als er davon ausgehen musste, dass
der Wiener H of ihm nach dem Leben trachtete. Bei Diwald mehr als bei
Mann und explizit bei Polisensky und Kollmann findet sich die Vorstellung
einer Wallenstein’schen Gegenverschwörung, die eine Reaktion auf die
Verschwörung des Kaisers und einiger hoher Offiziere gegen den Genera­
lissimus war.423 Unter diesen Offizieren spielte Ottavio Piccolomini, den
Wallenstein gefördert hatte und dem er vertraute, eine besondere Rolle. So
hat sich in den letzten Jahrzehnten die Debatte von der einer Verschwörung
Wallensteins gegen den Kaiser zu der einer Verschwörung Piccolominis
gegen Wallenstein verschoben.424
Angelpunkt von Piccolominis Verschwörung gegen Wallenstein ist die
Wallensteins Ermordung in Eger 621

«Bamberger Schrift», ein im Herbst 1633 verfasstes militärisches Gutachten


des Generals, in dem Wallensteins Kriegführung seit dem Frühjahr einer
scharfen Kritik unterzogen und die Verhandlungen über einen Friedens­
schluss als Bestandteil einer Konspiration Wallensteins dargestellt wurden.
Was auch immer Piccolomini zu diesem Schritt veranlasst haben mag, Hab­
sucht, wie Diwald meint,425 oder eher Karrierestreben und die Furcht vor
einem Ende des Krieges - das Gutachten war in jedem Fall ein ungeheurer
Vertrauensbruch gegenüber Wallenstein. Die «Bamberger Schrift» leitete
die Abkehr des Kaisers von Wallenstein ein. Im Hintergrund stand freilich
ein Kurswechsel der kaiserlichen Politik gegenüber Spanien, mit dem sich
Wien wieder mehr den spanischen Interessen annäherte und dabei einen
Krieg mit Frankreich riskierte. Wallenstein lehnte diesen Politikwechsel
entschieden ab: Wenn sich der Kaiser durch Spanien in einen Krieg gegen
Frankreich hineinziehen ließ, rückte der angestrebte Frieden in immer wei­
tere Ferne. «M an muß Fried machen», ließ Wallenstein Mitte Dezember
1633 dem Kaiser durch Trauttmansdorff ausrichten, «sonst wird alles unse­
rerseits verloren sein.»426
Wallensteins Widerwille gegen einen Krieg mit Frankreich war auch
der Grund, warum er Aldringen im Sommer bei der Unterstützung des
Herzogs von Ferfa äußerste Zurückhaltung auferlegt hatte. Eine Operation
spanischer Truppen am Oberrhein musste fast zwangsläufig französische
Gegenmaßnahmen auslösen. Außerdem war es ein Verstoß gegen die Göl-
lersdorfer Abmachungen, wenn der spanische König ohne jede Rückspra­
che mit Wallenstein den Statthalter von Mailand als seinen General nach
Deutschland schickte. Wallenstein spürte, wie ihm die Voraussetzungen
des Friedensprojekts aus der Hand genommen wurden, und stemmte sich
dagegen. Damit verlor er die Gunst Spaniens, das ihn bislang weitgehend
unterstützt hatte.427Wallenstein unterschätzte, was es hieß, den spanischen
Gesandten in Wien zum Feind zu haben. Graf Onate koordinierte von nun
an die zuvor unabhängig voneinander agierenden Feinde Wallensteins: die
Böhmen um Wilhelm Slawata, den Präsidenten des Hofkriegsrats, Heinrich
von Schlick, die Bayern, deren Interessen in Wien von dem Gesandten Bar­
tholomäus Richel wahrgenommen wurden, und schließlich die Jesuiten um
den kaiserlichen Beichtvater Wilhelm Lamormaini sowie den Hofprediger
622 D IE Z E IT D ER G R O SSE N SC H L A C H T E N

Die Karriere des Ottavio


Piccolomini, Spross eines
toskanischen Adelsgeschlechts,
begann im mantuanischen
Erbfolgekrieg und fand
einen ersten Höhepunkt
auf dem Schlachtfeld von
Lützen, wo er nach dem Tod
Pappenheims den linken Flügel
des Wallenstein’schen Heeres
stabilisierte. Die zentrale Rolle,
die er bei der Ermordung
Wallensteins spielte, schadete
ihm eher, da ihm die höheren
Offiziere danach mit Misstrauen
begegneten.

Johannes Weingartner. Es lässt sich nicht ausschließen, dass Piccolominis


Gutachten gegen Wallenstein von Onate selbst oder über einen Mittels­
mann bestellt worden ist. Solange der Kaiser überzeugt war, Wallenstein
in Sachen Kriegführung nicht entbehren zu können, war dessen Position
kaum zu erschüttern. Piccolominis Gutachten hat diese kaiserliche Über­
zeugung in Frage gestellt.
Ottavio Piccolomini war es auch, der sich um die Organisation der von
Wallenstein abtrünnigen Offiziere kümmerte, teils in persönlichen Gesprä­
chen, teils in Briefen. Männer wie Rudolf Graf von Colloredo und Don
Balthasar Marradas, die Wallenstein für militärische Versager hielt, waren
sofort zu gewinnen, ebenso der kaiserliche Feldzugmeister Carretto di
Grana, von dem Wallenstein gesagt hatte, er würde ihm nicht einmal ein
Regiment anvertrauen.428Alle, die sich von Wallenstein zurückgesetzt fühl­
ten oder einmal seine Verachtung zu spüren bekommen hatten, schlossen
sich den gegen den Generalissimus Verschworenen umgehend an. Um eini­
ges schwieriger zu überzeugen waren die Offiziere in Wallensteins Umge­
bung, und wahrscheinlich hätte das gesamte Vorhaben, Wallenstein abzu­
setzen, einen anderen Verlauf genommen, wenn Piccolomini es nicht in die
Wallensteins Ermordung in Eger 623

Hand genommen hätte. Er vermochte auch Gallas, Wallensteins General­


leutnant und damit die wichtigste Person in dem Spiel, auf seine Seite zu
ziehen.429

Seit Ende Dezember 1633 trieben die Dinge auf eine Entscheidung zu. Der
Kaiser entschloss sich, Wallenstein das Oberkommando über die Armee
zu entziehen - allerdings nicht, indem er Wallensteins zwei Wochen zuvor
gegenüber Trauttmansdorff geäußertes Angebot annahm, den Oberbefehl
von sich aus niederzulegen und aus dem kaiserlichen Militär auszuscheiden,
und auch nicht in Form einer Wiederholung des Regensburger Kurfürsten­
tags, der Wallenstein 1630 des Oberkommandos enthoben hatte. Es sollte
vielmehr eine Aktion werden, bei der Wallenstein festgenommen und nach
Wien überstellt wurde, um ihm den Prozess zu machen. Wenn das nicht
möglich war, sollte er getötet werden. Man wollte Wallenstein nicht einfach
loswerden, sondern seiner habhaft werden - oder ihn tot wissen. Daraus
lässt sich schlussfolgern, dass der Kaiser entweder von einer Verschwörung
innerhalb der Armee überzeugt war und davon ausging, das Rücktrittsge­
such sei nur eine Finte; oder Ferdinand fürchtete, der abgetretene Genera­
lissimus könne als Herzog von Friedland zum Zentrum einer Opposition
gegen die Politik des Kaiserhofs werden. Im letzten Fall ging es von Anfang
an nicht bloß um die Ausschaltung des Generalissimus, sondern auch um
die des Herzogs von Friedland. Man musste Wallenstein alle Macht und
allen Einfluss nehmen, und das ging nur in Form eines Prozesses oder
durch Exekution.
Es gab aber noch einen dritten Grund, der Ferdinand II. veranlasst
haben könnte, statt auf eine Entlassung oder Absetzung auf die Enteignung
oder Exekution Wallensteins zu setzen, und das war der Umstand, dass ihm
mit dem eingezogenen Vermögen des Herzogs die Mittel zur Verfügung
standen, um sich der Treue und Anhänglichkeit einer neuen Generation
führender Offiziere zu versichern - was dann auch tatsächlich der Fall war:
Alle, die am Sturz und der Ermordung Wallensteins beteiligt waren, wur­
den in den Monaten danach reichlich belohnt.430
In einem Punkt freilich konnte man Wallenstein vorwerfen, seine
Befugnisse überschritten und gegen den Kaiser konspiriert zu haben, und
624 D IE Z EIT D ER G R O SSE N SC H L A C H T E N

das betraf, wie schon oben angedeutet, die mit Arnim verhandelte «K on­
junktion» des kursächsischen und des kaiserlichen Heeres.431 Dabei war
man indes nicht vorangekommen, da Wallenstein darauf beharrte, dass
selbstverständlich ihm das Oberkommando zustand, wohingegen Arnim
für sich eine gleichberechtigte Kommandoposition beanspruchte. Das kam
für Wallenstein nicht in Frage - und insofern lässt sich durchaus fragen, ob
er sich tatsächlich auf eine Konspiration gegen den Kaiser eingelassen habe,
da die «Konjunktion» doch nur darauf hinausgelaufen wäre, das sächsi­
sche Heer seinem Oberbefehl zu unterstellen. A uf dieses Vorhaben ließ sich
eine Anklage gegen ihn schwerlich stützen, und tatsächlich hat das Kon-
junktionsproj ekt in den Vorwürfen gegen Wallenstein keine Rolle gespielt.
Etwas anders verhält es sich bei der Versammlung der Generäle und
Obristen, die Wallenstein vom 11. bis 13. Januar in Pilsen veranstaltet hat.
Sie fand zu einem Zeitpunkt statt, als der Generalissimus bereits über die
von Wien gegen ihn eingeleiteten Maßnahmen informiert war und sich der
Loyalität seiner Offiziere versichern wollte. Gibt es einen Moment, von
dem an man von einer Verschwörung Wallensteins gegen den Kaiser spre­
chen kann, dann den der Unterzeichnung des ersten Pilsener Revers. Zu
Beginn der Versammlung kündigte Wallenstein seinen Rücktritt vom Amt
des Oberkommandierenden an und begründete diesen mit grundlegenden
Differenzen gegenüber den strategischen Vorgaben aus Wien. Die Offiziere
begriffen schnell, was das für sie bedeutete: dass es danach niemanden
mehr gab, der für ihre Geldforderungen aufkommen würde. Sie beschwo­
ren Wallenstein, im Amt zu bleiben, und der akzeptierte das - unter der
Voraussetzung, dass sie sich verpflichteten, «bey Hochgedachter Ihr Fürstl.
Gn. [etc.] diesfalß erbar undt getreü zue halten, auf keinerlei weiß von
deroselben unß zue separieren, zue trennen noch trennen zu laßen, beson-
dern alles dasselbe, so zue Ihrer undt der Armada Conservation geraichet,
nebenst Ihr Fürstl. Gn. [etc.] eüßerster möglichkeit zu beferdern undt
bey, nebenst undt für dieselbe alles unßere bies den lezten blutstropffen
ungesbarter aufzuesezen, wie wir dan auch, im fahl einer oder der ander
unßers mitteiß diesem zuewieder handeln unndt sich absondern wolte,
sambtlich undt ein ieder innsonderheit den oder dieselbe wie treuloße,
Aydts vergeßene Leuth zuverfolgen undt an deßen Haab und Güethern,
Wallensteins Ermordung in Eger 6 25

Leib undt Leben unß zurechnen schuldieg undt verbunden sein sollen und
wollen.»432 Auch Ottavio Piccolomini Unterzeichnete diesen Revers, um
Wallenstein in Sicherheit zu wiegen.433
Offenbar hat Piccolomini nach dem ersten Pilsener Revers in Wien
Druck gemacht: Man müsse schnell zur Tat schreiten, denn Wallenstein sei
misstrauisch geworden. Gleichzeitig nutzte er seinen Pilsener Aufenthalt,
um achtzehn Regimentskommandeure in die bevorstehende Absetzung
Wallensteins einzuweihen und sie für die kaiserliche Seite zu verpflichten.
Am 24. Januar Unterzeichnete Ferdinand dann das Ächtungsdekret gegen
Wallenstein, in das auch Feldmarschall Christian von Ilow und Feldmar­
schallleutnant Adam Erdmann Trcka eingeschlossen waren. «Wir geben
euch allen zur Kenntnis», so der Beginn des Dekrets, «daß wir aus hoch­
wichtigen und dringenden Ursachen mit unserem gewesenen General­
obersten Feldhauptmann eine Veränderung vorzunehmen veranlaßt wor­
den sind.» Anschließend wird dazu aufgefordert, dies allen Offizieren und
Soldaten des Heeres mitzuteilen; sie seien aus allen Verpflichtungen gegen­
über Wallenstein entlassen. Ausdrücklich wird in diese Verpflichtungsent­
bindung auch das Pilsener Revers einbezogen. Niemand solle sich «zu
unverantwortlichen, verzweifelten Entschlüssen verleiten lassen».434 Man
hatte in Wien offenbar erkannt, womit Wallenstein die Kommandeure des
Heeres an sich zu binden versuchte, deswegen beschäftigte sich die Äch­
tungserklärung mehr mit der Entbindung von Verpflichtungen, als dass sie
etwas zur Ächtung des Generalissimus selber sagte; Begründungen gab sie
keine.
Nachdem Wallenstein erfahren hatte, dass man ihn absetzen wollte
(den Text der Ächtungserklärung kannte er noch nicht), fasste er den Ent­
schluss, sich von seinem Hauptquartier in Pilsen nach Prag zu begeben, um
sich der Loyalität der in und um Prag befindlichen Regimenter zu versi­
chern.435 Aber schon bald war klar, dass die Einheiten bereits zu Gallas und
Piccolomini übergegangen waren. Von da an standen beide Seiten vor der
Frage, ob sie die ihnen ergebenen Truppen gegeneinander kämpfen lassen
sollten und wie man damit umging, dass die Loyalität im Heer gespalten
war. Für einige Tage herrschte Verwirrung, weil Gallas und Piccolomini
zögerten, den am 28. Januar erteilten Befehl zu befolgen, Wallenstein aus­
6 z6 D IE Z EIT D ER G R O SSE N SC H L A C H T E N

zuschalten - «per prigionar o per morte», durch Einkerkerung oder Tod,


wie es in dem kaiserlichen Schriftstück heißt. Gallas zögerte, weil er immer
noch davon ausging, alles sei ein Missverständnis und man könne Wallen­
stein zurückgewinnen; Piccolomini dagegen wollte den Coup erst durch­
führen, wenn der bei weitem größere Teil des Heeres auf seiner Seite stand.
Was beide fürchteten, waren Kämpfe innerhalb des Heeres, wobei man sich
vor allem über die sieben Regimenter Trckas im Unklaren war. Was würde
geschehen, wenn diese Einheiten Widerstand leisteten? Würden die zum
Kaiser stehenden Truppen gegen sie kämpfen? Alles hing davon ab, was
Wallenstein tun würde.
Der wich einer direkten Konfrontation aus - sei es, weil er über das
illoyale Verhalten einer Reihe von Offizieren bestürzt war, sei es, weil
schwere Gichtanfälle ihn hinderten zu handeln. Im Rückblick ist klar, dass
Wallenstein nur zwei Möglichkeiten hatte: Entweder stellte er sich an die
Spitze der ihm ergebenen Einheiten und suchte die bewaffnete Konfron­
tation, oder er begab sich umgehend ins sächsische Lager und stellte sich
unter den Schutz Arnims. Er musste sich sofort entscheiden und schnell
tätig werden, denn die Zeit arbeitete gegen ihn. Das Problem war, dass
beide Optionen auf ein Eingeständnis des Scheiterns hinausliefen: der
Wechsel ins sächsische Lager in jedem Fall und die bewaffnete Konfron­
tation mit Teilen seines Heeres insofern, als damit das Instrument zerstört
wurde, mit dem Wallenstein seine politischen Ziele durchsetzen wollte. Im
Unterschied zu einigen Biographen, die Wallensteins hektische Aktivitäten
im Februar 1634 mit politikstrategischem Handeln verwechseln,436 erfasst
der Dramatiker Schiller Wallensteins Verhalten im Kern, wenn er es als
ein nicht endendes Zögern und Zaudern charakterisiert. Wallenstein ver­
fiel in einen Zustand grüblerischer Resignation, der durch Scheinaktivität
überdeckt wurde. So fertigte er einen Vertrag an, der die Grundzüge einer
Allianz seines Heeres mit Sachsen und Brandenburg umriss und den er an
Arnim sandte, damit der ihn mit den beiden Kurfürsten abstimme. Gleich­
zeitig entschloss er sich, Pilsen aufzugeben und nach Eger zu wechseln, von
wo aus er leichter mit den Sachsen, aber auch den in der Oberpfalz stehen­
den Schweden Kontakt aufnehmen konnte. A uf diese Weise lieferte er sich
seinen Gegnern aus.
Wallensteins Ermordung in Eger 627

Welche Rolle hat bei alldem der von Schiller herausgestellte Glaube
Wallensteins gespielt, das menschliche Schicksal sei durch den Gang der
Gestirne vorbestimmt? Fest steht, dass sein Vertrauen gegenüber Picco­
lomini unter anderem astrologisch begründet war, denn der war unter ähnli­
chen Gestirnskonstellationen geboren wie er selbst. Das dürfte Wallenstein
auch daran gehindert haben, gegen Piccolomini jenes Misstrauen zu ent­
wickeln, mit dem er sonst schnell bei der Hand war. Und welchen Einfluss
hatte Giovanni Battista Senno, Schillers Seni, aufWallenstein in den letzten
Tagen seines Lebens? Golo Mann bezeichnet Senno als «die junge Sumpf­
blüte aus Padua», denn der von Wallenstein üppig alimentierte Astrologe
stand auch in den Diensten von Gallas, der ihm regelmäßig größere Geld­
geschenke zukommen ließ. Gallas wollte sich keineswegs aus den Sternen
die Zukunft deuten lassen, sondern von dem bestens informierten Senno
erfahren, was Wallenstein dachte und beabsichtigte. Senno war es auch, der
dem kaiserlichen Rat Putz die Gelegenheit verschaffte, den Pilsener Revers
abzuschreiben und die Abschrift nach Wien zu schicken.437 Dass Senno
mit Wallensteins Gegnern unter einer Decke steckte, zeigte sich schließlich
nach der Ermordung des Generalissimus, denn er kam dabei nicht nur mit
dem Leben davon, was bei einem so engen Vertrauten Wallensteins mit­
nichten selbstverständlich war, sondern durfte nach einem oberflächlichen
Verhör in Wien auch seiner Wege gehen. Er starb zweiundzwanzig Jahre
später in Genua.438 Die Astrologie hat Wallenstein jedenfalls nicht vor dem
Untergang bewahrt, aber dass sein Zaudern mit dem Warten auf günsti­
gere Gestirnskonstellationen zusammenhing, wie Schiller es dargestellt hat,
lässt sich mit den verfügbaren Quellen ebenso wenig belegen. Mehr als der
Glaube an die Macht der Gestirne dürfte Wallensteins schlechter Gesund­
heitszustand ihn daran gehindert haben, die erforderlichen Maßnahmen zu
ergreifen und das Blatt doch noch zu wenden.439

Am 22. Februar brach Wallenstein nach Eger auf, begleitet von den ihm
verbliebenen Vertrauten flow, Trcka und dem böhmischen Grafen Kinsky.
Trcka und Kinsky reisten in Begleitung ihrer Ehefrauen. Wallenstein konnte
kein Pferd mehr besteigen und bediente sich deswegen einer Sänfte. Der
Zug wurde von zehn Kompanien eskortiert, von denen man annahm, dass
628 D IE Z E IT D ER G R O SSE N SC H L A C H T E N

sie Wallenstein weiterhin ergeben waren und notfalls auch für ihn kämpfen
würden. In dem Städtchen Mies wurde übernachtet. Hier stieß der irische
Oberst Walter Butler mit seinem Reiterregiment hinzu, um den Marsch
nach Eger zu begleiten. Ob das ein Zufall war oder ein Schachzug Picco­
lominis, ist nicht zu entscheiden. Butler gehörte zu den Unterzeichnern
des ersten Pilsener Revers, aber es ist wahrscheinlich, dass Piccolomini ihn
bei seinem letzten Pilsener Aufenthalt ins Vertrauen gezogen und auf die
Linie der Wallenstein-Gegner verpflichtet hatte.440 Jedenfalls ließ Butler
Piccolomini noch vor der Ankunft in Eger durch seinen Feldkaplan Patrick
Taaffe ausrichten, er wisse, was seine Pflicht sei und werde ihr nachkom-
men. Damit waren die Würfel gefallen: Piccolomini hatte jetzt jemanden in
der unmittelbaren Umgebung Wallensteins, der willens war, die Mordak­
tion durchzuführen, und der über die dazu erforderlichen Mittel verfügte.
In Eger wurde Wallenstein vom Stadtkommandanten Oberstleutnant
John Gordon und dessen Stellvertreter Walter Leslie empfangen. Wal­
lenstein wurde im Pachelbel’schen Haus einquartiert, wo er bereits bei
früheren Aufenthalten in Eger gewohnt hatte. In der Nacht trafen sich
Butler, Gordon und Leslie und beschlossen, Wallenstein in Eger unschäd­
lich zu machen - ob durch Gefangennahme oder Mord, scheint bei dem
ersten Gespräch noch offengeblieben zu sein. Am nächsten Morgen, dem
25. Februar, berief Feldmarschall Ilow, der Ranghöchste der bei Wallen­
stein Verbliebenen, eine Offiziersversammlung ein, in der er die während
der Nacht in Eger eingetroffene Nachricht von Wallensteins Absetzung als
ein Komplott bezeichnete und erklärte, Wallenstein habe die kaiserliche
Gnade zu Unrecht verloren. Ilow verlangte von den Anwesenden einen
neuerlichen Treueid, den Butler, Gordon und Leslie auch schworen. Spä­
testens von diesem Augenblick an dürfte ihnen klar gewesen sein, dass sich
Wallenstein nur durch eine Mordaktion ausschalten ließ.
Um das gute Einverständnis miteinander zu besiegeln, lud Stadtkom­
mandant Gordon Ilow, Trcka, Kinsky und Wallensteins Sekretär, den Ritt­
meister Heinrich Niemann, zu einem Bankett auf die Burg ein.441 Die vier
trafen dort am frühen Abend ein. Dragoner, die den drei irisch-schotti­
schen Offizieren ergeben waren, hatte man in Nebenzimmern des Bankett­
saals versteckt. Weitere kamen nach dem Eintreffen der Gäste hinzu; dann
Wallensteins Ermordung in Eger 629

wurden die Burgtore geschlossen. Wallensteins Getreue sollten ausgeschal­


tet werden, ohne dass man in der Stadt etwas davon mitbekam. Man war
schon beim Konfekt, als ein Diener hereinkam und Leslie ins Ohr flüsterte,
alle Vorbereitungen seien abgeschlossen. Auf ein Zeichen hin stürmten
Butlers Dragoner in den Raum. Gordon, Butler und Leslie sprangen auf
und riefen «Vivat Ferdinandus», Hauptmann Walter Deveroux, der den
Trupp anführte, antwortete: «Und das ganze Haus Österreich.» Ein Dra­
goner stieß dem am Tisch sitzenden Kinsky den Degen durch den Hals;
Ilow schaffte es noch, sein an der Wand hängendes Schwert in die Hand zu
bekommen, er verwundete Leslie leicht, wurde dann aber von der Über­
macht zu Boden geworfen und erstochen. Trcka, der ein Elenkoller trug,
war nicht so leicht zu erledigen: Er verwundete zwei Dragoner im Kampf,
zerschlug Deveroux’ Degen und gelangte bis ins Vorhaus. Dort machten
ihn Musketiere mit dem Gewehrkolben nieder, Hauptmann Dionysios
Macdaniel hob das Koller an und stach ihm durch die Brust. Rittmeister
Niemann schaffte es schwerverwundet bis in die Küche, wo er eingeholt
und getötet wurde. Jetzt war nur noch Wallenstein übrig, der seiner körper­
lichen Verfassung wegen nicht am Bankett teilgenommen hatte. Er war im
Pachelbel’schen Haus geblieben und früh zu Bett gegangen.
Es wäre ein Leichtes gewesen, den kranken Wallenstein zu verhaften.
Man beriet sich noch einmal und beschloss, auch ihn zu töten. Wahr­
scheinlich fürchteten Butler und Gordon, Wallenstein könne sonst Belas­
tendes preisgeben und damit einige aus dem Kreis seiner jetzigen Feinde
mit in den Abgrund reißen. Auch musste man, wenn Wallenstein in Haft
genommen wurde, mit einem Befreiungsversuch rechnen. Da war es nahe­
liegend, vollendete Tatsachen zu schaffen. Hauptmann Deveroux eilte
mit einigen Dragonern zu Wallensteins Unterkunft. Inzwischen hatte ein
starker Schneesturm eingesetzt, so dass sich niemand auf den Straßen
der Stadt blicken ließ. Ein Diener und ein Page, die sich den in das Haus
eindringenden Dragonern entgegenstellten, wurden kurzerhand nieder­
gehauen. Dann wurde die Tür zu Wallensteins Zimmer aufgesprengt. Mit
dem Ruf «D u schlimmer, meineidiger, alter, rebellischer Schelm!» stürzte
Hauptmann Deveroux seinen Männern voran auf Wallenstein zu, die
Partisane, die er anstelle des in der Burg zerbrochenen Degens führte, in
Wallensteins Ermordung in Eger am 25. Februar 1634. Der Kupferstich zeigt
Hauptmann Deveroux an der Spitze mehrerer Offiziere auf Wallenstein
zustürmen. Der Stich legt nahe, dass Wallenstein bei der nächtlichen
Arbeit überrascht wurde. Andere Darstellungen zeigen ihn im Nachthemd,
also als einen, der aus dem Schlaf gerissen wurde. Deveroux soll, bevor
er die Partisane in Wallensteins Körper rammte, gerufen haben: «D u
schlimmer, meineidiger, alter, rebellischer Schelm !» Das sind fast zu
viele Worte für den kurzen Weg von der Tür bis zu dem Fenster, vor dem
Wallenstein steht. Wallensteins Haltung erweckt den Eindruck, er wolle
um Gnade bitten.

beiden Händen. Wallenstein stand am Fenster, breitete die Arme aus und
rief «Quartier», gab also zu erkennen, dass er keinen Widerstand leisten
wollte, aber da rammte ihm Deveroux schon die Partisane durch die Brust,
bis ihre Spitze an den Schulterblättern wieder herauskam. Wallenstein war
sofort tot.
Der Körper des toten Generalissimus wurde in einen Teppich gewi­
ckelt und über Flur und Treppe aus dem Haus geschleift. Man brachte
ihn in einer bereitstehenden Kutsche zur Burg, wo er zu den vier anderen
Leichen geworfen wurde, die von den Dragonern zwischenzeitlich ausge­
plündert worden waren. Als Piccolomini am darauffolgenden Tag in Eger
eintraf, um sich des Erfolgs der Aktion zu vergewissern, waren die fünf Kör­
Wallensteins Ermordung in Eger 631

per bereits gefroren. Da Wallenstein wegen seiner Körperlänge nicht in den


vorgefertigten Sarg passte, wurden ihm mit einer Keule die Beine zerschla­
gen. In der Nähe von Mies begrub man Niemann unter einem Galgen, die
vier anderen wurden in der Franziskanerkirche der Stadt beigesetzt.442 Das
war ein letzter Akt der Gnade, den Gallas seinem früheren Vorgesetzten
erwies. Piccolomini wollte Wallensteins Leichnam nach Prag bringen und
dort ausstellen lassen. Gallas war dagegen, vielleicht aus Pietät, vielleicht
aber auch, weil er befürchtete, dass diese Aktion die Autorität der kaiserli­
chen Offiziere untergraben würde.

Wallensteins Tod wird häufig mit der Behauptung verbunden, damit sei die
Epoche der Condottieri, der großen Kriegsunternehmer, zu Ende gegangen.
Das ist genaugenommen nicht richtig, denn mit Herzog Bernhard folgte
ihm ein weiterer Condottiere, der bei Wallensteins Tod noch schwedischer
General war und erst nach der Niederlage bei Nördlingen im Herbst 1634
und dem anschließenden Zusammenbruch der schwedischen Machtstel­
lung in Oberdeutschland zum selbständigen Kriegsunternehmer wurde.443
Aber Bernhard schaffte es genauso wenig wie Wallenstein, sich dauerhaft
als reichsunmittelbarer Fürst zu etablieren, wiewohl ihm das als Herzog
von Franken einmal für kurze Zeit gelang und er kurz vor seinem Tod gute
Aussichten auf ein Herzogtum im Eisass besaß. Herzog von Franken war
er von Gustav Adolfs Gnaden, Herzog des Eisass wäre er von Richelieus
Gnaden geworden. Auch Wallenstein war ein Herzog von Kaisers Gna­
den - nur dass er selbst davon überzeugt war, er sei beides aus eigener Kraft
und durch eigene Leistung geworden. Vermutlich hätte Bernhard das nicht
anders gesehen.
Der böhmische Edelmann und der zehnte Sohn eines ernestinischen
Herzogs waren sich in ihren militärischen Fähigkeiten und ihrem eigen­
sinnigen Auftreten nicht unähnlich. Sie nutzten den Krieg, um mit dem
Glücksrad der Fortuna aufzusteigen, aber sie konnten, als sie oben ange­
kommen waren, die Bewegung des Rades nicht stoppen. So sahen viele
Menschen den Krieg als eine Zeit, in der die Macht der Glücksgöttin, das
Wechselspiel von Glück und Unglück, besonders groß war. Auch nach
dem Ende Wallensteins und Bernhards gab es etliche, die durch den Krieg
632. D IE Z E IT D ER G R O SSE N SC H L A C H T E N

hochkamen - wie der Reitergeneral Jan von Werth, der von sich selbst sagte,
er sei «ein armer Soldat von Fortuna» und müsse sein Glück mit dem
Degen suchen.444Wallenstein scheiterte daran, dass er seine Möglichkeiten
schlichtweg überschätzte, während Bernhard mit noch nicht fünfunddrei­
ßig Jahren einer der Krankheiten erlag, von denen man im Heerlager und
auf Feldzügen leicht ereilt werden konnte.
Und doch vollzog sich in dieser Zeit eine Veränderung, die man poin­
tiert beschreiben kann: Das Erwerbsinteresse wurde durch den Dienstge­
danken verdrängt. Dieser Übergang lässt sich jedoch nur beobachten, wenn
man die handelnden Personen als Repräsentanten von Idealtypen begreift.
Oder man stellt typologisch die bayerische gegen die kaiserliche Heeresor­
ganisation, Erstere als Beispiel für das landesherrlich finanzierte und kon­
trollierte Heer, Letztere hingegen noch ganz dem tradierten Militärunter­
nehmertum verpflichtet.445 In dieser Gegenüberstellung sticht heraus, dass
Tilly unter einer sehr viel direkteren landesherrlichen Kontrolle stand als
Wallenstein. Sobald man diese Beobachtung aber auf das Finanzierungs­
system des Heeres rückbezieht, was bei einer Gegenüberstellung von
Erwerbsinteresse und Dienstgedanke ja naheliegt, zeigt sich, dass auch das
bayerisch-ligistische Heer organisatorisch auf der Regiments- und Kompa­
niewirtschaft beruhte, was das Erwerbsinteresse der jeweiligen Regiments­
und Kompanieinhaber beförderte. Kurfürst Maximilian suchte dem durch
die Entsendung von Kriegskommissaren einen Riegel vorzuschieben, hatte
damit aber nur mäßigen Erfolg. Im österreichischen Fall wiederum gilt die
Dominanz des Erwerbsinteresses sehr viel stärker für Wallensteins erstes
Generalat, bei dem er das Heer durch ein Kontributionssystem finanzierte,
als für das zweite Generalat, als die erforderlichen Mittel zum Großteil aus
den habsburgischen Erblanden aufgebracht werden mussten und infolge­
dessen die Kontrolle Wiens sehr viel größer war. Formal waren Wallen­
steins Kommandobefugnisse im zweiten Generalat erheblich größer als im
ersten, ohne jedoch durch die Versorgung und Finanzierung des Heeres
gedeckt zu sein. Das ist eine weitere Erklärung dafür, warum Wallensteins
Versuch scheitern musste, die Loyalität seiner Offiziere durch den Verweis
auf ihre finanzielle Abhängigkeit von ihm zu erzwingen. Die Offiziere wuss­
ten, dass letzten Endes nicht Wallenstein, sondern der Hofkriegsrat in Wien
Wallensteins Ermordung in Eger 633

und damit der Kaiser für den Unterhalt des Heeres sorgte - und danach
richtete sich ihre Loyalität.
Davon ausgehend kann man Wallensteins Untergang auch als Folge
eines großen Missverständnisses begreifen: A uf der Grundlage der Göllers-
dorfer Vereinbarungen ging er von einem juristisch fixierten Anspruch auf
die alleinige Kommandogewalt über das Heer aus, aber dieser Anspruch
war nicht durch die Realität gedeckt wie im ersten Generalat, als Wallen­
steins formale Kompetenzen geringer waren, sondern hing letzten Endes
an der Bereitschaft des Kaisers, sich an die in der Notlage nach Breitenfeld
gemachten Zusagen zu halten. Als diese Bereitschaft schwand und Wallen­
stein auf den Zusagen bestand, war sein Schicksal besiegelt. Jetzt nämlich
zeigte sich, dass das, was er als «sein» Heer ansah, tatsächlich das Heer
des Kaisers war und dass die wichtigsten Offiziere des Heeres das begriffen
hatten. Und so war Wallenstein in Eger allein.
Wallensteins Tod steht noch in anderer Hinsicht für eine strukturelle
Veränderung des Kriegsgeschehens: Akteure, die eine politische Gesamt­
perspektive hatten und sich zutrauten, diese auch zur Geltung zu bringen,
verschwanden. Für diesen Typus standen in der Mitte des Krieges der
Condottiere Wallenstein wie der legitime Herrscher Gustav Adolf. Beide
verstanden den Krieg zu nutzen, um ihre weitgesteckten politischen Ziele
zu verfolgen, und sie hatten gleichzeitig eine Vorstellung davon, dass der
Krieg, wenn er fortdauerte, sie irgendwann verschlingen würde. Gustav
Adolf wollte den Krieg durch einen Siegfrieden beenden, und wäre er dabei
nicht auf Wallenstein als Gegner gestoßen, hätte ihm das sogar gelingen
können. Wallenstein dagegen ist zu dem Ergebnis gelangt, dass jeder Sieg,
den er errang, nur weitere Gegner auf den Plan rief, weswegen er darauf
setzte, dass der Krieg als ein Konflikt innerhalb des Reichs durch einen Ver­
handlungsfrieden beendet wurde. Der am Siegfrieden orientierte Gustav
Adolf scheiterte konsequenterweise auf dem Schlachtfeld, also am Gegner,
während der einen Verhandlungsfrieden anstrebende Wallenstein an den
eigenen Leuten zugrunde ging. Damit aber waren die beiden möglichen
Perspektiven, den Konflikt zu beenden, verstellt. Der Krieg ging also wei­
ter - ohne politische Perspektive und ohne strategische Idee. Er ging «ein­
fach so» weiter.
6. K A P I T E L
EIN K RIEG , DER N IC H T EN D EN W ILL:
VOM Z E R FA LL D ER M A CH T

Das Eigenleben des Krieges


und seine Bilder

ässt sich die erste Hälfte des Krieges plausibel analysieren, indem man
nach dem jeweils vorherrschenden politischen Willen hinter dem
Gewaltgeschehen sucht und die großen Akteure benennt, so ist das für
seine zweite Hälfte nur sehr schwer möglich. Zwar gab es diese Akteure
immer noch, und sie hatten nach wie vor einen politischen Willen, doch
waren ihre Möglichkeiten, diesen Willen zur Geltung zu bringen, deutlich
geringer. Das zeigt sich im Vergleich zwischen Oxenstierna und Gustav
Adolf ebenso wie zwischen Ferdinand II., dem Kaiser, der sich für den
Krieg entschied, und Ferdinand III., der im Unterschied zu seinem Vater
zwar selbst den Oberbefehl über das Heer innehatte, aber nie ausschlagge­
bende Gestaltungsmacht erlangte.1 Mithin am deutlichsten zeigt sich die
Erosion der politischen Macht im Fall von Kurfürst Maximilian: In der ers­
ten Kriegshälfte einer der beherrschenden Akteure, spielte er in der zwei­
ten Hälfte zwar immer noch eine größere Rolle, war dabei jedoch eher in
das Geschehen verstrickt, als dass er es nach seinem Willen beeinflussen
konnte. Von einem bestimmenden Handlungsträger wurde er zu einem
reagierenden. Das gilt in ähnlicherWeise auch für Johann Georg, den säch­
sischen Kurfürsten, der auf der Suche nach der politischen Mitte zwischen
636 E IN K R IE G , D ER N IC H T E N D EN W ILL

den Konfliktparteien zwar weiterhin seine berüchtigte Schaukelpolitik


betrieb, damit aber weit weniger Einfluss erlangte als in der ersten Hälfte
des Krieges, obwohl er sehr viel häufiger die Seiten wechselte. Vielleicht
bildet Richelieu die einzige Ausnahme, doch auch für ihn entwickelte sich
der Lauf der Dinge keineswegs in der Weise, wie er selbst sich das vorge­
stellt beziehungsweise wie es Pere Joseph, die graue Eminenz seiner Politik,
vorhergesagt hatte.
Handlungsmacht hat zur Folge, dass die kriegführenden Parteien das
Geschehen entsprechend den Parametern von Erfolg und Rückschlag
bewerten können und auf dieser Grundlage ihre Politik fortsetzen oder
verändern; der Verlust von Handlungsmacht besteht darin, dass die Par­
teien nicht mehr mit Sicherheit zu sagen vermögen, was ein Erfolg und
was ein Rückschlag ist, auch deswegen, weil sich die zugrunde liegenden
Parameter zur Beurteilung der Situation innerhalb kurzer Zeit verändern.
Der Kriegsverlauf hat sich dann gegenüber den Zielen und Absichten der
Akteure verselbständigt.
Nun ist das in Kriegen immer der Fall, da es sich bei ihnen ja nicht um
die Überführung eines politischen Willens in administrative Maßnahmen
handelt, die schrittweise implementiert werden, sondern um eine Kon­
frontation konträrer Willen, die gewaltsam ausgetragen wird. Der Krieg,
so Clausewitz, «ist ein Konflikt großer Interessen, der sich blutig löst, und
nur darin ist er von den anderen verschieden».2 In der Regel stellen sich
früher oder später der eine Wille als über- und der andere als unterlegen
heraus. Man spricht dann von Siegern und von Verlierern. Es ist der Kriegs­
verlauf, der darüber entscheidet, wessen Handlungsmacht sich durchsetzt
und wer sich der eines anderen fügen muss. Dieser «übliche» Vorgang
lässt sich auch in der ersten Hälfte des Dreißigjährigen Krieges beobachten,
zunächst in der langen Phase der Erfolge von Kaiser und Liga und danach
in der kurzen Periode der schwedisch-protestantischen Erfolge. Jeder Sieg
auf dem Schlachtfeld brachte die erfolgreiche Seite ihrem politischen Ziel
einen Schritt näher - jedenfalls stellte sich das in der Binnenperspektive der
Sieger so dar. Das war in der zweiten Hälfte des Krieges nicht mehr der Fall.
Militärische Siege waren immer weniger Schritte zum angestrebten Ziel als
vielmehr ein Mittel, um zu vermeiden, dass man sich noch weiter davon
SibbiröutTs? b 4 m h m \t)< m itm a h fö tto U $ < n /sta u h m m b yteasflcfitii 2&to/

€lclK8miwn(gfahmi/öcit,wollen £tKif£cutfc()\*
[an^frß4rmjtni5|4mmei?lfc|)en®e!,5eeref;aijf?ge5ie6retw»5»eet>er6ef> ®mc&cn einem 33mclif/
§ße>^«r.t>rtff<l6<at f«<nen”23rfprmi3/tt»cr fo(c&«Äir*o 3«n/ «rm&ret/ jc. €tttU $$lir$ m $
ifrtwrwfftrioßjuwrt«!. .(Wnrag'ldj m J « ä 8<3fün.

Der Krieg, der sich längst verselbständigt hat, wird hier als Monstrum
gezeigt: Der menschliche Arm hält Waffen, Partisane, Reiterpistole und
Brandfackel, der gepanzerte Menschenfuß tritt einen Soldaten nieder.
Mit der Löwenpranke stopft sich das Monster Geldbeutel, Schätze und
liturgisches Gerät in den Rachen. Der Wolfskopf steht für Gier, der
Pferdefuß für Zügellosigkeit. Das Monster ist nicht allein, denn an seinem
Schwanz folgen ihm Schlangen, Ratten und Kröten, die für die Übel im
Gefolge des Krieges stehen, vor allem für Hunger und Pest.

entfernte. Sie gaben keinen Anlass zur Euphorie mehr, sondern hielten die
zunehmende Resignation lediglich auf. Das ist gemeint, wenn von einer Ver­
selbständigung des Krieges gegenüber dem Willen der Beteiligten die Rede
ist. Das Kriegsgeschehen legte nicht mehr fest, wer der Stärkere und wer der
Schwächere, wer der Sieger und wer der Verlierer war, sondern vermengte
beides so miteinander, dass die Oppositionsbegriffe von Sieg und Nieder­
lage ihre klärende Bedeutung verloren und nicht länger maßgeblich waren.
Man konnte den Eindruck gewinnen, der Krieg habe einen eigenen
Willen, den er gegen die Willen der Kriegführenden durchsetzte. Was diese
638 E IN K R IE G , D ER N IC H T E N D EN W ILL

an Handlungsmacht einbüßten, gewann der Krieg an Durchsetzungsfähig­


keit hinzu. So jedenfalls sahen es viele Zeitgenossen, die den Krieg als eige­
nen Akteur metaphorisierten. Eine der Metaphern war die vom Krieg, der
sich nicht in Fesseln legen lassen wollte. Er wurde als entfesselte Furie dar­
gestellt, die alles niedermalmte, was sich ihr entgegenstellte. In solchen Bil­
dern bekam der Krieg nicht nur einen eigenen Willen, sondern auch einen
eigenen Körper, der von Malern und Kupferstechern monströs ausgestaltet
wurde. Im Hintergrund solcher Darstellungen sind zerstörte Dörfer und
verwüstete Landschaften zu sehen, die über die tatsächlichen Verheerun­
gen hinaus auf die gescheiterten Pläne und zerbrochenen Projekte verwei­
sen, die der monströsen Bestie zum Opfer gefallen sind. Diese Bilder ste­
hen für Hilflosigkeit und Verzweiflung, und sie werfen zugleich die Frage
auf, wer diese Bestie wieder in Fesseln legen kann und wann beziehungs­
weise wie das geschehen wird. Sie zeigen einen radikal antiheroischen Blick
auf den Krieg und sind insofern ein Widerpart der Darstellungen, die einen
Heerführer zu Pferde zeigen, wie er in der Pose des siegreichen Beschützers
oder Befreiers herangesprengt kommt. Dass der Heerführer das Gesche­
hen beherrscht, zeigt sich darin, dass er sein Pferd sicher lenkt. Man kann
darauf vertrauen, dass er die Bewohner der Städte, über die er hinwegga­
loppiert, vor den Verheerungen des Krieges beschützen wird. Vor der ent­
fesselten Kriegsfurie dagegen werden die Feldherren zu Randfiguren, die
gegen die Bestie nichts ausrichten können; eher stehen sie in der Gefahr, als
Nächstes niedergeworfen und getötet zu werden.
Die heroischen Reiterbilder verloren in der Mitte des Krieges etwa ihre
die Wahrnehmung prägende Kraft, während die Allegorie der monströsen
Bestie immer stärker die Vorstellung bestimmte. Dieser Wechsel von einer
hegemonialen hin zu einer marginalen Sicht ist mit dem Tod Tillys, Gustav
Adolfs und Wallensteins verbunden.3 Sicherlich gibt es auch danach noch
heldenhafte Feldherrnbilder, aber sie werden seltener und wirken zumeist
wie eine Reminiszenz vergangener Zeiten. Das lässt sich an der Gegen­
überstellung zweier berühmter Bilder erläutern: Diego Veläzquez’ Monu­
mentalgemälde «Las Lanzas», das die Übergabe der strategisch wichtigen
Festungsstadt Breda an die Spanier zum Thema hat, und Peter Paul Rubens’
großes allegorisches Werk «Die Folgen des Krieges»,4 das zeigt, wie der
Diego Veläzquez, « L a s Lanzas» («D ie Übergabe von B red a»), um 1635.

Kriegsgott Mars aus dem Janus-Tempel stürmt und dabei durch Venus, die
Göttin der Liebe, nicht aufgehalten werden kann.

A uf Veläzquez’ Bild sind Sieger und Verlierer des Kräftemessens um Breda


zu sehen: Der niederländische Festungskommandant Justin von Nassau
übergibt dem spanischen Belagerer Ambrosio Spinola als Zeichen der
Kapitulation den Schlüssel für die Stadttore. Der Genuese in spanischen
Diensten hat als Zeichen der Ehrerbietung den Hut abgenommen und legt
seinem unterlegenen Kontrahenten in einer Geste des Trostes die rechte
Hand auf die Schulter. Demut und Großmut bilden im Zentrum des Bildes
eine Einheit; sie stehen für eine durch Ritual und Recht gezähmte Form
640 E IN K R IE G , D ER N IC H T EN D E N W ILL

der Kriegführung, bei der beide Seiten wissen, dass sich das Blatt auch
wieder wenden kann. Der Niederländer wusste, wann der Kampf für ihn
aussichtslos war; er hatte mit Spinola verhandelt und kapituliert. Die Spa­
nier mussten Breda nicht im Sturm erobern, was der Stadt das Schicksal
Magdeburgs erspart hat. Man hat sich darauf verständigt, es nicht bis zum
Äußersten kommen zu lassen. Dennoch ist der Kampf um Breda kein blo­
ßes Spiel gewesen, wie die hinter Spinola aufgereckten Lanzen und der auf
Justins Seite aus dem Tal aufsteigende Rauch zeigen. Auch sieht man im
Hintergrund die Schanzen, die für den Belagerungskrieg angelegt wurden,
und die künstlich hervorgerufenen Überschwemmungen, mit denen Spi­
nola seinen Belagerungsring gegen niederländischen Entsatz sichern wollte.
Um Breda ist hart gekämpft worden, aber auf eine solche Weise, dass man
danach zu ritterlichen Gesten noch in der Lage war. Das Bild ist auch ein
Versprechen für die Zukunft: Wie der Kampf um Breda zu Ende gegangen
ist, so könnte auch der Krieg insgesamt zu Ende gehen. Es kam zu einer
Entscheidung über Sieg und Niederlage, ohne dass dabei das Land völlig
verwüstet wurde und die Menschen zugrunde gingen.5
Ein solches Bild hat sich dem Besucher des Landes im Jahr 1635, als
Veläzquez sein monumentales Gemälde fertigstellte, nicht geboten. Wil­
liam Crowne, der im darauffolgenden Jahr als Begleiter des Earl of Arundel
durch Deutschland reiste, hielt nach einer längeren Schiffsfahrt über Rhein
und Main fest: «Von Köln bis Frankfurt waren alle Städte, Dörfer und
Schlösser geschleift, ausgeplündert oder niedergebrannt.»6Selbst in Mainz
sei man an Bord des Schiffes geblieben, «weil es nichts in der Stadt gab, was
uns anzog, seit sie vom König von Schweden eingenommen und völlig zer­
stört worden war. [... ] Die Menschen waren hier ebenfalls fast verhungert,
und die, die die anderen vorher unterstützen konnten, baten nun demütig
selbst darum, unterstützt zu werden. Nach dem Abendessen bekamen sie
alle am Schiff ein Almosen. Doch als sie dessen gewahr wurden, rangen sie
so heftig miteinander, dass einige von ihnen in den Rhein fielen und dabei
fast ertrunken wären.»7 Oder später, inzwischen in der Oberpfalz ange­
langt: «Früh am nächsten morgen reisten wir [von Neumarkt] ab, kamen
an niedergebrannten Kirchen vorbei und durchquerten gefährliche Wälder,
von denen wir wussten, dass Kroaten dort lagerten. Schließlich kamen wir
Das Eigenleben des Krieges und seine Bilder 641

in ein armes, kleines D orf namens Hemau, wo wir blieben und speisten.
Das D orf war innerhalb von zwei Jahren 28 Mal ausgeplündert worden, an
einem Tag gar zwei Mal, und es gab, außer aufgefangenem Regenwasser,
kein Trinkwasser.»8
Veläzquez hat in «Las Lanzas» ein gänzlich anderes Bild vom Kriegs­
schauplatz gemalt. Nun ist er nie in den Niederlanden gewesen. Seine
Vorstellungen von der Lage Bredas und der Topographie der Umgebung
verschaffte er sich anhand von Radierungen, die Jacques Callot für die
Brüsseler Regentin Isabella angefertigt hatte.9 Vermutlich wusste er auch,
dass der Vertrag, den Ambrosio Spinola und Justin von Nassau ausgehan­
delt hatten, einen ehrenhaften Abzug der Holländer aus der Festung vorsah.
Die Verteidiger zogen in voller Bewaffnung und in Formation ab; es erwar­
tete sie weder eine lange Gefangenschaft, noch waren sie gezwungen, in die
Dienste des Gegners einzutreten. Den geordneten Abzug aus der Festung,
die man so lange gehalten hatte, bis es keine Aussicht auf Entsatz mehr gab,
hat Veläzquez nicht dargestellt, wohl auch nicht darstellen wollen, denn es
hätte die verbreitete Vorstellung von dem großen Sieg in Frage gestellt, als
der die Einnahme Bredas zehn Jahre zuvor in Spanien gefeiert worden war.
Indem er all das in der Übergabe des Schlüssels und der demütigen Geste
des Holländers verdichtete, zeigte er den Sieg Spaniens und die Großmut
des Siegers. Genau so stellte man sich am H of und in adligen Kreisen die
eigene Kriegführung vor: siegreich und großmütig gegenüber dem Unter­
legenen.

Von der Macht der Feldherren über das Gewaltgeschehen und einer zwei­
felsfreien Verteilung von Sieg und Niederlage kann in Rubens’ Gemälde
«Die Folgen des Krieges» nicht die Rede sein. Der durch Mars verkörperte
Krieg ist hier zu einem eigenen Akteur geworden, der sich von einem in
Lust und Liebe aufgehenden Leben losreißt, eine verzweifelte Europa hin­
ter sich lässt und Kunst und Kultur rücksichtslos niederwirft. Er wird von
der Furie Alecto gezogen, die ihm mit einer Brandfackel den Weg weist -
nicht um diesen zu erleuchten, sondern als Zeichen dafür, dass die Städte
und Dörfer in einer Feuersbrunst untergehen werden. Harpyien eilen der
Alecto voran, und ihr Atem sorgt für Hunger und Pest als Wegbegleiter des
Peter Paul Rubens, «D ie Folgen des K rieges», 1638.

Krieges. Jacob Burckhardt hat Rubens’ Gemälde als das «unvergeßliche


Titelbild zum Dreißigjährigen Krieg» bezeichnet.10
Rubens hat sich der antiken Mythologie von der heiklen Beziehung
zwischen Mars und Venus bedient, um den Krieg als personifizierten Trieb
und Willen vorzuführen. Als ein in schwarzen Stahl gerüsteter Mann hebt
sich Mars gegen den hellen, nackten Leib der Venus ab, die ihn vergebens
zurückzuhalten sucht. Mars, der bereits das Schwert gezogen hat und es
kampfbegierig in der Rechten hält, blickt noch einmal auf das ihn sehn­
süchtig umfassende Weib zurück, doch selbst im Zurückblicken stürmt er
voran. Der Kriegsgott ist keine monströse Bestie, sondern ein kraftvoller
Mann, der eine große sexuelle Attraktivität aufVenus ausübt. Das rote Tuch,
das seinen linken Arm mit ihrem linken Oberschenkel verbindet und zu
den Bilddiagonalen gehört, die für die Dynamik des Dargestellten sorgen,
steht für den Krieg wie für die Liebe und repräsentiert die heikle Beziehung
der beiden zueinander: des personifizierten Krieges und der personifizier­
ten Liebe. Aus dem Umstand, dass Venus den Kriegsgott zurückzuhalten
Das Eigenleben des Krieges und seine Bilder 643

sucht, während es diesen zum Kampf drängt, kann nicht unbedingt auf
ihre pazifistische Grundhaltung geschlossen werden. Venus hat durchweg
selbstbezogene Motive: Sie will Mars nicht entbehren. Ihr Verhältnis zum
Krieg ist, wie das rote Tuch zeigt, zutiefst ambivalent. Mars zieht sie an,
gerade weil er ein kriegerischer Mann ist, und sein kurzer Blick zurück zeigt,
dass auch er weiß, worauf er in nächster Zeit verzichten wird. Alecto und
die Harpyien hindern ihn daran, es sich noch einmal anders zu überlegen.
Wer sich bei der Betrachtung von Rubens’ Bild nur auf Mars und
Venus konzentriert, wird darin keinen Friedensappell, ja nicht einmal eine
Kriegskritik entdecken, sondern verbleibt gänzlich im Spannungsfeld von
Gewalt und körperlicher Attraktivität. Der Krieg, der gerade erst beginnt,
ist schön; er ist erfüllt von dem Streben nach Siegen und Größe, so wie
das auch Heere sind, die in guter Ordnung und mit klingendem Spiel in
den Kampf ziehen. Rubens, der ein Zeitgenosse des Dreißigjährigen Kriegs
in Deutschland war, von seinem Antwerpener Atelier aus aber auch den
Achtzigjährigen Krieg in den Niederlanden miterlebt hat, dürfte derlei off
genug beobachtet haben. Er nimmt die verführerische Aussicht auf Ruhm
und Ehre, Beute und Bewunderung mit ins Bild hinein, ja, er stellt sie gera­
dezu in dessen Zentrum.
Doch der Titel des Bildes lautet nicht «Mars und Venus», sondern
«Die Folgen des Krieges», mitunter auch «Die Gräuel des Krieges», und
das Dargestellte erschöpft sich nicht in der spannungsgeladenen Beziehung
der beiden mythischen Götter: Fast die gesamte rechte Bildhälfte zeigt, was
der Krieg mit sich bringt.11 Hier dominieren Gewalt und Schrecken, deren
stärkster Ausdruck die weitaufgerissenen Augen der Alecto und ihr wild
hochstehendes Haar sind. Die Bösartigkeit der Furien und die niederge­
worfenen Körper der Tugenden und Künste kontrastieren mit der körper­
lichen Schönheit des Kriegsgotts. Es sind die Harmonie, erkennbar an der
zerbrochenen Laute, die lebende Fürsorge mit dem ängstlich umschlunge­
nen Kind und die auf den Rücken geworfene Baukunst, erkennbar an dem
in der Hand gehaltenen Zirkel, die dem Kriegsgott als Erste zum Opfer
fallen. Doch auch Literatur und Wissenschaft werden von ihm zugrunde
gerichtet, wie das aufgeschlagene Buch unter seinem rechten Fuß zeigt.
Der Krieg hinterlässt eine Spur der Zerstörung und des Elends. Die hinter
644 E IN K R IE G , D ER N IC H T E N D EN W ILL

Venus stehende Europa scheint das zu wissen: Sie reißt die Arme zur Klage
hoch, nachdem sie die Gewalt des Krieges bereits am eigenen Leibe zu
spüren bekommen hat, denn ihr Kleid ist zerrissen. Die physiognomische
Ähnlichkeit von Europa und Venus deutet daraufhin, dass Frauen, die eben
noch die starken gepanzerten'Leiber der Krieger bewundert haben, deren
erste Opfer sind.

Rubens hat also eine andere Seite des Krieges dargestellt als Veläzquez.
Ging es diesem um die Symbolik von Sieg und Niederlage und die Einhe­
gung der Gewalt durch Rituale und Kriegsrecht, so hat Rubens den Wandel
des Krieges vom faszinierenden Anfang zum Schrecken ohne Ende ins Bild
gesetzt. Er hat nicht die kriegführenden Parteien und schon gar nicht die
Feldherren als beherrschende Akteure gemalt, sondern zeigt den Krieg als
ein verselbständigtes Geschehen, auf das allenfalls Venus und Alecto Ein­
fluss haben, die Sehnsucht nach häuslicher Ruhe und die Lust an der Zer­
störung. Mars ist zwischen beiden hin- und hergerissen, aber es ist doch
unübersehbar, dass die Lust an der Zerstörung ihn für sich gewinnt. Geht
man von der Attraktivität der beiden um Mars konkurrierenden Frauenge­
stalten aus, ist es nicht leicht nachzuvollziehen, warum dieser Alecto folgt.
Es muss in ihm einen Trieb geben, der stärker ist als die Anziehungskraft
der beiden Frauen, und dieser Trieb wird in der tiefsten und eigentlichen
Schicht von Rubens’ Gemälde subtil sichtbar gemacht: Der Krieg ist von
außen nicht beherrschbar, er macht, was er will, und sein Wollen ist zutiefst
unvernünftig. Die Kosten dieser Unvernunft sind unermesslich, und was
am Schluss bleibt, sind Elend und Zerstörung. Veläzquez’ Bild steht für
die Sichtweise, die bei den politischen Entscheidungseliten in der ersten
Kriegshälfte vorherrschte; Rubens’ Bild zeigt, dass sich seit Mitte des Krie­
ges etwas geändert hat und man das Kriegsgeschehen nicht mehr als eine
Folge von Entschlüssen und Handlungen der kriegführenden Parteien
ansehen kann. Was zuvor als Resultat betrachtet wurde, hat sich als der
eigentliche Akteur entpuppt, und dieser lässt sich kaum aufhalten.
Die Schlacht bei Nördlingen 645

Die Schlacht bei Nördlingen


und der Zusammenbruch der
schwedischen Macht in Oberdeutschland

Das Kriegsjahr 1634 begann, wie das Kriegsjahr 1633 geendet hatte: mit
einer Konzentration auf Oberdeutschland. Mit Wallensteins Tod war auf
kaiserlicher Seite derjenige verschwunden, für den Sachsen und Branden­
burg die strategisch entscheidenden Kriegsschauplätze gewesen waren und
der das Gebiet an der Donau immer nur als Nebenkriegsschauplatz angese­
hen hatte. Wallensteins Nachfolger dagegen machten Süddeutschland zum
Hauptkriegsschauplatz. Dafür gab es eine Reihe von Gründen. Zunächst
standen hier mit den Armeen Horns und Herzog Bernhards die Haupt-
kräffe der schwedisch-protestantischen Seite, und im Unterschied zu Wal­
lenstein, der auf die Schwachstellen des Gegners gezielt hatte, wollte man
nun den Krieg durch einen Angriff auf dessen Hauptkräfte entscheiden. Des
Weiteren hatte der Heilbronner Bund, politische wie finanzielle Grundlage
der schwedischen Macht im Reich, seine wichtigsten Territorien in Süd­
deutschland, so dass militärische Erfolge hier nicht nur die Heeresmacht
der Schweden schwächten, sondern auch deren Stellung in ganz Deutsch­
land erschütterten. Schließlich war eine Verlagerung des Kriegsgeschehens
in den Donauraum auch deswegen naheliegend, weil im Verlauf des Jahres
mit dem Zuzug spanischer Truppen zu rechnen war, die über Tirol nach
Bayern kommen und von dort zum Rhein marschieren sollten, entlang
dem es dann in die südlichen Niederlande weiterging. Es bot sich an, diese
Truppen auf ihrem Marsch zu nutzen, um die schwedischen Armeen aus
Süddeutschland zu verdrängen. Einige kaiserliche und bayerische Generäle
hatten bereits im Jahr 1633 auf einen ähnlichen Kriegsplan gesetzt, als der
Herzog von Feria spanische Truppen nach Deutschland führte, doch das
Vorhaben war gescheitert, weil Wallenstein eine stärkere spanische Präsenz
in Deutschland ablehnte und die Truppen des Herzogs wenig leistungsfä­
hig waren.12 Das sollte im Jahr 1634 anders werden.
Nach Wallensteins Ermordung hatte der Kaiser seinen ältesten Sohn,
den König von Ungarn und Böhmen, der ebenfalls den Namen Ferdinand
646 E IN K R IE G , D ER N IC H T EN D EN W ILL

trug, zum neuen Oberkommandierenden des Heeres bestimmt und ihm


Matthias Gallas als Generalleutnant zur Seite gestellt. Im Prinzip lag die
Operationsführung bei Gallas, der ein umsichtiger Kommandeur war, bis
er in den darauffolgenden Jahren dem Alkohol verfiel und als «Heerver­
derber» in die österreichische Militärgeschichte einging.13 Der König von
Ungarn und Böhmen, damals gerade sechsundzwanzig Jahre alt, verstand
den Titel des Oberkommandierenden jedoch nicht nur als einen forma­
len Rang und war, ganz im Unterschied zu seinem Vater, darum bemüht,
militärisches Charisma zu erwerben. Also war er während des Feldzugs
ständig beim Heer und nahm Einfluss auf die militärischen Entscheidun­
gen.14 Es gab aber noch einen weiteren guten Grund für seine Anwesenheit
beim Heer, ging es doch nun um gemeinsame Operationen des kaiserli­
chen Heeres mit einem spanischen Heer, das wiederum von einem Bru­
der König Philipps IV. geführt wurde. Ferdinand von Spanien, allgemein
als Kardinalinfant bezeichnet,15 verfügte im Unterschied zu den anderen
Mitgliedern des Hauses Habsburg über militärische Fähigkeiten, die er als
Statthalter der Niederlande gegen die Oranier unter Beweis stellte. Eine sol­
che Kooperation konnte und wollte man nicht Gallas überlassen, der seit
1632 zwar Reichsgraf war, damit aber deutlich unter dem Kardinalinfanten
stand. Außerdem war das Zusammenwirken der beiden Ferdinands eine
gute Gelegenheit, die enge Kooperation zwischen der spanischen und der
österreichischen Linie des Hauses Habsburg zu zeigen und so vom Fehlen
Wallensteins abzulenken, der in den vergangenen Jahren der Garant für die
Kriegserfolge des Kaisers gewesen war. Wie auch immer das Verhältnis der
beiden tatsächlich beschaffen war - bei den Operationen im Spätsommer
1634 arbeiteten sie sehr gut zusammen.16

Im Unterschied dazu war auf der Gegenseite das Verhältnis zwischen Gus­
tav Horn, dem Schwiegersohn Oxenstiernas, und Bernhard von Weimar
ausgesprochen spannungsgeladen. Beide hatten nach Gustav Adolfs Tod
damit gerechnet, das Oberkommando des Heeres zu erhalten - Horn als
Marschall von Schweden und «rechte Hand» des verstorbenen Königs,
Bernhard als derjenige, der die Schlacht von Lützen zu Ende geführt und
für den schwedischen Erfolg gesorgt hatte. Obendrein war Bernhard jetzt
Rubens’ Bild feiert die Einheit des Hauses Habsburg, die sich auch auf
dem Schlachtfeld bewährt. Der Kaisersohn Ferdinand mit dem dunklen
Umhang und der ungarischen Kopfbedeckung in der Linken begrüßt
seinen Cousin Fernando, der spanische Regimenter herangeführt hat. Der
über beiden schwebende Adler bringt die Lorbeerkränze als Zeichen des
Sieges. Im Hintergrund eine Kirche, stellvertretend für die zu schützende
Institution. Im Vordergrund links der alte Flussgott Donau, rechts von ihm
die auf einen Schild mit Doppeladler gestützte Germania, trauernd über
das neuerliche Blutvergießen.

der höchste Offizier des Heilbronner Bundes. Oxenstierna hatte es vermie­


den, zwischen beiden eine Entscheidung zu treffen, und dann führte der
Umstand, dass Horn in Schwaben und Bernhard in Franken und der Ober­
pfalz standen, auch noch dazu, dass sie zur Kooperation genötigt waren.
Mitte Mai, als Gallas aus Böhmen in die Oberpfalz und Aldringen aus
Bayern zur Donau vorstießen, geriet Herzog Bernhard in die Defensive.
648 E IN K R IE G , D ER N IC H T E N D EN W ILL

Am 23. Mai begann Gallas mit der Belagerung von Regensburg, das von
4000 Schweden unter General Kagge gehalten wurde.17 Da Bernhard nur
über 10 000, Gallas hingegen über 25 000 Mann verfügte, bat er Horn um
Unterstützung. Der hatte inzwischen Biberach, Kempten und Memmingen
erobert und war gerade dabei, ganz Schwaben und den Oberrhein wie­
der unter seine Kontrolle zu bringen. Dennoch eilte er Bernhard zu Hilfe,
und beider Truppen vereinigten sich bei Augsburg zu einer Stärke von
22 000 Mann. Unbeschadet dessen beschloss man, Gallas nicht direkt anzu­
greifen, sondern Regensburg durch eine doppelte Diversion zu entsetzen:
Während Baner und Arnim nach Böhmen vorrücken sollten, wollten Horn
und Bernhard nach Bayern einfallen. Letzteren gelang es, am 22. Juli Lands­
hut zu erobern, und beim Kampf um die Stadt fand General Aldringen den
Tod - nach einigen Berichten durch eine Kugel der eigenen Leute, nach
anderen von der eigenen Kavallerie auf der Flucht niedergeritten und zer­
trampelt. «Genialität und Phantasie», so sein Biograph Arno Duch, «gin­
gen ihm ab, dafür war er gewissenhaft und sachlich, [...], in großen und
kleinen Kämpfen bewies er Umsicht, Schlauheit und Tapferkeit.»18 Das
Diversionsprojekt zum Entsatz von Regensburg schlug trotz des Erfolgs
von Landshut fehl. Regensburg kapitulierte am 26. Juli, was ein empfind­
licher Rückschlag für die schwedisch-protestantische Seite war. Dennoch
kamen Bernhard und Horn zu dem Ergebnis, dass damit die Krise zu Ende
sei, zumal Gallas sich mit seinen Truppen zunächst nach Böhmen zurück­
zog; also trennten sie sich wieder. Herzog Bernhard blieb an der Donau,
während Horn tief nach Bayern vorstieß, um den über Tirol anrückenden
spanischen Einheiten des Kardinalinfanten den Weg zu versperren. Im
gemeinsamen Kriegsrat waren sich beide einig gewesen, dass Gallas durch
Arnim und Baner gebunden sei und vorerst nicht nach Oberdeutschland
zurückkommen werde. Doch die sächsischen Truppen unterstützten
Baners Vorstoß nicht, so dass Gallas zu der Überzeugung kam, die in Böh­
men stehenden Truppen unter Colloredo seien stark genug, die Schweden
abzuwehren, und wieder zur Donau zurückkehrte. Am 16. August eroberte
er Donauwörth. Die schwedische Position an der Donau war damit in gro­
ßer Gefahr, zumal Gallas umgehend auf Nördlingen vorrückte, das er am
17. August einschloss.
Die Schlacht bei Nördlingen 649

Die Verteidigung Nördlingens war für die schwedisch-protestantische


Seite aus zwei Gründen bedeutsam: Es lag an der Straße nach Württem­
berg, so dass es den Zugang zu einem für beide Seiten strategisch wichtigen
Gebiet kontrollierte, und mit dem Verlust Nördlingens wäre nach Regens­
burg und Donauwörth innerhalb kurzer Zeit die dritte bedeutende Stadt
dieses Raums verloren worden, was den Zusammenhalt des Heilbronner
Bundes gefährden würde. Ein Rückzug kam für Horn und Bernhard, die
ihre Truppen am 16. August bei Ulm wieder miteinander verbunden hat­
ten, somit nicht in Frage, obwohl sie der Gegenseite kräftemäßig deutlich
unterlegen waren. Zusammen verfügten sie über 16 000 Mann; ihnen stan­
den kaiserliche Truppen in einer Stärke von 15 000 Mann sowie bayerische
Einheiten mit 6000 Mann gegenüber.19 Am 28. August erhielten Horn und
Bernhard Verstärkung von 6000 Mann württembergischem «Landvolk».
Diese Einheiten waren nach dem Ende der Neutralitätspolitik Württem­
bergs zu Beginn der 1630er Jahre20 auf der Grundlage des Landesdefensi-
onswesens aufgestellt worden, und man musste bezweifeln, ob sie Söld­
nerverbänden gewachsen waren. Die Verstärkung der schwedischen Seite
wurde erst recht wettgemacht, als am 4. September bei Gallas die spani­
schen Truppen des Kardinalinfanten in einer Stärke von 10 000 Mann ein­
trafen. In dieser Lage plädierte Horn dafür, in der Defensive zu bleiben, das
Lager bei Bopfingen, das man inzwischen bezogen hatte, zu verschanzen
und darauf zu vertrauen, dass sich Nördlingen halten werde. Außerdem
wollte er auf weitere Verstärkungen warten, mit deren Eintreffen innerhalb
einer Woche zu rechnen war. Da die Spanier auf dem Marsch nach Flan­
dern seien, argumentierte Horn, würden sie nicht für längere Zeit an der
Donau bleiben, und nach ihrem Abzug könne man eine Schlacht gegen
die Kaiserlichen suchen. Das war ein militärisch gutbegründeter Vor­
schlag. Herzog Bernhard dagegen fürchtete, Nördlingen werde unter die­
sen Umständen fallen und einige ohnehin furchtsame und schwankende
Mitglieder würden daraufhin den Heilbronner Bund verlassen. Das war
eine eher politisch als militärisch begründete Sicht. Das Problem war, dass
beide nach dem Verlust von Regensburg und Donauwörth nicht mehr den
politischen Spielraum hatten, um allein nach militärischen Erwägungen
entscheiden zu können, deswegen entschlossen sie sich dazu, den Gegner
650 E IN K R IE G , D ER N IC H T E N D EN W ILL

trotz Unterzahl anzugreifen, um den Belagerungsring von Nördlingen zu


sprengen.
Für den Kriegshistoriker William Guthrie war die Kombination von
Horn und Bernhard die unglücklichste des ganzen Krieges. Herzog Bern­
hard war ein Draufgänger, der bei Lützen die Erfahrung gemacht hatte,
dass man eine Schlacht gewinnen konnte, wenn man sich weigerte, die
sich abzeichnende Niederlage zu akzeptieren. Graf Horn war das exakte
Gegenteil, vorsichtig und eher pessimistisch, ein vorzüglicher Taktiker mit
bemerkenswerten operativen Fähigkeiten, aber wenig Sinn für strategische
Fragen und politische Zusammenhänge.21 Als Stellvertreter Horns spielte
noch Feldmarschall Johann Philipp Cratz von Scharffenstein eine Rolle,
ein überambitionierter und notorisch unzufriedener Mann, der lange Jahre
in der ligistischen Armee gedient hatte und aus Verärgerung darüber, dass
Aldringen und nicht er das Kommando über die kaiserlichen Truppen in
Bayern erhalten hatte, zu den Schweden übergelaufen war.22 Den drei Män­
nern stand auf kaiserlich-spanisch-bayerischer Seite eine relativ einheit­
liche Kommandoführung gegenüber, da jede Meinungsverschiedenheit
durch die beiden Ferdinands geklärt werden konnte und die Komman­
deure des bayerischen Heeres, die von den habsburgischen Cousins unab­
hängig waren, sich ihren Vorgaben bereitwillig fügten. Die Kommandeure
waren Herzog Karl von Lothringen und General Otto Heinrich Fugger, ein
Sproß der Augsburger Kaufmanns- und Bankiersfamilie, der sich für eine
militärische Karriere entschieden hatte. A uf katholischer Seite standen
33 000 Mann zur Verfügung, während es auf Seiten der Protestanten 25 700
waren. Angesichts einer Überlegenheit des Gegners im Verhältnis vier zu
drei eine Angriffsschlacht zu schlagen, wie Bernhard und Horn dies vorhat­
ten, war ein überaus kühnes Unterfangen.23

Am 5. September brachen Horn und Bernhard aus dem Lager bei Bopfin-
gen auf; um den Gegner zu täuschen, marschierten sie nach Süden, als
wollten sie zur Donau, schwenkten dann aber auf die Straße von Ulm nach
Nördlingen und rückten gegen die Positionen der kaiserlich-spanisch-
bayerischen Truppen auf einem Höhenzug südlich von Nördlingen vor.
Das Täuschungsmanöver gelang; in einem energischen Vorstoß eroberte
Die Schlacht bei Nördlingen 651

Herzog Bernhard am Nachmittag eine Erhebung namens Ländle und


warf die dort aufgestellten kaiserlichen Reiter zurück. Damit stand fest,
dass es zu einem Ringen um die Höhenkette kommen würde, und dabei
fiel der breitkuppigen Anhöhe Albuch eine besondere Rolle zu. Sie domi­
nierte die anderen Hügel, und wer hier seine Kanonen in Stellung brachte,
beherrschte das Schlachtfeld. Wenn es Bernhard gelang, die Höhe Albuch
einzunehmen, würde der Gegenseite nichts anderes übrig bleiben, als die
Belagerung Nördlingens abzubrechen. Das war auch Gallas klar, und so ent­
schloss er sich, die Höhe unter allen Umständen zu halten. Beide Seiten
warfen immer mehr Einheiten in den Kampf um die Hügelkuppe, bis am
späten Nachmittag klar war, dass jede Form des Rückzugs einer Niederlage
gleichkommen würde.
In dieser Situation verspielte die schwedisch-protestantische Seite
den aus der Überraschung gewonnenen Vorteil. In dem unübersichtli­
chen, teilweise bewaldeten Gelände, das den anrückenden Kolonnen die
Orientierung erschwerte, verzögerte sich der Anmarsch; einige Einheiten
ließen sich Zeit, rasteten zeitweilig, während die Kaiserlichen immer mehr
Infanterie heranführten, wodurch sich der zunächst schwache Widerstand
zunehmend verstärkte. Vor Einbruch der Dunkelheit gelang es den Protes­
tanten zwar noch, den Lachberg und den Heselberg zu erobern, doch die
Höhe Albuch blieb in der Hand des Gegners, der die Nacht dazu nutzte,
auf der Bergkuppe Kanonen in Stellung zu bringen und die dort stehende
Infanterie weiter zu verstärken. Außerdem wurden drei Schanzen aufge­
worfen. Währenddessen gruppierten die Protestanten ihre Kräfte für den
Angriff des kommenden Tages, der dem von Horn geführten rechten Flü­
gel zufiel, während der linke Flügel unter Herzog Bernhard zunächst in der
Defensive bleiben und den Angriff Horns decken sollte. Die Verteidigung
der Höhe Albuch hatten spanische Infanterieregimenter übernommen.
Dabei sollte sich für die Verteidiger als Vorteil erweisen, dass die im Zen­
trum stehenden Truppen immer wieder ausgetauscht werden konnten. Auf
protestantischer Seite war eine solche Ablösung nicht möglich, da man sich
in der Unterzahl befand und vor allem an Infanterieeinheiten unterlegen
war. Horn musste seinen Truppen also einiges mehr abverlangen als der
Gegner. Das war das Risiko dieses Angriffs: Wenn er keinen durchschlagen-
t-'
2 ^ 1

Die Schlacht bei Nördlingen am 6. September 1634. Der Kupferstich aus


Merians Theatrum Europaeum bietet die übliche Schlachtaufstellung:
Infanteriekarrees, davor postierte Kanonen, eine durch Pulverqualm
markierte Gefechtslinie und bereitgehaltene Reserven. Betrachtet man
das Bild genauer, so erkennt man, dass diese Schlacht nicht, wie die
meisten anderen, in der Ebene, sondern in hügeligem und bewaldetem
Gebiet geschlagen wurde. Das hat mit der vorangegangenen Belagerung
und dem Entsatz Nördlingens zu tun, das oben rechts am Rande des
Schlachtgeschehens zu sehen ist. Mehr noch als bei den anderen
Schlachtenbildern Merians überwiegt der Eindruck von Plan und
Ordnung. Die Improvisationen beider Seiten im Verlauf der Schlacht
werden nicht sichtbar.

den Erfolg hatte, waren die eigenen Kräfte verausgabt, und dann hing alles
davon ab, dass es Bernhard gelang, die Defensive zu übernehmen und den
kaiserlich-bayerischen Gegenangriff abzuwehren.
Der 6. September begann für das schwedisch-protestantische Heer
vielversprechend: Während Bernhard an mehreren Stellen kleinere Schar­
mützel eröffnete, um die ihm gegenüberstehenden Einheiten daran zu hin­
dern, den Verteidigern der Höhe Albuch zu Hilfe zu kommen, und die Ver­
teidiger Nördlingens einen Ausfall unternahmen, um gegnerische Kräfte
zu binden, gelang es Horns Sturmkolonnen im ersten Anlauf, die mittlere
Schanze auf der Höhe zu überrennen und die spanischen Regimenter
zurückzuwerfen. Doch anstatt sich in der eroberten Schanze festzusetzen
und diese gegen den zu erwartenden Gegenangriff zu halten, setzten die
Angreifer den Flüchtenden nach. Dabei gerieten ihre Kolonnen in Unord­
nung. Sie verloren die Stoßkraft, und sobald der Kampf in ein allgemeines
Handgemenge überging, kam die zahlenmäßige Überlegenheit der katho-
<554 E IN K R IE G , D ER N IC H T E N D EN W ILL

lischen Seite zur Geltung. Als der Gegenangriff der kaiserlichen Infanterie
und Kavallerie begann, machte sich auch bemerkbar, dass der Vorstoß der
schwedisch-protestantischen Infanterieeinheiten nicht mit dem der Kaval­
lerie koordiniert worden war, so dass die eigenen Reiter der bedrängten
Infanterie nicht zu Hilfe kommen konnten. Die Schweden wurden zurück­
geworfen, und die Schanze ging wieder verloren. Die Unübersichtlichkeit
des Geländes erschwerte Horn den koordinierten Einsatz seiner Kräfte,
was sonst eigentlich seine Stärke war. Er hat dafür später «Eigenmächtig­
keiten des Kriegsvolks» verantwortlich gemacht,24 was bedeutet, dass er
die Truppen nicht mehr in der Hand hatte. Es mag dahingestellt bleiben,
ob es an den örtlichen Gegebenheiten, an der Eigenwilligkeit untergeord­
neter Truppenführer oder an einem Fehler Horns lag, der hinter der ersten
Welle seiner Sturmkolonnen keine hinreichenden Reserven bereitgestellt
hatte, die den Anfangserfolg sichern und die eroberten Positionen halten
konnten - jedenfalls kam es zu einem Abnutzungsgefecht um die Hügel­
kuppe, das die Protestanten aufgrund ihrer zahlenmäßigen Unterlegenheit
verlieren mussten. Fünfzehn Mal soll Horns Infanterie vergeblich gegen
die Schanzen angerannt sein, danach war sie ausgebrannt. Auch eine Bri­
gade, die Herzog Bernhard zur Unterstützung geschickt hatte, konnte dem
Kampf keine Wende mehr geben.
Das war die Krise der Schlacht; Gallas erkannte sie als den Moment,
in dem er selbst zum Angriff übergehen musste, um zwischen den beiden
Flügeln der Protestanten durchzustoßen, Horn und Bernhard voneinander
zu trennen und sie in der Flanke und im Rücken zu fassen. Horn war klar,
dass es jetzt nur noch darum ging, sich vom Feind zu lösen und Verteidi­
gungsstellungen zu beziehen. Die Straße zwischen Nördlingen und Ulm
kam dafür in Frage. Die beiden Heerführer vereinbarten, sich beim Rück­
zug wechselseitig Deckung zu geben: Zunächst sollten Bernhards Trup­
pen die Horns decken, während der sich aus dem Hügelland zur Ulmer
Straße zurückzog; wenn Horns Infanterie Position bezogen hatte, sollten
seine Artillerie und eine entschieden angreifende Kavallerie Bernhard die
Möglichkeit geben, sich seinerseits nach Südwesten zurückzuziehen. Horn
gelang sein Teil der Vereinbarung, Bernhard nicht. Gallas hatte an der nach­
lassenden Gefechtstätigkeit erkannt, was Horn und Bernhard vorhatten,
Im Unterschied zu Merians Kupferstich zeigt Pieter Meuleners Gemälde
von der Nördlinger Schlacht die Auflösung der Ordnung nach lange
währendem Kampf. Die Blickrichtung ist dieselbe wie auf Merians
Kupferstich, was man an der Lage Nördlingens erkennen kann, nur etwas
flacher angesetzt. In der Bildmitte scheint sich noch einmal ein größeres
Gefecht zu entwickeln, während sich am rechten oberen Bildrand die
schwedischen Verbände bereits in Auflösung befinden.

und reagierte darauf, indem er den Druck auf die in der Gefechtslinie ver­
bliebenen Regimenter Bernhards erhöhte. Die wiederum waren wegen des
bereits begonnenen Abzugs der anderen Einheiten zu schwach, um dem
AngrifF standzuhalten, und wandten sich zur Flucht. Die Kavallerie, die es
besonders eilig hatte, ritt dabei in die zurückweichende eigene Infanterie
hinein und löste eine Panik aus. Aus dem Rückzug wurde Flucht, und als
die Fliehenden auf die abziehenden Regimenter Horns trafen und diese in
Verwirrung brachten, war die Schlacht für das schwedisch-protestantische
656 E IN K R IE G , D ER N IC H T E N D EN W ILL

Heer verloren. Jeglicher Widerstand brach zusammen, und die kaiserlich­


bayerische Kavallerie machte die Flüchtenden nach Belieben nieder.
Allein von dem württembergischen Landvolk fanden bei Nördlingen
4000 Mann den Tod. Den 1500 Gefallenen auf kaiserlich-bayerisch-spa­
nischer Seite standen 8000 Tote auf Seiten der Protestanten gegenüber.
4000 Mann wurden gefangen genommen, die gesamte Bagage sowie fast
alle Kanonen gingen verloren.25 Das in Oberdeutschland operierende
schwedische Heer hatte zu bestehen aufgehört. Horn war in Gefangen­
schaft geraten, in der er bis 1640 verblieb, als er ausgetauscht wurde. Eben­
falls in Gefangenschaft geraten war Graf Cratz, den ein kaiserliches Kriegs­
gericht als Verräter zum Tode verurteilte; er wurde 1635 in Wien enthauptet.
Herzog Bernhard entkam dem Untergang seines Heeres mit knapper Not
und konnte in den Wochen danach etwa 12 000 Mann sammeln. Das war
alles, was nach der Katastrophe von Nördlingen übrig geblieben war.

Der Nimbus der schwedischen Unbesiegbarkeit, auf den Gustav Adolf so


großen Wert gelegt und den Herzog Bernhard bei Lützen noch einmal
gerettet hatte, war nach Nördlingen dahin. Noch schwerer wog indes, dass
der Heilbronner Bund, Oxenstiernas politisches Meisterstück zur Siche­
rung der schwedischen Machtposition in Deutschland, vor der Auflösung
stand. Uber die Folgen war sich kaum einer besser im Klaren als Kardinal
Richelieu, dessen Politik zu einem Großteil auf die Verbindung mit diesem
Bündnis gegründet war. «Wenn die Partei [der Protestanten]», schrieb er
nach Eintreffen der Nachricht über die Niederlage bei Nördlingen, «ganz
und gar vernichtet wird, so würde sicherlich die ganze Wucht der Macht
des Hauses Habsburg auf Frankreich fallen. Es ist auch zweifellos, daß nach
der soeben erlittenen Niederlage die Partei nicht weiter existieren könnte,
wenn sie nicht durch eine sofortige und bedeutende Hilfe und durch eine
größere Hoffnung und einen mächtigen Namen unterstützt würde. Denn
ohne eine solche Hilfe würden mit Sicherheit alle Reichsstädte sich vom
Bündnis [dem Heilbronner Bund] trennen, Sachsen würde einen Vergleich
schließen, und jeder würde an seine eigenen Angelegenheiten denken und
Mittel zu deren Förderung ergreifen, die diese große Partei bald zu einem
Schatten von dem, was sie gewesen, machen würde.»26
Die Schlacht bei Nördlingen 657

Richelieu erkannte, dass die Zeit der indirekten Beteiligung am Krieg


zu Ende ging und Frankreich nun offen Farbe bekennen musste. Es würde
fortan nicht mehr genügen, Geld aufzuwenden, um die antihabsburgischen
Kräfte in ihrem Kampf gegen den Kaiser zu unterstützen; man war gezwun­
gen, mit eigenen Truppen in den Krieg eingreifen. Ein solcher Entschluss,
der auf eine offizielle Kriegserklärung an Wien hinauslief, musste in Frank­
reich jedoch auf heftigen Widerstand stoßen, nicht nur bei der Mutter des
Königs, die einen Krieg katholischer Mächte gegeneinander strikt ablehnte
und stattdessen konfessionell orientierte Bündnisse bevorzugte,27 sondern
auch bei all denen, die sich vor den in die Flöhe schnellenden finanziel­
len Lasten fürchteten. Als sammle Richelieu Argumente für die Debatte
mit ihnen, notierte er: «D er schlimmste Entschluss, den Frankreich fas­
sen könnte, wäre ein Verhalten, das dahin führt, Frankreich ganz allein die
Kräfte des Kaisers und Spaniens aushalten zu lassen. Das wird zweifellos
eintreten, wenn Frankreich nicht die Reste dieser großen Partei, die seit
langer Zeit in Deutschland bestanden hat, sammelte und wieder vereinigte,
schlimmstenfalls, indem man eine Zeitlang die Ausgabe eines Krieges in
Deutschland aushält, [... ] statt daß man ihn im Herzen Frankreichs austra­
gen müßte, ohne den Beistand der Fürsten, in deren Staaten der Krieg lange
ausgehalten wurde.»28
Der Krieg, so Richelieus Überlegung, war unvermeidlich, es ging nur
noch um die Frage, wo er geführt würde: auf französischem Territorium
oder auf dem Boden des Reichs. Angesichts dieser Alternative war klar, wie
die Entscheidung ausfallen sollte. Aber hatte Frankreich überhaupt geeig­
nete Truppen, um in den Krieg eingreifen zu können? Das war die Achil­
lesferse der bisherigen Politik Richelieus: Frankreich verfügte über keine
kriegserprobten Truppen, vor allem nicht über solche, die es mit denen auf­
nehmen konnten, die seit mehr als einem Jahrzehnt in Deutschland Kriegs­
erfahrung gesammelt hatten. Und was mindestens ebenso ins Gewicht fiel:
Es besaß keine Heerführer, die den in Deutschland geschulten Generälen
gewachsen waren. Frankreich hatte sich bislang nur in Form von Subsidien
am Krieg beteiligt; man hatte die Heere anderer Mächte alimentiert, aber
keine eigenen Fähigkeiten entwickelt. Das musste man jetzt nachholen,
doch dafür brauchte man Zeit. Richelieu musste also Zeit gewinnen.
658 E IN K R IE G , D ER N IC H T EN D EN W ILL

Dabei kam ihm zupass, dass die von Bernhard von Weimar wieder
gesammelten Reste des schwedischen Heeres angesichts des drohen­
den Zerfalls des Heilbronner Bundes ohne einen zuverlässigen Finanzier
dastanden. Sie boten sich geradezu an, in französische Dienste übernom­
men zu werden. Richelieu nutzte die Gelegenheit, eine kriegserfahrene
Armee zu gewinnen, mit der sich der Krieg im oberdeutschen Raum unter
französischer anstatt schwedischer Ägide fortsetzen ließ. Derweil konnte
der Kardinal an den Aufbau eines französischen Heeres gehen, mit dem
er zu einem späteren Zeitpunkt in den Krieg eingreifen würde. Durch die
Anwerbung der Weimaraner, wie die Truppen Herzog Bernhards von da
an genannt wurden, verschaffte er sich eine Übergangsphase zwischen
der verdeckten Kriegsbeteiligung und dem offenen Kriegseintritt, die sich
nutzen ließ, um die maßgeblichen Kräfte am H of auf ein zunehmendes
Kriegsengagement einzustimmen. Währenddessen konnte er den Krieg
weiterführen, ohne ihn formell erklärt haben zu müssen.29 Es kam auch
nicht von ungefähr, dass er, als er im Mai 1635 Spanien den Krieg erklärte,
das Reich und den Kaiser von dieser Kriegserklärung aussparte. Das war
umso bemerkenswerter, als der Grund, den er für den Krieg gegen Spanien
geltend machte, auf dem Territorium des Reichs lag und der Kaiser in den
Vorgang tief verwickelt war: Spanische Trappen waren in das Erzbistum
Trier eingedrungen und hatten den mit Frankreich verbündeten und unter
französischem Schutz stehenden Kurfürsten Philipp Christoph von Sötern
gefangen genommen, ihn aber nicht nach Spanien oder in die südlichen
Niederlande gebracht, sondern an den Kaiser überstellt, der ihn in Wien
festhielt. Diese Flexibilität in der Frage eines offenen Kriegseintritts war für
Richelieu ein großer Vorteil, für den er aber einen Preis zu zahlen hatte: Er
musste Herzog Bernhard bei der Planung und Ausführung der Kriegszüge
große Freiheiten einräumen und ihm als Gegenleistung für seine militäri­
schen Dienstleistungen die Übertragung des Eisass als eigenständiges Her­
zogtum in Aussicht stellen.30A uf diese Weise wurde Bernhard zum letzten
großen Condottiere der europäischen Geschichte: Sein Heer wurde von
Frankreich finanziert, aber er führte Krieg auf eigene Faust und hatte dabei
stets seine eigenen Interessen und Ziele im Auge. Politisch weniger ambi­
tioniert als Wallenstein, weshalb er mit seinem Auftraggeber nicht in einen
Die Schlacht bei Nördlingen ÖS9

grundsätzlichen Konflikt geriet, verfolgte er in einem bescheideneren Rah­


men dasselbe Projekt wie dieser: den Krieg als Karrieresprungbrett zu einer
eigenen Herrschaft zu nutzen und sich dabei weder an der altüberkomme­
nen Ordnung des Reichs zu stören noch auf das Elend zu achten, das dieses
Vorhaben nach sich zog.
Der oberdeutsche Krieg wurde von nun an in Schwaben, in Baden
und im Eisass geführt. Bayern, die Oberpfalz und Franken, die bis dahin
der zentrale Kriegsschauplatz gewesen waren, bekamen eine mehrjährige
Ruhepause. Der Schwerpunkt der Kriegführung verlagerte sich an den
Oberrhein. Beide Seiten versuchten, die dortigen Festungen und befestig­
ten Städte zu kontrollieren - Breisach spielte hier die wichtigste Rolle - ,
um von dort aus in die Gebiete rechts und links des Flusses vorzustoßen.
Da Bernhard seinen kaiserlich-bayerischen Gegnern zumeist überlegen
war, weil Gallas seinem R uf als «Heerverderber» immer mehr gerecht
wurde und Jan von Werth, der draufgängerische Kommandeur der baye­
rischen Kavallerie, in französische Gefangenschaft geraten war (ursprüng­
lich war er ein Gefangener Bernhards gewesen, der diesen «Schrecken der
Franzosen» nach Paris weiterreichte),31 war es vor allem die Bevölkerung
Württembergs und Badens, die nunmehr die Schrecken und Zerstörungen
des Krieges zu tragen hatte.32
In seinem Zeytregister notierte der Schuhmacher Hans Heberle aus
Neenstetten bei Ulm, die kaiserlichen Kriegsvölker hätten im «Wirten-
berger landt [... ] alles verwiest und verderbt, das schöne stetlein Gien­
gen außgeblündert und gar abgebrandt, das Ulmische stetlein Geißlingen,
welches sich ein wenig gewehrt, mit gewalt überfalen und etliche hundert
darin nidergemacht, wie auch ihrem pfarrer den köpft abgehawen und das
stetlein außgeraubt, und in hertzogtumb Wirtenberg auch nicht anders
gemacht. In suma, ich kann den jamer nicht groß gnug beschreiben, der
damals geweßen ist.»33 Und der Ulmer Chronist Joseph Furttenbach hielt
in seiner Cronica fest: «In den dörffern wurden fast gar keine menschen
mer gefunden, allso das die hüesser von sich Selbsten einfiellen, der ackher-
bau läge ödt und wuest, das distel und dorn darob waxten.»34 Das materi­
elle Elend und die physische Unsicherheit der Menschen hatten schließlich
auch Folgen für ihre Glaubensgewissheit, wie der evangelische Pfarrer von
66 o E IN K R IE G , D ER N IC H T EN D EN W ILL

Ensingen beklagte: «Es war große Unbußfertigkeit, Bosheit, Verachtung


Gottes und seines Wortes und grausame, ohne Schwert und Blutvergie­
ßung, Verfolgung des heiligen Ministern, und hätte man wahrlich mancher
Orten Gott, sein Wort und dessen Diener um eines Batzes wegen fahren
lassen, so weit die Welt war. Wie denn ein solcher undankbarer, verruchter
und gottloser Fleck Ensingen auch gewesen. Gott bekehre sie.»35

Vom Prager Frieden


zur Schlacht von Wittstock

Die kursächsische Politik hatte, wie bereits beschrieben, der schwedischen


Intervention von Anfang an skeptisch bis ablehnend gegenübergestanden.
Erst das kaiserliche Beharren auf dem Restitutionsedikt und Tillys Vordrin­
gen auf kursächsisches Gebiet hatten zu einem Gesinnungswandel in Dres­
den geführt, wobei auch das energische Auftreten Gustav Adolfs und die
Sympathie der protestantischen Bevölkerung für den König eine erhebliche
Rolle gespielt hatten. Nun aber war Gustav Adolf tot, und mit Wallenstein
hatte man während des ganzen Jahres 1633 Gespräche über eine mögliche
Beendigung des Krieges geführt; aus kursächsischer Sicht stand dem nur
noch die Rücknahme des kaiserlichen Restitutionsedikts entgegen. Auch
Wallensteins Ermordung hatte der kursächsischen Verhandlungsbereit­
schaft keinen Abbruch getan. 1634 wurden die Verhandlungen fortgeführt,
mal offen, mal verdeckt, und das sächsische Interesse, die Gespräche auf­
rechtzuerhalten, war auch der Grund dafür, dass der verabredete sächsische
Diversionsfeldzug nach Böhmen, der Gallas zum Abbruch der Belagerung
Regensburgs zwingen sollte, nicht in Gang gekommen war. Der Streit über
den Heilbronner Bund hatte die von Anfang an bestehende politische Kluft
zwischen Oxenstierna und Johann Georg noch weiter vertieft.36 Das Ver­
hältnis der beiden Männer war von einem tiefen gegenseitigen Misstrauen
geprägt.37 Spätestens nach der schwedischen Niederlage bei Nördlingen
musste man damit rechnen, dass das Bündnis der protestantischen Mächte
zerbrechen würde.
Vom Prager Frieden zur Schlacht von Wittstock 661

Es war indes die Nördlinger Niederlage, die Sachsens Abkehr von


Schweden hinauszögerte, denn sie hatte zunächst eine gewisse Verhärtung
der kaiserlichen Position in den Gesprächen mit Sachsen zur Folge. Dabei
ging es um die Festlegung eines «Normaljahres», das für die Verteilung
des kirchlichen Besitzes zwischen den Konfessionen als Grundlage die­
nen sollte. Vor der Schlacht von Nördlingen hatte Wien signalisiert, man
könne sich auf das Jahr 1620 verständigen, also die Lage nach dem Sieg über
die rebellischen Böhmen. Nach dem kaiserlich-bayerischen Sieg wurde
nun aber 1627 als Normaljahr ins Spiel gebracht, was für die Protestanten
erheblich ungünstiger war.38Dabei wurde deutlich, dass Kursachsen letzten
Endes nicht aus eigener Kraft verhandelte, sondern ein politischer Kostgän­
ger der schwedischen Macht war, die es uneingestanden als Machtmittel
einsetzte, während es sich gleichzeitig von der kaiserlichen Diplomatie
aus der Front der Protestanten herausbrechen ließ.39 Dass es bei einer Ver­
schiebung des Stichjahres blieb, zeigt aber auch die fortbestehende Kom­
promissbereitschaft der Wiener Politik, die den Sieg bei Nördlingen nicht
nutzte, um wieder zu den Vorgaben des Restitutionsedikts zurückzukehren.
Offenbar hatte man auch in Wien realisiert, dass das Kriegsglück wechsel­
haft und launisch war und man nicht darauf setzen sollte, nach den schwe­
ren Rückschlägen zu Beginn der 1630er Jahre auf die Siegesstraße der 1620er
Jahre zurückkehren zu können. Derjenige, der vor allem für diese skepti­
sche Grundhaltung stand, war der König von Ungarn und Böhmen, der zu
erwartende Kaiser, dem als «Sieger von Nördlingen» politisch ein beson­
deres Gewicht zukam.40 «Dieser kluge Opportunismus», so Cicely Vero-
nica Wedgwood, «mag zum Teil das Werk des Königs von Ungarn gewesen
sein, der für die Verhandlungen hauptsächlich verantwortlich war.»41

Der Prager Frieden vom Mai 1635, dem ein im November des Vorjahres in
Pirna geschlossener Vorvertrag zugrunde lag, war zuallererst ein Separat­
friedensvertrag zwischen dem sächsischen Kurfürsten und dem Kaiser. Er
war aber so angelegt, dass ihm alle Reichsstände beitreten konnten, denn
er sollte zur Grundlage eines Friedens im gesamten Reich werden. Als der
Kaiser weitreichende Amnestiezusagen machte und gleichzeitig all dieje­
nigen mit Sanktionen bedrohte, die dem Frieden fernblieben, kam eine
662 E IN K R IE G , D ER N IC H T EN D E N W ILL

umfassende Beitrittsdynamik in Gang. Die Beschränkung auf die Reichs­


stände war zugleich aber eine Schwäche dieses Friedens, denn er enthielt
keinerlei Beitrittsangebot an die in den Krieg verwickelten, aber nicht
reichsständischen Mächte. Das traf insbesondere Schweden, das ja für alle
erkennbar Kriegspartei war, aber auch Frankreich, das nach wie vor nicht
offiziell am Krieg teilnahm. Beide Mächte sollten durch die Vereinbarung
gewissermaßen aus einem befriedeten Reich herausgedrängt werden. Der
Prager Frieden war also ein gegen Schweden und Frankreich gerichteter
Friedensschluss, während er gleichzeitig das zuletzt wieder enger mit dem
Wiener Kaiserhaus liierte Spanien privilegierte. Wedgwoods Resümee
«D er Friede von Prag verwandelte sich in ein Kriegsbündnis» ist pointiert,
aber im Kern zutreffend, und das gilt auch für die bittere Nachbemerkung:
«Seine Unterzeichner verpflichteten sich, die Schlachten des Hauses Öster­
reich zu schlagen.»42 Es ist darum nicht verwunderlich, dass die schwedi­
sche und die französische Politik alles in ihrer Macht Stehende unternah­
men, um den Frieden zu Fall zu bringen beziehungsweise seine Ausweitung
auf ganz Deutschland zu hintertreiben.
Durch seine Konstruktionsfehler, die letztlich zum Scheitern führten,
zeigte der Prager Frieden jedoch auch, wie ein allgemeiner Friedensver­
trag beschaffen sein musste: Frieden im Reich konnte es nur geben, wenn
auch die äußeren Interventionsmächte einbezogen wurden. Insofern war
der Prager Frieden ein wichtiger Lernschritt auf dem Weg zum Frieden
von Münster und Osnabrück. Er stellte unter Beweis, dass es sich um
einen europäischen Krieg handelte, der nur auf der Grundlage einer euro­
päischen Regelung beendet werden konnte. Das zu realisieren war schon
deswegen nicht einfach, weil man dazu einer Neuauslegung, wenn nicht
gar Neuausrichtung der Reichsverfassung bedurfte. Der Prager Friedens­
vertrag ging ein letztes Mal davon aus, dass es sich bei diesem Krieg um
einen Aufstand gegen den Kaiser beziehungsweise die Ordnung des Reichs
handelte, der durch eine allgemeine Amnestie von Seiten des Kaisers sowie
die Anerkennung des «Normaljahres» von Seiten der Reichsstände been­
det werden konnte. Man vermied damit eine Entscheidung darüber, ob
man es mit einem Bürger- oder doch mit einem Staatenkrieg zu tun hatte.
Dazu hätte feststehen müssen, wer souverän war und wer nicht; das heißt,
Vom Prager Frieden zur Schlacht von Wittstock 663

wer das Recht hatte, einem anderen den Krieg zu erklären, und bei wem
es sich eben bloß um einen Aufstand handelte. Diese Souveränitätsvor­
stellung freilich konnte auf die Reichsverfassung nicht angewandt werden,
ohne sie zu sprengen. Das war ein Problem, das auch bei den sich über vier
Jahre hinziehenden Friedensverhandlungen in Münster und Osnabrück
eine zentrale Rolle spielte: dass jeder Vertrag, der nicht mit der Fiktion von
Aufstand und Amnestie arbeitete, Auswirkungen auf die innere Verfassung
des Reichs haben würde, die von mindestens einer Seite strikt abgelehnt
wurden.
Auf dem Weg zum Prager Frieden ging es zunächst darum, Kursachsen
für einen Separatfrieden zu gewinnen. Dazu mussten die sächsischen Inter­
essen bedient werden, weshalb Kurfürst Johann Georg das Bistum Mag­
deburg zuerkannt wurde; zudem musste der Vertrag Regelungen enthalten,
die den kursächsischen Führungsanspruch gegenüber den protestanti­
schen Reichsständen festigte. Von der großzügigen kaiserlichen Amnestie
für die am Krieg Beteiligten, mit der man diesem Anspruch Rechnung tra­
gen wollte, waren nur die böhmischen Rebellen sowie die pfälzische Fürs­
tenfamilie ausgenommen. Sonderbünde der Fürsten, wie Union und Liga,
wurden grundsätzlich für ungesetzlich erklärt, ebenso eigene Streitkräfte
der Landesfürsten. Es sollte nur noch eine Reichsarmee geben, für die man
sich de facto auf eine geteilte Kommandostruktur verständigte: Im ober­
und niedersächsischen Kreis sollte die Führung bei Johann Georg liegen,
während Süd- und Westdeutschland unter dem Kommando des Kaisers
standen, der sich wiederum mit dem bayerischen Kurfürsten über regionale
Zuständigkeiten absprach. Finanziert werden sollte die auf eine Sollstärke
von 78 000 Mann bezifferte Reichsarmee durch regelmäßig erhobene Steu­
ern.43 Diese Armee war das Instrument, mit dem das längerfristige Ziel des
Prager Friedens, Schweden und Frankreich aus dem Reich herauszudrän­
gen, durchgesetzt werden sollte.
Neben der Ausschließung der ausländischen Mächte hatte der Prager
Frieden noch ein zweites Manko: Die Reformierten wurden bei den kon­
fessionspolitischen Regelungen nicht berücksichtigt. Nur die Anhänger
des Augsburger Bekenntnisses waren einbezogen. Das Recht der refor­
mierten Fürsten auf freie und ungehinderte Religionsfestlegung war damit
664 E IN K R IE G , D ER N IC H T EN D EN W ILL

nicht gesichert, weswegen sie kein Interesse am Beitritt zum Friedensver­


trag haben konnten. Aber auch für alle Reichsstände, die nicht den Status
der Kurfürsten hatten, lief die dem Prager Frieden zugrunde gelegte Neu­
ordnung des Reichs auf eine Herabstufung hinaus, denn der Reichstag, auf
dem sie Sitz und Stimme hatten, sollte unter den Prager Bedingungen seine
bisherige Bedeutung verlieren. Das Reich sollte vom Kaiser im Zusam­
menwirken mit den Kurfürsten geleitet werden, wobei dem bayerischen
und dem sächsischen Kurfürsten eine herausgehobene Rolle zufiel.44 Der
Prager Friede wäre also, wenn er politische Wirksamkeit erlangt hätte, zum
Angelpunkt einer umfassenden Reichsreform geworden, mit der die alte
Reichsverfassung außer Kraft gesetzt worden wäre. Der Kaiser erhielt das
Rüstungsmonopol, das Bündnismonopol und das Recht zur Erhebung von
Steuern - in Abstimmung mit den Kurfürsten, aber ohne dass der Reichstag
zustimmen musste.4S Trotz der besonderen Position, die dem sächsischen
und dem bayerischen Kurfürsten bei der Führung der Reichsarmee zuge­
standen wurde, hätte man sich entschieden auf einen durch die kaiserliche
Souveränität beherrschten Zentralstaat zubewegt.
Neben den konfessionellen Konflikten und den Interessen der aus­
wärtigen Interventen kommt damit ein weiteres Problemfeld in den Blick:
die Machtverlagerung und Machtverteilung innerhalb des Reichs.46 Man
darf bezweifeln, dass eine solche Entwicklung auf Dauer ohne Widerstand
und gewaltsames Gegenhandeln der Benachteiligten geblieben wäre. In
England begann etwa um diese Zeit eine Opposition, die 1640 in einen
offenen Widerstand des Parlaments gegen die Kompetenzausweitungen
des Königs mündete. Im Frieden von Münster und Osnabrück unterblieb
ein vergleichbarer Schritt hin zu einem Zentralstaat mit souveräner Spitze,
was nicht nur eine wesentliche Voraussetzung dafür war, dass der Westfäli­
sche Friede zustande kam, sondern vermutlich auch ausschlaggebend dafür
war, dass er dauerhaft hielt. Es ist zwar reine Spekulation, aber doch nicht
unplausibel anzunehmen, dass die in Münster und Osnabrück installierte
Ordnung eine Revolution englischen Typs in Deutschland verhindert
beziehungsweise «unnötig» gemacht hat.
Unter dem Eindruck der Verheerung großer Gebiete, des Zusammen­
bruchs des wirtschaftlichen Lebens in vielen Territorien, der verwüsteten
V o m P r a g e r F r ie d e n z u r S c h la c h t v o n W itts to c k 665

Städte und der scharenweise durchs Land ziehenden Flüchtlinge waren im


Sommer 1635 - der Prager Vertrag zwischen dem Kaiser und dem sächsi­
schen Kurfürsten wurde am 30. Mai 1635 unterzeichnet - 47 viele Reichs­
stände trotz erheblicher Vorbehalte bereit, dem Frieden beizutreten. So
konnte man für kurze Zeit meinen, hier sei ein bedeutender Schritt zum
dauerhaften Frieden gemacht worden. Dabei wurde jedoch übersehen,
dass zwei zentrale Fragen, die das Kriegsgeschehen anfänglich geprägt und
lange in Gang gehalten hatten, im Prager Vertrag nicht geregelt waren: die
pfälzische Frage und das Los der böhmischen Exilanten. Letztere waren
sicherlich das geringere Problem, da sie in Sachsen unter der Aufsicht
Johann Georgs standen. In die pfälzische Frage aber waren auswärtige
Mächte involviert, in jedem Fall England, doch auch die Niederlande, und
schon deshalb war es ausgeschlossen, dass man sie allein mit repressiven
Maßnahmen im Inneren lösen konnte. Das zeigte sich etwa in den Instruk­
tionen, mit denen der Earl of Arundel als Sonderbotschafter des englischen
Königs Karl zum Regensburger Kurfürstentag von 1636 geschickt wurde.
Dort wollte Kaiser Ferdinand II. den Friedensschluss in eine politisch feste
Form bringen und seinen Sohn, den König von Ungarn und Böhmen, als
römischen König zu seinem Nachfolger wählen lassen. Das war ihm auf
dem Kurfürstentag von 1630 trotz der Opferung Wallensteins nicht gelun­
gen.48 Da der Kaiser den Kurfürsten im Prager Frieden weit entgegenge­
kommen war, ging er nun davon aus, dass die Wahl ohne größere Probleme
über die Bühne gehen würde. Umso störender war der Auftritt des Earl
of Arundel, durch den all die im Prager Vertrag ungelösten Fragen sicht­
bar wurden; dementsprechend unwillig wurde der englische Gesandte in
Regensburg abgefertigt.49 König Karl I. hatte seinem Gesandten aufgetra­
gen, mit dem «Kaiser und dem Haus Habsburg eine treue Allianz einzuge­
hen, um dadurch den Frieden zu sichern», «allerdings nur unter der Bedin­
gung [...], daß unser Neffe [der Sohn des verstorbenen Friedrich V. von
der Pfalz] in all seine Würden und Ämter wieder eingesetzt wird» .50 Sobald
der Kaiser in diese Bedingung eingewilligt habe, sei der englische König
bereit, die protestantischen Fürsten und Staaten im Reich dazu zu drängen,
«sich dem Kaiser zu unterwerfen und einen gerechten und ausgewogenen
Frieden [... ] anzustreben». Und was noch wichtiger war: «Auch werden
666 EIN KRI E G, D ER N I C H T E N D E N WILL

wir darauf hinarbeiten, unsere Nachbarn, die Generalstaaten der Vereinten


Provinzen, zu einem Frieden oder zumindest einem Waffenstillstand mit
dem König von Spanien und dem Kardinalinfanten zu bewegen. Desglei­
chen werden wir mit Frankreich verfahren.»51
Das war ein bedeutendes Angebot, denn wäre der englische König im
beschriebenen Sinne tätig geworden, hätte das den Prager Vertrag um die
ausgesparte internationale Dimension ergänzen können. Ob der englische
Einfluss ausgereicht hätte, um Frankreich und die nördlichen Niederlande
zu Friedensverhandlungen zu bewegen, muss freilich offen bleiben, da der
Kaiser nichts unternahm, um den englischen König in das Friedensprojekt
einzubinden und den Prager Frieden zum ersten Schritt eines längeren
«Friedensprozesses» zu machen. Der ablehnende Umgang mit dem Earl
of Arundel in Regensburg zeigt, dass die Wiener Politik nicht wahrhaben
wollte, was der Historiker Axel Gotthard so formuliert hat: «D er deutsche
Konfessionskrieg war in den sechs Jahren seit dem Restitutionsedikt zum
europäischen Hegemonialkrieg mutiert, reichsintern war dieser Krieg gar
nicht mehr beizulegen.»52

Tatsächlich war der Krieg nicht nur ein Verfassungskonflikt und ein Reli­
gionskrieg, sondern von Anfang an auch ein Hegemonialkrieg, doch sind
diese drei Konfliktebenen im Kriegsverlauf immer enger miteinander ver­
wachsen, und mit dem militärischen Eingreifen Schwedens und der zuneh­
menden Verwicklung Frankreichs hat die Dimension des Hegemonialkon-
flikts erheblich an Gewicht gewonnen. Die Geschichte des Dreißigjährigen
Krieges ist auch die Geschichte beständiger Gewichtsverlagerung zwischen
diesen drei Typen des Krieges. Der Lübecker Friede mit Dänemark war 1629
zustande gekommen, weil sich die unterschiedlichen Dimensionen des
Krieges ein letztes Mal voneinander trennen ließen und der gescheiterte
Hegemonialaspirant Dänemark aus dem Krieg ausschied, ohne dass die
Konflikte innerhalb des Reichs zuvor gelöst sein mussten.53 Man kann den
Prager Frieden als analoges Projekt mit umgekehrter Reihenfolge begreifen:
Man versuchte, die verfassungspolitischen Fragen und die konfessionspoli­
tischen Konflikte zu klären, um erst anschließend die internationale bezie­
hungsweise hegemoniale Dimension des Krieges zu bearbeiten. Doch die
V o m P r a g e r F r ie d e n zu r S c h la c h t v o n W itts to c k 667

Trennung von innen und außen, die in Lübeck noch einmal möglich gewe­
sen war, funktionierte in Prag nicht mehr. Warum nicht?
Zunächst war die schwedische Position nach der Niederlage von Nörd-
lingen eine andere als die Dänemarks nach 1627, als die kaiserlichen Trup­
pen tief in das Königreich vorgedrungen waren und die Dänen bei Wolgast
eine weitere schwere Niederlage erlitten hatten. Deren letzter Halt war die
für den Kaiser beziehungsweise Wallenstein unangreifbare Flottenmacht;
sie verhinderte die völlige Niederwerfung Christians IV., verschaffte die­
sem aber keine starke Verhandlungsposition bei allen Fragen innerhalb des
Reichs. Christian hat im Lübecker Frieden seine Verbündeten im Reich
samt und sonders aufgegeben. Das war im Fall Schwedens anders: Nach
Nördlingen war zwar die schwedische Machtstellung in Oberdeutsch­
land zusammengebrochen, aber das bedeutete nicht, dass der Kaiser oder
der bayerische Kurfürst die zuvor von den Schweden besetzten Gebiete
beherrschte. Der Krieg ging mit einer räumlichen Verschiebung zum Ober­
rhein weiter - nicht zuletzt deswegen, weil Frankreich als Finanzier und
Ausrüster des wieder aufgefüllten Weimaraner Heeres an die Stelle Schwe­
dens beziehungsweise des Heilbronner Bundes trat.54 Außerdem bot der
Prager Vertrag für Südwestdeutschland keine verlässlichen Friedensrege­
lungen, da der Herzog von Württemberg und der Markgraf von Baden-
Durlach als nondum reconciliati, als noch nicht mit dem Kaiser Ausgesöhnte,
von den allgemeinen Amnestiezusagen ausgenommen blieben.55
Oxenstierna durfte also davon ausgehen, dass er bei dem Versuch, die
schwedische Position in Südwestdeutschland wiederherzustellen, zuverläs­
sige Verbündete finden würde. Hier rächte sich, dass der Prager Frieden aus
Separatverhandlungen zwischen dem Wiener Kaiserhaus und Kursachsen
hervorgegangen war: Johann Georg hatte an den südwestdeutschen Pro­
testanten, die sich seinen Vorgaben notorisch widersetzt hatten, keinerlei
Interesse, und der Kaiser wollte Südwestdeutschland von der Rücknahme
des Restitutionsedikts ausgenommen wissen, um die Konzessionsbereit­
schaff der Unnachgiebigeren unter den Katholiken am H of nicht überzu­
strapazieren. Ohnehin scheint es in der Frage des Kirchenbesitzes zu einem
Ringen zwischen dem Kaiser und seinem Sohn, dem König von Ungarn
und Böhmen, gekommen zu sein, da dieser zu sehr viel größeren Zuge-
668 E I N KRIEG, D E R N I C H T E N D E N WILL

ständnissen bereit war als sein Vater.56 Dass Südwestdeutschland von der
Aufhebung des Restitutionsedikts ausgeschlossen wurde, war ein Kom­
promiss zwischen den beiden, der wiederum die schwedische beziehungs­
weise französische Position in diesem Raum stärkte.
Von der Niederlage bei Nördlingen weitgehend unbetroffen war die
schwedische Stellung in Norddeutschland. Dennoch war man in Schwe­
den bereit, sich auf einen Frieden mit dem Kaiser einzulassen, wenn die­
ser zu «ehrenvollen Bedingungen» geschlossen wurde.57 Dies sahen im
Grundsatz die assecuratio pacis und die satisfactio militum vor.58 Die asse-
curatio pacis forderte, dass das Herzogtum Pommern unter schwedische
Kontrolle gestellt wurde, was zulasten Kurbrandenburgs ging; das hätte die
kaiserlichen Interessen zumindest kurzfristig nicht negativ berührt. Bei der
satisfactio militum hingegen, der Abdankung der Soldaten, hätte Geld aufge­
wendet werden müssen, das von den protestantischen Reichsständen auf­
zubringen gewesen wäre, was ihren Beitritt zum Prager Frieden erheblich
erschwert und damit unwahrscheinlich gemacht hätte. Die bei der Abdan­
kung der Truppen anfallenden Kosten sollten auch bei den Friedensver­
handlungen in Münster und Osnabrück ein Haupthindernis auf dem Weg
zu einem schnellen Frieden darstellen.
Unter den gegebenen Umständen fiel es Oxenstierna nicht schwer, den
Stockholmer Reichsrat davon zu überzeugen, dass ein Friedensschluss mit
dem Kaiser vorerst nicht in greifbarer Nähe lag - jedenfalls nicht zu «ehren­
vollen Bedingungen». Oxenstiernas Position wurde dadurch gestärkt, dass
Frankreich bereit war, einen Teil der schwedischen Kriegskosten zu über­
nehmen. Das war dringend erforderlich, da der schwedischen Kriegfüh­
rung mit dem Zerfall des Heilbronner Bundes die Finanzierungsgrundlage
entzogen war. Frankreich wurde so zum ausschlaggebenden Akteur, der für
die Fortsetzung des Krieges sorgte. Hätte Richelieu im Sommer 1635 eine
andere Politik verfolgt, so wäre der Krieg vielleicht nicht sogleich zu Ende
gewesen, da die beschäftigungslosen Truppen nach wie vor im Land stan­
den und nach Auftraggebern Ausschau gehalten hätten, aber der Krieg hätte
an Intensität verloren und wäre nach dem dann unvermeidlichen Rückzug
Schwedens mit der Zeit wohl «eingeschlafen». Obwohl es 1635 noch nicht
offiziell in den Krieg eingetreten war, wurde Frankreich nun zur wichtigs­
V o m P r a g e r F r ie d e n z u r S c h la c h t v o n W itts to c k 669

ten Triebkraft des Krieges, weswegen viele Historiker ab 1635 nicht mehr
vom «schwedischen», sondern vom «schwedisch-französischen Krieg»
sprechen.59

Erst einmal sah freilich alles so aus, als könnte das Jahr 1635 zu einem großen
Erfolg der kaiserlichen Politik werden, denn immer mehr Reichsstände tra­
ten dem Prager Frieden bei. Nur wenige, wie etwa Landgraf Wilhelm von
Hessen-Kassel, widersetzten sich dieser Entwicklung. Oxenstierna sprach
davon, der Kaiser habe «mit diesem Frieden mehr erreicht als mit zwei
Schlachten bei Nördlingen».60 Die schwedische Position in Deutschland
wurde durch die Beitritte der Fürsten immer weiter geschwächt, insofern
war Oxenstiernas Behauptung wahrscheinlich durchaus zutreffend. Bestä­
tigt wurde damit Wallensteins zuletzt verfolgte Politik, die nicht auf mili­
tärische Siege, sondern auf die politische Aufweichung der durch Gustav
Adolfs Erfolge geeinten Front der Protestanten gesetzt hatte. «In summa»,
so Oxenstierna, «haben nun Unbeständigkeit, Bosheit und Torheit bei
diesen Verbündeten überall die Oberhand gewonnen und so tiefe Wurzeln
geschlagen, daß man ihnen nicht mehr helfen kann. Sie laufen in ihr eigenes
Verderben, und fast niemand ist übrig von denen, die mit uns kooperieren
sollten. Trotzdem», so muntert sich Oxenstierna selbst auf, «w ill ich für
meine Person meiner Pflicht nachkommen, es ist mein höchstes Gesetz,
dieses schwache, nunmehr schiefe Werk aufrecht zu erhalten, so lange ich
kann.»61
Das aber war nur möglich, wenn sich Schweden aus Süddeutschland
zurückzog und den Kriegsschauplatz am Rhein den Franzosen überließ,
die am Oberrhein mit den von ihnen finanzierten Truppen Herzog Bern­
hards auftraten, während sie am Mittelrhein zwischen Mainz und Koblenz
sowie an der Mosel eigenes Militär einsetzten. Die Schweden suchten sich
dagegen auf dem norddeutschen Kriegsschauplatz festzusetzen, wo Feld­
marschall Johan Baner das Kommando führte und allmählich die Initia­
tive zurückerlangte. Zunächst musste er jedoch Meutereien von Soldaten
niederschlagen, die eine sofortige Auszahlung ihres Soldes verlangten, was
infolge der prekären Haushaltslage nicht möglich war. In einer Mischung
aus Härte und Versprechen gelang es Baner, die Disziplin wiederherzu­
670 E I N KRI E G, D E R N I C H T E N D E N WILL

stellen. Er war sich darüber im Klaren, dass er sich damit nur Zeit gekauft
und keineswegs die Probleme des schwedischen Heeres gelöst hatte. Es
bedurfte eines großen Sieges, um die Reputation der schwedischen Waffen
zu erneuern und so viel Beute zu machen, dass die Soldaten in materieller
Hinsicht vorerst zufriedengestellt waren. Baner musste also die Schlacht
suchen und diese zur Not auch unter ungünstigen Bedingungen annehmen.
Im Sommer und Herbst 1635 hing die schwedische Position in Deutschland
erneut fast ausschließlich vom Kriegsglück ab. Doch Baner war der richtige
Mann, um mit diesem Entscheidungs- und Erfolgsdruck umzugehen.
Baner stammte nicht aus der schwedischen Militäraristokratie, son­
dern war innerhalb des Militärs aufgestiegen.62 Als Kommandeur hielt er
seine Truppen ständig in Bewegung und sorgte dafür, dass sie ununterbro­
chen Feindkontakt hatten. Er war ein Meister der Kleinkriegführung und
verfügte über bemerkenswerte taktische Fähigkeiten. Von strategischen
Fragen verstand er wenig, sie interessierten ihn auch nicht. Er überließ sie
Oxenstierna, was offenbar die Voraussetzung dafür war, dass die beiden
miteinander auskamen. Baner war kaum zur Kooperation fähig. Oxenstier-
nas politische Autorität jedoch erkannte er an, und dessen strategische
Vorgaben stellte er niemals in Frage. Auch mit Lennart Torstensson, dem
zweiten Mann der Armee, kam Baner gut zurecht. Ansonsten war er noto­
risch damit beschäftigt, seine Generäle gegeneinander auszuspielen, zum
einen, weil er ihnen misstraute, zum andern, weil er überzeugt war, sie lie­
ßen sich so zu besseren Leistungen motivieren. Baner war nach dem Urteil
des Kriegshistorikers William Guthrie eine der abstoßendsten Gestalten
des gesamten Krieges, zynisch und brutal, ein Alkoholiker und Weiberheld
- eine Charakterisierung im Übrigen, die in der Kriegsgeschichte immer
wieder auftaucht.
Die Trennung der Kriegsschauplätze zwischen Schweden und Frank­
reich führte zu einer eigenständigen Entwicklung beider Heere. Unter
Gustav Adolf hatten sich die nationalschwedischen Teile des Heeres mit
den deutschen gemischt, und die Führungsebene hatte sich zunehmend
«eingedeutscht». Im Zuge der schnellen Heeresvergrößerung wuchs der
Anteil der deutschen Söldner auf bis zu vier Fünftel.63Das änderte sich nach
der Niederlage von Nördlingen und der Teilung des Heeres in die Truppen
Schiller mit Wallensteins Lager sowie Brecht mit seiner Mutter Courage
haben unsere Vorstellung vom Heerlager im Dreißigjährigen Krieg
geprägt. Das hier abgebildete, im Unterricht der 1930er Jahre eingesetzte
Schulwandbild entspricht dieser Vorstellung: Dem reich gedeckten Tisch
und den bereitstehenden Fässern nach zu urteilen, sind die Soldaten gut
versorgt, besser jedenfalls als die drei sich von links nähernden Gestalten,
die offenbar etwas vom Festmahl der Soldaten abhaben wollen. Die
abgestellten Wagen und die Zelte zeigen, dass sich das Militär hier für
einige Zeit eingerichtet hat.

Bernhards und die Baners. Während Herzog Bernhard fast ausschließlich


deutsche Söldner befehligte, die im Lauf der Zeit durch französische Ein­
heiten ergänzt wurden, nahm der Anteil nationalschwedischer Soldaten
in der Armee Baners zu, und wenn dieser weitere Söldner hinzuholte, so
bevorzugte er Einheiten, die vor allem in Schottland geworben und aufge­
stellt worden waren. Baner unterstellte den deutschen Söldnern, sie kämpf­
ten allein um des Soldes willen, und darum würden sie auch bei Meutereien
stets die Hauptrolle spielen.64 Außerdem wechselten sie sehr viel leichter
und häufiger die Fronten als die in Schottland geworbenen Söldner. Baners
672 E I N KRI E G, D ER N I C H T E N D E N WILL

Heer war also sehr viel stärker schwedisch geprägt als das Heer Gustav
Adolfs in den Jahren 1631 und 1632.65 Von den acht Generälen, die an der
Schlacht bei Wittstock teilnahmen, waren drei Schweden, vier Schotten
und nur einer ein Deutscher.66
Baner bevorzugte von sich aus eine Kleinkriegführung, die in schnellen
Schlägen, Hinterhalten und Überfällen bestand, bei der er nur begrenzte
Risiken einging und nie alles aufs Spiel setzen musste. Außerdem trug die
Kleinkriegführung denveränderten logistischen Gegebenheiten Rechnung.
Es gab in Deutschland kaum noch Regionen, aus denen man für längere
Zeit größere Truppenmassen versorgen konnte, weil fast alle bereits vom
Krieg verheert waren. Die Befehlshaber beider Seiten sahen sich gezwun­
gen, ihre Verbände breiter zu verteilen; so wurden die Truppen andererseits
beweglicher, der Tross wurde kleiner und verlor an Bedeutung. Wer diese
neuen logistischen Umstände nicht begriff und daraus nicht die erforderli­
chen Konsequenzen zog, erwies sich, wie Matthias Gallas, als ein «Heer­
verderber», der seine Truppen nicht im Kampf zugrunde richtete, sondern
durch ihre Konzentration zu einer Schlacht, die dann nicht geschlagen
wurde.67 Baner, Torstensson und Turenne auf der einen sowie Piccolomini,
Montecuccoli und Mercy auf der anderen Seite konzentrierten ihre Trup­
pen dagegen nur kurz und in kleinerer Zahl. Sie griffen überfallartig den
noch breit verteilten Gegner an, zerschlugen seine Einheiten, machten
Beute und lösten danach die eigene Truppenkonzentration wieder auf. Das
erklärt, warum der Anteil von Kavalleristen gegenüber Infanteristen im
letzten Jahrzehnt des Krieges ständig anstieg, bis beide Waffengattungen
sich ungefähr die Waage hielten.68
Unter diesen Umständen drängte der Krieg von sich aus noch weniger
zur militärischen Entscheidung, als er das zuvor getan hatte. Diese Art des
Krieges konnte endlos weitergeführt werden, und sie war noch sehr viel
stärker auf die Entkräftung und Verheerung des Landes angelegt als der
Krieg der zurückliegenden knapp zwei Jahrzehnte. «Die Verwüstung wei­
ter Teile Deutschlands», so der Historiker Georg Schmidt, «begann erst
1635, als der Krieg alle geregelten Bahnen verließ.»69 Das ist, wenn man
die Landstriche betrachtet, in denen der Krieg vor 1635 über längere Zeit
geführt worden ist, sicherlich übertrieben. Es bringt aber pointiert zum
V o m P r a g e r F r ie d e n zu r S c h la c h t v o n W itts to c k 673

Ausdruck, dass man sich beim Tod Gustav Adolfs und Wallensteins noch
nicht hatte vorstellen können, zu welch furchtbaren Verheerungen der
Krieg noch führen würde.

Die Schlachten von Nördlingen und Wittstock sind Übergangsetappen


zwischen der mittleren und der Schlussphase des Krieges, weil es in ihnen
noch einmal zum direkten Transfer militärischen Erfolgs in politische
Macht kam: Zum letzten Mal in diesem Krieg hatte das Geschehen auf
dem Schlachtfeld unmittelbaren Einfluss auf die politischen Konstellatio­
nen und die Machtverteilung im Reich. Bei Nördlingen war die schwedi­
sche Macht in Süddeutschland zusammengebrochen, und der Krieg, der bis
dahin ein schwedisch-bayerisch-kaiserlicher Krieg gewesen war, begann ein
französisch-schwedisch-kaiserlich-spanisch-bayerisch-sächsischer Krieg zu
werden; bei Wittstock wurde die schwedische Macht in Norddeutschland
wiederhergestellt, und man konnte danach davon ausgehen, dass es nicht
möglich war, die Schweden mit bewaffneter Hand aus Deutschland her­
auszudrängen. Ein Friedensschluss, der das Reich in seiner Gänze und auf
Dauer befrieden sollte, konnte nur unter Einschluss Schwedens erfolgen.
In den Monaten vor der Wittstocker Schlacht hatte es für die Schwe­
den und die im Bündnis mit ihnen verbliebenen Nordhessen nicht gut aus­
gesehen: Die Truppen des kaiserlichen Generals Johann von Götz setzten
denen des Landgrafen von Hessen-Kassel schwer zu. Baner war gezwungen,
ein Armeekorps zu schicken, um zu verhindern, dass die Kaiserlichen den
Landgrafen niederwarfen. Dieser hatte nach der Zweiteilung der Kriegs­
schauplätze eine politisch wichtige Stellung gewonnen, da er das Binde­
glied zwischen den Schweden im Nordosten und den Franzosen bezie­
hungsweise den Truppen Herzog Bernhards im Südwesten war. Wurde
Landgraf Wilhelm aus der antihabsburgischen Koalition herausgesprengt
oder gerieten seine Territorien dauerhaft unter kaiserliche Kontrolle, so
würden beide Kriegsschauplätze strategisch voneinander getrennt, und
die kaiserlich-bayerisch-sächsische Seite hätte noch mehr Optionen als
ohnehin schon. Es war für Baner also ausgeschlossen, die prinzipiell ver­
fügbaren Kräfte im Nordosten zu einer Schlacht gegen die kursächsischen
und die kaiserlichen Truppen zu konzentrieren. Außerdem musste er seine
674 E I N K RI E G, D E R N I C H T E N D E N WILL

Versorgungsbasis in Pommern und die damit verbundenen Rückzugslinien


sichern, die durch ein an der Oder stehendes kaiserliches Armeekorps unter
Feldmarschall Graf Rudolf Morzin (Rodolfo Giovanni Marrazino) bedroht
waren.70 Baner musste seine Armee also dreiteilen: 6000 Mann unter dem
Schotten Alexander Leslie entsandte er zur Weser, um den Hessen bei­
zustehen, 6000 Mann unter dem Schweden Karl Gustav Wrangel sollten
Pommern decken, und er selbst bezog mit 12 000 Mann im Raum Magde­
burg Position. Dort konnte er jedoch nicht bleiben, weil er das bedrängte
Lüneburg entsetzen musste. Währenddessen wurde Magdeburg von den
Sachsen erobert, und Baner war gezwungen, sich in die Altmark zurückzie­
hen, wo sich das Heer nicht lange versorgen ließ, weil das Land von ständi­
gen Truppendurchzügen verheert war. Einstweilen bezog er bei Dömitz ein
befestigtes Lager, dessen Versorgung über die nahe Elbe gesichert war.71
Das kaiserlich-sächsische Heer setzte auf Manöverkriegführung: Die
Schweden sollten, indem man ihre Versorgungslinien abschnitt, Schritt für
Schritt zurückgedrängt werden. Kurfürst Johann Georg ging es vor allem
darum, sie möglichst weit von seinen Territorien entfernt zu wissen, da er
befürchtete, Baner plane einen Einbruch nach Kursachsen, um seine Trup­
pen dort zu versorgen und sich so für den Bündniswechsel der Sachsen zu
rächen. Die Kommandostruktur im kaiserlich-sächsischen Heer ist nicht
leicht zu durchschauen, da Melchior von Hatzfeld, der die operative Füh­
rung innehatte, in den Quellen mitunter als kaiserlicher Feldmarschall, aber
dann auch wieder als sächsischer Generalleutnant bezeichnet wird.72 Heute
würde man wahrscheinlich von einem «Doppelhut» Hatzfelds sprechen,
mit dem eine einheitliche Kommandoführung der verbundenen Heere
sichergestellt werden sollte. Gemäß dem Prager Vertrag lag die Führung
der Heere bei Kurfürst Johann Georg, dem aber die Fähigkeit abging, in
der Schlacht einen kühlen Kopf zu bewahren. Das hatte er bei Breitenfeld
gezeigt, als er Gustav Adolf durch seine überstürzte Flucht vom Schlacht­
feld fast um den Sieg gebracht hatte.73 Der Wiener Hofkriegsrat wollte
ihm die kaiserlichen Regimenter nicht anvertrauen, den neugewonnenen
Verbündeten aber auch nicht vor den Kopf stoßen. Die Doppelfunktion
Hatzfelds sollte beiden Anforderungen genügen. Das stellte sich bei Witt­
stock als ein Problem heraus, da jede Anweisung Hatzfelds - so jedenfalls
V o m P r a g e r F r ie d e n zu r S c h la c h t v o n W itts to c k 675

stellte er es selbst danach dar - mit Verzögerung umgesetzt wurde, weil sich
der Kurfürst ständig entmischte. Koalitionskriegführung war schwierig,74
und während sie bei Nördlingen unter den habsburgischen Cousins gut
geklappt hatte, litt sie bei Wittstock unter einer Fülle von Spannungen.
Anfang September scheinen beide Seiten zu dem Ergebnis gelangt zu
sein, dass eine Entscheidungsschlacht unvermeidlich war, wenn man den
Feldzug des Jahres 1636 erfolgreich beenden wollte. Jedenfalls zogen Baner
wie Hatzfeld die detachierten Armeekorps an sich, um mit allen verfügba­
ren Kräften in die Schlacht zu ziehen.75 Marrazino verließ das Odergebiet
an der Grenze zu Pommern und stieß mit seinen Regimentern bei Havel­
berg zur Hauptarmee. Baner wiederum zog das Lesliesche Korps an sich,
ebenso die kleineren Detachements unter Hans Vitzthum, einem säch­
sischen Lutheraner, der auch nach dem Prager Frieden auf schwedischer
Seite geblieben war, und Torsten Stälhandske, einem finnischen Kavalleris­
ten, der es trotz seiner militärischen Erfolge nie in den inneren Zirkel der
schwedischen Heeresführung geschafft hat. Durch einen schnellen Vorstoß
zu dem Flüsschen Dosse gelang es Baner, den Zuzug der an der Havel ste­
henden sächsischen Truppen unter Oberst Johann Kaspar von Klitzing zum
kaiserlich-sächsischen Hauptheer zu verhindern. Die Angaben über die
Kräfteverhältnisse beider Seiten differieren stark: Während Baner in seinen
Berichten behauptete, der Gegner sei ihm im Verhältnis von zwei zu drei
überlegen gewesen, machte Hatzfeld die entgegengesetzte Angabe. Einige
jüngere Forscher gehen inzwischen davon aus, beide Seiten seien ungefähr
gleich stark gewesen, die Schweden etwas weniger als 20 000 Mann, die
kaiserlich-sächsische Seite wahrscheinlich etwas mehr.76 Die Ausgangslage
war jedoch recht unterschiedlich: Baner, wie oben angedeutet, musste die
Schlacht schlagen und gewinnen, um die Sache Schwedens in Deutschland
zu retten; Hatzfeld hingegen konnte die Schlacht schlagen, musste es aber
nicht, weder aus politischen noch aus strategischen Gründen. So konnte
Hatzfeld sich auch in einem Lager verschanzen und darauf warten, dass
Baner ihn angriff. Baner musste Hatzfeld also unter Druck setzen, um ihn
daran zu hindern, eine günstige Position zu finden, was ihm nur teilweise
gelang. Hatzfeld bezog auf einer flachen Anhöhe südwestlich von Wittstock
Stellung und ließ das Gelände für eine Schlacht vorbereiten: Die Soldaten
67 6 E I N K RI E G, D E R N I C H T E N D E N WILL

warfen Schanzen auf und schufen freies Schussfeld für die günstig postier­
ten Kanonen.77
Baner erreichte am Vormittag des 4. Oktober die Dosse. Er ließ das
Gelände hinter dem Fluss erkunden und kam zu dem Ergebnis, dass ein
Frontalangriff auf die Stellungen des Feindes unmöglich war. Baner wie
Torstensson hatten Gustav Adolfs Frontalangriff auf Wallensteins Lager
bei der Alten Veste nahe Nürnberg noch in Erinnerung und wollten die­
sen Fehler nicht wiederholen.78 Die Ausgangslage war damit der von Nörd-
lingen nicht unähnlich, aber während Horn und Bernhard dort nur gegen
einen Flügel des Gegners operiert hatten, entschloss sich Baner zu einer
doppelten Bewegung: Der linke Flügel unter Stälhandske sollte ein weit­
räumiges Umgehungsmanöver durchführen und der kaiserlich-sächsischen
Armee in den Rücken fallen, sobald diese ihren rechten Flügel entblößt
und alle Kräfte auf den schon zuvor von den Schweden angegriffenen lin­
ken Flügel geworfen hatte. Der wiederum sollte von Torstensson auf kur­
zem Bogen umgangen und von der Flanke her angegriffen werden. Baner
wollte mit dem Gros der Truppen folgen, während Leslie diesen Angriff
auf den Flügel des Feindes unterstützen sollte, indem er dessen Zentrum
angriff und ihn so daran hinderte, Kräfte an den linken Flügel abzugeben.
Als Reserve wurde Vitzthum mit einigen Regimentern zurückgehalten.
Es war absehbar, dass der schwedische rechte Flügel für längere Zeit die
Hauptlast des Kampfes zu tragen hatte. Alles kam darauf an, dass die gegen
das gegnerische Zentrum und gegen dessen Rücken eingesetzten Truppen
zum richtigen Zeitpunkt in das Kampfgeschehen eingriffen: Kamen sie zu
früh, hatte die Gegenseite die durch den schwedischen Flankenangriff pro­
vozierten Kräfteverlagerungen noch nicht vollzogen, und sie attackierten
frontal ein noch ungeschwächtes Zentrum oder trafen auf Einheiten, die
ihnen noch nicht den Rücken boten. Es ging somit um einen nachhaltigen
Gebrauch der Kräfte, wie Clausewitz das genannt hat,79 aber der war nur
möglich, wenn der Gegner zuvor genau so reagierte, wie Baners Schlacht­
plan das vorsah.
Der schwedische Angriff auf den linken feindlichen Flügel war dank
des Überraschungsmoments und des Eingreifens der von Baner geführten
Hauptmacht zunächst erfolgreich. Dann verschob Hatzfeld seine Trup-
Im Unterschied zu den Schlachtenbildern in Merians Theatrum Europaeum,
die das Geschehen aus der Vogelperspektive darstellen, haben Caspar
Luyken und Pieter van der Aa für ihre (freilich mehr als ein halbes
Jahrhundert später entstandene) Darstellung des schwedischen Sieges
bei Wittstock im Oktober 1636 den Blick in Augenhöhe der Kämpfenden
gewählt. Die gewalttätige Dynamik tritt dabei an die Stelle der sich
allmählich entwickelnden Ordnung, und aus dem Schachspiel mit
Regimentern wird ein blutiger Kampf.

pen und erlangte seinerseits die Übermacht. Nun folgte Leslies Angriff
auf Hatzfelds Zentrum, so dass dort starke Kräfte gebunden waren und
nicht auf den linken Flügel befehligt werden konnten. In dieser Situation
entschloss sich Hatzfeld, seinen eigenen rechten Flügel einzuziehen und
dessen Kräfte auf dem linken Flügel einzusetzen, wo er die Entscheidung
herbeiführen wollte. Doch die fiel auf ganz andere Weise, als Hatzfeld
erwartet hatte, denn damit gab er den Rücken frei, in den Stälhandskes
Reiterei nun hineinstieß. Zwei Mal hatte Hatzfeld die Chance gehabt, die
Schlacht für sich zu entscheiden: vor dem Angriff Leslies mit dem Fußvolk
und vor der Kavallerieattacke Stälhandskes, doch beide Male hatte er die
678 E I N K RI E G, D E R N I C H T E N D E N WILL

zeitweilige Überlegenheit nicht entschlossen genug genutzt. Damit war


die Niederlage besiegelt.
Die schwere Artillerie der Sachsen und Kaiserlichen war verloren, die
Formationen lösten sich auf, und erste Einheiten hatten in der einbrechen­
den Dunkelheit bereits das Schlachtfeld verlassen. Hatzfeld und Johann
Georg befahlen den Rückzug, der durch vier Kavallerieregimenter Mon-
tecuccolis gedeckt wurde. Die siegreichen Schweden waren zu erschöpft,
um entschieden nachzusetzen. Dennoch waren die sächsisch-kaiserlichen
Verluste deutlich höher als die der Schweden, die keine Gefangenen, aber
viele Gefallene zu beklagen hatten. Die gesamte Bagage und nicht zuletzt
der Silberwagen Kurfürst Johann Georgs fiel in die Hände der Schweden,
die damit ihren R uf als militärische Macht wiederherstellen konnten. Witt­
stock war kein überwältigender Sieg, aber ein Erfolg, der den Schweden
Luft verschaffte und ihre politische Position in Norddeutschland erneuerte.
Hatzfeld zog sich über Pritzwalk und Werben nach Halberstadt zurück, wo
die Sachsen Winterquartier bezogen, während die Kaiserlichen sich nach
Westfalen begaben.

Wenige Wochen vor der Schlacht bei Wittstock, am 7. September, war in


Regensburg der Kurfürstentag eröffnet worden. Allein dass dies möglich
war, zeigt die gefestigte Stellung der habsburgisch-wittelsbachischen Partei
in Süddeutschland. Die Kurfürsten von Köln, Mainz und Bayern reisten
ebenso wie der Kaiser persönlich an, Kursachsen und Kurbrandenburg
waren durch Gesandte vertreten; die Stimme des Trierer Erzbischofs, der
sich wegen seines Bündnisses mit Frankreich in kaiserlicher Haff befand,
wurde als ruhend betrachtet.80 Am 22. Dezember wurde der König von
Ungarn und Böhmen zum Römischen König gewählt und damit ein Inte­
rim verhindert, das man angesichts des schlechten Gesundheitszustands
Ferdinands II. befürchtet hatte. Nachdem endlich erreicht war, was er sich
für seinen Sohn wünschte, reiste Ferdinand nach Wien zurück, wo er am
15. Februar 1637 starb. Er hatte in den knapp zwanzig Jahren seiner Herr­
schaft ununterbrochen Krieg geführt, und dabei hatte er das doppelte Ziel
verfolgt, die kaiserliche Macht im Reich wiederherzustellen und gleich­
zeitig den Einfluss der römischen Kirche in Deutschland zu erneuern. Er
D ie g r o ß e K la g e : U n g lü c k s b e w ä ltig u n g in L it e r a t u r u n d b ild e n d e r K u n s t 679

war diesem Ziel einige Male sehr nahe gekommen; in der Summe aber
muss man festhalten, dass Ferdinands Erfolge weitgehend auf die Konso­
lidierung seiner Macht in den habsburgischen Erblanden beschränkt blie­
ben. Mit Blick auf die Geschichte des Kaiserreichs war das nicht viel; im
Hinblick auf die Stellung des Hauses Habsburg in Mitteleuropa dagegen
schon sehr viel mehr. Ferdinand II. sei, so hat Anton Gindely Ende des
19. Jahrhunderts das Leben und Wirken des Kaisers zusammengefasst, ein
frommer und gutmütiger Mensch gewesen, «dessen Einsicht und That-
krafi allein auf die Bewältigung und Ausrottung seiner religiösen Gegner
gerichtet und damit auch erschöpft war, denn in allen anderen entschei­
denden und tiefgehenden Fragen bewegte er sich nur auf der Oberfläche
und scheute die eingehende und mühevolle Arbeit».81 Ferdinand III.
übernahm von seinem Vater ein schweres Erbe: Fast keines der Probleme,
mit denen der verstorbene Kaiser zu tun gehabt hatte, war gelöst oder auch
nur einer Lösung nahe; die Lage war zwar nicht mehr so schlecht wie auf
dem Höhepunkt des schwedischen Siegeszugs einige Jahre zuvor, aber die
Anzahl der Feinde hatte sich vergrößert, und ein Ende des Krieges war
trotz des Prager Friedens nicht in Sicht.

Die große Klage:


Unglücksbewältigung in Literatur
und bildender Kunst

Ich mache mir Gedanken, daß Deutschland immerdar,


Es tobe, wer da wolle, wird bleiben, was es war,
Im Fall mit fremden Schanden die deutschen Redligkeiten,
Vielmehr mit deutschem Hertzen, wir bessern, nicht bestreiten.82

Verzweiflung und Hoffnung, Augenblick und Dauer, Fremdes und Eigenes


sind in diesem Sinngedicht Friedrich von Logaus antithetisch gegenüber­
gestellt, und es ist gerade die Ordnung der Antithesen, die dem Dichter in
einer Situation der Not und des Unglücks die Hoffnung gibt, dass es bei
68 o E I N KRI E G, D E R N I C H T E N D E N WILL

Not und Elend nicht bleiben wird. Mehr noch als eine bloße Hoffnung for­
muliert Logau eine feste Zuversicht, die er sich verschafft, indem er die Lage
Deutschlands in diesem Krieg als einen Augenblick begreift, der dem Dau­
erhaften und Bleibenden wieder weichen muss. Aus Logaus Versen spricht
die Zuversicht, dass der Krieg die Konstellationen in Deutschland nicht auf
lange Zeit bestimmen wird, sondern nur eine Unterbrechung, eine Störung
ist. Die Gegenüberstellung von Augenblick und Dauer, Situation und Kon­
stellation ist eine Form der Leidensbearbeitung und Unglücksbewältigung
des schlesischen Dichters, die durch eine weitere Form ergänzt wird: die
Kontrastierung des Eigenen und des Fremden. Mit dem Krieg haben sich
Sittenverfall und Lasterhaftigkeit ausgebreitet, aber sie sind ein Fremdim­
port und werden sich gegen die alte deutsche Redlichkeit auf lange Sicht
nicht durchsetzen. Logau schreibt gegen die Furcht an, der nunmehr seit
Jahren zu beobachtende Verfall der Sitten werde eine Rückkehr zum Frü­
heren unmöglich machen; man könne politisch wohl irgendwann Frieden
schließen, aber die sozialmoralische Verfassung der Gesellschaft aus Vor­
kriegszeiten werde damit nicht zurückkommen.
Logau beschreibt die Lage aus einer gewissen Distanz. Nicht seine
eigene Situation bedenkt er, sondern die des Landes, und es geht ihm nicht
um materielle Zustände, sondern um die moralischen Folgen des Krieges.
Die physische Verwüstung Deutschlands ist dagegen ein großes Thema in
der Literatur, die unter dem unmittelbaren Eindruck des Krieges entstan­
den ist: die abgebrannten Häuser, die verheerten Bauernhöfe, die zerstör­
ten Städte. In den Selbstzeugnissen aus der Zeit des Krieges, den Tagebü­
chern und Briefen, geht es zumeist um unmittelbare Ereignisse und deren
Erleben; dabei stehen die materiellen Folgen im Vordergrund, die Verluste
an Hab und Gut, aber auch der Tod von Verwandten und Freunden, dazu
die Beschäftigung mit der Frage, wie man selbst die nächsten Tage und
Wochen überleben wird.83 In den literarischen Zeugnissen des Krieges geht
es durchaus auch um solche Fragen, aber mehr noch darum, was wohl die
längerfristigen Auswirkungen des Unheils sein werden, das über das Land
gekommen ist, und ob es hinter dem Geschehen einen göttlichen Sinn gibt
oder zumindest eine innerweltliche Gesetzmäßigkeit, die aufzudecken
etwas Tröstliches hat. Das ist der Modus einer Leidensbearbeitung und
D ie g r o ß e K la g e : U n g lü c k s b e w ä ltig u n g in L ite r a tu r u n d b ild e n d e r K u n s t 681

Unglücksbewältigung durch Kultur: dass man nach dem verborgenen Sinn


des Elends fragt und sich mit Gottes unergründlichem Ratschluss abmüht
oder sich auf die Suche nach Strukturmustern macht, um die traumatischen
Erlebnisse auf diese Weise zu bearbeiten.
Logau beschreitet den zweiten Weg und schöpft daraus neue Zuver­
sicht: Der Augenblick wird von der Dauer vertilgt werden, und das Fremde
wird dem Eigenen wieder weichen. Krieg, Niedergang und Verfall sind
nicht das letzte Wort. Diese in Anbetracht der materiellen wie seelischen
Verwüstungen beruhigende Konstruktion hatte für das deutsche Selbst­
verständnis einen sehr hohen Preis, der sich bis ins 20. Jahrhundert hinein
bemerkbar gemacht hat: eine Form von Selbstgerechtigkeit, die darin gip­
felte, dass man stets die anderen als die Ursache der Probleme ausgemacht
und fast nie sich selbst in der Verantwortung gesehen hat. Es seien die Frem­
den, die das Eigene malträtierten; man selbst sei das Opfer und die anderen
seien die Täter. Man wehre sich bloß, wenn sie einem auf den Leib rück­
ten. Die eigene Redlichkeit und Tugend komme dabei aber nicht unter die
Räder, sie werde allen Anfechtungen und Herausforderungen zum Trotz
Bestand haben. Logau war nicht der Einzige, der diesen Mechanismus der
Leidensbearbeitung und Unglücksbewältigung nutzte, und weil viele auf
ihn zurückgriffen, wurde er zu einem festen Bestandteil der politischen
Kultur und der kollektiven Mentalität der Deutschen. Thomas Manns zu
Beginn des Ersten Weltkriegs geprägte Formel von der «machtgeschützten
Innerlichkeit» steht ganz in dieser Tradition. Der Dreißigjährige Krieg hat
in Deutschland tiefere Spuren hinterlassen als nur physische Zerstörungen
und demographische Einbrüche.
Das Verhängnisvolle ist, dass Friedrich von Logaus Antithesen ange­
sichts der Geschichte des Dreißigjährigen Krieges unbestreitbare Plausibili­
tät hatten: Der Krieg war in dem nur eingeschränkt zum Reich gehörenden
Böhmen ausgebrochen und hatte von dort aus immer stärker auf Deutsch­
land übergegriffen; danach waren immer mehr ausländische Soldaten
nach Deutschland geströmt und hatten es zum Tummelplatz des Krieges
gemacht: als Erstes Spanier und Italiener, dann Schotten und Iren, Dänen
und Schweden, Polen und Kroaten, zuletzt auch noch Franzosen. Es seien
ja, so eine häufig zu hörende These, überwiegend italienische Offiziere
68 z E IN K R IE G , D E R N IC H T E N D E N W IL L

gewesen, die Wallensteins Ermordung organisiert, sowie Schotten und Iren,


die sie ausgefuhrt hätten. Es wäre Logau jedenfalls nicht schwergefallen zu
sagen, was er mit «den fremden Schanden» konkret meinte. Dagegen ließ
sich leicht eine «deutsche Redlichkeit» konstruieren. Gustav Adolf dürfte
etwas von diesem Gestus der Selbstgerechtigkeit gespürt haben, als er in
seiner Nürnberger Anklagerede den deutschen Offizieren seines Heeres
vorwarf, sie vor allem seien es, die für den Ruin der Sitten und die Ausbrei­
tung des Lasters in Deutschland die Verantwortung trügen.84
Logaus Blick auf den Krieg ist nicht durch eine starke Parteinahme
im Konflikt der Konfessionen geprägt. So erklärt er: »Lutherisch / Päbs-
tisch und Calvinisch / diese Glauben alle drey / / Sind vorhanden; doch
ist Zweiffel / wo das Christentum dann sey.»85 Sehr viel stärker tritt bei
ihm eine nationalpatriotische Parteinahme hervor, in der sich auch die
Eigen-fremd-Antithese wieder zeigt, etwa in dem Gedicht «D er deutsche
Friede»:

Was kostet unser Fried? O, wie viel Zeit und Jahre!


Was kostet unser Fried? O, wie viel graue Haare!
Was kostet unser Fried? O, wie viel Ströme Blut!
Was kostet unser Fried? O, wie viel Tonnen Gut!
Ergetzt er auch dafür und lohnt so viel veröden?
Ja; wem? Frag Echo drumm; wem meint sie wohl?
[Echo.] den Schweden.86

Andreas Gryphius, der sicherlich bedeutendste schlesische Dichter der Zeit,


kam ohne solche Eigen-fremd-Konstruktionen aus. In seinem bekanntes­
ten Gedicht «Threnen des Vaterlandes» aus dem Jahr 1636 beschrieb er in
einem Crescendo der Schrecken den Zustand Deutschlands:

Wir sind doch nuhmer gantz / ja mehr den gantz verheret!


Der frechen völcker schaar / die rasende posaun
Das vom blutt fette schwerdt / die donnernde Carthaun
Hatt alles schweis / vnd fleis / und vorraht auff gezehret.
Die türme stehn in glutt / die Kirch ist vmbgekehret.
D ie g r o ß e K la g e : U n g lü c k s b e w ä ltig u n g in L ite r a tu r u n d b ild e n d e r K u n s t 683

Das Rathaus ligt im graus / die starcken sind zerhawn.


Die Jungfrawn sin dt geschändt / vnd wo wir hin nur schawn
Ist fewer / pest / vnd todt der hertz vndt geist durchfehret.
Hier durch die schantz vnd Stadt / rint alzeit frisches blutt.
Dreymall sindt schon sechs jahr als vnser ströme flutt
Von so viel leichen schwer / sich langsam fortgedrungen.
Doch schweig ich noch von dem was ärger als der todt.
Was grimmer den die pest / vndt glutt vndt hungers noth
Das nun der Selen schätz / so vielen abgezwungen.87

Das ganze Land verheert, Kirche und Rathaus zerstört, die Männer erschla­
gen und die Frauen vergewaltigt; Seuchen greifen um sich, während die
Rriegsgewalt kein Ende nehmen will und immer neue Ströme von Blut
fordert. Das war zunächst die Erfahrung in Schlesien, wo der Krieg schon
früh Einzug gehalten hatte und dann immer wieder das Land verwüstete.
Seit Ende der 1620er Jahre hatte sich die Kriegsgewalt verstetigt und mit der
Vertreibung von Bevölkerungsgruppen verbunden. In den frühen 1630er
Jahren hatte die Pest das Land heimgesucht und ganze Landstriche entvöl­
kert.88Auch Gryphius arbeitet mit Antithesen, doch diese dienen nicht wie
bei Logau dazu, in all dem Niedergang die Zuversicht auf bessere Zeiten
aufrechtzuerhalten, sondern sie überbieten noch einmal im Negativen die
lange Liste der Verheerungen in den ersten Zeilen des Gedichts. Es ist die
Antithese von Diesseits und Jenseits, Immanenz und Transzendenz, die
von Gryphius als Steigerungsfaktor ins Spiel gebracht wird. Damit macht
er geltend, dass es in seiner Sicht noch etwas Schlimmeres gibt als Gewalt
und Elend, Not und Tod: Durch den Zwang zum Glaubenswechsel oder
zum geheuchelten Bekenntnis wird das Seelenheil verspielt. Der Blick von
der Immanenz auf die Transzendenz bietet keine tröstende Hoffnung auf
ein besseres Jenseits, sondern zeigt, wie die Gewalt im Diesseits den Men­
schen auch das Jenseits verstellt.
Gryphius’ Gedicht «Threnen des Vaterlandes» hat freilich noch eine
tiefere Schicht, die der Deutung Ferdinand van Ingens zufolge in der Zah­
lenmystik des «dreimal sechs» aufscheint. A uf den ersten Blick steht die
Formel «dreymal schon sechs jahr» für die achtzehn Jahre, die der Krieg
684 E IN K R IE G , D E R N IC H T E N D E N W IL L

zum Zeitpunkt der Abfassung des Gedichts im Jahr 1636 schon dauerte. Sie
entspricht aber zugleich der Teufelszahl, die auf die Apokalypse aus dem
letzten Buch des Neuen Testaments verweist.89Dort treten vier furchtbare
Reiter auf, als das Lamm die ersten vier Siegel des geheimnisvollen Buches
öffnet. Sie kommen auf einem weißen, einem roten, einem schwarzen
und einem fahlen Pferd daher und verkörpern Tyrannei, Krieg, Teuerung
(Hunger) und Pestilenz (Seuchen). Wenn Gryphius in dem Sonett von der
Kriegsgewalt, der Aufzehrung aller Vorräte und der Pest spricht, um dann
in der letzten Zeile noch die Tyrannei des Glaubenszwangs hinzuzufügen,
dann sieht er in alldem Vorboten des bevorstehenden Weitendes, das Ein­
treten all dessen, was in der Offenbarung des Johannes als Auftakt zum
Jüngsten Gericht beschrieben worden ist. Die Kriegserfahrung steht dafür,
dass das Ende der Zeiten gekommen ist.
Ohne eine solche geschichtstheologische Dramatisierung schildern
Georg Philipp Harsdörffer und Johann Klaj im Genre der Schäferdichtung
den Krieg und seine Folgen. Der Schäfer Clajus, der aus seiner Heimat
Sesemin (ein Anagramm für Meißen) geflüchtet ist, trifft an der Pegnitz,
also in der Nürnberger Gegend, auf den Schäfer Strefon (hinter dem sich
Harsdörffer selbst verbirgt). Die beiden nehmen an einem Sängerwettstreit
teil und treffen auf die unglückliche Pamela, die sich einbildet, «sie were
das arme und in letzten Zügen liegende Teutschland». Sie beschreibt ihren
inneren Zustand so:

Es schlürfen die Pfeiffen / es würblen die Trumlen /


Die Reuter und Beuter zu Pferde sich tumlen /
Die Donnerkartaunen durchblitzen die Lufft /
Es schüttern die Thäler / es splittert die Grufft /
Es knirschen die Räder / Es rollen die Wägen /
Es rasselt und prasselt der eiserne Regen /
Ein jeder den Nechsten zu würgen begehrt /
So flinkert / so blinkert das rasende Schwert.90

Im Vergleich mit Gryphius’ düsteren Zeilen nimmt sich die Harsdörffer-


Klaj’sche Beschreibung des Krieges und seiner Folgen verharmlosend
D ie g r o ß e K la g e : U n g lü c k s b e w ä ltig u n g in L it e r a t u r u n d b ild e n d e r K u n s t 68s

aus; von den Opfern ist nicht die Rede, der Krieg tritt stattdessen als eine
ohrenbetäubende Geräuschkulisse in Erscheinung, die dem Seelenfrieden
der Schäferin Pamela ein Ende gemacht und sie in ekstatischen Taumel
versetzt hat. Er ist also nicht viel mehr als ein in die friedliche Ruhe des
pastoralen Lebens einbrechender Lärm. Aber die zeittypische Schäferdich­
tung hatte sich nicht zur Aufgabe gemacht, die Welt realistisch zu beschrei­
ben, sondern verstand sich als Gegenentwurf zu dem, was die Menschen
als eine sich in rasender Eile verändernde Lebenswelt erfuhren. Das Leben
der Schäfer diente der Imagination einer Rückkehr in die Vergangenheit
eines arkadischen Lebens. Dass selbst die Pastoraldichtung nicht daran
vorbeikam, dem Krieg in Deutschland Tribut zu zahlen, zeigt dessen
Omnipräsenz.
Vermutlich spielen für die unterschiedlichen Wahrnehmungen des
Krieges nicht nur die literarischen Genres, sondern auch die Entstehungs­
regionen der Texte eine Rolle. Nürnberg, wo Harsdörffer und Klajs Text
entstand, war weitgehend vom Krieg verschont geblieben. Im Stellungs­
und Belagerungskrieg von 1632 zwischen Wallenstein und Gustav Adolf
war die Gefahr einmal bedrohlich nahe gewesen,91 ansonsten aber hatte
sich die Kriegserfahrung darauf beschränkt, dass die Stadt Kontributionen
zahlen musste und einige ihrer jungen Männer sich den vorbeiziehenden
Heeren anschlossen, Kriegsherren dienten und oft nicht zurückkehrten.92
Der Krieg stellte keinen so tiefen Eingriff in das städtische Leben dar, wie
das etwa in Schlesien, der Oberpfalz oder in Württemberg und am Ober­
rhein der Fall war.
Den Zustand Schlesiens hat Andreas Gryphius in dem Prosatext
«Freystädtische Fewerstädt» beschrieben: «M an sehe wohin man wolle»,
heißt es nach einer kurzen Erinnerung an Wohlstand und Ordnung, «so
wirdt man die vorigen gutten Gesetze, welche bey oberhandt der Schwer­
ter schweigen müssen, nirgendts als in Büchern, die schönesten Städte in
der Aschen, die berühmtsten Leute vnd rüstige Bürgerschaft! in Gräbern,
vnd was die numehr neunzehenjährige verhergung vber gelassen in vner-
mäßlichem Elend vnd Drangseligkeit antreffen.»93 Der Beschreibung des­
sen, was ist, steht hier nichts gegenüber, kein Jenseits, kein Arkadien und
auch nicht die Aussicht, dass sich der deutsche Nationalcharakter durch
686 E IN K R IE G , D E R N IC H T E N D E N W IL L

den zeitweiligen Einbruch des Fremden schon nicht werde unterkriegen


lassen. Gryphius fasst nur in Worte, was er in seiner Heimat wahrnimmt:
«Denn wird man wol jrgends ein Dorff sehen können, das nicht geplün­
dert, eingerissen, zerschleißt, oder ja gar im rauch inn die Luft geschickt?
Wieviel deroselbigen sind gantz zur Wüsteney; Wieviel zur Brandstädte
worden?»94Man findet in Schlesien nur noch Elend und Zerstörung. Alles
andere liegt in ferner Vergangenheit und ist unwiederbringlich dahin. Gry­
phius’ Beschreibungen sind im buchstäblichen Sinn trostlos, so trostlos,
dass man all diejenigen, die in den zurückliegenden Jahren «durch ver-
giffte Feber vnd hefftige Pestilenzen hingerissen, auch wol von Trawrig-
keitvnnd furcht verschmachtet», glücklich preisen müsse, da sie «die
schrecklichen Plünderungen, Raubereyen, Schläge, wie auch vnerhörete
Laster, so in offenen durchzügen so gar ohne Schew verübet, daß auch wol
der Himmel erblassen, vnd die Erde darüber erzittern mögen, nicht mehr
verschmertzen dürften».95 Wenn der Tod die einzige Alternative zum
gegenwärtigen Leben geworden ist, dann sind auch alle Möglichkeiten
dahin, Leid und Unglück zu bearbeiten und zu bewältigen. Selbst die laute
Klage wird dann zum leisen Wimmern: «Denn wie ein Krancker vnd auff
dem Sichbette langabgematteter Mensch die schärften Angststösse vnd
Schmertzensrisse, mit dehnen er von stetten Wehtagen angegriffen wird,
mit weit kläglicherm Winseln beseuftzet, als wol die letzte Macht, welche
Leib vnd Seele voneinander löset; Gleich so haben die vnsern mit viel tau-
sendt Thränen vnnd Jammerklagen bezeuget, wie tieff Ihnen obermeldete
Trübsalen die Gemütter vnnd Seelen durchschnitten, da sie hergegen die
einäscherung Ihrer Häuser vnnd Städte, als das vor Menschlichen Augen
höchste vnd letzte Vnglück, nicht so sehr mit lautem weinen, als mit stil­
lem, doch viel heftigerm Trawren oder erstarren beschmertzet.»96 Gryhius
schildert einen Zustand, in dem die Tränen versiegt sind und die Trauer
still und schweigend geworden ist.
Nur wenige Jahre später entwirft der evangelische Pfarrer und Lied­
dichter Paul Gerhardt eine pastorale Idylle, in der alle Verheerungen und
Schrecken des Krieges getilgt sind, so als ob es sie nie gegeben hätte. Der
«Sommer-Gesang», Paul Gerhardts berühmtestes Lied, ist zwar erst nach
dem Ende des Krieges entstanden,97 aber es liest sich, als wollte Gerhardt
D ie g r o ß e K la g e : U n g lü c k s b e w ä ltig u n g in L it e r a t u r u n d b ild e n d e r K u n s t 687

ihn ungeschehen machen. Im Bild einer zyklisch erblühenden lieblichen


Natur verblasst jeder Eindruck von Verwüstung und Zerstörung:

Geh aus mein Herz, und suche Freud /


Jn dieser lieben Sommerzeit
An deines Gottes Gaben:
Schau an der schönen Garten-Zier /
Und siehe, wie sie mir und dir
Sich außgeschmücket haben.

Die Bäume stehen voller Laub /


Das Erdreich decket seinen Staub /
Mit einem grünen Kleide:
Narcissus und die Tulipan
Die ziehen sich viel schöner an
Als Salomonis Seyde.

Die Lerche schwingt sich in die Lufft /


Das Täublein fleucht aus seiner kluft
Und macht sich in die Wälder:
Die hochbegabte Nachtigall
Ergötzt und füllt mit ihrem Schall
Berg / Hügel / Thal und Felder.

Die Glukke führt ihr Völcklein aus /


Der Storch baut und bewohnt sein Haus /
Das Schwälblein speißt ihr Jungen
Der schnelle Hirsch / das leichte Reh
Jst froh und kommt aus seiner Höh
Jns tieffe Graß gesprungen.

Die Bächlein rauschen in dem Sand


Und mahlen sich und ihren Rand
Mit schatten reichen Myrten:
688 E IN K R IE G , D E R N IC H T E N D E N W IL L

Die Wiesen ligen hart dabey


Und klingen gantz von Lust-Geschrey
Der Schaff und ihrer Hirten.

[-]

Der Weitzen wächset mit Gewalt


Darüber jauchzet Jung und Alt /
Und rühmt die grosse Güte
Deß / der so überflüssig labt’
Und mit so manchem Gut begabt
Das Menschliche Gemüthe.98

Die Natur selbst verschafft neues Weltvertrauen, aber sie verweist, wie in
der zuletzt zitierten Strophe deutlich wird, auch auf den, der sie geschaffen
hat. Paul Gerhardts «Sommer-Lied» liest sich wie eine Antwort auf die
apokalyptischen Ängste des Andreas Gryphius und vieler anderer Zeitge­
nossen. Die Beschreibung der Bäume und Blumen, der Vögel und Wildtiere,
schließlich der Nutztiere und Kulturpflanzen ist eine einzige große Versi­
cherung, dass der Mensch Vertrauen haben kann zu dem sich im natürli­
chen Gedeihen vollziehenden Wirken Gottes in der Welt. Wie eine Conclu-
sio des Beschriebenen lautet deshalb die siebte Strophe:

Jch selbsen kan und mag nicht ruhn:


Des grossen Gottes grosses Thun
Erweckt mir alle Sinnen:
Jch singe mit / wenn alles singt /
Und lasse was dem Höchsten klingt
Aus meinem Hertzen rinnen.99

Gerhardt setzte den Bildern des Krieges also nicht nur idyllische Natur ent­
gegen, sondern auch ein Gottvertrauen, das der Krieg bei vielen zerstört
hatte: Einem Gott, der solches zuließ, konnte man nicht vertrauen, und
wenn es keinen Gott gab, dem man vertrauen konnte, dann gab es wahr­
D ie g r o ß e K la g e : U n g lü c k s b e w ä ltig u n g in L it e r a t u r u n d b ild e n d e r K u n s t 689

scheinlich überhaupt keinen Gott. Das Wiederaufleben der Natur ist Paul
Gerhardts Zeugnis wider solches Verzweifeln.
Freilich nahm nicht jeder das große Sterben so stoisch hin wie der
Söldner Hagendorf, der selbst schweres Leid erfahren musste. Als er von
Freising nach Straubing kommandiert wird, folgt ihm seine Frau nach, die
gerade ein Kind geboren hat. «Das Kind ist ihr aber unterwegs gestorben,
und sie ist nach etlichen Tagen auch gestorben zu München im Spital. Gott
verleihe ihr samt dem Kind und allen ihren Kindern [die schon zuvor bald
nach der Geburt starben] eine fröhlich Auferstehung, amen. Denn in dem
ewigen seeligen Leben wollen wir einander Wiedersehen. So ist nun mein
Weib samt ihren Kindern entschlafen.»100 Diesem Eintrag von 1633 folgte
zwei Jahre später, nachdem Hagendorf wieder geheiratet hatte, eine neuer­
liche Todesnotiz: «Den 11. November ist mein Weib eines Kindes genesen.
Ist gleich getauft worden. Sein Name ist gewesen Jürg Martin, hat gelebt
24 Stunden. Gott gebe ihm eine fröhliche Auferstehung.»101 Im Jahr 1640:
«Meine Frau ist eines jungen Sohns genesen den 18. Februar. Hat geheißen
Quirinus, hat gelebt 6 Tage und ist gestorben. Gott verleihe ihm eine fröhli­
che Auferstehung.»102 Und im darauffolgenden Jahr: «Den 9. April ist mein
Weib einer jungen Tochter genesen. Ist hier getauft worden zu Tirschen­
reuth, liegt in der Oberpfalz am Böhmer Wald. Ihr Name ist Barbara. Gott
verleihe ihr langes Leben. »D o ch dann: «Den 9. Mai 1641 ist meine Tochter
gestorben zu Ingolstadt. Der liebe Gott verleihe ihr eine fröhliche Auferste­
hung.»103 Wenige Jahre später: «Z u Pappenheim ist mein Weib einer jun­
gen Tochter genesen, dem 3. November im Jahr 1645. Gott verleihe ihr lan­
ges Leben.» Und im nächsten Jahr: «Den 22. August ist mein Töchterlein
gestorben. Margareta. Gott verleihe ihr eine fröhliche Auferstehung.»104
Immerhin, als der Krieg zu Ende ging, hatte Hagendorf mit seiner
zweiten Frau einen sechsjährigen Sohn und eine eineinhalbjährige Tochter,
Melchert Christoff und Anna Maria mit Namen. Den beiden überlebenden
Kindern, über deren weiteres Schicksal wir nichts wissen, weil Hagendorfs
Aufzeichnungen bald nach Kriegsende abbrechen, stehen acht während des
Krieges verstorbene Kinder gegenüber. Nun war die Kindersterblichkeit im
17. Jahrhundert hoch, und der Tod der acht Kinder hatte nicht unmittelbar
mit dem Krieg zu tun; mittelbar indes schon, denn das Leben im Heeres­
690 E IN K R IE G , D E R N IC H T E N D E N W IL L

tross, die dort grassierenden Seuchen und Krankheiten sowie das ständige
Weiterziehen haben die übliche Kindersterblichkeit noch einmal deutlich
erhöht. Folgt man den Aufzeichnungen, so hat Hagendorf das ruhig hinge­
nommen, und so, wie er die Geburt eines Kindes mit dem Wunsch auf ein
langes Leben verbunden hat, so den Tod mit dem Wunsch nach einer «fröh­
lichen Auferstehung». Durch all die Kriegsjahre hindurch blieb für ihn der
Glaube an Gott und das jenseitige Leben zumindest formelhaft ein Halt.

Als ein A uf und Ab von Glück und Unglück hat dagegen Hans Jakob Chris­
toffel von Grimmelshausen den Krieg beschrieben. Die von dem großen
Dichter des Dreißigjährigen Krieges entworfenen Romanfiguren, der
zunächst weltfremde und dann überaus weltkundige Simplicius Simplicis-
simus, die Erzbetrügerin und Landstreicherin Courage und der Soldat und
spätere Kriegsversehrte Springinsfeld, sind Gestalten, die der Krieg hervor­
gebracht, geformt und geprägt hatte. In ihrer Einfältigkeit wie Niedertracht,
ihrem naiven Glücksvertrauen wie reflektierten Lernen aus Erfahrungen
sind sie Typen, die vom Krieg ebenso profitieren, wie sie an ihm leiden.
Sie alle haben sich dem rotierenden Glücksrad der Fortuna anvertraut, also
Gottvertrauen und Gottergebenheit durch die Bereitschaft ersetzt, sich den
Launen des Glücks auszusetzen und durch Entschlusskraft wie Gerissen­
heit das Beste daraus zu machen. Es gibt für sie nichts, auf das sie sich dau­
erhaft verlassen können, immer wieder aufs Neue steigen sie in das Spiel
mit dem Glück ein, das ihnen nach oben verhilft und Reichtümer beschert,
aber sie anschließend auch wieder nach unten reißt und ihnen alles nimmt.
Was Simplicius, Courage und Springinsfeld voneinander unterscheidet, ist
der Umgang mit diesem A uf und A b :105 Simplicius steigt letztlich aus dem
Glücksspiel aus, lässt das Soldatenleben hinter sich und wendet sich einem
sittlichen und frommen Leben zu; die Courage bleibt trotz mehrerer «Aus­
stiege» im Kriegsgeschäft und landet am Schluss bei einer Bande umher­
ziehender Zigeuner, deren Anführerin sie dank ihrer grenzenlosen Durch­
triebenheit wird; Springinsfeld, der im Krieg ein Bein verloren hat und sich
selbst nunmehr als «Stelzvoraus» bezeichnet,106 verliert seine einstige
Unbekümmertheit und wird zum Skeptiker; dennoch kann er von dem
Spiel mit dem Glück nicht lassen. Er ist das Mittelglied zwischen dem reui-
D ie g r o ß e K la g e : U n g lü c k s b e w ä ltig u n g in L ite r a tu r u n d b ild e n d e r K u n s t 691

Es ist ein ganz eigenartiger


Satyr, der auf der Erstausgabe
des Simplicissimus den Leser
begrüßt. Üblicherweise sind
Satyrn Mischwesen aus Mensch
und Ziegenbock. Auf sie ist bis
ins 18. Jahrhundert die literarische
Gattung der Satire zurückgeführt
worden, in die sich auch der
Roman Grimmelshausens
einordnet. Der hier zu sehende
Satyr ist freilich ein Mischwesen
aus Mensch, Bock, Vogel und
Fisch; das Satirische überbietet
sich also selbst. Die Masken auf
dem Boden verweisen auf die
ständigen Identitätswechsel der
Hauptperson, und die Bilder in
dem weit geöffneten Buch zeigen,
dass wir in eine Welt der Gaukler
eintreten: Man muss das Erzählte
durchschauen, wenn man ihm auf
den Grund gehen will.

gen Simplicius und der störrischen Courage. Die drei stehen für die unter­
schiedlichen Möglichkeiten, mit Leid und Unglück zurande zu kommen.
Der Krieg hat die bestehenden sozialen und moralischen Ordnun­
gen aufgelöst. Es gibt keine Strukturen und Bindungen, keine Sitten und
Gewohnheiten mehr, die durch Alter und Tradition selbstverständlich sind.
Das ist der Ausgangspunkt von Grimmelshausens Kriegsromanen: Alles
ist möglich, nichts ist gewiss, der Augenschein kann jederzeit täuschen,
wer sich auf ihn verlässt, geht in die Irre. Indem der Krieg als der große
Zerstörer des Bestehenden und Überkommenen wirkt, ist er zugleich der
Ermöglicher dessen, was «unter normalen Umständen» ausgeschlossen
wäre. Diese Doppelgesichtigkeit des Krieges ist es, die das Pikareske von
Grimmelshausens Erzählungen in Gang setzt: Simplicius, Courage und
Springinsfeld nutzen den Umstand, dass alles möglich ist, zu ihrem Vorteil,
692 E IN K R IE G , D E R N IC H T EN DEN W IL L

nur um dann doch wieder alles zu verlieren, und das Bemerkenswerte dabei
ist, dass es dieselben Verhaltensweisen sind, die sie im einen Fall zu Gewin­
nern und im anderen zu Verlierern machen. Die Orientierung an altherge­
brachten Sitten wie moralischen Regeln ist unter diesen Umständen kein
sicheres Mittel mehr, um unbeschadet durchs Leben zu kommen.
Das beginnt bei der Herkunft der Protagonisten und geht bis zu ihren
wechselnden Identitäten. Simplicius’ Erinnerung beginnt mit dem Ein­
bruch des Krieges in sein Leben, und zwar in Gestalt schwedischer Soldaten,
von denen die Idylle des elterlichen Bauernhofs im Spessart zerstört wird.
Er entkommt dem Überfall und wird schließlich von einem Einsiedler auf­
gezogen, von dem man später erfährt, er sei früher Offizier und Kriegsheld
gewesen. Schon bald macht Simplicius die Erfahrung, dass die Grenzen
zwischen Adel und gemeinem Volk viel durchlässiger sind, als man meinen
möchte, und dass im Krieg Fortuna, die Glücksgöttin, den Menschen ihre
Positionen zuweist und wieder entzieht. Im Rückblick betrachtet Simpli­
cius Fortuna als eine gefährliche Verführerin, ja geradezu als Gegenspie­
lerin Gottes im Ringen um den Menschen: «Wann das Glück einen stür­
zen will, so hebt es ihn zuvor in alle Höhe, und der gütige Gott lässet auch
einen jeden vor seinem Fall so treulich warnen. Das widerfuhr mir auch, ich
nahms aber nicht an !» 107 Der Mensch, so die Lehre, liefert sich dem Glück
selbst aus, und die Macht, die das Glück über sein Schicksal hat, ist umso
größer, je weniger Macht der Mensch über sich selbst hat. Der Krieg aber ist
eine Zeit, in der viele ihren Lüsten und Begierden freien Lauf lassen, weil
alles, was sie daran hindern könnte, außer Kraft gesetzt worden ist. «Meine
Hoffahrt», bekennt Simplicius an anderer Stelle, «vermehrte sich mit mei­
nem Glück, daraus endlich nichts anders als mein Fall erfolgen konnte.»108
Schließlich begreift er, wie Glück und Unglück miteinander Zusammenhän­
gen: «Ich sehe erst zurück und merke, daß mein extraordinari Glück im
Krieg und mein gefundener Schatz nichts anders als ein Ursach und Vorbe­
reitung zu meinem Unglück gewesen, welches mich nimmermehr so weit
hinunter hätte werfen können, da es mich nit zuvor durch solche falsche
Blick angeschaut und hoch erhoben hätte; ja ich fände, daß dasjenige Gute,
so mir begegnet und ich vor gut gehalten, bös gewesen und mich in das
äußerste Verderben geleitet hatte.»109
D ie g r o ß e K la g e : U n g lü c k s b e w ä ltig u n g in L it e r a t u r u n d b ild e n d e r K u n s t 693

Das abenteuerliche Leben des Simplicius ist eine zutiefst moralische


Erzählung, eine Bildungsgeschichte des moralischen Subjekts, das nach
dem Untergang der einst Halt gebenden Mächte den Halt in sich selbst
finden muss. «D a war kein Einsiedel mehr, ders treulich mit mir gemeint,
kein Obrist Ramsay, der mich in meinem Elend aufgenommen, kein Pfarrer,
der mir das Beste geraten.»110 A uf sich allein gestellt, muss Simplicius auf
seine eigene Urteilskraft vertrauen. Der Krieg forciert die Herausbildung
moralischer Persönlichkeiten, die nicht aus Tradition oder institutionellem
Zwang, sondern von sich selbst aus das Gute und Richtige tun und dabei
feststellen, dass ihnen das auf Dauer besser bekommt, als allerhand Gele­
genheiten hinterherzujagen, die sich fast durchweg als trügerisch heraus-
stellen. Wenn man so will, ist das die Grimmelshausen’sche Polemodizee,
die Rechtfertigung des Krieges trotz seiner furchtbaren Zerstörungen: dass
er dem Menschen die Möglichkeit verschafft, aus eigener Reflexion und
Einsicht der zu werden, der er im positiven Sinn sein kann. Der lange Weg
des Simplicius durch viele Abenteuer zu sich selbst erzählt davon.
Wer so in das Feld der Möglichkeiten hineingeschleudert wird, kann
freilich auch ganz anders enden. Das hat Grimmelshausen in der Lebensbe­
schreibung der Erzbetrügerin und Landstörzerin Courage dargestellt, der die
Hauptfigur selbst den Titel Trutz Simplex, Dem Simpel zum Trotz, gege­
ben hat.111 Wie es dieser letztere Titel andeutet, ging es Grimmelshausen
darum, einen der simplicianischen Wende entgegengesetzten Lebensent­
wurf zu zeigen, der beim Spiel mit dem Glück und einem endlosen A uf
und Ab des Schicksals verharrt. Der Courage bleibt eine durch Reflexion
vermittelte Einsicht in ihr Leben verwehrt. Dafür steht bei Grimmelshau­
sen der Umstand, dass sie ihren Lebensbericht nicht selbst aufschreibt, son­
dern einen Schreiber bezahlt, dem sie ihre Lebensgeschichte in die Feder
diktiert - was der Leser aber nicht von der Courage selbst und auch nicht
aus ihrem Lebensbericht erfährt, sondern erst im Springinsfeld, wo sich der
Schreiber des Berichts zu erkennen gibt.112 Die Courage hat den Weg zu
sich selbst nicht gefunden.
Die genaue Herkunft der Courage, die bei einer Säugamme aufwächst,
liegt zunächst im Dunkeln. Sie wird als Kind Libuschka genannt und tritt
später aus Gründen der Verstellung, aber auch infolge zahlreicher Ehe-
694 E IN K R IE G , D E R N IC H T E N D E N W IL L

Schließungen unter wechselnden Namen auf. «M ein natürlicher Vater», so


berichtet sie im Anschluss an eine Reise nach Prag und Prachatitz, «sei ein
Graf und noch vor wenigen Jahren der mächtigste Mann im ganzen König­
reich gewesen. Nun aber sei er, weil er gegen den Kaiser rebelliert habe, des
Landes verwiesen worden und halte sich den neusten Nachrichten zufolge
bei der Hohen Pforte auf, wo er angeblich gar seine christliche Religion
mit der türkischen vertauscht hatte.»113 Aus dem Zusammenhang sowie
späteren Andeutungen ist ersichtlich, dass es sich dabei um den Grafen
Heinrich Matthias von Thurn handeln muss, einen der Anführer des Pra­
ger Fenstersturzes, der den gesamten Krieg über in verschiedenen Armeen
gegen den Kaiser kämpfte und immer wieder neue Projekte zur Rückkehr
der Exilanten nach Böhmen entwarf. Grimmelshausen lässt die notorische
Lügnerin und Betrügerin die natürliche Tochter des notorischen Rebel­
len und Umstürzlers sein, und wie ihr Vater wird sie nie zur Ruhe kom­
men, sondern ein vagabundierendes Leben führen, in dem ein Projekt das
andere jagt und alles sich zu einer endlosen Kette des Scheiterns und der
Vergeblichkeit verbindet.
Es gibt indes durchaus Augenblicke, in denen die Courage erkennt,
was der Krieg aus ihr gemacht hat und dass sie gegen dessen Gewalt nicht
ankommt. Sie bringt nicht die Kraft zu einer simplicianischen Wende auf,
gesteht sich das jedoch nicht ein, sondern macht dafür den Zwang der
äußeren Umstände verantwortlich. «Gern wäre ich in eine andere Haut
geschlüpft, aber sowohl die Gewohnheit als auch die Leute, mit denen ich
täglich umging, ließen nicht zu, dass ich ein besserer Mensch wurde, wie
ja überhaupt die meisten Leute im Krieg eher schlimmer als braver wer­
den.»114 Die Courage berichtet, wie sie immer wieder dem Krieg zu ent­
kommen suchte: Entweder trieben Gier und Habsucht sie zurück, oder der
Krieg ereilte sie dort, wo sie geglaubt hatte, vor ihm in Sicherheit zu sein. Es
gibt im Krieg, so ihr abschließendes Credo, keine Sicherheit, und so sieht
sie keine andere Möglichkeit, als sich auf das stetige A uf und Ab einzulas­
sen. Allen kurzzeitigen Zweifeln zum Trotz bleibt die Courage ein Spielball
der Fortuna.115
Springinsfeld ist der dritte Typ, den Grimmelshausen beschreibt. Wie
Courage kommt auch er als Randfigur bereits in den Abenteuern des Sim-
D ie g r o ß e K la g e : U n g lü c k s b e w ä ltig u n g in L it e r a t u r u n d b ild e n d e r K u n s t 695

plicius vor.116 Im Unterschied zu diesem bleibt Springinsfeld den ganzen


Krieg hindurch Soldat, bis er schließlich ein Bein verliert und sich zuletzt
als Bettler mit allerhand Betrügereien durchschlagen muss. «Ich wurd’ ein
Ball des Glückes, der sich kugeln muss», sagt er von sich selbst, «und geh
nun, weils nicht anders geht, auf einem Stelzenfuß, / stelz vor des Bauern
Tür, im Land von Haus zu Haus, / und bitte da ums liebe Brot, den ich sooft
vertrieb daraus! / Zeig so der ganzen Welt durch mein armseligs Leben, /
dass junge Soldaten alte Bettler geben.»117 Auch dem Springinsfeld ist der
Krieg also auf Dauer nicht bekommen, obwohl er zeitweilig zu beachtli­
chem Reichtum gelangt ist, vor allem nach der Schlacht bei Nördlingen, wo
er auf dem Schlachtfeld einen schwerverwundeten schwedischen Offizier
erschoss, der ihn um Hilfe gebeten hatte. «Ich fand Goldstücke bei ihm, die
ich noch nicht kannte, so groß, wie ich noch nie welche gesehen hatte. Sein
Wehrgehänge war mit Gold- und Silberstickereien verziert, das Degenge­
fäß war aus Silber, und sein Hengst war ein unvergleichliches Soldatenpferd,
wie ich mein Lebtag noch keines bestiegen hatte. Das alles nahm ich mir
und saß auf, als ich Gefahr witterte und mich nicht getraute, noch länger bei
dem Mann zu verweilen oder ihn gar auszuziehen.»118 Doch Springinsfeld
verschleudert seinen Reichtum in kurzer Zeit, und so durchlebt er ein steti­
ges A uf und Ab, und wie die Courage findet er keinen Ausweg.119
Springinsfelds Herkunft weist ihn als einen aus, der für ein ruhiges,
bescheidenes Leben nicht geschaffen ist. Seine Mutter, eine reiche Griechin
vom Peloponnes aus einem alten und vornehmen Geschlecht, hatte sich als
junge Frau in einen albanischen Gaukler und Seiltänzer aus ärmlichen Ver­
hältnissen verliebt und war mit ihm und seiner Komödiantentruppe durch
den Balkan gezogen.120 Springinsfeld kam zur Welt. Bei einem Sturz vom
Seil fand der Vater den Tod; die Mutter heiratete einen anderen Mann aus
der Truppe, und die beiden zogen mit Springinsfeld weiter, bis dieser auf
einem auslaufenden Schiff mit mehr oder weniger freiwillig angeworbenen
Soldaten landete, wo die Soldatenzeit des jungen Springinsfeld begann. Für
die ersten Jahre gerät er in den niederländischen Krieg, wechselt dann auf
den deutschen Kriegsschauplatz und macht den Dreißigjährigen Krieg
von den frühen 1620er Jahren bis zu seinem Ende mit. Im Unterschied
zum Abenteuerlichen Simplicissimus sind die Courage und der Springinsfeld
696 E IN K R IE G , D E R N IC H T E N D E N W IL L

Erzählungen, die den gesamten Kriegsverlauf zum Hintergrund haben.


Springinsfeld kann das Geschehen auch distanziert beobachten, wie es
die ganz auf Gewinn und Verlust konzentrierte Courage nicht vermag. So
vergleicht er etwa den Krieg in den Niederlanden mit dem in Deutschland
und kommt dabei zu dem Ergebnis, dass die Verdienstmöglichkeiten und
Lebensverhältnisse der Soldaten sich kontinuierlich verschlechtert hätten.
Das habe schließlich das ganze Land ruiniert: «Denn wenn ich den dama­
ligen Krieg [in den spanischen Niederlanden] mit dem letzten vergleiche,
dann war jener golden und dieser eisern. In jenem wurden die Soldaten
ausbezahlt und eingesetzt, aber mit ihrem Leben wurde nicht leichtfertig
gespielt. In diesem hingegen blieben sie unbezahlt. Dafür wurden die Län­
der ruiniert und durch Schwert und Hunger sowohl die Bauern als auch die
Soldaten aufgeopfert, so dass man zuletzt fast gar nichts mehr bekommen
konnte.»121
Es sind unterschiedliche Konservatismen, mit denen Simplicius und
Springinsfeld auf die Veränderungsdynamik des Krieges reagieren. Spring­
insfeld klagt darüber, dass der große Beschleuniger Krieg sich inzwischen
selbst so beschleunigt habe, dass keiner mehr von ihm profitiere und alles
in den Abgrund gerissen werde, Bauern wie Soldaten. Das ist in seinen
Augen eine Pervertierung des Krieges, sollten doch die Bauern Opfer und
die Soldaten Profiteure sein: «Die Soldaten sind dazu erschaffen, die Bau­
ern zu piesacken, und wer von ihnen das nicht tut, der hat seinen Beruf
verfehlt», erklärt er der Mutter des Simplicius.122 Simplicius’ Konserva­
tismus dagegen zielt auf die Wiederherstellung der Vorkriegsverhältnisse,
die Rückkehr zum bäuerlichen Leben, das er zumindest seinen schließlich
wiedergefundenen Eltern mit Hilfe der aus dem Krieg geretteten Gelder
ermöglicht. Aber wer das friedliche Leben des Landmanns führe, wisse
das oft nicht zu schätzen und sehne sich nach anderem und Höherem, so
dass «all solche Übel von der Güte des Allerhöchsten zu unserm Nutz off
notwendig haben verhängt werden müssen».123 Der Krieg ist der von Gott
eingesetzte Erzieher der Menschen, so die oben schon erläuterte simpli-
cianische Polemodizee, die zur Theodizee wird, zur Rechtfertigung Gottes
angesichts der Übel in der Welt.
D ie g ro ß e K la g e: U n g lü ck sb e w ä ltig u n g in L ite ra tu r u n d b ild e n d e r K u n s t 697

Springinsfeld, der von Grimmelshausens drei Typen seine Position am


wenigsten markant vertritt und sich eigentlich darauf beschränkt, die frü­
here Art der Kriegführung zurückzufordern, verkörpert eine Idee, die auch
Jacques Callots berühmtem Zyklus Les Miseres et les Malheurs de la Guerre
- das Elend und das Unglück des Krieges - zugrunde liegt. Zumeist werden
die Stiche Callots als eine einzige Anklage des Krieges interpretiert, als ein
Appell, diesen Krieg zu vermeiden oder so schnell wie möglich zu beenden.
Diese Sicht kann man im Sinne der obigen Überlegungen als spät-simp-
licianisch bezeichnen,124 aber sie trifft die Intentionen Callots wohl nicht.
«Callot verurteilt nicht den Krieg an sich», so die Historikerin Angelika
Lorenz, «sondern dessen Begleiterscheinungen, die entstehen, wenn die
Menschen die Gesetze von Ordnung und Disziplin zügellos übertreten.
Der Krieg ist für ihn die Folie, um vor ihr in drastischer Konsequenz den
Gesetzesbruch und die ihm folgenden Strafen zu exemplifizieren.»'25 Im
Prinzip geht es Callot um den Gegensatz zwischen disziplinierten und
undisziplinierten Soldaten sowie den Einsatz von Militär, um dem Treiben
der Marodeure ein Ende zu machen und die Verbrecher ihrer Strafe zuzu­
führen. Der aus achtzehn Radierungen bestehende Zyklus Callots mit den
jedem Blatt beigegebenen Kommentaren des Abbe Michel de Marolies ist
als eine Aufforderung zu verstehen, militärische Disziplin zu wahren und
dem Kriegsrecht wieder Geltung zu verschaffen, und kann darum Hugo
Grotius’ 1625 erschienenem großen Werk De iure belli ac pacis libri tres zur
Seite gestellt werden.
Callot hat als Lothringer die Kriege in den Niederlanden und in
Deutschland aus einer randständigen, aber keineswegs unbeteiligten Posi­
tion miterlebt. Zur Belagerung von Breda ist er angereist, um sich einen
Eindruck vom Belagerungskrieg zu verschaffen.126 Als sich der lothringi­
sche Herzog Karl offen auf die Seite des Kaisers und gegen Ludwig X III.
stellte, führte das jedoch dazu, dass französische Truppen in das Herzog­
tum eindrangen und seiner politischen Selbständigkeit ein Ende machten.
Auch hatte Karl, dessen Herzogtum eine Fülle von Gebieten enthielt, die
unter der Souveränität der französischen Krone standen, während das Her­
zogtum als Ganzes als Reichslehen galt, immer wieder Adlige bei sich auf­
genommen, die gegen Ludwig X III. rebelliert hatten. Mit der Konsolidie-
Jacques Caüot, «D ie Anwerbung der Truppen», aus dem Zyklus Les
Miseres et les Malheurs de la Guerre (1633).

rang des französischen Staates gerieten «Zwittergebilde» wie Lothringen


oder auch Savoyen zwangsläufig in den Kampf um die Macht in Europa.127
In dem Jahr, als französische Truppen Nancy eroberten, hat Callot seinen
Kriegszyklus in Paris veröffentlicht. Er war in Sorge, dass der Konflikt um
seine Heimat einen ebenso furchtbaren Charakter annehmen könnte wie
der Krieg in Deutschland. Deshalb kann der Zyklus über das Elend und
Unglück des Krieges auch als Mahnung begriffen werden, es nicht so weit
kommen zu lassen.
Die nach dem Titelblatt zweite Radierung des Zyklus zeigt im Hin­
tergrund links eine befestigte Stadt mit Türmen und Bastionen, im rech­
ten Bildvordergrund unter einem Baum die hinter einem Tisch sitzenden
Werbeoffiziere und davor Männer, die sich für den Kriegsdienst anwerben
lassen. Ansonsten sehen wir auf dem Bild Gruppen von Pikenieren und
Musketieren, dazu Offiziere, die versuchen, die frisch geworbenen Männer
in Formation zu bringen, damit sie am Ende des Tages vor dem Regiments­
inhaber geordnet vorbeimarschieren können. Marolles’ französischer Bild­
text lautet in deutscher Übersetzung: «Was Plutos [der Gott des Reich­
tums] unablässig hehlt in seinem Schacht, / Metall, das gleicherweise Krieg
und Frieden macht, / das läßt den Krieger, der nicht scheut Gefahr und
Mühen, / aus seiner Vaterstadt in fremde Lande ziehen. / Fernhin verschifft,
D ie g ro ß e K lag e: U ng lü ck sbew ältig u n g in L iteratu r u n d b ild en d e r K u n st 699

reiht er dem Heeresbann sich ein. / Wider das Laster muß er stark gewapp­
net sein.»128 Der Krieg wird hier nicht grundsätzlich abgelehnt; vielmehr
wird geltend gemacht, dass die Soldaten, um ihre Aufgabe erfüllen zu kön­
nen, doppelt gewappnet sein müssen: gegen die Waffen des Feindes und
gegen die Laster, die es im Krieg besonders leicht haben, von den Men­
schen Besitz zu ergreifen.
Auch das dritte Blatt mit dem Titel «Die Schlacht» bringt keine ableh­
nende Grundhaltung zum Ausdruck. Im Hintergrund nur schemenhaft
erkennbar sind der Kampf zweier Infanterieblöcke, aufgestellte Lanzen, die
kurz vor dem Aufeinanderprall beider Seiten gesenkt werden, dazu Fahnen
und über allem starker Qualm, der wohl von Artilleriefeuer stammt. Im
Vordergrund ein Reitergefecht; in der rechten Bildhälfte das heranspren­
gende zweite Treffen der einen Seite, vorweg der Kommandeur mit gezück­
tem Schwert, das seinen Männern die Angriffsrichtung weist, in der dritten
Angriffsreihe gut zu sehen ein Trompeter, der zum Sturm bläst. In der Bild­
mitte ganz vorn verendete Pferde und einige getötete Soldaten, verstreute
Ausrüstungsgegenstände, die darauf schließen lassen, dass die von rechts
angreifenden Reiter im Begriff sind, den Gegner zurückzuwerfen. Marolles’
Text kommentiert: «Was Mars auch weiß an harten Stößen zu versetzen, /
an Schlägen allzumal, die manchen grob verletzen, / so ficht das nicht den
Mut des Unerschrocknen an, / der ohne Wanken den Gewittern trotzen
kann / und der, um sich den Ruhm des Kriegers zu erwerben, / mit seiner
Feinde Blut muß seinen Lorbeer färben.»129 In der Abbildung der Schlacht
hat der Krieg seinen Höhepunkt erreicht; es gibt Sieger und Verlierer. Was
jetzt noch folgen könnte, wäre der Blick auf ein verlassenes Schlachtfeld,
der Einzug des Siegers in die Hauptstadt des bezwungenen Gegners, die
Unterzeichnung der Kapitulationsurkunde oder des Friedensvertrags,
anschließend der Abzug und die Abdankung der Truppen. So jedenfalls
wäre es bei einem Krieg der Westfälischen Ordnung oder bei Kriegen frü­
herer Zeiten zu erwarten gewesen.
Nicht jedoch beim Dreißigjährigen Krieg, und so beginnt die Dar­
stellung des für ihn typischen Elends und Unglücks bei Callot erst nach
der Schlacht. Dafür stehen vor allem die fünf Blätter mit den Titeln «Die
Plünderung», «Die Plünderung auf einem Bauernhof», «Die Zerstörung

ex jjlcn ts d e ces coou-rs 'mhummns J d / v n jjo u r


ra iia g e n tjea r tm itm en. n e c h a ^ e & leier m aerrr JÜ au trearm l 1

Das fünfte Bild aus Callots Zyklus, «D ie Plünderung auf einem


Bauernhof».

eines Klosters», «Zerstörung und Verbrennung eines Dorfes» und «Der


Überfall auf die Kutsche». Die Gewalt breitet sich im Land aus und richtet
sich nicht mehr gegen den bewaffneten Feind, sondern gegen eine weit­
hin wehrlose Bevölkerung; es geht nicht mehr um den Sieg, sondern um
die persönliche Bereicherung der Marodeure, die sich aus disziplinierten
Soldaten in Raub- und Mordgesellen verwandelt haben. Stellvertretend
für diese fünf Radierungen soll hier «Die Plünderung auf einem Bauern­
h o f» 130 beschrieben werden.
Man sieht den Innenraum eines stattlichen Bauernhofs, in den mehr
als ein Dutzend Soldaten eingedrungen sind, erkennbar an ihren breit-
•m u c n te d t ’ .r ^ J u p p t t c e s , J L t t o u s ch m in e f i n e a c c o r d c a in m e lT e n t m e ^ h a m m e - r U -

-'3»er in im e je s c o t iv p llc p s / L e v o l , le T a p t ,l e m c w ~ tr e , e t le v w le m e n t' , f

krempigen Hüten, die sie von den Bewohnern des Hofs unterscheiden. In
der vorderen Bildmitte sind Soldaten um einen Tisch versammelt, auf dem
geschlachtetes Federvieh liegt, daneben tote Schafe und Ferkel. Einer der
Eindringlinge versucht, mit seiner Hellebarde Vorräte herunterzuholen, die
an der Decke des Raums aufgehängt sind, während auf der rechten Bild­
seite jemand eine Leiter bestiegen hat, um an Würste zu gelangen. Davor
werden in der Nähe einer Tür Wandverkleidungen entfernt, wohl weil man
dahinter Schätze zu finden hofft. Wie die auf dem Boden stehenden Kis­
ten und Truhen zeigen, die von einem Soldaten durchsucht werden, war
die Vermutung nicht falsch, dass der Bauer seine Wertsachen versteckt hat.
702 E IN K R IE G , D E R N IC H T E N D E N W IL L

Womöglich hat das auch die im Hintergrund gefolterte Person verraten. Sie
baumelt mit dem Kopf nach unten über einem qualmenden Feuer; dane­
ben sitzt eine weitere Person, die dazu gezwungen wird, ihre Füße ganz
nahe an die Flammen zu halten. Sie wird von einem hinter ihr stehenden
Soldaten offenbar gewürgt. Im Hintergrund der Bildmitte ein großes Bett,
auf dem eine Frau von zwei Soldaten vergewaltigt wird; andere stehen
daneben, einer davon mit hocherhobenem Humpen, sie warten darauf,
dass sie «an der Reihe» sind. Links vom Bett gibt eine Tür den Blick auf
einen Raum mit großen Fässern frei, aus denen sich die Soldaten mit Bier
oder Wein versorgen, links daneben stehen Männer in drohender Haltung
vor einer Person, die vor ihnen auf die Knie gefallen ist und sie anfleht. Im
Vordergrund der linken Bildhälfte ein Soldat, der einem auf den Rücken
geworfenen Mann die Degenspitze an den Hals gesetzt hat; ganz am linken
Bildrand ein weiterer Soldat, der eine mit ihrem Kind flüchtende Frau am
Haar gepackt hat. Vergewaltigt wird im Übrigen nicht nur auf dem großen
Bett in der Bildmitte, sondern auch in einem kleinen Raum hinter einer Tür
auf der rechten Bildhälfte. Ganz rechts verlässt ein Soldat mit einem großen
Packen auf dem Rücken den Raum. Marolles’ Kommentar zu diesem Bild
lautet: «Die Schurken tun sich noch mit ihren Streichen groß, / verheeren
alles rings und lassen nichts mehr los, / der eine foltert, bis sie ihm das Gold
verraten, / der andre stachelt auf zu tausend Missetaten, / und insgeheim
vergehn sie sich an alt und jung / mit Diebstahl, Raub, Mord, Vergewal­
tigung.»131
Eine in vieler Hinsicht vergleichbare Gewaltszene findet sich am
Anfang von Grimmelshausens Der abenteuerliche Simplicissimus: Die Reiter,
die den elterlichen Bauernhof im Spessart überfallen, «durchstürmten das
Haus unten und oben; ja das heimlich Gemach war nicht sicher, gleichsam
ob wäre das golden Fell von Kolchis darinnen verborgen. Andere mach­
ten von Tuch, Kleidungen und allerlei Hausrat große Päck zusammen, als
ob sie irgends einen Krempelmarkt anrichten wollten; was sie aber nicht
mitzunehmen gedachten, wurde zerschlagen; etliche durchstachen Heu
und Stroh mit ihren Degen, als ob sie nicht Schaf und Schwein genug zu
stechen gehabt hätten; etliche schütteten die Federn aus den Betten und
fülleten hingegen Speck, andere Dürrfleisch und sonst Gerät hinein, als ob
D ie g ro ß e K lag e: U n g lü ck sb ew ältig u n g in L ite ra tu r u n d b ild e n d e r K u n st 703

alsdann besser darauf zu schlafen gewest wäre. [... ] Unsere Magd ward im
Stall dermaßen traktiert, daß sie nicht mehr daraus gehen konnte, welches
zwar eine Schand ist zu melden. Den Knecht legten sie gebunden auf die
Erd, steckten ihm ein Sperrholz ins Maul und schütteten ihm einen Melk­
kübel voll garstig Mistlachenwasser in Leib: das sie ein schwedischen Trunk
nenneten, wodurch sie ihn zwungen, ein Partei [eine weitere Gruppe von
Reitern] anderwärts zu führen, allda sie Viehe und Menschen hinwegnah­
men und in unsern H of brachten, unter welchen mein Knan [Vater], meine
Meuder [Mutter] und unser Ursele [Simplicius’ Schwester] auch waren. Da
fing man erst an, die Steine [Zündsteine] von den Pistolen und hingegen an
deren Statt die Bauren Daumen aufzuschrauben und die arme Schelmen so
zu foltern, als wenn man hätt Hexen brennen wollen, maßen sie auch einen
von den gefangenen Bauren bereits in Backofen steckten und mit Feuer hin­
ter ihm her waren, man gesehen er noch nichts bekennt hatte. Einem andern
machten sie ein Seil um den Kopf und raitelten [drehten] es mit einem Ben­
gel [Prügel] zusammen, daß ihm das Blut zu Mund, Nas und Ohren her­
aussprang. [... ] Allein mein Knan war meinem damaligen Bedünken nach
der glückseligste, weil er mit lachendem Munde bekennete, was andere mit
Schmerzen und jämmerlicher Wehklag sagen mußten; und solche Ehre
widerfuhr ihm ohne Zweifel darum, weil er der Hausvater war; dann setz­
ten sie ihn zu einem Feuer, banden ihm, daß er weder Händ noch Füß regen
konnte, und rieben seine Fußsohlen mit angefeuchtetem Salz, welches ihm
unser alte Geiß wieder ablecken und dadurch so kützeln mußte, daß er vor
Lachen hätte bersten mögen. [... ] In solchem Gelächter bekannte er seine
Schuldigkeit und öffnete den verborgenen Schatz, welcher von Gold, Perlen
und Kleinodien viel reicher war als man hinter Bauren hätte suchen mögen.
Von den gefangenen Weibern, Mägden und Töchtern weiß ich sonderlich
nichts zu sagen, weil mich die Krieger nicht Zusehen ließen, wie sie mit
ihnen umgiengen. Das weiß ich noch wohl, daß man hin und wieder in den
Winkeln erbärmlich schreien hörte; schätze wohl, daß es meiner Meuder
und unserm Ursele nit besser gangen als den andern.»132
Die bei Callot auf fünf Blättern ausführlich dargestellten Verbrechen
der Marodeure enden, wie auf der neunten Radierung zu sehen, mit der
Entdeckung und Festnahme der Übeltäter durch eine Soldateneinheit, die
704 E IN K R IE G , D E R N IC H T E N D E N W IL L

losgeschickt wurde, um die Bevölkerung vor den schlimmsten Verbrechen


zu schützen. A uf einer Lichtung werden die Marodeure zusammengetrie­
ben und entwaffnet. Einige verstecken sich im Unterholz, werden aber, wie
am linken Bildrand zu sehen, von mit Spießen bewaffneten Männern auf­
gestöbert. Ein Offizier zu Pferde, offenbar der Profos des Regiments, führt
den Zug der Festgenommenen, an dessen Spitze ein gebückter Fährtenle­
ser zu sehen ist, der weiteren Räubern und Plünderern auf der Spur ist. Es
handelt sich also nicht um eine Zufallsentdeckung; die Kommandeure des
Heeres sind gewillt, systematisch gegen das Marodeurstum vorzugehen.
Marolies’ Kommentar lässt keinen Zweifel an dem, was die Gefangenen
erwartet: «Nachdem sie manche schnöde Missetat begangen, / versuchet
man mit Fleiß, die Schändlichen zu fangen. / Nichtswürdig, ohne Ruhm,
sieht man die Bösen hier, / wie sie der Feldprofoß verbringt ins Standquar­
tier. / Schon lauert das Gericht, die Strafe wird entsprechen / den allzulang
verübten schrecklichen Verbrechen.»133
Den fünf Blättern mit den Gewaltszenen der Marodeure korrespondie­
ren fünf Blätter, auf denen Callot die unterschiedlichen Bestrafungen dar­
gestellt hat, denen die Marodeure zugeführt werden: «D er Wippgalgen»,
«Die Gehenkten», «Die Erschießung», «D er Scheiterhaufen» und «Das
Rad». In den Bildunterschriften erläutert Marolles, wofür der Delinquent
verurteilt wurde und weshalb gerade diese Strafe an ihm vollzogen wird.
Die anwesenden Heereseinheiten werden nicht aufgeboten, um zu verhin­
dern, dass die Straftäter von der aufgebrachten Bevölkerung befreit oder
aber massakriert werden, sondern um ihnen vor Augen zu führen, womit
sie rechnen müssen, wenn sie Verbrechen begehen und gegen die Solda­
tendisziplin verstoßen. Der Adressat des Strafvollzugs ist das Militär selbst,
weswegen auf Callots Radierungen nur sehr wenige Zivilpersonen zu sehen
sind, während die Soldaten so aufgestellt wurden, dass sie zur Exekution
blicken - was sinnlos wäre, wenn es darum ginge, den Vollzug der Strafe
gegen Zivilisten zu sichern.
Eines der fünf Blätter, das mit dem Titel «Die Gehenkten», zeigt die
Strafe für Diebstahl und Plünderung. Es hat den engsten Bezug zu den
Verbrechen bei der «Plünderung auf einem Bauernhof». Marolles’ Kom­
mentar lautet: «Uns zeigt das Diebsgesindel, das hier dicht gedrängt / wie
J B r tjue cs/h leJJefh n
des hovimes w -ietuc
Defprcnuter to jl ou. ta rd la iu ß lce des Cum .s . V

Jacques Callot, «D ie Gehenkten».

unheilvolles Obst an einem Baume hängt, / daß das Verbrechen selbst /


(verrufne, finstre Sache) / schon sei ein Instrument der Züchtigung und
Rache; / denn früher oder später stellt den Bösewicht / ein unerbittlich Los
vors himmlische Gericht.»134Rechts und links des mächtigen Galgenbaums
sind mehrere Regimenter in Reih und Glied angetreten; sie haben Gefechts­
formation eingenommen, vorn die Musketiere mit geschultertem Gewehr,
dahinter die Pikeniere mit hochgerichteten Lanzen, die wie eine Umzäu­
nung der Hinrichtung wirken; in den Musketierpelotons die entrollten Regi­
mentsfahnen, die den offiziellen Charakter des Ereignisses unterstreichen.
Zwischen den beiden Fronten des Militärs ist eine Zeltstadt zu sehen, was
daraufhindeutet, dass die Exekution in unmittelbarer Nähe des Feldlagers
stattfindet. Doch all das ist nur die Staffage für das Geschehen im Bildzent­
rum: An einem gewaltigen alten Baum mit ausladenden Ästen hängen etwa
zwei Dutzend Männer, die Beine leicht gespreizt, die Leichname im Winde
schaukelnd. Links unterhalb des Baumes stehen Unteroffiziere mit Helle­
barden, die die Exekution überwachen, sowie weitere Delinquenten, die auf
ihre Hinrichtung warten; dazu zwei Geistliche, die diese darauf vorbereiten,
einer mit erhobenem Kreuz auf einer an den Baum gelehnten Leiter. Rechts
unterhalb des Baumes sind ebenfalls Hellebardenträger zu sehen sowie zwei
weitere Delinquenten, die auf einer Trommel ihre Habseligkeiten abliefern.
Womöglich würfeln sie nach Landsknechtstradition um ihr Leben. Zuvor
706 E IN K R IE G , D E R N IC H T E N D E N W IL L

mussten sie Stiefel und Obergewand ablegen, wie die Hüte und Kleider im
vorderen Bildzentrum zeigen. Der Weg zum Galgenbaum ist einer der Ent­
kleidung all dessen, was die Männer als Soldaten gekennzeichnet hat; die
Leiber der Baumelnden sind nur noch mit einem Hemd bekleidet. Vor der
Hinrichtung wird dem Soldaten die Ehre genommen. Dass die Exekution
noch einige Zeit weitergehen wird, lassen nicht bloß die unter dem Baum
auf den Tod Wartenden vermuten, sondern auch ein am äußersten rechten
Bildrand noch mit Stiefeln, Hose und Obergewand Herangeführter, dem
ein Mönch Trost für seinen letzten Gang zuspricht.
Callots Radierungen sind, zumindest was die ersten vierzehn Blätter
anbetrifft, auch eine Bearbeitung des Elends und eine Bewältigung des
Unglücks. Sie zeigen, gemessen an den Gepflogenheiten der Kriegführung
und beurteilt nach dem Recht des Krieges, aus der Bahn geratene Gewalt
in ungeschönter Deutlichkeit, aber sie führen auch vor, wie diese Gewalt
abgestraft wird - und das in einer Härte und Konsequenz, dass heutige
Betrachter der Callot sehen Radierungen häufig Mitleid mit den Marodeu­
ren haben. Dabei wird meist übersehen, dass es nicht nur um die Genugtu­
ung ging, die dem zeitgenössischen Betrachter der Bilder im Nachhinein
verschafft wurde, sondern ebenso darum zu zeigen, dass die Führung des
Heeres bemüht war, das Marodeurswesen so weit wie möglich einzudäm­
men. Callot beschränkt sich nicht darauf, die Gewalt des Unrechts ins Bild
zu setzen, vielmehr führt er auch die Gewalt des Rechts vor Augen. Das Ver­
trauen, dass sich die Ordnung gegen die andringenden Kräfte ihrer Zerstö­
rung selbst behaupten kann, wird so wiederhergestellt. Ob unrechtmäßige
und strafende Gewalt dazu das richtige Mittel ist, steht auf einem anderen
Blatt; Callots Radierungen bilden ihrer Intention nach in jedem Fall einen
strikten Gegensatz zu den apokalyptischen Darstellungen des Krieges.
Der Dreißigjährige Krieg war jedoch schon aufgrund seiner Dauer
kein Krieg, dessen Schrecken sich durch eine solche Komplementarität der
Gewaltdarstellung bewältigen ließ. Deswegen endet Callots Zyklus auch
nicht mit der Hinrichtung eines Delinquenten auf dem Rad, sondern setzt
sich in vier weiteren Bildern fort: «Das Hospital», «Sterbende am Stra­
ßenrand», «Die Rache der Bauern» und «Die Verteilung der Belohnun­
gen». Die ersten beiden Radierungen zeigen die Folgen der Kriegsgewalt
MW

Jacques Callot, «D ie Rache der Bauern».

ohne Gegenüberstellung von Recht und Unrecht, also schlichtweg das, was
die auf dem dritten Bild des Zyklus dargestellte Schlacht am Leib der Sol­
daten hinterlässt: Verstümmelungen und tödliche Wunden. Der vorletzte
Stich zeigt einen der alternativen Vorgänge zur Wiederherstellung der Ord­
nung durch das Militär selbst: Bauern haben eine Militärkolonne in einen
Hinterhalt gelockt und machen die Soldaten mit Sensen und Spießen,
Knüppeln und Dreschflegeln gnadenlos nieder - was mit dem Fortgang des
Krieges immer häufiger vorgekommen ist. Im Mittelpunkt der Radierung
steht eine Szene, in der den getöteten Soldaten ihre Habseligkeiten geraubt
und schließlich auch ihre Kleider vom Leib gerissen werden. Im Vergleich
weckt das fünfzehnte Bild mit dem Titel «Das Hospital», das einen Strom
von Versehrten zeigt, die an ihren breitkrempigen Hüten als ehemalige Sol­
daten erkennbar sind, Hoffnung auf ein Ende des Leids. Man sieht Männer
mit einem oder zwei Stelzfüßen, einige mit Krücken, andere, die nur noch
kriechen können. Es ist das Elend des Krieges, das sich hier versammelt
hat. Aber in der unteren rechten Bildhälfte werden die Verarmten und Ver­
sehrten gespeist. Die von einer Mauer geschützte Stadt mit ihrer großen
Kirche im Zentrum wirkt vom Krieg unberührt und bereit, die Elenden
aufzunehmen. Das Bild zeigt damit zugleich die Schrecken des Krieges wie
die Wiederherstellung von Mitgefühl und Ordnung.
Mit den drei Schreckensbildern lässt Callot es indes nicht bewenden; er
708 E IN K R IE G , D E R N IC H T E N D E N W IL L

schließt seinen Zyklus mit einer Radierung ab, die so gar nicht zum Thema
Elend und Unglück passen will: «Die Verteilung der Belohnungen». Das
Geschehen spielt sich in einem palastähnlichen Raum ab, in dessen Mitte
ein Herrscher thront, der die zu beiden Seiten seines Podiums stehenden
Offiziere belohnt. Es sind ausnahmslos hochrangige Militärs, die in der
dargestellten Szene befördert und beschenkt werden: auf der linken Bild­
seite, den Fahnen nach zu urteilen, die Kommandeure von Fußtruppen,
auf der rechten Bildseite offenbar Kavallerieoffiziere. Sie haben den Krieg
überlebt, gehören der Siegerpartei an und nehmen nun die Ehrungen und
Geschenke entgegen, um derentwillen sie in den Krieg gezogen sind. Das
sind vermutlich nicht nur Halsketten und Brustbänder, wie sie links des
Thrones überreicht werden, sondern auch Geldgeschenke und Ländereien
als materielles Unterpfand der immateriellen Ehre.
Während das Bild keine Frage offenzulassen scheint, ist Marolies Text
irritierend: «Dies ist ein Offizier, gerecht und beispielhaft; / wie er die
Guten lohnt und auch die Bösen straft, / muß die Soldaten wohl bei ihrer
Ehre greifen, / kann ihnen doch das Glück nur aus der Tugend reifen, / und
für das Laster zahlt man, wie ein jeder weiß, / mit Schande, Schimpf und
Folter einen hohen Preis.»135 Die Bildunterschrift könnte so verstanden
werden, als seien hier die Guten wie die Bösen zu sehen, als werde sowohl
über die Tugend als auch über das Laster abgerechnet. Dieser Deutung
nach müssten die zur Linken des Offiziers Befindlichen die Bösen und
Lasterhaften sein, denen Schimpf und Schande und womöglich sogar die
Folter droht. Dafür gibt es in Callots Darstellung jedoch keine Anhalts­
punkte. Marolies’ «wie ein jeder weiß» ist wohl auf die vorangegangenen
Bilder bezogen, auf denen die Bestrafung der Übeltäter dargestellt wurde,
während es auf dem letzten Bild nur noch um «die Verteilung der Beute»
geht, wie Bernd Schuchter angemerkt hat.136 Man kann in der Radierung
freilich auch einen kritischen Kommentar zu den üblichen Ehrungen und
Feiern nach Beendigung eines Krieges sehen - jedenfalls wenn man das
Bild nicht für sich betrachtet, sondern es in den Gesamtzusammenhang des
Zyklus stellt. Dann nämlich bekommen die Belohnungen einen faden Bei­
geschmack angesichts der Marodeure, die von den Offizieren nicht unter
Kontrolle gehalten worden sind, sich bei ihren Überfällen und Raubzügen
D ie g ro ß e K lag e: U n g lü ck sb ew ältig u n g in L ite ra tu r und b ild e n d e r K u n st 709

aber sicher nur geringere Werte angeeignet haben, als sie hier großzügig
verteilt werden. Die Versehrten vor dem Hospital und die Sterbenden am
Wegrand (sechzehntes Bild) stünden dann nicht nur für die unvermeidli­
chen Folgen des Krieges, sondern wären auch die Negativfolie zur Vergabe
von Belohnungen auf dem letzten Blatt des Callot’schen Zyklus.

Einen etwas anderen Tenor haben die fünfundzwanzig Radierungen Hans


Ulrich Francks, der seine Arbeiten in Augsburg, also einem der Zentren
des Kriegsgeschehens, angefertigt hat.137 Die später unter dem Titel Kriegs­
serie zusammengefassten Stücke sind zum Teil noch während des Krieges,
zum Teil aber auch erst danach entstanden. Im Vergleich zu Callot kannte
Franck den Fortgang des Krieges und sein Ende. Francks Radierungen sind
weniger detailliert ausgearbeitet, dafür zeigen sie sehr viel unmittelbarer
das Tun und Unterlassen der Soldaten. Sie unterscheiden nicht, wie Callot,
zwischen Marodeuren und Freibeutern auf der einen und diszipliniertem
Militär auf der anderen Seite, sondern beschreiben das, was bei Callot die
Marodeure ausmacht, als typisch für alle Soldaten. Callot orientierte sich
offenkundig an der ersten Hälfte des Krieges, als dieser über weite Strecken
nach den Grundsätzen der Niederwerfungsstrategie geführt wurde und
sowohl Tilly als auch Gustav Adolf davon ausgingen, sie könnten den Krieg
in einer großen Schlacht entscheiden. Das war auch die Zeit, in der die
Heerführer (jedenfalls einige von ihnen) noch auf die Disziplin ihrer Trup­
pen achteten und mit drakonischen Strafen gegen Marodeure und Freibeu­
ter vorgingen. Francks Radierungen dagegen reflektieren das Geschehen in
der zweiten Kriegshälfte, als man überwiegend einer Verwüstungsstrategie
folgte und die Trennlinie zwischen rechtschaffenen und marodierenden
Soldaten eingeebnet wurde.
Die ersten fünf Radierungen Francks zeigen die leichtfertigen, leicht­
lebigen und leichtsinnigen Seiten des Soldatenlebens: Frisch angeworben
erhalten die Söldner ihr Handgeld, und das Wirtshaus wird zu ihrem bevor­
zugten Aufenthaltsort, wo sie reichlich trinken und sich mit Prostituierten
abgeben. Aber dann geht es in den Krieg, der von Franck nicht in Form
von Schlachten mit Infanterie- und Kavallerieangriffen dargestellt wird,
sondern als Scharmützelkrieg: Überfälle und Hinterhalte kleiner Solda­
7 io E IN K R IE G , D E R N IC H T E N D E N W IL L

tengruppen, fast immer in einem von Bäumen und Büschen umstandenen


Gelände, und Kämpfe auf Leben und Tod. Im Unterschied zu den Radie­
rungen Callots konzentrieren sich Francks Grafiken auf einzelne Szenen;
das Gewaltereignis füllt das ganze Bild aus, so dass für andere Aspekte
oder Vorgänge im Hintergrund kein Raum bleibt. Das gilt nicht nur für
die Kampfszenen, sondern auch für jene Bilder, die sich mit der Gewalt
von Soldaten gegen Zivilisten befassen. Bauern und Frauen sind die Ziele
der Aggression; die Männer werden niedergemacht, die Frauen getötet
oder vergewaltigt. Die Gewalt ereilt freilich auch die Gewalttäter selbst:
Die Radierung «Des Reiters Ende» zeigt einen Pferdekadaver und einen
bereits weitgehend skelettierten Mann, die den Raben als Nahrung dienen.
Franck stellt die Grausamkeit des Krieges dar, ohne dass sich, wie bei Callot,
Laster und Tugend, Verbrechen und Strafe gegenüberstehen. Es gibt keine
ordnende und strafende Hand, die den Übeltäter richtet. Am Ende wird
diesem dasselbe Schicksal zuteil wie seinen Opfern: ein gewaltsamer Tod.
Das Schlussblatt der Serie, die Radierung «Das wechselhafte Kriegs­
glück», ist die Summe des zuvor Dargestellten: Es zeigt einen wohlgeklei­
deten Offizier mit Schärpe und Wehrgehänge, der auf einer Kugel steht. Seit
der Renaissance steht die Kugel für die Unbeständigkeit des Glücks, wes­
wegen Fortuna häufig selbst auf einer solchen dargestellt wird. In diesem
Fall symbolisiert sie, dass der eben noch stolze und selbstsichere Offizier
morgen schon zu Fall kommen kann. Das scheint den jungen Mann auf der
linken Bildseite, der sich dem Offizier mit einer Bittgeste zuwendet, jedoch
nicht zu stören: Er will Soldat werden und hofft, es dabei ebenso weit zu
bringen wie der Mann, den er vor sich hat. Dabei achtet er weder auf die
Kugel unter dessen Füßen noch auf den sich mit Krücken fortbewegen­
den Kriegsversehrten auf der rechten Bildseite. Hinter beiden, dem jungen
Mann wie dem aus dem Krieg heimgekehrten Versehrten, sind ältere Leute
zu sehen, offenbar die Eltern der zwei Männer. In beiden Fällen sind sie
besorgt, das eine Mal angesichts der Zukunft, das andere Mal angesichts
der Gegenwart ihres verstümmelten Sohnes. Sie stehen für zwei Formen
des Unglücks. Hans Ulrich Franck hat am Ende seiner Serie auf jeden Trost
verzichtet. Er bewältigt das Unglück, indem er es in just dem Augenblick
zeigt, da so mancher es noch für das reine Glück hält.
Hans Ulrich Franck, «Ü berfall auf ein D orf».

Das Eingreifen Frankreichs:


Verhandlungen, Bündnisse und
der Krieg am Oberrhein

Nach dem Zusammenbruch der schwedischen Macht im Süden war Augs­


burg die letzte Bastion der Schweden und des Protestantismus in Ober­
deutschland. Sie galt es zu halten, bis sich die Verhältnisse wieder gebessert
hatten. In der Stadt befand sich eine starke schwedische Garnison unter
dem Obersten Johann Georg aus dem Winckel; die männlichen Bewoh­
ner waren militärisch erfasst und hatten den Verteidigungsfall immer wie­
der geübt; außerdem hatte man noch auf Geheiß Gustav Adolfs vor den
712 E IN K R IE G , D E R N IC H T E N D E N W IL L

Stadtmauern gewaltige Schanzen aufgeworfen.138 Ein Angreifer würde sich


schwertun, Augsburg im Sturm zu nehmen, und eine Belagerung würde
sich über Monate hinziehen. Es gab also gute Gründe, warum die Sieger
von Nördlingen sich nach ihrem großen Erfolg andere Ziele gesucht hatten
als die Handels- und Weherstadt am Lech. Wenn es ihnen gelang, das Land
zwischen Donau und Rhein unter Kontrolle zu bringen, dann würde ihnen
Augsburg irgendwann von selber in die Hände fallen. So gesehen, konnte
man sich Zeit lassen.
Das war indes bloß die militärische Logik; die politische Logik sah
anders aus. Augsburg war durch die Confessio Augustana und den nach der
Stadt benannten Religionsfrieden nicht nur ein Symbol des Protestantis­
mus,139 sondern hatte auch einige Jahrzehnte gemischtkonfessioneller Kul­
tur aufzuweisen, die den Unnachgiebigen beider Konfessionen ein Dorn im
Auge war. Deswegen war Augsburg auch eines der ersten Ziele des kaiser­
lichen Restitutionsedikts gewesen: Am 8. August 1629 hatte man die Aus­
übung des protestantischen Bekenntnisses in der Stadt verboten, und unter
dem Druck des Augsburger Bischofs Heinrich V. von Knöringen begann
eine rigide Rekatholisierungspolitik, die erst mit dem Einzug schwedischer
Truppen in die Stadt am 20. April 1632 endete.140 Augsburg hatte damals
Glück gehabt, denn durch den schnellen Abzug der bayerischen Truppen,
von denen die Stadt eigentlich hätte verteidigt werden sollen, blieb ihr eine
lange und ruinöse Belagerung erspart. Das sollte nun anders werden: 1635
war weder die katholische Seite, Kaiser Ferdinand, Kurfürst Maximilian
und der umtriebige Heinrich von Knöringen, gewillt, Augsburg unbehel­
ligt zu lassen, noch waren die schwedische Besatzung und große Teile der
Bürgerschaft bereit, die Stadt kampflos zu übergeben.
Schon bevor der Krieg die Stadt unmittelbar erreichte, standen die
Dinge nicht zum Besten: Der Absatz der Tuche war zurückgegangen,
wodurch ein Großteil der städtischen Weber und der ihnen verbundenen
Handwerker in die Armut absanken.141 Bald nach Kriegsbeginn schoss
der Brotpreis in die Höhe, und die Entwicklung der Lebensmittelkosten
stürzte breite Schichten der Stadt, die bis dahin einigermaßen auskömm­
lich hatten leben können, in Armut und Elend.142 Die schon früh zur Refor­
mation übergewechselte Stadt hatte ein gut funktionierendes Armenwe-
A U G U S T A A N G U S T I A T A , A D E O P E R D E U M L I B E R A T A :
$£eatfc£:

2 fo « fp 8 r g ( B o t t fc tw ß ( B o t t jf>r gc&olffcn fx tt.

Die Reichsstadt Augsburg als klagende Witwe in der unteren Bildmitte, mit
der Rechten auf die Stadtvedute verweisend, erinnert sich an die Durchset­
zung des kaiserlichen Restitutionsedikts, als ihr der Status der Bikonfessio-
nalität genommen und die protestantischen Kirchen «zwangskatholisiert»
wurden. Für diese Erinnerung steht die Kirche auf der linken Bildseite,
aus der Bücher herausgeworfen werden, darunter auch die Bibel. Aber
dann kam Gustav Adolf mit dem schwedischen Heer, nahm die Stadt ein
und stellte die Rechte des protestantischen Bekenntnisses wieder her: Der
schwedische König ist der Beschützer der Witwen und Waisen. «D iß ist
der Mann / Der helffen kan .»

sen aufgebaut, aber durch die rückläufigen Steuereinnahmen infolge der


Absatzkrise im Stoffgewerbe und der unsicheren Handelswege sah man
sich zu Einschränkungen gezwungen, als die Zahl der Armen immer wei­
ter anstieg. Es entstanden Elendsquartiere, wie sie Augsburg zuvor nicht
gekannt hatte.
714 E IN K R IE G , D E R N IC H T E N D E N W IL L

Schließlich erreichte auch eine der damaligen Pestepidemien Augs­


burg.143 Wahrscheinlich waren es kaiserliche Soldaten, die auf dem Weg
nach Süden, wo sie in den Mantuanischen Erbfolgekrieg eingreifen soll­
ten,144 die Seuche in die Stadt brachten. Die erhöhte regionale Mobilität
großer Menschenmassen im Zuge des Krieges war eine wesentliche Ursa­
che für den sprunghaften Anstieg von Seuchen in dieser Zeit.145 In Frie­
denszeiten zogen nur Kaufleute, Scholaren und Pilger weit übers Land;
ansonsten hatte man es mit einer ortsgebundenen Gesellschaft zu tun, in
der sich Epidemien eher langsam ausbreiteten. Mit der Reformation war
die Zahl der Pilger zurückgegangen. Außerdem hatten die Städte nach der
verheerenden Pest in der Mitte des 14. Jahrhunderts Hygieneregeln und
Vorsorgemaßnahmen eingeführt, die zwar eher lax gehandhabt wurden, im
Krisenfall aber schnell intensiviert werden konnten. Dazu gehörten die Ver­
hängung von Quarantänen sowie die zeitweilige Schließung der Stadttore.
Das waren jedoch Maßnahmen, die auf eine Gesellschaft mit begrenzter
Mobilität abgestellt waren; Soldatendurchzügen und Flüchtlingsströmen
war damit nicht beizukommen. So war es auch in Augsburg, wo im Früh­
jahr 1627 die ersten Pestfälle auffraten und es im Verlauf des Jahres zu einer
um das Fünffache erhöhten Todesrate kam.145Jetzt fehlte von den vier Rei­
tern der Johannes-Offenbarung nur noch die Kriegsgewalt selbst, aber auch
die ließ nicht lange auf sich warten.
Nach der Verlagerung des Kriegsgeschehens zur Donau im Frühjahr
1632 war zuerst das Augsburger Umland betroffen. Hier kam es immer wie­
der zu größeren Kämpfen, zumal das Kriegsglück wechselte und einmal
die schwedischen, einmal die bayerischen und kaiserlichen Truppen im
Vorteil waren. Augsburg bekam das zu spüren, indem sich die Nahrungs­
mittelversorgung deutlich verschlechterte, und da der schwedische Mili­
tärkommandant regelmäßig Streifzüge seiner Garnison in die Umgebung
anordnete, wodurch diese unter den «Augsburger Schweden» zu leiden
hatte, wuchsen in den Dörfern Hass und Feindschaft gegen die Städter.147
Immer häufiger mussten diese sich mit Gewalt holen, was die Bauern zuvor
aus eigenem Interesse auf die Märkte der Stadt gebracht hatten. Als die Ein­
schließung Augsburgs im Winter 1634/35 begann, konnte die Stadt nicht
mit nennenswerter Hilfe aus dem Umland rechnen.
D as E in g re ifen Fran k reich s 715

In den Monaten davor war zu allem Unglück auch noch die Pest nach
Augsburg zurückgekehrt und hatte der physisch geschwächten Bevölke­
rung weiter zugesetzt. Nun stritt man über die Frage, ob man durchhalten
und auf schwedischen Entsatz warten oder in Verhandlungen mit den Bela­
gerern eintreten solle. Die vier Jahre zuvor in Magdeburg geführten Debat­
ten wiederholten sich in Augsburg: A uf der einen Seite stand die Gruppe
derer, die um das Schicksal der Stadt besorgt waren und bei einem Sturm
viel zu verlieren hatten; auf der anderen Seite jene, für die Widerstand eine
Glaubensverpflichtung war und die auf ein Wunder wie im Frühjahr 1632
hofften.148 Maximilian war zu klug, einen Sturmangriff auf Augsburg anzu­
ordnen, zumal die militärische Lage sich so entwickelte, dass er sich Zeit
lassen konnte. Unter keinen Umständen sollten sich die Vorgänge bei der
Eroberung Magdeburgs wiederholen, als das große Feuer die Eroberung
wertlos gemacht und die anschließende publizistische Kampagne Tillys
Reputation ausgelöscht hatten. Die Opfer von Seuchen und Hunger, so
das Kalkül des Kurfürsten, würden politisch nicht auf sein Konto, sondern
auf das der Widerstandleistenden gehen. Diese Rechnung ging auf: Am
24. Mai 1635 willigte der Rat in die angebotenen Kapitulationsbedingungen
ein, und vier Tage später verließ die schwedische Garnison die Stadt. Ihr
schloss sich eine große Gruppe von Emigranten an, die den abzusehenden
Prozess der Rekatholisierung nicht über sich ergehen lassen, geschweige
denn mitmachen wollten.149

Unterdessen gingen im Reich die Verhandlungen weiter, die Schweden


sowohl mit Sachsen als auch mit Frankreich führte. Nach der Katastrophe
von Nördlingen waren die Schweden uneins, wie man mit der bedrohli­
chen Lage umgehen sollte. Entweder ging man auf das mehr als unbefrie­
digende Angebot Sachsens ein, das auf eine Entschädigung von einer Mil­
lion Reichstaler hinauslief, wobei unklar blieb, wie und von wem das Geld
aufgebracht werden sollte, und zog sich aus Deutschland zurück; oder aber
man nahm das französische Angebot an, das erhebliche und kontinuierli­
che Subsidienzahlungen vorsah, wenn Schweden mit einer namhaften Mili­
tärmacht im Krieg verblieb und dem Kaiser in Wien weiterhin zusetzte.IS0
Gegen das sächsische Angebot sprach, dass es der Kaiser nicht für wert
7iö E IN K R IE G , D E R N IC H T E N D E N W IL L

befunden hatte, selbst in Verhandlungen mit Oxenstierna einzutreten, son­


dern diese Aufgabe an Sachsen als Wortführer des deutschen Protestantis­
mus delegiert hatte. In Schweden fühlte man sich brüskiert. Für den Rück­
zug aus dem deutschen Krieg sprach dagegen, dass nach dem Tod Gustav
Adolfs unklar war, wofür man diesen Krieg führte und welches Gewicht
dabei genuin schwedischen Interessen zukam. Zog man sich aus Deutsch­
land zurück, so die Befürworter, werde man die Armee gegen Polen und im
Baltikum einsetzen können, wo die wirklichen Interessen Schwedens lägen.
Aber wie wollte man diese Armee finanzieren? Die eigenen Mittel reichten
dafür nicht aus. Das wiederum sprach für ein enges Bündnis mit Frankreich,
das sowohl bereit als auch in der Lage war, die Kosten des schwedischen
Militärapparats weitgehend zu übernehmen. Gegen ein enges Bündnis mit
Frankreich sprach hingegen, dass man politische Handlungsfreiheit verlor
und das Heer im französischen Interesse einsetzen musste. Oxenstierna
fürchtete nichts mehr, als in diese Rolle hineingedrängt zu werden.151
Im Nachhinein betrachtet, ist es erstaunlich, wie leichtfertig die kai­
serliche Politik in den Jahren von 1635 bis 1637 die Chance vergab, sich
ihren bis dahin militärisch gefährlichsten Feind vom Halse zu schaffen.
Es ist mehr als fraglich, ob Frankreich ohne Schweden an seiner Seite die
offensive Strategie gegen den Kaiser durchgehalten hätte. Richelieu wäre
in jedem Fall sehr viel kompromissbereiter gewesen. Frankreich konnte
aufgrund seiner Finanzkraff zwar die Kriege der anderen «anfüttern» und
Bundesgenossen unterstützen, aber es verfügte vorerst über kein Heer, mit
dem es diese Kriege selber führen konnte.152 Selbstverständlich stellen sich
im Rückblick Kosten und Nutzen eindeutiger dar als in der Situation selbst.
Es dürften die erneute enge Anlehnung an Spanien und die damit verbun­
dene Hoffnung auf einen «Siegfrieden» gewesen sein, die für das Desinter­
esse an einem Friedensschluss mit Schweden verantwortlich waren. Nach
dem Sieg bei Nördlingen überschätzte man in Wien die im spanischen
Bündnis liegenden militärischen Erfolgsaussichten und unterschätzte die
Probleme, die dem Kaiserhaus aus der weiteren Konfrontation mit Schwe­
den erwachsen würden. Insofern hatte der militärische Erfolg bei Nördlin­
gen einen politisch hohen Preis. Hinzu kam, dass sich der Kaiser in einer
ähnlichen Situation befand wie Oxenstierna: Er brauchte Geld, um das
D as E in g re ifen Fran kreich s 7x7

teure Heer weiterhin zu unterhalten - und dieses Geld konnte er nur von
Spanien bekommen. Also schloss man sich der Madrider Linie des Hauses
Habsburg wieder enger an, und das hieß, dass man noch stärker gegenüber
Frankreich Stellung bezog.
Mitte April 163s hielt Oxenstierna sich in Frankreich auf, wo er den Ver­
trag von Compiegne aushandelte, der vorsah, dass Frankreich den Wiener
Habsburgern den Krieg erklärte und 200 000 Taler Subsidien an Schweden
zahlte. Außerdem verpflichteten sich beide Länder, keinen Separatfrieden
ohne das Wissen des anderen abzuschließen. Oxenstierna wiederum sagte
Frankreich zu, in allen von Schweden abhängigen Gebieten Deutschlands
für die Religionsfreiheit der Katholiken zu sorgen.153 Der Vertrag trat
jedoch nie in Kraft, weil Schweden ihn nicht ratifizierte und Frankreich
keine Subsidien zahlte. Noch setzten einflussreiche Vertreter in Stockholm
darauf, dass man mit dem Kaiser einen Friedensvertrag aushandeln konnte,
und daran wollte man sich nicht durch einen Bündnisvertrag mit Frank­
reich hindern lassen. Der neue Kaiser Ferdinand III. führte unterdessen
die prospanische Politik weiter, die sein Vater auf dem Regensburger Kur­
fürstentag von 1634/35 eingeleitet hatte. Der alte Kaiser hatte dort erklärt,
der König von Spanien sei rechtmäßiger Herr der unverändert zum Reich
gehörenden Niederlande, und er, der Kaiser, sei gewillt, den Bestimmun­
gen des Burgundischen Vertrags von 1548 gemäß den spanischen König im
Kampf gegen die «Rebellen» zu unterstützen. Das Kaiserhaus sei in dem
Konflikt also nicht neutral, deswegen komme der Abschluss eines Nichtan-
griffsvertrags, wie von den Generalstaaten vorgeschlagen, nicht in Frage.154
Das lief, nachdem sich Frankreich auf die Seite der nördlichen Nieder­
lande gestellt hatte, auf eine Bestätigung des inoffiziellen Kriegszustands
mit Frankreich hinaus. Die anwesenden Kurfürsten, die vom Schutz des
kaiserlichen Heeres abhängig waren, wagten nicht, dem Kaiser zu wider­
sprechen, und versicherten, sie hätten nie beabsichtigt, den Niederlanden
neue Rechte und Freiheiten zuzugestehen. Damit banden sie sich ebenso
wie der Kaiser an Spanien. Der Historiker Christoph Kampmann hat die
Folgen dieser Entscheidung zusammengefasst: «Indem man sich nun der
Hilfe Spaniens bediente, um den Prager Frieden durchzusetzen, wurden
Leitprinzipien dieses Friedensschlusses aufgegeben: Denn statt die west-
718 E IN K R IE G , D E R N IC H T E N D E N W IL L

Ferdinand III. folgte seinem


Vater im Jahr 1637 als Kaiser.
Das Porträt zeigt ihn im
Harnisch mit Schwert und
Lorbeerkranz, in der Pose des
Siegers - ein Rückverweis auf
die Schlacht von Nördlingen,
wo Ferdinand den Oberbefehl
über das kaiserliche Heer
innehatte. In Ferdinands III.
eigener Regierungszeit nahm
das Kriegsgeschehen für die
kaiserliche Seite jedoch einen
eher unglücklichen Verlauf.

europäischen Großmachtkonflikte vom Reich fernzuhalten, förderten sie


[der Kaiser und die ihm verbundenen Kurfürsten] auf diese Weise die Ein­
bindung des Reiches in die westeuropäische Blockpolitik. Logische Kon­
sequenz dieser Entwicklung war, dass nun auch die Gegenseite mit einem
engeren bündnispolitischen Zusammenwirken antwortete.»155
Im März 1635 verhandelten Schweden und Frankreich in Wismar
erneut. Diesmal einigte man sich, so die Historikerin Jenny Ohman, den
gemeinsamen Krieg «bis zur Erlangung einer entsprechenden Satisfaktion
fortzusetzen. Jeder Seite sollten die jeweils von ihr eroberten Gebiete ver­
bleiben. Frankreich sollte jährlich eine Million Pfund an Schweden zahlen;
dafür durfte der Frieden nur mit gemeinsamer Zustimmung geschlossen
werden, und die Partner waren zu gegenseitiger Hilfe verpflichtet.»156Aber
wieder zögerten die Schweden die Ratifikation des Vertrags hinaus, um
auf kaiserliche Verhandlungsangebote eingehen zu können. Man müsse
den König von Frankreich «so weit als möglich ausnützen», erklärte
Oxenstierna.157 Er hatte dabei keinerlei moralische Bedenken, weil er
D as E in g re ifen Fran k reich s 719

davon ausging, dass auch Frankreich bestrebt war, seinerseits Schweden


auszunutzen.
Im Sommer 1637 geriet Schweden, das sich durch den Sieg bei Wittstock
als militärische Großmacht zurückgemeldet hatte,158 erneut in Bedrängnis,
als sich Baner bis nach Pommern zurückziehen musste und man zeitweilig
befürchtete, die kaiserlichen Truppen könnten bis zur «Seekante» vorsto­
ßen. Mit den militärischen Erfolgen des Kaisers schwand auch die Aussicht
auf ein politisches Entgegenkommen von seiner Seite. Jetzt war man auch
in Stockholm bereit, den Wismarer Vertrag zu ratifizieren, freilich um zwei
Bestimmungen ergänzt: Frankreich sollte dem Kaiser offiziell den Krieg
erklären und die an Schweden zu zahlenden jährlichen Subsidien deutlich
erhöhen.159 Doch diese Forderungen waren für den Verhandlungsführer
Johan Adler Salvius nur noch Spielmaterial, denn Schweden war jetzt drin­
gend auf französische Gelder angewiesen. Am 24. Februar 1638 wurde das
Kriegsbündnis in Hamburg geschlossen. Da im Vertragstext einige Ergän­
zungen und Erweiterungen gegenüber dem Vertrag von Wismar enthalten
waren, wird häufig auch vom «Hamburger Vertrag» gesprochen.160 In der
Folge erklärte Frankreich Kaiser Ferdinand, dem Hause Habsburg und sei­
nen Verbündeten den Krieg und zahlte Schweden, rückwirkend auch für
das Jahr 1637, von nun an jährlich 400 000 Reichstaler. Damit war Schweden,
wie sich schon bald zeigen sollte, wieder in der Lage, Krieg zu führen.161
Für Frankreich war das ein gutes Geschäft, denn vorerst war es noch
auf «frem de» Hilfe angewiesen: die weitgehend aus Deutschen sowie eini­
gen Schweizern bestehenden Truppen des Bernhard von Weimar, den man
am 27. Oktober 1635 «unter Vertrag» genommen hatte (diese Truppen
stellten in den Jahren 1535 bis 1639 die schlagkräftigsten Verbände Frank­
reichs am Rhein dar)162; und schließlich das in Nordostdeutschland ste­
hende schwedische Heer, das den Kaiser daran hindern sollte, die gesamte
Reichsarmada gegen Frankreich einzusetzen. Das schwedische Heer war
für Frankreich so etwas wie eine «zweite Front». Doch im Jahr 1635 und
zunächst auch noch 1636 übte dieses Heer auf die kaiserlichen Kräfte kei­
nen größeren Druck aus, was zur Folge hatte, dass diese in beiden Jahren zu
Offensivoperationen gegen Frankreich in der Lage waren.
720 E IN K R IE G , D E R N IC H T E N D E N W IL L

Das Problem der Offensiven von 1635 und 1636 war, dass Generalleut­
nant Matthias Gallas, der unter dem König von Ungarn und Böhmen als
Oberkommandierendem tatsächlich die Truppen führte und auch für die
Ausarbeitung der Feldzugspläne verantwortlich war, kaum der Richtige
für eine offensive Kriegführung war. Er bevorzugte eine defensive Strate­
gie, aus der heraus begrenzte Offensiven geführt werden konnten, und war
darin ein Schüler Wallensteins, der ebenfalls nach diesem Grundsatz agiert
hatte. Will man Gallas nicht von vornherein als «Heerverderber» abtun,
so muss man die Frage stellen, ob eine «napoleonische Strategie» unter
den Bedingungen des 17. Jahrhunderts überhaupt praktikabel war. Verneint
man das, so scheint Gallas’ Präferenz für die Rolle des «Cunctators», wie
man ihn in Wien nannte, des notorischen Zögerers, durchaus vernünftig
gewesen zu sein.163 Gallas’ eigene Feldzugspläne liefen jedenfalls stets auf
die Verteidigung der Rheinlinie hinaus, wurden dann aber von ihm selbst,
den Anweisungen und Forderungen aus Wien entsprechend, immer wieder
zu Offensivplänen umgestaltet, ohne dass darin ein schlüssiges Konzept zu
erkennen gewesen wäre. Dass dem kein durchschlagender Erfolg beschie-
den war, kann nicht überraschen.
Das Kriegsjahr 1634 hatte nach dem großen Sieg bei Nördlingen mit
der Besetzung ganz Südwestdeutschlands durch kaiserliche und bayerische
Truppen geendet, die bis zum Rhein und zum Neckar vorstießen. Dabei fiel
auch Heidelberg als eines der politischen Symbole dieses Krieges wieder in
katholische Hände. Noch vor Jahresende aber überschritten französische
Truppen von Mannheim aus den Rhein und eroberten Heidelberg, Stadt
und Schloss, im Handstreich zurück.164 Die bayerischen Verteidiger hatten
sich überrumpeln lassen; sie waren ebenso arg- wie sorglos, vermutlich
wegen der bevorstehenden Weihnachtstage, womöglich aber auch des­
wegen, weil sich Frankreich und der Kaiser nach wie vor offiziell nicht im
Kriegszustand befanden und der bayerische Kurfürst wieder einmal mit der
französischen Seite verhandelte. Der Schlag gegen Heidelberg war jeden­
falls eine Provokation, durch den der Druck auf Gallas, einen Offensivkrieg
gegen Frankreich zu führen, erhöht wurde. Zunächst jedoch musste man
sich mit schnellen Vorstößen der Werth’schen Kavallerie über den zuge­
frorenen Rhein begnügen. In seiner «Doppelstellung als kaiserlicher wie
D as E in g re ifen Frankreichs 721

Der Aufstieg des aus dem Trentino


stammenden Matthias Gallas
erfolgte zunächst im Gefolge
Wallensteins, der Gallas sehr
schätzte und ihn förderte. Der
Höhepunkt in Gallas’ Karriere
war der Sieg hei Nördlingen, wo
ihm die taktische Führung des
kaiserlichen Heeres oblag. Mit
strategischen Aufgaben war er
jedoch überfordert: Er scheiterte
als Oberbefehlshaber mehrfach und
erhielt schließlich den Spottnamen
« Heerverderb er » .

kurbayerischer General» war Werth von den üblichen Selbstblockaden des


Koalitionskrieges befreit.165 Seine Angriffe waren dennoch nur Nadelstiche,
die die Franzosen in Unruhe versetzten, für die strategische Gesamtlage
jedoch keine Rolle spielten. Anders verhielt es sich bei dem in umgekehr­
ter Richtung erfolgenden Vorstoß Herzog Bernhards, der bis nach Frank­
furt und den Main entlang weiter nach Osten führte. Gallas’ Pläne für den
Angriff auf das Eisass und nach Lothringen wurden dadurch gehörig durch­
einandergebracht, weil die Truppen zunächst einmal dazu verwendet wer­
den mussten, Bernhard und seine hochbeweglichen Verbände wieder über
den Rhein zurückzudrängen. Die Folge war, dass die von Gallas ohnehin
nur widerstrebend geplante Offensive verspätet in Gang kam.
Zudem gab es strukturelle Probleme beim Zusammenwirken der
Truppen. Die bayerischen Kontingente der Reichsarmada, auf deren rela­
tive Selbständigkeit Kurfürst Maximilian nach der formellen Auflösung der
722 E IN K R IE G , D E R N IC H T E N D E N W IL L

Liga entsprechend den Bestimmungen des Prager Friedens großen Wert


legte, standen unter dem Kommando Karls von Lothringen, der, nachdem
er von französischen Truppen aus seinem Herzogtum verdrängt worden
war, die Offensive zu dessen Rückeroberung nutzen wollte. Er hatte für den
Feldzug seine eigene Agenda. Gallas aber hatte damit ein zusätzliches Pro­
blem bei der Operationsführung. Die ohnehin wirkenden Zentrifugalkräfte
wuchsen noch dadurch, dass kaiserliche und bayerische Truppenführer sich
gegenseitig mit Vorhaltungen und Vorwürfen überzogen. Der draufgän­
gerische Karl von Lothringen und der stets skeptische und misstrauische,
inzwischen übervorsichtige Gallas passten nicht zusammen. Während Karl
einen großen Teil seines Herzogtums zurückeroberte, verschanzte sich
Gallas mit dem ebenfalls nach Lothringen vorgerückten Hauptheer an der
Seille und erwartete dort einen französischen Angriff, der jedoch aushlieb.
Von Streifzügen der Kavallerie Werths abgesehen,166blieb er untätig, und als
die Versorgungsprobleme immer größer wurden, ordnete er den Rückzug
an. Dabei gingen Teile der Artillerie und der Bagage verloren, und infolge
von Krankheit und Überfällen durch Bernhards Reiter auf die Nachhut der
Reichsarmada waren erhebliche Ausfälle zu beklagen. Der Feldzug von 1635
war auf ganzer Linie ein Fehlschlag, und er hätte ohne Weiteres zu einem
Desaster werden können, wenn die französischen Truppen leistungsfähiger
gewesen und besser geführt worden wären. Gallas bot seinen Rücktritt an,
der in Wien jedoch nicht angenommen wurde.167
Teile des Hofkriegsrats in Wien sowie eine Reihe hoher Offiziere der
Reichsarmada, unter ihnen Werth und Piccolomini, vertraten nach den
Erfahrungen dieses Feldzugs und in Anbetracht der Untätigkeit der schwe­
dischen Armee in Nordostdeutschland noch entschiedener die Auffassung,
man müsse die schwedische Schwäche ausnutzen und Frankreich schwer
zusetzen. Man wollte erreichen, dass Richelieu seine Politik änderte oder
aber gestürzt und durch einen habsburgfreundlicheren Politiker ersetzt
wurde. Das war keineswegs aus der Luft gegriffen, denn es gab in Frank­
reich nach wie vor eine beachtliche Opposition gegen die Kriegspolitik
Richelieus, über die man im Heer durch die engen Kontakte des Herzogs
von Lothringen zu diesen Kreisen recht gut informiert war. Man hoffte,
dass sich durch eine deutliche Erhöhung der Kosten, die Richelieus Poli­
Das Eingreifen Frankreichs 723

tik für Frankreich bedeutete, der Sturz des Kardinals würde herbeiführen
lassen. Dazu musste man jedoch Frankreich ganz andere Schläge versetzen
als beim Feldzug von 1635; gleichzeitig musste man vermeiden, dass es im
Zuge dieser Schläge in Frankreich zu einer «nationalen» Einigung unter
der Führung Richelieus kam. Das war eine diffizile Aufgabe, der man offen­
bar dadurch Rechnung zu tragen suchte, dass man Karl von Lothringen als
Oberkommandierenden der bayerischen Einheiten innerhalb der Reichs­
armada durch Johann von Götz ersetzte, der aus kaiserlichen in bayerische
Dienste überwechselte.168 Der Lothringer hatte seine eigenen Interessen
allzu offensichtlich verfolgt und sich dafür der bayerischen Regimenter
bedient, was Maximilian missfallen hatte. Offenbar stand er aber auch dem
Vorhaben im Wege, mit militärischen Mitteln einen Kurswechsel in Paris
zu erzwingen.
Diese politische Zwecksetzung ließ sich jedoch nicht mit einer Defen­
sivstrategie erreichen, wie sie Gallas präferierte. Deswegen wäre es richtig
gewesen, auch ihn abzulösen. Das Problem war, dass man im kaiserlichen
Heer niemanden als Alternative hatte oder sich zumindest niemand auf­
drängte, der ihn hätte ersetzen können. Feldmarschall Colloredo verkör­
perte den Offensivgedanken, aber seine militärische Karriere wies eine
Reihe von Schlappen und Führungsfehlern auf;169 auch Feldmarschall
Piccolomini wäre für eine Offensivkriegführung in Frage gekommen,170
doch man schreckte in Wien davor zurück, die treibende Kraft bei der
Ermordung Wallensteins an die Spitze des Heeres zu stellen. Das vorge­
sehene politisch-militärische Vorhaben und das mit seiner Ausführung
befasste Personal passten jedenfalls nicht zusammen. Im Rückblick lässt
sich jedenfalls so viel sagen: 1636 bestand für den Kaiser zum letzten Mal
die Möglichkeit, aus der Position des Siegers heraus einen Frieden zu
schließen,171 denn wäre Frankreich aus dem Krieg ausgeschieden, hätte sich
Schweden zwangsläufig aus Deutschland zurückgezogen.

Der Feldzugsplan für 1636 sah einen Zangenangriff auf Frankreich aus
Osten und Norden vor: Der eine Teil der Truppen sollte vom Rhein her
vorstoßen, während der andere von Flandern aus in die Picardie einfallen
und auf Paris marschieren sollte.172 Es handelte sich also um eine Operation
724 E IN K R IE G , D ER N IC H T E N D EN W ILL

auf der äußeren Linie, deren Gelingen von einer funktionierenden Kom­
munikation zwischen beiden Angriffszangen abhing. Dass man sich über
den Punkt des Zusammentreffens beider Angriffskeile nicht verständigte,
zeigt, dass sich Kardinalinfant Fernando und Ferdinand III. über die Vor­
aussetzungen einer erfolgversprechenden Koalitionskriegführung nicht
im Klaren waren. Was bei Nördlingen im taktischen Zusammenwirken
beider Armeen auf dem Schlachtfeld gut geklappt hatte, funktionierte bei
dem Feldzug von 1636 im strategischen Zusammenwirken nicht. Der Kardi­
nalinfant, 1635 noch ganz mit den Niederländern beschäftigt, kam im Früh­
jahr 1636 zu dem Ergebnis, dass die Holländer in diesem Jahr keinen Angriff
gegen die spanischen Niederlande unternehmen würden; er konnte also
seine Streitkräfte gegen Frankreich einsetzen. Da sich deren Aufstellung in
den südlichen Niederlanden aufgrund der begrenzten Räume und des ver­
zweigten Fluss- und Kanalsystems leicht verändern ließ, begann der von
ihm geführte Angriff deutlich früher als jener der vom Oberrhein her kom­
menden Reichsarmada.173 Es kam hinzu, dass Gallas etwa 30 000 Mann der
ihm verfügbaren Truppen hatte abgeben müssen, damit sie auf anderen
Kriegsschauplätzen eingesetzt werden konnten: 10 000 Mann unter Hatz­
feld, die dem sächsischen Kurfürsten Johann Georg im Krieg gegen die
Schweden beistehen sollten, 10 000 Mann unter Götz gegen Wilhelm V.,
den Landgrafen von Hessen-Kassel, der einmal mehr seinen Darmstädter
Verwandten bedrängte, sowie schließlich weitere 10 000 Mann unter Picco­
lomini, die zur Unterstützung des Kardinalinfanten in die südlichen Nie­
derlande entsandt wurden und dort die Spitze des Angriffs in der Picardie
bildeten.174 Gallas standen also nur noch begrenzte Kräfte zur Verfügung,
was, wenn man die Versorgungsprobleme des Heeres ins Auge fasst, auch
von Vorteil sein konnte. Er musste dazu jedoch schnell und entschlossen
operieren, und genau das war Gallas’ Sache nicht. Dazu kam, dass am Wie­
ner H of Bedenken geäußert wurden, ob es wirklich klug sei, den Krieg
gegen Frankreich durch eine solche Offensive zu forcieren. Schließlich
befand man sich nach wie vor offiziell nicht im Kriegszustand mit Frank­
reich, und daher sei es, so vor allem die Hoffnung des alten Kaisers, noch
immer möglich, mit den Franzosen ein Übereinkommen zu finden.175
Ob man Gallas das mitteilte oder ob es genügte, ihn nicht zu ent-
Das Eingreifen Frankreichs 7 *5

schlossenem Vorgehen anzutreiben - es war bereits Mitte August, als die


Reichsarmada durch die burgundische Pforte zog, um über die Franche-
Comte nach Frankreich einzufallen.176 Zu diesem Zeitpunkt hatten die
durch die Picardie vorstoßenden Truppen bereits die Somme überquert
und zogen gegen die Festung Corbie, die am 15. August den Spaniern
übergeben wurde. Derweil war Werths Kavallerie bereits bis Compiegne
vorgedrungen. In Paris hatte man Angst, dass der Feind schon bald in die
Vororte ein dringen werde.177 Es wurden alle verfügbaren Kräfte gesammelt,
um die Hauptstadt zu verteidigen. Da war die größte Bedrohung jedoch
schon überstanden, denn die spanische Hauptmacht hatte bei Corbie halt­
gemacht. Ihre Kräfte waren erschöpft, und der Kardinalinfant fürchtete,
dass seine Armee bei einem weiteren Vorstoß allzu leicht an der Flanke
angegriffen und vernichtet werden könne. Am 20. September traten seine
Truppen den Rückzug an.
Dass Gallas’ im Vergleich dazu sehr viel langsamer und schwerfälliger
vorging, war auch eine Folge dessen, dass er mit Herzog Bernhard und Kar­
dinal La Valette auf sehr viel agilere Kontrahenten stieß als der Kardinalin­
fant, der es mit dem inzwischen über achtzigjährigen Marschall La Force
zu tun hatte. Bernhard beabsichtigte, seinerseits zügig den Rhein zu über­
schreiten und bis nach Hanau vorzustoßen, um die von den Kaiserlichen
belagerte Festung zu entsetzen. Die Festung Hanau war das Bindeglied zwi­
schen dem schwedischen Heer in Nordostdeutschland sowie den antihabs­
burgischen Mächten am Oberrhein und damit für den Thüringer Bernhard
von Sachsen-Weimar von besonderer Bedeutung.178 Dass es dazu nicht
kam, lag weniger an Gallas, der in seinem befestigten Lager bei Drusen­
heim weitgehend untätig blieb, sondern am Rat von Straßburg, der in Sorge
um seine Neutralität Bernhard die Benutzung der reichsstädtisch kontrol­
lierten Rheinbrücke verweigerte und auch nicht bereit war, dem Herzog
Schiffe zur Rheinüberquerung zu überlassen. Anstelle Bernhards leistete
Herzog Wilhelm von Hessen-Kassel für Hanau Entsatz und sprengte mit
seinen durch die Wetterau herangeführten Truppen den Belagerungsring
des kaiserlichen Generals Lamboy.179 Zwar musste er sich dann vor den kai­
serlichen Generälen Götz und Gronsfeld wieder zurückziehen, dennoch
war Hanau vorerst gerettet. Erst im Februar 1638 wurde die Festung von
72.6 E IN K R IE G , D ER N IC H T E N D EN W ILL

den Kaiserlichen erobert. Die strategische Funktion, die es bis dahin für
die antihabsburgische Koalition gehabt hatte, übernahm Hessen-Kassel,
wo nach Wilhelms frühem Tod am 1. Oktober 1637 seine Gemahlin Ama­
lie Elisabeth aus dem Hause Hanau-Münzenberg die Regierungsgeschäfte
übernahm und mit großer Entschlossenheit führte.180
Nachdem Gallas von Drusenheim aufgebrochen war, zogen sich Her­
zog Bernhard und Kardinal La Valette nach Lothringen zurück, offenbar
in der Erwartung, dass die Kaiserlichen über Lothringen nach Frankreich
Vordringen würden; vielleicht auch mit dem Ziel, das in den letzten Jahren
unter großen Anstrengungen eroberte Herzogtum gegen seine Rückerobe­
rung durch Herzog Karl zu verteidigen. Sie gingen jedenfalls davon aus,
Gallas werde den Feldzug von 1635 wiederholen und versuchen, mit der in
die Picardie eingedrungenen Armee des Kardinalinfanten zu kooperieren.
Gallas Vormarsch nahm in diesem Jahr aber einen anderen Weg: Er fiel in
Burgund ein, wo ein französisches Heer unter dem Herzog von Enghien
die Stadt Dole belagerte. Bei Champhtte gelang es dem von Enghien ent­
sandten General Josias Rantzau, einem gebürtigen Holsteiner, der lange
in schwedischen Diensten gestanden hatte, zusammen mit Truppen
Bernhards und La Valettes Gallas den Weg zu versperren.181 Anstatt den
schwachen Gegner anzugreifen und den Vörmarschweg freizukämpfen,
errichtete Gallas ein Lager, in dem er mehr als einen Monat wartete, bis
er in Richtung Dijon weiterzog. Mittlerweile war es Anfang Oktober, es
gab starke Regenfälle, die das Fortkommen verlangsamten. Vor dem befes­
tigten Städtchen Saint-Jean-de-Losne kam er dann zum Stehen, und am
27. Oktober entschloss sich Gallas zum Rückzug. Der wurde zum Desaster,
denn auf den aufgeweichten Wegen blieben die Kanonen und schweren
Wagen stecken und mussten zurückgelassen werden; die Soldaten litten
Hunger und desertierten in großer Zahl, «also daß w ir», so der Gallas
verfolgende Herzog Bernhard, «m it Gefangenen überhäuft worden».182
Bernhard schätzte die Verluste der kaiserlichen Armee während des Rück­
zugs auf 5000 Mann und hielt bereits Anfang November fest: «Also ist die
große Corpus [Armeekorps] und starke Macht in kurzer Zeit durch Gottes
gnädigen Beistand dergestalt ruiniert worden, daß wenig Dienste mehr von
solchen zu hoffen.»183
Das Eingreifen Frankreichs 727

Man wird das Scheitern des Zangenangriffs auf Frankreich sicherlich nicht
allein Gallas anlasten können; auch der Vorstoß des Kardinalinfanten war
bei Corbie zum Stehen gekommen. Aber Fernando ruinierte das Heer nicht
auf dem Rückzug wie Gallas, der erst mit dem Vormarsch zu lange gezögert
und dann die Rückzugsorder zu spät gegeben hatte. Der Hofkriegsrat in
Wien zog aus dem Desaster Konsequenzen, entfernte Gallas vom Ober­
rhein und übertrug ihm das Kommando über die gegen die Schweden ein­
gesetzte Armee in Böhmen. Das ist nicht unbedingt als Misstrauenserklä­
rung zu verstehen; nachdem man bei Wittstock gerade eine folgenreiche
Niederlage erlitten hatte,184 kam es auf diesem Kriegsschauplatz darauf an,
die Armee zu reorganisieren und vorerst aus der Defensive heraus zu ope­
rieren. Dafür war Gallas der richtige Mann. Es gelang ihm, sich mit dem
Feldzug gegen Baner, den er bis nach Pommern zurückdrängte, zu rehabi­
litieren.185
Auch in Nordostdeutschland, wo nun schon seit mehreren Jahren unun­
terbrochen Krieg geführt wurde, zeigten sich immer deutlicher die Folgen
für Land und Leute. Am 26. Oktober 1637 schrieb Baner an Oxenstierna:
«Undt hatt Gott der allmechtige überaus ein solch Unglück über die Marek,
lande Mecklenburg undt Pommern verhenget, dass fast alles viehe, davon
man noch etliche jahr leben können, hinweg gestorben, und die dörffer
undt Felder damit gleichsam beseet seind, so wohl auch die heusser voll
todte menschen liegen, undt der Jammer gewiss so gross ist, dass er nicht
grösser sein könnte, noch genug zu beschreiben ist. [... ] Denn zwischen
hier [Stettin] und der Elbe ist alles devastiret [verwüstet], auff jentseit [der
Elbe] bis in Francken ist es nicht viell besser, undt also in Deutschland
wenig zu hoffen, ausgenommen in den kayserlichen erblendern.»186 Aus
den Beobachtungen Baners, die auf viele andere Regionen gleichermaßen
zutreffen, lässt sich mehreres folgern. Zunächst, dass der Krieg nicht so
weitergeführt werden konnte wie bisher, sondern dass man ihn entweder
beenden oder mit sehr viel kleineren Heeren fortsetzen musste. Wenn man
den Krieg fortsetzte, musste bei der operativen Führung noch stärker auf
die logistischen Gegebenheiten geachtet werden: Es galt, alles daranzu­
setzen, den Krieg aus den eigenen Gebieten in die des Gegners zu tragen,
um die eigenen Truppen daraus zu versorgen und das Land gleichzeitig so
728 E IN K R IE G , D ER N IC H T EN D EN W ILL

zu «devastieren», dass dem Gegner die Möglichkeiten oder der Wille zur
Fortsetzung des Krieges genommen wurden.
Mehr als der Missmut über seine zögerliche Kriegführung trug zu Gallas’
zeitweiligem Bedeutungsverlust innerhalb der kaiserlichen Militärführung
bei, dass Defensivstrategen wie er unter den veränderten Erfordernissen
der Kriegführung immer weniger gebraucht wurden. Die prägenden Gene­
räle der kommenden Kriegsjahre waren Praktiker der schnellen Offensive,
die mehr auf Kavallerie als auf Infanterie und Artillerie setzten: In mancher
Hinsicht trifft das auf Baner zu, vor allem aber auf Bernhard von Weimar
und Jan von Werth. Beide bestimmten das Kriegsgeschehen am Oberrhein,
das aus einer Mischung aus Reitergefechten und Festungskrieg bestand.
Was sich auf den ersten Blick wie ein Widerspruch oder zumindest wie ein
ungeordnetes Nebeneinander ausnimmt, verhielt sich tatsächlich komple­
mentär zueinander: Die Truppen konnten umso weiträumiger operieren, je
mehr sie sich auf einen festen Rückhalt verlassen konnten, der ihnen als
Waffenplatz und Rückzugsort diente. In der Periode der großen Heere, der
Ära Tillys, vor allem aber Wallensteins und Gustav Adolfs, boten diesen
Rückhalt ausgedehnte Territorien, in denen die je erfolgreiche Seite auch
ihre konfessionspolitischen Ziele durchsetzte. Diese Territorien mussten
durch eine Reihe von Festungen und Garnisonen gesichert werden, womit
die Beweglichkeit der Truppen abnahm. Das änderte sich nunmehr, da
man sich auf wenige Festungen konzentrierte, das breite Land dagegen
ungeschützt ließ und mit leichter Kavallerie sowie Dragonern hier und
dort auffauchte, ohne die Territorien dauerhaft besetzen und kontrollieren
zu wollen. In der Folge trat die konfessionelle Komponente des Krieges
immer mehr zurück, und der obrigkeitlich ausgeübte Zwang zum Wech­
sel des Bekenntnisses wurde seltener. Die Dimension des Religionskrie­
ges, die in der ersten Kriegshälfte großes Gewicht gehabt hatte, verlor an
Relevanz, während Raub und Verwüstung, die den Krieg zwar von Anfang
an begleitet hatten, von der Heeresführung aber nach Möglichkeit einge­
dämmt worden waren, nun die Oberhand erhielten. Es gehört zur Ironie
des Dreißigjährigen Krieges, dass gerade diese Entwicklung die Friedens­
verhandlungen von Münster und Osnabrück erleichtert hat.
Das Eingreifen Frankreichs 729

Von Frieden konnte am Oberrhein indes noch lange nicht die Rede sein.
Herzog Bernhard nahm 1637 das Vorhaben eines Angriffs über den Rhein
hinweg wieder auf, und die kaiserliche Seite versuchte zu verhindern, dass
er durch die Eroberung der Festung Breisach festen Fuß fasste. Dabei kam
Bernhard zugute, dass das Kommando über die kaiserlichen Truppen Her­
zog Federigo Savelli übertragen worden war, einem Mann, der sich bereits
1630/31 als überfordert und unfähig erwiesen und die Festung Demmin den
Schweden ausgeliefert hatte.187 Die ständigen Konflikte zwischen Savelli
und Werth führten dazu, dass die Kaiserlichen das ganze Kriegsjahr 1637
damit beschäftigt waren, die Brückenköpfe einzudämmen, die Bernhard
errichtete, um den Krieg auf die andere Rheinseite zu tragen. Bernhard
war dabei kein großes Glück beschieden,188 aber seine aktive Kriegführung
sorgte dafür, dass es in diesem Jahr zu keinen Einfällen kaiserlicher Trup­
pen ins Eisass und darüber hinaus kam. Überhaupt war das Kriegsjahr 1637
eher ein «ruhiges Jahr», in dem die Gewalt zwar stets präsent war, sich aber
nirgendwo ballte.
Das änderte sich mit Beginn des Jahres 1638, als Herzog Bernhard
in Schweizer Gebiet eindrang, um dort Proviant zu sammeln und einen
Rheinübergang zu suchen, bei dem er nicht sogleich auf gegnerische Trup­
pen stieß, die seinen Brückenkopf angriffen und das Heer am Übersetzen
hinderten. Die Schweiz war ein neutrales Gebiet, aber nur im Prinzip: In
Graubünden, im Veltlin, kämpften seit den frühen 1620er Jahren Spanier
und Franzosen um die Kontrolle der Alpenpässe, immer wieder hatten
Durchzüge stattgefunden, und Schweizer Söldner waren in allen Heeren
vertreten. Die politischen Sympathien der einzelnen Kantone waren recht
unterschiedlich verteilt; die protestantischen hatten der Union nahegestan­
den und später Sympathien mit den Schweden und dem Nördlinger Bund
entwickelt, während die katholischen aus einer grundsätzlich antihabsbur­
gischen Haltung heraus zum Kaiser auf Distanz blieben. Basel stellte einen
besonderen Fall dar, insofern es formal noch zum Reich gehörte, aus dem
es dann mit dem Westfälischen Frieden ausscheiden sollte. Überhaupt
wurde die eidgenössische Verbindung erst 1648 im völkerrechtlichen Sinn
als eigenständiger politischer Akteur anerkannt.189 Bernhards Einfall in das
Basler Gebiet war also eher ein Tabubruch als ein völkerrechtswidriger
73° E IN K R IE G , D ER N IC H T E N D EN W ILL

Neben dem romantischen


Nostalgiker Christian von
Braunschweig und dem
skrupellosen Geschäftsmann
Ernst von Mansfeld verkörpert
Bernhard von Weimar
einen dritten Typus des
Kriegsunternehmers: Der
protestantischen Sache treu
ergeben, verlor er sein Interesse
an einer eigenen Herrschaft
nie aus dem Auge. Nachdem
das Projekt eines fränkischen
Herzogtums unter schwedischer
Protektion in der Schlacht bei
Nördlingen zusammengebrochen
war, strebte Bernhard ein
Herzogtum im Eisass unter
französischem Schutz an. Er war
der bedeutendste Heerführer des
deutschen Protestantismus.

Akt, und Basel oder die Schweiz wurden dadurch nicht zum Kriegsschau­
platz. Für seinen Feldzug von 1638, der mit der Eroberung Breisachs endete,
nutzte Bernhard seine Basler Verbindungen, und seine spektakulären Siege
wären ihm kaum ohne den regelmäßigen Zufluss von Versorgungsgütern
aus Basel gelungen.
Bernhard kaufte alles, was er brauchte, wandte zu keinem Zeitpunkt
Gewalt an und erwies sich für die Basler als zuverlässiger Geschäftspart­
ner. Max Conrad von Rehlinger, der als Agent des Herzogs in Bern und
Basel tätig war und die Geschäfte abwickelte, schrieb seinem Auftragge­
ber: «Ist also die ganze Schweizerei ein elend Status und sonderlich der
Evangelischen, bei all ihrem vielen Land, Menge Volks und genug Geld.
Ich rathe, treibe und sollicitire [bearbeite] sie eifrig: aber sie bleiben bei
ihrem phlegmatischen alten Tand. Gott behüte sie vor Feindes Gefahr und
Krieg, denn ich sorge, es würde schlecht hergehen. Ihr Wunsch und Wille
wäre, daß euer Fürstlichen Gnaden Armee, auch die des Feindes, weit von
ihren Grenzen wäre, damit sie in stiller Ruhe sitzen bleiben möchten; denn
Das Eingreifen Frankreichs 731

sie fliehen alles Kriegswesen ärger als den Tod.»190 Das war ein Hinweis,
dass Bernhard keinen ernstlichen Widerstand zu erwarten hatte, solange er
dafür sorgte, dass es beim Aufenthalt seiner Armee auf Basler Gebiet nicht
zu Übergriffen auf die Bevölkerung kam.
Bernhards Plan gelang: Die Kaiserlichen rechneten nicht damit, dass
er den Rhein nahe dem Bodensee von Süden her überschreiten würde, und
schon gar nicht erwarteten sie dies im Winter, wenn normalerweise die
Waffen ruhten und die Soldaten ihre Quartiere bezogen hatten. Auch darin
war Bernhard ein gelehriger Schüler Gustav Adolfs, der 1630 und 1631 eben­
falls die Zeit zwischen Dezember und Februar für Operationen genutzt
hatte. Neben der Unterstützung durch die Basler hing der Erfolg seines
Unternehmens aber auch davon ah, dass die Verteidiger der Festung Hoh­
entwiel, die von den Kaiserlichen zwar immer wieder belagert, aber nie
eingenommen worden war,191 dem Vorstoß auf der rechten Oberrheinseite
keine Steine in den Weg legten. Bereits im November 1637 hatte Herzog
Bernhard mit dem Kommandanten des Hohentwiel, Oberst Conrad Wie­
derhold, einen Geheimvertrag geschlossen. Er scheint den Feldzug von
1638 also von langer Hand vorbereitet zu haben. Am 20. Januar überquerten
Vorausabteilungen seiner Armee auf Kähnen bei Säckingen den Rhein. Die
Stadt, deren Bürger keinerlei Widerstand leisteten, diente als Sicherung
bei dem anschließenden Rheinübertritt des gesamten Heeres. Tags darauf
wurde Laufenburg eingenommen; damit hatte Bernhard auf der rechten
Rheinseite festen Fuß gefasst. «Gott hat mich gesegnet», schrieb er an
Oberst Hans Ludwig von Erlach, einen Berner Patrizier in seinem Heer,
«daß alles glücklich und wohl abgegangen ist.»192
Bernhards Ziel war, wie die kaiserliche Seite richtig vermutet hatte,
die Festung Breisach. A uf einem Felsrücken am Rhein gelegen, hatte sie
sich als Schlüsselposition zur Beherrschung des Flussabschnitts erwie­
sen; was Ehrenbreitstein am Mittelrhein war, war Breisach am Oberrhein.
Die Festung ließ sich nicht im Sturm nehmen, sondern konnte nur aus­
gehungert werden, doch um eine lange Belagerung durchführen zu kön­
nen, musste man die Umgebung der Festung im Umkreis von mindestens
50 Kilometern beherrschen. Es war jederzeit mit Entsatzversuchen des
Gegners zu rechnen; die kaiserlich-bayerische Seite würde alles daran-
Die Verfügung über Festungsstädte spielte im Dreißigjährigen Krieg eine
zentrale Rolle. Dementsprechend waren sie hart umkämpft, zumal dann,
wenn mit ihnen auch die Kontrolle strategisch wichtiger Straßen und
Wasserwege verbunden war. Wer das hier abgebildete Breisach innehatte,
kontrollierte den Oberrhein.

setzen, dass diese strategisch wichtige Position nicht in feindliche Hand


fiel. Als Erstes musste Bernhard die Waldstädte unter Kontrolle brin­
gen, und nach schnellen Erfolgen blieb nur noch Rheinfelden übrig, das
gut befestigt war und sich nicht im Handstreich nehmen ließ. Bernhard
ließ seine Artillerie auffahren und Breschen in das Mauerwerk der Stadt
schießen; doch bevor er den Sturmangriff befehlen konnte, näherte sich
ein kaiserlicher Truppenverband unter Savelli. Der hatte bei Villingen alle
verfügbaren Regimenter zusammengezogen und war durch den Schwarz­
wald marschiert. Bernhard zog Savelli mit sechs Kavallerie- und zwei
Infanterieregimentern entgegen. Als man in der Nähe des Dorfes Kaschau
aufeinandertraf, zeigte sich, dass die Weimaraner dem Gegner zahlenmä­
ßig unterlegen waren. Das hinderte Bernhard indes nicht daran, sich zur
Schlacht zu stellen, die als «erste Schlacht bei Rheinfelden» bezeichnet
wird.193
Bernhards rechter Flügel war erfolgreich und warf den linken Flügel
Savellis weit zurück, während der linke Flügel der Weimaraner beim gegne­
rischen Angriff in Unordnung geriet und seinerseits weit zurückwich. Bern­
hards aus zwei Infanterieregimentern sowie den mitgeführten Kanonen
bestehendes Zentrum war damit ohne Flankenschutz, was die kaiserlichen
Kürassiere zu einer erfolgreichen Attacke nutzten. Bernhard gelang es, seine
beiden Kavallerieflügel wieder an sich heranzuziehen, bei einem Gegenan-
Das Eingreifen Frankreichs 733

griff eine größere Zahl von Gefangenen zu befreien und einige dem Feind
in die Hand gefallene Kanonen zurückzuerobern. Da seine Verluste jedoch
bedenklich waren, entschloss er sich, die Schlacht abzubrechen und sich
zurückzuziehen.
Savelli konnte den 28. Februar als Sieg verbuchen, überschätzte jedoch
dessen Bedeutung und Tragweite. Anstatt den abziehenden Feind zu
verfolgen oder zumindest weiter zu beobachten, ließ er seine Truppe bei
Rheinfelden den Sieg feiern. Bernhard hingegen sammelte seine Truppen
und rückte, von der Gegenseite unbemerkt, erneut auf Rheinfelden vor.
Was ihn bei Lützen ausgezeichnet hatte, bewährte sich auch bei Rheinfel­
den: seine Weigerung, einen Rückschlag als Niederlage hinzunehmen, und
seine Entschlossenheit, die Scharte umgehend auszuwetzen. Als Savelli
gemeldet wurde, dass sich das Weimaraner Heer näherte, ließ er seine
Truppen in aller Eile Schlachtaufstellung nehmen:194 als erstes Treffen eine
dünne Linie von Musketieren, die einen zum Rhein verlaufenden Graben
als Deckung nutzten, dahinter als zweites Treffen das Gros von Infanterie
und Kavallerie sowie im dritten Treffen die Reserven. Savellis Schwäche
war die fehlende Artillerie;195 er hatte am 28. Februar zwar einige Kanonen
erbeutet, aber da er niemanden besaß, der sie bedienen konnte, hatte er sie
vor Rheinfelden auf offenem Feld stehen lassen. Das sollte sich als verhäng­
nisvoller Fehler erweisen, denn nun fielen die Kanonen den vorrückenden
Truppen Bernhards in die Hände, die sie umgehend wieder gegen Savellis
Aufstellung einsetzten.
Bernhards Sieg in der zweiten Schlacht von Rheinfelden ist zum einen
auf den entschlossenen Angriff seiner Soldaten zurückzuführen, bei dem er
dieses Mal dafür sorgte, dass Flügel und Zentrum auf gleicher Höhe blie­
ben, und zum anderen auf den taktisch geschickten Einsatz der Artillerie,
die mit der vorrückenden Infanterie vorgezogen wurde, so dass sie ihre
Salven in Pistolenschussweite in die gegnerischen Formationen feuerte, wo
sie verheerende Wirkung hatten. Aus der Schlappe vom 28. Februar hatte
Bernhard also in zweifacher Hinsicht gelernt. Savellis Kavallerieflügel flo­
hen vom Schlachtfeld oder wurden umfasst. Der 3. März wurde so zu einem
glänzenden Triumph Bernhards: Die kaiserliche Armee wurde völlig ver­
nichtet, 500 Mann wurden getötet, 3000 gefangen genommen, unter ihnen
734 E IN K R IE G , D ER N IC H T E N D EN W ILL

sämtliche Generäle; Savelli, Werth, Sperreuth und Enckevort, dazu zehn


Oberste.196
Nachdem Rheinfelden am 13. März kapituliert hatte, konnte sich Bern­
hard auf die Belagerung Breisachs konzentrieren. Diese hatte zwei Voraus­
setzungen: die Kontrolle des umgebenden Raumes, um zu verhindern, dass
Entsatzversuche der Kaiserlichen bis in die Nähe der Festung kamen, und
eine deutliche Verstärkung der eigenen Armee, weil diese Entsatzvorstöße
sowohl aus dem Württembergischen als auch über das Eisass zu erwarten
waren und Bernhard deswegen Kräfte auf dem rechten wie auf dem linken
Rheinufer bereithalten musste. Der Herzog hatte zwar die bei Rheinfelden
gefangen genommenen Soldaten umgehend in seinen Dienst übernommen,
dennoch war er auf den Zuzug französischer Truppen angewiesen. Diese
trafen Ende April unter dem Kommando Marschall Guebriants ein, freilich
nur in einer Stärke von 3000 anstatt der angekündigten 4500 Mann.197
Von seinen Fernaufklärern, der durch den Schwarzwald streifenden
Kavallerie, hatte Bernhard erfahren, dass der kaiserliche Feldmarschall
Götz inzwischen 6000 Mann gesammelt hatte, um auf Breisach vorzu­
rücken und die Festung zu entsetzen. Herzog Bernhard raffte seinerseits
einen Teil der Truppen zusammen, um die Kaiserlichen möglichst weit
vom Rhein zur Schlacht zu stellen. Dazu kam es nicht; es gelang Bernhard
aber, Götz den direkten Weg von Villingen nach Waldkirch zu verstellen,
so dass der einen Umweg über das Kinzigtal nehmen musste. Dennoch
schaffte es Götz, 500 Säcke Mehl in die Festung Breisach hineinzubringen,
weil die dünnen Postenketten der bei der Festung belassenen Weimaraner
nicht in der Lage waren, den Durchbruch der kroatischen Transporteskorte
zu verhindern. Erneut ersuchte Bernhard in Paris um Verstärkungen, da er
nicht über genügend Soldaten verfügte, um die Festung einzuschließen.
Jederzeit konnte Götz einen weiteren Versorgungstrupp in Marsch setzen,
und es war zweifelhaft, ob es Bernhard auch bei größter Aufmerksamkeit
gelingen würde, diesen abzufangen. Am 8. Juni hob Bernhard die Belage­
rung auf; er wollte nicht riskieren, mit seinem kleinen Armeekorps unter
den Festungswällen von Breisach vom Feind angegriffen zu werden. Ein
weiteres Mal versuchte er, Götz zur Schlacht zu stellen. Das war ein schwie­
riges Unterfangen, denn Götz wich einer Schlacht geschickt aus und war
Das Eingreifen Frankreichs 735

darauf bedacht, Positionen zu beziehen, von denen aus er Breisach immer


wieder mit dem Nötigsten versorgen konnte.198
Derweil kam man in Wien zu dem Ergebnis, dass man mit stärkeren
Kräften gegen den Herzog vorgehen musste, wenn man die Kontrolle über
den Oberrhein behalten wollte. Es sollten drei Korps aufgeboten werden:
die Reichsarmada unter dem Kommando des in bayerischen Diensten ste­
henden Götz, ein Armeekorps des kaiserlichen Herzogs von Savelli, das aus
den Resten der bei Rheinfelden Geschlagenen sowie zwischenzeitlich her­
angeführten Verstärkungen bestand, und schließlich das lothringische Heer
Herzog Karls, der, von dem burgundischen Kriegsschauplatz kommend,
auf der linken Rheinseite bis auf die Höhe der Festung Breisach ziehen und
von dort aus für ihren Entsatz sorgen sollte.199 Dass der Feind so vorgehen
würde, hatte Bernhard seit längerem befürchtet. Doch diese kombinierte
Operation, die, wenn sie einigermaßen kompetent durchgeführt worden
wäre, nicht nur zum Entsatz Breisachs, sondern auch zur Vertreibung der
Truppen Bernhards von der rechten Rheinseite geführt hätte, stand von
Anbeginn an unter keinem guten Stern: Herzog Karl fügte sich nur zögernd
und widerwillig den ihm gegebenen Anweisungen, und zwischen Götz und
Savelli kam es immer wieder zu Streitigkeiten um die Frage, wer wem über­
geordnet sei.
Ende Mai unternahmen die Kaiserlichen einen neuen Versuch, Brei­
sach zu entsetzen, und diesmal erfuhr Bernhard rechtzeitig genug davon,
um die Korps von Savelli und Götz in einer Gegend zu stellen, wo sie einer
Schlacht nicht ausweichen konnten. Nahe dem Dörfchen Wittenweier stie­
ßen beide Heere aufeinander - Bernhard bestens unterrichtet, wo sich der
Feind befand, Savelli dagegen, der an diesem Tag die Avantgarde befeh­
ligte, wie bereits bei Rheinfelden, unachtsam und sorglos.200 Zwar gelang
es Savelli noch, als die Weimaraner überraschend an seiner Flanke auf­
tauchten, einen Teil seiner Truppen in Schlachtordnung aufzustellen; bald
jedoch ritten seine kroatischen Einheiten, die von Bernhards Kavallerie in
die Flucht geschlagen wurden, das eigene Fußvolk nieder. Als Götz mit der
Arrieregard heraneilte, war es bereits zu spät. Savellis Truppen hielten den
andrängenden Weimaranern immerhin so lange stand, bis sich der Rest des
Heeres bei Einbruch der Dunkelheit in aufgelöster Ordnung vom Schlacht­
7 36 E IN K R IE G , D ER N IC H T E N D EN W ILL

feld zurückziehen konnte. Dennoch waren die kaiserlichen Streitkräfte auf


der rechten Rheinseite damit zerschlagen. Allenfalls 2000 bis 3000 Mann
entkamen dem Desaster, der Rest war tot, verwundet oder gefangen. Die
gesamte für Breisach bestimmte Proviantkolonne fiel in die Hände der Wei­
maraner, dazu die gesamte Artillerie und die Bagage, die Kriegskasse und
die Kanzlei beider Generäle sowie acht Fahnen und Standarten, die Bern­
hard als Siegestrophäen nach Paris bringen ließ.
Unverzüglich nahm Herzog Bernhard die Belagerung Breisachs wieder
auf. Im September und im Oktober erfolgten noch einmal von elsässischer
Seite Entsatzversuche, um Lebensmittel in die Festung zu bringen, doch es
gelang Bernhard, beide Korps, darunter auch das Herzog Karls von Loth­
ringen, zu zerschlagen, bevor sie in die Nähe des Rheins kamen. «Drei
Feldschlachten in einem Jahr zu gewinnen», soll der bei der Niederlage
Karls in Gefangenschaft geratene Francois de Bassompierre damals aus­
gerufen haben, «sei für einen Fürsten zu viel. Er wünsche dem Herzoge
das Königreich Schweden und von da aus alle Jahre neue Victorien gegen
Moskau von Herzen; aber hier zu Land plage derselbe, was dem Haus Oes­
terreich anhänge, viel zu sehr.»201 Herzog Bernhard stand auf dem Höhe­
punkt seines Ruhms, und er setzte den Erfolgen des Jahres 1638 die Krone
auf, als er am 17. Dezember die Kapitulation Breisachs entgegennahm.
Gegen eine Übermacht von Gegnern hatte er die Kontrolle über den Ober­
rhein gewonnen, und es war bei Jahreswechsel niemand in Sicht, der ihm
diese Machtposition streitig machen konnte - außer dem Tod. Am 18. Juli
1639 ereilte ihn dieser in Neuenburg, vermutlich in Gestalt der schwarzen
Blattern. Herzog Bernhard von Sachsen-Weimar war gerade fünfunddrei­
ßig Jahre alt. «Ein unzeitiger, verfrühter Tod gebot nach Gottes Ratschluß
dem eilenden Fuß inmitten des Siegeszuges halt und setzte seinem wei­
teren Ehrgeiz eine Schranke», heißt es dazu in einer zeitgenössischen
Quelle.202
Der Niedergang der spanischen Macht 737

Der Niedergang der spanischen Macht:


finanziell und militärisch, zu Wasser und zu Lande

Nachdem das Verhältnis zwischen Wien und Madrid am Ende des Man­
tuanischen Erbfolgekriegs mit dem Friedensschluss von Regensburg im
Jahr 1630 einen Tiefpunkt erreicht hatte, erfuhr es auf dem Schlachtfeld bei
Nördlingen eine Neubelebung, die den Kriegsverlauf in der zweiten Hälfte
der 1630er Jahre prägen sollte. Da waren zunächst spanische Truppen, die in
der Pfalz standen und dort eine Reihe von Festungen hielten, was sowohl
im spanischen Interesse war, weil so die «spanische Gasse», der camino
real, gesichert wurde, als auch in dem des Kaisers, weil die Spanier damit
ein Einfallstor nach Oberdeutschland verschlossen, wofür sonst kaiserliche
Truppen hätten aufgeboten werden müssen. Weiterhin banden die spani­
schen Armeen in der Lombardei und den südlichen Niederlanden das Gros
der französischen Streitkräfte. Frankreich konnte daher am Oberrhein nur
sehr begrenzt aktiv werden, weswegen viele Bitten Herzog Bernhards nicht
oder erst mit großer Verzögerung erfüllt wurden. Zudem war da die gewal­
tige Summe von 500 000 Talern, die seit der Schlacht bei Nördlingen Jahr
für Jahr von Spanien an den Kaiser überwiesen wurde und wesentlich dazu
beitrug, dass dieser den Krieg weiterführen konnte.203 Und schließlich war
Ferdinand III., der am 15. Februar 1637 die Regierungsgeschäffe übernom­
men hatte, mit Maria Anna von Spanien, einer Schwester König Philipps IV.,
verheiratet, so dass man in Madrid nicht länger den antispanischen Einfluss
der Kaisergattin fürchten musste, wie das in der Zeit Ferdinands II. und
dessen zweiter Ehefrau Eleonora Gonzaga der Fall gewesen war.204
Die spanischen Subsidien für den Kaiser beliefen sich auf dieselbe
Summe wie die französischen für Schweden. Sie dienten in beiden Fällen
dazu, die militärische Handlungsfähigkeit des Empfängers sicherzustellen,
aber während sie im Fall Schwedens von elementarer Bedeutung waren,
konnte das kaiserliche Heer nach dem Beitritt vieler Reichsstände zum
Prager Frieden auch ohne sie unterhalten werden. Wollte man neue Heere
aufstellen, war jedoch auch die kaiserliche Seite auf Subsidien angewiesen.
Sofern man keine schweren Niederlagen einstecken musste, kam man mit
73» E IN K R IE G , D ER N IC H T E N D EN W ILL

den eigenen Mitteln aus; Niederlagen wie die von 1638 wurden mit den
spanischen Geldern aufgefangen. Das heißt: Solange man über die Gelder
aus Madrid verfügte, besaßen Niederlagen nur begrenzte politische Wir­
kung, und deswegen hatten die großen Siege Herzog Bernhards auch nur
begrenzte politische Effekte. Das sollte sich von dem Augenblick an ändern,
als die spanischen Gelder nicht mehr flössen. Von 1639/40 an hatten militä­
rische Niederlagen für Wien ein ganz anderes Gewicht als zuvor.205
Als Gegenleistung für die Subsidien hatte Olivares, der leitende Minis­
ter Philipps IV., erwartet, dass der Kaiser durch militärisches Eingreifen
die Generalstaaten dazu zwingen werde, in einen für Spanien vorteilhaften
Frieden einzuwilligen. Trotz wiederholter Anläufe hatte sich Ferdinand II.
jedoch nie nachhaltig gegen die nördlichen Niederlande engagiert - auch
nicht nach seiner Erklärung auf dem Kurfürstentag von 1636/37 in Regens­
burg. Also begnügte man sich in Madrid damit, dass das kaiserliche Mili­
tär seinen Beitrag zur Sicherung der «spanischen Gasse» leistete. Dabei
kam dem Oberrhein und vor allem der Festung Breisach eine herausgeho­
bene Bedeutung zu, und so war es ein schwerer Schlag für Madrid, dass
die Festung 1636 verlorenging und de facto in französische Hände geriet.
Die gesamte spanische Militärstrategie sah die südlichen Niederlande als
Aufmarschbasis für den Krieg gegen die Generalstaaten und gegen Frank­
reich vor. Da ein Krieg in den Pyrenäen mit unlösbaren logistischen Proble­
men verbunden war, konzentrierten Franzosen und Spanier ihre Kräfte im
Nordwesten. Die Pyrenäen schützten Spanien zwar gegenüber den Franzo­
sen, aber sobald man eine Offensivkriegführung betreiben wollte, war man
auf Flandern und Brabant angewiesen.
Um die Probleme auf dem camino real zu umgehen, entschloss man
sich im Sommer 1639, frische Truppen auf dem Seeweg in die südlichen
Niederlande zu bringen: In La Coruna wurde ein Geschwader von 70 Schif­
fen unter Admiral Antonio de Oquendo zusammengestellt, das 13 000 Sol­
daten in den Hafen von Dünkirchen bringen sollte.206 Ende September
wurde der spanische Flottenverband von einem holländischen Geschwader
unter Admiral Maarten Tromp gesichtet und angegriffen. Tromp ließ seine
Schiffe in Kiellinie auf die Spanier zulaufen, um die volle Feuerkraft seiner
Bordkanonen einsetzen zu können.207 Für Oquendo war eine Seeschlacht
Der Niedergang der spanischen Macht 739

mit den für die Niederlande bestimmten Soldaten an Bord zu riskant, des­
wegen drehte er in die Downs ab, ein flaches Seegebiet vor Kent, wo man
davon ausgehen konnte, dass die Soldaten beim Untergang eines Schiffes
mit Booten an Land gebracht werden konnten. Die Holländer verstärkten
unterdessen ihre Flotte, und am 31. Oktober griff Tromp mit drei Geschwa­
dern an. Die Spanier verloren 40 Schiffe, darunter auch das Flaggschiff
Santa Teresa und mehrere tausend Mann Besatzung und Landsoldaten.208
Tatsächlich traf die Niederlage in der Seeschlacht bei den Downs oder
bei Dover, wie sie wechselweise genannt wird, die spanische Machtstel­
lung stärker als der Untergang der Armada ein halbes Jahrhundert zuvor,
da es nun keine sichere Verbindung in die Niederlande mehr gab und die
erlittenen Verluste nur noch sehr schwer ausgeglichen werden konnten.
Die Katastrophe bei Dover war der Auftakt zu einer ganzen Abfolge von
Rückschlägen und Niederlagen, die den spanischen Niedergang besiegel­
ten. Die Folgen blieben nicht auf das spanische Imperium beschränkt, son­
dern betrafen auch den Kaiser, insofern die Subsidienzahlungen von nun
an geringer ausfielen und schließlich ganz ausblieben. In Wien, so lässt sich
festhalten, hatte man aufs falsche Pferd gesetzt.
Wie so oft führte der Versuch, dem Niedergang entgegenzuwirken, zur
Verschärfung der Krise. Zuvor hatten die rückläufigen Silberimporte aus
der Neuen Welt bereits dazu geführt, dass in Spanien die Steuerbelastungen
angehoben wurden, um einen Zusammenbruch der Staatsfinanzen zu ver­
meiden. Dabei nahm man keine Rücksicht mehr auf die Steuerprivilegien,
die Katalonien und dem seit 1580 vom spanischen König in Personalunion
mitregierten Portugal zugesichert worden waren. Schließlich erhöhte der
auf eine Verwaltungszentralisierung der spanischen «Kompositmonar-
chie» hinarbeitende Olivares die Steuerlast und die Verpflichtungen für
das Projekt einer union de armas noch einmal. Daraufhin brachen in Kata­
lonien und Portugal Aufstände aus, die dafür sorgten, dass Spanien in den
folgenden Jahren mit sich selbst beschäftigt war. Nach mehr als einem Jahr­
zehnt zähen Ringens, in das auch die französische Krone verwickelt war,
gelang es, Katalonien bei Spanien zu halten, während Portugal von 1640 an
politisch wieder eigene Wege ging.209
In den späten 1630er und frühen 1640er Jahren wurde der Niedergang
74° E IN K R IE G , D ER N IC H T EN D EN W ILL

Spaniens für die europäischen Konkurrenten unübersehbar.210 Hinzu kam


ein Vorverweis auf das Ende des Madrider Zweigs der Casa d’Austria: Am
9. November 1641 verstarb der Kardinalinfant Don Fernando in Brüssel,
körperlich gezeichnet von den ständigen Feldzügen und erschöpft von den
vergeblichen Bitten an den Madrider Hof, ihn stärker mit Geld und Solda­
ten zu unterstützen. Seine ohnehin schwache Konstitution, der die Tätig­
keit eines Erzbischofs von Toledo, für die er zuerst ausersehen war, sehr viel
zuträglicher gewesen wäre als die eines Feldherrn und Brüsseler Statthal­
ters, war den Belastungen nicht gewachsen.

Zunächst ging der Krieg in den Niederlanden aber weiter, und es gab auf
spanischer Seite die erkennbare Neigung, durch militärische Aktivität wett­
zumachen, was dem Land an wirtschaftlicher und demographischer Potenz
- die kastilischen Kernlande litten seit einiger Zeit unter einem kontinuier­
lichen Bevölkerungsrückgang - zunehmend abging. Da gegen die Gene­
ralstaaten aufgrund des starken Festungsgürtels an ihrer Südgrenze keine
großen Fortschritte zu erzielen waren, konzentrierte der neue spanische
Militärkommandant Generalkapitän Francisco Manuel de Melo, ein gebür­
tiger Portugiese, der 1640 der spanischen Krone gegenüber loyal geblieben
war, seine Truppen gegen Frankreich und belagerte die kleine Festung Roc-
roi gleich hinter der spanisch-französischen Grenze. Der Angriff hatte mehr
eine symbolische Bedeutung, als dass er von strategischer Relevanz war. Für
einen Vorstoß tief nach Frankreich hinein, wie ihn Werths Kavallerie bis
in die Nähe von Paris geführt hatte, fehlten Melo die Kräfte, und an eine
Zangenoperation war nicht zu denken. Eine solche war im Sommer 1636
missglückt,211 aber der Schrecken, den sie verbreitet hatte, war der französi­
schen Politik noch gut im Gedächtnis. Deswegen wurde ein Heer unter dem
Herzog von Enghien in Marsch gesetzt, um einen Vorstoß der Spanier nach
Frankreich zu blockieren.
Der Herzog von Enghien, der später den Beinamen «der Große
Conde» erhielt, war zweiundzwanzig Jahre alt und zeichnete sich kaum
durch militärische Erfahrung, dafür aber durch große Risikobereitschaff
und ungestümes Draufgängertum aus, besaß also alle Voraussetzungen
für ein verheerendes Desaster oder einen großen Sieg.212 Während des
Der Niedergang der spanischen Macht 741

Anmarschs auf Rocroi erreichte den Herzog die Nachricht, dass Lud­
wig X III. gestorben sei. Da wenige Monate zuvor auch Richelieu verstor­
ben war, dessen Nachfolger, der Kardinal Mazarin, von seiner Herkunft her
ein Italiener, der Thronfolger ein fünfjähriges Kind und die Königinwitwe
eine Spanierin war, gab es große Unsicherheit, welche Richtung die fran­
zösische Politik in Zukunft nehmen würde. Es hätte also gute Gründe für
Enghien gegeben, in einiger Entfernung von Rocroi eine Warteposition zu
beziehen, um zunächst einmal herauszufinden, ob es mit dem neuen politi­
schen Personal in Paris zu einem Kurswechsel kommen sollte. Ein weiterer
Grund, das Risiko einer Schlacht nicht einzugehen, war der Umstand, dass
in einer solchen Lage der Ungewissheit eine Niederlage sehr viel größere
politische Folgen hatte als unter politisch gefestigten Konstellationen. Aber
auch das hinderte Enghien nicht daran, die Schlacht gegen das spanische
Heer zu wagen.
Melo wiederum war sich seiner Sache sehr sicher und vertraute seiner
in vielen Kämpfen erprobten Infanterie. Er verfügte über 18 ooo Fußsolda­
ten und 5000 Kavalleristen, dazu 18 Kanonen, also etwa 23 000 Mann. Da
die französische Armee aus 14500 Infanteristen, 6500 Kavalleristen und
zwölf Kanonen, also 21000 Mann bestand (was Melo freilich nur schät­
zen konnte), sah er keinen Anlass, die Konfrontation hinauszuzögern und
die Ankunft weiterer 5000 Mann unter General Beck abzuwarten, die er
ursprünglich zur Eroberung des Schlosses von Chäteau-Regnault an der
Maas entsandt, bei der Nachricht vom Anmarsch der Franzosen aber zur
Hauptarmee zurückbeordert hatte. Einen Sieg hielt Melo mit Blick auf
die nach den Rückschlägen der letzten Jahre angefochtene Stellung Spa­
niens in den Niederlanden für wichtig, daher ging auch er das Risiko einer
Schlacht ein.

Am Abend des 18. Mai standen sich beide Seiten in spiegelbildlicher


Schlachtordnung gegenüber: beide Flügel jeweils von Kavallerieschwadro­
nen gebildet, in zwei Treffen geordnet, im Zentrum die in drei Treffen auf­
gestellte Infanterie, davor auf beiden Seiten die Kanonen. Rocroi war von
der Grundaufstellung her eine Schlacht ohne taktische Finessen und Über­
raschungen, und das änderte sich auch nicht in ihrem Verlauf. Es wurde
741 E IN K R IE G , D ER N IC H T EN D EN W ILL

ein furchtbares Gemetzel mit für damalige Verhältnisse sehr hohen Ver­
lusten. Das war nicht zuletzt eine Folge des mit allenfalls zwei Kilometern
nicht gerade breiten Schlachtfelds, das auf der einen Seite durch Sumpfge­
lände und auf der anderen durch ein vorspringendes Waldstück begrenzt
war. Melo hatte im Wald Musketiere postiert, die den Angriff des rechten
französischen Kavallerieflügels unter Flankenfeuer nehmen sollten, aber
Enghien hatte durch Überläufer davon erfahren und seinerseits Truppen
ausschwärmen lassen, um die Spanier aus dem Wald zu vertreiben.
Als am 19. Mai beide Heere aufeinandertrafen, nahm die Schlacht
zunächst einen ähnlichen Verlauf wie bei Rheinfelden in der ersten Kon­
frontation zwischen Bernhard und Savelli:213 Der französische rechte
Flügel warf den linken der Spanier zurück, während der rechte spanische
Flügel dem linken französischen hart zusetzte und ihn zurückdrängte. Ent­
scheidend für den weiteren Schlachtverlauf war, dass die Franzosen ihren
Erfolg energischer ausnutzten als die Spanier: Enghien brach mit seiner
Kavallerie in die Zwischenräume des zweiten und dritten gegnerischen
Infanterietreffens ein, und da diese - im Unterschied zu den Pelotons des
ersten Treffens - nicht nach Art der spanischen Tercios, sondern nach den
Vorgaben der Oranier aufgestellt waren (es handelte sich um deutsche und
wallonische Regimenter) und offenbar über zu wenig Pikeniere verfügten,
um die Kavallerieattacke abwehren zu können, wurden sie zersprengt und
niedergeritten.214 Melos Kavallerie, die den Infanteristen in dieser Situation
hätte zu Hilfe kommen müssen, war entweder zu weit zurückgeworfen wor­
den oder zu weit vorgerückt. Im Prinzip war von diesem Augenblick an die
Schlacht für die Spanier verloren. Dass sie für sie zur Katastrophe wurde,
lag daran, dass Melo die Niederlage nicht akzeptierte und mit den Tercios
des ersten Treffens das Feld behaupten wollte.
Es war die Standhaftigkeit der spanischen Infanterie, die ihr bei Rocroi
zum Verhängnis wurde. Dreimal griffen die Franzosen die Tercios an, und
dreimal wurden sie zurückgeschlagen. Ein Zufall entschied die Schlacht:
Als die Spanier versuchten, ihre rückwärtig stehende Bagage und die der
Belagerung Rocrois dienenden schweren Kanonen aus dem Kampfgesche­
hen zu bringen, wurden diese Verbände von französischer Kavallerie aus­
einandergejagt. A uf dem Schlachtfeld hatte man jedoch den Eindruck, es
Der Niedergang der spanischen Macht 743

seien die zur Unterstützung anrückenden Einheiten Becks, die hier ange­
griffen und zerschlagen wurden, und daraufhin sanken der Mut und Kamp­
feswille der bisher unerschütterlichen Infanteristen. Spanische Offiziere
signalisierten, sie seien bereit zu kapitulieren, doch als Enghien heranritt,
um sich dessen zu vergewissern, wurde auf ihn geschossen. Danach gab es
kein Halten mehr: Französische Infanterie und Kavallerie sprengten die
Tercios auf und töteten, was ihnen vor die Waffe kam. Vergeblich versuchte
Enghien, seine Soldaten dazu zu bringen, «Quartier zu geben» und die
gegnerischen Soldaten gefangen zu nehmen. Am Abend waren 5000 Spa­
nier tot und mehr als ebenso viele gefangen. Die legendäre spanische Infan­
terie, der Kern des Heeres in den südlichen Niederlanden, war vernichtet.
Dieser Verlust war nicht zu ersetzen.
Nach der Schlacht von Rocroi spielte Spanien für den weiteren Verlauf
des Dreißigjährigen Krieges keine Rolle mehr. Die Subsidienzahlungen an
Wien waren 1641 de facto eingestellt worden, und die Fähigkeit, unmittelbar
militärischen Beistand zu leisten, war nach Rocroi dahin. Zwar hielten sich
die Spanier weiterhin in den südlichen Niederlanden, zu Offensivoperatio­
nen waren sie aber nicht mehr in der Lage. Infolgedessen hatte die franzö­
sische Politik, die unter Mazarin tendenziell dieselben Ziele verfolgte wie
zuvor unter Richelieu, die freie Wahl, wo und wie sie das Gros ihres Heeres
einsetzte. Sie entschied sich für den deutschen Kriegsschauplatz. Dem dop­
pelten Druck der Schweden und Franzosen waren Kaiser Ferdinand III.
und Kurfürst Maximilian auf Dauer nicht gewachsen, zumal mit der Zeit
immer mehr Reichsstände, die sich dem Prager Frieden angeschlossen
hatten, wieder von ihm abfielen, sich für neutral erklärten oder Separat­
friedensverträge mit Frankreich oder Schweden abschlossen. Nach Rocroi
standen in Deutschland die Zeichen endgültig auf Frieden. Jetzt kam es nur
noch darauf an, den Weg dorthin zu finden, und das sollte sich als ausge­
sprochen schwierig heraussteilen.
7. K A P I T E L
ZW ISCHEN KRIEG UND FRIEDEN:
DER LANGE WEG NACH M Ü N ST E R UND
OSNABRÜCK

Die Präliminarfriedensvereinbarung

V
on den 1630er Jahren an nahmen die Bemühungen um eine Beendi­
gung des Krieges zu, bei den einen, weil sie dem Sterben und der Ver­
heerung des Landes ein Ende machen wollten, bei den anderen, weil sie
die militärisch günstigen Konstellationen des Augenblicks in eine politisch
dauerhafte Form überführen wollten. Es gab viele Gründe, den Krieg zu
beenden, aber es war gerade die Vielfalt an Motiven und Gründen, die den
Weg zum Frieden immer wieder versperrte. Das ist eine weitere Paradoxie
des Krieges: Das Vielerlei der Motivationen führte zu einem ausgepräg­
ten Misstrauen gegenüber dem Friedenswunsch der anderen. War dieser
nur ein weiteres Element in einem Machtkampf, der bislang mit Waffen
ausgetragen wurde? Würde der Friede, um eine bekannte Umkehrung der
Clausewitz’schen Formel zu gebrauchen, womöglich nichts anderes sein
als eine Fortsetzung des Krieges mit anderen Mitteln? Dieses Misstrauen
sorgte dafür, dass der Krieg weiterging, obwohl sich bei den meisten Betei­
ligten längst die Einsicht durchgesetzt hatte, dass er militärisch nicht zu
gewinnen war. Aber gerade deswegen wollten die einen am Verhandlungs­
tisch nicht verlieren, was sie im Kriegsverlauf an Erfolgen erzielt hatten,
und den anderen war daran gelegen, dass die materiellen Verluste und Zer-
7 4 -6 ZW ISC H EN K R IE G UND F R IE D E N

Störungen, die das Land erfahren hatte, nicht gänzlich vergebens gewesen
sein sollten. Bevor man beginnen konnte, über die Friedensbedingungen
zu beraten, musste man also zunächst einmal ein Minimum gegenseitigen
Vertrauens schaffen.1
Herkömmlicherweise kommt Vermittlern, die in das Kriegsgeschehen
nicht involviert sind, die Aufgabe zu, das Vertrauensdefizit zu überbrücken
und als Garant von Vertrauensvorschüssen zu dienen. Beim Dreißigjähri­
gen Krieg war es jedoch so, dass es eine solche dritte Partei aufgrund der
vielfältigen Kriegsgründe und der langen Dauer des Krieges nicht gab: Alle
europäischen Großmächte hatten entweder selbst in den Krieg eingegriffen
oder waren doch interessierte Partei, und die Mächte, die tatsächlich abseits
gestanden und sich weder mit eigenen Truppen noch mit Hilfszahlungen
in das Geschehen eingemischt hatten, das Reich des russischen Zaren und
das Reich des osmanischen Sultans, kamen als Friedensvermittler nicht in
Frage; der eine gehörte nicht der lateinischen Christenheit an, der andere
war kein christlicher Herrscher. Die religiös-kulturelle Zugehörigkeit war
eine zwingende Voraussetzung dafür, das Misstrauen der Beteiligten über­
brücken zu können.2 Das ist die zweite Paradoxie auf dem Weg zum Frie­
den: dass man zwar nicht zuletzt wegen Glaubensfragen gegeneinander
Krieg führte, aber auf die Gemeinsamkeit dieses Glaubens angewiesen war,
um Frieden schließen zu können.
Zwei Akteure unternahmen von der Mitte der 1630er Jahre an unabhän­
gig voneinander den Versuch, die Friedensgespräche in Gang zu bringen:
Dänemark und der Papst.3 Das protestantische Dänemark, das im Lübe­
cker Frieden aus dem Krieg ausgeschieden war, stand aber vor allem bei
den Schweden im Verdacht, es wolle nunmehr auf diplomatischem Wege
erreichen, was ihm im Krieg mit militärischen Mitteln nicht gelungen war.
Es habe lediglich das Schwert mit der Feder vertauscht, doch die leitende
Absicht, die Sicherung der dänischen Vormachtrolle in der Ostsee, sei die
gleiche geblieben. Habe sich das dänische Schwert vor allem gegen den
Kaiser und die katholische Liga gerichtet, so ziele die dänische Feder nun
gegen Schweden, dem man die starke Position, die es durch seine militäri­
schen Erfolge erlangt hatte, am Verhandlungstisch wieder streitig machen
wolle - so jedenfalls sah man es in Stockholm. Es kann daher nicht über­
Die Präliminarfriedensvereinbarung 747

raschen, dass die Schweden alles taten, um Dänemark aus den Friedens­
verhandlungen hinauszudrängen, da sie ihm die Rolle eines Vermittlers
nicht zugestehen wollten - bis dahin, dass Schweden einen Krieg gegen
Dänemark begann, in dessen Folge die dänische Gesandtschaft den Ver­
handlungsort Osnabrück verließ und nicht mehr dorthin zurückkehrte.4
Waren es im Falle Dänemarks machtpolitische Aspekte, die seiner
Akzeptanz als Vermittler entgegenstanden, so war es beim Papst dessen
zwangsläufige Parteilichkeit in der konfessionellen Frage. Dass die Kurie
in der Anfangsphase des Krieges Kaiser und Liga mit Subsidien unterstützt
hatte, spielte dabei eine geringere Rolle. Aber den Papst als Gastgeber eines
Friedenskongresses zu akzeptieren hätte für die Protestantischen bedeutet,
ihm in der europäischen Politik eine Rolle zuzugestehen, die zu bestreiten
eines der Grundanliegen der Reformation gewesen war. Man hatte nichts
gegen die Vermittlungen einzuwenden, die der päpstliche Nuntius Fabio
Chigi bei den Verhandlungen in Münster dann tatsächlich leistete, aber
Chigi war umso effektiver, je weniger er dabei sichtbar in Erscheinung trat.
Als Patron eines Friedenskongresses kam der Papst jedenfalls nicht in Frage,
und daran scheiterte auch das von Urban V III. betriebene Projekt, im
Anschluss an den Prager Frieden und auf diesem aufbauend eine Lösung
für die «internationale» Komponente des Krieges zu finden. Dass der
Papst bei den protestantischen Mächten, den Generalstaaten und Schwe­
den, kein Gehör finden würde, war klar. Doch hatten auch er selbst und sein
Legat Marzio Ginetti ein Problem damit, mit häretischen Mächten Gesprä­
che zu führen. Dass Ginetti selbst die katholischen Mächte, also Frankreich,
Spanien und den Kaiser, nicht an einen Tisch bringen konnte, zeigt, wie
schwierig die Lage war.5 So wurde der Kölner Kongress, der durch eine
päpstliche Friedensinitiative zustande kommen sollte, zu einem weiteren
Fehlschlag auf dem Weg zum Frieden.
Gänzlich nutzlos waren Ginettis Bemühungen indes nicht, denn sie
klärten die Probleme, die vor dem Beginn von Friedensverhandlungen zu
bearbeiten waren.6Da war zunächst die Frage des Vorrangs: Üblicherweise
stand die erste Position dem Kaiser zu, doch er war in diesem Fall ja Kriegs­
partei. Die kaiserliche Präzedenz widersprach überdies dem zentralen
Kriegsziel Frankreichs, das die traditionelle Pyramide der politischen Ord­
748 ZW ISC H EN K R IE G UND F R IE D E N

nung Europas durch ein Gleichgewicht der Kräfte ablösen wollte, in dem
Frankreich nach Richelieus Plan die Rolle eines Stabilisators und Schieds­
richters zufallen sollte.7 Richelieus geschickte Reaktion auf den kaiserli­
chen Präzedenzanspruch bestand darin, dass er diesen nicht grundsätzlich
in Frage stellte, sondern bestritt, dass Ferdinand III. rechtmäßiger Kaiser
sei. An seiner Wahl habe weder die Kurpfalz noch Kurtrier teilgenommen;
der Trierer Erzbischof und Kurfürst Philipp Christoph von Sötern sei durch
seine Wiener Gefangenschaft sogar mit Gewalt von der Wahl ferngehalten
worden. Das war ein starkes Argument, das es der französischen Politik
während der gesamten Verhandlungen ermöglichte, um die Anerkennung
des Kaisers als Oberhaupt der westlichen Christenheit herumzukommen,
ohne die Frage nach Hierarchie oder Gleichgewicht wirklich zur Debatte
stellen zu müssen. Die einschneidende Veränderung in der politischen
Ordnung Europas, die im Verlauf der Friedensverhandlungen Platz griff,
die Umstellung von Hierarchie auf Gleichgewicht, vollzog sich, ohne dass
darüber verhandelt wurde.8 Das war bei den Vorgesprächen zum Kölner
Kongress noch nicht absehbar, doch wurden hier die Voraussetzungen für
diesen Wechsel geschaffen.
Das zweite große Problem war, dass Richelieu und der Kaiser gänzlich
andere Vorstellungen von dem Weg zum Frieden beziehungsweise der Art
des Friedens hatten: Während Richelieu einen Universalfriedensvertrag
anstrebte, der von allen kriegsbeteiligten europäischen Mächten multilate­
ral ausgehandelt werden sollte, setzte der Kaiser auf Separatfriedensverträge
mit Schweden und Frankreich, die bilateral verhandelt und als Ergänzung
des Prager Friedens von 1635 gelten sollten. Daran konnte Richelieu kein
Interesse haben, da die Anerkennung des Prager Friedens als Grundlage des
europäischen Friedens die kaiserliche Präzedenz bestärkt hätte. Faktisch
wäre der Kaiser damit zum Herr des Friedens geworden, und obendrein
wäre es Richelieu dann nicht möglich gewesen, das enge Band zwischen
Madrid und Wien aufzulösen und die Machtballung der Casa d’Austria zu
beenden. Die Auflösung der politisch wie militärisch engen Bindungen bei­
der Stränge des Hauses Habsburg war aber die Voraussetzung dafür, dass
ein Gleichgewicht der Mächte in Europa entstehen konnte.
Letzteres zu verhindern war die Leitlinie der Wiener wie der Madri­
Die Präliminarfriedensvereinbarung 749

der Politik. Die Wiederannäherung beider Mächte nach den wechselsei­


tigen Enttäuschungen des Mantuanischen Erbfolgekrieges seit 1633 war
auch eine Reaktion darauf, dass die Zielrichtung der französischen Poli­
tik zunehmend erkennbar wurde. Bei den von Kardinal Ginetti geführten
Sondierungsgesprächen zur Vorbereitung des Kölner Kongresses trat die
Absicht der französischen Diplomaten dann in aller Deutlichkeit hervor.
Daraufhin rückten die Habsburger noch enger zusammen: Im September
1639 schlossen sie im Ebsdorfer Vertrag ein Militärbündnis, das sich die
Rückeroberung Vorderösterreichs zur Aufgabe machte, worunter man den
südwestdeutschen Streubesitz der Habsburger sowie das Eisass verstand.
Unmittelbar motiviert war das Bündnis durch die Niederlagen der kaiser­
lichen Armeen gegen Bernhard von Weimar und den Verlust eines wich­
tigen Teils der «spanischen Gasse»;9 politikstrategisch lief der Vertrag
von Ebsdorf auf eine scharfe Frontstellung gegen Frankreich hinaus. Die
Herrschaft über das Eisass auf der linksrheinischen und große Teile Süd­
westdeutschlands auf der rechtsrheinischen Seite bekam so eine Bedeu­
tung, die weit über die physische Kontrolle des Raumes hinausging: An ihr
entschied sich das Grundmuster der politischen Ordnung Europas. Es kam
somit nicht von ungefähr, dass dieser Raum mit dem Fortgang der Frie­
densbemühungen zu den am heftigsten umkämpften Gebieten der 1640er
Jahre wurde.
Nicht immer traten Meinungsverschiedenheiten dort zutage, wo sie
tatsächlich virulent waren; häufig drehte sich der Streit um Fragen, die nur
deshalb umstritten waren, weil sie auf ein ganz anderes Problem verwie­
sen. Die Frage nach dem Umgang mit den nondum reconciliati, den dem
Prager Frieden noch nicht Beigetretenen beziehungsweise vom Kaiser
explizit davon Ausgeschlossenen, war ein solcher Fall. Nach Wiener Auf­
fassung war das Reich seit dem Prager Frieden in seinem Innern befriedet;
bei den anstehenden Friedensverhandlungen konnte es also nur darum
gehen, die im Prager Frieden ungelöst gebliebenen Probleme zu bearbei­
ten. Ausdrücklich hatte man nicht vor, die Prager Lösungen noch einmal
aufzuschnüren und neu zu verhandeln. Die nondum reconciliati sollten dem
Prager Frieden beitreten beziehungsweise den Kaiser um Gnade bitten,
aber kein Thema bei den noch zu führenden Friedensgesprächen mit den
75° ZW ISC H EN K R IE G UND F R IE D E N

äußeren Interventen sein. Das sahen Frankreich und Schweden als Ver­
bündete dieser nondum reconciliati gänzlich anders, schließlich waren sie
offiziell in den Krieg eingetreten, um deren Anliegen zu verteidigen, auch
wenn im Hintergrund noch ganz andere Motive eine Rolle gespielt haben
mochten. Für Schweden wäre ein Einschwenken auf die kaiserliche Sicht
gleichbedeutend damit gewesen, dass es seine protestantischen Verbünde­
ten, ähnlich wie Dänemark das 1629 getan hatte, im Stich ließ, um aus dem
Krieg herauszukommen; für Frankreich hätte es bedeutet, dass es seinen
wichtigsten Hebel zur Durchsetzung von Universalfriedensverhandlungen
aus der Hand gab. Es waren also recht unterschiedliche Motive, aus denen
heraus beide Mächte die nondum reconciliati in den Mittelpunkt ihrer Ver­
handlungsstrategie stellten; für das Zustandekommen der Friedensgesprä­
che - oder deren Scheitern - spielten sie eine zentrale Rolle. Eine Schlüssel­
position kam dabei Hessen-Kassel zu, das zu Schweden und Frankreich seit
langem eine enge Verbindung unterhielt. Die kleine Landgrafschaft in einer
eher armen Gegend Deutschlands bekam so ein außergewöhnlich großes
politisches Gewicht.

Der päpstliche Legat musste also die Erfahrung machen, dass die Vorstel­
lungen der kriegführenden Parteien zu weit auseinanderlagen, um eine
gemeinsame Minimalposition entwickeln zu können, und das galt nicht
nur für die konfessionellen Gegner, sondern auch für die katholischen
Mächte. So ging der Krieg weiter, wenngleich er seinen Charakter verän­
derte: Krieg und Frieden traten in eine noch engere Beziehung. Ging es,
sofern man den Gegner nicht niederwerfen konnte, sonst darum, Territo­
rien zu besetzen, um bei den Friedensgesprächen ein Faustpfand zu haben,
mit dem man die Gegenseite zu Konzessionen zwingen konnte, so hatten
militärische Erfolge von den späten 1630er Jahren an die Aufgabe, der eige­
nen Vorstellung vom Frieden beziehungsweise von dem Weg dorthin ein
so großes Gewicht zu verschaffen, dass sie sich durchsetzen konnte. Das
hatte zur Folge, dass man noch weniger als bisher darum bemüht war, die
besetzten Territorien schonend zu behandeln. Der Krieg wurde dadurch in
seiner Schlussphase noch grausamer.
Dabei sah es für die kaiserliche Seite zunächst recht gut aus. Die
Die Präliminarfriedensvereinbarung 751

Schwäche Spaniens kam anfänglich noch nicht voll zum Tragen, weil auch
Schweden eine längere Schwächeperiode erlebte. In Wien hatte man durch­
aus registriert, dass die französischen Subsidien die schwedischen Streit-
kräfie stabilisiert hatten,10 aber man wusste auch, dass das 1638 in Hamburg
geschlossene Militärbündnis der beiden Mächte auf drei Jahre befristet
war, und hoffte, dass es nicht verlängert würde, weil es für Frankreich nicht
die erwarteten Effekte hatte und für Schweden eine beständig wachsende
Last war. Wenn die französischen Hilfsgelder ausliefen, so die Erwartung,
würde Schweden gezwungen sein, in einen Separatfrieden mit dem Kaiser
einzuwilligen. Man glaubte, dass großzügige Angebote in der Pommern-
Frage die schwedische Friedensbereitschaff deutlich befördern würden.
Gespräche zwischen dem kaiserlichen Gesandten Carl von Lützow und
dem schwedischen Feldmarschall Baner gaben allen Anlass zur Zuver­
sicht.11 Als Baner Anfang Mai 1641 in Halberstadt verstarb und es danach zu
Auflösungserscheinungen im schwedischen Heer kam, verstärkte dies noch
die Hoffnung.12 Das erklärt, warum der Wiener H of trotz des bedrohlichen
Zerfalls der spanischen Macht weiterhin auf Zeit spielte. Im Rückblick ist
klar, dass man eine Phase relativer Stärke politisch ungenutzt verstreichen
ließ. Zunächst hatte es aber den Anschein, als müsse man nur abwarten,
denn das schwedische Heer war nach Dienstverweigerungen und Meuterei
nicht einsatzfähig, und auch die französischen Truppen sowie die Weima­
raner Söldner, die nun unter dem Kommando des Schweizers Hans Ludwig
von Erlach standen, waren vorerst nicht zu größeren Offensivoperationen
in der Lage. Das sollte sich jedoch ändern.
Das von Baner geführte schwedische Heer war im Wesentlichen eine
Söldnertruppe, die durch das Vertrauen in ihren Befehlshaber zusammen­
gehalten wurde: das Vertrauen in seine Fähigkeit, die Truppen zum Sieg
zu führen, sie Beute machen zu lassen sowie für gute Winterquartiere zu
sorgen. War dieses Vertrauen vorhanden, so ließen sich auch längere Pha­
sen stockender Soldzahlungen überbrücken, ohne dass das Heer sogleich
zerfiel. Starb der Kommandeur einer solchen Truppe, verhielt es sich frei­
lich anders, denn nun war offen, ob der Nachfolger die ausstehenden Zah­
lungen übernehmen würde. So war es auch nach dem Tod Baners im Jahr
1641.13 Die Lage stabilisierte sich, als Lennart Torstensson, Gustav Adolfs
752 ZW ISCH EN K R IE G UND F R IE D E N

Lennart Torstensson war


der fähigste General der
Schweden. Sein Aufstieg
begann als Artilleriekom­
mandeur Gustav Adolfs,
und in dieser Position
entwickelte er neue
Formen des taktischen
Gebrauchs von Artil­
lerie in der Schlacht.
Von 1641 bis 1646 war er
Oberbefehlshaber des
schwedischen Heeres in
Deutschland und legte
durch mehrere große
Siege die Grundlage für
die starke Verhandlungsposition Schwedens in Münster und Osnabrück.
Das Bild zeigt Torstensson zu Pferde; da er an der Gicht litt, musste er sich
als Oberkommandierender jedoch zumeist in einer Sänfte aufs Schlachtfeld
bringen lassen.

einstiger Artilleriekommandeur, das Kommando des schwedischen Heeres


in Deutschland übernahm.14 Nach seiner Ernennung zum Oberbefehlsha­
ber ließ er sich jedoch erst einmal Zeit, bis er bei den Soldaten erschien,
und so war das schwedische Heer von Mai bis November ohne Führung.
Torstensson trug in Stockholm dafür Sorge, dass die finanziellen Mittel für
die Auszahlung des Solds bereitgestellt wurden, außerdem brachte er etwa
7000 nationalschwedische Soldaten mit, die als «Loyalitätskern» in die
Söldnerregimenter eingezogen wurden. Damit war das schwedische Heer
binnen kürzester Zeit wieder einsatzfähig, und es entfaltete unter Torstens­
son eine Kampfkraft, die an jene unter Gustav Adolf heranreichte. Dadurch
veränderte sich die militärische Gesamtlage in Deutschland.
Zuvor hatte Kaiser Ferdinand III. für seine Politik Rückhalt bei den
Reichsständen gesucht, indem er 1639 einen Kurfürstentag nach Nürnberg
und 1640 einen Reichstag - den ersten seit 1613 - nach Regensburg einbe­
Die Präliminarfriedensvereinbarung 753

rief. Die Reichsstände waren stark daran interessiert, dass die Friedensge­
spräche zügig aufgenommen wurden. In den Regensburger Verhandlungen
wurde aber deutlich, dass die Positionen des Kaisers dem entgegenstanden.
Das betraf vor allem die engen Bindungen Wiens an Spanien. Insbesondere
Kurfürst Maximilian, früher eher ein Kriegstreiber, drängte in Nürnberg
und Regensburg auf baldigen Frieden.15 Er drohte damit, die französische
Karte ins Spiel zu bringen, also Verhandlungen über einen bayerisch­
französischen Separatfrieden zu beginnen. Diese Drohung wurde in Wien
ernst genommen, denn damit wäre der auf dem Verbot von Separatfrie­
densverträgen beruhende Prager Frieden aufgekündigt worden, und zwar
durch den für den Kaiser wichtigsten Reichsstand. Das hätte eine Ketten­
reaktion nach sich gezogen, da dann auch andere Reichsstände sich nicht
mehr an den Prager Frieden gebunden gesehen hätten. Obendrein hätte
die mit einem Separatfrieden verbundene Neutralisierung Bayerns die kai­
serlichen Erblande französischen Angriffen aus dem Westen schutzlos aus­
geliefert. Durch die Gegendrohung, man werde im Fall eines bayerischen
Separatfriedens die Übertragung der Kur von Heidelberg nach München
zur Disposition stellen, konnte man Maximilian noch einmal auf der Seite
des Kaisers halten. Das bis dahin vertrauensvolle Verhältnis zwischen Wien
und München wurde dadurch aber massiv beschädigt.16
Ein weiteres Problem stand in Nürnberg und Regensburg zur Debatte:
die Frage des weiteren Umgangs mit den nondum reconciliati. Um den auf
Frieden drängenden Reichsständen entgegenzukommen, erklärte der Kai­
ser, er wolle Braunschweig-Lüneburg und Hessen-Kassel in die Amnestie
des Prager Friedens einschließen, «wenn sie ihre Verbindung mit dem
Feinde aufgeben würden».17 Aber warum sollten diese sich auf ein solches
Angebot einlassen, das sie dem kaiserlichen Wohlwollen auf Gedeih und
Verderb ausgeliefert hätte? Vor allem für die Landgräfin Amalie Elisabeth
von Hessen-Kassel hätte der Beitritt zum Prager Frieden nur Nachteile
gebracht, da damit alle Ansprüche, die sie gegen die hessen-darmstädtische
Linie des Landgrafenhauses geltend machte,18 und zwei Jahrzehnte Kriegs­
anstrengungen hinfällig gewesen wären. Im Bündnis mit Schweden und
Frankreich ließen sich die Ansprüche hingegen aufrechterhalten, und ange­
sichts der Kriegslage war es nicht unwahrscheinlich, dass sich ein Teil von
S E X 810 S R iM P E R Il S T ä T W M S o L E N M IA A F V O K a T I S B O N E N S E S -
i' iftpni «So um in i f et.fruVn* S r nt i.U n lftfifv in 'T nopfnnfn htM»

Die Einberufung eines Reichstags nach Regensburg im Jahr 1640 zeigt, dass
man nach mehr als zwei Jahrzehnten Krieg wieder verstärkt auf die Institu­
tionen des Reiches setzte - ebenjene Institutionen, die sich vor Kriegsbe­
ginn selbst lahmgelegt hatten. Auch wenn der Reichstag von 1640/41 keine
greifbaren Fortschritte zur Beendigung des Krieges brachte, so kam dort
doch der Friedenswille der Reichsstände sehr deutlich zum Ausdruck. In
der Mitte des Bildes oben der Kaiser auf dem Thron, rechts und links von
ihm die Vertreter der Kurfürsten; an den Längsseiten die Gesandten der
Bistümer und Fürstentümer; außerhalb des Karrees Prälaten, Offiziere und
Vertreter der Reichsstädte.

ihnen auch durchsetzen ließ.19 Indem der Kaiser die Trennung von Frank­
reich und Schweden zur Voraussetzung einer Aussöhnung erklärte, machte
er diese eigentlich unmöglich.
Gleichzeitig versuchte der Kaiser selbst, mit Schweden einen Separat­
frieden zu schließen. Um die schwedische Bereitschaft zu fördern, gab er zu
Die Präliminarfriedensvereinbarung 7SS

erkennen, dass man keine Einwände habe, wenn Schweden das Erbe des
kinderlos verstorbenen Herzogs Bogislaw in Pommern antrete. Das war je­
doch ein verhängnisvoller Schachzug, der zum Anfang vom Ende des Pra­
ger Friedens werden sollte. Herzog Bogislaw hatte in seinem Testament den
Kurfürsten von Brandenburg als Erben eingesetzt, und Kurfürst Friedrich
Wilhelm (der «Große Kurfürst»), der zwischenzeitlich die Nachfolge sei­
nes eher konzilianten Vaters angetreten hatte,20verstand das Angebot Ferdi­
nands an Schweden dahingehend, dass der Kaiser die brandenburgischen
Interessen dranzugeben bereit war, wenn es zu seinem eigenen Vorteil war.
Im Oktober 1641, kurz nach dem Abschluss des Regensburger Reichstags,
ließ Friedrich Wilhelm offiziell mitteilen, er werde fortan eine neutrale
Position einnehmen, und dazu gehöre auch, dass er alle Zahlungen für die
Reichsarmee einstelle. Der Zahlungsausfall war zu verschmerzen, denn die
Beiträge des ohnehin armen und durch den Krieg noch weiter verarmten
Brandenburgs waren nicht hoch; im Hinblick auf den Prager Frieden je­
doch war der Kurswechsel Brandenburgs überaus folgenreich, denn damit
verließ ein Kurfürst die Prager Friedensordnung. Schon bald war abseh­
bar, dass Friedrich Wilhelm nicht der Einzige bleiben würde, der zur kai­
serlichen Friedensordnung auf Distanz ging. Die Annahme Brandenburgs
nämlich, es könne in der Pommern-Frage seine Interessen unabhängig vom
Kaiser und in direkten Verhandlungen mit Schweden besser vertreten, galt
mutatis mutandis auch für andere Reichsstände.
Ein grundlegender Konstruktionsfehler der Prager Friedensordnung
wurde damit sichtbar: Bei dem Versuch, den Frieden auf die Mächte außer­
halb des Reichs auszudehnen, mussten einige Mächte innerhalb des Reichs
Nachteile hinnehmen, und das führte zwangsläufig dazu, dass sie sich vom
Friedensvertrag distanzierten. Gleichzeitig waren weder Schweden noch
Frankreich auf diese Weise in substanzielle Friedensverhandlungen einzu­
binden; der Prager Frieden hätte sich nur durchsetzen lassen, wenn man in
der Lage gewesen wäre, Schweden und Frankreich mit kriegerischen Mit­
teln aus dem Reich hinauszudrängen, und als klar war, dass die Kräfte dazu
nicht ausreichten, war der Prager Frieden gescheitert.
756 ZW ISC H EN K R IE G UND F R IE D E N

Friedrich Wilhelms Kurswechsel setzte den Kaiser unter Zeitdruck und


zwang ihn zu größerer Beweglichkeit, und so war bald der Weg zu einem
Universalfriedenskongress frei. Am 25. Dezember wurde der Hamburger
Präliminarfrieden unterzeichnet.21 Ausgehandelt hatten ihn für Schweden
Johan Adler Salvius, der kaiserliche Gesandte Carl von Lützow, der für
Spanien mitverhandelte, und der französische Gesandte Claude de Mes-
mes Graf d’Avaux. Die Dänen hatten erfolgreich die zeitweilige Krise des
schwedischen Heeres ausgenutzt, um sich als vermittelnde Macht ins Spiel
zu bringen. Es handelte sich bei dem Hamburger Vertrag indes weniger um
einen wirklichen Präliminarfrieden als vielmehr um einen Formelkompro­
miss,22 der eine Reihe von Absichtsbekundungen umfasste: Man wollte mit­
einander verhandeln, die Verhandlungen sollten am 25. März 1642 begin­
nen und an zwei Orten gleichzeitig stattfinden. Der Kaiser musste dabei
den größeren Schritt machen, da von seiner Vorstellung, die Gespräche mit
Frankreich und Schweden getrennt voneinander zu führen, nur die zwei
Städte blieben, während die Verhandlungen als ein Kongress anzusehen
waren. Zuerst sah man Lübeck und Köln als Verhandlungsorte vor, eine
protestantische und eine katholische Stadt, aber dann erschien die Entfer­
nung zwischen beiden Städten zu groß. So wurden das katholische Münster
und das überwiegend protestantische Osnabrück ausgewählt. Beide Städte,
so eine weitere Festlegung des Hamburger Präliminarfriedens, sollten mit­
samt der Verbindungsstraße dazwischen neutral sein, was darauf hinauslief,
dass bis zum Verhandlungsbeginn das schwedische Militär aus Osnabrück
und die kaiserlichen Truppen aus Münster abgezogen werden mussten. Für
Münster und Osnabrück sprach, dass sie an der Schnittstelle zwischen den
Kriegsparteien lagen und dass aufgrund ihrer räumlichen Nähe die Kom­
munikation zwischen beiden Verhandlungsorten nicht allzu schwierig
war.23 A uf einen Waffenstillstand, der mit Beginn der Friedensverhandlun­
gen in Kraft treten würde, konnte man sich indes nicht verständigen.
Ein weiterer Kompromiss, den der Kaiser angesichts der auf Frieden
drängenden Reichsstände einging, bestand darin, dass er eine Reihe von
Verbündeten Frankreichs und Schwedens zum Kongress zuließ. Zum Zeit­
punkt der Unterzeichnung des Hamburger Präliminarfriedens waren nur
Hessen-Kassel und Braunschweig-Lüneburg offizielle Verbündete der zwei
Die Präliminarfriedensvereinbarung 757

Kronen, wie Schweden und Frankreich häufig bezeichnet wurden; die bei­
den Großmächte hatten indes darauf bestanden, dass die zum Kongress
Zugelassenen nicht namentlich festgelegt wurden, womit je nach Lageent­
wicklung weitere Verbündete hinzukommen konnten. Das war eine weit­
reichende Konzession der kaiserlichen Seite, die eigentlich ein Interesse
haben musste, die Anzahl der Reichsstände auf dem Kongress möglichst
gering zu halten, damit der Prager Kompromiss nicht wieder aufgeschnürt
wurde und Fragen der Reichsverfassung außen vor blieben. Dass die Ver­
bündeten nicht benannt wurden, schuf einen Anreiz für die Reichsstände,
den Prager Frieden zu kündigen und in ein Bündnis mit Schweden oder
Frankreich einzutreten; auf diese Weise konnten sie Zugang zum Friedens­
kongress bekommen und die eigenen Belange dort selbst vertreten.
Bei Unterzeichnung des Hamburger Präliminarfriedens gab es keiner­
lei Zweifel, dass sich die Verhandlungen über lange Zeit hinziehen würden.
Dass es jedoch fast sieben Jahre dauern sollte, bis die Verträge in Münster
und Osnabrück unterzeichnet wurden, und man sich darüber hinaus erst
nach dem Nürnberger «Friedensexekutionshauptschluss» vom 26.Juni
1650 sicher sein konnte, dass der geschlossene Frieden auch halten würde,
hat wohl keiner der in Hamburg Beteiligten vorausgeahnt. Am ehesten
dürfte jedoch stutzig gemacht haben, dass es nicht zu Vereinbarungen über
einen Waffenstillstand kam. Tatsächlich setzten beide Seiten nach wie vor
auf einen Umschwung der militärischen Lage, und Gründe dafür gab es auf
beiden Seiten: Die kaiserliche Seite hoffte weiterhin darauf, dass Schweden
angesichts des desolaten Zustands seiner Armee zum Separatfrieden bereit
sein werde, und die beiden Kronen waren überzeugt, dass die spanischen
Ressourcen durch die Aufstände in Portugal und Katalonien aufgebraucht
würden,24 was schon bald die militärische Handlungsfähigkeit der Gegen­
seite einschränken werde. So schloss man einen Präliminarfrieden in der
festen Absicht, den Krieg vorerst weiterzuführen.
758 Z W ISC H EN K R IE G UND F R IE D E N

Die zweite Schlacht von Breitenfeld und der


schwedisch-dänische Krieg

Im Sommer und Frühherbst 1641 sah es zeitweilig so aus, als würde sich
eine Reihe deutscher Offiziere in schwedischen Diensten mitsamt ihren
Einheiten auf die Seite des Kaisers ziehen lassen. Es ist nicht zu entschei­
den, ob die Offiziere in der ernstlichen Absicht verhandelten, die Seite zu
wechseln, oder ob es ihnen lediglich darum ging, Druck auf die Schweden
auszuüben, damit diese den rückständigen Sold endlich auszahlten.25 Am
Ende bot offenbar auch Wien zu wenig Geld an, und schließlich gelang es
Torstensson, aus dem zerfallenen Haufen der schwedischen Truppen in
Deutschland wieder ein schlagkräftiges Heer zu machen.
Im März 1642 brach die Armee auf und marschierte durch das neu­
trale Brandenburg nach Schlesien; am 4. Mai wurde die Festung Glogau
eingenommen, am 3. Juni Schweidnitz. Danach stießen die Schweden nach
Mähren vor und eroberten Anfang Juli Olmütz.26 Vor der Eroberung von
Schweidnitz hatte Torstensson eine kaiserliche Armee unter Franz Albrecht
von Sachsen-Lauenburg zum Kampf gestellt und vernichtend geschlagen:
Bei vernachlässigbaren schwedischen Verlusten verloren die Kaiserlichen
4000 Mann an Toten und Verwundeten, 1200 wurden gefangen genom­
men. Das kaiserliche Hauptheer unter Piccolomini, das zum Entsatz von
Schweidnitz herangezogen war, hatte sich daraufhin wieder zurückgezogen.
Es schien, als seien jene Zeiten zurückgekehrt, in denen die Schweden ihre
Gegner vor sich hertrieben und sie schlugen, wann und wo immer sie sich
zur Schlacht stellten.
Der Sommer und Herbst 1642 war von Märschen in Böhmen und
Mähren, Schlesien und Sachsen geprägt, wo Schweden und Kaiserliche
am 2. November aufeinandertrafen und eine Schlacht in der Nähe des
Dorfes Breitenfeld schlugen. E lf Jahre zuvor hatte dort Gustav Adolf sei­
nem Gegner Tilly jene schwere Niederlage beigebracht, die zum Zusam­
menbruch der kaiserlich-ligistischen Macht in Norddeutschland führte;27
die Schlacht von 1642 wird daher in der Geschichte des Dreißigjährigen
Krieges als «Breitenfeld II» geführt. Die zwei Schlachten haben freilich
Die zweite Schlacht von Breitenfeld und der schwedisch-dänische Krieg 759

nicht auf genau demselben Gelände stattgefunden: Breitenfeld II schließt


in südwestlicher Richtung an Breitenfeld I an. Die Zahl der beteiligten Sol­
daten war bei Breitenfeld II deutlich geringer als bei Breitenfeld I: Die von
Erzherzog Leopold Wilhelm, dem jüngeren Bruder Kaiser Ferdinands III.,
geführte kaiserliche Armee umfasste ungefähr 26 000 Soldaten, die schwe­
dische Armee unter Torstensson etwa 20 000 Mann.28
Im späten Oktober hatte Torstensson damit begonnen, das in kaiser­
licher beziehungsweise sächsischer Hand befindliche Leipzig zu belagern,
um die Stadt als Zentrum für seine Winterquartiere in die Hand zu bekom­
men. Gelang ihm das, so würde die Armee das erste Mal seit langem wieder
in Feindesland überwintern, und den Großteil der Unterhaltskosten würde
der sächsische Kurfürst tragen müssen. Das Bündnis mit dem Kaiser, so
Torstenssons Kalkül, sollte Johann Georg möglichst teuer zu stehen kom­
men. Wiederum marschierte Ottavio Piccolomini mit dem kaiserlichen
Hauptheer zum Entsatz der Stadt heran. Da Torstensson nicht zwischen
Stadtbefestigung und Entsatzarmee eingeklemmt werden wollte, hob er
die Belagerung auf und wich in nördlicher Richtung zurück. Erzherzog
Leopold Wilhelm deutete das als einen Rückzug und plädierte dafür, den
Schweden in Eilmärschen zu folgen und sie zur Schlacht zu stellen. Der vor­
sichtigere Piccolomini war mit dem Entsatz Leipzigs zufrieden, hätte sich
lieber weiterhin auf den Manöverkrieg verlegt und eine Entscheidungs­
schlacht vermieden. Doch der Erzherzog setzte sich im Kriegsrat durch.
Torstensson wollte die Schlacht keineswegs vermeiden, wie Leopold
Wilhelm annahm, und hatte das Heer am 1. November in der Nähe des
Schlachtfelds von 1631 haltmachen und Gefechtsaufstellung einnehmen las­
sen. Bei der Ortswahl mag die Erinnerung an den großen Sieg des Königs
eine Rolle gespielt haben, die Erwartung, dass er die Soldaten zu Stand­
haftigkeit und Tapferkeit anspornen würde, ebenso aber die weite Ebene
nördlich von Leipzig, die einer geschickten Operationsführung viele Mög­
lichkeiten eröffnete. Torstensson hatte die Positionen bezogen, die ihm
am geeignetsten erschienen; aufgrund der Anmarschrichtung der Kaiser­
lichen musste er nur seinen rechten Flügel leicht verschieben, um nicht in
der Flanke angegriffen zu werden. Der größte Vorteil der Stellung bestand
darin, dass die Kaiserlichen beim Angriff durch ein Waldstück in der Mitte
7 öo ZW ISC H EN K R IE G UND F R IE D E N

ihres Aufmarschgebiets, den Linkelwald, getrennt wurden, das ihr Infante­


riezentrum beim Rückzug in zwei Teile aufspalten würde. Womöglich hat
Piccolomini, der mit vielen Schlachtfeldern und den Tücken des Terrains
vertraut war, diesen Nachteil erkannt, aber da die Vorgabe des Erzherzogs
lautete, Torstensson zur Schlacht zu stellen, blieb ihm nichts anderes übrig,
als den Nachteil in Kauf zu nehmen.
Breitenfeld II wurde eine klassische Linearschlacht, wie sie später für
die Kriege des 18. Jahrhunderts typisch sein sollte.29 Auch auf kaiserlicher
Seite hatte man die am spanischen Vorbild orientierte Tercio-Aufstellung
aufgegeben und die Truppen nach dem oranischen Modell in flacheren
Körpern formiert. Die Folge war, dass beide Seiten über dieselben Offen­
siv- wie Defensivoptionen verfügten, im Unterschied zu den meisten frühe­
ren Schlachten, in denen die eine Seite eine offensive und die andere eine
defensive Grundaufstellung eingenommen hatte. Für den Militärhistoriker
William Guthrie ist Breitenfeld II darum die Schlacht, mit der eine takti­
sche Ära zu Ende ging und eine neue begann.30Die Aufstellung dürfte auch
der Grund dafür sein, dass Breitenfeld II eine der blutigsten Schlachten des
ganzen Krieges wurde: Die taktische Flexibilität, die den Wechsel zwischen
Defensive und Offensive erlaubte, führte dazu, dass die Kräfte beider Seiten
sehr viel länger und gründlicher «ausgewrungen» wurden, als das zuvor
der Fall war.31
Zunächst begann alles wie in früheren Schlachten: Der Kampf wurde
mit einem Artillerieduell der im Zentrum aufgestellten Kanonen eröffnet,
wobei die Kaiserlichen diesmal im Vorteil waren; dem folgten die Kaval­
lerieattacken, bei denen der jeweils rechte Flügel beider Seiten erfolgreich
war. Das war beim kaiserlichen rechten Flügel nicht überraschend, denn
Piccolomini hatte auf ihm das Gros seiner Kavallerie konzentriert und hielt
sich auch selbst zusammen mit dem Erzherzog dort auf. A uf schwedischer
Seite fand Generalmajor Erich Schlang, der das erste Treffen komman­
dierte, früh den Tod; es war der erfahrene Stälhandske, der die Ordnung
wiederherstellte und dafür sorgte, dass der schwedische linke Flügel nicht
vom Schlachtfeld vertrieben wurde und so die bedrohte Flanke des Infan­
teriezentrums weiterhin decken konnte. Das war auf dem schwedischen
rechten beziehungsweise kaiserlichen linken Flügel ganz anders, wo die
Die zweite Schlacht von Breitenfeld und der schwedisch-dänische Krieg 761

kaiserliche Infanterie nicht standhielt. Hier flohen ganze Regimenter, bevor


sie überhaupt ins Gefecht gekommen waren.
Besonders unrühmlich tat sich dabei das Regiment Madlung hervor,
in Schlesien geworbene berittene Arkebusiere, über die einen Monat spä­
ter bei Rookzahn ein furchtbares Strafgericht gehalten wurde: Jeder zehnte
Reiter wurde an Straßenbäumen gehenkt, und die Regimentsspitze wurde
in Prag hingerichtet.32 Die Praxis demonstrativen Dezimierens sollte ver­
hindern, dass sich Vergleichbares noch einmal wiederholte. Es war das ein­
zige Mal, dass im Verlauf des Dreißigjährigen Krieges in dieser Form gegen
«Feigheit vor dem Feind» vorgegangen wurde. Selbst Wallenstein hatte
sich bei seinem Strafgericht nach der Schlacht von Lützen auf die Offiziere
beschränkt, denen vorgeworfen wurde, ihre Truppen nicht ausreichend
zum Kampf angespornt zu haben.33 Die Gehenkten von Rookzahn zeigen,
wie dramatisch auf kaiserlicher Seite die Niederlage von Breitenfeld II
wahrgenommen wurde.
Durch den Zusammenbruch des kaiserlichen linken Flügels war das
Infanteriezentrum von der Flanke her bedroht, und jetzt wirkte sich die
Aufspaltung des Zentrums durch den Linkelwald voll aus: Die Truppen
links des Waldstücks konnten von denen auf der anderen Seite nicht unter­
stützt werden und zogen sich, was naheliegend, aber verhängnisvoll war, in
den Linkelwald zurück. Der kaiserliche rechte Flügel wollte mit einer ener­
gischen Kavallerieattacke die schwedische Infanterie daran hindern, auch
die andere Hälfte des eigenen Zentrums zu zertrümmern, doch als diese
Attacke fehlschlug, war die zweite Schlacht bei Breitenfeld für die Kaiser­
lichen verloren: Auch die rechte Seite des aufgespaltenen Zentrums flüch­
tete jetzt in den Linkelwald, den Torstensson umstellen und mit seinen
Kanonen zusammenschießen ließ. Am Ende standen den schwedischen
Verlusten von etwa 2000 Toten kaiserliche Verluste von 5000 Toten und
5000 Gefangenen gegenüber. 46 Kanonen, 50 Munitionswagen, 116 Infan­
teriefahnen und 69 Kavalleriewimpel waren verloren, dazu der erzherzog­
liche Silber- und Kanzleiwagen. Breitenfeld war ein großer Sieg für die
Schweden: Hatte Breitenfeld I ihre militärische Dominanz begründet, so
wurde diese mit Breitenfeld II nach dem Rückschlag bei Nördlingen in
jeder Hinsicht wiederhergestellt.34
In der zweiten Schlacht von Breitenfeld am 2. November 1642 war das
Kavallerieregiment Madlung als eines der ersten vom Schlachtfeld geflo­
hen. In Prag wurde über die Offiziere des Regiments Gericht gehalten. Wie
die Radierung von Caspar Luyken vom Ende des 17. Jahrhunderts zeigt,
begann ihre Exekution damit, dass ihre Schwerter zerbrochen wurden.

Breitenfeld II war mehr als nur ein militärisches Ereignis; es veränderte


grundlegend die politischen Konstellationen und damit auch die Aus­
gangstage der anstehenden Friedensverhandlungen. Der Kaiser hatte sich
mit seinem Spiel auf Zeit vertan: Nach Breitenfeld II war seine Position
gegenüber den Kronen, aber auch gegenüber den Reichsständen deutlich
geschwächt. Wer ihn in Nürnberg und Regensburg gedrängt hatte, schnell
Friedensgespräche aufzunehmen, bekam nun noch mehr Oberwasser, und
die treuen Anhänger des Kaisers standen düpiert da. Ihre Vorstellungen
und Interessen würden bei den bevorstehenden Verhandlungen eine gerin­
gere Rolle spielen, und umso stärker würden diejenigen auftrumpfen, die
dem Prager Frieden nicht beigetreten waren. Die Schlachtentscheidung
zwischen Torstensson und Piccolomini führte zu den mithin größten poli-
Die zweite Schlacht von Breitenfeld und der schwedisch-dänische Krieg 763

tischen Effekten des Krieges. Das muss auch deshalb so deutlich herausge­
stellt werden, weil Breitenfeld II in den meisten Darstellungen des Dreißig­
jährigen Krieges nur am Rande erwähnt wird oder gar nicht vorkommt.35
Erzherzog Leopold Wilhelm legte nach der Niederlage das Oberkom­
mando über das kaiserliche Eleer nieder und konzentrierte sich, von einem
kurzen Intermezzo im Jahr 1645 abgesehen, auf seine Neigung als Kunst­
sammler und Mäzen, mit der ihm größerer Erfolg beschieden war denn als
Heerführer; auf seine Sammlungen geht das Kunsthistorische Museum in
Wien zurück.36 Auch Piccolomini gab nach einiger Zeit seinen Posten auf
und wechselte in spanische Dienste, um von Brüssel aus den weiteren Nie­
dergang der kaiserlichen Macht zu beobachten. Erst im Mai 1648 kehrte
er in die Dienste des Kaisers zurück, weniger jedoch, um noch Feldzüge
zu führen, als um die Abdankung der Streitkräfte zu organisieren und zu
überwachen.37 Das Unglück des Hauses Habsburg wollte es, dass an die
Stelle von Leopold Wilhelm und Piccolomini erneut Matthias Gallas trat,
der seinem R uf als «Heerverderber» auch in den Jahren 1644 und 1645 in
jeder Hinsicht gerecht wurde.38

Der große Erfolg von Breitenfeld II ließ in Stockholm einen Entschluss


reifen, der im Zusammenhang mit den anstehenden Friedensgesprächen
zu sehen ist: Man wollte die Ausschaltung des kaiserlichen Heeres nut­
zen, um mit einem schnellen und entschlossenen Militärschlag Dänemark
als lästigen Konkurrenten um das dominium maris Baltici und als rück­
wärtige Bedrohung der eigenen, nunmehr wieder gefestigten Stellung in
Deutschland auszuschalten. Christian IV. von Dänemark hatte sich bei den
Schweden zuletzt nicht nur durch seine politischen Aktivitäten, etwa die
Anbahnung von Friedensgesprächen, unbeliebt gemacht, sondern auch
mit regelmäßigen Erhöhungen der auf die Schiffspassage durch den Öre­
sund erhobenen Zölle, was einerseits die schwedische Wirtschaft belastete
und andererseits zusätzliche Geldmittel in die Kasse des Konkurrenten
schwemmte. Man befürchtete in Stockholm, dass diese Einnahmen, über
die der König nach eigenem Gutdünken und ohne Zustimmung des außen­
politischen Abenteuern abholden Landadels verfügte, Christian stärker
noch als bisher veranlassen könnten, bei der Aushandlung der europäi-
764 ZW ISC H EN K R IE G UND F R IE D E N

sehen Nachkriegsordnung eine entscheidende Rolle spielen zu wollen, und


man war sich darüber im Klaren, dass dies vor allem zulasten Schwedens
gehen würde.39 Aber Dänemark ließ sich nicht so leicht bezwingen: Zwar
verfügte es über keine leistungsfähige Armee, dafür aber über eine her­
vorragende Flotte, mit der es die westliche Ostsee beherrschte. Mit dem
Heer konnte man zwar Holstein, Schleswig und Jütland besetzen, doch um
Dänemark niederzuzwingen, musste man auf die Inseln Fünen und Seeland
übersetzen, und dazu waren der Kleine und der Große Belt zu überqueren.
Das war, wie Wallenstein 1627/28 hatte erfahren müssen,40 nicht ohne die
Seeherrschaft in diesem Raum möglich.
In Stockholm plante man eine kombinierte Operation, bei der die in
Böhmen stehende Armee Torstenssons nach Norden marschieren und
Holstein, Schleswig und Jütland besetzen sollte. Ein zweiter Angriffskeil
unter Clas Fleming sollte von Pommern aus, über See kommend, an der
Südspitze Seelands landen, und eine dritte Armee unter Gustav Horn, der
nach acht Jahren in bayerischer Gefangenschaft gegen Jan von Werth aus­
getauscht worden war, sollte in das zu Dänemark gehörige Schonen ein­
marschieren und es besetzen. Das alles würde aber nur gelingen, wenn der
Angriff so schnell und überraschend erfolgte, dass die dänische Flotte das
amphibische Unternehmen gegen Seeland nicht verhindern konnte. Das
war ein überaus riskanter Plan mit einer eher geringen Chance auf Erfolg.
Das Hauptproblem war die Koordination der drei Angriffsoperationen, die
ohne zuverlässige Kommunikation über große Entfernungen kaum mög­
lich war. Das war die Schwachstelle des schwedischen Kriegsplans. Dass
man sich trotzdem für ihn entschied, zeigt, wie wichtig es Oxenstierna und
anderen war, Dänemark als politischen Störfaktor vor dem Verhandlungs­
beginn in Münster und Osnabrück auszuschalten.
Kommunikations- und Koordinationsprobleme prägten den Feld­
zug von Anfang an: So erreichte etwa der am 25. Mai 1643 ausgefertigte
Angriffsbefehl Torstensson erst am 23. September. Die Wege, die der Kurier
hatte zurücklegen müssen, waren unsicher, und einmal hatte er sogar in
Oppeln festgesessen, weil Kroaten die Stadt umschwärmten. Die Schweden
pflegten solche Befehle zu kodieren, und die Kuriere mussten die kodierte
Information auswendig lernen, so dass sie doppelt gesichert war, wenn der
Die zweite Schlacht von Breitenfeld und der schwedisch-dänische Krieg 76s

Kurier in feindliche Hände fiel, aber an der Langsamkeit der Informations­


übermittlung änderte das nichts.41 Trotz der Gicht, die Torstensson seit der
Zeit seiner Gefangenschaft plagte, in die er bei der Hohen Veste im Som­
mer 1632 geraten war42und die ihn oft daran hinderte, ein Pferd zu besteigen
und von dort aus das Kommando zu führen, war er ein Mann der schnellen
Entschlüsse und zügigen Bewegungen: Umgehend löste er sich von den
kaiserlichen Truppen unter Gallas, der zunächst gar nicht bemerkte, was
auf der Gegenseite vor sich ging, und marschierte mit 16 000 Mann in nord­
westliche Richtung.
Am 6. Dezember erreichte die Armee Havelberg, wo Torstensson
seinen Offizieren das Ziel des Marsches mitteilte und den Soldaten gute
Quartiere und Versorgung in Dänemark in Aussicht stellte. Immerhin war
dort seit mehr als 15 Jahren nicht mehr gekämpft worden. Sechs Tage spä­
ter überschritt das Heer die holsteinische Grenze und drang damit in das
Gebiet Christians IV. ein. Am 17. Dezember kontrollierte es das Gebiet bis
zur Linie Itzehoe-Kiel. Nicht vor diesem Tag erfuhr der dänische König
vom Einmarsch der Schweden, die inzwischen bis nach Jütland vorgesto­
ßen waren. Christian ließ durch einen Gesandten bei Torstensson anfragen,
was das zu bedeuten habe; eine Kriegserklärung aus Stockholm lag ihm
nicht vor. Torstensson antwortete, er sei auf der Suche nach geeigneten
Winterquartieren. Erst am 18. Januar 1644 traf in Kopenhagen ein Gesand­
ter aus Stockholm ein, der die Kriegserklärung überbrachte. Zu dieser Zeit
waren Torstenssons Kavallerieverbände bereits bis nach Skagen an der
Nordspitze Jütlands vorgedrungen. A uf einen ernst zu nehmenden Wider­
stand waren sie bis dahin nicht gestoßen, allenfalls auf Bauernhaufen, die
sich ihnen hier und da widersetzten.
Jetzt aber begannen die Probleme. Der Feldzugsplan sah vor, dass Tors­
tensson bei Middelfart in der Nähe von Kolding den Kleinen Belt über­
querte; da die Entfernung zwischenjütland und Fünen an dieser Stelle nicht
groß ist, ging man davon aus, dass dies bei geeignetem Wetter mit Booten
möglich sein sollte. Inzwischen hatten die Dänen aber ihre Verteidigung
organisiert, Truppen an der Küste Fünens positioniert und Kriegsschiffe
in den Kleinen Belt und den Middelfartsund geschickt. Alle Versuche
Torstenssons, nach Fünen überzusetzen, scheiterten. Ohne Unterstützung
766 ZW ISC H EN K R IE G UND F R IE D E N

durch die schwedische Flotte war nicht nach Fünen zu kommen.43 Unter­
dessen hatte die von Gustav Horn geführte Armee die dänische Grenze in
Richtung Schonen überschritten und war bis nach Malmö und Ystad vorge­
drungen. Das half Torstensson zwar nicht weiter, erhöhte aber den Druck
auf Christian. Zu diesem Zeitpunkt stand Dänemark militärisch am Rande
des Abgrunds, und es blieb allein die Flotte, um es zu retten.
Die in Pommern zusammengezogene schwedische Flotte unter Clas
Fleming hatte inzwischen nicht, wie zunächst vorgesehen, Truppen auf See­
land angelandet, damit diese auf Kopenhagen marschierten, sondern war
an der deutschen Küste verblieben. Ende Juni hatte sie von der Kieler Förde
aus Einheiten Torstenssons auf die Insel Fehmarn gebracht, die erobert
und besetzt wurde. Am l.Juli erschien die dänische Flotte und beschoss
die schwedischen Schiffe auf der Kolberger Heide am östlichen Ausgang
der Kieler Förde. Die Dänen waren an Feuerkraft überlegen, die Schweden
zeigten die größere Entschlossenheit und griffen immer wieder an, konn­
ten aber keines der großen dänischen Schiffe versenken oder entern. Dann
brach die Nacht herein, und Fleming gab seinen Kapitänen den Befehl, sich
in die Kieler Förde zurückzuziehen, während sich die dänische Flotte an
deren Ausgang positionierte, um die Schweden am Auslaufen zu hindern.
Mochten diese während der Seeschlacht noch so kühn und tapfer gewesen
sein: Strategisch war das ein Sieg der Dänen, denn solange die schwedische
Flotte in der Kieler Förde festlag, war sie faktisch ausgeschaltet. Christian,
der seine Flotte persönlich geführt hatte, hatte sich Luft verschafft.44
Fleming und Torstensson beschlossen, dass die Flotte vorerst nicht das
Risiko einer erneuten Seeschlacht eingehen, sondern in der Förde bleiben
sollte. Man wartete darauf, dass ein in den Niederlanden von Louis De Geer,
einem aus Holland stammenden schwedischen Waffenfabrikanten, ange­
heuerter Flottenverband die Dänen in die Zange nehmen und zugrunde
richten würde. Was man nicht wusste, war, dass die Dänen bereits im Lis-
ter Tief bei Sylt auf diese Hilfsflotte gestoßen waren und sie übel zugerich­
tet hatten. Die Schweden warteten also vergeblich. Völlig überraschend
tauchten stattdessen am 24. Juni in der Nähe von Kiel deutsche Soldaten
auf, die einige zur Pflege an Land gebrachte schwedische Seeleute überfie­
len und erschlugen: Gallas’ Armee war auf der Verfolgung der Schweden
Die zweite Schlacht von Breitenfeld und der schwedisch-dänische Krieg 767

im Norden eingetroffen. Obendrein wurde die schwedische Flotte von


einer Verschanzung an Land aus, die dänische Soldaten aufgeworfen und
mit Kanonen bestückt hatten, unter Feuer genommen. Bei diesem Feuer­
überfall fand der Flottenkommandant Fleming den Tod; an seine Stelle trat
Carl Gustav Wrangel, ein aus dem Baltikum stammender Offizier, der seine
Meriten bislang nur zu Lande erworben hatte.45 Wrangel gelang es, seine
Schiffe nachts an den Dänen vorbeizumanövrieren und mit ihnen nach
Osten zu segeln; Torstensson sammelte seine Truppen, um gegen Gallas
notfalls eine Schlacht schlagen zu können.
Doch die schwedische Flotte blieb nicht, wie man in Kopenhagen
offenbar erwartet hatte, im baltischen Meer. Die leistungsfähigsten Schiffe
segelten nach Reparaturen und mit aufgefrischtem Mannschaftsbestand
nach Westen zurück, wo sie sich mit einem neuen von De Geer zusammen­
gestellten Verband vereinigten. Dieser Flottenverband hatte im August den
Öresund passiert, ohne von den Dänen bemerkt zu werden. Christian hatte
unterdessen die meisten seiner Schiffe abrüsten lassen. Ganz ähnlich wie
bei den Landtruppen vor Beginn des Dreißigjährigen Krieges hielt man
die Flotte nicht permanent im Einsatz, sondern rüstete sie je nach Erfor­
dernis auf und ab. Das sparte Kosten und vermied Verluste an Seeleuten
durch Krankheiten und Seuchen, die sich unter den beengten und unhy­
gienischen Bedingungen auf den Schiffen schnell ausbreiteten. Man kann
dem dänischen König auch nicht vorwerfen, er sei zu sorglos gewesen,
denn er hielt einen Verband mit 17 großen Schiffen an der Nordwestspitze
Fehmarns unter Segeln, der dem Rest der schwedischen Flotte nach ihrer
Vertreibung aus der westlichen Ostsee durchaus gewachsen sein sollte. Was
Christian nicht vorausgesehen hatte, war die Vereinigung dieser Flotte mit
dem in Holland neu zusammengestellten Verband.
Am Morgen des 23. Oktober 1644 griffen die Schweden mit 41 Schif­
fen und 914 Kanonen die 17 dänischen Schiffe an, die immerhin über
415 Kanonen verfügten.46 Die dänischen Schiffe waren also etwas größer
und besaßen jeweils mehr Kanonen. Es war für die Schweden somit nicht
ratsam, sich auf Artillerieduelle einzulassen. Das tat Wrangel auch nicht,
stattdessen befahl er seinen Kapitänen, bedingungslos anzugreifen und
den Gegner zu entern. So sollte die schwedische Überlegenheit zur Gel-
Die Seeschlacht bei Fehmarn am 23. Oktober 1644. Zwar führen die Schiffe
(vor allem die der rechten Bildhälfte) auch Feuergefechte gegeneinander,
aber die Entscheidung fällt, indem die feindlichen Schiffe geentert werden.
Dementsprechend nahe beieinander sind die an der Mastbeflaggung zu
erkennenden schwedischen und dänischen Schiffe in den Gefechten, die
auf der linken Bildhälfte ausgetragen werden. In der Bildmitte ein großes
dänisches Kriegsschiff, das in Brand geraten ist und für die sich abzeich­
nende Niederlage der dänischen Flotte steht.

tung gebracht werden. Schnell war das dänische Flaggschiff genommen,


der Flottenkommandant Pros Mund im Kampf getötet, danach mussten
die dänischen Schiffe eines nach dem andern die Flagge streichen. Von der
gesamten Flotte, 17 Schiffen, konnten nur zwei nach Kopenhagen entkom­
men, wo sie die Nachricht von der Katastrophe überbrachten. Dänemark
stand damit dem Zugriff der schwedischen Landungstruppen offen, und
bevor Fünen und Seeland zum Kriegsgebiet wurden, willigte Christian IV.
in Friedensgespräche ein, die in Brömsebro an der dänisch-schwedischen
Grenze stattfanden.
Die Lage an Nieder- und Oberrhein 769

Neben den beiden Kriegsparteien nahmen auch Frankreich und die


Niederlande an den Friedensgesprächen teil. Das war für Christian ein
Glück, denn die Niederländer, in deren Händen nach wie vor der Hauptan­
teil des Ostseehandels lag, hatten lieber ein schwaches Dänemark als Tür­
wächter am Öresund als ein starkes Schweden, das auf dem Sprung war, die
lange angestrebte Ostseehegemonie zu erringen.47 Die Niederländer ließen
sich darum nicht auf den schwedischen Vorschlag ein, Dänemark zwischen
den Niederlanden und Schweden aufzuteilen. Und die Schweden wollten
ihren Erfolg nicht bis zum Letzten ausreizen, denn Frankreich, das schließ­
lich das schwedische Heer im Wesentlichen finanzierte, drängte darauf, dass
Schweden seine ganze Aufmerksamkeit wieder dem Krieg gegen den Kaiser
zuwandte. Dennoch waren die Friedensbedingungen für Dänemark hart:
Schwedische Schiffe sollten künftig zollfrei den Öresund passieren dür­
fen, und als Sicherheit musste Dänemark die Provinz Hailand für dreißig
Jahre an Schweden abtreten; außerdem wurden die zuvor dänischen Inseln
Gotland und Ösel schwedisch, sichtbare Zeichen dafür, dass von nun an
Schweden die dominierende Macht im östlichen Teil der Ostsee war. Am
23. August 1645 wurde der Friedensvertrag von Brömsebro unterschrieben.

Die Lage an Nieder- und Oberrhein


und der Untergang des kaiserlichen
Heeres bei Jankau

Unterdessen hatte Gallas seinem R uf erneut alle Ehre gemacht. Bis Kiel
war er dem Heer Torstenssons hinterhermarschiert, hatte sich dann aber
damit begnügt, den Kontakt wiederhergestellt zu haben; offenbar glaubte
er, durch einen Sperrgürtel von Schanzen und Garnisonen, den er quer
durch Holstein legte, Torstensson im Norden festhalten zu können.48 Dazu
wäre vielleicht ein Heer von der Größe der Wallenstein’schen Armeen in
der Lage gewesen, nicht aber die allenfalls noch ein Drittel so großen Heere
der 1640er Jahre. Vor allem aber vergrößerte Gallas durch die Immobilisie­
rung seiner Truppen das Problem ihrer Versorgung, denn eine Sperrlinie,
77° Z W ISC H EN K R IE G UND F R IE D E N

wie die von ihm gezogene, ließ sich über längere Zeit nur aufrechterhalten,
wenn sich in deren Rückraum Magazine befanden, aus denen die Solda­
ten verpflegt werden konnten. Das war jedoch nicht der Fall. Torstensson
manövrierte Gallas ohne große Mühe aus und marschierte auf den deut­
schen Kriegsschauplatz zurück; Gallas folgte ihm ein weiteres Mal, freilich
mit einer ausgezehrten Truppe, die kaum noch zu einer Schlacht in der
Lage war. Obwohl beide Armeen parallel marschierten, kam es nur zu klei­
neren Scharmützeln.
Gallas war nichts anderes übrig geblieben, als Torstensson zu folgen,
denn nachdem dieser den Sperrgürtel durchstoßen hatte, lagen die kaiserli­
chen Erblande ungeschützt vor ihm. Der Kaiser verfügte über keine zweite
Armee, die er gegen die heranmarschierenden Schweden hätte einsetzen
können. Von Siebenbürgen aus hatte György Räköczi, der Nachfolger
Bethlen Gabors, die Politik der Streifzüge und Überfälle nach Ungarn und
Mähren wiederaufgenommen und war dabei auf erhebliche Sympathien
bei ungarischen Protestanten gestoßen, die mit der Rekatholisierungs-
politik des Kaisers unzufrieden waren. Noch vor seinem Abmarsch nach
Dänemark hatte Torstensson mit Räköczi Kontakt aufgenommen und ihm
erhebliche Subsidien zugesagt, wenn er gegen den Kaiser Krieg führe und
ihn in Bedrängnis bringe.49Dieses Anerbieten diente dazu, die kaiserlichen
Truppen in den habsburgischen Erblanden zu binden und sie vom süddeut­
schen Kriegsschauplatz fernzuhalten. Torstensson hatte damit Erfolg: Es
waren an die 20 000 Mann, die unter den Generälen Götz und Puchheim
gegen die Truppen Räköczis ins Feld geschickt wurden, und ihnen schlos­
sen sich 8000 Ungarn unter dem Palatin Esterhazy an.
Das zeigt zum einen, dass die kaiserlichen Reserven durch die zuletzt
erlittenen Niederlagen noch nicht erschöpft waren, zum andern wird darin
ein immer wieder zum Vorschein kommendes Strukturmuster des Dreißig­
jährigen Krieges sichtbar: Konfliktfelder am Rande des Reiches ließen sich
aktivieren, um den Kaiser an einer Konzentration seiner Kräfte zu hindern.
Andererseits hatte der Kaiser den Vorteil, auf der inneren Linie operieren
und seine Truppen schnell von einem Kriegsschauplatz zum anderen diri­
gieren zu können, um die Angreifer zu stellen und zum Rückzug zu zwin­
gen. Zogen diese sich dann wieder zurück, konnten ihnen die kaiserlichen
Die Lage an Nieder- und Oberrhein 771

Truppen bis zu einem bestimmten Radius folgen und dabei dem Gegner
größeren Schaden zufügen, als sie selbst erlitten. Dieses Verhältnis kehrte
sich jedoch um, sobald sie diesen Radius überschritten, weil sich dann
aufgrund der Weite des Raumes die Bewegungsoptionen des Gegners so
vervielfachten, dass er nicht mehr auszumanövrieren war und man ihn
auch nicht mehr zu einer Entscheidungsschlacht stellen konnte. Zugleich
wuchsen die Versorgungsprobleme der eigenen Seite, so dass das Heer,
wenn es diese imaginäre Linie überschritt, in einem ruinösen Zustand
zurückkehrte. Diese Erfahrung hatte Wallenstein bei seinem Ungarnfeld­
zug gegen Mansfeld gemacht,50 danach Gallas bei seinen Vorstößen nach
Frankreich,51 und es war abzusehen, dass sie sich auch 1644 wiederholen
würde, wenn man Räköczi zurückdrängen und verfolgen würde. Nach den
ersten Erfolgen der siebenbürgischen Scharen war der Kaiser darum zu
Friedensgesprächen bereit und machte Räköczi ein großzügiges Angebot,
das dieser auch annahm.
Darin wiederum zeigten sich die Probleme, die das Operieren auf
der äußeren Linie mit sich brachte. Auch sie bildeten ein durchgängiges
Strukturmuster dieses Krieges. Angriffe auf der äußeren Linie ließen sich
in der Regel nicht gut koordinieren, so dass sie einen erheblichen Teil ihrer
Wirkung einbüßten, sie führten daher nicht zu einer starken Zersplitterung
der kaiserlichen Kräfte. Aber darum ging es 1644 nicht (was sich 1645 und
1646 wieder ändern sollte); es kam vielmehr darauf an, den Kaiser daran zu
hindern, den bayerischen Truppen in Württemberg und am Rhein zu Hilfe
zu kommen und die dort operierenden Franzosen und das mit diesem ver­
bündete Hessen in Bedrängnis zu bringen. Diese Aufgabe war mit Räköczis
Einfall nach Ungarn jedenfalls erreicht worden, und wenn Räköczi mit dem
Kaiser Frieden schloss, so hatte das nicht viel zu bedeuten, denn wie für
Bethlen Gabor waren auch für ihn solche Friedensschlüsse nicht mehr als
zeitlich befristete Waffenstillstände.

Währenddessen ging der Krieg im Westen weiter: am Oberrhein, wo seit


dem Tod Herzog Bernhards zunehmend französische Generäle das Sagen
hatten, aber auch am Niederrhein, wo sich die Truppen der Landgräfin
von Hessen-Kassel festgesetzt hatten und im Wettstreit mit den dort ste­
772 ZW ISC H EN K R IE G UND F R IE D E N

henden Kaiserlichen dem Land Kontributionen auferlegten. Ganz ähnlich


wie im Fall der Schweden wurden diese Truppen - es handelte sich um
10 ooo Mann - von Frankreich finanziert: Gegen eine jährliche Zahlung
von io o ooo Reichstalern hatte sich Landgraf Wilhelm V. von Hessen-
Kassel verpflichtet, 7000 Fußsoldaten und 3000 Berittene zu unterhalten,
ihren Einsatz mit den Schweden und den Franzosen zu koordinieren und
ohne die Zustimmung Frankreichs keinen Frieden zu schließen. Frankreich
hatte sich damit eine weitreichende Stellung auf dem deutschen Kriegs­
schauplatz erkauft.52 Gleichzeitig hatte das französische Bündnis, wie oben
gezeigt, ganz im Interesse des Kasseler Landgrafen gelegen, und so setzte
Amalie Elisabeth, die nach dem frühen Tod Wilhelms im Jahre 1637 anstelle
ihres noch unmündigen Sohnes die Regentschaft übernahm, im Vertrag
von Dorsten (1639) die Politik ihres Mannes fort.
Herzog Wolfgang Wilhelm von Jülich-Berg hatte, nachdem er noch vor
Kriegsausbruch den Erbfolgestreit am Niederrhein im Zusammenspiel mit
dem Brandenburger Kurfürsten für sich hatte entscheiden können,53 alles
darangesetzt, sein Land aus dem Krieg herauszuhalten. Das war ihm auch
gelungen, und zwar trotz der spanischen und niederländischen Truppen,
die einige Festungen am Rhein besetzt hielten. Schließlich hatte er es 1630
sogar geschafft, vom Kaiser die Einwilligung zu erhalten, dass sein Land
neutral bleiben sollte; dieser Status wurde 1635 bestätigt. In Wien hatte man
keinerlei Interesse daran, am Niederrhein einen weiteren Kriegsschauplatz
zu eröffnen, weswegen es aus der Sicht des Hofrats das Beste war, dem Her­
zogtum eine Neutralität zuzubilligen, die man andernorts strikt ablehnte
und als Bruch des Prager Friedens behandelte. Die Verhältnisse im Reich
waren von Raum zu Raum so sehr verschieden, dass man nicht mit einer
Politik nach einheitlichen Prinzipien rechnen konnte. Jeder Landesherr
musste Zusehen, für sich und sein Land das Beste herauszuholen, und das
war Wolfgang Wilhelm durch seine Neutralitätspolitik gelungen. So blieb
sein Land über lange Zeit von den Durchzügen großer Truppenmassen
und größeren Kämpfen verschont.
Das hatte aber eine paradoxe Konsequenz: Weil die Region am Nieder­
rhein eine wirtschaftliche Prosperität entfaltete, die sich deutlich vom Leid
und Elend ihrer Umgebung abhob, wurde sie zunehmend für die Einquar­
Die Lage an Nieder- und Oberrhein 773

tierung von Truppen der kriegführenden Parteien attraktiv, und da Wolf­


gang Wilhelm über kein größeres Heer verfügte, war er deren Druckmitteln
weitgehend hilflos ausgeliefert. Im Prinzip wäre er zur Aufstellung eines
solchen Heeres in der Lage gewesen, nur hätte er dann nicht vermeiden
können, sich gegenüber den Kriegsparteien als Freund oder Feind zu erklä­
ren und damit die Politik der Neutralität zu beenden. Also musste er sich
auf Protestnoten beschränken, die keinen Erfolg hatten.
Wolfgang Wilhelm nahm also notgedrungen hin, dass im nördlichen
Teil seines Landes hessische Truppen standen und Kontributionen erho­
ben, während im südlichen Teil kaiserliche Truppen unter General Wil­
helm Graf von Lamboy dasselbe taten. Er hoffte, so der Historiker Gün­
ther Engelbert, «durch eine finanzielle Leistung an beide Kriegsparteien
für sein geplagtes Land die Neutralität zu <erkaufen>».54 Das erwies sich
jedoch als Fehlkalkulation: Weil beide Seiten meinten, die jeweils andere
Seite werde bevorzugt, schraubten sie ihre Forderungen immer höher, und
dabei gerieten sie aus dem Zustand einer bewaffneten Beobachtung zuneh­
mend in einen der diffusen Konfrontation hinein, bei dem zur Eintreibung
von Nahrungsmitteln ausgesandte Streifscharen immer häufiger aneinan­
dergerieten. Wäre es dabei geblieben, wäre das Herzogtum Jülich-Berg eini­
germaßen glimpflich davongekommen.
Der in Bonn residierende Kurfürst Ferdinand, der Erzbischof von
Köln, befürchtete jedoch, dass die hessischen Truppen am Niederrhein
als Sprungbrett für das Eintreffen französischer Einheiten dienen könnten.
Er sorgte sich um die Sicherheit seines mit dem Kaiser verbündeten Lan­
des und drängte auf die Unterstützung einer kaiserlichen Armee. Als diese
dann tatsächlich unter Feldmarschall Melchior Graf Hatzfeld anrückte,
hatte das den Effekt einer Selffulfilling Prophecy, denn nun rückten auch
französische und weimaranische Regimenter unter General Jean Bap-
tiste de Guebriant heran: Die Länder am Niederrhein wurden damit zum
Kriegsschauplatz und sollten es für einige Jahre bleiben. Höhepunkt des
«Hessenkriegs am Niederrhein» war die Schlacht bei Kempen, als es Mitte
Januar 1642 den vereinten hessischen und französischen Truppen gelang,
das allzu sorglos agierende kaiserliche Armeekorps des Generals Lamboy
vernichtend zu schlagen.35 Mit den 4000 Gefangenen, die sie in die eigene
774 Z W ISC H EN K R IE G UND F R IE D E N

Armee eingliederten, konnten die Hessen ihre Truppen deutlich verstärken


und wurden so zur dominierenden Macht am Niederrhein. Die starke Posi­
tion, die Hessen-Kassel in der Schlussphase des Krieges einnahm, war nicht
zuletzt ein Ergebnis der Erfolge in dieser Region.
Für die Landgräfin Amalie Elisabeth bot sich damit die Gelegenheit,
den Streit, den ihr Schwiegervater Landgraf Moritz mit seinem Darmstäd­
ter Vetter Ludwig um das Marburger Erbe ausgetragen hatte, wiederaufzu­
nehmen. Der Kaiser hatte auf dem Regensburger Deputationstag von 1623
eine Entscheidung zugunsten des Darmstädter Landgrafen getroffen,56und
diese wie auch die im Verlauf des Krieges entstandenen Konstellationen
wollte Amalie Elisabeth nun revidieren. Politisch klug und vorausschauend,
wie sie war, hatte sie sich der schwedischen Rückendeckung versichert.
1645 ließ sie ihre Truppen zur Belagerung Marburgs aufmarschieren, aber
das sollte nur der Auftakt für eine großangelegte Auseinandersetzung sein,
in der sie sich des gesamten hessen-darmstädtischen Gebiets bemächtigen
wollte.57

Seit Anfang 1645 war Schweden wieder die beherrschende Macht auf dem
deutschen Kriegsschauplatz, was vor allem daran lag, dass der Kaiser bin­
nen kürzester Zeit zwei Armeen verloren hatte. Die erste war die von Gal­
las auf dem Rückzug von Holstein nach Böhmen geführte, die zweite die
von Hatzfeld in der Schlacht von Jankau am 6. März 1645 kommandierte
Armee. Gallas hatte, wie bereits erwähnt, seine Truppen im Sommer 1644
in eine Position gebracht, in der sie nur schlecht ernährt werden konnten.
Als er aufbrach, um Torstensson nachzueilen, der ohne große Anstrengun­
gen seinen Sperrgürtel durchstoßen hatte, war die Armee bereits in einem
ausgesprochen schlechten Zustand.58 Sie war auf 13 000 Mann zusammen­
geschmolzen, obwohl sie nicht gekämpft hatte. Allerdings ging es Torstens-
sons Armee nicht besser. Da sie noch in diverse Kämpfe verwickelt war, von
dem gescheiterten Versuch, die Ostsee bei Middelfart zu überqueren, bis zu
dem ständigen Kleinkrieg gegen dänische Bauern, war sie sogar noch stär­
ker mitgenommen als die Truppen von Gallas.59 Dieser konnte mit Grund
davon ausgehen, die verbliebenen schwedischen Truppen auf dem Marsch
nach Deutschland zu stellen und aufzureiben.
Die Lage an Nieder- und Oberrhein 775

Statt den Schweden wie ein Schatten zu folgen, wollte Gallas sie an der
Elbe aufhalten. Torstensson umging jedoch ein weiteres Mal Gallas’ Stel­
lung. Daraufhin tauschten beide die Rollen, so dass Gallas der Gejagte und
Torstensson der Jäger war. Zunächst bezog Gallas in Bernburg, später dann
in Magdeburg eine feste Position, wo er von Torstensson eingeschlossen
wurde.60 Gallas’ Rückzug war zur Flucht mit Unterbrechungen geworden.
Seine Kavallerieeinheiten unternahmen bei Magdeburg einen Ausbruchs­
versuch, wurden aber gestellt und gefangen genommen. Ein Rest von 2000
bis 3000 Mann schaffte es schließlich im Februar 1645 nach Böhmen. Der
Erfolg, den Torstensson im Spätsommer und Herbst beim Wettlauf entlang
der Elbe erzielte, war größer als jener, der in den meisten Schlachten des
Krieges erzielt werden konnte: Das kaiserliche Heer war völlig vernichtet,
und die wenigen Überlebenden des Feldzugs waren gesundheitlich ruiniert
und demoralisiert. Gallas erhielt seinen Abschied und wurde durch Mel­
chior Hatzfeld als Oberbefehlshaber des Heeres ersetzt.
Torstensson war klug genug, nicht zu versuchen, diese Situation zu
einem Vorstoß durch Böhmen und Mähren bis nach Wien auszunutzen,
was ihm in der Forschungsliteratur verschiedentlich als Fehler vorgehalten
worden ist.61 Auch die schwedischen Truppen waren von den Gewaltmär­
schen der letzten Monate erschöpft, und so verschaffte ihnen Torstensson
bei Leipzig eine längere Ruhepause. Er nutzte diese Zeit, um den sächsi­
schen Kurfürsten Johann Georg, der nach wie vor in einem Bündnis mit
dem Kaiser stand, unter Druck zu setzen. Um seine Aufforderung zu bestär­
ken, dem Beispiel des Brandenburgers zu folgen, aus dem System des Prager
Friedens auszuscheren und sich für neutral zu erklären, ließ er sächsische
Dörfer und Städte plündern und niederbrennen. Daraufhin erklärte sich
Johann Georg zu Verhandlungen bereit. Offenbar war er zu dem Ergebnis
gekommen, dass vom Kaiser keine substanzielle Hilfe mehr zu erwarten
war. Die militärischen Ereignisse der nächsten Monate bestätigten diese
Einschätzung, und so schloss Johann Georg im Sommer 1645 mit den
Schweden einen Separatfrieden, in dem er sich verpflichtete, «sein Land
für alle Truppendurchzüge der Schweden offenzuhalten, ihnen Getreide
zu liefern und außerdem monatlich 11000 Thaler zu zahlen».62 Die Posi­
tion des Kaisers in Nordostdeutschland verschlechterte sich im Verlauf der
77 6 ZW ISC H EN K R IE G UND F R IE D E N

1640er Jahre nicht nur durch Niederlagen, sondern auch durch den Abfall
von Verbündeten immer weiter. Es wurde einsam um Ferdinand III. Doch
es sollte noch schlimmer kommen.
Hatzfeld hatte die gegen Räköczi entsandten Truppen unter Götz und
Puchheim inzwischen nach Böhmen zurückbeordert und versucht, die
Reste von Gallas’ Armee wiederaufzurichten. Zusätzlich trafen Verstärkun­
gen der Bayern ein, die eigentlich damit beschäftigt waren, die immer wie­
der bis weit nach Süddeutschland vorstoßenden französischen Heere unter
dem Marschall Turenne abzuwehren. Die Bayern hatten bei Tuttlingen im
November 1643 und Freiburg im August 1644 die Franzosen besiegt, wobei
sich der aus lothringischen in bayerische Dienste übergewechselte Franz
von Mercy als überaus tüchtiger Feldherr erwiesen hatte;63 darum konnten
sie einen Teil ihrer Kavallerie unter Jan von Werth nach Böhmen schicken,
um den kaiserlichen Truppen zu Hilfe zu kommen. Damit stand dem Kaiser
in Böhmen wieder eine schlagkräftige Armee zur Verfügung, mit der sich,
so hoffte man, ein Angriff Torstenssons auf die habsburgischen Erblande
abwehren ließ. Beide Seiten waren etwa gleich stark: Hatzfeld verfügte über
10 000 Kavalleristen, 5000 Mann Infanterie und 26 Kanonen; Torstensson
über 9000 Mann Kavallerie, 6000 Mann Infanterie und 60 Geschütze.64
Ende Januar 1645 brach Torstensson in Sachsen auf. Er wollte entspre­
chend den unter Gustav Adolf entwickelten Grundsätzen der schwedi­
schen Operationsführung die festgefrorenen Winterwege für den Vorstoß
seiner Armee nutzen. Der Februar verging mit Manövern, bei denen sich
beide Seiten Vorteile zu verschaffen und gleichzeitig den Gegner aus star­
ken Positionen herauszulocken versuchten. Torstensson war dabei im Vor­
teil, denn er gab die Richtung des Angriffs vor, Hatzfeld dagegen musste
darauf reagieren, um einen Durchbruch der Schweden nach Ober- oder
Niederösterreich zu verhindern. Am 6. März 1645 trafen beide Armeen bei
Jankau etwa 50 Kilometer südöstlich von Prag aufeinander.

Im Unterschied zu den meisten Schlachten des Dreißigjährigen Krieges


fand die Schlacht bei Jankau nicht auf einer breiten Ebene und auch nicht
in der Nähe eines größeren Flusses statt, sondern in hügeligem, von Tälern
mit Bächen und Flüssen durchzogenem und mit Wäldern bedecktem
Die Lage an Nieder- und Oberrhein 777

Gelände.65 A uf der Straße von Prag kommend, stießen die Schweden am


Abend des 5. März auf das kaiserliche Heer, das auf einer langgestreckten
bewaldeten Hügelkette Stellung bezogen hatte und die von Torstensson
gewählte Vormarschstraße blockierte. Vor den kaiserlichen Stellungen zog
sich das Flüsschen Jankova hin, das immer wieder Teiche und Moraste
bildete, so dass ein Frontalangriff auf die kaiserlichen Positionen unmög­
lich war. Torstensson entschloss sich darum, die feindlichen Stellungen in
einer Talsenke auf deren linker Flanke zu umgehen, um sie dann von der
Seite her anzugreifen. Ein derartiger Flankenmarsch in Schlagweite eines
gefechtsbereit aufgestellten Gegners war ein überaus riskantes Manöver,
denn wenn dieser zum Angriff überging, konnte er die Marschkolonnen
leicht durchtrennen, die Einheiten voneinander separieren und das Heer
zerschlagen. Torstensson setzte darauf, dass die Dunkelheit und das stark
durchschnittene Gelände seinem Manöver zugutekommen würde.
Als Hatzfeld erkannte, was Torstensson unternahm, hatten schwe­
dische Truppen bereits die beherrschende Höhe des Kapellenhügels
eingenommen und die dort postierten kaiserlichen Dragoner vertrieben.
Umgehend ließ Hatzfeld seine Kavallerie den Hügel angreifen, um dem
Feind diese Position wieder zu entreißen, doch der erfahrene Artillerist
Torstensson hatte schon seine Feldstücke auffahren lassen, die aus erhöh­
ter Position das Feuer eröffneten, den Angriff zum Stocken brachten und
danach die sich im besten Schussfeld drängelnde Reiterei zusammen­
schossen. Hatzfeld ließ Infanterie und Artillerie heranführen, aber noch
bevor die ihre Angriffsstellung erreicht hatten, wurden sie von schwedi­
schem Fußvolk attackiert, das sie zurücktrieb. Die kaiserliche Schlacht­
ordnung wurde nun von ihrer linken Seite her aufgerollt, und immer
wenn die Infanterie Hatzfelds einschwenkte und eine Frontalstellung
gegen die schwedischen Angreifer bezog, wurde sie von den mitgeführten
Kanonen heftig unter Feuer genommen. Den ersten Teil der Schlacht von
Jankau gewann Torstensson mit Hilfe seiner Kanonen beziehungsweise
durch das erfolgreiche Zusammenspiel von Artillerie und Infanterie. Ein
derart perfektes Zusammenwirken beider Waffengattungen in der Vor­
wärtsbewegung wäre nicht an jedem Tag möglich gewesen, aber an die­
sem 6. März war der Boden noch hart gefroren, und so konnte man die
Der Stich stellt die zweite und letzte Phase der Schlacht von Jankau dar, als
sich die kaiserlich-bayerische Armee nach schweren Verlusten aufzulösen
beginnt - erkennbar an den auf beiden Flanken flüchtenden Reitern, die in
zwei ameisenähnlichen Bewegungsbahnen in das Hügelland des Bildhin­
tergrunds streben. Auch das Waldstück, in das sich die Überreste des Fuß­
volks zurückziehen werden, ist in der oberen Bildmitte zu sehen. Davor,
ziemlich genau im geometrischen Mittelpunkt, die Szene, in welcher der in
Gefangenschaft geratene Graf Hatzfeld dem schwedischen Sieger Torstens-
son vorgeführt wird, beide vom Kupferstecher namentlich bezeichnet.

Kanonen immer wieder vorziehen, um sie mit der Infanterie auf einer
Linie einzusetzen.
Am frühen Nachmittag verschwanden die zurückweichenden Kaiser­
lichen hinter einem Hügel, und Torstensson war gewillt, sie ziehen zu las­
sen. Seine Soldaten waren nach dem nächtlichen Flankenmarsch erschöpft
und brauchten Ruhe. Doch als ein schwedischer Musketierverband ober­
halb der Senke auftauchte, in der sich die angeschlagene kaiserliche Armee
Die Lage an Nieder- und Oberrhein 779

zum Rückzug sammelte, gab Hatzfeld einem seiner Kavallerieobristen den


Befehl, die Schweden von dort zu vertreiben. Das sollte nur ein begrenzter
Gegenangriff werden, mit dem sich der kaiserliche Oberbefehlshaber Luft
verschaffen wollte, um den Abmarsch seiner Truppen auf der Straße nach
Prag ordnen zu können. Dann aber schlossen sich mit einem Mal immer
mehr Einheiten diesem Gegenangriff an, der zunächst auch gut vorankam,
so dass nach einiger Zeit die gesamte kaiserliche Armee den Kampf wie­
deraufgenommen hatte. Damit begann die zweite Etappe der Schlacht von
Jankau, und sie erst wurde zur Katastrophe für das kaiserliche Heer. Die
zunächst erfolgreich vordringende kaiserliche Kavallerie stieß auf mit Feld­
stücken verstärkte Musketierpelotons, wurde gestoppt und dann in einem
wuchtigen Gegenangriff von der schwedischen Kavallerie vom Schlacht­
feld getrieben, und das auf beiden Flügeln.66 Danach befand sich auf kai­
serlicher Seite nur noch das Fußvolk auf dem Schlachtfeld; die Artillerie
der Kaiserlichen war verloren und die Kavallerie geflohen. Die Infanterie
wurde von den Schweden halbkreisförmig umfasst und zusammengeschos­
sen; die Reste wandten sich zur Flucht, verfolgt von Torstenssons Kavalle­
rie, die nun den Sieg vollenden wollte. Und das gelang ihr.
Hatzfeld wurde ebenso wie viele Generäle und Obersten gefangen
genommen, Götz war bereits früh in der Schlacht gefallen. Die Kaiser­
lichen hatten 5000 Reiter verloren, dazu das gesamte Fußvolk, sämtliche
Kanonen, 4500 Mann waren von den Schweden gefangen genommen wor­
den. Die selbst hatten etwa 2000 Tote zu beklagen. Die Gefangenen, so
Torstensson in seinem Bericht nach Stockholm, würden seine eigenen Ver­
luste mehr als ausgleichen, womit er meinte, dass sie in den eigenen Regi­
mentern «untergesteckt» wurden. Nach Breitenfeld II und dem Ruin des
Gallas sehen Heeres war dies nun die dritte Armee, die der Kaiser innerhalb
kürzester Zeit verlor, und diesmal ließen sich die Verluste nicht mehr durch
Einheiten wettmachen, die auf anderen Kriegsschauplätzen eingesetzt
waren. Nunmehr stand Österreich offen.

Torstensson unternahm im Verbund mit dem aus Siebenbürgen heran­


eilenden Räköczi einen großen Plünderungsfeldzug.67 Dabei musste er die
Erfahrung machen, dass er zwar das Land nach Belieben verheeren konnte,
780 ZW ISC H EN K R IE G UND F R IE D E N

zu langwierigen Belagerungen der gut befestigten Städte aufgrund von Ver­


sorgungsproblemen aber nicht in der Lage war. An eine Belagerung und
Eroberung Wiens war schon gar nicht zu denken. Die Phase des militäri­
schen Gleichgewichts zwischen dem Kaiser und seinen wichtigsten Ver­
bündeten Bayern und Sachsen auf der einen sowie Schweden und Frank­
reich mitsamt der Landgrafschaft Hessen-Kassel auf der anderen Seite war
nach der Schlacht von Jankau ein für alle Mal zu Ende, und der Kaiser ging
deutlich geschwächt in die Friedensverhandlungen. Aber es wurde in den
verbleibenden drei Kriegsjahren auch deutlich, dass die kaiserliche Macht
nur zu erschöpfen und nicht niederzuwerfen war. Dennoch war nach Jan­
kau selbst den bis dahin zuversichtlichsten Wiener Räten klar, dass sich
dieser Krieg nicht mehr gewinnen ließ und dass man auch die Regelungen,
zu denen man den Prager Frieden geschlossen hatte, in Münster und Osna­
brück nicht würde aufrechterhalten können.
Dabei war das annus horribilis 1645 der katholischen Seite noch nicht
vorüber; eigentlich hatte es am 6. März bei Jankau erst begonnen. In die­
sem Jahr geriet schließlich auch das bislang unerschütterliche Bollwerk des
bayerischen Heeres im Südwesten ins Wanken. Durch die Verbindung des
umsichtigen Mercy mit dem draufgängerischen Werth hatten die Bayern
die Franzosen trotz deren wachsender zahlenmäßiger Überlegenheit in
Schach halten können. In der Nähe von Mergentheim, bei Herbsthausen,68
gelang ihnen am 5. Mai 1645 noch einmal ein größerer Sieg über Henri
de La Tour dAuvergne, Vicomte de Turenne, dessen große militärische
Karriere damals noch am Anfang stand.69 Turenne hatte sich von Mercy
überraschen lassen und verlor in dieser Schlacht mehr als die Hälfte seiner
Soldaten.70 Das verschaffte den Bayern, die nach ihrem Sieg bis zum Main
vorrückten, jedoch nur eine kurze Atempause, denn es befand sich schon
eine weitere französische Armee unter Conde im Anmarsch; ein schwedi­
sches und ein hessisches Armeekorps kamen hinzu, so dass sich Mercy, der
zwischenzeitlich sogar den Main überschritten und vergeblich versucht
hatte, die Festung Kirchhain zu erobern, durch die Wetterau wieder auf den
Main und von dort in Richtung Donau zurückziehen musste. Bei dem Dorf
Alerheim, nahe dem Schlachtfeld von Nördlingen aus dem Jahr 1634 (daher
die Bezeichnung «Nördlingen II» ), kam es zu einer großen Schlacht.
Die Lage an Nieder- und Oberrhein 781

Die Schlacht von Alerheim bestand aus drei Elementen, die wenig mitein­
ander zu tun hatten und sich erst bei Einbruch der Dunkelheit zu einem
Gesamtergebnis summierten. Es wurde als ein französischer Sieg gewertet,
weil die Bayern abzogen und das Schlachtfeld den Franzosen überließen.71
Urteilt man jedoch auf Grundlage der Verluste, so war die Schlacht von
Alerheim eher ein Patt zwischen beiden Seiten. Dass sie zu einer Wende
des Krieges in Süddeutschland wurde, lag am Tod eines einzigen Mannes,
des bayerischen Feldmarschalls Franz von Mercy.
Die Kräfteverhältnisse waren am 3. August nahezu ausgeglichen, nach­
dem sich der schwedische General Königsmarck mit seinem «fliegenden
K orps»72 wieder von den Franzosen getrennt hatte. Mercy verfügte über
16 000, Conde und Turenne über 17 000 Soldaten. Die Bayern hatten eine
feste Stellung mit dem D orf Alerheim als Zentrum bezogen, die hier ste­
henden Infanterieregimenter wurden von Mercy selbst geführt. Er hatte
zusätzlich Feldbefestigungen errichten lassen, hinter denen seine Kanonen
aufgestellt waren. Den rechten Flügel, der an den Wenneberg angelehnt
war, führte Feldmarschall Gottfried von Geleen, den linken Flügel kom­
mandierte Jan von Werth; dieser Flügel wurde durch Schloss Alerheim
als Eckposition gesichert. Das war eine starke Stellung, und die meisten
Heerführer hätten sie nicht angegriffen, sondern Mercy auszumanövrieren
versucht. Aber Conde war ein Draufgänger und brannte auf die Schlacht,
nachdem sich Mercy zwischen Main und Donau durch geschickte Bewe­
gungen immer wieder einer unmittelbaren Konfrontation entzogen hatte.
Die Franzosen entwickelten ihre Schlachtordnung erst gegen Mittag.
Das Zentrum mit den Infanterieverbänden kommandierte Graf Marsin;
sein Auftrag lautete, gegen das Dorf Alerheim vorzurücken und die baye­
rischen Verteidiger daraus zu vertreiben. Den rechten Flügel bildete der
Marschall de Gramont mit der französischen Reiterei des Condeschen
Heeres. Er stand dem gefürchteten Werth gegenüber, doch da das Gelände
von Gräben und Abhängen durchzogen war, rechnete man hier nicht mit
einer größeren Attacke und hatte die besseren Einheiten der Kavallerie auf
den von Turenne befehligten linken Flügel gestellt: die weimaranischen
Reiterregimenter und das Armeekorps der hessischen Landgräfin unter
Generalmajor Johann von Geyso.
782 ZW ISC H EN K R IE G UND F R IE D E N

Die Schlacht begann am späten Nachmittag mit dem Angriff des fran­
zösischen Infanteriezentrums auf Alerheim; es kam zu einem blutigen
Häuserkampf, bei dem die Franzosen keine größeren Fortschritte machten;
am frühen Abend wurden sie durch einen entschlossenen Gegenstoß der
Bayern aus dem D orf herausgetrieben und fluteten in völliger Auflösung
zurück. Etwa zu dieser Zeit hatte sich Mercy, der die Schlacht von einer
erhöhten Position hinter dem D orf leitete, weiter nach vorn begeben, um
den Angriff seiner Infanterie zu lenken; durch die Aufspaltung der franzö­
sischen Ordnung in deren Zentrum wollte er die Schlacht zu seinen Guns­
ten entscheiden. Da traf ihn eine Musketenkugel in den Kopf. Mit Mercys
Tod verlor das bayerische Heer die einheitliche Führung, da es niemand
gab, der an Mercys Stelle trat, und das war für den Ausgang der Schlacht
entscheidend.
Nach einer Niederlage der Bayern sah es zunächst jedoch noch nicht
aus, denn parallel zum Gegenangriff der bayerischen Infanterie gab auch
Werth auf dem rechten Flügel den Angriffsbefehl, und trotz des schwieri­
gen Geländes schlug seine Kavallerie den französischen Flügel in die Flucht.
Marschall Gramont wurde gefangen, 60 Fahnen und Standarten sowie
mehrere Kanonen erbeutet und die französischen Gepäckwagen geplün­
dert. In diesem Augenblick schien die Schlacht für die Franzosen verloren,
und das wäre sie auch tatsächlich gewesen, wenn das Gefecht nicht auf
dem anderen Flügel den genau entgegengesetzten Verlauf genommen hätte.
Turennes Kavallerie, allesamt kampferprobte Regimenter aus dem Heer
Herzog Bernhards, griff den Wenneberg an, warf die hier postierte kaiser­
liche Kavallerie zurück, und als dann noch das zweite Treffen, die zuvor in
Reserve gehaltenen Hessen, in den Kampf eingriff, brach der rechte Flügel
des bayerischen Heeres zusammen. Feldmarschall Geleen wurde gefangen
genommen, dazu die meisten seiner höheren Offiziere, auch ein Großteil
der Geschütze ging verloren. Jetzt machte sich der Ausfall der einheitlichen
Führung bemerkbar, denn Werth erfuhr nicht, was auf dem anderen Flügel
passiert war, und kehrte in seine Ausgangsstellung zurück, statt dem ande­
ren Flügel zu Hilfe zu kommen. Wäre er quer über das Schlachtfeld geritten,
so hätte er die Schlacht von Alerheim wahrscheinlich noch in einen baye­
rischen Sieg verwandeln können. Napoleon, der sich auf St. Helena ein­
Der Beginn der Friedensverhandlungen in Münster und Osnabrück 783

gehend mit den Feldzügen Turennes beschäftigte, hat Werth vorgehalten,


nicht die Kühnheit aufgebracht zu haben, um in einer Diagonalattacke der
Kavallerie Turennes in den Rücken zu fallen: «D er Haken, den er schlug,
verzögerte seine Bewegung zwar nur um eine halbe Stunde; aber es ist das
Schicksal der Schlachten, daß sie oft vom kleinsten Ereignis abhängen.»73
Mit den meisten Kanonen, unter ihnen drei von den Franzosen
eroberte, den erbeuteten Feldzeichen, den Gefangenen und dem Leich­
nam Mercys zogen die Bayern «in guter Ordnung» vom Schlachtfeld ab.
Die Franzosen waren nicht in der Lage, sie zu verfolgen, denn ihre Verluste
waren mindestens ebenso hoch wie die der Bayern. Außerdem war Conde
verwundet worden, und der vorsichtigere Turenne war darauf bedacht, die
Truppen zu sammeln und neu zu organisieren. Strategisch veränderte M er­
heim die militärische Lage in Süddeutschland zunächst nicht, und Turenne
sah sich im Herbst sogar zum Rückzug auf den Rhein gezwungen. Aber der
Verlust Mercys erwies sich als unersetzbar, und so wurde Bayern ab 1646
zunehmend zu einem Kriegsgebiet, in das französische und zuletzt auch
schwedische Heere eindrangen, um es zu verwüsten. Von diesem Jahr an
nehmen die von Maurus Friesenegger in seinem Tagebuch verzeichneten
Klagen über das Unglück des Krieges wieder zu, und sie enden nicht mehr,
bis der Krieg zu Ende ist.74Kurfürst Maximilian dachte inzwischen darüber
nach, ob er sich an Sachsen orientieren und vom Kaiser trennen sollte.

Der Beginn der Friedensverhandlungen


in Münster und Osnabrück

Derweil waren die Verhandlungen in Münster und Osnabrück allmählich


in Gang gekommen. Der im Hamburger Präliminarfrieden festgelegte Ver­
handlungsbeginn am 25. März 1642 hatte sich nicht halten lassen; zunächst,
weil beide Seiten auf günstigere Verhandlungsbedingungen durch eine Ver­
änderung der Kriegslage setzten und deswegen die Ratifikation des Ham­
burger Vertrags hinauszögerten, dann aber auch, weil immer noch unklar
war, wer eigentlich an den Friedensgesprächen teilnehmen sollte und
wer nicht. Anfangs war dem Wiener H of daran gelegen, möglichst wenig
784 ZW ISCH EN K R IE G UND F R IE D E N

Reichsstände zum Friedenskongress zuzulassen.75 Aber die Verschlechte­


rung der Kriegssituation nach der Niederlage von Jankau und die Abkehr
von immer mehr Reichsständen vom Prager Frieden, darunter die Kur­
fürsten von Brandenburg und Sachsen, brachten den Kaiser dazu einzulen­
ken.76Im August 1645 lud er offiziell alle Reichsstände ein und gab damit in
einer weiteren zentralen Frage nach.
Schon davor waren eine Reihe von Reichsständen nach Westfalen
gekommen, vor allem nach Osnabrück, wo die Schweden residierten und
wo sie sich als deren Verbündete auch ohne vom Kaiser ausgestellte Pässe
sicher fühlen konnten. Nach der kaiserlichen Einladung trafen auch in
Münster die Gesandten der Reichsstände ein. Bei den Verhandlungen spiel­
ten sie freilich keine bestimmende Rolle; eine solche fiel nur den fünf Groß­
mächten zu, dem Kaiser, den Franzosen, den Schweden, den Spaniern und
den Generalstaaten. Das änderte sich erst 1647, als sich einige Reichsstände
zur «Dritten Partei» zusammenschlossen und im Verbund Druck auf die
Großmächte ausübten, um die ins Stocken geratenen Verhandlungen wie­
der in Gang zu bringen. Es waren 109 diplomatische Gesandtschaften, die
sich in Münster und Osnabrück an den Verhandlungen beteiligten; sie ver­
traten 16 europäische Staaten, 140 Reichsstände und 38 weitere Herrschafts-
träger, die am Ausgang der Verhandlungen interessiert waren oder darauf
Einfluss nehmen wollten.77Es fällt auf, dass England und Schottland fehlten,
obwohl beide, wenn auch in unterschiedlicherWeise, an dem Krieg beteiligt
gewesen waren. Aber England versank seit 1640 in einem Bürgerkrieg und
war mit sich selbst beschäftigt.78 Dass sie an den westfälischen Verhandlun­
gen nicht teilnahmen, spielte für die Briten indes keine große Rolle, denn
die ausgehandelte neue Ordnung betraf das Verhältnis der Landmächte
zueinander und ließ die Ordnung der Seemächte unberührt. Diese wurde
nach 1648 zwischen Engländern und Niederländern in mehreren Kriegen
ausgefochten.
Ein klares Datum für den Verhandlungsbeginn gibt es nicht. Ab 1644
wurde jedoch ernstlich verhandelt, da nun auch die Gesandtschaften der
Großmächte eingetroffen waren. Zunächst ging es um Fragen des Proto­
kolls, denn es war umstritten, wer den Vorrang vor wem hatte, wem der
Botschafterstatus zugestanden wurde und wem nur der Status eines Depu-
Gerard ter Borchs Bild «Einzug des Gesandten Adriaan Pauw» (um 1646)
ist zunächst ein Familienporträt, denn es zeigt den Diplomaten mit seiner
Frau Anna van Ruytenburgh und der sechsjährigen Enkeltochter; alle drei
wenden sich in «Fotografierpose» dem Betrachter zu. Zugleich zeugt
das Bild vom Selbstbewusstsein der niederländischen Republik, die ihren
Gesandten sechsspännig und in bewaffneter Begleitung zum Friedenskon­
gress entsandt hat. Im Hintergrund ist Münster zu sehen.

tierten.79 Dass der Kaiser den ersten Rang einnahm, war inzwischen kein
großes Problem mehr, da hinter der protokollarischen Präzedenz keine
große militärische Macht mehr stand - aber wem stand der zweite Rang
zu, Frankreich oder Spanien? Solche Rangfragen spielten beim Einzug der
Delegationen eine wichtige Rolle.80 Zu klären war etwa auch, ob man Repu­
786 ZW ISC H EN K R IE G UND F R IE D E N

bliken, wie die Niederlande und Venedig, den Monarchien gleichstellen


durfte. Als den Niederlanden als einem der großen und wichtigen Akteure
der Botschafterrang zugestanden wurde, gab es keinen Grund mehr, die­
sen Venedig zu verweigern, woraufhin die Kurfürsten des Reichs denselben
Anspruch erhoben, der ihnen schließlich ebenfalls zugestanden wurde. Die
Rangerhöhung Venedigs war für den Verlauf der Verhandlungen im Übri­
gen von einiger Bedeutung, denn Alvise Contarini, der Botschafter der See­
republik, wurde durch seine Vermittlungstätigkeit zu einer der prägenden
Gestalten des Kongresses.81
Die Größe der Delegationen scheint ein Instrument im Rangord­
nungsstreit gewesen zu sein. Die französische Gesandtschaft war mit bald
600 Personen die bei weitem größte: Wenn man den Kaiserlichen in der
offiziellen Rangfolge schon den Vortritt lassen musste und auch die Präze-
denz gegenüber Spanien nicht wirklich geklärt war, so trumpfte man wenigs­
tens mit der eigenen Gesandtschaft auf. Auch in den Gesellschaftskreisen
Münsters wurde um die Rangfolge gekämpft, und als 1646 Anne Genevieve
de Bourbon-Conde, die Frau des französischen Hauptbevollmächtigten, in
Münster eintraf, hatten die Franzosen deutlich die Nase vorn. Die schwedi­
sche Gesandtschaft umfasste 165, die spanische 112 Personen. Die General­
staaten, eine vom Geist des Calvinismus geprägte Republik, die pompösem
Prunk eher distanziert gegenüberstand, hatten acht Gesandte nach Müns­
ter geschickt.82
Die Größe einer Gesandtschaft markierte jedoch nur den Anspruch
auf einen vorderen Platz in der Rangfolge der europäischen Mächte; für
die Verhandlungen selbst war sie eher bedeutungslos. Hier war ausschlag­
gebend, wer die Delegation leitete, die Linie der Verhandlungsführung
vorgab, der heimischen Regierung Kompromisse schmackhaft machte und
abweichende Auffassungen im eigenen Lager ausgleichen konnte. Gerade
in der französischen Delegation herrschten erhebliche Meinungsverschie­
denheiten, die auf die unterschiedlichen Strömungen in Paris beziehungs­
weise deren Wahrnehmung in Münster zurückzuführen waren. Die Grafen
dAvaux und Abel Servien, von denen die Gesandtschaft anfangs geleitet
wurde, repräsentierten die Gegensätze, die in der französischen Politik
seit Beginn des Jahrhunderts im Verhältnis zu Spanien, dem Kaiser sowie
Der Beginn der Friedensverhandlungen in Münster und Osnabrück 787

den Kurfürsten immer wieder sichtbar geworden waren. Erst als Henri
d’Orleans, Herzog von Longueville, als Hauptbevollmächtigter Frank­
reichs im Jahr 1645 die Leitung der Gesandtschaft übernahm, konnte deren
Selbstblockade überwunden werden.83
Die schwedische Gesandtschaft wurde von Johan Oxenstierna geführt,
dem Sohn des Reichskanzlers, der sich vor allem um die Berichte nach
Stockholm kümmerte und darum bemüht war, die Vorgaben aus Schwe­
den in Osnabrück zur Geltung zu bringen. Die Verhandlungen leitete im
Wesentlichen der Sekundargesandte Johan Adler Salvius. Auch zwischen
Oxenstierna und Salvius kam es wiederholt zu Konflikten, die zum Teil
lange zurückreichten und mit den schwedischen Kriegszielen zu tun hatten,
teilweise aber auch in unterschiedlichen Vorstellungen von professioneller
Verhandlungsführung begründet waren. Salvius jedenfalls wurde zu einem
der Architekten der Westfälischen Ordnung.84 Der eigentliche Standort
der schwedischen Verhandlungsdelegation war Osnabrück, aber man kam
nicht umhin, auch in Münster eine kleine Delegation zu unterhalten, die
den Kontakt zu den Franzosen pflegte und dafür sorgte, dass sich die beiden
miteinander verbündeten Mächte nicht gegeneinander ausspielen ließen.
Im Vergleich zu Frankreich und Schweden spielte die von Graf Pefia-
randa geführte spanische Delegation eine sehr viel geringere Rolle. Sie war
nur an den Verhandlungen mit den Niederländern und denen mit Frank­
reich über die Beendigung der jeweils gegeneinander geführten Kriege
beteiligt, nicht aber an denen mit dem Kaiser. Auch in die Fragen des Reli­
gionsfriedens im Reich waren die Spanier nicht involviert. Das zeigt die
schwierige Lage, in der sich das Weltreich inzwischen befand: Es hatte sich
von Anfang an mit Geld und Truppen am Krieg in Deutschland beteiligt
und war bis zum Eingreifen Schwedens unter den auswärtigen Mächten
der Hauptfinanzier gewesen; jetzt aber, da es um die Aushandlung des Frie­
dens ging, war Spanien darauf beschränkt, über den Ausgang der eigenen
Kriege, dem gegen die Niederlande und dem gegen Frankreich, zu verhan­
deln. Mit den Niederlanden wurde man sich bereits am 30. Januar 1648 in
Münster einig. Der Friedensvertrag, der vor allen anderen und unabhängig
von ihnen unterzeichnet wurde, beendete den Achtzigjährigen Krieg zwi­
schen dem Weltreich und seinen abtrünnigen Provinzen.85 Die Verhand­
788 ZW ISC H EN K R IE G UND F R IE D E N

lungen mit Frankreich dagegen führten zu keinem Ergebnis, und so wurde


der Krieg beider Länder bis 1659 weitergeführt.86 Die Kriege, die Spanien
auf der Iberischen Halbinsel in der Zeit der Verhandlungen auszutragen
hatte, hinderten es daran, in Münster eine größere Rolle zu spielen.87 Alles
in allem war Spanien der große Verlierer der in Münster und Osnabrück
geschlossenen Verträge, und das auch deshalb, weil sich der Kaiser im
Münsterischen Frieden verpflichtete, weder als Reichsoberhaupt noch als
österreichischer Erzherzog den Madrider Habsburgern künftig militäri­
sche Hilfe zu leisten.
Nimmt man die militärischen Konstellationen Mitte der 1640er Jahre
zum Maßstab, so befand sich die kaiserliche Delegation in einer überaus
schwierigen Lage. Man hatte, wie beschrieben, lange Zeit darauf gesetzt,
dass die Verhältnisse innerhalb des Reichs im Prager Frieden geklärt waren
und es nur noch darauf ankam, mit den zwei auswärtigen Interventions­
mächten, Schweden und Frankreich, Frieden zu schließen. Dabei hatte man
über längere Zeit an den Lübecker Frieden von 1629 als Vorbild gedacht. Im
Hamburger Präliminarfrieden hatte der Kaiser jedoch bereits das weitrei­
chende Zugeständnis machen müssen, dass mit Schweden und Frankreich
nicht separate Verhandlungen geführt wurden, sondern an zwei getrennten
Orten ein einziger großer gesamteuropäischer Friedenskongress stattfand.
Dieser Kompromiss war die Grundlage dafür, dass die Schweden in Osna­
brück und die Franzosen in Münster verhandelten, wobei es die Schweden
verstanden, mit einigen nach Münster entsandten Vertretern auch dort
Präsenz zu demonstrieren.88 Und schließlich hatte der Kaiser noch hinneh­
men müssen, dass sich auch die Reichsstände - vor allem in Osnabrück -
versammelten und damit seinen Anspruch konterkarierten, für das Reich
in seiner Gesamtheit zu sprechen. Die Ziele, mit denen die kaiserliche
Gesandtschaft nach Münster reiste,89 standen somit von Anfang an unter
einem großen Vorbehalt. Es war der kaiserliche Hauptgesandte Maximi­
lian Graf von Trauttmansdorff, der zwischen 1645 und 1647 entscheidend
zur Verständigung zwischen den Kriegsparteien trug und deshalb als der
eigentliche «Schöpfer des Friedens» gelten darf. So hat ihn Fritz Dick­
mann in seiner nach wie vor maßgeblichen Studie zum Westfälischen Frie­
den bezeichnet.90
Der Westfälische Frieden 789

Der Westfälische Frieden

Mindestens vier Jahre lang ist in Münster und Osnabrück verhandelt wor­
den, wobei sich das «mindestens» darauf bezieht, dass es keine offizielle
Eröffnung des Friedenskongresses gab. Irgendwann und irgendwie begann
der Kongress dann doch, nachdem sich bereits erste Zweifel breitgemacht
hatten, ob er je eröffnet werde. Die Friedensverhandlungen nahmen also
ganz ähnlich ihren Anfang wie zuvor die Kriegführung, die ebenfalls nicht
mit einer offiziellen Erklärung und den sie begleitenden Ritualen begonnen
wurde. So, wie «irgendwann» zwischen 1618 und 1619 plötzlich Krieg war,
kam auch in Münster und Osnabrück «irgendwann» ein Verhandlungs­
prozess in Gang, der dann seine eigene Dynamik entfaltete. «D er <Kon-
greß>», so Konrad Repgen, «begann via facti, durch die sukzessive Anreise
der Gesandten in den Jahren 1643 bis 1646, und auf eine ähnlich unspekta­
kuläre Weise endete er durch die Abreise der Unterhändler zwischen 1647
und 1649.»91
Es waren die beschriebenen Rangordnungsfragen, die es erschwerten,
den Kongress förmlich und mit einer Zusammenkunft aller Gesandtschaf­
ten zu eröffnen. Indem man einfach anfing, vermied man die Eskalation
der mit der Präzedenzfrage verbundenen Streitigkeiten, die leicht dazu
hätten führen können, dass der Kongress zu Ende gewesen wäre, bevor
er überhaupt begann. Außerdem gab es das Problem der zwei Verhand­
lungsorte: Die Frage, an welchem von ihnen die offizielle Eröffnung des
Kongresses stattfinden sollte, hätte sich ebenso wenig einvernehmlich
klären lassen. Man schlich sich also gewissermaßen in die Verhandlungen
ein. Wie es üblich geworden ist, den Prager Fenstersturz als Kriegsbeginn
anzusehen, so ist es üblich geworden, die Vorlage der ersten Friedens­
propositionen durch Frankreich und Schweden am 4. Dezember 1644 als
Beginn der Friedensverhandlungen anzusehen. Man kann in beiden Fällen
darüber streiten, denn weder begannen die Kampfhandlungen mit dem
Prager Fenstersturz noch waren mit der Vorlage der schwedischen und
französischen Bedingungen für den Friedensschluss bereits alle Delega­
tionen in Westfalen eingetroffen. Die offizielle Einladung des Kaisers zum
79° ZW ISC H EN K R IE G UND F R IE D E N

Westfälischen Friedenskongress erging erst am 29. August 1645 an alle


Reichsstände.
Geht man von diesem Datum als offiziellem Verhandlungsbeginn aus,
so muss man die bis dahin geführten, teilweise recht erfolgreichen Gesprä­
che, zu «Vorverhandlungen» erklären, wie Fritz Dickmann das getan hat.92
Die eigentlichen Verhandlungen begannen demnach erst mit der Ankunft
des kaiserlichen Hauptbevollmächtigten Maximilian Graf von Trauttmans-
dorff am 29. November 1645. Wählt man Trauttmansdorffs Eintreffen in
Münster als offiziellen Verhandlungsbeginn, so hat man freilich den Kai­
ser zum Herrn des Friedenskongresses gemacht und die Präzedenzfrage
«durch die Hintertür» beantwortet. Die Debatte der Wissenschaftler über
den offiziellen Beginn des Friedenskongresses und die Aporien, in die sie
dabei geraten, zeigen rückblickend die politische Klugheit der in Westfalen
versammelten Diplomaten, die «irgendwann» einfach angefangen haben
zu verhandeln.
Nicht ganz so schwierig ist die Bestimmung eines offiziellen Kongress­
endes. Es wird im Allgemeinen auf den 24. Oktober 1648 datiert, weil an
diesem Tag zwei Verträge unterzeichnet wurden: der Vertrag von Kaiser
und Reich mit Schweden in Osnabrück, das Instrumentum Pacis Osnabru-
gensis (IPO), wie die offizielle Bezeichnung lautete, und der Vertrag von
Kaiser und Reich mit Frankreich in Münster, entsprechend als Instrumen­
tum Pacis Monastericusis (IPM ) bezeichnet. Doch auch hier zeigt sich wie­
der die Crux der zwei Verhandlungsorte, denn auf die Unterzeichnung
beider Verträge in Münster folgte erst am nächsten Tag die offizielle Ver­
kündung des Friedens in Osnabrück. Bereits am 15. Mai war in Münster
zudem ein anderer Frieden beschworen worden, der offiziell als der Frie­
den von Münster bezeichnet wird, nämlich der oben schon erwähnte zwi­
schen Spanien und den nördlichen Niederlanden. Dieses Ereignis ist von
Gerard ter Borch in einem berühmten Gemälde festgehalten worden,93
das in manchen Büchern das Ende des Dreißigjährigen Krieg markieren
soll, obwohl es im strengen Sinn eigentlich nichts mit ihm zu tun hat. Der
am 15. Mai in der Münster sehen Ratskammer beschworene Frieden ist im
Übrigen bereits am 30. Januar 1648 unterzeichnet worden, auf diesen Tag
ist die Friedensurkunde datiert. Auch hier ist es deshalb nicht einfach, ein
m SHimlier uom 2<r. öcg ÖJkmmotwtt im fä flp
«ou t op

1 6 4 8 . öfcjtfatyttr $rcub * bnt> jgncbcnhnn^cnbet Sßt'fntufer.

Der «freudensreiche Postillion», der einen Tag nach der Vertragsunter­


zeichnung in Münster die Nachricht vom Kriegsende in alle Welt (am
Kirchturm «W ien », am Meeresrand «Stockholm », im Hintergrund
« P a r is» ) hinausposaunt, reitet über einen Grabstein und weggeworfenes
Kriegsgerät hinweg. Er wird begleitet von Fama, der Göttin des Ruhmes,
die in eine Posaune stößt, und dem geflügelten Merkur, der auch ein Gott
der Kaufleute und Händler ist. Die zerbrochene Säule und der trostlose
Baumstumpf am rechten Bildrand stehen für zerstörte Existenzen und
gescheiterte Erwartungen, während hinter dem Reiter, dort also, wo man
seine Botschaft bereits vernommen hat, das Leben neu zu prosperieren
beginnt.

präzises Datum für den Beginn des Friedens anzugeben, zumal zwischen
Vertragsunterzeichnung und Friedensschwur noch die Vertragsratifika­
tion durch den spanischen König Philipp IV. am 1. März 1648 lag. Nimmt
man diese Abfolge zum Maßstab, so hätte der Dreißigjährige Krieg erst mit
dem Austausch der Ratifikationsurkunden am 18. Februar 1649 in Münster
geendet oder gar erst mit dem Nürnberger Reichsfriedensrezess vom 2. Juli
1650, der die Abdankung der schwedischen Truppen sicherstellte. Alles in
allem hat es sich darum als sinnvoll erwiesen, nicht ein einzelnes Datum,
sondern das ganze Jahr 1648 als Ende des Krieges anzusetzen, auch weil es
' 'f f 9 „ ■ S S t x fy s jv J , * S .

- S j £ * *" ? > ./! z ' / t r * ,s M ' t J t e r /’/ F s p s , ■

y ,j/ r ^ v/r n ft ^ ^ r r r n h ä r ij J z r t t r f r f t t * /R i/^


iffo&$uii?JV.l''i / e/.KUin i/fU l ti z-fj^gu r *,~v-

Offiziell wurde der Friedensvertrag von Osnabrück zwischen dem Kaiser


und der Königin von Schweden geschlossen. Für Schweden haben auf der
rechten Seite die Gesandten Johan Oxenstierna und Johan Adler Salvius
unterschrieben, als Bevollmächtigte des Kaisers Johann Maximilian Graf
von Lamberg und Johannes Crane, darunter die Vertreter der Kurfürsten.
Kurköln und Kurtrier fehlen, was rechtlich jedoch ohne Bedeutung blieb.
Der Westfälische Frieden 793

einige Zeit dauerte, bis der «freudensreiche Postillion», der die Nachricht
überbrachte, überall im Reich vorbeigekommen war und die teilweise noch
in vollem Gang befindlichen Kampfhandlungen, wie etwa die Belagerung
Prags durch die Schweden, beendet hatte.94
Der Dreißigjährige Krieg war nicht nur ein Amalgam verschiedener
Kriegstypen, vom Bürgerkrieg bis zum Staatenkrieg, vom Religionskrieg bis
zum Hegemonialkrieg, sondern auch ein Sammel- und Anlagerungskrieg
für viele andere Kriege in Europa, die sich auf je unterschiedliche Weise mit
dem Krieg in Deutschland verbunden hatten. Die erste Herausforderung
für die in Münster und Osnabrück versammelten Gesandtschaften bestand
also darin, diese unterschiedlichen Kriegstypen und diversen Kriegsebe­
nen voneinander zu trennen und so zu ordnen, dass sie verhandelbar wur­
den. Hier zeigte sich die Ambivalenz des Universalfriedenskongresses, wie
er von Frankreich und Schweden durchgesetzt worden war, im Vergleich
zu den Separatfriedensverträgen, die der Kaiser lange Zeit bevorzugt hatte:
Der Kongress sorgte dafür, dass der Kaiser nicht durch die Vorauswahl der
zu behandelnden Fragen zum faktischen Herrn des Geschehens wurde
und sämtliche Streitpunkte und Forderungen der Kriegsparteien auf den
Verhandlungstisch kommen konnten. Es gab jedoch eine solche Fülle von
Problemen unterschiedlichster Art, dass diese weder gleichzeitig noch
gleichgewichtig verhandelt werden konnten, weswegen auch in Münster
und Osnabrück eine Vorsortierung stattfinden musste, die vor allem von
der kaiserlichen, der französischen und der schwedischen Delegation vor­
genommen wurde.
Die beherrschende Figur dabei wie auch bei der Bearbeitung der ein­
zelnen Komplexe war der kaiserliche Hauptbeauftragte Trauttmansdorff.
Der Verlauf des Kongresses wird deshalb in vielen Darstellungen in drei
Phasen untergliedert: die Phase vor dem Eintreffen Trauttmansdorffs, die
Phase seiner Verhandlungsführung vom November 1645 bis zum Juli 1647
und die Phase nach Trauttmansdorffs Abreise am 16. Juli 1647, durch die
der Kongress zunächst in eine tiefe Krise geriet und zeitweilig am Rande
des Scheiterns stand.95 Trauttmansdorffs Abreise belegt indes nicht nur das
hohe Risiko des Scheiterns, das den Kongress von Anfang bis Ende beglei­
tete, sondern auch den klugen Blick des kaiserlichen Delegationsleiters, der
794 ZW ISCH EN K R IE G UND F R IE D E N

Als Maximilian Graf von


Trauttmansdorff-Weinsberg am
25. November 1645 in Münster
eintraf, war er 61 Jahre alt;
seit Rriegsbeginn hatte er in
diplomatischen Missionen
und im unmittelbaren Umfeld
zweier Kaiser politische
Erfahrungen sammeln können.
Er war ein Spezialist der
Kompromissfindung und wurde
zum eigentlichen Konstrukteur
des Westfälischen Friedens.

offenbar begriffen hatte, dass das, was er selbst zum Erfolg der Verhandlun­
gen hatte beitragen können, geleistet war und seine weitere Anwesenheit
in Münster mehr eine Belastung als eine Hilfe darstellen würde. Wenn er
gleichwohl enttäuscht abreiste, dann vor allem deswegen, weil es ihm nicht
vergönnt war, den Verhandlungsmarathon zum erfolgreichen Abschluss zu
bringen.
Es bedurfte dazu der Bildung einer aus den Reichsständen bestehen­
den «Friedenspartei» beziehungsweise «Dritten Partei»,96 und letztlich
konnten erst erneute Kriegshandlungen den Frieden herbeiführen.97 Der
Durchbruch zum Frieden wäre allein mit den Mitteln der Kongressdiplo­
matie nicht möglich gewesen; den Ausschlag gaben zuletzt unter ande­
rem die Niederlage bayerisch-kaiserlicher Verbände in der Schlacht von
Zusmarshausen am 17. Mai 1648,98 der schwedische Vorstoß auf Prag99 und
schließlich die Erkenntnis, dass selbst für die auf den Kriegsschauplätzen
erfolgreichen Mächte Frankreich und Schweden die Weiterführung des
Krieges so hohe Belastungen bedeutete, dass es auch für sie angezeigt war,
in die auf dem Tisch liegenden Kompromisse einzuwilligen. Der doppelte
Der Westfälische Frieden 79S

Anstoß eines forcierten Friedenswillens und einer erneuten Verschärfung


des Kriegsleidens musste die letzten Hindernisse auf dem Weg zum Frie­
den beseitigen. Dazu war selbst ein Verhandlungsgenie wie Graf Trautt-
mansdorff nicht in der Lage.
A uf den unterschiedlichen Ebenen der Parteien und ihrer Verwicklung
in den Krieg wurden die Verhandlungen auch in unterschiedlicher Form
geführt.100 Frankreich etwa bediente sich bei den Verhandlungen mit dem
Kaiser und mit Spanien zweier Mediatoren: des päpstlichen Nuntius Chigi
und des venezianischen Botschafters Contarini. Die beiden übermittel­
ten, wie das im Hamburger Präliminarfrieden vorgesehen war, zwischen
den Parteien Vorschläge und Stellungnahmen, beschränkten sich aber
nicht auf bloße Botentätigkeit, sondern kommentierten die überbrachten
Vorschläge auch und gaben Hinweise, wo sich Kompromisse finden lie­
ßen und wo nicht. Es handelte sich also um Dreiecksverhandlungen, die
überwiegend schriftlich geführt wurden. Der mündliche Austausch blieb,
wenn es ihn denn überhaupt gab, auf die Mediatoren beschränkt. Dagegen
verhandelten die Schweden unmittelbar mit der kaiserlichen Seite und den
Reichsständen. Das hatte seinen Grund zum einen darin, dass der dafür
vorgesehene dänische Vermittler nach dem Krieg von 1644/45 nicht mehr
zur Verfügung stand; zum anderen war man auf schwedischer Seite offen­
bar nicht an einem Vermittler interessiert. Auch die spanisch-niederlän­
dischen Verhandlungen wurden ohne Vermittler geführt. Mitunter trafen
sich die Verhandlungsleiter persönlich, doch im Unterschied zur heutigen
Zeit war das eher selten der Fall. Man arbeitete in Münster und Osnabrück
also flexibel und zwang die Delegationen nicht in ein festes Korsett, son­
dern ließ ihnen alle Freiheit, eine Art der Verhandlungsführung zu wählen.
Das war schon darum sinnvoll, weil ja keineswegs jeder mit jedem verhan­
delte, sondern jeweils nur diejenigen, die gegeneinander Krieg geführt hat­
ten. Schweden und Spanien etwa verhandelten nicht miteinander, ebenso
wenig die Generalstaaten mit dem Kaiser, wohingegen Frankreich und
Schweden, die Verbündeten, die ihre Verhandlungen an unterschiedlichen
Orten führten, sich immer wieder abstimmten, um zu verhindern, dass sie
von der kaiserlichen Delegation gegeneinander ausgespielt wurden.
Die beschriebene Verhandlungsstruktur betraf indes nur die Gesprä-
796 Z W ISC H EN KRIEG UND FR IE D E N

che der Großmächte untereinander, also, um es etwas schematisch auszu­


drücken, die Beendigung des Hegemonial- und des Staatenkrieges. Die
Gespräche zur Beilegung des Religionskonfliktes im Reich und zur Klärung
der mit ihm verbundenen Verfassungsfragen wurden auf eine ganz andere
Weise verhandelt. Da die protestantischen Reichsstände sich aus nahelie­
genden Gründen Schweden als ihren Patron und Fürsprecher ausgesucht
hatten, wurde dieser Teil der Gespräche von Osnabrück aus geführt. Im
Prinzip wurden alle das Reich betreffenden Fragen nach Vorgabe der
Reichstagsverhandlungen in drei Kurien geführt: An der Spitze stand das
Kollegium der sieben Kurfürsten, dann folgte die Kurie der etwa 70 geist­
lichen und weltlichen Fürsten und sodann die Kurie der über 60 Freien
Reichsstädte. Der Kurfürstenrat verhandelte zumeist in Münster, der Städ­
terat dagegen in Osnabrück, und aus praktischen Gründen richtete sich
der Fürstenrat an beiden Orten ein. In diesen Kurien zu verhandeln, was in
reichsrechtlichen Fragen durchaus sinnvoll war, führte bei religionsrecht­
lichen Problemen jedoch nicht weiter, und so konferierten die konfessio­
nellen Gruppierungen, wie sie sich vor der Selbstparalyse des Reichstags
herausgebildet hatten, über die Kurien hinweg: das Corpus Evangelico-
rum mit dem Standort Osnabrück und das Corpus Catholicorum mit dem
Haupttagungsort Münster. Beide waren zwar in der Reichsverfassung nicht
als Körperschaften vorgesehen, aber ihre formelle Festigung im Verlauf der
Verhandlungen wurde zur Lösung einer zentralen Herausforderung des
Friedens: der itio in partes, die vorgab, dass keines der beiden konfessionel­
len Corpora überstimmt werden konnte. Faktisch lief das auf ein Vetorecht
der Minderheit hinaus.101 Aus der Verhandlungsführung heraus entstanden
institutioneile Strukturen, die als Querverstrebung zwischen den bestehen­
den Reichstagsinstitutionen dienten und diesen die politische Stabilität
verliehen, die ihnen vor Kriegsbeginn gefehlt hatte.

Fasst man den Westfälischen Frieden im Hinblick auf seine Struktur ins
Auge, so lassen sich vor allem zwei Dimensionen voneinander unterschei­
den, die im Verhandlungsverlauf zwar immer wieder zusammenspielten,
aber getrennten Lösungen zugeführt wurden: der deutsche Verfassungs­
und der europäische Friedenskongress. Als dritte Dimension lässt sich dem
Im Herbst 1648 suchte der schwedische Feldmarschallleutnant Hans
Christian von Königsmarck, ein gebürtiger Brandenburger, dem Fortgang
der Ereignisse durch die Eroberung Prags neuen Schwung zu geben.
Es gelang indes nur die Eroberung der Prager Kleinseite, da die Stadt
von ihren Bürgern entschlossen verteidigt wurde. Die am 5. Oktober
begonnene Belagerung endete erst am 2. November - so lange hatte der
am 25. Oktober in Münster abgefertigte Bote mit der Nachricht vom
Friedensschluss für den Weg nach Prag gebraucht.

der Religionsparteienkongress hinzufügen102 oder aber die Novellierung der


Reichsverfassung einschließlich religionsrechtlicher Fragen und die territo­
rialen Veränderungen des Reichs.103 Was die Reichsverfassung anging, war
das zentrale Problem, wie man mit der Herausforderung des Reichs durch
den seit dem 16. Jahrhundert in Frankreich aufgekommenen Souveränitäts­
begriff umgehen sollte. Dabei ging es nicht nur um die Frage, bei wem die
Souveränität liegen sollte, beim Kaiser oder bei den Kurfürsten, die nicht
zu beantworten war, ohne den Charakter des Reichs und seine politische
Verfasstheit in Frage zu stellen, sondern vor allem auch um das Bündnis­
recht (iusfoederis) der Reichsstände:104Durften diese sich aus eigener Befug­
nis mit Mächten verbünden, die nicht dem Reich zugehörten, um damit
womöglich die eigene Durchsetzungskraft bei der Klärung reichsinterner
Angelegenheiten zu erhöhen? Oder durfte nur der Kaiser solche Bündnisse
798 Z W ISC H EN K RIEG UND FR IE D E N

eingehen? Diese Frage hatte in den Anfängen des Krieges, etwa in den weit­
ausgreifenden Bündnisprojekten, wie sie von den Heidelberger Reformier­
ten entworfen wurden,105 aber auch im Kriegsverlauf, etwa in den Bündnis­
sen Hessen-Kassels und Kurbrandenburgs mit Schweden und Frankreich,
eine entscheidende Rolle gespielt. Zudem ging es um das ius armorum, das
Recht einzelner Territorialfürsten, Truppen aufzustellen, die unter dem
eigenen Kommando standen und kein Teil der Reichsarmee waren.
Wie man die Bündnisrechtsfrage beantwortete, hatte unmittelbar
machtpolitische Konsequenzen, da man entweder den Kaiser stärkte oder
aber den Reichsständen politischen Spielraum verschaffte. Sie hatte aber
auch eine staatsrechtliche Dimension, und diese betraf den Charakter des
Reichs: Handelte es sich um einen von außen her undurchdringlichen Ver­
band oder um einen politischen Körper, der für die angrenzenden Mächte
durchlässig war? Damit kam eine dritte Dimension der Bündnisrechtsfrage
ins Spiel, wobei es um die Verfasstheit des europäischen Staatensystems
ging, das, zunächst von Italien ausgehend und dann von Frankreich forciert,
einen wachsenden Anpassungsdruck auf die noch vorstaatlich verfassten
Gebiete Europas ausübte. Zugespitzt hieß das: Würde sich in der geopoli-
tischen Mitte der lateinischen Christenheit ein starker und durchsetzungs­
fähiger Staat befinden, oder hätte man es mit einem eher offenen Raum
zu tun, auf den man einwirken konnte, ohne mit einer gleichgelagerten
Gegenreaktion rechnen zu müssen? Das europäische Staatensystem nach
1648 erhielt letztlich eine weiche Mitte, und das lag nicht zuletzt daran, dass
den Reichsständen in Münster und Osnabrück das Bündnisrecht zugestan­
den wurde.
In der jüngeren Literatur ist verstärkt darauf hingewiesen worden, dass
das im Westfälischen Frieden festgeschriebene Bündnisrecht keine grund­
legende Veränderung gegenüber der Tradition darstellt, da dieses Recht
den Fürsten des Reichs seit jeher zugestanden worden sei. Nicht einmal im
Prager Frieden von 1635, so Konrad Repgen, sei es grundsätzlich aufgeho­
ben worden.106 Dabei wird jedoch übersehen, dass der ausschlaggebende
Bezugspunkt hier nicht die historische Tradition, sondern die Entstehung
der Staatenkonkurrenz seit dem 15./16. Jahrhundert ist. Vor allem in Frank­
reich war unter dem Eindruck des Hundertjährigen Krieges und danach
Der Westfälische Frieden 799

des konfessionellen Bürgerkriegs in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts,


als die mächtigen Familien des Landes mit auswärtigen Interventen pak­
tierten, die Monopolisierung des Bündnisrechts beim König durchgesetzt
worden. Diese Entwicklung erlangte Vorbildcharakter für viele andere
Monarchien in Europa, und so veränderten sich die Rahmenbedingungen
für die Beibehaltung der Tradition im Reich. Zwar blieben die Verhältnisse
gleich, doch die Situation war nunmehr eine andere: Nach den Erfahrun­
gen des Krieges hatten die protestantischen Reichsstände allein aus kon­
fessionspolitischen Gründen ein starkes Interesse an der Garantie ihres
Bündnisrechts, und auch die katholischen Reichsstände waren nach dem
Druck, unter den sie in der Zeit Wallensteins geraten waren, an der Bewah­
rung der «teutschen libertet» interessiert, wie die Sammelbezeichnung für
die Selbständigkeit der Reichsstände lautete. Dass sie dabei von Schweden
und Frankreich unterstützt wurden, lag aus deren machtpolitischem Kalkül
nahe. Vermutlich konnte es bei der inneren Befriedung des Reichs nach
einem um religions- wie verfassungspolitische Fragen geführten Krieg gar
keine andere Entscheidung geben, als den Reichsständen das Bündnis­
recht zuzugestehen. Aber das ändert nichts daran, dass die Folgen dieser
Entscheidung nicht nur das Innere des Reichs, sondern auch die Macht­
verhältnisse in Europa betrafen. Durch das Bündnisrecht der Reichsstände
wurde im Westfälischen Frieden festgeschrieben, dass der Kaiser eher der
Verlierer als der Gewinner des Krieges war.
Am schwierigsten hatten sich in Münster und Osnabrück die Ver­
handlungen über das Religionsrecht gestaltet, wenngleich es den Augs­
burger Religionsfrieden von 1555 gab, an den man nur - um einige Bestim­
mungen erweitert - anknüpfen musste. Aber diese Erweiterungen waren
umstritten, und in mancher Hinsicht hatte man den Krieg auch um die
verbindliche Interpretation des Augsburger Religionsfriedens geführt. In
den Artikeln V und V II des Osnabrücker Friedens sind die Ergänzungen
festgehalten. Die wichtigste davon bestand darin, dass es in religionspoli­
tischen Fragen keine Mehrheitsentscheidung gab (itio in partes), so dass
keine Konfession befürchten musste, überstimmt und in die Position des
Unterlegenen gedrängt zu werden. Das war, was typisch ist für ein so kom­
plexes Vertragswerk wie den Westfälischen Frieden, eine Festlegung, die
8o o ZW ISC H EN K RIEG UND FR IED EN

im Grunde das Bündnisrecht relativierte. Dass die itio in partes tatsächlich


zur konfessionspolitischen Befriedung des Reichs führen würde, war am
24. Oktober 1648 noch nicht abzusehen. Eher handelte es sich um ein Ver­
sprechen auf die Zukunft. Im Übrigen gehört in diesen Zusammenhang
die süffisante Bemerkung Konrad Repgens, die Suspendierung der Mehr­
heitsentscheidung in religionsrechtlichen Fragen sei ihrerseits mit einer
reichsständischen Mehrheitsentscheidung durchgesetzt worden.107 Diese
Mehrheitsentscheidung stand unter Vorbehalt, weil der päpstliche Nuntius
Fabio Chigi insbesondere wegen der religionsrechtlichen Regelungen das
gesamte Friedenswerk abgelehnt hatte. Diese Ablehnung wurde 1650 noch
einmal durch ein päpstliches Breve bekräftigt.108 Das war ein hinreichender
Grund für die evangelischen Reichsstände, auf einem uneingeschränkten
Bündnisrecht zu bestehen: Sie fürchteten einen Einfluss des Papstes auf
den Kaiser und wollten dazu ein Gegengewicht schaffen.
Die zweite religionsrechtliche Neuerung des Westfälischen Friedens
gegenüber dem Religionsfrieden von Augsburg war die völlige Gleichstel­
lung der drei Konfessionen, nämlich der Katholiken, der Lutheraner und
der Reformierten. Letztere waren durch die Augsburger Bestimmungen
nicht geschützt worden, und das war einer der Gründe für die aggressive
Politik, die sie in den beiden Jahrzehnten vor dem Krieg betrieben hat­
ten. Durch ihre religionsrechtliche Anerkennung sollten die Reformierten
politisch befriedet werden - und das gelang. Verfassungspolitisch wurden
die drei Konfessionen indes als zwei Blöcke in die Ordnung des Reichs
integriert, nämlich als Corpus Catholicorum und als Corpus Evangelicorum,
womit Lutheraner und Reformierte gezwungen waren, sich miteinander zu
verständigen.109 Hinzu kam die dritte große Neuerung durch die Stichtags­
regelung des Normaljahres (1. Januar 1624), das für die Besitzverhältnisse
des Kirchenguts eingeführt wurde.110 Die Regelung wäre nicht Bestandteil
des Westfälischen Friedens gewesen, wenn es nicht auch Ausnahmen gege­
ben hätte: Die kaiserlichen Erblande waren davon ausgenommen.
Ein großer Fortschritt gegenüber dem Augsburger Religionsfrieden
bestand darin, dass die Regel des cuius regio, eius religio dadurch relati­
viert wurde, dass ein Konfessionswechsel des Landesherrn nicht mehr die
Zwangsbekehrung der Landeskinder nach sich zog.111 Das ius reformandi,
Die Wiederherstellung der Bikonfessionalität fiel nach dem Friedens­
schluss nicht immer leicht. Die freie Religionsausübung war durch die
Bestimmungen des Osnabrücker Vertrags garantiert, doch die Rücküber­
tragung der enteigneten Kirchen ließ auf sich warten. Also wurde in
Augsburg im Innenhof des ehemaligen Kollegiums von St. Anna unter
freiem Himmel ein Gottesdienst gefeiert.

das landesherrliche Recht, nach seinen Vorstellungen die Konfession des


Landes festzulegen, wurde auf die Zulassung und Privilegierung anderer
Bekenntnisse neben der Landeskonfession begrenzt, und aus dem ius emi-
grandi, dem Recht, bei einem Konfessionswechsel des Landesherrn der
Zwangskonvertierung durch Auswanderung zu entgehen, wurde das Recht,
zu bleiben und zumindest im eigenen Haus sein Bekenntnis zu praktizie­
ren. Diese neue Freiheit, von der wiederum die habsburgischen Erblande
ausgenommen blieben, war dreistufig organisiert und erreichte nicht die
völlige Gleichstellung. Es handelte sich um ein von der Toleranz des Lan­
desherrn abhängiges Freiheitsrecht: An erster Stelle stand das exercitium
publicum religionis, die öffentliche Ausübung des Bekenntnisses, «das heißt
mit Kirchen, Türmen, Glocken, Prozessionen, staatlich autorisierte [n]
Pfarrherrn», somit in Form des offiziellen Staatsbekenntnisses; dann
8o a Z W ISC H EN KRIEG UND FR IE D E N

folgte, eine Stufe darunter, das exercitium privatum religionis, also «nur mit
Bethaus, Dachreiter, privaten Predigern (mit und ohne Habit)», das heißt
«ohne öffentliche Staatsrangposition»; schließlich die devotio domestica,
die Hausandacht, zu der sich die Anhänger einer Konfession in der Wohn­
stube versammelten. Die Gewissensfreiheit, libertas conscientiae, war auf
diese Weise gesichert, und das machte Deutschland zum Vorreiter einer
- freilich auf die christlichen Bekenntnisse beschränkten - Religionsfreiheit
in Europa.
Die religionsrechtlichen Regelungen waren im Übrigen ein Sieg der
Staatsräson über jene Unnachgiebigen innerhalb des Corpus Catholicorum,
die mit Wertbindungen und Wahrheitsansprüchen argumentierten. Gegen
deren Einspruch hatte Trauttmansdorff diese Fragen seit Februar 1647 mit
den Schweden verhandelt, die sich ihrerseits mit dem Corpus Evangelico-
rum abstimmten.112 Durch die am 13. Juni 1647 erfolgte Veröffentlichung der
Regelungen, des sogenannten Trauttmansdorffianums, entstand eine Situa­
tion, in der dieser Kompromiss nicht mehr so leicht anfechtbar war. Über­
haupt diente das Wechselspiel von Geheimhaltung und Veröffentlichung
bei den Verhandlungen in Münster und Osnabrück als ein wichtiges Instru­
ment, um Kompromisslinien auszuloten und Übereinkünfte, zu denen man
gelangt war, noch vor Vertragsunterzeichnung und -ratifizierung so festzu­
zurren, dass man kaum noch dahinter zurückkonnte, wenn man nicht als
Friedensverhinderer und Kriegstreiber dastehen wollte. Genauso erging es
den kompromissunwilligen Katholiken, die gegenüber den kompromissbe­
reiten Katholiken in der Mehrheit waren, nunmehr jedoch in der undank­
baren Rolle der Protestierer feststeckten. Sie setzten am 7. Oktober zwar
einen Beschluss des Corpus Catholicorum durch, in dem alle seit dem Som­
mer gemachten Konzessionen an die evangelische Seite widerrufen und
als einseitige Zugeständnisse der Kaiserlichen dargestellt wurden, aber sie
liefen damit nur einer Entwicklung hinterher, die sie nicht mehr rückgängig
machen konnten. Im Zusammenwirken mit den katholischen Reichsstän­
den von Kurmainz und Kurköln, Kurbayern sowie Bamberg und Würzburg
ging der Kaiser im November 1647 über den Einspruch hinweg und ließ die
letzte Verhandlungsrunde mit den Schweden auf der Grundlage des Trautt­
mansdorffianums führen.
Der Westfälische Frieden 803

In religionsrechtlicher Hinsicht war der Westfälische Frieden somit


eher ein Erfolg der Evangelischen und eine Niederlage der Katholi­
schen. Dass Ferdinand III. in diese Regelungen einwilligte, zeigt einen
Unterschied zu seinem Vater und Vorgänger im Amt des Kaisers, der
dazu schwerlich bereit gewesen wäre. Neben der ungünstigen Kriegslage
- inzwischen hatte sich sogar Kurfürst Maximilian zeitweilig vom Kaiser
losgesagt - 113 war es die Aussicht auf Vorteile bei anderen Kompromissen,
die Ferdinand III. dazu veranlassten.114 Der Westfälische Frieden kam auch
deswegen zustande, weil in Wien die politischen Präferenzen neu geordnet
wurden, wobei die Grundsätze der Gegenreformation ins zweite und dritte
Glied rückten. Das nimmt sich im Rückblick glatter und unproblematischer
aus, als es tatsächlich war. Tatsächlich standen die westfälischen Friedens­
verhandlungen mehrfach am Rande des Scheiterns; verhindert hat dieses
Scheitern, dass sich im Lauf der Zeit eine Gruppe von Kompromiss willigen
herausbildete, die sich in harten Auseinandersetzungen gegen die Unnach­
giebigen durchsetzte.
Die religionsrechtlichen Fragen waren zusammen mit den Rechten
und Befugnissen der Reichsstände jedoch nur die eine Klippe der Verhand­
lungen. Die Kompromisse, die man hier fand, beendeten den Dreißigjäh­
rigen Krieg als Religions- und Verfassungskrieg. Die andere große Klippe
war die Neuverteilung von Besitz und Macht, von den territorialen Ansprü­
chen Schwedens und Frankreichs bis zur Regelung der pfälzischen Frage,
die bislang allen Übereinkünften im Weg gestanden hatte. Es ging darum,
den Krieg auch als Staaten- und Hegemonialkrieg zu beenden, was auf die
Umverteilung von Einflussgebieten und Grenzverschiebungen hinauslief.
Letzteres darf man sich nicht als eine Neuordnung nationaler Grenzen
vorstellen, wie sie bei den Pariser Friedensverhandlungen von 1919 vorge­
nommen wurde; eher verteilte man Steuereinnahmen, Loyalitätserwartun­
gen und die Unterhaltung von Garnisonen in einem bestimmten Gebiet
um. Alle diese Fragen wurden unter den Rechtstiteln «Restitution» und
«Satisfaktion» behandelt.115
Die Restitution, also die Wiedereinsetzung der Entmachteten und Ver­
triebenen in ihren früheren Besitz und die mit ihm verbundenen Rechte,
hing an der vorangegangenen Amnestie. Die Straffreiheit war ein zentraler
804 Z W ISC H EN KRIEG UND FR IED EN

Bestandteil des vormodernen Friedensschlusses: Was geschehen war, sollte


vergeben und vergessen sein. Der Frieden durfte nicht mit der Hypothek
des Erinnerns belastet werden. War die Amnestie in einem kaiserlichen Akt
gewährt, so stand der Restitution im Sinne einer Wiederherstellung der
Vorkriegsverhältnisse nichts mehr im Wege. Im Verlauf der Friedensver­
handlungen traten jedoch zwei Probleme auf: zum einen Ansprüche, die
auf dem Weg der Restitution nicht rückgängig gemacht werden konnten,
ohne dass eine Folge neuer Ansprüche entstand, für die es keinen «Recom-
pens», keine Entschädigung mehr gab, weil nichts mehr da war, was sich
umverteilen ließ; zum anderen der Umstand, dass der Krieg viel zu lange
gedauert hatte, als dass sich das Geschehene mit einer Unterschrift ver­
gessen machen ließ. Man konnte zwar Territorien und Rechte restituieren,
aber das Land, das zurückgegeben wurde, war nicht mehr dasselbe wie
vor dem Krieg: Es war zerstört und entvölkert. Insofern lag Amnestie und
Restitution als Elementen der Friedensstiftung die Einsicht aller Beteilig­
ten zugrunde, dass es sich dabei um rechtliche Fiktionen handelte, die mit
den realen Verhältnissen wenig zu tun hatten. Der Weg zum Frieden wurde
beschritten, indem man die Fiktion für die Wirklichkeit nahm beziehungs­
weise die Realität in einer Rechtsfiktion aufgehen ließ. Möglich war das
1648 beziehungsweise in der Zeit danach, weil in den Bestimmungen des
Friedensschlusses die Bevölkerung, die das Elend und die Not des Krie­
ges hatte ertragen müssen, keine politisch relevante Größe darstellte. Sie
kam als Anwalt der «wirklichen Wirklichkeit» gegen die «fiktive Wirklich­
keit» der Rechtsfiktionen nicht an oder war von dem langen Krieg so sehr
erschöpft, dass sie alles hinnahm, wenn er nur bald endete. Das sollte sich
im Zeitalter des Nationalismus nach der Französischen Revolution ändern,
als die Bevölkerung an politischem Gewicht gewann.
Komplementär zur Frage der Restitution war die der Satisfaktion, der
«Genugtuung», zu klären. Hier ging es um das, was in späteren Zeiten
«Kriegsentschädigung» genannt worden ist. In den westfälischen Frie­
densverhandlungen erhoben vor allem Schweden und Frankreich Satis­
faktionsansprüche: Sie hätten, so das Argument, um den ursprünglichen
Rechtszustand aufrechtzuerhalten - Schweden bezog sich vorwiegend auf
die konfessionellen Konstellationen, Frankreich stärker auf die Verfassung
Der Westfälische Frieden 805

des Reichs Kosten und Lasten auf sich genommen, für die sie nunmehr
entschädigt werden müssten. Dahei dachten sie nicht an Geldzahlungen,
sondern an Territorien, die an sie abgetreten werden sollten. Man kann
Konrad Repgen darum schwerlich widersprechen, wenn er schreibt: «Daß
die Sieger sich im Jahre 1648 dafür [für ihre Annexionsforderungen] einer
Vokabel bedienten, die eigentlich etwas rechtlich geschuldetes bezeichnete,
war politische Semantik. Sie verschleierte, daß es sich um nur politisch legi­
timierbare Forderungen handelte, um Annexionen. Die Satisfaktionsver­
handlungen waren kaum verschleierte Machtpolitik.»116
Hinzuzufügen ist freilich, dass die Semantik des Rechts einen Effekt
hatte, der wesentlich zum Erfolg des Westfälischen Friedens beitrug, da
damit jener Begriff vermieden wurde, der gleich am Anfang des Repgen-
Zitats auffaucht: der des Siegers, dem dann der des Verlierers korrespon­
diert. Selbstverständlich war den in Westfalen Verhandelnden klar, dass es
Sieger und Verlierer gab und dass man bei der Wiederherstellung des Frie­
dens nicht an den Ergebnissen des Krieges vorbeikam. Indem man jedoch
darauf verzichtete, das explizit zum Ausdruck zu bringen, erleichterte man
gerade jenen, die am stärksten auf die Einlösung ihrer ursprünglichen
Kriegsziele verzichten mussten, den Vertrag zu akzeptieren. Das gilt nicht
nur für den Akt der Unterzeichnung und die anschließende Ratifikation,
sondern auch für die Jahre undjahrzehnte danach, als sich die Betreffenden
wieder so weit erholt hatten, dass sie an eine Revision des Ausgehandelten
hätten denken können. Die große Leistung der Friedensverträge von Müns­
ter und Osnabrück war, dass keiner von denen, die dort in weitreichende
Kompromisse eingewilligt hatten, die Westfälische Ordnung grundsätz­
lich in Frage stellte. Bis zu den Kriegen der Französischen Revolution und
Napoleons fanden alle Kriege, die in Europa geführt wurden, innerhalb der
in Westfalen geschaffenen Ordnung statt, und die napoleonischen Kriege
wiederum wurden damit beendet, dass auf dem Wiener Kongress die West­
fälische Ordnung wiederhergestellt wurde.117

Wie sahen nun die konkreten Bestimmungen zu Restitution und Satisfak­


tion aus, die in Münster und Osnabrück festgelegt wurden? Der Amnestie
und Restitution betreffende Artikel IV des Osnabrücker Vertrags umfasst
8o 6 Z W ISC H EN KRIEG UND FR IED EN

fünfundvierzig Paragraphen mit Sonderregelungen, in denen die Prinzipien


des Vertrags mit den im Kriegsverlauf entstandenen konkreten Verhältnis­
sen in Übereinstimmung gebracht wurden. Diese Paragraphen betrafen vor
allem die Fürstenhäuser der Pfalz, Badens und Württembergs und müssen
hier nicht im Einzelnen aufgeführt werden. Wichtig ist allein die Regelung
der pfälzischen Frage, denn die war in den von Frankreich und Schweden
vorgelegten Propositionen zu einer Bedingung für den Abschluss des Frie­
dens gemacht worden - von Schweden sehr deutlich, von Frankreich mit
Rücksicht auf Bayern zurückhaltender. Der Kompromiss, der schließlich
ausgehandelt wurde - im August 1647 wurde ein Vorvertrag zwischen dem
Kaiser, Schweden und Frankreich unterzeichnet, dessen Bestimmungen
dann in die Friedensverträge Eingang fanden - , lief auf einen Erfolg der
bayerischen Verhandlungsstrategie hinaus, die auf eine gewisse Rückende­
ckung durch Frankreich setzen konnte.118 Bayern blieb im erblichen Besitz
der pfälzischen Kurwürde; für Karl Ludwig, den Sohn des «Winterkönigs»,
wurde eine neue, achte Kur geschaffen, mit der er belehnt werden sollte,
sobald er den Friedensvertrag angenommen und dem Kaiser in einem Eid
seinen Gehorsam versichert hatte. Weiterhin verblieb Bayern im erblichen
Besitz der Oberpfalz, womit das religionsrechtliche Normaljahr 1624 miss­
achtet wurde. Karl Ludwig wiederum erhielt mit Heidelberg als Zentrum die
rechts wie links des Rheins etwas verkleinerte Unterpfalz, wobei er einige
religionsrechtliche Auflagen zu beachten hatte.119 Die immer wieder mit
Frankreich geführten Verhandlungen hatten sich für Bayern also gelohnt.
Die Satisfaktion Schwedens bestand in der Übertragung Vorpommerns
mit Stettin und der Insel Rügen an die schwedische Krone, dazu kamen der
Hafen von Wismar als Flottenstation und schließlich die Bistümer Bremen
und Verden, die vom Kaiser zuvor zu weltlichen Herzogtümern erklärt
worden waren. Damit kontrollierten die Schweden die Flussmündungen
von Oder, Elbe und Weser, und folglich flössen die dort erhobenen Zölle in
ihre Kasse.120 Schweden, das auf diesem Weg Reichsstand wurde, kann also
als einer der großen Sieger des Krieges angesehen werden; es hatte seine
Kriegsziele weitgehend erreicht. Dass es seine Position nicht auf Dauer
halten konnte und noch im 17. Jahrhundert wieder zurückgedrängt wurde,
steht auf einem anderen Blatt. Die schwedische Macht war bei Kriegsende
Der Westfälische Frieden 807

überdehnt, da der Militärapparat, mit dem die Erfolge im Reich errungen


worden waren, zu einem erheblichen Teil mit französischen Subsidien
finanziert worden war und zu mehr als zwei Dritteln aus in Deutschland
geworbenen Söldnern bestanden hatte. Mit dem Wegfall der Subsidien
schrumpfte der Militärapparat und damit auch die auf ihm beruhende
Machtstellung Schwedens. Ende der 1640er Jahre aber gelang es der schwe­
dischen Delegation in Münster, die starke Position auf den Kriegsschau­
plätzen unmittelbar in politische Macht umzuformen. Dabei vergaß man
nicht, dass politische Macht auch auf wirtschaftlicher Potenz beruht, und
sicherte sich Zolleinnahmen.
Da Kurbrandenburg der Leidtragende der Satisfaktion Schwedens mit
Vorpommern war, musste für das Gebiet, das ihm sonst gemäß Erbschafts­
vertrag zugefallen wäre, ein angemessener «Recompens» gefunden wer­
den. Immerhin hielten sich die Ansprüche in Grenzen, da Hinterpommern,
also das Land rechts der Odermündung, an Brandenburg fiel, nachdem
die Schweden kein größeres Interesse daran gezeigt hatten. Ursprünglich
hatte auch Schlesien zu den schwedischen Satisfaktionsforderungen gehört,
doch wurde bei den Verhandlungen schnell klar, dass es eine Maximal­
forderung war, die als Verhandlungsmasse eingesetzt wurde.121 So erhielt
Brandenburg als Recompens die Hochstifte Halberstadt und Minden, dazu
die Anwartschaft auf das Erzstift Magdeburg, die nach dem Tod des bishe­
rigen Administrators einzulösen war.
Die schwedisch-brandenburgische Regelung war nur durch umfas­
sende Säkularisationen beziehungsweise die verfassungsrechtliche Aner­
kennung von De-facto-Säkularisationen in Norddeutschland möglich, was
das Gegenteil der gegenreformatorischen Zielsetzungen aus der Entste­
hungsphase des Krieges war. Misst man die Schweden und Brandenburg
betreffenden Regelungen am kaiserlichen Restitutionsedikt von 1627, so
gehörte die katholische Seite zu den Verlierern des Krieges, und das macht
nachvollziehbar, warum die Unnachgiebigen unter den Katholiken den
Westfälischen Frieden mehr oder weniger deutlich ablehnten. Das wie­
derum hatte zur Folge, dass eine Reihe von evangelischen Reichsständen
bei der Vertragsunterzeichnung dem Frieden misstrauten und vorerst an
den im Krieg entstandenen Bündnissen festhielten. Als sich der Frieden
812 Z WI S C HE N KRI E G UND F R I E D E N

dann jedoch als stabil erwies, lösten sich diese Kriegsbündnisse schnell auf,
und es entwickelten sich gänzlich andere Konstellationen.
Auch Frankreich machte in seiner Proposition vom n.Juni 1645 Satis­
faktionsforderungen geltend und verlangte für seine «Mühen, Verluste und
Ausgaben» den habsburgischen Besitz im Ober- und Untereisass sowie im
Sunt- und Breisgau, dazu die Kontrolle über die Festungen Breisach und
Philippsburg. Zunächst wollte man daraus ein Reichslehen bilden, mit dem
Frankreich wie Schweden Reichsstand geworden wäre. Als im Verlauf der
Verhandlungen jedoch klar wurde, wie gering die habsburgischen Besit­
zungen im Eisass letzten Endes waren, änderten die Franzosen ihre Ver­
handlungsstrategie und verlangten das gesamte Eisass für sich, also nicht
nur habsburgische Erblande, sondern Reichsgebiet. Sie gaben das Ziel auf,
in reichsständische Rechte und Pflichten einzutreten, und bestanden auf
der territorialen Abtretung des Eisass und seiner Einverleibung in fran­
zösisches Staatsgebiet.122 Die das Eisass betreffenden Regelungen, die bis
zuletzt bei einer Reihe von Reichsständen auf großen Widerstand stießen,
wurden auf die seit 1552 unter französischem Protektorat stehenden Städte
und Bistümer Metz, Tirol und Verdun ausgeweitet. Auch Breisach und Phi­
lippsburg gelangten unter französische Kontrolle und dienten fortan als
Brückenköpfe in Deutschland. Mit diesem Ergebnis kann die französische
Krone als ein weiterer Sieger der westfälischen Verhandlungen angesehen
werden.
Der Kaiser und mit ihm die Casa d’Austria waren dagegen Verlierer -
gemessen jedenfalls an den Zielen, die sie verfolgt hatten, und an dem,
was im Verlauf des Krieges für sie immer wieder erreichbar erschien. Am
Ende hatte dem Kaiser und seinen Verbündeten der lange Atem gefehlt,
beziehungsweise es waren ihm die Ressourcen und die Verbündeten aus­
gegangen, die vonnöten waren, um den Krieg weiterzuführen. Man war,
zumal nach dem zeitweiligen Abfall so wichtiger Verbündeter wie Bayern
und der beiden rheinischen Kurfürsten, zu weitreichenden Konzessionen
bereit, um den Krieg zu beenden, da man befürchten musste, dass sich die
eigene Verhandlungsposition bei einem Fortgang der Kampfhandlungen
noch weiter verschlechtern würde. In der Umgebung Ferdinands III. kam
man letztlich zu dem Ergebnis, man sei alles in allem glimpflich davonge-
Die Gesandten des Kaisers, der Kurfürsten und der schwedischen Krone
haben sich 1650 in Nürnberg versammelt, um letzte strittige Punkte zu
klären und zu überprüfen, ob die in Münster und Osnabrück eingegan­
genen Verpflichtungen eingehalten wurden: Truppenabdankung, Zahlung
von Kriegsentschädigung, Amnestie. Auf dem Tisch liegen die noch einmal
miteinander abgeglichenen Vertragsexemplare. Sie sind gerade unter­
schrieben worden. Der Krieg war damit definitiv beendet.

kommen, und so gab man nach einigem Sträuben dem Drängen der zur
«Friedenspartei» verbundenen Reichsstände nach und unterschrieb die
Verträge von Münster und Osnabrück.123 Damit endeten die Kampfhand­
lungen - jedenfalls sobald die Nachricht vom Friedensschluss in Münster
und Osnabrück auf den Kriegsschauplätzen eingetroffen war.

Es gab aber ein weiteres Problem, das gelöst werden musste: die Abdankung
der Truppen, die noch überall in Deutschland standen. Abdankung bedeu-
814 ZW ISC H EN K R IE G UND F R IE D E N

tete, dass der ausstehende Sold auszubezahlen war, und dabei stellte sich
die Frage, wer das Geld dafür aufbringen sollte. Im französischen Fall war
die Antwort einfach, da Frankreich, nachdem es sich mit Spanien in Müns­
ter nicht hatte einigen können, weiterhin Krieg führte und die Armeen an
den nördlichen und südlichen Landesgrenzen brauchte. In gewisser Hin­
sicht war es ein Glücksfall für den Frieden im Reich, dass der Krieg zwi­
schen Frankreich und Spanien andauerte und gerade nicht der angestrebte
europäische Universalfrieden erreicht wurde, denn so sparte man sich die
Demohilisierungskosten der französischen Armeen, die angesichts der
Probleme mit Schweden vermutlich nicht aufzubringen gewesen wären.
Zudem saugten der französisch-spanische Krieg wie auch die wiederauf­
lebenden Kriege im Mittelmeer gegen die Osmanen sowie der Krieg zwi­
schen Russland und Polen die beschäftigungslos gewordenen Söldner an
und ersparten Deutschland eine jahrelange Auseinandersetzung mit maro­
dierenden Söldnerhaufen auf der Suche nach Unterhalt und Beschäftigung.
Die Eindämmung des Marodeurswesens war auch der Grund, warum man
die Söldner nicht einfach entließ, sondern ein Interesse daran hatte, sie
formgerecht abzudanken und den noch ausstehenden Sold zu zahlen.
Dabei erwies sich vor allem das schwedische Heer in Deutschland als
ein Problem, da für Schweden nicht in Frage kam, was für einige Reichs­
stände die Lösung war: Teile der Truppen zu behalten, um aus ihnen ein
stehendes Heer aufzubauen. Künftig sollten die Heere dauerhaft unterhal­
ten werden, um bei Bedarf schnell vom Friedens- auf den Kriegsfuß versetzt
werden zu können. Der Historiker Johannes Burkhardt hat die neuen ste­
henden Heere darum als die «stehengebliebenen Heere» des Dreißigjäh­
rigen Krieges bezeichnet.124Auch das war eine Möglichkeit, einem sprung­
haften Anstieg der Gewalttaten und Verbrechen nach der Entlassung von
etwa 200 ooo Gewaltspezialisten entgegenzuwirken. Mit den Truppen
Hessen-Kassels,125 Bayerns und des Kaisers konnte man so verfahren, aber
nicht mit den schwedischen, da diese wesentlich durch Subsidien und die
Ausplünderung des besetzten Landes finanziert wurden. Die von Schwe­
den für die Abdankung ursprünglich geforderte Summe von 20 Millionen
Reichstalern wurde in Osnabrück auf fünf Millionen heruntergehandelt,
bevor es zur Vertragsunterzeichnung kam. Aber wer sollte diese Summe
Der Westfälische Frieden 8iS

aufbringen? Sie wurde auf sieben Reichskreise verteilt, die sie in drei Raten
zu zahlen hatten. Sie brachten das Geld tatsächlich auf, und die Summe
reichte dann auch aus, um die 60 ooo schwedischen Soldaten in Deutsch­
land abzudanken, die auf 80 feste Plätze verteilt waren.126
A uf dem Nürnberger Exekutionstag, der vom Mai 1649 bis zum Juli 1650
dauerte,127 sollte die Umsetzung des in Münster und Osnabrück Beschlos­
senen überwacht werden. Entgegen vielerlei Befürchtungen stellte man fest,
dass die Abdankung der Truppen erfolgt und ein Großteil der Soldaten
aus Deutschland verschwunden war. In der Wahrnehmung der Menschen
war der Krieg damit tatsächlich zu Ende. Paul Gerhardt brachte das neue
Gefühl des Friedens in die Verse:

Wohlauf und nimm nun wieder


Dein Saitenspiel hervor,
O Deutschland, singe Lieder
In hohem vollen Chor,
Erhebe dein Gemüte
Zu deinem Gott und sprich:
Herr, Deine Gnad und Güte,
Bleibt dennoch sicherlich.128
SCHLUSS
DER D REISSIG JÄ H RIG E K RIEG ALS
ANALYSEFOLIE GEGENW ÄRTIGER
UND Z U K Ü N FTIG ER KRIEGE

Was heißt «Ende der Westfälischen


Ordnung»?

D
ie Westfälische Ordnung hat Europa keinen dauerhaften Frieden
beschert. Aber sie hat religiöse Kriegsgründe zumindest innerhalb
des Reichs weitgehend beseitigt und langfristig Kriege als Staatenkriege
etabliert. Mit der nachfolgenden Ablösung von Söldnerheeren durch steu­
erfinanzierte reguläre Armeen hat sie zudem verhindert, dass die kriegfüh­
renden Parteien das von ihnen besetzte Land ausplünderten, verheerten
und ihre Gewalt in erster Linie gegen die Zivilbevölkerung richteten. Vie­
les davon ist 1899 in die Haager Landkriegsordnung aufgenommen wor­
den. Doch schon für die Kolonialkriegführung galt das Erreichte nur sehr
begrenzt, wenn überhaupt. Im Gefolge des Ersten und im Zweiten Welt­
krieg sowie den anschließenden antikolonialen Befreiungskriegen ist die
Westfälische Ordnung von ihren Grundsätzen her in Frage gestellt worden.
Daran haben auch die Genfer Konventionen von 1864,1929,1949 und 1977,
deren letzte erstmals Regelungen zum Umgang mit Nonkombattanten auf­
genommen hat, nichts zu ändern vermocht.
Es scheint also, als könne man aus der Westfälischen Ordnung nichts
mehr lernen. Dafür aber lässt sich umso mehr aus dem Dreißigjährigen
8 i8 SC H L U SS

Krieg lernen, dessen Formen der Kriegführung im großen Stil in die Pra­
xis der Kriege zurückgekehrt sind. Wie im Dreißigjährigen Krieg ist mit
der Wiederkehr des «kleinen Kriegs» die Gewalt gegen die Bevölkerung
beziehungsweise die Auflösung des Unterschieds zwischen regulären
Truppen, Söldnerheeren und Marodeuren zurückgekommen. Der «kleine
Krieg» kennt eine strikte Unterscheidung zwischen Kombattanten und
Nonkombattanten nicht. So kann es kaum überraschen, dass in den Neuen
Kriegen sehr viel mehr am Kampf Unbeteiligte der Gewalt zum Opfer fal­
len als solche, die sich bewaffnet und einer gewaltsam agierenden Gruppie­
rung angeschlossen haben.1
Diese Beobachtung ist zeitlich eng mit dem Übergang vom 20. zum
21. Jahrhundert verbunden. Inzwischen stellt sich die bereits vor Jahren
aufgeworfene Frage2 neu und sehr viel dringlicher: Haben wir es über das
Ende der Westfälischen Ordnung hinaus mit einer Wiederkehr des Drei­
ßigjährigen Krieges zu tun? Kann die modelltheoretische Betrachtung des
Dreißigjährigen Krieges so etwas wie den Analyserahmen für gegenwärtige
und zukünftige Kriege bieten? Damit verliert der Blick auf den Dreißigjäh­
rigen Krieg das «Antiquarische», genauso aber das «Monumentalische»,
um zwei Begriffe Nietzsches aufzugreifen. Er erhält dafür eine selbstrefle­
xiv-kritische Dimension, mit der man die ausschließlich selbstbezogene
Beschäftigung mit der eigenen Geschichte hinter sich lässt und wie in
einem «fernen Spiegel»3 die Vergangenheit betrachtet, um die Gegenwart
zu begreifen und womöglich sogar in die Zukunft zu sehen. Die folgenden
Überlegungen gehen von der These aus, dass mit dem Ende der Westfä­
lischen Ordnung im Verlauf des 20. Jahrhunderts keineswegs, wie erhofft,
der Krieg als Geißel der Menschheit verschwunden ist, sondern dass wir
erneut mit einer Verschränkung der Kriegstypen konfrontiert sind, wie sie
schon im Dreißigjährigen Krieg zu beobachten war.

Man brauche für den Nahen Osten einen neuen Westfälischen Frieden,
hat Frank-Walter Steinmeier, damals noch deutscher Außenminister, im
Herbst 2016 bei der Verleihung des Westfälischen Friedenspreises erklärt.
Es kann dahingestellt bleiben, ob er sich darüber im Klaren war, dass der
Friedensschluss von Münster und Osnabrück nicht zu einer dauerhaften
Der Dreißigjährige Krieg als Analysefolie 819

Friedensordnung geführt hat, sondern dass seine wesentliche Leistung in


einer Trennung der Kriegstypen und einer Rationalisierung der Kriegs­
gründe durch deren Ausrichtung auf die Staateninteressen bestand. Das
neue Regime von Krieg und Frieden, das in Münster und Osnabrück entwi­
ckelt wurde und sich danach in Europa durchgesetzt hat, machte die unbe­
dingten Wertbindungen und Wahrheitsansprüche des Religiösen zu etwas
Nebensächlichem - lange vor Beginn der Aufklärung. Wenn Steinmeier
den Westfälischen Frieden als politische Orientierung hervorgehoben hat,
dann ist das wohl so zu verstehen, dass der Weg zum Westfälischen Frieden
in anderen Teilen der Welt nachgeholt werden müsse, insbesondere eben
im Nahen und Mittleren Osten.
Mit dieser Ansicht stand und steht Steinmeier nicht allein. Auch im
Nahen Osten selbst scheint die Analogie zum Dreißigjährigen Krieg prä­
sent zu sein, etwa wenn der jordanische Politikwissenschaftler Hassan Abu
Hanieh im Interview mit einer deutschen Tageszeitung erklärt: «Nach dem
Ende der kolonialen Nationalstaaten stehen wir am Anfang einer neuen
Ära. Sie wird beherrscht vom Kampf um die Identität des Staats und der
Gesellschaft, vom Fehlen einer Dynamik, die zu einer Einheit führt, und
von Gewalt. Viele Menschen glauben, dafür sei der Westen verantwortlich.
Es ist nicht der Westen, es ist die innere Dynamik, die stärker ist, und ich
sehe nichts am Horizont, wie wir den Radikalismus und die Gewalt loswer­
den können. [... ] Gewalt wird diese Region beherrschen. In Europa hat
es nach dem Dreißigjährigen Krieg Versöhnung gegeben. Wir haben diese
Phase noch nicht erreicht. Wir befinden uns erst in der ersten Stufe dieser
Spirale der Gewalt.»4
Diese Beschreibung der Lage ist noch harmlos, wenn denn die These
zutreffen sollte, dass die Kriege der Gegenwart und Zukunft, zu einem Teil
jedenfalls, dem Dreißigjährigen Krieg strukturell ähnlicher sind bezie­
hungsweise sein werden als den Staatenkriegen des 18. und 19. Jahrhun­
derts. Neben der Kriegführung durch nichtstaatliche Akteure, die nicht an
ein bestimmtes Territorium oder eine bestimmte Bevölkerung gebunden
sind, und dem Auftreten von Kriegsunternehmern, den Warlords, für die
der Krieg eher ein Geschäftsmodell als ein politisches Vorhaben mit Ziel
und Zweck ist, sind als weitere Strukturähnlichkeiten die Verflechtung der
820 SC H L U SS

Kriegstypen und die Überlagerung von Kriegsformen zu nennen, wie sie


sich vor allem im Nahen und Mitderen Osten, aber auch in Afrika beobach­
ten lassen. Die Beschäftigung mit dem Dreißigjährigen Krieg eröffnet die
Möglichkeit, ein Analysemodell zu entwickeln, das auf einen großen Teil
der gegenwärtigen Kriege angewandt werden kann und aus dem ersichtlich
wird, mit welchen Eskalationsdynamiken man in diesen Kriegen rechnen
muss und auf welche Stoppmechanismen man setzen kann.
Eine analytische Beschreibung des Dreißigjährigen Krieges, die zeigt,
wann und wo welche Entscheidung oder Nichtentscheidung welche Fol­
gen hatte, kann wesentliche Anhaltspunkte zur Orientierung im Labyrinth
der gegenwärtigen Kriege liefern. Das gilt etwa für die Frage, ob von außen
kommende Politikakteure Möglichkeiten haben, einen Krieg zu beenden
oder doch zumindest sein Ende wahrscheinlicher zu machen, und welche
Formen der Intervention oder Nichtintervention voraussichtlich die ent­
gegengesetzten Effekte haben. Nicht zuletzt in dieser Absicht ist die vorlie­
gende Darstellung des Dreißigjährigen Krieges verfasst worden, und aus ihr
speist sich auch der Blick auf alternative Geschichtsverläufe, also die Frage,
was passiert wäre, wenn die wichtigen Akteure dieses Krieges in bestimm­
ten Situationen andere Entscheidungen getroffen hätten. Die Beschäfti­
gung mit dem Dreißigjährigen Krieg ist also nicht einem «interesselosen
Wohlgefallen» geschuldet und auch nicht bloß dem Interesse daran, «wie
es denn wirklich gewesen» (Ranke), sondern folgt - auch - einer aus den
politischen Herausforderungen der Gegenwart erwachsenen Suchbewe­
gung. Im Unterschied zum deutschen Trauma vom Dreißigjährigen Krieg
und dessen Bekräftigung durch entsprechende Erzählungen ist diese Such­
bewegung offen und kritisch. Sie wird nur von der begründeten Vermutung
angeleitet, dass es eine Reihe von Analogien zwischen dem Dreißigjähri­
gen Krieg und einigen Entwicklungen der Gegenwart geben könnte, und
geht dieser Vermutung nach. Ziel ist es, die analytische Beschreibung des
Krieges als «fernen Spiegel» für die Klärung gegenwärtiger und zukünf­
tiger Herausforderungen nutzen zu können, wenn sich diese Analogien
bestätigen sollten.
Der Dreißigjährige Krieg als Analysefolie 821

Historische Analogien als


methodische Herausforderung

Nun sind methodenbewusste Wissenschaftsdisziplinen solchen Analogien


stets mit großem Misstrauen begegnet. Nicht zu Unrecht wurde einge­
wandt, wer historische Analogien herstelle, blende die Fragen der Gegen­
wart bloß in eine beliebige Vergangenheit zurück, wo man dann auf genau
die Antworten stoße, die durch die Art der Frage zuvor in die Geschichte
hineinprojiziert worden seien. Von einer an soziologischen Methoden aus­
gerichteten Politikwissenschaft wird dagegen das statistische Verfahren der
großen Zahlen ins Spiel gebracht, bei dem Daten nach bestimmten Krite­
rien klassifiziert werden, um die daraus entstandenen Linien und Kurven
in die Zukunft zu verlängern.5 Ein solches Verfahren ist auch in der jün­
geren Kriegsursachenforschung zur Anwendung gekommen. Diese Metho­
dik hat jedoch zur Folge, dass man - erstens - nur sehr kurze Zeitspannen
beobachten kann und sich damit auf einen bestimmten Typ von Krieg
beschränkt. Solange nur eine etwas weiter gefasste Gegenwart in den Blick
genommen wird, sind Annahmen über zukünftige Entwicklungen nichts
anderes als Projektionen gegenwärtiger Konstellationen. Brüche und tief­
greifende Veränderungen können so nicht vorhergesehen werden. Man
schaut notorisch durch ein Mikroskop, wo doch ein Periskop vonnöten
wäre. Da man bei dieser Herangehensweise - zweitens - auf die Zusam­
menstellung großer Datenmengen angewiesen ist, werden alle Kriege
gleich gewichtet, und man kommt nicht dazu, Kriege, in denen sich neue
Entwicklungen abzeichnen, von solchen zu unterscheiden, die noch ganz
herkömmlich geführt werden: Qualitative Differenzen werden durch die
Methodik des Quantitativen aufgezehrt. Es wird keine Urteilskraft ausge­
bildet, um zu erkennen, was sich verändert hat und welche Veränderungen
Schule machen könnten. Statistische Extrapolationen, so nützlich sie in
mancher Hinsicht sind, übersehen obendrein die reflexive Dimension, die
der Krieg für diejenigen hat, die ihn führen - das heißt: Sie sind unsensibel
gegenüber den Lernprozessen der Kriegsparteien. Wer sich an diese Her­
angehensweise hält, bleibt «blind» für das sich abzeichnende Neue oder
8X2 SC H L U SS

bestreitet gewohnheitsmäßig, dass es etwas Neues im Kriegsgeschehen


gebe.6 Das ist die paradoxe Folge der methodischen Immunisierung gegen­
über einem sorgfältigen Blick in die Geschichte: Man kann das Neue und
die großen Veränderungen nicht erkennen, weil man sich mit dem Alten
nicht beschäftigt hat. Wer sich auf die Vergangenheit nicht einlässt, bleibt
an die Gegenwart gekettet, und die Zukunft ist dann nichts anderes als eine
verlängerte Gegenwart.
Zur Immunisierung gegen die Beobachtung von Neuem trägt bei, dass
die Fähigkeit zur Analyse politisch-historischer Zäsuren durch bestimmte
Methoden eingeschränkt wird. Die sozialwissenschaftlich angeleitete
Kriegsbeobachtung neigt dazu, Kontinuitäten zu konstatieren, und inso­
fern ist es ratsam, sie durch eine historisch-vergleichende Kriegsanalyse
zu ergänzen. Durchaus im Wissen, dass diese eine geringere methodi­
sche Schärfe aufweist, können damit sozialwissenschafflich-quantitative
Beobachtungen ergänzt und korrigiert werden.7 Die These, dass der Drei­
ßigjährige Krieg als Analysefolie gegenwärtiger und zukünftiger Kriege
dienen kann - wohlgemerkt keineswegs aller Kriege, aber doch einiger
von ihnen -, soll hier in diesem Sinne vertreten werden. Dem liegt die
Annahme zugrunde, dass die dem Dreißigjährigen Krieg ähnlichen Kriege
unserer Gegenwart auch jene sind, die eine grundlegende Herausforderung
der bestehenden Weltordnung darstellen. Sie haben infolgedessen politisch
besondere Relevanz.
Analogien zwischen gegenwärtigen Entwicklungen und vergangenen
Epochen können auf recht unterschiedliche Weise hergestellt werden. So
kann man die Rolle der Visualisierung von Gewalt in Langzeitkonflikten
untersuchen, wie es Till Ansgar Baumhauer in einem Vergleich der Bilder
des Afghanistankrieges mit denen des Dreißigjährigen Krieges getan hat.8
Dabei zeigt sich, dass die Darstellung des Schreckens, der Gewalt und des
Elends im Dreißigjährigen Krieg durch Hans Ulrich Franck und Jacques
Callot9 eine Fülle von Pendants bei afghanischen Künstlern gefunden hat.
Was beides verbindet, ist die lange Dauer des Krieges, bei der Einzelereig­
nisse als mögliche End- oder Wendepunkte des Geschehens ihre Bedeu­
tung verlieren und die Bilder das Eindringen der Gewalt in alle gesellschaft­
lichen Beziehungen zeigen. In solchen Vergleichen kommt ein Gespür
Der Dreißigjährige Krieg als Analysefolie 823

für die untergründige Präsenz der Gewalt in der Zeit des Dreißigjährigen
Krieges und der heutigen Kriege zum Vorschein, das einen Blick auf das
Geschehen jenseits der Statistik ermöglicht.
Eine politikwissenschaftliche Analogiebildung muss indes Parallelen
finden, die über die Visualisierung von Gewalt, Schmerz und Leid hinaus­
gehen. Dazu gehört, dass man auf jene Faktoren achtet, durch die sich die
erste Hälfte des 17. Jahrhunderts von unserer Gegenwart unterscheidet. Als
Erstes gilt das für die Rolle der Religion in gesellschaftlichen und politi­
schen Konflikten. Der Dreißigjährige Krieg war durch den konfessionellen
Gegensatz seit der Reformation geprägt. Die religiös-konfessionelle Frage
verschärfte die bestehenden politischen Konflikte, und die politischen
Konflikte zogen ihrerseits konfessionelle Auseinandersetzungen an.10 Die
Westfälische Ordnung beruhte deshalb auf dem Imperativ, die religiös­
konfessionelle Überformung von Konflikten zu neutralisieren und die vor­
handenen Konflikte strikt von religiösen Fragen zu trennen. Das ist, wie
oben angedeutet, weitgehend gelungen, bis im Gefolge der Französischen
Revolution mit dem Nationalismus als neuer «politischer Religion»11
abermals Unbedingtheitsvorstellungen ins Spiel kamen, die einer kalkül­
rationalen Interessenabwägung entgegenstanden. Grundsätzlich aber kann
die Entwicklung der europäischen Gesellschaften seit Mitte des 17. Jahrhun­
derts - jedenfalls in politischer Hinsicht - auf der Grundlage des Säkulari­
sationstheorems beschrieben werden: Religiöse Bindungen spielten für die
öffentliche Positionierung der Menschen eine immer geringere Rolle, und
der religiöse Glaube wurde schrittweise zu einer privaten und persönlichen
Angelegenheit.12 Religionskriege wurden bald als überwunden angesehen,
und als maßgebliche Zäsur galt dabei neben der Aufklärung vor allem der
Westfälische Frieden. Die Aufklärung wurde aus kulturwissenschaftlicher
Perspektive als Zäsur angenommen, die politische Historiographie stellte
dafür den Westfälischen Frieden ins Zentrum.
Bis vor kurzem ist, jedenfalls in der westlichen Welt, der Prozess der
Säkularisierung als eine Entwicklung betrachtet worden, hinter die es
kein Zurück mehr gebe. Das hat lange den Blick darauf verstellt, dass Reli­
gion und Politik abermals Verbindungen eingegangen sind, die Gewalt
befördern. Dieser Vorgang ist nicht auf die arabisch-muslimische Welt
824 SC H L U SS

beschränkt geblieben, sondern lässt sich durchaus auch in christlichem


oder jüdischem Zusammenhang beobachten; als Treiber politischer Kon­
flikte wirkt die Religion jedoch am stärksten im Islam, wobei der arabische
Raum derzeit im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit steht.13
Die definitive Zäsur, die der Dreißigjährige Krieg im west- und mit­
teleuropäischen Selbstverständnis bildet, ist also nicht zu einer globalen
Zäsur geworden. Der ungeordnete Krieg, bei dem Religions- und Bürger­
krieg, Staaten- und Hegemonialkrieg, «kleiner Krieg» und «großer Krieg»
ineinander verwoben sind, gehört nicht ein für alle Mal der Vergangenheit
an, sondern ist zum Begleiter unserer Gegenwart geworden. Das ist die eine
Perspektive, aus der heraus die Aktualität des Kriegstypus von 1618 bis 1648
betrachtet werden kann. Sie beruht auf einer strikt eurozentrischen Sicht,
die den Verlauf der west- und mitteleuropäischen Geschichte zum verbind­
lichen Maßstab der Weltgeschichte macht. Eine alternative Perspektive, die
eine solche Eurozentrik vermeidet, kann auf die von Ernst Bloch geprägte
Formel von der «Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen» zurückgreifen, mit
der die Vorstellung eines einsinnigen geschichtlichen Fortschritts relativiert
und die Idee der Irreversibilität des einmal Erreichten gestrichen wird.14
Denjenigen, der die politische Welt gemäß Blochs Formel betrachtet,
kann die Ausbreitung von Kriegen nach dem Strukturmodell des Drei­
ßigjährigen Krieges eigentlich nicht überraschen. Die Vorstellung von
der Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen lässt sich nutzen, um das, was
der Vergangenheit angehört, also gut erforscht und vielfältig beschrieben
worden ist, zum Verständnis der Gegenwart und der Zukunft einzusetzen.
Prognosen, die auf einer historisch-vergleichenden Herangehensweise
beruhen, sind nicht durch große Zahlenmengen und deren Extrapolation
in die Zukunft gedeckt, sondern versuchen, zukünftige Entwicklungen
durch Analogien zu Ereignissen der Vergangenheit zu plausibilisieren. Das
setzt voraus, dass die Zusammenhänge der vergangenen Ereignisse nicht
völlig kontingent waren, sondern Strukturmustern folgten, die mit gewis­
sen Variationen in der je zur Debatte stehenden Gegenwart wiederkehren.
In einer berühmten Passage aus der Vorrede seiner Rechtsphilosophie hat
Hegel sich skeptisch über die Möglichkeit geäußert, das Zukünftige gedank­
lich vorwegzunehmen. Zugleich sprach er über eine Anleitung politischen
Der Dreißigjährige Krieg als Analysefolie 825

Handelns und Gestaltens durch Philosophie und Wissenschaft: «Um noch


über das Belehren, wie die Welt sein soll, ein Wort zu sagen, so kommt dazu
ohnehin die Philosophie immer zu spät. Als der Gedanke der Welt erscheint
sie erst in der Zeit, nachdem die Wirklichkeit ihren Bildungsprozess voll­
endet und sich fertig gemacht hat. [... ] Wenn die Philosophie ihr Grau in
Grau malt, dann ist eine Gestalt des Lebens alt geworden, und mit Grau
in Grau lässt sie sich nicht verjüngen, sondern nur erkennen; die Eule der
Minerva beginnt erst mit der einbrechenden Dämmerung ihren Flug.»15
Wenn nun aber tatsächlich die alt gewordene, infolge ihres Alters indes gut
zu erkennende Gestalt des Lebens in junger Gestalt wiederkehrt, dann hat
vielleicht nicht «die Philosophie», wohl aber die politische Geschichte
eine Chance, zum Belehren nicht grundsätzlich zu spät zu kommen.
Schließlich sollte die Funktion des kollektiven Gedächtnisses nicht
unterschätzt werden. So viel von den Ursachen und Gründen des Drei­
ßigjährigen Krieges auch in Vergessenheit geraten ist, darf man doch nicht
übersehen, dass historische Analogien und Parallelen, wenn man sie nicht
explizit macht, immer wieder uneingestanden und unbemerkt ins Spiel
kommen. So wirken sie unreflektiert auf die Wahrnehmung und Beurtei­
lung von Herausforderungen ein, die sich der üblichen sozialwissenschaft­
lichen Prognostik entziehen. Auch deshalb soll der Dreißigjährige Krieg
hier offen als Analysefolie für die gegenwärtigen Kriege genutzt werden.

Die Kriege im Vorderen Orient und


in Nordafrika als neuer Dreißigjähriger Krieg

Die Frage, ob sich die auf den ersten Blick voneinander unabhängigen
Kriege im Vorderen Orient (die Bürgerkriege in Syrien und im Jemen, der
Krieg gegen den sich selbst so bezeichnenden «Islamischen Staat» in
Syrien und im Nordirak, schließlich der Bürgerkrieg in Libyen) sowie die
Kriege auf dem afrikanischen Kontinent (von Somalia und dem Sudan
über Nigeria bis nach Mali) und der Dreißigjährige Krieg in eine Analo­
gie bringen lassen, führt zunächst zu einer zentralen Frage der historischen
8x6 SC H L U SS

Forschung über den Krieg der Jahre 1618 bis 1648: der nämlich, ob es sich
dabei überhaupt um einen zusammenhängenden und einheitlichen Krieg
gehandelt habe oder ob er erst von den Geschichtsschreibern des 19. Jahr­
hunderts dazu gemacht worden sei. So lautet einer der Einwände der revi­
sionistischen Historiographie gegen das angeblich überkommene Bild des
Dreißigjährigen Krieges: «Alle größeren und kleineren Kriege», so etwa
Sigfried H. Steinberg, «die seit 1609 in dem einen oder anderen Teil Mit­
tel- und Osteuropas aufgeflammt waren, wurden durch Waffenstillstands-
oder Friedensverträge beendet. Die Vergegenwärtigung dieser Reihe, vom
spanisch-holländischen Waffenstillstand des Jahres 1609 bis zum Frieden
zwischen Schweden und Dänemark im Jahre 1645, reicht an sich aus, um
den Begriff eines einzigen dreißigjährigen Krieges > in Mißkredit zu brin­
gen.»16 Tatsächlich beschreibt die jüngere Forschung den Krieg von 1618
bis 1648 zumeist als eine Abfolge von (mindestens) vier Kriegen: dem böh­
misch-pfälzischen Krieg von 1618 bis 1623, dem niedersächsisch-dänischen
Krieg von 1624 bis 1629, dem schwedischen Krieg von 1630 bis 1634 und
schließlich dem schwedisch-französischen Krieg von 1634 bis 1648.17 Mit
jeder dieser Etappen war eine räumliche Verlagerung des Kriegsgeschehens
verbunden. Dennoch hat sich die Vorstellung durchgesetzt - und diese
Sicht konnte auch von der revisionistischen Geschichtsschreibung nicht
abgelöst werden dass dieser Krieg ein einziger zusammenhängender
Konflikt war, der bereits von den Zeitgenossen als solcher wahrgenommen
wurde.18
Bei der Beschäftigung mit der Frage, ob einzelne Kriege in einem so
ausgeprägten Zusammenhang miteinander stehen, dass sie als ein einziger
Krieg betrachtet werden können, auch wenn dieser Krieg in unterschied­
lichen Räumen ausgetragen wird und unterschiedliche Entwicklungsetap­
pen aufweist, zeigt sich, dass nicht nur frühere Kriege und deren historio-
graphische Darstellung ein «ferner Spiegel» gegenwärtiger Kriege sein
können, sondern dass dies auch umgekehrt gilt: Wir können durch die
Beobachtung der Kriege unserer Zeit etwas über die Kriege der Vergan­
genheit lernen, das wir in dieser Weise sonst vermutlich nicht sehen wür­
den. Noch werden die Kriege in Syrien und im Nordirak, im Jemen und
in Libyen weitgehend voneinander unabhängig betrachtet, wenngleich in
Der Dreißigjährige Krieg als Analysefolie 827

ihnen (vom sogenannten Islamischen Staat bis zu den Interventionsmäch­


ten) dieselben Akteure eine Rolle spielen. Wenn es gelingt, sie bald zu been­
den und für jeden Konflikt eine geeignete Friedensformel zu finden, wird
man im Rückblick späterer Zeiten wahrscheinlich von einzelnen Kriegen
sprechen, die zwar untergründige Verbindungen hatten, aber doch eigen­
ständig waren. Wenn es hingegen nicht gelingt, die Kriege bald zu been­
den, was im Fall des Vorderen Orients und der Sahelzone wahrscheinlich
ist, wird eine spätere Historiographie voraussichtlich von einem einzigen
zusammenhängenden Krieg sprechen, der zwar an verschiedenen Orten
begonnen habe, dann aber durch seine innere Dynamik und das Eingreifen
weiterer Mächte immer mehr zu einem einzigen Krieg zusammengewach­
sen sei. Rückblickend dürfte das auch für den Dreißigjährigen Krieg gelten:
Wäre er 1620/21 mit der Niederschlagung des böhmischen Aufstands been­
det worden, so hätte er keine dreißig Jahre gedauert und sich auch nicht mit
den europäischen Hegemonialkonflikten verbunden. Da der Krieg jedoch
immer weiterging, hat er wie ein großer Magnet das gesamte Kriegsgesche­
hen in Europa auf sich ausgerichtet.19 Etwas Vergleichbares dürfte im Vor­
deren Orient geschehen, wenn die Kriege in Syrien und im Jemen nicht
so schnell wie möglich beendet werden. Es sind nicht zuletzt die Länder
in den Randzonen eines politisch-kulturell zusammenhängenden Raumes,
die das Feuer am Lodern halten. Insofern könnte Libyen, das eigentlich gar
nicht zum Nahen Osten gehört, eine «böhmische Rolle» zufallen.
Das «Zusammenerzählen» von Kriegen, die durch Waffenstillstände
oder Friedensschlüsse voneinander getrennt und mitunter auch räumlich
voneinander entfernt sind, ist ein Integrationsakt der politischen Histo­
riographie, die für sich in Anspruch nimmt, damit eine tiefere Schicht
des Kriegsgeschehens herauszuarbeiten. Begründet hat diese Art der Ge­
schichtsschreibung der attische Historiker Ihukydides, der einzelne Kriegs­
handlungen zwischen Athen und Sparta mit dem athenischen Ausgreifen
ins westliche Mittelmeer, der «sizilianischen Expedition», zusammenge­
bracht und beides als einen einzigen, nahezu dreißig Jahre währenden Krieg,
den Peloponnesischen Krieg, beschrieben hat. Sein Werk ist deswegen zu­
nächst unter dem Titel Xyngraphie, «Zusammenschreibung», überliefert
worden.20In Anlehnung an diesen Begriffhaben dann auch revisionistische
828 SC H L U SS

Historiker gegen Friedrich Schiller eingewandt, dieser habe, orientiert am


Vorbild des Thukydides, ein diffuses Kriegsgeschehen zwischen 1618 und
1648 unter der Überschrift Geschichte des Dreißigjährigen Krieges «zusam­
mengeschrieben».21 Tatsächlich hat Schiller aber, wie Konrad Repgen
detailliert gezeigt hat,22 einen für den Krieg längst gebräuchlichen Begriff
aufgenommen, um ihn zu popularisieren und in der historischen Vorstel­
lungswelt des deutschen Bürgertums fest zu verankern. Damit sich eine sol­
che Deutung durchsetzen kann, muss sie auf eine Öffentlichkeit treffen, die
sie als sinnfällig und plausibel empfindet. Das war hier der Fall, nicht aber,
um ein Gegenbeispiel zu nennen, bei dem Versuch, die beiden Weltkriege
des 20. Jahrhunderts zu einem weiteren «Dreißigjährigen Krieg» zusam­
menzuerzählen. Wir sprechen nach wie vor vom Ersten und vom Zweiten
Weltkrieg sowie von einer zwanzigjährigen Zwischenkriegszeit.

Was ist für den Vorderen Orient zu erwarten? Welche Strukturanalogien


lassen sich zwischen dem Dreißigjährigen Krieg und den Kriegen im Nahen
Osten beziehungsweise in der Sahelzone beobachten? Und was bedeutet
das für die Chancen, in diesen Räumen Frieden zu erreichen?
Zu den Strukturanalogien zählt zunächst die Unübersichtlichkeit der
wechselnden Bündniskonstellationen und Feindschaften, die typisch für
den Dreißigjährigen Krieg war. Wer eben noch Verbündeter war, konnte
morgen schon Gegner sein. Ähnlich verhält es sich in den jüngsten Krie­
gen im Vorderen Orient. In beiden Fällen agierten beziehungsweise agie­
ren regionale Großmächte aus dem Hintergrund heraus - im 17. Jahrhun­
dert sind vor allem Spanien und Frankreich zu nennen, heute die Türkei,
Saudi-Arabien und der Iran. Das reicht von Legitimitätserklärungen und
der finanziellen Unterstützung einer der Kriegsparteien bis zur Entsendung
von Freiwilligenverbänden und schließlich dem offenen militärischen Ein­
greifen auf einem Kriegsschauplatz, durchgängig ohne Kriegserklärung
oder eine der Formalitäten, die in der Westfälischen Ordnung dafür vor­
gesehen waren. Die in das Geschehen involvierten Mächte verhindern auf
diese Weise, dass der Krieg «ausbrennt», weil Kämpfer, Waffen und Muni­
tion ausgehen. Das gilt seit Jahren für die Kriege im Vorderen Orient und
zunehmend auch für die der Sahelzone. In diesen Konflikten wechseln die
Der Dreißigjährige Krieg als Analysefolie 829

kämpfenden Gruppierungen immer wieder die Fronten, und für Außenste­


hende ist kaum auszumachen, wer gerade auf welcher Seite steht. Dasselbe
haben bereits zeitgenössische Beobachter in einigen Phasen des Dreißig­
jährigen Krieges festgestellt, dessen Geschichte unter anderem in einer
nicht abreißenden Folge von Bündniswechseln, Neutralitätserklärungen
und Wiedereintritten in den Krieg besteht. Unter diesen Umständen hal­
ten sich auch heutige Betrachter und Kommentatoren off an das, was gleich
bleibt: die konfessionellen Frontlinien, die in ihrer tatsächlichen Relevanz
für den Krieg jedoch häufig überzeichnet werden. Sie werden zu Orientie­
rungszeichen, auch wenn die politischen Akteure wechseln, die hinter die­
sen Konfliktlinien stehen. Das war im Dreißigjährigen Krieg so, und es ist
nicht anders bei den Kriegen im Vorderen Orient, wo der konfessionelle
Gegensatz zwischen Sunniten und Schiiten zur Orientierungslinie gewor­
den ist. Der Blick auf den Dreißigjährigen Krieg lehrt uns jedoch, dass diese
religiösen Gegensätze keineswegs die einzigen Konfliktlinien sind, die eine
Rolle spielen.
In den gegenwärtigen Kriegen des Vorderen Orients und der Sahel-
zone verbinden sich religiöse beziehungsweise konfessionelle Konflikte mit
solchen, die sich um die Machtverteilung im Innern eines Staates drehen,
und dabei ist nur schwer zu erkennen, welche Konfliktebene der kriegsaus-
lösende Faktor war und welche anschließend die Situation verschärft hat.
Auch in den Auseinandersetzungen um die Hegemonie des Raumes spie­
len die Religionskonflikte eine Rolle. Bei den innerstaatlichen Konflikten
haben wir es indes mit Konstellationen zu tun, in denen die institutionel­
len Strukturen einer Machtbalance fehlen, es keine verlässlichen Prozedu­
ren des Machtwechsels gibt und Einzelpersonen mit Hilfe ihrer Familien
und Clans eine schamlose Form von Bereicherung praktizieren. Akteure
wie Ernst von Mansfeld und Albrecht von Wallenstein können in der Ver­
bindung von Warlord und Kleptokrat als Prototypen dieser modernen
Akteure angesehen werden. Der Widerstand gegen solche Verhältnisse hat
im Vorderen Orient und im Maghreb in bewaffneten Aufständen, Sezes­
sionsregimen sowie politischen Massenbewegungen seinen Niederschlag
gefunden. In der Regel sind diese oppositionellen Bewegungen aber in sich
derart zerstritten, dass sie, wenn sie erfolgreich sind, keine stabile Ordnung
830 SC H L U SS

hervorzubringen vermögen, sondern den nächsten (Bürger-)Krieg gegen­


einander beginnen. Das zeigt sich in Syrien und Libyen, im Südsudan und
in Somalia.
Der Aufstand der Niederlande und die Rebellion der Böhmen, beide
gegen die Herrschaft des Hauses Habsburg gerichtet, waren im Vorfeld
und zu Beginn des Dreißigjährigen Krieges strukturanalog zu dem, was
inzwischen als «Arabischer Frühling» bezeichnet wird. Im Fall des nie­
derländischen Aufstandes führten politische und geographische Faktoren
dazu, dass der sich über achtzig Jahre hinziehende Krieg weitgehend auf
das Gebiet des heutigen Belgiens und der Niederlande beschränkt blieb.
Freilich wurde er - unbeschadet der für den nordwesteuropäischen Kriegs­
schauplatz ausgehandelten Waffenstillstände - während der gesamten Zeit
als Kaperkrieg zur See ausgetragen, in dem um Handelswege und Koloni­
albesitz in Amerika und Südostasien gekämpft wurde. Im Fall des böhmi­
schen Aufstandes ließen sich die beteiligten Mächte auf eine Ausweitung
beziehungsweise Verlagerung des Kriegsschauplatzes ein, und so verband
sich der böhmische Krieg mit vielen anderen Kriegen in Europa, die
schließlich zu einem einzigen Krieg verschmolzen. Diese alternativen Ver­
laufsmodelle eines Aufstandes gegen die bestehende Ordnung lassen sich
auch im Nahen Osten und in der Sahelzone beobachten: Während der nun
bald vier Jahrzehnte andauernde Krieg in Somalia im Wesentlichen auf das
Gebiet dieses Landes beschränkt geblieben ist und nur in Form von Pira­
terie auf den Indischen Ozean ausgegriffen hat, ist der Aufstand gegen den
Assad-Clan und dessen Anhänger in Syrien zum Brennpunkt eines Krieges
geworden, der die gesamte arabische Welt erfasst hat.
Alle Kriege in der Sahelzone und im Vorderen Orient sind entweder
mit Auseinandersetzungen zwischen christlichen und muslimischen Bevöl­
kerungsgruppen verbunden, wie im Sudan oder in Nigeria, oder werden
durch das islamische Schisma zwischen Sunniten und Schiiten angeheizt.
Diese religiös-konfessionelle Überformung der seit langem bestehenden
Konflikte zwischen unterschiedlichen Produktionsweisen (Hirten gegen
Bauern) oder der Auseinandersetzungen um Macht und Teilhabe hat zu
einer folgenreichen Verfestigung von Feindschaften geführt. Sobald eine
Kriegspartei den Anspruch erhebt, im Besitz der wahren Religion zu sein,
Der Dreißigjährige Krieg als Analysefolie 831

wird nicht nur einer der üblichen Konfliktverschärfer wirksam, sondern es


werden auch alle auf materieller Interessenabwägung beruhenden Kom­
promisse als Voraussetzung der Kriegsbeendigung blockiert. Der religiös­
konfessionelle Gegensatz ist, wie gezeigt, weder im Dreißigjährigen Krieg
die alleinige Konfliktursache gewesen, noch ist er das in den strukturana­
logen Kriegen der Gegenwart. Aber er sorgt dafür, dass politisch lösbare
Konflikte von einem Geist der Unversöhnlichkeit erfasst werden, der kei­
nerlei Vermittlungs- und Ausgleichsebenen mehr kennt. Religiös-konfes­
sionelle Frontbildungen führen dazu, dass sich eine durch völkerrechtliche
Regelungen eingeschränkte Gegnerschaft in bedingungslose Feindschaft
verwandelt, bei der jede Form von Grausamkeit und Gewalt zulässig ist.23
Kriegen vom Typus «Dreißigjähriger Krieg» ist eigen, dass darin
unterschiedliche Formen oder Intensitäten von Feindschaft anzutreffen
sind. So lassen sich zwischen 1618 und 1648 durchaus Formen konventionel­
ler Feindschaft beobachten, etwa wenn belagerte Städte kapitulierten und
die Verteidiger daraufhin mit Waffen und «in allen Ehren» abzogen24 oder
wenn die in einer Feldschlacht gefangen genommenen Soldaten umstands­
los in die Regimenter des Siegers eingegliedert wurden. Ebenso aber gab es
Formen absoluter Feindschaft, etwa bei der Eroberung der Marienfestung
oberhalb Würzburgs, als die Verteidiger von den schwedischen Eroberern
mit dem Zuruf getötet wurden, man nehme Rache für das von kaiserlich-
ligistischen Truppen verübte Massaker bei der Eroberung Magdeburgs.25
Vor allem bei der Erstürmung von Städten kam es immer wieder zu Mas­
sakern an deren Einwohnern - auch dann, wenn diese sich nicht an den
Kämpfen beteiligt hatten. Es kommen jene Grausamkeiten hinzu, die nur
durch Habgier und Mordlust veranlasst waren und unabhängig vom jeweili­
gen Glaubensbekenntnis alle betrafen, die einer marodierenden Soldateska
in die Hände fielen. Daneben gab es aber immer wieder auch Gewaltakte,
die sich speziell gegen Repräsentanten der je anderen Konfession richte­
ten: gegen Mönche und Nonnen im einen und gegen protestantische Pfar­
rer im anderen Fall. Jenseits der Unterscheidung zwischen Kombattanten
und Nonkombattanten waren die Konfessionsvertreter Objekte gesteiger­
ter Feindschaft, und dies genügte als Lizenz zu gesteigerter Grausamkeit.
Letzteres ist auch in den Kriegen des Nahen Ostens und der Sahelzone zu
831 SC H L U SS

beobachten, wo die Trennung von Kombattanten und Nonkombattanten


etwa bei der Belagerung und Eroberung von Städten gleichermaßen aufge­
hoben wird und die Repräsentanten der anderen Religion oder Konfession
für etwas stehen, was im Namen der Religion bekämpft wird.
Die Zuspitzung religiös-konfessioneller Unterschiede zu Gegensätzen
und deren Politisierung zu Feindschaften wird, wie auch im Dreißigjähri­
gen Krieg der Fall, in den Kriegen des Vorderen Orients und der Sahelzone
von Hegemonialkonflikten überlagert, die infolge des Niedergangs der her­
kömmlichen Vor- und Ordnungsmächte an Schärfe gewonnen haben. Vor
Beginn des Dreißigjährigen Krieges war es die Schwäche der Habsburger
durch den «Bruderkrieg im Hause Habsburg»,26 die beim böhmischen
Adel die Vorstellung aufkommen ließ, sich der habsburgischen Herrschaft
entledigen zu können. Und ebendiese Schwäche der Habsburger als Kaiser
des Reichs war es, die bei den pfälzischen Politikern die Vorstellung nährte,
man könne, wenn man nur entschlossen genug vorgehe, die Machtverhält­
nisse im Reich umkehren und einen Protestanten zum deutschen Kaiser
wählen. Beide, böhmische Adlige wie pfälzische Politiker, täuschten sich,
weil sie auf einen wiedererstarkten Selbstbehauptungswillen des Hauses
Habsburg stießen. Dabei spielten indes auch kontingente Faktoren eine
Rolle, etwa der Umstand, dass Ferdinand II., der neue böhmische König
und deutsche Kaiser, tief vom Geist der Gegenreformation durchdrungen
war und eine Entschlossenheit und Handlungsbereitschaft zeigte, die sei­
nen Vorgängern Rudolf II. und Matthias abgegangen war.
Die Strukturanalogie im Vorderen Orient liegt im Niedergang Ägyp­
tens, das die traditionelle Hegemonialmacht des Raumes war, und im Schei­
tern des Irak bei dem Versuch, diese Position zu übernehmen. Die Instabi­
lität des Nahen Ostens beginnt nicht erst mit dem militärischen Eingreifen
der USA gegen Saddam Hussein, sondern bereits mit dem Reputationsver­
lust Ägyptens bei den arabischen Staaten infolge des Friedensschlusses mit
Israel im Jahr 1978. Nach dem Camp-David-Abkommen war die bisherige
Hegemonialmacht desavouiert, und ihr Platz war neu zu besetzen. Der
Iraker Saddam Hussein machte seinen Anspruch darauf geltend, indem
er von 1980 bis 1988 gegen den Iran, eine nichtarabische Macht, einen ver­
lustreichen Krieg führte und danach die daraus resultierenden Schulden
Der Dreißigjährige Krieg als Analysefolie 833

durch die Besetzung und Annexion Kuwaits zu kompensieren suchte.27 Die


Weltordnungsmacht U SA schritt ein, und nach der zweiten amerikanisch
geführten Intervention wurde der Irak als geschlossener Staat und rele­
vanter Politikakteur des Raumes faktisch aufgelöst. Das Land wurde zum
Sammelraum für dschihadistische Gruppierungen, und das so entstandene
machtpolitische Vakuum führte dazu, dass Saudi-Arabien begann, eine auf
den Vorderen Orient bezogene Hegemonialpolitik zu betreiben. Auch die
Türkei und der Iran, nahegelegene, aber der arabischen Welt selbst nicht
zugehörige Akteure, suchten zunehmend Einfluss auf die politischen Kon­
stellationen des arabischen Raumes zu nehmen: der Iran als Schutzmacht
der Schiiten und die Türkei, als sie in neo-osmanischer Attitüde an ihre alte
Rolle einer Ordnungsmacht im Vorderen Orient anknüpfen wollte. Diese
machtpolitischen Umbrüche haben im Nahen Osten den Boden für einen
Krieg des Typs «Dreißigjähriger Krieg» bereitet. Es war eine Kombination
innerer Entwicklungen mit Interventionen auswärtiger, aber raumnaher
Mächte, die das Entstehen eines solchen Krieges möglich gemacht haben.
Mit den Bündniswechseln, die diese Veränderungen nach sich zogen,
veränderte sich auch die Position der Weltmächte im Machtgefüge des
Nahen Ostens. Zunächst intervenierten die USA, in einigen Fällen eher
verdeckt, in anderen offen, wobei der Krieg von 2003, der mit dem Sturz
des Saddam-Regimes endete, das folgenreichste Eingreifen war; dann such­
ten die Russen als Nachfolger der untergegangenen Sowjetunion ihre ver­
lorene geopolitische Stellung zurückzugewinnen und stellten sich auf die
Seite des Assad-Regimes. Schließlich sahen sich auch die Europäer, nicht
zuletzt auf der Grundlage menschenrechtlicher Erwägungen und in Reak­
tion auf demonstrative Grausamkeiten und Massaker, dazu genötigt einzu­
greifen. Wenngleich es ihnen darum ging, den Krieg möglichst schnell zu
beenden und dem Leiden der Bevölkerung ein Ende zu bereiten, so haben
sie doch, unter anderem vermutlich aufgrund ihres unentschlossenen und
halbherzigen Auftretens, zur Verlängerung des Krieges beigetragen. Der
Typus «Dreißigjähriger Krieg» ist dadurch gekennzeichnet, dass er von
außen nur schwer zu beenden ist und ein militärisches Eingreifen zumeist
das Gegenteil dessen bewirkt, was offiziell beabsichtigt ist.
834 SC H L U SS

Strukturanalogien

Betrachtet man die Interventionen auswärtiger Mächte und deren Legi­


timation, so befindet sich der Westen im Vorderen Orient in der Rolle
Richelieus im Dreißigjährigen Krieg. Der Kardinalpremier setzte lange auf
indirekte Interventionen in Form von Diplomatie und Subsidienzahlun-
gen, weil er mit eigenen Truppen in Deutschland nicht eingreifen wollte
und zunächst auch nicht konnte.28 Sein Problem war, dass die französische
Gesellschaft gerade einen langen konfessionellen Bürgerkrieg hinter sich
hatte und die Frontlinien in Deutschland genau umgekehrt zu denen im
eigenen Land verlaufen wären. Außerdem hätte ein direktes militärisches
Engagement genau den kriegsbefürwortenden Teil der Hocharistokratie
gestärkt, der Richelieu bei seiner Politik einer Zentralisierung der franzö­
sischen Administration fortgesetzt Schwierigkeiten bereitete. Schließlich
kam hinzu, dass Frankreich zu dieser Zeit über keine Armee verfügte, die
den Truppen auf dem deutschen Kriegsschauplatz gewachsen gewesen
wäre. Indirekte Interventionen hatten indes ihren Preis, und der bestand
darin, dass die französische Politik auf ihre Verbündeten nur begrenzten
Einfluss hatte und off hinnehmen musste, dass diese mit Hilfe französi­
schen Geldes ihre eigenen Ziele verfolgten. Das war so bei Gustav Adolf,
als dieser sich auf dem Höhepunkt seiner Macht befand, und es war aber­
mals so bei Bernhard von Weimar, der sich notorisch weigerte, von seinem
Heer gehaltene strategische Schlüsselpositionen französischer Kontrolle
zu unterstellen.29 Indirekt in einen Konflikt einzugreifen, birgt immer das
Risiko, dass sich die Unterstützten keineswegs als die getreuen Erfüllungs­
gehilfen ihres Geldgebers herausstellen.
Diese Politikregel ist auch im Verhältnis «des Westens» zu den Krie­
gen im Nahen Osten und in der Sahelzone zu beobachten. So haben einige
europäische Staaten, darunter auch die Bundesrepublik Deutschland, Kur­
den für den Kampf gegen den IS aufgerüstet und an den entsprechenden
Waffensystemen ausgebildet. Die kurdischen Einheiten aber bekämpfen
nicht nur den IS, sondern verfolgen auch das Ziel eines eigenen Kurden­
staates, was wiederum keinesfalls im Interesse des Westens liegt, weil das zu
Der Dreißigjährige Krieg als Analysefolie »35

massiven türkischen Reaktionen führen und eine weitere Konfliktlinie in


den ohnehin nur schwer überschaubaren Fronten des Krieges in Syrien und
im Nordirak schaffen könnte. Der Einsatz europäischer Bodentruppen, bei
dem es das Problem der Verselbständigung nicht gäbe, kommt aber schon
deswegen nicht in Frage, weil die europäischen Gesellschaften «posthe­
roische» Gesellschaften sind, in denen eine prinzipielle Aversion gegen
militärische Interventionen vorherrscht. Auch sind diese Gesellschaften
nicht bereit, die damit verbundenen Verluste eigener Soldaten zu tragen.30
Die halbherzige, auf Luftangriffe beschränkte Intervention in Libyen, die
zum Sturz Gaddafis, aber nicht zum Aufbau einer neuen politischen und
gesellschaftlichen Ordnung führte, war die eine Folge dessen; die andere
war der Verzicht auf eine Intervention gegen das Assad-Regime in Syrien,
als es den Aufstand der Bevölkerung mit brutalsten Mitteln niederschlug
und sich daraus ein Bürgerkrieg entwickelte. In den griff «der Westen»
dann mit Luftangriffen gegen den IS ein, entwickelte aber keine Vorstel­
lung davon, wie das Land wieder befriedet werden konnte. Die Bilanz der
westlichen Interventionen in beiden Kriegsregionen ist insgesamt desas­
trös: Wo die Interventionen Wirkung gezeigt haben, lief das eher auf die
Verlängerung der Kriege als auf deren Beendigung hinaus. Allein von ihren
Ergebnissen her betrachtet, war die russische Art des Eingreifens deutlich
effektiver als die des Westens.
Die vergleichende Betrachtung fördert insofern nicht nur Strukturana­
logien in den inneren Dynamiken zutage, sondern zeigt auch Gemeinsamkei­
ten in den Handlungsmustern externer Akteure. Da die Grenzen zwischen
internen und externen Akteuren oft fließend sind, sollen hier als extern nur
diejenigen bezeichnet werden, deren Staatsgebiet oder Handlungszentrum
eindeutig außerhalb des Kriegsgebiets liegt. Für sie stellen Intervention
und Nichtintervention tatsächliche alternative Optionen der Politik dar,
was heißt, dass sie selbst und ohne strukturelle Zwänge entscheiden, ob
sie in die Konflikte eingreifen oder sich heraushalten. Der englische Histo­
riker Geoffrey Parker hat mit Blick auf die Interventionsmächte des Drei­
ßigjährigen Krieges davon gesprochen, bei ihnen hätten «Interventionisten
gegen Isolationisten» gekämpft.31 In diesem Sinne waren Schweden, Eng­
land, Frankreich und in gewisser Hinsicht auch Spanien externe Akteure.
836 SC H L U SS

Die englischen Könige haben dabei trotz ihrer engen verwandtschaft­


lichen Bindungen mit dem pfälzischen Kurfürsten die größte Distanz
gewahrt und sich, von der Entsendung eines kleinen Truppenverbandes
in der Anfangsphase des Krieges und einigen Subsidienzahlungen abgese­
hen, weitgehend aus dem Krieg herausgehalten. In der zweiten Hälfte des
Krieges hat König Karl I. sich vor allem auf diplomatische Interventionen
beschränkt, und auch die gingen mit dem Beginn der Revolution Ende der
1630er Jahre zu Ende. Diese Politik der Nichtintervention ist in Teilen der
englischen Öffentlichkeit auf erhebliche Kritik gestoßen: Die Puritaner
etwa wünschten sich eine nachdrücklichere Unterstützung der protestan­
tischen Sache auf dem Kontinent. Es handelte sich um jene Teile der engli­
schen Gesellschaft, die von den Stuart-Königen Abstand nahmen und zum
Träger des Widerstands gegen deren Herrschaffsverständnis wurden.32
Neben den konfessionellen Sympathien dürfte bei der Präferenz für ein
Eingreifen zugunsten des pfälzischen Kurfürsten eine Rolle gespielt haben,
dass dieser als Verteidiger reichsständischer Libertät auftrat, während die
Habsburger als Vertreter einer absolutistischen Politik galten, wie sie auch
von den Stuart-Königen betrieben wurde. Ob die Stuart-Könige durch
eine Militärintervention auf dem europäischen Kontinent die revolutio­
näre Entwicklung im eigenen Land hätten verhindern können, muss offen
bleiben. Immerhin wurden England, vor allem aber Schottland und Irland,
zum Rekrutierungsgebiet für Söldner, die auf dem deutschen Kriegsschau­
platz kämpften.33 Die Söldner von den Inseln spielten im Dreißigjährigen
Krieg eine wichtigere Rolle als die englische Politik.34
Den stärksten Gegensatz zu England bildet Spanien, das sich schon
vor dem Krieg im Onate-Vertrag35 eng an Österreich gebunden hatte und
auf die politische Einheit des Hauses Habsburg, der Casa d’Austria, setzte.
Ohne die spanische Unterstützung hätte das Wiener Kaiserhaus in ent­
scheidenden Phasen des Krieges schlecht dagestanden. Das beginnt mit
der Entsendung wallonischer Söldner unter dem General Bucquoy, die
wesentlich an der Niederwerfung des böhmischen Aufstands mitwirkten,
und reicht bis zur Schlacht von Nördlingen, die ohne den Zuzug der spani­
schen Armee unter dem Kardinalinfanten Ferdinand von den Kaiserlichen
nicht gewonnen worden wäre.36 Von allen vier Großmächten hat sich Spa­
Der Dreißigjährige Krieg als Analysefolie 837

nien am längsten in diesen Krieg verstrickt. Dabei hat nicht nur die katho­
lische Solidarität und das Zusammengehörigkeitsgefühl des Hauses Habs­
burg eine Rolle gespielt, sondern mehr noch das Interesse, die spanische
Hegemonie in Europa aufrechtzuerhalten. Spanien ist unter den externen
Interventen der große Verlierer: Es konnte keines seiner Kriegsziele errei­
chen, stattdessen hat es seine Ressourcen erschöpft und wurde zuletzt von
inneren Aufständen und Sezessionsbewegungen in Portugal und Katalo­
nien geschwächt, die seine europäische Stellung endgültig untergruben.37
Wenn England und Spanien das Paar der großen Gegensätze bilden, so
sind Frankreich und Schweden das Paar der kleinen Gegensätze: Beide grif­
fen in den Krieg ein, und beide gehörten zu denen, die danach als Sieger­
mächte dastanden. Sie hatten ihre Ziele erreicht: Schweden die Hegemonie
über die Ostsee und die Kontrolle der östlichen und südlichen Küstenre­
gionen sowie, wenn man die religionspolitischen Ziele einbezieht, die Ret­
tung des Protestantismus in Deutschland;38 Frankreich die politische Tren­
nung der Wiener und der Madrider Linie des Hauses Habsburg, die das
definitive Ende des imperialen Anspruchs der Habsburger bedeutete, dazu
die Eingliederung des Eisass in den französischen Staat, das zum Sprung­
brett für militärische Interventionen in den süddeutschen Raum wurde.39
Schweden und Frankreich sind freilich auf recht unterschiedlichen Wegen
zum Ziel gekommen: Schweden, indem es alles auf die militärische Karte
setzte, weil es über keine anderen relevanten Möglichkeiten verfügte;
Frankreich durch den sukzessiven und kombinierten Einsatz von diploma­
tischem Raffinement, finanziellen Mitteln und schließlich eigenem Militär.
Schwedens Erfolg hing daran, dass seine Armeen erfolgreich waren. Dage­
gen waren die eigenen Armeen, die Frankreich in der Schlussphase des
Krieges auf dem deutschen Kriegsschauplatz einsetzte, nie so erfolgreich
wie die der Schweden. Den wenigen Erfolgen der französischen Streitkräfte
stehen mindestens ebenso viele Niederlagen gegenüber, aber Frankreich
konnte Niederlagen und Rückschläge wegstecken, weil das Portfolio sei­
ner Machtsorten sehr viel gleichmäßiger bestückt war als das der Schwe­
den. Das Land im Norden spielte bei jeder Schlacht Vabanque; Frankreich
hingegen hatte stets so viel in der Hinterhand, dass es eine Schlappe ver­
schmerzen konnte.
838 SC H L U SS

Schweden war sehr viel stärker als Frankreich darauf angewiesen, dass
ihm das Glück hold war, und wenn das nicht der Fall war, wie beim Tod Gus­
tav Adolfs auf dem Schlachtfeld von Lützen, stand es sofort am politischen
Abgrund. Richelieu dagegen konnte sich darauf verlassen, dass ihm das
Glück schon irgendwann hold sein würde, wenn er es mit diplomatischen
Mitteln und finanziellen Verlockungen umgarnte - und dafür hatte der Kar­
dinalpremier sehr viel Garn zur Verfügung. Richelieu war kein strahlender
Held wie Gustav Adolf, aber er musste es auch nicht sein; Gustav Adolf
wiederum musste glänzende Erfolge auf dem Schlachtfeld erringen, und
nur weil ihm das gelang und die Generäle, die nach dem Tod des Königs
an seine Stelle traten, überwiegend fähige Strategen und Truppenführer
waren, erging es Schweden in diesem Krieg nicht wie dem Dänenkönig
Christian IV., der große politische Ambitionen hatte und nach mehreren
militärischen Niederlagen froh sein konnte, ohne größere Gebietsverluste
aus dem Krieg herausgekommen zu sein. Die französische Politik war
weniger auf Risiko angelegt, und sie konnte sich das leisten, weil sie nie
wie die schwedische darauf angewiesen war, Gelegenheiten und Chancen
zu erzwingen. Frankreich hat unter Richelieu den Platz zurückgewonnen,
den es zu Beginn des 16. Jahrhunderts bereits innegehabt, aber infolge des
konfessionellen Bürgerkriegs eingebüßt hatte. Schweden dagegen tauchte
aufgrund seiner militärischen Erfolge wie ein Stern aus dem Nichts auf und
wurde dabei zum politischen Vorbild für Preußen, das unter Friedrich II.
einen ähnlichen Weg gegangen ist.40
Der hier angestellte Vergleich zwischen den äußeren Mächten mit
Interventionsoption lässt sich auf die heutigen Konflikte im Nahen Osten
und in der Sahelzone nur bedingt übertragen. Die politischen Konstel­
lationen und die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen sind doch zu
verschieden. Die USA, die EU und Russland haben allerdings ähnliche
Möglichkeiten wie die beschriebenen Akteure, und diese reichen von einer
klugen oder auch nur unentschlossenen Politik des Heraushaltens bis zum
entschiedenen Ausspielen der militärischen Karte, vom geschickten Dosie­
ren des Einsatzes der eigenen Macht, das sich immer Rückzugspositionen
offenhält, keine Risiken eingeht, die man nicht verschmerzen könnte, und
die politischen Ziele über lange Zeitstrecken hin verfolgt, bis hin zu einem
Der Dreißigjährige Krieg als Analysefolie 839

Sich-verstricken-Lassen in ein Konfliktfeld, in dem man über Jahre und


Jahrzehnte hinweg seine Kräfte verzehrt. Von England über Schweden und
Spanien bis zu Frankreich lassen sich diese Optionen am Dreißigjährigen
Krieg studieren. Die Analyse der Interventionen äußerer Mächte zeigt
eine einzige Abfolge von Warnschildern: Sie mahnen gegenüber machtpo­
litischen Zielsetzungen, aber auch gegenüber humanitären Absichten, so
schwer das manchmal zu ertragen ist, zu Vorsicht und Zurückhaltung; sie
weisen aber ebenso darauf hin, dass bloßes Heraushalten und Nichthan­
deln mitunter ebenso riskant sein kann wie ein Eingreifen in den Krieg.
Dabei ist ein wichtiger Unterschied zwischen dem 17. und dem 21. Jahr­
hundert zu beachten: Aufgrund der veränderten Transport- und Kommu­
nikationsmöglichkeiten ist die Welt heute kleiner geworden, und Kriege,
die räumlich weiter voneinander entfernt sind als die in der Anfangsphase
des Dreißigjährigen Krieges, liegen heute sehr viel dichter beieinander. Die
viel zitierte Vorstellung, die der Bürger im Osterspaziergang aus Goethes
Faust formuliert, gilt heute nicht mehr: «Nichts Bessers weiß ich mir an
Sonn- und Feiertagen, / Als ein Gespräch von Krieg und Kriegsgeschrei, /
Wenn hinten, weit, in der Türkei, / Die Völker aufeinanderschlagen. / Man
steht am Fenster, trinkt sein Gläschen aus / Und sieht den Fluß hinab die
bunten Schiffe gleiten; / Dann kehrt man abends froh nach Haus, / Und
segnet Fried und Friedenszeiten.»41 Diese Sicht eines nur auf seine eigene
Behaglichkeit achtenden Bürgers war bereits am Ende des 18. Jahrhunderts
überholt. Schon im Dreißigjährigen Krieg spielten die Kriege der Tür­
ken gegen die Perser für die militärische Handlungsfähigkeit des Kaisers
eine entscheidende Rolle, denn wenn der Sultan, weil im Südosten seines
Reiches Friede herrschte, seine Aufmerksamkeit dem Balkan zuwandte,
konnte der Kaiser auf den Kriegsschauplätzen in Mittel- und Westeuropa
nicht so agieren, wie er das sonst hätte tun können. Aber das waren geo-
strategische Fragen, mit denen sich damals allein die politisch-militärische
Elite beschäftigte. Das ist heute anders.

Neben den vier äußeren Interventen und Nichtinterventen zeigt die geo-
politische Analyse des Dreißigjährigen Krieges eine weitere Gruppe von
Akteuren, die in den Krieg sehr viel stärker involviert waren, weil sein
840 SC H L U SS

Ausgang für sie unmittelbare politische Folgen hatte. Zu nennen sind die
Niederlande und Dänemark sowie Polen und Siebenbürgen. Das eine
Gegensatzpaar bilden Polen und Siebenbürgen: Polen hat sich aus dem
Krieg weitgehend herausgehalten,42 und die in Polen regierende ältere
Linie des Hauses Wasa verzichtete auch darauf, den vorherigen Krieg
gegen die jüngeren Wasa in Schweden wiederaufzunehmen, um die Bin­
dung der schwedischen Militärmacht an den deutschen Kriegsschauplatz
auszunutzen.43 Einige Male hatte es den Anschein, als wolle Polen einen
Krieg gegen Schweden beginnen, aber dann sorgten Richelieus Diploma­
ten dafür, dass der schwedisch-polnische Waffenstillstand verlängert wurde
und die schwedischen Kräfte uneingeschränkt gegen den Kaiser eingesetzt
werden konnten. Dagegen führte Bethlen Gabor, der calvinistische Fürst
von Siebenbürgen, dessen Herrschaftsgebiet unter der Oberhoheit des
Osmanischen Reichs stand, auf eigene Faust Krieg und fiel immer wieder
in Ungarn ein. Mehrere Male stießen seine Truppen bis nach Wien vor und
versetzten die Stadt in Angst und Schrecken. Aber Bethlens leichte Reiter
waren strategisch nur im Verbund mit anderen Waffengattungen zu gebrau­
chen, und über die verfügte der Woiwode von Siebenbürgen nicht. Die
regelmäßigen Vorstöße Bethlens sorgten zwar für große Aufregung, blie­
ben für den Kriegsverlauf aber folgenlos. Obwohl Polen und Siebenbürgen
eine geradezu entgegengesetzte Politik verfolgten, hatten beide tendenziell
den gleichen Einfluss auf den Krieg in Deutschland - keinen.
Das war anders im Fall der Niederlande und Dänemarks. Für die nörd­
lichen Niederlande, die sich im Verlauf des antispanischen Aufstands zu
einem eigenständigen Staatswesen entwickelt hatten, war die politische
und militärische Entwicklung in Deutschland von existenzieller Bedeutung.
Schon vor dem Krieg standen die Niederländer in einem engen Verhält­
nis zu den pfälzischen Kurfürsten, und nach dem Scheitern Friedrichs V.
in Böhmen waren sie sein letzter zuverlässiger Bündnispartner, von der
Finanzierung der Söldnerheere Friedrichs bis zur Einrichtung eines Exil­
hofs für ihn im Haag.44 Die Niederländer waren einer der wichtigen Finan­
ziers des Krieges; gleichzeitig achteten sie aber sehr genau darauf, dass sie
nicht militärisch in ihn verwickelt wurden, und stellten ihren Verbündeten
keine eigenen Truppen zur Verfügung. Deswegen widerstanden Kaiser und
Der Dreißigjährige Krieg als Analysefolie 841

Liga den Spaniern, als diese darauf drängten, den Krieg in Deutschland auf
die Niederlande auszuweiten. Tilly forderte eine militärische Intervention
in den Niederlanden, doch Kurfürst Maximilian untersagte seinem Gene­
ral ausdrücklich den Vorstoß über den Rhein in niederländisches Gebiet.45
Die Folge war, dass beide Kriege weitgehend voneinander getrennt blieben.
Maximilian und Ferdinand dürften mit ihrer Zurückhaltung richtig gelegen
haben: Sie wollten eine Ausweitung des Krieges vermeiden, weil sie fürch­
teten, dass sie gerade dadurch die Formierung einer «protestantischen
Internationale» zum Schutz der Niederlande bewirken würden.
Im Unterschied zu den Niederlanden hat sich Christian IV. von Däne­
mark offen in den Krieg in Deutschland eingemischt und ist für zwei Jahre
zur Kriegspartei geworden. Er hat also eine ganz andere Politik betrieben
als die Niederländer. Dafür gibt es mehrere Erklärungen.46Als Herzog von
Holstein war Christian Reichsstand und insofern von den Entwicklungen
in Deutschland unmittelbar betroffen. Während in den Niederlanden die
Stände die Politik bestimmten und dabei Vorsicht und Umsicht walten
ließen, konnte sich Christian infolge seiner Einnahmen aus den Öresund-
Zöllen gegen die ablehnende Haltung der Stände durchsetzen. Ausschlag­
gebend für seinen Entschluss dürfte indes gewesen sein, dass die Politik im
Haag und in London ein protestantisches Bündnis schaffen wollte, in dem
der Schwede Gustav Adolf die militärische Führungsaufgabe übernehmen
sollte. Um das zu verhindern, stellte sich Christian an die Spitze der neuen
Kriegskoalition gegen den Kaiser und zog in den Krieg. Dabei musste er
dann eine Reihe bitterer Niederlagen einstecken.
Die aus Polen und Siebenbürgen, den Niederlanden und Dänemark
bestehende Vierergruppe potenzieller Interventen unterschied sich von der
erstgenannten Gruppe dadurch, dass es für sie schwerer war, sich aus dem
Krieg herauszuhalten, ohne Nachteile hinnehmen zu müssen. Vollständig
blieb nur Polen dem Krieg fern, aber auch dazu musste es immer wieder
durch die französische Diplomatie sowie französisches Geld motiviert wer­
den. Siebenbürgen und Dänemark griffen militärisch offen in den Krieg ein,
wovon Bethlen Vorteile hatte, während Christian IV. dadurch die dänische
Position im Ostseeraum schwächte. A uf den Kriegsverlauf haben beide
nur geringen Einfluss gehabt. Entscheidenden Einfluss genommen haben
842 SC H L U SS

dagegen die Niederlande, die bis zur Intervention Schwedens das Zentrum
des antikatholischen und antihabsburgischen Widerstands waren und ihre
reich sprudelnden Finanzquellen dazu nutzten, den Krieg in Deutschland
am Laufen zu halten. Auch für die Analysen der gegenwärtigen Kriege im
Nahen Osten und in der Sahelzone muss dieser Aspekt berücksichtigt wer­
den: Die offen militärischen Unternehmungen sind das eine, die verdeck­
ten Finanzströme, die den Krieg nähren, das andere. Die Beschäftigung mit
den Niederlanden als einem Spiritus Rector des Krieges in seinem ersten
Jahrzehnt zeigt, dass die Analyse von Ursachen und Faktoren auf mehreren
Ebenen erfolgen muss und auch verborgene Einflussnahmen nicht überse­
hen werden dürfen.
Zwischen dem Dreißigjährigen Krieg und den gegenwärtigen Kriegen
im genannten Raum lassen sich zwei weitere Ähnlichkeiten ausmachen:
das vermehrte Auftreten von Gewaltakteuren, die nicht unter der Direk­
tionsgewalt eines Territorialstaats stehen, sowie die Entstehung großer
Flüchtlingsbewegungen, die teilweise auf systematische Vertreibungen zu­
rückgehen, mit denen bestimmte Gebiete religiös vereinheitlicht werden
sollen. Einige der Exilanten nehmen das Schicksal der Vertreibung nicht
hin, sondern versuchen sich an deren Revision - entweder dadurch, dass
sie andere zur militärischen Intervention drängen, oder indem sie in das
Militär eines kriegsbeteiligten Staates eintreten und dem Kriegsgeschehen
eine besondere Kompromisslosigkeit verleihen. Die Zunahme an nichtter­
ritorialen Kämpfergruppen und Flüchtlingsbewegungen steht dafür, dass
auch in dieser Hinsicht die Ära der Westfälischen Ordnung zu Ende ge­
gangen ist und mit einer Rückkehr zu «vorwestfälischen» Verhältnissen zu
rechnen ist. Die Wiederkehr der Condottieri in Gestalt von Warlords47 ist
ein untrüglicher Indikator dafür.
Nach dem Grundsatz einer «Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen»
könnte man schlussfolgern, die Kriege im Vorderen Orient und in der Sahel­
zone seien Ereignisse, in denen nachgeholt werde, was in Europa vor vier
Jahrhunderten stattgefunden habe. Dass dies so ist, lässt sich nicht prinzipi­
ell ausschließen. A uf den ersten Blick könnte man den «Islamischen Staat»
als ein Beispiel für die Territorialisierung vagabundierender Kämpfer anse-
hen, die aus dem arabischen Raum und aus Europa nach Syrien und in den
Der Dreißigjährige Krieg als Analysefolie 843

Nordirak gekommen sind, um dort den Kalifatsstaat wiederzuerrichten. Es


wäre möglich gewesen, politisch darauf zu reagieren, indem man ihnen den
Raum für dieses Projekt überlassen, sie in die Probleme und Mühen eines
Staatsaufbaus involviert und so domestiziert hätte. Das hat «der Westen»
nicht getan, sondern sich für die Zerschlagung des IS entschieden. War das
womöglich ein Fehler?
Ein Vergleich zwischen den Söldnern des Dreißigjährigen Krieges und
den Kämpfern des IS kann zwei Argumente dafür beisteuern, warum ein
derartiges Domestikationsprojekt im Fall des IS wohl nicht erfolgreich
gewesen wäre. Die Söldner des Dreißigjährigen Krieges wollten ein Ter­
ritorium erobern, durch das sie sich in die soziopolitische Welt der dama­
ligen Zeit eingliedern konnten: der Anführer als Herzog, die Offiziere als
landbesitzende Edelleute und der Rest als Besitzer eines kleinen Bauern­
hofs. Es handelte sich um eine Truppe auf der Suche nach einem Gebiet,
das die Chance zu sozialem Aufstieg bot. Dieses Territorium war begrenzt,
und man hatte nicht vor, von dort aus die soziopolitischen Verhältnisse
umzustürzen. Im Gegenteil: Man praktizierte Umsturz in Form von Erobe­
rungen und Beutezügen, um einer zu werden, der so war wie die andern.
Diese konservative Grunddisposition und die Begrenzung des Raumes
sind im Fall des islamischen Dschihadismus jedoch nicht gegeben.48 Ter­
ritorialisierung läuft hier nicht auf die Domestikation sozioökonomischer
Vagabundage hinaus, sondern wird zum Ausgangspunkt weiterer Erobe­
rungen, die bis weit nach Europa hinein ausgreifen sollen. Außerdem haben,
so das zweite Argument, die dschihadistischen Kämpfer nicht zu den Waf­
fen gegriffen, weil sie darin eine probate Form des Gelderwerbs sehen wie
die Söldner des Dreißigjährigen Krieges, sondern sie folgen damit einem
ideellen Projekt, das sich nicht mit kleiner Münze erledigen lässt. Hier zeigt
sich ein weiterer Vorteil der historisch-vergleichenden Methode: Sie för­
dert nicht nur Ähnlichkeiten, sondern ebenso Unterschiede zutage und
zeigt, dass es im 17. Jahrhundert Wege zu einem Frieden gegeben hat, die
heute nicht mehr zu beschreiten sind. Auch aus solchen Unterschieden -
und nicht nur aus Ähnlichkeiten - lässt sich für den Umgang mit den Her­
ausforderungen der Gegenwart lernen.
ANMERKUNGEN

EIN LEITU N G
DEUTSCHE ERIN N ERU N G
UND DEUTSCH ES TRAUM A

1 Die Erinnerung an dieses inzwischen verblasste Trauma findet sich noch in den Ti­
teln populärer Kriegsdarstellungen, etwa Milner, Gegen L a n d und Leute, oder Huf,
M it Gottes Segen in die Hölle, z Plessner hat in seinem gleichnamigen Buch den Be­
zug zum Dreißigjährigen Krieg selbst hergestellt, als er schrieb: «In Europa gibt es
drei große Völker, welche an der Entwicklung des modernen Staatsbewußtseins seit
dem 17. Jahrhundert nicht teilgenommen haben: Spanien, Italien und Deutschland.
Denn in dem entscheidenden Zeitraum war das Schicksal gegen sie.» Und als Be­
gründung im deutschen Fall hielt er fest: «Deutschland zerfiel in den Glaubens­
kämpfen, in dem Gegeneinander der Fürsten und der Kaisermacht.» In der Folge sei
der Volksbegriff für das nationale Selbstbewusstsein sehr viel wichtiger geworden als
der Staatsbegriff. (D ie verspätete Nation, S. 58). 3 Zur dieser Bezeichnung vgl. Tra-
verso, Im Bann der Gewalt, S. 40 ff; kritisch dazu Münkler, D er Große Krieg, S. 10 £
4 Moltke, «Rede im Reichstag am 14. Mai 1890»; in: Stumpf (Hg.), Kriegstheorie
und Kriegsgeschichte, S. 505. 5 Freytag, B ild er aus der deutschen Vergangenheit, Bd. 3,
S. 227. 6 Ebd., S. 227 f. 7 Zu Gustav Freytag vgl. Hahn/Oschmann (Hgg.), Gustav
Freytag (1816-1895), passim. 8 Dazu Hahn, «Gustav Freytag und die bürgerliche
Lebenswelt des 19.Jahrhunderts»; in: Hahn/Oschmann (Hgg.), Gustav Freytag,
S. 13-29. 9 Ergang, The M yth o fth e All-Destructive Fury, passim. 10 Zur gängigen
Berechnung von Kriegstoten vgl. Kolko, D as Jahrhundert d er Kriege, S. 95-110, insbes.
S. 107 ff. 11 Steinberg, The Thirty Years War; dt. Ausgabe D er Dreißigjährige Krieg,
S. 126-143. 12 Ebd., S. 7. 13 Ebd., S. 140 f. 14 Vgl. das zusammenfassende Kapitel
«Der Krieg und die deutsche Gesellschaft» in: Parker, D er Dreißigjährige Krieg,
S. 300-308. 15 Wehler, Deutsche Gesellschaftsgeschichte, Bd. 1, S. 53 f. 16 Ebd., S. 54.
Die Fixierung auf den Dreißigjährigen Krieg, so auch ManfredJakubowski-Tiessen in
dem Diskussionsband Krisen des 17. Jahrhunderts, habe «lange Zeit den Blick dafür
verstellt, daß die Zeit von 1580 bis 1720 insgesamt eine Zeit voller Spannungen und
Erschütterungen gewesen ist» (S. 7). 17 Wehler folgt den Zahlen Steinbergs, wenn
er schreibt: «Keineswegs sank die Einwohnerzahl des Reiches von ca. 16 Milk imJah­
re 1620 auf ca. 10 Mill. imJahre 1650, wie man es in der Literatur manchmal liest. Viel­
mehr schwankte sie vermutlich um 15 Milk, zwischen 15 und 16 Milk imJahre 1650.»
846 ANHANG

(Deutsche Gesellschaftsgeschichte, Bd. i, S. 54) Dagegen resümiert Geoffrey Parker


durchaus in kritischer Absetzung gegen ältere Schätzungen: «Nach neueren, weit
vorsichtigeren Schätzungen lebten vor dem Krieg im Heiligen Römischen Reich
rund 20 Millionen Einwohner, 16 bis 17 Millionen waren es bei dessen Ende, das ent­
spricht einer Einbuße von etwa 15 bis 20 Prozent.» (D er D reißigjährige Krieg, S. 303)
Ganz ähnlich auch Gerhard Schormann («Der Dreißigjährige Krieg 1618-1648»,
S. 269): «Die jüngste Schätzung für die Gesamtbevölkerung geht von etwa 20 Milli­
onen aus und von 16 bis 17 Millionen bei Kriegsende, was einem Verlust von 15 bis
20 % entspricht. Die verschiedenen, zumeist als <Pest> bezeichneten Seuchen haben
die mit Abstand größte Zahl an Todesopfern gefordert. Dieser Tatbestand ist aber
eine Auswirkung des Krieges.» Dass der Krieg nach wie vor eine geschichtspolitische
Dimension hat, zeigt die heftige und angesichts des Zweiten Weltkriegs und seiner
Folgen in Europa zweifellos überzogene Reaktion des Erlanger Historikers Axel
Gotthard auf die Thesen Steinbergs und Wehlers: «Nein, Steinberg und Wehler ha­
ben nicht recht. Der Dreißigjährige Krieg war der schlimmste Krieg der Weltge­
schichte.» (D er Dreißigjährige Krieg, S. 213) Für jüngere Arbeiten zu den wirtschaftli­
chen, sozialen und demographischen Folgen des Krieges vgl. u. a. Press, «Soziale
Folgen des Dreißigjährigen Krieges», S. 239-268; Haan, «Prosperität und Dreißig­
jähriger Krieg», S. 91-118; von Hippel, «Bevölkerung und Wirtschaft im Zeitalter
des Dreißigjährigen Krieges», S. 413-448, sowie Theibault, «The Demography of
the Thirty Years War Re-revisited: Günther Franz and his Critics», S. 1-21. 18 Stell­
vertretend für viele einschlägige Arbeiten sei hier verwiesen auf Heer/Naumann
(Hgg.), Vernichtungskrieg, den wissenschaftlichen Begleitband zu der vom Hambur­
ger Institut für Sozialforschung veranstalteten Ausstellung über die Verbrechen der
Wehrmacht. 19 Paradigmatisch hierfür ist das Buch D er B ran d von Jörg
Friedrich. 20 Zur Eigen-Fremd-Unterscheidung und deren Bedeutung für das
Selbstverständnis von Gesellschaften vgl. die Beiträge in Münkler (Hg.), Furcht und
Faszination. 21 Nietzsche, Unzeitgemäße Betrachtungen, S. 122 f. 22 Eickhoff/
Schopper (Hgg.), 1636. Ihre letzte Schlacht, S. 12-21 sowie 153-180. 23 Vgl. Münkler,
«Der Dreißigjährige Krieg als Analysefolie für heutige Kriege», S. 47-51. 24 Als
Vordenker dieser Bezeichnung im Sinne eines Ordnungsmodells der internationalen
Beziehungen sind Waltz (ih e o ry o f InternationalPolitics) und Gilpin (W ar and Change
in World Politics ) zu nennen. 25 Für eine prinzipielle Kritik an der verbreiteten
Vorstellung vom Westfälischen System vgl. Teschke, The M yth o f 1648, S. 13-45.
26 Dazu Barudio, «Der ewige Frieden von 1648», S. 57 ff. 27 Mit dem Westfäli­
schen Frieden ging zugleich die von der spanischen Neuscholastik geprägte Epoche
des Völkerrechts zu Ende. Diese Epoche war stark durch naturrechtliche Vorstellun­
gen geprägt und wurde durch die Herausforderung der «Neuen Welt» bestimmt.
Mit dem Westfälischen Frieden trat wieder die Regelung der europäischen Probleme
in den Mittelpunkt der Völkerrechtsordnung. Das Jahr 1648 ist dabei freilich nur eine
Anmerkungen 847

gesetzte Zäsur, und so, wie sich das Staatensystem schon in der Zeit davor entwickelt
hat, ist auch der neuen Völkerrechtsordnung ideenpolitisch vorgearbeitet worden,
insbesondere durch Hugo Grotius’ Schrift Vom Recht des Krieges und des Friedens aus
dem Jahre 1625; dazu Grewe, Epochen der Völkerrechtsgeschichte, S. 163 ff. und 323 ff,
sowie Kimminich, «Die Entstehung des neuzeitlichen Völkerrechts», S. 91 ff.
28 Dazu ausführlich Kunisch, Staatsverfassung und M achtpolitik, passim. 29 Waltz,
Theory o f International Politics, S. 114-116; theoretisch weniger ambitioniert, dafür
stärker an den Wendungen und Konflikten der europäischen Geschichte orientiert
ist Dehio, Gleichgewicht oder Hegemonie. 30 Vgl. hierzu nach wie vor den brillanten
Aufsatz von Alfred Vagts «Die Chimäre des europäischen Gleichgewichts» aus dem
Jahr 1942. 31 Die heuristische Begrifflichkeit führt zu einer bestimmten Fokussie­
rung des Blicks, etwa wenn das, was Eduard Fueter ( Geschichte des europäischen Staa­
tensystems) als dynamische Veränderung eines in sich stabilen Systems beschrieben
hat, von Brendan Simms (K a m p f um Vorherrschaft, S. 37-80) als Ringen um Hegemo­
nie dargestellt wird. 32 Wie offen hierbei die Terminologie von Imperium und He­
gemonie ist, zeigt ein Vergleich zwischen meinem Buch Im perien und Ulrich Menzels
D ie O rdnung der Welt: Während für Menzel Imperialität gegenüber Hegemonie die
weichere Herrschaftsform ist, verhält es sich in meiner Studie genau umgekehrt. Bei­
de Arbeiten kommen oft zu denselben Ergebnissen - freilich unter entgegengesetzter
Begrifflichkeit. 33 Zu Entstehung und Kampfweise der spanischen Tercios vgl.
Schwarz, Gefechtsformen der Infanterie, S. 100 £, 120 f. und 210 ff., sowie White, «The
Experience of Spains Early Modern Soldiers», S. 1-38. 34 Dazu ausführlich Straub,
P a x et Im perium , S. 44 ff. und 109 ff, sowie Elliott, «Foreign Policy and Domestic Cri-
sis», S. 185 ff. 35 Vgl. Parker, D er Aufstand der N iederlande, S. 184 ff. und 248 ff, sowie
van der Lern, D ie Entstehung der N iederlande aus der Revolte, S. 95 ff. und 139 ff. 36
Dazu Hahlweg, D ie Heeresreform der Oranier, sowie Oestreich, «Der römische Stoi­
zismus und die oranische Heeresreform», S. 11 ff; weiterhin Schulze, «Die Heeresre­
form der Oranier», S. 233-239. 37 Inzwischen hat sich für das Zeitalter der Glau­
benskämpfe der Begriff der Konfessionalisierung durchgesetzt, der den Vorzug hat,
gegenüber den kämpferischen Begriffsprägungen beider Seiten Distanz zu ermögli­
chen; vgl. Zeeden, D ie Entstehung der Konfessionen; ders., Konfessionsbildung; Schmidt,
Konfessionalisierung, sowie Schilling, «Die Konfessionalisierung im Reich». 38 Zur
antihabsburgischen Politik Urbans vgl. Wedgwood, D er D reißigjährige Krieg, S. 168 f.,
214 f. und öfter. Es fällt auf, dass in der katholisch geprägten Kirchengeschichtsschrei­
bung das Problem zumeist übergangen oder kleingeredet wird; vgl. etwa Schuchert,
Kirchengeschichte, Bd. 2, S. 742 f., sowie Tüchle, Reform ation und Gegenreformation,
S. 192. 39 Zum Begriff des Religionskriegs vgl. Repgen, «Was ist ein Religions­
krieg?», S. 84-97, sowie Burkhardt, «Religionskrieg», S. 681-687; vor allem Bireley,
«The Thirty Years War as Germany’s Religious War», S. 85-104. 40 Zu Idee und
Begriff der Universalmonarchie allgemein Bosbach, M onarchia Universalis, S. 35-63;
848 ANHANG

zum habsburgischen Projekt einer Universalherrschaft und der dadurch provozierten


Gegnerschaft vieler europäischer Mächte ebd., S. 87-106. 41 Auch in Frankreich
waren die konfessionellen Konflikte in «feudale Konflikte», wie Mieck (D ie Entste­
hung des modernen Frankreich, S. 244 fr.) sie nennt, verwoben, so dass es auch in die­
sem Fall allzu einfach ist, die Hugenottenkriege umstandslos als Konfessionskriege
zu bezeichnen. Zu den Folgen dieser Kriege für die politische Handlungsfähigkeit
Frankreichs vgl. ebd., S. 261-270. 42 Dazu Findeisen, Gustav II. A d o lf von Schweden,
S. 153 ff; Junkelmann, Gustav A d o lf S. 393-404; dagegen spielt Barudio (G ustav A d olf,
S. 560 f.) diesbezügliche Äußerungen des Königs herunter und meint, ein libertäres
Kaisertum sei für den König «politisch kaum erstrebenswert gewesen». 43 So
auch Burkhardt, D er Dreißigjährige Krieg, S. 51 ff. 4 4 Zur Bedeutung der Mitte in
den geopolitischen Strukturen Europas vgl. Simms, K a m p f um Vorherrschaft, pas­
sim. 45 Vgl. dazu die ausführliche Schilderung des zweimaligen Bauernaufstands in
Oberösterreich bei Gindely, Geschichte des dreißigjährigen Krieges, Bd. 2, S. 93-99 und
266-273. 46 Diese Dimension des Krieges ist vor allem von Herbert Langer in sei­
ner Kulturgeschichte des Dreißigjährigen Krieges herausgestellt worden; Langer, D er
D reißigjährige Krieg, S. 103 ff. 47 Zur Biographie Grimmelshausens und deren Spie­
gelungen in der Gestalt des Simplicius vgl. Boehncke/Sarkowicz, Grimmelshausen,
insbes. S. 18 ff. und 196 ff. 48 Zu Theorie und Praxis des «kleinen Krieges» im West­
fälischen System vgl. Kunisch, D er Kleine Krieg, passim. 49 Dazu Schulz (Hg.), P a r­
tisanen und Volkskrieg, sowie Münkler (Hg.), D er Partisan. 50 Dazu Burschei,
«Krieg, Staat, Disziplin», S. 640 ff. 51 Vgl. hierzu Hans Schmidt, «Staat und Armee
im Zeitalter des <miles perpetuus>», S. 213 ff. 52 «Die Verwerfung des herkömmli­
chen Bildes des Dreißigjährigen Krieges als einer fürchterlichen Katastrophe gründet
sich nicht auf die Entdeckung neuer Quellen, sondern zur Hauptsache auf die Erfah­
rungen zweier Weltkriege.» Steinberg, D er Dreißigjährige Krieg, S. 111. 53 Clause-
witz, Vom Kriege, S. 210. 54 Dazu Mann, Wallenstein, S. 375 ff. 55 Zum Zusammen­
hang von Militärwesen und Steuersystem vgl. Stolleis, Pecunia nervus rerum,
S. 68 ff. 56 So Martines, Blutiges Zeitalter, S. 154 f. 57 In der grundlegenden Arbeit
von Walter Krüssmann (Ernst von M ansfeld ) wird die spezifische Verknüpfung von
Strategie und Logistik nur beiläufig thematisiert (etwa S. 322 ff. oder S. 345 ff); einem
ähnlichen System wie Mansfeld folgte auch Christian von Braunschweig, für den ty­
pisch war, dass er die Beute aus den geplünderten Gebieten mit sich führte, um damit
seine Söldner zu bezahlen; dazu Smid, D er Tolle Halherstädter, S. 18 f. und 24 £ sowie
32 und 50. Die durch seine Söldner angerichteten Verheerungen hielten sich zunächst
dennoch in Grenzen, weil die Soldaten zumeist so schnell wieder verschwanden, wie
sie gekommen waren. 58 Vgl. Findeisen, Gustav II. A dolf, S. 172 f. 59 Grimmels­
hausen, D er abenteuerliche Simplicissimus, Bd. 1, S. 382. 60 Ebd. 61 Clausewitz,
Vom Kriege, S. 211. 62 Der Begriff der Ermattungsstrategie findet sich bei Clausewitz
in dieser Form nicht, sondern geht auf den Kriegshistoriker Hans Delbrück zurück,
Anmerkungen 849

der ihn in der Debatte über die Strategie Friedrichs des Großen eingeführt hat; vgl.
Delbrück, Geschichte der Kriegskunst, Bd. 4, S. 497 ff.

1. K A P I T E L
« IH R K E N N T N IC H T DIE F O L G E N E U R E S T U N S » :
AN FÄNG E UND V O RG ESCH IC H TEN

1 In den neueren Darstellungen des Dreißigjährigen Krieges wird der Prager Fenster­
sturz zumeist nur kurz erwähnt und sein Ablauf nicht weiter erzählt; eine Ausnahme
ist Gotthard, D er Dreißigjährige Krieg, S. 59-78. Für eine ausführliche Darstellung vgl.
Gindely, Geschichte des dreißigjährigen Krieges, Bd. 1, S. 34-43; auch Moriz Ritter hat
in seinem Werk Deutsche Geschichte im Zeitalter d er Gegenreformation und des Dreißig­
jährigen Krieges, Bd. 2, S. 453-458, die Prager Ereignisse gewürdigt. Die wichtigste
Quelle beider ist der Bericht des Statthalters Martinitz, eines der Hauptbetroffenen,
über den Tumult in der Burg und den Fenstersturz. Dieser ist auszugsweise abge­
druckt in Roeck (Hg.), Gegenreformation und D reißigjähriger Krieg, S. 191-198; voll­
ständig in Lorenz (Hg.), Quellen zu r Vorgeschichte und zu den Anfängen des D reißigjäh­
rigen Krieges, S. 221-232. 2 Jörg-Peter Findeisen bezeichnet Thurn in seiner
Kurzbiographie als den «Kopf jener Verschwörung, die Böhmen veränderte», weist
aber «den zweifelhaften Ruhm» zurück, wonach Thurn «der <Urheber> des Drei­
ßigjährigen Krieges» gewesen sei; Findeisen, D er Dreißigjährige Krieg, S. 140 und
141. 3 Der Majestätsbrief findet sich in deutscher Übersetzung bei Roeck (Hg.),
Gegenreformation und Dreißigjähriger Krieg, S. 146-152; ebenso Lorenz (Hg.), Quellen
zu r Vorgeschichte, S. 92-100. Utraquisten ist die Bezeichnung für diejenigen, die seit
dem 16. Jahrhundert in Böhmen das Abendmahl «in beiderlei Gestalt», also in der
Form von Brot und Wein, feierten, dogmatisch aber dem Katholizismus verbunden
blieben. Ihnen wurden im MajestätsbriefLutheraner und Calvinisten subsumiert. 4
Press, Kriege und Krisen, S. 173; vgl. auch Rill, K aiser M atthias, S. 145 ff. 5 Vgl. Ritter,
Deutsche Geschichte, Bd. 2, S. 454. 6 Ebd. 7 Ebd., S. 456; ausführlich Müller, «Der
Fall Klostergrab», S. 59 fT. 8 Gindely, Geschichte des dreißigjährigen Krieges, Bd. 1,
S. 31; die Metaphorik von Fuchs und Löwe geht auf Machiavellis Principe (Kapitel
XVIII) zurück. 9 Zur Biographie Klesls vgl. Findeisen, D er Dreißigjährige Krieg,
S. 124-130; Press, «Melchior Khlesl, Kardinal», S. 265-267, Krones, «Kardinal Mel­
chior Klesl», S. 143-184, sowie Hermann, «Klesl», S. i486. Die Schreibweise des
Namens differiert und wurde hier wie an weiteren Stellen zu Klesl vereinheit­
licht. 10 Press, K riege und Krisen, S. 170. 11 «Bericht des Statthalters Martinitz»,
zit. nach Roeck (Hg.), Gegenreformation und Dreißigjähriger Krieg, S. 192. 12 Ebd.,
S. 193. 13 Die Hussitenkriege werden gelegentlich den Kreuzzügen zugerechnet,
850 ANHANG

weil der Papst dazu aufgerufen hatte und sich ihnen Ritter aus ganz Europa anschlos­
sen. Insgesamt kam es zu fünf Hussitenkreuzzügen, von denen jedoch keiner das
angestrebte Ziel erreichte; vgl. Riley-Smith, D ie Kreuzzüge, S. 384 f. 14 Press, Kriege
und Krisen, S. 192. 15 Zit. nach Roeck (Hg.), Gegenreformation und D reißigjähriger
Krieg, S. 196. 16 Ebd., S. 197. 17 Huch, D er D reißigjährige Krieg, Bd. 1, S. 198. 18
Ebd., S. 199. 19 Der Abfall der Niederlande von Spanien hatte im Jahr 1565 begon­
nen; die Aufständischen hatten sich in drei Wellen gegen die Weltmacht behauptet.
Der 1609 für zwölf Jahre geschlossene Waffenstillstand lief de facto auf die staats­
rechtliche Anerkennung der niederländischen Republik hinaus; vgl. Parker, D er A u f­
stand der N iederlande, passim. Aus dem Blickwinkel von 1618 dürfte das niederländi­
sche Beispiel eine ermutigende Wirkung auf die Böhmen gehabt haben. 20 Das im
Jahr 1526 an die Habsburger gefallene Königreich Böhmen war ein politisch komple­
xes Gebilde; neben dem eigentlichen Königreich gehörten zu ihm auch noch die
«Länder der Wenzelskrone»: Mähren, Schlesien und die beiden Lausitzen. Die
Zugehörigkeit Böhmens zum Heiligen Römischen Reich war unklar; einerseits war
mit der böhmischen Krone die vierte weltliche Kurstimme verbunden (neben der
Kurpfalz, Kursachsen und Brandenburg), so dass Böhmen an der Kaiserwahl teil­
nahm; andererseits war es aber nicht im Kurverein vertreten, beteiligte sich nicht
weiter an den Reichstagen und Kurfürstentagen und hatte auch sonst keinen Vertre­
ter in den Reichsinstitutionen. 21 Zu den Problemen der Unterscheidung von
Anlass und Ursache vgl. Burkhardt, «Worum ging es im Dreißigjährigen Krieg?»,
S. 67-87. 22 Thukydides selbst spricht vom «Krieg zwischen den Peloponnesiern
und den Athenern»; die Bezeichnung «Peloponnesischer Krieg» findet sich erst­
mals bei Diodor im ersten vorchristlichen Jahrhundert. 23 Zum Auftauchen der
Bezeichnung «Dreißigjähriger Krieg» in der Schlussphase des Krieges und zu ihrer
Fortdauer vgl. ausführlich Repgen, «Seit wann gibt es den Begriff dreißigjähriger
Krieg>?», S. 59-70, ders., «Die Entstehung und Verwendung des Terminus Dreißig­
jähriger Krieg von 1620 bis 1695», S. 3-79, sowie ders., «Der Dreißigjährige Krieg im
deutschen Geschichtsbild von Schiller», S. 112-134. Repgen («Über die Geschichts­
schreibung des Dreißigjährigen Krieges», S. 23, Fn. 111) hat auch auf den Vorbildcha­
rakter des thukydideischen Werks für die zeitgenössische Wahrnehmung des großen
Krieges in Mitteleuropa hingewiesen. 24 Thukydides, Geschichte des Peloponnesi-
schen Krieges I, 9-24, S. 27-36. 25 Ebd., I, 23, S. 36. 26 Dedicatio zu Theatri E u ro­
paei, sechster und letzter Teil, Frankfurt 1652, unpaginiert. 27 So Merzhäuser,
«Über die Schwelle geführt», S. 74. 28 Thukydides, Geschichte des Peloponnesischen
Krieges, I, 24, S. 37. 29 So bemerkt Thukydides über die spartanische Entscheidung,
den Vertrag über einen Dreißigjährigen Frieden nach nur vierzehnjähriger Laufzeit
für beendet zu erklären: «Zu diesem Beschluß der Spartaner, daß der Vertrag gebro­
chen und der Krieg nötig sei, hatten freilich die Verbündeten mit ihren Reden weni­
ger beigetragen als die Furcht vor Athen, daß es immer mächtiger werden könne, da
Anmerkungen 851

sie ihm doch den größten Teil von Hellas bereits untertan sahen.» (1, 88, S. 7ö) Und
noch einmal, die spartanische Politik resümierend: «Nun aber, da die Macht Athens
so augenscheinlich stieg und ihren Bund [das Bündnissystem Spartas] antastete, da
riß ihre Geduld, und sie entschlossen sich, anzugreifen und alles einzusetzen, um
seine Größe zu stürzen, wenn sie könnten, und eben den Krieg zu erklären.» (1, 118,
S. 93). 30 Ebd., I, 44, S. 50. 31 Zu den spezifischen Tücken einer Kriegsursachen­
analyse wie der des Thukydides vgl. Münkler, «Die Weisheit der Regierenden»,
S. 80 ff. 32 So etwa der einschlägige Band 10 von Gebhardts H andbuch der deutschen
Geschichte, in dem Maximilian Lanzinner das konfessionelle Zeitalter und Gerhard
Schormann den Dreißigjährigen Krieg behandeln; weiterhin Schilling, Aufbruch und
Krise, sowie Heckei, Deutschland im konfessionellen Zeitalter; Zeeden, Hegemonial-
kriege und Glaubenskäm pfe, sowie Lutz, D as Ringen um deutsche E inheit und kirchliche
Erneuerung; ebenso Klueting, D as konfessionelle Zeitalter. 33 Press, Kriege und Krisen,
S. 163. 34 Dazu Rill, K aiser Matthias, S. 121-144. 35 In der zeitgenössischen
Begrifflichkeit war von der melancholia des Kaisers die Rede. Wahrscheinlich litt der
Kaiser aber weniger unter melancholischer Apathie als unter einer agitiert-depressi-
ven Erkrankung; womöglich hatte er auch Schübe von Schizophrenie; vgl. Gotthard,
D er D reißigjährige Krieg, S. 16; zur Biographie Rudolfs vgl. Press, «Rudolf II.
(1576-1612)», S. 99-111, sowie ausführlich Evans, R u d o lf II. Ohnm acht und Einsam ­
keit. 36 Für eine Vita des Kaisers vgl. Rill, K aiser M atthias; für eine Kurzbiographie
Findeisen, D er Dreißigjährige Krieg, S. 42-49, sowie Press, «Matthias (1612-1619)»,
S. 112-123; zur Vermittlungspolitik des Kaisers ausführlich Ritter, Deutsche Geschichte,
Bd. II, S. 359-417. 37 Zit. nach Parker, D er Dreißigjährige Krieg, S. 72. Parker gibt
eine russische Quelle für das Zitat an und weist darauf hin, dass es sonst nicht auf­
taucht. Er benutzt es als eine der Antizipationen der kommenden Ereignisse. 38
Vgl. Ritter, Deutsche Geschichte, Bd. I, S. 412; ausführlich Gräf, Konfession und interna­
tionales System, S. 201-327. 39 Ritter, Deutsche Geschichte, Bd. II, S. 239 t 40 Zum
wechselvollen Schicksal der früheren Landgrafschaft Hessen-Marburg während des
Dreißigjährigen Krieges vgl. Albrecht, «Die Kriegs- und Friedensziele der deutschen
Reichsstände», S. 241 ff; zum «Kasseler Einigungsvertrag», durch den das marbur-
gische Oberhessen, Katzenelnbogen und Schmalkalden zu Hessen-Kassel kamen,
vgl. ebd., S. 253. Ausführlich dazu Press, «Hessen im Zeitalter der Landesteilung»,
S. 267-331. 41 Ritter, Deutsche Geschichte, Bd. II, S. 238. 42 Ebd. 43 Ebd.,
S. 239. 4 4 Vgl. Albrecht, «Die Kriegs- und Friedensziele», S. 242. 45 Zum Begriff
der Konfessionalisierung und der so bezeichneten Praxis der konfessionellen Verein­
heitlichung landesherrschaftlicher Territorien vgl. Zeeden, D ie Entstehung der Konfes­
sionen, sowie ders., Konfessionsbildung; weiterhin Schmidt, Konfessionalisierung, sowie
Schilling, «Die Konfessionalisierung im Reich». 46 Vgl. oben, S. 44. 47 Im Prin­
zip sah der geistliche Vorbehalt (reservatum ecclesiasticum), festgehalten in § 18 des
Augsburger Religionsfriedens, vor, dass geistliche Territorien, die nach dem Stichjahr
852 ANHANG

1552 noch im Besitz der katholischen Kirche waren, nicht säkularisiert werden durften.
Solche Säkularisierungen fanden aber in Norddeutschland weiterhin statt, und der
Kaiser legitimierte das in Form eines Lehensindults. Im Prinzip hätte diese vorläufige
Belehnung vom Papst bestätigt werden müssen, aber eine Bestätigung wurde nie ein­
geholt. Das entsprach einer Politik des Kompromisses, da die protestantische Seite
bei den Verhandlungen in Augsburg den geistlichen Vorbehalt als diskriminierend
abgelehnt hatte (vgl. Heckei, Deutschland im konfessionellen Zeitalter, S. 47). Die Erz­
stifte Bremen und Magdeburg waren auf diese Weise in protestantische Hände
gelangt (vgl. Press, Kriege und Krisen, S. i6if. und i8ö£). Dann aber begann Kaiser
Rudolf damit, die Indulte zu verweigern, womit er nicht nur Sitz und Stimme der
evangelischen Administratoren auf den Reichstagen in Frage stellte, sondern auch
die Praxis der Inbesitznahme seit 1552 delegitimierte. Die Einsetzung von Adminis­
tratoren ehemaligen Kirchenbesitzes war eine beliebte Praxis evangelischer Fürsten­
familien, die ihre zweiten und dritten Söhne dadurch angemessen ausstatteten, ohne
dafür eine weitere Teilung ihres Herrschaftsgebiets vornehmen zu müssen. Seit den
späten 1580erJahren machte die selbstbewusster gewordene katholische Seite jedoch
Rückgabeforderungen auf säkularisierte Kirchengüter geltend, was die Polarisierung
zwischen Protestanten und Katholiken deutlich verschärfte. 48 Ritter, Deutsche
Geschichte, Bd. II, S. 433 ff., sowie Press, Kriege und Krisen, S. 189 f. 49 Ritter, Deut­
sche Geschichte, Bd. II, S. 377 f. 50 Vgl. Stolleis (Hg.), Staatsdenker, S. 13 t 51 Zur
Rolle des hostis externus als zum «Burgfrieden» nötigendes Element vgl. Walter,
Nützliche Feindschaft ?, passim. Selbst Luther, der eine Bekämpfung «des Türken» als
apokalyptischem Feind der Christen ablehnte, hat sich in dieser Frage immer wieder
zu Kompromissen genötigt gesehen, vgl. Roper, D er Mensch Luther, S. 492 h 52
Dazu ausführlich, wenn auch mit einer ausgesprochen spanienfreundlichen Grund­
einstellung: Straub, P a x et Im perium , S. 109-129. 53 Zur Frage der Erbansprüche
und der Optionen Ferdinands vgl. Gindely, Geschichte des dreißigjährigen Krieges,
Bd. 1, S. 4 f. 54 Zur Rolle Erzherzog Maximilians vgl. Press, K riege und Krisen,
S. 189. 55 Vgl. Straub, P a x et imperium, S. 121. 56 Vgl. die Kurzbiographie Eggen­
bergs bei Findeisen, D er D reißigjährige Krieg, S. 245-253. 57 Zum Onate-Vertragvgl.
Ritter, Deutsche Geschichte, Bd. II, S. 432, sowie Parker, D er Dreißigjährige Krieg,
S. 106 {.; zur «spanischen Gasse» und ihrer strategischen Bedeutung insgesamt Par­
ker, T h eA rm y o fF lan d ers and the Spanish R oad, S. 80-105; skeptisch gegenüber der
Relevanz der «spanischen Gasse», des Cam ino real, wie man in Spanien sagte, für die
Madrider Verhandlungsstrategie Straub, P a x et imperium, S. 122 f. 58 Vgl. Parker, D er
Dreißigjährige Krieg, S. 106. 59 Vgl. unten, S. 139 ff. 60 Vgl. Egler, D ie Spanier in
der linksrheinischen Pfalz, S. 25 ff. 61 Ritter, Deutsche Geschichte, Bd. II, S. 9; allge­
mein dazu Zemanek, K alender und Chronologie, sowie Landwehr, G eburt der Gegen­
wart, S. 263-270. 62 Am Beispiel Augsburgs wird das exemplarisch dargestellt bei
Roeck, E ine Stadt in K rieg und Frieden. 63 Vgl. Friedrichs, «German town revolts
Anmerkungen 853

and the 17dl Century crisis», S. 27 ft. 64 Für eine ausführliche und detaillierte Dar­
stellung der Vorgänge in Donauwörth vgl. Stieve, D er Ursprung des Dreißigjährigen
Krieges, sowie Breitling, «Der Streit um Donauwörth», S. 278 ff.; eine gute zusam­
menfassende Darstellung bei Ritter, Deutsche Geschichte, Bd. II, S. 213-215 und
220-223. 65 Die Umzüge des protestantischen Oranierordens in Nordirland, die
während der letzten Jahrzehnte in Belfast immer wieder zu gewalttätigen Auseinan­
dersetzungen geführt haben, folgen demselben Muster einer symbolischen Markie­
rung von Räumen als «Eigenräume». 66 Ritter, Deutsche Geschichte, Bd. II, S. 215.
Neben den Klagen des Augsburger Bischofs scheint auch der Kapuziner Laurentius
von Brindisi bei der Erwirkung des kaiserlichen Mandats eine gewisse Rolle gespielt
zu haben. Laurentius weilte zwei Monate nach den Vorkommnissen in Donauwörth
und wurde im Benediktinerkloster davon unterrichtet. In einer in Prag gehaltenen
Predigt machte er für die dort ausgebrochene Pest die Zugeständnisse an die Donau-
wörther Protestanten verantwortlich. Im Zusammenhang mit einem Exorzismus an
der angeblich geistesgestörten Ehefrau Herzog Maximilians von Bayern soll er auf
diesen eingewirkt haben, in Donauwörth einzugreifen und die dortigen Katholiken
zu schützen. Als er anschließend nach Prag zurückkehrte, versicherte er dem Kaiser
die Bereitschaft des Bayernherzogs, in Donauwörth für die Geltung des Augsburger
Religionsfriedens zu sorgen; so die Darstellung von Carmignano, «La part de S. Lau­
rent de Brindes dans le ban de Donauwörth», S. 460 ff. Vermutlich war der Kapuzi­
nermönch aber bloß der Beschleuniger einer Entwicklung, die auch ohne ihn ihren
Gang genommen hätte. 67 Der Text der über Donauwörth verhängten Reichsacht
findet sich bei Roeck (Hg.), Gegenreformation und Dreißigjähriger Krieg, S. 133-134; zu
den juristischen Kontroversen über die Donauwörther Angelegenheit vgl. Stolleis,
Geschichte des öffentlichen Rechts, Bd. 1, S. 148-150, der zeigt, dass hier Reichsverfas­
sungsrecht und Römisches Recht gegeneinander standen. 68 Ritter, Deutsche
Geschichte, Bd. II, S. 222. 69 Zit. nach Parker, D er Dreißigjährige Krieg, S. 85. 70
Dazu ebd., S. 87, sowie Press, Kriege und Krisen, S. 164; ausführlich van Schelven,
«Der Generalstab des politischen Calvinismus», S. 117-141. 71 Vgl. Press, Kriege
und Krisen, S. 163 £; zur Entwicklung der Kurpfalz in dieser Zeit auch ders., Calvinis­
mus und Territorialstaat, passim. 72 Parker, D er D reißigjährige Krieg, S. 89. 73
Zusammenfassend Zernack, «Das Zeitalter der nordischen Kriege», S. 55-79- 74
Dazu Gotthard, «Politice seint wir Bäpstisch», S. 275 ft, sowie Müller, «Der Absturz
vom Grat», S. 52ff. 75 Dazu Wandruska, «Vom Begriff des <Vaterlands> in der Poli­
tik des Dreißigjährigen Krieges», S. 175ft 76 Dazu eingehend Münkler/Grünber-
ger/Meyer, N ationenbildung, S. 290 ft 77 Zu Luthers Lehre von der weltlichen
Obrigkeit vgl. Münkler, «Politisches Denken in der Zeit der Reformation»,
S. 635-648; zur Konzeption des Widerstandsrechts im Calvinismus vgl. Bermbach,
«Widerstandsrecht, Souveränität, Kirche und Staat», S. 107-124. 78 Die folgende
Darstellung des Regensburger Reichstags folgt im Wesentlichen Ritter, Deutsche
854 ANHANG

Geschichte, Bd. II, S. 223-229; vgl. auch Heckei, Deutschland im konfessionellen Z eital­
ter, S. 96-98. 79 Ritter, Deutsche Geschichte, Bd. II, S. 227. 80 Heckei, Deutschland
im konfessionellen Zeitalter, S. 98 81 Bei den Verhandlungen, die unter der Leitung
Christians von Anhalt in Vertretung des pfälzischen Kurfürsten stattfanden, überbot
der Herzog von Pfalz-Neuburg die Kurpfälzer Vorschläge, als er einen an der Tor-
gauer Bundesakte von 1591 orientierten Vertragsentwurf vorlegte, der einen gemein­
samen Bundesschatz und ein einheitliches Bundesheer mit einer Normalstärke von
20 000 Mann ins Gespräch brachte. Das wurde dann so auch in die Bundesverfassung
aufgenommen; vgl. Ritter, Deutsche Geschichte, Bd. II, S. 247; weiterhin Horstkemper,
«Die protestantische Union und der Ausbruch des Dreißigjährigen Krieges»,
S. 21-51. 82 «Der Vertrag von Auhausen» (im Dokument selbst Ahausen); in:
Roeck (Hg.), Gegenreformation und D reißigjähriger Krieg, S. 138-144, hier S. 140; voll­
ständig abgedruckt bei Lorenz (Hg.), Quellen zu r Vorgeschichte, S. 66-77. 83 Zit.
nach Roeck (Hg.), Gegenreformation und Dreißigjähriger Krieg, S. 141. 84 So Findei­
sen, D er Dreißigjährige Krieg, S. 80; zur Biographie Friedrichs V. vgl. Joestel, «Kur­
fürst Friedrich V. von der Pfalz», S. 152-158. 85 Zu Leben und Person Christians
vgl. die Kurzvita bei Findeisen, D er D reißigjährige Krieg, S. 131-137, sowie Schubert
«Christian I.», S. 221 ff.; zur Widersprüchlichkeit in Christians Leben gehört auch,
dass er sich, nachdem er zu Beginn der 1620er Jahre in Stockholm und Kopenhagen
vergeblich neue Verbündete zum Kampf gegen Kaiser und Liga gesucht hatte, 1624 in
Wien Kaiser Ferdinand unterwarf und von ihm Gnade erlangte. Auf Vermittlung
Wallensteins, mit dem er sich offenbar gut verstand, erhielt er «eine großzügig
dotierte Kammerherrenstelle beim Kaiser [...], nicht eben ein sonderliches Zeugnis
eines ungebrochenen konfessionellen Kämpfers» (Findeisen, S. 137). In sein Klein­
fürstentum Bernburg zurückgekehrt, starb er am 17. April 1630, zu einem Zeitpunkt
des Krieges somit, als es für die protestantische Sache überaus schlecht stand. 86
Bei der Pfalz lag die erste Stimme der weltlichen Kurfürsten; das verlieh ihr politi­
sches Gewicht. Geographisch war das pfälzische Territorium zweipolig: einerseits
die Oberpfalz, die an Böhmen grenzte und enge Verbindungen mit den Markgraf­
schaften Kulmbach und Ansbach hatte, andererseits die Unterpfalz mit den Gebieten
um Heidelberg, Neustadt und Alzey. Die Pfalz hatte dadurch Einfluss nach vielen
Seiten hin, war im Kriegsfall dafür aber hochgradig verwundbar. Die geopolitische
Lage mag für eine aktive Bündnispolitik gesprochen haben, legte aber gleichzeitig
nahe, keine größeren politischen Risiken einzugehen. 87 Dazu Weiss, D ie Unter­
stützung Friedrichs V. von der P falz durch Jakob I. und K a rl I. von England. 88 Dazu
Kraus, M axim ilian I., S. 324 f.; Albrecht, «Maximilian I. von Bayern», S. 477 ff; Lan­
ger, «Kurfürst Maximilian I. von Bayern», S. 142 ff; Findeisen, D er Dreißigjährige
Krieg, S. 63-68, sowie Bireley, M axim ilian von Bayern, A d a m Contzen und die Gegenre­
form ation, passim; zur bayerischen Politik vor Kriegsausbruch vgl. Edel, «Politik und
Macht bei Herzog Maximilian von Bayern», S. 107-139. 89 So Roeck (Hg.), Gegen-
Anmerkungen «SS

reformation und D reißigjähriger Krieg, S. 152. 90 Dazu Neuer-Landfried, D ie katholi­


sche Liga, passim. 91 Press, K riege und Krisen, S. 175. 92 Für eine detaillierte Dar­
stellung der unterschiedlichen Erbansprüche vgl. Ritter, Deutsche Geschichte, Bd. II,
S. 126-128,199 f. sowie 277-283; für eine knappe Zusammenfassung vgl. Press, Kriege
und Krisen, S. 174-177. 93 Ritter, Deutsche Geschichte, Bd. II, S. 126. 94 Ebd.,
S. 128 f. 95 Ebd., S. 280 f. 96 Heinrich hat sich über seine Pläne nicht eindeutig
geäußert, weshalb sie in Form eines «Indizienverfahrens» aus einzelnen Aktionen
und Äußerungen rekonstruiert werden müssen. In der Forschung herrscht Einigkeit
darüber, dass es ihm um mehr als nur die FestungJülich ging, denn dafür hätten auch
geringere Streitkräfte als die ins Feld geführten ausgereicht. Umstritten ist indes die
Frage, ob der König lediglich mit einem großen Krieg («rupture generale») rech­
nete oder ob er ihn gezielt herbeiführen wollte. Moriz Ritter ist von Letzterem ausge­
gangen, und dabei haben für ihn der Umstand, dass Heinrich die Armee gegenJülich
in eigener Person anführen wollte, und die Pläne für einen zeitgleichen Angriff auf
das Herzogtum Mailand, den Schlüssel zur Herrschaft über Italien, eine zentrale
Rolle gespielt (Deutsche Geschichte, Bd. II, S. 316 ff.). Dagegen spricht Geoffrey Parker
(beziehungsweise sein Mitarbeiter Simon Adams) nur davon, dass die Einmischung
des französischen Königs den Erbfolgestreit von Jülich-Kleve-Berg zu einer «interna­
tionalen Krise» ausgeweitet hätte. Da Heinrich diese Ausweitung aber gefürchtet
habe, so schlussfolgert er, sei es dem König darum gegangen, die protestantische
Union unter seine Kontrolle zu bringen (D er Dreißigjährige Krieg, S. 93). Das sind die
beiden «Außenpositionen» bei der Erklärung des französischen Agierens. In jünge­
ren Darstellungen wird dem Jülicher Erbfolgestreit unterschiedliche Bedeutung auf
dem Weg in den Krieg beigemessen: sehr knapp bei Kampman, Europa und das Reich,
S. 26£, eingehend bei Gotthard, D er Dreißigjährige Krieg, S. 46-53. 97 Eberhard
Straub, der diese Periode aus spanischer Sicht dargestellt hat, kommt zu dem Ergeb­
nis, dass die Entwicklungen im Osten des Reichs, also in Böhmen und Ungarn, die
spanische Politik sehr viel stärker beunruhigt hätten als alles, was sich im Westen
ereignete: Im Westen war Spanien mit eigenen Kräften handlungsfähig, während es
im Osten darauf angewiesen war, dass die österreichische Linie der Casa d'Austria
Herr des Geschehens blieb; Straub, P a x et Im perium , S. 109-129. In der neueren For­
schung wird herausgestellt, dass der Herzog von Lerma, der maßgebliche Akteur der
spanischen Politik zu dieser Zeit, dem Mittelmeer als Eckpfeiler der spanischen
Macht eine größere Bedeutung beimaß als der Nordsee, vgl. Schmidt, «Philipp III.»,
S. 91 f. 98 Diese Dimension des Konflikts ist von Burkhardt (D er Dreißigjährige
Krieg, S. 30-63) herausgearbeitet worden - nur dass bei ihm Spanien keine große
Rolle spielt. 99 Zur Vita des Königs vgl. Hinrichs, «Heinrich IV.», S. 143ff., zur
Außenpolitik S. 167 ff.; allgemein Greengrass, Franee in the A ge o f H enry IV, sowie Bei­
derbeck, Zwischen Religionskrieg, Reichskrise und europäischem Hegemoniekampf,
S. 412-458. 100 Vgl. Schmidt, «Philipp III.», S. 90 ff. 101 Ebd., S. 90. 102 Zit.
8s6 ANHANG

nach Parker, Der Dreißigjährige Krieg, S. 108. 103 Vgl. Dickermann, «Henry IV and
the Juliers Cleves crisis », S. 626 ff. 104 Zum Problem der Analyse von Entwicklun­
gen durch kontrafaktische Konstruktionen vgl. Evans, Veränderte Vergangenheiten,
S. 59-105. 10s Zum Verlauf des Erbfolgekriegs bis zur Eroberung der FestungJülich
vgl. Ritter, Deutsche Geschichte, Bd. II, S. 283-327, sowie Press, Kriege und Krisen,
S. 174-182. 106 Der Dortmunder Rezess ist auszugsweise abgedruckt in Roeck
(Hg.), Gegenreformation und Dreißigjähriger Krieg, S. 144-146, Zitat S. 145. Für die
vollständige Fassung samt Ausführungsbestimmungen vgl. Lorenz (Hg.), Quellen zur
Vorgeschichte, S. 81-87. Die Datierung auf den 10.Juni folgt dem gregorianischen
Kalender; da beide vertragschließenden Parteien protestantisch waren, datierten sie
die Vertragsunterzeichnung gemäß dem julianischen Kalender auf den 31. Mai. 107
Zu den Auseinandersetzungen um den Reichshofrat vgl. Ehrenpreis, «Die Tätigkeit
des Reichshofrats», S. 27ff. 108 Vgl. Ritter, Deutsche Geschichte, Bd. II, S. 295. 109
Ritter (ebd., S. 339) schätzt die Kräfteverhältnisse auf 30 000 Belagerer gegenüber
2000 Verteidigern. 110 Ebd., S. 342 ff. 111 Ebd., S. 346 ff. 112 Ebd., S. 348. 113
Vgl. oben, S. i02f. 114 Dazu Ritter, Deutsche Geschichte, Bd. II, S. 363-366. 115
Ebd., S. 371. 116 Als die Eheschließung zwischen Wolfgang Wilhelm und Prinzessin
Magdalena am 11. November 1613 in München stattfand, gingen sowohl der Vater
Wolfgang Wilhelms als auch Herzog Maximilians Freunde davon aus, dass es sich um
eine gemischt konfessionelle Ehe handele; zur Pendelbrautschau des Neuburgers vgl.
Ritter, Deutsche Geschichte, Bd. II, S. 371 £ und 398. 117 Ebd., S. 407-410, sowie Press,
Kriege und Krisen, S. 183 f. 118 Dazu die rechtsgeschichtlichen Ausführungen bei
Heckei, Deutschland im konfessionellen Zeitalter, S. 122 £, ebenso Stolleis, Geschichte des
öffentlichen Rechts, Bd. 1, S. 126-141. 119 Dazu Brightwell, «Spain and Bohemia»,
S. 117 ff.

2. K A P IT E L
E IN A U F ST A N D , D E R DAS R E IC H E R S C H Ü T T E R T :
DER BÖ H M ISCH -PFÄLZISCH E K R IE G

1 Die wahren Absichten und Ziele der Politik Klesls sind ob seiner zahlreichen Wen­
dungen und Winkelzüge schwer auszumachen. Gotthard (D er Dreißigjährige Krieg,
S. 78) spricht davon, Klesl habe tatsächlich auf Verhandlungen gesetzt, Kampmann
(Europa und das Reich, S. 38) geht eher von einer «Orientierungslosigkeit der kaiser­
lichen Politik» aus; bei Parker (D er Dreißigjährige Krieg, S. 159) ist sogar davon die
Rede, Klesl habe «hinter den Kulissen einen Einigungsversuch mit den Aufständi­
schen aushandeln» wollen. Zu Klesl allgemein: Findeisen, D er Dreißigjährige Krieg,
S. 124-130, sowie Press, «Melchior Khlesl, Kardinal», S. 265ff. 1 Ritter, Deutsche
Anmerkungen 857

Geschichte, Bd. III, S. 8; für eine ausführliche Schilderung der Verhaftung und Depor­
tation Klesls sowie des Eindringens von Ferdinand und Maximilian bei Kaiser Mat­
thias, der sie zunächst nicht hatte vorlassen wollen, vgl. Gindely, Geschichte des drei­
ß igjährigen Krieges, Bd. 1, S. 55-57. 3 So etwa Kampmann, E uropa und das Reich,
S. 38, und Gotthard, D er Dreißigjährige Krieg, S. 78. 4 Das Referat der Denkschrift
folgt Ritter, Deutsche Geschichte, Bd. III, S. 5 f. 5 Vgl. Parker, D er D reißigjährige Krieg,
S. 126 £ 6 In marxistischer Terminologie heißt das, dass es sich um eine Adelsre­
volte und nicht um eine «frühbürgerliche Revolution» gehandelt hat. 7 Vgl. Gott­
hard, D er D reißigjährige Krieg, S. 81 £; Kampmann, Europa und das Reich, S. 36 £ 8
Vgl. Parker, D er D reißigjährige Krieg, S. 126. 9 So etwa Press, Kriege und Krisen,
S. 195 ff. ( «der deutsche Krieg») und 218ff. («der europäische Krieg»); eine dezi­
dierte Gegenposition vertritt Kampmann, Europa und das Reich, S. 1: «Der Dreißig­
jährige Krieg war ein europäischer Konflikt. Zwar war vornehmlich das römisch­
deutsche Reich der Schauplatz dieses Krieges, ein <deutscher Krieg> ist er jedoch
von Anfang an nicht gewesen.» Letzteres ist gegen Günter Barudio gerichtet, der
seine Darstellung des Dreißigjährigen Krieges D er Teutsche K rieg betitelt hat. 10 Vgl.
oben, S. 107 £ 11 Vgl. Straub, P a x et Im perium , S. 132-136, sowie Guarino, «The Spa-
nish Monarchy and the Challenges of the Thirty Years War», S. 55 ff 12 Zu den in
der legenda negra enthaltenen antispanischen Ressentiments vgl. Pollmann, «Eine
natürliche Feindschaft», S. 73-93, sowie Schmidt, Spanische Universalmonarchie oder
«teutsche L ib ertet», S. 273-294; zur Entstehung der antispanischen Propaganda im
Unabhängigkeitskrieg der Niederlande vgl. Arndt, «Die Kriegspropaganda in den
Niederlanden», S. 239 ff 13 Dazu Parker, D er Dreißigjährige Krieg, S. 117. 14 Vgl.
Straub, P a x et Im perium , S. 146 £ 13 Zum Theorem des Portfolios von Machtsorten
vgl. Mann, Geschichte der M acht, Bd. 1, S. 46-56. 16 Vgl. Depner, D as Fürstentum
Siebenbürgen im K a m p f gegen Habsburg, S. 36-92. 17 Zu Bethlen Gabor vgl. Findei­
sen, D er Dreißigjährige Krieg, S. 101-104. 18 Die Probleme der pfälzischen Politik
im Vorfeld der Kaiserwahl sind ausführlich dargestellt bei Gindely, Geschichte des
dreißigjährigen Krieges, Bd. 1, S. 106-114; relativ knapp Ritter, Deutsche Geschichte,
Bd. III, S. 41 £, sowie Wedgwood, D er 30jährige Krieg, S. 86 £ 19 Die nachfolgende
Darstellung folgt Gindely, Geschichte des dreißigjährigen Krieges, Bd. 1, S. 113 £ 20 Es
fällt auf, dass mit Ausnahme von Gindely die Frankfurter Wahl in den meisten Dar­
stellungen des Dreißigjährigen Krieges nur kurz abgehandelt wird, obwohl sie von
den Verfassern derselben Darstellungen als der entscheidende Vorgang für den Aus­
gang des böhmisch-pfälzischen Krieges und damit für die erste Phase des Dreißigjäh­
rigen Krieges erklärt wird; so etwa bei Gotthard, D er D reißigjährige Krieg, S. 81 und 83,
und bei Kampmann, Europa und das Reich, S. 40. 21 Die Union setzte diese Trup­
pen auch ein, als sie eine für Ferdinand geworbene Einheit von 500 Reitern zer­
sprengte; vgl. Ritter, Deutsche Geschichte, Bd. III, S. 42 b 22 Ebd., S. 43. 23 Zur
Vita Johann Georgs vgl. Findeisen, D er Dreißigjährige Krieg, S. 69-78, sowie Blaschke,
8 s8 ANHANG

«Johann Georg I. Kurfürst von Sachsen», S. 525 f. Der sächsische Kurfürst gehört zu
den in Hinblick auf den Verlauf des Krieges zumeist unterschätzten Akteuren; eine
Ausnahme bildet Wedgwood, die in ihrer Darstellung des Dreißigjährigen Krieges
immer wieder aufJohann Georg zu sprechen kommt, was ihr von Seiten Steinbergs
(D er D reißigjährige Krieg, S. 152) den Vorwurf eingetragen hat, ihr Buch werde «durch
die sentimentale, sachsenfreundliche Einstellung der Verfasserin beeinträch­
tigt ». 24 Vgl. Beyreuther, «Matthias Hoe von Hoenegg», S. 300-301. 25 Vgl.
Gollwitzer, «Arnim von Boitzenburg», S. 372-373, sowie Helbig, «Arnim-Boitzen-
burg». 26 Dazu oben, S. 90 ff. 27 Zu dieser Phase des Mansfeld sehen Söldner­
verbands vgl. Krüssmann, E rnst von M ansfeld, S. 125-176. 28 Gindely ( Geschichte
des dreißigjährigen Krieges, Bd. 1, S. 128) schreibt über Elisabeth, sie habe zu keiner
Zeit die ehrgeizigen Pläne ihres Gemahls missbilligt. Gotthard (D e r Dreißigjährige
Krieg, S. 88) nennt Elisabeth eine «ehrgeizige Frau». 29 Zit. nach Wedgwood, D er
30jährige Krieg, S. 90. 30 Vgl. Ritter, Deutsche Geschichte, Bd. III, S. 51. 31 So Gin­
dely, Geschichte des dreißigjährigen Krieges, Bd. 1, S. 127. 32 Ebd., S. 128-130; Gott­
hard, D er D reißigjährige Krieg, S. 89 f. 33 Dazu ausführlich Goldie, «Absolutismus,
Parlamentarismus und Revolution in England», S. 288 f. 34 In dem Konflikt um
Oldenbarnevelt ging es sowohl um konfessionelle als auch politische Fragen: die Aus­
legung der Prädestinationslehre (Arminianer versus Gomaristen), die Möglichkeit
einer Politik des friedlichen Ausgleichs mit dem Süden oder einer Politik der Rück­
eroberung und schließlich auch Fragen der Aufstellung von Stadtmilizen; vgl. Parker,
D er Aufstand der N iederlande, S. 301-303, sowie von der Lern, D ie Entstehung der N ie­
derlande, S. 181-184. 35 Vgl. Parker, D er D reißigjährige Krieg, S. 127. 36 Vgl. oben,
S. 127 fr. 37 Die überlegene Position Maximilians bei diesen Verhandlungen stellt
Gotthard heraus (D er Dreißigjährige Krieg, S. 84-87). 38 Zit. nach Roeck (Hg.),
Gegenreformation und D reißigjähriger K rieg, S. 210; der vollständige Text des Münch­
ner Vertrags unter Einschluss seiner lateinischen Fassung bei Lorenz, Ausgewählte
Quellen, S. 398-407. 39 Ebd., S. 211. 40 Ebd., S. 212. 41 Gotthard, D er Dreißig­
jährige Krieg, S. 85. 42 Kraus, M axim ilian I., S. 324 und 326. 43 Findeisen, D er
D reißigjährige Krieg, S. 68; zur Bündnispolitik Maximilians und seinem «außenpoliti­
schen» Agieren vgl. Albrecht, D ie auswärtige Politik M axim ilians von Bayern, passim,
sowie Altmann, D ie Reichspolitik M axim ilians I., passim; zur Kriegspolitik des Bay­
ernherzogs allgemein Lanzinner, «Maximilian I. von Bayern», S. 85 fF. 44 Ritter,
Deutsche Geschichte, Bd. III, S. 25; zur Vita Ferdinands II. vgl. Findeisen, D er Dreißig­
jährige Krieg, S. 50-61; Hantsch, K aiser Ferdinand II .; Franzi, Ferdinand II., sowie
Albrecht, «Ferdinand II. (1619-1637)», S. 125-141. 45 Albrecht, «Ferdinand II.»,
S. 126; zur frühabsolutistischen Herrschaftsvorstellung Ferdinands vgl. Sturmberger,
K aiser Ferdinand II. und das Problem des Absolutismus; zu Ferdinands Vorstellung von
der Gegenreformation als seiner Aufgabe vgl. Bireley, Religion and Politics in the A ge o f
Counterreformation, sowie ders., The Jesuits and the Thirty Years War, S. 33-62.
Anmerkungen 859

46 Findeisen, Der D reißigjährige Krieg, S. 54. 47 Ritter, Deutsche Geschichte, Bd. III,
S. 25. 48 Ebd. 49 Zur komplexen Motivlage des Kurfürsten Gindely, Geschichte
des dreißigjährigen Krieges, Bd. 1, S. 171 f. so Vgl. ebd., S. 173. Johann Georg handelte
dabei in Abstimmung mit Landgraf Ludwig von Hessen-Darmstadt, der dem Kaiser
eng verbunden war. 51 Ebd., S. 173. 52 Ebd., S. 174; ausführlich zu den Verhand­
lungen in Mühlhausen Ritter, Deutsche Geschichte, Bd. III, S. 82-89. 53 Zur Zusam­
menstellung von Mansfelds Söldnerverband vgl. Krüssmann, E rnst von M ansfeld,
S. 118-124; zur Einnahme Pilsens ebd., S. 139-146; zu den Truppen Bucquoys vgl. Par­
ker, The A rm y ofF la n d ers, S. 271 ff.; zur Rekrutierungspraxis von Söldnerverbänden
vgl. Kröner, «<Kriegsgurgeln, Freireuter und Marodebrüder>», S. 53 ffl, sowie Bur-
schel, Söldner im Nordwestdeutschland des 16. und 17. Jahrhunderts, S. 54-96. 54 Zu
den taktischen Formationen im späten 16. und frühen 17. Jahrhundert und deren
Bedeutung für die Gefechtsführung vgl. Fiedler, Taktik und Strategie der Landsknechte,
S. 89 sowie 145 ff, und insbesondere Ortenburg, Waffen der Landsknechte, S. 106-138,
weiterhin Rogers, «Tactics and the face of battle», S. 203-235. Lauro Martines (B lu ­
tiges Zeitalter ) beschäftigt sich eher mit dem Durchzug von Heeren, deren Logistik
sowie der Belagerung von befestigten Städten als mit der offenen Feldschlacht; für
eine knappe Zusammenfassung der zeitgenössischen Gefechtsformationen vgl. Jun-
kelmann, Tilly, S. 23-29. 55 Vgl. Krüssman, Ernst von M ansfeld, S. 25-139. 56 Vgl.
oben, S. 139 ff 57 Dazu Krüssmann, Ernst von M ansfeld, S. 142-154; zum Typus des
Militär- beziehungsweise Kriegsunternehmers vgl. vor allem Redlich, The Germ an
M ilitary Enterpriser and his Work Force, sowie Glete, «Warfare, entrepreneurship and
the fiscal-military state», S. 300-321. 58 Dazu grundsätzlich Burschei, Söldner,
S. 165-206, sowie Redlich, «Der Marketender», S. 227-252. 59 Dazu Redlich, D e
Praeda M ilitari, sowie Burschei, Söldner, S. 206-217, und Martines, Blutiges Zeitalter,
S. 187-204. 60 Vgl. Krüssmann, E rnst von M ansfeld, S. 143 ff. Infolge der Belagerung
war das wirtschaftliche Leben Pilsens weitgehend zum Erliegen gekommen; im Früh­
jahr 1619 waren von den 1500 bis 1800 Einwohnern nur noch 150 übrig; ebd.,
S. 145. 61 Vgl. Kröner, «Soldat oder Soldateska?», S. 118. 62 Zu Bürgerwehren,
Bauernaufgeboten und spätem Rittertum vgl. Delbrück, Geschichte der Kriegskunst,
Bd. 3, S. 489-543, sowie Dörfer, «Vom Niedergang der feudalen Heeresverfassung
zum Militärwesen der frühen Neuzeit», S. 13-35, und Wohlfeil, «Das Heerwesen im
Übergang vom Ritter- zum Söldnerheer», S. 107-127; zur Modernisierung der Bau­
ernaufgebote in Form des Defensionswesens vgl. Schulze, «Die deutschen Landes-
defensionen im 16. und 17.Jahrhundert», S. 129-149; zu den Condottieri und den
Ordonnanz-Kompanien Delbück, Geschichte der Kriegskunst, Bd. 3, S. 581-626; wei­
terhin Trease, D ie Condottieri, sowie Mallett, M ercenaries and their Masters; zu dieser
Zwischenzeit oder Übergangsphase insgesamt Haie, War and Society in Renaissance
Europe, Parker, D ie militärische Revolution, S. 25-67, Parrott, «From military enter-
prise to Standing armies», S. 74 ff, sowie van Nimwegen, «The transformation of
86 o ANHANG

army Organization», S. 159 ff.; für den Abschluss dieser Transformation vgl. Schmidt,
«Staat und Armee im Zeitalter des <miles perpetuus>», S. 213-248. 63 Der Begriff
der «militärischen Revolution» im frühneuzeitlichen Europa geht auf Michael
Roberts (The M ilitary Revolution) zurück, der ihn Mitte der 1950er Jahre in die wis­
senschaftliche Debatte eingeführt hat; Roberts’ Überlegungen werden weitergeführt
bei Parker, The M ilitary Revolution; zur Debatte über diesen Begriff und seine Bedeu­
tung für die Wissenschaft vgl. Rogers (Hg.), The M ilitary Revolution Debate. Das Kon­
zept der militärischen Revolution ist eine der Erklärungen für die Überlegenheit der
Europäer gegenüber dem «Rest der Welt» seit der Frühen Neuzeit. Zur Diskussion
dieser Fragen vgl. auch Croxton, «A Territorial Imperative?», S. 253-279. 64 Das
hatte sich in der Schlacht von Liegnitz (1241) noch ganz anders dargestellt, als ein
mongolisches Reiterheer ein schwer gepanzertes Ritteraufgebot vernichtend schlug;
vgl. Schmielewski, «Liegnitz/Wahlstatt», S. 207-231. Zur strategisch-taktischen
Überlegenheit der Reiterschwärme vgl. Hofer, «Das Ende des langen Rittes»,
S. 156-176; zur europäischen Rezeption des Gebrauchs leichter Reiterei vgl. Ägoston,
«Empires and warfare in east-central Europe, 1550-1750», S. 110 ff. 65 Krüssmann,
E rnst von M ansfeld, S. 192 ff. und 237 fr. 66 Vgl. oben, S. 152. 67 Vgl. oben,
S. 151 f. 68 Zu Karl Bonaventura von Bucquoy und dessen Agieren auf dem böhmi­
schen Kriegsschauplatz vgl. Broucek, «Feldmarschall Bucquoy als Armeekomman­
deur», S. 25-57; allgemein Findeisen, D er Dreißigjährige Krieg, S. 168-172. 69 Zur
Meuterei, um ausstehende Soldzahlungen zu erzwingen, vgl. Burschei, Söldner,
S. 195 ff., sowie ders., «Krieg, Staat, Disziplin», S. 648 ff. 70 Ebd., S. 217 ff. 71 Bur-
schel (Söldner, S. 220) schätzt das Problem der Desertion während des Dreißigjähri­
gen Krieges als eher gering ein und vertritt die These, Desertion sei erst nach dem
Krieg «zu dem innermilitärischen Problem schlechthin» geworden. Zu diesem
Ergebnis kommt er auf der Grundlage gründlichen Aktenstudiums. In den Akten fin­
det sich indes nur, was als Problem wahrgenommen und wogegen angegangen wurde.
Wo das nicht der Fall war, entstanden auch keine Akten. Der notorische Schwund der
Mannschaftsstärke von Einheiten war sicherlich auch eine Folge von Seuchen und
Krankheiten, aber in ihm fand auch eine kontinuierliche Desertionsrate ihren Nie­
derschlag; vgl. Kaiser, « <würdt allso die Armee gewaltig ruiniret ...> » , S. 103 ff.,
sowie ders., «Ausreißer und Meuterer im Dreißigjährigen Krieg», S. 49 ff; weiterhin
Burschei, «Die Erfindung der Desertion», S. 72-85. Profiteure der Desertion waren
nicht zuletzt die Obristen und Hauptleute, weil sie den so eingesparten Sold, den sie
gegenüber dem Kriegsherrn weiterhin geltend machten, in die eigene Tasche steck­
ten. Zum Problem der notorischen Differenz zwischen Nominal- und Realstärke der
Truppen vgl. Burschei, Söldner, S. 120 f. 72 Dazu Gindely, Geschichte des dreißigjähri­
gen Krieges, Bd. 1, S. 145 f. 73 Zur Unterscheidung zwischen Zweck und Ziel in der
Kriegführung vgl. Clausewitz, Vom Kriege, S. 960 ff. 74 Gindely, Geschichte des drei­
ß igjährigen Krieges, Bd. x, S. 147. 75 Ebd., S. 97 ff; Ritter, Deutsche Geschichte, Bd. III,
Anmerkungen 861

S. 29 f. 76 Parker (D er D reißigjährige Krieg, S. 118) stellt einen unmittelbaren


Zusammenhang zwischen dem Gefecht von Sablat und dem Rückzug Thurns her;
ebenso Gotthard, D er D reißigjährige Krieg, S. 8t; zu dem Gefecht selbst Krüssman,
E rnst von M ansfeld, S. 162-167, der im Übrigen davon spricht, Thurn habe die Nieder­
lage des Mansfelders als «willkommenen Vorwand [genutzt], das eigene Versagen zu
verhüllen» (S. 164). 77 Ritter, Deutsche Geschichte, Bd. III, S. 30. 78 Dazu Gindely,
Geschichte des dreißigjährigen Krieges, Bd. 1, S. 148-153. 79 Ebd., S. 131-136. 80 Zit.
nach Lorenz (Hg.), Quellen zu r Vorgeschichte, S. 421. Krüssmann (Ernst von M ansfeld,
S. 258) bemerkt zu Camerarius, er sei «immer nörgelnd» gewesen. Zu Camerarius’
Leben und Wirken, zunächst in pfälzischem, später in schwedischem Dienst, vgl.
Schubert, L u d w ig Camerarius, sowie die Besprechung der Neuauflage dieser Biogra­
phie bei Wolgast, «Ludwig Camerarius und die Politik der Kurpfalz», S. 334 ff- 81
Zit. nach Ritter, Deutsche Geschichte, Bd. III, S. 65. 82 Zit. nach Lorenz (Hg.), Quel­
len zu r Vorgeschichte, S. 423. 83 Ebd., S. 422. 84 Dazu Gindely, Geschichte des drei­
ß igjährigen Krieges, Bd. 1, S. 135. 85 Zit. nach Lorenz (Hg.), Quellen zu r Vorgeschichte,
S. 422. 8 6 Ritter, Deutsche Geschichte, Bd. III, S. 65. 87 Zit. nach Lorenz (Hg.),
Quellen zu r Vorgeschichte, S. 426. 88 Dazu Ritter, Deutsche Geschichte, Bd. III,
S. 65 ff. 89 Vgl. ebd., S. 80 f. 90 Dazu ausführlich Gotthard, «Benjamin Bouwing-
hausen», S. 69-103; knapp ders., D er Dreißigjährige Krieg, S. 94-96. 91 Vgl. oben,
S. 139; zum Verhältnis zwischen Spanien und den Niederlanden in dieser Zeit vgl.
Israel, «A Conflict of Empires, S. 35 ff, sowie Straub, P a x et Im perium , S. 131 ff 92
Vgl. Ritter, Deutsche Geschichte, Bd. III, S. 79 f. 93 «König Philipp III. von Spanien
an Erzherzog Albrecht in Brüssel», 5. November 1619; zit. nach Lorenz (Hg.), Quellen
zur Vorgeschichte, S. 426. 94 Zit. nach ebd., S. 431t; zu den Beratungen im spani­
schen Staatsrat, die dieser Entscheidung vorangingen, vgl. Straub, P ax et Im perium ,
S. 151-159. 95 Ritter (Deutsche Geschichte, Bd. III, S. 90 und S. 92) schreibt diese
Idee dem Markgrafen Joachim Ernst von Ansbach zu, dem Generalleutnant der Uni­
onstruppen. 96 Ebd., S. 92. 97 Der Vertragstext ist abgedruckt bei Lorenz, Quel­
len zu r Vorgeschichte, S. 473-475. 98 Ritter, Deutsche Geschichte, Bd. III, S. 93. 99
Gindely, Geschichte des dreißigjährigen Krieges, Bd. 1, S. 197. 100 Wedgwood, D er
30jährige Krieg, S. 99 h 101 Krüssmann, Ernst von M ansfeld, S. 183. 102 Ebd.,
S. 184-187 sowie 192 f. 103 Vgl. ebd., S. 197 b 104 Hierzu und zum Folgenden Rit­
ter, Deutsche Geschichte, Bd. III, S. 97-99. 105 Gotthard, D er D reißigjährige Krieg,
S. 97; zu Herberstorffs Leben und seiner Rolle im Krieg vgl. Findeisen, D er Dreißig­
jährige Krieg, S. 176-177; dessen Resümee: Herberstorff sei «als Landeigentümer wie
auch als Statthalter [ein] wenig befähigter Landwirt und Beamter gewesen» (S. 177);
allgemein Sturmberger, A d a m G ra f Herberstorff. 106 Zu Tilly vgl. Rill, Tilly, und
Junkelmann, Tilly, sowie ders., «Tilly», S. 58-79. 107 Zu einer eigenständigen Mili­
tärkultur in Nordwesteuropa und ihren intellektuellen Voraussetzungen vgl. Schwa­
ger, M ilitärtheorie im Späthumanismus, S. 91-289. 108 «Man muss nicht leichtlich
862 ANHANG

ohne grossen vortheil mit dem feinde schlagen, ob er sich schon praesentiret, es were
denn, dass mangelt proviant und gelt auszuharren, darzu zwingen thete, denn nicht
geschlagen zu werden ist auch eine grosse victoria, welche sonsten sehr ungewiss,
wan man es allein daraufwaget [...].» Zit. nach Frauenholz, Söldnertum , S. 49 f. 109
Ritter, Deutsche Geschichte, Bd. III, S. 97. 110 Hierzu und zum Folgenden Krüss-
mann, E rnst von M ansfeld, S. 201 ff. 111 Die Verluste des ligistischen Heeres resultier­
ten aus Hunger und Krankheiten, schlechtem Wasser und der nächtlichen Herbst­
kälte seit Oktober; vgl. Riezler, «Kriegstagebücher», S. 83 ff. und 87 ff.; zur Rolle von
Krankheiten in der Kriegführung der Frühen Neuzeit allgemein Burschei, Söldner,
S. 258-272. 112 Vgl. Krüssman, Ernst von M ansfeld, S. 205-2x0; Ritter, Deutsche
Geschichte, Bd. III, S. 102 f. Das Problem Mansfelds bei diesen Verhandlungen war,
dass er wegen eines früheren (verräterischen) Frontwechsels imJahre 1610 von Kaiser
Matthias geächtet worden war. Selbstverständlich verlangte er bei diesen Verhand­
lungen die Aufhebung der kaiserlichen Acht, aber solange er ein Geächteter war,
konnte er sich nicht sicher sein, ob sich die Gegenseite an ihr Wort gebunden fühlen
würde. 113 Bucquoy war seit 1606 Ritter des Ordens vom Goldenen Vließ und kai­
serlicher Feldmarschall; er war damals 49 Jahre alt und hatte den böhmischen Krieg
bereits zwei Jahre lang für den Kaiser geführt. 114 Die Zahlen nach Guthrie, Battles
ofth e Thirty Years War, S. 61 f.; zum Schlachtverlauf selbst ebd., S. 64-67; Chaline, L a
bataille de la montagne blanche, S. 33-213; Ritter, Deutsche Geschichte, Bd. III,
S. 105-109; Gindely, Geschichte des dreißigjährigen Krieges, Bd. 1, S. 115-228; Wedg­
wood, D er 30jährige Krieg, S. 110-112. In jüngeren deutschsprachigen Arbeiten zum
Dreißigjährigen Krieg wird häufig auf eine ausführliche Darstellung der Schlacht ver­
zichtet und nur deren Ergebnis mitgeteilt. 115 Die nachfolgende Darstellung der
Schlacht am Weißen Berg gründet sich auf Guthrie, Battles, S. 63-66; Gindely,
Geschichte des dreißigjährigen Krieges, Bd. 1, S. 215-219; Ritter, Deutsche Geschichte,
Bd. III, S. 105-108, sowie Rill, Tilly, S. 92-95. 116 Die Arkebuse war leichter als die
Muskete, die am Beginn des Dreißigjährigen Krieges zum Schuss auf eine Gabel
gelegt wurde, um sicherer zielen zu können; vgl. Ortenburg, Waffen der Landsknechte,
S. 52-57. 117 Polisensky und Kollmann ( Wallenstein , S. 63) gehen dagegen davon
aus, dass das Heer wenige Tage vor der Schlacht Sold erhalten habe und gerade des­
wegen nicht besonders kampfmotiviert gewesen sei. 118 Die Episode findet sich in
allen größeren Darstellungen der Schlacht am Weißen Berg; am ausführlichsten ist
sie bei Chaline ausgearbeitet: L a bataille, S. 137-140; siehe auch Gotthard, D er D rei­
ß igjährige Krieg, S. 100 f. 119 Der Titel eines Generalwachtmeisters entspricht nach
heutigen Vorstellungen dem eines Generalmajors; zu der Vita und den militärischen
Verwendungen Tiefenbachs vgl. Findeisen, D er D reißigjährige Krieg, S. 174 f. Trotz des
Erfolgs am Weißen Berg und der ausdrücklichen Belobigung Tiefenbachs durch
Maximilian blieb dieser stets ein «Mann der zweiten Reihe» - vielleicht auch des­
wegen, weil Wallenstein seine Heerführerqualität als eher gering einschätzte.
Anmerkungen 863

120 Heinrich Wilhelm Graf Solms-Laubach, der die böhmische Kavallerie am Wei­
ßen Berg führte. 121 Ritter, Deutsche Geschichte, Bd. III, S. 108; zu den Toten auf
dem Schlachtfeld müssen noch die etwa 1000 in der Moldau ertrunkenen Husaren
sowie die vor der eigentlichen Schlacht Getöteten hinzugerechnet werden; Guthrie
(Battles, S. 66) spricht von 4000 Gefallenen oder Gefangenen bei den Böhmen und
800 Gefallenen auf Seiten der kaiserlich-ligistischen Truppen, die meisten davon aus
dem Regiment Tiefenbach-Breuner. 122 Vgl. Chaline, L a bataille, S. 456-460;
Gotthard, D er D reißigjährige Krieg, S. 101 f. 123 In dem Bericht Christians von
Anhalt über die Schlacht am Weißen Berg (abgedruckt in Lorenz [Hg.], Quellen zur
Vorgeschichte, S. 501-511) wird die Flucht des Königs nachträglich gerechtfertigt:
«Vornehmblich so seind Ihre Majestät je mehr und mehr innen worden des großen
Falschs, Untreue und Verrätherei, so bei Großen und Kleinen daselbst unterbawet
und vorgeloffen, daß es auch auf dem und die Königliche Majestät in Gefahr gestan­
den, es möchten dieselben arrestirt und dem Feinde verrathen und übergeben wer­
den. Inmaßen dann es bei den Thoren ohne das sehr schwer zugegangen und von
männiglichen davor gehalten und judicirt worden, hätten sich Ihre Majestät noch
eine Stunde länger aufgehalten, daß sie von der Bürgerschaft nicht hinaus gelaßen
worden wären.» (S. 511) 124 Gindely, Geschichte des dreißigjährigen Krieges, Bd. 1,
S. 223. 125 Vgl. dazu die auf den 17. April 1621 datierte Erklärung Kaiser Ferdinands,
in der die zwischen Kursachsen und den schlesischen Ständen getroffene Vereinba­
rung ratifiziert wird; abgedruckt bei Lorenz (Hg.), Quellen zu r Vorgeschichte,
S. 539-542. 126 Zur Vita Liechtensteins, der in Böhmen zu einem der reichsten
Männer aufstieg, vgl. Findeisen, D er D reißigjährige Krieg, S. 144 f. 127 Gotthard, D er
D reißigjährige Krieg, S. 104. 128 Hierzu und zum Folgenden vgl. ebd., S. 105 f. 129
Zur Vita Lamormainis Findeisen, D er Dreißigjährige Krieg, S. 145 £; ausführlich zu sei­
ner Rolle Bireley, Religion and Politics in the A ge o f Counterreformation, passim;
zurückhaltender, was die Rekatholisierung anbetrifft, Brockmann, Dynastie, K aiser­
am t und Konfession, passim. 130 Vgl. hierzu Gotthard, D er Dreißigjährige Krieg,
S. 104 £; weiterhin Bergerhausen, «Die <Verneuerte Landesordnung> in Böhmen
1627», S. 327-351. 131 Hierzu und zum Folgenden Gindely, Geschichte des dreißigjäh­
rigen Krieges, Bd. 1, S. 237-241. 132 Ebd., S. 237. 133 Vgl. Mann, Wallenstein,
S. 189-215; Diwald, Wallenstein, S. 169-194, sowie Polisensky/Kollmann, Wallenstein,
S. 69-93. 134 Insofern gilt die auf den älteren Cato (Livius, Röm . Geschichte,
XXXIV, 9,12) zurückgehende Formel, wonach der Krieg den Krieg ernähre - bellum
se ipse alet - , nicht nur für Geld und materielle Ressourcen, sondern auch für die
Personen, die durch den Krieg hervorgebracht und vom Krieg auch wieder verzehrt
werden. 135 Wedgwood, D er30jährige Krieg, S. 123. 136 Vgl. Krüssmann, M ansfeld,
S. 233-237; letzte Reste des Widerstands hielten sich bis November 1621 in Tabor und
bis Anfang März 1622 in Wittingau (Tfebon). 137 Hierzu und zum Folgenden Gin­
dely, Geschichte des dreißigjährigen Krieges, Bd. 1, S. 240-244, sowie Wedgwood, D er
864 ANHANG

30jährige Krieg, S. 124 £ 138 Gindely, Geschichte des dreißigjährigen Krieges, Bd. 1,
S. 241 f. 139 Ebd., S. 242. 140 Diwald, Wallenstein, S. 146. 141 Wedgwood, D er
30jährige Krieg, S. 115. 141 Vgl. oben, S. 108. 143 Vgl. oben, S. 139 b 144 Vgl. Mout,
«Der Winterkönig im Exil», S. 257 ff 145 Wedgwood, D er 30jährige Krieg,
S. 116. 146 In einigen Darstellungen ist davon die Rede, die Kriegsschauplätze seien
infolge der Eroberung Böhmens durch den Kaiser und die Liga voneinander getrennt
worden: Der Krieg im Südosten, der von Bethlen Gabor und dem Herzog von Jägern-
dorf geführt wurde, sei nun räumlich von den Kriegshandlungen im Westen getrennt
gewesen. Diese Beschreibung des Geschehens folgt freilich zu sehr der Sicht Fried­
richs; außerdem wird zwischen dem Hauptkriegsschauplatz und den Nebenkriegs­
schauplätzen nicht unterschieden: Die Kriege Bethlen Gabors wurden nun zum
Nebenkriegsschauplatz, während der Hauptkriegsschauplatz von Böhmen in die
Pfalz und angrenzende Gebiete verlagert wurde. Zum Begriff des «Kriegsschauplat­
zes» und dem des «Kriegstheaters», die im Folgenden verwendet werden, vgl. Uhle-
Wettler, «Theatre of War», S. 1064 ff, sowie allgemein Füssel, «Theatrum Belli»,
S. 205 ff. 147 Vgl. oben, S. 140. 148 Vgl. oben, S. 101 ff. 149 Rrüssmann, M ans­
feld , S. 237-277. 150 Bucquoy war im Frühjahr 1621 mit dem Gros der kaiserlichen
Truppen nach Mähren marschiert, wo er die erneut eingefallenen Streifscharen Beth­
len Gabors bekämpfte. Bethlens leichte Reiter konnten gegen die Infanterie Buc-
quoys keine Schlacht schlagen, und Bethlen neigte ohnehin nicht dazu, alles auf eine
Karte zu setzen und sich auf eine Schlacht einzulassen. Bucquoys Streitmacht wie­
derum war nicht in der Lage, die siebenbürgisch-ungarischen Reiter zur Schlacht zu
stellen. Das änderte sich im Herbst 1621, als der Herzog von Jägerndorf, der bis dahin
im schlesisch-böhmisch-sächsischen Grenzgebiet operiert und dort den sächsischen
wie den kaiserlichen Truppen zu schaffen gemacht hatte, zu Bethlen stieß, so dass
dieser zahlenmäßig überlegen war. Zu diesem Zeitpunkt war Bucquoy bereits tot:
Am 10. Juli 1621 war er in dem Gefecht bei Neuhäusel tödlich verwundet worden.
Gegen Mansfeld stand Tilly nicht die gesamte Streitmacht der Liga zur Verfügung, da
Maximilian bei seiner Rückkehr aus Böhmen von mehreren Regimentern begleitet
worden war. 151 Zu dieser Phase des stillstehenden Krieges vgl. Krüssmann, M ans­
feld , S. 295-304, sowie Rill, Tilly, S. 107-110. 152 Dazu Krüssmann, M ansfeld,
S. 304-315, sowie Rill, Tilly, S. 110f. 153 Krüssmann, M ansfeld, S. 317. 154 Vgl. Reit­
zenstein, D er Feldzug des Jahres 1621, passim, sowie Weiß, D ie Unterstützung F ried ­
richs V. von der Pfalz, S. 24-27. 155 Zum Festungs- und Belagerungskrieg vgl. Duffy,
Siege Warfare, weiterhin Haas, «Belagerungskrieg», S. 289ff; Eichberg, «Geometri­
scher Krieg», S. 131 ff, sowie Heinisch, «Die Stadt als Festung», S. 283 ff. 156 Dazu
Parker, D ie militärische Revolution, S. 26-36. 157 Eine vorzügliche Darstellung der
zeitgenössischen Schriften über das Festungswesen findet sich bei Büchi, Fortifikati-
onsliteratur des 16. und 17. Jahrhunderts; vgl. auch die Beiträge in Marten u. a. (Hgg.),
Festungsbau. 158 Vgl. Parker, D er D reißigjährige Krieg, S. 72 b 159 Zit. nach Rill,
Anmerkungen 86s

Tilly, S. 113; auch die pfälzischen Truppen scheinen sich nicht viel besser in «ihrem»
Land verhalten zu haben: Die Soldaten des pfälzischen Heeres, heißt es, hätten
«ärger als die Feinde gehaust, Kisten und Kasten eröffnet und alles preis gemacht, die
Früchte aus den Scheuern und die Pfähle aus den Weingärten weggeführet, die Türen
ausgehoben und die Hütten daraus gemacht, Kühe und Schweine niedergeschossen
und alles verwüstet, daher der Pfalz Defensores [Verteidiger] ihre Devoratores [Ver­
wüster] genennt worden. Sonst haben die Spanischen auch große Furcht und Flen­
nen von einem Ort zum andern ins Land verursacht ...» Zit. nachJessen (Hg.), D er
D reißigjährige K rieg in Augenzeugenberichten, S. 131. 160 Dazu ausführlich Krüss-
mann, M ansfeld, S. 322. 161 Ebd., S. 326, sowie Rill, Tilly, S. 111 f. 162 Hierzu und
zum Folgenden Ritter, Deutsche Geschichte, Bd. III, S. 133 ff. 163 Diese Entscheidung
des Landgrafen Moritz wird in der einschlägigen Literatur (Malettke, «Der Dreißig­
jährige Krieg in Hessen», S. 61 ff.; Weiand, Hessen-Kassel und die Reichsverfassung,
S. 24 ff.) zumeist in ihrer politischen Tragweite unterschätzt, weil Hessen-Kassel im
Jahr darauf - nach dem Auffauchen Christian von Braunschweigs auf dem Kriegs­
schauplatz - wieder eine aktive Kriegspolitik betrieb, freilich eine, die wesentlich an
seinen oberhessischen Gebietsansprüchen orientiert war. 164 Diese Zahlen nach
Gindely, Geschichte des dreißigjährigen Krieges, Bd. 2, S. 32 h Sie mögen etwas zu hoch
gegriffen sein; vermutlich handelte es sich dabei nicht nur um die Kampftruppen,
sondern auch um die Trossknechte und den sonstigen Anhang der Söldner. 165 Vgl.
die Kurzbiographie Georg Friedrichs bei Findeisen, D er D reißigjährige K rieg, S. 118 £;
zur Charakteristik des Markgrafen vgl. auch Ritter, Deutsche Geschichte, Bd. III,
S. 153. 166 Dazu Guthrie, Battles, S. 87. 167 Zur Vita Christians vgl. Findeisen, D er
D reißigjährige Krieg, S. 105-111; ausführlich Wertheim, D er Tolle Halberstädter, sowie
Smid, D er Tolle Halberstädter. 168 Im Spätherbst 1621 stieß Christian mit einigen
tausend Mann, die er auf eigene Kosten geworben hatte, nach Süden vor, wurde aber
von dem Grafen Anholt, einem Unterführer Tillys, bei Kirtorf gestoppt und musste
sich nach Niedersachsen zurückziehen. 169 Zum Gefecht bei Mingolsheim vgl.
Guthrie, Battles, S. 87 f.; Krüssmann, M ansfeld, S. 399-401, sowie Rill, Tilly,
S. 118 f. 170 Zit. nach Rill, Tilly, S. 120. 171 Vgl. oben, S. 178. 172 Zu den mögli­
chen Gründen der Trennung vgl. Krüssmann, M ansfeld, S. 403 £, sowie Rill, Tilly,
S. 120. 173 So auch Ritter, Deutsche Geschichte, Bd. III, S. 158. 174 Zum Schlacht­
verlauf vgl. Guthrie, Battles, S. 89 £, sowie Rill, Tilly, S. 120-123; in der älteren Litera­
tur Gindely, Geschichte des dreißigjährigen Krieges, Bd. 2, S. 35 h, sowie Ritter, Deutsche
Geschichte, Bd. III, S. 158 £.; für eine kritische Studie der Quellen zur Schlacht vgl.
Gmelin, «Beiträge zur Geschichte der Schlacht bei Wimpfen», S. 332 ff. 175 Diese
Angaben nach Guthrie, Battles, S. 90; in der älteren Literatur werden die Verluste Til­
lys in der Schlacht von Wimpfen niedriger angegeben. 176 Vgl. oben, S. 184. 177
Vgl. Gmelin, «Beiträge zur Geschichte der Schlacht bei Wimpfen», S. 340. 178 Vgl.
Krüssmann, M ansfeld, S. 405-407, sowie Rill, Tilly, S. 123h 179 Krüssmann, M ans-
866 ANHANG

S. 407-414. 180 Welche Rolle Mansfeld bei diesen Entscheidungen spielte, ist
fe ld j
unklar, denn er scheint zu dieser Zeit schwer krank gewesen zu sein und konnte das
Heer nicht begleiten; ebd., S. 411 f. 181 Vgl. Smid, D er Tolle Halberstädter,
S. 23-27. 182 Zur Schatzbildung Christians vgl. ebd., S. 24; dass Christian sich und
seine Offiziere in einem eroberten Kloster von nackten Nonnen habe bewirten lassen,
ist wohl eine Erfindung, die ihn als Wüstling charakterisieren sollte. Sie wird in der
Literatur aber weiterhin kolportiert, etwa bei Franzi, Ferdinand II., S. 197. 183 Smid,
D er Tolle Halberstädter, S. 23. 184 Zur Schlacht von Höchst vgl. Guthrie, Battles,
S. 98 £; Rill, Tilly, S. 126-129, und Smid, D er Tolle Halberstädter, S. 28-32. 185 Dazu
ausführlich Ortenburg, Waffen der Landsknechte, S. 104 ff. sowie 126 f. 186 Das Fal­
konett war ein leichtes Geschütz, das Kugeln von drei Pfund verschoss; es gab auch
halbe Falkonetts, die Kugeln von eineinhalb Pfund abfeuerten. Als Feldstücke
bezeichnete man nicht weiter normierte Kanonen geringeren Kalibers, die der leich­
ten Artillerie zuzurechnen waren. Karthaunen waren schwere Geschütze, die Kugeln
mit einem Gewicht von etwa fünf Pfund verschossen. Das Falkonett hatte ein deut­
lich längeres, in der Regel doppelt so langes Kanonenrohr wie die Karthaune, und
seine optimale Schussentfernung war mit etwa 750 Metern größer als die der Kart­
haune, die bei etwa 500 Metern lag. Das Falkonett war für das Distanzgefecht somit
besser geeignet, während die Karthaune eine Waffe des Nahgefechts war. Der Einsatz
beider Geschütztypen war auch darum so kompliziert, weil es gerade die Waffe fürs
Nahgefecht war, die nach Beginn der Schlacht so gut wie unbeweglich war. Wollte
man sie nicht an einen schnell attackierenden Feind verlieren, so waren die Schwer­
punkte der eigenen Gefechtsführung durch die Aufstellung der Karthaunen vorgege­
ben. 187 Tilly verfügte außerdem über sieben leichte Kanonen, die aber nicht ein­
gesetzt, sondern offenbar in Reserve gehalten wurden. 188 Diese Zahlenangaben
folgen Guthrie, Battles, S. 99, nicht Rill, Tilly, S. 128, der davon ausgeht, dass Christian
nur ein Drittel seiner Armee habe retten können. 189 So etwa Gindely, Geschichte
des dreißigjährigen Krieges, Bd. 2, S. 37; ähnlich auch Ritter, Deutsche Geschichte, Bd. III,
S. 161, der von einer «entblößten und demoralisierten Truppe» spricht, die Christian
dem Pfalzgrafen zugeführt habe; Rill, Tilly, S. 128 £, folgt diesem Urteil. 190 Am
Anfang dieser Sicht steht Wedgwood (D er 30jährige Krieg, S. 135); sie findet sich wei­
terhin (zurückhaltend) bei Guthrie, Battles, S. 99; Smid, D er Tolle Halberstädter, S. 32,
sowie Flieger, D ie Schlacht bei Stadtlohn, S. 59-90, insbes. S. 86-89; außerdem Krüss-
mann, M ansfeld, S. 416£ 191 Zur Praxis des «Untersteckens» oder «Unterstel­
lens» von Gefangenen in den eigenen Truppen vgl. Burschei, Söldner, S. 158 £ 192
Zu dieser «Moral» von Callots Radierungen vgl. Schuchter, Jacques Callot, S. 125 ff.,
sowie Chone, «Die Kriegsdarstellungen Jacques Callots», S. 409-426. 193 Dazu
Rill, Tilly, S. 128 f. 194 Vgl. Ritter, Deutsche Geschichte, Bd. III, S. 161. 195 Dazu
Krüssmann, M ansfeld, S. 4 17 {., sowie Smid, D er Tolle Halberstädter, S. 32. 196 Vgl.
oben, S. 139 £ 197 Ausführlich Ritter, Deutsche Geschichte, Bd. III, S. 161-163; es fällt
Anmerkungen 867

auf, dass die Brüsseler Verhandlungen in jüngeren Darstellungen des Krieges, wie
denen von Press, Kampmann und Gotthard, keinerlei Rolle spielen, ja nicht einmal
erwähnt werden. 198 Für Mansfeld war das ein Geschäftsmodell, für Christian von
Halberstadt ein politisches Projekt; zu dieser «Zwischenphase» für die beiden
Kriegsunternehmer vgl. Krüssmann, Mansfeld, S. 4x8-436, sowie Smid, Der Tolle H al­
berstädter, S. 34. 199 Vgl. oben, S. 118. 200 Die langwierigen Verhandlungen, die
immer wieder durch Finten gegenüber Frankreich und Spanien abgesichert werden
mussten, sind ausführlich dargestellt bei Krüssmann, Mansfeld, S. 436-444. 201
Vgl. hierzu und zum Folgenden Krüssmann, Mansfeld, S. 444-454, und Smid, Der
Tolle Halberstädter, S. 34-36; einige knappe Bemerkungen, die sich auf die Angaben
zu den in der Schlacht bei Fleurus eingesetzten Regimentern beschränken, finden
sich bei Guthrie, Battles, S. 100 f. 202 Vgl. etwa Krüssmann, Mansfeld, S. 452 (linke
Hand); Smid, Der Tolle Halberstädter, S. 36 (oberhalb des Ellbogens). 203 Zit. nach
Jessen (Hg.), Der Dreißigjährige Krieg in Augenzeugenberichten, S. 148. 204 Zit. nach
Smid, D er Tolle Halberstädter, S. 37. 205 Vgl. ebd., S. 45 f. 206 Hierzu und zum Fol­
genden Flieger, Die Schlacht bei Stadtlohn, S. 129. 207 Eine Abbildung des zeitge­
nössischen Stichs von Bartholomäus Kilian findet sich bei Lahrkamp, Dreißigjähriger
Krieg, Westfälischer Frieden, S. 127. 208 Dazu Rill, Tilly, S. 131-133. 209 Ebd.,
S. 132. 210 Zit. nach Jessen, D er Dreißigjährige Krieg, S. 144. 211 Das gilt für Rill,
Tilly, S. 132 £, aber auch für Junkelmann, Tilly, der dem Bild des Feldherrn in der kol­
lektiven Erinnerung der Deutschen einen eigenen Abschnitt gewidmet hat («Apoka­
lyptisches Ungeheuer und verhöhnter Verlierer», S. 75-82). 212 Dazu Ritter, Deut­
sche Geschichte, Bd. III, S. 167. 213 Die Bestände der Bibliotheca Palatina sind
inzwischen digitalisiert und in dieser Form in Heidelberg verfügbar. 214 So Gott­
hard, Der Dreißigjährige Krieg, S. 114. Zu dieser Streitfrage vgl. Keunecke, «Die Vorbe­
reitung der Heidelberger Bücherentführung», S. 408-415. 215 Zur Plünderung
Mantuas durch Gallas und Aldringen vgl. Martines, Blutiges Zeitalter, S. 200-204,
sowie unten, S. 403 f. 216 Hierzu und zum Folgenden Ritter, Deutsche Geschichte,
Bd. III, S. 172 t 217 Vgl. oben, S. 107 f.; ausführlich Straub, P ax et Imperium,
S. 163-204; insbes. S. 173ff. 218 Vgl. Ritter, Deutsche Geschichte, Bd. III, S. 176. 219
Dazu allgemein Schmidt, Spanische Universalmonarchie, S. 95 ff. 220 Vgl. oben,
S. 130 ff. 221 Vgl. Krüssmann, Mansfeld, S. 324 £ 222 Vgl. Ritter, Deutsche Geschichte,
Bd. III, S. 177. 223 Gotthard (D er Dreißigjährige Krieg, S. 112 f.) spricht davon, die
kaiserlich-katholische Seite habe «ihren Triumph so maßlos aus[genutzt], dass das
den Fortgang von Kampfhandlungen geradezu provozieren musste». Kampmann
(Europa und das Reich, S. 48) schreibt, die Belehnung Maximilians mit der pfälzi­
schen Kur habe «ein kaum überwindbares Hindernis für eine Rückkehr zum Frie­
den im Reich aufgerichtet». 224 Zum politiktheoretischen Hintergrund dieser
Auseinandersetzung vgl. Dreitzel, «Ständestaat und absolute Monarchie», S. 19-50,
insbes. S. 34 £; zur Bedeutung des Kaisers als Akteur, Nutznießer und schließlich Ver-
868 ANHANG

lierer des Krieges vgl. Kampmann, «The Emperor», S. 39 ff. 225 Gindely, Geschichte
des dreißigjährigen Krieges, Bd. 2, S. 47; Gotthard (D er Dreißigjährige Krieg, S. 114)
spricht gar von einer «irregulären Versammlung». 226 Für eine ausführliche Dar­
stellung dieser Beratungen vgl. Ritter, Deutsche Geschichte, Bd. III, S. 185-187. 227
Zit. nach ebd., S. 187, Fn. 3 und 4. 228 Zit. nach ebd., S. 188. 229 Zit. nach Jessen,
D er Dreißigjährige Krieg, S. 153; in der Analyse Bireleys war das der Auftakt zu dem,
was er als «triumph of militance» bezeichnet und auf die Zeit zwischen 1624 und
1629 datiert (Bireley, The Jesuits, S. 63 fF.). 230 Zit. nach Jessen, D er Dreißigjährige
Krieg, S. 153.

3. K A P IT E L
FO RTG AN G UND A U SW EITU N G:
DER N IED ERSÄ C H SISC H -D Ä N ISC H E K RIEG

1 Schormann, «Dreißigjähriger Krieg 1618-1648», S. 226 ff.; ders., D er Dreißigjährige


Krieg, S. 34 ff; Arndt, D er D reißigjährige Krieg, S. 84 ff; diese Zurechnung geht auf
ältere Darstellungen zurück, etwa Klopp, D er dreißigjährige Krieg, der den «däni­
schen Krieg» 1625 beginnen lässt. Dagegen werden bei Ritter (Deutsche Geschichte,
Bd. III, S. 225ff.) und Gindely (Geschichte des dreißigjährigen Krieges, Bd. 2, S. 56ff.)
die Ereignisse der «Zwischenphase» dem niedersächsisch-dänischen Krieg als des­
sen Auftakt zugerechnet; dieser Sicht folgen unter den jüngeren Historikern explizit
Kampmann (E uropa und das Reich, S. soff.) und implizit Gotthard (D er D reißigjäh­
rige Krieg, S. 117f.). 2 Vgl. oben, S. 61 ff. 3 Rill, Tilly, S. 138£, sowie Ritter, Deutsche
Geschichte, Bd. III, S. 246 h; speziell für den Raum Friedberg vgl. Rock, «Die Reichs­
stadt Friedberg zur Zeit des 30jährigen Krieges», S. 3-74. 4 Dazu ausführlich Opel,
D er niedersächsisch-dänische Krieg, Bd. 1, S. 387 ff. 5 So Stadler, Pappenheim und die
Z e it des D reißigjährigen Krieges, S. 131. 6 Vgl. Kampmann, Europa und das Reich,
S. 50 £; zur Bedeutung der Reichskreise für die Organisation des Militärwesens vgl.
Magen, «Die Reichskreise in der Epoche des Dreißigjährigen Krieges», S. 409-460,
insbes. S. 429 ff. 7 Opel, D er niedersächsisch-dänische Krieg, Bd. 1, S. 412 ff. 8 Vgl.
Smid, D er Tolle Halberstädter, S. 44. 9 Rill, Tilly, S. 138 f. 10 Zur Lebensform und
den Existenzproblemen «gartender» Landsknechte, das heißt abgedankter Soldaten,
die keinen neuen Soldherrn haben, vgl. Burschei, Söldner, S. 277 ff. 11 Smid, D er
Tolle Halberstädter, S. 45; Opel, D er niedersächsisch-dänische Krieg, Bd. 1, S. 437 ff 12
Es ist unklar, unter welchem äußeren Druck Christian bei dieser Entscheidung stand;
es gibt Berichte, dass seine Offiziere Widerstand gegen eine Abdankung angemeldet
hätten (Smid, D er Tolle Halberstädter, S. 46). Christians Abdankung als Administra­
tor des Stifts Halberstadt war daran gebunden, dass das Domkapitel den Sohn des
Anmerkungen 869

dänischen Königs Christian I V.; der bereits das Bistum Verden innehatte und Anwär­
ter auf Bremen war, zu seinem Nachfolger wählte. Das war mehr als eine Geste der
Dankbarkeit gegenüber dem Dänenkönig, dem Patenonkel Christians; es ging Chris­
tian darum, Dänemark in den Krieg hineinzuziehen, und je stärkere Interessen die in
Dänemark regierende Dynastie der Oldenburger im Reich und an der protestanti­
schen Sache hatte, desto wahrscheinlicher war ihr Eingreifen in den Krieg; vgl. Ritter,
Deutsche Geschichte, Bd. 3, S. 251. 13 Hierzu und zum Folgenden Krüssmann, M ans­
feld, S. 460-475. 14 Vgl. ebd., S. 489-498. 15 Ebd., S. 500-503. 16 Vgl. Kaiser,
Politik und Kriegführung, S. 205-207. 17 Vgl. oben, S. 208. 18 Dazu Smid, Der Tolle
Halberstädter, S. 50; Flieger, Stadtlohn, S. 163; Rill, Tilly, S. 142, sowie Guthrie, Battles,
S. 106. 19 In der Literatur ist häufig von einem Entschluss zur Flucht die Rede. Es
ging aber nicht um Flucht, sondern um geordneten Rückzug. 20 Dabei dürfte die
Übermüdung der Soldaten infolge des hohen Marschtempos bei großer Hitze, aber
auch der starke Zuspruch zu alkoholischen Getränken am Vorabend eine Rolle
gespielt haben; vgl. Flieger, Stadtlohn, S. 164. 21 Zur Schlachtbeschreibung vgl. Flie­
ger, Stadtlohn, S. 165-187; Smid, Der Tolle Halberstädter, S. 50-52, sowie Guthrie, Batt­
les, S. 109-116. 22 So Junkelmann, Tilly, S. 37. 23 Zit. nach Rill, Tilly, S. 145. 24
Zu Johann Jakob Freiherr von Bronkhorst, Graf von Anholt vgl. Flieger, Stadtlohn,
S. 93-102. Anholt hatte hier die Truppen Mansfelds beobachtet; er war darum mit
den räumlichen Gegebenheiten bei Stadtlohn vertraut. 25 Vgl. Rill, Tilly,
S. 146 f. 26 Vgl. Krüssmann, Mansfeld, S. 514-517. 27 Der «Immisionsrezeß», mit
dem die Verpfändung öffentlich angezeigt wurde, ist bei Lorenz (Hg.), Quellen zur
Vorgeschichte, S. 572-575, abgedruckt. 28 Dazu Rebitsch, Wallenstein, S. 20 ff. 29
Ausführlich Bermbach, «Widerstandsrecht, Souveränität, Kirche und Staat»,
S. 101-162. 30 Zu Tschernembl vgl. Sturmberger, Georg Erasmus von Tscher-
nembl. 31 Polisensky/Kollmann, Wallenstein, S. 19. 32 Die Vorgänge in Altdorf
sind ausführlich geschildert bei Diwald, Wallenstein, S. 29-32, sowie Mann, Wallen­
stein, S. 24-31. 33 Polisensky/Kollmann, Wallenstein, S. 19. 34 Vgl. das Stichwort
«Hofmann» in Münkler/Münkler, Lexikon der Renaissance, S. 147-151; zu Wallen­
steins Italienpräferenz vgl. Rebitsch, Wallenstein, S. 24 f. 35 «Wallenstein entledigte
sich der Pflichten gegen die Kirche, zu der er übergetreten war, indem er in der Oster­
zeit zu den Sakramenten ging und in seinen Herrschaften den Jesuiten eine Stätte
ihrer Wirksamkeit bereitete, im Übrigen hatten die Gedanken von Religion und Kir­
che über seine öffentliche Wirksamkeit keine Macht.» Ritter, Deutsche Geschichte,
Bd. III, S. 305. 36 Mit den 92 Untertanenfamilien, die zu Gut Hermanitz/
Hermanice, Wallensteins Erbe, gehörten, stand er «weit unten auf der Stufenleiter
der feudalen Grundherrn»; Polisensky/Kollmann, Wallenstein, S. 17. 37 Zur Beur­
teilung der militärischen Leistungen Wallensteins vgl. Schmidt, «Wallenstein als
Feldherr», S. 241-260, sowie Rebitsch, Wallenstein, S. 51-95; vgl. auch die Charakte­
risierung Wallensteins bei Wedgwood, D er Dreißigjährige Krieg, S. 150 ff.; zu den orga-
870 ANH ANG

nisatorischen Fähigkeiten Wallensteins vgl. Kunisch, «Wallenstein als Kriegsunter­


nehmer», S. 153-161. 38 Vgl. das Kapitel «Die rätselhaften Krankheiten
Wallensteins» in Polisensky/Kollmann, Wallenstein, S. 23-27; zu Wallensteins Krank­
heiten auch Rebitsch, Wallenstein, S. 48-50. 39 Zu Kepler und seinem Horoskop
für Wallenstein vgl. Posch, Johannes Kepler, S. 192-195, sowie Rebitsch, Wallenstein,
S. 45-48; ausführlich Geiger, Wallensteins Astrologie. 40 Zu den Umständen des
Horoskops und dessen Wortlaut auch Mann, Wallenstein, S. 86-95, sowie Diwald,
Wallenstein, S. 48-54. 41 Vgl. oben, S. 243. 42 Dazu Diwald, Wallenstein,
S. 212-221, und Mann, Wallenstein, S. 230-235; in manchen Darstellungen ist die zah­
lenmäßige Überlegenheit Bethlens noch größer. 43 Wallenstein an Harrach am
10. November 1623; zit. nach Jessen (Hg.), Der Dreißigjährige Krieg in Augenzeugenbe­
richten, S. 161; ebenso Lorenz (Hg.), Quellen zur Geschichte Wallensteins, S. 66 f. 44
Diwald, Wallenstein, S. 223-246; Mann, Wallenstein, S. 254-285; Polisensky/Koll­
mann, Wallenstein, S. 85-93; speziell Ernstberger, Wallenstein als Volkswirt. 45 Zit.
nach Lorenz (Hg.), Quellen zur Geschichte Wallensteins, S. 68. 46 Diwald, Wallen­
stein, S. 258. 47 Das ist das vor allem von Hellmut Diwald gezeichnete Wallenstein­
bild; zum Wechsel des Wallenstein-Bildes in der Geschichte vgl. Kampmann,
«Albrecht von Wallenstein», S. 109-127. 48 Im Sommer 1625, also schon kurz nach
der Übertragung des Oberkommandos über die kaiserlichen Streitkräfte, schrieb
Wallenstein an Collalto: «Dieser Tag hat mir der Coloredo [Rudolf Graf von Collo-
redo-Waldsee, zu diesem Zeitpunkt mit einem Werbepatent für die Aufstellung eines
Regiments Fußsoldaten ausgestattet] gesagt, daß der Don Balthasar [Marradas] ihm
gesagt hätte, es nehme ihn groß Wunder, daß ich ohne einiger hohen Offiziers Anzie­
hung vermeine, die Armada zu führen»; zit. nach Jessen (Hg.), D er Dreißigjährige
Krieg in Augenzeugenberichten, S. 170 f. 49 Zu den Madrider Gesprächen aus spani­
scher Sicht Straub, F ax et Imperium, S. 190 ff. 50 Vgl. Asch, Jakob I., S. 195 f., sowie
Weiß, Die Unterstützung Friedrichs V. von der Pfalz, S. 58 f. 51 Dazu Krüssmann,
Mansfeld, S. 528-534. 52 Dazu Externbrink, Le cceur du monde, S. 59 ff.; speziell zu
den Pässen des Veltlins und Graubündens vgl. Wendland, D er Nutzen der Pässe und
die Gefährdung der Seelen, S. 133 f.; allgemein Bely, «France and the Thirty Years War»,
S. 87-99. 53 Zu dieser Position und dem Ringen darum in der Zeit Richelieus vgl.
Kampmann, Arbiter und Friedensstiftung, S. 140-169. 54 Zu Richelieu vgl. Burk­
hardt, Der Dreißigjährige Krieg, S. 45 ff; zu den Leitlinien der Politik Richelieus Dick­
mann, «Rechtsgedanke undMachtpolitikbei Richelieu», S. 36ff; Weber, «Une Paix
süre et prompte», S. liiff, sowie Wollenberg, Richelieu, S. 39-114; allgemein Babel,
Deutschland und Frankreich im Zeichen der habsburgischen Universalmonarchie. 55
Vgl. Krüssmann, Mansfeld, S. 534-539. 56 Dazu ausführlich Weber, Frankreich, Kur­
trier, der Rhein und das Reich, passim, sowie ders., «Vom verdeckten zum offenen
Krieg», S. 203 ff; zur Politik des Trierer Erzbischofs und Kurfürsten von Sötern vgl.
ausführlich Baur, Philipp von Sötern, 2 Bde.; zur Deutschlandpolitik Richelieus Burck-
Anmerkungen 871

hardt, Richelieu, Bd. 2, S. 239-425. 57 Für einen Überblick zu zweieinhalb Jahrhun­


derten Rivalität in Skandinavien und im Baltikum vgl. Zernack, «Das Zeitalter der
Nordischen Kriege», S. 55-79. 58 Vgl. Junkelmann, Gustav Adolf, S. 250-284. 59
Vgl. Gindely, Geschichte des dreißigjährigen Krieges, Bd. 2, S. 66. Gustav Adolf bot an,
«12 Regimenter Fußvolk und 2000 Reiter auszurüsten, wenn England, die General­
staaten und einige deutsche Fürsten sich an dem Bündnisse beteiligen und 21 Regi­
menter Fußvolk und 6000 Reiter aufstellen und zwei Drittel der Kriegskosten tragen
würden» (ebd.). Den Oberbefehl über dieses Heer beanspruchte Gustav Adolf für
sich selbst; ausführlich Barudio, G ustaf Adolf, S. 315 ff.; zur imperialen Politik Schwe­
dens vgl. Lundkvist, «The Experience of Empire», S. 20-57; zum Problem der Legi­
timation des Kriegseintritts vgl. Piirimäe, «Just War in theory and practice: the legi-
timation of Swedish intervention», S. 499-523, sowie Junkelmann, Gustav Adolf,
S. 285-288. 60 Zu Dänemark und Christian IV. vgl. Lockhart, Denmark in the
Thirty Years' War, sowie in Kurzfassung ders., «Denmark», S. 65-76. 61 Gotthard
( Der Dreißigjährige Krieg, S. 125) nennt als weiteren Grund für den Kriegseintritt
Christians persönlichen Ehrgeiz: Er war 48 Jahre alt und hatte noch keinen strahlen­
den Sieg errungen. 62 Vgl. Krüger, «Dänische und schwedische Kriegsfinanzie­
rung», S. 277 ff. 63 Barudio, Der Deutsche Krieg, S. 267 fr., sowie zum Erfordernis,
die Stände in die Außenpolitik einzubinden, Goetze, Die Politik des schwedischen
Reichskanzlers Oxenstierna, passim. 64 Der Allianzvertrag ist auszugsweise abge­
druckt bei Roeck (Hg.), Gegenreformation und Dreißigjähriger Krieg, S. 250-255; für
die vollständige Fassung des Allianzvertrags vgl. Lorenz (Hg.), Quellen zur Geschichte
Wallensteins, S. 99-104. 65 Roeck (Hg.), Gegenreformation und Dreißigjähriger Krieg,
S. 251. 66 Hierzu und zum Folgenden Ritter, Deutsche Geschichte, Bd. III,
S. 309 ff. 67 Zit. nach Lorenz (Hg.), Quellen zur Geschichte Wallensteins, S. 101. 68
Gotthard, Der Dreißigjährige Krieg, S. 122; Ritter, Deutsche Geschichte, Bd. III,
S. 310. 69 Dazu Gindely, Geschichte des dreißigjährigen Krieges, Bd. 2, S. 65 ff. 70
Ebd., S. 69. 71 Dazu Gotthard, «<Politice seint wir Bäpstisch>. Kursachsen und der
deutsche Protestantismus», S. 275-319. 72 Gindely, Geschichte, Bd. 2, S. 84f.; Ritter,
Deutsche Geschichte, Bd. III, S. 316 f. 73 Es gibt für die früheren Angebote Wallen­
steins keine Belege, aber in den 1625 geführten Verhandlungen wurde darauf zurück­
verwiesen. 74 Zu den Beratungen des Eggenberg’schen Gutachtens im engsten
Kreis der kaiserlichen Berater vgl. Diwald, Wallenstein, S. 253 f. 75 Vgl. oben, S. 79 £
und S. 66 f. 76 Vgl. dazu Whaley, D as Heilige Römische Reich, S. 603 ff. 77 Zit.
nach Gindely, Wallenstein während seines ersten Generalats, S. 50. 78 Ebd. 79 Zit.
nach Lorenz (Hg.), Quellen zur Geschichte Wallensteins, S. 87 h 80 Zit. nach Roeck
(Hg.), Gegenreformation und Dreißigjähriger Krieg, S. 209 f. 81 Dazu ausführlich
Diwald, Wallenstein, S. 258 £, ebenso Rebitsch, Wallenstein, S. 55 fF. 82 Zit. nach
Lorenz (Hg.), Quellen zur Geschichte Wallensteins, S. 97k 83 Ebd., S. 93. 84 Die
fundamentale Machtverschiebung durch die Ernennung Wallensteins zum General
872 ANH ANG

und die Aufstellung einer kaiserlichen Armada ist in den wenigsten Darstellungen
zum Dreißigjährigen Krieg zutreffend erkannt beziehungsweise gezeigt worden; vgl.
etwa die Ausführungen zum ersten Generalat Wallensteins bei Kampmann, Europa
und das Reich, S. 56-59, oder bei Gotthard, Der Dreißigjährige Krieg, S. 187-191. 85
Kampmann, Europa und das Reich, S. 51. 86 Lorenz (Hg.), Quellen zur Geschichte
Wallensteins, S. 90. 87 Franz Christoph Graf Khevenhüller war von 1616 bis 1631 kai­
serlicher Gesandter in Madrid; er verfasste anschließend die Annales Ferdinandi, in
denen diese Äußerung überliefert ist. Sie ist in dem Zusammenhang, in den sie von
Khevenhüller gestellt wurde, zweifellos falsch, trifft der Sache nach aber den Kern
von Wallensteins Vorgehen. 88 Zit. nach Diwald, Wallenstein, S. 277. 89 In der
Forschung wird die Entstehung des Kontributionssystems verschiedentlich so darge­
stellt, als habe Wallenstein nach einiger Zeit gemerkt, dass er die Armee nicht aus
eigenen Mitteln unterhalten könne, und erst dann zum Instrument der Kontributio­
nen gegriffen. Infolgedessen habe er sich doppelt entschädigen lassen: durch die Pra­
xis der Kontributionen und die Aufrechnung der Armeekosten gegenüber dem Hof
(so Gotthard, D er Dreißigjährige Krieg, S. 187-197). Das ist unzutreffend: Wallenstein
hat, wie die erwähnten Einlassungen seines Schwiegervaters Karl von Harrach gegen­
über dem Kaiser zeigen, von Anfang an mit offenen Karten gespielt, und was er vom
Hof erstattet haben wollte, waren seine Ausgaben für die Vorfinanzierung der Armee.
Er drängte auf Rückzahlung des Kredits, den er dem Kaiser gewährt hatte, und als der
Kaiser dem nicht nachkommen konnte, wurde Wallenstein mit dem Herzogtum
Mecklenburg «entschädigt». Die Armee hingegen finanzierte sich durch das Kontri­
butionssystem. 90 Zit. nach Klopp, D er dreißigjährige Krieg, Bd. 3, Teil 1, S. 22. 91
Ebd., S. 20. 92 Döblin, Wallenstein, S. 469; verschiedentlich ist bei Döblin auch von
Tyrannei die Rede. 93 Schmitt, «Exkurs über Wallenstein als Diktator», S. 79-96,
hier S. 80. 94 Ebd., S. 82 ff. 95 Die Kontributionen sind freilich in der Instruktion
nur sehr vage Umrissen; sie werden zentral in den Verabredungen von Bruck an der
Leitha aus dem Jahre 1626, durch die Wallenstein von seiner angedrohten Demissio-
nierung abgehalten wurde. In Bruck wurden Wallensteins Befugnisse noch einmal
deutlich erweitert; vgl. Diwald, Wallenstein, S. 367 fr. 96 Vgl. Kampmann, Europa
und das Reich, S. 58. 97 Ebd., S. 59. 98 Machiavelli, D er Fürst, S. 29. 99 Schmitt,
«Exkurs über Wallenstein als Diktator», S. 86. 100 Vgl. dazu am Beispiel der engli­
schen Revolutionen Schröder, Die englischen Revolutionen, S. 167 f. und 207-217. 101
Zit. nach Klopp, D er dreißigjährige Krieg, Bd. 3, Teil 1, S. 8f. 102 Vgl. Simms, K am pf
um Vorherrschaft, S. 43-62. 103 Garl Schmitts Urteil über Wallensteins zweites
Generalat unterscheidet sich nicht wesentlich von seiner Beurteilung des ersten
Generalats, wobei er sich freilich auf die formalen Festlegungen konzentrierte und
die tatsächliche Macht weitgehend außer Acht ließ; vgl. Schmitt, «Exkurs über Wal­
lenstein als Diktator», S. 87 ff. 104 Meier, Die Ohnmacht des allmächtigen Dictators
Caesar, S. 17-100. 105 Diese Debatte ist mit den in ihren Wertungen gegensätzli-
Anmerkungen 873

chen Wallenstein-Biographien Hellmut Diwalds und Golo Manns zu einem vorläufi­


gen Abschluss gekommen: Die Quellen sind erschlossen, mit einer Klärung der noch
offenen Fragen durch den Fund neuer Quellen ist nicht mehr zu rechnen, aber die
Urteile über Wallenstein bleiben konträr. Sie sind von dem Urteil über die Verfassung
des Reichs seit dem Westfälischen Frieden bis zu seinem Ende zu Beginn des 19. Jahr­
hunderts abhängig. Während die «borussische» Historiographie die Schwäche des
Reichs beklagt und in ihr den Grund dafür sah, dass äußere Mächte Reichsgebiete
entfremdet und Deutschland zum Kriegsschauplatz Europas gemacht haben, ist in
der Historiographie der Bundesrepublik parallel zum Fortschritt des europäischen
Einigungsprozesses die Reichsverfassung zum Paradigma eines friedlichen Europa
geworden: eine föderative Struktur, Austragung von Konflikten und Dissensen in
Form von Rechtsauseinandersetzungen, keine militärische Expansionsfähigkeit nach
außen; vgl. Aretin, D as Alte Reich, Bde. 1 und 2, sowie Whaley, D as Heilige Römische
Reich, Bd. 1, S. 461-500. Damit war auch das Wallenstein-Problem stillgestellt, bezie­
hungsweise Wallensteins Scheitern war bei einer insgesamt positiven Bewertung der
Reichsverfassung geschichtspolitisch keine Katastrophe mehr, über deren Revision
nachzudenken war. 106 Vgl. Polisensky/Kollmann, Wallenstein, S. 4-8. 107 Ein
zentrales Spiegelelement Wallensteins in Schillers Trilogie ist der Bezug auf Machia-
velli und dessen Ratschläge zum politischen Erfolg. Der Machiavelli-Bezug enthisto-
risiert jedoch Wallenstein und macht ihn zum zeitlosen Paradigma politischen Han­
delns und Scheiterns; vgl. Alt, Schiller, Bd. 2, S. 441. 108 Im Zentrum von Döblins
Wallenstein-Roman steht entgegen den durch den Titel geweckten Erwartungen
Kaiser Ferdinand II., der als Spiegelbild von Wilhelm II. gelesen werden kann. Ferdi­
nand ist bei Döblin ein schwacher Mann, in seinen Entscheidungen hin- und her­
schwankend, ständig um Rat nachsuchend und mit einer starken Neigung, den
Zumutungen des politischen Betriebs zu entfliehen: in politische Traumwelten, in
denen er sich als allmächtige kaiserliche Majestät und souveräner Herrscher im Zen­
trum Europas imaginiert, in rührselige Frömmelei, die zur Folge hat, dass die diessei­
tige Welt im Vergleich mit demJenseits eine unbedeutende Rolle spielt, oder in herr­
scherliche Beschäftigungen, wie ausgedehnte Jagdaufenthalte. All das ist bei Kaiser
Wilhelm vor und vor allem während des Ersten Weltkriegs ebenfalls zu finden. Es
handelt sich um Fluchten aus der Politik und dem Erfordernis, sich im Machtkampf
behaupten zu müssen. Eine Folge dieser Überforderung ist bei Döblin, dass die den
Kaiser Beratenden und Beeinflussenden zunehmend das Steuer der Politik überneh­
men: Sie führen an Stelle von Ferdinand dessen Kriege, und je länger sie das tun,
desto stärker treten ihre eigenen Interessen in den Vordergrund. Bei Döblin sind es
vor allem drei Mächte, die Ferdinand bedrängen: Herzog Maximilian von Bayern, der
die Pfälzer Kurwürde haben will, die ihm Ferdinand in einem Augenblick der politi­
schen Leichtfertigkeit als Motivation für seine Hilfe im Böhmenkrieg zugesagt hat;
sodann Papst Urban VIII., der auf die Restitution der einstmals katholischen Kir-
874 ANHANG

chengüter drängt und damit den Kampf um die Macht im Reich in einen Glaubens­
krieg verwandelt; schließlich Wallenstein, der den Religionskrieg gerade nicht will
und darauf aus ist, den Krieg als Kampf gegen Aufständische und Rebellen zu fuhren
und die Fragen der Konfession so weit wie möglich herauszuhalten. Dieser Wallen­
stein ist ein Mann des Krieges, weil er nur in einer Konstellation des gewaltsamen
Umsturzes sein eigentliches Ziel, die Errichtung eines Herzogtums entlang der Elbe
von Böhmen bis nach Mecklenburg, erreichen kann. Damit ist das Wallenstein-Bild
Döblins dem Schillers entgegengesetzt: Zeichnet Schiller einen Wallenstein, der zwi­
schen Kriegsherr und Friedensstifter hin- und herschwankt (vgl. Müller-Seidel, Fried­
rich Schiller und die Politik, S. 136 f.), so begegnen wir bei Döblin einem Wallenstein,
der als der eigentliche Antipode der «Verfassungspartei» im Reich dargestellt wird.
Diese Partei will den Status quo ante wiederherstellen, und sie besteht aus den ligisti-
schen Mächten unter Führung des Bayernherzogs Maximilian sowie den lutheri­
schen Herrschern unter Führung des sächsischen Kurfürsten Johann Georg. Wallen­
stein dagegen präferiert den Krieg als großen Umsturz, um seine Ziele erreichen zu
können. 109 Gotthard, Der Dreißigjährige Krieg, S. 194. 110 Ebd., S. 195 und
197. 111 Zit. nach Klopp, Der dreißigjährige Krieg, Bd. 3, Teil 1, S. 23. 112 Rebitsch,
Wallenstein, S. 149. 113 Zit. nach Lorenz (Hg.), Quellen zur Geschichte Wallensteins,
S. 89. 114 Ebd., S. 89. In Augustinus’ De civitate Dei heißt es: «Quod sunt regna
remota iustitia nisi magna latrocinia» - was sind Königreiche, wenn die Gerechtig­
keit aus ihnen verschwunden ist, anderes als große Räuberbanden. 115 Ebd. 116
Diwald, Wallenstein, S. 405. 117 Vgl. ebd., S. 281 ff. 118 Ebd., S. 280. 119 Zu Hans
de Witte, dem reformierten Holländer, der mit dem katholischen Sieg über die pro­
testantischen Aufständischen in Böhmen und seiner Beteiligung am Prager Münz­
konsortium reich geworden war und als Bankier Wallensteins die Finanzierung des
Heeres sicherte, vgl. Ernstberger, H ans de Witte. 120 Vgl. Krüssmann, Mansfeld,
S. 568-573. 121 Rill, Tilly, S. 161-167. 122 Diwald, Wallenstein, S. 325-331. 123 So
Wedgwood, D er 30jährige Krieg, S. 180; bei Parker (D er Dreißigjährige Krieg, S. 146)
findet sich die erstaunliche Behauptung, der Däne Christian und sein Heer seien 1625
nur darum «der totalen Vernichtung» entgangen, weil Tilly und Wallenstein sich
nicht «über ihre Zuständigkeiten einigen konnten». Davon kann keine Rede
sein. 124 Diwald, Wallenstein, S. 398. 125 Zit. nach Jessen (Hg.), D er Dreißigjäh­
rige Krieg in Augenzeugenberichten, S. 172. 126 Zum Treffen von Hemmersdorf vgl.
die Biographien von Diwald, Wallenstein, S. 333 £, und Rill, Tilly, S. 166 ff, die das Tref­
fen je aus der Sicht ihrer Protagonisten darstellen; zum Verhältnis Wallenstein-Tilly
auch Mann, Wallenstein, S. 362 f. und 381 ff. 127 Zit. nach Klopp, Der dreißigjährige
Krieg, Bd. 3, Teil 1, S. 24. 128 Vor allem im Hinblick auf die Größe und den Zustand
von Wallensteins Heer schwanken die Angaben; während Diwald (Wallenstein, S. 339)
davon ausgeht, dass Wallensteins Heer inzwischen eine Stärke von 30 000 Mann
erreicht hatte, verweist Ritter (Deutsche Geschichte, Bd. III, S. 318) auf einen BriefWal-
Anmerkungen «75

lensteins an Collalto, in dem Wallenstein schreibt, er verfüge über 18 ooo Mann, von
denen zwei Drittel vollverwendungsfähig seien; vgl. auch Krüssmann, Mansfeld,
S. 583. 129 Hierzu und zum Folgenden Ritter, Deutsche Geschichte, Bd. III,
S. 319 ff. 130 Dazu Smid, D er Tolle Halberstädter, S. 59 ff. 131 Vgl. Wedgwood, Der
30jährige Krieg, S. 182; im Theatrum Europaeum wird eine andere Erklärung für Chris­
tians Tod genannt: «Als die Doctores den Körper eröffnet und besichtigt, haben sie
das Ingeweid und sonderlich die partes um das Herz schwarz, und gleichsam
schwarze Blattern daran gefunden, daraus man auf alt Gift schließen wollen, das lang­
sam Effekt erreicht habe.» Zit. nach Jessen (Hg.), Der Dreißigjährige Krieg in Augen­
zeugenberichten, S. 182. 132 Ritter, Deutsche Geschichte, Bd. III, S. 324. 133 Wedg­
wood, Der 30jährige Krieg, S. 131. 134 Zu Fuchs von Bimbach vgl. Guthrie, Battles,
S. 125. 135 Ich folge hier den Überlegungen von Krüssmann, Mansfeld, S. 584 £ 136
Vgl. oben, S. 198. 137 Zit. nach Jessen (Hg.), D er Dreißigjährige Krieg in Augenzeu­
genberichten, S. 172. 138 Vgl. Guthrie, Battles, S. 120. 139 Krüssmann, Mansfeld,
S. 587. 140 Zit. nach Diwald, Wallenstein, S. 342. 141 Hierzu und zum Folgenden
Guthrie, Battles, S. 120ff.; Krüssmann, Mansfeld, 8.590-595; Diwald, Wallenstein,
S. 342-347; sowie Ritter, Deutsche Geschichte, Bd. III, S. 322 f. 142 Zu Aldringen vgl.
Duch, «Aldringen», sowie Rebitsch, Wallenstein, S. 165-168. 143 Krüssmann,
Mansfeld, S. 590. 144 So argumentiert Krüssmann, Mansfeld, S. 593. 145 Guthrie,
Battles, S. 121. 146 Ebd., S. 122, und Krüssmann, Mansfeld, S. 595. 147 Vgl. Mann,
Wallenstein, S. 363 ff. 148 Hierzu und zum Folgenden vgl. Krüssmann, Mansfeld,
S. 597 f. 149 Ebd., S. 596 und 598. 150 Hierzu und zum Folgenden erneut Krüss­
mann, Mansfeld, S. 599-602. 151 Dazu ausführlich Sturmberger, «Der oberösterrei­
chische Bauernkrieg», sowie Winkelbauer, Ständefreiheit und Fürstenmacht, Bd. 1,
S. 69 £; knapp Gindely, Der dreißigjährige Krieg, Bd. 2, S. 95-98, sowie Ritter, Deutsche
Geschichte, Bd. III, S. 344 f. 152 Zit. nach Jessen (Hg.), D er Dreißigjährige Krieg in
Augenzeugenberichten, S. 175. 153 Ebd., S. 175 f. 154 Vgl. Chaune, «Die Kriegsdar­
stellungen Callots», S. 409 ff., sowie Schuchter, Callot, S. 128, den das Würfelspiel an
das Würfeln der Soldaten um die Kleider Christi unter dessen Kreuz erinnert. 155
Scultetus hatte bei der «Säuberung» der Prager Kirchen durch Friedrich V. eine
unglückliche Rolle gespielt und erheblich zur Abneigung der Bevölkerung gegen den
reformierten Pfälzer beigetragen; vgl. oben, S. 162 f. 156 Gindely, Der dreißigjährige
Krieg, Bd. 2, S. 97. 157 Zur Biographie Pappenheims gibt es erstaunlich wenig Lite­
ratur; neben der älteren Arbeit von Heß, G raf zu Pappenheim, sind hier nur Stadler,
Pappenheim und die Zeit des Dreißigjährigen Krieges, sowie Querengässer, Feldmar­
schall Pappenheim, zu nennen; weiterhin zu Familie und Herkunft Schwackenhofer,
Die Reichserbmarschälle, Grafen und Herren von und zu Pappenheim; vgl. auch das
Kurzporträt Pappenheims bei Findeisen, D er Dreißigjährige Krieg, S. 275-284. 158
Dazu oben, S. 174 ff, sowie Junkelmann, Gustav Adolf, S. 210 ff. 159 Der Plattenhar­
nisch eines Kürassiers wog etwa 25 Kilogramm. Im Unterschied zu den Ritterrüstun-
876 ANH ANG

gen des Spätmittelalters, die für eine bestimmte Person angefertigt wurden und von
großer technischer wie ästhetischer Kunstfertigkeit waren, handelte es sich hierbei
um Massenware, die sehr viel kostengünstiger war als die früheren Ritterrüstungen.
Dennoch war die Aufstellung eines Kürassierregiments relativ teuer: Ein Kürass kos­
tete in den 1620er Jahren neun Reichstaler, während man für eine Muskete nur zwei
bis drei Reichstaler zahlen musste (vgl. Ortenburg, Waffen, S. 32-35, sowie Brnardic,
Imperial Armies, Bd. 2, S. 3f.). Um zu verhindern, dass diese immer häufiger aus Ble­
chen anstatt gehärtetem Stahl gefertigten Harnische rosteten, wurden sie mit Leinöl
geschwärzt. Pappenheims Kürassiere trugen solche schwarzen Harnische, die ihr
Erkennungszeichen waren (vgl. Stadler, Pappenheim, S. 158 f.). Die hohen Ausrüs­
tungskosten führten mit der Zeit dazu, dass immer weniger Kürassierregimenter auf­
gestellt wurden; die «Pappenheimer» gehörten zu den letzten derartigen Einheiten
des Dreißigjährigen Krieges, in dessen Schlussphase vorwiegend berittene Arkebus-
siere und Dragoner eingesetzt wurden. Zur Gefechtsführung der Kavallerie vgl. Jun-
kelmann, Gustav Adolf, S. 216 ff. 160 Zur Analyse von Paniken im Gefecht vgl. Col-
lins, «Vorwärtspaniken und die Dynamik der Massengewalt», S. 206-211 und
218-222, sowie ders., Dynamik der Gewalt, insbes. S. 139-172. 161 Vgl. hierzu und
zum Folgenden Stadler, Pappenheim, S. 193-215, sowie Querengässer, Feldmarschall
Pappenheim, S. 23-26. 162 Ritter, Deutsche Geschichte, Bd. III, S. 344. 163 Vgl.
etwa Wallensteins Brief an den Schlosshauptmann David Hain zu Löwenthal, in dem
er diesen davon in Kenntnis setzt, «daß der leichtfertige Schelm Kristof von Redern
um Friedland soll reiten und das Landvolk zu rebellieren persuadieren». Hain solle
bekannt machen: Jeder, der «mit ihm die wenigste Gemeinschaft wird haben, soll
Leib, Gut und Ehre verfallen sein, der mir ihn aber lebendig oder tot zu Händen wird
bringen, soll 5000 Taler in continenti zu Recompens [dauerhaft als Ersatz/Beloh-
nung] bekommen». Zit. nach Jessen (Hg.), Der Dreißigjährige Krieg in Augenzeugen­
berichten, S. 172. 164 Gindely, Geschichte des dreißigjährigen Krieges, Bd. 2, S. 98. 165
Die Zahlen differieren: Während Diwald (Wallenstein, S. 348) von 14000 Soldaten
spricht, die Wallenstein mitgeführt habe, schreibt Mann ( Wallenstein, S. 328), Wallen­
stein habe mit 20 000 Infanteristen, Kavalleristen und Artilleristen die Elbe über­
quert. Rechnet man indes zu den 14000 Soldaten bei Diwald die schon früher losge­
schickten 5000 Kavalleristen unter Oberst Gabriel Pechmann von der Schönau hinzu,
stimmen die Zahlen tendenziell überein. 166 Vgl. oben, S. 263 f. 167 Dazu Junkel-
mann, Gustav Adolf, S. 253 ff., sowie Findeisen, Gustav II. Adolf, S. 85 ff. 168 Vgl.
Flieger, Stadtlohn, S. 133 f. 169 Vgl. Lammert, Seuchen, Hungers- und Kriegsnoth,
S. 72 f. und 87-91. 170 Zu den Operationen Mansfelds und Johann Ernsts ausführ­
lich Opel, Der niedersächsisch-dänische Krieg, Bd. 2, S. 582 ff., sowie Krüssmann, M ans­
feld, S. 603-623; außerdem Ritter, Deutsche Geschichte, Bd. III, S. 344-348. 171 Zit.
nach Krüssmann, Mansfeld, S. 607. 172 Vgl. hierzu die Darstellungen des Feldzugs
aus der Perspektive Wallensteins und seines Heeres bei Diwald, Wallenstein,
Anmerkungen 877

S. 348-362, Mann, Wallenstein, S. 327-333, sowie Polisensky/Kollmann, Wallenstein,


S. 120-126. 173 Vgl. oben, S. 255ff. 174 Dazu Rrüssmann, Mansfeld, S. 610, sowie
Polisensky/Kollmann, Wallenstein, S. 121; als eingehende Untersuchung der nur indi­
rekt bekannt gewordenen Pläne Mansfelds vgl. Grossmann, Mansfelds letzte
Pläne. 175 So mit starker Betonung der Rolle Wallensteins Ritter, Deutsche Geschichte,
Bd. III, S. 345. 176 Zu der «ausgefallenen» Schlacht von Dregelypalänk mit unter­
schiedlicher Akzentsetzung Diwald, Wallenstein, S. 360, Mann, Wallenstein, S. 331,
sowie Polisensky/Kollmann, Wallenstein, S. 123. 177 Zit. nach Mann, Wallenstein,
S. 331. 178 Zit. nach Klopp, Der dreißigjährige Krieg, Bd. 3, Teil 1, S. 20. 179 Dazu
Polisensky/Kollmann, Wallenstein, S. 128 f., sowie Krüssmann, Mansfeld, S. 619 f. 180
Dazu Köhbach, «Warum beteiligte sich das Osmanische Reich nicht am Dreißigjäh­
rigen Krieg?», S. 277-294. 181 Auf die «Waffenhilfe» aus Isfahan für Wien hat
mich Bernd Roeck nachdrücklich aufmerksam gemacht. 182 Hierzu und zum Fol­
genden vgl. Krüssmann, Mansfeld, S. 624 ff. 183 Aus dem Umstand, dass es sich bei
dieser Inszenierung um einen Topos der römisch-antiken Literatur handelte - Sue-
ton berichtet solches in den Kaiserviten von Vespasian, «decet imperatorem stantem
mori», dem Kaiser gebühre es, im Stehen zu sterben -, schlussfolgert Krüssmann
(Mansfeld, S. 625 £), es habe sich bloß um nachträgliche Propaganda gehandelt. Aber
die Propaganda schließt eine Reinszenierung des Topos keineswegs aus. 184 Zu
denken ist an die Tuberkulose, der wenige Monate zuvor Christian von Braunschweig
erlegen war. 185 Vgl. oben, S. 294 f. 186 Rill ( Tilly, S. 176 f.) führt die Weigerung zu
kapitulieren darauf zurück, dass Lawis ein Deserteur des ligistischen Heeres gewesen
sei, dem der Strang drohte, wenn er Tilly in die Hände fiel. Als Beleg dafür macht er
geltend, dass sich Lawis bei der Erstürmung der Stadt von seinem Diener erstechen
ließ. Es könnte für Lawis freilich auch eine Frage der Ehre gewesen sein, sich denen
nicht ergeben zu wollen, in deren Dienst er zuvor gestanden hatte. Hätte Lawis bei
der ersten Aufforderung kapituliert, so wäre ihm wohl ein ehrenhafter Abzug gewährt
worden, und er hätte Münden an der Spitze seiner Truppen verlassen. 187 Vgl.
Lotze, Geschichte der Stadt Münden, S. 68 ff. 188 Vgl. dazu den Bericht Robert Mon-
ros über die Verteidigung und Eroberung von Schloss Breitenburg im Sommer 1627;
Monro, Kriegserlebnisse, S. SS- 189 Vgl. oben, S. 231 f. 190 Rill, Tilly, S. 177. 191
Dazu ausführlich Sofsky, Traktat über die Gewalt. 192 Hierzu Ritter, Deutsche
Geschichte, Bd. III, S. 325. 193 Diese Vorhaltung des Landgrafen ist von Rill (Tilly,
S. 177) missverstanden worden, der aus dem Vorwurf einer Begünstigung des Luther­
tums, das von Moritz mit dem «Papismus» auf eine Stufe gestellt wurde, schlussfol­
gert, Tilly habe bei seinem Siegeszug nirgendwo die nichtkatholischen Bekenntnisse
reprimiert oder drangsaliert. Tatsächlich hat Moritz die Stärkung der Ritterschaft
und der Landstände insgesamt durchaus richtig verstanden: Sie würde über kurz
oder lang auf die Rückkehr der Landgrafschaft zum lutherischen Bekenntnis hinaus­
laufen. Darin zeigt sich einmal mehr die Verquickung von verfassungs- und konfes-
878 ANHANG

sionspolitischen Fragen im Dreißigjährigen Krieg. Tillys eigener Einfluss auf die an


den Landgrafen gerichteten Forderungen dürfte sich im Übrigen auf die Frage der
Festungen beschränkt haben; alles andere wurde von der Politik aus München oder
Wien vorgegeben. 194 Vgl. oben, S. 293. 195 Guthrie, Battles, S. 123; Guthrie
berechnet die Stärke des kaiserlich-ligistischen Heeres auf 17 000 Infanteristen,
7500 Kavalleristen und 16 Kanonen, alles in allem 25 000 Mann (S. 126), während das
dänisch-niedersächsische Heer über 16 000 Infanteristen, 5000 Kavalleristen und
20 Kanonen, zusammen also über 21000 Mann verfügte (S. 128). Das war keine große
Überlegenheit; zu den bloßen Zahlen kam aber hinzu, dass es sich bei Tillys Truppen
um kampferprobte Regimenter handelte, während die meisten dänisch-niedersächsi­
schen Einheiten noch nie im Gefecht gestanden hatten. Christian hätte über eine
deutliche Überzahl verfügen müssen, um diesen Nachteil auszugleichen. So war Tilly
in doppelter Hinsicht im Vorteil. 196 Zur Schlacht von Lutter am Barenberg aus­
führlich Guthrie, Battles, S. 123-134, Rill, Tilly, S. 181-185, sowie knapp Ritter, D eut­
sche Geschichte, Bd. III, S. 337 fl, und Gindely, Geschichte des dreißigjährigen Krieges,
Bd. 2, S. 92 f.; Parker (D er Dreißigjährige Krieg, S. 149) verweist darauf, dass der Blick
auf die Schlacht von Lutter durch die Flugblattpropaganda beider Seiten verstellt
worden sei, resümiert aber: «Soweit sich sehen läßt, verdankte sich der Sieg Tillys
weniger der Überlegenheit seiner Truppen als groben taktischen Fehlern auf der
Seite des Königs.» 197 In dem Bericht des Obersten Monro spielt sicherlich auch
nationaler Stolz eine Rolle, der seinerseits als verstärkender Faktor für den sozialen
Zusammenhalt und die militärische Leistungsfähigkeit des Regiments bedeutsam
gewesen sein dürfte; zur sozialen Kohäsion als Faktor militärischer Leistungsfähig­
keit vgl. Bröckling, «Schlachtfeldforschung», S. 196fl7.; die landsmannschaftliche
Geschlossenheit in den nationalschwedischen Einheiten spielte bei den Siegen Gus­
tav Adolfs ebenfalls eine große Rolle; dazu Junkelmann, Gustav A dolf, S. 231. 198
Vgl. oben, S. 173. 199 Dazu Ritter, Deutsche Geschichte, Bd. III, S. 339 ff, sowie
Guthrie, Battles, S. 134 h 200 Vgl. oben, S. 206. 201 Vgl. Rill, Tilly, S. 185. 202
Dazu ausführlich Mann, Wallenstein, S. 375-380; bei der Wallenstein-Kritik spielte
Maximilian von Bayern aus dem Hintergrund eine bestimmende Rolle. 203 Die
über weite Strecken apologetische Darstellung des Krieges von Onno Klopp (D er
dreißigjährige K rieg ) sucht einen prinzipiellen Gegensatz zwischen Tilly und Wallen­
stein zu konstruieren, den es so nicht gegeben hat. Für Klopp war Tilly ein treuer
Diener der Liga und des Kaisers, während er Wallenstein als einen habgierigen Verrä­
ter angesehen hat. 204 Vgl. Rill, Tilly, S. 189. 205 Ebd., S. 189 f. 206 Vgl. oben,
S. 324 f. 207 Exemplarisch dafür ist das bereits erwähnte schottische Regiment
Monros; es ist schwer zu entscheiden, ob die in Monros Bericht zum Ausdruck kom­
mende Kampfeslust nur für die Offiziere galt, die «Kavaliere», wie Monro sie gele­
gentlich nennt, oder ob sie auch die einfachen Soldaten erfasst hatte. Folgt man
Monro, so war Letzteres der Fall; Monro, Kriegserlebnisse, S. 34 ff.; zur Rolle der
Anmerkungen 879

Schotten im Krieg allgemein Murdoch (Hg.), Scotland and the Thirty Years' War; spe­
ziell zu Monro vgl. Brockington, «Robert Monro», S. 215-239. 208 Querengässer,
Pappenheim , S. 28. 209 Dazu Stadler, Pappenheim , S. 255-257. 210 Zit. nach Rill,
Tilly, S. 165; zum Hass der Soldaten auf Bauern vgl. auch die entsprechenden Passagen
bei Monro, Kriegserlebnisse, S. 30 f., 59, 70 und öfter. 211 Die «Pappenheimer»
scheinen an dieser Art von Kriegführung Gefallen gefunden zu haben, denn in den
ersten Wochen des folgenden Jahres machten sie auf ähnliche Weise die Gegend zwi­
schen Gardelegen und Stendal unsicher; vgl. Querengässer, Pappenheim , S. 28. 212
Tilly fügte dem Leichnam Philipps einen Brief an den Vater bei, in dem er ihm sein
Beileid für das Unglück ausdrückte; vgl. Rill, Tilly, S. 184. 213 Vgl. Findeisen, Gus­
tav II. A dolf, S. 13-22. 214 Vgl. Diwald, Wallenstein, S. 382. 215 Vgl. Stadler, P a p ­
penheim , S. 258-264. 216 Zit. nach Heß, Pappenheim , S. 62. 217 So Guthrie, Battles,
S. 134. 218 Hierzu und zum Folgenden Diwald, Wallenstein, S. 381t, Mann, Wallen­
stein, S. 396 f. 219 Zit. nach Diwald, Wallenstein, S. 383. 220 Vgl. dazu die bei Jessen
(D er Dreißigjährige K rieg in Augenzeugenberichten, S. 190 f.) wiedergegebenen Zeug­
nisse. 221 Zum Verlauf der Schlacht bei Wolgast, die in den meisten Darstellungen
des Dreißigjährigen Krieges allenfalls am Rande erwähnt wird, vgl. den ausführli­
chen Bericht Monros, dessen schottisches Regiment ebenfalls an der pommerschen
Küste angelandet worden war: «Der Feind griff S. M. [Seine Majestät, also die Trup­
pen des dänischen Königs] heftig an und hatte 14 Ordonnanzstücke aufgefahren. Er
feuerte damit auf die Schlachtaufstellung des Königs, bis dieser die Gefahr erkannte,
aber da er nicht in der Lage war, dem Feind Widerstand zu leisten, zog er sich, völlig
aus der Fassung gebracht, in großer Eile nach Wolgast zurück. Der König hatte, ohne
gekämpft zu haben, den größten Teil seiner Armee verloren [...].» Monro, Kriegser­
lebnisse, S. 83 f. 222 Diese Art der Kriegführung ist aus Sicht des auf dänischer Seite
daranbeteiligtenRobertMonro eingehend beschrieben worden; ebd., S. 58-68. 223
Mann, Wallenstein, S. 399 h 224 «Der König», so schrieb Wallenstein damals über
Christian IV., «hält sich noch ganz in den Inseln, daher ich ihm denn noch nicht
kann zu kommen; er sauft sich alle Tage voll, verhoffe zu Gott, daß er einmal im
Rausch etwas wagen wird. Kriecht er heraus aus den wässerigen Örtern, so ist er
gewiss unser.» Zit. nach Jessen (Hg.), D er D reißigjährige K rieg in Augenzeugenberich­
ten, S. 192. Das war bei Wolgast der Fall, wo Christian in die ihm von Wallenstein
gestellte Falle ging und einen Großteil seines Landheeres verlor. Dennoch war Däne­
mark damit keineswegs, wie Guthrie (Battles , S. 136) meint, definitiv besiegt, denn
Christian verfugte nach wie vor über seine Flotte, die stärkste im Ostseeraum, und
gegen die besaß Wallenstein keine Gegenmittel. 225 Zit. nach Lorenz (Hg.), Quel­
len zu r Geschichte Wallensteins, S. 157 h, Fn 1. 226 Wedgwood, D er 30jährige Krieg,
S. 211. 227 Dazu Schubert, «Wallenstein und der Staat», der auf die italienischen
Condottieri als Vorbild Wallensteins verweist, aber zugleich die These vertritt, dass
die Zeit der Condottieri damals bereits vorbei gewesen sei und Wallenstein scheitern
88o ANHANG

musste (S. 195 ff.). 228 Zit. nach Diwald, Wallenstein, S. 390. 229 Zum Begriff der
Überdehnung Kennedy, Aufstieg und F a ll der großen M ächte, S. 12 und 759 f., sowie
Münkler, Imperien, S. 172 fr. 230 Zum Mantuanischen Krieg ausführlich unten,
S. 392 ff.; zu den spanischen Forderungen nach kaiserlicher Hilfe vgl. Straub, F a x et
imperium, S. 327 fr. 231 Zur Rolle des spanischen Silbers bei der Entstehung der
Weltwirtschaft und als Motor der ökonomischen Mobilisierung Europas vgl. Cipolla,
D ie Odyssee des spanischen Silbers; Pomeranz, The G reat Divergence, sowie Findley/
O’Rourke, Pow er and Plenty, S. 212-226. 232 Zit. nach Diwald, Wallenstein,
S. 390. 233 Zit. nach ebd., S. 391. 234 Dazu Straub, F a x et Im perium , S. 288 ff. 235
Für eine ausführliche Referierung dieser Klagen vgl. Klopp, D er dreißigjährige Krieg,
Bd. 3, Teil 1, S. 142-155. 236 Vgl. Gindely, Geschichte des dreißigjährigen Krieges, Bd. 2,
S. 127. 237 Ausführlich Diwald, Wallenstein, S. 390 ff. 238 Zit. nach Klopp, D er drei­
ß igjährige Krieg, Bd. 3, Teil 1, S. 172. 239 Zum Verlauf der osmanischen Perserkriege
und zur inneren Schwäche des Osmanischen Reichs vgl. Jorga, Geschichte des Osma­
nischen Reichs, Bd. 3, S. 405-479; zur Geschichte des Safawidenreichs Newman, Safa-
vid Iran, sowie Mazzaoui, Safavid Iran; zur politischen Geschichte als Ereignisabfolge
vgl. Roemer, Persien a u f dem Weg in die Neuzeit, S. 309 fr. Wie Köhbach («Warum
beteiligte sich das Osmanische Reich nicht am Dreißigjährigen Krieg?», S. 277-294)
gezeigt hat, spielten dabei neben den Kriegen gegen das Safawidenreich die struktu­
relle Veraltung des osmanischen Heeres sowie fortgesetzte innere Machtkämpfe eine
Rolle. 240 Dazu Rebitsch, Wallenstein, S. 128-136 und 151-155. 241 Dazu Posch,
Johannes Kepler, S. 192 ff. 242 Zur «Kunst der Verstellung» vgl. Münkler, Im N am en
des Staates, S. 306-313. 243 Zu Richelieu vgl. Burckhardt, Richelieu, insbes. Bd. 2,
S. 316 ff; Erlanger, Richelieu, S. 263 fr.; zu Olivares vgl. Maranon, Olivares,
S. 299-319. 244 Dazu ausführlich Straub, F a x et Im perium , S. 253-325, der freilich
aufgrund seiner apologetischen Grundtendenz gegenüber der spanischen Politik den
Aspekt der Optionsmehrung nicht erkannt hat und den Frieden als Olivares’ Leitvor­
stellung herausstellt. 245 Zit. nach Klopp, D er dreißigjährige Krieg, Bd. 3, Teil 1,
S. 397. 246 Zit. nach Roeck, Gegenreformation undD reißigjährigerK rieg, S. 262. 247
Zit. nach ebd., S. 266. 248 Dazu Dollinger, D ie Hanse, passim, sowie Graichen/
Hammel-Kiesow, D ie Deutsche Hanse, insbes. S. 67-105. 249 Vgl. Dollinger, D ie
Hanse, S. 364 ff. 250 Zit. nach Opel, D er dänisch-niedersächsische Krieg, Bd. 3,
S. 485. 251 Diese Maßnahmen und Verhandlungen sind ausführlich dargestellt bei
Opel, D er dänisch-niedersächsische Krieg, Bd. 3, S. 483-511, ebenso bei Klopp, D er drei­
ß igjäh rige Krieg, Bd. 3, Teil 1, S. 51-62. In den meisten jüngeren Darstellungen des
Dreißigjährigen Krieges wird dem Ostseeprojekt keine größere Aufmerksamkeit
geschenkt; so wird von Arndt (D er Dreißigjährige Krieg, S. 92) nur Wallensteins
Ernennung zum Admiral erwähnt; Schmidt (D er D reißigjährige Krieg, S. 40) lässt das
Projekt an Wallensteins Desinteresse bzw. seiner Präferenz für die Pazifizierung der
Ostsee scheitern, und Schormann (D er Dreißigjährige Krieg, S. 39) meint, ähnlich wie
Anmerkungen 881

Schmidt, Wallensteins Titel habe die Seemächte auf die Machtansprüche des Kaisers
überhaupt erst aufmerksam gemacht und die Lage für den Kaiser nur verschlech­
tert. 252 Vgl. Rebitsch, Wallenstein, S. 139. 253 Stralsund als Episode bei Gindely,
Geschichte des dreißigjährigen Krieges, Bd. 1, S. 129 f.; dagegen als zentrales Kriegsge­
schehen bei Klopp, D er dreißigjährige Krieg, Bd. 3, Teil 1, S. 73-130, sowie Opel, D er
niedersächsisch-dänische Krieg, Bd. 3, S. 544-620, dort unter der Kapitelüberschrift
«Höhepunkt der Kaisergewalt in der Belagerung Stralsunds». Auch für Leopold von
Ranke war die fehlgeschlagene Besetzung Stralsunds der Wendepunkt des Krie­
ges. 254 Die Verbindung des Katholischen mit dem Land, dem Tellurischen, und
des Protestantischen mit dem offenen Meer, mehr noch dem Ozeanischen als dem
Thalassischen, findet sich vor allem bei Carl Schmitt, L a n d und M eer, S. 52 f. und
78-85; ebenso ders., Röm ischer Katholizismus und politische Form , S. 14£ 255 So
etwa am 2. Juli 1628 an Arnim; zit. nach Klopp, D er dreißigjährige Krieg, Bd. 3, Teil 1,
S. 94. 256 Ebd. Es gibt freilich keinen Beleg dafür, dass Wallenstein diesen Satz
wirklich gesagt hat. Es könnte sich auch um ein von protestantischer Seite lanciertes
Zitat handeln, durch das dem Ende der Belagerung eine zentrale Bedeutung zuge­
schrieben werden sollte. Die Ketten am Himmel, von denen die Rede ist, sprechen
jedenfalls dafür. Andererseits war die Äußerung Wallensteins schon bald geläufig,
wie ein Kommentar von Robert Monro zeigt: «Er [Wallenstein] schwor in seinem
Zorn, er werde die Stadt in drei Nächten einnehmen, selbst wenn sie mit eisernen
Ketten zwischen Himmel und Erde hinge. Aber da er vergessen hatte, Gott auf seine
Seite zu ziehen, wurde er von ihm enttäuscht, der über alle Dinge nach seinem Gut­
dünken entscheidet, der der höchste Wächter selber ist und weder schlummert noch
schläft.» Monroe, Kriegserlebnisse, S. 74. 257 Vgl. Opel, D er niedersächsisch-dänische
Krieg, Bd. 3, S. 548. 258 Ebd., S. 546. 259 Das von Matthäus Merlan eigentlich erst
1633 in Nachfolge der Gottfried’schen Weltchronik begonnene Theatrum Europaeum
wurde nachträglich um einen Band von 1618 bis 1629 ergänzt, der von Johann Philipp
Abele (oder Abelin), einem Elsässer mit stark proschwedischen Präferenzen, verfasst
worden ist. 260 Zit. nach Jessen (Hg.), D er Dreißigjährige K rieg in Augenzeugenbe­
richten, S. 193 f- 261 Monro, Kriegserlebnisse, S. 70; was den Zeitpunkt des Eintref­
fens der Schotten anbetrifft, folge ich Opel, D er niedersächsisch-dänische Krieg,
S. 563. 262 Monro, Kriegserlebnisse, S. 69. 263 Ebd., S. 81. 264 Opel, D er nieder-
sächsisch-dänische Krieg, S. 564. 265 Ebd., S. 598. 266 Hierzu und zum Folgenden
ebd., S. 605 ff. 267 Monro, Kriegserlebnisse, S. 74 b 268 Ebd., S. 77. 269 Opel,
D er niedersächsisch-dänische Krieg, Bd. 3, S. 606. 270 Zit. nach Klopp, D er dreißigjäh­
rige Krieg, Bd. 3, Teil 1, S. 169. 271 Vgl. oben, S. 342 ff. 272 Opel, D er niedersäch­
sisch-dänische K rieg, Bd. 3, S. 683. 273 Dazu unten, S. 393 f. 274 Zit. nach Opel, D er
niedersächsisch-dänische Krieg, Bd. 3, S. 694. 275 Ebd., S. 718 f. 276 Ebd.,
S. 695-698. 277 Hierzu und zum Folgenden ebd., S. 698f. 278 Zit. nach ebd.,
S. 719 {.; zur Rolle Wallensteins bei den Lübecker Verhandlungen zusammenfassend
882 A NH ANG

Rebitsch, Wallenstein, S. 185-190. 279 Zit. nach Opel, D er niedersächsisch-dänische


Krieg, Bd. 3, S. 721. 280 Ebd. 281 Dazu ausführlich Diwald, Wallenstein, S. 393 und
öfter. 282 Vgl. Opel, D er niedersächsisch-dänische Krieg, S. 702-710. 283 So Wal­
lenstein in seiner Denkschrift an den Kaiser; zit. nach ebd., S. 720. 284 Vgl. Diwald,
Wallenstein, S. 439 ff. 285 Hierzu und zum Folgenden Opel, D er niedersächsisch­
dänische Krieg, S. 725 ff. 286 Zur Vorgeschichte des Restitutionsedikts und den
juristischen Manövern beider Seiten auf den Reichstagen vor Ausbruch des Krieges
vgl. Ritter, «Der Ursprung des Restitutionsedikts», insbes. S. 138-168. 287 Gindely,
Geschichte des dreißigjährigen Krieges, Bd. 2, S. 133. 288 Khevenhüller, Annales Ferdi­
nandei; zit. nach Jessen (Hg.), D er Dreißigjährige K rieg in Augenzeugenberichten,
S. 203. 289 Zur Initiative des Kaisers bei der Vorbereitung des Restitutionsedikts
ausführlich Brockmann, Dynastie, K aiseram t und Konfession, Kap. V, 6. Der Text des
Restitutionsedikts ist auszugsweise abgedruckt bei Roeck (Hg.), Gegenreformation
und D reißigjähriger Krieg, S. 267-276; zum Verständnis des Edikts vgl. Frisch, Das
Restitutionsedikt K aiser Ferdinands II., sowie Urban, D as Restitutionsedikt. 290
Schmitt, Zugang zum M achthaber, S. 20-27. 291 Vgl. Ritter, «Der Ursprung des
Restitutionsedikts», S. 161 f. 292 Robert Bireley hat sich mit der Vorstellungswelt
der beiden in jeweils einer eigenen Monographie beschäftigt; zu Contzen vgl. Bireley,
M axim ilian von Bayern, A d am Contzen S.J. und die Gegenreformation in Deutschland,
zu Lamormaini ders., Religion and Politics in the A ge o f Counterreformation; für eine
pointierte Zusammenfassung ders., «The Thirty Years War as Germany’s Religious
War», S. 85-106. 293 Ders., «The Thirty Years War», S. 97 f.; zur Vorstellung vom
«Heiligen Krieg» vgl. Colpe, D er «H eilige K rie g » , passim. 294 Zu Morelles und
Päzmäny vgl. Bireley, «The Thirty Years War», S. 97 und 100. 295 Dazu Hobelt, Fer­
dinand III., passim. 296 Eine den französischen Politiques nahe Einstellung wird
Wallenstein auch von Schubert attestiert, wenn er schreibt, «daß der Reichsfriede für
Wallenstein ein ernstes und hohes Ziel dargestellt hat» («Wallenstein und der
Staat», S. 190). 297 Diwald, Wallenstein, S. 425; zur Religionspolitik Wallensteins in
seinen eigenen Territorien vgl. Rebitsch, Wallenstein, S. 117-121. 298 Zit. nach Jes­
sen (Hg.), D er D reißigjährige K rieg in Augenzeugenberichten, S. 205. 299 Diwald,
Wallenstein, S. 425. Mit Arnim demissionierte einer der fähigsten Generäle Wallen­
steins nach Erlass des Restitutionsedikts. Heinrich Holk, ein weiterer Lutheraner,
blieb in Wallensteins Diensten; für eine Kurzvita Holks vgl. Rebitsch, Wallenstein,
S. 158-161. 300 Zit. nach Lorenz (Hg.), Quellen zu r Geschichte Wallensteins,
S. 210. 301 Nach Ritter, Deutsche Geschichte, Bd. 3, S. 424. 302 Zit. nach Jessen
(Hg.), D er Dreißigjährige K rieg in Augenzeugenberichten, S. 205.
Anmerkungen 883

4. K A P IT E L
IT A LIEN ISC H -PO LN ISC H ES ZW ISC H EN SPIEL

1 Zit. nach Diwald, Wallenstein, S. 419. 2 Vgl. oben, S. 369 f. 3 Straub, P a x et Im pe­
rium, passim; zu den Beratungen, in denen es um die großen Entscheidungen am
Ende der 1620er Jahre ging, ebd., S. 327-431. 4 Zit. nach Erlanger, Richelieu,
S. 140. s Entsprechende Äußerung aus Madrider wie Wiener Sicht finden sich bei
Straub, P a x et Im perium , S. 354 f. und 377. 6 Zit. nach Klopp, D er dreißigjährige Krieg,
Bd. 3, Teil 1, S. 290 h 7 Ebd., S. 298. 8 Der Briefwechsel zwischen Suffren und
Lamormaini ist auch deswegen interessant, weil sich hier zwei Angehörige desselben
Ordens, derJesuiten, über die politischen Fronten hinweg miteinander verständigten
und als potestates indirectae (Carl Schmitt) Neben-Außenpolitik betrieben. 9 Zit.
nach Klopp, D er dreißigjährige K rieg, Bd. 3, Teil 1, S. 294!.; als Quelle gibt Klopp «ein
römisches Privatarchiv» an. Der Brief ist auf Latein verfasst, die Übersetzung stammt
von Klopp. 10 Zit. ebd., S. 295. 11 Dazu unten, S. 392 fr. 12 Zit. nach Klopp, D er
dreißigjährige Krieg, Bd. 3, Teil 1, S. 297. 13 Ebd., S. 297 h 14 Dazu oben,
S. 261 ff. 15 Vgl. dazu die Nachzeichnung der in Madrid diesbezüglich geführten
Debatten bei Straub, P a x et Im perium , S. 327-369. 16 Dazu Burckhardt, Richelieu,
Bd. 2, S. 300-311. 17 Zit. nach Klopp, D er dreißigjährige Krieg, Bd. 3, Teil 1,
S. 396 f. 18 Zit. nach Diwald, Wallenstein, S. 398. 19 Dazu Burckhardt, Richelieu,
Bd. 2, S. 316-319 und 323. 20 Zur Rolle Sigismunds in Schweden und Polen vgl.
Findeisen, Gustav II. A dolf, S. 72 fr 21 In der einschlägigen Forschung besteht weit­
gehend Konsens, dass die Interventionsentscheidung Gustav Adolfs nicht erfolgte,
um den Protestantismus in Deutschland zu verteidigen oder zu retten, auch wenn
dieses Motiv dabei eine gewisse Rolle spielte, sondern dass es primär um machtpoli­
tische Motive ging; für eine zusammenfassende Darstellung der Forschung vgl.
Buchholz, «Der Eintritt Schwedens in den Dreißigjährigen Krieg», S. 291-314. Wäh­
rend die jüngere schwedische Forschung mit dem Zentrum Lund sich vor allem mit
der Ressourcenfrage und den verfassungspolitischen Voraussetzungen der Groß­
machtzeit beschäftigt hat (vgl. Lundkvist, «The Experience of Empire»), hat Klaus
Zernack («Schweden als europäische Großmacht») die Gewährleistung von Sicher­
heit für den östlichen Reichsteil, die Entwicklung einer Alternative zur dänischen
Ostseeherrschaft und ökonomisch-handelspolitische Zugewinne als die tragenden
Motive der schwedischen Großmachtbildung herausgestellt (S. 338). Zernack betont
dabei, dass diese Motive aus einer strukturell defensiven Position Mitte des 16. Jahr­
hunderts hervorgingen, als Schweden gleichzeitig von Russland und Dänemark her
unter Druck geriet (S. 334ff.). 22 Dazu oben, S. 199. 23 Zu den Verzweigungen
der Gonzaga-Familie und den Ansprüchen der beiden Prätendenten auf das mantua-
nische Erbe vgl. die ausführlichen Darlegungen bei Parrott, «The Mantuan Succes-
sion», S. 25-33. 24 Zit. nach Mann, Wallenstein, S. 541 und 542. 25 Zit. ebd., S. 542
884 ANH ANG

und 544. 26 In den großen Olivares-Biographien wird der Niedergang Spaniens im


Untertitel des Werks annonciert, etwa bei Maranon (D er N iedergang Spaniens als
Weltmacht) oder bei Elliott (The Statesman in an A ge ofD eclin e); zur Bedeutung des
mantuanischen Erbfolgestreits für den spanisch-französischen Krieg, der über den
Friedensschluss von Münster und Osnabrück hinaus fortdauerte, vgl. Stradling,
Spains Strugglefor Em pire, darin insbesondere der Beitrag «Olivares and the Origins
of Franco-Spanish War»; weiterhin Elliott, Richelieu and Olivares, S. 110-112, sowie
Parrott, «The Causes of the Franco-Spanish War of 1635-59», allgemein Koenigsber-
ger, The Hahshurgs and Europe. 27 Straub, R ax et Im perium , S. 354 £ und 377. 28 Zit.
nach ebd., S. 353 f. 29 Parrott, «The Mantuan Succession», S. 30. 30 Vgl. oben,
S. 210 f. 31 Hierzu und zum Folgenden Ritter, Deutsche Geschichte, Bd. III, S. 399 f£,
sowie Klopp, D er dreißigjährige Krieg, Bd. 3, Teil 1, S. 163-169. 32 Anfang November
1628 wandten sich die Kurfürsten vom Mainz, Köln, Trier, Bayern und Sachsen an
Ferdinand und nahmen für Karl von Nevers Partei. Nur der Brandenburger hielt sich
aus der Angelegenheit heraus. 33 Die britische Historikerin Wedgwood hat in ihrer
Darstellung des Dreißigjährigen Krieges die Rolle der Mittelpartei wesentlich für den
sächsischen Kurfürsten reserviert und an seinem Beispiel das politische Drama der
Mitte geschildert. 34 Für eine Kurzvita Urbans VIII. vgl. Findeisen, D er D reißig­
jährige Krieg, S. 215. Die sich verändernde Haltung der Kurie zum Krieg in Deutsch­
land schlug sich auch in der Subsidienfrage nieder. Während Paul V. und Gregor XV.
in der Anfangsphase des Krieges zu einer nennenswerten Unterstützung der «katho­
lischen Sache» bereit waren, änderte sich das unter Urban VIII. Erst im Dezember
1631, nach dem Zusammenbruch der katholischen Macht in der Schlacht von Breiten­
feld und dem Beginn des schwedischen Siegeszugs in Deutschland erfolgten wieder
Zahlungen: Urban gestand monatliche Subsidien von 6000 Talern zu; vgl. Albrecht,
«Zur Finanzierung des Dreißigjährigen Krieges», S. 368-412, insbes. S. 396 f. 35 Zit.
nach Klopp, D er dreißigjährige Krieg, Bd. 3, Teil 1, S. 167. 36 So Rebitsch, M atthias
Gallas, S. 53. 37 Zit. nach Klopp, D er dreißigjährige Krieg, Bd. 3, Teil 1, S. 394. 38
Ebd., S. 286. 39 Zu Collalto vgl. Findeisen, D er Dreißigjährige Krieg, S. 173, sowie
Duch, «Collalto», S. 320-322. Wallenstein schätzte Collaltos militärische Fähigkei­
ten nicht sonderlich. «Ein politischer General ohne echtes Format», lautete eines
seiner Urteile; seine Fähigkeiten blieben «hinter seiner Geltungssucht und Ruhmbe­
gier» zurück (zit. Findeisen, S. 173). 40 Vgl. Rebitsch, M atthias Gallas, S. 50. 41
Vgl. oben, S. 107 ff. 42 Zit nach Klopp, D er dreißigjährige Krieg, Bd. 3, Teil 1,
S. 288 ff. 43 Dazu unten, Kap. 5, Anm. 408; im Schreiben Leopolds: «Merode hat
meine Unterthanen so mitgenommen, daß in einigen Jahren nichts von ihnen zu hof­
fen» sei. Zit. ebd., S. 289. 44 Zit. nach Klopp, D er dreißigjährige Krieg, Bd. 3, Teil 1,
S. 292 f. 45 Martines (Blutiges Zeitalter, S. 200) spricht von 30 000 Infanteristen und
6000 Kavalleristen; Parker (D er D reißigjährige Krieg, S. 185) von 50 000 kaiserlichen
Soldaten; Rebitsch (M atthias Gallas, S. 50) stützt sich auf Schätzungen des kaiserli-
Anmerkungen 88s

chen Nuntius Pallotto, der von 20 000 Fußsoldaten und 2000 Reitern spricht. 46
Dazu Ritter, «Wallensteins Eroberungspläne gegen Venedig», S. 47-58. 47 Marti­
nes, Blutiges Zeitalter, S. 201. 48 Ebd., S. 202. 49 Zur Familie Gonzaga vgl. Simons,
Die Gonzaga, passim. 50 Martines, Blutiges Zeitalter, S. 203 f. 51 Zwischen Gallas
und den Erben Aldringens kam es zu einem Rechtsstreit um die Beute von Mantua;
dazu Rebitsch, Matthias Gallas, S. 399 ff. 52 Zu Ottavio Piccolomini mit eher nega­
tivem Grundtenor Findeisen, Der Dreißigjährige Krieg, S. 317-323; ausgewogen
Bierther, «Piccolomini», S. 408-410, und Hallwich, «Piccolomini»; affirmativ und
rechtfertigend dagegen Barker, «Generalleutnant Ottavio Fürst Piccolomini»,
S. 322-369. 53 Hierzu und zum Folgenden Martines, Blutiges Zeitalter, S. 202. 54
Zit. nach Parker, Der Dreißigjährige Krieg, S. 182. 55 Junkelmann, Gustav Adolf,
S. 282. 56 Hierzu und zum Folgenden vgl. ebd., S. 282 £, außerdem Findeisen, Gus­
tav II. A dolf S. 92 f., sowie ders., Der Dreißigjährige Krieg, S. 298. S7 Dazu knapp
Burckhardt, Richelieu, S. 323 £, ausführlich Erlanger, Richelieu, S. 38401, sowie grund­
sätzlich Bely, «France and the Thirty Years War», S. 88 £ 58 Junkelmann, Gustav
Adolf, S. 325 £; zu den schwedischen Problemen mit den französischen Bedingungen
ausführlich Barudio, Gustav Adolf S. 469-481. 59 Zit. nach Findeisen, Gustav Adolf,
S. 93. 60 Junkelmann, Gustav A dolf S. 283. 61 Vgl. Findeisen, Gustav Adolf
S. 93. 62 Dazu Krüger, «Dänische und schwedische Kriegsfinanzierung»,
S. 285 £ 63 Hierzu und zum Folgenden Straub, Pax et Imperium, S. 383 ff, sowie Rit­
ter, Deutsche Geschichte, Bd. III, S. 438 ff. 64 Vgl. oben, S. 345. 65 Johann VIII.,
Graf von Nassau-Siegen, trat 1612 in Rom zum Katholizismus über und diente unter
Spinola im spanischen Militär, bevor er 1623 in kaiserliche Dienste überwechselte. Im
Unterschied zu seinem Vater Johann VII. war er weder in theoretischer noch in prak­
tischer Hinsicht ein bedeutender Militär. Die Ehe mit Ernestine Yolande de Ligue
ermöglichte ihm ein luxuriöses Leben in Brüssel; vgl. Findeisen, Der Dreißigjährige
Krieg, S. 328 £

5. K A P ITE L
DIE Z E IT D ER G R O SSE N S C H L A C H T E N :
DER SCH W ED ISCH E K R IE G

1 Vgl. Droysen, GustafA dolf Bd. 2, S. 161, sowie Junkelmann, Gustav Adolf, S. 309; im
Unterschied zu Junkelmann beschreibt Findeisen ( Gustav Adolf, S. 131 f.) die Szene
am Strand von Usedom als eine bewusste Selbstinszenierung. Das Gebet des Königs,
das in zeitgenössischen Schriften und Flugblättern verbreitet wurde, findet sich bei
Tschopp, Heilsgeschichtliche Deutungsmuster, S. 116 £ 2 Zum Gustav-Adolf-Bild im
Wandel der Geschichte und zu den Perspektiven seiner «Dekonstruktion» vgl. Paul,
886 ANH ANG

«Gustav Adolf in der deutschen Geschichtsschreibung», insbes. S. 22-30; weiterhin


Buchholz, «Der Eintritt Schwedens in den Dreißigjährigen Krieg», insbes. S. 293-305,
sowie Junkelmann, Gustav A dolf, S. 13-29; zuletzt Oredsson, Geschichtsschreibung und
K ult, passim. 3 Zu den biblischen Helden, die mit Gustav Adolf in Verbindung
gebracht wurden, und zur Vorstellung vom «Löwen aus Mitternacht» vgl. Tschopp,
Heilsgeschichtliche Deutungsmuster, S. 93-141 und 229-247. 4 Vgl. Roeck, A ls wollt
die Welt schier brechen, S. 42 ff. s Zit. nach Tschopp, Heilsgeschichtliche Deutungsmus­
ter, S. 121. 6 Junkelmann, Gustav A dolf, S. 309; der Umstand, dass es sich um eine
kleine Streitmacht handelte, konnte unter Verweis auf biblische Vorbilder ebenfalls
heilsgeschichtlich interpretiert werden; für eine kurze Darstellung des schwedischen
Kriegs in Deutschland vgl. Langer, «Der <Königlich Schwedische in Deutschland
geführte Krieg>», S. 187-196, sowie Piirimäe, «Sweden», S. 77-85. 7 Vgl. oben,
S. 363. 8 Junkelmann, Gustav A dolf, S. 309. 9 Zit. nach Mann, Wallenstein,
S. 580 f. 10 Zit. nach ebd. 11 Zit. nach Barudio, Gustav A dolf, S. 441 f. 12 Zit. nach
Klopp, D er dreißigjährige Krieg, Bd. 3, Teil 1, S. 409. Klopp weist daraufhin, dass diese
Passage nur bei einem schwedischen Historiker, nicht aber bei Philipp von Chemnitz
zu finden ist. 13 Zur Theorie des «gerechten Krieges» in der Frühen Neuzeit vgl.
Kimminich, «Die Entstehung des neuzeitlichen Völkerrechts», S. 84ff, sowie Jans-
sen, «Bellum iustum und Völkerrecht im Werk des Hugo Grotius», S. 129-154. 14
Droysen, G u sta f A dolf, Bd. 2, S. 1-88. 15 Werner Buchholz hat auf die geschichtspo­
litische Einbettung des jeweiligen Gustav-Adolf-Bildes hingewiesen und gegen die
durch Treitschke ( Gustav A d o lf und Deutschlands Freiheit ) repräsentierte national­
konservative Sicht, die den Schwedenkönig in affirmativer Absicht als Vorläufer der
Hohenzollern gezeichnet hat, den Liberalen Droysen gestellt, dem es um einen mit­
unter kritischen, verschiedentlich aber auch affirmativen Blick auf die schwedische
Machtpolitik gegangen sei (Buchholz, «Der Eintritt Schwedens in den Dreißigjähri­
gen Krieg», S. 294 ff). Dass mit Gustav Adolf Geschichtspolitik gemacht worden ist,
steht außer Frage, wobei unter Geschichtspolitik die Konstruktion historischer
Erzählungen nach Maßgabe politischer Zwecke verstanden wird; zum Konzept von
Geschichtspolitik vgl. Wolfrum, Geschichtspolitik in der Bundesrepublik Deutschland,
sowie Assmann, D er lange Schatten der Vergangenheit. 16 Zit. nach Klopp, D er drei­
ß igjährige Krieg, Bd. 3, Teil 1, S. 409. 17 Droysen, G u staf A dolf, Bd. 2, S. 3. 18 Klopp
verweist hier darauf, dass diese Beobachtung von einem katholischen Augenzeugen
stamme und also zuverlässig sei. 19 Klopp, D er dreißigjährige Krieg, Bd. 3, Teil 1,
S. 482. 20 Vgl. Buchholz, «Der Eintritt Schwedens», S. 304 ff 21 Mehring, Gus­
tav A dolf, passim. 22 Zum Portfolio der Machtsorten vgl. Mann, Geschichte der
M acht, Bd. 1, S. 46 ff; für eine historisch tragfähige Definition von Militarismus vgl.
Vagts, A H istory o f M ilitarism , S. 13-37. *3 Clausewitz, «Strategische Beleuchtung
mehrerer Feldzüge von Gustav Adolph, Turenne, Luxemburg und andere historische
Materialien zur Strategie»; in: ders., Hinterlassene Werke, Bd. 9, S. 102. 24 Barudio,
Anmerkungen 887

Gustav A d o lf - der Große, insbes. S. 64-81. 25 Ebd., S. 618 f. 26 Ebd., S. 450 ff 27


Vgl. Tschopp, Heilsgeschichtliche Deutungsmuster, S. 113. 28 Dazu Schindling, «Das
Strafgericht Gottes», S. 11-51, sowie Krusenstjern, «Seliges Sterben und böser Tod»,
S. 469-496, und Schmidt-Biggemann, «Apokalypse und Millenarismus im Dreißig­
jährigen Krieg», S. 269-263. 29 Dazu mit entsprechenden Predigtbelegen auf
evangelischer Seite Tschopp, Heilsgeschichtliche Deutungsmuster, S. 154 t und
186 f. 30 Ebd., S. 213; zur Thematisierung von Krieg und Frieden in den Predigten
der Zeit vgl. Kaufmann, «Lutherische Predigt», S. 245-250. 31 Zur Politik Johann
Georgs während des Dreißigjährigen Kriegs vgl. Gotthard, «Johann Georg I.,
1611-1656», S. 137-147, sowie ders., «<Politice seint wir Bäpstisch>», S. 275-319. 32
Das Zuwarten der deutschen Fürsten und das Drängen Gustav Adolfs ist eingehend
dargestellt bei Droysen, Gustav A dolf, Bd. 2, S. 147-166. 33 Beispiele dafür bei
Tschopp, Heilsgeschichtliche Deutungsmuster, S. 175 f. 34 Für eine ausführliche Dar­
stellung dieser Sichtweise vgl. ebd., S. 217 ff 35 Ebd., S. 112 ff, 132 £, 143 f. und
214. 36 Lorentzen, D ie schwedische Arm ee, S. 2. 37 Zit. nach ebd., S. 3; zur Struktur
und Zusammensetzung der schwedischen Armee vgl. auch Brzezinski/FIook, D ie
A rm ee Gustav Adolfs, S. 8-19, sowie Ericson, «Die schwedische Armee und Marine
während des Dreißigjährigen Krieges», S. 301-307. 38 Dazu eingehend Droysen,
Gustav A dolf, Bd. 2, S. 156 und 161. 39 Ebd., S. 149. 40 Ebd. 41 Ebd., S. 159 f. 42
Der Wortlaut des Schreibens auszugsweise bei Klopp, D er dreißigjährige Krieg, Bd. 3,
Teil 1, S. 476. 43 Zit. nach ebd., S. 477; diese Passage mit kleinen Textvarianten auch
bei Junkelmann, Gustav A dolf, S. 312. 4 4 Zit. nach Klopp, D er dreißigjährige Krieg,
Bd. 3, Teil 1, S. 478; Parallelzitation bei Junkelmann, Gustav A dolf, S. 313. 45 Zit.
nach Klopp, D er dreißigjährige Krieg, Bd. 3, Teil 1, S. 477. 46 Ebd. 47 Flierzu und
zum Folgenden vgl. Ritter, Deutsche Geschichte, Bd. III, S. 449-452, sowie Hobelt,
Ferdinand III., S. 56-62. 48 Golo Mann ( Wallenstein , S. 567-572) hat darauf auf­
merksam gemacht, dass Wallenstein zeit seines Lebens keinem der Kurfürsten (mit
Ausnahme des Kaisers als dem Siebten im Kurfürstenkollegium) persönlich begegnet
ist. Erweist daraufhin, dass die Stellung des Generalissimus am Wiener Hof bereits
seit 1627 schwächer geworden sei, da sich die Zahl seiner Gegner erhöht habe. Zu
ihnen gehörten Wilhelm Slawata, Max von Trauttmansdorff, Peter von Stralendorf
und der Fürst von Meggau. 49 So etwa Parker, D er D reißigjährige Krieg, S. 189;
dagegen geht Diwald (Wallenstein , S. 427) von einem entschlossenen Wallenstein aus,
der das Heft des Handelns wieder in die Hand bekommen wollte. 50 Zu Wallen­
steins Memminger Aufenthalt vgl. Mann, Wallenstein, S. 577-584, sowie Diwald, Wal-
lenstein, S. 429-434. 51 Vgl. Hobelt, Ferdinand III., S. 58f. 52 Das ist das zentrale
Problem der gegenüber der Politik des Kaisers und der katholischen Kurfürsten apo­
logetischen Darstellung Onno Klopps, der Wallenstein für die Schwächung der kai­
serlichen Macht und den desolaten Widerstand gegen Gustav Adolf verantwortlich
gemacht hat (Klopp, D er dreißigjährige Krieg, Bd. 3, Teil 1, S. 485-492). Dazu muss
888 ANHANG

Klopp jedoch dem Herzog von Friedland eine Macht zusprechen, die er zu diesem
Zeitpunkt schon gar nicht mehr hatte. Klopps Wallenstein-Bild ist durch die
Annahme des späteren Verrats bestimmt, so dass Wallensteins Agieren imJahre 1630
als Vorwegnahme des vorgeblichen Verrats von 1633/34 beschrieben werden kann.
Das ist umso bemerkenswerter, als die widerstandslose Hinnahme seiner Absetzung
durch Wallenstein dieser Sicht deutlich entgegensteht. 53 Dazu ausführlich, Ritter,
Deutsche Geschichte, Bd. III, S. 451h 54 Dazu oben, S. 405 f. 55 Zit. nach Hobelt,
Ferdinand III., S. 56. 56 Ritter, Deutsche Geschichte, Bd. III, S. 464. 57 Dazu Jun-
kelmann, Gustav A dolf, S. 322. 58 Dazu ebd., S. 322-324, sowie ausführlich Droysen,
G u staf A d o lf S. 166-175. 59 Clausewitz, Vom Kriege, S. 877. 60 Vgl. Stadler, P ap­
penheim , S. 444-447. 61 Dazu Droysen, Bernhard von Weimar, Bd. 1, S. 26-35. 62
Dazu unten, S. 464-486. 63 Vgl. Ritter, Deutsche Geschichte, Bd. III, S. 461 £ 64
Dazu zusammenfassend Gotthard, «<Politice seint wir Bäpstisch>», S. 310-319. Dort
als Resümee: «Die Dresdner Regenten betrieben auch in den Jahren und Jahrzehn­
ten immer weiter anwachsender konfessioneller Polarität ihre Reichspolitik nicht als
Protestanten, sondern zuallererst als Kurfürsten, und als jene waren sie, so die sächsi­
sche Interpretation, die <innersten>, <geheimsten> Räte des Kaisers, nicht etwa
Repräsentanten des Reiches» (S. 315). Mit der Ausschreibung des Leipziger Kon­
vents verließ Sachsen diese Linie; dazu auch Burkhardt, «Der Dreißigjährige Krieg -
Einfluß der sächsischen Politik auf die deutsche Geschichte», S. 3-12. 65 Ritter,
Deutsche Geschichte, Bd. III, S. 462. 66 Junkelmann, Gustav A d o lf, S. 317. 67 Ritter,
Deutsche Geschichte, Bd. III, S. 463. 68Junkelmann, Gustav A dolf, S. 327. 69 Logau,
Sinngedichte. 70 Speziell zu Leipzig vgl. Schenkrich «<Tränen des Vaterlandes»»,
S. 37-44; für Bayern Friesenegger, Tagebuch aus dem Dreißigjährigen Krieg, S. 23 fr.
71 Vgl. oben, S. 433 ff. 72 Wedgwood, D er 30jährige Krieg, S. 202. 73 Ebd.,
S. 225. 74 Ebd., S. 247. 75 Vgl. ausführlich Droysen, G u staf A dolf, Bd. 2,
S. 175-185. 76 Zum Vertrag von Bärwalde ebd., S. 254-256, sowie Junkelmann, Gus­
tav A dolf, S. 325 f. 77 Zu den Zahlen beim Aufbau der schwedischen Heeresmacht
vgl. Lorentzen, D ie schwedische Arm ee, S. 9 ff. 78 Monro, Kriegserlebnisse,
S. 789-799. 79 Diese Gepflogenheit ist in dem jedes weitere Kriegsjahr eröffnen­
den Song in Brechts M utter Courage gespiegelt: «Das Frühjahr kommt. Wach auf Du
Christ! / Der Schnee schmilzt weg. Die Toten ruh’n. / Und was noch nicht gestorben
ist / Das macht sich auf die Socken nun.» (S. 1351 und öfter). 80 Zit. nach Droysen,
G u sta f A dolf, Bd. 2, S. 259. 81 Vgl. Mann, Wallenstein, S. 577-584, sowie Diwald, Wal­
lenstein, S. 432 £ 82 Der Vorwurf der Heeressabotage wird breit ausgeführt bei
Ernstberger, «Wallensteins Heeressabotage», S. 42-72; der Sabotagethese folgt auch
Rill, Tilly, S. 233. 83 Zu Tillys neuer Position und seinen Versuchen, die kaiserliche
Armee wiederaufzurichten, vgl. Rill, Tilly, S. 228 ff 84 Zit. nachJunkelmann, Gustav
A dolf, S. 328 £ 85 «Es war ein unverzeihlicher Fehler Tilly’s, daß er die Fortschritte
Gustaf Adolfs ruhig mit ansah, ohne herbeizueilen und ihnen zu steuern; doppelt
Anmerkungen 889

unverzeihlich, seit er auch den Oberbefehl über das kaiserliche Heer hatte.» (Droy-
sen, G u sta f A dolf, Bd. 2, S. 260). «Tilly hatte bis in den Februar hinein zu Frankfurt
still gelegen, statt kühn und rasch zu handeln, endlos zaudernd.» (S. 271). 86 Rill,
Tilly, S. 223. 87 Zit. nach Droysen, G u staf A d o lf Bd. 2, S. 262. 88 Zu Gustav Adolfs
Rriegsplänen für den Feldzug von 1631 vgl. Junkelmann, Gustav A d o lf S. 323, sowie
ausführlich Droysen, G u staf A dolf, Bd. 2, S. 262-265; dort auch der Gegenentwurf
Oxenstiernas, dem Gustav Adolf dann folgte. 89 Dieses Vorhaben scheiterte daran,
dass Oberst Farensbach, der an den Werbungen beteiligt war, zu den Kaiserlichen
überlief und ihnen den Plan verriet. Grund dafür war offenbar, dass nicht er, sondern
Hamilton mit dem Kommando über diese Armee betraut werden sollte; vgl. Droysen,
G u sta f A dolf, Bd. 2, S. 263, Fn. 1. 90 Vgl. ebd., S. 260. 91 Zit. nach Lorentzen, D ie
schwedische Arm ee, S. 22. 92 Zit. nach ebd., S. 23. 93 Vgl. ebd., S. 10 f. 94 Lorent­
zen vertritt die Auffassung, Gustav Adolf habe nationalschwedische Einheiten vor­
zugsweise für den Festungs- und Garnisonsdienst eingesetzt, weil sie im Unterschied
zu den deutschen Söldnern nicht dazu neigten, nach einem eher symbolischen
Widerstand den Ort zu übergeben, sondern ihn entschlossen verteidigten. Dafür
habe er in der offenen Feldschlacht deutsche Söldner bevorzugt, die kampferfahren
waren und wussten, dass Zurückweichen und Flucht ein höheres Todesrisiko zur
Folge hatten als Standhalten; vgl. ebd., S. 11. Das heißt jedoch nicht, dass die national­
schwedischen Verluste auf den Feldzügen Gustav Adolfs niedriger gewesen wären als
die bei Soldaten aus anderen Nationen: Von den 230 jungen Männern, die zwischen
1621 und 1639 in Bygdeä in Nordschweden rekrutiert wurden, sind 215 gefallen und
fünf kehrten als Krüppel heim. Die Folge war, dass die Zahl der männlichen Erwach­
senen in Bygdeä von 468 imJahre 1621 auf 288 im Jahre 1639 zurückging (Parker, D er
D reißigjährige Krieg, S. 283; Parker stützt sich hier auf die paradigmatische Untersu-
chungvonj. Lindegren, Utskrivning och utsugning). Es ist also keineswegs so, dass der
Bevölkerungsrückgang infolge des Krieges ein auf Deutschland begrenztes Problem
gewesen wäre. Für die nationalschwedische Prägung des Heeres, die auch über Gus­
tav Adolfs Tod hinaus fortbestand, sorgte das höhere Offizierskorps, das, von weni­
gen Ausnahmen wie Bernhard von Weimar abgesehen, aus Schweden bestand. Von
Baner bis Torstensson und Wrangel stand eine Reihe überaus befähigter Offiziere zur
Verfügung, denen neben und nach Gustav Adolf die Erfolge der schwedischen Trup­
pen wesentlich zu verdanken sind. 95 Droysen, G u staf A dolf, Bd. 2, S. 264. 96
Dazu Findeisen, A x e l Oxenstierna, passim. 97 Droysen, G u staf A dolf, Bd. 2,
S. 264 h 98 Zu Gustav Horn, Graf zu Björneborg, der einer eher defensiven Strate­
gieschule anhing, vgl. Findeisen, D er Dreißigjährige Krieg, S. 324 f. 99 Zit. nach
Droysen, G u staf A dolf, Bd. 2, S. 266. 100 Ebd., S. 267 f. 101 Monro, Kriegserlebnisse,
S. 103. Monro hat eine starke Neigung, eigene wie gegnerische Verbände nach ihrer
Tapferkeit zu beurteilen. So berichtet er, wie seine Einheit auf dem Marsch von Neu­
brandenburg nach Demmin bei dem Städtchen Letzin eine Truppe von 600 kaiserli-
890 ANHANG

chen Soldaten überraschte, so dass die Musketiere nach Letzin eindringen konnten,
bevor die Besatzung zu den Waffen griff. «Es waren dumme, unbedarfte Italiener, die
armseligsten Offiziere, die ich je gesehen habe, die es nicht wert waren, daß man sie
als Soldaten bezeichnet, denn obwohl sie von unserem Marsch wußten, ließen sie
sich auf so jämmerliche Weise überraschen» (S. 101). 102 Junkelmann, Gustav
A dolf, S. 329, spricht von 12 000, Droysen, G u staf A dolf, Bd. 2, S. 371, von 16 000 Mann.
Droysen erwähnt aber auch Berichte, in denen von 20 000 Mann die Rede ist. 103
Dazu ausführlich Droysen, G u staf A d o lf Bd. 2, S. 271-273 und 276-278. 104 Zu
Dodo Freiherr zu Imhausen und Knyphausen (auch Kniphausen) vgl. Findeisen, D er
D reißigjährige Krieg, S. 327 f. Er brachte es immerhin bis zum schwedischen Feldmar­
schall und wurde in Anerkennung des bei Hessisch-Oldendorf errungenen Sieges
von Oxenstierna mit dem Emsland belehnt. Dort hat er im Sommer 1636 bei Hase­
lünne in einem Gefecht den Tod gefunden. 105 So Tilly in einem Brief an Maximi­
lian vom 22. März; zit. nach Droysen, G u staf A dolf, Bd. 2, S. 277. 106 Monro, Kriegs­
erlebnisse, S. 105. 107 Vgl. oben, S. 324 ff. «Die Sieger», so das Resümee Droysens
(S. 278), «ergossen sich über die Straßen, drangen in die Häuser, in die Kirchen ein
und bereiteten den Bürgern dasselbe Schicksal wie dem Feinde. Die Männer wurden
gemordet, die Frauen und Jungfrauen geschändet, die ganze Stadt wurde ausgeplün­
dert.» Junkelmann (S. 329) stellt hingegen fest: «250 der Verteidiger wurden nieder­
gemacht, die übrigen 500 gefangen genommen. In der schwedischen Armee fand die
falsche Nachricht Verbreitung, die ganze Garnison sei massakriert worden, was für
große Erbitterung sorgte.» 108 Bei Petarden handelt es sich um eine Art Mörser
mit sehr kurzem Lauf, der, mit schnell abbrennendem Pulver gefüllt, am Stadttor
befestigt wurde, bevor man das Pulver zündete. 109 Ausführlich zur Eroberung
Frankfurts an der Oder Droysen, G u staf A dolf, Bd. 2, S. 284 h 110 Zit. nach ebd.,
S. 286. 111 Hierzu und zum Folgenden Droysen, G u staf A dolf, Bd. 2, S. 290-296,
sowie Ritter, Deutsche Geschichte, Bd. III, S. 480-485. 112 Ritter (ebd., S. 480f.)
weist daraufhin, dass der Leipziger Konvent von Seiten der protestantischen Fürsten
und Stände sowie der Reichsstädte so gut beschickt wurde wie keine Versammlung
in der Vergangenheit. 113 Luther: Bibel 154$, 83. Psalm, 1-4. 114 Zit. nach Tschopp,
Heilsgeschichtliche Deutungsmuster, S. 113 f. Hoe von Hoeneggs Predigt wurde umge­
hend bei Gregorio Ritzschen in Leipzig gedruckt: D er drey vnd achtzigste Psalm ; vgl.
ebd., S. 325. 115 Droysen, Gustav A dolf, Bd. 2, S. 296. Droysens 1870 veröffentlichtes
Urteil ist unübersehbar durch das Leiden eines Liberalen an dem politischen Still­
stand in der Zeit vor der Bismarck’schen Reichseinigung geprägt. Es ist ein weiterer
Beleg dafür, dass Gustav Adolf selbst da, wo er nicht im geschichtspolitischen Sinn
modelliert worden ist, ein Sammelpunkt für Urteile über die eigene Gegenwart
war. 116 Zit. nach ebd., S. 294. 117 Leopold Wilhelm war bereits Bischof von
Straßburg und Passau sowie Abt von Murbach. 118 Für eine ausführliche Darstel­
lung der Magdeburger Ereignisse im Sommer 1630 aus einer proprotestantischen
Anmerkungen 891

Sicht Droysen, G u staf A dolf, Bd. 2, S. 103-125; aus katholischer Sicht vgl. Klopp, D er
dreißigjährige Krieg, Bd. 3, Teil 1, S. 492-520; jetzt vor allem Medick, «Historisches
Ereignis und zeitgenössische Erfahrung», S. 377-407, sowie Ballerstedt, «Belage­
rung und Zerstörung Magdeburgs», S. 11-24. 119 Zu Christian Wilhelm und sei­
nen Verbindungen nach Schweden sowie den Zusagen, die ihm Gustav Adolf
gemacht hatte, ausführlich Droysen, G u staf A d olf , Bd. 2, S. 113-125. 120 Vgl. oben,
S. 442. 121 Zur Vita Falkenbergs vgl. Findeisen, D er Dreißigjährige Krieg, S. 333.
Findeisen bezeichnet Falkenberg als einen «fanatischen Vorkämpfer des militanten
Protestantismus». Man kann in ihm auch einen uneingeschränkt loyalen Offizier
Gustav Adolfs sehen. 122 Nach Rill, Tilly, S. 225. 123 Zit. nach Droysen, G u staf
A dolf, Bd. 2, S. 280. 124 Rill, Tilly, S. 224. 125 Droysen, G u staf A dolf, Bd. 2, S. 280;
dazu auch Querengässer, Feldm arschall Pappenheim , S. 36 f. 126 Dazu Querengässer,
Feldm arschall Pappenheim , S. 28-30, sowie Stadler, Pappenheim , S. 331-345- « 7
Stadler, Pappenheim , S. 490 f. 128 Rill, Tilly, S. 225. 129 Vgl. Droysen, G u staf A dolf,
Bd. 2, S. 314. 130 Zit. nach ebd., S. 317. 131 Ebd., S. 319. 132 Vgl. Droysen, G u staf
A dolf, Bd. 2, S. 325. 133 Deswegen war es eine verbreitete Praxis, alle nutzlosen oder
überflüssigen Esser aus belagerten Städten zu vertreiben; vgl. Martines, Blutiges Z eit­
alter, S. 118. Martines bezieht sich dabei auf den Militärtheoretiker Bernardino Rocca,
der den Belagerern als Reaktion empfiehlt, die aus der Stadt Vertriebenen in die Stadt
zurückzutreiben oder sie zu töten. 134 Zu den Verhandlungen mit Brandenburg
und Sachsen und den operativen Möglichkeiten Gustav Adolfs vgl. Junkelmann, Gus­
tav A dolf, S. 331 ffi, sowie Findeisen, Gustav II. A dolf, S. 143 £, der zugunsten des
Königs feststellt, «die Unentschlossenheit der Kurfürsten von Sachsen und Branden­
burg [sei die] Hauptursache zum zögerlichen Vormarsch zur Entlastung Magde­
burgs» gewesen. Findeisen merkt aber auch an, «Gustav Adolf versprach den protes­
tantischen Gruppierungen der Stadt mehr, als er erfüllen konnte». 135 Droysen,
G u staf A dolf, Bd. 2, S. 325. 136 Hierzu und zum Folgenden vgl. ebd., S. 327-332. 137
Hagendorf, Tagebuch eines Söldners, S. 104. 138 Droysen, G u staf A dolf, Bd. 2,
S. 330. 139 Hagendorf, Tagebuch eines Söldners, S. 204. 140 Zeitgenössische
Berichte über die Eroberung und den Brand Magdeburgs, sowohl aus Sicht überle­
bender Einwohner als auch der Eroberer finden sich in dem von Ernst Neubauer her­
ausgegebenen Bändchen M agdeburgs Zerstörung 1631. 141 Zit. nach Droysen, G u staf
A dolf, Bd. 2, S. 340. 142 Neubauer (Hg.), M agdeburgs Zerstörung, S. 66. Z u den
Ereignissen in Magdeburg weiterhin Puhle (Hg.), «... gantz verheeret!» M agdeburg
und der D reißigjährige Krieg, sowie Medick, «Historisches Ereignis und zeitgenössi­
sche Erfahrung», S. 283 ff. 143 Neubauer (Hg.), M agdeburgs Zerstörung, S. 66. 144
Junkelmann, Gustav A dolf, S. 333, geht von 15 000 Einwohnern und 4000 Verteidigern
aus; an anderer Stelle (T illy, S.42) spricht er von «wenigstens 20000 [...], von
denen die meisten in ihren Kellerverstecken am Rauch erstickt waren». Rill, Tilly,
S. 252, geht sogar von 25 000 Toten aus. Guthrie, Battles, S. 157, wiederum spricht von
892 ANH ANG

mehr als 20 000 Toten in Magdeburg; auf kaiserlich-ligistischer Seite seien 300 Mann
getötet und 1600 verwundet worden. Zacharias Bandhauer, ein Augenzeuge der
Eroberung und des Untergangs von Magdeburg, spricht von 26 000 Menschen, die
umgekommen seien; Neubauer (Hg.), M agdeburgs Zerstörung, S. 23. 145 Zahlen
nach Guthrie,Battles, S. 33. i46Neubauer (Hg.),M agdeburgs Zerstörung, S. 66. 147
Ebd. 148 Zit. nach Junkelmann, Tilly, S. 44. 149 Zit. nach ebd. 150 Neubauer
(Hg.), M agdeburgs Zerstörung, S. 17 und 65. 151 Ebd., S. 22. 152 Zit. nach Jessen
(H g .), D er Dreißigjährige K rieg in Augenzeugenberichten, S. 264. 153 Neubauer (Hg.),
M agdeburgs Zerstörung, S. 22. 154 Ebd., S. 16; im Magdeburger Dom, den Tilly ver­
schonte, haben nach dem Bericht Gerickes 4000 Menschen den Brand der Stadt
überlebt; vgl. ebd., S. 44. 155 Ebd., S. 45. 156 Ebd., S. 21. 157 Ebd., S. 16. 158
Ebd., S. 43. 159 Für die Mikrostruktur der Plünderungen sind die Berichte von
Daniel Friese («Vom magdeburgischen Unglück»), Simon Printz («Erzählung des
Konstablers») und Christoph Thodänus («Beschreibung seiner Erlebnisse bei der
Zerstörung Magdeburgs») aufschlussreich, alle in Neubauer (Hg.), M agdeburgs Z e r­
störung. 160 Ebd., S. 22 f. 161 Zit. nach Junkelmann, Tilly, S. 46; in den Sätzen
Wiltheims wird die Dynamik des Massakers erkennbar. Elias Canetti hat die These
vertreten, dass im Massaker die Agierenden ihre eigene Todesangst überwinden; hier
dürfte es sich um die nachträgliche Bewältigung der während des Sturmangriffs aus­
gestandenen Todesangst gehandelt haben; dazu Paul/Schwalb (Hgg.), Gewaltmassen,
S. 39 ff. und insbes. S. 51 f. 162 Schilling, «Die Zerstörung Magdeburgs in der zeitge­
nössischen Literatur und Publizistik», S. 110. 163 Ebd., S. 100 f. 164 Als eine von
wenigen hat Wedgwood (D er 30jährige Krieg, S. 253 k) diesen Aspekt in einer Gesamt­
darstellung des Krieges etwas ausführlicher behandelt. 16s Zit. nach Junkelmann,
Tilly, S. 44 f. 166 Zit. nach ebd., S. 44. 167 Zit. nach Droysen, G u staf A d olf , Bd. 2,
S. 339; weitere Beispiele bei Schilling, «Die Zerstörung Magdeburgs», S. 93-95,
sowie Lahne, M agdeburgs Zerstörung in der zeitgenössischen Publizistik. 168 Zit. nach
Junkelmann, Tilly, S. 45. 169 Dazu ausführlich Droysen, G u staf A dolf, Bd. 2,
S. 364-373, sowie Querengässer, Feldm arschall Pappenheim , S. 41. 170 20 Zeitungen,
205 Flugschriften und 42 illustrierte Flugblätter schilderten das Schicksal Magde­
burgs und sorgten für eine stark antihabsburgische Grundstimmung in Europa; vgl.
Parker, D er Dreißigjährige Krieg, S. 204 k 171 Vgl. oben, S. 324 ff. 172 Zit. nach
Droysen, G u staf A dolf, S. 340. 173 Zur Politik des sächsischen Kurfürsten vgl. Gott­
hard, «<Wer sich salviren könd, solts thun>», S. 64 ff; zur PersonJohann Georgs vor
allem Blaschke, D er Fürstenzug zu Dresden, S. 160-165. 174 Dazu Junkelmann, Gus­
tav A dolf, S. 33, sowie ausführlich Barudio, Gustav A dolf, S. 492-503, der sich freilich
mehr mit normativen als strategischen Fragen beschäftigt. 175 Junkelmann, Gustav
A dolf, S. 336. 176 Vgl. hierzu Droysen, G u staf A dolf, Bd. 2, S. 341-354. 177 Zit. ebd.,
S. 346. 178 Vgl. Junkelmann, Gustav A dolf, S. 337; weiterhin Droysen, B ernhard von
Weimar, Bd. 1, S. 49 ff. 179 Zu Tillys Erklärung vom 20./30.Juni 1631 vgl. Droysen,
Anmerkungen 893

G ustaf Adolf, Bd. 2, S. 377 f. 180 Zit. nach ebd., Bd. 2, S. 378. 181 Vgl. Junkelmann,
Gustav Adolf, S. 339, sowie Droysen, G ustaf Adolf, Bd. 2, S. 379 k 182 Ich folge hier
den Berechnungen von Junkelmann, Gustav Adolf, S. 343 £; davon weichen die sehr
detaillierten Angaben Guthries (Battles, S. 20-23) leicht ab: Guthrie geht davon aus,
dass 14742 schwedische Infanteristen und 8064 Kavalleristen in Breitenfeld kämpf­
ten, dazu 12100 sächsische Infanteristen und 5225 Kavalleristen, zusammen also
26 842 Mann Infanterie und 13 289 Mann Kavallerie und insgesamt 40131 Soldaten, zu
denen noch die Bedienungsmannschaften der 66 Kanonen, 54 schwedische und
12 sächsische, hinzuzurechnen sind. Tilly standen nach Guthrie 21400 Infanteristen
und 9900 Kavalleristen, zusammen 31300 Mann, zur Verfügung. Auch bei ihm
kamen noch einige hundert Mann für die 26 mitgeführten Kanonen dazu. Guthries
sehr präzise Zahlenangaben, die auf den Bestandslisten der Regimenter beruhen,
sind freilich zu relativieren, denn sie geben nicht das wieder, was am Tag der Schlacht
dem schwedischen König tatsächlich zur Verfügung stand. Guthrie selbst hält fest
(S. 23), dass zwischen der Musterung der Heere bei Düben und dem Tag von Breiten­
feld um die 10 Prozent der Infanteristen «verschwunden» seien: die einen meldeten
sich krank, die anderen desertierten. Die niedrigste Ausfallrate hatten die Schotten
mit 5 Prozent, die höchste die schwedischen Konskribierten mit 15 Prozent. Guthrie
stützt seine Berechnungen auf das schwedische Generalstabswerk und merkt an, dass
es keine Zahlen zu ähnlichen Entwicklungen bei den sächsischen, ligistischen und
kaiserlichen Truppen gebe (S. 45, Fn. 40). Bemerkenswert ist auch eine Berechnung
Junkelmanns ( Gustav Adolf, S. 343 k), in der er die auf dem Schlachtfeld aufmar­
schierten Truppen zu den insgesamt vorhandenen Kräften in Beziehung gesetzt hat:
Demnach hatte Gustav Adolf von den ihm unter Einbezug der Verbündeten zur Ver­
fügung stehenden 82 700 Mann etwa 50 Prozent auf dem Schlachtfeld von Breiten­
feld konzentriert; bei den 99 000 Mann, die Tilly im Prinzip befehligte, waren es
dagegen nur 33 Prozent, die er bei Breitenfeld zusammengezogen hatte. Hätte Tilly
noch ein paar Tage gewartet, und die aus Italien zurückkehrenden Regimenter wären
dazugestoßen, hätte auch er eine Rate nahe von 50 Prozent erreicht. Junkelmann hält
fest, dass die Truppenkonzentration im Fall der Schweden außergewöhnlich hoch
und bei den Truppen der Liga und des Kaisers eine «bemerkenswerte Leistung»
gewesen sei (S. 344). Man kann die Relation von so zu 33 Prozent aber nicht nur im
Hinblick auf die Organisations- und Koordinationsfähigkeit beider Seiten lesen, son­
dern auch im Hinblick auf das dabei jeweils eingegangene Risiko. Das war im Fall
Gustav Adolfs erheblich höher: Er setzte deutlich mehr aufs Spiel, so dass die Folgen
einer Niederlage größer gewesen wären als bei Tilly. 183 Guthrie, Battles, S. 45, Fn.
43. 184 Monro, Kriegserlebnisse, S. 134 £ 185 Ebd., S. 136. 186 Gemeint sind mit
den «vier Regimentern» die des Feldmarschalls Gottfried Heinrich von Pappen­
heim, des Generalwachtmeisters Joachim von Wahl sowie der Obersten Johann
Wangier und Werner von Tilly, einem Neffen des Oberkommandierenden. Das
894 ANHANG

«Regiment Pappenheim» kämpfte an diesem Tag nicht unter dem Kommando sei­
nes Namensgebers, der auf dem anderen Flügel kommandierte. Vgl. Peters (Hg.),
Peter H a g e n d o rf- Tagebuch eines Söldners, S. 105 f.; zu Hagendorfs Tagebuch vgl. auch
Burschei, «Himmelreich und Hölle», passim. 187 Dazu grundsätzlich Münkler,
«Schlachtbeschreibung». 188 Monro, Kriegserlebnisse, S. 136. 189 Die nachfol­
gende Darstellung der Schlacht stützt sich auf Marcus Junkelmann ( Gustav A dolf,
S. 344-352), einen versierten Militär- und Kriegshistoriker, weiterhin William
P. Guthrie (Battles , S. 27-37), der alle größeren Schlachten des Dreißigjährigen Krie­
ges akribisch rekonstruiert hat, sowie Walter Opitz (D ie Schlacht bei Breitenfeld), der
die nach wie vor detaillierteste Studie zu den Quellen über den Schlachtverlauf vor­
gelegt hat; zum eigentlichen Schlachtverlauf S. 87-112. Weiterhin wurden herangezo­
gen Delbrück, Geschichte der Kriegskunst, Bd. 4, S. 260-269, Preil, Österreichs Schlacht­
felder, S. 13-38, Parker, D er D reißigjährige Krieg, S. 205 f., sowie Droysen, G u staf A dolf,
S. 395-411; weiterhin Querengässer, Pappenheim , S. 42-45, und Rill, Tilly,
S. 265-271. 190 Vgl. Querengässer, Pappenheim , S. 42. 191 So Wedgwood, D er
30jährige Krieg, S. 259. Rill (T illy, S. 266) gibt den Satz etwas anders wieder: «Dieser
Unglückliche wird mich um meine Ehre und meine Reputation bringen, und den
Zusammenbruch des Kaisers auf sein Gewissen laden.» Vermutlich hat Tilly, der nur
sehr schlecht Deutsch sprach, den Satz auf Französisch gesagt. 192 Guthrie, Battles,
S. 27. 193 Ebd. 194 Vgl. oben, S. 309 f. 195 Zit. nach Droysen, G u staf A dolf, Bd. 2,
S. 406, Fn. 1. 196 Monro, Kriegserlebnisse, S. 139. Es waren freilich nicht die flüchten­
den Sachsen, die über die Bagagewagen herfielen; sondern Kroaten in kaiserlichen
Diensten. 197 Vgl. Guthrie, Battles, S. 29. 198 Guthrie, Battles, S. 33. 7600 Mann
von Tillys Armee waren tot, 6000 wurden auf dem Schlachtfeld gefangen genommen,
3000 weitere am Tag danach. Einige Tausend weitere starben an ihren Verwundungen
oder wurden von sächsischen Bauern erschlagen. Unter den Toten waren auch viele
Offiziere des Heeres, das infolgedessen so schnell nicht wieder neu aufgestellt werden
konnte. 199 Monro, Kriegserlebnisse, S. 139. 200 Zit. nach Droysen, G u staf A d o lf
Bd. 2, S. 408. 201 Zit. nach Junkelmann, Gustav A dolf, S. 305 f. 202 So auch das
Urteil von Guthrie, Battles, S. 33; Junkelmann, Gustav A dolf, S. 352, schreibt, Schwe­
den sei in der Schlacht von Breitenfeld «zur führenden Militärmacht in Europa» auf­
gestiegen. 203 Zit. nach Droysen, G u staf A dolf, Bd. 2, S. 407 h 204 Zu dieser Epi­
sode der Schlacht vgl. Rill, Tilly, S. 270, sowie Guthrie, Battles, S. 32. 205 Über die
militär- und strategiegeschichtliche Bedeutung der Schlacht von Breitenfeld herrscht
in der einschlägigen Kriegsgeschichtsschreibung bis heute Dissens: Während
Guthrie (Battles , S. 33) davon spricht, bei Breitenfeld sei die spanische Art der
Gefechtsführung gescheitert und von nun an seien alle Schlachten des Dreißigjähri­
gen Krieges nach «schwedischem Stil», also mit flacher statt tiefer Aufstellung,
hoher Beweglichkeit anstelle kompakter Wucht, geschlagen worden, meint Junkel­
mann (G ustav A d o lf , S. 351 £), Breitenfeld sei keineswegs das Aufeinandertreffen von
Anmerkungen 895

zwei entgegengesetzten Strategien gewesen, sondern das Ergebnis einer elementar­


taktischen Überlegenheit der Schweden: In den entscheidenden Augenblicken hät­
ten sie schneller und geschickter agiert. 206 Zu den Beratungen und den Optionen
vgl. Findeisen, Gustav II. Adolf, S. 156-161, sowie Junkelmann, Gustav Adolf,
S. 363-366; eine etwas andere Optionsanalyse bei Guthrie, Battles, S. 161. 207 Zum
Agieren Oxenstiernas in dieser Phase des Krieges vgl. Findeisen, Axel Oxenstierna,
S. 175-183. 208 Vgl. oben, S. 175 f. 209 Clausewitz, Vom Kriege, S. 960 ff. 210 Zit.
nach Findeisen, Axel Oxenstierna, S. 179. 211 Dazu Findeisen, Gustav II. Adolf,
S. 162. 212 Droysen, Gustaf Adolf, Bd. 2, S. 412. 213 Zit. nach Jessen (Hg.), Der
Dreißigjährige Krieg in Augenzeugenberichten, S. 274. 214 Zit. nach Droysen, Gustaf
Adolf, Bd. 2, S. 414. 215 Vgl. Junkelmann, Gustav Adolf, S. 366. 216 Ebd., S. 368,
sowie Rill, Tilly, S. 280 £ 217 Monro, Kriegserlebnisse, S. 148. 218 Ebd., S. 149. 219
Droysen, Gustaf Adolf, Bd. 2, S. 437. 220 Vgl. unten, S. 693 ff 221 Vgl. oben,
S. 466 £ 222 Vgl. Junkelmann, Gustav Adolf, S. 367 £ 223 Junkelmann geht davon
aus, dass Gustav Adolf eben das nicht tat; ebd., S. 368. 224 Clausewitz, Vom Kriege,
S. 879 k 225 Junkelmann, Gustav Adolf, S. 368 £; Bernd Rill, Tilly, S. 281k, stellt die
Situation aus der Perspektive Tillys etwas anders dar: Aldringen und Fugger hätten
zu einem Angriff auf Würzburg gedrängt, Pappenheim und Fürstenberg hingegen
abgeraten. Immerhin, Aldringen und Fugger waren bei Breitenfeld nicht dabei gewe­
sen, Pappenheim und Fürstenberg sehr wohl. Entscheidend war wohl die Forderung
von Kurfürst Maximilian, die letzten verfügbaren Truppen der Liga und des Kaisers
nicht bei einem Vabanque-Angriff aufs Spiel zu setzen. Es sei ihm nur um den Schutz
Bayerns gegangen, wurde Maximilian später von den rheinischen Kurfürsten vorge­
worfen, und dafür habe er sie den Schweden ausgeliefert. Guthrie, Battles, S. 162, der
Tillys Zögern einer Niederlage gleichstellt, weist daraufhin, dass die Überlegenheit
des Liga-Heeres nur quantitativer, nicht unbedingt qualitativer Art gewesen sei: Til­
lys Truppen hätten aus Überlebenden von Breitenfeld und unerfahrenen Lothringer
Rekruten bestanden. 226 Monro, Kriegserlebnisse, S. 154. 227 Clausewitz, Vom
Kriege, S. 877 k 228 Zit. nach Droysen, Gustaf Adolf, Bd. 2, S. 445. 229 Zit. nach
ebd., S. 445 k; Auslassungen im Text bei Droysen. 230 Diesen Gedanken hat Hob-
bes im 30.Kapitel seines Leviathan entwickelt: «Die Aufgabe des Souveräns [...]
ergibt sich aus dem Zweck, zu dem er mit der souveränen Gewalt betraut wurde,
nämlich der Sorge für die Sicherheit des Volkes.» (S. 315) 231 Droysen, Gustaf
Adolf, Bd. 2, S. 448 k 232 Brzezinski/Hook, Die Armee Gustav Adolfs, S. 46. 233
Dazu Wille, Hanau im dreißigjährigen Krieg, S. 61 ff. 234 Vgl. Müller, «Bau und
Bedeutung der Festung Hanau», S. 99-107; dazu auch Bus, «Gute Ernten und zent­
rale Lage als Fluch», S. 79-91. 235 Dazu Junkelmann, Gustav Adolf, S. 369. 236
Droysen, GustafAdolf, Bd. 2, S. 453. 237 Ebd.; Gindely schreibt, Gustav Adolf habe
sich damit begnügt, ihm «die kostbarste Feder aus seinem Gefieder herauszurupfen»
( Geschichte des dreißigjährigen Krieges, Bd. 2, S. 224). 238 Pappenheim hingegen
896 ANH ANG

erklärte, wenn man ihm den Oberbefehl über das Heer gebe, werde er «die Stadt
innerhalb von fünf Tagen ärger zurichten als Magdeburg»; zit. nach Rill, Tilly, S. 289.
Diese Aussicht könnte für Tilly ein weiterer Grund gewesen sein, es nicht auf eine
Erstürmung Nürnbergs ankommen zu lassen, denn er wusste, was die Vernichtung
Magdeburgs ihn gekostet hatte: «Der vermeintliche Triumph» hatte sich «als eine
katastrophale moralische Niederlage» erwiesen, so Marcus Junkelmann, Tilly,
S. 75. 239 Zit. nachJunkelmann, Gustav Adolf, S. 370. 240 Die Zahlenangabe nach
Junkelmann, Gustav Adolf, S. 370. Rill, Tilly, S. 269, spricht von 17 000 Mann, die
unter dem Kommando von Gallas und Colloredo nach Böhmen abgezogen seien.
Diese Truppen kamen unter das Kommando Wallensteins, der am 15. Dezember
erneut den Oberbefehl über das kaiserliche Heer übernahm. 241 Offenbar haben
auch die Witterungsverhältnisse bei Tillys Entscheidung, seine Truppen in die Win­
terquartiere zu verlegen, eine gewisse Rolle gespielt. «Dieses mal ist es eine sehr
große Kälte gewesen», schreibt Peter Hagendorf ( Tagebuch eines Söldners, S. 106)
über den Spätherbst 1631. Man sei darum «nach dem Bayernland zu in die Winter­
quartiere» gegangen. «Mitte Dezember», so auch Monro (Kriegserlebnisse, S. 158),
sei man «bei sehr stürmischem Wetter unter Frost und Schnee» vor Mainz ange­
kommen. 242 Dazu ausführlicher Ritter, Deutsche Geschichte, Bd. III, S. 504. 243
Hierzu und zum folgenden Junkelmann, Gustav Adolf, S. 370-374, sowie Guthrie,
Battles, S. 162 f. 244 Dazu Parker, The Army of Flanders and the Spanish Road,
S. 73. 245 Zu den während der Jahre 1631 und 1632 in Madrid geführten politisch
strategischen Debatten vgl. Straub, Faxet Imperium, S. 44sff. 246 Eine Armee unter
Horn mit 29000 Soldaten sollte in Franken operieren; eine unter Baner mit
39 000 Mann im Raum Magdeburg stehen und von dort aus nach Niedersachsen Vor­
dringen; Tott in Mecklenburg sollte 29 000 und Wilhelm V. von Hessen-Kassel
18 000 Mann haben; Georg von Braunschweig-Lüneburg 6500 Mann und Wilhelm
von Sachsen-Weimar 8500 Mann; Arnims sächsische Armee sollte 24 000 Mann
umfassen; in Schlesien und Brandenburg sollten weitere Kräfte in einer Stärke von
30 000 Mann hinzukommen; die im Rhein-Main-Raum stehende Armee des Königs
selbst sollte 44 000 Mann haben; diese Angaben nach Guthrie, Battles, S. 163. 247
Junkelmann, Gustav Adolf, S. 374. 248 Zum publizistischen Ringen um die vorherr­
schende Deutung des Kriegs in den Niederlanden vgl. Arndt, «Der spanisch-nieder­
ländische Krieg in der deutschsprachigen Publizistik», S. 401. 249 Das ist die
Sichtweise, die Günter Barudio in seinem Buch Der Teutsche Krieg herausgestellt hat.
Er hat freilich übersehen, dass diese Rechtsauffassung für Schweden selbst ein macht­
politisches Strategem war, ebenso wie dies bei den Spaniern der Fall war. 250 Was
man in Madrid übersah, war das Drängen Kaiser Ferdinands auf eine Politik der
Restitution und die Rückendeckung, die er dabei von Madrid erhielt. 251 Zit. nach
Straub, Pax et Imperium, S. 444. 252 Vgl. Israel, «Der niederländisch-spanische
Krieg und das Reich», S. 121. 253 Dazu im Überblick Malettke, «Frankreichs
Anmerkungen 897

Reichspolitik in der Zeit des Dreißigjährigen Krieges», S. 177-186. 154 Hierzu und
zum Folgenden Droysen, G u staf A dolf, Bd. 2, S. 474-479; Ritter, Deutsche Geschichte,
Bd. III, S. 516-522; Gindely, Geschichte des dreißigjährigen Krieges, Bd. 2,
S. 228-243. 255 Droysen, G u staf A dolf, Bd. 2, S. 476 h 256 Gindely, Geschichte des
dreißigjährigen Krieges, Bd. 2, S. 228. 257 Ritter, Deutsche Geschichte, Bd. III,
S. 520 £ 258 Zit. nach Droysen, G u staf A d olf , Bd. 2, S. 480. 259 Wenn Gustav
Droysen (ebd., S. 496) resümiert: «Der Bund der Liga war factisch zerrissen; die
Waffen hatten das Zerstörungswerk begonnen, die Diplomatie hatte es vollendet. Das
Vertrauen des katholischen Deutschland auf Frankreich aber hatte sich in furchtbars­
ter Weise gerächt», so ist darin der geschichtspolitische Tonfall der Reichseinigungs-
kriege (das Buch erschien 1870!) unüberhörbar. 260 Zit. nach ebd., S. 483. 261
Zit. nach Gindely, Geschichte des dreißigjährigen Krieges, Bd. 2, S. 230 (Hervorhebung
bei Gindely). 262 Zit. nach Droysen, G u staf A dolf, Bd. 2, S. 487. 263 Dazu Ritter,
Deutsche Geschichte, Bd. II, S. 519. 264 Zit. nach Droysen, G u staf A dolf, Bd. 2,
S. 487. 265 Friesenegger, Tagebuch aus dem 30jährigen Krieg, S. 21. 266 Ebd. 267
Ebd., S. 22. 268 Droysen, G u staf A dolf, Bd. 2, S. 522. 269 Hierzu und zum Folgen­
den vgl. Guthrie, Battles, S. 164, sowie Rill, Tilly, S. 298 ff. 270 Die Zahlenangaben
nach Guthrie, Battles, S. 165; Rill, Tilly, S. 300, geht von erheblich höheren schwedi­
schen Verlusten aus. 271 Vgl. Droysen, G u staf A dolf, Bd. 2, S. 527. 272 Ebd.,
S. 528. 273 Ebd., S. 529. 274 Dazu Rill, Tilly, S. 302; eine andere Bewertung der
Zusagen Wallensteins bei Mann, Wallenstein, S. 689-691. 275 Schwere Vorwürfe
gegen Wallenstein, der seinen alten Kriegsgefährten Tilly schmählich im Stich gelas­
sen habe, finden sich etwa bei Rill, Tilly, S. 306-313; Wallenstein habe Tilly seinem
Hass auf Maximilian geopfert (S. 307). Andere weisen auf die Verhandlungen hin, die
Wallenstein im Jahr 1631 mit Schweden und Sachsen geführt hat, und vermuten den
Grund für Wallensteins Untätigkeit. Damit wurde ein weiterer Mosaikstein dem Bild
von Wallenstein als Verräter hinzugefügt. 276 Polisensky und Kollmann ( Wollen­
stem1, S. 240 ff.) stellen heraus, der Herzog von Friedland sei überwiegend mit den
böhmischen Problemen beschäftigt gewesen, da hier auch seine eigenen Besitzungen
bedroht waren. Diwald ( Wallenstein , S. 471-481), der auch vom «grellen Hochmut»
Wallensteins spricht (S. 480), hebt vor allem auf Maximilians Unzuverlässigkeit ab
und das gut begründete Misstrauen des Friedländers gegenüber dem Bayern, für den
er ein weiteres Mal die Rolle des «Mohren» spielen sollte (S. 473); Mann ( Wallen­
stein , S. 689-692) hebt dagegen vor allem darauf ab, dass Wallenstein mit Eggenberg
noch die Bedingungen seines zweiten Generalats aushandeln musste und es für ihn
deswegen nicht angezeigt war, zuvor schon die Entscheidung gegen Gustav Adolf zu
suchen. 277 Vgl. oben, S. 317 ff. 278 Die Göllersdorfer Vereinbarung, die Wallen­
stein als «General-Capo» einsetzte, wurde erst zwei Tage vor der Schlacht von Rain
getroffen - da aber wäre es zu spät gewesen, Tilly zu Hilfe zu kommen; vgl. Polisensky/
Kollmann, Wallenstein, S. 236-239. 279 Da es keine schriftlichen Dokumente über
898 ANHANG

die Vereinbarungen von Znaim gibt, bietet sich ein Blick auf die Instruktionen des
Kaisers für Eggenberg und deren Vergleich mit der anschließenden Praxis an (vgl-
Lorenz [Hg.], Quellen der Geschichte Wallenstein, S. 222-223). Ferdinand bot an, dass
sein Beichtvater Lamormaini, ein erklärter Feind Wallensteins, aus allen die Krieg­
führung betreffenden Fragen herausgehalten werde. Lamormaini schrieb zusätzlich
einen Brief an Wallenstein, in dem er alle angeblichen Äußerungen, die er gegen den
Herzog von Friedland gemacht haben sollte, als verleumderisches Gerede bezeich-
nete und Wallenstein seiner vollen Loyalität versicherte (vgl. Mann, Wallenstein,
S. 659). Außerdem brachte Ferdinand in den Instruktionen seinen Sohn, den König
von Ungarn und Böhmen (der in Regensburg zum römischen König hatte gewählt
werden sollen, wofür der Kaiser Wallenstein geopfert hatte), als Assistenten und
Stellvertreter Wallensteins ins Spiel (vgl. Hobelt, Ferdinand III., S. 63 ff.). Das hat Wal­
lenstein offenbar kategorisch abgelehnt. Danach war von einer Assistenz des Königs
von Ungarn und Böhmen nie mehr die Rede. 280 Eine kurze Zusammenfassung
der diesbezüglich recht unterschiedlichen Positionen findet sich bei Lorenz (Hg.),
Quellen zur Geschichte Wallensteins, S. 228-239, unter dem vorsichtigen Rubrum
«Göllersdorfer Absprache»; Golo Mann (Wallenstein, S. 692-698) geht von einer
mündlichen Verabredung aus. 281 So Polisensky/Kollmann, Wallenstein, S. 238,
und Diwald, Wallenstein, S. 479. 282 Zit. nach Rill, Tilly, S. 306. 283 Dazu Droysen,
Gustaf Adolf, Bd. 2, S. 34, Guthrie, Battles, S. 165 £, sowie vor allem Rill, Tilly,
S. 303 f. 284 «Kraut» steht für die Lunte der Musketiere, «Kot» für die Abwässer
der Stadt und der Degen für die Ehre der Offiziere. Bei Rill ist statt von «Kot» von
«Lot» die Rede (S. 304), und «Kraut und Lot» steht für «Pulver und Blei». 285
Die Angaben nach Guthrie, Battles, S. 165 f.; Rill, Tilly, S. 305, spricht von 27 000 Sol­
daten Tillys bei Rain; die Differenz liegt womöglich in Milizangehörigen des bayeri­
schen Landesdefensionswesen, die im einen Fall mitgezählt werden, im anderen
nicht. 286 Zum Verlauf der Schlacht bei Rain vgl. Guthrie, Battles, S. 167-169, sowie
Rill, Tilly, 8.308-310. 287 Mann, Wallenstein, S. 703. 288 Als weitere Sperrposi­
tion an der Donau kam noch das von kaiserlichen Truppen besetzte Passau
hinzu. 289 Dazujunkelmann, Tilly, S. 75-82. 290 Hagendorf, Tagebuch eines Söld­
ners, S. 106. 291 Brecht, «Mutter Courage und ihre Kinder»; Gesammelte Werke,
Bd. 4, S. 1400 £; Grimmelshausens «Erzbetrügerin und Landstörzerin Courage» ist
bei der Beerdigung Tillys nicht dabei. 292 Zit. nach Droysen, Gustaf Adolf, Bd. 2,
S. 548. 293Zit.ebd.jS. 542. 294HierzuundzumFolgendenebd.,S. 542-548. 295
Zit. ebd., S. 544 h, Fn. 2. 296 Vgl. oben, S. 534 h 297 Vgl. für den süddeutschen
Raum auch die auf die entgegengesetzten Perspektiven rekurrierenden Studien von
Kleinehagenbrock, «<Nunmüsst ihr doch alle wieder katholisch werden»», S. 59-122,
Kohlmann, «Won unsern Widersachern den bapisten vil erlitten und ussgestan-
den>», S. 123-211, Schulz, «Strafgericht Gottes oder menschliches Versagen»,
S. 219-290, sowie Ilg, «Der Kult des Kapuzinermärtyrers Fidelis», S. 291-439.
Anmerkungen 899

298 Zit. Droysen, G ustaf Adolf, Bd. 2, S. 550. 299 Ebd., S. 552. 300 Ebd.,
S. 553- 301 Hierzu und zum Folgenden ebd., S. 554-559, sowie Junkelmann, Gustav
Adolf, S. 422-426. 302 Junkelmann, Gustav Adolf, S. 425. 303 Vgl. Monro, Kriegs­
erlebnisse, S. 211, Anm. 196. 304 Friesenegger, Tagebuch, S. 23; zum Quellenwert sol­
cher Tagebücher vgl. die Einleitung in Krusenstjern, Selbstzeugnisse der Zeit des Drei­
ßigjährigen Krieges, S. 9-26. 305 Friesenegger, Tagebuch, S. 24. 306 Ebd.,
S. 26. 307 Ebd., S. 27. 308 Ebd., S. 29. 309 Zit. nach Jessen (Hg.), D er Dreißig­
jährige Krieg in Augenzeugenberichten, S. 290. 310 Ebd. 311 So Schindling, «Das
Strafgericht Gottes», S. 25. 312 Friesenegger, Tagebuch, S. 27. 313 Zit. nach Jessen
(Hg.), D er Dreißigjährige Krieg in Augenzeugenberichten, S. 290. 314 Friesenegger,
Tagebuch, S. 34. 315 Paradigmatisch dafür Langer, Der Dreißigjährige Krieg, insbes.
S. 103 ff.; dazu auch Kaiser, «Die Söldner und die Bevölkerung», sowie Rink, «Die
noch ungezähmte Bellona». 316 Friesenegger, Tagebuch, S. 28. 317 Ebd.,
S. 33. 318 Grimmelshausen, Werke, Bd. 1, S. 149. 319 «Also müßte ich [... ] innen­
werden, daß einem ein einziges unglückliches Stündlein aller Wohlfahrt entsetzen
und von allem Glück und Heil dermaßen entfernen kann, daß es einen sein Lebtag
nachgehet.» Ebd. 320 Vgl. Junkelmann, Gustav Adolf, S. 400. 321 Dazu Ritter,
Deutsche Geschichte, Bd. III, S. 528 ff., sowie Droysen, G ustaf Adolf, Bd. 2, S. 560 ff. 322
Roberts, Gustavus Adolphus, Bd. 2, S. 660, Anm. 5. 323 Vgl. oben, S. 327. 324
Hierzu und zum Folgenden insbes. Diwald, Wallenstein, S. 457-465; Mann, Wallen­
stein, S. 646-656; Polisensky/Kollmann, Wallenstein, S. 233-239. 325 In diesem
Sinne Droysen, G ustaf Adolf, Bd. 2, S. 561-563, der von einer «verräterischen Haltung
der kursächsischen Politik» spricht und Arnim als den «eigentlichen Mittelpunkt
der Friedenspartei, d.h. der österreichischen Partei in Sachsen» bezeichnet. 326 Im
Kern war es Arnims Vorstoß nach Böhmen, der Wallenstein gar keine andere Wahl
ließ, als wieder in kaiserliche Dienste zurückzukehren. Wäre Arnim gemäß den Vor­
gaben des in Halle verabredeten Kriegsplans nach Schlesien marschiert, so hätte es
diesen Zwang nicht gegeben. Wallenstein war von den Einkünften seines Herzog­
tums Friedland abhängig, nachdem das Herzogtum Mecklenburg für ihn verloren
war, und bei einem protestantischen Siegeszug in Böhmen wäre er seiner von «Rebel­
len» konfiszierten Besitzungen verlustig gegangen. Im Gefolge der sächsischen
Armee kamen nämlich auch die böhmischen Exilanten zurück, die auf eine grundle­
gende Revision der Besitzumwälzungen nach der Niederschlagung des Aufstands aus
waren. Arnim selbst konnte gegenüber Wallenstein so freundlich und zurückhaltend
auftreten, wie er wollte; Wallensteins Problem waren Graf Thurn und dessen Beglei­
ter. 327 Mann, Wallenstein, S. 672; vgl. zu diesem Problem auch Kampmann,
«Zweiter Mann im Staat oder Staat im Staat?», S. 295-316. 328 Mann, Wallenstein,
S. 670-673. 329 Vgl. dazu das Porträt Holks (oder Holcks) in Rebitsch, Wallenstein,
S. 158-161. 330 Rebitsch, M atthias Gallas, S. 60-69; Hallwich, «Gallas», sowie
Duch, «Aldringen», S. 189. 331 Vgl. Mann, Wallenstein, S. 665-668. 332 Queren-
900 ANHANG

gässer, Pappenheim, S. 48-56; Stadler, Pappenheim, S. 595-689. 333 Mann, Wallen­


stein, S. 886-910. 334 Junkelmann, Gustav Adolf, S. 427. 335 Zit. nach Mann, Wal­
lenstein, S. 686. 336 Ebd. 337 Junkelmann, Gustav Adolf, S. 428. 338 Vgl. hierzu
Kraus, M aximilian I., S. 203-209. 339 Zum Stellungskrieg bei Nürnberg bis zum
Beginn des schwedischen Angriffs auf die Alte Veste vgl. Guthrie, Battles, S. 187-189,
Junkelmann, Gustav Adolf, S. 430-434, Droysen, G ustaf Adolf, Bd. 2, S. 597-612,
sowie Mann, Walknstein, S. 706-715. Eine ausführliche Darstellung der Kämpfe im
fränkischen Raum während des Sommers 1632 bietet Mahr, Wallenstein vor Nürnberg
1632, passim. 340 Zum Kampf um die Alte Veste vgl. Guthrie, Battles, S. 190-193;
Droysen, G ustaf Adolf, Bd. 2, S. 613-628; Junkelmann, Gustav Adolf, S. 434-437;
Findeisen, Gustav II. Adolf, S. 191-199; weiterhin Mann, Wallenstein, S. 715-719, und
Diwald, Wallenstein, S. 487-489. 341 Vgl. oben, S. 319 ff. 342 Zu den Zahlenanga­
ben vgl. Droysen, G ustaf Adolf, Bd. 2, S. 619; davon leicht abweichend, in der Gesamt­
summe aber identisch Guthrie, Battles, S. 189. Von der Riesenaufgabe der Versorgung
dieser Truppen bekommt man eine Vorstellung, wenn man bedenkt, dass Oxenstier-
nas Ersatzarmee 3000 Proviantwagen mit sich führte, deren Ladung indes schnell
verzehrt war; vgl. Junkelmann, Gustav Adolf, S. 435. 343 Monro, Kriegserlebnisse,
S. 186. 344 Ebd., S. 187. 345 Die Zahlenangaben nach Junkelmann, Gustav A dolf
S. 437; Guthrie, Battles, S. 193, setzt die schwedischen Verluste etwas niedriger und die
Wallensteins etwas höher an. 346 Zit. nachJessen (Hg.), Der Dreißigjährige Krieg in
Augenzeugenberichten, S. 313; Jessen zitiert «invictissimi»; ich folge hier der Zitation
bei Droysen, S. 662, der «invictissime» angibt. 347 Zu denen, die im Lager darauf
drängten, den abziehenden Schweden nachzusetzen und sie zur Schlacht zu stellen,
gehörte natürlich Wallensteins alter Widersacher Kurfürst Maximilian; zum Für und
Wider dieser Debatte vgl. Junkelmann, Gustav Adolf, S. 439 h; sowie Albrecht, M axi­
milian I. von Bayern, S. 836-838. 348 Zit. nach Droysen, G ustaf Adolf, Bd. 2,
S. 627. 349 Zit. nach ebd., S. 622. 350 Zit. nach Findeisen, Gustav II. Adolf,
S. 194£ 351 Findeisen (ebd., S. 195 ff.) merkt gegen die Rede des Königs an, Gustav
Adolf sei selbst ein Stratege des Plünderns gewesen und deswegen seien seine
«hehren Worte» bloße «Lügen». 352 Monro, Kriegserlebnisse, S. 190. 353 Mann,
Wallenstein, S. 719; Junkelmann, Gustav A dolf S. 440; Findeisen, Gustav II. Adolf,
S. 204. 354 Für eine sorgfältige Diskussion dieser Optionen und eine Auseinander­
setzung mit der Kritik an Gustav Adolfs Entscheidung vgl. Deuticke, Die Schlacht bei
Lützen, S. 34-39. 355 Zit. ebd., S. 40; vgl. auch Rebitsch, M atthias Gallas, S. 63. 356
Vgl. Albrecht, M aximilian I., S. 836-838. 357 Guthrie, Battles, S. 196. 358
Ebd. 359 Zum Verlauf der Schlacht bei Lützen vgl. ebd., S. 202-219; Delbrück,
Geschichte der Kriegskunst, Bd. 4, S. 269-273; Preil, Österreichs Schlachtfelder, S. 39-69;
Wolke, «Die Schlacht bei Lützen», S. 61-70, sowie Weigeley, «Auf der Suche nach
der Entscheidungsschlacht», S. 138-153; aus der älteren Literatur ist unverzichtbar:
Deuticke, Die Schlacht bei Lützen, passim; Seidler, Untersuchungen über die Schlacht bei
Anmerkungen 901

Lützen (die nach wie vor gründlichste und detaillierteste Arbeit, auf der die meisten
Darstellungen beruhen - neben dem sechsten Band des vom schwedischen General­
stab herausgegebenen Sammelwerks Sveriges Krig 1611-1632, Stockholm 1939). Wei­
terhin wurden die das Geschehen bei Lützen betreffenden Passagen in den biogra­
phischen Einzelstudien herangezogen: Droysen, G ustaf Adolf, Bd. 2, S. 658-666;
Junkelmann, Gustav Adolf, S. 451-463; Findeisen, Gustav II. Adolf, S. 211-223; Baru-
dio, Gustav Adolf, S. 602-617; Diwald, Wallenstein, S. 491-496; Mann, Wallenstein,
S. 720-748; Stadler, Pappenheim, S. 728-732. 360 Zit. nach Junkelmann, Gustav
A dolf S. 451. 361 Zit. nach Preil, Österreichs Schlachtfelder, S. 39. Das infolge Pappen­
heims tödlicher Verwundung auf dem Schlachtfeld von Lützen blutbefleckte Schrift­
stück befindet sich im Wiener Heeresgeschichtlichen Museum. 362 Junkelmann,
Gustav Adolf, S. 453. 363 Seidler, Untersuchungen über die Schlacht bei Lützen,
S. 44. ■ 364 Ebd., S. 47. 365 In Conrad Ferdinand Meyers Novelle Gustav Adolfs
Page handelt es sich um eine junge Frau, die sich als Mann ausgibt, um ständig in der
Nähe des bewunderten Königs sein zu können. 366 So Junkelmann, Gustav A dolf
S. 457; für eine ausführliche Diskussion der unterschiedlichen Berichte vgl. Seidler,
Untersuchungen über die Schlacht bei Lützen, S. 58-77, der auf eine eigene Version ver­
zichtet; Findeisen (Gustav II. Adolf, S. 13-22) berichtet über die Ergebnisse einer kri­
minaltechnischen Untersuchung der Hinterlassenschaften Gustav Adolfs aus dem
Jahre 1991, die jedoch für die hier in Frage stehenden Abläufe keine Klarheit
bringt. 367 Ich folge hier der Darstellung bei Preil, Österreichs Schlachtfelder,
S. 51 f. 368 Vgl. Roberts, Gustavus Adolphus, Bd. 2, S. 770. 369 Zur Vita des Wei­
maraners vgl. Droysen, Bernhard von Weimar, 2 Bde.; zum Begriff der Vorwärtspanik
vgl. Collins, «Vorwärtspaniken», S. 204 ff. 370 Junkelmann, Gustav Adolf, S. 456;
Querengässer, Pappenheim, S. 60. 371 Zit. nach Mann, Wallenstein, S. 740. 372
Stadler, Pappenheim, S. 732. 373 Zu den Zahlen Junkelmann, Gustav Adolf, S. 461,
ebenso Wolke, «Die Schlacht bei Lützen», S. 68; Guthrie, Battles, S. 218, geht von
etwa gleich hohen Verlusten beider Seiten aus. 374 Holk, «Relation von dem Tref­
fen»; zit. nach Roeck (Hg.), Gegenreformation und Dreißigjähriger Krieg, S. 319.
37S Der einzige denkbare Konkurrent um diese Position, der neunundzwanzigjährige
Nils Brahe, der bei Lützen das erste Treffen des Zentrums führte und den Gustav
Adolf für einen seiner fähigsten Offiziere gehalten hatte, erlitt bei Lützen eine so
schwere Verwundung, dass er zwei Wochen später verstarb; vgl. Junkelmann, Gustav
Adolf, S. 459. Die bewährten schwedischen Heerführer, von Horn über Baner bis
Torstensson, waren in Lützen nicht dabei und standen demgemäß nicht zur Verfü­
gung. 376 Dazu ausführlich Findeisen, Axel Oxenstierna, S. 284-342 sowie
367-401. 377 Chemnitz, Königlich Schwedischer in Deutschland geführter Krieg [1653],
zit. nach Jessen (Hg.), D er Dreißigjährige Krieg in Augenzeugenberichten, S. 326.
378 Ebd., S. 327. 379 Theatrum Europaeum, Teil II, S. 749; zit. nach ebd., S. 329.
380 Findeisen, Gustav II. Adolf, S. 226. 381 Vgl. Junkelmann, Gustav A dolf
902 ANH ANG

S. 462 f. 382 Dazu ausführlich Seidler, D as Prager Blutgericht 1633, insbes. S. 15-18,
zum Urteil selbst; weiterhin Mann, Wallenstein, S. 755-758, der herausstellt, Wallen­
stein habe unerbittlich auch auf der Hinrichtung eines Achtzehnjährigen, immerhin
im Rang eines Rittmeisters, bestanden. 383 Hierzu und zum Folgenden Ritter,
Deutsche Geschichte, Bd. 3, S. 550 f. 384 Zit. nach Findeisen, Oxenstierna, S. 278. 385
Eine gekürzte Fassung des Bundesvertrags ist abgedruckt bei Roeck (Hg.), Gegenre­
formation und Dreißigjähriger Krieg, S. 322-327; ausführlich dazu Kretzschmar, Der
Heilbronner Bund, 3 Bde. 386 Barudio (Der Teutsche Krieg, S. 424-429) misst die­
sen Legitimationsformeln zentrale Relevanz bei und lässt dafür die Regelungen des
Bundes außer Betracht. 387 Ritter, Deutsche Geschichte, Bd. III, S. 552. 388
Rebitsch, Axel Oxenstierna, S. 279; sowie Lorentzen, Die schwedische Armee,
S. 32 ff. 389 Hierzu und zum Folgenden Ritter, Deutsche Geschichte, Bd. III,
S. 554-558. 390 Dazu Droysen, Bernhard von Weimar, Bd. 1, S. 174-190. 391 Zit.
nach Roeck (Hg.), Gegenreformation und Dreißigjähriger Krieg, S. 325. 392 Zu den
Dragonern vgl. Brzezinski/Hook, Die Armee Gustav Adolfs, S. 66 f. 393 Vgl. auch
Grimmelshausen (Werke, Bd. 1, S. 250), der seinen Simplicius berichten lässt, er sei in
seiner Zeit als Dragoner mit der Bemerkung aufgezogen worden, «wenn ein Drago­
ner vom Pferd fällt, so stehet ein Musketier wieder auf». 394 Vgl. Weber, Gliede­
rung und Einsatz des bayerischen Heeres im Dreißigjährigen Krieg, S. 400 £, ebenso
Damboer, Die Krise der Söldner, S. 15 h und 212 h 395 Friesenegger, Tagebuch,
S. 37-59. 396 Ebd., S. 52. 397 Ebd., S. 47. 398 Zu Werths Kriegführung imJahre
1633 vgl. Lahrkamp, Jan von Werth, S. 19-28. 399 Grimmelshausen, Werke, Bd. 2,
S. 55 f. 400 Ebd., S. 55. 401 Bei Wallensteins Feldzug von 1627 hatte das Meer, Ost­
wie Nordsee, diese «Wand» gebildet. 402 Ritter, Deutsche Geschichte, Bd. III,
S. 560. 403 Vgl. Gindely, Geschichte des dreißigjährigen Krieges, Bd. 3, S. 9-11. 404
Dazu Rebitsch, M atthias Gallas, S. 68, sowie Hobelt, Ferdinand III., S. 67. 405 Zur
Vita vgl. Lahrkamp, «Gronsfeld», S. 128 f., sowie von Landmann, «Gronsfeld»,
S. 726-728; zur Schlacht selbst vgl. Schmidt, Die Belagerung von Hameln und die
Schlacht bei Hessisch Oldendorf. 406 Zu Peter Graf zu Holzappel, genannt Melander,
vgl. den biographischen Eintrag bei Findeisen, D er Dreißigjährige Krieg, S. 458 f.
Melander «zählte zweifellos zu den bedeutenden Heerführern der zweiten Kriegs­
hälfte» (S. 459); weiterhin Höfer, D as Ende des Dreißigjährigen Krieges, S. 44-51. 407
Vgl. dazu den Auszug aus dem Theatrum Europaeum bei Milger, Gegen Lan d und Leute,
S. 267 f. 408 Ebd., S. 268. Der bei Hessisch Oldendorf in schwedische Gefangen­
schaft geratene kaiserliche General Johann von Merode ist auf verschlungenen Pfa­
den in die Begriffsbedeutung von Marodierern hineingeraten. Tatsächlich stammt
der Begriff vom französischen maraude, Mundraub, ab, ist aber auch mit dem in
schwedischen Diensten stehenden Obersten Werner von Merode verbunden worden,
dessen Regiment 1635 meuterte. Von Grimmelshausen wird in dem Roman D er aben­
teuerliche Simplicissimus jedoch Johann von Merode als Stammvater der Freibeuter
Anmerkungen 903

genannt, die im Dreißigjährigen Krieg den «Orden der Merodebrüder» bilden:


Frage man Nachzügler und Plünderer, welchem Regiment sie angehörten, «so war
gemeiniglich die Antwort: <Von Merode!>» (Werke, Bd. 2, S. 54). 409 Zum Ver­
lauf dieser Verhandlungen vgl. Ritter, Deutsche Geschichte, Bd. III, S. 561-563, sowie
Mann, Wallenstein, S. 773-789, der die Gespräche jedoch mit denen verbindet, die
Wallenstein mit den böhmischen Exilanten in Sachsen führte. 410 Vgl. Mann, Wal­
lenstein, S. 789-791, sowie Burckhardt, Richelieu, Bd. 2, S. 384-393. 411 So erklärt
Hobelt (Ferdinand III., S. 66) den Stimmungsumschwung gegen Wallenstein, der
sich im Herbst 1633 in Wien vollzog. 412 Ritter, Deutsche Geschichte, Bd. III,
S. 561. 413 Dazu oben, Kap. 1, Anm. 2. 414 Diwald, Wallenstein, S. 513 f.; Mann,
Wallenstein, S. 818 f. 415 Das zeigt sich bis hinein in die Darstellung des Herbstfeld­
zugs bei Ritter (Deutsche Geschichte, Bd. III, S. 567!.), der Wallensteins Agieren
gemäß der These von der Verschwörung gegen den Kaiser deutet. So schreibt er, Wal­
lenstein habe «sich mit dem Gedanken vertraut gemacht, von der halben zur ganzen
Auflehnung fortzuschreiten» (S. 561). 416 Zit. nachMann, Wallenstein, S. 826. 417
Ebd., S. 831-834; Ritter, Deutsche Geschichte, Bd. III, S. 570. 418 Zit. nach Mann,
Wallenstein, S. 833. 419 Hagendorf, Tagebuch eines Söldners, S. 108. 420 Pekar, Wal­
lenstein 1630-1634. Tragödie einer Verschwörung. Das Buch erschien erstmals 1895 auf
Tschechisch, also noch zur Zeit der Donaumonarchie. Die 1937 erschienene deutsche
Übersetzung beruht auf der umgearbeiteten zweiten Auflage. Pekars Arbeit behielt
bis in die 1960er Jahre hinein in der Forschung Geltung. So ging etwa Helmut Lahr­
kamp in seiner 1962 erschienenen Biographie des Reitergenerals Jan von Werth ganz
selbstverständlich davon aus, dass Wallenstein sich gegen den Kaiser verschworen
und dessen Sturz betrieben habe; Lahrkamp, }an von Werth, S. 27; ebenso imJahr 1965
noch Schubert, «Wallenstein und der Staat», S. 187: «Auch dann, wenn man die in
dieser Hinsicht weiteren Auffassungen des 17. Jahrhunderts berücksichtigt, lautet die
Antwort heute eindeutig, daß Wallenstein den Kaiser verraten und das habsburgische
Staatswesen aufs schwerste gefährdet hat.» Zum Stand der Forschung vgl. den
Abschnitt «die Wallensteinfrage» bei Rebitsch, M atthias Gallas, S. 70-81, sowie ders.,
Wallenstein, S. 201-225. 421 Srbik, Wallensteins Ende, S. 194-196; dieser Auffassung
folgt auch Savanto, Wallenstein und seine Anhänger, S. 272-358. 422 Polisensky/
Kollmann, Wallenstein, S. 4-8. 423 Diwald, Wallenstein, S. 519-531, und Mann, Wal­
lenstein, S. 884-943. Polisensky und Kollmann (Wallenstein, S. 240-257) überschrei­
ben das Schlusskapitel ihres Buches mit «Wallensteins Verschwörung - oder Ver­
schwörung gegen Wallenstein?». Die «Wallenstein-Frage» wurde zuletzt noch
einmal durch Christoph Kampmanns Untersuchung Reichsrebellion und kaiserliche
Acht neu aufgeworfen, die von einer Verurteilung Wallensteins unter Rückgriff auf die
herkömmliche Rechtsfigur des Aufruhrs und der offenen Unruhestiftung ausgeht
und Wallenstein mitsamt seinen Anhängern als «notorische Reichsrebellen» ein-
stufi (S. 137-172). Kampmann widerspricht damit der These, die Aktion gegen Wal-
904 A NH ANG

lenstein sei kein Rechtsverfahren gewesen, sondern ein Akt der Staatsräson gemäß
dem Grundsatz «necessitas non habet legem», Not kennt kein Gebot. Ilja Mieck,
«Wallenstein», S. 163-186, hat dem formaljuristisch zugestimmt, aber daraufhinge­
wiesen, dass die Anklage auf Verdächtigungen ohne Beweise und Behauptungen
ohne Belege beruhte. 414 Vgl. dazu das Piccolomini gewidmete Kapitel bei Mann,
Wallenstein, S. 886-910 - eine Spur, die bereits der Dramatiker Schiller gelegt hat;
ebenfalls zu Piccolomini Diwald, Wallenstein, S. 519 f. 415 Diwald, Wallenstein,
S. 520. 426 Zit. nach ebd., S. 522. 427 Vgl. Straub, Pax et Imperium, S. 458 ff. 428
Diwald, Wallenstein, S. 520 f. 429 Dazu Rebitsch, Matthias Gallas, S. 84 ff. 430 Vgl.
Mann, Wallenstein, S. 698-973; man hat den Wallenstein’schen Besitz, der weitge­
hend aufgeteilt wurde, auf acht Millionen Gulden geschätzt (S. 969). 431 Vgl. oben,
S. 608 f. 432 Lorenz (Hg.), Quellen zur Geschichte Wallensteins, S. 373. 433 Die
Unterzeichner sind aufgeführt ebd., S. 373 k Piccolomini habe sich in der «hohen
Kunst des <Dissimulierens>» bewährt, schreibt sein Verteidiger Barker («General­
leutnant Piccolomini», S. 341). 434 Lorenz (Hg.), Quellen zur Geschichte Wallen­
steins, S. 380. 435 Für diese Schlussphase im Leben Wallensteins vgl. Mann, Wallen­
stein, S. 915-943. 436 Das gilt mehr für Hellmut Diwald als für Golo Mann. 437
Mann, Wallenstein, S. 915. 438 Ebd., S. 942. 439 Polisensky und Kollmann ( Wal­
lenstein1, S. 253-255) vertreten die Auffassung, es seien eher psychische als physische
Leiden gewesen, die Wallenstein am Ende seines Lebens geplagt und zur Apathie
verdammt hätten. 440 So auch Barker, «Generalleutnant Piccolomini»,
S. 345. 441 Zu den folgenden Vorgängen Diwald, Wallenstein, S. 529-531, sowie
Mann, Wallenstein, S. 935-943; vgl. ausführlich Srbik, Wallensteins Ende, S. 497-504.
Vgl. auch den von Gordon stammenden Bericht über Wallensteins Tod; abgedruckt
in Lorenz (Hg.), Quellen zur Geschichte Wallensteins, S. 404-415. 442 Wallenstein
wurde zwei Jahre später mit kaiserlicher Erlaubnis in die Kartause Walditz überführt,
wo er an der Seite seiner ersten Frau Lukrezia bestattet wurde. 443 Dazu Droysen,
Bernhard von Weimar, Bd. 2, passim. 444 Zit. nach Lahrkamp, Jan van Werth, S. 67 f.
und 100. 445 Zu diesem Übergang grundsätzlich Papke, Von der Miliz zum Stehen­
den Heer, S. 139 und 148 £; weiterhin Sicken, «Die Schlacht bei Nördlingen», S. 181 ff.

6. K A P IT E L
E IN K R IE G , D E R N IC H T E N D E N W IL L :
VOM Z E R F A L L D ER M A C H T

1 Wie beschränkt die kaiserliche Handlungsfähigkeit war, kommt im Untertitel einer


Biographie zum Ausdruck: Lothar Höbelt, Ferdinand III. Friedenskaiser wider Wil­
len. 2 Clausewitz, Vom Kriege, S. 303. 3 Zum Wandel des Wallenstein-Bildes bei
Anmerkungen 9 °S

Protestanten wie Katholiken nach der Ermordung in Eger und der anschließenden
Debatte über Verrat und Friedensprojekt anhand überwiegend Nürnberger Zeug­
nisse vgl. Ernstberger, «Für und wider Wallenstein», S. 78-88. 4 Veläzquez’ «La
Lanzas» befindet sich im Prado in Madrid, Rubens’ «Die Folgen [oder Gräuel] des
Krieges» im Palazzo Pitti in Florenz. 5 Vgl. Lindemann, «Demut und Rechtferti­
gung», S. 114 ff. 6 Crowne, Blutiger Sommer, S. 32. 7Ebd., S. 31. 8 Ebd., S. 39; die
Herausgeber Ritter und Keil merken hier an, in Hemau sei 1634 fast die Hälfte der
Bevölkerung an der Pest gestorben; ebd., S. 101, Anm. 77. 9 Vgl. Schuchter, Jacques
Callot, S. 78 ff. 10 Burckhardt, Erinnerungen an Rubens, S. 207; vgl. dazu die Kritik
von Heinen («Rubens Bilddiplomatie im Krieg», S. 171), demzufolge Burckhardt
Rubens’ Gemälde zum «protestantisch-deutschen Propagandawerk» umgedeutet
und übersehen habe, dass Rubens den Krieg als Vorbereitung des Friedens betrach­
tete. Heinens Interpretation stützt sich wesentlich auf einen Brief von Rubens an Jus­
tus Sustermans, den Hofmaler des toskanischen Großherzogs, und versteht die Bild­
aussage von einem starken Bezug auf Vergils Aeneis her. 11 Vgl. hierzu Baumstark,
«Ikonographische Studien zu Rubens’ Kriegs- und Friedensallegorien», sowie Wohl­
feil, «Kriegs- und Friedensallegorien». 12 Die Truppen des Herzogs von Feria
waren, als sie in Bayern eintrafen, schlecht ernährt, so dass man sie allgemein als
«Hungerleider» bezeichnete. Sie wurden zu einer weiteren Belastung für das seit
dem Einfall Gustav Adolfs ausgeplünderte Land und seine Menschen. Frieseneggers
Kriegstagebuch ist für das Jahr 1633 voll mit Klagen über Plünderungen und Über­
griffe der Spanier, die von Friesenegger häufig auch als Burgunder bezeichnet werden.
Der Herzog von Feria, Don Diego de Saavedra y Fajardo, starb am 11. Januar 1634 in
München. 13 Nach dem desaströsen Feldzug von 1636 entging Gallas nur durch
eine persönliche Intervention König Ferdinands dem entehrenden Verdikt eines
Kriegsgerichts. Hermann Hallwich («Gallas», S. 92) schreibt über ihn, er habe
«ohne Zechgelage, Spielleute und Weibervolk nicht leben» können und sei «beson­
ders in seinen letzten Lebensjahren dem Trünke vollständig ergeben» gewesen. Hell­
muth Rößler ( «Gallas», S. 47) bemerkt, «zum großen General» hätten ihm ebenso
Bildung wie Charakter gefehlt, «so daß seine Erfolge ephemer bleiben mußten und
er alle kaiserlichen Erfolge zunichte machte». Zur Vorbereitung des Vorstoßes zur
Donau im Jahre 1634 vgl. Rebitsch, Matthias Gallas, S. 104-109. 14 Dazu Hobelt,
Ferdinand III., S. 69 ff; zu Ferdinand III. weiterhin Findeisen, D er Dreißigjährige
Krieg, S. 374-383. 15 Ferdinand/Fernando wurde im Alter von elf Jahren zum Kar­
dinal-Erzbischof von Toledo ernannt, fand an den klerikalen Aufgaben aber keinen
Gefallen; es drängte ihn zum Militär. Als Nachfolger seiner Großtante Isabella wurde
er Statthalter der südlichen Niederlande, wo er nach einer Phase militärischer Erfolge
Ende 1641 am Fieber verstarb. 16 Ein Gemälde von Cornelius Schut aus demJahre
1635 zeigt beide auf ihren über getötete Gegner hinweggaloppierenden Pferden als
die gemeinsamen Sieger der Schlacht von Nördlingen - ikonographisch eine
906 ANHANG

Demonstration der Einheit des Hauses Habsburg. Das Gemälde befindet sich heute
im Oudheidkunig-Museum von Gent. 17 Hierzu und zum Folgenden Guthrie,
Battles, Bd. 1, S. 262 f.; mit abweichenden Zahlen zur Heeresstärke Gindely, Geschichte
des dreißigjährigen Krieges, Bd. 3, S. 41 f., sowie Struck, Die Schlacht bei Nördlingen,
S. 41-46. 18 Duch, «Aldringen», S. 190. 19 Im Prinzip handelte es sich weiterhin
um ligistische Einheiten, doch bestand die Liga inzwischen nur noch aus den beiden
Wittelsbachern, dem bayerischen Kurfürsten Maximilian und seinem Bruder Ferdi­
nand, dem Erzbischof von Köln. Deswegen werden ab dieser Zeit die vormals ligisti-
schen Verbände als bayerische Truppen bezeichnet. 20 Dazu Schreiner, «Die Kata­
strophe von Nördlingen», S. 44 ff., sowie Mann, D er Dreißigjährige Krieg und die
Schlacht bei Nördlingen. 21 Guthrie, Battles, Bd. 1, S. 264 h 22 Ebd., S. 265. 23
Zum Verlauf der Schlacht bei Nördlingen ebd., S. 269-277; weiterhin Struck, Die
Schlacht bei Nördlingen, S. 61-91, sowie Sicken, «Die Schlacht bei Nördlingen»,
S. 205-211. 24 Sicken, «Die Schlacht bei Nördlingen», S. 209. 25 Die Zahlen
nach Guthrie, Battles, Bd. 1, S. 275. 26 Richelieu, Politisches Testament und kleinere
Schriften, S. 228. 27 Vgl. oben, S. 384. 28 Richelieu, Politisches Testament und klei­
nere Schriften, S. 229. 29 Dazu Burckhardt, Richelieu, Bd. 3, S. 61-86; dagegen Erlan­
ger, Richelieu, S. 428-433, der Bernhard von Weimar so gut wie keiner Aufmerksam­
keit würdigt. Für eine knappe, aber überaus luzide Analyse der Politik Richelieus
nach dem Zusammenbruch der schwedischen Machtstellung in Oberdeutschland
vgl. Kampmann, Europa und das Reich, S. 103-109. 30 Für eine allgemeine Charak­
terisierung Bernhards und das Streben des Herzogs nach einer eigenen Herrschaft
vgl. Droysen, Bernhard von Weimar, Bd. 1, S. 100-110. 31 Zu Gallas’ wenig erfolgrei­
chen Feldzügen in Lothringen und Burgund vgl. Rebitsch, Matthias Gallas, S. 124-166;
zu Werths französischer Gefangenschaft nach der Gefangennahme bei Rheinfelden
vgl. Lahrkamp, Jan von Werth, S. 105-118, sowie die romaneske Darstellung bei Wefers,
Jan van Werth und seine Zeit, S. 456-458. 32 Dazu Schreiner, «Die Katastrophe von
Nördlingen», S. 51 ff., sowie Kleinhagenbrock, «<Nun müßt ihr doch wieder alle
katholisch werden> » , S. 59 ff, Kohlmann, « Won unsern Widersachern den bapisten
vil erlitten und ussgestanden>», S. 123ff, und Schulz, «Strafgericht Gottes oder
menschliches Versagen?», S. 219ff. 33 Zillhardt, Der Dreißigjährige Krieg in zeitge­
nössischer Darstellung, S. 151. 34 Zit. nach ebd., S. 29. 35 Zit. nach Schreiner, «Die
Katastrophe von Nördlingen», S. 67. 36 Vgl. oben, S. 660. 37 Vgl. dazu die Dar­
stellung der Gespräche zwischen Oxenstierna und Johann Georg im Dezember 1633
bei Droysen, Bernhard von Weimar, Bd. 1, S. 80 ff. 38 Vgl. Wedgwood, Der 30jährige
Krieg, S. 339 f. 39 In der älteren protestantismusaffinen Historiographie des Krieges
ist der aus den kursächsischen Verhandlungen hervorgegangene Prager Frieden
darum auch als ein Kotau des kursächsischen Luthertums vor dem Kaiser dargestellt
worden. In der jüngeren Historiographie hat der Prager Frieden eine insgesamt posi­
tivere Würdigung gefunden; vgl. Kampmann, Europa und das Reich, S. 109-121; sehr
Anmerkungen 907

viel zurückhaltender hingegen Gotthard, Der Dreißigjährige Krieg, S. 248-257. 40


Vgl. Hobelt, Ferdinand III., S. 76-71; für die darauffolgenden Jahre S. 129-141. 41
Wedgwood, D er 30jährige Krieg, S. 340. 42 Ebd., S. 344. 43 Dazu Kampmann,
Europa und das Reich, S. 113; ausführlich zum Entzug des ius armorum der Fürsten und
dessen Monopolisierung beim Kaiser Haan, «Kaiser Ferdinand II. und das Problem
des Reichsabsolutismus», S. 297-345. 44 Dazu Gotthard, D er Dreißigjährige Krieg,
S. 251 f. 45 Ebd., S. 255. 46 Diese Dimension des Krieges hat Günter Barudio in
seinem Buch D er Teutsche Krieg stark in den Vordergrund gestellt. Das Problem sei­
ner Darstellung ist jedoch, dass er die Fragen der «teutschen Libertät» dabei überge­
wichtet und das Handeln verschiedener Akteure (insbesondere Schwedens) aus­
schließlich aus dieser Perspektive geschildert hat. 47 Der Text des Vertrags ist
auszugsweise abgedruckt bei Roeck (Hg.), Gegenreformation und Dreißigjähriger
Krieg, S. 341-359. 48 Vgl. oben, S. 436. 49 Vgl. dazu den Bericht, den William
Crowne, ein Begleiter des Earl of Arundel, über dessen Behandlung in Regensburg
gegeben hat; Crowne, Blutiger Sommer, S. 63-69. 50 «Anweisungen des Königs
von England an den Earl of Arundel», zit. nach ebd., S. 87. 51 Ebd. 52 Gotthard,
D er Dreißigjährige Krieg, S. 257. 53 Vgl. oben, S. 363 ff. 54 Zur französischen Hilfe
für das Heer Herzog Bernhards vgl. Droysen, Bernhard von Weimar, Bd. 2, S. 88-100;
zu den Feldzügen Bernhards im Jahre 1635, als der Prager Vertrag seine politische
Wirkung entfaltete, ebd., S. 101-172. 55 Vgl. Gotthard, Der Dreißigjährige Krieg,
S. 255 f. 56 Dazu Wedgwood, Der 30jährige Krieg, S. 341. 57 Kampmann, Europa
und das Reich, S. 117; ausführlich Öhman, D er K am pf um den Frieden, S. 66 ff. 58
Lundkvist, «Die schwedischen Kriegs- und Friedensziele», S. 222; in den einschlägi­
gen Texten ist zusätzlich von einer satisfactio coronae die Rede, doch wird nicht
genauer spezifiziert, worin diese bestehen soll. 59 Gotthard, D er Dreißigjährige
Krieg, S. 274 ff; ebenso Schormann, Der Dreißigjährige Krieg, S. 51 ff. Johannes Arndt
(D er Dreißigjährige Krieg 1618-1648, S. 124 ff.) hat diesen Abschnitt des Krieges unter
die Überschrift «Frankreich, Schweden und die Niederlande gegen die Habsburger»
gestellt. 60 Zit. nach Öhman, D er K am pf um den Frieden, S. 68. 61 Zit. nach
ebd. 62 Die Charakterisierung Baners folgt weitgehend Guthrie, The Later Thirty
Years War, S. 45f; für einen kurzen Abriss der Vita Baners vgl. Findeisen, D er Dreißig­
jährige Krieg, S. 431-433. 63 Vgl. Lorentzen, Die schwedische Armee, S. 12. 64 Ebd.,
S. 55-70. 65 Guthrie, The Later Thirty Years War, S. 40 £, sowie Lorentzen, Die
schwedische Armee, S. 81 ff. 6 6 Auch unter den 2007 im Massengrab bei Wittstock
gefundenen 125 Skeletten, die einer pathologisch-traumatologischen Analyse unter­
zogen wurden, ist der Anteil der Schweden und Finnen auffällig hoch, ebenso der
von Schotten. Das kann natürlich auf Zufälle oder eine Auswahl bei der Aufschich­
tung dieses Massengrabs zurückzuführen sein, stellt aber zumindest ein Indiz für die
veränderte nationale Zusammensetzung des in Nordostdeutschland operierenden
Heeres dar; vgl. Eickhoff/Schopper (Hgg.), 1636. Ihre letzte Schlacht, S. 153 ff. 67 Vgl.
908 ANHANG

Rebitsch, Matthias Gallas, S. 136-166, S. 185-203 sowie S. 277-298. 68 Dazu Guthrie,


The Later Thirty Years War, S. 40 f. 69 Schmidt, Der Dreißigjährige Krieg, S. 64. 70
Der zunehmend nationalschwedischen und schottischen Prägung des Baner sehen
Heeres entspricht eine «Italianisierung» des kaiserlichen Heeres, für die der Trienti-
ner Gallas (Gallasono), der Toskaner Piccolomini, dazu Montecuccoli und Collo-
redo sowie viele andere stehen. Man kann auch von einer durchgängigen «Rekatho-
lisierung» des kaiserlichen Heeres nach der Ära Wallenstein sprechen. 71 Zu den
Truppenbewegungen im Vorfeld der Schlacht bei Wittstock vgl. die ausführliche
Darstellung bei Schmidt, Die Schlacht bei Wittstock, S. 40-59; knapp Guthrie, The
Later Thirty Years War, S. 51-53. 72 Melchior von Hatzfeld entstammte einer hessi­
schen Adelsfamilie, die stets enge Verbindungen zum habsburgischen Kaiserhaus
unterhalten hatte; dazu Landmann, «Melchor Graf von Gleichen und Hatzfeld»,
S. 35£; sowie Engelbert, «Hatzfeld», S. 64f. Die Behauptung Guthries (The Later
Thirty Years War, S. 47), Hatzfeld entstamme einer calvinistischen Familie, ist nicht
zutreffend. Melchior von Hatzfeld hatte das Jesuitenkolleg in Fulda besucht, und
seine Familie sah für ihn zunächst den geistlichen Stand vor. 73 Vgl. oben,
S. 500. 74 Durch die Trennung der Kriegsschauplätze spielten solche Schwierigkei­
ten auf schwedisch-französischer Seite keine so große Rolle. Ganz anders bei den
Kaiserlichen: Selbst was die Kooperation mit den Bayern im Südwesten betrifft, stößt
man auf die ständige Klage, von der je anderen Seite nicht genügend unterstützt oder
sogar im Stich gelassen worden zu sein. 75 Zur Schlacht bei Wittstock vgl. Schmidt,
Die Schlacht bei Wittstock, S. 59-85; Delbrück, Geschichte der Kriegskunst, Bd. 4,
S. 278-282; Guthrie, The Later Thirty Years War, S. 54-57; Öhman, Der K am pf um den
Frieden, S. 95-98, sowie Eickhoff/Schopper (Hgg.), 1636. Ihre letzte Schlacht,
S. 136-141. 76 Vgl. Guthrie, The Later Thirty Years War, S. 40; bis in die jüngere For­
schung hinein hängen die Angaben über die Truppenstärke davon ab, ob der Betref­
fende eher mit dem Stockholmer oder dem Dresdner bzw. Wiener Archiv gearbeitet
hat. 77 Die Schanzen scheinen nicht besonders fest und hoch gewesen zu sein, wie
archäologische Untersuchungen des Wittstocker Schlachtfelds in jüngerer Zeit
gezeigt haben; vgl. Eickhoff/Schopper (Hgg.), 1636. Ihre letzte Schlacht,
S. 142-145. 78 Baner war an der Alten Veste schwer verwundet worden, Torstens-
son in Gefangenschaft geraten, von deren gesundheitlichen Folgen er sich nie mehr
gänzlich erholt hat. 79 Clausewitz, Vom Kriege, S. 399. 80 Ritter, Deutsche
Geschichte, Bd. III, S. 601; Hobelt, Ferdinand III., S. 90-94. 81 Gindeley, Geschichte
des dreißigjährigen Krieges, Bd. 3, S. 90. 82 Zit. nach Szyrocki, Die deutsche Literatur
des Barock, S. 283; zu Logau vgl. Malapert, Friedrich von Logau. 83 Krusenstjern,
Selbstzeugnisse der Zeit des Dreißigjährigen Krieges. 84 Vgl. oben, S. 578. 85 Zit.
nach Szyrocki, Deutsche Literatur des Barock, S. 286. 86 Zit. nach ebd., S. 283 f. 87
Gryphius, D as große Lesebuch, S. 36 f.; bei den «Threnen des Vaterlandes» handelt es
sich um die überarbeitete Fassung des Gedichts «Trawrklage des verwüsteten
Anmerkungen 909

Deutschlandes», das zuvor erschienen ist; ebd., S. 26£ 88 Zu den Kriegserfahrun­


gen des aus Glogau stammenden Gryphius vgl. Szyrocki, Der junge Gryphius, S. 25-42,
sowie Kaminski, Andreas Gryphius, S. 15-25. 89 Vgl. Szyrocki, Der junge Gryphius,
S. 103; zu den Bezügen auf die Johannes-Offenbarung bei Gryphius vgl. van Ingen,
«Poesie der Trauer», S. 348. 90 Zit. nach Szyrocki, Deutsche Literatur, S. 164. 91
Vgl. oben, S. 596 ff. 92 Der bekannteste von ihnen ist der Nürnberger Patriziersohn
August von Leubelfing, der als Page Gustav Adolfs in der Schlacht bei Lützen den
Tod fand. Es war die Abenteuerlust, die Nürnberger Bürgersöhne dazu veranlasste,
ihr relativ sicheres Leben aufzugeben und in den Krieg zu ziehen. Zweien von ihnen,
Stephan Karl Behaim und Hans Jakob Behaim, hat Anton Ernstberger eine ausführli­
che Studie gewidmet: Ernstberger, Abenteurer des Dreißigjährigen Krieges. Das von
diesen Männern gesuchte Abenteuer war das Gegenteil dessen, was in der Pastoral-
dichtung als Trost und Besänftigung angeboten wurde. 93 Gryphius, Das große
Lesebuch, S. 300. 94 Ebd., S. 300 f. 95 Ebd., S. 301. 96 Ebd. 97 Es wurde 1653
erstmals veröffentlicht, also fünf Jahre nach dem Friedensschluss von Münster und
Osnabrück, dürfte aber ein bis zwei Jahre vor der Veröffentlichung entstanden sein.
Stellt man in Rechnung, dass bis 1650 Zweifel bestanden, ob der Westfälische Friede
Bestand haben oder nur eine Zwischenetappe des Krieges sein würde, wie der Lübe­
cker und der Prager Friede zuvor, so tritt auch zeitlich der unmittelbare Zusammen­
hang zwischen der Kriegserfahrung und dem in die Natur gespiegelten Gottver­
trauen hervor; zu Gerhardts Lied vgl. Steiger, «Geh aus, mein Herz, und suche Freud»,
passim. 98Zit.nachSzyrocki,Deutsc/ieLiferaf«r,S. 277 f. 99ZÜ. ebd., S. 279. 100
Hagendorf, Tagebuch eines Söldners, S. 107. 101 Ebd., S. 113. 102 Ebd., S. 120. 103
Ebd., S. 125. 104 Ebd., S. 133 f. 105 Die drei genannten Werke Grimmelshausens
sind in der originalsprachlichen Fassung verfügbar in Grimmelshausen, Werke in vier
Bänden, sowie in einer von Reinhard Kaiser vorgenommenen Übersetzung aus dem
Frühneuhochdeutschen des 17.Jahrhunderts: Grimmelshausen, Lebensbeschreibung
der Erzbetrügerin und Landstörzerin Courage / Der seltsame Springinsfeld, sowie ders.,
Der abenteuerliche Simplicissimus Deutsch, 2 Bde.; zur Vita Grimmelhausens vgl.
Boehncke/Sarkowicz, Grimmelshausen, sowie Heßelmann, «Grimmelshausen -
Leben und Werk», S. 7-21. Speziell zum Simplicissimus vgl. Arnold, «Grimmelshau­
sen in seinem <Simplicissimus>», S. 116-127; zur Courage Lemke, «Grimmelshau­
sens <Erzbetrügerin und Landstörzerin Courasche>», S. 161-172, sowie zum
Springinsfeld Kaminski «<Jetzt höre denn deines Schwagers Ankunft>», S. 173-201;
zur Spiegelung Grimmelshausens im Simplicissimus vgl. Haberkamm, «Zeitgenosse
- Augenzeuge - Autor», S. 365-399. 106 Grimmelshausen, Courage/Springinsfeld,
S. 156. 107 Grimmelshausen, Werke, Bd. 1, S. 291. 108 Ebd., S. 250. 109 Ebd.,
Bd. 2, S. 32 f. 110 Ebd., S. 33. 111 Grimmelshausen, Courage, S. 9. 112 Grimmels­
hausen, Springinsfeld, S. 162 ff. 113 Grimmelshausen, Courage, S. 54. 114 Ebd.,
S. 49. 115 Die zentrale Differenz zwischen Grimmelshausens und Brechts Courage
9 io ANHANG

liegt darin, dass Grimmelshausen das Schicksal seiner Hauptfigur aus ihren charak­
terlichen Dispositionen heraus entwickelt und dem Leser dabei nahelegt, dass man
über die Kontrolle des eigenen Verhaltens die Kontrolle über sein Schicksal erlangen
könne. Brecht hingegen zeigt die Courage als eine durch die äußeren Umstände
gelenkte Frau, die gezwungen ist, ihre geschäftlichen Fähigkeiten und Findigkeiten
auch im Krieg einzusetzen. Man muss, so Brechts Botschaft, die Verhältnisse ändern,
wenn sich das Leben der Menschen ändern soll. 116 Grimmelshausen, Werke, Bd. 1,
S. 224 fr. 117 Grimmelshausen, Springinsfeld, S. 144. 118 Ebd., S. 224. 119 Ebd.,
S. 226. 120 Vgl. ebd., S. 197 f. 121 Ebd., S. 207. 122 Ebd., S. 214. 123 Grimmels­
hausen, Werke, Bd. 1, S. 16. 124 Eine solche Deutung des Zyklus findet sich etwa bei
Schuchter, Callot, S. 120 ff; sie zeigt sich unter anderem darin, dass Schuchter für die
von ihm herausgegebene Ausgabe der Radierungen Callots als Übersetzung von Les
Miseres et les M alheurs de la G uerre den Titel D ie Schrecken des Krieges gewählt
hat. 12s Lorenz, «Mahnung - Dekorum - Ereignis», S. 216. 126 Dazu Schuchter,
Callot, S. 85-89. 127 Vgl. Parker, D er Dreißigjährige Krieg, S. 22yf. 128 Callot, D ie
großen Schrecken des Krieges, S. 58. 129 Ebd., S. 58. 130 Vgl. Callot, D ie großen
Schrecken des Krieges, Bild 5. 131 Callot, D ie großen Schrecken des Krieges, S. 59. 132
Grimmelshausen, Werke, Bd. 1, S. 17-99. 133 Ebd., S. 60. 134 Ebd. 135 Ebd.,
S. 61. 136 Schuchter, Callot, S. 136. Schuchter spricht von «einem fast gestelzt wir­
kenden Genrebild». «Still und luftleer wirkt der Raum, auch die sich drängenden
Personen an den Rändern sind nichts mehr als Staffage für die Willkür der Macht,
welcher der König vorsitzt» (S. 137). 137 Vgl. Lorenz, «Mahnung - Dekorum -
Ereignis», S. 217 £ 138 Zur Geschichte Augsburgs im Dreißigjährigen Krieg vgl.
Roeck, A ls wollt die Welt schier brechen, passim, insbes. S. 239 ff. Es handelt sich um
eine aus der Augsburger Perspektive verfasste Geschichte der Stadt, die als paradig­
matisch für die Darstellung städtischen Lebens in den Wirren des Dreißigjährigen
Krieges gelten darf. Sie stützt sich auf das materialmäßig sehr viel umfänglichere und
detailliertere zweibändige Werk desselben Verfassers: E ine Stadt in K rieg und Frieden.
Die nachfolgenden Ausführungen folgen im Wesentlichen den Arbeiten Bernd
Roecks. 139 Vgl. oben, S. 82 ff 140 Vgl. Roeck, A ls wollt die Welt schier brechen,
S. 230-247. 141 Dazu Roeck, A ls wollt die Welt schier brechen, S. 2osff. 142 Ebd.,
S. 181 ff. 143 Zu den demographischen Folgen der Pestepidemien in ihren regiona­
len Differenzierungen vgl. Vasold, «Die deutschen Bevölkerungsverluste während
des Dreißigjährigen Krieges», S. 147-160. 144 Vgl. oben, S. 392® 145 Dazu auch
Englund, D ie Verwüstung Deutschlands, S. 44 ff. 146 Roeck, A ls wollt die Welt schier
brechen, S. 205. 147 Dafür sind die entsprechenden Einträge im Tagebuch Maurus
Frieseneggers aufschlussreich. 148 Vgl. Roeck, A ls wollt die Welt schier brechen,
S. 271 ff. 149 Ebd., S. 279. 150 Vgl. hierzu und zum Folgenden Öhman, D er K a m p f
um den Frieden, S. 70-119; Kampmann, Europa und das Reich, S. 123-127, sowie Parker,
D er Dreißigjährige Krieg, S. 226-236. 151 Dazu Findeisen, A x e l Oxenstierna,
Anmerkungen 911

S. 323-342. 152 Vgl. Parker, D er Dreißigjährige Krieg, S. 232 k 153 Vgl. Öhman, D er
K a m p f um den Frieden, S. 70. 154 Kampmann, Europa und das Reich, S. 122. 155
Ebd., S. 123. 156 Öhman, D er K a m p f um den Frieden, S. 80. 157 Ebd., S. 92. 158
Vgl. oben, S. 679 ff. 159 Öhman, D er K a m p f um den Frieden, S. 108. 160 Ebd.,
S. 123. 161 Dazu Parker, D er Dreißigjährige Krieg, S. 244 k 162 Vgl. Droysen, Bern­
hard von Weimar, Bd. 2, S. 175-200. 163 Die in der einschlägigen Literatur lange vor­
herrschende Charakterisierung, Gallas sei zwar ein durchaus kähiger Unterführer,
aber zu selbständigen Operationen nicht in der Lage und mit strategischen Heraus­
korderungen überfordert gewesen, ist in einer neueren Monographie von Robert
Rebitsch in Frage gestellt worden. Vor allem an den beiden Feldzügen von 1635 und
1636 hat Rebitsch zu zeigen versucht, dass die meisten der Negativurteile über Gallas
auf Vorwürfe in bayerischen Berichten zurückgehen und Bestandteil der bei Koaliti­
onskriegen üblichen Reibereien und Konflikte sind. Vor allem geht Rebitsch aber
davon aus, dass die Erwartung einer groß angelegten Offensive, die Richelieu zum
politischen Einlenken und zum Rückzug aus dem Krieg im Reich hätte zwingen kön­
nen, auf unrealistischen Voraussetzungen beruhte und kaum zu verwirklichen war
(Rebitsch, M atthias Gallas, S. 124-1 66). 164 Die nachfolgende Darstellung des
Krieges am Oberrhein, im Eisass und in Lothringen sowie in der Picardie stützt sich
im Wesentlichen auf Droysen, Bernhard von Weimar, Bd. 2, S. 101-250, Lahrkamp, Jan
von Werth, S. 33-65, sowie Rebitsch, M atthias Gallas, S. 124-166. 165 Dazu Lahr­
kamp, Ja n van Werth, S. 43. 1 66 Ebd., S. 44 ff. 167 Rebitsch, M atthias Gallas,
S. 140 ff. 168 Ebd., S. 138. 169 Vgl. Allmayer-Beck, «Rudolf Graf von Colloredo-
Waldsee», S. 328 f. 170 Vgl. Barker, «Generalleutnant Piccolomini», S. 350 ff. 171
So auch Parker, D er D reißigjährige Krieg, S. 235. 172 Vor allem in der französischen
Literatur zum Dreißigjährigen Krieg sind Analogien zwischen dem Zangenangriff
von 1636 und dem deutschen Angriff im Sommer 1914 hergestellt worden; vgl. Pages,
L a Guerre de Trente Ans, S. 204 f. 173 Es gibt in der einschlägigen Literatur eine Kon­
troverse darüber, ob das Koordinationsdefizit auf Gallas’ notorische Schwerfälligkeit
und seine Abneigung gegenüber Offensivoperationen zurückzuführen ist oder ob die
Mängel im Zusammenwirken beider Armeen daraus resultierten, dass ein Zangenan­
griff auf Frankreich zunächst gar nicht vorgesehen war und sich etwas, das sich so
ausnahm wie ein Zangenangriff, erst aus einer überraschenden Umdisposition des
Kardinalinfanten ergeben hat. Letztere Auffassung wird von Jonathan Israel («Oliva-
res, the Cardinal-Infante and Spain’s Strategy», S. 273-276) und Robert Rebitsch
(M atthias Gallas, S. 146-148) vertreten. Von der Planung eines Zangenangriffs gehen
dagegen Eberhard Straub (P a x et Im perium , S. 451k) und Robert Stradling («Oliva-
res and the Origins of the Franco-Spanish War», S. 69-94) aus. 174 Rebitsch, M a t­
thias Gallas, S. 144 und 149. 175 Ebd., S. 151. 176 Ebd., S. 154; die Franche Comte,
die Freigrafschaft Burgund, hatte 1611 eine von den Schweizer Eidgenossen garan­
tierte Neutralität erlangt, die jedoch von den beiden Kriegsparteien nicht mehr aner-
912 ANHANG

kannt wurde. 177 Dazu Schulze, «Der Sommerfeldzug Johann von Werths», ins-
bes. S. 57 ff. 178 Zu den Entsatzplänen für Hanau vgl. Droysen, B ernhard von Weimar,
Bd. 2, S. 218-230; zur strategischen Bedeutung Hanaus vgl. Müller, «Bau und Bedeu­
tung der Festung Hanau im Dreißigjährigen Krieg», S. 93-122; zur Belagerung selbst
vgl. Kurz, «Das Leben in der blockierten Festung Hanau», S. 123-134, sowie Bus,
«Die Zeit der Verheerung», S. 208-214. 179 Zu Wilhelm Graf von Lamboy, einem
der wichtigsten Heerführer des Kaisers im letzten Jahrzehnt des Krieges, vgl. Neu­
haus, «Lamboy», S. 440 f. 180 DazuPuppel, «AmalieElisabeth», S. 188-194. 181
Hierzu und zum Folgenden ausführlich Droysen, Bernhard von Weimar, Bd. 2,
S. 239-246. 182 Zit. nach ebd., S. 245. 183 Zit. nach ebd., S. 246; Gallas selbst gab
seine Verluste mit nur 1000 Mann an; Rebitsch, M atthias Gallas, S. 165. 184 Vgl.
oben, S. Ö74ff. 185 Dazu Rebitsch, M atthias Gallas, S. 170-183. 186 Zit. nach ebd.,
S. 183. 187 Vgl. oben, S. 457. Savelli hatte in Wien mächtige Fürsprecher und galt als
ein Günstling der Kaiserinwitwe Eleonora Gonzaga. Für eine knappe Charakterisie­
rung seiner militärischen Fähigkeiten Guthrie, The Later Thirty Years War, S. 82; für
einige Invektiven Werths gegen Savelli vgl. Droysen, Bernhard von Weimar, Bd. 2,
S. 424. 188 Dazu Lahrkamp, Jan van Werth, S. 79-91; Droysen, B ernhard von Wei­
mar, Bd. 2, S. 251-325. 189 Dazu Greyerz, «Die Schweiz während des Dreißigjähri­
gen Krieges», S. 133-140, sowie Egger, «Johann RudolfWettstein und die internatio­
nale Anerkennung der Schweiz», S. 423-432. 190 Zit. nach Droysen, B ernhard von
Weimar, Bd. 2, S. 333. 191 Vgl. Maurer, «Die württembergischen Höhenfestungen»,
S. 264-315. 192 Zit. nach Droysen, Bernhard von Weimar, Bd. 2, S. 337. 193 Guthrie
(The Later Thirty Years War, S. 82b) beziffert die Kräfteverhältnisse auf 7500 Mann
Savellis und 6000 Mann Bernhards, auf beiden Seiten doppelt so viel Kavallerie wie
Infanterie. An den Maßstäben der ersten Kriegshälfte gemessen, handelte es sich also
um eine kleine Schlacht, wie sie zuvor für Nebenkriegsschauplätze typisch war. Zum
Schlachtverlauf vgl. ebd., S. 83 t, sowie Droysen, Bernhard von Weimar, Bd. 2,
S. 340-342, und Lahrkamp, Ja n van Werth, S. 95b 194 Zur «zweiten Schlacht von
Rheinfelden» vgl. Guthrie, The Later Thirty Years War, S. 84-86, Droysen, Bernhard
von Weimar, Bd. 2, S. 343-346, und Lahrkamp, Ja n von Werth, S. 96-97. 195 Da die
Truppen auf dem Marsch von Villingen nach Rheinfelden die Täler und Pässe des
Schwarzwalds durchschreiten mussten, hatte Savelli die schwerfällige Artillerie
zurückgelassen. Es ist ebenso nachvollziehbar wie unverständlich, dass er keinerlei
Anstrengungen unternahm, dieses Manko nach seinem Erfolg vom 28. Februar durch
die in Rheinfelden stehenden Kanonen auszugleichen. 196 Während Savelli schon
bald ausgetauscht wurde, überstellte Bernhard Werth und Enckevort an die Franzo­
sen, die ein großes Interesse daran hatten, den gefürchteten Reitergeneral Jan von
Werth für längere Zeit aus dem Krieg herauszuziehen. Erst im März 1642, also nach
vierjähriger Gefangenschaft, wurde er gegen den schwedischen Feldmarschall Gus­
tav Horn ausgetauscht, der bei Nördlingen in kaiserliche Gefangenschaft geraten war;
Anmerkungen 913

dazu Lahrkamp, Jan von Werth, S. 105-118. 197 Vgl. Droysen, Bernhard von Weimar,
Bd. 2, S. 368 f. 198 Ebd., S. 377 ff. 199 Ebd., S. 470 £ 200 Zur Schlacht von Wit­
tenweier vgl. ebd., S. 433-437, sowie Guthrie, The Later Thirty Years War, S. 88-90,
der daraufhinweist, dass mit den 16 000 Mann auf kaiserlicher Seite und den 18 800
Mann des Herzogs Bernhard es sich um eine deutlich größere Schlacht als die bei
Rheinfelden gehandelt habe. 201 Zit. nach Droysen, Bernhard von Weimar, Bd. 2,
S. 459 £ 202 Zit. nach Wedgwood, Der 30jährige Krieg, S. 370. 203 Vgl. Parker, Der
Dreißigjährige Krieg, S. 256, und Guarino, «The Spanish Monarchy», S. 58 £ 204
Parker, Der Dreißigjährige Krieg, S. 1856; Maria Anna hatte sich mit dem Abschied von
Spanien schwergetan, jedenfalls hatte sie sich mehr als einJahr Zeit gelassen, bis sie in
Wien eingetroffen war; dazu Hobelt, Ferdinand III., S. 54 ff. 205 Vgl. Kampmann,
Europa und das Reich, S. 142; zum Fluss der spanischen Hilfsgelder vgl. Ernst, «Spani­
sche Subsidien für den Kaiser», S. 301 ff. 206 In einigen Quellen ist sogar von
24000 Soldaten die Rede, doch dürfte diese Zahl deutlich zu hoch liegen. 13000 ist
dagegen plausibel: Von der durchschnittlichen Ladekapazität der Schiffe her kann
man von etwa 200 Soldaten zusätzlich zur Besatzung an Bord ausgehen. 207 Das
war das erste Mal, dass die später so bezeichnete «Linienschifftaktik» angewandt
wurde. 208 Vgl. Israel, The Dutch Republic and the Hispanic World, S. 268-271. 209
Vgl. Thompson, «The Impact of War and Peace on Government and Society in
Seventeenth Century Spain», S. 161 £ 210 Die Niedergangsthese ist in den Arbeiten
John H. Elliots (Richelieu and Olivares; The Count-Duke of Olivares-, «Foreign Policy
and Domestic Crisis», S. 185ff.) breit ausgearbeitet; vgl. dazu auch Pietschmann,
«Spanien im Dreißigjährigen Krieg», S. 167-188, sowie Brinkmann, Aufstieg und Nie­
dergang Spaniens-, die Auffassung eines durchgängigen Niedergangs bezweifelt hinge­
gen Stradling, «Seventeenth Century Spain. Decline or Survival», S. 156-194, sowie
ders., «Catastrophe and Recovery: the defeat of Spain 1639-1643», S. 205-219;
zusammenfassend Kampmann, Europa und das Reich, S. 140-142. 211 Vgl. oben,
S. 720 ff. 212 Zur Schlacht von Rocroi, die, wie Gotthard (Der Dreißigjährige Krieg,
S. 280 f.) zu Recht moniert, in vielen Darstellungen des Dreißigjährigen Krieges nicht
vorkommt, obwohl sie auf die Schlussphase des Krieges großen Einfluss hatte, vgl.
Wedgwood, Der 30jährige Krieg, S. 397-401, sowie Guthrie, The Later Thirty Years War,
S. 171-180. 213 Vgl. oben, S. 732 f. 214 Guthrie, The Later Thirty Years War, S. 177.
914 ANHANG

7. K A P I T E L
ZW ISCH EN K R IE G UND FRIED EN :
DER LAN GE WEG NACH M Ü N ST ER
UND OSNABRÜCK

1 Aus der inzwischen kaum noch zu überschauenden Fülle der Literatur zum Westfä­
lischen Frieden stütze ich mich, was den Weg nach Münster und Osnabrück anbe­
trifft, auf Dickmann, D er Westfälische Frieden, S. 59-124, Öhman, D er K am pf um den
Frieden, S. 154-199, Duchhardt (Hg.), D er Westfälische Friede, Moormann van Kap-
pen/Wyduckel (Hgg.), Der Westfälische Frieden in rechts- und staatstheoretischer Per­
spektive, sowie Westphal, Der Westfälische Frieden, S. 24-40. 2 Diese Dimension des
Westfälischen Friedens hat jüngst Derek Croxton im Untertitel The L a st Christian
Peace seines Buchs Westphalia noch einmal sehr deutlich herausgestellt. 3 Bregnsbo,
«Denmark and the Westphalian Peace», S. 361-368, sowie Jaitner, «Die Päpste im
Mächteringen des 16. und 17. Jahrhunderts», S. 61-67; zum Problem der Vermittlung
insgesamt Repgen, «Friedensvermittlung als Element europäischer Politik»,
S. 799-816. 4 Vgl. Dickmann, Der Westfälische Frieden, S. 120-124. 5 Vor allem
Konrad Repgen hat sich mit der Rolle der Kurie bei der Vorbereitung der Friedensge­
spräche und während der Verhandlungen in Münster und Osnabrück eingehend
befasst; vgl. hierzu insbesondere «Die Hauptinstruktion Ginettis», S. 425 f£, und
«Fabrio Chigis Instruktion für den Westfälischen Friedenskongreß», S. 458 ff. 6
Hierzu und zum Folgenden vgl. Kampmann, Europa und das Reich, S. 132-138, sowie
Gotthard, Der Dreißigjährige Krieg, S. 310-320. 7 Dazu insbes. Burkhardt, Der Drei­
ßigjährige Krieg, S. 30-63, sowie ders., «Die entgipfelte Pyramide», S. 51-60. 8
Dazu Repgen, «Der Westfälische Friede und die Ursprünge des europäischen
Gleichgewichts», S. 53-66, sowie Duchhardt, «Westfälischer Friede und internatio­
nales System», S. 529-543. 9 Vgl. oben, S. 735h 10 Vgl. oben, S. 669 h 11 Vgl.
Öhman, Der K am p f um den Frieden, S. 139-148. 12 Ebd., S. 154-161. 13 Dazu
Lorentzen, Die schwedische Armee, S. 101 ff.; Lorentzen erörtert auch die Frage, ob es
eine Reihe von Offizieren gegeben habe, die gegen eine Fortsetzung des Krieges
gewesen seien und sich als bewaffneter Kern einer «dritten Partei» verstanden hät­
ten (ebd., S. 97 fr.). 14 Für eine Kurzvita Torstenssons vgl. Findeisen, Der Dreißig­
jährige Krieg, S. 437-442; er bezeichnet Torstensson als «Schwedens bedeutendsten
Heerführer nach Gustav Adolfs Tod» (S. 440). Guthrie ( 7he Later Thirty Years War,
S. 110) schreibt über Torstensson, er sei ein exzellenter Taktiker, ein weit überdurch­
schnittlicher Stratege und der operativ beste Kopf des Krieges gewesen. 15 Kamp­
mann, Europa und das Reich, S. 135. 16 Insofern ist Gindelys zusammenfassende
Beurteilung des Regensburger Reichstags viel zu optimistisch: «Es läßt sich nicht
verkennen, daß die Friedenssehnsucht diesmal fast das ganze Deutschland um den
Kaiser scharte und daß sich bei einem großen Teil der Reichsstände eine Ergebenheit
Anmerkungen 91S

für ihn zeigte, die man längst verschwunden wähnte.» (Gindely, Geschichte des drei­
ß igjährigen Krieges, Bd. 3, S. 126). Dagegen die Spannungen auf dem Reichstag beto­
nend Kampmann, Europa und das Reich, S. 135; zum Reichstag insgesamt Bierther,
D er Regensburger Reichstag von 16 4 0 /4 1. 17 Gindely, Geschichte des dreißigjährigen
Krieges, Bd. 3, S. 122. 18 Vgl. unten, S. 780. 19 Dazu Weiland, Hessen-Kassel und die
Reichsverfassung, S. 80 ff., sowie Puppel, D ie Regentin, passim. 20 Zur Vita Friedrich
Wilhelms, einem späten Akteur des Krieges, vgl. Kiehm, «Friedrich Wilhelm von
Brandenburg», S. 170-179, sowie Oestreich, Friedrich Wilhelm. D er Große K u r­
fürst. 21 Dazu Westphal, D er Westfälische Frieden, S. 33 ff., Dickmann, D er Westfäli­
sche Frieden, S. 103-113; der Vertragstext des Hamburger Präliminarfriedens in Auszü­
gen bei Roeck (Hg.), Gegenreformation und Dreißigjähriger Krieg, S. 365-368. 22 So
Kampmann, Europa und das Reich, S. 136. 23 Zu den Kommunikationsverhältnissen
der Zeit vgl. Behringer, Im Zeichen des M erkur, insbes. S. 51-126. 24 Vgl. oben,
S. 739 f. 25 Für eine ausführlichere Darstellung dieser Verhandlungen vgl. Öhman,
D er K a m p f um den Frieden, S. 162 ff. 26 Zu den schwedischen Operationen im Früh­
jahr und Sommer 1642 vgl. ebd., S. 165 £, sowie Guthrie, The Later Thirty Years War,
S. 107. 27 Vgl. oben, S. 491 ff 28 Zum Verlauf der zweiten Schlacht bei Breitenfeld
vgl. Preil, Österreichs Schlachtfelder, S. 71-84, Guthrie, The L a ter Thirty Years War,
S. 110-122, und Öhman, D er K a m p f um den Frieden, S. 166-178. Die Angaben zur
Truppenstärke folgen Guthrie, S. 115 f.; Preil geht von auf beiden Seiten geringeren
Truppenstärken aus; eine Schlachtbeschreibung aus der Perspektive eines schwedi­
schen Soldaten findet sich bei Englund, D ie Verwüstung Deutschlands, S. 284-289. 29
Hierzu und zum Folgenden Guthrie, The L a ter Thirty Years War, S. 117 f. 30 Ebd.,
S. 121. 31 Zur Schlacht als «Auswringen der Kräfte» vgl. Clausewitz, Vom Kriege,
S. 420 f. 32 Vgl. Preil, Österreichs Schlachtfelder, S. 81. 33 Vgl. oben, S. 600. 34
Guthrie, The L a ter Thirty Years War, S. 121. 35 Das gilt auch für die sonst sehr auf­
merksame Darstellung von Wedgwood, D er 30jährige Krieg, S. 392 k 36 Findeisen,
D er D reißigjährige Krieg, S. 389k 37 Vgl. Barker, «Generalleutnant Piccolomini»,
S. 355 und 358 £ 38 Dazu ausführlich, wenn auch nicht ohne apologetische Tendenz
Rebitsch, M atthias Gallas, S. 230-318. 39 Zu diesem in den meisten Darstellungen
des Krieges nur am Rande erwähnten «Filiationskonflikt» des Dreißigjährigen Krie­
ges vgl. die aus schwedischer Sicht verfasste Kriegsdarstellung von Peter Englund,
D ie Verwüstung Deutschlands, S. 327 ff; weiterhin Böhme, «Lennart Torstensson und
Helmut Wrangel in Schleswig-Holsein und Jütland 1643-1645», S. 46 ff 40 Vgl.
oben, S. 363 ff 41 Dazu Englund, D ie Zerstörung Deutschlands, S. 330 £ 42 Vgl.
oben, S. 574 £ 43 Vgl. Englund, D ie Zerstörung Deutschlands, S. 353 ff. 44 Zur See­
schlacht an der Kolberger Heide ebd., S. 376 ff 45 Zur Vita Wrangels, entfernt ver­
wandt mit dem im Heere Torstensson verbliebenen Reiterobristen Helmut Wrangel,
vgl. Findeisen, D er Dreißigjährige Krieg, S. 459-462. 46 Zur Seeschlacht bei der
Insel Fehmarn vgl. Englund, D ie Zerstörung Deutschlands, S. 399-402. 47 Zum Frie-
9i6 ANHANG

denvonBrömsebroebd., S. 431-436. 48 Hierzu und zum Folgenden ebd., S. 411-413,


sowie Rebitsch, M atthias Gallas, S. 268-277. 49 Vgl. Gindely, Geschichte des dreißig­
jährigen Krieges, Bd. 3, S. 148 ff. s o Vgl. oben, S. 314 ff. s i Vgl. oben, S. 720 ff. s1
Dazu Engelbert, «Der Hessenkrieg am Niederrhein», Teil 1, S. 66 £ 53 Dazu oben,
S. 111 ff. 54 Engelbert, «Hessenkrieg am Niederrhein», Teil 1, S. 72. 55 Ebd.,
S. 90-94. 56 Vgl. oben, S. 241. 57 Vgl. Gindely, Geschichte des dreißigjährigen K rie ­
ges, Bd. 3, S. 158. 58 Zu Gallas’ Marsch nach Böhmen und zur Auflösung der Armee
vgl. Rebitsch, M atthias Gallas, S. 277-298, Englund, D ie Verwüstung Deutschlands,
S. 411-413, und Guthrie, The Later Thirty Years War, S. 126-128. 59 Nach Guthrie
(S. 126) waren es nur noch 6000 Mann, mit denen Torstensson loszog, während Gal­
las über 13 000 Mann verfügt haben soll; dabei muss freilich hinzugefügt werden, dass
Torstensson ein sieben Kavallerieregimenter umfassendes Armeekorps unter Gene­
ral Hans Christoph von Königsmarck nach Westfalen zur Unterstützung des hessi­
schen Verbündeten entsandt hatte. 60 Zur Lage in Bernburg vgl. Rebitsch, M a t­
thias Gallas, S. 281-287; zu Magdeburg ebd., S. 288-294. 61 Unter anderem auch
von Rebitsch, ebd., S. 297 £ 62 Gindely, Geschichte des dreißigjährigen Krieges, Bd. 3,
S. 154. 63 Helmut Neuhaus schreibt über Mercy, er habe «durch seine weitbli­
ckende und bewegliche, die Artillerie einbeziehende Gefechtsführung Respekt und
Anerkennung (auch seiner Gegner) erworben». Als «Meister der Defensive» habe
er in hohem Maße über die Fähigkeit verfügt, «die Absichten des Gegners früh zu
erkennen» («Mercy», S. 126). Zu Tuttlingen und Freiburg vgl. auchReusch, «Mercy,
Franz Freiherr von». 64 Die Zahlenangaben folgen Broucek, D er Schwedenfeldzug
nach Niederösterreich 1645/46, S. 7; Guthrie, The Later Thirty Years War, S. 133 h, geht
von etwas höheren Truppenstärken aus, nimmt aber ebenfalls an, dass beide Seiten
gleich stark waren. 65 Zur Schlacht von Jankau vgl. Englund, D ie Verwüstung
Deutschlands, S. 420-429, sowie Guthrie, The L a ter Thirty Years War, S. 131-141. 66
Unter den Geschlagenen befand sich auch die bayerische Kavallerie Jan von Werths,
die bei dem Angriffbis zum schwedischen Tross vorgedrungen war, dann aber, statt
der schwedischen Infanterie in den Rücken zu fallen, den Tross zu plündern begon­
nen und auch schwedische Ofliziersfrauen gefangen genommen hatte. Als sie der
Gegenangriff traf, flohen sie vom Schlachtfeld, und Werth entkam nur knapp einer
Gefangennahme. Vgl. Lahrkamp, Ja n von Werth, S. 151 f. Franz von Mercy war im Übri­
gen nicht nach Böhmen gekommen und befand sich deswegen auch nicht unter den
Gefangenen, wie Guthrie (S. 141) irrtümlich angibt. 67 Dazu ausführlich Broucek,
D er Schwedenfeldzug nach Niederösterreich 16 4$/46, S. 8 ff. 68 Im Allgemeinen wird
die Schlacht nach dem in der Nähe liegenden Mergentheim benannt; in Grimmels­
hausens Courage wie im Springinsfeld wird sie mehrfach als die Schlacht von Herbst­
hausen bezeichnet: «Die ist dem Mercy auch gelungen, indem er unversehens über
die Franzosen herfiel und sie bei Herbsthausen so kräftig verprügelte, dass Turenne
ihm nicht nur das Feld, sondern auch viele hochrangige Offiziere und Generäle über-
Anmerkungen 917

lassen musste.» (Grimmelshausen, D er seltsame Springinsfeld, S. 237) 69 Zu


Turenne vgl. Guthrie, The Later Thirty Years War, S. 200 £, sowie Findeisen, D er D rei­
ß igjährige Krieg, S. 463. 70 Zum Verlauf der Schlacht von Mergentheim/Herbst-
hausen, die in den meisten deutschsprachigen Darstellungen des Krieges keine
Erwähnung findet, vgl. Guthrie, The Later Thirty Years War, S. 214-221, und Lahr­
kamp, Ja n von Werth, S. 153-155. 71 Zum Verlauf der Schlacht von Alerheim vgl.
Guthrie, The Later Thirty Years War, S. 221-224, und Lahrkamp, Ja n von Werth,
S. 156-158. 72 Unter einem «fliegenden Korps» (corps volante) werden berittene
Einheiten verstanden, die nicht an einen bestimmten Kriegsschauplatz gebunden
sind. Ihr Kommandant entscheidet nach Gelegenheit und eigenem Ermessen über
die Truppenbewegung. Eine solche Truppe ist eher ein Bestandteil des «kleinen» als
des «großen Krieges». 73 Zit. nach Lahrkamp, Ja n von Werth, S. 159. 74 Friesen­
egger, Tagebuch, S. 136-169. 75 Vgl. oben, S. 748 fr. 76 Dazu Gotthard, D er D reißig­
jährige Krieg, S. 315-320. 77 Vgl. Kampmann, Europa und das Reich, S. 162k, sowie
Westphal, D er Westfälische Frieden, S. 44 ff.; zu den Delegationszahlen vgl. Repgen,
«Die Hauptprobleme der Westfälischen Friedensverhandlungen», S. 404. 78 Dazu
Asch, «Die englische Republik und die Friedensordnung von Münster und Osna­
brück», S. 421-444. 79 Hierzu Westphal, D er Westfälische Frieden, S. 49 fr. 80
Dazu Stiglic, «Zeremoniell und Rangordnung», S. 391-396, sowie Dickmann, D er
Westfälische Frieden, S. 206 ff. 81 Dazu Roeck, «Venedigs Rolle im Krieg und bei
den Friedensverhandlungen», S. 163 ff. 82 Westphal, D er Westfälische Frieden,
S. 45. 83 Vgl. Sonnino, «Prelude to the Fronde», S. 217ff., und Bely, «The Peace
Treaties of Westphalia and the French Domestic Crisis», S. 235. 84 Zu den Diffe­
renzen zwischen Oxenstierna und Salvius vgl. Öhman, D er K a m p f um den Frieden,
S. 168-174, sowie Lundkvist, «Die schwedischen Friedenskonzeptionen»,
S. 349-368. 85 Dazu Lademacher, «<Ein letzter Schritt zur Unabhängigkeit>»,
S. 335-348. Die Frage, ob die Niederlande in Münster die Unabhängigkeit vom Reich
erlangt haben, ist umstritten. Konrad Repgen hat wiederholt darauf hingewiesen,
dass über die staatsrechtliche Stellung der Niederlande zum Reich im Westfälischen
Frieden kein Wort zu finden ist («Die Hauptprobleme der westfälischen Friedens­
verhandlungen», S. 407). De facto liefen die Verhältnisse aber darauf hinaus. 86
Dazu Rohrschneider, D er gescheiterte Frieden von Münster, passim. 87 Vgl. Sänchez-
Marcos, «The Future of Catalonia», S. 273ff, und Cardim, «<Portuguese Rebels> at
Münster», S. 293 ff. 88 Schering Rosenhane und Matthias Biörenklou waren die
schwedischen Residenten in Münster; dazu Ellenius, «Emblematisches Denken. Die
Bildsprache von Schering Rosenhane in Münster», S. 397-402. 89 Auer, «Die
Ziele der kaiserlichen Politik bei den westfälischen Friedensverhandlungen»,
S. 143 ff. 90 Dickmann, D er Westfälische Frieden, S. 243 f. 91 Repgen, «Die Haupt­
probleme der Westfälischen Friedensverhandlungen», S. 403. 92 Dickmann, D er
Westfälische Frieden, S. 216-243. 93 Ter Borchs Bild befindet sich seit 1871 in der
918 ANHANG

National Gallery in London. Es gibt ein ähnliches Bild aus dem Umkreis ter Borchs,
das als Allegorie auf Hugo Grotius und den Westfälischen Frieden bezeichnet wird.
Es zeigt ebenfalls die Münster sehe Ratskammer und eine im Zentrum fast identische
Szene wie die auf dem Friedensschwur, in die jedoch ein Sarkophag mit Grabfigur
hineingestellt ist - eine Reverenz an den 1645 verstorbenen Hugo Grotius als Verfas­
ser der D rei Bücher über K rieg und Frieden (D e iure belli ac pacis libri tres), der hier als
der intellektuelle Wegbereiter des Westfälischen Friedens dargestellt wird. Für eine
Abbildung vgl. Lahrkamp, D reißigjähriger Krieg. Westfälischer Frieden, S. 306. 94
Heinz Duchhardt hat deswegen demJahr 1648 eine Monographie gewidmet, in der er
in einer Art panoramischem Rundblick durch Europa die Lage in den einzelnen Län­
dern Revue passieren lässt; vgl. Duchhardt, 1648. D as fa h r der Schlagzeilen, pas­
sim. 95 So etwa bei Westphal, D er Westfälische Frieden, S. 63-91; weniger ausge­
prägt bei Dickmann, D er Westfälische Frieden, S. 243 ff. und S. 406 ff.; im Unterschied
dazu hat Croxton ( Westphalia ) eine zeitliche Strukturierung seiner Darstellung der
Friedensverhandlungen nur als Hintergrund gewählt (BackgroundN egotiations, Con-
clusion ) und die Friedensverhandlung stattdessen problemorientiert dargestellt. Ähn­
lich Repgen («Die Hauptprobleme der Westfälischen Friedensverhandlungen»), an
dem sich die nachfolgende Darstellung orientiert. Zum Forschungsstand und zur
jüngeren Sicht des Friedenskongresses und seiner Ergebnisse vgl. Lanzinner, «Neu­
ere Forschungen zum Westfälischen Friedenskongress», S. 426-462, sowie Burk­
hardt, «Das größte Friedenswerk der Neuzeit», S. 592-612; in beiden Aufsätzen fin­
det sich auch ein zuverlässiger Überblick zur neueren Literatur. 96 Dazu Dickmann,
D er Westfälische Frieden, S. 424 ff. 97 Vgl. ausführlich Höfer, D as E n de des D reißig­
jährigen Krieges, S. 142-227. 98 Vgl. ebd., S. 175-195, sowie Guthrie, The Later Thirty
Years War, S. 243-245. 99 Vgl. Hojda, «Der Kampf um Prag 1648 und das Ende des
Dreißigjährigen Krieges», S. 403-412. 100 Hierzu und zum Folgenden vgl. Repgen,
«Die Hauptprobleme der Westfälischen Friedensverhandlungen», S. 405 ff. 101 Vgl.
Heckei, Deutschland im konfessionellen Zeitalter, S. 205. 102 So Martin Heckei, ebd.,
S. 189-207. 103 So Repgen, «Die Hauptprobleme», S. 409-434. 104 Dazu
Böckenförde, «Der Westfälische Frieden und das Bündnisrecht der Reichsstände»,
S. 448-478; zur Bedeutung des Bodin’schen Souveränitätsbegriffs für die Verhand­
lungen in Westfalen vgl. Wyduckel, «Rechts- und staatstheoretische Voraussetzun­
gen und Folgen des Westfälischen Friedens», S. 212 ff. 105 Vgl. oben, S. 121 ff. 106
Repgen, «Die Hauptprobleme», S. 411. 107 Ebd., S. 412. 108 Dazu Repgen, «Die
Proteste Chigis und der päpstliche Protest gegen den Westfälischen Frieden»,
S. 539-561. 109 Zur damit erfolgten Suspension der religiösen Wahrheitsfrage und
deren Folgen vgl. Heckei, Deutschland im konfessionellen Zeitalter, S. 199 k 110 Für
eine ausführliche Darstellung der Normaljahresregelung in den Bestimmungen des
Westfälischen Friedens vgl. Fuchs, Ein <M edium zum Friedens, S. 159 ff. 111 Dazu
Heckei, Deutschland im konfessionellen Zeitalter, S. 202 f. 112 Hierzu und zum Fol-
Anmerkungen 919

genden Repgen, «Die Hauptprobleme», S. 414 b 113 Seit November 1646 verhan­
delte Maximilian mit Schweden und Frankreich, was im März 1647 dann in den Waf­
fenstillstand von Ulm mündete. Die Kurfürsten von Köln und Mainz schlossen sich
daraufhin den Bayern an; Kampmann, E uropa und das Reich, S. 153 f. 114 Dazu
Hobelt, Ferdinand III., S. 265-291. 115 Hierzu und zum Folgenden Repgen, «Die
Hauptprobleme», S. 419 If. 116 Ebd., S. 423. 117 Das wird regelmäßig von denen
übersehen, die wie Axel Gotthard (D er D reißigjährige Krieg, S. 332 f.) meinen, weil
sich der Begriff der Westfälischen Ordnung in den Verträgen von Münster und Osna­
brück nicht finden lasse, habe es diese auch nicht gegeben. 118 Dazu Albrecht,
M axim ilian I. von Bayern, S. 1025-1030, sowie Tischer, Französische D iplom atie und
Diplom aten a u f dem Westfälischen Friedenskongress, S. 240 ff. 119 Heckei, Deutsch­
land im konfessionellen Zeitalter, S. 195 b Hessen-Kassel erhielt beträchtliche Gebiete
im Bereich Hersfeld und Marburg; es gehörte damit auf die «Siegerseite», während
die Markgrafschaft Baden-Durlach eher auf der «Verliererseite» landete. 120 Ebd.,
S. 191. 121 Repgen, «Hauptprobleme», S. 424, Fn. 65. 122 So Heckei, Deutschland
im konfessionellen Zeitalter, S. 190; in der Darstellung Repgens geht die Veränderung
eher auf ein Angebot der kaiserlichen Seite als auf eine veränderte Haltung Frank­
reichs zurück, vgl. Repgen, «Hauptprobleme», S. 430 b Einmal mehr spielten dabei
die konkurrierenden Begriffe «Landeshoheit» und «Souveränität» eine wichtige
Rolle. Vgl. dazu auch Kampmann, Europa und das Reich, S. 159 f. und 170. 123 Zur
Rolle der «Friedenspartei», einer «konfessionsübergreifenden Ständegruppie­
rung», vgl. Kampmann, Europa und das Reich, S. 168 f. 124 Burkhardt, D er Dreißig­
jährige Krieg, S. 213 fr. 125 Im späten 17. und im 18. Jahrhundert war Hessen-Kassel
(und nicht Brandenburg-Preußen) der am höchsten militarisierte Staat in Deutsch­
land. Der Militarisierungsgrad eines Landes ergibt sich aus dem Verhältnis zwischen
Einwohnerzahl und Angehörigen des stehenden Heeres. Es waren auch die Nordhes­
sen, die einen Teil ihrer Regimenter an die Briten vermieteten, die sie dann in Ame­
rika einsetzten. 126 Repgen, «Hauptprobleme», S. 437. 127 Ausführlich dazu
Oschmann, D er N ürnberger Exekutionstag. 128 Gerhardt, Dichtungen und Schriften,
S. 785.

SCHLUSS
DER D R EISSIG JÄ H R IG E K R IE G ALS AN A LYSEFO LIE
G EG EN W Ä RTIG ER UND Z U K Ü N FT IG ER K R IE G E

1 Der Begriff der Neuen Kriege geht zurück auf Mary Kaldor, N eue und alte Kriege,
und wurde vom Verfasser dieses Textes stärker im Hinblick auf die ökonomische
Dimension dieser Kriege hin konturiert; vgl. Münkler, D ie neuen Kriege, S. 131 ff.; zur
920 ANHANG

Diskussion von Begriff und Konzept der Neuen Kriege vgl. ders., Kriegssplitter,
S. 208ff. 2 Münkler, D ie neuen Kriege, S. 75ff. 3 Die US-amerikanische Historike­
rin Barbara Tuchman hat in ihrem Meisterwerk über das 14. Jahrhundert den Begriff
des «fernen Spiegels» eingeführt, um damit die Selbstbeobachtung durch den Blick
in die Vergangenheit zu bezeichnen (Tuchman, D er ferne Spiegel, S. 9-16). 4 «<Der
IS wird in neuer Form zurückkommen» Die jordanischen Islamismus-Fachleute
Mohammed Abu Rumman und Hassan Abu Hanieh im Gespräch»; in: Frankfurter
Allgem eine Zeitung, Nr. 260, 7.11.2016, S. 7. 5 Exemplarisch dafür sind die von der
Hamburger Arbeitsgemeinschaft Kriegsursachenforschung (AKUF) in regelmäßiger
Abfolge herausgegebenen Jahresberichte zum weltweiten Kriegsgeschehen. Im
Untertitel dieser Berichte - «Daten und Tendenzen der Kriege und bewaffneten
Konflikte» - kommt die methodische Grundlage der Kombination von Analytik
und Prognostik zum Ausdruck. 6 Vgl. dazu die kontrovers geführte Debatte in
Anna Geis (Hg.), D en K rieg überdenken. 7 Zur komparativen Herangehensweise
und den ihr zugrundeliegenden Methoden vgl. Kaelble/Schriewer (Hgg.), Gesell­
schaften im Vergleich, sowie Epple/Erhart (Hgg.), D ie Welt beobachten. 8 Baumhauer,
K unst und K rieg in Langzeitkonflikten, S. 61 ff. und 123 ff. Steht bei Baumhauer Hans
Ulrich Frank im Zentrum der Aufmerksamkeit, so geht es Bernd Schuchter (Jacques
Callot, S. 174) um die Aktualität Jacques Callots: «Dieser große Krieg [der Dreißig­
jährige Krieg] hatte gezeigt, wie dünn diese Schicht der Zivilisation ist, die den Men­
schen im Alltag daran hindert, ein Tier zu werden, nach eigenem Gutdünken zu mor­
den und zu stehlen. Der lange andauernde Krieg hatte diese Schicht rasch abgelöst
und es folgten viele Jahre von solch grausamer Barbarei und Unmenschlichkeit, die
man sich heute - da in Mitteleuropa seit 70 Jahren Frieden herrscht - nicht vorzustel­
len vermag.» 9 Vgl. oben, S. Ö97ff. 10 Dieser Aspekt ist in der jüngeren For­
schung besonders deutlich herausgearbeitet bei Kampmann, Europa und das Reich,
S. 17-34. 11 Zum Begriff der politischen Religion und deren Rolle in der Politik seit
dem Ende des Dreißigjährigen Krieges vgl. Voegelin, D ie politischen Religionen,
S. 49 ff., sowie Maier, Politische Religionen, S. 107 ff. 12 Eine ideengeschichtliche Dar­
stellung der von den Aufklärern gegebenen Begründungen für eine Zurückdrängung
der Religion ins Private findet sich bei Cavuldak, Gem einwohl und Seelenheil, pas­
sim. 13 Als einer der wichtigsten Sozialwissenschaftler, die die Validität der Säkula­
risierungsthese angezweifelt haben, ist der Soziologe Jose Casanova (Public Religions
in the M odern W orld ) zu nennen, der die jüngste Verunsicherung der Europäer ange­
sichts der neuerlichen Herausforderung durch politisierte Religionen als Folge ihres
naiven Vertrauens auf den fortschreitenden Prozess der Säkularisierung erklärt hat;
vgl. Casanova, Europas Angst vor der Religion; die Thesen Casanovas sind von dem
Politikwissenschaftler Wilfried Röhrich (D ie M acht der Religionen ) in einer verglei­
chenden Überblicksdarstellung bestätigt worden: «Die Weltreligionen haben eine
politische Macht erlangt, die in ihrer Tragweite der der christlichen Kreuzzüge vom
Anmerkungen 921

11. bis 13. Jahrhundert und der der islamischen Djihad-Rriege vom 7. bis zum 17. Jahr­
hundert nahekommt - zumal wenn man die Politisierung der jeweiligen Religion mit
dem Resultat eines religiösen Fundamentalismus in die Betrachtung einbezieht»
(S. 11). Zum Thema des politisch-religiösen Fundamentalismus vgl. die komparativ
angelegten Studien von Marty/Appleby, Herausforderung Fundamentalismus, Juer-
gensmeyer, D ie Globalisierung religiöser Gewalt, Armstrong, Im K a m p f um Gott, sowie
Victor und Victoria Trimondi, K rieg der Religionen. Es fällt auf, dass in den histori­
schen Rückblicken dieser Arbeiten der Dreißigjährige Krieg keine Rolle spielt, wenn­
gleich bei calvinistischen Autoren wie jesuitischen Beichtvätern zahllose Beispiele
für fundamentalistisches Denken zu finden sind. 14 Bloch, «Ungleichzeitigkeit
und Pflicht zu ihrer Dialektik» [1932]; in: ders., Erbschaft dieser Zeit, Bd. 4 der
Gesamtausgabe, Frankfurt am Main 1962, S. 116 ff. 15 Hegel, Grundlinien der Philoso­
ph ie des Rechts, S. 17. 16 Steinberg, D er Dreißigjährige K rieg in Europa, S. 92. 17 So
etwa Schormann, D er D reißigjährige K rieg, S. 25-59, ebenso Kampmann, Europa und
das Reich, der außerdem den böhmischen und den pfälzischen Krieg gegeneinander
abgrenzt und zusätzlich von einem spanisch-französischen Krieg spricht (S. 41 ff. und
103 ff.), sowie Gotthard, D er Dreißigjährige Krieg, passim. Georg Schmidt (D er D rei­
ß igjährige K rieg ) weicht davon ab, indem er die Jahre von 1618 bis 1629 als Zeit «vom
böhmischen Ständekonflikt zur gesamtdeutschen Betroffenheit» überschreibt
(S. 27 £), dieJahre von 1630 bis 1643 unter die Überschrift «Habsburg, Schweden und
Frankreich» stellt (S. 48 ff.) und die Schlussphase des Krieges als Ringen «um deut­
sche Libertät> und Entschädigungen» zusammenfasst (S. 68ff.), also stärker den
Zusammenhang des Krieges herausstellt. Die Trennung eines böhmisch-pfälzischen
und eines niedersächsisch-dänischen Krieges findet sich bereits bei Moriz Ritter,
dem Doyen der deutschen Geschichtsschreibung zum Dreißigjährigen Krieg (D eut­
sche Geschichte im Zeitalter der Gegenreformation und des D reißigjährigen Krieges,
Bd. III, S. 3-222 und 225-414), während er den Fortgang des Krieges nicht mehr wei­
ter untergliedert hat; ähnlich Anton Gindely, der die 1. Abteilung seiner Geschichte des
dreißigjährigen Krieges dem «böhmischen Aufstand und seiner Bestrafung» widmet,
im zweiten Kapitel der 2. Abteilung den «niedersächsischen, dänischen und ungari­
schen Krieg» behandelt (Bd. 2, S. 56-103) und danach den Krieg als zusammenhän­
gendes Ganzes darstellt, das durch den Auftritt von Personen (Gustav Adolf und
Albrecht von Waldstein [sic!]) gegliedert wird. In der älteren Sicht wurden also nur
der böhmisch-pfälzische und der niedersächsisch-dänische Krieg als getrennte
Abschnitte behandelt, und danach floss das Kriegsgeschehen zu einem einzigen
Gewaltkontinuum zusammen, während in vielen jüngeren Darstellungen die nach
Protagonisten benannte Gliederung in Etappen bis zum Kriegsende durchgehalten
wird. 18 Genau dieses zeitgenössische Bewusstsein eines zusammenhängenden
Krieges hat Steinberg (D er Dreißigjährige Krieg, S. 112ff.) bestritten. Dagegen hat
Konrad Repgen («Die Entstehung und Verwendung des Terminus dreißigjähriger
922 ANHANG

Krieg> von 1650 bis 1695») detailliert nachgewiesen, dass der Begriff des Dreißigjäh­
rigen Krieges bereits bei den Zeitgenossen verbreitet war und sich schon bald nach
Ende des Krieges die Vorstellung von einem zusammenhängenden Kriegsgeschehen
allgemein durchgesetzt hat. 19 Diese Sicht wird am nachdrücklichsten bei Kamp­
mann, Europa und das Reich, ausgearbeitet. Ihr zufolge war der Dreißigjährige Krieg
von Anfang an potenziell ein europäischer Krieg, aber er wurde dies tatsächlich erst
durch seine Dauer. 20 Ihukydides, Geschichte des Peloponnesischen Krieges; zum
Fortwirken des Ihukydides und dem Einfluss seines Werks auf spätere Historiker vgl.
Meister, Thukydides als Vorbild der Historiker. 21 Schiller, Geschichte des Dreißigjäh­
rigen Krieges; zu Schiller als Historiker dieses Krieges vgl. Alt, Schiller, Bd. 1, S. 587-675,
speziell zur Geschichte des Dreißigjährigen Krieges S. 663 ff., weiterhin Safrankski,
Schiller, S. 338 ff. 22 Vgl. oben, Schluss, Anm. 18. 23 Carl Schmitt hat in einer korri­
gierenden Erweiterung seiner Freund-Feind-Unterscheidung später zwischen dem
«wirklichen» und dem «absoluten Feind» unterschieden (Schmitt, Theorie des P ar­
tisanen, S. 87ff). Er hätte, was bei einer Studie über den Typ des Partisanen indes
nicht nahelag, die Figur des «konventionellen Feindes» danebenstellen können, der
als eine Form der Einhegung von Feindschaft nach der Ära der religiös-konfessionel­
len Kriege, also der Westfälischen Ordnung, zu fassen ist. Dazu vertiefend Geulen/
von der Heiden/Liebsch (Hgg.), Vom Sinn der Feindschaft, sowie Brehl/Platt (Hgg.),
Feindschaft. 24 Das ist auf dem berühmten Bild «Die Übergabe von Breda» von
Veläzquez zu sehen; dazu oben, S. 637. 25 Vgl. oben, S. 474 ff. 26 Dazu Rill, Kaiser
Matthias, S. 121-173. 27 Dazu Münkler, Der neue Golfkrieg, insbes. S. 29 ff. 28
Richelieus strategisches Dilemma tritt in den Darstellungen des Dreißigjährigen
Krieges in der Regel stärker hervor als in den Biographen des Politikers, die zumeist
auf seine Umsicht und sein Raffinement abheben; vgl. etwa Burckhardt, Richelieu,
Bd. 2: Behauptung der M acht und kalter Krieg, S. 239-425. 29 Die Probleme der
Franzosen mit dem selbstbewussten Bernhard von Weimar werden detailliert geschil­
dert von Gindely, Geschichte des dreißigjährigen Krieges, Bd. 3, S. 74 ff. und 103 ff. 30
Zu Begriff und Erscheinungsform des Postheroischen in den modernen Gesellschaf­
ten «des Westens» vgl. Münkler, Kriegssplitter, S. 169 ff. 31 Parker, D er Dreißigjäh­
rige Krieg, S. 114. 32 Dazu Schröder, Die Revolutionen Englands im 17. Jahrhundert,
S. 21-48, der sich freilich vor allem auf die inneren Konflikte konzentriert und die
Frage der englischen Außenpolitik weitgehend beiseitelässt; zur schwankenden Poli­
tik Jakobs gegenüber einem internationalen protestantischen Bündnis vgl. Parker,
D er Dreißigjährige Krieg, S. 95, 99 und öfter; zu den Puritanern, die den König zur
Unterstützung der protestantischen Sache drängten, vgl. ebd., S. 114 und 132. 33
Dazu in knapper Zusammenfassung Parker, «The Soldiers of the Thirty Years War»,
S. 305 ff. 34 In diesem Zusammenhang ist an die Rolle der Obristen Gordon und
Butler bei der Ermordung Wallensteins zu erinnern; vgl. oben, S. 628 ff. 35 Im
Onate-Vertrag verzichtete Philipp III. auf den Anspruch, als einziger männlicher
Anmerkungen 913

Enkel Kaiser Maximilians II. die größten Rechte auf die Nachfolge als Kaiser des
Reichs zu haben; für dieses Entgegenkommen ließ er sich das Eisass und zwei Reich­
senklaven in Italien abtreten. Gleichzeitig stellte Spanien dem Erzherzog Ferdinand,
mit dem dieser Vertrag ausgehandelt wurde, Barmittel in Höhe von einer Million
Taler zur Verfügung, damit er Söldner für die Verteidigung der Stadt Gradiska anwer­
ben konnte; vgl. Parker, D er Dreißigjährige Krieg, S. 103-106. 36 Vgl. oben,
S. 646 ff. 37 Zum «Ende des spanischen Zeitalters» infolge seiner Verwicklung in
den Dreißigjährigen Krieg vgl. oben, S. 737 ff. 38 Dazu Lundkvist, «Die schwedi­
schen Kriegs- und Friedensziele», S. 219 ff. 39 Zu den Leitlinien der französischen
Politik in der Ära Richelieus vgl. Wollenberg, Richelieu, S. 55 ff. und 83 ff, sowie Weber,
«Vom verdeckten zum offenen Krieg», S. 203 ff 40 Diese Parallele ist in der deut­
schen Historiographie nach 1871 des Öfteren gezogen worden; vgl. Findeisen, Gus­
tav II. A dolf, S. 231. 41 Goethe, Faust, Erster Teil, Zeilen 860-867. 42 Eine Aus­
nahme bildet der Zuzug von 8000 polnischen Kosaken, die 1636 das am Rhein
operierende kaiserliche Heer unter General Gallas verstärken sollten. Ihre spezifi­
schen militärischen Fähigkeiten waren jedoch in Süddeutschland und im Eisass nur
von geringer Relevanz. Sie hätten «unter furchtbaren Verwüstungen ganz Deutsch­
land durchzogen», bemerkt Gindely ( Geschichte des dreißigjährigen Krieges, Bd. 3,
S. 87). «Der Kaiser hatte von diesen Hilfstruppen nicht nur keinen Gewinn, sondern
nur Schaden, da er wegen dieser seiner Bundesgenossen tausendfach verwünscht
wurde.» (Ebd.) 43 Für eine ausführliche Darstellung des Hauses Wasa und seiner
Spaltung in eine polnische und eine schwedische Linie vgl. Droysen, G u staf A dolf,
Bd. 1, S. 1-49; zur Politik des Schwedenkönigs gegenüber Polen vgl. ebd., S. 91 ff.,
sowie Bd. 2, S. 3-26. 4 4 Vgl. Parker, D er Dreißigjährige Krieg, S. 88 und 131. 45
Dazu Rill, T illy ,S . 142 ff 46 Für eine detaillierte Erörterung vgl. Parker, D er D reißig­
jäh rige Krieg, S. 142 ff. 47 Dazu Mallett, M ercenaries and their Masters, sowie Trease,
D ie Condottieri. 48 Vgl. Huhnholz, Dschihadistische R aum praxis, S. 33 ff.
LITERATUR

Ägoston, Gabor: Empires and Warfare in East-central Europe, 1550-1750: the


Ottoman-Habsburg rivalry and military transformation»; in: Tallett/Trim (Hgg.),
European Warfare, S. 110-134.
Albrecht, Dieter: «Zur Finanzierung des Dreißigjährigen Krieges. Die Subsidien der
Kurie für Kaiser und Liga 1618-1635» [1956]; in: Rudolf (Hg.), Der Dreißigjährige
Krieg, S. 368-412.
Ders.: D ie auswärtige Politik M axim ilians von Bayern 16 18 -16 3 5, Göttingen 1962.
Ders.: «Die Kriegs- und Friedensziele der deutschen Reichsstände»; in: Repgen
(Hg.), Krieg und Frieden, S. 241-273.
Ders.: «Ferdinand II. (1619-1637)»; in: Schindling/Ziegler (Hgg.), Die Kaiser der
Neuzeit, S. 125-141.
Ders.: «Maximilian I. von Bayern»; in: Neue Deutsche Biographie, Bd. 16, Berlin
1990, S. 477-480.
Ders.: Maximilian I. von Bayern 13 7 3 -16 3 1, München/Wien 1998.
Allmayer-Beck, Johann Christoph: «Rudolf Graf von Colloredo-Waldsee»; in: Neue
Deutsche Biographie, Bd. 3, Berlin 1957, S. 328t
Alt, Peter-Andre: Schiller. Eine Biographie, 2 Bde., München 2000.
Altmann, Hugo: D ie Reichspolitik M axim ilians I. von Bayern. 16 13 -16 18 , München
1978.
Aretin, Karl Otmar von: D as A lte Reich. 16 4 8 -18 0 6 , 4 Bde., Stuttgart 1993-2000.
Armstrong, Karen: Im K a m p f fü r Gott. Fundam entalism us in Christentum, Judentum
und Islam, München 2004.
Arndt, Johannes: «Der spanisch-niederländische Krieg in der deutschsprachigen
Publizistik 1566-1648»; in: Lademacher/Groenveld (Hgg.), K rieg und Kultur,
S. 401-418.
Ders.: D er D reißigjährige K rieg 16 18 -16 4 8 , Stuttgart 2009.
Ders.: «Die Kriegspropaganda in den Niederlanden während des Achtzigjährigen
Krieges gegen Spanien 1568-1648»; in: Asch u. a. (Hgg.), Frieden und K rieg in der
Frühen N euzeit, S. 239-256.
Arnold, Heinz Ludwig (Hg.): H ans Jacob Christoffel von Grimmelshausen, München
2008 (= Sonderband der Zeitschrift Text + Kritik).
Ders.: «Grimmelshausen in seinem <Simplicissimus>»; in: ders. (Hg.), Grimmels­
hausen, S. 116-127.
926 ANHANG

Asbach, Olaf/Schröder, Peter (Hgg.): The Ashgate Research Companion to the Thirty
Years War, Farnham/Burlington 2014.
Asch, Ronald/Voß, Wulf Eckart/Wrede, Martin (Hgg.): Krieg und Frieden in der
Frühen Neuzeit. Die europäischen Staaten und die außereuropäische Welt, München
2001.
Asch, Ronald: Jakob I. (1566-1625). König von England und Schottland, Stuttgart 2005.
Ders.: «Die englische Republik und die Friedensordnung von Münster und Osna­
brück»; in: Duchhardt (Hg.), Der Westfälische Friede, S. 421-444.
Asche, Matthias/Schindling, Anton (Hgg.): D as Strafgericht Gottes. Kriegserfahrung
und Religion im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation im Zeitalter des Dreißig­
jährigen Krieges, Münster 2001.
Assmann, Aleida: D er lange Schatten der Vergangenheit. Erinnerungskultur und
Geschichtspolitik, Bonn 2007.
Auer, Leopold: «Die Ziele der kaiserlichen Politik bei den Westfälischen Friedens­
verhandlungen und ihre Umsetzung»; in: Duchhardt (Hg.), D er Frieden von
Münster, S. 143-173.
Babel, Rainer: Deutschland und Frankreich im Zeichen der habsburgischen Universal­
monarchie, 1500-1648, Darmstadt 2005.
Ballerstedt, Maren: «Belagerung und Zerstörung Magdeburg 1630/31 - Ereignisse
und Hintergründe»; in: Verein für Kirchengeschichte (Hg.), Magdeburgs Geschick,
S. 11-24.
Barker, Thomas M.: «Generalleutnant Ottavio Fürst Piccolomini. Zur Korrektur
eines ungerechten historischen Urteils»; in: Österreichische Osthefte, 22. Jg., 1980,
Heft 4, S. 322-369.
Barudio, Günter: Gustav A dolf - der Große. Eine politische Biographie, Frankfurt am
Main 1982.
Ders.: Der Deutsche Krieg, 1618-1648, Frankfurt am Main 1985.
Ders.: «Der Ewige Frieden von 1648»; in: Manfred Spieker (Hg.), Friedenssicherung,
Bd. 3, Münster 1989, S. 57-72.
Baumhauer, Till Ansgar: Kunst und Krieg in Langzeitkonflikten. Visuelle Kulturen im
Dreißigjährigen Krieg und im heutigen Afghanistan, Berlin 2016.
Baumstark, Reinhold: «Ikonographische Studien zu Rubens’ Kriegs- und Friedens­
allegorien»; in: Aachener Kunstblätter, Bd. 15,1974, S. 125-234.
Baur, Josef: Philipp von Sötern, geistlicher Kurfürst von Trier und seine Politik während
des Dreißigjährigen Krieges, 2 Bde., Speyer 1897/1914.
Behringer, Wolfgang: Im Zeichen des Merkur. Reichspost und Kommunikationsrevolu­
tion in der Frühen Neuzeit, Göttingen 2003.
Beiderbeck, Friedrich: Zwischen Religionskrieg, Reichskrise und europäischem Hegemo­
niekampf. Heinrich IV. von Frankreich und die protestantischen Reichsstände, Berlin
2005.
Literatur 927

Bely, Luden: «France and the Thirty Years War»; in: Asbach/Schröder (Hgg.), The
Ashgate Research Companion to the Thirty Years War, S. 87-99.
Ders.: «The Peace Treaties of Westphalia and the French Domestic Crisis»; in:
Duchhardt (Hg.), D er Westfälische Friede, S. 235-252.
Bergerhausen, Hans-Wolfgang: «Die <verneuerte Landesordnung> in Böhmen
1627: ein Grunddokument des habsburgischen Absolutismus»; in: Historische
Zeitschrift, Bd. 272, 2001, S. 327-351.
Bermbach, Udo: «Widerstandsrecht, Souveränität, Kirche und Staat: Frankreich
und Spanien im 16. Jahrhundert», in: Iring Fetscher/Herfried Münkler (Hgg.),
Pipers Handbuch der politischen Ideen, Bd. 3, München 1985, S. 101-162.
Beyreuther, Erich: «Matthias Hoe von Hoenegg»; in: Neue Deutsche Biographie,
Bd. 9, Berlin 1972, S. 300 f.
Bierther, Kathrin: Der Regensburger Reichstag von 1640/41, Kallmünz 1971.
Dies.: «Piccolomini, Ottavio Fürst»; in: Neue Deutsche Biographie, Bd. 20, Berlin
2001, S. 408-410.
Bireley, Robert: M aximilian von Bayern, A dam Contzen S J. und die Gegenreformation
in Deutschland 1624-1635, Göttingen 1975.
Ders.: Religion and Politics in the Age of Counterreformation. Emperor Ferdinand II,
William Lamormaini S.J., and the Formation of Imperial Policy, Chapel Hill 1981.
Ders.: «The Thirty Years War as Germany’s Religious War»; in: Repgen (Hg.),
Krieg und Politik, S. 85-106.
Ders.: The Jesuits and the Thirty Years War. Kings, Courts, and Confessions, Cambridge
2003.
Blaschke, Karlheinz: «Johann Georg I. Kurfürst von Sachsen»; in: Neue Deutsche
Biographie, Bd. 10, Berlin 1974, S. 525-526.
Ders.: Der Fürstenzug zu Dresden. Denkmal und Geschichte des Hauses Wettin, Leipzig
1991.
Böckenförde, Ernst-Wolfgang: «Der Westfälische Frieden und das Bündnisrecht
der Reichsstände»; in: D er Staat, Bd. 8,1969, S. 449-478.
Boehncke, Heiner/Sarkowicz, Hans: Grimmelshausen. Leben und Schreiben. Vom
Musketier zum Weltautor, Frankfurt am Main 2004.
Böhme, Klaus-R.: «Lennart Torstensson und Helmut Wrangel in Schleswig-Hol­
stein und Jütland 1643-1645»; in: Zeitschrift der Gesellschaftfü r Schleswig-Holsteini­
sche Geschichte, Bd. 90,1965, S. 40-82.
Bosbach, Franz: Monarchia Universalis. Ein politischer Leitbegriff derfrühen Neuzeit,
Göttingen 1986.
Brecht, Bertolt: Mutter Courage und ihre Kinder; in: ders., Gesammelte Werke, Bd. 4,
Frankfurt am Main 1967, S. 1347-1443.
Bregnsbo, Michael: «Denmark and the Westphalian Peace»; in: Duchhardt (Hg.),
D er Westfälische Friede, S. 361-368.
9 28 A NH ANG

Brehl, Medardus/Platt, Kristin (Hg.): Feindschaft, München 2003.


Breitling, Richard: «Der Streit um Donauwörth 1605-1611. Eine Ergänzung»; in:
Zeitschriftfü r Bayerische Landesgeschichte, Bd. II, 1929, S. 275-298.
Brinkmann, Sören: Aufstieg und Niedergang Spaniens. D as Dekadenzproblem in der
spanischen Geschichte von der Aufklärung bis 1898, Saarbrücken 1999.
Brightwell, Peter J.: «The Spanish Origins of the Thirty Years War»; in: European
Studies Review, Bd. 9,1979, S. 309-431.
Ders.: «Spain and Bohemia: the decision to intervene»; in: European Studies Review,
Bd. 12,1982, S. 117-141.
Ders.: «Spain, Bohemia and Europe, 1619-1621»; in: European Studies Review, Bd. 12,
1982, S. 371-399-
Brnardic, Vladimir: Imperial Armies ofthe Thirty Years War. Bd. 1: Infantry andArtil-
lery, London 2009; Bd. 2: Cavalry, London 2010.
Bröckling, Ulrich/Sikora, Michael (Hgg.): Armeen und ihre Deserteure. Vernachläs­
sigte Kapitel einer Militärgeschichte der Neuzeit, Göttingen 1998.
Ders.: «Schlachtfeldforschung. Die Soziologie im Krieg»; in: Steffen Martus/
Marina Münkler/Werner Röcke (Hgg.), Schlachtfelder. Codierung von Gewalt im
medialen Wandel, Berlin 2003, S. 189-206.
Brockington, William S.: «Robert Monro: Professional Soldier, Military Historian
and Scotsman»; in: Murdoch (Hg.), Scotland and the Thirty Years War, S. 215-239.
Brockmann, Thomas: Dynastie, Kaiseram t und Konfession. Politik und Ordnungsvor­
stellungen Ferdinands II. im Dreißigjährigen Krieg, Paderborn u. a. 2008.
Broucek, Peter: D er Schwedenfeldzug nach Niederösterreich 1645/46, Wien 1967
(= Militärhistorische Schriftenreihe, hrsg. vom Heeresgeschichtlichen Museum,
Heft 7).
Ders.: «Feldmarschall Bucquoy als Armeekommandant»; in: Der Dreißigjährige
Krieg. Beiträge zu seiner Geschichte, Wien 1976 (= Schriften des Heeresgeschichtli­
chen Museums Wien, Bd. 7), S. 25-57.
Brzezinski, Richard/Hook, Richard: Die Armee Gustav Adolfs [1999], Königswinter
2006.
Büchi, Tobias: Fortifikationsliteratur des 16. und 17. Jahrhunderts, Traktate deutscher
Sprache im europäischen Kontext, Basel 2015.
Buchholz, Werner: «Der Einritt Schwedens in den Dreißigjährigen Krieg in der
schwedischen und deutschen Historiographie des 19. und 20. Jahrhunderts»; in:
Historische Zeitschrift, Bd. 245,1987, S. 291-314.
Burckhardt, CarlJ.: Richelieu. Bd. 1: Der Aufstieg zur Macht; Bd. 2: Behauptung der
M acht und Kalter Krieg; Bd. 3: Großmachtpolitik und der Tod des Kardinals [1935,
1965 und 1966], Ausgabe in einem Band, München 1984.
Burckhardt, Jacob: Erinnerungen an Rubens, 3. Aufl., Basel 1918.
Burkhardt, Johannes: Der Dreißigjährige Krieg, Frankfurt am Main 1992.
Literatur 929

Ders.: «Die entgipfelte Pyramide. Kriegsziel und Friedenskompromiss der europä­


ischen Universalmächte»; in: Bußmann/Schilling (Hgg.), 1648, S. 51-60.
Ders.: «Religionskrieg»; in: I Geologische Realenzyklopädie, Bd. 28, Berlin/NewYork
1997, S. 681-687.
Ders.: «Der Dreißigjährige Krieg - Einfluß der sächsischen Politik auf die deutsche
Geschichte»; in: Dresdner Hefte, Bd. 56,1998, Heft 4 («Sachsen im Dreißigjähri­
gen Krieg»), S. 3-12.
Ders.: «Das größte Friedenswerk der Neuzeit. Der Westfälische Frieden in
neuer Perspektive»; in: Geschichte in Wissenschaft und Unterricht, 1998, Heft 10,
S. 592-612.
Ders.: «Worum ging es im Dreißigjährigen Krieg? Die frühmodernen Konflikte
um Konfessions- und Staatsbildung»; in: Bernd Wegner (Hg.), Wie Kriege
entstehen. Zum historischen Hintergrund von Staatenkonflikten , Paderborn u. a. 2000,
S. 67-87.
Burschei, Peter: Söldner im Nordwestdeutschland des 16. und 17. Jahrhunderts. Sozialge­
schichtliche Studien, Göttingen 1994.
Ders.: «Krieg, Staat, Disziplin. Die Entstehung eines neuen Söldnertypus im
17. Jahrhundert»; in: Geschichte in Wissenschaft und Unterricht, Bd. 48,1997,
S. 64-652.
Ders.: «Himmelreich und Hölle. Ein Söldner, sein Tagebuch und die Ordnungen
des Krieges»; in: Rrusenstjern/Medick (Hgg.), Zwischen Alltag und Katastrophe,
S. 181-194.
Ders.: «Die Erfindung der Desertion. Strukturprobleme in deutschen Söldner­
heeren des 17. Jahrhunderts»; in: Bröckling/Sikora (H gg.), Armeen und ihre
Deserteure, S. 72-85.
Bus, Erhard: «Gute Ernten und zentrale Lage als Fluch - Der Westen der Grafschaft
Hanau-Münzenberg in den erstenjahren des großen Krieges, 1620-1633»; in:
Hanauer Geschichtsverein (Hg.), Der Dreißigjährige Krieg, S. 67-91.
Ders.: «Die Zeit der Verheerung - Der Westen der Grafschaft Hanau-Münzenberg
nach der Schlacht bei Nördlingen, 1634-1648»; in: Hanauer Geschichtsverein
(Hg.), Der Dreißigjährige Krieg, S. 197-228.
Bußmann, Klaus/Schilling, Heinz (Hgg.): Krieg und Frieden in Europa, Bd. 1: Politik,
Religion, Recht und Gesellschaft, Münster u. a. 1998.
Cardim, Pedro: «<Portuguese Rebels> at Münster. The Diplomatie Self-Fashioning
in mid-i7th Century European Politics»; in: Duchhardt (Hg.), D er Frieden von
Münster, S. 293-333.
Carmignano, Arturo de: «La part de S. Laurent de Brindes dans le ban de Donau­
wörth»; in: Revue d ’histoire ecclesiastique, Bd. LVIII, 1963, S. 460-486.
Casanova, Jose: Public Religions in the Modern World, Chicago/London 1994.
Ders.: Europas Angst vor der Religion, Berlin 2009.
93° A NH ANG

Cavuldak, Ahmet: Gemeinwohl und Seelenheil. Die Legitimität der Trennung von Reli­
gion und Politik in der Demokratie, Bielefeld 2015.
Chaline, Olivier: L a Bataille de la Montagne Blanche (8 Novembre 1620). Un mystique
chez les guerriers, Paris 1999.
Chaune, Paillette: «Die Rriegsdarstellungen Jacques Callots: Realität als Theorie»;
in: Krusenstjern/Medick (Hgg.), Zwischen Alltag und Katastrophe, S. 409-426.
Cipolla, Carlo M.: Die Odyssee des spanischen Silbers. Conquistadores, Piraten, Kauf-
leute, Berlin 1988.
Clausewitz, Carl von: Vom Kriege, 19. Aufl., hrsg. von Werner Hahlweg, Bonn 1980.
Ders.: Hinterlassene Werke, hrsg. von Marie von Clausewitz, 10 Bde., Berlin 1832-1837.
Collins, Randall: Dynamik der Gewalt. Eine mikrosoziologische Studie, Hamburg 2011.
Ders.: «Vorwärtspaniken und die Dynamik der Massengewalt»; in: Axel T. Paul/
Benjamin Schwalb (Hgg.), Gewaltmassen. Über die Eigendynamik und Selbstorgani­
sation kollektiver Gewalt, Hamburg 2015, S. 204-230.
Colpe, Carsten: D er «H eilige K rie g » . Benennung und Wirklichkeit, Begründung und
Widerstreit, Bodenheim 1994.
Crowne, William: Blutiger Sommer. Eine Deutschlandreise im Dreißigjährigen Krieg,
hrsg., übersetzt und kommentiert von Alexander Ritter und Rüdiger Keil, 2. Aufl.,
Darmstadt 2012.
Croxton, Derek: « A Territorial Imperative? The Military Revolution, Strategy and
Peacemaking in the Thirty Years War»; in: War in History, Bd. 5,1998, Heft 3,
S. 253-379.
Ders.: Westphalia. The L ast Christian Peace, New York 2013.
Damboer, August: Die Krise der Söldner - Kapitalismus in Bayern unter Kurfürst
M aximilian I., insbesondere in der Zeit des dreißigjährigen Krieges. Eine soziologische
Studie, Diss. München 1921.
Dehio, Ludwig: Gleichgewicht oder Hegemonie. Betrachtungen über ein Grundproblem
der neueren Staatengeschichte [1948], Krefeld o.J.
Delbrück, Hans: Geschichte der Kriegskunst im Rahmen der politischen Geschichte,
[1900-1920], 4 Bde., Berlin/New York 2000.
Dempf, Alois: Sacrum Imperium. Geschichts- und Staatsphilosophie des Mittelalters
und der Renaissance [1929], 4., unveränderte Aufl., München und Wien 1973.
Deuticke, Karl: Die Schlacht bei Lützen. 1632. Inaugural-Dissertation zur Erlangung
der Doktorwürde bei der Philosophischen Fakultät der Großherzoglich Hessi­
schen Ludwigs-Universität zu Gießen, Gießen 1917.
Depner, Maja: D as Fürstentum Siebenbürgen im K am pf gegen Habsburg. Untersuchun­
gen über die Politik Siebenbürgens während des Dreißigjährigen Krieges, Stuttgart 1938.
Dickerman, Edmund H.: «Henry IV and the Juliers-Cleves Crisis: The Psychohisto-
rical Aspects»; in: French Historical Studies, Bd. 8,1974, S. 626-654.
Dickmann, Fritz: Der Westfälische Frieden, 2. Aufl., Münster 1959.
Literatur 931

Ders.: «Rechtsgedanke und Machtpolitik bei Richelieu. Studien zu neu entdeckten


Quellen»; in: ders., Friedensrecht und Friedenssicherung. Studien zum Friedenspro­
blem in der Geschichte, Göttingen 1971, S. 36-78.
Diwald, Hellmut: Wallenstein. Eine Biographie, Esslingen 1969.
Döblin, Alfred: Wallenstein [1920], Frankfurt am Main 2008.
Dollinger, Philippe: Die Flanse, 4., erweiterte Aufl., Stuttgart 1989.
Dörfer, Marcel: «Vom Niedergang der feudalen Heeresverfassung zum Militär­
wesen der frühen Neuzeit»; in: Kolnberger/Steffelbauer (Hgg.), Krieg in der
europäischen Neuzeit, S. r3-3S.
Dreitzel, Horst: «Ständestaat und absolute Monarchie in der politischen Theorie
des Reiches in der Frühen Neuzeit»; in: Georg Schmidt (Hg.), Stände und Gesell­
schaft im Alten Reich, Stuttgart 1989, S. 19-50.
Droysen, Gustav: G ustaf Adolf, 2 Bde., Leipzig 1869 und 1870.
Ders.: Bernhard von Weimar, 2 Bde., Leipzig 1885.
Duch, Arno: «Aldringen, Johann Graf von»; in: Neue Deutsche Biographie, Bd. 1,
Berlin 1953, S. 188-190.
Ders.: «Collalto, Rambaldo Graf von»; in: Neue Deutsche Biographie, Berlin 1957,
Bd. 3, S. 320-322.
Duchhardt, Heinz: «Westfähscher Friede und internationales System im Ancien
Regime»; in: Historische Zeitschrift, Bd. 249,1989, S. 529-543.
Ders. (Hg.): Zwischenstaatliche Friedenswahrung in Mittelalter und Früher Neuzeit,
Köln und Wien 1991.
Ders. (Hg.): Der Westfälische Friede. Diplomatie - politische Z äsur - kulturelles
Umfeld - Rezeptionsgeschichte, München 1998.
Ders.: 1648. D as Jah r der Schlagzeilen. Europa zwischen Krise und Aufbruch, Wien/
Köln/Weimar 2015.
Duffy, Christoper: Siege Warfare, Bd. 1: The Fortress in the Early Modern World
1494-1660, London 1979.
Edel, Andreas: «Politik und Macht bei Herzog Maximilian von Bayern. Die Jahre
vor dem Ausbruch des Dreißigjährigen Krieges»; in: Schulze (Hg.), Friedliche
Intentionen - kriegerische Effekte, S. 107-139.
Egger, Franz: «Johann RudolfWettstein und die internationale Anerkennung der
Schweiz als europäischer Staat»; in: Bußmann/Schilling (Hgg.), 1648. Krieg und
Frieden in Europa, S. 423-432.
Egler, Anne: Die Spanier in der linksrheinischen P falz 1620-1632. Invasion, Verwaltung,
Rekatholisierung, Mainz 1971 (= Quellen und Abhandlungen zur mittelrheinischen
Kirchengeschichte, Bd. 13).
Ehrenpreis, Stefan: «Die Tätigkeit des Reichshofrats in der protestantischen
Kritik»; in: Wolfgang Sellert (Hg.), Reichshofrat und Reichskammergericht. Ein
Konkurrenzverhältnis, Köln/Weimar/Wien 1999, S. 27-46.
93* ANHANG

Eichberg, Henning: «Geometrischer Krieg. Über frühmodernes Befestigungswesen


und die gesellschaftliche Relativität zweckrationalen Handelns»; in: Kolnberger/
Steffelbauer (Hgg.), Krieg in der europäischen Neuzeit, S. 131-165.
Eickhoff, Sabine/Schopper, Franz (Hgg.): 1636. Ihre letzte Schlacht. Leben im Dreißig­
jährigen Krieg, Berlin 2012.
Ellenius, Allan: «Emblematisches Denken. Die Bildsprache von Schering Rosen-
hane, schwedischer Resident in Münster 1643-1647»; in: Bußmann/Schilling
(Hgg.), 164.8, S. 397-402.
Elliot, John H .: «Foreign Policy and Domestic Crisis: Spain, 1598-1659»; in: Rep-
gen (Hg.), Krieg und Politik, S. 185-202.
Ders.: Richelieu and Olivares, Cambridge 1984.
Ders.: The Count Duke o f Olivares. The Statesman in anA ge ofDecline, NewHaven/
London 1986.
Engelbert, Günther: «Der Hessenkrieg am Niederrhein», Teil 1 und 2; in: Annalen
des historischen Vereinsfü r den Niederrhein, Bd. 161,1959, S. 65-113, und Bd. 162,
i960, S. 35-96.
Ders.: «Hatzfeld, Melchior Graf von»; in: Neue Deutsche Biographie, Bd. 8, Berlin
1969, S. 64h
Englund, Peter: Die Verwüstung Deutschlands. Eine Geschichte des Dreißigjährigen
Krieges, Stuttgart 1998.
Epple, Angelika/Erhart, Walter (Hgg.): Die Welt beobachten. Praktiken des Verglei­
chen, Frankfurt am Main 2015.
Ergang, Robert Reinhold: TheMyth of the All-Destructive Fury ofthe Thirty Years War,
Pocono Pines 1956.
Ericson, Lars: «Die schwedische Armee und Marine während des Dreißigjährigen
Krieges - von der nationalen zu einer paneuropäischen Streitmacht», in: Buß­
mann/Schilling (Hgg.), 1648. Krieg und Frieden in Europa, S. 301-307.
Erlanger, Philippe: Richelieu: D er Ehrgeizige/Der Revolutionär/Der Diktator, Frank­
furt am Main 1975.
Ernst, Hildegard: «Spanische Subsidien für den Kaiser 1632-1642»; in: Repgen
(Hg.), Krieg und Politik 1618-1648, S. 299-312.
Ernstberger, Anton: Wallenstein als Volkswirt im Herzogtum Friedland, Reichenberg
1929.
Ders.: «Wallensteins Heeressabotage und die Breitenfelder Schlacht (1631)»; in:
Historische Zeitschrift, Bd. 142,1930, S. 41-72.
Ders.: H ans de Witte. Finanzmann Wallensteins, Wiesbaden 1954 (= Beiheft 38 der
Vierteljahresschriftfü r Sozial- und Wirtschaftsgeschichte).
Ders.: «Für und wider Wallenstein. Stimmen und Stimmungen in Franken und der
Oberpfalz zum Tode des Generalissimus» [1955]; in: Rudolf (Hg.), Der Dreißig­
jährige Krieg, S. 68-88.
Literatur 933

Ders.: Abenteurer des Dreißigjährigen Krieges. Zur Kulturgeschichte der Zeit, Erlangen
1963-
Evans, Richard J.: Veränderte Vergangenheiten. Über kontrafaktisches Erzählen in der
Geschichte, München 2014.
Evans, Robert J. W.: Rudolf II. Ohnmacht und Einsamkeit, Graz u. a. 1980.
Externbrink, Sven: Le coeur du monde. Frankreich und die norditalienischen Staaten
(M antua, Parma, Savoyen) im Zeitalter Richelieus 1624-1641, Münster 1999.
Fiedler, Siegfried: Taktik und Strategie der Landsknechte. 1500-1650, Augsburg 2002.
Findeisen, Jörg-Peter: Gustav II. A dolf von Schweden. Der Eroberer aus dem Norden,
Graz/Wien/Köln 1996.
Ders.: Der Dreißigjährige Krieg. Eine Epoche in Lebensbildern, Darmstadt 1998.
Ders.: Axel Oxenstierna, Architekt der schwedischen Großmachtära und Sieger des
Dreißigjährigen Krieges, Gernsbach 2007.
Findley, Ronald/O’Rourke, Kevin FL: Power and Plenty. Trade, War, and the World
Economy in the Second Millennium, Princeton und Oxford 2007.
Flieger, Hans E.: Die Schlacht bei Stadtlohn am 6. August 1623. Ereignisse, Persönlichkei­
ten und Kriegswesen im geschichtlichen Zusammenhang, Aachen 1998.
Franzi, Johann: Ferdinand II. K aiser im Zwiespalt der Zeit, Graz 1978.
Frauenholz, Eugen von (Hg.), D as Söldnertum in der Zeit des Dreißigjährigen Krieges,
unter Mitwirkung von Walter Elze und Paul Schmitthenner, Bd. 3: D as Heerwesen
in der Zeit des Dreißigjährigen Krieges, Teil 1, München 1938.
Freytag, Gustav: Bilder aus der deutschen Vergangenheit. Bd. 3: Aus dem Jahrhundert
des großen Krieges, Leipzig und Berlin-Grunewald o.J.
Friedrich, Jörg: D er Brand. Deutschland im Bombenkrieg 1940-1945, München 2002.
Friedrichs, Christoper R.: «German town revolte in the i7th Century crisis»; in:
Renaissance and Modern Studies, Bd. XXVI, 1982, S. 27-51.
Friesenegger, Maurus: Tagebuch aus dem Dreißigjährigen Krieg. Nach einer Hand­
schrift im Kloster Andechs, hrsg. von P. Willibald Mathäser, München 1974.
Frisch, Michael: D as Restitutionsedikt Kaiser Ferdinands II. vom 6. M ärz 1629. Eine
rechtsgeschichtliche Untersuchung, Tübingen 1993.
Fuchs, Ralf-Peter: Ein <Medium zum Frieden>. Die Normaljahrsregel und die Beendi­
gung des Dreißigjährigen Krieges, München 2010.
Fueter, Eduard: Geschichte des europäischen Staatensystems von 141)2-1339, München
und Berlin 1919 (= Handbuch der mittelalterlichen und neueren Geschichte, hrsg. von
Georg von Below und Friedrich Meinecke, II. Abt.).
Füssel; Marian: «Theatrum Belli. Der Krieg als Inszenierung und Wissensschau­
platz im 17. und 18. Jahrhundert»; in: Metaphorik, Bd. 14, 2008, S. 205-230.
Geiger, Angelika: Wallensteins Astrologie. Eine kritische Überprüfung der Überlieferung
nach dem gegenwärtigen Quellenbestand, Graz 1983.
Geis, Anna (Hg.): Den Krieg überdenken. Kriegsbegriffe und Kriegstheorien in der
Kontroverse, Baden-Baden 2006.
934 ANHANG

Gerhardt, Paul: Dichtungen und Schriften, hrsg. und textkritisch durchgesehen von
Eberhard von Cronach-Sichart, Zug 1957.
Geulen, Christian/von der Heiden, Anne/Liebsch, Burkhard (Hgg.), Vom Sinn der
Feindschaft, Berlin 2002.
Gilpin, Robert: War and Change in World Politics, Cambridge 1981.
Gindely, Anton: Geschichte des dreißigjährigen Krieges, 3 Bde., Leipzig, Wien und
Prag 1882-1884.
Ders.: Waldstein während seines ersten Generalats im Lichte der gleichzeitigen Quellen,
Bd. 1, Prag/Leipzig 1886.
Glaser, Hubert (Hg.): Um Glaube und Reich. Kurfürst M aximilian L, München 1980
(= Katalog Wittelsbach und Bayern, Bd. II, Teil 1 und 2).
Glete, Jan: «Warfare, entrepreneurship, and the fiscal-military state»; in: Tallett/
Trim (Hgg.), European Warfare, S. 300-321.
Gmelin, Moriz: «Beiträge zur Geschichte der Schlacht bei Wimpfen (ö. Mai 1622);
in: Zeitschriftfü r die Geschichte des Oberrheins, Bd. XXXI, 1879, S. 332-343.
Goetze, Sigmund: Die Politik des schwedischen Reichskanzlers Axel Oxenstierna gegen­
über Kaiser und Reich, Kiel 1971.
Goldie, Mark: «Absolutismus, Parlamentarismus und Revolution in England»; in:
Iring Fetscher/Herfried Münkler (Hgg.), Pipers Handbuch der politischen Ideen,
Bd. 3, München 1985, S. 273-352.
Gollwitzer, Heinz: «Hans Georg Arnim von Boitzenburg», in: Neue Deutsche Bio­
graphie, Bd. 1, Berlin 1971, S. 372-373.
Gotthard, Axel: «<Politice seint wir Bäpstisch>. Kursachen und der deutsche Pro­
testantismus im frühen 17. Jahrhundert»; in: Zeitschriftfü r historische Forschung,
Bd. 20,1993, S. 275-319.
Ders.: «Benjamin Bouwinghausen. Wie bekommen wir die <Männer im zweiten
Glied> in den Griff?»; in: Helmut Altrichter (Hg.), Persönlichkeit und Geschichte,
Erlangen/Jena 1997, S. 69-103.
Ders.: «<Wer sich salviren könd, solts thun>. Warum der deutsche Protestantismus
in der Zeit der konfessionellen Polarisierung zu keiner gemeinsamen Politik
fand»; in: Historisches Jahrbuch, Bd. 121,2001, S. 64-96.
Ders.: «Johann Georg I., 1611-1656»; in: Frank-Lothar Kroll (Hg.), Die Herrscher
Sachsens. Markgrafen, Kurfürsten, Könige. 1089-1918, München 2007, S. 137-147.
Ders.: D er Dreißigjährige Krieg. Eine Einführung, Köln/Weimar/Wien 2016.
Graf, Holger 1h.: Konfession und internationales System. Die Außenpolitik Hessen-
Kassels im konfessionellen Zeitalter, Darmstadt und Marburg 1993.
Graichen, Gisela/Hammel-Kiesow, Rolf: Die Deutsche Hanse. Eine heimliche Super­
macht, Reinbek bei Hamburg 2011.
Greengrass, Mark: France in the Age of Henry IV. The strugglefor stability, 2. Aufl.,
London/New York 1995.
Literatur 935

Grewe, Wilhelm G.: Epochen der Völkerrechtsgeschichte, Baden-Baden 1984.


Greyerz, Kaspar von: «Die Schweiz während des Dreißigjährigen Krieges»; in:
Bußmann/Schilling (Hgg.), 1648. Krieg und Frieden in Europa, S. 133-140.
Grimmelshausen, Hans Jacob Christoffel von: Werke in vier Bänden, hrsg. von den
Nationalen Forschungs- und Gedenkstätten der klassischen deutschen Literatur
in Weimar, Berlin/Weimar 1984.
Ders.: Der abenteuerliche Simplicissimus Deutsch. Aus dem Deutschen des 17.Jahr­
hunderts und mit einem Nachwort von Reinhard Kaiser, 2 Bde., Frankfurt am
Main 2009.
Ders.: Lebensbeschreibung der Erzbetrügerin und Landstörzerin Courage./Der seltsame
Springinsfeld. Zwei simplicianische Romane. Aus dem Deutschen des 17. Jahrhun­
derts und mit einem Nachwort von Reinhard Kaiser, Frankfurt am Main 2010.
Grossmann, Julius: Des Grafen Ernst von Mansfeld letzte Pläne und Thaten, Breslau
1870.
Gryphius, Andreas: D as große Lesebuch, hrsg. von Uwe Kolbe, Frankfurt am Main
2016.
Guarino, Gabriel: «The Spanish Monarchy and the Challenges of the Thirty Years
War»; in: Asbach/Schröder (Hgg.), TheAshgate Research Companions to the
Thirty Years War, S. 53-63.
Guthrie, William R: Battles ofthe Thirty Years War. From White Mountain to Nordlin-
gen. 1618-1635, Westport/Conn. und London 2002 (= Contributions in Military
Studies, Nr. 213).
Ders.: The Later Thirty Years War. From the Battle of Wittstock to the Treaty ofWest-
phalia, Westport/Conn. und London 2003 (= Contributions in Military Studies,
Nr. 222).
Haan, Heiner: «Kaiser Ferdinand II. und das Problem des Reichsabsolutismus.
Die Prager Heeresreform von 1635»; in: Historische Zeitschrift, Bd. 207,1968,
S. 2.97-345.
Ders.: «Prosperität und Dreißigjähriger Krieg»; in: Geschichte und Gesellschaft, Jg. 7,
1981, Heft 1, S. 91-118.
Haas, Hagen: «Belagerungskrieg. Absolutistische Festungsstädte im Ausnahme­
zustand»; in: Kolnberger/Steffelbauer (Hgg.), Krieg in der europäischen Neuzeit,
S. 289-318.
Habermann, Klaus: «Zeitgenosse - Augenzeuge - Autor. Johann Jacob Christoff
von Grimmelshausen»; in: Lademacher/Groenveld (Hgg.), Krieg und Kultur,
S. 365- 399-
Hagemann, Karen/Pröve, Ralf (Hgg.): Landsknechte, Soldatenfrauen und N ational­
krieger. Militär, Krieg und Geschlechterordnung im historischen Wandel, Frankfurt am
Main 1998.
Hagendorf, Peter: Tagebuch eines Söldners aus dem Dreißigjährigen Krieg, hrsg. von
Jan Peters, Göttingen 2012.
9 36 ANHANG

Hahlweg, Werner: Die Heeresreform der Oranier und die Antike, Berlin 1941.
Hahn, Hans-Werner/Oschmann, Dirk (Hg.): Gustav Freytag (i8i6-i8g$). L ite ra t-
Publizist - Historiker, Köln/Weimar/Wien 2016.
Haie, John R.: War and Society in Renaissance Europe, 1450-1620, Leicester 1985.
Hallwich, Hermann: «Gallas, Mattias Graf von»; in: Allgemeine Deutsche Biographie,
Bd. 8, Berlin 1878, S. 320-331.
Ders.: «Piccolomini, Ottavio Fürst»; in: Allgemeine Deutsche Biographie [1888],
Onlinefassung: http://www.deutsche-biographie.de/pndn8s94214.html.
Ders.: «Matthias Graf von Thurn-Valassina»; in: Allgemeine Deutsche Biographie,
Bd. 39, München/Leipzig 1895, S. 70-92.
Hantsch, Hugo: «Kaiser Ferdinand II.»; in: ders. (Hg.), Gestalter der Geschicke
Österreichs, Innsbruck/Wien/München 1962, S. 157-170.
Hanauer Geschichtsverein (Hg.): D er Dreißigjährige Krieg in H anau und Umgebung,
Neustadt an der Aisch 2011.
Harms, Wolfgang (Hg.): Deutsche illustrierte Flugblätter des 16. und 17. Jahrhunderts,
Bd. 2: Die Sammlung der Herzog-August-Bibliothek in Wolfenbüttel, Tübingen 1980;
Bd. 4: Die Sammlungen der Hessischen Landes- und Hochschulbibliothek in D arm ­
stadt, Tübingen 1987.
Hartmann, Peter C./Schuller, Florian (Hgg.): D er Dreißigjährige Krieg. Facetten einer
folgenreichen Epoche, Regensburg 2010.
Heckei, Martin: Deutschland im konfessionellen Zeitalter, Göttingen 2001 (= Deutsche
Geschichte, hrsg. von Joachim Leuschner, Bd. 5).
Heer, Hannes/Naumann, Klaus (Hg.): Vernichtungskrieg. Verbrechen der Wehrmacht
1941-1944, Hamburg 1995.
Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: Grundlinien der Philosophie des Rechts, hrsg. von
Joh. Hoffmeister, 4. Aufl., Hamburg 1967.
Helbig, Karl Gustav: «Arnim-Boitzenburg, Hans-Georg von»; in: Allgemeine
Deutsche Biographie [1875], Onlinefassung: http://www:deutsche-biographie.de/
pnd115973615.html.
Heinen, Ulrich: «Rubens Bilddiplomatie im Krieg (1637/38)»; in: Jutta
Nowosadtko/Matthias Rogg (Hgg.), M ars und Musen. D as Wechselspiel von Militär,
Krieg und Kunst in der Frühen Neuzeit, Münster 2008, S. 151-177.
Heinisch, Reinhard Rudolf: «Die Stadt als Festung im 17. Jahrhundert»; in: Wil­
helm Rausch (Hg.), Die Städte Mitteleuropas im 17. und 18. Jahrhundert, Linz 1981,
S. 283-310.
Hermann, Axel: «Klesl»; in: Biographisches Wörterbuch zur deutschen Geschichte,
Bd. 2, Augsburg 1995, S. i486.
Heß, Johann Eduard: Gottfried Heinrich G raf zu Pappenheim. Nach den Geschichts­
quellen bearbeitet, Leipzig 1855.
Heßelmann, Peter: «Grimmelshausen - Leben und Werk»; in: Arnold (Hg.), Grim­
melshausen, S. 7-21.
Literatur 937

Hinrichs, Ernst: «Heinrich IV. (1589-1610)»; in: Peter C. Hartmann (Hg.), Franzö­
sische Könige und Kaiser der Neuzeit. Von Ludwig X II. bis Napoleon III. 1498-1870,
München 1994, S. 143-170.
Hippel, Wolfgang von: «Bevölkerung und Wirtschaft im Zeitalter des Dreißigjähri­
gen Krieges. Das Beispiel Württemberg»; in: Zeitschriftfü r Historische Forschung,
Bd. 5,1978, S. 413-448.
Hobbes, Thomas: Leviathan oder Stoff, Form und Gewalt eines kirchlichen und bürgerli­
chen Staates. Teil I und II, Frankfurt am Main 2011.
Hobelt, Lothar: Ferdinand III. Friedenskaiser wider Willen, Graz 2008.
Höfer, Ernst: D as Ende des Dreißigjährigen Krieges. Strategie und Kriegsbild, Köln/
Weimar/Wien 1997.
Hofer, Norbert: «Das Ende des langen Rittes. Taktik, Strategie und Kampfesweise
mittelalterlicher Reitervölker im pannonischen Raum»; in: Kaindel/Obenaus
(Hgg.), Krieg im mittelalterlichen Abendland, S. 156-176.
Hofmann, Wilhelm: Peter Melander, Reichsgrafzu Holzappel. Ein Charakterbild aus
der Zeit des dreißigjährigen Krieges, bearbeitet nach den Akten des Archivs zu
Schloß Schaumburg, München 1888.
Hojda, Zdenek: «Der Kampf um Prag 1648 und das Ende des Dreißigjährigen Krie­
ges»; in: Bußmann/Schilling (Hg.), 1648, S. 403-412.
Horstkemper, Gregor: «Die protestantische Union und der Ausbruch des Dreißig­
jährigen Krieges. Kriegstreibende Integrationsprobleme eines Defensivbündnis­
ses»; in: Schulze ( H g Friedliche Intentionen - kriegerische Effekte, S. 21-51.
Huch, Ricarda: Der Dreißigjährige Krieg [1912-1914 in 3 Bdn. unter dem Titel Der
große Krieg in Deutschland ], 2 Bde., Frankfurt am Main 1974.
Huf, Hans-Christian (Hg.): M it Gottes Segen in die Hölle. Der Dreißigjährige Krieg,
München 2003.
Huhnholz, Sebastian: Dschihadistische Raumpraxis. Raumordnungspolitische Heraus­
forderungen des militanten sunnitischen Fundamentalismus, Münster 2010.
Hg, Matthias: «Der Kult des Kapuzinermärtyrers Fidelis von Sigmaringen als
Ausdruck katholischer Kriegserfahrung im Dreißigjährigen Krieg»; in: Asche/
Schindling (Hgg.), D as Strafgericht Gottes, S. 291-439.
Ingen, Ferdinand van: «Poesie der Trauer. Zeitgenössische Literatur im Reich»; in:
Lademacher/Groenveld (Hgg.), Krieg und Kultur, S. 347-364.
Israel, Jonathan I.: «A conflict of Empires: Spain and the Netherlands 1618-1648»;
in: Past and Present, Nr. 76,1977, S. 34-74.
Ders.: The Dutch Republic and the Hispanic World, 1606-1661, Oxford 1982.
Ders.: «Olivares, the Cardinal-Infante and Spain’s Strategy in the Low Countries
(1635-1643): The Road to Rocroi»; in: Richard Kagan/Geoffrey Parker (Hgg.),
Spain, Europe and the Atlantic World. Essays in Honour ofjohn H. Elliott, Cam­
bridge 1995, S. 267-295.
938 ANH ANG

Ders.: «Der niederländisch-spanische Krieg und das Heilige Römische Reich


Deutscher Nation (1568-1648)»; in: Bußmann/Schilling (Hgg.), 1648. Krieg und
Frieden in Europa, S. 111-122.
Jaitner, Klaus: «Die Päpste im Mächteringen des 16. und 17. Jahrhunderts»; in:
Bußmann/Schilling (Hgg.), 1648, S. 61-67.
Jakubowski-Tiessen, Manfred (Hg.): Krisen des 17. Jahrhunderts. Interdisziplinäre
Perspektiven, Göttingen 1999.
Janssen, Dieter: «Bellum iustum und Völkerrecht bei Hugo Grotius»; in: Ladema­
cher/ Groenveld (Hgg.), Krieg und Kultur, S. 129-154.
Jessen, Hans (Hg.): Der Dreißigjährige Krieg in Augenzeugenberichten, Düsseldorf
1963-
Joestel, Volkmar: «Kurfürst Friedrich V. von der Pfalz»; in: Kaiser. König. Kardinal.
Deutsche Fürsten 1500-1800, Leipzig 1991, S. 152-158.
Jorga, Nicolae: Geschichte des Osmanischen Reichs, nach den Quellen dargestellt
[1908-1913], 5 Bde., Frankfurt am Main 1990.
Juergensmeyer, Marc: Die Globalisierung religiöser Gewalt. Von christlichen Milizen bis
al-Qaida, Hamburg 2009.
Junkelmann, Marcus: Gustav A dolf (1594-1632). Schwedens Aufstieg zur Großmacht,
Regensburg 1983.
Ders.: «Tilly. Eine Karriere im Zeitalter der Religionskriege und der <Militärischen
Revolution»; in: Hartmann/Schüller (Hgg.), Der Dreißigjährige Krieg, S. 58-79.
Ders.: Tilly. Der katholische Feldherr, Regensburg 2011.
Kaelble, Hartmut/Schriewer, Jürgen (Hgg.): Gesellschaften im Vergleich. Forschungen
aus Sozial- und Geschichtswissenschaften, Frankfurt am Main u. a. 1998.
Kaindel, Christoph/Obenaus, Andreas (Hgg.): Krieg im mittelalterlichen Abendland,
Wien 2010.
Kaiser, Michael: «<würdt allso die Armee gewaltig ruinirt... > Die Lebenswelt der
Söldner und das Phänomen der Desertion im Dreißigjährigen Krieg»; in: Osna-
brücker Mitteilungen, 1998, Bd. 103, S. 105-124.
Ders.: «Ausreißer und Meuterer im Dreißigjährigen Krieg»; in: Bröckling/Sikora
(Hgg.), Armeen und ihre Deserteure, S. 49-71.
Ders.: Politik und Kriegführung. M aximilian von Bayern, Tilly und die katholische Liga
im Dreißigjährigen Krieg, Münster 1999.
Ders.: «Die Söldner und die Bevölkerung. Überlegungen zur Konstituierung und
Überwindung eines lebensweltlichen Antagonismus»; in: Kroll/Krüger (Hgg.),
M ilitär und ländliche Gesellschaft, S. 79-120.
Kaldor, Mary: Neue und alte Kriege. Organisierte Gewalt im Zeitalter der Globalisie­
rung, Frankfurt am Main 2000.
Kaminski, Nicola: Andreas Gryphius, Stuttgart 1998.
Dies.: «<Jetzt höre dann deines Schwagers Ankunft > oder Wie der <abenteuerliche
Literatur 939

Springinsfeld> des <ebenso seltzamen Simplicissimus> Leben in ein neues Licht


setzt»; in: Arnold (Hg.), Grimmelshausen, S. 173-201.
Kampmann, Christoph: Reichsrebellion und kaiserliche Acht. Politische Strafjustiz im
Dreißigjährigen Krieg und das Verfahren gegen Wallenstein 1634, Münster 1993.
Ders.: «Zweiter Mann im Staat oder Staat im Staat? Zur Stellung Wallensteins in
der Administration Kaiser Ferdinands II.»; in: Michael Kaiser/Andreas Pecar
(Hgg.), D er zweite Mann im Staat. Oberste Amtsträger und Favoriten im Umkreis der
Reichsfürsten in der Frühen Neuzeit, Berlin 2003 (= Beiheft 32 der Zeitschrift für
Historische Forschung), S. 295-315.
Ders.: Europa und das Reich im Dreißigjährigen Krieg. Geschichte eines europäischen
Konflikts, Stuttgart 2008.
Ders.: «Albrecht von Wallenstein. Mythos und Geschichte eines Kriegsuntemeh-
mers»; in: Hartmann/Schuller (Hgg.), Der Dreißigjährige Krieg, S. 108-127.
Ders.: «The Emperor»; in: Asbach/Schröder (Hgg.), TheAshgate Research Compa-
nion to the Thirty Years War, S. 39-52.
Kant, Immanuel: «Zum ewigen Frieden»; in: ders., Werke in zehn Bänden, hrsg. von
Wilhelm Weischedel, Darmstadt 1970, Bd. 9, S. 195-251.
Kaufmann, Thomas: Lutherische Predigt im Krieg und zum Friedensschluss»; in:
Bußmann/Schilling (Hg.), 1648. Krieg und Frieden in Europa, S. 245-250.
Khevenhüller, Franz Christoph: Annales Ferdinandei, 12 Bde., 2. Aufl., Leipzig
1721-1726.
Kennedy, Paul: Aufstieg und Fall der großen Mächte. Ökonomischer Wandel und militä­
rischer Konflikt von 1500 bis 2000, Frankfurt am Main 1984.
Keunecke, Hans-Otto: «Die Vorbereitung der Heidelberger Bücherentführung von
1622/23 durch den Vatikan und die Rolle Maximilians von Bayern»; in: Glaser
(Hg.), Um Glauben und Reich, S. 408-415.
Kiehm, Peter: «Friedrich Wilhelm von Brandenburg»; in: Straubel/Weiss (Hgg.),
Kaiser, König, Kardinal, S. 170-179.
Kimminich, Otto: «Die Entstehung des neuzeitlichen Völkerrechts»; in: Iring
Fetscher/Herfried Münkler (Hgg.), Pipers Handbuch der politischen Ideen, Bd. 3,
München 1985, S. 73-100.
Kleinehagenbrock, Frank: «<Nun müsst ihr doch wieder alle katholisch werden»
Der Dreißigjährige Krieg als Bedrohung der Konfession in der Grafschaft Hohen­
lohe»; in: Asche/Schindling (Hgg.), D as Strafgericht Gottes, S. 59-122.
Klopp, Onno: D er dreißigjährige Krieg bis zum Tode Gustav Adolfs 1632 (erste Aufl.
unter dem Titel Tilly im dreißigjährigen Kriege ), 3 Bde., Paderborn 1895.
Klueting, Harm: D as konfessionelle Zeitalter 1323-1648, Stuttgart 1989.
Koenigsberger, Helmut G.: The Habsburgs and Europe, 1316-1660, Ithaca/London
1971.
Köhbach, Markus: «Warum beteiligte sich das Osmanische Reich nicht am Drei­
94° ANH ANG

ßigjährigen Krieg?»; in: Walter Leitsch/Stanislaw Trawkowski (Hgg.), Polen und


Österreich im 17. Jahrhundert, Wien/Köln/Weimar 1999, S. 277-294.
Kohlmann, Carsten: «<Von unsern Widersachern den bapisten vil erlitten und
ussgestanden>. Kriegs- und Krisenerfahrungen von lutherischen Pfarrern und
Gläubigen im Amt Hornberg des Herzogtums Württemberg während des Drei­
ßigjährigen Krieges und nach dem Westfälischen Frieden»; in: Asche/Schindling
(Hgg.), D as Strafgericht Gottes, S. 123-211.
Kolko, Gabriel: D as Jahrhundert der Kriege, Frankfurt am Main 1999.
Kolnberger, Thomas/Steffelbauer, Ilja (Hgg.): Krieg in der europäischen Neuzeit,
Wien 2010.
Kraus, Andreas: M aximilian I. Bayerns großer Kurfürst, Graz/Regensburg 1990.
Kretschmar, Johannes: D er Heilbronner Bund 1632-1635, 3 Bde., Lübeck 1922.
Kroener, Bernhard R.: «Soldat oder Soldateska? Programmatischer Aufriß einer
Sozialgeschichte militärischer Unterschichten in der 1. Hälfte des 17. Jahrhun­
derts»; in: Manfred Messerschmidt u. a. (Hgg.), Militärgeschichte. Probleme -
Thesen - Wege, Stuttgart 1982, S. 100-123.
Ders: «<Kriegsgurgeln, Freireuter und Marodebrüder». Der Soldat des Dreißigjäh­
rigen Krieges. Täter und Opfer»; in: Wolfram Wette (Hg.), Der Krieg des Kleinen
Mannes. Eine Militärgeschichte von unten, München und Zürich 1992, S. 51-67.
Ders.: «<Die Soldaten sind ganz arm, bloß, nackend, ausgemattet» Lebensver­
hältnisse und Organisationsstruktur während des Dreißigjährigen Krieges»; in:
Bußmann/Schilling (Hgg.), Krieg und Frieden in Europa, Bd. 1, S. 285-292.
Ders.: «<... und ist der Jammer nit zu beschreiben». Geschlechterbeziehungen
und Überlebensstrategien in der Lagergesellschaft des Dreißigjährigen Krieges»;
in: Hagemann/Pröve (Hgg.), Landsknechte, Soldatenfrauen und Nationalkrieger,
S. 279-296.
Kroll, Stefan/Krüger, Kersten (Hgg.): M ilitär und ländliche Gesellschaft in derfrühen
Neuzeit, Münster/Hamburg/London 2000.
Krones, Ferdinand: «Kardinal Melchior Klesl»; in: Hugo Hantsch (Hg.), Gestalter
der Geschicke Österreichs, Innsbruck/Wien/München 1962, S. 143-184.
Krüger, Kersten: «Dänische und schwedische Kriegsfinanzierung im Dreißigjähri­
gen Krieg bis 1635»; in: Repgen (Hg.), Krieg und Politik 1618-1648, S. 275-302.
Rrusenstjern, Benigna von: Selbstzeugnisse der Zeit des Dreißigjährigen Krieges.
Beschreibendes Verzeichnis, Berlin 1997.
Dies./Medick, Hans (Hgg.): Zwischen Alltag und Katastrophe. D er Dreißigjährige
Krieg aus der Nähe, Göttingen 1999.
Dies.: «Seliges Sterben und böser Tod. Tod und Sterben in der Zeit des Dreißigjäh­
rigen Krieges»; in: Krusenstjern/Medick (Hgg.), Zwischen Alltag und Katastrophe,
S. 469-496.
Krüssmann, Walter: Ernst von Mansfeld ( 1 S 8 0 - 1 6 2 6 ) . Grafensohn, Söldnerführer,
Kriegsunternehmer gegen Habsburg im Dreißigjährigen Krieg, Berlin 2010.
Literatur 941

Kultisch, Johannes: Der Kleine Krieg. Studien zum Heerwesen des Absolutismus, Wies­
baden 1973.
Ders.: Staatsverfassung und Mächtepolitik. Zur Genese von Staatskonflikten im Zeitalter
des Absolutismus, Berlin 1979.
Ders.: «Wallenstein als Kriegsunternehmer. Auf dem Weg zum absolutistischen
Steuerstaat»; in: Uwe Schultz (Hg.), M it dem Zehnten fing es an. Kleine Kulturge­
schichte der Steuern, München 1986, S. 153-161.
Ders. (Hg. in Zusammenarbeit mit Barbara Stollberg-Rilinger): Staatsverfassung und
Heeresverfassung in der europäischen Geschichte derfrühen Neuzeit, Berlin 1986.
Kurz, Werner: «Das Leben in der blockierten Festung Hanau»; in: Hanauer
Geschichtsverein (Hg.), D er Dreißigjährige Krieg in H anau und Umgebung,
S. 123-134.
Lademacher, Horst/Groenveld, Simon (Hgg.): Krieg und Kultur. Die Rezeption
von Krieg und Frieden in der Niederländischen Republik und im Deutschen Reich
1568-1648, Münster u. a. 1998.
Ders.: «<Ein letzter Schritt in die Unabhängigkeit> - die Niederländer in Münster
1648»; in: Duchhardt (Hg.), Der Westfälische Friede, S. 335-348.
Lahrkamp, Helmut: Jan von Werth. Sein Leben nach archivarischen Quellenzeugnissen,
Köln 1962.
Ders.: «Gronsfeld, Jost Maximilian Graf von Bronckhorst»; in: Neue Deutsche
Biographie, Bd. 7, Berlin 1966, S. i28f.
Ders.: Dreißigjähriger Krieg, Westfälischer Frieden. Eine Darstellung der Jahre
1618-1648 mit 326 Bildern und Dokumenten, 3. Aufl., Münster 1999.
Lämke, Ortwin: «Grimmelshausens <Erzbetrügerin und Landstörzerin Courasche>.
Frauenroman zwischen Misogynie und Emanzipationsbestreben?»; in: Arnold
(Hg.), Grimmelshausen, S. 161-172.
Lammert, Gottfried: Geschichte der Seuchen, Hungers- und Kriegsnoth zur Zeit des
Dreißigjährigen Krieges, Wiesbaden 1890.
Lahne, Werner: Magdeburgs Zerstörung in der zeitgenössischen Publizistik, Magdeburg
1931-
Landmann, Carl von: «Gronsfeld, Jobst Graf von»; in: Allgemeine Deutsche Biogra­
phie, Berlin 1879, Bd. 9, S. 726-728.
Ders.: «Melchior Graf von Gleichen und Hatzfeld»; in: Allgemeine Deutsche Biogra­
phie, Leipzig 1880, Bd. 11, S. 3sf.
Landwehr, Achim: Die Geburt der Gegenwart. Eine Geschichte der Zeit im 17. Jahrhun­
dert, Frankfurt am Main 2014.
Langer, Herbert: Der Dreißigjährige Krieg. Eine Kulturgeschichte [Leipzig 1978],
3., überarbeitete Aufl., Gütersloh 1982.
Ders.: «Kurfürst Maximilian I. von Bayern»; in: Straubel/Weiss (Hgg.), Kaiser.
König. Kardinal, Leipzig 1991, S. 142-151.
941 ANHANG

Ders.: «Der <Königlich Schwedische in Deutschland geführte Krieg>»; in: Buß-


mann/Schilling (Hgg.), 1648. K rieg und Frieden in Europa, S. 187-196.
Lanzinner, Maximilian: «Konfessionelles Zeitalter. 1555-1618»; in: Gebhardt,
H andbuch der deutschen Geschichte, Bd. 10,10., völlig neu bearbeitete Aufl., Stutt­
gart 2004, S. 3-103.
Ders.: «M axim ilian I. von Bayern. E in deutscher Fürst u nd der K rieg»; in: H art-
m ann/S chuller (H gg.), D er D reißigjährige K rieg, S. 80-93.
Ders.: «Neuere Forschungen zum Westfälischen Friedenskongress und die Acta
Pacis Westphalicae»; in: Historisches Jahrbuch, Bd. 133, 2013, S. 426-462.
Lindegren, Jan: Utskrivning och utsugning. Produktion och reproduktion i Bygdeä
1620-1640, Uppsala 1980.
Lindemann, Bernd Wolfgang: «Demut und Rechtfertigung - Sinnschichten der
Übergabe von Breda von Diego Veläzquez»; in: Günther Schauerte/Moritz
Wullen (Hgg.): D enken in Bildern, Ostfildern 2008, S. 114-121.
Lockhart, Paul Douglas: Denmark and the Thirty Years War, 1618-1648. King Christian
IV and theDecline ofthe Oldenburg State, Cranbury/N.J. 1996.
Ders.: «Denmark»; in: Asbach/Schröder (Hgg.), The Ashgate Research Companion
to the Thirty Years War, S. 65-76.
Logau, Friedrich von: Sämtliche Sinngedichte, hrsg. von Gustav E itner [1872], Hildes-
h eim /N ew York 1974.
Lorentzen, Theodor: Die schwedische Armee im Dreißigjährigen Kriege und ihre
Abdankung, Leipzig 1894.
Lorenz, Gottfried (Hg.): Quellen zu r Geschichte Wallensteins, Darmstadt 1987 (= Aus­
gewählte Quellen zur deutschen Geschichte der Neuzeit, Bd.XX).
Ders.: Quellen zur Vorgeschichte und zu den Anfängen des Dreißigjährigen Krieges,
D arm stadt 1991 (= Ausgewählte Q uellen zur deutschen G eschichte der N euzeit,
Bd. X IX ).
Lotze, W ilhelm : Geschichte der Stadt Münden nebst Umgebung mit besonderer Hervor­
hebung der Begebenheiten des dreißigjährigen und des siebenjährigen Krieges [1909],
M ünden 1979.
Lundkvist, Sven: «T he Experience o f Em pire. Sweden as a G reat Pow er»; in:
Michael Roberts (Hg.), Sw edensA ge ofG reatness 1632-1718, London 1973, S. 20-57.
Ders.: «Die schwedischen Kriegs- und Friedensziele 1632-1648»; in: Repgen (Hg.),
Krieg und Politik, S. 219-240.
Ders.: «Die schwedischen Friedenskonzeptionen und ihre Umsetzung in Osna­
brück»; in: Duchhardt (Hg.), Der Westfälische Friede, S. 349-359.
Lutz, Heinrich: Das Ringen um deutsche Einheit und kirchliche Erneuerung. Von
Maximilian I. bis zum Westfälischen Frieden. 1490-1648, Berlin 1983 (= Propyläen
Geschichte Deutschlands, Bd. 4).
Machiavelli, Niccolö: Der Fürst. Übersetzt, eingeleitet und erläutert von Rudolf
Zorn, 7., aktualisierte Aufl., Stuttgart 2016.
Literatur 943

Magen, Ferdinand: «Die Reichskreise in der Epoche des Dreißigjährigen Krieges.


Ein Überblick»; in: Zeitschriftf ü r Historische Forschung, Bd. 9,1982, S. 409-460.
Mahr, Helmut (Hg.): Wallenstein vor Nürnberg 1632. Sein Lager bei Zirndorf und
die Schlacht an der Alten Veste, dargestellt durch den Plan der Gebrüder Trexel 1634,
Neustadt an der Aisch 1982.
M aier, H ans: Politische Religionen, M ünchen 2007.
M alapert, Fabienne: Friedrich von Logau, Bern 2002.
Malettke, Klaus: «Frankreichs Reichspolitik in der Zeit des Dreißigjährigen Krieges
und des Westfälischen Friedens»; in: Bußmann/Schilling (Hgg.), 1648. Krieg und
Frieden in Europa, S. 177-186.
Ders.: «Der Dreißigjährige Krieg in Hessen und seine Folgen»; in: Hessisches Ja h r­
buch fü r Landesgeschichte, Bd. 51, 2001, S. 83-102.
Mallett, M. E.: M ercenaries and their Masters: Warfare in Renaissance Italy, London
1974.
Mann, Golo: Wallenstein, Frankfurt am Main 1971.
Ders.: D er Dreißigjährige K rieg und die Schlacht bei Nördlingen, Nördlingen 1984.
Mann, Michael: Geschichte der M acht, 3 Bde., Frankfurt/New York 1990-2001.
Maranon, Gregorio: Olivares. D er N iedergang Spaniens als Weltmacht, übersetzt und
eingeleitet von Ludwig Pfandl [1936], München 1939.
Marten, Bettina/Reinisch, Ulrich/Korey, Michael (Hgg.): Festungsbau. Geometrie,
Technologie, Sublimierung, Berlin 2012.
Martines, Lauro: Blutiges Zeitalter. Krieg in Europa 1430-1700, Darmstadt 2015.
Marty, Martin E./Appleby, R. Scott: Herausforderung Fundamentalismus. Radikale
Christen, M oslems und Juden im K a m p f gegen die M oderne, Frankfurt/New York
1996.
Maurer, Hans Martin: «Die württembergischen Höhenfestungen nach der Schlacht
bei Nördlingen»; in: Zeitschrift f ü r Württembergische Landesgeschichte, Bd. 27,1967,
S. 264-315.
Mazzaoui, Michael M.: Safavid Iran and H er Neighbors, Salt Lake City 2003.
Medick, Hans: «Historisches Ereignis und zeitgenössische Erfahrung: Die Erobe­
rung und Zerstörung Magdeburgs»; in: Krusenstjern/Medick (Hgg.), Zwischen
A lltag und Katastrophe, S. 377-407.
Mehring, Franz: Gustav A dolf, Berlin 1894.
Meier, Christian: D ie Ohnm acht des allmächtigen Dictators Caesar. D rei biographische
Skizzen, Frankfurt am Main 1977.
Meister, Klaus: I hukydides als Vorbild der Historiker. Von der A ntike bis zu r Gegenwart,
Paderborn u. a. 2013.
Menzel, Ulrich: D ie Ordnung der Welt. Im perium und Hegemonie in der Hierarchie der
Staatenwelt, Berlin 2015.
Merzhäuser, Andreas: «Über die Schwelle geführt. Anmerkungen zur Gewaltdar-
944 ANHANG

Stellung in Grimmelshausens Simplicissimus»; in: Meumann/Niefanger (Hgg.);


Ein Schauplatz herber Angst, S. 65-82.
Meumann, Markus/Niefanger, Dirk (Hgg.): Ein Schauplatz herber Angst: Wahrneh­
mung und Darstellung von Gewalt im 17. Jahrhundert, Göttingen 1997.
Mieck, Ilja: D ie Entstehung des modernen Frankreich. 1450 bis 1610. Strukturen, Instituti­
onen, Entwicklungen, Stuttgart u. a. 1982.
Ders.: «Wallenstein 1634. Mord oder Hinrichtung?»; in: Alexander Demandt (Hg.),
D as Attentat in der Geschichte, Köln 1996, S. 163-186.
Milger, Peter: Gegen L a n d und Leute. D er D reißigjährige Krieg, München 1998.
Monro, Robert: Kriegserlebnisse eines schottischen Söldnerführers in Deutschland
1626-1633, hrsg. und übersetzt von Helmut Mahr, Neustadt an der Aisch 1995.
Moorman van Kappen, Olav/Wyduckel, Dieter (Hgg.): D er Westfälische Frieden
in rechts- und staatstheoretischer Perspektive, Berlin 1998 (= Rechtstheorie, Bd. 29,
Heft 2).
Mout, Nicolette: «Der Winterkönig im Exil. Friedrich V. von der Pfalz und die nie­
derländischen Generalstaaten 1621-1632»; in: Zeitschrift fü r Historische Forschung,
1988, Bd. 15, S. 257-272.
Müller, August: «Der Fall Klostergrab»; in: Archiv f ü r Schlesische Kirchengeschichte,
Bd. 9,1951, S. 59- 73-
Müller, Frank: «Der Absturz vom Grat. Die Niederlage der kursächsischen
Deeskalationstrategie nach dem Ausbruch des Dreißigjährigen Krieges»; in:
Schulze (Hg.), Friedliche Intentionen - kriegerische Effekte, S. 56-70.
Müller, Michael: «Bau und Bedeutung der Festung Hanau im Dreißigjährigen
Krieg»; in: Hanauer Geschichtsverein (Hg.), D er Dreißigjährige Krieg, S. 93-121.
Münkler, Herfried: Im N am en des Staates. D ie Begründung der Staatsraison in der
Frühen Neuzeit, Frankfurt am Main 1987.
Ders. (Hg.): D er Partisan. Theorie, Strategie, Gestalt, Opladen 1990.
Ders.: «Schlachtbeschreibung: Der Krieg in Wahrnehmung und Erinnerung. Über
<Kriegsberichterstattung>»; in: ders., G ew alt und Ordnung. D as B ild des Krieges im
politischen D enken, Frankfurt am Main 1992, S. 176-207.
Ders.: «Die Weisheit der Regierenden. Varianten der Kriegsursachenanalyse»; in:
ders., G ew alt und Ordnung. D as B ild des Krieges im politischen Denken, Frankfurt
am Main 1992, S. 80-91.
Ders.: «Politisches Denken in der Zeit der Reformation»; in: Iring Fetscher/Her-
fried Münkler (Hgg.), Pipers H andbuch der politischen Ideen, Bd. 2, München 1993,
S. 615-683.
Ders. (Hg. unter Mitarbeit von Bernd Ladwig): Furcht und Faszination. Facetten der
Frem dheit, Berlin 1997.
Ders./Grünberger, Hans/Mayer, Kathrin: Nationenbildung. D ie N ationalisierung
Europas im Diskurs humanistischer Intellektueller. Deutschland und Italien, Berlin
1998.
Literatur 945

Ders./Münkler, Marina: Lexikon der Renaissance, München 2000.


Ders.: D ie neuen Kriege, Reinbek bei Hamburg 2002.
Ders.: Der neue Golßcrieg, Reinbek bei Hamburg 2003.
Ders.: Imperien. Die Logik der Staatenwelt - Vom Alten Rom bis zu den Vereinigten
Staaten, Berlin 2005.
Ders.: Der Große Krieg. Die Welt 1914-1918, Berlin 2013.
Ders.: Kriegssplitter. Die Evolution der Gewalt im 20. und 21. Jahrhundert, Berlin 2015.
Ders.: «Der Dreißigjährige Krieg als Analysefolie für heutige Kriege»; in: Karlies
Abmeier (Hg.), Politik im Zeichen der Reform ation - D er lange Schatten von 1517,
Köln/Paderborn 2017, S. 47-51.
Murdoch, Steve (Hg.): Scotland and the Thirty Years War 1618-1648, Leiden/Boston/
Köln 2001.
Neubauer, Ernst (Hg.): Magdeburgs Zerstörung 1631. Sammlung zeitgenössischer
Berichte, Magdeburg 1931.
Neuer-Landfried, Franziska: Die Liga: Gründung, Neugründung und Organisation
eines Sonderbundes 1608 bis 1620, Kallmünz 1968.
Neuhaus, Helmut: «Lamboy, Wilhelm Graf von»; in: N eue Deutsche Biographie,
Bd. 13, Berlin 1982, S. 44of.
Ders.: «Mercy, Franz Freiherr von»; in: N eue Deutsche Biographie, Bd. 17,1994,
S.125b
Newman, AndrewJ.: Safavid Iran. Rebirth ofa Persian Empire, London 2006.
Nietzsche, Friedrich: Unzeitgemäße Betrachtungen, 6. Aufl., Stuttgart 1976.
Nimwegen, Olaf van: «The transformation of army Organization in early-modern
Western Europe, ca. 1500-1789»; in: Tallett/Trim (Hgg.), European Warfare,
S. 159-180.
Oestreich, Gerhard: «Der römische Stoizismus und die oranische Heeresreform»;
in: ders., Geist und Gestalt des frühm odernen Staates, Berlin 1969, S. 11-34.
Ders.: Friedrich Wilhelm. Der Große Kurfürst, Göttingen 1971.
Öhman, Jenny: Der Kampf um den Frieden. Schweden und der Kaiser im Dreißigjähri­
gen Krieg, Wien 2005 (= Militärgeschichtliche Dissertationen österr. Universitäten,
hrsg. von Manfried Rauchensteiner, Bd. 16).
Opel, Otto Julius: Der niedersächsisch-dänische Krieg, 3 Bde., Bd. 1: Der niedersächsi­
sche Krieg 1621-1623, Halle 1872; Bd. 2: Der dänische Krieg 1624-1626, Magdeburg
1878; Bd. 3: Der dänische Krieg von 1627 bis zum Frieden von Lübeck (1629), Magde­
burg 1894.
Opitz, Walter: Die Schlacht bei Breitenfeld am 17. September 1631, Leipzig 1892.
Oredsson, Sverker: Geschichtsschreibung und Kult. Gustav A d o lf Schweden und der
D reißigjährige Krieg, Berlin 1994.
Ortenburg, Georg: Waffen der Landsknechte. 1300-1630, Augsburg 2002.
Oschmann, Antje: Der Nürnberger Exekutionstag. 1649-1630. Das Ende desDreißig-
jährigen Krieges in Deutschland, Münster 1991.
946 A NH ANG

Pages, Georges: L a Guerre de Trente A ns 16 18 -16 4 8 , Paris 1939.


Papke, Gerhard: Von der M iliz zum stehenden Heer. Wehrwesen im Absolutismus, Mün­
chen 1979 (= Handbuch der deutschen Militärgeschichte, Bd. 1, Teil 1).
Parrott, David: «The Causes ofthe Franco-Spanish War of 1635-1653»; in: Jeremy
Black (Hg.), The Origins o fW ar in E arly M odern Europe, Edinburgh 1987, S. 72-111.
Ders.: «The Mantuan Succession, 1627-31: Sovereignty Dispute in Early Modern
Europe»; in: English Historical Review, Bd. 112,1997, Nr. 445, S. 20-65.
Ders.: «From military enterprise to Standing armies: war, state, and society in Wes­
tern Europe, 1600-1700»; in: Tallett/Trim (Hgg.), European Warfare, S. 74-95.
Parker, Geoffrey: Jh e A r m y ofFlanders and the Spanish R o a d 1567-1659. The Logistics
ofSpanish Victory and D efeat in the L o w Countries’ War, Cambridge 1972.
Ders.: D er Aufstand der N iederlande. Von der Herrschaft der Spanier zu r G rü ndu ngder
Niederländischen Republik. 15 4 9 -16 0 9 , München 1979.
Ders.: D er Dreißigjährige Krieg, Frankfurt/New York 1987.
Ders.: «The Soldiers of the Thirty Years War»; in: Repgen (Hg.), K rieg und Politik,
S. 3° 3- 3i5-
Parrott, David A.: Richelieu s Army. War, Governm ent and Society in France, 16 2 4 -16 4 2 ,
Cambridge 2001.
Paul, Johannes: «Gustav Adolf in der deutschen Geschichtsschreibung» [1931]; in:
Rudolf (Hg.), D er Dreißigjährige Krieg, S. 17-32.
Pekar, Josef: Wallenstein 16 30 -16 34 . Tragödie einer Verschwörung, 2 Bde., Berlin 1937.
Pietschmann, Horst: «Spanien im Dreißigjährigen Krieg: Der Niedergang Spaniens
in der Historiographie der Nachkriegszeit»; in: Heinz Duchardt/Christoph Stro-
setzki (Hgg.), Siglo de Oro - Decadencia. Spaniens K ultur und Politik in der ersten
Hälfte des 17. Jahrhunderts, Köln/Weimar/Wien 1996, S. 167-188.
Piirimäe, Pärtel: «Just War in theory and practice: the legitimation of Swedish
intervention in the Thirty Years War»; in: The Historical Journal, Bd. 4, 2002,
S. 499 - 513-
Ders.: «Sweden»; in: Asbach/Schröder (Hgg.), The Ashgate Research Com panion to
the Thirty Years War, S. 77-85.
Plessner, Helmuth: D ie verspätete N ation. Über die Verführbarkeit bürgerlichen Geistes
[1935/1959]; in: ders., Gesammelte Schriften, Bd. VI, Frankfurt am Main 1982,
S. 7-223.
Polisensky, Josef/Kollmann, Josef: Wallenstein. Feldherr des Dreißigjährigen Krieges,
Köln/Weimar/Wien 1997.
Pollmann, Judith: «Eine natürliche Feindschaft: Ursprung und Funktion der
schwarzen Legende über Spanien in den Niederlanden, 1560-1581»; in: Franz
Bosbach (Hg.), Feindbilder: die Darstellung des Gegners in der politischen Publizistik
des Mittelalters und der Neuzeit, Köln/Weimar/Wien 1992, S. 73-93.
Pomeranz, Kenneth: The G reat Divergence: China, Europe and the M a k in g o f M odern
World Economy, Princeton 2001.
Literatur 947

Posch, Thomas: Johannes Kepler. Die Entdeckung der Weltharmonie, Darmstadt 2017.
Preil, Arndt: Österreichs Schlachtfelder, Bd. 1: Breitenfeld 1631 - Lützen 1632 - Breiten­
feld 1642, Graz 1990.
Press, Volker: Calvinismus und Territorialstaat. Regierung und Zentralbehörden der
Kurpfalz 1359-1619, Stuttgart 1970.
Ders.: «Hessen im Zeitalter der Landesteilung (1567-1655) » ; in: Walter Heine­
meyer (Hg.), D as Werden Hessens, Marburg 1986, S. 267-331.
Ders.: «Soziale Folgen des Dreißigjährigen Krieges»; in: Winfried Schulze (Hg.
unter Mitarbeit von Helmut Gabel), Ständische Gesellschaft und soziale M obilität,
München 1988, S. 239-268.
Ders.: « Rudolf II. (1576-1612) » } in: Schindling/Ziegler (Hgg.), D ie K aiser der
Neuzeit, S. 99-111.
Ders.: «Matthias (1612-1619)»; >n: Schindling/Ziegler (Hgg.), D ie K aiser der N eu ­
zeit, S. 112-123.
Ders.: «Melchior Khlesl, Kardinal»; in: Theologische Realenzyklopädie, Bd. 19, Berlin
1990, S. 265-267.
Ders.: Kriege und Krisen. Deutschland 1600-1715, München 1991 (= Neue Deutsche
Geschichte, Bd. 5).
Ders.: «Fürst Christian von Anhalt-Bernburg, Statthalter der Oberpfalz, Haupt der
evangelischen Bewegungspartei vor dem Dreißigjährigen Krieg (1568-1630)»;
in: Konrad Ackermann/Alois Schmid (Hgg.), Staat und Verwaltung in Bayern.
Festschriftfü r Wilhelm Volkert, München 2003, S. 792-806.
Puhle, Matthias (Hg.): « ...g a n t z verheeret!» Magdeburg und der Dreißigjährige Krieg.
Beiträge zur Stadtgeschichte und K atalog zur Ausstellung des Kulturhistorischen Muse­
ums Magdeburg, Magdeburg 1998.
Puppel, Pauline: Die Regentin. Vormundschaftliche Herrschaft in Hessen 1500-1700,
Frankfurt/New York 2004.
Dies.: «Amalie Elisabeth - eine Hanauerin als Landgräfin von Hessen»; in:
Hanauer Geschichtsverein (Hg.), Der Dreißigjährige Krieg in H anau und Umge­
bung, S. 151-195.
Querengässer, Alexander: Feldmarschall Pappenheim und das kaiserlich-ligistische
Heerwesen in der ersten Hälfte des Dreißigjährigen Krieges, Berlin 2014.
Rebitsch, Robert: Matthias Gallas (1588-1647). Generalleutnant des Kaisers zur Zeit
des Dreißigjährigen Krieges. Eine militärische Biographie, Münster 2006.
Ders.: Wallenstein. Biographie eines Machtmenschen, Wien/Köln/Weimar 2010.
Redlich, Fritz: «Der Marketender»; in: Vierteljahresschriftfü r Sozial- und Wirt­
schaftsgeschichte, 1954, Bd. 41, S. 227-252.
Ders.: De Praeda Militari. Looting and Booty, 1500-1815, Wiesbaden 1956 (= Viertel­
jahresschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, Beiheft 39).
Ders.: The German Military Enterpriser and His Work Force. A Study in European
948 ANHANG

Econom ic and Social History, 2 Bde., Wiesbaden 1964/1965 (= Vierteljahresschrift


für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, Beihefte 47 und 48).
Redworth, Glyn: The Prince and the Infanta, New Haven 2003.
Reitzenstein, Karl Freiherr von: D er Feldzug des Jahres 1621 m it Besitzergreifung der
Oberpfalz, München 1887 (= Supplement-Heft zumJahrbuch der Militärischen
Gesellschaft München).
Repgen, Konrad: «Seit wann gibt es den Begriff dreißigjähriger Krieg> ?»; in:
Heinz Dollinger u. a. (Hgg.), Weltpolitik, Europagedanke, Regionalismus. Festschrift
f ü r H einz Gollwitzer, München 1982, S. 59-70.
Ders. (Hg. unter Mitarbeit von Elisabeth Müller-Luckner): K rieg und Politik
16 18 -16 4 8 . Europäische Problem e und Perspektiven, München 1988.
Ders.: «Uber die Geschichtsschreibung des Dreißigjährigen Krieges: Begriff und
Konzeption»; in: ders. (Hg.), K rieg und Politik, S. 1-34.
Ders.: «Die Entstehung und Verwendung des Terminus dreißigjähriger Krieg>
von 1620 bis 1695»; in: ders. (Hg.), K rieg und Politik, S. 35-79.
Ders.: «Was ist ein Religionskrieg?»; in: ders., Von der Reform ation zu r Gegenwart.
Beiträge zu Grundfragen der neuzeitlichen Geschichte, Paderborn u. a. 1988, S. 84-97.
Ders.: «Der Westfälische Friede und die Ursprünge des europäischen Gleichge­
wichts»; in: ders., Von der Reform ation zu r Gegenwart. Beiträge zu Grundfragen der
neuzeitlichen Geschichte, hrsg. von Klaus Gotto und Günter Hockerts, Paderborn
u. a. 1988, S. 53-66.
Ders.: D reißigjähriger K rieg und Westfälischer Frieden. Studien und Quellen, hrsg. von
Franz Bosbach und Christoph Kampmann, Paderborn u. a. 1998.
Ders.: «Der Dreißigjährige Krieg im Deutschen Geschichtsbild vor Schiller»; in:
ders., D reißigjähriger K rieg und Westfälischer Frieden, S. 112-134.
Ders.: «Die Proteste Chigis und der päpstliche Protest gegen den Westfälischen
Frieden (1648/50). Vier Kapitel über das Breve <Zelo Domus Dei>»; in: ders.,
D reißigjähriger K rieg und Westfälischer Frieden, S. 539-561.
Ders.: «Friedensvermittlung als Element europäischer Politik vom Mittelalter bis
zur Gegenwart. Ein Vortrag»; in: ders., Dreißigjähriger K rieg und Westfälischer
Frieden, S. 799-816.
Ders.: «Die Hauptinstruktion Ginettis für den Kölner Kongress (1636)»; in: ders.,
D reißigjähriger K rieg und Westfälischer Frieden, S. 425-457.
Ders.: «Fabio Chigis Instruktion für den westfälischen Friedenskongreß. Ein
Beitrag zum kurialen Instruktionswesen im Dreißigjährigen Krieg»; in: ders.,
D reißigjähriger K rieg und Westfälischer Frieden, S. 458-484.
Ders.: «Die Hauptprobleme der westfälischen Friedensverhandlungen von 1648
und ihre Lösungen»; in: Zeitschrift fü r bayerische Landesgeschichte, Bd. 62,1999,
Heft 2, S. 399- 438-
Reusch, Heinrich: «Mercy, Franz Freiherr von»; in: Allgem eine Deutsche Biographie
[1885], Onlinefassung: http://www:deutsche-biographie.de/pndi2365639.html.
Literatur 949

Richelieu: Politisches Testament und kleinere Schriften, eingeleitet und ausgewählt von
Wilhelm Mommsen, Berlin 1926.
Riezler, Sigmund: «Kriegstagebücher aus dem ligistischen Hauptquartier 1620»;
Abhandlungen der Historischen Klasse der königl. Bayer. Akademie der Wissenschaften,
Bd. 23,1903, S. 77-210.
Riley-Smith, Jonathan: Die Kreuzzüge, Darmstadt 2015.
Rill, Bernd: Tilly. Feldherrfü r K aiser und Reich, München 1984.
Ders.: Kaiser Matthias. Brüderzwist und Glaubenskampf, Graz 1999.
Rink, Martin: «Die noch ungezähmte Bellona - Der kleine Krieg und die Landbe­
völkerung in der frühen Neuzeit»; in: Kroll/Krüger (Hgg.), M ilitär und ländliche
Gesellschaft in derfrühen Neuzeit, S. 165-189.
Ritter, Moriz: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Gegenreformation und des Dreißig­
jährigen Krieges, 3 Bde., Stuttgart und Berlin 1889-1908.
Ders.: «Wallensteins Eroberungspläne gegen Venedig 1629»; in: Historische Zeit­
schrift, Bd. 93,1904, S. 47-58.
Ders.: «Der Ursprung des Restitutionsedikts» [1896]; in: Rudolf (Hg.), D er Drei­
ßigjährige Krieg, S. 135-174-
Roberts, Michael: Gustavus Adolphus. A History ofSweden, 2 Bde., London u. a. 1953
und 1958.
Ders.: The Military Revolution, 1360-1660, Belfast 1956.
Rock, Alfred: «Die Reichsstadt Friedberg zur Zeit des 30jährigen Krieges»; in:
Wetterauer Geschichtsblätter, Bd. 6,1924, S. 3-74.
Roeck, Bernd: Eine Stadt in Krieg und Frieden. Studien zur Geschichte der Reichsstadt
Augsburg zwischen Kalenderreform und Parität, Göttingen 1989.
Ders.: Als wollt die Welt schier brechen. Eine Stadt im Zeitalter des Dreißigjährigen
Krieges, München 1991.
Ders. (Hg.): Gegenreformation und Dreißigjähriger Krieg 1555-1648, Stuttgart 2010
(= Deutsche Geschichte in Quellen und Darstellungen, Bd. 4).
Ders.: «Venedigs Rolle im Krieg und bei den Friedensverhandlungen»; in: Buß-
mann/Schilling (Hgg.), 164.8, S. 161-168.
Roemer, Hans Robert: Persien a u f dem Weg in die Neuzeit. Iranische Geschichte von
DSO-17SO, Beirut 1989.
Rogers, Cliffbrd J. (Hg.): The Military Revolution Debate. Readings on the Military
Transformation of Early Modern Europe, Boulder u. a. 1995.
Ders.: «Tactics and the face ofbattle»; in: Tallett/Trim (Hgg.), European Warfare,
S. 203-235.
Röhrich, Wilfried: Die M acht der Religionen. Glaubenskonflikte in der Weltpolitik,
München 2004.
Rohrschneider, Michael: D er gescheiterte Frieden von Münster. Spaniens Ringen mit
Frankreich a u f dem Westfälischen Friedenskongress (164.3-1649), Münster 2007.
95° ANH ANG

Roper, Lyndal: D er Mensch M artin Luther. Die Biographie, Frankfurt am Main 2016.
Rößler, Hellmuth: «Gallas, Matthias Graf von»; in: Neue Deutsche Biographie, Bd. 6,
Berlin 1964, S. 46-47.
Rudolf, Hans Ulrich (Hg.): D er Dreißigjährige Krieg. Perspektiven und Strukturen,
Darmstadt 1977.
Safranski, Rüdiger: Schiller oder die Erfindung des deutschen Idealismus, München/
Wien 2004.
Sänchez-Marcos, Fernando: «The Future of Catalonia. A suget brülant at the Müns­
ter Negotiations»; in: Duchhardt (Hg.), Der Frieden von Münster, S. 273-291.
Van Schelven, Aart A.: «Der Generalstab des politischen Calvinismus in Zentral­
europa zu Beginn des Dreißigjährigen Krieges»; in: Archiv fü r Reformationsge­
schichte, Bd. 36,1939, S. 117-141.
Schennach, Martin: «<Der Soldat sich nit mit den Baurn, auch der Baur nit mit den
Soldaten betragt» Das Verhältnis zwischen Tiroler Landbevölkerung und Militär
von 1600 bis 1650»; in: Kroll/Rrüger (Hgg.), M ilitär und ländliche Gesellschaft,
S. 41-78.
Schiller, Friedrich: Geschichte des Dreißigjährigen Krieges, bearbeitet von Theodor
Kükelhaus, Leipzig/Wien o.J. (Bibliographisches Institut) (= Schillers Werke,
hrsg. von Ludwig Bellermann, Bd. 7).
Schilling, Heinz: «Die Konfessionalisierung im Reich. Religiöser und gesellschaftli­
cher Wandel im Reich zwischen 1555 und 1620»; in: Historische Zeitschrift, Bd. 246,
1988, S. 1-45.
Ders.: Aufbruch und Krise. Deutschland 1517-1648, Berlin 1988 (= Das Reich und die
Deutschen, Bd. 4).
Schilling, Michael: «Die Zerstörung Magdeburgs in der zeitgenössischen Literatur
und Publizistik»; in: Verein für Kirchengeschichte (Hg.), Magdeburgs Geschick,
S. 93-ni.
Schindling, Anton/Ziegler, Walter (Hgg.): Die Kaiser der Neuzeit. 1519-1918, Mün­
chen 1990.
Ders.: «Das Strafgericht Gottes. Kriegserfahrung und Religion im Heiligen Römi­
schen Reich Deutscher Nation im Zeitalter des Dreißigjährigen Krieges. Erfah­
rungsgeschichte und Konfessionalisierung»; in: Asche/Schindling (Hgg.), D as
Strafgericht Gottes, S. 11-51.
Schlenkrich, Elke: «<Tränen des Vaterlands> - Leipzig in den Wirren des Dreißig­
jährigen Krieges»; in: Dresdner Hefte, Bd. 56,17. Jg., 1998, Heft 4, S. 37-44.
Schmidt, Ernst Erdmann: Die Belagerung von Hameln und die Schlacht von Hessisch-
Oldendorfim Jahre 1653, Halle 1880, Reprint 2010.
Schmidt, Georg: D er Dreißigjährige Krieg, München 1995.
Schmidt, Hans: «Wallenstein als Feldherr»; in: Mitteilungen des oberösterreichischen
Landesarchivs, Bd. 14,1984, S. 241-260.
Literatur 951

Ders.: «Staat und Armee im Zeitalter des <miles perpetuus>»; in: Kunisch (Hg.),
Staatsverfassung und Heeresverfassung, S. 213-248.
Schmidt, Heinrich Richard: Konfessionalisierung im 16. Jahrhundert, München 1991.
Schmidt, Peer: «Philipp III.»; in: Walter L. Bernecker u. a. (Hgg.), D ie spanischen
Könige, München 1997, S. 79-96.
Ders.: Spanische Universalmonarchie oder «teutsche L ib ertet». D as spanische Im pe­
rium in der Propaganda des Dreißigjährigen Krieges, Stuttgart 2001 (= Studien zur
modernen Geschichte, Bd. 54).
Schmidt, Rudolf: D ie Schlacht bei Wittstock. Ein Beitrag zu r Geschichte des dreissigjäh-
rigen Krieges, Halle 1876.
Schmidt-Biggemann, Wilhelm: «Apokalypse und Millenarismus im Dreißigjähri­
gen Krieg»; in: Bußmann/Schilling (Hgg.), 1648, S. 259-263.
Schmielewski, Ulrich: «Liegnitz/Wahlstatt. Die Schlacht gegen einen unbekann­
ten Feind»; in: Kaindel/Obenaus (Hgg.), K rieg im mittelalterlichen Abendland,
S. 207-231.
Schmitt, Carl: Röm ischer Katholizismus und politische Form , München 1925.
Ders.: D er Nom os der E rde im Völkerrecht des Jus Publicum Europaeum , Berlin 1950.
Ders.: Theorie des Partisanen. Zwischenbem erkung zum B egriff des Politischen, 2. Aufl.,
Berlin 1975.
Ders.: «Exkurs über Wallenstein als Diktator»; in: ders., D ie D iktatur [1921], Berlin
1978, S. 79-96.
Ders.: L a n d und Meer. E ine weltgeschichtliche Betrachtung [1938], Köln-Lövenich 1981.
Ders.: Gespräch über die M acht und den Zugang zum M achthaber [1954], mit einem
Nachwort von Gerd Giesler, Stuttgart 2008.
Schormann, Gerhard: «Dreißigjähriger Krieg 1618-1648»; in: Gebhardt, H andbuch
der deutschen Geschichte, Bd. 10,10., völlig neu bearbeitete Aufl., Stuttgart 2004,
S. 207-239.
Ders.: D er D reißigjährige Krieg, 3. Aufl., Göttingen 2004.
Schreiner, Klaus: «Die Katastrophe von Nördlingen. Politische, wirtschaftliche und
kulturelle Folgen einer Schlacht für Land und Leute des Herzogtums Württem­
berg»; in: Jahrbuch des Histor. Vereins fü r N ördlingen und das Ries, Bd. 267,1985,
S. 39-90.
Schröder, Hans-Christoph: D ie Revolutionen Englands im 17. Jahrhundert, Frankfurt
am Main 1986.
Schubert, Friedrich Hermann: «Wallenstein und der Staat des 17. Jahrhunderts»
[1965]; in: Rudolf (Hg.), D er Dreißigjährige K rieg, S. 185-207.
Ders.: L u d w ig Camerarius. 1573-1651. E ine Biographie, München 1955, Reprint Müns­
ter 2013.
Ders.: «Christian I., Fürst von Anhalt-Bernburg»; in: N eue Deutsche Biographie,
Bd. 3, Berlin 1971, S. 221-225.
95* A NH ANG

Schuchert, August: Kirchengeschichte, 2 Bde., Bonn 1956.


Schuchter, Bernd: Jacques Callot und die Erfindung des Individuums, Wien 2016.
Schulz, Christian: «Strafgericht Gottes oder menschliches Versagen? Die Tagebü­
cher des Benediktinerabts Georg Gaisser als Quelle für die Kriegserfahrung von
Ordensleuten im Dreißigjährigen Krieg»; in: Asche/Schindling (Hgg.), D as
Strafgericht Gottes, S. 291-439.
Schulz, Gerhard (Hg.): Partisanen und Volkskrieg. Zur Revolutionierungdes Krieges im
20. Jahrhundert, Göttingen 1985.
Schulze, Werner: «Der Sommerfeldzug Johann von Werths in Nordfrankreich im
Jahre 1636 nach den bayerischen Kriegsakten»; in: Münchner Historische Abhand­
lungen, 2. Reihe, Heft 6, München 1934, S. 25-66.
Schulze, Winfried: «Die Heeresreform der Oranier»; in: Zeitschriftfü r Historische
Forschung, Bd. 1,1974, S. 233-239.
Ders.: «Die deutschen Landesdefensionen des 16. und 17. Jahrhunderts»; in:
Kunisch (Hg.), Staatsverfassung und Heeresverfassung, S. 139-149.
Ders. (Hg.): Friedliche Intentionen - Kriegerische Effekte. War der Ausbruch des Drei­
ßigjährigen Krieges unvermeidlich?, St. Katharinen 2002.
Schwackenhofer, Hans: Die Reichserbmarschälle, Grafen und Herren von und zu Pap­
penheim: zur Geschichte eines Reichsministerialengeschlechts, Treuchtlingen/Berlin
2002.
Schwager, Therese: Militärtheorie im Späthumanismus. Kulturtransfer taktischer und
strategischer Theorien in den Niederlanden und Frankreich (1590-1660), Berlin/Bos-
ton 2012.
Schwarz, Herbert: Gefechtsformen der Infanterie in Europa durch 800 Jahre, München
1977.
Seidler, Josef: D as Prager Blutgericht 1633, Memmingen 1951.
Ders.: Untersuchungen über die Schlacht bei Lützen 1632, Memmingen 1954.
Sicken, Bernhard: «Die Schlacht bei Nördlingen. Analyse des Kriegswesens und
Beobachtungen zum Kampfgeschehen»; in: Jahrbuch des Historischen Vereinsfü r
Nördlingen und das Ries, Bd. 27,1985, S. 175-219.
Sikora, Michael: «Söldner - historische Annäherung an einen Kriegertypus»; in:
Geschichte und Gesellschaft, Bd. 29, 2003, S. 210-238.
Simms, Brendan: K am p f um Vorherrschaft. Eine deutsche Geschichte Europas. 1453 bis
heute, München 2014.
Simon, Kate: Die Gonzaga. Eine Herrscherfamilie der Renaissance, Köln 1991.
Smid, Stefan: Der Tolle Halberstädter. Christian von Braunschweig. Kriegsunternehmer,
sein Heer und seine Feldzüge, Berlin 2011.
Sofsky, Wolfgang: Traktat über die Gewalt, Frankfurt am Main 1996.
Sonnino, Paul: «Prelude to the Fronde. The French Delegation at the Peace of West-
phalia»; in: Duchhardt (Hg.), Der Westfälische Friede, S. 216-233.
Literatur 953

Srbik, Heinrich Ritter von: Wallensteins Ende. Ursachen, Verlauf und Folgen der K atas­
trophe, 2. Aufl., Salzburg 1952.
Stadler, Barbara: Pappenheim und die Z eit des Dreißigjährigen Krieges, Winterthur 1991.
Steckzen, Birger: D er schwedische Löwe. Johan Bauer, Leipzig 1942.
Steiger, Johann Anselm: «G eh aus, mein Herz, und suche Freu d». Paul Gerhardts
Sommerlied und die Gelehrsamkeit der Barockzeit, Berlin 2007.
Steinberg, Sigfrid Henry: The Thirty Years War and the Conflictfor European Hege-
mony 1600-1660, London 1966; dt. Ausgabe: D er Dreißigjährige Krieg und der
K am pf um die Vorherrschaft in Europa, 1600-1660, Göttingen 1967.
Stieve, F.: D er K a m p f um Donauwörth, München 1875 (= D er Ursprung des Dreißig­
jährigen Krieges, Bd. 1).
Stiglic, Anja: «Zeremoniell und Rangordnung auf der europäischen diplomatischen
Bühne am Beispiel der Gesandteneinzüge in die Kongreßstadt Münster»; in:
Bußmann/Schilling (Hgg.), 1648, S. 391-396.
Stolleis, Michael (Hg.): Staatsdenker im 17. und 18. Jahrhundert. Reichspublizistik -
Politik - Naturrecht, Frankfurt am Main 1977.
Ders.: Pecunia nervus rerum. Z u r Staatsfinanzierung der frü hen Neuzeit, Frankfurt am
Main 1983.
Ders.: Geschichte des Öffentlichen Rechts in Deutschland. Bd. 1: Reichspublizistik und
Policeywissenschaft 1600-1800, München r986.
Stradling, Robert A.: «Seventeenth Century Spain. Decline or Survival»; in: E u ro­
pean Studies Review, Bd. 9,1979, S. 157-194.
Ders.: «Catastrophe and Recovery: the Defeant of Spain 1639-1643»; in: History,
Bd. 64,1979, S. 205-219.
Ders: «Olivares and the Origins of the Franco-Spanish War, 1627-1635»; in: English
Historical Review , Bd. 101,1986, S. 68-94.
Straub, Eberhard: Pax et Imperium. Spaniens K am p f um seine Friedensordnung in
Europa zwischen 1617 und 1635, Paderborn u. a. 1980.
Straubei, Rolf/Weiss, Ulman (Hgg.): Kaiser, K önig, K ardinal. Deutsche Fürsten
1300-1800, Leipzig/Jena/Berlin 1991.
Strohschneider, Peter: «Kultur und Text. Drei Kapitel zur Continuatio des aben­
teuerlichen Simplicissimi, mit systematischen Zwischenstücken»; in: Kathrin
Stegbauer/Herfried Vögel/Michael Waltenberger (Hgg.), Kulturwissenschaftliche
Frühneuzeitforschung. Beiträge zu r Identität der Germanistik, Berlin 2004, S. 91-130.
Struck, Walter: Die Schlacht bei Nördlingen im Jahre 1634. Ein Beitrag zur Geschichte
des dreißigjährigen Krieges, Stralsund 1893.
Stumpf, Reinhard (Hg.): Kriegstheorie und Kriegsgeschichte. C arl von Clausewitz und
Helmuth von M oltke, Frankfurt am Main 1993.
Sturmberger, Hans: Georg Erasm us von Tschernembl, Graz 1953.
Ders.: K aiser Ferdinand II. und das Problem des Absolutismus, Wien 1957.
954 ANH ANG

Ders.: « D er oberösterreichische B auernkrieg von 1626»; in: D ietm ar Straub (R ed.),


D er oberösterreichische Bauernkrieg 1626. Ausstellung des Landes Oberösterreich vom
14. M ai bis 31. Oktober 1976, Linz 1976, S. 1-14.
Ders.: Adam G raf Herberstorff. Herrschaft und Freiheit im konfessionellen Zeitalter,
M ünchen 1976.
Suvanto, Pekka: Wallenstein und seine Anhänger am Wiener H o f zur Zeit des zweiten
Generalats 1631-1634, H elsinki 1963.
Szyrocki, M arian: D er junge Gryphius, Berlin 1959.
Ders.: Die deutsche Literatur des Barock. Eine Einführung, Stuttgart 1994.
Tadra, Ferdinand: Briefe Albrechts von Waldstein an K arl von Harrach 1625-1627,
W ien 1879 (= Fontes regum A ustriacum , Bd. 41, Teil 2).
Tallett, Frank/T rim , D.J.B. (H gg.): European Warfare, 1350-1750, Cam bridge 2010.
Teschke, Benno: LheMyth ofiö4$. Class, Geopolitics and the M aking of Modern Inter­
national Relations, L on d on /N ew York 2003.
Theibault, John: «The D em ography o f the Thirty Years W ar Re-revisited: G ünther
Franz and his C ritics»; in: German History, Bd. 16,1997, Heft: 1, S. 1-21.
Thom psion, Irving A .A .: «T he Im pact ofW ar and Peace on G overnm ent and
Society in Seventeenth C entury Spain»; in: A sch/V oß/W rede (H gg.), Frieden
und Krieg in der Frühen Neuzeit, S. 161-179.
Thukydides: Geschichte des Peloponnesischen Krieges, hrsg. u nd übertragen von G eorg
Peter Landm ann, Zürich i960.
Tischer, Anuschka: Französische Diplomatie und Diplomaten a u f dem Westfälischen
Friedenskongress. Außenpolitik unter Richelieu und M azarin, M ünster 1999.
Traverso, Enzo: Im Bann der Gewalt. D er europäische Bürgerkrieg 1914-1945, M ün­
chen 2008.
Trease, Geoffrey: Die Condottieri. Söldnerführer, Glücksritter und Fürsten der Renais­
sance, M ünchen 1974.
Treitschke, H einrich von: Gustav A dolf und Deutschlands Freiheit, Leipzig 1895.
Trim ondi, V ictor u nd Victoria: Krieg der Religionen. Politik, Glaube und Terror im
Zeichen der Apokalypse, M ünchen 2006.
Tschopp, Silvia Serena: Heilsgeschichtliche Deutungsmuster in der Publizistik des
Dreißigjährigen Krieges. Pro- und antischwedische Propaganda in Deutschland 1628
bis 1633, Frankfurt am M ain u. a. 1991.
Tuchman, Barbara: D er ferne Spiegel. D as dramatische 14. Jahrhundert, Düsseldorf
1980.
Tüchle, H erm ann: Reformation und Gegenreformation, E insiedeln/Z ürich/K öln 1965
(= Geschichte der Kirche, Bd. 3).
Uhle-W ettler, Franz: «T heatre o fW ar»; in: Franklin D. M argiotta (H g.), Brassey's
Encyclopedia ofL an d Forces and Warfare, W ashington/L ondon 1996, S. 1064-1067.
Urban, H elm ut: D as Restitutionsedikt. Versuch einer Interpretation, M ünchen i960.
Literatur 955

Vagts, Alfred: A History ofM ilitarism . Civilian and M ilitary [1937], New York 1967.
Ders.: «Die Chimäre des europäischen Gleichgewichts»; in: ders., Bilanzen und
Balancen. Aufsätze zu r internationalen Finanz und internationalen Politik, hrsg. von
Hans-Ulrich Wehler, Frankfurt am Main 1979, S. 131-160.
Van der Lern, Anton: D ie Entstehung der N iederlande aus der Revolte. Staatenbildung
im Westen Europas, Berlin 2016.
Vasold, Manfred: «Die deutschen Bevölkerungsverluste während des Dreißig­
jährigen Krieges»; in: Zeitschrift fü r bayerische Landesgeschichte, Bd. 56,1993,
S. 147-160.
Verein für Kirchengeschichte der Kirchenprovinz Sachsen (Hg.): Konfession, K rieg
und Katastrophe. M agdeburgs Geschick im Dreißigjährigen Krieg, Magdeburg 2006.
Voegelin, Eric: D ie politischen Religionen, hrsg. und mit einem Nachwort versehen
von Peter J. Opitz, 2. Aufl., München 1996.
Walter, Marco: N ützliche Feindschaft? Existenzbedingungen demokratischer Im perien -
Rom und U S A , Paderborn 2015.
Waltz, Kenneth N.: Theory o f International Politics, Reading MA, 1979.
Wandruszka von Wanstetten, Adam: «Vom Begriff des <Vaterlands> in der Politik
des Dreißigjährigen Krieges» [1938]; in: Rudolf (Hg.), D er D reißigjährige Krieg,
S. 175-184.
Weber, Franz: «Gliederung und Einsatz des bayerischen Heeres im Dreißigjährigen
Krieg»; in: Um G lauben und Reich. K urfürst M axim ilian I. Beiträge zur bayerischen
Geschichte und K unst 157 3-16 57 , München und Zürich 1980 (= Wittelsbach und
Bayern, Bd. II/1).
Weber, Hans H.: D er Hessenkrieg, Diss. Gießen 1935.
Weber, Hermann: Frankreich, Kurtrier, der Rhein und das Reich 16 23-16 35, Bonn 1969.
Ders.: «Vom verdeckten zum offenen Krieg. Richelieus Kriegsgründe und Kriegs­
ziele»; in: Repgen (Hg.), K rieg und Politik, S. 203-217.
Ders: «Une Paix süre et prompte. Die Friedenspolitik Richelieus»; in: Duchhardt
(Hg.), Zwischenstaatliche Friedenswahrung, S. 111-129.
Wedgwood, Cicely Veronica: D er 30jährige K rieg [1938], 8. Aufl., München/Leipzig
1995-
Wefers, Michael: Ja n van Werth und seine Zeit, Mönchengladbach 1984.
Wehler, Hans-Ulrich: Deutsche Gesellschaftsgeschichte, Bd. 1: Vom Feudalism us des
Alten Reichs bis zu r defensiven M odernisierung der Reform ära, 17 0 0 -18 15 , München
1987.
Weiand, Kerstin: Hessen-Kassel und die Reichsverfassung. Ziele und Prioritäten land­
gräflicher Politik im Dreißigjährigen Krieg, Marburg 2009.
Weigeley, Rüssel F.: «Auf der Suche nach der Entscheidungsschlacht, Lützen,
16. November 1632»; in: Förster/Pöhlmann/Walter (Hgg.), Schlachten der Welt­
geschichte. Von Salam is bis Sinai, München 2001, S. 138-153.
956 ANH ANG

Weise, Michael: «Gewaltprofis und Kriegsprofiteure. Kroatische Söldner als


Gewaltunternehmer im Dreißigjährigen Krieg»; in: Geschichte in Wissenschaft und
Unterricht, Bd. 68,2017, Heft s/6, S. 278-291.
Weiß, Elmar: D ie Unterstützung Friedrichs V. von der P falz durch Jako b I. und K a rl I.
im Dreißigjährigen K rieg (16 18 -16 32 ), Stuttgart 1966.
Weißbrich, Thomas: «Von Feld-Herren und Papst-Drachen. Zeitungen, Flugschrif­
ten und Flugblätter im Dreißigjährigen Krieg»; in: Hermann Nöring/Thomas
Schneider/Rolf Spilker (Hgg.), Bilderschlachten. 2000 Jahre Nachrichten aus dem
Krieg. Technik - M edien - Kunst, Göttingen 2009, S. 92-101.
Wendland, Andreas: D er Nutzen der Pässe und die G efährdung der Seelen. Spanien,
M a ila n d und der K a m p f ums Veltlin 16 2 0 -16 4 1, Zürich 1995.
Wertheim, Hans: D er Tolle Halberstädter. H erzog Christian von Braunschweig im
Dreißigjährigen Krieg, Berlin 1929.
Westphal, Siegrid: D er Westfälische Frieden, München 2015.
Whaley, Joachim: D as Heilige Römische Reich deutscher N ation und seine Territorien,
Bd. 1: Von M axim ilian I. bis zum westfälischen Frieden 14 1)3-164 8, Darmstadt 2014.
White, Loraine: «The Experience of Spain’s Early Modem Soldiers: Combat, Wel-
fare and Violence»; in: War in History, Bd. 9, 2002, Heft 1, S. 1-38.
Wille, Richard: H anau im dreißigjährigen Krieg, Hanau 1886.
Winkelbauer, Thomas: Ständefreiheit und Fürstenmacht. Län d er und Untertanen des
Hauses H absburg im konfessionellen Zeitalter 1522-1699, 2 Bde., Wien 2003 (= Her­
wig Wolfram (Hg.), Österreichische Geschichte, Bde. 6/1 und 6/2).
Wittich, Karl: M agdeburg, Gustav A d o lf und Tilly, 2 Bde., Berlin 1874.
Wohlfeil, Rainer: «Das Heerwesen im Übergang vom Ritter- zum Söldnerheer»; in:
Kunisch (Hg.): Staatsverfassung und Heeresverfassung, S. 107-127.
Ders.: «Kriegs- und Friedensallegorien»; in: Martin Knauer/Sven Tode (Hgg.),
D er K rieg vor den Toren. H am burg im Dreißigjährigen K rieg 16 18 -16 4 8 , Hamburg
2000, S. 349-386.
WolfF, Fritz: Corpus Evangelicorum und Corpus Catholicorum a u f dem Westfälischen
Friedenskongreß: D ie Einfügung der konfessionellen Stände-Verbindungen in die
Münster 1966.
Reichsverfassung,
Wolfrum, Edgar: Geschichtspolitik in der Bundesrepublik Deutschland. D er Weg der
bundesrepublikanischen Erinnerung 1948-1980, Darmstadt 1999.
Wolgast, Eike: «Ludwig Camerarius und die Politik der Kurpfalz vor und nach
1618. Zum Neudruck von Friedrich Hermann Schuberts Biographie über Lud­
wig Camerarius (1573-1651)»; in: Historische Zeitschrift, 2014, Bd. 299, Heft 2,
S. 334- 351-
Wolke, Lars Ericson: «Die Schlacht bei Lützen»; in: Maik Reichel/Inger Schuberth
(Hgg.), Gustav A dolf, K önig von Schweden. D ie K raft der Erinnerung. 16 32-20 0 7,
Wettin 2007, S. 61-70.
Literatur 957

Wollenberg, Jörg: Richelieu. Staatsräson und Kircheninteresse. Z u r Legitim ation der


Politik des Kardinalprem iers, Bielefeld 1977.
Wyduckel, Dieter: «Rechts- und staatstheoretische Voraussetzungen und Folgen
des Westfälischen Friedens»; in: Moorman van Kappen/Wyduckel (Hgg.), D er
Westfälische Frieden, S. 211-235.
Zeeden, Ernst Walter: D ie Entstehung der Konfessionen. G rundlagen und Form en der
Konfessionsbildung im Zeitalter der Glaubenskäm pfe, München/Wien 1965.
Ders.: Hegemonialkriege und Glaubenskäm pfe. 1556 -16 4 8 , Frankfurt am Main u. a.
1982 (= Propyläen Geschichte Europas, Bd. 2).
Ders.: Konfessionsbildung. Studien zu r Reform ation, Gegenreformation und katholischen
Reform , Stuttgart 1985.
Zemanek, Heinz: K alender und Chronologie, München 1990.
Zernack, Klaus: «Das Zeitalter der Nordischen Kriege von 1558 bis 1809 als früh­
neuzeitliche Geschichtsepoche»; in: Zeitschrift fü r FListorische Forschung, Bd. 1,
1974»S. 55- 79-
Ders.: «Schweden als europäische Großmacht der frühen Neuzeit»; in: Historische
Zeitschrift, Bd. 232,1981, S. 327-357.
Zillhardt, Gerd: D er D reißigjährige K rieg in zeitgenössischer Darstellung: Hans H eber­
les «Z eytregister» (16 18 -16 7 2 ). Aufzeichnungen aus dem U lm er Territorium. Ein
B eitrag zu Geschichtsschreibung und Geschichtsverständnis der Unterschichten, Ulm
1975-
NA M EN REGISTER

Aa, Pieter van der (Verleger) 677 Arnim-Boitzenburg, Hans Georg von (kai­
Abele, Johann Philipp (auch Abelin, Chro­ serlicher und später sächsischer General,
nist) 378 BeraterJohann Georgs I. von Sachsen)
Abu Hanieh, Hassan (Politikwissenschaft­ 135, 339£, 348, 358-361, 39°, 407- 409,
ler) 819 411, 489, 498, 501, 507, Sn, 524 £, 549, 559,
Ackermann, Georg (kaiserlicher Obrist) 561-563, 570, 582, 595, 609-614, 623 £,
475, 478, 480 f. 626, 648
Adolf II. von Holstein 307 t Arundel, Thomas Howard Earl of (engli­
Adolf Friedrich I., Herzog von Mecklen­ scher Diplomat) 640, 665 h
burg-Schwerin 339, 428 f., 521 Assad, Baschar Hafiz al- 830, 833, 835
Albert von Toerring-Stein (Bischofvon August von Sachsen-Weißenfels (Sohn
Regensburg) 51 Johann Georgs I. von Sachsen) 464 k
Albrecht VII., Erzherzog von Österreich Augustinus, Aurelius (Theologe, Bischof
(Sohn Kaiser Maximilians II., Regent von Hippo) 288
der spanischen Niederlande) 105 £, 112, Avaux, Claude de Mesmes Graf d’ (franzö­
118,128,133 f., 139,163 f. sischer Diplomat) 756, 786
Aldringen, Johann von (kaiserlicher Gene­ Aytona, Francisco de Moncada, Markgraf
ral) 233, 298-300, 366, 388, 400, 404f-, von (spanischer Botschafter in Wien)
515, 524, 53° f-, 545, S64, 581, 609 £, 614 £, 284, 395
621, 647 £, 650
Amalie Elisabeth von Hanau-Münzenberg, Bandhauer, Zacharias (Probst) 475, 478,
Landgräfin von Hessen-Kassel (Frau 480-485
Wilhelms V. von Hessen-Kassel) 726, Baner,Johan (schwedischer General) 498,
753, 771 £, 774,781 514, 566, 571, 582, 597, 604, 648, 669-676,
Anholt, JohannJakob, Graf von Bronck- 719, 777£, 751
horst-Batenburg (kaiserlicher Feldherr) Barudio, Günter (Historiker) 426 £
, ,
713 7 4 9 327 Bassompierre, Francois de (französischer
Anna, Prinzessin von Preußen (Frau Kur­ Diplomat und Marschall) 736
fürstjohann Sigismunds von Branden­ Baudissin, Georg von (schwedischer
burg) 117 Obrist) 570 £
Anna Maria Mauricia von Spanien Baumhauer, Till Ansgar (bildender
(genannt Anna von Österreich, Regen­ Künstler) 822
tin von Frankreich) 741 Bauschke, Bernd (Maler) 281
Anne Genevieve de Bourbon-Conde Bautru, Guillaume de, Graf von Serrant
786 (französischer Gesandter) 383 £
Antonie von Lothringen (FrauJohann Beck (General in spanischen Diensten)
Wilhelms vonJülich-Kleve-Berg 104 741-743
Namenregister 959

Bellin, Christian von (brandenburgischer Calvin, Johannes (Jean) (protestantischer


Diplomat) 268 Theologe) 65, 87
Bernardino da Siena (Franziskanermönch Camerarius, Ludwig (pfälzischer und
und Prediger) 230 schwedischer Diplomat und Politiker,
Bernhard, Herzog von Sachsen-Weimar Berater Friedrichs I.) 84,158-161, 236 f.,
(General und Heerführer) 489, 566, 571, 577
582f., 587 £, 593-597,599, 604 £, 609,615 £, Cappleri de Sulewicz, Kaspar (böhmi­
631 f., 645-656, 658f., 669f., 673, 675, 719, scher Adliger) 191
721 f., 725 L, 728-738,742,749,771, 834 Carafa, Carlo (päpstlicher Nuntius) 374
Bethlen Gabor (Gabriel Bethlen von Iktar, Caraffa di Montenegro, Girolamo (auch
Fürst von Siebenbürgen, König von Negromonte, kaiserlicher Feldherr)
Ungarn) 126 f., 130 f., 153,155-157,162k, 255, 257
183, 243, 250, 255-257, 260, 264, 274, 291, Carducci, Vincenzo (Maler) 228
303 £, 316-323, 376£, 77° £, 840 f. Carretto di Grana, Francesco (kaiserlicher
Bireley, Robert (Historiker) 375 Obrist) 622
Bloch, Ernst (Philosoph) 824 Cernin, Dionys (Hauptmann der Prager
Bocskay, Stefan (Fürst von Siebenbürgen) Burg) 191
89 Cesare II., Herzog von Guastalla 528
Bogislaw XIV., Herzog von Pommern Cesare Borgia, Herzog von Valentinois
362 k, 428, 432-434, 601, 754 k (Sohn Papst Alexanders VI.) 282
Bogislaw Philipp von Chemnitz (Schrift­ Charles de Valois, Herzog von Angouleme
steller, schwedischer Diplomat) 598 383
Borch, Gerard ter (Maler) 785, 790 Charnace, Hercule-Girard de (franzö­
Braun, Georg (Theologe) 341 sischer Diplomat) 390, 409 k, 450,
Braun, Louis (Maler) 583 530-533
Brecht, Bertolt (Schriftsteller) 546 k, 671 Chigi, Fabio (päpstlicher Nuntius, später
Breuner, Hans Philipp (kaiserlicher Papst Alexander VII.) 747, 795, 800
Obrist) 179,182, 307 Christian I. von Anhalt-Bernburg (Statt­
Breze, Marquis de (französischer Diplo­ halter der Oberpfalz) 83 f., 93-98,100 f.,
mat) 531-533 105 {., 112 k, 137,160,163,166,171-176,
Bucquoy, Charles Bonaventure de 178 f., 182, 236
Longueval, Graf von (spanischer und Christian I. von Pfalz-Birkenfeld-
kaiserlicher Feldherr) 146,153,15S-157, Bischweiler (General) 604
164,166,170-173,178 f., 236, 271, 836 Christian II., Kurfürst von Sachsen 116
Budowecz, Wenzel (böhmischer Adliger) Christian II. von Anhalt-Bernburg 179
191 Christian IV., König von Dänemark und
Burckhardt, Johannes (Historiker) 814 Norwegen, Herzog von Holstein 133,
Burkhardt, Jacob (Kunsthistoriker) 642 205, 241, 243, 248, 264-269, 275, 291-299,
Bürster, Sebastian (Zisterziensermönch) 302-304, 307, 314, 316, 322, 324, 326-335,
55Sf- 337- 342, 344, 346 f., 359, 361, 363- 372,
Butler, Walter (kaiserlicher Obrist) 628k 379, 381, 387, 39° £, 418, 420, 423, 429,
441, 450, 466, 469,527,553, 601, 667,
Caesar, Gaius Iulius 75, 285 763-769, 838, 841
Callot, Jacques (Graphiker) 223, 305, 641, Christian von Brandenburg-Bayreuth,
697-701, 703-710, 822 Markgrafvon Kulmbach 93, 337
9öo ANH ANG

Christian von Braunschweig-Wolfenbüttel De Geer, Louis (Waffenfabrikant) 766 £


(der «tolle Halberstädter», Administra­ Desfours, Nikolaus (Nikolaus des Fours
tor von Halberstadt, protestantischer du Mont et Athienville, kaiserlicher
Heerführer) 206-208, 210, 213-218, Obrist und General) 328
220-224, 226-231, 242-250, 255, 274, Deveroux, Walter (kaiserlicher Offizier)
280, 290 £, 293-295, 324, 326, 328, 423, 629 £
458, 553, 730 Dicastus, Georg (utraquistischer Adminis­
Christian Wilhelm, Markgraf von Bran­ trator) 159
denburg (Administrator von Magde­ Dickmann, Fritz (Historiker) 788, 790
burg) 466, 472, 807 Dietrichstein, Johann Balthasar von (kai­
Christina, Königin von Schweden (Toch­ serlicher Politiker) 366
ter Gustavs II. Adolf) 597 Digby,J°hn (englischer Diplomat) 225
Clausewitz, Carl von (Kriegstheoretiker) Diwald, Hellmut (Historiker) 278, 289 £,
32, 35 f., 426, 443, 511, 518 £, 636, 676, 745 376, 619-621
Collalto, Ramboldo Graf von (kaiserlicher Döblin, Alfred (Schriftsteller) 278, 286
General) 244, 250, 298, 362, 400-402, Dodo zu Imhausen und Knyphausen
404 f-, 419 (Obrist und schwedischer General) 222,
Colli, Hippolyt von (pfälzischer Kanzler) 249, 458 £, 582 £, 593,610
84 Dohna, Achatius von (pfälzischer Rat und
Colloredo-Waldsee, Rudolf Grafvon (kai­ Amtshauptmann) 83 £, 137
serlicher General) 583 f., 622, 648, 723 Dohna, Christoph von (Berater Chris­
Coloma, Don Carlos (spanischer Feld­ tians I.) 83 £
herr) 108 Domenicus aJesu Maria (Karmeliter­
Contarini, Alvise (venezianischer Diplo­ mönch) 178,184
mat) 350,389,786,795 Droysen, Gustav (Historiker) 423, 432,
Conti, Torquato (kaiserlicher General) 452, 463 £, 471, 473, 521
418 £, 431 £, 452 Duch, Arno (Historiker) 648
Contzen, Adam (Beichtvater Maximi­ Dyck, Anton van (Maler und Graphiker)
lians I. von Bayern) 374 £ 207, 310
Cordoba, Gonzalo Fernändez de (spani­
scher General, Statthalter in Mailand) Eberhard III., Herzog von Württemberg
199, 201 £, 205, 208 £, 212, 214, 217, 667
226-229, 231, 233, 397, 400 Eggenberg, Hans Ulrich Fürst von (Prä­
Crane, Johannes (kaiserlicher Diplomat) sident des Geheimen Rates, Vertrauter
792 Ferdinands II.) 72 h, 270 h, 539 k, 617
Cratz von Scharffenstein, Johann Philipp Eleonora Gonzaga (zweite Frau Ferdi­
(kaiserlicher Obrist, später schwedi­ nands II.) 394, 737
scher General) 182, 650, 656 Elias (alttestamentarischer Prophet) 417
Crowne, William (Sekretär des Earl of Elisabeth Charlotte von der Pfalz, Kur­
Arundel, Chronist) 640 fürstin von Brandenburg (Schwester
Friedrichs V.) 268
Damitz, Siegfried von (pommerscher Elizabeth I., Königin von England 255
Obrist) 432 Enckevort, Adrian Graf von (kaiserlicher
Dampierre, Heinrich Duval Graf von General) 733 k
(kaiserlicher General) 123,156, 271 Engelbert, Günther (Historiker) 773
Namenregister 961

Enghien, Heinrich II. von Bourbon, Prinz 64s £, 657 £, 661-669,678 £, 697,712,
von Conde, Herzog von (französischer 715-720, 723 b, 729, 737 £, 746£, 772, 774,
Feldherr) 726, 740-743, 780 £, 783 794, 803, 832, 839-841
Ergang, Robert (Historiker) 16 £, 31, Ferdinand III., Kaiser des Heiligen Römi­
35 schen Reiches, König von Ungarn und
Erlach, Hans Ludwig von (Obrist und Böhmen 376, 436-440, 635, 645-647,
General) 731,751 650, 661, 665, 667 £, 675, 678 h, 717-720,
Esterhazy, Nikolaus (Palatin von Ungarn) 724, 729, 737- 739, 743, 747- 756, 759,
319, 770 762h, 769-771,774- 776,779 £, 783-790,
Eugen Franz von Savoyen (genannt Prinz 792-795, 797-800, 803, 806, 812-814
Eugen) 348 Ferdinand von Bayern, Kurfürst und
Eynatten, Winand (Winnard) von (kur­ Erzbischofvon Köln 133 £, 239, 263, 327,
kölnischer Obrist) 222 f. 530 £, 678, 773
Ferdinand von Spanien und Portugal
Fabricius, Jacob (schwedischer Feldpredi­ (auch Fernando, «Kardinalinfant»,
ger) 592 f. Statthalter der spanischen Niederlande)
Fabricius, Philipp (böhmischer Kanzlei­ 646-650, 665£, 675, 724-727, 740, 836
sekretär) 45-50 Feria, Don Gomez Suärez de Figueroa,
Fadinger, Stefan (Anführer des oberöster­ Herzog von 614 £, 621, 645
reichischen Bauernaufstands) 306 f. Ferrante II. Gonzaga, Herzog von Guas-
Falkenberg, Dietrich von (schwedischer talla 393 £
Obrist) 467, 470-474 Feuquieres, Manasses de Pas, Marquis de
Federico II. Gonzaga, Herzog von Man­ (französischer Diplomat) 613 £
tua und Montferrat 398 Findeisen, Jörg-Peter (Historiker) 579,
Ferdinand I., Kaiser des Heiligen Römi­ 599
schen Reiches 72 Fleming, Clas Larsson (schwedischer
Ferdinand II., Erzherzog von Österreich Admiral) 764, 766 £
i °3 Franck, Hans Ulrich (Maler und Graphi­
Ferdinand II., Kaiser des Heiligen Römi­ ker) 30, 517, 709-711, 822
schen Reiches (vormals Ferdinand Franz Albrecht, Herzog von Sachsen-
von Steiermark) 18, 25£, 34, 42-44,53, Lauenburg 506, 758
71-74, 90£, 97-101,120,122,126-134, Franz Karl, Herzog von Sachsen-Lauen-
136,139-H 5, 155- 157, 163 b, 166, 168, burg 441-444, 466
185-191,193 £, 196 £, 203 £, 214, 216, Freytag, Gustav (Schriftsteller) 13-15
224 £, 232-240,242-247,250,256,260 £, Friedrich I., Herzog von Württemberg 78
263-265,269-275,277-287,290,292, Friedrich II., König von Preußen 425, 838
296,298,303,306£, 309,320-322,327, Friedrich III., Herzog von Schleswig-
333, 340-346, 348£, 352.- 354, 361-379, Holstein-Gottorf 364
381-387,389 £, 393-401,404-410,413, Friedrich III., Prinz von Dänemark und
421,42.3 £, 427-429,431-433,435-400, Norwegen 294, 366
444-450,453,459-464,467,473, Friedrich IV., Kurfürst von der Pfalz 94
484-490,497,507,510,512-514,517 b, Friedrich V., Kurfürst von der Pfalz (als
521, 527-532, 536-541, 550 £, 559-564, Friedrich I. König von Böhmen, «Win­
576£, 580, 593-595, 603, 609-611, 613, terkönig») 85, 95£, 97L, 133£, 136-139,
615-617, 619-626, 629, 631-633, 635£, 141,143-145,158-164,178,182-186,188 £,
962 ANH ANG

194; 196-199; 202 £, 205 £, 208 £, 213 £, Georg, Herzog von Braunschweig und
217, 223- 226, 23O-234, 236, 238 f., 2SO, Lüneburg 244 £, 339, 570 £, 582, 595,
261 f., 264, 267-270, 294, 303, 339, 382, 604, 610
389, 423, 429, 436, 464, 524, 536, 552, 577, Georg II., Landgrafvon Hessen-Darm­
603, 665, 806, 836, 840 stadt 63, 65h, 327, 444, 522-524, 560 £
Friedrich V., Markgraf von Baden-Durlach Georg Friedrich, Markgraf von Baden-
206, 333 Durlach 93,138, 205 £, 208-212, 215,
Friedrich der Weise, Kurfürst von Sachsen 223 £, 333, 338 £, 553,667
63 Georg Wilhelm, Kurfürst von Branden­
Friedrich Heinrich (Sohn Friedrichs V.) burg 122,186, 238, 268 £, 298, 303, 366,
161, 262, 345 374, 410, 418, 433- 436, 444, 454, 471 £,
Friedrich Heinrich, Prinz von Nassau- 486-489, 511, S59£, 601, 626, 755, 772
Oranien (Statthalter der Vereinigten Gerhardt, Paul (evangelischer Pfarrer und
Niederlande, kaiserlicher General) 411 f. Kirchenlieddichter) 686-689, 815
Friedrich Ulrich, Herzog von Braun- Gericke, Otto (später Otto von Guericke,
schweig-Wolfenbüttel 206, 243, 245, 469 Ratskämmerer von M agdeburg) 481 f.
Friedrich Wilhelm, Kurfürst von Branden­ Geyso, Johann von (hessischer General­
burg 755 £, 784 major) 781
Friesenegger, M aurus (Pfarrvikar und Gideon (alttestamentarischer Richter) 417
Pfarrer im Kloster Andechs) 533 £, Gindely, Anton (Historiker) 166, 238, 269,
553- 557, 606, 783 3i3, 679
Friis, Christian (dänischer Kanzler) 367 Ginetti, Marzio (päpstlicher Legat, Kardi­
Fruewein, Martin (Teilnehmer des böh­ nal) 747, 749 £
mischen Ständeaufstands) 191 Goethe, Johann Wolfgang von (Schriftstel­
Fuchs von Bimbach, Hans Philipp ler) 839
(dänischer General) 296, 298-300, 328, Gordon, John (Stadtkommandant von
330-332 Eger) 628 f.
Fugger, Otto Heinrich Graf von (kaiser­ Gottfried Graf von Oettingen 93
licher Obrist und General) 490 £, 515, Gotthard, Axel (Historiker) 168, 286 £,
524; 650 666
Fürstenberg, Dietrich von, Fürstbischof Götz, Johann von (kaiserlicher Obrist
von Paderborn 216 und General) 589, 673, 723-725, 734f-,
Fürstenberg, Egon Graf von (kaiserlicher 770, 776
Obrist und General) 158, 325, 335, 490, Goya, Francisco de (Maler und Graphi­
498-501,524 ker) 30
Furttenbach, Joseph (Chronist) 659 Gramont, Antoine III. de (französischer
Marschall) 781 f.
Gaddafi, Muammar al- 835 Gregor XIII. (Papst) 75f.
Gallas, Matthias (kaiserlicher General) Gregor XV. (Papst) 233, 235
233, 388, 400, 404 h; 5^4; 564 h; 580 £, 610, Grimmelshausen, Hans Jakob Christoffel
614, 616£, 623, 625-627, 631, 645-649, von (Schriftsteller) 29, 34 h, 517, 557h,
651, 654, 659 h, 672, 720-728, 763, 607h, 690-697, 702f.
765-767, 769-771, 774-776,779 Gronsfeld, Jost (Jobst) Maximilian Graf
Geleen, Gottfried von (kaiserlicher Feld­ von (kurbayerischer General) 366 £,
marschall) 781 £ 610, 725
Namenregister 963

Grotius, Hugo (Völkerrechtsautor, schwe­ Hebron, Daniel (kaiserlicher Obrist) 289,


discher Diplomat) 697 315, 453
Grubbe, Lars (Sekretär Gustavs II. Adolf) Hegel, Georg Wilhelm Friedrich (Philo­
419 f., 441 £, 457, 466,566, 601 soph) 824 h
Grün, Johann Christoph von der (kurpfäl­ Hein, Piet (auch Heyn, niederländischer
zischer Kanzler) 158 Admiral) 345
Grünbacher (Verwalter von Zwiespalten) Heinrich IV. (Heinrich von Navarra),
304 £ König von Frankreich 26 £, 84 £, 95 £,
Gryphius, Andreas (Dichter) 682-686, 105-107,109 £, 112,120, 262, 382, 409
688 Heinrich V. von Knöringen (Bischofvon
Guebriant, Jean Baptiste Budes de (franzö­ Augsburg) 77 £,712
sischer Marschall) 734, 773 HeinrichJulius, Herzog von Braun-
Guthrie, William (Kriegshistoriker) 328, schweig-Wolfenbüttel 205
330,504, 581, 650, 670, 760 Heimstatt, Pleickhard von (Obrist) 224
Gustav II. Adolf, König von Schweden Henri d’Orleans, Herzog von Longueville
18, 27, 34, 36, 39,59,136, 20s, 220, 253 £, (französischer Diplomat) 787
264 f., 268 £, 285, 292, 314, 316, 337, 346, Hepburn, John (schwedischer General)
357, 363, 369, 375, 379, 381 £, 3»5, 3*9- 392, 497 £
396, 405, 407-411, 413, 415- 435, 439- HerberstorfF, Adam Graf von (bayerischer
445, 447- 464, 466-469, 471 £, 483, 485- Statthalter in Oberösterreich) 168,
491, 493 £, 496- 501, 504- 515, 517- 527, 3 0 5 -3 0 7 , 312
529- 545, 547- 556, 558- 562, 565-567, Herodes 294 h
570-584, 586-589, S92-601, 603£, 607, Herodot (Historiker) 54
631, 633, 635, 638, 640, 646, 656, 660, Hitler, Adolf 18 £
669-674, 676, 682, 685, 709, 711- 713, 716, Hobbes, Thomas (Politiktheoretiker) 520
728, 731, 751 £, 758£, 776, 834, 838, 841 Hoe von Hoenegg, Matthias (Theologe,
sächsischer Hofprediger, Berater
Häberlin, Carl (Maler) 416 Johann Georgs I.) 88,135, 427, 462
Hagendorf, Anna Maria (Tochter Peter Hogenberg, Franz (Kupferstecher) 341
Hagendorfs) 689 Hohenlohe, Georg Friedrich Graf von
Hagendorf, Melchert Christoff (Sohn (böhmischer General) 155,160,182
Peter Hagendorfs) 689 Holk, Heinrich (Henrik) Graf von
Hagendorf, Peter (Söldner, zumeist in (dänischer Obrist, später kaiserlicher
kaiserlichen Diensten) 473 £, 492-494, General) 564 £, 570, 579-581, 584,586,
546, 618, 689 h 595, 609 £
Harrach, Karl von (Berater Ferdinands II., Hollar, Wenzel (Kupferstecher) 607
Schwiegervater Wallensteins) 256 £, Homer (griechischer Epiker) 54
272 £, 277, 299, 319 Horn, Gustav, Graf zu Björneborg (schwe­
Harsdörffer, Georg Philipp (Dichter) discher General) 453 £, 456, 488, 498,
684 h 500 £, 534 £, 550, 552, 566, 571, 582, 597,
Hatzfeld, Franz von, Fürstbischof von 604, 609, 615, 645-656, 675, 764, 766
Würzburg 515 Hubald, Christoph (schwedischer Obrist)
Hatzfeld, Melchior von (Feldmarschall) 522
674-678,724,773-779 Huch, Ricarda (Schriftstellerin und Histo­
Heberle, Hans (Chronist) 659 rikerin) 51,53-55
964 ANH ANG

Hülle, Anselm van (Maler) 447 (genannt Johann Friedrich der Groß­
Hus, Jan (Theologe) 47 mütige) 141
Hussein, Saddam 83z f. Johann Georg, Herzog von Jägerndorf
Hyazinth von Casale (Federico Natta, 185-187, 315
Graf von Alfiano, Kapuzinerpater, Johann Georg I., Kurfürst von Sachsen 72,
Gesandter Papst Gregors XV.) 235 f., 88,132-136,143-145,185 £, 188,190,194 £,
240 214, 237 £, 298, 366, 374, 389, 398, 428,
434, 436, 444 - 449, 454, 462-464, 471 £,
Ilow, Christian von (kaiserlicher Feldmar­ 485-491, 496, 498, 500£, 506,510-517,
schall) 564, 625, 627 f. 573- 575, 578, 54°, 549, 559- 561, 570,
Ingen, Ferdinand van (Literaturwissen­ 579£, 600 -6 02, 608£, 611 £, 626,635f.,
schaftler) 683 f. 660£, 663-665, 6 67,6 74,678,724,759,
Isabella Clara Eugenia von Spanien 775, 785
(Tochter Philipps II., Frau Erzherzog Johann Sigismund, Kurfürst von Branden­
Albrechts VII., Regentin der spani­ burg 93,110-113,115-118
schen Niederlande) 240,531, 641 Johann Wilhelm IV., Herzog vonJülich-
Kleve-Berg 100,103 £, 110,117
Jakob I., König von England 84 £, 94, 97, Johannes (Verfasser der Offenbarung)
112£, 136-138,163,199, 224-226, 237, 248, 230 £, 684, 714
261 f., 264 f., 267 f., 836 Josua (alttestamentarischer Anführer) 417
Jakobe, Herzogin vonJülich-Kleve-Berg Judas Makkabäus (alttestamentarischer
103 f. Anführer) 417 £
Jessenius, Jan (Rektor der Prager Uni­ Junkelmann, Marcus (Historiker) 519, 552,
versität, Teilnehmer des böhmischen 565, 579
Ständeaufstands) 191-193 Justin von Nassau (niederländischer
Jesus Christus 50,178, 216, 230, 401, 415, Admiral, Gouverneur von Breda)
417, 429; 447, 449; 497 639-641
Joachim Ernst, Markgraf von Branden­
burg-Ansbach 93, 204 Kagge, Lars (schwedischer General) 648
Johann II., Herzog von Pfalz-Zweibrü­ Kampmann, Christoph (Historiker) 717 £
cken (Vormund Friedrichs V.) 94, Karl I., König von England 138, 261 £, 267,
103-105 291, 404, 664-666, 836
Johann VII., Graf von Nassau-Siegen 169 Karl I. Ludwig, Kurfürst von der Pfalz
Johann VIII., Graf von Nassau-Siegen (Sohn Friedrichs V.) 665, 806
397) 412 Karl I. von Gonzaga-Nevers, Herzog von
Johann Albrecht, Herzog von Mecklen­ Nevers (Prätendent im mantuanischen
burg-Güstrow 339, 428 f., 521 Erbfolgestreit) 393-398, 402, 406, 412
Johann Casimir, Graf von Pfalz-Zweibrü- Karl IV., Herzog von Lothringen 515, 518,
cken-Kleeberg 524 524, 650, 697 £, 771- 773, 776, 735 £
Johann Ernst I., Herzog von Sachsen- Karl V., Kaiser des Heiligen Römischen
Weimar 293, 302, 304, 314-318, 373, 377, Reiches (als Carlos I. König von Spa­
443 f- nien) 29,141, 392 £,465, 484
Johann Friedrich, Herzog von Württem­ Karl Emanuel I., Herzog von Savoyen 127,
berg 93, 204 133-136,148, 236, 396£, 400, 697k
Johann Friedrich I., Kurfürst von Sachsen Karl von Burgau 103-105
Namenregister 9ÖS

Kepler, Johannes (Astronom und Mathe­ Leopold V., Erzherzog von Österreich-
matiker) 254 f-, 261, 350 Tirol, Fürstbischof von Passau und
Khevenhüller, Franz Christoph (kaiser­ Straßburg 115-120, 202, 206, 213 k, 224,
licher Diplomat und Historiograph) 373 231, 400 f.
Kinsky von Wchinitz und Tettau, Wil­ Leopold Wilhelm, Erzherzog von Öster­
helm Graf (böhmischer Adliger) 613, reich, Fürstbischofvon Passau, Straß­
627-629 burg, Breslau und Olmütz (Sohn Kaiser
Klaj, Johann (Dichter) 684 f. Ferdinands II.) 464-466, 759 k, 763
Klein, Emil (Maler) 479 Lerma, Francisco Gömez de Sandoral y
Klesl, Melchior (Kardinal, Bischofvon Rojas, Herzog von (Ratgeber Phil­
Wien) 44,51, 53, 67-71, 86,122-125, 308 ipps III.) 110 f., 127-129, 235
Klitzing, Johann Kaspar von (sächsischer Leslie, Alexander (schottischer Feldmar­
Obrist) 675 schall) 674-677
Klopp, Onno (Historiker) 384, 423 f. Leslie, George (schwedischer General)
Kochler (Obrist im Dienst Christians von 454
Braunschweig) 222 Leslie, Walter (kaiserlicher Offizier, stell­
Kollmann, Josef (Historiker) 619 k vertretender Stadtkommandant von
Koniecpolski, Alexander (polnischer Eger) 628 k
Feldherr) 408 Leubelfing, August von (Page Gustavs II.
Königsmarck, Hans Christoph von Adolf) 589
(schwedischer General) 781, 797 Liechtenstein, Karl Fürst von (kaiserlicher
Kraus, Andreas (Historiker) 141 Statthalter in Böhmen) 187-190,192
Lindlo, Thimar von (kurbayerischer
LAllemand, Friedrich (Fritz) Wilhelm General) 307 k
(Maler) 123 Lobkowitz, Diepold von (Grandprior des
L’Isle, Melchior Baron de (französischer Malteserordens, kaiserlicher Statthalter
Diplomat, Herr von Hunnewald, St. in Böhmen) 45 f.
Hippolyte und Dangolsheim) 531-533 Lobkowitz, Polyxena von (Frau von
La Force, Jacques Nompar de Caumont, Zdenko von Lobkowitz) 49
Herzog von (französischer Marschall) Lobkowitz, Zdenko von (Großkanzler des
533, 72-5 Königreichs Böhmen) 45, 49
La Valette, Jean Louis de Nogaret de (Kar­ Logau, Friedrich von (Dichter) 448,
dinal, französischer General) 725 f. 679-682
Lamberg, Johann Maximilian Graf von Lohelius, Johann (Erzbischofvon Prag)
(kaiserlicher Diplomat) 792 43
Lamboy, Wilhelm Graf von (kaiserlicher Lorentzen, Theodor (Historiker) 431
General) 725,773 Lorenz, Angelika (Historikerin) 697
Lamormaini, Wilhelm (Beichtvater Ludendorff, Erich (deutscher General und
Ferdinands II.) 142,188, 374 k, 377 k, Politiker) 286
384-387, 621 Ludwig I., Graf von Erbach 521
Lasne, Michel (Graphiker) 351 Ludwig IV., Landgrafvon Hessen-Mar­
Lawis, Sewis von (kaiserlicher, später burg 63
dänischer Obrist) 324 Ludwig V., Landgraf von Hessen-Darm-
Lebzelter, Friedrich (sächsischer Rat und stadt 63-67, 203 k, 214, 238, 241k, 327,
Gesandter) 240 768
966 ANH ANG

Ludwig XIII., König von Frankreich 27, gin von Schweden (Frau Gustavs II.
61-63, 67,106, 351, 384-386, 389, 450, 531, Adolf) 268, 599 £
533, 697, 718 £, 740 f. Marolles, Abbe Michel de (Kunstsammler,
Ludwig XIV., König von Frankreich 27, Übersetzer und Essayist) 697-699, 702,
284, 741 704 £,708
Luise Juliana von Oranien-Nassau, Kür­ Marradas, Don Balthasar Graf (spanisch­
fürstin von der Pfalz (Mutter Fried­ kaiserlicher General) 167, 257, 622
richs V.) 137 Marrazino, Rodolfo Giovanni (auch Graf
Luther, Martin (Theologe und Reforma­ Rudolf Morzin, kaiserlicher Feldmar­
tor) 63-65, 87 f., 195, 429 f., 462 schall) 674 h
Lützow, Carl von (kaiserlicher Gesandter) Marschalck, Levin von (deutscher Kanzler
751, 756 Christians IV.) 367
Luyken, Caspar (Kupferstecher) 677, 762 Marsin, Jean Gaspard Ferdinand Graf von
(französischer Feldmarschall) 781
Macdaniel, Dionysios (irischer Haupt­ Martines, Lauro (Historiker) 402 £
mann) 629 Martinitz, Jaroslaw von (böhmischer Statt­
Machiavelli, Niccolö (Politiktheoretiker) halter) 41-43,45-51
142, 282, 375 Matthias, Kaiser des Heiligen Römischen
Magni, Valeriano (Kapuzinerfrater) 278, Reiches 41-44, 46, 49, 52, 60 £, 68-72,
287 100,120-122,124,126-128,130,185, 216,
Mann, Golo (Historiker) 341,545, 564, 832
579, 619 £, 627 Maximilian I., Herzog, später Kurfürst
Mann, Thomas (Schriftsteller) 681 von Bayern 34, 74, 78 £, 82, 90, 97-101,
Mansfeld, Peter Ernst (II.) Graf von 114,116 £, 122,127-130,132-134,139-HS,
(General und Kriegsunternehmer) 33 £, 164-166,168,170-173,178 h, 187 h, 190,
126,136,146-153,157, 16s, 167 k, 171-173, 193 £, 196-198,219,225, 233-240,244,
190,194,196,198, 201 £, 205,208-210, 247 £, 260 £, 263,272,274-276,278,280,
212-217, 222-224, 226-229, 231h, 236, 307-309, 311, 349, 364-366, 370, 374, 379,
239,242 £, 245-247,250,262 £, 267,269, 389, 398, 440, 448 £, 468, 485, 510, 513 h,
274, 280, 291, 293, 295-304, 313-323, 333, 518, 521, 528-534, 536- 538, 54° £, 545,
423, 441 £, 470, 537, 553, 730, 771, 829 549-553, SS6, 567, 581, 609, 616, 632, 635,
Mansfeld, Wolfvon (kaiserlicher General) 663 £, 667, 678, 712, 715, 720-723, 743,
469 753, 783, 803, 841
Mao Tse-tung (chinesischer Politiker und Maximilian I., Kaiser des Heiligen Römi­
Partisanenkriegstheoretiker) 167 schen Reiches 392
Maria (MutterJesu) 50-52,169 £, 178,184, Maximilian II., Kaiser des Heiligen Römi­
213, 230 £, 256,401,417,460 £, 484 h, 497, schen Reiches 60, 72
546, 555 Maximilian III., Erzherzog von Inner­
Maria Anna von Spanien (Frau Kaiser und Oberösterreich 72, 97 £, 100 £
Ferdinands II., Schwester Philipps IV.) Mazarin, Jules (Kardinal, französischer
261£, 737 Premierminister) 741, 743
Maria deMedici, Königin von Frankreich Meggau, Leonhard Helfried von (kaiser­
(Frau Heinrichs IV.) 110,113 £, 120, 262, licher General) 179
384 h, 4°9 £, 657 Mehring, Franz (Historiker) 425
Maria Eleonora von Brandenburg, Köni­ Meier, Christian (Historiker) 285
Namenregister 967

Melanchton, Philipp (protestantischer Niemann, Heinrich (Rittmeister Wallen­


Theologe) 95 steins) 628 £, 631
Melander, Peter, Graf zu Holzappel (hessi­ Nietzsche, Friedrich (Philosoph) 20-22,
scher, später kaiserlicher General) 610 818
Melo, Francisco Manuel de (spanischer
Generalkapitän) 740-742 Öhman, Jenny (Historikerin) 718
Mercy, Franz von (bayerischer General) Oldenbarnevelt, Johan van (niederländi­
672, 776, 780-783 scher Staatsmann) 139
Merian der Ältere, Matthäus (Kupferste­ Olivares, Gaspar de Guzmän, Herzog
cher und Verleger) 48, 54 £, 175, 211, 221, von San Lucar de Barrameda, Graf von
378, 476 £, 5°i, 558, 652, 655, 677 (leitender Minister unter Philipp IV.)
Merode, Johann von (kaiserlicher Obrist 25 £, 106, 262, 349-351, 382-384, 388, 395,
und General) 401, 499 f., 611 528, 738 £
Merven, Hendrik van der (niederländi­ Onate, Don Inigo Velez de Guevara, Graf
scher Ohrist) 231 f. von (spanischer Diplomat) 71 £, 122,
Meulener, Pieter (Maler) 655 128£, 139£, 163£, 197, 238-240, 621 £
Mitzlaff, Joachim von (dänischer Rat und Oquendo, Antonio de (spanischer Admi­
General) 304,322,333 ral) 738 £
Moltke, Helmuth von (preußischer Gene­ Orco, Ramiro d’ (Statthalter Cesare
ralfeldmarschall) 13 Borgias) 282
Monro, Robert (schottischer Obrist in Ossa, Wolf Rudolfvon (kaiserlicher
dänischen und schwedischen Diensten) Ohrist und General) 524
319, 359- 362, 450, 457- 459, 491 £, 495 f-, Oxenstierna, Axel (schwedischer Reichs­
500 f., 516,519, 575 £, 578 f. kanzler) 381, 422 £, 441, 453-456, 460,
Montecuccoli, Raimondo Graf (kaiserli­ 5° 7, 548, 566, 571,574, 579,597-604, 611,
cher General) 672, 678 635, 646h, 656, 66o, 667-670, 715-719,
Morelles, Cosmas (katholischer Theo­ 727, 764
loge) 376 Oxenstierna, Johan Axelsson (schwedi­
Moritz, Kurfürst von Sachsen 141 scher Diplomat) 787, 792
Moritz, Landgrafvon Hessen-Kassel
(genannt Moritz der Gelehrte) 61-67, Paleologos, Margherita (Frau Federicos II.
93,111 £, 203 £, 241 £, 244,269,294,326 £, Gonzaga) 396
774 Pappenheim, Gottfried Heinrich zu
Moritz von Nassau-Oranien (niederlän­ (ligistischer und kaiserlicher Gene­
discher Staatsmann und General) 122, ral) 308-313, 335-337, 364, 442 £,
139, 207, 226 451 £, 467-470, 474 £, 481 £, 484, 493,
Moses (alttestamentarischer Anführer) 496-500, 504, 514, 524,534, 564 h, 570 £,
430 581, 584-588, 593- 595, 597, 600, 606 £,
Mund, Pros (dänischer Admiral) 768 610, 622
Murad IV., Sultan des Osmanischen Parker, Geoffrey (Historiker) 74, 835
Reiches 348, 839 Paul V. (Papst) 84,127, 271
Mydlär, Jan (Prager Scharfrichter) 192 £ Pauw, Adriaan (niederländischer Gesand­
ter) 785
Napoleon I., Kaiser von Frankreich 286, Päzmäny, Peter (Primas der katholischen
782 h, 805 Kirche in Ungarn) 376
968 ANHANG

Pechmann von der Schönau, Gabriel (kai­ Puchheim, Adolf Graf von (kaiserlicher
serlicher Obrist) 314-316, 318, 337 f. General) 770, 776
Pekar, Josef (Historiker) 619 Pufendorf, Samuel (Rechtsphilosoph und
Penaranda, Caspar de Bracamonte y Historiker) 279
Guzmän, Graf von (spanischer Diplo­
mat) 787 Quadt von Wickrath, Matthias (Gesandter
Pere Joseph (Frangois-Joseph Le Clerc Bethlen Gabors) 304
du Tremblay de Maffliers, Kapuzi­ Questenberg, Gerhard von (kaiserlicher
nermönch, Vertrauter von Kardinal Rat) 316,345
Richelieu) 263, 351, 439, 513, 636
Peters, Jan (Historiker) 492 Räköczi, György (Fürst von Siebenbür­
Philipp I., Landgrafvon Hessen (genannt gen) 770 £, 776,779
Philipp der Großmütige) 63-66 Ramsay, Jakob von (englischer, später
Philipp II., Landgrafvon Hessen-Rhein­ schwedischer Obrist) 693
fels 63 Ranke, Leopold von (Historiker) 316, 820
Philipp II., König von Spanien 25 Rantzau, Detlev (dänischer Diplomat)
Philipp III., König von Spanien 25 £, 367
7 2 - 7 4 , 105,127,138,163 £, 166 f., 193, Rantzau, Heinrich (dänischer Diplomat)
195 £, 234 367
Philipp IV., König von Spanien 25 h, 196, Rantzau, Josias (General in französischen
234, 240, 261 £, 383-386, 395 £, 400, 528, Diensten) 726
646, 665 h, 717, 737-739, 791 Rasin, Jaroslaw Sezyma (böhmischer
Philipp Christoph von Sötern, Kurfürst Exilant) 561
und Erzbischofvon Trier und Speyer Rasso (Frankenkönig) 554
263,531, 658, 678, 748 Rauschenberg, Johann von (Amtmann
Philipp Ludwig, Herzog von Pfalz-Neu­ vonJülich) m-113
burg 82, 93,103-105,11s Ravaillac, Francois (Mörder Hein­
Philipp Moritz, Graf von Hanau-Münzen­ richs IV.) 106,110,120
berg 521 Rehlinger, Max Conrad von (Vertrauter
Philipp von Hessen-Kassel (Sohn von Bernhards von Sachsen-Weimar) 730
Moritz von Hessen-Kassel) 331 £, Reinicke, Rene (Maler) 594
337 Repgen, Konrad (Historiker) 789, 798,
Piccolomini, Ottavio (kaiserlicher 800, 805, 828
General) 252, 400, 404 £, 499 £, 564 £, Richel, Bartholomäus (bayerischer
586, S94, 620-622, 625-628, 630£, 672, Gesandter) 621
722-724,758-760,762 £ Richelieu, ArmandJean du Plessis, Her­
Pieroni, Giovanni (Architekt Wallen­ zog von (Kardinal, Premierminister
steins) 251 £ Ludwigs XIII.) 26,106, 262-264, 291,
Piper von Minden, Heinrich (Obrist) 221 349-35L 379, 382-385, 388-390, 399 £,
Plessen, Vollrad von (pfälzischer Geheim­ 409 £, 440,449,467,512 £, 530,613 £, 631,
rat) 84 636 656-658, 668, 7x6, 722£, 741, 743,
Plessner, Helmuth (Philosoph und Sozio­ 748, 834, 838, 840
loge) 11 Ritter, Moriz (Historiker) 57, 79, 82, 90,
Polisensky, Josef (Historiker) 619 h 116 £, 142,157,161,165,170, 295, 313, 440,
Press, Volker (Historiker) 60,102 446, 614
Namenregister 969

Rosacius, Johannes (Pfarrer) 191 Schmalhertz, Valentin (Drucker) 371


Rosladin, Fritz Petrowitz (schwedischer Schmidt, Georg (Historiker) 672
General) 36z Schmitt, Carl (Staatsrechtler) 279 £, 282 £,
Roy, Gabriel de (spanischer Gesandter) 374
355 f-, 362 Schuch, Werner (Maler) 151
Rubens, Peter Paul (Maler) 638, 641-644, Schuchter, Bernd (Schriftsteller) 708
647 Schwarzenberg, Georg Ludwig Graf von
Rudolf II., Kaiser des Heiligen Römi­ (kaiserlicher Gesandter) 353, 356
schen Reiches 38, 52, 60-64, 66 £, 75, Schweikhard von Kronberg, Johann, Kur­
78 f., 82, 89£, 100,103-105,110-112, fürst und Erzbischof von Mainz 90,130,
114-117,120,185,187, 832 133 £, 204, 239 £, 263
Rudolf Maximilian von Sachsen-Lauen- Scultetus, Abraham (reformierter Hofpre­
burg (kaiserlicher General) 541 £ diger) 162,307
Ruepp, Hans Christoph von (bayerischer Senno, Giovanni Battista (auch Seni,
Rat) 366 £ Astrologe und Vertrauter Wallensteins)
Ruppa, Wilhelm von (Vilem von Roupov, 252, 627
Präsident des Prager Direktoriums) 251 Servien, Abel (französischer Diplomat) 786
Ruthwen (Obrist, schwedischer Statthal­ Sibylla vonJülich-Kleve-Berg, Markgräfin
ter in Ulm) 550,555 £ von Burgau 108
Ruytenburgh, Anna van (Frau Adriaan Sigismund III. Wasa, König von Polen,
Pauws) 785 Großfürst von Litauen 314, 346, 369,
Rziczan, Paul von (böhmischer Adliger) 39°, 407 £
46 Sigismund von Luxemburg, Kaiser des
Heiligen Römischen Reiches 47
Saint-Etienne, Baron von (französischer Sinclair, John (Obrist in dänischen und
Gesandter) 551 schwedischen Diensten) 576
Salm-Kyrburg, Otto Ludwig von (däni­ Skeel, Albert (dänischer Reichsrat) 367
scher General) 330 Slawata, Wilhelm (böhmischer Oberst­
Salvius, Johan Adler (schwedischer Diplo­ landrichter, kaiserlicher Statthalter) 41,
mat) 431,512,577, 719, 756, 787, 792 45-51,189,561, 621
Savelli, Federigo (kaiserlicher General) Solms-Braunfels, Johann Albrecht von
431 £, 442, 452, 457, 729, 732- 736, 742 (Berater Friedrichs V.) 133 h
Schauenburg, Hannibal von (kaiserlicher Solms-Hohensolms, Hermann Wilhelm
General) 366, 452 Graf von 331h
Schellard, Adam Wilhelm von (kaiserli­ Solms-Hohensolms, Philipp Reinhard
cher General) 289 Graf von 335£, 521
Schiller, Friedrich (von) 56-58, 286, 416, Solms-Laubach, Heinrich Wilhelm Graf
618,626 £, 671, 827 £ zu 182
Schilling, Michael (Germanist) 483 Sparr, Ernst Georg (kaiserlicher Obrist
Schlang, Erich (schwedischer General) und General) 358
760 Sperreuth, Claus Dietrich von (kaiserli­
Schlick, Heinrich Graf von (Präsident des cher Obrist und General) 733 £
kaiserlichen Hofkriegsrats) 621 Spinelli, Carlo (kaiserlicher General) 182
Schlick, Joachim Andreas Graf von Spinola, Ambrosio (spanischer General)
(Anführer des böhmischen Ständeauf­ 122,165 £, 196,199, 203 £, 226, 229, 291,
stands) 41 £, 135,175,182,191, 339 £ 411, 467, 639-641
970 ANH ANG

Srbik, Heinrich Ritter von (Historiker) 168-173,176-179,182,190,198, 202, 205,


619 208-215, 217-223, 230-233, 241-250,
Stälhandske, Torsten (schwedischer 254, 261, 267, 269, 274 k, 280, 289-298,
Obrist und General) 588, 675-677, 760 302-304, 311, 314, 316, 322, 314-328,
Stalmann, Johann (schwedischer Kriegs­ 330- 335, 337- 341, 349, 353£, 365-367,
rat) 466 370 £, 377, 397, 408, 441, 452 k, 457- 461,
Steinberg, Jakob (Berater Gustavs II. 467-470, 472-480, 483-491, 493- 501,
Adolf) 487 504-506,508 k, 512-515, 518 £, 522,524,
Steinberg, Sigfried H. (Historiker) 16 f., 53° k, 534-55°, 562,566,572,587, 597,
3h 35, 826 607, 632, 638, 660, 709,715, 728, 758,
Steinmeier, Frank-Walter (deutscher 841
Politiker) 818 f. Tilly, Werner Wenzel Graf von (Neffe von
Sternberg, Adam von (böhmischer Oberst­ Johann Tserclaes von Tilly) 249, 493
burggraf, kaiserlicher Statthalter) 45 f. Torstensson, Lennart (schwedischer
Stralendorf!) Peter Heinrich von (Reichs­ General) 457, 541, 543, 575, 582,598, 670,
vizekanzler unter Ferdinand II.) 191 672, 676, 751k, 759- 767, 769 k, 774-779
Straub, Eberhard (Historiker) 382 t Tott, Äke (schwedischer General) 514
Stuart, Elisabeth, Prinzessin von England Trauttmansdorff-Weinsberg, Maximilian
(Frau Friedrichs V.) 94 £, 97,137,160 £, Graf von (kaiserlicher Rat) 345, 452,
185, 207, 217, 226, 230 f., 243, 261 621, 623, 788, 790,793-795, 802
Suffren, Jean (Beichtvater von Maria Trcka, Adam Erdmann (kaiserlicher Feld­
de’Medici) 385 marschall) 564, 625-629
Sully, Maximilien de Bethune, Marquis de Treberes, de (kaiserlicher General) 548
Rosny, Herzog von (Berater Hein­ Treitschke, Heinrich von (Historiker) 423
richs IV.) 26 £, 106 Tromp, Maarten (holländischer Admiral)
738 k
Taaffe, Patrick (Feldkaplan) 628 Tschernembl, Georg Erasmus von (Wort­
Teuffel, Maximilian (schwedischer Gene­ führer der Stände in Oberösterreich)
ral) 453 £ 251
Teuffel, Wolf Matthias von (kaiserlicher Turenne, Vicomte de, Henri de La Tour
General) 498 dAuvergne (französischer Feldmar­
Thomas von Aquin (Theologe und Philo­ schall) 672, 776, 780-783
soph) 376
Thukydides (Historiograph) 53-56, 433, Ulfeldt, Jakob (dänischer Reichskanzler)
827 k 367
Thurn, Heinrich Matthias Graf von Urban VIII. (Maffeo Barberini, Papst) 26,
(böhmischer Adliger, General) 42, 46f., 334,398 £, 406, 409, 422, 462, 475, 740 £
49,125,155-157,160,168,179,182, 247,
614 k, 694 Veläzquez, Diego (Maler) 291, 638-641,
Thurzo, Stanislaus (Palatin von Ungarn) 644
260 Vere, Horace (englischer Obrist und
Tiefenbach, Rudolfvon (kaiserlicher General) 199, 201 £, 225, 232
General) 179,300,524 Vincenzo II. Gonzaga, Herzog von Man­
Tilly, Johann Tserclaes Graf von (bay­ tua und Montferrat 365, 387 k, 393,
erischer Generalleutnant) 39, 50, 98, 404
Namenregister 971

Vitzthum, Hans (Obrist) 532, 621, 675 f. Wiederhold, Conrad (Obrist, Komman­
Wahlbom, Carl (Maler) 592 dant von Hohentwiel) 731
Wallenstein, Albrecht Wenzel Eusebius, Wilhelm II., Kaiser des Deutschen Rei­
Herzog von Friedland, Mecklenburg ches 286, 425
und Sagan (Generalissimus der kai­ Wilhelm IV., Herzog von Sachsen-Weimar
serlichen Armee) 25, 32 f.,36, 39, 59, 98, 244, 443 f-, 488 f., SH, 566, 574
190f., 251-257, 260{., 270-293, 295-304, Wilhelm IV., Landgrafvon Hessen-Kassel
313 h, 316-322, 327 b, 334f-, 337- 372, 62 b
376 f., 382, 384 b, 389b, 394-396,400, Wilhelm V., Herzog von Bayern 98f.
402, 405-409, 411b, 418 b, 421, 432,435, Wilhelm V., Herzog vonJülich-Kleve-Berg
437- 439, 441- 443, 445, 449, 45lb, 455, 103,117
460 f., 465-468, 470, 484, 508 f., 512-515, Wilhelm V., Landgrafvon Hessen-Kassel
519- 521,526,536-542, 547, 549- 551, 556, 327, 441, 443, 446, 467, 49°, 514, 559, S61,
559, 561-567, 570- 578, 580-588, 590b, 570 b, 574, 610, 669, 673, 724-726, 772
593-596, 598-600, 603, 607-633, 638, Wilhelm VI., Landgrafvon Hessen-Kassel
645b, 658-660, 665, 667, 669, 671-673, 772
676, 681 f., 685, 720,723, 728, 761, 764, Wilhelm von Waldburg (Marschall und
769, 771, 799, 829 Reichsgraf) 104
Wallies, Joachim von (auch von Wahl, Wilmersdorf, Cuno von (brandenburgi-
kaiserlicher Feldherr) 493 scher Gesandter) 433-435, 448
Walmerode, Reinhard von (Hofkammer­ Wiltheim, Gaspard (Jesuitenpater) 483
rat) 366 b Winckel, Johann Georg aus dem (schwedi­
Waltz, Kenneth (Politikwissenschaftler) scher Obrist) 711
24 Witte, Hans de (Bankier Wallensteins)
Wambolt von Umstadt, Anselm Casimir, 290,452,539
Kurfürst und Erzbischofvon Mainz 435, Wolf, Anton (hessisch-darmstädtischer
444, Si8, 531, 56of., 678 Kanzler) 444
Wangier, Johann (kaiserlicher General) Wolff, Leonhard (kaiserlicher Soldat)
493 474 b, 478
Wartenberg, Franz Wilhelm Graf von, Wolfgang Wilhelm von Pfalz-Neuburg,
Fürstbischof von Osnabrück und Herzog von Jülich-Berg 105,110-113,
Regensburg 294, 297 115-118, 772 b
Wedgwood, Cicely Veronica (Histori­ Wrangel, Carl Gustav (schwedischer Feld­
kerin) 36,166,190,193 b, 295, 343, 449, marschall, später Admiral) 674,767
661 f.
Wehler, Hans-Ulrich (Historiker) 17, 31,35 Zamoyski, Jan (polnischer Großkanzler)
Weingartner, Johannes (kaiserlicher Hof­ 255
prediger) 621b Zeller, Christoph (Anführer des oberös­
Welser, Philippine (Frau Ferdinands II., terreichischen Bauernaufstands) 306 b
Erzherzog von Österreich) 103 Züniga, Don Balthasar de (spanischer
Werth, Jan von (bayerischer General) Diplomat) 72^106,127-129,235
606f., 631 f., 659, 720-722, 725, 728, 733b, Zwingli, Huldrych (protestantischer
764, 776, 780-783 Theologe) 66
DANK

Beim Schreiben dieses Buches stellte ich fest, dass ich mir - und damit
auch den Lesern - sehr viel mehr erklären musste, als ich anfangs dachte.
Dabei verdanke ich mancher im späten 19. Jahrhundert verfassten Publika­
tion mindestens ebenso viel wie den jüngeren Forschungen. Das hat nicht
zuletzt damit zu tun, dass die älteren historiographischen Arbeiten sich für
Aspekte des Geschehens interessiert haben, die in der neueren Forschung
keine Rolle mehr spielen. Letztere interessiert sich stärker für Strukturen
als für Abläufe und gibt deswegen dem Analytischen gegenüber dem Nar­
rativen den Vorzug. Da ich eine Verbindung von beidem, der erzählenden
Darstellung des Geschehens und dessen analytischer Durchdringung, im
Sinn hatte, war es unerlässlich, nicht nur die jüngere Forschungsliteratur,
sondern auch die ausführlichen Darstellungen der älteren Historiographie
einzubeziehen. Bei der Beschaffung dieses mehrere Bücherregale füllenden
Materials war mir Hana Rydza eine unentbehrliche Hilfe. Ohne ihr Enga­
gement und ihre Zuverlässigkeit wäre manches nicht möglich gewesen. Ihr
gilt mein herzlicher Dank.
Dieses Buch wäre nicht entstanden ohne die großzügige Förderung
durch die Carl Friedrich von Siemens Stiftung, deren Geschäftsführer
Prof. Dr. Heinrich Meier mir ein einjähriges Siemens-Fellowship in Mün­
chen angeboten hat. In der wunderbaren Umgebung der Schellingstraße
hatte ich die Chance, mich ganz auf die Niederschrift zu konzentrieren.
München, eines der politischen Steuerungszentren des Dreißigjährigen
Krieges, war der richtige Ort, ein Buch über diesen Krieg zu schreiben.
Wenn es mir an Motivation fehlte, bin ich ein paar hundert Meter zur Feld­
herrnhalle gegangen und habe mir den dort als Statue postierten Tilly
angesehen oder die daneben befindliche maximilianische Residenz, deren
Bau mit Kriegsbeginn abgeschlossen worden war und die Gustav Adolf, als
er München besetzt hatte, so gut gefiel, dass er sie am liebsten auf Räder
Dank 973

gestellt hätte, um sie nach Schweden zu schaffen. Manches aus München


würde ich - bei bescheideneren Wünschen - auch gerne mitnehmen, nicht
zuletzt die vorzüglichen Mittagessen in Jürgen Wolfsgrubers «Spärkling
Bistro» in den Amalienhöfen - um auch Brechts «Fragen eines lesenden
Arbeiters» zu beantworten. Vor allem aber trage ich die Dankbarkeit für
eine Situation ungestörten Nachdenkens und Schreibens mit nach Hause.
Ich danke Heinrich Meier ganz herzlich dafür, dass er mich als Fellow der
Carl Friedrich von Siemens Stiftung vorgeschlagen hat, und dem Stiftungs-
rat danke ich, dass er diesem Vorschlag gefolgt ist. Mein Dank gilt auch Frau
Carola Schütt von der Siemens Stiftung für die aufmerksame Sorge, mit der
sie das Jahr in München begleitet hat.
Danken möchte ich zudem der Humboldt-Universität in Berlin, seit
einem Vierteljahrhundert der Ort meiner akademischen Existenz, die
mich für ein Jahr von meinen akademischen Verpflichtungen entbunden
hat. Dr. Felix Wassermann hat mich in dieser Zeit vertreten; er hat das so
achtsam getan, dass mich die Berliner Fragen und Angelegenheiten wäh­
rend der Arbeit am Buch kaum erreichten. Dass in diesem Jahr die Dinge
am Lehrstuhl ihren geordneten Gang nahmen, verdanke ich in erster Linie
aber Karina Hoffmann, die in bewährter Umsicht dafür gesorgt hat, dass
ich mich in München nur um einen Bruchteil der eingehenden Mails und
Anrufe kümmern musste. Die Aufgaben von Organisation und Kommu­
nikation, die inzwischen wohl die Hälfte der Arbeitszeit eines deutschen
Hochschullehrers einnehmen, wurden so von mir ferngehalten. Ohne
Karina Hoffmann als Hüterin meiner Konzentration wäre das Buch nicht
entstanden. Ihr gilt mein herzlicher Dank, auch deshalb, weil sie meine
Manuskripte, die jeden Morgen in ihrem Faxgerät lagen, abgeschrieben
und die anschließenden Korrekturen eingearbeitet hat. «Manuskript» ist
in meinem Fall wörtlich zu nehmen: Ich habe den gesamten Text mit dem
Füllfederhalter geschrieben. Ohne Karina Hoffmann wäre dieser Luxus des
Schreibens nicht möglich gewesen.
Weiterhin möchte ich dem Rowohlt • Berlin Verlag danken: Einmal
mehr hat Gunnar Schmidt die Entstehung dieses Buches mit stets wachem
Interesse begleitet, mich immer wieder ermutigt und ermuntert. Das ist
alles andere als selbstverständlich. Für all das mein herzlicher Dank.
974 ANHANG

Vor allem aber gilt mein Dank meiner Frau Prof. Dr. Marina Münkler,
die mir im Werden des Buches, und zwar in allen seinen Phasen, eine auf­
merksame Gesprächspartnerin war, die den Text gelesen, kritisiert und ver­
bessert hat, und sich davon auch nicht durch ihre eigenen Verpflichtungen
und Belastungen hat abhalten lassen. Durch ihre sorgfältige Lektüre, den
kritischen Blick für Unschärfen wie unnötige Überspitzungen und nicht
zuletzt durch aufmunternden Zuspruch hat sie mir mehr geholfen, als ich
im Text durch Hinweise hätte kenntlich machen können. Ihr ist das Buch
gewidmet.
BILDNACHW EIS

akg-images: 1x3 (Erich Lessing), 151,159,177 rechts, 180/181,183,187, 211, 228


(Album/Prisma), 301, 306, 310, 322, 416, 470/ 477, 479, 489, 502/503, 544, 5-3, 583,
590/591,592 (Album / Prisma), 639 (Album / Oronoz), 642 (Stefan Diller), 6j5,
671, 677 (Liszt Collection), 691,754, 762, 785,791, 794, 797, 801
Aus Matthäus Merians «Theatrum Europaeum»: 221,388,558,768, 778
Bayerische Staatsbibliothek München: 713 (Einbl. \)8 a-49)
bpk: 175,355 (Staatliches Museum Schwerin/Elke Walford), 492 (Staatsbibliothek
zu Berlin), 523 (Kunstbibliothek, SMB / Dietmar Katz), 568/569
https://de.wikipedia.org/wiki/Dreißigjähriger_Krieg#/media/File:Wallenstein_
Hilfegesuch_an_Pappenheim_1632.jpg: 585
https://de.wikipedia.org/wiki/Lübecker_Frieden#/media/File:Titelblatt_
Luebecker_Frieden.jpg: 371
Kulturstiftung Sachsen-Anhalt: 195, 422, 637
picture alliance / akg-images: 99
ullstein bild: 49 (Photo 12), 73 (Heritage Images / The Print Collector), 95,147,169
(Heritage Images / Fine Art Images), 177 links (Archiv Gerstenberg), 177 Mitte
(United Archives / Carl Simon), 192 (Heritage Images / Fine Art Images), 207, 253,
266, 281, 341 (histopics), 351 (Liszt Collection), 425,447,506 (Archiv Gersten­
berg), 594,596 (imageBROKER/Heinz-Dieter Falkenstein), 598, 607, 622 (Gran-
ger, NYC), 630,647 (Imagno), 652/653, 698 (Liszt Collection), 700/701 (Liszt
Collection), 705 (Liszt Collection), 707 (Roger-Viollet), 711 (Archiv Gerstenberg),
718 (imageBROKER/ Heinz-Dieter Falkenstein), 721 (imagno), 730 (imageBRO­
K E R /bilwissedition.com), 732 (Liszt Collection), 752,792, 813

Das könnte Ihnen auch gefallen