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GRUNDLAGEN DES FREMDSPRACHENERWERBS

Aneignung einer fremden Sprache. Sprachlernvoraussetzungen

Das Nervensystem eines Menschen ist so beschaffen, dass mehrere Sprachen erlernt
werden können. Je früher eine fremde Sprache erworben wird, desto wahrscheinlicher ist es, dass
sich noch spezifische „Schaltungen“ (neuronale Vernetzungen) im Gehirn herausbilden. Je später
eine fremde Sprache erworben wird, desto stärker ist der Lerner auf bestehende Strukturen
angewiesen, in die die neue Sprache „integriert“ werden muss.
Für die Aneignung einer fremden Sprache ist neben den Entwicklungsprozessen im
Großhirn auch das Zwischenhirn (das sogenannte „limbische System“) von Bedeutung. Dieses
System ist für affektive und emotionale Prozesse verantwortlich. Diese Prozesse begünstigen
eine tiefere und dauerhaftere Speicherung. Daneben beeinflusst das limbische System aber auch
Motivation, Sprechflüssigkeit und Aufmerksamkeitsspanne eines Lerners. In welcher Weise das
limbische System an Sprachlernprozessen beteiligt ist, hängt vom Alter eines Lerners ab, von
seiner emotionalen Beteiligung, seiner Motivation und der allgemeinen Lernsituation.
Häufig ist es so, dass Schüler aufgerufen werden und sprechen, weil sie an der Reihe
sind oder weil es die Struktur eines vorgegebenen Dialogs verlangt, nicht aber, weil sie etwas
sagen wollen. Solchen Äußerungen fehlt oft eine „limbische Fundierung“.
Lerneralter

Viele Menschen sind der Meinung, dass mit zunehmendem Alter fremde Sprachen immer
schwerer erlernt werden. Manche glauben, dass nach der Pubertät eine fremde Sprache nicht
mehr richtig erlernt werden kann. Lehrer, die unterschiedliche Altersgruppen (z. B. Kinder und
Jugendliche) unterrichten müssen, sollten wissen, was man über altersspezifische Unterschiede
herausgefunden hat, damit sie diese bei ihrer Unterrichtsplanung und –durchführung angemessen
berücksichtigen können.
Kinder eignen sich fremde Sprachen oft „spielend“ (d.h. ohne formale Unterweisungen)
an. Insbesondere Aussprache und Intonation bereiten ihnen offenbar weniger Schwierigkeiten, so
dass sie schon nach kurzer Zeit kaum mehr von Erstsprachlern (bzw. Muttersprachlern)
unterscheidbar sind. Älteren Lernern fällt das bekanntlich schwerer.

Untersuchungen zu Auswirkungen des Lerneralters auf die Aneignung einer


fremden Sprache

Um die Beziehung zwischen dem Lerneralter und der Aneignung einer fremden Sprache
zu klären, wurden in den 60er und 70er Jahren eine Reihe von Untersuchungen durchgeführt.
Man hat z.B. in den USA die Aussprache von Einwanderern beurteilt und festgestellt, dass bei
Lernern, die als Kinder eingereist waren, nur selten ein fremder Akzent in der Aussprache hörbar
war, dass hingegen von Lernern, die als Jugendliche oder Erwachsene eingewandert waren, mehr
als die Hälfte einen „ausländischen“ Akzent aufwiesen.
Die Beherrschung von syntaktischen und morphologischen Phänomenen scheint sich
relativ unabhängig von phonologischen Fähigkeiten zu entwickeln. Kinder eignen sich
phonologische Aspekte leichter an als Erwachsene, haben dafür aber Schwierigkeiten mit
morphologischen und syntaktischen Aspekten. Ältere Lerner (d.h. Jugendliche und junge
Erwachsene) werden sich aufgrund ihrer kognitiven Möglichkeiten in der Regel stärker auf
morphologische und syntaktische Phänomene konzentrieren und dafür phonetische und
intonatorische Aspekte vernachlässigen.
Es ist bekannt, dass kleinere Kinder gerne imitieren. Sie imitieren nicht nur die
Aussprache, sondern zugleich Körperbewegungen, die Stimmführung, den Akzent etc.
Ältere Lerner haben sehr oft Ängste vor Korrekturen des Lehrers. Lehrer von älteren Lernern
sollten daher mit viel „Fingerspitzengefühl“ korrigieren. Es kann auch helfen, wenn man mit
älteren Lernern (nach Möglichkeit in ihrer Erstsprache) über Fehler, ihre Ursachen und
Funktionen spricht und ihnen bewußtmacht, dass Fehler notwendige Zwischenschritte sind auf
dem Weg zu einer fremdsprachlichen Kompetenz.

Zusammenfassung

Wer als Lehrer Kindern eine korrekte Aussprache beibringen will, wird auf interessierte
und gelehrige Schüler stoßen. Umgekehrt gilt: Wer ältere Lerner zu einer korrekten Aussprache
erziehen will, muß über viel Geduld und Sensibilität verfügen. Denn ältere Lerner werden -
aufgrund ihrer Identität – meist wenig Freude am „Nachäffen“ (bzw. einer genauen
Nachahmung) haben. Aussprachekorrekturen werden von ihnen z.B. oft als Angriff auf die
Persönlichkeit mißverstanden. Daher sollten Aussprachekorrekturen bei älteren Lernern
besonders vorsichtig durchgeführt werden. Regen Sie Lerner dazu an, sich gegenseitig zu
korrigieren. Das entlastet Sie als Lehrkraft und zwingt die Lerner zu genauem Hinhören.
Ältere Lerner wollen ihr kognitives Potential und bereits erworbene Fertigkeiten nutzen.
Dazu sollte man ihnen Gelegenheit geben.

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