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3955E
UC -NRLF

B 2 829 978
BERKELEY ለA
LIBRARY
UNIVERSITY OF
CALIFORNIA

Di
Voli

Port Valentin Heinrich


Litromica
1821
C.
toke Q
LIBRARY
UNIVERSITY OF
CALIFORNIA

wy
at

ueber die

Natur und Beſtimmung


des

mendlichen Geifte 8 .

Ein Verſuche
Bott

U. B. a y B ( er ,
Doktor und proferite der Philosophica

CI RE
GYMELNNASIAULM

Berlin , bei Dieterict.


Leipzig , in der Supprianſchen Buchhandlung.
18 04
LOAN STACK

Den Wertó einer Perle kann die Wahrheit , wenn file


am Tage hen leuchtet, vielleicht erlangen ; den Preis
eines Diamants oder Rarfunfels, der mit mancherlei
dicht ſpielet, wird ſie nie erreichen ; gemiſcht mit Lügen
gefällt ſie immer mehr , als wo fie rein erſcheinet,
Adrafte& VIII , 231.

Ph # 575
3955t

M einen

ehemaligen Zuhörern
auf

der Univerſität zu Breßlau.

950
1
P
!
1
Meine Freunde

>> Wir können Sie nic


vergeffen , ſo lange und Vernunft und Wahra
heit heilig ſind.' Dies waren Shre legten
Worte zu mir, als ein Verhångniß mich von
Shnen trennte. Nehmen Sie dafür von mir
die öffentliche Verſicherung an, daß ich mich
dieſes Shres Andenkens ſtets werth zu erhalten
fuchen werde, und laffen Sie ſelbe eine neue Bet
feſtigung Ihrer redlichen Geſinnung fern.
Wahrheit , bas Band der Geiſter, welches
der Tod nid )t Idfet, das Gepräge der Gottheit
in unſerm Geiſte Vernunft , der Strahl
bos emigen Lichts, der uns die Wahrheit ſehen
låßt, und in unſern Herzen ein göttliches Feuer
entzündet , das , alles Vergångliche verzehreng,
uns den Weg zur hdhern Beſtimmung dffnet, und
aus der Nacht des Todes , als ewiges Leben im
ungetrübten Licht emporſteigt geben dem
Menſchen den einzig dauernden Werth. Verlies
ren Sie dieſen Werth nie aus den Augen , und
laffen Sie das Gefühl deſſelben den Genius Ihreb
Lebens ſeyn ; er wird Sie mit Sicherheit über die
gefährlichen Stellen deffelben wegführen. Vor
Allem aber lernen Sie den tåuſchenden Schein
kennen , der uns nicht ſelten überredet, einer vor:
geblichen Wahrheit die Vernunft, oder einer vor
geblichen Vernunft die Wahrheit zu opfern. Die
Wahrheit , weldje nicht den gåttlichen Sinn in
uns wedt, uns nicht im Guten feſter and gewif
fer macht, iſt nicht acht , nicht Vernunftwahrs
heit : die Vernunft, welche das Licht der Wahr
beit fcheuet, iſt nicht die wahre Vernunft. Das
Licht der Wahrheit iſt beſcheiden , denn es iſt,
obgleich das höchſte reinſte Licht, doch überall
gleich verbreitet, ohne glänzende Parthien : die
Stärke der Vernunft iſt einfach, iſt Simplizitate
denn ſie iſt die Eine Handlungsweiſe.
Suchen Sie, mit ſolchen Grundſåken ausge
růſtet , die Wahrheit, und nehmen Sie noch die
Ueberzeugung dazu, die in allen meinen Vortrå
gen an Sie herrſchte, daß ſich die Wahrheit auch
in intauglichen Formen ausſpreche, wenn man
fie , und nicht den Schein fucht; handeln Sie mit
fo! cher Geſinnung, und verbinden Sie damit die
úeberzeugung, daß die Vernunft auch in verkehr
ten Richtungen zu ehren rey : ſo können Sie nur
irren , um die Wahrheit noch heller zu ſehen, nur
fehlen, um beſtimmter und fidherer “ zu handelt,
nur Unvernunft neben fidy ſehen , um Duldung
und Liebe zu beweiſen.
1 Wohl wünſchte ich, die Gabe, die ich Ih
nen hiemit als Wechſelandenken überreiche , liefie
Sie ſo ganz in meinem Geiſte leſen, wie mir die
Ihrige Ihre für mich vereinten Herzen zeigte.
Indeſſen erwarte ich von Ihnen , daß Sie den
Ihnen ſchon bekannten Geiſt auch da verſtehen
werden, wo er ſich nur ſehr mangelhaft ausſpricht.
Der fühlende Mann ſchöpft tiefer, und giebt wårs
mer , wenn er vor jugendlichen Seelen ſpricht,
die er liebt, und die ihn wieder lieben. Erhalten
Sie mir Ihre Liebe.
Der Verfaſſer,
IX

Por r e o e.

Die Philoſophie iſt als Wiſſenſchaft eit Kunſts


werk , das von der Einbildungskraft als Naa
turkraft, erzeugt , und nach ihren nothwendigen
Geſeken , als Naturgeſegen , ausgebildet wird .
Der Philoſoph iſt alſo , als ſolcher, wie der
Dichter , tranſzendentales Weſen , und unter
ſcheidet fich von dieſem nur dadurch , daß er
.die Idee, welche der Dichter in beſonderer
Forn , als real, darſtellt, in ihrer Allgemeinheit,
in identiſcher Form zeichnet. Wenn daher jener
bloß konſtruiret, ſo iſt die Konſtruktion des Phi:
х

loſophen zugleich Demonſtration , das heißt, der


Philoſoph muß in jeder beſondern Konſtruktion
das. Beſondere aufheben , die Dichtung
zerſtören , um das Allgemeine der Form , und in
ihm ihre Identität mit der Idee , die Wahr :
heit , zu geben.
So wie es eine Kritik deß åſthetiſchen Kunſt
werks giebt, ſo muß es auch eine Kritik des
philoſophiſchen geben ; beide aber haben nur die
Form des Kunſtwerks zum Gegenſtand.
Die åſthetiſche Kritik ſtellt die Gattungsfore
men der Idee , und ihre Gefeße auf. Dieß iſt
nicht das Geſchäft der philoſophiſchen ; denn
die Philoſophie hat nur Eine Form , es kann
alſo auch nur dieſe Eine Form der Gegenftand
der philoſophiſchen Kritik Feyn ; und da die Form
der Philoſophie durch den Wechſel der Konſtruks.
tion und Demonſtration zu Stande kommt : ſo
hat die Kritik die Natur dieſes Wedſels auf
zuſuchen.
Die Konſtruktion feßt ein Vermogen voraus,
XI

welches das Beſondere in das allgemeine, und


die Demonſtration ein Vermögen , welches das
Allgemeine in das Beſondere hineinbildet. Senes
nentien wir Einbildungskraft, dieſes Vernunft ;
beide aber find das Eine Anſchauungsverino
gen , oder die Spekulation. Das erſte Geſchäft
der philofophifchen Kritik wird alſo ſeyn , bag
Verhältniß der Einbildungskraft und Vernunft
zu einander , und zu der Spekulation überhaupt
aufzuſuchen.,
Da die Philoſophie , als allgemeine Form
der Idee des menſchlichen Geiſtes, alle be
ſondere Formen deſſelben umfaßt , und doch , als
Kunſtwerk des Geiſtes , felbft ein Beſonderes
:) iſt, feine Wurzel in der Natur des Geiſtes
hat: ſo entſteht daraus ein doppeltes Verhåltniß
- das Verhältniß des menſchlichen Geiſtes, als
eines Beſonderen , zu der Wiſſenſchaft als ſeiner
Allgemeinheit, und das Verhältniß der Wiffen
ſchaft, als Kunſtwerkeß, zur allgemeinen Natur
des Geiſtes. Ich frage: Was iſt der menſchliche

-
XII

Geiſt als Kunſtwerk , oder wie muß ich ihn in


Teiner Augemeinheit anſchauen ? aber ich fraa
ge aud ): Wie iſt das Kunſtwerk in der Natur
möglich , oder wie lebt das Kunſtvermogen,
die Anſchauung , in der Natur des Geiſtes ?
Iſt der menſchliche Geiſt bloßes Kunſtvermo
gen , und iſt die ganze Natur mit ihm nur zur
Kunſt beſtimmt ? oder iſt Kunſt nur die
Eine Richtung der Natur, ihr Hervorftres
ben zur Anſchauung , und iſt im menſchli
dhen Geiſte , neben der Anfd ;auung , auch noch
ein Leben da , das weder in Auſdauung bez
ſteht, noch aus ihr entſpringt, ſondern in fie
hineinwirkt, das die aus der Natur hervorges
gangene Kunſt in eine neue, höhere Natur umbil
det , aber eben dadurd, eine urſprünglich zweite
Nichtung der Natur offenbaret , in der ſich nicht
ein allgemeiner funftſchaffender , ſondern
ein allgemeiner Lebenſchaffender Geiſt an
findiget ?
Wenn alſo dic Philoſophie, als Kunſtwerk,

>
1
XIII

die Natur des menſchlichen Geiſtes und ſeine


Beſtimmung, als allgemeine Natur und allge:
:

meine Beſtimmung,ſyſteinatiſch darſtellt: ſo wird


dagegen eine natirliche Anſicht des menſch
lichen Geiſtes erfordert, um die Philoſophie als
Runſtwerk zu begreifen , und ihre Augemein
heir; als Kunſtwerk der Anſchauung , nicht:
init dem allgemeinen Leben der beſondern Wirk
lichkeit zu verwechſeln ; und wenn auch in dieſer
natürlichen Anſicht des menſchlichen Geiſtes
nichts vorkommen kann , was nicht in der Wife
fenſchaft ſeine beſtimmte Stelle hät : ſo iſt doch
dieſe immer die Kunſtanſicht, jene die natürliche
Anſicht des Geiſtes. Fragt man , welche von beis
den die wahre fey : foiſt die Antwort, daß ſie beide
gleich wahr ſind, daß es aber eine nathrliche und
eine Kunſtwahrheit giebt. Die natürliche Wahra
heit iſt für die Anfdauung bedingt durch
die Kunſtwahrheit , dieſe für das leben
durch die natürliche Wahrheit ; beide find alſo
nur die boppelte Offenbarung des Einen Waha
XIV

ren . Das für die Anſchauung verborgene Leben.


des Geiſten, wird durch die Kunſt zur Anſchauung
gebracht, aber der Geiſt muß leben, muß da ſeyn ,
um anſchauend zu ſeyn . Neben der wiſſen
ſchaftlichen Frage: Wie wird der Geiſt in
der Kunft angeſchauet ? behauptet fich folglich die
natürlich e : Wie lebt die Anſchauung im Geia
fte ? Die lebte Frage verweiſet auf Thatſachen
des menſchlichen Geiſtes, die zwar in der Wiſs
ſenſchaft für die Anſchauung begründet werden ,
aber auch ohne ſie im Leben des Geiſtes da ſind,
und nur auf ihr Daſeyn rechnen wir in der Bea
antwortung derſelben .
Gegenwärtige Schrift kann nur als ein ſchwas
cher Verſuch angeſehen werden, dieſe Frage in eia
ner unſerm philoſophiſchen Zeitalter angemeſſe
nen Form, neben der Wiſſenſchaft geltend zu mas
chen, und ihre Beantwortung durch hingeworfene
Ideen einzuleiten.
Wie entwidelt fich die allgemeine Natur zur
Anſchauung, oder wie wird die Natur, als Menſch
ideale Kraft ? Wie bildet ſich dieſe Kraft, als
Kunſtvermogen, zur Wiffenſchaft, zum Kunſtwerk
des Geiſtes ? Und wie beſteht neben der an :
ſchauenden , allgemeinen Vernunft, in der ſich die
allgemeine Natur alsKunſtwerk darſtellt, noch die
beſondere lebende Bernunft, und mit ihr die ganze
Natur, als Wirklichkeit, als Leben, als Daſeyn ?
In dieſen drei Fragen habe ich meinen Ges
genſtand, die natürliche Anſicht des menſchli
chen Geiſtes und ſeiner Beſtimmung , gefaft. Die
Neuheit dieſer Unterſuchung in unſern Tagen wird
Hoffentlich ihre Mängel entſchuldigen, wenn nur
nicht, was ich nicht fürchte, das Ganze mißlun
gen, wenn nur die Aufgabe' als reell, ihre Löſung
als möglich gezeigt, und der Weg dazu nicht
verfehlt iſt.
Mehr noch in Rückſicht der Form , als der
Sache, inuß ich um Nachſicht bitten , denn ſchon
jekt ſehe ich , daß ich der Sache ein größeres Ge
wicht durch die Form , und leichteren Eingang
Xří
håtte verſchaffen können , wenn mir eine wieders
holte Umarbeitung vergönnt geweſen wäre. Id
erwarte alſo von Kennern nur die Entſcheidung,
ob dieſer Naturſtoff des Geiſtes einer beſſern Bes
arbeitung werth. fés, und werde jeden Wink zu
dieſer, als eine géfådige Zugabe mit Dank and
nehmen.

Berlin ,
im März 1804

Der Verfaſſers
oooooooo

Die Philoſophie macht Anſprüche , die höchſte


Angelegenheit der Menſchheit zu ſeyn. Dies iſt
nicht ſo zu verſtehen , daß der Menſch nichts
Wichtigeres zu thun habe , als Philoſophie zu
ſtudiren ; ſondern , daß das dem Menſchen wichs
tigſte und Heiligſte der Gegenſtand der Philos
ſophie ſey. Di dieſe Schrift zunächſt für junge
Denker, die ſich der Philoſophie widmen wollen,
beſtimmt iſt, und dazu etwas beitragen ſoll, ihs
rem Geiſte, nicht allein eine beſtimmte , ſondern
die wahre Rid tung zu geben , und ihn auf die
Abwege aufmerkſam zu machen , die in der Eins
richtung der menſchlichen Natur ſelbſt ihren
Grund haben , da ſie nebenbei gern auch mans
1
1

chen andern unbefangenen Leſer , der nicht durch


moiſſenichaftliche Einſicht, ſondern durch die neuern
Ereigniſſe der Philoſophie , die ſie in einen res
volutionåren Zuſtand verſekt haben , zum Skeps
ticismus verleitet wurde , zum Glauben an die
Realitåt der Philoſophie dadurch zurückführen
indchte, daß ſie dieſe Ereigniſſe aus einem hds
hern Standpunkte ſehen låft, wo ſie nicht mehr
ein das Gemüth niederſchlagendes , ſondern es
vielmehr erhebendes Anſehen haben : ſo kann,
dieſem doppelten Zwecke gemás, hier nicht eine
wiſſenſchaftliche Aufſtellung des Begriffs , ron ,
dern nur eine Kunde der Philoſophie erwartet
werden, die zwar nur der Philoſoph geben , aber
jeder andere, ohne ſelbſt Philoſophy, verſteht ſich ,
ein wiſſenſchaftlicher, zu ſeyn , verſtehen kann.
Vorausgeſekt, daß die Philoſophie ſich mit
dem Höchſten des Menſchen beſchäftigt, ſo kann
man von ihr nur durch dieſes Kunde erhalten,
dieſes aber nur dann als das Hochſte des Mens
Ichen kennen lernen , wenn man auch alles Nies
dere des Menſchen , ihn in ſeinem ganzen Ums
fange über ſiebt.
Das Ganze zerfalt alſo in drei Abtheiluns
gen , deren erſte den Menſchen als ſubjektives
Weſen , das, im Gegenſake einer objektiven Wes

11
3

ſenheit , als ſein niederes anzuſehen iſt , aufs


ſtellt. In der zweiten wird die objektive Werens
beit aufgeſucht, und gezeigt, daß das dem Mens
ſchen natürliche Streben nach Wahrheit nichts
anderes rey , als das Streben nach dieſer Obs
jektivitat, daß fie aber nicht von dem Menſchen
erzeugt werde , ſondern der ganzen Welt als
Weſen zum Grunde liege , und daß fie der
Menſch nur durch Hingebung ſeiner Subjektivis
tåt fich aneignen fdnne. In der dritten wird
das Weſen der Vernunft in ihrem ganzen Ums
fange unterſucht, und gezeigt , daß die Aneigs
nung der objektiven Weſenheit zwar durch Vers
nunfterkenntniß , als ihre Möglichkeit , bedingt
rey, daß ſie aber nur durch das Vernunftleben
realifirt werde ; endlich , daß das Vernunftleben
nur durch unmittelbare Offenbarung der ewigen
Vernunft , oder durch eine Schöpfung , begreifs
lich ſey, welche. Schåpfung eine allgemeine Ges
ſchichte der Vernunft begründet, welde allein
die höchſte Aufgabe der Vernunft låſet.
4

I. 1

Der Menſch.
Wie die Blume aus dem zufällig vom Wins
de geſtreuten Saamenkorn hervorkeimt , ſo geht
der einzelne Menſch , ſeiner Zeugung unbewußt,
aus dem Schooße der Natur hervor ; aber eins
mal da, verherrlicht er die Gattung, Beren Bild
er trågt , offenbart er die Natur , deren Geiſt
ihn belebt. Als Pflanze und Thier lebt er in
der Natur ; ſie als ſeine Mutter nicht kennend ,
iſt er ein Zweig des großen Baumes, und fångt
ſchon in ſeinem Entſtehen an, wieder zu ſchwins
den , um neuen Erzeugniſſen Plaß zu machen.
Aber er wiro Mend) , der Allgeiſt der Natur
erwacht in ihm , die Natur unterwirft fich ihm ,
huldigend in ſeiner Geſtalt ihrem eigenen Gela
ſte, und er waltet als Herr der Natur ; möge
: , ſie das hinſinkende Thier , als ihren organiſchen
Theil zurückfodern , um ſich in neuen Darſtel:
lungen zu verjüngen vor ihrem Geiſte , der
im Menſchen hervortritt, geheri alle dieſe Verán :
derungen, wie wechſelnde Schatten vorüber, und
einmal erwacht, finkt er nie in Schlaf zurück.
In allen ihren, in ſtufenweiſer Organiſa:
5
tion fich erhöhenden Produkten , zeigt die Nas
tur ihr Emporſtreben zum Geiſte , zum Sedans
ken , zum reinen , von den Feffeln der Materie
befreiten Bilde , um ſo dem ewigen Weſen fich
wieder zu geben , in dem ſie als Urbild ewig
wohnet ; aber nur in ihrer vollendetſten Organi:
ſation , nur im Menſchen erreicht fie ihr Ziel,
nur im Menſchen offenbart fie als Bild ihr Urs
bild, und mit ihm zugleich das ewige Beſen :
welche Wunder ſtellt ſie dar in dieſer Offenbas
rung ? welche Geheimniſſe enthüllt ſie ?
Nicht iſt es des Menſchen ſchönes Loos , in
dem Geiſte, den die Natur in ihm frei machte
von der Hülle , die ihn. in der Pflanze , im
Chiere noch gefeſſelt hält , die ganze Natur als
ſeinen organiſchen Leib zu ſehen ; nicht erſcheinet
die Menſchheit felbft als Geiſt der Natur : ſon:
dern als Einzelweſen trägt der Menſch nur das
Bild der Menſchheit , und indem er ſich in dies
ſem Bilde als Herrn der Natur erkennt, fühlt
er fich als Einzelweſen , als wohnend in der
thieriſchen Hülle, der Natur unterworfen , als
einen unendlich kleinen Theil des Ganzen, einen
Augenblick der endloſen Zeitreihe. Dieſer Wis
derſpruch, welcher das Innerſte des menſdlichen
Werens durchſchneidet , iſt jedoch der frucht:
6
ſchwangere Boden , aus dem Teine ihm eigens
thümliche Würde hervorſprießt : das mühvolle
Emporklimmen aus dem gefühlten Nichts zu
dem erkannten 21 , das innige Gefühl der ſchds
nen, vertrauten, kindlichen Abhängigkeit von dem
allebenden , alwaltenden Geiſte, der frohe Rück :
blick auf das Errungene , und der hoffnungsvolle ,
dunkle Hinblick auf das noch zu Erringende
dies allein giebt dem Menſchen Teine Würde, vers
herrlicht , befeligt ihn , und dies ſind die Früchte
des in Zwieſpalt getheilten Saamenkorns .
; Iſt dieſes Werk der menſchlichen Natur
dem Zufall preis gegeben ? oder befolgt die Nas
tur in der Enthüllung ihres Geiſtes eben ſo eis
ne nothwendige Stufenfolge , wie in der Dars
ſtellung ihres Leibes als Organiſation ?
Im Geifte iſt nidts , vielmeniger ſeine eigene
Darſtellung, zufällig, aber das Geheimniß liegt
darin, daß die Natur ihren Geiſt nur in Einzels
weſen offenbaren kann , indem ſie ſelbſt nur in
Gott als Ein Ganzes, als ewiges Weſen ruhet,
und um das Einzelne wieder in das Ganze zus
růckzubilden , um ſich mit Freiheit , als Geiſt,
dem ewigen Weſen wieder zu geben , aus dem
fie herausgeſeßt , in den unendlidhen Kreis der
Vereinzelung in Raum und Zeit fiel , daju
1
7

bringt ſie den Menſchen hervor ; er vollendet


ihr Werf, ev führt die Natur zur Einheit zus
rück, aus der fie hervorgegangen iſt , er heiligt
fie, er ſtellt ſie als Offenbarung des eivigen Wes
ſens, als ein gåttliches Gepräge dar.
Dies kann jedoch der Menſch nur, wenn er ſeis
nen Geiſt, ſeine ſtillen Deutungen als Naturgeiſtes
verſteht, und auf dem Wege der Natur ſeinem und
ihrem Ziele entgegengeht; aber losgeriſſen von
der Natur , irrt er in den dden Gegenden des
Nichts und in dem finſtern Schattenreiche der
Täuſchung umber , das Licht der Natur wird
ihm fremd, und das ganze Leben ein gaukelnder
Traum, er lebt als Einzelwefen für die Gattung,
aber dieſe, und mit ihr die Natur, lebte nicht in
ihm, rein Leben war nur ein vergeblicher Vers
ſuch der Natur , fich in dieſem Einzelweſen als
Geift, als Menſchheit zu offenbaren . So ſtirbt
das Saamenkorn im unfruchtbaren Boden , ſo
der zarte Keim vom rauben Nordwinde entfråf:
tet , bin , ohne zur Pflanze zu gedeihen , ohne
die. Gattung zu verberrlichen . Doch , die Pflanze
tft nur eine untergeordnete Stufe der Hervors
bildung der Natur zum Geiſte ; aber wie kann
der Menſch , in dem der Geiſt ſelbſt hervortritt,
ſein Ziel verfehlen ?
Vom Geiſte kann man nur in Bildern ſpres
chen , und da hier das Bild des Menſchen , wie
ihn die Natur giebt , aufgeſtellt werden ſoll , ſo
iſt jede Farbe gut gewählt, die eine Parthie des
Bildes, eine allgemeine Thatſache der menſchlis
chen Natur aufhellet. Man denke ſich alſo die
Offenbarung des ewigen Weſens als einen Kreis,
der von einem Punkte aus , und in denſelben
zurückgeht. Der Kulminationspuvet des Kret:
ſes, in dem der urſprüngliche ewige Punkt wir
derſtrahlt, iſt zugleich der Wendepunkt des Kreis
ſes, der von hieraus zurückkehrt, wie er bis zu
jenem Punkte hin herausging. Auf dieſem
Punkre ſteht der Menſch als Haupt der Natur,
als Element des Geiſtes , als Abbild Gottes ;
die Natur ſchließt in ihm ihr Werk als hervor:
bringende Mutter, und unterwirft ſich ihm, um
fie , als Geiſt , zu ihrer Quelle zurückzuführen.
Dieſe Wendung der Schöpfung , dieſer Wechſel
der Herrſchaft der Natur und des Geiſtes , tft.
nicht denkbar , ohne einen abſolut negativen
Punft, auf dem weder die Natur, noch der Geiſt
herrſcht, ſondern welcher der Standpunkt des
Wechſels der Herrſchaft iſt. Es kann hier nicht
gefragt werden , wie ein ſolcher Punkt möglich
ſey, denn die Frage nach der Möglichkeit fält
9

nicht in die Sphåre der wirklichen Welt , und


nur von dieſer iſt hier die Rede ; aber die Wirks
lichkeit dieſes negativen Punktes muß fich als
Thatſache bewähren , und es iſt die ſprechendſte
Chatſache der ganzen menſchlichen Natur, in der
ſich dieſer Punkt darſtellt.
Der alte , nie beigelegte Streit über die
menſchliche Freiheit , iſt jedem meiner Leſer be:
kannt , und wer , ſelbft partheilos , die Grunde
der Partheien , der Determiniſten und Indiffe:
rentiſten unterſucht hat , der wird gefunden ha:
ben, daß beide in ihren Gründen Recht haben,
ohne jedoch dem daraus gezogenen Schluſſe beto
pflichten zu können. Ein neuerer Philoſoph er:
flårt dieſes Rathſel für eine nothwendige Anti
nomie der Vernunft, die daher entſteht, daß der
Menſch bald ſich in die Natur als Einzelweſen ,
wo er keine Freiheit hat, bald die Natur in fich
als Vernunftweſen verſekt, wo er Freiheit hat,
das heißt , er ſtellt die Wechſelherrſchaft der
Natur und des Geiſtes als den Grund auf, daß
der Menſch im Leben eben ſo als frei, denn als
nicht frei erſcheine, und meint das Problem das
durch zu 18ſen , daß er beides , die Freiheit und
Nichtfreiheit für eine nothwendige Tåuſchung
erklärt, und die wahre Freiheit dem Menſdhen
10

nur als Poftulat, und inſofern bloß als Aufs


gabe gegeben ſeyn låßt, die er nur durch fittlich
gutes Handeln 18ſen kann . Ein ſpåterer Philos
ſoph durchbrach dieſe Antinomie, fudite ihren
Grund auf , und fand, daß die Herrſchaft det
Natur, ſo wie die des Geiſtes , an fidy in ihrer
eignen Geſtalt, das ich , und als ſolches die
abſolute Freiheit ſer , aus welcher ſich erſt der
. Gegenſaß der Nothwendigkeit , als Natur ; als
Nicht: 3ch, und der Freiheit, als Geift, als ich
im Gegenſaß gegen das nicht. Ich , beider, als
gegenſeitig, und durch das abſolute Ich bedings
ter hervorgehe ; und während, dieſer Darſtellung
entgegen, andere Philoſophen, das jener Antino:
mie, und ſo der ganzen Schöpfung zum Gruns .
de liegende Abſolute, als den Einen , die Natur
und den Geiſt durchgreifenden nothwendigen Xft
geltend zu machen bemüht ſind , wird in der
neueſten Philoſophie alles mittelbare und unmits
telbare Anſchließen der Erſcheinungswelt an das
Abfolute, alle Erklärung und Deduktion der
Welt als eines Bedingten aus einem Unbedings
ten verworfen , und in der urſprünglichen realen
Einheit des Geiſtes und der Natur das,wahre
Eine Weſen beider gezeigt , womit denn zugleich
der Streit über Freiheit und Nichtfreiheit abges

1
II

ſchnitten iſt, indem ſo nicht mehr gefragt werden


fann , ob der Menſch frei oder nicht frei , fons
dern nur inwiefern er wahres , und inwiefern
nicht wahres Weſen ſey.
Ich übergebe die transzendentalen Beſtims
mungen der Freiheit, die überhaupt nur auf
eine verkannte Vernunft hindeuten , deren Anz'
chauung fich das Wabre mit abſoluter und ewi:
ger Nothwendigkeit darſtellt, ſo daß hier weder
von einer Handlung im eigentlichen Sinne als
Produktion einer Realität, geſchweige von Frei:
heit die Rede ſeyn kann, und bemerke nur, daß
der Standpunkt der Determiniſten und Indiffe:
rentiſten , oder der dogmatiſche für die gegens
wårrige Betrachtung auch der unſere iſt.
Daß die Determiniſten den oben aufgeſtellten
Kulminationspunkt der Natur, und Wendepunkt
der Schlpfung im Menſchen ganz überſehen ,
daß ſie den Menſchen mit der übrigen Marie
der Natur ganz zuſammenſchmelzen , aus wels
cher er, gleich der Pflanze und dem Thier,
wie die Statue aus dem Marmorblock hervor:
getrieben wird, daß fie mit dieſer, nur von der
einen Seite, und zwar der reellen, aufgefaßten
Anſicht der Natur, und ihrer in ſteten ; ineinan:
dergreifenden Wirbeln fortgehenden und finmer
12

als dieſelbe wiederkehrenden Bildung, wenn ſie


konſequent ſeyn wollen , nicht allein die Freiheit ,
ſondern ſelbſt die geiſtige Matur des Menſchen ,
läugnen müſſen : dieß leuchtet jedem ein , der
1
ihre Gründe kennt, oder der auch nur weiß ,
daß dieſe Anſicht gewdhnlich nur das Reſultat
biſtoriſcher, von acht philoſophiſchem Geiſte nicht
geleiteter Studien iſt * ).
Man darf den Determiniſten nur fragen ,
wie denn wohl die erſte menſchliche Handlung
möglich war, oder was es iſt, das die menſch:
liche Handlung von der thieriſden, vom bloßen
1
Inſtinkt unterſcheidet, und ſie zur menſchliden 1

* ) Man fele Å. B. einen ganz neuen Auffaz über dieren


Gegenſtand in der Eunomia Uuguft 1803. von Becker, wo
jidod nidst rowohi Gründe als vielmehr nur ſpielende
Veiſjele aufgeſtellt werden, wað gewöhnlich zu geſchehen
pflegt. Denn daß jede Handlung aus einer Vieigung
erflütet werden kann, berocißt doch nicht, daß der
Menſch nid)t frei ift. Nicht ob die äußere Handlung
frei rex , fragt man, denn wer kann wohl fragen, ob
der reife Apfel mit Freiheit vom Baume fältt, rondern
ob der Menſch frei handle. Aber die Handlung des
Meniden als Meniden iſt relbſt die Neigung, von dies
fer kann alſo nur gefragt werden , ob fie frei ift; und
da dürfte es nicht ſchwer ferui sut beweiſen, daß fich
die Neigung eben durch den Beitritt der Freiheit
rom phyfifdhen blinden Triebe unterrdheide. Hat Ritter
Bayard deswegen weniger frei gehandeft, weit ſeine
Tugend unter dem Schild der Ritterehra -Focht ?

1
1
13
macht ; und wenn er gendthigt iſt, auf irgend
einem Punkte die Freiheit einzuräumen , ſo ift
es vergebliche Mühe; die Reihe der Sjandlun's
gen aus der Natur zu erklären , denn giebt es
eine Freiheit, ſo iſt ſie auch immer und überall
da , und der Determinift kann zwar beweiſen ,
daß jede Handlung in der Natur vorgehe, aber
nicht, daß fie aus der Natur , als threm Prints
zip , hervorgehe.
Doch der Determinismus kann auch als
Skepticismus angeſehen werden , und ſo ſteht er
unüberwindlich gegen den dogmatiſchen Indiffe:
Gentismus; der Gutes und Böſes objektiv , und
zwiſchen beiden eine abſolut frete Wahl arts
nimmt. Im Sinne des Indifferentismus iſt
die Freiheit etwas Poſitives , und wenn der Des
terminiſt nur beweiſen will , daß die Freiheit
nichts poſitives, kein wirkliches Handeln rey , ro
hat er volles Recht. Poſitive Freiheit iſt nicht
menſchliche Freiheit, Tondern Befreiung, die von
Oben kommt, der gåttliche Strahl, der den Mens
fdjen aus der Sphåre der Wirklichkeit, aus dem
Kreiſe der Natur und der Vorſtellungen heraus:
hebt , ihn unmittelbar ari das Kabre und an
Gott anſchließt , ſo daß er mit göttlicher Kraft
nicht diefe oder jene einzelne Handlung beſtimmt,
14
ſondern die ganze Sphäre der Wirklichkeit , die
reale und ideale Natur, aus der Erſcheinnng, die
das Einzelne an das Einzelne durch Nothwens
digkeit feſſelt, herausreißt , ſo ſich ſelbſt eben ſo
von dem ſcheinbar Guten , als ſcheinbar Bdſen ,
das nicht er, in der Welt ſtebend , ſondern das
ihn , je nachdem Verfaſſung, Erziehung und Ums
ſtånde es fügen , ergreift, frei fühlt , und nur
darin ſeine Tugend, die einzige, die ohne Egoiss
mus denkbar iſt, findet, daß er ſich und die Nas
tur Gott zum Opfer bringt. Die poſitive Freis
heit iſt, um es mit einem Worte zu ſagen, Res
ligion , und dieſe keine natürliche, ſondern eine ges
geoffenbarte, deren Begriff ich aber weiter, als
es noch gewöhnlich iſt, auszudehnen bitte , ohne
fie mit der ſogenannten natürlichen Religion zu
vermiſchen. ' Religion iſt dic Folge der Erſcheis
nung der Gottheit im Anfange der Geſchichte,
und obgleich dieſe Erſcheinung unter den Juden
durch beſondere fügungen und Symbolen unters
.

balten wurde , bis der von ſeinen Kindern vers


geſſene Menſchenvater , unter den Söhnen als
Sohn , unter den einzelnen Menſchen erſchien ,
um von ihm den Geiſt ausgehen zu laſſen , der
alle Menſchen , zu dem Einen , nicht mehr
1 erſcheinenden , ſondern unſichtbaren Gott in
15
der Bahrheit zurückzuführen : fo find doch untec
allen Vsikern die Spuren jener" erſten ,Erſcheis
nung, ſelbſt in der ausgearteten, Religion , in
der Mythologie ; unverkennbar. Wenn dieſe
Anſicht der Religion auf das eben aufgeſtellte
Bild der Offenbarung des ewigen Weſens übers
getragen wird, ſo erſcheint ſie als der Durch
meſſer, welcher den Kulminationspunft des Kreis
ſes der Offenbarung unmittelbar mit dem Punkte
verbindet, von dem dieſer Kreis ausgebet, und
der nur durch dieſen Durchmeſſer , durch die
hiſtoriſdié Offenbarung, als der Urpunkt des
Kreiſes erkannt wird.
Der Determiniſt kann dagegen ſagen, daß
dieſe Befreiung von Oben wiltürlich angenoms
men werde, und eine bloße Tåuſchung ſeiy, daß
die Religion als ein bloß Subjektives in die
Reihe der Natur und der Vorſtellungen falle ;
aber dann fann er auch nicht wahrhaft an
Gott, an fein Wahres glauben, das ſich
ihm nicht unter dem Schema von Urſache ind
Wirkung darſtellt, welchen Glauben ihm auch
Niemand aufdringen kann, eben deswegen, weil
poſitive Freiheit, Religion und Wahrheit nicht
etwas dem Menſen Natürliches tft, ſondern
nur durch Opferung des Natürlichen , im Sinne
16

des Determiniſteit, errungen werden kann, und


der Determiniſt beweiſet reine negative Freiheit
durch die That, wenn er dieſen Glauben nicht
annimmt ; in dieſem Falle wäre es aber eben ſo
thåricht, mit ihm über einen Gegenſtand zu
ſtreiten, der ſeiner Natur, wenigſtens durch Kunſt
fremd geworden iſt, als es thdricht wäre, ges
gen einen Chineſer den Vorzug europäiſcher
Verfaſſungen hartnäckig zu behaupten. Doch
kehren wir zu dem Punkte zurück, von dem wir
abgewichen ſind.
Das, was zwiſchen dem Determinismus und
Indifferentismus in der Mitte liegt, und der Deters
miniſt ſowohl, als der Indifferentiſt überſieht, der
Leßte, indem er eine poſitive Freiheit behauptet,
der Erſte, indem er gegen dieſe nicht nur, ſons
dern gegen die Fretheit überhaupt ſtreitet ; das,
was in unſerem Gefühle gegen den Determiniſten
und für den Indifferentiſten ſpricht, während der
Verſtand jenem betpflichten muß . - iſt der negas
tive Punkt, von dem oben die Rede war, der
Wendepunkt der offenbarung des ewigen Weſens.
Jest wollen wir die große Thatſache der
menſchlichen Natur vorzeigen, in welcher dies
ſer Punkt, den wir bisher nur erſt bildlich
darſtellten , ſich beurkundet ; ſpäter werden wir
Tehen,
17
fehen , daß eben dieſer Punkt unsi das Reich
der Wahrheit dffnet, und für Religion empfängs
lich macht, daß er der Hebel der Philoſophie,
und der jedesmalige Enopunkt , das iſt , der
ſubjektive Beziehungspunkt der Geſchichte iſt,
daß er , mit einem Worte , die Rezeptivitåt der
Vernunft, als reiner Objektivitåt. ijt. Er fångt
das wirkliche, individuelle Leben an, er erbebt
den einzelnen Menſchen zur Gattung, er ſtellt
in der Gattung die ganze Natur dar, er 8ffnet
die Pforten der Vernunftwelt, er nimmt die
geoffenbarte, Gottheit auf, er iſt der Spiegel,
in den die Farben der zeitigen , und das Licht
der ewigen Vernunftwelt fålt, der ſelbſt den
Strahl des göttlichen Lebens aus der Geſchichte
auffaßt, und in ei . m individuellen göttlichen Les
ben zurüdwirft er tît das 3dh.

Das ich iſt in unſern Tagen mit ſo gros


teskem Ernſt und ſo unwürdigem Scherz behans
delt worden, daß die Bitte wohl nicht überfta mig
tft, alle die Nebenbegriffe, welche diele Erſchets
nung der Zeit herbeigeführt hat , zu beſeitigen ,
und das ich voraus im ſchlichten Menſchenſinne
zu nehmen, um die folgenden Beſtimmungen,
die uns von dieſem Sinne nicht entfernen , ops
2
18

gleid ihn hie und da berichtigen ſollen , ridtig


aufzufaſſen .
Noch iſt zu erinnern , daß hier nichts des
monſtrirt werden ſoll, denn die Demonſtration
gehört für die Wiſfenſchaft, für welche weder
unſer Standpunkt, noch unſer Zweck geeignet
iſt ; wir erzählen bloß, was der Menſch iſt,
halten uns folglich an Thatſadjen , und find nur
bemüht, ſie in ihrer natürlichen Geſtalt , und in
ihrem wahren Sinne aufzuſtellen.
Die erſte Beſtimmung des Ichs iſt Thon
voraus gegeben, es iſt nehmlich der negative
Punkt des Uebergangs der realen Natur in die
ideale , der ſichtbaren , der Natur im engern
Sinne, auf die unſichtbare im engern Sinne,
das Bevußtſeyn.
In unzå hlbaren Thatſachen des menſchlichen
Lebens offenbaret ſich dieſer negative Punkt, és
iſt aber n8thig, hier auf die allgemeinſten auf:
merkſam zu machen , um ihn in dem Charakter
des Ichs zu zeigen.
In mo ! Ruſtånden des menſchlichen Lebens
tritt er uit har als Erſcheinung hervor,
wo der Menſch aus dem Stande der Thierheit
fich zum Bewußtſeyn erhebt, wo ein &ußerer Ges
genſtand in uns zur Vorſtellung kommt, und we
19

eine Vorſtellung zur Zweckvorſtellung wird , in


Handlung übergeht.
Zuerſt iſt es gewiß , daß ein und daffelbe
individuelle Beſen , das juvor im bloß thieris
ſchen Zuſtande lebte , jest in den bewußten eins
tritt. Von der Wurzel geldſet, durch die es
als Pflanze von ſeiner Mutter Nahrung erhielt,
ſchmiegt ſich das Kind bald wieder an die Bruſt
der Mutter, ' um alo Thier ſeine Nahrung zu
ſuchen ; nur für die thieriſche Erhaltung be:vegen
ſich die Organe, nur für die Natur ſind ſie da.
Der Menſch iſt aber ſprachfähig, und mit der
Entwickelung dieſer Fähigkeit offnet ſich in ihm
ſelbſt eine neue Welt, in der er zwar noch nichts
zu unterſcheiden vermag , die ſich aber ſchon
der åußern entgegenſtellt ( Eigenſinn des Kins
des ) ; es bildet ſich der innere Sinn , unter
welchen nicht innere, förperliche Empfindungen ,
z. B. des Hungers , Durites 1. ſ. f. 318 vere
ftehen ſind , denn dieſe gebêren zum auferit
Sinne, in den thieriſchen Zustand. Der innere
Sinn iſt Empfänglichkeit für Vorſtellungen , und
Beſtimmbarleit durch ſie, es entiteht in dem Rina
de , wenn es zum Menſchen , zum Belvustſeyi
reift , eine geiſtige Leere, oder leere Geiſtigkeit,
Dies iſt nun wohl ein bildlicher Ausbruck ohne
20

Realitat , es ſoll aber auch damit nur die Loss


Isſung von der Thierheit, und die Wendung
bezeichnet werden, welche die Natur in dem Mens
ſchen , oder dem Thiere, wenn es Menſch wird,
macht. Es entſteht eine Entgegenſeßung, und
dieſer Aft, nicht des Menſchen , denn er iſt es
noch nicht, ſondern der Natur im Thiere, das
fie zum Menſchen bildet, iſt das fd, noch nicht
ein für den Menſchen Poſitives, denn er iſt noch
nichts als ſolcher, ſondern für ihn bloße Ems
!
pfänglichkeit, Beſtimmbarkeit , das Zurückgehen
der realen Naturwirkung, und die Möglichkeit
menſchlicher Wirkſamkeit, eine Wendung der Nas
tur, durch welche ſie aufhört, real zu ſeyn , und
anfångt, ideal zu werden . Mit Recht nennen
wir alſo dieſen Uebergang der Natur einen nes
gativen Punkt , da ſie auf ihm weder als real
noch als ideal thatig iſt, und das, was wir das
urſprüngliche Ich nennen , dokumentirt dteſen nes
gativen Punkt. Oder wollen wir das Ich lies
ber eine geiſtige Kraft nennen ? Was ſoll dieſer
Husdruck ſagen ? Der Begriff Kraft , liegt in
dem Gattungsbegriffe der Matur, und in dieſem
weiten Sinne , in dem wohl der Philoſoph für
ſeine Demonſtration das Ich nehmen mag , ift
auch der Grashalm ein Ich , denn auch in ihm
21

liegt eine geiſtige Kraft ; der allgemeine Mens


ſchenſinn unterſcheidet aber durch das Ich den
Menſchen von allen andern Naturprodukten,
und verſteht darunter dasjenige , was allem
wirklichen Bewußtſeyn zum Grunde liegt. Oder
ſoll das sich bloß der abgekürzte Ausdruck , das
Abſtraktum unſers jedesmaligen ganzen Zuſtans
des, und der Summe unſerer vorausgegangenen
Zuſtände reyn ? Es iſt nicht zu läugnen , daß wir
dieſes Wort gewöhnlich ſo brauchen ; aber das ijt
ja bloß eine Anwendung des Ichs , und ich frage :
wie kann ich denn mein ganzes bisheriges und
mein gegenwärtiges Daſeyn mit Ich bezeichnen ?
wie entſtehen die Zuſtånde , die in meinem Be:
wußtſeyn da find, ſo daß ich ſie mein Ich nens
nen kann ? wie kann ich von dieſen Zuſtanden
ſelbſt abſtrahiren , mich aus ihnen herausſeßen ,
fie als meine Zuſtände , als Modifikationen
meines gde denken ? Wir kommen alſo immer
auf die eigene negative Natur des Ichs zurück,
die oben beſtimmt worden iſt.
Wie &ußere Gegenſtände , und Dazu gehören
auch unſere innern Empfindungen , denn ob das
Organ ein außeres oder ein inneres iſt, das iſt
in dieſer Betrachtung gleichgültig,, in uns zu
Vorſtellungen werden, dieſe Frage hat von jeher
22

die Philoſophen beſchäftiget, und ſie dürfte wohl


nur unter Vorausſegung der urſprünglichen
Identität der realen und idealen Natur , welche
aus einer Adhern Anſicht der Welt demonſtrirt
wird, ohne Widerſpruch beantwortet werden kans
nen. Doch dieſe Anſicht gehört nicht bieber,
wir nehmen hier die Vorſtellung des Gegenſtans.
des als Thatſache, und wollen nur zeigen , wels
che faktiſche Rolle das fch in dieſer Erſchets
nung ſpiele. Auch die phyſiologiſchen Fragen ,
wie der Gegenſtand dusch das Licht in die Aus
gen falle , wie der Schall durch die Luft ins
Dhr fomme , wie dieſe Eindrücke bis zum Ges
hirn fortgeleitet werden , u. f. f. - dieſe Fras
gen , welche nur aus der 'vollſtändigen Einſicht
in den Organismus der ganzen Natur ohne
willkührliche und lächerliche Hypotheſen beants
wortlich ſind , darf nicht einmal der Philoſoph
beachten , der nur die Vorſtellung erklären will,
und ſie gehören eben ſo wenig hteber Das Auge
fieht , weil es Auge iſt, das Ohr hört , weil es
Ohr iſt , das Blut erzeugt innere Empfinduns
gen , weil es in Benvegung iſt , und ohne dieſe
Bewegung nicht Blut ſeyn würde u. r. f. Wir
faffen dies alles, ohne Rückſicht auf ſeinen Mes
danismus , unter den Begriff der realen Natur
23 .
zuſammen, als das , was der Philoſoph in Bes
zichung auf die Vorſtellung die Empfindung
nennt , ſo wie das , was thr im Bewußtſeyn
entſpricht, unter den Begriff der idealen Natur,
und fragen nur : wie geht die Empfindung in
Vorſtellung , oder die reale Natur in ideale
über ?
Es iſt gewiß , daß wir die Vorſtellung des
Gegenſtandes von ihm ſelbſt unterſcheiden . Wir
wiſſen , daß der Gegenftand nicht bloße Vorſtels
lung, und daß unſere Vorſtellung nicht ſelbſt der
Gegenſtand iſt, und wenn auch die Empfindung
ſo einfach tít, daß die Vorſtellung ihr gang
und durchaus entſprechend werden kann , ſo uns
terſcheiden wir ſie doch von einander , und da
überhaupt die Empfindung , als ſolche , keine
Merkmale hat , ſo iſt dieſe Unterſcheidung eis
gentlich nur Entgegenſepung. Es mogen nun
die Entgegengeſekten aus der Entgegenſebung
ſelbſt hervorgehen, oder beide gegeben ſeyn , oder
das Hervorgeben und das Gegebenſeyn , mögen
ſelbſt als Reflexe neben einander beſtehen -
das haben die Philoſophen zu entſcheiden ; die
Entgegenſetzung ſelbſt iſt faktum , und durch fie
entſteht ein Abſchnitt in unſerm Bewußtſeyli,
der es in zwei Sphären theilt , in die Sphåre
i

der Dinge, als Gegenſtände, und in die Sphåre


des Wiſſens um dieſe Dinge.
Wenn man alſo auch das ich als negativen
Punkt des Uebergangs der realen Natur in die
ideale, då , wo der Menſch zuerſt zum Bewußts
ſeyn kommt, aus dem Thiere Menſch wird, nicht
anerkennen wollte , weil wir von dieſem Zuſtans
de kein Bewußtſeyn haben , aus dem ſehr nas
türlichen Grunde, daß mit dieſem Zuſtande erſt
das Bewußtſeyn entſteht, die Natur den Mens
ſchen ein Fremdes wird , das Bewußtſeyn abec
noch leer ift : To tft doch das Jch, als negativer
Punkt, hier nicht zu verkennen, wo es ſelbſt in
das Bewußtſeyn eintritt, und es eben ſo in entges
gengeſeşte Richtungen ſpaltet, oder vielmehr
dieſe Spaltung ſelbft iſt, wie es der Wendes
punkt der realen und idealen Natur überhaupt
tft.
Denn was iſt die doppelte Sphäre des Seyns
und des Wiffens im Bewußtſeyn , in ihrem Ger
genſabe, anders, als ein Fliehen des Poſitiven ?
Id will den Gegenſtans begreif n , und ſiehe
da, ich habe nur ein wifin von thm erhalten ;
ich will das Win als Wirien ergründen , und
ich komme unvermeidlich auf ein Ding , ein
Seyn - Beweis genus, daß hier ein negatives
25
Prinzip herrſchend iſt. Wåre kein Jch, ſo wåre
auch kein Deivußtſeyn , und kein Gegenſatz des
Seins und des Wiſſens ; wäre das ich ein
Poſitives, ſo müßte das Seyn und Wiſſen , der
Gegenſatz des Bewußtſeins , eine gemeinſchafts
liche Wurzel , und in ihr ſeine Realität haben ,
man måste nicht von dem einen Eittgegengeſels
ten auf das andere , ſondern von jedem unmite
telbar auf das . Ich geführt werden. Dies iſt
nun nicht der Fall, und Richte hat es auch auf
ſeinem tranſzendentalen Standpunkt nicht er's
zwingen : können , indem in dieſer ſelbſt über
das Bewußtſeyn hinaushob ; wo er einen ganz
andern Gegenſaz , als den des Bewußtſeyns,
fand , den er folglich auch nicht aus dem Jch ,
als abſoluten , ſondern aus dem Abſoluten an
fich , hatte ableiten ſollen . Das Ich fann alſo
auch in das Bewußtſeyn nur als negativer
Punft , ſelbſt wieder als Wendepunkt des Bes
wustſetnis eintreten , und ſo erſcheint der Nas
turgeiſt im men chlichen Bewußtſeyn als die
Aufgabe, das Entgegengorekte zu vereinigen , um
ihn zum eigenen , zum Geiſt des Menſchen
zu machen . Das Streben , dieſe Aufgabe zu 18
ſen , heißi Denkvermogen . - Doch davon wets
ter unten .
26

Nacy Fichte iſt das ich ein urſprüngliches,


unendliches Streben , das, als Ich und Nichts
Ich fich ſelbſt begrenzend , die Vorſtellung er:
zeugt, im Praktiſchen aber , wo die Vorſtellung
vorausgeht , felbft Gegenſtand , Zweck wird, als
ſelbſtſtåndiger Zweckbegriff in erſcheinende Hards
lung übergeht.
Dies iſt ganz richtig , wenn es nur erlaubt
iſt, mit dem Ich über die Natur hinauszuges
ben ; auf unſerm Standpunkt aber ſteht die
Natur vor dem ich, und ſie ſelbſt iſt es, welche
die Zwecke, die ſie in der Organiſation real aufs
ſtellt , nun auch im Menſchen , durch das Ich ,
ideal darſtellt. Da jedoch die Natur nur im
Menſchen als ideal fich darſtellt , ſo muß ſich
auch hier der Uebergang der realen Natur als
Zweckhandlung, auf die ideale, im Menſchen als
Chatſache fich bewahren.
Dieſe Thatſache iſt das Wollen und Begehs
ren , und auch in dieſer Erſcheinung zeigt ſich
das ich alệ negativer Punkt, als leere, von der
realen Natur verlaſſene , und in der idealen
noch nicht lebende Thåtigkeit , als Wendepunkt
der Natur.
Der Menſch will , und welß eben ſo wenig,
was , als, warum er will. Ich darf dieſe Bes
27

hauptung nicht durch Beiſpiele belegen , denn


wem könnte dieſer Zuſtand fremd ſeyn ? Auch iſt
das ganze Jugendalter Beleg dazu, denn was iſt
das unrubige Streben des Jünglings anders ,
als ein Streben ohne Zweck ? Zwar tritt die ges
fålige Einbildungskraft raſch init ihren Bildern
por, und läßt ſchon deri Jüngling eine wahre
- ideale Welt ahnden , in die er jeßt den erſtent
Sdiritt rekt ; aber dieſe Bilder erregen nid)t ſein
Streben , ſondern befriedigen es nur tåuſchend,
und unterhalten es durch dieſe Befriedigung.
Der Menſch ſteht ſelbſt in der realen Nas
turreihe als Einzelweſen , und auf dieſes bes
zogen, wird das Wollen ein Begehren, die reale
· Natur, als menſchliches Einzelweſen, als Sinns
lichkeit des Menſchen , tritt als Trieb ins Bes
wußtſeyn ein . Durch dieſes Eintreten des Tries
bes in das Bewußtſeyn wird die reale Naturs
ordnung geſtört , das innere Band der realen
Natur , durch dieſes Hinaufſchrauben derſelben
ins Bermußtſeyn, zerriffen ; die reale Natur muß
unbewußt fortwirken , aber durch das Begehren
wird für ein Bewußtſeyn aufgedrungen ; dies ers
jeugt Unordnung , Widerſpruch , iſt die Quelle
der Leidenſchaften , der Urſprung des Borell,
der Zeuge des Verfalls der Menſchheit. Das
28
Wollen läßt fich wohl ohne das Begehren dens
ken , denn es iſt ein Streben zur Realiſirung der
idealen Natur , aber da das Wollen einmal
durch ein verderbliches Eingreifen in de reale
Naturordnung, auch ein Begehren , und ſo Wils
führ geworden iſt : Tu zeigt fich auch hierin das
Ich als negatives Prinzip des Menſchen . Denn
der Menſch könnte sich nicht aus der unbewuß
ten realen Naturordnung herausreißen, und mit
Bewußtſeyn Gegenſtände des Begehrens verfols
gen , wenn nicht durch die Wendung der realen
Natur zuv idealen im Menſdhen , eine geiſtige
Leere entſtünde, in welcher die Einbildungskraft,
durch zufällige Miſchungen der realen und Ideas
len Form, fie ausfüllend , herrſcht , und in wels
cher durch die täuſchende Einbildungskraft,
Schein und Irrthum , und durch Willkühr die
Leidenſchaft erzeugt wird , ſo daß hier eigentlich
die Werkſtåtte alles moraliſchen Uebels der Welt,
als Folge des Frrthums und der Leidenſchaft
zu ſuchen iſt. Dieſe Leere ſelbſt aber iſt das
Ich als negatives Prinzip des Menſchen, und
als Wendepunkt der realen und idealen Natur.
Das Ich iſt alſo der von der realen Natur
freigegebene, und in die ideale Natur eintretende
Menſch ; als ſolcher iſt es der Wendepunkt der
C
29

ganzen Natur, und die urſprüngliche Freiheit


des individuellen Menſchen , aber nur negative,
Das iſt , nur Fähigkeit zu handeln. In , die
Sphäre dieſes leeren Ichs fålt alles das , was
wir Vermögen des Menſchen nennen , als Denks
vermogen , Erkenntnißvermogen , Einbildungss
kraft , Willensvermogen , Begehrungsvermogen .
Doch glebt das ich weber das Denken , noch
das Erkennen, noch die Bilder der Einbildungss
fraft ; es giebt weber den Zweck des Wollens,
noch den Gegenſtand des Begehrens , ſondern
es iſt nur die ſubjektive Wurzel von allen die
fen Erſcheinungen im Menſchen , und iſt das,
was man eigentlich und ſtreng , bloßes Vermos
gen nennt .
Es iſt nun die Frage zu beantworten : wie
wird dem ich das Denken, das Erkennen , das
Einbilden eingepflanzt ? wie wird es durch einen
· reellen Zweck zum Handeln beſtimmt? oder : wie
wird das in der realen Natur ftehende, und von
thr freigegebene reale Einzelweſen , zum idealen
Weſen , wodurch es tauglich wird , die ganze
Gattung , und in ihr die Natur als ein Gam
jes darzuſtellen ?
30

A.

Das Denken.
Das Ich tft nach dieſer erſten Beſtimmung
bloß der Uebergang der realen Natur in die
ideale , und inſofern für den Menſchen negatis
ves Prinzip , denn auf dieſem Punkte rekt die
Natur den Menſchen nieder. Man darf ſich
aber dieſen Uebergang nicht als einen Sprung
der Natur vorſtellen , ſondern , da die reale
und tdeale Natur im Weſen ganz gleich und
daſſelbe find , ſo iſt das Ich nur für den Mens
ſchen negativer Anfangspunkt ſeines Dareyns,
als Menſchen ; an ſich iſt es die Naturthårigs
keit , die nur für den Menſchen , als aus der
Natur hervorſtrebendes Einzelweſen , negativ, und
ſo leidende Thåtigkeit, Ich , wird.
Dieſe Eigenheit des Ichs iſt der Grund der
Miglichkeit und Nothwendigkeit des Denfens.
Das Denken iſt möglich , denn es iſt eine freie
Sphäre im Menſchen , das ich als negative
Thåtigkeit , oder Beſtimmbarkeit ; und es iſt
nothwendig , denn das Ich tft urſprünglich Na:
turthårigkeit, und iſt nur negativ, um poſitiv zu
werden , um die zuvor reale Naturthåtigkeit in
ideale zu verwandeln .
31
Das Denken iſt alſo, ſubjektiv , das iſt, für
den Menſchen betrachtet, das Poſitivwerden des
Ichs - objektiv , oder für die Natur betrachtet,
das gdeolwerden der Natur. Das Denkent
hängt nicht vom Menſchen ab , denn das gifs
iſt nur Beſtimmbarkeit ; denken kann aber aud)
nur der Menſch , denn die Natur kann nur
durch das ich ideal werden .
Die Philoſophen ſprechen von einem reinen
Denfakt, und allerdings muß es eine allgemeine
Form geben, in welcher die Maturcijätigkeit, wie
in ihrem Organ , als ideal erſcheint. Dieſe Form
iſt objektiv , inwiefern dieſelbe Thátigkeit , wels
die in der realen Natur ſich zeigt , hier alb
ideal erſcheint , und ſie iſt ſubjektiv , inwiefern
ſie nur im Ich als ideal erſcheint. Auf dieſen
Gegenſaß des Subjektiven und Objeftiven in
dem Einen, in der Dentform , muß in der Auf:
ſtellung der nothwendigen Elemente des Deuts
kens, überall Rückſicht genommen werdeni , ja die
Wechſelbeſtimmung des Subjektiven und Objeks
tiven in der Dentform , ift Telbſt die beſtimmte
Art des Uebergange $ der Naturthårigkeit aus
dem Realen in das Ideale , oder die nothwens
dige Beſtimmung des negativen ydis , wenn es
poſitiv wird , das iſt, das , was wir Denegelene
32

nennen . Das Objektive der Dentform iſt der


Gegenſak , das Subjektive die Syntheſis , der
Saß des Widerſpruchs aber, als höchſter, durch
Abſtraktion von den Denkgeſeßen gefundener,
formaler Grundſag des Denkens , drückt die
nothwendige Koeriſtenz des Objektiven und Subs
jektiven in der Dentform aus, ſo das ohne das
Ich die Natur nie ideal, alſo hier zunächſt kein
Denken , das negative Ich aber , ohne die reale
Natúr, nie poſitiv , das iſt, hier zunächſt wieder
kein Denken werden könnte. Dies bedarf einer
Erläuterung .
Daß der Sax des Widerſpruchs ein bloßes
Abſtraktum iſt, leuchtet von ſelbſt ein , denn er
tft formaler Grundlab , und alles bloß Formelle
iſt ein Abſtraktum , da es nirgends bloße Form
an ſich giebt ; man findet ihn , wenn man von
allem beſtimmten Objektiven und allem beſtimms
ten Subjektiven abſtrahirt, das iſt , wenn man
den Gegenſaß und die Syntheſis , beide nur als
Form nimmt. Kants Formel einem Dinge
können nicht widerſprechende Prådikate zukoms
men - drückt den Grundſak nur empiriſch , nur
in ſeiner Anwendung aus , wobei er ſelbſt vors
ausgeſekt wird ; die beſſere Formel iſt die alte
3

Etivas
$

33
Etwas kann nicht zugleich ſeyn , und zugleich
nicht ſeyn. -
Durch Abſtraktion ven allem beſtimmten Obs
jektiven, von aller Beſtimmung des Gegenſages ,
kommen wir auf den rein formellen Gegenſas
des Seyns und Nichtſeyns , ſo daß Seyn und
Nichtſeyn in dieſem Grundſaß als Prädikate
des Etwas , folglich als bloße Form deſſelben érs
ſcheinen . Durch jede beſtimmte Verknüpfung oder
Syntheſis , kommt ein beſtimmtes Etwas , Vors
ſtellung, Begriff oder Gegenſtand , zu Stande;
abſtrahiren wir aber von allem Beſtimmten der
Verknüpfung, ſo bleibt uns das Etwas, als reta
ne Form der Syntheſis übrig , was ſchon dars
aus zu erſehen iſt, daß das Etwas , im anges
wendeten Denken , der hdchſte Gattungsbegriff,
das iſt, die legte und höchſte Verkniipfung, folge
lich nichts weiter als Verknüpfung, der formelle
Schlußſtein alles beſtimmten Verknüpfens iſt.
Nach dieſer Erläuterung hat der Grundſak
folgende Bedeutung. Die Syntheſis liegt in
keinem der beiden Glieder des Gegenſakes , oder
-
der Gegenſak iſt als ſoldier nicht zugleich
Syntheſis.
Beide aber, das Seyn und Nichtſeyn , wers
Ben auf das Etwas bezogen , und es wird nur
5
34
geſagt, daß ſie nicht zugleich in dem Etwas
liegen können, das heißt, die Syntheſis und der
Gegenſaß ſind nur nicht identiſch , denn waren
fie das, ſo wäre das Etwas zugleich Seyn und
Nichtreyn ; aber eben deswegen , weil Etwas
nicht zugleich ſeyn und nicht ſeyn kann , iſt es
immer Etwas , das heißt , der Gegenſat des
Seyns und Nichtſeyns wird - eben dadurch ,
daß er aus dem Etwas herausgeſekt wird , auch
nothwendig auf daſſelbe bezogen , ſo daß die
Syntheſis , welche das Etwas bezeichnet , nur
durch den von ihm ausgeſchloſenen Gegenſas
möglich iſt , dieſer aber ; nicht als identiſch mit
dem Etwas , ſondern nur in ſeiner Beziehung
auf daffelbe, fich als Gegenſak behauptet. Der
Sag des Widerſpruchs ſpricht alſo in der noths
wendigen Trennung des Objektiven und Subs
jektiven in der Denkform , jugleich" ihrè noths
wendige Verbindung, in der Aufhebung der
Identitåt zugleich die nothwendige Koeriſtenz
beider aus , und ſo iſt er der Grundſak alles
Denkbaren .
Dieſe nothwendige Beziehung des Objektiven
und des Subjektiven , in der Dentform , wird
aber noch beſonders durch den Sag des hinreis
chenden Grundes ausgedrückt. Der Grund alles
35
ſubjektiven , oder ſyntheſiſchen Denkens , iſt der
ebjektive Gegenſalz , und der Grund alles objeke
tiven oder analytiſchen Denkens , iſt die ſubjek.
tive Syniheſis. Der Sak des Widerſpruchs
ſpricht den nothwendigen Gegenſaß der realen
und idealen Natur , das iſt; ihre Wendung, im
ich der Sak des Grundes ', die nothwendige
Verbindung dieſes Gegenſaßes züm gdealen,
als Aufgabe des Ichs aus und ſo iſt jener,
Grundſak des möglichen', siefer des wirklichen
Denkens.
Hier muß wiederholt erinnert werden , daß
es die Natur ſelbſt iſt , die in Menſchen Ich
:wird, und daß nur die Wendung , welche die als
real geſchloſſene Matur auf dieſem Punkte nimmt,
den Schein erzeugt, als ſey das Ich die dem
Menſchen eigenthümliche, und der Natur entges
gengeſekte Kraft, ſo wie aus dem Saamenkorn ,
in welches, als die Frucht der frühern Pflanze,
die Natur ihre jugendliche Kraft verſchloß , die
neue Pflanze mit eigener Kraft hervorzuheimen
ſcheint. Wenn wir alſo in der Denkform .ein
Objektives und Subjektives unterſcheiden , ſo iſt
das nicht ſo . zu verſtehen , daß der Gegenſatz,
als das Objektive , in das Jch als ein ihin
Fremdes eingebe , und daß nur das Subjektive,
36
ole Syntheſis, das ich Tey. Der Gegenſas iſt
eben ſo das ich , wie die Syntheſis ,: aber die
Natur kann nur als Objektives und Subjektia
ves, nur als Gegenſaß und Syntheſis , poſitives
Ich werden , ſie tritt nur im Entgegenſegen und
Verbinden zugleich, als ideale Thårigkeit auf.is
Das Objektive der Dentform, ben Gegenſa,
oder das Entgegenſeken , kann man die Eröffs
nung des Bewußtſeyns nennen , das Sabjektive,
oder die Syntheſis , dasjenige, wodurch es Bes
wußtſeyn des Menſchen wird, der ſelbſt die ideal
dargeſtellte Natur werden ſoll. " Wir ſeheni, daß
die Natur auch als ich , auch im Bewußtſeyn,
ſich wieder trennt. Der Grund iſt, weil die
Natur überhaupt Offenbarung tit , folglich nur
als Gegenſaß erſcheinen kann , und da das Dens
fen keine andere Beſtimmung hat, als die reale
Narur als ideal zu offenbaren , ſo kann auch
dies nur durch den Gegenſatz geſchehen .
Wir laſſen den urſprünglichen Gegenſak des
Objektiven und Subjektiven, als poſitive Baſis des
Bewußtſepns indeß zurück, um ihn am Ende
dieſer Unterſuchung wieder aufzunehmen , wo er
uns in eine höhere Region des Geiftes führen
wird, und wenden unſere Aufmerkſamkeit auf die
getrennt gehaltenen Glieder dieſes Gegenſages,
37
denn nur fo fönnen wir die Natur des Denkens
kennen lernen , und um dieſe Kenntniß iſt es
uns, hier zu thun .
Das Objektive der Denkform , oder der Ges
genſaß , iſt die doppelte objektive Sphåre des
Bewußtſeyns, Seyn und Wiſſen . Von dieſem
objektiven Gegenſake des Bewußtſeyns, geht
das Denken aus , und die nothwendigen Bezie:
hungen dieſes Gegenſakes auf das Subjektive,
oder die nothwendigen Formen der Syntheſis find
die Denkgeſebe, oder die einzelnen Denkformen .
Dreifach iſt die Beziehung des objektiven Ges
genſages auf das Qubjektive , und ſo iſt auch
die Syntheſis , oder das Subjektive, folglich die
Dentform überhaupt dreifach. Entweder das
Seyn wird durch das ihm entgegengefokte Wils
ſen , oder dieſes durch das thm entgegengeſekte.
Seyn , oder beide werden in gleicher Entgegens
Tegung, gegenſeitig zugleich beſtimmt.
Wenn das Seyn durch das ihm entgegenges
febte Wiſſen beſtimmt wird , ſo begreifen wir
das Seyn, die erſte Syntheſis if das Begreifen .
Wenn das Wiſſen durch das ihm entgegens
gerekte Seyn beſtimmt wird, ſo wird die Realts
tåt des Wiffer:s prádizirt , wir urt& eiten . Das
Urtheilen iſt die zweite Syntheſis, i
38
1. Werden aber Seyn und Wiſſen wechſelſeitig
entgegengeſeßt und beſtimmt, ſo wird das Wiſs
ſen ſelbſt ein Seyn , und das reale Seyn iſt
nur ein Wiffen , és tritt das Produkt des Dens
kens , der Gedanke hervor , die Syntheſis des
Gegenſalles iſt vollendet , geſchloffen zum Gans
zen . Die dritte Syntheſis iſt das Schließen.
Di dreifache Denkforin iſt alſo der Begriff,
das Urtheil und der Schluß.
Die Forinel für die Denkform überhaupt iſt
der Saß der Identitát, A ift A. Nun leuchtet
von ſelbſt ein , daß es in dieſer Formel zuerſt
auf die Beſtiminung des A = dem Begriff
zweitens auf die Beſtimmung des Gegenſakes
des A = dem Urtheil , unið dritten 6 , auf die
Beſtimmung der Verbindung beider Entgegens
gefekten = dem Schluß, ankommt. !
Man darf die Beſtimmungen , die hier von
dem Begriffe, dem Urtheil , und dem Schlüſſe
gegeben worden ſind, nicht mit der Beſtimmuns
gen verwechſelt , die von dieſen Denifformen ges
wöhnlich in der Logik gegeben werden ; denn dies
Te ſofferi nur die Qualitäter dieſer Denkformen ,
oder die Form ihrer Anwendung bezeichnen , ſie
ſelbſt werden als beſtimmte Denkformen vore
ausgelebt, und ſo fragt die Logik nicht , was
1
39

der Geiſt thue , wenn er begreift, urtheilt und


ſchließt, ſondern wie er begreife , urtheile und
ſchließe, oder , unter welchen Formen er Ges
brauch mache von dieſen ſeinen Grundformen .
Wir haben hier ein anderes Geſchäft, wir wols
len die Natur des Denkens ſelbſt kennen leri
nen , folglid ), wiſſen , was das Begreifen, Urtheis
len und Schließen in ſich ſelbſt ſey. Der
Gedanke, als das erſcheinende Produkt der legs
ten Syntheſis , iſt das erſte Objekt der Logik,
1

die Vorſtellung oder der Begriff. 1

Wir haben jeßt die aufgeſtellten Beſtimmuns


gen der Denkform , wodurch das negative Ich
ein poſitives wiro , im wirklichen Bewußtſeyn,
oder in der Geſchichte der Entwickelung des geis
ſtigen Menſchen als Thatſachen nach uweiſen .
Zuvor aber müſſen wir noch auf den Unterſchied
des Denkens und Reflektirenis, was man in uns
ſerer Sprache ſehr treffend Nachdenken nennt, 1

aufmerkſam machen ; denn da és im menſchlichen


Bewußtſeyn mehr als einen wirbelnden Kreis
von Antitheſen und Syntheſen giebt , ſo muß,
wenn Verwirrung vermieden werden ſoll , der
Kreis, den man beſchreiben wil , genau bezeich
net werden.
D48 Denken iſt eine natürliche, nothwendige
40
Peußerung des Menſchen , etwas , das ſich in
ihm von ſelbſt findet, das Relektiren oder Nadys
denken hingegen eine HanSlung der Freibeit, die
gwar nicht von der Freiheit anhebt, ſondern von
gegebenen Veranlaſſungen und innerer Geiſtes:
ftårke, die ſich mit Nothwendigkeit ankündiget,
beſtimmt wird, aber die Freiheit erwacht zugleich
mit dieſer Handlung , ſo daß wir uns ihrer,
während derſelben , ſtets bewußt bleiben , auch
A
ſobald wir wollen , das Nachdenken unterbrechen ,
wieder aufnehmen , oder ihr eine andere Rich
tung geben können .
Dies Alles findet beim Denken nicht ſtatt.
Ich fann unmöglich den Baum , den ich ſehe,
nicht als Baum denken , unmöglich den Stein ,
der neben ihm liegt , von ihm nicht unterſchies
den , unmaglich beide zuſammen nicht als Kors
per, als Dinge denken.
Das Denken iſt alſo eigentlich das poſitive,
das in die reale Natur als ideale Thätigkeit
eingehende Ich ; das Reflektiren hingegen hat
den Standpunkt des negativen Ichs , das ſich
über jeden Kreis des poſitiven Ichs erhebt, um
als Wendepunkt es in einen neuen höheren
Kreis hinüberzuleiten - dieſer Mechanismus ift
der Grund des Fortſchreitens menſchlicher Kul.
41 '
tur, ' im Individuum fowohl, als in der Gat:
tung – und ſo wie dem urſprünglich negativen
Ich die reale Natur vorliegt, und es durch ſie,
als pofitiv , zur Erſcheinung kommt: ſo liegt
ihm auch auf jeder håbern Stufe das poſitive
Ich , oder das Denken , als Objekt vor , es ers
Ficheint die Thätigkeit, welche wir Reflexion nens
nen , und welche das menſchliche Erkenntnißvers
mogen im gewodhnlichen Sinne des Worts , das
iſt, ein Erkennen des eigenen Denkens iſt.
Das Objektive der Dentform , oder der Ges
genſaß, in dem ſich das poſitive ich zuerſt an :
fündigt, das Seyn und Wiſſen , als objektive
Baſis des Bewußtſeyns , iſt das , was wir ges
wdhulich die Empfindung und die Wahrnehe,
mung der Empfindung nennen , jene das Senu ,
dieſe das Wiſſen . Die todte, pflanzenartige Ems !

pfindung wird durch die Entgegenſeßung und


daraus entſtebende Begrenzung und Beſtimmung,
ein beſtimmtes , begrenztes , begreifliches Seyn ,
es entſteht der Begriff, oder was man ſonſt die
finnliche Vorſtellung nennt. Dieſe Entwicklung
fållt in die früheſte periode des Kinderalters.
Mit der Wahrnehmung eröffnet ſich der ins
nere Sinn, der immer mehr erweitert wird, und
fich endlich dem äußern Sinne entgegenſtellt.
42
Durch die Entgegenſeßung des außern Sinnes,
per Empfindung , des Seyns , und die daraus
entſtehende Begrenzung und Beſtimmung des
innern Sinnes, des wahrnehmenden Vermögens,
des Wiſſens, wird dieſes ein beytimmtes Wiſſen ,
und dicies fündiget ſich an als ein Unterſcheiden
der Gegenſtände - Ur Theilung, Urtheil. Auch
dies iſt Erſcheinung der frühen Kindheit.
Der Gegenſa, der zuvor in Teinen Gliedern
unbeſtimmt war, hat nun eine Beſtimmung ers
balten , und es ſchließt ſich unmittelbar an die
zweite Syntheſis , die dritte an , welche zugleich
Syntheſis des Gegenſages , und ſo die Produk:
1 ' tion des Gedankens iſt , die Empfindung, wird
gang Wahrnehmung , und die Wahrnehmung
ganz objektiv , ein Seyn, das Seyn tritt in das
Innere ein , wird . Subjekt, das Wiſſen ſtellt ſich
objektiv dar , wird. Dbjekt, das beſtimmte Seyn
des Gegenſtandes, und das Unterſcheiden mehres
ter Gegenſtände , 'verbinden ſich zu einem Seyn,
das nur im Wiſſen , und zu einem Wiſſen , das
nur im Seyn iſt , die Gegenſtände werden vers
glichen , das Gletche herausgefunden , es entſteht
ein neues Seyn der Gegenſtande , ein Seyn in
!
dem Gleichen , der Gedanke , und mit ihm , als
ſeine Hülle , ſein Leib , die Sprache. Das Ich
1

43
tft jekt ein geſchlofienes Ganze , und wandelt
ſo ſeinen eigenen Weg des Gedankens und der
Sprache. Dieſe Erſcheinung iſt es , die wir
oben durch die Schlußform bezeichneten , und
?
mit Recht Vernunft genennt , als durch. , den
Schluß das ich zur Selbſtſtändigkeit des Ges
dankens; die tym die Sprache ſichert, gelangt.

B.
Erkennte 11.

Inwiefern wir' vom negativen Ich ausgehen ,


können wir das Denken als die erſte Organiſas
tion des Fchs anſehen , aber als Organiſation
iſt es auch wieder ein nothwendiges Gebilde der
Natur , und hat ſein treffendes Bild in der
Pflanze. Dieſe entbindet ſich dem Boden , aus
dem kleinen Saamenkorn oder einem Theil der
Wurzel hervorgebend mit freier Kraft , aber an
den Boden 'geheftet trågt fie das Bild der Nas
tur" mit Nothwendigkeit , es iſt die Pflanze eis
nér Gattung , und ſo erhebt fich auch das
Denken mit freier Kraft aus der Natur , aber
feft in fie gewurzelt ftellt es die große Aufgabe
der Naturs, die in Zwteſpalt aus dem Ewigen
-
44
hervorgehend zur Einheit ſtrebt, um das Ewige
zu offenbaren , im geiſtigen Gebilde, in : ſeiner
Form dar , und iſt eben ſo die Offenbarung der
Matur, wie die Matur, Offenbarung des Ewigen
ift.
Die zweite Organiſation des Ichs iſt das
Erkennen . Als ſchöne Blüthe, doch nur Blüthe,
bloße Hülle und Werkſtätte der zu erzeugenden
Frucht, geht das urſprünglich negative Jch aus der
Pflanze des Denkens hervor, erhebt ſich über fie,
und wird Erkenntnißtrieb , der freie Punft, auf
den das neue Objekt , der Gedanke , bezogen
wird, um Erkenntniß zu werden ; und wenn die
mit Freiheit aus dem Boden. Hervorſtrebenden
aber in Nothwendigkeit ſich bildende, und an
den Boden gefeſſelte Pflanze , das Naturbild
des Denkens ift: To iſt das von dem Boden ger
isſte , und frei fidh bewegende , aber beruftloſe
Thier das Naturbild des Erkennens.
Denn auch das Erkennen , indem es von der
Reflerion ausgeht, und durch dieſe das Denken
zum Objekt macht , idft ſich dadurch von der
Wurzel der Natur , wird als Erkenntnißvermos
gert eine fret bewegliche Sphäre, die ſich bald
wieder von dem Gegenſtand losreißt, an der fie
ſich hing, um einen andern zu erobern , und fo
45
in endloſer Verkettung von dem einen zum ans
dern getrieben , nie , weder auf ſich ſelbſt , toch
auf irgend einem Gegenſtande ruhet , ſtets hins
ter die Oberfläche dringet , aber ſtets wieder vor
einer Oberfläche ſteht ; ſo wie das Thier von eis
gener Bewegung getrieben , ſich ſelbſt die Nah
rung ſuchend, und eigenem Inſtinkte : folgend ,
nie die ſelbſtſtändige Inhe, nie ſich ſelbſt findet.
Die Form dieſer zweiten Organiſation des
Ichs iſt dieſelbe , wie die der erſten, denn es
giebt nur Elne Form der das Emige im Zeitis
gen darſtellenden Natur , die , des fur : Einheit
ſtrebenden Gegenſages. Aber die in dem Mens
ſchen verfchloffene Dentform , der tief in die
Kindheit eingewurzelte Begriff , der im ſprachs
loſen Urtheil veridiofiene Gedanke , tritt jeſt
aus ſeiner Berborgenheit - hervor nái aus dem
Menſchen heraus, die Dentform wird objektiv ,
und ſo tritt der in der Natur Eine Begriff, als
objektiv, in den Gegenſaß ein , das Urtheil, die
einfache Unterſcheidung ſpaltet ſich in eine Dope
pelform , und der Gedanke , der im Worte aus
geſprochene Geift , geråth ſowohl mit dem Ges
genſtande , als Thatſache des åußern , als auch
mit der Wahrnehmung , als Thatſache des ins
nern Sinnes , und endlich mit ſich ſelbſt, als
46
Thatſache des außern und innern Sinnes zus
gleich , in Gegenſak. '
Dieſer durchgreifende Gegenſaß iſt wieder
die Aufgabe zur zweiten Organiſation , und ſie
wird durch eben ſo viele Syntheſen , als Gegens
fäße ſinó, geldſet, jede dieſer Syntheſen aber
iſt wieder eine beſondere, in der allgemeinen ents
haltene Erkenntnißform.
Der ausgeſprochene Gedanke Idret den Zaus
ber , welcher das Denken im heilig dunkeln Ge:
fühl an die Natur feſielt , das Denken wird
frei, wenn es objektiv, und nur noch von der
Reflexion gehalten wird, es tritt aus der lebendis
gen Wirklichkeit , aus , der realen Hulle heraus
in die ideale Sphåre, welche nun , vom Denken
belebt , als Möglichkeit , der realen Spbare als
Birklichkeit, entgegenſteht. Dies iſt der neue Ges
genſak , das Objektive der Erkenntnißform , und
die Syntheſis , welche immer zugleich mit dem
Gegenſaße als Brennpunkt gegeben iſt , das
Subjektive ; die einzelnen , auf die beſonderen
Denkformen ſich beziehenden Syntheſen der Mögs
lichkeit und Wirklichkeit aber , ſind die beſondes
ren Erkenntnißformen . Das Subjektive der Ers
1
kenntnißform , oder die Syntheſis der Wirklichs
keit und Möglichkeit iſt die Nothwendigkeit,
47

Nothwendigkeit iſt alſo der Charafter der Ers


fenntniß ; doch iſt ſie nur aus dem Gegenſake
hervorgegangen , nur formelle Einheit , folglich
nicht abfolutheit, und ſo tritt fie in der Ers
kenntniß nie ſelbſt als Nothwendigkeit, ſondern
nur iinmer aus dein Gegenſaße als Syntheſis
bervor.
Die allgemeine Form der Erfenitniß kann
To ausgedrückt werden : Das Wirkliche iſt uns
durch die Meglichkeit , und das Mögliche nur
durch die Wirklichkeit nothwendig oder : das
Wirkliche wird nur durch ſeine Möglichkeit, und
das Magliche nur durch die ihm entſprechende
1
Wirklid , keit erkannt :
Wir gehen jekt zur Entwicklung der einzels
nen Erkenntnißformen über.
Die erſte Dentform iſt der Begriff, oder die
wahrgenommene Empfindung. Tritt er aus reis
ner verſchloffenen Hulle in das Licht der Objets
tivität hervor , ſo wird er Gegenſtand , und
zwar ganz eigenſchaftloſer Gegenſtand, denn nur
die Begreiflichkeit der Empfindung wird objeks
tiv , alſo ein bloßes Quantum , ein beſtimmter
Raum . Dadurch wird dem Ich der Raum vers
wirklichet, und der beſtimmte, begrenzte Raum iſt
die Form der Wirklichkeit des Begriffs , oder

1
48
ſeine Objektivität: Die lebendige Wirklichkeit des
Begriffs wird alſo durch ſein Objektivwerden in
bloße Form verwandelt , und als ſolche ſteht ſie
im nothwendigen Gegenſaß mit der Möglichkeit,
denn die Natur iſt urſprünglich als Offenbarung
Doppelform. ' Das heißt , ich kann unmöglich
einen beſtimmten , begrenzten Raum außer mir
denken , ohne zugleich mehrere, unendlich viele
begrenzte Räume mit ihm zugleich zu denken ,
durch das objektive Seßen Eines beſtimmten
Raumes kommt Differenz , Spaltung , Theilung
in den Raum überhaupt , aber immer nur der
Eine iſt Form der Wirklichkeit, die unendlich
vielen außer ihm , umgeben ihn als ſeine Mögs
lichkeit , ſo daß der Raum nie erſch &pft , aber
in jedem Gegenſtand immer nur Einer iſt.
Die Syntheſis dieſer beiden Entgegengeſeks
ten iſt die Einheit in der unendlichen Mannig:
faltigkeit , und unendliche Mannigfaltigkeit in
Der Einheit , in Einem Gegenſtande iſt mir die
Form von Alen , der Raum für Alle gegeben,
und alle Gegenſtände tragen die Form des Eis
nen ; in der Einheit iſt die Vielheit, und in dies
ſer die Einheit gegeben , aber in beiden zugleich
die Alheit.
Die erſte Elementarform der Erkenntniß iſt
alſo
. 49
alſo die Quantitåt , und dieſe beſteht in dem
Gegenſatze der Einheit und Vielheit, und in der ,
Syntheſis der Auheit.
Die zweite Dentform iſt das Urtheil, das in
ſeinem Organ verſchloſſen , ne, die durch das
Seyn beſtimmte Wahrnehmung, oder die Realis .
tåt der Wahrnehmung, das iſt, bloße Unterſchels
dung der Wahrnehmungen iſt; dieſe linterfchets
dung wird im Erkennen objektiv , folglich Uns
terſchejdyng der Gegenſtånde.
Das im Gedanken verſchloſſene Seyn wird
durch die erſte Erkenntnißform ein objektiv ber
grenzterromerter , leerer Raum , ein bloßes
Quantum . ; . of

In der zweiten Erkenntnißform tritt die


Wahrnehmung , das im Gedanken verſchloſſene
Urtheil , das bewußtloſe linter cheiden der Ges
genſtände in der ſinnlichen Vorſtellung , im Ger
danken, aus ſeiner Verborgenheit zum Beivusts;
ſeyn bervor, und wird durch ſie, ein den Naum
als bloßes Quantum , beſtimmendes Quale , ile
Form der den Raum erfüllenben Realitat.
Es genügt nicht zu wiſſen , das überhaupt Ges
genſtände Tepen, fondern wir müſſen ſie auch als
reale Gegenſtände erkennen , fie ſind uns uur ins
fofern Gegenjtånde, als ſie beſtimmt ſind .
4
2

-
50
Man kann nicht zwei reale Punkte denken,
ohne einen leeren Zwiſchenraum , in welchen 'wiez
der unendlich viele Punkte gedacht werden fons
nen. Dieſer leere Zwiſchenraum iſt die Ber Reas
Attåt entgegenſtehende Negation , und die Syns
theſis beider Entgegengeſekten zur Form der
Qualitåt iſt die gegenſeitige Begrenzung.
Durch das Objektivwerden der Empfindung
entſteht dem Ich der Raum , durch das Objeks
tivwerden der Wahrnehmung die Seiti Da aber
Empfindung und Wahrnehmung , in der finnlis
chen Vorſtellung ( im Gedanken ) ungetrennt ents
halten ſind, ſo wird mit der Empfinning zugleich
die Wahrnehmung , und mit dieſer jene objektiv ;
und ſo wird der Eine Raum durch die Zeit in
uuendlich viele Räume getheilt, das iſt ein
Quantum , und die Wahrnehmung (urtheil) als
geit, durch den Raum eine Folge , das iſt, ein
dnrch leere Zwiſchertråume beſtimmtes Reale.
Für die Reflerion ift in Beziehung auf die
Empfindung der Raum das Wirkliche, und die
Zeit das mögliche, in Beziehung auf die Wahrs
nehmung, die Zeit das Wirkliche und der Raum
das Magliche , die Syntheſis aber , als Hands
lung des reflektirenden Ichs, das Nothwendige. I
1 Durch dieſe beiden Erkenntnißformen ift det
51

Gegenſtand nach Quantität und Qualität, das


ift, als Quantitåt und Qualität überhanpt, doch
nicht als dieſer oder jener beſtimmte Gegenſtand
gegeben . So wie aber Begriff und Urtheil, die
beſtimmte Empfindung und die beftimmte Wahrs
nehmung , das Seyn und das Wiſſen , in dem
Gedanken zu Einem Ganzen ſich verbinden , und
in ihm das Bewußtſeyn , das in verborgener
Werkſtätte den Gedanken bildete, erſcheint: eben
ſo - müſſen auch im Objektiven , Quantitåt und
Qualitat des Gegenſtandes durch Syntheſis
firirt werden , wenn ein beſtimmter Gegenſtand ,
eine beſtimmte Erkenntniß entſtehen ſoll. Derm
Ein beſtimmter Raum durch unendlich viele in
der Adheit enthalten , giebt uns zwar die äußes
re , und die Realitåt durch Negation als Bes
ſchränkung gegeben , die innere Form eines Ges
genſtandes überhaupt ; aber dieſe Realitäten und
Sjene Räume find flüchtige Phantome, es fehlt
* thnen noch die feſte Baſis; die fie zu beftiinins
ten Theilen Eines Ganzen, noch das feſte Band,
welches ſie zu ' beſtimmten Gliedern Einer Rette
macht, und endlich noch die höchſte Syntheſis ,
welche das Ganze der nach Raum und Zeit uns
endlich zerſtreuten Gegenſtände, unter Einen alls
gemeinen Taft der Harmoutie bringt, wodurch
52
vermogen in Stand geſeßt wird ,
jeden asenntniß
d ngen auf
jeden Gegenſtan mit ſeinen Beſtimmu
/ ſeiner eigenen Stelle im Ganzen zu finden .
Durch die beiden Erkenntnißformen der Quans
titåt und Qualität erhalten nur eigentlich Raum
und Zeit die Form der Erkennbarkeit, und wers
den empfänglich für den Gegenſtand, tn der 20
heit iſt Einheit und Vielheit , in der Beſchráns
1
kung Realität und Negation gegeben ; nehmen
wir nun an , daß keine andere Erkenntnißform !

da wäre, und die reale Matur tråte in jene beis


den Formen ein , ſo würde uns nur ein Chaos
vorſchweben , die Albeit beſtünde aus vielen Eins
heiten , und dieſe ſchwebten als Realitåten in
leeren Räumen oder Negationen , unordentlich
unter einander , es wäre mit einem Worte die
Atomenwelt , wie ſie frühere Philoſophen zur
Erklärung der geordneten Natur , als gegeben
annahmen. Das , was dieſe Philoſophen noch
ſuchten , was uns die Welt als geordnete Welt
erkennen läßt, alſo die wirkliche Erkenntniß, has
ben wir noch von der dritten Erkenntnißform ,
welche zugleich die beiden erſten in ſich enthält,
zu erwarten ; und ſo wie die dritte Dentform ,
der Schluß, in dem vollendeten Gedanken das
Bewußtſeyn zur Erſcheinung bringt, ſo muß auch
die dritte Erkenntnißform den Gegenſtand zur
Erſcheinung, die wirkliche Erkenntniß zu Stan:
de bringen .
Die dritte Dentform iſt die Syntheſis det
erſten und zweiten , und ſo muß auch die dritte
Erkenntnißform die Syntheſis der beiden erſten
ſeyn. Es entſteht alſo nothwendig eine dreifache
Syntheſis , die Quantitat beſtimmt durch die
Qualität, die Qualität beſtimmt durch die Quan :
titåt , und endlid, pie Syntheſis dieſer beiden
Beſtimmungen .
Durch die erſte Syntheſis wird der Raum
nicht allein fifirt , ſondern auch beſtimmt , die
Welt liegt uns dem Raume nach feſt und bes
ſtimmt vor; durch die zweite Syntheſis wird
in der Qualität die Zeit fixirt und beſtimmt, fie
wird Sukzeſſion , 'und in der dritten treten der
beſtimmte Raum und die beſtimmte Zeit zuſams
men , und bilden den nach Raum und Zeit bes
ſtimmten Gegenſtand. Wenn dte reale Natur
in dieſe Form eintritt, ſo erhalten wir wirkliche
Erkenntnis von ihr.
Es entſteht hier die Frage : wie die Quanti:
tåt ein Feſtes, und ſo durch Qualität, und wie
die Qualitåt ein Feſtes , und durch Quantität
beſtimmbar wird ?
54
In der dritten Denkform , dem Schluſie
deſſen Produkt der Gedanke iſt, alſo in dem
Gedanken , liegt der Begriff, oder die wahrges
nommene Empfindung , und das Urtheil, oder
die unterſchiedene Wahrnehmung; beide alſo wers
den zugleich in dem Gedanken objektiv , und ers
ſcheinen zugleich mit dem Bewußtſeyn im Ges
danken . Seben wir z. B. , der erſte Gedanke
des Kindes Tey Mutter: ſo wird es ſich zwar
weder dieſes Gedankens , noch der in ihm ent:
haltenen wahrgenommenen Empfindung, noch der
unterſchiedenen Wahrnehmung bewußt ; aber das
Ich des Kindes wird in dieſem Gedanken oby
jektiv , wird Bewußtſeyn, und es fehlt nur nodi :
Das Zurückgehen des Ichs auf ſich Telbſt , oder
der Reflexion , um ſich dieſes Gedankens, und
dann nur der Lenkung der Aufmerkſamkeit, uni
fich auch des , in dem Gedanken enthaltenen
Zwiefachen bewußt zu werden ; denn das iſt ges
wiß, daß das Kind den Gedanken – Mutter
nicht haben könnte , wenn nicht die Mutter
als wahrgenommene Empfindung , und als von
allen andern Dingen unterſchiedene Wahrnehs
mung , vor dem , in ſich ſelbſt noch dunkeln
Gelſte des Kindes ſtünde, und iſt das Kind eins
mal reflexionsfähig , ſo iſt es ſehr leicht, es dieſe
55 .
Empfindung und die unterſchiedene Wahrnehs
mung erkennen zu laſſen .
Die Erkenntniß aber kommt nur durch Res
flesion , durch das Zurückgehen des Ichs auf
ſich ſelbſt zu Stande, und da das ich auf dies
ſem Punkte zwar aus der Objektivität auf ſich
ſelbſt zurückkomint, aber doch ſelbſt noch keine
objektive Form, oder keine Form für die Obiek:
tivitat hat : ſo wird der Gedanke, als Produkt
der Denkkraft , ihm nicht unmittelbar Gegens
ſtand , ſondern erſt mittelſt der Form der Ers
fenntniß . Der Begriff, als Dentform des Ichs ,
muß in die Erkenntnißform der Quantitåt, das
Urtheil in die Form der Qualität übergeben ,
und erſt , wenn die dreifache Syntheſis. der
Duantitåt und Qualitåt den Gegenſtand der
Erkenntniß beſtimmt, ſteht der Gedanke vor dem
reflektirenden Ich als Gegenſtand , und es ers
fennt ihn unter der Form der Quantität und
Qualitåt, und durch die Syntheſis beider. Daß
aber das reflektirende Ich von dem Gedanken ,
als ſeinem Objektiven , ausging , um Erkenntniß
zu werden , iſt der Grund , warum das Ich,
wenn es als erkennendes , auf den Gedanken
als ſein Objekt , zurückornmt , dieſen als das
Selbſtſtåndige anſehen muß, auf dem alle ſeine
56
Erkenntniß ruht , der Grund alſo, warum es
den , in dem Gedanken enthaltenen Begriff, oder
die wahrgenommene Empfindung, als ein feſtes ,
ſelbſtſtändiges Quantum , und die unterſchiedene
Wahrnehmung, als ein ſelbſtſtåndiges Quale ans 1

Teben muß.
Die vollendete, den Gegenſtand beſtimmende
Erkenntnißform , iſt dem zufolge nichts anders ,
als die Objektivirung der urſprünglichen Ems
pfindung, oder des außern Sinnes, der urſprüngs
lichen Wahrnehmung , oder des innern Sins
nes , und Objektivirung der Wechſelbeſtimmung
des äußern und innern Sinnes . Dieſe Objektis
vitåt, als Form des erkennenden Ichs , iſt es
denn auch , in welcher wir die Welt, als ein gès
ordnetes Ganze , als ein durch Subſtanz und
Afzidenz, durch Urſache und Wirkung , und
durch Wechſelwirkung beider Beſtimmtes erkens
nen. Was die Welt an ſich Tev , Fagt uns dieſe
Erkenntnis freilich nicht, denn ſie wird ganz
durch die Form des Ids beſtimint ; aber um
die Erkenntniß der Welt an ſich kann es uns
auch gar nicht da , zu thun Teyn , wo nur von
dem effennenden Ich die Rede iſt , nur von
dem , was im Wenchen , auf dem Wege ſeiner
* natürlichen Geichichte vorkoinmt, nid )t von dem ,
das auber igm in der Belt vorgeht.
$

57

Durch die dritte Syntheſis der Erkenntniß:


form tritt die Form der Wirklichheit als Sub:
Franz durch das Aezidenzi und die Form der
Möglichkeit, als Urſache durdy die Wirkung bes
ſtimmt, in die Erſcheinung ein , in welcher Mög:
lich feit und Wirklichkeit in fteter Wechſelwirkung
ſind .
Um die Erfenntnißform als Chatſache im
Menſchen nachzuweiſen , daju bedarf es nur der
Analyſis irgend einer Erkenntniß , g. B. der
Baum iſt grún.
Daß dieſer Erkenntniß der urſprüngliche Ges
dánke , das iſt, die objektive Anſchauung des
grünen Baumes , und die allgemeine Dentform
A ift A , zum Grunde liege , leuchtet von ſelbſt
ein . In der Anſchauung iſt das Id felbft der
grüne Baum , ( das noch nicht reflerionsfähige
Kind unterſcheidet ſich nicht von ſeiner Ans
ſchauung ) : ivie wird der Beúm mein Gegens
ſtand, wie unterſcheide ich das Grúr: von ihm,
wie verbinde ich Grün und Baum zu einer Er:
fenntniß ?
Nur dadurch, daß ich mich aus dem Kreiſe
der Anſchauung zurůdziehe , und reflektirend
werde. Durch dieſes Zurückziehen wird nicht
1 allein der Baum, ſondern die ganze Welt, das
58
ad der Gegenſtände, mir , dem reflektirenden Ich
gegenüber, Gegenſtand, und wäre nichts als ein
Baum außer miv , ſo wäre er mir eine gange
Welt, und ich würde in ihm das uu der Ge:
genſtande leben . In dieſem Au Tebe ich den
Baum als Einen Gegenſtand , und er 'wäre für
mich nicht Baum , wenn nicht noch andere Ges
genſtände , die nicht Bäume ſind , neben ihnı da
wåren , ſo daß er mir nur Eines iſt, inwiefernt
auch ein Mannigfaltiges, und er das Eine in
dem Mannigfaltigen iſt.
Durch das Grun, ſo wie durch manches An:
dere, iſt mir der Baum ein realer Gegenſtand.
Durch dieſe und noch andere Realitäten , erhält er
Teine Geſtalt als Baum , und er iſt nur inſofern
Baum, inwiefern er dieſe Realitäten hat. Aber
er würde auch nicht Baum ſeyn , wenn ſeine
Realitåten nicht beſtimmt und begrenzt wåren,
und er iſe nur Baum , inwiefern unendlich viele
Stealitäten von ihm ausgeſchloſſen ſind. Einheit
des Quantums und Beſchrånktheit der Realität
ſtellen den Baum dem reflektirenden Schals
beſtimmten Begriff dar.
Aber noch könnte dieſer Begriff eben ſo gut
ein Bild der Einbildungskraft , ein Traumbild
feyn , das als Modifikation des reflektirenden
59
Ichs hinſchwande. Das reflektirende Ich wird
aber von dem Gegenſtand objektiv gefeſſelt, und
dies folgt aus der objektiven Selbſtſtändigkeit
des Begriffs, die ſich dem Ich ſchon früher ein :
drückte , da , wo es als Anſchauung , in dem
Baume, als ſeinem Gedanken ſchwebte ; das res
flektirende Ich , zurückgezogen aus der Ari,
ſchauung, erkennt alſo nur den Gegenſtand, von
dem es früher zur Anſchauung beſtimmt wurde.
Dieſe Anſchauung iſt nicht ſelbſt wieder Produkt
1
des Ichs , denn das wäre eine offenbare Vers
wechſelung des denkenden und reflektirenden
Ichs , da nur dieſes den Gegenſtand der Ers
kenntniß , alß einen äußern ſekt; ſondern im
Gegentheil iſt das anſchauende Ich Produkt der
Natur , das ſie durch den Denkaft zu Stande
bringt , und dann im Gedanken , in der Ans
ſchauung, mit ſich ſelbſt, mit ihren Gegenſtån :
Den vermählt , ſo daß fie beide in der Ans
ſchauung nur Ein Leib ſind. Der angeſchaute
Gegenſtand, oder was daſſelbe iſt, das im Ges
genſtande fich anſchauende Id , iſt alſo die ob:
jektive Subſtanz für das reflektirende ich , und
die Realitåten ſind ihre Akzidengen .
Noch aber weiß das reflektirende Ich nicht,
warum gerade das Grún ein Ezidenz des
Baumes iſt.
60

auch hievon liegt der Grund in der Ans


ſchauung , oder in dem , im Gedanken objektiv
gewordenen , denkenden Sch ; denn "in dem Ges
danken liegt eben ſo die unterſchiedene Wahrs
nehmung , wie die wahrgenommene Empfindung,
und die erſte, eben ſo durch die Verbindung mit
dem Seyn als real , wie die andere , durch die
Verbindung mit dem Wiſſen als ideal. So wie
alſo die Empfindung in der Erkenntniß , als
Subſtanz cine ideale , ſo erhålt die Wahrnehs '
mung eine reale Selbſtſtändigkeit , das iſt, die
Qualität erſcheint als Urſache, und die Empfins
dung, oder das Quantum, als Wirkung, ſo wie
zuvor die Quantitat als Subſtanz , und das
Quale als Afzidenz. Das Grün des Baumes
iſt alſo nicht, weil der Baum iſt, nicht Erzeug.
niß des Baumes , Tondern der Baum ift , weil
er dieſe und alle die andern Realitäten hat, die
ihn als Gegenſtand beſtimmen das heißt, der
Baum iſt die Wirkung einer qualitativen Thås
tigkeit, oder idealen Kraft.
Die Subſtanzialitåt' uno Kauſalitåt des Ges
genſtandes bilden dem reflektirenden ich eine
nach Raum “ und Zeit geordnete Welt, oder Nas
tur, als Ein Ganzes ; denn ſie ſtehen , wie aus
dein Obigen ,zu erſehen iſt , ſo in Wechſelwit:
61

kung , daß die Subſtanz immer die Wirkung der


Urſache, und die in der Wirkung erſcheinende Ura
fache, oder die. Nealitat , das Afziden; der Subs
ftanz iſt,

*? Mit der Erferintnißform erſcheinen in Oent


reflektirenden 3ch , wie wir geſehen haben , zu
gleich die Formen der Wirklichkeit, Möglichkeit
und Nothwendigkeit. Durch ſie hält das rer
flektirende Ich die objektive Erkenntnißform feſt,
ſie ſind alſo die ſubjektive Erkenntnißform , in
welcher ſich die Erkenntnißform überhaupt als
Grundſaß ausſprechen låßt ; fie ſind die Formen
Der Reflerion , und als ſolche die dritte Orgas
niſation des Sche , in welcher. es zum Bewußts
feyn ſeiner Aufgabe, und da es ſelbſt nichts als
Aufgabe der Natur ift , zum Bewußtſeyn ſeiner
felbſt, zum Selbſtbewußtſeyn kommt.
Durch den Gedanken, als Produkt des Dents
kens, wird das Jch ein bewußtes , poſitiv , aber
nicht für ſich ; denn es iſt nur Gedanke ; durch
die Erkenntnis fommt auch das Ich zum Bes
wußtſeyn, aber nicht ſeiner ſelbſt, als Ichs, fons
dern als Gegenſtandes ; durch die Reflerion
erſt gelangt es zum Selbſtbewußtſeyn , zum Bes
wußtſeyn ſeiner ſelbſt als Subjekts. Dieſe Subs

li
62

jeftivitåt iſt eben To Produft des Erkennens, wie


der Gedanke , als Objektivität des Jás, Pros
duft des Denkens iſt; es iſt nehmlich die noth :
wendige Syntheſis der Erkenntnißform , welche
dieſe Subjektivitát bildet , das, was in die Er:
kenntniß Einheit und Nothwendigkeit bringt.
Dieſe Syntheſis, als ſubjektive Nothwendigkeit,
erſcheint in der Reflexion zugleich mit ihtem
objektiven Gegenſaße der Wirklichkeit und Mags
lichkeit, und wenn wir von aller objektiven Ers
kenntniß abſtrahiren , ſo erhalten wir die Syns.
theſis der Wirklichkeit und Möglichkeit, als die
reine Form des Selbſtbewußtſeyns , durch welche
das Ich alle Erkenntniß nicht allein zu feiner,
fondern auch zu ſeiner möglichen oder wirts
čichen Erkenntniß macht. Die Wirklichkeit bes
zieht ſich auf die Objektivität des Schs in der
Erkenntniß, ſo daß nur die faktiſche, das iſt dies
jenige Erkenntniß wirklich iſt, die aus der Dbs
jektivität auf das Ich reſultirt, dem reflektirents
1
den Ich gegeben wird ; jene aber bloß möglice
Erkenntniß, die dem reflektirenden Id, als Subs
jektivitåt, eine eigene Objektivität zeigt, in die es ,
ſelbſt als reflektirend, übergehen ſoll.
Eine ſolche Objektivitåt heißt Zwéd , jede
mögliche Erkenntniß iſt alſo für das reflektirende
63
Ich Zied , durch dones , als Subjekt, in Hands
lung seſegt wird.

‫أن‬ " : 3.

$ a n o el n.
Durch das Denken , das eben ſo THåtigkeit
der Naturform iſt , wie die Produktion der
Pflanze, mit dem Unterſchiede, daß dieſe reale,
jene ideale Chårigkeit iſt , erhält das Id ſeine
Eriſteniß, und man kann das Sch in dieſer ſete
Her erſten Organiſation , die Selbſterkenntniß der
Natur nennen . Es wird nun auch Erkenntnis
der Matur , indem es ſich auf den Punkt der
Reflexion zurückzieht ( Der Akt der Abſtraktion ),
um objektiv , und als ſolches Erkenntniß zu wers
den . Das zurückgezogene 3d iſt nun auch Subs
jekt geworden, und alle Erkenntniß wird durch
dieſe Subjektivitåt , als Syntheſis , zuſammens
gehalten .
Das erkennende Ic , und ſo die Erkenntnis
ſelbit, iſt aber nicht die Natur ſelbſt, ſondern
nur das Ich der Natur , oder die Beziehung
des Ichs auf die Natur, der eine Arm der Zeit,
der aus der ewigen Natur fich bervorſtreckt.

)
1

64
Damit, daß ich weiß , daß alles in der Natur
unter der Form der Subſtanzialicet und Raufalis
tåt, und der Wechſelbeftimmung beider ſteht, er:
kenne ich nicht die Natur , ſondern nur die Bes
ziehung eines Idhs auf die Natur. Es iſt die
eine Hälfte der Erſcheinungswelt, ihre zweite .
Hålfte wird durch den zweiten Arm der Zeit
gebildet , der von dem Punkte der Reflexion ,
von der Subjektivitåt des Ichs ausgeht, "tre
welchem Punkte ſich die erſte Hälfte ſchließt. Die
Reflexion iſt eben ſo der Wendepunkt der Ers
ſcheinungswelt , wie das in der Natur ftehende
negative ich , die Freiheit der Natur, dei Bens
depunkt der Natur ſelbſt. 7 .
Das Ich geht alſo bier den entgegengeſet
ten ég. In der erſten Hälfte der Erſchels
nungswelt wird' es, als objektis von der Subs
jektivitat, in der zweiten als ſubjektiv von der
Objektivität gehalten . Durch die Objektivitåt
wird dort die Erſcheinung ſubjektiv , hier durch
die Subjektivitåt objektiv. Die Erſcheinung,
welche aus der Objektivitat in die Subjektivität
leuchtet , nennen wir Erkenntniß , die Erſchets
nung, welche aus der Subjektivität in die Dbs
jektivitát übergeht - Handlung ; in dem Haus
deln offenbart ſich alſo der zweite Arm der Zeit.
1
Auch
65
Auch hier müſſen wir wiederholt daran eri
innern , daß , ſo wie alle bisherigen Evolutionen
des Ichs , ſo auch dieſe , urſprünglich auf dem
negativen Ich , der Baſis der Menſchheit rube,
und daß der Menſch , und mit thm die ganze
Erſcheinungswelt, durch das negative Ich in
die ewige Matur eingewurzelt iſt , wodurch wir
auch nur allein in den Stand geſetzt werden ,
uns über die Erſcheinungswelt zur ewigen Wahrs
heit und zum ewigen Leben in ihr zu erheben,
Diefer urſprüngliche gåttliche Funke , aus dem
die Zeit im Menſchen als Erſcheinung ſich ents
zündet, und der ihn dann wieder über die Zeit
in die Sphäre des ewigen Lichts und des ewis
gen Lebens erhebt, leuchtet denn auch auf jedem
. Uebergange des Ichs von der niederen Organi.
fation zur höheren hervor ; nur durch dieſen
hervorbrechenden Strahl det ewigen Natur wird
das ich im Gedanken objektiv , erkennbar , nur
durch ihn wird es in der Reflexion ſubjektiv,
erkennend , und, fo wird es auch nur durch thn,
nicht mehr an fich , ſondern für ſich, für das rer
flektirende, ſubjektive Ich objektiv , handelnd,
Denken , Erkennen und Wollen ſind die alges
meinen Ausdrůde für die breifache Erſcheinung
hide - 66
des negativen Ichs in der Zeit, und die Elemens
te derſelben .
Das Wollen iſt es demnach , worin fich das
nothwendige Streben der Subjektivitåt zur Ob:
jektivitåt offenbaret , und den Uebergang vom
Erkennen zum Haudein macht , es iſt das, was
das Erkannte als Zweck ſegt, um es durch Hands
lung objektiv zu firiren , zu realiſiren .
Auch dieſe legte erſcheinende Organtſation
des Ichs iſt, wie die beiden vorhergehenden ,
durch einen objektiven Gegenſan bedingt, nur mit
dem Unterſchied , daß in der erſten , dem Dens
ken , nicht der Gegenſaß , ſondern nur die Syns
theſis'i der Gedanke , zur Erſcheinung kommt,
dieſer Gegenſab aber in der Erkenntniß in die
Erſcheinung tritt, und zwar mit der zugleich ers
ſcheinenden Syntheſis , in der Handlung hinges
gen nur der Gegenſak ohne die Syntheſis ers
ſcheinet. Das Denken iſt alſo Syntheſis ( ein
Verbinden ) , das Erkennen Gegenſa und Syns
theſis ( Erkennbares und Erkennendes ) , das Hans
deln Gegenſaß . Es verſteht ſich , daß hier von
dieſen Acußerungen nur inſofern die Rede iſt,
inwiefern ſie als Produkte in die Erſcheinung
treten , denn in ihrem innern Getriebe ſind übera
67
all Gegenſak unb Syntheſis nothwendig vera
bunden .
Wenn aber auch in der Handlung nur der
Gegenſaß erſcheint, fotſt doch die Syntheſis
ihre zweite nothwendige Bedingung,, und der
Grund, warum nicht auch die Syntheſis in der
Handlung erſcheint, iſt , weil ſie die Baſis der 1

Handlung iſt ; da hingegen das Erkennen , als


zwiſchen dem Denken uud Wollen in der Mitte
ſchwebend , ſowohl den Gegenſak des Denkens,
als die Synteſis des Wollens , die Reflexion,
doch beide nur für die Erkenntniß, zur Erſchets
nung bringt. Wir gehen alſo hier nicht, wie in
der Darſtellung der Dentform und der Erkennt:
nißform , von dem Gegenſake, ſondern von der
1
Syntheſis aus.
: Die Syntheſis der Erkenntniß ſteht in der
Subjektivitåt als Nothwendigkeit, und zwar als
Grundform der Reflerjon feſt.
Dieſe erſcheint zugleich mit der Erkenntniß,
als nothwendige Beziehung der Auſſenwelt auf
das Subjekt, indem ſie die Syntheſis aller Ers
kenntnis iſt. Im praktiſchen Menſchen , oder in
der Handlung erſcheint ſie als Trieb , oder als
nothwendige Beztehung des Subjekts auf eine
68 -

Objektivitåt , ein Hervordringen des Subjekts


zur Objektivitåt.
Wir haben oben geſagt, daß die Syntheſis
in der Handlung nicht zur Erſcheinung komme,
und dieſer durchaus wahre Satz wird nicht das
durch umgeſtoßen oder beſchränkt , daß hier bes
hauptet wird, die Nothwendigkeit, welche in der
Erkenntniß als Syntheſis erſcheint, erſcheine im
Handeln als Trieb ; denn die Nothwendigkeit in
der Erkenntniß iſt eine , den Verſtand , der nur
die Erſcheinungswelt zum Objekt hat , befriedis
gende, weil ſie ſynthetiſch iſt ; der Trieb hingegen
iſt eine unbefriedigende Nothwendigkeit, ein Trets
ben , ein unruhiges Treiben zu einer Befriedis
gung , die nie erreicht wird , alſo zwar Nothys
wendigkeit, die eine urſprůngliche, aber nicht ers
ſcheinende Syntheſis vorausſekt, und nicht ſelbſt
Syntheſis , ſondern Eröffnung des Gegenſages.
Mit dem Triebe erwacht zugleich der Widers
ſpruch im Menſchen , und erſcheint der Gegen:
Talz ſeiner praktiſchen Matur.
Das Wollen iſt das negative Ich , der Wents
depunkt für das Hairdeln . Es erſcheint aber
als Trieb, und mit ihm zugleich der Gegenſtand,
der Menſch will ett a 6 .
Jeder Gegenſtand iſt für den Trieb etwas,
69
das evlangt werden kann , eine praktiſche Mág
lichkeit, der Trieb wird aber von dem erkannten
Gegenſtande nothwendig , entweder zur Aufnehs
inung oder zur Verwerfung beſtimmt. Dieſe
Alternative trågt nur den Schein der Wahlfreis
heit , die Wahl hångt ganz von der Erkenntniß
ab , und, da dieſe auf nothwendigen Bedin :
gungen beruht, und mit dem Charakter der Noth:
wendigkeit in die Subjektivitåt eingeht : ſo kann
nur der Mangel an Einſicht in die Mittelglieder
dieſen Schein von Freiheit aufrecht halten . Ues
berhaupt rührt aller Schein von Freiheit in der
Handlung daher, daß der Trieb ein an ſich ganz
leeres Treiben iſt , daß das Gefühl dieſer Leere
Der Erreichung des Zwecks vorherg 16 , und die
Erreichung deſſelben vom Bewußtſeyn begleis
tet iſt.
Ein Anderes iſt es, wenn von der urſprüngs
lichen Freiheit des Menſchen , nicht bloß von der
Freiheit des beſtimmten Handelns die Rede iſt,
denn Der ganze Menich ſelbſt iſt, wie gleid) am
Anfange dieſer Darſtellung ſeiner Natur gezeigt
worden iſt, nichts als Freiheit , von der Natur
ſelbſt als ihre eigene Freiheit auf ibrem Wendes
pun kt abgeſetzt, und ſo iſt das negative Ich die
Baſis des ganzen Menſchen ; aber alle Organis
?

70

Tationen , die das negative ch annimmt, ung


durch welche es poſitiv wird , find nothwendig ,
find nur erſiheinende Natur. Wir haben alſo
wobl noch einen Punkt zu erwarten , auf dem
der Menſch in ſeiner wahren Freiheit auftritt,
da, wo er ſich über die Erſcheinungswelt erhebt,
und das kann er, muß er , indem er fchon vor
aller Erſcheinung als negatives Ich , als eniger
Wendepunkt der ewigen Natur na ift: aber in
der Handlung, mit der « er immer einen Zweck
erreicht , iſt er nicht frei , denn er ſteht mit ihr
in der Erſcheinungswelt.
Das zweite Glied des Gegenſages iſt der
Gegenſtand oder der Zweck.
Der Sweck iſt nicht ſelbſt der Gegenſtand,
melcher nur erkannt werden kann, ſondern ſeine
B ziehung auf den Trieb, oder die Vorſtellung,
daß der Trieb ' durch dieſen Gegenſtand realiſirt
wird . Der Sivec iſt alſo durchaus ein Praktis
fches , nur im Gegenſas des Triebes beſtehendes,
und wir tragen ihn" aus unſerer praktiſchen Nas
tur in die theoretiſche, in die Erkenntniß, in die
Matur, erft dann über, wenn das Bedürfniß uns
fühlbar wird, das, was ſich in uns als Theore:
tiſches und Praktiſches trennt, in der höhern
Einheit zu erkennen , und die Teleologie der Nas
71
tur iſt das Streben des Ichs , aus dem Kreiſe
der Erſcheinung überhaupt fich heraus zu heben,
zu dem ewigen Weſen , in dem es ſein urſprungs
liches Beſtehen hat, und zu dem es nothwendig
als ſeinem Endzwecke hinſtrebet; ſie iſt die Form
des Ichs , als bloß Subjektiven , im Objekt,
in der Natur angeſchaut, ſo wie die Erkenntniß
die Form der Natur , des objektiven Ichs , im
Subjekt angeſchaut.
Der Zweck verhålt ſich zum Triebe, wie die
objektive Möglichkeit zur ſubjektiven Wirklich
keit , und jede Handlung iſt zwar eine Synthes
Tis des Trtebes nnd Zweckes , aber nur des bes
ſtimmten Zweckes, und des durch thn beſtimmten
Triebes , nicht des Zweckes und Triebes übers
haupt ,, nicht die Syntheſis des im Gegenſake
handelnden Ichs, alſo nicht Nothwendigkeit, ſons
dern nur objektive Wirklichkeit, die ſogleich wies
der in die ſubjektive Wirklichkeit , in den Trieb
zurück ſinkt , ihn verſtårkt oder ſchwächt , und
ihm eine andere Richtung giebt, ſo daß dieſer
Verwirklichung , Realiſirung, immer wieder eis
ne neue Möglichkeit, ein ireuer Zweck entgegens
ſteht.
To 72
Wir ſind bei dem großen Abſchnitt des menſchs
lichen Geiſtes angekommen , der ſeine Objektivi:
tåt von der Subjektivität ſcheidet ; es iſt alſo
ndthig , hier etwas zu verweilen , um die Zuge,
in denen wir bisher ſeine Natur zu zeichnen vers
ſiichten , noch beſonders in ihrem ſubjektiven Chas
Fakter zu betrachten . Bir nehmen bier Objektis
vität und Subjeftivitát , beide Ausdrucke in ihs
rer höchſten und eigentlichſten Bedeutung, jenen
als das für ſich ſelbſt ſeyn , dieſen als das
Nicht für ſich ſelbſt ſeyn , in welcher Bedeus
fung ſie auds gewöhnlid ) im gemeinen Leben ges
nommen werden, wenn wir z. B. von ſubjektiven
Empfindungen und einem objektiven Seyn ſprechen.
Kann alſo das Ich oder der menſchlich :
Geiſt , durch ſeine Organiſation als denfendes,
erkennendes , und wollenden oder handelndes Wes
fen, noch nicht zu_fich ſelbſt fommen , für Fid
.ſe!bſt ſeyn , ſondern wird er zum Denken , El
(kennen und Handeln von Außen beſtimmt; kann er
Etwas denken und erkennen , auf Etipas hin hans
deln , ohne daß er dieſes Etwas ſelbſt iſt; oder
denft und erkennt er ſich ſelbſt nur wie ein ans
deres beſtimmtes Ding , und handelt er auf ſich
Telbſt als nach einem außern Zwecke: To müſſen
wir , da er doch auch in sielen Zeußerungen
73

Gelft iſt, nothwendig einen zwiefachen Charakter


in ihm annehmen, und da der Geiſt nur Thås
tigkeit iſt , eine ſubjektive und objektive Chårigs
keit in ihm unterſcheiden.
Nun iſt das Denken nur dadurch ein Dens
fen , daß der menſchliche Geiſt in das Objekt
eingeſenkt , mit ihm identlich iſt - das Erkens
nen und Handeln nur dadurch ein Erkennen
und Handeln , daß der menſchliche Gelſt mit eis
nem Objekt im Gegenſak ſteht, ſo daß jede Ers
kenntniß nur eine beſtimmte Beziehung eines
Objekts auf den Geiſt , und jede Handlung nur
eine beſtimmte Beziehung des Geiſtes auf ein 1

Objekt iſt; Denken , Erkennen und Handeln,


deren Natur wir oben entwickelt haben , ſind als
ſo nur ſubjektive Neußerungen des menſchlichen
Geiſtes ,
Der Grund dieſer Subjektivität des menſchlt:
chen Geiſtes liegt in der Einrichtung der allgemeinen
Natur , als Offenbarung der ewigen Vernunft.
Dieſe Einrichtung , welche ſowohl in der , im
Raume für die Anſchauung und als Natur, als
aud in der für das Leben und in der Zeit als
Geſchichte dargeſtellten Welt ſich unverkennbar
zeigt , iſt folgende.
Die ewige Vernunft , an ſich für uns eine
1
75
berſchloſſene Einheit , offenbart fich als ullger
meines im Beſondern , und dieſe thre Offenbas
1
rung iſt die Natur. Aber in dieſer offenbart }

ſte nur ihre Allgemeinbeit , die auch Nothwens


digkeit genennt wird ; muß die Offenbarung der
ewigen Vernunft einen Endzweck haben , das
heißt, muß fie wahre Offenbarung, und kann fie
nicht eine blinde Veräußerung, ein Verlieren der
ewigen Vernunft in die unendliche Mannigfats
tigkeit des Beſondern ſeyn : ſo muß ſie auch als
Beſonderes im Allgemeinen fich offenbaren , und
ſo das Beſondere ſelbſt zu ſich erheben. Dieſes
geoffenbarte Beſondere der ewigen Vernunft nens
nen wir auch Freiheit , und das allgemeine , in
dcm fid, die Freiheit darſtellt, die Geſchichte.
Die ganze Offenbarung wird durch dieſes
doppelte Ullgemeine, und dieſes doppelte Beſon's
dere als Ein Ganzes zuſammengehalten , wodurch
fie allein Offenbarung der ewigen Vernunft reyn
kann ; und die endliche Vernunft iſt es, auf uns
ferm Planeten der Menſch , in der ſich dieſe
vier Einheiten der Offenbarung , als die Strahs
len der ewigen Vernunft in einen Brennpunkt
ſammeln , und ſo die ewige Vernunft ſelbſt in
lebendigen Bilde darſtellen .
Dieſe Einigung der offenbarung zum Gants

i
75
gen in der endlichen Vernunft geſchieht einer
doppelten Aufgabe zufolge, deren eine dem Mens
ſchen von der Natur , die andere von der Ges
Ichichte gegeben wird . In der Natur liegt das
Allgemeine überall im Beſondern verborgen, det
Menſch iſt ſelbſt ein Befonderes, iſt Einzelweſen
der Natur , und es liegt auch in ihm das Alls
gemeine verborgen. Aber in ihm iſt zugleich das
zweite Beſondere, als unmittelbare Offenbarung
der Freiheit der ewigen Vernunft niedergelegt,
und durch dieſes , als das wahre Subſtanztelle
ſeiner endlichen Vernunft , iſt er in Stand ges
Teßt, aus dem Beſondern der Natur das Auges
meine herauszufinden . Was alſo die Natur in
jedem andern ihrer Produkte vergebens ſtrebt,
nehmlich ihre Augemeinheit als Allgemeinbett
zur Erſcheinung zu bringen , ſo ihr Weſen , und
damit zugleich das nothwendige Weſen der ewis
gen Vernunft zu offenbaren , das erreicht fie im
Menſchen , aber nur durch Anfoberung an fets
ne Fretheit', die als beſondere Offenbarung der
ewigen Vernunft, ihr ſelbſt, als allgemeiner
Offenbarung , ganz freind iſt. Aus dieſem
Grunde wird die Offenbarung der emigen Vers
nunft in der Natur, mit Recht die mittelbare
genannt.
76 -
Die Aufgabe, welche die Gefchichte, als uns
mittelbare Offenbarung der ewigen Vernunft ,
dem Menſden zu Idſen porlegt , iſt: das in
ihm als göttliche Freiheit verborgene Beſonde:
re zur Erſdeinung zu bringen , um es in die
Geſchichte , in der ſich die göttliche Freiheit
als Zügemeinheit, reell darſtellt, übergeben , zu
laſſen .
L , Ueber dieſe doppelte Uufgabe und ihre Lds
ſung , wird weiter unter ein Mehreres geſagt
werden ; hier wollen wir nur die Subjektivität
des menſchlichen Geiſtes , als in der Einrich: .

tung der allgemeinen Natur gegründet nach :


weiſen .
Sie fällt in die Sphäre der erſten Aufgas
be , und iſt ein oder des nothwendige Mittel,
das Werkzeug und der Uebergang zu ihrer Los
fung.
Der Menſch iſt ein Belonderes , iſt Einzel:
weſen der Natnr; und das allgemeine der Ras
tur liegt in ihm , als ſolchem , eben ſo verbors
gen , wie im Steine, in der Pflanze, im Thiere.
Von dieſem Beſondern mus er ſich , der. Zufgas
be zufolge , befreien , und er kann es vermoge
der Freibeit, an welche dieſe Aufgabe ergeht, die
aber in dem gangen Geſchäfte der ldſung nie
77
Aur Erſcheinung kommt, indem ſie nur, als prata
tiſch , als gåttlich handelnd , für die Geſchichte
erſcheint. Durch dieſe verborgene Wirkſamkeit
der Freiheit wird die Aufgabe im Menſchen zu :
erft dahin beſtimmt, das Beſondere , als
ein Reales , ju idealiſiren, und die'ſo bes
2

ſtimmte Aufgabe offeubart ſich im Menſchen als


Ich, das wir oben als negatives Prinzip
des werdenden Geiftes, oder der idealen Dara
ſtellung des in der realen Matur verborgenen
+
Geiſtes aufgeſtellt haben.
Dieſes gdy tweder für die Natur noch
für den Menſchen etwas Reelles, ſondern dridt
für jene nur die geforderte Losldfung von dem
Beſondern oder der Materie , und får dieſert
hur die geforderte Idealiſirung oder die Ber
ſtimmung zur Idealitåt, folglich bloße Beſtimms
barkeit , oder die Empfänglichkeit für Ideen aus.
Wir denken es daher ſehr paſſend als den Wens ;
depunkt der Natur , als Offenbarung des Auges
meinen im Beſondern , bezeichnet zu haben.
Die Befreiung vom Beſondern durch Ideas
lifirung deſſelben , iſt nicht anders denkbar , als
durch ideale Darſtellung desjenigen , was die
Natur als real darſtellt, und dies iſt der Grund
der, oben entwickelten , ſtufenweiſen Organiſation
78

des Jchs. Die noch - zu beſchränkte Kenntniß


des Innern der realen Natur erlaubt uus
nicht , die Organiſation des Ichs in ihren erſten
Anlagen zu entdecken '; ſondern ſo wie wir in
der realen Natur nur die großen , aud) im Reus
ch
niſ

Bern ich darſtellenden Organiſationen , als ſolche


hen
rga

auszeidien , und die übrigen Naturprodukte ſo


dereben anſe

halt s ns auch
wir wir
uno

hs
helbis
büſſcetnion

eauch i
hlenmnüiſſa ,
"esn

g
den
ortr dleun
enin

re , noch im Innern verſchloſſene Organiſation


eten
hervDarſwteerl
a' n in erf

de u
;

StraOrga ſ

eJnch
ſein der

. ,
e

Die erſte Organiſation des Jchs iſt das


Denken , und ſein Produkt der Gedanke ,
in welchem Begriff , Urtheil , und Schluß noch
verſchlofien enthalten ſind. Im Gedanken , wie
wir ihn oben charakteriſirt haben , iſt das ich
ganz in das beſondere Objekt eingeſenkt, und
mit ihm identiſch , aber dieſe Identität iſt eine
ideale ; das beſondere. Objekt iſt durch den Ges
danken und in ihm idealiſirt, doch liegt das ich
ganz noch in ihm, und die Aufgabe wird nun
nåber dahin beſtimmmt , das ich von dem be:
ſondern Objekt loszuldjen , ohne daß dieſes auf
bóre ideal zu leytt.
Jede neue Beſtimmung der Aufgabe iſt ein
79

verborgener Uft der Freiheit , welche die Wufga


be zu idſen hat , und durch dieſen Akt ſelbſt
wird das poſitive Ich eben ſo von dem Gegens
ſtande losgeriſſen , wie es durch den erſten Akt,
als negatives Ich , geſchaffen wurde. Dieſer Aft
tritt in die Erſcheinung als Reflexion ein ,
und mit ihr eröffnet ſich die zweite Organiſation
des Scho das Erkennen.
Das Ich iſt von dem Objekt geldſt, und dies
res ſteht als ideal, als objektiver Gedanke , als
Gegenſtand der Erkenntniß da. Dieſe nothwens
dige Beziehung der Reflexion, oder des reflektis
renden Ichs , auf einen Gegenſtand der Erkennts
niß beweiſet , daß das ich immer noch niche
ganz vom Objekt geldſet, daß das Beſondere des
Objekts noch nicht ganz für das ich aufgehoben
iſt; und die allgemeinen Erkenntnißformen, die
wir oben entwickelt haben , beweiſen nur das
Streben des Ichs , auch aus dieſem Gegenſake
mit dem beſondern Objekt herauszukommen ,
indem durch ſie die beſondern Objekte , in der
Quantität und Qualität , zu einer formele
len , und durch die Relation zu einer all:
gemeinen Objektivitåt erhoben werden . Dieſe
allgemeine Objektivitåt iſt nun aber , eben weil
fie algemein iſt, im Ich ſelbſt da, und die Fors
80
men der Miglichkeit und Wirklidykeit , in wels
chen das Ich , als Notbvendigkeit, ſich dieſe Obs
jektivität wieder entgegenſekt , beweiſen nur das
Streben , von ihr ſich losjuldren.
Dadurch bekommt die Aufgabe eine neue
Beſtimmung, und es wird ein neuer Akt der
Freiheit erfcdert.
Dieſer tritt als wollen in die Erſcheinung,
und bildet die dritte Organiſation. Des Ichs.
Man kann das Wollen auch Zweckbegriff nens
nen , denn es iſt, zufolge der Xufgabe, ein Hers
ausſetzen der erkannten Objekte aus dem ich ,
und ſolche Objekte nennt man Zwecke , das
Herausſeßen ſelbſt aber iſt ein praktiſches
Handeln des Jch.
Durch dieſe dritte Organiſation iſt die Aufs
gabe ( die Objekte zu idealiſirent , und dadurch
ihr Beſonderes , die Materte für den Geiſt zu
tilgen ) ihrer Löſung nahe gebracht , denn die
Objekte treten nun wirklich als ideale, als Zwets
ke, aus dem Ich heraus. Aber der leßte Stoff
des Beſondern iſt noch übrig , deffen Materialis
råt jedoch ſchon zweifelhaft, das iſt, der als der
lekte Uebergang vom Realen auf das ideale
anzuſehen iſt. Dieſer Stoff iſt der Trieb , mit
dem ſich das Ich in der Handlung identifiziret,
und
81
und durch thn gezivungen wird fich, mit der
idealen Objekten , oder Zwecken , wieder ju vers
binden .
Um auch dieſe Verbindung aufzuheben , wird
ein neuer Akt der Freiheit nöthig ,' und dieſer
tritt als Einbildungskraft in die Erſchets
nung, mit der Beſtimmung der Aufgabe , den
Trieb in idealiſiren . Da aber durch dieſe
Organiſation des Ichs, die Aufgabe wirklich ges
1dſet wird, ſo fålt ſie nicht mehr in die Sphere
der Subjektivitat ; doch iſt ſie auch noch nicht
Objektivitåt des Getſtes, ſondern billet den
Hebergang von der Subjektivitåt auf die Objeks
tivität.
Daß der ganze Organismus des Sche , als
ein Denken , Erkennen , und Handelny, nur die
Subjektivitat des menſchlichen Geiſtes reye bes
darf wohl , nach dieſer Darſtellung , keines wete
térn Beweiſes"; denn es gehet daraus hervor :
1) Daß das Ich ſelbſt, als Prinzip des Dens
kens, Erkennens, und Handelns , nichts als 03r
dunkle Schatten (tabula rasa ) der Freiheit des
Geiftes ift, der von der Freiheit ſelbſt geworfen,
die Beſtimmung hat, die beſondern Gegenſtande
der Natur, als ideal aufzunehmen .
2 ) Daß dieſes 3d , für ſich ſelbſt negatis ,
6
82
nur durch die Gegenſtände der Natur belebt
wird, daß es nur die Werkſtatte tít, in welcher,
und die Maſchine, durch welche die verborgene
Freiheit des Geiſtes, dié realen Gegenſtände der
Natur idealiſtver.
?? 3 ) Daß im Denken das Ich ganz objektiv ,
Daß folglich das Denken eine gånzliche Veråußes
rung des Ichs in das beſondere Objekt iſt ; daß
ferner das Erkennen das gd im Gegenſag mit
dem Objekt erhålt , und in daſſelbe nur die
Realität der Objekte übertrågt; und daß endlich
das Wollen durch den Trieb wieder mit dem
Objekt verbunden wird , ſo daß das Ich überall
nichts für ſich ſelbſt, ſondern nur Thåtigkeit für
eine Objektivität iſt, deren ' Realität in der Bes
ſonderheit der Natur ' gegeben iſt. Dies aber iſt
der oben beſtimmte Charakter der Subjektivitåt
des Geiftes. "
Der menſchliche Seift hat nicht allein der
Richtung ſeiner Phátigkeit , ſondern auch ſeiner
" eigenſten , innerſten Natur nach , als rein objets
tives Belen , einen zwiefachen Charakter , der
wir durch die Ausdrücke Anſchauung und Les
ben bezeichnen . Der Grutid dieſer Teiner Dopis
pelſeitigkeit liegt wieder darin , daß er , obgleich
die vollendete, doch immer Offenbarung der ewis
83
gen Vernunft iſt, und daß die ewige Vernunft,
um ſich zu offenbaren, und doch auch als Offers
barung in ſich ſelbſt zu bleiben, ſich nothwens
dig als Allgemeinheit oder nothwendiges Deſen
mittelbar, als Natur, und als Beſonderheit oder
freies Weſen unmittelbar , als lebendiger Geiſt,
offenbaren mus.
.! Die geoffenbarte ugemeinheit , oder das
nothwendige Weſen der ewigen Vernunft , iſt
der allgemeine Naturgeift , der aber erſt im
Menſchen , inwiefern aud) er Naturweſen iſt,
als allgemeiner Geiſt hervortritt.
Als ſolcher iſt er der anſchauen de eift ,
und indem er ſich als objektiv , ſelbſt anſchauet,
ſchauet er immer die algemeine Natur in ihrein
nothwendigen - Weſen an ; dieſes zugleich ans
ſchauende,und angeſchaute Weſen beißt Idee.
Die geoffenbarte Beſonderheit , oder das freie
Weſen der ewigen Vernunft, iſt der beſondere
göttliche Geiſt , der unmittelbar in Menſchen
1
fich offenbaret , und inſofern im engern Sinne
der Geiſt des Muchen genennt wird , trwies
fern er nicht zugleid in der Natur lebt , ſons
dern als dieſer, der Natur ſelbſt, fremd, und von
ihr unabhängig , eine eigene , beſondere Welt in
der Geſchichte biloet ; er til der freie, lebens
84
de , fittliche Geiſt, und ſein unmittelbares ,
eigenes Leben beißt Vernunfthandfung.
Dieſe Erklärungen waren nothwendig , um
zu verhüten daß nicht die doppelte Beſonderheit
des Menſchen , die Beſortderheit der Natur , die
der Grund der Subjektivität des Geiftes ift,
mit dem freien Geiſte ſelbſt , der als Beſonders
derheit, zugleich die wahrſte, das iſt , unmittels
bare Objektivitát iſt, verwechſelt werde.
Die Subjektivitat des menſdlichen Geiſtes
iſt alſo das Losldſen , das Herausheben des als
gemeinen Naturgelſtes aus dem Beſondern , aus
der Materie , in welche er in der realen Nas
tur überall verſchloſſen eft, um ihn ſelbſt in reis
ner eigenen Geſtalt, als Anſchauung, als Idee,
und damit jugleid als Weſen der Natur , als
nothwendiges Weſen der ewigen Vernunft dars
juſtellen. Dies zu bewirken , tft der Zwed der
Philoſophie, der Wiſſenſchaft des Geiſtes , die
durch die Kunſt ins Leben eingeführt wird. Die
Subjektivitåt iſt alſo nur für die Wiſſenſchaft
und das außere Leben da ; hat folglich einen
endlichen Zweck, und verſchwindet , wenn dieſer
Zweck erreicht iſt.
Der Tod zerſtört die beſondere Natur , das
ift, die Beſonderheit des Menſchen als Natur ;
85
mit ihm hårt alſo auch , wenigſtens die gegens
wärtige Subjektivität unſers Geiſtes ayf, denn
ſie iſt an jene Beſonderheit gebunden. , Wie
könnte der menſchliche Geiſt wohl denken , ers
kennen und nach Zwecken handeln , ohne Sins
nenorgane , ohne Merven , da es der Wahnſinn
und tauſend andere Erfahrungen beweiſen , was
der Philoſoph , als in der Einrichtung der aus
gemeinen Natur gegründet erkennt, daß alle jene +

Thätigkeiten des menſchlichen Geiſtes von den


Organen , zwar nicht als ihrer Quelle , doch als
Reiß To ganz abhången , daß fie ohne fie gar
nicht, auch nicht in der Quelle da wåren. Aber
der allgemeine Naturgeiſt tritt dann rein hervor,
und da die Einbildungskraft nicht in ihren zu:
fådigen Wirkungen , als Denken , Erkennen , und
Handeln, ſondern als ſchöpferiſche Kraft , das
innere, dem allgemeinen Naturgeiſte eigenthúm :
lidhe Organ der Anſchauung iſt: ſo iſt es wes
nigſtens denkbar, daß dem der menſchlichen Hüls
le entſchwindenden Naturgeiſt , in irgend einer
hdhern Naturſphäre , eben ſo durch die Einbil
dungskraft ein feinerer Körper angebildet wer's
de, wie durch die Bildungskraft der Natur, uns
eben lo unbegreiflich, aus dem Saamenkorn ei
ne Pflanze hervorgetrieben wird. Doch dieſe
86
Fortbauer der natürlichen Individualitat des
menichliden Geiſtes , als Naturgeiſtes , mag
zweifelhaft bleiben, és mag dieſe Teine Beſonders
heit in die allgemeine Natur zurückfallen , was
jedoch von einem andern Standpunkt aus als
unmdglich befunden wird : ſo hat dies doch auf
pie wahre Unterblichkeit des menſchlichen Geiſtes
als eines Beſondern , nicht den geringſten Ein:
fluß, denn der freie , ſittliche Geiſt , als unmits
telbar geoffenbart , iſt ganz unabhängig von der
allgemeinen Natur und der Geiſt, der in dieſer
herrſcht, verhålt ſich zuidem freten , gåttlichen wies
der nur, wie das Organ zum Leben ſelbit. Von
dem Naturgeiſt des Menſchen ( dem anſchauens
den) fann wohl gefragt werden , ob er unſterblichy
ſey , weil er auch eine Subjektivitet hat , und
dieſe in der That ſterblich iſt; aber in Beziehung
auf den freien , gortlichen Geiſt hat dieſe Frage
gar keinen Sinn, denn dieſer beweiſet ſich in je:
der Vernunfthandlung als 'eivig , er 'wohnt als
ewiger Geiſt in einer ſterblichen Håde, durch die
er zwar wirkt, die aber als beſondere, reale Natur
keinen Einfluß auf ihn haben kann , et tit alſo
nicht nuſterblich , indem er ſich inte mit dem
Sterblichen vermiſchte , aber er iſt eivis , in
Gott ewig .
1

87
Die bisher entwickelten Thätigkeiten des
gchs werden in allgemeiner Sprachgebrauch ,
gemeinſchaftlich durch den Ausdruck. Verſtand
bezeichnet ; der Verſtand iſt alſo die Subjeks
tivität des menſchlichen Geiſtes , uad To iſt
er thm nicht weſentlich , obgleid) eine weſentli:
die Anſialt der Natur , um ihren Zweck zu er :
reichen , ſich nehmlich als Allgemeinheit , als
Geiſt, in ihrer Weſenheit darzuſtellen . Als Vers
ſtand iſt der menſchliche Geiſt nichts für fich
ſelbſt , wohl aber iſt der Verſtand ſehr viel får
den Geiſt, denn er befreiet ihn von , der Mates
1
rie, in die er verſchloſſen , aus der Natur als
Menſch hervorgeht.
Um ſich von allem hier Geſagten zu übers
zeugen, iſt es vorzüglich n8thig , ſich eine richtis
ge Vorſtellung von der Geiſtigkeit der realen
Natur zu machen , die uns das Denken , Erken:
nen, und Handeln, als eine ideale Wiederholung
deſſen, was in der Natur real vorgeht, folglich
den Verſtand als idealen Abdruck der realen
Natur kennen lehrt. Als eine, vielleicht mißlun:
gene Probe dieſer Parallele der Natur und des
Verſtandes mag noch folgende Charakteriſtik der
Subjektivität des menſchlichen Geiſtes, hier eine
Stele finden .

i
88
Das Saamenkorn , als verſchloſſener Keim der
Pflanze , iſt uns eben ſo unbegreiflich , wie das
Jch , das ſich zuerſt im Gedanken darſtellt, und
wir mifen, um uns die Entſtehung der Pflanze
zu erklären , eben ſo eine organiſche Kraft , das
iſt, einen Akt des Naturgeiſtes vorausſetzen , wie
wir das Ich nur als Akt der Freiheit begreiflich
finden. Uver wie das Jch im Gedanken , ſo ſtellt
ſich die organiſche Kraft der Natur in der
Pflanze objektiv dar, Im Gedanken liegt , wie
oben gezeigt worden iſt , das ich als Begriff
( Empfindung ) uns Urtheil ( Wahrnehmung ),
beides verſihloſſen , und der Gedanke ſelbſt, oder
das Ich als Gedanke iſt der Schluß , der Bes
1
griff und Urtheil zum Ganzen verbindet, folglich
das ich zur objektiven Erſcheinung bringt. Im
Gedanken iſt ferner der Menſch bloß objektives
goh , die Reflexion iſt noch nicht entwickelt , das
1
Ich iſt noch nicht pom Objekt geldſet , ſondern
mit ihan identiſch , der Menſch iſt noch bloß ſinus
liche VorſtaUung ohne Selbſtbewußtſeyn.
Ganz daſelbe gilt von der Pflanze. Das
Saamenkorn , als verſchloſener Keim, entſpricht
der Empfindung, dem Begriff - das Aufbrechen
deffelben der Wahrnehmung, dem Urthetl ; aber
nur inwiefern der Saame zur Wurzel, und der
89
hervorbrechende Reim zum Stengel rich bildet,
erſcheint ſelbſt die Pflanze als geſchloſſenes Gans
je, ſo daß man mit gleicher Wahrheit die Pflan :
ze das reale Denken , und das Denken die ideas
le Pflanze des Naturgeiſtes nennen kann.
Das Thier Idſet fich vom Boden los , und
genießet der åußern Freiheit ; ſo 18ſt fich auch
das ich , als Reflerion , vom Objekt los , und
genießet im Selbſtbewußtſeyn einer natürlis
chen Freiheit, das iſt, bloß freie Bewegung des
Naturgeiſtes , der übrigens im Erkennen eben ſo
den nothwendigen Geſetzender formellen Objek:
tivitát folget , wie das Thied im Inſtinkt , den
nothwendigen Geſeken der materiellen Objektivis
tåt. Und ſo kommen wir durch tiefere Analyſis
der thieriſchen Natur , inwiefern ſie von der
Pflanzennatur unterſchieden iſt, auf daſſelbe Res
ſultat, daß nehmlich das Thier das reale Erkens
nen , und das erkennende Ich das ideale Thier
der Natur iſt. Es kann uns, dieſem zufolge,
nicht mehr befremden , wenn wir Erſcheinungen
in den Thieren Teben , die durchaus einen Ber:
ſtand vorauszuſeken ſcheinen ; und wenn wir mit
dem Maaßſtab der Erkenntnißform des menſch:
lichen Verſtandes in der Hand , noch ſchårfere
Beobachtungen über die thleriſchen deußerungen
90
anſellen werden , ſo werden wir auch die Pas
rallele immer treffender finden.
* Man iſt ferner darüber einig, das der Menſch
nid )t bloß durch den Geiſt , ſondern auch ſchon
in ſeiner førperlichen Organiſation weſentlich von
dem Thiere unterſchieden iſt , und die Natur :
forſcher beſtimmen die unterſcheidenden Merk:
male ; z. B. das Emporſtrebende ſeiner Rich :
tung, das hervorſtrebende Kinn u. a. ' Die Hus
fe , Klauen , Zehen der Landthtere , haben noch
viel wurzelartiges an fich - dem Menſchen die:
nen die Zeben nur zur freien Stellung, die Fins
ger zur freien Haltung. Der gånzliche Mangel
des Kinnes bei den meiſten Thiéren , und das
ſehr zurückgedrängte bei den wenigen , wo es
ſich zeigt, verråth noch den Stengel der Pflan:
je, auf dem die Blüthe Tenkrecht ſitt - das her:
vorſtrebende Kinn des Menſchen iſt wahrſchein :
lich , wenn auch nur mittelbar , das Hauptorgan
ſeiner artikulirten Tduie , 'während er die Natur:
tåne mit dem Thiere gemein hat. Wenigſtens
[dyeint die analogie der Singvögel für dieſe Bes
hauptung zu ſprechen , denn ihr Schnabel iſt eben
ſo eine feſte Verlängerung des Mundes in forts
laufender, wie das Kinn in ſenkrechter Richtung;
durch jene Richtung iſt der Naturton zugleich
91
artikulirter , durch dieſe iſt er von dem Naturs
ton getrennt, und ruhet auf ſich ſelbſt.
Dieſe unterſcheidenden Merkmale der menſch :
lichen Organiſation haben wieder ihr entſprechen :
des Jdeale im Verſtande – das Handeln nach
Zwecken, das auch im Jdealen das lekte Empor:
und Hervorſtreben des Ichs aus der Objektivis
tåt iſt. Eine philoſophiſche Vergleichung der phy:
fiſchen Organiſation und der natürlichen Sit:
ten oder Handlungsweiſe verſchiedener unkuls .
tivirter Balker würde gewiß auch von dieſer
1
Seite auf ſehr intereſſante Reſultate führen.
II.

Der allgemeine, oder Naturgeiſt.

Es iſt der Geiſt der Wahrheit, der fich in der


Natur bildlich ausſpricht, in ihrer gleichen Eins
heit als ewig ruhendes , in ihrer unendlichen
Mannigfaltigkeit als ewig thấtiges , und in der
Wechſelwirkung der Einheit und Mannigfaltig.
keit , als ewig nothwendiges Weſen , als Unis
verſum.
Die alte Frage : Was iſt Wahrheit ? fann
nur dann ſchwer, oder gar nicht beantwortlich
ſcheinen , wenn wir aus dem Kreiſe ihrer Bes
antwortung , das iſt, aus der Natur heraustres
ten , und die Antwort in den endloſen Wirbeln
der Subjektivitát, oder in den Geheimniſſen des
Ich ſuchen , wo nur ihr Schatten in tåuſchens
93

der Doppelgeſtalt ſchwebet, ſo daß hier dieWahr:


heit ſuchen , nichts anders iſt, als fein ich, das
uns der Spiegel zeigt , als ein zweites wirks
liches hinter dem Spiegel ergreifen wollen .
Es iſt das gewöhnliche Schickſal des Mens
fchen, daß er das, was thm zunächſt liegt , zus
erſt überſieht , und zulegt wieder findet. So
geht es ihm , und ſo ging es der Menſchheit
mit der Wahrheit. Das Kind lebt in der Wahrs
heit , und ſo fühlt es nie das Bedürfniß , nach
ihr zu fragen ; der Mann aber fragt nur dann
nach Wahrheit, wenn er fühlt, das er nicht mehr
in ihr lebt. Daffelbe gilt von der ganzen Menſch
heit. Jede Nation , die eine Geſchichte, eine
Tradition hat, hat im Anfange derſelben ein
Paradies , ein goldenes Zeitalter, ein natürlich
gdttliches Leben. Es war ein Leben in der
Wahrheit , in dem die Subjektivitåt noch tief
verhult lag, nicht das ich aus der Natur hers
vorſtrebte , um ſie in ettlen , leeren Formen aus:
zuſprechen , ſondern die einfache , klare Natur
Telbſt den noch dunkeln Schatten des Ichs er :
leuchtete, und aus ihm , dem unerkannten , hans
delte.
Håtte fich die ewige Vernunft nur als ein
chauen , und für das Schauen , hätte ſie ſich
94
gur als nothwendige Natur offenbaren wollen
und können : To håtte jenes Naturleben des
Menſchen ewig dauern müſſent ; denn es ware
kein Grund da geweſen , warum das ich , als
Idy , zur Erſcheinung kommen , warum die,
wie die Nacht im Schatten der Erde, in Schats
ten der Natur liegende Subjektivitåt, durch ein
künſtliches Licht (die ſubjektiven Formen ) erleuchs
tet , und in dieſer Erleuchtung dem Licht der
Natur entgegengeſetzt werden mußte.
Aber die Vernunft kann ſich nur in Totalis
tåt ) als Ganzes darſtellen , und ſo offenbaret
fich die ewige Bernunft nicht bloß als nothwens
diges Weſen für die ruhige Anſchauung, ſondern
auch als freies Weſen im Leben und für das
Leben ; und da die Offenbarung nur dadurch ſich
vollenden , das iſt, wahre Offenbarung der ewis
gen Vernunft ſeyn konnte , daß ſie ſich in der
endlichen Vernunft , als dem lebendigen Gegens
bild der ewigen darſtellte : ſo wurde ein Zwis
ſchenzuſtand nothwendig, der . das Naturleben in
der Anſchauung des Nothwendigen zerſtören mußs
te , um das Vernuftleben in gåttlicher Freiheit
herbeizuführen , und ſo gleich am den zweiten
Akt der Offenbarung zu 'eröffnen. 1,
Die Natur dieſes Mittelzuſtandes des menſche
1
95

lichen Geiſtes ift im Obigen ato Teine Subjets


tivitat entwickelt worden , und es wird hier nur
die Bemerkung hinzugefügt, daß er ſich in der
Geſchichte der Menſchheit eben ſo ausdrückt, wie
in der Geſchichte des einzelnen Menſchen .
Durch die Subjektivitåt, wird zunächſt nur
1
die Trennung vom Naturleben bewirkt, dadurch ,
daß ſich der menſchliche Geiſt nicht mehr Eines
mit der allgemeinen Natur , ſondern ſich ſelbſt
als ein Beſonderes , dem Allgemeinen Entgegens
gelegtes , als ein Subjektives , als ich fühlet.
Daſſelbe Jch aber , das ſich als 'Trieb des Bes
ſondern von dem Allgemeinen (osceißt, und ſo
den Menſchen mit der allgemeinen Natur in
Kampf Tekt, ſtrebt zu gleider Zeit auch wieder
von dieſem Beſondern los, und zu einem Auges
meinen hin , das es zwar , als dieſes ſubjektive
Jch , nie erreicht , aber doch diejenige Kraft im
Menſchen weckt, welche die allgemeine Natur,
in der er zuvor lebte, jeßt in thm ſelbſt enthult ;
und wenn er zuvor in der allgemeinen Natur
nur wie der Spiegel im Bilderreiche wandelte,
To lebo jeßt die allgemeine Natur in ihrer Wes
ſenheit, in ihrer nicht mehr bloß Bildtidyen, ſon :
dern lebendigen Wahrheit, als Idee in ihm.
Der Mechanismus des Ichs , durch den
96
fich von dem Beſondern der Natur loszumas
chen , und frei zu werden ſtrebt, und der das
Ich zu einem Denkenden, Erfenienden , und Har :
delnden , das iſt , zum Verſtand bildet, ſo daß
der Trieb , mit dem die Subjektivitåt anhebt,
im Handeln zur Erſcheinung kommt , um durch
die ihm entgegenſtehende Zweckmäßigkeit, oder
das Geſeb , ſelbſt zum Allgemeinen hin gebits
det zu werden dieſer Mechanismus iſt ſchon
gezeichnet worden ; aber die Kraft , welche er
im menſchlichen Geiſte wedt, muß noch charaktes
riſirt, und gezeigt werden, daß durch fie der alls
gemeine Naturgeiſt, als Geiſt der Wahrheit,
als Idee, in dem Menſchen zwar nicht erzeugt,
aber doch enthult werde.
Wenn wir ſagen , daß jene Kraft durch den
Mechanismus der Subjektivität geweckt werde,
ſo iſt das nicht ſo zu verſtehen , daß fie die
Frucht der Subjektivitát ſey. Dieſe bereitet nur
den Boden , låutert die Materie des Beſondern ,
: in welchem dieſe Kraft verſchloſſen ruht, zur
Form , und öffnet ihr den Weg zur Erſcheinung,
wie die wärmende Frühlingsſonne den harten
Winterboden erweichet, und durch allgemeine Gähs
sung , Auffdfung der Materie in ſpielende Kräfte,
die allgemeine, organiſche Naturkraft medt.
Es
97
Es iſt die Einbildungskraft , von der
wir ſprechen , die Blume des menſchlichen Geis
ftes, die den Saamen der Wahrheit trågt. Sie
ift ſelbſt die bildende , organiſche Kraft der Nas
tur, und von ihr nur in der Richtung, verſchies
den , denn ſie erzeugt ideale Organiſationen , wie
jene reale.
Man ſprach einſt viel über eine Grundkraft
der Seele. Es viſt überall in der Natur nur
Eine Kraft , die organiſche, und ipas wir fonft
noch Kräfte nennen , damit bezeichnen wir nur
die verſchiedenen Richtungen und Veußerungen
der Einen Kraft, und obgleich wir wiſſen , daß
alle Kråfte der Matut zur Organiſation hinſtre
ben , um in Harmonie das ewig Gleiche , nothi
wendig - Eine, in der realen Natur bildlich als
Einzelweſen , in der idealent urbildlich in Dotar
lität und Einheit, als Idee darzuſtellen : ro wife
ſen wir bis jeßt doch noch ſehr wenig davon ,
wie die unendlich mannigfaltigen Leußerungen
der Einen Kraft unter einander zuſammenhåns
gen , und dieſe Wiſſenſchaft - iſt eine unendliche
Aufgabe für unſere Erfahrung , die nur durch
Paralleliſirung der idealen und realen Leußer
,
und Experiment , nach und nach geldſet werden
7
98
fann. Wie der Mathematiker die allgemeine
Bewegung der Weltförper nach den Gefeßen der
Subjektivitåt berechnet , weil jene Bewegung
eben ſo ein Idealiſiren des allgemeinen Chaos,
wie die Subjektivitåt ein Idealifiren der beſoni
dern Materie, ein Produziren des Ichs iſt: eben
ſo entſprechen die allgemeinen Erſcheinungen des
Ich den allgemeinen Erſcheinungen der Natur.
Die Qualitåt der Natur, und es erſcheint nichts
ohne Qualitat , entſpricht der finnlichen Vorſtels
lung, dem Gedanken des Ichs, und wie in der
ſinnlichen Vorſtellung , Empfindung und Wahr:
nehmung zu einem Ganzen verſchloſſen ſind , ſo
find auch in jeder Qualitåt der Natur eine at:
tive und paſive Thåtigkeit in Harmonie geſett,
ſo daß das Produkt, die Qualitåt, als die Rüz
be der entgegengefekten Thätigkeit erſcheint. Det
Erkenntniß, als Beziehung der , objektiv in Ger
genſag geſtellten , Empfindung und Wahrnehmung
auf das ich als Syntheſis , entſpricht jede er's
ſcheinende Kraftàußerung der realen Natur', die
immer ein Kampf der aktiven und paſſiven Chas
tigkeit, das iſt, die erſcheinende Wirkfamkeit der
Qualitåt, und deſſen Produkt immer ein Quans
!
tum aus der Qualität iſt, in welchem ſich die
Qualität wieder in Ruhe Tekt. Endlich der
,99
Handlung des Ichs, als der båchſten Leußerung
der Subjektivitåt , entſpricht das Experiment in
der realen Matur , und da dies nur von den
felbftang
Ich Telbſt angeſtellt werden kann , ſo durchfreus
fann, ſo durc
zen ſich hier die reole und ideale Natur , und
wechſeln ihre Rollen . Denn ſo wie die reale
Natur im Menſchen die Subjektivitåt erzeugt,
um ſich als Kraft vom Beſondern zu befreien ,
und ſich in die ideale Sphäre zu erheben , wie
ſie zu dieſem Zweck, das Beſondere durch die
Subjektivitåt idealiſiret , ebenſo erzeugt das
Ich durch das Erperiment, in der realen Natur
eine Subjektivitat , um ſich ſelbſt in der Matur
OT

bet Stort som erſcheinende


zu realiſiren ( denn was iſt das
chemiſche Produkt , der Stoff , der nur durch
das Erperiment erzeugt wird, anders, als das
realiſirte Ich ? ) , 18ſet zu dieſem Zweck, deflen
Erreichung uns auch auf demWege der Erfah :
rung immer mehr einſehen laſſen wird, daß die
reale und ideale Natur , ihrem Weſen nach
durchaus identiſch ſind, die rühende Qualitat in
ſtreitende Kräfte auf, und idealiſiret ſie durch
dieſe Auflöſung, um wo möglich einen Urſtoff
der Natur zn finden , anſtatt deſſen nun aber,
weil er in der Natur nicht da iſt, ein reales
Ich, als Produkt der Auflöſung erſcheint.
របរ បុ រ
IOO

Das Reſultat der Parallele der realen und


idealen Natur, welche die fortſchreitende Naturs
forſchung , auf der einen , und die acht philoſos
phiſche Analyſis des menſchlichen Getſtes , auf
der andern Seite , immer weiter entwickelt, it
folgendes.
Es iſt eine allgemeine Naturkraft,
und dieſe iſt nur als das Hervor ſtres
ben der ewigen , in der gåttlichen Ver :
nunft lebenden Weſenbeit der Natur
ju begreifen; die ewige Werenheit
ſtrebt aber bervor als Offenbarung ,
um ſich in der endlichen Vernunft, und
áls ſolche darzuſtellen , und dieſe Dars
ftellung im Endlichen iſt nur möglich
durch Realiſteung der Weſenbeit als
Beſonderen , und durch dealiſirung
des Betondern , wodurch Ote weſenheit
ſelbſt als All gemeinbeit , als Joee get
offenbart wird.
Die in der realen Natur erſcheinende Mias
ferleiſtit , wie die verſteinerte Pflange , nur ers
ſtarrte Kraft, jeder Punkt der Materte iſt nid ts
als die Ruhe , oder eigentlicher, Harmonie der
Kräfte, die durch das Experiment wieder in
Kampf gelebt werden fdnnen . Die Materie it
IOI

Ausdruck der Beſonderheit der Natur ; denn nur


dadurch kann die ewige Weſenheit im Belondern
bildlich ſich darſtellen , daß die allgemeine Naturs
fraft ſich ins Unendliche vereinzelt , wodurch ſie
ſich ſelbſt begrenzt. Dieſe Selbſtbegrenzung
iſt der Grund, warum die algemeine Naturkraft
in der ' realen Natur nicht zur Erſcheinung
kommt, ſo daß nur aus ihrem lekten , allgemeis
nen und ſich gleichen Produkt, der Organiſation,
auf ſie zurüdgeſchloſſen werden kann . Sie ſelbſt
erſcheint nur in einzelnen gegen die Schranken
anſtrebenden , und da die Schranke ſelbſt wieder
eine Kraft ift, gegenſeitig kämpfenden Kräften.
Da aber alle einzelne Kräfte der realen Natur,
urſprünglich die Eine allgemeine Naturffaft ſind,
ſo daß ſie alle, als in der Einen enthalten , ges
dacht werden müfen : ſo kann ihr Kampf nicht
endlos ſeyn , ſondern Gleichgewicht iſt immer
und überall das nothwendige Ziel des Kampfes.
In dieſem Gleichgewicht der Kräfte der realen .
Natur , beweiſet ſich die Eine allgemein berrs
fchende Naturkraft , und jenes iſt eben ſo allges
mein als dieſe, es iſt die reale Erſcheinung
der allgemeinen Naturkraft , die Mas
ferie. Es iſt eine Materie, und es iſt eine alla 1.
gemeine Naturkraft, ſind alſo ganz gleichbedeu :
102

tendé Ausdrücke; aber eben ſo wahr und gleichs


bedeutend, nur von der andern Seite angeſehen ,
iſt die Behauptung, daß die ganze Matur nichts
als das Univerſum ' von Kraftåußerungen iſt, in
dem die allgemeine Naturkraft das ewige Weſen
der Natur reflektirt, um es im befondern Bilde
darzuſtellen. IN

Dieſe Eine, allgemeine, in der realèn Natur


als plaſtiſche Kraft oder Bildungstrieb verbor:
gene, und nur in der organiſirten Materie bilds
lich 'fich darſtellende Naturkraft , tritt im Meni
ſdien als Bildungskraft oder Elnbildungskraft
hervor. " Zwar wird die Bildungskraft ſchon auf
dem Wendepunkt der realen und idealen Natur
im Menſchen ; " Einbildungskraft; da aber die
reale Natur, ſo wie überall, alſo auch im Mens
fden nur im Beſondern ſich darſtellt, und die
Naturkraft eine allgemeine ift: ſo muß das Bes
ſondere im Menſchen erft als ſolches getilgt weri
• den , ehe die Naturkraft, als die allgemeine, ers
ſcheinen fanit. Dieſe ' Tilgung des Beſondern
iſt die Beſtinimung der Snbjektivitát, durch
welche nicht allein das Beſondere im Menſchen,
ſonderte mit ihm zugleich alles Beſondere der
Matur unter allgemeine Formen gebracht, und
fo zur idealen Maſchine geeignet wird, in Bet

1
103
Rich die allgemeine Naturkraft als Einbildungs,
fraft frei bewegen kann ; das Id aber, das aus
dein Geheimniſſe der menſchlichen Freiheit , das
ſich erſt in der Vernunfthandlung enthüllt , als
Schatten hervorgeht, vertritt in dieſem Zwiſchens
zuſtande der allgemeinen Natur die Stelle der
Naturkraft, und beweiſet ſich als bloßer Stella
vertreter hinlänglid dadurch , daß, es nur als
negatives Ich erſcheint, das erſt durch das Dens
ken , Erkennen, und Handeln, das iſt, durch die
Beziehungen des Beſondern der Natur auf die
bloße Form der Allgemeinheit, welche ſich in dem
negativen Ich als Aufgabe darſtellt, eine ſubs
jektive Realität erhalt.
Da die allgemeine Naturkraft auf dem Wens
depunkt der Subjektivität und Objektivität im
Menſchen, als Einbildungskraft gleichſam wieders
geboren wird : To iſt es natürlich , daß dieſe im
Menſchen verjüngte Kraft , in ihm zuerſt als
Spielfraft erſcheint, und nur dann als allges
meine Naturkraft fich geltend macht, wenn ſie
mit vorzüglicher Energie durch das Beſondere
bindurchdringt. 30 dieſer Energie heißt ſie
Genie , das iſt, der Genius der Natur , der
die in der realen Natur verſchloſſene Augemeins
1
beit hervorgaubert, und als, Jdee darſtellt.
!

104
Das Genie erzeugt die Kunſt, und jedes
wahre Kunſtwerf iſt ein Bild der allgemeinen
Natur, das perſonifizirte Ideal des allgemeiuen
Naturgeiſtes. Daher hat die Kunſt eigentlich
Fein Prinzip , und die Prinzipe der Theorie bes
zeichnen nur die allgemeinen Beziehungen des
Kunſtwerks auf die Subjektivitát. Man hat des
ren drei a

tur , Vollkommenheit , und Vergnügen


oder Gefallen.
Das Gemeinſchaftliche dieſer Prinzipe ift
die Anſicht der Natur, wie ſie als ein Berons
deres dem Verſtande, und ſomit auch der Sinns
lichkeit vorliegt ; unterſchieden aber fino he da:
rin, daß das erſte für die Sinnlichkeit und den
Verſtand zugleich das zweite in ſeiner Ronſes
guenz, für den Verſtand , das dritte in ſeiner.
Konſequenz, für die Sinnlichkeit allein berechs
net iſt,
Daß alle drei Prinzipe in der Subjektivitåt
nicht allein haften , ſondern auch ganz auf ihre
phåre beſchränkt find dies zu bereiſen ,
bedarf es nur eines beſtimmten Blides in die
Natur der Subjeétivitåt.
Sie iſt das Denken , Erkennen , und Hans
deln , und in dieſen dret Funktionen das Stres

1
1
105
ben des Scho , fich von dem Objekt, als einem
Seſondern, oder von der, in und durch Materie
vereinzelten Natur loszuwinden , ſich mit dem
allgemeinen , in allem Beſondern verborgenen
Naturgeiſt zu identifiziren , und ſo ihn ſelbſt, als
die ewige, nothwendige Beſenheit der Natur, in
der Idee darzuſtellen ,
Im Denken wird das ich ſelbſt Objekt, und
der Gedanke, die ſinnliche Vorſtellung iſt, wie
an einem Orte gezeigt worden iſt , eben ſo die
Naturaliſirung, die erſte Organiſation des Ichs ,
wie die erſte Stufe der Jdealiſirung , der im
Beſondern dargeſtellten Natur.
In dieſen Kreis der Subjektivitåt fällt das
Prinzip der Nachahmung der Natur, denn durch
daſſelbe wird der Künſtler angewieſen , ſich des
Beſondern der Natur , es rey ein äußerer Ges
genſtand , oder eine innere Handlung , als des
Realen , ganz zu bemeiſtern , um es als Fdeales
darzuſtellen. Es iſt alſo nur für die erſte Stufe
der Organiſation des Sche, für den Naturſtand
des Menſchen berechnet, wo noch das Ich mię
der Natur im Objekt identifiziret erſcheint ; und
dies iſt auch der Grund , warum die Homeris
ſchen Dichtungen dieſes Prinzip zu rechtfertigen
1
ſchetnen ; denn wenn man ſie bloß als eine Sammy
106

lung einzelner. Gemälde anſiehti To find fie itt


der That nur treue Kopien der Natur : aber
das ſind bloß die Farben , die Materie des
Kunſtwerks, ſein Weſen iſt das, wodurch es ein
Ganzes iſt, und als dieſes iſt es Ein Gemålde
des Einen Geiſtes, der ſich als allgemeiner Nas
turgeiſt in keinem andern Werke ſo rein , und
6 lieblich ausſpricht, als in den Homeriſchen Ges
Fången.
Das Prinzip der Vollkommenheit beſchränkt
die Kunſt auf die zweite Stufe der Organiſation
des Ichs , oder auf den Verſtaus: in engerer
Bedeutung. Zwar kann in den Begriff der
Vollkommenheit Alles gelegt werden , und To
auch das Weſen des Kunſtwerks ; aber eben dess
wegen iſt er bloßes Abſtraktum , ein formeller
Begriff ohne beſtimmten Gehalt, und kann nur
logiſdy, als Einheit in der Mannigfaltigkeit bes
ſtimmt werden. Dieſe Einheit in der Mannig:
faltigkeit iſt das Jch als Reflexion , im Gegens
faß mit einem Objekt als dem gegebenen Mans
nigfaltigen , und ſo iſt dieſes , nur die Form des
Beſondern in Beziehung auf die Reflepion.
i : So wie das erſte Prinzip die Quelle , und
das zweite die eigenthümliche Form der Sdyon:
teit ausdrücken ſoll, ſo wil man mit dem Pring
104
alp des Gefallens ihren Zweck Bezeichnen! Did.
tes' Prinzip faut alſo in die dritte Sphäre dei
Subjektivitåt, und lift får den " fiönlich handelns
$
den Menſchen berechnet die Kunſt iſt nach
ihm die höchſte und legte Befriedigung sbes
Triebes.
Man fteht hieraus , daß dieſe drei Prinzipe
der ſchönen Kunſt der Subjektivität angehdeen,
und' da die eigentliche Mutter der Tchánen Kunſt
die Einbildungskraft iſt , dieſe aber als die alt:
gemeine Naturkraft die Beſtimmung hat , den
menſchlichen Geiſt über die Subjektivität zu er :
heben : ſo können ſie , ihrer beſondern Wahrheit
unbeſchadet, nicht als Prinzipe der ſchönen
Kunſt gelten, was audy ſchon daraus einleuchs
tet , daß jedes dieſer Prinzipe Feine Anſprüche
neben den andern geltend macht. Doch ſind ſie
negative Bedingungen der Schönheit , ſo daß
fein Kunſtwerk , und ſo auch kein Naturgegens
ſtand und keine Handlung ſchon zu nennen iſt,
wenn ſie nicht als beſondere Darſtellungen ,
der Natur entſprechen, wenn ſie nicht eine voll:
kommene Form haben , und den Trieb durch
Mohlgefallen befriedigen.
Die Beſtimmung der Subjektivität überhaupt
ft für den Geiſt nur eine negative, trehmlich Bes
108

fretung von dem Beſondern als Materiee ;und


da jedes Kunſtwerk,nur im Beſondern , in der
Materie , nur unter ſubjektiven Bedingungen
dargeſtellt und aufgefaßt werden kann : ſo ſind
jene negativen Bedingungen der Schönheit, ihr
In eben dem Sinne weſentlich , als die Subjeks
tivitát überhaupt per endlichen Geifte weſentlich
ift ; ſo wie nehmlich dieſe der nothwendige Mits
telzuſtand des von der Materie zur Objektivität
fid erbebenden eudlichen Geiſtes ift : fo find jes
ne negativen Bedingungen das nothwendige
Band, welches die Materie des Kunſtwerke, als
bloße Svile, mit ſeinem Weſen verbindet.
Das Weſen der ſchönen Kunſt , das iſt, die
Schönheit ſelbſt iſt die Idee, und dieſe iſt der
allgemeine Naturgeiſt, den die Einbildungskraft
als Mutter empfängt , um ihn in ſchönen , emig
jugendlichen Gebildeą darzuſtellen :
Es läßt ſich nicht ſagen, was Schonheit Tey,
und ſo giebt es weder einen poſitiven Begriff,
noch ein Prinzip der Schönheit, aber fie ſpricht
fich felbft in ihrem Leben, in threm Daſeyn aus,
wir füblen filę, ohne ſie zu kennen , ſie füllt den
Geiſt, ohne als IIrſache auf ihn zu wirken , fie
iſt dem Licht zu vergleichen , das nur der Deff:
nung. bedarf, uin-34-leuchten, das auch im eins
109
fachſten Straht immer die garize Sonne giebt.
Durch die Schönhett wirft der Geiſt unmitt
telbar auf den Geiſt , denn es's lift der alge
meine Maturgeiſt, der eben for den darſtellenben
als empfangenben, der jeden endlichen Geiſt in
der Beſchauung umfaßt, wie jeder endliehe Geift
durch Anſchauung zum allgemeinen Maturgeiſt
fich erhebt, ſo daß auf dieſer Hohé alle endliche,
beſchauende Geiſter , fich als das Cine, Gleiche
finden. Dies iſt der feßte Gründ aller menſchi
llasen Verbindung, alles gegenfeitigen Verſtändi.
niffes der Menſchen , es iſt das' , was der große
Leibnißiſche Getſt durch phófifchen Einflus gar
nicht begreiflich fand, und das ihn zum poſtulat
einer 'pråſtabilirten Harmonie hinzog. Dieſe ewig
feſtgeſente Harmonie der Welt iſt der allgemei:
ne Naturgeiſt, der ſich in ſeiner verborgenen
Tiefe als Beſen und Grund der ganzen Natur,
1 ohne welchen jede Erklärung der Natur unmdgs
lich iſt, und in Terner Offenbarung , fo weit wie
ſie jekt kennen , in jedem Kunſtwerke', in jeder
e as
wahrhaftr thetiſchen Idee Dokumeiiti . “
Man ' fann : fragen , ob dieſer allgett ,i
der Idee fich offen Natu
meine n
, ein Sub
baren rgei
ſtanzi , oder ein bloßdee Abſtr f t ,b a
e s aktúm er llgos
mei llBeseg des men
ne riff ſchlic Gei
ſtes Fey
.com
hen
11 .

Ich will dieſe Frage nicht mit dem bekannten


Kunſtgriff der Kautiſchen Philoſophie , daß die,
Idee über der Erſcheinung lieger ; folglich nid)t
unter der Kategorie der Subſtanzialität ſtebe,
von der Hand meiſen , ſondern nehme ſie in dem
Sinne des Fragenden , der,wiſſen will , ob ſie
ein Weſen für ſich ſey, oder ein bloßer Begriff ;
und obgleich derjenige , der ſich zur Anſchauung
der Idee echoben hat, oder den, die Natur mit
ihrer Kraft vorzüglich begünſtigte , dieſe Frage
nicht macht, derjenige aber, der dieſe Anſchauung
noch nicht hat, die Antwort nicht leicht verſteht:
ſo -låßt ſich doch vielleicht auch für den legtern
ſo viel ſagen , daß er die Sache nicht für , uns
möglich , oder für bloße Erdichtung hält.
Zuerſt iſt zu bemerfen , daß der allgemeine
Maturgeiſt keinesweges als ein bloßes Abſtrak
tum des menſchlichen Seiſtes anzuſehen iſt, und
daß eb , viel leichter zu beweiſen, wäre, daß der
beſondere menſchliche Geiſt, bloß.,ein aus dem
allgemeinen Naturgeiſt: herausgeſektes Unwes
ſentliches, eine bloße Modifikation deſſelben Terne
die als ein beſonderes , bloß als ein den Körper
erleuchtender Strahl,, mit ihm zugleich in die
allgemeine Natur zurückſinkt. Folgende Alterna:
tive hålt die ſtrengſte Prüfung aus :

1
III

Entweder , der allgemeine Maturgeiſt iſt We .


Ten , und jeder beſondere, endliche Geiſt it , als
der allgemeinen Natur angehorend *),
nur inſofern Weſen , als er den allgemeinen Nas
turgeiſt in ſeiner Anſchauung offenbaret - oder
der endliche Getſtift bloße Modifikation der
Materie .
Wie ſoll man aber das Weſen des allgemei,
men Naturgetſtes ſich vorſtellen ?
Für den Standpunkt der Subjektivitåt, das
ift ;" für unſere Reflexions iſt das Subſtanztelle
auch immer ein Beſonderes der Natur. In
dieſem Sinn lit der allgemeine Naturgeiſt, oder
die goee nicht Subſtanz. Verfeßen wir uns
aber an einem ſchönen Frühlingsmorgen , oder
lieblichen Herbſtabend , in die freie nicht karg
ausgeſtattete Natur , lagern wir uns auf eine
Anhsbe," oder ruhen wir im Sommer unter fühs
lenden Schatten am rieſelnden Bach , blicken wir
in der Winternacht hinauf zu dem zahlloſen
Sternenheer ; denken wir uns in die Arme des
lang, entbehrten Freundes, an die Seite der von
* ) Wir zeichnen dieſe Bedingung. Deswegen aus, weil hier
nur von der nuthwendigen Natur die Rede iſt. Der
freie Geitt iſt als Beſonderes Werep , und zwar nicht
natürliches, sondern göttliches Weren , wie weiter ***
7
ten gezeigt werden rou.
II2

dwerer Geburt geretteten Gattin , in die Mitte


blábender Kinder ; durdwandern wir mit nie
geſättigtem Blicke die unermeßlichen Homeriſchen
Schöpfungen, laffen wir die zarte Harmonie ei:
ner Kyropådie in unſern Geiſt tönen , laſſen wir
ihn von dem heiligen, geheimnißvoller Feuer eis
nes Odtheſchen Taſio entflammen , mit einer
Schiller(chen Chefla , einem Mar , in Licht ſich
aufldſen , oder von einer Scheatſpearſchen Matur
aus ſeinen Angeln beben. - Ber fühlte ſich
nicht, wenigſtens einmal in ſeinem Leben , in eis
nem dieſer oder unzählig anderer dieſen gleis
dhen Zuſtånde? Und fühlte er fich dann nicht
mehr ſein eigen, voller, wichtiger, großer , mehr
Menſch , als ſonſt, wenn er ſich allein überlaſs
ſen iſt, und auch die Einbildungskraft ihm ihre
Dienſte verſagt ?
Das Weſen , welches in ſolchen Zuſtanden in
uns lebt, ift das Weſen der Ideen , das Weſen
des allgemeinen Naturgeiſies, und inwiefern wir
dieſes Weſenta uns für wahr balten müſſen ,
inſofern iſt auch der allgemeine Maturgent ſubs
ftanziel. Der allgemeine Naturgeift lebt alſo
zwar nur im Menſchen , weil er nur in ihm ſich
offenbaret, aber er lebt in ihm nicht, als þeſons
derer, ſondern als allgemeiner Geiſt , in ihm lebt
zugleich
1 3
1

113
zugleich die ganze Natur , nnd er iſt die noths
wendige Natur, die Anſchauung der ewigen Vers
nunft , das Ilniverſum , die erſte Offenbarung
der Gottheit.

Es iſt aber nicht die Kunſt allein , in der


uns die Einbildungskraft, als allgemeine Naturs
kraft, den allgemeinen Naturgelft offenbaret, ſons
dern er offenbaret ſich auch in der Willenſdyaft;
er ſtellt ſich nicht bloß als Schönheit , ſons
dern auch als Wahrheit dar , und dieſe tft,
wenn die Vergleichung nicht zu gewagt iſt, ſein
månnlicher, jene ſein weiblicher Charakter ; die
Wahrheit , das ewige Vorbild der Tugend ; die
Schönheit, das ewige Vorbild der Seligkeit ;
beide Vorbilder, als Ausbrücke der ewigen noths
wendigen, für die ewige freie Natur. So wie das
Weib nur für das Beſondere der Menſchheit,
der Mann für das Algemeine beſtimmt iſt, und
wie die Seligkeit in dem Aufnehmen des Allgei
meinen in das Beſondere ,' die Tugend in dem
Hingeben des Beſondern in das Augemeine bes
fteht - eben ſo iſt die Schönheit nur im Bes
ſondern, die Wahrheit im Allgemeinen darſtella
bar. Die Schonheit im Allgemeinen dargeſtellt,
wird Wahrheit , dieſe im Beſondern dargeſtellt,
114

edhönheit; die Sd8nheit iſt das wahre Abbild,


die Wahrheit das ſchöne Urbild des allgemeinen
Naturgeiſtes, er ſelbſt aber ruhet in lebendiger
Anſchauung in Gott , der ewigen Vernunft.
Wie die Schönheit zur Wahrheit, ſo verhålt
ſich die Einbildungskraft zur allgemeinen ( noths
wendigen, ſpekulativen ) Vernunft. Die Einbil.
dungskraft iſt allgemeine Naturkraft , tritt aber
als dieſe, nur im Beſondern, als Genie hervor,
und bleibt im Allgemeinen ſpielende Naturkraft ;
die Vernunft iſt allgemeine Naturkraft, und
tritt in allen endlichen Geiſtern , folglich alges
mein als ſolche hervor , und ſpielt nur im Bes
ſondern , indem ſie dem Eineu unter die er, dem
Andern unter einer andern Form dieſelbe Wahr:
heit offenbaret. In der Einbildungskraft wirkt
die allgemeine Naturkraft, als ſolche, im Mens
ſchen , ihm ſelbſt fremd, kann folglich ihren alls
gemeinen Geiſt nur im Beſondern , nur als Bild ,
als Schonheit offenbaren ; in der Vernnnſt wirkt
ſie als allgemeine menſchliche Kraft, und offens
baret ihren Geiſt in allgemeiner , folglich eigens
thümlicher Form , als Idee , als Urbild , als
Wahrheit. So gehört das Genie und die Kunſt
zwar mittelbar dem Menſchen , aber unmittelbar
der Natur ani, die Vernunft hingegen iſt unmit:
115
telbares Eigenthum des Menſchen , iſt der Menſch
ſelbſt.
Mit Recht unterſcheiden wir alſo die alger
meine Vernunft von der Einbildungskraft , obs
gleich ſie beide im Objekt Eines , beide die eine
und ſelbe allgemeine Naturkraft ſind.

)
iii.
Vernunft und Beſtimmung.

Das
as Weſen der Offenbarung der ewigen Vers:
nunft beſteht in vierfacher Einheit, in einer dops
pelten Allgemeinheit und einer doppelten Beſons
derheit , beider als unendlich und endlich.
Die unendliche Allgemeinheit iſt die verbors
gene nothwendige Natur der ewigen Vernunft,
und ſie erſcheint nur in endlicher Beſonderheit;
die unendliche Beſonderheit iſt die verborgene
frete - Natur der ewigen Vernunft , und ſie ers
ſcheint nur in endlicher Augemeinheit. Die in
endlicher Beſonderheit erſcheinende , unendliche
Allgemeinheit , oder nothwendige Natur, iſt die
Natur in engerer Beneutung als offenbarend
die ewige nothwendige Natur ; die in endlicher
117
Allgemeinheit erſcheinende, unendliche Befonder's
Heit, oder freie Natuv, iſt die Geſchichte , ale
offenbarend die ewige freie Natur.
• Die ewige nothwendige Natur iſt nicht allein
ein Gleich fern , ſondern auch ein zugleich
ſein ; in die nothwendige Natur ſelbſt fällt nicht
die 3 eit , denn dieſe bedingt das Mothwendige,
ſtellt es als Augeineines im Beſondern dar,
bringt es zur Erſcheinung. Die ewige freie Nas
tur iſt ſelbſt die urſprüngliche ewige Zeit, oder
die Ewigkeit ; fie wird , Telbft als ewige Zeit
unbedingt , nur durch das im Beſondern fich
darſtellende Nothwendige bedingt , endtlihe Zeit ;
und kann fich als ſolche, das iſt, nicht mehr als
urſprüngliche und ewige, ſondern als geoffenbars
te Zeit oder Fretheit, nur in endlicher Allgemeins
heit, als Geſchichte Carſtellen .
Da die nothwendige Natur der ewigen Vers
nunft als unendliche Allgemeinbeit , als ein 1

Gleichſeyn und zugleich ſeyu , der erſcheinents


den Natur zum Grunde liegt , ſo kann fie fich
in ihrer Totalttåt offenbaren , und offenbart ſich
auch wirklich in jedem Beſondern als ſeine Totas
Ittåt; da aber die freie Natur der ewigen Ver:
nunft, als unendliche Beſonderheit, keiner Natur
als ein Gleichs und Zugleichſeyn zum Grunde
118
flegt, weil ſie nicht unendliche Allgemeinheit, ſons
dern, unendliche Beſonderheit, das iſt; der immer
als das Gleiche wiederkehrende Anfangspunkt der
endlichen Allgemeinheit , das Element der Ges
ſchichte, der Freiheit tft : ſo kann ſie auch nie in
threr Totalitåt fich offenbaren , ſondern nur, als
&
das Gleiche, in ewiger Zeit, und als ewige Zeit
ſich realiſiren . Und da die endliche Vernunft
das Ziel und die Vollendung aller Offenbarnng
der ervigen Vernunft ift , ſo muß auch in ihr
eine 'Zwiefache Weſenheit unterſchieden werden :
die Offenbarung der nothwendigen Natur in ihs
rer Cotalitat , und die Realiſirung der freien
Satur in ihrer Ewigkeit , oder in ewiger Zeit ;
fo daß die, als unendliche Algemeinheit, in Tos
talitat ſich offenbarende; nothwendige Natur, und
die, als unendliche Beſonderheit , in ewiger Zeit
Cendlicher Allgemeinbeit , Geſchichte ) fich offens
Farenbe, freie Natur, die beiden Pole der endlis
chen Vernunftwelt, der geſammten Offenbarung
der ewigen Vernunft ſind.
Die Offenbarung der nothwendigen Natne
als Totalitåt, heißt Vernunfterkenntniß ,
und in Beziehung auf dieſe Totalitat, heißt die
endliche Vernunft die allgein eine, oder ſpez
kulative , beſchauende. Die Offenbarung der
119

freien Natur, als Realiſirutig in ewiger Zeit,


als unendliche Beſonderheit , beißt Vernunft
handlung, und da ſie nicht als endliches Bes
ſoudere da iſt , ſondern erſt durch die Handlung
felbft realifirt wird , ſo beißt fie auch endliche
(menſchliche ) freibeit , oder was daſſelbe ift,
ewige göttliche Beſtimmung zu ewiger
Realiſirung. Wir ſprechen junádyſt von der
allgemeinen Vernunft.

Allgemeine Vernunft, Wiſſenſchaft.


Wir haben Denken , Erkennen , und Handeln
als diedrei unterſcheidbaren Stufen der Orgas
niſation des Ids, als eines an fid) Leeren , Nes
gativen , aufgeſtellt ; das erſte, als Identitåt des
Ichs mit dem Objekt , oder Objektivitåt; das
zweite, als Gegenſatz des Ichs und des Objekts,
oder Objekt:Subjektivitāt; das dritte, als denſels
ben Gegenſaß im umgekehrten Verhältniß , oder
Subjekt Objektivität, das Ganze aber als Subs
jektivität des endlichen Geiſtes bezeichnet : weil
er in allen dieſen Neußerungen noch in das Obs
jekt, als ein Beſonderes, etngewurzelt iſt. Das,
was ihn noch an das Objekt feſſelt, iſt die Res
120 .

flexion ; wird die Organiſation des Johs von dieſer


geldſet , ſo wird ſie jugleich frei von dem Obs
jeft, als einem Beſondern , und auf ſich ſelbſt
rubend, ſchwebt ſie als reine Idealitåt.
Dieſe Löſung wird durch die Einbildungskraft
bewirkt , die als allgemeine Naturkraft, unabs
hängig vom Deuken , Erkennen, und Handeln , im
Menſchen durchbricht, und ihn unmittelbar in die
ideale Welt verſeßt. Aber ſo wie das so , als
Wendepunkt der realen und idealen Natur, nichts
als ideale Beſtimmbarkeit iſt, und erſt mit dem
Objekt bekannt werden muß, um es zu tdealifis
ren : ſo erſcheint auch die Einbildungskraft als
Wendepunkt der Subjektivitåt und Objektivität,
muß erſt, als ſolcher, das Denken, Erkennen , und
Handeln , in ein Chaos verwandeln , ehe die reine
ideale. Objektivitåt fich organiſiren kann. Wie
die Naturkraft die Hülle des Saamenkorns ſpal:
tet, und das Korn ſelbſt faulen und gåhren låßt,
um die Pflanze zu erzeugen : ro durchbricht dies
felbe Naturkraft, als Einbildungskraft, den ideas
len Kreis der Subjektivität, und wirft die ges
ordnete Wechſelwirkung des Objekts und des
3ds untereinander , um das rein ideale Gebilde
zu erzeugen ; ſo daß der Menſch zur Aufrecht:
haltung der ſubjektiven Ordnung eben ſo die
: , 121

Einbildungskraft abwehren , wie er iht Chaos,


als nothwendigen Uebergang aus dem Beſons
dern in das Allgemeine, für ſeine ewige Ver's
nunftbeſtimmung tragen muß.
: Die Einbildungskraft organiſirt ihr Spiel
zum ſelbſtſtändigen Ganzeri, da, wo fie ais Nas
turkraft mit vorzüglicher Energie erſcheint, im
Genie; der Naturgelſt offenbaret ſich als Schón
beit, und Schönheit mit die ideale; vom Objekt
als dein Beſondern , befreite Organiſation des
Sche, aber nicht als ich , ſondern objektiv, wie
der als ein Beſonderes dargeſtellt, folglich nicht
der Naturgeift in ſeiner Wabrheit, ſondern im
Bilde. Ju der Natur iſt die erſcheinende Form
ein Beſonderes, und das Aligemeine, als Weſen,
ift Fein verborgener Grund ; in der Kunſt komme
ſelbſt die Augemeinbeit, das Weſen , als Form
zur Erſcheinung, aber es ruht auf dem Belons
dern , als ſeinem Grunde , uud nur durch diefes
Beſondere wird fie ein konkretes, wird Schons
beit. 216 Form auf ein Beſonderes aufgetras
kann das Augemeine, nur Bild reyn ; als
Wahrheit erſcheint das Allgemeine nur danı,
wenn es auf ſich ſelbſt rubet, wenn es Grund
und Erſcheinung zugleich iſt. Dieſe Sdentitás
iſt der Charakter der Wahrheit. Die beſondere
122

Natur iſt das Vorſpiel der Kunft, die beſondere


(menſchliche ) Kunſt , das Vorſpiel der Wahr:
heit ; aber die beſondere (menſchliche ) Wahrheit
erdffnet das große Schauſpiel der göttlichen Ofe
fenbarung, indem ſie dem endlichen Getſte die in
der beſondern Natur verborgene Allgemeinbeit,
als ihr nothwendiges Weſen offenbaret, und dies
ſes nothwendige Weſen , in der allgemeinen
Weltform , als das große Kunſtwerk des ewigen
Geiſtes , und in ſeiner innern Nothwendigkeit ,
als die ewige gåttliche Wahrheit, als ſeine noth:
wendige Natur erkennen läßt.
Wenn aber die beſondere Natur dem Schi
als bloßer Beſtimmbarkeit , als paſſiver Natur:
kraft, ſich von ſelbſt giebt , und die Kunſt aus
dem Id , als aktiver Maturkıaft, als Einbils
dungsfraft, ſich von ſeibſt erzeugt : ſo wird das
gegen die Wahrheit weder dem Ich gegeben,
noch aus dem Ich erzeugt , ſondern ſie iſt das
Ich ſelbſt als Naturgeiſt , und die paſive und
aktive Naturkraft dienen nur dem Geiſt in ſeis
ner etgenen Darſtellung. Das Gleichgewicht der
fich ſelbſt entgegengeſekten Raturkraft, heißt
Wisſenſchaft; mit dieſem Gleichgewicht er:
fcheint zugleich die Wahrheit , Wiſſenſchaft iſt
alſo der nothwendige Weg zur Wahrheit.
123
Durch Wiſſenſchaft wird der allgemeine Na:
turgeiſt, der auch noch in dem Produkt der
Einbildungskraft, in der Kunſt , ſeinen Natur ,
charakter behålt, eigentlich menſchlicher , und
zwar allgemeiner menſchlidher Geiſt , oder alges
meine Vernunft. Die Frage : Wie iſt Wiſſens
- tſt or der Grund ihrer
Nothwendigkeit ? - tſt alſo gleichbedeutend mit
folgender : Wie kann der allgemeine Naturgeiſt
allgemeine Vernunft , und warum muß er es
werden ?
Dieſe Frage iſt der Gegenſtand der wiſſens
ſchaftlichen Philoſophie, und jedes philoſophiſche
Syſtem iſt ein Verſud ), dieſe Frage zu beanta
worten . Doch wird ſie nicht von allen Philos
ſophen in dieſer Geſtalt aufgefaßt. Der eine
fragt : Wie iſt die Welt oder die allgemeine Nas
tur möglich , und welches iſt der Grund ihres
innern Zuſammenhangs ? der andere : Wie iſt
die Erkenntniß oder die algemeine Vernunft
möglich , und welches iſt der Grund ihres noth,
mendigen Zuſammenhangs ?
Beide Fragen führen den Philoſophen in eis
nem Zirkel berum , und der Grund dieſes Zir,
fels iſt die Einſeitigkeit der Frage. Die erſte
führt den Denker auf die allgemeine Vernunft

1
124
zurück, und hier wirft ſich wieder die zweite vor,
wie dieſe möglich ſey ; die zweite Frage führt
den Denker auf die Einrichtung der- aügemeinen
Satur, und dieſe mag a priori oder a poste .
Tiori aufgeſtellt werden“, ſo erſcheint ſie immer
als ein Gegebenes, nad deſſen Grund man wie:
der Fragen muß, und fo kommen wir auf die ers
fte Frage zurúd . Aber ſchon dieſer unvermeids
liche Zirkel läßt uns wenigſtens vermutben , daß
die algemeine Natur und die allgemeine Vers
nunft urſprünglich identiſch reyen , und zwingt
uns, dieſe Identitåt vorauszuſeßen , wenn wir
nod ferner an Philofophie glauben wollen , oder
dem Skeptizismus zu buldigen. Mit dieſer Vors
ausſekuug erhålt die Frage , das Problem der
Philoſophie, eine Geſtale, die wenigſtens von ins
nerem Widerſpruche frei iſt , und wenn eine
wahre Philoſophie möglich iſt , ſo kann ſie nur
auf dieſem Wege realiſiret werden .
Die Vorausſegung der Identitåt der Natur
und Vernunft führt den Philoſophen zunächſt
auf den Saß, daß dasjenige, worin Natur und
Vernunft gleich ſind , das gleiche Weſen beider,
ihre urſprüngliche Identität, worin fie aber vers
ſchieden ſind, nur das Zufällige Tery, und der Ers
ſcheinung angehör:. Gleich ſind Natur und Ber:

/
125
nunft darin , daß fie beide allgemein find , vers
ſchieden darin , daß die Natur im, Realen , die
Bernunft im Idealen ſich darſtellt, daß folglich
die Allgemeinheit der Natur in dem Realen, als
dem Beſondern, verſchloſſen iſt, die Algemeinheit
der Vernunft hingegen in der idealen Darſtellung
offenbar wird. Die Allgemeinheit iſt demnach
das gleiche Weſen der Natur und Bernunft,
aber das Reale oder Beſondere, in dem fid , die
Natur, und das gdeale oder Allgemeine, in dem
ſich die Vernunft darſtellt , ihre verſchiedene
form .
Die Frage : wie wird die allgemeine Natur
allgemeine Bernunft ? oder , wie geht der allges
meine Naturgeiſt in den allgemeinen menſchlichen
Geiſt über , beſchränkt ſich alſo auf die Form,
und es fragt ſich jeßt nur : wie wird die beſons
dere 'Naturform allgemeine Vernunftform , das
mit die , nur vorausgeſekte gleiche Weſenheit,
audy in gleicher Form erkannt werde?
Dieſe Aufgabe wird durch die Wiſſenſchaft
geldſet, denn dieſe iſt nichts anders , als ein
Gleichſeßen des Ungleichen . Mit der Gleichheit
der Naturform und Vernunftform tritt zugleich
die Identität der Form und des Weſens hers
-vor, und dies vollendet den Beweis der voraust
126
gelegten dentität der allgemeinen Natur und
der allgemeinen Vernunft.
Identität der Form und des Weſens ( der
Erkenntniß und des Seins ) fſt Wahrheit,
ſubjektiv angeſehen , die wiſſenſchaft alſo , welche
die Gleichheit der Form erzeugt, offenbart damit
zugleich die Wahrheit.
Es iſt die Wiſſenſchaft der Natur und Vers
nunft , oder des in dieſer Doppelform erſcheir
nenden Einen Geiſtes, durch welche dieſe Doppels
form als ſolche aufgehoben, und dem Einen
Geiſt ſeine eigenthümliche, mit dem Weſen idens
tiſche Form angeblidet wird , wodurch ſein Bes
ſen , das gleiche Weſen der Natur und Vers
nunft, zur Erfenntniß kommt , und als ewige
Wahrheit im menſchlichen Geiſte feſtſteht.
Daß dieſe Wiſſenſchaft die höchſte iſt , der
alle andern untergeordnet ſind, leuchtet von ſelbſt
ein ; denn auf Augemeinheit macht jede beſonde:
re Wiſſenſdhaft Anſpruch , dieſe aber iſt ſelbſt
die Organiſation des allgemeinen menſchlichen
Geiftes , folglich die Bedingung aller Wiſſens
ſchaftlichkeit des Geiſtes. Ob ſie aber Wiſſen :
ſchaft der Vernunft , oder der Natur zu nens
nen iſt ?
Als wiffenſchaft iſt ſie Eigenthum der
>

127
Vernunft, als Wiſſenſchaft des allgemeinen
Geiſtes gehort fie der Natur an ; denn in der
Natur wohnt die lebendige Wahrheit, der Geiſt
Gottes, als ſeine geoffenbarte nothwendige Nas
tur, ewig ſich ſelbſt gleich , während der Menſch,
als allgemeine Vernunft, nur in dieſen Geift
ſich hineinbildet; und da man die Wiſſenſchaften
mit Recht nach ihrem Objekt bezeichnet, ſo iſt
die Philoſophie als Wiſſenſchaft, die Wiſsens.
ſchaft der Natur, oder die Erkenntniß der
ewigen Weſenheit der Natur, der nothwendigen
Natur Gottes .
Der Zweck der Philoſophte als Wiſſenſchaft
tft, die allgemeine Vernunft in fich ſelbſt zit
gründen und zu befeſtigen , ſie als ein ewiges in
Ganze darzuſtellen, und gegen zufällige Umſtals
tungen einer ſubjektiven Zeitkultur zu fichern.
Dieſen ihren, nicht midkårlichen , Tondern noth:
wendigen Zweck, kann ſie nur dadurch erreichen,
daß fie die weſentliche und urſprüngliche Iden:
tität der Vernunft und allgemeinen Natur, we:
nigſtens als Wiſſenſchaft aufſtellt , da ſie aus
dem Leben verſchwunden iſt. Zwar liegt die Aufs
hebung dieſer Identitåt nothwendig in dem
Plan der Offenbarung der ewigen Vernunft,
Natur und Vernunft werden getrennt durch den
128

Mittelzuſtand der Subjektivitåt, und dieſer Zus


ſtand, iſt nothwendig , weil jene Trentiung noths
wendig iſt ; ſo gewiß aber die Subjektivitát nur
ein Mittelzuſtand iſt , ſo gewiß muß die Idens
tität der Natur und Vernunft einſt auch wieder
in Leben erſcheinen , und die Philoſophie als
Wiſſenſchaft beweiſet wenigſtens die Möglichkeit
dieſes Teligen Lebens.
Die Aufgabe der Philoſophie kanu folglich
auch dahin beſtimmt werden , daß ſie die ,
Natur und Vernunft trennende Subs
jektivitåt, für die Spekulation a'ufbes
folle. Dieſe Beſtimmung des Geſchäfts
der Philoſophie iſt von der oben gegebenen , daß
die beſondere Form der Natur, und die
allgemeine Form der Vernunft, durch
die Wiſſenſchaft gleich gefert werden
folten , nicht unterſchieden , denn dieſe Doppels
form iſt nur in der Subjektivítåt da , und ihre
gegenſeitigen Beziehungen machen das Weſen
derſelben aus.
Um das Weſen der Philoſophie, und ihr
Verhältniß zum menſchlichen Geiſt näher zu
zeigen, iſt es nöthig , die Doppelform des Bes
jondern und Allgemeinen in der Subjektivitåt,
und
129.

und die Möglichkeit ihrer Gleichlekung in der


Wiſſenſchaft nachzuweiſen.ee
Die Grundlage der Subjektivitat ifi das
Ich ein an ſich ganz Leeres , Negatives , der
Wendepunkt der realen und idealen Natur , der
Orund und Ausbruck der Trennung der Natur 1

und Vernunft. Das . Ich iſt Narur , ehe es


Ich wird, und hört auf. Ich zu ſeyn , wenn es
Vernunft wird , es iſt der Ends und Sdíluß.
punkt der realen Wirkſamkeit, und der Anfangs,
und Grundpunkt der idealen Wirkſamkeit der
Naturkraft.
Der Grund dieſer Einrichtung der allgemeis
nen Natur liegt darin, daß ſie Offenbarung der
ewigen Vernunft, der. Gotthett ift. Denn ſollte
fich die ewige Vernunft offenbaren , und doch
auch in der Offenbarung die Eine ewige Veré
nunft bleiben , ſo mußte ſie ſich als Bild und
Gegenbild offenbaren . So beſteht die ewige
Einheit zugleich mit der geoffenbarten , indem
dieſe auf ihrem eigenen Gegenſaße , Bild und
Gegenbild mit dieſem Gegenſaße zugleich aber
In der ewigen Einheit ruhet.
: Das Bild , welches in Beziehung auf das
Gegenbild aud Urbilo beißen kann , iſt die
Idee , die ideale Natur , die Vernunft; ihre
130

Form if Algetneinheit , denn das Urbild kann


nur Eines , und muß doch zugleich Ales ſeyn ,
das heißt, alle mögliche Reflere, den Grund als
ler möglichen Gegenbilder in ſich enthalten. Das
Gegenbild iſt die reale Natur , als Bild alls
gemein wie die Idee , und ſie ſelbſt , aber als
Gegenbild der unendliche Refter der Idee , die
Manntgfaltigkeit der Natur , das Beſondere.
Im Beſondern kommt das Gegenbild , und
To wegen der Einbeit des Gegenbildes mit dem
Urbilde , auch dieſes mittelbar zur Erſcheinung ;
aber als Idee iſt das Urbild hinter dem Gegensi
bilde verborgen , dieſes hingegen drückt ſich im
Beſondern als augemeinheit aus. Dieſes Allges
metne im Beſondern iſt Gattung, Organiſation .
Die; Organiſation erhebt fich ftufenweiſe bis
zum Menſchen, und dieſe thre Stufenordnung
iſt wieder Uusdruck des Allgemeinen , das als
plaſtiſche Kraft das Beſondere beherrſchti: *
Die plaſtiſche Kraft iſt das Streben des
Allgemeinen , das Beſondere, die Materie zu
überwinden , und ſich rein , als Ullgemeines , das
iſt , als Urbild , als Idee zu offenbaren. Im
Menſchen erreicht ſie ihr Ziel , es erſcheinet der
Wendepunkt der Natur, das Ich, und mit ihm
131
das Betvußtſern , das iſt, die Sphäre der Ads
3
gemeinbeit.
Aber das Ich iſt Felbſt der fekte Punkt des
Beſondern , wie der erſte des allgemeinen , und
erſcheint daher in ſeiner erſten Organiſation , in
der finnlichen Vorſtellung, eben ſo als real, wie
als ideal. Im Jch , als bloßem ( finnlichen ) Dens
ken , liegen alſo das Beſondere und allgemeine
4

( Empfindung und Wahrnehmung ) als Formen


verſchloffen ; dem die Empfindung iſt nicht ein
Beſonderes im Allgemeinert, ſondern für das
Allgemeine, für die Wahrnehmung , und dieſe
nidit das Algemeine reibſt, ſondern nur für die
Empfindung:
** Diefe" doppelte form kommt in der zweitere
Drganiſation des Iche , in der Erkenntniß, als
Gegenſatz zur Erſcheinung , and weil das och
beſtimine ift, die durch das Beſondere gedruna
gene Allgemeinheit aufzunehmen : To erſcheint
diëfe In Net Réfterton als die Einheit jenes Gesi
genfares , der auch in die Handlung übergeht,
weil hier der Trieb wieder ein Beſonderes tit,
das im Ich it ein Allgemeines aufgelöſt werden
ſoul
Daß die Doppelform des Bewußtſeyns nichts
anders Tey , als die Form des Befondern und
!
132
xugemeinen , davon überzeugt uns die Analyſis
derſelben , die zuerſt von Kant vollſtändig geges
ben, nach ihm ſehr,mannigfaltig wiederholt, und
quch in dieſer Schrift mit beſonderer Rückficht
auf ihre natürliche Entwickelung aufgeſtellt wors
den ift.
Schon im einfachen Denken, ohne Neflexion ,
in der finnlichen Vorſtellung , müſſen wir Ems
pfindung und Wahrnehmung, die durch das Ich
als Syntheſis zum Ganzen verbunden werden,
jene als das Beſonderen dieſe als das Augemein
ne unterſcheiden , non
9 Im Ex{ennen wird der Gegenfak des Bet
ſondern und Allgemeinen objektiv , das iſt auf
die Natur übergetragen - die eben durch dieſe
Doppelform für den Verſtand, als erſcheinend,
1
erkennbar wird. Dieſer soweiten Organiſation
des Ichs zufolge unterſcheiden, wir in der Nas
tur zuerst das :Empfindbare,als ein. Beſonderebni
und das Wahrnehmbaren als ein Allgemeines
jenes nennen wir Quantität, dieſes, Qualigát,
Wir unterſcheiden ferner;.in der Quantitat niet
der das Algemeine und Beſondere, und nennen
dieſes Einheit, jenes Vielheit ; eben ſo in der
Qualitåt das Allgemeine, als Realitåt und das
Beſondere als Negation (denn nur durch Nes
1

133
gation wird das Reale ein beſchränktes ); und
da ' das Ich überall die ſubjektiv nothwendige
Synthefis des objektiven Gegenſaßes iſt, ſo ruht
der Gegenſatz in der Quantität auf der Sinns
theſis der Alheit , und der Gegenſakt der
Qualität auf der Syntheſis der Befchränkung.
Dieſe doppelte Syntheſis ſteht wieder , wie
Alles im Ich , im Gegenſate des Beſondern
und Augeineinen , mit dem Unterſchied, daß hier
das ich nicht mehr die Natur im Einzelneu ,
ſondern als ein Ganzes zum Segenſtand hat,
die Alheit iſt das Algemeine der Natur , die
Beſchränkung das , wodurch ſie eine beſondere;
beſtimmte wird.
Dieſer höhere Gegenſaß durch die Reflexion ,
als Syntheſis , bezogen auf die Quantitat der
Natur , låßt den Gegenſaß des Beſondern und
Allgemeinen zugleich mit ſeiner Syntheſis objek:
tiv erſcheinen , es entſteht die Erkenntniß Eines
beſtimmten Naturgegenſtandes , das Allgemeine
nennen wir Subſtanz, das Beſondere Afzidenz ;
ihre Syntheſis aber iſt das , wodurch Subſtanz
und Akzidenz ein Ding, ein Gegenſtand find:
die Subſtanz iſt Alheit, das AEjidenz Beſdråns
kung , beides in einem beſtimmten Gegenſtande
dargeſtellt.
134
Derſelbe Gegenſaß durch die Reflexion auf
die Qualität bezogen, giebt die Albeit als Grund
der Realität des Beſondern , oder als Urſache,
die Beſchränkung als die beſtimmte erſcheinende
Realitåt, als Wirkung ( denn Wirkung iſt nichts
anders als erſcheinende Selbſtbeſchränkung der
Realitat als Urſache ) ; pie Syntheſis aber iſt
wieder das ich oder die Reflerion , wodurch der
Gegenſaß auf den Gegenſtand übergetragen wird :
To daß Subſtanz und 2€zidenz eben ſo die wes
ſentliche innere , als Urſache und Wirkung die
weſentliche außere Beziehung des Gegenſtandes
qusmachen.
So erhält das Ich durch die Doppelform
pes Beſondern und Allgemeinen , welche das
Weſen des Bewußtſeyns ausmacht, die algemets
nen Beztehungen der Natur als des Realen auf
ein Jdeales , und indem es den letzten Gegens
ſatz der Subſtanzialität und Kauſalität wieder
ſynthetiſch verbindet : To entſteht ihm in der
Wechſelwirkung, als Ausbruck dieſer Syntheſis ,
die Erkenntniß der Natur als Eines Gangen ,
ſo daß jekt die Natur als ein geſchloſſenes Reas
le, dem Ich als Bewußtſeyn gegenüber ſteht.
Aber auch dieſer Gegenſaß wird von der
Reflexion wieder aufgenommen , und als Mog 1
i

135
lichkeit und Wirklichkeit in der Nothwendigkeit
gehalten . Die ganze reale Natur fteht hier vor
dem Id als Wirklichkeit, das ganze Bewußtſeyn
als die Miglichkeit ; und da das Wirfliche im
mer ein Beſonderes , das Magliche immer ein
Allgemeines ift : ſo iſt durdy das Ich und für
das ich eine Trennung zu Stande gekommen ,
welche Die erſte Bedingung der offenbarung des
Urbildes als Idee iſt. Denn wenn die Natur
des Gegenbildes darin beſteht, daß das Auges
meine ( das Bild ) im Beſondern (Gegenis
bild ) fich ausdrückt ; To fiebt man wohl, daß das
Allgemeine und Beſondere in der realen Natur,
denn dieſe iſt das Gegenbild , fo verbunden ſind,
daß die Natur nur durch die Einheit beider die
reale Natur iſt ; das Beſondere ohne das Auges
meine wåre todte Materiis folglich nicht Gegens
bild , das allgemeine , ohne das Beſondere ,
wäre das Urbild, die Idee ſelbſt, folglich wieder
nicht Gegen bitd . Und doch iſt dieſe Trennung
nothwendig , da es in dem nothwendigen Plane
der Offenbarung der ewigen Vernunft liegt, daß
fich auch das Urbild oder die Joee offenbare,
indem die Offenbarung der ewigen Vernunft
nur die endliche Bernunft zum Ziele baben
tatin .
V
136
Dieſes , than darf wohl ſagen , Wunder der
Offenbarung Gottes in der allgemeinen Natur , i
wird durch das ich , durch das Bewußtſeyn als
Subjektivität bewirkt. Das ganze ſubjektive
Sewußtſeyn iſt Allgemeinheit , iſt Bild ; und
doch weder Urbild, Idees-noch Gegenbild , Nas
tur : eben ſo ift die dem fubjektiven Bewußtſeyn
entgegenſtehende Natur, aber nur als entges
genſtehend, weder Urbild , noch Gegenbild ,
noch Bild ; fondern bloßer Gegenſatz des Ichs ,
todte Wirklichkeit, blinde Materie , bloßer Ans
froß des Bewußtſeyns, Ding an fidh ; alſo reine
Beſonderhelt, wie das Bewußtſeyn reine Auges
meinbeit, doch beides nur formell , dieſe eben To
wenig Idee, als jene wirkliche todte Materie. ;
Die todte Materie, oder die reine Beſonders
belt formell ausgedruckt , ſchwebt im Ich als
Raum ohne Zeit , und die Allgemeinheit., oder
das Id), die Reflexion , formell ausgedruckt, als
Zeit ohne Raum. Durch die Syntheſis dieſes
Gegenſates *) wird der Raum durch die Zeit,
und dieſe durch jenen beſtimmt, ſo daß map
aud) von hier aus , wie man ſagt, a priori, die
Erfenntnißformen , oder die Kategorien entwers
feir fann.
*) Yad cant die Zeit, als Band der reinen Sinnlichkeit
und des reinen Verftandes.
1

1
8
( 137
Der Kaum burdh die Bett beſtimmt, iſt dle
Form der Beſonderheit ( Abſonderung von der
allgemeinen Natur , tobté Materie ) mit Ems
pfänglichkeit für die Form der Allgemeinheit;
die Zeit durch den Raum beſtimmt, iſt die Form
aber Ullgemeinheit ( der allgemeinen Naturthå:
tigkeit ) , mit Empfånglichkeit für die Form der
Beſonderheit (Ruhe , Oleichgewicht der Kräfte,
belebte, organiſche Materie. ) In dieſem Wech :
ſelverhältniß find Raum und Zeit die hschſten
Formen der Erfahrung , oder Berſtandeser:
fenntniß.
Abſtrahiren wir auch noch von dieſer Wechs
ſelwirkung, ſo wird der Raum die reine Form
der Beſonderheit, bloße Beziehung des Ichs auf
die reale Natur , und die Zeit , die reine Form
der Algemeinheit , bloße Beziehung des Ichs
auf die ideale Natur. Dies iſt die reine Form
des Ichs, als Subjekdivität , die doppelte Richs
tung der allgemeinen Naturkraft auf ihrem
1
Wendepunkte.
Die urſprüngliche Identität dieſer Zwiefachen
Form der Einen Naturkraft zu demonſtriren,
‘ und in dieſer Identitåt zugleich das Weſen der
allgemeinen Natur, als identiſch mit der Form ,
darzuſtellen . dies iſt , wie ſchon geſagt woes
138
den , die Dufgabe der Philoſophie als stiffens
Tchaft.
‫ܟܐ‬

Bie wurde die lofung dieſer Aufgabe bisher


von den Philoſophen verſucht , und welches ift
die weſentliche Bedingung ihrer wahren Ldſung ?
Es find nur zwei Falle denkbar. Entweder
es wird unter Vorausſegung einer Wefenheit
an ſich, in Beziehung aufſie, die. Jdentität der
Form demonſtrirt ; oder es wird die Weſenheit
nicht vorausgeſest , ſo daß die gleich geſekte
Form ſelbſt ſich als Weſen offenbaret.
Im erſten Fall iſt die Identität der Form
nur eine relative, in Beziehung 'nehmlich
auf ein Weſen außer ihr ; die Form bleibt im
Gegenſak. mit dem Weſen , die Doppelform der
Subjektivitåt tft nicht aufgehoben , die Aufgabe
nicht geldſet; und die vorgebliche Identitát iſt
nicht Gleichſetzung der , als Subjektivitåt ſich
darſtellenden , doppelten Naturform , ſondern
nur eine Gleichſegang der philoſophiſchen
Reflerion mit der einen oder andern jener
beiden Naturformen . Was das Weſen an fich ,
was objektiv wahr rey , kann auf dieſem Wege
unmöglich gefunden werden .
Ucbrigens hat die relative Identität, ihrer
Natur nady, eine vierfache Form . Entweder das
139
Weſen wird in der Form der Beſonderheiters
ſcheinende Natur ) vorausgeſebt, und die philos
ſophiſche Reflexion ( ſelbſt dieſe Vorausſegung )
identifiziret fich als Form des Beſondern mit
der Form des Allgemeinen ; dies geſchieht durch
Ubffraktion , das Algemeine entſteht aus dem
Befondern. Oder das Weſen wird in der Form
der Allgemeinbeit ( Verſtand als vorſtellende
Kraft ) vorausgeſebt, und die philoſophiſche Res
flerion identifizirt ſich als dieſes Algemeine mit
dem Beſondern ; dies geſchieht durch Evolution
des Beſondern aus dem Allgemeinen , die Natur
geht als ein Beſonderes aus der -Monas hervor .
.. Jenes iſt der Charakter der Lockeſchen , dies
fes der Charakter der Leibnißiſchen Philoſophie.
Oder das Weſen wird als ganz formlos, objets
tio , ( Ding an fich ) vorausgeſekt , die philoſos ·
phiſche Refterion (auch hiex , wie überal , die ;
Vorausſegung ) erbebt ſich über die Doppel,
form , wird - tranſzendental, und identifiziret fich ,
als ſolche , mit der Form des Beſondern und
Allgemeinen ; dieſes Verfahren heißt philoſophia
ſche Syntheſis , und ihr Produft , die Prioritat
der Erkenntniß, die reinen Erkenntnißformen .
Dies iſt der Charakter der Santiſchen Por
Toſophie

1
140
Ober das Weſen wird als feine Formt ,' ſubs
jektiv, ( abſoluter Jch, reine Thätigkeit) vorausi
gefeßt , die philofophiſche Reflerion ( hier die
reine Form ) feigt ſich ſelbſt als Doppelform ,
und identifiziret fich , als ſolche, mit dem Objete
in der Vorſtellung , als Produkt des abſoluten
gche , oder der abſoluten ( reitt formellen ) Res
flerion ; dieſes Verfahren beißt philoſophiſches
Seben, oder Konſtruirent , und ſein Probuft ift
eine vorgeſtellte Natur.
Dies iſt der Charakter der Fichteſchen Philo:
fophie.
Der gemeinſchaftliche Fehler dieſer Philoſos
pheme iſt , daß fie das Weſen der allgemeinen
Natur, das an fich Wahre, von der philoſophia
chen Refterton nicht unterſcheiden , ſondern durch
Selbſitåudung' dieſe für jenes nehmen . Sie
find folglich nur als Demonſtrationen der philos
Fophtichen Reflexion anzuſehen ; aber das objektiv
sabre , das Weſen können ſie nicht darſtellen ,
weil ſie durch die Reflexion in dem Kreiſe der
1
Sabjektivitåt zurückgehalten werden .
• fm Beſondern aber können weder Locke die
Vorausſetzung der Natur , als des Weſens in
der Form der Beſonderheit, noch Leibniß die
Borausſetung der Monas , als des Weſens in
141
der Form der Allgemeinheit aus ihren Syſtés
men ſelbft rechtfertigeu ;' und wenn Lode :noth :
wendig den Skeptizismus herbeiführte, lo fonnt
te Leibnik die objektive Realitåt nur durch den
Zauberſchlag ber pråſtabilirten Harmonie poſtur
liren, aber keinesweges beweiſen . a to je
Eben ſo iſt das Ding au : fich der Kantiſchen
Philoſophie, bloß ein von der philoſophiſchen
Reflexion willkürlich genommener Standpunke,
auf den alle Erkenntnisformen als eine Fora
men , ruhen , uno der nur durch seinen Street
wieder aus dieſer Prioritat , als : nothwendige
Vorausſckung in der Qualität des; Dinges an
ſich, erwieſen werden kann . :-D
Uber auch das Fichteſche Schrift i focald es
auf Abſolutvelty auf Weſenheit Anſpruch macht
nichts als willkürliche Vorausſebung und dieſes
Syftem hat yox jeren ;tiur dosjuoraus , daß fich
die philoſophiſche Reflerion hier auf Ihrem eiges
nen Standpunkte feſtlegt , wodunds fierzwar dem
Widerſpruche der ſubjektiven form mit der ob ;
jektiven Weſenbeit ausweicht , aber auch der
Scattert der lebtern , welchen obige Syſteme
noch übrig laſſen , vollends tilgt....
Die Wifenſchaftslehre iſt die vollendete Re:
flexionsphiloſophie; aber eben deswegen fang
!
112
ftë nicht die Wiſſenſchaft des allgemeinen Geis
ftes , intcht Darſtellung der objektiven Wahrheit
ſeyn. Aber als wiffeuſdaftliches Organon ; als
Mechanismus dev Philoſophie hat ſie eben fo
einen bleibenden Werth , wie die Kantiſche Phis
loſophie als Kritik des Berffandes , oder der
Subjektivttåt. Aber audy foute wird immer
Muffer bteiben für die Anwendung des Vers
ftandes auf die Erfahrung , und Leibniß das
große Beiſpiel, daß die objektive Wahrheit, das
Weſen der allgemeinen Natur , nur in der Vers
nunft: erkannt werde; obgleich fie, ro-wenig als
jene, daraufUnſpeach machen können, die_Wiſs,
ſenſchaft des Geiſtes felbft aufgeſtelle zu haben.
1 Dieſe iſt inut durch und in abſoluter Idens
titåt der Form des Beſondern und Allgemeinen
möglich, denn nur mit dieſer Foentitat offenbas
ret fich zugleich das Weſen, der allgemeine Geiſt,
und iſt felbſt dieſe Identität. Aber ift es viels
leicht dem Menſchen nicht vergönnt, dle abſos
lute Identität, und mit ihr die objektive Babes
heit, das ewige Weſen der Natur, die nothwens
dige Natur der Gottheit, den allgemeinen Geift,
das Univerſum zu erkennen ? Fft vielleicht die
Philoſophie, nothwendig auf die Refierion bes
fdyrånft ?
143
€8 iſt ſchwer , vielleicht nicht thöglich , dieſe
Frage anders , als durch die That felbft zu bei
antworten ; indeſſen glaube ich doch die Bedins
gung flar zu ſehen , unter welcher die Erfennts
niß des objektiv Wahren möglich iſt. Dieſe will
ich dem Leſer vorlegen , und es Shm dann ſelbſt
überlaſſen, an eine Wiſſenſchaft des menſchlidhen
Geiſtes , als Offenbarung des allgemeinen Nas
turgeiſtes zu glauben , oder ſie für einen ſchönen
Traum der ſpekulirenden Phantaſie zu halten.
Fichte macht zur Bedingung der Philoſophie.
als Wiſſenſchaft , einen Akt der Freiheit durch
welchen allein man ſich zur intellektuellen Ann
ſchauung erheben könne ; aber , felbft fein Bets
ſpiel beweiſet ſchon , daß die Spekulation auf
frejer Erhebung des Geiftes nicht ruhen . Dúrs
fe, wenn ſie Wiſſenſchaft erzeugen Toll ; Denn die
intellektuelle Anſchauung -kann auch in den Dienſt
der Reflekton treten , was in der Wiſſenſchaftss
lehre wirklich
1
der Faltſt.
Giebt es eine Wiſſenſchaft des Geiftes , fo
muß fie quf einem ewigen , nothwendigen Giça
rebe des Getſtes ruben , und dieſes Gerek halte
ich für die nothwendige Bedingung der Wiſſens
fichaft des Geiſtes , oder der Erkenntniß des
Wahren . daßt fich alſo im menſchlichen Geile

2
14:

ein Gesek nächwetſen , das ihn nothwendig zur


Objektivitåt. beſtimmt, ſo muß auch eine Wiſſens
ſchaft der Objektivitåt, muß Erkenntniß der obe *
jektiven Wahrheit möglich feyn .
Die Burzel der Spekulation ift die Einbils.
bungskraft, die im Menſchen zuerſt als Spiele
fraft erſcheint, und als ſolche, zufällige Formen
erzougt. Von dieſem Spiele befreiet beißt fie
pelalation und fich zur intellektuellen Ans
(dauung erbeben , beißt nichts anders , als die
Cinbildungskraft pon allen den Beſtimmungen ,
die fie pon den Gegenſtänden zufällig angenoms
men bat, befreien . Die incellektuelle Anſchauung
iſt das Selbſtgefühl der allgemeinen Naturkraft,
die Ueberzeugung, welche dem Menſchen aus
dieſem Gefühl entſteht, daß das ganze Univers
ſum auf derfelben Kraft ruhe, und nur in ihr
ein Seyn habe, welche der Menſch in der intels
lektuellen Anſchauung in ſich fühlt. "
Der Menſch kann demnach die Einbildung66
fraft zwar nur durch einen Akt, der Freiheit,
durchsfreie Beſtimmung , zur Spekulation , ſich
felbſt zur intellektuellen Anſchauung, zum Gefühl
der unendlichen , freien Kraft erheben ; aber der
Geiſt ſchwebt in der Sphare Steſen Kraft als
Chaos, und es iſt die Beſtimmung der philoſos
phiſchen
145
phiſchen Spekulation , dieſes Chaos in ein Unis
verſum , in Wiſſenſchaft, in Organiſation des
Geiſtes umzuſchaffen. In der Spekulation muß
alſo ein Geſells herrſchen , das ſie zur Organiſas
tion, zur Wiſſenfchaft beſtimmt. Giebt es kein
ſolches Geſeti ro giebt es keine Philoſophie,
aber auch keine allgemeine Vernunft, ' keinen
Geiſt , und alle geiſtige Erſcheinungen im Diens
ſchen ſind nur Modifikationen der Materie.
Dies widerſpricht fich, denn ſelbſt die Materie
ift organiſirt, es waltet alſo in ihr ein Geift,
der ein beſtimmtes Seyn , eine Organiſation bas
ben muß ; und da der Menſch die Materte als
eine organiſirte erkennt : ſo muß auch eine Wiſe
ſenſchaft des Geiſtes , durch welchen ſie orgas.
niſch iſt, es muß Philoſophie möglich , und es
muß eiu Selek då ſeyn , durd welches fie reas
liſiret wird.
Dieſes Geſet ſpricht ſich in allen Syſtemen ,
in den Vorausſeßungen aus , von welchen die
Philoſophen ausgingen . Einem Bode war die
als ein Beſonderes erſcheinende Natur , einem
Leibniß die allgemeine, als Vorſtellungskraft ér.
ſcheinende Vernunft, einem Rant die reinen ſub :
jektiven Erkenntnißformen in Beziehung auf das
erſcheinungsloſe Ding an fich , einem Fichte das
20
i
146
Ich , als Selbſtbeſtimmung der abſoluten Frei 1

1
heit ( Selbſtbewußtſeyn ) das Geſek der Spes
fulation .
Das Prinzip , der Lockeſchen : Philoſophie iſt
alſo das Beſondere als Erſcheinung, das iſt,
Materie , und nach ihr wäre der Geiſt in der
That nur Modifikation der Materie ;
das Prinzip der Leibnißiſchen Philoſophie iſt
das Allgemeine als Erſcheinung , Vorſtellungss
fraft, und nach ihr wäre der Geiſt bloße Vors
ſtellung , das iſt , nicht weſen , ſondern Ers
fcheinung. Nach Locke giebt es nur eine Orgas
7
niſation der Natur, aber nicht des Geiſtes , der
nur ein fragmentariſcher Abdruck der Natur ift ;
nach Leibnik giebt es eine Organiſation des
Geiftes , aber nur eine Bildliche ohne Weſen , es
iſt keine Natur, ſondern nur Erſcheinung. Die
Geſeke dieſer beiden Syſteme ſind alſo nicht das
zu geeignet, die wahre , weſentliche Organiſation
des Geiſtes, das iſt, ſeine allgemeine Natur als
Wiſſenſchaft darzuſtellen .
Das Prinzip der Kantiſchen Philoſophie iſt
weder das Beſondere , noch das Allgemeine als
Erſcheinung, ſondern das Beſondere als erſeis
nungsloſes Ding an ſich , und das Augemeine
als reine Erkenntnißformen , die zwar der Er
147
ſcheinung zuin Grunde liegen , aber 'nicht ſelbſt
erſcheinen ; nach ihr were alſo der allgemeine
Geiſt die auf einem fremden Grunde rus
bende Form , folglich weder Erſcheinung noch
Weſen , ſondern Form mit einer ihm ſelbſt un.
bekannten Beſtimmung , weder bloße Modifikas
tion der Materie, noch bloße Vorſtellung , aber
auch nur vorſtellen ein Etwas, das nicht er
ſelbſt iſt. Nach dem Geſek der Kantiſchen Phis
loſophie iſt keine Wiſſenſchaft des Geiſtes nach
ſeiner weſentlichen Natur , ſondern nur eine
Theorie ſeiner Vorſtellbarkeit, das iſt, einë Wira
ſenſchaft ſeiner Form für die Erſcheinung mögs
tid.
Dieſe Wiſſenſchaft , oder Theorie , wird das
durch realiſiret, daß die Form von ihrem unbes
kannten Grunde losgeldſet, und als ſelbſtthätige
Form , das iſt, als die das Beſondere produzis
rende Allgemeinheit in die Spekulation verſekt
wird. Das produzirte Beſondere tft die Vors
ſtellung , und das produzirende Allgemeine die
Selbſtthåtigkeit der Form , oder das Selbit's
bewußtſeyn , das nicht als Produkt, als Vors
ſtellung, ſondern nur als produzirend, als reine,
1
von allem Objekt unabhångige Thätigkeit, bet
griffen werden kann. **
148
Dies iſt das Prinzip der Fichteſchen Philo:
ſophie , nach welcher der Geiſt abſolut ſubs
jeftive und ſubjektiv abfolüte Thätig .
feit wäre ; diere Thätigkeit aber mteber nicht
ein Anſich, nicht Geiſt für den Geiſt, nicht Wer
ſen des Geiſtes , ſondern nur das Prinzip ſet:
ner Form für die Erſcheinung ; der Grund der
Vorſtellung. Es iſt alſo nicht die Wiſſenſchaft
des Geiſtes ſelbſt, welche nach dieſem Geſeß der
Spekulation aufgeſtellt wird , nicht Darſtellung
ſeiner weſentlichen Organiſation ; ſondern nur
die tſenſchaft ſeiner ſubjektiven Form , die
Wiſſenſchaft der unweſentlichen , bloß Formels
len Subjektivität , nicht der weſentlichen Objets
tivitåt , die allein Geiſt ſeyn kann , wenn es eis
nen giebt.
Die Syſteme, welche von den , ſo eben auf:
geſtellten Geſeßen der Spekulation beherrſcht
werden , ſind , wie oben gezeigt worden , ſåmmts
lich Reflexion sphiloſophie , und es zeigt
! fich hier nur noch beſtimmter , daß aus dieſer
Philoſophie , oder aus dieſer Art zu philoſos
phiren , die Wifenſchaft des Geiſtes nicht gebos
ren wird. Die Reflexion ift ſchon an ſich ein
Herausgehen aus dem Getſt; als reflektirend
iſt der Philoſoph nicht ſelbſt der allgemeine Geiſt ,
749
ſondern nur Zuſchauer , und ſo kann er nur die
Beziehungen des allgemeinen Gelftes auf die
Reflexion , das iſt, Teine Subjektivität, aber nicht
ſeine wahre Natur , ſeine Objektivitát fennen
lernen. - Wir können paher auch die Geſeke der
Spekulation, welche die Reflexionsphiloſophie in
ihren verſchiedenen Geſtalten beherrſchen , unter
den allgemeinen Ausdruck des Gerekes der
Subjektiviţát bringen ; und ſo folgt aus
dem Bisherigen , daß im menſchlichen Geiſt ein
objektives Beren der Spekulation , ein Gerek
der Objeftipitåt da reyn múſie , wenn eine
Wiſſenſchaft des Geiſtes , eine Darſtellung ſeis
nes wahren Weſens möglich ſeyn ſoll,
Die richtigeAnſicht der frühern , und der noch
herrſchenden Syſteme, die auf das Geſel der
Subjektivitåt gebauet ſind, låßt uns die negative
Bedingung deutlich einſehen , ohne welche die
Erkenntniß der Weſenheit, oder die Wiſſenſchaft
des Geiſtes nicht möglich iſt. Die Spekulation
muß nehmlich von dem Einfluß der Reflexion
gånzlich fret ſeyn ; und da die philoſophiſche Res
flerton nothwendig entſteht, wenn eine Weſens
heit vorausgeſeßt wird , ja dieſe Vorausſegung
ſelbſt der erſte 2ft der Reflerion tft : ſo muß der
wiſſenſchaftliche Philoſoph, vor allem Andern , ſich
150
über jede Vorausſekung erheben ." Wie ift das
aber möglich, wie eine Wiſſenſchaft möglich , die
weder Grund noch Gegenſtand hat ?
Auf dem Standpunkt der Reflexion , der uns
Ter geishnliche iſt , wenn wir über eine Sache
blos nacidenken , låßt es ſich freilich nicht dene
fen , wie man ohne Reflexion, obne alle Vorauss
feßung noch denken könne; aber unendlich viele
Erfahrungen des menſchlichen Lebens, und geras
de die ſchånſten und ledelſten , beweiſen es , daß
der menſchliche Geiſt ohne alle Vorausſekung,
ohne Reflerion nicht allein handeln kann , fons
1

dern auch dieſe Handlungen für die reelſten hals


ten muß. Wer kennt den Genuß der Freunds
ſchaft, das durch fie verdoppelte Leben des Geis
ſtes früher, als er die Freundſchaft ſelbſt in leis
ner Bruſt filhlt; wer weiß von der Eugend mehr
als den Nahmen, wenn er ſie nicht übt ; und,
um ein allgemeineres Beiſpiel anzuführen ,, wer
wurde auch die lebendigſte Beſchreibung eines
glücklichen Lebens verſtehen , wenn er ſich nicht,
wenigſtens einmal im Leben , ſelbſt glücklich ges
fühlt håtte? Es muß alſo wohl im menſchlichen
Geiſt eine Objektivitát liegen , die ſich nur ſelbſt
giebt, die durch keine Reflexion gefunden , aber
wohl durch ſie zerſtört , oder wenigſtens geſtört,
getrübt wird .
151
Noch auffallender beweiſet dies der Künſtler ,
der gewiß kein Werk für die Nachwelt giebt,
ivenn er die Idee dazu mit Reflexion ſucht, und
das Werk nur aus Theilen , wie richtig nnd ſchon
fie auch gearbeitet und geordnet ſeyn mogen, zu
ſammenſeßt. Was iſt überhaupt das Genie ans
ders, als ein Ausbruch der verborgenen Objekti:
vität des Geiſtes , immer ein Wunder für die
Reflerion.
Aber auch Felbſt die älteſten Philoſophen,
von denen wir Nachrichten haben , beweiſen in 1

ihren Mythen , die in der That weniger Fabel


find, als fpätere Begriffsſyſteme, daß Objektivi:
tåt der natürliche Zuſtand der Spekulation ift.
Die Entſtehung der Welt aus dem Chaos , und
noch mehr , aus Michts , weilet doch unverkenns
bar auf eine urſprüngliche Selbſtſtändigkeit, Wes
fenbeit, Objektivität des Geiſtes hin ; und kann
wohl die Nothwendigkeit, die Reflexion von der
Spekulation durchaus zu ſcheiden , in einem tref:
fenderen Bilde gedeutet werden , als in der
Vorausſeßung eines Nichts ?
Spinoza fühlte ganz die Vernichtung aller 7

Reflexion in dieſem Nichts , aber eben dieſes


Gefühl führte ihn auf eine Objektivität der
Spekulation , in welcher er faſt noch einzig iſt.
152

Die Ueberzeugung , daß die Reflerion das


wahre Weſen des Geiftes nicht enthüllen kann,
verbunden mit dem Glauben an dieſe Weſenbeit
oder Objektivität des Geiſtes , gtebt uns ein Bild,
oder Gefühl, oder wie man das nennen will,
was ſich dem Menſchen auch ohne Wiſſenſchaft
zeigt , der wahren Weſenbeit, oder der wahren
Natur des Geiſtes , das eßen ſo dazu dienen
kann , in den Gefilden der Wiſſenſchaft unſere
Schritte vor Abwegen zu warnen , oder ſie doch
angenehmer zu machen , als auch die Früchte
der Wiſſenſchaft im Leben zu genießen ; indem
uns die , man darf wohl ſagen , unmittelbar
im Glauben erkannte Wahrheit , die ſchånſten
und deswegen verborgenſten , oder doch am wes
nigſten gekannten Seiten des Lebens , in ihrem
eigenen , gåttlichen Lichte reben låßt, und ſo nicht
alein dem Leben einen höhern Werth giebt ; ſons
dern uns auch über die Zweifel im Großen , und
die unendlichen Peinlichkeiten im Kleinen weghebt,
welche den bloßen Reflexionsmenſchen unaufhörs
lich beunruhigen , und ſeinen Geiſt in der That
zum bloßen Traum machen.
So wie die leuchtenden Weltk8rper auf ihrer
eigenen Schwere ruben, und im Lichte wohnen ,
lo ruht die ganze Natur in dem Einen Getſte,
153

und ihr Leben iſt das Licht, das Organ des


Seiftes , in welchem er als allgemeine Naturs
kraft wohnt. Das Licht , oder was daſſelbe iſt,
die Naturkraft , kommt nur im Refler zur Ers
ſcheinung, erzeugt als Wärme, fühlbar , ( Prints
zip des realen Lebens ) die Organiſation , und
ſtellt als licht, ſichtbar, ( die größte Höhe des
realen Lebens ) im Produkt das Bild des Geir
ftes dar , ſo daß in der kleinſten Organiſation
aben ſo, wie im Univerſum , der Eine Geiſt ſich
ausdrückt.
Die Organiſation erhdht ſich ſtufenweiſe, die
beiden Reflerionspunkte, Licht und Wärme , dies
ſe als inneres, jene als åußeres Prinzip des
realen Lebens, nähern ſich immer mehr, und fals
len in der vollkommenſten Organiſation jedes
Planeten in einen Punkt zuſammen . Dieſer
Punkt iſt die Anlage zum Geiſte, das iſt , das
1
Prinzip der Erſcheinung des idealen Lebens, und
da jede Erſcheinung , oder Offenbarung ,
durch einen Refler möglich , das idcale Leben
aber dem realen entgegengeſegt iſt : ſo geben die
beiden Reflexionspunkte der Naturkraft, Licht
und Wårme, von jenem Punkte aus , im entges
gengeſekten Verhältniſſe als “ ideales Leben hers
vor ; das Licht wird inneres , die Warme sules
154
res Prinzip , das Sidytbare wird febend , das
Fühlbare fühlend.
Dieſe erſte Stufe des idealen Lebens heißt
Sinnlichkeit , das Fühlende 'tft Empfins
dung , das Sehende ( nicht das Auge , ſondern
das ſinnliche Vorſtellungsvermögen ) Wahrnehs
mung. Auf unſerm Planeten iſt die vollkom .
menſte Organiſation die tyt'er iſ che , das Thier
'iſt als Thier , denn jede höhere Organiſation
schließt auch alle niedern in ſich , Sinnlichkeit,
iſt die erſcheinende Anlage des Geiſtes , und in
Empfindung und Wahrnehmung die erſte Stufe
des idealen Lebens.
So wie aber die allgemeine Naturkraft durch
Wärme und Licht ſich zum realen Leben organis
ſiret, ſo muß ſie ſich auch durch Empfindung
und Wahrnehmung zum idealen Leben organis
ſiren ; und wenn ſie dort das reale Bild des
Geiſtes darſtellt, ſo muß ſie hier ſein ideales
Bild darſtellen . Das ideale Bild des Geiſtes
iſt die Reflexion ; die zweite Stufe des ideas
len Lebens iſt alſo die Erſcheinung der Reflerion ,
oder die ſubjektiv , ideale Organiſation .
Das Prinzip des Reflexionslebens iſt das
Ich , und der Ausdruck dieſer Stufe der allge:
meinen Natur, oder des Eluen Selftes ', iſt auf
155
unſerm Planeten der Menſch , inwiefern er
ſich über das Thier erhebt. Das ich iſt die
Syntheſis ( der Schluß der beiden idealen Re:
flerionspunkte, Empfindung und Wahrneh :
mung , und erſcheint im Gedanken ( finnlis
chen Denken ) als erſte ideale Organiſation .
Das Ich tft in dieſer ſeiner erſten Organiſation
noch nicht Reflexion für den Menſchen , das iſt,
nicht Reflexion des Ichs , ſondern der Natur ;
und da die ganze Natur , als Offenbarung der
emigen Vernunft, ihr Refler iſt: ſo tiſt das ich ,
als Réflerton der aus dem Realen ins Ideale
übergehenden Natur , der Kuiminations : oder
Wendepunkt der allgemeinen Natur.
Das Ich iſt im Gedanken eben ſo verſchloß
ſene ; ruhende Organiſation ( das Denken des
Kindes ) , wie die Naturkraft in der Pflanze ; wie
aber die in der Pflanze verſchloſſenen Prinzipe
des realen Lebens, Wärme und Licht, im Thiere
zum idealen Leben , als Empfindung und Wahrs
nehmung, ſich öffnen : eben ſo offnen ſich die im
Gedanken verſchloſſenen Prinzipe des idealen
Lebens , um das.Ich ſelbſt zu reflektiren , und
dadurdy zum Selbſtbewußtſeyn zu erheben. Der
Gedanke wird Urtheil , das ich als Urtheil
iſt das Streben zu ſeiner zweiten Organiſation ,
1

156
der Erfenntniß ; dieſe aber iſt die Syntheſis
des Urtheils , der lebendige Ausdrud ( Organis
ſation ) des Selbſtbewußtſeyns, deſſen noch nicht
erſcheinender Grundpunkt, oder Anlage, die Rex
flerion iſt,
21$ Gedanke iſt das Ich Reflex der Natur,
als Erkenntniß iſt es die Reflexion ſelbſt ; aber
die Erkenntniß ift nuț die Organiſation des
Selbſtbewußtſeyns , in ihr erſcheint das Selbſts
bewußtſeyn verhüllt , und man kann es nur
durch einen Schluß herausfinden. Soll das ich
ſich ſelbſt , als ich , bewußt werden , ſo muß
es fich reflektiren , das ich , als Reflexion , muß
objektiv , rein eigener Refler werden . Es er
ſcheint' alſo ein neuer Gegenſas , Irieb und
Zweck, poep dep Wilte, und die Syntheſis
dieſes Gegenſabes, das iſt , die dritte Organiſas
tion des Scho tft die Handlung. Erſt in der
Handlung wird das Jc Refler von ſich ſelbſt,
wird Selbſtbewußtſeyn.
Der Gebanke ſpaltet ſich im Urthetl in Bes
griff und anſchauung , dic Refterion im Willen
in Trieb und Zweck. Was die Anſchauung in
der Erkenntniß iſt , das iſt der Erieb in der
Handlung, und eben ſo entſprechen ſich Begriff
und Zwed .
157
Im Erkennen iſt das Ich theoretiſch , weil
es nur Etwas ſiebet , im Handeln iſt es prafs
tiſch , well es ſich ſelbſt füblet.
Dieſe dreifache Organiſation des Jchs iſt der
Medyanismus der Subjektivitåt, deren Grund
das Ich, als Wendepunkt der Natur , ihr Wes
ſen aber die Reflexion , und ihre Form das Ers
kennen und Handeln iſt. Das ich iſt das von
der Natur erzeugte Saamenkorn , und die Res
fleflon der darin ruhende Reim, der ſich im Ers
kennen zum Stamm , im Handeln zur Wurzel
bildet.
Die Subjektivitåt iſt das Band der realen
und idealen Natur, das Aufldſungsmittel der
erſten , uud die Werkſtätte der andern ; ſtrebend
nach immer hdherer Algemeinheit, Idſet ſie jedes ""
Beſondere auf, das ſich thr entgegenwirft , und
ſo das Beſondere, die Materie, jerſtdrend, ist ſie
das Gerüſte zum Bau der idealen Welt ; fie ift
das gebrochenė Bild der Dbjektivität, die ſich in
der realen Natur, in der Einheit des Beſondern,
als reines Gegenbild , und in der idealen , in
Der Einheit des Augemeinen , in der Stee, als
relnes Urbild offenbaret. Die Sonne erleuchtet
durch ihren reinen Strahl die Erde , auf ihr
wohnt das Licht nur gebrochen in mannigfaltigen
158
Farben ; aber das reine Bild der Sonne ſtrahlt
von ihr auf die andern Planeten zurück. Der
auf die Erde einfallende Strahl iſt das Bild der
realen Natur ; das in Farben gebrochene Licht
der Erde, das Bild der Subjektivität ; das von
der Erde zurückſtrahlende Sonnenbild, welches der
Menſch nur inſofern erkennt, inwiefern er ſich
auf einen andern Planeten verſekt, iſt das Bild
der idealen Natur, die der Menſch nur durch
Wiſſenſchaft in ihrem- reinen Licht erkennt.
So wie aber der Menſch , wenn die Erde in
Madyt fich gehüllt hat , mit frohem Gefühl die
Quelle des Tages emporfteigen ſieht : ſo erwacht
auch in ihm die lebenſchaffende Naturkraft, wenn
der "matte Farbenſtrahl der Subjektivitåt ſeinen
Geiſt verläßt , und das ſchwerlaſtende Duns
Fel der ſchwindenden Zeit ihn in ein nächtliches
Chaos verſenkt ; fie erwacht, und läßt ihn den Tag
der Objektivität wenigſtens abnen , der den Wis
derſpruch der Subjektivitåt wie ein ångſtliches
Traumbild aufldſet , indem er den Seift ſein ets
genes Leben fühlen läßt.
Wie groß auch die Leiden , und wie unbe
grenzt die Täuſchungen der Einbildungskraft
find , wenn ſie im ſchwachen Menſchen in das
endloſe Gewebe der Reflexion fich verflechtet: ſo
1

159
iſt ſie doch den Geiſt die Quelle des 'wahren
Naturgenuſſes , wenn ſie, frei von der Subjekti.
pität, und ſich ſelbſt treu , als Naturkraft wirkt ;
denn ſie iſt es, welche das unendlich Mannig
faltige dér . beſondern Natur in Ein ſchönes
Ganze zuſammenſchmelzt , die Laſt der Materie
tilgt, nur ihre harmoniſchen Formen in Ein
Bild, Ein Gefühl zuſammenfaßt, und die Fars
ben der Welt , als Geſtalten der Materie , in
Spiele des Lichts verwandelt ; ſie iſt der Hauch
des allgemeinen Naturgeiſtes , in welchem der
Menſch zuerſt ſein eigenes objektives Leben als
Geiſt fühlt.
Die Einbildungskraft giebt den Menſchen
der Natur wieder , die ihn nur in den Zuſtand
der Subjektivität verſekte , um ihn aus dem
Todesi chlaf der Materie, durch einen Traum , in
das Leben der Natur einzuführen . Aber noch
herrlicher erſcheint dieſe Kraft , wenn ſie den
Menſchen nicht blos in die Natur führet , ' ſong,
dern im freien Gebilde ihm ſelbſt eine gange
Natur ſchafft , wenn ſie Kunſt wird. Wenn der
Menſch im Schooße der Natur die Subjektivt:
tåt bloß vergißt, oder leicht mit ihr ſpielt , und
nur der Naturgeift in ihm lebt : ſo ſtellt ihm
dagegen das Kunſtwerk dieſen Helſt im ſchönen
160

Bride zur Beſchauung bin , und er erkennt in


ihm ſeinen eigenen Geiſt.
Wer enthüllt uns aber das Wunder der Nas
tur und Kunſt, das uns die Einbildungskraft
bloß verkündet , und genießen läßt ? Wer zeigt
uns die ewigen innern Verhältniſſe, die noths
wendige Natur des aligemeinen Geiſtes, der uns
in der Natur umfaßt, und den wir in der
Kunſt in uns aufnehmen ? Wodurch wird der
allgemeine Gelſt in uns zum Bewußtſeyn ges
bradyt ?
Kann ſich der Menſch zu gleicher Zeit von dem
allgemeinen Geiſt in der Natur umfaffen laſſen,
und ihn im Kunſtgebilde ſelbſt erfaſſen ; kann er
Natur und Kunſt, aus dieſer das Urbild , aus
jener das Gegenbild, in Einem Bilde Teben : ſo
ſieht er in dieſer Identität des Gegenbildes als
Form , mit dem Urbilde als Weſen , die innere
nothwendige Natur des Geiſtes, es entſteht ihm
eine höhere Kunſt, die Wiſſenſchaft, , in welcher
fich der allgemeine Naturgeiſt nicht mehr im
Bilde, als Schönheit, ſondern in ſeinem ewigent
Geleße , als Offenbarung der ewigen Vernunft,
als Wahrheit ausſprid )t.
Objektive Wahrheit iſt das Geſeß des ewis
gen Seyns der Natur , iſt Offenbarung der
ewigen
161
ewigen Vernunft, die das ewige Seyn ſelbſt und
in ſich ſelbſt iſt, und es heißt als dieſe Offenbas
rung, allgemeine Verannft.
Die Frage, ob der Menſch auf der höchſten Stu:
fe der Organiſation ſtehe, müſſen wir verneinend bes
antworten. Denn er iſt zwar allgemeine Vernunft,
und erkennt in ihr die allgemeine Natur als iden:
tiſch mit der Vernunfts aber er kann dieſe Jdette
tität nur durch künſtliche Aufhebung der zwier
fadyen Form des Realen und dealen , das ift,
durch Wiſſenſchaft erkennen , während fein Leben
durch jene zwiefache Form bedingt iſt. Der Menſch
tft nicht an ſich allgemeine Vernunft, ſondern er
kann ſich zu ihr nur durch Erkenntniß erheben ,
und ſo iſt die Joentität der Natur und Vernunft,
im Menſchen nur eine erkannte. Dieſe . Joentitåt
liegt über ihm , tft ſeine Objektivität , und küns
diget ſich in ihm urſprünglich als Niaturglaube
an, der durch die Wiſſenſchaft in ein Schauen
!

verwandelt, und ſozum Glauben an Gott


erhoben wird. Die Identität der Natur und
Vernunft iſt die Erkenntniß der Offenbarung,
in abſoluter Erkenntniß der ewigen Bernunft
in dreifacher Einheit, der Natur als Gegens
1
bildes , der Vernunft als Urbildes, und der
ewigen Vernunft als der Einen Weſenbeit, die
1
11
162

fich als Weſen der Natur nur im Gegenbild ,


und als Weſen der Vernunft nur im Urbild ofs
fenbaret.
Dieſe urſprüngliche Objektivitát des Menſchen
iſt alſo auch das nothwendige Geſeb ſeiner phis
loſophiſchen Spekulation, und dieſe muß ihn auf
Abwege führen, wenn er nicht von dem Natur:
glauben ausgeht', und ihr dadurch die Richtung
auf Gott giebt. Wahre Philoſophie kann nichts
anders ſeyn , als Erkenntniß Gottes in der Naz
tur, oder Erkenntniß der Offenbarung Gottes in
der Natur, das iſt, Erkenntniß der geoffenbarten
nothwendigen Natur Gottes.
Davon überzeugt uns ſchon die bisherige Gez
ſchichte der philoſophiſchen Syſteme, welche fåmts
lich durch die ſubjektive Richtung der Spekulas
tion ſich in Widerſprüche verwickelt haben. Noch
mehr müſſen wir davon überzeugt werden, wenn
wir finden , daß die Philoſophie ſelbſt, oder dié
Erhebung zur Erkenntniß der Wahrheit, nur
durch die Freiheit möglich, dieſe aber die unmits
telbare Offenbarung Gottes im Menſchen iſt.
j

1
'|
163 -

B.
Beſondere Vernunft, Beſtimmung.
Das Wort Natur bezeichnet nach dem alls
gemeinen Sprachgebrauch die objektive Nothwens
digkeit , und .die Natur eines jeden Dinges bes
ſteht in ſeiner urſprünglichen, nothwendigen Eins
richtung.; die Natur des menſchlichen Geiſtes ers
klaren, heißt alſo , feine urſprüngliche und noths
wendige Einrichtung entwickeln. Der menſchliche
Geiſt iſt aber nicht ein erſcheinendes Ding , dels
ſen Natur wir dadurch erklären, daß wir ſeine
nothwendige Einrichtung in einem andern Dins
ge , als ſeinem Grunde, nachweiſen ; wir können
ihn alſo auch nicht, wie das Ding, als ein Obs
jekt behandeln , deſſen nothwendige Einrichtung
in irgend etwas anderem gegründet tft ; und da
außer dem Begründeten nur noch der Grund,
die nothwendige Einrichtung ſelbft gedacht wers
den kann : ſo muß der menſchliche Geiſt Gruno
und Gereg an ſich ſeyn. Sit er dteles, ſo iſt er
nicht bloß menſchlicher, ſondern Geiſt überhaupt,
und als Geiſt die Natur ſelbſt. Natur des
Geiſtes, und Getſt der Natur, find alſo nicht als
lein gleichbedeutende , ſondern auch in fich ſelbſt
}
164
identiſche Ausdrücke , und nur unſere Reflexion
macht dieſe Trennung , inwiefern wir entweder
die Natur , als Ding, aus dem Geiſte , oder
den Geift , als Ding, aus der Natur erklås
ren wollen .
Hieraus folgt, daß der Geiſt ebenſo wenig
als die Natur 'er flårt werden kann . Da wir
aber doch unmöglich läugnen können , daß wir
felbft Geiſt ſind , denn woher håtten wir den ,
wenigſtens negativen Begriff des Geiftes, und
woher fåme die Frage nach dem Grunde , nach
der Natur der Dinge : ſo muß der Gelft fich
unmittelbar , und zwar als Natur offen's
bare'n.
Die Reflexion gehört aber ſelbſt dein Geiſte ,
oder der Natur an , und doch Test fie bald die
$ Natur, bald den Geiſt als Ding ; fie tft alfo
der Grund einer Selbſttäuſchung , welche
die unmittelbare Offenbarung des Setſtes hins
dert , und man muß dieſen Grund erſt kennen,
um zur Erkenntniß der Natur zu gelangen .
Natur und Geiſt, an fich Eins , ſind ein
Ideales, daß fich im Realen offenbaret, folglich
nicht abſoluter , ewiger Geiſt, ſondern geoffens
barter , das ift , Geiſt der Erkenntniß . Das
Ideale iſt, als Natur, im Realen verborgen , das,

1
165 -

was wir als den Grund des Dinges, oder ſeine


nothwendige Einrichtung ſuchen ; und da der
Menſch an der Spige des Realen ſteht, um die
Natur. ſelbſt, als Geiſt zu öffenbaren : ſo muß
in thm das Reale und Ideale in Wechſelber
ſtimmung treten , wodurch das Reale ich eins
bar idealifiret , und das gdeale ſcheinbar
reatifiret wird. Die ſcheinbare Jdealität des !
Realen iſt das , was wir urſache, und die
ſcheinbare Realität des Idealen, das , was wir
Subſtanj nennen ; der feſte Punkt aber dieſer
Wechſelbeſtimmung iſt das ich als Reflexion .'
Durch dieſe beiden Begriffe verknüpft die res
flerion das Reale und Ideale , aber unterhalt
auch eben dadurch ihre Trennung, ſo daß beide,
jenes als Natur, dieſes als Geiſt, im Gegenſak
ſtehen , und in dieſem Gegenſah Dinge an ſich find.
Es bedarf daber der Wiſſenſchaft, um
die Natur ganz als Geift , und den Geiſt ganz
als Natur, in dieſer Identität die Wahrheit,
daß iſt, die allgemeine nothwendige Einrichtung,
oder das, Gerek der Offenbarung des ewigen
Geiſtes , und in dieſem Geſeke das Ideale als
das Weſen des Realen , und das Reale als die
Form des Idealen zu erkennen . Die Erkennts
niß aber, als Identität der Form und des Wer
166

ſens, tft der geoffenbarte ewige Geiſt, oder der


Geiſt der Erfenatniß.
Der menſchliche Geiſt ift das Url ils der Nas
tur, die Natur das Gegenbild des Getſtes, beis
de an ſich das Eine, und nur in der Form uns
terſchieden, Der menſchliche Geiſt iſt der allges
meine Geiſt in der Form der Erkenntniß ; die
Natur iſt derſelbe Geiſt , in der Form des
Seyns. Die Form der Erkenntniß iſt die urs
bildliche , und daher identiſch mit dem Geiſte,
die Form des Seyns iſt die bloß bildliche ; in
ihr macht alſo das Beſondere die Differenz gwls
ſchen Weſen und Form, die Form des Seyns
iſt Materie , und als ſolche geſchieden von
dem Weſen . Dieſe Trennung iſt das, was wir
den Wendepunkt der realen und idealen Natur
nennen , und ſie macht die Reflexion , eine Subs
jektivitát nothwendig ; das Jdeale , welches im
Menſchen als ich bervortritt, reßt ſich in Bes
Hiebung mit der Materie , hebt durch dieſe Bes
ziehungen , als bloße Formen , die Selbſtſtåns
digkeit der Materie auf, und dffnet ſo dem, iu
der Materie verſchloſſenen, Idealen den Weg
zur Erſcheinung. Das Bild , das Weſen der
Natur , erſcheint im Menſchen als 3dee , als
Urbild, das iſt , in der Form der Erkenntniß ;
167
die Idee iſt das Weſen der Natur, der Geiſt
der Erkenntniß iſt zugleich Geit der
Natur,
Die Philoſophie als Wiſſenſchaft beantwors
tet die Frage: Was iſt die Welt an ſich ,
oder welches iſt der Grund alles Dareyns ? Wos
durch wird alles , was iſt, zuſammengehalten ,
und ein Ganzes ?
Die Antwort tft : Durch die Idee, die als
ewiges Seyn in . Gott ruhet , und als Erkennts.
niß im Menſden ſich offenbaret.
Die Vernunft ſpricht aber ihr Weren noch in
einer zweiten Frageaus: Wozu iſt alles dan
oder, welches iſt der Endzweck alles Daſeyns ?
Dieſe Frage iſt der erſten in der Form ents
gegengeſetzt, und da doch beide, Fragen der Einen
Bernunft find : ſo folgt, daß der gleiche Gegens
ſtand beider, die erſcheinende Welt, als Ganges
eine doppelte form haben inuß. Die Welt rubt
als Erſcheinung auf dem ewigen Seyn, als ihs
rem Grunde , und ſo hat ſie die Form des
Zugleich ſeyns. Es ift für das ewige Seyn,
und ſo für die ihr entſprechende Anſchauung
der Vernunft, gleichgültig, ob Eine Pflanze, Ein
Thier, Ein Menſch, Ein Sonnenſyſtem da iſt,
oder 96 Millionen dieſer Organiſationen da ſind ;
168
in entgen Senn tiegt nur die Gattung , es iſt
nur Ein iniverſum , Eine Idee , deren endliche
Form die Gattungen ſind, die als Offenbarung
der Idee ewig in ihr ruhen. Im Grunde der
Welt liegt das Ewige, und die Welt iſt in dem
Enigen auch ewig gleich .
Die Welt hat aber auch als Erſcheinung einen
Endzweck, das iſt, fie ſtrebt audy als Erſcheinung
emig zu ſeyn. Das Streben iſt ein Akt , iſt Les
ben , Folge; die Welt hat alſo auch die Form
der Zeit , fie realiſtret das Ewige in der Zeit,
und ſtellt in jedem Zeitmoment das Ewige - dar.
für die anſchauende ( den Grund ſuchende ) Vers
nunft, iſt die erſcheinende Welt ewiges Seyn ;
für die lebende (nach dem Endzweck ſtrebende )
Bernunft , iſt ſie ein Seyn des Ewigen in
der Zeit : das Nacheinanderſe yn ift alſo
eben 10 , wie das zugleich ſeyn , weſentliche
Form Ser Vernunft, in jener ſchaut ſie die Welt
im Efvigen a n , in dieſer le 6 :¢ ſie mit der Welt
im Ewigen .
Schon die wiſſenſchaft beweifet in ihrer drets
farlien Einheit ( Gegenbild, Urbild, und Identis
tåt beider ) die allgemeine Natur als Offenbas
rung der ewigen Vernunft in der Erkenntniß ;
aber es bleibt für die Unſchauung immer noch
*

169
dahingeſtellt, ob die ervige Vernunft aud) als
folche an ſich Ten, oder ob ihr ganzes Weſen
in der Offenbarung , in der Erkenntniß beſtehe,
indem die Erkenntniß, die anſdauung, unmégs
lich über fich ſelbſt hinaus kann ; und wir konns
ten die Erkenntniß nur in Hinſicht auf die zweite
Offenbarung, welche das Objekt gegenwärtiger
Unterſuchung iſt, Offenbarung der pothwendigen
Natur der Gottheit nennen.
Aber das Leben der Vernunft, das ſich eben
To beſtimmt in dem Endzweck, wie die Anſchaus
ung in dem Grunde ausſpricht, beroeiſet es uns
widerſprechtich , daß die ganze Welt , in ihrem
Seyn und in ihrem Werden , Offenbarung der
Gottheit , und daß die menſchliche Vernunft, als
endlich , nur die Einheit der Offenbatung Fey..
Um die doppelte Offenbarung der ewigen Vers
nunft nicht unrecht zu verſtehen , muß bemerkt
werden , daß ſie nur in der Vernunft. fich dars
ſtelle. Die ganze Welt iſt für die anſchauende ,
Vernung .

gâniei

ben des ewigen Seyns , oder das ewige Leben


des Seyns ; ' die Welt iſt nur in der Vernunft
Offenbarung der ewigen Vernunft , ſie iſt nur
für die Vernunft da , und ihr objektiver Wuss
170

druck. Aber die Vernunft iſt doppelte Offenbas


rung, in Anſchauung und Leben , und ſo ruht
t
die Welt auf dem Grunde des ewigen Seyns,
und ſtrebt ewig dem Endzweck entgegen.
Die anſchauende Vernunft iſt goee , in ihr
fiebt fie das Weſen der Welt als allgemeines
im Beſondern, und die Identität des Beſondern
und Algemeinen in der Idee iſt die Vernunfts
erkenntniß. Die lebende Vernunft iſt Handlung,
und als Handlung giebt ſie allem Beſondern
einen allgemeinen Endzweck. Die Vernunft iſt
1
alſo, als anſchauend , Weſen der Welt , und als
bandeind, ihre Beſtimmung ; ſie iſt ferner, als ans
fchauend, allgemeines Weſen , und die Welt ihre
beſondere Form - als handelnd, beſonderes
Weſen, und die Welt ihre allgemeine Form .
Die, als ein Beſonderes, für die Anſchauung
unweſentliche Form der Welt, wird alſo durch
die Vernunfthandlung Weſen , ſo wie die für die
Pernünfthandlung unweſentliche, allgemeine Form
der Welt, für die Anſchauung Weſen iſt. Wenn
ich für einen engen Kreis, für den Augenblick,
1
vernünftig bandle , ſo kümmert es mich nicht ,
was im Allgemeinen daraus entſtehen mag ; aber
die allgemeine Vernunft ſpricht es kategoriſch aus,
daß , die allgemeine Drdnung nur durch qugelis
171
blickliche Vernunfthandlung beſtehen kann. Und
wenn ich die Welt anſchaile, ſo fümmert es mich
nicht, was aus dieſer oder : jener Pflanze, was
ſelbſt aus meinem Leibe, nach ſeinem augenblics
lichen Dafeyn wird, denn ich ſtehe mit dem Geiſt
im Allgemeinen feft ; aber die handelnde Vernunft
belebt dieſen Augenblick des Lebensmit threm
göttlichen Feuer, und läßt mich nur in der Vera
nunfthandlung mein eigenes Weſen , meine
2
Ewigkeit fühlen .
Die Vernuafthandlung iſt alſo eben ſo bes
Fonderes Weien , beſondere Vernunft , Beftima
mung , wie die Anſchauung allgemeines Weſen ,
allgemeine Vernunft, Seyn. Inwtefern ift die
beſondere Vernunft Offenbarung der ewigen ? ' .
:: Unter Vernunfthandlung verſtehen wir das,
was kant als die Stimme der Pflicht , als kas
tegoriſchen Imperativ, als das sollen in ſeis
ner Wahrheit , als das urſprüngliche, eigentlich
Weſentliche des Menſchen geltend gemacht hat,
die Aufgabe etnes nothwendigen , allgemeinen
Endzweds. Sie iſt das Urſprüngliche, das wahre
Weſen des Menſchen , denn ihr Weſen beſteht tuz
Beſonderheit , måhrend das Wefen der Ans
fchauung Allgemeinheit ift. - Jn der Anſchauung
iſt der Menſch nicht Weſen für ſich , ſondern
172
Weſen der Natur , der allgemeine Naturgeiſt,
und die Wiſſenſchaft überzeugt thn nur , daß er.
als anſchauendes, erkennendes Weſen , nicht blos
Be Form iſt , die mit ſeinem Leben wieder vers
ſchwindet ; ſondern daß er in dieſer Anſchauung
wirklich das Weſen der Natur offenbare, und
das er als anſchauendes Weſen mit dem Beſen
der Natur Eines, und gleich emvig ift.
Dieſe Ueberzeugung iſt von der größten Wicha
tigkeit für unſere Beruhigung über das Schici
ſal der Welt. Denken wir uns , um nur Eine
Inſtanz anzuführen , den unmdglichen Fall, den
ſich jedoch der Verſtand oft genug denkt, oder:
defert ungewißheit ihn doch beunruhiget, daß
die Natur, als ein Beſonderes , einmal ganz
aufhörte , oder in ein Chaos geworfen würde :
To müßte ſich , da das Beſondere nur die Form
iſt, aus dem Weſen, das ſich in der Anſchauung
offenbaret, augenblicklich wieder eine neue Form ,
eine neue Welt. hervorbilden , und ein Akt der
Crkenntniß, würde dazu hinreichen . : ?
Aus demſelben Grunde iſt es auch zu bes
greifen , wte das Vernunftipeſen , deſſen Leib mit
der Natur äls Arche vermiſcht wurde , wieder
ein Organ erhalten könne ; denn fo gewiß es
Vernunftweſen , ſo gewiß es Naturgeiſt iſt, ſo
1739
gewiß iſt es auch bildende Kraft, und et bildet
fich ein Orgán an , wie die im Keime ruhende
Kraft fich zur Pflanze bildet ; nur mit dem uns
terſchiede , daß das Vernunftweſen , als rein 1

ideal, nicht wie die Pflanze, eines Saamenkorns


oder einer Wurzel bedarf. Wie beruhigend iſt
es endlich auch für den menſchlichen Geiſt, fich
von dem ununterbrochenen Wechſel der Natur
nicht mit fortſchwemmen zu ſehen , und wie ers
baben , wie unendlich groß die Anſchauung, daß
ti
das unter allen dieſen Beränderungen gleich
bleibende , und auch in gleichen wiederkehrenden
11
Formen erſcheinende Weſen , der allgemeine Nas
turgetft, auch er ſelbſt fey !
4
Uber dennoch tft der Menſch, als Anſchauung,
nur Natur , nur algemeiner Naturgeiſt, und
ie
wenn er ſich auch für eine andere Periode des
Daſeyns ein neues Organ anbildet : ſo iſt dies
100 ſes Organ doch wieder nur für die Natur, für
den allgemeinen Geiſt da ; er iſt immer und
emig Natur , aber nie ' er ſelbſt, nie ſelbſt Wes
fen , er hat keine Beſtimmung. Dieſe affein , iſt
zwar nicht ein seyn , denn alles , was iſt, iſt
in der Natur'; aber ſie iſt die an ihn ergehende
#1
Aufgabe, ſich ſelbſt zum Weſen zu machen , fie
iſt das sollen , und fein Weſen entſtehs
1

!
* 174

;; - mit der Vernunfthandlung. Wie iſt das Ents


! ſtehen eines Weſens, das nicht Natur iſt, wie
das Sollen , die Aufgabe , die Beſtimmung zu
! begreifen ?
Nur durch die Offenbarung der ewigen Vers
nunft als Vernunfthandlung, als freie Nas
tur. Ift die Frage der Vernunft nach einem
Endzweck alles Dafeyns eine Lüge, ſo iſt es auch
die Frage nach ſeinem G unde , und To iſt die
Philoſophie als Wiſſenſchaft eine Biffenſchaft
der Låge ; hat aber die Frage, von welcher die
Biſſenſchaft ausgeht , Realttát, fo hat ſie auch
die Frage, in welcher fich die Bernunfthandlung
ankündiget. Nur durch Verwechſelung des Wea
ſens mit der Form kann der wiſſenſchaftliche
Philoſoph das Sollen in das Müſſen hinübers.
zieben ; denn die allgemeine Form der Vers
nunfthandlung iſt allerdings ein Wiſſen , iſt Nas
tur, aber nicht ſo ihr Weſen , und die Vernunfts
handlung , als beſonderes Weſen , verhålt ſich
zur allgemeinen Form der Natur , wie die Ans
ſchauuug als allgemeines Weſen , zur beſonderu
Form der Natur ; das Augemeine, die Natur,
iſt für die Vernunfthandlung, wie das Beſons
dere für die Anſchauung, bloße Form .
Das tft auch der Sinn des von Kaut aufs
!

175

geſtellten Moralgeſekes , und es iſt nur dahitt zu


berichtigen , daß es , als bloße allgemeine Form
der Handlung , ſie nicht beſtimmt , ſondern
nur aufnimmt; ſo daß es zwar für die uns
ſchauung * ) allgemeine Form , aber nicht für die
Handlung Geſes ift. Dieſer Fehígriff iſt auch
1
der Grund , daß in der Kantiſchen Moral die
Freiheit keine Stelle findet ; denn man kann
nicht über folgende Alternative hinauskommen :
Entweder wird das Geſek erkannt , oder nicht ;
im erſten Fall beſtimmt es nothwendig , da nach
Kant dieſe Erkenntniß ſelbſt die Vernunfthands
lung, die Geſinnung iſt, während die erſcheinende
Handlung den Naturgeſeken gemäß erfolgt; im
zweiten Fall iſt der Menſch gar nicht moralis
ſches Weſen , und muß durch Legalitát für die
Moralitåț erſt empfänglich gemacht werden . Hier
iſt der Ort, die Freiheit des Menſchen als Grund
der Moral , in threm, wie wir glauben, einzig
wahren Ltdyte zu zeigen .
Diefen Standpunkt hat jedes Syſtem der Bernunft's
moral, und dies iſt der Grund, warum keines befriet is
gend ift. Die Moral iſt Chatſache, und wie fid) weis
teë zeigen wird , Religion ; man kann alſo wohl eist
Syſtem der moraliſchen Weltordnung , ats Análogos
der Natur, aber kein Syſtem der Moral für den hans
delnden Menſchen aufſtellen .
176
Die Frage, ob der Menſch von Natur fret
ſeiy, enthält einen Widerſpruch , und ſo muß jes
der Verſuch , ſie zu beantworten , zulegt auf Wis
terſprüche führen , oder auf Dunkelheiten , welche
den Widerſpruch decken . Freiheit iſt unabhängigs
keit von der Natur ; inwieweit alſo der Menſch
Natur iſt, kann er nicht frei genannt werden .
Dieß iſt allgemein anerkannt ; aber die Frage iſt,
wie weit die Natur im Menſdhen reiche, und ob
er überhaupt etwas anderes als Natur Fey .
In dieſer Form denkt man ſich gewöhnlich das
Problem der Freiheit, und giebt damit dem Des
terminiſten gewonnene Sache ; denn die Natur bes
herrſcht den ganzen Menſchen , und er iſt nichts
als Natur . Die menſchliche Natur in die noths
wendige und freie theilen , heißt nichts anders ,
als in der allgemeinen Natur ſelbſt ein Doppels
tes unterſcheiden Etwas , das wirklich Natur,
und Etwas , das nicht Natur ift. Der Menſch
iſt alſo nicht frei, denn alles Seyn ( ft Natur ;
wåre er frei, ſo müſte er es entweder als Sins
nen oder als Verſtandes - oder als Vernunfts
weſen : er můſte es als ſubjektives oder objektis
pes Weſen ſeyn ; er iſt es aber unter keiner die:
ſer Formen ſeiner Natur , und das ich , als Bas
fis der Subjektivitåt , ſo wie die Einbildungss
kraft,
177
fraft, oder die in dem Subjekt erſcheinende Bits
dungskraft der Natur, als Baſis der Objektivis
tåt, erzeugen nur dadurd), daß jenes der Wens
depunkt der realen und idealen Natur , dieſe
der Subjektivitåt und Objektivität iſt, einert
Schein von Freiheit.
Im Denken , in der ſinnlichen Vorſtellung, iſë
das Ich ganz Objekt ; Empfindung und Wahr:
nehmung ſind ein, im Ich , und durch das Ich ver :
schloſſenes Ganze, und dieſes iſt die Vorſtellung,
das objektive Ich . Die Empfindung iſt der Eins
drud, & ußerer Sinn, die Wahrnehmung derſels
be Eindruck zurückgebrochen , innerer Sinn . Die
Empfindung iſt das nach Auſſen gekehrte innere
Prinzip der realen Natur ( Wärme ), die Wahes
nehmung das nach Innen gekehrte äußere Printa
zip der realen Natur ( Licht ) ; beide alſo die in
das Ideale übergehende reale Natur, und durch
die Wendung, welche die Natur hier macht, die
erſte erſcheinende ideale Organiſation , ein objeks
tives Ganze , objektives Idh, ſinnliche Vors
ſtellung.
In dieſer Organiſation iſt der Menſch nicht
frei , denn der leere, und inſofern freie Werides
punkt der Natur iſt nicht wirklich da ( wie könns
te ein Leeres da Teyn ) , ſondern nur eine zur
18
178
Erklärung des Ueberganges der realen Natur in
die ideale , nothwendige Fiftion , ein Negatives,
das nur durch die Spekulation , wenn ſie ſich
als Einbildungskraft mit dieſer Fiktion identifis
giret , ein Poſitives , abſolute ; Ich wird, aber
als ſolches nur künſtliches Produkt iſt, das eine
philoſophiſche ; oder Freiheit der Einbildungss
fraft , vom Beſondern befreite Naturkraft vor :
ausſekt. Die ideale Natur- iſt ein und dies
ſelbe mit der realen , und beide Organiſatio :
nen unterſcheiden ſich nur durch die enigegenges
Jekte Richtung der Einen Naturkraft.
In der finnlichen Vorſtellung iſt der Menſch
Ich , aber noch nicht für ſich ſelbſt, er ift objets
tives, aber nicht ſubjektives Ich , er iſt denkend;
oder eigentlicher , Gedanke, aber noch nicht ers
kennend. Doch ſelbſt als erkennend iſt er nicht
frei; denn er wird zwar in der Erkenntniß ſubs
jektiv , aber er wird es nur durch das Objekt.
Durch das Denken wird die reale Natur idealis
firet ; wird Objekt, erkennbar ; da aber die reale
Natur nur dadurdy ideal werden kann , daß ſie
Jch , ſinnliche Vorſtellung wird : ſo iſt ſie, als
Ich , nothwendig zugleich das Erkennbare und
Erkennende. So gewiß nur die Natur ſich als
erkennbar ſelst , ſo gewiß kann auch nur fie ers
21
179
kennend reyn , und ſie wird das lefztere durch
die Mannigfaltigkeit der Objekte. Håtte der
Menſch nur Eine ſinnliche Vorſtellung , wie die
Pflanze nur Ein Ansdruck der Naturkraft iſt :
ſo würde er nie zur Erkenntniß kommen ; aber
die Vervielfältigung des objektiven Ichs macht
Die Einheit nothwendig , und dieſe iſt die Ers
ferintniß. Der Grund dieſer Nothwendigkeit
iſt, weil die Natur, Towohl durch ihre reale, als
durch ihré ideale Organiſation, nur dahin ſtrebt,
ihr Weſen , als Idee, als Vernunft zu offenbas
ren ; dieſes Weſen aber iſt Einheit in der To.
talitat, und umgekehrt : ſo wie alſo die Natur
im Realen init dem Einzeldinge immer zugleich
die Gattung bildlich darſtellt, ſo muß ſie auch
die idealen Einzeldinge; die ſinnlichen Vorſtels '
lungen, zur Gattung , das iſt, zur Einheit brins '
gen , und dies geſchieht durch die Erkenntniß .
Sede wirkliche Erkenntniß iſt eine Gattung
finnlicher Vorſtellungen , das iſt, thr Gleiches ,
und ſo kommt jede wirkliche Erkenntniß nur durch
Bergleichung zu Stande. Durch Reflerion abs
ſtiahiren wir von dieſer Operation der Natur
ein Vergleichungs- oder Erkenntniß- Vermögen ,
und ſehen es in den leeren Wendepunkt der
Natur ; es iſt aber nur die abſtrahirte, nur fors 6

melle Einheit.
180

Dadurch erhalten wir ein dem erkennbaren


Objekt entgegengeſektes erkennendes Subjekt, und
finden durch fortgeſeßte Abſtraktion alle Einheis
ten oder Gattungen der Erkenntniß, als die noths
wendigen Beziehungen des Objekts auf das Subs
jekt. Dieſe Einheiten nennen wir Erkenntnißs
formen , oder Kategorien , die durch das Subjekt,
als Form der Einheit (Upperzeption), und durch
das Objekt , als Form der Mannigfaltigkeit
( Ding an ſid ) ) gehalten, ein Tyſtematiſches Gans
ze bilden, das in ſeiner Anwendung ( empiriſche
Erkenntniß ) Werk der Natur , als ſyſtematiſches
Ganze aber , Kunſtprodukt der philoſophiſchen
Reflexion ift.
Der Menſch muß alſo erkennen , weil er
denkt ; er denkt aber als ideales Objekt der Naz
tur , und ſo erkennt er auch als ideales Subs
jekt der Natur ; er iſt folglich im Erkennen eben
ſo wenig frei , als im Denken .
Im Erkennen wird das Ich Subjekt, es ers
ſcheint ſich ſelbſt als Id , kommt zum Selbſtbes
wußtſeyn, wird Reflerion. Durch das Selbſtbes
wußtſeyn werden alle ſinnliche Vorſtellungen , die
zuvor äußere waren , ein Inneres ; aber nicht
mehr als ſinnliche, ſondern als auf das Subjekt
bezogene , durch die Erkenntnißformen modto
181 C

fizirte, das tft, ſie werden Berftandesvorſtellunt


gen , oder eigentliche Erkenntniſſe.
Auch im Selbſtbewußtſeyn iſt der Menſch
nicht frei, auch als Reflerion iſt das gd ein Auss
druck der Natur ; denn das Selbſtbewußtſeyn,
und ſo die Reflexion , iſt nur im Gegenfaß eines
Objekts möglich, und der Menſch würde nie' zum
Selbſtbewußtſeyn kommen , wenn nicht mannigs
faltige Objekte da waren , welche die Natur im
.Subjekt zur Einheit bringt, und wenn er nicht,
felbft Objeft , mit dem Subjekt, als formeller
Einheit zuſammenfiele. Dieſe Identitåt des
Objekts und Subjekts , bas Weſen des Selbſts
bewußtſeyns , iſt aber im Stealen ganz daſſelbe,
was im Realen z. B. der Pflanze , die gdens
titåt der Form und Materie, ſo daß jedes Thells
chen der Pflanze nur in der Form, die ganze
Form aber nur in der ganzen Materie da iſt.
Dadurch , daß die ſinnlichen Vorſtellungen in
der Erkenntniß als ein Inneres gefegt werden ,
werden ſie 3weca nlagen ; aber die Organiſas
tion der Subjektivität wird nur dadurch vollen ,
det , daß ſich das Reale mit dem Jdealen gang
identifiziret. Die Beſtimmung der Subjektivis
tåt iſt Aufhebung der Materie , als 'des Beſon,
dern , damit der Naturgeiſt nicht mehr im bes
182
ſondern Bilde , ſondern als allgemeines Ur:
bild , als Idee erſcheine. Dies iſt der Grund,
warum man die Freiheit vorzuiglich in dieſe legte
Organiſation der Subjektivitåt geſeßt hat ; wir
werden aber ſehen , daß auch hier nur die Nas
tur wirkt.
Im Menſchen iſt, ſo wie im Thiere und in
der Pflanze , der Trieb , oder die reale Naturs
fraft der Keim des realen Lebens ; und ſo wie
in der erſten idealen Organiſation , im Denken ,
der äußere Sinn (die Empfindung ) mit dem ins
nern Sinne (der Wahrnehmung ) objektiv als
finnliche Vorſtellung, und in der zweiten idealen
Organiſation , im Erkennen , der innere Sinn
mit 'dem åußern (die Apperzeption mit dem
Ding an ſich ) ſubjektiv als Erkenntniß identifis
ziret wird : eben ſo wird in der dritten idealen
Organiſation , im Handeln , nicht mehr der äußere
und innere Sinn, als Reflere der Naturkraft,
ſondern die Kraft ſelbſt (der Trieb) als real,
mit ſich ſelbſt als ideal, als Zweck ( Begriff der Ors
ganiſation ) , ſubjektiv objektiv, als អHandl
។ ung ,
identifiziret. Die Handlung iſt alſo die vollens
Dete ſubjektiv ideale Organiſation der Natnr, ſie
ſteht da , als rein ideales Produkt der Natur,
als idealifirte , nicht ideale , Kraft der realen
183
Natur ; der Menſdy handhabt die reale Naturs
kraft als ideal, aber nur zu realen Zwecken, es
entſteht eine mechaniſche Kunſtwelt ( Technik ) ,
als Supplement der realen Natur, der Menſch
1
kommt der realen Natur zu Hülfe , fördert und
vervielfältiget ihre Produktionen durch Pflege,
und die Kraft der Maſchine, die unverkennbar
als die idealiſirte reale Naturkraft erſcheint.
Aber frei iſt der Menſch in der Handlung
ſo wenig, daß er nur immer erſt fragen muß,
was wohl die Natur leiden und thun måge.
Doch man unterſcheidet von dieſen mechaniſchen
oder techniſchen Handlungen die moraliſchen ,
und will nur für die lektern die Freiheit ets
kämpfen .
Es wäre zu wünſchen , daß wir dieſe Unters
ſcheidung an dieſem unrechten Orte nie gemacht
håtten ; denn ſo håtten wir auch für jene Gats
tung von Handlungeu, die man die moraliſchen
nennt, die Natur mehr zu Rathe gezogen , und
es die erſte Frage ſeyn laſſen , was wohl die Nas
tur thun und leiden möge. Dies håtte wenigs
ſtens auf einen richtigen Mechanismus geführt,
und weiter läßt ſich die Subjektivitåt nicht
bringen.
Die Erkenntniß iſt die innere Objektenwelt,
18+
und thr Weſen ſind die ſubjektiven Beziehungen
der Auſſenwelt. Dieſe Beziehungen måſſen obs
jektiv werden, wenn die Subjektivitåt ins Leben
übergehen ſoll, und das muß fie, als Mittelzus
ſtand der Natur , als der Boden , welcher das
geoffenbarte Weſen der Natur , die Idee zu tras
gen beſtimmt iſt. Das Zurückſtreben der Ers
fenntniß zu der Objektivitát , aus der ſie ents
ſprungen iſt, iſt die foealiſirung des Nas
turtriebe 6 , der vor der Erkenntniß , als real,
blind wirkt, durch ſie aber zum Bewußtſeyn ers
hoben wird. Der zum Bewußtſeyn erhobene
Trieb iſt das Wollen , und die durc) den Trieb
objektivirte Erkenntnis , 3wecf.
Die allgemeine Naturkraft kommt nur im
Nefler, im Gegenfak mit ſich ſelbſt zur Erſcheis
nung, für die åußere Form, wo ſie mechaniſche
Kraft 'heißt, als Zurückſtoßungs und Anzies
hungskraft, und für die innere Form, wo fie
chemiſche Kraft, Naturtrieb heißt, als Ausdehs
nungsi und Zuſammenziehungskraft ; durch das i
Gleichgewicht jener Kräfte entſteht die in ſich 1

felbft Fehrende, ſphäriſche Bewegung, durch das


Gleichgewidyt dieſer das organiſche Produkt. Die
innere Form iſt ferner durch die äußere bedingt,
da jene nur im Einzelnen , dieſe aber im Allges
185
meinen ba'ift ; und ſo hat der Naturtrieb eine
vierfache , Begrenzung. Als Uusdehnungskraft
iſt er begrenzt durch zuſammenziehung von Ins
nen, und durch Zurückftoßung von Aufen ; als
Zuſammenziehungskraft durch Ausdehnung von
Innen , und durch anzichung von Auſſen. Ohne
Buſammenziehnng wurde %. B. das Saamens
forn ins Unendliche ſich ausdehnen, und ohne
Zurückſtoßung, ſich mit andern Einzelweſen zum
Chaos vermiſchen ; ohne Ausdehnung würde ſich
nie der Keim entwickeln, und ohne Anziehung
keine Nahrung haben. Die durá Zaſamninens
ziehung und Zurückſtoßung begrenzte Ausdeh.
nungskraft iſt alſo der eigentliche Lebenstrieb
des organiſchen Einzelweſens, oder der organis
ſche Trieb ; und die durch Ausdehnung und Ans
ziehung begrenzte Zuſammenziehungskraft, der
Erhaltungs- oder Nahrungstrieb.
Durch Idealiſirung des Triebes werden die in
dem Produkt verſchloſſenen Kräfte frei gemacht,
der organiſche, oder Lebenstrieb , erſcheint als
ideal organiſirende , und der Nahrungstrieb als
ideal verfangende Kraft ; jene iſt der Schemas
tismus , oder das techniſche Vermogen ,
dieſe der Wille im engern Sinne, oder das Be
geb rungsvermogen.

1
C
186

Das techniſche Vermogen entwirft das Bild


der Erkenntniß, organiſiret fie, giebt ihr objeftis
ves Leben, macht ſie zweckfähig. Das Begehs
rungsvermögen , urſprünglich Zuſammenziehungss
kraft, erhält das objektive Leben der Erkenntniß ,
indem es ſie auf Zweckmäßigkeit beſchränkt, und
erweitert durch eben dieſe Zweckmäßigkeit, als
urſprünglicher Nahrungstrieb , ihr Leben .
Die allgemeine Technik, das Schema, der
Typus des menſchlichen Geiſtes iſt die Spras
de , das organiſche Leben des Geiſtes ; der
allgemeine , iatürliche Zweck deſſelben , als ſubs
jektiven Wefens , iſt Lebensgenuß. Aus
der nothwendigen Wechſelwirkung dieſer beiden
Kråfte könnte man die Naturpflichten des Mens
Ichen gegen ſich ſelbſt, als ſubjektives Weſen ,
oder den Naturmechanismus der, in der Objektis
vitåt ( Erſcheinung ) lebenden Subjektivität ents
werfen ;. ihre Syntheſis aber , wodurch ſie Ein
ideales Produkt werden, liegt in der Vernunft,
und kann für die Subjektivitåt nur formel, als
Harinonie der Kräfte, bezeichnet werden . Die
Sprache muß zwed få big ſeyn, das iſt, wirkliche
Erkenntniß darſtellen, ( Deutlichkeit der Erkennts
niß) ; der Genuß muß durchaus zweckmäßig
reyn , das iſt , einer deutlichen Erkenntniß ents
ſprechen.
i
187
Man ſieht aus der vorgelegten Analyſe, daß
die Unterſcheidung in mechaniſche und morali:
ſche Handlungen keinen objektiven Grund hat,
und daß jene eben ſo moraliſch , wie dieſe mes
chaniſd , das iſt, daß Heide Gattungen der Hands
lung nàtůrlich ſind,
Das tedyniſche Vermogen bildet die Organis
ſation des ſubjektiven Lebens, entwirft die Ers
kenntniß objektiv, nach nothwendigen ſubjektiven
Gelege!i; das Begehrungsvermogen beſeelt dieſe
Organiſation , verwandelt, als empfundenes Bes
dürfniß, die Erkenntniſſe in Zwecke, und wird
durch Realiſirung der Zwecke Lebensgenuß. Die
Vollkommenheit jener Organiſation hångt von
der zufälligen Ståşke der techniſchen Kraft, die
wieder durch den realen Trieb beſtimmt wird ,
und von ihrer zufälligen Entwickelung ab ; das
Begehrungsvermogen hingegen , deſſen Stärke
eben ſo vom realen Triebe und einer zufälligen
Entwicklung abhängt, folgt immer der größten
und hellſten Marie objektivirter Erkenntniß.
Da aber die im Realen , in der organiſchen
Materie, verſchloſſenen Kräfte des Triebes, durch
Idealiſirung des lekteen frei werden : ſo fühlen
wir ſie in uns auch ohne beſtimmte Thåtig.
keit, und dieſes Gefühl hat den Schein der
188

Freiheit ; wir entwerfen freie, unbeſtimmte Ges


danken , ohne eine Erkenntniß zu Stande zu
bringen - wir wollen , ohne etwas Beſtimms
tes zu wollen , und ſo meinen wir , wenigſtens
hinterher , frei gehandelt zu haben, weil jenes
unbeſtimmte Denken , und dieſes unbeſtimmte
Wollen unendlicher Beſtimmungen fähig war.
Uber dieſe freie Kraft iſt nichts anders , als ideale
Beſtimmbarkeit, ein Negatives, und ihr Gefühl
der zum Bewußtſeyn gelangte Uebergang der
realen Natur in die ideale, der Wendepnnkt der
realen und idealen Natur, das ich , welches wir
als negatives Prinzip des ſubjektiven Menſchen ,
der ſich idealifirenden Natur, aufgeſtellt haben .
Aber der Menſch kann doch gegen die deuts
liche Erkenntniß durch Lüge, und gegen die Loks
kung des Angenehmen durch Aufopferung handeln ?
Er kann es ; aber man verwechſelt das Mits
telbare mit dem Unmittelbaren , wenn man die
Freiheit daraus beweiſen wil. Wenn der Vers.
brecher den Mord, den er begangen hat , låugs
net, To iſt er entweder überzeugt , daß es ein
Verbrechen war , deffen er ſich ſchuldig gemacht
hat, oder er iſt davon nicht überzeugt. Im ers
ſten Falle läugnet er nicht, denn mit der Uebers
zeugung iſt unmittelbar und nothwendig Reuer.
189
Selbſtbeſchuldigung, Selbſtbeſtrafung verbundents
im zweiten Falle iſt das Läugnen der That nur
.“
Form , an ſich läugnet er nur das Verbrechen ,
und er würde die That geſtehen , wenn er darauf
rechnen könnte , daß das Geſetz ſeine Ueberzeus
gung als Entſchuldigung gelten laſſen werde ; da
er aber weiß, daß ihn nur die Legalitât richtet,
ſo läugnet er die Chat , um durch dieſes Mit:
tel ſeine Ueberzeugung, die übrigens, ganz irrig
ſeyn kann, objektiv geltend zu machen. Er hans
delt alſo nicht gegen ſeine Erkenntniß , ſondern
dieſe iſt nur im Widerſpruch mit der Erfernt:
niß eines Andern, hier des Geſekes ; und wenn
es auch die eine und ſelbe Thatſache iſt, um
weldse gefragt wird : ſo kommt es doch immer
darauf an , welche Erkenntniß von ihr der
Menſch rich konſtruirt; denn nur durch dieſe
Konſtruktion tritt die Erfahrung ins Leben ein ,
wird zweckfähig, und das Begehrungsvermogen
beſtimmend. Wenn mid; ein Robespierre fragt,
ob ein Lavoiſier dftlich gegangen iſt , und ich
habe dieſen in dieſer Richtung wirklich gehen
ſehen : ſo zeige ich ihm mit der entſchloſſens ;
ften Beſtimmtheit und umſtändlich einen weſtlts
lichen Weg, ſelbſt wenn ich mein eigenes Les
ben dadurch in Gefahr bringe , und reße damit
190
nur dem von mir als falſch erkannten Zweck eis
ues Robespierre den meinigen, den ich für wehr
erkenne, entgegeni. Kehren wir den Fall am ,
ſo werde ich nicht allein von Robespierre, ſondern
auch von jedem rechtlichen Manne nichts
anderes erwarten ; und jeder, der ſich zur mates
riellen Wahrheit verpflichtet glaubte , würde mit
Recht ats unkluger Mann angeſehen werden ;
auch wiirde er mit ſeiner Unflugheit eben ſo viel
Boſes befördern , als der andere mit ſcheinbas
rer Lüge Gutes . Es iſt allerdings wahr , daß 1
dieſe Handlungsweiſe eben ſo vom ' (diechten
Menſdyen zu bSſen , wie vom rechtlichen zu
guten Zwecken gebraucht wird ; aber das liegt
in der Natur der Sache, nach welcher die Vers 1

ſtandesmoral nichts anders iſt, und ſeyn kann,


als Klugheitslehre , und beweiſet nur, daß
Rechtlichkeit ohne Klugheit eine Wurzel ohne
Pflarizė iſt, und daß zum verſtändigen Leben
auch Menſchenkenntniß erfordert werde.
Aber auch das unverdorbene Herz entſcheidet
in ſolchen Fällen immer der Klugheit gemäß,
wenn nur dieſe nicht mangelt ; und gerade der
beſte Menſch wird eher ſein Leben hingeben, als
eine Thatſadje geſtehen , die , nach ſeiner Eins
ſicht, der Andere 34 6ðſen Zwecken , um ſi B.
191
dem Unglücklichen , Verfolgten, den Reſt ſeines
Glücks, die lekte Ruhe , die letzte Stüße des
Lebens zu rauben , mißbrauchen will.
Es giebt für den Verſtand keine abolute
Wahrheit, alſo auch keine abſolute Lüge — feis
nen abſoluten Zweck , alſo auch keine abſolute
Mittel. Die Menſch kann ſeine Zwecke aufges
ben und fremden folgen ; aber dann muß er erſt
dieſe zu ſeinen eigenen gemacht haben . Der
Menſch handelt wahr , wenn er flug handelt,
das iſt, wenn er die von ihm erkannten Zwecke
und die Mittel , welche ihm der Kreis ſeiner
Subjektivitåt anbietet, nicht einzelii, ſondern im
Zuſammenhange und gegenſeitig berechnet ; und
er handelt unwahr, das iſt thdrigt, wenn er das
nidt thut ; aber lügen kann der Verſtand nidt,
weil er das an ſich Wahré, das Objektive nicht
erkennen kann. Die Lüge iſt die Wurzel und
der Ausdruck alles Bdſen ; aber ſie iſt nicht im
Einzelnen , nicht im Werſtande da, denn fie tft
als Mittel , doch in ihrem Zwecke wahr , und
ob dieſer an ſich wahr rey , kann der Verſtand,
nicht entſcheiden . Nur durch Beſtimmung der
Zwecke durch Einen Endzweck, kommt in jene,
objektive . Wahrheit , und nur die Verläugnung
des Endzweckes iſt Lüge , das iſt , Verläugnung
192
des Vernunftcharakters , der Freiheit, der höher
ren Beſtimmung, des Göttlichen im Menſchen.
Eben ſo kann der Menſch einen Genuß nicht
bloß für einen höheren oder dauernderen , ſons
dern auch ganz uneigennüßig aufopfern , ohne
daß er in dieſer Handlung frei zu nennen iſt.
Denn das Opfer muß einen Zweck haben, wenn
es verſtändig ſeyn ſoll ; der Zweck hångt aber
von der Erkenntniß ab , und die Handlung kann
edel ſeyn, aber ſie iſt nicht frei.
Es iſt überhaupt eine irrige Meinung, wenn
wir glauben, dass der Menſch nur von der Freis
heit ſeine Würde erhalte, und eben ſo irrig die
Meinung , daß der Menſch die Natur durch
Freiheit ergången ſolle. Die Natur iſt für ſich
ein vollendetes Ganze, und der Menſch ſteht in
ihr , wie ihr Geiſt in ihm wohnet. Drückt er
dieſen Geiſt aus , ſo behauptet er die Würde
der Natur ; aber er kann ſich dieſe Würde nicht
ſelbſt geben, ſondern die Natur giebt ſie, ſo
weit es die Umgebungen verſtatten . So wie
die Pílanze, obgleich ihr die Idee des Univers
ſums, als weſen, zum Grunde liegt, nur einen
Theil der Vollkommenheit der Natur ausdrückt :
ſo auch der Menſch ; wenn aber die reale Nas
tur ewig an die Form der Beſonderheit gebuns
den
193
den iſt, ſo tritt dagegen im Menſchen die ideale
Natur, als allgemeines, ſich ſelbſt gleiches Wez.
ſen, in die Erſcheinung, und nur die Maſchine
der Subjektivitåt hüllt den im Menſchen ſich
offenbarenden Naturgeiſt in Mebel. Können
einſt allgemeine menſchliche Verfaſſungen den
Grad der Vollkommenheit erreichen , daß ſie
durchaus das ideale Analogon der realen Natur
find : ſo wird ſich auch, der allgemeine Natur:
geiſt in der Menſchengattung offenbaren.
Jeder einzelné Menſch wird denſelben Geiſt in
feinem Leben ausdrückent, èr wird natürlich hans
deln, ohne zu wiſſen , daß er anders handeln
f8nne, nicht mit Freiheit, ſondern mit einer
Nothwendigkeit, die ihn nicht drückt, weil ſie
nicht beſondere, ſondern allgemeine Nothwendigs
keit iſt, weil ſie nicht als ein Beſonderes, mit
einem andern Beſondern im Gegeriſabz ſteht,
ſondern als allgemein jeden Gegenſatz aufhebt.
Die Natur wird im Menſchen frei, und der
Menich genießt die Ruhe, den Frieden der Nas
tur in der Nothwendigkeit ſeines Lebens ; der
Naturgeiſt herrſcht als allgemeine Vernunft, die
ganze Menſchheit iſt Ein Univerſum , Eine Idee,
und jeder einzelne Menſch drückt in ſeinem Le:
ben dieſe Idee, dieſes Univerſum aus.
13
194
Es iſt alſo der Kampf der idealen Natur
im Menſchen, welcher den Schein der Freiheit
erzeugt und unterhalt. Das Allgemeine, das
, Objektive, das Weſen , liegt im dunkeln Hinters
grunde, und ſtrebt an gegen die Schranken der
Beſonderheit ; dieſes Streben erſcheint als frei,
wie die gegen den Druck ſtrebende Feder, iſt
aber an ſich das unaufhaltſame Durchdririgen
der allgemeinen Natur, oder der auf ſich ſelbſt
ruhenden allgemeinen Nothwendigkeit.

Dies iſt aber nicht die Beſtimmung des


Menſchen , ſondern der allgemeinen Natur, die
als Schickſal übet der Menſchheit waltet ;
der einzelne Menſch iſt in Raum und Zeit,
wie der Waſſertropfen im Meere, gleicher Nas
tur mit dem Ganzen , doch nur ein unendlid
kleiner Theil des Ganzen ; er hat ein augens
blickliches Daleon als Individuum, und fådt
dann wieder in das Allgemeine zurück ; das Bes
ſondere, der individuelle Menſch entſteht nur für
das Augemeine, für die allgemeine Natur, um
dieſe als Weſen immer reiner auszuprågen ; der
Menſch iſt nichts für fich , ſondern alles , was
er iſt, für die Natur, rein Geiſt ein Straht des
1
195
allgemeinen Naturgeiſtes, der zwar in der all
gemeinen Vernunft die Sonne zeigt, aber ends
lich , ſeiner Abſonderung unbewußt, in das uns
endliche Lichtmeer zurückſinft.
Iſt der M ?nſch sloß der Grenzpunkt der
allgemeinen Natur, in welchem ſie ihre beſons
dere Form zerſtört, um als algemein auf ſich
ſelbſt zurückzukehren , und ihr Weſen zu offens
baren , oder iſt er auch Weſen für ſich ?
Das Leſte iſt nur unter der Bedingung dents
bar, daß die allgemeine Natur, zwar ein abſolus
tes, in ſich ſelbſt geſchloſſenes Ganze rey, aber
fich als dieſes Ganze nicht ' offenbar ett fon:
ne , ohne die beſondere, eigene weſenheit
des Menſchen .
Cåge die Natur in threm Weſen offen da ,
' Poåren thre unendlichen Einzelweſen, wie das
Licht im unendlichen Raume, ununterſcheidbar,
in ewiger Ruhe und Gleichheit mit dem Weſen ,
mit dem Ganzen da : ſo könnte nicht gefragt
werden , ob die einzelnen Lichepunkte eine andere
Beſtimmung haben, als das allgemeine Licht
darzuſtellen .
So iſt es aber nicht. Das Weſen der Natur
ift verſchloffen im Realen, als ihrer beſons
dern Form , entwickelt ſich durch ſtufenwelſe Dis
196
ganiſation , låſet ſich im Menſchen als Subjef,
tivität aus der Schale der Materie, und feimt
als Idee hervor. 115 Jdee ruht das Weſen
der Natur auf ſich ſelbſt, der Naturgeiſt findet,
erkennet ſich ; aber dieſe Selbſterkenntniß iſt nur
das Element ſeiner Objektivitát, feines allgemeis
nen Lebens, iſt Wahrheit ( die Philoſophie bes
weiſet in ihr die Möglichkeit eines allgemeinen
Lebens der Wahrheit ) ; um dieſes Leben zu reas
liſiren, muß ſie wieder, wie im Realen , eine Stus
fenreihe von algemeinen, idealen Organiſationen
(menſchlide Verfaſſungen , Staaten ) durchgehen,
und wir kennen ſie nur hiſtoriſch in ihrer Ans
näherung zu dieſem Ziele.
In der allgemeinen Natur herrſcht alſo die
Zeit , und zwar als ewig ; das iſt, ohne an:
fang und Ende. Denn Teßen wir ihr einen
Unfang, ſo lag vor ihr das Weſen der Natur
offen da, und ſo konnte es nie in das Beſons
dere verſinfen , um erſt offenbar zu werden.
Seben wir ihr aber ein Ende, To hört das Bes
ſondere auf; dieſes kann aber nicht aufhdren ,
weil das Weſen mit ihm verbunden iſt , und
weil dieſes nicht als allgemeine Vernunft, Wahrs
heit, geoffenbaret ſeyn kann, wenn es nicht auch
im Beſondern verſchloſſen iſt.
)1

197
Die ewige Zeit iſt das ewige Leben des ewis
gen Seyns; die ewige Handlung, die das Seyn
ins Daſeyn ruft, das Seyn als Daſeyn offens
baret, das Seyn im beſondern Bilde, in realer
1
Form ( Natur ) darſtellt, um es als allgemeines
Bild , als Urbild ( Vernunft ) zu offenbaren ;
ſie iſt die Schöpfung , die freie Handlung
der ewigen Bergunft, durch welche fie thr noths
wendiges Weſen offenbaret: Die Natur
ruht auf dem ewigen Seyn, als ihrem Weſen ,
aber ſie ift, nnr in der Zeit da ; dle Wiffens
ſchaft enthält uns das emvige Seyn , das Wes
.
ſen der Natur , aber der Menſch muß ſich die
Wiſſenſchaft in der Zeit Tchaffen . Die Natur
offenbaret in threm Weſen die civige Vernunft
in ihrer Totalität, aber fie offenbaret ſie in der
Zeit, und da die ewige Vernunft nur ſich ſelbſt
als Natur offenbaren kann : ſo iſt die Zeit ſelbft
der Akt der Offenbarung, tas freie Uyfthun
der ewigen Vernunft.
Das Seyn tſt das ideale Weſen der Natur,
únd als ſolches , geoffenbartes Weſen der Gotts
heit , das in ſeiner Realität urſprünglich und
ewig in Gott ſelbſt, und nur in ſeiner Fdealis
tåt , oder Offenbarung , Weſen der Natur ift
Das Weſen der Natur ift nothwendig und ewig,
198
weil es das Urbild der Realität Gottes ift ;
aber es iſt nicht ſelbſt dieſe Realitåt, weil es fich
nur als Idealitåt offenbaret. Das Prinzip der
Offenbarung iſt die ewige Handlung, die ewige
Schöpfung Gottes , die ewige Abbildung ſeiner
Realitåt. Die ewige Vernunft iſt , als Offens
barung, Natur, und das Weſen der Natur ift
die geoffenbarte Vernunft ; die Offenbarung ift
freie Handlung der ewigen Bernunft, und ſo
ruht das Weſen der Natur auf der freien Hands
lung Gottes. Gott offenbaret ſich durch Schopfs
ung , und durch dieſe Offenbarung wird das
reale Gottesweſen , ideales Naturweſen .
Der wiſſenſchaftliche Philoſoph kehrt dieſes
Raiſonnement um , und ſagt. Das Weſen der
Natur ruht allerdings auf einer freien Hands
lung, aber es iſt Erkenntniß , und ſo iſt auch
die freie Handlung nur die erkennende , das ift,
menſchliche Vernunft.
Es iſt wahr, daß ſich dem Menſchen das
Beſen der Natur nur als Erkenntniß offenbas
ret ; es iſt Ferner wahr , daß die Erkenntniß
ſelbſt das Weſen der Natur iſt ; und es iſt ends
fich wahr , daß dieſe Erkenntniß eine abſolute
ift, auf ſich ſelbſt ruhet, ſelbſt die freie Hands
lung ift.
199
Aber daraus folgt doch nur , daß das Weſen
der Natur zwar die Offenbarung des Abs,
ſoluten , und als Offenbarung abſolut, aber
keinesweges, daß es das Abſolute ſelbſt iſt. Oder
wie wil man es befriedigend erklåren , daß die
Natur ihr Weſen in Einzelweſen verſchließt, es
in thnen nur bildlich darſtellt, und erſt im Mens
ſchen als Vernunft offenbaret ; wie befriedigend
erklären, daß die Erkenntniß bloß das Weſen der
Natur , und nicht auch ihre Erſcheinung iſt, daß
der Menſch nicht als Abſolutes in der Natur
daſteht, und dieſe , in ihrer Allgemeinheit, ſein
Organ iſt; wie erklären , daß das Weſen auch
im Menſchen, zwar Totalität und Urbild , aber
doch verſchloſſen iſt, und daß er nur durch freien
Schwung den in ihm ſchlummernden Naturgeiſt
wecken , und die Wahrheit offenbaren fann ; daß
ſelbſt die Wahrheit wieder nur im Einzelnen
ſich offenbaret, und geſchichtlich , als Schickſal,
in das objektive Leben tritt, daß ſelbſt die Wiſs
ſenſchaft, als Erſcheinung, durch die Zeit bes
dingt iſt ?
Auch der wiſſenſchaftliche Philoſoph muß von
der abſoluten Erkenntniß noch den allgemeinen
Naturgeiſt, zwar nicht dem Senn, dem Weſen
nach , aber doch in der Art des Sepns unter:
200

ſcheiden ; die Erkenntniß als den geoffenbats


ten Geiſt, Totalitåt in der Einheit , das algęs
meine Naturleben als den fich offenbar enden
Geiſt, Einheit in der Totalitåt. Die Stufens
reihe der realen Organiſation bis zum Mens
ſchen, und der idealen Organiſation bis zur Ers
kenntniß der Wahrheit auf der einen, und
die Stufenfolge der realen Organiſation der Plas
neten bis zur Sonne, und der idealen Organis
ſation der Geſchichte bis zum allgemeinen
Leben der Wahrheit auf der andern Seite,
beweiſen hinlänglich die Nothwendigkeit jener
Unterſcheidung,
Ift aber der allgemeine Geiſt, ein ſich offens
Barender im Leben der Natur, und ein geoffens
barter in der Anſchauung der Vernunft : To ift
Offenbarung ſeine Einheit, ſein wahrer Charaks
ter, er iſt nicht bloß, ſondern iſt auch da : Seyn
iſt ſeine abſolute Form und zugleich abſolutes
Weren ; aber Dafeyn til die Bedingung Teiner
Weſenheit und ſeiner Form ; er iſt als Erkennts
niß abſolut, abſolute Offenbarung , aber
als Daſeyn, als Leben der Natur bedingt durch
das Offenbarende, durch freie Handlung Gottes ,
er iſt Offenbarung des Abfoluten .
Die abſolute Erkenntniß ſelbſt führt alſo auf
201

dle Offenbarung des Abſoluten , als ihr nothis


wendiges Correlat, und der Philoſoph ụntergråbt
feine Wiſſenſchaft, wrnn er den Akt der Offens
barung , die freie Handlung Gottes, die Sches
pfung, die ewige Zeit låugnet. Denn die Wiſs
ſenſchaft iſt. Konſtruktion der allgemeinen Natur,
das iſt, ein Erfchaffen des Weſens der Nas
tur, als Wahrheit, als Erkenntniß ; wenn alfo
die Wiſſenſchaft, der allgemeinen Natur ganz
ad &quat ſeyn ſoll , ſo muß auch dieſe ein Ers
ſchaffen thres Weſens , muß alſo eben ſo ops
fenbarung der Gottheit, wie die Wiſſenſchaft
Offenbarung der Natur ſeyn ; und wenn das
Konſtruiren der abſoluten Erkenntniß eine freie
Handlung der endlichen Vernunft iſt, ſo iſt auch
die Erſchaffung des Wefens der Natur eine freie
Handlung der ewigen Vernunft.
Die Natur hat demnach einen doppelten Chas
rafter, der Vernunftanſchauung und der
Vernunfthandlung. Wenn wiri fragen :
was iſt die Natur ſo nehmen wir fie im er's
ften , und wenn wir fragen : wozu iſt ſie da -
im zweiten Charakter. In der Vernunftans
ſchauung ift fie geoffenbartes Weſen , Idee, abs
ſolute Erkenntniß, Seyn an ſich; durch die
Vernunfthandlung wird ſie offenbarend ein Wes
202
1
ſen , wirkliches Leben , kommt zum Daſeyn. Es
kommt hiebei vorzüglich auf die richtige Beſtims
ſtimmung der Begriffe des Seyns und Das
ſeyn 5 an.
Wirkliches Seyn iſt ein widerſprechender
Begriff; denn ſobald das Segn wirklich iſt,
iſt es nicht mehr Seyn , ſondern ein Daſeyn.
1

Das Seyn kann alſo nur ideal, das iſt, als '
goee gedacht werden ; ferner als ein Allges
meines , denn als Beſonderes iſt es wieder
Daſeyn ; endlich nur als abſolute. Erkennts
niß , denn dieſe allein iſt ein Seyn ohne Wirks
lichkeit, ift, ohue da zu ſeyn, da ſie keinen Ges
genſtand hat, ſondern ſich ſelbſt hålt, ſich ſelbſt
Meſen und Form iſt. Die abſolute Erkenntniß
iſt Nichts , wenn ſie nicht Ulles iſt, und ſie
iſt nothwendig Alles , ſobald ſie iſt; in ihr iſt
kein Bedingtes, Beſchränktes, Beſonderes, kein
Gegenſtand, kein Daſeyn, ſondern ſie iſt reine
Vernunftanſchauung, dieſe alſo das wahre Seyn
an ſich.
Hieraus folgt, daß das Seyn an fich , als
Weſen der Natur, in ihr nicht wirklich da
rey , und daß die Ausdrücke, deren wir uns
ſonſt in der Erklärung der Natur bedienen,
3. B. das Weſen der Natur iſt in dem Beſons
203
dern verſchloſſen, es waltet in der Natur ein
allgemeiner Geiſt, die Natur ruht auf dem ewis
gen Seyn , als ihrem Grunde, fie lebt in der
Idee, als ihrer Wahrheit u. a. nur für die Era
Elérung Bedeutung haben ; es folgt, daß das
Weſen derNatur nichts anderes als die abſolute
Erkenntniß, daß dieſe nicht der Grund der Nas
tur, ſondern ihre Bollendung Tey , daß wir mit der
Frage nach dem Grund und Weſen der Natur
nur die Nothwendigkeit einer abſoluten Erkennts
niß ausdrücken, und daß wir die abſolute Ere
fenntniß, die gee , das Univerſum , nachdem
wir ſie wiſſenſchaftlich konſtruirt haben, nur hy
pothetiſch der Natur zum Grunde legen ,
um durch die Erklärung der realen Natur aus
der Idee, die Probe auf die Wiſſenſchaft zu mas
chen . Die Natur ruht alſo nicht auf dem ewis
gen Seyn, als ihrem nothwendigen Weſen , aber
fie iſt ein Streben zum nothwendigen , abſoluten
Seyn in der Idee, in der abſoluten Erkennts
niß, in der Wahrheit , ſie hat an ſich kein
Weſen , kein Seyn , ſondern einen Ends
aweď , aber die Wernunftanſchauung
verwandelt denend zweck in den Grund,
well in thr der Endzwed realiſtret
wird.
C
204
Dareyn iſt wirklides , reales Leben
iſt ein Beſonderes , ein Bedingtes ; es
muß alſo einen Grund haben. Dieſer Grund iſt
nicht das Ideale, das Algemeine, das Abſolute
der Anſchauung, nicht die Idee, die abſolute Ers
fenntniß , das Seyn an ſich; denn dieß wåre,
dem Obigen zufolge, - nur ein idealer Grund,
folglich nur für die Anſchauung; für dieſe
aber iſt das Reale, Wirkliche, nur Form , die
Art zu ſeyn , nicht Daſeyn, nicht Leben ; nur
die das allgemeine, als ideales Weſen , befchräns
kende Form des Beſondern, nicht das Beſons
dere ſelbſt; nur die durch das Abſolute bes
dingte Erkenntniß, nicht die Wirklichkeit ſelbſt.
so wenig als die Vernunfterkenntniß, weil ſie
abſolutes ideales Seyn iſt, durch ein todtes mas
terielles Seyn bedingt ſeyn kann : eben ſo wes
nig kann das Daſeyn, weil es wirklichkeit
iſt, durch die abſolute Erkenntniß bedingt ſeyn.
Die abſolute Erkenntniß, die Vernunftanſchauung,
begrenzt zwar ſich ſelbſt durch die reale Form,
weil auch dieſe ein Ideales iſt ; aber die Wirks
lichkeit, das Leben , das Daſeyn ſelbſt, 1

wäre, wenn es in thr gegeben wäre, ihre reale,


abfolute Grenze, und ſo hörte, fie auf, abſos
lut zu ſeyn. Die Wirklichkeit, das Daſeyn, das ,
205

Leben, muß alſo wieder durch ein Wirkliches bes


1
dingt, dieſes aber muß ein abſolutes wirk: '
liche ſeyn. Abſolute Wirklichkeit iſt ewige
Zeit , Freiheit , Vernunfthandlung,
Sch d p fung ; die wirkliche Welt iſt alſo bes
I
dingt durch die Schöpfung, als freie Handlung
der ewigen Vernunft in ewiger Zeit.
Hieraus folgt, daß die Frage der Vernunft :
wozu iſt alles o a oder die Frage nach
1

dem Endz w ed alles Daſeyns, auf den wahs


ren Grund , auf das reale Weſen der Welt
führe, daß, ſo wie , die allgemeine Natur an
ſich keinen Grund, ſondern nur einen Endzweck
To die beſonderé Natur, an ſich keinen
Endzweck, ſondern nur einen Grund habe, und
daß nur durch die doppelte Aufgabe unſerer
Vernunft, der allgemeinen Natur die Idee als
Weſen zum Grunde gelegt, und dem beſondern
Daſeyn ein Endzweck geſellt werde.
Denken wir uns, da doch nur Ein Gott,
Eine Matur, Eine Vernunft iſt, den Endzwed
der allgemeinen Natur, und den Grund des
beſondern Dalepns, in nothwendiger Wechſelbes
ſtimmung ; denken wir uns ferner dieſe Wechſels
beſtimmung in der menſchlichen Vernunft, weil
zwar das Geoffenbarte Gott ſelbſt, und
1

206

die Natur das Offenbarende , die menſchs


liche Vernunft aber die Offenbarung ſelbſt
ift ; To geht folgendes, nach unſerm Dafürhalten
das hddſte Reſultat der Philoſophie, und die
höchſte Anſicht des menſchlichen Geiſtes, und ſeis
ner Beſtimmung hervor.
Der Endzweck der allgemeinen Natur offens
baret ſich in der allgemeinen Vernunft , als ab:
ſolute Erkenntniß : der Grund des beſondern
Daſeyns in der beſondern Vernunft , als abſos
lute Wirklichkeit , Vernunfthandlung, Freiheit.
Der Endzweck der allgemeinen Natur wird in
der menſchliden Vernunft, als der Einen Ofs
fenbarung Gottes, Endzweck der beſondern Bers
nunft, der Freiheit, der Vernunfthandlung: der
Grund des beſondern Daſeyns, Grund der alls
gemeinen Vernunft , der Nothwendigkeit der
Vernunfterkenntniß. Der Endzweck der allges
meinen Natur, die Idee , die abſolute Erkennts
niß, iſt Offenbarung der nothwendigen Natur
Gottes, und dieſe iſt das ewige Ziel , der Ends
zweck der Freiheit, der Vernunfthandlung : der
Grund des beſondern Daſeyns , die Vernunft:
handlung , tft Offenbarung der freien Natur
Gottes , und dieſe iſt der nothwendige Grund
der Erkenntniß, der allgemeinen Vernunft. Wols
1

207
len wir alſo unſern Endzweck, unſere Beftims
mung erreichen , ſo müſſen wir an Ulgemeinheit
der Vernunfthandlung, an abſolute Nothwens
digkeit glauben, und die Vernunfterkenntnis, die
Bahrbeit zu unſerm Führer wählen ; ſoll uns
aber die Erkenntniß befriedigen , ſuchen wir das
lékté, höchſte und einzig Wahre an ſich, das zus
gleich real , wirklich iſt : ſo mufen wir an eine
Vernunfthandlung in ewiger Zeit, an Gott, als
ewigen Schöpfer der Welt glauben , und Gott,
nicht bloß in der Idee, ſondern als wirkliches
Weſen ( emige Vernunfthandlung ) als den reas
lén Grund aller Wahrheit anſehen.
Wir wollen hieraus nur noch einige Beſtim :
mungen folgern , und blemit das Ganze ber
ſoließen .
1 ) Die wahre Philoſophie ruht , auch als
abſolute Wiſſenſchaft, auf dem Glauben an
Gott, als Schöpfer der Welt , und die Abſok
lutheit der Vernunfterkenntniß wird durch dieſen
Glauben keinesweges aufgehoben ; denn nicht als
Anſchauung , ſondern als Handlung ruht
die Vernunft auf dieſem Glauben , die Hands
lung aber iſt es , welche der , als Einbildungss
kraft freien Spekulation die Richtung glebt.
Dieſe Richtung iſt , wie oben gezeigt wurde,
- 208
nothwendig eine objektive , wenn Wiſſenſchaft
möglich ſeyn ſoll, und dieſe Objektivitåt der
Richtung wird durch den Glauben an Sott
ewig feſt begründet. Der Glaube an Gott greift
alſo nicht in die Wiſſenſchaft ein , ſondern geht
ihr nothwendig voraus .
2 ) Der Menſch iſt durchaus Natur, und
mit ihr das Eine nothwendige Weſen , das iſt,
das Streben zu Einem Endzwecke. Dieſer iſt
die abſolute Erkenntniß, und in ihr wird , nicht
der Menſd ), ſondern die Natur; folglich der
Menſch nur als anſch au endes Weſen frei,
das heißt: als allgemeines Vernunftweſen iſt er
die freie Natur ſelbſt als Individuum
aber, wie jedes Einzelweſen der Natur, bedingt
durch den allgemeinen Endzweck, ein nothwendis
ges Streben zu demſelben , deſſen ſich nur der
Philoſoph frei bewußt wird, ohne jedoch das
durch als Individuum frei zu werden. Die
Individualität kann nur) frei werden, wenn
fie Algemeinheit wird ; dann wird ſie aber abs
ſolute Nothwendigkeit , ſie kann alſo nicht frei,
ſondern nur als beſondere, &ußere Nothwendigs
Feit aufgehoben werden . Dies iſt die Idee des
vollkommenſten Staates , die nur zugleich mit
der

S
209
der vollkommenen Organiſatio: des Pianeten
realifiret werden kann .
3 ) Die Natur ſtrebt nach Freiheit, und dieſe
iſt ihr Endzweck ; fie ruht aber auch als Eire:
lichkeit, als Daleyn , auf Freiheit, und ſie konnte
nicht nach Freiheit ſtreben , wenn ſie nicht aus
ihr hervorgingė. Die wirkliche Welt iſt ewige
Schöpfung Gottes , eriges Wunder , und wenn
j. B. die Pflanze ; als Gattung ; in ih,
rer Organiſation das Streben nad dem Ends
zweck ausdrückt, und dieſe Organiſation das G és
ſet der Produktion jeder einzelnen Pflanze iſt:
ſo iſt die einzelne Pflanze ſelbſt , als
wirkliches Weſen , die Erſcheinung der freien
Handlung Gottes, Gottes Geſchöpf.
4 ) Der Menſch, in welchem die Natur ihren
1
Endzweck erreicht, ruht nicht bloß auf der Freiheit,
ſondern in ihm offenbaret ſich zugleich die freie
Handlung Gottes unmittelbar, er iſt nicht bloß
geſchaffenes Bild der göttlichen Freiheit, ſondern
ſelbſt Schöpfer der erſcheinenden Vernunftwelt,
in ihm offenbaret ſich nicht bloß der Schöpfer,
ſondern ſelbſt die Schdpfung. Sedes reale Nas
turweſen iſt ein erſdeinendes Bild Gottes , der
Menſch aber ; als Vernunfthandlung , iſt ſelbſt
der erſcheinende Gott. Die Erſchaffung des
Menſchen ( ſeiner vernünftigen Seele ) iſt alſe
14
210

die Menſch werdung Gottes , ſo wie die


Vernunfthandlung die Vergåttlichung , Heilis
gung des Menſchen , und mit ihm der ganzen
Natur. So wie folglich die allgemeine Vernunft,
als Wiſſenſchaft, den Endzweck der Natur der
monſtriret , und ihn für die Anſchauung,
als Grund und Weſen der Natur aufſtellt: ro
offenbaret die beſondere Bernunft, als Vernnnft:
Handlung , den wahren Grund der Natur,
die gåttliche Freiheit , und realiſiret ihn ,
als Endzweck der Natur, im allgemeinen
Staate.
5 ) Der allgemeine Staat gründet ſich auf
Vernunfthandlung, und muß erſt als ein in
nerer realiſiret werden , wenn er ſich auch als
å u beter darſtellen fol. Der innere Staat iſt
Religion , denn ſein Weſen iſt die Vernunfts
handlung , dieſe aber nur als inenſchgewordener
Gott wahre Freiheit ; er iſt alſo Gottestaat,
Reich Gottes.
6 ) Gottes Sdhdpfung iſt ewig , ewige Zeit ;
ſo wie aber der Endzweck der Natur nur Einet,
Eine Joee , Ein Univerſum iſt: ſo iſt auch der
menſchgewordene Gort , als Grund der Natur,
urſprünglich nur Einer , das ſdh dpferiſche
Wort Gottes, das ewig und überal in der
Natur lebt , und im Menſchen als Vernunfts
211

handlung ſelbſt hervortritt. Erſcheint das Wort


Gottes ( die Vernunfthandlung ) nicht bloß im
Einzelweſen , um die Natur ihrem Ziele nåher
•zu führen , Jondern nimmt es ſelbſt einen Leib
an , um zu erſcheinen : ſo iſt dieſe Menſch :
werdung Gottes eine wiederholte allgemeine
Schöpfung, eine neue Epoche derſelben. Die
Erſcheinung des Gottmenſchen obne Zeus
gung iſt alſo das erſchienene Wunder der
Schopfung.
7 ) Chriſtus iſt das Tchöpferiſche Wort Gote
tes, das einen Leib annahm , um zu erſcheinen ;
er iſt der erſcheinende Schopfer; und
als ſolcher Grund und Herr der wirklichen
Welt, des Daſeyns. Da er das erſchienene
under der Schopfung iſt, ſo iſt ſowohl der
Anfang als das Ende dieſer Erſcheinung, der
Eingang in das Leben und der Ausgang aus
demſelben , nothwendig Wunder ; aber auch ſein
ganzes Leben iſt der Hauch der ſchöpferiſchers
Aumacht, und er kann Einzelweſen das Leben
geben und nehmen.
Die Sophiſterey , womit man das Wunder
des Chriſtenthums beſtreitet, iſt, der Form nach ,
ganz dieſelbe, deren ſich ein falſcher Idealismus
ſchuldig macht, wenn er die Realitåt einer ges
formten Auſſenwelt läugnet ; denn es madyt in
212

der Sache keinen Unterſchied , ob ich die Denk


form des Verſtanden , den Mechanismus
der Subjektivitát , als Naturgeſetz in die Nas
tur , oder als Geſetz der Erkenntniß in das Ich
lege, und das lekte iſt noch konſequenter,
Der Verſtand kann nicht die objektive Wahrs
helt , die Natur an ſich erkennen , und ſo kann
er auch nicht das Wunder begreifen ; aber ſo
wenig die Wahrheit für den Verſtand gegeben
iſt , eben ſo wenig iſt er der Richter des Wuns
ders. Für die Vernunft hingegen iſt die Nas
tur , als Ein Ganzes, das Wunder der an
ſchauung, Kunſtwerk , Offenbarung der Noth:
wendigkeit Gottes : in ihrem einzelnen Das
ſeyn aber , als Leben , das Wunder der
Schopfung , ewige Offenbarung der Freiheit
Gottes .
Der Glaube an das Wunder der Schdpfung
1ſt Glaube an Gott und Unſterblichkeit, und er
rust auf der Freiheit, oder Vernunfthandlung,
dem wahren Weſen des individuellen Mens
ſchen , das ihm nicht die Natur ( die Anſchauung ) ,
ſondern er ſich ſelbſt durch Gott, oder Gott ihm
durch ihn ſelbſt giebt. Auf demſelben Grunde
aber ruht der Glaube an das Wunder des Chris
ſtenthunis ; denn es iſt nur die fonkrete
Cſinnliche ) Darſtellung der Schops
- 213
fung Gottes , die keinen andern Zwed hat,
als dem Glauben an Gott und Unſterblichkeit,
der an ſich nur von der Vernunfthandlung des
Einzelnen abhängt, und mit ihm dieſer ſelbſt
objektives Leben zu geben ; ſo daß der
Menſch , um zu jenem Glauben zu gelangen ,
nicht mehr die Gittlichkeit in ſich wekken ,
denn ſo wurden immer nur wenige Sokrates
erſdjeinen, ſondern der objektiv dargeſtellten Ostts
lidykeit , dem Beiſpiel und der Lehre des Gott:
menſchen , ſich nur bingeben darf, und nur
' unter dieſer Bedingung iſt - ein allgemeines gotts
liches Leben möglich .
Das Chriſtenthum iſt nur Ein Wunder ( pos
ſitive Religion ) , wie die Natur nur Eine Schaps
+

fung, und Chriſtus laßt rur den Feigenbaum


verdorren , ruft den Todten aus dem Grabe her's
vor , um die Schöpfung als das Werk der gåtts
lichen Freiheit , und die Pernunfthandlung als
das ſchöpferiſche Wort Gottes zu beweiſen.
Der wahre Charakter des Wunders iſt nach
dieſer Beſtimmung ſeines Begriffs unverkenn ,
bar , und wir haben keinen Betrug zu fürchten ,
wohl aber , wenn wir zu einer geheimen Wiſ
ſenſchaft Chriftus unſere Zuflucht nehmen. Oder
wollen wir hiſtoriſch erwieſene Thatſachen låugs
nen oder können wir es mit den Charakter
"
214

Chriſtus vereinigen, daß er die Menſchen durch


ein Blendwerk táuſchte, um ſeinen Zwed zu ers
reiden ?
8) Die Moral iſt in ihrem Grunde und
cien Religion . Denn ihr Grund und Weſen
ift Freiheit, dieſe aber iſt Offenbarung Gottes
im Menſchen , iſt ſelbſt, als Vernunfthandlung
per unmittelbare lebendige Glaube an Gott. Die
Nieligion wird aber Moral durch ihre Form ;
denn die Vernunfthandlung realiſiret den Ende
zweck der allgemeinen Natur , welchen die Wiſ:
ſenſchaft derronſtriret ; der demonſtrirte Ends
zweck , die Idee , die abſolute Erkenntniß , das
Ilniverſum , das an ſich wahre, iſt alſo die
form , in welcher ſie ſich darſtellt. Wenn wir
das Moralprinzip in das leitende ( Ger
Tek ) , und in das bewegende ( Motiv ) zerles
gen : ſo iſt nicht, wie Kant ſagt, das Geſet zus
gleich der Beweggrund der Vernunfthandlung,
nach welcher Beſtimmung die Freiheit aufgehos
ben wird ; ſondern das allgemeine Geſek iſt die
Form , in welcher die Vernunfthandlung immer
und nothwendig erſcheint, obne daß es die
Freibeit wollen , darf ; das wahre Prinzip
Der Vernunfthandlung aber iſt die göttliche
Beſtimmung, der Glaube an Gott den Schöpfer,
und den Endzweck der Schöpfung. Meine
215
Handlung iſt nur dann wahrhaft gut, wenn ich
wie Gott handle, und, weil Gottlo hans
delt ; jenes iſt die Form , diefes das eſen
der guten , das iſt der Vernunfthandlung . Die
Form erkenne ich in der Natur, denn die abſos
lute Erkenntniß Tagt es aus, daß in jedem Eins
zelweſen der Natur das Ganze dargzſtellt ſev ;
die Vernunfthandlung fann alſo durch keine Nes
benabſicht beſchrånkt ſeyn, ſondern ſie mus
immer das Augemeine, das Ganze beabſichtigen .
Die Form der Vernunfthandlung iſt objektive
Wahrheit. Das Ganze kann ich nur durch
allgemeine , intereifeloſe Liebe beabſichtigen ;
dieſe iſt alſo der göttliche Funke, der geoffen.
barte Gott im Menſchen, der wahre Beweg.
grund, das Weſen der Vernunfthandlung , liegt
aber im nothwendigen Kampfé mit dem Prins
zip des ſubjektiven Lebens , dem Triebe , der
ſich zur Eigenliebe bildet.
Dieſen Kampf in den Sieg der Vernunft zu
verwandeln , iſt der Zweck der Erſcheinung des
Gottmenſchen , der uns nicht allein beſtimmt ſagte,
ſondern auch, worauf es hier vorzüglich ankommt,
durch ſein großes Beiſpiel zeigte, daß man nur
durch Glauben und Vertrauen auf Gott die Els
genliebe beſiegen , und allgemeine Menſchenliebe
realiſiren könne.

1
216

9 ) So wie nur Ein Gott , ſo iſt nur Eine


Religion , und die chriſtliche iſt die zweite Perios
de der natürlichen . So wie nur Eine Vernunfts
handlung, ſo iſt nur Eine Moral, und die chriſts
liche iſt die zweite Periode der natürlichen , die
uns nur die Form kennen lehrt. Und da die
Freiheit Offenbaruna
· wahre der Grund Deder Moral, und zugleid, die

Religion und Moral die Eine Heiligung des


Menſchen und der Natur.
10 ) Die weſentliche Natur des menſchlichen
Geiftes iſt alſo allgemeine objektive Wahrs
beit, und ſeine Beſtimmung allgemeine obs
jeftive Liebe , durch die er ſich als menſchi
gewordenen Gott beweiſet , und den Endzwed
der Natur realiſiret.

;, Ihr, die ihr nach Weisheit ftrebet, entfernt euch keinen


Augenblick von der himmlirdi en Bernunft ,
die das Weren unſerer Seele ausmacht ; ſie iſt an
ihr reibſt rein, und erleuchtet ; und damit ſie dies
bleibe, müßt ihr in utem das f d von ihr entiers
nen. Das iſt genüg. Verſd ,windet das nicht aus
dem Grunde cures Herzens , ro ſprießet der Stols.
empor ( Perläugnung des Endzweds ) , die Wurzel,
ätier Lafter . "
udr aftea VIII, 206.

1
คน
อง
1

ไr

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