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Die Religion der Vernunft

aus den Quellen des Judentums

von

H erm ann C ohen

‫״‬Heil euch, Israel, ‫־‬wer reinigt euch


und vor wem reinigt ihr selbst euch:
es ist euer Vater im Himmel.“
(R. Akiba in Joma 85 b.)

Le i pzi g 1919
G u s ta v F o ck G. m. b. H.
Inhaltsübersicht

Einleitung. Seite
Erläuterung des Titels und Disposition der A u fg a b e ................. 1
A. Die Vernunft ................................................................................................. 5
B. Die R e l i g i o n ......................................................................... 18
C. DieQuellen des J u d e n tu m s........................................... 27

Kapitel I
Die Einzigkeit G o ttes.........................................................
Kapitel II
Der Bilderdienst........................................................................................ 58
Kapitel 111
Die S c h ö p f u n g ..................................................................................... 68
Kapitel IV
Die Offenbarung.......................................................................... 82

Kapitel V
Die Schöpfung des Menschen inder V e r n u n f t ..................................99
Kapitel VI
Die Attribute der H a n d lu n g .................................................................109
Kapitel VH
Der heilige G eist.................................................................
Kapitel VIII
Die Entdeckung des Menschenals des M itmenschen........................131
Kapitel IX
Das Problem der religiösen L i e b e ....................................................168
Kapitel X
Das Individuum als I c h ..........................................................................193
VI

Kapitel XI
Die Versöhnung . . . . . . . . . . . , . . . . . 209
Kapitel XII
Der V ersöhnungstag ....................................................................................... 254
Kapitel XIII
Die Idee des Messias und die M e n sch h e it...................................... 278
Kapitel XIV
Die messianischen Stellen bei denPropheten .................................... 317
Kapitel XV
Unsterblichkeit und Auferstehung ................ 348

Kapitel XVI
Das Gesetz ............................................................................................... 398
Kapitel XVII
Das G e b e t ............................................................................................... 438
Kapitel XVIII
Die T u gen den.................................. 472
Kapitel XIX
Die G e r e c h tig k e it.................................. 506
Kapitel XX
Die Tapferkeit........................................................................................... 514
Kapitel XXI
Die Treue .................................. 520
Kapitel XXII.
Der F r ie d e ........................................................................................... 526

A nm erkungen..................... 545

Namen- und Sach register.......................... 553


Einleitung,

Erläuterung des Titels und Disposition der Aufgabe.


1. Was eine Wissenschaft bedeute und welchen Inhalt sie‫־‬habe‫י‬
das kann nur die Entfaltung dieses Inhaltes dartun. Woher die
Wissenschaft ihren Stoff bezieht, das bleibt ziemlich belanglos für
den sachlichen Wert dieses Inhalts. Es ist scheinbar ein fremder
Gesichtspunkt, wenn die Philosophie fragt, welche Quellen der Baum
im Bewußtsein habe: die Geometrie entfaltet ihren Lehrinhalt un-
abhängig von dieser Frage, geschweige von ihrer Lösung.
Anders steht es mit der Eeligion. Es gibt nur eine Mathematik,
aber es gibt viele Eeligionen. Wenigstens scheint es so. Es geht
mit der Eeligion, wie mit allen Einrichtungen und Geistesrichtungen
der menschlichen Kultur, von denen allen nur die Wissenschaften
auszunehmen sind. Es gibt viele Sitten, viele Beeilte, viele Staaten,
und es entsteht demzufolge die Frage, ob allen diesen vielen Kultur-
erscheinungen etwas gemeinsam sei, das trotz ihrer Verschiedenheiten
einen einheitlichen Begriff von ihnen allen erkennbar macht.
Während daher bei den Wissenschaften nur die Psychologie mit
der Frage auftreten kann: aus welchen Quellen des Bewußtseins der
Inhalt der Wissenschaft ableitbar werde, tritt der Eeligion, wie den
verwandten Kulturbegriffen, die G esch ich te mit der Frage entgegen:
welche Entwicklung im Laufe der Zeiten und in der Mannigfaltigkeit
der Völker wie viele andere Gruppen der Kultur, so insbesondere
auch die Eeligion genommen habe. Es entsteht ein geistiges Ver-
langen und alsbald auch ein wissenschaftliches Bestreben, von allen
Kulturerscheinungen ihre geschichtliche Entwicklung zu verfolgen.
Und das Problem der Geschichte stellt sich geradezu dem Problem
des sachlichen Inhalts entgegen. Man bestreitet, daß man wissen
könne, was Religion sei, wenn man diesen sachlichen Inhalt nicht
ans seiner geschichtlichen Entwicklung enthüllt habe. Aber welches
ist denn dieser Inhalt? So fragt man nicht, denn man geht von der
Voraussetzung aus, daß erst die geschichtliche Entwicklung ihn zur
Entdeckung bringe. Was ist denn aber das Element, das sich ent-
wickeln soll? So fragt man wiederum nicht. Dieses Element wird
als allgemein bekannt angenommen, während es vielmehr das eigent-
liehe Problem bildet.
2. Diese Unklarheiten hängen an dem Begriffe der E n tw ick lu n g ,
wie er zum Unterschiede von der Embiyologie, in den Geistes-
Wissenschaften gehandhabt wird. Anstatt, wie in der Anatomie, von
dem deskriptiv gewonnenen Begriffe des Organismus auszugehen, um
ihn in seiner Entwicklung zu rekonstruieren, glaubt man von der
vagen, gänzlich unbestimmten und ungenauen Vorstellung der Religion
ausgehen zu können, um nicht etwa nur diese Vorstellung in ihren
geschichtlichen Erscheinungsformen ‫־‬darzustellen, sondern um aus
diesen den Begriff der Religion bestimmbar zu machen. Das all-
gemeine Verfahren der Induktion kommt hier zur Anwendung und,
wie überall, wo es nicht nur eine Vorbereitung, sondern eine definitive
Lösung herbeizuführen vermeint, zu einem unzweifelhaften Scheitern.
Die mannigfaltigen Erscheinungsformen der angeblichen Religion
in ihrer bunten Widerspruchsfülle dürften eher die Möglichkeit eines
gemeinschaftlichen Begriffes der Religion aufheben, als daß sie der
Induktion die Aussicht auf ein Allgemeines, als das Endziel ihrer
Musterung, sicherstellten. Es gibt keinen Widerspruch gegen Ver-
stand und Vernunft, keinen Widerspruch gegen menschliche Sittlich-
keit im weitesten Umfang, der nicht zum Schwerpunkt einer an-
geblichen Religion würde. Daher werden auch die Vorurteile
begreiflich, welche der Religion nicht nur die Begrifflichkeit, sondern
auch den geistigen Wert überhaupt bestreiten: welche daher das
Problem der Religion aufheben und zunichtemachen. Die Religions-
geschichte hat auch gar kein Mittel, um die Rechtmäßigkeit der
Religion zu behaupten. Für sie gibt es nach ihrem methodischen
Begriffe gar kein anderes Recht, als welches in dem geschichtlichen
Faktum selbst sich vollzieht und besteht. Das Problem eines
Begriffs der Religion überantwortet sie nicht nur dem subjektiven
Glück einer mehr oder weniger erschöpfenden Zusammenfassung,
sondern auch ihrer ganzen methodischen Tendenz gemäß ob-
jektiv dem möglichen Ergebnis der Induktion in ihrer ganzen
3

Breite und Fülle, wie zugleich nach dem Maße ihrer Bestimmtheit
und Unzweideutigkeit. Der Begriff wird hier durchaus nur als das
Fazit der Entwicklung gedacht: während er vielmehr ihr Vorbild^
ihre Vorzeichnung sein müßte.
3. Der Titel, der diesem Buche übergeschrieben ist, enthält die
Vorschritt für das Buch.
Mehrere, offenbar grundlegende Begriffe sind in diesem Titel
des Buches vereinigt. Ist es aber auch eine Vereinigung, die jene
Begriffe eingehen? Sie schränken offenbar einander ein: führt die
Determination nun aber auch zu einer genauen Definition?
4. Die V ern u n ft soll offenbar die Religion unabhängig machen
von den Beschreibungen der Religionsgeschichte. Und wir scheuen
den Einwand nicht, daß ja überall in der Geschichte Vernunft walten
müsse. Indessen: nicht die Geschichte an sich bestimmt den Begriff
der Vernunft. Der Begriff der Vernunft soll erst den Begriff der
Religion erzeugen. Immer ist der Begriff das selbständige Problem,
das dem Problem der Entwicklung zur Voraussetzung dienen muß.
5. Ähnlich liegt die methodische Situation beim Begriffe des
Judentums. Der Widerstreit mit der Geschichte wird zwrar hier
gemäßigter. Denn die Frage nach dem Begriffe des Judentums
schwebt nicht gänzlich in der Luft, nicht ausschließlich in dem
Gegensatz von Induktion und Deduktion: das Judentum hat litera-
rische Quellen. Und wie sehr diese immerhin an sachlichem Wert
und an literarischer Deutlichkeit verschieden sein mögen, so hat
sich doch das geschichtliche Material in diesen Quellen verengt und
begrenzt, so daß die Induktion hier wenigstens nicht gänzlich aus-
sichtslos scheinen könnte. Indessen besteht auch hier unein-
geschränkt fort, was wir bereits als notwendige Voraussetzung aller
geistigen, daher auch aller literarischen Entwicklung erkannt haben.
Es kann nimmermehr gelingen,. aus den literarischen Quellen einen^
einheitlichen Begriff des Judentums zu entwickeln, wenn dieser nicht
selbst, nach der methodischen Analogie des Organismus, als der
ideale Vorwurf vorweggenommen wird.
Hier lichtet sich nun aber auch die Schwierigkeit, welche noch
für das Recht der Induktion bestehen bleibt. Denn hier besteht das
Material nicht in einer schier unendlichen, auch etwa noch nicht ab-
geschlossenen Materialfülle, sondern ein bestimmtes und ein engeres
Stoffgebiet liegt hier als Qaellenmaterial vor. Und dieses Material
hat seine Geschichte. Es klärt sich daher der Zweifel auf, als ob
1* ’
4

die Geschichte an sich im Widerspruch stände zu dem sachlichen


Werte des Begriffs. Dieser Einwand ist ein Mißverständnis. Wie
alles Geistige, so fordert auch der Begriff die Geschichte zu seiner
eigenen Entfaltung. Die Geschichte an sich entscheidet nur nichts
über das Wesen und die Eigenart des Begriffs, die vielleicht von
dem bisherigen Laufe der Geschichte noch nicht erbracht und voll-
führt ist.
Wenn wir dagegen den Begriff der Religion zu den literarischen
Quellen in Beziehung setzen, wenn wir so den Begriff des Judentums
zu den literarischen Quellen in Verhältnis setzen, so wird damit
zugleich die Geschichte, die literarische Geschichte als der Faktor
anerkannt, vermöge dessen das Faktum sich vollzieht. Aber freilich
hat der Faktor doch immer nicht den Wert des Kriteriums, das einzig
und allein der Begriff, als Problem und Methode, als Aufgabe und
Voraussetzung enthält.
6. Wenn man die Unklarheit begriffen hat, die in dem Gedanken
der Entwicklung nach der herrschenden Auffassung liegt, so wird
man doch immer noch von der Frage beirrt: wie kann denn nun
aber der Idealbegriff der fraglichen Sache voraus- und vorweg-
genommen werden? Das kann man beim Organismus verstehen: wie
aber bei einem geistigen Organismus, sofern man überhaupt diesen
Begriff annehmen darf? Wie kann man von dem angeblich fertigeny
geschlossenen Begriffe der Religion oder dem des Judentums aus-
gehen, und von dieser Voraussetzung aus die literarischen Quellen•
als prüfbares Material denken? Ist das nicht vielmehr ein schlecht-
hin unlösbarer Widerspruch, daß man von der Voraussetzung eines
Idealbegriffs ausgehen müsse, um eine richtige Induktion überhaupt
beginnen, um eine methodische Benutzung, Befragung, geschweige
Beherrschung der Quellenmaterials anstellen und durchführen zu
können?
Diese Frage ist die Grundfrage aller E rk en n tn is, sie bildet das;
eigentliche Zauberwort, mit dem alle Dunkelheiten, alle Schwierig-
■‫ ׳‬keiten, alle innersten Tiefen der Erkenntnislehre gelichtet werden.
Sofern die Religion, sofern das Judentum das Problem eines Begriffs
darbietet, und sofern dieses Problem des Begriffs gelöst werden,
:; muß, wenn die literarischen Quellen nicht immer nur ein Buch mit
sieben Siegeln bedeuten sollen, so muß die Erschließung und die
Darstellung dieser Begriffe, der Religion und des Judentums, aus
dem Verständnis des Begriffs, selbst gewonnen werden. Die Feuer-
anbeter, nicht nur die Sonnenanbeter, haben vielleicht dieselbe
Eine Religion mit den Propheten, mit dem Judentum. Aber wenn
ich schon für den Begriff der Religion auf die literarischen Quellen
«der Propheten hingewiesen bin, so bleiben diese doch stamm und
blind, wenn ich nicht, freilich von ihnen belehrt, aber nicht schlecht-
hin durch ihre Autorität geleitet, mit einem Begriffe vielmehr an sie
herangetreten bin, den ich der Belehrung durch sie selbst erst zu
Grunde gelegt habe.
Eine andere Quelle also gibt es noch außer der literarischen,
die mir erst die Leitung gibt für die Benutzung der literarischen
Quellen. Welche ist diese andere Quelle?

A. Die Vernunft.
1. Man kann hier nicht sagen, daß das B ew ußtsein als diese
andere Quelle gedacht und gesucht werde. Denn das Bewußtsein
ist eigentlich nur ein anderer Ausdruck für die Geschichte. Wie
alle Kultur von der Geschichte aufgerollt wird, ebenso auch vom
Bewußtsein. Das Bewußtsein vollzieht nur die engere Geschichte
des Menschen. Wenn es daher nicht als die andere Quelle gedacht
werden kann, welche neben der Geschichte und über die Geschichte
hinaus das Recht und den Wert der Religion verbürgt, so kann
diese andere Quelle nur durch das Wort ausgedrückt sein, welches
in dem Titel unseres Buches die Vernunft bildet. Der B e g riff der
R eligion soll durch die R elig io n der V ern u n ft zur E n tdeckung
g e b rac h t w erden. Und die■ Quellen des Judentums sollen als das
Material aufgezeigt und nachgewiesen werden, in dessen geschichtlicher
Selbsterzeugung die problematische. Vernunft, die problematische
Religion der Vernunft sich erzeugen und bewahrheiten soll. So wird
die Geschichte selbst zwar hinwiederum zum literarischen Prüfstein
für das Schaffen der Vernunft, aber nicht das Leben und instink-
tive Hervorbringen ist es, welches das Recht der Vernunft, welches
die Eigenart der Vernunft zu bezeugen vermöchte, sondern sie selbst
ist das Problem, welches für jeden Begriff besteht, für jede Er-
kenntnis eines Begriffs, welches also auch für den Begriff der
Religion und für den Begriff des Judentums vorausgesetzt und zu
Grunde gelegt werden muß.
Wir führen daher das Problem der Religion in die allgemeine
Philosophie ein, indem wir es zu dem Problem der Vernunft in
diese notwendige Beziehung setzen.
2. Alle Bedenken, die sieh hiergegen erheben könnten, müssen
‫> ־‬vorerst zurücktreten. Es darf kein Anstoß an der Vernunft, als der
Quelle der Religion, genommen werden. Es darf nicht gefragt
Werden, ob sie die einzige sei, oder ob noch eine andere Quelle ihr
zur Seite gestellt, oder ihr übergeordnet werden müsse. Alle diese
‫ ־‬Fragen dürfen uns nicht beirren: sie würden uns nur von dem
, ?/methodischen Wege ablenken, an dessen Schwelle wir soeben
getreten waren. Die Vernunft ist die Quelle der Begriffe. Und der
Begriff muß die Quelle sein; er darf niemals als Mündung gedacht
werden für die induktiven Zuflüsse, die sich in ihm zusammenfänden.
Die Vernunft ist der Felsen, aus dem der Begriff entspringt und
aus dem er erst entsprungen sein muß für die methodische Einsicht,
wenn der Lauf übersichtlich werden soll, den er im Stromgebiet der
Geschichte nimmt. Diesen Begriff der Vernunft gilt es jetzt erst
genau zu bestimmen, wenn anders von einem Begriffe der Religion,
von einem Begriffe des Judentums ausgegangen werden muß, um
die literarischen Quellen benutzbar werden zu lassen.
Ein gerader Weg führt uns von dem geschichtlichen Begriffe
des Judentums zur P h ilo so p h ie der R eligion.
Die Philosophie ist die Wissenschaft der Vernunft. Und wenn
anders der Begriff das eminente Zeugnis aller Wissenschaft ist, sa
hat alle Wissenschaft und alle Erkenntnis, wie im Begriffe ihren
Gesamtinhalt, so in der Vernunft ihre gemeinschaftliche Quelle. Die
Vernunft ist das Organ der Begriffe.
Was von aller Wissenschaft gilt, gilt nicht minder auch von
der Religion. Sofern auch sie in Begriffen besteht und auf Begriffen
beruht, kann ihre letzte Quelle auch nur die Vernunft sein. Und
dieser ihr Zusammenhang mit der Vernunft bestimmt und bedingt
ihren Zusammenhang mit der Philosophie, als der allgemeinen
Vernunft der menschlichen Erkenntnis.
Machen wir uns zunächst negativ klar, welche Ansprüche durch
diesen Rückgang auf die Vernunft ferngehalten werden.
n 3. Den unmittelbaren Gegensatz der Vernunft bildet die Sinn-
/ lic h k e it, die in den Grundzügen dem Menschen mit dem Tiere ge-
I meinsam ist. Wenn die Quelle der Religion die Vernunft ist, so wird
| zunächst der I n s tin k t abgewiesen, der eine Intelligenz bedeutet, die
‫ ן‬Tier und Menschen gemeinsam ist. Die Religion aber dürfte ein
7

/ UhterseBMaüngsmferkmäl d&s Mensehön vom Tiere sein. Daher ist


alles, #äs lediglich Naturtrieb ist, nicht als Urkraft der Religion an•
zuerkennen. Und die Abweisung des Naturtriebes schließt ebenso den
tierischen I n te lle k t, Wie den tierischen A ffekt, aus. Der Instinkt ver-
k einigt beide animalischen Gruhdkräfte. Die Religion wird Weder durch
* den primitiven Instinkt hervorgetrieben, der das Dunkel,'die unfreie
Schranke geradezu begehrt und bei ihr verweilt und verharrt, noch
durch den triebhaften Impuls, eine Urgewalt zu fordern und anzu-
setzen, um ebensowohl gegen diese anzukämpfen, als vor ihr sich
niederzuwerfen und wenigstens zeitweise sich gegen sie wehrlos zu
/ machen; die Religion hat mit solchen Antrieben des Instinktes nichts
j gemein: ihr Ursprung ist die Vernunft.
4. Mit dem Instinkte werden aber auch alle die anderen Zug-
kräfte der Sinnlichkeit abgewiesen. Alles, was mit L u st und U n lu s t
zusammenhängt, kann nicht als positiver Beweggrund der Religion
gültig sein. Lust und Unlust sind die Blutzeugen des animalen
Lebens; auf ihren Spuren entsteht nicht die Vernunft. Lust und
Unlust aber beherrschen freilich von ihren Lebensgründen aus den
gesamten Organismus. Daher müssen alle die Schlupfwinkel auf-
gespürt werden, in denen die Lebenskräfte von Lust und Unlust in
das Wirken und Schaffen der Vernunft sich einschleichen, um es zu
entstellen und zweideutig zu machen in seinen Ursprüngen. Die
Religion der Vernunft erhebt Einspruch gegen alle vermeintliche
Selbstheit, gegen alle angeblichen Grundkräfte des Ich, welche in
Lust und Unlust wurzeln. Alle animale Selbstsucht und Selbst-
liebe, aller E udäm onism us, der nur in der Lust das Kriterium der
Rechtmäßigkeit anerkennt, aller Materialismus, der nur im Soll uml
Haben, im Geben und Vergelten das Wesen des Menschenlebens an-
erkennt, wird durch die Vernunft beseitigt. • Der subjektive Halt
des Materialismus ist im Lustprinzip gelegen. Was der Weltnatur
gegenüber die Materie bedeutet, das bedeutet für die Menschen-
natur die Lust. Sie ist das Bewußtsein der anifhalisehen Sinn-
lichkeit.
5. Mit der Sinnlichkeit wird aber auch die g e s c h ic h tlic h e
N a tü rlic h k e it abgewiesen, sofern auch sie bei aller ihrer Faktizi-
tat doch eigentlich nur Zufälligkeit ist. Erst die Vernunft erhebt die
geschichtliche Wirklichkeit zur Notwendigkeit, deren Sinn die Auf-
hebung der Zufälligkeit ist. Es widerspricht der Vernunft, daß die
Religion nur ein Zufallsgebiet der P h a n ta sie wäre, oder von deren
8

Verbindung mit den Triebkräften des Affektes. Es widerspricht aber


auch der Vernunft, daß die Religion nur ein Zufallsgebiet wäre,
das aus den Zusammenhängen und Gegenwirkungen der sozialen
K rä fte und ihrer Erscheinungsformen hervorgegangen wäre. Auch
dieser Ursprung gibt der Religion keinen eigentümlichen Sinn, der
sie von den Sekreten animaler Funktionen unterschiede. Die Religion
der Vernunft widerspricht dem Gedanken, daß sie eine Erfindung
gewisser Stände wäre, seien diese nun die Priester, oder die Gewalt-
herrscher und bevorrechteten Stände. Die Religion der Vernunft ist
kein Priesterbetrug und kein Pflaster, das die Mächtigen für die
Schwachen erfunden hätten. Sie ist ebensowenig ein Ersatz und
eine Abzahlung an die Schwächen und Unzulänglichkeiten des
menschlichen Verstandes, noch eine Vorkehr gegen die Empörung
derjenigen, deren allgemein menschliche Kapazität durch die sozialen
Fesseln gehemmt und eingeschränkt wird. Sie ist insbesondere auch
nicht etwa ein Ersatz für den Mangel, der von Naturwegen für
die Menge der Menschen bestände, daß sie nicht gleichen Anteil
haben an Wissenschaft und Philosophie. Und es steht auch nicht
etwa so, daß, wer Wissenschaft und Philosophie hat, dadurch und
darin auch Religion besäße: vielmehr hat auch die Religion ihren
Anteil an der Vernunft, und dies bedeutet: die Vernunft erschöpft
sich nicht in Wissenschaft und Philosophie.
6. Die R elig io n der V ern u n ft m acht die R eligion zu
ein er allg em e in en F u n k tio n des m en sch lich en B ew ußtseins,
des Bewußtseins, als eines menschlichen. Das allgemein menschliche
Bewußtsein entfaltet sich in der Mannigfaltigkeit, welche die Völker in
ihrem Bewußtsein darstellen; aber in dem Bewußtsein keines Volkes
erschöpft sich die Religion der Vernunft. Alles Menschliche, wie es
in allen Völkern sich erzeugt, leistet seinen Beitrag, wie überhaupt
zur Vernunft, so auch zur Religion der Vernunft. Dies ist der
gesunde Kern in dem Gedanken der R e lig io n sg esch ich te. Alle
Völker, und zwar auch in den primitivsten Zuständen der Kultur,
haben ihren Anteil an der Religion. Und es hat nicht nur für die
allgemeine Menschenliebe, sondern auch für die allgemeine Menschen-
kenntnis ein nicht nur berechtigtes, sondern ein förderliches und
notwendiges Interesse, allen Wendungen und Wandlungen nachzu-
spüren, in denen der Geist der Religion aufkeimt und aufwächst.
Dennoch aber bleibt das Wahrzeichen der Vernunft das methodische
Kriterium.
Denn insofern Vernunft der Anfang alles ‫׳‬menschlichen Bewußt-
seins ist, haben freilich alle Völker auch an der ,♦Religion der Ver-
nunft ihren Anteil. Insofern aber ein U n tersch ie d gemacht werden
muß zwischen B ew uß tsein und V ern u n ft, insofern Vernunft nicht
schlechthin den Menschengeist bedeutet, sondern die spezifische Ge-
staltung desselben in W issen sch aft und P h ilo so p h ie , so tritt die
Religion der Vernunft nur für diejenige Eigenart ein, welche in dem
allgemeinen Geiste der Völker, wie in Wissenschaft und Philosophie,
so auch in der Religion sich zu verwirklichen vermochte. An dieser
Eigenart aber erst bezeugt sich die Vernunft in ihrer allgemein mensch-
liehen Kraft. Die Religion der Vernunft kann nicht die Religion
eines einzelnen Volkes, noch die Ausgeburt eines einzelnen Zeitalters
sein; die Vernunft fordert ihre Einheitlichkeit bei allen denjenigen
Menschen und allen Völkern, die der Wissenschaft und der Philo-
Sophie mächtig geworden sind. Diese Einheitlichkeit gibt der
Religion das Urgepräge der allgemeinen Menschlichkeit, allerdings
nur, aber in dieser Einschränkung unbedingt, soweit ihre Mensch-
lichkeit die Prägnanz der wissenschaftlichen Kultur erlangt hat.
7. Dieser Allgemeinheit, welche zur Grundbedingung sonach für
die Religion der Vernunft wird, scheint es nun aber zu widersprechen,
daß wir aus den Quellen des Judentums sie herleiten wollen: als
ob nur in diesen literarischen Quellen die Religion der Vernunft
entspränge, und als ob weder vorher noch nachher ein Zufluß zu
diesen Quellen für die Religion der Vernunft anzunehmen wäre.
Stände es so, so würde das Kriterium der Allgemeinheit zum mindesten
gefährdet. Und es würde auch das Kriterium der Vernunft seine
Prägnanz verlieren, und die Wirklichkeit, in der es sich darstellt,
verfiele dem Scheine der Zufälligkeit. Was der geschichtlichen
Wirklichkeit ihren einzelnen Erscheinungsformen gegenüber Not-
wendigkeit verleiht, das ist ja gerade die Allgemeinheit, die sich trotz
allen sozialen Hemmnissen und trotz allen Unzulänglichkeiten in
der Geschichte der Völker dennoch hindurchzuringen vermöge, und
die in diesem Ringern und sich an das Licht des Tages Bringen
einen Fortschritt und insbesondere eine Kontinuität vollziehe, in
welcher der Sinn der Geschichte sich begründet, in welcher die
Geschichte zur Geschichte der Vernunft wird.
Es wäre daher ein unverbesserlicher Fehler in unserer Dispo-
sition, wenn wir die Religion der Vernunft auf die jüdische Religion
auf Grund ihrer literarischen Quellen einschränken und abschließen
wnrfl&n. Diese Beschränkung #äre £iri unäuflösbarer Wiäßrsprnch
gegen den Wegweiser der Vernunft. Ändert aber steht £ä, ftehn
im Judentum der Begrifi der Q u elle'fü r die Religion dei* Vernunft
einen besonderen Sinn und eine eigentümliche Methodik enthielte.
Steht es so, so bildet die Quelle ja nicht eine Absperrung gegen
andere religiöse Denkmäler, sondern sie #ird zu einer U rq u e lle für
andere Quellen, die ihrerseits immerhin auch für die Religion der
Vernunft als Quellen in ungeschwächter Anerkennung bestehen
bleiben. Von einer Abschließung auf das jüdische Volk und seine‫׳‬
religiösen Hervorbringungen wäre dann umsoweniger zu fürchten, als
vielmehr die jüdischen Quellen in frischer und lebendiger Frucht-
barkeit bleiben für alle anderen Quellen, die aus ihnen hervor-
gesprudelt sind. Nur soweit die Urquelle, als solche, einen un-
verkennbaren geistigen und seelischen Vorsprung hat, muß diese
Vormacht der Vernunft in der Ursprünglichkeit der Quellen des
Judentums unbestreitbar bleiben.
8. Die Allgemeinheit der Vernunft für das menschliche Kultur-
bewußtsein hat noch eine andere Einschließung zur Folge, welche
der Religionsgeschichte einen tieferen Schwerpunkt geben würde*
wenn sie dort beachtet wurde. Man pflegt aber lieber bei den
Wilden Amerikas den Spuren der Religion nachzugehen als bei
Platon und Aeschylos und Pindar. Die Zusammenhänge der Religion
mit der Philosophie werden durch die Losung der Vernunft zur
Aufgabe gesetzt. Und die Religion der Vernunft vollzieht ihre größten
Triumphe, sie erleidet aber auch ihre schwersten Konflikte durch
diese schier unauflösliche Verwachsenheit mit den Problemen der
Philosophie in ihren eigensten intimsten Motiven. Schon dieser
Zusammenhang mit der Philosophie, den die Vernunft zum Aufgebot
macht, enthebt uns des Zweifels über den Sinn unseres Appells an
die Quellen des Judentums. Zwar hat das Judentum keinen Anteil
an der Philosophie — aber erhebt sich nicht hier derselbe Wider-
spruch, den wir in dem Fehlen der Religion bei anderen Völkern
außer jdem jüdischen erkannten? Könnte aber die Philosophie die
Allgemeinheit der Kulturvernunft bedeuten, wenn die Religionsquellen
des Judentums schlechterdings gar keinen Anteil an ihr hätten?
Das Rätsel löst sich auch hier durch die Unterscheidung der U r-
s p rü n g lic h k e it von der abgeleiteten Wirklichkeit. Und zu der Ur-
sprungliehkeit kommt noch unverkennbarer hier das Merkmal einer
methodischen E ig e n a rt hinzu, welche diese von allen Unbestimmt-
11

heifen, die mit der Gfädsteigerung behaftet sind, sachlich unter‫״‬


scheidet. Die Griechen haben der Philosophie feine Eigenart ver‫״‬
liehen, die sie von aller noch so tiefsinnigen Spekulation anderer
Völker ähnlich unterscheidet, wie sie auch den Wissenschaften, dia
sie von den Völkern des Orients entlehnt haben, erst die methodische
Eigenart der Wissenschaft aufgeprägt haben. Ihre Philosophie hat
ihre Wissenschaft hervorgebracht, und man darf in gewissem Sinne
auch sagen: ihre Wissenschaft hat ihre Philosophie hervorgebracht.
Diese Wissenschaft und insbesondere diese Philosophie ist das
Gemeingut der Kulturvölker geworden. Auch die Juden haben zwar
ihrer Wissenschaft widerstanden, ihrer Philosophie hingegen konnten
sie keinen Widerstand leisten. Sie schufen ja die Religion der
Vernunft, und wie sehr immer der Anteil der Religion an ihr auch
positiv das Wesen der Vernunft miterzeugt, so fordert diese Homo‫״‬
geneität, wenngleich nicht den Anschluß an die Wissenschaft, so
doch unabweisbar den an die Philosophie.‫׳‬- Es darf nicht verschleiert
werden, daß der Begriff der Philosophie verändert und entstellt
wird, wenn sie nicht als wissenschaftliche Philosophie gepflegt wird.
Aber der allgemeine Charakter der Vernunft verbindet dennoch, auch
beim Ausschluß der Wissenschaft, die Religion mit der Philosophie..
Für die Quellen des Judentums werden daher auch die philo‫״‬
sophischen Urmotive zu untersuchen sein, in denen und kraft deren
sich die Religion der Vernunft durchsetzt. Und wir werden darauf
zu achten haben, daß nicht etwa erst in der späteren Geschichte des
Judentums, als die griechische Einwirkung bereits tatsächlich wurde,,
diese Urkraft der Vernunft sich zu regen beginnt, sondern daß in
den Urgedanken schön solche Zusammenhänge mit der philosophi‫״‬
sehen Vernunft auftauchen, deren Spuren daher als älteste Denk•
mäler sich bezeugen dürften, und die keineswegs nach einer ge‫״‬
schiehtlichen Schablone als spätere Einschiebungen verdächtigt werden
müssen. Die Religion der Vernunft wahrt den Quellen des Juden-
tums ihren ursprünglichen, natürlichen, menschlichen Zusammenhang
mit der philosophischen Spekulation, die ebenso wenig griechische
Nachahmung daher sein kann, als sie griechische Entlehnung ist. Das
Philosophische in den biblischen Quellen muß ebenso Eigenart haben,
wie solche überhaupt dem Anteil der Religion an der Vernunft zukommt.
9. Der Zusammenhang, der sonach zwischen Religion und Philo‫״‬
sophie kraft der Vernunft besteht, gibt der Vernunft auch für die
Religion eine wichtige positive Bedeutung. Die Vernunft steht nicht
nur, im Gegensatz, zu aller Sinnlichkeit des Geistes und des Gemütes;
sie bedeutet positiv die G e se tz lic h k e it, den Urgrund der Gesetzlich-
keit. Und der Gesetzlichkeit ihres Ursprungs, wie ihrer Entwicklung,
darf sicherlich j u ® Wenn es daher
zunächst scheinen könnte, daß durch die Vernunft der Bezirk der
.Religion auf das menschliche Bewußtsein, auf: den menschlichen
Geist eingeschränkt würde, so stört uns zwar dieser Einwand schon
deshalb nicht, weil dadurch keine andere geistige Instanz von der Ver-
nun ft ausgeschlossen wird, und weil keine andere ün Gegensatz stehen
kann zur Vernunft. Aber solchem Einwande gegenüber haben wir
nun auch positiv zu bedenken, wie das Moment der Gesetzlichkeit
ihn von vornherein entkräftet.
Die V ern u n ft is t das O rgan der Gesetze. Die Religion der
Vernunft tritt demgemäß unter das Licht der Gesetzlichkeit. Alle
Zufälligkeit, alle Willkür, alle Illusionen, die mit der bloßen Tat-
sächlichkeit einer geschichtlichen Erscheinung verknüpft sind, werden
vor diesem Lichte als Schatten zerstreut. Die Ursprünglichkeit die
wir bisher nur als eine geschichtliche geltend machten, erscheint-
nunmehr über die Grenzen aller Geschichte hinaus begründet; die
Gesetzlichkeit wird zum Grunde der Ursprünglichkeit. Und es kann
keinen festeren, keinen tieferen Grund geben, als welchen die Gesetz-
lichkeit bildet. Auch die Ursprünglichkeit hat nicht die Gewähr
einer letzten Lösung, die allein in der Gesetzlichkeit gelegen ist.
Wenn es noch eine Unklarheit zurücklassen konnte, daß wir die
Religion dem Problemgebiete der Vernunft angliederten, so klärt sich
diese jetzt auf: wo Gesetzlichkeit waltet, da ist das Gebiet der
Vernunft gesichert. Die Ein wände, die von der Unterscheidung der
menschlichen Vernunft von einer anderen herrühren, lassen wir vor-
erst noch unerwogen. Die Gesetzlichkeit hat ein solches Gewicht,
daß gegen sie jeder Einwand zurücktritt. Denn was könnte eine
andere Vernunft an Sicherung und Gewißheit mehr bieten als die
Gesetzlichkeit? Wenn anders daher die Vernunft der menschlichen
Erkenntnis Gesetzlichkeit bietet, so dämmert schon von hier aus die
Erklärung dafür auf, daß eine Verbindung angestrebt und ein-
gegangen werden kann zwischen der menschlichen Vernunft und einer
anderen Art von Vernunft: die Gesetzlichkeit bildet das Band
zwischen beiden Arten. Und wir werden demgemäß bei der anderen
Art zu prüfen haben, wie sich in ihr die Vernunft als Urgrund der
Gesetzlichkeit bewährt. ‫^;י‬
1:3

B. Die Religion.
1. Haben wir bisher von der Bedeutung der Vernunft, die sich
in der Philosophie vollzieht, eine vorläufige Kenntnis genommen, so
müssen wir jetzt eine solche auch von der Religion zu gewinnen
suchen. Es genügt nicht zu wissen, daß sie den Begriff voraussetzt,
der sich, nicht sowohl in der Religionsgeschichte als genauer in den
Quellen des Judentums zur Erzeugung bringe: es muß nun auch eine
Überlegung eingreifen, die vom Inhalte dieses Begriffs der Religion
eine vorläufige Kenntnis anstrebt. Dieser Inhalt erstreckt seine Be-
deutung auch auf den Umfang des Begriffs. Wir würden außerstande
sein die Quellen zu befragen, wenn wir nicht zunächst den Umfang
dieses Begriffs der Religion zur Bestimmung gebracht hätten. Der
Umfang fallt hier nicht in das Gebiet der Induktion hinein, sondern
er gehört durchaus der Grundlegung an, welche für alle Induktion
die Voraussetzung bildet. Der Umfang erst gibt die Weisung auf
den Inhalt.
Da die Religion als die Religion der Vernunft definiert ist, so ist
für ihren Umfang, wie für ihren Inhalt, der M ensch gesetzt. Ob
sie vom Menschen ausgeht, das bildet zunächt keine Frage, da viel-
mehr der Ausgang in der Gesetzlichkeit festgenommen wird. Aber
daß sie sich auf den Meusehen erstreckt, und daß alle Fragen des
Menschen daher zu Fragen der Religion werden, das ist durch die
Verbindung zwischen Religion und Vernunft festgestellt. Und der
Zusammenhang zwischen Religion und Philosophie kann nicht mehr
fraglich erscheinen, wenn anders durch die Vernunft die Religion
ihren Anteil an der Erkenntnis des Menschen hat. Es kann nur
noch die Frage entstehen, welchen Inhalt vom Begriffe des Menschen
der Anteil der Religion an dieser Erkenntnis vom Menschen aus-
bilden mag.
Es könnte scheinen, als ob alle Beiträge schon erschöpft wären
welche die wissenschaftliche Erkenntnis vom Menschen zusammen-
fassen. Wenn wir von der leiblichen Seite des Organismus füglich ab-
sehen, wenn wir sogar auch von dem weit verzweigten und tief ver-
wurzelten Gebiete der geschichtlichen Anthropologie absehen, so tritt uns,
als Glied im System der Philosophie, die E th ik mit dem Anspruch ent-
gegen, daß sie alle Angelegenheiten des Menschen verwalte, und daß sie
demzufolge jeder anderen Erkenntnisweise und also auch der Religion,
sofern sie eine solche zu sein beansprucht, einen gleichartigen Anteil
H

an der Erkenntnis des Menschen verwehren muß. Dieser Einspruch


aber beraubt die Religion nicht nur der Möglichkeit ihres Inhalts,
sondern er entzieht ihr auch die Gerechtsame der Vernunft, sofern
wir diese als den eigentlichen Rechtstitel des Menschen erkannt haben.
Als Lehre vom Menschen, würde die Religion der Vernunft alsdann
auch keinen eigenen Inhalt anstreben können, dieweil sie gar keinen
eigenen Umfang annehmen kann, sondern sofern der Mensch diesen
ihren Umfang bestimmt, in das Gebiet der Ethik-hineinfällt.
2. Diese Konsequenz zieht eine fernere nach sich. Sie besteht
in einer Alternative, von der beide Glieder gleich verhängnisvoll zu
werden scheinen für das Problem der Religion der Vernunft.
Entweder nämlich stellt es sich heraus, daß die• Religion, als
Lehre vom Menschen, in die Ethik hineinfällt, so wird zwar ihr
Zusammenhang mit der Vernunft unzweifelhaft, aber ihre S elb st-
s tä n d ig k e it, als Religion der Vernunft, wird dadurch bedroht. Die
Ethik allein ist es, welche in ihrer Lehre vom Menschen den Anteil
der Vernunft verwaltet, den die Religion der Vernunft behauptet.
Dieser Anspruch aber erschiene demnach hinfällig, und würde nur
als ein Vorurteil begreiflich, das sich bei der Verkettung der
Probleme vom Menschen, insbesondere von denen der Mythologie,
durch die Geschichte hindurchzieht. Aber die Stimmen, die sich
immerfort gegen die Selbständigkeit der Religion erhoben haben,
kämen so zu ihrem Rechte, das Problem einer Religion der Vernunft
wäre hinfällig.
Oder aber es stellte sich wider alles Erwarten heraus, daß die
Ethik, als ein Glied der systematischen Philosophie, wie sie bisher
als ein solches zur Darstellung gekommen ist, nicht ausreichend im-
stände wäre, den ganzen Inhalt des Menschen zu beherrschen, und
daß die Religion eine Ergänzung, eine Ausfüllung dieser ethischen
Lücke ihrerseits zu leisten vermöchte. Dann aber enständen neue
wnd große Schwierigkeiten. Nicht darin beständen diese, daß die
Religion alsdann in das System der Philosophie einzutreten hätte —
die Bedenken dagegen hätten sogar historisch kein Schwergewicht
— aber der methodische Begriff der Ethik würde dadurch zwei-
deutig gemacht. Die Ethik will die Lehre vom Menschen geben:
sollte sie nur.einen Teil derselben anzustreben haben? Sollte sie
sich mit der Religion ihre Arbeit zu teilen haben? Ist es schon
durch den Anteil der Religion an der Vernunft außer Frage gestellt,
daß ihr Anteil methodisch gleichartig ist mit dem der Ethik? Und
15

wäre dies selbst außer Frage gestellt, weil zu positiver Lösung


gebracht, so bliebe doch immer ein schwerer Zweifel an der Methode
der Ethik haften: daß sie nur halbe Arbeit tun könne, daß sie
ihren Begriff des Menschen erst zur Erfüllung bringen müsse durch
denjenigen Begriff vom Menschen, den erst die Beligion zu enthüllen
vermag. Es entstände so die Gefahr eines methodischen Konflikts
innerhalb des Gebiets der Philosophie. Es kann keine zwei selbstän-
digen Methoden neben einander geben für das Problem des Menschen.
Und es darf nicht die methodische Möglichkeit zugestanden werden,
daß die Ethik ihre Selbständigkeit in der Erkenntnis des Menschen
mit einer anderen Erkenntnisweise teilen und gleichsetzen könnte.
Es entsteht von vornherein auch für die Religion selbst die
schwere Gefahr, daß sie als Religion der Vernunft sich einrichten
könnte, wenn sie der Ethik gegenüber schlechthin Selbständigkeit
der Erkenntnis behaupten dürfte und müßte. Alle Gefahren, welche
die Geschichte an der Religion sowohl mit der theoretischen, wie mit
der praktischen Kultur aufrollt, werden von diesem methodischen
Punkte aus verständlich. Es kann nicht zwei Arten der Vernunft
geben für die Lehre vom Menschen.
3. Lassen wir nun zunächst die Bedenken, welche die Methode
betreffen, auf sich beruhen, und halten wir uns vorerst an den
Inhalt,'den die Ethik vom Begriffe des Menschen zu geben hat, so
werden wir aufmerksam auf einen Mangel, ’der sich gerade aus der
tiefsten Tiefe des ethischen Menschenbegriffs ergibt.
Die Ethik kommt bei ihrem methodischen Gegensätze zu allem
Sinnlichen und allem Empirischen am Menschen zu der gewaltigen
Konsequenz, daß sie das Ich des Menschen der I n d iv id u a litä t über-
haupt zuvörderst entreißt, um diese ihm von einem höheren Gipfel-
punkte aus in nicht nur erhöhter, sondern auch geläuterter Form
wiederzugeben. D a s ic h des M enschen w ird in ih r zum Ich der
M e n sc h h e it.‫ י‬Und in der Menschheit erst vollzieht sich die wahre Ob-
tijekvierung, welche das menschliche Subjekt ethisch zu sichern vermag.
So lange der Mensch dieser Objektivierung seiner selbst nicht fähig
wird, so lange bleibt er in den Unbestimmtheiten des Empirischen
gefangen, und die R e in h e it kommt nicht zu stände, welche die
Ethik ihrer Grundmethode gemäß zu ihrer Aufgabe hat. Er ist
alsdann nur ein sinnliches, und als solches noch gar nicht ein ge-
schichtliches Individuum. Dieses wird er erst dadurch, daß die methodi-
sehen Mittel der Geschichte an seinem Begriffe zum Vollzug kommen.
‫נ‬6

Aber alle diese methodischen Mittel des geschichtlichen Menschen


haben, als ihren Zielbegriff, die Menschheit. Die Ethik kann
den Menschen schlechterdings nur als Menschheit erkennen und an-
erkennen. Auch als Individuum kann er nur der Träger der Mensch-
heit sein. Und als dieser Träger der Menschheit verliert er nicht
den Charakter des Individuums, wenn er sonach zum Symbol der
Menschheit wird. Die Menschheit erst verleiht ihm in diesem Symbol
die wahrhafte Individualität.
4. Die Menschheit bleibt jedoch nicht das einzige Symbol für die
Individualität des Menschen, die ihn seiner empirischen Zweideutigkeit
entreißt. Das Abstraktum der Menschheit realisiert sich in der
Geschichte am S taate. Der Staat ist das Übergangsglied vom indi-
viduellen Menschen zur Menschheit. Er scheint seinem Schwergewicht
nach dem empirischen Menschenbegriffe zuzufallen; denn der Nationa-
lität nach scheint der Mensch mit dem Staate verwachsen, und es
entsteht daher die Illusion einer Identität zwischen Staat und
Nationalität, zwischen Staat und Volk schlechthin auf Grund der
Abstammung. So sehr verengt sich hier der Staatsbegriff zu dem
Naturbegriffe des Mensche».
Andererseits aber wächst der Staat über seine Naturschranken
hinaus, und die hauptsächliche Funktion seines Organismus, welche
die R echts V erfassung bildet, weist ihn immer nachdrücklicher und
immer aussichtsvoller auf das Ziel hin, welches durch die Mensch-
heit ihn mit der Ethik verbindet. Denn trotz aller Souveränität, die
dein Staate zusteht, hält ihm dennoch das Völkerrecht vonalters-
her den S ta a te n b u n d vor Augen, und macht ihm denselben gleichsam
zu seinem Ideal; schreibt ihm die große Lehre vor: daß er seinen
Begriff nicht zu erfüllen vermöge, es sei denn, daß er seine Indi-
vidualität zu der des Staatenbundes zu erhöhen, zu reinigen vermag.
Also auch als Staat wird der Mensch zum Träger der Menschheit.
Alle methodische Gefahr ist jetzt von der Ethik entfernt. Die
Individualität des Menschen, die sie in der Menschheit begründet,
ist alles Scheins der Paradoxie enthoben: der Staat bildet die Ver-
mittlung zwischen dem empirischen Individuum und der Idee der
Menschheit, zu deren Träger der Mensch wird. An der Individualität
des Staates, an welcher der empirische Mensch mit allen Fasern
seines Herzens Anteil nimmt, deren Rhythmus sein eigener Pulsschlag
gleichsam nachzittert, realisiert sich das ,Wunder, welches in der
ethischen Lehre von der Menschheit, als der Erfüllung des Menschen,
17

zu liegen scheinen könnte. Der Staat macht es zumal in diesem


Zeitalter über jeden Zweifel deutlich, daß der Mensch seinen*
höheren Stoffwechsel in dem Organismus seines Staates zum Kreis-
lauf bringt. Seine Individualität, die er in den Staat hineintut,
läßt sie ihn auch herausfühlen aus der Abstraktion der Menschheit,
deren rechtlich-politische Form der Staatenbund bildet.
5. Indessen wird es nun auch nach allen Seiten deutlich, welcher
Mangel dennoch in dieser Fülle, in dieser hohen Mannigfaltigkeit
des ethischen Lehrinhalts vom Menschen unverkennbar wird. Möchte
es selbst für den einzelnen Menschen genügen, daß er seiner eigenen
Individualität nur in der durch den Staat vermittelten Menschheit
bewußt und sicher werde, so bedarf es doch noch einer anderen
Vermittelung als nur derjenigen, welche zwischen dem Ich und der
Menschheit gefordert wird. Neben dem Ich erhebt sich, und zwar j
im Unterschiede vom Es der Er: ist er nur das ‫ ־י‬andere Beispiel]
vom Ich, dessen Gedanke daher durch das Ich schon mitgesetzt wäre?.
Die Sprache schon schützt vor diesem Irrtum: sie setzt vor das Er
das Du. Ist auch das Du nur ein anderes Beispiel für das Ich und
bedürfte es nicht einer eigenen Entdeckung des Du, auch wrenn ich
bereits meines Ich gewahr geworden bin? Vielleicht verhält es sich
umgekehrt, daß erst das Du, die Entdeckung des Du mich selbst auch
zum Bewußtsein meines Ich, zur sittlichen Erkenntnis meines Ich
zu bringen vermöchte.
Wenn es aber so sich verhalten sollte, so erhübe sich die Frage an
die Ethik: liegt es in ihrer Kompetenz, liegt es in ihrer Methodik, das
Du zur Entdeckung zu bringen? Kann sie nach ihrem Begriffe des
Menschen, als -der Menschheit, auf diese Gliederung der Individuen
eingehen, hat sie methodische Mittel zur Feststellung derselben,
wenn doch ihr Zielpunkt nur die A llh e it ist, welche in der Mensch-
heit allein sich erfüllt? Muß sie nicht in der Aufgabe einer solchen
Einteilung und Abstufung, überhaupt in dem Problem der M eh rh eit
der Menschen eine Abirrung vermuten von ihrem einheitlichen Ziele
der Allheit?
Man wende dagegen nicht ein, daß die Ethik, sofern sie den
Menschen in der Geschichte des Menschengeschlechts zur Aufgabe
hat, unabwendbar auch die Mehrheit der Menschen und deren
Gliederung sich zur Aufgabe machen muß. Denn dieser Einwand
wird dadurch erledigt, daß die Aufgabe *allerdings anerkannt wird:
aber ihre Lösung erfolgt, erst aus der Allheit heraus, und daher
2
18

jajich nur gemäß dieser Allheit. Es bleibt daher immer noch die
Frage, ob die Mehrheit der Menschen nicht dennoch Fragen auf-
werfe, welche nicht schlechthin aus dem Grundbegriffe der Allheit
lösbar werden. Und diese Frage wird dringlich gegenüber dem
Problem des Du, wenn sie noch bei dem des Er verschleiert bleiben
mochte.
Welchen Unterschied aber macht es von dem Gesichtspunkte
der Menschheit aus, daß ich ein anderes Beispiel derselben nicht
lediglich als Er, sondern ausdrücklich und vornehmlich als Du an-
zusprechen hätte? Welche Bedeutung hätte dieser Anspruch über-
haupt für die Ethik, die gleichsam kein Ansehen der Person kennt,
für die Jeder nur dasselbe Symbol der Menschheit darstellt? Sollte
nun aber die Frage entstehen, welcher besondere Wert dieser An-
rede, dieser Auszeichnung des. Du zukommt, durch welche die Iden-
tität der Menschheit bedroht scheinen könnte, so gilt es nunmehr,
diesen eigenen Beitrag für den Begriff des menschlichen Individuums
zu erforschen, den die Entdeckung des Du zur Enthüllung bringt.
Und hierbei gilt es, den A n teil zu bestimmen, den die R elig io n
an der V e rn u n ft gew innt.
6. Da das Du innerhalb der Menschheit zur Gliederung kommt,
wenngleich die Menschheit selbst diese Gliederung nicht zu voll-
ziehen vermag, so schwinden alle methodischen Bedenken, die gegen
die Anteilnahme der Religion an der Aufgabe der Vernunft sich
erheben könnten. Die Befugnisse der Ethik bleiben unversehrt.
Aber ihre Ergänzung ist kein Widerspruch gegen die Einheitlichkeit
ihrer Methode: da diese Methode vor dem neuen Problem des Du
versagt, versagen muß, während der Begriff des Individuums
andererseits dieses Du fordert. Das Du gehört jedoch der unend-
liehen Gliedreihe der Menschheit an: die Methode, welche daher
gefordert wird, ist eine neue, aber keine fremde. Sie ergänzt die
einheitliche Methode der Ethik, aber es muß ihr E ig e n a rt zu-
gesprochen werden, da ihrem Problem, dem Du, die Eigenart nicht
abgesprochen werden kann, wenngleich diese, wie das Glied selbst,
der Einheit der Menschheit zugehört. Aber diese Einheit kann durch
die Ethik nur als Allheit zu Stande kommen. So wird die einheit-
liehe Ergänzung der Methode berechtigt, welche innerhalb der All-
heit, als eine Neuheit, das allgemeine Glied des Du zur Entdeckung
bringt. Das Du bringt ein neues Problem in den Begriff des
Menschen, der jedoch in dem Begriffe der Menschen seine Vollendung
19

auch für das Individuüum erreicht. Es kann daher das neue


Problem die Gemeinschaft mit der Ethik nicht aufheben, die ein-
heitiiche Methode nicht verletzen, welche beide im Problem des
Menschen verbindet.
7. Es ist bisher noch nicht zur positiven Bestimmung gekommen,
welche menschliche Eigentümlichkeit dem Du beiwohnt: offenbar ist
es die P e rs ö n lic h k e it, welche mehr als vom Er durch das Du an
den Tag gehoben wird. Das Er ist mit einer Neutralität behaftet,
die es nur schwer vom Es unterscheidet. Und die Ethik scheint
mir ja auch für mein Ich eine solche neutrale Objektivität zuzu-
muten, da sie mich aller meiner sinnlichen Merkmale zu entheben
sucht. Soll es dabei aber verbleiben? Bleibt der Organismus mit
seinem Stoffwechsel schlechthin indifferent für das Ich? Und muß
dieser Satz uneingeschränkt gelten, obschon der Zusammenhang der
sittlichen Aufgabe mit den sinnlichen Bedingungen unbestreitbar ist?
8. Es gibt ein historisches Musterbeispiel für die Notwendigkeit
einer Ergänzung der Ethik durch die Religion: dieses bietet die Stoa in
ihrem Verhältnis zum L eiden der Menschen. Sie proklamiert dieses
als ein Indifferentes (dd1äq>0Q0v) , und schließt es demgemäß aus
dem Bereiche des Sittlichen aus. Diese Konsequenz des stoischen
Dualismus, der zwischen Spiritualismus und Materialismus in allen
Fragen schwankt, ist ein doppelter Fehler. Erstlich bildet auch iür
das Ich das Leiden ein keineswegs indifferentes Moment. Das Selbst-
bewußtsein darf vielleicht auch seiner sittlichen Forderung wegen
nicht Gleichgültigkeit beobachten gegenüber dem physischen Leiden.
Zweitens aber darf dem Anderen gegenüber diese Beobachtung nicht
gleichgültig bleiben. Und es entsteht die Frage, ob nicht gerade
durch die Beachtung des Leidens bei dem Anderen dieser Andere
aus dem Er in das Du sich verw andelt. Bei bejahender Lösung
dieser Frage tritt die Eigenart der Religion in Kraft, unbeschadet
ihrer Zugehörigkeit zur ethischen Methode.
9. Wenn es von jeher eine Frage der Theodizee bildete, dem
physischen Leiden, dem physischen Übel, einen Sinn in der Menschen-
vrelt zu geben, so könnte man diesen Sinn vielleicht in der Paradoxie
ausdrücken: das Leiden ist wegen des M itleids vorhanden. Sosehr
bedarf der Mensch dieses Affektes des Mitleids, daß das Leiden
selbst aus diesem Grunde erklärbar wird. Und alle Ethik scheidet
sich klar und schneidig von aller Metaphysik mit ihren Abarten an
diesem Kreuzwege. Auch der tiefste Sinn des Christentums wird
9 ‫•י‬
20

aus diesem Punkte .verständlich. ‫ ״‬Ach an der Erde Brust sind wir
zum Leide da.“ Diese Einsicht fehlt dem Psalm, der dem Menschen
‫״‬nur wenig fehlen läßt zur Gottheit“. Der Psalm atmet nur Opti-
mismus, weil sein höchstes Gut in der ‫״‬Nähe Gottes“ ihm gesichert
ist. Der Prophet hingegen sieht nicht gleichmütig von dieser Höhe
auf das Menschengeschlecht herab: er hofft, daß einstmals Gott ‫ ״‬die
Träne tilgen wird von jeglichem Angesicht“. ‫״‬Die Träne quillt, die
Erde hat mich wieder.“ So bezeichnet auch Faust• durch das
Zeugnis der Träne den Menschen in seinem Erdendasein. Und was-
wäre der sittliche Beruf des Menschen anders als die Verklärung‫׳‬
und Erhöhung seines Erdendaseins?
Bis hierher könnte man, im Gegensätze zur Stoa, immerhin noch,
innerhalb der Ethik das Mitleid zulassen. Man könnte dieses Moment
aufnehmen, um dadurch die anthropologische Ethik zu rechtfertigen.
Wenn nun aber die Frage entsteht: was geschehen soll, was inner‫״‬
halb der Ethik geschehen kann, nicht sowohl um das Leiden zu
beseitigen, als vielmehr um das Mitleid zu befriedigen, so wird sie-
keine Auskunft geben körnen, die mehr als nur pädagogisch und
praktisch wirken könnte: die Lösung der Frage kann sie nicht durch
die Aufstellung eines prinzipiellen Begriffs erteilen. Sie muß dann
eben, wie man heute sagen würde, zum Pragmatismus werden. Das Mit‫״‬
leid wird eine förderliche Illusion, durch die das Leiden in der Teilung
geringer wird. Über diese Illusion hinaus gibt es keine Hilfe. Des-
halb verwirft die Metaphysik diesen Affekt, weil er eben nur eine
Illusion voraussetzt. Ich bilde mir ein, mit einem Anderen zu.
leiden, aber dieser Andere ist kein Anderer, sondern ich selbst bin
und bleibe es, der ich durch die Illusion meines Intellekts als ein
Anderer mir erscheine. Diesen Tiefsinn lehrt S chopenhauer.
Und S pinoza hinwiederum muß ebenfalls diesen Affekt verwerfen,
weil er mit der Stoa alle sinnlichen Affekte verwirft. Für ihn gibt es
nur Erkenntnis, und zwar die der Einen Substanz. Die Menschen aber
sind allesamt nur Modi, nur Einzeldinge dieser Einen Substanz.
Da ist einer, wie der Andere, keiner hat Eigenwert, sondern ein
jeder ist nur der Ausdruck der einen Substanz. Und was nicht Er-
kenntnis ist, das ist alles gleicherweise vom Übel: das Mitleid ist
desselben Blutes,, wie der Neid. Und es macht •keinen Unterschied,,
ob ich von dem Mitleid auf den Andren hingelenkt werde, oder
durch den Neid von dem Anderen auf mich selbst zurückgelenkt
werde. Diese Seelenkunde ist die Konsequenz des stoischen Grund-
21

gedankens von der Gleichgültigkeit des Leides. Sie macht das Mit-
leid zu einer wertlosen Illusion.
Aber auch vom P essim ism u s unterscheidet sich die Ethik an
diesem Kreuzwege der Religion. Denn der Unterschied zwischen
Pessimismus und Optimismus liegt nur in der praktischen Eeform
der irdischen Lage. Der Optimismus ist keineswegs die ‫״‬ruchlose
Denkungsart“, als die sie Schopenhauer verleumdet, sondern seine
Weisheit hat den praktischen Sinn, den ^allezeit die Theodizee be-
stätigt hat: die Weltlage der sittlichen Bestimmung gemäß zu ver-
bessern, und demzufolge das Menschenleid zu verringern. Wenn da-
gegen nun aber der Pessimismus einwendet, daß alle diese Be-
Strebungen eitel und verlorene Liebesmühe seien, so widerspricht
ihm zwar der immerhin unverkennbare Fortschritt der Weltgeschichte, j
aber er wird dennoch dadurch nicht in seiner These widerlegt;
denn seine These entspringt einer Metaphysik, die von der Erfahrung
unabhängig sein will. Der metaphysische Sinn des Leidens macht
das Leiden zur eigentlichen, zur einzigen Bealität des menschlichen
Daseins. Und die Konsequenz dieser Metaphysik ist daher auch für
die Praxis die Durchfürung und Bewährung dieses Prinzips: die
Verneinung, dje Aufhebung des Daseins. Wenn jedoch diese Wei3heit
schon Metaphysik sein sollte, so kann sie jedenfalls nicht Ethik
,sein; denn diese ist .durchgängig Bejahung, Entwicklung und Er-
höhung des menschlichen Daseins. Wenn sie nun das Dasein be-
haftet sieht mit dem Leide, so ist ihr das Mitleid auch nur ein
Wegweiser zu der Frage: wie kann das Leid überwunden werden?
Das Leid ist subjektiv ein Schmerz: verharrt das Mitleid auf dem
Niveau des Schmerzes, oder aber birgt es ein Mittel zu seiner Auf-
lösung in sich? Ist es etwa die Wunde, die die Heilung mit sich
bringt? . .(
10.: Zu dieser Wendung kommt es an dem Grenzpunkte, an dem
die ‫׳י‬Religion‫■־‬1‫׳־‬gleichsam, aus der Ethik hervortritt. Es ist kein träger
Affekt, dem ich mich hingebe, wenn ich das Leid des Anderen
beobachte, und zwar nicht als vein natürliches und empirisches
Faktum, sondern wenn ich es zum Fragezeichen mache für meine
gesamte Orientierung in der sittlichen ‫׳‬Welt. Es ist nur Einseitigkeit,
welche mich gleichgültig machen könnte gegen dieses Leid. Und es
ist nur von einer falschen Metaphysik dirigierte Unkenntnis von dem
Eigentümlichen des Menschenwertes, welche das Mitleid zu einer
Reflexbewegung herabwürdigt. Im Leiden geht mir plötzlich und
22

unaufhaltsam ein grelles Licht auf über die Flecken an der Sonne
des Lehens. Möchte die Einsicht über den Grund des Leidens mir
immerdar verborgen bleiben: es ist gar kein theoretisches Interesse,
welches durch diese Beobachtung in mir erregt wird. Es ist der
ganze Sinn der Ethik, als der Lehre vom Menschen und vom
Menschenwerte, an dem ich verzweifeln muß, wenn dieser Menschen-
wert sich vorzugsweise im Leiden ausmünzt. Der Sinn der Mensch-
heit wird mir hinfällig, geschweige daß ich überhaupt noch ein
Interesse an meiner Selbstexistenz nehmen könnte.
So stellt uns diese Einsicht vom Leiden vor die schwerste Alter-
native der Ethik, und daher auch das Mitleid auf die Anhöhe, welche
die Aussicht eröffnet für deren Behauptung. Aber wenn das Interesse
am Leiden und am Milleid nunmehr als ein ethisches im Unterschiede
von der theoretischen Welterklärung erkannt ist, daher auch im
Unterschiede von aller angeblichen Metaphysik, so ergibt sich hieraus
die Frage: welchen Gewinn hat die ethische Praxis, und welcher
Methodik kann sie sich bemächtigen, um jenes ethische Grundrätsel
zu entschleiern? Der Begriff des Menschen scheint hier seine Endsehaft‫־‬
erreicht zu haben, außer sofern sie durch einen anderen Begriff zurück-
geschoben und dem Begriffe des Menschen-*eine neue Erweiterung
zugeführt wird. So berühren wir hier den‫ ־‬G re n z p u n k t, an dem
die B elig io n e n ts te h t, an dem sie mit dem Leiden den Hori-
zont des Menschen lichtet.
11. Ist nun aber jetzt durch Leid und Mitleid das Du im Menschen
entdeckt, so kann auch das Ich, von dem Schatten der Selbstsucht
befreit, wieder hervortreten. Und auch das eigene Leiden braucht jetzt
nicht schlechterdings als gleichgültig hingenommen zu werden. Es muß
nicht träge und unfruchtbare Sentimentalität nur sein, des eigenen
Leides sich zu erbarmen. Die Leiblichkeit gehört nun einmal zur
Seele des Individuums, und die Seele wird vernachlässigt, wenn die
Mühsal des Leibes vernachlässigt wird. Die Humanität erfordert
auch die Beachtung des eigenen Leides.
Mit dem Leiden des Ich treten nun aber auch andere Schäden
ans Licht, außer den sinnlichen Unvollkommenheiten. Die sittliche Ge-
breehlichkeit bedarf jetzt erneuter Prüfung, und es ist oberflächlich
und die Sittlichkeit schädigend, wenn eine Korrespondenz angenommen
wird zwischen der Schlechtigkeit und dem Ü bel, wie etwa gar zwischen
der Tugend und der Wohlfahrt. Wenngleich es für die Ethik
keine theoretische Frage sein darf, worin das Übel seinen Grund
23

habe, so darf erst recht nicht die Frage nach dem Ursprung des
Bösen zu einem theoretischen Problem werden. Denn das theoretische
Interesse würde ja diese Frage unmittelbar auf den Mitmenschen
richten, den ich zum Träger des Bösen machen müßte, und das
kaum gewonnene Du ginge sofort wieder verloren. Es ist aber un-
umgänglich, daß das Studium des Bösen die Mehrheit der Menscheft
aufsuchen und sie prüfen müßte.
Wenn ich nun hingegen das eigene Ich an dem Du gewonnen
habe, so darf ich an mir selbst diese heikele Frage studieren, die Mit-
menschen aber mit meiner etwaigen Selbstgerechtigkeit verschonen.
Und wenn nun anders die Religion in der S e lb s te rk e n n tn is des
Menschen ihren tiefsten Grund hat, so steht J e c h e s k e l unvermittelt
neben S o k rates. Wie dieser theoretisch in der Selbsterkenntnis den
Menschen und mit ihm die Ethik begründete, so Jecheskel die
Religion in der Selbsterkenntnis des Menschen von seiner Sünde.
Diese Entdeckung des Menschen durch die S ünde ist der Quellj
auf den alle Entwicklung der Religion zurückgeht. Diese Erkenntnis
wird als Selbsterkenntnis erdacht. So sc h e id e t sich die R elig io n
von der M ythologie, uls in welcher der Mensch noch nicht der
Urheber seiner Sünde, sondern vielmehr nur der Erbe seiner Ahnen
und deren Schuld ist. Mit dem Satze: ‫ ״‬die Seele sündigt“ wird in
dieser Seele die Person gegründet, die in ihrer Selbsterkenntnis von
ihrer Sünde de^, Grund legt zur Selbsterzeugung ihrer Sittlichkeit.
Aber es ist ein weiter Weg von der Sünde zur Tugend, und dieser
weite Weg liegt zwischen der Religion und der Ethik. Der Seelen-
leiter auf diesem Wege des Menschen wird der an d ere B e g riff,
der neben dem M enschen der R elig io n e ig e n tü m lic h ist.
12. Ist denn in der Tat G ott der Religion eigentümlich? Hat
ihn nicht vielmehr alle Ethik, die neuere, wie die der Antike, bald
mehr, bald weniger offen bei ihrem Aufbau mitverwendet? Und
wenn nun gar unsere eigene Ethik des reinen Willens die Gottesidee
zum Schlußstein erhoben hat, wie könnte immer noch Gott als das
Eigengut dei1 Religion gedacht bleiben?
Bleiben wir bei unserer eigenen Ethik, welche bestimmter als
jede frühere die Gottesidee in den Lehrgehalt der Ethik aufnimmt,
so entspricht ihre Bedeutung doch durchaus dem Begriffe' des Menschen
überhaupt innerhalb der Ethik. Wie der Mensch hier die Menschheit
bedeutet, so gibt auch G ott' den Abschluß nur der Lehre von der
Menschheit. Wie der Mensch in der Ethik nur ein Beispiel der Mensch-
24

•heit ‫ י‬ist, so ist auch Gott nur der Bürge der Menschheit. Die.Mensch-
heit ist das Subjekt der allgemeinen Sittlichkeit. Und während nach
der Ethik nur im Ebenbilde der Menschheit das Individuum die Sitt-
lichkeit vollziehen kann, und demgemäß nur innerhalb seiner eigenen
Kompetenz, der S e lb s tg e s e tz lic h k e it sein er V ern u n ft, welche
unverantwortlich ist für alles, was außerhalb ihrer Grenzen geschieht,
welche daher auch eigentlich gar nicht interessiert ist für den
Erfolg, den die Pflicht nach außen erlangt oder nicht erlangt —
so erhebt auch hier die Beligion Einspruch gegen diese Fiktion einer
Indifferenz.
Es darf nicht gleichgültig bleiben, ob meine Sittlichkeit und
aller Menschen Sittlichkeit nur pflichtmäßiges Streben bleibt, das
in sich selbst genugsam wäre, sondern ich muß Anteil an der Frage
nehmen, ob das Id e a l auch Leben und Wirklichkeit hat. Wie
sehr immer nur in der Annäherung diese Identität sich durchsetzen
mag, so bleibt doch auch in der Annäherung jene Durchdringung
der Wirklichkeit mit dem Ideal das unausweichliche Ziel. Die
wissenschaftliche Strenge aber, welche die Ethik einzuhalten hat,
läßt dieses eigentliche Ziel einer Sittlichkeit zurücktreten, und die
allgemeine Scheidung zwischen Ideal, wie überhaupt zwischen Idee
und Wirklichkeit, beläßt den Gedanken in dem Schein des Rechts:
daß Sittlichkeit nur Gesetz und Vorschrift sei, nimmermehr aber,
menschliche Wirklichkeit.
13. Dieser, ‫״‬faulen Vernunft“ tritt die Religion entgegen und hier-
durch begründet sie ihren Eigenwert, Der Gott, den sie lehrt, bedeutet
garnichts anderes als schlechterdings nur die Aufhebung dieses
Vorurteils. P la to n sagt einmal beiläufig, immerhin aber im Theätet,
das Schlechte könne kein Ende nehmen, denn es müßte, als Gegen-
satz zum Guten, bestehen bleiben. An diesem Gedanken scheiden sich
Judentum und Heidentum, und das letztere sogar auch im Platonismus.
Wenn der Prophet Gott im Gegensätze zum Parsismus auch zum
Schöpfer des Bösen macht, so is t dieses Böse v ie lm eh r das Übel,
5 das die Menschen mit dem Bösen gleichzusetzen pflegen. Und das
eben will der Prophet leliren: daß Gott nur der Schöpfer des Voll-
kommenen, welches der F ried e ausdrückt und bedeutet, sein kann.
So wird es verständlich, daß der Monotheismus im Messianismus
seinen Gipfel erlangt. Der M essianism us aber bedeutet schlecht-
hin die Herrschaft des Guten auf Erden. Man begegnet alltäglich
der sonderbaren Ansicht, daß der Messias doch erst kommen könne.,
25

wenn das Unrecht aufhört.. Aber das ist es ja eben, was der Messias
:.bedeutet: daß das Unrecht aufhören werde. Diese Ansicht, die auch
;Platon nicht hatte, ist die neue Lehre, die der Einzige Gott der
‫־‬messianischen Menschheit bringt. Die Sittlichkeit wird in der
Menschen weit gegründet werden. Gegen diese Zuversicht kann kein
Skeptizismus, kein Pessimismus, keine Mystik, keine Metaphysik,
keine Welterfahrung, keine Menschenkunde, keine Tragik und kein
Humor aufkommen: der Unterschied zwischen Ideal und Wirklich-
keit darf nicht in die Schattenwelt verlegt werden und eine solche Art
von Verewigung erhalten; er muß, er wird durch den Messias be-
graben werden. Die Tugend der Menschen wird noch immer neue
Bahnen von ungeahnter Steilheit zu beschreiten haben, aber ein
Niveau der Sittlichkeit wird errichtet sein, das die Laufbahn der
menschlichen Sittlichkeit sichert.
14. Wir haben den messianischen Gott als den Gott der Ethik
dargestellt, müssen aber hier der historischen Klarstellung wegen hin-
zufügen, daß. in unserer Ethik des reinen Willens auch nur dieser
meskianische Gott als der Gott der Ethik erscheint. Wie die wissen-
schaftliche Ethik alle die literarischen Quellen treulich benutzen muß,
so haben wir aus dem Monotheismus diesen Gott in unsere Ethik
verpflanzt, j Und dennoch ist dieser aus der Beligion entlehnte Gott
doch nur kraft der Berührung, welche zwischen dem Monotheismus
und der Sittenlehre sich vollzieht, ein ethischer Gott, noch nicht
aber der eigentliche Gott der Eeligion. j Der Monotheismus gipfelt
im Messianismus, aber sein Schwerpunkt liegt in dem Verhältnis
zwischen Gott und dem Individuum. Je ch esk el lenkt hier von der
messianischen Hauptlinie ab, insofern er seinen Weitblick verschließt
vor dem Innenblick auf das Individuum.
Je c h e sk e l h a t den G ott des E in zelm en sch en der R elig io n
ü b erliefert.. Und jetzt kann die !?rage von Du und Ich von neuem
anheben. Wenn es zunächst gefährlich schien für die Sittlichkeit, daß das
Du unter das Zeichen der Sünde träte, so ist das echte Spiegelbild für
die Sünde, so ist der Spiegel, als das. Mittel der Selbsterkenntnis,
jetzt gefunden. An mir selbst soll ich die Sünde studieren, und an
der Sünde soll ich mich,selbst erkennen lernen. Ob andere sündigen,
das hat mich weniger zu interessieren, als daß ich nur einsehen
lerne, wie ich selbst in ,meinem innersten Wesen mit der Sünde be-
haftet bin. Und anstatt aller Sentimentalität mit meinem Leiden soll
ich vielmehr empfindsam werden für meine. sittliche Gebrechlichkeit.
26

15. Jetzt darf mir auch der Z usam m enhang von Stände
und L eid einigermaßen verständlich werden, den die Mythologie als
ihr tiefstes Mysterium aufdeckt. Jetzt schadet es nicht mehr, daß
ich, wie auf der Buhne, so auf der Weltbühne überhaupt, das tragische
Leid des Menschen, des Helden selbst in seinem sittlichen Mangel
erkenne; denn jetzt bin ich mir selbst zum echten Urbild der
menschlichen Schwäche geworden. Jetzt werde ich nicht mehr auf
den unseligen Gedanken verfallen, daß das Du für seine Sünden
leidet, durch den mein Mitleid unheilbar abgestumpft würde; jetzt
werde ich von dem Gedanken durchdrungen, daß ich keines Menschen
Schlechtigkeit so tief und so klar erkenne, wie meine eigene. Und
wenn es überhaupt im Leiden ein Entgelt geben soll für die Sünde,
so werde ich dieses nur in mir selbst‫ ״‬erprüfen wollen.
Aber der Gott der Beligion ist ja niemals ein theoretischer Be‫״‬
griff, niemals ein Begriff, der lediglich nur das Wissen und die Er-
kenntnis des Menschen erweitern und lichten sollte. So muß auch die
Selbsterkenntnis der Sünde und des Menschen durch die Sünde nur
■ zum Behufe der Besserung den Weg zu Gott bahnen. G ott is t kein
■K^-r•' ^J S c h jc k sa lsb e g riff; er hat nicht zu offenbaren, woher das Leid
komme. Er hat aber auch ebensowenig zu offenbaren, woher die Sünde
komme. Die Sage vom Sündenfall stammt aus Persien. Der Einzige
Gott kann daher auch nicht für das Verhältnis zwischen Leben und
Schuld einzustehen haben, geschweige für eine nach menschlichem
Maße abgewogene Gleichheit zwischen ihnen. Die Tiefe der mono-
theistisehen Gotteslehre werden wir an diesem Höhepunkt ihrer
Weltbetrachtuhg zu erkennen haben: daß alles Messen und Ver-
gleichen der inneren Würde des Menschen mit dem äußeren Scheine
seines Erdenloses eitel und nichtig, kurzsichtig und verblendet ist.
Die alte Frage, warum es dem Guten schlecht, und dem Schlechten
gut gehe, wird eine Antwort erfahren, von der selbst die Platonische
Weisheit keine Ahnung hatte.
16. Die Propheten waren nicht Philosophen, aber sie waren Poli-
tiker, und in der Politik konsequentere Idealisten als Platon selbst.
Sie wären in der Politik bei all ihrem Patriotismus messianisehe
Weltbürger. Der eigene Staat war ihnen nur die Staffel zum Staaten-
bunde der Menschheit.
‫ י‬Sie erkannten im Staate noch ein anderes Problem außer dem
internationalen: sie erkannten im Staate als die schwerste Gefahr
seines Gleichgewichtes den Unterschied von Arm und Reich. D er
27

A rm e w urde ihnen zum Symbol des M enschenleids. Und


wenn ihr messianischer Gott die Aufhebung des Leides in der
Begründung der Sittlichkeit auf Erden vollführen soll, so muß er
demzufolge Herr werden über die Armut, diese Wurzel des Erden-
leides. So wird ihr Gott zum Gott der Armen. Im Armen erkennt
ihre soziale Einsicht das symptomatische Krankheitsbild des Staates.
So w ird ih r p ra k tis c h e r B lick ab g elen k t von a lle r E sch a-
tologie der M ysterien. Sie sehen das Leid nicht im Sterben,
das für sie keine Zauber der Mystik aufbieten kann. Ihr Blick
trifft den Menschen im wirtschaftlichen Stromgebiete des Staates, und
in der anscheinend festgewurzelten Armut enthüllt sich ihnen die
Wurzel des sozialen Leides, als des einzigen, das einer Abhülfe und
daher auch nur der Beachtung wert erscheint.
17. Wenn es nun aber so sich verhalten sollte, daß es die pro-
phetische Religion ist, welche, wie in dem Leiden der Armut den
Menschen, so auch in dem Anwalt der Armen den Einzigen Gott entdeckt
habe, als den einzigen‫ ״‬Helfer, für alle Stände unter den Menschen,
dann ist durch diese Eigenart in der Durchführung der Sittlichkeit die
R elig io n se lb st zu ein er E ig e n a rt gew orden in n e rh a lb der ^
S itten le h re. Und es wird zu prüfen sein, ob nur einer historischen
Zufälligkeit diese Eigenart zu verdanken sei, oder aber ob der Begriff
der Religion, der Begriff des Monotheismus sich in dieser Entdeckung
bezeugt, so daß sie selbst als eine begrifflich notwendige Konsequenz
erkannt werden muß. Die Religion des Einzigen Gottes mußte
diesen Lichtblick vom Menschen an der Trübsal des sozialen Elends,
an den innersten Widersprüchen der politischen Gerechtigkeit auf-
gehen lassen. Die Ethik verbleibt in ihrem theoretischen Grund-
werte, nach welchem sie die M ethodik in der Bestimmung des
Men sehenwertes zu leiten hat; aber die Religion hat sachliche Ein-
sichten zur Entdeckung gebracht, und hat sie aus den Prinzipien ihres
Gottesgedankens — wie ihres Menschenbegriffs hergeleitet, welche der
Methodik der Ethik verschlossen blieben. Diese sachlichen Einsichten
begründen ihre Eigenart, die umso unanfechtbarer ist, als die Hand-
habung dieser Begriffe der allgemeinen Methode der Ethik sich einfügt.

C. Die Quellen des Judentums.


1. Von der Vernunft und von der Religion haben wir jetzt eine
vorläufige Disposition gewonnen; jetzt wenden wir uns den Q uellen
des J^udentujns zu,, aus welchen die 5Religion der Vernunft geschöpft
28

werden soll. Wir haben nicht mit dem Judentum hier zu beginnen,
•denn dieses soll als Religion der Vernunft nachgewiesen und durch
den Nachweis, den das Buch zu erbringen hat, zur Bestimmung
kommen. Wir müßten doch die Quellen antizipieren, wenn wir vom
Begriffe des Judentums ausgehen wollten. Von der allgemeinen
methodologischen Bedeutung dieser Quellen vielmehr müssen wir
.ausgehen. • ‫׳‬
Im Grunde wird auch in den Quellen schon das Ganze vorweg-
. genommen. Denn aus den Quellen geht alles hervor, was als Juden-
. tum zur Erscheinung kommt. Es hat jedoch methodischen Grund,
.wenn Institutionen und Altertümer von den literarischen Quellen
unterschieden werden. Diese setzen die sachlichen Denkmäler erst ans
. Licht, so daß sie aus den Schriftquellen erst zum rechten Verständnis
gebracht werden.
Die literarischen Quellen sind der unmittelbare Geist, der in
anderen Denkmälern sich erst weitere Mittel bearbeitet. Die lite-
!•arischen Quellen sind die wahrhaften Quellen für das Schaffen des
Geistes, eines Nationalgeistes, der Eigenes und Ursprüngliches hervor-
..zubringen strebt.' Die Quellen bezeichnen das Ursprüngliche, und
ursprünglich ist nur der Nationalgeist, der auch für die Individuen
zum Urgründe wird.
2. Die Literatur der Juden, ursprünglich, wie sie ist, ist National-
literatur. Dieses Merkmal der Ursprünglichkeit ist und bleibt der
gemeinsame Grundzug des literarischen Judentums.' So weit die Ur-
sprünglichkeit- sich erhält, so weit bewährt sich der nationale
:Charakter der jüdischen Literatur. Die Ursprünglichkeit aber
besteht und wurzelt in der Idee des Einzigen Gottes. Die Worte:
‫ ״‬Höre Israel“ und ‫״‬der Ewige ist Einzig“ ergänzen einander. Der
Geist Israels ist bedingt durch den Gedanken des Einzigen Gottes.
Alles, was aus diesem Geiste hervorgeht, geht ebenso aus dem
Einzigen Gotte hervor, wie aus dem Volksgeiste in seiner Ursprünglich-
heit und.Eigenheit. / . 1
Aber die Hervorbringungen dieses Grundgedankens sind mannig-
faltig, wie sie eine weite Geschichte durchmessen. Und schon die
ersten Anfänge entbehren nicht einer großen Mannigfaltigkeit, einer
scheinbaren Gegensätzlichkeit.
Es.ist charakteristisch, daß das Deuteronomium für den Wert der
neuen Lehre sich hauptsächlich auf ‫״‬Satzungen und Rechte“ beruft.
Sittliche Verfassungsformen werden als die Erzeugnisse der neuen
29

Religion angesprochen. So entsteht ein Z usam m enhang zw ischen‫׳‬


R elig io n und S o zialp o litik . Denn die Satzungen und Rechte,,
durch welche die ‫״‬Weisheit“ dieses Volkes bewiesen werden soll eben
so, wie die Leitung Gottes, sind Rechtsformen, durch welche die so-
ziale, wie die individuelle Sittlichkeit begründet und befestigt werden
soll. Schon das Deuteronomium setzt eine Wechselwirkung an für
die religiöse Theorie und die ethische Praxis. Dadurch aber werden
die religiösen Quellen wiederum auf die der staatlichen Institution1
erstreckt. Dieser Zusammenhang von Theorie und Praxis bleibt
bestimmend für das Judentum und daher auch für seine literarischen
Quellen.
Der ganze Pentateuch hat diesen einheitlichen Doppelcharakter.
Er lehrt nicht nur die Erkenntnis von Gott und vom Menschen,,
sondern er lehrt auch die Pflege und die Förderung dieser Erkennt-
nis. Er ist demnach ebenso eine Quelle für die Gedanken, welche‫׳‬
der Nationalgeist erzeugt, wie für die praktischen Schöpfungen, diu
er hervorbringt. Die Lehren (‫ורות‬jn) erscheinen im Deuteronomium
später als die Satzungen und Rechte ( ‫הקים ומשפטים‬,).
3. Der Umfang der Quellen wird aber noch weiter im ganzen
Alten Testament. Die Nationalliteratur beginnt mit der nationalen:
G eschichte und mit den Mythen und Sagen, die sie umgeben.
Und die Historie verwandelt sich allmählich in die P o litik . Diesen
Verwandlungsprozeß vollzieht der Prophetismus, und auch für diese
Verwandlung ist das Deuteronomium ein lehrreiches Dokument.
Mose geht in seiner Rede dort auf die Urgeschichte zurück, um zur
Anwendung auf die bevorstehende Politik zu kommen. Diese U r-
w ü ch sig k eit der Politik dürfte dem Proplietismus eigen sein. Man
hat auch So Ion einen Propheten genannt. Aber selbst ihm fehlt
der Grad von Ursprünglichkeit, welcher die prophetische Naivität
auszeichnet. . Der Prophetismus ist der geistige Mittelpunkt des
jüdischen Schaffens. Seine Wurzel liegt in der Historie, in der
Nationalgeschichte mit ihrer urwüchsigen Ethik, und diese Wurzel
gibt immerfort dem Stamme, je höher er aufwächst, seinen Lebens-
saft. Worin besteht das Eigene des Prophetismus? In der Un-
geschiedenheit von Religion und Politik, welche seinen Lebensfaden
bildet, bis er absterben muß, als die Politik vergeht. Und was
wird dann aus Ihm?
4. Die anderen Kräfte eines wahrhaften Nationalgeistes sind zu‫־־‬
meist auch hier lebendig. Von der Poesie ist deren Wurzel, welche die
30

L y rik bildet, auch eine jüdische Volksquelle. Und so w achsen die


P salm e n aus der P ro p h e tie hervor. Wiederum eine Eigenart des
jüdischen Geistes: der Einheit des Volksgeistes mit seiner Schöpfung,
der Religion. Man hat sie mit den bab y 10 nis d ie n Psalmen verglichen.
Der Vergleich trifft nur auf das Äußere der Form und das Äußer-
liehe des Triumphgesanges und des Hymnus auf Götter und Helden
zu. Die Blutsgemeinschaft, welche dem Psalm mit der Prophetie
eigen ist, sie fehlt dort; und keine Erhabenheit des dichterischen
Schwunges kann den Mangel dieser Einheit ersetzen; sonst könnte
man P in d a rs Gesänge auch Psalmen nennen. Es ist nicht zufällig,
daß Propheten stücke in die Psalmen und umgekehrt hinüberwandern
konnten.
Der Psalm geht in die S p ru c h d ic h tu n g über, aber auch
hier verengt und verknöchert er nicht zur Prosa: Kohelet schwingt sich
zum Hohen Liede auf, und die Sprüche vertiefen sich zum Hiob.
So wird, außer dem Drama, das ganze Stoffgebiet der Poesie hier
zur literarischen Quelle. Und der Grund für - den Ausfall des
Dramas wird jetzt verständlich: der Prophetismus hatte alle Tragödie,
wenngleich nicht in der Form, erschöpft und übertroffen. Die Praxis
hatte hier die Kunstform aufgesogen.
Das größte Rätsel an diesen religiösen Quellen dürfte jedoch
ihre Doppeltheit sein. In aller religiösen Überlieferung gibt es nur
einen Ursprung, nur eine Art von Quelle. Israel macht auch hier
eine Ausnahme, und diese Ausnahme setzt sich ununterbrochen fort,
stets neue Ausnahmeformen aus sich hervorbringend. Schon die
Propheten stehen als selbständige Träger da neben Mose, der weit
vor ihnen liegt, im tiefen Dunkel, so daß sie selbst erst den Schleier
des Mythos von ihm abheben. Und nach den Propheten werden die
Hagiographen zu einer eigenen selbständigen Quelle. Wie seltsam,
wie lehrreich ist diese Charakteristik, welche diese Nationalliteratur
ihrer Heiligen Schrift aufprägte. Aber das Wunder wird immer
größer.
5. Der Kanon war noch gar nicht fixiert, da waren schon neue
Träger des alten Wortes aufgetreten, deren Name, Schreiber (‫)סופרים‬
umso charakteristischer ist, als er einen historischen Widerspruch
in sich trägt. Denn diese Schreiber sind vielmehr erst recht Redner,
wie nur jemals die Propheten und Sänger es waren. Als der Kanon
die schriftliche Lehre festsetzte und abschloß, da war längst schon
eine ‫״‬mündliche Lehre“ dem Nationalgeiste entwachsen, und deren
31

Wert wurde nicht minder geachtet. Es war nicht etwa der Kasten«
geist der Schriftgelehrten, der sich mit der Autorität der Bibel
messen wollte, sondern es war die Urkraft des Nationalgeistes, die
sich in ihrer Natürlichkeit fühlte, in ihrer Berechtigung auch der
ursprünglichen Lehre gegenüber erkannte, die sich in ihrer homogenen
Entwicklung durchsetzen wollte und durchsetzen mußte. Auch die
Thora hätte nur zeitlichen Wert, wenn diese Fortsetzung nicht als
die Fortführung ihrer nationalen Grundkräfte erkannt würde.
So werden T alm u d und M idrasch zu ebenso gültigen Quellen
des Judentums, wie die Bibel in ihren mannigfachen Bestandteilen.
Der mannigfache Inhalt des Talmud kann keinen Anstoß bilden:
Satzungen und Rechte sind die ursprünglichen Dokumente der Thora.
Die Naturkraft, welche den Talmud hervortrieb, bezeugt sich an
der Tatsache, daß er ebenso in Babylonien entstand, wie im Mutter-
lande. Man begnügte sich nicht mit dem lebhaften Verkehr, den die
Gelehrten Babyloniens mit denen Palästinas ununterbrochen unter-
halten: es entstand der b ab y lo n isch e Talm ud und der je ru s a -
lem ische T alm u d , wenngleich der letztere nur in kleinerem Um-
fang. So sind zwei gewaltige Schöpfungen als ‫״‬mündliche Lehre“ er-
wachsen, und der Nationalgeist fühlte sich nicht abgestorben mit dem
Verluste des Stammlandes; auch aus dem fremden Boden erblühte mit
derselben nationalen Kraft der alte Geist der Satzungen und Rechte,
in dem die Lehren wurzelten.
Die Doppeltheit dieses einheitlichen Nationalgeistes stellte
sich jedoch noch in anderer Weise dar. Schon im Deuteronomium
versteht man es allgemein nicht, wie der* reine prophetische Geist
doch wieder an die nationalen Konventionen sich anklammerte. Be-
sonders beim Opfer erregt diese Zweideutigkeit Anstoß. Während
man sonst nationale und politische Anpassung an die lokalen Ver-
hältnisse begreiflich findet, sollen die Propheten hingegen die reinen
Engel ihrer Doktrin sein. Nicht einmal Jerem ia bei all seinem
Radikalismus ist von den Einseitigkeiten alles Patriotismus frei.
J e c h e sk e l aber war ein großer Meister der politischen Praxis. Er
wollte, nachdem der Staat unwiederbringlich verloren war, das Volk
in der G em einde retten, und zur Sammlung der Gemeinde bedurfte
er des Heiligtums und daher auch des Opferkultus. Er zeichnet
E s ra und N ehem ia ihre Politik vor.
Man sollte sich daher auch im Deuteronomium nicht wundern,
daß es das Opfer nicht abschafft, obwohl es auf die innerste Rein-
32

heit der Gesinnung liindringt. Man durfte glauben, zumal da durch


Jecheskel die Buße der innerliche Ersatz des Opfers wurde, daß
jetzt das Schwergewicht in der Religion des Herzens festgelegt war.
6*. Wie jedoch im Prophetismus seihst die Pietät für die sakralen
Einrichtungen kein Zwiespalt war, so erhielt sich Poesie und Prosa im
Einklang religiöser Fruchtbarkeit an allen Quellpunkten des Juden-
tums in seiner ganzen Geschichte. Diese Doppeltheit bilden die
Einheit von H alac h a und H ag g ad a in den beiden Talmuden und
in allen Formen des Midrasch.
Die Halacha ist das ‫ ״‬Gesetz“ nach der Bezeichnung des Deutero-
nomiums. Das Gesetz war ursprünglich das Rechtsgesetz umT~das
Staatsgesetz. Dieses aber schloß die Opfergesetzgebung ein, und an
diese wiederum schloß sich das ganze Gebiet der Zeremonien an,
unter denen die Speiseverbote hervortreten. Zunächst also handelt
es sich in der Halacha um das bürgerliche Gesetzbuch, wie es aus
dem Pentateuch bereits hervorwuchs. Und im Zusammenhänge mit
dem römischen und byzantinischen Recht hat der Talmud ein Rechts-
System zum Schutze des Eigentums aufgerichtet.
Das Recht hängt unmittelbar mit der Logik zusammen. Und
so hat wohl besonders diese Rechtswissenschaft die R egeln zur Ent-
deckung und Entwicklung gebracht, welche die Herleitung von Rechts-
fällen aus Rechtsprinzipien leiten und kontrollieren. Die Praxis hat
also auch die lo g isc h e T h eo rie in diese Quellen des Judentums
eingeführt.
Aber schon im Deuteronomium tragen die Satzungen und Rechte
einen offenbar sittlichen Charakter an sich. Und wie die Prophetie
an sie anknüpft, und wie aus dieser nun die Poesie hervorgeht, so
bildet sich dieser Zusammenfluß auch in der mündlichen Lehre fort.
Der Midrasch ist nicht nur halachischer Midrasch, sondern Vorzugs-
weise Haggada. Und der Talmud diskutiert nicht nur Halacha,
sondern mitten in die juristische Diskussion hinein schlingt sich
mit behaglicher Erbaulichkeit plötzlich eine Predigt. Dies ist das
Charakteristische an dieser Doppeltheit, daß sie nicht etwa zwei
getrennte Stilformen neben einander stellt, sondern daß diese, wie
Zweige an demselben Baume hervorwachsen. Die Halacha wird kaum
als eine Spezialität gedacht neben der Haggada, gar nicht aber will
die Haggeda abgetrennt oder gar minderwertig sein gegen die
Halacha. Die Logik, welche diese für die Rechtslehre sich verschafft
hatte, sollte auch die Legitimation werden, mit der alle Deutungen
3&

der Haggada bis zu den Spielen des Witzes bin sich decken wollten.
In dieser Einheitlichkeit sollte sich die mündliche Lehre als solche
bezeugen. Sie ist unmittelbar, wie die ‫״‬Frucht der Lippen“, während
die schriftliche Lehre in eherne Tafeln geprägt ist.
8. Noch ein anderes Merkmal hat die mündliche Lehre: nicht
unmittelbares Erzeugnis ist sie, sondern ein nicht abgeschlossenes,
ein unaufhörlich sich Fortzeugendes. Das Buch ist abgeschlossen;
der Mund bleibt geöffnet; er darf für den Nationalgeist nicht ver-
stummen. Die mündliche Lehre hat das Gepräge der unvergänglichen
nationalen Fruchtbarkeit.
Aus diesem Nationalgefühl heraus entsteht der Terminus, der
sonst paradox erscheint. Die Offenbarung hat nicht nur in der Thora
am Sinai stattgefunden, sondern es gibt auch eine Halacha, die ‫״‬vom
Sinai dem Mose“ offenbart wurde ( ‫) הלכה למשה מסיני‬. Diese Fort-
Setzung erscheint ganz natürlich. Darin liegt keineswegs eine Über-
hebung der Schriftgelehrten — diese Meinung beruht auf histori-
scher Unbildung — sondern sie ist vielmehr der Ausfluß eines
kritischen Selbstbewußtseins dem geschriebenen Gesetze gegenüber
Das kritische Urgefühl des Deuteronomiums: ‫ ״‬die Thora ist nicht im
Himmel, sondern in *deinem Herzen“, bleibt in diesem Gedanken und
in dem Mute und der Klarheit dieser Festsetzung lebendig. Der
Nationalgeist ist nicht erstorben, und er ist nicht in Palästina lokali-
siert. Das Testament des R abbi Jo c h a n a n ben S ak k ai ist zum
Wanderbuch des jüdischen Volkes geworden. Wo der Talmud ge-
lehrt wird, da ist die Thora lebendig. Sie darf nicht nur die ge-
schriebene Thora bleiben: sie ist in deinem Herzen und in deinem
Munde; so mußte sie zur mündlichen Lehre werden.
Und diese mündliche Lehre mußte dieselbe vollgültige Quelle
des Judentums werden, wie die Bibel. Und in allen ihren Stilformen
mußte sie diesen Quellenwert behalten. Sie sind alle ja von dem
Fundament ein er Logik, einer methodischen Deduktion getragen.
9. Man mißversteht die talmudische Bibelexegese, wenn man sie
lediglich aus dem Formalismus dieser logischen Deduktion heraus
verstehen will. Umgekehrt verhält sich die Sache. Der Gedanke ist
gedacht, sei es in der Haggada als ein sittlicher Gedanke in der
Phantasieform der Poesie, sei es in der Halacha als ein Gesetz,
für das man, wie für alle die andern Gedanken, in dem Bibelworte
nachträglich die Beglaubigung finden wird.
3
34

Bei dieser psychologischen Form des Denkens wird der Titel


der mündlichen Lehre erst recht verständlich. Sonst wäre es schier
unbegreiflich, wie das Gedächtnis der Talmudisten aus dem großen
Schatz der biblischen Worte und ihres Satzgefüges die Analogie hätte
herausfinden können für den gerade vorliegenden Fall. Umgekehrt
dagegen wird die Phantasie begreiflich. Wie das Problem lebendig
ist, so ist es auch das Wort. Die schriftliche. Lehre wird selbst zu
.einer mündlichen. Die Logik legt der Phantasie einen Ernst bei,
weil die Phantasie von dem sachlichen Ernste eines Problems ge-
tragen und gestützt wird.
10. Indessen mit den beiden Talmuden und den vielen Midrasch-
Sammlungen sind die Quellen keineswegs erschöpft. An allen Funkten,
an denen das Judentum mit fremden Völkern in Berührung kam,
hat es auch, und zwar in der Beligion selbst, Einwirkungen von ihnen
aufgenommen. So war es in Persien, so wiederholte es sich in
Alexandrien, und so geschah es in besonderer Fruchtbarkeit im
arabischen Mittelalter. Schon in Alexandria bildete sich das Ver-
hältnis zur griechischen Philosophie, die aber auch der Islam aufnahm,
und so befestigte sich das Verhältnis zwischen der jüdischen Beligion
und der griechischen Philosophie.
Die Auseinandersetzung mit der Philosophie trug ihre Früchte
in zwei Bichtungen. Erstlich nahmen die Juden, und zwar von
rechts wegen, Anteil an der selbständigen Philosophie, und es ent-
standen Bücher, die schon im Titel die Philosophie zur Hauptsache
machten. Außerdem aber wuchs die Philosophie in die religiöse
Forschung selbst hinein. Schon die Mischna, wie in den ‫״‬Sprüchen
der Väter“, schon der Midrasch läßt diese Spuren erkennen. Nun
aber bildet sich die selbständige Wissenschaft in der Exegese der
Bibel, wie des Talmud. Oft sind es dieselben Autoren, welche
neben selbständiger Philosophie der Bibelexegese obliegen. So wird
unwillkürlich Philosophie in diese religiöse Literatur hineingetragen,
und das ganze w eite G ebiet d er B ib elex eg ese w ird zu einem
Q u e lle n g e b ie t des Ju d en tu m s.
11. Dieses Becht einer Quelle kommt umsomehr nun der selb-
ständigen philosophischen Arbeit zu, welche der Mutterbodeii für die
Exegese ist. Wie bei allen Beligionen des Monotheismus, entbrennt
auch in dieser Gedankenwelt, ohne daß er zum gänzlichen Ver-
löschen gebracht werden kann, heißer Kampf an der Grenze von
Beligion und Philosophie. M aim onides bildet den Brennpunkt
dieser nicht zum Stillstand kommenden Bewegungen. Aber nicht
*‘minder sind auch seine Vorgänger wie seine Nachfolger, echte und
ergiebige Quellen des lebendigen Judentums. Ihre Wirksamkeit geht
in die populäre Erbauungs‫ ־‬und Erziehungsliteratur über. Der Titel,
unter dem diese Bücher der Sittenlehre als ‫״‬Bücher der Zucht“
susammengefaßt werden, legt solchen praktischen Charakter diesen
Schriften bei und macht ihren Wert als den religiöser Quellen un‫־‬
zweifelhaft.
12. Das Quellengebiet wird immer größer, und es ist doch noch
nicht erschöpft. Denn ein großes Gebiet religiöser Poesie schließt
•-sich an die alte Liturgie in immer neuen Poesien an, die von dem
■:sehnsüchtigen Gebet in seinen Zyklus aufgenommen werden. Diese
neuen Dichtungen werden sogar zu historischen Quellen: denn sie
schildern in Klagegesängen die Verfolgungen, die bis an die Neuzeit
1hinein das jüdische Mittelalter auszeichnen. Und der Name, den sie
sich als ‫״‬Versöhnungsgebete“ (‫ )סליחות‬beilegen, zeugt für ihren reli‫־‬-
.giösen Charakter. Die Geschichte der Juden verwächst immer mehr
mit der Geschichte des Judentums. Das Leiden ist das Erbteil
.Unseres Stammes. Mit diesem Satze hat S h ak esp eare ein historisches
Urteil ausgesprochen.
Aber wir dürfen den Satz auch für die Geschichte der Religion
benutzen. In dieser liturgischen Poesie des Mittelalters, die eine
Fortsetzung der Psalmen bildet, dürfte, wie in den Psalmen selbst,
1•auch manches Samenkorn enthalten sein für eine neue Befruchtung
•der religiösen Gedanken und Gefühle. War doch wiederum vielleicht
der größte dieser Dichter, Je h u d a H alew i, ein unabhängiger Philo‫־‬
soph, und noch größer vielleicht als religiöser Dichter, wie als Philo‫־‬
soph ist Salomo Ibn G ab iro l, der seit dem 13. Jahrhundert in
*einen Araber unter dem verstümmelten Namen A vicebron zeitweilig
verhüllt worden war. Auch hier ist die religiöse Praxis in leben‫־‬
digster Verschmelzung mit der religiösen und der philosophischen
,Spekulation.
13. So kommen wir denn auch zu einer genaueren Fassung des
Begriffs vom J u d e n tu m , den der Titel enthält. Das Judentum be-
•deutet die Religion. Aber so sehr diese, als messianische Religion,
von Anbeginn an, auf die Weltreligion hinstrebt, so ist sie doch in
der ganzen Zeit ihrer Entwicklung bei allen Einflüssen, deren sie
feilhaft geworden ist, überall ein einheitliches Erzeugnis des jüdischen
W o lk sg e iste s gewesen und geblieben. Dieses Erzeugnis der Religion
3*
36

ist das Zeugnis dieses Volksgeistes. Der Begriff dieses Volksgeistes


ist daher nicht in einer Basseneinheit begründet, sondern objektiv in
der Einheitlichkeit dieser religiösen Literatur. Die religiöse Literatur
ist die bedeutsamste Quelle des jüdischen Volksgeistes.
Was die Juden im Laufe der Geschichte in Handel und WandelT
in allen Zweigen des Erwerbslebens, in den Wissenschaften und den
Künsten geleistet haben — sicherlich hat der religiöse Geist auch
allen ihren Kulturleistungen sein Gepräge aufgedrückt, aber diesem
Gepräge fehlt die Unzweideutigkeit. An allen diesen Leistungen hat
die allgemeine Kultur mindestens ebenso viel originalen Anteil, wie
die jüdische Religion. Auch im nationalen Sinne ist das religiöse
Judentum allein das Judentum, und die religiösen Quellen allein sind
überhaupt die Lebensquellen des Judentums.
‫־‬Dieser Gedanke begründet auch die E in h e itlic h k e it des Juden-
tums in seiner Geschichte. Denn freilich wird auch die Geschichte
der jüdischen Religion, wie jede andere, von tiefen inneren Kämpfen
durchzogen, welche die Einheit der Religion in Frage stellen. Wir
waren schon auf den Konflikt der Propheten mit der Priesterreligion
gestoßen. Und in der Jetztzeit gerade hält man in der Bibelforschung
den Gegensatz zwischen Prophetismus und Nomismus für einen unauf-
hebbaren Widerspruch. Wir sehen jetzt von der berührten Frage ah,
daß ein Widerspruch in den Prinzipien nicht auch ein Widerspruch
im Bewußtsein der Personen sein muß, — welche Analogie bietet hier
allein schon der prinzipielle Gegensatz zwischen Intellektualismus
und Mystik, der dennoch in den tiefsten Vertretern der Mystik zum
fruchtbarsten Ausgleich gekommen ist. Wir wollen hier aber aus
der Zweideutigkeit, die sonst über dem V o lk stü m lich en der
Religion schwebt, für die Klärung der Religion in Bezug auf ihre
Einheitlichkeit Gewinn ziehen.
Unter unseren eigenen Zeitgenossen ist dieses Problem des
einheitlichen Judentums die hauptsächliche Schwierigkeit auch für
die aktuelle Politik. Diese Einheitlichkeit erscheint beinahe so sehr
als ein Wunder, wie der Fortbestand der Juden und der ihrer
Religion. Wie klärt sich das Wunder auf?
14. Das Zauberwort, welches die Losung enthält, enthält ebenso
auch die Lösung dieses Rätsels. Was ‫״‬Höre Israel, der Ewige unser
Gott, der Ewige ist einzig“ für das Innenleben und den Fortbestand
des Judentums bedeutet, das wird außerhalb desselben, man darf es
sagen, gar nicht verstanden. Die Bibelforschung bemüht sich daher
37

auch, die Übersetzung zu verändern. Aus ‫״‬einzig“ will man ‫״‬allein“


machen, nur um dem Satze seine systematisch-historische Grundkraft
hinwegzudeuteln und ihm den Charakter der Schwerkraft zu rauben,
den es unverkennbar im Zusammenhänge der Schrift, als Einleitung
zum Gedanken der Liebe zu Gott, an sich trägt. Auch der emphatische
Ausdruck ‫״‬Höre, Israel“ hat den Sinn einer historischen Formel.
Diese Formel ist der Sammelbegriff, ist der Einheitsbegriff des
Judentums. Man mag noch so buchstabengläubig über die Opfer
und über das ganze Zeremonialgesetz denken, die Einheit Gottes
erhebt den Glauben zu einer spekulativen Höhe, vor der alle anderen
Fragen zu Nebenfragen werden, mag man sie selbst noch so sehr
zu Hauptfragen mit sachlichen oder historischen Motiven ausstatten.
TJnd wer andererseits an dem vielen Beiwerk, das auch den Kern der
jüdischen Beligion umlagert hat, Anstoß nimmt, sobald der Weckruf
‫״‬Höre Israel“ in ihm lebendig wird, schweigt alsbald aller Skeptizis-
mus, und die Einheit Gottes befestigt die Einheit des religiösen Be-
wußtseins.
Das Judentum ist ein einheitlicher Begriff nicht nur etwa für
die Volkseinheit, sondern für die Einheit der Beligion. Und diese
Einheit bewährt sich ebenso am Begriffe des einzigen Gottes, wie
am Begriffe des Menschen, der selbst auch einzig ist unter allen
Wesen der Natur. So kommen wir zu einem anderen Ergebnis,
welches aus den Begriffen, die dieser Titel vereinigt, herzuleiten ist.
15. Gemeinhin wird ein Unterschied gemacht zwischen Beligion
und Sittlichkeit, nicht nur zwischen Beligion und Ethik. Ethik ist
innerhalb der griechischen Philosophie entstanden und hat sich
innerhalb der systematischen Philosophie erhalten; nur übertragener-
weise kann dieser Begriff außerhalb der Philosophie verwendet werden.
Wir haben daher diesem Buche die Methode voraufgeschickt, daß
die Beligion der Vernunft Eigenart erlangt und bewahrt; sofern sie
die Selbständigkeit der Ethik für ihre eigene Methode anerkennt und
bewährt.
Die Selbständigkeit der Ethik besteht für die Beligion in der
Grundlegung ihrer Begriffe. Aber diese Grundlegungen schließen‫׳‬
sich selbst in einem System ab, und über dieses hinaus können sie
nicht wirken. So erkannten wir die Menschheit und das Individuum
als die G renzen der Ethik, an denen die Beligion mit ihren eigenen
Grundlegungen sich erhebt. Am Individuum wird auch der Begriff
des Menschen der Beligion zugehörig.
Wenn anders nun auch diese Zugehörigkeit des Menschen zur
Religion der Vernunft aus den Quellen des Judentums sich ergießt*
so kann die Religion der Vernunft, abgesehen von der methodischen
Unterscheidung zwischen Ethik und Religion, keinen inhaltlichen Unter-
schied mehr anerkennen zwischen Religion und Sittenlehre, zwischen*
jüdischer Religion und jüdischer Sitten lehre. Der Begriff de&
Menschen gehört in die jüdische Religion, und für den Inhalt dieses
Begriffs gesteht sie der Ethik keine Oberhoheit zu, die sie nur für
die systematische Methodik anerkennt.
Ebenso auch gehört der Begriff des einzigen Gottes in die jüdische‫־‬
Sittenlehre. Die jüdischen Quellen machen es unverkennbar deutlich,;
daß in der Lehre vom Menschen, nicht allein vom Menschen, als•
Individuum, sondern auch von den Völkern und der Menschheit der
einzige Gott zur Entdeckung gekommen ist-. Und alle Einzelheiten
über die weite Mannigfaltigkeit der Rechte und Satzungen, jede sitt-
liehe Regung, jede sittliche Vorschrift, jede sittliche Einrichtung,,
sie alle wurzeln in ‫״‬Höre, Israel‫ ״‬. Es g ib t fü r das jü d is c h e
B ew u ß tsein keine S ch eid u n g zw ischen R elig io n und S itt-
lic h k e it. Nur wo der Pantheismus das moderne Unterbewußtsein
untergräbt, wird die Skepsis an dem sogenannten Dasein Gottes•
unterhalten, und man sucht alsdann vom Bankerott des Judentums
wenigstens die Sittenlehre zu retten. Diese Rettung reicht jedoch
noch nicht einmal für das populäre Bewußtsein aus; denn auch dieses
ist vom Monismus, wie von der Naturpoesie her, vom Pantheismus•
angekränkelt. Und nur dieser hat es zu verantworten, daß sich die
Religion hinter die Sittenlehre verkrochen hat.
Die Religion ist selbst Sittenlehre, oder sie ist nicht Religion.
Und die Sittenlehre ist selbständig nur als philosophische Ethik.
Diese Selbständigkeit aber wird nicht beeinträchtigt durch historische
Entlehnungen, welche sie, wie von allen Faktoren der Geschichte
und der Wissenschaft, so auch von der Religion in den Begriffen
Gott und Mensch zu entnehmen hat. Nur eine Bedingung besteht
für diese Aufnahme religiöser Einsichten durch die Ethik: die ur-
sprüngliche Gemeinschaft, welche durch die Vernunft bezeichnet
wird, kraft welcher auch die Religion als Religion der Vernunft
sich auszeichnet.
Wie könnte die Religion Religion der Vernunft sein, wenn, sigr
nicht als Religion zugleich Sittenlehre wäre? Auch durch diese
Identität von Religion und Sittenlehre erweist sich die Religion der
: 39

Vernunft auch subjektiv als Judentum, als Erzeugnis des einheit-


liehen jüdischen Volkes, des in dieser religiösen Erzeugung als
Einheit sich bezeugenden jüdischen Volkes. Vom Einzigen Gotte
richtet sich der Blick auf die einheitliche Menschheit und ebenso
auf jedes Individuum in seiner eigenen Einheit. Eine solche Bliekr
richtung bestimmt die Originalität und die Eigenart des jüdischen Geistes.
Für ihn gäbe es nur Gott und keine Welt? Dieses Wort möchte
allenfalls von der indifferenten Welt gelten , nimmermehr aber für
den Menschen. Eine fremde Schablone nur, die von einer heim-
tückischen Polemik her harmlos übernommen wird, kann hier einen
Gegensatz zwischen Gott und Mensch, zwischen Religion und Sitt-
lichkeit aufrichten. Der bekannte Prophetenspruch spricht dagegen:
‫״‬Er hat dir gesagt, 0 Mensch, was gut sei“. So treten Gott und
Mensch in eine notwendige Gemeinschaft am Problem des Guten.
Gott hat dies zu verkünden, dem Menschen zu verkünden: hat er
überhaupt noch etwas Anderes zu besagen? Und gibt es etwa ein
anderes Wesen, dem er etwas zu sagen hatte? Die Vernunft mit
ihrem Prinzip des Guten verbindet Gott und Mensch, Religion und
Sittlichkeit.
16. So hat uns das Prinzip der Vernunft zur Einheit von Religion
und Sittenlehre geführt. Und wenn anders die Quellen des Juden-
tums die Religion der Vernunft zur Enthüllung bringen, so wird
dadurch auch der Begriff der Vernunft in seiner Religion dem Juden-
tum seine wahrhafte Einheit stiften. Alle materiellen Momente, wie
sehr man sie immer zu verklären versucht, bleiben materiell, so
lange sie an der Gemeinschaft des Blutes haften. Sie machen auch
die geistigen Analogien, die u n te r anderem Blute sich finden
lassen, schwer verständlich und verdächtig. Wenn hingegen die
Vernunft das leitende Prinzip ist, so ist ein sicherer Maßstab
gewonnen, der eben sowohl die Eigenart zeichnet, wie er auch die
Gemeinschaft des Geistes herbeiruft und sichert. Von dieser Gemein-
schaft aus wird die Eigenart einer bestimmten Religion nicht zu
einer Schranke, welche die Möglichkeit anderer Religionen aus-
schließt. Sofern sie sich nur als Religionen der Vernunft aus ihren
Quellen erweisen, beweisen sie ihr Recht als Religion. Und der
Oberbegriff der Vernunft eröffnet die *Aussicht, daß sich eine Mehr‫־‬-
heit von Religionen unter ihm sammeln kann.
R e lig io n sp h ilo so p h ie hat nur dann wissenschaftliche Wahr-
haftigkeit, wenn sie sich sachlich und unbefangen auf ihre Quellen
40

beruft, diese in eigener Forschung auszugraben und in eigener Kritik


zu beleuchten strebt. Ich weiß mich frei von dem Vorurteil der Christ-
ichen Theologie aller Schattierungen und ebenso der christlichen
Religionsphilosophie aller Schattierungen, sofern sie die A b so lu th e it
des Christentums proklamieren; ich behaupte nicht, daß einzig und
allein das Judentum die Religion der Vernunft wäre: ich suche zu
begreifen, wie auch andere monotheistische Religionen an der Religion
der Vernunft ihren fruchtbaren Anteil haben, wenngleich dieser an
U rs p rü n g lic h k e it mit dem Judentum sich nicht messen kann.
Diese Ursprünglichkeit macht den Vorzug des Judentums aus. Und
dieser Vorzug gilt auch für seinen Anteil an der Religion der Ver-
nunft. Denn die Ursprünglichkeit ist das Wahrzeichen der schöpfe-
rischen, der von allen anderen Zaubern des Bewußtseins sich frei-
machenden, nur ein reines Gebild erzeugenden Vernunft. Die Ur-
sprünglichkeit trägt das Gepräge der Reinheit. Und R e in h e it in
der Erzeugung ist das Kennzeichen der Vernunft.
Kapitel I.
Die Einzigkeit Gottes.
1. Anstatt der Einheit Gottes setzen wir die Einzigkeit als den
Inhalt des Monotheismus. Die Einheit bezeichnet nur den Gegen-
satz zur Vielheit- der Götter. Und es muß schon fraglich sein, ob
dieser Gedanke der ursprüngliche war: ob er allein vermögend sein
konnte, den Monotheismus durchzusetzen gegen den Polytheismus•
Denn im Polytheismus handelt es sich ja nicht allein um die Götter
und ihre Vielheit, sondern um ihr Verhältnis zum Kosmos und zu
dessen großen Naturkräften, in denen allen zunächst ein Gott sich
objektivierte. Wenn daher der Monotheismus dem Polytheismus
entgegentrat, so mußte er auch das Verhältnis Gottes zum Universum
seinem neuen Gottesbegriffe gemäß verändern. Es kann daher für
den neuen Gottesbegriff sein Bewenden nicht haben durch die Unter-
Scheidung des Einen Gottes von den vielen Göttern, sondern diese
Einheit Gottes muß vielmehr auch auf die Natur erstreckt werden,
welche in vielen Kräften und Erscheinungsformen sich darstellt.
So tritt von vornherein das Verhältnis zur Natur in den Begriff
der Einheit Gottes ein. Und die Einheit wächst sogleich zu einer
Bedeutsamkeit empor, welche über den Gegensatz zur Vielheit hinaus-
geht, welche die Einheit nicht minder auch über den Gegensatz zur
Z u sa m m e n g e se tz th e it hinaushebt. Auch die Zusammengesetzt-
heit enthält die Beziehung auf die Natur, so daß sie auch für diese
die^ Zusammengesetztheit abwehrende Bedeutung der Einheit be-
stehen bleiben würde.
2. Die biblischen Quellen stellen uns an diesem Eingang zur
Keligion vor eine methodische Schwierigkeit Es hat den Anschein,
als ob allein schon der Gedanke der Einheit Gottes den Zugang
nicht zur Religion, sondern zur Philosophie, zur Metaphysik erschlösse
— zumal wenn die Einheit sogar die Einzigkeit bedeuten soll: was
bedeutet diese denn aber dem Universum gegenüber? Und dem
Universum gegenüber muß sie gedacht werden; denn der Vielheit
der Götter gegenüber würde die Einheit Gottes genügen; die Einzig-
heit Gottes wird der Welt entgegengesetzt. Was bedeutet nun dieser
Gegensatz?
Sobald ein Verhältnis zur Welt gedacht wird, entsteht das
Problem der Philosophie. Religion ist nicht Philosophie. Indessen die
Religion der Vernunft hat in ihrem Anteil an der Vernunft zum
mindesten Verwandtschaft mit der Philosophie. Und es kann daher
nicht auffällig erscheinen, daß innerhalb der Religion, schon bei
ihrem vermutlichen Anfang mit ihrem Gottesbegriffe dieser der Philo-
Sophie verwandte Anteil a.11 der Vernunft sich zu regen beginnt.
3. Alle Bedenken dagegen entspringen nicht einer geschieht-
liehen Methodik, welche bei tiefsten Grundbegriffen der menschlichen
Kultur schon auf ihren primitivsten Stufen eine Komplikation der
Vernunftmotive annehmen zu müssen erkennt. Das monotheistische
Prinzip hat eine Kulturtiefe, die es erklärlich macht, daß es in seinen
Ursprüngen bereits alle Probleme der natürlichen und ihres Analogons,
der sittlichen Welt in sich birgt. Wo und worin dieser Ursprung des
Monotheismus gelegen sei, das wird in der Formel eines Begriffs sich
nicht ■zusammenfassen lassen, schon aus dem Grunde, weil eben Gott’
und Welt von vornherein zusammengehören, und weil das Urmotiv
Gottes nicht bestimmbar werden kann ohne das Urmotiv der Natur.
Enthalten denn nicht alle geistigen Schöpfungen das unlösbare
Rätsel ihrer Entstehung in sich? Man soll Bedingungen aufsuchen,,
durch die ihre historische Erscheinung ermöglicht oder vorbereitet
wird. Man soll auch allgemeine historische Verhältnisse heranzu-
ziehen suchen, durch welche die geistige Entwicklung gefördert wird.
Aber wenn die allgemeine Atmosphäre noch so sehr gelichtet wird,
so wird es doch im letzten Grunde unerklärt bleiben müssen, mit
welchem geistigen Impuls die fragliche geistige Bewegung ihren Anfang
nimmt, so daß sie in diesem Impuls ihren Ursprung zu erkennen hätte.
4. Wenn es schon von dem Individuum des Künstlers gilt, daß
seine Individualität allein der letzte Grund der Gesetzlichkeit sei,
die er in seinem Werke hervorbringt, und wenn unter gewissen Ein-
Schränkungen in jeder geistigen Schöpfung das Genie der Erzeugung
waltet, so steigert sich dieses Geheimnis des Geistes für den N atio n al-
rgeist. Der Monotheismus ist nicht der Gedanke eines Menschen,
)sondern der gesamte jüdische Nationalgeist entfaltet sich in der Er-
Izeugung und Entwicklung dieses Gedankens, der das gesamte Denken
!dieses Volkes erfüllt. Man müßte die ganze Geschichte dieses
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Volkes in ein ürwort zusammenfassen könne!?, wenn man versuchen!


wollte, ‘ das Urmotiv zu formulieren, aus dem der Monotheismus
entsprungen ist. ‫־‬
Auch die historischen und politischen Verhältnisse geben keine
hinreichende Aufklärung: sie bilden das geistige Geheimnis de&
Volkstypus. Indessen fordert dieser selbst sein Verhältnis zu anderen
Völkern, wie der Eine Gott zu den vielen Göttern. Dieser not-
wendigen Voraussetzung tut die Überlieferung Genüge: der Ursprung-
liehe Polytheismus ist nach ihr unbestreitbar. Seine Fortentwicklung
führt zu seiner Selbstauflösung in den Monotheismus. Die historischen
Bedingungen lassen sich in das eine, aber vielseitige Moment zu-
sammenfassen: daß das Volk Urbewohner von Kanaan gewesen war,
sodann nach Ägypten auswanderte und von dort nach dem Mutter-
lande wieder zurückwanderte.
Der Monotheismus entsteht demnach nicht wie eine Schöpfung
aus dem Nichts, sondern er hat seine Vorbedingung in dem Poly-
theismus, der auch Israel in Kanaan eigen war. Und eine weitere
Vorbedingung bildet die' Aus wanderung nach Ägypten, wo der neue
Keim zum Monotheismus aufkommen und genährt werden konnte.
Und wenn nun das Volk die Kraft der Rückwanderung in das alte
Mutterland erlangte, so konnte diese politische Kraft in dem neuen
religiösen Motiv ihre Keimkraft haben, so daß beide Momente durch
einander erklärbar werden: die Rückwanderung und die Entstehung
des neuen Gottes.
Aber diese geschichtlichen Momente sind nichts als Vor-
bedingungen, und sie enthalten noch nicht das positive Moment für
den neuen Gott, der durchaus nicht allein zu den Göttern, sondern
zur Natur im Verhältnis entstehen muß. Wir müssen hier den
Quellen vorgreifen, die vielleicht in ihrer Naivität dieses spekulative
Urverhältnis verdecken. Wir werden daher von dem Verhältnis der
Q u ellen zu ihrem Inhalt eine vorläufige Orientierung zu versuchen
haben.
5. Es ist schon auffällig, daß das Judentum seine vorzüglichen
Quellendokumente in einer L ite ra tu r darstellt, während der Poly-
theismus sie vorzüglich in Denkmälern der P la s tik besitzt. Die
Plastik macht sich zur Analogie der Natur. Die Poesie dagegen,,
als die Ursprache der Literatur, macht den geistigen Gedanken
auch durch die Form innerlicher, als er durch die bildende Kunst
werden kann. Und die hebräische Poesie beschränkt sich auf Epos
u
;und L yrik. An die Steile des Dramas tritt an der Grenze der Poesie
die R edekunst auf, welche insbesondere des Epos siel! bedient.
Aus dieser epischen Urform des monotheistischen Gedankens
erklärt sich die N a iv itä t im Stil der Bibel. Und diese Naivität um-
faßt den innersten Inhalt der Gedanken, wie die Erzählung und die
Bearbeitung der nationalen Urgeschichte. Diese B e a rb e itu n g der
alten Quellen geschieht nach einer Regel, welche nur aus der
epischen Urform des Nationalgeistes verständlich wird. Die Ur-
schichten der Gedanken werden nämlich nicht ausgeschältet; noch
auch nur verdeckt,. und, geglättet,:‫ י‬sondern.*•■‫־‬.sie*werden ‫ י‬überbaut,* 80 ‫י‬
daß die Unterschicht noch durchsichtig wird durch die Oberschicht.
Das Verständnis der Quellen und die literarische Kritik der Bibel
wird durch diese Stilform in große Schwierigkeiten verstrickt. Es
muß die Einsicht aller Schablone gegenüber aufleuchten, daß der
Fortschritt in der religiösen Erkenntnis an der Bearbeitung und Um-
deutung der Quellen sich vollzieht, während diese selbst in ihren
einzelnen Schichten erhalten bleiben und nur etwa neu geordnet
oder neu unterstrichen, werden. Die. Bestätigung dieser exegetischen
Ansicht werden wir auch in den Stadien des monotheistischen
Gottesbegriffs zu erproben haben.
^ 6. Ein schier unaufklärbares Wunder bildet ja schon die P lu r a l-
form des Gottesnamens: Elohim . Nach der Schablone lautet die
Erklärung, daß der ursprüngliche Polytheismus in diesem Gottes-
namen sich erhalten habe, und daß er immer von neuem gegen den
neuen Gottesnamen Jah v e hin durchbreche: als ob im Monotheismus
ein Rudiment des Polytheismus nicht zur Aufsaugung gekommen
wäre. Widersprüche und Rückstände des Dualismus sind die üblichen
Beihülfen der Schablonenkritik, die jedoch den Problemen des Stils
eines N a tio n a lg e iste s in seiner Geschichte nicht gerecht werden
kann.
Wenn die Erhaltung der Pluralform Elohim als ein Wunder
erscheint, so wird dieses aufgehoben durch das größere Wunder:
daß zu dieser Pluralform die S in g u la rfo rm im Adjektiv, wie in der
Zeitform des Verbums hinzutritt. Dieses psychologische Wunder ist
eine logische Mißgeburt, die es nicht geben kann. Die Logik kommt
daher hier der Psychologie zu Hilfe. Wenn die grammatische Form
schlechterdings einen Unsinn und Widersinn besagt, so wird die
Psychologie von der JLogik dahin belehrt, daß das Bewußtsein bei
diesem Pluralworte keinen Plural gedacht haben kann, sondern wie
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es die Verbindung mit der Singularform beweist, daß die Pluralform


nur als ein Singular gedacht worden sein kann.
Und wenn diese Selbstverwandlung des Plurals in einen Singular
trotz dieser logischen Unterstützung psychologisch noch fraglich
bleiben sollte, so wird diese Frage eben aufgehoben durch die Ein-
sicht: der neue Gott wurde mit solcher Energie und Klarheit in
seiner Einheit gedacht, so daß die grammatische Pluralform diesen
neuen Gehalt des Bewußtseins nicht beschädigen konnte. Es wird
jetzt sogar umgekehrt die Erhaltung der Pluralform zu einer Instanz
für die Energie des neuen Gedankens: daß sie gar keinen Anstoß
gab. Eine Literatur, die dem ‫״‬Höre, Israel“ Einlaß gegeben hatte,
konnte unbefangen den alten Namen fortleben lassen, dessen Um-
deutung gesichert war, auch wenn der neue Gottesname nicht hin-
zugekommen wäre.
Wir enthalten uns, in die Erörterung der Frage über die elohis-
tischen und jahvistischen Quellen, einzutreten. Aber •wir dürfen darauf
hin weisen, daß von unserem methodischen Gesichtspunkte aus nicht
gänzlich an der Einheitlichkeit dieser beiden Quellen gezweifelt werden
darf. Es steht keineswegs so, daß nur die eine Quelle monotheistisch
wäre. Vielmehr hat auch die eiohistische ihren vollen und sicheren
Anteil an dem Emporstreben zum reinen Monotheismus.
7. Noch ein anderer Gottesnarae ist von altersher gegeben: E l
sch ad d äj. Wir halten uns für die Erklärung dieses Namens an die
ungünstige Position, welche im Zusammenhang dieses Namens mit
Sched, dem allgemeinen Namen für Dämonen, gegeben ist. Der
literarische Gunstumstand bei diesem Namen besteht in seiner
Gegenüberstellung mit dem neuen Jahve. ‫״‬Und ich erschien dem
Abraham, dem Isaak und dem Jakob als El schaddaj, und meinen
Namen Jahwe hatte ich ihnen nicht .,bekannt gegeben.“ So heißt es
bei der: Berufung Moses. (2. M. 6,1). Hier wird also Jahwe nicht
dem Elohim, und auch nicht dem El allein, sondern dem El schadaj
entgegengestellt. Indessen hat die spätere Auffassung aus schadaj
den Allmächtigen gemacht.
Positiv den Schöpfer, wie negativ den Vernichter, verbindet
die biblische Sprache durchgängig mit diesem Worte, und es ist
charakteristisch, daß H iob vorzugsweise mit diesem Gottesnameny
der die göttliche Urgewalt bezeichnet, operiert. Daher entspricht
die Deutung des M aim onides einem richtigen Sprachgefühl, wenn
er von der Wurzel ‫ די‬ausgehend, die S e lb stg e n ü g sa m k eit in dem
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. Worte ausgedriiekt findet, und wenn er zugleich die Probe dieser


Selbstgenügsamkeit• darin bestimmt: ‫ ״‬daß er sich genug sei zur
. Hervorbringung der Welt“ ( ‫)יש לו די להמצאת דברים זולתו‬.
8. So tritt also auch hier der älteste Gottesname in Beziehung
zur Welt, und zwar als S chöpfer. Es muß danach schon der
Gedanke berechtigt sein, daß der neue Name Jahwe umso bestimmter
.diese Beziehung enthalten werde. Man müßte denn annehmen, daß
.die Berufung Moses und die Offenbarung als Jahve auf einen Gottes-
namen zurückgriffe, der schlechterdings nur ein Zaubername wäre.
;Wenn anders hingegen die Zusammenstellung der beiden Namen
.‫־‬eine Fortentwicklung des einen zum anderen folglich bedeuten muß^
so erweist sich auch hierdurch die Beziehung Gottes zur Welt als
eine ursprüngliche und als eine im Wesen Gottes begründete. Und
so verliert es allen Schein künstlicher Deutung und unhistorischer
Vergeistigung, wenn wir den Anteil des Monotheismus an der
Vernunft auch am S ein sp ro b lem der Vernunft annehmen, und
diesen Anteil aus den Quellen herzuleiten suchen. Ohnehin macht
die Wurzel des Wortes Jahwe diesen Zusammenhang mit dem Worte
Sein (‫ )היה‬zu einer sprachlichen Tatsache. Und wir werden zu
beachten haben, wie die erste Offenbarung diesen Zusammenhang
mit dem Sein klarstellt.
9. Zuvor, aber sei die Orientierung gewonnen über den allgemeinen
Zusammenhang, der auch in der griechischen Philosophie zwischen
den drei Begriffen des Seins, der Einheit und Gottes schon in der
Philosophie der E leaten sich vollzieht. Xenophanes war der erste
in dieser Reihe, der diese Verbindung stiftete. Er schon faßte den
Kosmos unter dem Vorbegriffe des Seins. Nicht die Voraussetzung
;eines Stoffs und seiner Verwandlung brachte ihn zu dem Gedanken
Y0n der Einheit der Natur, sondern an der Ahnung des Seins erst
ionnte der Gedanke der geordneten Einheit, des Kosmos entstehen.
Dem Sinnenschein entgegen, der nur Wechsel und Veränderung
dartut, mußte daher als Sein die Natur zu einem Gegenstand des
Denkens im Unterschiede von der Wahrnehmung gedacht werden.
Den Unterschied zwischen Denken und Wahrnehmung vollzieht die
Einheit. Man kann zweifeln, ob die Einheit oder das Sein das
erste Erzeugnis des Denkens sei. Sie gehören beide zusammen,
•entstehen in Wechselwirkung. Ohne die Einheit köhnte der Kosmos
uicht als Sein gedacht worden sein. Und ohne das Sein könnte der
Kosmos nicht als Einheit gedacht worden sein.
47

Die Wechselwirkung zwischen Sein und Einheit beruht 4‫׳‬auf der


Mitwirkung des dritten Begriffs, des Begriffs von Gott, der in Ein-
heit bei Xenophanes hervortritt. ‫״‬Auf den gesamten Kosmos
hinblickend, sagte er, dieses Eine sei der Gott.“ Immerhin also
ist in der Verbindung von Welt und Einheit auch philosophisch der
Gottesbegriff entstanden. Aber der Unterschied vom Gottesbegriffe
der Religion wird, hier sogleich zu einer Macht in der Geschichte
des Geistes. Es hat nämlich hier nicht sein Bewenden dabei, daß
der Kosmos als Einheit gedacht wird, noch dabei, daß Gott als
Einheit gedacht wird, sondern beide Einheiten werden in Eins
gesetzt. Beide stellen jedoch das Sein dar, und beide machen es
zu einem Sein. So entsteht an der Schwelle der griechischen Philo»
sophie der P a n th e ism u s.
10. So erzeugt innerhalb der Philosophie die Verbindung der
Begriffe Gott und Welt vermittelst der Einheit das Eine Sein des
Kosmos und dessen Identität mit der Einheit Gottes. Die Ver-
bindung mit dem Sein hat auch hier den Einen Gott hervorgebracht;
denn die Verbindung zwischen dem Sein und dem Kosmos hat auch
die Verbindung zwischen Gott und der Einheit zur Folge gehabt.
Weiter aber als bis zur Einheit bringt es hier der Gedanke Gottes
nicht. Daher geht diese Einheit sogleich als Identität von Gott und
Welt über. Die Einheit Gottes ist daher im Grunde nichts anderes
als die Einheit der Welt, und sie ist nur das Mittel, mit dem die
Einheit der Welt, wenn nicht zur Entdeckung, so wenigstens zur
Bestätigung gebracht wurde.
Der Vernunftanteil, den die Religion gewinnt, darf nun aber hierbei
nicht stehenbleiben. Pantheismus ist nicht Religion. Diesen Grund-
gedanken werden wir von Schritt zu Schritt zur Klarheit zu bringen
haben. So *kann auch die Einheit Gottes nicht der tiefste Sinn des
Monotheismus sein. Sie ist immer nur sein negativer Ausdruck, der die
Differenz vom Polytheismus bezeichnet. Und ferner auch ist sie der
negative Ausdruck gegen den Pantheismus, insofern sie negativ die
Z u sa m m e n g e s e tz th e it und dadurch die Identität mit der Welt
ausschließt. Diese aber wäre das ,Merkmal des Pantheismus, wäre
das Merkmal des Kosmos, wenn nicht die Einheit Gottes dem Kosmos
die Einheit erbrächte. So ist die Einheit, als Gegensatz zur Zu-
sammengesetztheit, in der Tat nur ein negatives Attribut, als welches
die arab isc h en Philosophen sie auch nur gelten lassen wollen.
11. Positiven Sinn hat die Einzigkeit. Auch sie sammelt unter
:=48

ihrer Wacht die Begriffe Sein und Gott. Aber jetzt tritt strenge
Id e n titä t ein für diese beiden Begriffe. Die Einheit wird zur
Identität, wie dieser Fortschritt sich auch bei Parmenides vollzieht.
Nur Gott hat Sein. Nur Gott ist Sein. Und es besteht keine
Einheit, die Identität wäre zwischen Gott und Welt, keine Einheit
zwischen Welt und Sein. Die Welt ist Schein. Dieser Gedanke
wirft auch hier schon sein Licht vorauf; nur Gott ist Sein. Es gibt
nur eine Art von Sein, nur ein einziges Sein: Gott ist dieses
einzige Sein. Gott ist der Einzige.
Im ‫״‬Höre, Israel“ wird die Einzigkeit durch das Wort Echad
bezeichnet. Im rabbinischen' Schrifttum tritt für die Einzigkeit
Gottes das genauere hebräische Wort Jic h u d ein. Dieses bezeichnet
den Einzigen, und so wird durch diese Wortbedeutung die Einzigkeit
Gottes von der Unklarheit befreit, die der Einheit anhaftet. Auch das
Wesen Gottes wird in der rabbinischen und religionsphilosophischen
Literatur im Anschluß an dieses Wort als Jichud (‫ )יחוד‬bezeichnet.
Und auch das Wort, welches an Echad (‫ )אחד‬sich anschließt:
Achduth (‫ )אחדות‬wird gebraucht. Aber es dürfte nicht richtig sein,
daß der arabische Gebrauch hier entscheidend geworden sei. Denn
Jichud bedeutet nicht allein, nicht vorzugsweise die subjektive Tat,
welche in der Widmung an Gott, in der Anerkennung seiner Ein-
heit die Einigung vollzieht, sondern bei Gott selbst kann es gelten,
faktitiv diese Einigung zu vollbringen. Achduth stellt die Einheit
als Tatsache, als Sein dar; Jichud dagegen stellt gleichsam die
Funktion dar, in welcher diese Substanz sich vollzieht. Worauf es
uns ankommt, das ist der Gedanke: daß innerhalb der religiösen
Entwicklung die Einheit durchaus als Einzigkeit zur Durchführung
kam, und daß diese Bedeutung der Einheit Gottes, als Einzigkeit, das
einzige Sein Gottes zur Erkenntnis brachte, gegen welches alles andere
Sein verschwand und zum Nichts wurde. Gott allein ist das Sein.
12. Der Unterschied von der griechischen Spekulation, durch den
unmittelbar auch der Pantheismus ausgeschlossen wurde, besteht in
der Bezeichnung dieses Seins als des Seienden, in der V erw an d lu n g
des N e u tru m s in die P erson. Hierdurch wird freilich der An-
thropomorphismus unvermeidlich, und es wäre anch der Verfall in des
Mythos unvermeidlich, wenn nicht von den ersten Anfängen der münd-
liehen Lehre an der K am p f gegen den A n th ro p o m o rp h ism u s
als die Seele der jüdischen Religionsbildung sich bewährte. Man darf
vielleicht sagen, daß dieser Kampf schon bei der Bearbeitung des
49

Kanons mitwirkte. Wir Brauchen daher auf dieser Stufe unserer


Entwicklung keinen Anstoß zu nehmen‫ ־‬an der Verwandlung des
Abstraktums in die Person, zumal allein schon die Verbindung mi%
dem Sein die Gefahr, die allerdings mit der Person verknüpft ist’,
wenigstens verringert. Gott ist nicht das Seiende, und auch nichf
das Eine, sondern der einzig Seiende. 1
13. Unter allen Stilwundern der mosaischen Bücher ist vielleicht
doch das größte der Bericht über die erste Entstehung des Mono-
theismus. Am brennenden Dornbusch ereignet sich die erste Offen-
barung dieses Gottes des Seins. Und das mythische Wunder von
dem Feuer, das den Dornbusch nicht verzehrt, bildet nur die Szenerie
zu einem der ersten Akte der Weltgeschichte: der Befreiung Israels
aus der ägyptischen Knechtschaft. Mose, der die Schafe Jethros,
seines Schwiegervaters hütete, wird vom Dorabusch heraus von Gott
berufen. Und die Stätte, auf der diese Berufung stattfand, wird als‫׳‬
ein Boden der Heiligkeit bezeichnet. Gott selbst nennt sich zuerst
‫״‬der Gott deines Vaters der Gott Abrahams, der Gott Isaaks und der
Gott Jakobs“ (2 M. 3, 6). ‫״‬So laß dich nun von mir zum Pharao
senden und führe mein Volk, die Israeliten, aus Ägypten heraus.“
‫״‬Da sprach Mose zu Gott: wenn ich nun aber zu den Israeliten
komme und ihnen sage: der Gott eurer Väter hat mich zu euch
gesandt, und sie mich fragen: was ist sein Name? was soll ich
dann ihnen sagen? Da sprach Gott zu Mose: Ich bin, der ich bin.“
Von verhängnisvoller Falschheit ist die Übersetzung bei Kautzsch:
‫״‬Ich bin wer ich bin“. Sie ist schon kaum verständlich, wenn nicht
überhaupt sinnlos. Der Sinn des Irrtums wird in der Anmerkung
enthüllt. ‫״‬Über die ursprüngliche Bedeutung des Namens herrscht
noch immer Streit. Sicher ist nur, daß die Erklärung des Namens
. . an ein Imperfekt Qual des Zeitworts Hawa (ältere Form für
Haja) in der Bedeutung ‫״‬er ist“ denkt. Damit soll er schwerlich
als der ‫ ״‬wahrhaft Seiende“ im philosophischen Sinn, sondern eher
als der immer Seiende und. Unveränderliche hingestellt werden“.
Für unsern ‫״‬philosophischen Sinn“ genügt uns das Zugeständnis, daß
Gott hier als der ‫״‬immer Seiende und Unveränderliche“ sich offen-
bart. Wir legen unsere philosophische Erörterung keineswegs in den
biblischen Text hinein, sondern wir stellen diese nur an, um die
Urtiefe des Bibelwortes zu belichten und seine geschichtliche Quellen-‫־‬
kraft zum Verständnis zu bringen. Mose fragt nach dem Namen
des Gottes, den er den Israeliten nennen soll, und Gott antwortet:‫׳‬
4
50

ich bin der Seiende. Ich bin der, der nicht anders benannt werden
kann als durch ‫״‬ich bin“. Darin schon ist ausgedruckt, daß kein
anderes Sein diese Verbindung des Seins mit sich behaupten darf«
Fahren wir fort im Texte, der unmittelbar weiter lautet: und
Gott sagte: ‫״‬So sollst du den Israeliten sagen, der ‫״‬ich bin“ hat
mich zu euch gesandt.“ Also nicht Jahwe habe Mose gesandt,
sondern in dieser Zeitform der ersten Person soll Mose auf die
Frage der Israeliten nach dem Namen seines Gottes diesen Namen
benennen. So bestimmt wird das Sein als dasjenige benannt, was
in dem Namen die Person Gottes bezeichnen soll. Wenn das noch
nicht Philosophie ist, so ist es sicherlich doch Vernunft in dem U1*r
sinn dieses Wortes.
Wenn es nun im Texte weiter heißt: ‫ ״‬der Ewige, der Gott
Eurer Väter, der Gott Abrahams, der Gott Isaaks und der Gott
Jakobs hat mich zu euch gesandt“, so scheint hier ein Widerspruch
zu bestehen gegenüber der Einrede Moses (Vers 13) ‫״‬Wenn ich nun
aber zu den Israeliten komme und ihnen sage: der Gott eurer Väter
hat mich zu euch gesandt, und sie mich fragen“ usw. Der Text
lautet aber V. 15 weiter: ‫ ״‬dies ist mein Name auf immer und dies
mein Gedächtnis von Geschlecht zu Geschlecht“. Die Feierlichkeit
dieser Aussprüche in der Einsetzung des Gottesnamens für alle
Zukunft und seiner Anrufung für alle Geschlechter erklärt sich .nur
bei ihrer Beziehung auf den neuen Namen des Seienden. Aber der
Text will dennoch keinen Schein der Differenz bestehen lassen
zwischen dem neuen Namen und dem historischen, der j a auch
keineswegs einen Nationalgott bezeichnet, sondern nur den Gott der
Väter, der zudem vorher als ‫ ״‬dein Gott“ bezeichnet worden war.
So wird es klargestellt, daß Gott, als der Seiende, der Gott Israels
ist. Er beruft sich demgemäß auch auf die Ewigkeit und auf alle
Geschlechter. Unter diesem neuen Namen soll Mose das Vertrauen
Israels zum Gott ihrer Väter erwecken.
Diesen Inhalt mit seiner gewaltigen Symbolik hat die Erscheinung
am Dornbusch. Der Dornbusch verbrennt nicht. Gott ist der
Seiende. Die Übersetzung des Gottesnamens Jahwe, als der Ewige,
ist durchaus dieser Grundquelle der Offenbarung entsprechend.
Der Ewige bezeichnet den Seienden als Gott, als Gott im Unter-
schiede von der Welt, als den Einzigen* dem gegenüber die Welt
kein Sein haben soll. In dieser Einschränkung verliert hier das
Sein seine philosophische Bedeutung. Aber diese wird ihm nicht
51

etwa dadurch gerettet, daß Identität gesetzt wird zwischen dein


einzig Seienden und dem Sein der Welt.
• Das einzige Sein, welches allein der einzige Gott vertritt, hebt
zunächst das Sein anderer Götter auf. ‫״‬Die Götter der Völker sind
nichtig“. ( ‫ ) אלהי העמים אלילים‬Ps. 96,5)• Dieses hebräische Wort
{‫ )אל‬entstammt der Wurzel, welche schlechthin die Negation bedeutet.
Die Verachtung, welche der Monotheismus für alles Götterwesen
hat, wird durch diese Grundeinsicht genährt. Es ist nicht nur
ein falscher Begriff, sondern ein Unbegriff vom Sein, den der Götter-
glaube annimmt. Das Sein aber muß behauptet, muß richtig er-
kannt werden.‫ ־‬Von diesem Vernunftprinzip wird der Monotheismus
geleitet. Die Götter bilden einen Widerspruch zum Sein.
So wird auch der Dekalog verständlich. ‫״‬Du sollst keine
anderen Götter mir gegenüber haben“. Man müßte übersetzen: du
sollst keine anderen Wesen als Gott haben. Das Andere wird dem
Einzigen entgegengesetzt. Es gibt nichts anderes im wahren Sein
neben ihm und außer ihm. Es gibt nicht bloß keinen anderen]
•Gott, sondern überhaupt kein Sein außer diesem einzigen Sein.f
J esaja sagt nicht nur: ‫״‬Es ist kein Gott außer mir“ ( ‫)ומבלע|די אץ א^הים‬
(Jes. 44,6): er sagt auch: ‫״‬Nichts ist außer mir“ (‫( ) אבס בלעדי‬Jes.
45, 6). JJas Nichtssein wird als Nichts dem einzigen Sein entgegen-
gestejlt.
14. So besteht die Einzigkeit in der U n v erg leich b ark eit.
‫״‬Wem wollt Ihr mich vergleichen, daß ich gleich wäre?“ (Jes. 40.25)
(.‫)ואל ־מי הדמיוני ואשור‬. Es ist nicht genau übersetzt: ‫״‬Niemand ist
dir gleich“ ( ‫) אין כמוך‬. Denn es muß auch heißen: nichts ist dir
gleich. Die Unvergleichbarkeit betrifft ebenso sein' die Natur, wie
jeden andern Begriff von Gott. Daher müßte die vorige Frage
ebenso auf die Sache ( ‫ ) אל מה‬wie auf die Person ( ‫ )אל מי‬gehen.
15. Die Einzigkeit bedeutet- demgemäß auch die U n tersch eid u n g
zw ischen Sein und D asein. Und in dieser Unterscheidung bewährt
.sich vorzüglich der Anteil der Vernunft am Monotheismus. Denn
das Dasein wird von den Sinnen bezeugt, von der Wahrnehmung.
Dahingegen ist es die Vernunft, welche gegen den Sinnenschein,
der dem Dasein Wirklichkeit verleiht,‫ ־‬das unsinnliche Sein entdeckt,
das Unsinnliche zum Sein erhebt, $ls das Sein auszeichnet.
Und dieser Vernunftvorzug des Monotheismus in seiner Ursprung-
liehen Reinheit läßt sich negativ in dem Fehler erkennen, dem das
e n tö lo g is e h e Argument des Mittelalters sich nicht entziehen konnte.
4*
}ndem. es die E x isten z mit der E ssenz ,des Seins vereinigt-, gibt ‫׳‬e$
keineswegs dem Denken der Vernunft die Souveränität, wie es den
Anschein hat, sondern es vermengt das Denken mit der Empfindung,,
als ,ob erst durch die Anerkennung der Empfindung in ihrer Eigen■‫״‬
art,. in ihrer Souveränität das Denken zu seiner Vollendung kämer
als ob daher auch erst die Sinnlichkeit der Vernunft ihr Becht veiv
liehe.-.So wird flie Differenz begreiflich, welche der Islamische, wie*
der Jüdische Monotheismus in der A ttrib u te n le h re gegen den
christlichen Ontologismus erhebt.
16; Die Einzigkeit bedeutet daher auch in dem Sinne den Unter-‫״‬
schied von der E in fa c h h e it, daß diese nur den Gegensatz bildet
zur Zusammengesetztheit, die das allgemeine Merkmal der Materie■
ist. Aber diese Einfachheit genügt nicht für das Sein Gottes. Das
(einzige ,Sein Gottes besteht darin, daß es auf keine Mischung ein‫״‬
j geht, ^keine Verbindung mit dem sinnlichen Dasein zuläßt. Der
s Ontologismus. der auf dieser Verbindung von Sein und Dasein beruht■*,
enthält :keinen Schutz gegen den Pantheism us!, der vielmehr gerade
auf den Ontologismus in allen seinen Hauptvertretern sich stützt. ‫׳‬
Der Monotheismus verträgt keine solche Vermischung, keine
Entstellung des Seins durch das Dasein. Ihm ist der Pantheismus‫״‬
nichts anderes als Anthropomorphismus. Und alle diese Probleme
werden hinfällig vor der Einzigkeit des Seins. Widerspruch da‫״‬
gegen enthält nicht nur die These: D eus sive n a tu ra , sondern
schon das ontologische Argument insofern es die Existenz in die
Essenz involviert. Dadurch mag es die Einheit der Substanz defi‫״‬
nieren, ihre Einzigkeit aber wird dabei aufgehoben. So kommt es-
hier zu der Konsequenz ‫״‬Nichts außer mir“. Der Kosmos, die
Natur, wird verneint.
17. Fragen wir nun jetzt nicht: welchen letzten Sinn aber
könnte Gott haben, wenn er keine Welt hat, die doch schließlich
die Menschen weit ist? Diese Frage darf keinen Anstoß bilden;:
sie muß zu einer klaren Befriedigung gebracht werden. Gott
kann nicht ohne die Welt, nicht ohne die Menschenwelt bleiben-
Nur im Sein darf die Natur mit Gott nicht eingesetzt werden.
Die Natur unterliegt den Schranken von Baum und Zeit. Diese*
Grundbegriffe der Metaphysik erheben sich auch in der Vernunft
des Monotheismus. Der Baum darf jedoch, keine Schranke sein
für das Sein Gottes. ‫ ״‬Die Fülle“, das Ganze ‫״‬der Welt ist seiner
Herrlichkeit“. Dies , dürfte der Sinn des Satzes: aus der Vision Jesajas»
53

Sein (‫מלא‬ ‫ ) הארץ כבודו‬.^ Während 'sonst die Erde, die Welt nur
Nichts ist, soll sie jetzt die Herrlichkeit‫ ״‬Gottes in «ich enthalten:
in seiner Fülle, in seiner Unendlichkeit. Die Raumschranken sind
jetzt vor dem monotheistischen Blicke gefallen. Es wird so ver-
stündlich, daß in der Religionsphilosophie des Mittelalters* wie
im Talmud, der R aum (‫ )מקום‬ein Gottesname wird. Und schon in
der Abwehr des Anthropomorphismus, welche die ältesten Bibelüber-
Setzungen charakterisiert, ist diese Tendenz erkennbar.
18. Auch ein anderer Ausdruck für die Gottheit dürfte aus dieser
Übertrumpfung des Raumes verständlich werden: die Sehe China.
‘Die Wurzel'des Wortes bedeutet liegen und ruhen. Und in dieser
Bedeutung wird es ganz allgemein mit Gott verbunden. Die Fixierung
des Wortes aber zu einem Gottesnamen will offenbar das Sein durch
Ruhen beschreiben. Aller Wechsel, alle Veränderung soll vom Sein
Gottes entfernt werden. Der Philosoph sagt: Gott ist Substanz.
Die monotheistische Religion sagt: Gott ist Sehechina, absolutes ruhen.
Die Ruhe aber ist dg§ ewige Urgrund der Bewegung. So wird es
auch bei Gott gemeint sein. Nur von seinem Sein an sich ‫ ־‬soll
die Bewegung ausgeschlossen werden. Aber dies bedeutet keines-
wegs, daß sie durch dieses Sein unmöglich gemacht würde: viel-
mehr soll gerade durch dieses Sein der Ruhe ein Sein der Bewegung
erst möglich werden.
1; 19. Und wie der Raum, so ist auch die Z eit keine Schranke
des göttlichen Seins. ‫״‬Ich bin der Erste und ich bin der Letzte“
(‫(אני ראשון ואני אחרון‬. ‫ ״‬Ich bin es, ich bin der Erste, auch bin ich
der Letzte“ (Jesaja, 46, 10, 48, 8, 10). Es •genügt nicht: ‫״‬Ich bin
der Erste und Ich bin der Letzte“ ; es ‫״‬genügt auch nicht, wenn
hinzukommt: ‫״‬und außer mir ist kein Gott“. Es muß auch noch
hinzukommen: ,;nichts ist außer mir“. Damit erst ist die Ew ig-
k e it in der Einzigkeit begründet.
f, 20. Durch den Gegensatz der Zeit ist die V erän d eru n g vom
göttlichen Sein ausgeschlossen. ‫״‬Ich, der Ewige, verändere mich
nicht“ (‫) אני ה׳ לא שניתי‬. Diese Vernunftbestiminnng berührt schon
die ethische Grenze. Die Unveränderlichkeit folgt zunächst aus der
Bedeutung des Seins als B eh arru n g . Aber die Beharrung ist auch
die Grundlage und Voraussetzung zur Bewegung. Daher wird das
negative Attribut der Unveränderlichkeit notwendig, welche von aller
Zeitlichkeit■ des W erdens das göttliche Sein unterscheidet. ‫״‬Ich
bin, der Ich bin“. Das Sein ist hier bestimmt als das Sein eines
54

Ich," nicht das einer Substanz für die Bewegung der Materie; Und
in diesem Unterschiede zwischen Unveränderlichkeit und Beharrung*
entsteht die eth isch e Bedeutung Gottes, als des Einzigen, welches
durch den Ausschluß der die M a te rie konstituierenden Merkmale
vorbereitet wird.
21. Dieser allgemeine Gegensatz zum M a te ria lism u s wird ein
Analogon zur Philosophie des Id e a lism u s. Der philosophische
Idealismus begründet sich im Idealismus der Natur und erst auf
dieser die Naturwissenschaft rechtfertigenden Grundlage baut sich
der Idealismus der Ethik auf. Solche Grundlage wird hier ver-
schmäht. Aller Enthusiasmus des Denkens beschränkt sich auf
das einzige Sein Gottes.. Die Natur ist an sich ein Nichts. Wenn
dadurch zwar die Wissenschaft verfehlt wird, so wird dieser Schaden
zu ersetzen gesucht durch eine Herabsetzung alles Irdischen in
seine indifferenten Werte gegenüber der Erkenntnis des G uten.
Der Gegensatz zum E udäm onism us wurzelt daher tief im reinen
Monotheismus. ‫״‬Eitelkeit der Eitelkeiten, alles^t eitel, spricht Kohelet“
(Koh. 1.1). Was man im Psalm 73 bewundert: ‫״‬Was liegtmir am Himmel,
mit dir im Bunde habe ich kein Gefallen an der Erde“ — ohne die positive
Ergänzung, welche dieser Vers bringt, enthält der Grundgedanke des ein-
zigen göttlichen Seins allein schon die Begründung dieser Stimmung, dieser
religiösen Grundgesinnung. Es besteht kein Interesse an Himmel und
Erde: ‫״‬sie wandeln, Du aber bleibst“. In allem Wechsel sieht der
Psalmist mit dem Propheten das Symptom eines Nichtigen, das nur
vergänglich sein kann. Der Seiende allein ist unvergänglich, ist ewig,
er kann sich nicht verändern.
Für die von Alexander v o n H u m b o ld t so tief bewunderte Natur*
Schilderung des Psalmen 104 ist bei aller Naivität der Naturpoesie diese
E rh a b e n h e it ü b er alle S ch ö n h eit der Natur ebenso energisch die
Grundstimmung, wie der Natursinn an der Erhabenheit der Natur.
Es wäre ferner auch nicht verständlich, wie dieses religiöse Volkbei
/ dem Anteil seiner Keligion an der Vernunft nicht auch den Anteil an der
W isse n sc h a ft ergriffen hätte, wenn nicht diese weltgeschichtliche
Einseitigkeit seinen Geist erfüllt hätte: es gibt nur ein einziges
Sein, und nur dieses ist. in allen seinen Gründen und Abfolgen
durchzudenken. Die Natur aber ist und bleibt diesem Sein des gött-
I liehen Ich gegenüber ein Nichts. Nur so konnte aus dieser Metaphysik
j des Monotheismus heraus der Einzige Gott der Ethik entstehen, aus
I der Kausalität der Natur die Teleologie der Sittlichkeit.
22. Die Anstöße waren nicht zu vermeiden, gegen die diese Starr•
heit der Einzigkeit sich zu wehren hatte. Auch ohne die Be-
rlihrung mit fremden Anschauungen wären sie innerlich nicht zu
umgehen geblieben. In P e rs ie n widersetzte sich ihnen die Lehre
von den zw ei göttlichen Regimenten, die allerdings nicht allein
physisch auf L ich t und F in s te rn is, sondern unmittelbar ethisch auf
das Gute und das Böse sich bezogen. Gegen diesen Dualismus
mußte der Monotheismus sich behaupten. Wir werden später sehen,
wie diese Behauptung ethisch begründet wurde; hier genüge die
Anführung, daß J e s a ja an die Gegenüberstellung Gottes zu Nichts den
Ausspruch anknüpft. ‫״‬Bildner des Lichts und Schöpfer der Finsternis, Ur-
lieber des Friedens“ usw. (Jes. 45,7). Der Friede wird zwar hier dem
Lichte zugeordnet, dennoch aber sollte man an seiner Stelle das
Gute erwarten, denn unmittelbar darauf erklärt sich Gott auch nach
der gewöhnlichen Übersetzung als Schöpfer des Bösen. Der Friede be-
deutet aber nach der hebräischen Sprachwurzel die V ollkom m enheit.
Diese teleologische Vollkommenheit ist es, zu welcher sich hier die
Einzigkeit ausprägt, um den Gedanken der zwei Regimente niederzu-
schlagen. Die Einzigkeit enthebt nicht nur der Vergleichung mit aller
Weltlichkeit, sondern auch mit der alles scheinbaren Weltregiments. Es
kann ebensowenig zwei Regierungen der Welt geben, als es zwei
gleichwertige Arten des Seins gibt. Alles scheinhafte Dasein ist ver-
.gänglich, und, als solches, nichtig. Es kann nicht einen eigenen Gott
haben, da es kein eigenes wahrhaftes Sein hat.
23. Noch ein anderer Widerspruch ist dem Monotheismus aus der
Vernunft entstanden und auch vom jüdischen Geiste selbst genährt
worden. Dem griechischen Denken widersteht die Verachtung der ■
Natur, und alle Mystik, die auch dort sich erhob, konnte diesen ‫ן‬
Widerstand nicht lähmen. Als nun die Juden in A lexandria nach!
dem Bilde des Talmud ‫״‬die Schönheit Japhets in die Zelte Sems“
aufnehmen, als sie die ‫״‬griechische Weisheit“ mit der Thora ver-
schmelzen wollten, da nahmen sie Anstoß an der Selbständigkeit der
Natur, die ein eigenes Sein dem göttlichen entgegenzustellen schien.
Wenn anders nun dennoch auch für dieses Sein der Natur Gott einzustehen
haben sollte, die Juden aber nicht dem persischen Irrtum von den zwei
Regierungen verfallen wollten, so mußten sie in der Vernunft selbst
ein Mittel ausfindig zu machen suchen, um zwar nicht ein gleiches,
aber ein ähnliches Sein dem göttlichen in der Natur zur Seite zu-
stellen. So entstand das Mittelwesen des Logos.
56‫י‬

Die Einzigkeit schließt alle V e rm ittlu n g ?wischen Gott und


dem natürlichen Dasein aus. Der Logos aber muß unvermeidlich ein
zweiter Gott werden, und es gibt keinen ersten, sondern nur einen ein-
zigen. Wir werden für das Problem des Logos alsbald ,und später noch
die Konsequenzen aus der Einzigkeit herzuleiten haben; hier soll nur
der Widerspruchhervorgehoben werden, den dieser Gedanke in allen seinen
Abstufungen gegen die Einzigkeit bildet. Es gibt kein mittleres Sein, ge-
schweige ein Mittelwesen für das Problem des Ursprungs oder für das
von der Verwaltung des Seins.
Es ändert nichts an diesem Grundirrtum, wenn die Vermitt-
lung in die Vernunft verlegt wird, anstatt in das Sein, für
das Sein der Natur. Die Vernunft kann nur eine einzige Art
des Seins anerkennen, daher auch nur eine einzige Art Gottes,
Der einzige Gott wehrt jeden Mittel-, jeden Nebengott ab. Es ist
sogar eine Entstellung P la to n s, des ethischen Platon, wenn die
Jenseitigkeit des G uten mit dem Diesseit eines Seins durch die Brücke
eines Logos verbunden werden soll. So läßt sich höchstens der
Timäus mit seinem D em iu rg weiterbilden, nicht aber die Idee des
G uten in der Republik.
24. Und mit dem Logos sind alle die anderen Gottesideen aus-
geschlossen, welche aus ihm entspringen: sie werden als ‫ ״‬Ver-
g e s e lls c h a ftu n g ( ‫ )שיתרת‬vom reinen Monotheismus unterschieden.
]Der Unterschied der Einzigkeit von der Einheit begründet den
!Unterschied von allem Dualismus und so auch von der T rin itä t.
Diese hat, wie schon der Dualismus, ihren Grund in der Anerkennung
eines anderen Seins außer dem göttlichen. Über das Recht dieses
Anspruchs können wir jetzt nicht urteilen, zumal dieser nicht auf
die Wissenschaft sich beruft, sondern bei idealster Auffassung auf
die Sittlichkeit. Diese aber soll hier erst vorbereitet, für sie soll
erst die richtige V o rb e re itu n g gewonnen werden. Es kommt für
diese aber alles auf den einen Grundgedanken an: daß die Natur, daß
der Mensch selbst keinen ursprünglichen, keinen eigenen Wert hat.
*Wenn Natur und Mensch ihn überhaupt erlangen können, so wäre dies
nur aus dem einzigen Werte des göttlichen Seins abzuleiten.
Der Logos mit allen seinen Abfolgen krankt an dem
Grundgedanken, daß er das D asein in der Natur und im
Menschengeiste überschätzt. Es ist charakteristisch, daß P h ilo ,
der Jude, in dem Worte der Vernunft diesen Nebengott auf-
stellt. Und wenn man sagen darf, daß die Trinität ihren besten
57

sachlichen, wie historischen Grund in der U n ste rb lic h k e it der


Menschenseele hat, so zeigt sich auch hier als Grund des Abfalls
vom reinen Monotheismus: die Überspannung in dem Anspruch des
Menschlichen: daß es ein ewiges, also ein wahres Sein bedeuten soll.
25. Die jüdische Unsterblichkeit gipfelt in dem Gedanken: ‫״‬Der Geist -
kehrt zu Gott zurück, der ihn gegeben“. Nur im Sein Gottes kann
das Sein des Menschen gegründet werden, und daher erst dann, wenn
‫ ״‬der Staub zur Erde zurückgekehrt ist, von der er genommen“, wenn
also die menschliche Erscheinungsform verschwunden ist. Auch die
Unsterblichkeit bietet keinen Vorwand für die Vergleichbarkeit des
göttlichen Seins mit irgend einem geistigen Sein. Auch aus diesem
Gesichtspunkte bleibt die Materie ein vergänglicher Staub. Alle
Naturpoesie zerschellt an dem Felsen dieser Einsicht, die Erhabenheit
nur übrigläßt für den einzigen Gott.
Ein wichtiges Moment tritt schon hier hervor, das die Brücke
schlägt zwischen der Wurzel des Monotheismus und seinem Gipfel,
den der Messianismus bildet: die U n te rs c h e id u n g der E scha-
to lo g ie vom M essianism us. Die Würde des Menschen wird
nicht schlechthin in dem Individuum begründet, sondern in der Idee
der Menschheit. Dieser aber entzieht sich die plastische Darstellung
ebensosehr beinahe, wie sie der Einzigkeit Gottes versagt bleibt.
Kapitel II.

Der Bilderdienst.
1. Wie der Anteil der .Vernunft an der Religion zu der Ver-
W andlung der Erkenntnis in die L iebe führte, haben wir schon an-
gefangen zu erwägen, und der' Fortgang unserer Entwicklungen wird
Ergänzungen zu diesem Grundelemente bringen. Vor einer solchen
stehen wir hier. Die Erkenntnis wäre nur ein theoretisches Ver-
halten, während die Vernunft hier als sittliche, als praktische Ver-
nunft sich zu betätigen haben wird. Die Liebe ist diese Selb stv er wand-
lung der Ver nunf t gleichsam aus ihrer theoretischen Vorbedingung zu
ihrer ethischen Reife. Daher muß das Verhältnis des Menschen zum einzi-
gen Gotte sich in Liebe betätigen, in ihr sich bezeugen. Nur dieser Über-
schuß der Liebe über die Erkenntnis werde hier vorerst beachtet. Gott er-
kennen heißt: Gott bekennen. Und Bekennen übertrifft das Erkennen *
sowie die Handlung des Willens das Denken des Verstandes über-
trifft.
Wäre Gott nur ein Gegenstand der Erkenntnis, dann könnte er
nicht der einzige Gott sein; denn die Erkenntnis hat noch ganz
andere Objekte und Probleme. Der einzige Gott muß daher ein
anderes Verhalten des menschlichen Geistes zu ihm bedingen. So
wird die Liebe ein Erfordernis dieses Verhaltens zum Einzigen. So
wird das Bekennt ni s zu einer neuen Tat des Bewußtseins, zu einer
Handlung, zu einem Urakt des sittlichen Bewußtseins, des Willens
‫ ן‬in seiner Eigentümlichkeit, in seinem Unterschiede von der erkennen-
■den Vernunft.
2. Liebe zum einzigen Gotte bedeutet demzufolge zuerst negativ:
[nicht schlechthin etwa nur Erkenntnis, sondern eine neue Kraft des Bewußt-
jseins gilt es zti erwecken. Hätte nicht die Ethik den Willen zur Ent-
deckung gebracht, so hätte er aus der Religion hervorgehen müssen:
und wer ermißt den Anteil, der der Religion dabei zusteht! Wenn
aber Liebe den Wi l l en bedeutet, so erklären sich alle Zweideutig-
keiten der Liebe zu Gott aus dieser Willensbedeutung der Liebe‫״‬
Die falschen Willensrichtungen entsprechen den Irrungen der Liebe,
als einer Grundkraft des Bewußtseins.
8. Aus der Erkenntnis der Irrungen gewinnen wir die der rechten
Liebe. Der P o ly th e ism u s wurzelt in der Liebe zur Mannigfaltigkeit
der Naturerscheinungen und der Naturkräfte. Diese Vielheit liebt
er, und in und aus dieser Liebe heraus sucht er sie zu erkennen.
Auch der P an th eism u s, obzwar er diese Vielheit in Einheit auflöst,
wird ursprünglich nur von der Vielheit angezogen, deren Rätsel er
in der Einheit aufzulösen sucht. Hier scheint die Liebe selbst in Er-
kenntnis aufgelöst; im Grunde jedoch ist die Liebe an der U n en d lich -
k e it der Einzelerscheinungen haften geblieben und nur theoretisch
durch die Einheit in Erkenntnis zurückgenommen. Überall bleibt
die Liebe, bleibt das Verhalten des Willens zu den Göttern, wie zu
dem geeinigten Gotte das Vorwaltende.
Im Monotheismus hingegen, der die Brücken zwischen sich, der
Vielheit der Dinge und der Einzigkeit abgebrochen hat, muß die
Liebe des göttlichen Seins, zu der eigentlichen Geistesform der Religion
sich ausprägen, der gegenüber alles theoretische Verhalten nur
Vorbereitung ist. So wird die G ottes V erehrung ‫־‬zur eigentüm-
liehen Gotteserkenntuis.
Verehrung und Liebe gehören zusammen, sie bilden eine
begriffliche Einheit (‫)ידע‬. Und noch ein anderes Wort tritt hier
gleichartig hinzu: der Dienst im Grundwerte für Arbeit ( ‫)עבודה‬.
4. Die ursprüngliche Form der A rb eit bildet die Sklaverei. Sie be-
deutet die volle Hingabe des Menschen an den Herrn, der sein Eigentümer
ist. Die Sprache erwächst überall an dem Fortschritt der Kulturbegriffe.
Auch die Sklaverei ist humanes Verhältnis geworden: wie hätte es
unter der Souveränität des Monotheismus anders geschehen können?
So bleibt die Verehrung Gottes dem Wortlaute nach bis in diel,
fernsten Zeiten ein Sklaven dienst. Und der höchste Gipfel des[
Messianismus wird erklommen in der Bezeichnung des M essias als
des ‫״‬Sklaven des Ewigen“. Die Gottesverehrung fordert den ganzen
Menschen und sie erwirbt den ganzen Menschen.
5. Zwei Bedingungen sind demnach für die Liebe zum einzigen
Gotte gefunden: das B ekenntnis und die Hingabe an den einzigen
Gott. Das Bekenntnis bedeutet die W ille n sh a n d lu n g im Unterschiede
von der bloßen theoretischen Erkenntnis. Gott erkennen wird daher
zum Lieben Gottes, zur tätigen Verehrung und Bekennung Gottes.
m
Dies ist die- eine Bedingung, deren Konsequenzen wir erst spater
ableiten können. ^ ‫־‬:
6. Die andere Bedingung betrifft die ungeteilte Hingabe
an den einzigen Gott.: Sie schließt das Bekenntnis und die
Anerkennung anderer Götter ,außer dem Einzigen aus. Und sie
schließt für deren Anerkennung die Betätigung, die Verehrung,
den Dienst , aus. Nur Einem Herrn kann der Mensch selbst sich
zum Sklaven machen. Wenn der Mensch sein ganzes Wesen, wie
es die L iebe,als die Willenskraft, fordert, einem anderen Wesen
hingeben soll, so muß dieses Wesen das einzige‘ sein. Es kann
keinen anderen Gott geben. Es kann kein anderes Sein geben außer
dem einzigen Sein Gottes. Es kann daher auch nur einen einzigen
Gottesdienst geben, nur eine einzige Liebe zu Gott. Der Monotheismus
‫ ן‬kann keine Toleranz anerkennen gegenüber dem Polytheismus. Der
1 G ötzendienst muß schlechterdings ausgerottet werden. Diese Ent-
1 Schließung Vorbedingung des wahren Monotheismus, des Monotheismus
\ der Liebe zu Gott, des Gottesdienstes der Liebe.
Man hat das Verständnis dieses wahrhaften Monotheismus, der
Theorie und Praxis vereinigt, nicht gewonnen, wenn man die Aus-
rottung des Götzendienstes nicht in ihrer unerläßlichen Notwendig-
keit begreift; wenn man auch nur eineSpur von Intoleranz, von Fanatis-
mus und Menschenhaß in diesem heiligen Eifer gegen die falschen
Götter erkennen zu dürfen glaubt. Man verrät mit solchem Ver-
dachte nur, daß das eigeneHerz nicht durchaus erfülltistvön dem einzigen
Gotte und von der Notwendigkeit seines einzigen Seins, und zwar
von der doppelten Notwendigkeit, der Erkenntnis und des Bekennt-
nisses, als des Verhaltens des Menschen zu diesem einzigen Gotte.
Wer hingegen die Einheitlichkeit in dieser Doppeltheit von Erkenntnis
und Willen sich zu eigen gemacht hat, für den gibt es keinen
anderen Ausweg: der einzige Gottesdienst fordert unausweichbar die
Ausrottung des falschen Götterdienstes. Da kann es kein Erbarmen
!geben und keine Rücksicht auf Menschen. Die Liebe zu Gott ent-
!wurzelt• den Quietismus. Der wahre Gottesdienst muß errichtet und
gesichert werden unter den Menschen. Daher muß der Dienst
falscher Götter vertilgt werden von der Erde. Es gibt keinen Aus-
weg in der Geschichte des Gottesgeistes. Es gibt keine höhere geistige
Instanz, welche von dieser Grundpflicht entbinden könnte. Wie Mono-
theismus und Polytheismus schlechthin Widersprüche sind, so sind es
auch Gottesdienst und Götzendienst.
‫־‬61

7. Wir schließen bei dieser Betrachtung jede andere Instanz afs


eine höhere aus und suchen die W e ltg e sc h ic h te des G eistes nur voh
ihren einseitigen Prinzipien aus zuwerstehen. Die T oleranz, welche
alle Ansichten zu verstehen und zu billigen als Pflicht erkennt, können wir
bei diesem,theoretischen Problem der Geistesgeschichte nicht mi£-
sprechen lassen; sie kann nur für die ethische Frage der Welt-
geschichte in: der ;praktischen Anwendung auf die Menschen und die
Völker, aus dem Gesichtspunkte der Erziehung des Menschen-
geschlechts zur Geltung kommen. Wenn anders aber die P ropheten
die Geistesgeschichte ,schöpferisch zu gestalten hatten, so mußte für
sie die Toleranz ein fremder, ein störender Gesichtspunkt sein. Wir
bedürfen daher gar nicht der Berücksichtigung des primitiven Zeit-
alters und der Rohheit seiner Sitten, um den feindseligen Gegensatz
zum Götzendienst *bei den Propheten zu verstehen: der prinzipielle
W7iderspruch zwischen Monotheismus und Polytheismus erklärt hin-
länglich die geschichtliche Pflicht des ersteren in seinem negativen
Verhalten zum letzteren.
Freilich mußten die Menschen dabei geopfert werden, und zwar nicht
minder im eigenen Volke als bei den Völkern. Aber die Menschen
als solche bei alledem werden in ihrer Menschlichkeit nicht verkannt: ‫״‬Du
sollst den Edomiter nicht verabscheuen, denn er ist dein Bruder.‘4
(5. M. 23.) Nur das geschichtliche Prinzip, sofern es zum Siege ge-
bracht werden soll, erfordert unvermeidlich die Vernichtung des
Götzendienstes.
8. Der Gegensatz zwischen dem einzigen Gotte und den Göttern
beschränkt sich nun aber nicht auf den Unterschied in derAnzahl: er prägt
sich auch aus in dem Unterschiede zwischen einer unsichtbaren Idee und 1
einem wahrnehmbaren B ilde. Und der unmittelbare Anteil derj
Vernunft an dem Begriffe des einzigen Gottes bewährt sich in
diesem Gegensätze gegen das Bild/ ,Jedes Bild ist ein Abbild: von
welchem Urbilde aber will das Götterbild das Abbild sein?
Gibt es denn überhaupt ein Urbild von Gott in einem Bilde?
Die Götterbilder müssen. Bilder von etwas Anderem sein, dem sie
die Bedeutung eines Gottes beilegen. Hier erhebt sich wiederum der
Widerspruch zwischen dem einzigen Sein Gottes und allem vermeint-
liehen Sein. Die Götterbilder können nicht Bilder von Gott; sie
können vielmehr nur Bilder von Gegenständen der Natur sein.
So entsteht im prophetischen Monotheismus notwendigerweise
der Gegensatz, der. Widerspruch zur K u n st, die die ursprüngliche
92

Betätigungsweise des menschlichen Geistes ist, zu allererst Bilder zu


erschaffen, als Abbilder der natürlichen Dinge, welche das Universum
erfüllen. Aber von den sinnlichen Dingen versteigt sich alsbald die
\ Kunst auch zu den Götterwesen. So ist der Gang der Kunst bei
allen Völkern. Fragen wir zunächst, wie die Anomalie verständlich
wird, welche der monotheistische Geist gegenüber allem menschlichen
Bewußtsein an diesem Wendepunkt aller Kultur darstellt.
9. Die Frage richtet sich nicht allein gegen die ursprüngliche
Geistesrichtung des Monotheismus, sondern nicht minder auch gegen
die Anomalie in der historischen B eein flu ssu n g . Einer solchen hat
sich kein Volk der Weltgeschichte entzogen, auch das höchste nicht:
!wie ist es zu begreifen, daß die Propheten den Zaubern der Kunst
‫ ן‬in Babylonien, wie in Ägypten, widerstehen, ihren Widerstand gegen
‫ ׳‬diese erhabenen Schöpfungen aufrechterhalten und in höhnischer Ab-
I lelinung durchführen konnten? Wenn anders die Kunst eine allgemeine
.Kichtung des Menschengeistes ist, und wenn anders die bildende
Kunst in Wechselwirkung steht mit der Poesie: wie ist es dann
zu begreifen, daß der monotheistische Geist mächtig werden konnte
in der Poesie bei durchgehaltener Widerstandskraft gegen die Plastik?
Wir werden diese Frage hier noch nicht zur erschöpfenden
Lösung bringen können. Erst bei dem monotheistischen Begriffe
vom Menschen wird dies zu versuchen sein. Hier steht nur erst
der einzige Gott in Frage, der das einzige Sein vertritt. Daher
kann kein Bild von ihm zulässig sein: es müßte ein Urbild, viel-
mehr das Urbild sein, mithin kein Bild, welches nur ein Abbild
sein kann. Im Begriffe des Seins und seiner Einzigkeit ist sonach
der Widerspruch gegen die Plastik begründet. Und wenn es eine
Anomalie zu sein scheint, die liier gegen das allgemeine Kunstbewußtsein
der Menschheit sich erhebt, soist vielmehr umgekehrt zu fragen, ob nicht
das allgemeine Kunstbewußtsein eine Anomalie- sei gegen die mono-
theistische Logik vom einzigen Sein. So kehrt sich der Einwand
von der Anomalie um, und der Monotheismus tritt nach seiner
g e sc h ic h tlic h e n E in s e itig k e it in Kraft, gegen die alle anderen
Weltmächte des Geistes nicht minder zu Einseitigkeiten herabsinken. Es
ist eine Ausnahme hier zuzugestehen, aber diese Ausnahme ist keine
Anomalie, welche der Monotheismus in seiner Befeindung der Plastik
vollzöge. ‫׳‬
Die Götter müssen vernichtet werden, denn sie sind nicht Sein,
sondern Bilder. Der Götterdienst ist Bilderdienst. Der Gottesdienst
aber ist die Verehrung des wahrhaften Seins. Der Kampf gegen
die Götter ist daher der Kampf des Seins gegen den Schein, der
Kampf des Urseins gegen die Abbilder, die kein Urbild haben.
So ist es ein Fortschritt im Dekalog von dem Verbot anderer
Götter zu dem Verbot der Götterbilder. Und dieses Verbot beschränkt sich
nicht auf den Satz: ‫״‬Du sollst dich nicht bücken vor ihnen und ihnen nicht
dienen“, noch darauf: ‫״‬Es sollen dir nicht sein fremde Götter vor meinem
Angesichte“, sondern der Angriff auf die Kunst wird direkt und aus-
drücklich: ‫ ״‬Du sollst dir nicht machen ein Bild, noch irgend eine
Gestalt (2. M, 20, 3u. 4). Der Polytheismus wird an der Wurzel an-
gegriffen und diese wird nicht in der u n m itte lb a re n Vergöttlichung
der Naturerscheinungen erkannt, sondern erst in derjenigen Ver-
göttlichung, welche der Menschengeist mit der Menschenhand hervor-
bringt. Erst durch die Kunst wird ‫״‬was im Himmel oben, und wa,s
auf der Erde unten und was im Wasser unterhalb der Erde ist“ zu
einem verführerischen Urbilde. ‫ ״‬Du sollst dir kein Bild und kein
Abbild machen“, das will sagen: das Bild muß ein Abbild sein.
Von Gott aber kann es kein Abbild geben; er ist schlechthin nur
Urbild für den Geist, für die Vernunftliebe, aber nicht ein Gegenstand
für die Nachbildung.
Der B ild e rs tu rm bildet für die Geschichte des Christentums,
für die Spaltung der Kirche im Morgen- und Abendlande eine sehr
charakteristische Wendung, bei der auch der Islam mitwirkt, und
bei der die Juden im Hintergründe mitwirken. Das Problem C h risti
hängt aber schon in seiner Bedeutung als Gottessohn mit der Frage
des Bildes zusammen, auch ohne die Komplikation des Abbildes.
Und was bei Christus nur eine gedankliche Konsequenz ist, das ist
bei jedem plastischen Bilde von Gott ein Widerspruch gegen den
Monotheismus, den die Propheten an der Wurzel des Bildmachens
ergreifen.
1Ö. Der Widerspruch bekämpft hier nicht minder auch den P a n t h e-
ism u s, der keinen Unterschied anerkennt zwischen Gott und allen
Gegenständen der Natur. Dagegen sagt der Monotheismus: nicht
der Baum, der Fels, das Wasser sind meine Brüder. Sagt doch
G oethe selbst, daß es etwas gebe, was ‫״‬allein“ den Menschen unter-
scheide ‫״‬von allen Wesen, die wir kennen“. Vielleicht stellt es sich
heraus, daß dasjenige, was ‫״‬allein“ diese Unterscheidung ausmacht,
mit Gott, als dem einzigen Sein, Zusammenhänge so daß Gott nicht
mit ‫״‬allen Wesen“ identifiziert werden darf. Der Pantheismus ent-
spricht einer ästhetischen Idealisierung der gesamten Natur: um s6
mehr muß die Kunst<juelle des Geistes eingeschränkt werderi.
11. Der Kampf gegen die Kunst in den Götterbildern wäre den
Propheten nicht wohl möglich geworden, wenn sie ihn nicht selbst
als Künstler hätten führen können: als Dichterdenker in der V01P•
kraft dichterischer Phantasie. Und der Vollender des Messianismus^
der zweite Jesaja, bewährt sich auch hier als Vollender des Mono-
theismus. Und hinwiederum bezeugt sich hierin die Einheitlichkeit
des monotheistischen Denkens, welche die eine Art desselben, die
prophetische, mit der andern Art, welche der Psalm bildet, innerlichst
vereinigt. Es trifft sich sogar auch, daß diese Kontinuität sich auch
in der späteren synagogalen Poesie forterhält, wie in einem Hymnus
für Neujahr und Ver$öhnungstag, dem ‫״‬Wejeethoju", den M ichael
Sachs in sinniger Vermutung bei dem Bildersturm entstehen läßt]
In diesem Hymnus findet sich ein Wort, mit dem ein ent-;
sprechendes Wort in den Propheten und den Psalmen besser ver-^
stündlich wird. Und dieses bessere Verständnis bringt das ästhetische
Bewußtsein an den Tag, aus dem der Kampf gegen die Götterbilder
genährt wird. In jenem Hymnus heißt es: ‫״‬Sie werden sich schäm en
mit ihren Bildern". Die Bilder müssen sich schämen, denn sie
sind ja nur Illusionen. Aber zumal die Bilderverehrer und gar
die Bildner der Bilder müssen sich schämen ob der Scheinbilder, die
sie hervorbringen, um sie anzubeten.
Und wenn erst die Scham über die Bilderverehrung kommt,
dann muß der Götzendienst schwinden. So urteilt nicht der Satyriker,
der sich nicht an die Scham der Menschen wenden würde: so urteilt
mit Gelassenheit und Milde nur der Humor, der selbst eine Grundkraft
des ästhetischen Bewußtseins ist. Und diesen Humor läßt J e s a ja ,
wie auch sonst so oft gewaltig erkennen.
An den Satz: ‫״‬Ich bin der Erste und ich bin der Letzte, und‫׳‬
außer mir gibt es keinen Gott" schließt sich die Geißelrede über die
Götzenbildner (Kap. 44) an. ‫ ״‬Die Bildner von Bildern sind allesamt
verirrt und ihre Lustgebilde nützen nichts, und ihre Zeugen, sie sehen
nicht und erkennen nichts: auf daß sie sich schämen". Nicht um}
das zu schänden werden, wie die gewöhnliche Übersetzung lautet,;
handelt es sich so sehr für den Propheten, als vielmehr darum,‫׳‬
daß 'die Götzenbildner, wie ihre Zeugen, die Götzenanbeter, sich
schämen über ihr Werk und ihre Tat. Die Schäm, nicht, die’
Beschämung, geschweige die Vernichtung ist es, welche der Prophet:
65

zum Prüfstein der Selbsterkenntnis macht. ‫״‬Wer hat gebildet Gott,


wenn er ein Bild gegossen hat, das nichts nütze ist? Siehe, alle
ihre Genossen werden sich schämen und die Werkmeister, sie sind
vom Menschen. Mögen sie sich versammeln allesamt, mögen sie
hertreten, sie werden sich fürchten, sie werden sich schämen alle-
samt. Der Meister in Eisen mit der Axt erschafft mit Kohle nnd
mit den Hämmern formt er es und schafft es mit der Kraft seines
Armes, hungert auch und wird kraftlos, trinkt kein Wasser und
wird matt. Der Meister in Holz spannt die Schnur, er zeichnet
es mit dem Reißstift, er führt es aus mit den Schnitzmessern und
mit dem Zirkel zeichnet er es, und führt es aus nach der Gestalt
eines Mannes, nach der H e r r lic h k e it eines M enschen . . .
Auch nimmt er Eiche und läßt sie wachsen unter Waldesbäumen,
pflanzt eine Pichte, und der Regen macht sie groß, und sie dient
den Menschen zum Heizen, und er nimmt davon und wird warm,
auch zündet er es an und bäckt Brot, auch macht er einen Gott und
wirft sich nieder, macht es zu einem Götterbild und beugt sich
davor. Die Hälfte davon verbrannte er im Feuer, mit der andern
Hälfte verzehrt er Fleisch, brät den Braten und wird satt, wärmt
sich auch und spricht: ‫״‬eia, mir ward warm, ich habe Feuer ge-
sehen!* und den R est davon m ach t er zu einem G otte, zu einem
Götterbild, bückt sich davor und wirft sich nieder und betet vor ihm
und spricht, Errette mich, denn mein Gott bist du . . Und es kommt
ihm nicht in den Sinn und keine Einsicht hat er, zu sagen: zur
Hälfte verbrannte ichs im Feuer, buck auch über seinen Kohlen das
Brot und briet das Fleisch und aß es und den Rest sollte ich machen
zum Greuel, vor einem Holz mich beugen? Er weidet Asche, das
Herz ist verrenkt, er rettet seine Seele nicht, und spricht nicht: ist
nicht Trug in meiner Rechten?“ (Jesaja, .44, 9—20).
Wiederholentlich wird als Ziel und Probe hingestellt, daß die Bildner
ebenso, wie die Anbeter der Bilder, sich schämen werden. Und auch
der Schluß ist wichtig: ‫ ״‬daß sie erkennen werden: ist nicht Trug in
meiner Rechten?“ Die Lüge im G ö tzen d ien ste g ilt es zu er-
kennen, die S elb sttä u sc h u n g . Und von sittlicher Treffkraft ist
der Humor, insofern er die Heterogeneität in der Verwendung des-
selben Holzes hervorhebt, das zum Heizen, zum Backen und zum
Material des Bildes dient. Alle Werkzeuge und alle Zauber der Kunst
können ah diesem materiellen Tatbestand nichts ändern: es ist dasselbe
Holz, aus dem der Gott geschnitzt und der Braten gespeist wird.
5
66

So verurteilt der Stoff, aus dem das Bild gemacht wird, den Zweck,
zu dem es geformt wird. Und mit dein Bilde wird der Gott ver-
eitelt, der für das Bewußtsein, für die Anbetung nicht anders als
nur im Bilde lebendig ist.
Es ist eine eitle Einrede, daß die Bildanbeter ja eigentlich
nicht das Bild meinen, sondern nur den Gegenstand, den es darstellt.
Dieser Einwand verrät nur das Mißverständnis des wahren Mono-
theismns. Denn das unterscheidet ihn eben von allem Bilderdienste:
daß. der einzige Gott nicht in einem Bilde als Gegenstand gedacht
werden kann. Mögen immerhin die Bildanbeter nur den vom Bilde
dargestellten Gegenstand meinen, so lehrt dagegen der Monotheismus,
daß Gott schlechterdings kein Gegenstand sei, der nach Anleitung
eines Bildes . gedacht werden könnte. U nd es is t die Probe
des w ahren G ottes, daß es kein B ild von ihm geben kann.
Er kann nie durch ein Abbild zur Erkenntnis kommen, sondern einzig
und allein nur als Urbild, als Urgedanke, als Ursein.
Die Iro n ie des Propheten über die Götterbilderfabrik kommt
mit der ganzen Urkraft des Mythos^an den Tag. Das Feuer ist das
Urelement des Mythos, mit dem die Kultur beginnt. Daher ist es
mythisches Bewußtsein, welches der Prophet den Götzenbildner aus-
sprechen läßt: ‫״‬Eia, ich habe Feuer gesehen“. Er macht ihn *damit
gleichsam zum Feueranbeter. Und da alle Kultur mit dem Feuer
beginnt, so ist es auch kein Schimpf für die Kunst, wenn sie auf
diese Schau des Feuers zurückgeführt wird.
Die Scham ist auch die letzte Zuflucht, die der Psalm für den
Götzendiener in Aussicht stellt. ‫״‬Schämen werden sich alle Bilder-
diener, die sich der Götzen rühmen“ (Ps. 97, 7). ‫״‬Wie sie (die
Bilder), werden auch ihre Bildner sein, alles was ihnen vertrauet“
(Ps. 115, 8). Die Nichtigkeit des Bildes muß auch über die Bildner
kommen. Da hilft keine Herrlichkeit der Kunstschöpfung; der.
Prophet läßt sich von diesen Zaubermächten nicht beirren. Führt
die Kunst auf einen solchen Weg, so ist für ihn ihr Weg ein Ab-
weg. Und es ist dafür gesorgt, daß von diesem Verdikt nicht alle
Kunst, auch nicht einmal alle bildende Kunst betroffen wird. Denn
die B a u k u n st ist ja diesem Bilderdienste nicht verfallen, die viel-
mehr für die Menschen, die den einzigen Gott anbeten,, ihre Werke
schaffen kann, wenngleich nicht für den Gott, der in solchem
Hause wohnen könnte. Und darüber hinaus öffnet sich in der P oesie
ein weites Gebiet der Kunst.
12. Und endlich könnte die Frage entstehen, ob nicht wenigstens
für die Darstellung des M enschen die Plastik zugelassen werde?
Diese Frage aber führt uns über den Punkt hinaus, auf dem wir
hier bei Gott stehen, und der noch nicht fortgeführt ist zu dem
Verhältnis, das zwischen Gott und Mensch bestehen soll. Es muß aber
hier schon in Frage gestellt werden, ob der monotheistische Begriff
des Menschen hätte entstehen können, wenn er Hand in Hand mit
der Entwicklung eines plastischen Gottesbegriffs sich hätte bilden
tonnen. Auch der Begriff des Menschen, wie der Monotheismus ihn
-erzeugen muß, forderte die Unabhängigkeit ebenso vom plastischen
Menschenbegriffe, wie vom plastischen Gottesbegriff. Andere Quellen
des Bewußtseins mußten eröffnet und ergiebig gemacht werden, wenn
dem einzigen Gotte gemäß der Mensch zur Entdeckung kommen
sollte.
Endlich kann auch noch die Frage entstehen: ob die Art
der Poesie hätte entstehen können in der Bibel, wenn der Plastik
nicht Einhalt geboten worden wäre. Diese Eigenart besteht in der
Lyrik der Psalmen: welche weder Gott allein, noch die Menschen
Allein besingt. Die Plastik dagegen kann beide Gestalten nur zu
isolierter Darstellung bringen. So hätte sie die Lyrik hemmen
‫ י‬müssen: für welche das Verhältnis von Gott und Mensch zum
Problem ihres monotheistischen Zweckes wird.
Kapitel III.

Die Schöpfung.
1. Die Einzigkeit des göttlichen Seins ist in ihrem Unterschiede
von anderem vermeintlichen Sein erkannt. Auch der Unterschied von
der Einheit ist dadurch klargestellt. Die Einheit erdachten die Eleaten!
für das Denken des Kosmos. Und wenn auch sie schon für . diese
Einheit, für diese Welteinheit des Begriffs von Gott bedurften, so•
beweist dies zwar den Zusammenhang der Begriffe Gott und Einheit r
aber diese Einheit Gottes wird ja dort nur der Hilfsbegriff für die
Einheit des Kosmos, und so kommt diese Einheit Gottes und der
Welt nur dem Pantheismus zu statten. Der Monotheismus dagegen
"bedarf der Einheit nur für Gott, nicht für den Kosmos. Daher muß
hier die Einheit zur Einzigkeit werden, durch welche das Sein Gottes‫־‬
von allem Sein der Natur geschieden wird.
Nun aber kann es bei der absoluten Geschiedenheit nicht ver-
bleiben. Dem widerspricht ebensosehr die Bedeutung Gottes, wie
die des Seins. Der Anteil der Vernunft an der Religion kann sich nicht
darin bestimmen oder gar erschöpfen, daß das Sein, dieser all-
gemeine Vernunftbegriff nur für Gott Vorbehalten, der Welt dagegen
schlechthin entrückt wird. Dadurch würde der Begriff des Seins viel-
mehr außer Kraft gesetzt, und mit ihm der Begriff der Vernunft..
Auch für Gott kann der Anteil der Vernunft an der Religion nicht
darin bestehen, daß allein für ihn das Sein Vorbehalten bliebe: was
wäre der Gott, der nur ein negatives Verhältnis zur Welt hätte?’
Der P a n th e is m u s kann nicht dadurch vereitelt werden, daß die Welt,,
daß das Sein der Welt in jedem Sinne nur verneint wird. Die*
Einzigkeit des göttlichen Seins erlangt ihren positiven Wert erst aus
der Bestimmung und der Beschränkung des Seins für die Welt; sonst
bliebe die Einzigkeit nur eine negative Bestimmung. Es liegt in
der Einzigkeit aber eine immanente Beziehung auf die Welt, von
deren Sein das göttliche Sein durch die Einzigkeit unterschieden
wird.
69

2. Von welcher Art kann denn nun aber das Sein der Welt sein,
wenn es nicht das wahrhafte Sein ist? Auf diese Frage erteilt der
philosophische Begriff des Seins die orientierende Antwort. Das Sein wird
erdacht für das Problem des W erdens. Es wird somit garnicht eigent-
lieh seiner selbst wegen erdacht, sondern nur wegen des Werdens.
Wenn am Kosmos der Begriff des Seins entsteht, so entsteht er eben
am Problem des Werdens; denn der Kosmos stellt ein ewiges Werden
dar. Bevor die griechische Spekulation zum Gedanken des Seins
kam, war sie nach allen Seiten von dem Problem des Werdens er-
griffen, und in allem Wechsel des Werdens suchte sie die Orien-
tierung über die Mannigfaltigkeit- des Kosmos. Der Wechsel u n d ;
das Werden mußten voraufgehen, ehe die Einheit und das Sein er-
dacht werden konnte.
3. Der Grundbegriff der S u b stan z durchmißt alle Stadien der
Philosophie, wie der Wissenschaft. Und gemäß der Höhe und
Beife, welche L eibniz durch sein P rin z ip der leb en d ig en K raft
erreicht hat, konnte K an t mit aller Scholastik des Substanzbegriffs
brechen und ihn zur V o rau ssetzu n g der Belationsbegriffe machen.
Durch diese Stellung, welche Kant der Substanz gab, als Vor- !
bedingung für die Kausalität und die Wechselwirkung, wird der j
Substanz gleichsam ihre absolute Selbständigkeit entrissen. Nur ‫־‬
als ‫״‬Vorbedingung“ für die Kausalität hat sie Absolutheit, als
Kategorie. Diese Absolutheit beruht daher nicht in ihr selbst, be-
schränkt sich nicht auf sie selbst, sondern sie vollzieht sich erst
dadurch, daß sie die K a u s a litä t m öglich m acht, die mithin
ohne sie ihr Werk nicht beginnen könnte.
So steht es mit der Substanz in der Naturerkenntnis. Sie
ist das Sein, als die Voraussetzung für das Werden, für das Ge-
schehen nach dem Grundgesetze der Kausalität: sie ist das Sein
für die B ew egung. Denn die Bewegung ist das Werden auf
Grund der Kausalität. Und das Sein der Substanz bedeutet sonach
die Vorbedingung für die Kausalität der Bewegung.
4. Was die Vernunft, als Philosophie, in der Wissenschaft zustande
und zur Klarheit der Erkenntnis bringt, das muß sein Analogon
haben in dem Anteil der Vernunft an der Beligion. Das göttliche
Sein wäre nicht eine Bestimmung der Vernunft, wenn nicht auch
dieselbe gedankliche Beziehung auf das Werden der Dinge in der
Natur- und Menschenwelt für das göttliche Sein bestände. Und
diese immanente Beziehung des Seins auf das Werden bildet so
wenig einen Widerspruch gegen die Einzigkeit des göttlichen Seins7
daß diese vielmehr erst durch diese Immanenz ihre Positivität
erlangt. Wir verstehen die Einzigkeit jetzt erst recht, indem wir
diese Immanenz der Beziehung auf das Werden jetzt in aller Schärfe
erkennen als die Voraussetzung, mithin auch als die Immanenz der
Ursächlichkeit. Das Einzige Sein Gottes bedeutet uns jetzt die‫ ׳‬in j
ihm enthaltene Grundbedingung zur Kausalität dieses göttlichen !
Seins. Die Einzigkeit erkennen wir jetzt als die einzige U rsä ch - ]
lic h k e it. 1
Eine Fülle der Probleme türmt sich an diesem Punkte vor uns auf.
Aus dem Nebelmeer des Mythos tauchen die Fragen auf, das Chaos
erhebt sich. Und ebenso regt sich der Gegensatz zu aller Meta•
physik in dem spezifischen ilnteil der Vernunft an der Religion, um
für diesen Anteil das Eigenrecht anzumelden. Mag es mit der
Kausalität allein bei der Wissenschaft verbleiben, so dürfte es noch
eine andere Art von Kausalität geben, welche an der Grenze der
Wissenschaft entsteht, welche, weil an der Grenze entstanden, diese
Grenze positiv beschreiten darf, um jenseit der Naturerkenntnis und
der Naturwissenschaft die Welt des Geistes,, die Menschenwelt der
Sittlichkeit zu entdecken und zu erfüllen. So entstehen neue Be-
äeutungen für die Einzigkeit des Seins‫ ־‬bei Gott und für Gott; für
Gott, weil für die Welt des Werdens, der das einzige Sein die
Grundlage ist. Nur allmählich können alle diese Bedeutungen der
Einzigkeit des Seins sich entwickeln lassen. Wir bleiben zunächst
noch bei der Abstraktion vom Sein stehen nach ihrem Verhältnis zur
Abstraktion des Werdens.
5. Um die alten biblischen Quellen nach der Tendenz zu ver-
stehen, mit welcher sie sich aus den mythischen Urelementen heraus-
ringen, dürfte es hier zweckmäßig sein, zunächst an die philo-
sophische Spekulation anzuknüpfen, welche mit Bewußtsein den.
Vernunftanteil des Monotheismus aus der Logik der Prinzipien zu
entfalten strebte. Im Islam wurde dieser Anteil der Vernunft in
dem Problem der ‫״‬negativen Attribute“ zu einem Grundproblem,
welches der Religion mit der Philosophie Gemeinschaft verlieh.
Sicherlich sind ganz allgemeine Interessen dabei mit im Spiel, so zu-
nächst der A g n o stizism u s, diese religiöse Spezialität des Skeptizis-
mus. Sicherlich auch sollte der Monotheismus vor Schwächung und
Trübung geschützt werden durch die Abweisung positiver Attribute
Gottes, durch deren Mehrheit und besonders durch deren Verbindung
71

die Einheit Gottes bedroht schien. Auch die Abwehr des Pantheis-
mus ist hierbei mitwirkend. Ein jüdischer Philosoph bringt diesen
Gedanken zum Ausdruck in dem Satze: ‫״‬Würde ich dich erkennen,
so wäre ich du“. Alle diese Momente sind in voller Wirklichkeit
bei diesem fundamentalen Problem. Dennoch aber wird seine Be-
deutung durch sie nicht erschöpft.
6. Unter den jüdischen Philosophen ist es besonders M aim onides,
der dem Problem eine ganz andere Wendung, eine neue Spitze und
einen neuen Sinn gibt. Der Ausdruck ‫״‬negative Attribute“ wird
durch ihn korrigiert; er wird als eine halbe Wahrheit, als ein
mangelhafter Terminus gekennzeichnet. Nicht positive Bestimmungen
sollen durch die negativen Attribute verneint werden; das hätte keine
zulängliche Bedeutung. Und es wäre auch ein falsches Beginnen.
Denn hat man überhaupt schon positive Bestimmungen? Dies ist ja
erst die Frage. Und zur Beantwortung dieser Frage tritt das Problem
der negativen Attribute seinen Definitionsweg an. Da es aber eben
noch keine positiven Bestimmungen gibt, können sie auch nicht
negiert werden, während es ja gerade gilt, das Sein Gottes in seiner
einzigen Art, aber durchaus gerade für die vermeintlichen anderen
Arten zu verwerten. Was kann aber negiert werden, wenn dies die
positiven Bestimmungen noch nicht sein konnten?
7. Aus den ältesten Zeiten der griechischen Spekulation stammt
ein B eg riff und eine U r te ils a r t, welche schier ein Rätsel bilden
würden, wenn der Sinn dieses Begriffs, wie er sich in seiner wissen-
schaftlichen Behandlung enthüllt, die Lösung des Rätsels nicht all-
mählich immer deutlicher zur Klarheit brächte. Es scheint nur ein
Spiel des Witzes zu sein, den die Advokatenkniffe und die der
Volksredner in Griechenland ertüftelten und die den Sophisten zum
Vorbild dienten und zum Vorwand für ihren Mutwillen und ihre
Abenteuer mit der Willkür des Denkens, was als Zwischenbegriff
zwischen Bejahung und Verneinung gesetzt wurde: die P riv a tio n
(jurj). Die griechische Sprache hat auch für den Verkehr schon eine
solche der Negation verwandte, scheinbar ihr ganz zugehörige
Partikel in lebendigem Gebrauche gehabt.
Es ist unsere Ansicht, daß schon bei D em o k rit und besonders
bei P la to n dieser Partikel und diesem Begriffe eine Bedeutung
zugedacht wurde, welche d u rch au s v ersch ied en is t von der
N egation: welche sogar über die Bedeutung der Position hinaus-
ragt, insofern sie der Bejahung erst; ihren Grund verleihen will.
72

Soi^vurde später der durch diese Partikel ursprünglich gebildete


.Begriff nebst seinem entsprechenden Urteil zwar unter Abschleifung
der rechtmäßigen Partikel für die Negation und der falschen, irre‫״‬
führenden Gleichsetzung der eigentlichen Negationspartikel mit der
neuen, eigentümlichen, dennoch aber trotz aller Verdunkelung durch
die lateinische Partikel Non, welche nichts mehr von der antiken
Unterscheidung enthält, trotz alledem der gleichsam providentielle
Sinn der U n te rsc h e id u n g und der Abwehr nicht gänzlich ver-
löscht und vernichtet.
8. Es hat dabei günstig der Umstand mitgewirkt, daß ein be-
sonderer Begriff zu diesen Negationsbegriffen hinzugetreten ist in
dem Begriffe des U nendlichen. Die Unterscheidung des Unend-
liehen von der Negation hat das Problem nicht gänzlich zum Ver-
schwinden gebracht: daß in der angeblichen Negation, vielmehr in
dem Unendlichen allem Sein nach seinen jedesmaligen Beziehungen
der eigentliche S ein sg ru n d erst gelegt werden solle, so daß nicht
nur die Negation abgewehrt werden, sondern auch die Position über-
boten und begründet werden mußte. Die P riv a tio n w urde zum
u n en d lich en U rteil.
M aim onides war der echte Philosoph des Monotheismus nicht
nur in seinem jüdischen Universalismus, sondern in seiner philo-
sophischen Höhe, die sich besonders darin erhob, daß er das Problem
der Schöpfung sich angelegen sein ließ, daß er die reine Ehrlichkeit
des Denkens an diesem Problem erwies, da er nun einmal den Anteil
der Vernunft an seiner Religion auf den metaphysichen Spuren des
A ris to te le s sicherzustellen suchte.
Wenn Aristoteles nun aber den Anspruch der Vernunft dem
Problem der Schöpfung aus dem Nichts gegenüber durch die Unendlichkeit
der Welt wahrte, so mußte Maimonides diesen Anteil der Vernunft
auch an dem monotheistischen Begriffe der Schöpfung zu retten
suchen. Auch wenn er den bekannten Ausspruch nicht getan hätte:
wenn Aristoteles mit zwingenden Beweisgründen die Ewigkeit der
Welt erwiesen hätte, so müßte der biblische Bericht von der Schöpfung
demgemäß interpretiert werden — auch ohne den Freimut dieser
Erklärung würde die Konsequenz seines Rationalismus die Überwindung
des buchstäblichen Sinnes der Schöpfung gefordert haben. Ohnehin
ist er nicht der Erste, der die Rationalisierung des biblischen
Schöpfungswortes anstrebt und vollführt: wir werden sehen, daß
73

diese rationalisierende Tendenz auch der Talmud verfolgt, und daß


er sie *in die täglichen Gebete selbt verpflanzt hat.
Maimonides aber wird zum Klassiker des Rationalismus für
den Monotheismus vielleicht an entscheidender Stelle dadurch,
daß er das überkommene Problem der negativen Attribute zur Auf-
klärung bringt durch die V erb in d u n g der N egation m it der
P riv a tio n . Nicht die positiven Attribute werden negiert, sondern
die privativen. Gott ist nicht träge. Dieses Beispiel ist der
Wegweiser. Und die Klarheit seines ^Gedankens bezeugt sich darin,
daß er sich nicht an die privative Wortform hält, sondern viel»
mehr nur an die privative B ed eu tu n g eines anscheinend positiven
Wortes. Die Trägheit z. B. hat die privative Bedeutung, welche daher
die privative Wortform, die sich der privativen Partikel bedienen
muß, entbehrlich macht.
9. Aber Maimonides läßt es nicht bei dieser Klarstellung bewenden,
sondern er setzt den Sinn ins Klare und außer Zweifel, dem dieser
ganze Formalismus zu dienen hat. Wenn es als ein negatives
Attribut der Privation eine Bedeutung hat, daß Gott nicht müde
sei, so liegt der tiefere Sinn dieser Bedeutung darin: daß die
Trägheit nicht nur für ihre Abwehr und Ausschließung figuriert,
sondern daß diese Ausschließung durch eine wahre, eine neue
Positivität begründet, die Negation daher gänzlich entwurzelt wird.
Diese neue Positivität wird entdeckt und bestimmt in dem Begriffe(
des U rsp ru n g s, der als Kategorie in meiner ‫״‬Logik der reinen Er»!
kenntnis“ zur Auszeichnung gekommen ist. Und was logisch der
Ursprung bedeutet, das muß der Anteil der Vernunft an der Religion
auch für das Problem der Schöpfung zur Ermittelung bringen. Und
diese Bedeutung für die Schöpfung hat Maimonides dem negativen
Attribute der Privation verliehen. Gott ist nicht träge, das heißt: I
er ist der U rs p ru n g d e r A k tiv itä t. Maimonides erklärt so den ur- j
sprünglichen Gottesnamen, der von Anfang an in der Bedeutung der
A llm ach t gefaßt wurde: ‫״‬Es ist in ihm Genügsamkeit zur Her-
vorbringung von Dingen außer seiner selbst.“ (vgl. oben S. 46).
Mit diesen Worten hat die Allmacht den Sinn eines richtigen
Attributes, einer die Privation negierenden Negation erlangt und der J
Sinn dieser Negation hat sich an dem Sinne der Privation klar- n
gestellt. Die Schöpfung kann jetzt keinen Widerspruch mehr gegen
die Vernunft bilden. In dieser Logik ist die Religion der Schöpfung
selbst zur Vernunft geworden. Gott ist nicht träge, das heißt: Gott
14t

ist der Urgrund der Tätigkeit, Gott ist der Schöpfer. Sein Sein
kann nicht anders bestimmt werden als durch diese Immanenz der
Schöpfung in seiner E in z ig k e it. Die Schöpfung ist kein heterogener
Begriff in oder zu seinem Sein, sondern dies gerade bedeutet sein
Sein als Einzigkeit: daß das Werden in ihm mitgedacht ist, mithin
aus ihm hervorgehen, aus seinem Begriffe hergeleitet werden muß.
Dieselbe Bedeutung, welche die kritische Philosophie an der
S u b sta n z g ru n d la g e der Bew egung herausgestellt hat, wir finden sie
auch wieder in dem Vernunftanteil, den M aim onides in dem mono-
theistischen Problem der Schöpfung zur Bestimmung gebracht hat.
Er leistet auch hier daher keine blinde Nachfolge dem Aristoteles*
sondern er führt nur den Rationalismus seiner Gotteslehre durch.
10. Die Unterscheidung des Monotheismus vom P antheism us hängt
vom genauen Begriffe der Schöpfung ab. Die E m anation ist bedingt
durch Immanenz. Das Werden, das vermeintliche Sein muß erklärt
werden. Woraus aber könnte seine Entstehung hergeleitet werden*
wenn nicht aus dem wahrhaften Sein? Daß dieses das einzige Sein
ist. kann den Gedanken nicht erschließen, daß das falsche Sein
vdurch das wahre keine Erklärung finden dürfe. Wenn freilich diese Er-
klärung materiell gefaßt wird, so daß die Bedingtheit als Emanation
gedacht wird, so ist mit dieser die ‫ ־‬materielle Immanenz gegeben*
und mit ihr der Pantheismus.
/ Die Bedingtheit muß daher logisch so gedacht werden, daß das
(materielle Hervorgehen des Werdens aus dem Sein ausgeschlossen
I wird. Der Prozeß des Werdens gehört dem Werden selbst an, darf
! aber nicht in das; Sein verlegt werden. Die Einzigkeit des Seins
erweist sich aber dadurch, daß es die hinlängliche Ursache ist für die
Entstehung des Werdens. Diese Hinlängliclikeit der Ursache aber
erschöpft sich in ihrer logischen Bedeutung, und sie wird entstellt
durch die Übertragung der logischen Bedeutuug auf einen materiellen
Hergang.
11. Die gedanklichen Hemmnisse im Problem der Schöpfung liegen
erstlich in der mythologischen Ansicht, welche jedoch sich selbst
widerlegt durch die Voransetzung eines Chaos. Es ist daher kon-
sequent, daß der Schöpfungsbericht in der Genesis nicht mit einem
Chaos beginnt, sondern daß er das Chaos (Tohu wabohu) erst an
der Erde ansetzt, nachdem sie geschaffen worden war. Und es ist
charakteristisch, daß das erste Wort, welches den Akt der Schöpfung
bezeichnet, nicht einen stofflichen Anfang setzt, sondern nach der
75

gewöhnlichen Übersetzung einetP zeitlichen. Die fahbiriische Erklärung


aber hat den A nfang (‫ )ראשית‬in die Kraft gesetzt, so daß es in das 1
Wesen Gottes gelegt wird, die Natur zu schaffen. Das Eätsel bleibt* |
aber es bleibt bei Gott. Und es gilt nun, den Begriff Gottes so zu j
bestimmen, daß die Schöpfung kein eigenes Rätsel bildet, sondern
in der Definition Gottes seine Lösung findet. Die Mythologie wird 1
sonach durch die Definition Gottes überwunden. |
Für die Definition Gottes erhebt sich nun aber der Gegensatz
zwischen Im m anenz und Werden. Indessen hat sich schon heraus-
gestellt, daß dieser vermeintliche Widerspruch aus dem Denken
herausfällt und in die Mythologie zurückfällt. Nicht dadurch soll
das Werden durch das Sein erklärbar werden, daß das Werden
vorher in dem Sein enthalten war und alsdann aus ihm herausgeht
— diese Auffassung ergäbe keine rein logische Bedingtheit — der
Differenz zwischen Sein und Werden wird entsprechend gedacht die.
zwischen B ejahung und V erneinung. Die Negation muß von
Gott abgewehrt werden: damit wird auch das falsche Werden au&
dem Sein hinweggenommen. Nun soll aber» doch das Werden aus
dem Sein erklärbar werden. Folglich muß das Sein eine Bestimmung^
in sich aufnehmen, welche es zwar von der Negation unterscheidet,. I
welche dennoch aber dem Gedanken der Negation in dem Problem \
des Werdens Genüge leistet. So ist der Begriff der Privation ent- I
standen. Und so ist er für das Problem der göttlichen Attribute in j
Verwendung gekommen. I
Es konnte nicht etwa die Privation an die Stelle der Negation
gesetzt werden, womit nichts geholfen wäre. Die Privation wäre
dabei stumpf und leer geblieben. Durch ihre Verbindung mit der
Negation konnte ihr aber ein neuer Sinn eingehaucht werden, durch
den der eigentliche Sinn erst ans Licht kam. der dieser Gedanken-
bildung überhaupt das Leben gegeben hatte. Wenn Gott an dem
Attribute der Nichtträgheit erkennbar wird, so wird er als Schöpfer
erkennbar, so wird die Schöpfung in seinen B e g riff au f-
genommen. Und das Rätsel der Schöpfung wird somit durch die
Definition aufgelöst. Denn diese Schöpfung bedeutet jetzt vielmehr
das Sein Gottes^ welches das Sein des Ursprungs ist. Und das
Werden hat nunmehr seinen Grund in dem Ursprung dieses Seins..
Es kann nicht mehr der Irrtum entstehen, daß das Werden ans dem
Sein hervorgehen könnte oder gar müßte, in dem es enthalten war;
denn diese bildlichen Vorstellungen werden jetzt als mythologische‫׳‬
^entlarvt im Liclite der rein logischen Erkenntnis. Es bedarf jetzt
auch keines Chaos mehr; dieses ist logisch nur das Unbestimmte,
nicht das Unendliche, welches durch die. Privation bezeichnet wird.
Und diese Unendlichkeit bezieht sich hier direkt auf das Endliche
und seine Bestimmbarkeit.
12. Der Begriff des Ursprungs für das göttliche Sein erledigt auch
das N ic h ts, welches den logischen Anstoß bildet im Gedanken der
Schöpfung. Das hebräische Wort, welches dem Nichts zu entsprechen
scheint (‫ )אין‬bedeutet" keineswegs das Nichts‫ ״‬schlechthin, sondern
vielmehr das relativ Unendliche der Privation. Dieses aber ‫ ׳‬liegt
nicht innerhalb des Werdens, bei der Materie, bei dem Desiderat
des Urstoffs, sondern yMmehr^tfar innerhalb des göttffcKen eirizigen
Seins. Aus diesem Begriffe heraus, aus der Einheit dieser Begriffe
des einzigen Seins und des unendlichen, privativen Ursprungs findet
das gedankliche Problem der Schöpfung seine vollständige Lösung.
Ist Gott das einzige Sein, so ist er der Ursprung für das Werden,
und in diesem Ursprung hat es seinen gedanklichen Urgrund gefunden.
Der Urgrund der E m anation ist kein gedanklicher, kein logischer
Urgrund, sondern vielmehr ein my‫׳‬thologischer, der um nichts besser
ist als das Chaos und als das Nichts. Die positive Bestimmung
! Gottes liegt in denjenigen negativen Attributen, welche nicht die
Positivität, sondern die Privation ausschließen.
D iese P riv a tio n aber m uß dem P ro b lem e des einzigen
S eins a n g ep a ß t werden. Dadurch wird die Beziehung auf das
Endliche, auf das Werden sichergestellt, und die Privation wird von
der Willkür des Unbestimmten befreit. Diese notwendige Beziehung
auf' das Endliche, auf das Werden verleiht dieser Abwehr den
neuen Gedankenwert des U rsp ru n g s. Das Endliche soll im Un-
ländlichen, in der Negation der Privation seinen Ursprung erlangen.
| Logisch ist damit das Problem gelöst. Und logisch bildet die
Schöpfung kein Rätsel mehr. Nur im Begriffe Gottes könnte es
noch gefunden werden, hier aber wird es durch die Einzigkeit ge-
löst. So is t die Schöpfung die K onsequenz der E in z ig k e it, j
Und man könnte sagen: die Einzigkeit des göttlichen Seins vollzieht
, sich in der Schöpfung. Die Negation der Privation hätte ihr Ziel
.!verfehlt, wenn sich dieses nicht auf das Endliche bezöge, das seinen
!Ursprung fordert, in sich selbst aber nicht finden kann.
Das Rätsel bleibt demzufolge nicht eigentlich bei Gott bestehen,
Sondern vielmehr bei der Natur und ihrem Werden. Dieses kann
77

seinen Grund nur im Sein haben. So hat P arm en id es die Losung


ausgerufen. Aber er ist nicht bei X enophanes stehengeblieben, so
daß er die Einheit von Gott und Welt angenommen hätte. Dies
wäre die Einheit von Sein und Werden. Und diese falsche Einheit
hat er bei H e ra k lit bekämpft. Der P a n th e ism u s wiederholt nur den
Fehler, den Parmenides mit so großer Schärfe und so großer Frucht-
barkeit für die Philosophie und die Wissenschaft ans Licht gestellt
hat. Die Schöpfung ist notwendig, damit nicht das Vorurteil vom
Sein, als Werden, bestehen bleibe, in welchem der Pantheismus seine
logische Wurzel hat. 1
Die Schöpfung ist das ürattribut Gottes; sie ist nicht nur
die Konsequenz von der Einzigkeit des göttlichen Seins, sie j
ist schlechthin mit ihr identisch. Wäre der einzige Gott nicht der
Schöpfer, so wäre Se|n und Werden Dasselbe; so wäre die Natur
selbst der Gott. Dies aber würde bedeuten: Gott sei nicht. Denn die
Natur ist das Werden, dem das Sein zu Grunde gelegt werden muß. \
Das Seih ist eine eigene Grundlegung, die Pflicht im" Werden
enthalten, die vielmehr erst dem Werden zu Grunde gelegt werden
muß. Die Philosophie, wie die Wissenschaft, widerspricht dem Ge-
danken von der Einheit des Seins mit dem Werden. Der P a n th e is -s(
mus ist daher ein logischer Widerspruch auch für das Wissenschaft-1
liehe Problem von Sein und Werden. Und doch ist dieser Wider- \
Spruch nur das .Vorspiel zu dem hauptsächlichen Anteil der Vernunft
an der Religion, zu dem hauptsächlichen Anteil der Vernunft über
die Probleme der Wissenschaft hinaus an dem Problem des Menschen,
an dem Problem der E th ik .
13. Der eigentliche_Sinn des monotheistischen Schöpfungsbegriffs
liegt in der E thik. Wir werden ihn daher erst zur Entfaltung
bringen können bei der Schöpfung des M ensclien, bei der Schöpfung
der Vernunft selbst. Es ist ja dies ‫*־‬schon der, Stein ‫״‬des Anstoßes
in der "ganzen Frage der Schöpfung, daß man sie unterschiedslos
für alle Geschöpfe faßt. Diese Anleitung gibt die Metaphysik der
Naturlehre, und ihr folgt der P a n th e ism u s, diesem Folgen verdankt
er seine vornehmliche Reputation. Wenn anders aber, wie wir von
Anfang an sahen, die Vernunft zwei Hauptwege geht, die an einem
Scheidepunkt auseinandergehen, so darf man nicht ununterschiedlich,
sondern diesen beiden Hauptwegen gemäß die Frage der Schöpfung
stellen. Der vermeintliche Dualismus wird vielmehr einheitlich durch
die Methodik, die jedoch auf einer Scheidung der Probleme beruht^
78

und die nichtsdestoweniger gerade auf Grund dieser Scheidung die


Einheitlichkeit der Erkenntnis durch sich herbeizuführen sucht. Die
Scheidung der Methoden führt zur Einheit der Methoden. Die
‫ן‬Scheidung aber muß voraufgehen. Die Logik ist die Logik der
!Wissenschaft. Die Ethik kann nur *nach Analogie der Wissenschaft
!ihre eigene Logik errichten.
Bevor wir daher die ethische Bedeutung^ der Schöpfung ent-
wickeln, sei nur noch hingewiesen auFdie Gestaltung des jüdischen
Monotheismus an dieser Frage gemäß der Norm, die uns M aim o-
n id es. geliefert hat.
14. Im Talmud werden aus der Bibel zwei Grundlehren als
esoterische Lehre ausgezeichnet: die Schöpfung und der Gottes-
wagen (‫ )מרכבה‬in der Vision Jech esk els. Und viele Fragen im Tal-
mud, wie die, welche die reinen Tiere betreffen, werden aus diesem
wissenschaftlichen Gesichtspunkte betrachtet und beinahe auch be-
handelt. ‫״‬Das Werk im Anfang“ (‫) מעשה בראשית‬, das ist der Aus-
■druck, der für die Schöpfung der ursprüngliche und meist gebrauchte
ist. Indessen ist dieser Terminus nicht der alleinige geblieben.
Wie konnte aber ein anderer ihm zur Seite treten? So müssen wir
fragen nach der Bedeutung, welche, die Schöpfung für die Einheit
Gottes hat. Indessen schon daß dieser Ausdruck der Physik zu-
gewiesen, und daß eine Metaphysik ihm übergeordnet wird, muß
bedenklich machen; denn jene Metaphysik hat es in ihrer Mythologie
:auch nur mit der Schöpfung zu tun. So wird' die eigentliche
Schöpfung beinahe zu einem exoterischen, und der Streitwagen zu
einem esoterischen Problem. Die Schöpfung im Anfang scheint
demnach nicht als ein letztes Problem gegolten zu haben.
In der: späteren Zeit kommt dagegen der Terminus der ‫ ״‬Er-
neuerung der Welt“ (‫ ;הדוש העולם‬auf. Es ist der Gedanke unver-
ineidlich, daß die Erneuerung dem Anfang mildernd entgegentreten
5011. Also nicht Schöpfung am Anfang soll der adäquate Terminus
.sein, sondern Erneuerung, welche den Anfang idealisiert und die
Schöpfung zu einer Sache der K o n tin u itä t macht, innerhalb welcher
jeder Tag einen neuen Anfang bildet. Die Männer der großen Syna-
goge haben diesen Gedanken im täglichen Gebete zur Feststellung
gebracht: ‫״‬Der erneuert mit seinem Gute an jedem Tage beständig
■das Werk des Anfangs“. Also an jedem Tag wird das Werk des
Anfangs erneuert. Und diese Erneuerung findet beständig (‫ )תמיד‬statt.
79

Jeder Tag ist ein neuer Anfang. Und die Beständigkeit ist der wahre
Anfang. ;Diese Erneuerung tritt an die Stelle der Schöpfung.
Es ist doch nicht zu bezweifeln, daß ‫׳‬hier‫־‬eine Stellvertretung
eintritt. Mag immerhin die Erneuerung nicht ihrem Wortsinne ge-
maß, noch ausdrücklich im Gegensätze zur Schöpfung im Anfang ge-
dacht worden sein, so bleibt es doch eine notwendige Frage: wie konnte
dieser neue Terminus mit dem Schein seiner Abschwächung des biblischen
Terminus entstehen und in Aufnahme, kommen? Welches Bedürfnis
konnte Vorgelegen haben, diesen Verdacht nicht zu scheuen, und
zwar auch für das tägliche Gebet selbst ihn nicht zu scheuen? Muß
man nicht denken, daß der Gegensatz zwischen dem Streitwagen
und der Schöpfung im Anfang abgeschwächt werden sollte, so daß
der letzteren nicht minder auch ein esoterischer Charakter gewahrt
bleibe ? Und es dürfte dem Sachverhalt entsprechen, daß die Schöpfung
sm Anfang zwischen der exoterischen und der esoterischen Lehre
mitten inne schwebt und einherschwankt.
15. Der eigentliche Grund für das Aufkommen der Erneuerung liegt
beim ethischen Problem, wie es durch das eine Wort des G uten in
der Agende angedeutet wird. Dennoch können wir schon hier sehen,
daß das rabbinische Schrifttum, in welchem wir trotz alledem, was
einer solchen Annahme zu widersprechen scheint, die Fortwirkung
des Vernunftanteils an der Religion des Monotheismus nachzuweisen
beabsichtigen, an der Unbestimmtheit und Vieldeutigkeit des
biblischen Ausdrucks für die Schöpfung Anstoß nimmt, und daher
die kontinuierliche Erneuerung der Welt als Schöpfung auffaßt.
Die Bedeutung unseres U rsp ru n g s wird dadurch weiter bekräftigt, j
Denn der Ursprung hat ja nicht nur für den ersten Anfang ein-
zustehen — das wäre mythologisch — sondern er muß den Fortbestand
und demgemäß die Forterhaltung in sich begründen. So bedarf er der
Beständigkeit, welche das Wort der Agende enthält (‫)תמיד‬. Die!
Frage entfernt sich so immer deutlicher vom Mythos, der beim;
Wunder des Anfangs stehenbleibt. Das einzige Sein hingegen muß 1
immerfort in Verhältnis gesetzt werden zum Werden, und so muß
der Ursprung in der Forterhaltung sich bewähren, oder, aus dem
Gesichtspunkte der Schöpfung gesprochen: in der Erneuerung.
Ohne daß der ethische Gesichtspunkt eintritt, ist daher der meta- j
physische allein, der vom Problem des Seins beherrscht wird, schon,
zu einer Änderung im Terminus genötigt, der einer Korrektur sehr
ähnlich sieht.
80

Und diese Änderung wird der vorherrschende Terminus


in der. Sprache der mittelalterlichen Philosophie des Judentums•
Die Erneuerung ^der Welt bedeutet jetzt die Schöpfung der Welt.
Der Schöpfer wird jetzt zum Erneuerer. Und da seinjru n , sein
!,Schaffe _nicht—elwa .iils —eine fremde Kraft in sein
| Wesen eintritt, so bedeutet der Ursprung jetzt bei ihm für das
Werden der Welt, daß dieses selbst, sofern es beständig ist, seinen
Ursprung im göttlichen Sein, im göttlichen Schaffen hat.
Ist denn aber das beständige Sein auch wirklich ein beständig
Neues? Ist es nicht, insofern es durch das göttliche Sein bedingt
ist, dadurch auch immer dasselbige? Der Terminus erteilt die Antwort
auf diese Frage. Und er erlangt durch diese Aufklärung seine
eigentliche Bedeutung.
Es ist nicht so, daß das Werden irnmei dasselbe wäre. Diese
Identität gilt nur vom Sein. Das Endliche aber ist immer ein
neues: es muß daher ?immer 1erneuert werden, dieweil es ja seine
Schaffenskraft nicht in sich selbst hat. So zeigt es sich, daß der
neue Terminus nicht etwa nur deshalb erfunden ist, um der Skepsis
auszuweichen, der die Schöpfung nicht entgehen konnte, sondern
daß ihm eine positive Bedeutung beiwohnt, welche das metaphysische
Problem von Sein und Werden hinüberzuleiten geeignet ist auf das
e th isch e Problem, welches von sich aus eine Verbindung herzustellen
suchen muß zwischen dem einzigen Sein und dem endlichen Werden.
Die Beständigkeit der Erneuerung an jedem Tage bildet diese Brücke
!zwischen dem Unendlichen und dem Endlichen, während der Anfang
jim Dunkel des Mythos liegt. Jetzt aber stellt jeder Tag die gleiche
Frage; an den Anfang tritt die Beständigkeit. Diesen Fragen kann
die Schöpfung am Anfang nicht Genüge leisten: so mußte die Er-
neuerüng der Welt eintreten, die das Neue auf jeder Stufe des
Werdens zum Problem macht und durch das göttliche Sein zur
Lösung bringt.
Es handelt sich gar nicht mehr um das mythische Interesse an
einem einmaligen vorzeitigen Akte. Abgesehen von aller Ethik noch,
wird dem Mythos gegenüber das Interesse schon wissenschaftlicher.
Nicht der Anfang bildet so sehr das Wunder, als vielmehr die Be-
ständigkeit im Werden, der Bestand im Wechsel; Es ist immer ein
Neues, aber dieses Neue kann doch immer nur in demselben Alten,
seinen Grund, seinen Ursprung haben.
81

Die Erneuerung ist demgemäß nicht die Erneuerung aus dem


Chaos oder aus dem Nichts — dann hätte es bei der Schöpfung sein
Bewenden haben können. Die Erneuerung hebt vielmehr jeden Punkt
im Werden wie einen neuen xAnfang hervor.
Dies ist das gedanklich Reifere, das sich bei der Wahl dieses
Terminus zeigt, das wissenschaftlich Unmittelbarere, das den Mythos
vom Anfang noch ganz abgesehen von der Beziehung auf die Ethik,
die es anbahnt, übertrifft. Das Neue im Werden ist der wissen-
schaftliche Gedanke. Aber dieses Neue muß beständig erneuert
werden. Der Vernunftanteil der Religion bewährt sich bei der
Schöpfung in der Erneuerung der Welt. Der xAnfang wird durch
die Erneuerung auch positiv als religiöses Problem übertroffen.
Aber im Monotheismus ist das Problem der Schöpfung
nicht erschöpft durch die Schöpfung der Welt; in der griechischen
Philosophie betrifft die Frage nur die Entstehung des Kosmos. Hier
jedoch nimmt innerhalb der Welt eine bevorzugte Stellung ein der !
M ensch, als Träger der Vernunft und als Vernunftwesen der Sittlich-]
keit. In dieser Bedeutung geht die Schöpfungsfrage aus dem B e-'
reiche der Kausalität in den der Teleologie über, und der Anteil
der Vernunft an der Religion nimmt Bezug auf das Problem der
Ethik, während die Schöpfung, sofern sie unter dem Gesichtspunkte
der Kausalität steht, nur die xAuseinandersetzung mit der Logik
fordert. Dieser gegenüber erscheint sie als ein Wunder, und die
Vernunft erhebt den Anspruch, die xAnomalie des Wunders auf-
zuheben in die Normalität des Denkens.
Dieses Interesse an der Auflösung des Wunders stellt sich noch
ferner an einem anderen Begriffe ein, der auch eigentlich die Schöpfung
des Menschen, als des Vernunftwesens, voraussetzt. xAber wie dieser
besonderen Schöpfung die allgemeine der Welt voraufgehen durfte,
so lassen wir ihr zunächst, und zwar zur Beseitigung des Scheins
der Anomalie, die Erörterung jenes anderen Begriffs folgen, aus der
sodann die weitere Schöpfung als Konsequenz hervorgehen mag.
Kapitel IV.
Die Offenbarung.
1. Das Werden ist durch das Sein bedingt. Diese logische
Bedingtheit wird nicht mehr gestört durch die mythologischen Vor-
Stellungen .der Emanation. Aus der Mannigfaltigkeit des Werdens
aber erhebt sich das Spezialproblem derjpapnjphliehen V ernunft.
Die allgemeine logische Bedingtheit muß ihre eminente Bedeutung
erlangen für diese spezielle Bedingtheit. Die Einzigkeit Gottes muß
sich in der Relation zu diesem Spezialproblem bewähren. Dies ist
der allgemeinste Sinn der Offenbarung: daß G ott in V e rh ä ltn is
t r i t t zum M enschen. Und dieser allgemeinste Sinn ist zugleich der
eigentliche. Denn die Meinung, daß Gott sich auch in der Welt
offenbare, ist ein ungenauer Gedanke, der schon durch unsere
Schöpfungslehre berichtigt ist. der in den Pantheismus hinüber-
schwankt: Gott offenbart sich überhaupt nicht in Etwas, sondern
nur an Etwas, in dem Verhältnis zu Etwas. Und das entsprechende
Glied dieses Verhältnisses kann nur der Mensch sein,
f Die Offenbarung unterscheidet sich demnach nur dadurch von der
j Schöpfung, daß diese das allgemeine metaphysische Problem von Sein und
; Werden betrifft, welches aber an das besondere Problem der Sittlichkeit
i angrenzt. Dieses wird nun von der Offenbarung aufgenommen. Man
könnte daher sogar auch sagen, die Offenbarung sei die Fortsetzung
der Schöpfung, insofern sie die Schöpfung des Menschen, als des Vernunft-
wesens, zum Problem macht. So geht schon aus dem Begriffe der
Schöpfung des Sittlichen die Folgerung hervor, daß die Offenbarung
nur an den Menschen, den Träger des Sittlichen, ergehen kann.
Die Erörterung der Offenbarung kann daher nur unter der Einschrän-
kung vor dem Kapitel des Menschen voraufgehen, daß zuvörderst Vier
Schein der wünderhaften Anomalie von dem Problem der Offenbarung zer-
streut werde. Wie das Sein die notwendige Voraussetzung für das Werden
ist, so ist sie dies in eminenter Weise für das Werden des Menschen.
Vermöge der Offenbarung entsteht nun aber erst das V e r n u n f t w e s e n des
.83

Menschen.1 Dieser Satz ist von derselben logischen Kraft, wie der von der
Einzigkeit des Seins, als Substanz, daß sie als Voraussetzung des Werdens
m gelten habe. Wenn anders nun die Vernunft nicht allein die Natur-
Erkenntnis, die ihre besonderen Grundlagen hat, zu bedeuten hat, als
vielmehr vorzugsweise die Erkenntnis des Sittlichen, so muß der ITr-j
eprung dieser sittlichen Vernunft, dieses sittlichen Werdens in Gott;
gelegt werden, der das einzige Sein ist, mithin auch die Vor-;
bedingung für die Erkenntnis des Sittlichen. j
2. Der Widerstreit zwischen der Logik der Begriffe und den
Quellen der Religion muß sich hier schärfer auftun als selbst bei der
Schöpfung. Denn die Gefahr der Materialisierung Gottes und auch
dieser seiner Relation zum Menschen ist hier unmittelbarer. Die
M itte ilu n g , die Gott an den Menschen erläßt, scheint ihm unver-
meidlich teilzugeben am Menschen — und dem Menschen an Gott!
Dadurch aber wird die Einzigkeit des göttlichen Seins angegriffen.
Es scheint kein Ausweg offenzustehen, um der unausweichlichen
Mythologie liier zu entgehen. .
Wiederum schlüpft in diese Lücke der Vernunft der
P a n th e is m u s ein, der sie aber nur überbrücken kann, indem
er vielmehr sie aufhebt und gar keine Lücke anerkennt.
Nach ihm teilt sich Gott im Menschen gar keinem anderen Wesen
mit, sondern nur sich selbst. Seine Mitteilung ist vielmehr seine
Selbstentfaltung. Aber dadurch wiederholt sich die Schwierigkeit
von der Schöpfung:, das Werden wird in das Sein verlegt und auf-
gehoben. So wird Gott bei dieser Ansicht von der Offenbarung mit
dem Menschen identifiziert, während Gott nach dem Monotheismus {
immer nur die Vorbedingung bedeuten soll für alles Werden in der |
scheinbaren Selbständigkeit dieses‫ ״‬seines Problems, also auch für;
das Sittliche des Menschen.
Die Offenbarung hat nicht die kausale Bedeutung der Ursache für
das Entstehen der sittlichen Vernunft, sondern auch für diese besondere
Kausalität gilt sie nur als Vorbedingung. Mithin kann die vermeintliche
Anomalie nur ein Irrtum sein. Es handelt sich gar nicht um die
K a u s a litä t der M itte ilu n g der Vernunft von Gott an den Menschen; ;
es handelt sich überhaupt nicht um Kausalität, sondern um deren
Vorbedingung, bevor die Kausalität sich anderweitig ins Werk setzen
kann. Diese Vorbedingung aber ist schon im Sein enthalten, aus dem
heraus sie sich zu dieser besonderen Bedeutung der Schöpfung aus-
zeichnet, welche die Offenbarung bildet. Das Verhältnis zur Vernunft
6 *
des Menschen ist dieses besondere Problem des Werdens. Für dieses
absonderliche Problem aber ist das Sein die Vorbedingung, welche
fü r dieses ausgezeichnete Problem daher nicht mehr Schöpfung heißt^
sondern Offenbarung. Auch sie kann kein Wunder sein; sie ist keine
Anomalie. Denn das Sein hat die immanente Bedeutung ebenso der
Offenbarung.‫ ־‬wie, der Schöpfung. Die O ff enb aru ng i s t d i e
Schöpfung der Vernunft.
o. Wenn wir nun daran gehen, diesen so bestimmten Anteil der
Vernunft an diesem Grundproblem der Religion zunächst aus den bibli-
sehen Quellen zu beleuchten, so sind wir hier mehr als sonstwo auf eine
große Schwierigkeit gefaßt. Der Monotheismus wächst aus dem.
Mythos heraus. Und mit dem Mythos wächst er ebenso heraus aus
dem nationalen Epos. Die Bibel ist kein Lehrgedicht, auch nicht*
stileinheitlich eine Lehrverfassung des Glaubens. Sie ist auch keine
Literaturgeschichte, sondern selbst nationale Literatur. Alle nationale
Literatur aber wird in der Naivität ihrer Schöpfung durch die Be-
wußtheit geleitet, daß die Nation selbst das geschaffen habe, was
das Schriftwerk aufzeichnet. So entsteht unvermeidlich ein Wider-
streit zwischen dem Volksgeiste in seiner literarischen Originalität‫׳‬
mit dem mythologischen Sinne der Offenbarung. Dies ist die erste
Form des Widerstreits zwischen‫ ־‬der Offenbarung und dem nationalen
Schrifttum.
Die Bücher Mose enthalten eine Doppelform, die von der
Tradition immer anerkannt worden ist, insofern das fünfte Buch als*
‫״‬Wiederholung der Thora“ ( ‫ ) משנה תורה‬bezeichnet worden ist. Durch
diese Wiederholung scheint die Naivität durchbrochen; denn offenbar
muß sie Reflexion über dasjenige enthalten, was die vorausgehenden,
Bücher- in naiver Darstellung gebracht• hatten. Aus diesem höheren
Gesichtspunkteist das Deuteronomium so überaus interessant, so daß
mjm es als ein besonderes Glück der Schriftlehre bezeichnen darf.
Alle Bedenken, welche gegen die Originalität der nationalen Pro-
duktion der Religion auftauchen, werden von dieser Reflexion der Wieder-
holung erwogen. Indessen geht die Kritik dieser Reflexion noch
tiefer, indem sie vor allem anderen die Zweifel in Erwägung zieht,,
welche von der Geistigkeit Gottes aus gegen die Offenbarung sich
erheben müssen. Und erst von dieser tieferen Kritik aus werden
auch die minder starken Bedenken recht kräftig, welche aus dem
Gesichtspunkte der nationalen Originalität sich einstellen. Nicht in
erster Linie handelt es sich um. den Gegensatz der nationalen
Originalität und der göttlichen Offenbarung, sondern um das Problem
der Offenbarung überhaupt, als der Mitteilung Gottes an den
Menschen.
4. Die Offenbarung ist zunächst eine einzelne Tatsache in der
*Geschichte des Volkes: die Offenbarung am Sinai. . Ist sie etwa die
einzige? Gilt nicht die ganze Thora als Offenbarung? Und wäre
sie etwa in der ganzen Fülle ihres Inhalts am Sinai offenbart worden?
Die Babbinen schrecken zwar nicht zurück vor der Konsequenz,
^welche der Mosaismus schon enthielt, insofern er den ganzen Inhalt
der Thora in die Offenbarung auf dem Sinai einschloß. Erklärten
:sie ja doch sogar ihre eigenen Ausführungen als mündliche Thora,
‫״‬der sie solche Gesetze (Halachoth) zu Grunde legten, welche sie
•ebenfalls als ‫ ״‬dein Mose von Sinai“ gegeben auszeichneten. Trotz
alledem blieb aber doch der Dekalog als die eigentliche Offenbarung am
Sinai in Sonderheit bestehen. Dadurch jedoch wurde der Begriff' der
Offenbarung in seinem Inhalte schwankend.
Diese Offenbarung am Sinai mußte nun aber der Reflexion des
Deuteronomiums mannigfachen Anstoß erregen. Vor allem war es
■die Theophanie selbst, welche die Gefahr einer materiellen Auffas umg
■Gottes in sich barg. Es ist daher sehr lehrreich, wie das Deutero-
nomium diese Gefahr zu beschwören strebt. ‫ ״‬Hütet Euch sehr um
*eurer Seelen willen“ (es handelt sich also dabei um eure Seele).
‫״‬Denn ihr habt keine Gestalt gesehen am Tage, da der Ewige zu
euch redete am Horeb aus dem Feuer heraus. Daß ihr nicht ver-
<lerbt werdet und euch ein Bild machet, die Gestalt irgend eines
*Standbildes, sei es die Gestalt eines Männlichen oder eines Weib-
liehen“ (5, M. 4, 15. IG). Die folgenden Verse beschreiben den
ganzen Götterkreis der anderen Völker.
In einer solchen Gestalt soll sich durchaus der einzige
Gott am Sinai nicht offenbart haben. ‫ ״‬Es redete der Ewige
zu euch aus dem Feuer heraus. Eine Stimme von Worten
habt ihr gehört, eine Gestalt aber nicht gesehen, ausgenommen die
Stimme“ (ib. 13). Ist denn nicht aber auch die Stimme eine Gestalt,
•ein körperliches Organ? Man muß daher denken, daß es ja nur die
‫״‬Stimme von Worten“ sein sollte, die sie gehört haben, also nicht
die Stimme, sondern die Worte allein seien ihnen vernehmlich ge-
worden. Denn das Hören ist ja ebenso körperlich wie das Sehen, müßte da-
her mit diesem auch abgewehrt werden. Man muß deshalbjlas Hören hier
nicht nur als Verstehen auffassen, wie es der Vers ausspricht: ‫״‬Alles,
was der Ewige gesprochen hat, wollen‫־‬-wir tun und ‫״‬verstehen“,,
sondern man muß das Verstehen noch bestimmter in der üblichen
Bedeutung des Gehorchen^ auffassen, so ‫ ׳‬daß es nur das innere
geistige Hören, das die Tat zur Folge hat, bedeutet. Immerhin
wird aus dieser Verwahrung unverkennbar, daß alle. Materialität von
der Offenbarung ferngehalten werden sollte.
Selbst auf den Berg Sinai erstreckte sich diese Rücksicht. ‫ ״‬Ihr
.tratet näher und standet unterhalb des Berges, und der Berg brannte
im Feuer bis zum Herzen des Himmels, Finsternis, Gewölk und
Dunkelheit“ (ib. 11). Maimonides macht auf den Unterschied auf-
merksam zwischen dem Feuer im Berge und der Finsternis und
Dunkelheit um ihn herum. Gott selbst steht weder im Lichte, noch
in der Dunkelheit: nur eine subjektive Schranke trennt den Menschen
von Gott. Es gibt daher nur eine subjektive Scheidewand (‫)מחיצה‬
selbst in der Offenbarung zwischen Gott und dem Menschen. Und
den Beweis für diese subjektive Trennung bildet die Gestalt Moses,,
die wiederum eine eigene Anomalie in dem Verhältnis zwischen Gott•
und Mensch in der Offenbarung bildet.
5. Das Deuteronomium sucht den Monotheismus zu begründen als-
den tiefsten Sinn und Wert des jüdischen Volkes. Aus diesem
Nationalismus heraus soll der Polytheismus bekämpft, soll aller
Götzendienst ausgerottet werden im eigenen Volke, wie in allen
Völkern ringsum. Immer ,wird zu -diesem Zweck und Ziel die Aus-
rottung der götzendienerischen Völker ebenso, wie die Vernichtung
Israels bis auf einen Rest verkündigt. Zu dieser weltgeschichtlichen
Aufgabe für die Errichtung und Befestigung des Monotheismus wird
das Nationalbewußtsein erweckt. Zu diesem einzigen Zwecke wird
die Urge sc hich te des Volkes rekapituliert. Und diese Re k ap it u -
lation ist der Grundfaden dieser ganzen großen Rede an den Gefilden
Moabs. Mit diesem Leitfaden des N a ti on al b ew u ß ts ei n s muß sich
der Monotheismus vertragen, und alle Gegenmotive müssen illusorisch
gemacht werden.
Ein solches Gegenmotiv ist allein schon die Offenbarung de&
!einzigen Gottes an das einzige Volk. ;Dennoch darf dieser Gedanke*
nicht gescheut werden, wenn es gilt, die religiöse, die geistige
Grundkraft der Nation mit ihm zu erwecken. Daher der Rückblick
auf die Begegnisse des Volkes mit den sieben Völkerschaften, bevor
die Erzählung der Offenbarung beginnt. Die Epik des Berichten
|w i 1‫־‬d auch nicht gestört durch die S elb stk ri tik des naiven Mono-
87 J

theismus, die sich einflicht. Denn das zur politischen Tatkraft auf-
reizende Motiv ‫״‬Gott ist eifervoll“ und ‫״‬ein verzehrendes Feuer“
wird hinlänglich berichtigt durch das innere monotheistische Motiv:
‫ ״‬denn ein erbarmender Gott ist der Ewige, dein Gott“.
Auch die Motive der Liebe und der Gerechtigkeit verschlingen
sich hier in naiver Durchdringung zum national-politischen Haupt-
zweck der ganzen B.ede. Es heißt zwar: ‫״‬Ihr werdet zu Grunde
gehen“ ; aber es heißt nicht minder auch: ‫״‬Er wird nicht von dir
lassen und dich nicht verderben“. Alle Formen der Autochthonie
werden durch die naive Urform der Offenbarung aufgehoben.
6. Eine andere Form der Antinomie bildet das Doppe lve rh äl tni s,
in welchem Mose zu Gott und zu I s r a e l steht. Kein ernstliches
Bedenken kann zunächst das Aufrufen Moses erregen, während das
Volk selbst durch die Theophanie zum Nationalbewußtsein erhoben
werden soll. Denn Mose ist gerade das Werkzeug zu dieser nationalen
Erhebung. Der einzige Gott kann nur im Geiste sich offenbaren,
und dem ganzen Volke soll er nur im Geiste erschienen sein. Diese
Vermittlung des Geistes macht indessen die Vermittlung durch einen
individuellen Geist unvermeidlich. Die materielle Theophanie be-
dürfte des Individuums nur als eines blinden Sehers; die geistige
Theophanie kann den geistigen Vermittler nicht entbehren. Und aus
der Not wird eine Tugend: Mose ist der Nationalheld, gleichsam
der Schöpfer des Volkes, der es aus dem Eisenofen der Sklaverei
zu einer Nation erhoben hat. Seine Einzelgestalt bildet daher eigent-
lieh keinen Gegensatz gegen das ganze Volk in seiner Einheit.
So heben sich die scheinbaren Widersprüche auf, welche in den
Aussprüchen liegen: ‫״‬von Angesicht zu Angesicht redete er mit
Mose“ ( ‫ )פנים אל פנים‬und: ‫״‬von Angesicht zu Angesicht redete der
Ewige mit euch“ (5. M. 4, 5). Zu der ersteren Stelle gibt Ibn E s r a
die Erklärung: ‫״‬ohne Mittler“. So bedeutet ihm ‫״‬von Angesicht
zu Angesicht“ nur die U n m i t t e l b a r k e i t Mose^selbst aber gilt nicht
als Mittler, der er doch zwischen Gott und Israel ist. Er wird also
nur als Vertreter des Volkes gedacht, der daher keinen Gegensatz,
kein Einzelglied zum Gesamtvolke bildet.
So heißt es denn auch gleichsam ergänzend oder sogar be-
richtigend, an der zweiten Stelle, an der Gott mit dem
Volke von Angesicht zu Angesicht redet: ‫״‬und ich stand zwischen
dem Ewigen und euch . . euch zu verkünden das Wort des Ewigen“.
Es wird die Theophanie somit in ein Apostolat aufgehoben. Mose wird
88

-der Verkünder. Ein solcher ist notwendig,' denn die Offenbarung


soll eine geistige Mitteilung sein. Und nichtsdestoweniger wird
immerfort auch wieder ausgesprochen: ‫״‬Ihr selbst habt es gesehen,
an dem Tage, da ihr am Horeb standet-, und Gott mit euch redete aus
dem Feuer heraus“ (5. M. 4,15).
Die Begründung, welche der Text hier von der Intervention
Moses gibt-, steht offenbar nicht auf der Höhe der die Geistigkeit
der Offenbarung sichernden Reflexion. ‫״‬Denn ihr fürchtetet euch vor
dem Feuer und stieget nicht hinauf auf den Berg“. Sie wird aber
berichtigt durch den Satz: ‫״‬Und du hier stehe bei mir, und ich
will zu dir sprechen das ganze Gebot und die Satzungen und Rechte,
die du sie lehren sollst (5. 28). Der Verkünder wird hier zum
Lehrer. Und dies ist der kompetente Beruf Moses: er ist der
Lehrer des Monotheismus. Durch diese Lehre eines persönlichen
Geistes muß die Offenbarung hindurchgehen, und durch diesen
.Nationallehrer wird das Nationalbewußtsein zu seiner Reife gebracht.
Wenn sonach die Intervention Moses keine Gegeninstanz bildet
gegen den Gedanken von der nationalen Urheberschaft des Mono-
theismus, so fehlt es sogar nicht an einem kühnen Ausdruck, der die
Tatsache der Offenbarung außer Widerspruch stellt zu diesem Grundge-
danken: ‫״‬Nicht mit euren Vätern hat der-Ewige diesen Bund geschlossen,
sondern mit uns, die wir diese hier sind h eu t e allesamt am Leben“.
(5. M. 5, 3). Mit dem stärksten Nachdruck wird in diesem Satze
der ganze historische Faden verschmäht, und wahrlich erst recht
nicht fallen, gelassen; aber er wird unmittelbar angeknüpft an die
Menschen der Gegenwart, und dadurch die Geistigkeit der Offen-
barung, von dem Einzelfaktum aus der Urzeit abgelöst, in der
lebendigen Erneuerung durch die nationale Kontinuität in aller
Klarheit festgestellt.
7. Die Intervention, welche Mose gegen die Unmittelbarkeit Gottes
mit Israel bildet, muß das epische Leben Moses zu einem tragischen
machen. Der Israel aus Ägypten herausgeführt hat, darf es nicht
in das verheißene Land einführen. ‫״‬Und der Ewige zürnte mir um
euretwillen“ (‫)למענכם‬. Was bedeutet dieses ‫״‬um euretwillen?“ Ich
vermute auch hier den Durchbruch der monotheistischen Reflexion
durch den naiven Bericht. Um des Volkes willen, um ihnen nicht
den reinen Monotheismus durch die Illusion eines Halbgottes, eines
Übermenschen trüben zu lassen, muß ein Vergehen Moses erdichtet
werden. Er hat auf den Felsen geschlagen, anstatt durch das Wort
das Wasser ihm zu entlocken. ‫ ״‬Weil ihr mich nicht geheiligt
habt“, weil ihr, Mose und Aron, durch den Gebrauch des Stabes
die alleinige geistige Kraft des Wortes ausgeschaltet habt, habt ihr
der Heiligkeit Gottes Abbruch getan, die auf der Geistigkeit beruht.
Um des Volkes willen, um seiner Erziehung zum Monotheismus
willen mußte Mose zum Sünder werden, und diese. Sünde mußte
durch die Strafe ausgeprägt werden: Siehe es mit deinen Augen,
dorthin aber sollst du nicht kommen“. Mose muß einem Nachfolger
seinen Beruf überlassen; die Illusion mußte zerstört werden, als ob
er der Mittler wäre zwischen Gott und Israel: an seine Stelle tritt
•ein anderer. Und doch heißt es von ihm: ‫״‬Und der Mann Möse
war demütig sehr von allen Menschen, die auf der Oberfläche der
Erde sind“ (4. M. 1*2, 3). Nicht ohne Absicht sicherlich wird Mose
hier der Mann Mose genannt, und von allen Menschen auf dem Erd-
boden ausgenommen. Und seine Auszeichnung besteht nicht in
•:seinem*Heldentum, sondern in seiner Demut. So wird durch den
Mann Mose die Offenbarung in ihrer Geistigkeit geschützt.
8. Auch durch den Tod Moses, vor dem Einzuge des Volks *in
das gelobte Land, wird der Monotheismus, der Grundgedanke des
ganzen Buches, wie in einer Tragödie befestigt. Nur Gott gründet
‫׳‬dem Monotheismus eine nationale Stätte. Mose muß vorher sterben:
‫״‬Und Niemand kennt sein Grab bis auf diesen Tag“ (5. M. 34, 5.).
Wie sein Leben keinen Einspruch bildet gegen die Offenbarung, so
5011 dies sein Tod besiegeln. Das Individuum stirbt, auch das be-
‫־‬vorzugteste: Gott aber lebt nur für das ganze Volk, dem seine Un-
mittelbarkeit mit Gott eigentümlich ist. Wäre nicht seine Sünde
■die Tragödie seines Lebens, so wäre es nach der dramatischen
•Schablone sein Tod, der in sich die reinste Läuterung des Mensch-
liehen, die höchste Katharsis bildet.
9. Es möchte auch nicht zu künstlich sein, den Bericht von den
:zwei Tafeln in dieser Tendenz, die Offenbarung zu idealisieren, auf-
zufassen. Aus Zorn über den Abfall des Volkes bei dem goldenen
Kalbe zerbricht Mose die von Gott geschriebenen Tafeln. Wie kann
ihm diese Sünde zugemutet werden, die ihm vollends nicht einmal
als Sünde• zugeschrieben wird? Freilich müssen neue Tafeln an-
gefertigt und wiederum von Gott beschrieben werden. Aber die
Tatsache, daß die ersten zerbrochen werden konnten, bleibt bestehen,
und sie dient der Tendenz, die Offenbarung zu vergeistigen.
Nicht in der Niederschrift auf Tafeln besteht der Geist der Offen-
. 90

barung. Die Mischna bat Recht: ‫״‬Lies nicht eingegraben, sondern^


Freiheit auf den Tafeln (Sprüche der Väter ‫ אל תקרי חרות אלא חירות‬.“
Freilich eignete sich der Wortlaut nicht ungezwungen für diese
Deutung, aber der Sinn der Deutung ist richtig, und auf diesen.
Sinn kommt,es für die Reinheit des Monotheismus an.
10. Ein anderes Moment noch durchzieht diese Rede, welches gegen
die materielle Auflassung der Offenbarung Verwahrung einlegt: die
‫״‬Satzungen und Rechte“, deren Weisheit hervorgehoben wird. Worin
bestehen sie, zu denen die Zeugnisse (‫ )עדות‬noch hinzukommen.
Warum hat es nicht bei der Offenbarung sein Bewenden, zumal
diese jetzt gleichsam erneuert wird durch die feierliche Ansprache;
‫״‬Höre Israel, der Ewige, unser Gott, der Ewige ist einzig“
(ib. 6,4). ‫״‬Unser Gott“ ist hier charakteristisch, denn im National-
bewußtsein soll der Monotheismus gegründet werden. Und dennoch
verbleibt es nicht bei diesem Grundgedanken, sondern, wenngleich ‫׳‬
als seine Konsequenz, wird auf die ‫״‬Satzungen und Rechte“ hin-
gewiesen, als in denen der Beweis liege für die Wahrheit des
Monotheismus. Welchen Inhalt und Charakter haben diese Satzungen
und Rechte?
11. Wie der Ausdruck selbst es schon besagt, handelt es sich in
ihnen nicht um gottesdienstliche Vorschriften, zu denen doch wahrlich
das Gebot der Ausrottung- des Götzendienstes nicht gerechnet werden
kann, sondern um rein sittliche Vorschriften und um so zi al p o li tis ch e
Einrichtungen und Anforderungen, wie um die ganze Einrichtung
von Recht und G er ic h t in Theorie und Praxis. Um unseren Zu-
sammenhang nicht zu unterbrechen, zählen wir hier nicht den ganzen
Inhalt dieser Satzungen und Rechte auf, aber wir dürfen be-
haupten, daß die sittlichen, - die rechtlichen, die politischen, die
sozialen Grundlagen der menschlichen Gesittung in diesen
JKapiteln 12 bis 28 , des Deuteronomiums niedergelegt sind. Die
Frage nach dem Inhalt und Charakter der Satzungen und Rechte
ist hiermit beantwortet.
Wenn nun aber die Offenbarung in letzter Instanz auf diese
Satzungen und Rechte begründet wird, so wird dadurch die Tendenz
außer Zweifel gestellt, den Sinn der Offenbarung von dem F a k t u m
am Sinai abzulösen und vielmehr in dem I n h a l t zu begründen, der
zwar von dort hergeschrieben wird, den aber die Kontinuität der
nationalen Geschichte vollzieht.
Und für diese Satzungen und Rechte ist Mose sich bewußt, der
91

Lehrer an Israel zu sein. ‫״‬Die ich euch lehre“ (4, 1). ‫״‬Siehe, ich.
habe, euch gelehrt Satzungen und Rechte, die mir befohlen hat der
Ewige, mein Gott“ (ib. 5). Und dieser Lehre entsprechend heißt es:
‫ ״‬Denn dies ist eure Weisheit und eure Einsicht in den Augen der
Völker, die hören werden alle diese Satzungen und sprechen: wahrlich
ein weises und einsichtiges Volk ist dieses große Volk“ (ib. 6).
Wenn es dann unmittelbar weiter heißt: ‫ ״‬Denn welches, große Volk:
gäbe es, dem sein Gott nahe ist, wie der Ewige unser Gott in allem,,
darum wir zu ihm rufen?“
So wird auch diese Nähe G ottes, die zu einem wichtigen
religiösen Momente wird, unmittelbar darauf wiederum in den Satzungen
begründet. ‫״‬Und welches große Volk gäbe es, das Satzungen und Rechte•
hätte, gerechte, wie diese ganze Lehre, die ich vor euch heute gebe?“
H eute also will Mose diese Satzungen gegeben haben, und dennoch darf er
unbefangen fortfahren und an •die nationale Geschichte anknüpfen, deren
Sinn sich eben nur in diesem ‫״‬heute“ .vollendet.‫ ־‬Ganz im Zusammen-
hange dieses einheitlichen Gedankens heißt es auch weiter: Gott habe-
die zehn Worte verkündet und auf die zwei Steintafeln geschrieben.-
‫ ״‬mir aber befahl der Ewige um diese Zeit, euch zu lehren Satzungen
und Rechte“ (ib. 14). Sogar der Ausruf ‫״‬Höre Israel“ wird auf sie*
bezogen (0, 1). In ihnen bezeugt sich die Offenbarung durch ihre*
Weisheit und ihre Vernünftigkeit.
12. Auch der n atio n a le U rsp ru n g wird auf sie zurückgeführt.-
‫ ״‬Wenn dein Sohn dich fragen wird morgen: was sind die Zeugnisse-
und die Satzungen und die Rechte, die der Ewige unser Gott euch
geboten hat? so sollst du sagen deinem Sohne: Sklaven sind wir
gewesen dem Pharao in Ägypten, und es führte uns heraus der
Ewige aus Ägypten . . . und es befahl uns der Ewige, zu üben alle•
diese Satzungen“ (6, 20—24).
13. Mit ihnen wird endlich auch das an das ‫״‬Höre Israel“ ange‫״‬
schlossene Grundgebot der Liebe zu Gott verknüpft. ‫״‬Und du sollst lieben
den Ewigen, deinen Gott und du sollst wahren seine Wahrung und seine
Satzungen und seine Rechte, und seine Gebote alle Tage“ (11, 1).
Es wird freilich durchaus kein Unterschied gemacht zwischen dem
politischen Charakter dieser Gesetze und denjenigen Geboten, welche
direkt die Befestigung des Monotheismus betreffen. Eine solche*
Unterscheidung wäre stilwidrig in einer Rede, in welcher die
Reflexion selbst sich archaistisch macht, ohnehin aber selbst in jener
gereifteren Zeit als eine wissenschaftliche Unterscheidung nicht er‫״‬
wartet weiden kann. Es ist genug, daß an die Weisheit und die
Vernünftigkeit dieser Satzungen und Rechte, an ~ die Weisheit des
Volkes selbst appelliert wird, uni^die Tendenz zur Idealisierung des
Faktums der'Offenbarung'außer Zweifel zu stellen.
Bis jetzt stand jedoch nur das Faktum selbst in Frage, in-
:wiefern es mit der Geistigkeit, mit der Einzigkeit des göttlichen
Beins sich verträgt. Und das Volk und Mose selbst sind gleichsam
nur vorweggenommen, da wir ja bis zur Schöpfung des Menschen,
als des Vernunftwesens, noch nicht vorgedrungen waren. Wie die
Schöpfung, so kann aber auch die Offenbarung erst mit der Offen-
barung an die Vernunft, an den Geist des Menschen zur Vollendung
kommen, der daher ihre Voraussetzung ausmacht. Der Mensch,
nicht das Volk, auch nicht Mose; der Mensch, als Vernunftwesen, ist
das Korrelat zum Gotte der Offenbarung.
14. Vorher aber noch ist eine Darstellung der Theophanie zu be-
achten, bei welcher Mose allein der mitwirkende Zuschauer ist.
Nur zwei persönliche Bittgesuche werden von Mose berichtet. Die
*eine betrifft die schon besprochene um die Mitführung in das gelobte
.Land; die andere eine Theophanie. Schon bei der ersten Bitte ver-
lautete wie eine Begründung derselben der Wunsch: ‫״‬Tu mir doch
Lund Deinen Weg, auf daß ich Dich erkenne“ (2. M. 33, 14).
Darauf aber verlautet die Bitte Moses: ‫״‬Laß mich doch schauen
Deine Herrlichkeit“ (ib. 18). Hier scheint die Gefahr der Materiali-
sierung unabwendbar, die in der Bitte selbst schon liegt, während
die vorhergehende Bitte nur auf die Kenntnis von Gottes Weg, also
.‫־‬seinem Verfahren ging.
Die hier folgenden Verse enthalten nun ein lehrreiches Beispiel von
-der Art, in welcher, und zwar gerade an den schwierigsten Punkten
.alte Schichten der Überlieferung nicht unterdrückt, sondern erhalten
worden waren. Die ältere Fassung dürfte in den Versen 21—23 vorliegen:
‫״‬Und er sprach: Du kannst mein Angesicht nicht sehen, denn es
;sieht mich nicht der Mensch und bleibt lebendig. Und es sprach
der Ewige: siehe ein Ort ist bei mir, da magst du hintreten auf
den Felsen. Und es wird sein, wenn meine Herrlichkeit vorüber-
;zieht, so will ich dich stellen in die Felsenritze und meine Hand
decken über dich, bis ich vorübergezogen bin. Und ich werde hin-
wegziehen meine Hand, und du wirst sehen das mir Folgende, aber
mein Angesicht wird nicht geschaut.“
Beginnen wir mit dem ersten dieser Verse, so enthält er schon
eine unverkennbare Anlehnung an den allgemeinen Mythos,, daß der
Mensch nicht lebendig bleiben kann, wenn ein Gott ihm erschienen ist.
Ganz mythologisch sind die folgenden Verse von dem Orte, dem Felsenr
ferner der Bedeckung mit der Hand, wie der Entziehung der Hand. Den
größten Anstoß aber bildet das Vorüberziehen der Herrlichkeit. Dieses
materielle Moment hat die Übersetzung des Wortes ‫ אחורי‬mit ‫״‬Rück-
seife“ möglich gemacht, als wenn das Angesicht die Vorderseite wäre
und nicht vielmehr nur das Vor bedeutete. Wenn aber zu dem Vor
das Entsprechende ist das Rückwärts, so braucht dieses nicht der
Rücken zu sein.
Das fragliche hebräische Wort kommt außer an dieser Stelle nur
noch einmal, und zwar auch im Exodus (*26, 1*2) vor, als Rückseite*
des Stiftszeltes, sonst aber im Singular vielfach für die Folge, wio
Jesaja 41,23: ‫״‬oder das Künftige laßt uns hören, verkündet, was
nachher kommen soll“. In dieser Bedeutung hat von jeher die jüdische
Schrifterklärung diesen anstößigen Satz zu beseitigen gesucht: nur
aus seinen Werken, nur aus dem, was aus seinem Wesen folgt,,
könne Gott erkennbar werden, nicht aber aus diesem Wesen selbst,,
wie man demgemäß auch das Angesicht immer und überall ver-
standen hat. Trotz alledem ist diese ganze Antwort auf diese schon
anstößige Bitte von einer großen Gefahr für die Geistigkeit der
Offenbarung des Monotheismus.
So läßt es sich denn verstehen, daß den angeführten Versem
zwei andere voraufgehen, welche von ganz anderen Gesichtspunkten•
aus die Bitte Moses beantworten: ‫״‬Und er sprach, ich werde vor-
überziehen lassen all mein Gutes vor deinem Angesicht, und werde*
rufen mit dem Namen: der Ewige ist vor dir. Und ich begnadige,,
den ich begnadige, und ich erbarme mich, dessen ich mich efbarme“
(18, 19). Zunächst beachten wir die falsche Übersetzung vom
K au tzsch : ‫״‬ich will all meine Schöne an dir vorüberziehen lassen,
und will den Namen Jahve vor dir ausrufen“. Das Wort ‫ טוב‬be-
deutet keineswegs die Schönheit, die dann nur ein anderes Wort
wäre für die Herrlichkeit, mithin immer nur für das Wesen Gottes.-
Es bedeutet auch nicht die Güte, sondern den Ertrag der Güte:
das Gute.
Es erklärt sich auch so die Beibehaltung des anstößigem
Wortes ‫״‬ich werde vorüberziehen lassen“ , nämlich nicht mein
Wesen, sondern meine Wirkungen. So wird der Gegensatz klar zu.,
der Bitte nach der Schau der Herrlichkeit, also des Wesens, die so
*erledigt wird: meine Wirkungen sollst du sehen, dann werde ich-
rufen: der Ewige ist vor dir. Diese Wirkungen sind mein Gutes•
meine Gnade und mein Erbarmen. So hat die jüdische Schrift-
■erklärung das Richtige getroffen, indem sie das in dieser gramma-
tischen Form nur einmal vorkommende Wort nicht als körperliche
Rückseite auffaßte, sondern als Folge und Wirkung des göttlichen
Wesens.
15. Wir wenden uns jetzt wieder dem Deuteronomium zu. Die
Rede läßt es nicht dabei bewenden, durch die Warnung vor der
]körperlichen Wahrnehmung die Geistigkeit der Offenbarung zu
■schützen, wie überhaupt das geschichtliche Faktum nahezu in die
-Gegenwart zu verlegen, um es um so dringlicher zu einem Anliegen
■der aktuellen Verantwortlichkeit des Volkes zu machen, sondern sie
geht beinahe bis an die Grenze einer rationalen Auflösung des
-eximierteil Faktums.
Diesen Forschrift vollziehen die Verse: ‫״‬Denn dieses Gebot, das
ich dir heute gebiete, nicht wunderhaft ist es verborgen vor dir und
nicht fern ist es. Nicht im Himmel ist es, daß du sagen müßtest: wer
steigt uns hinauf in den Himmel und holet es uns und läßt es uns
hören, daß wir es tun. Und nicht jenseit des Meeres ist es, daß du
sprechen müßtest: wer geht uns hinüber nach jenseit des Meeres und
liolet es uns und läßt es uns hören, daß wir es tun. Denn nahe ist
dir das Wort sehr, in deinem Munde und deinem Herzen, es zu
tun“ (5. M. 30, 11 —14). Also nicht mehr im Himmel ist die Lehre,
und nicht vom Himmel ist sie gekommen, sondern scheinbar-ganz
subjektiv wird ihre Herkunft gemacht: in deinem Herzen und in
deinem Munde. Im Herzen des Menschen und in der Sprachvernunft
ist ‫״‬das Wort“, wie hier das Gebot genannt wird, enthalten. Es
ist dem Geiste des Menschen nicht fern, sondern nahe. Im ‫־‬Herzen
und in der eigensten Kraft des Menschen, welche die Sprache dar-
stellt, wird die Offenbarung hier begründet. Sicherlich liegt diesen
Sätzen die Absicht fern, die Offenbarung am Sinai zu bestreiten,
aber es kann nicht verkannt werden, daß auch durch diese Sätze
das Interesse abgelenkt werden soll von dem einmaligen Faktum,
dessen Vergeistigung, dessen Idealisierung durch diese Verinnerlichung
im Geiste des Menschen bewirkt werden soll.
Dieser Geist des Deuteronismus lebt in den Propheten, die, wie
Jeremia, von dem ‫״‬neuen Bunde“ weissagen, den Gott mit Israel
schließen wird. ‫״‬Siehe Tage kommen, Spruch des Ewigen, und ich
werde schließen mit dem Hause Israels und dem Hause Judas einen
neuen Bund. Nicht wie der Bund, den ich geschlossen mit ihren
Vätern . . denn dieser Bund, den ich schließen werde mit dem Hause
Israels nach diesen Tagen, Spruch des Ewigen, ist: ich werde meine
Lehre geben in ihr Inneres, und auf ihr Herz werde ich sie schreiben,
und so werde ich ihnen werden zum Gotte, und sie werden mir
zum Volk“ (31, 31—34). Für den Mund ist hier das Innere ein-
getreten, und die Thora ist- durch diese Inschrift in das Herz zu
einem Bunde geworden.
16. Und was Jeremia den neuen Bund nennt, das nennt Jesaja
den neuen Geist (‫ )רוח הדשה‬und Jecheskel das neue Herz (‫)לב הדש‬.
Das Deuteronomium wird unverkennbar hier der Höhepunkt weil
hier der Gegensatz ausgesprochen wird zum Himmel, als dem ver-
meintlichen Ursprung der Lehre. So ist denn schon hier, ohne daß
in der Vernunft des Menschen sein Verhältnis zu Gott in Schöpfung
und Offenbarung begründet wäre, die Offenbarung selbst ebenso, wie
die Schöpfung, zu einer rein geistigen Bedeutung verklärt. Und
diese Vergeistigung war die notwendige Folge von der Einzigkeit
Gottes, die als Geistigkeit seines Seins aller Sinnlichkeit entgegen
gedacht werden muß.
Die anderen Zeugnisse für diese Tendenz, welche von früh ab
die Urkunden des Monotheismus verfolgen, werden sich stufenweise
in unserer Entwicklung der Grundbegriffe einstellen. Schon der
Anteil der Vernunft, den wir überhaupt an der Religion des Mono-
theismus voraussetzen, macht diese Tendenz zu einer notwendigen,
mithin schon der Begriff der Vernunft selbst, sowie der Begriff des
Menschen, als des Vernunftwesens. Wenn er als eine Schöpfung
Gottes bestehen und wenn Offenbarung an ihm möglich werden soll,
sö kann diese nur durch seine Vernunft, mithin die Offenbarung selbst
auch nur als eine solche der Vernunft ermöglicht werden.
Die Korrespondenz zwischen Gott und Mensch erweist sich liier
schon als eine K o rrelatio n . Die Einzigkeit Gottes bedingt sein Ver-
hältnis zur Vernunft des Menschen. Und die Vernunft des Menschen,
als Schöpfung Gottes, bedingt sein Vernunftverhältnis zu Gott, daher
aber auch den Vollzug dieses Vernunftverhältnisses in der Offen-
barung, welche mitsamt der Schöpfung die Korrelation von Mensch
und Gott begründet.
17. Wir dürfen daher die Auffassung, welche die jüdischen Philo-
sophen des Mittelalters allesamt durchzuführen suchten, von dem
96

Vernunfteinklang und demnach auch mehr oder weniger bestimmt,,


vom Ursprung der Offenbarung in der Vernunft als rechtmäßige1
Fortwirkung des Monotheismus betrachten. Schon daß sie nahezu,
alle die Grundlagen von Prinzipien als solche der Vernunft voraus-
setzen, beweist dies. Zwar ist der Ausdruck des Prinzips veränderlich,,
bald wird es Wurzel (‫שרש‬,) bald Grundstein (‫סוד‬%) bald Hauptsache (‫)עיקר‬
usw. benannt, dennoch aber bleibt allgemein durchgängig der prägnante•
Ausdruck: erste Vernunftsätze (‫) מושפלות ראשונת‬. Also nicht bestimmte-
Sätze der Offenbarung, werden zu Prinzipien gemacht, sondern ihnen
selbst, wie sogar der Einheit Gottes und der Schöpfung, werden
Vernunftsätze als Prinzipien zu Grunde gelegt. So wird die Vernunft ^
zur Wurzel gemacht für den Inhalt der Offenbarung. Und es kann
daran kein Anstoß genommen werden, weil die Korrelation von Gott
und Mensch diese Korrelation des göttlichen Geistes zum menseh-
liehen, als eine Art von Identität der logischen Vernunft zur unaus-
weichlichen Konsequenz macht.
18. Daher dürfen wir endlich auch als Charakteristik der Offen-
barung die allgemeine Grundansicht aufzustellen wagen, welche in
aller Philosophie, ja in aller geistig-sittlichen Kultur die Voraus-
Setzung eines Ewigen erfordert gegenüber der Vergänglichkeit aller
irdischen Einrichtungen und aller menschlichen Vorstellungen.
Die Griechen unterschieden die ‫ ״‬ungeschriebenen Gesetze“ von
den geschriebenen. Die letzteren sind Satzungen von Menschenhand.
Es kommt nicht darauf an, daß sie geschrieben seien, obzwar die-
höchste Beglaubigung dem geschriebenen Rechts- und Staatsgesetz
beiwohnt. Sogar die positiven Gesetze bedürfen zu ihrer tieferen
Beglaubigung der Konformität mit den ungeschriebenen. Wenn nun
gar der jeweilige Herrscher ein Gesetz erläßt, wie Kreon, so ist
Antigone daran nicht gebunden, und sie weiß sich von dem Frevel
der Gesetzesverletzung frei, weil sie auf die ungeschriebenen Ge-
setze in ihrer Schwesterliebe sich beruft. In diesen ungeschriebenen
Gesetzen liegt die Sittlichkeit des griechischen Volksgeistes, bevor diese•
von den Philosophen formuliert und motiviert wurde. Indessen hat die‫־‬
philosophische Ethik dennoch keinen Schutz gebildet vor der Sophistik,.
die in den Reihen der Philosophie selbst ausbrach. Was nun aber
später durch den Ausdruck ‫״‬von Natur“ (<pvöst) im Gegensatz zur Kon-
vention, der ‫ ״‬Satzung“ ([övvdrjKr] — vöjuq>) bezeichnet wurde, das ist
im Grunde nichts anderes als jenes ‫״‬an sich“, jenes Ewige,* jenes
Ungeschriebene, welches eben aller Schriftlegung, gleichsam aller
9:7

Kultur voraufgeht, voraufgehen• muß-, weil: es erst den Grund legt


zu aller Kultur.
Was die Griechen das ungeschriebene Gesetz nannten, das
nannten die Juden die geschriebene Lehre. Sie wollten hier den
sonst behaupteten Zusammenhang mit der Vernunft übersehen,
weil ihr Blick, ihr Interesse auf die Folgezeit gerichtet ist,
die sie im Zusammenhang halten wollten mit der Vergangenheit.
Daher legen sie diese fest als geschriebene Lehre, um die mündliche
Lehre als Lehre zu befestigen. Der Grieche richtet von vornherein
seine Kritik an die Gegenwart, der er daher den Grund legen muß
in der Vergangenheit. Der Jude dagegen will die Gegenwart nicht!
durch Kritik vertiefen, sondern vielmehr durch die Herstellung ihres
Zusammenhangs mit dem Ewigen, dem geschriebenen Gesetze. '
Dieses Ew ige, als die G ru n d lag e der V ern u n ft für allen f
Inhalt der Vernunft, nennt der Jude O ffen b arun g . I
Ist der Name wirklich ein gebräuchlicher, ein traditioneller? Diese
Frage ist zu verneinen. Der technische Ausdruck ist: ‫ ״‬die Gabe der
T110ra“(‫־־‬nn ‫)מתן‬. Diese Gabe birgt kein Mysterium in sich. In allen
Segenssprüchen über die Thora heißt es: ‫ ״‬der uns die Thora ge-
geben hat“, und Gott wird ‫ ״‬Geber der Thora“ in der liturgischen
Formel genannt. Da ist von keinem Geheimnis, von keiner Ent-‫׳‬
schleierung (Revelatio) die Rede. Gott gibt die Thora, wie er alles
gibt, das Leben und das Brot, wie auch den Tod. Die Offenbarung /
ist das Zeugnis der Vernunft, die nicht- tierische Sinnlichkeit ist,
sondern von Gott kommt, mit Gott verbindet.
20. Was die Griechen das Ewige später nannten, im Anschluß an
das Ungeschriebene, das benennt die Philosophie alsbald, nämlich
schon bei Platon und Aristoteles in einer ähnlichen Zweideutigkeit,
wie die Theophanie, in der man die Vorder- und die Rückseite
Gottes mißverstanden hat. A priori und a posteriori enthalten die-
selbe Zweideutigkeit in Beziehung auf die Zeit, wie dort auf den
Körperraum. Wenn jedoch unter dem a priori von Anfang an das-
jenige verstanden wurde, was aller sinnlichen Wahrnehmung u n d 1
Erfahrung vorausliegt und zu Grunde liegt, so erkennen wir den
geistigen Zusammenhang, den hier die Vernunftforderung mit dem j
der Offenbarung verbindet.
Ebenso wie die Philosophie allem vermeintlich berechtigten
Interesse an der E n t wi c k 1u n g der Begriffe und alles Inhalts des Bewußt-
seins mit der Forderung entgegensteuert, daß die Entwicklung nicht rest-
98

los durchgeführt werden könne, daß ein Fundament ausgezeichnet werden


müsse, welches der Analyse standhält, halten soll, weil ein Ewiges
zu fordern ist, in welchem aller Wechsel des menschlichen Bewußt-
seins mit allen seinen Schätzen einen Urgrund habe, der ihm Bestand
sichert, so wird auch die Religion vermöge ihres Anteils an der
Vernunft von diesem Problem bewältigt, von diesem Interesse belebt:
daß nicht einmal ein Mose, so wenig wie ein Solon oder Lykurg, das Gesetz
aus seinem Geiste gegeben habe, auch daß es nicht etwa nur von den
Erzvätern abstamme, sondern daß allön geschichtlichen Potenzen ent-
gegengestellt werde die unmittelbare Abfolge von Gott, als dem
einzigen Sein.
Wenn diese geistige Abfolge nun dennoch im Laufe der
politischen Ereignisse wie ein geschichtlicher Akt ausgezeichnet
wurde, damit er als ein nationaler gelten könne, so haben wir ge-
sehen, daß im Beginne der eigentlichen, der literarischen Geschichte,
j die Kritik und Korrektur hier ein trat, welche den S in ai in das
!Herz des M enschen v erleg te. Das Ewige, das aller sinnlichen
Erfahrung, daher auch aller geschichtlichen entrückte, ist der Grund
und die Gewähr des Innersten der nationalen Geschichte. Es geht
vorauf, weil es zu Grunde liegt. Es muß voraufgehen, weil es zu
Grunde gelegt werden muß. Die Vernunft fängt nicht mit der Ge-
schichte an, sondern die Geschichte muß mit der Vernunft anfangen.
Denn der Anfang soll mehr als ein zeitlicher Anfang sein: er soll
einen ewigen Ursprung bedeuten.
Kapitel V.
Die Schöpfung des Menschen in der Vernunft.
1. In den zwei ersten Kapiteln der Genesis wird die Schöpfung
des Menschen berichtet, in dem zweiten anders als in dem ersten.
In dem ersten heißt es nach der Schöpfung aller anderen Lebe-
wesen: ‫״‬Und es sprach Gott: lasset uns machen einen Menschen
nach unserem Bilde, nach unserer Ähnlichkeit, und daß sie herrschen
über die Fische des Meeres und das Geflügel des Himmels“ . . .
Und es schuf Gott den Menschen in seinem Bilde, im Bilde Gottes
schuf er ihn, Mann und Weib schuf er ihn (1. M. 26, 27). Die
Urkunde hat offenbar altmythologisches Gepräge, welches aber alsbald
berichtigt wird. ‫״‬Lasset uns einen Menschen machen nach unserem
Bilde“, dieser Plural wird in den Singular aufgehoben: ‫ ״‬Und es
schuf Gott den Menschen in seinem Bilde“ und offenbar dieser Be-
richtigung wegen wird der Ausdruck wiederholt: ‫״‬im Bilde Gottes
schuf er ihn“. Aber gibt es denn ein Bild oder eine Ähnlichkeit
von Gott, nach der der Mensch geschaffen werden, konnte?
Im zweiten Kapitel heißt es nach der Einsetzung des Sabbat
bei der Vollendung der Schöpfung plötzlich: ‫״‬Und ein Mensch war
nicht da, zu bearbeiten die Erde. Und ein Dunst stieg auf von ? fypj)
der Erde und tränkte die ganze Oberfläche der Erde. Und es ‫י‬
bildete der Ewige, Gott den Menschen, Staub von der Erde, und er
blies in seine Nase den Hauch des Lebens, und es ward der Mensch "
zu einer lebendigen Seele.“ Jetzt ist das Bild Gottes geschwunden, und
die Erde ist, wie sprachlich die Wurzel des Menschen, so auch zum
Mutterboden des Menschen geworden: Staub von der Erde So hat
nicht mehr nur Gott, sondern der Ewige, Gott den Menschen jetzt ge-
bildet. Er hat ihm den Lebenshauch eingeblasen, und ihn dadurch
zu einer lebendigen Seele gemacht. An den Staub ist so der
Lebenshauch der Seele herangetreten. Und es ist nicht mehr bei
dem Urbild der Erde verblieben, sondern Leben und Seele machen
nunmehr den Menschen aus. So tief hat der Jahwismus eingewirkt.
100

2. Es folgt unmittelbar die Erzählung vom Paradiese, in welcher


das Rätsel des Lebens auf den Baum des Lebens verpflanzt wird‫״‬
an den aber hinzutritt der Baum der Erkenntnis von gut und böse.
Während nun aber im ersten Kapitel Gott den Menschen aus Mann
und Weib geschaffen hatte, wird hier das Weib aus der Hüfte des
Mannes von Gott nicht geschaffen, sondern, wie der korrekte Ausdruck
lautet, gebaut: ‫״‬und es baute ‫־י‬der Ewige, Gott die Hüfte, die er
genommen hatte von dem Menschen, .im Weibe“ (ibv 22). ■ Und die
folgende Päränese: ‫״‬darum verlasse der Mann seinen Vater und
seine Mutter und hange an seinem Weibe, auf daß sie werden zu
einem Fleische“ (24‫־‬:, ib.) macht den Sinn der Änderung unverkennbar^
Von vornherein heißt es hier daher auch nicht: Gott schuf den
Menschen, sondern er . bildete ihn (‫ ;מייצר‬Und so baute er auch das
Menschenweib erst aus dem Menschenmann, damit sie erst durch,
die Ehe zu einem Fleische werden, während sie bei der Schöpfung
des Menschen, als Mann und Weib, nur Staub von der Erde waren;
Das zweite Kapitel stellt mithin die Schöpfung schon ganz in den
MjMelp1mti_de 1’ Kultur, während das erste mit seinem Bilde Gottes
und dem AbbildTMes^ Menschen noch ganz naiv den! Mythos eine
monotheistische Färbung geben will, die sich denn auch behauptet;
der Mensch als das E b enbild Gottes.
3. Indessen, kann dieser Gedanke selbst nur ein Bild sein. ‫ ״‬Welche;
Ähnlichkeit wollt ihr Gott beimessen? (Jes. 40, 18). Es darf kein
Bild von Gott ,geben. Daher darf auch der Mensch kein Bild, von Gott
sein.. ‫ ־‬Was die beabsichtigte Verbesserung des Mythos hier mit dem
Bilde meint, ergibt sich aus der Bedeutung, die wir der Schöpfung!
überhaupt zuerkennen mußten. Die Schöpfung ist die logische
Konsequenz des einzigen Seins Gottes, •welches keinen Sinn hätte‫־״‬
wenn es nicht zur Voraussetzung des :Werdens würde. In allem.
Werden aber bildet den Mittelpunkt der Mensch, zwar nicht insofern
er ein .Lebewesen ist, aber insofern der Baum der Erkenntnis für ihn
erblüht. Die mythische Sprache bringt dies darin zum Ausdruck:,
die Erkenntnis bringt deii Tod. Oder wie die Schlange es deutet;’
*,Und ihr werdet sein wie Gott-, wissend gut und. böse“ (3, 5). ‫ז‬
Also, um die E rk e n n tn is handelt es sich jetzt beim Menschen.;
Und in der Erkenntnis handelt es sich um das Verhältnis des Menschen.:
zu Gott. Die Schlange nennt es Identität; unsere Sprache der Philov-
sophie nennt es Korrelation, die der Ausdruck ist ,für alle Wechselbegriffe; ‫־‬
(Wechselwirkung besteht für Mensch und .Gatt. ‫;־‬:Das Sein Gottes ist:
HM

die Grundlage für das Sein der Schöpfung, vielmehr für das Dasein
der Schöpfung. Aber beim Menschen 'genügt diese nicht für sein
Dasein: in dieser Beziehung‫ ־‬beträfe die Voraussetzung des göttlichen
‫׳‬Seins den Menschen nur als Lebewesen. Bei dem Menschen muß
Gottes Sein die Voraussetzung sein für die Erkenntnis. Und die
Erkenntnis betrifft nicht allein das Naturwissen, sondern es handelt
sich um ‫ ״‬die Erkenntnis von* gut und böse“. Das Wesen‫* ־‬des
Menschen wird bedingt durch die Erkenntnis der Sittlichkeit. Die
Vernunft ist nicht nur die theoretische, sondern auch die praktische,
die ethische. Die Schöpfung des Menschen - muß die Schöpfung
:seiner Vernunft bedeuten.
4. Der Prophet Zächarja hat dieses Verhältnis des G eistes zur
Schöpfung präzis ausgedrückt: ‫ ״‬Er spannt aus den Himmel und
gründet die Erde, und er ist Bildner des Geistes des Menschen in
seinem Inneren“ (Zach. 12, 1). Gott ist nicht nur der Schöpfer von
Himmel und Erde^ sondern er hat den Geist des Menschen in seinem'!
Leibe gebildet. Der Geist des Menschen gilt nicht als die Nach-1
bildung, die homogene Fortentwicklung von der Schöpfung des
Menschenleibes innerhalb der Schöpfung von Himmel und Erde,
sondern der Geist des Menschen fordert eigens den göttlichen Schöpfer, j
Wir werden aus diesem Satze für die Sittenlehre, für die ethische
Bedeutung des Menschen die monotheistischen Konsequenzen zu
ziehen haben; an dieser Stelle kommt es nur erst darauf an, vom
Geiste, von der Vernunft überhaupt, von ihrem theoretischen Funda-
mente die Korrelation von Mensch und Gott festzustellen. Hiob
drückt diese Korrelation von seiten Gottes aus: ‫״‬Der Geist Gottes
hat mich gemacht, und die Seele des Allmächtigen belebt mich“
(H.iab,-33rA) Aber Hiob drückt das Verhältnis noch spezifischer
aus: ‫״‬Wahrlich, Geist ist im Menschen, und die Seele des All-
mächtigen macht sie vernünftig“ ( ‫) אכן רוה היא באנוש'ונשמת שדי תביבס‬
Hiob 32, 8)._ Also nicht nur als Lebewesen, und auch nicht nur als
intellektuelles Wesen wird der Menschengeist in Gottes Geist ge-
gründet, sondern die Wern unft, die in eminenter Weise die sittliche
Vernunft ist, wird von Gott abgeleitet.
Der Geist Gottes schwebt nicht mehr nur über dem Wasser:
alles Wissen und alle Kunst geht von ihm aus; so bei Bezalel, bei
Joseph und bei allen Richtern, bei dem Held Simson und dem König
Saul, aber auch die Propheten haben alle ihre Weisheit von Gott.
Und doch ist das Spezifische des ethischen Geistes in allen diesen
Erscheinungsformen noch nicht zum Ausdruck gekommen. Selbst
der Messias hat nur ‫״‬den Geist des Eates und der Kraft, den Geist
der Erkenntnis und der Gottesfurcht“ (Jesaja 11, 2). Ausdrücklicher
wird seihst beim Messias sein Geist nicht zu dein Geiste Gottes in
Verhältnis gesetzt.
Eine unmittelbare Beziehung besteht zwischen dem Geiste des
V olkes und dem Geiste Gottes. ‫ ״‬Möchte doch das ganze Volk
Propheten sein und Gott seinen Geist auf sie geben“ (-1. M. 11, 29)»
Dieser ursprüngliche Universalismus des Geistes in Israel führt zu
großen Konsequenzen. Bei Jesaja soll ‫ ״‬die ganze Erde voll sein
der Erkenntnis des Ewigen“ (Jes. 11,9). Und bei Jeremia hört
sogar aller Gradunterschied in der Erkenntnis unter den Menschen
auf: ‫ ״‬denn alle werden mich erkennen von Groß bis Klein“ (31, 33).
So ergießt endlich Joel den Geist Gottes ‫״‬auf alles Fleisch . . .
und auch auf die Knechte und die Mägde“ (3, 1, 2). Und so ver~
wandelt endlich Jecheskel den neuen Bund Jeremias in das neue
Herz und den neuen Geist. ‫״‬Und' meinen Geist will ich in euer
Inneres geben“ (3 6 ,2 6 ,2 7 ; 39,29). Und was hier Jecheskel zur
Verheißung für eine neue Zeit macht, das nimmt Zacharja von
Anfang an an: Gott hat, wie er den Himmel ausspannt und
die Erde gründet, so auch den Geist des Menschen in seinem
Inneren gebildet; Jecheskel sagt nur genauer, wie diese Bildung
sich vollzieht: Gott hat seinen Geist in das Innere des Menschen
gegeben.
So ist im Geiste, in der theoretischen und in der sittlichen
Vernunft die Korrelation zwischen Gott und Mensch gegründet und
befestigt. Denn wo Gott schafft, da entfaltet sich sein einziges
Sein als die Grundlage für das Werden, welches kraft dieses Seins
Grund und Bedeutung erlangt. Und in allem Werden ist das
höchste Problem der Mensch, der nicht nur Leben, sondern auch Ver-
nunft ist und erst durch die Vernunft, durch die Erkenntnisfähigkeit zu
demjenigen Menschen wird, der zu Gott in Korrelation treten kann.
Auch von Gott aus betrachtet, ist die Vernunft die Bedingung, ver-
möge welcher Gott in Korrelation treten kann zum Menschen. Und
diese Korrelation ist begründet in dem Begriffe des einzigen Seins..
Denn dieses bedeutet die Voraussetzung zum Werden. Wie das
Sein daher die Voraussetzung der Grundlage ist, so ist das Werden
für die Entfaltung der Grundlage die Voraussetzung, also der Mensch»
Diese gegenseitige Bedingtheit vertritt die Korrelation. Und der
103

Begriff, durch welchen die Korrelation sich vollzieht, ist die Vernunft,
die daher Gott und Mensch gemeinsam sein muß.
Durch die Vernunft erst treten Schöpfung, wie Offenbarung, in
Vollzug. Beide Begriffe erweisen sich jetzt als Ausdrücke der
Korrelation, und somit beruhen sie beide auf dem Begriffe der
Vernunft, der in der Schöpfung des Menschen der Vernunft sich voll-
zieht, und ebenso auch in der Offenbarung Gottes an den Menschen.
Schon die Schöpfung des Menschen, als die der Vernunft des
Menschen, beläßt den Menschen nicht passiv, was dem Begriffe der
Korrelation widerspräche. Und ebenso kann ihn die Offenbarung
erst recht nicht passiv machen, was nicht bloß der Korrelation,
sondern noch deutlicher der Vernunft widerspräche, welche die ‫־‬
Offenbarung zu offenbaren hat.
In der Erkenntnis des Menschen von Gott tritt gemäß der ‫ ן‬j
Korrelation die Reziprozität ein. Es ist als ob das Sein Gottes erst 1
in der Erkenntnis des Menschen aktuell würde. So gewaltig setzt
sich die Korrelation ins Werk. Der Mensch ist nicht mehr nur das
Geschöpf Gottes, sondern seine Vernunft macht ihn kraft seiner Er-
kenntnis und für dieselbe gleichsam wenigstens subjektiv zum Ent-
decker Gottes.
So wird es verständlich, wie der G eist zum Grundbegriffe der
Religion wird, zum Vermittlungsbegriffe zwischen Gott und Mensch,
zum vollziehenden Begriffe der Korrelation.
Der Geist ist sonst nur der Gegensatz zur Materie und zum
Leben. Der Geist ist daher zuerst Seele. Sobald aber der Geist!
zum Gotte wird, wird Gott nur Geist, und der Polytheismus wird j
überwunden. Gott, als Geist, ist nicht im Feuer, und nicht im ‘
Winde, auch nicht in der materiellen Menschenmacht, sondern er
wird zu einer Unendlichkeit, der der Mensch nicht entfliehen kann.
‫ ״‬Wohin soll ich gehen vor deinem Geisie?“ (Ps. 139, 7). Alle
Körperlichkeit entschwindet nunmehr von Gott, und in dieser Ab-
wehr bezeugt sich wiederum die Einzigkeit des göttlichen Seins.
G ott is t e in zig , dies b ed eu te G ott is t G eist. i
5. Aber der Geist hat nicht die negative Bedeutung eines Mittel-
dings zwischen der Körperwelt und der göttlichen Einzigkeit, sondern
die Positivität dieses Geistes bedarf keiner anderen Vermittlung als #
derjenigen, die ihr Begriff selbst vollzieht. Gott ist Geist, dieser
Satz bedeutet auf Grund der Korrelation, die zwischen Sein und
Werden bestellt, auch: der Mensch ist Geist. Diese Gleichsetzung
aber ist nicht etwa als Identität zu mißdeuten; denn däs göttliche Seih
ist einzig. Aber seine Einzigkeit, als Geist, begründet auch das
Werden des Menschen, als Geist. Der Geist verbindet beide Glieder
der Korrelation.
Der Geist des Menschen kann freilich nicht der Geist Gottes
sein; Indessen gibt Gott seinen Geist in den Menschen, wie es die
Korrelation erfordert. Also muß dennoch der Geist in dem Menschen,
wenngleich nicht identisch, so doch vergleichbar mit dem Geiste
Gottes sein. Die Korrelation ist notwendig: Schöpfung und Offen-
barung machen sie notwendig. Sie kann nicht gegen die Einzigkeit
verstoßen. Die Korrelation wird aber erst durch den Geist vollziehbar.
Also muß der Geist des Menschen ihm von Gott gegeben sein.
Gottes Geist ist unerschöpflich, seinem Grade und seiner Art
nach. Sein Sein ist ja einzig, es bleibt daher für die Vergleichung,
welche die Korrelation notwendig macht, nichts anderes übrig, als
was Hiob ausführt, indem er den Geist als ‫״‬Teil und Erbteil“ an
der Gottheit bezeichnet. ‫״‬Was wäre der Anteil an der Gottheit von
oben und das Erbe des Allmächtigen aus der Höhe?“ (Hiob, 31, 2).
Der volle Eechtsbesitz des Menschengeistes an Gott wird hier durch
die beiden Worte ausgedrückt, die den Erbbesitz bezeichnen (‫חלק‬
‫)ונהלה‬: als ob Hiob sagen wollte, mein Geist hat Anteil an der
Schöpfung der Gottheit von oben, und er ist ein Erbe, das der All-
mächtige aus der Höhe an mich kommen ließ‘.
Beachtung fordern auch die abstrakten Ausdrücke für Gott:
die Gottheit und der Allmächtige, und für die sinnliche Ab-
kunft: die von ‫ ״‬oben“ und ‫״‬aus der Höhe“ ; sie lassen die
Tendenz des Gedankens erkennen: das Wesen des Menschen
vollständig aus Gott herzuleiten, in seiner Einzigkeit es zu be-
gründen. Die Herleitung von oben gibt eine bessere Begründung
als der ‫״‬Teil“, der ja auch nur den Anteil am Besitze bedeutet. Es
'bleibt dabei: die Korrelation ist der entscheidende Begriff, und Teil
.und Abfolge sind nur bildliche Ausdrücke, welche schwächer sind
als das begriffliche Verhältnis der Korrelation.
6: Aus diesem Rationalismus, den der Geist, als Verbindungs-
begriff der Korrelation, begründet, erklärt sich auch der Nachdruck,
den besonders das Deuteronomium und mit ihm alle Propheten auf die
E rk e n n tn is Gottes legen und mit dem sie diese zur Bedingung der
Verehrung Gottes machen, besonders aber der Liebe Gottes. Wenn
es eine Frage sein konnte, wie die Erkenntnis als Liebe gedacht
.werden konnte, so kann uns jetzt die umgekehrte Frage entstehen:
wie die Liebe als Erkenntnis gedacht werden konnte. Wenn anders
.aber die Liebe der innigste J ^ s d ^ ist. so machtdie
Erkenntnis am ^genauesten diese innigste Art des Verhältnisses
deutlich: der Geist der E r k e ^ ist es, welcher dieses Band
zwischen Gott und Menschea.bindet.-- ‫״‬D1Tsollst es erkennen heute
und''‫ ־‬sollst es überführen in dein Herz“ (5. So wird
durchgängig in der Erkenntnis die Gesnihung begründet, in dem
Geiste das Herz.
Es wäre unverständlich, wie die Prophetie so unbefangen
mit dem Feuer der Erkenntnis spielen konnte, wenn sich
der Monotheismus nicht mit vollem Bewußtsein auf den Geist j
gründen wollte; wenn er nicht zu der Einsicht sich hindurchringen (
wollte, daß der einzige Gott in der Erkenntnis wurzelt; daß ohne
diese Wurzel und ohne den lebendigen Zusammenhang mit ihr kein
Wachstum des Monotheismus möglich sei. Der Mensch ist Geist.
Und der Geist kommt von Gott, ‫״‬der ihn gegeben“, der ihn in den
Menschen gepflanzt hat. Dieser Geist muß sich in der Wechsel-
Wirkung bezeugen: durch die Erkenntnis und in der Erkenntnis
tritt Gott in die ihm notwendige Korrelation zum Menschen.
Auch das G ebet hat diese Beziehung auf die Erkenntnis an-
:erkannt, ln dem Achtzehngebet, dem Hauptgebete jedes Tages,
lautet das erste: ‫״‬Du begnadest den Menschen mit Erkenntnis“.
Es ist, als ob gesagt werden sollte: die erste Gnade Gottes bestehe
in der Verleihung der Erkenntnis, und daß es keine Gnade anderer
Art geben könne, als welche durch die Erkenntnis bedingt ist. So/
wird die Erkenntnis zur Grundbedingung schlechthin der Religion,
der Gottesverehrung.
Der Monotheismus ist in einer Geisteskultur entstanden, die
außer schöpferischem Anteil steht an der wissenschaftlichen Kultur.
Dennoch fordert die Geistigkeit des Monotheismus den Anteil der
Vernunft, den Anteil der Erkenntnis, zumal wenn anders der Mono-
theismus auch Ethik schaffen sollte. Ethik aber ist im griechischen,
im wissenschaftlichen Sinne bedingt durch Logik. Und Logik
wiederum ist bedingt durch den fortschreitenden Zusammenhang mit
der Wissenschaft. Der Prophetismus hat keine Wissenschaft, daher ■
auch keine wissenschaftliche, keine philosophische Logik; daher auch
keine wissenschaftliche, keine philosophische Ethik: und dennoch
1 ( h;

muß er Anteil gewinnen an der Erkenntnis. Wir verstehen jetzt*


wie der Nachdruck, der auf die Erkenntnis gelegt wird, und dem:
der Verbindungsbegriff des Geistes für Gott und Mensch entspringt*
der diesen inneren Mangel zu ersetzen strebt. Und wenn man die

besteht, welche letztere auch auf dem Boden der Wissenschaft und der
Philosophie emporwächst, so wird man den Wert nicht gering schätzen,,
der dieser durchgängigen Betonung der Erkenntnis einwohnt. Die
Urwüchsigkeit dieses Wertes behauptet sich in der gesamten Ge-
!schichte des jüdischen Monotheismus, wie er auch, die Geschichte
[der Juden in ihrem Anteil an der Kultur im Altertum, im Mittel-
!alter und in der Neuzeit erklärlich macht.
7. Ein sehr merkwürdiges Dokument dieses innerlichen Anteile
der Religion an der Erkenntnis findet sich im Talmud, und zwar
mit einer Anwendung, die als unübertrefflich bezeichnet werden darf.
‫״‬In der Stunde, da man den Menschen zu Gericht führt, spricht
man zu ihm: hast du in deinem Erwerbe mit Treue gehandelt?
Hast du Zeiten bestimmt für die Thora? . . . hast du das Studium
mit Weisheit (Methode) betrieben? Hast du den Satz erschlossen
auf dem Grunde eines Satzes? (Sabbat, 31, a). Raschi gibt die Er-
klärung zur letzten Frage: ‫״‬die Erschließung eines Satzes auf Grund
eines anderen, das ist Erkenntnis.“ Man bedenke nun, wie sehr
nach dieser Stelle der Talmud die methodische Erkenntnis, das•
methodische Studium geschätzt haben muß, wenn er es zu einer
Frage des höchsten Richters an die Seele des Menschen macht. Es•
genügt nicht, daß der Thora Zeiten für ihr Studium bestimmt worden
waren, so daß das Studium regelmäßig betrieben wurde: es mußte•
noch die Rechenschaft darüber erfolgen, daß das Studium auch in
methodischer Weise und in methodischer Logik gepflegt worden sei.
Diese Methodik aber besteht in der Herleitung eines Satzes aus dem
zu Grunde gelegten Satze.
Die Analogie, die ich in meiner Schrift ‫״‬Deutschtum und
Judentum“ zwischen diesen beiden Volksgeistern auf Grund von
beider Gemeinschaft mit dem griechischen Geiste aufzustellen versucht
habe, wird durch dieses talmudische Dokument in genauester Weise
bestätigt. Denn Platon, der ideale Vertreter des griechischen Geistes*
hat die Erkenntnis in dieser Rechenschaftslegung (Xöyov öiöövae) be-
gründet, welche in der Herleitung eines neuen Satzes aus einem vor-
aufgehenden und schließlich aus einer G ru n d leg u n g sich vollzieht.
107

Daß der deutsche Geist diesen echten Idealismus erneuert, kann


hier außer Betracht bleiben.
Überraschend aber ist sicherlich die Übereinstimmung, welche
in diesem Dokument der jüdische Geist mit dem griechischen dar-
legt. Die Seele wird gefragt: ob sie in methodischer Weise dem
Studium obgelegen habe, und die Methode selbst wird in genauer
Bestimmtheit zur Frage gemacht. Die Herleitung, die Deduktion aus
einem Prinzip ist die Kechenschaftlegung. Und in der Terminologie
der mittelalterlichen Philosophen hat sich auch die Grundlegung
( ‫ )הנחת‬als Terminus erhalten.
8. Aber nicht nur in diesem Terminus hat sich die Grundlegung
behauptet, sondern das Vernunftprinzip der Erkenntnis hat auch die
inhaltliche Auszeichnung solcher Vernunftprinzipien zur Folge gehabt►
Sie heißen ‫״‬erste intelligibilia“ (‫) מושפלות ראשונות‬. Und dieser Ausdruck
ist prägnanter als der gleichbedeutende von Wurzeln (‫ )שרשים‬oder
Grundstein (‫ )יסוד‬oder Hauptsätzen, (‫ )עקרים‬der sonst üblich ist►
Alle Philosophen, mit einer einzigen Ausnahme, die einer Erklärung
bedarf, stimmen überein in dieser Grundlegung von Vernunft-
Prinzipien. Warum begnügen sie sich nicht mit der Voraussetzung
von Grundbegriffen der Glaubenslehre? Warum streiten sie über das
Recht solcher dogmatischen Fixierung? Wie können sie überhaupt
einen Unterschied anerkennen zwischen Grundsätzen des Glaubens
und Grundsätzen der Vernunft?
Wenn anders sie nun aber keinen sachlichen Widerstreit annehmea
können zwischen diesen beiden Quellen des in ihnen selbst lebendigen
Geistes, so wird die Auszeichnung erster Vernunftprinzipien nur da-
durch verständlich, daß diese nicht minder auch als Prinzipien der
Glaubenslehre, als Grundlagen für die Glaubenssätze gelten sollen.• Und
so kommt der Gedanke von der Gottesverehrung als Erkenntnis zu?
seiner reinen Auswirkung in dieser großen Konsequenz, in welcher ;
die Korrelation zwischen Gott und Mensch kraft des Geistes zu(
ihrer Vollendung gelangt. Es sind nicht dem Geiste der Gottes- (
erkenntnis, als Gottesverehrung, heterogene Prinzipien, welche als erste
Vernunftprinzipien ausgezeichnet werden, sondern das Prinzip des
Geistes, das Prinzip der Erkenntnis, das Prinzip der methodischen
Erkenntnis vollzieht den Anteil, den die Vernunft an der Religion
nimmt, und vollzieht hierin die Korrelation zwischen Gott und Mensch►
Die jüdische Philosophie des Mittelalters erwächst nicht sowohl
aus dem Monotheismus des Islam als vielmehr aus dem ursprüng-
108

liehen Monotheismus, und höchstens kann die Verwandtschaft, die


zwischen dieser Tochterreligion und der der Mutter besteht, die
innige Beziehung verständlich machen, welche intimer als sonstwo
zwischen Judentum und Islam sich anbahnt. Bn^Rmplietismus allein
I■schon..ist dieser lntellektualismiis sicher angelegt: Und seine Fort«
Wirkung in der Geschichte des Judentums, wie in der Kultur-
ge schichte der Juden wird aus dieser ursprünglichen Anlage des
Monotheismus zu einer notwendigen Konsequenz.
9. Und doch haben wir in diesem Intellektualismus mit Bezug
auf den Geist Gottes sowie auf den Geist des Menschen nur
erst den Anfang gelegt für die Bedeutung der Vernunft im
Monotheismus. Der Geist hat hier nur für das methodische
Fundament die intellektuelle Bedeutung bei Gott, wie beim
Menschen. Erst wenn die Vernunft zur • sittlichen Vernunft wird,
erst wenn der Geist nicht nur das Problem der Kausalität ver-
waltet und verwahrt, wie bei der Schöpfung und der Offenbarung;
erst wenn die Frage: woher und wodurch? ergänzt wird durch die
Frage: •wohin und wozu? j ust wenn das•Interesse^an der Ursache
ergänzt wird durch das am Zwe^cke. erst durch diese Ergänzung
Bö'ff^dm auf, eine halbe zu sein^ erst durch diese Er-
jganzung wird der Geist ein ganzer und einheitlicher.
Die Korrelation von Gott und Mensch, wie die Schöpfung und
die Offenbarung sie einrichten, vollenden sonach ihre Bedeutung erst
durch die Hinzunahme der sittlichen Forderungen. Diese bleiben
nicht- an der kausalen Frage hängen. :• Was wäre damit gewonnen,
wenn ich die Geheimnisse der Schöpfung und der Offenbarung durch-
dringen könnte? Würde ich dadurch das einzige Sein Gottes besser
verstehen, als ich es ,durch die Korrelation zu verstehen habe?
| Die Korrelation. erhebt und leitet mich über die Kausalität
j hinweg zu dem; neuen Interesse, welches die Frage nach dem Zweck
! eröffnet. Der Zweck des Menschen tritt jetzt in Frage.
Und es wird nunmehr die neue Frage: ob der Zweck des Menschen,
wie die Korrelation es ■fordert*‫ ’־‬im Zwecke Gottes enthalten sei, und ob
der Geist Gottes und seine Korrelation mit dem Geiste des Menschen
diese Vereinbarung des Zwecks, die notwendig ist, vollziehbar macht?
So. wird der Zweck, der neue Leitbegriff der Erkenntnis, zugleich
zu einem neuen Inhaltsbegriffe des Geistes. Und mit dem Zwecke
!tritt die Korrelation aus dem bloßen Bereiche der theoretischen Er-
kenntnis in die ethische hinüber.
Kapitel VI.
Die Attribute der Handlung.
1. Im Talmud findet sieh der Bericht: ‫״‬In Gegenwart Rabbi
Channinas betete einst jemand die Worte: 0 Gott, großer, mächtiger,,
furchtbarer, erhabener“ usw. Da sprach R. Channina zu ihm:
hast du nun erschöpft den Preis deines Herrn? Und er beschränkt
das Recht, die Eigenschaften Gottes im Gebete anzurufen, auf die*
ausdrückliche Anrufung derselben in der Schrift (Beracii. 33, b).
Die Schrift aber macht in der schon oben (S. 49 ff) von uns be-
trachteten Theophanie die ..dreizehn Eigens_ahaften“ namhaft, welche-
der Talmud zusammenrechnet: barmherzig und gnädig, langmütig‫־‬
und groß an Liebe und Treue. Er bewahrt die Liebe bis ins
tausendste Geschlecht, er vergibt das Vergehen, die Missetat und die-
Sünde. Und läßt nicht ungestraft“ (2. M. 3.4, 6—7). Diese .dreizehn.
Eigenschaften sind eigmftlich aber nur zwei: Liebe und Gerechtigkeit-)
Die Einheit ist nicht einmal in ihnen enthalten, geschweige,,
daß etwa Allmacht oder Allwissenheit ausgesprochen wären. Die Eigen-
schäften des Sejj 1_s ^ndjnitiiin g än zlich ju i^ und was isfln dem
Modifikationen von Liebe und Gerechtigkeit allein übrig geblieben?
In einer ganz neuen Beziehung werden die Eigenschaften erdacht
und geordnet; in derjenigen, derzufolge M aim onides diese Eigen-
schäften als ‫״‬Attribute^ der Handlung“ (‫םעשה‬.‫ )תוארי ר‬bezeichnet•.:
An die Stelle des Seins tritt sonach die Handlung. Und an die
Stelle der Kausalität tritt demgemäß der Zweck.
2. Was bedeutet die Handlung bei Gott? Ist sie nicht schon durch•
die Schöpfung ausgefüllt? Indessen Schöpfung und ebenso Offenbarung
fallen beide in den Bereich der Kausalität; ihre Ursache ist nicht
der Zweck, sondern lediglich das Sein. Von diesen Kausalitäten
Gottes ist die Handlung zu unterscheiden, welche durch Liebe und
Gerechtigkeit bestimmt ist, welche demzufolge nicht nach der-
Kausalität erfolgt, sondern gemäß der‫ ־‬neuen Art von Kausalität^
1 iö

‫״‬welche der Zweck bildet. «Was bedeuteUdemgemäß die Handlung bei


‫׳‬Gott?
‫ ' '״־‬Die Frage findet ihre Antwort auf dem Wege der anderen
]Frage: was bedeutet der Zweck bei Gott? In dieser Frage spricht
sich schon das Problem der Korrelation aus. Denn bei dem Sein
kann man eigentlich nicht nach seinem Zwecke fragen. Die Frage
mach dem Zwecke des Seins geht über das Sein selbst hinaus und
‫ ן‬setzt die Korrelation an. Ebenso verhält es sich mit der Handlung,
juls welche Liebe und Gerechtigkeit von der Kausalität der Schöpfung
unterschieden werden.
/ Die Handlung bei Gott bezieht sich auf die Möglichkeit einer
/solchen im Werden, und zwar beim Menschen. Und diese Möglich-
keit bezieht sich nicht auf die der Kausalität, sondern unter dem
Gesichtspunkte des Zweckes. So sind die Attribute der Handlung
nicht sowohl die Eigenschaften Gottes als vielmehr, begrifflich be-
J-dingt, die Musterbilder für die Handlung des Menschen. Die Zu-
sammenfassung dieser Begriffe: Liebe und Gerechtigkeit im Begriffe
ffer Handlung, und daher im Zweck erhebt die Eigenschaften zu
Normen ( ‫)י״ג מדות‬.
Und allein schon dieser sonst nur logisch giltige Terminus
ffer Norm, der im Talmud für diese dreizehn Eigenschaften fest-
gesetzt wird, erweist ihre Bestimmung als Vorschriften und Muster-
bilder, die von Bestimmungen des Seins deutlich unterschieden sind.
‫׳‬Die Normen sind im Wesen Gottes enthalten, aber es ist nicht aus-
[zudenken, daß sie dieses Wesen erschöpfen könnten: sie können nur
;für den Menschen erdacht sein, nur für die Handlungen des Menschen
;gelten sollen.
3. Wir kommen hier wieder auf denselben Gedanken, zu dem uns
schon die Betrachtung der biblischen Stelle in Anknüpfung an die
Bitte Moses um die Erscheinung Gottes geführt hatte (vgl. oben S. 92 f).
/Nur die Wirkungen seines Wesens will Gott dem Mose offenbaren,
;nicht sein Wesen selbst. Wie wir dort die Wirkungen, als die
[Folgen, zu den allein erkennbaren Eigenschaften Gottes werden sahen,
so werden diese Wirkungen jetzt genauer erkennbar als Handlungen.
Sie .sind daher auch jetzt nicht mehr bloß Folgen, die doch noch
mit der Kausalität Zusammenhängen, sondern als Normen der
Handlung, als Liebe und Gerechtigkeit gehen sie hervor aus dem
Zwecke der Handlung, der durch Liebe und Gerechtigkeit gesetzt ist.
Und. hierdurch wiederum schreitet das Sein aus seinen Schran ken
heraus und geht- in die Korrelation mit dem Werden beim
Menschen ein.
Gehen wir nun aber von dieser philosophischen Charakteristik der
legitimen dreizehn Eigenschaften, welche besonders dem Maimonides
verdankt wird, zu den anderen biblischen Quellen über, so sind es
vorzugsweise zwei Begriffe, durch welche diese sittlichen Eigenschaften
Gottes zusammengefaßt werden: die H e ilig k e it und die Gute.
Es ist die Frage, welcher dieser Begriffe in der Entwicklung
des biblischen Denkens vorausgeht, oder es wird vielmehr die Frage
beantwortet aus dem Verhältnis des Deuteronomiums zum sogenannten
Heiligkeitsgesetze, während der Begriff der Güte Gottes, als des
einzigen guten, erst der Grundgedanke der Psalmen wird, der die
lyrische Stilform der Psalmen vorzugsweise mithervorgerufen haben mag.
4^Jde-H ^ü!gk ich Absonderung, Wie der Mythos
allgemein einzelne Orte, Häuser und Geräte. Tiere und endlich
auch Personen von dem gemeinen Gebrauche absondert, so hat der
Opferdienst im Heiligtum und beim Priester diese Bedeutung der
Heiligkeit, als Absonderung, gesteigert und ausgeprägt. Im Polytheis-
mus verbleibt es bei der Heiligkeit von Dingen. Wenn Gott selbst
dort auch heilig genannt wird, so bezieht sich dies auf sein Stand-
bild an seinem abgesonderten Orte in seinem Tempel.
Ein mächtiger Schwerpunkt tritt mit dem Worte in die Welt:
‫״‬Heilig sollt ihr sein, denn heilig bin ich, der Ewige, euer Gott
^3. M. 19, 1). Das Wort ist ein Doppel wort: es bezieht die Heilig-
keit auf Gott und auf den Menschen. Und man muß denken, daß
erst durch diese einheitliche Beziehung auf Gott und zugleich auf
den Menschen auch bei Gott selbst die Heiligkeit erst denkbar wird;
wie man auch andererseits sagen kann, daß erst durch die Ent-
stehung der Heiligkeit bei Gott ihre Beziehung zugleich auf den
Menschen erst möglich wird. Die Korrelation tritt ein, und mit ihr
hört die Mythologie und der Polytheismus auf. Die Heiligkeit wird
S ittlic h k e it.
5. Was ist denn der Unterschied zwischen dem, was wir wissen-
schaftlicli Sittlichkeit nennen, und dem religiösen Ausdruck der
Heiligkeit? Dieser Unterschied ist abzuleiten aus dem Unterschied
der Zeitform in dem Satze der Heiligkeit bei Gott und Mensch:
bei Gott ist sie ein Sein; ‫ ״‬denn heilig bin ich“. Vom Menschen
aber heißt es: ‫״‬heilig sollt ihr sein“. Mithin darf man auch
übersetzen: heilig sollt ihr werden. Die Heiligkeit bedeutet für
!den Menschen mithin eine A ufgabe, während sie bei Gott . das
ISein bestimmt.
Und diese Bestimmung des Seins betrifft bei Gott nicht
seine metaphysische. Kausalität, sondern sein zweekhaftes Handeln^
welches das Musterbild bedeutet für die zweckhafte Handlung des
Menschen. In der Heiligkeit wird Gott der G esetzg eb er des
Menschen, der ihm Aufgaben stellt. Und nur als Heiliger kann
er diese Aufgaben stellen; denn die Heiligkeit, schon nach ihrer
i ursprünglichen Bedeutung, entrückt Gott, von aller Sinnlichkeit.
Und diese Erhebung über die Sinnlichkeit ist es, welche auch dem
Menschen aufgegeben wird.
Wenn man die Paradoxie nicht scheute, könnte man denken, die
Heiligkeit bestände gar nicht sowohl für Gott als vielmehr für den
Menschen. Nur in Rücksicht auf den Menschen scheidet sich aus
dem Sein Gottes, aus seiner Einzigkeit die Heiligkeit aus, die aber
auch keine einzelne Eigenschaft, sondern gleichsam eine Einheit
bildet für alle Eigenschaften der Handlung.
Umgekehrt kann man daher gar nicht fragen, ob die Heiligkeit
für den Menschen möglich sei. Dies ist eine Frage der Kausalität,,
die hier gänzlich zurücktritt gegen das neue Interesse und das neue
Problem des Zwecks. Ohne den Zweck der Heiligkeit wird das
‫ ן‬Wesen des Menschen nichtig. Die Heiligkeit ist sein Zweck, den
;ihm seine Aulgabe, die Aufgabe Gottes stellt.
6. Die moderne Bibelforschung verdirbt sich die Einsicht in die
ethische Bedeutung der Heiligkeit nach ihrem Zusammenhänge mit
den Grundbegriffen des Monotheismus dadurch, daß sie nicht davon,
ablassen mag, das geschichtliche Interesse an der literarischen und
der kultischen Entwicklung dieser Begriffe mit dem inneren Zu-
sammenhang,. der diese Begriffe durchwaltet, blindlings zu ver-
mischen, so daß die sachliche Einsicht immerfort von der historischen
Aufklärung beeinträchtigt wird. Die philologische Forschung ist
noch nicht von der Einsicht erleuchtet, daß aller geistige Fortschritt
von .materiellen Nebenbedingungen begleitet wird, die dennoch,
mögen sie noch so sehr hemmen und einschränkeu, nicht lediglich ,
als Widerstandskräfte wirken, sondern übrigens auch oft genug den.
Flug der Ideen beschwingen.
Die Bibelforschung, ohnehin von dogmatischen Tendenzen beT;,
einflußt, hängt sich immer mit Vorliebe an die materiellen MRk ;
bedingungen der Zeitlage und der politischen Umstände, versäumt:‫־‬,
113

aber darüber, die innere unaufhaltsame Verkettung der gedank-


liehen Motive zu erforschen und ins Lieht zu stellen. Die Heilig-
keit ist freilich am Opfer entstanden, und mit dem Opfer hat sie
sich entwickelt, aber, wie das Opfer überflügelt wird von der
Sittlichkeit, so wird auch die Heiligkeit dem Opfer entrückt und in
der Sittlichkeit zu einer neuen Absonderung gebracht.
7. Wir verstehen diese Entwicklung im Begriffe der Heiligkeit
sicherer, wenn wir nicht vom Heiligkeitsgesetze ausgehen, sondern
von der Neuerung, welche J e s a ja an dem Namen des einzigen
Gottes vollzieht, indem er ihn als den ‫״‬Heiligen“, den ‫״‬Heiligen
Israels“ bezeichnet. Der Stil Jesajas macht es unverkennbar, daß
er sich bewußt ist, einen neuen Begriff von Gott, eine neue Gottes‫־‬
erkenntnis einzuführen. Er abrogiert nicht etwa den vierbuchstabigen
Namen, der in der ersten Offenbarung an Mose mit solcher Feierlich-
keit eingeführt war, aber er fühlt den Beruf in sich, die Erkenntnis
und die Verehrung dieses Einzigen, des einzig Seienden nicht nur
zu vertiefen, sondern auch praktisch zu fördern durch diese neue
Erkenntnis der Heiligkeit.
Daher beginnt er seine Laufbahn mit dieser Vision der Heilig- ;
keit, in der er so charakteristisch die Demut Moses nachahmt. Denn \
wie dieser sich vor seiner Berufung im Bewußtsein einer körper-
liehen Gebrechlichkeit scheut, so wird diese Demut bei Jesaja noch
mehr versittlicht: aus den unbeschnittenen Lippen werden die unreinen
Lippen. Und dennoch ergeht an ihn der Ruf: heilig der Ewige.
Warum wiederholt denn Jesaja diesen Ruf dreimal? Hat er
etwa den Text für die musikalische Behandlung des Sanctus schreiben
wollen? Es ist unverkennbar, daß das dreimal heilig, welches die
Engel einander zurufen, die Ankündigung eines neuen Inbegriffs
der Gotteslehre bedeuten soll. Schon der Nachsatz, der ebenfalls
den Engeln in den Mund gelegt wird: ‫״‬Die Fülle der ganzen Erde
ist seine Herrlichkeit“ bestätigt diesen Gedanken. Die xlbsonderung
von Himmel und Erde hört jetzt auf; Gott wohnt nicht nur im
Himmel, sondern die ganze Erde erfüllt seine Herrlichkeit. Auch,
diese scheinbare Erweiterung der Lokalisierung' ist vielmehr eine
Steigerung der Geistigkeit, die die ursprüngliche Bedeutung der
Heiligkeit abstreift. Und vollends wird die sittliche Bedeutung der
neuen Heiligkeit bestätigt durch die Strafandrohung, welche Jesaja
an sein Volk verkünden soll.
8
114

8. Der ‫״‬Heilige Israels“, ist daher der durchgängige Name Gottes


bei Jesaja, der auch beim Deuterojesaja sich forterhält. ‫״‬Sein
Name ist der Heilige Israels“ (Jes. 47, 4). Und die Armen der
Menschen, im Heiligen Israels frohlocken sie“ (Jesaja, 29, 19).
‫ ״‬Der Hocherhabene, Ewigthronende und Heiliger ist seine Name“.
Die Heiligkeit tritt an die Stelle der Höhe, als Wohnsitz Gottes:
‫״‬Hoch und heilig wohne ich“ (Jes. 57, 15). Auch wird, sie der
Einheit Gottes gleichgesetzt: Niemand ist heilig wie der Ewige,
denn niemand ist außer Dir“ (1 Sam. 2, 2). Auch die Vergeistigung,
welche der Psalm hervorbringt, indem er an die Stelle von Zion
und Jerusalem die Lobgesäuge Israels setzt, knüpft er an die Heilig-
keit an: ‫״‬und du, Heiliger, wohnst in den Lobgesängen Israels“
](Psalm 22, 4). So hängt die Heiligkeit mit der Geistigkeit zu-
| sammen, entwickelt sich aber aus dieser zur Sittlichkeit.
Und was ist das Wesen der Sittlichkeit? Sie bestellt^ in der
Korrelation von Gott" und Mensch. Diese ist somiF auch in der
Heiligkeit ~be^^ sich sonach gänzlich von der Absonderung
unterscheidet. Die Sittlichkeit verzweigt sich in den gegenseitigen
Verhältnissen der Menschen und daher auch in der Korrelation mit
Gott. Die Heiligkeit reift zu einem Inbegriff aller dieser Ver-
zweigungen der Korrelation aus. So .ist^Gott der. Heilige für die
Heiligkeit des Menschen. Und die Heiligkeit wird auch zum In-
begriff .der dreizehn Eigenschaften Gottes: sie umfaßt die Gerechtig-
keit und die Liebe; sie macht die Liebe der Gerechtigkeit gleichartig.
9. Jesaja gebraucht noch den Ausdruck ‫״‬der Mächtige Israels“,
der etwa dem ‫״‬allmächtigen Gotte“ ( ‫ ) אל שדי‬entspricht, den der
Name des Seienden. ablöste, aber er kommt nur einmal vor: so sehr
tritt die Macht zurück gegen die Heiligkeit. Und der Zusammen-
hang, den das Deuteronomium mit den menschlichen Dingen und
Einrichtungen feststellt, wird im Prophetismus maßgebend. So war
überall der Grundgedanke des Deuteronomiums wirksam, daß die
Wahrheit der Thora bewiesen werden soll durch die ‫״‬Satzungen und
Bechte“.
Es wäre nun aber schablonenhaft und in Wahrheit unhistorisch,
wenn man auch die strikte Durchführung dieses Zusammen-
hangs von .Gott und Mensch in allem Menschlichen fordern
und jede Ausnahme als einen Beweis dafür betrachten wollte, daß
dieser Zusammenhang dennoch nicht in Klarheit aufgefaßt worden
sei. Wer wird bei der Entwicklung dieser grundlegenden ewigen
115

Begriffe Klarheit erwarten, die der naiven Entwicklung durchaus


fehlen muß? Klarheit ist ein Merkmal der Reflexion; der naive
Gang der Geschichte in seinen primitiven Schritten macht überall .
Entgleisungen, die nur um so mehr die Naivität der geschichtlichen
Entwicklung beweisen, die aber nicht als Gegeninstanzen gegen die
Tendenz dieser Entwicklung berechnet werden dürften. So auch geht
die Heiligkeit freilich noch Hand in Hand mit der ursprünglichen
Bedeutung, aus der sie herauswächst. Aber dieser Zusammenhang
darf die Entwicklung, die neue Entstehung nicht anschwärzen, die
eine neue Blüte ist am alten Stamm, eine neue Frucht aus der
alten Wurzel. Denn das Opferwesen ist nun einmal die Wurzel des ;
Gottesdienstes, wie auch der Polytheismus als Wurzel des Mono‫ ־‬:
theismus nicht bestritten werden kann. Aber eine neue Sonne geht;
über der alten Wurzel auf und bringt ein neues Wachstum zu Tage.l
Was ist denn also Sittlichkeit? Diese Frage hat einen anderen
Sinn, wenn der Soziologe, als wenn der'Ethiker sie stellt. Man
soll daher auch nicht von der Religion in ihrer naiven Entwicklung
eine deflnitorische Behandlung und Durchführung dieses Begriffs
fordern. Die Sittlichkeit heißt eben hier Heiligkeit, und damit ist
der Zusammenhang des Neuen mit dem Alten ausgesprochen. Nur
das Yorwiegen des menschlich Sittlichen dürfen wir als ein mögliches ;
Symptom der Entwicklung fordern.
Kapitel VII.
Der heilige Geist.
1. Was ist menschliche Sittlichkeit? So hören wir nicht auf za
fragen: Wie sollte jedoch der Prophet sie als Problem isolieren?
!Alle Charakteristik des Menschen geht im Monotheismus von Gott
jaus. Das Problem der Sittlichkeit muß daher zuerst bei Gott ge-
stellt werden. Die Prävalenz der göttlichen Sittlichkeit drückt die
Heiligkeit aus, welche durch den Monotheismus von der des Polv-
theismus unterschieden ist.
‫ן‬ Die heidnische Heiligkeit bleibt Sinnenlust, auch wo sie Enthaltung‫־‬
von ihr fordert; sie steht immer im innerlichen Zusammenhänge mit
_dem Sinnlichen des Menschen. Die monotheistische Heiligkeit bezieht
sich auf den G eist des Menschen, und zwar nicht abschließend auf den
Intellekt, sondern eben als Sittlichkeit •soll der Geist zur Erzeugung‫־‬
kommen. Diese Entwicklung des Geistes der Erkenntnis zum Geiste des
Willens und der Handlung bewirkt die Heiligkeit; zu dieser Ent-
Wicklung dient sie als vermittelnder Begriff. Und wie allgemein der
f Geist der die Korrelation von Gott und Mensch vermittelnde Begriff
I ist, so dient nun auch der Geist der Vermittlung der Heiligkeit,,
j um die Korrelation ins Werk zu setzen.
2. Die Entstehung des Begriffs vom heiligen Geiste ist sonach im‫־‬
Zusammenhänge des sittlichen Problems gelegen und erscheint
somit als notwendig. Wir verstehen auch, wie bei der Entgleisung
*des H e lle n ism u s von den Spuren des reinen Monotheismus die
[Materialisierung und Personifikation des Logos, als des zwischen
1iGott und Mensch vermittelnden heiligen Geistes, entstehen konnte.
Die Vermittlung darf aber nur begrifflich als Korrelation gedacht
werden. Sobald sie nicht in der Strenge der begrifflichen Abstraktion
gehalten, sobald sie als eine gleichsam materielle Verbindung von,
Kräften, die alsdann zu Personen werden, vorgestellt wird, nimmt
die Verbindung den Charakter einer Gemeinschaft an. Und unter
diesem Bilde kann es alsdann geschehen, daß die Aufgaben der
117

Gemeinschaft eingeteilt werden, und es kann sich dann auch er‫)־‬


eignen, daß die Heiligkeit zu einer Spezialaufgabe eines besonderen!
Faktors dieser Gemeinschaft gemacht wird. Im reinen Monotheismus \
dagegen können nur die einzigen Glieder der Korrelation von Gott,‫׳‬
und Mensch die Heiligkeit zur Aufgabe haben. Und wenn der}
Geist als heilig bezeichnet wird, so bedeutet dies seine Gemeinschaft)
:an Gott und Mensch: seine Vollziehung der Korrelation.
Nun ist es schon auffällig, daß im jüdischen Monotheismus der
heilige Geist gar nicht so sehr von Gott geltend gemacht wird als
vielmehr vom Menschen, so daß er gar nicht als eine spezilische
Eigenschaft Gottes gedacht wird. Aber "”noch auffälliger ist es,
daß der Terminus selbst in der alten Bibel von äußerster Selten-
heit ist. Nur dreimal kommt er überhaupt vor: zweimal in zwei)
:aufeinander folgenden Versen bei Jesaja und einmal in"den Psalmen.(
0 . Die erste Anführung scheint farblos. Nach dem Satze: ,,Durch

seine Liebe und Schonung erlöste er sie, und hegte sie und pflegte
sie alle Tage der Vorzeit“ heißt es in dieser Bede von gewaltiger
Schönheit: ‫״‬Sie aber widerstrebten und betrübten seinen heiligen
Geist“ (Jes. 63. 10U Plötzlich erscheint hier zum ersten Male der
heilige Geist Gottes. Da der Geist Gottes ein geläufiger Ausdruck
für das Wesen Gottes ist, und da dieJKeiligkeit, der neue Ausdruck
für dieses Wesen Gottes ist, so kann die' neue Wortbildung nicht
.auffällig werden. Auffallend muß vielmehr sein, daß sie jetzt
erst und nur einmal wiederholt vorkommt. Auch darf es auffallend
‫״‬erscheinen, daß in dieser Verbindung der neue Ausdruck gewählt
wird. Gott zu betrüben, dazu bedurfte es doch nicht erst der
Neuschöpfung des heiligen Geistes.
Nun aber heißt es unmittelbar darauf, wie das Volk nun
weiter der Tage der Vorzeit gedenkt: ‫״‬Wo ist, der in ihre Mitte
legte seinen^ heiligen Geist?“ Jetzt erscheintdie Berufung des
heiligen Geistes» eher begründet. Denn sei es, daß der Angerufene Gott
selbst ist, der in Moses Innere seinen heiligen Geist gelegt habe, oder
sei es, wie B aschi den Gedanken monotheistischer faßt, daß Gott
.angerufen werde, der durch Mose seinen heiligen Geist in das Volk
gelegt habe, so wird hier in beiden Fällen von dem heiligen Geiste
zwar nichts anderes gesagt, als was überhaupt vom Geiste Gottes
gilt in Bezug auf den Geist des Menschen: ‫״‬Er bildet den Geist des
Menschen in seinem Innern“ (Zach. 12, 1). Wie Gott in den Menschen
seinen Geist legt, so heißt es aber hier zum ersten Male vom
heiligen Geiste, daß er ihn inmitten des Volkes, in das Innere des
Volkes gelegt hat. Das Volk vertritt offenbar besser den Menschen
als Mose selbst, obwohl er als Prophet nach der gewöhnlichen Auf-
fassung des heiligen Geistes für ihn befähigter zu sein scheint.
Indessen hat der Prophet-, als solcher, niemals und nirgends
einen heiligen Geist, und selbst der Messias hat keinen: warum
sollte Mose ihn hier auf einmal bekommen? In das Volk, in sein
| Inneres hat Gott den heiligen Geist gelegt, wie er überhaupt in das
J Innere, des Menschen seinen Geist legt.
Da sich sonach nun der heilige Geist vom Geiste überhaupt gar
nicht unterscheidet, so bleibt es auch hier ein literarisches Rätsel,
wie er an dieser durch keine neue religiöse Wahrheit-, wenngleich in
einer tiefreligiösen Reminiszenz ausgezeichneten Stelle plötzlich er-
scheinen konnte?
U Indem wir zur klassischen Stelle übergehen, welche den heiligen
Geist hervortreten läßt, können wir einer Antizipation nicht aus-
weichen, welche den Begriff des Menschen in seiner sittlichen
Vernunft betrifft, nämlich seine Süiijdffai'tigkeit. Nur einmal noch,,
überhaupt, im Psaim 51, tritt der heilige Geist auf. - Dieser Psalm ist
; ein richtiger Bußpsalm mit der ganzen Kraft der Reue, wie der
! Zuversicht auf Vergebung. Vielleicht hat die Tiefe dieses Buß-
gebetes die Überschrift veranlaßt: ‫״‬Nachdem er zu Bathseba ein-
gegangen war“. Dagegen spricht nicht Vers (> ‫״‬an Dir allein habe
ich gesündigt“. Denn aus diesem Satze spricht nur das starke
Bewußtsein, daß alle Sünden gegen einen anderen Menschen zurück-
treten gegen die Sünde gegen Gott.
Auch am eigenen Bewußtsein sucht der Dichter zunächst keinen
Halt: ‫״‬Siehe in Verschuldung bin ich geboren und in Sünde hat■
mich meine Mutter empfangen“ (Vers 7). Der Dichter will nur
die menschliche Sünde schonungslos aufdecken. An eine Erbsünde
ist dabei nicht zu denken. Der folgende Vers lautet: ‫ ״‬Du verlangst
ja Wahrheit im Inneren und Geheime^ so laß mich deine Weisheit
wissen“. Und nun wird die Vergebung angerufen: ‫״‬Wasche mich,,
daß ich weißer werde als Schnee, verbirg dein Angesicht nicht vor
.meinen Sünden“. Mit der Sünde, als einer spezifischen Eigenschaft
j des Menschen, antizipieren wir hier auch die V ergehung,, als eine
; spezifische Eigenschaft Gottes, die‫ ־‬wir noch nicht, •weder aus der
i Einzigkeit, noch aus der Schöpfung und Offenbarung, noch aus der
Heiligkeit zur Entfaltung gebracht haben. Der heilige Geist soll /
uns aber eben auf diesen Weg führen.
Es bleibt nicht bei dem Gebet um Vergebung, sondern der
Dichter wendet sich nun zu seinem eigenen Herzen und Geiste, und
hier erscheint der Begriff der Schöpfung wieder. ‫״‬Erschaffe mir,
Gott, ein reines Herz, und erneuere in mir einen gegründeten Geist“
(12).‫ י‬Wir lernen zunächst hier den richtigen Be g r if f v o m jx e is i e
k en n en : daß er ste ts ern eu t w erde, und daß in dieser stetigen
Erneuerung seine Gründung bestehe. Die Macht der Sünde wird!
offenbar durch diese unaufhörliche Neuschöpfung des Geistes abge- ]
schwächt. Das ist die zweite große Lehre, welche hier den heiligen ;
Geist- zur Erscheinung bringen läßt.
5. An diesem Höhepunkte religiöser Erkenntnis, den wir hier vor-
wegnehmen müssen, läßt es sich verstehen, daß der Geist, sowohl der
Gottes, wie der des Menschen, heiliger Geist genannt wird. Und
dies ist die dritte große Lehre, welche diese Verse offenbaren: der
heilige Geist ist ebenso genau der Geist des Menschen, wie der
Geist Gottes. Dieser heilige Geist des Menschen ist die Schutzwehr'
gegen die Übermacht der Sünde, gegen die Illusion, als könnte die |
Sünde den Begriff des Menschen verlöschen. Der Begriff des j
Menschen besteht in seinem Geiste, und dieser Geist ist heilig. !
Daher kann auch die Sünde den heiligen Geist des Menschen, den !
Begriff des Menschen nicht vernichten. s
Der Dichter fährt fort: ‫״‬Verwirf mich nicht vor Deinem An-
gesicht, und nimm Deinen heiligen Geist nicht von mir“. Ich habe_.
Deinen heiligen ‫״‬Geist.—Difi-Sünda^. kann... ihn, mir nicht vereiteln. \
Und Du kannst meiner Sünde wegen Deinen heiligen Geist nicht von
mir nehmen. Es ist nicht richtig, und es liegt die Differenz des
Monotheismus in diesem Irrtum, wenn K au tsch diesen heiligen Geist
als den ‫ ״‬Geist der Prophetie“ deutet; denn selbst der Geist über•
haupt wird von Gott nicht nur in das Volk gelegt, sondern auch
in das Individuum, und zwar in jeden Menschen, nicht nur in den
Propheten. Und was überhaupt vom Geiste gilt, das muß auch
gültig bleiben beim heiligen Geiste, der kein neuer ist, sondern
nur der alte Geist überhaupt, der Geist Gottes und der Geist des
Menschen.
6. Durch den Geist ist jeder Mensch zur Heiligkeit berufen; an
jeden Menschen ergeht das Gebot der Heiligkeit, und so will Gott
auch durch jeden Menschen geheiligt werden. Die Korrelation hat
120

auch diese Wechselwirkung zur Folge. Das Gebot: ‫״‬Heilig sollt


ihr sein“ hat das andere zur Folge: ‫״‬Und ihr sollt mich heiligen“
( ‫)וקדשתס אותי‬. Dies ist die Analogie zu dem Satze: ‫״‬Und ich
werde geheiligt inmitten der Israeliten“ (3. M. 22, 32). Gott voll-
zieht seine Heiligkeit an den Menschen. "^oTbrderF es die Korre-
latiön. Und die Menschen erfüllen ihr Streben nach Heiligkeit in
der Anerkennung des Urbilds der Heiligkeit in Gott, in dessen
Nacheiferung sie selbst sich heiligen.
7. Die Rückwirkung der Korrelation hat nun aber zur Folge eine
neue Rückwirkung, von Gott zurück auf den Menschen. ‫״‬Und ihr
sollt s e lb st euch h e ilig e n , und ihr werdet heilig sein“ (3‫׳‬. M. 11,44).
Durch diese doppelte Rückwirkung wird ebenso der" Begriff des
Menschen zur'Idealität gesteigert, wie das Ideal der Heiligkeit in
Gott sich hierdurch vollendet. Auch die Selbstheiligung entspricht
nur der Verleihung der Heiligkeit durch Gott; denn diese ist ja
nicht etwa die Übertragung eines Heilsstückes, sondern nur die
Anforderung, mithin die Erhebung zu dieser Aufgabe der Selbst-
heiligung. Die Auslegung des S ifra beruht daher auf einer richtigen
Gesamtexegese: ‫ ״‬dies ist die Heiligkeit des Gebotes“.
Die Korrelation dringt immer klarer durch. Dem Satze: ‫״‬Ich
heilige euch“ entspricht der Satz: ‫״‬Ihn sollt ihr heiligen“
(Jes. 8, 13). Worin sonst sollte sich der heilige Geist bewähren,
als in der Heiligung Gottes durch ihn? Sein Geist muß unter den
Menschen fest begründet werden. Schon der Mosaismus hat dies iii
mythischer Weise gelehrt. Er kennt keine andere Sünde bei Mose
als das Versagen beim Schlagen auf den Felsen. Darin soll Mose
die Heiligung Gottes verletzt haben: als ob er durch das Schlagen
auf den Felsen, statt ihn anzureden, Gott als Geist verleugnet hätte.
8. Der heilige Geist in seiner literarischen Plötzlichkeit und
Einzigkeit, wie man nach dem Vorzug des Psalm vor der Jesaja-
stelle vielleicht sagen darf, vollzieht die Korrelation zwischen Gott
und Mensch zur Evidenz. Er ist die Schöpfung Gottes. Aber auch
j die Schöpfung erkannten wir als ‫ ״‬die Erneuerung an jedem Tage“.
VSo ist auch' die Schöpfung des heiligen_Geistes eine beständige
|Neuschöpfu11g. Und in dieser dürfen wir vielleicht den Unterschied
!zwischen dem heiligen Geiste .und dem Geiste überhaupt erkennen.
Der Geist überhaupt, wenn ich davon absehe, daß Gott ihn in mich
gesetzt hat, könnte an sich vielleicht die Erneuerung nicht beständig
erwirken. Diese Frage ginge die sich vielfach kreuzende Erfahrung
1*21

an. Der heilige Geist aber, der die Verbindung des Menschen m it‫י‬
Gott so innerlich und in so eminenter Weise beweist, daß sie durch
keine Sünde abgebrochen werden kann, dieser heilige Geist gibt
dem Geiste des Menschen überhaupt erst seine wahrhafte Be-
•gründung, wie der Psalm dies ausdrückt. Die Schöpfung des
Geistes, als des heiligen, wird nunmehr als beständige Neuschöpfung
erkannt. Und da die Schöpfung selbst auch nur eine Form der
]Korrelation ist, so ist die S e lb sth e ilig i^ n^^ die notwendige Folge
dieser Schöpfung der Heiligkeit des Geistes. Der heilige Geist im
Menschen muß daher ebenso in der beständigen Neuschöpfung sich k
betätigen wie der heilige Geist in Gott, der ja auch auf die Korrc-
lation angewiesen ist.
9. Die Konsequenzen dieses heiligen Geistes der Korrelation von
Mensch und Gott erstrecken sich über das ganze Lehrgebiet des
Monotheismus. Wir wollen die Antizipationen hier nicht weiter-
führen. Nur der Wortlaut des Psalmverses fordert noch eine Berichti-
gung. Es steht nämlich nicht, weder hier, noch bei Jesaja, der heilige
Geist absolut. Er wird zwar nicht ausdrücklich als der Geist des
Menschen bezeichnet: David bezeichnet ihn nicht als seinen Geist,
aber er ruft ihn bei Gott an als ‫ ״‬dein heiliger Geist“. Hier möchte
nun vor allem eine allgemeine Korrektur am Platze sein.
Der heilige Geist ist überhaupt eine falsche Übersetzung. Die|
richtige müßte lauten: der Geist des Heiligtums oder der Heiligkeit.
So sagt nun der Psalmvers nicht: dein heiliger Geist-, sondern: dein
Geist der Heiligkeit, noch genauer vielleicht: der Geist deiner
Heiligkeit. Durch die Heiligkeit wird der Geist bestimmt; durch die
Heiligkeit des Geistes wird Gott bestimmt und, der Korrelation ge-
mäß, auch der Mensch.
10. Wie nun die Neuschöpfung die Befreiung von dem Charakter
der Sünde notwendig macht, so vollzieht "die Korrelation den Begriff
der Einzigkeit Gottes durch die A b w e n d u ng j e d e r Verm i t t l u n g ,
die sich in die Korrelation und ihre Wechselwirkung einschleichen
könnte. Wenn der heilige Geist in einer eigenen Person isoliert
würde, so wäre die Korrelation erledigt. Der heilige Geist kann
weder allein Gott, noch allein Mensch sein, noch aber etwa gar
Gott und Mensch zugleich, sondern er ist ein Attribut beider Be-
griffe, vielmehr der Verbindung beider. Der Geist ist nichts anderes
als das Verbindungsglied der Korrelation, und die Heiligkeit ist
erst recht nichts anderes als dieses Vollzugsmittel:‫ ״‬wie könnte der
heilige Geist etwas anderes sein als diese Punktion, welche die
Korrelation bezeichnet?
Die Funktion hat nur eine logische Bedeutung, und zwar die
der Ve re in ig u n g. Aber die Vereinigung darf nur als Korrelation
I gedacht werden. Nur die Korrelation hält die Vereinigung in den
(Schranken der Abstraktion. Die Vereinigung ist keinerlei sachliche
Verbindung. Gott und Mensch müssen getrennt bleiben, sofern sie
vereinigt werden sollen.
Diese Voraussetzung des Getrenntbleibens beider zu vereinigenden
Elemente gilt für den logischen Begriff der Vereinigung überhaupt.
Ohne diese Bedingung wird die Vereinigung, wird das Denken über-
haupt materialisiert. Gott ist bedingt durch die Korrelation mit dem
Menschen. Und der Mensch ist bedingt durch die Korrelation mit
Gott. Der Höhepunkt dieser Korrelation wird erreicht im Begriffe
des heiligen Geistes. Aber auch für ihn muß Gott Gott bleiben,
und der Mensch Mensch, wenn anders der heilige Geist• ihnen ge-
meinsam sein soll; wenn er die Heiligung des Menschen dm*ch den
jQeist Gottes, und hinwiederum auch die Heiligung Gottes durch
den Geiste des Menschen wahrhaft bedeuten soll: wenn die Korre-
lation als Vereinigung im heiligen Geiste denkbar werden soll.
11. Der heilige Geist, als Vollzugsglied der Korrelation, bringt die
Einzigkeit Gottes in dieser Vereinigung zu neuer Evidenz; denn
die Vereinigung schließt cU ^ ^ er m i tt l u n g aus. Es läßt sich ge-
schichtlich verstehen, daß, sobald unter dem Einfluß des Platonis-
mus der strenge Gedanke der monotheistischen-.J[prrelaf.ion_zur Ent-
gleisung kam, der erste Schaden am heiligen Geiste angerichtet
werden konnte. Ist er doch eine so einsame biblische Erscheinung
und bringt er doch den Schein, die Illusion einer Vermittlung
herbei, deren Begriffe es an Prägnanz gebricht, -und die der Einzig-
keit zu widersprechen scheint.
Vom Christentum aus, wie vom Pantheismus und von der
;Mystik wird noch immer der Vorwurf gegen das Judentum erhoben,
)daß es keine Verbindung, von Mensch und Gott zulasse. Und dieser
Vorwurf schließt die Verdächtigung einer Kulturhemmung durch das
Judentum ein. Dahingegen haben wir die Verbindung vielmehr
als V er ei n i g u n g in logischer Strenge zu erkennen, nicht aber in
Weise der Vorstellung als vage Verbindung. Diese Mission voll-
!zieht im jüdischen Monotheismus der!heilige Geist, und in dieser
!Mission:begreifen wir seine nur einmalige Erscheinung in der Bibel.
12. Denn diese einzige Erscheinung im Psalm vollzieht seine B e-
g re n z u n g auf die S ittlic h k e it. Und so ergibt sich hieraus der
Vorzug der monotheistischen Korrelation, als Vereinigung, durch den
heiligen Geist vor allem Pantheismus. Denn der heilige Geist
begrenzt dasjenige Gebiet des Geistes, welches Gott und Mensch^
"verbindet, auf die Heiligkeit. Und durch diese‫־‬BegrMzung'in ihrer
Tiusschließlichkeit wird die Heiligkeit zur Sittlichkeit. Die Ethik,
des kritischen Idealismus hat diese Bestimmtheit klargestellt, indem
sie zuvörderst den Unterschied festlegte zwischen der Gewißheit der/
wissenschaftlichen Erkenntnis und der der Ethik. j
K ant hat durch diese Unterscheidung die Wahrhaftigkeit der
ethischen Erkenntnis begründet, während D escartes noch innerhalb‫־‬
der mittelalterlichen Denkweise steht, welche die Vernunft gleich-
wertig annimmt für die sittlichen, wie für die logischen Probleme‫־‬
der Erkenntnis. Der kritische Idealismus vollendet in dieser seiner
systematischen Disposition den G lau b en sg ed an k en der Reformation
nach ihrer geschichtlichen Tendenz. Das Judentum vollzieht durch
den heiligen Geist diese grundehrliche Tendenz, durch welche sie‫־‬
den Pantheismus niederschlägt, während der -Mißbrauch des heiligen
Geistes ihn hervorruft.
Der P an th e ism u s stellt sich durch die Ignorierung oder Be‫־־־‬
streitung dieser kritischen Grundeinsischt in einen unausgleichbaren•
Widerspruch nicht allein zur Ethik, sondern überhaupt zur wissen-
schaftliehen Philosophie, die keinen rechten Anfang nehmen kann-T
wenn er nicht in dieser Unterscheidung genommen wird. Und auf
diesem Mangel beruht auch das Mißverhältnis des Pantheismus zur
Religion. Der Pantheismus gebraucht den heiligen Geist für alle
Erkenntnis schlechthin; das Judentum hingegen schränkt seine Be-
deutung auf die Sittlichkeit ein.
Das Judentum philosophiert nicht in seinen biblischen Quellen,,
aber die prinzipielle Logik des Monotheismus führt ihre Konse-
quenzen über die biblischen Grenzen hinaus durch. Wie das
Heilige durch die Satzungen und Rechte tatsächlich zum Sittlichen‫־‬
wird, so auch prägt sich der heilige Geist in der späteren Geschichte}
immer bestimmter zum sittlichen Geiste, zur sittlichen Vernunft!
aus. Und der Vorzug, der ihm vor allen Eigenschaften des Geistes[
gegeben wird, läßt den Keim des Gedankens erkennen, den Kant
mit dem ‫״‬Primat der praktischen Vernunft“ ausdrückt. Der heilige
Geist bleibt nicht ‫ ״‬der Gott der Geister alles Fleisches“. Hierin
V2i

liegt noch die Indifferenz des theoretischen und des sittlichen Geistes.
Der heilige Geist determiniert den Geist durch das Heilige. So mußte
.:zwar der heilige Geist endlich zur Erscheinung kommen: aber es
wird so auch begreiflich; daß er nur an dom Problem der Sünde und
auch nur in der Lyrik des Psalms zur Entdeckung kommen konnte.
13. Und diese Mitwirkung der Lyrik bei der Entdeckung des
heiligen Geistes erweist wiederum die tiefgehende Konsequenz des
Prinzips. Der Mensch soll durch den heiligen Geist in seiner
letzten Tiefe ergründet und begründet werden, der Mensch in seiner
[ Korrelation mit Gott, der Mensch, entsprechend der Einzigkeit Gottes,
| der Mensch selbst als Einheit, als Individuum.
' Wir können hier wiederum die Antizipation nicht vermeiden,
die auf den Gehalt des Problems hinausweist, der im In d iv id u u m
besteht. Auch hier weitet sich wieder die Kluft, welche den Mono­
theismus vom Pantheismus scheidet. Der Mensch; als heiliger Geist
wird er zum Individuum. Nicht der Geist macht den Menschen
zum Individuum, sondern der heilige Geist allein. Nicht die in-
differente' Vernunft, die auf das Wahre geht, wie auf das Gute —
so denkt in seiner besten Tendenz der Pantheismus. Der Mono-
theismus dagegen, in seinem dunklen Drange der Spur der Ethik
folgend. bescheidet sich vor dieser Gleichung, indem er das ab-
sonderliche Stück Welt der menschlichen Erkenntnis ahnt, indem er
über an der sittlichen Erkenntnis keine Schranken zugestehen will.
Als heiliger Geist muß er wissen, was das Heilige ist. Und selbst
die Heiligkeit Gottes kann gegen seine eigene Kompetenz der Heilig-
keit keinen Einspruch begründen.
Diese Demut der Grenzerkenntnis, die zugleich der höchste
;Stolz des Menschen ist, ahnt der griechische Geist wohl in der
Idee des G uten, aber diese wird ihm selbst zum Gotte, und so
entfällt ihm das korrekte Glied zum heiligen Menschengeist. Er
muß daher eine Vefmittlüng suchen, weil die Vereinigung ihm
-entgeht. Und es war das Verhängnis des Monotheismus, daß der
Jude Philo mit seinem Logos Platon gefolgt ist, den er nur logisch
zu verstehen glaubte, während er gerade hier die Selbständigkeit des
Monotheismus hätte behaupten sollen. Aber Philo war nicht der
einzige Jude, der mehr oder weniger ausdrücklich von den Zaubern
Jes Pantheismus und des halb verstandenen Platonismus bestrickt wurde,
sondern bis tief ins Mittelalter hinein rangen die frömmsten jüdischen
*Geister, sehr charakteristischerweise gerade religiöse Dichter, wie
1*25

Salomo ibn G ebirol, der lange als Avicebron maskiert war, m it


den Zweideutigkeiten des Pantheismus. -
14. t)ie originale weltgeschichtliche Form, welche der jüdische
Monotheismus dem Problem der Sittlichkeit verlieh, sie allein konnte
aller Mystik den Eiegel vorschieben. Ein Satz des Midrasch stellt
diese Konsequenz klar. ‫״‬Ich rufe als Zeugen Himmel und Erde
dafür an: es sei ein Israelit oder ein Heide, ein Mann oder ein
Weib, ein Sklave oder eine Magd, nur nach der Handlung, die er
tut, ruht der heilige Geist auf ihm“. Die Handlung ist das Doku- j
ment, ist das Kriterium des heiligen Geistes. Alle Glaubens-, |
Völker- und Standesunterschiede verschwinden vor diesem Kriterium
des Menschen: vor diesem, vor keinem anderen. Daß der Mensch
auch sonst Vernunft und Geist hat und damit Wissenschaft hervor-
bringt, das bezeugt ihn nicht als heiligen Geist, sondern allein',
seiner Handlung fällt diese Beweiskraft zu. Seine sittliche Handlung‫ ׳‬j ^
allein erweist ihn als heiligen Geist und damit als Menschen. 1
Wie weltfern ist diese nüchterne, klare sittliche Einsicht er-
haben über die Begehrlichkeiten der M y stik , die nur in der Schatten-
weit einer vermeintlichen Theorie hängen bleibt. Wir werden er-
kennen, wie der Messianismus diese sittliche Nüchternheit bei allem
scheinbaren Utopismus genährt, hat. Es ist der Vorbote des
Messias, E lia s , dem der Midrasch diese wundersame Parole in den
Mund legt. Der Mensch in der Unendlichkeit seiner sittlichen _
Aufgaben, in der unendlichen Fernsicht seines Horizontes, der
Mensch in seiner sittlichen Absolutheit, abgelöst von allen Belativi-
täten der Natürlichkeit und der Geschichte, dieser absolute Mensch
wird hier der Träger und der Bürge des heiligen Geistes.
Aber auf dem Menschen ruht der heilige Geist auch im Gegensätze-
zu dem Gedanken, daß allein Gott durch ihn bestimmt werde. Viel-
mehr entsteht der heilige Geist erst in der Korrelation von Gott
und Mensch. Diese Konsequenz ist der Gipfel in der mono-
theistischen Bedeutung des heiligen Geistes.
15. Der Midrasch steht nicht allein in dieser Einsicht, und es sind
auch nicht nur andere einzelne Stellen, sei es im Midrasch, sei es
im Talmud selbst, die ihn stützen, sondern ein anderer gleichsam
systematischer Umstand wird hier bedeutsam. Die T u g en d leh re,,
wie der Talmud sie entwickelt, zeigt sich von diesem methodischen
Gedanken geleitet. In der Staffel der Tugenden erscheint nämlich auch
der heilige Geist, und er bildet nicht einmal die höchste Staffel der-
selben. Es gibt mehrere Listen der Tugenden, die jedoch in der
Reihenfolge derselben eine Verschiedenheit zeigen. Durchschlagend aber
( ist die Bestimmung: ‫״‬die Heiligkeit bringt zum heiligen Geist“.' Nicht
!•etwa der heilige Geist bewirkt die Heiligkeit, sondern die sittliche
!Tätigkeit des Menschen, die Heiligkeit in dieser ihrer biblischen
Grundbedeutung kann erst zur Stufe des heiligen Geistes, als einer
Eigenschaft des menschlichen Charakters, emporführen.
Wenn nun ferner an einer Stelle die A u fe rste h u n g dem heiligen
Geiste übergeordnet wird, so findet sich an derselben Stelle zugleich
-die Korrektur: ‫״‬aber die fromme Liebestätigkeit ( ‫ )גמילות* הסדים‬über-
trifft- alle anderen Tugenden“. Der heilige Geist, als eine Stufe auf
dem Tugendwege des Menschen bestimmt, diese Definition geht durch
die gesamte Literatur des Talmud und des Midrasch hindurch, und
so erhält sie sich auch innerhalb der mittelalterlichen Reiigions-
.philosophie. Sie ist das Wahrzeichen des reinen Monotheismus, zu-
!.gleich aber auch, was eben identisch sein muß, das Wahrzeichen der
*echten, reinen, aller Mystik enthobenen Sittenlehre, welche nüchtern
und streng einzig and allein auf das Problem der menschlichen
*Handlung gerichtet ist, um diese der Korrelation gemäß ebenso ge-
nau zu bestimmen, wie zu läutern und zu heben.
16. Im heiligen Geiste kömmt daher die höchste Konsequenz der
Korrelation zum Austrag: die Indifferenz der Gotteserkenntnis und
der Erkenntnis des Sittlichen. Sittliche Erkenntnis und Natur-
Erkenntnis fallen nicht zusammen, wie der Pantheismus in diesem
Irrtum wurzelt. Was daher die Gotteserkenntnis, wie im Problem
der Schöpfung, mit der Naturerkenntnis gemein haben könnte,
daran hat der heilige Geist keinen Anteil. Seine Kompetenz
beschränkt sich auf das menschlich Sittliche. Und dieses menschlich
Sittliche macht er identisch mit dem Göttlichen, an dem kraft seiner
dem Menschen kein anderes Interesse zustehen soll, als was dieses
Göttliche für das Menschliche zu bedeuten hat.
So vollzieht der heilige Geist die monotheistische Begriffs-
bestimmung der Heiligkeit. Alle Bedeutung, welche früher, und so
weit die neuere Gottes Verehrung in natürlicher geschichtlicher Be-
dingtheit noch mit der alten zusammenhängt, die Heiligkeit
) theoretisch, mythologisch, wie praktisch im Kultus zu bedeuten
‫ ן‬hatte, fällt nunmehr in den entschleierten Nimbus des Götzendienstes
! .zurück. Die Heiligkeit wird rein» menschlich. ‫״‬Heilig sollt ihr
.sein“. Die Mystik, die, wie der Pantheismus, ihren Grund in der
11 7
'

Indifferenz der theoretischen und der ethischen Erkenntnis hat,


bleibt noch heute, wie überall in der Vergangenheit, vornehmlich in
dem Zauber befangen, daß die faktische Verbindung von Gott undj
Mensch möglich und zulässig wäre. Sie erkennt das Faktische nicht*
als das Aktuale der Annäherung. Sie_erkennt auch die Differenz nicht,
welche die Handlung von der bloßen Erkenntnis unterscheidet. Der
heilige Geist ist der Geist der sittlichen Handlung und als solcher
der Geist des Menschen. Diese Erkenntnis des Menschen wird das
Mittel zur Erkenntnis Gottes. Auch theoretisch bringt der heilige
Geist die Korrelation- zum Vollzug: auch theoretisch erweist er sich
als Vermittlungsbegriff der Erkenntnis von Gott durch die vom
Menschen.
Jetzt gibt es kein anderes Problem des Göttlichen mehr, als
welches der heilige Geist am Sittlichen, am Menschen aufdeckt.
‫ ״‬Heilig sollt ihr sein, denn heilig bin ich, der Ewige, euer Gott‫ ״‬.
Der Schein der Paradoxie ist jetzt verschwunden. Die Heiligkeit
vereinigt Gott und Mensch. Und diese vereinigte Heiligk^~MMrhert
sich nunmehr unzweideutig als Sittlichkeit. Es gibt keine andere
Sittlichkeit als die vom Menschen, welche selbst auch die von Gott
einschließt. Und es gibt keine andere Heiligkeit Gottes als die vom
Menschen, welche selbst auch die von Gott einschließt. Aller An-
thropomorphismus und aller Schein einer Übersteigerung des Mensch-
liehen sowie einer Herabsetzung Gottes ist jetzt beseitigt. Denn nur
auf die Schranken der theoretischen Erkenntnis im Menschen ebenso,
wie auf die seiner indifferenten Machtfülle, könnten sich ja diese
Einwände beziehen, während der heilige Geist nur in der Heiligkeit
Gott und Mensch vereinigt und dadurch für den Menschen die Heilig-
keit als Sittlichkeit zur Bestimmung bringt.
17. Sittlichkeit ist ja von allen ]Staturwesen nur für den Menschen
ein Problem. , Sittlichkeit bildet theoretisch den Inhalt der Ethik
und praktisch den Inhalt der S e lb ste rz ie h u n g des Menschen.
Diese Selbsterziehung tritt als Religion in das Licht der g ö ttlic h e n
E rz ie h u n g des Menschengeschlechts. So scheiden . sich begrifflich
Sittenlehre und Religion. Wenn anders aber die Religion im Geiste
des Menschen, in der Entwicklung des menschlichen Kulturbewußt‫־‬
seins ihren eigenen Anteil an der menschlichen Vernunft hat, so treten
demgemäß die Begriffe Gott und Mensch wieder zusammen. Die
Korrelation tritt ein, und zwar ebenso gemäß dem Begriffe Gottes,
wie gemäß dem des Menschen. Die Korrelation darf jedoch nicht

\
zur Identität verschrumpfen. Dies ergibt die Krankheit des Panthe‫־״‬
ismus. Das Göttliche ragt theoretisch, wie praktisch, über das Mensch-
liehe hinaus. Aber am Göttlichen läßt sich das Heilige aiiszeichnen.
Dieses darf nur nicht unterschiedslos auf alle Kompetenzen.
Gottes erstreckt werden, und daher erst recht nicht auf alle An-
liegen, geschweige Befugnisse des Menschen. Darin besteht der
Wert des heiligen Geistes, daß er diese Eindeutigkeit im Begriffe
[der Heiligkeit an den Tag bringt. Die Heiligkeit ist durchaus nur
1Sittlichkeit. Und auch bei Gott hat sie nur diejenige Bedeutung der
Sittlichkeit, welche die Korrelation mit dem Menschen erfordert.
Was sonst die Heiligkeit bei Gott bedeuten mag, das gehört buch-
stäblieh in das Kapitel der negativen Attribute.
18. Ihr bildet euch ein, Gott hieße darum der Heilige, weil er
in einem unergründlichen Dunkel dem Menschengeiste verborgen wäre.
Gegen diesen Wahn der Mystik hat Jesaja, der den Gedanken der
Heiligkeit zu seinem Grundthema gemacht hat, den Satz geprägt:
‫״‬Und der heilige Gott wird geheiligt durch Gerechtigkeit“ ( •‫נקדש‬
‫ בצדקה‬£es. 5,16). Nicht durch die Geheimnisse seines Wesens wird
Gott als Heiliger bestimmt. Er wird überhaupt nicht durch Erkenntnis
jzum heiligen Gotte, sondern allein die Heiligung, die Handlung,,
(welche der Mensch zu vollziehen hat, bewirkt seine Heiligkeit.
Diesen Zusammenhang von der heiligenden Handlung des Menschen
mit der Heiligkeit bei Gott selbst, nicht ausschließlich beim Menschen,,
wird der Prophet nicht müde aufs nachdrücklichste einzuschärfen. ‫״‬Und
ich werde geheiligt inmitten der Israeliten (3. M. 22, 32). ‫״‬Ihr sollt
mich heiligen“. ‫ ״‬Ihn sollt ihr heiligen“ (Jes. 8, 13). Die Korrelation
fordert es, daß sein Wesen der Heiligkeit bedingt ist durch die
Heiligung, welche der Mensch an Gott dadurch vollführen kann,,
daß er sie an sich selbst zu vollziehen hat. ‫״‬Und ihr sollt selbst
euch heiligen, und ihr werdet heilig sein (3. M. 11, 44). Der heilige
Geist wird im Menschen lebendig, insofern dieser sich selbst heiligt.
Und in dieser Selbstheiligung vollzieht er die Heiligung Gottes.
Denn was sollte sonst die Heiligkeit bei Gott bedeuten, wenn sie
nicht das Urbild wäre für die Handlung des Menschen?
19. Bildet euch aber ebensowenig ein, ihr könntet, ihr solltet zu
Heiligen dadurch werden, daß ihr das Geheimnis der Gottheit durch-
dränget und selbst faktisch, und das heißt eben nicht aktual,
sondern in einer naturartigen Tatsächlichkeit an der Gottheit teil-
nehmen, teilgewinnen könntet, wenn ihr zu Heiligen würdet. Gegen
129

diesen Wahn richtet sich der Satz: ‫״‬Ich, ■der‫־‬Ewige bin es, der
euch heiligt“ (2. M. 31, 13, 3 M. 20, 8, 21, 8J, Gegen die Über-
stiegenheit der ]Vtystik und der Heiligen-Askese richtet sich, dieser
Satz. Mit aller Selbsheiligung allein erreicht der Mensch doch
nimmermehr das Ideal der Heiligkeit.
Und dieses höchste menschliche Ideal wird zu einer falschen Vor-
Spiegelung und einer falschen Zielscheibe, wenn der Mensch selbst mit
Verletzung der Korrelation die Heiligkeit sich zuschreibt. Die Heilig-
keit ist kein Höhenstand weder der Erkenntnis, noch auch der Tat,
sondern sie ist nur die Aufgabe und das Ideal der Handlung, D u |
willst die Heiligkeit anstreben: beweise es durch deine demütigeI
Selbstbeschränkung auf deine reine menschliche Handlung. Diese aber $
kann nie vollendet sein, kann nur in der Schwebe der Aufgabe ver-
harren. Du willst deine Heiligkeit durch eine höhere Einsicht be-
weisen. Du beweist mit deinem Anspruch nur, daß du den Weg gar
nicht erkannt hast, auf den die Heiligkeit hingewiesen ist. Du willst
deine Heiligkeit beweisen durch eine Vollendung, die du deinem gesamten
menschlichen Tun verliehen habest: du beweist mit dieser Einbildung
nur. daß du das ganze menschliche Tun, das Problem der mensch^
liehen Handlung nicht als die u n en d lich e Aufgabe begriffen hast, als
welche sie durch die Korrelation von Gott und Mensch bestimmt wird.
Was anderes könnte denn im letzten Grunde diese Vergleichung,
die sonst verboten ist, zu bedeuten haben, als daß der Mensch in
all seinem Streben an sie, an Gott gebunden bleibt? Diese Gebunden-
heit des menschlichen Wesens bedeutet zugleich aber die Begrenzt-
heit seiner Handlung nicht minder als die seiner Erkenntnis. Und der
heilige Geist sollte den Menschen von dieser Grundbedingtheit, welche
die Grundlehre der Beligion ist, freimachen? Er sollte heiliger
werden können in dem Sinne, daß er das Menschenmaß überflöge,
daß er der Gottheit sich faktisch annähern dürfte, während diese
Annäherung, vielmehr die Durchführung der Korrelation mit Gott
nur seine ewige Aufgabe, nur sein ewiges Ziel bildet. Die Heilig- \
keit des Menschen besteht in der Selbstheiligung, die aber keinen S
Abschluß haben, mithin keinen dauernden Buhezustand bedeuten /
kann, sondern nur ein unendliches Streben und Werden.
20. Es ist nur die Verkennung der Wechselwirkung, die zwischen
dem Heiligen und dem Geiste besteht, welche bei Gott, wie beim
Menschen, den Irrtum einer Isolierung des heiligen Geistes verschuldet.
Ebensowenig, wie Gott eine^Assistenz des heiligen Geistes verträgt,
9
130

verträgt auch der Mensch eine Isolierung seiner Heiligkeit. Diesem


Vorhaben widerspricht die Beschränkung des Menschen für seinen
heiligen Geist auf die Handlung, auf die Sittlichkeit. Ebenso wie
die falsche Religion in ihrer vermeintlichen Selbständigkeit durch
die Sittlichkeit des heiligen Geistes vereitelt wird, ebenso wird auch
die falsche Psychologie vom Menschen, als einem Heiligen, durch
diese ethische Determination des heiligen Geistes abgewiesen. Nur
in der Korrelation zu Gott und nur in der Unendlichkeit ihrer
Vollziehung, und nur in der Beschränkung der Heiligkeit auf die
sittliche Handlung, also nur wiederum in der Abstraktion des ewigen
sittlichen Werdens besteht die Heiligkeit des Menschen, als des
heiligen Geistes.
Die Korrelation bleibt nicht beschränkt auf Gott und den
Menschen, sondern, indem sie als Wechselwirkung prägnant wird,
erstreckt sie sich auch auf die Begriffe der Heiligkeit, wie des
Geistes. Auch diese Grundbegriffe treten in die Wechselwirkung
der Korrelation. Die Heiligkeit determiniert und realisiert den
Geist als sittlichen Geist. Und ebenso determiniert und realisiert
der Geist die Heiligkeit als die Handlung der sittlichen Vernunft.
Kapitel VIII.
Die Entdeckung des Menschen als des Mitmenschen,
1. Den Menschen haben wir bisher nur als heiligen Geist kennen
gelernt, nur als sittliches Vernunftwesen. Der Mensch ist in diesem
Begriffe nur eine Abstraktion der Religion auf Grund ihres Anteils
an der Vernunft, an der Sittenlehre. In dieser Abstraktion des
sittlichen Wesens hat der Mensch noch kein Verhältnis zur geschieht-
liehen Erfahrung, geschweige zu der der Naturerkenntnis, außer
sofern die geschichtliche Erfahrung die Beziehung zur Sittlichkeit
Yoraussetzt. Aber die Sittlichkeit selbst gilt bisher nur als ein
Problem, welches in der Korrelation von Gott und Mensch entsteht,
und welches durch die Heiligkeit gelöst werden soll. Der Mensch
selbst ist somit nur ein Problem.
2. Die Erfahrung, die natürliche, wie die geschichtliche, zeigt
«den Menschen in neuen Problemgestalten, und diese zweigen sich ab
in zwei Hauptgruppen, deren eine der Mensch als In d iv id u u m , die
andere der Mensch als M eh rh eit, die hinwiederum das Problem
der A llh e it zur Aufstellung kommen läßt. Zunächst scheiden sich
■die Gruppen nur aus dem Gesichtspunkte der Einzelheit und der
Mehrheit.
Auch bei der Einzelheit darf es nicht verbleiben. Denn sie
gehört ja eigentlich der Mehrheit an, in der sie ein einzelnes Glie d
bildet. Aber wie die Mehrheit, als eine logische Klasse, eine
.Einheit bildet, als welche sie auch eine neue Klasse, die der Allheit,
und in dieser eine höhere Einheit zu bilden fähig und bedürftig
wird, so erhebt andererseits die Einzelheit hinwiederum auch an sich
das Problem der Einheit, kraft dessen sie zur Eingliederung in die
Allheit befähigt wird, der auch sie bedürftig ist. Die Einheit wird
überall zum Problem, wo gedankliche Abstraktionen als Klassen
und Ordnungen in Frage treten. ‫״‬
ß. Wir nehmen jetzt diese Einheit der Einzelheit noch nicht in
Erwägung, sondern vorerst die Einheit der Mehrheit, und zwar
a*
ohne zunächst auf ihre Einmündung in die Allheit Bedacht zu
nehmen. Die Einheit, welche die Mehrheit zu einem Ordnungs-
begriffe macht, erstreckt diese Kraft auch auf jedes einzelne Glied
der Mehrheit. So entsteht der Mensch als Mehrheit, welche an
sich die Einheit einer Gruppe bildet, zugleich aber auch ais ein
Glied dieser Gruppe, welches, als solches, für sich selbst auch da&
Problem einer Einheit stellt. So entsteht der Mensch zwar noch
nicht als Individuum in der ganzen Rüstung und dem ganzen Voll-
gewicht dieses Begriffs, aber als‫ ־‬das Element einer Reihe: ein
Mensch neben Menschen, ein N ebenm ensch, Und diese Erfahrung
vom Nebenmenschen — denn dieser Begriff ist der Erfahrung ent‫״־‬
nommen — stellt nun für die Ethik. und ‫״‬gemäß dem Anteil der
Religion an der Vernunft auch für sie an dem Nebenmenschen das
Problem des M itm enschen.
Das populäre Denken findet es auffällig, daß der Mitmensch
nur ein Problem der Ethik sei, und auch für die Religion nur ein
Problem sei. Freilich der Wahrnehmung stellt sich ,der Neben‫־‬
mensch dar, aber ist dieser schon' der Mitmensch? Die Annahme
einer solchen Identität von Nebenmensch und Mitmensch ist eben
das Vorurteil des populären Denkens, bei welchem die Ethik, als
die Lehre vom reinen Menschen, nicht bestehen, gar nicht auf‫־‬
kommen kann. Und sofern sie dennoch entstehen konnte, hat sie
beständig mit dem Vorurteil zu kämpfen, daß dieser Nebenmensch
der natürlichen und der geschichtlichen Erfahrung der ganze Mensch
sei und daß er das ganze Problem des Menschen darstelle. Der
Nebenmensch ist keineswegs schon‫ ־‬der Mitmensch. Die Erfahrung‫״‬
selbst bestreitet und widerlegt diese Identität.
. Es ist also notwendig, daß eine begriffliche Erkenntnis ein‫״־‬
trete, welche diese Ergänzung zum Nebenmenschen liefern muß.
Nur die begriffliche Erkenntnis kann diese Leistung vollbringen,,
nur die Ethik auf Grund der Logik; und Vermöge ihres Anteils an
der Vernunft muß auch der Religion diese Aufgabe zufallen. Denn
welcher Wert könnte dem Vernunftanteil der Religion zustehenr
wenn diese Differenz zwischen Nebenmensch und Mitmensch nicht•
auch von ihr zum Problem gemacht würde? Wenn anders die
!Korrelation von Gott und Mensch die Fundamentalgleichung der
!Religion ist, so muß der Mensch dieser Korrelation zu allererst als
Mitmensch erdacht weiden.
4. Es verbirgt sich zwar im Mitmenschen eine eigene Korrelation.
nämlich die von Mensch und Mensch, aber in dieser engeren Kor-
relation entfaltet sich nur erst der Sinn und Inhalt der allgemeineren.
Die Korrelation von Mensch und Gott kann nämlich nicht in Vollzug
treten, wenn nicht vorerst an der eingeschlossenen Korrelation von
Mensch und Mensch. Die Korrelation von Mensch und Gott ist in erster
Linie die vom Menschen, als Mitmenschen, zu Gott. Und die, Be-
deutung der Religion bewährt sich zunächst in dieser Korrelation
des Mitmenschen zu Gott, in welcher eben der Mensch als Mit-
mensch zum Problem wird und in diesem Problem zur Erzeugung
kommt.
Der Vernunftanteii. der Religion ist der des Anteils der Religion
an der .Sittlichkeit, und kein, Problem der Sittlichkeit geht diesem
Problem des^Mitmenschen voraus. Die Möglichkeit der Ethik beruht
huf diesem Problem. ‫־‬Wenn der Mitmensch zum ‫ י‬Nebenmenschen
nivelliert wird, so ist es noch immer die große Frage, ob eine
Soziologie entstehen kann; keine Frage aber ist es, daß alsdann die
Ethik keinen Bestand fassen kann. Und da der Vernunftanteil der
Religion in dem an der Sittlichkeit.besteht, so wird mit der Möglichkeit
der Ethik auch die der Religion hinfällig; denn schon die Korre-
lation zerfällt: der Mensch ist alsdann nicht als Mitmensch das Glied
derselben, und ein anderer Begriff des Menschen, als der sittliche,
kann nicht zu Gott in Korrelation gesetzt werden. So sind Ethik
und Religion im Begriffe des Menschen auf den Begriff des Mit-
menschen gestellt.
5. Die Quellen des Monotheismus Hießen innerhalb der geschieht-
liehen und der literarischen Erfahrung des jüdischen Volkes und
der jüdischen Gemeinde. Die Antinomien, die wir in der Dar-
Stellung des Monotheismus gemäß dieser ihrer national-literarischen
Bedingtheit, fanden, werden sich auch an diesem menschlichen
Gliede der Korrelation wiederholen. Die Erfahrungen vorn Neben-
menschen durchkreuzen sich mit den Forderungen des Mitmenschen•
die die Korrelation erhebt.
Das Nationalbewußtsein ruft zunächst den Israeliten an. Aber
dieser selbst enthält einen Doppelsinn in sich, insofern er ein Sohn
Adams und ein Sohn Abrahams ist. Wir werden sehen, wie dieser
Gegensatz durch einen Verbindungsbegriff geschlichtet wird.
Der Israelit enthält noch in anderer Hinsicht einen Doppelsinn
in sich, insofern er außer der Differenz der Religion, einen politischen
Unterschied bedeutet. Denn Israel ist ein Staat geworden, und im
Begriffe des .S ta a ts b ü rg e rs entsteht ein Widerstreit zwischen dem
Eingeborenen und . dem Ausländer. Wir werden sehen, daß auch
dieser Gegensatz durch einen Verbindungsbegriff, der nicht nur die
Hostilität, sondern sogar auch die Indifferenz des Ausländers aus-
tilgt, geschlichtet, und überwunden ist.
G. Endlich steckt noch ein anderer Gegensatz im Menschen, als
M itm enschender sich aus der Bedeutung der Mehrheit heraus-
stellt. Der Mitmensch ist Glied eines V olkes, zunächst daher des
Volkes Israel. Aber Israel ist von Völkern umgeben, führt Kriege
mit ihnen und schließt Bündnisse mit ihnen. Der Gegensatz vom
Staate wiederholt sich, aber er bleibt nicht derselbe. Denn der
Begriff des Volkes ist durch die . nationale Aufgabe des Monotheis-
mus ein anderer geworden. Es tritt eine Singularität für das eigene
Volk unvermeidlich in Kraft. Diese Singularität fordert der Mono-
theismus, dessen Durchführung von dem nationalen Gegensätze zu
den anderen Völkern abliängt.
Die Völker stehen daher nicht nur. in der Bedeutung der
Mehrheit zu dem Volke Israel, sondern dieses wird wegen seiner
Berufung zum Bekenntnis des einzigen Gottes und nicht minder zur
geschichtlichen Arbeit an seiner allgemeinen Anerkennung dadurch
selbst zu einem einzigen Volke ausgezeichnet. Die Völker sind die
Feinde des einzigen Gottes und daher die Feinde des einzigen
Volkes. Würde es nun bei diesem .Widerstreit zwischen dem Volke
Israel und den Völkern der Welt verbleiben, so würde der Begriff
des Monotheismus scheitern und in ihm zugleich das Glied der
Korrelation ausfallen, welches der Mitmensch in der Mehrheit der
Völker bildet. Wir werden sehen, wie dieser Widerstreit, an dem
schlechterdings das Schicksal des Monotheismus hängt, durch einen
Verbindungsbegriff geschlichtet wird, dessen Bedeutung um so höher
steigt, als durch ihn die Mehrheit im Mitmenschen in die Allheit,
verwandelt und emporgehoben wird.
7. Betrachten wir zuerst die Antinomie zwischen den Israeliten
und dem Ausländer (‫)נכרי‬. Sie wird geschlichtet durch den Begriff
des Fremdlings (‫)גר‬.
Der Fremdling ist kein neuer Begriff, den etwa erst der
Monotheismus entdeckt und dem des Ausländers entgegengestellt
hätte. Die natürlichen Verkehrs Verhältnisse der Menschen und der
Völker im Kriege selbst haben ihn hervorgerufen. Das Wandern
135

und das Reisen ist unter den Menschen und Völkern immer Brauch ]
gewesen, dadurch ist der Zuwanderer zum G astfreu n d geworden.
Die Humanität der griechischen Götterlehre bezeugt sich darin, daß
der oberste Gott Zeus zum Gotte der Gastfreundschaft {Zevg §äv10g)
gemacht wird. Und dem Gastfreunde muß Treue bewahrt werden,
im Kriege, wie im Frieden. Als sich Diomed und Glaukos in-
mitten des Kampfes als Gastfreunde erkennen, da hören sie zwar
nicht auf, miteinander zu kämpfen, aber das ritterliche Gefühl der
Gastfreundschaft veranlaßt sie, ihre Waffen zu tauschen, wobei
freilich die Ritterlichkeit der Gastfreundschaft den Betrug nicht ab-
wendet. In diesem Musterbeispiel antiker Sentimentalität entlarvt
sich zugleich die sittliche Indifferenz, mit welcher der Begriff des
Gastfreunds behaftet bleibt. Der Gastfreund ist noch lange nicht
der F re m d lin g ,, in^.dem positiven Sinne, der in ihm zur Entfaltung
kommt.
8. Die sittlichen Kräfte, welche durch alle Vertretungsbegriffe
des Mitmenschen entbunden werden, können erst in der Zusammen-
Wirkung aller ihrer gegensätzlichen Motive und ihrer Schlichtungs-
begriffe zur Darstellung kommen. Aber wir müssen zunächst aus
dem Gesichtspunkte des Monotheismus, sowie aus d^n ihm ent-
sprechenden der Schöpfung und der Offenbarung, wie andererseits auch
des Menschen, als des heiligen Geistes, die biblischen Urkunden
auf diesen Gegensatz hin ansehen. Und da tritt uns zuert N oah
entgegen, der nicht mehr Adam und noch nichL Abraham‫ ״‬ist., Be-
grifflich steht daher das wundersame Begriffsgebild des Noachiden,
des Sohnes Noahs ( ‫ ) בן נח‬als Schlichtungsbegriff viel höher als der
des Fremdlings; aber der letztere entsteht in den ersten Anfängen
des biblischen Monotheismus, während der erstere zuerst vom Rab-
binismus als bedeutsame Konsequenz des Monotheismus erdacht wird.
Die Bedeutung des Noachiden für den Monotheismus liegt
schon in der Umdeutung, welche die Urkunde der babilonischen
Flutsage zuerteilt hat. Noah wird zum Symbol des Menschen-
geschlechts, dessen Erhaltung Gott sich zur Aufgabe setzt. Er
schließt einen Bund mit Noah, daß keine Sintflut mehr kommen
soll, alles Lebendige zu vernichten. Gott schließt daher den Bund
mit den Lebewesen überhaupt und insbesondere mit der Menschen-
seele. Und die Natur wird gleichsam zum Zeugen für diesen Bund
eingesetzt im Regenbogen, der am Himmelszelt erscheint. Gott
setzt sich somit in eine unaufhörliche, in eine begriffliche Korre-
lation mit der Natur und mit dem Menschengeschlecht in ihr, mit
*dem Menschen, als Mitmenschen. >
Während die Erzählung mit dem Satze beginnt: ‫״‬Und es sprach
Gott zu Noah: das Ende alles Fleisches ist gekommen vor mich,
denn voll ist die Erde der Gewalttat von ihnen, und siehe, ich will
sie vertilgen mit der Erde“ (1 M. 2, 9), oder wie es später heißt:
‫״‬und siehe ich bringe die Sintflut über die Erde, zu verderben
alles Fleisch, in dem der Geist des Lebens ist, unterhalb des
Himmels, alles was auf der Erde, soll verschwinden (ib. 17), so
folgt doch unmittelbar der Satz: ‫״‬und ich will errichten meinen
Bund mit dir, und du sollst eingehen in die Arche, du und deine
Kinder und deine Frau und die Frauen deiner Kinder mit dir“.
So ist durch diese Ausnahme an Noah und seiner Familie die an-
gekündigte Absicht sogleich vereitelt, und die Korrektur der ganzen
Sage durch die Selbstberichtigung dieser Absicht eingeleitet und aus-
gesprochen. Auch die ausdrückliche Begründung fehlt nicht: ‫ ״‬denn
dich habe ich ersehen als gerecht vor mir in diesem Zeitalter“
(7, 1). Die Gerechtigkeit ist also dennoch nicht gänzlich ver-
schwunden unter den Menschen, und sie muß erhalten werden im
Menschen. Das Menschengeschlecht kann daher nicht vertilgt
werden.
9. Der Ausdruck dürfte einzig sein, in welchem Gott seine Abkehr
von der Sintflut kundtut: ‫״‬und es sprach der Ewige zu seinem
Herzen: ich will nicht fortfahren zu verfluchen ferner die Erde um-
willen des Menschen, denn das Gebilde des Menschenherzens“
(Jezer heißt nicht Trieb, sondern das Geschöpf des Triebes) ‫״‬ist
bös von seiner Jugend her, und ich will nicht fortfahren ferner zu
schlagen alles Lebendige“ (8, 21). Und so segnet Gott den Noah
und seine Kinder, indem er ihnen zugleich den Blutgenuß im
Fleische verbietet, und daran den Ausspruch knüpft. ‫״‬Jedoch euer
Blut in euren Seelen werde ich fordern, von der Hand jedes
Lebendigen werde ich es fordern und von der Hand des Menschen,
von der Hand eines Mannes, der sein Bruder ist, werde ich fordern
die Seele (das Leben) des Menschen. Wer das Blut des Menschen
vergießt, durch den Menschen soll sein Blut vergossen werden,
denn im Bilde Gottes hat er gemacht den Menschen“ (9, 4‫ ^ג‬. Es
ist, als ob zur Verhinderung des Mordes auch der Blutgenuß im
Tierfleisch verboten würde. Und nur der Mensch wird hier genannt,
das Ebenbild Gottes und einer als der Bruder des Anderen. So ist
137

denn schon nach diesem Bunde Gottes mit Noah jeder Mensch der
Bruder des änderen.
10. Und in diesem Zusammenhänge ist der Bund zu verstehen,
den Gott mit Noah errichtet: ‫״‬und es soll nicht mehr vertilgt
werden alles Fleisch durch eine Sintflut und es soll nicht ferner
*eine Sintflut sein, zu verderben die Erde“ (11). Und so wird der
‫־‬Regenbogen zum Bundeszeichen eingesetzt zwischen Gott und der
Erde, zwischen Gott und jeder lebendigen Seele in allem Fleische,
und zwar zu einem ‫״‬ewigen Bunde“ ‫״‬für ewige Geschlechter“
(17. 12). Es ist eine natürliche Konsequenz. welche der Talmud in
der Schaffung des wundersamen Begriffs des ‫״‬Sohnes Noahs“ aus
diesem Bunde zwischen Gott durch Vermittlung Noahs mit dem
Menschen zieht.
Auf Noah folgt Abraham in der Vorgeschichte des Monotheis-
mus. Auch mit ihm schließt Gott einen ‫״‬ewigen Bund“ für seine
Nachkommen und deren Besitznahme vom Lande Kanaan. Bedeut-
sam ist es aber schon, daß die Engel, die der Sarah den Sohn ver-
künden, nach der Erledigung dieses Auftrags angehalten werden,
den Untergang Sodoms Abraham nicht zu verheimlichen. ‫״‬Sollte ich
verbergen vor Abraham, was ich tue? Und Abraham wird ja werden
zu einem großen und mächtigen Volke, und es werden gesegnet
werden durch ihn alle Völker der Erde“ (18, 18). Es fehlt nicht
an der Begründung für den Segen dieser Nachkommenschaft: ‫״‬sie
werden wahren den Weg des Ewigen, zu tun Gerechtigkeit und
Hecht“ (19).
Und jetzt kommt die Episode von Sodom, die durch den Dialog
Abrahams mit Gott eingeleitet wird. Die Engel waren schon fortr
gegangen, da trat Abraham vor Gott heran, ‫״‬und er sprach:
willst du auch ausrotten den Gerechten mit dem Frevler?“ (23).
‫״‬Fern sei es von dir, zu tun in solcher Weise, zu töten den
Gerechten mit dem Bösen, und das wäre der Gerechte wie der
Böse, fern sei von dir, ‘ dem Richter der ganzen Erde, daß er nicht
täte das Hecht“ (25). Schon hier tritt wieder mit der ganzen Erde
Gott in Verhältnis, und zwar nicht nur als ihr Erhalter, wie bei
Noah, sondern als ihr R ichter. Und als solcher läßt er Schonung
ergehen für die ganze Stadt, wenn 50, oder 45, oder 40, oder 30,
oder 20, oder endlich auch nur 10 Gerechte darin sich finden.
So wird denn der Segen, den Abraham für ‫״‬alle Völker der
Erde“ bringen soll ^ auf Recht und Gerechtigkeit gegründet. Und
138

die Verheißung für das große Volk, deren Vater Abraham werden
soll, wird verknüpft mit dem Segen für ;,alle Familien des Erd-
bodens“ (Familien !). Auch durch diese Verbindung des Volkes bei der
Verheißung seiner Entstehung mit allen Völkern der Erde wird der
Mitmensch vorbereitet.
11. Es ist daher kein müßiger Streit im Talmud zwischen R. Akiba
und Ben Asai über den eigentlichen Vers, der die Menschenliebe
einführt. Akiba sagt ‫״‬Du sollst lieben deinen Anderen (Rea), er
ist wie du. Dies ist ein großer Inbegriff in der Thora“. Ben Asai
sagt: ‫״‬Dies ist das Buch der Entstehungen des Menschen (5. 1).
Dies ist ein größerer Inbegriff , als jener (Jerusch ned. P. 9). Man
bedenke den .Nachsatz: ‫״‬Am Tage, da Gott den Menschen schuf,
in der Ähnlichkeit Gottes hat er ihn gemacht“. Welche Be-
gründung hat den Vorzug? Etwa die erste, die die Gleichheit von
Mensch und Mensch hervorhebt? Die den Menschen zum anderen,
mithin zum Mitmenschen macht? Oder die, welche den Menschen
zum Ebenbilde Gottes, als Geschöpf Gottes, macht? Offenbar hat
'Ben Asai Recht.
Man sieht-, wie nur aus Befangenheit verständlich die Miß-
deutung wird, welche durchaus den Anderen nur als Volksgenossen
anerkennen will. Abgesehen davon, daß es sinnlos ist, zu sagen;
liebe deinen Volksgenossen, wie dich selbst, wenn doch die Menschen-
liebe noch gar nicht entdeckt ist — entweder- ist der Nationalsinn
schon so erstarkt, daß in dem Volksgenossen mein Blut und mein
Ebenbild gefühlt wird, dann aber ist das Gebot überflüssig; oder
es soll erst auch das Nationalgefühl gelehrt werden, dann aber
wird die Steigerung ‫״‬wie dich selbst“ oder gar: er ist wie du, nur
dann verständlich, wenn der Volksgenosse schon durch den Begriff
des Menschen hindurehgegangen ist. Die Gleichheit der Volks-
genossen beruht schlechterdings auf der Gleichheit der Menschen;
sonst ist der Volksgenosse mein Nachbar, mit dem ich Streit habe,
oder der Arme, der den Reichen haßt, von dem er bedrückt wird.
Der sittliche Begriff des Volksgenossen hat zu seiner unerläßlichen
Voraussetzung den allgemeinen Menschenbegriff.
Diese allgemeine Voraussetzung ist es, auf die sich Ben Asai
beruft. Und daher wird es sinnlos, in jenem anderen Satze nur
den Volksgenossen zu wittern. Die ganze Thora von der Schöpfung
des Menschen an widerlegt diese widerwärtige Ansicht. Von Gottes
Schöpfung des Menschen ist die Menschenliebe abhängig, nicht von
meinem subjektiven Gefühl, mit: dem ich mich liebe, oder einen
anderen liebe. ‫ ״‬Dieses ist das Buch der Entstehungen des Menschen:
Gott hat ihn in seiner Ähnlichkeit geschaffen“. Auf diesem
Grundsätze beruht die Geschichte des Menschen. Im Monotheismus
liegt der Ursprung für die Geschichte des Menschen. Und der{
Monotheismus selbst verhütet jede innerliche Scheidewand zwischen |
seinem Bekenner und allen Nichtbekennern. Der Israelit ist früher I
ein Sohn Noahs als ein Sohn Abrahams. Und auch als Sohn
Abrahams ist sein Segen bedingt durch den Segen für alle Völker
der Erde. Aber noch bevor er ein Sohn Abrahams und ein Sohn
Noahs, ist der Israelit gleich jedem Menschen, das Geschöpf Gottes!
in seinem Bilde. 1
1*2. Gehen wir jetzt über zur Betrachtung der politischen Antinomie‫״‬
zwischen Israel und dem A u slän d er. Wir waren schon auf die
Notlage gestoßen, welche ftii: die Humanität in der Mission des
Monotheismus gelegen ist, insofern diese die Ausrottung des
Polytheismus forderte, welche hinwiederum die Ausrottung der
götzendienerischen Völkerschaften in sich enthielt. , Diese Anomalie
kann nur aus. dem geschichtlichen Gedanken heraus aufgelöst
werden. Der Vernunftanteil der Religion zieht sich hier zurück!
auf die Logik der Tatsachen, die vor der reinen Ethik nicht be‫ ־‬i
stehen kann. Darf man indessen fragen, warum Gott es nicht
anders eingerichtet, nicht anders geboten habe? Die Theodicee wird
an dieser Frage zum Widersinn. Wir müssen daher von dieser
Anomalie schlechterdings absehen und trotz ihrem Widerspruch die
Schlichtung versuchen.
Wenngleich die Götzendiener bekämpft werden müssen, übrigens
nicht minder im eigenen Volke, als bei den fremden Völkern, so
heißt es doch: ‫״‬Du sollst nicht verabscheuen den Edomiter, denn
er ist dein Bruder“ (5. M. *23, 8). Dies ist einer der goldenen Sätze
für die Menschenliebe: der Edomiter, dieser Feind Israels, wird
Bruder genannt. Also nicht allein der Israelit ist Bruder, sondern
selbst der feindliche Götzendiener wird so genannt. Da ist es denn
kein Wunder, daß dasselbe Verbot auch auf den Ägypter erstreckt
wird: ‫ ״‬Du darfst nicht verabscheuen den Ägypter“ (‫) לא וזתעב מצרי‬.
Und an die. vierhundertjährige Sklaverei dort wird nicht gedacht,
.dafür aber eingeschärft: ‫״‬denn ein Fremdling warst du in seinem
Lande“. Der Fremdling wird nicht als der Sklave gedacht, sondern
wie ein Gastfreund, der die Pietät der Gastfreundschaft fordert.
140

So eingewurzelt ist schon, die. Humanität im* Fremdling, daß‫ ־‬der


Sklave, als Fremdling, zur Dankbarkeit ermahnt werden kann.
- 13. Und so erweitert sich der Begriff des Fremdlings über das
ganze Problem des Ausländers (Nokri). Auf die Ausnahme, welche
das Staatsrecht, sowie auch das religiöse Bitual erklärlich macht,
gehen wir Jhier nicht ein, wo es sich nur erst um die Bildung und
Unterscheidung der Grundbegriffe vom Mitmenschen handelt. In dieser
Hinsicht aber ist der Satz in der Rede Salomos bei der Einweihung
seines Tempels bedeutsam: ‫ ״‬Und auch der Ausländer (Nokri), der
kommt aus fernem Lande . und betet in diesem Hause, du Erhöre
ihn im Himmel“ {I. Kön. 8, 41—43). Von diesem Satze ist der‫ ׳‬Satz
nicht weit entfernt, in welchem der Messianismus gipfelt: ‫ ״‬Denn mein ,
Haus, ein Haus des Gebetes werde es genannt t für alle Völker“
(Jes. 56, 7). S0v ist .der Ausländer durch die Gemeinsamkeit des
Gebetes zum Mitmenschen geworden, .aber hierbei ist noch die Mit-
Wirkung des Messianismus Voraussetzung. Es scheint daher, als ob
der Monotheismus schon völlig durchgeführt sein müßte, wenn der
Ausländer als Mitmensch erkannt werden soll.
14. Der Sinn des Monotheismus dringt tiefer in den Menschen-
begriff hinein, so ^daß er zum Entdecker dieses Begriffs wird, ohne
daß sein eigener Begriff schon am messianischen Begriffe des
Menschen sich verwirklicht hätte. Und dies ist die beste Korrektur,
welche an dem strikten Gebote der Ausrottung des Götzendienstes
und seiner Völkerschaften innerhalb der eigenen Lehre vollzogen
wird: daß auch im N ic h tis ra e lite n der Mensch erkannt, und
daß diese Erkenntnis in seiner politischen Anerkennung bestätigt
wird. Der Makel des Götzendienstes wird dadurch, wenngleich nicht
vom Begriffe, so doch wenigstens von der Vorstellung des Menschen
abgetrennt. Der Mensch braucht nicht Israelit zu sein, um nicht
Götzendiener sein zu müssen.
Denn freilich, an dem Götzendienste selbst haftet ein unverwischbarer
Makel. Der Götzendienst bezeichnet im altjüdischen Bewußtsein keines-
wegs ausschließlich einen nur religiösen Begriff, sondern zugleich
vorzugsweise einen rein sittlichen. Es ist ein tiefes Wort des
Talmud, daß die Israeliten dem Götzendienste sich nicht so unauf-
hörlieh ergeben hätten, wenn nicht, die Sinnenlust mit ihm verbunden
gewesen wäre. Und mit dem Verbot des Götzendienstes wird da-
her auch, die geschlechtliche Ausschweifung getroffen, die besonders
mit dem Dienst der Astarte verbunden war. Um so .auffälliger wird
die literarische Tat re für den rein sittlichen Vernuiiitanteil des.
Monotheismus, daß er den Ausländer auch ohne den Anschluß an »
die Religion zum Mitmenschen erkoren hat. Und diese Auszeichnung
ist um so wichtiger, als sie sich auf dem Böden der Politik vollzog‫״‬
15. Es entsteht am Ausländer und am Fremdling der neue Be-
griff des ‫ ״‬F re m d lin g -B e is a ß “ ( ‫)גר תושב‬.
Die Gesetzgebung über dieses Mitglied des Staates, als das er
aufgenommen wurde, ist zunächst dadurch charakterisiert, daß voll-
ständige Rechtsgleichheit diesem Ger zuerteilt wurde. ‫ ״‬Eine Thora sei
euch, dem Eingeborenen und dem Fremdling der weilt in eurem Lande“
(2: M. 12, 49). So wird der Unterschied vom Eingeborenen für den
Beisaß aufgehoben. Das Recht muß einheitlieh sein für alle, welche
im Lande wohnen,, nicht nur hindurchziehend sich darin aufhalten.
Und der Beisaß -bedarf nicht etwa eines Patrons, wie in Griechen‫״‬
land und Rom, um einen Prozeß zu führen, sondern ‫״‬das Recht ist
Gottes“ (?f. M. 1, 17). Das Recht hat nicht seinen Ursprung in den
Satzungen der Menschen, sondern sein Herkommen ist von Gott.
Daher erteilt Gott auch dem Fremdling seinen Anteil an dem
Landesrecht, wenngleich er den einzigen Gott nicht bekennt.
Es ist ein großer Schritt, mit dem hier die Humanität beginnt*
und zwar im Recht und im Staate. Obwohl dieser Staat auf dem
einzigen Gotte beruht, und obwohl der Beisaß diesen nicht bekermt!
So wird es verständlich, daß an diesen ersten Schritt andere sich,
folgerichtig anschließen.
16. Darin eben bezeugt sich der stetige Fortgang in der Ent-
Wicklung des Monotheismus nach allen seinen menschlichen Be-
Ziehungen, daß in den Grundbegriffen die Spätzeit mit den primi-
tiven Anfängen einheitlich zusammenhängt. Aus dem Fremdling-
Beisaß ist in der Zeit des Talmud der Sohn Noahs geworden. Die
talmudischen Quellen bedürfen noch der genauen Aufhellung des
Punktes, an dem der eine Begriff in den anderen übergeht. Aber
in der Kodifikation des M aim onides, welche noch auf einen dritten
Begriff Rücksicht nimmt, mit dem der Mitmensch erzeugt wird*
läßt sich vielleicht an der Differenz von diesem auch die gegen-
seitige Differenz der beiden ersteren erspähen.
Jener dritte Begriff bezeichnet die ‫״‬Frommen der Völker der ‫־‬
Welt“ ( ‫) חסידי אומות העולם‬. Dieser Begriff bezieht sich mithin auf
die Völker außerhalb Israels und somit abstrahiert er von der Religion
Israels und erkennt dennoch auch diesen Menschen Frömmigkeit zu‫״‬
142

So ist denn dieser wundersame Begriff unverkennbar ein Grenz-


begriff von Religion und Sittlichkeit; ein Begriff, welcher die Sitt-
lichkeit von der Religion abgrenzt und von ihr unabhängig‫ ׳‬macht.
An diesem Begriffe vollzieht Maimonides die Unterscheidung
zwischen dem ‫״‬Beisaß“ und dem ‫״‬Noachiden“. Eine solche Unter-
Scheidung ist für ihn notwendig, da er das gesamte Gesetz, ein-
schließlich des Staatsrechts, kodifiziert. Das Gesetz selbst in seiner
eigenen Entwicklung braucht gar nicht die Tendenz einer solchen
Unterscheidung zu verfolgen. Beide Begriffe kann das Gesetz als zwei
Termini auffassen für denselben Rechtsgedanken. Der Fremdling
ist ja von vornherein ein Sohn,, Noahs, und dies wird sein Schutz
gegen den Mangel, daß er nicht ein Sohn Abrahams ist.‫ ־‬-Aber als
Noachide wird er nicht an das Gesetz Moses gebunden, sondern nur
an sieben Vorschriften, die ‫ ״‬sieben Gebote der Söhne Noahs“
(‫) שבע מצות ■בני נה‬. Und diese sieben Vorschriften sind lediglich sitt-
liehen Charakters.
Nur eine religiöse Bindung scheint in ihnen enthalten zu sein,
nämlich die Enthaltung von der Gotteslästerung und vom Götzen-
dienst. Indessen mahnt hier die Differenz zwischen dem ethischen
Begriffe des Noachiden und dem politischen des Beisaß. Wenn
das Gesetz schon so weit geht, den Nichtbekenner des einzigen
Gottes sich im Lande ansiedeln zu lassen, so muß Vorsorge ge-
troffen werden, daß das Land nicht durch Götzendienst entweiht
und seine Bewohner nicht zu ihm verleitet werden. Sonst aber
sind es nur sittliche Vorschriften, die dem Noachiden auferlegt
werden, und besondere Beachtung verdient hier die der ‫״‬Gerichts-
Verfassung“ (‫ )דיניך‬, der der Noachide sich unterwerfen muß. Wir erinnern
uns an die ‫״‬Satzungen und Rechte“, welche das Deuteronomium als
Sinn und Wert der Thora nachdrücklich hervorhebt. In der An-
erkennung des Rechtes übernimmt der Noachide die der Sittlichkeit,
während die der Religion ihm nicht zugemutet wird.
Der. Begriff des Noachiden begründet das Naturrecht, und zwar
nicht nur in einem Ausdruck des objektiven Rechtes, sondern im Rechts-
Subjekte. Noah hat noch keine andere Offenbarung empfangen als
die vom Menschen, als Lebewesen. Der Mensch ist zunächst Leben
und Seele. Aber auf dieser Grundlage schon wird er zum Mitmenschen.
Diesen Gedanken verkörpert der Noachide und es ist ein wichtiges
Zeugnis für den innerlichen Zusammenhang in der Geschichte des
Monotheismus, für die homogene Fortsetzung des biblischen Geistes
143

durch die Tradition, daß die staatsrechtliche Institution des


Noachiden den ältesten Berichten der Mischnä angehört.
Die sieben Verpflichtungen des Noachiden bestehen in sechs Ver-
böten und einem Gebot. Die Verbote sind außer der Lästerung Gottes
und dem Götzendienste: Blutschande, Mord, ßaub und Genuß eines
Gliedes von einem lebenden Wesen. Und das Gebot betrifft die
Einsetzung von Gerichten. Es sind also, abgesehen von der
Sicherung des Monotheismus im Lande gegen die Verführung durch
den Götzendienst und durch die Gotteslästerung, nur Gebote der
Sittlichkeit, die vom Noachiden gefordert werden. Der Glaube an'
den jüdischen Gott wird nicht gefordert.
Bei einem Sklaven selbst darf dieser Glaube nicht erzwungen
werden. Wer ferner mit Kindern zum Judentum Übertritt, darf nicht
für seine unmündigen Kinder den Übertritt vollziehen, sondern bis
diese selbst sich zu entscheiden vermögen, bleiben sie Noachiden
(Tr. Ketubot, Ha).
Der Noachide ist also nicht ein Gläubiger, und dennoch Staats-
bürger, insofern er ein Fremdling-Beisaß wird. D er N o ach id e is t
der V o rlä u fe r des N ä tu rre c h ts für den Staat und auch für die
Gewissensfreiheit.
Der Noachide erweist daher auch den wahren Sinn der th e o -f
kr a ti sehen Verfassung: daß sie nicht sowohl auf der Einheit von?
Staat und Religion, sondern auf der von Staat und Sittlichkeit!
beruhe. Der Noachide, der nicht gottgläubig ist, kann dennoch in,
den Staat eintreten, weil er durch die Annahme der sieben Ver-
pfliehtungen als sittlicher Mensch anerkannt ist. Diese Konsequenz
ergibt sich aus der Entwicklung des Noachiden fernerhin innerhalb
des Talmud zu den ‫ ״‬Gerechten oder den Frommen der Völker der
W elt“. Und diese E iai^^lM ben Anteil an der Seligkeit, am ‫־יי־‬
ewigen Leben, dem religiösen Ausdruck der Sittlichkeit. (Tosifta San- ,
hedrin 13 und Formulierung des Maimonides (mit übrigens eigenem
Zusatz in unzweifelhafter Deduktion aus Sanhedrin 105 a).
17. Durch die Gesetzgebung des Talmud hindurch erkennen
wir daher die entscheidende Gleichung:
Fremdling — Noachide = Frommer der Völker der Welt.
Joh. S eid e n , De jure naturali et gentium juxta disciplinam
Ebräorum (London 1640) kennt bereits diese Gleichung. Und den
Titel seines Buches erklärt er damit, daß aus den Gesetzen der
Hebräer ihre Bedeutung für das Recht der Welt (pro jure Mundi)
144

her vorgehe. Von •den christlichen Schriftstellern aber sei dies


‫״‬nirgend expliziert“ worden (pag. 158). Auch A ndreas G eorg
W aehner, Professor in Göttingen. erkennt den Zusammenhang der
Noachiden mit den Frommen der Völker der Welt ausdrücklich an
in seinen Antiquitates Ebraeorum 1743 (1, 601 p.). Auch Hugo
G ro tiu s rühmt die Institution des Noachiden.
Der Zusammenhang dieser drei Begriffe ist begreiflich. Was
zunächst den der beiden letzteren betrifft, so erklärt er sich allein
schon aus der Grundtendenz des Deuteronomiums: die Thora als
ein Dokument der Vernunft und der “Einsicht“ in diesem großen
Volke verständlich zu machen. Diese Vernunft greift daher auch
über die Schranken des Volkes selbst hinaus, und die Thora am
Sinai erhält gleichsam ihre Vorbereitung in Gemäßheit der
‫ ״‬Satzungen und Hechte“, auf deren Gerechtigkeit auch die Thora
letztlich begründet wird.
Die noachidischen Verpflichtungen bilden daher eine \y*sprüng-
liehe Thora, welche Recht und SJtaat begründet. Die Harmonie
zwischen der Religion einerseits und Recht und Staat andererseits
wird zum Prinzip der T h eo k ra tie . Der Noachide ist ja heraus-
gewachsen aus dem Fremdling-Beisaß.
Der Monotheismus hat eine Geistigkeit Gottes geschaffen und
damit auch gleichsam eine seelische Geistigkeit alles Menschlichen.
Diesen Gedanken entfaltet die Rede im Deuteronomium. So konnte,
so mußte das Prinzip der Geistigkeit zum Prinzip der Sittlichkeit
werden', und daher im Zusammenhänge mit dem Rechte und der
Politik zu einem Prinzip der G ew isse n sfreih eit ausreifen. Der
Noachide mit seinem Ausläufer in den Frommen der Völker der
Welt ist der erste und vielleicht der echteste Vertreter des Prinzips
der Gewissensfreiheitund der Toleranz.
18. In diesen Ausgestaltungen aber bewährt sich unzweideutig
der wahrhafte Sinn des Gebotes der sogenannten N äch sten lieb e.
Ware dieser Nächste in der ursprünglichen und in der durch walten den
Bedeutung der Volksgenosse gewesen, so hätte niemals aus dem
Fremdling der Noachide, geschweige der rein theoretische Begriff
des Frommen der Völker der Welt entstehen können. Aber sogar
auch der Fremdling ist noch nicht der letzte Quell dieser Entwiek-
lung, der vielmehr im Monotheismus selbst zu erkennen ist. Aus
dem einzigen Gotte, dem Schöpfer des Menschen, ist auch der Fremd-
ling, als Mitmensch, hervorgegangen,•
145

Trotz aller dieser gedanklichen Verkettung ist dennoch ein


Hauptgewicht auf die p o litis c h e und rechtliche Durchführung des
Grundbegriffs vom Fremdling zu legen. Schon Jo h an n D avid
M ichaelis hat in seinem ‫״‬Mosaischen Recht" den Zusammenhang
des Fremdlings mit dem Nächsten erkannt: ‫״‬Moses gebietet, soweit
es ein Gesetzgeber tun kann, die Fremdlinge zu lieben, und begreift
sie ganz ausdrücklich mit unter dem Namen des Nächsten, den
man lieben soll, als sich selbst" (3. AufL 1793, Teil 2, S. 445).
Es ist leider begreiflich, daß nicht nur konfessionelle Befangenheit
diesen Höhepunkt des jüdischen Geistes in seiner Urzeit nicht an-
erkennen will. Ringt doch die heutige Welt noch, und zwar nicht
nur in der Notlage des Krieges, die selbst übrigens auch jene
Verwirrung und Verwilderung keineswegs entschuldigt, mit jenen
Kollisionsbegriffen. Nur der reine Monotheismus erklärt dieses
Rätsel, und nur seine strenge Anerkennung vermag die Auflösung
des Rätsels aufrecht zu ermöglichen.
19. Überblicken wir jetzt die hauptsächlichen Bestimmungen in
dieser F rem d en -G esetzg eb u n g . Der Grundsatz ist: ‫ ״‬Die Ge-
meinde, eine Satzung euch und dem Fremdling, der weilet, eine
ewige Satzung für eure Geschlechter; wie ihr, so sei der Fremdling
vor dem Ewigen.‫ ־‬Eine Thora und ein Recht sei euch und dem
Ffemdling, der bei euch weilet" (4. M. 15, 15. 16). ‫ ״‬Ein Recht sei
euch: der Fremdling sei wie der Eingeborene, denn ich bin der
Ewige, euer Gott" (3. M. *24, 22). Diese Begründung hier ist höchst
lehrreich: sie deduziert das Fremdenrecht aus dem Monotheismus.
Und es ist besonders lehrreich, daß dieser hier ausgedrückt wird,
durch den Appell an ‫״‬euren Gott". Weil der Ewige euer Gott ist,
müßt ihr ein Recht machen für den Fremdling, wie für euch. Auch
für den Sklaven gilt dies nach den hier vorhergehenden Bestimmungen,
die später zu betrachten sein werden. . $
Das Deuteronomium beginnt im ersten Kapitel mit dem Be-
richte: ‫״‬Und ich gebot euren Richtern um diese'Zeit, wie folgt:
höret zwischen euren Brüdern, und richtet gerecht zwischen einem
und seinem Bruder und seinem Fremdling" (5 M. 1, 16). Es bleibt
nicht bei der Mahnung an die Brüder, sondern auch der Fremdling,
als für jeden ‫ ״‬sein Fremdling", wird angeschlossen. ‫״‬Du sollst
nicht beugen das Recht des Fremdlings, der Waise, und nicht pfänden
das Kleid der Witwe und du sollst gedenken, daß ein Sklave du
gewesen, bist in Ägypten" (5. M. 24, 17). Mit der Waise und der
10

Witwe wird der Fremdling, hier, wie durchgängig, zusammengestellt


und in der nationalen Erinnerung soll Ägypten das Land bleiben,
in dem die Israeliten, wenngleich Sklaven, so doch Fremdlinge waren.
20. Auch auf den Geldverkehr wird im Prinzip wenigstens die
Gleichheit des Rechtes auf den Fremdling erstreckt. ‫״‬Und wenn
verarmt dein Bruder, und es sinkt seine Hand bei dir, so sollst du
ihn kräftigen, ein Fremdling und Beisaß, daß er lebe bei dir. Du
sollst nicht von ihm nehmen Zins und Überschuß, und sollst dich
scheuen vor deinem Gotte, auf daß lebe dein Bruder neben diru
(3. M. 25. 35 ff.). In den folgenden Versen wird wiederum auf die
Herausführung aus Ägypten hingewiesen. Hier nun aber hat sich
das Merkwürdigste begeben: auch der F re m d lin g -B e isa ß w ird
B ru d e r g e n a n n t, und sein Leben wird zu erhalten geboten. Bei-
nahe noch wichtiger als das Verbot des Zinsnehmens von ihm ist
diese seine Anerkennung als Bruder.
Es ist daher leider der ebenso widersinnige wie traurige Irrtum
verständlich, dem K au tzsch bei der Übersetzung dieses Verses ver-
fallen ist: ‫״‬Und wenn dein Bruder verarmt . . so sollst du ihn
aufrechterhalten als Fremdling und Beisassen, daß er seinen Unter-
halt neben dir habe“. Wenn also der *Bruder verarmt, so soll man
ihn zum Fremdling und Beisassen machen! So weit ist allerdings die
Gleichheit des Rechts nicht gegangen, daß die Armut den Israeliten
mit dem Fremdling hätte gleichsetzen können. Und das ‫״‬Leben
mit dir“ bedeutet auch mehr in der Sprache der Bibel als den’
‫״‬Unterhalt neben dir“. Diese Übersetzungsfehler dürften schwerlich'
eine andere Erklärung finden als in dem Grundirrtum über den
Ursinn des Monotheismus.
In den Fluchsprüchen auf dem Berge Ebal heißt es: ‫ ״‬Verflucht
sei, wer das Recht des Fremdlings, der Waise und der Wittwe
beugi|“ (5. M. 27, 17). Unter die Fundamentalsätze der öffentlichen
und der privaten Sittlichkeit wird hier der Schutz des Fremden-
rechts aufgenommen.
21. Ein Monstrum in der Verleumdung des israelitischen Rechtes
bildet das Stichwort von Aug um Auge. Wir beachten es hier,
insofern, als es den Fremdling betrifft. ‫״‬Und wenn jemand schlägt
das Auge seines Sklaven oder das Auge seiner Magd und es
verderbt, zur Freiheit soll er ihn entlassen für sein Auge. Und
wenn er den Zahn seines Sklaven oder den Zahn seiner Sklavin
ausfallen macht, zur Freiheit soll er ihn entlassen für seinen Zahn“
‫ר‬4:7

(2. M. 21, 26. 27). Das also enthüllt sieh schon hier uns als der
Sinn jener juristischen Abbreviatur: daß durch Verletzung des
Auges oder auch nur des Zahnes am Sklaven dieser schon frei
’wird. Wieviel mehr muß dieser Sinn sich beim freien Israeliten
bewähren. Daß das Gesetz aber auch auf den Fremdling Bezug
hat, ergibt sich ja schon daraus, daß der Israelit für seine Schuld
an den Fremdling auch verkauft werden kann (3. M. 25, 47). Bis
.zu dieser Konsequenz geht die Rechtsgleichheit, daß der Israelit Sklave
werden kann bei dem Fremdling.
22. Aus diesen Begriffen des Zivilrechts erklärt sich zunächst auch
die Öffnung der F r e is tä d te auch für den Fremdling. ‫״‬Den Israeliten
und dem Fremdling und Beisaß unter euch sollen diese sechs
Städte zur Zuflucht sein, daß dorthin fliehe jeder, der ein Leben
erschlagen in Versehen“ (4. M. 35, 15). Also auch die unvorsätz-
liehe Sünde des Totschlags, die S ch eg ag a soll ihm zugerechnet
werden. Da ist es nur schlichte Konsequenz, welche Jecheskel
zieht, daß auch bei der Verteilung des Landes dem Fremdling der
gleiche Anteil zufallen soll (Jecheskel, 47, 22). Bis auf die Grund-
rechte am Boden wird mithin die Gleichstellung durchgeführt.
23. Der politischen Gleichstellung entspricht die religiöse, und zwar
wird diese nur unter der Oberleitung der Toleranz ausgeführt.
Der Beschneidung wird der Fremdling nicht unterworfen und eben-
sowenig dem Verbote über den Genuß des Gefallenen (5. M. 14, 21).
Es ist daher aber wiederum charakteristisch, daß das Verbot des
Blutgenusses auch auf den Fremdling erstreckt wird. ‫ ״‬Denn das
Leben des Fleisches ist im Blute (3. M. 17, 11 ff). Und das Leben
ist ja sprachlich zugleich die Seele. Und die Seele soll zur Ver-
söhnung kommen. Daher wird das Blut nur für die Sühne am
Altar geweiht.
Es ist aber auch ohne diese Beziehung ein unmittelbarer
Zusammenhang erkennbar zwischen dem Blute und der .Blut-
vergießung, so daß die Aufnahme dieses Verbotes in den Moral-
kodex der Fremdlinge keine Befreiung für sie ist. Dagegen ist es
eine erstaunliche Oberflächlichkeit, daß die Ausnahme des Genusses
von Geiallenem weit und breit in der Literatur als ein Beweis ver-
kündet wird für die Ausnahmegesetzgebung vom Fremdling.
Wie Salomo in seiner Einweihungsrede des Tempels auch für
den Fremdling betet, so wird ihm auch das Opfer freigegeben
(4. M. 15, 14—16, 2. Kön, 14, 18; 1. Kön. 8, 4 1 - 43). So hat auch
10*
der Talmud die Konsequenz gezogen, für die 70 Völkerschaften
Opfer anzuordnen.
24. Endlich wird aus diesen grundrechtlichen Bestimmungen das
allgemeine Gebot der Liebe des Fremdlings verständlich. Die
Verse 17, 18 im Kapitel 19 des dritten Buches Mose, welche die
sogenannte Nächstenliebe offenbaren, werden erläutert durch die
Verse 33, 34 desselben Kapitels ‫״‬Und wenn bei dir weilt ein•
Fremdling in eurem Lande, so sollt ihr ihn nicht bedrücken; wie
ein Eingeborener sei er euch, der Fremdling, der bei euch weilt
und du sollst ihn lieben, er ist wie du. Denn Fremdlinge seid ihr
gewesen im Lande Ägypten. Ich bin der Ewige, euer Gott.“ Auch
hier wird durch den Schlußsatz ‫״‬ich bin der Ewige, euer Gott“ das
Gebot in Auszeichnung eingeschärft. ‫״‬Und den Fremdling sollst
du nicht bedrücken und nicht bedrängen, denn Fremdlinge seid ihr
gewesen im Lande Ägypten“ (2. M. 22, 20).
Endlich wird die Liebe durch das höchste Motiv begründet:
Gott liebt den Fremdling, ln der wunderbaren Apostrophe im
Deuteronomium heißt es von Gott: ‫״‬er* tut das Recht der Waise
und der Wittwe und er liebt den Fremdling, ihm zu geben Brot
und Gewand. Und ihr sollt lieben den Fremdling, denn Fremd-
finge seid ihr gewesen im Lande Ägypten“ (5. M. 10, 18, 19). Und
von diesem Gotte wird daher gesagt: ‫״‬er ist dein Rahm und er ist
dein Gott“ (ib. 20). Auch hier wird die nationale Geschichte zur
Unterlage genommen für die Liebe des Fremdlings, welche die•
ebenso psychologische, wie sachliche, Grundlage ist für die Liebe1
des Mitmenschen.
25‫־‬. Denn das geschichtliche Verhältnis des Monotheismus ist
bedingt durch das richtige Verständnis der israelitischen Theokratie..
Die Entwicklung der Religion erfolgt im Zusammenhang mit der
des Staats. Dieser Zusammenhang kann allgemeine Nachteile un-
vermeidlich machen; in der primitiven Entwicklung dieser alten
Verhältnisse; jedoch sind zunächst die Vorzüge zu beachten, die‫״‬
daraus erfolgen, und die ihrerseits wiederum auch die Nachteile ab-
schwächen. Die Propheten bekämpfen die Priester, xiber wenn die
Priester Staatsdiener und daher auch Staatsherrscher sind, so sind
auch die Propheten Politiker, und sie können nicht anders die
Religion entwickeln als dadurch, daß sie an den Konflikten in
Staat und Gesellschaft Anteil nehmen. Wenn anders daher ihre
Religion ihren Vernunftanteil an der Sittenlehre behaupten und durch-
1u>

führen soll, so muß diese mit ihrer Politik und mit ihrer Auffassu ng
tler sozialen Frage innerlichst verwachsen sein. Nicht ausschließlic h
.kann daher der Fremdling die Ursprungsstelle sein für den Mit­
mensehen, sondern auch hei den Inländern, bei den Eingeborenen
müssen die rechtlichen und demgemäß die politischen Verhältnisse
‘den Eingriff der Propheten hervorgeruien haben.
Die soziale Unterscheidung von arm und reich bildet die‫״‬
.-schwerste Frage an den Begriff des Menschen; an die Einheit und
■Gleichheit der Menschen. Der Nebenmensch wird unvermeidlich
zu einem Gegenmensch, denn die soziale Differenzierung erscheint
nicht als eine Gliederung und Nebenordnung, sondern als Unter-
•Ordnung, Unterwerfung, so daß dawider das Problem des Mit-
menschen sich erheben muß. Mehr noch als beim Fremden stellt
,-das eigene Land und Volk diese Frage des Menschen an jedermann,
mithin des Mitmenschen mit jedermann.
Gott, der •Einzige, als der einzige‫־‬Schöpfer aller Menschen —
wie kann er nur diese tiefe Ungleichheit unter den Menschen ver-
.antworten? Diese Frage ist sicherlich früh entstanden, aber die
Schwierigkeit des ökonomischen Problems hat sie .immer zurück-
.gedrängt. Noch im Deuteronomium stehen die beiden Sätze neben
•einander, deren einer die negative Forderung erhebt, während der
.andere gegen den Utopismus die hergebrachte Erfahrung vertritt. Der
eine lautet: ‫״‬daß nur ja nicht ein Dürftiger unter dir sei“ (15,4).
Der andere aber: ‫״‬denn es wird nicht auf hören der Dürftige in-
mitten des Landes“ (15,11). Die Forderung wird in ihrer Strenge
nicht abgeschwächt durch die vermeintliche Erfahrung. Denn wenn
«diese Recht hätte, so bliebe doch die Ermahnung im Rechte, daß
der Dürftige durchaus nicht vorhanden sein.. sollte. Diese Kor-
rektur der Gesellschaft und ihrer Geschichte fordert der einzige Gott.
26. Wie kann Gott._ab.er diese klaffende Differenz zulassen ? Darauf
gibt sich das religiöse Bewußtsein eine Antwort,, deren Schattierungen
.den Stufen in seiner eigenen Entwicklung entsprechen.
Die Differenz von arm■ und reich ist nicht die einzige unter
‫׳‬den Menschen. Und auch die Unterschiede,, welche in den geistigen,
wie in den ästhetischen Erscheinungen des Menschen sich , darstellen,
,sind nicht die hervorstechenden, noch die. welche die anstößigsten
.Zweifel an der Gerechtigkeit Gottes entstehen lassen. Denn der Mensch
ist ebenso.gern anerkennend, wie skeptisch. Und wenn er Mängel bei
sich selbst erkennt,, so freut er sich über die Vorzüge der anderen,
15Ö

die er gar leicht als Herren und Halbgötter zu verehren bereit ist..
Ein Mittelglied zwischen dem Geistigen und dem Ästhetischen ist
ja die Körperkraft und^ der Heldenmut, deren die Menschen un-
mittelbarer bedürftig sind als des geistigen Vorzugs, und deren
Hilfe ihrem Dasein einen positiveren Wert gibt als der ästhetische
Schimmer, der von ihnen ausstrahlt. Der primitive Mensch lebt
.von seinem Nomaden- und Jägerstande her in dem Zauber der
Kriege, daher ist ihm das Heroentum die erste Idealität des
Menschen. Und so kommt er über den Anstoß hinweg, den das
erwachende religiöse Bewußtsein an der ungleichen Verteilung der
menschlichen Lebenskräfte nehmen müßte.
Mit diesem Erwachen aber wird die Aufmerksamkeit rege für
den arideren Unterschied im Menschen. Kain erschlägt seinen.
Bruder. An einem Grunde läßt es die Bibel .ihm nicht fehlen:
Gott hatte sich dem Opfer Abels, aber nicht dem seinigen zu-
gewandt. War es unberechtigter Neid, oder entsprang das Gefühl
einer gerechten Anklage Gottes? Es ist, als ob die Bibel an dieser
eigentlich ersten Sünde lehren wollte, daß keinerlei, wie immer be-
rechtigt scheinender Einwand der Anlaß werden darf zum Neid..
Der Einwand geht auf Gott, der Neid aber auf den Menschen, viel-
mehr auf zwei Menschen: auf den anderen ebenso wie auf sich‫־‬
selbst. Und so entsteht an diesem schlichten Beispiel das Urbild!
aller sittlichen Konflikte. Fragen gegen die Vorsehung und das-
göttliche Regiment tauchen von allen Seiten auf, so daß das Ver-
hältnis zu Gott überall ein dunkles bleibt. Aus diesem Dunkel
\.

aber darf nimmermehr das Verhältnis zwischen Mensch und Mensch


geregelt werden. Der Mord steht nicht in Gemäßheit mit der
Bevorzugung, welche Gott zuläßt. E^ steht in der Tat .in der
1ganzen .Menschengeschichte so, daß Gott die einen zu bevorzugen
scheint vor den anderen. Nach diesem Scheine aber darf der
Mensch nicht sein Verhältnis zu den Menschen einrichten.
Dennoch verfährt der Mensch so, auch wenn er nicht die Un-
gerechtigkeit Gottes sich zum Vorwand nimmt. Es entstehen
die Mißverhältnisse und die Vergehen unter den Menschen.
Es entsteht die sittliche Differenz von gut und schlecht. Dieser
Differenz entsteht aus den sittlichen Urproblemen heraus, welche
schon die primitiven gesellschaftlichen Verhältnisse hervortreiben
noch bevor religiöse Motive mitwirken. Die Verletzung der R-echts-
Ordnung, welche in den Urformen der Gesellschaft eingesetzt werden,.
151

macht allein schon den sittlichen Unterschied notwendig: der recht-


liehe wird zum sittlichen. Denn in den Urformen schon ver-
schlingen sich die idealen menschlichen Verhältnisse, wie die des
Geschlechtes und der Familie, mit den materiell-rechtlichen des
Stammes und des Eigentums. So entsteht die Differenz voe gut
und schlecht als eine rein menschliche.‫—׳‬
27. Alsbald aber treten die Götter in den Horizont des Urmenschen,
und die Kreise der Menschen werden von ihnen berührt. Im
Monotheismus ist es bedeutsam, daß die erste menschliche Sünde
der Brudermord ist: der ‫ ׳‬gemordete Mensch ist der Bruder und
der Mörder ist der Bruder. Die Bande des Bluts werden schon
erkannt, aber nicht anerkannt. Alle Menschen sind Brüder, und
doch vererbt sich der Mord unter ihnen. Die Gemeinschaft des
Blutes ist ein unzuverlässiges Bindemittel unter den Menschen.
Aber auch die Vergeltung, welche der Mensch zu üben vermag, ist
mit Unvollkommenheit und Ungerechtigkeit behaftet. Daher tritt
die Bibel für den Mörder selbst ein: ‫״‬Jeder, der Kain erschlägt,
soll siebzig Mal gestraft werden“ (1. M. 4, 15). Die menschliche‫׳‬
Gerechtigkeit bleibt Stückwerk. Bei Gott allein kann Gerechtigkeit!
gesucht werden. .
28. So entsteht die Differenz von gut und schlecht im Lichte des
einzigen Gottes. Im Polytheismus kann der religiöse, mithin der
absolute Unterschied von gut und schlecht nicht entstehen. Die
Götter begünstigen nach ihrem Gutdünken, nach ihrer Laune selbst.
Deswegen ist Homer die Bibel der Freigeisterei. Die Götter können
ja garnicht einig sein in ihrem Walten, sonst könnten sie nicht
verschiedene Individuen sein. Der Monotheismus begründet sich
sonach in- der einheitlichen Auffassung des Unterschieds von gut
und schlecht, und damit in der einheitlichen Stellung Gottes zum
Menschen, wie des Menschen zu Gott. Die Korrelation zwischen
Gott und Mensch präzisiert sich als die zwischen Religion und
Sittlichkeit.
Im Polytheismus fehlt jede Norm zur Korrektur der Religion
durch die Sittlichkeit. Wenn Hippolytos keusch bleibt gegen die
Phädra, so hat er den Gottesdienst gegen die Aphrodite verletzt.
Jede Gottheit hat das Eigenrecht ihrer Sittlichkeit. Der Monotheis- \ -
mus schafft mit der einen Gottheit auch die eine Sittlichkeit; Der{
einzige Gott macht daher auch den Begriff des Menschen einheitlich,
und jede Durchbrechung dieser Einheit des Menschen wird zu einer
152

Verletzung der Sittlichkeit. Der Unterschied von gut und schlecht


entfernt sich immer deutlicher von dem Dunkel. des Göttlichen, und
prägt sich unabhängig in den Verhältnissen der Menschen aus. .
Allgemach aber entfalten sich auch die rein religiösen Vor-
Stellungen, und zumal im Monotheismus müssen sie . mit- den rein
sittlichen verflochten werden. Da kann nun schon die Frage ent-
stehen, wie Gott diesen. Unterschied von gut und schlecht am
Menschen .verantworten kann, wie dieser an seiner Schöpfung hervor-
brechen kann. Die Schlange hat Eva, und Eva den Adam verführt,
Gott aber läßt die Ausrede nicht gelten, sondern straft das Vergehen
an seinem Verbot.
Diese erste Sünde des Menschenpaares war aber nur an Gott
begangen, Eains Sünde war die erste am Menschen. Und für diese
wird Kain von Gott selbst in Schutz genommen. An diesem Unter-
schiede in der V e rg e ltu n g zeichnet sich schon das Verhältnis vor,
welches Gott zu den Vergehungen der Menschen einnimmt. Die
Vergehungen gegen den Menschen werden bei der Strafe selbst in
Schutz genommen, während die gegen Gott sogar zum Ursprung
der Kultur werden, zur Einsetzung der Arbeit. So tritt von vorn-
herein die Souveränität Gottes, hervor gegenüber allen‫ ־‬Sünden der
Menschen.
29. Bewährt sich nun aber diese Souveränität gegenüber den
so zialen Differenzen? Über gut und schlecht ergeht noch eine
Gnade Gottes, wie später diese Souveränität genannt wird. Nach
dem Grunde und Beeht der körperlichen und der geistigen Unter-
schiede an den Menschen fragt das primitive religiöse Bewußtsein
nicht, dazu ist es. noch zu sehr in den mythischen Anfängen be-
fangen. Aber die sozialen Unterschiede werden nicht nur an sich
anstößig, sondern noch ganz besonders deshalb, weil sie als Hemm-
nisse fühlbar werden für die geistige, vielleicht sogar auch für die
sittliche Entwicklung des Menschen. Deshalb muß es eine religiöse
Frage werden, wie der Unterschied von arm und reich mit der
Einheit Gottes sich verträgt.
30. Die Frage steigert sich alsbald, je mehr das schlichte religiöse
Bewußtsein Kenntnis nimmt von den sozialen Vorgängen. Es
entsteht daher eine Zusammenstellung der sozialen und der sittlichen
Unterschiede, und es erhebt sich die Frage nach der Korrespondenz
dieser beiden Unterschiede. Vielmehr, es .wird die Einsicht unab-
weislich, daß eine .solche Harmonie nicht besteht; daß sogar der
153

strikte Gegensatz die Regel zu sein scheint. U nd. so entsteht die j


Frage: ‫״‬der Gerechte, und ihm geht es übel;, der Schlechte, und!
ihm ergeht es wohl“ ! *
Die Sprache weiß sich noch, nicht über diese Dissonanz hin-
wegzuhelfen, sie unterscheidet noch nicht zwischen gut und wohl,
zwischen schlecht und übel. Aber die Frage, die für den Schlechten
•den Bösewicht (‫ )רשע‬einsetzt, und für den Guten den Gerechten
(‫ )צדיק‬macht das Gefühl dieses Unterschiedes dennoch unverkennbar.
Die Frage könnte ja gar nicht entstehen, wenn nicht auf Grund
dieses Unterschiedes. . .
Und wie findet das religiöse Bewußtsein nun die Antwort auf j
diese Urfrage? Sollte etwa die Antwort Genugtuung geben, daß die j
Sache schon richtig sei im Wissen Gottes, daß sie nur vor unserem
Wissen unrichtig erscheine ? Möchte immerhin diese Antwort für
den Bösewicht genügen, dem es gut ergeht, weil das tiefere Bewußt-
sein sich über dieses sein Wohlergehen hinwegzusetzen vermöchte
und weil seine Bosheit selbst ja eigentlich ein Geheimnis ist in
jedem Sinne, so daß auch die Kenntnis davon und das Urteil dar-
über nur ein subjektives und illusorisches sein kann. Hingegen
^.aber darf die Sache nicht in der Schwebe bleiben bei dem Gerechten,
dem es über ergeht. Soll man etwa an seiner Gerechtigkeit irre-
werden, und damit in Gefahr kommen, an der Gerechtigkeit Gottes‫׳‬
überhaupt irrezuwerden? Diese Gefahr wäre aber.unabwendbar; denn
wie vertrüge sich mit dem Unglück des Gerechten die Gerechtigkeit ‫׳‬
Gottes?.
31. Sollte man aber etwa auf den Ausweg geraten, da^JJnglück^
für irrelevant zu erklären? Sollte das religiöse Bewußtsein.etwa diel
Weisheit des S toizism u s sich aneignen? Gegen diese.Zweideutigkeit 1
war das religiöse Bewußtsein geschützt durch seine natürliche Yer-
bindung jpit dem politischen und dem rein.sittlichen. Mochte der
Einzelne über sein eigenes Wohl oder Wehe mit Recht■ und mit Er-
folg sich hinwegzusehen erziehen, so durfte er doch, über das Wehe
des Anderen nicht hinwegsehen, wenn etwa selbst über sein Wohl.
Mochte er selbst also über das Wohl des Bösen hinwegsehen, so
durfte er es nicht, über das Wehe des Guten.
Und darin besteht ja überhaupt der gesunde Wert der Yer-
bindung des religiösen Bewußtseins mit‫ ׳‬dem sittlichen und der
Basierung des Sittlichen in dem sozialen und politischen: daß. das l
Gefühl der G le ic h g ü ltig k e it gegenüber Wohl und Wehe nicht \
154

[aufkommen und sich nicht behaupten kann. Denn Wohl und Wehe
5hat nicht die vage Bedeutung eines subjektiven Wohl- oder Übel-
befindens; freilich diese Subjektivität haftet auch mehr oder weniger
allen körperlichen variablen und vorübergehenden Zuständen an..
Wenn dagegen Wohl oder Übel objektiviert wird durch die sozialen
Unterschiede von reich und arm, so wird ihnen gegenüber die Gleich- ,
gültigkeit zu einer Unwahrhaftigkeit und zu einer Frivolität, ja zu
feiner Grausamkeit. Daß diese Unterschiede nicht gleichgültige seien,,
j darüber darf kein Mensch im Zweifel sein. Aus dem-sozialen Ge-
j sichtspunkte wäre der Stoizismus eine Heuchelei oder eine unverzeih-
j liehe Unwissenheit.
‫•ן‬

:32. Der Monotheismus vollzieht seine Entwicklung im Prophe-


.tismus; man kann aus dem sozial-ethischen Gesichtspunkte vielleicht
sogar sagen: zum Pröphetismus. Denn das E ig e n tü m lic h e des
Prophetismus besteht in der Verbindung der vermeintlichen Selbständig-
keit des Bösen mit der vermeintlichen Selbständigkeit des Sittlichen..
Der Prophet kennt diese Isolierung nicht. Er kennt nur die Kor-
relation von Gott und Mensch, von Mensch und Gott. Ihn interessiert
daher ebensosehr die P o litik , wie das göttliche Weltregiment. Und
die Politik ist für ihn wahrlich auch die auswärtige, internationale,,
in erster Linie aber Sozialpolitik.
Die Verhältnisse zwischen Mensch und Mensch bilden die untere•
oder richtiger die innere Korrelation innerhalb der von Gott und
Mensch. Daher kann die Frage des Propheten nicht isoliert gehen
auf den Unterschied von gut und schlecht, geschweige isoliert auf
die Bedeutung von gut und schlecht im absoluten Verhältnis des
Menschen zu Gott, sondern seine Frage nach der Differenz von gut
und schlecht muß sich objektivieren an den sozialen Unterschieden
!von arm und reich. Darin besteht der sittliche Vorzug des Prophe-
\tismus, daß er den Unterschied von Wohl und Übel nicht an den
!subjektiven Differenzen, zu denen sogar auch die Krankheit und der
Tod selbst gehören, mißt und erwägt, sondern durchaus* nur an den
sozialen, an den die Gesellschaft aus ihrem Gleichgewicht reißenden
Gegensätzen.
Der Prophet erhebt sich über das Niveau der primitiven
Gläubigkeit, welche blindlings eine Korrespondenz annimmt zwischen
!der Güte und dem Wohl, der Bosheit und dem Wehe. Diese
Korrespondenz möchte von statten gehen, wenn Wohl und Wehe;
sich nur subjektiv unterschieden. Die sozialen Unterschiede hin-
15A

gegen müssen durchaus als objektive erkannt werden; sonst geht


Iler Begriff des Menschen vor den Aufgaben der sittlichen Kultur in
Gefahr und er droht zu nichte zu werden. Der Begriff des Menschen-
wächst in der gegenseitigen Korrelation der Menschen, und dem-
gemäß wächst auch der Inhalt der Korrelation ‫״‬von Mensch und Gott•
In diese Korrelation wächst die soziale Komplikation der
Menschen hinein; sie kann nicht von ihr abgetrennt werden.
Das ist der Sinn des Prophetismus. Er verschließt die Augen nicht .
vor der sittlichen Verderbnis, vor dem sittlichen Verhängnis, das
in der sozialen Differenz gelegen ist. Seine Wahrhaftigkeit läßt
keine Spur von Zulässigkeit für die Lösung, daß das Wohlergehen
der Lohn, das Übelbefinden die Strafe wäre für das sittliche, für
das religiöse Verhalten des Menschen. Mag sein Verhalten zu. -
Gott ein Geheimnis bleiben, so darf sein Verhalten zum Menschen,
nicht als ein solches betrachtet werden. Hier gilt es zu urteilen
und sich zu entscheiden. Denn mit dieser Entscheidung hängt di&
über gut und ..schlecht zusammen. Der Unterschied von gut und |
schlecht wird hinfällig, wenn er zusammenfällt mit dem von wohl. |
und. übel. \
Auch der Begriff' des Menschen wird damit vereitelt, sofern der
Begriff des Mitmenschen ihn erzeugen soll. Der Mitmensch kann aber
nicht zum Bewußtsein kommen, wenn sein Wohl und Wehe mir
gleichgültig bliebe. Ohne jede intimere Rücksicht hierauf verhindert
diese Gleichgültigkeit die Entstehung des Mitmenschen, geschweige,,
wenn diese Gleichgültigkeit auch Stand hielte vor dem moralischen
Verhalten. Und in dieser Verbindung des moralischen mit dem
physischen Verhalten dämmert unwillkürlich eine Unterscheidung‫־‬
zwischen dem Religiösen und dem Moralischen auf. Das Verhalten
des Menschen zu Gott, das ein Geheimnis sein mag, kann jedoch,
einigermaßen kontrolliert werden durch das Verhalten zum Menschen, f
ln diesem Verhalten, nicht in dem zu Gott, entsteht die Unterscheidung ‫ן‬
von gut und schlecht. Diese moralische Nüchternheit und Klarheit \
bringt der Prophetismus ,hervor und in ihrer Klarstellung besteht-1
seine Eigentümlichkeit. J
Nicht die Rücksicht auf den E udäm onism us ist es daher,
welche etwa die Propheten veranlaßte, auf die Korrespondenz einzu-
gehen, die zwischen dem Moralischen find dem Physischen bestehe —
in dieser Beziehung stehen sie wahrlich dem Stoizismus nicht nach,
— aber die Grundfrage von Gott und Mensch, von Religion und
156

ittlichkeit hängen an diesen! Verhältnis. Meinetwegen könnte mein

S igenes physisches Wohl oder Wehe mir gleichgültig bleiben dürfen,


ielit aber darf dies der Fall sein bei meinem Nebenmenschen. Nicht
i.aber besonders darf dies der Fall sein bei der Komplikation mit der
(Frage, ob wohl und .wehe zusammenfallen mit gut und schlecht.
Und bei dieser Komplikation braucht nicht einmal, vielleicht sogar
darf nicht einmal in Bezug auf mich selbst die Gleichgültigkeit ge-
fordert werden.
33. Dieser Hauptpunkt ist nochmals zu erwägen. Bei Wohl und
Wehe handelt es sich nicht um indifferente physische, selbst leib-
. liehe Güter. Leben und Gesundheit selbst mögen indifferent werden
gegen Schicksal und Tod. Denn der Tod ist ein metaphysisches
Übel, und über dessen Ursache oder mögliche Abschaffung mögen
Mystiker grübeln. Das ist kein Thema für Ethiker, und daher auch
nicht für wahrhaftige Religiosität. Anders schon steht es mit der
K ra n k h e it, denn sie gehört in das Kapitel der sozialen Frage. Und
«das soziale Wohl oder Übel ist es, das in Verhältnis tritt zu der
moralischen Differenz. So wenig als diese gleichgültig ist, ebenso-
wenig darf daher auch das soziale Wohl oder Übel schlechthin
gleichgültig sein.
Und das ist die große Tat des Prophetismus und darin
zeigt sich sein innerlicher Zusammenhang mit wahrhafter Moral:
f‫׳‬daß er nicht Spekulationen nachhängt über den Sinn des. Lebens
| vor dem Rätsel des Todes, sondern daß er die ganze Frage des
:‫׳‬Todes und.daher auch des N achlebens selbst, deren sittliche Be-
(ffeutung ihm wahrlich nicht verborgen bleibt, dennoch zurü.ckstellt
:gegen denjenigen ginn des.Lebens, der in Frage gestellt wird durch
t denjenigen Sinn des Üj3els,. welches die A rm ut darstellt. Die, A rm ut
w ird der h a u p tsä c h lic h e V e rtre te r des . m en sch lich en ü n -
glucks.. Das physische Übel überhaupt wird dadurch zum moralischen,
aber in. dem.anderen .Sinne: daß in ihm die Frage der Moralität gegen
öo.tt gerichtet wird, während sie vom Menschen gänzlich abgekehrt
werden muß, wenn die .,Frage nicht wieder zweideutig w‫־‬erden soll.
34. Auch eine andere Form des Wehe, die nicht minder zwei-
•deutig ist, wird durch die soziale Objektivierung, Isolierung und
Präzisierung erledigt und überwunden: 4 asJL ^ Leiden
geht das physische Übel in ein psychisches über, und bei diesem
Übergang sind immer Zweideutigkeiten unvermeidlich. Das psychische
dst ebenso physisch, wie geistig; ebenso materiell, wie moralisch.
Welche Bedeutung ist nun die vorherrschende im Leiden, als dem
Wehe des Menschen? Und inwiefern tritt diese Bedeutung in
Harmonie oder Disharmonie mit dem moralischen Verhalten? Die‫־‬
Metaphysik des Leidens, welche in diesem das Erbteil des Menschen-
geschlechts, oder in gesteigerter Zweideutigkeit wohl gar aller Lebe-
wesen betrachtet, geht die ernsthafte Religion nichts an: ihr Ernst
gehört dem Spiel der Poesie und der Kunst überhaupt nicht am
Ethische Prägung erlangt das Leiden nur als soziales. Wer die Armut
als das Leiden der Menschheit erklärt, der schafft Ethik, oder wenn
nicht philosophische Ethik, so doch Religion nach dem Anteil der
Vernunft an ihr. iNur die Vernunftreligion ist sittliche Religion,,
und nur die sittliche Religion ist wahrhaftige und wahre Religion-]
35. Die Propheten, wie die Psalmen, haben die soziale Einsicht,
daß die Armut das große Leiden des Menschengeschlechts darstellt,,
und sie haben daher die religiöse Einsicht, daß die Armut das große
Fragezeichen gegen die göttliche V o rseh u n g ,bildet; daß die Armut,,
nicht der Tod, das wahrhafte Rätsel des Menschenlebens bildet; das
wahrhafte, weil seine Lösung Wahrhaftigkeit fordert und nur durch
Wahrhaftigkeit denkbar wird, während der Tod ein Rätsel ist, das
nur die Mystik lösen kann. Die Mystik •aber würde der Wahr-
haftigkeit entbehren, selbst wenn sie Wahrheit enthielte.
Denn Wahrhaftigkeit kann nur auf zwei Wegen herbeigeführt
werden: entweder auf dem der wissenschaftlichen Methodik, oder auf
dem der religiösen Vernunftanalogie. Diese aber, wie sie gemäß-
ihrem Vernunftanteil die Analogie mit der Ethik anzustreben hat,,
muß sich und kann sich unzweifelhaft bewähren an der sozialen Auf-
fassung des Menschen, an der sozialen Auffassung des Verhältnisses-
von‫־‬Mensch zu Mensch. Und auf dem Grunde dieses sozialen Ver-
hältnisses erst errichtet sich die Korrelation von Mensch und Gott‫׳‬..
36. Die Objektivierung des Übels in der Armut hat uns zum Leiden
geführt. Und wir haben die Zweideutigkeit in der psychischen Be-
deutung des Leidens in Erwägung gezogen. Die Depression, welche■
im Leiden das Bewußtsein erleidet, kann auch die Folge von physi-
sehen Einwirkungen sein. Auch die Exaltation, welche das Glücks-
gefall] auszeichnet, hängt mit dem Leiblichen zusammen. Und wie
dieses muß daher auch jede Art des Unglücksgefühls nicht bloß•
moralisch, sondern sogar auch psychisch geistig nämlich unbestimmt
und zweifelhaft bleiben. Aber uns interessiert hier nicht die Aus-
führung dieses Gedankens für die Entschleierung des Wohlgefühls int
■schlechten Menschen. Es muß uns vielmehr nur daran gelegen sein,
‫׳‬dieses Hochgefühl nicht zu bestreiten, damit um so dringlicher gegen
Gott die Frage gerichtet werden kann, wie seine Idee verträglich
:sei mit diesem psychischen Erfolg, der nicht schlechthin ein physi-
:scher ist, welchen das Böse im Menschen hat.
Ebenso aber darf auch das Unglücksgefühl nicht subjektiv
nivelliert und illusorisch psychisch gemacht werden. Das Leiden ist
ein aktuelles Gefühl, das nicht nur eine soziale Tatsache, die der
Armut widerspiegelt, sondern das als eine prävalierende Tatsache des
Bewußtseins, als eine das ganze menschliche Bewußtsein erfüllende
und alle anderen Vorgänge und Tätigkeiten desselben mitbestimmende
'‫׳‬erfaßt und begriffen werden muß. Daher darf ihre Objektivierung
nicht verwischt werden; immer muß das Leiden der Armut das
Problem bleiben; das religiöse, nicht aber das metaphysische.
37. Wenn wir nun bisher sagten,, daß an der Armut- das Wehe des
Menschen zur Erkenntnis zu bringen sei für die wahrhafte !Religion,'
-so dürfen wir nunmehr in gleicher Bestimmtheit sagen, daß dieses in
•der Armut zum L eiden des M en sch en g esch lech ts wird, so weit
‫־‬wir dieses bis jetzt in seiner Geschichte überblicken. Wehe und Übel
sind also nicht nur physische Begriffe: das Leiden hat sie ins
Psychische gehoben und somit in die gesamte Komplikation des
Seelischen, welches das Geistige und das Sittliche zusammenfaßt.
Ein neuer Faktor des Bewußtseins hat sich damit enthüllt: das
Xeiden der menschlichen Seele, des menschlichen Geistes. Dieses
Leiden ist zwar, wie alles Psychische, nicht schlechthin vom Physischen
losgelöst; das Leiden ist auch Schm erz. Aber das Leiden des Geistes
ist nicht der Schmerz des Tieres; denn das Tier hat keine Sozialität.
Es ist die Frage, ob auch nur der physische Schmerz eines anderen
Tieres, wenn es nicht sein Junges ist, ihm Mitgefühl erweckt; keines*
% falls kann geistiges Leiden, das bei der Heerde nicht vorhanden ist,
* «ine solche Resonanz bewirken. N ur das soziale Leiden is t ein
g e istig e s Leiden. Alle Komplikationen des Bewußtseins bis zur
Erkenntnis hin werden dabei in Mitwirkung gebracht. Das ist der
große Sinn des sozialen Leidens: daß das gesamte Kulturbewußtsein
in Mitleidenschaft versetzt wird.
Deshalb wird die sto isch e A p ath ie gänzlich unzulässig und
die Ethik ausschließend, weil sie zugleich den Verzicht auf alle Kultur
«inschließen würde. Die Armut darf mir nicht gleichgültig sein,
weil sie der Notstand der Kultur ist-, und weil die wahrhafte Sittlich-
!seit durch sie in Frage gestellt wird. Sie ist unvergleichbar mit
dem physischen Leiden, weil dieses individuell und subjektiv ist,
während das soziale Leiden nicht nur ein Leiden der großen Mehrheit /
ist, sondern auch qualitativ den Tiefstand der Kultur evident macht. j
38. Daher ist es hier ein neues und eigenes tragisches Motiv. Während
aber in der Tragödie nur der Held, nur das Individuum leidet, tritt im
sozialen Leid die ganze Kultur in die tragische Rolle ein. Und die
Kultur ist• hier kein Abstraktum, sondern die lebendigste Wirklich-
keit, die Mehrheit des Menschengeschlechts bei jedem Volke und in
jedem Zeitalter. So wird der Arme zum Typus des Menschen. So
wird der Mensch aus dem Nebenmenschen zum Mitmenschen.. Denn
wenn ich kein Herz im Leibe hätte, müßte allein schon die Bildung
mich zu der Einsicht bringen, daß diese große Mehrheit nicht von
mir isoliert werden kann, daß ich selbst nichts bin, wenn ich mich
ihr nicht eingliedere. So entsteht ganz von selbst in diesen Be-
Ziehungen, die zwischen mir und der Mehrheit unumgänglich
werden, eine Verhälttiisbestimmung, die mehr bedeutet als eine bloße
Nebenordnung oder selbst eine Unterordnung: die eine Gemeinschaft
hervorbringt. Und diese Gemeinschaft erzeugt den Mitmenschen.
39. Die Gemeinschaft ist W echselw irkung. In der Wechsel-
Wirkung vollzieht sich die Gemeinschaft, kommt sie zu stände. Wie wird
sich die Wechsel Wirkung nun äußern zwischen dem Leiden, welches
in meinem Bewußtsein ein Gegenstand meiner Einsicht, meiner Er-
kenntnis wird und den anderen Anteilen und Tätigkeitweisen meines
Bewußtseins? Bisher ist die Gemeinschaft, ist der Mitmensch immer
noch nur erst das Problem, welches das Leiden aufstellt, als soziales
Problem, welches jedoch noch nicht gelöst ist. Erst von der Art. in
welcher die Gegenwirkung sich äußert, hängt die Lösung ab.
TO. Nach der mythologischen Auffassungsweise, die überall die lTr-
form der Religion ist, wird die Antwort so erteilt, wie selbst die
Tragödie, die ebenfalls aus dem Mythos hervorgeht, sie in dem be-
ständigen ersten• Ansatz erteilt: die S ch u ld des Menschen, des Helden
selbst, ist der Grund des Leidens. Dieser Grund ist wahrscheinlich
auch die Ursache, mindestens aber der allein verständliche subjektive
Grund. Von diesem mythischen Grunde aus baut sich nun aber die
Tragödie ihren eigenen ästhetischen Mikrokosmus vom Menschen und
ihrer Zuschauer-Mitwrelt auf. Die Religion aber geht ihre eigenen
Wege, und auch sie kann nicht bei dem Mythos es bewenden lassen.
Das Ziel ihres Weges ist jedoch immer Gott. Durch die Korrelation
160

von Mensch und Gott sucht sie den Menschen und findet Gott; sucht
sie Gott und findet den Menschen. Wie aber soll nun die Kor-
relation bei diesem großen Konflikte des Leidens einen Ausweg
finden lehren, der eine Lösung bringt?
±1‫־׳‬. Das Schuldbuch muß vernichtet werden; die soziale Einsicht
hat es vernichtet. Denn ganz abgesehen von der Antinomie zwischen
Individuum und Gesellschaft in der Schuldfrage, kann diese deshalb
hier nicht in Betracht kommen, weil die Entdeckung des Mit-
menschen dadurch verfehlt werden müßte. Ich soll den Neben-
menschen in den Mitmenschen verwandeln. Dazu aber kann der
Gedanke nicht verhelfen, daß das Leiden der Mehrheit ein Attribut
der Mehrheit wegen ihrer Schuld sei. Schon in der Tragödie darf
der Held kein Lump sein, sonst könnte ich mich sittlich für ihn
nicht interessieren. Wieviel weniger kann der Schuldgedanke be-
nutzbar werden für die Entdeckung des Mitmenschen aus dem
Leiden der Mehrheit heraus.
Wie werde ich aber mit der Gerechtigkeit Gottes fertig, wenn
ich ein solches Fazit aus der Weltgeschichte ziehen muß? Kommt
die Korrelation nicht in Unordnung, wenn ich weder Gerechtigkeit
und Sinn in der Vorsehung der Welt erkennen, noch andererseits
das soziale Leiden als Folge der Schuld betrachten kann?
42. Die Propheten führen hier einen geraden Weg, auf dem der
Monotheismus sich methodisch vom Polytheismus abscheidet. Der
letztere geht überall von den Göttern aus. Das mythische Bewußt-
sein hat diesen Ausgang genommen und bleibt bei ihm stehen. Von
den Göttern geht die mythische Phantasie über zu dem Kosmos•
und erst allmählich zu den Menschen, die es jedoch nur erst als
Helden kennt, und das heißt als Halbgötter. Die Religion dagegen
kümmert sich mehr um den Menschen als um Gott. Gottes Ge-
rechtigkeit wird schon in Ordnung kommen, aber Recht und
Ordnung unter den Menschen darf nicht die große Frage bleiben.
Diese Frage greift ans Herz. Vom Herzen muß die Reaktion aus-
gehen, die Gegenwirkung, nach der wir suchen, damit die Gemein-
schaft sich bilden, damit der Mitmensch entstehen kann. Die
Gegenwirkung muß ein Gegengefühl werden gegen das Leiden, das
selbst nicht nur Erkenntnis bleiben darf* sondern kraftvolles Gefühl
werden muß.
Daher muß das Leiden ganz ausschließlich das Bewußtsein
ausfüllen, wenn es richtig verstanden werden soll und zur richtigen
161

Wirkung kommen soll. Ausgeschaltet muß daher jede Spur des


Interesses an einem subjektiven, individuellen Grunde des Leidens
werden. So berechtigt dieses Interesse aus einem anderen Gesichts-* ‫׳‬
punkte für das Individuum selbst sein mag, so würde es hier nur
störend und die zu gewinnende Einsicht hemmend sein. Das Leiden !
ist ein soziales Leiden, folglich kann sein Verständnis nicht gefordert(
werden durch irgendwelche Einsicht, welche nur das Individuum!
betrifft. 1
Die Schuld ist und bleibt ein Attribut des Individuums. Und
die Mehrheit ist auch nur eine solche der Individuen. Die Mehr-
heit selbst kann keine Schuld haben. Und vom Individuum über-
haupt will ich jetzt nichts wissen. J3as Leiden ist kein indivi-
duelles, sondern der soziale Notstand des Menschengeschlechts. Die
Armut ist ein ökonomischer .Begriff, kein moralischer. Die Schuld
steht auf einem ganz anderem Blatte auch für die Religion.
Wenn anders die Religion nun aber durch das soziale Leiden den
Mitmenschen zur Entdeckung bringen will, und wenn diese Ent-
deckung gebunden ist an die Rückwirkung auf die Erkenntnis vom
Leiden, auf das Gefühl des Leidens, so muß sie sich über alle
ihre sonstigen Interessen und Obliegenheiten hinwegsetzen und aus-
schließlich in der psychischen Natur des Bewußtseins diese Rück-
Wirkung ermitteln. So enthüllt sich als ein psychischer Faktor das
M itleid .
43. Seit der Stoa ist das Mitleid in Verdacht gekommen, während
es in der antiken Tragödie als der natürliche tragische Hebel galt;
zwar noch verbunden mit der Furcht, aber immer doch von diesem
selbstischen Momente als ein allgemeineres Motiv abgehoben und als
tragischer Faktor anerkannt. Das griechische Wort bedeutet Er-
barmen, das in Wehklagen sich auslöst (eAsoc;). Auch diese natürliche
Kraft der Antike ist im Weltalter der Stoa verwelkt und die
humanitäre Abstraktion ist an die Stelle der unmittelbaren Natur-
lichkeit des Menschengefühls getreten. Das Pathos wird durch das
Ethos ersetzt. Die A p a th ie wird das Ziel der Sittlichkeit.
Zwar fehlt es der Stoa keineswegs an der Präzisierung der Sittlich-
keit und Humanität in der Achtung für den Sklaven, in der Erweiterung
der Rechte auf Ausländer und Bundesgenossen, mit einem Worte
an Objektivierung der Sittlichkeit in Recht und Staat. Aber aller
dieser Objektivierung haftet der römische Charakter an: es fehlt
ihr die freie Subjektivität des Hellenentums, die auch der Helle-
11
162

nismus nicht vermitteln kann. Die Tragödie wird Komödie, so weit


diese überhaupt Bedeutung erlangt. Das Götterbild wird Porträt, als
das Ideal der Kunst. Das Naturgefühl für das Leiden ist längst schon
erschlafft und beinahe überhaupt erstorben. In den Saturnalien tröstet
sich der Börner über sein schlechtes Gewissen an seiner Sklaven Wirtschaft.
Die Menschen bleiben freilich Menschen, aber wo sich das Mit-
leid regt, wird es zu der verklungenen Sage einer‫ ״‬moralischen Ab-
straktion, wie es deren so viele gibt, die mehr oder weniger doch
nur für Utopien gelten. In dieser Atmosphäre des absterbenden
Altertums ist E p ik u r noch natürlicher als die Stoa: die doch nur
eine Paradoxie ist, wie nichts anderes auch nur ihr Stichwort ist
von dem Ideal der Apathie, als der Tugend des W eisen.
44. Wie sehr die stoische Moral nur Abstraktion ist, das erweist
sich am deutlichsten durch die Verwerfung des Mitleids. Denn
diese wird nur motiviert aus dem Gesichtspunkte des Individuums,
welches repräsentiert wird durch den Weisen. Und ein Weiser
kann ja auch der Sklave sein. Mithin stellt der Sklave nicht ein
soziales Elend dar. Der Mensch besteht in seinem Geiste. Alles
andere ist Nebenwerk um ihn herum. Nur das Denken steht daher
auch mit ihm in Verbindung. Der Mensch, das ist der Weise, hat
daher auch kein Leiden, er hat kein Gefühl: wie könnte ich daher
mit meinem Gefühl ihm zu begegnen haben? Er hat kein Leiden:
wie könnte daher mein Mitleiden ihn treffen oder gar mir ihn zur
Entdeckung bringen?
Es ist ganz konsequent, daß in der Stoa das Mitleid ein A ffek t
wird, zwar in der ganzen Unbestimmtheit, welche hier den Ge-
danken und Begriff des Affektes umgibt. Das Mitleid ist nichts
anderes als ein G em e in g e fü h l, wie Hunger und Behagen, wie Lust
und Unlust und Schmerz, wie Stolz nnd Neid, kurz wie L eid en -
S chaft überhaupt. Die Leidenschaften aber werden, wie die Gemein-
gefühle, vom Unterleibe aus gestachelt; sie sind die leiblichen,
nervösen Untergründe des Psychischen, nicht aber gehören sie den
hellen und durchsichtigen Obergebieten des Psychischen, des Be-
wußtseins an. Daher können sie keine Hebel, geschweige Kegula-
toren des sittlichen Bewußtseins sein.
Daher kann aber nun auch das Mitleid nicht als ein sozialer
Affekt zur Auszeichnung und Unterscheidung kommen. Daher gilt
es als ein zweideutiger Faktor des Bewußtseins, der von keinem
Kriterium bestimmbar, von keiner geistigen Norm geleitet wird‫״‬
Ich habe Mitleid, wie ich mitgähne, wenn ein anderer gähnt.
Es ist ein Echo der Reflexbewegung — dann sollte es freilich auch
das Tier unverkennbar zeigen. Indessen die menschliche Reflex-
•aktion kann ja noch ein geheimes Schubfach in ihrem Reflex-
mechanismus bergen. Diese Unkenntnis kann jedoch die Tatsache
nicht Umstürzen, welche das Mitleid als eine schlechthin leibliche
Funktion zu entlarven scheint. Wo der soziale Gedanke nicht zum/
fundamentalen Problem wird, da muß das Mitleid in Unehren bleiben.j
45. Spinoza hat sehr viel Anklang gefunden mit seiner Affekten-
lehre. Er folgt in ihr aber durchaus der Spur der Stoa. Das
Mitleid entstammt nach ihm derselben Quelle, wie der Neid. Dieses
eine Wort allein entscheidet über den Wert seiner Ansicht, wie sie
zugleich den Grund derselben in das rechte Licht stellt. Der Neid
*entsteht; denke ich, immer nur aus der vermeintlichen Einsicht in
einen Überfluß, durch den ein anderer mich selbst übertrifft. Auf
die Gesellschaft übertragen, wäre der Grund des Neides daher nur
die Meinung von einem Plus, nicht aber von einem Minus auf der
Gegenseite. Der Neid könnte daher nur bei dem Armen entstehen,
•der den Überfluß, das Plus bei dem Reichen entdeckt. Der Neid
wäre so das Gegenteil vom Mitleid.
Als solches Gegenmotiv will aber Spinoza keineswegs das Mitleid
deuten. Er will vielmehr die Weisheit lehren, daß man dem Mit-
leid nicht trauen könne, weil seine Quelle ebenso subjektiv sei,
wie beim Neid. Aber das eben zeigt den Abgrund in seinem Denken,
daß er die Kluft nicht sieht, welche zwischen dem Mitleid und dem
Neide liegt. Dieser Vergleich ist nur da möglich, wo man beim
Mitleid nicht an.das_soziale Leidemdenkt. Und Stoiker, wie Spinoza
im letzten Grunde ist und bleibt, denkt er in der Tat nirgend an
das soziale •Leid des Menschengeschlechts.
Die ‫״‬Menge“ ist ja für seine Politik niemals der rechten Sittlichkeit,
welche in der wahren Erkenntnis liegt, fähig. Wie könnte sie daher,
die immer nur eine Vorstufe der Menschenwürde bloßstellt, eines wahren
Mitleids würdig werden. Wie es kein soziales Leiden gibt, kann und
braucht es daher auch kein soziales Mitleid zu geben. Das ist der
Grund für die Geringschätzung, die Verwerfung des Mitleids bei Spinoza.
46. Und was ist der Grund bei S chopenhauer? Auch bei ihm
liegt dieser Grund zunächst in seiner Metaphysik: in der Prävalenz
der Erkenntnis, welche die Metaphysik ausmacht, wenngleich diese
den von ihm sogenannten W illen über den Intellekt setzt. Denn
164

dieser Wille ist alles eher als Wille. Daher wird es durchaus ver-
stündlich, daß auch das Mitleid seiner unmittelbaren Gefühlskraft•
entblößt und als eine metaphysische Hellseherei entlarvt wird. Das
Mitleid soll mir nur die Offenbarung bringen, daß der andere viel-
m ehr ich selbst bin. Daher habe ich Mitleid mit ihm, vielmehr
nur mit mir selbst. Das Mitleid lüftet also den Schleier der Maja und
bringt das Geheimnis der Individualität, das principium individuationis
zur Enthüllung: ich bin immer nur ich selbst, und wieviel der
Menschen ich auch zu sehen glaube, so sind sie alle doch immer
nur ich selbst.
Die Erkenntnis freilich würde mich nicht zu dieser Wahrheit
bringen, wenn nicht im Ding an sich des Willens sie mir aufginge;,
wenn nicht das Mitleid, dieses Organ des Willens, sie mir ins Licht
stellte. So ist das Mitleid mehr als Erkenntnis, die nur Erscheinung
darstellt. Das Mitleid ist ein ]lote des Willens, mithin des Dings
an sich. Und dieses Ding an sich bedeutet die Identität alles‫־‬
dessen, was als Mensch erscheint. .
47. So verstanden, wird das Mitleid von Schopenhauer zu einem
Mittelbegriff für die metaphysische Erkenntnis des Menschen. Aber
der Unterschied von Metaphysik und Ethik wird gerade hier deutlich,,
und nicht minder auch der zwischen Metaphysik und Religion,
Auch diese metaphysische Charakteristik des Mitleids kann mir nicht
zur Entdeckung des Mitmenschen verhelfen. Denn dieser wird ja
gerade zu einer Illusion. Nur der Nebenmensch bleibt übrig für
die Mehrheit, aber freilich nur als Erscheinung, die in dieser Meta-
physik vom Schein nicht verschieden ist.
Das Ding an sich aber ist, als die Einheit, nicht einmal eigentlich die•
der Menschen, sondern die des Universums. Der Wille ist ja nicht
anders im Menschen vorhanden als im Steine, der nach der Schweiv
kraft fällt. Und Schopenhauer ist ganz in Übereinstimmung mit
Spinoza, nach dem auch der Stein sich Willensfreiheit zusprechen
würde, wenn er Bewußtsein hätte. Auch bei Schopenhauer kann ja
der Wille nur dadurch das An sich der Welt bedeuten, daß er aller
Erkenntnis und daher auch aller Erkenntnis der Sittlichkeit enthoben
ist. Wo jedoch die Sittlichkeit kein besonderes Problem bildet, das
von den logischen Wurzeln des Satzes vom Grunde zu unterscheiden
ist, da kann auch innerhalb des Dings an sich der Welt der Mit-
mensch nicht zum Problem werden. Da kann auch das Mitleid
nicht , zu einem Faktor des sittlichen Willens werden. ,
165

48. Und dies ist es, worauf es ankommt: das Mitleid muß der
Passivität der Reaktion entkleidet, es muß als volle ganze Aktivität
.zur Anerkennung gebracht werden. Der sittliche, der reine Wille ist be-
dingt durch den Faktor des Affektes. Der Affekt muß daher B ein-
11e it haben, von der Dualität und Zweideutigkeit des Leiblichen be­
freit werden. Keine Aktivität ist niemals Reaktion, wenn diese nur einen
Endprozeß darstellt. Reaktion aber, als Wechselwirkung, steuert auf
ein Ziel hin. Dieses Ziel ist die Gemeinschaft, in der der Mit-
mensch entsteht. Eine solche Gegenwirkung, die Wechselwirkung
ist, leistet das Mitleid. Und das Mitleid erweist sich so als ein
Faktor des reinen Willens, als ein Hebel des sittlichen Bewußtseins,
‫־‬als eine Grundkraft des sittlichen Universums, welches der Mit-
*mensch aufschließt. Und diesen Schlüssel des Mitmenschen bildet
‫־‬das Mitleid.
49. Sittlichkeit und Religion grenzen ljier wiederum aneinander.
Diese Grenze ist keine Schranke. Der Vernunftanteil der Religion
zieht diese Grenze, die für ihn keine Schranke sein kann. Die
Ethik macht den Affekt nicht verächtlich, der für sie zwar nicht
ein Faktor, aber ein M otor des reinen Willens ist. So haben wir in
unserer ‫ ״‬Ethik des reinen Willens“ den Unterschied bestimmt. Und
wenn ich den Affekt von dem Schein einer bloßen indifferenten
Agilität unterschiedlich und in diesem Unterschiede genau kennt-
lieh machen soll, so könnte dazu am besten wohl der Affekt des
Mitleids dienen, als Urkraft des reinen Willens.
Alles metaphysische und ethische Mißverständnis des Mitleids geht
aus dem Irrtum hervor, daß das Mitleid nur reflexiv sei und nur von
mir selbst ausgehe und angetrieben werde. Dahingegen erkennen wir
hier den Zusammenhang des Mitleids mit dem Problem des Mitmenschen.
Das Mitleid ist demzufolge so wenig reflexiv auf das Selbst, daß
vielmehr der andere, der mich auf mein Selbst nur zurücktreiben
soll, bisher nur als Nebenmensch figuriert, als Mitmensch aber noch
gar nicht vorhanden ist, sondern erst durch das Mitleid erschaffeu
werden soll. Wie könnte das Mitleid daher eine Reflexion von ihm
auf mich zu bedeuten haben?
50. Es ist ja auch die Frage, die bisher noch gar nicht gestellt
ist: ob ich selbst überhaupt schon vorhanden bin, bevor der Mitmensch
entdeckt ist. Also auch der Endpunkt der Reflexion ist noch nicht
gegeben, geschweige der Anfangspunkt. Auch vom Ich aus erweist
*es sich sonach als Mißdeutung, daß das Mitleid nur eine mehr
166

passive Rückwirkung auf mich selbst wäre. Vielmehr wird es


auch von diesem angeblichen Endpunkte des Ich aus ersichtlich,
daß die ganze Auffassung falsch ist und daß ihr Fehler darin
bestellt: daß der Mitmensch schlechthin als Nebenmensch vorgestellt,,
nicht aber als ein neues Problem, als ein neuer Begriff vom Menschen
gedacht wird. Als Entdeckungsbegriff des Menschen aber gedacht,,
verliert das -Mitleid allen Verdacht und allen Schein einer zwei-
deutigen Passivität: und wird als ein ethischer Faktor, wenngleich,
nur als ein Motor des reinen Willens erkennbar.
51. Was kann nun aber die Religion mit dem Mitleid anfangen,,
wenn sie doch von der Schuld absehen muß bei demjenigen, der
als Mitmensch, entdeckt werden soll? Auf diese Frage gibt der
soziale Gesichtspunkt allein die befriedigende Antwort. Vor der
Armut hat es keinen Sinn mehr nach der Schuld zu fragen. Kein
Zeitalter, in welchem die Armut überhaupt zum Problem wird, ist
so primitiv, daß es die Schuld mit diesem gährenden Problem in
Verbindung bringen könnte. In dieser Frühzeit der Kultur aber
läßt sich schon die Scheidung von Sittlichkeit und Religion bei der
Behandlung dieses Problems erspähen.
Die Sittlichkeit im Recht, in der Politik und auch in der be-
ginnenden Ethik verfolgt dieses Grund Verhältnis der beiden Begriffe:
des Armen und des Mitmenschen dennoch nicht in fernerer Durch-
dringung. Noch bei S okrates müßte es auffallen, daß er für das
Problem der Armut keinen Sinn hat. Dafür läßt er Solon sorgen.
Aber Solon kann auch nur mit einer vorübergehenden Maßregel,,
wie es bei ihm der Schulderlaß, die Seisachthie ist, es bewenden
lassen. Der Staat müßte ja in das Recht eingreifen, dessen Funda-
mente verändern, wenn er organisatorisch hier helfen wollte.
Sokrates präserviert sich durch seinen Intellektualismus, dessen Be-
hauptung sein Verdienst für die Ethik ist. Die Tugend ist Wissen..
Wissen aber kann auch der Arme haben. Kann er es wirklich? Danach
fragt Sokrates nicht; denn sein weltgeschichtlicher Geist ist auf die
Schaffung der reinen Ethik gerichtet. Er kann sich nicht von seiner
Theorie ablenken lassen durch voreilige Fragen der Praxis und der
Anwendung. Dieser Nachteil ist mit dem Vorzug verbunden, den
die neue Theorie für die Folgezeit begründet.
52. Die Propheten hingegen sind keine theoretischen Ethiker. Für
sie kann es daher aber auch keine jeweilige Differenz geben zwischen
Theorie und Praxis. Ihr Problem ist die Religion, der Monotheismus,.
167

die Korrelation von Mensch und Gott. Und diese Korrelation ist ver-
flochten mit der anderen zwischen Mensch und Mensch. Diese
erstere, die zwischen Gott und Mensch könnte nnr Theorie zu sein
scheinen; die andere aber, die zwischen Mensch und Mensch ist un-
mittelbare Praxis. Und der Mitmensch gehört ihr an. Daher darf
der Prophet durch kein Bedenken sich von der Frage abziehen
lassen: wie ist der Mitmensch zur Entstehung zu bringen durch
das Mitleid mit dem Armen?
Die Armut ist das allgemeine Leiden des Menschengeschlechts.
Das Mitleid muß ihm entgegenkommen, wenn anders der Mensch
endlich auch als Ich erstehen soll. Vor dieser sozialen Tatsache des
Menschenleids muß das menschliche Urgefühl des Mitleids ‫״‬auf-
flammen; man müßte sonst an dem Menschengefühl überhaupt ver-
zweifeln. Sollte der Prophet etwa das Menschengefühl unterdrücken,
weil der religiöse Gedanke der Schuld ihn zurückhielte? Der
Prophet würde nicht Religion erzeugen, wenn er in dieser Kollision
hängen bliebe.
53. Der Unterschied von Religion und Mythologie, von Monotheis-
mus und Polytheismus tritt hier wiederum in Klarheit hervor. Der Poly- t
theismus hat seinen Schwerpunkt immer im Mythos. Seine Zauber er- \
füllen den Geist des primitiven Menschen viel mächtiger, als sein Herz j
vom Leiden ergriffen und daher zum Mitleid erregt werden kann, j
Auch die Tragödie, wie sie aus dem Mythos herauswächst, ist und \
bleibt im Grunde ein Produkt des Polytheismus.
Vielleicht erklärt sich daher auch das Fehlen des Dramas in
Israel aus der Einseitigkeit seines Monotheismus. Das Leiden soll
durchaus wahrhaftig zur Lösung kommen und nicht nur im illu‫־‬
sorischen Gefühl des Zuschauers. Der Prophet wird zum Ethiker
der Praxis, zum Politiker und Juristen, weil er durchaus dem Leiden
der Armen den Garaus machen will. Und es ist ihm nicht genug,
sich in die genannten mehrfachen Berufe zu verwandeln, sondern er
muß auch noch zum Psychologen werden: er muß das Mitleid zum
Urgefühl des Menschen machen, im Mitleid gleichsam den Menschen
erfinden, den Mitmenschen und den M enschen überhaupt.
Kapitel IX.
Das Problem der religiösen Liebe.
1. Man hält gewöhnlich dasjenige für selbstverständlich, was das
eigentlich Neue ist. Wie mit den Wundern, so geht es auch mit
den1Selbstverständlichkeiten in der Literatur. Die L iebe in der
Religion gilt als eine solche Selbstverständlichkeit. Indessen ist es
weder an sich klar, noch psychologisch vermittelt, was die Liebe bei
Gott bedeutet, weder die von Gott, noch die zu Gott. Und so ist
es auch ebensowenig selbstverständlich, wie literarisch vermittelt,
was die sogenannte Nächstenliebe fordert. In der Erfahrung, wie
in der Literatur, ist die Bedeutung der Liebe nur bekannt als
Oeschlechtsliebe. Und an der Degeneration derselben in der Knaben-
liebe, bringt P la to n die Bedeutung des E ros zu einer um-
fassenden Bedeutsamkeit für die Kultur. Aber die Menschenliebe,
als solche, fehlt auch in dieser weiten Verzweigung des Eros.
Nichts ist charakteristischer für die innerliche Differenz zwischen
der ethischen Sittlichkeit des Idealismus selbst und dem Monotheismus.
2. Wenn es noch eines Beweises bedürfte, daß die Religion Anteil
hat an der Vernunft, so wird er hier geleistet. Was der Vernunft
in der Ethik nicht 'gelingt, die allgemeine Menschenliebe, das bringt
sie in der Religion zu stände. Sie läßt Gott den Menschen lieben,‫ז‬
während der Polytheismus Gott nur die Helden lieben läßt-, nur diese,
die zugleich die Göttersöhne sind, als ‫ ״‬Gottgeliebtft (DeocpiArjg)
bezeichnet.
Und so fordert der Polytheismus auch von den Menschen die Liebe zu
Gott nicht, die ein ganz neuer Gedanke ist, der in der ganzen Mytho-
logie nicht vorkommt. Er ist ja auch sonderbar genug. Es ist
daher ganz konsequent für den Pantheismus, daß Spinoza sagt:
‫״‬Wer Gott liebt, kann es nicht anstreben (conari), daß Gott ihn
wieder liebt“, [eigentlich gegenliebt (contra)]. Spinoza geht jedoch
über den Anfang hinweg: wie es denkbar sei, daß der Mensch Gott
liebt. Er kann dies tun, da seine Liebe nur Erkenntnis ist.
169

Dahingegen aber fragen wir: ist Liebe in der Bedeutung der Reli-
gion identisch mit der Erkenntnis, welche eine theoretische Bedeutung
hat, und zwar eine doppelte, für die Logik und für die Ethik, so
daß der Begriff der Erkenntnis schon nicht eindeutig ist. Ist nun
mit diesem Doppelbegriffe der Erkenntnis gleichzusetzen die Liebe
in der Religion? Sie ist ein neuer Begriff der Religion, der nicht
identisch ist mit der Geschlechtsliebe, und nicht mit dem Eros und
daher auch nicht mit der ästhetischen Liebe. Die Liebe ist keine Selbst-
Verständlichkeit. Sie muß erst erklärt und ergründet werden an j
jedem Punkte der Religion, sowohl als Liebe Gottes, wie als Liebe
zu Gott, wie endlich auch als Liebe von Mensch zu Mensch.
8. Der Fehler, der in der Auffassung der religiösen Liebe als
einer Selbstverständlichkeit besteht, zeigt sich auch darin, daß man
das Verhältnis der drei Grundformen zu einander nicht zum Problem
macht. Wir müssen fragen: welche dieser drei Grundformen bildet
den Anfang und zwar das sachliche Fundament?
Nach dem Polytheismus. würde die Antwort auf die Seite der
Götter fallen. Das mythische, wie alles metaphysische Bewußtsein
fängt immer mit den Göttern an, die den Uranfang bilden, wie das
Chaos für den Kosmos. Die Liebe zu Gott kennt der Mythos nicht,
dagegen läßt er die einzelnen Götter ihre Göttersöhne lieben. Man
sollte denken, daß der Monotheismus, der alles insgesamt von
dem einzigen Gotte ausgehen läßt, erst recht auch die Liebe in
Gott entspringen lassen sollte, von dem sie alsdann auf die
Menschen übertragen, von ihnen nachgeahmt würde. Es scheint da-
gegen, daß das Umgekehrte das richtige SachVerhältnis ausmacht.\
Und auch hier wiederum läßt sich der ethisch wichtige Unterschied!
zwischen der Religion und allem Polytheismus erkennen.
4. Vom Fremdling her ist es uns jetzt bereits bekannt, daß der
Monotheismus mit der Menschenliebe begonnen hat. Die Fremden-
Gesetzgebung hat uns den Weg gewiesen zur Auffindung der
geschichtlichen Quellen der Nächstenliebe. Im Fremdling wurde
zu allererst der Mitmensch entdeckt. Und das Mitleid erwachte zu-
allererst vor dem Fremdling. Dieses Mitleid ist daher die Urform
der Menschenliebe. ‫ ״‬Ihr sollt den Fremdling lieben“. Dafür
lautet die erste Begründung: ‫״‬denn Fremdlinge seid ihr gewesen
im Lande Äpypten.“ So wird aus dem geschichtlichen Bewußtsein
heraus das geforderte neue Gefühl lebendig gemacht. So wenig als die
Erinnerung abschreckend aufkommen darf an die Sklaverei in Ägypten

r
170

sö wenig darf bei dem Fremdling nach seinen moralischen Quali-


täten gefragt werden, geschweige nach seinen religiösen. Nur der
Mitmensch soll in ihm zur Entdeckung gebracht werden. So tritt
hier sogleich direkt das Mitleid als Liebeauf.
5. Es ist eine andere Begründung, welche sich auf Gott beruft :
‫ ״‬Gott liebt den Fremdling“. Man sieht es hier deutlich, daß diese•
die spätere ist. Erst muß der Mensch den Fremdling lieben lernen,
jwenn er verstehen soll, daß Gott den Fremdling liebt. Zuerst muß‫־‬
im Menschenhais Mitleid dieLiebe_erweckt werden. Dieses Mitleid
fehlt ja hier gar nicht, wenngleich es scheinbar nur als Liebe auftritt.
‫״‬Denn ihr kennt das Gemüt des Fremdlings.“ So wird das eigene
Gemüt angerufen; ihr wisset, wie es dem Fremdling zu Mute ist.
Das ist aber der Rekurs auf das Mitleid. Und doch bildet der
Fremdling nur erst die Vorstufe, wie sie in den politischen Be-
griffen überhaupt gelegen ist für die sozialen Begriffe, in denen
die politischen erst zu ihrer Reife kommen.
Vor der Armut verschärft sich die Frage; denn die Armut ist
überall ein allgemeines Menschenlos, während 'der Fremdling nur
einen Spezialfall bildet. Aber die Verschärfung führt zur Klärung.
Liebt nun zuerst Gott den Armen, oder muß zuerst der Mensch den
Armen lieben? Die genaue Beantwortung dieser Frage muß zur ge-
nauen Beantwortung der anderen Frage führen: liebt zuerst Gott
den Menschen, oder liebt zuerst der Mensch den einzigen Gott?
6. Die Armut ist ein ökonomischer Grundbegriff. Das Leiden der
Armut entsteht daher innerhalb der menschlichen Sitten Verfassung
und im Zusammenhang mit der ökonomischen Wissenschaft. So muß
auch das Mitleid des Menschen am Menschen ein ursprüngliches
sein. Die Korrelation von Mensch zu Mensch bewährt sich in ihrer
prinzipiellen Kraft. Und diese Einsicht füllt so sehr das ganze
Kulturbewußtsein des Menschen aus, sobald dieses nur anfängt sich zu
bilden, daß alle anderen Rücksichten vom Menschen, geschweige von
Gott dagegen zurücktreten. Das Mitleid wird wachgerufen, als die
neue Urform der Menschlichkeit, als Liebe.
Der Mensch beginnt im Mitleid den Menschen zu lieben, den
Nebenmenschen zu verwandeln in den Mitmenschen. Was der Ethik
nicht gelang, gelingt der Religion. Die Liebe zum Menschen wird her-
vorgebracht. Wie ein Wunder, wie ein Rätsel entsteigt sie dem
Haupte, vielmehr dem Herzen des Menschen. Wie kann der selbst-
süchtige Mensch einen andern lieben, derselbe Mensch, der ja angeblich*

*
nur das Weib lieben kann, das Fleisch von seinem Fleische? J st sie
nicht eine Illusion, diese Übertragung, diese Metapher der Geschlechts-
liebe? Nein, als Mitleid hört die Liebe auf, den Verdacht einer
Metapher an sich zu tragen. Vor der Armut entsteht dem .wissen-
Schaftlichen Bewußtsein das Problem des Mitmenschen. Denn der
Nebenmensch wird hier zum Widerspruch in sich selbst, da er viel-
mehr ein Untermensch ist. Die Anomalie scheint hier Gesetz zu
sein. So unbegreiflich es scheint, so wird es doch aus dem Zu?
sammenhange der Richtungen des Bewußtseins verständlich, daß das
Mitleid als eine wahrhaftige Liebe in ihm entsteht. Diese Einsicht
hat das Leiden enthüllt. Und diese Enthüllung hat das ganze
Bewußtsein ergriffen.
Das Leiden hat sich in dieser Einsicht gleichsam als das Wesen
des Menschen offenbart. Nicht der Leib ist es, der leidet und
hungert, sondern aus seinem ganzen Gleichgewichte wird das Pro-
blem des Menschen und seines Kulturbewußtseins gerissen.
Dieses Leiden geht über alles Leiden der Tragödie. Willst du
wissen, was der Mensch sei, so erkenne sein Leiden. Dies ist nicht
mehr eine Metaphysik des Pessimismus, sondern auf Grund der
sozialen Einsicht wird die Armut im Menschen personifiziert. Und
daher fängt alles, fängt der Mensch selbst mit dieser sozialen Liebe,
diesem sozialen Mitleid mit der Armut an. So wird es ganz außerj
Zweifel gestellt, daß die Liebe, als religiöse Liebe mit der Menschen-/
liebe beginnt.
Zuerst lehrt sie den Menschen, die Menschen zu lieben. Zu-
erst lehrt sie, in der Armut das Leiden des Menschen zu erkennen.
Zuerst lehrt sie daher, entsprechend dieser sozialen Einsicht vom
Leiden, das Urgefühl des Menschen im Mitleid zu entzünden. Zu-:
erst lehrt sie daher im Mitleid den wahrhaften Sinn der religiösen!
Liebe zu begründen und diese Liebe in ihrer Wahrhaftigkeit genau[
zu unterscheiden von allen Zweideutigkeiten der Wollust und auch(
von der mit dieser verschlungenen ästhetischen Lust. Zuerst lehrt i
sie daher im Mitmenschen den Menschen zu entdecken.
Die Liebe zum Menschen muß deshalb den Anfang machen, weil Gott
zwar den Menschen geschaffen hat, den Mitmenschen aber der Mensch
sich selbst zu erschaffen hat. Und zu dieser Schöpfung muß die
Religion verhelfen. So muß Gott zum zweiten male Schöpfer werden,
indem er den Menschen als Mitmenschen durch den Menschen selbst,
durch den Vernunftanteil der Religion zu erschaffen lehrt.
172

7. Jetzt erst nachdem der Mensch gelernt hat, den Menschen als Mit-
menschen zu lieben, wird der Gedanke auf Gott zurückbezogen: daß
Gott den Menschen liebt, und zwar den Armen in derselben Bevor-
zugung, wie er den Fremdling liebt. Der Fremdling steht ja auch
selten allein bei der Liebe Gottes, sondern meistens sind ihm beigesellt
die Waise und die Witwe. Sie sind die Typen, die Vertreter der
Armut, und der Anruf geht von ihnen noch konkreter aus als von
dem Armen, der doch immer nur eine ökonomische Abstraktion ist.
Indessen werden wir sehen, daß auch diese Abstraktion lebendig
wird. Das soziale Gewissen wird immer klarer und kräftiger. Die
Propheten werden immer dringlicher in der Bekämpfung des Beich-
tums und des Luxus, und ihr soziales Mitgefühl wird immer
aktueller politisch und daher religiös immer tiefer.
Die Gottesverehrung, der Gottesdienst würde ihnen zu einem
Theaterspiel, wie es im Heidentum Brauch ist — in den Dionysien
ist das Drama entstanden, wenn dieses soziale Mitleid nicht sein Grund-
affekt wäre. Der höchste Festtag selbst, an dem das Fasten Brauch
und Gesetz ist, wird vom zweiten Jesaja als nichtig verurteilt, wenn
nicht das soziale Mitleid das ganze Leben beherrscht. ‫ ״‬Wenn du einen
Nackten siehst, daß du ihn kleidest, und deinem Fleische dich nicht
;entziehst“. Dies ist die neue Einsicht, die der wahrhafte Mono-
/theismus erbringt: der Arme ist dein Fleisch. Du selbst bestehst nicht
in deinem Leibe, und auch dein Weib, der Gegenstand deiner Geschlechts-
liebe, ist nicht mehr nur allein dein Fleisch, sondern der Arme ist
dein Fleisch. Er bringt dir den Mitmenschen zur Offenbarung. Und
der Mitmensch, als der Arme, bringt erst die Liebe Gottes zum
Menschen in das rechte Licht und zum wahrhaften Verständnis.
8. Freilich sind für Gott alle Menschen arm. Aber in diesem
Einwand steckt eben noch die alte Zweideutigkeit, welche die
Liebe Gottes zu den Menschen noch als eine Selbstverständlichkeit
behandelt. In der Tat ist ja der Mensch das Geschöpf Gottes.
Und wie die Elternliebe natürlich und als solche selbstverständlich
ist, so könnte auch Gottes Liehe nur als eine Konsequenz seines
Schöpferbegriffs erscheinen. Die religiöse Liebe ist jedoch mehr als
lediglich eine logische Konsequenz der Schöpfung. Sie hört allein
dadurch auf, eine Selbstverständlichkeit zu sein, daß sie erst ihre
eigene Bedeutung gewinnt an dem Mitleid mit der Armut, der Ur-
form der Menschenliebe.
Gott wird nun zwar bei dieser Urform nicht festgehalten,
173

aber von ihr aus erst prägt sich auch für die umfassende Er-‫׳‬
Weiterung der ethisch echte Sinn der Gottesliebe aus. Gott liebt
den Fremdling, er liebt den Armen. So wird er denn wohl auch
nicht hängen bleiben an der Liebe zu Israel, die doch nur ein ahn-
licher geschichtlicher Ausgangspunkt ist, wie solchen der Fremdling
und der Arme bildet. Er wird die Menschen als A llh e it lieben.
Denn er selbst bedarf ja des Menschen nicht als Mitmenschen. Für
ihn besteht die Korrelation in ihrer Unendlichkeit. So geht von
hier aus die Richtung auf den Messianismus.
9. Indessen gerade weil der Messianismus das Ziel der Gottes-
liebe zu einem festen, unendlichen Punkte gemacht hat, wird es eiv
klärlich, daß auch Is r a e 1 ausgezeichnet wird in der Reihe der ver-
mittelnden Punkte für die unendliche Menschenliebe Gottes. Un-
mittelbar bietet die Geschichte Israels zu dieser Idealisierung die‫־‬
Anknüpfung. Die Glanzzeit steht ja noch unter dem Schleier der
Sage. Eigentliche Geschichte ist schon der Anfang vom Ende in
Israel. So ist es immer schon eine Art von Leiden, in welcher der
Prophet, wie der Geschichtsschreiber, Israel zu Gott in Verhältnis
setzt. Gott darf dadurch Israel lieben, wie er die Armen liebt.
Denn Israel ist von Gott verstoßen, von Feinden bedrängt, in seinem
Staate zerklüftet und gespalten, endlich sogar auch aus seinem
Lande vertrieben.
Man bedenkt nicht genugsam, daß der Gedanke von der E r-
w äh iu n g Israels zu Gottes Eigentum vornehmlich im Deuterono-
mium betont wird, also hart an der Grenze seiner geschichtlichen,
seiner politischen Selbständigkeit. Abgesehen von der geschichtlichen
Bedeutung, die der Gedanke der Erwählung für das nationale Be-
wußtsein zum Zwecke seiner Begeisterung für den Monotheismus
hat, ist auch die Wehmut des patriotischen Gefühls- ein nicht zu
unterschätzender Faktor in diesem Gedanken von der Liebe Gottes
zu Israel, als seinem Volke und seinem Eigentum. Wenn er den
Armen liebt, so muß er ebenso auch Israel lieben, das den Leiden
aller Art und aller Grade ausgeliefert ist, während die Götzendiener
ihr stolzes Dasein führen.
Mußte nicht der Gedanke entstehen, in welchem der Begriff des
Leidens zu seinem religiösen Höhepunkte kommt: das Leiden des
Menschen sei vielleicht eine S te llv e r tre tu n g im leidenden Subjekte?
Man bringt nun ferner das Leiden in Zusammenhang mit der
Schuld. Wenn dies richtig sein sollte, so könnte es aber vielmehr
174

nur dahin verstanden werden, daß der Unschuldige leidet für den
Schuldigen. Wir werden sehen, wie der Messianismus an diesem
Höhenpunkte im Begriffe des Leidens seinen eigenen Gipfelpunkt
erreicht.
10. Jetzt aber ist es notwendig, die Gottesliebe zu Israel von
.den! Verdachte zu reinigen, als ob sie eine Anomalie bildete gegen
die ausnahmslose allgemeine Menschenliebe Gottes. Gott liebt nicht
Israel mehr und anders als die Menschen überhaupt, geschweige
daß die Liebe zu Israel die zu dem Menschengeschlechte einschränken
und beeinträchtigen könnte. Gott liebt in Israel nichts anderes als
das Menschengeschlecht. Israel ist sein Eigentum (‫)סגלה‬, oder wie
man das hebräische Wort sonst übersetzen mäg, nur als Vorbild,
als Symbol der Menschheit, eine Auszeichnung innerhalb ihrer, denn
nur der Monotheismus vermag die Menschheit, zu konstituieren.
Das ist die Grundlehre. Israel ist das heilige Priestervolk des
Monotheismus. Israel ist nicht ein Volk, wie die andern Völker.
In der Rede Bileams steckt viel Charakteristik für Israel, so
auch in dem Satze: ‫״‬ein Volk, das einsam lagert“. Die Isolierung
ist unumgänglich; denn alle Völker beten Götter an. So haben
alle Völker auch ihre eigenen Staaten. Die Vereinsamung Israels
muß konsequenterweise auch zur S ta a te n lo s ig k e it führen. Damit
‫ ו‬aber beginnt ihr soziales Elend, ihre soziale Analogie zur Armut.
Jetzt kommt der Gedanke erst zu seinem klaren Rechte, daß Gott
Israel, als ein isoliertes Volk, in seinem Elend lieben muß. Denn
dieses geschichtliche Elend eines Volkes ohne Staat kann wahrlich
wetteifern mit der sozialen Armut. Daher ist Israel in seiner Ge-
schichte ein Prototyp des Leidens, ein Symbol des Menschenleids,
des Menschenwesens. In der Liebe Gottes zu Israel prägt sich
nicht minder als in der zum Armen, die Liebe Gottes zu dem
Menschengeschlechte aus.
Der Fehler in der Beurteilung der Erwählung Israels ist ja
schon dadurch ein ganz grober, daß diese nicht in Verbindung
gedacht wird mit der messianischen Erwählung der Menschheit.
Und dieser Fehler zieht den anderen nach sich, daß die letztere
auch nur als ein Mittel zur Verherrlichung Israels mißverstanden
wird. Wir können hier nur darauf hinweisen, aber daher jetzt schon
aussprechen, daß die Erwählung Israels keineswegs eine Ausnahme,
sondern vielmehr die symbolische Bestätigung bildet von der Liebe
Gottes zu dem Menschengeschlecht.
175

Zurückbeziehen aber können wir uns schon hierfür auf die Be^
deutung der Schöpfung, und zwar des Menschen, als des Vernunft-
wesens. Diese Schöpfung ist notwendig eine kontinuierliche, so daß
sie die E r h a l t u n g des Menschengeschlechts bedeutet für die mes-
sianische Realisierung der Sittlichkeit auf Erden. Die Schöpfung !
ist demgemäß auch die göttliche Vorsehung für das Menschen- i
geschlecht, wie sie schon durch den Bund Gottes mit Noah
errichtet wird. Diese Vorsehung für die Weltgeschichte drückt die
allgemeine Liebe Gottes zu den Menschen aus. Und so können alle
Formulierungen der Korrelation von Gott und Mensch als Ausdruck
dieser Liebe Gottes angesprochen werden. Auch die Offenbarung,
die ebenso die Folge von Gott, wie die vom heiligen Geiste des
Menschen ist, darf als ein hoher Akt der Liebe Gottes bezeichnet
werden.
11. Indessen haben wir ja die Liebe im scheinbar engeren Sinne
als soziale Liebe erkannt und demgemäß als Mitleid. Es kann uns
daher auch bei Gott die intellektuale Liebe nicht völliges Genüge
leisten. Es muß auch ein dem Mitleid entsprechender Affekt, der
eben Willensimpuls ist, auch bei Gott angenommen werden. So
entsteht der Ausdruck, der mehr als wohltätige Schonung (‫)הסד‬,
mehr als Gnade, die in anderer Hinsicht zu spezifischer Wirksam-
keit kommt, der Forderung der Liebe bei Gott gerecht wird: das
Erbarmen (‫)רחמיס‬. Das hebräische Wort entstammt der Wurzel,
welche den Mutterleib bedeutet, und es schließt sich so der Metapher
von Gott, als Vater der Menschen, an. Die hebräische Sprache hat
gerade für die Liebe sinnliche Wurzeln, so für die der Seh ns uch t
das Brennen der Eingeweide bei Jeremia und in den Psalmen.
Und so ist daher unter den Ausdrücken für die Liebe Gottes, wie
sie die Theophanie im Exodus (unter ‫ )רחוס‬zusammenfaßt, dieser
dem Mutterleibe entnommene Ausdruck von besonderer Prägnanz.
12. Auch die mancherlei Ausdrücke, mit denen an der Liebe
zu Israel die zu der Menschheit symbolisiert wird, haben die Kraft
solcher Ursprünglichkeit. Gott ist der ‫״‬Bräutigam“ und der ‫״‬Ehe-
gatte.“ Er hat als ‫״‬Jüngling“ Israel geliebt, und er hat sie ‫״‬mit
den Banden der Liebe ängezogen“. Er ist der ‫״‬Hirt, der das Lamm
auf seinem Arme trägt und in seinem Schoße“. Hier tauchen
schon soziale Beziehungen für die Liebe auf. Aber mehr und tiefer
als durch das Erbarmen wird der Ursprung der Korrelation durch
nichts anderes bezeichnet.. Und auf keine andere Situation des
176

Menschen kann dieses urkräftige Erbarmen angemessener sich richten


als auf die Armut, das zentrale Hemmnis ■für die brüderliche Gleich-
heit der Menschen.
13. Es gibt mancherlei Ausdrücke für den Armen, den Dürftigen■,,
der gedrückt ist: Saalschütz aber hat die gute Bemerkung gemacht,
daß es in der hebräischen Sprache keinen Ausdruck gibt für Bettler;
so dürfte auch das Wort für Almosen fehlen. Und es ist so auch
bedeutsam, daß im Sprachgebrauche des Judentums bis auf den
heutigen Tag die Wohltätigkeit mit dem Ausdrucke, der Ursprünge
lieh Gerechtigkeit, alsdann überhaupt Frömmigkeit bedeutet, mit
Zedaka bezeichnet wird. Und diese Identität wird noch beweis-
kräftiger dadurch, daß von der Wohltätigkeit des Almosens die
der allgemeinen Liebestätigkeit unterschieden und mit einem eigenen
Worte bezeichnet wird. Die Unterstützung des Armen aber ist
schlechthin Gerechtigkeit.
Wir haben es bei dem Fremdling durchgeführt, daß die Gesetz-
gebung die Gemütsverfassung beeinflußt hat. So wollen wir auch
hier die A r m e n g e s e t z g e b u n g ‫ ׳‬beachten. Auch hier wieder tritt
das Ungeheuerliche der Ansicht zu' Tage, welche die bäuerliche
Ursprünglichkeit der sozialen Verhältnisse in Gegensatz stellt zum
ethischen Universalismus (Trötsch). Gerade diese wirtschaftliche
Enge hat die Weite des ethischen Horizontes mitbewirkt.
14. Allgemein ist schon die Einschränkung des strengen Eigen-
tum s für die augenblickliche Sättigung ein wichtiges Wahrzeichen.
‫״‬Wenn du in den Weinberg deines Anderen kommst, so magst du
Trauben essen nach deinem Verlangen, zu deiner Sättigung, aber in
dein Gefäß darfst du nichts tun. Wenn du in das in Halmen
stehende Getreide deines Anderen kommst, darfst du dir Ähren mit
der Hand abreißen, aber die Sichel darfst du nicht schwingen über
die Halme deines Anderen“ (5. M. 23, 25). So wird das Verlangen
eingeschränkt auf die Sättigung, ebenso aber auch erfährt dieselbe
Einschränkung das Eigentumsrecht.
15. Auch der Ze h nt e, der alle drei Jahre neben den Leviten an
den Fremdling und den Armen gegeben werden muß, ist eine das
starre Eigentumsrecht einschränkende Maßregel. ‫״‬Am Ende von drei
Jahren sollst du den gesamten Zehnten von deinem Ertrage in jenem
Jahre herausgeben und in deinem Wohnorte niederlegen, damit die
Leviten, die ja keinen Anteil noch Erbbesitz bei dir haben, die
Fremdlinge, die Waisen und Witwen an deinem Wohnorte kommen
177

xind sich satt essen, auf daß dich der Ewige, dein Gott, segne bei
allen Werken deiner Hand, das du tust“ (5. M. 14, 28).
16. Und dieser Zehnte wird noch ausdrücklicher zu einem sozialen
Erziehungsinstrument geweiht durch die Verbindung mit der Dar-
bringüng der E r s t l i n g e , bei der ein Bekenntnis abgelegt wird,
welches die klassische Urform eines Gebetes hat. ‫״‬Ein umher-
irrender Aramäer war mein Vater, der zog mit einer geringen Zahl
nach Ägypten, weilte dort als Fremdling und wurde dort zu einem
großen, mächtigen und zahlreichen Volke“. Die folgenden Verse
lassen ihn berichten von dem Elend dort und von der Hilfe Gottes,
der sie von dort befreite und in dieses Land brachte. ‫״‬Und jetzt
bringe ich nun die Erstlinge von den Früchten des Landes, das du
mir gegeben hast, Ewiger“ (5. M. 26, 6 ff.).
Und nicht genug mit der historischen, nationalen Reflexion bei
diesem persönlichen Akte der sozialen Fürsorge tritt noch ein anderes
Bekenntnis hinzu. ‫״‬Wenn du im dritten Jahre, dem Jahre des
Zehnten, den ganzen Zehnten von deinem Erträgnis vollständig ab-
geliefert, und den Leviten, Waisen und Witwen gegeben hast, damit
sie ihn in deinen Toren verzehren und sich sättigen, so sollst du
sprechen vor dem Ewigen, deinem Gotte: ich habe das Heilige ent-
fernt aus dem Hause und es den Leviten, Fremdlingen, Waisen und
Witwen gegeben, ganz nach deinem Gebote, das du mir befohlen
hast, ich habe keines deiner Gebote übertreten und keines vergessen“
(ib. 12 ff.). Hier wird als heilig bezeichnet, was durchaus die klare
Bedeutung einer sozialen Entäußerung hat. Und die folgenden Worte,
welche der Deuteronomiker anschließt, bezeichnen diese Verordnungen
als die ‫ ״‬Gesetze und Rechte“, auf die er sich für die Weisheit der
Thora beruft.
17. Diese Einschränkung des Eigentums verfolgen ferner die
anderen Gesetze über die Nachlese, den Ec k w in k el , wie über den
Nachwuchs im siebenten Jahre. ‫״‬Und wenn ihr erntet die Ernte
eures Landes, so sollst du nicht vollends die Ecke deines Feldes ab-
ernten, und die Nachlese deiner Ernte nicht halten. Und deinen Wein-
berg sollst du nicht abbeeren und das Einzelne deines Weinbergs
nicht nachlesen. Dem Armen und dem Fremdling sollst du sie
überlassen. Ich bin der Ewige, euer Gott“. ‫״‬Wenn du deine Ernte
hältst auf deinem Felde, und du vergissest eine Garbe auf dem Felde,
so sollst du nicht umkehren, sie zu holen; dem Fremdling, der
Waise und der Witwe sei sie, auf daß dich segne der Ewige, dein
12
178

Gott, in allem Werk deiner Hände. Wenn du abklopfst deinen Wein-


berg, so sollst du nicht hinter dir her noch Nachlese halten; dem
Fremdling, der Waise und der Witwe sei es. Und du sollst ge-
denken“ usw. (5. M. 25,19 ff.).
18. Hieran schließen sich die Gesetze über das S ab b a t ja h r .
‫״‬Wenn ihr in das Land kommt, das ich euch gebe, so soll das
Land dem Ewigen einen Sabbat halten. Sechs Jahre magst du dein
Feld besäen und sechs Jahre deinen Weinberg beschneiden und ein-
sammeln ihren Ertrag. Aber im siebenten Jahr soll eine voll-
ständige Ruhe (‫ )שכת‬dem Ewigen sein für das Land. Dein Feld
sollst du n ic h t besäen und deinen Weinberg nicht beschneiden, den
Nachwuchs deiner Ernte darfst du nicht ernten und die Beeren
deines Weinstockes nicht ablesen. Ein Sabbatjahr ist es dem Lande.
Und es soll, was das Land in der Ruhe trägt, euch sein zur Nahrung,
dir und deinem Knecht und deiner Magd und deinem Mietling und
deinem Beisaß, die bei dir wohnen“ (3. M. 25, 1—6).
19. An das Sabbatjahr schließt sich das XcJieljjaiir. ‫״‬Weiter
sollst du dir sieben Ruhejahre abzählen, sieben Mal sieben Jahre . .
dann aber sollst du im siebenten Monat, am zehnten des Monats, die
Posaune erschallen lassen, am Versöhnungstage sollt ihr erschallen
lassen das Schofar in eurem ganzen Lande. Und ihr sollt heiligen
das Jahr der Fünfzig Jahre und sollt Freiheit ausrufen im Lande
für alle seine Bewohner. Ein Jobei soll es euch sein, und ihr sollt
zurückkehren ein Jeder zu seinem Eigentum und ein Jeder zu seiner
Familie sollt ihr zurückkehren . . . und wenn ihr verkaufet deinem
Genossen oder kaufet von deinem Genossen, so hintergeht nicht ein
Jeder seinen Bruder. Mit Rücksicht auf die Jahre der Ernten soll
er dir verkaufen. Für eine größere Zahl von Jahren hast du einen
höheren Kaufpreis zu zahlen wie für eine geringere Zahl von Jahren
einen geringeren; denn eine Anzahl von Ernten verkauft er dir.
Und ihr sollt nicht übervorteilen einer seinen Genossen, und du
sollst dich scheuen vor seinem Gotte, denn ich bin der Ewige euer
Gott. Und ihr sollt üben meine Satzungen und meine Rechte
wahren . . . aber das Land soll nicht verkauft werden endgültig,
denn mein ist das Land und Fremdlinge und Beisassen seid ihr bei
mir. Daher sollt ihr in dem Lande eures Eigentums eine Wieder-
einlösung geben dem Lande“. (3. M. 25, 7—24).
20. Noch heute erklären Bibelforscher diese Agrargesetze für Uto-
pismus. Gegen eine solche verbreitete Ansicht dürfte aber schon der
genaue Zusammenhang des Jobeijahres nicht bloß mit . dem Sabbat‫״‬
jahr des Bodens, sondern mit dem E r l a ß j a h r sprechen. ‫״‬Nach Ab-
lauf von sieben Jahren sollst du einen Erlaß machen. Und dies ist
die Angelegenheit des Erlasses: erlassen soll jeder Eigentümer sein
Handdarlehen, das er seinem Anderen geliehen hat. Er soll nicht
drängen seinen Anderen, seinen Bruder, denn man hat einen Erlaß
ausgerufen dem Ewigen. Den Ausländer magst du drängen, aber was
dir ist bei deinem Bruder, das soll erlassen deine Hand.“ (5. M. 15. 1 ff.).
Durch den Gegensatz zwischen dem Rea, als dem Bruder, und
dem Ausländer (nokri), ist die Übersetzung, welche K au tz s ch hier,
zwar nicht von dem Rea, den er als Nächsten bezeichnet, aber
von dem Bruder mit ‫ ״‬Volksgenossen“ , als falsch erwiesen. Denn
zwischen dem Volksgenossen und dem Ausländer steht der Fremdling-
Beisaß: wohin gehört dieser nun, da er doch unmöglich als Aus-
länder gedacht werden kann? Es ist an dieser Stelle wiederum be-
wiesen, daß der Fremdling, der nicht Ausländer ist, nicht nur Rea,
sondern sogar Bruder ist. Und der rechtliche Beweis liegt ja darin,
daß auch auf ihn das Gebot des Erlasses sich mitbezieht, wie auf
den Eingeborenen. Der Ausländer freilich, der nur kurz im Lande
verweilt, kann in diese Landesgesetzgebung nicht einbezogen werden.
Die folgenden Verse enthalten die Begründung in der Abwehr des
Pauperismus.
Auch hier hat Kautzsch falsch übersetzt: ‫״‬es wird jedoch keine
Armen unter dir geben“ (Vers 4). Es muß vielmehr heißen: aus-
geschlossen sei es, daß ein Armer unter dir sei. So lautet auch
eine rabbinische Erklärung, welche ‫ אגס‬gleichgesetzt mit ‫פן‬, so daß
die Übersetzung lautet: nur daß nicht bei dir ein Dürftiger sei,
während allerdings andere rabbinische Erklärungen nicht die Ver-
htitung, sondern einfach das Futurum annehmen, und zwar als
Folge des Gehorsams gegen das Erlaßjahr. Es kann nicht als ein
Widerspruch aufgefaßt werden, daß es bald darauf heißt: ‫ ״‬denn es
wird nicht aufhören der Dürftige von der Mitte des Landes“.
(Vers 11). Denn darauf heißt es eben: ‫ ״‬deswegen befehle ich dir:
du sollst öffnen deine Hand deinem Bruder, deinem Armen und
deinem Dürftigen in deinem Lande“. Auch dieser Nachsatz beweis
den angegebenen Sinn des Vordersatzes.
21. An diese soziale Agrargesetzgebung schließt sich die über;
den Schuld ne r und über den A r b e i t e r an.
Die Humanität bewährt sich zunächst beim Pfand. ‫״‬Wenn du
180

einem Anderen irgend ein Darlehen leihest, so darfst du nicht in


sein Haus hineingehen, um ein Pfand zu pfänden. Draußen sollst
du stehen bleiben, und der Mann, dem du leihest, soll heraus-
bringen dir das Pfand nach Außen. Und wenn er ein armer Mann
is t, so sollst du dich nicht schlafen legen mit seinem Pfände..
Vielmehr sollst du ihm zurückgeben das Pfand bei Sonnenuntergang,,
damit er sich mit seinem Gewände niederlege und dich segne. Und!
dir wird es sein eine Gerechtigkeit (gleich Frömmigkeit) vor dem»
Ewigen deinem Gott“. (5 M. *24, 10 ff.). ‫״‬Wenn du pfändest das•
Gewand deines Anderen, bis Sonnenuntergang mußt du es ihm
zurück geben. Denn es ist sein Kleid allein, sein Gewand für seine•
Haut. Womit soll er sich schlafenlegen? Und es wird sein, wenn
er schreiet zu mir, so werde ich hören, denn gnädig bin ich.“‫׳‬
(2. M. 22, 25). ‫״‬Du sollst das Recht eines Fremdlings oder einer
Waise nicht beugen, noch das Kleid einer Witwe als Pfand nehmen“..
(5. M. 24, 17). ‫״‬Man soll nicht die Handmühle oder auch nur den
oberen Mühlstein pfänden, denn das Leben würde er pfänden“,
(ib. 6). So wird, wie das Eigentum überhaupt, so auch das Pfand-
recht eingeschränkt.
Der Arbeiter ist in mildester Form Tagelöhner. ‫״‬Du sollst
nicht bedrücken den Armen und dürftigen Mietling, sei er von
deinen Brüdern oder von deinem Fremdling, der in deinem Lande,,
in deinen Toren ist.“ (5. M. 24, 14). Da hier das Verbum, sowie
auch das Attribut für den Fremdling fehlt, so ist fraglich zum
mindesten, eb hier der Fremdling - Beisaß gemeint ist, sondern
vielleicht nur der vorübergehende. Es heißt weiter: ‫״‬Am gleichen
Tage sollst du ihm seinen Lohn geben, und es soll nicht unter-
gehen über ihm die Sonne, denn er ist arm, und nach ihm trägt er
seine Seele, und er soll nicht rufen über dich zum Ewigen, so daß
an dir Sünde wäre“, (ib. 15 ff.). In allen rechtlichen Verhält-
nissen wird das seelische Moment in Spezialisierung beachtet, und
es dient zur Vermittlung des Zusammenhangs zwischen dem Recht
und dem Verhältnis zu Gott.
Arbeiter ist überhaupt jeder Dienende. Es gibt keinen besonderen
Namen,, der den Sklaven von dem Arbeiter unterschiede. Ebed heißt
im gleichen Worte der angebliche Sklave, wie der Gottesverehrer öder
Gottesdiener, wie endlich auch der Vollender des Messianismus: der
Knecht des Ewigen. Demgemäß ist die ganze Gesetzgebung über den
Sklaven der monotheistischen Menschenliebe gemäß. Er kann niemals
181

'eine Sache (mancipium) werden, sondern er muß immer Person und


Mensch bleiben.
Das Gesetz von Aug um Auge, vielmehr von Zahn um Zahn
ist vielleicht an ihm entstanden. Die geringste Beschädigung seines
Leibes schon gibt ihm die Freiheit. Und wenn er seinem Herrn
entlaufen ist, so darf Niemand ihn demselben zurückliefern. Ein
^besonderes Gesetz vom Einbo hren seines Ohrs mit einem Pfriemen
soll ihn davor warnen, seine Freilassung zu verschmähen, weil er
sich im Hause seines Herrn wohl* fühle. Die Bibelforschung sollte
diesen öffenbaren Sinn des Gesetzes endlich anerkennen.
Aus Hiob erfahren wir, daß die volle Achtung des Sklaven und
.seines Rechtes zu den sittlichen Obliegenheiten der persönlichen
Rechtschaffenheit gezählt wurde, ‫״‬Wenn ich verachtet hätte das Recht
meines Knechtes oder meiner Magd, wenn sie stritten mit mir, was
‫־‬wollte ich tun, wenn Gott sich erhöbe, und wenn er untersuchte,
was ihm erwidern ? Hat nicht der mich erschuf, im Mutterleib
auch ihn erschaffen, und hat nicht einer uns im Mutterschoß be-
reitet?“ (Hiob 31, 14 ff.).
Der einzige Gott wird von Hiob also angerufen als der gemein-
same Schöpfer des Sklaven, wie des Herrn. Und zugleich werden
‫׳‬der Leib und der Mutterleib für die gleiche Schöpfung angerufen.
-So heißt es auch in den Sprüchen: ‫ ״‬Wer den Armen bedrückt,
lästert seinen Schöpfer, und wer ihn ehrt, erbarmt sich des Dürftigen“.
<(Spr. 14, 31). Wiederum ist es die Gleichheit der Menschen, im
selben Schöpfer begründet, welche das Mitleid zur Pflicht macht.
22. Mehr aber noch als durch alle diese einzelnen Gesetze, welche
‫־‬vom Armen aus auch auf alle anderen sittlichen Beziehungen und
Rechtsverhältnisse unter den Menschen erstreckt werden, hat der
Monotheismus die Liebe Gottes zu den Menschen durch ein großes
Gesetz zum Ausdruck gebracht, welches das soziale Grundgesetz
der europäischen Völker geworden ist. Der Gegensatz, in den sich
die christliche Kirchen Verfassung zu ihrem jüdischen Mutterboden
gesetzt hat, hat durch die Veränderung der Bedeutung dieses Ge-
setzes, bei seiner faktischen Beibehaltung, ‘nicht nur die religiöse
Trennung vom Judentum an der. sozialen Wurzel herbeigeführt,
.sondern auch das Gesetz selbst seiner sozial-ethischen Bedeutung
entkleidet. Das Gesetz vom Sabbat, ist es, welches als Quintessenz (
-der monotheistischen Sittenlehre zu erkennen ist.
Auch der Babel-Bibelstreit hat es wieder bloßgestellt, daß der
182

Sinn des Gesetzes gar nicht im Geiste und Gemiite des modernen
Menschen lebendig ist. Und dies ist um so weniger zu begreifen,,
als die gesamte soziale Politik diesen Sinn entfaltet, und auch die
V erschärfung des Gesetzes über die Sonntagsruhe diesen Sinn wieder
zu allgemeinerer Klarheit hringen sollte. Indessen denkt man beim
Sabbat nur an die Einteilung der Woche und glaubt die Originalität
dieser jüdischen Einrichtung damit bestreiten zu können, daß in
Babylon etwa auch dieWochebesteht, und ein, wenn auch wechseln-
der, Feiertag ihrgewidmet ist. Daran aber hat man seit den
Forschungen von Movers, sowie nach der Abhandlung von Chr.
B au r über Sabbat und Feiertage nicht zweifeln können, daß die
kalendarische Einrichtung nach den sieben Planeten keine jüdische•
Erfindung ist. Aber wäre sie dies selbst, so wäre sie noch keine,
monotheistische. Eine solche wird sie erst dadurch, daß die baby-
;Ionische Wocheneinteilung, welche übernommen wurde, von den
jPropheten benutzt wurde zur Festlegung eines Schlußsteins für
[ihre soziale Ethik. Ein solcher Schlußstein derselben ist der Sabbat..
1 23. Schon die beiden Begründungen, welche der Dekalog von
diesem Gesetze gibt, sind ein sprechendes Zeugnis für diesen fun-
damentalen Wert des Sabbat. Im Exodus heißt es: ‫ ״‬Gedenke des
Sabbattages, ihn zu heiligen. Sechs Tage magst du arbeiten und
all dein Werk verrichten, aber der siebente Tag ist ein Sabbat dem
Ewigen deinem Gotte. Du sollst keine Arbeit verrichten, du und
dein Sohn und deine Tochter, dein Knecht und deine Magd und
dein Vieh und dein Fremdling, der in deinen Toren. Denn in
sechs Tagen hat der Ewige gemacht den Himmel und die Erde, das
Meer und alles, was darin, er ruhte aber am siebenten Tage. Darum
hat der Ewige gesegnet den Sabbattag und ihn geheiligt“.. Die-
Ruhe für den Knecht und die Magd ist hier schon vorgeschrieben,,
aber sie gilt nicht als der Grund des Gesetzes, der vielmehr, wie
im Schöpfungsberichte der Genesis, (1..M. 2,3) in der Buhe Gottes
von der Schöpfung besteht. Auch hiernach schon ist übrigens der
Sabbat als die Vollendung der Schöpfung gedacht. Die Buhe Gottes
bedeutet unzweifelhaft nichts anderes als die Vollendung seines Werkes.
Das Deuteronomium erweist sich nun gerade an diesem Gesetze
in seinem ganzen sozial-ethischen Beformcharakter. Außer dem
Verbot des Gelüstes wird nichts am Dekalog geändert als das Sabbat-
gesetz. Denn nach der Aufzählung der einzelnen Personen, wie der
Tiere, auf die es sich bezieht, heißt es: ‫ ״‬damit ruhe dein Knecht und
183

deine Magd, wie du seihst. Und du sollst gedenken, daß ein Sklave
du gewesen bist im Lande Ägypten und daß herausgeführt dich hat
der Ewige dein Gott von dort mit starker Hand und mit aus*
gestrecktem Arm. Darum hat befohlen der Ewige dein Gott dir
den Sabbattag zu halten.5) ‫״‬. M. 5, 14). Schon das einleitende
Wort wird werändert. Während es dort heißt: gedenke, heißt es
hier: hüte. (‫)שמור‬. Und während es dort heißt: darum hat der
Ewige den Sabattag gesegnet, wird das darum ( ‫ ) על כן‬hier dahin
verändert, daß es zurückbezogen wird auf den Befehl Gottes,
dem sein Grund schon vorangestellt war: ‫״‬auf daß ruhe dein
Knecht und deine Magd gleich wie du‫ ״‬. Dieses ‫״‬gleich wie du‫״‬
‫ ) )כמוך‬ist dasselbe Wort, welches auch bei dem Gebot der Nächsten-
liebe steht.
So ist es denn also schon aus diesem literarischen Tatbestände,
aus dieser Veränderung des Dekalogs bei diesem Gesetz und seiner
Motivierung außer allem Zweifel gestellt, daß der Sabbat die Gleich-/
Stellung der Menschen trotz der Verschiedenheit der sozialen Lage‫־״־ ־‬
sicherstellen soll. Und diese so zu unbezweifelbarer Klarheit gestellte‘
Bedeutung des Sabbat ist wiederum ein unübertreffliches Dokument (
für die fundamentale Sittlichkeit des Monotheismus und für seine;
sittliche Originalität. 1
24. Wie außerordentlich selten ist eine wahrhafte Originalität
in den sozialen Einrichtungen. Hier ist sie unbestreitbar. Der Ver-
such, sie zu bestreiten, ist gescheitert. Und diese Originalität wird
einem Volksgeiste nur dadurch verdankt, daß dieser in einem
Gottesbegriffe aufgeht, der wiederum auch geschichtlich einzig ist.
Der Sabbat ist die klare, lichtvolle Bestätigung von der ethischen;
Bedeutung des Monotheismus. Und diesen zu beleuchten, stehen;
wir hier an dem Punkte, den die Liebe Gottes zu den Menschen
bildet. Im Sabbat ist der I n b e g r if f ‫ ׳‬dieser Go ttesliebe zu
erkennen. An Israel ist auch er zunächst gegeben. Aber die Welt
hat ihn angenommen, wenngleich ihm ein dogmatischer Grund unter-
legt worden ist, der auch schon verschieden ist von der Ruhe Gottes
nach der Schöpfung. Gleichviel, die Einrichtung ist Weltgesetz ge-
worden, wenigstens für die europäischen Völker. Im Sabbat aber sind
alle Weisen der Liebe Gottes zusammengefaßt und vereinigt.
So ist es zu verstehen, daß für die Propheten der Sabbat zum
Ausdruck schlechthin für die Sittlichkeit wird. ‫ ״‬Wer den Sabbat
hütet, ihn nicht zu entweihen, und seine Hand hütet, irgend ein
184

Böses zu tun.“ (Jes. 56, 2.) So setzt dieser Jesaja die Beobachtung
des Sabbat schlechthin gleich mit der Übung der Sittlichkeit. Und
wie man über das Gute sich freuen soll, so sagt daher auch ein
Jesaja: ‫״‬Und du sollst den Sabbat nennen eine Lust“. (Jes. 58,13).
!Als ob der Prophet sagen wollte: der Sabbat sei nicht nur als sozial-
;politische Maßregel zu denken, sondern als ein Gipfel der religiösen
!Innigkeit. Und Jerexnia macht wiederum den sozialen Sinn deutlich.
‫״‬Ihr sollt nicht Last tragen am Sabbattage.“ (Jer. 17,27). Die
Liebe Gottes zu den Menschen bewährt sich am Sabbat in dem Mit-
leid Gottes mit dem Menschen, den er zur Arbeit aus dem Paradies
vertrieben hat. Der Sabbat hebt den Unterschied unter den Menschen,
der in ihrer Arbeitsweise sich ausbildet, grundsätzlich wieder auf.
Auch der Handarbeiter wird zum Herrn seiner selbst. Die wöchentliche
Buhe an einem bestimmten Tage stellt den Arbeiter dem Herrn gleich.
25. Der Sabbat wurde der wirksamste Schutzpatron des jüdischen
Volkstums. Beinahe wie Sklaven führten sie ihr Dasein das ganze lange
Mittelalter hindurch. Noch jetzt ist dieses nicht ganz abgestorben.
Alle Mühsal aber des täglichen Lebens warf der Ghettojude von sich,
wenn die Sabbatleuchte entzündet wurde. Alle Schmach wurde ab-
geschüttelt. Die Liebe Gottes, die ihm den Sabbat wiederum brachte
an jedem siebenten Tage, sie brachte ihm auch seine Ehre wieder
und sein Menschenrecht in seiner niedrigen Hütte.
Die Gelehrten streiten noch heute darüber — spotten ihrer
selbst und wissen nicht, was im letzten Grunde den Fortbestand der
Juden bewirkt haben könne. Sie wollen diesen letzten Grund nicht
in der Wahrheit des einzigen Gottes anerkennen lind schieben ihn
lieber auf das Gesetz ab, das sie in seiner statutarischen Formalität
als der Innerlichkeit entbehrend verachten zu dürfen glauben.
Indessen ist der Sabbat der echte und intimste Vertreter des
Gesetzes. Und im Sabbat hat allerdings das Gesetz in Gemäßheit
mit dem einzigen Gotte, der die Menschen liebt, das Judentum, wie
die Juden, am Leben erhalten: beide in der Mission, den Mono-
theismus über die Erde zu verbreiten, seinen Sinn und Geist immer
mehr zu vertiefen und ihm gemäß die wahre Menschenliebe unter
! den Völkern der Welt zu begründen. Im Sabbat hat sich der
j Gott der Liebe als* der einzige Gott der Menschenliebe erwiesen.
Wir fragten, welchen. Sinn die Liebe Gottes haben könne. Die
Antwort ist jetzt gefunden. Das Mitleid mit den Armen, das Gott
in uns erweckt hat durch seine Gebote, es ist uns der verständliche
185

Grund geworden für den Sinn der Gottesliebe. Der Sabbat hat
jenen kläglichen Schein der Unfreiheit und der Ungleichheit von
den Menschen entfernt. Wie Gott uns das Erbarmen mit den
Menschen an dem Auswurf der Armut gestiftet hat, so hat er uns
in dieser sozialen Einsicht seine Liebe zu den Menschen offenbart.
Diese Gottesliebe ist der Leitstern der Weltgeschichte, an deren'
Sinn man nicht verzweifeln darf; denn sie ist ja erst von heute
und gestern. ‫״‬Tausend Jahre sind in deinen Augen wie ein Tag“.
(Ps. 90, 4). Die Weltgeschichte hat kaum erst angefangen; noch nicht
dreitausend Jahre ist sie alt seit Mose und den Propheten. Und
so wird der Monotheismus seine Weltlaufbahn erst recht beginnen.
Der Monotheismus ist der wahrhafte Trost der Geschichte.
26. Aus der sozialen Liebe Gottes zu den Menschen entwickelt sich
auch die universale Liebe Gottes im Messianismus. Jetzt wollen
wir aber erst aus der Liebe Gottes zu dem Menschen die Liebe des
Menschen zu Gott zu verstehen suchen. Auch dieses Gebot gilt
als selbstverständlich, während die pathologischen Verirrungen hierbei ;
es unverkennbar machen, wie gerade durch diesen Begriff der Mono- j
theismus noch mit dem Polytheismus verwachsen ist. Es ist selbst-
verständlich, daß Götter und Göttinnen ebenso in ihren Standbildern,
den Darstellungen der schönen Kunst, geliebt, wie angebetet werden.
Die Sage vom Pygmalion ist lehrreich. Und in allen Zeiten hat
die sinnliche Liebe Auswege und Verschleierungen in der sogenannten
Gottesliebe gesucht. Solchen Zweideutigkeiten darf die mono-
theistische Gottesliebe nicht ausgesetzt sein. ‫״‬Du sollst dir kein
Bild machen!“ Dieses Verbot gilt ganz besonders vom Bilde, als
einem Gegenstand der sinnlichen Liebe.
Das Gebot, Gott zu lieben, schließt sich unmittelbar an Höre
Israel! an. Nur im innigsten Zusammenhänge mit der Einheit,
mit der geistigen Einzigkeit Gottes darf sie verstanden werden.
‫״‬Du sollst den Ewigen, deinen Gott, lieben mit deinem ganzen
Herzen, mit deiner ganzen Seele und mit deiner ganzen Kraft“
(5. M.). Der Satz atmet eine Ursprungskraft, daher die Häufung
der Ausdrücke für die Innerlichkeit, in welcher die Liebe gefordert
wird. Das Herz ist der nächstliegende, dazu tritt die Seele, welche
für Leben und Person steht. Und endlich der schwer übersetzbare
hebräische Ausdruck, der im Adverb Sehr bedeutet, daher wohl den
Überschuß, die Kraft in ihrer ganzen Tiefe bedeuten mag.
Was in allen diesen Ausdrücken, die alle schon durch das Wort
186

‫״‬ganz“ verstärkt werden, beabsichtigt sein mag, das ist die E i n h e it


der Persönlichkeit, von welcher die Liebe gefordert wird. Nichts wäre*
dahier . verkehrter, als sie nur auf triebhaftes sinnliches Begehren,,
wie solches auf eine menschenartige Person gehen mag, einzuschränken.
Der ganze Mensch hat die Liebe zu Gott aus seinem Innersten hervor-
zubringen; in allen Richtungen seines Bewußtseins. Wie könnte es
gar auf eine sinnenartige Liebe, wenn sie überhaupt hier denkbar
wäre, abgesehen sein ? Keineswegs allein dem Herzen ist die Liebe
zu Gott aufgetragen, sondern der Einheit des Menschen, und daher
vor allem dem Geiste.
27 • ‫ן‬. Eine neuere Phase in der protestantischen Theologie setzt sich-
1wieder für die W i r k l ic h k e it Gottes ein und sucht diese herzuleiten
aus der Wirklichkeit sittlicher Menschen, welche die Propheten
unter ihren Zeitgenossen erlebt haben müssen. Dieser bestechende
Gedanke geht von dem richtigen wissenschaftlichen Gesichtspunkte■
aus, daß die prophetische Lehre in einem geschichtlichen und so-
auch in einem psychologischen Zusammenhänge stehen müsse mit
der Zeitgeschichte. Aber außer diesem interessanten und wertvollen-
künstlerischen Ertrage dieser Ansicht, welche die Propheten nicht
allein zu Mahnern, sondern ebenso auch im besten Sinne zu Nach-
ahmern macht, lenkt diese Ansicht doch grundsätzlich vom reinen-
Monotheismus ab. Sie erscheint auch nur dadurch erklärlich, daß durch,
die Wirklichkeit Gottes die Wirklichkeit Christi außer Zweifel'ge-
stellt werden soll. Mit dieser Auffassung W. H er r m an n s kann,
wie Verehrung und Bewunderung für Menschen, so auch nur Ver-
ehrung für einen menschenartig gedachten Gott verständlich gemacht
werden. Nicht aber wird auf diese Weise faßbar das Gebot der
Liebe zum einzigen Gott.
Dieser Gott kann keine Wirklichkeit haben. Denn Wirklichkeit
ist ein Beziehungsbegriff des Denkens auf die Empfindung. Diese*
Beziehung auf Empfindung aber ist vom Begriffe Gottes ausgeschlossen.
Von Anfang an bekämpft die jüdische Spekulation den Anthro-
pomorphismus in der Bibel. Maimonides bezeichnet als Führer
dieser Richtung den Proselyten Onkelos. Daher entfernt Maimonides
selbst alles biologische Leben von dem Sein Gottes. Die Geschichte*
de% jüdischen Monotheismus erweist sonach die literarische Tatsache:
daß alle Körperlichkeit und alle Art von Sinnlichkeit durch ihn von.
Gott entfernt werden sollen. Auch die Liebe kann daher nur in
dieser Tendenz gewürdigt werden.
187

28. Was d ie id e e als ethische Realität, und als solche, für die
Wirklichkeit positiv‫ ׳‬zu bedeuten und zu leisten vermag,‫ י‬das wird
am deutlichsten hei der Liebe zu Gott, auf Grund der Liebe von
Gott. Die realisierende Kraft der Idee wird‫ ־‬nirgends so deutlich,:
wie an der Liebe zur Idee. Wie kann man eine Idee lieb en ?
Darauf ist zu antworten: Wie kann man etwas anderes lieben als
eine Idee? Liebt man doch sogar in der sinnlichen Liebe nur die
idealisierte Person, nur die Idee der Person.
Die Idee Gottes ist die Idee des heiligen Gottes, die Idee
des heiligen Geistes, als des Geistes der Heiligkeit, das ist des
Geistes der Sittlichkeit. Die Sittlichkeit aber ist nur insofern ein
Reich der Wirklichkeit, als dieses ein Reich der Handlung darstellt.
Die Handlung aber ist ebenso, wie von der Bewegung jler Natur,,
so auch von aller Wirklichkeit der Natur, von aller Wirklichkei
unterschieden. I)ie Handlung errichtet das Reich der Sittlichkeit:
In diesem Reiche aber gibt es keine anderen Wirklichkeiten als nur
Aufgaben zu immer neuen Wirklichkeiten. Die Ideen sind Urbilder
zu Handlungen. Und die Urbilder haben keinen Eigenwert, es sei
denn, daß sie Musterbilder seien für die Handlungen der Vernunft-
wesen.
29‫־‬. Die Frage, ob man Ideen lieben könne, ist jetzt wohl be-
antwortet. Die reine Liebe geht nur auf Urbilder, auf Musterbilder,,
an denen die reine sittliche Handlung sich aufbauen kann. Und.
kein Mensch kann dieses Urbild darstellen. Dieses Urbild ist nur
Urbild der Sittlichkeit und nur als solches kann es und soll es-
zum Musterbild werden. Eine Nachahmung kann nicht erstrebt werden,,
sondern.nur eine Nacheiferung. Aber die Nacheiferung muß ihren
Quell haben in der ganzen E in h e it des B ew u ß tsein s, in Geist und
Gemüt. Sie darf nicht intellektualistisch bleiben im Verstände eben-
sowenig, als sie nur Affekt bleiben dürfte im Gemüte und im Willen:
alle Kräfte der Seele müssen in dieser Nacheiferung Gottes zur
Mitwirkung und zur Verschmelzung kommen. Diese Verschmelzung
führt in der Kunst zu einer neuen Schöpfung, zu der des reinen
Gefühls, als einer neuen Kraft des Bewußtseins. Und auch das
reine ä s th e tis c h e Gefühl kann als Liebe bezeichnet werden.
30. Von anderer, von eigener Art muß die Liebe zu G ott sein,,
wenn anders die Religion eine Eigenart des Bewußtseins vollzieht,
die vom reinen Willen der Ethik unterschieden ist, geschweige vom
Gefühl der ästhetischen Liebe. Die Liebe zu Gott, die der Liebe
188

von Gott entspricht, muß ja ihren Grund haben in der sozialen


Liebe zum Mitmenschen. Schon diese aber ist grundverschieden
von der Kunstliebe, in welcher der Mensch nur ein Typus, mithin
allenfalls nur ein Nebenmensch, niemals der Mitmensch ist. Und
hinwiederum die Liebe von Gott kann nur im P a n th e is m u s als
ästhetische Liebe gedeutet werden. Dann aber liebt Gott nur das
Schöne im Menschen; denn er ist dort nur der Urquell des Schönen.
Und die Ausnahmen vom Schönen kann er nur als solche gelten
lassen. Auch dabei kann der Mitmensch in seiner Ebenbürtigkeit
und Gleichwürdigkeit nicht auf kommen.
Die Religion soll Eigenart haben, aber ihre Selbständigkeit
‫״‬würde eine falsche sein, wenn sie nicht vorab mit der Ethik sich
zu vereinbaren und ihr sich■,, einzugliedern ,hätte.. Dieses Verhältnis
«der Eigenart gilt ebenso auch für die Logik und für die Ästhetik,
aber hauptsächlich hängt die Herstellung dieser richtigen Einordnung
yon ihrem Gelingen bei der Ethik ab. Auch die Kollision, die sich
in der Liebe mit der Kunstliebe einstellt, wird durch die Norm der
ethischen Liebe beseitigt. Diese hat uns den Mitmenschen zur
Entdeckung gebracht in der Liebe von Mensch zu Mensch; die Liebe
Gottes hinwiederum hat in ihrer ethischen Norm das Mitleid zum
Universalismus der Humanität ausgeweitet. Und so wollen wir jetzt
nun auch von dieser ethischen Leitung die Liebe des Menschen zu
Gott von allen Zweideutigkeiten in ihrer idealistischen Leistungs-
kraft zu verstehen suchen.
;31. Die Liebe des Menschen zu Gott ist die Liebe zum sittlichen
Ideal. Nur das Ideal kann ich lieben, und das Ideal kann ich nicht
anders fassen, es sei denn, daß ich es liebe. Das Ideal ist das
Urbild der Sittlichkeit. Ich darf kein anderes Vorbild haben, als
welches das Urbild ist. Jedes Abbild des Urbilds ist eine Ab-
Schwächung der einzig realisierenden Kraft, welche in der Urkraft
der Idee liegt. Ich kann aber das Urbild nur als Gegenstand der
Erkenntnis zum Gegenstand der Liebe werden lassen. Das Urbild
der Sittlichkeit ist nun das Urbild der Handlung. Die H a n d lu n g
aber ist der Erguß des reinen Willens.
Wenn anders nun erst die Religion in ihrer Eigenart, d. h.
die Korrelation von Mensch und Gott den Mitmenschen er-
zeugt hat, so hat sie auch erst die Handlung, die soziale Hand-
lung durch den Affekt des Mitleids, d. i. durch den der Liebe
zur Erzeugung gebracht. In der Handlung selbst geht die Liebe
auf dien Menschen. Sofern jedoch das Urbild der Handlung erforscht
wird, sofern das Urbild für die Korrelation von Mensch und Gott
in Frage tritt, so tritt dadurch die Liebe zu Gott in Kraft, als‫־‬
die Erfüllung von der Idee, die Begeisterung der Idee, die Liebe
zur Idee, als der Urkraft aller sittlichen Wirksamkeit, die bei
der Handlung das Problem der Wirklichkeit §rsetzt.
32. So wird es aus dem Kampf der jüdischen Tradition gegen:
den Anthropomorphismus erklärlich, daß nur ‫ ״‬Attribute der Hand«
lung“ bei Gott verstattet werden. Und demgemäß werden auch alle*
biblischen Ausdrücke für die Affekte bei Gott erklärt. Gott ist
barmherzig, diese Eigenschaft erläutern die Kabbinen also: wie er
barmherzig ist, so sei auch du barmherzig. Das Attribut hat nur
den Sinn des Vorbildes. Aber das Vorbild ermöglicht nur Nach-
eiferung, nicht Nachahmung: es ist nur Urbild. Diese ganze*
Gedankenrichtung bringt ja nur den Satz zur Ausführung: ‫״‬heilig‫־‬
sollt ihr sein, denn heilig bin ich, der Ewige, euer Gott“.
Als Heiliger ist Gott nicht sowohl Vorbild, das ja niemals er-
reicht werden kann, als vielmehr Urbild: mithin Idee, die für die*
Handlung die Bedeutung des Ideals hat. Diese idealistische Be-
deutung ist der klare, genaue Sinn der L iebe zu Gott. Liebe ist
nicht Erkenntnis. Und dennoch fordert die Schrift ebenso die Er-
kenntnis, wie die Liebe. Sie fordert die Liebe zwar auf Grund der
Erkenntnis, im Einvernehmen mit der Erkenntnis, Aber beide nicht
als miteinander identisch. Sie fordert die Erkenntnis durchaus nur
als Liebe, nicht aber etwa allein als theoretisches Wissen. In dieser
Korrelation von Erkenntnis und Liebe entwickelt M aim onides den
reinen Monotheismus anscheinend zum Intellektualismus, aber nicht
nach dem Muster des Aristoteles, sondern im Geiste der monotheis-
tischen Liebe. Er kennt, weder bei Gott, noch beim Menschen, Er-
kenntnis ohne Liebe, und ebenso allerdings auch keine Liebe ohne*
Erkenntnis. Sein Rationalismus ist immer in seiner Einheit mit
dem theoretischen: der ethische Rationalismus.
33. Die Liebe zu Gott ist das Grundthema der P salm en. Und wie*
die soziale Liebe aus dem Mitleid widerhallt, so die Gottesliebe der
Psalmen aus der S eh n su ch t. Hier geht die Liebe, aus der Lyrik
sich entfaltend, bis an die Grenzen der Kunstliebe. Und dennoch
hat sich gerade hier der Monotheismus in seiner Stärke bewiesen,
indem er diese größte Gefahr, der religiöse Strömungen so oft er-
legen sind, zu beschwören vermochte. Und die reine Liebe des
190

Menschenherzens zu Gott ist in der Tat die Urkraft geworden, aus


welcher die Lyrik der Poesie zu ihrer Läuterung reifen konnte.
Diese Einwirkung kann nur von Befangenheit verkannt werden.
Denn man sieht es nur ungern ein, daß diese Reinheit, und zwar
in aller Natürlichkeit und ohne jeden Kampf mit gegensätzlichen
Motiven nur durch die rein geistige Auflassung Gottes zu stände
:zu bringen war: welche eine jede Verähnlichung mit dem Menschen-
wesen gar nicht bekämpfte, sondern abstieß und weit unter sich ließ.
Die Sehnsucht durchwaltet Leib und Seele und ihr Ausdruck kennt
keine Grenzen. Aber nur sie selbst, nur diese Angst selbst und diesen
Aufschwung der Seele beschreibt und besingt der Psalm; Gott aber
bleibt außerhalb dieser Beschreibung. Während die Lyrik sonst die
.geliebte Person beschreibt, zu der die Sehnsucht sie hinzieht,
wird hier nur das Herz beschrieben, das die Sehnsucht empfindet,
ihr Gegenstand aber, Gott, wird nicht sowohl in seiner Schöne als
vielmehr ausschließlich nur in seiner Güte angerufen, also nur
als Urbild der sittlichen Handlung.
34. Es gibt einen Ausdruck in den Psalmen, der zum Motiv
geworden ist für die gesamte jüdische Religionsphilosophie, welche
Variationen dieses Themas ausbildet: die Nähe Gottes. ‫ ״‬Die Nähe
Gottes ist mein Gut.“ (Ps. 73, 28). Und dieser höchste Ausdruck
der Symbolik ist verbunden mit dem stärksten Ausdruck der
Sehnsucht•. ‫ ״‬Wer ist mir im Himmel? Und im Bunde mit dir
habe ich kein Verlangen auf Erden. Es vergeht mein Fleisch und
mein Herz, der Fels meines Herzens und mein Teil ist Gott auf
.-ewig.“ Darauf folgt die Bezeichnung der Nähe Gottes als das Gut.
So lehrt dieser Psalm in seiner Verbindung des reinsten Ausdruckes
4er Religiosität mit dem stärksten Ausdrucke der Sehnsucht — ‫״‬es
j wergeht mein Fleisch und mein Herz“ — den echten Sinn der mono-
i iheistischen Liebe zu Gott. Alle Güter der Erde werden verschmäht,
und nur die Nähe Gottes wird begehrt. Nicht Gott selbst wird be-
gehrt. Auf Gott selbst richtet sich die mythologische Liebe. Die
monotheistische dagegen verlangt nur nach der Nähe Gottes, nach
4er Nähe Gottes zum Menschen, nach der Nähe des Menschen zu Gott.
35. Diesen Doppelsinn hat die Nähe Gottes, und er ist wichtig
für die Bedeutung dieses Ausdrucks. Gott darf dem Geiste
und dem Herzen des Menschen nicht fernbleiben. ‫״‬Wo ist ein
Volk, dem seine Götter so nahe wären, wie der Ewige, unser Gott,
uns nahe ist?“ (5. M. 4,7). So sehr dringt das Deuteronomium
191

auf diese Nähe Gottes, daß Jeremia darin eine Schranke sieht und
dagegen einschreitet. ‫ ״‬Bin ich denn nur ein Gott in der Nähe,
spricht der Ewige, und nicht ein Gott aus der Ferne?“ (Jer. 23,
23). Der Prophet tritt für die Allgegenwart Gottes ein. ‫״‬Wahrlich
den Himmel und die Erde erfülle ich, spricht der Ewige.“
Das Deuteronomium aber bereitet die Richtung der Psalmen vor.
Die Ferne Gottes ist für Gott notwendig, seine Nähe aber für den
Menschen. Und um so notwendiger ist die Durchführung dieses
Begriffs, als dadurch auch von Gott der Schatten der Körperlichkeit
verstreut, und zugleich vom Menschen in seiner Sehnsucht zu Gott
der Schatten der Sinnlichkeit hinweggenommen wird. Nacheiferung,
nicht Nachahmung! Ebenso auch Nähe Gottes und Nähe zu Gott.
Dieser Begriff in seiner Doppelheit enthält die Lehre: Annäherung,
nicht Vereinigung ( ‫) התקרבות‬. Gilt diese Mahnung zunächst theoretisch
und gegen den Pantheismus, wie gegen alle Mystik, so nicht
minder auch praktisch für die Liebe zu Gott. Sie darf nur be-
deuten: Sehnsucht zur Nähe Gottes, nicht aber etwa das unkeusche
Verlangen der Vereinigung mit Gott, wie solche von der sinnlichen
Liebe vorgestellt wird. Die Liebe zu Gott ist das Streben nach der
Nähe Gottes, welche als das einzige Gut des Menschen erkannt und
gefühlt wird.
36. Der Doppelsinn im Worte enthält eine Zweideutigkeit, als
ob nach der räumlichen Symbolik doch irgendwie eine körperliche
Beziehung erstrebt werden sollte. Die Religionsphilosophen haben
daher diesen Lagenausdruck verwandelt durch das Verbum im Hith-
pael in den Ausdruck einer Handlung: ‫התקרבות‬. Die Annäherung
ist so aus der Nähe entstanden, und diese Annäherung ist genau
als Selbstannäherung bezeichnet. So ist der ganze Schwerpunkt auf
die eigene Handlung des Menschen gelegt, welche daher gar nicht
bloßes Mittel zu sein scheint, sondern der eigentliche Zweck wird.
Das Ziel bleibt Gott. Zu seiner ideellen Erreichung aber
wird als Zweck eingesetzt die Selbstannäherung. Und in dieser den
höchsten Zweck bildenden Handlung und in ihr allein entsteht die
wahrhafte, die einzigartige Liebe zu Gott. Jede andere wird ver-
worfen, als Mystik, die unfruchtbar bleibt für die Handlung. Diese
Liebe der Selbstannäherung zu Gott ist deshalb die allein richtige
Liebe zu Gott, weil in ihr der heilige Gott geliebt wird, der uns
heilig macht, der unsere Heiligkeit fordert, die nur in der Selbst-
annäherung zur Heiligkeit Gottes wirklich werden kann.
192

Die Liebe gilt als Impuls der Handlung, weil sie den Menschen
selbst zum Urquell der Handlung macht. Wenn die Liebe die
Handlung erweckt, so ist kein fremder Gegenstand ihr Beweggrund.
Die Liebe zur Sittlichkeit ist Liebe zu Gott. Dieser Satz bedeutet
für die Religion, was für die Ethik bedeutet: die Handlung erfolgt
nicht aus einem fremden Beweggründe, noch auf einen fremden
Befehl. Sie ist der Erfolg des Willens, dem Autonomie zusteht.
Alles Fremde, als Beweggrund, soll die Liebe ausschließen. Dieses
Fremde ist das Ferne, von dem die Nähe befreit; nicht zwar die
Nähe an sich, aber die Annäherung und zwar die Selbstannäherung.
Das ist die Liebe, zu welcher die Philosophie des Monotheismus
den nahen Gott und die Nähe Gottes emporgeführt hat. An diesem
Höhepunkte läßt sich im tiefsten Grunde und in unzweifelhafter
Konsequenz die Harmonie erkennen, die zwischen dem philo-
sophischen Rationalismus des jüdischen Mittelalters und seiner Bibel
besteht.
Kapitel X.
Das Individuum als Ich.
1. Für die Korrelation von Gott und Mensch ist uns bisher zur
Erzeugung gekommen der Mensch, als Vernunftwesen, und ferner, als
Mitmensch. Das Vernunftwesen ist im heiligen Geiste als sittliches
Wesen zur Präzision gekommen. Freilich muß dieses Wesen ein
Individuum sein, indessen ist es ein solches nur für diesen ethischen
Begriff, und dessen religiöse Bedeutung für die Korrelation mit
Gott vermag, als solche, die Abstraktion wieder aufzuheben und diese
in ein lebendiges menschliches Einzelwesen umzuwandeln. Der
Mensch in dieser Abstraktion gibt nur dem Sittengesetze, religiös den
Satzungen und Gesetzen Gottes die Möglichkeit der Offenbarung.
Der Mensch ist, als Geist der Heiligkeit, Individuum nur für das
Gesetz Gottes, wie in der Ethik nur für die Autonomie des Willens.
Das Gesetz allein macht ihn zum Individuum. Wie er aber für
dieses beinahe nur als negative Bedingung ein Lebewesen ist* so ist
er auch nur in dieser Hinsicht, als Pflichtträger des Gesetzes, ein In-
dividuum. Andere Rücksichten, die dem Individuum etwa obliegen,
fallen hier gänzlich außer Betracht.
2. Auch der Mitmensch ist noch kein Individuum, welches als
Ich zur Bestimmung käme. Der Mitmensch ist zwar nicht mehr nur
der Nebenmensch, und die Korrelation von Ich und Du ist zwar
schon hergestellt. Dennoch ist dieses Ich nur das Ich zum Du.
Was das Ich jedoch in ausschließlicher Beziehung auf sich selbst
zu bedeuten haben könne, darüber ist noch keine Bestimmung auch
nur vorbereitet. Ich sowohl, wie Du, sind Einzelwesen, aber sie
sind dies nur als solche der Mehrheit, oder sogar auch der Allheit,
insofern diese durch die soziale Liebe gestiftet werden kann.
Immerhin ist das Einzelwesen, das nur innerhalb der Mehrheit oder ‫ן‬
der Allheit selbst entsteht und besteht, noch nicht das Individuum, ■
welches für sich allein einzustehen hat. Es ist die Frage, ob dieses I
absolute Individuum ein berechtigter Begriff ist, aber man d a rf‘
13
194

mellt glauben, daß durch den Mitmenschen diese Frage schon er-
ledigt wäre. In der Lösung dieser Frage aber erst vollzieht sich
die Eigenart der Religion bestimmter und deutlicher als beim Mit-
menschen.
3. Welche Angelegenheit oder Obliegenheit kann es nun aber
sein, die dem Menschen in seiner Korrelation zu Gott eine Iso-
lierung und eine Absolutheit zuweist, durch die er von den bis-
herigen Begriffen des Menschen unterschieden wird? Seine eminente
Aufgabe, welche in der sittlichen Handlung besteht, ist ihm ja
schon auferlegt und die Mittel zu ihrer Lösung scheinen in den
sozialen Kräften ihm verliehen zu sein. Kann es denn aber noch
andere Aufgaben für ihn geben, als welche in denen der sittlichen
Handlung sich zusammenfassen? Wenn nun aber das Problem des
Mitmenschen dennoch durch das des Ich-Individuums ergänzt
werden muß, so folgt daraus, daß die Aufgaben der sittlichen
Handlung durch die sozialen Probleme nicht erschöpft sind. Es
folgt daraus insbesondere noch, daß die Korrelation von Mensch
; und Gott durch die ethischen Probleme der Handlung nicht zur
. Erfüllung gelangen.
Und die Eigenart der Religion, trotz ihres unerschütterlich
bleibenden Zusammenhanges mit der Ethik, wird erst dadurch in
/Vollzug treten, daß die Korrelation von Gott und Mensch die
i engere Bedeutung zum Menschen, als Individuum und als Ich,
i annimmt. Die Frage also nach der Möglichkeit von sittlichen
Problemen für die Handlung, nachdem dieselben an dem Mitmenschen
vollzogen sind, kommt daher so zur Lösung, daß zwar in bleibendem
Zusammenhang mit der Ethik, aber über ihre Probleme hinaus für
die sittliche Handlung eine Begründung/ Zubereitung und Sicherung
zu schaffen sein wird, welche die Ethik an sich in den Grenzen ihrer
Methodik nicht geben kann: für deren Herstellung aus und an den
Methoden der Ethik die Religion sich erhebt und ihre analoge
Methodik entwirft.
4. Blicken wir zurück auf das soziale Problem der Armut, so
entstand die Möglichkeit der Liebe, als Mitleid, aus der Ablehnung
jeder Frage nach der Schuld des Menschen und jedes Interesses an
dieser Frage. Sie erschien als ein Rudiment des Mythos auch in der
^' Metaphysik. Jedenfalls mußte sie- als ein Hemmnis für das
Lebendigwerden der sozialen .L ^ werden. Wenn die
Schuld überhäupt in Frage kommt, so ergibt sich aus ihrem Ge-
1S»3

sichtspunkte nur etwa die Lösung, daß sie durch einen feindlichen
-Gegensatz zur Armut herbeigeführt wird, niemals durch die Armut
.selbst.
Indessen selbst‫ ׳‬diese reagierende Lösung zeigt es, daß die
‘Schuldfrage nicht schlechthin beseitigt werden kann. Steht es nun aber
.so, dann verdient nicht minder der ]Reichtum die Liebe des Mitleids;
damit auch von ihm wiederum . die Schuld abgewendet würde.
Indessen soll doch durch die soziale Liebe sicherlich nicht Recht
und Gerechtigkeit aufgehoben werden. Wenn nun aber im Recht die
‫׳‬Schuldfrage aufrechterhalten werden muß, wie immer sie gegen das
Individuum gestellt wird, so ist damit bewiesen, daß sie auch für
die Ethik als Problem bestehen bleibt. Und wenn sie für die
Ethik bleibt, sollte etwa die Eigenart der Religion der Ethik gegen-
über darin bestehen, daß sie zu sagen befugt wäre: das Schuldbuch
des Menschen sei vernichtet? Sollte die Korrelation von Mensch
und Gott eine solche Ablösung von einer ethischen Grundfrage des
Menschen, welche die Grundlegung des Rechts bildet, zu fordern
haben ?
Gegen diese Möglichkeit richtet sich die Eigenart der Religion
bei ihrem bleibendem Zusammenhänge mit der Ethik.
5. In unserer Ethik des reinen Willens haben wir dem S tra fre c h t
die Begründung gegeben: daß dem Richter nur zustehen darf die
Ermittlung des Verbrechens nach der Definition des Gesetzes und
•demzufolge die Bestrafung des Verbrechers. Abgewehrt dagegen
muß die Befugnis vom Richter werden: daß er mit dem Schuldig
auch über die Schuld des Menschen das Urteil zu sprechen hätte.
Wenn nun aber diese genaue Unterscheidung eingeführt werden
muß zwischen dem Urteil des Richters über das Schuldig auf Grund
der dem Paragraphen des Gesetzes entsprechenden Ermittlung des
Tatbestandes und dem Urteil über die Menschenschuld, so darf die
letztere nicht etwa als erledigt gelten, vielmehr wird sie dadurch
erst zu genauer Deklaration kommen können. Vom R ic h ter h in -
w eggenom m en, h a t der V erb rech er se lb st sie au f sich zu
n eh m en , und nur mit dem Verlust seiner vollen Zurechnung kann
er sich ihrer entledigen.
Der Verbrecher würde aufhören Mensch zu sein, wenn er auf
das Erkenntnis des Gerichtsarztes hin an seiner Willensfähigkeit ver-
zweifeln, müßte. Die Ethik kann ihn nun aber persönlich und
subjektiv von dieser Verzweiflung nicht befreien. Sie muß hier
13*
196

mit Mephisto sagen: er ist der Erste nicht. Die Geisteskrankheit iis
ihren verschiedenen Stadien und Abstufungen macht in der Tat die*
Z u re c h n u n g , also die Willensfähigkeit zu einer bedingten.
Wider diese Einsicht ist für die reine Ethik, sofern sie zur
Anwendung auf den Einzelfall schreitet, kein Kraut gewachsen. Sie
läßt sich zwar von diesen Schranken ihrer Anwendbarkeit ihre*
Grenzen nicht vorschreiben und zieht diese vielmehr nur gemäß•
ihrer Methodik für den positiven Begriff des freien Willens. Was
fängt sie aber mit dem armen Menschen an, der sich seiner Schuld
nicht entledigen darf, sofern für sein eigenes armes Bewußtsein,
der Vernunftwille, der freie Wille bestehen bleiben muß?
6. Hier liegt die Grenze der Ethik. Und wo die praktische Für-
sorge, wiefern sie in einem solchem Falle möglich wird, beginnt, da
berührt sie sich mit der Religion. Wenn der Mensch, dem Tat-
bestände nach als Verbrecher deklariert, in der engeren Korrelation!
von Mensch und Mensch sich nicht mehr für sich selbst zu helfen,
vermag, da entsteht ihm in dieser schwersten Notlage das Problem*
seines Ich, und da stellt die Korrelation von Mensch und Gott die
einzige Möglichkeit zum Beistand dar.
So sehen wir, daß selbst die Rechtspflege die Notwendigkeit der
Schuld- aufrechterhält: nur nicht beim Richter, desto mehr aber
beim Verbrecher. Und aus dieser Sachlage ergibt sich zugleich die
Notwendigkeit, daß der freie Wille aufrechterhalten werden muß::
der Schuld wegen; also durchaus nicht als Illusion, wenngleich als•
Fiktion. Diese Fiktion aber ist die Grundlegung der sittlichen Hand-
lung überhaupt. Und wenn wir sagten, daß die Eigenart der
Religion in dem Problem der Schuld und in ihr an dem Problem
des Individuums entsteht, so sehen wir jetzt, daß diese Eigenart
der Religion im genauen Zusammenhänge steht mit den Grundlagen,
der Ethik.
f Wenn der Mensch das Bewußtsein seiner Schuld nicht von sich!
^abtun darf, so ist es die Ethik selbst, welche ihn an die Religion,
an die Korrelation mit Gott verweist. Die Ethik kann nur die*
Grundlegungen errichten, welche ihre Möglichkeit bedingen. Über
die Schranken ihrer Anwendung zu verfügen, widerspricht der Ein-
sicht in ihre Grenzen. Der Mensch sieht in die Augen, Gott allein
in das Herz. Schuld und Verdienst des Menschen bleibt dem
Menschen verborgen. Daran ist nicht die Ethik schuld, sondern
die Wissenschaft, die wiederum von der Logik ihre Grenzer!
197

-empfangt. Pur . die Ethik ist der Mensch daher am letzten Ende, f
jetzt sieht man es deutlich, nur der Beziehungspunkt ihrer Probleme, j
Wie er auch für die Wissenschaft nur der einzelne Pall ihrer Gesetze ist. |
J^ur in Relation auf die Gesetze aber entsteht der Einzelne, und
zwar als nichts anderes denn als ein Fall.
Der Pall des Gesetzes aber ist nicht das Individuum, welches
sich selbst als ein Ich anspricht. Der Fall spricht nur das Gesetz
an. Das Individuum aber denkt sich isoliert und.also.. absolujL Und
in dieser Isolierung weiß es sich nun keinen Rat, dieweil es von
•dem Bewußtsein seiner Schuld sich nicht losspreclien kann und nach
seiner subjektiven Zugehörigkeit zum Reiche der sittlichen Wesen
sich'1'nicht, lossprechen darf. Wenn jetzt nicht die Korrelation z.u
‫׳‬Gott für ihn in Kraft träte, so wäre er schlechterdings für die
:sittliche Welt, für sein Bewußtsein in ihr verloren.
7. Wir wiederholen: wenn wir die Religion in Anspruch nehmen
für die Schuld des Menschen, und wenn wir ihr die Erzeugung des
Ich-Individuum zusprechen, so lösen wir damit nicht‫'"־‬ihren Zu-
sammenhang mit der Ethik, sondern machen diesen vielmehr erst
wirksam, so daß die Ethik selbst den Übergang zur Religion fordern
muß, in ähnlicher Methodik, wie sie auch für den Begriff Gott
•diesen Übergang zur Religion wird fordern müssen.
Religion ist es, die mit der Ethik diesen methodischen Zu-
sammenhang eingeht. Religion — nicht Mythos, noch Mystik.
Der Mythos hat einen seiner tiefsten Ursprünge im Begriffe
der Schuld. Sie ist das Verhängnis, das Fatum, dem die Götter selbst
unterworfen sind. Und aus dieser Ate, der Schuldverblendung, ist die
Tragödie erwachsen. Wenn wir nun aber der Religion vermittelst
der Schuld die Erzeugung des Individuums zuerteilen, so wird
sich hier wiederum die genaue Differenz von Religion und Mythos
heraussteilen. Bei der mythologischen Schuld ist der Mensch nicht
ein Individuum, sondern vielmehr der Sproß , seiner Ahnen. Und
auch die Tragödie übernimmt ihn in dieser Gebundenheit seiner
Abstammung, von der ihn abzulösen und von seiner vererbten
■Schuld ihn zu erlösen, die Aufgabe der Tragödie wird.
Auch die Bibel ringt mit diesem überkommenen Mythos: Gott
ahndet die Schuld der Väter an den Kindern. Aber die Bibel ringt
sich los vom Mythos durch die Aufrichtung der Liebe Gottes, und sie
verdankt dieser neuen Einsicht von Gott, daß der Unterschied hervortritt
zwischen der Strafe an den Kindern erstlich unter der Einschränkung
198

‫ ״‬wenn auch diese mich hassen“, sodann aber durch die Gegenüber-
Stellung zur Strafe ‫״‬bis ins dritte und vierte Glied“, dagegen die Er-
Weisung ‫ ״‬der Liebe bis ins tausendste, denen die mich lieben und
meine Gebote wahren“.■ Diese Ergänzung bringt der Dekalog zu der
Theophanie bei den zweiten Tafeln. (2. M. 34, 7) Immerhin aber
bleibt doch noch, wenngleich unter eigener Mitverschuldung, das
dritte und vierte Geschlecht der alten Anschauung verfallen.
Unter ihr ist daher das Individuum noch, nicht zur freien Er-
zeugung gekommen, überhaupt noch nicht, geschweige in der Be-
deutung eines Ich.
8. Die mythische Anschaunng belastet daher den Verbrecher noch
mehr als das Urteil der .forensischen Medizin. Diese kann noch
immer ein Heilmittel herbeiholen; das mythische* Bewußtsein da-
gegen macht ihn zum Enkel seiner Ahnen, und darauf gibt es nur
eine Auskunft: weh’ dir, daß du ein Enkel bist. Aeschylos voll-
zieht daher einen methodischen Akt des philosophischen Bewußtseins,,
indem er die Erinyen von der Athena absetzen, und somit eine
neue Gottheit an die Stelle der alten Bachegöttinnen treten läßt,
welche, wie eine echte Gottheit, einen Gerichtshof, den Areopag ein-
setzt. Die Ethik geht mithin auch bei ihm imdie Religion hinüber. So‫׳‬
hört Orestes auf, lediglich aus Tantalus’ Geschlecht zu sein. So•
wird er ein Individuum. Aber die Gottheit befreit ihn nur, indem
sie das alte Becht absetzt. Eigentlich also' befreit Athena nicht
sowohl den Orestes als Athen und sein Recht.
Es zeigt sich daher hier mehr der Zusammenhang der Tragödie■
mit der Ethik als der des Menschen mit der Religion. Und so wird
‫ ־‬auch Orest hier noch nicht zum Individuum, sondern er bleibt der
Bürger seiner Stadt, innerhalb der allein er von seiner Schuld befreit
wird. Auch hier entsteht daher noch nicht das isolierte Individuum,
dessen Absolutheit der Mehrheit und selbst der Allheit gegenüber für
das Ich gefordert wird. Für sein Ich erhält Orest keine Aufklärung
und keine Befreiung. Klytämnestra bleibt seine Mutter, die er er-
schlagen hat. Er *hat sie aus Ate erschlagen, und die Erinyen werden
mit sittlichem Rechte vertrieben. Aber warum ist er dieser schrecklichen
Verblendung zum Opfer gefallen? Darauf kann er keine andere
Antwort sich geben, als welche seine Abstammung ihm erteilt.
Sein Individuum also löst sich in sein Geschlecht auf, mit dem er
[verwachsen bleibt. Im Mythos kann das Individuum als Ich nicht
:/entstehen.
i
*
199

In der Tragödie klingt der Mythos ja nur aus, begonnen aber


hat er nicht einmal mit der Aulstellung der Schuld. In seinem
Beginne unterscheidet der Mensch noch nicht zwischen gut und
schlecht, sondern seine Macht ist sein Recht. Und seine Vorbilder
sind ihm seine Götter, die ebenfalls nur nach ihrer Laune handeln.
Es ist schon ein höheres Stadium, wenn das Gefühl des Unglücks
über ein begangenes Unrecht in sein Bewußtsein einfällt, und ein
höheres noch, ‫־‬und- wenn er gar die Schuld als das Erbteil seines
menschlichen Daseins erkennen lernt. Auch in Griechenland geht mit
dem Aufdämmern dieses Unglücksgefühls der Polytheismus in die
Ahnungen der Religion über. Und mit der o rp h isch en Theologie
tritt P la to n in Verwandtschaft und in inneren Zusammenhang.
9. Das älteste mythische Symbol, durch welches die Korrelation
zwischen dem Menschen und den Göttern vollzogen wird, ist das
Opfer. Ursprünglich wird es der Gottheit dargebracht, deren Neid
und Häß ((pdovsQÖv xö dslov) man fürchtet und mit dem Opfer zu
beschwichtigen strebt. Wenn jetzt nun das Schuldbewußtsein des
Menschen eintritt, so bedarf er des Opfers nicht mehr allein gegen den
Neid der Götter, sondern auch zu seiner eigenen Reinigung von diesem
ihn befleckenden Bewußtsein. Die Götter werden damit zu Hütern
der Sittlichkeit, deren Verletzung der Mensch sich schuldig fühlt.
Auch das Opfer erhält dadurch eine andere Bedeutung und ein
anderes Ansehen.
Denn wenn es zunächst selbst auch nur der Götter wegen
noch dargebracht wird und noch gar nicht ausdrücklich der Menschen
selbst wegen, so empfängt es doch durch den anderen Charakter der
Götter auch selbst einen anderen Charakter. Es muß schon zu
einem Mittel der Läuterung werden, wenn sein Erfolg die Be-
freiung von der Schuld sein soll. Mag selbst diese Läuterung sich
noch auf die Götter beziehen, so muß sie doch auch auf den
Menschen sich übermitteln, wenn dieser von seinem Schuldgefühl
befreit werden soll. Indessen bleibt trotz alledem an dem Opfer die
Unklarheit noch haften, daß die bloße Tatsache schon fähig. gedacht
wird, diese Befreiung zu erwirken. Also sind die Götter doch zu
bestechen. Und also besteht die Korrelation zwischen dem
Menschen und den Göttern nur insoweit, als die Götter die Macht-
befugnis haben über das Schuldbewußtsein des Menschen, und daß
sie diese ausüben können in Gemäßheit der Geschenke, welche der.
Mensch ihnen darbringt.
200

Eigentlich sind also durch das Schuldbewußtsein nur die


Menschen besser geworden, während die Götter neidisch geblieben
sind, was ihre Bestechlichkeit beweist. Oder sollten etwa die
Götter nur als Dokument der menschlichen Besserung durch das
Schuldbewußtsein das Opfer fordern? Darüber bleibt völlige Dünkel-
heit innerhalb des Polytheismus, und nur bei Platon vielleicht ringt
sich einiges Licht über diese Dunkelheit empor.
10. Es scheint unabtrennbar von der Solennität des Tieropfers, als
Kultus, diese Zweideutigkeit zu sein: daß für das tiefste Bewußtsein
im Menschen eine Leistung am Tiere eingesetzt wird. Dies möchte der
Grundfehler am Tieropfer sein: diese Austauschung des Menschlichsten
durch das Tierische. Und dabei ist das Tieropfer schon die Fort-
Setzung und Abschaffung des Menschenopfers. Aber auch als Ersatz
bleibt im Tieropfer die Vermischung des Geistigen mit dem
Materiellen der unverbesserliche Grundfehler.
11. Unter den Wundern, welche.für die geschichtliche Auffassung
mit dem Wunder des Monotheismus verbünden sind, steht doch
vielleicht an erster Stelle der Kampf der Propheten gegen das
O pfer. Wenn man bedenkt, wie nicht nur die gesamte Antike am
Opfer hängt, sondern wie der Gedanke des Opfers auch eine Grund-
läge des Christentums bildet, und wie endlich dieser Gedanke die
verzweigtesten Abwandlungen gefunden und lebendig erhalten hat
auch im freieren modernen Bewußtsein, wie inan nicht nur jedes
Verhängnis, sondern sogar auch die angeblich freie sittliche Hand-
lung als ein Opfer, wenn nicht an das Schicksal, so doch wenigstens
an die Pflicht aufzufassen fortfährt, so wird es schier unbegreiflich,
wie die-Propheten hier den Aberglauben und das Heidentum bei
den Hörnern zu fassen verstanden, und wie sie in dem Opfer die
Wurzel des Götzendienstes erkannten.
12. Man darf dieses Wunder nicht dadurch verringern, daß man
das Opfer mit dem Gottesdienste des Kultus überhaupt vertauscht,
und entweder aus der Verwerfung des Opfers die des Kultus über-
haupt folgert, und die Verwirklichung dieser Folgerung in den Ge-
danken der Propheten entweder bejaht oder verneint. Opfer und
Kultus *hängen zwar zusammen, fallen jedoch keineswegs in eins zu-
sammen. Der Kultus überhaupt, der Gottesdienst in einer Tempel-
feier, sofern eine solche schon bestand, brauchte nicht grundsätzlich
von ihnen verworfen zu sein, um die Verwerfung des Opfers grund-
sätzlich durchzuführen. Und wo die Andeutung einer solchen
201

Konsequenz zu erkennen sein mag* so muß sie nicht als die Be-
stätigung für die alleinige wahrhafte Überwindung des Opfers angesehen
werden. Selbst Micha fordert in dem bekannten Spruche nicht
.allein die menschliche Sittlichkeit, sondern auch das ‫ ״‬demütige
Wandeln mit deinem Gotte“. Worin besteht es? Wie denkt es sich
der Prophet? Weist das Wort nicht hin auf eine isolierte Hingebung
:an den Gedanken, an die Forderungen Gottes, auch wenn diese nur
auf die Sittlichkeit Bezug nehmen? Und was i.st diese isolierte
Hingabe im demütigen Wandel- mit Gott anderes als eine Feier
Gottes?
Eine andere Frage ist es* ob die Propheten durch ihre Polemik
gegen das Opfer zur Einrichtung eines Gottesdienstes in besonderer
Feier hätten bewogen werden müssen. Diese wird man verneinen
können. Man unterschätzt, man verkennt überhaupt die Macht des
herrschenden Brauches,‫ ־‬den das Opfer, als öffentlicher Kultus, bildete,
wenn man aus der Verwerfung des Opfers die Folgerung zieht von
*der mitbedingten Verwerfung des öffentlichen Kultus. Diese
Folgerung widerspricht allem geschichtlichen Sinn, und wo. wie
gesagt, eine Andeutung von solchem Zusammenhänge sich an ein-
zelnen Stellen finden mag, da zeugen diese zwar für die Konsequenz
der Gedanken auch im Geiste der betreffenden Propheten, aber bei
diesen selbst beweisen sie damit noch keineswegs die völlige Abr
sage an den Gottesdienst des Kultus. Für die Entwicklung des
Prophetismus, und zwar in seinen wichtigsten sittlichen Reformen
müssen wir an dieser Unterscheidung festhalten.
Der Kampf gegen das Opfer ist Wunders genug; er bedarf
nicht noch der Ergänzung durch den Kampf gegen den Kultus. Es
wird fraglich werden, ob dieser eine Ergänzung, und nicht vielmehr
eine Verflachung und Vereitelung wäre.
13. Es könnte nun aber scheinen, daß, wie die Propheten mit dem
Opfer nicht den Kultus überhaupt bekämpft haben, sie auch über-
haupt das Opfer an sich nicht bekämpft hätten, sondern nur seine
Verbindung mit dem sittlichen Unrecht. Nur die Verbindung von
Unrecht und Opfer könnten sie zu bekämpfen scheinen, nicht aber
«das Opfer an sich; denn nur das Unrecht läßt keine Verbindung
zu mit der Verehrung Gottes: worin aber widerspricht das Opfer
dem Begriffe dieser Verehrung?
Jesaja sagt in seinem ersten Kapitel; ‫״‬Ich vertrage nicht Unrecht
und Festfeier“. (Jes. 13). Aber er fährt auch fort: ‫״‬auch wenn
202

ihr häufet das Gebet-, so höre ich nicht: eure Hände sind von*
Blute voll.“ So wäre denn auch das Gebet zugleich mit dem
Opfer verworfen, weil die Verbindung beider mit dem Unrecht,
mit der Blutschuld unverträglich ist? Und so wäre denn auch nur
durch solche Verbindung das Opfer ‫״‬ein falsches Speisopfer, ein
Bäuclierwerk des Greuls“ (Jes. das.), und es bliebe also etwa doch
die Möglichkeit eines wahren Opfers bestehen?
Die Frage schon ist unhistorisch, und ebenso auch psycho-
logisch irrig. So darf man nicht gegen die unverkennbare Originalität
großer Gedanken fragen. So darf man nicht den Urhebern neuer
großer Gedanken in alle Winkel und Durchgangswege ihrer Seele
hineinspähen wollen, sonst verdunkelt man sich die Hauptrichtungr
welche diese neue Seele verfolgt. Wie könnte Jesaja seine Beden
mit dieser Polemik beginnen, und wie könnte er sie so sehr ins Ein-
zelne durchführen, wenn er nicht den inneren Schaden des Opfers*
durchschaut hätte, der für ihn in dem m y th o lo g isch en U r-
s p ru n g des Opfers besteht. Das Opfer ist das Opfermahl, das sich«
auch bei den Israeliten erhalten hat. Und wie die Baalsverehrer
mit ihren Göttern dieses Mahl halten, bei welchem sie ihrem Trotz,
fröhnen und den Triumph ihres Machtbewußtseins und ihres Lebens-
gefühls feiern, so sind die Götzendiener in Israel vielleicht angst-
licher geworden, so daß sie den Beistand ihres Gottes herbeisehnen‫׳‬
in ihrem Festesjubel, aber wofür verlangen sie den Beistand? Etwa
für ihr sittliches Leben, oder aber zur Fortführung ihres Unrechts ?
Die Propheten erkannten, daß es nur der Aberglaube ist, der die‫־‬
Opferfeier ernster und düsterer gemacht hat, und daß nur Schutz
für die Sicherung ihres unsittlichen Verhaltens, in dem sie verharren
wollten, von dem sie sich gar nicht losmachen zu können glaubten,,
das Opfer entsagender und freigiebiger ausgestaltet hatte. Daher
konnte der Gedanke der Propheten gar keine andere Bichtang
nehmen als in die Alternative: entweder Opfer, dann aber ver-
bleiben im Unrecht — oder Verwerfung des Opfers und damit Be-
freiung vom Unrecht.
Man lese nur das erste Kapitel das Jesaja von I, 10—20, mit
welcher . Ausführlichkeit dort die Verwerfung des Opfers, allerdings•
zugleich mit aller Festfeier, die aber eben auf dem Opfer beruhte,,
geschildert wird. ‫ ״‬Eure Versammlungen und Festzeiten haßt meine
Seele, sie sind mir zur Mühe, ich bin milde es zu ertragen.“ Vor-
aufgegangen waren die Verse, welche die Opfer spezialisierten: ‫״‬Icli
203

bin satt der Brandopfer der Widder und des Fettes der Masttiere
und des Blutes der Kühe, der Lämmer und der Böcke, ich mag es
nicht.“ So kann man nicht die Ablehnung spezialisieren und dabei
verhöhnen, wenn man nicht im Prinzip über die ganze Einrichtung
hinausgewachsen ist.
14. Amos versteigt sich sogar zu der historischen Frage: ‫״‬Habt ihr
Schlachtopfer und Speisopfer mir dargebraeht in der Wüste vierzig
Jahre?“ (4, 4). Er will also die Opfer als eine nichtmosaische
Feier verdächtig machen. Und diesen Gedanken, führt Jeremia
durch: ‫״‬Ich habe nicht geredet mit euren Vätern yon Angelegen-
heiten des Brandopfers und des Schlachtopfers, als ich sie heraus-
führte aus dem Lande Ägypten.“ M aim o.nides, der auf diesem Ge«
danken seine ganze Kritik der Opfergesetzgebung aufbaut, gibt die i
positive Fortsetzung des Gedankens durchaus dem Deuteronomium j
gemäß, indem er die Gesetzgebung von Satzung und Recht m [
Mara an die, Stelle, der Opfergesetzgebung einsetzt. 1
15. Selten wohl ist in der . Geschichte sittlicher, geistiger Ideen
überhaupt mit einer solchen Klarheit und Deutlichkeit, mit einer
solchen Schärfe und Genauigkeit ein völlig umwälzender Gedanke
ausgesprochen und durchgeführt worden, wie die Propheten den
vorwiegenden rein sittlichen Charakter des Monotheismus in dieser
rückhaltlosen Bekämpfung des Opfers zum scharfen Ausdruck gebracht
haben. Alle Unterschiede, die sich sonst im Stil der Propheten
finden, und die man zu großen. Differenzen in Bezug auf das End-
ziel ihrer Verheißungen über H e il und U n h eil ausdeutet, sie treten
alle zurück gegen diesen einheitlichen Grundzug, den wir daher als
den des Prophetismus bezeichnen dürfen. Und was dawider zu
sprechen scheint — wir werden es alsbald eingehend zu würdigen
haben. Denn daß ein Gegenmotiv auch gegen diesen Grund-
gedanken sich hatte erheben müsse, das hat ja schon die Schwierigkeit
erkennen lassen, welche uns in der Frage nach dem Verhältnis des
Opfers zum Kultus überhaupt entgegentrat.
16. Wozu aber kann der Kultus überhaupt dienen? Diese Frage
kann doch nicht mit dem Hinweis auf die Isolierung des Ge-
, mütes für den Gedanken an Gott beantwortet sein, wie sie die
Forderung des demütigen ,Wandels mit Gott geltend zu machen
scheint. Oder sollte der Gottesdienst, sofern die Propheten über-
haupt ihn nicht angriffen, oder sogar ausdrücklich förderten, wie wir
sehen werden — sollte er etwa auf die Einsamkeit des P ie tis m u s
204

gerichtet sein, und nicht der ‫״‬Versammlung“ dienen, diesem Grundwort


des Mosaismus, und der G em einde, diesem Grundworte des Deuterono-
miums, welches E sra zur Ausführung brachte? — sollte der soziale
Geist der Propheten am Gottesdienste einem solchen Widerspruch
verfallen sein?
Wenn der Prophetismus überhaupt mit dem Kultus eine Ver-
einbarung eingehen konnte, so mußte sie in Übereinstimmung
stehen mit dem Grundgedanken des Mitmenschen, mit dem Ge-
danken also; daß der Weg zum Individuum über den Mitmenschen
führt, und daß daher der Weg zum Ich, welches in Isolierung
seinem Gotte nachhängt, vielmehr nur auf Grund der Verbindung
mit dem- Mitmenschen sich öffnet und daß-für das Ich seine Versenkung
in Gott nur in jener Verbindung gegründet werden kann.
17. Wenn wir nun aber bei der‫ ׳‬Verwerfung des Opfers den Kultus
dennoch aufrechterhalfen, so stellen wir uns auf einen schwierigen
historischen Kreuzweg. Und um es vorwegzunehmen, daß wir nicht etwa
nur spekulative Folgerungen hier ausdenken, stellen wir uns sogleich
vor
o
das historische Problem,‫ ׳‬welches Jech‫י‬
esk o l . mit seinen Nach-
folgern darstellt. Er verwirft nicht das Opfer: fällt er daher etwa
ab von dem Grundgedanken des Prophetismus? Gibt es nur eine
Art der Bekämpfung des Opfers, welche schlechthin seine Be-
seitigung fordert? Oder aber wäre eine Bekämpfung des Opfers
denkbar, welche seine innerliche Umformung anstrebt? Und wäre
diese Bekämpfung der Kritik und der Reform auch noch die
Wahrung des prophetischen Geistes?
Die Frage kann positiv nur beantwortet werden auf Grund der
Ideen und Einrichtungen, welche eine solche Kritik und Reform zu
entdecken und durchzuführen vermag. Denn um die Entdeckung neuer
Ideen muß es sichhandeln, wenn die Kritik zu einer Folgerung
kommt, welche der bisherigen auf Abschaflung des Opfers wider-
streitet. Wenn nun aber der Kampf einer neuen Idee gegen eina
alte historische, national gewordene Einrichtung das historische
Problem bildet, so wiederholt sich hier eine Streitfrage, welche auf
allen Gebieten . und bei allen Völkern in allen Zeitaltern sich
wiederholt. Überall entsteht die Frage, ob die alte Idee, wenn sie
in einer hergebrachten Einrichtung bekämpft wird, ob sie dadurch
auch gänzlich verdrängt und beseitigt werden soll, oder ob es viel-
mehr zum Problem wird, daß eine neue Idee mit der alten Ein-
richtung sich zu vereinbaren sucht.
205

Es ist ja dann gar nicht ausschließlich die alte Idee, um die es


sich handeln kann, sondern eine neue Idee tritt mit ihrem Anspruch auf,
und es wird zu einer neuen Frage: welche der beiden Ideen den größeren
Wert hat, oder ob vielleicht sogar die alte Idee nur der Ergänzung
bedarf durch die neue, so daß die an der alten Einrichtung von der
• neuen Idee geübte Kritik durch diese neue Idee selbst erst zu ihrer
Reife und Vollendung gelangen kann.
18. Die Kritik des Opfers war doch vielleicht unvollständige
zumal sie ja mit dem Opfer auch den Kultus auszuschließen scheinen
könnte. Wenn nun eine Idee notwendig wird — etwa für den Be-
griff des Menschen, — welche die Verbindung mit dem Kultus
fordert, so könnte diese ja vielleicht imstande sein, auch die Gründe
‫ ׳‬zu widerlegen oder einzuschränken, aus welchen die Verwerfung des
Opfers entsprang. Es wird alles darauf ankommen, welcher Wert
der neuen Idee beiwohnt, und ob- sie der alten Idee schlechterdings
widerstreitet, oder aber vielmehr diese erst zur Vertiefung und
Vollendung bringt. Auf, die neue Idee kommt es an, nicht aber
allein auf die alte Einrichtung. Ist die neue Idee notwendig, so ist
ihre Vereinbarung mit der alten Einrichtung bedingt durch die
innere Umgestaltung derselben durch die neue Idee. Und nur dies\
kann die Frage werden, ob die alte Einrichtung einer prophetischen
Umgestaltung überhaupt fähig ist. Von der Antwort auf diese
Frage hängt zwar nicht die sachlich religiöse, aber die historisch;
religiöse Bedeutung des Opfers ab. 1
Nicht der logische Zusammenhang der Begriffe selbst, sondern
der historische Zusammenhang der Begriffe mit den Einrichtungen
entscheidet über die geschichtliche Notwendigkeit der Ideen. Der
Philosoph darf sich zwar vom Verlaufe der Geschichte weder die
Stellung, noch etwa gar die Lösung seiner Probleme vorschreiben
lassen. Aber eben so wenig darf er der Geschichte vorschreiben T
wie sie ihren Verlauf hätte nehmen müssen.
19. Die Geschichte des Prophetismus verläuft beim Opfer in
zwei Wegen. Der eine hält sich in der Verwerfung des Opfers, der
andere hingegen geht auf seine Verwandlung; die Umgestaltung
wird Verwandlung. Und es fragt sich; ob solche Verwandlung
nicht die beste Art der Vernichtung ist. Dann bliebe bei dieser Bei-
behaltung dennoch die alte Bekämpfung in Kraft. Solche Fragen
stellt die Sondergestalt Jecheskeis unter den Propheten. Und seine
Art ist typisch für die Propheten des Exils.
206

20. Es handelt sich bei dieser^Frage um das allgemeine Problem


Tom Verhältnis der Id een zu den Einrichtungen, wie es für den
Materialismus oder Idealismus der Geschichtsforschung und Ge-
Schichtsbeurteilung auftritt. Und insbesondere noch wird es ein
Problem der allgemeinen Geschichte!:‫ ׳‬. öb die Verstrickung eines
neuen fortschreitenden Motivs nebst der erforderlichen Polemik'
gegen das alte nicht dennoch mit einem Residuum des alten ver-
bunden bleiben muß, insofern dessen Fruchtbarkeit und Entwicklungs-
!kraft nicht entbehrt werden kann. Auch in dem Geiste selbst, der
das neue Motiv heraufbringt, lebt noch die/Nachwirkung der zu be-
kämpfenden Einrichtung fort. In der Entwicklung behält das alte
Motiv sein Eecht in dem neuen, behält es seinen Anteil an der
Entwicklung zum neuen. So bleibt die neue Idee selbst mit der
alten auch dann verbunden, wenn sie die alte Einrichtung nicht
schlechterdings beseitigt, sondern nur verwandelt.
Das Opfer ist ja nicht der einzige Streitfall im Prophetismus:
‫«׳‬es wird inbegriffen im G esetz. Beim Deuteronomium macht es die-
selbe Schwierigkeit, ob das Gesetz in ihm festgehalten wird, obgleich
•es in das ‫ ״‬Herz verlegt wird“ ; ob das Gesetz dennoch im Wider-
spruch stehe mit dem ‫״‬neuen Bund“, und ob daher die neue Lehre
haltlos würde, sofern sie mit dem Gesetz verbunden wird. Es ist
/‫׳‬die große geschichtliche Frage, ob die neue Lehre der sittlichen
:‫] י‬Religiosität überhaupt auch nur zur geistigen, geschweige zu einer
j geschichtlichen Verwirklichung hätte gebracht werden können ohne
!.«die Anknüpfung an das Gesetz unter der Voraussetzung seiner
! inneren Verwandlung der neuen Lehre gemäß.
21. Die moderne Bibelforschung ist dieses Gesichtspunktes sehr
bedürftig für das Verständnis der D eu tero n o m iu m s, in dessen
Würdigung sie haltlos hin und her schwankt bei der Verteilung von
Licht und Schatten. Sie bedenkt nicht, wie in der realen Ge-
schichte Licht und Schatten zusammengehören•, wie es die Materie
der menschlichen Dinge und Verhältnisse ist, an der das Licht
und also auch der Schatten hängt. Diesem Notgesetz haben sich alle
großen Reformer auch in der Geistesgeschichte unterwerfen müssen.
Und der größte und reinste der Idealisten, P la to n , hat sogar m
-■seiner Republik und nicht allein in seinen Gesetzen, dieser Anomalie,
diesem Verhängnis im Reiche des Geistes seinen Tribut gezollt.
Die Id een sind nach ihrem logischen Inbegriffe zu ent-
falten. Li dieser Deduktion muß die Philosophie der Geschichte
207

ihren Weg vorschreiben. Aber sofern die Philosophie deh Weg der
Geschichte verstehen will, hat sie die Wechselwirkung der Ideen zu
erforschen, welche der Lauf der Geschichte herbeiführt. Und ihr
Werturteil wird daher nicht isoliert bleiben dürfen auf die
Deduktion des einseitigen Prinzips, sondern sie muß die Gegen-
Wirkung der Motive in Erwägung nehmen, und auf die resultierende
Kraft der Gesamtwirkung hat sie ihr Werturteil zu begründen. So
fordert es die wissenschaftliche Methodik überall.
Und so kann nun auch das Urteil über den Prophetismus im all-
gemeinen, wie in seinen einzelnen Leistungen, sei es im Deuteronomium,
am Gesetze, sei es am Opfer, nur dadurch ein geschichtliches werden,
daß nicht eine dogmatische Einseitigkeit die Erforschung und die
Würdigung leistet, sondern daß die Einseitigkeit überhaupt verdächtig
wird für die geschichtliche Methode. Denn die Geschichte arbeitet nicht
nach isolierten Motiven, sondern durchaus überall in einer sehr ver-
schlungenen Wechselwirkung. Fortschritt, Rückschritt, Stillstand,
alle diese Momente sind unsachlich. K o n tin u itä t allein ist ein
methodischer Wegweiser. Für diese aber gibt es keinen Stillstand
und keinen Rückschritt, sondern immer nur den Fortschritt, der der
wahrhafte und einzige ist; der auf der Kontinuität beruht, die
jedoch von den Zufälligkeiten und Äußerlichkeiten des Vor und
Nach, ja des Zugleich selbst unabhängig ist, sie alle überwindet
und durchdringt.
Die Kontinuität kann aber nur dadurch ein Prinzip der Ge-
schichte werden, daß für alle Ideen und für alle Einrichtungen
d.er Geschichte, welchen Widerspruch immer sie gegen einander
an sich zu tragen scheinen, eine Gemeinschaft und eine Wechsel-
Wirkung angenommen und zur Aufgabe gestellt wird. Sobald ein
isoliertes Prinzip, zumal wenn es ein negatives ist, wie die Be-
kämpfung des Opfers, einseitig zu einer Idee des Prophetismus
gemacht wird, so ist es methodisch schon dadurch verdächtig.
Wenn der Prophetismus ein geschichtliches Problem bildet, so kann
nicht ein isoliertes einseitiges Prinzip in ihm das vorherrschende sein.
Auch das positive Gegenmotiv aber, welches in der wahrhaften Gottes-
Verehrung durch die soziale Sittlichkeit besteht, bedarf selbst der
Ergänzung. Die soziale Sittlichkeit selbst bedarf der Ergänzung.
Der Mitmensch muß weiterführen zum Individuum und zum Ich.
Die Korrelation mit Gott darf nicht nur bezogen bleiben auf den
Mitmenschen.
208

22. Mithin wird in dieser Korrelation auch der Begriff von


Gott noch ein anderer werden müssen, ebenso wie der'Begriff
vom Menschen. Mithin wird auch die Verehrung Gottes noch eine
andere werden müssen. Und wird damit nicht etwa auch die
Folgerung, notwendig, daß sogar die Sittlichkeit, welche den Grund
der Gottes Verehrung bildet, eine andere werden muß? Bisher war
sie nur eine soziale. Wenn jetzt nun das Problem des Menschen
ein anderes wird im Individuum und im Ich, so rollt die Geschichte
die große Frage auf: ob nicht vielleicht die Differenz Je c h e sk e ls von
den anderen Propheten in seinem Verhältnis zum Opfer seinen
letzten Grund hat in dem neuen Verhältnis Jecheskels zu dem neuen
Begriffe des Menschen und demzufolge auch zu einem neuen Begriffe
von Gott.
Vor dieser Konsequenz zurückzuschrecken, wäre ein Fehlgriff in
der methodischen Anwendung des Prinzips der Entwicklung, dem
kein Begriff des Geistes entzogen werden darf. Wenn anders daher
Jecheskel eine Entwicklung zu vollziehen berufen war an dem B&-
griffe des Menschen, so enthält diese Berufung zugleich die auf die
Entwicklung des Begriffs von Gott in sich.
Kapitel XI.

Die Versöhnung.
1. Die soziale Sittlichkeit, wie sie in Übereinstimmung mit dem
Deuteronomium von allen Propheten bis auf Jecheskel zur Haupt-
:Sache des Monotheismus gemacht wird, sieht im Problem des Menschen
nur das des Mitmenschen. Der Mitmensch selbst aber macht die Vor-
aussetzung des Menschen, von dem der Mitmensch angezogen wird.
Diese Voraussetzung jedoch wird stillschweigend gemacht, und es
schwebt der vorausgesetzte Mensch vollständig im Dunkel des
Hintergrunds. Nur durch das Du soll das Ich zur Erzeugung
kommen können. Das ist bei ihnen allen der leitende Grungedanke.
Aber ist denn etwa das Ich nur das Fazit des Du? Oder bildet
nicht vielmehr das Du zwar die notwendige Vorbedingung, aber
nicht die hinlängliche schöpferische Kraft, die aus dem Ich selbst
hinzukommen muß, aus noch anderen Problemen, die es in sich
•enthält. damit es zu einer positiven Erzeugung gelange?
2. Dasich ist vorab das In d iv id u u m . In der Reihe des Mit-
menschen jedoch konnte das Individuum noch nicht erstehen. Das
Individuum bildet ein Problem, an welchem die Eigenart der
Religion hervortritt im Unterschiede von der Ethik. Und diese
Eigenart hat bisher die Religion in der sozialen Liebe zum Mit-
menschen noch nicht zu stände gebracht.
Sofern die Ethik auf der A utonom ie des Willens beruht, kann
es scheinen, als ob ihr und ihr allein die Erzeugung des Indivi-
duums zustehe und gelinge. Bedenken wir jedoch, daß das freie
Individuum der Ethik, wenn man es selbst nicht aufgehen läßt in
relativen Gemeinschaften der Mehrheit, sondern seiner idealen Voll-
‫־‬endung gemäß auf die Allheit hin dirigiert und projiziert, sich
eben damit als Individuum in die Allheit auflöst.
Diese Auflösung des Individuums ist der höchste Triumph der Ethik.
Das ethische Individuum geht unter als isoliertes Einzelwesen, das im
U
210

iStoffwechsel...seinen Lebensgrund hat, und es vollzieht seine Auf-


ierstehung im Ich des Staates und vermittels des Staatenbundes in»
der Menschheit. Dies ist der Höhenzug der Ethik für das menschliche-
Individuum. Und diesem Zuge schließen sich auch die Propheten
/der sozialen Sittlichkeit in ihrem messianischen Monotheismus an
Das Individuum, als Einzelmensch, verschwindet vor ihrem Fern‫״‬,
blick auf die Menschheit. ‫״‬Lasset ab vom Menschen, denn wofür ist
er zu achten?“ Dieses Hamletwort ist dem Jesaja keineswegs ent-
schlüpft (Jes. 2,22) sondern sein Enthusiasmus für den einzigen
Gott hat ihn zu dieser Menschenverachtung seines Zeitalters gebracht.
Mit solchem Urteil aber über die Menschenart kommt man nicht
zu dem Problem, welches dennoch der Einzelmensch stellt, abgesehen
davon, daß es würdig sei, sich in die Allheit emppr zuschwingen. Auel!
der Mitmensch muß erst Mitindividuum werden, erst dann kann
*der Mitmensch entstehen.
Was ist am letzten Ende alle soziale Sittlichkeit, wenn sie-
nicht auf das Individuum gegründet wird? Hat nicht die soziale-
Sittlichkeit die individuelle zur Voraussetzung, ohne die sie eine•
Abstraktion bleibt, von der sie selbst durch die Beziehung auf
den Staat nicht befreit wird. .Denn auch dieser wird erst konkret
in den Individuen, und die Individuen erst machen die Persönlichkeit
des Staates lebendig, wenngleich sie in dieser aufgehen müssen.
Auch der Staat muß zur idealen Person, mithin zum wahrhaften
Individuum werden.
3. Die Eigenschaft des Menschen, wegen der Jesaja ihn verwirft,.
[sie gerade bezeichnet den Weg, auf welchem er zum Individuum
wird. Und gerade diese Eigenschaft wiederum übersehen die sozialen
;Propheten für das Individuum, da sie sie nur als eine Eigenschaft
•jder Menschen in ihrer Mehrheit erkennen: die menschliche Eigen-
Ischaft der Sünde.
Vom soMalün^Gesichtspunkt geleitet, haben sie ja Recht Die-
Sünde scheint das Erbteil der Menschen. Neid und Gewalt, Lug.
.und Trug, Machtgelüst und Habsucht,; Überlistung und Ver-
schwendung, Sinnehlust und Herrschsucht erfüllen den Menschen in
seiner, sozialen Mehrheit. Aber ist denn nicht die Mehrheit ein
Abstraktum? Kann sie selbst etwa ;die Sünde hervorbringen?; Oder
bilden Individuum und soziale Mehrheit schlechterdings eine Zwick‫״‬
mühle, so daß die Frage wechselseitig; von den beiden Gliedern auf‫״‬
einander verschoben wird? Man sieht hieraus schon, daß das.
211

Individuum nur für die Mehrheit vorausgesetzt ist, und daß es nicht
,als ein selbständiges Problem schon erdacht ist.
4. Es ergibt sich.hieraus eine wichtige Folgerung für die Straf-
.predigt, für den Begriff der Sittlichkeit überhaupt bei den sozialen Pro-
pheten : sie haben nicht allein das Individuum noch nicht zu einem iso«^ j
lierten Problem sich klargemacht, sondern auch ihr Begriff der Sünde;, j
hatte noch nicht seinen Grund in der individuellen Sünde. Auch zur 1
Sünde gegen Gott kann die soziale Sünde nur dadurch werden, daß
der Sünder zum Individuum geworden ist, und nicht mehr bloß in
der Abstraktion der sozialen Mehrheit seinen Träger und seinen Ur-
heber hat.
5. An dem Mangel, den wir hier bei den sozialen Propheten er-
kennen wollen, ist ein Vorspiel für prinzipielle Vorgänge zu er-
kennen, welches in der ganzen Geschichte der Kultur bis auf den
heutigen Tag sich wiederholt. Der soziologische Standpunkt ver-
folgt mit Bedacht und Becht den Grund der sittlichen Schäden in
den Gegensätzen und Beibungen d er. sozialen Verhältnisse. Die
Sünde ist hier die soziale Sünde. Die einseitige religiöse und reli-
giös determinierte sittliche Betrachtung isoliert den Menschen in
seiner sittlichen Kraft, und glaubt ihn durch diese Isolierung zum
Individuum zu machen. Beide Gesichtspunkte bedürfen der Ver- i
bindung miteinander, wenn der sittliche, wenn der religiöse Mensch
aus dem Mitmenschen heraus zum Individuum, als Ich, zur Erzeugung
kommen soll.
Denn das Ich ist es, welches vom einseitigen soziologischen
Gesichtspunkte ausgeschaltet wird. Das Selbstbewußtsein^ des
Individuums muß zurückgedrängt werden, wenn die soziale Milieu*•
kraft in das rechte Licht gebracht werden soll. Damit aber fällt
die Hauptsache fort, welche den Menschenwert, welche die Menschen-
würde ausmacht. Und wenn nun nicht ohne die negative Bedingung die
Menschenwürde hergestellt werden kann, so muß daher das Ich
selbst, also das Individuum sündigen, und die Sünde kann nicht ab-
gewälzt werden auf die soziale Mehrheit.
6. Sofern die Sünde betrachtet wird rein methodisch als das
Entdeckungsmittel des Menschen als Ich, und dadurch als wahr-
haftes Individuum, so ist damit ausgesprochen, daß die Sünde, welche
die sozialen Propheten vorzugsweise geißeln, ergänzt, vertieft, geradezu
verinnerlicht werden muß durch diejenige‘ Sünde, welche das Indivi-r
duüm, als Ich, begeht, und deren es sich bewußt gemacht werden
H*
212

(muß. Der Prophetismus muß in dieser Richtung auf das Indivi-


i duum, auf das Ich. und daher auch auf die Sünde über die sozialen
! Propheten hinaus einen Fortschritt vollziehen.
1 D iesen F o r ts c h r itt b ild e t die P ro p h e tie Jech esk els.
'Und wenn er dabei zugleich einen Schritt tun sollte, der nach den
sozialen Propheten als ein Rückschritt beurteilt werden müßte, so darf
dieser nicht isoliert betrachtet und beurteilt werden; denn er ist
daraufhin zu prüfen daß er im Zusammenhang stehe mit dem Fort-
schritt, den er macht, und der für das Problem des Menschen ge-
schehen mußte.
7. Wiederum müssen wir für das Problem der Sünde unseren
Blick zurücklenken auf die mythologischen Ursprünge. Und auch
in ihnen ist der innere Zusammenhang unverkennbar, der zwischen
diesen beiden Problemen, dem der Sünde und dem des Individuums,
besteht. Wir haben gesehen, wie die sozialen Propheten zu .der
mythologischen Urfrage nach der S ch u ld , aus der die tragische Idee
hervorwächst, sich verhalten. Das Interesse am Mitmenschen machen
sie zum herrschenden, und mit diesem drängen sie das ganze Heer
der mythologisch-metaphysischen Fragen gewaltsam zurück. Sie über-
winden deren Kraft, weil sie. durch die Gewalt und die Energie
ihres Problems sie überbieten.
Und dennoch ist die Frage von der Schuld des Menschen nicht
dadurch erledigt, daß es zur Einsicht gebracht wird, wie der Mensch
nicht nur der Enkel seiner Ahnen sei. Was ist er positiv als ein
eigenes Wesen? Und wie kann er von sich selbst aus sündigen?
Diese Frage wird auch nicht dadurch erledigt, daß die Sünde als
ein Produkt der sozialen Mehrheit erkannt wird. Denn diese bleibt,
wie gesagt, ein Abstraktum für die Sünde, wie auch für die posi-
tive Sittlichkeit, wenn an ihrem Yorbilde sich nicht das Individuum
erhebt, und in die abstrakte Mehrheit sich einverleibt, sich ein-
beseelt und einbegeistet.
8. Wie kann der Mensch von sich selbst aus sündigen? Ist die
Frage etwa damit erledigt, daß dem Menschen der fre ie W ille ein-
wohnt? Wenn anders die Ethik nur auf Grund ihrer Methodik diesen
freien Willen zu erteilen vermag, so kann sie ihrerseits diesen nur
als den re in e n Willen, mithin als den Willen zum Guten als Grund-
legung der Ethik fordern. Wenn aber die Freiheit des Willens die
Fähigkeit des menschlichen Willens bedeuten soll, nach dem Bösen,
wie nach dem Guten die Wahlentscheidung zu treffen, so würde
213

diese Bedeutung nicht mehr dem Bereich der reinen Ethik angehören,
sondern nur unter Bezugnahme auf die Erfahrung vom Menschen:
wie kann in ihr die Annahme eines medialen Willens, der das
Schlechte, wie das Gute, wählen kann, entstehen? Wie kann der freie
Wille die Willensfreiheit der Sünde bedeuten? Also, auch die Sitten-
lehre, die auf die Erfahrung vom Menschen angewandte, erledigt.,
die Frage nach dem Ursprung der Sünde nicht. j
9. Aus einem Mißverständnis des hebräischen Wortes ‫ יצר‬ist die
E rb sü n d e entstanden. ‫״‬Die Anerkennung der Schwäche des Menschen
.ist der unzweifelhafte Sinn der betreffenden Stelle. Die Erde und
der Mensch selbst auf ihr soll nicht wegen des Menschen allein ge-
schlagen werden;“ denn der jezer des Herzens des Menschens ist
böse von seiner Jugend an.“ (1. M. 8, 21). Schon der Pleonasmus ist
auffällig, und nur weil wir an den ‫״‬Trieb des Herzens“ gewöhnt sind,
bemerken wir ihn nicht. Das Herz allein sollte genügen, oder der Trieb.
Das Wort Jezer bedeutet aber nicht den Trieb, oder wenigstens
nicht ihn allein, sondern es ist nach der Erklärung Ibn Esras ‫ ״‬das
Erzeugnis, das ihm nachgebildet ist“. Nicht der Trieb des Herzens
ist böse, sondern das Gebild des Herzens wird als schlecht bezeichnet,
Gesenius übersetzt das Wort in erster Bedeutung als die Handlung,
als fictio, formatio. Zwei Kapitel vorher steht dasselbe Wort noch
in der komplizierteren Verbindung mit den ‫ ״‬Gedanken seines
Herzens“ (1. M6, 5). Auch bei Kautzsch bleibt hier die Übersetzung
im Bausch: ‫״‬und alles Dichten und Trachten ihres Herzens“. An
der späteren Stelle hieß es nur das Dichten. Also der Trieb ist
auch hier nicht angenommen. Aber auch das Dichten und Trachten
erhält den Irrtum.
Das Wort bezeichnet, wie die letztere Stelle unzweifelhaft
macht, nur das Gebild der Gedanken des Herzens. Es wird hier
keineswegs eine angeborene Anlage zum Bösen in dem Menschen-
herzen statuiert. Allerdings aber wird anerkannt, daß die Wirkungen!
aus dem Dichten und Trachten des Menschenherzens schlecht!
sind. Dieser Ausspruch aber soll nicht als eine absolute Wahrheit!
gelten. Er ist kein Glaubenssatz; als ein solcher entsteht er nicht
im Zusammenhänge dieses Gerichtes mit Gottes Vorsehung für die
Erhaltung der Erde und alles Lebendigen auf ihr. In diesen Zu-
sammenhange würde nicht der Lehrsatz passen, der die Bosheit zu
einem angeborenen Triebe des Menschenherzens macht. Die Gebilde
des Menschenherzens sind schlecht; dies kann bedeuten, daß im
214

Menschenherzen noch andere Fiktionen; noch andere Bildungskräfte


ferweckbar werden, welche zu unterscheiden seien von diesen Biläungs-
kräften. Das Wort selbst weist auf den Bildner des Menschen-
herzens hin, der das Schlechte nicht angelegt haben kann in dem
Menschenherzen, das eine Schöpfung Gottes ist.‘
Auf die Gedanken der Genesis also kann sich 4der Gedanke
nicht berufen, der unsere Frage nach dem Ursprung des Bösen
durch die Anlage des menschlichen Herzens, des menschlichen
Willens zum Bösen erledigen wollte. Der Mensch hat in seinem
Herzen vielmehr den heiligen Geist. An ihn ergeht der Ruf,
also der Beruf zur Heiligkeit. Die natürliche Anlage zum Bösen
wäre ein Widerspruch zum Grundgebot der Heiligkeit. Sie wäre ja
vorher schon ein Widerspruch gegen die Heiligkeit Gottes. ‫״‬Der
heilige Gott wird geheiligt durch Gerechtigkeit“. Der heilige Gott
kann nicht das Böse in das Menschenherz gelegt haben.
10. Die Frage aber bleibt dennoch bestehen; wäre die schlimme
^.Erfahrung vom Menschen schlechterdings nur eine Illusion? wären die
Gebilde, die Hervorbringungen des Menschengeschlechts etwa nur gut,
und wäre das Problem der Sünde ein müßiges und ein eitles?
Wir wissen, daß wenn ein oberflächlicher Optimismus unser ge-
schichtliches Urteil über den bisherigen Wert der Weltgeschichte
täuschen sollte, daß abgesehen hiervon das Problem des Ich und des
Individuums hinfällig wäre, wenn wir das Problem der Sünde vereiteln
und des Mittels berauben würden, durch dessen Klarheit allein sich
uns die Möglichkeit erschloß, jene Probleme zu behandeln und zur
Lösung zu bringen. Denn die soziale Sünde hatte uns schon über
die falsche Hilfe hinweggeschoben, die wir etwa in der Annahme
suchen könnten, daß der Mensch schlechthin gut sei. Von dieser
Illusion hat die Einsicht von der sozialen Sünde endgültig befreit.
;Es kann also nur die Frage bleiben: wie kommt die Sünde in den
!Menschen? Nicht aber kann sie durch die Annahme beseitigt werden,
jdaß die Sünde überhaupt eine Illusion sei.
Diese Auskunft wird nur möglich bei der Vorwegnahme des
Urteils, daß es keine andere Sünde geben könne als die gegen die
Menschen, und daß die Sünde gegen Gott eben das Vorurteil der
Religion sei. Unsere Gegenfrage lautet aber: wie erklärt ihr, sitt-
liehe Puristen, euch auch nur die Möglichkeit der sozialen Sünde ? Das
soziale Milieu ist eine Abstraktion, die nicht konkret wird dadurch, daß
ihr sie hinterher ausfüllt mit Individuen. Woher kommt ihr auf
215

einmal zu diesen Individuen, die nur als Folgerungen, also als


Abstraktionsprodukte, also auch nur als Abstraktionen eurer ersten ^
Abstraktion entstehen und gelten können? : . ‫־‬
Der soziologische Gesichtspunkt kommt.nicht hinaus über
üas Schwanken des Gleichgewicht zwischen gut und schlecht, das
nur in dieser schwankenden Mehrheit und für sie besteht. Und wie
das Böse nicht aus ihr erklärbar wird, so auch das Individuum
nicht, geschweige das Ich. Es bleibt nichts übrig, als wieder den
religiösen Gesichtspunkt aufzusuchen, um von ihm aus die Möglich-
keit des Bösen im Individuum, im Ich des Menschen zur Entstehung
zu bringen. So müssen wir von den sozialen Propheten zu Jecheskel.
fortschreiten.
11. J e c h e s k e l unterscheidet sich von den sozialen Propheten da-
durch, daß er die Sünde, als die des Individuums begründet, und daß'
•er in ihr das Individuum entdeckt hat. Dieser Unterschied hat aber noch
einen anderen zur Folge. Die Sünde betrachtet er nicht schlechthin
als die soziale, mithin nicht vorzugsweise als die von Mensch
gegen Mensch begangene, sondern mehr als seine Vorgänger gibt er
der Sünde die Bedeutung der Sünde gegen G ott. Dieser Gesichts-
punkt fehlt natürlich keineswegs bei den Vorgängern; wie hätte
Jesaja sonst den heiligen Gott erkannt haben können? Aber der
soziale Gesichtspunkt läßt den rein religiösen zurücktreten. Es ist ja
der Propheten Verdienst, _daß sie Religion und Sittlichkeit verschmolzen
haben. Damit aber ist gesagt, daß sie die Auflösung der Religion
in Sittlichkeit gefördert und daher die Eigenart der Religion gegen-
über der Sittlichkeit zwar nicht verwischt oder unterdrückt, aber
nicht hervorleuchtend genug gemacht haben.
So hängt der vorherrschende soziale Gedanke, der das Individuum
zurücktreten läßt für das Unrecht der Menschenklassen, innerlich
zusammen mit dieser Zurückstellung des spezifisch Religiösen. Und
wie das Individuum zurücktritt gegen die sozialen Stände, so tritt
auch Gott zurück gegenüber den großen sozial-sittlichen Problemen,
als den Vorwürfen der menschlichen Sünde. Die Gerechtigkeit ist
der Halt ihrer sittlichen Religion. Der heilige Gott wird geheiligt
durch Gerechtigkeit. Dieses lapidare Wort Jesajas charakterisiert
den Typus dieser Propheten. Die Verletzung der Gerechtigkeit ist
die Sünde gegen Gott. Es kann keine andere Sünde geben.
Wenn wir nun zur Einleitung der Charakteristik Jecheskels von
dem Doppelsatz ausgingen: daß bei ihm Sünde, Individuum und
216

Gott einen neuen Zusammenhang stiften, so muß vor allem das Miß-
Verständnis abgewiesen werden, welches für das Verhältnis von Gott
zur Sünde des Individuums durch die Frage auftauchen könnte, die*
wir oben dahin gestellt hatten: woher kommt die Sünde? Zwar
haben . wir die Möglichkeit schon abgewehrt, daß Gott sie unserem
Wesen erbeigentümlich eingepflanzt haben könnte. Aber die neu
aufgestellte Verbindung der drei Begriffe könnte doch wiederum za
dieser verhängsvoüen. Vermutung zurücklenken. Und der Irrtum wird
überhaupt bestärkt durch die Zweideutigkeit im Sinne der Frage selbst.
Die Frage nach dem Ursprung des Bösen erkannten wir ihrem,
eigenen Ursprung nach als eine solche des Mythos, dessen Interesse‫־‬
durch die angebliche Metaphysik forterhalten wird. Die Ethik dagegen
lehrt uns, daß der Grund der Freiheit, mithin der Grund des Guten,
wie der des Bösen, unerforschlich sein muß. Denn dieser Grund ist
immer nur eine Kausalität. Diese aber beherrscht nur das Reich der
Naturerkenntnis. Das Reich der Freiheit aber ist das Reich der
j ethischen Erkenntnis, und in diesem waltet anstatt der Kausalität das
!Prinzip des Zwecks.
12. Wenn sonach nun die Frage nach dem Woher der Sünde nicht
die Bedeutung nach ihrem Grunde und Ursprung haben kann, so
kann auch ihre Verbindung mit Gott nicht bedeuten, daß in Gott
ein Grund gelegt werden könnte, dessen Problem hier überhaupt ab-
getan ist-. Welchen Sinn hat nun noch jene Frage? Die Antwort auf
diese Frage soll durch die andere Frage vermittelt werden : welchen
Sinn hat die Sünde gegen Gott gegenüber der gegen Menschen?
Und wie kann sie vor dem Verdacht einer bloßen Illusion oder einer
(überflüssigen Fiktion geschützt werden?
In der Verbindung der drei Begriffe hat es sich bisher nur ge-
handelt.um die der Sünde und Gottes: was bedeutet für die Ver-
bindung aber das Individuum? Wir hätten bisher nur erwogen, daß
das Individuum notwendig sei und nicht erledigt werde durch den
sozialen Gesichtspunkt der sündigen Mehrheit. Es genügt aber nicht,
das Individuum als ein unerläßliches Desiderat zu erkennen. In
dieser Bedeutung erscheint es nur als eine negative Bedingung:
worin besteht die positive Bedeutung des Individuums für die Sünde?
Und diese Frage kann jetzt nicht mehr mißverstanden werden als
die Meinung, als ob in die angeborene Natur des Individuums der
Grund der Sünde gelegt werden sollte. Denn darin läge ja nur der
Fehlgriff der Kausalität.
217

13. Das Individuum muß gemäß der Ethik, mit deren Methodik die
Religion der Vernunft in ununterbrochenem Zusammenhänge verbleiben
muß in n e rh a lb d er Z w ecklehre der Ethik aufgerichtet werden. Und
diese Zwecklehre ist die methodisch homogene Fortführung der Logik.
Diese aber lehrt, daß alle Grundbegriffe G ru n d leg u n g en sind, die
in ihrer Fruchtbarkeit den Prüfstein ihrer Richtigkeit haben.
Eine solche Grundlegung ist das Individuum, ist die Sünde, ist
die Sünde des Individuums. Eine solche Grundlegung ist auch die
Idee Gottes, ist nicht anders daher auch die der Sünde vor Gott.
Und das Individuum soll sich ja erst durch die Sünde als Ich
entfalten. Der sozialen Sünde ist diese Entfaltung versagt; denn
für sie gibt es ja nur eine sündige Mehrheit. Versuchen wir es
daher mit der Grundlegung der Sünde vor Gott: ob ihr etwa die
Fruchtbarkeit beiwohne, das Individuum als Ich zu erzeugen. Viel-
leicht wird sich eine neue Fruchtbarkeit dabei heraussteilen, nämlich
die, daß nicht nur das sündige Individuum sich in das sündige Ich
verwandelt, sondern daß über diese Verhandlung hinaus noch eine
andere für das sündige Ich sich ins Werk setzt. Damit aber erst
würde der tiefere Sinn dieser Verbindung der Begriffe sich heraus-
stellen: daß nicht allein das Individuum als Ich zur Entdeckung
kommt, sondern daß auch die Idee Gottes zu einer neuen Bedeutung
gelangt, durch welche die Religion zu ihrer Eigenart gelangt gegen-
über der Ethik, von deren Methode sie abhängig bleibt. Und diese
Eigenart der Religion würde alsdann nicht allein über die Ethik
hinaus einen neuen Begriff Gottes zur Entdeckung bringen, sondern
nicht minder auch einen neuen Begriff des Menschen.
14. Auch für den Menschen muß die Sünde eine neue Aufklärung
bringen. Sie darf nicht ein metaphysisches Rätsel darstellen, welches
eine Sphinx über das Wesen des Menschen aufgäbe. Sie ist nichts
mehr und nichts weniger als eine Grundlegung. Sie muß daher
ein Durchgangsbegriff sein für die Grundlegung des Menschen als Ich;
ein Durchgangsbegriff, der hinwegführt über den der sündigen
Mehrheit. Und so muß auch die Sünde vor Gott nicht mehr und
weniger als eine Grundlegung sein, also ein Durchgang, der hinaus-
führt über die Sünde vor den Menschen, weil gegen den Menschen.
Und die Verbindung dieser beiden Durchgangspunkte soll alsdann
noch eine neue Grundlegung für das Ich zur Folge haben.
15. Machen wir hier einen kleinen Halt, um nochmals das Ver-
hältnis von Individuum und Mehrheit gegenüber der Sünde zu be-
218 ;

trachten. Der Weltkrieg , gibt eine akute Veranlassung. Und ohne-


hin bedeutet ja für die Propheten Krieg, was wir heute tiefer als
kapitalistische Weltwirtschaft erkennen. Den Krieg führen die Völker, :
und jeder Minister redet über die Urheber des Krieges. Man ‫׳‬
begnügt sich also nicht mit dem Problem der U rsa ch en , sondern
man läßt durchaus nicht ab von dem der U rh eb er. Und dennoch
wird diese Frage unter dem sozialen Gesichtspunkte immer falsch gestellt,
und daher niemals gelöst. Denn die Individuen sind im letzten
Grunde nur Handlanger. In den wirtschaftlichen Beweggründen
stecken die eigentlichen Urheber, die daher immer versteckt bleiben.
Mit welcher Gegenkraft wirkt dagegen die eine Gestalt J a u re s , als
die eines Individuum?
So muß unter dem sozialen Gesichtspunkt geurteilt werden.‫י‬
Nun sollen aber nicht allein nach der materialistischen Geschichts-
auffassung die wirtschaftlichen Beweggründe maßgebend sein, sondern
auch ideale werden geltend gemacht, nämlich die n a tio n a le n Gegen-
Sätze in der Kultur der Rasse. Werden aber etwa damit Gesichts-
punkte des sittlichen Individuums freigelegt? Es ist die Frage, ob
solche selbst durch die religiösen Gegensätze zur Bestimmung
kämen. Überall sind es auch hier nur dunkle blinde Massen, die
ins Feld geführt werden, und kein sehendes Individuum tritt an das
Licht- des sittlichen Tages hervor.
16. Ruft jeden Einzelnen, der an den Staatsgeschäften teilhat, oder
an der Presse, oder sonst als eines der ;unzähligen Verwaltungs-.
Organe, ruft ihn als Individuum vor das Gericht seines Gewissens.
Nur das Individuum selbst kann zur Verantwortung gezogen werden
für die Sünde der Völker.
Also das Gewissen ist das Tribunal! Dann hätten wir ja die
Instanz gefunden, vor der das Individuum in seiner Sünde ent-
stehen kann und bestehen muß — wozu daher noch das Tribunal
in Gott? ‫־‬
Wenn das Gewissen ein zulänglich richtiger Begriff wäre, dann hätte
cs von jeher der: philosophischen Ethik nicht bedurft. Das Gewissen
ist ein Dämonion, 1welches einem jeglichen mit Sokrates gemeinsam
ist. Aber Sokrates selbst hat sich daran nicht genügen lassen,
sondern er hat eine Ethik angebahnt. Und diese Ethik ist in den
Jahrhunderten weiter ausgebaut worden, während das Gewissen in
seiner Orakel würde keinen Fortschritt gemacht hat. Es ist. daher
immer auch entsetzt worden durch das Tribunal vor Gott. Aber
219

für die Religion der Vernunft bleibt es die Frage, ob ihr auf derer
Zusammenhang mit der Ethik beruhender Vernunftanteil unverletzt
bleibt durch die kirchlichen Auffassungen vom Richterstuhl Gottes.
" Wir haben jetzt nun aber das Kriterium in die Hand bekommen, mit
dem wir den richtigen Begriff der Sünde vor Gott methodisch prüfen
können. Es besteht in der Verbindung der Begriffe von Sünde und
Sünde vor Gott mit dem Individuum, alö Ich. Nur diejenige Sünde ‫ן‬
Ties Individuums haben wir allein als Sünde vor Gott zu erkennen, j
welche das menschliche Individuum an das menschliche Ich emporhält. /
Wenn das Individuum gegenüber der sozialen Mehrheit nunmehr auf
sich selbst isoliert wird, so wird es nicht vereinsamt und verödet, sondern
vielmehr zu einem neuen Leben wiedergeboren. Das Ich ist dieses
neue Lebewesen, vielmehr das sittliche Vernunftwesen. Und der
Triumph der Religion wird es, daß es ihr erst gelingt, dieses
Vernunftwesen zur Welt zu bringen, während die Ethik es nur in ;
der Projektion der Allheit zu erzeugen vermag.
17. Zu diesem neuen Problem des religiösen Ich soll das sündige Ich ;
vor Gott die Bahn brechen. Wenn aber das sündige Ich nur als Durch- j
gangspunkt zu gelten hat für die Erzeugung des neuen, von der reinen |
Ethik noch nicht erzeugten Ich, so kann es nicht das sündige Ich bleiben. |
Die B e fre iu n g von der Sünde muß das Ziel werden, durch dessen
Erreichung erst das neue Ich zur Erzeugung kommt. Nicht also,
um das Individuum in der Sünde verharren zu lassen, wird die
Sünde vor Gott eingeführt, sondern um es von der Sünde zu be-
freien, welche Befreiung notwendig ist für die Verwandlung des
Individuums in das Ich. Bliebe nun das Sittengesetz die alleinige
Instanz, vor der der Mensch in seiner Autonomie sich zu ver-
antworten hat, so hätte die Abstraktion dieses Tribunals keine Kom-
petenz und keine Mittel/ von der Sünde zu befreien. Bei der
Autonomie allein liegt alle ihre Kraft, die Sittlichkeit des Menschen
zu behaupten. Die Autonomie ist ja auch die Kraft, vermöge der
das Ich sich zur Allheit emporschwingt. Es gibt für die Ethik kein
anderes Ziel und kein anderes Mittel.
Indessen schon für die soziale Sittlichkeit hatte sich die Indi-
vidualität des Mitmenschen als Problem herausgestellt. Diese aber
ist noch nicht die des Ich. Und das Problem des Ich wird
ebenso wenig durch die Allheit erschöpft, wie durch die soziale
Mehrheit. So muß schon der Versuch gewagt, die Grundlegung
220

versucht werden, welche das sündige Individuum vor dem Richter-


stuhl Gottes bildet.
Und auch der in *Aussicht gestellte Erfolg der Befreiung von
der Sünde kann kein heterogener sein, der etwa das Problem des
Ich schädigte.' Denn alle Gefahr des Eudämonismus und des
Egoismus aller Art ist längst überstanden. Das Ich hat sich
schon oberhalb der sozialen, Mehrheit erhoben. Yon dem Lebewesen
ist es längst weit entfernt. Alle sittlichen Kräfte der sozialen
'j Kultur hat es bereits in sich aufgesogen. Aber von dieser Füllu
| seines Inhalts aus strebt es nun erst zur wahren Individualität der
| Ichheit hinauf, Diesen Aufschwung soll der Durchgang durch die‫־‬
j Sünde vor Gott vorbereiten. Durch die Sünde vor Gott soll sich
j das Individuum zum Ich hindurchringen. Die Sünde vo^G ott ist
die Vermittlung zu dem Ziele des Menschentums, welches das von
der Sünde befreite Ich darstellt.
18.. Wenn wir zu Jecheskel nunmehr übergehen, so haben wir jetzt
einen vierten Begriff hinzugewonnen zu den drei ersten: den der
E rlö su n g . Die Sünde vor Gott ist das Mittel zur Erlösung vor
Gott. Und wenn jetzt wieder nach dem Verhältnis Jecheskels und
seiner Nachfolger zu der ersten Prophetengruppe fragen, so kennen
auch sie zwar die Erlösung auch als ihr Ziel; aber auch der Begriff
der Erlösung ist bei ihnen der politische, also der erweitert soziale.
Die Erlösung Israels, nicht zwar die ausschließlich politische, ge-
schweige die partikularistische, auf Israel beschränkte, ist die Auf-
gäbe des heiligen Gottes, sondern die Erlösung der Menschheit.
Wiederum aber ist und bleibt es die Allheit, in der sie auch von
!hier aus den Menschen idealisieren. Die Menschheit soll erlöst
werden, dann ist für sie die Erlösung des Individuums die not-
wendige Folge. Die Erlösung aber erfolgt allein durch Gerechtig-
keit. Welches Problem könnte da noch für den Menschen übrig
bleiben? Wir haben nun aber gesehen, daß in dieser Verall-
gemeinerung das Individuum noch gar nicht zur Entstehung kommt,,
geschweige als Ich. Und so muß denn auch die Erlösung, als Be-
freiung von der Sünde des Individuums, ein neues Problem werden,
einen neuen Begriff der Erlösung ergeben.
19. Der vielfache Sinn des E rlö sers und der Erlösung im biblischen
Sprachgebrauche dürfte hieraus auch seine Erklärung finden. Die Er-
lösung Israels schmiegt sich noch an das Kechtsinstitut des Erlösers an,
der für die Erhaltung der Familie einzustehen hat. Aber den Erlöser
221

von der Sünde kennt das Volk nicht, geschweige der Stamm und die
Familie. Für Jecheskel gibt es nur das Individuum und die Befug-
nis, ihm den Weg zum Ich zu bereiten. _
Ein neuer Name schließt sich hier noch an, der jedoch keinen
neuen Begriff bilden kann: die V ersöhnung.
20. Der Ursprung auch dieses Begriffs liegt im Mythos und im
Polytheismus. Der Zorn der Götter, der im Neid seinen Grund
hat, soll beschwichtigt werden. Das Opfer soll sie wieder v'er-
söhnen. Die Sühne, welche subjektiv das Opfer bildet, hat nur das
objektive Ziel dieser Versöhnung der Götter. Der heilige Gott da-
gegen kann nur über das Unrecht den Menschen zürnen. Und der
Eifer der Propheten gegen das Opfer erklärt sich daher genugsam
aus ihrem Widerspruch gegen die falschen Götter, die anders als
durch die Sittlichkeit der Menschen mit ihnen versöhnt werden
können. Für sie kann daher durchaus kein Zulaß mehr bleiben
zum Opfer, welches schlechthin das gefährliche Symptom des
falschen Gottesdienstes ist.
Und dennoch soll Jecheskel einen neuen Weg führen,. obzwar
er an dem Opfer wieder festhalten will! Liegt hier nicht ein Wider-
Spruch vor, der gar nicht aufgelöst werden kann? Sehen wir, ob
die Versöhnung selbst eine neue Vermittlung darbietet, um die Sünde
vor Gott fruchtbar zu machen für die Befreiung des Menschen von
ihr und seine Ausgestaltung zum Ich.
21. Wie die Erlösung nicht die des Volkes bleibt, so bleibt es
umgekehrt auch nicht bei der Versöhnung des Menschen mit Gott,
sondern diese wird erst das fernere Ziel, dessen Erreichung zunächst
zu erwirken hat: die Versöhnung des Menschen mit den W id er-
S p rü ch en , die sein Individuum nicht zur E in h e it des Ich kommen
lassen. '
Haben wir bisher also vorwiegend auf Gott geachtet, um durch
die Sünde vor Gott das Ich zu erzeugen, so führt uns die Erlösung,
als Versöhnung zurück zum Menschen, bei dessen Erhebung zum
Ich die Begriffe Gott, die Sünde vor Gott, die Erlösung durch Gott
nur zu Mittelsbegriffen werden, die erst dann wieder an die Spitze
treten und das Ziel bezeichnen können, wenn es bereits gewonnen
und erreicht ist: durch die Versöhnung, die der Mensch selbst
mit den Widersprüchen in seinem Tun und Lassen zu erstreben
und zu vollziehen hat.
Nur zur Vollführung dieser seiner eigenen, selbständigen Arbeit
.2.23

wird er selbst des Tribunals; vor Gott bedürfen. Die Versöhnung,,


-die; der Mensch noch init sich selbst zu stände zu bringen hat. findet
ihren Abschluß, ihre Lösung in der Erlösung durch Gott, die die
Versöhnung mit Gott ist. Dies ist das Ziel.; Dies ist die Aufgabe
für die Sittlichkeit des Ich, im Unterschiede von aller sozialen, von
j
aller Allheits-Sittlichkeit. ‫־‬

22. Mit diesen Problemen kommen wir nun zu Jecheskel. Die


. Sünde vor Gott. führt uns zum Menschen, als Ich. Die Sünde vor Gott
führt uns zur Erlösung durch Gott. Die Erlösung durch Gott führt
. uns zur Versöhnung des Menschen mit sich selbst. Und diese erst
führt uns in letzter Instanz zur Versöhnung des Ich mit Gott.
Die Versöhnung mit Gott erst ist es, die das Individuum zur Reife
bringt als Ich. ;
Es ist ein eigentümlicher Zug ini biblischen Denken, daß nicht
‫ י‬sowohl der erbliche Zusammenhang der Nachkommen mit den Ahnen
in der Schuld einen Gegenstand der Reflexion und . der Skepsis
bildete, als vielmehr das Mißverhältnis zwischen der ..Schuld der
Eltern und der S trafe an den Kindern. Der mythisch tragische
Gedanke von dem Forterben der Schuld scheint hier keinen Boden
gefunden zu haben, als ob man diese schuldlose Belastung Gott
üherhaupt nicht zugetraut hätte. Dagegen aber wehrt sich das
religiöse Bewußtsein von den frühesten Zeiten an, schon bei Abraham
gegenüber Sodom, gegen die tägliche Erfahrung, daß die Schuld der
Väter nachwirke im Unglück der Kinder.
Dieses Unglück der Kinder erscheint als die Nachwirkung jener
Schuld der Väter in der Strafe der unschuldigen Kinder. Denn
ihrer eigenen Schuld werden sich die Kinder nicht bewußt, und
auch die Zeitgenossen achten mehr auf die Schuld der Eltern als
auf die etwaige der Kinder. Es dürfte schon ein religiöser Fortschritt
sein, daß nur die Strafe als vererbt gilt, nicht aber die Schuld selbst.
23. Von der besseren Zeit, die Jeremia weissagt, sagt er: ‫״‬In jenen
Tagen wird man nicht mehr sagen; die Väter haben Herlinge ge*•
gessen, und die Zähne der Kinder werden stumpf“ (31,29). Was
sagt er nun aber positiv von jenen Tagen aus? ‫״‬Sondern ein Jeder
wird in seiner Sünde sterben. Jeder Mensch, der die Herlinge ißt,
dessen Zähne werden stumpf werden££ (ib. 30). Und das sind die
Tage, in denen Gott mit Israel einen ‫״‬neuen Bund“ schließen wird
(ib. 32). Das ist Alles, was Jeremia zur Beschwichtigung der Volks?
meinung zu sagen weiß: iii. der künftigen Zeit wird Jeder in seiner
eigenen Sünde sterben. Nur so weit also werden die Kinder vor der
Nachwirkung der Strafe geschützt werden. Die sündigen Väter aber
werden ihrem verdienten Tode überantwortet.
Indessen ist es nur in diesem Gegensätze zur Bestrafung der
Kinder bisher ausgesprochen, daß Jeder ‫ ״‬seine Sünde“ habe. Es ist
diese neue Lehre aber noch nicht genugsam klargestellt, zumal der
mytisch-tragischen Ansicht entgegen: daß ein jeder Mensch seihe,
eigene Sünde habe. Durch das Aufhören der Nachwirkung in
der Strafe: ist dies noch keineswegs bewiesen. Denn der Sünde
folgt ja nicht immer die Strafe auf dem Fuße. Die Strafe allein
kann nicht die richtige Kontrolle leisten für die Tatsache der Sünde,
Die Sünde wird daher hier noch nur in der allgemeinen Ansicht von
der sozialen Sünde*., der der einzelne verfallen ist, angenommen, noch
nicht aber eigentlich als eine individuelle. Das Pronomen allein
kann den neuen Gedanken nicht vertreten.
24. Diesen Fortschritt vollzieht Jecheskel, mit dem Satze: d ie /
S eele sü n d ig t. Die Seele ist der Ausdruck für die Person und
für das Individuum.
Man könnte nun aber meinen, daß die Seele ja schon vom
Deuteronomium her durch das Herz und durch das Innere vorweg-
genommen sei. Indessen ist das Herz nur eine kollektive Bezeichnung für
die Innerlichkeit des Menschen, und so auch nur für das Innere selbst.
Die Lokalisierung des Menschen in einem seiner Organe und selbst im
Inbegriffe derselben umfaßt noch nicht den ganzen Menschen, der allein
und als solcher zum Urheber seiner Sünde gemacht werden muß. So‫׳‬
unterscheidet sich die Seele vom Herzen und vom Inneren. Mit ihr kann
auch erst das Individuum ausreifen zum Ich. Und erst das Ich, die
Seele in ihrer Ganzheit, kann mit der Erkenntnis der Sünde etwas
anfangen, was über diese Erkenntnis hinausführt. Denn bei der Er-
kenntnis der Sünde darf es nicht sein Bewenden haben. Sie muß
nur der Anstoß werden, daß der Mensch von der Last der Sünde
frei werde. Im Mythos, in der Ate kann er diese Freiheit niemals
erlangen. Der mythische Glaube fesselt, wie der Orakelglaube, Für
ihn gibt es nur Ergebung in das Schicksal.
Der einzige Gott hat nicht bloß kein Schicksal über sich, sondern
auch nicht in sich. Daher kann im Monotheismus die Erkenntnis
der Sünde nur den Sinn haben, won der Sünde ,frei zu werden. Wenn
nun aber Jeremia kein anderes Resultat von der neuen •Einsicht zieht
als den eigenen/Tod . des Sünders, so ist damit nur die falsche Straf-
Verschiebung berichtigt, aber die Erkenntnis der Sünde ist noch
nicht zu der Fruchtbarkeit entwickelt, welche der Monotheismus fordert.
25. Schon dies allein ist charakteristisch bei Jecheskel, daß er das
Sprichwort nicht nur kurz anführt, wie Jeremia, sondern daß er
meinen Sinn in gründlicher Durchprüfung widerlegt. Es ist ein
Irrtum, daß er hierbei weitschweifig würde; vielmehr erweist sich
durch diese Ausführlichkeit sein Bewußtsein von der Neuheit des Ge-
dankens. ‫״‬Was wollt ihr denn mit eurem Sp'ottverse auf dem Boden
Israels, der da lautet: die Väter essen Herlinge, und die Zähne der
Kinder werden stumpf? So wahr ich lebe, ist der Spruch des Herrn,
des Ewigen, ihr sollt■ nicht mehr mit diesem Spott verspotten in
Israel. Fürwahr, alle S eelen, mein sin d sie. Die Seele des Vaters,
wie die Seele des Sohnes, mein sind sie. Die Seele, welche sündigt,
sie soll sterben.“
Nach dem Schlußsatz könnte es scheinen, als ob es auch noch
nur auf die Strafe bei ihm abgesehen wäre. Indessen ergibt der
Zusammenhang, daß jetzt erst die Strafe als ein Kennzeichen der
Sünde angesehen werden kann, denn sie erfolgt nur auf die Sünde
der Person selbst. Und welcher Fortschritt liegt in der Abwehr
dieser'Gleichnisrede, dieses Sprichwortes ‫״‬von dem Boden Israels“ und
von dem ‫״‬Leben“ des Ewigen. Und welcher positive Fortschritt liegt
in dem lapidaren Ausspruch: ‫״‬fürwahr, alle Seelen, mein sind sie“.
Die Seele des Vaters wirkt jetzt nicht mehr nach in der des Sohnes,
so daß dieser gar nicht seine eigene Seele hätte, sondern Gott wird
zum Eigner der Menschenseele, und aus diesem Eigentum Gottes
an der Menschenseele empfängt nunmehr der Sohn, wie der Vater,
seine eigene Seele. Jetzt kann es daher nicht bei dem Abschluß mit
dem eigenen Tode verbleiben, sondern andere Kennzeichen für die
eigene Seele jedes Menschen treten nun hinzu.
26. Und nun ist es um so beachtenswerter, als es gemeinhin in kaum
verständlicher Weise vernachlässigt wird, wie Jecheskel den Gerechten,
wie den Bösen, beide nur in s ittlic h e n Handlungen und Vergehungen,
keinen von ihnen in kultischer Frömmigkeit oder im Opferfrevel
schildert. Nur das heidnische Opfer wird erwähnt. Sonst aber wird
der Gerechte damit beschrieben, daß er ‫ ״‬das Weib seines Nächsten
nicht verunreinigt . . Niemanden bedrückt und sein Pfand wieder
zurückgibt, keine Erpressung verübt, sein Brod dem Hungrigen
reicht und den Nackten mit einem Gewände bedeckt, nicht auf
Wucher ausleiht, und keinen Zins nimmt, von Frevel seine Hand
225

fernhält und wahrhaftes Recht übt zwischen einem uud dem anderen,
nach meinen Satzungen wandelt und meine Rechte wahrt, um sie
auszuüben, in Wahrheit, der ist gerecht“ (er ist der wahrhaft
Gerechte, weil er nämlich es im Geiste der reinen Sittlichkeit ist).
‫״‬Er wird leben, ist der Spruch des Herren, des Ewigen“, (ib. 5—10).
Das Leben des Gerechten wird jetzt gefordert aus der Erkenntnis
seiner Seele. Und dieser Gerechte habe nun einen ‫״‬gewalttätigen
Sohn, der Blut vergießt . . . und das Weib seines Nächsten hat er
verunreinigt, den Armen und Dürftigen hat er hintergangen, hat
Raub verübt, das Pfand nicht zurückerstattet, seine Augen erhoben
zu den Götzen, Greuel verübt, ^auf Wucher geliehen und Zins ge-
nommen, er soll nicht leben bleiben . . sein Blut komme über ihn“
(11—13). Der positive Abschluß ist hier gefunden, wenngleich nur
erst für die Strafe: es ist sein eigenes Blut, das über ihn kommt
Er stirbt nicht für die Sünde seines Vaters.
Und nun geht die Ausführung weiter auf den guten Sohn dieses
schlechten Vaters. Schon diese Spezialisierung ist wichtig. Es ist
keineswegs unmöglich, daß der schlechte Vater einen guten Sohn
habe. Ein solcher soll nicht sterben um die Schuld seines Vaters,
sondern er soll leben. Das Sprichwort ist jetzt vollständig vereitelt.
Der schlechte Vater hat nicht nur einen guten Sohn, sondern auch
einen glücklichen. Diese Steigerung ist hier berechtigt, insofern es
auf das Volksbewußtsein ankommt, das nach diesem Kennzeichen
urteilt.
Der Prophet nimmt so sehr auf die Volksmeinung Rücksicht,
daß er fortfährt: ‫״‬und da sagt ihr: warum trägt nicht der Sohn
an der Schuld seines Vaters? Aber der Sohn hat Recht und Ge-
rechtigkeit geübt und meine Satzungen beobachtet und sie geübt: er
soll leben. DieSeele, welche sü n d ig t, die soll sterben. Aber
der Sohn soll nicht tragen an der Sünde des Vaters, und der Vater
nicht tragen an der . Sünde des Sohnes. Die Gerechtigkeit des Ge-
rechten soll über ihm sein und die Bosheit des Bösen auf ihm sein“.
Der Prophet wendet sich also gegen die Volksmeinung, welche nach
dem Sprichwort zwar die Bestrafung des Sohnes überhaupt auffällig
findet, keinen Anstoß aber daran nimmt, daß der gerechte Sohn
eines schlechten Vaters nicht dennoch mitverantwortlich bleibe an
der Schuld des Vaters. Nur im allgemeinen bewegt sich das Sprich-
wort; sobald aber der Einzelfall auf die Moralität hin spezialisiert
wird, dann bleibt der Aberglaube doch an der Vererbung der Schuld
15
hängen. Nur durch die Spezialisierung kann dieser Aberglaube zer-
stört werden.
27. Das Sprichwort hat nur einen skeptischen Anflug. Jetzt
aber erst kommt es zur eigentlichen Fortführung des Gedankens
auf seine Konsequenz. ‫״‬Wenn sich aber der Böse bekehrt von
allen seinen Sünden, die er begangen . . so soll er leben, nicht
sterben. Alle seine Missetaten, die er verübt hat, sie sollen ihm
nicht gedacht werden, wegen seiner Gerechtigkeit, die er geübt hat,
soll er leben. Hätte ich denn Wohlgefallen am Tode des Bösen?
Spruch des Herrn, des Ewigen, und nicht vielmehr daran, daß er
umkehre von seinem Wandel und lebe“. (21—23). Ein neues
Moment tritt in den Prozeß von Sünde und Strafe ein: die U mk eh r
vom bösen Wandel. Die Unterscheidung von gut und böse ist
damit aufgehoben. So wird das Sprichwort erst gründlich widerlegt.
Der schlechte Vater ist jetzt als Tatsache verschwunden: er kann
von seinem Wandel sich bekehrt- haben. Auch die Korrespondenz
von Sünde und Strafe ist jetzt durchbrochen. An ihre Stelle ist ge-
treten die von Sünde und Umkehr.
28 ‫י‬. Und auch das Wesen Gottes hat demgemäß sich verändert.
Nicht seine Bestrafung ist das untrügliche Zeichen seines Wraltens,
sondern er hat Wohlgefallen an der Abkehr des Sünders von seinem
Wandel, hat demzufolge nicht Wohlgefallen an seinem Tode, sondern
vielmehr an seinem Leben.
Und wie es keinen unveränderlichen Charakter für den Bösen
gibt, so auch nicht für den Gerechten. ‫״‬Wenn aber der Gerechte
von seiner Gerechtigkeit abläßt und Frevel verübt . . so wird aller
seiner gerechten Taten, die ‫־־‬er getan, nicht gedacht werden . . wenn
ihr aber sagt: nicht gegründet sei der Weg des Herren — so höret
doch, Haus Israel: ist mein Weg nicht gegründet? Fürwahr eure
Wege sind nicht gegründet.“ Am Schlüsse dieser Ausführungen
findet sich bei dem Frevler das entscheidende Wort. ‫״‬Und wenn
der Frevler umkehrt von seiner Bosheit, die er verübt, und er tut
Becht und Gerechtigkeit, er wird seine Seele am Leben erhalten“
(26, 27). ‫״‬Deshalb werde ich euch, einen Jeden, nach seinem Wandel
richten, Haus Israel, Spruch des Herrn, des Ewigen, kehret um und
bekehret euch von allen euren Missetaten, und n i c h t soll euch zum
Anstoß sein die S c h u ld . “
I So wird der neue Mensch geboren, auf diesem Wege wird das
j Individuum zum Ich. Die Sünde kann nicht den Lebensweg vor-
227

‫־‬.zeichnen. Es kann Umkehr möglich werden von dem Wege der


:Sünde. Der Mensch kann ein neuer Mensch werden. Diese Möglich-,
k e i t der S elb s tv e r w an d l u n g macht da.s Individuum zum Ich.
Durch die eigene Sünde wird der Mensch zuerst zum Individuum.
Durch die Möglichkeit der Abkehr aber von der Sünde wird das sündige
Individuum zum freien Ich. Und mit diesem wiedergeborenen
Menschen kann erst die Korrelation mit Gott wahrhaft werden.
Gott will nicht den Sünder und seinen Tod, sondern er hat Wohl-
gefallen an der Umkehr des Menschen von seinem Wandel und dem-
gemäß an seinem Leben, an seinem neuen Leben.
29. Das Kapitel, eines der tiefsten in allen Reden der Propheten,
*schließt mit der Nutzanwendung aus diesem großen Satze, der hier
gewonnen ward: die Schuld d a r f nic ht zum Anstoß, nicht zum :
Hindernis der Befreiung von ihr werden. Von aller Schuld gibt es \
Umkehr.
Das hebräische Wort für diesen Anstoß (‫)מכשול‬, den das Vor-
urteil von der Nichttilgbarkeit der Sünde bildet, wird sonst allgemein
gebraucht von dem Straucheln gegen das Gebot Gottes. Als ein solches
Straucheln gilt jetzt dieses Vorurteil von der Sünde. Es gibt Befreiung
von ihr. Der Mensch kann einen neuen Wandel, einen neuen Lebens‫־‬
weg beginnen.
Und jetzt kommt der volle Abschluß: ‫ ״‬Werft- ab von euch alle
•eure Missetaten, an denen ihr gesündigt habt und machet euch ein
neues Herz und einen n eu en Geist“. (31). Mit diesem Satze hat
Jecheskel alle seine Vorgänger übertroffen. Denn sie alle haben
nur von dem neuen Herzen und dem neuen Geiste geweissagt, die
•Gott geben werde, wenn er nach Jeremia einen neuen Bund mit Israel
•schließen werde: Jecheskel aber sagt: machet selbst euch ein neues
J
Herz und einen neuen Geist. J e t z t kommt das I n d iv i d u u m im Ich
zur vollen Reife. Individuum war der Mensch in der Erkenntnis 1
seiner eigenen Sünde. Ich aber wird er in der Machtbefugnis# sich
selbst ein neues Herz und einen neuen Geist zu schaffen.
Und jetzt wird es auch erst klar, worin dieses neue Herz und
dieser neue Geist bestehen kann und bestehen soll: in der Umkehr
von dem bisherigen Lebenswege, in der Fähigkeit, einen neuen
Lebensweg einzuschlagen. Jetzt erst wird der Mensch der Herr
seiner selbst und nicht mehr ist er einem Schicksal unterworfen.
Verhängnis ist es, daß der Weg der Sünde nicht verlassen werden
könnte. Frei wird der Mensch von diesem Verhängnis durch die
15 *
228

Lehre, daß die Sünde dem Menschen nicht zum bleibenden Anstoß
werde, nicht zum bleibenden Grund des Straucheins. Dadurch erst
wird er ein Individuum, welches nicht schlechterdings abhängig ist
von den Relationen der Mehrheit, in die er verflochten wird. E r
ist eine selbständige geistige, weil sittliche Einheit. Die Fähigkeit
zur Umkehr von dem bisherigen Lebenswege gibt ihm den W ert
]dieser souveränen Einheit.
30. Indessen bei aller Anerkennung dieser neuen Höhe der Er-
kenntnis muß doch wieder die Frage entstehen, ob sie neben dem
prinzipiellen auch einen aktuellen, praktischen Fortschritt bedeute‫־‬
über die Sittenpredigt der Vorgänger hinaus. Diese mahnten, den
Weg der Gerechtigkeit zu gehen. Jecheskel aber mahnt, den Weg
der Gerechtigkeit neu zu beschreiten, da der bisherige Weg, wie auch-
er mit den Vorgängern betont, der falsche war. Welchen Unterschied
bringt nun der Unterschied zwischen Mehrheit und Individuum, der jetzt
erreicht ist, zugleich hervor für den Unterschied in der sittlichen
Mahnung? Das Individuum solll jetzt einen neuen Weg sich selbst
erwählen können. Wie unterscheidet sich nun dieser neue Weg der
Umkehr für das Individuum von dem alten Wege der Abkehr für
das Volk? Bleibt nicht doch die Umkehr ein bloßer Gegenstand der
Ermahnung, oder worin liegt die Kraft-, die in der Umkehr das In-
dividuum ins Werk zu setzen vermag?
31. Das hebräische Wort der Umkehr wandelt sich zu einem
neuen Worte, welches im Deutschen allerdings eine ungenaue Über-
Setzung gefunden hat in der Buße (‫)תשובה‬. Die Buße bedeutet im
germanischen Recht das Lösegeld, und so enthält das Wort einen
Sinn, der sich nicht deckt mit, der ganz verschieden ist von der Be-
deutung der Umkehr. Dagegen aber zeigt das neue hebräische*
Wort die Wandlung an, die an der Umkehr vollzogen ward. Buße*
ist Straffe. Und die Strafe ist das aktuelle Mittel, durch welche die-
Umkehr von der bloßen sittlichen Abstraktion unterschieden werden soll-
Die Strafe selbst jedoch ist uns nicht der eigentliche Gegenstand,,
der die Umkehr konkret und praktisch macht. Auch im Rechts-
verfahren ist es ja nicht die Deklaration der Strafe durch den Richter,
welche dem Rechte Genugtuung gibt — denn diese soll ja der
Grundlage von der Deklaration der Schuld durch den Richter entbehren.
Um so mehr aber soll der Verbrecher selbst das Schuldig über sich
verhängen können und müssen. In dieser seiner eigenen Deklaration
von seiner Schuld liegt der innere Grund der Strafe. Die Strafe•
229

•wird dem Verbrecher zu seinem einzigen Tröste in dem für ihn


selbst unerläßlichen Bewußtsein seiner Schuld. Sie ist ihm der
«einzige Halt für seine Befreiung von dieser schier unerträglichen Last.
So muß nun auch für die Umkehr in der sogenannten Buße
•das Befreiungsmittel einer Strafe in Anspruch genommen werden.
Der Weg des Rechts Verfahrens zeigt uns in dem Selbstbekenntnis
der Schuld den richtigen Weg. Wenn das Individuum sich als den
Urheber seiner Schuld erkennen muß, so muß es sich auch als
solchen bekennen. In diesem Bekenntnis erst kommt das Ich an
«den Tag. Das Bekenntnis der Sünde ist die Buße, die der
Sünder auf sich nehmen muß. Dieses Bekenntnis mit aller Pein
und Not in aller Zerknirschung und an Verzweiflung grenzenden
Selbstverurteilung ist der Beginn des Strafvollzugs, den der Sünder
•sich selbst auferlegen muß, wenn ihn Gott befreien soll. Diese Selbst-
bestrafung ist der erste Schritt in der ihm freigegebenen Umkehr.
32. Nun aber entsteht doch wieder die Frage, durch welches
:aktuelle Verfahren auch dieses Bekenntnis Tat werden kann, so daß
'-es den letzten Schein der bloßen sittlichen Abstraktion verliert. Das
gerichtliche Verfahren kann nicht ausgedehnt werden auf diese
peinlichen Nöte und Konflikte des menschlichen Herzens. Wo gibt
•es nun aber eine Analogie zum Gerichtsverfahren? Die Umkehr
bliebe ein bloßes Wort der Mahnung, und auch für das Bekenntnis
der Schuld würde sie nicht weiter führen in die Aktualität hinein, 1
wenn dieses sich nicht an ein öffentliches Institut der Kultur an-
:schließen kann. Gibt es ein solches öffentliches Institut für die
Religion des Individuums?
An diesem Punkte entsteht uns das Problem des Gottesdienstes.
Und es dämmert uns hier auch das Verständnis auf für die nicht
gänzlich zu bestreitende Tatsache, daß die Propheten der sozialen
Sittlichkeit die Frage des besonderen Gottesdienstes in der Schwebe
ließen. Die Sünde war ihnen ja vorzugsweise die soziale Sünde,
die nur durch soziale Gerechtigkeit gesühnt werden konnte. Für
Jecheskel hingegen hat sich aus dem sozialen Milieu heraus das In-
dividuum erhoben, und zwar in seiner eigenen Sünde. Aber diese j
Sünde ist keine Schlußstation im Menschen, sondern vielmehr nur!
der sich immer wiederholende Anfang zu dem immer sich wieder er-
öffnenden neuen Leben.
Dieser unaufhörlich neue Anfang muß zu einer öffentlichen Ein­
Tichtung gebracht werden; er kann sich nicht lediglich in der Stille
230

und in! Geheimnis des Menschenherzens vollziehen. Es ist der Sinn*


aller sittlichen Institute, daß sie das Individuum in seiner sittlichen
Arbeit unterstützen. Dies ist ja auch der Sinn der Rechtsformeln,,
daß sie den Willensgedanken zur Formulierung bringen und durch
diese zur Wirklichkeit der Handlung verhelfen. Eine solche Wirk-
lichkeit ist auch für das Bekenntnis zu fordern und einem öffent-
liehen Institute zu suchen. Diesem Desiderat entspricht der Gottes-
dienst.
33. Jetzt wird nun die historische Überlegung notwendig, daß•
‫ ן‬wir in einer Zeitwende hier stehen, in welcher der Gottesdienst des•
‫ ן‬Gebetes noch kaum vorhanden, jedenfalls noch nicht selbständig
\ geworden war. Wir werden sehen, daß er hier erst entstehen konnte
! und mußte. Woran sollte sich nun aber .Jecheskel anschließen, wenn
er sein neues Individuum nicht zwischen Himmel und Erde schweben
lassen, wenn er das Bekenntnis in der Buße zum Vollzug bringen
wollte? Woran anders konnte er sich halten als an das nationale
Opfer, das Israel mit allen Nationen der Erde gemeinsam war — das
in seinen Grundmotiven bis auf den heutigen Tag mit alleiniger
i^fnahme des Judentums in der gesamten sittlichen Welt sich
erhalten hat, wenn auch nur unter symbolischem Blutgebrauch —
woran anders konnte er die individuelle Buße anknüpfen als an das
Opfer?
34. Die historische Erwägung hat sich ferner auch auf die politi-
sehen Verhältnisse zu erstrecken, unter denen die Reform Jecheskels
sich vollzog. Der Staat war untergegangen, und er konnte, er
durfte nicht wieder errichtet werden, so lange man die persische
Oberhoheit zu respektieren hatte. Welches andere Mittel konnte
versucht werden, um den Beruf Israels für die Verkündigung des
einzigen Gottes aufrecht zu halten? Noch heute ist ja der Glaube
nicht entwurzelt, daß nur der Staat dieses Mittel sein könne.
Jecheskel und zumal seine Nachfolger waren von einer anderen
politischen und religiösen Einsicht beseelt. Sie ließen den Staat
getrost fallen. Wir werden später sehen, wie der Monotheismus
sich damit erst erfüllte, daß er von dem Einzelstaate sich losrang►
j Aber einer zusammenfassenden Einheit kann keine Gemeinschaft
; entbehren, auch wenn sie noch so sehr einen rein geistigen Inhalt
| zu ihrer Aufgabe hat. Und diese zusammenfassende Einheit muß,.
* wenn sie eine historische Größe sein soll, ein öffentliches Institut
werden. Welche Analogie ist denkbar zu der Einheit des Staates?
231

35. Wir denken heutzutage an die zum Staate analoge Einheit der
Kirche. Aber eine solche Analogie wird vom ursprünglichen Mono-
theismus schon ausgeschlossen. Im Gottesstaate wäre die Kirche
nicht bloß eine Anomalie, sondern ein Pleonasmus. Dagegen mahnt
ist der Sinn der Theokratie. Wenn nun aber der Staat vernichtet
ist, könnte dann etwa eine Kirche als Surrogat erdacht werden, wenn
anders diese den Staat ersetzen sollte? Ist die Kirche nicht vielmehr
als Nebenordnung mit dem Anspruch der Überordnung und der
Ergänzung zum realen Staate entstanden? Ohne den Staat konnte
keine Kirche entstehen.
36. So ist die Geme ind e entstanden, als die einzig entsprechende
Einheit für die einzige Aufgabe der Keligion.. Und wie die Religion
hier auf den Punkt gekommen war, an dem das Individuum ent-
stand, so läßt es sich verstehen, daß für das Individuum das ent-
sprechende öffentliche Institut, dessen es für den Strafvollzug des
Bekenntnisses bedurfte, gar nicht der Staat, und so auch nicht die
dem Staate analoge Kirche, sondern nur das neue Institut der
Gemeinde sein konnte, das sein Vorbild nur hatte in der S ta d t -
gemeinde. Diese aber hat nicht minder auch die Individuen zü
ihrer Voraussetzung, und zwar in prägnanter Weise gegenüber den
nur symbolischen Mitgliedern des Staates. Schon in der hebräischen
Sprachwurzel ist das Wort der Gemeinde auf die Vereinigung ge-
gründet, nicht, wie der Staat, auf das Oberhaupt und die Herrschaft.
37. Wie sollte nun aber die Gemeinde zur Stiftung kommen, zumal
sie den Verdacht eines neuen Staates gegen den Argwohn der Perser
abzuwehren hatte? Welches öffentliche Mittel konnte ausfindig ge-
macht werden, um die Einheit der Gemeinde zustande zu bringen,
und ohne ihr den Zwang der Staatseinheit zu verleihen? Es konnten
sicherlich nur religiöse, nur öffentliche Mittel des Gottesdienstes
sein, welche zur Herstellung der Gemeinde in Frage kamen. Und
wie sehr immer dem neuen Begriffe vom Menschen gemäß auch
ein neuer Begriff von Gott entsprechend gemacht werden mußte, mit-
hin auch der Gottesdienst des Opfers Reform und Umbildung erforderte,
so ist es doch der natürliche historische Gedanke, daß dieses Ur-
institut des Kultus nicht schlechthin ausgeschaltet, daß auf ihn nicht
verzichtet werden konnte. Es gab kein anderes öffentliches Mittel
des religiösen Geistes.
Schon im Deuteronomium erscheint es als ein Widerspruch,
daß die klare und eindringliche Hervorhebung der rein sittlichen
232

Gedanken und Gebote verbunden wird mit der Beibehaltung des


Opfers. Wie aber dort dem Götzendienste entgegengearbeitet wird
durch die Forderung, daß n u r in Jerusalem das Opfer verrichtet
werden dürfe, so klammert sich auch Jecheskel an den einzig zu-
lässigen Opferdienst in Jerusalem, um im dortigen Heiligtum den
Mittelpunkt zu gründen für die Bildung der Gemeinde und ihrer
:Organisation für den Ersatz des Staates.
Im Deuteronomium war die nationale Sammlung und für diese
die Auszeichnung des Tempels zu Jerusalem auch schon Vorzugs-
weise das Mittel zur Befestigung des Monotheismus. Jetzt wird
dieses nun schon durch die Auszeichnung und Lokalisierung des
einzigen Ortes geläuterte Mittel zur ferneren Entwicklung und Ver-
tiefung des Monotheismus benutzt.
Es kann daher nicht mehr ausschließlich die Frage sein, die unge-
schichtlich wäre, ob das Opfer nicht dennoch besser unterdrückt worden
wäre, sondern die wahrhaft geschichtliche Frage muß mit dem prinzi-
piellen Interesse sich zur tieferen Frage vereinbaren: ob diese Ver-
bindung in jeder Hinsicht eine Schädigung des Monotheismus bewirkt
habe, oder ob sie trotz allen gegründeten Gegenbedenken die prinzipiell
notwendig gewordene Vertiefung des Monotheismus über den sozialen
Prophetismus hinaus nicht etwa nur nicht gehemmt und beeinträchtigt,
sondern ob diese vielleicht gar nicht hätte durchgeführt werden
können ohne die Heranziehung des Opfers.
Einen Beweis für diese historische Bedeutung der Beibehaltung
des Opfers könnte man nun aber schon aus methodischem Gesichts-
punkte in dem Umstande und Kennzeichen fordern, daß das benutzte
Opferwesen im Sinne der neuen Reform selbst auch umgestaltet
wurde. Und diese Forderung, diese Erwartung wird befriedigt.
38. Man hat es als einen Mangel des ganzen Institutes bezeichnet,
daß der das Opfer darbringende Mensch zurücktritt gegen den
P r i e s t e r , der es in seinen rituellen Funktionen verrichtet. Indessen
tritt nicht allein der Mensch zurück hinter den Priester, sondern
vielmehr auch Gott. Beim Opfer fungiert nur der Priester, der das
Tier schlachtet, den Altar mit Blut besprengt und was .der-
gleichen symbolische Handlungen mehr sind, die alle Sühnung zum
Zwecke haben. A11 dieser ganzen Sühnung nimmt Gott keinen Anteil.
Nirgend wird bei diesen Opfersühnungen Gott als Sühner benannt.
Gott bleibt dabei gänzlich aus dem Spiele. Und das ist der große
Vorteil, der sich aus dem ganzen Opferritus herausteilt:
233

Denn durch die Zurückstellung sowohl Gottes, wie des MenschenJ


hinter den Priester, der der alleinige Akteur beim Opfer ist, bereitet!
sich nun unwillkürlich die unvermittelte Verbindung‫ ־‬zwischen dem!
Menschen und Gott vor. Diese ist der negative Gewinn des Opfers.{
Und um diesen Gewinn könnte man ullein schon die Pesthaltung
des Opfers nicht nur als ein historisches, sondern auch als ‫ ־‬ein
psychologisches Werkzeug mithinnehmen. Denn wenn das Ich für
sein Sündenbekenntnis der Gemeinde bedarf, so muß das Ich‫־‬
Individuum den freien Verkehr mit Gott gewinnen, den wohl eine
symbolische Handlung, aber nicht die Person des Priesters ver-
mittein darf. Durch diese Person würde die Entstehung der neuen
Person des Ich durchaus gehemmt.
Der Priester kann und darf die sittliche S e l b s t t ä t i g k e i t
nicht abschwächen, die der seine Sünde bekennende Mensch unter Be-
nutzung des symbolischen Opferwerkes in und durch sich selbst zu voll-
führen hat. Die Sühnung muß u n te rs ch ie d en werden von der\
Versöhnung. Diese erfolgt unvermittelt in dem Verhalten des 1
Menschen zu Gott und Gottes zum Menschen. Die Versöhnung
wird nicht vollzogen durch die Sühnung, sondern sie ist bedingt
durch die Selbstläuterung, welche der Mensch in seinem Sünden-
bekenntnis anzustreben hat. Die Deklaration der Sünde seines Ich/
-‫ ׳‬bedeutet für dieses Ich die Anbahnung der Umkehr und der so‫; ־‬
genannten Buße in allen ihren Leistungen.
39. Das Opferritual selbst läßt es noch erkennen, daß ein solcher
Unterschied zwischen dem Priester und dem Menschen in der
!Reinigung gemacht wird. Diesen Sinn dürfte das Wort ‫״‬vor dem
Ewigen“ haben. Der Priester sühnt, und es ist schon fraglich, ob
er selbst reinigt, wie bei dem xAussätzigen, aber ganz unfraglich ist
es, daß die Reinigung immer erst im Hinblick auf Gott ‫״‬vor Gott“
zustande kommt. So deutlich wird überall die Reinheit, der
symbolische Ausdruck der Versöhnung, auf Gott zurückgeführt, und
von ihr die Sühnung unterschieden, die das Werk des Priesters ist.
Durch die Reinheit wird die Homonymie in dem hebräischen Worte
‫כפרה‬, das Sühne, wie Versöhnung, bedeuten kann, aufgehoben, und
der Schwerpunkt in die Versöhnung gelegt. Diese allein hat Gott
zu bewirken, und für diese seine eigentliche Aufgabe wird auch der
Gottesbegriff, entsprechend der Vertiefung des Menschenbegriffs, selbst
.auch über den Begriff der sozialen Heiligkeit hinaus noch zu
innigerer Vertiefung gebracht.

#
234

40. Für die relative Angemessenheit des Opfers zu diesen inneren


Reformgedanken ist es kein geringes Moment, daß das Opfer über-
haupt eingeschränkt wurde auf denjenigen Begriff der Sünde, welchen
das un w iss en tli che Vergehen ( ‫ )שגגה‬bezeichnet. Für Sünden, welche
in wissentlicher und höhnischer Verletzung des Gesetzes verübt
waren, durfte das Opfer nach dem rabbinischen Gesetze nicht zu-
gelassen werden. Und wir werden bei der Betrachtung des Ver-
s ö h n u n g s t a g e s sehen, daß die Versöhnung proklamiert wird auf der
Voraussetzung dieses Charakters der Sünde als Schegaga.
In dieser Einsicht berührt sich nun wiederum auf das genauste
die monolheistische Religion auf dieser Stufe ihrer Entwicklung mit
der Ethik in ihrem Ursprung bei Sokrates. Wie Sokrates alle
‫׳‬Tugend mit dem Wissen gleichsetzt, alles Unrecht daher als Un-
!wissenheit deutet, so wird in dieser prophetischen Reform der Heilig-
' keit die Sünde erklärt als Unwissentlichkeit.
Wenn es nun zunächst scheinen könnte, als ob dieser Höhepunkt
im Widerspruch stünde mit dem als notwendig erkannten Durch-
gangspunkte der Selbsterkenntnis und des Bekenntnisses der Sünde,
so führt schon der Ausdruck ‫ ״‬Durchgangspunkt“ zur richtigen
Orientierung. Die Selbsterkenntnis der Sünde ist ein Durchgangs-
punkt für die Erzeugung des Ich, aber sie ist nicht etwa der JLb-
Schluß derselben. Diesen bildet ja die Versöhnung, welche bedingt
ist durch die Befreiung von den! Schuldbewußtsein.
Freilich soll diese Befreiung Selbstbefreiung sein. Als solche ist
der Wert der Buße bestimmt. Indessen bedarf ja das Individuum
zu seinem Bekenntnis der Gemeinde und in dieser des Opfers. Das
öffentliche Institut der Gemeinde muß dem Individuum Beistand leisten‫׳‬
für seine Reifung zum Ich. Die Gemeinde vertritt den Staat, und das
Opfer wird zu einem des Institut des Rechtes. Von diesem Institute
aus muß daher der Beistand erfolgen. Und sein erstes Zeugnis ist
das Urteil: alle Sünde des Menschen, sofern sie der Läuterung fähig
ist, mithin aus dem Geleise des Menschlichen nicht gänzlich ent-
glitten ist, darf als Schegaga erkannt werden. Dies mag noch für
eine soziale Wahrheit gelten. Sie entstammt ja auch noch aus dem
sozialen Institute, welches dem Rechte analog ist. Aber diese
soziale Wahrheit wird der Grundstein für das wahrhafte Individuum,
welches im Ich zur Läuterung kommt.
41. So wird das Opfer, als soziales, als Institut der Gemeinde ein
wichtiges Hilfsmittel für die Entstehung des Ich in seiner religiösen

%
235

Bedeutung, welche sich vollzieht in der Korrelation von Mensch


und Gott. Der Priester stellt symbolisch die Reinigung dar, welche
in der Buße, die in dem Bekenntnis gipfelt, das Individuum in sich
selbst zu vollziehen hat. Dieses ‫״‬in sich selbst“ aber ist eingefügt
in die Korrelation zu Gott. Und diese Korrelation wird durch das
symbolische Opfer herbeigeführt. Seine Devise ist: ‫״‬vor Gott“. Sf&
wird durch das Opfer in die Korrelation eingeführt und in ihr gesichert
Und die Grundbedingung des Opfers, auf der seine Zulässigkeit
beruht, ist der ethische Grundgedanke: die Sünde des Menschen. |
das will sagen diejenige, bei welcher er Mensch ist und Mensch
bleibt, nicht etwa aber Tier oder Unmensch wird,, für welche Möglich-
keit pathologische Erklärungsgrande herbeigezogen werden müßten —
ist Schegaga. •'
Alle menschliche Sünde ist Irrung, ist ein Schwanken und Wanken.
Dies ist die Grundbedeutung dieses hebräischen Wortes. An einer Stelle
wird der Begriff noch ausdrücklich erläutert, als sollte er als ein
neuer hervorgehoben werden. ‫״‬Und es bühne ihn der Priester über
sein Vergehen, in dem er sich sich)vergangen hat, und er wußte es
nicht“ (3. M. 5, 18). Das Nichtwissen erklärt die Irrung.
Aber diese Erklärung, diese Sicherung des Menschen gegenüber der
Verfehlung durfte der Mensch sich selbst nicht geben; er würde sonst
seine Selbsterkenntnis schädigen. Diese Rechtfertigung kann ihm
nur eine öffentliche Instanz gewährleisten. Diese Vermittlung über-
nimmt das Opfer, welches daher überhaupt auch nur subjektiv, für
das Bewußtsein des Menschen, als ein seiner Befreiung dienstbares
Werkzeug nur mit einer dem Kriminalrecht angehörigen Ausnahme,
angenommen und eingeschränkt wird. Denn eine Sünde, die nicht
unter den Oberbegriff der Schegaga eingeordnet werden kann, bleibt
unzugänglich für das Opfer. Das Opfer ist nur das Reinigungs-
mittel von der unwissentlichen Sünde.
Unter diesem fundamentalen Gesichtspunkte wird das Verfahren
Jecheskels in der Heranziehung des Opfers nicht bloß entschuldbar
und einigermaßen verständlich, sondern dasselbe vereinigt sich zu-
gleich mit dem anderen Ausgangspunkte, welchen er zur Entdeckung
des menschlichen Ich nimmt. Durch die Sünde soll der Mensch
Individuum werden, und zwar als ein seiner selbst bewußtes Ich. Ist
das nicht ein Widerspruch?* Es ist keiner; denn die Sünde ist die
Sünde der Menschlichkeit. Und auch dies ist kein Widerspruch.
Denn ohne in der Menschlichkeit mit allen ihren Schwächen sich
236

.zurechtzufinden, kann auch der Mensch sich nicht zu Gott hin


finden. Und ohne die Korrelation mit Gott kann der Schlußakt der
Versöhnung sich nicht vollziehen.
42. Das Opfer der Schegaga erweist sich immer mehr als nicht
schlechterdings heterogen zur Gestaltung des Ich. Der Priester
fungiert nur bei der symbolischen Sühnung; dagegen hat er nicht
mitzuwirken bei der Versöhnung des Menschen mit Gott. Dieser
negative Gewinn beim Opfer wird zu einem Hauptgewinn, den die
bisherige Geschichte der religiösen Menschheit klarstellt. Der tiefste
Gehalt des einzigen G'ottes kommt hier zum Ertrag.
Versöhnung mit Gott soll die Korrelation von Mensch und Gott
dem Menschen bringen. Diese Sicherung bringt der einzige Gott. Er
ist der einzige Erlöser. Er allein bringt die Erlösung, welche in der
Versöhnung des Menschen mit Gott, and durch sie in der des Menschen
mit sich selbst, in sich selbst, ja zu sich besteht. Wie die Einzigkeit
Gottes zuvörderst seine Einheit bedeutet, so geht von ihm allein
und ohne jegliche Mitwirkung die Versöhnung und die Erlösung aus.
Wenn es überhaupt denkbar wäre, daß ein Logos, eine Mittels-
kraft bei der Schöpfung mitwirken könnte, so würde der korrelative
Begriff des Menschen eine jede solche Mitwirkung bei der Versöhnung
.ausschließen. Nur der einzige Gott in seiner wahrhaften Einheit kann
die Erlösung bewirken.
Diese Konsequenz macht das Opfer anschaulich. Denn bei ihm
wird ein Tier geopfert; kein Mensch, geschweige ein gottesartiges
Wesen. Und kein Gott opfert, geschweige er selbst und sich selbst;
sondern nur der Priester ist der Sachverständige des Opferkultus.
Über diesen Priester und über den Altar hinaus, an dem er hantiert,
wird der Blick des opfernden Israeliten emporgehoben zu dem Gotte,
vor dem er steht. Dies bedeutet der durchgängige Ausdruck ‫״‬vor Gott“.
Nicht vor dem Opfer, nicht vor dem Priester steht der Mensch,
so daß er vor ihm der Keinheit teilhaft werden könnte, sondern ‫״‬vor
Gott sollt ihr rein werden“. Die Korrelation wird gefügt und ge-
schlossen zwischen Mensch und Gott, und kein anderes Glied darf
in sie eingeschoben werden. Wie der Mensch ein seiner selbst be-
wußtes Individuum werden soll, so bewährt sich in der Korrelation
Gott und für diese auch in seiner Einheit, welche jeden Mitversöhner
.ausschließt. Jede Mitwirkung eines anderen zerstört die Einzigkeit
Gottes, die mehr als für die Schöpfung erforderlich ist für die Erlösung.
43. Indessen wollen wir erst später ausführen, welches Attribut
237

sich aus der Einheit Gottes für dieses Problem ergibt. Hier haben
wir noch für den Menschen, als Ich, zu sorgen, und daher noch ge-
nauer die Bußarbeit zu ergründen, die ihm obliegt. Auch für ihn
ist die Mitwirkung Gottes bei dieser seiner eigenen Arbeit auszu-
schließen. ‫״‬Vor•Gott“ heißt es,‫ ־‬nicht durch Gott, noch auch nur/
mit Gott, sondern durchaus nur vor Gott. Diese Bestimmung be-j
darf noch genauerer Erörterung. j
Wenn unser methodischer' Grundgedanke zu Recht besteht, sa
muß die Autonomie des Willens unangetastet in Kraft bleiben.
Wenn die Ethik fordert, daß der Wille das Sittengesetz als das
Gesetz der sittlichen Vernunft vollziehe, so kann es dagegen keinen
anderen als nur einen methodischen Unterschied bilden, daß difc
Religion der Vernunft den Willen der Vernunft als das Gebot Gottes
zu denken lehrt. Dieses Gebot Gottes ist im Herzen, in dem Geiste
der Heiligkeit des Menschen klargestellt. Die Provenienz des
Sittengesetzes steht soweit außer aller Frage bei der einzelnen Auf-
gäbe des sittlichen Willens. Und wenn es nun in der Buße gilt
das Selbsterkenntnis der Sünde als den Durchgang zu gewinnen für
die Befreiung und die Reinheit des sittlichen Bewußtseins, so muß
bei dem Beschreiten und Durchwandern dieses Durchgangspunktes
die Selbständigkeit der Willensarbeit ungehemmt und unbeeinflußt
sein von jeder anderen Willenskraft. Was diese zu leisten haben
mag für den Ursprung des Gesetzes, steht jetzt nicht mehr in Frage,
Jetzt steht allein der Mensch, als Ich, auf dem Spiele. Und dieses
Spiel ist von vornherein verloren, wenn die Selbständigkeit nicht eine
absolute wird.
Nur auf den eigenen Lebensweg muß daher der Mensch zurück
zu blicken haben, und nur auf die Abkehr von ihm. Und zur Mög-
lichkeit, einen neuen Lebensweg anzubahnen, bedarf er zunächst des
Bekenntnisses vor der Gemeinde und bei der Gelegenheit des Opfers.
Aber alle diese Hilfsmittel sollen ihm nur solche sein für die
eigene selbständige Arbeit im Rückblick und Vorblick. Und der
Vorblick geht auf Gott. Und so liegt in diesem Vorblick die ganze
Perspektive der Heiligkeit und der ganze Horizont, den die Kor-
relation mit Gott lichtet. Aber die Projektion auf diesen Horizont
muß der Mensch ganz allein und selbständig ebenso anfangen, wie
durchführen. Jeder Beistand, jede Mitwirkung bei der Buße würde
die Umkehr zu einer Umführung machen, und die selbständige
•Leistung und Aufgabe des Menschen vereiteln.
238

Auch für die Sicherstellung dieses Gedankens ist das Opfer


«ein gar nicht unwichtiges Mittel. Denn wer wird noch so tief in
*der Mythologie stecken wollen, daß er das Opfer als ein homogenes
Mittel der Selbstläuterung ansehen könnte. Ein Symbol kann es
allenfalls sein, aber nichts mehr. Die Buße dagegen soll mehr
sein als nur ein Sinnbild; sie soll eine reale, eine realisierende
Handlung des Willens sein, welche den Menschen zum Ich-Indivi-
duum emporhebt. Daher kann sie nur eine Handlung von‫ ׳‬eigener
Leistungsart sein. Und alle Bedingnisse strengster Gewissensarbeit
müssen ihre Forderungen werden.
Das Gewissen kann kein Mitwissen Anderer anerkennen, und so
•auch keinen Mitarbeiter oder Helfershelfer. Wird dadurch aber etwa
auch Gott ausgeschaltet? Diese Frage darf nicht mehr auf kommen.
‫ ״‬Vor Gott“ muß die Buße erfolgen. Er bildet das Ziel, auf welches hin
die Selbstarbeit gerichtet bleibt. Was Gott, als solcher Zielpunkt,
positiv leistet zur Erreichung des Zieles, das ist der Erfolg der Er-
lösung, von der wir weiterhin zu handeln haben. Jetzt gilt es
nur erst, die Herbeiführung der Erlösung als die selbständige Hand-
lung des Menschen .klarzustellen.
44. Fragen wir nochmals, in welchen einzelnen Schritten die Buße
sich ergehen müsse, so genügt freilich die allgemeine Antwort nicht,
welche in den grundlegenden Anweisungen liegt: ‫ ״‬Werfet von euch
ab alle eure Sünden! und ‫״‬machet euch ein neues Herz und einen
neuen Geist!“ Denn die Möglichkeit dieser Abwälzung aller Sünde
und dieser Schaffung eines neuen Herzens und eines neuen Geistes
bildet ja eben die Frage. Indessen braucht man diese Mahnung nur
zu vergleichen mit der Jeremias: ‫״‬Laßt uns unsere Wege prüfen
und untersuchen, auf daß wir zurückkehren zu dir!“ (Kl. 3, 14),
um den Unterschied zu erkennen, der zwischen dem Durchprüfen
der Wege und dem Verlassen der Wege liegt. Das Durchprüfen ist
Vorbedingung, unerläßliche, aber nicht mehr. Das Abwälzen aller
Sünden ist die neue Kraft, in der das Ich ins Leben tritt. Diese
neue Kraft erweist das neue Ich.
Zu dieser positiven Leistung erhebt sich die Buße auf der
;Vorstufe der Reue. Diese ist nur eine negative Vorbedingung zum
1Verlassen des alten Lebensweges. Und wenn es bei ihr verbliebe,
so müßte es zur Verzweiflung führen, während ein neues Leben in
Aussicht steht. Dieser Frohmut des Selbstbewußtseins kann nur
von dem Selbstgefühl der selbständigen Arbeit geschaffen werden.
239

Die Reue ist nur der Gefühlsausdruck des Affektes, welcher die Yer-
werfung und. Verachtung des alten Lebensweges unwillkürlich be-
gleitet; aber dieser begleitende Affekt ist an sich selbst nicht schöpfe-
risch. Schöpferisch wird erst die Erkenntnis und das Bekenntnis.
Helles Bewußtsein in Erkenntnis und Handlung, darauf kommt es
an, und darin wird der Grund gelegt für den neuen Lebensbau.
Alles, was mit dem Terminus der G e s in n u n g bezeichnet wird,
muß durch diese beiden Taten des Bewußtseins geleistet werden.
Die Gesinnung ist der Ausdruck für die Innerlichkeit, aus der alles
Äußere der Tat hervorgehen soll. In diesen beiden Bichtungen be-
tätigt sich die Innerlichkeit: in der Erkenntnis und in dem Bekennt-
nis. Das Bekenntnis ist der erste Schritt zur Handlung, welche
wiederum in zwei Schritten erfolgt: in der Abwälzung und in der
Neuschaffung. Die Gesinnung darf nicht nur eine theoretische Inner-
liehkeit bedeuten, wie die Erkenntnis der Sünde eine solche eigentlich
nur ist. sondern sie muß in Handlung sich umsetzen. So unter-
scheidet sich hier auch in der Gesinnung die Buße Jecheskels von der
Prüfung bei Jeremia, die in dieser Bichtung auch bei Jesaja verläuft.
45. Nun aber erhebt sich eine neue Frage. Wir nannten den
Menschen der sozialen Mehrheit eine Abstraktion. Ist eine solche
nicht auch das neue Individuum, als Ich? Ist es etwa ein empiri-
sches Einzelwesen? Oder ist es dies nicht vielmehr nur als eine
populäre Illusion, welche das ideale Moment einer Entwicklung, die
aufgegeben ist, verwechselt mit einer konkreten abgeschlossenen Ge-
stalt für dieses Moment einer aufgegebenen Entwicklung? Wir
stehen mit dieser Frage vor einem der tiefsten Probleme der Ethik,
welches daher auch für das religiöse Problem von grundlegender
Bedeutung sein muß.
Das neue Herz und der neue Geist sind und bleiben Aufgaben./
Auch das Ich darf als nichts anderes gelten denn als Aufgabe. Sol
wenig man sich vorstellen, kann, daß in konkreter Gegebenheit ein
neues Herz gebildet werden sollte, ebensowenig ist eine solche abzu-
schließende Gestalt der Sinn des zu erzeugenden Ich. Wie dieä
Ethik, so muß es auch die Beligion immer nur mit Aufgaben zu
tun haben, die, als solche, unendlich sind, und daher auch nur un-
endliche Lösungen fordern können.
Das Ich kann daher nichts Höheres und durchaus nichts anderes
zu bedeuten haben als nur einen Schritt, eine Stufe im Aufschwung
zu dem Ziele, das unendlich ist.
Wird das Ich etwa dadurch zu einer bloßen Abstraktion? Viel-
mehr wird es dadurch erst zu einer richtigen Realität gebracht. Ab-
-straktion vielmehr bleibt es innerhalb der Mehrheit und als ein isoliertes
.Subjekt. Wenn es dagegen in die Momentanität eines Aufschwungs
eingehoben wird, so kommt es zu einer wahrhaften sittlichen Lebendig-
j keit. Die Buße verschafft dem Menschen dieses neue Leben, das freilich
!.nur in der Seligkeit eines Momentes bestehen kann. Aber dieser
( Moment kann und soll sich unaufhörlich wiederholen: er darf nie-
f mals inveterieren, sondern er muß und er kann sich stets vertagen
; und erneuern.
Diese Stetigkeit, welche die Aufgabe dieses Aufschwungs fordert,
befreit das Ich, welches in der Kontinuität dieser Momente seinen
Bestand gewinnt und behauptet,‫ ׳‬von dem Verdacht einer bloßen Ab-
straktion. Vielmehr ist alle andere Art der Subjekterscheinung nichts
( als Gespenst oder Materialisierung. Das Subjekt, als Ich, ist be-
j dingt durch den Moment und durch die Kontinuität der Momente.
46. Die Heiligkeit ist uns besonders bei Jesaja als der Terminus
der Religion bekannt geworden. Gott ist der heilige Gott. Dies ist
die neue Gotteserkenntnis. Und der heilige Gott fordert: ‫״‬heilig
sollt ihr sein“. Auch dieser Satz enthält den Schein eines Wider-
Spruchs; denn wie könnte der Mensch heilig sein sollen, weil Gott
es ist? Das Heiligsein kann auch hier nur bedeuten das Heilig-
werden. Die Aufgabe selbst ist das Ziel; die unendliche Aufgabe
ist das unendliche Ziel.
Daher hat der pentateuchische Ausdruck die Bedeutung einer
Erläuterung: ‫״‬Und ihr selbst sollt euch heiligen und ihr werdet heilig
sein“ (3. M. II, 44). Es muß der Verdacht abgewehrt wurden,
als ob die an den Menschen gerichtete Forderung befriedigt werden
könnte oder gar sollte durch Gott, nicht aber durch den Menschen
selbst. Denn diese Zweideutigkeit könnte enthalten scheinen in den
beiden Sätzen: ‫״‬heilig sollt ihr sein, denn heilig bin ich, euer
Gott.“ Wenn jedoch das Heiligsein vielmehr nur das Heilig werden
bedeutet, so kann eine nicht abzuschließende Leistung nicht Gott zu-
gemutet werden; eine solche kann nur dem Menschen zufallen.
Diese Erläuterung enthält der Satz ‫״‬Ihr sollt selbst euch heiligen,
und ihr werdet heilig werden.“ Dieses Gebot der S e lb s th e il i g u n g
kann gar nicht zeitlich beschränkt sein. Es bezieht sich auf jeden
Moment des menschlichen Lebens. Und es hat seinen eminenten
Bezug auf den Moment, in welchem das Ich zu stets neuem Leben
241

verjüngt werden und in welcher kontinuirlichen Verjüngung es durch-


aus nur seinen einzigen Bestand haben und behaupten können soll.
47. Wir fragten nach den einzelnen Hauptschritten, in denen
die Buße sich zu vollziehen habe. Die wichtigste Antwort ist jetzt
gefunden. Die Buße ist S e lb s th e ili g u n g. Und alles, was die Reue,
die Einkehr in die Tiefen des Selbst und die Durchprüfung des ge-
samten Lebensweges, endlich die Abkehr und Umkehr und die
Schaffung eines neuen Lebensweges bedeuten können, es wird alles
in der Selbstheiligung zusammengefaßt. Sie enthält die Kraft und
die Richtung, in der sie sich einzusetzen hat für die Neuschöpfung
des wahrhaften Ich. Heiligung ist das Ziel; Selbstheiligung ist das
einzige Mittel.
Und in diesem Mittel ist das Ziel ebenso enthalten, wie das Ziel
in dem Mittel. Nur der Mensch selbst kann die Selbstheiligung voll-
bringen; kein Gott kann ihm dabei helfen. Gott leistet schon viel da-
durch, daß er das Gebot gibt; und er wird noch mehr leisten. Aber
er darf der Arbeit, welche das Gebot vom Menschen fordert, nicht
in die Speichen fallen sollen. Die Aufgabe ist dem Menschen auf-
erlegt; sie ist eine unendliche, weil die Lösung eine unendliche ist.
Gott, als Mitarbeiter, müßte die Lösung zu Ende bringen. Da
solches Ende dem Begriffe dieser Lösung widerspricht, so widerspricht
es auch dem Begriffe der Aufgabe, daß Gott Anteil haben könnte
an ihrer Bearbeitung.
48. Bevor wir weitergehen, soll noch ein vorzüglicher Schritt in
der Leistung der Buße beachtet werden. Er wird bezeichnet durch
den Ausdruck W eg für die Sünde; und so auch Weg, als Umkehr.
‫״‬Lasset uns prüfen unsere Wege.“ So wichtig es ist, den"Aufsehwung
im Momente zu fassen, zu bezeichnen, so wichtig ist es andererseits,
die Sünde nicht als eine einzelne zu betrachten, sondern im Zu-
sammenhange, im Gesamtbilde des menschlichen Lebens.
Es ist nicht etwa eine falsche Metaphysik, welche eine jede Hand-
lung des Menschen in ursächlichem Zusammenhänge denkt mit allen den
anderen. Damit wird nicht etwa der scholastische Satz bestätigt, den
Schopenhauer sich zunutze macht: Operari sequitur esse; sondern die
Arbeit der Buße kann dadurch erst gründlich und ernsthaft werden,
daß sie die einzelne Sünde einreiht in das ganze Lebensbild.
Diese einheitliche Ganzheit wird bezeichnet durch den Weg. Jede
Sünde ist nichts als ein Schritt des Weges. Man mache sich keine
Vorspiegelung, daß die einzelne Sünde nur vereinzelt wäre, so daß
16
242

sie als eine Abnormität erscheinen könnte. So darf sie in der wahr-
haften Buße nicht betrachtet werden. Jede Einzelsünde ist ein In-
begriff des Menschen, ein Wahrzeichen seines Wesens, welche in der
biblischen Sprache bei Gott, wie beim Menschen, als Weg bezeichnet
‫ י‬wird. ‫״‬Laß mich doch schauen deine Wege,“ so bittet Mose Gott
um die Erkenntnis seines Wesens. Und ‫״‬die Wege des Menschen
- erkennt Gott.“ Der Weg ist der Inbegriff der Handlungen.
49. Haben wir nun aber so diese Buße als die Selbstheiligung
erkannt, und die Umkehr als die Schaffung ebenso sehr eines neuen
Weges, wie eines neuen Herzens und eines neuen Geistes, so haben
wir jetzt vom Menschen fortzuschreiten zu Gott, der zwar nicht
der Mitarbeiter, aber das Ziel der Selbstheiligung ist.
Die Umkehr#enthält auch eine Zweideutigkeit, ähnlich der in
der Heiligkeit. Die Umkehr soll zu Gott erfolgen. Aber sofern sie
auch die Schaffung eines neuen Herzens bedeutet, ist sie zugleich
die Einkehr in dieses neue Herz. Diese ist von uns jetzt als die
Einheit von unendlicher Aufgabe und unendlicher Lösung erkannt
worden. Nicht aber hat bisher‫ ־‬der andere Sinn der Umkehr Ein-
deutigkeit gefunden: die Rückkehr zu Gott. Welche positive Bedeutung
steht ihr zu, insofern wir Gott als den Zielpunkt der Selbstheiligung
in genauer Einschränkung auf das Ziel bestimmt haben? Welche Be-
deutung hat dieser Zielpunkt als Beistand, wenngleich nicht als mit-
wirkender Helfer? Das Ziel gehört zur Sache, mithin muß es auch
als Beistand gelten dürfen, daher aber auch als ein Bestandteil in dem
Inventar der für die Buße notwendigen Kräfte. Diese Art des Bei-
Stands muß zur genauen und klaren Bestimmung gebracht werden.
50. Jecheskel hat mit seinem großen Worte: ‫״‬Werfet alle eure
Sünden von euch ab“! nicht sein letztes Wort gesprochen, sondern er
hat diesen Gedanken nur benutzt, um den alten monotheistischen Grund‫־‬
gedanken zu neuer Bewahrheitung zu bringen: Gott verzeiht, vergibt,
er ‫״‬trägt“ die Sünde. Der Mensch selbst muß sie von sich ab wälzen,
aber daß seine eigene Tat ihm gelingt, ihn zum Ziele führt, das kann
er nicht wissen. Als seine Aufgabe geht ihn nur an das Ab wälzen;
der Ertrag und Erfolg seiner Handlung entzieht sich seinem Wissen.
Man kann aber nicht sagen, man darf es nicht sagen müssen,
daß die Frage des Gelingens ihn gar nichts anginge. Man darf
zwar die Handlung selbst, die ein unbedingtes Gebot ist, nicht
abhängig machen von dem Yorwissen des Erfolges, aber man braucht
diese Unabhängigkeit vom Erfolge nicht schlechthin aufzufassen als
243

eine Interesselosigkeit am Erfolg. Diese käme einer Herabsetzung


und Vereitelung des Pfliclitgebotes nahe, wenn nicht gleich. Es ge-
hört durchaus in den Gesamtprozeß der Selb ?theilig ing der Hinblick
auf den Satz: ‫ ״‬denn heilig bin ich, euer Gott.;t Der Hinblick auf
Gott gehört in den Prozeß der Selbstheiiigung.
Und dieser Hinblick auf Gott kann nichts anderes zu bedeuten
haben als den Hinblick auf die zwar unendliche, nichts desto weniger
aber sich verwirklichende Lösung der unendlichen Aufgabe. Die
Lösung ist unendlich, denn sie ist nur ein Moment in der unend-
liehen Aufgabe; sie bedeutet aber, als dieses Moment, wiederum das
unendliche Gelingen, den unendlichen Erfolg. Gott kann keine Auf-
gäbe stellen, die nur eine Sisyphusarbeit wäre. Die Selbstheiligung
muß zu dem unendlichen Abschluß kommen in der V er g eb u ng der
Sünde durch Gott.
51. Machen wir uns erst von neuem klar, welchen Beitrag die
Vergebung zur Buße begrifflich bildet. Nicht in eudämonistischer Er-
folg der Bußhandlungen ist sie, sondern als Ziel gehört sie zur Handlung.
Es könnte nun aber von hier aus die Frage entstehen: wenn
die Vergebung sonach zur Buße gehört, tritt dann nicht ein hetero-
genes Moment dadurch in die Bußarbeit hinein, daß Gott dieses
Ziel vertritt und die Vergebung allein zu bewirken hat?
Wird also nicht durch die Vergebung, die bei Gott steht, die
Selbständigkeit und Keinheit der Selbstheiligung verletzt?
Die Frage muß* verschärft werden: Bildet daher nicht über-
haupt das ganze Moment der Vergebung durch Gott ein Außenwerk,
welches ersetzt werden muß dadurch, daß die Selbstheiligung, und
zwar gerade insofern sie immer nur unendliche Aufgabe bleibt, denn-
noch die unendliche Lösung in sich selbst enthält-, so daß sie selbst
.gleichzusetzen wäre mit der Vergebung? Jecheskel sagt ja: ‫״‬werfet
alle eure Sünden von euch ab, und schaffet euch ein neues Herz‫״‬
Setzt er nicht dadurch diese Aufgabe identisch mit der Vergebung
und eliminert er nicht dadurch die Erlösung durch Gott?
52. Man braucht nur an das Stückwerk aller menschlichen, theo-
retischen, wie praktischen, Arbeit zu denken, man braucht ferner nur
an den unaufhörlichen Widerstreit der Weltanschauungen zu denken,
wie er sich im Quietismus und Pessimismus, im Pantheismus und
Monismus, im Skeptizismus endlich oder auch in der Besignation auf
die Schranken der Erkenntnis im Agnostizismus abspielt, um den
16 ‫״‬
244

schweren Sinn dieser Frage zu ermessen. Es kann aber nicht die-


Konsequenz des Gedankens von der Zugehörigkeit des Zieles zur
Bußarheit sein, daß das Ziel in den Menschen selbst, und nicht in
Gott gesetzt würde. Denn alsdann würde das Grundgerüst der reli-
giösefn Erkenntnis, das wir in der Korrelation von Mensch und Gott
errichtet haben, zusammenbreehen. Wenn anders jedoch unser metho-
disches Gerüst bestehen bleiben muß, so haben wir nunmehr als den
neuen Sinn dieser Korrelation zu erkennen die B ede ut un g Gottes
als des Erlösers von der Sünde. Abgesehen davon, ob es uns:
allein gelingen könnte, die Aufgabe unserer selbständigen Arbeit zu.
lösen und die Befreiung zu erreichen, so ist es für die Korrelation
mit Gott, ist es für den Begriff Gottes selbst notwendig, daß er und.
er allein der Erlöser sei; daß er allein diese Erlösung vollführe als
das Verzeihen, als die Vergebung der Sünde. Im Sinne der Theodizee-
könnte man sagen: die Sünde werde dadurch erklärbar, daß Gott
sie vergibt. Das Wesen Gottes ließe sich nicht in seiner Vollendung
begrifflich erkennen, wenn nicht die Sündenvergebung seine eigent-
liehe Leistung wäre.
58. Als höchster Punkt im Begriffe Gottes galt uns bisher seine
Heiligkeit. Aber diesem in aller Fülle und Tiefe ihrer Bedeutung be-
zieht sich eigentlich doch nur auf den Inbegriff der sozialen Sittlich-
keit. Die sozialen Gebote sind es ja, welche im 3. Buche Mose auf
den Grundsatz der Heiligkeit unmittelbar folgen. Und in derselben
Spezialisierung wertet auch Jesaja seinen Grundbegriff der Heiligkeit
Gottes aus. Jetzt aber handelt es sich um das Individuum, und zwar
als Ich. Nun bleibt zwar auch hier die Heiligkeit der Maßstab, und
die Selbstheiligung die Norm. Dennoch aber verbleibt es nicht letztlicli
bei dem Attribut der Heiligkeit: wie haben wir es zu verstehen, daß
schon von Jeremia Gott als der Gute bezeichnet (‫ )טוב‬und daß die
Psalmen das Attribut der Güte beinahe zum Inbegriffe Gottes machen?
Welche Sonderbedeutung hat die Güte im Unterschiede von der
Heiligkeit?
Diese Frage ist um so wichtiger, als durch die Heranziehung der
Güte eine Umdeutung des Wortes vom Neutrum in ein Sub jek t voll-
zogen wird. Bisher wurde das Wort ‫ ״‬gut“ nur gebraucht im all-
gemeinen Sinne von passend und zweckentsprechend, und daher auch in
der Zweideutigkeit von Wohl, immer aber vorzugsweise von einer Sache,,
und wenn von einer Person, so auch bei dieser wohl nur in jener
eudämonistischen Zweideutigkeit. Jetzt aber wird das Wort auf Gott
■2,45

!bezogen. Damit muß die Zweideutigkeit beseitigt sein; denn bei Gott
bat das Wohlbefinden keinen Sinn.
Gott ist auch seihst im ethischen Sinne nicht das Gute: er ist.
•der Gute. Die ganze Sache der Sittlichkeit wird damit in das
Wesen Gottes gehoben, und die Sache dadurch unausweichlich in
den Begriff eines Subjektes aufgehoben.
Gott muß daher, als Guter, eine personartige Leistung der Güte zu
vollziehen haben. Sein Aufgabenkreis kann nicht nur durch die Heiligkeit
beschlossen sein. ‫ ״‬Der heilige Gott wird geheiligt durch Gerechtigkeit“’
So erläutert Jesaja seinen Begriff des heiligen Gottes. Auf die soziale
Gerechtigkeit, welche zugleich die soziale Liebe ist, richtet sich seine
]Heiligkeit Gottes. Wenn nun aber jetzt das Ich das Problem bildet,
so bleibt zwar für dieses auch die Heiligkeit Gottes der allgemeine
Wegweiser, der sich in der Selbstheiligung als der besondere Weg-
weiser bewährt, aber da Gott nun doch das Ziel bilden muß, auf
das der Wegweiser hin weist, so bleibt die Frage, ob die Heiligkeit
Gottes das zulängliche Attribut sei, und ob es nicht vielmehr rer-
ständlich wird, daß die Güte Gottes das ergänzende Attribut für
die Heiligkeit sei. So wird es denn auch verständlich, daß die
dreizehn Eigenschaften Gottes ausschließlich nach der Theophanie im
Exodus angenommen werden, in denen die Heiligkeit nicht genannt
ist, sondern allein, wenn auch in verschiedenen Ausdrücken, die
Güte. Aber unter diesen Ausdrücken tritt schon hier hervor: ‫״‬er
trägt das Vergehen, die Missetat und die Sünde“. Die Sünden-
Vergebung wird die eigen tli che S p e z i a li t ä t der Güte Gottes.
Und so wird es zum prägnanten Stil der Psalmen, den guten Gott
gleichzusetzen mit dem Verzeihenden.
Zwar bleibt der Universalismus der Psalmen für die Güte
Gottes ungehemmt erschlossen. ‫ ״‬Gut ist der Ewige gegen alle,
und sein Erbarmen geht auf alle seine Werke“. (145, 9). Güte
und Liebe bleiben mithin vereinigt. Aber während nach dem
prophetischen Stil beide eins sind mit der Gerechtigkeit, so daß
Gerechtigkeit und Liebe meist verbunden sind, tritt im Stil der
Psalmen und dem ihnen anverwandter Schriften die Verbindung hervor
zwischen der Güte und der Sündenvergebung. ‫״‬Gut ist der Ewige und
.gerade, darum weist er die Sünder zurecht auf den Weg“. (25, 8).
Denn bei Dir ist die Vergebung, auf daß du verehrt werdest“.
•(130, 4). Auf die Sündenvergebung wird alsdann der ganze mono-
246

t heistische Gottesdienst begründet. Und in ihr prägt sich das be-


sondere Attribut der Güte aus.
Was hätte denn überhaupt die Güte sonst zu bedeuten, was
nicht schon durch die Liebe gewährleistet wäre? Schon die Gnade
steht auf der Grenzlinie der Liebe und Güte. ‫״‬Ich erbarme•
mich, dessen ich mich erbarme, und ich begnadige, den ich
begnadige42) .‫ ׳‬. M. 33, 19). Mit diesen Worten soll nicht• etwa
das Gutdünken Gottes für Liebe und Gnade ausgesprochen sein,
sondern vielmehr die Wahrhaftigkeit und illusionsfreie Realität dieser
Wirkungen Gottes. Aber auch hier schon steht die Begnadigung
voran. Sie vernichtet und vereitelt, was sich in der Sünde ihr ent-
gegenzustellen droht. Der etymologische Zusammenhang des Sub-
stantivs ‫( הן‬gratia) mit dem Adverb ‫( חנם‬gratis) dürfte so sich er-
klären. Die Gnade macht alles eitel und zu einer verlorenen Sache•,
sodato umsonst ist, was sich ihr widersetzt.
54. Alle Dialoge mit Gott, bei Abraham, wie bei Mose, betreffen
dieses Problem der Sündenvergebung. Und überall wird es klar ge-
löst, wenngleich nicht unter Aufhebung der Gerechtigkeit. Diese Anti-
noraie bewegt sich zwar in einem durchgängigen Schwanken, dennoch
aber bleibt der Schwerpunkt in der Sündenvergebung unerschüttert.
Und es ist das Verdienst Jecheskels, diesen Schwerpunkt zum Mittel-
punkte des Monotheismus gemacht zu haben. Es wird überaus klary
wie erst der Begriff des menschlichen Individuums diese Eigenschaft
Gottes zu der zentralen machen konnte.
In einem poetischen Bilde, nämlich dem vom Hirten und seiner
Herde, läßt sich die Prägnanz dieses Unterschiedes erkennen. Jesaja
sagt: ‫״‬Wie ein Hirt seine Herde weidet, in seinem Arme sammelt
er die Lämmer, und in seinem Schoße trägt er, leitet er die Jungen
(40, 11). Ähnlich Jeremia: ‫״‬Der Israel zerstreut, wird es einsammeln
und es hüten, wie der Hirt seine Herde“. (31, 10). Immer ist Gott
der Hirt seiner Herde, und die Lämmer insgesamt trägt er in
seinem Schoße. Dagegen Jecheskel: ‫״‬Wie der Hirt seine Herde*
pflegt, so will ich pflegen am Tage, da er inmitten seines Kleinviehs
ist, die sich gesondert haben, so will ich meiner Herde mich an-
nehmen und sie erretten“. (34, 12). Es ist zwar hier nur die Ab-
sonderung von der Herde, dennoch aber immerhin schon eine Ver-
einzelung, die der Prophet an der Herde vornimmt. Und so sagt
er audh: ‫ ״‬Siehe ich richte zwischen Lamm und Lamm“. (17). Für
das einzelne Schaf wird Gott hier zum Anwalt des Rechts. Ganz.
•247

im Geiste Jecheskels hat der Hymnus ‫״‬Unethane Ihokeph“ amNeu-


jahrs- und Versöhnungstage das Gleichnis benutzt: ‫״‬Wie der Hirt
seine Herde mustert, so läßt du vorübergehen, zählst und musterst
die Seele alles Lebendigen“. Auch hier wird Gott als Hirt jeder
Seele gedacht.
So führt auch der Psalm das Gleichnis durch. ‫״‬Der Ewige ist mein
Hirte, mir mangelt nichts“. (23). Und wie Gott zum individuellen,
zum Hirten für das Individuum wird, so wird darauf das Grund-
thema der Psalmen, als welches man wohl die Hoffnung auf die
Sü nde nv erg eb un g bezeichnen darf, begründet.
Und darauf wieder gründet siel! der Hymnus der Psalmen ‫״‬Danket
dem Ewigen, denn er ist gut“ (118,1). Man darf es wohl richtiger
übersetzen: Bekennet den Ewigen als den, der gut sei. Das mono-
theistische Bekenntnis verbindet sich hiernach mit dem Bekenntnis
des Individuums von seiner Sünde. Und die Vereinigung vollzieht
sich in der Güte Gottes.
55. Wie nun die Güte Gottes so nachdrücklich in der Erlösung von
der Sünde erkannt wird, so wird es begreiflich, daß Jecheskel dem-
gemäß auch den Begriff des Menschen in einem neuen Terminus
ausprägt. Die Seele genügt ihm nicht. Dieses Wort hat eine zu große
Vieldeutigkeit in der Sprache. Wenn Micha den Menschen anredet,
so wendet er sich zwar an jeden Menschen, aber nicht ausdrücklich an
jedes Individuum. Da es Jecheskel auf das Individuum ankommt,
sowohl in dem Sinne, daß es als solches sich bewußt werde, wie
nicht minder auch in dem abschließenden Sinne, daß Gott ihm als
solchem verzeihe und die Schuld auslösche, und alles dies ihm selbst,
und zwar nicht nur wegen seines Bundes mit den Vätern, sondern
schlechthin ihm selbst in seiner individuellen Sünde, so konnte
Jecheskel den Gedanken fassen, die Anomalie, die in dem Begriffe
des Menschen liegt, Individuum zu sein, und doch zugleich der Sproß
seiner Ahnen zu bleiben, im Begriffe des Menschen zu einem neuen
Ausdruck zu bringen. Die Anomalie mußte für ihn bestehen bleiben,
denn Gott sollte ja die individuelle Sünde verzeihen. Wie konnte
dies aber menschlich gedacht werden, wenn doch das Individuum
unversehrt bleiben soll?
So entstand der Begriff ‫״‬Menschensohn“ (‫ אדם‬p ). Jeremiahat
zwar ihn schon gebraucht, aber durchgängig gebraucht wird er erst bei
Jecheskel. Der Mensch verdient die Vergebung seiner Sünden; denn ob-
zwar erlndividuum ist, ist er dies doch zugleich nur als ein Menschensohn.
24.8

Individuum soll er werden. Die Erkenntnis und das Bekenntnis der


Sünde soll ihn dahin zur Beife bringen. Aber wenn er nun so ein
neues Herz und einen neuen Geist sich erschaffen soll, so bleibt er
doch in diesem Streben auf die Gnade Gottes angewiesen. Und die
Güte Gottes erweist sich ihm in der Vergebung.
In der Sprache der prophetischen Poesie konnte es fraglich
werden, aus welchem anderen Grunde diese Wandlung sich vollziehen
könnte als aus dem, daß der Mensch doch immer nur ein Menschen-
sohn ist und bleibt. Der Güte Gottes entspricht im Menschen der
Menschensohn.
Es ist eine Tragik des Monotheismus, daß an der Sünden-
Vergebung, dem prägnanten Attribut der Güte Gottes, an dem Be-
griffe des Menschensohns sowohl der Begriff Gottes, wie der des
Menschen zur Gefährdung des reinen Monotheismus geworden ist.
56. Der Mensch muß alle seine Kraft, als Individuum, sammeln und
rüsten, um seiner Selbstheiligung mächtig zu werden. Aber zugleich
fühlt er sich immer in seiner Gebrechlichkeit, fühlt sich immer in
seiner Geborenheit. ‫״‬In Sünde hat mich meine Mutter empfangen“.
(Ps. 51, 7). Sein Menschentum fängt daher tatsächlich von seiner
Wiedergeburt an, die er durch das Bekenntnis der Sünde erlangt.
Er ist Menscheusohn. Alles, was Mensch ist, außer ihm und auch
in ihm selbst, kann ihm nicht die Gewißheit geben, daß die Vor-
bereitungen, die ihm allein für seine Wiedergeburt obliegen, ihm
gelingen werden. Ihm kann daher nur Gott helfen. Die Güte
Gottes bleibt seine einzige Zuflucht. Sie wird daher seine Zuversicht.
So entsteht das V er tr au en zu Gott.
57. Das Vertrauen auf Gott ist ebenfalls ein ursprünglicher Begriff,
der daher in vielen Ausdrücken vorkommt. Bach ja unterscheidet
zehn Worte dafür in der hebräischen Sprache. Dabei nennt er
nicht einmal das üblichste Wort, das allerdings gewöhnlich mit
Glauben übersetzt wird. Doch bedeutet es etymologisch die Festig-
keit. Und dieselbe Bedeutung hat das gebräuchliche Wort für Ver-
trauen: ‫אמונה‬. Auch dieses Wort bedeutet Sicherheit. Dem Ab-
straktum des Vertrauens im hebräischen Worte entspricht für Gott
die Gestaltung desselben Wortes als Sicherheit und Zuverlässigkeit.
Der biblische Glaube läßt keinen Anflug von Zweifel aufkommen.
Der Glaube wurzelt im letzten Grunde in dem festen Vertrauen aut
Gott, als den Guten: der seine Güte in der Vergebung der Sünden
des Menschen außer Zweifel stellt.
249

Nicht Zweifel beschleicht den Geist des Gläubigen, aber wie er,
als Seele, als Individuum sich erkannt- hat, so schwingt nun die
Seele ihre Fittiche. Und die eigenste Kraft der Seele ringt sich nun
aus dem Menschensohn hervor. Nicht zweifeln an Gott ist etwa das 1
,geistige Zeugnis der Seele, sondern vielmehr das Suchen Gottes, das 1
V er la ng e n nach Gott. Das Verlangen nach nichts anderem als nach
fGott. Denn nichts kann der Seele angelegener sein als die Ver-
gebung ihrer Sünde durch Gott. ‫־‬ .
58. Was allgemein das Vertrauen bedeutet, das prägen die Psalmen
als Sehnsucht aus. Sie sind in der Stilform der Lyrik geschrieben.
Die Lyrik aber ist das Bekenntnis der Seele von ihrer Liebe. In
der lyrischen Poesie ist die Geschlechtsliebe das Grundthema. Der
Psalmendichter könnte freilich nicht die Liebe zu Gott lyrisch be-
singen, wenn er nicht auch die Zauber dieser menschlichen Liebe der
Geschlechter an Leib und Seele erlebt hätte. Aber er überträgt sie,
— wer kann es prüfen, ob er sie nicht überwinden will durch diese
Übertragung? — auf die Liebe zu Gott, der ihn von seiner Sünde,
nicht zum mindesten von der der Geschlechtsliebe, befreien soll.
Und nun tritt die Sünde gänzlich in den Schatten gegen das helle
Licht, das die Sehnsucht nach Gott ausstrahlt. Die Seele löst sich
ganz auf in diesem Lichte, in dieser Reinheit der Sehnsucht. Alles
Körperliche wird in Auflösung gedacht. ‫״‬Meine Eingeweide brennen“.
‫״‬Mit meiner Seele begehre ich dich in der Nacht“. ‫״‬Mit meinen
Tränen netze ich meine Lagerstätte“. Bis an die Grenze der Sinn-
lichkeit versteigt sich diese Allgewalt der Sehnsucht nach Gott.
59. Und dennoch wird niemals die Schranke der Mystik berührt.
V e r e i n i g u n g mit Gott wird nirgend begehrt. Bliebe Gott nicht der
Unerreichbare, so müßte meine Sehnsucht ja ihr Ende finden. Aber
dieses Ende wäre kein Abschluß für meine Menschlichkeit. Ich
bleibe Mensch, und daher bleibe ich Sünder. Ich bedarf daher un-
aufhörlich Gottes, als des die Sünde Verzeihenden. Die Sehnsucht
richtet sich nicht, wie in der poetischen Lyrik auf die Vereinigung
der Liebenden, sondern hier nur auf die Vergebung der Sünden.
Daher gewinnt es eine prägnante Bedeutung, was der Psalm die
Nähe Gottes nennt. ‫״‬Die Nähe Gottes ist mein Gut“. (Ps. 73, 18).
Nur die Nähe, nicht die Vereinigung mit Gott kann der Gegenstand
meiner Sehnsucht sein. Und diese Nähe Gottes gewinne ich in der
Verzeihung Gottes. Die Sünde entfernt mich von Gott; die Ver-‫־‬
gebung bringt mich ihm wieder nahe. Und so bildet sich ein un-
'250 .

äufhörlicher Wechsel verkehr zwischen Gott und der Menschenseele:


die Sehnsucht und die Seligkeit, welche letztere in dem Vertrauen
besteht.
60. Ohne Jecheskel wäre die Ausgestaltung der Psalmen, welche
sie im Kanon einnimmt, nicht erklärlich, obschön Jeremia, wie vorher
schon Jesaja dein literarischen Stil nach wirksame Vorstufen bilden.
Aber der Hymnus überhaupt ist ja schon in Babylon vorhanden, und
er ist eine Urform jeglichen Gottesdienstes, daher braucht er im mono‫״‬
theistischen nicht ursprünglich zu sein. Aber zur Umwandlung des
■Hymnus, als der Lobpreisung Gottes, in die Sehnsucht der Liebe,
welche die Seele zu Gott hintreibt, wie diese Seelenkraft in den
Psalmen besungen wird, zu dieser neuen Schöpfung war Jecheskel
der Vorbildner mit seiner Sünde der Seele und mit seiner Vergebung
•der Sünde durch Gott, der Wohlgefallen hat nicht am Tode, sondern
am Leben des Sünders, nicht an seiner Bestrafung, sondern an der
Vergebung der Sünde.
61. Durch diese Lyrik erst wird das O pf er überwunden, mehr
als durch die Polemik der Propheten. Diese bleibt immer nur Satyre,
Spott über den Menschen, der eine solche Ironisierung Gottes sich
beikommen läßt. Mit Ironie und Satvre aber kann man nur vor‫־‬
arbeiten; die positive Lösung bringt doch nur erst die Erlösung
des Individuums durch die innerliche Vergebung seiner Sünden. ‫ ״‬Die
Schlachtopfer Gottes sind der zerbrochene Geist. Das zerbrochene und
niedergedrückte Herz, Gott, du wirst es nicht verachten, (Ps. 51,19).
Der lyrische Ausdruck, der die Demut des Herzens beschreibt, er
stellt den schroffen Gegensatz dar zu dem stolzen Opfer der fetten
Stiere und Lämmer.
Das Herz ist nunmehr der rechte Gegenstand des Opfers, und
zwar das demütige Herz. Demut ist die Seelenart der echten Liebe,
der echten Sehnsucht. Die Sehnsucht hat zur Vorbedingung das U11-
j genügen an sich selbst, daher das Hinausstreben über sich selbst,
1 so schon in der Geschlechtsliebe, und in höchster Steigerung in dem
Verlangen nach Gott, sofern dieses gegründet ist auf die Zuversicht,
durch seine Güte befreit zu werden von der ganzen menschlichen
Gebrechlichkeit, von der persönlichen Sündhaftigkeit.
62. Die Sündenvergebung ist die schlichte Konsequenz der Güte
Gottes. Im Unterschiede von der Heiligkeit verbürgt die Güte diese
Leistung Gottes. Er ist ‫ ״‬gut und verzeihend“ (Ps. 86, 5). Wie
daher die Selbstheiligung des Menschen seinen Begriff ausmacht, in-
251

•sofern er dadurch zum Ich-Individuum wird, so muß Gott auch bei


der Sündenvergebung jede Mitwirkung ausschließen. Es ist das-
Wesen Gottes, die Sünde des Menschen zu vergeben. Es ist dies
der wichtigste Inhalt der Korrelation von Gott: und Mensch. Durch
die Güte wird dieser Ertrag der Korrelation ausgezeichnet und klar-
gestellt. Die Güte, verbunden mit der Heiligkeit, sichert die Sitt-
lichkeit des Menschen, als des Ich. Die Selbstheiligung hat die
Sicherheit für ihr Gelingen in‫ ׳‬der Güte Gottes.
Es bedarf daher auch keinerlei besonderer V e ra n s ta ltu n g ‫־‬
im Wesen Gottes für die Sündenvergebung. Schöpfung und Offen-
barung sind die zulänglichen Vorbedingungen; sie erschaffen beida
den heiligen Geist des Menschen. Und dieser heilige Geist, dessen
Selbsterhaltung die Selbstheiligung vollzieht, wird vollends gegen
allen Kückfall in die Sünde gesichert durch die Güte Gottes, deren'
besondere Aufgabe die Verzeihung ist.
63. Da jede Mitwirkung und jede besondere Veranstaltung hin-
fällig werden, ist daher auch alle Mystik von diesem göttlichen Haupt-
akte entfernt. Es ist ein beachtenswertes Symptom für diese Imma-
nenz der Verzeihung in der Idee Gottes, daß die hebräischen Worte•
( ‫) סליחה ומחילה‬, durch welche ihre Attributierung zu Gott ausgedrückt
wird, unterschieden werden von dem alten Opferworte der Versöhnung
(‫)כפרה‬. Dieses bedeutet ursprünglich das Zudecken, also gleichsam
das Schließen der Wunde, welche die Sünde im menschlichen Orga-
nismus bildet, oder auch das Zudecken der Lücke, welche sie einreißt
in den erforderlichen Zusammenhang mit Gott, oder auch das Zu-,
decken der Schande, welche sie für den Menschen offen läßt. Dieses
Zudecken besorgt der Priester. Und das ganze Opferritual dient dieser
Art der Versöhnung des Menschen mit dem beleidigten Gotte.
Von dieser ganzen mythologischen Urform löst der Mono-
theismus nun die V ergebung (‫ )סליחה‬grundsätzlich ab. Das alte
Wort ist geblieben und auch für die spätere Bedeutung beibehalten
worden, aber im Opferwesen wurde es auf den Priester beschränkt.
‫״‬Es sühne über ihnen der Priester, und es werde ihnen verziehen'
(3. M. 4, 20). ‫ ״‬Es sühne über ihm der Priester von seiner Sünde,
und es werde ihm vergeben“, (ib. 26; ib. 5, 16). ‫״‬Und es sühne
der Priester über die ganze Gemeinde der Kinder Israels, und es
werde ihnen vergeben, denn es ist Schegaga.“ ‫״‬Und es sühne der
Priester über die Seele, die gefehlt hat in ihrer Sünde in Schegaga
252

vor dem Ewigen, um zu sühnen über ihm, und es werde ihm verr
geben“, (ib. 28). So deutlich und genau wird zwischen der Sühnung
und der Vergebung unterschieden. So deutlich und genau wird
das Attribut Gottes unterschieden von der Funktion des Priesters.
So deutlich und genau wird die Rettung des Menschen durch Gott
geschieden vom Opfer.
64. Und indem nun diese Leistung Gottes für die Erhaltung
der Würde des Menschen als die Güte Gottes ausgezeichnet wird,
ist damit das ganze Verhältnis Gottes zum Menschen dem Gebiete
der T e le o lo g ie zugewiesen, weiches von aller Kausalität und der
mit ihr verbundenen Metaphysik unterschieden ist. Es kann daher
gar nicht in Frage kommen, durch welche Mechanismen Gott die
Vergebung bewirken mag, noch durch welche Vermittlung sie dem
Menschen eingeflößt wird, sondern von allen diesen vermeintlich theo-
retischen Interessen wird der teleologische Sinn dieses Verhältnisses
abgelenkt.
Es ist der Sinn Gottes und ebenso der Sinn des Menschen, daß
Gott dem Menschen die Versöhnung zu erteilen habe. Der Mensch
hat den heiligen Geist von Gott empfangen; nichtsdestoweniger aber
bleibt er der Sünde verfallen, ‫ ״‬dieweil er ja auch Fleisch ist“
(1. M. 6,3). Es ist aber keine Verkürzung seiner Würde, daß die
Sünde ihm vergeben wird; denn diese Vergebung durch Gott ist be-
dingt durch die Selbstheiligung des Menschen. Und ebensowenig ist
diese Bestimmung eine Beeinträchtigung Gottes; denn sein Wesen be-
steht in der Korrelation mit dem Menschen, oder, wie die Alten dies
ausdrückten: seine Attribute sind die der Handlung. Er ist das Ur-
bild für die Handlungen des Menschen.
Die Korrelation von Gott und Mensch begründet das Reich der
Sittlichkeit, das G ottes re ic h auf Erden. Die Güte Gottes in der
Spezialität der Sündenvergebung ist das Wahrzeichen der sittlichen
Welt, insofern ihre Glieder Individuen sind, und nicht nur soziale
Menschen, deren Verfassung die Heiligkeit regelt. In der Welt der
Zwecke verbindet sich die Heiligkeit mit der Güte, wie die Mehrheit
der Menschen mit dem Individuum des Menschen. Die Menschheit
in ihrer Einheit, der analoge Begriff zur Einheit Gottes, vereinigt
beide Elemente.
So greift auch die Güte, als der Grundbegriff der sittlichen
Welt, über das Individuum und über ’die Sündenvergebung hinaus,
und es wird zur Vorbedingung für die fernere Ausgestaltung des
253.

Gottesreiches. Aber wir werden sehen, daß auch diese Konsequenzen


das Individuum mit seiner Sünde und seiner Erlösung von ihr als
Voraussetzungen beibehalten.
Zuvor jedoch müssen wir jetzt die Konsequenzen betrachten,
welche der jüdische Monotheismus an dem Problem der Versöhnung
für die Errichtung und Ausgestaltung der G em einde zu den
Zwecken des Individuums gezogen und ausgeführt hat. Individuum
und Gemeinde konnten als Gegensätze erscheinen, wenn nicht die
Befreiung von der Sünde, diesem Pfadfinder des Individuums, sie
zur Ausgleichung brächten. Die Versöhnung wird daher zum Angel-
punkt des Monotheismus.
Und so wird es verständlich, daß im Judentum die Versöhnung
zum Zentrum des gesamten Gottesdienstes, und daß ihr ein besonderer
Festtag, Ein Tag unter allen Festtagen des Jahres gestiftet wird‫״‬
An diesem Tage soll, wie das Individuum, so auch die Gemeinde
ihren Höhepunkt erreichen und behaupten.
Kapitel XII.
■"‫־‬ Der Versöhnungstag.
1. Problem ,.der Reinigung und Läuterung hat der Pöly-
theismus überall F este eingerichtet. Sie waren die eigentlichen
Opferfeste, die ursprünglichen Kulte. Auch im alten Israel war die
Reinigung der Hauptzweck fast aller Feste. Auch das P a s sa h fe s t
dürfte hiervon nicht auszunehmen sein.
Nun aber ist es schon bedeutsam, daß der Festgedanke, der die
Feste von Neujahr bis zum Hüttenfest umspannt, zusammengezogen
wird auf einen Tag. Während ursprünglich wohl das H ü tte n f e s t
das Hauptfest der Reinigung bildete, für welches die beiden anderen
Feste nur Rüsttage waren, wird allmählich die Gliederung um-
gekehrt, und für die Reinigung wird ein Tag als der Tag der
V ersö h n u n g ausgezeichnet, und in die Mitte der ganzen Reihe
gestellt, so daß nunmehr das Neujahr nur zum Rüsttag wird und
das Hüttenfest als Schlußfest dient.
Wir vertiefen uns hier nicht in die antiquarische Untersuchung
dieses wichtigen Tatbestandes und seiner geschichtlichen Entwicklung
in den einzelnen Durchgangsstufen; aber wir haben die singuläre
Tatsache zu beachten, daß Ein Tag im ganzen Jahre bestimmt wird
für dasjenige Problem, welches die ganze Gemeinde und jeden Ein-
zelnen in ihr das ganze Jahr hindurch beschäftigt, welches in keinem
Augenblicke des menschlichen Lebens ihm entschwinden darf. Trotz-
dem diese unauflösliche Aufgabe in aller Strenge der Ausführung
festgehalten wird, wird aber dennoch der eine Tag für dieses all-
gemeine Problem mit der besonderen Bedeutung ausgezeichnet.
Und schon in seiner biblischen Einsetzung innerhalb des ganzen
Opferwesens konnte diese Bedeutsamkeit nicht unterdrückt werden.
2. Zwar ist dort der Versöhnungstag eigentlich nur der Opfer-
tag des Hohenpriesters, der zuerst sich entsühnt, und sodann die
Priester, und endlich ganz Israel. Und eine alte M ischna verrät
255

43s uns, wie selbst dieser Sühnetag ganz nach heidnischem Muster
wie eine Kiraieß gefeiert wurde. Jünglinge und Jungfrauen zogen
hinaus vor die Stadt und hielten Brautschau. Dabei zeigt sich
übrigens auch die sittliche Zartheit, mit welcher die alten Israeliten
solche Volksfeste, die den Zwecken der Verehelichung dienten, ver-
sittlichten. Die Jungfrauen durften nur mit weißen linnenen
Kleidern erscheinen, um die ärmeren nicht zu beschämen, also auch
nicht in ihrer Werbekraft zurückzustellen. Und abends zog die
ganze Schar und das ganze Volk vor das Haus des Hohen-
priesters, der ein großes Gastmahl veranstaltete. Das war der Ab-
Schluß der Sühneopfer, welche der Hohepriester am Tage abzuleisten
hatte, und die hinwiederum ihren Gipfel hatten in der Entsendung des
Sündenbocks (Asasel) in die Wüste. Solche Gestalt hatte der alte
Versöhnungstag innerhalb des Opferritus.
3. Da nun aber die Schegaga die Grundbedingung des Opfers
wurde, welche sehr charakteristischerweise benutzt wurde für die
Hereinziehung des F re m d lin g s in die Rechtsgemeinschaft mit den
Eingeborenen, so wurde demgemäß der Höhepunkt der Versöhnungs-
lehre in das ganze Opferritual eingepflanzt in dem Satze: ‫ ״‬Und
es werde verziehen der ganzen Gemeinde der Kinder Israels und
dem Fremdling, der weilt unter ihnen, denn dem ganzen Volke gilt
Schegaga“. (4. M. 15, 26). D ieser S atz nun w urde zur D evise
des V e rsö h n u n g sta g e s, wie d er T alm u d ih n fü r die Ge-
sch ich te des J u d e n tu m s a u sg eb au t h at.
So werden für den Versöhnungstag die beiden Haupt-
glieder der Versöhnung als Anfangs- und Endpunkt festge-
setzt: die Schegaga und die Vergebung. Keine Vergebung ohne
die erfüllte Voraussetzung der Schegaga. Die frivole Verletzung
des Gesetzes schließt die Möglichkeit der Vergebung aus. Aber
auch keine Schegaga ohne den Enderfolg der Vergebung. Wie
das Vorurteil der Blutschuld durch die Errichtung der Asylstädte
bekämpft wurde, so wird es als Unglauben an die Güte Gottes fest-
gestellt, wenn man an der Sündenvergebung zweifeln könnte. Nicht
der Asasel ist es, der die Sünden trägt, sondern die Vergebung
Gottes wird selbst als Tragen der Sünde bezeichnet. ‫ ״‬Er trägt die
Sünde“, er nimmt sie auf sich, er nimmt sie dem Menschen ab,.
So erscheint die Sündenvergebung schlechthin auch als die Kon-
sequenz der Schegaga.
4. Nun bildet aber auch das S ü n d en b ek en n tn is den Mittel-
256

punkt in der Liturgie des Versöhnungstages. Zunächst ist auch hier


zu bedenken, daß es nicht etwa dem Versöhnungstage allein vor-
behalten bleibt; daß es vielmehr die letzte Zuflucht bildet für das
Gebet in der Todesstunde.
Aber auch diese grundlegende Anwendung schränkt nocli
nicht hinreichend die Auszeichnung des Sündenbekenntnisses
für den Versöhnungstag ein. Denn alle Gebete an jedem Tage
werden von dem Sündenbekenntnis durchzogen, wenngleich nur
in der allgemeinen Atmosphäre dieses Grundgedankens. Dennoch,
könnte man gerade in dieser Auszeichnung für den einen Tag eine
Zurückstellung dieses grundlegenden Bestandsstücks der Gebets-
liturgie erkennen zu dürfen glauben. Indessen dürfte hier gerade
ein Unterscheidungsmerkmal des reinen Monotheismus liegen.
Um dieses Unterscheidungsmerkmal zu erkennen, stellen wir eine
andere Frage. Gehört das Sündenbekenntnis überhaupt in die Gemeinde,
mnd daher in ihren ö ffe n tlic h e n Gottesdienst? Der Talmud berichtet
von einer Meinungsverschiedenheit über den Punkt, ob das Sünden-
bekenntnis allein vom Einzelnen, oder im Chorus der Gemeinde ab-
gelegt werden soll. Die Entscheidung ist für die Gemeinde gefallen, für
das ö ffe n tlic h e Bekenntnis. Und durch diese Entscheidung dürfte
der Talmud den reinen Monotheismus in seiner Kultustiefe gerettet haben,
j Denn zunächst bezeugt sich das Vertrauen auf die göttliche Vergebung
t in dieser Öffentlichkeit des Bekenntnisses. Und ohnehin ist das Be-
kenntnis durch die Ablegung innerhalb der Gemeinde bedingt, wie
wir in Analogie zur Strafe diese Forderung erkannt haben. Jetzt
aber leitet uns der Gesichtspunkt des Vertrauens, der die falsche
Scham vor der Öffentlichkeit dem Individuum abnimmt. Bekenntnis
und Beue gehen ja ineinander über. So ist die Reue schon in voller
Wirksamkeit, wenn das Bekenntnis sich losringt. Wie könnte da
noch die Gemeinde der Mitschuldigen, der Mitbekennenden gescheut
und gemieden werden sollen?
Wie alle Mystik und priesterliche Geheimkunst und Seel-
sorgerei durch die Mitwirkung der Gemeinde bei dem innersten
Seelenwerk des Individuums abgeschnitten werden soll, so muß das
Sündenbekenntnis öffentlich ausgesprochen werden, zugleich auch als
öffentlicher Ausdruck des Vertrauens^ auf den. guten Gottr vor dem
die Sünde der Menschen keinen Bestand hat. So beantwortet sich
unsere obige Frage in Klarheit dahin: daß eigentlich nur in den
öffentlichen Gottesdienst das Sündenbekenntnis hineingehört, und daß
.257

der Gottesdienst überhaupt in diesem Bekenntnis zu dem guten


Gotte seinen Schwerpunkt hat.
5. Es ist ferner auch ein sehr wertvolles Symptom von der Inner-
lichkeit der Gesinnung, welche die Einrichtung dieses Gebetsrituals
beseelt hat, daß in diesem Sündenbekenntnis, soweit es spezialisiert
wird, n u r rein s ittlic h e V erg eh u n g en zwischen Mensch und
Mensch ausdrücklich formuliert worden sind. Zwar waren den
Rabbinen, zumal den Mischnalehrern, die Unterscheidung zwischen
rein sittlichen und rituellen Geboten nicht bloß nicht fremd,
sondern sie unterschieden beide auch in ihrem Werte. Und eine
Mischna mit solchem distingirieren den Inhalt setzten sie oder ihPe
Nachfolger in das tägliche Morgengebet ein. Indessen blieben sie
ja trotzdem durchdrungen von dem Gedanken der Einheit der Thora,
mithin von der Indifferenz zwischen den Sittengesetzen und dem
Ritual. Um so höher ist es ihm daher anzureehnen, ja um so mehr
zu bewundern, daß diese Fortbildner des Monotheismus, obzwar sie
von dem Sünden wert der rituellen Vergehungen überzeugt blieben,
dennoch für das große Sündenbekenntnis des Versöhnungstages die
ausdrückliche Formulierung aller rituellen Vergehungen ohne Aus-
nähme abwehrten.
In dieser Auswahl, in dieser Beschränkung auf die rein
sittlichen Vergehungen ist eine monotheistische Großtat des Rabbi-
nismus anzuerkennen. Es handelt sich hier nicht etwa um eine
beiläufige Sache; denn dieses große Sündenbekenntnis ist ein großes
Register mit einer genauen Einzelliste der sittlichen Vergehungen.
Und eine Psychologie und eine Pathologie der menschlichen Leiden-
schäften bekundet sich hier. Es muß diesen Männern schwer gefallen
sein, der rituellen Erwähnung sich zu enthalten; dennoch haben
sie es über sich gebracht. Und daß sie dies vermocht haben, ist nicht
lediglich ihr eigenes Verdienst und das Ergebnis ihrer ethischen
Reife und ihrer inneren Freiheit von den Fesseln, die sie sich zum
Teil selbst im Ritualgesetze angelegt haben: es ist zugleich und zu-
nächst die strenge Konsequenz von der Auffassung der Sünde als
Schegaga und von dem Vertrauen auf Gott, der, als der Gute, die
Sünde des Menschen vergibt. Worin aber bewiese sich in voller Klarheit
seine Güte, wenn seine Vergebung sich auch nur miterstreckte auf die-
jenigen Sünden, welche gegen diejenigen seiner Gebote begangen werden,
die nicht rein und ausschließlich auf den Verkehr zwischen Mensch uud'
Mensch sich beziehen, für dessen. Versittlichung allein ja auch nur
17
258

die speziell sogenannten Sünden gegen Gott, die speziell sogenannten


gottesdienstlichen, ihren einzigen Sinn und ihren ganzen Wert haben.
So ist das Sündenbekenntnis in dieser sittlichen Reinheit das eben-
bürtige Wahrzeichen des V ersö h n u n g stag es mit seiner Devise der
Schegaga, welche den Tag einleitet.
6. Auch das Schlußgebet des Tages ist von ebenso einleuchtender,
als ergreifender Bedeutung. Das Hauptgebet (Schemone Esre) des
Schlußgebetes (Neila) knnn nicht hoch genug gepriesen werden.
‫״‬Du gibst die Hand den Frevlern, und deine Rechte ist ausgestreckt,
zu empfangen die Reuigen (Rückkehrenden). Und du hast uns ge-
lehrt, Ewiger, unser Gott, Bekenntnis abzulegen vor Dir über alle
unsere Sünden, auf daß wir zurückhalten vom Raube unsere Hände,
und Du uns aufnimmst in vollkommener Buße vor Dir“. Den Schluß
dieses Absatzes bildet das Bekenntnis, welches in das tägliche
Morgengebet aufgenommen ist. ‫״‬Was sind wir, was ist unser Leben,
was unsere Liebe, was unsere Gerechtigkeit, was unsere Tugend, was
unsere Kraft, was unser Heldentum? . . Der Vorzug des Menschen
vor dem Tiere ist nichtig, denn alles ist eitel“. Aber es bleibt
nicht bei dieser skeptischen Anwandlung, so wenig K o h eiet mit ihr
abschließt.
7. Der neue Absatz beginnt sogleich mit der Korrektur. ‫״‬Du hast
abgesondert den Menschen von Anbeginn, und hast ihn anerkannt,
zu stehen vor Dir.“ So ist der Mensch dennoch vom Tiere unter-
schieden, und es ist keineswegs alles insgemein eitel, sondern der
Mensch ist abgesondert, ist ausgezeichnet, ist anerkannt, vor Gott zu
stehen. Dieses S teh en vor Gott ist ja einer der technischen Ausdrücke
für den Gottesdienst. Der Mensch steht vor Gott. So wird die Selbst-
ständigkeit des Menschen in der Korrelation mit Gott deklariert. In
diesem Stehen vor Gott vollzieht das Individuum seine Selbstheiligung.
Es ist charakteristisch, daß bei dem Sündenbekenntnis der sonst
übliche Ausdruck der N ie d e rw e rfu n g nicht gebraucht wird. Diese
und das Kniebeugen mögen angebracht sein bei der Anbetung, dem
feierlichen Bekenntnis Gottes. Aber bei dem Bekenntnis des
Menschen von seiner Sünde und bei dem damit verbundenen Bekennt-
nis seines Vertrauens auf den guten Gott für die Sündenvergebung^
da gehört nicht die Niederwerfung hin, sondern vielmehr das aufrechte
Stehen vor Gott. Sonst wäre ohnehin die Auszeichnung des Menschen
ror dem Tiere nicht vollständig. Sie besteht in dem aufrechten Gang,
und demgemäß bezeugt sich die Würdigkeit des Menschen für seine
259

Erlösung von der Sünde in dem zwar demütigen, aber auch ebenso
aufrechten Stehen vor Gott.
‫״‬Am Tage, als du standest vor dem Ewigen, deinem, Gotte am
Horeb“. (5. M. 4, 10). Das ist der Ausdruck für die Situation
-des Volkes beim Empfange der Offenbarung. Und so ist das Gebet
und sein Gipfel, das Sündenbekenntnis und die Bitte um Vergebung,
in diesem Stellen vor Gott, in dieser Auszeichnung des Menschen
yor dem Tiere die Fortführung der Erwählung, welche die Offen-
barung bildet. Und so bekundet sich durchgängig in der rabbini-
.sehen Gestaltung des Versöhnungstages die Durchführung des Mono-
theismus. Es ist daher wohl -zu verstehen, daß der Versöhnungstag
‫־‬das Wahrzeichen der gottesdienstlichen Frömmigkeit geworden ist. (
8. Dabei ist zu beachten, daß die rabbinische Ausgestaltung des
Versöhnungstages nicht verabsäumUhat, die Versöhnung des Menschen
mit Gott abhängig zu machen von der Versöhnung zwischen Mensch
und Mensch. Es ist keine mystische Versöhnung, die etwa den Schleier -
breitete über alle sittlichen Vergehungen des bürgerlichen Lebens,
sondern nur die intimen Menschlichkeiten sollen von dem Dunkel der
Angst und der Schwermut befreit werden. ‫״‬Der Versöhnungstag ver-
.söhnt nur in Bezug auf~die Vergehungen zwischen Gott und Mensch;
diejenigen aber zwischen Mensch und Mensch sühnt der Versöhnungs-
tag nur, bis der Mensch seinen Mitmenschen befriedigt hat“. Dieses
Gesetz steht voran. Und so ist die Versöhnung mit Gott zugleich
•die Mahnung zur Versöhnung mit den Menschen.
Indessen alle sittlichen Bestrebungen der Menschen bleiben doch
mangelhaft, und der einheitliche Charakter des Menschen ist nur das
Ideal des Menschen, das daher nur annäherungsweise erreicht werden
kann. Es ist der praktische Sinn der Gottesverehrung, im U nter-!
schiede von dem Urbilde der Sittlichkeit in Gott die Gebrechlichkeit j
des Menschen zu erkennen. Aus diesem zentralen Gedanken ist das j
Institut des Versöhnungstages zur monotheistischen Heile gekommen,;
nicht aber etwa als ein mythischer Vorwand, um die sittlichen Pflichten
gegen den Mitmenschen zu erleichtern oder gar zu vereiteln.
Der Versöhnungstag ist in der Höhe und Vollendung des religiösen
Bewußtseins, die sich in ihm darstellt, zugleich ein Musterbeispiel
für das P rin z ip der E n tw ick elu n g , welches alle religiösen Ideen
und Einrichtungen leitet und regelt. Aus der Verbindung des
primitiven Opfers mit dem primitiven Volksfest, welches üherall die
großen Opferfeste begleitet, ist dieser einzige Tag, der wohl in allen
17*
260

Geschichten der religiösen Gemeinschaften einzig sein dürfte, zu


dieser Reinheit emporgewachsen, so daß nur die intimsten Schicksals^‫־‬
fragen an ihm zwischen Gott und Mensch ^verhandelt werden, die
I sonst in das Gebiet der Tragödie fallen. Denn freilich Leben und
Tod, diese tragischen Grundfragen, werden nicht abgesondert an.
diesem Tage von den Fragen der Sünde und ihrer Nachwirkungen.
Die tiefste Musterung über den ganzen Wert des Menschenlebens-
wird an diesem Tage von dem schlichten Menschenherzen vor-
Igenommen. ‫ ״‬Du weißt die Geheimnisse der Ewigkeit, und die Ver-
jborgenheiten der Geheimnisse alles Lebendigen.“ So heißt es in dem
Gebete dieses Tages. Das^ScMfesal mM^ den Sinn des Lebens macht
sich der Israelit an diesem Tage zur Lebensfrage.
Und in einem im Mittelalter entstandenen Gebete, das eine-
zentrale Bedeutung in der Mussaph-Liturgie gewonnen hat, ist sehr
charakteristisch die Anknüpfung, welche dieser fromme Dichter an
das Gleichnis vom Hirten in origineller Weise gefunden hat. ‫״‬Wie
der Hirt seiner Herde waltet, er läßt vorübergehen sein Kleinvieh
unter seinem Stabe, so läßest Du vorüberziehen und musterst und
zählst und rechnest Dn die Seele alles Lebendigen“. Wie bei
Jecheskel die Einzelseele Gott empfohlen wird, und wie der Hirt
das einzelne Lamm an seinem Busen trägt, so nimmt auch hier der
Dichter die Einzelseele aller Lebewesen aus der Herde heraus und
läßt sie von Gott gemustert und gezählt werden. (Vgl. ob. S. 247).
9. Mit dem Versöhnungstage ist das N e u ja h rsfe st verbunden..
Es ist der erste der zehn Bußtage, deren zehnter der Versöhnungstag
wird. So werden diese beiden Feste,, die als ‫״‬die Tage der Ehr-
| furcht“ bezeichnet wurden, unter dem gemeinsamen Problem des-
i menschlichen Schicksals verbunden. Sie sind daher die Tage des
!göttlichen G erich tes.
Es gibt ja kein Schicksal mehr für den Monotheismus. Was
der Polytheismus Verhängnis und Schicksal nennt, das nennt der
Monotheismus Gericht und Erlösung. Kein Gericht bei Gott ohne
die Erlösung, als das Ende des Gerichtes. Aber auch keine Er-
, lösung ohne den Vorgang des Gerichtes. Die Verbindung zwischen
j Gerechtigkeit und Liebe bei Gott ist das Geheimnis seines Wesens.
1Wir haben nur diese als seine Attribute zu erkennen. Die Einheit
dieser Attribute ist das Wesen, ist die Substanz Gottes. Wir würden
das Wesen Gottes begreifen können, wenn wir die Verbindung be-
greifen könnten, welche in der Einheit Gottes zwischen Gerechtigkeit-
261

und Liebe sich ewig vollzieht. Man kann daher diese Tage als die
Feste dieses Gedankens der Einheit von Liebe und Gerechtigkeit in
Gott bezeichnen. Diese Einheit ist die Einheit Gottes.
10. Nnn wird an diesen Tagen in unaufhörlichen Wiederholungen
das Gericht Gottes angerufen, und auf seine Liebe im Gerichte die
Hoffnung aufgepflanzt. Aber die Schrecken des Gerichtes werden
nicht abgedämpft, sondern die Zerknirschung der Beue und der Buße
malt in erschütternden Gleichnissen die Strafen des Gerichtes. Dabei
«ereignet sich nun aber in der Liturgie eine Anordnung, die man
nicht genug bewundern kann. Die Worte der Theophanie, welche
die dreizehn Eigenschaften enthalten, werden beinahe nur an diesen
Tagen rezitiert; aber an den Worten der Schrift haben die Babbinen
es gewagt, eine Änderung anzunehmen.
Während nämlich der Schluß dieser Worte nach den Worten:
‫ ״‬er trägt das Vergehen, die Missetat und die Sünde“ lautet: und er
läßt nicht ungestraft“ (‫)ונקה לא ינקה‬, hat der Talmud für diese
Liturgie das negative Verbum fortgelassen, so daß nunmehr das
positive Wort bedeutet: ‫״‬und er macht rein“. Diese Änderung darf
man ohne Übertreibung 1wohl als eine Tat der tiefsten Frömmigkeit
und der innigsten Menschenliebe bezeichnen, die vor keiner Ver-
letzung des Buchstabens an den heiligsten Worten der Offenbarung
zurückschrickt.
Die Babbinen sagten sich offenbar, daß des göttlichen Ge-
richtes und der göttlichen Strafen an diesen Tagen genug-
sam gedacht 1wird. Wenn aber das Wesen Gottes in seinen drei-
zehn Eigenschaften als Inbegriff des Gebetes angerufen wird, so
soll nicht als die dreizehnte Eigenschaft das Strafgericht gelten,
sondern die letzte Eigenschaft soll sich einheitlich den voraufgehenden
anschließen, die alle nur die Liebe spezialisieren: ‫״‬Ewiger, Ewiger,
Gott, erbarmend und gnädig, langmütig und groß an Liebe und
Treue, er bewahrt die Liebe ins tausendste Geschlecht, er trägt das
Vergehen, die Missetat und die Sünde, und er macht rein“.
So schließen nunmehr alle Abzweigungen der Liebe darin ab,
daß Gott den sündigen Menschen wieder rein und unschuldig macht.
Während die Offenbarung die Liebe dennoch mit der Gerechtigkeit
beschließt, ändert der T alm ud für die Liturgie dieser Tage den
heiligen Text, und bringt diese durch diese Änderung in innerliche
Übereinstimmung mit dem Sinn dieser Tage, den die Versöhnung, also
•das Beimverden des Menschen bildet.
11. Die Änderung ist durchaus’.sinngemäß. Die Losung des Tages
lautet, nach dem Scliriftwort: ‫״‬Y01* dem Ewigen sollt ihr rein sein“.
Demgemäß kann auch der Ewige nur so angerufen werden: ‫״‬er
macht rein“. Die Worte für die Reinheit sind zwar verschieden,
aber das Wort, das hier durch die Isolierung positiv gemacht wird,,
bedeutet die Unschuld (‫)נקי‬. Und wie diese, so ist aucli das Wort
fii r sie gänzlich ungebraucht beim Opferwesen, während die Reinigung-
an diesem zustande gebracht wird. Jetzt aber heißt es ‫״‬Gott macht
unschuldig“. Und dieser Satz ist das höchste Triumphlied dieser
Tage.
Der Mensch wird neu geboren. Er empfängt von neuem den
heiligen Geist, den Geist der Heiligkeit, den der göttliche Geist in
den menschlichen Geist einpflanzt. Was könnte der P a n th e is m u s
Höheres leisten als diese Vereinigung des Menschen mit Gott im
Geiste der Heiligkeit? Aber das ist der große Unterschied, der den
Monotheismus von jenen Irrgedanken abscheidet: hier bleibt jene
Harmonisierung mit dem Urgeiste der Heiligkeit immer nur die
unendliche Aufgabe, während der Pantheismus in materialisierender
Nachahmung der Natur und ihrer Gesetzlichkeit, in welcher Identität
( bestehen muß zwischen dem Gesetz und seiner Realisierung, die
: x^ufgabe mit der Lösung gleichsetzen muß. Hier dagegen heißt es:
Gott macht unschuldig. Der Geist der Heiligkeit ist von dem
Zweifel an seiner Unversehrtheit befreit. Und so kann der Mensch
von neuem streben und irren.
Der Irrtum, auch die Irrung ist sein Los, daher aber auch
die Schegaga die Grenze seines Irrtums. Wo diese Grenze über-
schritten wird, da mag Gott wissen, was mit dem Menschen vorgeht.
Die menschliche Weisheit steht ratlos vor der Möglichkeit des Bösen
1m Menschen. Der Versöhnungstag hält die Fiktion aufrecht für die un-
erschütterliche sittliche Aufrechterhaltung alles Menschlichen: Schegaga
ist alles, ‫־‬was der Mensch sündigt. Daher kann Gott verzeihen, ohne
seiner Gerechtigkeit zu entsagen. Daher kann er unschuldig machen.
Die Schuld darf nicht ‫״‬zum Anstoß“ sein. Die Schuld stabiliert keines-
w7egs einen bösen Charakter des Menschen, sondern sie ist vielmehr
nur der Durchgang zu seiner Vollendung, zu seinem höheren Auf-
stieg für die Wiedergewinnung seiner Unschuld. Eine solche
. x^uffassung findet sich im Talmud (Menacboth 48 b).
12. Es ist wohl zu begreifen, daß Rabbi x4kiba, der große
Mischnah-Lehrer und gewaltige Märtyrer, über den Versöhnungstag das
263

Wort gesprochen hat: ‫״‬Heil euch, Israel, wer reinigt euch, und vor
wem reinigt ihr selbst euch: es ist euer Vater im Himmel“. Der Vater
der Menschen, der nach der biblischen Ursprache von dem Erdendasein
durch den Himmel unterschieden wird, er bezeugt sich in dieser
Reinigung der Menschen. Aber Akiba bleibt nicht bei Gott stehen,
sondern er begründet seine Heilspreisurig Israels durch die Steigerung,
die er in dem Sätze ausspricht: ‫״‬und vor wem reinigt ihr selbst
euch?“ Nicht Gott reinigt, so wenig er sühnt. Das Schriftwort be-
sagt nur: ‫״‬vor dem Ewigen sollt ihr rein sein“. Aber wie das
Schriftwort anderwärts sagt: ‫״‬ihr sollt selbst euch heiligen und ihr
werdet heilig sein“ so vollzieht Akiba die richtige Steigerung mit seinem
Satze: ihr selbst sollt euch reinigen, und vor eurem Vater imHimmel sollt
ihr euch reinigen. Kein Mensch reinigt euch; und auch kein Mensch,|
der zugleich ein Gott sein soll. Kein Sohn Gottes soll euch reinigen,]
sondern euer Vater allein. Und auch vor keinem anderen Mittel-(
wesen sollt ihr euch reinigen, sondern nur wenn Gott der einzige
und alleinige Zielpunkt eurer Selbstreinigung ist, nur dann kann sie
vollbracht werden.
Der ganze Monotheismus legt sich in diesem Losungsworte
Akibas dar. Man könnte die Frage nach dem tiefsten Sinne der
Einheit Gottes also beantworten: Gott ist der Einzige, weil vor
ihm der Mensch allein sich selbst zu läutern vermag. Vermengt
mit dem Einzigen irgend ein anderes Wesen, irgend einen anderen
Gedanken, und die Möglichkeit ist verloren, daß’ der Mensch der
Selbstheiligung mächtig werden könnte. Eine unüberbrückbare Kluft
muß es sein, die vor ihm sich auftürmt, vor der allein sein Auf-
schwung anheben und gelingen kann. Wahrlich, der Versöhnungs-
tag ist der Tag des Monotheismus.
13. Indessen ist selbst mit dieser Verherrlichung des Versöhnungs-
tages sein letzter Sinn doch noch nicht dargetan. Es gibt freilich
keine edlere Verherrlichung des Menschentums, als welche seine
Selbstläuterung bildet. Und so ist für das jüdische Bewußtsein der
Versöhnungstag nur das Symbol seines Gottvertrauens in Verbindung
mit der Kraft seiner Buße.
Der Talmud drückt diese Zuversicht auf die Buße in dem großen
Satze aus: ‫״‬Hat der Mensch eine Sünde begangen am Tage, man grübele
darüber nicht in der Nacht; denn zuversichtlich hat er Buße getan“.
So wird das Werk der B uße zum Hausgebrauch der jüdischen
Frömmigkeit gerechnet. ‫״‬Tue Buße einen Tag vor deinem Tode“,
264

(Aboth 2). In diesem Rätselworte macht die Mischnah■ die Buße


zur Lebenspflicht eines jeden Tages.
Es ist der unbegründetste Vorwurf auf der Welt, daß die
jüdische Frömmmigkeit eine Selbstgerechtigkeit wäre, oder daß die
peinliche Gesetzesübung eine solche befördere. Denn die peinlichste
Gesetzesübung, die das ganze Leben und jeden Tag, beinahe jede
Stunde des Tages durchzieht und beherrscht, kann doch niemals die
Buße überflüssig machen. Vielmehr ist der ganze Inbegriff aller
einzelnen Gesetze und der ganzen Gesetzespflege im Grunde nichts
anderes als . die Anleitung zur Buße, zur Einkehr in die Korrelation
mit Gott.
14. So kann daher der Schein nur falsch sein, als ob die Ver-
söhnung ein Hochgefühl in den Menschen bringen könnte, das ihn
seiner Grundpflicht, der D em ut beraubte. Das Hochgefühl, welches
die Versöhnung über den Menschen bringt, bezieht sich nur auf
Gott, keineswegs aber wird es auf den Menschen bezogen. Das
Hochgefühl der wiedererlangten Unschuld ist nur das Dankesgefühl
gegen Gott, als den Guten, der er ist neben dem, daß er der heilige
Gott ist. Das Hochgefühl ist nur die Gewißheit des Vertrauens
auf Gott, die Zuversicht auf die Wahrheit, welche in der Korrelation
des Menschen mit Gott besteht. Das Hochgefühl ist sonach gar
nichts anderes als schlechthin der G laube an G ott.
15. Was nun aber den Menschen selbst betrifft, insofern er das
andere Glied der Korrelation ist, so stellt sich vor ihm selbst —
nicht vor Gott — seine Reinheit in ganz anderen Farben dar. Ihm
kann die Erkenntnis und das Bekenntnis seiner Sünde nicht völlig
Genüge leisten. Auch vor dem irdischen Gerichte ist es ihm damit ja
nicht abgetan, daß er sich selbst schuldig erkennt und bekennt, und daß
er sich seiner Verantwortlichkeit nicht verlustig machen läßt, sondern
er muß die S trafe antreten; denn nur in der Übernahme der Strafe
vollzieht sich sein öffentliches Bekenntnis von seiner Schuld. So
muß der Mensch auch vor Gott den Weg der Strafe beschreiten.
Er kann gar nicht anders, soweit es an ihm selbst liegt, zur Ver-
söhnung mit Gott zu kommen glauben als durch den gleichsam
freiwillig übernommenen Strafvollzug.
Oder man kann dieses Desiderat der Strafe auch folgender-
maßen denken: Vor Gott mag er sich der Strafe ledig glauben:
denn die Gnade Gottes ist unbegreiflich. Aber seine eigene
sittliche Selbständigkeit darf nicht beeinträchtigt werden durch sein
265

religiöses NebenVerhältnis zu Gott. Denn da ihrer Methodik wegen


die Ethik die Norm bleibt, welcher die Religion sich anzuschmiegen
und einzugliedern hat, so darf durch die Korrelation mit Gott das
ethische Grundwesen des Menschen nicht angetastet werden. Es müßte
aber als eine Verletzung erscheinen, wenn Gott an dem Menschen
Gnade vor Recht ergehen ließe. Für Gott mag das richtig sein; wir
begreifen es nicht, aber wir definieren so sein Wesen. Für den
Menschen dagegen, sofern er ein ethisches Wesen ist und unver-
sehrt als solches erhalten bleiben muß, wäre es schlechterdings un-
begreiflich, daß er durch die tiefsten Abgründe der Buße selbst zur
Höhe der Unschuld sich sollte emporarbeiten können. Und nur auf
Grund solcher Buße soll ja auch erst die Vergebung Gottes in Kraft
treten können. Für den Menschen selbst gibt es demnach keinen
.anderen Schlußstein der Buße als die Strafe.
16. Und die Strafe braucht keinen Kerker; denn das Leben
selbst ist dieser Kerker der Sünde. Die Strafe braucht auch nicht
in der Zufügung besonderer Schmerzen gedacht zu werden; denn
das ganze Leben stellt sich in der rechten Bußstimmung als ein
L eid en des Menschen dar, das nur von Momenten der Illusion einer
Lust unterbrochen wird.
Das Leiden des Menschen ist schließlich auch das Leiden am
Menschen. Und welche härtere Strafe könnte es geben als dieses
Leiden am Menschen, am Innigsten des Menschentums? ‫״‬Ach, die
uns das Leben gaben, herrliche Gefühle, erstarren in dem ird isch en ^
Gewlihle“. Unsere Ideale werden Illusionen. Die Felsen unserer
Zuversicht zerschellen an der. Unergründlichkeit und Unzuverlässig-/^
keit des Menschenherzens. Und der Fels, den unser eigenes Herz
bildet, zerschmilzt zu einem eitlen Nichts in der Vergänglichkeit
unserer Wünsche und unserer Bestrebungen. Kann es ein größeres
Leiden geben als das Nichtigwerden unserer sehnlichsten Hoff-
nungen? Kann es ein größeres Leiden für den Menschen geben als
dieses Leiden am Menschen selbst?
17. Der Pessimismus führt Klage über diese Summe des mensch-
liehen Daseins. Und der Pantheismus nimmt die weise Miene an,
alles dies in Ordnung zu finden, weil der grausamen Notwendigkeit
der Naturgesetze gegenüber alle sittlichen ebenso, wie alle äst-heti-
sehen Unterschiede nichts sind als isolierende Vereinzelungen (modi)
des Denkens. Die einzelne Erscheinung habe ihren Wert in sich,
den keine andere übertreffen kann. So klagt in dieser Weisheit
266

auch nur der Tor über das Leiden der Menschen. Anders aber muß
der Monotheismus das Leiden beurteilen, das von Gott über den
Menschen verhängt wird.
In der göttlichen Weltordnung gibt es nur gut und schlecht.
‫״‬Webe denen, die zum Guten schlecht sagen und zum Licht
Finsternis“. Wenn der zweite Jesaja die trotzige Konsequenz zieht:
Gott sei auch ‫״‬Schöpfer des Bösen“ (45, 7) so haben wir für dieses
Böse vielmehr eingesetzt das Übel (oben S.,55). Was der Mensch
schlecht nennt, weil es ihm wehetut, das ist nicht in Wahrheit
schlecht, sondern es geschieht zu seinem Guten. Das L eiden is t
die S tra fe , welche der M ensch u n a b triig lic h vor sich
s e lb s t, fü r sic h s e lb s t fo rd ert.
An dem Mitmenschen darf er freilich das Leiden nicht als eine
Strafe sich auslegen, welche diesen für seine Sünde träfe. Den Mit-
menschen muß er durch sein Mitleid sich entdecken und als solchen
behaupten. Dahingegen aber darf er für sich selbst auf die Strafe
nicht verzichten. Und so kommt ihm daher das Leiden nur gelegen,
in welchem er die Strafe, die er. für sich fordern muß, anspricht und
herbeiruft.
18. Es wäre ein unsittliches G o t t v e r t r a u e n , wenn er lediglich,
von Gottes Güte die Vergebung erwarten könnte, und nicht viel-
mehr dieses Vertrauen erst begründete dadurch, daß er sein Sünden-
bekenntnis vollendet mit der Deklaration seiner Bereitwilligkeit für
die Strafe. Er muß sich selbst der Strafe wert und bedürftig er-
kennen. Und diese seine Selbstwürdigung für die Strafe bezeugt
sich in der Anerkennung des Leidens als einer notwendigen Stufe
in der Selbstentwicklung des Menschen.
19. Die pantheistische Moral begründet sich in dem Prinzip des
S e l b s te r h a lt u n g s t r i e b e s . Der Naturtrieb des Lebens wird hier
zur sittlichen Grundlage. Das Leben fordert Erhaltung. Diese Er-
haltung der Grundmacht des Lebens ist das Grundrecht des Menschen.
Der Trieb zur Erhaltung des Lebens begründet die I d e n t i t ä t von
Macht und Recht. Das Selbst aber, dessen Erhaltung der Trieb
anstrebt, ist das Naturwesen, das Lebewesen.
20. Die Religion kennt ein solches auf das Leben isoliertes
Wesen nicht. Das Selbst besteht ihr nur in der Korrelation zu Gott,
innerhalb der auch die Korrelation von Mensch und Mensch erst
entsteht. Für den Mitmenschen nun darf ich die Strafe nicht als
Erklärung erfassen für sein Leiden. Denn bei ihm interessiert mich
267

seine etwaige Schuld durchaus nicht. Er leidet vielleicht für meine


Schuld. So intime Folgen kann man der Korrelation von Mensch
und Mensch getrost Zutrauen. Dagegen aber wird mir mein Selbst
in allen seinen verborgenen Momenten zum notwendigen Problem»
Und wenn ich nun seiner Lösung so weit nähergekommen bin,
daß ich von der Sünde Selbsterkenntnis und -Bekenntnis gewonnen
und vollbracht habe, so bin ich doch noch nicht am Ende, bevor
das Bekenntnis die Folge der Anerkennung des Leidens als einer
gerechten Strafe zur Folge hat. Ich darf mich für die Behauptung
meines Selbst, für meine Selbsterhaltung nicht mit dem Vertrauen
auf Gottes Vergebung befriedigen.
Das Bekenntnis der Sünde wäre trotz allem nur eine Formalität
wenn ihm diese Deklaration meiner Bereitwilligkeit für das Leiden
nicht die Bestätigung gäbe: Das Leiden gehö rt n ic h t sowohl
zur Sünde, als v i e l m e h r zur Sünden Vergebung und Erlösung,
sofern diese bedingt ist durch die Selbstheiligung. Die Selbst-
heiligung aber gipfelt in dieser Einsicht von der Notwendigkeit des•
Leidens und in dieser freiwilligen, opferfreudigen Hingebung an
das Leiden der Strafe.
21. Es ist ein tiefsinniger Gedanke des Maimonides, daß auch!
Hiob ein Prophet sei; daß das Leiden eine echte Form der Prophetie!
sei. Und aus diesem Gedanken heraus gibt er seine Erklärung von
dem Sinne dieses prophetischen Lehrgedichts. Das Leiden, als eine
Form der Prophetie gedacht, ist dadurch eingegliedert in die theodi-
zeische Organisation der sittlichen Welt. Es ist kein Defekt, keine
Dysteleologie, sondern ein Glied von zweckhafter Selbständigkeit im
sittlichen System.
Die Freunde haben Unrecht, die den Hiob über sein Leiden
mit seiner Sünde trösten wollen. Die Freunde hätten ihn als Propheten
anerkennen sollen für ihre, der Freunde, Belehrung von dem Werte
des Leidens. Hiob ist der Prophet, von dem die Freunde lernen
sollen, daß das Leiden ein Moment in dem göttlichen Heilsplane sei.
Dieser Plan aber wird verdunkelt und verflüchtigt, wenn der Dulder
nicht so beurteilt wird, daß er für die anderen leide — wenn nun
einmal fälschlich hier, nach Ursache und Wirkung gedacht wird.
Dahingegen fehlt es bei Hiob selbst nicht an der tieferen
Einsicht, daß er nicht zwar als Individuum schlechthin, wohl aber
als Selbst in seiner Korrelation mit Gott des Leidens bedarf und
dieses Durchgangs würdig sei. Nur die Schablone, Sünde und
Strafe, Strafe und Leiden als Ursache und Wirkung zu denken, soll
.abgestellt werden. Diese ■Moral der Fabel verkündet Gott am
Schlüsse des Gedichtes. Und in dieser R ec ht f er ti g un g Hiobs
du r ch Gott ist zugleich ausgesprochen die Erklärung seines Leidens
aus diesem Zwecke seiner Rechtfertigung.
Was Gott als den Sinn des ganzen Gedichts verkündet, das
spricht sich negativ aus in dem Bewußtsein Hiobs, aus dem er
die Sünde als Ursache abwehrt. Er ist Prophet, und als solcher
«in Symbol des Menschentums. Sofern er nun Selbstwußtsein hat
von seinem Propheten tum, bedarf er für die Erhaltung seines
Selbst der Anerkennung vom Grunde seines Leidens. Die irdischen
Genüsse und Besitztümer hatte er in Fülle, und sie werden ihm
vollends wiedergegeben, nachdem er sie verloren hatte. Was allein
kann seinem Leben noch Wert geben, wenn er auch aller Weisheit
und aller Frömmigkeit teilhaftig geworden ist? Ist Glück und irdisches
Selbstgefühl das Höchste für das menschliche Selbstbewußtsein?
Besteht nicht darin allein, daß der Prophet nötig sei, ein Mangel
in der sittlichen Ökonomie? Diesen Mangel erkennt Hiob in seiner
Klage an. Und sein Leid ergründet er in der Notlage seines Pro-
phetentums.
Aber was der Welt nottut. das tut ja vorab ihm selbst not.
Und diese Not für das menschliche Selbst tritt scheinbai zurück im
Bewußtsein des Propheten. Diese Schwierigkeit besteht für das
S e lb s tb e w u ß t se in des P r o p h e t e n überhaupt, und sie wird frei‫־‬
lieh auch im Hiob nicht gehoben. Diese Zweideutigkeit bleibt so-
nach im Leiden Hiobs bestehen, daß er als Prophet leidet, daß aber
auch der Prophet selbst Mensch bleibt, und als solcher für sein
eigenes Selbst des Leidens bedarf.
22. Der Wert dieses biblischen Gedichtes beschränkt sich darauf,
das kausale Vorurteil von Sünde und Leiden zu widerlegen, und das
Leiden vielmehr, wie alle andere Prophetie, in die theodizeische
Werkstatt der sittlichen Welt einzuführen. Der V er s ö h n u n g s t a g
hingegen verfolgt nicht eine solche poetische Lösung des Welträtsels.
Seine Aufgabe ist es, im Ich des Einzelmenschen durch seine Kor-
relation mit Gott sein. Selbstbewußtsein der Sünde entgegen zu be-
haupten.und zu erhalten. Daher gibt er dem Leiden einen unmittel‫־‬
baren Bezug auf sein eigenes Problem.
, Die jüdische Frömmigkeit erkennt demgemäß das Leiden als
eine Staffel zur Erlösung. , Nicht zwar wird es in asketischer Mystik
269

herbeigesehnt, aber clie menschlichen Leiden werden dadurch im


Gebet veranschaulicht, daß ihre Abwehr und die Befreiung von-
ihnen in ausführlichen Fassungen erfleht wird. Das F as te n an dem
Tage der Versöhnung ist das Symbol dieser Auffassung von dem not-
wendigen Werte des Leidens.
Mag es immerhin gemeines Menschenlos sein, vor allem aber
muß es die Losung werden für das Ich. Ich bin nicht nur Lebe-
wesen. Der Eudämonismus kann nicht der Schlüssel meines Wesens
sein. Der blinde Wechsel von Lust und Unlust kann nicht mein
sittliches Leben regulieren. Eine gewisse Permanenz des Leidens
allein gibt die richtige Deutung für den Sinn meines Daseins. Mein
Leiden ist nicht eine Wirkung, sondern ein Zweck für mein Selbst,,
allenfalls nur ein Mittel für diesen meinen letzten Zweck.
23. Es ist von ergreifender Bedeutsamkeit, daß in den Gebeten
des Versöhnungstages, in denen die Abwehr der schwersten Lebens-
nöte spezialisiert wird, neben Hungersnot und Pest und ähnlichen
Plagen nebst der Sünde besonders genannt wird der grund lose Haß.
Dieser Begriff ist überhaupt ein Gebild der rabbinischen Sitten-
lehre. In der biblischen Sprache gibt es den falschen, den trüge-
rischen Haß (Ps. ‫־‬35, 9 ‫) שנאת שקר‬, aber der nichtige, der mit dem
Wort bezeichnet wird, das allgemein ‫״‬umsonst“ bedeutet, ‫' שנאת הנם‬
dieser eitle Haß ist das tiefste Wort für die Verwerflichkeit des Hasses;
‫ ״‬Du sollst nicht hassen deinen Bruder in deinem Herzen“. (3. M.
19, 17). Dieser Ausspruch vernichtet den Haß durch die beiden
Worte: des Bruders und des Herzens. Wen du hassen willst, der
ist vielmehr dein Bruder. Und wie du hassen willst, so mißbrauchst
du dein Herz, das zum Lieben da ist.
So ist aller Haß grundlos, eitel und nichtig. Es gibt über-
haupt keinen Grund und kein Recht zum Menschenhaß. Unter dem ‫ן‬
Leiden am Menschen steht obenan dieser eitle Menschenhaß, der j
tragische Grundzug aller bisherigen W el tg es ch i ch te . j
24. Dieses Leiden im Menschengeschlecht ist vorzugsweise das
Leiden Israels. Es ist das alte Thema, das durch alle Propheten,
die Psalmen und die ganze nachfolgende Literatur hiudurehklingt
Wir werden später sehen, wie die höchste Gestalt des Monotheismus,
der Messias selbst, durch dieses Leiden verklärt wird, das er für die
Menschen leidet. Und wie er selbst nur ein Symbol ist für Israel,
so leidet Israel für die Völker, die den einzigen Gott nicht annehmen..
Aber das ist ja Theodizee, wie auch die Fabel Hiobs diese*
270

Moral lehren soll. Bedarf denn etwa Israel selbst nicht auch des
Leidens und der Anerkennung dieser seiner Verpflichtung auf das Leiden?
Wäre es anders, so würde auch für Israel die Erlösung nicht kommen
können. Dies ist nun der höchste Sinn des Vefsöhnungstages, daß
die Buße . in der Anerkennung und Übernahme des Leidens erst
*ernsthaft wird.
Israel gilt, wie überall, nur als das Symbol‫ ׳‬des Individuums.
Seit Jecheskel ist jeder zur Seele geworden. Und seitdem bedeutet
die Seele nicht mehr nur das Leben und die Person, sondern das
Selbst, welches in seiner Selbstverantwortlichkeit sich auferbaut. Zu
den Maßnahmen dieser Selbstverantwortung gehört das in seinem
Werte anerkannte Leiden. Es kann nicht übergangen, es kann nicht
ausgeschaltet werden. Es ist die Vorbedingung zu dem seiner .selbst
bewußten Individuum. Und von dem Individuum wird es übertragen
auf das Volk.
Welches andere Volk, welche andere Glaubensgemeinschaft gäbe
-es, denen ein solches Martyrium zum historischen Wahrzeichen ge-
worden ist? Wie ein Hiob geht es durch die Weltgeschichte. Und
j immer und überall zerstört sich die Umwelt und die Mitwelt ihr
\ eigenes Selbst durch die Selbstgerechtigkeit, mit der sie das Leiden
!Israels als die Wirkung seiner Unwürdigkeit sich deutet. Wann
wird die Zeit anbrechen, in der die Gefahr dieser Selbstgerechtigkeit
erkannt wird? Diese Frage gehört in das spätere Kapitel vom
Messias. Hier steht noch immer die Erlösung des Individuums in
;Frage. Die Anerkennung des Leidens soll zur Erreichung der Er-
lösung führen.
25 ‫׳‬. Das ist der Fehler in anderen Glaubenssystemen: daß das
; Leiden nicht als Mittel verstanden wird, sondern als Zweckvollendung.
! Daher ist der Gedanke möglich geworden, das Göttliche selbst im
Leide, im menschlichen Leide darzustellen. Wenngleich aber die Er-
lösung der Menschen als Zweck dem Leiden neben- und übergeordnet
wird, so muß daher doch der Erlöser selbst dieses Leiden auf sich
nehmen. Und dadurch wird und bleibt es ein Zweck. Ohnehin
wohnt ein bestechender Reiz dem Gedanken inne, daß das Leiden
ein göttlicher Selbstzweck sei.
Aber dieser *Gedanke ist falsch. Selbstzweck kann nur die
Sittlichkeit selbst, kann nur die Korrelation von Gott und Mensch
sein. Alles andere Sittliche, alles andere Religiöse ist Beiwerk und
Mittelwerk zu diesem einzigen Zwecke. Auch das Leiden kann nur
271

Mittel sein. Und der Zweck selbst, den die Erlösung bildet, kann
nicht isoliert gedacht werden von den Mitteln, die zu seiner Er-
reicliung Zusammenwirken müssen. So ist das Leiden nicht etwa ‫ן‬
der letzte Sinn des Lebens. Die Erlösung allein ist dieser Sin», j
Und die Korrelation von Mensch und Gott findet ihre höchste Be-
Währung darin, daß Mensch und Gott Zusammenwirken, um das
Werk der Erlösung zu vollbringen.
26. Die Erlösung ist die Befreiung von der Sünde. Die Sünde
hat sich gelichtet in dem Leiden. So ist die Erlösung auch die
Befreiung vom Leide.. Alles gilt im religiösen Dasein, sofern es
immer an dem Leitband der Sittlichkeit sich regelt und sich fort-
entwickelt, nur für die Momente des Aufschwungs und des Durch«
gangs. Es gibt gar kein festes, starres Dasein, sondern alles ist
nur Übergang. So ist auch nur ein solcher Moment in dem Fort-
gang der Momente diese Befreiung vom Leiden, das vielmehr immer
wieder das Zuchtmittel des Menschen für seine Selbstzucht werden muß.
Aber auch das Frohgefühl der Befreiung vom Leid hat sein
Recht, als Moment. Ein solches Moment ist die Erlösung. Und ein
solches Moment ist auch nur die Stätte, auf welcher das Selbst
sich aufrichtet und seine Hütte baut. Sie bietet ihm nur Schutz für
den Moment. Für den Moment nur hat das Ich Bestand. Für den
Moment nur kann es auch die Erlösung fordern und gebrauchen.
An dieser Differenz zwischen dem Momente des Aufschwungs
und der Fixierung eines Daseins scheidet sich auch in der Erlösung
der reine Monotheismus von anderen Glaubensformen. Von d e r ü n -
Ste rb li chk ei t handeln wir hier noch nicht. Wir sind ja noch nicht
einmal mit der Menschenwelt hienieden zum Abschluß gekommen.
Aber da wir über den Mitmenschen hinaus den Menschen als Ich
nunmehr aufgerichtet haben, bedürfen wir für den Begriff seiner Er-
lösung von der Sünde dieser Grenzbestimmung des Momentes der
Erlösung. Nur für einen Moment darf die Erlösung gedacht werden.
Nur für einen Moment, auf den wiederum Momente der Sünde folgen
mögen. Gleichviel! auch sie werden wieder abgelöst werden durch
den Moment der Erlösung.
Hier besonders bewährt sich der methodische Zusammenhang,
in welchem die Religion sich an der Norm der Ethik festsetzt.
Alles religiöse Sein ist zu unterscheiden vom sinnlichen Dasein, ob-
zwar von dem sinnlichen Dasein aus der Aufstieg zum religiösen
Sein einsetzen muß. Wie alles religiöse Sein, so ist auch die Er-
272

lösung nur. der Moment solcher Erhebung über die Wechselfälle des
irdischen Daseins. ‫״‬Vor Gott“ das ist die Losung für das ganze•
Werk der Buße, der Selbstheiligung und der Erlösung.
,ü 27. Vor Gott! Das ist die Losung. Der Monotheismus hat früh
im Aberglauben seinen Widerpart gekennzeichnet. Im Schrifttum
der Bibel bilden ja auch die historischen Partien ihr eigenes Rätsel.
Man hat die literarische Eigenart des alten Israel in dieser frühen
Hinneigung zur Geschichtsschreibung anerkannt. Aber auch hier
bleibt der literarische Zug nicht ohne die religiöse Prägung.
Die Vorgeschichte der Völker bildet sonst die H el d en s ag e ,
der ‫־״‬Ruhm der Männer“. Die Vorzeit wird geschildert als die Ur-
weit großer Vorbilder, in denen die Mitwelt sich spiegeln soll. Von
ganz anderer Objektivität ist die ä l tb ib li s ch e G es chi cht s-
Schreibung. Sie ist naiv im tiefsten Sinne, und das will sagen*,
nicht ausschließlich im epischen.
Die Vorgeschichte wird hier keineswegs in dem naiven Be-
wußtsein berichtet, in welchem es noch keinen Unterschied von
gut und schlecht gibt, sondern dieser Unterschied besteht, und er
wird deutlich genug anerkannt und hervorgehoben. Aber kein Reiz
des Heldentums und keine Pietät für die Heroen des eigenen Volkes
kann sie zur Beschönigung derjenigen ihrer Taten verführen, in denen
sie vom rechten Wege abwichen. Und dabei war dieser Weg noch
gar nicht durchgängig als der Weg Gottes gezeichnet. Die sittliche
Reflexion wird durch das immanente Urteil über den erzählten Vor-
gang unverkennbar gemacht.
28. Diese Geschichtsschreibung hat daher auch den reifen Wert
einer S e l b s t c h a r a k t e r i s t i k , die nicht möglich ist ohne die Durch-
gängigkeit und die Durchsichtigkeit der moralischen Reflexion. Diese
ist aber nur durchsichtig, daher zerstört sie das naive Grundgepräge
nicht. Aber Naivität ohne primitive, immanente Reflexion ist Un-
reife und Vorstufe, nicht schon selbst Anbau der Kultur.
Eine solche Selbstcharakteristik Israels aus dem Gesichtspunkte
seines Monotheismus enthält die Rede Bileams, wie denn diese ganze
Episode ein prophetischer Einschub zu sein scheint in den Bericht
. der Wüstenwanderung. Ein heidnischer Prophet tritt hier auf, bevor
.außer Mose, die eigentlichen Propheten aus Israel hervortreten.
Und dieser fremde Prophet segnet nun Israel auf Grund der Charak-
teristik: ‫״‬Denn keine Schlangenbeschwörung ist in Jakob und keine
Zauberei in Israel“. (4. M. 2^, 23). Kautzs ch übersetzt, und wohl
273

in Übereinstimmung mit den üblichen christlichen Übersetzungen


‫״‬Ja, an Jakob haftet kein Bannen, keine Beschwörung an Israel“.
Diese Übersetzung mag dem Anlaß, der in der Bestellung Balaks
liegt, sich anpassen, aber sie steht weder mit den Vorder- noch mit
den Nachsätzen, noch mit dem Geiste der ganzen Bede in Einklang.
Die jüdischen Erklärer fassen die Worte unserer obigen Übersetzung
gemäß.
An diesen Sinn des Urteils schließt sich der Satz an: Zur Zeit
wird gesagt werden Jakob und Israel, was Gott getan hat“. Israel
braucht nicht zur Zauberei seine Zuflncht zu nehmen, denn die
Propheten verkündigen ihm, was Gott tut, und was sein Wirken be-
deutet. So wird auch die fernere Bede verständlich: ‫״‬Wie schön
sind deine Zelte Jakob, deine Wohnungen Israel“. (4. M. 24, 5).
Und ebenso geht aus diesem Sinne verständlich den Versen von der
Zauberei voran: ‫״‬Er schaute nicht Unrecht in Jakob, und er sah
nicht Unheil in Israel. Der Ewige, sein Gott ist mit ihm“. (23,21).
Welches größere Unrecht und Unheil gäbe es für das monotheistische
Bewußtsein als die Götzendienerei, die den Herd aller Zauberei
bildet. Endlich wird aus dieser Beflexion auch der geschichtliche
Satz verständlich: ‫ ״‬Siehe, ein Volk, einsam lagert es, und unter
die Völker rechnet es sich nicht“, (ib. 9).
Eine Sammlung historischer Merkmale ist hier zusammengefügfc
zur Selbstcharakteristik des monotheistischen Volkes. Die Absonderung
geht voran. Sie war die Vorbedingung schon für die Erhebung zum
Monotheismus, geschweige für seine Erhaltung. Ferner aber darf
das Unrecht nicht herrschen in Israel. Dies ist die erste positive
Bedingung. Und sie hat wiederum zur Folge: daß Zauberei und
Wahrsagerei in Israel nicht aufkommen, weil es in Gemeinschaft
steht mit dem Ewigen, seinem Gotte. Und weil die Propheten ihnen
sagen und deuten, was Gott tut. Und so schließt Bileom zunächst
seine Bede mit dem Ausruf: ‫״‬Wie schön sind deine Zelte Jakob,
deine Wohnungen Israel“. Sie sind ‫״‬von Gott; gepflanzt“.
29. Diese Selbstcharakteristik des alten Monotheismus ist ebenso
von historischer, wie von sachlicher Bedeutsamkeit. Der Aberglaube
der Zauberei steht in Widerspruch zum Monotheismus. Er selbst
hat zu erklären und zu deuten, was Gott tut. Nicht der Wahrsager
und der Schlangenbeschwörer darf diese Deutung vom Tun Gottes•
übernehmen. Daher muß die Wahrsagerei_ ebenso, wie der Götzen^
dienst, ausgerottet werden.
18
274

Wenn man nun auf den absonderlichen Gedanken kommt, das Gebot:
‫ ״‬eine Zauberin sollst du nicht am Leben lassen“ (2. M. 22,17) sei
der Grund geworden für die Hexenprozesse, so könnte man ebenso
auch sagen, das Gebot, die götzendienerischen Völker auszurotten, sei
der Grund für die Inquisition und für allen religiösen Fanatismus.
Man könnte aber ebenso auch sagen, daß das Gebot, den Mörder zu
töten, auch der Grund sei für die Erhaltung der Morde. An diesem
Beispiel kommt man nicht auf den Gedanken dieser Absurdität, ob­
zwar es doch auch bei der Tötung von Mördern Justizmorde gibt. Aber
die Ausrottung der Mörder gilt als eine notwendige Sache. Es ist
daher nur ein Überbleibsel von dem Aberglauben an die Zauberei, als
wäre sie nur ein harmloses Blendwerk, das die scharfe Ahndung nicht
verdiente, wenn man nicht die unerbittliche Notwendigkeit anerkennt
in dem Verbote der Zauberei und in der Pflicht ihrer Ausrottung.
Der Grund jener Skepsis liegt tiefer noch, nämlich in der
Gleichgültigkeit gegenüber der einzigen Wahrheit des Monotheismus.
Wenn anders aber dieser das einzige Heil der Menschheit bildet,
so ist kein historisches Kraut dagegen gewachsen, daß der Götzen-
dienst und so auch alle Zauberei vernichtet und ausgerottet werden
muß. Die Toleranz ist ein Prinzip, welches nicht für den Ursprung,
für die Errichtung und Aufrichtung des Monotheismus in Geltung
kommen kann. In dieser Frage gibt es kein Schwanken und keine
gegenseitige sich bedingende und einschränkende Anerkennung der
Gegensätze, sondern Sein oder Nichtsein der sittlichen Welt ist die
große Frage. Und die sittliche Welt ist nicht den Engeln übergeben,
wie der talmudische Ausdruck lautet von der Thora, sondern die
Menschen haben sie einzurichten mit ihren Rechtssätzen und ihren
Strafgerichten. So mußte auch die Ausrottung der Zauberei, wie
die des Götzendienstes geboten werden.
Im Grunde sind diese Verirrungen in den Begriffen der Menschen
von Gott das größte Leiden am Menschen, das größte auch vielleicht,
das die Menschen selbst über sich bringen und immer wieder erneuern.
Die sittlichen Vergehungen haben ihren tiefsten Ursprung in diesen
Grundanschauungen der Menschen von Gott. Es ist das größte
Leiden des Menschentums, daß die Gedanken über Gott Spaltungen
unter den Menschen herbeiführen und immerfort wieder hervor-
treten lassen und sich verschärfen können, die die tiefsten Anlässe
werden zu den Selbstzerfleischungen der Menschen und der Völker.
Und dennoch ist so die bisherige Geschichte •verlaufen* und so hat
275

man sie zu begreifen; dieser Stolz der menschlichen Vernunft ist


•das größte Leid geworden. Zeus hat Prometheus an den Felsen
.geschmiedet. Die Vernunft hat den Zwiespalt in den Menschen mit
seinem Gotte gebracht.
Im Monotheismus ist das Leiden nur ein Glied in der Kette
der Erlösung. Es darf nicht den Abschluß bilden. Es darf nicht
.als das Idealbild des Menschen dargestellt werden, als wäre es selbst
das Göttliche. Es ist nur eine Vorstufe zur Erlösung, zur Vollendung
des Menschentums gemäß dem sich vollendenden Begriffe des
einzigen Gottes.
Wir kommen dieser Vollendung des Monotheismus immer näher,
und wir haben darauf uns hingelenkt, daß auch am Leiden selbst
diese Vollendung sich vollführen werde. Aber wir betrachten ja die
Erlösung als den Weg zum Selbst. Und die Ichheit des Individuums
erkannten wir schon in der symbolischen Übertragung auf Israel.
In dieser symbolischen Bedeutung ist Israel nicht das Volk, als eine
Mehrheit mit sozialen Bedürfnissen und Obliegenheiten, sondern in
■diesem symbolischen Israel verkörpert sich nur, und zwar prägnanter
.als im Einzelwesen, dieser Idealbegriff des Ich. den die Erlösung,
herbeibringen soll.
30. So wird es verständlich, auch Venn wir nichts wüßten von
•der symbolischen Leidensgestalt des Messias, daß das Volk Israel,
als Bekenner des reinen Monotheismus, zu einem Leidensvolk in der
Geschichte geworden ist. Wenn man heute, wie zu allen Zeiten,‫־‬
von der Frage bewegt worden ist, wie das monotheistische Volk sich
in allen diesen Verfolgungen lebendig erhalten konnte, und wenn
man sich mit der Antwort nicht begnügt, daß der historische Grund
seiner Erhaltung in den Wahrheiten liegt, welche die jüdische Ge«
meinde zu erhalten sich auferlegte, so kann man es vielleicht als
einen hinlänglichen historischen Grund erkennen, daß es ein Volk j
des Leidens in seiner ganzen bisherigen Geschichte gewesen ist. {
Das Leiden wurde seine Lebenskraft.
Was bedeutet alles Erdenglück und alle Macht und Herrlich-
keit dieser Welt gegenüber diesem nationalen Vorzug, der in seinem
Glauben wurzelt? Israel ist das historische Volk des Leidens, des
Leidens für seinen einzigen Gott. Auch das Leiden hat ihm Einzig-
keit verliehen. Andere Völker haben .zwar auch gelitten in. ihrem;
Dasein, aber ihr Leiden fiel zusammen mit ihrem Untergang. So
lange; ; sie gegenwärtig waren auf der Weltbühne, hat das Leiden
18*
276

bei ihnen reichlich abgewechselt mit dem Glanz und der Macht der
Lebensfreuden. Ihr Leiden begann erst typisch zu werden mit‫־‬
ihrem nationalen Untergang. Es besteht eigentlich daher nur im;
Horizont der Geschichte. Israel dagegen hat seine eigentliche Lauf-
bahn erst da begonnen, als es mit allen nationalen Schätzen dieser
Welt gebrochen und ein neues Dasein, eine ganz neue Art von Da-
sein in der Weltmission angetreten hat. Sein sonstiges Leiden ge~
hört in die Gesamtrechnung aller politischen Völker. Seine Märtyrer-
laufbakn beginnt mit seiner Weltmission.
So ist das Leiden Israels kein tragisches Motiv im Sinne des•
nationalen Partikularismus, und in keiner ästhetischen Deutung kann
es daher zur richtigen Erklärung gebracht werden. Das Leiden ist
der Charakterzug der Religion und die Aufgabe des Monotheismus
ist es, welche durch dieses Leiden der Bekenner des jüdischen Mono-
theismus symbolisch ausgedrückt ist. Der Monotheismus sollte Selbst-
bewußtsein werden in seinen Bekennern. Daher mußten diese, wie
vor dem irdischen Bichter, die Strafe, das Leiden erkennen und an-
erkennen lernen als die göttliche Fügung zu ihrer Selbstheiligung,-
zu ihrer Erziehung und Reifung zum Ich für die Korrelation mit
Gott. Die Versöhnung mit Gott ist es, welche symbolisch aus-
gedrückt ist in dem Leiden Israels. Das Leiden Israels in seiner
Geschichte ist sein ‫ ״‬langer Tag“, wie der deutsche Volksmund den.
Versöhnungstag nennt.
:31‫־‬. Das Leiden ist die Vorbedingung der Erlösung. Dieses aber
ist die Befreiung von allen Schlacken der empirischen Menschlichkeit
und der Aufstieg zu dem idealen Moment, in welchem der Mensch zum
Selbst wird. Wir werden diese Vollendung des Menschen in der
messianischen Menschheit, und in ihr die Vollendung der Erlösung
später zu betrachten haben. Jetzt, da wir an der Geschichte Israels-
das typische Leiden des Menschen uns gedeutet haben, darf nun
auch an diesem Beispiel die Erlösung der Menschheit erspäht werden.:
Es kann nicht an ihr fehlen, denn das Leiden ist immer nur Vor-
spiel, auch wenn es Jahrtausende dauert.
Durchaus liegt es im Begriffe des Monotheismus, daß die E r-
lösung Israels nicht abgetrennt von der aller Menschen und aller
Völker gedacht werden kann. Aber die Erlösung gilt uns ja nur
als ein Moment, das daher nicht nur als Schlußglied in der Ent-
Wicklung des Menschengeschlechts seine Bedeutung zu haben braucht,,
sondern diese auch völlig schon in jedem Momente der geschichtlichem
277

Entwicklung in Vollzug bringt. So können wir auch in der ge-


samten Geschichte Israels die ununterbrochene Verbindung erkennen,‫־‬
die zwischen dem Leiden und der Erlösung besteht. Die Erlösung
braucht gar nicht hinausgeschoben zu werden auf das Ende der Tage,
sondern sie haftet schon an jedem Momente des Leidens, und sie
bildet an jedem Momente des Leidens einen Moment der Erlösung.
So verliert die Geschichte Israels ihr Dunkel. So hört sie auf,
«ein Bätsel zu sein im Bildersaal der Völker. Das Leiden vollführt
und vollbringt Israels Selbsterhaltung. Denn dieses Leiden ist kein
asketisches der Mystik, das sein Genügen in sich selbst hat, sondern
es wurde erkannt und ertragen als eine Prüfung, in der die Bekenner
des Monotheismus sich läutern und sich stählen sollten für den großen
Beruf, der ihnen in ihrem einzigen Gotte beschieden ward. Das
Leiden bildet keinen Widerspruch gegen ihren Fortbestand, sondern
vielmehr dessen wirksamsten Grund. Ohne Leiden keine Erlösung.
Ohne Selbstheiligung, und zwar auch im Leiden, keinen Aufstieg
zur wahren Freiheit des Menschentums. Vom Leide aber gibt es
Befreiung, wenn im einzigen Gotte der Zielpunkt gesetzt wird für
die Selbstheiligung. Der Versöhnungstag ist das Symbol für die
Erlösung der Menschheit.
Kapitel XIII.

Die Idee des Messias und die Menschheit.


1. Zwei Begriffe vom Menschen haben sich bisher in der Kor-
relation von Gott und Mensch herausgestellt, nachdem der Mensch
als Vernunftwesen aus den göttlichen x^ttributen der Schöpfung und
der Offenbarung hervor gegangen war: der Mitmensch und das Ich.
An beiden Begriffen hat sich die Eigenart der Religion in dieser
Korrelation erwiesen. Beide Begriffe entstammen der. Religion. Und
beiden Begriffen entspricht ein doppelter Begriff von Gott, in welchem
ebenfalls die Eigenart der Religion sich erweist: der Gott der
'sozialen Liebe und der Gott der Sündenvergebung.
Die Eigenart der Religion ist methodisch unterschieden von der
Selbständigkeit der Ethik. Diese Selbständigkeit besagt, daß die
Eigenart sich ihr einzuordnen hat. Die Methode der Religion beruht
auf der Methode der Ethik. Diese ist die allgemeine Methode der
wissenschaftlichen Vernunft in allen ihren Problemen.
Dieser methodischen Grundforderung gemäß ist auch die Erlösung
des Menschen vor Gott zur Durchführung gekommen: in Überein-
Stimmung mit der Autonomie der sittlichen Vernunft. Nur unter der
unverletzten Selbständigkeit der Ethik konnte der religiöse Begriff
des menschlichen Individuums gewonnen werden. Und ebenso steht
auch das Mitleid, welches den Mitmenschen zur Entdeckung bringt,
im methodischen Einklang mit der Ehre und A c h tu n g , vermittelst
welcher Affekte die -Ethik den Menschen zu erzeugen hat.
2. Innerhalb der Ethik jedoch und auf Grund ihrer Methode .bleibt
für den Menschen nur die Identität mit der Menschheit. Die Ethik
selbst jedoch bedarf für diesen Idealbegriff des Menschen methodischer
Ergänzungen, welche sie sich für die Anwendung auf die geschieht-
liehe Erfahrung in der Tu gen dl eh re zu geben sucht. Da schon
muß die Liebe hinzugenommen werden, während der grundlegende
Affekt nur die Ehre ist, die gleichbedeutend ist mit der Achtung.
So müssen auch unter der Menschheit r el a ti v e M eh r h ei te n
eintreten, deren der Staat, das Recht und die Gesellschaft bedarf*
Nur für das Ich lehnt die Ethik jede Ergänzung ab, die über die
Kompetenz der Autonomie des reinen Willens hinausginge. Hier be-
sonders mußte daher die Religion eintreten mit dem Doppelbegriffe
der Sünde für den Menschen und der Sündenvergebung für Gott.
3. Auch für Gott kennt die Ethik kein Bedürfnis nach Ergänzung.
Das Problem Gottes erschöpft sich für sie in seiner Bürgschaft für
die Sittlichkeit auf Erden. Die Mängel an der Wirklichkeit des Sitt-
liehen gehen die reine Ethik prinzipiell nichts an, da ihre Abhilfe
im unendlichen Ziele gesichert ist. Die Zeitfragen der Verwirklichung
gehen sie ebensowenig an, wie die Grade der Verwirklichung auf den
einzelnen Zeitstufen oder in den einzelnen Trägern der Menschheit.
Hier eben tritt die Eigenart der Religion auf mit ihrem neuen
Menschen, als Individuum, und mit ihrem neuen Gotte für das In-
dividuum. Die Menschheit aber und der Gott der Menschheit, an
diesen beiden Begriffen vollzieht sich die Selbständigkeit der Ethik.
A. Hier entsteht nun die Frage: Hat denn die Religion nicht
auch eine Eigenart an diesen beiden Begriffen und ihrer Korrelation?
Stände es so, so wäre sicherlich der Wert der Religion sehr ver-
ringert, wenn er nichts Neues zur Ethik hinzuzubringen hätte für
die Menschheit und für den Gott der Menschheit. Und alle Eigen-
art, die sie für den Menschen in den beiden Bedeutungen und ihnen
entsprechend auch für Gott zu .erweisen vermag, könnte keinen Er-
satz bieten für diesen etwaigen Mangel der Religion an der Mensch‫־‬
heit und ihrem Gott.
5. Es ist nicht anders: die Religion kann hier, nichts hinzu-
bringen zur Ethik. Und doch wird der Wert der Religion nicht nur
nicht geringer, sondern vielmehr noch höher. Denn die S e lb s tä n d ig -
keit der Ethik bleibt zwar unversehrt; aber sie ist ja nur eine metho-
dische. Und nur kraft ihrer Methode kann sie überhaupt Inhalte er-
zeugen. Sie kennt weder Mensch, noch Gott; sie erzeugt diese Be-
griffe mit ihrer Methode. Da nun aber ihre Methode nicht nur ihre
Norm, sondern auch ihr Werkzeug und ihre Erzeugungskraft ist, so
kann sie sorglos der Erfahrung ihre Probleme, und zwar auch von
Inhalten und Gegenständen entnehmen. Die aufgenommenen Begriffe
müssen ja erst durch den Schmelztiegel ihrer Methode hindurchgehen.
Und woher überhaupt sollte sie ihre Probleme nehmen, wenn
nicht aus der E r f a h r u n g , Wenn die Erfahrung von Raumkörpern dem
280

Geiste sich nicht darböte, so könnte selbst die reine Mathematik nicht
zu ihren Problemen kommen. Ebenso erginge es auch der Ethik;
wenn die Menschen nicht in ihren sozialen Verbindungen, wie in
ihrer Geschichte von Recht und Staat zu den Fragen der Ethik
den Anlaß geben würden. Aber freilich mehr als den Anlaß gibt die
Erfahrung niemals. Die Benutzung des Anlasses wird jedoch von
der reinen Erkenntnis überall zur selbständigen Bearbeitung und ge-
radezu daher zur Erzeugung des dargebotenen Materials emporgehoben.
So erklärt sich nun auch das Verfahren der Ethik gegenüber
der Religion. Entnimmt sie etwa ausschließlich der Geschichte, der
Rechtslehre und der Politk den Anstoß zum Begriffe des Menschen?
Oder aber bringt nicht etwa auch die Religion unverächtliches
Material für das Problem des Menschen herbei? Würde es nun aber
etwa die Selbständigkeit der Ethik gefährden, wenn sie sich mit der
Religion in dasselbe Verhältnis setzte, wie mit der Geschichte über-
haupt und insbesondere mit der Rechtslehre?
Von dem logischen Verhältnis, welches zwischen der Ethik und
der Rechtswissenschaft bestehen mag, sehen wir hier ab, weil es
sich hier nur um das Material des Menschen handelt. Und wenn
anders der Begriff der Menschheit dem Begriffsmaterial der Religion
zugehörig gemacht werden muß, so kann die Ethik in ihrer metho-
dischen Selbständigkeit ebensowenig gefährdet sein, wie sie es gegen-
über der Rechtslehre wird, wenn sie der Religion den Begriff der
Menschheit entnimmt. Es bleibt nur die Frage, ob sie der Religion
und ihr allein den Begriff der Menschheit entnehmen kann. Keine
Frage aber ist es mehr, daß sie auch diesen Begriff, wie jeden mate-
riellen Kulturinhaltsbegriff des Menschen sich zum Vorwurf nimmt,
um ihn mit ihrer eigenen Methode selbständig neu zu erzeugen.
Es ist nun aber wohl der höchste Triumph der Religion, daß
sie allein die Idee der Menschheit hervorgebracht hat.
6. Die klassische Philosophie der Griechen kennt den Menschen
nur als das problematische Individuum der Sittlichkeit. Und es ist
ihr größtes Verdienst, daß sie, von dem Gedanken des Staates be-
herrscht, an diesem Vorbilde den Mikrokosmos des Menschen, die
Seele des Menschen entdeckt hat. Aber schon aus dem methodischen
Verhältnisse zwischen Staat und Seele ergibt es sich, daß der Mensch
hier als Seele und in seiner Seele nur als Individuum, als Idee gedacht
bleibt. Wie nun aber alle Vervielfältigungen, alle psychischen Wieder-
holungen der einen Idee immer nur dieselbe eine Idee darstellen,
281

:so bleibt auch der seelische Mikrokosmos immer nur der eine und
selbige, in wie vielen Exemplaren er sich darstellen mag. Und an
die Völkerindividuen■'wird schon gar nicht gedacht. Die Barbaren
treten nicht in den Horizont des Hellenen.
Wie sollte da der Gedanke entstanden sein, daß der richtige
♦Seelenbegriff des Menschen dann erst entstehen kann, wenn die Bar-
baren allesamt mit den Hellenen zusammengeschart werden und daß
dann erst der richtige Mikrokosmos des Menschen zum Problem werden
kann. Es ist ja auch charakteristisch, daß unter den mancherlei
Beispielen, welche Platon an Problemen der Idee gibt, sogar die Seele
fehlt, geschweige, daß er vom Menschen die eine Idee aufgestellt hätte.
7. Das theoretische Verdienst, welches P h il o , der Jude, an der
Platonischen Ideenlehre haben möchte, ist noch nicht hinreichend
festgestellt. Eines aber kann ihm nicht bestritten werden: er hat die
I dee des Menschen ausgezeichnet;, er hat den Menschen zur Idee
.gemacht. Wie er darauf gekommen sein mag, dieses hohe Verdienst
einer wichtigen Formulierung sich zu erwerben, darüber kann kein
.'Zweifel sein: er kannte Mose und die Propheten, wenngleich seine
Bibelkenntnis nicht auf genauer Sprachkenntnis beruhte, und wenn-
gleich sein Verständnis der Bibel nicht durch Kenntnis der rabbinischen
Literatur, die schon damals im Aufblühen war, belebt und gestützt
wurde. Immerhin lebten die Grundgedanken des Monotheismus in
seiner gläubigen Seele, und gerade der Menschheitsgedanke der
Propheten war es, der seinem Glauben an den einzigen Gott den
philosophischen Schwung gegeben haben mag.
Philo gehört jedoch zu den intimsten Urkräften des Christentums,
dem er vorarbeitete, weil er, von der griechischen Philosophie über-
wältigt, im reinen Monotheismus sich nicht zu behaupten vermochte.
Am Problem des Individuum besonders in seinem Verhältnis zu Gott,
an der Möglichkeit der Einwirkung Gottes überhaupt auf den Menschen
und auf die Welt scheiterte er. So verletzte er den Monotheismus
durch den Gedanken des Logos, den er dem Platonismus an den
*Stellen entlehnte, an denen dieser von der Methode der Idee ab-
lenkte. Indessen die Idee der Men sc hh eit ist ihm lebendig ge-
blieben in seiner Idee des Menschen.
8. Die jüdischen ßeligionsphilosophen des Mittelalters haben
wreder dem Christentum, noch dem Islam gegenüber ihren historischen
;Sinn durch konfessionelle Befangenheit getrübt. Sie haben beiden
^Religionen das Verdienst zuerkannt, den Monotheismus unter den
282

Völkern zu verbreiten. Und wie der Talmud bereits das Verdikt


des Götzendienstes als ungiltig erkennt für die Völker, die von denen
Kanaans unterschieden sind, so haben auch sie in der christlichen
Trinität nicht schlechthin Aufhebung des Monotheismus erkannt,,
sondern diese als Assoziation, als Vergesellschaftung (‫ )שתף‬bezeichnet.
Wenn nun aber diese Verbreitung des Gedankens vom einzigen
Gotte im geschichtlichen Sinne einen prägnanten Inhalt hat, so möchte*
er darin bestehen, daß der einzige Gott, als Weltgott, als Gott aller
Völker in diesen Religionen in bestimmter Forderung gedacht wird.
Der welterobernde Anspruch des Christentums hat in dem Begriffe-
der We lt religion den Begriff der Menschheit zum historischen
Inhalt der Religion gemacht. Wie sehr daher einerseits das Indivi-
duum und seine Erlösung im Mittelpunkte stand, so blieb doch ebenso‫׳‬
immer die Peripherie der allgemeine Gegenstand.
Der Mensch, der für den Griechen nur der Hellene war, ward
demzufolge für den Christen aller Völker trotz aller Feindschaft der
Nationen gegen einander dennoch der eine Mensch der Erlösung
•durch den einen Christus. Und so wurde in diesem geschichtlichen
Prinzip Christus allerdings zum Messias der Menschheit. Denn die*
besonderen Anforderungen, die Christus für die Erlösung stellte, mit-
hin für die Realisierung der Menschheit, sie traten zurück gegen
das Problem selbst, das nun in der einen sündigen und der einen
erlösbaren Menschheit aufgestellt war.
9. Durch das ganze Mittelalter wogt diese schwerste Antinomie-
zwischen den Völkern und der einen christlichen Menschheit. Und
ist etwa in der Jetztzeit diese Antinomie überwunden, ,oder mehr als
übertüncht? Trotz allen Widersprüchen aber zwischen den historischen
Bestrebungen und in den sittlichen, auch den religiösen Gedanken
konnte doch der Schwerpunkt nicht verrückt werden, den der Ge-
danke der Menschheit bildete, sobald er als Losung verkündet war►
‫״‬Was ist der Mensch, daß du sein gedenkest!“
So könnte man mit dem Psalmisten sagen, wenn der Mensch nur
eien Nebenmenschen, geschweige wenn er nur den nationalen Menschen
und vollends nur den Menschen der, eigenen Nation zu bedeuten
hätte; wenn er nicht vielmehr als Mensch der Menschheit zu der
Ehre und Würde käme, die der Psalmist ihm zuerkennt.
Auch die Wissenschaften ferner und nicht an letzter Stelle die
Künste haben eine Internationalität und daher eine Gemeinschaft des
Menschlichen unter den Völkern zu stände ,gebracht,, wie sie im
283

Altertum nicht annähernd erreicht worden war. Und so entstand end-r


lieh aus der K en aissan ee und ihrem Humanismus überall zwar im
historischen Zusammenhänge mit der Antike, aber diese überall auch
ergänzt durch die Religion, die Erneuerung der Rechts- und der
Staatslehre, welche selbst schon die biblischen Einflüsse in sich ent-
hielt. Besonders das N a tu r- und V ö lk e rre c h t, zunächst der Stoa
entstammend, hatte von dieser auch den weltbürgerlichen Geist in
sich aufgenommen.
Es trat nun die neuere eigentliche Philosophie, die schon
einen unmmittelbaren Verkehr, gleichsam einen Dialog der Inter-
nationalen Geister darstellte, noch hinzu, sodaß in der Republik der
Wissenschaften, wie man damals sagte, die französische Revolution
mit den allgemeinen Menschenrechten mehr einen nur politischen
Anspruch erweckte als einen allgemein menschlichen. Denn ein
solcher war in dem weltbürgerlichen Geiste der Philosophie, besonders-
auch in der von L eibniz beseelten d eu tsch e n A u fk lä ru n g be-
reits ganz lebendig und bewußt.
10. Die ganze neuere Zeit mit ihrer allgemeinen Philosophie■
hatte auf allen geistigen Gebieten tiefgehende Reformen angeregtT
nur die schulraäßige Philosophie war besonders für die ethischen Pro-
bleme mit Vorbereitungen und Anwandlungen in ihren Zusammen-
hängen mit der Theologie und mit den Disziplinen des Rechts stecken-
geblieben. Da trat K ant auf und schuf zum ersten Male eine wirk-
liehe E th ik , nämlich eine solche, welche nicht etwa Logik und
Metaphysik in sich selbst enthielt, sondern diese voraussetzte, und
auf ihnen sich auf baute: eine Ethik demgemäß als systematisches
Glied der Philosophie.
Und diese Ethik, welche selbständig und als reine Philosophie
und nicht etwa als Psychologie erdacht war, ganz modern in. der
Methode, ganz unabhängig von der Weise der Scholastik, sie war
dennoch im innigsten Geiste verwandt mit der neuen Religiosität
der R eform ation, wie auch des ■Pietismus; und sie war anderer-
seits auch von Rousseau beeinflußt, mithin lebhaft erregt von den
sozialen Problemen und den politischen Ideen zur Verbesserung der
allgemeinen Weltlage. So atmet die Ethik Kants den Geist der Menschheit, j
Zwar.ist der genaue terminologische Sinn des Wortes ‫״‬Mensch-,
heit“ bei Kant zunächst durch den Gegensatz zum empirischen
Menschen der psychologischen und der geschichtlichen Erfahrung
bestimmt, sodaß Menschheit gleichbedeutend ist mit ‫״‬Vernunftwesen“.
284

Immerhin aber steht doch nicht allein das methodische Vernunftwesen


in seiner Terminologie, sondern die Menschheit nimmt die wichtigste
Stellung in allen seinen Formulierungen ein, so daß es kein Zweifel
«ein kann, daß die Menschheit ihm die universalistische w e itb ü rg e r-
lie h e Bedeutung hat. ‫״‬Achte die Menschheit in deiner Person,
wie in der Person eines jeden Anderen“, so lautet die Formulierung
des kategorischen Imperativs.
11. Es hat keinen Sinn, den gewaltigen Einfluß ßousseaus auf
Kant zu bestreiten. Es hat aber ebensowenig Sinn, ihn zum ent-
scheidenden zu machen. Bousseau hatte schon H erd er beeinflußt, den
Theologen und großen deutschen Universalisten. Und während dieser
sonst ein ungelehriger und daher auch undankbarer Schüler Kants
;war, so war er doch eines deutschen Geistes mit ihm in dem Ge-
;danken der H u m a n itä t, und so wurde er der Verfasser der ‫״‬Ideen
zur Philosophie der Geschichte der Menschheit“.
Es war nun aber auch nicht von ungefähr, daß er zugleich der
) Verfasser war von dem ‫״‬Geist der ebräischen Poesie“. Und er
1‫׳‬erkannte den Geist der Menschheit schon in den frühesten Urkunden
des Alten Testaments, nicht erst bei den Propheten. Dies war eine
wichtige Einsicht, welche die ganze Auffassung Herders vom Geiste
der Bibel leitete: er e rk a n n te den M essian ism u s im P r in z ip
des M onotheism us.
12. Von Anfang an erkannten wir innere Schwierigkeiten im
-Grundgedanken des Messianismus und in seinen Konsequenzen, die sich
aus den Konflikten mit den historischen Verhältnissen und Begriffen
’einstellen mußten. So war es schon der geistige Gott, dem alles
Körperliche fernbleiben sollte, und der doch sich m itte ile n und
Menschen sich offenbaren mußte.
Zu allererst war er das ein zig e Sein, aber dieses konnte
nur den Sinn einer Voraussetzung haben für alle^njSei ^anderer Art,
das ohne diese Voraussetzung nicht denkbar würde. Und wenn schon
Schöpfung und Offenbarung zugestanden waren,, so trat ein neuer
Widerstand hervor innerhalb des Nationalgeistes, der für diesen
Monotheismus entzündet werden sollte, so daß dieser als sein eigenes
,Werk der Nation eindringlich und zugänglich gemacht werden sollte.
Nun aber erhob sich ein neuer Anstoß darin, daß die Erweckung
dieses Nationalgeistes die historische Berufung auf Mose nach sich
,zog. Denn dieser Nationalgeist forderte einen Urheber im grauen
;Altertum der nationalen Erinnerungen, als den geistigen Urhelden
dieses Volkes, weil seines Geistes, der daher der unmittelbare‫־‬
Empfänger der göttlichen Offenbarung werden sollte.
Alle diese Widersprüche traten offen und unbefangen hervor
und sie wurden bewältigt. Die T hora kam zu stände; denn ihr
Bestand wurde gegründet in dem Einklang zwischen dem Gottes-
gedanken und den sittlichen ‫״‬Satzungen und Rechten“, welche dieser
Gott verordnet hatte.
13. Nun aber trat mit den P ro p h e te n ein neuer Widerspruch in
diese, so konnte es scheinen, harmonisch abgeschlossene Lehre. Sie‫־‬
war für das Volk bestimmt und für den kleinen Staat, den dieses Volk
in langer Vorbereitung errichtet hatte. Mit den Nachbarvölkern zwar
waren feindliche und friedliche Berührungen nicht ausgeblieben.
Kriege wurden geführt und Bündnisse geschlossen; aber der Horizont
begrenzte trotz alledem nur das eine kleine Land.
Im ganzen Altertum war ja der politische Horizont, sogar der
Horizont der P o lis zugleich der weltgeschichtliche, im geographi-
sehen und erst recht im ethischen Sinne. Wer hätte im Altertum,
der klassischen Zeiten über den eigenen Staat und über das eigene
Volk mit seinem Geiste, geschweige mit seinem Herzen hinausgeblickt?
Als erhüben sie sich aus einer neuen Welt, so standen die Pro-
pheten auf und politisierten, als wären sie Kosmopoliten des 18. Jahr-
hunderts. Indessen wie sehr sie auch einem unerhörten sozialen.
Radikalismus fröhnten, so war dieser doch zugleich durch einen
nationalen Patriotismus gezügelt, wenngleich auch dieser selbst vom
ethischen Monotheismus geleitet wurde.
Wenn daher der Prophet die härteste Bestrafung des Volkes, den
Untergang des Staates selbst, androhte, so traf sein Verdammungs-
urteil nicht weniger die anderen Völker, die Feinde Israels, und die;
Kränkung des Nationalgefühls hatte immer ihren deutlich erkennbaren
Grund in der hohen Lehre vom heiligen Gotte, der Gerechtigkeit fordert.
Wenn nun aber eine allgemeine Schwärmerei für alle Menschen und
alle Völker aus diesem Geiste hervorging, so konnten die engherzigen
Patrioten darüber wohl irrewerden. Man hatte sie in dem Glauben
aufgenährt, daß sie das ‫ ״‬Eigentum Gottes“ wären, und jetzt sollten
alle Völker Anteil gewinnen an der wahren Gotteserkenntnis und dem;
wahren Gottesdienste. Wie sollte das enge Nationalbewußtsein zu
einer solchen Weitherzigkeit sich erheben, ohne an sich selbst, ohm
an dem einzigen Gotte, den es bisher als einziges Volk verehrte, zu'
zweifeln und irre zu werden. Und wie wir so das Volk in Im
286

disposition betrachten müssen für diesen neuen großen Gedanken,


so muß er uns auch in seiner Neuheit verwunderlich erscheinen
bei den Propheten selbst.
14. Indessen als Wunder erschien uns ja von Anfang an der ganze
Monotheismus mit seinem Zubehör. Gerade für den historischen
Gesichtspunkt, der überall Entwicklung fordert, ist und bleibt er ein
Mysterium. Kein Volk und kein Geist der Erde hat den einzigen
Gott gedacht. Analogien freilich hat es überall gegeben, und wenn
mit ihnen eine Entwicklungsforschung sich befriedigen mag, so kann
ihr Genüge geschehen; aber alle diese Analogien bleiben dem Herz-
punkte dieses Gedankens fremd. Der menschliche Ursinn in dem
Gedanken des einzigen Gottes, der ist nur hier vorhanden, und nichts
sonst trifft diesen Kern, der nicht schlechthin in der Einheit liegt,
sondern in deren ethischem Inbegriffe der_.-Einzigkeit._ Die Frage
bleibt also bestehen: Wie konnte dieser Gedanke eines einzigen Gottes
einzig und allein diesem Volksgeiste offenbar werden?
Jetzt entsteht uns nun ein neues Wunder für diesen Volksgeist
im Messianismus. Aber vielleicht erklärt sich das eine Wunder durch
das andere. Machen wir uns nur erst die neue Erscheinung in aller
ihrer Fremdheit deutlich.
Der einzige Gott soll ‫ ״‬der Herr der ganzen Erde genannt
werden“, und alle Menschen und alle Völker sollen ihn erkennen und
verehren. Die Vielheit der Götter soll schlechterdings von der Erde
verschwinden. Aber wenn der Eine Gott von allen Völkern verehrt
werden soll, entsteht damit nicht auch der Verdacht, daß die Völker
selbst ihre selbständige Einheit verlieren, und daß sie bei dem Auf‫?־‬
gehen in den einheitlichen Gottesdienst auch in eine einheitliche
Menschheit aufgehen könnten, und gar sollten? Und wenn dies
xiun wirklich der letzte Sinn des einzigen Gottes und des einheit-
liehen Gottesdienstes aller Völker ist, wird durch diesen Universalis-
mus nicht zugleich jedes Volk in seiner Sonderheit angetastet, nicht
allein Israel?
!, Man weiß, wie noch in unseren Tagen das Weltbürgertum in
-einem lebhaften Widerspruch empfunden wird mit dem nationalen
|Eigenbewußtsein. Wie unbegreiflich muß uns da die Entstehung des
Messianismus erscheinen innerhalb eines Nationalbewußtseins, welches
die ‫״‬Erwählung“ Israels für die einzige Gottesverehrung als eine Aus-
erwählung denken mußte und so auch, fühlte.
287

15. Die politischen Verhältnisse, unter denen der Gedanke entstand,


‫״‬erscheinen ferner auch nicht als der natürliche Boden für ihn. Kaum
waren die Stämme zu einem Nationalstaat vereinigt, da spaltete sich
dieser in zwei Reiche, die einander bekämpften, und deren jedes die
großen Nachbarvölker für sich uud gegen das Bruderreich heranzog. ‫־‬
Und allmählich gingen beide zu Grunde, eines nach dem anderen;
und beide mußten in die Gefangenschaft wandern und dort ein Staat-
loses nationales Portleben fristen. Wie konnte unter so eingeengten,
so traurig erniedrigten politischen Verhältnissen, wie konnte vollends
unter solcher nationaler Betrübnis ein solcher Frohgedanke entstehen,
•ein Gedanke des kühnsten menschlichen und weltpolitischen Mutes?
16. I. D er W e ltu n te rg a n g . Gehen wir nun daran, den Knäuel
•der Motive zu entwirren, welche sich in der Idee des Messianismus
verschlingen. Alle Probleme des Menschen und seines Schicksals,;
seiner Würde und seines Lebens wertes sind in dieser Idee verknüpft./
Die Frage nach dem Sinn und Werte des menschlichen Daseins
:gehört zu den tiefsten, aber auch zu den primitivsten Problemen der
•erwachenden Kultur. Mit dieser Frage entwächst der Mensch dem
Mythos und dem naiven Bewußtsein, welches aufgeht in der Wirk-
lichkeit, und in ihr sein Genügen findet. Es regt sich der Zweifel
an dem höchsten Gute des Lebens und der ganzen Welt. Mit dieser
Frage in dieser Bedeutung möchte zugleich auch erst der Gedanke der
W elt sich erheben, nicht aber des Himmels oder der Natur, oder
auch des Kosmos, sondern des Aion, als derjenigen Welt, welche
insbesondere das Menschenleben einschließt.
Und wenn nun an dem Werte dieser Welt der erste Zweifel
auftaucht, so entsteht als der erste kritische Gedanke, der auch in
fier griechischen Philosophie die ersten Schritte der Spekulation über
den ‫ י‬Kosmos begleitet, der Gedanke vom W e ltu n te rg a n g . Die
Welt muß Strafe zahlen ( ‫״‬dlnrjv öidövcu“) für ihr Dasein.
Aber dieser Gedanke der S tra fe enthält zugleich in sich die
Selbstkorrektur des Gedankens vom Untergang. Die Strafe kann
nicht nur retrospektiv gedacht sein, sondern sie muß, wie auch im
bürgerlichen Leben, eine Vorsorge treffen, eine Zukunft vorsehen.
17. Der Weltuntergang schließt die W e lte rn e u e ru n g in sich.
Die Vernichtung -wird nicht gedacht ohne die Wiedererstehung. Der
gänzliche Untergang, das Verschwinden des Daseins ist kein pri-
mitiver Gedanke; so öde kann erst eine spätere Phantasie werden.
Der Mythos denkt immer nur den Wechsel von Sein und Werden,
288

daher und nur in diesem Sinne den von Sein und Nichtsein. Aus
dem N ic h tse in soll ein höheres Sein hervorgehen. ‫;׳‬:‫־־‬
18. Auch die Propheten haben diesen Mythos vom Weltunter-
gang,, der auch in ihrem Volke auftauchte, in dem ‫״‬Tag des Ewigen‘‫־‬
. übernommen. Im mythischen Glauben scheiden sich noch nicht Furcht
und Schrecken vom Freudentaumel. Der Schrecken soll übertönt
werden vom Jubel.
So warnt Arnos vor dem Doppelspiel mit der Zuversicht auf
diesen Tag. ‫״‬Wehe denen, die den Tag des Ewigen herbeisehnen.
Er ist •Finsternis und nicht Licht“ (Am. 5, 18). Der kurzsichtige
Leichtsinn, der sich nur über die Angst des Tages hinwegheben
will, wird hier gegeißelt. Man freut sich auf das Ende, weil es einen
neuen Anfang bringt; mithin wie auf einen neuen Gott, so auch
auf eine neue Welt. Dieser Kreislauf des Entstehens und Vergehns■‫־‬
ist jedoch ein Widerspruch gegen die Schöpfung, die auf Vorsehung
beruht, während der Gedanke vom Kreislauf das Schicksal und den
Zufall voraussetzt. Entwicklung und Fortschritt zu einem zweckhaften
Ziele widerstreiten dem Mythos der Weltverbrennung (ßu7cvQ0)0tg).
Innerhalb des Monotheismus kann der Untergaug der Welt nur ver-
wendbar werden als das S tr a f g e r ic h t Gottes. Aber schon der Bund
Gottes mit Noah macht die gänzliche Vernichtung unmöglich.
19. Die Dichterkraft der Propheten und besonders Jesajas (vergl.
Kap. 13), schwelgt in Bildern. Sie werden in der Beschreibung
dieses ‫״‬Tags des Herrn“ zu Naturdichtern des Weltunterganges.
Sturm, Erdbeben, Gewitter, Wasserflut, Feuerglut, Verheerung zu
Trümmern und Steinhaufen türmen sich auf; vulkanische Ver-
änderungen schildern sie, wie Täler sich spalten und Berge zer-
schmelzen. Z ep h an ia macht das Gericht Gottes zu einem Opfer
Gottes. Pest, Hagel, Hungersnot, Nichtb esteilen der Leichen,
Schänden der Leichname, solche Gottesgerichte kommen über die
Völker, nicht minder aber auch über Israel. Schon diese Zusammen-
Stellung Israels mit den Völkern im allgemeinen Verderben bereitet
eine Umwandlung des mythischen Gedankens vom Untergange vor.
20. Aus dem Strafgerichte Gottes wird so allgemach die Läuterung
Israels und nicht minder auch die der Völker. Sobald aber dieser
Gedanke der , Läuterung auf blitzt, so entsteht in ihm der der;
L e itu n g und der E rz ie h u n g der Welt durch Gott.
Die Leitung erfordert nun ferner eine stufenweise Entwick»;
lung. So wird der ‫״‬Tag des Herrn“ zum Symbol für die ‫״‬Tage!
289

des Messias“. Bei M aleachi wird daher E lia s zum Vorboten des
Messias. Bei Jo e l erscheint die Ausgießung des Geistes ‫״‬über
alles Fleisch.“ Dies aber ist ein vordeutendes Symbol für die
Verjüngung cler geistigen, der sittlichen Welt. So erweckt der Tag
des Gerichts die Erneuerung; die Neuschöpfung der Welt.
Der Gedanke der Buße, der bei Jecheskel entsteht, er wird
bei Jona, wie unbewußt und scheinbar wider seinen Willen aus
der Konsequenz des einzigen Gottes heraus auch auf Ninive über-
tragen. Wie kein Individuum, so kann auch kein Volk dem Ver-
derben preisgegeben sein, sofern es der Kraft der Buße mächtig und
zugänglich wird. Die Buße trägt in ihrer Grundbedeutung als Wieder-
kehr die Gewähr der Wiederherstellung in sich. ‫״‬Und sie werden zurück-
kehren von dem Lande ihrer Feinde“. (Jer. 31; 15). Die Wiederher-
Stellung des Volkes aber ist die unmittelbare Hoffnung aus dem Exil
und aus aller politischen Drangsal, der gegenwärtigen, wie der bevor-
stehenden.
Eine solche Verwandlung hat der ‫ ״‬Tag des Herrn“ er-
fahren. Im mythischen Ursprung ein Opferfest, bei dem die Menschen
und die Götter gemeinsam speisen; daher zunächst vorzugsweise
ein Fest der Herren- und Heroen, welche ihren Sieg feiern, wird es
allmählich zu einem nationalen Ehrentag, an dem Freude und
Schrecken wechselseitig in einander Umschlägen. Und allgemach ist der
Schrecken überwunden und die Zuversicht hat sich festgelegt auf
einen neuen Anbeginn des Daseins für die eigene Nation, wie für die
fremden.
21. Der Weltuntergang bedeutet schon im Mythos das W elt-
ge rieh t. Zunächst rufen die Heroen es gegen einander herbei, wie die
einzelnen Stammgötter gegen einander kämpfen. Immer aber ist der
naive Gedanke vorherrschend von der Einheit zwischen Kraft und
Gewalt mit der Gottheit.
Gegen diese Einheit kämpft Arnos an. Nicht die Macht
soll man in Gott ansprechen, sondern sittliche Kräfte. Die
irdisch Mächtigen bedrücken die Armen und verüben das soziale
Unrecht. Solche Machtbeweise liegen dem Wesen des einzigen
Gottes fern. Daher kann sein Priester nicht der H aru sp ex sein, der
die Eingeweide der Opfertiere beschaut, oder den Flug der Vögel be-
obachtet, oder die Schlangen beschwört. Er blickt nicht auf die
Tiere, sondern auf den Menschen. So wird der Prophet zum Poli-
tiker und zum Sozialpolitiker. So wird er zudem für das inter-
1‫ע‬
290

nationale Verhältnis zum Geschichtsdenker, zum Urheber des Begriffes


der W eltg esch ich te.
22. Aber alles dieses kann er nur werden, weil er der Schöpfer der
Religion wird, der Offenbarung des wahren Gottes und der Ermahner
zum wahren Gottesdienste, der nicht getrennt gedacht werden kann
von dem wahren Menschendienste, von dem Dienste zwischen Mensch
und Mensch, wie zwischen Volk und Volk. So entsteht in dieser
­ Verbindung der Begriff des G uten, zuerst sachlich und dann für
Gott•. ‫י‬
So wird schon in diesem Ursprung aus dem Mythos die
-Religion in Sittlichkeit gegründet. Der Mythos aber wird als die
-Naturform des Götterdienstes für alle Kultusfragen verdächtig. Der
-Mythos feiert die Macht, wie an den Göttern, so auch an den Heroen.
Die Religion darf nicht Machtanbetung sein. Im Mythos sind auch
nur die Heroen ‫״‬Gottgeliebt“. (ßeocpcAetg). Der neue Begriff
Gottes aber fordert Gerechtigkeit und Liebe für alle Menschen.
Mit diesem Grundgedanken verwandelt sich der Sinn des .W elt-
g e ric h ts im ‫״‬Tag des Herrn“. Wehe dem eigenen Volke, ihren Fürsten
und Mächtigen, ihren Priestern und ihren falschen Propheten! So
mahnt der Prophet. Das Einvernehmen, auch das nationale, kann
nicht mit Gott angenommen und im Festestaumel gefeiert werden, wie
man es sich annoch mit den Göttern einbildet. Hier verbündet sich in
Wahrheit nicht Macht mit Macht, sondern ein Herr der Sittlichkeit
fordert Unterwerfung unter sein Gebot. Der Ernst des Sittengebotes
scheucht die selbstgefällige Freude und die Lebensgewißheit hinweg
von dem Gedanken an den Tag des Herrn. Strafe und Trauer bringt
dieser Tag in Androhung.
Wir werden später noch andere Konsequenzen aus dieser Um-
gestaltung des Mythos vom Weltuntergang abzuleiten haben. Jetzt
bleiben wir noch weiter im Umkreise der Mythologie.
23. II. D er To d. Die schwerste Frage, die schon dem primitiven Be-
wußtsein entsteht, bildet der Tod, das Aufhören des individuellen Lebens.
Es bildet das Fragezeichen gegen den Wert des Menschenlebens über-
,haupt. Die Seele, sobald sie das Prinzip des Lebens geworden ist,
!wird daher auch zum Prinzip des F o rtle b en s, wenngleich das Leben
;im Schattenreich geringgeschätzt sein mag gegen das des irdischen
[Daseins. Auch das biblische Altertum hat die Unterwelt ( ‫ )שאול‬für
dieses Totenreich. Und auch die Seele, die ursprünglich im Blute
ist, wie nicht anders auch die Psyche, als Rauchseele, wird allmählich
:zum Prinzip der Einheit der Person. Und so singt auch der Psalm:
,,Denn du überlassest nicht meine Seele dem Scheol“. (Ps. 16, 10).
Der Mensch kann also dem Untergang im Scheol nicht verfallen
sein. So entsteht eine neue Art des Daseins für den Menschen,
welche durch den Mythos schon vorbereitet wurde.
24. Aber der Mythos führt diese Vorbereitung noch weiter. Der
Mythos von der In s e l der S elig en ist eine solche Vertiefung des
Seelengedankens. Die Unseligen verdienen und finden den Untergang,
aber die guten Menschen, die ihrer Seele Ehre machen, haben nicht
nur überhaupt ein Fortleben, sondern auch ein der Seele würdiges.
Die Insel der Seligen ist eine Örtlichkeit jenseit des Raumes, wie der
Zeit. Der Gedanke eines solchen Utopiens kann daher nur von der
Poesie erfaßt werden, und nur in der Volkspoesie kann er zu einem
Volksglauben werden. Erst innerhalb der Philosophie aber kommt die
Unsterblichkeit der Seele zu ihrer Ausbildung im griechischen Be-
wußtsein. das jedoch streng auf das gebildeterer Kreise begrenzt wird.
25. Wie das Jenseits ein Utopien ist, so steht es auch jenseits der
Zeit. Daher kann für dieses Jenseits auch der Begriff einer ge-
schichtlichen Z u k u n ft so wenig wie auch nur einer persönlichen Zu-
kunft entstehen. Nur der phantastische Zusammenhang mit der
Vergangenheit kann nicht ganz abgebrochen werden, aber mit der
Gegenwart schon ist er nicht aufrechtzuerhalten, außer insofern die
beleidigten A h n en seelen rächend in die lebendige Gegenwart ein‫־‬
greifen können.
Jenes Dasein selbst aber ist raumlos und zeitlos. Daher muß
der Prophet zwischen diesem Utopien des mythischen Glaubens
und seiner Gedankenwelt eine Scheidewand errichten ebenso, wie
der Psalmist gegenüber dem Scheol. ‫ ״‬Ein Auge hat es nicht
gesehen, Gott, außer Dir allein“ (Jos. 64, 3). Wir werden auch
von diesem mythischen Jenseitgedanken die monotheistischen Um-
bildungen zu erwarten haben. Jetzt gilt uns nur auch die Insel
der Seeligen trotz ihrer Negativitäten dennoch als eine Vorbereitung
des Messianismus. Denn das menschliche Dasein ist immerhin doch
erweitert worden über die Schranken der sinnlichen Gegenwart hinaus.
Diese Erweiterung ist das Verdienst des Mythos. Der Monotheismus
aber muß diese Erweiterung zur positiven Gestaltung bringen. So
entsteht die religiöse Analogie zum sittlichen Begriffe der Unend-
lic h k e it, wie die Begriffe Gott und Mensch sie fordern. Und auch
darin bewährt sich die Abkehr vom Mythos, daß die Unendlichkeit
19*
292

angestrebt wird für die Zeit, nicht aber für den Raum, der immer
j* vielmehr die von Gott & geschaffene Erde bleibt. ::
26. III. Das goldene Z e ita lte r. Einen anderen mythischen
Vorbegriff bildet das goldene Zeitalter. In Griechenland mag es zu-
gleich mit den Inseln der Seligen ins Bewußtsein gehoben worden;
sein. Diese unschuldige Vorzeit ist auch der Inhalt der P a ra d ie s-
sage, welche auch die Genesis übernommen hat. In diesen Mythen
ist schon die sittliche Kritik erwacht, der Widerspruch gegen die*
prometheische Erkenntnis, das Mißtrauen gegen ihre Zweideutigkeit;
daher auch mit der Erkenntnis von gut und schlecht zugleich der
Zweifel an beider Absolutheit.
Die ganze sittliche Welt erhebt sich hier-schon als Sphinx..
Und demselben Dualismus verfällt das Verhältnis von Gott und!
Mensch. Warum gibt dem Menschen Gott Befehle und Gebote, und
erweckt ihn damit aus dem Schlummer seiner Unschuld? Ohne das:
Gesetz wäre der Mensch sündlos. So hat P a u lu s noch seine Polemik:
gegen das Gesetz überspannt, indem er sie auch auf das Sittengesetz
ausdehnte. Im Uranfang also gab es keine Sünde. So denkt der
Mythos, der keine Befehle Gottes hinzudenkt. Die ganze Antike-
gipfelt in ihrer Sehnsucht nach Frieden und Versöhnung in dieser
Seligkeit der Urzeit, der absoluten V erg an g en h eit.
Schon daß der Messianismus sich auf die Z u k u n ft richtet, unter-
scheidet ihn von dem Mythos des goldenen Zeitalters, der .dennoch,
aber in der Unschuld der Urzeit ein vorbereitendes Motiv bildet.
27. Indessen schon die monotheistische Bearbeitung der Paradies-
sage leitet die Veränderung ein. Die Unschuld wird aufgehoben, und:
das Gebot Gottes bietet hierzu die erste Veranlassung. Alsbald aber wird
der Bruch jener Unschuld vom Menschen durch den Mord verewigt. Der
Eingriff in das Menschenleben hebt alle Eintracht in der Natur auf. Der
‫ ׳‬Messianismus knüpft unverkennbar an den Mord an, insofern sein
:durchgängiges Motiv der K rieg bildet. Alle Analogie mit dem
goldenen Zeitalter wird so innerlich verscheucht; dennoch aber ist
die Vorahnung unverkennbar; n u r daß die V e rg a n g e n h e it in-
die Z ukunft v erw an d elt wird.
28. Für das moderne Verständnis des Messianismus selbst in der
Bibelforschung ist es ein bedauerliches Kennzeichen, daß Identität‫־‬
\an genommen wird zwischen diesen beiden Gedanken. Das messianische*
!Zeitalter wird geradezu als das goldene bezeichnet. Wenn aber
gleich Motive vom einen auf das andere übernommen wurden, so ist•
293

«doch, schon durch die Zeitfolge die Richtung des Gedankens und
daher der Inhalt des Gedankens verändert und. verwandelt. In jene
Friedenswelt der Urzeit war der Mord eingebrochen; in der Zukunft
dagegen sollen die Kriege verschwinden. Und es bleibt nicht bei
diesem Unterschiede; die Widersprüche werden noch tiefer erfaßt.
Gegen die Unschuld selbst wird die E rk e n n tn is aufgeboten. Sie\
wird einstmals allgemein werden für alle Menschen. So wird das messia- j
nische Zeitalter zu dem der K u ltu r, während das goldene höchstens;
in der Rousseau-Linie liegt. Der symbolische Bilderapparat wird der j
mythischen Poesie, entnommen, die Staffage mit ihrem Kolorit. Und
in der Beschreibung dieses Weltfriedens, als eines N a tu rfrie d e n s,
werden die Propheten zu gewaltigen Dichtern, und zwar nicht allein
zu Natur dichtem. Als Idylle beschreiben sie nicht das messianische
Zeitalter. Es soll ja die Erkenntnis in ihm das allgemein herrschende
Prinzip sein. Diese ideale Zukunft bildet schlechthin den Wider-
Spruch zur Vergangenheit und zur Gegenwart, daher aber auch zu
aller bisherigen eudämonistischen Art des geschichtlichen Daseins.
29. Die messianische Zukunft ist der erste bewußte Ausdruck des
Gegensatzes zur empirischen Sinnlichkeit der sittlichen Werte. Man kann j
sie daher schlechthin bezeichnen als das Id e a l im Gegensatz zur Wirk-
\
lichkeit. Wie könnte sie identisch seih mit jenem goldenen Zeitalter, das 1
doch nur eine verbesserte Wirklichkeit sein soll, keineswegs aber ihr Ideal.
Die Vorzeit ist ebensowenig das Ideal, wie das Jenseits der Nachwelt.
Auch dieses ist nur die Fortsetzung von Vergangenheit und Gegen-
wart, aber nicht das Neue einer Zukunft. Diese Neuheit vollzieht
sich in dem Aufdämmern des Ideals gegenüber aller Wirklichkeit.
Der Mythos ist ‫־‬überall das Morgenrot der Kultur, aber der Sonnen-
tag der Sittlichkeit bricht mit ihm noch nicht an.
30. Die Idealität des Messias, seine Bedeutung als Idee, bezeugt
sich in der Überwindung der Person des Messias und in der Auf-
lösung des Sinnbilds in den reinen Gedanken der Zeit, in dem Be-
griffe des Z e ita lte rs. Die Zeit wird Zukunft und nur Zukunft, Ver-
gangenheit und Gegenwart versinken in dieser Zeit der Zukunft.
Dieser Rückgang in die Zeit ist die reinste Idealisierung. Alles
Dasein verschwindet vor diesem Standpunkt der Idee. Das Dasein
der Menschen hebt sich auf in dieses Sein der Zukunft. So ent-
steht für das Menschenleben und das Völkerleben der Gedanke der
G eschichte.
Diesen Gedanken der Geschichte. der die Zukunft zum
294

Inhalt hat, hatten die G riechen niemals. Ihre Geschichte ist die‫־‬
auf ihren Ursprung gerichtete, ihre Vergangenheit erzählende Ge-
schichte ihrer Nation. Andere Nationen bilden ein geschichtliches
Problem nur für ihre Beisebeschreibungen. Eine Geschichte der Mensch-
heit ist unter diesem Horizonte ein unmöglicher Gedanke. Die
Menschheit hat in keiner Vergangenheit gelebt, und auch in keiner
Gegenwart ist sie lebendig geworden; nur die Zukunft kann ihre•
Lichtgestalt herauf bringen. Eine Idee ist diese Gestalt, aber kern
Schattenbild eines Jenseits.
31. Auch das Sein Gottes wird ein anderes unter der Gewalt dieser
Idee. Der Schöpfer Himmels und der Erde reicht nicht ans für dieses•
Sein der Zukunft. Er muß ‫״‬einen neuen Himmel und eine neue Erde“‫־‬
schaffen. Das Sein der bisherigen Geschichte ist auch für die Natur un-
zureichend; es wird E n tw ick lu n g gefordert für den Gang der Dinge,
Und Entwicklung setzt ein Ziel voraus, dem sie zustrebt. So wird
d er Fortschritt in der Geschichte des Menschengeschlechts gefordert.
Dies ist der Sinn der Zukunft-, als der Begründung des wahren,
des göttlichen Seins auf Erden: die Zukunft, diese Idee des Seins,
stellt das Id e a l der Geschichte dar. Kein goldenes Zeitalter, kein
Paradies. Beide sind gewesen.
Die Zukunft macht allen diesen Mythen von der Vergangenheit
gegenüber noch eine andere Verwandlung an dem ‫״‬Tag des Herrn“ ;
ans ihm wird ‫״‬das Ende der Tage“. In diesem Prospekt, in dieser
Perspektive aut die unendliche Ebene der Menschheit steigert sich
der Begriff des Menschen zur M enschheit, wie der Begriff Gottes
zum ‫״‬Herrn der ganzen Erde“.
32. Selbst in der Zukunft noch ist ein mythisches Element zur
Idealisierung gekommen: das des Aeon. Ursprünglich bedeutet der
Aeon ein Weltalter im Zyklus von Weltuntergang und Welterneuerung.
Er ist die personifizierte Zeit, daher auch die personifizierte Welt in
der Ewigkeit ihrer kosmischen Entwicklung. Aber über diese hinaus
kennt der Mythos keine Natur, daher auch kein Lebewesen, das sich
in eine geistig-sittliche Welt hinüberschwänge. Der Aeon kennt
weder den sittlichen Menschen, noch den heiligen Gott.
Im Zyklus der Dionysos-Mythen entsteht der tiefsinnige Ge-
danke vom Zagreus, dem zerrissenen Gott, der sich über die Welt
verteilt, der aber die Wiedervereinigung seiner Teilungen anstrebt.
In diesen Gedanken, die schon die älteste Philosophie beeinflussen,
ist das erste Aufflackern einer absoluten sittlichen Anforderung an
295

die Gottheit zu bemerken. Heller und deutlicher, schärfer und:


eindringlicher wird dies jedoch nirgend im Mythos. Alles bleibt
Geschichte im Sinne der Vergangenheit, niemals und nirgends tritt
die Geschichte hervor als Idee der Zukunft des Menschengeschlechts
unter der Leitung Gottes.
33. IV. Die F lu tsag e n . Die monotheistische Literatur hat
schon in der Genesis nicht nur das Paradies von Persien über-
nommen, sondern auch die Flutsage. Und noch reiner wird der
Monotheismus bei ihrer Bearbeitung zur Geltung gebracht als bei
der vom Paradies. Gott schließt den Bund mit Noah; diese Tat-
saclie allein ist ein wichtiges Ferment.
Die Bünde, die Gott sonst mit einem Menschen schließt, beziehen
sich immer auf diesen selbst und höchstens noch auf seine Nachkommen.
Hier aber wird N oah zu einem symbolischen Vertreter des Menschen-
geschlechts, ja zu deren Bestem sogar auch für alle Lebewesen. Und
was ist der Inhalt dieses Bundes? Nichts anderes, nichts geringeres
als die E rh a ltu n g , also die Zukunft des Menschengeschlechts.
So ist Noah schon eigentlich der Messias, weil der ideale Vertreter
der ewigen Menschheit. Und der R egenbogen, das Zeichen dieses
Bundes am Himmel mit der Erde, er ist das Symbol für diesen
Horizont der unendlichen Entwicklung der Menschheit. Auch der
Regenbogen ist das Bild für die Idee des wahren Seins, das ge-
gründet wird durch den Bund Gottes mit Noah, dem Idealmenschen.
Wir werden es noch genauer sehen, als wir es schon gesehen haben,
daß diesem Idealmenschen daher auch ideale Lehren der Sittlichkeit
übertragen werden konnten. Der Bund Gottes mit Noah ist aber
zugleich der Bund Gottes mit der Erde gegen ihren Untergang. So
wird auch durch diesen Bund das Diesseit idealisiert und vor der Not
geschützt, als ob es nur durch das Jenseit vor dem Schein der
Nichtigkeit gerettet werden könnte.
34. V. D er jü d isc h e Staat. Auch die p o litis c h e n Ver-
liältnisse des jüdischen Staates sind als Vorbedingungen zu be-
rücksichtigen. Wie anders wirkte die P o lis, der Stadtstaat auf
seiner Stammesgrundlage auf den Griechen, sogar auch auf
P laton. Da konnte die Idee des Weltstaates nicht auf-
kommen, sondern nur die Individualität eines militärischen Genius
konnte sie herbeibringen, und den schon innerlich vorbereiteten Unter-
gang besiegeln. Im Volke des Monotheismus dagegen blieben die
Stämme niemals isoliert,. sbdaß sie selbständige Staaten hätten werden
296

können. Die Einheit des Reiches mit ihrer Blüte der Nation, deren
Kultursymbol die D av id isclie Poesie bildet, blieb nur eine kurze
Episode, die bald von der Spaltung in die beiden Reiche abgelöst
wurde. Endlich trat auch nacheinander der Untergang der beiden
Reiche ein.
Aber wie wenig der Staat für dieses Volk bedeutete, enthüllte
sich jetzt durch den Fortbestand des Volkes und sein neues
Aufblühen nach dem Untergange des Staates. Eine solche zweite
Blüte hat Hellas nicht zu stände gebracht, und auch die alexandrinische
Literatur wird man nicht als eine griechische Blüte betrachten wollen.
Hier aber hat sich das große Problem ereignet: daß ohne den Staat,
sogar nach dem Untergange des Staates, das Volk zu einer innigen
Einheit gediehen ist.
35. So darf die Spaltung in die beiden Reiche als ein Vorspiel für
die Weltgeschichte des Judentums angenommen werden: daß das Reich
Davids nicht der Boden sei für die Welt des Monotheismus. Nicht
in dieser kurzen Vergangenheit, noch überhaupt in einer politischen
Wirklichkeit liegt der geschichtliche Beruf Israels. D er Sinn und
W ert des M onotheism us so llte sich erp ro b en in diesem
g e s c h ic h tlic h -p o litis c h e n W id ersp ru c h . Die Zukunft wird
die Wirklichkeit der Geschichte. Daher kann nur eine geistige
Welt dieses nationale Dasein erfüllen.
Noch ein anderes Rätsel erklärt sich aber auch aus diesem
Widerspruch. Der Staat mußte fallen, das Volk aber mußte bleiben.
Anders in Griechenland: mit dem Staate verschwand auch das Volk.
Warum konnte der griechische Geist sich für die Welt erhalten,
während sogar auch das Volk unterging, nicht bloß der Staat?
36. Der griechische Geist hielt sich für seine ewige Fruchtbarkeit
lebendig in seinen literarischen und künstlerischen Werken. Er sollte
nur in diesen W erken fortbestehen, um durch sie die Welt zu ge-
winnen. Aber die Fruchtbarkeit, die der griechische Geist ausübt, sollte
den eigenen Geist der Völker zur Entfaltung bringen, indem er auf
sie einwirken sollte. Der Geist brauchte nur in den Werken lebendig
zu bleiben, um neues Leben in der Eigenart der Völker zu erzeugen.
Anders verhält es sich im Monotheismus. Da heißt es: keine
anderen Götter außer dem Einen! Homer hat keinen neuen Homer
zur Neuschöpfung gebracht, und dennoch ist die Poesie aller Zeiten
eine Nachbildung seines Geistes. Und so steht es mit der griechischen
Plastik und nicht minder auch mit der griechischen Philosophie.
297

Überall Einwirkung, überall aber bedeutet die Einwirkung eine Neu-


bildung in den neuen Volksgeistern. In der Kunst gibt es keinen
Monismus, sondern Unendlichkeit des Genies ist das alleinige Gesetz.
37. Die Wissenschaft macht schon eine Ausnahme. Die Mathematik
ist schlechterdings unabhängig von der Individualität der National-
geister. Pythagoras und Archimedes bleiben die ewigen Führer auch
in dem Sinne, daß ihre Sätze ewige Wahrheiten bleiben. Der
Monotheismus bildet daher keineswegs eine seltsame Anomalie für
den Entwicklungscharakter der Erkenntnisse. Was von allen wissen-
schaftlichen Wahrheiten gilt, darauf macht auch er in derselben
methodischen Richtung den Anspruch.
Nicht ein jedes Volk etwa darf seinen eigenen Gott haben,
sondern ein Gott muß für alle Völker sein, wenn sogar schon eine
Mathematik für alle Völker gilt. Hier bedarf es daher auch des
Fortbestandes der Nation nicht, von welcher die Einwirkung auf
andere Völker für alle Zeiten sich in ihren unsterblichen Werken
erhält.
38. Der Monotheismus dagegen ist keineswegs in der Bibel zu
einem fertigen Abschluß gekommen, wie der griechische Geist in
seinen verschiedenen Werken. Der Monotheismus bedurfte über
die B ibel hinaus einer kontinuierlichen Forterzeugung, die den-
jenigen Völkern nicht überantwortet werden konnte, welche nicht
auch die alte Bibel erzeugt hatten.
Hier war die Kontinuität der einheitlichen geistigen Volkskraft
notwendig. Und sie konnte lebendig bleiben, wenngleich der Staat
sie nicht mehr zusammenhielt; denn sie war ja auch schon vor
dem Staate und unmittelbar nach dem Untergang des Staates zur
Wirksamkeit gekommen.
So ist denn das politische Doppelgeschick Israels: der Unter-
gang seines Staates, aber die Erhaltung des Volkes, ein providentielles
Symbol für den Messianismus, als das Wahrzeichen des'Monotheismus.
Kein Staat, und doch ein Volk. Aber dieses Volk weniger um seiner
Nation selbst willen, als vielmehr nur als Symbol der Menschheit.
Ein einziges S}unbol für den einzigen Gedanken: die Individualitäten
der Völker haben zuzustreben der einzigen Einheit der Menschheit.
So ist Israel, als Nation, nicht anders als nur das Symbol für
das Desiderat der Menschheit. Ein solches Symbol könnte das
griechische Volk nicht darstellen; denn es kennt den Begriff der
Menschheit nicht. Die eine Menschheit konnte nur unter dem
298

einen Gotte erstehen. Dieser aber ist nur in dem einen Volke er-
standen. Daher mußte dieses eine Volk fortbestehen.
09. Der Fortbestand des jüdischen Staates dagegen wäre eine
Anomalie geblieben, wie er schon in seinem Ursprung eine solche war
gegenüber dem ‫״‬Herrn der ganzen Erde“. Hingegen hat schon die-
Spaltung des Reiches den Anlaß gegeben, daß die Propheten für Juda und
gegen Israel eintraten, später sogar den Untergang beider Reiche
forderten, wenngleich ihre Wiederherstellung unter Voraussetzung der
monotheistischen Bedingungen.
Wenn nun dieser Gedanke, den ihr natürlicher Patriotis-
mus forderte, wiederum die alte Anomalie auferweckte, so
lag ein Korrektiv in der Konsequenz: daß sie mit der Wieder-
herstelluüg des jüdischen Staates zugleich die der feindlichen Völker
forderten, deren Staaten sie ebenfalls den Untergang prophezeit hatten..
Ihr Messianismus korrigiert so ganz unzweifelhaft ihren Partikularis-
mus. Und wie das nationale Mißgeschick nur die Vorbereitung bildet
für die messianische Zukunft der eigenen Nation, so wird auch die
Wiederherstellung der Völker das notwendige Mittel zu ihrer Ge-
winnung und Einbeziehung in die messianische Zukunft,
40. J er em ia ist auch in seiner eigenen Persönlichkeit der tragische
Prophet. Bis zur Unbarmherzigkeit eifert er gegen das Nationalbe-
wußtsein in seinen geschichtlichen allen Traditionen, im Opfer, in der
Bundes lade, in der Beschneidung selbst, und er ist zugleich der
Totengräber und der Klagedichter; Satyriker und Elegiker in dem-
selben Atemzuge, die Tragik in Person.
Dagegen ist Je c h e sk e l der nationale Politiker im tiefsten, wenn-
gleich versteckten Geiste des Deuteronomiums. Daher kann er
auch den Messianismus positiv fördern, während Jeremia in der
Kritik stecken bleiben würde, wenn ihn die Elegie nicht daraus be-
freite.
D e u te ro je sa ja hinwiederum zeigt das Doppelgesicht der Anti-
nomie zwischen Volk und messianischer Menschheit, die durch die
ganze jüdische Geschichte hindurchgeht. Sie ist aber der Schwer-
punkt ihrer Entwicklung. Alle innere Hemmung geht von ihm aus,
ebenso aber auch setzt er alle Entwicklung in stetige Bewegung.
Für die Fortbildung des Monotheismus müssen wir eine nationale
Individualität bleiben, denn der Monotheismus hat eine geschieht-
liehe Singularität uns aufgeprägt•. Und da diese Nationalität von •
keinem eigenen Staate gehemmt wird, so ist sie vor dem Schicksal
299

der Materialisierung seiner nationalistischen Idee geschützt. Die•


nationale Eigenart in ihrer staatlosen Isolierung ist das Symbol für
die Einheit der Staaten bund-Menschheit, als dem letzten Werte der
Weltgeschichte. Die Einheit der Menschheit im Monotheismus und
der in ihm gegründeten Sittlichkeit. Alle anderen Erzeugnisse
des Menschengeistes bleiben abhängig von dem Volksgeiste^:
so daß diese ihren Fortbestand behaupten müssen in den Individuali-
täten der Völker. Nur die Gotteserkenntnis muß eine einheitliche
Gemeinschaft der Menschen begründen und ausmachen. Diese Er-
kenntnis, als Gemeingut der Menschen und der Völker, gibt dem
Messianismus die unbeschränkte Ausdehnung. Der Universalismus•
verbindet den zweiten Jesaja mit dem ersten. ‫״‬Und es werden
strömen zu ihm alle Völker“ (Jes. *2, 2). Der universelle Messianis- iWvr* 4^«.
mus ist die Konsequenz dieser Anomalie zwischen Staat und Volk in : \‫ץ‬
der Geschichte Israels.
4L VI. Die H e ilig k e it G ottes. Die universalistische Vor-
bedingung wird zur Immanenz im Begriffe des einzigen Gottes, als•
des heiligen Gottes. Die H e ilig k e it ist die Sittlichkeit, und
diese ist nicht nur von der Naturerkenntnis unterschieden, sondern
auch von aller Naturmacht. Alle Sinnlichkeit in der empirischen
Menschenwelt mit ihren Widersprüchen wird überwunden.
In der geschichtlichen Welt bilden daher auch Gerechtigkeit
und Liebe eine schier unausgleichbare Antinomie. Das Wesen der
Götter bleibt daher auch in dieser Alternative schweben, wie über-
*haupt in der T eilu n g , und zwar ebenso der Gewalten wie der
Affekte.
Ganz konsequent finden auch die G esch lech ter ihre apartu
Vergöttlichung. Der Einzigkeit Gottes widerspricht jede Teilung der
sittlichen Prinzipien.
Jede Strafe ist demgemäß zugleich Lohn, beinahe auch jeder
Lohn zugleich Strafe. Die Sittlichkeit ist eine, wie Gott einer ist.
Seine Gerechtigkeit ist daher ganz identisch mit seiner Liebe. Der
e in zig e G ott b e d e u te t die E in h e it der S ittlic h k e it. Der Gott
der Strafe ist darin selbst zugleich der Gott der Vergebung.
42. Und so muß auch das Menschengeschlecht unvergänglich sein ‫׳‬
denn Gottes Schöpfung bedeutet immer Neuschöpfung und Fort-
erhaltung. Wenn aber die Menschheit ewig ist, so muß ihr Ewigkeits-
wert begründet sein in dieser ihrer Tendenz zur Ewigkeit. Und
diese Tendenz vollzieht sich in dem Streben der Völker nach ihrer
300

Einigung. Die Ewigkeit kann ihren Wert nicht haben und er-
.schöpfen in der Mannigfaltigkeit selbst.
So wird die Einheit Gottes zum Vorbild für die Völkermenschen,
’daß sie ihre Einheit in der Menschheit sich zum Ziele ihres geschieht-
liehen Daseins setzen. Die Einheit der Menschen ist der Ewigkeits-
wert des Menschengeschlechts. Der Messianismus wird zur schlichten
Konsequenz des Monotheismus.
43. Hieraus ergibt sich eine wichtige Folgerung. Ohne die strenge
.Keinheit des Monotheismus kann der Messianismus nicht zu seiner Klar-
.heit kommen. Wenn daher der Messias, als Subjekt, in die Einheit Gottes
.selbst aufgenommen wird, so wird ebenso, wie dadurch der Mono-
theismus versehrt wird, auch der Messianismus in seiner Bedeutung
verändert.
Die Sündenvergebung kann nicht das Werk des Messias
werden, denn sie ist das alleinige Werk des einzigen Gottes. Da-
gegen hleibt es die Aufgabe des Messias, die Heiligkeit des Menschen
vor Gott zum Idealbegriffe des Menschen zu machen. Heiligkeit zwar ist
nicht Sündlosigkeit, aber sie ist ideale Menschlichkeit, weil ideale
-Sittlichkeit. Diese Idealität des Menschen hat nun aber zur Voraus-
Setzung die Einheit der Menschheit.
Die beiden Aufgaben des Messias: ‫ ־‬die ideale Sittlichkeit
und die Einheit der Menschheit, sie . vereinigen sich sonach
in der Idee des Messias, der nicht immanent sein kann in Gott,
weil er vielmehr immanent sein muß im Menschen. Und ‫״‬nicht
‫׳‬ein Mensch ist Gott“. Gott und Mensch bilden keine Identität,‫״‬
sondern Korrelation. Die Idealität Gottes erschöpft sich in seiner
Einzigkeit. Die Idealität des Menschen aber vollzieht der Messias in der
idealen Sittlichkeit der alles Widerstreits der Völker enthobenen
Einen Menschheit.
44. VII. Die k u ltu re lle E ig e n a rt Israels. Die kulturelle
Eigenart Israels bildet auch eine wichtige Disposition. Israel ist
•ein Volk zur Messiasschöpfung ohne Interesse ohne schöpferischen
; Anteil an der W issen sch aft. Man ist daher .irregeworden an der
lallgemeinen Geistigkeit dieser Kultur, und daher auch der o rig in e lle n
Eigenart des Volkes.
Man hat ferner auch aus diesem Mangel und seiner psychologi-
.sehen Deutung Schlüsse gezogen auf den Wert der religiösen Kultur
überhaupt. Und dieses Bedenken wiegt um so schwerer, als mit dem
Ausfall der Wissenschaften auch die reine, selbständige Philosophie in
301

dieser einseitig religiösen Literatur fehlt. Indessen muß auch dieses Be-
denken vor der Schöpfung des Monotheismus eingeschränkt oder hin-
fällig werden. Wir haben den Anteil der Vernunft am Monotheismus
erkannt, und daher diesen selbst als eine Art von Philosophie, wenn-
gleich nicht von wissenschaftlicher, betrachten müssen.
45. Der Monotheismus selbst und er allein vermag das Rätsel
aufzulösen, das seine isolierte Erscheinung in Israel stellt. Diese‫׳‬
E in s e itig k e it war notwendig für die erste Schöpfung dieses Ge-
dankens, der überall Ähnlichkeiten, nirgend aber Identität aufweist.
Und die Selbstbeschränkung erscheint um so erklärlicher für die
Durchführung dieses absonderlichen Gedankens.
Vor dem Interesse an diesem einzigen Gotte und an dem durch
ihn allein bestimmbaren Menschen weicht alles andere Interesse zu-
rück, das sonst die Völker des Altertums beherrscht. Daß es dem
jüdischen Volksgeiste nicht an der Anlage und Energie für dieses Inter-
esse fehlte, hat er später wohl außer Zweifel gestellt, aber zuerst sollte
der einheitliche Doppel begriff von Gott und Mensch sichergestellt
sein, bevor außerhalb dieser Korrelation liegende Fragen des Menschen-
geistes das Interesse in Anspruch nehmen durften.
46. Auch in der P oesie wiederholt sich diese Einseitigkeit. Nicht
Drama, auch nicht Lyrik im Sinne der Erotik, keine Anknüpfung des
Geistigen an den Eros — das Hohe Lied ist zugleich als Idyll nach
G rätz eine Satyre auf die Satrapie — überall Unterbindung der Poesie*
durch die Probleme der Sittenlehre, überall daher Hinrichtung und Ein-
schränkung des Menschlichen auf die Verbindung der Menschen, Ab-
lenkung aber vom Egoistischen. So führt die Poesie selbst zum
Messianismus hin.
Auch alle poetischen Fragen vom menschlichen Schicksal werden*
umgelenkt in solche der V orsehung, der Leitung durch den einzigen "
Gott. ‫ ״‬Es rühme sich nicht der Weise seiner Weisheit, der Held:
seines Heldentums, sondern es rühme sich, wer sich rühmen willy
der vernünftigen Erkenntnis meiner“ (Jes. 9, 22 ff.). Erkenntnis ist
Gotteserkenntnis. Gott aber ist der Vater aller Menschen und aller
Völker. Daher muß diese E rk e n n tn is sich ausbreiten auf alle Menschen,
ohne Unterschied der Stände, und auf alle Völker. ‫״‬Wahrlich, wie
die Kinder der Kuschiten seid ihr mir“ (Anm. 9,7). So führt
Arnos seinen Messianismus ein, indem er die Schwarzen mit den
Israeliten gleichstellt. Durch diese Konzentration der Erkenntnis
werden die Menschen ohne Unterschied für sie beansprucht. Und
30‫־‬J

ohne diese universelle Forderung der Erkenntnis bliebe der Monotheis-


mus ein Fragment und eine Illusion.
47. Wie sehr diese Einseitigkeit ihre historische Berechtigung hat‫׳‬,
läßt sich am größten Idealisten aller Zeiten, an P la to n erkennen.
Platon erfindet den wissenschaftlichen Idealismus. Die Erkenntnis
ist ihm die wissenschaftliche Erkenntnis. Da aber die Wissenschaft
nicht allen Menschen aller Stände zugänglich .sei, so auch nicht die
Erkenntnis überhaupt. Schon der erste Satz jedoch ist ein Fehler, ein
Widerspruch im Geiste Platons. Wie konnte er möglich werden?
Nur der Mangel der Konzentration auf die Gotteserkenntnis kann
-eine befriedigende Erklärung für diesen auffälligen Bruch in Platons
Idealismus geben.
Die jüdische Einseitigkeit wird dadurch aber auch als positiver
Grund immer mehr erkennbar. Nicht die Abschließung allein von
allen anderen Problemen hat den Messianismus gefördert, sondern der
Wert der Gotteserkenntnis, auf welche die Konzentration erfolgte,
bietet den Schlüssel. Aber freilich findet hier eine Wechselwirkung
statt. Ohne die Einschränkung wäre auch der Begriff Gottes in
seiner Korrelation mit dem des Menschen nicht zu so erschöpfender
Ausprägung gelangt.
48 ‫ז‬. Die religiöse Einschränkung hat den heiligen Geist hervor-
gebracht, als den Geist der Heiligkeit, den Geist der sittlichen Erkennt-
nis. Als die Jünger dieses Geistes fühlen sich die Propheten berufen,
die Priester zu bekämpfen, als wären sie die legitimen Vertreter der
Heiligkeit. Diese Polemik gegen die Priester ist ein wichtiges Mittel zur
Ausgestaltung des Universalismus. Der Priester ist nicht der Schatz-
meister des göttlichen Geistes. Jo el läßt die Ausgießung des Geistes sich
erstrecken auf alles Fleisch, auch auf die Knechte und die Mägde.
D er h eilig e G eist is t der M enschengeist. Nicht einmal der
Messias besitzt ihn als eine besondere Begabung, sondern ‫״‬auf ihm
ruht der Geist Gottes“, wie er auf jedem Menschen ruht. Dieser
Gottesgeist, dieser heilige Geist in jedem Menschen führt unmittelbar
zum messianischen Universalismus.
Auch der P ro p h e t ist nichts mehr als nur ein Bote Gottes,
yermöge der Botschaft Gottes an den eigenen Geist. Gott kommu-
niziert unvermittelt mit dem Propheten; jedes Orakel und alles
Priesterwesen wird dabei ansgeschaltet. Auch das Institut der
Prophetie ist in dieser negativen und positiven Bestimmtheit einzig
303

injfjlsrael. Es wäre auch diese historische Singularität nicht be-


greiflich ohne jene Beschränkung der Erkenntnis.
Und ebenso ist. daher auch die T h eo k ratie der konsequente
politische Ausdruck dieser den Messianismus vorbereitenden Ein-
seitigkeit. Die Theokratie ist nicht Hierarchie, sondern von Anfang
an waren Propheten und Richter, und zwar die ersteren ohne eigent-
liches Amt, die geistigen Leiter der Religion und der Gesellschaft.
Schon die Vorgeschichte symbolisiert diesen Sachverhalt: Mose steht
über Aron.
49. Daher konnte der L ehr stan d , der eine Ausbreitung in diesem ;
Volke fand, wie wohl nirgend sonst: unmittelbar aus den Propheten-
schulen hervorgehen. Daher erklärt sich auch die Prophetenschule
selbst, die hier an die Stelle der sonstigen Akademie *tritt. Und i
ebenso heißt auch sehr charakteristisch der Begründer der Gemeinde
auf den Trümmern des Staates, Esra: der Schreiber.. (‫ )סופר‬Der
Gelehrte ist der Begründer der religiösen. Verfassung. Die Be-
Schränkung auf die Gotteserkenntnis verliert immer mehr ihre Einseitig-
keit, insofern sie sich bewährt für die schöpferische Organisation des
religiösen Fortbestandes. Und dieser wiederum isoliert nur scheinbar
das religiöse Volk; denn das Priesterreich. soll ja zum G o ttesreich auf
Erden werden.
50. Die Konzentration und Steigerung des religiösen Selbstbewußt-
seins wurde der Antrieb zur Fortführung der ursprünglichen Offenbarung
auf die Literatur des K anon und darüber hinaus auf die mündliche
Lehre. Diese Erweiterung der Offenbarung auf die Tradition ist unabwend-
bar eine A uflösung d er O ffen b aru n g in E rk en n tn is. Denn
nnr in symbolischer Bedeutung kann der Anspruch auf Authentizität
vom Sinai her für den Rabbinismus, geltend gemacht werden.
Es war daher nicht etwa der Hochmut der Rabbinen, der
diesen Anspruch erhob, sondern die Konsequenz des Vernunft-
anteils an der Religion, welche sie dem Messianismus gemäß in
dieser Formel zogen. Denn es ist ja auch nur unhistorisches
Vorurteil, das durch die Schranken, welche sie um die Lehre zogen,
die Isolierung Israels ihr Selbstzweck gewesen wäre. Allmählich
J1at man jetzt doch die historische Einsicht gewonnen, daß ohne
das Prinzip dieser Isolierung — und nur um das Prinzip handelt
es sich bei so großen geschichtlichen Fragen — der Monotheismus
gegen die vielfachen Anstürme seiner Gegenmotive nicht hätte lebens-
fähig und widerstandsfähig erhalten werden können.
304

Im höheren geschichtlichen Sinne muß daher auch diejenige Durch-


führung der religiösen Einseitigkeit, welche der R ab b in ism u s in dem
gesamten Ritual geschaffen hat, als eine Zurüstung zum Messianismus•
gewürdigt werden. ‫״‬Alle deine Werke seien zum Namen Gottes“.
Dieser Spruch wurde zum Grundsatz für alle Praxis des Menschenlebens•
in derselben Bedeutung, wie die religiöse Erkenntnis für alle Er-
kenntnis überhaupt. Und ohne die Durchdringung des gesamten
Lebens im ganzen bürgerlichen Dasein wäre der Messianismus nicht•
erreichbar.
Es genügt hierfür, auf den Unterschied zwischen der Kirche
und dem L aien tu m hinzuweisen. Der Universalismus der
Kirche ist schon darum nicht gleichzusetzen mit dem Messianismus,,
weil in jenem zwischen Gott und dem Laien der Priester mit seinem
S akram ente steht. Wenn dagegen die Sakramente nicht die Eigen-
werke der Kirche sind, sondern das Inventar des privaten Lebens
eines jeden Menschen, bilden, so wird der mächtige Hebel des
Messianismus unverkennbar, der in dem Ersatz des Opferkultus be-
steht, den der Rabbinismus im R itu a l geschaffen hat.
Die Beurteilung der Einzelheiten dieser Gesetze wird daher
ungerecht, wenn sie nicht erfolgt aus diesem historischen Gesichts-
punkte, der das private Ritual unterscheidet von den Werken der
Kirche, und wenn ferner nicht die Einseitigkeit der religiösen Er-
kenntnis nicht als fortwirkendes Prinzip dieser Einrichtung ge-
würdigt wird.
51. IX. Die intellektuelle Einschränkung brachte den eth isch en
R ig o rism u s zur Reife. In ihm vollzieht der Monotheismus seinen
Widerspruch gegen den E udäm onism us. Wir haben es schon erkannt
(oben S. *24), daß Jesaja nur sagen konnte von seinem Gotte: ‫״‬er macht
den Frieden und erschafft das Böse“, wenn das Böse durch diese
seine kühne Übertrumpfung des Parsismus vielmehr zum Übel ge-
stempelt wird. Nicht Schöpfer des Bösen kann Gott sein, wohl aber
schafft er das Übel, welches die Menschen in ihrem Wahne als das
Böse ansehen. Gott ist aber der Schöpfer des Friedens, und in
ihm, nach der hebräischen Wortwurzel, Schöpfer der Vollkommenheit,
welche das scheinbar Zweckwidrige in seinen höchsten Zweck auflöst.
Wäre etwa das Wohl, das irdische Glück gleichzusetzen dem Guten ?
Diese Frage durchzittert das ganze spätere Schrifttum. Und wäre etwa
-das' Unglück und das Leid das Entgelt des Bösen, die Strafe für die
Sünde? Schon das Verhältnis Gottes zu diesen offenbaren Wider-
306

Sprüchen im Menschenleben forderte die Durchdringung dieser Rätsel.


An den wichtigsten biblischen Stellen gewahren wir daher eine
Korrektur der S tra fg e re c h tig k e it Gottes, die der Dekalog schon
durch die Einschränkung auf das eigene Verhalten der Kinder in Haß
und Liebe zum Ausdruck bringt, bis Jecheskel von eigenen Grund-
legungen aus die ganze Frage endgültig entscheidet.
52. Wir haben es erwogen, wie nur durch die soziale Einsicht,
welche das Leiden in dem der Annut präzisiert, die Abtrennung des
Leids von der Strafe klargestellt werden konnte. Die A rm en w erden
die From m en. Diese Gleichung bildet den Höhepunkt des ethischen
Monotheismus. Der ethische Idealismus Platons hat diese Höhe
nicht erreicht.
§0 erklärt sich immer deutlicher das Positive in jener
scheinbar nur negativen Einseitigkeit. Aus ihr wird der ethische
S ozialism us erklärlich, der die mosaische Gesetzgebung des
Armenwesens durchzieht, und der im S abbat seinen programmati-
sehen Ausdruck erlangt. Der Kampf der Propheten gegen die Könige,
die Fürsten und die Reichen ist nur die Fortführung dieses das
ganze biblische Judentum beherrschenden Grundmotivs.
Endlich aber machen die Psalmen, in denen die Identität der
Armen und der Frommen den Lebensatem bildet, mit dieser den
Messianismus zum Grundakkord. Die Seele, die Individualseele
Jecheskels, wird hier zur allgemeinen Menschenseele: ‫״‬Jede Seele
lobet Gott“. (Ps. 150, 6). Alle die verschiedenen Motive des
Partikularismus und des Universalismus, welche schon durch die
mehr oder weniger fingierte Autorschaft Davids verursacht werden,
finden ihre Harmonie im Messianismus.
53. X. Endlich führt die Konsequenz des ethischen Rigorismus
auch zur Niederlegung der n atio n ale n Schranke für den Messianis-
mus. Das ‫״‬Volk Israels wird sonach der Rest Israels“. Nicht das Volk
in allen seinen Gliedern ist des ethischen Monotheismus würdig.
Daher kann es auch nicht sammt und sonders des Messianismus
würdig sein. Freilich darf die ursprüngliche Würdigkeit, welche die
E rw äh lu n g ausdrückt, nicht schlechthin aufgehoben werden. Die
Propheten kämpfen allesamt mit dieser Antinomie. Endlich wird
in dem Reste Israels der Ausgleich gefunden. In ihm ist ‫ ״‬der
heilige Stamm“ lebendig, der ‫״‬heilige Same“ unverwüstlich.
Aber dieser Rest Israels ist das Israel der Zukunft, nicht das histori-
sehe Israel der Vergangenheit oder der Gegenwart. Er ist ein ideales
20
306

Israel,' das freilich, wie alles Ideale im Menschen‫ ־‬und Völkerleben,


eingesenkt sein muß mit seinen Wurzeln in die Tiefen der Wirklich‫־‬
keit. Aber diese Tiefen sind hier von Anfang an von idealer Be-
äeutung. Nur solche symbolische Bedeutung hat die Erwählung
Israels, wenn man von der historischen Grundbedeutung absieht,
daß durch sie das nationale Bewußtsein für den religiösen Beruf
ersetzt werden sollte. Die höhere Symbolik liegt von vornherein in
der Vorbedeutung für den messianischen 'Beruf Israels, für seine Auf‫־‬
h eb u n g in die M enschheit.
54. Die Propheten geißeln den nationalistischen Hochmut, der den
universalen Monotheismus verletzt. ‫״‬Deine Schwester ist Sodom“
(Jech. 16,48) Und Arnos beginnt den Beigen der literarischen Propheten
mit dem Geißelspott: ‫״‬Ich habe euch erkannt von allen Völkern der
Erde: daher will ich ahnden an euch all eure Missetaten“. (Am. 3,2).
Die Erwählung wird so zu einem Prärogativ der ,Bestrafung.
Die Propheten hätten ja überhaupt den Untergang des Staates, in
welchem sie bis dahin den einzigen Halt für das Volk erblicken mußten,
nicht ge weissagt haben können, wenn ihnen die Idealisierung ihres
Volkes nicht festgestanden hätte in dem Beste Israels. Das Volk
hat daher für den Messianismus prinzipiell nur die Bedeutung des
Bestes. Der . Best ist das ideale Israel’, ist- die Zukunft der
Menschheit.
55. XI. Der Idealisierung des Volkes im Beste Israels enspricht die
Idealisierung des M essias. Ursprünglich ist er der Sproß Davids, der
den Königsthron Davids wieder aufrichten wird. Denn es soll ja nie-
mals an Nachkommen fehlen für das Haus Davids. Jetzt aber hat
sich ja das ganze sittliche Weltbild verändert. Nicht nur das Volk
hat sich in den Best verwandelt, der doch nicht ohne Weiteres gleich
gedacht werden kann mit der ursprünglichen Fülle in dem Glanze
der Volksmacht, sondern es hat sich ja auch ein Widerspruch eingesetzt
gegen die Einheit zwischen Frömmigkeit und aller hergebrachten Macht
und Herrlichkeit. Der Arme ist ja der Fromme geworden. Und
das hat doch niemand gedacht, daß der Thron und das Beich Davids
ein passendes Symbol der Armut sein könnte. Andererseits aber könnten
sie auch nicht mehr das Symbol der Frömmigkeit und der Gerechtigkeit
bleiben.
So konnte es denn nicht anders kommen, als daß der Sproß
Davids, der Königssproß, zurücktreten mußte gegen den Armen, der
nunmehr der legitime Fromme geworden ist. Und so wurde das neue
307

Messiasbild vom Deuterojesaja geprägt in dem ‫״‬Knecht des Ewigen“.


Der Königsohn mußte ein Knecht werden. Denn der Arme war zum
Vertreter der Frömmigkeit geworden. Und keine Verachtung kann
diesen Knecht treffen, denn er ist der Knecht Gottes.
56. Knecht Gottes sollen ja aber ganz Israel und schließlich alle
Menschen werden. Das hebräische Wort für D ienen und Knecht
sein — ein besonderes Wort für den Sklaven gibt es nicht —
wird durchgängig, und nur mit der Erkenntnis und der Liebe ab-
wechselnd, für die Gottesverehrung und den Gottesdienst gebraucht.
Wenn nun der Messias als der Knecht Gottes neu benannt wird, so
ist ja mit diesem neuen Worte nur der alte universelle Sinn be-
stätigt. Ganz Israel und alle Völker sind und müssen werden:
Gottes Knechte.
So muß denn der Messias auf ganz Israel und nicht minder auf
alle Volkers eine symbolische Sonderaufgabe übertragen. Er kann daher
auch keine einzelne Person mehr zu bedeuten haben; seine dynastische
Bezeichnung, wie überhaupt seine politische in partikularistischer Be-
Schränkung muß hinwegfallen. Sie ist schon gefallen gegenüber der
sozialen Bedeutung, welche der Messias ergriffen hat. Und diese
soziale Bedeutung hat sich nun immer tiefer bewußt gemacht ihres
religiösen und demgemäß ihres sittlichen Urwertes. Und so ist der
Messias in ganz sachgemäßer Entwicklung, welche nur gefördert
worden ist durch die historischen Verhältnisse, zu dieser höchsten
Ideal gestalt der religiösen Symbolik geworden.
Nicht nur die Gleichung von den Armen, als den Frommen, hat
diese letzte Gestalt heraufgeführt, sondern nicht minder auch die ideali-
sierende Auflösung des Volkes in den Rest Israels. Wenn die alten
jüdischen Exegeten, wie Rasclii und Kimchi, in dem Knechte des Ewigen
schon den Scharfblick hatten, das Volk zu erkennen, so war diese Deutung
ihnen nahegelegt durch die prophetische Aufhebung der nationalen
Schranke in den messianischen Rest- Israels. Und alle diese Be-
freiungen von nationalem Patriotismus, wie von politischem
Opportunismus und allem Eudämonismus, auf den die Herrschaft der
sozialen Machtgruppen sich stützt, ist dem ethischen Rigorismus zu
verdanken, der wiederum die Folge jener religiösen Einseitigkeit ist.
57. XII. Als Ideenschöpfung muß der Messianismus betrachtet
werden, bewirkt durch den prophetischen Geschichtsbegriff. D er Ge-
! s c h ic h ts b e g riff is t eine S chöpfung des P ro p h etism u s.
20 *
308

Bedenkt man dies, so erweitert sich vollends die religiöse Ein-


seitigkeit des Monotheismus und kehrt sich in ihr Gegenteil um.
Was der griechische Intellektualismus nicht hervorbringen konnte,
das ist ihm gelungen. H isto rie ist im griechischen Bewußtsein gleich-
bedeutend mit Wissen schlechthin. So ist und bleibt den Griechen die
Geschichte lediglich anf die Vergangenheit gerichtet. Der Prophet
dagegen ist der Seher, nicht der Gelehrte. Sehen aber ist Schauen.
Das hebräische Wort ‫ חזה‬entspricht ganz dem griechischen für die
Ideenbildung. Die Propheten sind die Idealisten der Geschichte.
Ihr Sehertum hat den Begriff der Geschichte erzeugt, als des Seins
der Z ukunft.
Die literarischen Propheten tun ja niemals W under. Ihre Ab-
normität schränkt sieh ein auf ihr Sehertum. Aber was sie schauen,
ist nur die Z u k u n ft der M enschengeschichte. Dieses Bild der
Menschheit ist jedoch keine Schöpfung wissenschaftlicher Abstraktion;
ihr Idealismus ist daher nur als methodische Übertragung als solcher
zu verstehen. Aber was den Inhalt betrifft, so ist dieser durchaus
ein Gebilde des idealistischen Schauens. Von der Wirklichkeit ihres
Volkes, sowie aller Völker, lenken sie den Blick ab, um nur auf die
Zukunft ihre Schau zu richten. So entsteht ihr neuer Begriff der
Geschichte, als der Weltgeschichte.
58. Freilich halten mit dieser Hoffnung auf die Zukunft die
Propheten doch immer noch fest an ihrem Nationalbewußtsein. Dies ist
ihnen nicht nur nicht zu verargen, insofern sie Menschen sind und
als solche ihrem Volke entsprossen, sondern ohne diese nationale U r-
w ü c h sig k e it hätten sie dem Geschichtsbilde der Zukunft nicht
die Naturfarbe geben, hätten sie wohl überhaupt als Weltbild
diesen Begriff der Geschichte nicht darstellen können. Denn was
diesen Begriff von den idyllischen Bildern des goldenen Zeitalters
und des Naturfriedens unterscheidet, das ist gerade die sozial-
politische Anschaulichkeit und Anzüglichkeit, die ihm nur die
nationale Natürlichkeit verleihen kennte.
Jene mythischen und Naturelegien sind weltfremd; ihnen
fehlt das Blut der politischen Wirklichkeit und der sozialen
Aktualität. Wenn dagegen Deuterojesaja nnd Jecheskel die ‫ י‬zu-
künftige Herrlichkeit des neuen Jerusalem beschreiben, so ist ihr Patrio-
tismus selbst eigentlich doch nur Universalismus. Im Reste Israels
ist das Volk ein ganz Anderes geworden. Und für Jecheskel sind es so-
gar die Aut erstan d e n en , welche aus den toten Gebeinen wieder belebt
309

worden sind. Immer aber ist es die geschichtlich-idealisierte Nation,


welche den Unterbau der alten Erwählung nach wie vor bildet für
die Ausbreitung des wahren Gottesdienstes über alle Völker der
Erde.
59. So ist der Monotheismus an sich die unmittelbare Ursache, wie
für den Messianismus, so auch für den Begriff der W e ltg e s c h ic h te ,
als der Geschichte der Menschheit. Ohne den einzigen Gott konnte
die Idee der Menschheit nicht entstehen. Und ohne die Idee der
Menschheit bliebe die Geschichte nur ein Wissensproblem von der
Vergangenheit der Völker, auf Grund der des eigenen Volkes.
Nationalgeschichte ist indessen überhaupt noch nicht Geschichte.
Auch methodische Grundlage kann sie nicht sein, weil sie nicht den
Ausgangspunkt bilden kann für die wissenschaftliche Orientierung.
Die Menschheit muß zuerst der Gegenstand der M enschenliebe
werden, und von ihr aus auch der Orientierung für das Problem
der Geschichte.
Das D euteronom iu m läßt es so deutlich erkennen, wie die
Nationalgeschichte Israels eine Idealisierung ist aus dem Gesichts-
punkte seiner geschichtlichen Aufgabe, zu der es für seine Zukunft
aufgerufen wird. Daher hat die Geschichte, als Literatur der
G esch ich tssch reib u n g , hier eine solche Natürlichkeit und Wahr-
haftigkeit. Die Idealisierung, wenn sie von einer wahrhaften Idee
geleitet wird, ist überall auch subjektiv die beste Anleitung zur
Wahrhaftigkeit. Wo die Vorfahren den wahren Gott verlassen
hatten, da verfielen sie unentschuldbar dem scharfen Tadel dieser
Geschichtsschreibung, der es nur indirekt um die Vorfahren zu tun
ist, weil der eigentliche Ahnherr einzig und allein der einzige
Gott ist.
60. Schon die wundersamen Namen, welche Jesaja dem Messias
gibt, deuten auf seine Urheberschaft für die Geschichte der Zukunft hin.
Der Messias wird als K ind eingeführt, und als von einer ju n g e n
F rau geboren. Und doch wird er zum Mittelpunkte der Mitwelt.
‫״‬Mit uns Gott“ (Immanuel). Und obwohl er Kind ist, heißt er zu-
gleich Vater: Vater und zwar ‫״‬Vater der Ewigkeit“. Aus diesem Gegen-
satze zum Kinde erklärt sich vielleicht auch unter den vielen Wunder-
namen, die der Messias trägt, der des ‫״‬Beraters des mächtigen Gottes“.
Er sitzt eben im Rate der Zukunft für die Menschenwelt. ‫״‬Das Reis
aus dem Stamme Isais“ wird, als Kind, noch prägnanter zum Atlas
der Zukunft.
310

In solchen Bildern reift der Begriff der Geschichte heran.


Im Menachengeschlechte kann die Teleologie nicht Darwinismus
bleiben, weil der ethische Sinn der Menschheit eine eigene Teleologie
erfordert. Nur unter dieser moralistischen Einseitigkeit konnte der
Godanke der Geschichte als Weltgeschichte entstehen, als der Gedanke
der Zukunft, für welche das Kind das sprechende Sinnbild ist.
61. Die Schöpfung haben wir als die Vorsehung erkannt. Der Ab-
Schluß der Vorsehung aber ist der Messianismus, die geschichtliche
Vorsehung. ‫״‬Denn nicht um das Brot allein lebt der Mensch“.
(5. M. 8,3). Das Brot steht für das irdische Glück überhaupt.
Der Eudämonismus wird durch diesen Spruch abgewehrt. Der Wert
des Menschenlebens liegt ja nicht im Glück, sondern vielmehr im
Leiden. Der soziale Gesichtspunkt dirigiert den Blick, wie über-
Haupt die Schöpfung der •Geschichte. Aus. der nationalen Politik heraus
ist diese tiefste Einsicht erwachsen. Der messianische Begriff der
Weltgeschichte ist eingestellt auf das Leiden der bisherigen Mehr-
heit des Menschengeschlechts.
XIH. Der geschichtliche Begriff des Messianismus hat einen
schwierigen Begriff •hervorgebracht, der von liier aus verständlich
werden wird: den des S te llv e rtre te rs . Dieser Begriff könnte dem
Grundbegriffe der ethischen Autonomie zu widersprechen scheinen,
weil die Sittlichkeit in allen ihren Stufen mein eigenes Werk sein
muß, und keinen Stellvertreter zuläßt. Indessen schließt die Auto-
nomie nur den Stellvertreter für die Schuld aus, nicht aber für das
Leiden. Für diese Unterscheidung hat ja die soziale Einsicht und
das soziale Gefühl das Verständnis erschlossen. Und dieses hat ja
geradezu den Wert einer neuen Offenbarung. Erst durch diese
Unterscheidung wird die Identität verständlich, die zwischen Gerech-
tigkeit und Liebe bei Gott bestehen kann. Die Leiden werden die
‫ ״‬Züchtigungen der Liebe“.
Und so wird nun auch der Mensch, der Messias, denkbar als
Stellvertreter, nicht etwa der Schuld der Menschen und der Völker, aber
des Leidens, das sonst ihre. Strafe sein müßte. Der Messias wird da-
durch erst das Idealbild des Menschen der Zukunft, der Menschheit, als
der Einheit der Völker: daß er das Erdenleid des Menschen auf
seine Schultern nimmt. Er ist damit nicht etwa zu einem Tantalus
oder Sisyphus geworden, sondern zu einem Atlas, der die sittliche
Welt der Zukunft trägt.
. Nur durch diesen Begriff der Stellvertretung des menschlichen
311

Leidens konnte der messianische Geschichtsbegriff sich erfüllen.


Denn der M ä c h tb e g riff der Geschichte ist nur naturalistisch, antliror
pologisch, ethnologisch oder nationalgeschichtlich. Der ethische Be-
griff der Weltgeschichte muß- prinzipiell von allem Eudämonismus
frei sein. Daher darf auch die Macht nicht der Maßstab der
ethischen Geschichte sein.
62. Die christologischeD eutung des Gottesknechtes hat dadurch
den Geschichtsbegriff überhaupt verfehlt, daß sie den Stellvertreter j
des Leidens zum Stellvertreter der Schuld gemacht hat. Einen j
solchen gibt es nicht, und kann es nicht geben, sofern die Ethik
die methodische Norm der Beligion bleibt. Die Schuld kann nur
Gott allein auf sich nehmen. Dies ist die Liebe seiner Gerechtigkeit.
Aber das Idealbild des Menschen würde entstellt durch die Über-
nähme der Schuld, welche zugleich die Entlastung des Menschen von
der Schuld wäre. Der Mensch jedoch kann von seinem Schuldbewußt-
sein nicht entlastet werden. Es kann daher nicht ein Idealbild des
Menschen sein, welches vom Menschen die Aufgabe abtrennte, die er
niemals sich abnehmen lassen kann. Es wird sonach durch diesen
Stellvertreter der Schuld nicht allein Gottes Wesen verkürzt, sondern
auch das des Menschen entstellt. In der Christologie wird der
Messias ja auch zum Gott, indessen auch von dieser Differenz ab-
gesehen, kann er, als Stellvertreter der Schuld, nicht das Ideal des
Menschen sein.
Dahingegen wird der Messias zum Stellvertreter des Leidens,
und als solcher bringt er mit seinem dunkelen Schatten das hellste
Licht über die Geschichte der Menschheit. Die Armut ist der sitt- I!
liehe Defekt der bisherigen Geschichte. Die Armen sind aber nunmehr j
die Frommen geworden. Und die Frommen sind die Vorboten des Messias. I
Der Stellvertreter des Leidens bringt die Lehre in die Welt und
begründet mit ihr den ethischen Begriff der Geschichte: Daß aller
eudämonistische Schein nichts als Illusion ist; daß der echte Wert
des Lebens für die ganze Völkergeschichte gelegen ist, in den sittlichen!
Ideen und daher unter den Menschen nur von denen ausgeprägt werden!
kann, welche als die Träger dieser Ideen beglaubigt werden. j
Es muß ja gar nicht so sein, und es wird sicherlich in der
Zukunft anders werden, als daß es nur tragische‫־‬Vertreter der Sittlich- j
keit geben sollte. Dies ist eine Auffassung der dramatischen Poesie, j
der jedoch die Ethik keineswegs zuzustimmen hat.
Indessen aber ist die Geschichte wreil von der Ethik dirigiert,
312

auch von deren Methode dirigiert und daher auf der Erfahrung von
Wirtschaft, Recht und Staat aufgebaut. Nicht zwar der methodische
Grund ist die E rfa h ru n g , aber das faktische Urmaterial an das die
Methode ansetzen muß. Diesen Weg geht intuitiv vermöge des
Vernunftanteils der Religion auch der Prophet, indem er an der
Armut das Menschenleid objektiviert, und diese Armen nun, die
schon als die Frommen erkannt sind, zu Stellvertretern des Menschen-
leids macht.
63. Was ist der letzte Sinn dieser Stellvertretung, und was ist für
den ethischen Begriff der Geschichte mit ihr gewonnen ? Nicht nur
der negative Gewinn, den die Abkehr von allem Eudämonismus
bildet, ist von Wert, sondern diese Abkehr von den Äußerlichkeiten
des irdischen Glücks ist der erste Schritt zur positiven Erhebung,
zur Würde des Menschen.
Warum ist denn das sicherste Zeichen der Frömmigkeit die
D em ut? Nicht die asketische Verachtung des Irdischen ist ihr
wahrhafter Sinn, sondern vielmehr der Widerspruch zur äußerlichen
Gewähr menschlicher Realität, zur Macht, zum Glanz, zum Erfolg,
zur Herrschaft, zur Autokratie, wie zum Imperialismus; als Wider-
Spruch zu allen diesen Zeichen der menschlichen Hoffart, des eitlen
Stolzes und des Übermuts bildet die Demut den Widerpart des
idealen Menschen.
Hier möchte der Unterschied und der Fortschritt zu bezeichnen
sein von dem F rom m en zum D em ütigen. Der Fromme vertritt das
isolierte Ich: der Demütige trägt die ganze Menschheit an seinem
Busen. Daher kann er zum Stellvertreter des Leidens werden, weil er gar
nicht anders als im Leiden sein sittliches Dasein vollbringen kann.
Er kennt die Schuld der Menschen — wie sollte der Arme sie nicht
erkennen, der unter dem Unrecht der Weltwirtschaft leidet? — er
kann zwar die Schuld den Menschen nicht abnehmen, aber er leidet
unter diesem seinem die Mitmenschen einschließenden Bewußtsein.
Und indem er so um sie leidet, leidet er fü r sie. Denn sein
Leid ist das wahrhafte, das sittliche, dessen die Menschen ja in ihrer
Schuld gar nicht mächtig werden würden, auch wenn sie noch so
hart in ihren leiblichen Genüssen bestraft würden. Der Demütige ist
daher der wahrhaft Leidende, und er ist der Stellvertreter des Leidens.
Das Leiden selbst in seinem sittlichen Wesen kann nur er erleiden. Er
ist nicht sowohl der Stellverter als vielmehr der alleinige wahrhafte
Träger des Leidens.
313

64. Jetzt erst entstellt aus dem messianisclien Gesichtspunkte ein


tr a g is c h e r Begriff des Menschen. Der Idealmensch leidet. Der.
Messias wird vom ganzen Jammer der Menschheit erfaßt. Aber die
Poesie selbst mit allen ihren Zaubern, alle Kunst stört das reine Bild
dieses Dulders der Menschheit. Er ist daher ebenso ohne Schöne, ohne
alle Reize der Kunst, wie ohne alle Symptome des Heldentums. Er
ist krank und schwach und von Menschen verachtet, dennoch aber
wird er in die neue Welt einziehen, wenngleich nur auf einem Esel
reitend. Seine Symbole sind die alten des Messiasbildes: daß er
‫״‬mit dem Hauch seiner Lippen den Bösen tötet“ ; daß er Gereclitig-
keit und Frieden auf Erden herstellt. Die Demut ist die positive
Macht, welche allen Eudämonismus niederschlägt. Diese Demut,
welche das stellvertretende Leiden zu einem Ergebnis der geschieht-
liehen, der sozialen Einsicht macht, ist der Höhepunkt des
Messianismus.
Unter den Tugenden stellt die jüdische Tugendlehre obenan
die D em ut. Sie berührt sich zwar mit der Bescheidenheit, die an
sich von grundlegender Bedeutung für den Menschen ist, aber den
Beschreibungen ist es doch anzumerken, daß die Demut noch etwas
mehr sein soll als die Bescheidenheit. Es gibt ein zwingendes
Beispiel für diese Bemerkung. Mose wird zwar bezeichnet als ‫״‬der
demütigste Mann von allen Menschen auf dem Erdenrunde“. Und
hier bedeutet sicherlich die Demut auch schon mehr als die Be-
scheidenheit, indessen wird die Grenze nicht genau bestimmt.
Nun wird aber auch von Gott selbst seine Demut hervor gehoben.
Und eine Talmudstelle, welche in das Abendgebet beim Ausgang des
Sabbat aufgenommen worden ist, lautet: ‫״‬An jeder Stelle,, an der
du die Größe Gottes findest, dort findest du auch seine Demut“.
Diese Anordnung wird aus dem Pentate.uch, den Propheten und den
Hagiographen bestätigt. Nun haben ja aber die Attribute Gottes
nur die Bedeutung von Attributen der Handlung, als welche sie
das Urbild der Sittlichkeit in Gott entfalten In der Tat be-
schreiben die angeführten Stellen aus den drei Schriftgruppen als
Demut nur die Fürsorge Gottes für die Armen in ihren verschiedenen
Vertretungen. Die Demut Gottes ist seine Herablassung zu den
Leidenden. Und da schön Gott in dieser Kraftleistung des Leidens
erkannt wird, so ist es nur die Übertragung auf den Messias, welche
in seiner Stellvertretung des Leidens seine Demut, den Gipfel der
Menschlichkeit, bezeichnet.
314

65. XIV. Der ‫״‬Knecht des Ewigen“ ist der Messias, und hat als
solcher den ‫״‬Sproß Davids“ abgelöst. Weltfremd und abstrakt ist aber
niemals der Prophetismus geworden; wie hätte er es im Messianismus
werden können? Wenn der Gottesknecht schon nicht mehr den Königs-
sproß bedeuten darf, so kann er doch nicht der nationalen Erinnerung,,
der nationalen Geschichte fremd sein. Die jüdischen Exegeten haben
es früh erkannt, daß dieser Knecht des Ewigen nur Knecht sein
kann, wie jeder Israelit dies sein soll. So wurde ihnen dieser
Gottesknecht unverkennbar als das Vol k Israel selbst.
Wie nun aber der nationale Gesichtspunkt überall in diesem Mono-
theismus den Messianismus erweckt hat, so ist es auch hier geschehen.
Das Bild vom Armen, als dem leidenden Menschen, lichtet und klärt
nur den sozialen Horizont. Wenn nun aber der arme Leidende das Volk
Israel und als seine messianische Vollendung der ‫״‬Rest Israels“ ist,,
so rollt sich damit das Geschichtsbild auf. und das Volk Israel tritt
vor den Rat der Völker. Und jetzt erst erlangt das Leiden eine er-
höhte geschichtliche Kraft, welche das. soziale Elend übersteigt.
Das Elend der jüdischen Geschichte beginnt nicht erst mit dem.
Exil: denn der Verlust des nationalen Staates ist schon durch den
Messianismus bedingt. Darin aber ist die Tr agi k des j ü d i s c h e n
Volkstums in aller geschichtlichen Tiefe begründet. Wie kann ein
Volk bestehen und seine messianische Aufgabe erfüllen, wenn es des
allgemein menschlichen Schutzes entblößt wird, den der Staat für
das Volk bildet? Und dennoch ist solchergestalt die Lage des
jüdischen Volkes, und so muß es wohl auch der Sinn der jüdischen
Geschichte sein, wenn anders der Messianismus diesen Sinn aus-
macht. •
Wer den echten weltgeschichtlichen Messianismus der Mensch-
heit als die Aufgabe des jüdischen Volkes erkennt, der muß in
der jüdischen Geschichte den Wegweiser erblicken für dieses Ziel.
Es kann nicht die Frage sein, ob Gott es anders hätte einrichten
können, oder es künftig noch einrichten werde, sondern der Verlauf
der Geschichte selbst erteilt uns die Lehre, welche begrifflich der
Messianismus enthält.
66- Die jüdische Geschichte aber ist, als Geschichte betrachtet, mit-
hin inwiefern sie sittliche Ideen zur Darstellung bringt, eine fortlaufende
Kette des menschlichen, des nationalen Elends. Verachtet und durch-
bohrt sind allezeit diese Gottesknechte gewesen und abgeschnitten
vom Lande des Lebens. Und obwohl das Erstaunen nicht aufgehört
315

hat über den Fortbestand dieses Sonderlings unter den Völkern, so


bleibt es doch immer wahr, was so eigentümlich in dem Urtext aus-
gedrückt wird: ‫״‬und in seinem Zeitalter, wer b ed ac h te es?“ Da&
messianische Volk leidet als Stellvertreter des Menschenleids. Diese-
Ansicht kann keine Überspannung der Mission Israels sein, wenn anders
die messianische Durchführung des Monotheismus die geschichtliche
Aufgabe der jüdischen Religion ist.
Der Leidensstellvertreter ist der Anwalt für die Sünde der
Völker. Dies wird für das letzte Wort in jenem Kapitel gehalten;
aber es ist nicht das letzte Wort. Sondern der Idealismus der
Zakuntt kommt wieder zum Durchbruch. Der Knecht Gottes ist
nicht etwa gestorben, weil man ihn abgewendet hat vom Leben,
sondern ‫״‬weil er (Gott) Wohlgefallen hat an seinem Leiden ^und
seiner Krankheit, wird er Samen säen für langes Leben, und der
Wille Gottes wird durch seine Hand gelingen.“ Mit dieser Art von
Fort leben wird das tragische Leben und der unheilbare Tod über-
wunden.
67. Alles Unrecht in der Weltgeschichte bildet eine Anklage an
die Menschheit. Und so hat das Elend der Juden zu allen Zeiten
einen schweren Vorwurf gegen die anderen Völker erhoben, Aus diesem
messianischen Gesichtspunkte aber kommt ein theodizeisches Licht
auch über dieses Rätsel in der Weltgeschichte. Eudämonistisch be-
trachtet freilich ist das Leiden der Juden ein Unglück. Eine andere-
Beleuchtung aber bringt der messianische Beruf Israels in seine
irdische Geschichte. Wie Israel im Bewußtsein jenes prophetischen
Dichters für die Götzendiener leidet, so leidet Israel bis auf den
heutigen Tag als Stellvertreter für die Mängel und Schäden, die
noch immer die Durchführung des Monotheismus hemmen.
Und diese Leiden brauchen ja gar nicht partikuiaristisch auf die
aktuellen oder nominellen Träger des Messianismus beschränkt zu werden.
Das Volk Israel, als Gottesknecht, hat nach dem T alm ud bereits die
‫ ״‬From m en der Völker der W e lt“ in seinen Schoß aufgenommen.
Und weit entfernt, daß durch die fortbestehende Geltung des stellver-
tretenden Leidens für Israel die anderen Religionen beleidigt werden
könnten, haben auch sie vielmehr nach der anerkannten Lehre des Juden-
tums ihren vollberechtigten Anteil an diesem messianischen Leiden.
Und durch diese Erweiterung, welche die humanitäre Ethik fordert,
wird nicht minder auch der echte Sinn des Messianismus erst be-
friedigt und.erfüllt. Es gehört durchaus mit zur Abwehr des Eudämo-
316

nismus, daß auch die äußerlichen konfessionellen und nationalen Grenz-


Scheidungen hinweggerückt werden, wenn die Symbolik des Gottes-
knechtes eine wahrhafte geschichtliche Bedeutsamkeit eine Reinheit in
der Darstellung des Sinnbilds erlangen soll. Diese Reinheit wird
von dem Idealbilde des Stellvertreters gefordert. Auch das ?01k,
auch der Rest Israels ist ein symbolischer Begriff für dieses Ideal-
bild. Diese Idealisierung des Restes bildet den Abschluß dieser
Idealisierung des Messias.
Kapitel XIV.
Die messianischen Stellen bei den Propheten.
1. Beginnen wir mit Hosea. Er tritt zunächst ein für das Beich
Juda gegen das abtrünnige Beich Israel. Beide Beiehe werden aber
wieder vereinigt werden durch Gottes Hilfe, der für sie einen Bund
schließen werde mit den Tieren des Feldes und den Vögeln des
Himmels, so daß kein Bogen oder Schwert wieder in ihr Land
kommen werde. ‫״‬Und ich werde dich mir verloben auf ewig; ich
werde dich mir verloben in Gerechtigkeit und Becht, in Gnade und
Liebe; ich werde dich mir verloben in Treue, daß du den Ewigen
erkennest“. (2, 21). Das Bild von der Ehe Gottes mit Israel be-
herrscht die gesamte religiöse Phantasie des Propheten.
Daher beginnt Hosea seine Prophetie mit dem Gleichnis von
dem untreuen Weibe. Diesem Gleichnis wird die Kraft der religiösen
Symbolik geschwächt!, ja geradezu zerstört durch die philiströse
Vermutung von einer unglücklichen Ehe des Propheten. 41s un-
glücklich konnte vielmehr die Ehe Gottes mit Israel erscheinen. Daher
schwelgt er in Naturpoesie für die Beschreibung des künftigen innigen
Verhältnisses zwischen Gott und Israel. ‫״‬Ich will wie ein Tau werden
für Israel. Es soll blühen wie eine Lilie und seine Wurzeln schlagen,
wie der . Libanon (14,0). Sie sollen heimkehren“ . . . Keiner
werde ferner eines Götzen gedenken. ‫״‬Und sie werden suchen
den Ewigen, ihren Gott und dadurch ihren König und sie werden
sich hinängstigen zum Ewigen und zu seinem. Gute am Ende der
Tage“ (3, 5). Der letztere Ausdruck dürfte hier noch nicht die
messianische Prägnanz haben, sondern nur die Flucht bedeuten von
der Gegenwart, wie auf die Zukunft hin —, so auf die Vergangen-
heit zurückwreisen.
2. Auch Arnos, Hoseas Zeitgenosse, geht nach dem üblichen Texte
aus von der Bekämpfung des abgefallenen Beiches. ‫״‬Doch will ich das Haus
Jakobs nicht ganz und gar vertilgen.. an jenem Tage werde ich aufriehten
318

4ie H ü tte Davids, die zerfallene, und ihre Bisse ■vermauern und ihre
Trümmer aufrichten und sie wieder bauen, wie in den Tagen der
Torzeit . . dann sollen Tage kommen, ist der Spruch des Ewigen,
da holt der Pflüger den Schnitter ein und der Traubenkelterer den
Sämann. Da werden die Berge von Most triefen und alle Hügel
zerfließen. Dann will ich mein Volk Israel wiederherstellen . . .
Und ich bringe zurück die Gefangenschaft meines Volkes Israel . . .
Dann will ich sie einpflanzen in ihr LafTd, und sie sollen nicht
aus ihrem Lande, daß ich ihnen gegeben habe, wieder ausgerissen
werden“ (9, 8— 16).
Die Bedeutung des Arnos für den Messianismus liegt jedoch
nicht in seiner Beminiscenz an die ‫״‬Hütte Davids“, die übrigens
immer noch unterschieden ist von dem ‫ ״‬Throne Davids“, sondern
vielmehr in seinem Eifern gegen den O p fe rd ie n st und demgemäß
in seiner Sittenpredigt und seiner Strafpredigt gegen die Völker,
wie gegen Juda und Israel. Mit den Völkern zugleich verwirft er
auch Israel.
Er zuerst gibt dem Volksglauben von dem ‫״‬Tage*Jahves“ die
sittliche Deutung. ‫ ״‬An jenem Tage lasse ich die Sonne am Tage
untergehen und sende Finsternis auf die Erde am hellen Tage“
{8, 9). Aber aus der Strafandrohung erhebt er sich zu der Zu-
versieht: ‫״‬Siehe, Tage kommen, Spruch des Herrn, des Ewigen,
Tind ich werde Hunger senden, in das Land, nicht Hunger nach Brod
und nicht■ Durst nach Wasser, sondern zu hören die Worte des
Ewigen. Und sie werden schwanken von Meer zu Meer und von
;Nord nach Ost schweifen, zu suchen das Wort des Ewigen, aber sie
werden es nicht finden“ (8, 11 ff.). Das Suchen nach dem W orte
■Gottes allein, dieser Hunger tritt hier als das Dämmern eines anderen
Sinnes für den Tag Jahves auf. Und daraufhin erst kann die
Wiederherstellung Israels von Arnos geweissagt werden.
3. Dem Arnos ist M icha in seiner sittlichen Richtung verwandt.
Er eifert gegen den Götzendienst und fordert das ‫״‬Gotteshaus für
alle Völker“. Die Völker bekriegen Israel, aber aus dem Geschlechte
{Davids wird ein Herrscher aufstehen, unter dem alle Völker den
■Krieg nicht mehr lernen werden. Der Moralismus ist die Seele des
Messianismus bei Micha. ‫ ״‬Am Ende der Tage wird der Berg des
Hauses des Ewigen gegründet stehen auf dem höchsten der Berge
und er wird erhaben sein über die Hügel, und es werden strömen
zu ihm die Völker. Und viele Völker werden gehen und sprechen:
319

auf, laßt uns hinaufsteigen zum Berge des Ewigen und zum Hause,
des Gottes Jakobs, daß er uns lehre seine Wege, und daß wir wandeln
in seinen Pfaden, denn von Zion geht die Lehre aus und das Wort des ‫ז‬
Ewigen von Jerusalem. Und er wird richten zwischen vielen Völkern und
Becht sprechen mächtigen Nationen bis in die Ferne, und sie werden
umschmieden ihre Schwerter zu Pflugscharen und ihre Spieße zu
WUnzermessern. Nicht wird erheben ein Volk gegen das andere das
Schwert, und sie werden nicht mehr lernen den Krieg, und sie
werden sitzen ein jeder unter seinem Weinstock und unter seinem
Feigenbaum und niemand wird sie aufschrecken, denn der Mund des
Ewigen Zebaoth hat es gesprochen . . . Aber jetzt versammeln sich
über dich viele Völker, die da sprechen: sie werde entweiht, damit
sich ergötzen an Zion unsere Äugen. Sie aber kennen nicht die
Gedanken des Ewigen und verstehen nicht seinen Batschluß, daß er
sie zusammengebracht hat, wie Garben auf die Tenne. Auf und
drisch, Tochter Zions. Denn ich will dein Horn von Eisen machen,
und deine Klauen von Erz, auf daß du zermalmst viele Völker und
weihest dem Ewigen ihren Baub und ihren Schatz dem H errn der
g an zen E rd e “ (Kapit. 4, 1—4. 12- 14). Nationale Erinnerungen
durchdringen sich mit den Zukunftsgedanken ,der göttlichen Welt-
herrschaft.
4. Auch das 5. Kapitel geht von einem neuen David aus Bethlehem
aus und steigt zu dem Beste Jakobs empor. ‫״‬Und du, Bethlehem
Ephrata, die du klein sein solltest unter den Gauen Judas, von dir
wird mir hervorgehen der, der ein Herrscher sein soll in Israel, und
dessen Ursprung ist von ehedem, aus den Tagen der Vorzeit. Und
er wird auftreten und seine Herde weiden in der Macht des Ewrigen,
in dem Buhm des Namens des Ewigen, seines Gottes, und sie werden
wohnen bleiben, denn alsdann wird er groß dastehen bis an die
Enden der Erde . . . und es wird sein der B est Jakobs inmitten
vieler Völker, wie Tau vom Ewigen, wie Begentropfen auf das Kraut,
das auf Menschen nicht harrt, und nicht wartet auf Menschenkinder.
Und es wird sein der Best Jakobs unter den Völkern, inmitten vieler
Völker wie ein Löwe unter den Tieren der Wildnis, wie ein junger
Leu unter Schafherden, der, wenn er hindurchgeht, niedertritt und
zerreißt, ohne daß Jemand rettet . . An jenem Tage werde ich aus-
rotten deine Bosse aus deiner Mitte und vernichten deine Wagen.
Und ich werde ausrotten die Städte deines Landes und alle deine
Festungen zerstören. Und ich werde ausrotten die Zaubermittel aus
320

deiner Hand, und Beschwörer soll es nicht geben bei dir. Und ich
werde ausrotten deine Schnitzbilder und deine Malsteine aus deiner
Mitte. Und du wirst fortan dich nicht niederwerfen-'vor dem Werk
deiner Hände“.
Sehr charakteristisch sind die beiden aufeinanderfolgenden
Gleichnisse vom Tau und vom Löwen: das Unheil und das Heil
Beides muß der Messias bringen. Wenn das Heil hier vorausgeht, so
wird das Ziel vorangestellt, dem das Unheil, die an den Völkern zu
übende Vernichtung nur als Mittel gilt. Denn dieses Mittel der
Vernichtung wird auch an Israel vollstreckt, wie die folgenden Verse
dies besagen.
5. Das Bild vom Berg des Gotteshauses, zu dem alle Völker
strömen und den Krieg nicht mehr lernen werden, ist J e s a ja von
Micha gemeinsam. (Jes. 2, 1—5). Seinen eigenen Stil aber nimmt
Jesaja in demselben Kapitel an. ‫״‬Vefkrieclit euch in Felsenhöhlen
und verbergt euch in Erdlöcher vor dem Schrecken des Ewigen und
vor seiner glorreichen Pracht, (A. V. 10) wenn er sich erhebt,
zu schrecken die Erde.“ (A. V. 19). ‫״‬Der Augenstolz des
Menschen wird niedrig und gebeugt der Hochmut der Männer, und
erhaben wird der Ewige allein sein an jenem Tage. Denn ein Tag
kommt für den Ewigen Zebaoth über alles Stolze und Hohe und
Ragende, und es wird niedrig werden . . Lasset doch ab vom Menschen,
dessen Seele in seiner Nase ist; denn wofür ist er zu achten?“
(ib. 10—21).
Dies ist Hamlet-Stil. Das folgende dritte Kapitel weissagt
schwere Strafen zuerst für die schlechte Rechtspflege und dann
für den Hochmut und die Hoffart! Hoffart der Frauen. Dann
aber setzt das vierte Kapitel Avieder mit der Heilsbotschaft ein.
‫״‬An jenem Tage wird der Sproß des Ewigen zum Schmuck und
zur Ehre und die Frucht des Landes zur Hoheit und Herrlich-
keit werden für die Geretteten Israels. Und die in Zion über-
bleiben und übrigbleiben in Jerusalem, h e ilig wird genannt
werden jeder, der zum Leben aufgeschrieben ist in Jerusalem. Wenn
abgewaschen hat der Herr den Schmutz der Töchter Zions und
das Blut Jerusalems hinweggespült hat aus seiner Mitte mit dem
Geiste des Rechts und mit dem Geiste der Vertilgung“ (4, 2—4).
Auf die Übrigbleibenden, den späteren Rest, wird hier schon hin-
gewiesen.
6. Aber das neue Reich nach der Vertilgung des alten be-
321

darf noch vieler Poesie zu seiner Vorbereitung. ‫״‬Das Volk, das im


Dunkeln wandelte, sieht ein großes Lieht . . Denn ein K ind wird
uns geboren, ein Sohn uns gegeben, und es kommt die Herrschaft
auf seine" Schulter, und man nennt seinen Namen Wunderberater,
Gottesheld, Vater der Ewigkeit, Friedensfürst zur Mehrung der
Herrschaft und zum Frieden ohne Ende auf dem Throne Davids
und über seinem Königreiche, um es zu gründen und zu stiften
durch Recht und Gerechtigkeit von jetzt und bis in Ewigkeit“
(9, 1. 5—1>) (vgl. ob. S. 309). Der Thron Davids wird hier zwar
neu begründet durch Recht und Gerechtigkeit, aber ein neues
Zeitalter wird durch das Kind mit den Wundernamen angekündigt,
deren einer auf den Ratschluß Gottes, den Wunderbaren hin-
weisen, und der andere das Kind zugleich zum Vater der Ewig-
keit machten. Jetzt kann der Tag des Herrn nicht mehr ernst-
lieh als nahe bevorstehend gedacht werden; denn die neue Zeit soll
ja eine neue Ewigkeit bedeuten.
7. Denselben Gedanken führt das Kapitel 11 weiter. ‫״‬Aus dem
Stumpfe Isais wird ein Reis ausschlagen und aus seiner Wurzel ein
Zweig hervorbrechen. Und es wird ruhen auf ihm der Geist des
Ewigen, der Geist der Weisheit und der Einsicht, der Geist des
Rates und der Kraft, der Geist der Erkenntnis und der Furcht des
Ewigen. Und er wird an der Furcht des Ewigen sein Wohlgefallen
haben und nicht nach dem Schein seiner Äugen wird er richten
und nicht nach dem Gehör seiner Ohren urteilen. Er wird richten
in Gerechtigkeit die Armen und wird Recht sprechen in Geradheit
den Demütigen im Lande. Und er wird die Erde schlagen mit
dem Stabe seines Mundes und mit dem Hauche seiner Lippen wird
er töten den Bösen. Und es wird sein Gerechtigkeit der Gurt seiner
Lenden und die Treue der Gurt seiner Hüften“ (11, 2—5). Der Geist
des Rates wird hier besonders hervorgehoben, so daß der eine Wunder-
titel des Messias so noch geklärt wird. Ein heiliger Geist jedoch, der
den Messias von den Menschen überhaupt unterschiede, wird ihm nicht
zugesprochen, sondern ausdrücklich sein Wohlgefallen an der Gottes-
furcht anerkannt. Und ferner werden die Armen und die Demütigen
zum besonderen Gegenstand seiner Rechtspflege.
8 Jetzt aber kommt die Poesie vom N a tu rfrie d e n , welche die
Verwechslung des messianischen mit dem goldenen Zeitalter verur-
sacht hat. ‫״‬Und der Wölf wird neben dem Lamme wohnen und der
Parder neben dem Böcklein lagern, und Rind und Löwe und Mast-
21
322

vieli werden zusammenweiden, und ein kleiner Knabe sie leiten.


Kuh und Bärin weiden, zusammen lagern ihre Jungen, und der
Löwe, wie das Rind, wird sich von Stroh nähren. Und der Säugling
wird an der Höhle der Otter spielen und der Entwöhnte seine Hand
nach dem Lager der Natter ausstrecken. Sie werden nichts Böses
tun und nicht Verderben anrichten auf meinem ganzen heiligen
Berge, denn das Land wild voll sein von der Erkenntnis des Ewigen,
wie Wasser den Meeresgrund bedecken“ (vgl. Hosea 2, 20).
Zwei Ergänzungen sind aber hier hinzugekommen: erstlich das Ver-
schwinden des Bösen und ferner die Erfüllung der Erde mit der Er-
k e n n tn is Gottes. Auf diese Bedingungen erst begründet der Fortgang
der Gedanken die messianische Weltanschauung. ‫״‬Und es wird sein an
jenem Tage, da werden die Völker die Wurzel Isais, die als Panier
steht für die Völker, suchen, und es wird seine Buhestätte Herrlich-
keit sein“. Endlich wird eine Heimkehr für den ‫״‬Rest Israels“
verkündet, ähnlich seiner Befreiung aus Ägypten , (11, 6—10, 16).
9. Die folgenden Kapitel weissagen den Untergang Babyloniens,.
Assyriens, der Philister, Moabs, Damaskus und Israels, endlich
auch Ägyptens. . ‫״‬Wie könnt ihr zum Pharao sprechen: ein Sohn
der Weisen, bin ich, ein Sohn der Könige der Vorzeit! "Wo sind
denn deine Weisen? sie mögen dir sagen und offenbaren, was der
Ewige Zebaoth über Ägypten beschlossen hat“ (19, 12). Über
die Weisheit Ägyptens triumphiert der Prophet, aber der Triumph
wird messianisch von ihm bestätigt. ‫״‬Und der Ewige wird sich
den Ägyptern offenbaren, so daß die Ägypter den Ewigen erkennen
werden an jenem Tage und ihn mit Schlacht- und Speisopfern ver-
ehren, und Gelübde tun dem Ewigen und sie erfüllen . . An jenem
Tage wird Israel sein das D r itte il zu Ägypten und zu Assyrien,
ein Segen in m itte n der Erde, den der Ewige Zebaoth ausgesprochen;
gesegnet sei mein Volk Ägypten und meiner Hände Werk Assyrien
und mein Erbe Israel“. (21—25 ib). Hier ist nun schon ein Höhe-
punkt des messianischen Völkergedankens erreicht. Die Anomalie,
welche die Erwählung Israels bildete, ist erledigt: Israel wird ein
Dritteil genannt zu den Völkern, die vorher dem Untergange ge-
weiht waren, denen nunmehr aber der Segen Gottes zugesprochen
wird. Auch Ägypten nennt jetzt Gott ‫״‬mein Volk“ und Assyrien:
‫•״‬das Werk meiner Hände“. Was bedeutet da noch das ‫ ״‬Eigen-
tum“ und der ‫״‬Erbbesitz“ Israels?
10. Das W e ltb ü rg e rtu m wird aber noch immer mächtiger aus-
323

gesprochen. .,Und es wird machen der Ewige Zebaoth allen Völkern


auf diesem Berge ein Mal von Fettspeisen, von markigen Fettspeisen*
von Hefenweinen, von geläuterten Hefenweinen. Und er wird ve1*-r
nichten auf diesem Berge die H ü lle , die über alle Völker gebreitet
ist, und die Decke, die über alle Nationen gedeckt ist. Ver-
schlingen wird er den/.Tod auf immer, und tilgen wird der Herr,
der Ewige, die Träne von jeglichem Angesicht, und die Schmach
seines Volkes wird er entfernen von der ganzen Erde“ (25, 6—8).
Wiederum ist der Völkergedanke zu neuer kritischer Klarheit ge-
kommen. Eine Hülle und eine Decke sind über die Völker gebreitet, so
lange sie nicht durch Gott vereinigt sind. Die Hülle ist eine Trauerhülle
oder wenigstens ein Schleier, und die Decke erinnert sprachlich an das
Götzenbild. Wenn aber die Völker Teile werden in dem Schöpfungs-
werke Gottes, so werden sie ihre Einheit erkennen, und ihre Ver-
schiedenheit wird als eine Hülle von ihnen entfernt werden.
Wenn der Antagonismus der Völker messianisch besiegt sein wird,
wer zweifelt daran, daß dann auch die Tränen von dem Angesicht der
Menschen getilgt werden? Und es bleibe dahin gestellt, ob der Prophet
hier mit dem Verschwinden des Todes vornehmlich an den Tod gedacht
habe, den die Kriege verschulden. Indessen ist das Auf hören des Todes
doch nur ein Gleichnis, eines von den vielen, die den Naturfrieden be-
schreiben. Worauf es ankommt, das ist im Nachsatze ausgesprochen:
Gott wird die Tränen abwischen von jeglichem Angesicht. Gott wird ‫ן‬
wahren Trost bringen über alles Leid. Nicht aufheben und gänzlich
verschwinden machen wird er das Leid, aber den rechten Trost wird
er den Menschen und den V ölkern bringen. Das ist der Sinn, .des
Gleichnisses. .
11. Es ist nur eine Milderung desselben Gleichnisses, wenn es
ferner in anderem Zusammenhänge heißt: ‫״‬Und es werden hören
.an jenem Tage die Tauben die Worte der Schrift, und aus Dunkel
und Finsternis werden die Augen der Blinden sehen. Und es
werden sich freuen die Dulder des Ewigen und die Armen der
Menschen am Heiligen Israels frohlocken. Denn dahin ist der Ge-
walttätige und verschwunden der Spötter und ausgerottet alle, die
auf Unrecht bedacht sind, die den Menschen schuldig machen durch
ein Wort, dem Richter im Tore Schlingen legen und durch Ver-
wirrung fallen machen den Gerechten“ (29, 18—21). Das Wunder
mit den Tauben und Blinden ist nicht viel geringer als das am
.Tode: alle diese Beispiele sind unverkennbare Gleichnisse. Ebenso das
21 •
324

Gleichnis: ‫״‬Und es wird sein das Licht des Mondes wie das Licht
der Sonne, und das Licht der Sonne wird sein siebenfach wie das
Licht von sieben Tagen am Tage, da der Ewige verbindet den Schaden
seines Volkes und die Wunde seines Schlages heilet“. (30, 26). Unheil
und Heil wechseln beinahe regelmäßig miteinander ab in diesen W~eis-
sagungen. Es ist irrig, die Propheten überhaupt gar nach diesen beiden
Losungen zu entscheiden: sie greifen fast überall in einander über.
Plötzlich tritt die Heilsverkündung besonders in einem der un-
mittelbar folgenden Kapitel ein, in dem die Zerstörung Jerusalems
angekündigt wird. Da heißt es mitten im Zusammenhänge: ‫ ״‬Bis
ausgegossen wird auf uns ein Geist von der Höhe, dann wird die
Wüste zum Fruchtlande und das Fruchtland wird für einen Wald
gerechnet. Und es wohnt in der Wüste das Recht, und die Ge-
rechtigkeit- läßt sich im Fruchtland nieder. Und die Wirkung der
Gerechtigkeit wird sein Friede, und der Ertrag der Gerechtigkeit
Ruhe und Sicherheit für immer“ (32,15,17). Der Messias wird
hier bezeichnet als ‫״‬ein Geist von der Höhe“ und seine Wirkungen
sind der F ried e und die Ruhe und Sicherheit, als die Werke der
Gerechtigkeit. Auch da, wo der Prophet nur mit Rücksicht auf
Israel den Messias zeichnet, ist nicht schlechthin die Wohlfahrt des
Landes verheißen, sondern diese bedingt durch Gerechtigkeit. Und
die Wohlfahrt selbst wird durch den Frieden zusammen gefaßt, der
wiederum, das allgemeine Symbol des Völkerfriedens, des Messias
für die Völker ist.
Ähnlich singt der Psalm (G8, 32, 33 und 67, 3—6): ‫ ״‬Es
werden dich bekennen Völker als Gott, es werden dich bekennen
die Völker allesamt“. Und ‫״‬Reiche der Erde, singet Gott“.
12. Z ep h an ia, ein Menschenalter vor dem Exil, kündigt das Straf-
gericht an über die Völkerwelt und über Juda. Auch bei ihm aber
heißt es plötzlich in der Zornrede: ‫״‬Dann aber werde ich den Völkern
eine reine Lippe schaffen, daß sie an rufen allesamt den Namen des
Ewigen, ihm zu dienen Schulter an Schulter . . . Und ich werde in
dir übriglassen ein demütiges und armes Volk, das Schutz suchen
wird beim Namen des Ewigen.‫ ׳‬Der Überrest Israels wird nicht Un-
recht begehen, noch Lügen reden, noch wird in ihrem Munde gd-
funden werden trügerische Zunge“.
Wichtige Dinge formuliert der Prophet für den messiänischen
Tag. Erstlich die feine Lippe und die eine Schulter für den Gottes-
dienst aller Völker. Sodann definiert er den Rest Israels als das
demütige und arme Volk, dem Unrecht und Lüge fern sind. Aber
in dem Satze nach der reinen Lippe heißt es noch: ‫״‬Von jenseit
der Ströme Äthiopiens werden sie meine Anbeter darbringen als Ge-
schenk für mich“ (3, 10). Das ist ein neues Moment, welches wir
wiederholt finden werden bei Deuterojesaja (66, 20). Der messianische
Gedanke von der Bekehrung der Völker vereinigt sich hier mit dem
von der Wiederherstellung Israels in dem zartesten Ausdruck: daß
die Völker selbst die Gefangenen Israels als ein G eschenk Gott
darbringen werden.
13. Die Harmonisierung dieses Zwiespalts wird zum Grundproblem
bei Jerem ia. Auch bei ihm wird die Strafrede plötzlich unterbrochen
von der hoffenden Mahnung: ‫״‬Kehret zurück, ihr abtrünnigen Söhne,
denn ich habe euch geehelicht und ich nehme euch, einen aus einer
Stadt und zwei aus einem Geschlechte und bringe euch nach Zion.
Und ich werde euch Hirten geben nach meinem Herzen, daß sie
euch weiden in Erkenntnis und Vernunft. Und es wird geschehen,
wenn ihr euch mehret und fruchtbar seid im Lande in jenen Tagen,
Spruch des Ewigen, dann wird man nicht mehr sagen: die Lade des
Bundes Gottes! Und sie wird nicht, mehr in den Sinn kommen,
noch wird man ihrer gedenken, noch sie vermissen, und sie wird
nicht ferner angefertigt werden. In jener Zeit wird man Jerusalem
nennen Thron des Ewigen, und es werden sich zu ihr versammeln
alle Völker zum Namen des Ewigen nach Jerusalem, und sie werden
nicht ferner gehen nach der Starrheit ihres bösen Herzens“ (3, 16— 17).
Unmittelbar darauf aber verheißt er Heimkehr für Juda und Israel
in das Land ihrer Väter.
In der Strafrede gegen die treulosen Hirten, die ‫״‬verwahrlosen
und zerstreuen die Schafe meiner Weide, Spruch des Ewigen“ heißt
es ‫״‬ich selbst aber will sammeln den Best meiner Heerde aus allen
Ländern, dahin ich sie verstoßen habe und sie zurückführen auf
ihre Auen und sie sollen fruchtbar sein und sich mehren. Und ich
will bestellen über sie Hirten, die sie weiden sollen: Siehe, Tage
kommen, Spruch des Ewigen, da will ich errichten dem David einen
gerechten Sproß, der soll herrschen als König und weise handeln
und Becht soll er üben und Gerechtigkeit im Lande. In jenen
Tagen wird geholfen werden Juda und Israel wird wohnen in
Sicherheit, und dies sein Name, mit dem man ihn nennt: der Ewige
unsere Gerechtigkeit. Fürwahr siehe Tage kommen, Spruch des
Ewigen, da wird man nicht mehr sagen: so wahr der Ewige lebt.-
326

der die Kinder Israel herauf geführt- hat aus dem Lande Ägypten,
sondern: so wahr der Ewige lebt, der heraufgeführt und heimgeführt
hat den Samen des Hauses Israel aus dem Lande des Nordens und
aus allen Ländern, wohin ich sie verstoßen habe, und sie werden
wohnen auf ihrem Boden“ (23, 1—8).
Die Polemik gegen die nationale Selbstverhärtung, die dem
Messianismus widerstrebt, kann nicht schärfer durchgeführt werden
als in dieser Absage an den geschichtlichen Ursprung der Nation, der
zugleich der religiöse ist: die Befreiung aus Ägypten. Und nicht
die Wiederheimkehr ist es, durch welche die erste Befreiung über-
troffen würde, sondern darin allein wird der Vorzug der künftigen
Befreiung begründet, daß nach ihr .Recht und Gerechtigkeit im Lande
herrschen werde, daß Gott selbst erkannt werde, wie bei Jesaja, als
der Heilige Israels, so hier als ‫״‬unsere Gerechtigkeit“. Der Sproß
Davids heißt demgemäß auch ‫ ״‬der gerechte Sproß“.
14. Im Hinblick auf diese Gerechtigkeit, als den Hort des neuen
Reiches, gewinnt die Verwerfung der falschen Hirten den besonderen
Sinn, daß sie die Vertreter der ganzen bisherigen Lehre seien. Der
alten Lehre wird ,eine neue Lehre entgegengestellt und immer kommt
es dem Propheten auf die neue Lehre an. Selbst da, wo er in der
glühendsten Leidenschaft des Patrioten redet und mit den Tränen
des Elegikers, selbst da beschließt er seine Hoffnungen nicht mit• der
Verkündung der göttlichen Liebe, der Tröstung, des Gedenkens der
Jugendliebe, und er begnügt sich nicht mit dem Spruche: ‫״‬es segne
dich der Ewige, Wohnung der Gerechtigkeit, heiliger Berg“ (31,22),
für das neue Reich, sondern wiederum reißt er die alte Wunde auf.
‫״‬Fürwahr, Tage kommen, Spruch des Ewigen, und ich werde mit dem
Hause Israel und mit dem Hause Juda einen n euen Bund schließen,
nicht wie der Bund, war, den ich geschlossen habe mit ihren Vätern,
am Tage, da ich sie faßte bei ihrer Hand, um sie herauszuführen
aus dem Lande Ägypten — sie aber ,haben zerstört meinen Bund,
und ich hatte sie doch geehelicht — sondern dies wird der Bund
sein, den ich schließen werde mit dem Hause Israel nach jenen
Tagen, Spruch des Ewigen: ich werde geben meine Lehre in ihr
Inneres und auf ihr Herz werde ich sie schreiben, und so werde ich
ihnen zum Gotte sein, und sie werden mir sein zum Volke. Und
sie werden nicht ferner lehren einer seinen Anderen und einer seinen
Bruder und sprechen: erkennet den Ewigen! Denn sie alle werden
‘mich erkennen von Klein bis Groß. Spruch des Ewigen. ; Denn ich
327

werde vergeben ihrer Schuld und ihrer Sünde nicht ferner gedenken.
So spricht der Ewige, der gesetzt hat die Sonne zum Licht bei Tage,
die Ordnung des Mondes und der .Sterne zum Licht der Nacht, der
das Meer aufwühlt, daß seine Wogen brausen, Ewiger Zebaoth sein
Name: wenn diese Ordnungen je von mir weichen werden, Spruch
des Ewigen, dann sollen auch die Nachkommen Israels aufhören, ein
Volk vor mir zu sein alle Tage“ (31, 30—36).
15. Wiederum sehen wir das Herz des Patrioten in Eintracht
mit dem. Verkünder der neuen messianischen Lehre. Einen neuen
Bund wird Gott mit Israel schließen, indem er die Thora ihnen ins
Herz schreibt. Und diesen neuen Bund unterscheidet er von dem
alten durch die genaue Bestimmung, welche den Grund des neuen
Weltalters enthält: in jener Zukunft wird die Erkenntnis Gottes ein
Gemeingut aller sein.
Und in dieser Allgemeinheit der Erkenntnis wird Gott sich
erweisen als der wahrhafte Erlöser, der die Sünden vergibt. Viel
wichtiger als das Wort von dem Legen der Lehre in das Innere-ist
diese praktische Norm für die Religion und Sittlichkeit der Zukunft :
die Erkenntnis Gottes das Gemeingut aller!
16. An diese Reinigung von aller Schuld knüpft ein folgendes
Heilskapitel an. ‫״‬Siehe. Tage kommen, Spruch des Ewigen, da will
ich bestätigen das gute Wort, das ich geredet über das Haus Israel
und das Haus Juda. An jenen Tagen und in jener Zeit werde ich
sprossen lassen dem David einen Sproß der Gerechtigkeit und er
wird üben Recht und Gerechtigkeit im Lande“ (33, 15). Unter
dieser wiederholten Voraussetzung der Gerechtigkeit für den Sproß
Davids wird dem Throne Davids, wie auch den levitischen Priestern,
Fortbestand zugesichert. Aber der Prophet hatte ebenso auch die
Wiederherstellung von Aegypten, Moab, Amon und Edom verkündet.
Allen bösen Nachbarn hat er Exil und Wiederherstellung prophe-
zeit. ‫״‬Danach aber wird Ägypten wohnen, wie in den Tagen der
Vorzeit. Spruch des Ewigen“ (46, 26). ‫ ״‬Ich werde zurückbringen
die Gefangenen Moabs am Ende der Tage, Spruch des Ewigen. Bis
hierher das Gericht über Moab“, (48, 47). ‫״‬Hernach aber werde
ich zurückbringen die; Gefangenen der Söhne Ammons, Spruch des.
Ewigen“ (49, 6). ‫״‬Und es wird sein, am Ende der Tage werde ich
zurückbringen die Gefangenen Eloms, Spruch des Ewigen“ (ib. 39).
17. Und allgemein schon hatte Jeremia es verkündet für alle
N ach b arv ö lk er. Und es wird geschehen, nachdem ich sie hinweg-
328

gerissen habe, will ich mich ihrer wieder erbarmen, und will sie
heimbringen einen jeden in sein Erbe und einen jeden in sein Land.
Und es wird sein, wenn sie lernen werden die Wege meines Volkes,
zu schwören bei meinem Namen, so wahr der Ewige lebt, wie sie
mein Volk gelehrt hatten zu schwören beim Baal — sollen sie aut-
gebaut werden inmitten meines Volkes“ (12, 15, 16).
Die scheinbare Enge, die noch anstößig’scheinen könnte darin,
daß die Verschonung der bösen Nachbarn an die Bedingung der
Anerkennung Gottes gekhüpft wird, wird erstlich dadurch überwunden,
daß an die Verführung, die sie ausgeübt hatten, erinnert wird,
und sodann dadurch, daß sie ‫״‬inmitten meines Volkes“ wieder auf-
gebaut werden sollen. Damit ist auf ihre Aufnahme in das messia-
nische Israel hingedeutet.
18. Und der Prophet glaubt an die B ek eh ru n g der Völker.
‫״‬Ewiger meine Macht und meine Burg und meine Zuflucht am Tage‫׳‬
der Not: zu Dir werden die Völker kommen von den Enden der
Erde und werden sprechen: nur Trug haben unsere Väter geerbt,
Nichtiges, das nichts nützt. Kann wohl ein Mensch sich einen Gott
machen? Und sie sind kein Gott“ (16,19,20). Die Bekehrung
der Völker denkt sonach der Prophet als Selbstbekehrung, als die
Erkenntnis von der Nichtigkeit des Götterwesens.
19. Im Exil und vorher schon trat Je c h e sk e l auf. Wir haben
die Schwierigkeit in seiner historischen Stellung schon erwogen. Während
seine Vorgänger mit dem sittlichen Ideengehalt des Monotheismus allein
den Kampf gegen die Welt aufnahmen, haben wir in ihm eine Ver-
bindung von Idealismus und Realismus zu erkennen. Hier ist nun
vor allem zu beachten, daß sein praktischer Sinn, mit dem er das
Opferwesen festhält, wenngleich er es in seinem ethischen Geiste um-
gestaltet, ihn dennoch nicht von seinen Vorgängern gänzlich unter-
scheidet; denn wie sehr auch Jesaja und Jeremia das Opfer be-
kämpfen, verwerfen sie es doch nicht unzweifelhaft für die Zukunft,
sondern es verbleibt auch bei ihnen im Nimbus des symbolischen
Materials der historischen Tradition.
Und was die Anhänglichkeit Jecheskels an das sonstige Ritual des
Pentateuch betrifft, so hat er auch da seine reformatorische Selb-
ständigkeit bewahrt und keineswegs sich in absolute Abhängigkeit
gestellt. Für eine methodische Charakteristik bleibt daher nur die
Frage, ob und wie Jecheskel, als politischer, historischer und patrio-
tischer Realist, doch zugleich auch den idealen Sinn gewahrt und ge-
329

fördert habe, der gemäß der Erkenntnis des Deuteronomiums bereits


das echte Fundament des Monotheismus bildet. Zu dieser Prüfung
eignet sich am besten seine Stellung zum Messianismus.
Charakteristisch ist auch hier wiederum, wie Jecheskels Heils-
botschaft plötzlich die Unheilsbotschaft abbricht. Und ergreifend
ist hier besonders der neue Anfang. ‫״‬Menschensohn, deine Brüder,
die Männer deiner Verwandtschaft und das ganze Haus Israel ins-
gesamt, zu denen die Bewohner Jerusalems sprachen: Entfernet
euch vom Ewigen, uns ist das Land gegeben zum Erbe. Darum
sprich, so spricht der Herr der Ewige: ja, ich habe sie entfernt
unter die Völker, ja, ich habe sie zerstreut in die Länder . . darum
sprich, so spricht der Herr, der Ewige: Aber ich will euch sammeln
aus den Völkern und euch einsammeln aus den Ländern, in die ihr
zerstreut seid, und will euch geben das Erdreich Israel“ (11, 14—17).
Bleibt es aber etwa bei dieser bloß politischen Wiederherstellung?
Oder hat es auch nur dabei sein Bewenden, was der nächste Vers
fordert, daß sie alsdann ‫״‬die Greuel wegschaffen werden?“ Viel-
mehr besagt der folgende Vers: ‫״‬Und ich werde ihnen geben ein
e in ig e s H erz und einen neuen Geist werde ich legen in ihr Inneres.
Und ich werde entfernen das Herz von Stein aus ihrem Fleische,
und werde ihnen geben ein Herz von Fleisch“ (V. 19).
Nicht nur den von Jesaja und Jeremia uns bekannten ‫״‬neuen
Geist“ legt auch Jeclieskel in ihr Inneres, sondern das einige Herz ist
liier das neue Herz, das vom Zwiespalt der Meinungen und der Leiden-
schäften befreite. Die Innerlichkeit ist auch für ihn die Norm und
die Gewähr der Gottesverehrung.
20. Den anstößigsten Gegensatz zum Messianismus bildet der
Nationalismus in seiner Überhebung. Ihm tritt der Prophet ent-
gegen. ‫״‬Menschensohn, tue Jerusalem kund seine Greuel und sprich:
so spricht der Herr, der Ewige, zu Jerusalem: deine A b stam m u n g
und dein Ursprung ist aus dem Land^e der Kanaaniter, dein Vater
war ein Amoriter und deine Mutter eine Chititerin“ (16, 1—3);
wiederholt aber noch ergänzt: ‫״‬Und deine ältere Schwester ist
Samaria . . und deine jüngere . . Sodom“ (ib. 46). Und wie er
so den Eigendünkel der Nation niederschlägt, so ist es gewiß nicht
allein für seine poetische Kraft, sondern auch für seinen Messianis-
mus charakteristisch, daß er die Unheilsbotschaften über die Völker
abschließt mit Heilsbotschaften, in denen sein warmes Menschen-
herz schlägt.
330

.21. Der zweite Teil seiner Keden betrifft das Israel der Zukunft.
Der Prophet eifert gegen die falschen Hirten. ‫״‬Und ich werde über
sie bestellen einen einzigen Hirten, der wird sie weiden, meinen
Knecht David, der wird sie weiden und der wird ihnen zum Hirten
sein. Und ich, der Ewige, werde ihnen Gott sein, und mein Knecht
David wird Fürst sein in ihrer Mitte“ (34,23, 24). Der Hirt wird
zum Fürsten, weil Gott allein der eigentliche Hirt ist. Mit diesem
Worte schließt das Kapitel, nachdem e s '‫ ״‬den Bund des Friedens‘■
auch mit den Tieren verkündet hatte: ‫ ״‬Aber ihr seid meine Herder
Herde meiner Weide, Menschen• seid ihr, ich euer Gott“ (ib. 30).
Die . Zusammenstellung von Herde und Mensch ist ganz im Stile des
Menschensohnes. Ihr seid meine Herde; denn ihr seid ja Menschen,,
deren ich mich erbarme. So läßt der Prophet des Menschensohnes
seinen Gott sprechen.
2*2.. Wichtig ist auch die Verbindung, welche sich bei Jecheskel
herstellt zwischen seiner neuen Theorie der Buße und dem Messianis-
mus. Die Läuterung Israels' wird zusammenhängend gedacht mit
der ‫״‬Heiligung des göttlichen Namens unter den Völkern. ‫״‬Und so
will ich meinen großen Namen heiligen, der entweiht ward unter
.den Völkern, den ihr entweiht habt unter ihnen, damit die Völker
erkennen, daß ich der Ewige bin“ (36, 23.) Aber nunmehr voll-
zieht sich diese Heiligung in der Läuterung Israels. ‫״‬Und ich werde
sprengen über euch reines Wasser, daß ihr rein werdet, von allen
euren Unreinigkeiten und von allen euren Götzen will ich euch
reinigen. Und ich werde euch gebeu ein neues Herz, und einen neuen
Geist werde ich geben in euer Inneres, und ich werde entfernen
das Herz von Stein aus eurem Fleische und werde euch geben ein
Herz von Fleisch. Und ich werde meinen Geist geben in euer
Inneres“ (ib. 25—*27). Hier ist es Gott, der einen neuen Geist und
ein neues Herz in das Innere legen wird, während für seine Theorie
der Buße die Variante erheblich ist, daß die Menschen selbst sich
das neue Herz schaffen sollen, (vgl. ob. S.)
Im folgenden Kapitel wird diese Läuterung durch Gott wieder-
holt, aber auch wieder hinzugefügt: ‫״‬Und so sollen die Völker er-
kennen, daß ich der Ewige bin, der Israel heiligt“ (37, 28).
23. Den Anfang dieses Kapitels bildet die Deutung des über-
kommenen Mythos von der A u fersteh u n g . Die Frage Gottes an den
Propheten lautet:. ‫ ״‬Menschensohn, werden wohl diese Gebeine wieder
lebendig werden? Ich aber antwortete: Herr, Ewiger, du weißt es“
(37, 3). Der Prophet erhält nun den Auftrag, diesen verdorrten Ge-
beinen zu weissagen, und sie werden wieder lebendig. ‫״‬Dann sprach
er zu mir: Menschensohn, diese Gebeine sind das ganze Haus Israel.
Siehe, sie sprechen: verdorrt sind unsere Gebeine und verloren
unsere Hoffnung’ wir sind abgeschnitten . . Siehe,‫ י‬nun will ich öffnen
eure Gräber und will euch herausführen aus euren Gräbern, als
mein Volk“ (ib. 11, 12). Diese politisch-messianische Nutzanwendung
von dem. Mythos der Auferstehung ist ein wichtiges Symptom für
den Rationalismus Jecheskels.
Als Auferstehung des Volkes vermag der Prophet •die in Persien
ihm bekannt gewordene Auferstehung anzuerkennen. Daher ist die
Hervorhebung ‫״‬mein Volk“, die sich auch in den folgenden Versen und
zwar an der letzten Stelle des Satzes wiederholt, besonders bemerkens-
wert. Es berührt sich schon hier die magische Lehre von der Auf-
erstehung mit dem Messianismus, und es ist bedeutsam, daß Jecheskel
bereits, ihr eine historische,, eine gleichsam geschichtsphilosophische
Deutung gibt. Das Volk kann nicht sterben. Sein Tod ist nur eine
Furchtillusion der Verzweiflung, welche von der messianischen Zuver-
sicht geheilt und beseitigt wird. Wie der Tod kein wirklicher ist,
so ist auch die Auferstehung nur die Verjüngung zu einem neuen
geschichtlichen Leben.
. 24. Für die Vergeistigung des Messianismus wurde es ein
wichtiges Mittel, daß der Perserkönig Cyrus selbst als Bote Gottes somit
als Messias zur Erlösung Israels anerkannt wurde. Damit war der
Zauber des Hauses Davids gebrochen. Und ferner auch war damit
der Gedanke der messianischen Ausgleichung aller nationalen Gegen-
Sätze und Hemmungen für den einheitlichen Gottesdienst zu anschatt-
lieber ■Bestimmtheit gelangt.
ln dieser Richtung bringt nun D e u te ro je sa ja und sein Nach-
folger die Vollendung. Nur ein einziges Mal erwähnt er, und zwar
nur in einer Ausdeutung, als ‫״‬der Gnaden Davids“ (55, 3) des David
überhaupt. Nach Jecheskel redet kein Prophet des Exils von einem
Nachkommen Davids. Deuterojesaja denkt den Messias vorzugsweise
für die Bekehrung der Völker. Daher verwandelt er den König-
sproß; der doch immer den Schein des nationalen Symbols an sich
trägt, schlechthin in den Gottesdiener, den Gottesknecht, der noch
dazu den Gegensatz zum Königssproß bedeutsam ausdrückt.
25. Von Anfang an war der K n ech t G.ottes in aller Deutlich-
keif als das Volk Israel bezeichnet, wie auch schon Jecheskel mehrfach
‫״‬meinen Knecht Jakob genannt hatte* (28, 25. 37, 25). ‫״‬Du aber,
Israel, mein Knecht, Jakob, den ich erwählte, . . und sprach zu dir:
mein Knecht bist du“ (41, 8, 9). ‫״‬Siehe, mein Knecht“ ich gebe
meinen Geist auf ihn, das Recht soll er den Völkern hinaustragen“
(W ellh au sen : die Wahrheit). ‫״‬Zur Wahrheit wird er hinausführen
das Recht“ (42, 1, 3). Er wird nicht ermatten und nicht• zusammen-
knicken, bis er auf Erden einsetzt das Recht, und auf seine Lehre harren
die Eilande . . Ich, der Ewige, habe dich berufen in Gerechtigkeit,
und deine Hand effSBt und dich behütet und ich will dich machen zum
Bund der Völker“ (H erzfeld : ‫״‬zum Bund der Menschen“, nach Vers
5 und 40, 7), ‫ ״‬zum Lichte der Nationen . . Ich, der Ewige, das ist
mein Name, und meine Ehre gebe ich keinem anderen“ (42, 1, 4—8).
‫״‬Nun aber spricht der Ewige, der mich gebildet von Mutterleib sich
zum Knechte: zu g e rin g i s t ‫י‬s ‫ י‬daß du mir Knecht seiest, aufr
zurichten die Stämme Jakobs und die Bewahrten Israels zurück-
zuführen, vielmehr gebe ich dich zum Lichte der Völker, daß mein
Heil reiche bis an das Ende der Erde . . und ich mache dich zum
Völkerbund“ (49, 5—8). Mit einer solchen Schärfe ist nirgend sonst
die Differenz formuliert worden zwischen dem nationalen und dem
menschheitlichen Berufe des Messias.
26. Daher kann von hier aus die höchste Idealisierung wiederum
einsetzen, welche dem Volke des Monotheismus für die Menschheit
zuerteilt wurde. Diese bringt der Schluß des 52. Kapitels des Deu-
terojesaja als Einleitung zum 53., in welchem das Idealbild des
Messias, als des Gottesknechtes, gefeiert wird.
Der reflektierende historische Stil dieses Kapitels läßt an sich
schon die messianische Idealisierung des Gottesvolkes, als des
Gottesknechtes, erkennen. ‫״‬Siehe, Erfolg haben wird mein Knecht,
wird emporkommen und sehr erhaben und hoch dastehen. Wie sich
viele über dich entsetzt haben — so entstellt, nicht mehr menschlich,
wrar sein Aussehen, noch seine Gestalt die von Menschenkindern —
so wird er auflfahren machen viele Völker; über ihn werden Könige
schließen ihren Mund, denn was ihnen nie erzählt worden,, das sehen
sie und was sie nie gehört, gewähren sie“ (52, 13—15). So lautet
die Einleitung zu dieser geschichtlichen Betrachtung über die Be-
freiung Israels aus seiner kläglichen äußeren Erscheinung.
An diese verheißende Prognose knüpft nun das folgende Kapitel
an nach einem Satze, in welchem wiederum die historische Reflexion
das Wort führt. ‫ ״‬Wer hätte unserer Kunde geglaubt, und der Arm
333 ‫י‬

des Ewigen, über wem hat er sich offenbart? . . Er war ohne Gestalt
und ohne Schöne, daß man ihn anseben sollte, und ohne Aussehen,
um Lust an ihm zu haben. Verachtet war er und verlassen von
Menschen, ein Mann der Schmerzen und vertraut mit Krankheit, und
gleich einem, vor dem man das Antlitz verhüllt, so war er verachtet
und wir achteten sein nicht“ (53, 1—3). Bis hierher spricht die
Meinung, welche ein Entsprechen annimmt zwischen Leiden und
Strafe, wenngleich als Strafe hier die •Verachtung des Menschen sich
kundgibt. Jetzt kommt nun aber der Umschwung, und nicht nur
dahin, daß der Leidende unschuldig leidet, sondern sogar dahin, daß
er fü r den Schuldigen leidet.
Man kann nun fragen, wie der Prophet zu einer solchen Auf-
fassung kommen konnte, die doch nur mit dem Opfergedanken ver-
trägiich ist, welchen er jedoch überwunden hatte. Wie konnte diese
Ansicht ihm noch entstehen und bestehen vor dem Glauben an die Ge‫־‬
reehtigkeit Gottes? Indessen in dieser Konsequenz, welche keine Neben‫־‬
rücksichten, auch die auf Gott nicht achtet, bezeugt sich die ge‫־‬
waltige sittliche Energie des Propheten.
27. Das Problem des Bösen, welches die ganze biblische Lite-
ratur durchzieht, wird hier vom Individuum auf das Geschichtsbild
der Völker übertragen. Die Völker alle fröhnen dem Götzendienst,
und sie prangen in historischer Blüte. Israel allein leidet unter den
Verfolgungen der Götzendiener, und Israel hat den Beruf, nicht allein
den wahren Gottesdienst zu behaupten, sondern auch ihn unter die
Völker zu verbreiten. Ein solcher Widerspruch im Geschichtsbilde
zwischen Vergangenheit und Zukunft der Geschichte kann keine andere
Lösung zulassen als diese: in dem Leiden für die V ölker er-
w irb t Is ra e l das R ech t, sie zu bekehren.
Das geschichtliche Leiden Israels gibt ihm seine geschichtliche
Menschenwürde, seine tragische Mission, welche seinen Anteil an der
göttlichen Erziehung des Menschengeschlechts darstellt. Wie anders
könnte man diese Differenz zwischen der historischen Mission uud dem
historischen Schicksal auf heben? Es gibt keine andere Lösung, als
welche der Gedanke bringt: Es ist eben nicht ein trauriges Schicksal
der Juden, für die Verbreitung des Monotheismus zu leiden, sondern
das Leiden bildet vielmehr seinen tragischen Beruf; denn es beweist
den H e r z e n sa ri t e i 1■dieses Glaubens Volkes an der Bekehrung der Völker.
Es ist kein Machtgelüst und kein historischer; Instinkt, die• zu
dieser Laufbahn stacheln, sondern die freiwillig übernommenen Leiden
334

deklarieren die historische Würdigkeit der Dulder. Es gibt kein anderes


Mittel, diese zu unbezweifelbarer Klarheit zu bringen;
Es ist nebenbei auch der Gipfel in der Abwürdigung des
E udäm onism u s, der in dieser des Weltbesten ;wegen alles ver-
.gänglich Irdische verachtenden Lebenstragik erklommen wird. Und
es ist ebenso der Gipfel e th isc h e r A u tark ie , die sich auch um
das Bedenken von der Gerechtigkeit Gottes nicht zu kümmern scheint.
Diese soll ja eben zu ihrer wahrhaften Offenbarung erst in der
Zukunft kommen. Dann wird das.Leiden nicht nur aufhören, sondern
sein Erfolg wird erreicht sein: alle Völker werden den einzigen
Gott anbeten.
28. Jetzt können wir im Texte des Kapitels fortfahren. ‫ ״‬Wahr-
lieh, vielmehr unsere Krankheiten, er hat sie getragen und unsere
Schmerzen, er lud sie auf sich, wir aber erachteten ihn für den von
Gott getroffenen und geschlagenen und gedemütigten. LTnd doch
ward er durchbohrt für unsere Missetaten, zerschlagen ob unserer
Sünden, Züchtigung uns. zum Frieden lag auf ihm, und durch seine
Wunde ward uns Heilung“ (ib. 4, 5).
Im Grunde ist diese Theodizee dieselbe, welche •in den Anawim
die Gleichung zwischen den Armen und den Frommen hervorbrachte.
Auch bei dieser Gleichsetzung waren Propheten und Psalmendichter
unbekümmert um die göttliche Gerechtigkeit, sondern nur darauf
bedacht, den falschen Schein des Unrechts von der Armut hinweg-
zunehraen. Gott wird das Recht des Armen schon herbeiführen.
Daran zweifelt der ethische Monotheismus nicht.
Diese Gleichstellung des Leidenden mit‫ ־‬dem Boten Gottes wird
nun hier von der sozialen Anomalie auf die historische übertragen,
welche Israels Geschichte dai stellt. End die theodizeeische Lösung
dieses Welträtsels kommt hier zu der Formulierung: ‫ ״‬Züchtigung
zu unserem Frieden“. Dies ist die prophetische Charakteristik von
Israels geschichtlicher Laufbahn. Das Leiden Israels ist die tragische
Züchtigung, welche den Frieden der Menschen herbeiführen soll.
29. Die geschichtliche Reflexion geht weiter.. Der Prophet läßt
die Völker sprechen: ‫״‬Wir alle, wie Schafe irrterr wir umher, jeder
nach seinem Wege wandten wir uns, aber der Ewige ließ ihn treffen
unser aller Schuld. Er ward bedrängt und beugte sich und tat
nicht auf seinen Mund, wie ein Lamm, das zur Schlachtung geführt
wird, und wie ein Schaf, das vor seinen *Scherern verstummt-, und er
;-öffnete seinen Mund nicht“ (ib. 6, 7). Sehr charakteristisch dürfte
diese Wiederholung von dem Mchtöffnen des Mundes sein. Sie mag
hindeuten auf die vermißte R e c h tfe rtig u n g Israels im Laufe der
Geschichte. Die Völker leben dahin in ihrem mannigfachen Götzen-
dienste, und sie alle bedrücken und plagen Israel, dem keine Beeilt-
fertigung wird, das seinen Mund nicht auftun kann, weil es nicht
gehört, und was es sprechen würde, nicht verstanden wird.
30. Folgen wir den ferneren Ausführungen. ‫ ״‬Von Drangsal und
Gericht ward er hinweggenommen, doch in seinem Z e ita lte r wer
sann dem nach, daß er abgeschnitten ward vom Lande des Lebens,
ob der Missetat meines Volkes“ (H erzfeld : der Völker), ‫״‬als Strafe
für sie. Man gab ihm bei Frevlern sein Grab und bei Gottlosen“
(eigentlich Reichen, die in dieser Bedeutung den Gegensatz bilden
zu den Armen, als den Frommen) ‫״‬seinen Grabhügel, dafür daß er
keine Gewalttat getan, und kein Trug in seinem Munde war. Aber
dem Ewigen gefiel es, ihn mit Leiden zu schlagen: wenn zum S ch u ld -
o p fer sich setzte seine Seele, so wird er Samen schauen, langes
Leben haben und der Wille Gottes durch seine Hand gelingt (8—10).
Auffällig ist hier besonders die Anrede an das ‫״‬Zeitalter“. Und
was dem Zeitalter vorgeworfen wird, das ist die mangelnde Erwägung
darüber, daß Israel abgeschnitten wird vom Lande des Lebens. Es
ist Mißverständnis, darunter den Tod zu verstehen; denn Tod ist
das gemeine Menschenlos, und daß dieses auch Israel trifft, könnte
dem Zeitalter nicht auffällig sein; es kann ihm daher nicht vorgeworfen
werden, daß es darüber nicht nachdenkt. Darum ist auch das Grab
ebenso nur symbolisch, wie dies der Reiche ist neben dem Bösen.
Der Sinn ist vielmehr, daß die Völker Israel tot und abgestorben
glauben, und ihm sein Grab geben neben den Götzendienern. Es
macht Gott aber offenbar diesen S cheintod Israels in seinen Leiden als
das Schuldopfer für den Frieden der Menschheit. Auf den Scheintod
folgt denn auch ganz unbefangen langes Leben und Fruchtbarkeit,
auf daß das Werk Gottes durch seine Hand gelinge.
31. Die Aufgabe des Gottesknechtes wird immer komplizierter.
Der Abschluß der Gedanken des Kapitels bringt die Vollendung dieser
geschichtlichen Vision ‫״‬An dem Mühsal seiner Seele soll man sehen
und sich sättigen. Durch seine E rk e n n tn is wird gerecht machen
der Gerechte, mein Knecht, viele, und ihre Sünden ladet er sich auf.
Darum gebe ich ihm Anteil unter vielen und mit Starken soll er
Beute teilen dafür, daß er bloßgestellt dem Tode sein Leben und zu
336

| Missetätern sich zählen ließ, während er die Sünde vieler trug und
!für die Missetäter sich treffen ließ“ (11. 1:2).
Um mit dem Letzten zu beginnen, so ist die Übersetzung des
letzten Wortes bei K au tzsch : ‫״‬und für ihre Missetat der Mittler
ward“ ganz unzulässig. Der Ausdruck (‫ )הפגיע‬wird nur von Vers (‫>׳‬
wiederholt. Was den Versen mit diesem Ausdruck Neuheit geben
dürfte, liegt in dem Ausspruch der F re iw illig k e it, mit welcher der
Gottesknecht das Leiden auf sich nimmt, vielmehr sich ihm bJoßstellt.
Diese Mühsal seiner Seele enthüllt die tragische Bedeutsamkeit, an
>der man sich nicht satt sehen kann, oder besser, die man schauen
und von deren Schau man sich sättigen, sich erfüllen soll.
Die Freiwilligkeit wird ausgedrückt durch ‫ ״‬seine Erkenntnis“.
Die Erkenntnis bedeutet hier die Gesinnung, welche darum besonders
gerecht machen wird den Gerechten, weil sie die Anerkennung des
Gerechten ihm einbringen wird. Daher erklärt sich auch die SiegesT
beute unter den vielen und Mächtigen, die ja nur entsprechend ist
seiner Bereitwilligkeit, die ‫״‬Sünde der vielen“ auf sich zu nehmen.
Und so erklärt sich die Nachstellung und Wiederholung des
Wortes für ‫״‬viele“ auch in dem Satze ‫״‬mein Knecht für viele“
(11, 12). Der Mehrheit der Menschen und der Völker wird hier der
Gottesknecht entgegengestellt, der sich treffen läßt für die Sünde
der Vielen. Diese tragische Gesinnung wird den Gerechten zu Ehren
und zur historischen Rechtfertigung bringen. Und das ist der Anr
teil an der Geschichtsbeute, der ihm zugesprochen wird. So endet
mit der messianischen Lösung auch diese Fabel von dem Leiden
Israels. Die Freiwilligkeit und die Erkenntnis schlagen endlich
vollends die Meinung aus dem Felde, daß sie sich auf die
Übernahme der Sünde beziehen könnten, und nicht vielmehr nur
auf die des Schuldopfers. Die Sünde kann der Gottesknecht mit
seiner Erkenntnis keineswegs freiwillig zu übernehmen haben! Seine
Erkenntnis von der göttlichen Erziehung des Menschengeschlechts
dagegen kann ihn zu der freiwilligen Übernahme des geschichtlichen
Leidens hinführen. Er trägt die Sünden für viele, er ladet sie auf
sich. So macht er sich selbst zum Schuldopfer, indem er die Last
der Sünde auf sich‫ ־‬nimmt. Das Leiden stellt diese Last der Sünde
dar. Der Götzendiener erkennt diese Last nicht. Es ist die Er-
kenntnis des Gottesknechtes, welche die Enthüllung dieser Last bewirkt,
v Es ist immer hur rdas tragische Leid, für welches der Gottes-
knecht zum symbolischen Träger wird. Dahingegen würde er zum
gewöhnlichen Helden der Tragödie herabsinken, wenn er selbst die
Schuld der Menschen übernehmen sollte. Die Schuld bleibt dem
Schuldigen; aber das Leiden nimmt der Gerechte auf sich, der durch
diese Übernahme die Geschlechter der Menschen zur Versöhnung
mit Gott bringt.
Die Weltgeschichte mit ihrem messianischen Ziele vollzieht diese
Versöhnung Gottes mit den Völkern. Und das Volk Israel ist in
der Vision des Gottesknechtes mehr als der Priester, vielmehr das
Schlachtopfer, das sich dem Leiden bloßstellt durch seine Erkenntnis
von dem unersetzlichen Werte dieses Leidens für das geschichtliche
Heil der Menschheit.
33. Noch eine Bemerkung darf hier nicht unterdrückt werden.
Unverkennbar ist es, wie genau nach dieser hochpoetischen Vision
die Passionsgeschichte Christi verfaßt worden ist. Aber in der
modernen Bibelforschung deutet kein Werk darauf hin, daß dieser
Zusammenhang zwischen Dichtung und Geschichte besteht. Und
doch will sie nicht mehr nur Theologie, sondern Literaturgeschichte
sein. Möchte darin wenigstens noch das Geständnis zu erkennen
sein, daß die Bibelexegese nicht mehr Theologie und Beligion auf
Geschichte gründen will!
34. Hier möchte der Ort sein, frühere Prophetenreden'einzufügen,
weil sie der hier gewonnenen Entwicklung entsprechen. Das Schicksal
des Volkes hat doch vielleicht niemand so gewaltig dem Bilde des
Gottesknechtes verwandt geschildert wie J o e l, der im Tale Josaphat
(der Name bedeutet Gott richtet) ein Weltgericht über die Völker
verkündet. Aber in dieser frühen Prophetenzeit schon verbindet Joel
mit dem Gedanken des Weltgerichts nicht nur, daß in Jerusalem
‫ ״‬die Berge von Most triefen, die Hügel von Milch fließen“ (4, 18)
sondern mit dieser äußeren Beglückung des eigenen Landes verbindet er
das innerlichste Zeichen der messianischen Zukunft: ‫״‬Und es wird ge-
schehen hernachmals, da werde ich ausgießen meinen Geist a u f a lles
F le is c h , und es werden weissagen eure Söhne und eure Töchter,
eure Greise werden Träume träumen, eure Jünglinge Gesichte schauen.
Und auch auf die K nechte und die M ägde werde ich in jenen Tagen
ausgießen meinen Geist“ (3, 1, 2). In diesem sozialen Universalismus
vollzieht sich die Ähnlichkeit, abgesehen von dem Weltgerichte, zwischen
dem Knechte Gottes und dem Beruf des Propheten. Wie der Knecht
Gottes den Beruf des Messias verallgemeinert, so wird hier der des
Propheten auf das ganze Volk und in der echten Prägnanz, unter
22
338

dem ausdrücklichen Einschluß der Sklaven, .,allgemein vermenschlicht,


wenngleich nicht ausdrücklich auf die Völker Bezug genommen ist.
Aber da. auch der Zeit nach die Völker also ihre Strafe schon
empfangen haben, so gibt der Ausdruck ‫״‬ich werde meinen Geist
ausgießen über alles Fleisch“ auch den Völkern ihren Anteil an dem
verallgemeinerten Prophetenberuf.
35. Ferner werden einige Kapitel von S ach arj a der früheren Zeit
zugerechnet. ‫״‬Jubele gar sehr, Tochter Zion, jauchze, Tochter Jerusalem!
Siehe, dein König kommt zu dir, gerecht und siegreich ist er, demütig
und reitet auf einem Esel, auf einem Füllen, dem Jungen einer
Eselin. Und ich werde ausrotten die Wagen von Ephraim und die
Bosse von Jerusalem, und ausgerottet wird der Kriegsbogen; aber
er wird Frieden verkünden den Völkern“ (9, 9, 10). Der Messias
heißt hier zwar König, aber zugleich auch ist er demütig und auf einem
‫׳‬Esel ‫׳‬. reitend, wie denn das hebräische Wort nicht sowohl demütig,
als vielmehr , arm bedeutet. Die genaue Übersetzung wäre also:
‫ ״‬siehe dein König kommt zu dir, gerecht und siegreich ist er, arm
und auf einem Esel reitend“. So ist dieser König ein Vorspiel vom
Knechte Gottes.
In diesem Geiste taucht mitten in der Beschreibung der
Schrecken des ‫״‬Tages des Herrn“ der große Wahlspruch der messia-
nischen Religion auf: ‫״‬Und es wird der Ewige König sein über die
ganze Erde: an jenem Tage wird der Ewige ein zig sein und
sein Name e in z ig “ -(14, 9). So verwandelt sich hier der Tag des
Herrn in den Tag des messianischen Zeitalters, welches dem Mono-
theismus seine Erfüllung dadurch bringt, daß auch der Name Gottes
einheitlich anerkannt wird. Es ist, als ob der Prophet sagen wollte,
.daß erst, wenn sein Name einzig ist, seine Einzigkeit bestätigt würde.
Der messianische Idealismus darf sich diese Bedeutung für den Namen
Gottes und seiner einheitlichen Anerkennung zusprechen.
36. Der Prophet verbindet diese frohe Botschaft für den ‫״‬Best
des Volkes“ mit der ‫״‬Saat des Friedens“, zugleich aber auch mit der
Mahnung: ‫״‬Redet Wahrheit einer mit seinem anderen, Wahrheit und
Friedensrecht richtet in euren Toren“ (8, 16).
In diesem echten, auf die soziale Gerechtigkeit gegründeten
Messianismus erhebt sich der Prophet über die Pietät der'nationalen
F a s tta g e , die zu Freudenfesten werden sollen unter der Bedingung:
‫ ״‬die Wahrheit und den Frieden liebet! (8, 19). In diesem Ernste
verkündet er seine Hoffnung: ‫״‬Und es werden kommen viele Völker
3.39

.und; mächtige Nationen, zu suchen den Ewigen Zebaoth in Jerusalem


lind zu flehen vor dem Ewigen. So ■■spricht‫ ־‬der‫;־‬Ewige Zebaoth: .. In
jenen Tagen wird es geschehen, daß zehn Männer aus alle n S prachen
der Nationen den Rockzipfel eines judäischen Mannes ergreifen werden
und sprechen: Wir wollen mit euch gehen, denn wir haben gehört,
‫־״‬Gott ist mit euch“ (8 ,2 2 ,2 3 ), vgl. 2, 15). An jener letzteren
Stelle aber ist doch eine Steigerung des Gedankens zu bemerken:
‫ ״‬Und es werden sich a n sc h lie ß e n viele Völker dem Ewigen an jenem
Tage, und sie w erden m ir zum Volke s e in “. Also auch die sich
,anschließenden Völker werden in Einheit kommen mit Israel. Sie
werden ebenso, wie Israel, für Gott sein Volk sein. So wird der
Nationalismus der Erwählung vollständig überwunden. Diese Höhe
erklimmt Sacharja.
36. Ein neues Motiv führt M aleachi ein, zu dem vielleicht
Serubabel den Anlaß gegeben haben mag: er läßt E lia dem Messias
vorausgehen. ‫״‬Siehe, ich sende euch Elia, den Propheten, vor dem
kommenden Tage des Herren, dem großen und furchtbaren. Er wird
zurückführen das Herz der Väter zu den Söhnen, und das Herz der
Söhne zu ihren Vätern“ (3, 23, 24). Es ist, als. ob dem Elia die Vor-
mission zuerteilt würde, zuerst Eintracht herzustellen in den Familien,
bevor der Messias die Eintracht lierstellen kann in den Völkerfamilien
‫־‬.der Erde.
Diese Eintracht bereitet er ferner vor durch die Forderung der
Gottesfurcht gegenüber aller S kepsis. Und eine Übereinstimmung
mit den Armen, als den Frommen, möchte hier zu finden sein in
derjenigen zwischen den. Gottesfürchtigen und dem Eigentum (.(‫סגלה‬
‫ ״‬Und sie sollen mir sein, spricht der Ewige Zebaoth, an dem Tage,
den ich schaffe, zum Eigentume“ (3, 17). Der Titel, der sonst
(2, M. 19, 5) für ganz Israel gilt, wird hier auf die Gottesfürchtigen
eingeschränkt. Auch in dieser Änderung liegt tiefer messianischer
Sinn.

37. Bis hierher durchmustern wir die Abwandlungen, welche vor


und nach dem Exil die messianische Grundidee bei den Propheten
erfahren hat. Eine besondere Variation bringen noch die P salm en
hinzu. Wir werden später beim Gebete auf sie eingehen können.
*Aber die größte Veränderung war durch die Verbindung dieser
;Menschheitsidee mit den Fragen über die Individualseele entstanden.
22 *
340

Überblickt man diese ganze Sammlung der messianischen Bibel-


stellen, in welcher nichts unzweifelhaft Messianisches ausgelassen
sein dürfte, so ergibt sich zunächst als falsche Ansicht, welche die Auf-
fassung des Messianismus alsE sch ato lo g ie bildet. Denn wenn von der
einen Jesajastelle, in welcher ‫ ״‬der Tod auf immer verschlungen“ werden
soll, abgesehen wird, so weisen alle anderen Stellen auf eine irdische
Zukunft, sei es Israels vornehmlich, sei es aller Völker insgesamt hin.
Die eine Stelle vom Tode könnte sehr wohl als eine ähnliche-
Poesie aufzufassen sein, wie die vom Naturfrieden, der auch auf die-
Tiere sich erstreckt. Aber selbst wenn sie unter dem Einfluß der
magischen Lehre entstanden sein sollte, so würde diese in Poesie-
übertragene Einwirkung nur umsomehr beweisen, daß dem jüdischen
Elemente selbst jener mythologische Gedanke fremd war. Alle
Propheten hingegen, vor, wie nach dem Exil, denken unter dem
‫״‬Ende der Tage“, selbst wenn dieses von einigen sogar als nahe
\ bevorstehend gedacht sein sollte, doch immer eine politische Zukunft
*des eigenen Volkes und der Menschheit.
Es spricht sogar auch für das Vorwiegen des politischen Motivs
der Umstand, daß das Ende der Tage nicht ausdrücklich als eine
ganz ferne unerdenkliche Zukunft beschrieben, sondern daß die ge-
nauere Zeitbestimmung in Unklarheit belassen wurde. Nur auf die Zu-
kunft kam es den Propheten an gegenüber der Gegenwart mit ihrer
Macht und ihrer Unsittlichkeit, aber ebenso auch gegenüber der Ver-
gangenheit mit allen ihren Schauern und Reizen der Pietät. Äiü
die Zukunft allein stellen sie den Blick ein und wollen sie den Blick
der Menschen hinlenken, und zwar durchaus nur auf die irdische
Zukunft mit ihren Pflichten, Sorgen und Hoffnungen.
Dies ist das große kulturgeschichtliche Rätsel, welches der
Messianismus aufstellt. Alle Völker verlegen das goldene Zeitalter
in die Vergangenheit, in die Urzeit; das jüdische Volk allein erhofft

I die Entwicklung der Menschheit von der Zukunft. Der Messianismus


allein behauptet Entwicklung des Menschengeschlechts, während das
goldene Zeitalter Abwärtsentwicklung ist. Daher ist die übliche
Bezeichnung des messianischen Zeitalters, als des goldenen, ein
grober Irrtum, der den Gedanken geradezu umkehrt. Vergangenheit
und Gegenwart verschwinden im Messianismus vor der Zukunft,,
welche allein das Zeitbewußtsein erfüllt.
Dieses kulturgeschichtliche Rätsel kann nicht als ein ethno-
logisches aufgefaßt werden; denn damit würde dem Rätsel nur ein
341

anderer Name gegeben: es bleibt beim Rätsel, wenn man das jüdische
Yolk in seinem Naturinstinkt als die letzte Ursache betrachtet für
die Erklärung einer solchen kulturgeschichtlichen Eigenheit. Ohnehin J
würde von der anderen Seite, welche das Fehlen der E sch ato lo g ie
bildet, das Rätsel sich nur wiederholen und steigern. Wie ist es
zu erklären, daß von allen alten Völkern allein das israelitische dem
Mythos von der Unterwelt und ihrem beständigen Zusammenhänge
mit der Oberwelt widerstehen konnte? Wäre es die richtige Antwort
.auf diese Frage, wenn man den Messianismus als Ersatz der Escha-
tologie betrachten würde?
Offenbar wäre auch diese Antwort vielmehr nur eine neue Frage,
eine Wiederholung der alten. Denn wie ist es überhaupt zu ver-
stehen, daß ein altes Volk eine solche Anomalie darstellt gegenüber
den universellen Reizen dieses M}rthos, der überall in die reife
Kulturwelt eingreift? Oder sollte etwa diese Anomalie dadurch er-
klärbar werden, daß die .alte.■biblische Welt auch von der Unsterblich-
keit eine mächtige Anregung erfahren und in sich verarbeitet habe?
Wir werden sehen, daß in charakteristischer Weise die ün-
Sterblichkeit durchaus dem biblischen Geiste nicht fremd geblieben,
sondern ‫־‬von ihm neu belebt und vergeistigt worden ist. Aber
gerade von dieser positiven Tatsache aus verstärkt sich die Bedeutung
der negativen: des Fehlens oder Zuriicktretens der Ausführungen,[
welche die Unsterblichkeit‘ in der Eschatologie gefunden hat. Die[
Unsterblichkeit bietet daher eine Verstärkung der Frage, welche der
Ausfall der Eschatologie bildet.
Nur durch positive Momente kann dieses negative erklärbar
‫־‬werden. Indessen konnte die Unsterblichkeit, obzwar sie, wie wir sehen
werden, durchaus vorhanden ist, doch nicht zu einer solchen Aus-
führung gelangen, durch welche ausdrücklich die Eschatologie er-
ledigt worden wäre. Und so bleibt die Frage nach dem positiven
Momente bestehen, welches jene Verdrängung bewirkt habe.
Die Rassenfrage verdirbt auch hier alle Methodik. Von ihr aus würde r
man zu so vagen-Oberflächlichkeiten sich verirren können, wie der so-'
genannte W irk lic h k e its s in n eine solche ist. Ein Volk sollte von<‘
Natur so verwahrlost sein, daß es nur ffür die Gegenwart Sinn hätte mit
deren beherrschender Macht, gptgegen aber allem Interesse an einer
überirdischem Welt! Gegen eine solche-Abnormität spräche ja schon
die Tatsache, daß dieses Volk vielmehr die Zukunft an die Stelle der
‫־‬Gegenwart und der Vergangenheit gesetzt hat. Und dürfte man
342

hinwiederum -einwenden, daß diese Zukunft eben immer nur als eine
irdische gedacht werde, beweise unwiderleglich, daß von der sinnlichen
Wirklichkeit das Verlangen dieses Volkes beherrscht worden wäre?
Aber dawider spricht ja die schier unbegreifliche Tatsache, daß
der Messianismus gerade aller politischen Gegenwartswirklichkeit, def‫־‬
eigenen, wie der fremden, Trotz bietet, sie herabsetzt und verachtet,,
sie erbarmungslos vernichtet, um an die Stelle dieser sinnlichen
Gegenwart eine neue Art von Übersinnlichkeit zu setzen, nicht eine
überirdische, sondern die der Zukunft. Diese Zukunft schafft eine
neue Erde und einen neuen Himmel, also eine neue Wirklichkeit.
Diese Schöpfung der Zukunft, als der wahrhaften politischen Wirklich-
keit, ist das große Werk des Messianismus. Und diese Schöpfung‘‫־‬
kann nur das Erzeugnis des Monotheismus selbst sein.
Ein anderes Bedenken aber muß hier noch erwogen werden. Wir
kennen zwar genugsam bereits den Anteil, den die Vernunft an der
Religion hat. Und wir wissen, daß dieser Vernunftanteil nicht etwa
schlechterdings von der Philosophie abhängig ist, sondern, daß er
selbst eben seine eigene Art von Philosophie ‘ausmacht. Und wir
konnten diese Eigenart anerkennen, weil wir die Eigenart der
Philosophie in der wissenschaftlichen Philosophie erkennen. Die
wissenschaftliche Philosophie ist Idealismus. ' Die Übersinnlichkeit,
welche hier von der Philosophie hervorgebracht wird, ist sozusagen
ilir täglich Brot, mit dem der P la to n ism u s sie für ewige Zeiten
versorgt hat. Das Gute, das Sittliche ist ‫״‬jenseit des Seins“, nämlich
jenseit des mathematisch-naturwissenschaftlichen Seins.
So hat Platon einen *neuen Raum geschaffen für die Ethik, und
dieser Raum deckt sich nicht mit dem Raume der Sinnlichkeit, soferii
diese das Gebiet der Erfahrung eröffnet. So schafft der Idealismus
der wissenschaftlichen Erkenntnis Raum für die Möglichkeit des
ethischen Idealismus. Auch hier ist die Jenseitigkeit nicht eine
überirdische Sinnlichkeit, und dennoch ist sie die Begründung und
die Gewähr einer von der Natur unterschiedenen sittlichen Welt.
Sollte nun, was dem wissenschaftlichen Idealismus gelungen ist und
nach seiner strengen Methodik gelingen konnte, auch möglich ge-
worden und als möglich verständlich sein bei der Religion kraft
ihres Vernunftsanteils zwar, aber ohne die technische Mitwirkung der
wissenschaftlichen Philosophie?
Ein neues Wunder stellt sich hier ein. Platon hat die Ethik be‫״‬
gründet mit dieser T ran szen d en z des Guten. Und von dieser Ethik
343

aus geht mit Überschreitung der Jahrtausende ein gerader Weg zti
K ant. Aber in diesen Jahrtausenden ist die Ethik doch nicht ohne'
Fruchtbarkeit geblieben, wenngleich nicht unzweifelhaft ‫־‬innerhalb
der eigentlichen Philosophie.
Wenn man nun aber schon zugestehen muß, daß die Wissen-
schäften überhaupt trotz oder besser wegen ihrer immanenten Philo-
sophie einen selbständigen methodischen Weg gegangen sind, so gilt
dies viel bestimmter noch von den Geisteswissen schäften und ihren
praktischen Anwendungen in R echt und S taat. Praktisch aber,
wie theoretisch, ist das M itte la lte r in den Wissenschaften von
Recht und Staat• abhängig geworden, zum mindesten ebenso von der
Religion, wie von der antiken und der fortgebildeten Philosophie.
Und nun entsteht die Frage, ob etwa von dieser Tatsache aus es
auch erklärlich werde, daß der Messianismus in sich selbst, als seine .
Art von Idealismus, seine Befreiung von der Eschatologie zu be-
wirken vermochte.
Diese Frage entsteht umso natürlicher, als eine Gegenfrage auf
P la to n gerichtet werden muß: wie ist es zu verstehen, daß dieser
Schöpfer des Idealismus, der von reinster Konsequenz in der
methodischen Ethik war, dennoch so schwankend und inkonsequent
werden konnte in seinen Entwürfen der P o litik ?
Diese Frage ist nicht zu beseitigen durch den Hinweis auf seinen
U to p ism u s, so daß in diesen von der Gegenwart sich scheinbar
abkehrenden Plänen der Gedanke der Zukunft sich ähnlich auspräge
wie im Messianismus. Denn eine solche Ähnlichkeit besteht in
Wahrheit ganz und gar nicht. Platon denkt bei seinem Idealstaate
durchaus nicht an eine E ntw ick lu n g der diesen Staat bildenden
Menschen. Und noch weniger denkt er für diesen-.Idealstaat an
andere Menschen oder gar an andere Völker als an die von vorn-‫־‬
herein angenommenen hellenischen Ackerbürger. Er denkt überhaupt
an keine Zukunft, es sei denn eine solche, welche nur die imauf-
hörliche Wiederholung der Gegenwart wäre.
Sein politischer Idealismus erkennt daher keine eigentliche
Zukunft, sofern diese eine neue eigenartige Schöpfung und Ent^
Wicklung wäre. Das Jenseits, welches er dem Guten einräumt, hat
nur die Bedeutung eines Jenseits zum Sein der mathematisch-natur-
wissenschaftlichen Welt. Es bedeutet aber nicht ein Jenseits zur
Vergangenheit und Gegenwart der geschichtlichen Erfahrung an der
344

Entwicklung der Völker. Dieses Jenseits aber, im Unterschiede vom


eschatologischen, ist der klare Sinn der messianischen Zukunft.
Wenn wir daher fragten, wie der messianische Idealismus er-
klärbar sei lediglich aus der Mitwirkung der Vernunft, aber ohne Mit-
Wirkung der wissenschaftlichen Philosophie, so hat diese Frage jetzt
eine überraschende Antwort gefunden. Wir sind der Tatsache bewußt
geworden, daß der wissenschaftliche Idealismus sogar bei Platon vor
dem Problem versagt hatte, eine messianische Übersinnlichkeit zu
schaffen und zu verbürgen. Wenn es nun aber hingegen eine klare
Tatsache geworden ist, daß die prophetische Vernunft im Messianis-
mus einen solchen Idealismus der Zukunft erdacht hat, so hat sich
darin eben die religiöse Vernunft, die Vernunft der Religion und
daher genauer die Religion der Vernunft bewährt.
Die schöpferische Kraft des religiösen Geistes, der religiösen
Vernunft hat im Messianismus diese die Gegenwart und Vergangen-
heit überfliegende Übersinnlichkeit der Zukunft, als einer neuen
Wirklichkeit, hervorgebracht. Der religiöse Gedanke hat diese über-
sinnliche Wirklichkeit der Zukunft sichergestellt. Daher darf man
diese Zukunft eine Übersinnlichkeit nennen, wenn anders die Sinn-
lichkeit das vorzugsweise Organ der Gegen warts Wirklichkeit ist.
Was nicht bloß der Wirklichkeitssinn aller geschichtlichen Politik
nicht ergriffen, was sogar auch die politische Phantasie nicht ersonnen
hat, das hat der Messianismus in der Zukunft des Menschengeschlechts
als dessen wahrhafte Wirklichkeit hingezaubert, oder vielmehr nicht
als ein zauberhaftes Wunder, sondern als die notwendige Konsequenz
ihrer Gottesidee ausgestaltet. Diese Übersinnlichkeit der irdischen
Zukunft des Menschengeschlechts innerhalb seiner natürlichen Ent-
Wicklung desselben ist die Schöpfung des Messianismus.
Und in dieser Schöpfung bewährt-sich am mächtigsten und am
evidentesten der eigenartige Idealismus der Religion, ein Idealismus,
den selbst Platon nicht erreicht hat. In dieser Schöpfung bewährt
sich in genauer Bestimmtheit und Vollendung die Religion der
Vernunft.
Wir sehen jetzt, wie irreführend der ethnologische Gedanke ist,
der den Messianismus aus dem Rassenbegriffe des jüdischen Volkes
allein und vorzugsweise erklären will. Der Gedanke ist methodisch
falsch. Die Rasse ist günstigstenfalls selbst nur ein Fragezeichen.
Sie kann niemals die Antwort sein auf Fragen, die innerhalb ihres
fraglichen Gebietes entstehen.
345

Aber von diesem methodischen Fehler abgesehen erkennen wir jetzt


auch den Schaden, den dieser Nationalismus, wie überall für Kultur-
fragen, so hier für den Wert der Religion begeht. Der höchste Wert
der Religion wird verdunkelt, wenn man nicht den Messianismus als
die reinste Frucht des Monotheismus erkennt. Nur der Gedanke des
einzigen Gottes kann das geistige Wunder erklärbar machen, welches
der Messianismus, eine durchaus alleinstehende Gedankenschöpfung in
der ganzen Welt des Geistes, bildet. Alle Analogien, wenn sie Identität
beweisen wollen, sind daher nicht bloß falsch, sondern, zugleich auch
Gefährdungen des Monotheismus in seiner Eigenart.
Wenn demnach das goldene Zeitalter des Mythos nicht an sich
die. verkehrte Welt wäre zum messianischen Zeitalter, so wäre die
Analogie auch schon deshalb verhängnisvoll, weil sie den sittlichen
Begriff des Monotheismus vereitelt, indem sie ihn an seiner wichtigsten
Probe gleichsetzt mit dem Polytheismus. Dieser kann die U nschuld!
der Menschen nur als eine vorzeitliche anerkennen. Eine andere;
Möglichkeit aber eröffnet der einzige Gott.
Beim goldenen Zeitalter handelt.es sich um Schuld und S trafe
der Menschen. Schon die Mehrheit der Götter ist außerstande,
die hier unausbleiblichen Konflikte zur entscheidenden Lösung zu
bringen. Der einzige Gott aber ist der Gott der Vergebung der Sünde
für jedes menschliche Individuum, und daher auch für alle Menschen.
Es liegt daher in diesem seinem Begriffe, daß eine Befreiung der
Menschen von der Sündenlast vorgesehen sein muß. Es kann doch
nicht damit sein Bewenden haben, daß die Menschen immer
sündigen und Gott nur immer verzeiht.
Wenn anders vielmehr es sein Begriff ist und die eigentliche
Bedeutung seiner Liebe und seiner Güte, daß er dem Menschen seine
Sunde vergibt, so muß dieser sein Begriff die Bedeutung einschließen:
daß er die Sünde überhaupt zum Verschwinden bringe im Menschen-
geschlecht. Und wenn diese Konsequenz nicht ausdrücklich ein Teil-
gedanke des Messianismus geworden sein sollte, so ist es doch un-
verkennbar, daß das Aufhören der politischen, der geschichtlichen
Sünde in den Kriegen ebenso sicher und deutlich die Zuversicht des
messianischen Propheten beherrscht, wie das Aufhören des sozialen
Unrechts in dem Pauperismus.
Daher bildet der K rieg ein so lehrreiches Symbol in der
messianischen Phantasie. So sehr sie vom Kriegsbilde bewältigt
wird bei der Ausmalung des Strafgerichts, so befreit sie sich mit
gewaltiger Energie von diesem Zauberbild des Krieges, wenn das
Zukunftsbild der Menschheit in Frage steht. Alle Kriegsinstrumente
werden zu Werkzeugen des Friedens, des Ackerbaues und der Reben-
kultur umgeschmiedet: ‫״‬und die Völker werden nicht mehr das
Kriegshandwerk lernen“ . Dieses Symbol des geschichtlichen Frevels
stellen sie als solches mit aller Kraft ihrer Poesie dar und alle Plastik:
ihrer Ethik nimmt ihren höchsten Schwung in der Beschreibung
dieses dämonischen Symbols der bisherigen Weltgeschichte.
‫ן‬ Ob Gott überhaupt■ die Sünde tilgen wird unter den Menschen —
[darüber grübeln sie nicht. Denn die Sünde hat ihre Widerstandskraft
endgültig erlangt in dem verzeihenden Gotte. Aber ihre praktische
Art■ von Ethik, ihre Religion erproben sie an der Politik, zuerst an der
Sozialpolitik und sodann an der internationalen. Und da besonders
hat sich nun der gütige Gott zu bewähren, nachdem er im Staate
für die Armen sein Werk getan hat. Jetzt aber soll er seine Güte
beweisen nicht nur für die Armen, für Witwe, Waise und Fremd-
ling, sondern für alle Menschen, und zwar für alle Völker. So ist
der Messianismus die neue Konsequenz des einzigen Gottes, als des
Gottes der Liebe und der Güte.
Wir haben unter den Bibelstellen für den Messianismus gar nicht
ausführlich die messianischen P salm e n herängezogen, die in froher
Zuversicht alle Völker herbeirufen und herankommen sehen zu dem
Dienste des Ewigen.
Was in den Psalmen hierfür eine Eigenart bilden dürfte, das
ist die Bezeichnung Gottes als des guten. ‫ ״‬Danket dem Ewigen,
denn er ist gut“ (Ps. 136, 1); dies möchte genauer heißen: bekennet
den Ewigen als den Guten. Und diese Güte Gottes erstreckt sich
auf alle Menschen und auf alle Völker. Die Güte Gottes ist der
Hauptgrund für den Messianismus der Psalmen.
Dieses Attribut Gottes ist zugleich auch das besonders geeignete1
für den ly risc h en Stil der Psalmen. Die Liebe ist der Seelenzu-
stand des lyrischen Sängers. Sie bezeichnet seine Sehnsucht, sein
Bedürfnis, sein Verlangen nach Gott. Daher kann diesem Liebes-
verlangen der Seele nicht genau entsprechend die Liebe Gottes gelten;
wohl aber tritt die Güte hier an die Stelle der Liebe.
Wenn der Mensch mit seiner Liebe Gott sucht;1 so sucht Gott
ihn mit seiner Güte. ‫־‬
Und diese Güte dürfte ein besserer Ersatz sein für die Zwei-
deütigkeit,‘ welche nuii einmal in der Liebe liegt, als jener am or
347

in te lle c tu a lis , dessen sieli der Pantheismus, der ihn keineswegs


erdacht hat, allerwege so gern bemächtigt. Diese geistige Liebe wird
entbehrlich, wo die Liebe als Güte genau bestimmt wird.
Daher ist Gott gut gegen alle Wesen, nicht allein mit der
sozialen Prägnanz, sondern, was nicht minder wichtig ist, mit der
messianischen zu allen Völkern.
Der Psalm scheint sich auch der Neuheit des Gedankens bewußt,,
daher die häufige Wendung ‫״‬Singet dem Ewigen ein neues Lied‫״‬
(Ps. 33, 3). Die Güte Gottes, als der Grund des Gottesreiches für
alle Völker, ist das Thema dieses neuen Liedes, des Psalmenliedes
überhaupt, als der neuen Darstellungs weise der Gotteserkenntnis und
der Gottesverehrung. So ist das neue Lied die neue Bestätigung
des Monotheismus, als der einzigen und der zulänglichen Ursache
des Messianismus.
Kapitel XV.

Unsterblichkeit und Auferstehung.


j 1. Die Unsterblichkeit der Seele entstammt dem Mythos, der
!wiederum mit den primitivsten Vorstellungen vom Menschen und
seinen Zusammenhängen mit Familie und Stamm in deren Ursprung
und Entwicklung verbunden ist. E rw in Rhode sagt in seiner
‫ ״‬Psyche“, daß die Unsterblichkeit in Griechenland niemals Volks-
glaube gewesen sei. Der Gedanke der Unsterblichkeit setzt den Ge-
danken der Seele voraus. Aber welchen Wechsel hat die Vorstellung
von der Seele durchzumachen gehabt!
Die Seele ist Rauchseele, als Blutseele, sofern das vergossene
Blut noch seine Wärme, wie Rauch, aufgehen läßt. Oder sie ist
;Hauchseele, sofern im Atem der Lebenshauch sichtbar wird. In
beiden Formen ist die Seele nur die Lebenskraft. Für geistige
Funktionen, oder auch nur für solche des Affekts, hat die Sprache
H om ers nur den Ausdruck körperlicher Organe, wie des Zwerch-
felis; noch gar nicht aber wird die Seele gedacht als das Organ
des geistigen Organismus.
2. Wir können es bei P la to n beobachten, wie allgemach die Seele
zu einem geistigen Prinzip wird. Wie nämlich in Platons Dialektik
die philosophischen Probleme des B ew u ß tsein s eines nach dem
anderen auftreten, und wie sehr sie sich immer mehr miteinander
verschlingen, so wächst demgemäß der Seelenbegriff zu seiner Mannig-
faltigkeit und an dieser auch zu seiner Einheit heran.
Vornehmlich und zuerst steht die Seele für das Denken ein,
und in diesem isolierten Sinne für das Bewußtsein alsbald
aber muß sie auch für die- sittlichen Probleme herangezogen werden,
und so entsteht die Vernunft (voog) ursprünglich nur als theore-
i ischer Geist gedacht, zugleich auch als sittliche, als praktische
Vernunft. Sobald aber die Seele diese erweiterte Bedeutung er-
349

langt hatte, wird die Unsterblichkeit zu einem notwendigen Attribut


der Seele.
Keineswegs aber liegt der Ursprung der Unsterblichkeit in dem
ethischen Begriff der Seele. Diese Ansicht wird schon dadurch
widerlegt, daß der Seelenbegriff ursprünglich für die philosophische
Spekulation gar nicht dem Probleme des Menschen entstammt,
sondern vielmehr dem des Kosmos. Die Seele ist das Lebensprinzip
des Kosmos, sofern dieser auf Bewegung beruht. Bewegung aber
fordert als ihr Prinzip die Selbstbewegung. Und so ist die Seele,,
als Weltseele, das Prinzip der Selbstbewegung. Und diese Selbst-
bewegung wird alsdann von dem Kosmos auf den Mikrokosmos
übertragen, und auch das Leben wird demgemäß auf das Prinzip
der Selbstbewegung gegründet. In dieser Ausdehnung des Seelen-
prinzips auf den Kosmos und auf alles Leben sagt daher Platon:
alle Seele ist unsterblich. Alles, was Seele ist, und was die Seele
überall zu bedeuten hat, das wird durch Unsterblichkeit aus gedrückt.
Eine solche spekulative und nicht minder auch methodische
Wandlung hat der Seelenbegriff bei Platon erfahren. Wenn man
von dieser Höhe aus zurückblickt auf die Bedeutung der Seele als
Spukgeist, der in die Ordnungen der Oberwelt schadenfroh eingreift,
oder wie er im Ahnenkultus die Zusammenhänge des Geschlechts-
aufrechterhält, Pietät erweckt und sittliche Verpflichtungen über das-
Grab hinaus bindend erhält, so gewahrt man an diesem Problem
eine Vergeistigung und Idealisierung, wie sie in solcher Fülle der
Bedeutungen und in solcher Bestimmtheit der Ausprägung bei keinem
anderen Begriffe der Kultur nachweisbar sein wird.
Aber schon bei Platon muß es auffällig scheinen und muß diese
Auffälligkeit als charakteristisch erkannt werden, daß er von diesen
hohen Abstraktionen aus, welche von den mythischen Ursprüngen des
Begriffs sich weitab entfernen, nichtsdestoweniger doch auch alle
die Heerstraßen und Schlupfwinkel des Mythos wieder betritt, sobald
er von der methodischen Begründung der Ethik übergeht zu den
Konsequenzen für die Religion. Auch bei dem Übergang der Ethik
für Anwendung auf Recht und Staat hat sich uns ja bereits eine
große Differenz im Gesamtbilde Platons ergeben. Die politische
Anomalie findet nun ihre Erklärung in der religiösen.
Der philosophische Stil Platons ist mehr als bei jedem anderen
Philosophen mit dem des Künstlers verwachsen. Und so ist es
350

nicht allein etwa religiöse Befangenheit oder altfränkische Pietät,


welche ihn die vaterländischen Mythen nicht verschmähen läßt, zumal
dieselben damals in der orphischen Theologie reformiert wurden,
sondern der künstlerische Schwerpunkt seiner Persönlichkeit vor-
leitete ihn zum Spiel mit den Mythen. Seiner dichterischen Phantasie
konnte sich das Problem der Satyre nicht entziehen, welches die
Mythen vom Hades darbieten. Warum J sollte er in seiner Satyre
eingeschränkt bleiben auf das Feld der Sophisten, während die ganze
Unterwelt vom Mythos zur Geißelung der menschlichen Laster und
Schwächen dargeboten wird? Dieses künstlerische Moment muß man
gründlich beachten, wenn anders man die Umdichtung und Ausdeutung
der Hadesmythen bei Platon nicht nach ihrem Buchstaben verstehen
und würdigen will und kann.
Auch die Maler des Mittelalters und der !Renaissance dürften
ohne diese Mitwirkung ihres H um ors nicht zu den Bildern vom
jüngsten Gericht geschritten sein. Das Idyll der Seligen allein hat
sie nicht gereizt, sondern viel gewaltiger fesselten sie die Schreckens-
, bilder der Bestrafungen. Waren sie etwa Henkersknechte? Oder
/ erweisen sie sich in diesen Schlachtenbildern als die ureigensten
- Schöpfer des Humors?
6. Dieselbe Frage ist an D ante zu richten. In welchem Teile
seines Weltgedichtes, ergießt sich seine ursprünglichere Kraft: im
Paradiese oder in der Hölle? Oder war Dante‫־‬mehr Satyriker oder
mehr Elegiker? Und wenn er etwa doch mehr das erstere war,
konnte er es anders sein, denn als !!!’gewaltiger Dichter des reinen,
schöpferischen Humors?
7. Dieselbe Bewandtnis hat es nun auch mit P lato n . Nicht
einmal an den Sophisten verhärtet er sich zum bloßen Satyriker,
sondern reiner H um or waltet selbst in diesen Stachelreden der
Dialektik.
Wieviel anstößiger wäre es nun aber für Platons Künstlerkraft,
wenn er, wie ein langweiliger Moralprediger, mit weitläufiger Ge-
nauigkeit alle S trafen beschreibt und ausmißt, welche über die
Frevler aller Art im Hades verhängt werden, und wenn nicht viel-
mehr aus diesen aufgetürmten Strafmassen selbst schon der Humor
des großen Ethikers hervorkicherte.
Wer darüber noch zweifeln könnte, der müßte ja schon dadurch
von dem richtigen Sachverhalt belehrt werden, daß es Platon nicht
bei den Strafen in der Unterwelt bewenden läßt, sondern daß diese
noch fortgesetzt und regeneriert werden bei der Wiederbelebung und
A u fersteh u n g . Nach dieser konsequenten Fortführung der »Straf-
und Vergeltungstheorie wird die Unterwelt offenbar nicht zur Schatten-
weit der oberen, sondern vielmehr umgekehrt die obere erscheint so
unleugbar als das Nachbild der Unterwelt, welche, als die Urstätte
der Gerechtigkeit, damit zur eigentlichen U rw elt ward.
Welche verkehrte Welt würde nun aber sonach die sittliche
Welt des Ethikers Platon sein, wenn er nicht bei seinen Begriffen,
seinen Ideen, sondern an seinen Phantasien beim Worte genommen
werden dürfte; wenn sein Jenseits des Seins nur diese mythologische
Bedeutung hätte, und nicht vielmehr die methodische gemäß seiner
Ideenlehre des Seins! Nur nach seiner Idee des Guten können seine
Ausführungen von der Bestrafung des Bösen verstanden 1werden —
wenngleich allerdings die Differenz zwischen seiner Grundlegung der
Ethik und deren Anwendung auf die Politik von störendem Einfluß
gewesen ist.
8. Mehr aber als das Schlachtfeld der Strafen ist in der mytholo-
gischen Poesie Platons auffällig und geradezu verwunderlich, daß er
bei der A u fe rste h u n g nicht Anstoß genommen hat an der Entstellung,
welche durch sie der reine ethische Seelenbegriff erleidet. Sein Pvtha-
goräismus spricht sich nachdrücklich genug in dem Gedanken der
W e ltflu c h t aus.. ‫״‬Von hier dorthin fliehen!“ Dies macht er zur
Losung für die Seele, auf daß sie von dem ‫ ״‬Kerker des Leibes44 Jbe-
freit werde. Und ,wenn diese Befreiung nun erreicht ist,, so soll
dieses Leid immer wieder unaufhörlich von neuem anfangen?
Freilich, die Bedeutung der Seele, als des Lebensprinzips, macht
diese Kontinuierlichkeit unvermeidlich; aber verträgt diese sich mit dem
einen ethischen Begriffe der Seele? Offenbar besteht schon ein unlös-
barer Widerspruch zwischen den beiden Bedeutungen der Seele, dem
animalen Grundprinzip und dem Prinzip des sittlichen Lebens und
daher überhaupt des Bewußtseins.
9. Dieser Widerspruch durchzieht nun auch und durchwühlt auch für
die Beligion den Vernunftbegriff der Unsterblichkeit, sofern mit ihm
die Auferstehung in Verbindung tritt. Wir haben aber zu beachten,
ob diese Verbindung schlechterdings -eine Verwirrung und Verirrung
ist, oder aber, ob ihr eine ursprüngliche Homogeneität der Gedanken
einwohnt, welche unabhängig von den Ausführungen, die ihr ge-
worden sind, beurteilt werden muß.
352

Wir haben die Kompliziertheit der Probleme schon beachtet,,


welche alle in vielfacher Art bei der Unsterblichkeit mit der Auf-
erstehung zusammenlaufen und sich gegenseitig durchkreuzen. In
dem Vernunftanteil der Religion muß das Kriterium zu finden sein*
mittelst dessen die rein religiöse Bedeutung der Unsterblichkeit der
Seele für den Menschen, und zwar als Individuum und al&
Menschengeschlecht, zu ergründen und klarzustellen ist. Der Ver-
nunftanteil der Religion an der Sittenlehre vom Menschen muß, wie
überall, so auch die Unsterblichkeit zu einer Probe machen für die
genaue Unterscheidung der Religion von der Mythologie.
10. Die Auferstehung war uns als eine Herabsetzung .der Un-
Sterblichkeit erschienen; denn sie ist die Auferstehung des Leibes*
während die Unsterblichkeit nur die der Seele ist und sein solL
Ebenso aber kann auch die Unterwelt, als Ort der Strafen, ein
Widerspruch zu sein scheinen gegen die religiöse Lehre vom Menschen*
daß seine Seele der Buße und daher der Erlösung fähig sei. Sollte
es eine Grenze geben dürfen für diese Seelenkraft des Menschen zur
Buße, oder etwa gar eine Grenze für die Kraft Gottes zur Vergebung?
Es entsteht hier eine Harmonie zwischen der wahren Religion und
dem Mythos, insofern dieser eine Insel der Seligen erdichtet. Was
er dagegen vom Tartarus fabelt, das kann, so muß es scheinen, auch
die platonische Philosophie nimmermehr mit der Religion vereinbar
machen, sofern diese die Selbstläuterung des Menschen und dem-
gemäß die Vergebung Gottes grenzenlos setzt.
11. Im Grunde ist aber schon das Grab ein Mißbrauch der Seele*
weil eine Anerkennung des Leibes neben ihr oder vielmehr ohne sie.
Die richtige Würdigung der Seele, als des einzigen Menschenwertes*
wäre daher schlechthin die Anerkennung der Nichtigkeit, der Ver-
nichtung des Leibes. So ist das Institut der V erb ren n u n g zu ver-
stehen, welches aus der mythischen in die Kulturwelt hinübergegangen
ist. Die Verwesung des Leibes wird als zu Recht bestehend aner-
kannt durch die Verbrennung.
Wenn der Mythos dagegen das Grab zunächst als ein Institut*
gleichsam ein Servitut der Familie zum Zweck des Ahnenkultus an‫־‬
erkennt, so zeigt sich an dem ganzen Zubehör des Grabes der
mythologische Ursinn dieser Sitte, der sich auch in den K atakom ben
lebendig erhalten hat. An Speise und Trank läßt man es da nicht
:fehlen für den Toten im Grabe, und erst recht daher nicht an
Schmuck und Waffen, welche die Fortdauer seines irdischen Ehren-
353

flitters. bezeugen. So gesellt sich das Grab getreulich zu den anderen


Instanzen, welche den sinnlichen Widerpart bilden gegen das geistige
und sittliche Wahrzeichen, welches in der Seele für den Menschen
ausgezeichnet wird.
12. Und dennoch stellt uns die Menschengeschichte, wie sie zwar
vom Seelenbegriff geleitet, in ihrem Verlaufe aber mit den Wider-
sprächen des sinnlichen Daseins behaftet bleibt, auch an diesen
Anomalien die Aufgabe, zu untersuchen: wie die Widersprüche sich
im Zusammenhang der Probleme schlichten und auf heben: wie der
Anstoß zu einem Antrieb, der Gegensatz zu einer Förderung wird.
Wir werden es später an den Problemen der Strafe und der Auf-
erstehung zu prüfen haben; beim Grabe wird dies unverkennbar.
A braham verläßt das Land nicht, ohne ein Erbbegräbnis er-
worben zu haben für Sara. Und Jo se p h hat kein anderes Ver-
mächtnis für seine Brüder und Söhne als die Forderung, daß sie
seine Gebeine mitnehmen, wenn sie in das verheißene Land einziehen.
Hier wird noch gar nicht an eine Auferstehung gedacht; weder
denkt Abraham an eine solche für seine Sara, noch Joseph für sich
selbst. *Was bedeutet das Grab in •diesen Vorstellungen, von denen
die bei Abraham doch ganz unmittelbar eine solche der Pietät ist?
Man bedenke auch, daß hier der Mythos von der Unterwelt
noch gar nicht mitgewirkt haben kann. Es könnte vielmehr scheinen,1
als ob die Festlegung des Grabes im Erbbesitze dem Gedanken der
Unterwelt entgegenträte. Diese ist erstlich kein Eigentum eines
Einzelnen, aber‘ auch kein Gemeingut der Menschen, sondern eine
untere Götterwelt mit der eigenen Herrschaft eigener Götter. Wenn
daher im Scheol dieser Mythos auch vorhanden ist, so kann er für
die Darstellung der Ursagen gar nicht mitgesprochen haben.
Ebenso werden wir sehen, wie der Scheol überhaupt nur eine
negative Instanz bildet im religiösen Bewußtsein der Bibel. Die Unter-
weit beruht auf den Göttern der Unterwelt. Da es nun aber solche
sowenig geben kann, wie für die Oberwelt, da vielmehr Gott, als
einziger, ebenso in der Unterwelt herrschen müßte, wie in der Ober-
weit, so könnte allenfalls nur für die Vergeltung, und zwar nur für
die Bestrafung die Unterwelt in Geltung kommen, wenn sie nicht für
diese in unlösbaren Widerspruch tritt mit dem Gotte der Vergebung.
Es muß daher die Unsterblichkeit, wenn anders sie ein not-
wendiges Attribut des Seelenbegriffs des Menschen bildet, eine ganz
andere Bedeutung im Monotheismus gewinnen.
23
354

... 13. Welche Vorstellung, ist es, die den‫ ־‬Tod und besonders die
B e s ta ttu n g des Toten im biblischen Bewußtsein begleitet und.leitet?
Ein wichtiger Ausdruck tritt uns hier entgegen ‫״‬Er wird ein-
gesammelt zu seinem V olke.“ Der Ausdruck ist vieldeutige schon
dadurch, daß das Wort für Volk im Plural steht, so daß es auch
die Stämme oder überhaupt nur den Stamm bedeutet. Auch das ‫ ״‬Ein-
getanwerden“ ist vieldeutig; denn dieses Wort deutet etymologisch
hin auf das Zurückziehen und Enden und Abschließen; dennoch aber
soll ein neuer Anfang hier wieder gemacht werden.
14. Eine bestimmtere Passung enthält der Ausdruck: ‫״‬Du wirst
kommen zu deinen Vätern“ (1 M., 15, 15). Also Abraham hat hier
schon solche Väter. Die V äter sind bestimmter als der ungenaue
Ausdruck, für das Volk im Plural. Die Väter sind auch bestimmter
als die Ahnen. Die Vorväter bleiben Väter. So wird zwar: der
Ausdruck gebraucht, welcher die Familie begründet, aber diese wird
nicht als das einzelne Geschlecht gedacht. Daher unterscheiden sich
die Väter von den Ahnen, welche immer nur die Genien des Ge-
schlechts, des Fürsten- oder des Heroengeschlechts sind. Die Väter ‫־‬
sind die des einzelnen Menschen. Aber das Individuum wird durch
seine Seele, welche ja hier die Hauptrolle spielt, wenngleich nur als
stummer Ziischauer, zum Träger des Individuums; ohne Seele wäre
der einzelne ja nur das schlechthin vergängliche Lebewesen.
Wenn der Mensch also zu seinen Vätern eingeht, so wird er
dadurch über den Charakter des Einzelwesens hinausgehoben. Und
wenn die Väter ihrerseits ihn nicht mit seiner Heroenfamilie ver-
binden, so kann es nur ein weiterer Horizont sein, der sich damit
für die menschliche Seele erschließt: das V olk ist es, des Volkes
Seele ist es, in welche die Individualseele eingeht. Das Volk stirbt
nicht-, sondern es hat seine fortdauernde Geschichte. Und die
G e sc h ic h te , die Geschichte seines Volkes gibt der Einzelseele des
Menschen ihre Fortdauer. Die U n s te rb lic h k e it g ew in n t die
B ed eu tu n g des g e s c h ic h tlic h e n F o rtle b e n s de s In d iv id u u m s
im g e sc h ic h tlic h e n F o rtb e stä n d e seines Volkes.
Welche Perspektive eröffnet sich nun für die geschichtliche Be-
deutung der Unsterblichkeit durch den Messianismus, wenn nach ihm
der Individualseele ihre Unsterblichkeit verkürzt wird in dem ge-
schichtlichen Fortgange des Menschengeschlechts!
. 15.-Diese hohe, diese wahre Bedeutung der Unsterblichkeit erteilt-
die Bibel der Menschenseele, und in dieser Bedeutung der Unr
355

.Sterblichkeit und dadurch der Seele überhaupt ist" ein neuer


Differenzpunkt zu erkennen, der die Religion von der Mythologie
abscheidetf. Im Messianismus kommt dieser Differenzpunkt zu seiner
Durchführung. Und so läßt es sich von hieraus verstehen, wie
Messianismus und Unsterblichkeit, oder bei dem Zusammenhang
zwischen Auferstehung und Unsterblichkeit, auch Messianismus
lind Auferstehung in Berührung und Wechselwirkung, kamen.
16. Wie wir soeben die geschichtliche Bedeutung der Unsterblich-
keit erkannt haben, so läßt es sich ferner auch verstehen, daß die
A u fe rste h u n g ein Hebel werden konnte für die Formulierung der
Unsterblichkeit. Denn wir haben ja schon bei Jecheskel gesehen, wie
«er die Auferstehung als die des Volkes gedeutet hat. ‫״‬Diese Gebeine
sind das ganze Haus Israel“. •Und so konnte das Bild der Aufer-
Stellung mehr noch als das der Unsterblichkeit den Gedanken ver-
anschaulichen von der fortdauernden Seelenwanderung, vielmehr
Seelendauer der Individuen in der geschichtlichen Einheit des Volkes.
‫ ״‬Zeitalter kommen und gehen, und die Erde besteht ewiglich4‘. Dies
gilt weit genauer noch von den Geschlechtern der Menschen und ihrer
Geschichte. Mehr als die Erde besteht ewig die Geschichte des
Volkes und die des messianischen Volkes der Menschheit.
17. Neben dem im Messianismus wurzelnden Prinzip der E n t-
W icklung, welches bereits in dem geschichtlichen Fortleben der
Väter seine Analogie hat, tritt nun aber ein rein religiöses Motiv in
Mitwirkung in dem prophetischen Reformgedanken der H e ilig k e it.
Die Heiligkeit ist für die Menschen ursprünglich die priester-
liehe, und als solche wird sie umgestaltet durch die Übertragung
der Heiligkeit von den Priestern auf das Volk. ‫״‬Ihr sollt mir ein
Reich von Priestern sein und ein heiliges Volk“. (2. M. 19, 6).
Der Grundbegriff der Heiligkeit wird aber auch zum Grund-
begriffe für Gott, der ‫ ״‬der Heilige. Israels“ genannt wird. Die
Heiligkeit ist- ursprünglich schon die Absonderung von allem
Profanen, und so begünstigt sie die Absonderung auch vom aus,-
.schließlich Irdischen, als ob dieses allein das wirkliche und wahrhafte
Leben zu bedeuten hätte.
Wie nun aber die sittliche Heiligkeit zum religiösen Begriffe
,der Heiligkeit wird, wie denn Gott nicht mehr für das Opfer,
sondern nur für die Aufgaben der Sittlichkeit zum Urbilde der
Heiligkeit wird, so muß der Begriff des Lebens sich auch über
die Grenzen des irdischen L ebens hinaus erweitern. Auch auf das
23 *
356

Sterben muß sieh das Menschenleben erstrecken. Der Tod kann


nicht schlechthin mehr als das Ende des Lebens betrachtet werden.
Er muß den Gedanken nahelegen, daß er nur ein Übergang sei za
einem anderen Leben. Denn die Heiligkeit ist ja das Ideal des
Lebens geworden.
18. Die Heiligkeit hat aber auch den Menschen, als Individuum,
hervorgebracht. Der Mensch hat die Aufgabe und die Kraft der
Buße, also der Selbsterneuerung und W ie d erg eb u rt. Und der heilige‫־‬
Gott wird demgemäß zum Gotte der Erlösung und der Versöhnung..
Alle diese Begriffe wachsen über die irdischen Grenzen hinaus und
erhellen den Horizont eines anderen Lebens.
Dieses andere Leben darf jedoch hier nicht gedacht werden als•
die Fortsetzung des irdischen Lebens. Die Mythologie der Gräber-
Symbolik und des Totenkultus kann hier nicht Zugang gewinnen..
Denn die Andersheit des Lebens hat ja schon für das irdische Leben
selbst mit der Heiligkeit begonnen. Das Leben der A ufgabe, das:
Leben der Idee, ist begründet in dem Gebote der Heiligkeit.
Die Differenz vom irdischen Leben ist daher schon in der Idee-
der Heiligkeit angebahnt, und sie bedarf nur der konsequenten Fort‫״‬
führung für das Problem des Fortlebens nach dem Tode. Durch die‫־‬
Heiligkeit ist die Möglichkeit gegeben, diese Forderung zu erfüllen, ohne
den Fehlern des Mythos zu verfallen. Denn dieser ist Ahnenkultus samt
und sonders, und in ihm hat das Individuum nur eine Scheinseele. Die
Seele ist dort nichts anders als das Band zwischen Urahn und Enkel.
19. Die Heiligkeit aber hat das Individum erschaffen. Die
Selbsterkenntnis der Sünde ist zur Selbsterkenntnis des Individuums
geworden. Wenn der Mensch heilig sein soll, so soll er dies-als In-
dividuum, nicht nur in der Kette seines Geschlechts, und auch nicht
einmal als Glied des heiligen Volkes. Nicht erst und allein die Kette
soll das Glied, sondern vielmehr auch soll das Glied die Kette lebendig
machen. So mußte das Individuum der Sünde und der Vergebung den.
Begriff der Menschenseele in ihrem ganzen Umfang vertiefen, und
demgemäß den Begriff des Menschenlebens, und demgemäß den des:
Menschentodes im Sinne der Unsterblichkeit.
20. Wir haben nunmehr erkannt, wie die Forderung der Heilig-
keit den Menschen zum Träger des Geistes der Heiligkeit macht.
Die Seele wird G eist, und zwar nicht, weil das Denken einer be^
sonderen . Denkkraft bedarf, sondern weil die Heiligkeit einer be‫־‬-
sonderen Seele bedarf, die nicht aufgeht in der Lebensseele. . . ‘
357

So wird aus der ‫ ״‬Seele alles Lebendigen“ der Geist der Heilig-
keit, der Geist der Menschlichkeit. Dieser Geist der Heiligkeit ist
nichts als Idee. Er bezeichnet die Aufgabe und daher die Kraft
zur Heiligkeit. Nur im Begriffe der Idee kann von ihm das Leben
.ausgesagt werden. Wenn anders er nun aber im tiefsten Sinne die
Menschenseele bestimmen soll, wie könnte man dann ihn ohne Ein-
fluß denken auf das Leben und Sterben, mithin auf das Fortleben
des Menschen?
21. Schon der Psalm kann es nicht mit dem Gotte der Heiligkeit
und der Erlösung vereinbaren, daß der Tod die Vernichtung des sitt-
liehen Individuums sein könnte. ‫״‬Du überläßt meine Seele nicht der ‫ן‬
Unterwelt; Du gibstüeinen Frommen nicht, zu sehen die Vernichtung.“ j
(Ps, 16, 10) Es widerspricht dem Begriffe des Frommen, als des‫־‬
die Heiligkeit Anstrebenden, seines. Menschentums und seiner I n - J
dividualität verlustig zu gehen. Das Desiderat eines anderen Lebens!
ist iinumgänglieh. Denir die Vernichtung der Seele widerspricht
•dem Geiste der Heiligkeit, zu dem die Seele sich ausgeprägt hat.
22. Wenn nun aber natürlicherweise die Frage entsteht nach der
Art und näheren Bestimmtheit dieses Anderen, dieses Fortlebens, so
muß man zunächst bedenken, daß diese Frage dem Interessenkreise
des Mythos angehört. Und, der Mythos fragt so, wreil der Polytheis-
mus überhaupt so kausal fragt. Der Monotheismus dagegen hat in
der Einzigkeit Gottes nur die D ifferenz zur Bestimmung erhoben,
nicht aber etwa für die Existenz positive Merkmale angegeben.
So muß nun der Monotheismus auch bei der Unsterblichkeit
argumentieren. Wohin die Seele gellt, wenn der Leib stirbt? so
fragt der Mythos. Und er hat die Antwort fertig, daß die Seele
‫׳‬davonfliege, wie sie ja ein Schmetterling ist. Daher lebt sie auch
selbst eigentlich gar nicht fort, sondern das ‫ ״‬Schattenbild“ des
Menschen allein hat ein Fortleben, mithin der zweite Mensch, der im
irdischen Leben schon mit dem ersten vereinigt ist. Die Seele, die
■dävonfliegt, fliegt daher auch schlechthin ins Nichts; nur der
■Schatten hat eiii Fortleben.
Es ist demzufolge die mythische Unsterblichkeit eigentlich gar
nicht eine-solche-der Seele, sondern vielmehr nur die des Schatten-
:bilds;- de^^ehs.atoö: Die Seele aber ist geblieben, was sie*ursprüng-
lieh war: ein Lebensprinzip, und daher hat sie mit-■dem Leben ihre
‫;־‬Schuldigkeit getan und ausgespielt.
358

- 2 3 ;‫־‬:: Der Mythos fragt nicht, woher die Seele, woher das Lehen ge‫״־‬
1kommen 1sei. Diese "Frage ist mit-der allgemeinen Kosmogönie, die*
:zugleich auch eine Theogonie ist, erledigt.‫ ־‬Alles hat seine Entstehung
und daher auch seinen Untergang; die Götter, wie der Kosmos‫׳‬: warum
sollte es nicht auch die Seele haben? Woher das ‫ י‬Entstehen ? Aus
dem Chaos. Damit ist für den Mythos alles erklärt und in Ordnung.
Und erst die auftauchende Wissenschaft stellt hiergegen neue Fragen^
die das Entstehen selbst zum Problem machen.
24. Der Monotheismus dagegen setzt dem Menschen einen anderen
U rsp ru n g : Gott hat den Menschen erschaffen. Und er hat ihn nicht
nur als Seele erschaffen, sondern auch als .Geist. Er hat seinen
Geist in den Menschen gelegt. Und er hat seinen Geist der Heilige
keit. in den Menschen gelegt, und diesem- daher den Geist der
Heiligkeit zuerteilt. Wenn jetzt die mythische Frage auch innerhalb
des Monotheismus nicht verstummt — in seiner primitiven Anlage*
; bleibt der Mensch immer ein mythischer Mensch ‫י‬4 ‫ *ל‬so. kann die*
Frage, wohin die Seele gehe, und was aus ihr; Zierde, nur‫ ־‬in Ge-
mäßheit der Frage beantwortet werden, woher sie gekommen seir
und wer sie dem •Menschen gegeben habe.
Da Gott, als Geist, die Seele als Geist im Menschen begründet•
hat, so ist erstlich ihr Untergang unmöglich. Denn was als Geist
von Gott kommt, wird von Gott forterhalten. Die Schöpfung haben,
wir als unaufhörliche N eu erzeu g u n g erkannt. Ferner ist aber
auch positiv durch diesen Ursprung in Gott der Rückgang auf Gott
der Seele, als dem Geiste, vorgezeichnet. Der Geist ist ‫ ״‬der Anteil
aii der Gottheit vön oben“ (Hiob 31,2).
In demselben Sinne formuliert auch Kohelet dieses Problem ‫״‬Der
Staub kehrt zum ‫ ׳‬Staube zurück: der Geist aber kehrt zurück zu
Gott, der ihn gegeben“ (Koh. 12,7). Mit diesem Satze hat die*
Frage ihre positive Beantwortung gefunden. Die Seele geht nicht
in den Scheol, sondern sie geht dahin zurück, woher sie gekommen..
Sie ist Geist geworden, nämlich Geist der Heiligkeit, den Gott in:
den Menschen eingepflanzt hat. Der Tod kann daher nur die Heim-
kehr zu Gott sein.
Die Heiligkeit ist nun aber eine u n e n d lic h e Aufgabe. ‫״‬Wenn
sie nun dem Geiste des Menschen geworden ist, so ist dieser damit•
unvergänglich geworden. Alle Zweideutigkeit, die der Seele noch
anhaftete, insofern sie auch Hauchseele und Rauchseele war, ist
durch den Geist von ihr genommen. Und durch den Geist ist daher*
359

der Mensch unsterblich geworden in der unendlichen, unvergäng-


liehen Aufgabe seiner Heiligkeit. . - ‫י‬
25‫־‬. Die Seele hatte den Menschen mit allen Lebewesen in Ver-
biiidung gehalten. Der Geist aber schließt eine neue Verbindung
des Menschen mit Gott; denn er ist bestimmt als der Geist djer
Heiligkeit, der unendlichen Sittlichkeit. Die Unsterblichkeit ist nicht
sowohl die der Seele schlechthin als vielmehr die des Geistes und
noch bestimmter, die des heiligen Geistes. Die unendliche Aufgabe
der Heiligung kann kein Ende haben für den Menschengeist.
Sie kann auch nicht eingeschränkt werden auf bestimmte x41‫־‬ten,
Stufen und Maßnahmen in dem Prozeß der Heiligung, weder für
den Menschen, noch für Gott. Sie darf daher auch nicht eingeschränkt
werden auf den Mechanismus der V e rg e ltu n g , weder für den
Menschen, noch für Gott. Für den Menschen bleibt die Selbstläuterung
eine unendliche Aufgabe. Und von Gottes Gerechtigkeit darf ich
nur dies wissen, daß sie identisch sei mit seiner Liebe. Diese aber
ist seine Vergebung, in welcher seine Liebe zur Güte..wird.
Da nun aber dem Individuum die Selbstläuterung als unendliche
Aufgabe verbleibt, so kann sie nicht mit dem Tode ein Ende ;;haben.
Die Forderung der Heiligkeit lichtet den Horizont einer anderen Art
von Leben. Und dieser Horizont bildet den Gesichtskreis jedes
menschlichen Individuums. Daher ist die Unsterblichkeit allerdings
ein vornehmliches Problem des sittlichen Individuums. Aber dieses
Selbst-Individuum fällt nicht etwa zusammen mit den empirischen
Lebewesen* sondern es ist immer nur der Standpunkt und der Hohe-
punkt, zu dem sich das sinnliche Individuum, insofern es sich zum
sittlichen macht, kraft seiner Aufgabe emporschwingen muß.
Wie es nun aber nur in dem Momente dieses Aufschwungs
entsteht, und nur in ihm Bestand hat, so kann es auch nur .in
ihm Fortbestand haben. Welche Art von Existenz hat nun aber
dieser Fortbestand? So kann nur der mythische Mensch: fragen ‫י‬
denn die ethische Frage hat ja das Individum schon vom der. bloßen
Existenz abgetrennt und in den Aufschwung emporgehöben. Auf
solche Frage war ja schon die Antwort erfolgt: der Geist kehrt zu
.Gott zurück. Und das Individuum, als Träger des unendlichen Auf-
.Schwungs bestimmt, .macht diese Heimkehr zu Gott ausreichend ver-
ständlich. Sie ist die Heimkehr zu der unendlichen Aufgabe der
Heiligkeit, die ihren Ursprung in Gott hat. \ ‫י‬
360

26. Die so bestimmte Unsterblichkeit des Menschengeistes scheidet


die Seligion von den Gefahren der Mythologie, welche die M ystik
in sich birgt. Die Bückkehr zu Gott ist nicht etwa die Vereinigung
.mit Gott. Die Bückkehr bedeutet nichts anderes, als was der Ur-
sprung bedeutet: die Heiligkeit ist das Gebot und die Kraft Gottes,
die auf den Menschen übertragen werden: die aber nicht etwa den
Menschen mit Gott identisch machen. Gott bleibt auch bei dieser
Übertragung der einzige. Und so muß er dies auch bleiben, wenn
die Übertragung rückwärts geht und er die Bückkehr bedingt und
ermöglicht.
Der Monotheismus schützt die Unsterblichkeit vor der Mystik
des Pantheismus, als des P an p sy ch ism u s. Nicht durch Ver-
letzung der Einzigartigkeit Gottes darf die Unsterblichkeit der
Menschenseele gerettet werden. Solche Begründung wäre keine
Bettung, sondern nur Aufhebung des Menschen. Und wenn diese
zwar, als Aufhebung in Gott, nicht Vernichtung genannt werden
dürfte, so wäre sie doch aber Aufhebung des Spezifischen für den
Menschen, nämlich seiner Heiligkeit, als einer unendlichen Auf gabe.
Diese aber ist vom Wesen Gottes ausgeschlossen. Und so darf auch
die Unsterblichkeit den Menschen nicht mit Gott gleichsetzen. Das
Individuum würde als menschliches aufgehoben, wenn es in Ver-
einigung mit Gott kommen könnte.
Wenn anders nun aber die unendliche Heiligkeit die Uri-
Sterblichkeit des Menschengeistes ausmacht, so kann sie zwar die
Unsterblichkeit des Individuums verbürgen, keineswegs aber etwa
wegen der Vereinigung des Individuums mit Gott. Nur damit das
Individuum menschliches Individuum bleibe, wird ihm die Un-
Sterblichkeit zu einem Merkmal seines Problems. Die Vereinigung
mit der Gottheit aber hebt die Individualität auf, welchen Ersatz
immer dafür sie bieten mag. Und •so kann die Bückkehr zu Gott
nicht die Einkehr in Gott bedeuten, sondern nichts anderes als
ausschließlich die Wiedergewinnung und die Bestätigung des Ur-
Sprungs, der dem Menschengeiste gegeben wurde.
2.7. Wenn nun aber das Individuum doch immer nur den Moment
des Aufschwungs zur Erfüllung seiner unendlichen Aufgabe erfassen und
vertreten kann, so erhebt sich wiederum die Frage, welche genaue Be-
deutung die Unsterblichkeit für diesen Moment des Individuums zu ge-
winnen vermag. Es verläßt uns so schwer der mythische Verdacht,
daß das Individuum keinen eigenen Fortbestand haben könne, wenn
361

-es durchaus nur als unendlicher Aufschwung in der unendlichen Auf-


gäbe gedacht werden darf. Diese Einsicht wird schon schwierig für
das irdische Leben ; sie muß daher noch viel schwieriger werden für
das geforderte andere Leben, wenngleich dieses nur von der unend-
liehen Aufgabe und in ihrem Sinne gefordert wird.
28. Dieser Schwierigkeit, die in der empirischen Befangenheit ihren
Grund hat, tritt nun der messianische Zukunftsgedanke der Ent-
Wicklung des Menschengeschlechts entgegen, also der E n tw ic k lu n g
d e r M enschenseele auch als Individualseele. Denn alle Abstraktion
:setzt für alle ihre Konsequenzen die Erhaltung und Fortwirkung der
U rb e d in g u n g e n voraus. Ist die Stfele nun einmal von Gott an den
Leib gebunden, der nicht lediglich Organismus, sondern schlechthin
Staub und Materie ist, so bleibt das Individuum für alle seine Ent-
Wicklungen an die Grundbedingung der Materie gebunden. Der Staub
kehrt zur Erde zurück. Der Leib wird wieder Materie. Was er als
Organismus geleistet hat, das mag auf hören, oder vielmehr in
anderer Lagerung der Materie sich fortführen.
Das Individuum ist nicht ausschließlich an den Organismus, der
es mit sich identisch machen könnte, gebunden. Seine eigene
Identität beruht ja vielmehr auf seiner Verbindung mit Gott auf
Grund des Geistes der Heiligkeit. Dieser Geist kehrt zu Gott zu-
rück. Und mit ihm kehrt auch das Individuum zu Gott zurück;
wie könnte es da noch verbunden bleiben mit dem Organismus, dem
es ja nur zeitweilig verbunden war? Die Entwicklung enthebt das In-
dividuum seiner *scheinbaren Identitätsverbindung mit dem ehemaligen
Leibe, und übergibt es der unendlichen Entwicklung der Materie, als
der negativen Bedingung für die unendliche Aufgabe der Heiligkeit.
29. Diese unendliche Entwicklung der Menschenseele verkündet
und verbürgt der Messianismus. Und hier sehen wir positiv, wie ver-
hängnisvoll seine Verwechslung mit der E sch ato lo g ie ist. Denn von
jener' jenseitigen Welt aus ist schwerlich die Brücke zu schlagen
für die Verbindung mit der Materie, welche die notwendige Be-
dingung ist für die Entwicklung der Seelenanlagen, welche die V er-
e rb u n g zu übernehmen und zu pflegen hat. Der Messianismus hin-
gegen bleibt im Klima des menschlichen Daseins. Und wenn er die
Zukunft des Menschengeschlechts zu seinem Problem des Menschen
macht, so ist es die geschichtliche Zukunft, die Zukunft in der
unendlichen Geschichte des Menschengeschlechts, in deren Aufgabe
die Aufgabe des heiligen Menschengeistes gelegt wird.
362

30. *Dadurch ist de1v‫״‬Me1is'cll^der ‫־‬Beschränkung auf das biologische


Einzelwesen enthöben, nicht minder aber auch derjenigen auf das
empirische Geschichtswesen. Denn der Begriff der Geschichte und
der geschichtlichen Erfahrung hat sich jetzt über die Schranken der
Vergangenheit und der Gegenwart hinausgehoben, und nur in die
Zukunft und in die Entwicklung zu ihr ist das eigentliche Dasein,
die eigentliche Wirklichkeit des Menschenlebens und der ganzen!
Völkergeschichte gelegt.
Die Anlage zu diesem Gedanken bildet die ,,Einsammlung zu
den Vätern“,, als'den Vätern der nationalen Geschichte. Der Messias
aber wird in einem neuen Sinne der V ater der Menschen, Ursprung-
lieh war er auch nur der Vater Israels, aber mit unwiderstehlicher
Konsequenz allgemach zum Vater der Menschheit. Und so wird auch
das Individuum in der unendlichen Aufgabe seiner Heiligkeit zu einem
In d iv id u u m d er M enschheit.
Auch die Unsterblichkeit kann für das Individuum nur diese
messianisehe Bedeutung haben. Die Menschenseele ist die* des
messianisehen Individuums. Die Unsterblichkeit kann demgemäß
_ j auch nur im messianisehen Begriffe der menschlichen Individuälseeie
l zu denken sein. In der unendlichen Entwicklung des Menschen^
\ | geschlechts zu seinem idealen Geiste der. Heiligkeit kann daher auch
, [‫־‬nur die Individualseele ihre Unsterblichkeit vollziehen. Sie ist immer
[nur Aufschwung, immer nur Inbegriff von.Aufschwüngen, die in der
!unendlichen Entwicklung sich zusammenfassen.
Diese Unendlichkeit des Aufschwungs kommt erst zur Erfüllung
in1 der messianisehen Entwicklung. Und wie diese von der eseha-
tologischen Daseinsform unterschieden ist, so darf und kann es ihr
auch niemals an dem Zusammenhang fehlen mit dem Untergründe
*der Materie. Schon der messianisehe Gott verbürgt die Erhaltung
des Naturgrundes und die des Zusammenhangs mit ihm für die un-
endliche Aufgabe der Sittlichkeit. So vereinigt sich auch hier der
Messianismus mit dem Monotheismus, um die Unsterblichkeit des
Menschengeistes in der Entwicklung des Menschengeschlechts zu
*begründen. Und beide verbürgen hierdurch zugleich die Unendlich-
keit für das Individuum.
31. Das sittliche Individuum ist das A llh e its in d iv id u u m ,
und daher verschwindet esl nicht bloß nicht, sondern es vollbringt
erst • seine Vollendung in.' der geschichtlichen Entwicklung, wie der
Messianismus sie vorzeiqhnet.' Ohne diese Entwicklung würde der
sittliche Begriff des Individuums nicht erfüllbar. Im ‫־‬g e s c h ic h tt
lie h e n B e g riffe d es!In d iv id u u m s g ip fe lt der Ä lL heitsw ett
der s ittlic h e n P erson. ‫ ־‬- - ”•‫־‬. •
Der Begriff der Unsterblichkeit wird dadurch vereinbart einer5‫־‬
seits mit dem Inbegriff der ethischen Aufschwünge und andererseits
mit dem ;,ph}rsiologischen Beben und seiner unendlich ;•verzweigten
V ererbung,;‫ ׳‬Eine Harmonisierung der materiellen Bedingungen
mit den :sittlichen Forderungen ,wird hierdurch ermöglicht, während
der Mythos am egoistischen empirischen Ich mit allen seinen sicher‫־‬
lieh achtungswerten,; aber doch nur auf dem zweideutigen Rechte
des Affekts; und der Rührung beruhenden Anfofderungen hängen
bleibt. Die Hoffnung auf das Wiedersehen in jenem Leben ist das‫־‬
Symptom für alle jene Komplikation der empirischen Individualität.
Die Religion dagegen verwertet den ethischen Begriff des. Allheits-
Ich, den der Messianismus erfordert. Und diese Verbindung der
messianischen Zukunft des Menschengeschlechts mit ihrem provi-
dentiellen Ursprung in den Erzvätern des Monotheismus bringt die
jüdische Unsterblichkeitslehre zur unzweideutigen Geltung. Sie sind
die geschichtlichen Vertreter des messianischen Menschengeschlechts,,
zugleich aber vertreten sie, als Stammväter, den biologischen -Unter-
grund der Fortpflanzung und der Vererbung.
32‫ ״‬Aus diesen Erwägungen wird es tiefer verständlich, wie in der
jüdischen Tradition der Begriff der Unsterblichkeit, als der künftigen
Welt (Olam habet), sich verbunden hat mit dem des messianischen Zeit-
alters, als der künftigen Zeit (xAthid labo). Wiederum erinnern wir
uns hier an die Auffassung und Deutung Jech esk els von der magischen.
Lehre der Auferstehung, als der Auferstehung des Volkes (Jech. 37, II). j
Auch die Verbalform des Hiphil mag den Gedanken veranlaßt 11abenr
daß die Erhaltung am Leben gleichbedeutend sei mit der Wiederber
lebung. Die Erhaltung ist selbst eine unaufhörliche Wiederbelebung.
Im buchstäblichen Sinne würde sich jedoch die Wiederbelebung
vorzugsweise auf die Leiber beziehen, und entweder durch sie erst- auch
auf die Seelen, oder wirklich allein nur auf die Leiber, während die Seele
ohnehin weiterlebt. Immerhin bliebe in beiden Fällen die Erhaltung dee.
geschichtlichen Individuums durchaus noch fraglich, da sie weder durch
die Leiber vorzugsweise, noch auch durch die Seele allein bedingt sein
kann. Das geschichtliche Individuum bedarf der E n tw ick lu n g für
seinen Fortbestand, diese aber wird durch die Auferstehung der Leiber
..nicht gewährleistet. Die ,Auferstehung bedarf daher immer der Er-
364

gänzung durch die Unsterblichkeit, und es Istd ie Frage, ob sie eine


g le ic h a r tig e Ergänzung zur Seelenerhaltung ist.
33. Da nun aber einmal unter dem persischen Einfluß Unsterblich-
keit und Auferstehung in Verbindung im jüdischen Geiste lebendig
wurden, so ist- es verständlich, daß mit beiden Begriffen im gesamten
rabbinischen Altertum auch der des messianischen Zeitalters im Talmud,
in den Midraschim und daher auch in den ältesten Gebeten bald ver-
bunden, wie wenn sie dasselbe wären, bald aber doch von einander ge-
trennt, so daß sie doch nicht in Identität gedacht wurden, überall auf-
treten. Es ist dadurch der Irrtum bestärkt worden, als ob der Messi-
anismus gleichbedeutend wäre mit der Eschatologie, und da diese
gar nicht in geschichtlichem Sinne gedacht wurde, so mußte auch für
die messianische Zukunft die Gefahr entstehen, ihres geschichtlichen
Charakters verlustig zu gehen.
34. Und diese Gefahr ging noch über dieses wichtige geschieht-
liehe Problem hinaus: sie griff zugleich den fundamentalen reli-
giösen Begriff an, der im Zusammenhang mit der Auferstehung bei
D a n ie l und S ira c h als ‫ ״‬das Reich des Himmels“, das G o ttesreich
( ‫ ) מלכות שמים‬entstanden war. Das Gottesreich der messianischen
Zukunft kam dadurch in Verwechslung mit dem Himmelreich des
Jenseits.
Dieses Himmelreich aber wurde der messianische Begriff des
Ü h ris te n tu m s , der daher vielmehr eschatologisch ist. Ohne uns
liier nun weiter auf die Bestimmung der Differenzen einzulassen,
welche zwischen dem Reiche Gottes innerhalb des christlichen Glaubens
und dem messianischen Gottesreiche besteht, scheint es besonders
wichtig, eine Differenz hervorzuheben, welche die Konsequenz jener
,Grunddifferenz ist. Sie betrifft die Übernahme des Gottesreiches,
die persönliche sittliche Verpflichtung auf und unter das Gottesreich.
35. ‫״‬Im‫ ״‬Vaterunser“ lautet die Bitte: ‫״‬Dein Reich komme“. Es
bleibe, wie gesagt, dahingestellt, ob diese Bitte nur auf die jenseitige
W elt oder doch auch-mitbezogen werde auf die Herbeiführung der
geschichtlicheiL sittlichen Welt. Aber abgesehen hiervon, ist es
charakteristisch, daß im K ad d isch -G eb et diese sittliche Welt in der
Verherrlichung -des göttlichen Namens erfleht wird ‫״‬in der Welt,
die er ■geschfa#en*--.11at.v^ hach seinem Willen, und- daß sein Reich
regiere in euren T agen und in den Tagen von ganz Israel“. Hier
ul so wird ausdrücklich für die irdischen Tage und für die geschieht-
liehen Tage des Volkes, im messianischen Sinne daher der Mensch-
365

heit, die Zuversicht auf das Gottesreich gerichtet. Jede Unklarheit


und Zweideutigkeit, jede Verwechslung mit dem Schattenreich des
Jenseits wird hier in Bestimmtheit verscheucht. Und dieses Gebet ist‫׳‬
nicht etwa polemisch entstanden, sondern in reiner messianischer
Naivität. .
36. Aber noch eine andere Konsequenz ergibt sich hieraus. Da‫׳‬
die messianische Zuversicht durchaus zusammenhängt mit dem.
Monotheismus, so wird sie dadurch identisch mit der Pflicht der
Gottesverehrung. Diese aber wartet nicht auf die Zukunft, sondern
sie erfüllt mein ganzes Leben und jeden Moment meines Daseins.
‘ So muß es auch mit der messianischen Zukunft sich verhalten.
Und dies ist der Vorteil, daß sie als Gottesreich gedacht wirdvl
F ü r m einen p e rsö n lich en G o tte sd ie n st d a rf das G ottes-;
reich n ic h t nu r Z uk u n ft, sondern es muß b estän d ig e‫;־‬
G egenw art sein. Diesen Gedanken drückt der jüdische Terminus-1
aus: ‫״‬Übernahme des Joches des Gottesreiches“. In alten Gebeten
findet sich der Ausdruck: ‫״‬Ich rüste mich“ (‫)הריני מתכון‬. (Der
hebräische Ausdruck für Andacht (‫ )כונה‬bedeutet der Wurzel nach;
Begründung, also Befestigung, Rüstung), ‫״‬auf mich zu nehmen das
Joch des Gottesreiches“. Ich warte also nicht, daß das Gottesreich
komme, und bete nicht allein auf sein Erscheinen, sondern durch
meine eigene Rüstung, meinen eigenen Willen führe ich es herbei.
So wird das Gottesreich zu einer Gegenwart und persönlichen:
Wirklichkeit für mein Pflichtbewußtsein, und das ist mehr, ala!
daß es nur ein Gegenstand der Hoffnung und der Zuversicht bliebe^(
Diese Verwirklichung und Vergegenwärtigung der messianischen Zu-
kunft konnte nur möglich werden bei der Unterscheidung, welche*
trotz aller Verbindung doch immer im jüdischen Bewußtsein lebendig
geblieben ist, zumal da sie durch die Auferstehung aufrechterhalten
wurde.
37. Es ist daher ein großes Verdienst des M aim onides, und
es entspricht seiner gesamten Grundtendenz, alle Dogmatik in ethischen
Rationalismus aufzulösen: daß er einen scharfen Unterschied machte‫־‬
zwischen der ‫ ״‬künftigen Welt“ und der ‫ ״‬künftigen Zeit“.
Durch diese Unterscheidung hat er erstlich dem Messianismus,
zugleich aber auch der Unsterblichkeit Reinheit verschafft, indem er
von beiden allen E u d äm o n ism u s ablöste. Den Messianismus hat
er dadurch vom U topism us befreiü, nichtsdestoweniger aber die
Grundzüge des ethischen S o zialism u s in ihm verzeichnet und fest­
366

gelegt.. Die; materiellen, die wirtschaftlichen Bedingungen dürfen


niemals zur Hemmung werden für die Durchführung der sittlichen
und geistigen Kultur ,für a lle Menschen ohne Unterschied. Eine
solche soziale Fürsorge aber !als Eudämonismus zu■ verdächtigen, wäre
Unverstand oder Schlimmeres. Durch solche ethische Sicherung wird
der Eudämonismus vielmehr entkräftet.
38. Aber auch die Unsterblichkeit wird dadurch vom Eudämonis-
mus befreit. Und es gibt eine Form des Eudämonismus, die zwar
nicht dafür angesehen wird, aber seine gefährlichste Abart- sein dürfte:
jdie Benutzung der jenseitigen Welt zu Belohnung und Bestrafung.
Besonders gefährlich wird dieser Gedanke bei der V erg e ltu n g und
Bestrafung, und dieser Gefahr ist sogar P la to n in seinem Spiel mit der
Mythen weit erlegen. Als ob die Unsterblichkeit nur den Sinn für
die Seele hätte, daß ein zulänglicherer Zeitraum für ihre Bestrafung
geschaffen werden sollte, wird die Seelenfortdauer gefordert. Der
Eudämonismus trifft hier mit dem Mechanismus der göttlichen Ver-
geltung zusammen.
Man muß nun aber erst die E rz ie h u n g durch die Strafe zu ihr
hinzunehmen, ihr dadurch aber den Schmerz des Leidens etwas ver-
süßen, wenn mit der Strafe zugleich Entwicklung möglich bleiben
soil. Es ist jedoch unausbleiblich, daß die Entwicklung dadurch in
einen Nebenzweck verdrängt wird, wenn die Pein des Schmerzes und
der Leiden zum Hauptinhalt des andern Lebens ausgesponnen wird.
39. Die Zweideutigkeit, die mit den B elo h n u n g en unabtrennbar
verknüpft ist, bedarf kaum näherer Erörterung. Sie erhalten meistens
den mythischen Zusammenhang mit der sinnlichen Oberwelt, außer
wenn sie auf das rein Geistige beschränkt werden. Hier ist viel-
leicht A ris to te le s ein Muster, wenn er nicht dabei wiederum die Ge-
fahren seines einseitigen Intellektualismus verrät. Nur der d en k en d e

I
Teil der Seele (Nus) ist nach ihm unsterblich. Mithin sind es auch
nur diejenigen Menschenseelen, in denen das reine Denken organische
Tätigkeit zu werden vermag.
Oder vielleicht ist es auch nur Gott selbst allein, in dessen
Vernunft das Denken zur Energie wird. Darüber ist schon unter
4en alten Exegeten Streit gewesen, der sich auf das arabisch-jüdische
•Mittelalter ■fortgepflanzt hat. Jedenfalls aber ist der Eudämonismus
,von den Belohnungen im Jenseits durch diese intellektuelle Ex*‫״‬
Jklusivität entfernt worden.
367

Im rabbinischen Schrifttum finden sich mancherlei Sätze, welche


voii :dem Lohn, wie von der Strafe. allen positiven oder negativen
Eudämonismus fernhalten. ‫״‬In jenem Leben ist kein Essen, noch
Trinken, noch irgend ein sinnlicher Genuß, sondern die Frommen(
sitzen, ihre Kronen auf ihren Häuptern, : und nähren sich an demj
Glanze der Gottheit“. Der Genuß des Denkens, der aristotelischen*
Theorie, ist hier zum Genuß am Glanze der Gottheit geworden.
So. hat sich der theoretische Intellektualismus religiös geklärt. An ‫ן‬
diesem Genüsse können alle Frommen .teilnehmen, auch wenn sie
flicht ‫ ׳‬des spekulativen Denkens teilhaft geworden sind. f
Besonders charakteristisch ist aber ein Ausspruch des Besch
Lakisch im Talmud, wonach es im messianischen Zeitalter keine
Hölle mehr gibt. Das Prinzip der Selbstvervollkommnung in der
Entwicklung des Menschen verträgt sich nicht, mit dem Prinzip der
StrafVergeltung: es ist durch diese ersetzt. Daher kann es keine
Hölle mehr geben im messianischen Zeitalter. Ohnehin ist ja die Hölle
gar nicht als ein ständiger Vergeltungsort zu denken; denn nach der
Läuterung müssen die Sünder ja in den Himmel kommen. Es ist.
daher die notwendige Konsequenz zur Geltung gekommen: daß es
keine ewigen Höllenstrafen gibt. Diese Konsequenz ergibt sich aus
der Verbindung der göttlichen Versöhnung mit der menschlichen
Bußarbeit und ihrer Fortwirkung in der menschheitlichen Entwicklung.
Die messianische Zukunft hat hier also den Strafanteil der Unsterb-
lichkeit überwunden und ausgeschaltet. Zu dieser Vergeltung bedarf
es. ‫י‬nicht ferner der Unsterblichkeit. Die Versittlichung des Seelen-
begriffs hat nunmehr alle Bedingungen seiner Vergeltung erfüllt.
Die Seele ist Geist geworden. Der Geist der Heiligkeit hat diese
Konsequenz hervorgebracht. Die Heiligkeit fordert Entwicklung für
den Geist. So ist auch der Ausspruch R. Tarphons im Siphri zu
Mzabim zu verstehen. Das geschichtliche Moment wird zur Kon-
sequenz des Geistes für die Entwicklung der Heiligkeit.
Aus. allen diesen,Motiven erklärt sich die wunderbare Diskretion
in den jüdischen Quellen gegenüber allem eschafologischen Materialis-
mus, Fatalismus, Eudämonismus und aller nicht durch reine Ethik
bedingten Metaphysik. Schon das talmudische Gleichnis vom Genuß
des Glanzes der Gottheit unterliegt schweren Bedenken. . Der Glanz,
ist zwar nur als Abglanz gedacht, aber er streift doch schon an das
Wesen. Und die Erkenntnis Gottes darf niemals sich auf sein
Wesen beziehen, sondern nur auf sein Urbild für die sittlichen
368

Handlungen. Was kann für die Erkenntnis dieses Urbildes, welche


daher nur Liehe zu Gott ist, die Unsterblichkeit Neues bringen,.
Neues leisten? Nur die sittliche Entwicklung kann neue Erkenntnisse
bringen* und in ihnen neue Genüsse, wenn man so will, für das
Individuum. Aber hier gilt das vielfach vorhandene Wort von der
Verknüpfung zwischen Lust und Unlust, welche letztere sich not-
wendig in dem Streben zur Fortentwicklung regt. Und so verstanden
mag der Genuß an der Gottheit, an dem Urbild der Selbstvervoll-
kommnung zulässig werden.
Von wahrhafter Tiefe und dabei von höchster Klarheit ist der
Satz des Talmud, nach welchem Maimonides sich gerichtet hat;,
‫״‬alle Propheten haben nur geweissagt für die Tage des Messias,,
aber von der künftigen Welt gilt: ‫״‬ein Auge hat sie nicht gesehenr
außer dir Gott allein. Er mache es wirklich dem auf sie Harrenden“
(Jesaja 64, 3). So ist durch diesen rabbinischen Satz die jenseitige
Welt überhaupt von den Problemen der Prophetie abgetrennt. Die
Propheten haben es nur mit dem messianisclien Zeitalter, mit der
geschichtlichen Entwicklung des Menschengeschlechts zu tun. Die}
Unsterblichkeit aber gehört unter die Geheimnisse Gottes; sie ist
ein Gegenstand der menschlichen Hoffnung. Die messianische Zukunft/
wird so dem Gebiete der Hoffnung entrückt, "weil sie unmittelbar
zum Gottesglauben selbst gehört. Die messianische Zuversicht wird
dem Schwanken und der Ungewißheit enthoben, mit denen Hoffen
und Harren nun einmal verbunden scheinen. Sie gehört daher
schlechthin zur Gotteserkenntnis, und sie bekräftigt dieselbe als Liebe
.zu Gott. In der messianischen Zukunft bewährt sich die Liebe‫־‬
Gottes zu den Menschen; vertieft sich seine Vergebung und seine
Versöhnung mit dem Menschen.
Durch die Abtrennung der Unsterblichkeit von der Prophetie
ist von einem anderen Momente in der Unsterblichkeit die Gefahr
der Materialisierung durch die Mystik abgelenkt. Wie es auch der
,angeführte, talmudische Satz von dem Genüsse, am Glanze der Gott-
heit nicht gänzlich vermieden hat, kommt die Unsterblichkeit in die!
Gefahr des Gedankens, die menschliche Seele mit Gott in eine mystische^
Vereinigung zu bringen. Wir haben schon den Unterschied bemerkt,.!
der zwischen der Vereinigung m it Gott u n i der ‫״‬Nähe Gattes“ nach
dem Psalm beruht. Schon der fromme Denker Jehuda Halewi hat
:es ausgesprochen: Was kann die Unsterblichkeit noch bringen, wenn
iich die Nähe Gottes habe? -
* 369

Maimonides hat auch hier einen wichtigen Fortschritt vollzogen;


indem er aus der Nähe Gottes die Selbstannäherung (‫ )התקרבות‬erschloß;
Der Psalm wird dadurch erläutert und verbessert. Die Nähe Gottes
ist nicht an sich mein Gut, sondern sie kann dies nur als meine
Aufgabe, mein Ideal sein für meine eigene Tätigkeit der Selbstan-
näherung. Diese aber ist identisch mit meiner Aufgabe der Selbst-
Vervollkommnung, die daher Maimonides zum höchsten Prinzip macht,
durch welches er das aristotelische Prinzip der Glückseligkeit ent-
kräftet und beseitigt. Diese Selbstannäherung und SelbstvervolL
kommnung ist aber wiederum nichts anderes als die Selbstentwicklung.
Und so bleibt diese der einzige Sinn und die einzige Aufgabe der
Unsterblichkeit. Diese ihre einzige Aufgabe kann ihr nur durch
den messianischen Seelenbegriff erfüllbar werden. Dieser muß daher
der Leitbegriff bleiben für die Unsterblichkeit, und er kann daher
mit dieser nicht identisch werden.
Was das Moment der Vergeltung betrifft, so haben wir ge-
sehen, daß es in einem höheren, rein sittlichen, sozial‫ ־‬sittlichen
Sinne in die geschichtliche Betrachtung hineingezogen worden ist.
Die Armen sind die Leidenden, und sie sind die Frommen. Und der
Knecht ist gar in seinem tragischen Leiden zum Stellvertreter der Sünder
geworden. So ist die Vergeltung dem Totengericht entrückt und
zu einer Aufgabe der sittlichen Kultur und Kontrolle geworden. Es
würde nichts nützen, wenn die Vergeltung nur im Jenseits stattzu-
finden hätte, weder für mich selbst, noch für die anderen. Die
Gerechtigkeit ist das Attribut Gottes; wenn sie sich nicht in Liebe
erschöpft, und durchaus auch Strafgerechtigkeit sein muß, so bleibt
sie für dieseif Best ihrer Bestimmungen, der nicht in Liebe auf-
gehen mag, das Geheimnis Gottes, insofern sie dem Wesen Gottes
angehört, das meiner Erkenntnis entzogen ist. In diesem Sinne heißt
es: ‫״‬mein ist die Bache und die Vergeltung“ ( ‫)לי נקם ושלם‬. Die
Bache ist nur der poetische Ausdruck für die Strafe. Es heißt ja
so auch: ‫ ״‬das Gericht ist G o t t e s ( ‫)כי המשפט לאלהים הוא‬. Urbild für
die menschliche Gerechtigkeit ist nur die Liebe Gottes; die Bestrafung
aber, die Vergeltung ist sein Geheimnis; dafür ist er nicht Urbild
der menschlichen Handlung. Mithin kann auch die Unsterblichkeit
für diese Fragen, die meine eigene Sittlichkeit gar nichts angehen,
keinen positiven Aufschluß bringen, und daher kein eigentliches
Interesse bilden. Dahingegen kann die Unsterblichkeit verträglich
werden mit der messianischen Zeit, sofern sie das Moment der Liebe
24
370 ‫״‬

in der Gerechtigkeit Gottes zum Prinzip der menschlichen Sittlichkeit


macht. Damit werden alle die sittlichen Motive, welche der mythische
Ahnenbegriff hervorgebracht hat, verklärt und in dieser Verklärung
verwendbar. So erweckt die Unsterblichkeit die Verehrung und inj
der geschichtlichen Dankbarkeit die Liebe zu den Vorkämpfern der!
geschichtlichen Welt, den Bürgen der messianischen. 1
Bevor wir den Verfolg dieses Gedankens für die Ahnen Israels
in Betracht ziehen, sei ein Midrasch beachtet, der den Gedanken
der Entwicklung zu einem weitgreifenden Ausdruck bringt. ‫״‬Der
König Messias kommt nicht, bis vollendet sind alle Seelen im
Körper“. Oder nach einer anderen Fassung ‫״‬bis geschaffen sind
alle Seelen, die in den Gedanken gekommen sind, geschaffen zu
werden“. Der Satz bewegt sich in einem offenbaren Widerspruch;
denn er setzt den Messias an das wirkliche Ende der biologisch-
menschlichen Entwicklung. Der Messias würde dann nicht die Un-
endlichkeit, sondern den Abschluß der Entwicklung des Seelenbegriffs
bedeuten. Zugleich aber würde auch die Unsterblichkeit an sich
nur die gesamte Entwicklung des Seelenbegriffs bedeuten und da-
mit in die Messiasidee übergehen, in ihr ihre Erledigung finden.
In diesem Übergang hebt sich auch der Widerspruch auf. Der
Messias kommt erst am Ende der Seelenentwicklung, welche gleich-
bedeutend ist mit der Unsterblichkeit. In der Tat ist also sein
Kommen nicht ein faktischer Abschluß, sondern es bedeutet nur die
Unendlichkeit seines Kommens, welche die Unendlichkeit der Ent-
Wicklung bedeutet. Mithin kann man diesen Midrasch als einei
Korrektur der materiellen Auffassung des Jenseits betrachten. Diese!
Korrektur vollzieht der Messias, der die zukünftige Zeit, das ist die
unendliche Entwicklung des menschlichen Seelenbegriffs, vertritt. Im
Prinzip der Entwicklung dieses Menschenbegriffs, dieses Seelenbegriffs,
vereinigen sich somit die zukünftige Welt und die zukünftige Zeit.
Im mythischen Begriffe des Individuums sind sie unterschieden; im
Prinzip der geschichtlichen Entwicklung in beiderlei Hinsicht, bio-
logisch und weltgeschichtlich, kommen sie in Vereinigung: ‫ויכלו‬
‫ השמים והארץ‬die Himmel waren vollendet und die Erde — die Sehn-
sucht als Prinzip der Entwicklung, der Unendlichkeit.
In der Geschichte der jüdischen Religionsphilosophie werden
die beiden Motive der mythisch-mystischen Unsterblichkeit, die Ver-
einigung mit Gott und die peinliche Durchführung der Vergeltung,
37-1

:meistens abgelehnt. Wir haben schon beachtet, wie Jehuda Halevi


die Annäherung an das einzige Gut schon auf Erden bezeichnet.
Nach dieser Ansicht ist das künftige Leben nur als Fortsetzung des ]
sittlichen Strebens im irdischen Leben zu denken, mithin gleichsam f
als Ideal des sittlichen Lebens. Mehr in traditioneller Mystik be-1
fangen faßt Bachja die Annäherung auf, dagegen erwähnt er die Auf-
erstehung nur als biblischen Gedanken, während er die. Unsterblich-
keit als eine Yernunftwahrheit annimmt, die deshalb in der Bibel
nicht ausdrücklich gelehrt werde. Auch Ibn Daud erwähnt die Auf-
erstehung nicht. Für Maimonides ist die Annäherung nur intellek-
tualistisch die Erkenntnis Gottes, in welcher alle Sittlichkeit invol-
viert sei. Übrigens entwertet er die Auferstehung dadurch, daß
nach ihr ein nochmaliges Leben beginne mit einem nochmaligen
Tode. Yon diesem aber erfolgt die Erlösung nicht für die Seele
überhaupt, sondern er folgt hier dem Aristoteles, und läßt sie daher
nur für die erworbene Vernunft erfolgen. Sie allein ist die vom
Körper getrennte Seelensubstanz. Die Seele schränkt sich hier ein
auf das Denken, auf den Geist, der aber nicht mehr der Geist der
Heiligkeit ist, sondern nur in theoretischer Einschränkung der
Geist des Denkens. Erst dadurch, daß Maimonides die Selbstver-
vollkommnung (‫ )השתלמות‬annimmt, sagt er sich von der Eudämonie
des Aristoteles, welche nur in der Seligkeit des Denkens besteht
los. In dieser Selbstvervollkommnung aber wird wiederum der Mythos
überwunden und das messianische Prinzip der Selbstentwicklung
festgehalten.
Das andere Motiv der Vergeltung wird in demselben Geiste von
jener ganzen Denkergruppe teils abgewehrt, teils variiert. Cusari
gibt eine Theodicee, die der der Propheten und der Psalmen entspricht.
Die Leiden der Einzelnen müssen im Universum betrachtet werden.!
Der soziale Gedanke wird hier universalistischer Weltgedanke. Für !
Maimonides sind Paradies (Gan Eden) und Hölle (Gehinnom) nur!
Symbole. Cusari erwähnt die Art der Bestrafung gar nicht. Maimo-!
nides macht für die messianische Zeit in präziser Klarheit das
Prinzip des Sozialismus geltend. Joseph Albo setzt überhaupt die
Vergeltung mit der Unsterblichkeit gleich.
Es ist nach diesem Überblick die Tendenz des jüdischen Denkens
klargestellt, die Unsterblichkeit mit dem Messianismus für das Prinzip
der Entwicklung in Verbindung zu halten. Und die Auferstehung
24*
372

hat clabei eine gute Vermittlung gebildet, insofern sie die geschieht-
liehe Bedeutung hervorgehoben hat. Diese Kontinuität der Ent-
Wicklung konnte nunmehr auch an die Erzväter angeknüpft werden,,
als an die Ahnen und die Vorbilder der Geschichte. Aus diesem,
geschichtlichen Gesichtspunkte, der in Verbindung trat mit dem
Grundgedanken der Frömmigkeit, den wir in der Gleichsetzung der
Frommen mit den Armen, in der endlichen Bezeichnung des Messias
als des Gottesknechtes und in dem stellvertretenden des Erdenleid&
erkannten, ist nun auch ein anderer Terminus zu würdigen, der
mit allen diesen Problemen zusammenhängt und ihnen einen neuen
Ausdruck gibt: das Verdienst der Väter (‫)זכות אבות‬.
Die alte Frage nach dem Verhältnis zwischen Verdienst und;
Schuld einerseits und Glück und Unglück andererseits hatte eine•
soziale Lösung gefunden in Gleichstellung der Armen und der
Frommen. Und diese Gleichung enthielt doch die Frage in sich
gegen Gottes Gerechtigkeit, wie diese vereinbar sei mit dem Leiden
des Unschuldigen. Der Knecht Gottes sollte in der Stellvertretung
des Leidens, und zwar ohne die Stellvertretung der Schuld über
diese Frage auch hinweghelfen. Hier besonders sollte der Messias
die entscheidende Hilfe bringen. Das Zeitalter; das er herauffahrt,,
wird diesen Mißständen ein Ende machen. Und offenbar wirkt
dabei der Gedanke mit, daß das stellvertretende Leiden des Armen
die soziale Entwicklung heibeigeführt hat. Immer aber steht diese,
ganze Gedankenreihe unter dem Gesichtspunkt, daß der Einzelne
und besonders eine einzelne soziale Gruppe Sittlichkeit vertrete*
persönlich individuelles Verdienst haben könne.
Eine ganz neue Frage aber entsteht nach der Möglichkeit des
individuellen Verdienstes überhaupt. Es ist doch nur ein Ausweichen‫״‬
wenn .in der Armut, im sozialen Leiden selbst schon der Ausdruck
des Verdienstes angenommen wird. Kann ein Individuum über-
haupt Verdienst haben? Kann die Erlösung diesen definitiven Sinn
haben, und widerspricht er nicht vielmehr ihrem Begriffe, sofern
dieser nur die Möglichkeit des unaufhörlichen Aufschwungs in
der Selbstheiligung bedeutet? V e rd ie n s t b eze ich n et den A b-
S chluß, den E rtra g ein er Rechnung. Die Rechenschaft aber, diu
der Mensch in der unaufhörlichen Buße ablegen muß, verträgt keinen
solchen Abschluß, so daß niemals ein Verdienst abgerechnet und fest-
gelegt werden kann. Das Verdienst des Menschen kann immer nur
373

ausschließlich in der Rechenschaft• selbst bestehen, die er niemals


abschließen darf.
Daher war ja schon in der^IJnsterblichkeit die Seele auf das
Volk und daher auf dessen Urheber projiziert worden. In derselben
Richtung ist nun auch das Problem des Verdienstes bezogen worden
auf das Verdienst der Väter. Dieser Begriff steht in natürlichem
Zusammenhang mit dem Gedanken, der das ganze jüdische Bewußt-
sein durchwaltet: das Leben des Einzelnen steht im Zusammen-
hange seiner Geschichte, und seine Geschichte wird durch deren
Ursprung in den Erzvätern bezeichnet. Es ist zunächst der geschieht-
liehe Grundgedanke des ‫׳־‬Volkes und seines nationalen, zum messia-
nischen ,ausriiifenden Berufes, der.- für das Urproblem von Schuld
und Unglück, wie von Verdienst und Glück, das die mannigfachen
Lösungen gefunden hatte, nunmehr diesen definitiven Ausdruck findet.
Das. Individuum hat überhaupt keinVerdienst, sondern der Schein •
seines Verdienstes wird zureichend ‫״‬erklärt durch das in der Ge-I
schichte fort wirken de Verdienst der Väter.
In diesem Begriffe prägt sich die Tiefe der jüdischen Frömmig-
keit aus. Auch dieser Begriff entspringt dem nationalen Bewußt-
sein, welches zum geschichtlichen wird; aber er wird ein Bollwerk
«der individuellen Sittlichkeit. Durch ihn wird das Individuum ‫ן‬
definitiv vor Selbstgerechtigkeit gehütet. Das Verdienst der Väter j
erledigt das Problem eines individuellen Verdienstes. Ein solches
kann es nicht geben, aber man bedarf seiner auch gar nicht. Wo
ich menschliche Sittlichkeit gewahre, da soll ich freilich auch den
jeweiligen Ertrag der Selbstläuterung erkennen dürfen, aber in
diesem selbst kann ich und muß ich die Fortwirkung der Väter
•erkennen. Auf ihr Verdienst führe ich alles Gute zurück, das ich
im Leben der Einzelnen anzuerkennen hätte. Sie werden dadurch
von einem fälschen Glorienschein befreit, ohne daß ihre Handlung
verdunkelt würde. Ihre Handlung bleibt gut, und sie bleiben die
Urheber ihrer Handlung, aber das Verdienst, das ich nach gewöhn-
heitsmäßiger sittlicher Abschätzung ihnen selbst zuschreiben, und wo-
•durch ich sie in die mannigfachen Gefällten des Heroentums versetzen
würde, erkenne ich in‫ ־‬besserer Einsicht den Vätern zu und damit
der geschichtIiehenJ>Entwicklung, der jedes noch so hochstehende•
Individuum sein Bestes zu verdanken hat.
Wenn nun aber so durch das Verdienst der Väter die Illusion
374

des eigenen-Verdienstes abgewehrt wird, so wäre wenig'-geholfen;


wenn dieser Schein von dem einen Individuum auf ein anderes In-
äividuum übertragen wird; wenn es zu einem Tauschmittel etwa
für die Vergeltung'mißbraucht wird. Die Väter sind es, nicht In-
dividuen als solche, auf welche das Verdienst zurückgeführt wird.
Die Väter haben keinen absoluten Sinn, sondern sie sind die .Väter
der Entwicklung, die Bannerträger der Geschichte. Sie werden
daher durchaus nicht gedacht als exceptionelle Individuen, als in-
dividuelle Heilige. Als solche könnten auch sie kein Verdienst
haben. Nur, daß mit ihnen etwas beginnt, was über sie hinaus-
geht, das macht sie zu Anknüpfungspunkten für das Problem des-
Verdienstes.
Wenn hingegen das Verdienst als ein Posten gedacht wird,,
der gegen die Schuld und gar gegen die Schuld anderer in Rechnung
gestellt werden könnte, so wird der Gedanke überhaupt in eine ganz
andere Richtung gelenkt, die hier gar nicht in Frage steht, die
übrigens schon bei dem Kapitel von der Versöhnung zu einer jedes•
Tauschmittel und jede Vergeltungsmaßregel ausschließenden Ent-
Scheidung gekommen ist. Es handelt sich jetzt gar nicht um
Schuld und Strafe, sondern um das gänzlich Andere des Verdienstes,,
mit dem gemeinhin eiii Lohn verknüpft wird. Diese beiden Be-
griffe sollen von allem individuellen Tun abgetrennt werden, dem
sie schlechterdings nicht gebühren. Das Problem der Versöhnung
und Erlösung kommt in diesem Gedanken zu einer Weiterführung.
Die Versöhnung, welche das Individuum erreicht, wird gleichsam
zu einer nur provisorischen oder fiktiven. Die Individualseele ist
ja. vielmehr eine Geschichtsseele. Die Pflicht der Buße darf durch
diese Einsicht nicht beeinträchtigt werden. Die Selbstheiligung
hat nur an das Selbst zu‘ denken, nicht an dessen geschichtliche-
Zusammenhänge. Aber bei der Erlösung brauche ich mich dieser
Einsicht nicht zu entschlagen. Da wird sie vielmehr mich‘ nur zu.
tieferer Erkenntnis , fördern, auch-zu tieferem Verständnis des eigent-
liehen Sinnes der Unsterblichkeit für, die geschichtliche Entwicklung‫־‬
der Seele. Und so kann ich getrost auch die Gefahr von mir ab-
wehren, welche in der Fiktion liegt, daß ich durch die Erlösung
zu einem abgeschlossenen Gut meines Selbst kommen könnte und
kommen dürfte. Dagegen tritt das Verdienst der Väter ein, welches
zwar meine persönliche Verantwortung nicht einschränkt, mithin auch
nicht meine persönliche Bußarbeit und Selbstheiligung, welches jedoch.
375

die Gefahr der Selbstgerechtigkeit, die in dem eigenen Verdienste


liegt, von mir abwehrt. Die Erzväter allein haben alles Verdienst,
das ihre Enkel sich erwerben können.
Für den jüdischen Begriff der Tugend ist dieser Begriff von
fundamentaler Bedeutung. Aber immer nur bezieht er sich auf die
positive sittliche Leistung, durchaus nicht auf die negative, auf die
Sünde, für welche etwa ein Ersatz, eine Stellvertretung gesucht
werden dürfte. Nicht für die Schuld, sondern für das Verdienst
wird der Ersatz gesucht. Das Verdienst selbst erscheint hier als
Sünde. Sie wäre es unrettbar für das Individuum, daher soll sie
abgelenkt werden auf die Urheber der geschichtlichen Entwicklung.
Sie trifft ja diese Sünde nicht. Ihrem Bewußtsein wird das Ver-
dienst nicht eingefügt. Nur die Dankbarkeit und die Demut ihrer
Nachkommen überträgt es auf sie, deren persönliches Bewußtsein
nicht mehr lebendig, sondern übergegangen ist in die geschichtliche
Entwicklung, die mit ihnen anhebt.
Nichts widerspricht so offenbar diesem Gedanken des Ver-
dienstes, wie seine Verbindung mit einem Überschuß. Das Ver-
dienst von Menschen bleibt immer ein Defizit. ,,Denn ein Mensch i
ist nicht gerecht auf Erden, der das Gute täte und nicht sündigte“
(Koh. 7, 20). Alles Verdienst könnte nur ein Abschlag sein; das
Maß der Pflicht kann niemals von einem Menschen erfüllt werden.
Wenn daher nicht das Verdienst die Frage bildet, sondern vielmehr
die Schuld und ihre Vergeltung, so hat eine vollständige Ver-
Schiebung der Frage stattgefunden. Und wenn nun in solcher Ver-
Schiebung das Verdienst von Einzelnen in dem unstatthaften Ge-
danken eines Überschusses verrechnet werden soll gegen die Schuld
anderer, für ,welche es als Genugtuung (Satisfactio) eingesetzt wird,
so hat sich die Ablenkung noch immer weiter von dem ursprüng-
liehen Gedanken abgelenkt. Um Genugtuung handelt es sich gar
nicht bei dem Verdienste der Väter. Auch die Väter könnten eine
solche nicht leisten. Sie dürften ja auch eine solche überhaupt
nicht leisten können. Es gibt keine Genugtuung für die Sünde,
als welche die eigene Selbstheiligung herbeizubringen vermag. Die
Heiligkeit eines Anderen kann keine Genugtuung sein für meine
eigene Schuld. Es handelt sich hier aber gar nicht um meine
Schuld, sondern um die Möglichkeit meines Verdienstes. Daher ist
es eine ganz unstatthafte Analogie (Harnaek), welche zwischen dem
376

Verdienste der Väter und dem Verdienste von Heiligen in historischer


Künstelei angenommen wird.
Die Analogie ist durch einen Ausdruck begünstigt worden, der
sich mit diesem Begriffe verbunden hat: der des Schatzes. Es ist
zu vermuten, daß die Wortwurzel hier eine Verführung verursacht
hat. Der Bund des Lebens ( ‫ )צרור החיים‬ist ein Ausdruck für das
Fortleben. ‫״‬Seine Seele werde aufbewahrt im Gebinde des Lebens.“
Ein solches Gebinde ist auch der Behälter, der zum Schatze wird.
Für das nationale Bewußtsein liegt'in diesem Bilde gar keine Ge-
fahr. Das Verdienst der Väter ist der sicherste Schatz der Nach-
kommen. Wie es der rechte Schutz ist gegen ihre Selbstgerechtig-
keit, so ist dieser Schutz auch ihr bester Schatz. Das Bild wird
nur gefährlich, wenn die Verdienste zu Münzen werden, so daß der
Schatz die Zusammenhäufung dieser Münzen bedeutet, nicht aber
die Aufbewahrung alles Verdienstes, das sonst die Nachkommen
in die Gefahr kommen könnten sich selbst zuzuschreiben. So muß
denn in jeder Hinsicht die Vergleichung des Verdienstes der Väter
mit dem Thesaurus meritorum zurückgewiesen werden.
In jenem Begriffe wird das Verdienst angenommen als ein
Überschuß über die pflichtmäßige Handlung. Einen solchen Über-
schuß kann es nicht geben. Ferner aber wird dieser Überschuß
angenommen, um eine Genugtuung leisten, als solche verrechnet
werden zu können. Eine solche Verrechnung ist unzulässig; sie
kann keine Genugtuung bieten. Es handelt sich gar nicht hier,
bei dem Verdienste der Väter, um Genugtuung, da es sich gar
nicht um Schuld und Sünde handelt, sondern nur um Verdienst.
Ferner aber wird durch den Gedanken des Überschusses das Gute
überflogen, und dadurch in ein Quantum relativiert.
Endlich ist auch psychologisch ein solches Übertreffen der Pflicht
unmöglich, auch wenn es ethisch und religiös zulässig und möglich
wäre. Wie sollte es psychologisch möglich werden? Die Antwort
darauf lautet in jener Lehre:, durch Anstrengung und Abtötung.
Diese Martyrien aber sind auch nur relative Begriffe, durch welche
daher die Relativierung des Guten nur gesteigert wird. Auch das
wirkliche Martyrium, die Übernahme des Todes zur Heiligung des
göttlichen Namens, ist nichts als Pflicht und schlichte Schuldigkeit,
die. ohnehin durch zahllose Beispiele in der Geschichte aller
Religionen und aller sittlichen Aufgaben, wie besonders der politischen*
reichlich bewiesen wird. Der Märtyrer hat daher auch gar kein
377

geschichtliches Anrecht auf den Schein eines Helden oder Heros:


Ihre Zahl ist Legion. Wenn nur nicht der menschliche Eigendünkel
auch in diesen Ehrentempel sich einschliche, so würde das über-
große Kapitel der Märtyrer eine hinreichende Instanz bilden gegen
den Pessimismus der Ansicht von dem radikalen Bösen im Menschen.
Es gibt nur ein Schutzmittel gegen die Gefahr, wie gegen den Yer-
fiacht der Selbstsucht und Selbstanbetung im Martyrium. Und
dieses besteht in der Einschränkung des individuellen Wertes des
Martyriums. Der Märtyrer tut schlecht und recht seine Schuldig-
keit, und er unterscheidet sich gar nicht von demjenigen, der diese
tut, ohne sein Leben in einer Schaustellung dabei einzusetzen. Man
kann auch bei jeder schlichten Probe der mannigfaltigen biirger-
liehen Sittlichkeit in allen Lagern Menschen finden, die ihre Lebens-
Gestaltung und damit ihr Leben in Gefahr bringen und schlechthin \
einbüßen. !
So hatte es einen hohen geschichtlichen Sinn, daß, um der
menschlichen Demut zu genügen, nur die Väter zu Bürgen des
Verdienstes ernannt werden, nicht aber sonstige Heilige. Im Heiligen-
kultus dagegen wird der ‫״‬Schatz der Verdienste* zwar auf Christus
und Maria zurückgeführt, aber auf die Heiligen übertragen. Und
da deren Schar immerfort von der Kirche vermehrt werden darf,
so wird der Schatz der Verdienste zu einem Schatze der Kirche.
Die Kirche beruft sich zwar für diese Thesaurierung auf ihre Lehre
von der Gemeinschaft der Heiligen am' Leibe Christi. Aber die
Kirche selbst ist es, welche diese Heiligen privilegiert und damit
den Schatz, ans welchem sie die Genugtuung verrechnet. Der
Gegensatz hat seinen letzten Grund hier in dem Gedanken der
opera supererogatoria. Die Sittlichkeit bleibt hiernach nicht eine
unendliche Aufgabe für den Menschen, sondern sie wird in einer
Norm abgeschlossen, welche übertroffen werden kann. Dadurch wird
das Subjekt der Sittlichkeit abgetrennt von deren Objekt. Die
Objekte, die Werke, werden zu einer selbständigen Sache veräußert,
die daher in einem Schatze gesammelt werden können. Das Ver-
dienst wird dadurch gänzlich abgetrennt von der Handlung, wie
von deren Urheber, auf welche allein es sich beziehen kann.
Dadurch wiederum entsteht die neue Konsequenz, daß der
Mensch, der von seiner Handlung getrennt wird, auch einen Stell-
Vertreter seiner Verantwortlichkeit erlangen kann, und somit auch
meinen Ersatzmann für das Korrelat seiner Sünde, welches die Strafe
378

bildet. ."Wie daher den Ausgang des Irrtums der Gedanke von einem
möglichen Übertreffen der Pflicht bildet, so endet er in dem von
der Erlösung durch einen Stellvertreter. Die Erlösung aber geht
auf die Sünde, während der Stellvertreter über das Plus des Ver-.
dien st es verfugt-.
Dahingegen steht die Versöhnung gar nicht in Frage beim
Verdienste der Väter, sondern einzig und allein die geschichtliche
Vorsehung Gottes, welche als Schutzwehr angenommen wird gegen
die Gefahr der sittlichen Überhebung des Individuums.: Das In-
dividuum hat überhaupt kein Verdienst, sondern dieses steht allein
den Vätern zu. Daher ist auch das Gedenken Gottes, welches so‫־‬
häufig, und auch hierbei angerufen wird, in diesem Sinne zu ver-
stehen. Wenn es heißt: ‫״‬er gedenkt der Liebe der •Väter“ , so
stehen die Väter hier im Genitivus objectivus. Gott gedenkt nicht
sowohl der Liebe der Väter zu ihm, sondern der Liebe Gottes zu
den Vätern, welche als der andauernde Grund der Geschichte Israels
gedacht wird. Und an diesen Sinn des Satzes schließt sich der
Folgesatz an: ‫״‬und er bringt den Erlöser ihren Kindeskindern“.
So bildet . das Verdienst der Väter keinen sachlichen Schatz von
Werten, sondern er besteht nur in einer geschichtlichen Idealität;,
im theodiceeischen Leitgedanken der Geschichte. Vor dieser. Ge-
schichte wirft das Individuum seinen Stolz und seine Selbstsucht
von sich ab, gewinnt dafür aber seinen Mut und seinen Trost. Mit
Vergeltung und Vergebung haben die Väter nichts zu schaffen; an
dem Werke der Vergebung, welches allein das Werk Gottes ist,
haben sie keinen Anteil. Dazu bedarf es ihrer nicht, geschweige
anderer sterblicher Menschen. Schon der Mörder Kain hat es nach
dem Midrasch ausgesprochen, daß er an Gottes Vergebungskraft
nicht verzweifelt: ‫״‬Himmel und Erde kannst du tragen, und nicht
meine Sünde!“ Hier kommt der Doppelsinn im hebräischen Worte
für Vergebung: nämlich das Tragen und Aufsichnehmen der Sünde
zu einem prometheischen Ausdruck. Gott muß die Sünden seiner
Ebenbilder auf sich nehmen können.
An dem Irrtum des Schatzes der Verdienste deckt sich auch
die Gefahr auf, welche überhaupt mit dem Problem der Vergeltung
verknüpft ist. Streng' sittlich ist nur die Strafe, welche der Büßende
sich-.selbst zuerkennt und auf sich nimmt, welche er daher für seine
Erlösung von Gott fordert: welche daher durch seine Erlösung ber
dingt ist. Die positive Seite der Vergeltung dagegen, der Lohn-,
379

gehört in daä verbotene Land der Eudämonie. Es gibt nur einen


Lohn, der diesem Verdikt nicht verfällt, und dies ist derjenige, der
in Identität steht mit der guten Handlung selbst. Diese Identität
hat die Misehna in einem großen Satze ausgesprochen: ‫״‬der Lohn
der Pflicht ist die Pflicht“. Diesen Satz der Misclma hat Spinoza
wörtlich übersetzt, ohne die Quelle anzuführen: praemium virtutis•
virtus. Es gibt keinen anderen Lohn, und es darf und soll keinen,
anderen geben, als welcher in der unendlichen, unaufhörlichen Auf-
gäbe der Sittlichkeit selbst besteht. Jeder andere Lohn ist heterogen,,
und daher die Reinheit der Sittlichkeit verletzend.
Es verdiente die größte Bewunderung, wenn es nicht vielmehr
als die schlichte Konsequenz des monotheistischen Grundgedankens
zu erkennen wäre: daß die Thora keinen Lohn an die Befolgung der
Gebote ankniipft. Die drei Ausnahmen bestätigen hier ganz be-
sonders die Regel. Bei dem Gebot, Vater und Mutter zu ehren,,
wird langes Leben verheißen. Aber dieses lange Leben wird nicht
dem Einzelnen versprochen, sondern dem Volke ‫״‬in dem Lande, das
der Ewige, dein Gott, dir gibt.“ Und ebenso ist es zu verstehen
bei den! Verbote, im Vogelnest nicht zugleich die Mutter und das
Junge auszunehmen. So wird in dieser Begründung des Familien-
sinnes schon im Tierreich das geschichtliche Fundament für das
Staatsleben gelegt. Freilich ist der Staat schon eine Konzession an
die reine Sittlichkeit. Da diese aber auf ihre Anwendung angewiesen
ist, so ist die Konzession zugleich eine positive Bedingung. So-
auch ist freilich ein für den Staat verheißener Lohn eine Ab-
Schwächung des Gedankens, daß in der Handlung selbst allein der
Lohn bestehen könne. Da die Handlung aber, als eine menschlich-
geschichtliche, auf den Staat notwendigerweise bezogen ist, so ist
die Abschwächung nichtsdestoweniger zugleich eine Erweiterung.
Wenn dem Staate Fortdauer verheißen wird, so wird diese als Lohn
gedacht, der immanent sei in der Pietät gegen die Eltern, in der
Pflicht gegenüber der Familie. Die Eltern sind hier gleichsam das
Symbol der Väter.
Das Verdienst der Väter ist demnach die genaue Konsequenz
des biblischen Grundgedankens, der alles individuelle Verdienst ver-
wirft und alle mit dem Gedanken des Verdienstes nun einmal ver-
knüpfte Hoffnung auf Lohn ausschließlich auf den geschichtlichen
Bestand des Volkes bezieht und einschränkt. Nur die Väter haben
Verdienst, und nur das Volk in seiner Geschichte darf Lohn er.-
380

; ‫־‬warten. Für das Individuum hingegen bestellt der Lohn nur in der^
[Handlung selbst, zu der es berufen ist, die ihm jedoch niemals
*zum*Verdienst werden kann, da ihr Maß niemals von ihm erreicht
wird, geschweige übertroffen werden könnte.. Für das Individuum
bleibt als höchster Lohn das Ziel, das ihm in der Nähe Gottes, in
4er Selbstannäherung zu Gott gesteckt ist.
< Es bleibt also bei dem Gedanken des Psalms, daß die Nähe
Gottes mein Gut sei. Und es bleibt daher auch bei dem Gedanken
Albos, daß diese Nähe Gottes auch erfülle, was das Jenseits zu
bedeuten habe. Denn auch die Vergeltung erfüllt sich schon in
der Unsterblichkeit der Seele, welche die des Geistes und seiner
unendlichen Selbstvervollkommnung in der unendlichen Entwicklung
4es Menschengeschlechts ist. Zu dieser unendlichen Entwicklung
des Seelenbegriffs, deren Gedanken wir . auch in dem oben an-
-gezogenen Midrasch wiederfinden konnten, muß die Nähe Gottes
!unausgeführt werden.
Alle diese Gedanken sind die Konsequenzen des Monotheismus
und seines Messianismus. In diesem messianischen Seelenbegriffe
über können wir auch den Gegensatz erkennen ebenso, wie zum
Gottesbegriffe, so auch zum Seelenbegriffe des Pantheismus. Vor
dem unendlichen Seelenbegriffe des Menschengeschlechts verschwindet
der Seelenbegriff des Universums. Die Menschenseele ist nicht
Weltseele. Ihre Unendlichkeit deckt sich nicht mit der des Welten-
begriffs. sondern sie muß immer eingeschränkt bleiben auf das
Spezifische des Menschenbegriffs und seiner Unendlichkeit. Das
Universum hat keine Sittlichkeit. Seine Unendlichkeit ist eine
mathematisch-physikalische, die nur für die mathematische Einsicht
und Forschung als eine Aufgabe gedacht werden kann, die jedoch
in dem sachlichen Werte jenes Begriffes schlechthin enthalten ist.
Dahingegen bleibt die Menschenseele immer nur eine, unendliche
Aufgabe, die niemals in einem abschließbaren Werte gegeben ist.
Auch von hier aus sieht man, daß aller Wert menschlicher
Sittlichkeit nur Stückwerk ist,, das niemals Verdienst sein kann.
Es bedarf immer der Versöhnung mit Gott, also der Gnade Gottes.
Und alles scheinbare Verdienst ist immer mit Sünde behaftet. Und
-es kommt dadurch nicht etwa eine Befleckung auf das sittliche
Menschen werk, denn auch die Sünde ist wie ein unwissentliches
Geschehen (Schegaga). So hängt Glied an Glied im System des
Monotheismus. Und so schließt sich dieses System der Korrelation.
381

von Gott und Mensch bis in alle innersten Konsequenzen ab gegen*


den monistischen Irrtum des Pantheismus. Ein Gott und eine Seele;.
Das ist die Lehre des Monotheismus: nämlich eine Menschenseele.‫ן‬
Der Pantheismus dagegen aber sagt: eine Weltseele, die selbst auch
der eine Gott ist. Die Welt aber hat nur mathematische Not-
wendigkeit. In ihr gibt es nur die Logik des Geschehens, nicht
aber die Ethik der Handlung. Der Mensch allein hat Handlung.
Aber diese ist eine unendliche Aufgabe.
Es ist ein hohes Verdienst in dem Gedanken des Verdiensten
der Väter zu erkennen: daß alle Zweideutigkeiten, die mit dem
Problem der jenseitigen Welt verbunden sind, durch diese Formel
beseitigt werden. Alle Anstößigkeiten werden gemildert, alle Wider-
spräche der Aufhebung zugänglich. Die Strafen, die schon durch
die Buße prinzipiell erledigt werden, werden durch die Konkurrenz‘
mit der messianischen Zeit vereitelt. Und der Lohn, der an sich
schon die sittliche Handlung ihres Eigenwertes entäußert und ihre-
Reinheit schädigt, wird für das Jenseits zu einer Schädigung der
sittlichen Selbständigkeit in der unendlichen Fortentwicklung. E r
zieht auch für die Verantwortlichkeit die Gefahr der Mythologie
*in dem falschen Begriffe des Verdienstes herbei. Das Verdienst
der Väter beschwört alle diese Gefahren. Nur die Väter haben
Verdienst, und nur sie dürfen es haben für das Licht der Ge-
schichte, das die Wüstenwanderung in der Geschichte des Volkes,,
in der Geschichte der Menschheit erhellen und das Ziel des Weges•
leuchten lassen soll.
Es ist wahrlich kein vereinzelter Ausspruch: ‫״‬seid nicht wie‫־‬
die Knechte, die dem Herrn dienen auf die Bedingung hin, Lohn
zu empfangen“. Der Talmud hatte schon auf die Reihenfolge der
Worte hingewiesen, mit denen der Empfang der Offenbarung be-
stätigt wurde: ‫״‬wir wollen tun und hören“. Zuerst sei das Tun
aufgenommen und daraufhin erst das Hören und Verstehen. Dies
ist kein Verstoß gegen die Grundforderung der Erkenntnis Gottes-
Denn diese Erkenntnis ist zugleich die Liebe zu Gott; sie ist daher
sittliche Erkenntnis, Erkenntnis der praktischen Vernunft. Die
sittliche Aufgabe allein, das Gebot Gottes allein gilt es aufzu-
nehmen. Diese Pflicht wird sogar der Erkenntnis vorausgestellt,,
geschweige, daß sie unabhängig gemacht wird von allem Erfolge
und allem Lohn, der darauf folgen könnte. ‫״‬Der Lohn der Pflicht
ist die Pflicht.“ Nur diesen Gedanken führt der Ausspruch au&>
382

daß der Empfang des Lohnes nicht zur Bedingung des Gottesdienstes
gemacht werde.
Es gibt ■einen anderen Ausspruch des Talmud, der die Autarkie
der Pflicht formuliert; ‫״‬besser der, der als ein Befohlener handelt
als der, der nicht befohlen ist, und handelt“. So wird die Handlung
}scheinbar durch den Befehl entselbstet, vielmehr wird ihr nur im
!Gebote Gottes ihr letzter Ursprung gesetzt. Dadurch aber wird
!dieser allem Egoismus, als Triebfeder, entrückt. Und weit hinweg
wird von diesem Ursprung abgerückt jeder Gedanke an den Erfolg,
geschweige an den Lohn. Das Gebot kommt von Gott. Er ist das
einzige Gut. Sein Gebot ist daher das Gebot der Güte. Was
könnte gegen dieses Gut ein Lohn zu bedeuten haben? Könnte er
■ein neues, ein eigenes Gut sein? Wir dürfen in dem Begriffe des Ge-
botes und seiner Identität mit der Pflicht den Grund erkennen,
welcher die Beligion vom Eudämonismus befreit hat. Aller Lohn
ist Eudämonismus. Die Pflicht, als das Gesetz Gottes, ist der
Widerspruch zum Eudämonismus. Das Gebot Gottes ist identisch mit
flem Gesetz der Sittlichkeit. Denn Gott ist der Bürge für die
autonome Sittlichkeit des Menschen, insofern er der Bürge ist für
die unendliche Entwicklung der menschlichen Seele.
Das Gebot Gottes ist der religiöse Ausdruck, der nicht wider-
sprechen darf, der vielmehr, vorbehaltlich des methodischen Unter-
schiedes, gleichkommen muß dem Grundgesetze der Autonomie.
!Wenn ich aus eigenem Willen handle, muß ich mir erst beweisen,
‫׳‬daß mein Wille nicht Affekt ist, sondern reiner Wille. Daher kann
auch die reine Ethik für ihre Anwendung auf den Menschen des
Begriffs der Pflicht nicht entbehren; sie muß das Sittengesetz in die
Pflicht verwandeln. Die analoge Verwandlung vollzieht die Religion
in der des Sittengesetzes in das Gebot Gottes. Nun aber läßt es
sich an unserem Verdienste der Väter deutlich erkennen, wie die
Religion an die Methodik der Ethik gebunden ist, und in welche
Gefahr sie gerät, wenn sie von dieser sich abtrennt. Der reine Wille
muß darin seine Probe bestehen, daß er dem Gesetze der Pflicht
sich unterwirft. Diese Unterwerfung ist keine Verletzung, sondern
vielmehr Bestätigung der Autonomie. Das Sittengesetz ist das Ge-
setz der sittlichen Vernunft. Wenn es zur Anwendung kommen
soll auf die psychologische Natur, auf den Seelenbegriff des Menschen,
so muß es als Gesetz der Pflicht formuliert werden. Das Sittengesetz
ist-das autonome Gesetz meiner Vernunft, sofern ich meinen Willen
383

als Vernunftwillen zu bezeugen vermag durch meine Unterwerfung,


durch die Übernahme des Gesetzes als meiner Pflicht.
Wir erkennen so einen ferneren Gegensatz gegen den Schatz
der Verdienste. Der Märtyrer hat kein Verdienst: denn seine
Handlung darf schlechthin nur Pflicht sein, deren Maß er nicht
ubertreffen kann. Er würde zum Übermenschen, wenn er zum
Heiligen wird. Sein Wille bliebe nicht der menschliche Pflicht-
wille, wenn er nicht schlechthin in Unterwerfung unter die Pflicht
gegründet wird. Wo Märtyrer gezüchtet werden, da wird der
Seelenbegriff durch den Heroenbegriff zweideutig gemacht. Und
diese Zweideutigkeit greift auch in das Jenseits nach seiner rein
sittlichen Bedeutung hinüber. Nur für drei Sünden muß der
Mensch die Tötung über sich ergehen lassen: für den Götzendienst,
den Mord und die Blutschande. Um der Verleitung vor den! Be-
gehen dieser Sünden zu widerstehen, darf der Mensch das irdische
Leben verachten. Aber diese Entwertung der irdischen Welt darf
nicht zugleich eine solche der jenseitigen herbeiführen, oder gar
durch einen anderen Sinn jener ersetzbar gemacht werden. Dies
geschieht jedoch, wenn die jenseitige Welt zu einer Schatzgrube
gemacht wird durch die angeblichen Verdienste für die irdische
Welt und deren fernere Entstellung durch die andere. Der strenge
Gedanke der Pflicht allein schon schlägt alles Verdienst und allen
Lohn aus dem Felde. Und so befreit er auch das Jenseits von dem
Verdachte einer Strafanstalt, wie von dem eines Paradieses mit
seinen Leckerbissen. Der Geist kehrt zurück zu Gott. In diesem
Satze ist der Seele, wie ihre Herkunft, so ihre letzte Zuflucht an-
gewiesen. Damit wird die Seele von ihrem mythischen Ursprungs-
begriff als eines Spukgeistes endgültig befreit. Befreit wird sie
damit auch von der Verwendbarkeit rückwärts für die irdische
Welt mit ihren Sünden und ihren vermeintlichen Verdiensten. Sie
hat keinen Zusammenhang nach rückwärts, sondern einzig und allein
besteht ihre Kontinuität für die Zukunft, für die Unendlichkeit der
Entwicklung. Diese Weisheit enthält die Sentenz von dem Ver-
dienste der Väter.
Wir müssen hier schon ein Moment vorwegnehmen, welches
wichtig ist ‫־‬für die ~Charakteristik des jüdischen Gebetes. ‫״‬Nicht
auf unsere Gerechtigkeit hin richten wir unsere Gebete an dich,
sondern auf deine große Liebet So heißt es im täglichen Morgens
gebet. ‫״‬Was sind wir, was unser Leben, was unsere Gerechtigkeit,
384

was unsere Wohltätigkeit, was unsere Hilfe, was unsere Kraft, was*
unsere Tapferkeit?“ So wird ausführlich aller Eigenwert abgelehnt,
und auf Gott allein alle Hoffnung gerichtet. Aber von dieser Zu-
versieht auf Gott wird für das geschichtliche Verständnis und für
die Fortführung des Strebens und der Laufbahn auf Erden da&
Verdienst der Väter angerufen, in welchem ja das Verdienst Gottes•
um die Väter wiederum enthalten ist. Denn wie wir es im Gebete■
formuliert fanden, ist die Liebe der Väter nicht ihre eigene Liebe*.,
sondern vielmehr die Liebe Gottes zu ihnen. Und so wird das•
Verdienst der Väter zu einem anderen Ausdruck für den letzter!
und einzigen Halt des religiösen Bewußtseins, der in Gott besteht:
Das Verdienst der Väter ist das Verdienst, das Gott in seiner Liebe
zu ihnen, in seinem Bunde, den er mit ihnen schloß, ihnen verlieh*,
aber in ihnen vielmehr ihren Nachkommen verlieh. So wird das
Verdienst der Väter zu einem Panier für den Beruf des Volkes.
Wir gehen zu einem anderen Problem über, welches mit der
Unsterblichkeit zusammenhängt. Eine große Schwierigkeit bildet
für die persönliche menschliche Sittlichkeit, mehr als die Abschätzung*
von gut und schlecht mit Rücksicht auf Wohl und Übel, die An-
wendung der ethischen Unterscheidung selbst auf das Urteil über
die einzelne menschliche Handlung und über den Urheber derselben
als gut oder schlecht. Sollte man sich des Urteils überhaupt ent^
halten müssen, dann wäre die Gefahr des Indifferentismus und
Opportunismus unvermeidlich. Das Urteil muß daher auch persönlich
gewagt werden; es darf nicht nur dem Gerichte, noch gar in Demut
Gott anheimgestellt werden. Das Moralisieren ist eine unerläßliche•
Pflicht, von deren Ausübung die sittliche Lebendigkeit abhängt.
Indessen muß die Religion Kautelen schaffen, um den Übergriffen
des persönlichen Urteils vorzubeugen, um das Gebiet überhaupt
einzuschränken, das nicht überschritten werden darf.
Die Sprüche der Väter sind derjenige Teil der Mischna, der
in seinem ganzen Inhalt, in seinen sechs Abschnitten für das
Gebet in die Gebetordnung für den Sabbatnachmittag des Sommers
eingefügt worden ist. Und diesen Sprüchen der Väter wird vorausgeschickt
der Satz:. ‫ ״‬Ganz Israel hat Anteil am ewigen Leben (Olam haba)“.
Der Unterschied von gut und schlecht wird scheinbar hier gänzliclt
ignoriert. Wenn zunächst nun die Frage entsteht, wie diese
Ignorierung zulässig sei, so gilt die erste Antwort: daß ja die Buße
aind; die Erlösung daher für jedermann bestehe. Mithin steht
385

jedermann in der prinzipiellen Präsumptiön der sittlichen Unver-


sehrtheit. Die Möglichkeit der Erlösung steht außer allem Zweifel,
daher kann sie auch in jedem Einzelfalle als verwirklicht an-
genommen werden. Und welchem Begriffe ist dieser Beistand in
dem schweren sittlichen Konflikte des persönlichen Urteils zu ver^
danken ?
Nicht die messianische Zukunft, sondern das künftige Lehen,
die Unsterblichkeit hat diese Hilfe geleistet. Der Satz bleibt freilich
bestehen: ‫״‬es ist kein Mensch gerecht auf Erden, daß er das Gute
täte und nicht sündigte“. Aber diesem Satze steht der Satz des
Talmud entgegen: ‫״‬an dem Orte, auf dem die Männer der Buße
stehen, vermögen die vollendeten Gerechten nicht zu stehen“. Die,
Kraft der Buße überwindet jede menschliche Sünde. Und daher
darf mit Kecht der Unsterblichkeit wenigstens, dem ewigen Leben
die Äustilgung des Unterschiedes von gut und schlecht zugesprochen
werden. Die Mischna sagt nicht, daß ganz Israel gleich gut wäre,
aber sie spricht dem gesamten Israel ohne Unterschied der In-
dividuen den Anteil am ewigen Leben zu. Dieser Anteil, wird durch
die Buße vermittelt und durch sie gesichert. Jedermann ist der
Buße mächtig, daher auch des ewigen Lebens teilhaft. Für niemand j
besteht die, Androhung ewiger Höllenstrafen. Diese Spezialität der I
Strafe gibt es daher überhaupt nicht in der jüdischen Vergeltung. |
Der Satz ist daher ein Schutzmittel und ein Erziehungsmittel
für die praktische Handhabung des moralischen Urteils. Es darf
sich niemals zu einer absoluten Verdammung versteigern Das In-
dividuum bleibt der Gesamtheit Israels zugehörig und hat als solches
den ihm sicheren Anteil am ewigen Leben. Dieser Anteil ist der
religiöse Ausdruck der sittlichen Anerkennung. Der Verlust der
sittlichen Würde ist daher überhaupt unmöglich. Und das moralische
Urteil erhält daher von diesem Satze der sittlichen Würdigkeit von
jedermann seine ganz bestimmte Direktive, die jedem Einzelfalle
gegenüber in Geltung bleibt. Diese Direktive wird zunächst in
religiöser Einschränkung erteilt; denn nur innerhalb dieser Grenzen
darf die Buße mit allen ihren Bedingungen und nach deren Er-
füllung die Erlösung als das gesicherte Ziel angenommen werden.
Indessen überschreitet ja, wie wir immer es beobachtet haben/
die Beligion selbst diese engeren Schranken, welche zunächst im
eigenen . Volke ; die ‫־‬.humane : Handhabung dös sittlichen Problems*
geleitet und gefördert .'haben. Wir haben gesehen, daß die allgemeine
25
386

Menschenliebe die messianische Konsequenz des Monotheismus ist*


der sie in der Liebe zum Fremdling vorgebildet hat. Gott liebt
den Fremdling. Daher sollt ihr den Fremdling lieben. Ihr wäret
Fremdlinge im; Lande Ägypten.■ Ihr kennet das Gemüt des Fremd-
lings. Die nationale Geschichte hat den Anlaß geboten zur mono-
theistischen Richtung der allgemeinen Politik und der Sozialpolitik.
Und der Fremdling wird nicht nur zum Fremdling der Gerechtig-
keit, sondern auch zum Fremdling-Beisaß. Politische Gleich-
berechtigung wurde einem Nichtjuden im jüdischen Recht und Staat
von der Thora zugesprochen. Aber auch durch solche staatsrecht‫־‬
liehen Präzisierungen des religiösen Grundbegriffs konnte sich das
jüdische Bewußtsein noch nicht eine zulängliche Genugtuung ge-
schaffen haben.
So trat zum Fremdling (Ger) hinzu der Sohn Noahs. Er bildet
die Ergänzung zu den Kindern Israels. Der Sohn Noahs beruht
auf der Voraussetzung, daß die Offenbarung, daß die Religion nicht
erst mit der Offenbarung am Sinai begonnen habe, schon die* Väter
gehen ja längst dieser Offenbarung vorher. Noah aber steht in
einer noch universelleren Beziehung zur Religion. Denn mit Noah
hat Gott einen . Bund geschlossen mit dem Menschengeschlecht und
mit der Erde, daß kein Verderben mehr über beide kommen werde.
So stehen die Menschen allesamt unter dem Schutze Noahs, in
dem Bunde Gottes mit ihm. Als religiöser Begriff fordert der Sohn
Noahs sein religiöses Fundament, welches daher zu einem sittlichen
Komplement für die spezifische Religion werden muß. Die sieben
Gebote der Söhne Noahs bilden dieses sittliche Fundament. Das
erste dieser sieben Gebote bildet demgemäß die Gerichtsverfassung
(‫)דינים‬. Das Recht ist die Grundlage der menschlichen Sittlichkeit.
Die Sitte kann keinen genügenden Ersatz bieten. Erst die Forum-
lierung von Rechten und die Einrichtung eines Gerichtshofes und
einer Gerichtsverfassung bietet die hinreichende Grundlage. Was
innerhalb der Religion die Liebe zu Gott als Inbegriff aller Gesetze
besagt, das formuliert das Recht für die allgemeine menschliche
Sittlichkeit.
So konnte daher Maimonides seine Auffassung vom Opfer,
welche die Grundlage ist für seine gesamte Auffassung des Zeremo-
iiialgesetzes, auf dieses Fundament des Rechtes begründen. Wenn
Jeremia sagt: ‫ ״‬denn ich habe mit euren Vätern nicht geredet von
Angelegenheiten des Brand Opfers und des Schlachtopfers am Tage,
387

da ich sie herausführte aus Ägypten“ (Jer. 7, 2*2). so deutet Mai-


monides diesen Ausspruch dahin, daß er ihn bezieht auf die Ein-
Setzung von Satzungen und Beeilten in Mara (2. Mos. 15, 25). Das
Eecht sei das wahre Fundament der Thora, und diese Thora setzt
sich selbst in die gleiche Geltung für den Fremdling und den Ein-
geborenen. ‫ ״‬Eine Thora sei euch, dem Einheimischen und dem
Fremdling, der in eurer Mitte weilt“ (2. Mos. 12,49). Durch diese
Bechtsgleichheit erst ist die Liebe des Fremdlings wahrhaft, und in
ihm der Menschenbegriff wahrhaft geworden. So forderte die Thora
selbst nach dem Fundamente, welches das Deuteronomium ihr legte,
den politisch-rechtlichen Begriff des Menschen.
Aber der Menschenbegriff sollte nicht bloß durch diese recht-
liehe Festsetzung gesichert werden. Der Messianismus forderte die
Erweiterung, welche seiner Verwandtschaft mit dem Gedanken der
Unsterblichkeit entsprach. So mußte auch dem Fremdling das ewige
Leben zugesprochen w7erden. Das war wahrlich ein kühnes Wagnis.
Die Prärogative des Monotheismus würde ja damit ahgetan. Für
ganz Israel besteht das Präservativ der Buße. Jetzt soll aber die
Gerichtsverfassung allein das religiöse Gericht ersetzen. Und die
sieben Gebote der Noachiden sollen die 613 Ge- und Verbote der
Thora ersetzen. Und der Sohn Noahs wird in dem höchsten Ziel
der menschlichen Zuversicht, im ewigen Leben, dem Sohne Israels
gleichgestellt. Aber so will es der Messianismus. Nur in dieser
Konsequenz kommt er zu seiner Wahrheit. Und so muß das ewige
Leben nun auch zum Hilfsbegriff werden für dilse gigantische
Durchführung des Messianismus. Denn wahrlich die Söhne Noahs
sind die Giganten im Kampfe gegen den monotheistischen Olymp.
Die Gefahr, die im Sohne Noahs liegt, wird nun aber durch
einen anderen Begriff abgeschwächt, den ebenfalls das Vehikel der
Unsterblichkeit heräufgeführt hat. Aus dem Fremdling und dem
Sohne Noahs werden ‫ ״‬die Frommen der Völker der Welt“. D er;
Sohn Noahs gehört der Vorgeschichte der Beligion an. Und wie j
sehr diese auch schon providentiell gestaltet wurde, so bleibt sie
doch immer nur eine primitive Vorgeschichte zur eigentlichen, zur
messianischen Geschichte der Menschheit. In dieser sind die Völker
der Welt die eigentlichen Kräfte, gegen welche die Söhne Noahs
zu symbolischen Masken werden. Es gilt buchstäblich, *die Völker
der Welt in ihrer sittlichen Gleichberechtigung anzuerkennen. t)ie
Söhne Noahs verschleiern noch immer diese Gleichberechtigung, wenn-
25*
gleich• sie dürch die sieben ,Gebote definiert werden. . . Der Schwer-
punkt liegt bei ihnen doch immer nur in dem sittlichen Fundamente y
es kommt aber darauf an, das Problem selbst in aller seiner Expo-
niertheit zu erfassen. Die Völker der Welt gilt es anzuerkennen,,
und zwar mit einem religiösen Ausdruck diese Anerkennung zu
vollziehen. So ist der Terminus entstanden: die Frommen der
Welt ( ‫)המידי אומות העולם‬. Die Völker der Welt haben die Thora
nicht, dennoch aber kann Frömmigkeit unter ihnen entstehen. Dieser
Ausdruck der sittlichen Anerkennung ist noch bestimmter, daher
auch noch kühner als die Zuerkennung des Anteils am ewigen
Leben. Jetzt erst ist der Menschenbegriff gerettet, jetzt ist er ger
schaffen. Die Völker der Welt haben Fromme in ihrer Mitte.
Was mag die Grundbedeutung dieses Frommen (Chassid) sein?
Er ist derjenige, der Chessed ausübt. Und was ist Chessed? Es-
steht meistens in Verbindung mit Gunst (‫ )חן‬und Liebe (‫►־(אהבה‬
So möchte es vielleicht ein .Mittelbegriff sein, zwischen Gnade und
Erbarmen, und‫ ־‬als solcher der Milde, der Mildtätigkeit, und auch
der Sanftmut entsprechen. Auch hier ist Gott der Urbegriff. Aber
daher gehört der Fromme auch unmittelbar zu seinem Gotte. Vom
Frommen sagt der Psalm: ‫ ״‬dein Frommer“. Jetzt aber muß diese
eigene Beziehung des Frommen auf den einzigen Gott gelockert
und durchbrochen werden. Wie konnte dies bewerkstelligt werden?
Wie konnte dieser Begriff der Frommen der Völker der Welt ent-
stehen?.‫׳‬
Auch hier mußte die Unsterblichkeit aushelfen. Und so ist
der Satz im Talmud entstanden, dem Maimonides in seinem Kodex
der Gesetzgebung (Mischne Thora) die Formulierung gegeben hat•*
‫ ״‬die Frommen der Völker der Welt haben Anteil am ewigen Leben“*
^Damit ist jeder Zweifel an dem Satz beseitigt, daß auch der Nicht-
jude als.Frommer anerkannt werden dürfe: das ewige Leben hat
ihm diese Anerkennung erwirkt. Die Unsterblichkeit der Menschen-
seele hat ihm diese religiöse Gleichberechtigung als eine sittliche
erobert. Der Begriff dre1; Welt hat hier auch mitgewirkt .Die
[Völker der Welt sin$. .zy. Bürgern der künftigem.,Welt erhoben.
!worden, Da§ künftige Welt ist so die Idealisierung der jetzigen
Welt geworden, Jetzt ist der Sohn Noahs durch diese Frommen
überflügelt. Jetzt ist er nicht nur ein ethisch-rechtlicher Grund-
begriff, sondern er ist gleichsam zu einem religiösen geworden*
Der Mensch, der .di$; sieben Gebote überninirat, ist nicht nur ein Sohn
389

Noahs,- sondern durchaus ein Frömmer. Die sieben Gebote werden


dadurch unverkennbar zwar nicht gleichgestellt, aber koordiniert'den
613 Geboten. Und diese Koordination entspricht durchaus, wie wii‫־‬
noch genauer sehen werden, dem Grundgedanken der Mischna.
Die sittlichen Werte werden dadurch zu religiösen Vollwerten 1
gestempelt. Solche Werte der reinen Sittlichkeit sind ‫ ״‬die Frommen 1
der Völker der Welt“ zu erzeugen vermögend. Und wir werden
später sehen, daß die Frömmigkeit (‫ )חסידות‬die höchste Stufe in
der jüdischen Tugendlehre bildet, und dies auch wiederum nach
Anordnungen der Mischna. Jetzt aber ziehen wir besonders die
Konsequenz in Betracht, welche der Messianismus hier durch die
Unsterblichkeit gewinnt. Der Anteil am ewigen Leben hat die völlige
religiöse Gleichheit zwischen Israel und den Völkern herbeigeführt.
Der Seelenbegriff h a tf durch das Mittel der Unsterblichkeit den '
Menschenbegriff über die Differenz der Völker und über die der
Beligionen selbst hinweggehoben. Was dem Menschheitsbegriff noch \
nicht vollständig gelungen war, da die messianische Menschheit doch
immer die positive Anerkennung des Monotheismus voraussetzt, diese
Höhe, diese Sicherstellung des absoluten Menschenbegriffs hat die
Unsterblichkeit zu Stande-gebracht. Jetzt steht der Mensch nur
auf den sieben Füßen der reinen Sittlichkeit, und dennoch ist er
der absolute Vollmensch. Die ewige Seligkeit hat ihm dazu ver-
holfen, und diese endgültige Sicherung des Menschenrechts ihm
‫־‬verliehen.' Solange die ewige Seligkeit noch an bestimmte Glaubens^
Bedingungen gebunden ist, ist nicht nur sie selbst illusorisch, sondern
mit ihr auch die sittliche Gleichberechtigung der Menschen, mithin
die wahrhaftige Humanität.
Einen fundamentalen Unterschied hat daher mit diesem Grund-
satze der Talmud vollzogen zwischen dem Judentum und dein
Christentum in allen seinen Formen. Die Erlösung bedeutet in
ihnen allen die Erlösung durch den Glauben an Christus. Und wie
immer dieser Glaube im Großen und Ganzen, wie durch einzelne
Bestimmungen entwickelt werden mag, so bleibt doch immer in
allen Nuancierungen dieser Glaube an Christus bestehen. Christus
bleibt die unerläßliche Bedingung für die Erlösung. So gibt* ‫־‬es
innerhalb dieser Gebundenheit kein wahrhaftes Menschentum, sofern
dieses auf der *religiösen Gleichberechtigung zur Seligkeit beruht.
Durch unseren Satz hingegen wird die Seligkeit dem Menschen an
•sich zugesprochen, und die Bedingungen des Menschentums werden
390

nur innerhalb der reinen menschlichen Sittlichkeit bestimmt. Der


Glaube an den ein zig en Gott wird n ic h t g e fo rd e rt, sondern
1nur die Enthaltung von Gotteslästerung und vom Götzendienst, der
jedoch seinen positiven Nebenanteil an der Verletzung der Sittlich-
keit hinsichtlich der Keuschheit hat. Während daher im Christen-
tum nicht nur der Glaube an Gott gefordert wird, sondern auch
der an Christus, wird im Judentum nicht einmal der Glaube an
Gott zur Bedingung der Seligkeit gemacht. Eine solche Höhe der
Konsequenz ist durch die Vermittlung der Unsterblichkeit erreicht
worden.
So überblicken wir die Folge der Begriffe, die hier mitspielen,,
in ihrer Steigerung. Der Fremdling ist zum Sohne Noahs und.
dieser zum Frommen der Völker der Welt geworden.
Auch hier hat, wie überall in der jüdischen Dogmatik, die
Politik ihre heilsame Vermittlung geleistet. Der Fremdling ist ja
nicht nur der ideale Sohn Noahs geworden, sondern er ist als Fremd-
ling-Beisaß ein politischer Begriff geblieben. Damit aber steht er
in dem allgemein üblichen Konflikte mit dem naturrechtlichen Be-
griffe, den hier der religiöse Begriff vertritt. Sollte sich nun die
Staatslehre, wiefern sie für die fortgesetzte Eechtslehre der rabbinischen
Literatur ein noch immer lebendiges Problem bildet; bei dieser
Gleichsetzung des Fremdling-Beisaß mit dem Frommen der Völker
der Welt beruhigen? Durfte die Gefahr übersehen werden, welche
dieser naturrechtliche Begriff bei seiner religiösen Anerkennung für
das Staatswesen in sich birgt? Mußte nicht eine Vorkehrung ge-
troffen werden, welche den Staat gegen diese vollständige religiöse
'Gleichberechtigung des Fremdling-Beisaß, als des Frommen der
Völker der Welt sichert, welche ihn schützt gegen die Subjektivität
und ihre Wandlungen, welche mit der rein sittlichen Normierung
dieses religiösen Staatsbürgers unvermeidlich-gegeben sind? Wenn
nun dieser Fromme seine subjektiven Ansichten ändert, was hilft
es dann, daß er *sich selbst das sittliche Menschenrecht aberkennt,,
wenn er einmal, als Fremdling-Beisaß, das religiöse Staatsbürger-
recht erlangt hat? Die rabbinische Lehre mußte innerhalb ihrer
eigenen Verfassung daher eine begriffliche Vorkehrung gegen diese
drohende Gefahr treffen.
Hier hat Maimonides umso dringendere Veranlassung gehabt,,
die jüdische Staatslehre zu schützen, als er durch seine Formulierung
die jüdische Glaubenslehre zum höchsten und reinsten Ausdruck
391

ihrer Humanität gebracht hatte. Diese Feststellung. wäre positiv


der Glaubenslehre wegen notwendig. Aber diese Notwendigkeit wird
durch die Polemik Spinozas gegen Maimonides an diesem wichtigen
Punkte zu einer Pflicht gesteigert. Denn diese Polemik Spinozas
ist die Quelle geworden zu einem fundamentalen Mißverständnis
der jüdischen Religion. Als solche hat sie die edelsten Zeiten
der deutschen Literatur hindurch gewirkt und ist noch heute nicht
zum Versiegen gebracht. Aus Spinoza hat Kant seine Kenntnis
und sein Urteil über das Judentum geschöpft. Während aber
Leibniz noch, wie das gesamte Mittelalter und die neuere Zeit,
Maimonides kennt und zu schätzen weiß, hat Kant von Maimonides
nur durch Spinoza erfahren. In Maimonides aber schien ihm nach
Spinoza mit Recht das Judentum gerichtet. Daher ist es von
Wichtigkeit, an diesem Punkte Spinoza zu widerlegen und Maimo-
nides zu rechtfertigen. Wie er für die ganze Lehre , des Judentums
den Rationalismus wirksam macht, so gibt er ihm an diesem
Scheidewege seine Vollendung.
An zwei Stellen hat Maimonides ohne jede Einschränkung diesen
Frommen den Anteil am ewigen Leben zugesprochen. (Teschuba 3, 5‫י‬
Eduth 11,10). Nur an einer Stelle (Melach., Abschn. 8) hat er, und wie
von einem kompetenten Kommentator ausgesprochen wird, ‫״‬nach eigener
Ansicht‫ ״‬eine Bedingung hinzugefügt, für die sich im Talmud keine
Unterlage findet. Diese Stelle lautet: ‫״‬Jeder, der die sieben Gebote
übernimmt und beflissen ist, sie auszuüben, der ist von den Frommen
der Völker der Welt, und er hat Anteil an der zukünftigen Welt,
aber unter der Bedingung, daß er sie übernimmt und ausübt,
weil der Heilige, gelobt sei er, in der Thora sie geboten und uns
kundgetan hat durch unseren Lehrer Mose, daß die Söhne Noahs
vordem durch sie verpflichtet wurden. Aber wenn er sie geübt hat
aus Entscheidung der Erkenntnis, ein solcher ist nicht ein Fremdling
weiter.“ In diesem politischen Traktate (über die Könige) handelt
Maimonides von den Rechten und Pflichten des Fremdling-Beisaß,
nicht mehr allein von dem naturrechtlichen Begriffe des Noachiden
und als solchen des Frommen. Daher knüpft Maimonides an die
Übernahme der noachidischen Gebote die Bedingung ihrer Aner-
kennung als eines mosaischen Gesetzes. Durch diese Anerkennung
verpflichtet sich der Beisaß keineswegs zu dem persönlichen Glauben
an diese Herkunft der Gebote, sondern nur zu ihrer Befolgung in
diesem Sinne. Dieser Sinn ist der Sinn der Staatsgesetzgebung, in
392

die er eintreten will. Er verpflichtet sich daher nur gegen die


Eventualität, daß seine Vernunft, seine Erkenntnis ihn veranlasse,
eines Tages sich anders zu entscheiden/ etwa auf die Enthaltung
vom Götzendienst im jüdischen Staate, oder auf die von der Blut-
schände. Wenn seiner Vernunft die Entscheidung überlassen bleibt,
wie er denn aus seiner Erkenntnis heraus sie übernommen hätte, so .
wäre der Staat nicht gegen seine Subjektivität geschützt.
Maimonides hatte, wo es sich nur um den Noachiden, als
Frommen, handelte, in dem Streite zwischen ß. Josua und K. Elieser
(Sanhedrin, 105 a) für E. Josua entschieden. Umsomehr mußte
er sich gedrungen fühlen, wo es sich um den Fremdling-Beisaß
handelt, diese Bedingung aus eigener Erwägung hinzuzufügen:
In dem ferneren Wortlaut der Stelle ist ein Schreib- oder Druck-
fehler anerkannt. Und es ist daher zu vermuten, daß auch die
fernere Ausschließung des Frommen diesem Fehler zuzurechnen ist ;
oder sie könnte dahin erklärt werden, daß ein solcher nicht in dem
Sinne den Frommen zuzuzählen wäre, sodaß er dadurch auch
Fremdling-Beisaß sein müßte. Übrigens ist bei der anderen, mit
dem Fehler behafteten Einschränkung, auch ein heuer Begriff zu
beachten: neben den Frommen der Völker der Welt werden auch
ihre Weisen ausgezeichnet und mit dem ewigen'Löben bedacht. An
der korrigierten Stelle würde der Noachide, der die angeführte Be^■
dingung nicht eingehen wollte,• nur den Weisen *der Völker der
Welt zugerechnet werden. Es ist aber dadurch zweifelhaft, ob er
,nicht als Weiser-schon der ewigen Seligkeit teilhaft wird.
- Die ganze Argumentation Spinozas wird sonach hinfällig. Die
von Maimonides gestellte Bedingung findet sich nur an der einen
der drei Stellen, an welcher es sich nicht um die Frommen, sondern
um den Fremdling-Beisaß handelt, während an den beiden anderen
Stellen jene eigenmächtige Bestimmung von Maimonides •nicht ge-
stellt wird. Der Talmud hingegen weiß von dieser Bedingung
überhaupt nichts. Und so bleibt es bei dem großen Verdienste,
das dieser sich für die strengsittliche Durchführung des messianischen
Monotheismus in diesem Terminus der Frommen der Völker der Welt
für alle Zeiten erworben hat. Der Talmud hat damit nur eine
folgerechte Entwicklung‫־‬zur Ausführung gebracht. Schon die Tosephta
(Sanhedrin Abschn. .13) hat diese klare Bestimmung ausgesprochen,
sodaß die Entscheidung des Maimonides durch sie gestützt wird.‫׳‬
Die,. rabbinische Entwicklung bringt nur den messianischen Grund-
393

gedanken zur Konsequenz.' Und es ist beachtenswert, daß diese


Konsequenz zunächst sich abteilt in die Weisen und in die Frommen,
daß aber in den Frommen die Formulierung zu ihrem Abschluß
gelangt. Die Weisen bilden sonach den kulturgeschichtlichen An-
laß zu dieser messianischen Konsequenz, aber erst die Frommen,
erst der rein sittliche Wert, bringt den Gedanken zu seinem termi-
nologischen Abschluß. Wie sehr jedoch die Anerkennung der Weisen
bei dieser ganzen Ausführung der Toleranz und Humanität mit-
gewirkt hat, das läßt der festgesetzte Segensspruch erkennen, der
beim Anblick eines Weisen der Völker der Welt zu sprechen ist:
;,gelobt sei, der zuerteilt hat von seiner Weisheit dem Fleische und
Blut“. Bei einem jüdischen Weisen lautet der Spruch: ‫״‬seinen
Verehrern.“ Es wird mithin auch in der Weisheit eines Nicht-
juden der Anteil der göttlichen Weisheit anerkannt und zum An-
laß eines Segensspruches genommen.
Überblicken wir nunmehr die ganze Keihe der Begriffe, welche
in innerer Verbindung mit dem Gedanken der Unsterblichkeit ent-
standen sind, so bestätigt sich auch hier eine Erwägung, welche
uns für den klassischen Ursprung der philosophischen Unsterblich-
keitslehre bei Platon zuzutreffen scheint. Nicht die Seele wird der
Unsterblichkeit wegen angenommen, sondern die Unsterblichkeit nur
der Seele wegen. Die tiefere Begründung des Seelenbegriffs und
die Entfaltung aller seiner Bedingungen für das menschliche Be-
wußtseiii als ein menschliches hat Platon in seiner ganzen Un-
sterblichkeitslehre und mit allen Beweisen für diese beabsichtigt.
Die Seele sollte nachgewiesen werden erstlich als Inbegriff aller
Tätigkeit und aller Fähigkeiten des reinen Denkens. Dazu mußte sie
von allen körperlichen Organen und deren Tätigkeiten geschieden
werden. Und diese Scheidung mußte mit einer solchen Strenge
durchgeführt werden, daß darüber auch der Schein der Mystik
nicht gescheut wurde. Ohnehin‫ י‬konnte von der Mystik immerhin
der Vorteil übernommen werden, aus dem für die Ethik Gewinn
zu ziehen war.
Die Unsterblichkeit sollte vor allem Anderen noch besonders
die Seele zum Inbegriff der sittlichen Ideen aus zeichnen . Kein In-
stinkt, kein leiblicher Affekt, nicht Lust und Unlust, kein animaler
Trieb sollte als Grund und Kraft des menschlichen Willens an-
gesprochen werden dürfen. Nur die Seele will; der Leib begehrt.
Nur die Seele ist des Guten fähig; nur die Seele denkt die Idee
394

des Guten, und nur sie selbst mit ihrem Willen vermag das Gute*
auszuführen; nur sie allein ist der Handlung fähig. Nur sie hat
Vernunft und ist Vernunft in dem Doppelsinne der theoretischen
und der praktischen Vernunft.
Wegen dieser sachlichen, methodischen Auszeichnung der Seele‫־‬
begründet Platon ihre Unsterblichkeit. Denn sterblich ist der Leib,
und alles Sterbliche muß Leib sein, wie überhaupt Materie. Die‫־‬
Seele aber ist Geist in diesem logischen und ethischen Sinne. Daher
wird die Seele erst bei Platon von allem mythologischen Ursinn,.
der ihr anhaftet, sachlich befreit, wenngleich er in seinem dichterischen
Geiste selbst noch mit der Mythologie verwachsen bleibt. So werden .
alle Rätsel einfach gelöst, welche die Argumente, die Beweisgründe-
der Platonischen Unsterblichkeitslehre stellen müssen. Die eigent-
liehe These ist nur versteckt in der Unsterblichkeit, sie bezieht sich;
jedoch vielmehr auf den Begriff der Seele selbst, der nicht dem
sterblichen Leibe zuerteilt werden darf. An dem Vehikel der Un-
Sterblichkeit verfolgte Platon die Tendenz seiner Seelenlehre, durch,
welche seine ganze Ideenlehre so sehr bedingt ist, daß man versucht
werden könnte, beide identisch zu setzen.
In analoger Werse können wir uns auch den Zusammenhang‫״‬
der Begriffe in der jüdischen Unsterblichkeitslehre vorstellig machen.
Wir mußten von dem Gedanken ausgehen, daß die jüdische Frömmig-
keit gar nicht lehrhaft auf die Formulierung der Unsterblichkeit
ausgeht. Es hängt mit ihrer Selbsteinschränkung auf die Sittenlehre
zusammen, daß sie nicht die Seele schlechthin als Geist zu erhärten
hat, sondern nur als sittlichen Geist, als Geist der Heiligkeit. Da-
mit ist die Scheidewand von aller Körperlichkeit und Sterblichkeit
scharf genug gesetzt. Wer könnte glauben, daß die Heiligkeit
sterben könnte! Die jüdische Frömmigkeit mußte daher den Mythos*
verwerfen: ‫״‬du überlässest meine Seele nicht der Unterwelt; du
lassest deinen Frommen nicht sehen das Verderben“ (Ps. 16, 10).
Und da nun außerdem der Gottesbegriff die messianische Zukunft
erzeugte, so war auch für die Seele die Zukunft vorgesorgt. So‫׳‬
brachte der Messianismus dem Seelenbegriffe das Moment der Ent-
wicklung und machte die Seele zum messianischen Prinzip der Ent-
Wicklung.
An die messianische Entwicklung konnte sich nun aber auch
für das Individuum das Moment der Entwicklung anschließen, wie es
sich an sie anschließen mußte. Denn die Heiligkeit war in der
Versöhnung und Erlösung durch Gott gesichert worden. So war
der Mensch nicht nur das Symbol der Menschheit, sondern auch als
Individuum, als Person, als Ich wurde er zum berufenen Träger der
Heiligkeit. Und so erklärt es sich, daß, wenngleich in einem anderen
methodischen Zusammenhang, dennoch auch Jecheskel in demselben
Worte der Seele den Begriff des Menschen begründete. Was sonst
der Geist zu verwalten hat, darauf erstreckt sich hier das Interesse
nicht; mit der gespanntesten Energie aber richtet es sich auf den
religiösen Begriff des Menschen, der in seiner Sittlichkeit in der
Buße gegründet, durch die Versöhnung mit Gott erfüllt wird. Wa&
sonst die Unsterblichkeit bedeutet, das vertritt hier der Anteil Gottes
an der Menschenseele. Sie ist ‫״‬ein Teil der Gottheit von oben und
ein Erbteil- des Allmächtigen aus der Höhe“ (Hiob 31, 2). Wa&
bedarf es noch der Unsterblichkeit ausdrücklich oder gar ihres
Beweises, wenn der Menschenseele ihr Anteil an der Gottheit be-
stimmt ist?
So erklärt sich die Diskretion der jüdischen Glaubenslehre
gegenüber der dogmatischen Unsterblichkeit. Ohnehin liegt hier
die Grenzlinie der Mystik. Und wir haben überall gesehen, wie die
*Jüdische Glaubenslehre diese Grenze berührt, aber nicht überschreitet.
Die Differenz von Gott und Mensch soll immer gewahrt und rein
und genau eingehalten werden. Mit der Ausführung der Unsterb-
lichkeitsgedanken ist es schwer vereinbar, den Monotheismus vom
der Mystik abzusondern.
Wie bei Platon durch die Unsterblichkeit der Seelenbegriff al&
Inbegriff des Bewußtseins eruiert werden soll, so soll in der jüdischen
Unsterblichkeitslehre der Menschenbegriff für die Korrelation vom
Mensch und Gott zur Entfaltung kommen. Demgemäß empfängt
die Unsterblichkeit hier den der messianischen Zukunft analogen
Terminus der zukünftigen Welt, Olam hat in der hebräischem
Sprache schon die Nebenbedeutung der Ewigkeit.
Schon die zukünftige Zeit trägt diese Ewigkeit der Entwicklung
in sich. Und die Ewigkeit als Welt macht an sich die Menschen-
seele zu einem Träger der unendlichen Entwicklung. Aber diesa
Entwicklung hat immer die einheitliche Aufgabe, die Korrelation,
von Mensch und Gott zu steigern, zu erhöhen und inniger zu durch-
dringen. Daher ist es ein bestätigendes Symptom, daß der Begriff
der Frömmigkeit selbst durch dieses Vehikel der Unsterblichkeit dem
Menschenbegriffe gemäß verinnerlicht wurde. Diese Verinnerlichung:
396

mußte als Konsequenz des Monotheismus empfunden werden. Der


Noachide war ja zur Erzeugung gekommen. So müßte denn auch
ausdrücklich für die Zukunft der Fromme der Völker der Welt zur
Formulierung kommen. In ihm erst kam der messianische Menschen-
begriff zur Vollendung.
Und was hat allein schon der Begriff des Verdienstes durch
dieses Vehikel gewonnen. Alle Mythologie der Vergeltung, be-
sonders der Strafvergeltung, wurde beseitigt, so weit sie nicht ver-
klärt wurde. Und welche Idealisierung der Unsterblichkeit liegt in
dem Verdienst der Väter! Die Väter sind unsterblich,_denn, ihr
Verdienst^ lebt fort in Wirksamkeit. In ihrem Verdienste also sind
sie unsterblich. Und da das Verdienst ihren Nachkommen zu Gute
kommt, so werden' auch sie unsterblich, weil sie des Verdienstes
der Väter teilhaft werden. Das Verdienst ist es, das unsterblich
, macht. Das Verdienst ist es, -das __die Seele, ausmacht. Die Seele
(ist zuvörderst eine geschichtliche Seele, und als solche erst auch
die individuelle Menschenseele. In der Geschichte liegt das Ver-
dienst, nicht im Menschen, auch in den Vätern nur dadurch, daß
sie die Väter der Geschichte Israels und dadurch der Geschichte
der Menschheit sind. So liegt ein weiteres Ferment in der Un-
Sterblichkeit.
Die Unsterblichkeit ist die des Verdienstes — aber ‫ ׳‬was ist
alles Verdienst im Menschen ? Auch die Väter an sich haben es
ja nicht. Die Liebe Gottes zu ihnen ist‫ ־‬ihr Verdienst. Gottes
!Verdienst allein ist ihr Verdienst. Das ist der tiefste Sinn des
menschlichen Seelenbegriffs in der jüdischen'Unsterblichkeit. •Gott
liat mit dem Menschen seinen Bund geschlossen. In diesem BuMe
Gottes mit dem Menschen ist die Unsterblichkeit der Menschenseeie
beschlossen. Gott hat den Bund schon mit Noah geschlossen. So
mußte der Sohn Noahs zum Frommen der Völker der Welt werden.
So mußte die Menschenseele unsterblich werden, und zwar ohne
daß eine weitere Bedingung an diesen Anteil am ewigen Leben
knlipfbar wurde. Die Menschenseele als solche war der Erlösung
durch Gott fähig. Keine Vermittlung durfte hier hinzutreten; sie
hatte die unmittelbare Korrelation durchbrochen. Sie hätte die Un-
Sterblichkeit‫ ״‬in Frage,‘weil unter Bedingung gestellt. Die Seele ist
von Gott gegeben‫־‬. Und sie kehrt zurück zu Gott, der sie gegeben.
Die Unsterblichkeit ist an keine Bedingung geknüpft. Auch
die Erlösung darf ihr nicht erst: zur Bedingung werden. Die Er^
lösung ist vielmehr die Voraussetzung der Unsterblichkeit. ‫ ־‬Und
die Erlösung ist selbst an keine andere Bedingung :geknüpft als an
die der Selbsterlösung der Menschenseele iii ihrer Korrelation m it
Gott. Daher in ihrer Zuversicht auf Gott. .Wie daher das Verdienst
kein zulässiges Moment für die Unsterblichkeit ist, so auch nicht
der positive Nachweis und die besondere Legitimation ‘ der Siind-
losigkeit. Daher ist der Satz; der Misohna von grundlegender Ber
deutung: ‫״‬Ganz Israel hat Anteil an der zukünftigen Welt“. F ür
diesen Anteil bedarf es keines besonderen Nachweises der positive!*
Frömmigkeit.. Ganz Israel ‫־‬vertritt hier den Begriff des Menschen,,
denn ganz Israel schließt ja die messianische Menschheit ein. So-
sind die Frommen der Völker der W elt. folgerichtig aus diesem
Satze von ganz Israel hervorgegangen. Vor dem Begriffe der Un-
Sterblichkeit.verschwindet die Sünde aus dem-Begriffe, aus der Seele•
des Menschen. Der Mensch ist unsterblich, er hat gleichen An-
teil mit allen Menschen am ewigen Leben — dieser Satz vertilgt
das Moment der Sünde aus dem Begriffe der Menschenseele. Und.
sie. wird dadurch nicht etwa zum Indifferentismus über gut und
schlecht verleitet, sondern nur der Unvertilgbarkeit der Sünde ent-
hoben. Zur Unwahrheit wird dadurch der Gedanke verurteilt, der
die Sünde zu einem Wesensbestandteil des Menschen macht. Die-
Sünde dringt nur an ihn, so lange er lebt. Aber seine Sünde-
ist ja nur Schegaga vor Gott. Und Gott vergibt ‫ ־‬sie ihm, weil er
und sofern er seine Selbstheiligung und Selbstläuterung in seinen!
Vertrauen auf Gott durchzuführen vermag. Daher stirbt er nicht• )
mit seinem leiblichen Tode, sondern der messianische Gott gibt auch I
seiner Individualseele eine unendliche Entwicklung, ein ewiges Da-
sein. So strahlen alle Grundbegriffe der Religion auf die Unsterb-*;
lichkeit der Seele hinaus, wie sie von ihr aus zurückstrahlen auf
den Mittelpunkt Gottes. Und so entfalten sich alle diese Aus-
Strahlungen als die Ausgestaltungen der Korrelation von Gott
und Mensch.
Der Ewigkeit Gottes entspricht in anthropomorpher Konsequenz-
die Ewigkeit des Menschen. Von der anthropomorphen Fassung
aber befreit, bedeutet diese Ewigkeit des Menschen nur 4-den‫׳‬- unend^
—liehen Fortbestand der Korrelation von Mensch und Gott.,.‫ ; ׳‬Ohne-
die Unsterblichkeit. könnte auch die Schöpfung, die Offenbarung^
die Vorsehung Gottes nicht Bestand haben. So ist der Messianis-
mus,.?nichts mehr als das; .Analogon zur Unsterblichkeit , wührencl
398

der Monotheismus selbst in seiner Korrelation von Gott und Mensch


die Unsterblichkeit zu seiner notwendigen Konsequenz hat. * Für
den Begriff des Menschen hat; der Messianismus die hauptsächlichen
Bedingungen dargereicht, die alle in dem Frommen der Völker der
Welt gipfeln. Für den Begriff Gottes hingegen hat der Monotheis-
mus an sich selbst die Unsterblichkeit erschlossen, und alle seine.
Grundbegriffe gipfeln für dieses Ziel in dem Begriffe der Ver-
söhnung. Der Mensch erlangt Versöhnung mit Gott. Die Sünde
wird ihm nicht zu einem unzerstörbaren Charakter. Seine Seele ist
rein, daher ist sie unsterblich. Gott hat sie ihm gegeben, daher
ist die Sünde niemals sein Erbteil,, das vielmehr allein und aus-
schließlich seine Seele ist; als Menschenseele ist die Seele un-
sterblich, nicht‫ ־‬als eines Glaubens Seele, auch nicht als die des
Glaubens an den einzigen Gott. Hat sie ihn noch nicht gefunden,
so kann sie immerdar ihn finden: sie ist unsterblich.

Das Gesetz.
Die Korrelation von Gott und Mensch ist die Norm des Mono-
theismus. Auch in der Unsterblichkeit hat sich dieser Grund-
gedanke als leitend erwiesen. Die Unsterblichkeit soll den Menschen
zur höchsten, zur unendlichen Entwicklung bringen, und zwar als
Menschen, Der Polytheismus dagegen versteht außerhalb der Plato-
mischen Philosophie die Unsterblichkeit nur als Vergottung. Der
Mensch will Gott werden. Das ist die Sehnsucht des antiken
Menschen. Mit dieser Vergottung ist die antike Welt auch dem
Christentum gewonnen worden. Dahingegen hält der Monotheismus
in allen Begriffen die: Scheidewand aufrecht zwischen Gott und
Mensch.
Es ist sicherlich auch eine charakteristische Differenz zwischen
dem Mosaismüs und allem Polytheismus: daß der einzige Gott nicht
nur einzelne Befehle ergehen läßt an einzelne Menschen, sondern,
daß er Gebote gibt, die für alle Menschen als Gesetze gelten sollen;
an deren Befolgung seine Verehrung gebunden ist, zunächst für
das erwählte Volk, durch dasselbe aber für die messianisehe Mensch-
heit. So fordert es die Korrelation. Gott kann nicht isoliert bleiben
in seinem Olymp, sondern, als Schöpfer des Menschen und als Herr
der ganzen Erde, muß ‫׳‬er* den Menschen seine Gebote als Gesetze
399

für ihr Leben auferlegen. Das Gebot ist ein isolierter Befehl; das
Gesetz will als Grundgesetz der sittlichen Welt gelten.
Daher heißt das Gesetz auch vorzugsweise Lehre. Es ist nicht
«in subjektiver Befehl, sondern eine theoretische Unterweisung, die
*daher dem Menschen zur Pflicht werden kann. In allen Be-
:Zeichnungen ist der einzige Beziehungspunkt immer der Mensch
selbst;, nur der Ursprung liegt in Gott: Aber‫ ׳‬niemals betrifft das
Gesetz das Wesen Gottes ; niemals wird es daher auch zu einer
Symbolik vom Wesen Gottes. Und ebensowenig wird es zu einem
Symbol für die Vergöttlichung der Natur. Nur der Mensch ist der
Gegenstand und das ‫׳‬Ziel des Gesetzes. Seine Versittlichung, seine
Vervollkommnung als Mensch ist der einzige Zweck des Gesetzes.
Er soll nicht etwa Gott werden, sondern er soll immer nur mehr
Mensch werden. Immer aber soll er nur Mensch bleiben.
Schon die erste Form des Gesetzes, das Opfer, prägt diesen
monotheistischen Charakter im Mosaismus aus. Daß die Aufnahme
des Opfers eine Konzession an die Mitwelt ist, darüber lassen die
Propheten keinen Zweifel aufkommen. Und die Philosophen, die
zugleich die Dogmatiker sind, bestätigen diesen unmittelbar klaren
Sachverhalt. Es wäre auch psychologisch nicht denkbar, daß die
Propheten mit solchem Nachdruck gegen die Opfer hätten eifern können,
wenn sie im Volke selbst nicht die Ahnung von der Unzulänglichkeit
des Opfers und seiner Unangemessenheit für die Verehrung des einzigen
Gottes hätten voraussetzen können. Wie sie nun aber dennoch das
Opfer zuließen und aufnahmen, so brachen sie ihm die Spitze des
Mysteriums ab, in welchem der heidnische Kult sein letztes Ziel
hat. In den Weihen, welche den Gipfel des Opferkultus bilden,
mit ihrer Askese, wie mit ihrer Buhlerei, soll eben die Differenz
zwischen Gott und Mensch aufgehoben werden. Eine solche Un-
mittelbarkeit hat der Israelit niemals in seinem Opfer: immer steht
der Priester zwischen ihm und Gott. Er könnte nur Priester
werden wollen, niemals aber Gott.
Das ist der eigentliche Grund auch für die Überwindung des
Hanges zum Menschenopfer. Der Mann oder das Weib, die dem
Gotte geopfert werden, sollen dadurch seinesgleichen werden. Ein
solches .Ziel -gilt J 1ier ~als Gotteslästerung,-4aher 40nnte-das Jdenscben-
opfer zum Greuel werden. Das Opfer sollte nur ein Erziehungs-
m ittel. werden und als solches Aufnahme finden für den Menschen,
als solchen. Und nun kam die Reform Jecheskels hinzu und machte
400

das Opfer zu einem Beiwerk für die eigentliche Erziehung, die der
Mensch in der Buße an sich seihst vollziehen soll, und auf Grund
deren er wiederum nur die Versöhnung mit Gott, aber keineswegs
das Aufgehen in Gott, die Vergottung erlangen soll.
So ist das Opfer vom Menschen aus, was die Schöpfung und
die Offenbarung von Gott aus sind. Und wie die Offenbarung das
notwendige Mittel der Korrelation ist, so auch das Gesetz. Offen-
barung und Gesetz sind daher identisch. Wäre das Gesetz nicht,
die notwendige Form für den Vollzug der Korrelation zwischen Gott
und Mensch, so wäre auch die Offenbarung nicht. So ist das Ger
setz Gottes ein notwendiger Begriff des Monotheismus.
Wir haben schon erwogen, daß das Gesetz Gottes keinen Wider-
spruch bildet zur Autonomie des sittlichen Willens. Nur in der
Methode der Formulierung des Begriffs besteht der Unterschied, dei*
der Unterschied ist zwischen Ethik, und Religion. Aber schon am
Opfer erhebt sich für den Inhalt ein wuchtiger Unterschied im Be-
griffe des Gesetzes. * Wir haben schon beachtet, wie das Deuteron
nomium die Satzungen und Rechte unterscheidet, wenigstens in den
beiden Namen. Maimonides aber definiert auch den inhaltlichen
Unterschied zwischen diesen beiden Begriffen, und zwar dahin: daß
die Satzungen (‫ )הקים‬das ganze rituelle Gebiet, die Rechte dagegen
(‫ )משפטים‬das rein sittliche und politische Gebiet betreffen. So ist
denn innerhalb der Religion selbst, weil innerhalb der Gesetze
Gottes, der Unterschied anerkannt zwischen diesen, sofern die Sitten-
gesetze für das menschliche Leben in Recht und Staat sind, oder
inwiefern sie ausschließlich oder vorzugsweise das innere Gebiet de&
Gottesdienstes betreffen. Die Opfer stehen hier voran, aber nicht
allein. Das göttliche Erziehungswerk trifft ausgedehnte Anstalten
und Vorkehrungen. Es muß von ihnen allen die Voraussetzung
gelten, daß sie zum sittlichen Erziehungswerk, des Menschen geT
hören, aber in weiten Bogen, die oftmals als Umwege erscheinen,
kann dieses Erziehungswerk sich ergehen. Diese zweite Bedeutung
des Gesetzes bildet die eigentliche Schwierigkeit aus dem Gesichts-
punkte der Ethik für das Gesetz der Religion. r
Wir haben von Anfang an. beachtet, wie der Monotheismus«
aus ,dem Polytheismus sich -.hindurchringt. Soeben haben wir es
wieder an dem Opfer beobachtet.‫ ־‬Es ist die natürlichste Rücksicht*
auch Mas Gesetz in dieser polemischen Wurzel gegen den Polytheisr
mus zu erkennen. Maimonides besonders hat die ganze Ausdehnung
401

die'ser Wurzel auch für die Prophylaxe ausgemessen. Man weiß


wie die Schrift selbst ausdrückliche Rücksicht nimmt auf die Yer-
führung zu heidnischen Sitten und Kultusgebräuchen. Daher die
harten Vorschriften zur Ausrottung des Götzendienstes und der
Götzendiener. Der Grund mancher Gesetze, der uns nicht erfindlich
ist, mag in solcher Abwehr des Götzendienstes gelegen sein. Es
dürfte auch hinzukommen, daß manche Gesetze sogar noch in
mythologischer Befangenheit oder in der Nachgiebigkeit gegen eine
solche ihren Grund haben.
Einen weiteren Grund enthält die. Indifferenz, welche im
jüdischen Altertum zwischen der Religion im engeren Sinne und
allen anderen Zweigen der öffentlichen Kultur besteht. Die Religion
wird zur Grundverfassung des Staates. Daher werden Rechte und
Staatsgesetze zugleich Religionsgesetze. Jetzt wird zwar damit zu-
gleich die Grenzlinie der reinen sittlichen Gesetze berührt, aber
ihre Reinheit wird dadurch gefährdet. Denn relative politische
Rücksichten, und besonders solche der Sozialpolitik, können dadurch
Gesetzeskraft sich anmaßen. Diese Gefahr trifft besonders zu für
die antike Hygiene und Medizin, zumal dieselbe mit dem Priester-
wesen zusammenhängt. Dadurch wird die Aneignung der hygienischen
Maßregeln für das religiöse Gesetz gefördert; bei der primitiven
und daher unvollkommenen Art der hygienischen Einsicht wird da-
durch aber das Gebiet des Religionsgesetzes ins Ungemessene er-
weitert.
Endlich erfordert der Kultus selbst seine eigenen Gesetze, auch
abgesehen vom Opfer und seinen Requisiten. Aber auch hier wird
wieder die Kollision mit den. reinen sittlichen Gesetzen unveiv
ineidlich. Erstlich sind die Zehnten nicht bloß Abgaben an den
Priester, sondern auch Armenzehnten. Und die Erstlinge sind eben-
sowenig nur Steuern für den Priester, sondern auch als Almosen
verwendbar. Und ferner auch allgemeinen Rücksichten für die
Bodenmelioration entsprechend, wie das Sabbatjahr mit dem Brach-
liegen der Äcker. Oder das Verbot der Baumfrüchte in den ersten
drei Jahren des Ertrages. Endlich steht der Sabbat, der Mittelpunkt
der Feste, an dieser scharfen Grenzlinie. Nach der einen Auf-
fassung 'ist er das Symbol der Schöpfung als deren Vollendung,
Nach der anderen Auffassung aber wird er zum *Symbol der all-
gemeinen Menschenrechte, zum Sjunbol der Emanzipation der Sklaven.
Und ähnlich verhält es sich mit den Festen, wie es besonders am
*26
402

Versöhnungstage ans schon deutlich geworden ist, der aus dem


Opfertage zu dem messianischen Vertreter der monotheistischen
Versöhnung geworden ist, und in dieser Mission das Neujahr sich
zum Büsttag verwandelt hat. Aber auch die drei anderen Feste,
ursprünglich Natur- und Erntefeste, sind zunächst nationale und
geschichtliche Feste geworden wie Pesach und Sukkoth, aber durch
diese geschichtliche Vermittlung sind sie eigentliche Eeligionsfeste
geworden, deren Gipfel das Wochenfest geworden ist, als das Fest
der Offenbarung. So sind die Feste ein Teil der Gesetzgebung, der
die Vermittlung bildet zwischen der religiösen und der sittlichen
Bedeutung des Gesetzes. Den schwierigsten Teil der Eitualgesetz-
gebung bilden die Speisegesetze, die auf der Grundlage des Schlacht-
gebotes sich entwickelt haben. Aber wie diese Grundlage selbst
eine befreiende Bedeutung hat gegenüber der sonst exklusiven
Opferschlachtung, so treffen in den Gesetzen über die verbotenen
Tiere mit ihren Ausgestaltungen im rabbinischen Zeremonialgesetz
alle die angedeuteten mannigfachen mythologischen und antimvtho-
logischen Eücksiehten zusammen, wie zugleich auch die vielfachen
hygienischen und medizinischen Eücksiehten.
Endlich sind tiefgehende historische Fragen hier zu berück-
sichtigen. Wie es in Bileams Segen von Israel heißt: ‫״‬ein Volk,
einsam lagert es, und unter die Völker rechnet es sich nicht“, so
ist die Geschichte Israels verlaufen, so muß sie begriffen werden.
Nur so ist es einigermaßen erklärbar, daß die Nation und mit ihr
die Eeligion sich erhalten konnte. Hätten die Lebenssitten eine
eheliche und wirtschaftliche Gemeinschaft ehedem gefördert, so würde
es gar nicht verständlich werden, daß dieses Glaubensvolk sich er-
halten konnte. Dieses historische Motiv dürfte die große Frage, die
immerfort nach den Gründen der Gebote gerichtet, und die von
Maimonides so einleuchtend erörtert worden ist, am einfachsten zu
einer entscheidenden Lösung bringen. Der historische Instinkt der
Nation hat diese Schutzmauer gegen die Nivellierung des Eigenen
errichtet und vor der gänzlichen Zerstörung gehütet. Es ist ein
tiefes Geheimnis der historischen Lebensmacht einer Idee, das bei
dieser Frage auf dem Spiele steht. Politische Fragen sind freilich
dabei unvermeidlich, und ebenso Kulturkonflikte mannigfacher Art.
Die Entwicklung der Eeligion selbst hängt zusammen mit den
Phasen, in denen diese Kulturprobleme sich abspielen. Aber die
Vernunft der Eeligion verbirgt oder enthüllt sich offenbar in
diesen schwierigen Konflikten, die nichts ändern können an der
großen historischen Aufgabe: die religiöse Idee in ihrer Eigenart
am Leben und in geschichtlicher Wirksamkeit zu erhalten. Über-
Spannungen der Mittel und Kräfte sind dabei nicht zu umgehen;
die Ausgleichung muß der Entwicklung anheiragestellt werden.
Verständlich kann das Gesetz in seiner starren Strenge, wie in
seiner lebendigen Schmiegsamkeit nur werden in seiner historischen
Bedeutung, in der es ein Musterbeispiel ist für das Problem
der kulturhistorischen Einwirkung überhaupt, inwiefern nämlich die
Ideen oder die Sitten und Gebräuche die prävalierenden Kräfte des
Fortbestandes und der Entwicklung geistiger Erscheinungen sind.
Was für die Geschichte überhaupt der Gegensatz der geistigen und
der materiellen Bedingungen bedeutet, das nimmt eine engere Be*
deutung an für die Kulturgeschichte der Religion. Und nur aus
diesem Gesichtspunkte läßt sich die Frage des jüdischen Gesetzes
methodisch richtig beurteilen.
Es ist aber für den Gegensatz zwischen Idee und Brauch am
jüdischen Gesetze zu beachten, daß er hier sich durchringen will
und unbestreitbarer Weise auf weite Strecken seiner Anwendung
auch durchgerungen hat. Schon das eine Moment, daß das ganze
Ritual, wofern es nicht hygienisch ist, sondern nur erzieherisch wirken
will, ausdrücklich als ein System von Symbolen, unter den! technischen
Namen des Zeichens oder der Erinnerung eingeführt und festgehalten
wird, prägt ihnen diesen idealen Charakter auf. Und dieser wird
durch kein Wertzeichen verändert, das dem Gebote beigelegt wird.
Denn das Gebot der Schaufäden büßt seinen symbolischen Charakter,
nicht dadurch ein, daß die mit ihrer Anlegung zu vollziehende
Handlung als eine unbedingte Vorschrift gilt. Die Vorschrift be-
zieht sich eben auf eine solche Handlung, welche schlechterdings
nur als eine symbolische gedacht werden kann: ‫״‬ihr werdet sie
sehen, und werdet gedenken aller Gebote“. Schon dadurch, daß das
eine Gebot zum Inbegriff aller anderen Gebote gemacht wird, wird
der Handlung selbst ihr eigener absoluter Wert entzogen. Und durch
diese Relation auf alle anderen Gebote wird sie zum unverkennbaren
Symbol. Die Schaufäden sind daher ein lehrhaftes Dokument dieser
ganzen Art von Gesetzen, weil sie an das Sehen geknüpft werden.
Das Sehen wird dadurch aber zum geistigen Schauen.
Dieselbe symbolische Bedeutung haben die Tefillin, welche man
sehr falsch als Phylakterien übersetzt hat. Sie sind aber keineswegs
' ~ 26 *
404

als Schutzmittel irgendwo bezeichnet, sondern immer nur als Ge~


denkzeichen. Und die vier Abschnitte, welche den Kapseln ein‫״־‬
gelegt werden, beweisen diese Symbolik unzweifelhaft. Das ‫״‬Höre
Israel“ und das ‫ ״‬Heilige mir“ bilden den Hauptinhalt.
In den Gebeten findet sich eine Unterscheidung, welche für
diesen symbolischen Wert der Gesetze maßgebend sein dürfte: Es
heißt nämlich durchgängig: ‫ ״‬Gelobt seist du, Ewiger, unser Gott,
König der Welt, der uns geheiligt hat durch seine Gebote“. Dieser
Wortlaut könnte die Meinung auf kommen lassen, daß die Gebote selbst
schon durch ihre Befolgung unsere Heiligung bewirkten. Damit aber
würden sie ihren symbolischen Charakter verlieren und den des Opfers
annehmen. Nun heißt es aber anderwärts im Gebete: ‫״‬Heilige uns
durch deine Gebote und reinige unser Herz“. Hier ist wiederum
der symbolische Charakter unzweifelhaft gemacht. Nicht in den
Geboten selbst liegt die Heiligung, sondern Gott wird gebeten, daß‫׳‬
er unsere Heiligung durch die Gebote fördere und zu Stande
kommen lasse.
Bodin hat daher ganz Recht, 'wenn er auf die Anklage gegen
das jüdische Gesetz den Juden Salomo antworten läßt: daß das
Judentum das Opfer abgeschafft habe, welches im christlichen
Sakrament sich erhalten habe, und daß der Ersatz dafür, den die
Zeremonien bilden, nur in symbolischen Erinnerungen bestehe.
Das Mißtrauen gegen den Wert der Gesetze ist in grundsätz-
lieber Weise durch Paulus erweckt worden, und durch seine Kritik
und Polemik wird es lebendig erhalten. Indessen zeigt gerade diese
Kritik die Bedenklichkeit der ganzen Gegenansicht. Erstlich nämlich
verrät Paulus an seinem eigenen Beispiel, wie schwer es ist, das
Gesetz als Sittengesetz unversehrt zu lassen, wenn man es als
religiöses Lebensgesetz bekämpft. Es ist nicht nur eine individuelle“
Paradoxie, die Paulus begeht, indem er das Gesetz zur Unschuld
in Gegensatz stellt, und.daher auch zum Sittengesetz: als ob ohne
das Gesetz die Unschuld nicht eingebüßt worden wäre. Dann ist
das erste Verbot im Paradiese eben die Herbeiführung der mensch-
liehen Sündhaftigkeit.‫ ל‬Und dann würde das ganze Sittengesetz
überflüssig, oder vielmehr schädlich.
Paulus will das Gesetz auch als Sittengesetz entwerten, weil er
den Glauben an die Erlösung durch Christus zum einzigen Gründe
der menschlichen. Sittlichkeit in deren einzigem Werte, im ewigen
Leben, erweisen will. Das Gesetz steht mithin hier nicht etwa als
405

Sittengesetz im Gegensätze zum Kitualgesetze, sondern vielmehr


auch als Sittengesetz im Gegensatz zum Glauben an den Tod und
die Auferstehung Christi als Erlösung des Menschen von der Sünde
und von deren Vergeltung, dem Tode. An dieser Polemik gerade
kann man den Wert des Gesetzes erkennen. Das Gesetz ist Sitten»
gesetz.. _0der_JIiIfswerk zu m ^ t t engesetz. Einen anderen Sinn hat
es nicht als allein den zur Erziehung und zur HeiTigüng^ ^ _
Wenn es dagegen den Sinn hätte, welchen Paulus ihm entgegen-
stellt im Glauben, so würde es von dem Horizonte des Menschen
auf den Gottes übertragen werden. Dann würde es auf das Niveau
des Opfers geraten, welches vom jüdischen Opfer verlassen wurde.
Dann würde es nämlich in die Befugnisse und Veranstaltungen
-Gottes eingreifen, die er an seinem eigenen Wesen und an der
Darstellung desselben im Opfer vollziehen läßt. Dieses Meßopfer
Christi kann nicht im gleichen Sinne Symbol genannt werden, wie

‫־‬etwa die Schaufäden. Denn wenn die Schaufäden nicht geübt werden,
so könnte die Erinnerung an die Gebote Gottes, die von dieser
Stelle ausgeht, veisagen, aber nur das Erziehungswerk des Menschen
würde dadurch eine Lücke erleiden; am Wesen Gottes jedoch würde
dadurch nichts geändert. Auch das Sakrament des Abendmahls
hingegen, selbst wenn es nach Zwingli wenigstens nur als ein Symbol
-gedacht werden dürfte, bleibt immer auf das Wesen und die
Handlung Gottes selbst beschränkt: auf seine Selbstopferung zur
Erlösung des Menschen. Wenn daher auch die Tfanssubstantiation,
die Verwandlung der materiellen Hostie in den Leib Christi nur als
eine symbolische Handlung des Priesters oder Predigers gedacht
werden dürfte, so wäre und bliebe auch diese symbolische Handlung
immer die Darstellung einer Handlung im Wesen Gottes. Darin
besteht der Unterschied zwischen dem Symbol, wenn man selbst
das . Sakrament als ein solches auffassen wollte, und dem Symbol
des Gesetzes, für welches letztere die Schaufäden die Norm ent-
-halten: ‫״‬auf daß ihr sehet und gedenket“. Niemals heißt es: bringet
eine Handlung hervor, welche das Wesen Gottes nachahmt. Das j
Wesen Gottes besteht für das jüdische Gesetz ausschließlich in dem j
:Urbild für die Sittlichkeit des Menschen, nicht aber für seine Selig- ;
keit. Die Unsterblichkeit gehört nicht in das Gebiet des Gesetzes.
So sehr .bereits Kant bestrebt war, die Idee Christi in Einver-
nehmen zu setzen mit der Autonomie der Sittlichkeit, so hat er
doch es nicht, unausgesprochen gelassen, daß der Glaube ebenso
406

statutarisch sein kann wie das Gesetz mit seinen Werken. Und
mehr noch als in seinen eigenen Druckschriften finden sich in seinem
handschriftlichen Nachlaß oftmals wiederholte Äußerungen seines
Nachdenkens und Bedenkens über diese Differenz zwischen Judentum
und Christentum. Während er daher häufig im Sinne von Paulus
gegen das statutarische Gesetz eifert, besinnt er sich doch wiederum
auch gegen Paulus auf die gleich große Gefahr im statutarischen
,Glauben. Danach aber würde dieses ganze Problem des Gesetzes
gar nicht mehr der religiösen Dogmatik, sondern der praktischen
^Theologie und der Erziehungslehre angehören.
Gänzlich verkehrt ist dagegen die Gleichstellung des Gesetzes
mit dem Kirchenwerke. Denn dieses gilt ausdrücklich als apus
operatum. Die Gesinnung, der Glaube braucht dabei gar nicht
prinzipiell ausgeschlossen zu werden. Der Streit zwischen dem
Katholizismus und dem Protestantismus dürfte sich um einen toten
Punkt drehen, wenn nur in der Gesinnung, nur im Glauben, die
Differenz urgiert wird. Aber wenn selbst der Glaube und die Ge-
sinnung in das Kirchenwerk eingeschlossen werden, so bleibt es
dennoch als solches bedenklich und anstößig, weil nur die Kirche
als die Instanz geltend gemacht wird, welche das Werk als eine
persönliche Handlung zu weihen vermag. Wenn dieser Unterschied
schon für den Protestantismus‫ ־‬bestehen mag, umso genauer und
grundsätzlicher für das jüdische Gesetz. Da gibt es keine Kirche,
kein Heiligtum, kein Gotteshaus und keine Gemeinde, von denen
die Heiligkeit über die gesetzliche Handlung ausstrahlen könnte.
In ihr selbst liegt die Heiligkeit; in ihr selbst vollzieht sie sich,
vom Menschen selbst wird sie erzeugt, und unvermittelt durch andere
Einflüsse und Mitwirkungen geht sie von der Handlung selbst auf
ihren Urheber über, auf ihren Urheber zurück. Daher wird die
gesetzliche Handlung niemals zu einem Werke, das seinen absoluten
Wert in sich selbst hätte, sondern das Werk ist vielmehr immer
nur Handlung, daher immer nur Ausfluß und Darstellung der Ge-
sinnung; Erzeugnis und Erzeugung der Person, als des Urhebers
der Handlung.
Sehr lehrreich ist der Doppelsinn des Wortes für Gesetz:
Mizwa heißt gleicherweise Gesetz und Pflicht. Die Korrelation von
Gott und Mensch wird in diesem Worte lebendig. Das Gesetz
kommt von Gott, die Pflicht aber vom Menschen. Und das Gesetz
ist ebenso zugleich Pflicht, wrie die Pflicht zugleich Gesetz. Gott
407

gebietet dem Menschen, nnd der Mensch nimmt in seinen freien


Willen das ‫״‬Joch der Gesetze“ auf sich. Das Gesetz bleibt ein
Joch. Auch nach der Lehre Kants ist der Mensch nicht ein Volontär [
des Sittengesetzes, sondern der Pflicht soll er sich unterwerfen. So!
muß auch im Gesetze der Israelit das Joch auf sich nehmen; aber
mit diesem Joch der Gesetze nimmt er zugleich auf das ‫״‬Joch des
Gottesreiches“. Es ist nur ein Joch: das der Gesetze und das des
Gottesreiches. Es gibt kein anderes Gottesreich als das Keich der :
Gesetze. Welches andere Reich könnte es geben? Etwa das Reich
der Sittlichkeit? Das ist ja eben das Reich der Gesetze. Es besteht ‫י‬
freilich ein Unterschied unter den Gesetzen; der wird nicht in Ab-
rede gestellt. Aber dieser Unterschied ist keine Differenz, welche
einen inneren Widerspruch in die Einheit der Gesetze brächte.
Denn was nicht an sich sittliches Gesetz ist, das wird als Be-
förderungs- und Erziehungsmittel zum Sittengesetze mindestens
gedacht und ausdrücklich als solches bezeichnet. Eine andere Frage
könnte ja immer noch sein, ob tatsächlich diese Identifizierung in
allen Einzelfällen zutrifft. Darüber mag Streit sein; darüber kann
eine Differenz der Ansichten, der Deutungen und der Urteile ob-
walten. Dahingegen aber ist es schlechterdings Mißverständnis,
Irrtum und falsches Urteil, wenn die innere Beziehung zwischen
diesen beiden Bestandteilen ' des Gesetzes bestritten und ab-
erkannt wird. Gegen eine solche Verkennung bildet der Talmud
selbst eine negative Instanz, und diese wird in der positiven Lehre
selbst aufgerichtet, nicht etwa nur in einer apologetischen Abwehr.
Daher konnte auch, wie wir noch sehen wollen, die Religions-
Philosophie diese Festung der Glaubenslehre ausbaueil.
Es ist nicht nur ein ‫ ׳‬äußerlicher Einwand, der von der Über-
Spannung der Macht des Gesetzes hergenommen wird, insofern das-
selbe mit minutiöser Kleinmalerei das gesamte Leben in allen seinen
Obliegenheiten und auch in den scheinbar geringfügigsten, sowie
in den intimsten Handlungen durchdringt und beherrscht. Man
könnte ja sagen, wras an sich richtig sei, das könne nicht dadurch
auch nur geringer werden am Werte, daß es selbst.bis zur Über-
treibung für alle Einzelheiten des Lebens durchgeführt ward. In-
dessen wird aus diesem Gesichtspunkte der Unterschied unter den
Kulturaufgaben des Menschengeschlechts nicht genugsam beachtet.
Mag das Religionsgesetz selbst immer auch als Sittengesetz wirksam
werden, so bedarf doch das Sittengesetz selbt der Einschränkung
408

für den Kulturgebrauch des Menschen. Das Sittengesetz soll für


alles Tun des Menschen zwar die oberste, aber nicht die unmittel‫־‬
bare, geschweige die einzig zulängliche Leitung haben. Der Mensch
\ hat auch theoretische und sogar auch ästhetische Interessen, zu deren
kPflege bedarf er der Konzentration auf ihre Zwecke, und wenn er
alle seine Kulturaufgaben und alle seine Lebensinteressen einzig und
allein nur aus dem Gesichtspunkte der Sittlichkeit prüfen und regeln
würde, so könnte es ihm an der Unbefangenheit, an der Souveränität
gebrechen, deren die eigene Methodik der anderen Kulturwerke be-
darf. Das jüdische Gesetz ist in seiner Einseitigkeit nur zu ver-
stehen und billig zu beurteilen aus dem Gesichtspunkte der ethischen
Einseitigkeit, welche diese Enthaltung von allen selbständigen Inter-
•essen der Naturwissenschaft, ihrer Fundamente, wie ihrer Annexe,
zur Folge gehabt hat. In dieser Einseitigkeit der sittlichen Kultur-
interessen liegt die eigentliche, aber auch die einzige Gefahr dieser
Alleinherrschaft des Gesetzes.
Sieht man jedoch von dieser Gefahr ab, so dürfte die Notlage
anderen Gefahren gegenüber zu einem Vorzug werden. Die Devise
des Gesetzes ist der Wahlspruch der Mischna, die in die Liturgie
aufgenommen worden ist: ‫״‬alle deine Handlungen seien eigentlich
zum Namen Gottes ( ‫״(וכל מעשיך יהיו לשם שמים‬.‫ ־‬Der Name Gottes,
das ist das einzige Ziel der menschlichen Handlung. Der Name
Gottes enthält das Grundgebot der Heiligung des göttlichen Namens
in sich. Der Name des einzigen Gottes ist verbunden mit dem
Begriffe des einzigen Gottes. ‫״‬An jenem Tage wird der Ewig einzig
sein, und sein Name einzig‫ ״‬. (Sech. 14, 9.) Diese Weissagung ist
ebenfalls in das tägliche Gebet aufgenommen. ‫ ״‬Du sollst den
Namen des Ewigen, deines Gottes, nicht ‘zum Falschen aussprechen.‫״‬
So hebt schon der Dekalog den Namen hervor. Man verderbe sich
die Einsicht nicht in diesen notwendigen Zusammenhang der Begriffe
durch die wohlfeile Kenntnisnahme von dem abergläubischen Gebrauche,
den das Heidentum und die Zauberei von dem Namen macht. Denn
dort handelt es sich um Zauberei, bei der der Name als ein Zauber-
mittel angenommen wird. Hier aber wird der Name mit dem
einzigen Gotte verbunden, daher ist die Verbindung mit dem Hokus-
pokus abgebrochen. Alle deine Handlungen sollen im Namen Gottes
geschehen! In diesem Wahlspruch kann der Name kein Zauberwort
fcu bedeuten haben, sondern nur als Losung gedacht werden, wie
409

die Handlung der Heiligung des göttlichen Namens unterstellt wird.


Der Name Gottes ist gleichbedeutend mit dem Gottesreiche.
Aus dieser Bedeutung des göttlichen Namens für die mensch-
liehe Handlung ergibt sich nun aber eine Folgerung, aus welcher
die erwogene Gefahr entsteht, nämlich die Erstreckung dieses Leit-
begriffs auf das ganze große Gebiet der menschlichen Handlungen,
auf ‫״‬alle deine Handlungen“. Das Gesetz umfaßt das ganze Leben
mit allen seinen Handlungen. Wie keine derselben der Einheit
des Lebens sich entziehen kann, so kann auch das Gesetz für keine
derselben ausgeschaltet werden. Wenn anders das Gesetz diese
Indifferenz von Sittengesetz und Satzung zu behaupten vermag, so
darf es keine Ausnahme zulassen für seine Anwendung auf alle
Einzelheiten des menschlichen Lebens.
Eine große Konsequenz, die selbst freilich wieder, wie jede
Einseitigkeit, ihre Gefahren in sich birgt, geht aus diesem Grund-
satze für das Gesetz hervor: der Unterschied zwischen heilig und
profan wird aufgehoben.
Er ist von Anfang an in der Geschichte Israels und grund-
s'ätzlich nach dem Begriffe des Monotheismus aufgehoben. Sogar
der Prophet soll nicht eine Ausnahme bilden vom ganzen Volke,
aus dessen Mitte er hervorging. ‫״‬Möchte doch das ganze Volk
des Ewigen Propheten sein“. Und der Priester soll nur als Levit
und als Tempeldiener eine Ausnahmestellung einnehmen. Grund-
sätzlich aber gilt der Satz: ‫״‬und ihr sollt mir sein ein Reich von
Priestern und ein heiliges Volk“. (2. Mos. 19, 6.) Wie das ganze
Volk heilig ist, und nicht etwa nur der Priester, so soll das ganze
Leben heilig sein, und nicht etwa nur ein besonderer Heiligkeit
gewidmetes Leben. Auch die Askese des Nasiräers wird als Nasirat
höchstens nur geduldet zugelassen, wie auch das Opfer, nicht aber etwa
als ein heiliger Zustand von besonderem Heiligkeitswerte gefordert.
Es darf überhaupt kein Moment im Leben und keine Hantierung des
Lebens als profan gedacht werden. Alles im menschlichen Leben
ist heilig; jede menschliche Handlung steht im Dienste, also unter
dem Ideale der Heiligkeit. Die Heiligkeit ist ja vom Opfer auf die
Sittlichkeit hinübergepflanzt worden. So ist auch das Gesetz ein
Surrogat des Opfers, welches umso notwendiger wurde, als das Opfer
nur einen einzelnen Moment im Leben betraf. Diese Vereinzelung,
fliese Isolierung, diese Auszeichnung muß. daher auch in ihrer Be-
flenklichkeit erkannt und daher ergänzt oder vielmehr übertroffen
410

und ersetzt werden. Ein besonderer Moment darf nicht als heilig‫־‬
ausgezeichnet werden, und so darf auch nicht eine einzelne feierliche
Handlung aus dem Leben herausgehoben werden, um das Leben
zu idealisieren. Die Idealisierung bliebe bei einer solchen Aus-
Zeichnung doch nur eine symbolische. Sie muß aber real werden..
Der echte Wert der Idee muß in der Idealisierung zur Verwirk-
lichung gebracht werden. Die Wirklichkeit ist besser als alles
Symbol. Auf diese Verwirklichung geht die Tendenz des Gesetzes..
Daher erstreckt sie sich auf alle Handlungen.
So muß auch der Einwand, der viel Berechtigung zu haben ‫־‬
scheint, der gegen die Alleinherrschaft des Gesetzes über alle Auf-
gaben und Arbeiten des Lebens sich richtet, aus diesem höheren
sachlichen Gesichtspunkte gewürdigt werden. Er wird nicht hin-
fällig; er hebt eine wirkliche Gefahr hervor, die für die Geschichte-
der Religion ebenso, wie für ihre Fortführung innerhalb des Kultur-
lebens wahrlich besteht. Aber er bildet dennoch kein entscheidendes
Moment gegen den Wert des Gesetzes. Denn schon die durch seine-
Alleinherrschaft bedingte Indifferenz zwischen heilig und profan läßt
den großen Kulturwert dieser Souveränität des Gesetzes deutlich
erkennen. Aber auch abgesehen von dieser historischen Bedeutung
des Gesetzes ist der prinzipielle Wert des Gedankens der ausschlag-
gebende Maßstab. Wenn anders das Gesetz die sittliche Norm
theoretisch und praktisch in sich enthält, so darf seine Geltung
keine Ausnahmen erleiden. Und wenn der Bereich seiner Wirksam-
keit der anderen Kulturaufgaben wregen eingeschränkt werden müßte,,
so hat die Geschichte Maßnahmen zu entwickeln, welche die Aus-
gleichung der Kulturaufgaben und demzufolge die Einschränkung
einzelner in ihrer einseitigen Absolutheit anzustreben und herbeizu-
führen imstande sind. Solche Modifikationen der inneren Reform,
deren Spuren sich sogar schon im Talmud an wichtigen Formen sogar
der Rechtsgesetzgebung finden, beweisen vielmehr die Richtigkeit des
Grundsatzes, als daß sie ihn widerlegten.
Unsere methodische Grundnorm, welche die Korrelation zwischen
Gott und Mensch bildet, hat uns längst schon auf die in ihr ein-
geschlossene, ihr eingeordnete Korrelation zwischen Mensch und
Mensch geführt. Und dieser engeren Korrelation entspricht das
Sündenverhältnis zwischen Mensch und Mensch. xAber schon die Not-
wendigkeit, diese Gruppe von Sünden von der anderen Gruppe
zwischen Mensch und Gott abzusondern, macht diese Unterscheidung
411

zwischen rein sittlichen und im engeren Sinne religiösen ‫־‬Geboten


unvermeidlich. Wir haben ja auch sogar bei der Versöhnung diese
Unterscheidung in Geltung gefunden; Selbst der Versöhnungstagr
macht die vorhergehende Aussöhnung zwischen Mensch und Mensch
notwendig. Der Schulchan Aruch hebt demgemäß diese Aussöhnung
zwischen Mensch und Mensch als wichtige Bedeutung des Jomkippur
hervor.
In diesem Geiste formuliert die Mischna diesen Unterschied.
Und diese Mischna ist in das tägliche Morgengebet aufgenommen
worden. ‫״‬Folgendes sind die Dinge, denen kein Maß gesetzt ist;
der Eckwinkel, die Erstlingsgaben, die Erscheinung (an den drei
Festen), die Liebestätigkeit und das Studium der Tora“. Alle diese
Gebote betreffen unverkennbar das sozial-sittliche Verhalten. Der
Eckwinkel bezeichnet die Vorschrift für die Zurücklassung des Ernte-
ertrages an jedem Ackerwinkel (3. B. M. 19, 9—10). Die Erst-
lingsgabe betrifft die Darbringung der Erstlingsfrüchte. (2 M. 23T
v. 19). Und dieses Gebot der Erstlingsgabe wurde spezialisiert
auf die Erstlinge der Erdfrüchte (5. M. 26, 1—14). Diese Erstlings^
gäbe hat noch die besondere Bedeutung, daß sie zum Ersätze des
Opfers wird. Und von hier aus verzweigt sich daher noch eine
andere Art des Opferersatzes, nämlich der Ersatz des Gelübdes
(‫ )נדר‬durch die Widmung *(‫)ודוי‬. Zu einer solchen Widmung
wird besonders durch den vorgeschriebenen Hymnus diese Erstlings-
gäbe der Feldfrüchte.
Die Erscheinung an den drei Festen (5 M. 16, 16) schließt
ebenfalls die Gabe ein, die sich zum Armen zehnten (‫ ) מעשר עני‬aus‫״‬
gestaltet. Von eigentümlicher Bedeutung ist die sogenannte Liebes- 1
tätigkeit (‫)גמיל ^ ח ס ד‬, die sich vom xAlmosen unterscheidet. Schon das j
Wort des Verbums ‫ גמל‬ist bedeutsam. Wenn selbst die Grundbedeutung ‫ן‬
nicht Vergeltung wäre, sondern überhaupt Zuerteilung, so steht es doch j
außer Frage, daß nahezu vorherrschend die Vergeltung die innere j
Sprachform dieses Wortes bildet. Und nun ist es doch gewiß nicht j
unwesentlich, daß diese Bedeutung bei der Liebestätigkeit so prägnant 1
werden konnte. Alle diese Liebestätigke nur eine Vergeltung
für die WohltatemJGottes — das ist der Sinn dieses Terminus, der
zu einem Grundterminus, und zwar zur Ergänzung^ des eigentlichen
Terminus für die jjrm h m ig k e it geworden ist. Auch diese aber
ist in demselben Geiste zum Wortausdruck gekommen. Gereehtig‫״‬
keit ist die Grundbedeutung, deren weithin herrschende Neben‫״‬
412

bedeutung die Wohltätigkeit geworden ist. Von dieser Wohltätig-


keit aber, die vorzugsweise in der Unterstützung der Armen sich
vollzieht, wird nun diese Liebestätigkeit mit dem Worte unter-
schieden, welches Vergeltung bedeutet. Vergeltung der Liebe, der
Liebe Gottes zu den Menschen ist alle Liebestätigkeit, die der
Mensch dem Menschen zu erweisen hat. Und als diese Vergeltung
wird diejenige Art der Wohltätigkeit bezeichnet, welche intimer das
Gemütsleben des Menschen ergreift als alles Almosen. Der Talmud
unterscheidet so, daß die Wohltätigkeit, welche nur die Armen be-
trifft, übertroffen wird von der Liebestätigkeit, deren auch der Reiche
bedarf. Das Almosen wird hier nicht besonders ausgezeichnet,
außer seiner Erwähnung im Eckwinkel usw.; aber die Liebestätig-
keit wird dagegen, ausdrücklich noch hervorgehoben.
Endlich wird eine scheinbar nur rein geistige Tagend noch genannt
als des Maßes entbehrend: das Studium der Lehre. Aber gerade mit
dieser Forderung wird das Fundament der jüdischen Religion genau
und sicher gelegt. Die Gottesverehrung soll Gotteserkenntnis sein.
Es wird kein Unterschied anerkannt zwischen einer bloß theoretischen
und einer bloß praktischen Erkenntnisweise. Erkenntnis ist Liebe,
und Liebe ist Erkenntnis. Das Studium der Lehre wird als das
VFundament der sozialen Sittlichkeit erkannt. ‫ ־‬Hätte der Talmud
nur diese Konsequenz aus der Schrift' gezogen, so wäre sein Ver-
dienst allein dadurch schon unübertrefflich und unvergänglich für
Israel selbst, wie als Musterbild für alle Geschichte der Menschen‫״‬
Das Studium der Lehre hat kein Maß für den Menschen, geschweige,
daß es eine Schranke bilden durfte für eine Gruppe von Menschen;
i Hier klafft der Unterschied auf zwischen dem Monotheismus und
; selbst dem philosophischen Idealismus Platons, der es für utopisch
bezeichnet, daß alle Menschen einmal zur Philosophie fähig
werden könnten. Auch bei Spinoza verrät sich an diesem Punkte
sein seelisches Mißverhältnis zum‫®״‬onotheismus, daß auch er es für
unmöglich erklärt, daß die Menge der Sittlichkeit fähig würde. v In
der Mischna dagegen wird das Studium der Lehre als die Grund-
form des Menschenwesens festgelegt.
Mit den bisherigen Vorschriften sind nur allgemeine Grund-
normen des sittlichen *Menschenlebens formuliert. Das Gebet hat
in einer anderen Mischna (Baraitha) nun aber die folgende Fort-
setu n g : ‫״‬diese sind die Dinge, deren Früchte der Mensch in diesem
Leben genießt, das Hauptgut aber bleibt bestehen für das künftige
413

Leben: Diese sind es: Verehrung für Mütter und Vater, Liebes-
tätigkeit, das Frtihaufstehen zum Lehrhäus morgens und abendsy
die Aufnahme der Wanderer, die Krankenpflege, die Aussteuer einer
Braut, die Totenbestattung, die Andacht im Gebete, das Friedens-
stiften unter den Menschen, aber das Studium der Lehre übertrifft
sie alle“.
Während es in der ersten Mischna heißt, daß diese Dinge kein
Maß haben, nämlich, daß ein solches von der Thora nicht festgesetzt
sei, wird in der anderen Mischna der Unterschied gemacht zwischen
den Früchten und dem Hauptgut. Dabei muß es auffallen, daß in
beiden Formen der Lohn nicht erwähnt wird. Die Früchte werden
als solche in diesem Leben genossen, für jenes Leben aber bleibt
das Hauptgut auf bewahrt , von dem aber die schon genossenen
Früchte ‫־‬keinen Abzug bewirken können. So wird das Hauptgut
innerlich von allein Lohne abgeschieden, und rückwärts dadurch
schon die irdische Frucht. Wenn aber das Hauptgut als solches
im ewigen Leben bestehen bleibt, so wird auch hierdurch dieses
bestätigt als das unendliche Leben und die unendliche Entwicklung
der Menschenseele.
Unter dieser Kategorie von Geboten steht• nun obenan das
Gebot des Dekalogs, der Verehrung von Vater und Mutter. Im
Dekalog wird dabei aber gerade der Lohn verheißen. Es muß‫־‬
daher scheinen, daß dieser Lohn, der ja auch eigentlich kein persön-
lieber ist, sondern den Bestand des Staates sichert, hier näher durch
die Unterscheidung zwischen Früchten und Hauptgut charakterisiert
werden sollte. Ferner aber wird auch hier, und zwar ohne aus-
drückliehe Erwähnung der anderen Wohltätigkeit, die Liebestätig-
keit ausdrücklich genannt. Während in der ersten Mischna all-
gemein das Studium der Lehre bezeichnet wird, wird dieses hier
durch besondere Bestimmungen ergänzt, nämlich durch die Tätig-
keit im Lehrhaus und durch den frühen Besuch desselben am
Morgen und am Abend. Ferner werden soziale Pflichten spezialisiert;
die Gastfreundschaft gegen Wanderer, die Krankenpflege und die
Totenbestattung, und eine intimere Familienfürsorge in der Aussteuer
der Bräute. Neben diesen sozialen Pflichten, die noch vertieft werden
durch die der Friedensstiftung unter den Menschen, wird eine die
persönliche Innerlichkeit betreffende angeführt: die Andacht im Gebet.
Für diese Andacht steht hier ein Wort, welches sonst überhaupt
Nachdenken bedeutet, während der allgemeine Ausdruck für An-
414

-daclit (‫ )כונה‬sehr charakteristisch die Zurichtung und Zurüstung,


mithin für das Gebet die des Gemüts bedeutet. Dieses Wort für
Andacht allein würde schon hinlänglich die Gesinnung als den
Grundfaktor des jüdischen Gottesdienstes und aller religiösen Tätig-
keit erweisen.
Nun wird aber das Studium der Lehre hier in dem Satze zum
Ausdruck gebracht: daß es alle die anderen Tätigkeiten übertreffe,
es könnte scheinen, als ob dadurch dem Intellektualismus und damit
auch der Askese und der Mystik Vorschub geleistet würde. In-
dessen stützt sich die Mischna hier auf das Fundament der Religion,
welches keine Scheidung zwischen Theorie und Praxis zuläßt, daher
aber auch in der Theorie die Wurzel für alle Erziehung und Ent-
Wicklung des Menschen zu behaupten vermag. Keine richtige
Handlung, die nicht aus der richtigen Erkenntnis erwüchse; und
keine richtige Erkenntnis, die nicht die rechte Handlung aus sich
hervortriebe. Aus dieser Grundeinsicht kommt die Mischna zu der
Formel, welche das Studium alle anderen Gebote übertreffen läßt.
Bei dieser Unterscheidung und Heraushebung rein sittlicher
Gebote, welche jedoch im Zusammenhänge mit den religiösen, wie
bei der Andacht im Gebete und bei dem im Dekalog ausgezeichneten
Gebot der Elternehrung, deutlich mitgedacht werden, kann es nicht
fraglich sein, daß der Talmud zwischen den rein sittlichen und den
im engeren Sinne religiösen Geboten zwar keine Trennung, aber
-dennoch eine Unterscheidung gemacht haben muß. Wir erinnern
uns hier an die Auszeichnung des Sündenbekenntnisses für das
Gebet des Versöhnungstages durch allein sittliche Vergehungen. Und
wir erinnern uns ferner an die Unterscheidung, welche schon das
Deuteronomium unter den Satzungen (‫ )הקים‬und den Rechten (‫)משפטים‬
zugrunde gelegt hatte.
An diese Unterscheidung knüpft Maimonides an. Aber es war
ihm schon ein Religionsphilosoph vorausgegangen, dessen weiser
Spur er folgen konnte. Ibn D audjwar zugleich Historiker, und als
solcher konnte er schon mit einem religionsgeschichtliclien Blick
die Religionsgesetze betrachten.. Von solcher wissenschaftlichen
Freiheit aus wagte er die Formulierung: ‫״‬dje Teile der Thom^sind^
nicht allesamt gleich an Wert“. Und diese Unterscheidung des
Weries~~begriM durch den Unterschied der Vorschriften von
den sittlichen Grundsätzen. Er unterscheidet diese Bestimmungen
sogar nach dem von Saadja eingeführten Unterschiede zwischen Ver-
415

nunftgrundsätzen (‫ )שכליות‬nnd Vorschriften des Gehorsams (‫)שמעיוח‬.


Diese Unterscheidung hat auch Bachja aufgenommen, dem Mafmonides
sie entlehnt. Auch Juda Halevi hat in anderer Formulierung die‫־‬
selbe Unterscheidung.
Ibn Daud geht von der Grundunterscheidung zu genaueren Ein-
teilungen über. ‫״‬Die Thora ist eine Leitung, die aus vielen Teilen
zusammengesetzt ist. Der erste ist der Glaube und was mit ihm
zusammenhängt; der zweite die Tugenden in ihren Stufen, der dritte
die Ökonomik für das Haus; der vierte die Staatsverwaltung; der
fünfte, der theoretisch begründete Gebote betrifft. Und wenn der
Mensch mit einer wahrhaften Erwägung dieses erwägt, so wird er
finden, daß die Teile der Thora vier sind . . wir wollen zuerst sagen,
daß die Teile der Thora, mögen es fünf oder vier oder wieviel
immer sein, nicht alle gleich sind an Wert, auch nicht, wenn man
die Gesinnung auf sie richtet“ (oder subjektiv sie betrachtet).
‫ ״‬Aber die Hauptsache der Thora und des Gottesdienstes ist der
Glaube“ (an Gott!) ‫״‬Darum findest du alle Völker in Überein-
Stimmung oder nahezu in Übereinstimmung in ihren bürgerlichen
Sitten . . aber die Gebote, deren Ursachen nicht rationell sind, die
Stufe dieser ist im Verhältnis zum Grundgesetze eine sehr schwache.
Und bereits haben dies viele Schriftstellen bezeugt, so der*Ausruf
Jeremias: häufet nur immer eure Brandopfer zu euren Schlacht-
opfern und esset Fleisch, denn ich habe zu euren Vätern nicht
geredet“ usw. ‫״‬Und alles dieses bezeugt die Schwäche der Stufe
dieses Teiles der Thora, und daß die übrigen Teile der Beachtung
weit würdiger sind. Da aber ihre Stufe eine solche Schwäche hat,
so ist nicht zu leugnen, daß auch die Ursachen schwach sein werden“.
Zu dieser Kühnheit hat sich dieser Philosoph aufgeschwungen, der
nicht nur im Kampfe gegen die Karäer von Wichtigkeit ist, sondern
eine tiefe philosophische Einsicht bewiesen hat in der Abweisung
des Pantheismus, wie er bei Ibn Gabirol in seiner ‫ ״‬Quelle des
Lebens“ von ihm erkannt wurde. Bei aller Verehrung, die er dem
tiefsinnigen und warmherzigen religiösen Dichter ausspricht, hebt
er doch die große Gefahr hervor, welche in der Hinneigung zum
Pantheismus liegt. Und für die Geschichte des Rationalismus über-
lianpt ist us nun .‫״‬ein wichtiger historischer Beleg, daß dieser
Gegner des Pantheismus der eigentliche Vorgänger des Maimonides ist.
Maimonides ist der Rationalist des Judentums. Die Kritik des
Rationalismus, auf deren Voraussetzung erst der positive Aufbau
416

der Lehre sich erheben konnte, muß er daher auf die Gesetze richten r
ob deren Ursache allein die Vernunft ist, oder ob noch' andere
Ursachen dabei mitwirken. Was bei Ibn Daud als Ursachen be-
zeichnet wird, das heißt bei Maimonides in der hebräischen Über-
Setzung Ibn Tibbons: Gründe. Die Kritik wird von vornherein
subjektiver; sie bleibt nicht bei historischen Ursachen stehen. Solche
sind im letzten Grunde doch immer nur Veranlassungen, keine be-
grifflichen Unterlagen. Die Gefahr, die man von Anfang an in der
Spekulation nach den Gründen der Gesetze befürchtet hat, besteht
in diesem Problem der Gründe wirklich. Man fragt wohl auch
nach Gründen für den Begriff Gottes; aber hier sind die Gründe,,
die gesucht werden, Beweisgründe. Der Begriff Gottes gilt als die
These, deren Eichtigkeit außer Zweifel gestellt, aber bewiesen werden
soll. Wenn dagegen bei den Gesetzen die Frage auf ihre Gründe
gestellt wird, so ist die Annahme der Richtigkeit nicht in gleicher
Weise eine Behauptung, wie bei der Idee Gottes. Die Frage richtet
sich zwar gegen die Skepsis, aber sie geht von ihr aus. Und nur
auf Grund der außer Frage gestellten These Gottes läßt sich die
neue Frage nach den Gesetzen zur Beantwortung bringen. Die
Gründe haben hier daher, als Beweisgründe, nicht dieselbe metlio-
disehe* Kraft, wie bei der Frage nach Gott.
Aber auch von diesem methodischen Unterschiede in der Be-
deutung der Gründe abgesehen, fordert der echte Rationalismus die
Gründe für die Gesetze in einer prinzipiellen Kritik, durch welche
die wissenschaftliche und die philosophische Richtung des Rationalis-
mus in seiner ^Tendenz auf den Idealismus hin bedingt wird.
Die Gründe können nach reifer Einsicht überhaupt nicht al&
Ursachen gedacht werden. Denn Ursachen gelten nur im Gebiete
der Naturerkenntnis. Hier dagegen, im Gebiete der Geisteswissen-
schäften, können die Ursachen nur Zwecke sein. Können nun die
gesuchten Gründe auch als Zwecke gedacht werden? Das ist
gegenüber aller Art positiver Gesetze, auch derer des Rechts und
des Staates, die Frage des Rationalismus, die ihn zur Unterscheidung
von Naturrechten, Naturreligionen u. s. f. führt. Für den Rationa-
- listen des Monotheismus kann nun aber nicht diey Naturreligion,,
ähnlich wie das Naturrecht, eine ausreichende Grundlage bieten;
für ihn besteht ja allein die des einzigen Gottes. Dieser aber wird
identisch mit der Sittlichkeit. Denn von seinem Wesen haben wir
ja nur die Erkenntnis in den Attributen der Handlung. Sein Wesen
417

bleibt uns daher entweder überhaupt, verborgen, oder nur als Urbild
der Sittlichkeit erkennbar. Daraus aber entsteht eine große Kon-
sequenz für die Frage nach den Gründen der Gesetze. *
Wenn wir soeben die Gründe in der Bedeutung der Zwecke
erkannt haben, so entsteht die Schwierigkeit, daß wir diese gesuchten
Zwecke identisch setzen müssen mit den zwei einzigen Zwecken,
die uns für die Religion Bestimmung erlangt haben: Gott und die j
Sittlichkeit. Diese Zwecke allein sind absolute Zwecke. Sie allein ;
haben ihren eigenen Wert in sich. Die Korrelation mit dem
Menschen ist in diesem Eigenwerte eingeschlossen. Denn die Sitt-
lichkeit ist ja im Wesen Gottes enthalten. Es kann daher keine
anderen Zwecke geben als diese beiden, die in dem einen Zwecke
Gottes sich vereinigen. Nur weil der Begrifl Gottes lediglich in dem
Begriffe dc~ Sittlichkeit erkennbar wird, nur deshalb ist diese
Spezialisierung der Zwecke zulässig und förderlich. Wenn nun aber
die Gründe der Gesetze als Zwecke gedacht werden müssen, so ent-
steht hier die Kollision mit den einzigen absoluten Zwecken, und
es wird der Schluß unausweichlich: daß die Gesetze selbst nicht
als Ziele gedacht werden können, in denen Zwecke sich verwirk-
liehen. Solche Ziele sind nur Gott und seine Sittlichkeit. Wenn
nun aber sonach die Gesetze nicht einen abgeschlossenen Eigenwert
haben können, in denen Erkenntnis und Handlung ihr Ziel erreichen,
so können auch die Gründe nicht logisch, überhaupt nicht subjektiv
als Zwecke zu denken sein: sie können nur als Mittel gedacht
werden.
Schon dies gilt einer Gläubigkeit, welche nicht vom Rationalis-
mus geleitet sein will, mit Recht als eine bedenkliche Gefahr.
Denn die Herabsetzung auf ein Mittel bringt das Gesetz auf die
Stufe der Relativität, der sie zu entgehen glaubt, wenn sie das
Gesetz lediglich als Gebot Gottes ansieht. Freilich widerspricht
eine solche Annahme dem Gedanken und dem Gebote der Gottesr‫־‬
erkenutnis. Als Gegenstand der Erkenntnis aber kann das Gebot
nur dadurch als Gebot Gottes begründet sein, daß Gott der Gott
der Heiligkeit oder der Sittlichkeit ist. Es muß also dabei ver-
bleiben, daß der letzte Grund des Gesetzes einzig und allein in der
göttlichen Sittlichkeit liegen darf. Damit ist die Folgerung gegeben,
daß alle Gebote daraufhin erwogen werden müssen, ob sie diesem
einzigen Zwecke als geeignete Mittel dienen können.
Der logische Zusammenhang also macht die Konsequenz unr
27
4.18

vermeidlich, welche die Mannigfaltigkeit der Gesetze unter der Ein-


heitlichkeit des Zwecks der göttlichen Sittlichkeit als Mittel diesem
einzigen Zwecke subsumiert.
Maimonides hat sich in seiner ganzen Ausführung der Teleologie
sowohl mit Bezug auf die Biologie, wie auf die Ethik, als ein wahr-
hafter, den Idealismus vorbereitender Bationalist erwiesen. Für ihn
war es daher eine methodische Notwendigkeit, das ganze Problem
der Gesetze unter den Gesichtspunkt der Teleologie zu stellen.
1Wenn er daher nach den Gründen der Gesetze fragt-, so hat diese
Frage die Bedeutung einer Frage nach den Zwecken, wel che Got
1,mit den Gesetzen verfolgt. Und so wird die Frage eigentlich auch
zu der Frage nach dem Zwecke Gottes. Denn Gott- ist der einzige
Zweck, für den alles außer ihm nur Mittel ist für die Erkenntnis,
die allein aus diesen Mitteln von ihm zu erlangen ist. Die Gründe
' der Gesetze werden sonach erkennbar als die Mittel der Erkenntnis
Gottes. Und da die Erkenntnis Gottes identisch ist mit der Ver-
ehrung Gottes, so werden die Gründe der Gesetze auch erkennbar
als die Mittel der Verehrung Gottes. Zu diesem positiven Sinne ist
sonach die ursprüngliche Kritik gediehen. Aller wahrhafte Idealismus
hat die Kritik nur in seinem Ausgange; in seinem Ertrage ist er
immer positiv, und er allein vermag den positiven Ertrag zu er-
«teilen und sicherzustellen.
Moreh III, 31) beginnt seine Untersuchung über die
Grün 3 mit einer Zurückweisung der Gegner dieses Problems,
deren Ansicht er als eine Seelenkrankheit bezeichnet, übrigens aber
auch als einen Schwachsinn, der Gottes Weisheit herabsetzt. Er weist
auf das Deuteronomium hin, welches auf die Weisheit der Gesetze
ihre Wahrheit begründet. ‫״‬Alles hängt an drei Dingen: Erkenntnis,
!Sittlichkeit und staatsbürgerlicher Betätigung“. Von di^sem~15rund-
gedaj^^ end, entwirft nun Maimonides, zunächst sogar zu-
rückgehend auf seine biologische Teleologie für die Einrichtung des
menschlichen Organismus, seine ganze Darstellung. Wie das Wachs-
tum des Organismus nur allmählich sich entwickle, so habe die
Weisheit des Schöpfers es auch bei der Erziehung zu den religiösen
Einsichten vorgesehen und daher eine Anpassung^ an die primitiven
Ansichten der Zeitgenossen für richtig befunden. So habe Gott den
Opferkultus nicht aufgehoben. Hätte er diese Gewohnheit der mensch-
liehen Natur nicht beachtet, so wäre dies gewesen, ‫״‬als wenn in
unserer Zeit- ein Prophet aufstände, der zur Gottesverehrung aufriefe
419

und spräche: Gott hat euch befohlen, daß ihr nicht zu ihm betet,
nicht fastet, nicht seine Hilfe sucht in der Zeit der Not, sondern
es sei euer Gottesdienst Gesinnung ohne Handlung.“ Als ein solches
Zugeständnis an die psychologische Natur des Menschen erklärt
Maimonides daher die ganze Opfergesetzgebung samt dem Altar
und dem Heiligtum. Und er macht sich selbst den Ein wand, daß
diese vielen Gesetze ohne einen selbständigen Zweck sein sollten,
aber er widerlegt ihn mit seinem teleologischen Grundgedanken von
der Natur des Menschen, die Gott nicht verändern wolle.
Seine Kritik erweist sich alsbald aber auch dadurch in ihrer
Positivität, daß er zwischen ersten und zweiten Zwecken unter-
scheidet, so daß die Opfer dem zweiten Zwecke zugeordnet werden,
das Gebet hingegen sich mehr dem ersten Zwecke nähere, und daß
Gott zwischen beiden Arten ‫״‬einen großen Unterschied gesetzt“ habe.
Im Fortgange nimmt er von Ibn Daud die Polemik Jeremias gegen
die Opfer auf und gibt ihr eine positive Begründung, welche dem
Grundgedanken seiner Ethik entspricht. Er interpretiert nämlich
die auffällige Polemik des Propheten durch die Darlegung seines
Hintergedankens: daß Gott beim Auszuge aus Ägypten, nämlich in
Mara, Sabbat und Gerichtsverfassung eingesetzt habe, und er deutet
Sabbat auf die Satzung (‫ )וזק‬und die Rechtsverfassung auf die
Rechte (‫)משפט‬. Nach dieser Deutung würden sogar auch die
Satzungen in die Kategorie der Sittengesetze zu rechnen sein, da
der Sabbat die soziale Gesetzgebung vertritt. ‫״‬Dies ist der erste
Zweck: die wahrhaften Erkenntnisse . . und der Zweck ist ferner
neben der Wahrheit der Erkenntnisse, die Entfernung des Unrechts
Ton den Menschen“. Die Opfergesetzgebung gehört daher nur
einem zweiten Zwecke an. Dieser Gedanke des Jeremia werde auch
durch die Psalmen bestätigt.
Im 35. Kapitel des Moreh erfolgt nun die Einteilung aller Gebote
in 14 Klassen, auf der Grundlage seiner Einteilung in seinem Kodex.
Die erste dieser Klassen umfaßt nun die ‫ ״‬Grunderkenntnisse“
(‫)שרשיות‬. Bei diesen Grundgesetzen ist die Frage nach ihrem
Nutzen hinfällig; dadurch aber auch nach ihren Gründen. Die
zweite Klasse umfaßt die den Götzendienst betreffenden Gesetze und
was mit ihm zusammenhängt. Auch hier sei die ‫״‬Ursache bekannt“.
Die dritte- Klasse umfaßt die Gesetze über die ‫״‬Verbesserung der
Sitten“ ( ‫)תקין המדות‬. Hierzu werden auch die Staatsgesetze ge-
rechnet. Die vierte Klasse enthält die sozialen Gesetze. Die fünfte
27*
420

die Beeilte zur Abwendung der Gewalt ( ‫)והחמס מניעת העול‬, die sechste*
die gerichtlichen Strafen. Die siebente Klasse betrifft das Eigentum
mit allen Obligationen. Die achte Klasse geht endlich zu den im
engeren Sinne religiösen Geboten über, zu Sabbat und den Festen,,
!deren Gründe in der Schrift angegeben werden: ‫״‬zu einer wahren
!Einsicht zu gelangen oder zur Buhe des Körpers oder zu beidem“.
■Die neunte Klasse betrifft den Gottesdienst: ‫״‬Handlungen, welche•
die Erkenntnisse befestigen in der Liebe zu Gott“. Die zehnte und
elfte Klasse betreffen den Tempel und die Opfer. Die zwölfte die*
kultische Keinheit und Unreinheit. Die dreizehnte stellt die Speise-
verböte zusammen mit den Gelübden und Entsagungen und setzt‫׳‬
ihnen den gemeinsamen Zweck gegen Begierde und Lust. Die vie!>
zehnte enthält die sexuellen Gesetze, zu denen er auch die .Be‫״‬
schneidung rechnet.
Schließlich aber teilt er alle Gesetze in zwei Teile ein: Ge^
setze zwischen dem Menschen und Gott, und Gesetze zwischen dem
Menschen zum Menschen. ‫״‬Damit aber wird nicht etwa beabsichtigt,,
beide Gruppen voneinander abzusondern, und etwa die erstere als-
rein religiöse zu bezeichnen. Vielmehr heißt es: ‫״‬jedes Gesetz, es-
sei ein Gebot oder Verbot, welchem der Zweck innewohiit, zu lehren
gute Sitten oder Erkenntnis oder die Verbesserung von Handlungen,,
welche für den Menschen selbst bestimmt sind, so daß sie ihn ver-
vollkommnen, sie werden auch genannt Gesetze zwischen Mensch
und Gott“. Nach beiden Seiten also will diese neue Zweiteilung‫־‬
die vorhergehende Einteilung einheitlich beleuchten. Nicht die-
Opfergesetze und die ihnen ähnlichen betreffen etwa allein oder
auch nur vorzugsweise das Verhältnis zwischen Mensch und Gott,,
sondern es bleibt dabei, daß sie nur Mittelzwecke sind für den
einzigen wahren Zweck der Gotteserkenntnis und der wahren Gottes-
Verehrung in der menschlichen Sittlichkeit. Andererseits aber bleiben
auch die Sittengesetze nicht isoliert, sondern auch sie betreffen
mittelbar im letzten Zwecke nur das Verhältnis zwischen Mensch,
und Gott. Nicht allein also diejenigen Gesetze, welche gewöhnlich,
als vorzugsweise dem Verhältnis zwischen Mensch und Gott an-
gehörend gelten, werden als Mittel gewürdigt für den einzigen Zweck
der Sittlichkeit, sondern nicht minder auch die gemeinhin Vorzugs-
weise als Sittengesetze betrachtet werden, auch sie werden zu Mitteln
für den einzigen Zweck der Gotteserkenntnis und der Gottesverehrung►
Solche doppelte Kraft hat die Identität von Gott und Sittlichkeit►
In demselben Geiste hat Maimoniäes auch sein ‫״‬Buch der Ge-
setze“ ( ‫ )ספר המצות‬geschrieben.
Übrigens ist der Ausdruck ‫ ״‬Zeremonialgesetz“ zuerst von Simeon
Duran TTÖB) gehräucht worden, und sodann von Albo (Ikkarim,
-3T20). ~~~
Die neuere Entwicklung des Judentums beginnt bedeutsamer-
weise erst im Zeitalter der deutschen Aufklärung; sie vollzieht sich
aber an der Stellung zum Zeremonialgesetz. Moses Mendelssohn
;hat nur indirekten Anteil an dieser inneren Entwicklung. Seine
Philosophie gehört nach ihren besten und tiefsten Tendenzen dem
.Zeitalter des großen Leibniz an. Während er aber aus dem Geiste
►dieser Philosophie das Verhältnis der Vernunft zur Religion über-
haupt unzweideutig klarstellt, verdunkelt er den Begriff des Juden-
‫־‬tums dadurch, daß er es auf eine Religion des Gesetzes einschränkt.
Die Vernunft der Religion sei ein Allgemeingut der Vernunft. Das
Eigentümliche der jüdischen Religion bestehe in der Verpflichtung
:zum Gesetz.
Mit dieser Auffassung des Judentums, welche im Widerspruch
:steht zur Geschichte der jüdischen Religion, wie wir sie überblickt
haben, verband nun aber Mendelssohn eine große, wir möchten
:sagen dürfen, messianische Tendenz, welche nicht nur den Juden,
:sondern auch der jüdischen Lehre selbst von Bedeutung geworden
ist. Er wandte sich unmittelbar an die deutschen Juden, aber diese 1
bildeten damals, wie im großen und ganzen noch heute, das Kultur-
band für die Juden aller Länder. Es könnte nun ein innerer Wider-
Spruch scheinen, daß Mendelssohn eine Neugestaltung des Kultur-
lebens der Judenheit und des Judentums bewirken konnte neben
oder gar etwa auf Grund seiner Isolierung des Judentums auf das
Gesetz. Seine politische, seine kulturelle Wirksamkeit war messianisch
seine innere religiöse Lehre und Praxis schien zum Hauptwerk zu
machen, was längst im Mittelalter als Nebenwerk erkannt war.
Dieser Schein des Widerspruchs fordert Erwägung und Auflösung.
An keinem Punkte dürfte der Gedanke so einleuchtend werden,
•daß Religion ein persönliches Erleben sei, wie bei dieser Frage des
Gesetzes. Die verwerfenden Urteile über das Gesetz erklären sich,
abgesehen von ..den vielen Blößen wissenschaftlich und geschieht-
lieh mangelhafter Kenntnis, zumeist aus einer Unkenntnis des
Lebens, aus einer Verständnislosigkeit dem religiösen Erleben des
Gesetzes gegenüber. Jülicher hat es ausgesprochen, daß eine
422

Religion nur aus dieser intimen Kenntnis heraus beurteilt werden


kann. Schon Kant hatte daher unrecht, wenn er Mendelssohns Auf-
fassung einen ‫״‬Mangel an'Menschenfreundlichkeit“ vorwarf. Diese
Ansicht ist nur möglich, wenn man es für selbstverständlich und
ünbezweifelbar hält, daß die jüdischen Gesetze schlechterdings nur
als ein hartes Joch gefühlt weiden können. War denn aber etwa
Mendelssohn ein Heuchler, der diese Gesetze allesamt in peinlicher
Strenge sein Leben lang beobachtete, und sie dennoch für alle
Zeit den Juden auf bürden wollte? Oder war er etwa so weltfremd
und von einer politischen Kurzsichtigkeit, die schon mehr Blindheit
gewesen wäre, daß er nicht sah, wTie dieses Joch sich von Jahr za
Jahr lockerte? Oder war er etwa ein solcher Doktrinär, daß er
vornehmlich nur die Vernunftreligion sicherstellen wollte, mochte
dann immer das Judentum durch eine enge Definition zu kurz
kommen? Oder war er etwa gar dem Judentum gegenüber von einem
aufgeklärten Indifferentismus befangen, so daß er sich genug getan zu
haben glauben konnte, wenn er nur das Judentum überhaupt in einer
Differenz vom Christentum unter Dach gebracht hatte? Unter allen
diesen Möglichkeiten wäre die letzte am meisten ungerecht gegen da&
historische Andenken dieses neuen Moses, wie er von seinen jüdischen
Zeitgenossen im Verhältnis zu Maimonides genannt wurde. Seine•
Stellung zum Gesetze bedarf daher besserer Beleuchtung.
Große Wendungen in der Kulturgeschichte werden niemals-
richtig beurteilt, wenn sie einseitig aus ihren unmittelbaren Ein-
Wirkungen geprüft werden. Einseitig bleibt die historische Be-
trachtung jener Zeitbewegung, w‫׳‬enn sie nur den Abfall vom Juden-
tum beachtet, nicht aber. zugleich den inneren Aufschwung und die•
mit ihm verbundene Eroberung eines allgemeineren Kulturkreises.
Nun aber ist die rechte Würdigung nicht damit abgetan, daß jene-
beiden historischen Folgen gegeneinander berechnet, abgewogen und
als Licht und Schatten abgeteilt werden. Auf diese'Weise bleibt
die Erkenntnis äußerlich. Innerlich und wahrhaft historisch wird
sie erst durch die Beantwortung der Frage nach dem Verhältnis
zwischen jenem offenbaren Fortschritt und jenem scheinbaren Rück-
schritt. Wie konnten in Mendelssohn die beiden Gedanken neben-
einander aufkommen und Bestand gewinnen, von denen der eine die•
Juden und das Judentum der Kultur und der Vernunftreligion er-
schloß, während der andere sie an das biblisch-rabbinische Joch
festband ?
423

Wir sind allmählich anderthalb Jahrhunderte weiter gekommen,


und gerade die ersten Jahrzehnte des neuen Jahrhunderts, gerade
auch die letzten Jahre des großen Weltkrieges dürften ,uns hier mit
mancher Enttäuschung bereichert, mit mancher Resignation hell-
sichtiger gemacht haben. Die innere Reform der jüdischen Gemeinde
hat ein Moment betroffen, das wir noch zu erörtern haben: den
Kultus. Die Philosophie des Judentums hat zwar nicht gänzlich
brachgelegen, aber der historische Geist der nachkantischen Zeit hat
auch hier seine Vorherrschaft erlangt und in der Wissenschaft des
Judentums vorzüglich die Geschichte der Juden und der jüdischen
Literatur gefördert. Es war die natürliche Konsequenz der
kulturellen Reform Mendelssohns, daß auch in der inneren religiösen
Entwicklung die Ausgleichung angestrebt wurde zwischen den alten
Formen des Kultus und dem nationalen Geiste der Völker und ihrer
Kultur, in deren Geschichte die Juden hineinwuchsen. Der Kultus
war ein Teil des Gesetzes, und wie er selbst assimiliert wurde, so
sollte das ganze Gesetz die entsprechende Umgestaltnng erleiden.
Wir stehen noch innerhalb dieser großen Entwicklung, die Zer-
Setzung zu sein scheint; aber vor der Tatsache des Kultus, der trotz
aller Umgestaltung unbestreitbar dennoch seinen alten Grundbestand !
und seinen echten Charakter bewahrt hat, vor der Tatsache, daß der [
. !
Sabbat und die Feste, insbesondere die das ganze religiöse Leben /
des modernen Juden ergreifenden messianischen Feste des Neujahrs:
und Versöhnungstages noch heute ihre Geltung haben, wäre die >
Meinung oberflächlich, daß die Macht des Gesetzes im modernen
Judentum durchaus gebrochen und vernichtet worden wäre. Sie i s t ;
abgeschwächt worden, keineswegs aber vernichtet und vereitelt.
Die Reform hatte aus dem damaligen nationalen Gesichtspunkte
der Kulturnationen für den Gottesdienst und so auch mehr oder
weniger in ausdrücklicher Formulierung für das Gesetz selbst alle
diejenigen Elemente zu entkräften und zu entwerten gestrebt, welche
den national jüdischen Charakter ausprägen. Halten wir uns vorerst
ah diesen Gedanken der Reform, welcher dem Gesetze die nationale
Bedeutung zuerkennt. Der Gedanke hat seine historische Richtigkeit.
Das Gesetz war ein nationales Ferment, und ist als solches von
Anfang an gedacht und in der ganzen Geschichte des Judentums fest-
gehalten und ausgebildet worden. Die Isolierung war schlechter-
dings notwendig, wenn der Monotheismus überhaupt aufkommen
sollte. U11 d sie blieb notwendig, wenn anders auch den beiden
424

anderen Formen des Monotheismus gegenüber der jüdische seinen


unverminderten Wert behalten soll. Es gehört zu den theoretischen
Problemen dieses Buches, daß wir der Frage nicht ausweichen, ob
die Last der Isolierung nicht auch der Zukunft noch obliegt für den
Fortbestand und für die Fortentwicklung des jüdischen Mono-
theismus.
Wenn aber diese Frage bejaht werden müßte, so würde damit
dem Gesetze sein Fortbestand in prinzipieller Geltung, vorbehaltlich
aller der Einschränkungen und Umgestaltungen, welche das geschieht-
liehe Leben immerfort auch an diesen scheinbar starren Formen
dennoch äußerlich und innerlich bewirkt hat, zuerkannt werden
müssen.
Dieser Gedanke bedarf gründlicher Erwägung, weil er sonst
schweren Mißverständnissen ausgesetzt ist, die schwer vermeidlich
werden innerhalb der modernen Kulturströmungen. Das Gesetz soll
Tuns mit Recht gelten dürfen .als ein Mittel der Isolierung des
; Judentums. Und zugleich wollen wir die Quintessenz des Juden-
'tums im Messianismus erkennen, und zwar nicht etwa allein der
Menschheit wegen, sondern ebensosehr des Monotheismus wegen.
Die Korrelation bleibt auch hier unser Wegweiser. Wie verträgt
sich aber die Isolierung mit der messianischen Mission? Ist es etwa
richtig, daß beide Aufgaben einander ausschlössen?
Die Aufhebung dieses scheinbaren Widerspruchs hängt von der
richtigen Bestimmung der Isolierung ab. Im Entstehungszeitalter
der Reform dachte man diese Isolierung nur als eine nationale. Eine
andere Art von Isolierung sollte daher im Gegensatz stehen zur
nationalen. Die religiöse Isolierung dachte man nicht als eine solche,
und wollte man als eine solche nicht anerkennen. Daher bekämpfte
man das Gesetz, als den Herd einer nationalen Isolierung, von der
man die religiöse unterschied, die man daher nur als die geschieht-
liehe Vorstufe zur messianischen Zukunft des Judentums dachte.
Inzwischen hatte sieh der politische Begriff der Nation geändert.
Die teutonischen Bestrebungen der Freiheitskriege waren verscheucht,
•auch die wissenschaftlichen Tendenzen nach einem Volksgeiste hin
waren innerhalb des Hegelschen Weltgeistes nahezu abgestumpft
Worden, und immer genauer spitzte sich die nationale Bedeutung zu
einer politischen zu, zu einem Faktor der Staatenbildung, welche
‫־‬durch die italienischen und die deutschen Einheitsbestrebungen zu
flem Problem des Zeitalters wurden. Der Kulturbegriff der Nation,
425

der, von der Aufklärung herrührend, durch den Neuhumanismus neu


belebt wurde, gestaltete sich nunmehr scharf zu einem Staatsbegriff
um. Der Staat sollte auf die Nation gegründet werden; die Nation
wurde das natürliche Mittel zu dem Zweck des Staates.' So konnte
die jüdische Gemeinde in allen modernen Kulturstaaten eine neue
Kräftigung ihrer Verfassung erwarten. Sie wollte überall nur eine
Glaubensgemeinde sein, niemals einen Sonderstaat, etwa gar einen
Staat im Staate anstreben. Aber wie stand es nun mit ihrem
Gesetze? Die Isolierung, welche dieses bewirkte, konnte ja gar nicht
als eine staatliche gedacht werden. Aber freilich haftete der Schein
einer nationalen Isolierung noch immer an dem Gesetze, das ohnehin
dem inneren Kern der Lehre widerstrebte oder wenigstens nicht
gleichwertig war. Daher wurde die Abwehr des Gesetzes grund-
sätzlich fortgeführt. Hat nun etwa die Zersetzung weitere Fort*
schritte gemacht?
Es läßt sich aus diesen Erwägungen die Entstehung der
Episode erklären, welche der Zionismus in der neueren Geschichte des
Judentums bildet. Als um die Emanzipation gekämpft wurde, da hielt
man in allen Ländern den Juden den Einwurf entgegen, daß sie ja
um die Wiederherstellung des jüdischen Staates beten. Und die
Emanzipation wurde durchgesetzt, weil die Völker sich überzeugten,
daß dieser Gedanke des Gebetes nur eine Beminiscenz der religiösen
■Pietät sei. Da nun aber die Begriffe Staat und Nation allmählich
so zusammenwuchsen, daß die Nation identisch wurde mit dem
iStaate, so kam es, ohnehin durch schwere politische Bedrückungen,
Verfolgungen und Mißhandlungen veranlaßt und herausgefordert, zu
der paradoxen Konsequenz, daß auch die jüdische Nation einen
jüdischen Staat erfordere. Beide Begriffe traten in Wechselwirkung.
Die Nation fordert den Staat, und der Staat fordert die Nation. Sind
denn diese beiden Begriffe aber die einzigen, um die es sich hier
handelt? Ist es nicht vielmehr die Religion, die den Mittelpunkt der
ganzen Frage bildet? Steht nicht aber etwa der jüdische Staat im
Widerspruch zur messiarTisclmn Religion? Und~st3ft nicht dem-
‫—״‬zTXfolge auch die jüdische Religion im""Widerspruche zum Begriffe
der Nation, sofern diese als der Hebel des Staates gilt?
Allen diesen Fragen begegnet die Gegenfrage: Hat der Begriff
der Nation ausschließlich nur die politische Bedeutung, wenn man
vollends von der anthropologischen, der Rassenbedeutung der Nation
absieht? Kann der.Begriff der Nation nicht noch eine andere Be-1
42 6

deutung haben, welche der Isolierung gerecht wird, sofern diese für
die Religion gewahrt bleiben muß, und durch das Gesetz Vorzugs-
weise gewahrt bleiben kann?
Beim Weltkriege dämmert allgemach eine andere Ansicht von
der Bedeutung der Nation auf. Ursprünglich dachte man sie nur
als die Naturgegebenheit eines Volkstamms. Die Politik lehrte und
zwang dazu, von dieser Wortbedeutung abzugehen und die Nation
als einen Erzeugungs‫ ־‬und Gestaltungsbegriff des Staates anzunehmen.
So wurden Nation und Staat identisch. Aber kaum hatte sich die
Nation von ihrem Erdgeruch im idealen Staatsbegriffe gereinigt, da
wurde dieser wieder durch den Kampf der materiellen, der Wirtschaft-
liehen Interessen in seiner Idealität angegriffen, und wie die Einzel-
Staaten selbst gestärkt und zugleich vergiftet wurden durch die zwei-
deutigen Machtgelüste der wirtschaftlichen Herrschaft, so brach der
Völkerkrieg aus, als der Ertrag und die Konsequenz dieses materiellen
Antagonismus der Staaten. Die ideale Kulturbewegung des Staates
auf der nationalen Grundlage des Volkes und seiner Geschichte
wurde verengt und zugespitzt auf die wirtschaftliche Herrschaft.
Die Staatsidee schien mit dem Untergange bedroht durch den
Imperialismus.
Da erwuchs aus der Not eine neue Tugend, eine Erweiterung
des Staatsbegriffs, durch welche die Staatsidee zu ihrer Vollendung
kommt. Die Staaten konnten nicht isoliert bleiben. Und was sie
für den Krieg nicht vermochten, das werden sie auch im Frieden
nicht iiberwiuden können. Der Staat reift vor unseren Augen auf
zum Staatenbunde. Der Messianismus wird Faktor der Welt-
geschichte. Der Staat, als Einzelstaat auf die Nation gegründet,
baut sicli zum Staatenbunde aus. Und wie die Staaten sich ver-
binden, so müssen auch die Völker sich verbinden, sich innerlich
harmonisieren. Das ist die Logik der Sache, gegen die kein Wider-
spruch auf kommen kann.
Und was der Krieg zustandebringen wird an den Staaten,
und zwar nicht minder an den neutralen Staaten, wie an den krieg-
führenden, das hat sich längst in seiner geschichtlichen Kraft inner-
halb der einzelnen Staaten gezeigt. Man hat es für einen Krebs-
schaden gehalten, der den Organismus der Staaten bedrohe ; dessen-
ungeachtet muß man die Fremdkörper als einen organischen Faktor
im Staatsleben gebrauchen, mithin auch anerkennen. Wie der
Staatenbund, in dem die Idee des Staates gipfelt, keinen Wider-
427

sprucli finden kann an der Mannigfaltigkeit und Verschiedenheit der


Völker, so darf auch der einzelne Staat keinen Anstoß nehmen an
der Mannigfaltigkeit und Verschiedenheit der Volkselemente, die er
zu vereinigen hat.
In Übereinstimmung mit mancherlei in dieser Richtung auf-
tauchenden Ansichten habe ich versucht, einen Unterschied fest•
zulegen zwischen Nation und Nationalität^ Die Nation ist ein
^ rs ---------- -------------- -

Wechselbegriff des Staates. Die Nation ist die des Staates, und der
Staat ist der der Nation. Die Einheit, welche der Staat dar-
zustellen hat, wird hergestellt durch die Nation. Die Nation ist
daher ein idealer Begriff, dessen Bedeutung in der Konstituierung des
Staates liegt. Eine falsche Idealität oder eine nicht kulturell reine
ist dagegen die Bedeutung der Rasse. Ihre Gefährlichkeit liegt eben
in der Exklusivität, welche sie für den Staat fordert, während
dieser, wie im Staatenbunde der Völker, so im Einzelstaate der
Nationalitäten bedarf. Oder bedürfte er ihrer nicht, schon in dem
Sinne, daß er sie erhalten und entwickeln muß? Oder sollte er sie
etwa ausrotten dürfen? Schon an dieser Frage kann man sich für
die ideale Aufgabe des Staates den Nationalitäten gegenüber
orientieren. Der Staat ist auf die Nationalitäten angewiesen. Die
Nationalität steht nicht im Widerspruch zum Staate, sie kann daher
auch nicht im Widerspruch stehen zur Nation.
Gehen wir jetzt auf das Problem des Judentums zurück, so‫־‬
erkennen wir die Rückständigkeit des Zionismus im...Begriffe der
Nation. Wenn^ die IsoiierTing der jüdischen Gemeinde notwendig
BleibtT so~^ würde es der messianischen Aufgabe des Judentums
widersprechen, dieses in einem Sonderstaate zu isolieren. Folglich-
widerspricht dem messianischen Ideal auch die jüdische -Nation.
Wenn nun aber das Judentum im Gesetze dennoch eine
Isolierung ei fordern wollte, so wäre diese nicht eine illusorische
Aufgabe, wenn die Nation unzulässig wäre. Denn an die Stelle der
Nation tritt die Nationalität. Sofern sie notwendig ist, ist sie
keineswegs aussichtslos: denn sie ist möglich ohne den eigenen
Staat, und sie ist möglich innerhalb der einzelnen Kulturstaaten.
So fordert es die Idee des Staats für diesen selbst, wie für ihren.
Staatenbund. Es bleibt nur die Frage, ob die Nationalität eine not-
wendige Aufgabe bleibt, und die fernere Frage, ob sie durch die‫־‬
Isolierung im Gesetz vollziehbar wird.
Für den Sinn der Frage nach der Notwendigkeit der Nationali-
tät ist nun zuvörderst der Begriff der Notwendigkeit zu bedenken.
Die Notwendigkeit hat sich bei der Nation als eine relative erwiesen,
nämlich im Verhältnis stehend zum Begriffe des Staates. So wird
auch die Notwendigkeit der Nationalität nicht als eine absolute ge-
dacht werden können, sondern nur als ein Yerhältnisbegriff. Und
•es kann nicht zweifelhaft sein, daß die Nationalität nur zur Religion
in Verhältnis stehen darf. Schon dem Begriffe der Nation wurde
das Anthropologische, das Ethnische entzogen, und seine Idealisierung
wurde nur im Staate vollbracht. Der Stamm mit seiner physischen
,Grundlage wurde. dadurch keineswegs entwertet, nur wurde in ihm
.selbst die Idealität nicht erkannt, aber seine Idealisierbarkeit wird
anerkannt für die höchste menschliche Idealität, die des Staates.
In derselben Methodik.‫־‬geschieht nun auch die Idealisierung der
Nationalität. Keineswegs ist sie irrelevant oder gar minderwertig,
aber in ihr selbst liegt die Idealität nicht, zu der sie jedoch er-
hoben wird, sofern sie als Mittel dient für* die Errichtung und für
den Fortbestand der Religion. Für die Errichtung der Religion war
das Volk Israel notwendig. Diesen Sinn hat die Erwählung Israels.
‫־‬Und es ist auch unzweifelhaft, daß der Fortbestand des Monotheis-
mus an die Nationalität gebunden war, nachdem die Nation mit
Rücksicht auf den Staat, erledigt war. Esras Politik, welche die Ehe
mit heidnischen Frauen hintertrieb, war eine notwendige Religions-
politik. Aber zu allen Zeiten haben die tiefsten jüdischen Geister
die Nationalität nicht als Selbstzweck, sondern nur als das un-
•entbehrliche Mittel zur Erhaltung der Religion anerkannt. Ein
Wahlspruch ist der Satz des Gaon Saadja: ‫״‬unser Volk ist nur Volk
durch seine Lehren“ (‫)אומתנו אינה אומה כי אם בסנרגתיה‬. In dieser not-
wendigen Disposition der Nationalität für die Religion liegt ihre
Idealisierbarkeit, Und nur in dieser besteht ihr Anteil an der
Idealität.
Es kann nach Maßgabe der menschlichen, insbesondere auch
der politischen Verhältnisse innerhalb der Kulturreligionen, ihrer
inneren und äußeren Gesetze und Kämpfe, kein Zweifel darüber ent-
stehen, daß die Nationalität die notwendige Grundlage bleiben muß
für die. Forterhaltung der jüdischen Religion, solange diese im Gegen-
satz steht zu anderen Formen des Monotheismus. Es handelt sich
ulso bei dieser Frage um gar nichts anderes und nichts Geringeres
!als um den Eigenwert des jüdischen Monotheismus selbst. Wäre er
durch jene anderen Formen entwertet, ersetzt oder ersetzbar, so wäre
4*29

:nicht nur der bisherige Fortbestand ein Rätsel, sondern "auch der
künftige Fortbestand würde hinfällig. Wenn anders aber aus den j
Quellen des Judentums dieses als eine Religion der Vernunft erweis- !
bar ist, so ist dadurch der Fortbestand des Judentums begrifflich j.
gesichert. Es braucht gar nicht zur Frage zu werden, ob das5
Judentum allein die Religion der Vernunft sei; denn auch die
anderen Formen können ihren wesentlichen Anteil an der Vernunft
haben und behalten. Aber wenn das Judentum selbst auch als eine
Religion der Vernunft unbestreitbar ist, so ist sein Fortbestand eine
geschichtliche Notwendigkeit aus dem Prinzip der Vernunft. Und
wenn Experimente über seine Ersetzbarkeit selbst möglich wären,‫ ׳‬so*
wären sie begrifflich unzulässig. Denn wenn mehrere Religionen je‫׳‬
ihren Anteil an der Vernunft haben, so darf keine derselben unter-
drückt werden. Der Gedanke, eine Religion durch die andere er-
setzen zu wollen, ist ebenso ein geschichtlicher Ungedanke, wie et
der Geschichtsphilosophie widerspricht, welche den Gedanken der
Absolutheit abzuwehren und in der Mannigfaltigkeit der Kultur‫ ־‬/
erscheinungen den Anteil der Vernunft an ihnen. zu erforschen hat.(
Wenn religiöse Befangenheit zu einer wissenschaftlichen, zu
einer methodischen wird, und die Absolutheit des Christentums be-|
hauptet wird, so ist der Streit nicht auf dem Gebiete der wissen^
schaftlichen Methodik auszutragen, sondern schließlich an dem Streit-
problem .selbst. Wer den Monotheismus nur in der christlichen*'
Form anerkennt, der begreift nicht die Reinheit des jüdischen Mono-
theismus. ‫ ״‬Er ist einzig, und kein Zweiter ist ihm zu vergleichen
und ihm zu vergeseikchaft^ . hei® .es in einem. synagogalen
Gedichte von Gott. Der einzige Gott, Gott als Einziger, Gott das-
einzige Sein, das ist der Sinn des jüdischen Monotheismus. ‫ ״‬Erfüll’
davon dein Herz, so groß es ist“. Aber das ist der Unterschied von
Goethes Poesie; daß das Judentum nicht sagt: ‫״‬nenn es dann, wie‫׳‬
du willst“, sondern daß es auf dem Gedanken besteht uud seine‫־‬
Entwicklung und Durchführung anstrebt: ‫ ״‬sein Name ist einzig“.
Der Name hat den Begriff auszudrücken. Es darf nicht vielerlei
Namen, weil nicht vielerlei Begriffe von Gott geben. Das Mensch-
liehe steht in Korrelation mit ihm, aber durchaus nicht in Identität,
Und nur durch das Menschliche vermittelt, steht auch die Natur in
Relation zu ihm ; der Pantheismus aber, der Identität zwischen
Natur und Gott setzt, ist schlechthin der Widerspruch zum jüdischen
Monotheismus. So läßt es sich wohl begreifen, daß dieser selbst in
430

seiner Strenge ein schwieriges Problem der Kultur ist. die von deii
vielseitigen Interessen der Wissenschaft und der Kunst nach ver-
schiedenen Zentren hin schwankt. Das Judentum aber duldet nur
den einen Mittelpunkt für alles Geisteswesen: den' einzigen Gott,
der unvergleichbar ist mit allem, was der menschliche Geist zu er-
1denken vermag. Für das Judentum hat die geistige Welt ihren
festen Mittelpunkt, der in alle unendliche Weite der Kultur ans-
^zustrahlen vermag, nirgend aber von irgend welchen Kulturinteressen
sich verrücken läßt. Hier ist keine Skepsis möglich. Sie kann nicht
einmal als eine wohltätige Anregung gegen den Dogmatismus zu-
gestanden werden. Es gilt vielmehr, vom Dogmatismus aus den
Weg zu finden zu diesem höchsten Idealismus, vor dem alles Dasein
nichtig wird im Vergleiche zum einzigen Sein Gottes. Der Skep-
tizismus versperrt sich den Weg zu diesem Idealismus. Und als
eine Vereitlung des monotheistischen Problems *muß auch der Pan-
theismus erkannt werden.
Wenn anders nun die Erhaltung des Judentums und für diese
die der jüdischen Nationalität sowohl nach der allgemeinen Methodik
der , Geschichtsphilosophie wie insbesondere nach dem Gehalt der
Lehre vom einzigen Gotte, eine Notwendigkeit ist für die Geschichte
der Vernunft, so ist jetzt die Frage zu stellen nach der Notwendig-
keit des Gesetzes, nachdem wir diese Notwendigkeit in Relation er-
kannt haben auf die Religion.
Wie ein Gespenst erscheint uns jetzt der Satz, in welchem die
Gedankenfreiheit, welche so häufig in Talmud und Midrasch auf-
atmet, in titanischer Kühnheit sich ausspricht: ‫ ״‬die Gesetze werden
erledigt in der messianischen Zeit“. Sollte dies von allen Gesetzen
gelten? Die Ausnahme muß sofort gemacht werden: ‫ ״‬außer dem
Versöhnungstage“. Die Ausnahme ist sehr charakteristisch; sie
nimmt dem Satze das Beste seiner Kraft. Denn wie der Grund-
pfeiler der Religion, der V ersö l^ diese Religion ewig
bleiben muß, so erhebt sich von ihm aus die weitere Frage, ob nicht
noch andere Gesetze in diese Ausnahme einzubeziehen oder ihr an-
zugliedern sein möchten. Aber diese Frage muß vom messianischen
Endziel rückwärts gerichtet werden, und für diese eigentlich ge-
schiehtliche Erwägung ist es schon ein wichtiger Wegweiser, daß
auch im messianischen. Zeitalter nicht ausnahmslos das Gesetz
erledigt werden kann.
Die Frage von der Ewigkeit der Thora ist ein durchgängiges
431

Problem des jüdischen Mittelalters. Schon Saadja (Emunot, 3, 7—10)


hat sie gestellt und erörtert. Es fehlte zu seiner Zeit schon nicht
in jüdischen, wie außerjüdischen Kreisen an Angriffen solcher Art.
Die Bibelkritik, welche vom Christentum und vom Islam für die
Voraussagung ihrer Propheten benutzt wurde, *bot hinlänglichen
Anlaß. Und Saadjas Urteil verrät eine bewunderungswürdige Reife
und Objektivität.
Wie wir den Rationalismus Ibn Dauds bereits kennen gelernt
haben, dürfen wir auch in dieser Frage insbesondere auch von ihm
als Historiker methodische Einsicht erwarten. In der Tat operiert
er bereits mit dem modernen Argument der Bibelkritik, der Auf-
findung der Thora.
Auch gegen die Glaubensartikel wird ein großer Kampf ge-
führt, insbesondere gegen ihre Formulierung durch Maimonides, und
besonders gegen den von der Offenbarung in ihrer Ganzheit.
‫״‬Maimonides stellt die Thora mit der Natur zusammen, als die
*beiden Schöpfungen Gottes. Aber schon Crescas macht hiergegen
den Unterschied geltend zwischen Grundlehren ( ‫ )שרשים אמתיים‬und
Glaubenswahrheiten ( ‫)פנות ויסודות התורה‬. Isaak Arama setzt diese Kritik
fort (Akeda, 99). Und Joseph Albo endlich bringt sie zu einer
Vollendung (Ikkarim, 3, 13—22), indem er eine Abänderung der
mosaischen Gesetze nach der Vernunft, wie nach der Schrift selbst
für möglich erklärt. Auch Albo argumentiert mit der Auffindung
der Thora unter dem König Josia.
Wir stehen sonach auf dem klassischen Boden des jüdischen
Denkens, wenn wir die Frage nach dem Verhältnis zwischen dem
Gesetz und der Religion nicht in dogmatischem Sinne, sondern nach
unserer Methode zu beantworten suchen. Die alten Denker haben
mit kühner Klarheit na chge wiesen, wie mancherlei schon von den
biblischen Gesetzen im Talmud zur Abänderung gekommen sei.
Und ebenso haben sie schon auf den Unterschied zwischen der Thora
im Ganzen und den einzelnen Geboten nach ihrer Anzahl aufmerk-
sam gemacht. Es kann für uns nur das Gesetz in seinem Begriffe
in Frage kommen. Dieser Begriff des Gesetzes aber ist seine An-
gemessenheit im einzelnen für die Erhaltung und Entwicklung der
Religion. Die Satzungenund Rechte -werden zueammengefaßt vom
Oberbegriffe der Thora. Das Gesetz besteht vielmehr in den Ge-
setzen. Die Einheit der Gesetze aber ist die Lehre, die Religion.
Und dies allein kann die methodische Frage sein nach dem Werte
432

der Gesetze: ihr Verhältnis, ihr sachliches, wie ihr geschichtliches


für den Fortbestand der Religion, des jüdischen Monotheismus, ist
dadurch an den Fortbestand des Gesetzes, seinem Begriffe nach, —
nicht in den Einzelheiten der Gesetze — gebunden: daß das Gesetz,
diejenige Isolierung ermöglicht, welche unerläßlich scheint für die
Pflege und Fortbildung des Eigenen als des Ewigen.
Isolierung in der Kulturwelt! Ist es nicht ein Verdauimungs-
urteil des Judentums, was hier aus dem Gesichtspunkte des Ge-
setzes für dasselbe gefordert wird? Indessen muß bedacht werden‫׳‬,
daß die Isolierung nicht letztlich aus dem Gesichtspunkt des GeT
setzes gefordert wird, sondern aus dem des reinen Monotheismus. Der
Monotheismus steht auf dem Spiele; wie könnte dagegen die Gemein-
schaft der Kulturwelt eine rechtmäßige Instanz bilden! Mit dem Mono-
theismus steht die Kulturwelt selbst auf dem Spiele. Und so wird es-
zu einer Rücksicht des Opportunismus und des Eudämonismus, ob das
Gesetz Hemmungen für die Leichtigkeit des Kulturverkehrs in sich ent-
hält. Solche Rücksichten müssen zurücktreten, wenn es sich um die Frage
des einzigen Gottes handelt. Die allgemeine Kultur hat nun einmal
keinen festen Mittelpunkt in Gott. Darüber herrscht wohl allgemein
Übereinstimmung. Hier aber wird der Grund aufgedeckt für dieses
allgemeine Zugeständnis: nur der einzige Gott des jüdischen Mono^
theismus kann diesen festen Mittelpunkt bilden, der der Kultur ein
stabiles Gleichgewicht für die Vielheit ihrer Interessen zu bieten
vermag. Für das Judentum ist daher, wie begrifflich, so in der
Kulturarbeit eine Isolierung unumgänglich. Und demzufolge ist
sie *auch unvermeidlich für die Bekenner in ihrer Nationalität.
Das Gesetz, würde es selbst nur festgehalten in den Festen,,
und für manche und viele selbst nur im Versöhnungstage, ist eine
Schutzmauer gegen die Nivellierung des reinen Monotheismus und
seiner Lehre von der Versöhnung des Menschen mit Gott, als der
Erlösung des Menschen durch Gott. Ebenso ist die prinzipielle Er*‫־‬
haltung des Sabbat für die Gemeinde ein Wahrzeichen der sozial-
ethischen Grundlehre des Judentums und ein Protest gegen die Ver-
Wandlung des Sabbat in den Erinnerungstag an die Auferstehung
Christi. Diese Verwandlung der Bedeutung des Sabbat ist ein
wichtigeres Moment' als die Verlegung des einen Tages auf einen
anderen. >
Es ist nicht unsere Aufgabe, mehr als methodische Hinweise
auf die Praxis zu geben. Die Untersuchung des Vernunftanteils an
433

der Religion darf nicht übergehen in eine geschichtliche Spekulation


die der Entwicklung ihre Wege vorzeichnen möchte. Geschichts-
philosophisch ist der Hebel unverkennbar, den das Gesetz für die.
Religion bildet. Wir haben bisher den Stier bei den Hörnern ge-
faßt, und den üblichen Einwand gegen das Gesetz beim Worte ge-
nommen und zugestanden. Indessen erschöpft sich der Wert des
Gesetzes keineswegs in dem negativen Moment der Isolierung,
sondern, was von keinem Außenstehenden in seiner''^änzeiT'Tiefe
begriffen werden kann — es wohnt dem Gesetze in unzählbar vielen
seiner Formen und Gebräuche eine positive Kraft der Anregung,
der Erweckung, der Befestigung und der Vertiefung religiöser Ge-
danken und Gesinnungen inne. Und es kann bezweifelt werden,
ob jene Formen der Gesetze nicht zugleich die Erzeugungsformen
der religiösen Gefühle sind. Es ist die alte Frage nach dem. Ver-
hältnis zwischen Idee und Wirklichkeit, um die es auch hier sich
handelt. Aber da die Frage hier das Verhältnis zwischen Idee und
Realisierung betrifft, so ist die Antwort schon leichter. Wie der
Gedanke die Wirklichkeit zu erschaffen hat, so ist die Wirklichkeit
ihm nicht heterogen, wenn sie ihm als Anlaß dient und dienstbar
gemacht wird. Nur auf die Angemessenheit der Form kommt es
an, oder genauer auf den Grad der Angemessenheit, denn eine
Adäquatheit ist freilich unerreichbar. Daher ist auch die Be-
strebung zur Reform des Gottesdienstes durchaus im Einklang mit
dem alten Gesetz, das auf die Würdigkeit des Gottesdienstes großen
Wert legt. Und diese ganze Tendenz der Reform ist eine wahrhaft
religiöse, die man nicht als eine nur äusserliche abschätzen darf.
Aber die Hauptfrage bleibt hierbei doch immer das schwierige
Problem des Verhältnisses zwischen Gesetz und Religion, auf Grund ‫׳‬
dessen jede Einzelfrage bezüglich des einzelnen Gesetzes zu erwägen
ist. Und damit der einzelne Fehler vermeidbar wird, den man bei
der Abschaffung eines einzelnen Gesetzes begehen kann, ist es not-
wendig, das Prinzip des Gesetzes selbst in seiner relativen Not-
wendigkeit zu erkennen und für jede Einzelerwägung als Richtmaß
festzuhalten.
Es ist schon ein wichtiges Moment im Begriffe des Gesetzes, •
daß das Gesetz nicht nur für den Gottesdienst gilt, sondern daß es
den Gottesdienst in den gesamten häuslichen und bürgerlichen Be-
trieb verfloßt. Freilich wird dadurch dem Privatleben Erschwerung,
eine Last auferlegt. Aber diese Last soll ja das Joch des Gottes-
28
434

reiches, sein. Hier gilt das Wort vom Erleben für die Beligion.
Wer das Leben unter diesem Joch der Gesetze nicht selbst erlebt
hat,; der kann es nimmermehr begreifen, daß dieses Joch als eine
!Himmelsleiter getragen wird. Und deshalb ist und bleibt es die
große Frage an die Zukunft, welche die Zukunft des reinen Monotheis-
mus ist, nicht ob überhaupt - dies ist keine Frage mehr — sondern
nur in welchem Grade der Ermäßigung das Joch der Gesetze behauptet
und noch immer inniger verklärt werden kann, damit es für alle Zu-
kunft seine Wirksamkeit nicht einbüße.
Die Plastik und die Malerei wurden von dem reinen Gottes-
dienste ferngehalten. Aber Heine hat es in seiner Dichtersprache
ausgesprochen, daß Moses Menschenpyramiden gemeißelt habe.. Und
dieses Kunstwerk der Menschen, als der Bekenner des einzigen
Gottes, ist ihm geglückt durch das Mittel der Gesetze. Die Gesetze
selbst können daher nicht ohne allen künstlerischen Wert sein, der
freilich vornehmlich in der Poesie sich kundtun konnte. In dieser
aber hat er alle Formen durchdrungen, die Tragik, wie das Idyll.
Sogar der christliche Nachbar hat nicht nur . an dem tragischen
Schauspiel des Gottesdienstes am Jomkippur Abend teilgenommen,
sondern nicht minder auch an dem Idyll der Sukka, an deren Luft-
gebäude, wie an ihrer naturpoetischen Ausschmückung er mensch^
liehen Anteil nahm. Und was bedeutet nun erst das Gesetz für
!die feierliche Veredlung des Lebens in der Verklärung des Todes
\ und der Ehrung des Toten in seiner Bestattung. Vom Beginne des
jjj
‫ ן‬Lebens, an dem der Bund Gottes mit Abraham an dem neugeborenen
j Sohne Abrahams erneuert wird, bis zum Abschluß des Lebens durch-
\ zieht das Gesetz alle Momente des Lebens, um sie zu festigen für
j den wahrhaften Gottesdienst, und um zugleich alle menschlichen
!Hantierungen in Verbindung zu setzen mit dem Gottesdienst und
\ durch diese Verbindung alles menschliche Tun zu verklären im
!Ewigen.
‫־‬. Nicht die Isolierung ist der einzige Zweck des Gesetzes, sondern
die Idealisierung alles irdischen Tuns mit dem Göttlichen. Der
Gottesdienst beschränkt sich nicht auf die Synagoge; das Gesetz,
erfüllt und durchdringt das ganze. Leben mit ihm. Aber freilich
wird dieses ganze Leben dadurch auf den einzigen Zweck hin ge-
richtet. Indessen ist es nur ein Urteil des Opportunismus, wenn
in dieser. Zwecksetzung eine Entfernung und Entfremdung von der
Kultur gefürchtet wird. Der Kultur wird ,dadurch, nur ein fester .
435 __

Mittelpunkt gegeben. Und die Isolierung, so weit sie unvermeidlich


ist, kann nichtsdestoweniger in allen Richtungen der Kultur eine
Hingabe und ein Heimischwerden zulassen und fördern; nur die Selb- /
ständigkeit im eigenen Schwerpunkte bleibt unversehrt. Aber das!
wäre ein verhängnisvolles Vorurteil, wenn man die Isolierung durch
das Gesetz für gleichbedeutend erachtete mit einer Loslösung von
den selbständigen Interessen der Kultur, im Theoretischen, wie im
Praktischen. Die Isolierung auf die eigene Gottesverehrung begründet
und bestärkt nur die Selbständigkeit und Souveränität des sittlichen
Urteils als des maßgebenden für alle Richtungen und Bestrebungen
der allgemeinen Kultur.
Aus den Banden des Gesetzes heraus sind zu allen Zeiten die /
meisten derjenigen Israeliten hervorgegangen, welche Erhebliches für i
die Kultur in allen ihren Zweigen geleistet haben. Aus den Banden;
des Gesetzes heraus sind vorab immer die großen sittlichen An-
regungen hervorgegangen, welche von Söhnen Israels für das prak-
tische Leben und seine sittliche Vervollkommnung erstrebt worden
sind. Der innerliche Zusammenhang des Gesetzes mit der öffent-
liehen Sittlichkeit konnte niemals verkannt werden. Aber man hat
vorzugsweise die subjektive Pietät als Beweggrund gelten lassen,
während vielmehr in der objektiven Kraft des Gesetzes selbst der
treibende Grund wurzelt im Geiste und Gemüte des Juden, dem die
Erinnerung einwohnte an die Erhabenheit des Gesetzes, oder dem,
ihm selbst unbewußt, die Urkraft des Gesetzes in seinem Blute
nach wirkte. Man kennt den Juden in seinem Äußeren, aber nicht
hinreichend in der Fortwirkung des Gesetzes in seinem Innenleben
und in dessen hereditären Grundlagen.
Daher tritt an die Stelle der bloßen Isolierung auch für die
Mitglieder der .Glaubensgemeinschaft eine neue positive Verpflichtung,
und zwar für alle Zukunft, wie für die Gegenwart. Es ist ein alter
Satz: ‫״‬alle Israeliten sind Bürgen für einander‫״‬. Die geschichtliche
Kontinuität fordert überall diese gegenseitige Bürgschaft der Ge-
nossen einer Wahrheit. Bei der Frage des Gesetzes handelt es sich
daher nicht nur um die theoretische. Frage über die Erhaltung der .
Religion, sondern sie wird praktisch und aktuell für die Menschen,
die in dieser Religion geboren werden: daß sie in ihr aufwachsen .
und in ihr erhalten werden. Um die Menschen dieses Glaubens
handelt es sich bei der Frage um die Erhaltung des Glaubens.
Und dieser Menschen der Zukunft wegen ist der. Wert des Gesetzes ‫־‬
28 *
436

llir den-Fortbestand der Eeligion zu erwägen. Aber freilich hängt;


die Sorge für die Zukunft zusammen mit der Pietät für die Ver-
gangenheit. Der alte Gedanke des ‫״‬Verdienstes der Väter“ gewinnt•
Mer eine neue Bedeutung. Die Väter bleiben die Väter für die-
Söhne aller Zukunft. Und diese bedürfen allesamt des Verdienstes
der Väter; sie dürfen alle sich kein eigenes Verdienst zuschreiben.
In dem Gesetze vornehmlich ist das Verdienst der Väter lebendig
geworden. Und in ihm muß es Leben zeugend und Leben er-
haltend bleiben.
v Vergangenheit und Zukunft verbindend, hat in herrlichen Worten
^der Begründer der jüdischen Altertumswissenschaft, der unsterbliche
^ u n z , den Segen des Gesetzes gepriesen. ‫ ״‬So oft dann an unseren!
äußeren Menschen das Symbol sichtbar wird, regt in dem inneren
sich die alte Liebe und ziehet in . ihre geweiheten Kreise alle, die
jn gemeinschaftlicher Überzeugung sich erbauet, die mit dem
religiösen Brauch uns Tugenden eingepflanzt haben; ja, es werden
uns alle nahegerückt, die mit uns dasselbe Wehe gefühlt, oder
mit denen wir gleiches Leid tragen, und in ein Meer glühender
Liebe versinkt und schmilzt die kalte Selbstsucht . . . dahingegen
wirst du, wenn deine Seele an dem religiösen Gesetze Ergötzen hat,
denen zugetan bleiben, welche in demselben Gesetze dasselbe Heilig-
tum verehren“. In dieser historischen Kraft liegt die Bedeutung
des Gesetzes als Symbol. Freilich hat es keinen Eigenwert, aber
das ist ja der Wert des Symbols, daß es den echten Wert zu er-
wecken vermögend sei. W7as nicht Symbol ist, ist daher beschränkt
auf die Gestalt, die es durch die Handlung oder das Bild selbst
darzustellen vermag. Das Symbol hingegen greift über das Sonderbild
seiner eigenen Darstellung hinaus auf die Unendlichkeit von Bildern
und Gestaltungen, die es hervorruft und dadurch hervorbringt. So groß
die Gefahr des Symbols ist, so groß ist in seinem Umfange schon
sein Wert. Wenn wir nun so schließlich als Symbol das Gesetz:
denken, so wird dadurch der Ausdruck übertroffen, mit dem die
Mischna das Gesetz von der Lehre unterscheidet, in dem sie es als
‫ ״‬Zaun der Lehre“ bezeichnet. Nicht nur ein Zaun, der die
Lehre isoliert, um sie zu hüten und zu schützen, ist das Gesetz,
sondern, als Symbol gedacht, wird es zum positiven Hebel, nicht-
nur zur Stütze, sondern zu einem erzeugenden Kraftmittel der Lehre-
Und als eine solche positive Kraftquelle der Religion haben wir
das Gesetz noch deutlicher zu erweisen.
437

Wenn wir alle die Gesetze überblicken, wie sie Maimonides


in seiner Charakteristik zur Übersicht gebracht hat, so scheint doch
noch der rechte Gesichtspunkt nicht eingestellt zu sein. Der Zu-
sammenhang zwischen den rein moralischen und gottesdienstlichen
*Geboten muß noch mehr klargestellt werden. Gibt es ein Gesetz,
in welchem dieser Zusammenhang gleichsam zwischen Religion und
Sittlichkeit vollzogen wird? Wenn es ein solches Gesetz gibt, so ist
in ihm der Idealbegriff des Gesetzes zu erkennen. Denn das ist der
Sinn des Gesetzes: die Verbindung zu stiften und aufrechtzuhalten
zwischen der Erkenntnis und der Handlung, und daher auch zwischen
der Erkenntnis als Religion, und der Handlung, als der sittlichen Tat.
Wenn es ein Gesetz gibt, in welchem diese Indifferenz von Theorie
und Praxis für die Gottesverehrung und zugleich nach ihrer Be-
deutung für die Sittlichkeit sich darstellt, so ist in diesem Gesetze
nicht nur die‫״‬Verbindung der religiösen Erkenntnis mit der religiösen
Handlung zu erkennen^ sondern sogai auch die Verbindung zwischen
der Religion überhaupt, Theorie und Praxis eingeschlossen, und der
reinen selbständigen Sittlichkeit, sofern diese nach unserer Voraus-
:setzung mit dem Vernunft an teil der Religion verbunden ist.
Kapitel XVI.
Das G e b e t .
Diejenige Form des Gesetzes, welche die am Schlüsse des vorigen
Abschnitts geforderte doppelte Verbindung herstellt, nämlich die
zwischen religiöser Erkenntnis und religiöser Handlung, und zugleich
die zwischen Religion und Sittlichkeit überhaupt, ist das Gebet. Ist es
überhaupt unter den 613 Geboten als ein besonderes ausgezeichnet?
Es durchströmt diese ganze Kette, so daß es den Gesamtinhalt der
Gottes Verehrung in sich enthält. Wäre das Gebet nicht, so würde
der Kultus nur in! Opfer bestehen. Man kann daher .vielleicht auch
sagen, daß das Opfer nicht hätte aufhören können, wenn das Gebet
nicht entstanden, am Opfer und aus dem Opfer entständen wäre.
Und literarisch gesprochen, kann man vielleicht auch sagen, daß der
Psalm nicht entstanden wäre, daß es innerhalb der religiösen Stilart
bei der Prophetenrede verblieben wäre, wrenn nicht das Gebet als
eine besondere Stilform aus der prophetischen Rhetorik heraus sich ent»
wickelt hätte. Denn ohne daß der Prophetismus vorhergegangen, ließe
sich die Entstehung des Gebets nicht wohl denken.
Das Gebet ist eine Urform des Monotheismus. Freilich gilt
auch hier, wie bei allen monotheistischen Schöpfungen, das allgemeine
Prinzip der religionsgeschichtlichen Entwicklung. Der allgemeine
Typus des Gebetes fehlt bei keinem Volke und kann bei keinem
Volke fehlen, sofern es die Beziehung zu einer Gottheit zum sprach-
liehen Ausdruck bringt. Das erste Stammeln des Menschen in einer
direkten Anrede an Gott kann nichts anderes als ein Gebet sein.
Aber wie die Spräche nicht ganz Stammeln bleibt, so ist die Bitte,,
die an die Gottheit gerichtet wird, noch nicht das Gebet, wie der
Monotheismus allein es ausgestaltet. Der Monotheismus muß im
Gebete eine Eigenart, seine Eigenart vollziehen, wenn anders das
Gebet die Sprache der Religion ist, und die_Sprache der eigentliche
^Ausdruck der Vernunft ist. r'
Diese Voraussetzung, daß das Gebet das eigentümliche Gebilde
439

des Monotheismus sei, haben wir nun an dem jüdischen Gebete


nachzuweisen.
Wir beachten zunächst die Notwendigkeit einer Ergänzung,
welche für den Zweck der Versöhnung die Bußarbeit fordert. Diese
hat vorwiegend rein sittlichen Charakter; denn ihre Arbeit ist auf
das Selbst gerichtet, es zu prüfen und zu läutern. Als religiöses
Moment kommt der Hinblick auf Gott hinzu. Dieser Hinblick ist
das Vertrauen, die Zuversicht auf den guten Gott, der, als solcher,
der Gott der Versöhnung und der Erlösung ist. In dieser Zuver-
sicht aber ist noch eine Dunkelheit nicht aufgehellt. Was bedeutet
der Hinblick auf Gott? Man kann doch Gott nicht schauen. Auf
welche Weise geht das Vertrauen von statten? Man kann es doch
nicht wohl als einen Affekt auszeichnen. Und wäre dies selbst an-
gängig, so bliebe noch immer die Frage nach der Ausdrucksweise
dieses Affekts. So wird also für das Gottvertrauen, für die Zuver-
sicht auf seine Verzeihung unabwendbar die Sprache gefordert. Und
diese Sprachform bildet das Gebet.
Wie sehr das Gebet als eine Äußerung des Gedankens gedacht
wird, zeigt sich an dem hebräischen Worte, ,welches für die Zurüstung,
für die Stimmung zum Gebete zum technischen Ausdruck geworden ist:
Kawana. Das Wort bedeutet allgemein Festigung, Gründung und
somit Gesinnung. Aber es ist zur vorherrschenden Bedeutung ge‫■־־‬,
kommen, für die Vorbereitung und die Absonderung des Gemütes
für das Gebet. Es ist das Wort für Andacht geworden.
Zunächst ist auch diese Vorstufe des Gebetes rein sittlichen
Charakters. Zu aller geistigen, zu aller sittlichen Handlung bedarf
das Gemüt der Zurückziehung auf sich selbst, der Sammlung aller
seiner inneren Kräfte und Ausblicke. Wie die Einsamkeit der Seele
zum Bedürfnis wird, gegen den Taumel der Eindrücke, so bedarf
sie schon psychologisch der Einkehr in sich selbst und ihre innersten
Tiefen, wenn sie sich zum Zwiegespräch mit der Gottheit aufschwingen
soll. Und ein solches Zwiegespräch muß das Gebet sein, wenn es
die Zuversicht ‫־‬auf Gott zum sprachlichen Ausdruck zu bringen h at
Wie sehr das Gebet die Schöpfung des Monotheismus ist,
wird durch eine andere Schöpfung dieser echten Religion erwiesen,
die wir im Psalm schon aufgestellt haben. Auch der Psalm hat
seine Analogien im griechischen, wie im babylonischen Hymnus.
Aber die Eigenart des Monotheismus bedingt die Eigenart seines
Psalms. Der Psalm verlöre den geschichtlich unzweifelhaften Charakter
440

seiner monotheistischen Ursprünglichkeit, wenn er ohne innere


Differenz wäre von dem sogenannten babylonischen Psalm. Was am
Psalm selbst in seiner Stilform nicht unmittelbar klar wird, das
wird deutlich an ihm unter dem Gesichtspunkt des Gebetes. Als
Gebet betrachtet, verliert der Psalm den Schein, als ob er ein Päan
an die Gottheit oder ein Dithyrambus auf den Gott, der einem
Helden zum Siege verholten, wäre^ oder gar ein Siegespreislied für
den Helden selbst und für sein Ahnengeschlecht, wie solche Lieder
Pindar gesungen hat. Beim Psalm, als Gebet betrachtet, springt der
Unterschied in die Augen, der trotz allen äußerlichen Ähnlichkeiten den
Psalm von einem Heldengesang unterscheidet: das Ich selbst, da^
Subjekt wird zum Objekt. Nicht der Sänger als solcher ist das \
Subjekt, sondern er muß es erst aus sich selbst hervorbringen. Und
dazu kann ihm der Sänger auch nicht dadurch verhelfen, daß er
sein Ahnengeschlecht aufruft und dessen mythische Taten besingt.
Der Schacht des eigenen Inneren muß ausgegraben werden, wenn
das Ich in einer neuen freien Selbständigkeit und Reinheit erstehen
soll. Dazu aber wird das Zwiegespräch mit Gott notwendig. Und
dieses Zwiegespräch bildet der Monolog des Gebetes.
Eine Analogie gibt es für den Psalm. Sie besteht in der
poetischen Urform der Lyrik. Das lyrische Gedicht ist das Be-
kenntnis, welches die Seele selbst von ihrem innersten und innigsten
Erlebnis ausspricht. Dieses innigste Erlebnis ist die Liebe. Freilich
ist sie im ersten Keime der Naturtrieb der Geschlechtsliebe. Aber
aus den Aphrodisien hat der griechische Geist den Eros entzaubert.
Und so ist bei Platon der Eros zum allgemeinen Ausdruck der Seele
geworden für alle ihre tiefsten und zartesten, für alle ihre ge-
waltigsten Schöpfungen. Und was im griechischen Geiste der Eros j
ist, das ist im jüdischen das Gebet, wie der Psalm es hervorbringt.;
Fehlte dem Psalm etwa die Grundkraft der Liebe, weil die Liebe
zu Gott der Erotik mit allen ihren Geheimnissen sich enthoben hat?
Vielmehr hätte sie nicht ihre Reinheit und ihre Eigentümlichkeit in
aller ihrer Kraft und Bestimmtheit gewinnen können, wenn ihr nicht
vom Monotheismus beschieden worden wäre, alle Sinnlichkeit zu |
überflügeln, und in der Keuschheit der Unschuld auf Gott zu über- j
tragen, was die idealste Geschlechtsliebe sonst an dem Geliebten j
erdichtet. Während aber die lyrische Liebe diese Idealisierung der
geliebten Person nirgend ablösen kann und darf von dem sexuellen
ITrtrieb, so wird für den Monotheismus dieser sinnlos. Man kann
441

den einzigen Gott nicht lieben, wie einen Mann öder ein Weib.
Und doch liebt man ihn und sucht ihn, und bekennt dieses Ver-
langen, weil es ein wahrhaftes Erlebnis der Seele ist. Das ist!
freilich ein Wunder in der Geschichte der Seele, aber dieses Wunder j
ist eben der Monotheismus selbst. Und der literarische Ausdruck I
dieses Wunders ist der Psalm, die höchste Schöpfung des Monotheis-
mus. Denn der Prophet ermahnt zur Liebe Gottes. Der ‫׳‬Psalm aber
bekennt diese Liebe als das wirkliche Erlebnis der Seele. Und
dieses Bekenntnis des seelischen Erlebnisses ist der Psalm, als Gebet.
Jetzt haben wir die Ergänzung erkannt, welche der Psalm,
welche das Gebet der sittlichen Bußarbeit für das Gelingen der
Yersöhnung hinzuzubringen hat. Jetzt erkennen wir auch den rein
religiösen Faktor der Versöhnung, den wir vorher mit dem Vertrauen,
der Zuversicht auf Gott bezeichnet hatten. Wir fragten nach dem
genaueren Ausdruck für diese religiöse Bedingung, nach dem psycho-
logischen Ausdruck für diese sachliche Bedingung; das Gebet ist
diese psychologische Form des religiösen Faktors der Versöhnung.
Die Grundform der Beligion1, deren logischer Ausdruck die
Korrelation von Gott und Mensch ist, ist gleichsam psychologisch
die Liebe zu Gott. Und diese Liebe ist die Liebe der Psalmen, ist
die Liebe des Gebetes. Das Gebet ist Liebe. Man möchte den
Satz auch umkehren dürfen. Und ‫״‬is t nicht Idealisierung in der
Liebe im Grunde auch nur eine Abwandlung des Gebetes, in der
die geliebte Person mit aller Kraft des Gemütes für sie mit allen
Zaubern der Unendlichkeit bestürmt wird?
Die Lyrik hat noch eine andere psychologische Grundkraft,
welche der Idealisierung der geliebten Person zustatten kommt,
und welche im Gebete zu einer besonderen Heilkraft wird. Das
lyrische Gedicht ist das Bekenntnis eines Erlebnisses, aber nicht
eines der vielen Erlebnisse, nicht eines einzelnen vergänglichen, sondern
das Erlebnis wird zum Inbegriff des eigenen Lebens ausgespannt, j
Das Endliche, Vergängliche wird ein Unendliches, ein Ewiges.‫ ־‬Es
ist also nicht ganz richtig, daß die Wirklichkeit, die Gelegenheit,
der eigentliche Inhalt des ,Liebesgedichtes sei. Die Gelegenheit wird
verewigt, und so wird die Wirklichkeit selbst zu einer unendlichen
Ferne. Wenn die Liebe als eine Wirklichkeit und Gegenwart be-
sungen wird, so wird die Lyrik zum Epigramm. Die Lyrik selbst
bedarf der Ferne, die daher zu einer Idealität der Wirklichkeit wird.
Und was räumlich die Entfernung bedeutet, das vollzieht sich als
442

psychologischer Faktor in der Sehnsucht. Sie ist das idealistische


Moment des Affektes. Die Sehnsucht verlangt, zwar nach der Wirk-
lichkeit des Geliebten, aber sie beruht auf dem Ersätze der An-
Wesenheit durch das Fernbild, welches sie mit ihren; Herzens-
gluten zeichnet. Sie hält daher die Ferne fest, ohne deren Zielpunkt
sie nicht in der Annäherung an ihn ihre Tätigkeit vollbringen, ihren
Pendelschlag in Gleichgewicht halten kann. Die Liebe ist Sehn-
sucht nach dem Wesen, welches nicht in sinnenartiger Wirklichkeit
gegenwärtig ist, 'noch sein darf, sofern es ersehnt wird. Und so
ist auch das Gebet die Sehnsucht nach Gott, der überhaupt nicht
in einer sinnenartigen Wirklichkeit begehrt werden darf, und der
nicht für die Liebe, weil nicht für die Erkenntnis gesucht werden kann.
Das Gebet ist Sehnsucht. Das Verlangen des Gebets nach Gott
ist ein Suchen Gottes, und will immer nur ein Suchen sein. Denn
das Finden kann ja nicht die Wirklichkeit, sondern nur ‫ ״‬die Nähe
Gottes“, nur die Annäherung an Gott zum Ziele haben. Aber diese
Annäherung ist immer Liebe, immer Sehnsucht, immer ein Affekt,
niemals ein nur intellektuelles Verhalten. Sie ist daher niemals
Vision. Diese muß immer ein Blendwerk sein, das eine Wirklich-
keit vorzaubert, die hier immer ein falscher Zauber sein muß.
Denn Gott kann niemals Wirklichkeit werden für die Liebe des
Menschen. Das Suchen ist der Selbstzweck des religiösen Gemütes.
Die Sehnsucht bezeichnet, sie erfüllt das ganze Innenleben der Seele,
sofern es auf die Korrelation mit Gott eingestellt wird zur Erzeugung
der Religion. Der Psalm ist die legitime Stilform des Gebetes,
weil er die Stilform der religiösen Liebe, der Liebe zu Gott ge-
worden ist.
! Was die Sehnsucht für die Liebe ist, das ist die Andacht für
; das Gebet. Sie ist die Vorbereitung, aber diese darf niemals auf-
hören, niemals abbreehen, so lange das Gebet andauert. Jeder neue
Moment des Gebetes ist ein neuer Anhub, ein neuer Aufschwung der
Andacht. Auch die Sehnsucht muß immer in selbstschöpferischer
Regsamkeit lebendig bleiben, sonst erschlafft sie zu einer Schwermut,
welche ihr alle Rüstigkeit und Aktivität nimmt, so daß das Bewußt-
sein in eine dumpfe Gegenwart versinkt und der Fähigkeit beraubt
wird, die Zukunft vorwegzunehmen und wirksam zu machen. Diese
Kraft der Antizipation der Zukunft ist überhaupt die Kraft des
Zeitbewußtseins. Und in der Sehnsucht wird diese Kraft ebenso
fruchtbar für das Gemüt, wie sie logisch die Rüstkammer bildet
443

für den Ursprung, wie für alle Fortführung der Bewegung. Hier
beachten wir nur den Quell der Antizipation für die Macht des
Gemütes.
Die Bedeutung der Sehnsucht im Gebet der Psalmen erschöpft
sich nicht in der Analogie mit der Sehnsucht der Liebe. Die Liebe zu
Gott ist eben doch von anderer Art als die innigste Liebe im Bund der
Geschlechter. Die Sehnsucht nach Gott ist die Sehnsucht nach Er- ;
lösung, nach Befreiung von der beengenden Last des Schuldgefühls.!
Die Sehnsucht entspringt hier der Angst- in der der Mensch in
Gefahr kommt, vor sich selbst zu fliehen, sich selbst zu verlieren.
Die Sehnsucht nach Gott entspricht daher dem Naturtriebe de&
Menschen, nicht an sich selbst zu verzweifeln, den Ankergrund
seines Selbstbewußtseins zu umklammern, um nicht in Verzweiflung
und Selbstaufgabe zu Grunde zu gehen. So ist die Sehnsucht die
Hoffnung auf Rettung in der Gefahr des Todeskampfes. Die Sehn-
sucht des Gebetes ringt sich aus dem Kampfe der Buße hervor zur
Hoffnung auf den Retter, den Erlöser.
Man erkennt immer deutlicher den Ursprung des Gebetes im
Psalm und in diesem in der Zwiesprache, welche die Buße zwischen
dem Ich und Gott führt . . Diesen dialogischen-Monolog konnte
die prophetische Rhetorik nicht erwecken: er konnte nur von der
Lyrik geschaffen werden, welche die Urform der Liebe in der Sehn-
sucht ist. Aber der Psalm idealisiert die Sehnsucht, in Analogie
zum Eros, durch den höchsten menschlichen Lebenszweck, den die
Erlösung von der Sünde bildet, zu dieser Freiheit des Gottvertrauens,
kraft welcher die Liebe zu Gott zugleich das Fundament wird für
die stete Neugründung des Ich.
Die Liebe zu Gott wurzelt in dem Glauben an den guten Gott.
Gut ist mehr als gütig, durch welchen Ausdruck die Bedeutung der
Güte für Gott in gefährlicher Weise abgeschwächt wird. Die Güte
Gottes ist schlechthin der Ausdruck der göttlichen Teleologie, des
höchsten Zweckes, den Gott für die Natur und die Menschenwelt
bildet. Und die Menschenwelt ist die Welt der menschlichen In-
dividuen. Die Güte Gottes bedeutet seine Vergebung der mensch-
liehen Sünde. Er ist ‫״‬gut und verzeihend ( ‫“ ) טוב וסלה‬. Und auf
dieser Erlösung von der Sünde beruht der Bestand des Individuums,,
den die Sünde vernichtet.
Das Individuum ist nun gerettet. Das Gebet hat seinen Ab-
Schluß in dem Schluß der Tragödie, welche hier aber die wahrhafte
444

Lösung, die Kettung des Helden selbst erbringt. Das Gebet hat
die Grundform der Religion sichergestellt: die Korrelation von Gott
und Mensch. Die Sehnsucht hat Gott herbeigezogen für den Menschen.
Und die Erlösung, die Gott im Gebete verwirklicht, hat dem Indivi-
duum seinen Wert und seine Würde wiedergegeben. Jetzt ist das
Individuum nicht mehr nur in seinem Lebensgefühl wurzelnd; jetzt
:hat es seinen sittlichen Grund bestätigt. In dem religiösen Akte der
Buße und der Versöhnung hat das Gebet zugleich sich als sittlicher
Faktor bewährt. Umgekehrt aber kann man auch sagen, daß, während
die Bußarbeit ein rein sittlicher Faktor ist, der Hinblick auf Gott
genauer im Gebete erfolgt, welches danach zum eigentlichen religiösen
Faktor wird.
Das Individuum ist nunmehr beglaubigt, ist sittlich gerecht-
fertigt. Und es., ist der. Triumph der Religion, den sie im Gebete
begeht, daß sih selbst- diese sittliche Rechtfertigung dem Indivi-
duum zu verleihen berufen ist. Jetzt macht aber die Religion ihre
Ansprüche geltend, welche sie mit diesem ihrem Beistand zur sitt-
liehen Rettung des Individuums begründet. Das Individuum ist
jetzt nicht nur das Element der Allheit, das• Symbol der Menschheit,
sondern seine sittliche Natur gleichsam ist ihm, als dem Individuum,
als wäre dies ein absolutes Individuum, im *Gebete gewonnen. Die
Erlösung ist dem Menschen nicht nur in der Fiktion geworden, daß
ihm die Idee der Menschheit auferlegt ist — unter dieser Fiktion
hat der Mensch keine Sünde, und bedarf er keiner Erlösung — er
ist durch Sünde und Erlösung ein Individum geworden mit dem
Eigenwerte eines solchen, wenngleich dieser immer nur in den
.Momenten besteht, in denen der Aufschwung zur Versöhnung sich
vollzieht. Immerhin ist dadurch das Problem des Individuums auf-
gegeben, das religiöse Problem, welches ethisch gerechtfertigt ist.
Das religiöse Problem aber fordert für den Menschen, wie für Gott,
den Zusammenhang mit der Natur. Gott ist Schöpfer der Natur
und des Menschen, Schöpfervder Natur für den Menschen. Gott ist
im letzten Grunde -der Schöpfer des Menschen. Der Mensch aber
bedarf des Zusammenhangs mit der Natur; er ist nicht nur Geist
der Heiligkeit. Er ist , unsterblich, und seine Seele bedaif daher
für die Uhend‫־‬libhkeit ihrer Entwicklung auch der Ewigkeit der
Natur. Der Leib des Menschen kann seiner Seele nicht heterogen
sein. Die begriffliche Unterscheidung wird hier mit der sachlichen
-verwechselt. Die Seele des Menschen bedarf des biologischen Indivi-
Uh

luums, und auf Grund desselben des ■geschichtlichen Individuums^


50. fordert das religiöse Ich als seine negativen Bedingungen die‫־‬
!mpirischen Unterlagen des Ich. Die Sehnsucht wird der Fadenr
ler die beiden Naturen des Ich verbindet. Und aas Gebet ver‫־־‬
lichtet diese Fäden. in der Sorge, in der Hoffnung'für das Recht
:!es Individuums. Ist aber einmal der Himmel mit der Erde ver~
bunden, so schleicht sich in das Gebet immer unbefangener di&
Wünschelrute für das Persönliche ein. Das Individuum glaubt sich
jetzt berechtigt, an sich selbst zu denken, insofern es der Sorge um
seine leibliche, um seine ganze materielle Unterhaltung bedarf.
Und auch hier erweist sich die Religion als eine Helferin
gegenüber Einseitigkeiten, welche innerhalb der Ethik notwendig*
sind und dort zu Lichtungen führen. Wir haben gesehen, wie es-
der ethische Scharfblick der Propheten war, der sie das Leiden der
Menschen in der Armut erkennen ließ. Aus diesem Gesichtspunkt
erschlossen sich alle Lichtblicke für die Entdeckung der Religion-
Indessen beschränkt sich das Leiden der Menschen keineswegs auf
das soziale Problem der Armut. Der Tod ist in der Tat nicht nur
ein mythologisches Problem. Und das Alter und die Krankheit
stellen berechtigte Fragen an das Individuum. Und aus der Armut
selbst entstehen noch andere Nöte des Individuums, welche nicht
schlechtweg in das Gebiet der wirtschaftlichen Schwächen fallen-
‫״‬Verwirf mich nicht zur Zeit des Alters“. Diese Bitte richtet der-
selbe Psalm an Gott, der die Zuversicht für die Erhaltung des-
heiligen Geistes im sündigen (Menschen atmet (Ps. 71, 9). Das
Erdenleid breitet sich aus im Gebete des Individuums und für die‫־‬
Güte Gottes, so daß diese nicht beschränkt bleiben möge auf din
Sündenvergebung.
Es verdient Beachtung, daß das Hauptgebet der Schemone-Esre
in den ersten Benediktionen die irdische Sorge mit der überirdischen
verbindet. ‫״‬Er ernährt Lebende mit Liebe, belebt Tote mit großem
Erbarmen, er unterstützt Fallende, heilt Kranke, erlöst Gefesselte
und bestätigt seine Treue deu Schlafenden im Staube“. So verknüpft
das Gebet das Leben mit dem Tode, und für das Leben unterscheidet
es die Fallenden,, die Kranken und die Gefesselten. Es ist nicht-
allein wirtschaftliche Not, welche den Menschen zu Falle bringt,,
welche Krankheit und Fesselung in Gefangenschaft herbeiführt, und
es muß daher die Hilfe Gottes auch für alle anderen Quellen der
Erdennot von dem Gebete erspäht werden. Und dieses Erspähen:
446

aller Arten, und aller Quellen der Not, welche zur Voraussetzung
wird für das Erspähen aller möglichen Mittel der Hilfe, ist der
gedankliche Inhalt der Andacht des Gebetes.
­‫ ל‬. Ist nun einmal die eigene Person in aller ihrer ethischen
Zweideutigkeit dennoch von der Eeligion erobert, so macht sie als ­
hald eine Tugend aus der Not,, macht die Pflicht der Sorge für sie
zu einer berechtigten. Das Individuum braucht sich jetzt nicht mehr
vor dem Verdacht der Selbstsucht zu verteidigen. Da die Sorge
um die Person zur Pflicht, wird, so macht die Pflicht gegen sich
selbst das Selbst zu einem religiösen Gegenstand der Sorge, dem
dadurch Wert und Würde zuwächst. Die Angst um das eigene Leben
und seine Sicherung bleibt nicht Selbstsucht* sondern wird zur Pflicht
verklärt, an die sich daher das Gebet herumschlingen darf.
Und mit dem Individuum ist ja die Familie gewachsen, und
diese wiederum wird zu einer neuen schon rein sittlichen Stütze des
Individuums. Jetzt aber gewinnt das Gebet ganz neue Schwingen,
denn wenn das Gebet für das eigene Selbst noch immer mit dem
Verdachte der Selbstsucht belastet ist, so wird es für die engsten
Blutsgenossen zu einem Naturtrieb, der zum Himmel schreit. Es
{würde wie Selbstmord scheinen, wenn man nicht berechtigt wäre,
!jedes Mittel zu ergreifen, wenn das Herz pocht bei der Not der nächsten
! Angehörigen. Und nun hat die Eeligion das Gebet erschaffen, und
es sollte nur verwendet werden für die eigene Erlösung von der
Sünde, und nicht auch zur Befreiung von der höchsten Seelenangst
um das Leben der nächsten Lebensgenossen?
Hier erscheint wieder die Differenz zwischen Ethik und Eeligion.
!Die Ethik sagt, und für sie ist Platon der Kronzeuge, daß sie keinen
!Unterschied anerkennt unter den Menschen, daher >auch nicht den
|zwischen Eltern und Kindern. Die Eeligion aber sagt: ‫ ״‬Ehre deinen
Vater und deine Mutter.“ Du mußt deinen eigenen Vater so kennen
und ehren, als haben. Der Mensch ist für sie auch an diesem Punkte
nicht lediglich das S}mbol der Menschheit, sondern die Korrelation
zwischen Eltern und Kindern schafft einen eigenen Menschenwert, der
den Individuen einen selbständigen Wert erteilt, und dieser Wert
ist Würde. Dieses Gebot konnte nur entstehen auf dem Boden
einer nationalen Geschichte, welche ihr Wurzelgebiet legt in das
Fundament der Stammväter. Von ihnen gehen die Stämme aus,
welche das Volk zu ‫״‬Kindern Israels“ macht. So wächst aus der
Sorge: für. den Zubehör des Individuums in der Familie das Gebet
447

hervor, welches, alles Individuellen enthoben, für die Erhaltung der


Religion an Gott sich richtet. So eng angeschlossen an das Indivi-
duum wird durch das Gebet und durch die Religionsgemeinschaft
die messianische Menschheit.
Wer das Gebet um Leben und Gedeihen der Blutsgemeinschaft
des Individuums Aberglauben nennt, der will das Menschenherz
nicht kennen, das er an diesem Wendepunkte •des Gemütes kennen
muß. Ohne Glauben an den Erfolg des Gebetes könnte die Andacht
nicht Kraft gewinnen. Aber die Sorge lastet schwerer "als alle Sünde.‫ן‬
Sie wird zur unabweislichen Pflicht. Und daher ist auch das Gebet
nicht bloß der Notanker, sondern schlechterdings die Pflicht. Aber
das Gebet ist bedingt durch den Glauben an den guten Gott, der
dem Einzelmenschen helfen will und helfen kann. Ob er es tut,
das geht mich nichts an in der Pflicht meiner Not. Nach dem
Erfolg habe ich nirgends zu fragen bei meinen Pflichten. Wenn
aber der Glaube an den Erfolg notwendig ist für die Zaubermacht
meiner Andacht, so ficht mich kein Gift der Skepsis an. Mein Ge»
müt erringt die Unschuld des Glaubens an den Gott der Güte.
Daher bete ich zu ihm. Mein Gebet wird mir zürn Glauben. So
innig verknüpft das Gebet jetzt mein Individuum mit meinem Gotte,
mit dem Gotte, der in diesem Gebete erst recht mein Gott wird.
3. Indessen wird durch das Gebet nicht nur im Gebiet des
empirischen Ich allein das religiöse Individuum erweitert, sondern
auch rückwärts mit dem ethischen Selbst verbunden. Das sittliche
Ich ist von Zerstreuungen, Konflikten und Widersprüchen durch-
brochen, die es fortwährend mit Spaltung und Zersplitterung be-
drohen. Der Psalm bewährt sich auch hier in der Urkraft des Ge-
betes, welche in das tägliche Gebet aufgenommen ist: ‫״‬Einige unsere
Herzen“ (nach Ps. 86,11). Die Einheit des Bewußtseins ist das!
höchste Problem der systematischen Philosophie. Die Religion eignete |
es sich auf ihre Weise an, indem das Gebet für alle Kämpfe und
Widersprüche des Herzens Einheit sucht und als höchste Gnade
erfleht. Die Sünde ist ja nur der religiöse Ausdruck dieser Zer-
klüftung des Herzens, und die Versöhnung daher der religiöse Aus-
druck für diese Einigung, welche das Herz wiederum in sich selbst
erlangt. So wird der Gott der Erlösung auch im psychologischen
Sinne der Erlöser des Individuums, der Retter seines Selbstbewußtseins.
Und das Gebet, welches die Versöhnungsarbeit durchzieht und ab-
schließt als ihren Triumphgesang, es wird das sprachliche Mittel,‫; ׳‬
448

!diese Einigung des Bewußtseins, diese Einigung des Herzens, die


!immerfort bedroht ist, immerfort auf dem Spiele steht, immerfort neu
*zu sichern und neu zu begründen. -
Aber nicht Gott allein wird durch dieses Gebet um Einigung
des Herzens als der gute Gott bezeugt, sondern die Korrelation be-
währt sich auch am Menschen. Das Individuum wird in diesem
Gebete für sich selbst nicht nur befreit und überhaupt neu begründet,
es ist nicht allein die Erlösung von der Sünde, welche den aktuellen
Erfolg des Gebetes bildet, sondern die Kraft des Gebetes wird auch
wirksam für den Innenwert des Menschen, ganz abgesehen von seiner
Gefährdung durch die Sünde. Das Werk der Versöhnung besteht
nicht lediglich aus Sünde, Buße und Versöhnung, sondern auch ohne
Sünde und Buße muß das Gebet die Versöhnung herbeirufen. Wäre
diese Bedingung nicht zutreffend, so würde die Religion gänzlich in
Ethik aufgehen müssen. Denn die Selbstprüfung des Menschen, ohne
ausdrückliche Buße muß das ganze Leben begleiten. Durch diese
Begleitung wird das Leben erst zu einem sittlichen. Bliebe es aber
bei dieser sittlichen Begleitung allein, so wäre die Religion über-
flüssig für das normale Leben; sie würde dann nur als Arznei zu
gelten haben für das Sündenleben. Das Gebet hingegen bringt der
Religion einen hygienischen Wert für das Leben des Individuums,
für die Sicherung seines sittlichen Wertes. Wenn anders das Gebet
für das Individuum selbst zu sorgen hat, so darf es nicht nur für
seine Erlösung, geschweige allein für seine irdische Sicherung ein-
zutreten haben, sondern auch an der sittlichen Sicherung des Indivi-
duums muß ihm ein Anteil zustehen. Und die Einigung des Herzens
vollzieht dieses Recht des Gebetes am Individuum.
Die Einigung entspricht der Einheit, die ebenso für den Menschen,
wie für Gott den Begriff bildet. Aber selbst für Gott hat es die
religiöse Erkenntnis nicht bei der Einheit gelassen. Die Erkenntnis
objektiviert sich nicht allein in dem Begriffe der Einheit, ■so sehr
dieser der Grundbegriff der Erkenntnis ist, sondern sie geht vom
Inhalt des Objektes zurück auf ihre eigenen Gründe und Gerechtsame.
Und indem die Erkenntnis diese ihre eigenen Rechtsgründe sucht,
stellt sie sich zu ihrem höchsten Problem den Begriff der Wahrheit.
Was wäre Erkenntnis, wenn nicht auf Grund der Wahrheit, also
wenn nicht selbst Wahrheit? So wird für Gott selbst Wahrheit der
höchste Ausdruck. ‫״‬Das Siegel des Heiligen, gelobt sei er, ist
Wahrheit“. Das ist ein Satz des Talmud (Sabb. 55a). So wird selbst
449

für Gott die Wahrheit zum höchsten Ausdruck seiner seihst. Nicht
die Einheit wird sein Siegel, sondern die Wahrheit.
Und was für Gott gilt, das muß erst recht gelten für den
Menschen, denn er ist als Mensch der Vernunft der Mensch der
Wahrheit. Wahrheit und Heiligkeit wären identisch, wenn nicht
die Heiligkeit sich einschränkte auf die Sittlichkeit, während die
Wahrheit das Theoretische mit dem Ethischen verbindet und so
noch mehr als die Heiligkeit zum Ideal der Vernunft und daher
zum Bindeglied zwischen Wissenschaft nebst Ethik und Religion
wird. Wenn der Mensch um seine höchsten Güter bitten muß, so
muß er um Wahrheit bitten. Und wenn das Gebet auf die Wahr-
heit gehen muß für den Menschen, so darf er nicht allein als
Symbol der Menschheit dabei gedacht werden, sondern auch für das
Individuum muß das Gebet auf die Wahrheit gerichtet werden.
Die Wahrheit wird für das Individuum zur Wahrhaftigkeit.
Wir müssen hier schon in das folgende Kapitel übergreifen. Die
Wahrhaftigkeit ist eine Tugend. Und wir werden dem Begriffe der
Tugend zu entnehmen haben, daß die Religion bei ihrer eigenen
Aufgabe bleibt, wenn sie im Gebet für die Wahrhaftigkeit des In-
dividuums Sorge trägt. In der Wahrhaftigkeit wird die Waffe ge-
schmiedet und in der beständigen Stählung erhalten, deren die Buß-
arbeit der Versöhnung bedarf. Sie kann nicht beginnen, und sie
kann keinen ebenmäßigen Fortgang haben, wenn nicht die Wahr-
haftigkeit der Jungbrunnen ist, aus dem das Individuum sich stets
neu verjüngt. Die Gefahren der Wahrhaftigkeit sind undurchdring-
lieh. Für keine Sorge um das Individuum ist das Gebet notwendiger
und so sehr die eigentlichste Kraftquelle, wie für die Wrahrhaftig-
keit. Denn die Lüge ist nicht nur eine äußere Schlange, sondern
Verstand und Herz verschlingen sich zu immer neuen Listen, um
die Quellen des Trugs zu verschleiern, und sogar auch um die der
Wahrhaftigkeit zweifelhaft und illusorisch zu machen. Alle Menschen-
kraft kann hier zu versagen scheinen und nur das Gebet noch aus-
helfen.
Es ist sehr bedeutsam, daß das Frühmorgengebet, das tägliche
Vorgebet, in dem wir schon mehrmals wichtige Schätze zu er-
kennen hatten, den Satz enthält, als Einleitung des schon an-
. geführten Gebetes, in welchem die Nichtigkeit aller• menschlichen
Kraft ausgesprochen wird: ‫״‬Immer sei der Mensch, gottesfürchtig
; im Verborgenen, und er bekenne die Wahrheit und sinne Wahrheit
29
450

in seinem Herzen“. Diese Mahnung zur Wahrhaftigkeit ist über-


haupt die Losung des Gebetes. Wenn alle anderen Zwecke des
Gebetes zu bestreiten wären, so bleibt dieser unzweifelhaft. Die
Sammlung des Geistes, des ganzen Bewußtseins, welche das Gebet
erfordert, ist das unersetzliche Mittel zur Herbeiführung der Wahr-
haftigkeit. Daher verbindet das Gebet innerlichst Religion und
' Sittlichkeit. Die Korrelation des Menschen mit Gott wird eingestellt
auf die Einkehr des Menschen in seine tiefsten sittlichen Grund-
kräfte. Diese Einkehr ist die Andacht, welche im hebräischen Worte
Gründung bedeutet. In der Andacht des Gebetes wird die Einheit
des Bewußtseins gegründet. Yon keinem Laster wird diese Einheit
des Menschen mehr bedroht als von den unzählbaren Schlingen der
Unwahrhaftigkeit. Gegen alle diese Täuschungen und Beschönigungen
muß die Buße sich rüsten, und das Gebet bereitet diese Rüstung vor.
Daher ist das Gebet die Grundform, die Grundtat der Religion.
Denn in diesem Ziele des Gebetes auf Wurzelung des Bewußtseins,
in der Wahrhaftigkeit tritt Gott hervor, als das Gegenglied der
: Korrelation. Gott ist der Gott der Wahrheit, und der Mensch soll
der Mensch der Wahrhaftigkeit werden. Darum betet der Mensch
zu Gott. Der Mensch wäre vollkommen, und er könnte durch seine
eigene Kraft und ohne allen Hinblick auf Gott sich erlösen, wenn
er seine Wahrhaftigkeit gründen und vollenden könnte ohne das
Gebet zu Gott. Das ist das Hauptgebet, wie es der Psalm aus-
spricht: ‫״‬Ein reines Herz erschaffe mir, Gott, und einen gegründeten
Geist erneuere in meinem Innern“, (Ps. 51, 12). Das Beiwort ‫ ״‬ge-
gründet“ gehört derselben Wurzel an, wie das Wort für Andacht.
Man könnte es daher übersetzen: und einen andächtigen Geist er-
neuere in meinem Inneren, einen der Andacht mächtigen Geist.
' Die Macht der Andacht ist die Macht des Gebetes. Das reine
Herz ist das höchste Gut des Menschen, das er nur von Gott sich
geschenkt glauben darf. Hätte er es von sich selbst, so bedürfte
er keines Gottes. Er bedarf des reinen Herzens für sich selbst,
darum muß er es von Gott erbitten.
Wiederum müssen wir hier das die wundersamsten Schätze
enthaltende Frühgebet anführen: ‫״‬Mein Gott, die Seele, die du mir
gegeben hast, ist rein. Du hast sie geschaffen, du hast sie gebildet,
ffü hast sie in mich gehaucht, dii bewahrst sie in mir, du wirst sie
einst von mir nehmen, um sie mir wiederzugeben in jenem Leben.“
Auch dieses Gebet hat der Talmud verfaßt. Die Reinheit der Seele
__ jL31____

ist clie Voraussetzung der Wahrhaftigkeit. Wäre die Seele schlecht,


so wäre die Aufgabe der Wahrhaftigkeit ein Widerspruch. . Wie
könnte auch Gott eine unreine Seele gegeben haben? Er könnte dann
überhaupt die Seele nicht gegeben haben. Da er aber den Menschen
eine reine Seele gegeben hat, so kann der Mensch ihn bitten, diese
Eeinheit der Seele, diese Andacht des Geistes ihm beständig zu er-
neuern. Diese Erneuerung, diese beständige Neuschöpfung der Seele
ist die Bedingung der Wahrhaftigkeit für den Menschen. Sie ist
der Hauptsinn, der Hauptinhalt des Gebets.
In dem oben angeführten Gebete muß noch das Wort beachtet
werden: ‫ ״‬er bekenne die Wahrheit“. Das Bekenntnis ist nicht nur
eine Bedingung der wahren Buße, nicht nur das Bekenntnis der
Sünde, sondern auch das der Wahrheit. Der Mensch hat auch die
Pflicht dieses Bekenntnisses. Zu dieser Höhe der Aufgabe erhebt
ihn, zu diesem Freimut des objektiven Bekenntnisses der Wahrheit
befähigt ihn das Gebet. Das Bekenntnis der Wahrheit soll nicht
der Ertrag seiner Wahrhaftigkeit sein — dann wäre es nur ein
theoretisches Eesultat — sondern es soll ihm ein Mittel werden für
die Schärfung und Stärkung seiner Wahrhaftigkeit. Das Bekenntnis
der Wahrheit ist für das Gebet das Bekenntnis Gottes. An Gott
wendet sich das Gebet, an den Gott der Wahrheit für die eigene
Wahrhaftigkeit. In diesem Bekenntnis verbindet das Gebet den
Menschen mit Gott. Die Eeinheit des Herzens unterscheidet das
Bekenntnis der Wahrheit von dem Sündenbekenntnis. Die Seele des
Menschen ist' rein: sie ist der Wahrhaftigkeit fähig. Gott hat die
reine Seele dem Menschen gegeben: der Mensch hat die Aufgabe
zum Bekenntnis der Wahrheit.
Das Gebet hat den Menschen, als Individuum, schon weit über
das empirische Niveau hinausgehoben, aber er bedarf doch noch des
Schutzes bei Gott gegen die Gefahren der Welt. Das Frühgebet
enthält noch einen weiteren Satz, den der Talmud festgeiegt hat.
‫ ״‬Es sei dir wohlgefällig, Ewiger unser Gott und Gott unserer Väter,
daß du uns gewöhnst an deine Lehre und uns anhangen läßt
deinen Geboten, und daß du uns nicht kommen läßt, weder in die
Hände der Sünde, noch in die der Vergehung und der Schuld, noch
in die Hände der Versuchung und *der Verachtung.“ Zwei Haupt-
gedanken sind in diesem Gebete zu unterscheiden. Zuerst waltet
hier wiederum der Grundgedanke, daß die Erkenntnis und die
Pflege der Thora die Grundbedingung der Eeligiosität sei. So wird
29*
452

Gott gebeten um die Gewöhnung an die Lehre und um die An-


hänglichkeit an die Gebote. Darin liegt kein Widerspruch gegen
die eigene Freiheit, die vom Talmud ausdrücklich von der Allmacht
Gottes ausgenommen wird: ‫״‬alles ist in Gottes Hand, ausgenommen
die Gottesfurcht“ (Berach. 33 b). Denn hier wird nur um die Ge-
wöhnung gebeten, diese aber hängt von den Hindernissen ab, um
deren Entfernung die Bitte ergeht. Wenn die Hindernisse beseitigt
oder gemindert werden, so kann diese Gewöhnung ungehemmt von-
stattengehen.
Die zweite Gefahr für die Sittlichkeit des Menschen liegt in
der Versuchung zur Sünde. Im Vaterunser ist das hebräische Wort
falsch übersetzt durch: ‫״‬führe uns nicht in Versuchung“. Das ist
zum mindesten ungenau, TlemTGottTann nicht in Versuchung führen.
Er ist der gute Gott, kein Satan. Aber das hebräische Verbum
steht im Hiphil und bedeutet: laß uns nicht kommen in Versuchung,
Diese Bitte ist statthaft, undHsieTlsnliließt sich der vorigen an.
Auch das folgende Wort schließt sich gleichartig der Versuchung
an: die Verachtung. Sie ist eine besonders gefährliche Verlockung‫״‬
der Versuchung. Die Illusion der Verachtung, in die ‫״‬wir bei den
Menschen geraten, ist die schwerste Gefahr der eigenen Wahrhaftig-
keit und Selbständigkeit. Sie ist die schwerste Versuchung. Alle
diese Hemmnisse vermag der Mensch nicht aus seinem Lebenswege
hinwegzuräumen. Aber es ist keineswegs Eudämonismus, wenn er
um die Befreiung von diesen Versuchungen seinen Gott bittet.
Das Vaterunser fügt noch die Bitte um das tägliche Brot hinzu.
Auch dies ist kein Eudämonismus; denn wenngleich der Satz be-
stehen bleibt: ‫״‬nicht um das Brot allein lebt der Mensch“ (5. Mos,
8, 3), so ist es doch ebenso richtig, daß der Mensch nicht ohne das
Brot leben kann; das Leben mit seinen biologischen Bedingungen
ist die negative Bedingung des Menschen. Aber freilich auch hier
. ist die Übertragung des hebräischen Urtextes ungenau. Es genügt
für den Kulturmenschen nicht, um das tägliche Brot zu bitten, weil
dies den falschen Sinn zu enthalten scheinen könnte, als ob der
Kulturmensch nur für jeden einzelnen Tag selbst zu sorgen hätte,,
wie der Wilde am Abend die Hütte abbricht, die er am anderen
Morgen wieder braucht. Besser der griechische Text (Spr. 30, 8):
er bittet um das geziem ende Brot. Aber im Urtext ist das Gebet
von aller Zweideutigkeit frei. ‫ ״‬Armut und Reichtum gib mir nicht,
. ernähre mich mit dem Brote meiner Satzung“ ( ‫)הטריפגי לחם חקי‬.
453

Die Satzung bezeichnet einmal die Festsetzung, welche alles Zweifels


enthebt. Es ist dies das Wort für die Satzungen Gottes überhaupt.
Dann aber bringt das Pronomen ‫״‬meine Satzung“ noch die sub-
jektive Bedeutung in das Brot, daß es auf das Genügen für mich
festgesetzt sei. Man kann es daher auch übersetzen: das Brot
meines Genügens. Jetzt ist alle Vorsorge für das Individuum be.‫־‬
schlossen. Die schwersten Versuchungen sind doch die materiellen, j
die jedoch ebenso im Reichtum, wie in der Armut bestehen. Undj
dieser Hauptgedanke kommt in den Sprüchen zum Ausdruck. j
Warum hat das Frühgebet diesen Satz nicht aufgenommen?
Diese Frage ist unabhängig von seiner Aufnahme im Vaterunser.
Und die Beantwortung dieser Frage ist von Wichtigkeit für die
Charakteristik des jüdischen Gebetes.
Von allen.Gebeten, welche sogenannte Stammgebete sind, die
teils von den Männern der großen Synagoge, teils von den Gelehrten
des Talmud verfaßt sind, enthalten sich die meisten der Rücksicht
auf irdischen Besitz. Daher ist nicht bloß der Reichtum, sondern
auch die Armut nicht ausdrücklich in den Bereich des Gebetes von
ihnen gezogen worden. Von allem Eudämonismus soll das Individuum
abgelenkt werden im Gebete und durch das Gebet. Nur was den
Menschen mit Gott verbindet, sollte Inhalt des Gebetes sein. Nur
den Aufschwung zum Unendlichen seiner Aufgabe soll das Gebet
befördern. Daher durfte neben dem Sittlichen nur das Geistige, die
Erkenntnis, das Studium der Thora zu Anliegen des Individuums im
Gebete gemacht werden.
Eine allgemeinere Betrachtung ist hier am Platze. Der zweite
Jesaja fordert für das Gebet ein Haus ganz im Sinne der Ein-
weihungsrede des Salomonischen Tempels: ‫״‬mein Haus — ein Haus
des Gebetes werde es genannt für alle Völker.“ (Jes. 5(>, 7).
Dieser Name hat sich nicht erhalten; schon in der talmudischen
Zeit ist wahrscheinlich als Übersetzung des griechischen ‫״‬Synagoge“
das Haus der Versammlung entstanden. Das hebräische Wok£ be-
zeichnet «ine größere Intimität, als welche in der Versammlung liegt:,
die Einsammlung, die Einziehung, die Aufbewahrung und Bergung.
Und dies wird ja auch die Bedeutung für die Gemeinde Israels,
welche ebenfalls an ein anderes Wort für Versammlung angeknüpft ist.
Aber es tritt noch ein anderes Wort für das vermißte Gebet-
haus ein: das Lehrhaus ‫ בית ההדחה‬. Hier offenbart sich wiederum
das. Grundelement der Erkenntnis für die Religion. Das Gebet is t
ja auch gar nicht der selbständige Inhalt des Gottesdienstes im
Bethause geblieben, sondern es hat die wichtige Ergänzung erfahren
durch die Verlesung der Thora, welche in sabbatliehen Perikopen
das Gebetsjahr erfüllt. Und an den Thora-Abschnitt wurde regel-
mäßig ein Prophetenabschnitt angeschlossen (Haphtara). So wurde
der wichtigste Inhalt der heiligen Schrift, der Pentateuch und ein
großer Teil der prophetischen Texte dem Gottesdienste einverleibt.
Nicht einmal auf die Sabbate wurden beiderlei Texte beschränkt,,
sondern auch das Gebet an allen Festen und sonst noch aus-
gezeichneten Tagen wurde nicht minder durch diese Lehrabschnitte
ergänzt. Kein Gebet ohne diesen Lehrinhalt. Das ist ein wichtiges•
Kennzeichen des jüdischen Gebetes, gemäß dem Satze der Mischna:
‫ ״‬das Studium der Lehre wiegt alle Gebote auf.“ Das Gebet muß•
auch innerlich Lehre sein, an der Lehre Anteil haben.
So wird es verständlich, daß das Lehrhaus mit dem Bethaus•
verbunden wurde, daß vom Lehrhaus selbst das Gebet aufgenommen
wurde, daß so auch das Lehrhaus den Namen des Bethauses ver-
drängt haben konnte. Noch in dem deutschen Jargonausdruck heißt
die Synagoge die Schule, bevor in der letzten Zeit der Tempel
gebräuchlich geworden war. Und dennoch sind durch alle diese
Erwägungen die Gründe nicht erschöpft, welche das Haus der Ver-
Sammlung zur Vorherrschaft brachten.
Noch ein tieferer Grund ist bisher nicht erwogen worden.
Vom einzigen Gotte sollte ja kein Bildnis gemacht werden dürfen:
wie konnte man ihm ein Haus errichten. Der Tempel ist im
Polytheismus das Haus für das Götterbild. Und in solcher Analogie!
war wohl auch die Stiftshütte für die Bundeslade gedacht. Aber
als die Gotteserkenntnis gereift war zum Monotheismus, da mußte
sich Salomo vor allem den Ein wand machen: ‫ ״‬der Ewige hat ge-
sprächen, zu ruhen im Dunkel. Und ich habe dir dieses Haus gebaut“
(l.Kön. 8, 12,13). Die Wohnung des einzigen Gottes ist ein Geheimnis,,
als dessen Verletzung die Errichtung eines Hauses erscheint. Es
bleibt nur ein Ausweg: das Haus ist nicht für ihn erbaut. Nicht
etwa für sein Bildnis, das nicht vorhanden ist, sondern allein für
den Menschen, der in diesem Hause nicht sowohl opfern als viel-
mehr beten will. Das ist auch hier die unweigerliche Konsequenz.
Wenn der monotheistische Gedanke Anstoß nimmt an einem Haus
für Gott, so muß er dieses Haus als ein Haus des Gebetes denken,,
und nur im Zusammenhänge mit dem Gebete kann allenfalls auch
455

noch das Opfer mit diesem. Hause gedacht werden (vergl. 1. Kön. 8,
27, 28, 29).
Aber das Haus bildet nicht nur einen Anstoß gegen Gott,
sondern als Bethaus auch gegen den Menschen. Muß nicht das
Gebet ursprünglich individuell sein? Ist das Gebet im Chorus,
natürlich oder nur das einsame? Muß nicht das Gebet, wo immer
es gesprochen wird, zuvörderst als das persönliche gedacht werden,
das nur jedes Individuum selbst und für sich selbst sprechen kann?-
Widerspricht nicht die Versammlung dem seelischen Charakter des
Gebetes ? Kann das Gebet dem Individuum seinen Herzensgrund er-
schließen und sichern, wenn es ihn in Eeih und Glied stellt zum
Gebete? Nicht das Haus allein bildet für Gott einen Widerspruch,
sondern das Versammlungshaus scheint ihn zu steigern für das
Individuum.
Alle diese Bedenken werden erledigt durch den Kern der Gebete,
der sie alle zusammenfaßt. Wir haben bisher diesen, Hauptinhalt
auf das Individuum bezogen. Aber das Individuum bedurfte des
Gebetes, um sich an Gott zu halten. Diese Selbstverbindung des
Individuums mit Gott kann auch vom Gebete nicht individuell ge‫־‬
faßt werden, sondern das Gebet wird zum allgemeinen menschlichen
Mittel der Verbindung mit Gott. Es ist also die allgemeine.
Menschlichkeit, die menschliche Gemeinschaft, kraft welcher das
Individuum auch nur seine eigene Verbindung mit Gott suchen und
erbitten kann. So wird der Begriff Gottes selbst- im Gebete zum
Beicli Gottes (‫) מלכות שדי‬. Und der Mensch, wenn er sich als
Individuum gründen will, kann dies nur anstreben innerhalb der
Gemeinschaft des Gottesreiches. Daher ist das wichtigste Gebet
das Schlußgebet jedes Tages und jeder Gebetszeit: Alenu. In diesem
gewaltigen Gebete ist es die Gründung des Gottesreiches, welche
den Hauptpunkt bildet, den alles Andere umrankt. Wir kommen
darauf noch zurück; denn das Gottesreich bildet nur den Gipfel-
punkt der Gemeinschaft, die zuerst für die Individuen, als Betende,
zu begründen war.
Das Gebet begründet die Gemeinde. Daher ist es nicht sowohl
das des Individuums als das der Gemeinde. Wiefern es auch das
Individuum begründet, kann diese Begründung nur dadurch ge-
lingen, daß das Individuum der Gemeinde eingeordnet, daß . die
Mehrheit der Individuen in die Einheit der Gemeinde vereinigt
wird. Die Gemeinde ist der Urboden des Gottesreiches. Die
456

Gemeinde ist die Versammlung der Beter zum Bekenntnis des


einzigen Gottes. Und diese Versammlung zum Bekenntnis Gottes f
ist und bleibt der Urboden des messianischen Gottesreiches. Dieses(
gehört der Zukunft an, aber auch die Gegenwart verlangt nach dem
Gebete, die Zukunft kann nicht kommen, wenn nicht die Gegenwart
auf sie hinarbeitet. Daher muß das Joch des Gottesreiches an jedem
Tage und in jedem Gebete auf die eigenen Schultern genommen
werden. Das ist der Sinn und Inhalt des Schlußgebetes Alenu.
Dies ist auch der Sinn des Kaddisch-Gebetes, welches als Gebet
im Trauerjahr um die Eltern zu einem wichtigen Bestandteil des jiidi-
sehen Gebetes geworden ist. ‫״‬Daß sein Reich zur Herrschaft komme in
eurem Leben und in euren Tagen und im Leben von ganz Israel.“
So wird das messianische Gottesreich von der Zukunft in die Gegen-
wart hineingebetet, durch das Gebet der Gegenwart schon lebendig
gemacht. Es ist ein rührendes Zeichen der Pietät, welche trotz
allen bitteren Kämpfen das Zeitalter dennoch dem Andenken des
Maimonides geweiht hat, daß es diesem Satze angefügt hat: ‫״‬und
in dem Leben des Mose ben Maimon“. So tief ist das Verständnis,
die Bewunderung und die Dankbarkeit für diesen wahrhaft großen
Geist der jüdischen Religion durch diese Tat ausgeprägt worden, die
sich allerdings nicht erhalten konnte. Aber das Zeugnis ist un-
vergänglich, welches sein Zeitalter ihm durch diese Einfügung in
das wichtigste Gebet als höchstes Denkmal gesetzt hat. Es ist da-
durch ausgesprochen worden, daß der rechte Sinn des messianischen
Zeitalters erst durch seine Verknüpfung mit jeder Gegenwart erfüllt
wird, und daß Maimonides diesen Sinn nicht nur durch seine Unter-
sclreidung zwischen der zukünftigen Zeit und der zukünftigen Welt,
sondern durch seine ganze Verbindung der Religion mit der Ethik-
klargestellt hat.
Die Gemeinde ist die unumgängliche Vorstufe der Messianität.
Das Gebet des Individuums muß demgemäß zum Gebete der
Gemeinde werden. Mystik und Pietismus gehen gefährliche Wege,
wenn sie das Individuum im Gebete isolieren. Die Einsamkeit
kann nur ein transitorischer Zustand des menschlichen Gemütes sein.
Der Mensch ist der Träger der Menschheit. Zu diesem Behufe aber
muß er erst zur Gemeinde sich einsammeln. Die Allheit der
Menschheit muß sein letztes Ziel sein, aber zu diesei; Allheit muß
ihn erst die Einheit der Mehrheit hinführen. Die Menschheit ist die
^Allheit: Die Einheit der Mehrheit ist die Gemeinde. Die Gemeinde
457

Israels ist die Gemeinde Gottes. So wird das Bethaus zum Ver-
sammlungshaius.
So wird auch das Wesen der Gemeinde und ihre Erhaltung zu
einem Hauptstück des Gebetes: Die Gemeinde tritt in der religiösen
Schätzung nahezu an die Stelle des Volkes. ‫ ״‬Wer sich absondert
von der Gemeinde, hat keinen Anteil am ewigen Lebena. Zu diesem
harten Worte versteigt sich die tiefe Einsicht von der Bedeutung der
Gemeinde. Die Gemeinde hat die Beligion erhalten und für die
Religion das Volk. Der Materialismus der Geschichtsauffassung, in
den sich hier der mangelhafte Glaube an die Wahrheit des Mono-
theismus flüchtet, kann sich nicht genugtun in der Verwunderung
über den Fortbestand Israels: die Gemeinde enthält die Lösung
dieses Bätsels. Die Gemeinde hat den Staat ersetzt. Und der
Staat mußte entsetzt werden durch den Messianismus. Aber wenn
sonach die Identität von Staat und Volk zu Grunde gehen mußte,
so erhob sich dagegen die Identität von Volk und Gemeinde. Das
Volk Israels ist die Gemeinde Israels geworden. Und hier ist auch
das Wort für die Versammlung in Gebrauch gekommen. Die Gemeinde
Israels wurde die Versammlung Israels.
Auch hier ist das Frühgebet wiederum heranzuziehen, das in
zwei Benediktionen dieses Gebet ausspricht. ‫ ״‬Gelobt sei“ usw. ‫״‬der
Israel krönt mit Verherrlichung“. In der Verherrlichung Israels
wird der Grund erbeten für die Verherrlichung Gottes. Israel ist
hier die Gemeinde Israels, die Grundlage der Religion. Und die
andere Fassung lautet: ‫ ״‬der Israel gürtet mit Heldenkraft*‘. Diese
Benediktion geht der vorigen voran. Wir lassen sie folgen, weil die
Verherrlichung das Ziel, die Gürtung das Mittel bildet. Die*
Heldenkraft ist nicht das SelbstzieJ, sondern sie wird nur für die
Verherrlichung erbeten, die das einzige Ziel ist. Auch diese
Benediktionen sind im Talmud verfaßt.
Das Volk, als die Gemeinde, entspricht dem Ich der Psalmen,
dieser Grundform des Gebetes. Der Psalm hat die lyrische Stil-
form. Er bekennt die Liebe der Seele zu Gott. Er fühlt diese
Liebe als Sehnsucht zu Gott. Das lyrische Bekenntnis muß im
Dialog den Monolog singen. . Die Seele vereinigt die beiden Personen
des Dialog; denn die Seele ist an sich von Gott gegeben, mithin-
nicht ausschließlich die Menschenseele. So kann sie Gott suchen
und zu Gott und mit Gott sprechen. Schon die Propheten haben
Israel in der Liebe mit Gott verbunden, daher als Braut und Eheweib
458

bezeichnet; Nach dem Midrasch wird Israel an zehn Stellen die Braut
Gottes genannt. Auch als Schwester und als Freundin wird Israel
bezeichnet. Stücke des Frühgebetes werden als ‫ ״‬Liebe“. (Ahabah)
benannt/ Und in das Gebet des Neujahrstages werden die Verse
aus Jeremia aufgenommen: ‫״‬ist denn ein so teurer Sohn mir
Ephraim oder ein Kind des Ergötzens“ (Jer. 31, 19). In allen
Symbolen der Liebe besingen Propheten und Psalmen den Bund
Gottes mit Israel und den Bund Israels mit Gott. Und diese -
Grundform der Liebe macht das Gebet zu seinem Grundstock, den
es weiter äusbaut.
Im Gebete wird die Gemeinde die Liebende und die von Gott
Geliebte. Sulamith wird zum Symbol besonders für die religiöse
Poesie des späten Altertums und des Mittelalters. Die Liebe zu
Gott verschmilzt das Gebet mit der Liebe zur Gemeinde. Die
Gemeinde ist das Volk und die Keligion. Der echte Sinn des
Gebetes findet hierin keinen Widerspruch mit der messianischen
Menschheit. Sie ist das Ziel, das jedoch nicht erreicht, auch nicht
erstrebt werden kann ohne die Erhaltung der Gemeinde. Es ist
nicht Partikularismus, wenn die Mehrzahl der jüdischen Gebete auf
die Erhaltung Israels gerichtet wird. Es fehlt wahrlich nicht an
zahlreichen Gebeten, welche allgemein den Menschen betreffen:
‫ ״‬alles Fleisch“. Die allgemeinen Vernunftbeziehungen, wie die Er‫־‬
kenntnis, werden auf den Menschen gerichtet. ‫ ״‬Du begnadest den
Menschen mit Erkenntnis, und lehrest den Sterblichen Einsicht“,
heißt *es ipi täglichen Hauptgebet. Aber die Konzentration auf die
Gem einde Israels muß immer festgehalten werden, denn in ihr wird
der Schwerpunkt der Religion gesichert. Hat doch sogar die Kirche
den Namen Israels angenommen, obwohl sie Israel zur Völker weit
erweitert haben will.
Die Gemeinde muß daher auch zu einer besonderen Verpflichtung'
werden für das Gebet des Individuums. Und das Gebet muß daher
als das besondere Mittel anerkannt und ausgestältet werden für die
Erhaltung und Fortentwicklung der Gemeinde. Die Gemeinde ist
die Trägerin und Fortpflanzerin der Religion. Daher müssen alle
Rücksichten, welche für das Gesetz gelten, in erhöhtem Maße für
das Gebet bestimmend werden. Sicherlich darf die Erhaltung der
Gemeinde nicht auf das Gebet beschränkt werden. Aber die wichtigen
Bedingungen, welche neben dem Bethause das Lehrhaus vertritt, und
welche in den Perikopen auch das Bethaus mit aufnimmt, alle die Grund-
459

bedingungen der Lehre und ihres Studiums würden kraftlos bleiben


ohne die Mitwirkung des Gebetes. Das Gebet ist gleichsam die‫־‬
Vernunftsprache der Gemeinde. Durch das Organ des Gebetes werden
alle geistigen Differenzen unter den Individuen ausgeglichen. Die
Sprache des Herzens wird zu einer gleichartigen Sprache des Geistes,
So ist das Gebet eine hervorragende sozialisierende Macht, die in:
dem Versammlungshause ihre gleichartige Ergänzung findet. Daß‫׳‬
alle Menschen vor Gott gleich sind, diesen messianisehen Charakter
der Religion durch seine eigene Tat anzuerkennen, ist jeder reli-
giöse Mensch von Herzen gewillt. Diese Gesinnung treibt unbewußt !
einen jeden zur Synagoge. Aber der gemeinsame Ort enthält noch i
nicht die Bürgschaft dafür, daß das soziale Streben zu einer ge- j
wissen Erfüllung kommt, wenn nicht an dem gemeinsamen Orte‫־‬
auch die gemeinsame Sprache gesprochen wird. Diese gemeinsame‫־‬
Sprache stellt das Gebet dar, und sie übertrifft, als solches Dokument,
alle Mittel der Erkenntnis. Das Gebet, als die Sprache der Ge-
meinde, macht daher das Gebet der Gemeinde erforderlich. Es ent-
setzt nicht etwa das Gebet des Individuums, aber es zeigt diesen*
selbst erst seinen irdischen Zielpunkt neben dem göttlichen.
Alle Schwierigkeiten, denen die Forderung des Gesetzes zu be-
gegnen hat, wiederholen sich daher beim Gebete. Sofern auch auf ihm
die Festigkeit und die Entwicklungsfähigkeit der Gemeinde und in
dieser die der Religion selbst beruht, so muß auch das Gebet, ebenso
wie das Gesetz, die Gefahr und die Pflicht der Isolierung auf sich
nehmen. Die Gefahr scheint hier noch größer als bei dem isolieren-
den Gesetz; denn die Sprache ist nicht nur das Organ des Gebetes,,
sondern das des allgemeinen Kulturgeistes. Und unter den Formen
des Kulturgeistes tritt das national-staatliche Element mit besonders
schweren Anforderungen hervor. Die Sprache des Gebetes ist
die Sprache des Herzens. Die Sprache des Herzens aber ist die
Muttersprache. So werden die Bestrebungen verständlich, welche in
neuerer Zeit auf die Umwandlung der hebräischen Gebetssprache in die
verschiedenen Kultursprachen gerichtet wurden. Und diese Bestrebungen
sind in ihrer idealen Bedeutung für den nationalen Staat und die
einheitliche Geisteskultur zu würdigen. Sie unterscheiden sich in
dieser ihrer Idealität von den Übersetzungen, welche in der alten
babylonischen Zeit an einzelnen Gebeten vorgenommen wurden, dadurch,
daß diese nur Opportunitätsrücksichten entsprangen, weil das Land-
volk des Hebräischen nicht mehr kundig war. Freilich sind auch
4G0

diese Rücksichten mitbestimmend bei den modernen Reformtendenzen,


aber jenes ideale Moment ist das vorherrschende. Es ist nun aber
die Frage, ob es trotz aller seiner Wichtigkeit das allein Entscheidende
sei, oder ob es zwar mitbestimmend bleiben müsse, aber nicht für
sich allein den Ausschlag geben dürfte. Die große Frage des .Ge-
setzes und seiner Isolierungskraft wiederholt sich hier. Es muß
eben zur ausdrücklichen Frage werden, ob auch der Gebetssprache
eine isolierende Bedeutung zugestanden werden müsse, oder ob beim
Gebete die Isolierung auf den religiösen Inhalt selbst sich be-
schränken, in ihm sich erschöpfen dürfe.
Ein tiefes Problem der Psychologie liegt hier verborgen. Man
weiß, wie in den neueren Schulfragen das Problem der Übersetzung
eine große Schwierigkeit bildet. Wenn es nun aber schon fraglich
werden kann, ob Homer sich übersetzen lasse, so wird die Frage
schwieriger bei Platon. Je mehr die sachliche Gedankenwelt mit
der individuellen Kunst der Sprache verflochten ist, desto schwieriger,
desto vergeblicher scheint aller Versuch einer Übersetzung zu werden.
Man kann nur Worte übersetzen, kaum noch Satzgefüge. Aber erst
im Satze erlangt das Wort sein Innenleben. Und ohne diese Seele
des Wortes bleibt auch der Geist des Wortes unbelebbar in einer
neuen Sprache.
Die allgemeinen geistigen Schwierigkeiten steigern sich für die
Übersetzung, wenn der Inhalt ein religiöser wird. Als ein solcher
muß er nicht bloß ein konfessioneller sein. Durch‫ ־‬diesen Ausdruck
wird die Schwierigkeit umgangen, welche dem jüdischen Monotheis-
mus auferlegt ist. Er steht nun einmal im Gegensätze zu den
anderen Formen des Monotheismus, und hat sich unter den großen
Problemen der Kultur, in welchen insbesondere das Christentum in
seinen Unterarten das Übergewicht hat, gegen dasselbe zu behaupten.
Die Schwierigkeit wird nun aber dadurch noch verwickelter, daß
das Christentum an den Urschätzen des Judentums nicht nur ent-
standen ist. sondern bis auf den heutigen Tag sich immer neu verjüngt
hat. So muß die Sprache des Judentums sich zum Teil gegen seine
eigene Sprache wenden, wenn es diese behaupten will. Und nun
ist aber diese eigene Sprache im Christentum nicht Ursprache ge-
blieben, sondern Übersetzung geworden. Es ist daher nicht nur
etwa das deutsche Gewand, gegen welches das jüdische zu kämpfen
hätte, sondern es. ist das christliche schon in der griechischen Über-
s.etzung des neuen Testaments, welches diese Übersetzung des jüdischen
461

Urgedankens in sich trägt. Und von dieser Sprache des neuen;


Testaments aus bilden nun die Übersetzungen in die modernen
Kultursprachen eine neue Verwandlung des alten Urtextes. So er-
mißt man wohl die großen Schwierigkeiten, die schon rein psycho-
logisch in diesen Verwandlungsformen der Übersetzung vorliegen.
Und in diese allgemein sprachlichen Schwierigkeiten tritt nun die
Gebetfrage ein.
Vorab sei den berechtigten praktischen Bedenken gegenüber die
Beschwichtigung ausgesprochen, daß es sich hier nur um das Prinzip
handelt, und daß dieses nicht als Norm gedacht wird für die Einzel-
fragen der Anwendung. Keineswegs fordert das Prinzip die Aus-
Schließung der Kultursprachen vom Gebete. Und in der Tat darf
nicht nur die Rücksicht auf das in weitesten Kreisen mangelnde
hebräische Verständnis bestimmend sein, sondern der staatlich-nationale
Gesichtspunkt ist als eine Norm anzuerkennen. Der Bekenner des /
Judentums soll ein moderner Kulturmensch sein, und als solcher'darf |
er__seine Kultursprache nicht nur als Geschäftssprache behandeln, /
und nicht nur als die allgemeine Geistessprache, aber mit Ausschluß• (
der Religion, sondern auch im Gebete soll er seine allgemeine
Geistessprache zu Ehren und zu Wirksamkeit bringen. Er soll auch
von der Sprache des allgemeinen Geistes sich beseelen lassen für sein
religiöses Gefühl. Die allgemeine Kultur bliebe stumm und seelenlos•
für ihn, wenn sie nicht auch in das intimste Gemütsleben seines
religiösen Geistes eindringen könnte. Keineswegs also darf ein
Widerspruch formuliert werden zwischen der Kultursprache und der jJ
Gehefssprache% Nur die Unterscheidung ist anzuerkennen, und die .
Konsequenzen, welche aus dem Unterschiede sich ergeben, sind
prinzipiell zu erwägen.
Das Prinzip ist der Eigeninhalt des jüdischen Monotheismus in
der Notwendigkeit ^seiner Isolierung. Aus diesem Prinzip folgt un-
widerstehlich die Isolierung der Gebetssprache, aber in dem Maße,
welches verträglich wird mit dem anderen Prinzip der Kultur-
gemeinschaft. Es wird sich daher bei diesem Konflikte nur um das‫־‬
Maß handeln, in welchem die beiden Prinzipien die Verteilung des
Gebetsstoffes in den beiden Sprachen miteinander auszugleichen,
haben. Nach dieser Norm hat sich die Neuordnung des Gottesdienstes•
in den meisten deutschen Gemeinden gesteigert. Diese Norm ent-/^
spricht br’^en notwendigen Gesichtspunkten. Wenn wir aur
das ■Mutterland des modernen Judentums in allen Kulturfragen der
462

]Religion, auf Deutschland, besonders den Blick richten, so muß das


deutsche Gebet beibehalten werden, aber das hebräische darf nicht
etwa noch mehr zurückgedrängt werden. Vielmehr dürfte der
Lehrinhalt der Religion vielleicht nach mehr für die Auswahl der
hebräischen Texte maßgebend werden.
Denn das Gebet ist die Sprache der Gemeinde, die Sprache der
Religionsgemeinschaft. Das Gebet muß daher selbst auch als ein
Lehrmittel gewürdigt und benutzt werden für die Erziehung zum
Glaubensinhalt, für die Einprägung der wichtigsten Ideen und für
ihre Einführung in den religiösen Geist. Hierzu eben bedarf es des
Urtextes; denn in der Übersetzung hat der jüdische Mensch den
christlichen Geist schon in seinen biblischen Urgedanken in sich
eingeatmet. Die allgemeine Kultur ist die gemeinsame Atmosphäre
auch für die religiösen Begriffe. Wie mangelhaft muß gegen das
ganze Bollwerk der Kultur das Bruchstück wirksam werden, welches
der Religionsunterricht selbst bei gründlichster Ausgestaltung doch
, nur bilden kann. Haus und Familie können nur wahrhaft ergänzend
wirken, wenn in ihnen nicht allein religiöses Wissen und religiöses
Gesetz gepflegt wird, sondern auch religiöses Gefühl in seiner
spezifischen Art. Die Scheidung aber, welche psychologisch un-
entrinnbar bleibt zwischen Wissen und Gefühl, und leider auch
zwischen Gesetzesübung und Gefühl, sie kann eher überbrückt
werden durch die Göbetssprache, welche unmittelbare Gefühlssprache
ist. Es ist charakteristisch, daß die christlichen Übersetzungen die
Einzigkeit Gottes nicht ausdrücken, sondern dafür meistens nur das
Zahlwort ‫״‬ein“ ersetzen. Und was schon dieses Beispiel verrät,
das wiederholt sich bei allen Worten, in denen der christliche Sinn
ein anderer ist, als der jüdische. Es genüge hinzuweisen auf die
Erlösung, auf den Hirten und das Lamm, das zur Schlachtbank
geführt wird. In allen diesen Begriffen pulsiert das christliche
Gemüt anders als das jüdische. Hier gibt es psychologisch kein
anderes Mittel, als die Ursprache wirken zu lassen für den Urbegriff
und das ihm entsprechende Urgefülil. Es ist ein lehrreiches Bei-
:spiel, daß in weiten jüdischen Kreisen der Erlöser nicht als ein
jüdischer Urbegriff bekannt ist, weil eben dem allgemeinen Bewußt-
sein der Erlöser als ein christlicher Begriff bekannt geworden ist.
Auch die tiefste Schädigung, welche unter allen Verleumdungen und
Mißdeutungen der jüdische Monotheismus in der Aberkennung der
]Nächstenliebe erlitten hat, hätte nicht um sich greifen können, wenn
463

das Urwort Rea (‫ )רע‬nicht‫ ״‬durch das falsche Übersetzungswort des


Nächsten verdrängt worden wäre. Was wäre aus der Thora in der
ausschließlichen Bedeutung des Gesetzes geworden, wenn sie nicht
wenigstens im Urlaut lebendig geblieben wäre.
Nun bedenke man aber die Fülle rein geistiger Schätze, welche
in den jüdischen Stammgebeten aufgespeichert sind- Da ist zuerst
die große Anzahl der Psalmen, die vollständig aufgenommen sind,
oder in einzelnen Sprüchen und Wendungen in Neubildungen der
Gebete hervortauchen. Ebenso steht es mit einer zahllosen Menge
von pentateuchisch-prophetischen und anderen • biblischen Sätzen,
Wendungen und Gedanken, welche in die Neubildungen eingewoben
sind. Und der Stil ist dadurch nicht etwa eklektisch und nach-
ahmend geworden, sondern ein homogener Geist durchwaltet diese
Urwelt, die noch von einer einheitlichen Kraft beherrscht wird.
Denn der Kanon ist noch nicht abgeschlossen, und ehe er ab-
geschlossen war, hatten schon der Midrasch und die Agada in allen
ihren Verzweigungen für eine neue Zukunft gesorgt und für die
Verbindung des Altertums mit ihr. Und der Midrasch selbst ist
esx welcher sich auch in der Abfassung der Gebete betätigt. Der
Midrasch, als Spezialität, wie als gemeinsame Grundkraft im Talmud
und in dessen beiden Geistesrichtungen, als Halacha und Agada,
die Einheitlichkeit des Midrasch in diesen verschiedenen Stilarten
wäre schier ein unbegreifliches Wunder, wenn nicht der biblische
Urgeist hier das psychologische Zepter führte. Und wer den
Midrasch und den Talmud nur oberflächlich kennt, den muß es doch
Wunder nehmen, wie lebendig der Bibelvers in dem Bewußtsein
dieser Menschen gewesen sein muß, wenn sie sich seiner zu ihren
spitzfindigen und oft soweit hergeholten Argumenten bedienen
konnten. Es wäre keine psychologische Erklärung, wenn man an-
nehmen würde, daß der Gedanke dagewesen, u n d hinterher zu seiner
Begründung der Bibelvers gesucht worden wäre. Das mag für
manche Einzelfälle zutreffen, nicht aber für das ganze Stilproblem
dieser Hermeneutik. Es kann die Voraussetzung nicht umgangen
werden, daß These und Bibelvers hier miteinander blitzartig auf-
tauchen. Dann aber entsteht das neue Wunder: wie dieses Bei-
sammen, dieses gleichzeitige Entstehen des Gedankens und des
Bibelwortes psychologisch begreiflich wird. Nur die innere-Lebendig-
keit des Bibelwortes gibt den Aufschluß. Das jüdische Leben hat
ja in der Folgezeit Beispiele genug erhalten für dieses innerlichste
464

Fortleben des Bibelwortes und seine vulkanische, vielmehr organische


Begsamkeit und Schöpferkraft. Aber in der klassischen Zeit, in der
die mündliche Lehre entstand, hat diese Lebendigkeit eine noch
tiefere Kraft und Fruchtbarkeit gehabt und durchgeführt.
Aus dieser Lebendigkeit der biblischen Sprache und des bib-
lischen Sprachgefühls sind nun auch die Stammgebete geschaffen
worden. Wie könnte diese Ursprünglichkeit als Nachahmung und
Eklektik verdächtig werden! Vielmehr prägt sich in diesen Gebeten
der jüdische Urgeist aus, wie er mit dem Kanon nicht etwa abstirbtr
sondern weiterlebt und fortzeugt. Und wie es bei der innerlichen
Verbindung mit den Urgedanken nicht anders sein kann, auch die
Fortbildungen halten das klassische Geleis ein und mehren den
geistigen Schatz, wenn nicht für die Lehren selbst, so doch für das
Gefühl, welches das Gebet für die Lehren erweckt und in Regsam-
keit hält. Aber diese Macht des Gebetes ist an die Macht der
Sprache gebunden; denn die Gedanken sind in jener Sprache er-
wachsen, und die Gefühle sind mit ihr verwachsen. Ein Grund-
bezirk muß in dem Schatz, den die Gemeinde in den Gebeten ver-
waltet, unversehrt erhalten bleiben für die reine Erzeugung und
reine Neubelebung dieser religiösen Eigengefühle.
Könnte, gegen dieses Prinzip der Einwaud aufkommen, daß das
andere Prinzip, das der Kulturgemeinschaft, durch jenes Prinzip der
religiösen Eigenart gehemmt und beeinträchtigt würde? Der Hinweis
auf den klassischen Inhalt, auf den biblischen Urgehalt dieser
Stammgebete erledigt diesen Einwand. Und wir können jetzt den
Spieß umkehren. Es wird nicht etwa nur der Kulturgehalt des
modernen Geistes nicht eingeschränkt, wenn in bestimmtem Maße
das hebräische Gebet erhalten bleibt, und es wird auch nicht etwa
nur der jüdisch-religiöse Geist mit religiösen Eigengefühlen be-
fruchtet, wenn er durch die hebräischen Gebete zu seinen religiösen
Gefühlen erregt wird, sondern der klassische Gehalt dieser Urformen
des prophetischen und des Psalmengebetes läßt eine neue Fülle all-
gemein geistigen und religiösen Gehaltes durch diese Gebete und
durch die jüdischen Kulturträger in die moderne Kulturwelt ein-
strömen. Die ganze christliche Kultur ist vom alten Testament
durchdrungen. Die höchsten Gestalten der Poesie sind aus diesem
Geiste geschöpft und genährt. Herder ist auch hier zu einem Nähr-
vater Goethes geworden. Man darf sonach überhaupt nicht von
Isolierung, von Abschließung von der allgemeinen Kultursprache
465

reden, wenn die Notwendigkeit des hebräischen Gebetes in be-


schränktem Maß behauptet wird. Vielmehr ist durch diese Kanäle
ein neuer Zufluß, ja eine neue Freilegung und Ausbreitung der
alten Quellen zu erwarten. Es ist nur das Vorurteil, welches über-
haupt gegen ,das Judentum in seiner eigenartigen Fortwirkung noch
immer besteht, das ein Mißtrauen gegen das hebräische Gebet auf-
kommen läßt. Mit der Eigenart des jüdischen Monotheismus,
welche die Aufrechterhaltung des Gesetzes im Prinzip erfordert, ist
im Prinzip auch erfordert die Festhaltung des hebräischen Gebetes.
Die Stammgebete bestehen in der Gruppierung um die Grund-
formen des Glaubens. So ist aus dem Deuteronomium zuerst auf-
genommen das Schema. Es ist die Losung Israels, die Losung des
einzigen Gottes. Zu denken gibt die Bestimmung des Talmud, daß
beim Aussprechen des Einzig (Echad) der Betende seine Seele und
sein Leben in diesem Gedankengefühl Gott widmen soll. Diese
Bestimmung ist nur aus der inneren Sprachform des Wortes zu
verstehen. Denn im Verbum hat die Wurzel die Bedeutung der
Widmung angenommen. Wenn daher die Einzigkeit Gottes mit
dem rechten Gefühl gedacht wird, so muß der Mensch sich einig
machen für den Einzigen, sich ihm widmen, ihm hingeben mit
seinem ganzen Leben, wie es der darauffolgende Spruch fordert.
Diese Hingabe ist die Liebe ‫״‬mit deinem ganzen Herzen, mit deiner
ganzen Seele, mit deiner ganzen Kraft“. So gehört der Einzige mit
dem einigen Herzen zusammen. Und das einige Herz bezeugt sich
in seiner Hingebung.
An das Schema hat sich das Hauptgebet, das Achtzehngebet
(Schemone Esre) angeschlossen. Es besteht aus drei Eingangs- und
drei Ausgangsbenediktionen. Sein eigentlicher Inhalt aber umfaßt
das ganze Gebiet menschlicher Sorgen, denen sich die um die
Religion, um die Gemeinde nebst deren messianischer Ausweitung
anschließen. Charakteristisch ist es nun aber, daß die erste Bitte
dieses Hauptgebetes die um Erkenntnis ist. ‫״‬Du begnadigst den
Menschen mit Erkenntnis und lehrest den Sterblichen Einsicht.“
Hier wird nur der Mensch genannt, nicht etwa der Israelit. Der
Mensch und der Sterbliche, das ist der Horizont für das Gebet um
Erkenntnis und Vernunft.
Charakteristisch ist auch das Schlußgebet der Schemone Esre:
‫״‬Mein Gott, wahre meine Zunge vor Bösem und meine Lippen, Hinter-
list zu reden, und gegenüber denen, die mir fluchen, schweige meine
30
466

Seele. Und meine Seele, wie Staub sei sie allen. Öffne mein Her?,
deiner Lehre, und deinen Geboten jage nach meine. Seele. Und alle,
die Böses über, mich sinnen, bald zerstöre ihren Ratschluß und
mache zunichte ihr Ansinnen. Tue es um deines Namens willen,
tue es um deiner Rechten willen. Tue es um deiner Heiligkeit
willen. Tue es um deiner Lehre willen, auf daß gerettet werden
deine Freunde. Hilf mit deiner Rechten und erhöre mich. Es
mögen wohlgefällig sein die Worte meines Mundes, und der Ge-
danke meines Herzens vor dir, Ewiger, mein Fels und. mein Erlöser. “
In solcher Demut schließt das Hauptgebet. Die Seele schweige
gegen Verfluchungen und sie sei Staub gegen Jedermann. Auf
diese Demut wird die Hoffnung auf Gottes Beistand gegründet.
Diese Demut — wir werden sie als Tugend uoch genauer zu
betrachten haben — ist ja der Seelenzustand, den der Psalm zum
Ersatz des Opfers einstellt. ‫״‬Ein zerbrochenes und geknicktes Herz,
du, Gott, verachtest es nicht.“ (Ps. 51,19). ‫״‬Die Opfer Gottes
sind ein zerbrochener Geist.“ (ebendas.). Das Gebet ist Vorzugs-
weise auf die Versöhnung mit Gott gerichtet. Das Gebet- soll das
Opfer ersetzen für die Herbeiführung der , Versöhnung. An die
Stelle des geschlachteten Tieres tritt das zerbrochene Herz. So
entsteht die .Demut in der Korrelation des Menschen zu Gott. Hier
zeigt sich der Zusammenhang des Individuums mit der Opfer-
gemeinde, die nun zur Betgemeinde wird, und in ihr erst kommt
das Individuum zur Hervorhebung. Aber wie es nicht, bei dem
Individuum verbleiben kann, so auch nicht bei der Gemeinde Israels.
Selbst Sodom und Gomorrha gegenüber müßte ja Abraham schon
um Vergebung ihrer Sünden zu seinem Gotte beten.. Und Mose
betet ‫״‬vertilge mich aus deinem Buche“ (*2. Mose 3*2,3*2), wenn Gott-
dem Volke nicht verzeihen will. Auch das Individuum kann und
will nicht bestehen .ohne die Gemeinde. Und der Messianismus:
fordert, daß die Gemeinde sich erweitert zu der der Menschheit.
Wir haben zuerst noch des dritten Hauptstückes des. Gebetes zu
gedenken: des Sanctus (Keduscha). Das dreifache Heilig ist bei der
Berufung Jesajas entstanden, und wir haben erwogen, wie diese drei-
fache Wiederholung der Auffassung Jesajas von Gott, als dem
heiligem Gotte, entspricht. Zu der Einzigkeit Gottes tritt die Heilig-
keit hinzu. Und die Heiligkeit ist nicht nur eine Ergänzung,
sondern eine Begründung der Einzigkeit. Von aller Zahlbestimmung
wird durch die Heiligkeit die Erkenntnis Gottes abgelenkt. In der
467

Heiligkeit beruht seine Einzigkeit. Und die Heiligkeit ist der


religiöse Ausdruck der Sittlichkeit. Dieses Bekenntnis wird in jedem
Gottesdienste der Gemeinde zum wichtigen Bestandteil. Und in der
Keduscha für den Sabbat und alle Feste tritt das ‫״‬Höre Israel“
hinzu.
Das Höre Israel wird aber im Prophetismus zur messianischen
Losung: denn ‫״‬an jenem Tage wird der Ewige einzig sein, und
sein Name einzig“. (Sech. 14,19) So wachsen die beiden Losungen
des einzigen Gottes und des einzigen Namens zusammen. Wären
sie nicht von selbst zusammengewachsen, so hätte das Gebet sie
zusammengeschmiedet. Als Gebet für die Sünde und für einen
fremden Stamm ist das Gebet bei Abraham entstanden. Wenn etwa
die Propheten, noch als Politiker, des Partikularismus sich nicht
gänzlich entschlagen können, so mußte der Psalm schon, als Urform-
des Gebetes, die nationale Schranke durchbrechen. ‫״‬Jede Seele lobt
Gott“ . So schließt das Psalmbuch.
Wir sahen soeben, wie das Hauptgebet den Menschen hervor-
treten läßt vor dem Israeliten. Dies geschieht nicht allein bei dem
Gebet um Erkenntnis, sondern ebenso auch bei dem um Heilung,
in dem Gott ‫ ״‬Arzt alles Fleisches“ genannt worden ist. Der Messianis-
mus ist ja freilich immer belastet mit der Obhut für das Glaubens-
volk, für den Knecht Gottes. Und so bleibt auch in den Gebeten
dieser Zwiespalt immer bestehen. Die Rückkehr nach Zion, die
Wiederaufrichtung des Heiligtums nebst den Opfern durchzieht den
ganzen Gebetszyklus, aber dieser Partikularismus ist ja innigst ver-
bunden mit dem messianischen Universalismus, und so mußte der
letztere unvermeidlich den ersteren verklären und seine Enge er-
weitern.
Wir haben schon den Höhepunkt erkannt, den das Mussafgebet
des Neujahrs in den drei Abschnitten der Sichronot, Malchijot und
Schofarot bildet.
Die Bibelverse, welche in den Malchijot vereinigt werden, ver-
künden die Weltregierung, die der Sichronot das Weltgericht, und
die der Schofarot die Welterlösung.
Die Weltregierung kommt zur Vollendung in dem messianischen
Gottesreich. Daher lautet am Neujahr und am Versöhnungstage, die
beide zu einer Einheit als ‫ ״‬die Tage der Ehrfurcht“ vereinigt werden,
die dritte der Eingangsbenediktionen der Schemone Esre also: Gib die
]Furcht vor dir über alle deine Werke, und die Scheu vor dir über alles,
30 *
468

was du geschaffen hast, auf daß dich fürchten alle Werke und sich
niederwerfen vor dir alle Erschaffenen, und auf daß sie sich vereinigen
allesamt zu einem Bunde.“ Dieser eine Bund aller Menschen ist der
höchste Erfolg der göttlichen Weltregierung. In diesem einen Bunde
der Menschheit vollführt sich das Reich Gottes auf Erden. Der Bund
Gottes mit Noah vollendet sich in diesem Bunde Gottes mit der
Menschheit. Der Bund der Menschheit, als der Vereinigung aller
Menschen, ist der Bund des Menschen mit Gott. Dieser Bund ist
das Zeichen, ist die Gewähr der Weltregierung Gottes.
Die Weltregierung unterscheidet den Monotheismus vom.
Pantheismus. Was ist der Unterschied der Regierung von der Ent-
Wicklung? Der Entwicklung muß das Ziel gesetzt werden; sie kann
es sich nicht selbst setzen. Nur die Regierung kann es ihr setzen.
Die Regierung ist die Vorsehung, vereinigt mit der Allmacht. Diese•
aber ist kein neues Attribut. Sie ist vielmehr identisch mit dem
Begriffe Gottes, als der Bürgschaft für die Realisierung der Sittlich—
keit auf Erden. Die Weltregierung ist die Zwecksetzung und Zweck-
erfüllung der Welt in ihrer doppelten Bedeutung, als Natur und
als Menschenwelt.
Die Weltregierung, als Zwecksetzung und Zweckerfüllung der
Welt. Sie ist der Sinn und Inhalt des Monotheismus. Daher
schließt dieses Gebetstück mit dem Höre Israel. Und vorher wird
die Ewigkeit Gottes ausgesprochen: ‫״‬ich bin der erste und ich bin
der letzte, und außer mir ist kein Gott“ (Jes. 44,6). Ebenso*
wird in der sich anschließenden Benediktion die Herrschaft Gottes
über die ganze Erde, ‫ ״‬über alle Bewohner der Welt, als deiner
Erde“ angerufen. Und alle Wesen werden erkennen, daß sie von
Gott geschaffen sind. Das Gottesreich ist die Schöpfung und diu
Vorsehung, das ist die Regierung Gottes. Als solcher Weltregierer
ist er ‫״‬der Gott der Wahrheit“. Und er ist geprieseu als ‫״‬König‫־‬
über die ganze Erde“. Die Weltregierung ist die sittliche Welt-
Ordnung. Wenn anders Sittlichkeit und Natur methodisch verschieden
sind, so muß die Weltordnung, als sittliche, in Weltregierung be-
stehen. Darin begründet sich die Differenz zwischen dem Monotheis-
mus und dem Pantheismus.
Die sittliche Weltordnung des Gottesreiches, als des Weltreiches,,
erfordert das Weltgericht. Wir wissen, wie der Mythos von diesem
Gedanken beherrscht wird. Er gibt dem Weltgerichte die Folge des
Weltuntergangs, aus dem höchstens eine Welterneuerung und ein
469

Wechsel zwischen ihr und dem Untergang hervorgehen kann. Die


Weltregierung muß den Untergang ausschalten. Schon mit Noah
hat Gott den Bund geschlossen gegen eine Wiederholung der Sint-
flut. Und zum Zeichen dieses Bundes, zum Gedächtnis dieses Bundes
ist der Bogen am Himmelszelte eingesetzt. So wird nun das Neu-
jahr, als Fest der Schöpfung, zum ‫״‬Tage des Gedenkens“. ( ‫)ירם הזכרון‬.
Die Sichronoth beschreiben nun in dem Gedenken die Allwissenheit
Gottes. ‫״‬Alles ist offenbar und bekannt vor dir, Ewiger, unser Gott,
der da späht und blickt bis zum Ende aller Geschlechter“. Und
■das Gedenken wird nunmehr zum Weltgericht.
Das Gericht geht nicht allein auf die Werke der Menschen,
:sondern auch auf ‫״‬des Menschen Gedanken und seine Anschläge und
die Triebe der Taten des Menschen“. Aber jetzt steigt das Andenken
Noahs hervor, und mit ihm verknüpft sich das Andenken an den
Bund mit Abraham, Isaak und Jakob. Und endlich spricht der
Prophet sein inniger gewordenes ‫״‬Ich gedenke dir die Huld deiner
Jugend, die Liebe deiner Brautschaft, da du mir nachzogest in die
Wüste“ (Jer. 2, 2). ‫״‬Und ich errichte dir einen ewigen Bund“.
(Jech. 16, 60). So wird unversehens aus dem Weltgerichte das Welt-
gedächtnis an den Weltbund, den Gott vielfach mit seiner Welt ge-
schlossen hat. Der Weltenrichter wird selbst Partei, als Bundes-
partner mit dem Menschen. Der Weltenrichter wird der Bundes-
genösse des Menschen.
Das sich anschließende' Gebet hebt den wichtigen Akt in der
Patriarchengeschichte hervor, durch welchen das Menschenopfer ab-
geschafft wurde. Diese Abwälzung des heidnischen Opfers bildet
das Scheingebot der Opferung Isaaks! Opferung ist für diesen Akt
nicht der gebräuchliche Name geworden, sondern Bindung (Akeda).
‫״‬Als Abraham unser Vater, seinen Sohn Isaak auf dem Altäre band,
da hatte er seine Vaterliebe bezwungen, deinen Willen zu tun in
vollkommenem Herzen.“ Dieser Namensgebrauch ist bedeutungsvoll:
nicht die Opferung, nur die Bindung Isaaks heißt diese Episode in
der Geschichte der Patriarchen, in der Geschichte des Opfers. Und
so schließt dieses Gebetsstück für das Weltgericht mit dem Gedacht-
nis an die Bindung Isaaks, welche die Wechselwirkung bezeugt in der
Liebe Abrahams zu Gott und in der Liebe Gottes zu ihm und seinen
Nachkommen. So wird der Mythos vom Weltgericht eindeutig zum
Gericht des Menschen durch die Liebe Gottes.
Das Schofar ist das allgemeine Musikinstrument bei jeder Feier,
470

auch heim Neumond. Aber auch bei der Offenbarung am Sinai er-
scholl unter ;Donner un d Blitz gleichfalls die Stimme des Sehofar.‫ י‬Es
.wird daher auch zum ersten Instrument im Halleluja der Psalmen.
Und es wird daher auch zum Horn des Messias. '
' Das Neujahr feiert nicht nur die Weltregierung und das Welt-
gericht, sondern auch die messianische Welterlösung. Das Sehofar
ist das Symbol des Messias. Daher heißen die Gebetsstücke, welche
die Welterlösung enthalten, Schofarot. ‫־‬
Und als die Posaune der Welterlösung verwandelt sie dept
Schrecken ihres Tones in Freude, in ewige Freude, in Freude der
Ewigkeit.
Diese messianischen Gebete bilden den Höhepunkt des jüdischen
Gebetes. In ihnen löst sich das Gebet von allen Schranken des
nationalen Partikularismus, von allen des Individualismus los. Das
Individuum enthebt sich seiner natürlichen und seiner empirischen
Individualität, aber auch die Gemeinde schwingt sich hinaus über
ihre empirische Wirklichkeit und zu ihrer Aufgabe, zu ihrer Zukunft
empor in dem ‫ ״‬einen Bunde“ der Menschheit. Das Weltgericht
wird Weltversöhnung, nnd in dieser erst vollendet sich die göttliche•
Weltregierung. Das Reich Gottes ist das höchste Gut der Religion.
Und dieses höchste Gut ist der höchste Inhalt- des Gebetes.
So wird das Gebet zu dem religiösen Grundmittel der
Idealisierung des Menschen. Auch die Religion, wenn anders sin
Eigenart hat, muß Anteil haben neben der Sittlichkeit an der
Idealisierung, an der Erhöhung des Menschen zur Idee seiner Auf-
gäbe. In der Buße steht die Religion in Wettstreit mit der Ethik.
Die Sittlichkeit leitet die Bußarbeit des Menschen. Aber die Zu-
versieht auf Gott vollbringt das Gelingen der Erlösung.
Jetzt erkennen wir im Gebet, welches die Bußarbeit durchzieht,,
aber auch wie ein Triumphgesang abschließt, ein neues Moment des
Wettstreits der Religion mit der Sittlichkeit. Die Ethik definiert
sich selbst ihren Gott, als den Bürgen der Sittlichkeit auf Erden.
Aber über die Definition hinaus, über das Postulat dieser Idee hinaus
versagen ihre Mittel. Die Religion bringt in Gottvertrauen die Zu-
versieht auf diese messianische Erfüllung der ethischen Gottesidee
aus ihrer Eigenart hinaus. So wird das Gebet, als die Sprache der
Korrelation des Menschen mit Gott, zum Sprachorgan des Messianis-
mus, und daher zur Weltsprache der Menschheit. In den Psalmen,
hat diese Weltsprache der Menschheit ihr Amt angetreten, den
471

Anfang ihrer messianisehen Laufbahn beschriften. Das messianische


Gebet ist das Sprachorgan der Menschheit, des Menschen als
Menschheit, geworden.
Die Menschheit ist der Höhepunkt der Korrelation von Mensch
und Gott. Gott selbst wird schon in der Menschheit mitgedacht.
Der Messianismus ist die Quintessenz des Monotheismus. Ebenso
auch kommt der Begriff des Menschen und der Menschheit zu seiner
Vollendung. Wie wir nun das Gebet als das Sprachorgan der
Menschheit erkannt haben, so ist es uns damit auch zum Sprach-
Örgan des Menschen für die Idealisierung des Individuums geworden.
Das ist der große Sinn des Gebetes, das ist die Lösung des Geheim-
misses, welches die'Psalmen in der Weltliteratur bilden, daß sie, als
die Idealgestalt des Gebetes, diese idealisierende Menschenkraft des
Gebetes offenbaren. Der Mensch, der nicht beten kann, kann sich
•nicht seiner Endlichkeit mit allen ihren Schlacken und Ängsten ent-
lasten. Wer dagegen beten kann, der fröhnt nicht etwa dem Aber-
glauben und der Selbstsucht, die nur die Abart des Gebetes nach-
ahmen. Wer des wahren Gebetes mächtig wird, der verliert die
Erdenangst und die Erdenschwere im Aufschwung zur Unendlichkeit.
Er vergißt das Leid, das den Anlaß zum Gebete geboten hat, weil
er sich in dieser seiner seelischen Fähigkeit über die ganze Endlich-
keit seines Ich hinaushebt. Sein ganzes Bewußtsein verwandelt sich
in ein Seimen und Gehobensein. Aller Inhalt seines Bewußtseins
geht über in dieses Schweben, das zu einem festeren Halt wird, als
sonst die Wirklichkeit und der Anteil an ihr bieten. Wenn das
Denken der Erkenntnis die Idealität der wissenschaftlichen Welt er-
zeugt und diese als deren wahrhafte Realität begründet, so erkennen
wir nunmehr im Gebete die Grundkraft der religiösen Idealisierung,
welche die Welt der Gemeinschaft von Gott und Mensch, welche die
Korrelation fordert, stets von neuem hervorbringt und befestigt.
So ist das Gebet die eigentliche Sprache der Religion. Und
alles Denken dieser Sprache, von Gott und vom Menschen, alles
Denken dieser Korrelation bliebe Theorie, wenn nicht das Gebet die
Sprachhandlung würde, in welcher der Wille lebendig wird an allen
Mitteln des Denkens. Die Andacht des Gebetes ist• der Wille der
Religion.
Kapitel XVII.

Die Tugenden.
Es gibt nur eine Sittlichkeit, aber die Ethik, wie auch d ie .
Religion, haben zu allen Zeiten Tugenden in Mehrheit und Yer-
schiedenheit aufgestellt. Die Gleichstellung von* Tugend und Sitt-
lichkeit hat verhängnisvoll gewirkt für die Ethik; denn aus der
Mehrheit und Verschiedenheit der Tagenden hat man auch auf
die Relativität des Sittengesetzes schließen zu dürfen geglaubt, j
Denn wenn es nur eine Sittlichkeit gibt, so könnte es auch nur
eine Tugend geben.
Die Einheit der Tugend ist ein Satz in der Lehre des Sokrates.
Die Lehre des Sokrates aber ist mehr die Vorbereitung als der wirk-
liehe Beginn der Ethik. Der Beginn vollzieht sich erst mit der
Idee des Guten, daher nur erst mit der Ideenlehre Platons. Die
Idee aber wird vorbereitet durch den Begriff, den Sokrates zum
Problem des Wissens macht. Das Gute ist bei Sokrates der Begriff
des Guten. Und durch den Begriff des Guten und in ihm entsteht
das Wissen des Guten. Dieses Wissen ist aber noch nicht Er-
kenntnis, wie solche durch die Idee gegründet wird.
Daher erklärt es sich, daß Sokrates, wie auch Platon noch in
seinen vorbereitenden Dialogen, das Gute gleich behandelt mit der
Tugend, und das Wissen des Guten mit dem Wissen der Tugend.
Daher erklärt sich in der Lehre *des Sokrates auch die Yer-
bindung der beiden Sätze: des Satzes von der Einheit der Tugend
mit dem Satze von der Tugend als Wissen.
Die Tugend als Wissen bedeutet bei Sokrates nicht dasselbe
wie bei Platon. Bei Platon genügt es nicht, daß der Gedanke des
Guten zum Begriffe erhoben wird. Vom Begriffe selbst muß noch
Begründung, Rechenschaft gegeben werden. Diese Rechenschaft des !
Begriffs vollzieht die Idee. Wenn daher bei Platon das Gute als
Wissen gilt, so bedeutet diese Geltung: daß das Gute ein Gegen-
4:73

stand, ein Problem der Erkenntnis sei , welche in der Ideenlehre


entfaltet wird.
Sokrates hingegen fehlt noch die Ideenlehre: ihm ist der Be-
griff noch nicht der durch die Idee gerechtfertigte Begriff. Daher
hat sein Satz von dem Guten als Wissen freilich auch schon die
den Platonismus der Ethik vorbereitende theoretische Bedeutung,
daß das Gute nicht eine Illusion und nicht eine Konvention oderj
Opportunität, sondern vielmehr ein Problem sei, das ebenso das!,
Studium verdient, wie die Natur und wie der Staat und das Recht
und die Feldherrnkunst und alle menschlichen Berufsarbeiten —
aber aus diesen Gegensätzen leuchtet schon die eigentliche polemische
Kraft hervor, welche dieser Satz vom Wissen in sich trägt. Dieser
eigentümliche Sinn des Satzes erschließt sich jedoch erst aus dem
anderen Satze, mit dem er in innerer Verbindung steht, mit dem
Satze von der Tugend als Wissen. Auch hierin ist die Spitze
gegen die Sophistik unverkennbar. Die Sophisten sagen nicht nur,
daß die Tugend eine altfränkische Illusion sei, sondern sie sagen
auch, daß sie nur eine Routine sei, die höchstens einen praktischen
Wert habe, mit der man aber nicht ein theoretisches Aufsehen machen
dürfe, als ob man auf andere Weise ein Weiser werden könnte als
durch den Unterricht und die Erziehung, für welche sie als die
berufenen Meister sich ausgeben. Gegen diese Abstumpfung des
Wissens um die Tugend tritt Sokrates auf Grund seines Begriffes
vom Guten mit dem Satze von der Tugend als Wissen auf. Und
er entkräftet damit nicht die pädagogische Bedeutung der praktischen
Erziehung zur Tugend, sondern er dreht den Spieß um und erhöht
dadurch diese praktische Bedeutung und vertieft sie.
Denn indem er die Tugend zum Wissen macht, bringt er das
erste Licht in das tiefe Dunkel von dem Willen und seiner Freiheit
gegenüber dem Zwang der Begierden. Der Wille ist noch gar nicht
entdeckt. Aber wie er in der Freiheit beruht und besteht,•‫ ׳‬so ent-*
deckt Sokrates die Freiheit für den Willen, noch bevor der Wille
selbst zur Definition gekommen ist. Diese Freiheit des Willens
wird begründet durch die Lehre von der Tugend als Wissen.
Die Sophisten sagen, es sei alles nur Illusion und Konvention,
und allenfalls noch Naturinstinkt, was die Menschen Tugend nennen.
Dagegen tritt Sokrates mit dem ethischen Enthusiasmus auf, den die
Lehre offenbart: wer nur da#Wissen von der Tugend hat, der kann
sie gar nicht verletzen. Ihr sagt, die Gewohnheit hätte diesen Wahn
AU

:Jie'rvorgebracht.. Dagegen lehrt ■der Entdecker des Begriffs: wer1nur


des Begriffs und durch ihn des Wissens von der Tugend mächtig ge-
worden ist, der kann gar nicht gegen sie fehlen. Im Denken, im
*Wissen wird der sittliche Wille begründet. So wenig ist die Tugend
bloße gewohnheitsmäßige Praxis, daß das Wissen von ihr alle Praxis
,aus dem Felde schlägt, vereitelt und auf hebt. Tugend ist Wissen
‫־‬-‫ ־‬dieser Satz bedeutet: im Wissen besteht die Tugend, nicht in
der Praxis. Die Praxis ist die unausbleibliche Konsequenz des
Wissens. Wie könnte die Tugend daher ein Geschöpf der Einbildung
und der Gewohnheit sein, wenn sie im Wissen als die Kraft sich
bewährt, welche alle Praxis zunichte macht?
Jetzt auch erklärt sich die Verbindung der beiden Sätze: des
vom Wissen mit dem von der Tugend. Freilich hat die Verbindung
ihren nächsten Grund in der Sprache, welche die Tugend als die
praktische Tüchtigkeit denkt und bezeichnet, als die Männlichkeit
(äߣr?j, virtus). Und diese Tüchtigkeit soll nun nicht zersplittert bleiben*
wie das Leben sie darstellt. So kommt es, daß der Satz, die Einheit der
Tugend sei durch das Wissen begründet, das Wissen an die Stelle
der Tüchtigkeit setzt, der Tugend, als praktischer Tüchtigkeit. Das
Wissen selbst macht die Tüchtigkeit zur bloßen Konsequenz. So
wird es erklärlich, daß die Tugend zum Hauptproblem wird, gegen
welches das Gute als Hauptproblem zurücktritt: so wird es auch
verständlich, daß die sokratische Lehre vom Guten nicht von den
Zweideutigkeiten des Utilitarismus und Eudämonismus sich zu befreien
vermochte. Sie sind nur Schein, aber der Schein ist unvermeidlich.
Das Gute konnte nicht das alleinige Hauptproblem bleiben, nicht
nur weil die Tugend das große Tendenzproblem werden mußte,
sondern weil das Gute nur Begriff blieb, und noch nicht Idee werden
konnte. So wird es denn auch verständlich, daß die Tugend identisch
wurde mit dem Guten. Als nun aber mit Platon der Begriff des
Guten zur Idee des Guten wurde, da mußte diese Identität verschwinden;
denn die Idee des Guten gehört, als Idee, zwar dem Wissen an, aber
sie ist von den mathematischen Ideen, aus dem Gesichtspunkte der
Wissenschaft, unterschieden. Sie kann daher das Gute nicht identisch
machen mit dem Naturobjekt der wissenschaftlichen Erkenntnis. Die
Identität zwischen‫ ־‬dem Guten und dem Wissen ist durch die Idee
aufgehoben.
Auch die Identität zwischen dem Guten und der Tugend kann
demnach nicht bestehen bleiben. Der Weg, der vom Wissen zur
475

Praxis führt, ist durch die Unterscheidung der Idee des . Guten von
den mathematischen Ideen sicher angebahnt. Diesem Wege zur
Praxis muß die Tugend zugeführt werden. Es wird dies nicht aus-
drücklich von Platon ausgesprochen,, aber von mehreren Seiten
aus muß dies als seine Tendenz gedacht werden. Erstlich ;wird so‫־‬
seine Abweichung von dem Grundsätze der Sokratischen Lehre, den
die Einheit der Tugend bildet, erklärlich. Platon nimmt vier
Kardinaltugenden an, *offenbar weil er sie als Speziahyege zur Sitt-
lichkeit erkennt und als solche auszeichnen zu müssen glaubt. Ferner
ergibt sich ja diese Tendenz aus meiner ganzen Systematik. Seine
Ethik entwirft er in . seiner. Staatslehre. In der politischen Praxis-
also stellt er seine ethische Lehre dar. Man kann daher seine Staats-
lehre seine Tugendlehre nennen. Die Sittlichkeit, als die Ideenlehre
des Guten, ist jetzt, wie Theorie und Praxis, von der Tugend unter-
schieden. ,
Bei Aristoteles ist die Konsequenz charakteristisch, mit welcher
seine Verwerfung der Idee des Guten nach sich zieht erstlich die
Aufhebung der Ethik, als eines Wissens, ferner aber auch die Auf-
lösung der Ethik in die Tugendlehre. Und auch hier hinkt der
nicht überwundene Platonismus nach in der Unterscheidung der
Denktugenden (dgerai ötavor\d1uaC) von den ethischen Tugenden
(dgerai rfiiuai). Jetzt ist bei Aristoteles alle Ethik in Tugendlehre‫־‬
aufgelöst, da das Gute als Erkenntnis vereitelt ist.
Aber noch eine andere Konsequenz ist verhängnisvoll für den
Aristotelismus. Das Gate wird aufgehoben in die Eudämonie. Was-
bei Sokrates ein religiöser •Reformgedanke war, — die Eudämonie‫־‬
ist bei ihm der moralische Glaube an die guten, nicht an böse-
Götter — das wird bei Aristoteles das biologische Fundament der
Ethik. Und das Prinzip der Lust, das Platon bei den Sophisten
bekämpfte, wird jetzt wieder hergestellt.
In der Eudämonie geht die klassische Philosophie der Griechen
zu Grabe, und ihre Auflösung in den Streit der Stoa und des Epikur
wird eingeleitet. Die Lust wird negativ oder positiv der Schwer-
punkt der Ethik, in welche die wissenschaftliche Philosophie sich
auflöst. Wo die wissenschaftliche Philosophie auf hört, hat der
Idealismus aufgehört. Und wo der Idealismus auf hört, ist der
Dualismus unvermeidlich zwischen Materialismus und Spiritualismus.
Dieser Dualismus ist der Charakter der Stoa und bei günstigster
Beurteilung auch des Epikureismus.
476

Aus diesem Dualismus erwächst der Pneumatismus des Christen-


tums. Er will das Fleisch durch den Geist bezwingen, aber er ver-
mag nicht den Geist von der Materie abzulösen. Aller Spiritualismus
ist zweideutig. An solchem Zwiespalt krankt auch die Trinitätslehre.
Der jüdische Monotheismus war der Gefahr nicht ausgesetzt,
die Sittlichkeit identisch zu machen mit der Tugend. Denn die
Sittlichkeit ist in erster Linie die Frage Gottes, und dann erst die
des Menschen. Die Sittlichkeit heißt bei Gott Heiligkeit. Indessen
das Wesen Gottes soll ja nur erkennbar werden, insofern es als
Urbild bestimmt wird für die Sittlichkeit des Menschen. So wird es
erklärlich, daß auch die Heiligkeit, als das eigentliche Wesen Gottes,
sich entfaltet in einer Mehrheit von Attributen, in denen Gottes;
Wesen das Urbild wird für die Sittlichkeit des Menschen. Diese
Attribute sind daher als Tugenden anzusprechen. Was anderes wäre ‫ן‬
die Gerechtigkeit, wäre die Liebe?
Wir erkennen so, daß die jüdische Grundlehre zum mindesten
die Unterscheidung zwischen der Sittlichkeit oder der Heiligkeit und
den Tugenden begünstigt. Die Heiligkeit Gottes ist identisch mit
der Einzigkeit Gottes. Die Attribute aber werden die Tugendbegriffe
für den Menschen. !
In unserer Ethik des reinen Willens haben wir den Begriff der
Tugend bestimmt als den Weg zur Sittlichkeit. Und so viele
Tugenden sind auszuzeichnen, als Wege zur Sittlichkeit auszuzeichnen
sind. Der Einteilungsgrund der Tugenden wird nun zunächst ein
Problem für die Klassen und Arten dieser Wege. Er ist enthalten
in dem doppelten Begriffe des Menschen: als Individuum der Mehr-
heit und als Individuum der Allheit. Aus diesem Doppelbegriffe
ergibt sich ein Doppelbegriff für die Verbindung und Vereinigung
der Menschen. Die Mehrheit bildet nur eine relative Gemeinschaft;
die Allheit allein eine absolute.
Dieser Gesichtspunkt muß auch bestimmend werden für die
Korrelation des Menschen mit Gott. Und wir haben sie in der
Unterscheidung der drei Begriffe vom Menschen in Korrelation zu
Gott auch als die dreifache Korrelation unterschieden.
In der Ethik muß nun ein fernerer Einteilungsgrund gelegen
sein in dem Verhältnis, welches die beiden Momente des reinen
Willens: der Affekt und das Denken, zu einander und zur Erzeugung
des Willens bilden. Und dieses Verhältnis gliedert sich je nach
dem Übergewichte des einen Moments über das andere. Beim Über-
477

ewicht des Denkens wird der Affekt zur Ehre; beim Übergewicht
es. Affektes wird er zur Liebe. Und je nach der Verschiedenheit
ieser Affektmotoren des Willens unterscheiden sich die Tugenden
Is die ersten Grades, welche die absolute Gemeinschaft begründen,.!
on den Tugenden zweiten Grades, welche die relativen Gemein- j
)haften begründen.
Die Ehre ist der erste reine Affekt. Die Paradoxie des Aus-
rucks verschwindet, wenn man statt Ehre Ehrung sagt, welche»
leich der Achtung ist, und die Tätigkeit erkennbar macht, welche‫־‬
leichartig ist mit der Liebe, der anderen Affektart. Aber Ehre
)Ibst ist als Affekt zu behaupten. Sie ist die Losung, die Feuer-
iule für den Wüstenweg der sittlichen Wanderung.
Ehre ist auch ein Hauptausdruck für das Wesen Gottes. Im
chrifttum seihst kann man in der Ehre Gottes, die daher nicht gut
bersetzt wird als die Herrlichkeit Gottes, die Spur des Weges er-
ennen, auf dem der Monotheismus sich vom Anthropomorphismus
)szuringen sucht. Unter der Herrlichkeit Gottes läßt man immer
och den Lichtglanz erscheinen, unter dem Gott sich offenbare. Die•
Ihre Gottes, dagegen stellt das Urbild der Sittlichkeit klar, in
elchem allein das Wesen Gottes besteht. Demgemäß bleibt die
Ihre nicht der Schleier vor dem Geheimnis Gottes, der ohnehin
3hon dadurch zerreißt, daß die Ehre Gottes die Fülle der ganzen
irde wird (Jesaja 6, 3), sondern sie wird das eigentliche Binde-
littel für die Korrelation von Gott und Mensch. Die' Ehre Gottes
ann schon deswegen nicht die Herrlichkeit Gottes in einem mysti-
311en Sinne bedeuten, weil sie ja auch übergeht auf die Ehre des
[enschen. Die Ehre wird zu einem Synonym für die Seele. Im
egen Jakobs sagt er gegen Simeon und Lewi: ‫ ״‬in ihren Rat
omme nicht meine Seele, mit ihrer Gemeinde vereinige sich nicht
leine Ehre. (1. M. 49, 6). Und im Psalm baut sich das ganze‫־‬
frische Bewußtsein des Menschen gleichmäßig auf den Begriffen
er Seele und der Ehre auf. ‫״‬Darum freue sich mein Herz und es
‫״‬ohlocke meine Ehre.“ (Ps. 16, 9). ,;Es frohlocken die Frommen
1 Ehre.“ (Ps. 149, 5). Wie der Psalm Gott zum ‫״‬König der
Ihre“ macht (24, 7), und wie ‫ ״‬die Himmel die Ehre Gottes ver-
ünden“ (Ps. 19, 2), so wird die Seele des Menschen zu seiner Ehre,
a seiner Ehre wird die Person des Menschen gegründet, genauer
och als in der Seele. Die Ehre ist die Grundkraft seines Willens,,
as Schutzmittel seiner Persönlichkeit.
478

Mit dieser Ehrenkraft rüstet sich der Wille des Menschen, um


die Tugenden ersten Grades, welche die Allheit des Menschen er-
fordert, einzurichten und zu behaupten. Die Ehre des Menschen ist
absolut; sie macht den Menschen zur Menschheit, und kann ihn nur
als Träger der Menschheit zum Träger des Willens machen. Die
Tugenden der Ehre müssen daher die Tugenden der Allheit werden.
Kraft dieser Tugenden muß der Mensch zur Menschheit reifen. Und
der Triumph der Religion, den sie im Messianismus begeht, sichert
vder Religion ihre Eigenart gegenüber der Ethik auch in diesen
Tugenden der Allheit.
Der andere Affekt des Willens ist die Liebe. Ihn haben wir
vielfach betrachtet in der Wechselwirkung zwischen Gott und Mensch.
Und wir haben die vierfache Art dieser Wechselwirkung erkannt.
Gott liebt den Menschen. Und der Mensch liebt Gott. Aber daß
der Mensch Gott liebt, ist praktisch und psychologisch nicht schlecht-
hin die Umkehrung von der Liebe Gottes zum Menschen. Es muß
noch eine doppelte Vermittlung hinzukommen, um die Liebe des
Menschen zu Gott zu vermitteln. Der Mensch muß erstlich den
Mitmenschen lieben. In dieser Liebe, welche die Sozialpolitik er-
zeugt, liegt der wahre Grund der Menschenliebe. Und nur von
diesem Grunde aus kann der Gedanke entstehen, daß auch der
Mensch zur Liebe Gottes sich erheben könne. Er kann ja den
Mitmenschen lieben. Und wie könnte er dies, wenn ihm Gott nicht
in dem heiligen Geiste, in dem Geiste der Heiligkeit den Geist der
Liebe ins Herz gelegt hätte.
Daraus folgt nun aber noch eine vierte Art der Liebe. Wenn
anders nun Gott nicht nur die Allheit und die Mehrheit der Menschen
liebt, wenn anders auch der Mensch nicht nur als Träger der
Menschheit etwa zu lieben ist, sondern auch als Symbol der Mehr-
heit, als Mitmensch, so ist doch nicht minder auch das Selbst des
Menschen, der Mensch als eigenes Individuum ein Mitglied dieser
Mehrheit, ein Mitmensch für den anderen, wie der andere für ihn
selbst. Und das Gebot der Menschenliebe, welches an die Selbst-
liebe appelliert, bekommt jetzt erst einen rechtschaffenen Sinn. Ich
darf mich selbst lieben; ich darf mich selbst als einen Gegenstand
der Liebe betrachten, weil ich mein eigenes Individuum betrachten
muß unter* dem Lichte der Liebe Gottes, die sich auch auf mich
erstrecken muß, Wir kennen diese Wechselwirkung der Liebe. Sie
ist die Versöhnung. Die Liebe zu meinem Individuum ist die
479

Sorge um meine Versöhnung mit Gott. Mein Gottvertrauen erfüllt


sich in der Erlösung, die Gott mir verheißt auf Grund meiner
eigenen Bußarbeit. Die Erlösung von der Sünde ist die Liebe Gottes
zum Individuum. So ist die vierfache Liebe zwischen Gott und
Mensch beschlossen. Gott liebt den Menschen , als Allheit und als
Mehrheit. Und in der Mehrheit ist mein eigenes Individuum ent-
halten. Und der Mensch liebt Gott erstlich als Vertreter der Mensch-,
heit, als welcher er zugleich für die Erlösung den Charakter einer
absoluten Isoliertheit annimmt.
Die Mischna hat in zwei Traktaten eine zehngliedrige Beihe
von Tugenden aufgestellt. Beide Aufstellungen unterscheiden sich
nur in der Reihenfolge, in der die einzelnen Tugenden geordnet
werden, nur daß an der einen Stelle (Aboda Sara 20 b) der Anfang
mit der Thora gemacht wird, und im Anschluß daran noch die
Vorsicht (‫ )זהירות‬ausgezeichnet wird. In der anderen Aufstellung
(Sota, letzte Mischna), findet sich folgende Unterscheidung und-
Reihenfolge: 1. der Eifer (2 ,(‫זריזות‬. Reinheit und Unschuld
(3 ,(‫נקיות‬. Reinigung (4 ,(‫טהרה‬. Absondernde Enthaltung (‫)פרישות‬,
5. Heiligkeit (6 ,(‫קדושה‬. Demut (7 ,(‫ענוה‬. Furcht der Sünde
(8 ,(‫יראת חטא‬. Liebestätige Frömmigkeit (9 ,(‫חסידות‬. Geist der
Heiligkeit ( 10 ,( ‫רוח הקודש‬. Auferstehung ( ‫) תחיית המתים‬. Im
anderen Traktat unterscheidet sich, abgesehen von den bereits an-
gegebenen Unterschieden, nur die Reihenfolge. Was dort an erster
Stelle steht, steht hier an dritter; was dort an zweiter, hier in
vierter; was dort an dritter, hier in fünfter, während an vierter
Stelle keine Differenz besteht. Aber was dort in fünfter, steht hier
in neunter, dort in sechster, hier in siebenter; dort in acht, hier
in sechs, dort in sieben hier in acht, dort in neun, hier in zehn,
während was dort in zehn steht, hier für sich steht, und dazu
noch der Satz kommt ‫״‬aber die liebestätige Frömmigkeit (‫)חסידות‬
ist größer als sie alle“. Also übertrifft diese Frömmigkeit nicht
nur den heiligen Geist, sondern die Auferstehung. Diese Frömmig-
keit, welche in der Liebestätigkeit besteht, welche letztere auch die
Wohltätigkeit (‫ )צדקה‬übertrifft, wird somit zum Gipfelpunkt aller
Tugenden, obwohl sie hier erst an sechster Stelle steht. Wir
waren schon darauf aufmerksam, daß dieses Wort der Frömmigkeit
zum Terminus wird für die interkonfessionelle Frömmigkeit, die
in der Tugend auf Grund der Noachidischen Gebote besteht. So
wird die Frömmigkeit zur Tugend.
480

Überschauen wir nun aber ferner diese ganze Aufstellung, so


bemerken wir eine Sonderstellung für die Demut. Alle anderen
Tugenden nämlich, der Eifer, die Unschuld, die Läuterung, die
Enthaltung, die Heiligkeit, die Furcht vor der Sünde und gar der
heilige Geist und die Auferstehung, die noch eine ganz besondere
Schwierigkeit in sich trägt, sie betreffen alle vorzugsweise das Ver-
hältnis des Menschen zu Gott. Die Demut aber betrifft nicht allein
dieses Verhältnis, sondern beinahe vorzugsweise das Doppelverhältnis
zum Menschen: zum Mitmenschen und zum eigenen Selbst. Diu
Demut wird daher zu einer bevorzugten Tugend neben der Frömmig-
keit der Liebestätigkeit und neben der Lehre, welche das Studium
der Lehre bedeutet. Während jene Frömmigkeit die vorzugsweise
ethische Tugend ist, ist das Studium der Thora die vorzugsweise
theoretische Tugend, welche nichtsdestoweniger allen Tugenden zum
Anfang, in diesem zum Fundament gesetzt wird. Aber eine analoge
Ausnahmestellung gebührt der Demut, welche zwar auch die Demut
vor Gott ist, welche jedoch als Bescheidenheit, die eigentliche
Menschentugend wird, die Leiterin und Erzieherin des menschlichen
Individuums.
Von diesen drei Tugenden aber abgesehen, sind alle die anderen
:mehr Tugenden der Religion als Tugenden der Sittlichkeit. Sie be-
j treffen daher nicht sowohl den Menschen der Allheit, nicht einmal
: den Menschen der Mehrheit, als vielmehr das Individuum in seiner
Korrelation mit Gott. Die Reinheit, die Läuterung, die Enthaltung,
die Heiligung, sie begründen alle den Geist der Heiligkeit und in
ihm den Menschen als das religiöse Individuum. Wären nicht die
drei anderen Tugenden zur Auszeichnung gekommen, so müßte man
diese ganze Aufstellung als unzulänglich betrachten.
In der Tat aber muß die Meinung aufrechterhalten werden,
wenn wir an die Attribute Gottes denken, in denen Gott ja zum
Urbild der Sittlichkeit in der menschlichen Handlung, mithin zum
Vorbild der Tugend gedacht werden soll. Es wird daher angemessen
sein, daß wir noch eine andere Auswahl und Auszeichnung der
Tugenden, und zwar unter den angegebenen Leitgedanken versuchen,
für die wir uns, den Leitgedanken gemäß, an unsere Auszeichnung
in unserer Ethik halten wollen.
Bevor wir zu dieser eigenen Einteilung übergehen, bedenken wir
nochmals den Hauptwert der Einleitung in Aboda Sara, welche mit
der Thora anfängt. Dieser Anfang steht in fundamentalem Zusammen-
481

hang mit dem Grundgedanken der jüdischen Gottesverehrung: sie


beruht auf der Erkenntnis. Die Erkenntnis Gottes wird gleichgesetztI
mit der Liebe zu Gott. Und wenngleich die Liebe in wechselseitiger!
Ergänzung steht mit der Ehrfurcht (‫)יראה‬, so ist es eben die
Erkenntnis, welche diese Wechselwirkung ermöglicht. Die Furcht
Gottes wird immer von der Liebe getragen. Sie wurzelt freilich -in
der Furcht vor der Sünde, aber diese wird ja gedämpft und ab-
geklärt durch das Vertrauen auf die Versöhnung mit Gott, welche
selbst die Wirkung, wie die Ursache der Liebe zu Gott ist. Diese
ganze Korrelation hat ihren tiefsten Grund darin, daß sie durch die
Erkenntnis bedingt ist. Wir werden alsbald noch tiefere Konsequenzen
dieses Prinzips zu betrachten haben.
Unsere Auffassung der Tugenden, als der Wege zur Sittlichkeit,!
steht in Einklang mit der Terminologie der Tugendlehre in der
jüdischen Religionsphilosophie. Der Terminus für die Sitten, Maß
(‫ )מדה‬hat mehrfache Bedeutung. Er ist auch der Terminus für die
Regeln der Hermeneutik, deren von R. Rabbi Ismael 13 angenommen
werden nach den 13 Eigenschaften Gottes. Das Wort bedeutet da-
her auch die göttlichen Attribute. Nun sind aber die Maße in der
Bedeutung der Tugenden zugleich die Maßstäbe zur Abschätzung
des Grades der sittlichen Werte, mithin auch der Stufen, welche
die Annäherung an das Ideal der Sittlichkeit jeweilig erreicht hat.
Als solche Maßstufen werden die Tugenden daher nicht gedacht
als festgelegte psychische Qualitäten, sondern eben als Entwicklungs-
stufen. Und so sind auch sie als Wege zur Sittlichkeit aufzufassen,
die, als solche, die Wege zur Erkenntnis und zur Liebe Gottes, als
dem Zentrum aller Frömmigkeit, aller religiösen Sittlichkeit (‫) מ עלות‬,
Stufen oder Aufstiege sind. Die Tugendlehre kann daher zeigen,
daß zwar Kollisionen und Schwierigkeiten entstehen können zwischen
Religion und Sittlichkeit, niemals aber Widersprüche. Die Maße der
Tugenden entsprechen den Attributen Gottes, die ja auch nur die
Bedeutung von Idealen für die menschliche Handlung haben.
Aber die jüdischen Dogmatiker haben sich nicht gescheut, auch
für das Wesen Gottes Einschränkungen zu formulieren, welche das
Prinzip der Erkenntnis Gottes notwendig machte. Die Allmacht
theoretischen Gottes wird eingeschränkt durch den allgemeinen Grund-
satz der Vernunft, den Satz des Widerspruchs. Den Widerspruch
darf auch Gottes Allmacht nicht zu denken vermögen. Ebenso findet
die Allmacht ihre Schranke an der sittlichen Vernunft des Menschen,
Dl
482

weil sie eben in der Erkenntnis Gottes begründet wird. Das Ver-
hältnis der Erkenntnis zum Willen des Menschen ist das Verhältnis
der theoretischen zur sittlichen Vernunft des Menschen. Und wie
die theoretische Vernunft ihre Unabhängigkeit und Selbständigkeit
in den Denkgesetzen hat, die auch Gott nicht verletzen kann, so hat
die sittliche Vernunft ihre Unabhängigkeit und Selbständigkeit in
der Freiheit des Willens.
Die Freiheit des Willens hat das Deuteronomium formuliert in
dem Satze: ‫ ״‬siehe ich lege dir heute vor das Leben und das
Gute oder den Tod und das Böse (5. Mos. 30,15), ‫״‬und du sollst
wählen das Leben“ (5. Mos. 30, 19). Die Wahl des Guten ist die
Aufgabe des Menschen. Die Freiheit dieser Wahl ist die Grund-
bedingung der sittlichen Vernunft. Für sie, für die Freiheit des
menschlichen, als des sittlichen Willens, kann es keine Schranke in
Gott geben. Der Wille Gottes, das Wesen Gottes, erfordert diese
Freiheit des menschlichen Willens. Ohne diese Übereinstimmung
könnte Gott nicht das Urbild der Sittlichkeit sein.
Der Talmud hat den Satz geprägt: ‫״‬Alles ist in der Hand
Gottes, ausgenommen die Gottesfurcht“ (Berach. 33 b). Wir haben
diese Freiheit des Menschen als seine Verantwortlichkeit erkannt
und wir werden sie alsbald in einer neuen Ausführung für die
Tugend zu erwägen haben. Jetzt betrachten wir nur die Be-
deutung des Tugendweges nach dem Verhältnis zwischen der mensch-
liehen Freiheit und der Allmacht Gottes mit Rücksicht auf den
Begriff der Tugend.
Die Freiheit des Willens macht die Tugendwege erkennbar als
die Stufen (‫ )מעלות‬in der Annäherung an Gott, in welcher wir die
menschliche Selbstvervollkommnung erkannt haben. Würde der
notwendige Abstand von Gott in der Abhängigkeit von Gott ge-
gründet, so wäre die Furcht Gottes das alleinige Prinzip. Nun
ist aber trotz des notwendigen Abstands dennoch die Annäherung
geboten, und es werden Stufen dieser Annäherung, also Steigerungen
und Höherentwicklungen angenommen: darin erweist sich das Prinzip
der Liebe in seiner positiven Kraft. Und in dieser positiven Liebe
zu Gott, welche die höhere Annäherung an ihn bewirkt, bezeugt sich
die Freiheit des menschlichen Vernunftswillens. Gott bleibt der
Wegweiser zur Tugend, aber die Vernunft des Menschen, welche in.
der Freiheit seinen Willen begründet, klärt diesen Willen zum,
Willen der Liebe. Und die positive Kraft dieses Willens der Er-,
483

Kenntnis und der Liebe errichtet die Stufen in der Annäherung ah


*das Ziel, welches Gott, als der Erlöser, bildet.
Genauer noch als durch die Mäße wird der Entwicklungsgang
der Tugend durch den anderen Terminus der Stufen (‫■ )מעלות‬be-
zeichnet. Das Wort ist aus den Psalmen bekannt, aus dem ‫ ״‬Ge1
sang der Stufen“ (‫)שיר המעלות‬. Wie die Leviten in diesen Gesängen
die Tempelstufen hinanstiegen zum Altar, so ist ein solcher Anstieg
2 ur Höhe alle Tugend. Wäre nur die Furcht der leitende Gedanke,
so wäre der Tugendweg nicht als ein Stufengang zur Höhe gesichert;
•er wäre kaum vor der schiefen Ebene geschützt, höchstens bliebe
dasselbe Niveau vorschwebend. Dahingegen soll mit dem Begriffe
der Tugend die Entwicklung zu höheren Graden der Annäherung an
das göttliche Urbild der Sittlichkeit verknüpft werden. So hat die
Stufe die Bedeutung des Vorzuges erlangt, der auch den positiven
Fortschritt in der• Entwicklung bezeichnet. Auf den positiven Er-
trag, wie auf die positive Leistung, kommt es für den echten Begriff
der Tugend an.
In den Klassifikationen der Mischna, sind es fast ausschließlich
solche positiven Aufgaben, welche spezialisiert werden; nur die Ent-
haltung macht eine Ausnahme; denn die Furcht vor der Sünde ist
nicht als eine lediglich negative Tugend zu erkennen, da in ihr
schon die Erkenntnis der Sünde als positiver Faktor mitwirkt. Die
Enthaltung aber, die Wortwurzel des Pharisäertums, könnte man
yersucht werden als solche ausschließliche Negation zu werten.
Es wird später zu erwägen sein, ob diese Würdigung von erschöpfen-
der Richtigkeit ist. Aber hier schon dürfen wir auf den Zusammen-
hang mit den anderen Tugenden hinweisen, um die Kraft des
Martyriums in der Enthaltung, als ihrer Quelle, zu vermuten. Und‫׳־‬
daß die Gotteserkenntnis, als Liebe zu Gott, uneingeschränkt
das Martyrium fordert, das haben wir schon erkannt, ln der
Enthaltung liegt die Wurzel dieser höchsten Stufe der An-
näherung, dieser höchsten Stufe der menschlichen Tugend. Das
Leben ist der Güter höchstes nicht. Diesen Satz des deutschen
Dichters hat das Pharisäertum in Lehre und Leben zur Wahrheit
gemacht. Daher können wir auch in der Enthaltung nicht nur eine
negative Quelle der Askese und der mystischen Gottesliebe erkennen ,‫ן‬
sondern dürfen auch hier den Zusammenhang voraussetzen mit dem
leitenden Grundgedanken der Erkenntnis, als der Liebe Gottes.
Und nunmehr dürfen wir nach unseren Dispositionen in der
3r
484

Ethik des reinen Willens die Einteilung der Tugenden versuchen*


wie sie aus den Quellen des Judentums herzuleiten sind.
In der Ethik des reinen Willens, haben wir als einen
eigenen Terminus für Gott den Begriff der Wahrheit eingesetzt.
Wahrheit ist weder allein in der Naturerkenntnis, noch in der
ethischen. Die theorethische Erkenntnis hat Richtigkeit, sofern diese-
durch ihre Grundlegungen bedingt ist. Die ethische Erkenntnis ist
außer durch ihre eigenen Grundlegungen noch bedingt durch den
Einklang und die Analogie der letzteren mit den ersteren. Nirgend
herrscht . auf einer dieser beiden Richtungen allein eine Sicherheit
und Unabhängigkeit, welche Wahrheit genannt werden dürfte. Die•
theoretische Erkenntnis bleibt Stückwerk ohne die Ergänzung durch
die. ethische. Und die ethische Erkenntnis kann ihr eigenes
Fundament nicht errichten, wenn ihr der Boden entzogen wird*
den die theoretische Vernunft anbaut. Aber dieser wechselseitige•
Zusammenhang der beiden Arten der Vernunft bildet sonach ein
eigenes Problem. Es darf nicht als zufällig betrachtet werden, daß•
sie beide aufeinander hinweisen, sondern diese gegenseitige Hin-
Weisung bildet ein eigenes Problem, stiftet eine eigene Notwendig-
keit, ein Grundgesetz höchster Art.
Dieses höchste Grundgesetz ist das Gesetz- der Wahrheit. Wahr-
heit ist allein das Gesetz des notwendigen Zusammenhangs der Natur-
erkenntnis mit der sittlichen Erkenntnis. Diese Wahrheit.ist mehr
als Richtigkeit, mehr als Zweckmäßigkeit. Wahrheit ist die Über-
einstimmung der theoretischen Kausalität mit der ethischen Teleologie.
Diese Übereinstimmung der beiden Arten von Gesetzmäßigkeit ist
von jeher der Stein der Weisen gewesen. Sie ist das Urproblem der
systematischen Philosophie. Sie ist aber auch der Grundsinn in der
Idee Gottes. Und in diesem Anteil, den die Gottesidee an dem
Urproblem der Philosophie, an den fundamentalen Problemen und stets-
sich auftürmenden Schwierigkeiten der wissenschaftlichen Erkenntnis*
in den Naturwissenschaften, wie in den Geisteswissenschaften, gleich-
mäßig hat, begründet sich der Anteil der Religion an der Vernunft.
Durch diesen Begriff der Wahrheit zeichnen wir den Begriff
Gottes aus. Gott bedeutet die eigenartige Gesetzlichkeit, welche die
Übereinstimmung zwischen den beiden Arten der Erkenntnis ebense
fordert, als sie zugleich diese Forderung befriedigt und zur Lösung
bringt. Auch in der Eigenart dieses Begriffs bewährt sich die
Einzigkeit Gottes. Diesen Begriff vertritt nur Gott allein; kein
485

anderer Begriff kann diese Befugnis mit ihm teilen; jeder andere
Begriff hat es mit sich selbst allein zu tun. Es muß aber einen
Begriff geben, dessen Aufgabe es ist, mit allen anderen Begriffen zu
‫־‬tun zu haben, und zwar sie nicht allein, einen jeden für sich, zu
kontrollieren, sondern auf seine Übereinstimmung mit allen anderen
zu prüfen. Diese Übereinstimmung der großen Gattungen der Er-
kenntnis, die sich auch auf das dritte Glied des Systems, die Ästhetik,
zu erstrecken hat, ist der eigene Begriffsinhalt der Wahrheit.
Die Wahrheit gehört auch zu den Grundbegriffen der Erkenntnis,
•die nicht zu eindeutiger Feststellung im wissenschaftlichen Gebrauche
gekommen sind, und diese Mehrdeutigkeit ist ein schlimmes Symptom
für die wissenschaftliche Methodik, insbesondere ‫ י‬auch innerhalb der
Philosophie. Indessen für die Religion muß dieser Mangel an ein-
deutiger Bestimmtheit zu einem besonderen Schaden werden, da die
Methodik der Religion mindestens ebensosehr ein Streitobjekt •ist,
wie der Gottesbegriff und der religiöse Inhalt überhaupt. Wenn
dem Glauben ein Erkenntniswert, ein Vernunftanteil aberkannt, und
in dieser Aberkennung gerade der Eigenwert der Religion zu be-
gründen versucht wird, so muß der Begriff der Wahrheit hinfällig
werden. Denn was wäre Wahrheit ohne das Fundament der wissen-
schaftlichen Erkenntnis! Dann kann die Wahrheit nur auf das Ge-
fühl oder gar auf das Erleben gestützt werden, und diese Stützen
sind lediglich subjektiver .Art. Und diese logische Subjektivität
kann keinen Grund abgeben für die ethische, für die Subjektivität
der Persönlichkeit. Religion muß Wahrheit sein. Da sie aber
methodisch weder mit der wissenschaftlichen Logik, noch mit der
systematischen Ethik identisch ist, so folgt daraus der wichtige
Schluß, daß ihre Wahrheit unterschieden sein muß von der der
beiden anderen Erkenntnisarten; daß ihr allein die Wahrheit eigen-
tümlich sein muß, während die anderen Erkenntnisarten einen anderen
methodischen Erkenntnis wert für die Wahrheit einsetzen müssen.
Dieser Eigenwert der Wahrheit für die Religion entspricht dem
Eigenwert des Gottesbegriffs und demgemäß auch der Eigenart des
Menschenbegriffs in der Religion und durch die Religion. Wie die
Religion einen eigenen Gottesbegriff und einen eigenen Menschen-
begriff begründet, so erklärt es sich auch, daß ihr allein der Begriff
der Wahrheit zustehen muß, der denjenigen Erkenntniswert bedeutet,
welcher auf die Korrelation von Gott und Mensch gerichtet ist und
deren Geltungswert bezeichnet.
486

In der; Schrift ist daher die Verbindung Gottes mit der. Wahr-
heit von durchgängigem Gebrauche. Freilich , hat das Wort in der
biblischen Religion, nicht einen philosophischen Sinn. Das Wort:
‫ אמת‬gehört der Wurzel an, welche Festigkeit betrifft. Ihm ent-
spricht daher auch das Wort, welches Glauben und Treue ( ‫)אמונה‬
bedeutet. Derselben Wurzel gehört das Wort an, welches als Be-
stätigungsformel für einen Ausspruch, insbesondere daher auch für
den Segensspruch in der Gemeinde als Amen in den Weltgebrauch
gekommen ist. Es ist daher auch teils mit dem Worte der Liebes-
tätigkeit (‫)חסד‬, teils mit dem Frieden (‫ )שלום‬in durchgängiger
Verbindung. Wie kann die Wahrheit für das sittliche Bewußtsein
besser begründet werden als durch die Verbindung mit Gott? Und
wie kann für das religiöse Bewußtsein Gott besser begründet werden
als. durch Verbindungen, w ie. die mit der Heiligkeit, mit der
Liebe und Gerechtigkeit: was unterscheidet die mit der Wahrheit-
von den anderen Verbindungen? Es ist unverkennbar, daß das
prophetische Bewußtsein sich gedrängt fühlte, den Reizen und
Illusionen des Bilderdienstes in einer ganz anderen Geltungsweise
das Sein Gottes entgegenzustellen. Auch das Leben erschien noch
nicht genügend, um den einzigen Gott von den toten Götzenbildern
zu unterscheiden. Bei Jeremia wird es deutlich, wie er dieser
falschen Realität der Götzenplastik den Gott der Wahrheit entgegen-
stellt: ‫״‬Wer sollte dich nicht fürchten, König der Völker“.
(Sehr bedeutsam ist hier diese Benennung Gottes für die Völker)-
‫ ״‬Denn dir gebührt es ‫ ־‬unter allen Weisen der Völker, und in
ihrer ganzen Herrschaft ist nicht deinesgleichen. Allesamt sind sic
roh und töricht, eine Zucht von Eitelkeiten, Holz ist es. Ge-
hämmertes Silber aus Tarsis ist es gebracht, und Gold aus Uphas,.
das Werk eines Künstlers und von den Händen eines Edelschmieds,,
aus blauem und rotem Purpur ist ihr Gewand, das Werk weiser.
Künstler sind sie allesamt. Aber der Ewige ist ein Gott der Wahr-
heit, er ist ein lebendiger Gott und ewiger König“. (Jeremia, 10,.
7—10). Kautzsch übersetzt: ‫״‬Jahve jedoch ist wahrhaftig Gott“. Nicht
allein daß die Wortstellung diese Übersetzung unrichtig macht, wird‫־‬,
sie auch dem Sinn dieses mächtigen Satzes gar nicht gerecht, der
nicht nur die Wahrheit des ewigen Gottes von dem nichtigen Tand
der kunstvollen Götzenbilder unterscheidet, sondern auf Grund dieser
Wahrheit, dieser wahrhaften Realität auch die Verbindung zwischeu
Gott und Leben begründet, sowie auch die zwischen Gott und dem.
48?

König der Völker, der der ewige König, der König der Welt und
der Ewigkeit ist. In allen diesen Verbindungen bezeugt sich der
Gott der Wahrheit.
Der Talmud hat den Satz geprägt: ‫״‬das Siegel des Heiligen,
gelobt sei er, ist Wahrheit“ (Sabb. 55a). Warum nicht Heilig-
keit? Warum nicht Liebe und Gerechtigkeit? Warum überhaupt
nicht der Inbegriff der dreizehn Attribute? Wie kann überhaupt
eine Eigenschaft als das Siegel Gottes bezeichnet werden, die nicht
in diesen allein legitimierten Attributen enthalten ist?
Das Sprachgefühl hat hier den Ausschlag gegeben, in den drei-
zehn Eigenschaften ist allerdings auch die Wahrheit mit enthalten,
nur in der Verbindung mit der Liebe, in welcher sie vorzugsweise
als Treue gedacht wird. Aber das hebräische Sprachbewußtsein hat
in jener vorherrschenden Bedeutung der Treue doch auch die Wahr-
heit mitgedacht. Und während die Liebe in den Folgesätzen mehr
erläutert wird, geschieht dies nicht mit dem Worte, welches hier
als Treue gewöhnlich gedacht wird, vielmehr aber hier in der
Grundbedeutung der Wahrheit steht, welche hier nicht weiter aus-
geführt werden kann. Also auch in den legitimen Attributen ist
die Wahrheit anerkannt.
Denken wir hier wiederum an das Deuteronomium, wie es den
einzigen Gott durch die Weisheit seiner Gesetze beglaubigen will,
so wird uns der Zusammenhang einleuchtend und geläufig, den das
prophetische Bewußtsein zwischen seinem Gotte und der Wahrheit
herzustellen beflissen sein mußte. Der Offenbarer weiser Gesetze,
auf deren Annahme auch die Weisheit und Vernünftigkeit des Volkes
beruhen soll, konnte nur als Wahrheit gedacht werden. Seine weisen
Gesetze sind wahre Gesetze. Der Prophet Maleachi charakterisiert
so gegen die Priester den Bund Gottes mit Lewi. ‫״‬Die Lehre der
Wahrheit war in seinem Munde . . denn die Lippen des Priesters
sollen wahren die Erkenntnis, und die Lehre soll man suchen von
seinem Munde; denn ein Bote des Ewigen Zebaot ist er“. (Mal. 2,
6— 7). Die Lehre der Wahrheit wird hier verbunden m it|der Er-
kenntnis und mit der Thora als Erkenntnis. Durch diese ^Ver-
bindung soll der Priester zu einem Boten Gottes werden.
Audi der Segensspruch über die Thora am Schlüsse für den
Abschnitt eines jeden zur Thora Aufgerufenen hat diesen Wortlaut:
‫ ״‬Gelobt sei“ usw. ‫ ״‬der uns die Lehre der Wahrheit gegeben und
das‫ ־‬ewige Leben in uns gepflanzt hat“. Auch in diesem Segens-
Spruche ist die Verbindung bedeutsam, die hier zwischen der Lehre
der Wahrheit und dem Leben geschlossen wird. Nur auf der Wahr-
heit der Lehre gründet sich das ewige Leben. Wenn man nicht
innerhalb der Lehre selbst den Glaubenssatz des ewigen Lebens als
enthalten gedacht hätte, wäre diese Verbindung nimmermehr möglich
geworden. Wie nun aber diese Verbindung hergestellt ist, so kann
das ewige Leben keine andere Bedeutung und keine andere Gewähr
haben als in dieser Wahrheit der Lehre. Daher ist auch charakte-
ristisch, daß das ewige Leben nach diesem Segensspruche uns nicht
verheißen wird, sondern daß es in uns, in unser Inneres gepflanzt
sei. Die Pflanzung unseres Inneren, unsere Seele, sie selbst ist die
Pflanzung des ewigen Lebens. Der Gott der Wahrheit kann uns
nicht eine Seele gegeben haben, die vergänglich wäre mit unserem
Körper und wie unser Körper. Die Wahrheit bedeutet hier überall
das Echte, gegenüber dem Schein, gegenüber den Gebilden der
Phantasie. Die Wahrheit ist aber auch mehr als alle Wirklichkeit,
welche von der Phantasie nachgeahmt wird. Wie Gott das einzige
Sein ist, so ist er auch die Wahrheit. Denn Wahrheit ist das
einzige Sein, das daher durch keinen anderen Geltungswert be-
zeichnet werden kann. Gott ist nicht wirklich, und er ist auch
nicht lebendig in der Bedeutung von Lebewesen. Maimonides hat
mit kräftigem Griff hier Einhalt geboten. Nur die Wahrheit allein
ist der Geltungswert, der dem Wesen Gottes entspricht.
Die Wahrheit ist das Wesen Gottes, so muß sie mindestens in
einem Attribute beglaubigt sein. Und dieses Attribut kann nicht
ein körperliches, ein sinnliches sein. Als ein Attribut der Handlung
muß es gegründet sein in einem Attribute der Erkenntnis, wenn-
gleich diese Erkenntnis auf die Handlung bezogen ist. Aber die
Wahrheit, als eine Wahrheit der Erkenntnis, schließt jede Art von wie
immer sich selbst übersteigender Sinnlichkeit aus: daher die Intuition
und die Mystik. Die Wahrheit ist Wahrheit der Erkenntnis; zwar
nicht in der wissenschaftlichen Erkenntnis beschlossen, aber für die
sittliche Erkenntnis, also auch für die Religion in ihr begründet.
Die Intuition, wie alle Mystik, steht in Widerspruch zur logischen
Vernunft. Es wäre zu untersuchen, ob die Kabbala mit aller ihrer
dialektischen Vielseitigkeit sich mit der Wahrheit bescheidet, oder
sie überflügeln und entsetzen will. Gott ist Wahrheit — bedeutet
uns: nur die Vereinigung von theoretischer und ethischer Erkenntnis,
nur die Vereinigung beider Kraftquellen des wissenschaftlichen Be-
wußtseins kann die Idee Gottes erfüllen.
489

Es wird hieraus verständlich, wie der Gedanke entstehen und


sich behaupten konnte, daß die Attribute, die nur sittliche Attribute
sind, nicht das Wesen Gottes zur Erkenntnis bringen. Weil sie
^ben nur ethische, und nicht zugleich logische Attribute sind, können
sie dem Wesen Gottes nicht adäquat werden. Nur die Wahrheit ist
das adäquate Attribut; aber sie steht schon innerhalb der Korrelation
m Menschen, daher kann sie für Gott allein nicht ausdrücklich als
Attribut namhaft gemacht werden.
Auch die Einheit ist ja kein ausdrückliches Attribut; sie ist
das Sein Gottes. So ist auch die Wahrheit durchaus nichts anderes
als nur das Sein Gottes. Zu dem Vers bei Jeremia, der den Gott
der Wahrheit mit dem Gotte des Lebens verbindet, macht ein alter
Erklärer einen Ausspruch, der an Pantheismus anklingt: ‫״‬er ist
das Leben aller Geschaffenen“ ( ‫) מצודת דוד‬. Und ebenso erklärt
Easchi die Verbindung des göttlichen Wortes mit der Wahrheit
‫ ״‬das Haupt deines Wortes ist Wahrheit“ (Ps. 119, 160). Kautzsch
übersetzt falsch: ‫ ״‬das Wesen deiner Lehre ist Treue“ , indem er
sie durch die Wahrheit in den sittlichen Geboten des Dekalogs be-
gründet. Die drei ersten Gebote könnten von den Völkern nur auf
die Ehre Gottes bezogen werden. ‫״‬Als sie aber hörten: Ehre deinen
Vater und deine Mutter, du sollst nicht morden, nicht ehebrechen,
da haben sie von diesem Schluß aus auch zu dem Anfang (Haupt)
deines Wortes bekannt, daß es Wahrheit sei“. Daß auch der Anfang
der Gebote Wahrheit sei, sagt auch Ibn Esra. So hat auch nach
diesen klassischen Exegeten die Offenbarung den Charakter der
Wahrheit, als der Vernunft Wahrheit, der ethischen Wahrheit, welche
auf die logische Erkenntnis gegründet ist.
Eine Analogie zur Wahrheit der Lehre bildet die Wahrheit der
Gebote Gottes. ‫״‬Alle deine Gebote sind Emuna“. (Ps. 119, 86).
So übersetzt auch Kautzsch, obwohl doch Emuna nicht dasselbe
Wort wie Emeth ist. Im Gebote ist nicht der Befehl die Wurzel,
sondern die Wahrheit, wenn nicht die Liebe, wie Psalm 111, 8.
Daher erklärt sich auch das Gleichnis, welches die Religions-
Philosophen durchgängig benutzen; ‫ ״‬denn eine Leuchte ist das
Gebot und die Thora ein Licht.“ (Spr. 6, 23). ‫״‬Und alle deine
Gebote sind Wahrheit (Ps. 119, 151). Das Licht ist das Licht der
Vernunft, daher gleich der Wahrheit. Die Philosophen unterscheiden
daher die Leuchte als das religiöse Gesetz von dem Lichte als dem
sittlichen Gebote der Thora. Auch der Psalm (19, 9) ‫ ״‬das Gebot
'Gottes ist rein, erleuchtet die Augen“ druckt diese Beziehung auf
:die Erkenntnis aus, auf die Wahrheit. ' ‫ ׳‬, ;
Die Verbindung zwischen Gott und Wahrheit wird klar — und
siehergestellt durch die Verbindung der Wahrheit mit der Lehre
und allem Gesetz Gottes. Der Enthusiasmus des monotheistischen
.Bewußtseins erhalt nicht nur seihen Höhepunkt, sondern auch sein
innerlichstes ;Fundament in dieser Anknüpfung an die Wahrheit.
Gott ist die Wahrheit. Daher ist der einzige Gott der höchste
Inhalt des menschlichen Bewußtseins, den dieses immer nur in ein
echtes Sein verlegen kann. Das einzige Sein ist das wahrhafte Sein;
Das wahrhafte Ziel der Erkenntnis ist gefunden, ist gesichert!
In seinen Attributen der Handlung wird Gott das Urbild der
menschlichen Sittlichkeit. Es muß daher auch eine der Tugenden
der Wahrheit Gottes entsprechend sein. Und diese Tugend muß
die erste derselben sein. Denn die Wahrheit ist als Inbegriff aller
Attribute das erste derselben. Wie kann nun aber der Mensch eine
Tugend haben, welche der Wahrheit Gottes entsprechen soll? Die
Tugend ist freilich nur ein Tugendweg, der auf das Ziel in gerader
Linie hinführen soll. Ist aber überhaupt Annäherung möglich an
dieses höchste Ziel des göttlichen Wesens? Die Antwort muß
schlicht und klar sein. Die Pflicht der Annäherung wäre hinfällig,
wenn sie nicht auf das höchste Ziel gerichtet werden dürfte. Es
gibt bei Gott überhaupt keine Unterscheidungen des Grades in seinen
Eigenschaften. Nur subjektiv in unserer Abschätzung kann eine
solche Unterscheidung möglich werden. Welche Tugend nun ent-
spricht der Wahrheit Gottes, dem Ideal der Wahrheit?
Die deutsche Sprache in ihrer philosophischen Sprachkraft hat
als Tugend die Wahrhaftigkeit ausgezeichnet. Einen solchen Aus-
druck hat die hebräische Sprache nicht. Sie hat dafür das ‫ ״‬reine
Herz“ und den ‫״‬heiligen Geist“. Aber was in einem eigenen
Hauptworte fehlt, das scheint im Verbum als ein inneres Reden
sich ausgezeichnet zu haben, selbst wenn es zugleich eine "pro-
phetische Verkündigung bedeutet. So heißt es im Psalm von dem
Ideal des Frommen; ‫״‬er übt Gerechtigkeit und redet Wahrheit in
seinem Herzen“. (Ps. 15, 2). Wer die Wahrheit in seinem Herzen
redet, der hat Wahrhaftigkeit.
Die Tugend der Wahrhaftigkeit ergibt sich nicht nur als Kon-
sequenz von Gott als dem Gotte der Wahrheit, sondern auch aüsJ
der ganzen prophetischen Predigt für den wahren Gottesdienst.
491

Dieser besteht nicht nur. im. Gegensatz gegen den Götzendienst


sondern in der innersten Tendenz gegen den Opferdienst. Wie sehr
wir in allen bisherigen Ausführungen; die Auffälligkeit, welche die
Abweisung des Opfers in der ganzen Welt allein durch die Propheten
bildet, zu erklären suchten, so wird ein anderes Moment für diese
Erklärung noch immer , nicht überflüssig: , im strengen Sinn für
die Wahrheit ist es zu erkennen. •.
: Das Opfer ist keine direkte Handlung des Opfernden, sondern
sie bedarf der Vermittlung des Priesters. Schon durch dieses-
indirekte! Verhältnis wird das Opfer zum Symbol. Und die indirekte-
Symbolik ist eine Behinderung der Wahrheit; es lenkt ab von ihr.
Das Symbol des Opfers verstärkt daher den Anstoß, den das Symbol
des Götzenbildes erregt. Dieses ist eine Fabrikation, wenngleich eine
künstlerische. Aber das Material hierzu wird auch zum Warm-
machen und zum Braten benutzt.. Alle diese Symbole sind Ent^
Stellungen der Wahrheit.
Und wie steht es mit der Intervention des Priesters? Ist der
Priester nicht auch ein Mensch? Durch das Opfer des Priesters wird
daher nicht nur der Begriff des Darbringenden, sondern des Menschen
überhaupt zweideutig. Seine Unmittelbarkeit-mit Gott .wird durch
den Priester in Frage gestellt.
Und nun die Gabe. Nicht Tiere, noch ihr Blut und ihr Fett
sind der eigentliche, der direkte Gegenstand des Opfers, sondern das
Herz des Menschen. ‫ ״‬Die Opfer Gottes sind ein gebrochener Geist;,
ein gebrochenes und ein geknicktes Herz. Gott, verachtest du nicht“:
(Ps. 51, 19). Herz und Geist sind die richtigen Organe des Verhält-
nisses zwischen Gott und Mensch: sind nun die Tierleiber die-
richtigen Symbole?
Die Art der Tätigkeit, das Schlachten, also bildet eine neue
Schwierigkeit für das Symbol. Nicht der Tod, sondern das Leben:
bezeichnet das Verhältnis von Gott und Mensch. ‫״‬Auf daß er mit
ihnen lebe“ (3. Mos. 18, 5). Die Tötung ist also auch, wie der Tod
überhaupt, ein unwahres Symbol dieses Urverhältnisses.
Endlich erhebt sich eine neue Schwierigkeit gegen das Opfer
innerhalb des Versuches seiner Umgestaltung selbst. Diese beruht
auf dem neuen Gedanken: ‫ ״‬die Seele, welche sündigt“ (Jech. 18,4).
Die Intervention des Priesters verschleiert das enthüllte Subjekt der
Seele. Wenn die Seele es ist, welche sündigt, so muß sie auch die
Versöhnung, erwirken; sie kann ihr nicht durch den Priester ver-
492

mittelt werden. Die Versöhnung muß erwirkt werden zwischen Gott


und dem Menschen selbst mit seiner Person, mit seiner Seele. • Diese
verträgt keine Vermittlung durch eine andere Person. Der Begriff
der Seele macht das Symbol ganz unerträglich, weil die neue Wahr-
heit der Seele vereitelnd. Die Wahrheit stellt überall, wo es auf
das Prinzip ankommt, das Symbol in Frage.
Daher verbinden die Propheten die Forderung des wahren
Gottesdienstes durch die Verbindung der Wahrheit nicht etwa mit
dem Geiste — was ist der Geist, wenn nicht das Herz? — sondern
oben mit dem Herzen und seiner sittlichen Grundkraft. ‫״‬Ihr sollt
ihm dienen in Ganzheit und in Wahrheit“ (Jes. 24, 14). Ganz-
heit (‫ )תמימות‬ist Einfalt. Die Übersetzung mit Vollkommenheit ist irre-
führend. ‫״‬Ganz sollst du sein mit dem Ewigen, deinem Gotte“ (5. Mos.
18, 13). Vollkommen soll der Mensch nicht sein, und kann er gar
nicht sein mit Gott. Aber ganz soll er sein, nämlich einheitlich,
einfältig. So wird diese Einfalt,_ diese Freiheit von Zwiespältigkeit
zu einem Ausdruck für die Wahrhaftigkeit des menschlichen Lebens.
Ebenso: ‫״‬dienet ihm in Wahrheit mit eurem ganzen Herzen“ (1 Sam.
12,24; vgl. Jeremia, 32,41). Auch durch diese Verbindung der
Wahrheit mit dem ganzen Herzen und der ganzen Seele wird das
Opfer, als eine äußerliche, als eine symbolische Handlung
abgewehrt.
Der wahre Gottesdienst ist ‫״‬der Gottesdienst des Herzens“
( ‫ •) עבודה שבלב‬Gott ist dem Herzen nahe. ‫״‬Der Ewige ist nahe
allen, die ihn anrufen in Wahrheit“ (Ps. 145, 18). Diese Wahr-
heit ist die Wahrhaftigkeit, welche die Voraussetzung des Gebetes
ist. Diese Wahrhaftigkeit objektiviert die Seele im Gebet. So konnte
die Lyrik der Stil der Psalmen werden.
‫ן‬ Das polytheistische Gebet ist nicht eigentlich Gebet, sondern
jnur ein Hymnus, in den sich eine Gebetswendung einschlingt. Der
Gegenstand dieser Bitte macht eine besondere Personifikation und
Lokalisation der Gottheit notwendig, deren Bessort dieser /Gegen-
!stand angehört. Im jüdischen Gebete dagegen handelt es sich gar
!nicht um ein Objekt, welches gänzlich als ein entfernter Anlaß
j:zurücktritt, sondern immer nur um das Subjekt, um das Ich in
(seiner seelischen Bedürftigkeit
Daher ist die Sehnsucht der passende lyrische Affekt. Ab-
hängigkeit, selbst vom Unendlichen, bleibt unzulänglich, und ist
noch dazu verwirrend, weil es die Furcht an die Stelle der Sehn-
493

sucht setzt, welche vielmehr mit Hoffnung und Zuversicht'verknüpft


ist. Der Helfer und Erlöser, den das Gebet herbeisehnt, steht in
einem unmittelbaren Verhältnis zur Seele. Diese Unmittelbarkeit
wird deutlich ausgedrückt durch das Wort: ‫״‬eile zu meiner Hilfe“
( ‫)לעזרתי חושה‬. Die Sehnsucht kann nicht warten, und sie fühlt sich
mit dem geliebten Gotte so unmittelbar verbunden, daß sein eiliges■
Kommen erwartet wird. Das alles ist keine Symbolik, das ist Wahr-
haftigkeit, weil Unmittelbarkeit des Gedankens und des Gefühls.
Diese Unmittelbarkeit konnte das klassische Gebet selbst nicht nach-
zuahmen wagen, sie hat daher das Psalmengebet in den eigenen:
Zyklus aufgenommen. Eher noch konnte man das prophetische‫־‬
Gebet nachzubilden streben, welches der Erhaltung Israels, der Er-,
haltung des Monotheismus dient. Hier ist es der Gott der Wahr-
heit selbst, den die Seele feiert.
Der tief innerliche Zusammenhang, der zwischen.der Wahrheit
Gottes und der Wahrhaftigkeit des Gottesdienstes besteht, macht
nun auch von neuem erklärlich das Verbot des Bilderdienstes. Ab.er
hierfür können wir auf den Fortschritt zurückweisen, den wir
zwischen dem ersten und dem zweiten der zehn Gebote gefunden,
haben. Jetzt muß auch aus dem Gesichtspunkte der Wahrheit
der Unterschied der jüdischen Gottes Verehrung von der Christ-
liehen Symbolik bedacht werden. Der Mensch, der Gott ist,,
kann nur als Symbol gedacht werden. Und die beste Idealisierung
kann die Trinität, kann die Gottheit Christi nur als Symbol erkenn-
bar machen. Alle Symbolik aber, welche den Begriff Gottes selbst
betrifft, ist ein Hemmnis der Wahrheit. Der Begriff der Wahrheit
verliert seine Eindeutigkeit durch jede Symbolik. Darüber kann
kein Zweifel bestehen.
Indessen darf es auch nicht verschwiegen werden, daß, wo die-
Wahrheit zweideutig gemacht wird, unvermeidlich auch die Wahr-
haftigkeit beeinträchtigt wird. Die jüdische Religiosität beruht auf
uneingeschränkter Wahrhaftigkeit, so weit sie auf den Monotheismus
selbst bezogen ist. Der Begriff des einzigen Gottes ist ein ge-
nauer, eindeutiger Begriff der religiösen Erkenntnis, und auch für
das populäre religiöse Bewußtsein ein eindeutiger Inhalt, der alles
Sinnliche und alles Menschliche ausschließt. Nur mit der Tendenz, die
Einheit und Einzigkeit Gottes zu denken, kann das Höre Israel be-
kannt werden. Keine Symbolik kann sich in diese Einzigkeit ein-
schleichen. Der Genauigkeit des Begriffes kann und muß daher
494

auch die Eindeutigkeit, die Klarheit, die Sicherheit des Bekenntnisses


entsprechen; Der Wahrheit des einzigen* Gottes entspricht die Wahr-
haftigkeit des jüdischen Gottesbekenntnisses.
Wahrheit begründet Wahrhaftigkeit. Und Wahrhaftigkeit ist
das Rückgrat des sittlichen Menschen. Der sittliche Mensch ist
kraft der religiösen Wahrhaftigkeit der religiöse Mensch. Und der
religiöse Mensch ist der geschichtliche. Wie konnte sich unter allen
Völkern der Erde dieses einzige Glaubensvolk erhalten? Diese sonder-
bare Frage sieht über die Lebenskraft hinweg, welche in der
religiösen Wahrhaftigkeit wurzelt. Der Jude treibt keine Symbolik
mit seinem einzigen Gotte. Sein Gott der Wahrheit ist ‫ ״‬der Fels
der Ganzheit“ ( ‫)צור תמים‬. Aus diesem Felsen entspringt die jüdische
Wahrhaftigkeit.
• In der jüdischen Religionsphilosophie gibt es viel Skepsis in
Bezug auf ethische Grundbegriffe, sogar auch auf Attribute und
^Kompetenzen Gottes. Aber sein Sein selbst und die Einzigkeit
!dieses Seins, seine Unvergleichbarkeit mit irgend einem anderen Sein,
seine Unvermischbarkeit daher auch mit irgend einem anderen Sein,
mit einem Menschen gar, wird niemals und nirgends in Zweifel ge-
zogen. Der Atheismus kann dem reinen Monotheismus gegenüber
schlechterdings nicht aufkommen. Auch der Pantheismus ist, um
ein bekanntes Gleichnis zu benutzen, nur der Tribut, den die Un-
gläubigkeit• dem Glauben zollt. Aber auch der Pantheismus ist
Symbolik. Er hat daher noch nirgend und in keinem Zeitalter
Wahrhaftigkeit begründen können.
‫׳‬j Die Wahrhaftigkeit des jüdischen Gottesbewußtseins ist der
!eigentliche Grund für die Abwehr der Plastik. Der Hohn der Propheten
und der Psalmen auf den leeren Tand der Götzenbilder, die keinen
Geist und keine Seele haben, macht diesen Grund unverkennbar.
Nichtsdestoweniger aber hat der Monotheismus in der Poesie seinen
Bund mit der Kunst gestiftet. Liegt hierin ein Widerspruch gegen
die Einheit der Künste in der Einheit des ästhetischen Bewußtseins?
Ein solcher Widerspruch besteht nicht. Man darf nur nicht im
ästhetischen Bewußtsein selbst die Einheit des menschlichen Bewußt-
seins annehmen, während diese vom ästhetischen Bewußtsein nur
durch eines ihrer Glieder vorgebildet wird. Das ästhetische Bewußt-
sein selbst aber ist durch die beständige Mitwirkung des ethischen
Bewußtseins bedingt, und an dies gliedert sich mit seiner Eigenart
das religiöse Bewußtsein an. Die religiöse Eigenart schafft sich:

»
nun aber einen eigenen Gott und einen eigenen Menschen. Und da
diese beiden religiösen Begriffe durch die Ironie der bildenden
Kunst verletzt werden, so sucht sich das religiöse Bewußtsein bei
einer anderen Richtung des ästhetischen Bewußtseins Zuflucht, um
der Einheit des menschlichen Bewußtseins, wie* die Kultur es ger
staltet, nicht an einem wichtigen Gliede verlustig zu gehen. Und.
was das religiöse Bewußtsein an der bildenden Kunst verliert, das
ersetzt es sich reichlich durch die lyrische Poesie. Auch hier be-
währt sich die religiöse Wahrhaftigkeit. Der Monotheismus macht
keine Zugeständnisse an die bildende Kunst, denn dabei würde der:
einzige Gott in Gefahr kommen, und ihn darf keine Symbolik be-_
drohen. Es ist bedeutsam, wie der Hohn über die Götzenbilder bei
den Propheten wie in den Psalmen in dem Gedanken ausgesprochen
wird, daß die Götzendiener sich schämen werden. Man entstellt
diesen Gedanken durch die Übersetzung: sie werden zu Schanden
werden. Das hebräische Wort ( ‫ ) יבושו‬bedeutet die innere Scham, die
den Menschen überkommt. Diese Scham ist das Symptom der
Wahrhaftigkeit, die alsdann im Götzendiener aufkommen wird. Der
Götzendienst hat sie unterdrückt. Wahrhaftigkeit ist ebenso Wirkung
wie Voraussetzung der wahren Gottesverehrung.
Diese Wahrhaftigkeit ist wiederum auch der Grund für die Psalmen
in ihrer Einzigkeit. Nur die Wahrhaftigkeit konnte diese Urkraft!
der Lyrik erzeugen, in solcher Reinheit der Sehnsucht nach einem
geistigen Wesen, in solcher Freiheit von aller Erotik, wie der
griechische Eros selbst bei Platon sie nicht vollkommen erreichen
konnte. Diese Liebe zu Gott, die alle Gewalt der Leidenschaft hatv
klagt und jammert und jauchzt und jubelt; die mit ihren Tränen
die Lagerstätte netzt., und der die Eingeweide brennen. Diese Liebe
wird doch niemals von einem Reize angewandelt, der die Keuschheit
entstellt und die Unschuld auf hebt. Ein so schwieriges Problem,,
das von allen dämonischen Schwierigkeiten umzingelt wird, konnte
nur durch die schlichte Wahrhaftigkeit eines Glaubens gelöst werden,
für den es keinen Zweifel und keinen Bedeutungswandel geben kann.
‫ ״‬Denn nicht ein Mensch ist Gott (1. Sam. 15, 29)“. Es ist ganz lehr-
reich, daß es in diesem Verse weiter heißt: ‫״‬daß er lügen könnte“.
Wäre er ein Mensch, so könnte er nicht der Gott der Wahrheit
sein. Und; so kann auch der Mensch nur wahrhaftig werden durch
die Wahrheit seines Gottes, der nicht Mensch ist.
Nur mit der bildenden Kunst steht der Monotheismus in ab-
496

solutem Widerspruch; aber die Poesie ist in der Lyrik durch ihn
zu einer Höhe gekommen, welche ohne die Psalmen auch von der
deutschen Lyrik nicht erreichbar erscheinen müßte. Nur die ge-
schichtliche Vermittlung macht die geschichtlichen Rätsel lösbar.
Und da der deutsche Geist den Einfluß der Psalmen nicht verschmäht■
hat, so dürfen diese als die geschichtliche Ursache angesprochen
werden für die Wahrhaftigkeit, welche allein das deutsche Lied in
der Weltlyrik auszeichnet.
Man könnte für die Wahrheit des einzigen Gottes Anstoß nehmen
an dem einzigen Volke, dem er sich offenbart hat. Man könnte
einen Defekt der Wahrheit in der Erwählung Israels vermuten und
demzufolge auch einen solchen in der jüdischen Wahrhaftigkeit.
Indessen ist nun auch von diesem Gesichtspunkte aus die Ent-
Wicklung zu bewundern, welche der Monotheismus im Messianismus
erlangt hat. Das erwählte Volk wird zur erwählten Menschheit.
Der einzige Gott stellt seine Wahrheit wieder her. Und auch Israel
behauptet seine Wahrhaftigkeit. Denn es selbst wird nun zum
Symbol. Der Mensch, das Volk darf Symbol werden, nur nicht der
einzige Gott. Und mit dem Volke Israel wird seine ganze nationale
Geschichte zu einer Symbolik. Ein Symbol wird der Tempel, wie
Zion und Jerusalem. Symbol wird das Volk endlich im Knechte
des Ewigen, dieser letzten Gestalt in der Symbolik des Messias. Denn
auch der Messias ist ein Symbol für die einheitliche Durchführung
des Gedankens vom einzigen Gotte. Und die jüdische Wahrhaftig-
keit erlangt ihren tiefsten und sichersten Halt in diesem Glauben
an den Messias, in dieser Zuversicht auf Erden. Alle Zuversicht
auf die Macht des Guten prägt sich in dem symbolischen Gebete
aus: ' ‫״‬deinen Knecht David laß bald erblühen‫״‬. Oder in dem
anderen Gebete: ‫״‬gelobt seist du Ewiger, der erblühen läßt das
Horn des Heils‫ ״‬. Der Thron Davids ist jetzt in das andere Symbol
übergegangen, welches das Horn des Heils bildet.
Ohne diese Selbstverwandlung des auserwählten Volkes in die
messianische Menschheit hätte sich allerdings die jüdische Wahr-
haftigkeit schwerlich behaupten können. Da jedoch von Anfang an
die logische Kraft der Wahrheit des einzigen Gottes immerfort die
Perspektive auf die• messianische Menschheit offengehalten hat, se
konnte zwar nationale Beschränktheit nicht grundsätzlich ausgerodet
werden, aber die religiöse Wahrhaftigkeit wurde doch nicht angetastet.
Sie blieb immer festgewurzelt in dem Zusammenhang des einzigen
Gottes mit der einzigen Menschheit.
497

Auch dieser messianische Zusammenhang hält die Korrelation


von Gott und Mensch aufrecht. Und er macht daher alle Ver-
mischung von Gott und Mensch für jeden dieser beiden Begriffe so
überflüssig als unmöglich. Die Wahrhaftigkeit des Menschen, nicht
nur die Wahrheit Gottes steht auf dem Spiele, wenn der Satz verletzt
wird; ‫״‬wem wollt ihr Gott vergleichen?“ (Jes. 40, 18). Jesaja
schließt mit dieser Frage nicht nur die Verbildlichung Gottes durch
Dinge aus, sondern auch die Vergleichung mit der menschlichen
Person.
Die religiöse Wahrhaftigkeit schützt auch vor falschen Ver-
hältnisbestimmungen zwischen Religion und Philosophie. Die These:
‫ ״‬credo quia absurdum‫ ״‬wird ganz unmöglich. Ebenso aber wird die
Scheidung zwischen Glauben und Wissen nur für den methodischen j
Unterschied zulässig. Der Unterschied darf nicht zu einem Wider- *
spruch überspannt werden. Nur Unterscheidung, nicht Scheidung
ist anzunehmen. Unser Standpunkt bewährt sich hier. Die Religion
hat Eigenart, keineswegs aber der Ethik gegenüber Selbständigkeit.
Der Anteil, den sie an der Vernunft hat, bindet sie an die Ethik.
Der methodische Zusammenhalt mit der Ethik war immer der
Kompaß der jüdischen Religionsphilosophie. Er ist der Sinn des
Titels, den Saadja seinem Buch gegeben hat:, den man geradezu
mit Glauben und Wissen übersetzen darf (‫) אמונות ודעות‬. Diese ein-
heitliche Tendenz kommt zur klassischen Reife bei Maimonides.
Aber die Vorgänger stehen nicht zurück in dem Freimut ihres Ratio-
nalismus an diesem Hauptpunkte. Bachja sagt: (H erzen sp flic h ten
1 ,2) ‫״‬es ist wahr, wenn der Philosoph sagt, die letzte Ursache
und das letzte Prinzip könne nur der Prophet des Zeitalters seiner
Natur nach oder der kompetente Philosoph verehren“. Und
Joseph Albo macht die Unterscheidung geltend für den Begriff
der Häresie zwischen der Theorie und der Praxis. Die Theorie
gibt er frei. Dadurch soll keineswegs eine doppelte Wahrheit
zugelassen werden, sondern n u r‫ ־‬die Freiheit des Denkens, die
Selbständigkeit der Philosophie wird gewahrt gegenüber dem
Offenbarungsglauben mit seinen Gesetzen. Es kann keine religiöse
Wahrhaftigkeit begründet werden ausschließlich auf den Autoritäts-
glauben; denn dadurch wird die Autorität der Vernunft verleugnet,
die mit Wahrhaftigkeit der Erkenntnis nicht geleugnet werden
kann. Auch für das prophetische Bewußtsein wird die Wahr-
heit Gottes auf die Erkenntnis seiner Heiligkeit, mithin seiner sitt-
32
498

liehen Gesetzgebung gegründet. Die Kollision mit den Gesetzen,


deren sittlicher Grund nicht einleuchtend ist-, ist dagegen nicht als
eine entscheidende Instanz anerkannt worden. Die Wahrhaftigkeit
bietet eine neue Kräftigung dieses durchgängigen Rationalismus.
Der Zusammenhalt der Religion mit der •Vernunfterkenntnis ist
nun auch der. sichere Grund für die Tugend der Wahrhaftigkeit in
allen menschlichen Angelegenheiten, vorab in allen Fragen der
Wissenschaft, in allen Problemen der Forschung. Die Wahrhaftig-
keit setzt ein Fundament der Wahrheit voraus, auf dem sie beruht.
Für den systematischen Zusammenhang aller Fragen der Erkenntnis
rst Gott das Prinzip der Wahrheit. Für die einzelnen Gattungen
der Erkenntnis zweigt sich diese Wurzel der Wahrheit ab in die
Prinzipien der Methodik. Sie wird für die Ethik das allgemeine
Prinzip des Sittengesetzes zur Abzweigung der Wahrheit. Ohne
diese Grundlegung verfällt die Ethik dem Skeptizismus und der
Sophistik, welche der Wahrhaftigkeit den objektiven Grund entreißen.
Für die Politik wie für das Privatleben wird alsdann die Sittlich-
keit- zu einer Illusion oder zu einer Opportunität. Der Vorbehalt
der Wahrheit, den die Ethik auf Grund ihrer Methodik erhebt,
rettet ihr den Vorzug der Wahrhaftigkeit. Wenn anders nun aber
in der Religion Gott zum absoluten Fundament der Wahrheit erhöht
wird, so steigert sich demgemäß ihre fundamentale Bedeutung für
die Sicherung der menschlichen Wahrhaftigkeit.
Wir haben schon im Gebet den Satz der Mischna betrachtet, der
das Psalmenwort von dem Sinnen der Wahrheit im Herzen verwendet.
Die Pflicht der Wahrhaftigkeit wird im Pentateuch durch
das Verbot der Lüge eingeschärft. Und die Lüge (‫ )שקר‬wird auch
Falschheit (‫ )שוא‬und Hinterlist (‫ )מרמה‬genannt. ‫ ״‬Von einem Worte
der Lüge halte dich fern“ (2 M. 23, 7). Dem Satz geht vorher
das Verbot, dem Feinde nicht den Beistand zu versagen, wenn sein
Esel . unter seiner Last- erliegt, und ferner das Verbot, das Recht
des Armen in seinem Streite zu beugen. Und es folgen dem Ver-
bote der Lüge andere auf das Rechtsverfahren bezügliche Vor-‫׳‬
Schriften. Und in dieser negativen Form wird das Verbot auch
mit den anderen Worten für Lüge verbunden (3. Mos. 19. 11).
Aber auch positiv heißt es: ‫״‬redet Wahrheit Einer gegen seinen
Anderen“ (Sach. 7, 9). Der Psalter ist übervoll' vom Abscheu
gegen die Lüge. ‫ ״‬Es mögen verstummen die Lippen der Lüge“:
(Ps. 31, 19). ‫ ״‬Rette meine Seele vor der Lippe der. Lüge“;.
499

(Ps. 120, 2). ‫ ״‬Allen Weg der Lüge hasse ich“ (Ps. 119, 12).
‫״‬Der Lügen redet, bestehe nicht vor meinen Augen“ (Ps. 101, 7).
Endlich das herrliche Wort an den Helden: ‫״‬schreite, reite für die
Sache der Wahrheit“ (45, 5). Auch die Sprüche haben die Wahr-
haftigkeit eingeschärft. ‫״‬Die Sprache der Wahrheit besteht auf
immer“ (Sp. 12,'11). ‫״‬Wahrheit erwirb und verkaufe sie nicht“
(ib. 23, 23). ‫״‬Ein Greuel des Ewigen ist die Lippe der Lüge“
(ib. 12, 22). Herrlich ist auch das Wort: ‫״‬Wahrheit wird hervor-
sprossen aus der Erde“ (Ps. 85, 12), und ‫״‬an Wahrheit hast du
Wohlgefallen im Innern“ (ib. 51, 8). Und die Propheten klagen
über das Unrecht im Lande durch die Klage über Lug und Trug.
Die Wahrheit wird dabei in Verbindung gebracht mit der Gerechtig-
heit, wie negativ auch mit der Liebe. ‫״‬Keine Wahrheit und keine
Gerechtigkeit“ (Hos. 4, 1). Die Wahrhaftigkeit wird überall in der
Schrift als das Fundament der Frömmigkeit erkannt.
Die Rücksicht auf das Recht, welches die Zeugenaussage und
den Eid fordert, verband sich mit der religiösen Ehrfurcht vor Gott,
durch dessen Anrufung der Eid vollzogen wurde, um auch durch
-diese gerichtliche Form der Aussage die Pflicht der Wahrhaftigkeit
zu verstärken. ‫״‬Schwört nicht bei meinem Kamen zur Lüge“
(3. Mos. 19. 12). Dieses Verbot ist im Dekalog nach der rabbini-
sehen Auffassung der Sinn des dritten der zehn Gebote. Hier aber
tritt das andere Wort für die Falschheit ( ‫ )שוא‬ein. Der Eid
selber aber ist ja nur die Verstärkung der Aussage, und er beruht
daher auf der Wahrhaftigkeit, die auf die angerufene Wahrheit
Gottes gegründet wird. Indessen wird die Wahrhaftigkeit auch auf
die Persönlichkeit des Menschen gegründet, welche die Seele vertritt,
die wiederum auch durch die Ehre vertreten wird. Die Ehre aber
ist selbst nur ein Ausdruck für den Wert, für die Würde des
Menschen. Die Lüge verfälscht in der Aussage, in der Sprache die
Ehre des Sprechenden, des in der Sprache seine Seele bezeugenden
Menschen. Die Ehre ist der Affekt, der die Wahrheit von Gott auf
den Menschen überträgt, auf den Mitmenschen und auf das Selbst
des Menschen.
Der Talmud hat die Schärfung des Gewissens für strenge Wahr-
haftigkeit durch ein Verbot angestrebt, welches schon durch seine
Benennung erziehlichen ■Wert hat: den Diebstahl der Meinung.
( ‫(גניבת דעת‬. ‫ ״‬Es ist verboten, die Meinung der Geschöpfe zu be-
stehlen, sogar die des Götzendieners“ (Chul. 94 a). Und Jona;
32*
500

Gerondi erklärt: ‫״‬diese Sünde gilt schwerer bei den Weisen Israels
als die Beraubung des Götzendieners. Und wir sind verpflichtet
auf die Umzäunung der Wahrheit (Wahrhaftigkeit), denn sie ist;
eines der Fundamente der Seele“ (‫; היראה‬d). Bei den harmlosesten
Dingen gilt es daher als Diebstahl, wenn in Bezug auf sie eine falsche-
Meinung erweckt wird. An der Meinung, an einer indifferente!!
Ansicht kann Diebstahl begangen werden. Jede Täuschung ist
Diebstahl. Es gibt der Wahrhaftigkeit gegenüber keine gleich-
gültige Äußerung. Sie ist ein .Fundament der Seele, und die Seele
wird erschüttert, wenn auch nur in irgend einer Meinung eine-
Täuschung begangen wird. Das ist der hohe Wert dieser rabbinischen
Steigerung des biblischen Gebots der Wahrhaftigkeit: daß eirt
Gleichgültiges (döiäcpoQov) vor dieser strengen Ethik nicht zu-
lässig wird.
So lautet ein fernerer Ausspruch des Talmud: ‫״‬wer sein Wort
wechselt‫־‬, der ist, als ob er Götzendienst übte“ (Sanhedrin 92 a). Und
ein anderer (häufig vorkommender) Ausspruch lautet: ‫״‬wer bestraft
hat die Menschen des Zeitalters der Sintflut und des Turmbaues,,
der wird bestrafen denjenigen, der nicht besteht auf seinem Worte-
(Baba mez. 48 a)“. So wird hier die Unwahrhaftigkeit dem Götzen-
dienst gleichgestellt, und ihre Vergeltung mit derjenigen, welche in
der Vorgeschichte die menschlichen Frevler erreicht hat. Keine
Kasuistik und kein Probabilismus schützt hier die absolute Sünde
der UnWahrhaftigkeit, die teils dem Götzendienst, teils den Vor-
Stadien der religiösen Kultur zugerechnet wird.
Die Ehre ist der bewegende Affekt des reinen Willens, der alle
Stufen des Menschenbegriffs bis zur Menschheit hin zu begründen
hat. Aber innerhalb und unterhalb dieser großen Abteilungen im
Begriffe des Menschen vollziehen sich ferner noch engere Gliederungen
der menschlichen Gemeinschaft. Die Tugendwege müssen sich auch
auf diese relativen Gemeinschaften hin richten; sie können nicht nur
die großen Heerstraßen für das Individuum und für die Menschheit
bahnen. Unter dem Gesichtspunkte des Mitmenschen treten die
mannigfachen relativen Gemeinschaften hervor, wie die Familie,.
Stamm und Volk, Korporationen des Berufes und Verpflichtungs-
verbände von mehr oder weniger verbindendem Charakter; sie alle
bedürfen der Pflege durch die‫ ־‬Tugend. Der Affekt, der den Willen
bei diesen Tugenden zweiten Grades leitet, ist die Liebe, welche von
der Bibel für alle Tugenden angenommen wurde. Wir haben die
501

«Gefahren beachtet, welche durch diese Alleinherrschaft der Liebe


unvermeidlich sind. Dagegen wird die Liebe, wenn ihr Geltungs-
bereich eingeschränkt wird, zu einem Bewegungstriebe von eminenter
Bedeutung.
Die Wahrhaftigkeit ist eine absolute Tugend. Sie darf niemals
verletzt werden. Dennoch aber stellt sie Anforderungen an den
Menschen, welche das Menschenmaß zu übersteigen scheinen. Es
is t nicht etwa die Kasuistik der Notlüge, welche eine unüberwindliche
Schwierigkeit bildet, sondern innere Gefahren stellen sich der unbedingten
Anwendung der Wahrhaftigkeit entgegen. Die Wahrhaftigkeit beruht auf
■der Wahrheit. Welches Individuum aber kann Gewißheit von der Wahr-
heit haben? Sind nicht die Bedingungen unerfüllbar, an welche die
Feststellung der Wahrheit für jeden einzelnen Fall geknüpft sind?
Die Wahrhaftigkeit gebietet, unverzagt für die Wahrheit einzutreten
und unbeirrbar gegen die Unwahrheit aufzutreten. Wer aber kann
die Gewißheit seines Wissens von sich behaupten, welche positiv,
vüe negativ den sachlichen Grund der Wahrhaftigkeit bildet? Die
Mangelhaftigkeit des menschlichen Wissens, die Enge und Zer-
Splitterung des Bewußtseins scheinen die Bedingung hinfällig zu
machen, auf der die Wahrhaftigkeit beruht.
Ein Erlaß der Tugend ist ein unmöglicher Gedanke. Die Wahr-
haftigkeit gilt unbedingt und uneingeschränkt. Da jedoch ihre
sachliche Voraussetzung ein durchgängiges Problem ist, so fordert
sie, nicht etwa als eine Ausnahme sondern vielmehr zu ihrer Be-
stätigung und Sicherung, eine Ergänzung, die selbst auch eine Weise
der Wahrhaftigkeit sein muß, wenngleich nicht eine absolute, sondern
nur eine subjektive und daher relative. Die Wahrhaftigkeit scheint
erschüttert durch die Mangelhaftigkeit des menschlichen Wissens,
durch einen dauernden Defekt des Bewußtseins, daher muß dieser
Defekt ergänzt werden. Es muß buchstäblich zur Wahrheit gemacht
werden, daß aus der Not eine Tugend werde. Aus der Not, welche
die Wahrhaftigkeit erleidet, kann nur eine Tugend retten, welche
die subjektive Schwache zur Erreichung der Wahrheit in Wahrhaftig-
keit anerkennt. Diese Tugend ist die ^Bescheidenheit.
Die Bescheidenheit darf und kann mich nicht von der Tugend-
pflicht der Wahrhaftigkeit entbinden, aber sie öffnet mir einen Auswreg,
der nicht etwa eine Hintertür ist, um meine subjektive Unzulänglich-
keit der objektiven Wahrheit gegenüber zu umgehen oder zu ver-
schieiern. Die Bescheidenheit kürzt mir meine Ehre nicht, aber
502

sie läßt in der Nachsicht mit meiner Schwäche, wie mit der meines
Mitmenschen, die Liebe vorwalten vor der strengen Ehre. Die Liebo
läßt Nachsicht üben mit meiner Schwäche und Unzulänglichkeit,-
wie in der Beurteilung des Mitmenschen mit seinen entsprechenden
Mängeln. So wird die Bescheidenheit zu einer Stütze meiner
Menschenliebe, wie meiner eigenen Selbstachtung, deren ich in den
mannigfachen Stadien meines sittlichen Selbstbewußtseins mannigfach
bedarf, bevor der große Bußweg in der Versöhnung mit Gott seinen
Abschluß findet. Auf diesem großen Wege muß ich mannigfach
versuchen, mich mit mir selbst zurechtzufinden. Und dazu bedarf
|ich der Selbsterkenntnis der Bescheidenheit, die vor den großen
‫ ן‬Fragen mich zur Demut^ führt. Bescheidenheit und Demut werden
so zu Hilfen der Wahrhaftigkeit. In ihnen besteht die relative-
Tugend zur absoluten der Wahrhaftigkeit.
Was zunächst die Verbindung der Wahrheit mit der Liebe be-
trifft, auf welcher die Ergänzung der Bescheidenheit zur Wahrhaftig«
keit beruht, so waren wir schon aufmerksam auf die vielfache
Verbindung dieser beiden Begriffe in den Eigenschaften Gottes►
In den Psalmen heißt es: ‫״‬Liebe und. Wahrheit begegnen sich
(Ps. 85, 11) oder, ‫״‬küssen sich“ (ebendas.). Die Demut kann
im direkten Ausdruck nicht von Gott ausgesagt werden, umso
charakteristischer ist die Aussage bei Mose. ‫״‬Und der Mann Mose
war sehr demütig von allen Menschen, die auf der Oberfläche der
Erde sind.“ (4. Mos. 123 ‫)י‬. Keine geistige oder seelische Eigen-
schaft sonst rühmt der Pentateuch von Mose, außer seinem pro‫־‬
phetischen Verhältnisse zu Gott; unter allen menschlichen Eigen-
schäften aber wird seine Demut bezeugt. Ein höheres Zeugnis von
der Bedeutung der Demut im Urteil der Schrift kann nicht gedacht
werden. Die Demut allein schützt den Menschen vor der Gefahr
des Stolzes auf seinen Menschenwert, der doch nur erst gegründet
wird in seiner Gottesfurcht, in seiner Unterwerfung unter die Wahr-
heit Gottes.
Der viel zitierte Ausspruch Michas gewinnt von dieser Einsicht
aus eine neue Bedeutung. Der Ewige fordert vom Menschen nicht
nur ‫״‬Becht zu üben und die Liebestätigkeit zu lieben“. Auch
dieser scheinbare Pleonasmus ist bedeutsam. Beim Becht genügt esr
es zu üben; bei der Liebestätigkeit genügt die Tat nicht, auch nicht
die Gesinnung der Pflicht; hier wird noch die Liebe gefordert. Die
Liebestätigkeit darf nicht nur aus Pflicht geübt werden: sie muß
503

aus der Liebe erblühen. Die Pflicht verwandelt sich hier in Liebe;
oder die Ehre verwandelt sich in Liebe. *
Nun aber bleibt es [nicht bei diesen Forderungen für den
Propheten], sondern er fügt noch hinzu: ‫״‬und demütig zu wandeln
mit deinem Gotte“. (Micha 6, 8). Der Prophet läßt es nicht be-
wenden bei den Forderungen, Gott zu lieben und zu ehrfürchten,
sondern, wie er sich an die Natur des Menschen wendet, so ergreift
er diese in der Demut, als ob er in ihr den tiefsten Grund des
Menschen erfaßte. Und er nennt auch nicht schlechthin die Demut;
es erklärt sich so vielleicht auch, daß sein Ausdruck nicht lautet:
vor Gott, sondern ‫״‬mit Gott“.' Bei jeder Kelation mit Gott ist
Demut die Voraussetzung für den Menschen. Unter dieser Be-
dingung kann sich die Korrelation zwischen Mensch und Gott recht-
fertigen, aber der Pantheismus widerspricht dieser Demut. Und sie
widerlegt daher auch jede Assoziation des Menschen im Gottesbegriff. •
Es ist nicht etwa als ein Widerspruch hiergegen zu betrachten,
sondern vielmehr als Bestätigung, daß der Talmud, worauf wir
schon Bezug genommen hatten, der Größe Gottes in der Schrift
immer zugesellt erklärt seine Demut. Sie wird daher, ebenso wie
die Liebe, eine Ergänzung zur Wahrheit Gottes. Wenn wir aber
die Beispiele beachten, welche der Talmud in jener in da,s Gebet
des Sabbatausgangs aufgenommenen Stelle anführt, so sind es immer
die sittlichen Eigenschaften Gottes, vermöge deren er die Niedrigen
und Gedrückten beschirmt, den ‫ ״‬Geist der Niedrigen belebt“, den
Fremdling liebt, Vater der Waisen und Anwalt der Witwen ist. Gott
liebt die Gedemütigten, darin besteht seine Demut.
Diese Erfindung einer neuen göttlichen Eigenschaft beweist mit
besonderer Überzeugungskraft, daß die Attribute überhaupt .die;
Musterbilder der menschlichen Sittlichkeit sind. Im buchstäblichen
Sinne kann man ja die Demut nimmermehr als eine Eigenschaft
Gottes denken, wie seine Gerechtigkeit, und seine Liebe. Aber was
Eigenschaft Gottes genannt wird, ist gar nicht Eigenschaft im
logischen, sondern nur im ethischen Sinne. Das Attribut steht nicht
im logischen Verhältnis zur Substanz, sondern vielmehr nur im
ethischen Verhältnisse zur Substanz des Menschen. Nur in dieser
Bezogenheit auf den Menschen kann die Mischna, die Demut Gottes
denken. Im Grunde kann aber auch die Gerechtigkeit nur so bei
Gott gedacht werden. Diese Belehrung ist dieser Mischna von der
Demut Gottes zu entnehmen.
504

So läßt es sich auch verstehen, daß die Mischna in Aboda sara


der Demut denselben Vorrang einräumt, den die Mischna in Sota
dem Studium der Thora zuweist. Oder der frommen Liebesbetätigung.
Und Maimonides steht ganz in Übereinstimmung mit der Mischna,
indem er die Demut zur Kardinaltugeud macht, und in einem er‫־‬
greifenden Reisebericht eines Schiffsreisenden veranschaulicht er die
Pflicht dieser Tugend gegenüber den schwersten Kränkungen und
Beschimpfungen. In dieser Charakteristik*‫ ״‬der Demut unterscheidet
sich die jüdische Ethik von der griechischen, sowohl der klassischen,
wie der nachklassischen.
Die Propheten haben hier den Weg gewiesen, dem die
Psalmen und die Sprüche sich angeschlossen haben. ‫״‬Suchet Ge-
rechtigkeit, verlanget nach Demut“ (Zephania 2, 3). In dem oben
angeführten Psalmvers: ‫״‬Gürte dein Schwert um die Hüfte, du
Held, deinen Glanz und deine Hoheit!, dringe durch, fahre einher
für Wahrheit“ wird noch hinzugefügt‫״‬und gerechte Demut“ (Ps. 45, 5).
‫״‬Und der Ehre geht Demut voran“ (Sprüche 15, 33; 18, 12). So
wird in der Volksmoral die Demut gewertet.
Das wichtigste Zeugnis aber für diese Schätzung der Demut
liegt in der Wendung und Fassung, welche der Messianismus für
seinen Abschluß genommen hat. D er. Messias wird gleichgesetzt
mit dem Frommen. 'So sagten wir bisher. Die genaue Übersetzung
aber hat für die Frommen einzusetzen die Demütigen. Wie die
Armen, das soziale Urbild der Demütigen, zum Idealbild der Frommen
werden, so ist diese Wandlung der Bedeutung auch für die Demütigen
zu beachten. Nicht allein die Armen werden zu den Frommen,
sondern erst durch die Vermittlung der Demut, die sich in den
Armen darstellt, bezeugt sich in ihnen die Frömmigkeit. So wird
die Demut zum seelischen Fundament der messianischen Menschheit.
Nicht anders kann sich der Beruf des Menschen, die Zukunft der
Menschheit erfüllen als dadurch, daß jeder Mensch für sich selbst
und jedes Volk für sich selbst nach Demut strebe. Alles Heldentum
des Menschen ist hinfällig, alle Weisheit und alle Tugend des
Menschen bleibt ohne die letzte Probe, wenn sie nicht durch die
Demut geliefert wird. Da gibt es keine Ausnahme, für keinen
Menschen, für kein Volk und für kein Zeitalter. Mag die Kultur
sich noch so hoch entwickeln, so wird doch das Menschenherz und
der Menschengeist selbst in seinem höchsten Streben und Gelingen
niemals dieser Tugendhilfe entbehren können. Maimonides hat Recht,
505

auch als Psychologe, wie als Ethiker, indem er sich an die Mischna
hält, welche die Demut zur Kardinaltugend macht. Abgesehen von
der messiansichen Identität, abgesehen von dem sozialen Vehikel der
Armut, ist rein ethisch für die Anwendung auf die psychologische
Natur des Menschen die Demut gleichwertig mit der Pflicht.
Deuterojesaja hat Recht in seinem Selbstbewußtsein: ‫״‬weil der
Ewige mich gesalbt hat, zu künden den Demütigen“ (61, 1). Und der
ganze Psalter ist der Notschrei der Demütigen, aber auch die Zu-
versieht der Demütigen. ‫״‬Er wird die Demütigen krönen mit Heil“
(149,4). Die Demut wird schlechthin zur Frömmigkeit, daher zum
Seelengrund des messianischen Bewußtseins.
Und was die Demut gegen Gott bedeutet, das ist zugleich die
Bescheidenheit vor dem Menschen. Das jüdische Bewußtsein fühlt
keinen Unterschied zwischen Demut und Bescheidenheit. Wer Demut
vor Gott hat, hat Bescheidenheit vor dem Menschen. Und man
kann auch gar nicht anders Bescheidenheit vor den Menschen haben
als auf Grund der Demut vor Gott. Das menschliche Selbstbewußt-
sein ist von zu viel verstrickenden Gefahren des Selbstgefühls um-
zingelt, als daß es die Bescheidenheit bewahren und behaupten
könnte, wenn sie nicht gerichtet wird durch die Demut vor Gott.
Vor Gott sind ‫״‬alle Menschen gleich. Da gibt es nicht hoch und
niedrig. Vor Gott sind alle Helden nichts und alle Weisen wie
ohne Einsicht, und die Männer des Ruhms, als wären sie nicht
gewesen“. So lauten die Worte im Frühgebet, dem wir schon manche
fromme Weisheit entnommen haben. Und daher ist es auch nicht
übertrieben, wenn das Schlußgebet der Schemone Esre lautet: ‫״‬und
meine Seele, wie Staub sei sie allen“. Der Staub-erinnert an das
Ende alles Menschenglücks. ‫״‬Von Staub bist du und zu Staub wirst
du“. An diesen Staub des Ursprungs und des Menschenendes soll
die Seele gemahnt werden. In dieser Weisheit vom Ursprung und
vom Ende des Menschenlebens begründet sich die Demut als eines
der Fundamente der Seele, und demgemäß als das Fundament der
Frömmigkeit, als der erste Tugendweg zur Annäherung an Gott.
Kapitel XVIII.
Die Gerechtigkeit
ist die zweite Tugend ersten Grades. Sie steht obenan unter den
Eigenschaften Gottes. ‫ ״‬Gerecht ist der Ewige in allen seinen Wegen
und liebevoll in allen seinen Handlungen . . . deine Gerechtigkeit
ist ewige Gerechtigkeit“. (Ps. 119, 142). Die Gerechtigkeit ist der
Heiligkeit gleich. ‫ ״‬Und der heilige Gott wird geheiligt dureh
Gerechtigkeit“ . (Jes. 5, 16). Die Gerechtigkeit ist das Attribut des
Messias. ‫״‬Und es wird sein Gerechtigkeit der Gurt seiner Lende“
!(Jes. .11, 5). Das Aufhören der Kriege ist das negative Kennzeichen
(des messianischen Zeitalters; das positive aber ist auch subjektiv im
j Lernen und in der Gewöhnung die Gerechtigkeit. ‫״‬Sie werden nicht
den Krieg lernen (Micha 4, 3). Positiv; heißt es: ‫"״‬Gerechtigkeit
lernen die Bewohner der Erde“ (Jes. 26, 10). So wird die Gerechtig-
keit zum Kennzeichen des messianischen Zeitalters.
Aber zum absoluten Gebot hat der Pentateuch die Gerechtig-
keit gemacht: ‫ ״‬Gerechtigkeit, Gerechtigkeit sollst du nachjagen“
(5. M. 16, 20). Sie wird auch hier zum fundamentum regni.
Freilich tritt eine Homonymie für das hebräische Wort (‫)צדקה‬
mit der Frömmigkeit überhaupt ein. Aber gerade auch dieser . Be-
deutungswandel beweist die Grundkraft der Gerechtigkeit. Sie
schwächt sich nicht etwa ab in der Wohltätigkeit, sondern sie uni-
versalisiert sich vermittelst dieser sozialen Tugend zur Frömmigkeit
überhaupt. Denselben Prozeß, den wir bei der Armut und der
Demut verfolgen konnten, gewahren wir auch hier bei der Gerechtig-
keit und der Wohltätigkeit. Und wie die Demut, so wird auch die
Gerechtigkeit durch •dieselbe soziale Vermittlung zur Frömmigkeit
schlechthin.
Die Demut wird nicht bezweifelt als eine tatsächliche Tugend;
denn der Arme stellt sie dar. Aber die Gerechtigkeit? ‫ ״‬Ein Mensch
507

ist nicht gerecht auf Erden“ (Koh. 7, 20). Mit der Gerechtigkeit
wird die Frömmigkeit überhaupt zum Ideal des Menschen. Diese
Sentenz formuliert die Spruchdichtung: ‫ ״‬der Gerechte ist da&
Fundament der Welt“ (Spr. 10, 25). Endlich schließt mit dem
Bilde der Frömmigkeit das Idealbild ab, welches Deuterojesaja an
die Stelle des Fastens setzt. ‫״‬Und es wird vor dir hergehen deinn
Gerechtigkeit, die Herrlichkeit des Ewigen wird dich einsammeln“
(Jes. 58, 8). Hier wird die Gerechtigkeit zum Dokument, zur
Legitimation für die Aufnahme in den Bund des ewigen Lebens.
Wie die Gerechtigkeit das Fundament des Staates und der
Schwerpunkt der sozialen Ethik ist, so wird sie auch zum Rechts-
prinzip und zur Norm der bürgerlichen Rechtschaffenheit. Sie‫־‬
wird das Grundmaß für Maße und Gewichte (3. Mos. 19, 36).
Die Gerechtigkeit ist das Prinzip der Gerichtsverfassung, welche-
den Grundstein der noachidischen Gesetzgebung bildet. ‫״‬Ihr sollt
Gerechtigkeit richten zwischen dem Menschen und seinem Genossen“.
(5. Mos. 1, 16). Über nichts klagen die Propheten mehr als über das
falsche Gericht. Daher machen sie Gott zum Anwalt des Fremdlings,
der Waise und der Witwe. Auf der Gerechtigkeit beruht die‫׳‬
jüdische Theokratie, beruht deren Möglichkeit, weil sonst die-
Religion nicht identisch werden könnte mit der Staatsverfassung,
weil sonst Gott nicht König sein könnte in Israel, nicht König‫־‬
werden könnte in der Menschheit, in der ganzen Erde. Alle Zwei-
deutigkeiten, die mit dem Begriffe der Theokratie verknüpft sind,
werden gehoben durch die Gleichheit des Prinzips der Gerechtigkeit
für die Religion und für den Staat. Die Gottesverehrung fordert
ebenso die Gerechtigkeit, wie sie die Grundnorm ist für alle Staats‫־‬
Verfassung. In der Gerechtigkeit wird jeder Staat zur Theokratie,]
wird der Begriff der Religion verwirklicht im Staate. 1
Es ist charakteristisch, daß Samuel, der zugleich Richter und
Prophet war, in dem sich daher die Theokratie gleichsam personi‫־‬
fizierte, an das Königtum abdanken mußte, in welchem sich der
Richter vom Propheten schied, wodurch die Personifikation der Theo‫־‬
kratie aufgehoben wurde. Und ebenso charakteristisch ist es, daß Samuel
in seiner Abschiedsrede an das Volk sich für seine Amtsführung
auf kein Moment so sehr berief, wie auf seine Gerechtigkeit und
seine Rechtschaffenheit: ‫״‬Wessen Ochsen oder wessen Esel habe ich
.weggenommen? Wen habe ich bedrückt, wem Gewalt abgetan? Von
wem habe ich Sühnegeld . . genommen?“ (1. Sam. 12, 3).
508

Das Prinzip der Gerechtigkeit hat die Relativierung des Eigen-


tums zur Folge gehabt, dieses Bollwerkes des Egoismus, des Eudä-
monismus, des Opportunismus und aller anderen Gegensätze zur
religiösen Sittlichkeit. Es hat das Sabbatgesetz hervorgebracht nebst
der symbolischen Erweiterung der Siebenzahl auf die Felder, das
Erlaßjahr für die Schulden, das Jobeljahr für den Grundbesitz, wie
-alle die anderen Aufhebungen der Privilegs des Eigentums an der
Ernte und am Nachwuchs. Der religiöse Schwerpunkt dieser ge-
samten Sozialgesetzgebung wurde befestigt durch die Verkündigung
des Jobeijahres am Versöbnungstage. So wurde die Versöhnung
zur Losung der sozialen Freiheit.
Auf die Spitze getrieben wurde das Prinzip der Gerechtigkeit
durh die Sklavengesetzgebung, für welche die Devise sein sollte:
.,,Zahn um Zahn“ ! Damit würde dem Mißverständnis und der Ver-
leumdung, welche unausrottbar mit dem Schlagwort: ‫״‬Aug’ um Auge“
getrieben wird, der Zahn ausgebrochen. Der Sabbat ist nicht sowohl
des Menschen wegen da, wie es im Talmud (Mechilta) und im
Evangelium (Marc. 2, 27) heißt, sondern vornehmlich des Sklaven, des
Arbeiters wegen. Und dieser Sabbat bezeichnet zugleich die Vollen-
düng der göttlichen Weltschöpfung. Er ist der Inbegriff aller
Gebote. Und alle Gebote und alle Festesfeiern stehen unter dem
Wahrzeichen: ‫״‬zum Andenken an den Auszug aus Ägypten“. So ist
die ganze Thora ein Andenken an die Befreiung aus der ägyptischen
Sklaverei, welche als die Wiege des jüdischen Volkes nicht beklagt,
geschweige verdammt, sondern in Dankbarkeit gefeiert wird.
Diese wahrhaft ethische Gerechtigkeit, welche die Verbindung
der Begriffe ‫ ״‬Gerechtigkeit und Liebe“ ( ‫ ) צדקה והסד‬verständlich
machen und begründet, kommt besonders auch im Strafrecht zur
Geltung, schon in der Stellung des Talmud zur Todesstrafe. Auch
der Leichnam des Erhängten fordert Achtung.
Bei der Geißelstrafe heißt es: ‫״‬vierzig Streiche soll man ihn
schlagen, aber nicht vermehren“ (5. Mos. 25, 3). Daher bestimmt
der Talmud 39 Geißelhiebe als das Höchstmaß.
Für reifere Kulturstufen mit Gerichtsverfassung war die Blut-
rache, die primitive Form des Rechtsgedankens, ein Hemmnis und
Widerspruch. Die ‘Errichtung der drei Asylstädte sollte die
Gerechtigkeit aufrechthalten gegenüber der Blutrache. Aber das
heidnische Prinzip des Altarschutzes für den Mörder‫ ־‬wurde auf-
gehoben.
509

Einwanderer^ Bruch mit dem antiken Rechte bildet die Ab-


Schaffung des Lösegeldes für den Mord, die auch auf den Sklaven
erstreckt wurde und auf seine körperliche Verletzung, so daß die‫־‬
Freilassung an die Stelle des Lösegeldes trat (2. Mos. 21,26). Auch
die sonst geltende Erweiterung der Strafpflicht auf die Familie wurde
abgeschafft (5. Mos. 24,16). Abraham betete für Sodom, und Mose‫־‬
für das Volk gegenüber der Rotte Korah. ‫״‬Ein Mensch sündigt,
and über die ganze Gemeinde wollest du zürnen“ (4. M. 16,22)..
Und Abraham schon begründet seine Zuversicht gegen ein solches-
Verfahren Gottes mit der xlnrufung: ‫״‬Richter der ganzen Erde“
(1. M. 18, 25). Verletzung der strengen Gerechtigkeit widerspricht
dem Begriffe Gottes als Weltrichter.
Aber auch dem Begriffe des Menschen widerspricht die un-
eingeschränkte Gerechtigkeit, als Strafgerechtigkeit. Daher muß der
Leichnam des Erhängten herabgenommen werden. Und nach Ver-
wesung des Fleisches wurden die Gebeine in der Familiengruft bei-
gesetzt (2. Sam. 21). Und nach erlittener Geißelstrafe wird der
Bestrafte als Bruder restituiert (Makkot 23, a). Vor der Hinrichtung
wurde dem Verbrecher ein Becher mit Wein und Weihrauch zur
Betäubung gereicht.
Es ist nicht nur sprachlich, sondern für die gesamte innerliche
Entwicklung des biblischen und des rabbinischen Judentums ein.
schwer verständliches Faktum, daß die Zedaka einerseits als
Gerechtigkeit mit der Liebe verbunden wird, und kraft dieser Ver-
bindung zum universellen Ausdruck der Frömmigkeit wird^ anderer-
seits aber zur Identität mit der Liebestätigkeit des Almosens ein-
geengt wird, so daß ihr eine andere als eigentliche Liebestätigkeit
(‫ ) גמילות חסד‬übergeordnet wird.
Und ebenso ist es auffällig, daß der Talmud die Gerechtigkeit
in der Rechtsgesetzgebung übertreffen läßt durch ein Rechtsverfahren
der Billigkeit (‫)לפנים משורת הדין‬. Und diese Höherstellung der letzteren
Rechtsform geht so weit, daß die Zerstörung Jerusalems zurück-
geführt wrird auf die Verletzung dieser Selbstkorrektur der Ge-
rechtigkeit (Bab. mez. 30b).
In allen diesen scheinbaren Anomalien prägt sich unser Gedanke
aus, daß die absolute Tugend der Gerechtigkeit ergänzt werden
müsse durch eine relative, welche nicht, wie jene durch den Affekt
der Ehre, sondern durch den Affekt der Liebe belebt und gespornt
510

wird. So erklärt sich die Verbindung der Begriffe Liebe und Ge-
rechtigkeit bei Gott, wie beim Menschen. ‫״‬Ich der Ewige rede Ge-
rechtigkeit, verkünde Billigkeit“ (Jes. 45, 19). ‫״‬Der Liebe, Becht
und Gerechtigkeit übt im Lande“, denn an diesen habe ich Wohl-
gefallen Spruch des Ewigen (Jer. 3, 20).
Auch die Verbindung mit dem Frieden, auf die wir später noch
eingehen werden, ist hier zu berücksichtigen. Zumal der Talmud
mit diesem Terminus in der Formel ‫״‬wegen der Wege des Friedens“
{‫ ) מפני דרכי שלום‬eine analoge Einschränkung der Gerechtigkeit durch
führt, wie mit der Billigkeit in dem soeben betrachteten Terminus.
Dennoch bleibt die Gerechtigkeit mit der Gerichtsverfassung
das absolute Fundament des Staates und jeder sozialen Gemeinschaft,
als deren oberstes Prinzip. Es ist daher charakteristisch für die
Propheten, daß sie sich für das Armenrecht nicht auf Liebe und Er-
barmen berufen, sondern auf die Gerechtigkeit. Auch für den Ver-
brecher selbst ist die Gerechtigkeit die wahrhafte Liebe. Die Ge-
rechtigkeit rettet dem Verbrecher seine Verantwortlichkeit und in
dieser seine Menschenwürde. Andererseits aber entdeckt die Ge-
rechtigkeit, welche die Seelenzustände des Menschen prüft und deren
Beeinflussung durch Mitwelt und Umgebung, den Kontrollgedanken
der Schegaga, welche eine Versöhnung alles Unrechts herbeibringt,
die wirksamer ist und wahrhafter selbst als alles Opfer und auch als
alle Buße. Im Prinzip der Schegaga ist auch der Anteil des Milieus
mitinbegriffen in der Sünde des Individuums.
Auch hier müssen wir auf den wundersamen Gedanken zurück-
kommen, durch den der Messianismus seine Krönung erlangt hat:
den Gedanken vom Gottesknecht. Dieser wird zum Stellvertreter
des Leidens und damit zum Symbol einer Strafreform überhaupt.
Ursprünglich war die Stellvertretung bei der Strafe schon durch
*den Mosaismus verpönt. Und Jecheskel überträgt diese Ablehnung
‫׳‬der Stellvertretung von der Strafe auf die Sünde. Dennoch aber
bleibt es ein richtiger Satz der Erfahrung, den die primitive
Form auch des Mosaismus festhält in der ursprünglichen Fassung
‫׳‬des Satzes: er ahndet die Schuld der Väter an den Kindern“.
Die Kinder sind aber doch unschuldig. Und ihre Schuld wird doch
für sie, als Kinder, eher kleiner als größer, ‫״‬wenn auch sie mich
hassen“. (2. Mos. 20, 5)
Was hilft dagegen aller Nachdruck und alle Steigerung in dem
Nachsatz, der die Liebe bringt auf die Tausende, vollends wenn
511

auch hier nur die notwendige Bedingung ‫״‬denen die mich liebend
geltend gemacht wird. .
Die ganze Mythologie von der Erbschuld und von dem Leiden
als Strafe, konnte nur entwurzelt werden durch den kühnen Axthieb,
zu dem die soziale Einsicht den Mut verlieh. Die Strafe Gottes
würde Unschuldige treffen, wenn das Leiden schlechterdings nur
Strafe wäre. Die eigentlichen Träger des Menschenleids sind die
Armen (‫)עניים‬. Daher muß die Strafe Gottes einen anderen
Sinn haben, als daß sie nur Leiden verhängte. Daher muß auch
das Leiden anderen Sinn haben, als daß es nur als Strafe zu be-
urteilen wäre. Das Leiden ist nicht Strafe. Das Leiden der Menschen,
welches als das soziale Leiden der Armen hauptsächlich zu würdigen
ist, steht unter der Hand Gottes. Und Gott ist, als Gott der Ge-
rechtigkeit, zugleich der Gott der Liebe. Gerechtigkeit und Liebe
sind Wechselbegriffe im Wesen Gottes. Das Leiden der Armen be-
ruht auf der mit der Liebe vereinigten Gerechtigkeit Gottes. Die
Gerechtigkeit ist Liebe, keineswegs ausschließlich Strafgerechtigkeit.
So wird die Gerechtigkeit, contraponderiert durch die Liebe, zum
Prinzip der Theodizee. So wird die Gerechtigkeit zum Hebel der
Stellvertretung des Leidens, welches von der Strafe getrennt ist.
Die Leiden werden ‫״‬Leiden der Liebe“ ( ‫)ייסורין של אהבה‬. Diese
Theodizee geht dem Propheten bei der Geschichte seines Volkes
auf; mit ihr verklärt sich ihm das Leiden des Exils. Sein Patriotis-
mus wird ihm im Messianismus zu einer Philosophie der Geschichte.
Auch hier bezeugt die Religion ihren eminenten Anteil an der Ver-
nunft. Nicht nur Individuen leiden für ihr Zeitalter, sondern Völker
werden auserwählt, das Volk Israel wird dazu auserwählt, um für
die Menschheit zu leiden. Daß die Erwählung Israels seine Be-
strafung bedeutet, diese Einsicht hatte schon Arnos ausgesprochen.
Aber daß diese scheinbare Bestrafung vielmehr eine Stellvertretung
des Leidens sei, das ist die neue Einsicht Deuterojesajas. Jetzt
schwindet aller Dünkel und allen Verdacht von der Erwählung Israels.
Die Erwählung zur Lehre des einzigen Gottes ist zugleich die Er-
wählung zu dem stellvertretenden Leide für die Götzendiener, wie
für. alle Völker, die noch nicht zur Erkenntnis des einzigen Gottes,
ausgereift sind. Auch dieser Sinn der Erwählung verletzt nicht die
Gerechtigkeit Gottes, die nunmehr in einer universellen Theodizee
der Entwicklung des Menschengeschlechts sich zu bewähren hat.
Auch der Polytheismus hat seinen Kulturwert. Aber trotz allein
512

diesem seinem geschichtlichen Werte bleibt er doch Sünde, für die


er aber nicht schlechthin nur leiden kann, während er des kräftigen
Lebens bedarf für seinen geschichtlichen Beruf. Die Strafe des
Leidens würde ihm die Lebensenergie schwächen, deren er für sein
schöpferisches Geschichtsleben bedarf.
Und ist es hinwiederum nicht das höchste Lebensglück Israels,,
das seine ganze Leidensgeschichte überstrahlt, ‫״‬daß es im Geheimnis
des Höchsten ‫ ״‬sitzt, im Schatten des Allmächtigen nächtigt“ (Ps. 91,1)?
Alle Abrechnungen des Pessimismus mit dem Optimismus, des
Schattens mit dem Sonnenschein, des Unglücks mit dem Glück, sind
ebenso theoretische, wie moralische Eitelkeiten und Nichtigkeiten.
Wie die persönliche, so ist auch die geschichtliche Würde des
Menschen und des Volkes, in dessen Horizont er Mensch wird, durch-
aus erhaben über all sein Erdenreich. Wenn aber nun die Wechsel-
Wirkung der Menschen, der Generationen und ganzer Völker bedingt
ist durch den geschichtlichen Wechselverkehr, den die Lebensmarken
von Freud und Leid vermitteln, so blieb dem Propheten keine tiefere
Einsicht übrig für seine Weltenrechnung mit dem Schicksal seines
Volkes, als daß er sein gewaltiges Leiden verklärte durch diesen
höchsten Gipfel der Gerechtigkeit, den die Stellvertretung des Leidens
bildet. Das höchste Glück Israels, sein geschichtlicher Beruf für
den einzigen Gott, diese seine Bevorzugung, als welche der geschieht-
liehe Beruf gedacht und gefühlt werden muß, wenn er wirksam
werden und bleiben soll, wird nunmehr durch die Stellvertretung
des Leidens ausgeglichen. Israel leidet das Martyrium des Monotheis-
mus. Dieses Martyrium ist wahrlich nicht Strafe; wenn es Leiden
ist, so trifft es eigentlich den Leidenden selbst nicht; denn ihn
stellt ja sein Beruf in den Überschwang alles Erdenglücks. Wenn
dennoch die menschliche Schwäche auch im Lichtstrahl der Sonne
die Schatten fühlt, so können sie nur vom Polytheismus hinüber-
wandern in das von dessen Schrecken befreite monotheistische Be-
wußtsein. - So ist das stellvertretende Leiden keine Ausnahme von
der Gerechtigkeit, weder bei Gott, noch beim Menschen. Die Stell-
Vertretung des Leides bringt nur den Gedanken zur tiefsten Be-
stätigung, daß das Leiden keineswegs nur die Strafe Gottes ist.
Die Gerechtigkeit vollendet sich nicht etwa in der Strafe, aber
allerdings in einem solchen Leiden, welches der Mensch über sich
verhängt erkennt im Berufe der Weltgeschichte, vom Joche des Gottes
reiches, unter dem Bekenntnis des einzigen Gottes der Menschheit.
Die relativen Tugenden sind Bindungen und Einschränkungen des
Selbst in seiner Autarkie und Absolutheit. Wir haben bei der Ge-
rechtigkeit solche Selbsteinschränkungen schon beachtet. Bevor wir
diese weiter ausführen, um sie in einer speziellen Tugend zweiten
Grades zusammenzufassen, wird es zweckmäßiger sein, zunächst die-
jenige absolute Tugend zu entfalten, welche bereits aus der Ge-
rechtigkeit sich hervorgetan hat, insofern diese zum Martyrium sich
ermannt hat.
Kapitel XIX.
Die Tapferkeit.
Da die Tugenden allesamt in den Eigenschaften Gottes enthalten
sein müssen, so kann man fragen, was die Tapferkeit bei Gott be-
deuten könne. Dem Buchstaben nach ist sie freilich verzeichnet.
Gott heißt vielfach in der Schrift der Held und der Mann des
Krieges.
Und die Benediktiönen der Schemone Esre rufen ebenfalls Gott
an ‫״‬als den Großen, den Held (den Mächtigen) und den Ehrfurcht-
baren“. Auch heißt es in den Sprüchen: ‫״‬besser ein Langmütiger
als ein Held“ (Spr. 16, 32). Die Langmut ( ‫ ) ארך אפים‬steht bei
den dreizehn Eigenschaften vor dem Attribut der Liebe und Treue.
Sie ist mithin unter den dreizehn Attributen enthalten. In der
Langmut wird der Heldenmut in höherer Potenz anerkannt. Und
die Psalmen fließen über von dem Lobsingen der Heldentaten Gottes.
‫״‬Wer verkündet die Heldentaten des Ewigen?“ (Ps. 106, 2). So-
mit ist der ausdrücklichen Formulierung Genüge geschehen. Die
Frage bleibt aber trotzdem bestehen, wie der Heroismus als eine
Eigenschaft Gottes gedacht werden könnte, wenn nicht diese Eigen-
schäften allesamt als die Urbilder der menschlichen Sittlichkeit ge-
dacht würden und zu gelten hätten.
Der Held ist auch in der hebräischen Sprache demselben Ge-
danken entstammt, wie die griechische (dQsrrj) und die lateinische
(virtus) Tugend, die beide vom Manne abstammen und ursprünglich
Mannhaftigkeit bedeuten. So auch der’ hebräische Held (‫ )גבור‬und
die Heldenhaftigkeit (‫ )גבורה‬vom Manne (‫)גבר‬. Der Mann bleibt
aber in diesem Sprachgefühl nicht allein im Besitz dieser Helden-
tugend, sondern wie der Held, nachdem er nicht mehr vorzugsweise
der Jägerheld (‫ )גבו ר ציד‬geblieben, sondern der Kriegsheld (‫)גבור מלחמה‬
geworden ist, so wird auch das Weib zum Weibe des Heeres (‫חיל‬
515

‫ י(אשה‬wie der Kriegsheld der Held des Heeres (‫ )גבור חיל‬geworden ist.
Wie aber bei dieser Benennung des Weibes, deren Hymnus den be-
deutsamen Abschluß der Sprüche Salomonis bildet, nicht an ihre
Kriegstüchtigkeit gedacht, wie vielmehr das Heer nur allgemein
als der Macht- und Verwaltungsbezirk der Tapferkeit und der
Pflichttreue gedacht wird, so hat sich dieser Bedeutungswandel im
Begriffe des Heldentums vollzogen, der die Übersetzung dieses
Ehrentitels der Frau in das biedere Weib erwirkt hat. Wie hat
sich dieser Bedeutungsabstieg vollzogen?
In den Sprüchen der Väter heißt es: ‫״‬wer ist ein Held? Und:
•die Antwort lautet: ‫״‬wer seinen Trieb bezwingt“ (‫)הכובש את יצרו‬. I
Jetzt ist der Held sogar zum Asketen geworden. Aber wer seine
Leidenschaft bändigt, ist dadurch nicht Asket, sondern der wahre
Held, der sich von der Sinnlichkeit nicht beherrschen läßt, nicht ihr
Sklave wird, sondern ihr Herr, der daher auch ihre Kräfte gebraucht,
während der Asket durch den Nichtgebrauch der sinnlichen Kräfte
sich negativ zum Sklaven der Leidenschaft macht. Wer die sinn-
liehen Triebe bezwingt, der beherrscht sie und nimmt ihre Sklaven-
dienste an.
Hier berühren sich jüdische und griechische Ethik und bezeugen
die Verwandtschaft, die auf der Gleichheit der Vernunft beruht.
Hier ist die Gemeinschaft der Vernunft erkennbar, welche Sokrates
und Platon in Analogie setzt mit den Propheten. Hier liegen die
Quellen, welche Orient und Occident verbinden, welche von den
Juden in Alexandria als Urströme des Monotheismus betrachtet,
welche hinwiederum innerhalb der Stoa mit gleichartigen Zuflüssen be-
fruchtet wurden. Der Kampf gegen die Souveränität der Sinnlichkeit
ist der Urgeist des Platonismus, der auch die beste Lebenskraft des
Neuplatonismus bildet, von dem die Stoa ihren Schlachtruf her-
genommen hat. Auf diesem Urboden der Vernunft scheinen die
Unterschiede zwischen Monotheismus und Polytheismus zu ver-
schwinden, als wären sie nur sekundäre Differenzen gegenüber der
Alternative: Sinnlichkeit oder Vernunft.
Dennoch aber muß der Monotheismus gerade auch an diesem
Scheidewege der Vernunft seine Spezialkraft bewähren. Und es ist
vielleicht der höchste Triumph des Judentums, auch dem Platonismus
gegenüber, seine sittliche Übermacht aus seiner Gotteslehre herzuleiten.
Dieser Vorzug vor der Platonischen Ethik zeigt sich in allen großen,
wie in den Einzelfragen der Staatslehre, nicht minder aber auch in
33 *
516

den großen Streitfragen der sogenannten Metaphysik, insofern sie vom‫־‬


!Schicksal der Seele handelt. Hier erliegt auch Platon dem Mythos !
zum praktischen Idealis—j
e platonische Tapferkeit )
wird hier zur Weltflucht und zur Erdenflucht in das Jenseits hin-
über, da der Leib schlechterdings der Kerker der Seele sei, und.
hienieden es immerdar ebenso Böse geben müsse, wie die Weisheit
nicht Wurzel schlagen könne unter der großen Menge. Allen diesen.
Vorurteilen, die nur schlechte Konsequenzen richtiger methodischer
Grundbegriffe sind, tritt positiv der Messianismus entgegen, und
negativ die Enthaltung der Zuversicht auf das ewige Leben von allen.
Phantasien über die Strafen im Tartarus. Denn hier ist es die
Überspannung der Gerechtigkeit, welche die Vergeltung Gottes nur
als Strafgerechtigkeit zu fassen, und welche die Strafe nur als ein.
peinvolles, den Körper kreuzigendes Leiden zu denken vermag, weil
die Buße hier nicht in der Versöhnung ihren homogenen Abschluß'
gefunden hat.
Daher hat auch die platonische Tapferkeit nur einen tragischen
Abschluß, wie in der Tragödie der Held untergehen muß, auf daß*
er im Bewußtsein des Zuschauers siege. Hier dagegen lebt der
Held nicht sowohl für sein eigenes Heldentum, sondern, sofern er
Mensch ist, steht er in der Korrelation zu Gott. Er kann daher sein
Menschtum nur leben und verteidigen, als Bundesgenosse Gottes, als
Knecht Gottes, und so auch als Held Gottes. Er steht nicht allein,
sondern immer im Bunde mit Gott. Würde er fallen, so würde mit
ihm die Sache Gottes fallen. Aber ‫ ״‬die Sache unseres Gottes besteht
ewiglich“. (Jes. 40,8). Und so bleibt aus diesem Lichte das
irdische Leben selbst belanglos für den Helden. Hier gibt es keinen
Theaterschluß, kein Ende des Trauerspiels. Es gibt überhaupt kein
Trauerspiel für das religiöse Heldenleben. Das Martyrium hat sich
ja als die stellvertretende Gerechtigkeit erwiesen in dem stell-
vertretenden Leiden. So fließen Gerechtigkeit und Tapferkeit zu-
sammen. Das Martyrium der Gerechtigkeit ist ebenso das Helden‫״‬
tum der Tapferkeit. Die Tapferkeit ist der Triumph des Menschen-
tums, wie die Gerechtigkeit, mit der Liebe gepaart, der Inbegriff der
Attribute Gottes ist.
Nur wegen dreier Gebote muß der Mensch den Tod über sich
ergehen lassen, anstatt sie zu verletzen: wegen Gotteslästerung im
Götzendienste, wegen Mord und wegen Blutschande (Sanhedrin74>)..
517 ‫י‬

Alle anderen Gebote der Thora dürfen hintan gesetzt werden, wenn
^ein irdischer Angriff die Tötung verhängt auf ihre Befolgung. Wenn
dagegen der Götzendienst, Mord oder Blutschande unter Todesan-
drohung gefordert wird, so gebietet der Talmud das Martyrium.
So wird die Tapferkeit zu einer menschlichen Lebenstugend. Denn
über dem Juden in seiner ganzen Geschichte hat das Damokles-
schwert geschwebt, um ihn zum Götzendienst oder zur Verleugnung
seines reinen Monotheismus zu verführen. Man kann daher in
historischer Nüchternheit das Leben der Juden als ein Leben der
Tapferkeit bezeichnen. Es will dagegen nichts sagen, daß das n
Privatleben der einzelnen vielfache Flecken enthalten mag; sie f
ändern nichts an dem geschichtlichen Charakterbild dieser Tugend:
dieser religiösen Menschengruppe. Es hat überall viel Leiden unter ;
den Menschen gegeben, und ebenso viele Märtyrer in verschiedener
Gestalt. Auch der Weise, auch Sokrates hat den Giftbecher trinken
müssen. Er hat aber dabei nur gebüßt für seine philosophische
Lehre und für deren praktische Bedeutung, welche seine Stadt-
genossen ihm zuerkannten. Die Anklageschrift lautete zwar dahin,
daß er neue Götter einführen wollte. Aber diese waren doch nur
Begriffe seiner Theorie, nicht aber geschichtliche Werte. Er selbst
opfert dem Asklepios einen Hahn. So erkennt er selbst den
historischen Wert der vaterländischen Gottheit an. Daher ist auch
sein Martyrium nicht sowohl ein religiöses als ein theoretisches: das
Selbstopfer des Philosophen.
Der jüdische Märtyrer dagegen ist ein Held für den einzigen
Gott Israels, der nicht allein sein Gott, der Gott seiner Theorie und
sei es auch seines Glaubens ist, sondern zugleich der Gott seiner
Väter, der Gott seiner Geschichte, der deshalb auch als der Gott der
Menschheit gedacht werden kann. Die jüdische Tapferkeit ist daher
schlechthin eine Tugend der Geschichte, des geschichtlichen Menschen,
nicht des individuellen. Und der Messianismus bricht dem Nationalis-
mus das Bückgrat-, so daß die Tapferkeit des Juden auch nicht nur
zu einer bloß nationalen Tugend herabgesetzt, werden kann. Die
menschliche Tapferkeit des Juden ist als geschichtliche Tugend, die
menschheitliche Tapferkeit, die Tapferkeit^für die Wahrheit des
religiösen Ideals der Menschheit. Das ist der Lebensnerv dieser
Tapferkeit, daß die Menschheit, die allgemach zu einer ethischen
Idee geworden ist, ihrem Ursprünge im Messianismus gemäß, eine
religiöse Idee ist, die höchste, aber unfehlbare Konsequenz des
. 518

messianischen Monotheismus. Der Stolz dieses seines religiösen Be-


wußtseins ist der Balsam der Demut des jüdischen Helden, des
Märtyrers für die Einzigkeit Gottes.
Die ‫״‬Heiligung des göttlichen Namens“ ist derjenige Terminus,
in welchem alles religiöse Ptlichtenleben zusammengefaßt wird. Wie
die Selbstheiligung der Inbegriff aller religiösen Sittlichkeit ist, so
wird objektiv diese Selbstheiligung bezeichnet durch die Heiligung
des göttlichen Namens. Indem ich mich heilige, heilige ich Gott,
erobere ich mir für mein Bewußtsein die Heiligkeit Gottes. Und
indem ich des Inhalts dieses Gedankens von der Heiligkeit Gottes
mich bemächtige, vollziehe ich meine Selbstheiligung, die nichts
anderes ist als die unendliche Annäherung an die Heiligkeit Gottes.
Demgemäß wird das Martyrium auch genannt ‫״‬die Hingabe des
Lebens an die Heiligkeit des göttlichen Namens“. Und daß hier
der göttliche Name für Gott eintritt, hat den leicht erkennbaren
Grund, daß es sich eben nicht sowohl um die Heiligkeit Gottes
selbst handelt, als um die Heiligung seines Namens durch die An-
erkennung und Bezeugung seines Gedankens und seiner Lehre, mithin
um die Heiligung, welche das Bekenntnis vollbringt. So ist das
Martyrium selbst auch eine geschichtliche Tat, welche das Individuum
nicht für sich, auch nicht für sein Seelenheil auf sich nimmt,
sondern im Dienste der Geschichte. Wie Gott einzig ist. so werde-
dereinst auch sein Name einzig sein. So hofft, so betet der Jude.
Und .wie er in jedem Individuum um dieses messianischen Zieles
willen leidet, so wird er für diesen geschichtlichen Glauben zum
Märtyrer, wenn er ihn unter Androhung des Todes verleugnen soll.
‫ן‬ Es ist wahrlich eine Ironie der Geschichte, die schlechterdings
)nicht ihresgleichen hat, daß die mit dem Tode besiegelte Lebens-
jgeschichte Jesu Christi die hauptsächliche Differenz zwischen Christen-
|tum und Judentum bilden soll. Wie diese Passionsgeschichte nach-
gebildet ist nach der messianischen Phantasie des zweiten Jesaja, so
ist in dieser, wie jetzt allgemein anerkannt ist, vorgebildet die Ge-
schichte vom Beste Israels. Und so ist nach dem poetischen Urbilde
tatsächlich die Geschichte Christi die Geschichte Israels. Die Ge-
Schichtsphilosophie künftiger Jahrhunderte wird dieses Rätsel der
intimsten Geistesgeschichte, so weit sie bis jetzt sich abgespielt hat,
zu betrachten und zu ergründen haben. Uns dürfte es heute seine
hinlängliche Lösung finden in dem Geheimnis des einzigen Gottes,
zu dessen Klärung durchaus freilich auch die gesamte Kultur in
519

allen ihren Völkern und Geisteszweigen mit wirken muß, für die aber,
wie vor Jahrtausenden, so noch am heutigen Tage jeder Jude die Tugend
der Tapferkeit als sein geschichtliches Los auf sich nimmt, mit der
ganzen Lebensfreudigkeit des Todesmutes, mit der ganzen Weltüber-
Windung des ewigen geschichtlichen Lebens für den tiefsten und den
heiligsten Gedanken des menschlichen Geistes. Die stellvertretende
Gerechtigkeit ist die jüdische Tapferkeit.
Kapitel XX.
D ie T r e u e .
Auch für die Treue ist die Homonymie in dem Worte für
Wahrheit (‫ )אמת‬vorab zu beachten. Die Treue beruht objektiv
auf der Wahrheit und subjektiv auf der Wahrhaftigkeit. Dennoch
hat sie sich als eigene Tugend abgesondert in dem Worte, welches
zugleich den Glauben bedeutet ( ‫)אמונה‬. Beide Worte -ent-
stammen der Wurzel, welche Festigkeit bedeutet. Durch die Treue
wird jedes Verhältnis, sowohl das zwischen Mensch und Mensch, wie
das zwischen Gott und Mensch, bekräftigt. Der Bund (‫)ברית‬
ist das Werkzeug der Treue. Daher schließt Gott einen Bund mit
Noah, mit Abraham, mit Israel. Und Gott setzt Bundeszeichen ein:
am Himmel den Begenbogen für die Erhaltung der Natur und
als soziales Bundeszeichen für das Arbeitsverhältnis unter den
Menschen den Sabbat.
Das Gedenken ist demgemäß die psychologische Funktion .der
Treue. So gedenkt Gott des Bundes mit den Vätern. Und Israel
soll der Wohltaten Gottes gedenken. Indem es aber der Befreiung
aus Egypten gedenken soll, wird das Gedenken zugleich zu einer
aktiven Tugend umgeprägt: du sollst gedenken, daß du ein Sklave
warst im Lande Egypten. Durch dieses Gedenken verwandelt es
sich selbst in die soziale Tugend der Fremdenliebe, sowie in die
der milden Behandlung des Sklaven und der Förderung seiner Be-
freiung.
So führt das Gedenken zur Dankbarkeit, welche eine spezifische
Form der Treue ist. Der Dank darT zwar nicht gefordert werden,
aber diese Einschränkung gilt nur für denjenigen, dem die Dankbar-
keit gebührt, nicht aber für den, der sie schuldet. Die Dankbarkeit
ist eine Form der Treue, welche zunächst gegen das eigene Selbst-
bewußtsein zu üben ist, gegen den Zusammenhalt der Gedanken,
Bestrebungen und Gefühle, welche das Menschenherz bewegen, und
welche in Konnex und Gegenwirkung stehen mit den Handlungen
521

md Gefühlen Anderer. Wenn in diesem Wechselprozeß ein Abbruch


ler Gegbnwirkungen eintritt, so ist eine Disharmonie des Bewußt-
?eins unvermeidlich. Die Treue der Dankbarkeit ist daher schon
ius diesem psychologischen Grunde für die Harmonie des Bewußt-
?eins notwendig. Der Psalm drückt dies treffend aus: ‫״‬wenn ich
lein vergäße, Jerusalem, vergesse mich meine Bechte“ (Ps. 137, 5).
Die Bechte steht hier als das Organ des ganzen Menschen. Ver-
*essenheit des Ich wird als Vergeltung herbeigerufen, wenn die Treue
für Jerusalem aufgegeben werden könnte. Und was für die Beligion
gilt, das fordert diese selbst nicht minder für alle Bündnisse und
Verbindungen unter den Menschen.
So stimmt die Bibel überein mit der griechischen Antike in
der Hochhaltung der JPreundschaft. David und Jonathan sind die
Höhepunkte dieser Jugendliebe, die zugleich Heldenverehrung ist.
Und es ist charakteristisch für diese Freundschaft, in welcher
jüdisches und heidnisches Bewußtsein sich mischen, daß es der
legitime Königssohn ist, der dem fremden Thronanwärter seine
schwärmerische Freundschaft widmet. Und sie wird von David er-
widert, wie sein Klagelied beweist, das diese Liebe höher stellt als
Frauenliebe. So erscheint die Freundschaft hier ohne alle störende
Erotik im Lichte eines geistigen Eros, einer Dankbarkeit und Treue
im Herzen Davids.
Es gibt kein eigenes Wort für Freundschaft im klassischen
Hebräisch. Die Freundschaft ist eben die Urform der Liebe. Daher
kann man auch sagen, daß es kein eigenes Wort für Liebe gibt.
Die Liebe ist eben Menschenliebe, die eigentlich nur Freundschaft
sein kann. Und nun kommt die Liebe zu Gott hinzu und gar die
Liebe Gottes zu den Menschen. Auch dieses Wechselverhältnis be-
ruht in der Freundschaft, in der Bundesbrüderschaft. Es ist eben
alles im letzten Grunde nichts anderes als Treue, die bald Freund-
schaft, bald Liebe wird in den verschiedenen Formen, immer aber
nichts anderes wird, sondern nur Treue bleibt.
Die spezifische Form der Liebe als Geschlechtsliebe führt zur
Ehe, zum Ehebund. Der Bund ist keine Fessel. Daher kann die
Ehe nach jüdischem Bechte gelöst werden, wenn sittliche An-
forderungen die Voraussetzungen der Ehe aufheben. Aber gerade
die rechtliche Möglichkeit der Ehescheidung erweist die Treue als
den Sinn und Grund des Ehebundes.
Der Zweck der Ehe ist, über den Wechselreiz der Geschlechts-
522

liebe hinweg eine Einheitlichkeit des Bewußtseins auch an diesem


Grenzpunkte der sinnlichen Leidenschaft zu begründen. Die Er-
ziehung und die Gewöhnung zur Treue ist der Sinn der Ehe. Ohne
diesen Sinn wäre die Ehe nur die Anstalt zur Kindererzeugung, und
jeder andere Zweck wäre eitel Illusion. Für diesen Zweck ist freilich
die Treue nur eine physiologische Störung, da der Wechsel den Reiz
erhöht. Wenn dagegen die Ehe für d ie . Gatten selbst, für ihr
eigenes seelisches Wechselverhältnis einen Wert hat, der auch die
Kindererzeugung vor dem absoluten Zwecke des tierischen Genusses
schützt, so beruht dieser allein auf dem Ideal der Treue, welche
die Aufgabe der Ehe ist.
Diesen Sinn der Ehe hat die jüdische Ehegesetzgebung schon
dadurch bestätigt, daß sie die Einweihung der Ehe zu einem gottes-
dienstlichen Akt macht. Und die rabbinische Gesetzgebung hat die
Ehre des Weibes gegen die familienrechtliche Obmacht des Mannes
mannigfach zu schützen gesucht, so daß der Sinn der Ehe, als Einehe,
außer Frage gestellt wurde, obschon die orientalischen Ursprungs-
Verhältnisse auch hier eine relative Nachgiebigkeit nicht verhindern
konnten. Aber unter allen historischen Dokumenten der jüdischen
Sittlichkeit steht die jüdische Ehe obenan als Zeugnis für den
Charakterzug der Treue im jüdischen Gemüte. Auch hier ist das
Schlußkapitel der Sprüche mit dem Hymnus auf das tapfere Weib
ein poetisches Selbstzeugnis der Treue.
Auch die Familie ist ihrem Begriffe nach das Institut der
menschlichen Treue. Mit der Gründung der Kindergemeinschaft in
seiner Republik hat Platon noch mehr als mit der Weibergemein-
schaft die psychologischen Grundvesten der Treue in der Seele
seiner Menschen, als der Bürger seines Staates, schlechthin vernichtet.
Wenn die Kinder nicht mehr den eigenen Vater und die eigene
Mutter erkennen, so ist dieses viel schlimmer noch für sie, als
wenn die Eltern ihre eigenen Kinder nicht erkennen dürfen. Die
Treue stiftet in der Dankbarkeit des kindlichen Gemütes den Herd
der Familie und in ihm den aller menschlichen Gemeinschaft.
Für das jüdische Familienrecht ist die Pflicht des Vaters
charakteristisch, seinen Sohn Thora zu lehren (Sukka 42a). Mit dem
Unterricht wird der Grund gelegt zur Erziehung. Und die Pflicht
des Unterrichts liegt dem Vater ob, noch bevor sie vom Staate
übernommen wird. Erst auf Grund der Verpflichtung des Vaters
entsteht die kommunale oder Staatspflicht: ‫״‬man setzt Kinderlehrer
523

in jeder Stadt ein“ (Baba batra 21a). So gipfelt die Ehe im Unter-
rieht, und dieser Gipfel ist hinwiederum verbunden mit der Wurzel,
welche überhaupt die Erkenntnis für die Religion bildet.
Diese Einsetzung des Unterrichts in den Mutterboden der
Familie hat nun aber auch erheblich beigetragen zur Beseligung und
Beseelung überhaupt des Thorastudiums, welches an sich selbst daher
zu einem Hauptgegenstand der Treue wurde. Das biblische Grund-
gebot schärfte die Vorschrift des fortwährenden Studiums bei Tag
und bei Nacht, daheim und auf der Reise im Selbststudium und im
Unterricht der eigenen Kinder ohnehin mit Nachdruck ein. Dazu
kam die religiöse Würde und Weihe, welche die Thora selbst und
damit auch ihr Studium umgab. So wurde dieses Thorastudium in
seinem ausgedehnten Umfang zu einem geradezu wissenschaftlichen
Studium, welches ohne Ausnahme das ganze Volk ergriff, zu einem
Akt, einem Lebensakt der Treue für das ganze Volk, das daher wohl
Armut und Elend, aber niemals eigentliches Proletariat aufkommen
ließ; denn das gelehrte Proletariat ist ein gedanklicher Widerspruch.
Erkenntnis stiftet immer Aristokratie, die ohnehin nur Schein ist,
wenn sie nicht Aristokratie des Geistes ist. Die Israeliten haben
sich immer nach dem Spruche des Talmud als Königskinder be-
trachtet. Die Treue am Studium der Lehre hat den vornehmen
Charakter der Volksseele nicht untergehen lassen unter den Be-
drückungen der Jahrtausende.
Die Gerechtigkeit hat die Sozialgesetzgebung der Religion
hervorgebracht. Aber diese selbst war sich der Schranken ihrer
Wirksamkeit bewußt. Die Tugend ersten Grades mußte eine
Tugend zweiten Grades zur Hilfe rufen. Diese bildet das Almosen,
das die Homonymie in dem hebräischen Worte für Gerechtigkeit
(‫ )צדקה‬hervorgerufen hat. Auch das Almosen ist eine Form der
Treue, der der Mensch bedarf für den Zusammenhalt seines Bewußt-
seins. Bei der sozialen Gerechtigkeit kann es für das private Be-
wußtsein nicht sein Bewenden haben. Denn dieses ist leider gar
zu sehr von der Einsicht durchdrungen, daß alle soziale Gerechtig-
keit nur eine ideale Norm ist, deren Verwirklichung vielfach ge-
hemmt und vereitelt wird. Würde das Almosen nicht nachhelfen,
so bliebe die Kluft zwischen dem sozialen Ideal und der politischen
Wirklichkeit zu einer schreienden Herausforderung, vor welcher dio
Harmonie des Bewußtseins gar nicht zur Ruhe kommen könnte.
Das Bewußtsein müßte alle Fäden abreißen, welche seinen eigenen
524

Zusammenhang binden, wenn es der persönlichen Pflicht der Wohl«


tätigkeit sich enthalten könnte. Diese wird daher zur Tugend der
Treue zunächst gegen das eigene Ich und vermittelst desselben zur
Treue gegen den Mitmenschen. Alle Wohltätigkeit ist Treue gegen
die menschliche Gemeinschaft. Wenn der Talmud von den Ge-
setzen überhaupt sagt, daß ihr Sinn darin bestehe: die Menschen
zu läutern (Tanchuma Schemini, e#d. Lemberg, 149b), so gilt dieses
grundsätzlich vom Almosen und seinem Charakter als Treue. Die
Treue ist das Läuterungsmittel des Menschenherzens.
Daher ist die Speisung der Armen bei den Festen zugleich als
ein Zweck der Feste selbst betrachtet wörden. Mamonides hat in
herrlichen Worten diesen Zweck der Feste beschrieben. ‫״‬Wenn wir
am Festtage essen und trinken, ist es unsere Pflicht, auch den
Fremdling, die Waisen, die Witwen und andere Arme und Not-
leidende zu speisen und unser Mahl mit ihnen zu teilen. Wer hin-
gegen zur Zeit, da er im Kreise seiner Gattin und Kinder das
Freudenmahl hält, die Tore seines Hofes vor den Armen und
Dürftigen verschließt uud ihnen nichts reicht, dessen Mahl ist nicht
ein Mahl der gebotenen Festesfreude, sondern bloß ein tierisches, von
dem der Prophet sagt: ihre Festesopfer gleichen einem Mahle der
Leidtragenden“. (Jad hach., Abschnitt Jom Tob, Kap. 6, § 1 8 —21;
vgl. M. Bloch, die Ethik in der Halacha, S. 25). Wichtig ist auch
die Vorschrift, daß bei dem Almosen teilnehmende Worte an den
Empfänger gesprochen werden sollen. ‫״‬Wer dem Armen eine Unter-
Stützung reicht, wird vom Propheten bloß mit sechsfachem Segen
bedacht, wer aber der Gabe teilnehmende Worte beifügt, dem er-
teilt er elf Segnungen“. (Baba batra, 9b; vgl. Bacher, A. d. T. II,
S. 55). Das Mitgefühl wird durch die Gabe selbst befriedigt; die
aber forciert den Ausdruck der menschlichen Gemeinschaft, den erst
Treue das teilnehmende Wort der Gabe hinzufügt. .
Diese Treue, als das seelische Fundament der Dankbarkeit, ist
auch der letzte und tiefste Grund für die Segenssprüche, welche das
Gerüst aller Gebete bilden. Sie alle variieren das eine Motiv der
Dankbarkeit. Was bedeutet aber die Dankbarkeit gegen Gott anderes
als die Selbsterziehung des Menschen zur Dankbarkeit? Und während
man den Wert der. Dankbarkeit bezweifeln kann, wenn man sie für
eine isolierte Tugend ansieht, muß jeder Zweifel an ihrem Werte
schwinden, wenn man sie nur als eine Abart der Treue betrachtet.
Wenngleich diese der Gerechtigkeit und auch der Tapferkeit gegen-
525

über nur eine relative Tugend ist, so muß sie doch als solche von
unvergänglichem Bestände sein. Was die Einheit bedeutet für das
psychologische Bewußtsein, dasselbe bedeutet die Treue für das
moralische. Zu dieser Erhaltung, Stärkung, Läuterung, Veredlung
und Erhöhung der Treue sollen die Benediktionen des Gebetes die
Anleitung geben. Die Lobpreisungen sind Danksagungen, deren
der Mensch bedarf, um sich zur Treue zu erziehen, um sich in der
Treue die Einheit seines Bewußtseins in jeder geistigen Hinsicht zu
sichern.
Was wäre am letzten Ende aller Erfolg der Gerechtigkeit und
nicht minder auch aller Tapferkeit, wenn beide absolute Tugenden
nicht auf den Beistand rechnen könnten, der ihnen von dieser
Tugend zweiten Grades sicher ist. Mehr noch, als die Bescheiden-
heit die Wahrhaftigkeit unterstützt, werden die Gerechtigkeit und.
die Tapferkeit von der Treue geradezu begleitet. Sie ist daher
nicht nur eine Aushilfe oder gar ein Ersatz, sondern ein stets mit-
wirkendes Supplement. Sie greift daher auch in die Wahrhaftigkeit
hinüber, und die Bescheidenheit selbst läßt sich als eine Form der
Treue betrachten, nämlich der Selbstprüfung vor dem Selbstbe-
wußtsein.
Kapitel XXI.
Der F r i e d e .
Unter den Ausdrücken mit welchem der Talmud die absolute
Gerechtigkeit einschränkt, wird einer benannt: ‫״‬wegen der Wege des
Friedens“ ( ‫) מפני דרכי שלום‬. So wird der Friede gedacht als eine
relative Tugend neben der absoluten der Gerechtigkeit, und er
vertritt so das Rechtsprinzip der Billigkeit, wie die anderen
Ausdrücke. Aber ebenso ist der Friede auch ein Komplement
zur Tapferkeit und tritt in Analogie zur Treue, wie in den Aus-
drücken: ‫״‬Friede und Treue“ (2. Kön. 20. 19; Jerem. 33. 6; Sech.
8, 19). Es ist charakteristisch, daß die Wortfolge nicht umgekehrt
lautet; denn das Wort für Treue (Emeth) bedeutet auch Wahrheit
und Wahrhaftigkeit, welche Tugenden ersten Grades sind.
Auch die Tapferkeit bedarf einer Selbstkorrektur nicht minder
als die Gerechtigkeit. Sie darf nicht als eine Leidenschaft gelten,
die Selbstzweck wäre im Heldenleben des Menschen. Das Ziel der
wahrhaften Tugend der Tapferkeit liegt keineswegs in der animali-
sehen Kraft des Heldentums, sondern vielmehr in einer Mäßigung
und Selbstbeherrschung, in welcher der Tapfere sich selbst den
Zügel anlegt. Die Selbstbeherrschung, die Bändigung der Leiden-
schaft ist die wahre Tapferkeit. Sie ist gleichbedeutend mit der
vernünftigen Erkenntnis Gottes. Diese Korrektive liegen mithin
noch innerhalb der Tapferkeit, aber sie bereiten die entsprechende
Tugend zweiten Grades vor.
Die Griechen haben ein schwer übersetzbares Wort für diese
Harmonie der Seelenkräfte als höchste Tugend eingesetzt ao^cpQoavvri.
Auch hier macht sich ein Unterschied geltend zwischen Platon und
Aristoteles. In der Ethik des reinen Willens haben wir diese die
Tugendwege abschließende Tugend als Humanität bezeichnet. Die
ganze Harmonie der Menschlichkeit in allen ihren Höhen, wie ihren
Kondescendenzen auf die menschliche Schwachheit bedarf einer be-
sonderen Richtung, in welcher das ganze Seelenwesen des Menschen
3ine Ausgleichung sucht. Diese Harmonisierung der gesamten
ittlichkeit bezeichnet die Bibel mit dem Frieden.
Man könnte unter den Attributen Gottes den Frieden vermissen,
ndessen wird er genugsam dort vertreten. Schon die Langmut
‫ )ארך אפים‬ist eine Kraft des Friedens. Und ebenso die Sünden-
ergebung, das ‫״‬Tragen der Sünde“. Die Sünde ist ein Widerstreit
;egen den Beruf der Seele. Indem Gott die Sünde trägt, auf sich
limmt, stellt er den Frieden der Seele her. So fehlt unter den
Attributen Gottes durchaus nicht dieses Urbild für den Abschluß
ler menschlichen Tugend.
Aber es wird so erst erklärlich, wie der Friede als ein Werk
Jottes in so durchgängiger Nachdrücklichkeit bezeichnet wird. Ur-
!prtinglich bedeutet das Wort Vollkommenheit, dann schwächt es
sich ab zum Wohlbefinden aller Art, steigert sich wieder zur Be-
leutung des Grußes, der wiederum charakteristisch als Friedensruf
‫״‬Friede mit euch“ bezeichnet wird. Bildad sagt: ‫ ״‬der Frieden
macht in seinen Höhen“ (Ijob 25, 2). Diesen Vers hat das Gebet
mfgenommen, als Schlußsatz der Schemone Esre. Und der Deutero-
jesaja setzt den Frieden an die Stelle des Guten. Man sieht, daß
äer Frieden zur Quintessenz der göttlichen Attribute wird. Und
demgemäß wird er das Symbol der menschlichen Vollkommenheit,
der Harmonie des Individuums und der Vollendung des Menschen-
geschlechts. Denn der Friede ist das Wahrzeichen des messianischen
Zeitalters, und zwar nicht nur als Gegensatz zum Kriege, der ver-
schwinden wird, sondern auch positiv, insofern er den Inbegriff aller
Sittlichkeit bildet. Der Messias heißt daher ‫״‬Fürst des Friedens“
( ‫)שר שלום‬. Die Einheit des menschlichen Bewußtseins wird hier
durch den Frieden der Seele ausgedrückt.
Daher ist es ein gutes Wort: ‫ ״‬Gerechtigkeit und Frieden
küssen sich“ (Ps. 85, 11). Der Kuß besiegelt diesen Ausgleich der
Gerechtigkeit mit dem Frieden.
Der Priestersegen schließt mit dem Frieden, mit der Einsetzung
des Friedens. Das Geben ist eine Abstumpfung des hebräischen
Wortes, welches Einsetzung bedeutet, wie bei der des Königs. In dieser
Einsetzung des Friedens wendet Gott sein Antlitz den Menschen-
kindern zu. So läßt sich dieser Satz als eine Antwort betrachten
auf das Gesuch Moses, das Angesicht Gottes zu erkennen. Der
Friede ist dieses Angesicht, diese Vorderseite Gottes, und alle Rück-
seiten, alle Wirkungen und Folgen sind solche des Friedens. Die
528

Bedeutung der Vollkommenheit wirkt unverkennbar durch in dieser


Ausdehnung der Friedensbedeutung. Der Friede Gottes ist die
Vollkommenheit Gottes, das höchste Urbild menschlicher Sittlichkeit..
Daher läßt sich der Friede auch betrachten als das Prinzip des
Zwecks. Gott macht den Frieden, dies bedeutet, daß er den
, höchsten Zweck alles Daseins und aller sittlichen Handlungen bildet.
Gott, als Urheber des Friedens, setzt Gott gleich mit dem Prinzip
des Zwecks, welches identisch ist mit dem Prinzip der Wahrheit,
sofern dieses die beiden Zweckmäßigkeiten, die der Natur und die
der Sittlichkeit, in ihrer neuen Zweckmäßigkeit vereinigt. Gott, als
Zweck, ist gleichbedeutend mit Gott als Frieden.
Auch von hier aus erkennt man den inneren Widerspruch des
Monotheismus zum Prinzip aller Sophistik, welches in dem Satze
Heraklits von dem Kriege, als dem Vater aller Dinge, gelegen ist.
Nicht der Krieg ist der Urheber des sittlichen Universums, sondern
der Zweck wird zur Ursache. Der Friede, der das Ziel der sitt-
liehen Welt bildet, muß daher auch als ihre Urkraft gelten. Gott
ist der Friede. Gott vertritt die Harmonie der sittlichen Weltkräfte
mit ihren Naturbedingungen.
Der Friede Gottes ist ein tieferer Ausdruck als der Bund
Gottes. Das Bündnis hat noch einseitigen juristischen Charakter.
Und das lateinische Wort für Frieden, das in die neueren Sprachen
übergegangen ist, gehört dieser Wurzel des Bündnisses an. Selbst
das deutsche Wort entspricht dem Gehege, der Einfriedigung, die
der juristische Schutz vollzieht. Die hebräische Wurzel der Voll-
kommenheit gibt dem Frieden den eindeutigen Zweckwert. So wird
der Friede gleichbedeutend mit dem Prinzip des Zwecks.
Und diese Teleologie wird nun eingepflanzt in das Wesen, in
die Seele des Menschen. Wie es sonst heißt: ‫״‬suchet Gerechtigkeit*
(Zeph. 2, 3), so heißt es auch: ‫ ״‬suche den Frieden und jage ihm
nach* (Ps. 34,15). Und vom Messias in seiner letzten Gestalt heißt
es: ‫״‬und die Zucht unseres Friedens liegt auf ihm* (Jes. 53, 5).,
So wird das Leiden des Messias zu einer Zucht des Friedens, zu
mnem Mittel für den Zweck des Friedens. Der Friede ist das Ideal
des messianischen Menschen. Im Frieden erst vollendet sich das
«Seelenheil des Menschen. ‫״‬Beschwichtigt sind nun alle Triebe und
/ alles ungestüme Tun“. Wie Goethe so die Liebe Gottes schildert,
so ist es eben nur der Seelenfriede, in den die Liebe Gottes aus-
529

strahlt. Es gibt keine Leidenschaften mehr, wo Friede in die Seele des


Menschen eingekehrt ist und ihre Einheit und Einfalt begründet hat.
Durch den Frieden, als die Einheitskraft des menschlichen Be-
svußtseins wird erst die Liebe in allen ihren Richtungen von den Zwei- !
deutigkeiten befreit, die ihr anhaften. Der Mensch soll seinen Mit-
menschen lieben. Kann er das wirklich, der Mensch der Selbstsucht?
Kann die Menschenliebe die Feiertagsmomente des Mitleids über-l
steigen? Und bleibt nicht alle Menschenliebe dennoch immer mit\
dem Erdenrest der Mißgunst behaftet? Und dieser schwache Mensch
soll Gott gar lieben können, das Urbild seiner Sittlichkeit und seiner
Selbstvervollkommnung? Er soll sein Ideal nicht bloß ehren und
befolgen, sondern auch lieben können? Ist es nicht schlechthin ein
Widerspruch? Und endlich soll auch Gott die Menschenkinder lieben,
trotz ihren Schwächen und ihren Sünden oder vielmehr gerade wegen
derselben. Da er ihnen zum Erlöser wird von ihrer Sündenschuld
— wie sind alle diese Bedeutungen der Liebe an sich möglich, und
miteinander vereinbar?
Der Friede Gottes, der Friede, sofern er das Wesen Gottes aus-
macht, und der Seelenfriede, sofern dieser das Ideal des Menschen-
wesens bildet, dieser Zweck des Friedens, der den Tugendweg des
Menschen zu Gott, in seiner Annäherung zu Gott bezeichnet, er er-
klärt und löst alle diese scheinbaren Schwierigkeiten. Der Friede,
als das höchste Ziel des Menschen, ist zugleich die höchste Kraft
des Menschen. Dieser Tugend weg ist die letzte Stufe in der Ent-
Wicklung des Menschen. Der Friede ist die Vollkommenheit. Die
Selbstvervollkommnung ist auf der Spur des letzten Zieles, indem
sie den Frieden der Seele erreicht. s
Der Seelenfriede äußert sich in der Zufriedenheit, welche ■
eminenterweise eine religiöse Tugend ist; denn sie betrifft die An-
erkennung der göttlichen Vorsehung und Weltregierung. Vor der
Zufriedenheit zerschellen alle Anstürme des Eudämonismus, alle
Zweifel selbst, welche das tiefste Seelenleid erregen könnten. ‫״‬Wie
man Gott lobt für das Gute, so auch für das Schlimme“. Das ist
die talmudische allgemeine Anweisung für den Segensspruch. Die ;
Zufriedenheit mißachtet alle Unterschiede des ökonomischen Daseins.
Die größten Talmudlehrer, die sogenannten Pharisäer, diese großen ‫י‬
Lehrer Israels, sie waren arme Handwerker zum Teil und Tagelöhner, \
nichtsdestoweniger aber waren sie hochgemut in ihrer Frömmigkeit \
und in ihrem Studium der göttlichen Lehre. Und so ist es in den’ !
U
530

finstersten Zeiten des Mittelalters die allgemeine Sitte in Israel ge?


blieben, daß der Unterschied von reich und arm verschwand vor
der gemeinsamen Pflicht und dem gemeinsamen Anteil an der Lehre,
der allen, wie verfolgt und bedrückt sie waren, dennoch die Zu-
friedenheit mit ihrem Berufe als Israeliten bewahrte. ‫״‬Wie gut ist
unser Teil, wie lieblich unser Los, wie schön unsere Erbschaft“.
So lautet der Spruch im täglichen Frühgebet, der das Bekenntnis
einleitet.
Die Zufriedenheit mit der materiellen Lage ist die Vorbereitung
und Zurüstung zu jenem praktischen Idealismus, der die materiellen
Lebensgüter zwar nicht verachtet und preisgibt, aber sie nicht als
das höchste oder gar als das einzige Gut, das den Lebenswert des
Menschen ausmache, achtet und anstrebt. Soll nun aber aus solcher
Seelenstimmung nicht der Quietismus entstehen, der die Mystik be-
günstigt und die Asketik, die Weltflucht und die Enthaltung von
den bürgerlichen Pflichten des Staatslebens, so muß diese Zufrieden-
heit gewappnet sein mit derjenigen Kulturkraft, welche allein die
Erkenntnis bildet.
Der Seelenfriede und die irdische Zufriedenheit mit der jeweiligen
Lebenslage sind daher durch die Voraussetzung und deren Erfüllung
bedingt, welche die Erkennntnis in der religiösen Sprache, das
Studium der Lehre bildet. Nicht der Glaube darf den Menschen
befriedigen. Die Gottesverehrung ist Gotteserkenntnis. Der Gottes-
dienst wurzelt und gipfelt im Studium der Lehre, welche nach dem
Spruche der Mischna der Inbegriff aller Gebote ist. So beruht der
Seelenfriede auf einem Frieden der Vernunft. Nicht der unselbständige
Glaube, für den es keine Widersprüche in der religiösen Tradition
gibt, der die Zufriedenheit mißbraucht, indem er ihr die Vernunft
unterordnet, nicht der Glaube ohne Erkenntnis begründet den wahren
Seelenfrieden, die wahrhafte religiöse Zufriedenheit mit dem Ge-
schicke, sondern die Vernunft, die Erkenntnis ist der Wurzelboden,
der alle Äste und Zweige der Zufriedenheit nährt und kräftigt.
Diese Verbindung schlichter Lebensführung mit emsigem
Studium, mit einem Studium, dessen Energie nicht übertrieben ge-
priesen wird, wenn es ein titanisches genannt wird, hat dem jüdischen
. Leben in den Jahrtausenden des Elends jene Ruhe, Festigkeit, Über-
I legenheit und Hoheit gegeben und erhalten, ohne die es den Ver-
! folgungen nicht hätte Stand halten können. Die Frömmigkeit allein,
die Gottergebenheit allein, geschweige allein die strenge Pflege des
531

Gesetzes hätte den Enthusiasmus nicht erwecken und lebendig er-


halten können, dessen Ertrag jene weltüberlegene Zufriedenheit ist.
Weisheit beruht auf Gelehrsamkeit. Der Jude war neben allen seinen
niedrigsten Tagesgeschäften der Regel nach zugleich ein Gelehrter.
Als Gelehrter konnte er ein Weiser werden. Und als Weiser konnte
die Grundstimmung des Juden die Zufriedenheit mit seinem Erden-
lose werden. Denn in seinen Erdentagen erfüllt sich für den wahr-
haften Juden nicht sein geschichtlicher Weltberuf. Seine Zufrieden-
heit wurzelt in seinem messianischen Berufe, der die Erkenntnis der
Thora und die Pflicht ihrer Verbreitung in der geschichtlichen Welt
zur Voraussetzung hat. Was sind alle Martyrien gegen diese
geschichtliche Mission, was sind alle materiellen und alle Seelen-
leiden selbst gegen die reine Freude der Erkenntnis und der
Forschung! Diese Freude an der Thora ist der Frieden der Seele,
die Feste der Zufriedenheit.
Der Messianismus ist das feste Band, welches den Menschen
der Gegenwart mit der idealen Zukunft, welches ebenso aber auch
den Menschen der Zukunft mit dem Menschen der realen Gegenwart
verknüpft. Der Seelenfriede soll die Einheit des Herzens begründen.
Sie soll entsprechen der Einheit Gottes. Genauer definiert Bachja
diese Analogie, indem er dem Bekenntnis der Einheit Gottes ent-
sprechen läßt die Einigung des Herzens und die Einigung des
Gottesdienstes. Das Herz, die Seele soll vom Zwiespalt der Leiden-
schäften sich befreien und in der Einigung, in der Einheit des
Herzens die Zufriedenheit, den Frieden der Seele begründen.
Ist es nun aber etwa jener Quietismus, der durch die Be-
zwingung der. Leidenschaften erstrebt würde? Der Quietismus be-
kämpft nicht nur die ,Leidenschaft, sondern auch den Affekt. Des
Affektes aber haben wir schon bei den bisherigen Tugendwegen be‫־‬
dürft; wir werden ihn vom Frieden nicht ausschalten wollen. Der
Unterschied zwischen Affekt und Leidenschaft wird gerade am
Seelenfrieden wichtig und erkennbar.
Die Leidenschaften haben allesamt ihren gemeinsamen Grund
in einem Mysterium der Seele, welches der Haß bildet. Es ist
weder in der Psychologie ausgemacht, noch in der Ethik, ob der
Haß überhaupt eine ursprüngliche Richtung des Bewußtseins, oder
nur die Umdeutung einer anderen Triebkraft ist. Es ist ja vorab
die Frage, ob er nicht vielmehr in das pathologische Gebiet gehört,
aus ihm erwächst und in ihm ein Scheinleben psychischer Normalität
34*
532

führt.'■ Wie!Lust und Unlustlmiteinander verwachsen»sind, so könnten»


auch• Liebe und !Haß Weehselglieder ,derselben Triebkraft sein. W ir
verfolgen liier^ nicht weiter ‫ י‬diese fundamentale Frage, sofern sie die*
Charakteristik und Definition des Hasses überhaupt betrifft.
Indessen hat die religiöse Tugendlehre beinahe in erster Linie*
den Haß zu bekämpfen. Denn sie ist gegründet auf der Liebe in
ihren dreifachen Verzweigungen der Gottes- und der Menschenliebe..
Der Friede bildet den Tugendweg, der den Haß nicht nur zu um-
gehen, sondern auszuschließen uud zu vereiteln hat.
Welches Mittel verwahrt nun aber der Seelenfriede in sich, um
den Haß aus dem Menschenherzen auszuroden? Es genügt nicht,
die Menschenliebe dem Haß entgegenzustellen. Denn das Kapitel
von der Tugendlehre soll praktische Mittel angeben, welche dem
Tugendwege freie Bahn machen; sie kann sich nicht mit der bloßen
Theorie begnügen; sie muß die praktische Lösung für die sittliche
Theorie bringen. Es würde daher auch nicht genügen, wenn eine
andere Benennung versucht, wenn etwa der Haß umgedeutet würde
in den Neid. Denn alsdann würde die Schwierigkeit nicht geringer
sein, welche die Bekämpfung und Ausrottung des Neides in sich
enthielte.
An diesem Punkte werden wir, ohne uns von der Polemik dazu
bestimmen zu lassen, sondern aus unseren begrifflichen Erwägungen
heraus auf das Problem der Feindesliebe geführt. Die alte Bibel
enthält dieses Gebot nicht. Aber in grundsätzlichen Wendungen
enthält sie das Verbot der Feindschaft, des Menschenhasses. Erst-
lieh wird dieses Verbot ausgesprochen in dem Verbot der Rachsucht
und des Nachtragens (‫) לא תקום ולא תטר‬. Ferner wird es ausgesprochen
in dem Verbot, dem Feinde den Beistand zu. versagen in Bezug auf
die Erhaltung seines Besitzstandes (2. Mos. 23, 5). Endlich erfolgt
es in der grundsätzlichen Bestimmung in dem Verbote ‫ ״‬du sollst7
nicht hassen Deinen Bruder in deinem Herzen“ (3. Mos. 19, 17).
Hier ist der Haß als Widerspruch bestimmt gegen den Bruder und
gegen das‫־‬Herz, mithin gegen den Mitmenschen und gegen den Grund
des Menschen selbst, der in seinem Herzen, gelegen ist. Die Frage
bleibt nur: durch welches praktische Tugendmittel wird diese Grund-
bestimmung realisierbar und der Haß aus dem Menschenherzen ent-
wurzelt?
Die talmudische Weisheit hat hier einen Fortschritt vollzogen
über die der Bibel hinaus. Die Bibel kennt im Psalm nur den‫־‬
533
*
falschen,' den trügerischen: Haß und die falscheü Feinde. (Ps: :38, 201;
35, 19; 69, 5). In allen diesen Versen, wird der Grund des Hasses
als ein falscher bezeichnet;, es bleibt daher noch die Möglichkeit be-
stehen, • daß es einen richtigen Grund zum Hasse geben könnte.
Und das Verbot des Götzendienstes und das Gebot der Ausrottung
des Götzendienstes gibt ja diesem Gedanken einen nachhaltigen Vor-
schuh, wie denn die Psalmen aus dieser Gedankenrichtung heraus
scheinbar ungestümen Haß und unersättlichen Rachedurst atmen.
Solche Seelenstimmung mag die Gerechtigkeit fordern und die
Tapferkeit — aber der Friede hat mit ihnen nichts gemein, und er
hat trotz seiner Relativität die Aufgabe und die Kompetenz, jene
absoluten Tugenden einzudämmen. Wie aber will er und kann er
dazu vermögend sein?
Der Talmud hat den Begriff des ‫״‬grundlosen Hasses“ ( ‫) שנאת הנם‬
entdeckt und in die Gebete eingeführt. Der Haß darf nicht nur
keinen falschen Grund haben, sondern er hat überhaupt keinen Grund.
Jeder Grund für ihn ist ein falscher. Jeder Grund zum Haß ist
nichtig und eitel. Der Haß ist immer ein grundloser Haß. Das
ist die tiefe Weisheit, welche alle Feindesliebe überragt, und welche
*erst das Gebot der Menschenliebe psychologisch sichert und festigt.
Es genügt nicht, daß ich meinen Feind lieben zu sollen erkenne
— abgesehen von der Grundfrage, ob beide Begriffe überhaupt ver-
einbar seien. Ich kann den Haß nur dadurch aus dem Menschen-
herzen entfernen, daß ich überhaupt keinen Feind kenne; daß
die Kunde und das Wissen davon, daß ein Mensch mein Feind sei,
daß er mich hasse, mir ebenso unverständlich wird, ebenso daher
aus meinem Bewußtsein ausfällt und verschwindet, wie gar daß ich
selbst einen Menschen hassen könnte. Das eine muß mir so un-
begreiflich werden, wie das andere. Die Menschen reden es sich ein,
daß sie einander hassen, aber das ist ihr Wahn, das Schicksal ihrer
Unwissenheit von ihrer eigenen Seele und ihrem Bewußtsein. Die
Eitelkeit, die Kohelet von Allem aussagt, wird hier auf den Haß be-
zogen. Und das Eitle wird hier durch das Wort ausgedrückt,
welches das Vergebliche und das, was umsonst ist, bedeutet. Aller
Haß ist umsonst. Ich bestreite den Haß im Menschenherzen. Daher
bestreite ich, daß ich einen Feind haben, daß ein Mensch mich
hassen könnte. Ich bestreite dies mit derselben Klarheit des Be-
wußtseins, mit dem ich es von mir bestreite, daß ich einen Feind
habe, daß ich einen Menschen hassen könnte. Was ist der Haß?
534

Ich bestreite seine Möglichkeit. Es ist ein eitles Wort, das einen‫־‬:
solchen Begriff bezeichnen will.
Mit dieser Überwindung, mit dieser Ausschließung des Hasses-
aus dem Inventar der Seelenkräfte bahnt sich der Seelenfriede an.
Jetzt erst kann ich• Ruhe erlangen in meinem Gemüte; jetzt auch
erst wahre und beständige Zufriedenheit. Solange der Haß mich,
bedroht, der fremde, wie der eigene, so lange kann ich mich keines
Friedens getrosten und keiner echten Zufriedenheit. Wenn die
Kriegsjammer uns nicht umtobten, so bildete schon das Gespenst des
Krieges, die bloße Kriegsgefahr, wie den Widerspruch gegen den
Weltfrieden, so auch gegen den Seelenfrieden. Wir haben ihn nicht,,
kein Volk hat ihn, die Menschheit hat ihn nicht, solange das Gespenst
des Völkerhasses der eigentliche Todesengel ist, der mit seiner Sense
die Welt durchschreitet. Aber auch das Individuum kann den Frieden
seiner Seele nicht erlangen ohne die Sicherung des Weltfriedens.
Der Messianismus verbindet die Menschheit mit jedem Einzelmenschen..
Für meinen eigenen Frieden bedarf ich der Zuversicht, daß der
Völkerhaß ausgetilgt werde aus dem Kulturbewußtsein der Mensch-
heit. Die Völker hassen sich nicht. Aber die Habsucht erweckt den
Neid, und Habsucht und Neid spiegeln dem Menschen das Scheinbild
vor, das man als eine Seelenkraft ausgibt und daher als solche zu
beglaubigen vermeint. Aller Haß ist eitel und grundlos. Aller Haß
ist nichts als Illusion, als Umdeutung und Beschönigung der mensch-
liehen Gemeinheit, welche die Habsucht und die Selbstsucht und
deren Affekt, der Neid bilden. Erkennet das. Trugbild einer falschen
Volkspsychologie, welche der Haß bei allen Völkern bildet; erkennet
in gründlicherer Psychologie, welche von der Ethik erleuchtet wird,
‫׳‬daß der Haß ein falscher Faktor des Seelenlebens sei, und der schwerste
',Teil der Sündenlast entfällt dem Menschenherzen. Es gibt keinen
‫ ״‬Haß, wo der Friede sein Zelt im Herzen aufgeschlagen hat. ‫ ״‬Das
Zelt des Friedens“ ( ‫ ) סכת שלום‬ist daher ein Terminus des Gebetes.
Das Zelt ist die Hütte, welche eine so tiefe symbolische Bedeutung
erlangt hat, daß ihr ein Fest gewidmet worden ist. Das Hüttenfest
ist das eigentliche Friedensfest in der Wüstenwanderung des irdischen
Daseins. Der Friede macht das ganze Leben zu einem Fest. Der
Friede bringt den Naturfrieden in die Menschenwelt, die Grund-
Stimmung der Naivität in die Weltbetrachtung. Wir glauben nicht
mehr an die Geschichtserfahrung, welche sich als Geschichtsweisheit
ausgibt, daß es immer so war und immer so bleiben wird, daß die
535

VTenschen und die Völker einander hassen, und daß der Haß eine
Triebkraft des menschlichen Bewußtseins wäre. Wir trauen dem
Pessimismus nicht; wir verachten seine Weisheit, weil wir den Sinn
der Welt tiefer und richtiger begriffen haben. Der Pessimismus
wurzelt in dem psychologischen Irrgedänken, daß der Haß eine
wirtschaftliche Ordnungskraft im Haushalt der Natur wäre, wie der
Kampf ums Dasein, der unzählige Keime ausrottet, um sie aus dem
Wettkampf auszuschalten. Wir bestreiten zwar die Tendenzen zur
Ausrottung nicht, so wenig wie die Beseitigung der minderwertigen
Keime, aber wir unterscheiden das Seelische von allem Materiellen
auch im Organischen, und wir weisen die Analogien zwischen beiden
Beichen, zwischen dem der Natur und dem der Sittenwelt, als Irr-
lichter zurück. Die Keime, die miteinander kämpfen, hassen einander
nicht. Wenn die Menschen und die Völker miteinander kämpfen,
so kämpfen sie gegeneinander als Organismen, und als Lebewesen
scheinen sie auch einander zu hassen. Aber so wahr Gottes Odem
in der Nase des Menschen haucht, so wahr lebt Geist in dem j
Menschentier. Und so wahr Geist, Gottes Geist in dem Herzen des !
Menschen lebt, so ist es nicht Haß, der seine Tatkraft beschwingt.
Wäre es selbst Haß, was vielmehr der Doppelkopf von Neid und
Habsucht ist, so wäre dennoch dieser Weg des Menschenherzens nicht
sein gerader Weg. Und wie er die Tugend, wie er die des Friedens
zu erdenken vermag, so vermag er auch das Todbild des Hasses zu
entlarven. Er suche nur den Frieden. Er sei nur, wie die Mischna
sagt: ‫״‬ein Schüler Arons“. (Abotl, 12), ‫״‬er suche den Frieden und
jage ihm nach“ (ebendas.), und das Gespenst des Hasses wird
vor ihm in ein Nichts verschwinden. Der Friede ist die Seelenkraft,
welche alle Gespenster, die die Sittlichkeit, die Reinheit der Seele
bedrohen, verscheucht und zunichte macht. Der Pessimismus ist
ein solches Gespenst des Rationalismus und des Idealismus. Wenn
anders aber der Seelenfriede auf dem Fundamente der Erkenntnis
beruht, so kann der Pessimismus nicht schrecken: denn er ist nicht
eine Erkenntnis der Vernunft, sondern eine Eingebung der Mystik.
Er widerspricht der Güte und der Vorsehung Gottes. Das ist ja
eben die tiefe Kraft des Messianismus, daß er sich in die Seelenkraft
des Optimismus verwandeln konnte. Es sei hier wiederum hin-
gewiesen auf den wichtigen Satz des Talmud, daß die Seele, wenn
sie vor den himmlischen Richter geführt wird, Antwort zu geben hat
auf die Frage: ‫״‬hast du gehofft auf das Heil“ ? Das Heil aber ist der
Weltfriede. Diese Hoffnung soll der Jude in seinem Herzen tragen
536

und nähren. Sie ist ein Glaubensartikel geworden. Monotheismus


und Messianismus sind zusammengewachsen. Wenn aber der Welt-
friede der innigste Glaube des religiösen Bewußtseins ist, so muß
der Friede eine unfehlbare Macht, ein zuverlässiger Wegweiser im
Gemüte sein. Der Friede ist der Charakter der geschichtlichen
Welt im Zeiohen der Religion. Daher muß der Friede auch die
Seeienmacht des individuellen Bewußtseins sein. Alle Störungen und
jede Bezweiflung des Friedens sind eine Hemmung des Seelenlebens,
eine Mißdeutung und eine krankhafte Verirrung. Die Grundkraft der
Menschenseele ist ebenso gewiß der Friede, wie er das Ziel der
Menschengeschichte ist.
Es gibt zwei physiologische Kennzeichen für diesen Lebenswert
des Friedens im Menschen: die Rührung und die Freude.
In der Ästhetik des reinen Gefühls habe ich versucht, die
Rührung als ein Beweismittel des ästhetischen Bewußtseins nach-
zuweisen. Aber dieser Ansicht widerspricht unser jetziger Versuch
nicht, die Rührung auch für das religiöse Bewußtsein in dem Tugend-
wege des Friedens anzusprechen. Denn das religiöse Bewußtsein
benutzt ebenso reichlich das ästhetische, wie das ethische Bewußtsein,
und es liegt kein Interesse vor, daß etwa das religiöse Bewußtsein
für die Rührung seine eigene Originalität behaupten könnte. Es ist
die Liebe zur Natur des Menschen, welche bei einem Ausdruck ihrer
Reinheit, bei einem Abglanz dieser Reinheit im Antlitz des Menschen
zur Ausstrahlung kommt. Dieser ästhetischen Kraft des Bewußtseins
bemächtigt sich nun das religiöse Bewußtsein, um den Tugendweg
des Friedens im Gemüte einzurichten, und so entsteht die Rührung
als ein Zeugnis der Friedensstimmung, welche den Menschen beseelt
und welche eine Seelenkraft in ihm wird.
Die Rührung kann sich zwar in Weinen äußern, aber sie ist
ja keineswegs ein Schmerzgefühl, welches sonst das Weinen auslöst.
Die Rührung geht daher nicht ganz in eine Reflexbewegung auf,
sondern hält sich noch über der Schwelle der reflektorischen Aus-
lösung, bleibt noch innerhalb der reinen Aktivität des Bewußtseins.
Daher ist sie ein vollgültiges Symptom von der seelischen Triebkraft
des Friedens. Sie ist keineswegs indifferent, wie es das Weinen ist,
sondern gleichsam ein homogener Ausdruck des Innern. Und wenn
nun auch die Träne die Rührung begleitet, so ist sie, wie eine
einzelne Perle, durchaus zu unterscheiden von der Reflexkette des
Weinens. Daher haben die Dichter allezeit sie als den Tau gepriesen
und vom Regen unterschieden.
537

, \ Die Rührung bildet das physiologische Beweismittel von der


Naturkraft des Friedens. Und sie bezieht sich auf eine Erscheinung
der Güte in der Menschen weit, ohne daß diese leibhaftig durch einen
Menschen vergegenwärtigt würde. In dem Beispiel bei Kant ist es
der gemeine Mann, vor dessen Sittlichkeit ich mich beugen muß.
Bei der Rührung aber ist es nicht die Gegenwart eines Menschen,
welche mich zur Achtung zwingt, sondern eine bloße Abstraktion,
die eine Fabel, eine Erfindung sein kann, lockt die Träne in mein
Auge. Eine solche psychische Tatsache ist ein sicherer Beweis für
die Triebkraft des Friedens in meinem Bewußtsein. Der Friede
kommt über mich und beseligt mich, wenn ich auch nur von einer
erdichteten Handlung der Güte, von einem Menschen ausgeführt, höre.
Wäre der Friede nicht eine solche Triebfeder in mir, so würde die
Rührung mich nicht überkommen; denn diese ist die Ausstrahlung
jenes Friedens. Was ginge mich die Mär von einer guten Handlung
an, wenn mein Bewußtsein nicht an ihr Freude empfände und nach
ihr lechzte? So ist denn der Friede, wie die Rührung es beweist,
eine Naturkraft meines Bewußtseins. Und so beschreite ich einen
natürlichen Weg des menschlichen Bewußtseins, weiin ich den Frieden
als einen Tugendweg der Tapferkeit, wie der Gerechtigkeit hinzu-
geselle, damit er die Lücken ausfülle, welche jene absoluten Tugenden
zurücklassen müssen.
Auch für die Gerechtigkeit tritt der Friede 'als ein Korrektiv
ein. ‫״‬Beurteile jeden Menschen nach der Wagschale des Verdienstes“.
Wir erkennen hier im Frieden einen neuen und kräftigen Grund für
das Überwiegen der Wagschale des Verdienstes: der Friede legt sich
mithin ein in die Wagschale. Und er verschafft dem Verdienste des
Mitmenschen sein Übergewicht. Die strikte Gerechtigkeit kann dies
oftmals nicht anerkennen, aber der Friede ist die Gnade, welche das
Recht überstrahlt. Auch im Privatleben wirkt der Friede daher als
Grundnorm der Versöhnlichkeit unter den Menschen, die über die
Schattenseiten hinwegsieht und die Lichtseiten hervorkehrt, die in
jedem Menschen vorhanden sind, wenngleich sie durch Schlagschatten
verdunkelt werden. Diese Versöhnlichkeit des Friedens bildet die
Vermittlung dieser Tugend mit dem Grundwesen der Religion, welche
die Versöhnung des Menschen mit Gott bildet, welche aber zur Vor-
aussetzung hat die Versöhnung zwischen Mensch und Mensch, und
welche ihr Endergebnis hat in der Versöhnung des Menschen mit
sich selbst. Ohne den Frieden, den ich mir mit meinen Mitmenschen
stifte, kann ich auf keine Versöhnung mit Gott hoffen, und ebenso-
wenig auf einen Frieden in meinem eigenen Innern. Aber die
Rührung, der ich fähig werde, erschließt mir die Aussicht, daß die
Frieäenskraft noch nicht erloschen ist in meiner Seele.
Das andere Wahrzeichen des Friedens ist die Freude. Kant hat
es schon ausgesprochen, daß sie ein schwierigeres Lebenszeichen der
Freundschaft sei als das Mitleid. Und man könnte gerade die
Rührung als einen weiteren Beweis dafür ansehen, daß eine mildere
Form des Schmerzes doch noch unmittelbarer das Gefühl ausdrückt
als ein Strahl der Mitfreude. Indessen übersieht man bei dieser
Meinung die Mitwirkung der Freude in der Rührung. Es ist keines-
. wegs allein ein Leiden, sondern ebenso kräftig eine Freudigkeit,
welche in der Rührung erzittert. Und dabei ist es doch nur eine
Abstraktion, welche das Aufblitzen der Freude erregt. Eine gute
Handlung ist geschehen, die an sich nur mich interessiert, keines-
wegs wegen ihrer Beziehung zu mir in ihrem Erfolge für mich-
Und dennoch werde ich von dieser angeblichen Tatsache ergriffen,
als ob sie mein Leben anginge. Und ich muß jubeln über diese
Tat der Menschenkraft, welche meinen eigenen Lebenswert erhöht,,
mein Bewußtsein von diesem Lebenswerte emporsteigert, sodaß ich
darüber mit Freudigkeit erfüllt werde. Diese Freude ist ein Beweis
für die Lebenskraft des Friedens.
Es ist eine falsche Psychologie, ein Fehler des Pessimismus und
der gemeinen Ansicht von dem radikal Bösen im Menschen, welche
Kant allerdings ebenso richtig wie tiefsinnig idealisiert hat, daß die
Mitfreude nicht eine so unmittelbare Lebenskraft des menschlichen
Gemütes wäre, wie das Mitleid. Stände es so, so wäre der Friede
kein echter Friede und kein unzweideutiger Tugendweg. Dann wäre
der Friede nur eine sentimentale Einseitigkeit, nicht eine naive Voll-
kraft des Geistes. Der Friede wirkt ebenso mächtig in der Freude,
wie im Mitleid. Die Rührung hat eben diese doppelte Kraft, und
nur in dieser Doppelheit besteht ihre Einheitlichkeit, im Unterschiede
von der Einseitigkeit. Die Rührung bei dem Erlebnis einer guten
Handlung beweist diese positive Kraft der Freude und in ihr die•
Echtheit des Friedens. Ich weine nicht etwa bei dem Bericht einer
guten Handlung über den Verlust der edlen Sitten — das wäre nicht
die positive Rührung — sondern in Freude erglänzt mein Auge bei
der Vorstellung der guten Handlung, und diese Freude der Rührung
beweist, daß in meinem Gemüte nicht allein die kalten Mächte derf
y. ‫י‬
Tapferkeit und der Gerechtigkeit die Herrschaft führen, sondern daß«!
auch der Friede eine gebahnte Heerstraße bildet, und keineswegs!
>39 .

;twa nur einen N eb en w eg oder ein e W in k elg a sse. D as Bewußtsein:!


lä n g t sich m it V orlieb e an d iese R ich tu n g , w elch e in den H a n d lu n g e n ;
der M enschen nur das G ute erspähen m öchte, w eil der eig en e F riede,
der eig en e Z usam m enhalt des B ew u ß tsein s d ieses E rleb n is im m erfort
von neuem fordert und herb eiseh n t. D ie S eh n su ch t nach dem G uten
im M enschen is t der F riede im M enschen.
So hat es denn einen tiefen Sinn im jü d isch en R eligion sw esen ,
daß d iejen igen F este, w elche n ich t u n m ittelb ar der V ersöhnung g e -
w id m et sind , d ie F reude zur L osun g haben. ‫ ״‬Du so llst dich freuen
an deinem F este, du und der F rem d lin g, die W aise und die W itw e
in deinen T oren “ (5 . Mos. 1 6 ,1 4 ) . D ie Freude wird zum Ziel und
Zweck d es F estes gesetzt. D iese Freude is t k eine dionysische, keine ;
bacchantische L ustfreude. Sie is t definiert durch die M itfreude des j
F rem d lin gs und des Armen. D ie F estesfreude soll aber unterschieden ‫ן‬
werden von dem M itleid m it dem Armen. D ie Freude soll den
Armen m it dir selb st verbinden. D u so llst dich freuen m it dem
Armen. Und auch der Arme soll sich freuen m it dir. So soll die
Freude hinw egheben über allen sozialen N otstand; wahrlich nicht,
um ihn hinw egzutäuschen, sondern w enigstens am Feste ihn zu über-
w inden. Das Fest verlöre seinen Sinn und W ert, wenn es nicht für
diese wenigen Tage w enigstens die Freude aufzupflanzen vermöchte
im Herzen des feiernden Menschen.
So ist auch die Festesfreude, der eigentliche Sinn und Grund
des Festes, als eines Festes der Freude, ein Wahrzeichen des Friedens.
Wenn anders es nicht Illusion oder gar Täuschung ist, daß die Feste
Freude zur Realität machen unter den Menschen, so ist der Tugend-
weg des Friedens damit als ein Lebensweg erwiesen. Muß es denn
aber eine Illusion sein, daß die Feste Feste der Freude seien? Ist
es eine illusorische Freude, welche das Fest der Freiheit aufrichtet,
der Befreiung aus dem Sklavenjoche und der Berufung zum Volke
Gottes und zum Reich von Priestern? Oder wäre es nicht eine wahr-
haftige geschichtliche Freude, welche die Offenbarung am Sinai feiert,
die Gesetzgebung der sittlichen Welt? Oder wäre es nicht ebenso
eine wahrhafte Freude, welche das Erntefest verknüpft mit der
Wüstenwanderung, um endlich sich abzuschließen in der ‫ ״‬Gesetzes-
freude“, der Freude an der Thora nach ihrem ganzen Gehalte?
Die Freude ist ein begründeter Rechtstitel für diese Feste. Und
so beweist die Festesfreude, so beweisen diese Feste der Freude in
'dieser den Frieden als eine Grundkraft der Seele und somit als einen
verheißungsvollen Tugendweg. Mit den Festen ist auch der Sabbat
540

ein solches Friedenszeichen, wie als eine Stiftung der wahrhaften


Lebensfreude, der sozialen Menschenfreude. Hätte das Judentum nur
den Sabbat: der Welt gebracht, so wäre es schon dadurch ausgewiesen
als Freudenbringer und Friedensstifter in der Menschheit. Der Sabbat
hat den ersten Schritt vollzogen, der zur Aufhebung der Sklaverei
führte. Der Sabbat hat aber auch den ersten Schritt vollzogen, der
den Weg weist für die Aufhebung der Teilung der Arbeit in Werk-
arbeit und Geistesarbeit. Der Sabbat ist das Zeichen der Freude,
die über den Menschen aufgehen wird, wenn alle Menschen in gleicher
Weise frei und dienstbar sein werden, in gleicher Weise Anteil haben
an der Lehre, an der Wissenschaft, ihrer Erforschung und ihrer Er-
kenntnis, wie an den Arbeiten um das tägliche Brot. Die Welteroberung,
welche dem Sabbat gelungen ist, kann die Hoffnung, die Zuversicht
nicht sinken lassen, daß diese Freude kein leerer Wahn sei, und daß
der Friede, der in dieser Freude ausstrahlt, eine Grundkraft des
Menschengeschlechts sei und bleiben werde. Unter allen Tugend-
wegen dürfte der Friede die gewaltigste Zaubermacht sein, und es
widerspricht dieser Auffassung nicht, daß diese Macht des Friedens
so sehr umstritten und angezweifelt wrird : sie ist eben die innerlichste,
die geheimste, daher die am wenigsten offenbare Macht des mensch-
liehen, des geschichtlichen Bewußtseins. Der Priestersegen enthält
den Inbegriff des göttlichen Segens. Und sein Abschluß ist der
Friede. Es gibt keinen Segen, der den Frieden überträfe. Und es
gäbe keinen Segen Gottes für den Menschen, wenn er ihnen nicht
den Frieden in das Herz gelegt hätte. Und alle Tugend ginge un-
sicher und irre, wenn der Friede nicht der Stecken und Stab wäre,
der in alle Tugendwege geleitet. Er bedeutet ja in der hebräischen
Sprachwurzel die Vollkommenheit, und sie ist der Zweck und das
Ziel des Menschen. So ist auch der Friede der Zweck des Menschen.
Er macht alle sonstigen Zwecke der Natur und des Geistes zu seinen
Mitteln. Er ist eigentlich der Geist der Heiligkeit. Der Friede als
der Zweck des Menschen, ist der Messias, der die Menschen und die
Völker von allem Zwiespalt befreit, den Zwiespalt im Menschen selbst
schlichtet, und endlich die Versöhnung für den Menschen erwirkt
mit seinem Gotte.
Der Friede in ■der Festesfreude bildet einen Charakterzug ini
jüdischen Gemüte. Es ist doch sicherlich ein Wunder, daß der
Jude bei den Leiden, die sein geschichtliches Leben durchziehen,
einen solchen Gleichmut, einen solchen wahrhaften Humor immerfort
behaupten konnte, ohne den er sich nicht immer wieder aus den
iefsten Erniedrigungen zu einer stolzen Höhe hätte emporheben
tonnen. Dieses Wunder haben ihm seine Feste bewirkt. Am Sabbat:
md an den Festen waltete Freude im Ghetto, wie sehr auch das ‫־‬
Leid die Woche verbittert hatte. Die Freude am Feste war eine-
;eligiöse Pflicht, und so wurde sie zu einer unverbrüchlichen Lebens-
fcraft im jüdischen Bewußtsein. Aber sie hätte nicht als eine solche
Macht eingesetzt und als eine solche bewahrt werden können^
5venn nicht der Friede der Seele eine so gewaltige Zaubermacht im
jüdischen Geiste gewesen und geblieben wäre. ‫״‬Friede, Friede, dem
Fernen und dem Nahen, spricht der Ewige, und ich will ihn heilen“
(Jes. 57, 19). Der Friede war die Heilkraft des Prophetismus. Der
Friede zunächst im Gegensatz zum Völkerkriege, sodann aber auch
im Gegensätze zu den menschlichen Leidenschaften. Der Friede hat
gleiche Bedeutung mit der Versöhnung und mit der Erlösung. Und
er war und blieb gegründet auf die Erkenntnis, auf die Thora. .
Daher blieb die Festesfreude immer verbunden mit dem Studium der
Lehre. Die Freude war daher gegründet im Geiste, als eine
intellektuelle Freude, so daß sie von einem Sinnentaumel, aber auch
von den ästhetischen Täuschungen und Ersatzzaubern unterschieden
blieb. Der Jude konnte niemals ein Mann der Trauer bleiben; seine‫׳‬
Feste und seine Wissenschaftlichkeit erhoben ihn immer in den
Himmel der Freude. Und diese Erhebung bewirkte, als Seelenkraft,,
der Friede, der daher ebensosehr, wie Wahrhaftigkeit und Demut,
wie Gerechtigkeit und Treue und wie die Tapferkeit des Martyriums,
sein natürlicher Lebensweg wurde. Sein Martyrium gab ihm die
tragische Würde; sein Friede aber erhielt ihm immer den ästhetischen
Humor.
Und diese ästhetische Kraft, die schon bei den Propheten durch-
bricht, ergießt sich, wenngleich nicht in gleicher Klassizität, so doch
in beträchtlicher Produktivität in manchem Werke der späteren
jüdischen Literatur des Abendlandes, wie bis auf den heutigen Tag
in ernsthaften Werken der jüdischen Volkspoesie. Der Friede des
Humors hat wie einst Jesaja: ‫״‬tröstet, tröstet mein Volk!“ über die‫׳‬
Menschen des Ghettos gerufen und seine Fittiche gebreitet. Und
wie sich sonst mit dem Erhabenen der Humor zur Schönheit ver-
bindet, so hat er sich hier verschlungen mit der Tragik, um dem
jüdischen Gemüte Rückhalt zu verleihen und Einheit zu erringen.
Wenn mit einem Worte das Wesen des jüdischen Gemütes bezeichnet
werden kann, so ist dieses Wort der Friede. Diese Einheit des
jüdischen Bewußtseins begreift nur, wer es in seinen religiösen Tiefen•
542

zu erforschen vermag. Von außen gesehen, scheint Haß und Ver-


geltung das Gemüt des Juden beherrschen zu müssen, dieweil er ja
von der ganzen Welt gehaßt und bedrückt wird. Wäre es nicht ein
Wunder, wenn in seiner Seele nicht das Ressentiment lebte ? Freilich
wäre dies ein Wunder, wenn es nicht erledigt würde durch das
größere Wunder der jüdischen Lehre und des dieser gemäßen
religiösen Lebens. Das Leben der religiösen Pflichten, das Leben
unter dem Joch des Gesetzes hat diese Freiheit und diesen Frieden
in das Herz des Juden gepflanzt, so daß Haß und. Rachelust nicht
in ihm sich einnisten konnten. Das Joch des Gesetzes war ihm das
jJoch des Gottesreiches, und das Reich Gottes ist das Reich des
| Friedens für alle Völker der einigen Menschheit. Wie hätte der
; Haß in einem solchen Bewußtsein sich festsetzen können, welches an
den Frieden unter den Menschen glaubt mit der ganzen Kraft des
Glaubens und mit der ganzen Pflicht des Glaubens. Der Messianismus
ist und bleibt die Grundkraft des jüdischen Bewußtseins. Und der
Messias ist der Friedensfürst. Und das Hohe Lied besingt auch im
Namen schon die Heldin der Liebe als die Jungfrau des Friedens,
die Sulamith. Und ebenso ist die Psalmenpoesie nicht zwar Hirten-
poesie, aber Heldenpoesie des Friedens für den Menschen und im
Menschen. Was ist der Inbegriff des Menschenlebens im Geiste der
Bibel? Der Friede ist es. Aller Sinn, aller Wert des Lebens liegt
im Frieden. Er ist die Einheit aller Lebenskräfte, ihr Gleichgewicht
und die Schlichtung aller ihrer Gegensätze. Der Friede ist die
Krone des Lebens.
Das menschliche Leben hat einen Abschluß im Tode. Der Tod
ist nicht das ‫׳‬Ende, aber ein Abschluß, ein neuer Anfang. Es ist
bedeutsam für das jüdische Bewußtsein, daß es auch den Tod als
Frieden denkt und bezeichnet. ‫״‬Über ihm der Friede“, das ist das
Wort, mit dem der jüdische Sprachgebrauch den Seligen bezeichnet.
Der Friede nimmt dem Tode seinen Stachel. Er gibt auch dem
Rätsel des Todes eine Lösung. Der Mensch, der dem Leben ent-
rissen ist. ist nicht dem Frieden entrückt, vielmehr ihm genähert.
Er steht jetzt unmittelbar unter dem Frieden Gottes. Das Gedächtnis,
das dem Toten geweiht wird, ist daher nicht eine Sorge um sein
Seelenheil, geschweige eine Bitte um seine Befreiung von den Schreck-
nissen der Höllenstrafen. Der Mensch ist, das Sündenbekenntnis auf
seinen Lippen, dahingestorben; seine Buße hat er in seiner Selbst-
läuterung vollzogen; seine Erlösung ist daher der Gnade des ver-
gebenden Gottes empfohlen. Über ihm ist der Friede — das ist
543

das Einzige und das Beste, was ich von seinem nunmehrigen Dasein
sagen kann. Daher bekundet sich sein Gedächtnis für den Überleben-
den in dem unvergänglichen Gefühl der Dankbarkeit und der aus
ihr fließenden Mahnung zur Liebespflicht und zum Verharren
im Gehorsam, wie die Vorfahren ihn befolgt haben. Könnte man
noch daran zweifeln, daß der Friede eine Hauptkraft der jüdischen
Tugend sei, so würde dieser Zweifel allein schon durch die jüdische
Auffassung des Todes widerlegt. Der Tod ist die Welt des Friedens.]
Nicht besser, nicht seliger kann man den Tod preisen, als indem
man ihn durch den Frieden von der Welt des Kampfes, von dem
Leben der Irrungen und des Streites unterscheidet. Das Leben soll
den Frieden suchen: es findet ihn im Tode. Daher ist der Tod
nicht das wirkliche Ende des Menschenlebens, sondern vielmehr das
Ziel, der Siegespreis des Lebens mit allem seinem Streben. Wer
den Frieden liebt, kann den Tod nicht fürchten. ‫״‬Der Ewige ist
mein Hirt, mir fehlt nichts . . auch wenn ich gehe im Tale des
Todesschattens, fürchte ich nichts Böses, denn du bist bei mir“
(Ps. 23). Der einzige Gott ist bei mir auch im Tod. Das ist
der Höhepunkt in dem Gedanken, in der Gesinnung des Friedens.
Dieser Höhepunkt kann durch keinen Humor überstiegen werden.
Es ist charakteristisch für das jüdische Bewußtsein, daß es den Tod
nicht fürchtet. Diese Singularität erklärt sich nur aus der absoluten
Freiheit von jeder Furcht der Höllenstrafen. •Das ist die Kraft des
Friedens, des Gottesfriedens im jüdischen Gemüte, daß es Gott nicht
als einen Höllenrichter in sich aufkommen läßt. Gott ist dem Juden
nur der Gott der Versöhnung, auch als Richter nur der Richter zur
Versöhnung. So gibt es keine Todesfurcht im jüdischen Gemüte.
Und daher hat auch das Seelengedächtnis nicht Sorge zu tragen für
das Seelenheil der Verstorbenen in dem Sinne, daß dieses vor den
Qualen der Höllenstrafen durch die Bitten der Nachlebenden geschützt
werden könnte. Wir feiern das Andenken unserer Toten in der ‫ן‬
frommen Hoffnung, daß ihre Seelen vereinigt werden mit den Seelen!
unserer Erzväter und Erzmütter. Diese Vereinigung mit der Ge-
schichte unseres religiösen Volkes ist unsere einzige Sorge bei dem j
Seelengedächtnis.
ö
Wie die Erzväter selbst zu ihren Vätern und zu II
ihrem Volke eingesammelt wurden, da sie starben, so stirbt auch
heute noch jeder Jude in der Hoffnung dieses geschichtlichen Fort-
lebens in dieser Vereinigung mit den Ahnherren seines Geschlechtes.
So ist der Tod ein geschichtliches Fortleben. Und in diesem Fort-
leben waltet und herrscht der Friede, der allen Erdenkampf besiegt hat.
544

Der Friede ist daher auch in dem erhöhten Sinne ein Tugend«‫״‬
weg, daß er den Weg führt zum ewigen Leben. Auf der Bahn des
Friedens kann es keine Todesfurcht geben, der Friede als der Friede
des ewigen Lebens, wird selbst zum ewigen Frieden, zum Frieden
der Ewigkeit. Die Ewigkeit aber ist der Sinn, das Ziel, der Zweck
des gesamten Menschenlebens. Alles Zeitliche führt zur Ewigkeit,
wenn es den richtigen Weg geht. Und dieser rechte Weg ist der
des Friedens. Der Friede ist die Tugend der Ewigkeit.
Es ist bedeutsam für das jüdische Sprachbewußtsein, daß das
hebräische Wort Olam für Welt zugleich die Ewigkeit bedeutet:
‫״‬Auch die Welt hat er in sein Herz gegeben (Koh. 3,11). Diese
Welt ist auch die Ewigkeit, so daß man auch die Ewigkeit, als in
das Herz des Menschen von Gott gegeben, übersetzen kann. Der
Friede erklärt diesen Widerspruch, der sonst in diesen beiden Be-
deutungen erkannt werden müßte. Die gegenwärtige Welt kann
freilich nicht die Ewigkeit bedeuten; sie ist vergänglich. Und der
Mythos des Weltuntergangs und der Welterneuerung konnte keine
Aufnahme finden in einem religiösen Bewußtsein, welches Gott zum
Schöpfer der Welt schon deshalb machen mußte, weil dieser Gott
der Schöpfer des Menschen und seines heiligen Geistes sein sollte.
Aber für dieses religiöse Bewußtsein, dem die We!t die Schöpfung
und die Offenbarung Gottes ist, konnte weder die Welt, noch gar
der Mensch schlechterdings vergänglich sein. Die Ahnung der Un-
Sterblichkeit des Menschen und der Ewigkeit der Welt bekundet
sich in diesem tiefen Worte der Sprache. Auch die spätere Sprache
hat noch diese Ahnung festgehalten, indem sie den Friedhof oder
Gottesacker, wie das schöne deutsche Wort lautet, ‫ ״‬das Haus der
Ewigkeit“ ( ‫ )בית עולם‬nennt. Der Tod ist der Frieden. Und das
Grab ist das Haus der Ewigkeit. Diese Ewigkeit ist das wahre
Ende der Welt, das Ziel der irdischen Welt. Und zu dieser Ewigkeit
hin leitet der Tugendweg des Friedens. Aber diese Ewigkeit ist nur
die Fortsetzung des irdischen Lebens — dieselbe Wortwurzel umfaßt
beide Seiten des Daseins — so ist der Friede, wie er zur Ewigkeit
führt, ebenso auch der Wegweiser zum irdischen Leben, zum Anfang,
der in ihm für alles geschichtliche Fortleben liegt. Der Friede ist
das Wahrzeichen der Ewigkeit und ebenso die Losung des mensch-
liehen Lebens in seinem individuellen Verhalten, wie in der Ewigkeit
seines geschichtlichen Berufes. In dieser geschichtlichen Ewigkeit
vollführt sich die Friedensmission der messianischeii Menschheit.
‫‪Anmerkungen.‬‬
‫‪Nach den Aufzeichnungen des Verfassers zusammengesteilt‬‬
‫‪und ergänzt von L. Rosenzweig.‬‬

‫‪zur Seite 23, 16 vgl. Aboda sarah 5 a‬‬


‫‪Seite 33, 9 — Chagiga 3 b‬‬
‫דברי ח כ מי ם כ ד ר בונו ת ו כ מ ס מ רו ת נטועים ובו׳ ת ״ל נטועים מ ה נטיעה זו פ ר ה‬
‫ורבה א ף ד ב רי תורה פרין ורבץ‪.‬‬

‫‪vgl. auch Midrasch-Tanchuma 635‬‬


‫ד ב ר א ח ר האזינה עטי תורתי זש״ה ל ב ח כ ם י שכיל פיהו‪ .‬וגו׳ וכשווכץ מן טוב‬
‫‪ .‬מוסיפין תורה‬
‫‪Seite 33, 28 - - Midr. rabba II, 44‬‬
‫ולא כ ל הנבי אי ם ב ל ב ד ק ב לו מסיני נבו א תן א ל א א ף ה ח כ מי ם וכו׳ ‪.‬‬
‫מ ק ר א מ שנ ה וג מר א כל ם נתנו ל מ ש ה מסיני ‪vgl. auch Ber. 9 .‬‬

‫‪Seite 38 — Midr. rabba I, 47‬‬


‫תורה ל א ניתנה א ל א ע״ מ שתע שו א ת הדינץ ‪.‬‬

‫‪Seite 48, 27 Emuna rama ed. Weil S. 58‬‬


‫וענין ש הו א א ה ד הו א ענין שאין כ מו הו ד ב ר והוא שב א ל ענין שוללי; ואין‬
‫א חדו תו כ א ח דו ת ד ב ר מ מ ה ש קר א א ח ד א ב ל הו א ית׳ ויה׳ יותר א מ תי מ כ ל א׳ ב ש ם‬
‫‪ .‬ה א חד‪ .‬וענין היותו ית׳ א ח ד א חדו תו היא ע צמותו‬

‫‪Seite 73, 28 — Moreh I c. 58 Munk 1, p. 243‬‬


‫ו א מ רנו בו מ פני אלו הענינים שהו א יכול וחכם ורוצה והכונה ב א לו ה ת א רי ם‬
‫שאינו לו א ה ול א ס כ ל ול א נ ב ה ל או עוזב וענין א מ רנו ל א לו א ר ש מצי או תו יש ב ה‬
‫די ל ה מ צ א ת ד ב רי ם אחרי ם זולתו וענין א מ רנו ול א ס כ ל שהוא מ שיג כ לו מ ר חי כי כל‬
‫משיג חי וענין א מ רנו ל א נ ב ה ל ול א עוזב כי כל א ל ה הנ מ צ או ת הו ל כו ת על ס ד ר‬
‫‪ ,.‬והנהגה ל א נעזבות והיות כ א ש ר יקר ה וכ‬

‫‪Seite 75 — Beresch. rabba 5‬‬


‫ב ר א שי ת ב ר א אל הי ם אין רא שית א ל א תורה ‪.‬‬

‫‪Seite 90, 13 — oanhedrin 91‬‬


‫‪vgl. Berach. 45 a, Tosefta Pesachim 163.‬‬
‫‪35‬‬
‫‪546‬‬

‫‪Seite 92, 13 — Midr. tanch. 256‬‬


‫וי א מר ה׳ מסיני ב א ונו׳ מ ל מ ד שהחזירה על כל ה או מו ת ול א רצו ל ק ב ל ה ‪.‬‬

‫״ ‪Seite 94, 30 — Midi*, tauch188‬‬


‫‪ .‬וי א ב ד א ת ל ב מ תנ ה מן ה תור ה שנ תנ ה מ תנ ה ב ל בו של א ד ם‬
‫בן ג׳ שנים הכי ר א ב ר ה ם א ת בו ר או ‪ygi. auch Nedarim 32 .‬‬

‫‪Seite 105, 4 — Moreli III c. 51‬‬


‫והיה כא שר ת שיג ה ש ם ומע שיו כפי מ ה שי שכלהו ה שכל אחרי כן ת ת חיל‬
‫‪ .‬ל ה מ ס ר אליו ו ת ש ת דל ל ה ת ק ר ב לו ותחזק ה דבוק א ש ר בינך ובינו והוא ה שכל‬

‫‪Seite 105, 14 — Beracli. 33‬‬


‫גדולה ד ע ה שנ תנה בין שתי אותיות שנ א׳ כי א ל דעות ה׳ ‪.‬‬

‫‪vgl. auch Choboth ed. Stern 36‬‬


‫ו א מ ת א מ ר ה פ לו סו ף ב א מ רו ל א יוכל ל ע בו ד על ת העילו ת ו ת ח ל ת ה ה ת חלו ת‬
‫א ל א נ בי א הדור ב ט ב עו או ה פ לו סו ף ה מו ב ה ק ב מ ה ש קנ הו מן ה ח כ מ ה‪.‬‬

‫‪Seite 106, 16 — Sabbath 31 a‬‬


‫א מ ר ר ב א ב ש ע ה ש מכניסין א ד ם לדין או מ רי ם לו נ ש א ת ונ ת ת ב א מונ ה ק ב ע ת‬
‫עתים ל תו ר ה ע ס ק ת ב פ רי ה ורביה צפית לי שועה פ ל פ ל ת ב ח כ מ ה ה בנ ת ד ב ר מ תו ך‬
‫ד ב ר וכד ‪vgl. auch Moreh i n c. 54.‬‬

‫‪Seite 110 — Moreh I c. 54‬‬


‫הנה כ ב ר ה ת ב א ר כי ה דרכי ם א שר ב ק ש ידיעתם והודיעו או ת ם הם ה ם‬
‫הפ עולו ת ה ב או ת מ מנו י תעל ה ו ה ח כ מי ם יקראום מ דו ת וי א מרו של ש ע שרה מ דו ת‬
‫וזה ה ש ם נופל ב ש מו ש ם על מדו ת ה א ד ם א ר ב ע מדו ת ב חו ל כי ל בי ת ה מדר ש‪ .‬א ר ב ע‬
‫מ דו ת בנו תני צ ד ק ה ווה ה ר ב ה‪ .‬והענין הנ ה אינו שהו א ב על מ דו ת א ב ל פועל פ עולו ת‬
‫דו מו ת ל פ עו לו ת ה ב או ת מ א תנו מ מ דו ת ר ״ל מ ת כונו ת נפ שוית ל א שהו א י ת על ה ב ע ל‬
‫תכונו ת נפ שיות הנ ה כ ב ר ה ת ב א ר ל ך כי ה דרכי ם ו ה מ דו ת אחד‪.‬‬

‫‪Seite 110, 32 — Midr. schemoth raba 11‬‬


‫אהיה א ש ר אהיה אני נ ק ר א לפי מע שי ‪.‬‬

‫‪Seite 111, 32 — Sifra 91b‬‬


‫קדו שים תהיו וו קדו שת מצו ת ‪.‬‬

‫‪Seite 117, 33 — Rascki zu Jes. 63, 11‬‬


‫איה הו א א שר שם ב ק ר ב י שר אל א ת רוח קד שו של ה ק ב ״ ה ‪.‬‬

‫‪Seite 118, 8 — Raschi z. St. Jes. 42, 5‬‬


‫נותן נ ש מ ה ל ע ם עליה ורוח ל הו ל כי ם ב ה ורוח קדו שה ל הול כי ם ב ה ‪.‬‬

‫‪Seite 119, 34 — Emuna rama 58‬‬


‫אכן רוח היא ב אנו ש ונ ש מת שדי תבינ ם וכ׳ ׳ רוח הי א ב אנו ש ה ש כ ל ה אנו שי‬
‫‪ .‬ונ ש מ ת שדי ת בינ ם רוח ה ק ד ש‬
‫‪547‬‬

‫‪Seite 125, 6 — Tana d. Elijahu 88‬‬


‫מעיד אני עלי ש מי ם ואר ץ בין י שר אל בין עכו״ם בין איש ב ץ א שה בין ע ב ד‬
‫‪ .‬בין שפחה; ה כ ל לפי ה מ ע ש ה שעו שה כך רוה״ק שורה עליו‬
‫‪Seite 12G, 8 — Aboda sara 20‬‬
‫א״ר פנ ה ס בן יאיר תורה מ בי א ה לידי זהירות זהירות מ בי א ה לידי ור מו ת וכו‪/,‬‬
‫‪ .‬קדו שה מ בי א ה לידי רוח הקד ש‬
‫‪ - Jer. Ned. P. 9‬ו ‪Seite 8 ,38‬‬
‫תניא א״ר עקיב א ץ א הב ת ל ר ע ך כ מוך זה כ ל ל גדול ב תו ר ה בן עזאי או מ ר זה‬
‫‪ .‬ס פ ר תול דו ת אדם; זה כ ל ל גדול מזה‬

‫‪Seite 139. 7 — Chulin 100 a‬‬


‫מבני י ע ק ב נ א ס ר גיד הנימה שהיו בני נח קודם מ תן תור ה‪.‬‬

‫‪Seite 140, 25 — Aboda sara 3‬‬


‫עכו״ם נמי מ ק רו בני א ד ם שר״ל בני א ד ם הר א שון‪.‬‬

‫‪Seite 140,35 — Sanliedrin 63 b‬‬


‫יודעים ה ם י שר אל בע״ז •מאין ב ה ממ ש; א ל א כדי ל ה תיר ל ה ם עריות ‪.‬‬

‫‪Seite 142, 14 — Sanliedrin 59‬‬


‫אפילו עכו׳־‪-‬ם ועוסק ב תו ר ה (ב שבע מ צו ת דידהו) הרי הו א ככהן גדול ‪.‬‬

‫‪Seite 143, 30 — Tosefta Sanhedrin 234‬‬


‫עכ שיו שא׳ ה כ תו ב כיל גוים שכחי אלהיט; הא יש צדיקים ב או מו ת שיש ל ה ם‬
‫‪Ab.‬‬ ‫_ ‪,‬‬ ‫ל עול ם ה ב א הלק‬
‫הסירי או״ה יש ל ה ם ח ל ק לעדה ‪vgl. Mahnonides Hil. tescb. p . 3: ,‬‬

‫‪Seite 144, 16 — Sanhedrin 56 b‬‬


‫י׳ מ צו ת נצטוו י שר אל ב מ ר ה; ז׳ ש קבלו עליהן בני נח והוסיפו עליהן דינין ו ש ב ת‬
‫‪ .‬וכבוד א ב ואם וכו׳‬
‫‪Seite 171, 23 — Sifre 73a‬‬
‫ו א ה ב ת א ת ד׳ א ה ב הו על הבריו ת ‪ Vgi. Joma 86 a‬ו א הב ת א ת ד׳ שיהא שם‬
‫‪ .‬ש מיב מ ת א ה ב על ידיך ויהא מ ש או ו מ תנו ב א מונ ה ודבורו בנ ח ת עם ה בריו ת‬
‫»י‬
‫‪Seite 186, 33 — More I, Kapit. 27‬‬
‫אונקלו ם הגר של ם מ א ד בל שון ה עב רי ת ו ה א ר מי ת כ ב ר שם ה ש תדלו תו ב ס לו ק‬
‫‪ .‬ה הג ש מ ה‬
‫‪Seite 189, 30 — Maimonides Hilck. Teschuba 10‬‬
‫ב כ ל ל ב ב ך ו ב כ ל נפ שך אינו או הב ה ק ב ״ ה א ל א ב ד ע ת שידעהו ועל פי ה ד ע ה‬
‫‪ .‬תהית ה א ה ב ה אם מ ע ט מעט ואם ה ר ב ה ה ר ב ה וכו׳‬
‫‪Seite 194, 25 — Sanhedrin 37 a‬‬
‫א ד ם נ ב ר א יחידי‬
‫‪Seite 203, 12 — More III c. 32‬‬
‫ויז ה ה תנ ה בזה ה פ סו ק ו א מ ר ביום הוציאי או ת ם מ א ר ץ מ צרי ם כי ת ח ל ת צווי‬
‫ש ב א א ח ר יציאת מצרי ם הו א מ ה שנצטוינו בו ב מ ר ה וכו׳ ו ב א ה ה ק ב ל ה ה א ט תי ת‬
‫*‪35‬‬
‫‪548‬‬

‫־שבת ודינין ב מ ר ה איפקוד וגו׳ מ א ת היא הכונ ה הר א שונ ה כ מו ש ב א רנו וכף הגה כ ב ר‬
‫־התבאר ל ך ש ה מצוה ה ר א שונ ה ל א היו ב ה דב רי עולה וזבח א ח ר שה ם על צד הכונ ה‬
‫‪:‬השנית כ מו שזכרנו‪.‬‬
‫‪Seite 211, 32 — Tosefta zu Sanhedrin 7‬‬
‫א ד ם נ ב ר א יחידי ו ל מ ה נ ב ר א יחידי ב עו ל ם ש ל א יהו צדיקים או מ רי ם אנו בניו‬
‫‪.‬־של צדיק ו שלא יהו הר שעים או מ רי ם אנו בניו של ר שע‬

‫‪Seite 214, 14 — Midr. tanch. 19‬‬


‫ר א ה זה מ צ א תי א שר ע שה ה אל הי ם א ת ה א ד ם ישר וכו׳ ואם ת א מ ר ל מ ה ב ר א‬
‫•‪ .‬יצר ה ר ע וכו׳ א מ ר ה ק ב ״ ה א ת ה עו שה אותו ר ע‬

‫‪Seite 227, 2 — Maimonides Hilch. Teschuba II‬‬


‫ומ שנ ה ש מו כלו מ ר אני א ח ר ואינו אותו האי ש שע שה אותן הטע שין‪.‬‬

‫‪Seite 229, 8 — Choboth 323‬‬


‫הרא שון שידע גנות מע ש הו ידיעה ב רו ר ה וכו׳ והשני שידע ב חיוב רוע מ ע ש הו‬
‫‪ .:‬וגנותו וכו׳ וה שלי שי שידע ב חיו ב הגמול על מע שהו‬

‫‪Seite 245, 25 — Pesikta d. R. K. 158, 6‬‬


‫א״ר פנ ח ס ל מ ה הו א טו ב שהוא ישר ל מ ה הו א ישר שהו א מו ב על כן יורה‬
‫‪ .:‬ח ט אי ם ב ד ר ך ש הו א מור ה להן ד ר ך שיעשו ת שובה‬

‫‪Seite 248, 29 — Choboth ed. Stern 252‬‬


‫ו מ צ אנו ענין ה ב ט חון בל שון הקד ש מליצי ם ב ע דו ב ע שר מ לו ת כנגד ע שר‬
‫־המדרגות ה א ל ה והם מ ב ט ח ומ שען ותקוה ו מ ח ס ה) ו תו חל ת וחכוי ו ס מי כ ה ו ס ב ר‬
‫‪.‬ו מ ס ע ד ו כ ס ל‬
‫‪Seite 255,2 — Tanith 26 b‬‬
‫א מ ר רבן שמעון בן ג מ לי א ל ל א היו י מ י ^ טובי ם לי שר אל כ ח מ ש ה ע שר ב א ב‬
‫‪ .‬וכיום הכפירי ם שבהן בנו ת ירו שלים יוצאות ב כ לי ל בן שאולין וכו׳‬

‫‪Seite 259, 19 — Joma 85 b‬‬


‫ע ב רו ת שבין אד ם ל מ קו ם יה״ב מ כ פ ר עב רו ת שבין א ד ם ל ח ב רו אין יוה״כ‬
‫‪ .‬שכ פר עד שירצה א ת ח ב רו‬ ‫_‬
‫‪9‬‬
‫‪Seite 263, 1 — Joma 85 b‬‬
‫א שריכ ם י שר אל לפני מי א ת ם מ ט ה רי ם וטי מ ט ה ר א ת כ ם אבי כ ם שב ש טי ם ‪.‬‬

‫‪Seite 263, 36 — Berach. 19 a‬‬


‫א ם ר אי ת ת״ ה ש ע ב ר עבי ר ה ב לי ל ה א ל ת ה ר ה ר אחריו ביום שודאי ע שה ת שוב ה ‪.‬‬

‫‪Seite 266, 26 — Berach. 5‬‬


‫א ם רואה א ד ם שיסורין ב אין עליו יפ שפ ש ב מ ע שיו וכף ‪.‬‬

‫‪ — Sabbath 88 a‬נ ‪Seite 267, 8‬‬


‫ת״ר עלובין ואינן עולבין וכו׳ עושין מ א ה ב ה ו שמחין ביסורין עליהן ה כ תו ב‬
‫■‪ .‬או מ ר ואוהביו וכו׳‬
‫‪1‬‬
‫‪549‬‬

‫‪Seite 293, 1 — Maimonides Hilch Tesch. IX‬‬


‫לפי שב אותן הימים ת ר ב ה ה ד ע ת ו ה ח כ מ ה ו ה א ט ת ש נ א מ ר' כי מ ל א ה ה א ר ץ•‬
‫‪ .‬דע ה א ת ה׳‬
‫‪Seite 305,5 — Makoth 24 a‬‬
‫א״ר יוסי ד ‪ ,‬גזרות גור מ ש ה רבנו על י שר אל ב או ד׳ נבי אי ם ובי טלו ם וכ ׳ מ ש ה‬
‫‪ .‬א מ ר פו ק ד עון א בו ת על בני ם ב א י חזק אל ובי טל ה‬

‫‪Seite 310, 30 — Berach. 5‬‬ ‫‪,‬‬


‫יטורין של א ה ב ה ‪.‬‬
‫‪Seite 313.16 — Aboda sara 20‬‬
‫א״ר יהו שע בן לוי ענוה גדול ה מ כלן ‪.‬‬

‫‪Seite 327. 13 — Midi, tauch. 126‬‬


‫נ בו א ה לע תיד ל בו א על כל א ד ם ‪.‬‬

‫‪Seite 359, 37 — Ikkarim Absch. 4, 40‬‬


‫ולזה סיים כי עם קדו ש א ת ה ל ה׳ א ל הי ך כלו׳ א ח ר שהוא ית׳ קדו ש ומ שרתיו‬
‫• קדו שןם ו א ת ם עם קדו ש כל ד ב ר י ק רב ל דו מ הו ובלי ס פ ק הנ פ ש ה הו א ת ד ב ק עם‬
‫‪ .‬ה שכלי ם הנ ב ד לי ם •כי קדו ש הו א וכו׳ וזה אר׳ שיש ה ש ארו ת לנ פ ש א ח ר ה מו ת‬

‫‪Seite 365, 33 — Maimonides Hilch teschuba VIII, 8‬‬


‫זה ש ק ר או אותו ה כ מי ם ה עו ה״ב ל א _ ט פני שאינו מצוי ע ת ה וזה ה עו ל ם או ב ד‬
‫‪ .‬ו א ה״ב יב א אותו ה עול ם אין ה ד ב ר כן א ל א הרי הו א מצוי ו ף מ ד‬

‫‪^ bid. cap. 9‬‬


‫א ב ל ימות ה מ שי ח הוא העול ם הזה ועולם כ מנ הגו הולך ‪.‬‬

‫‪Seite 367, 3 — Berach. 17 a‬‬


‫ה עו ה״ב אין בו ל א א כיל ה ול א שתיה וכו׳ א ל א צדיקים יו שבים ו ע טרו תי ה ם‬
‫‪ .‬ב ר א שי ה ם ונהנים מזיו ה שכינ ה‬

‫‪Seite 367, 11 — Nedarim 8 b‬‬


‫אין גיהנם ל עול ם ה ב א א ל א ה ק ב ״ ה מוצי א ה מ ה מנ ר תי ק ה וכו׳ ‪.‬‬

‫‪Seite 367, 20 — Ikkarim Abscb. 4, c. 38‬‬


‫וכן ב ת ח ל ת ה מז מור רמז ל שני מיני ה ח ם ־ ה ל לו ו א מ ר ה סו ל ח ל כ ל עוניכי לר מר‬
‫על ה ח ס ד •שישוב העוניש הנצחיי זמניי ה רופ א ל כ ל תהלו איכי לר מוז על ה ח ס ד שי שוב‬
‫• ה ש כ ך זמניי נצ היי‪.‬והזר ל ב א ר זה ו א מ ר הגו אל מ ש ח ת חייכי שזה ודאי מ ד ב ר על‬
‫‪ .‬הג אול ה מענ שי גיהנם הנצחיים וכו׳‬

‫‪Seite 368, 12 — Berach. 34 b‬‬


‫כל הנ בי אי ם כולן ל א נ תנ ב או א ל א לי מו ת ה מ שי ח א ב ל ל עו ה״ ב עין ל א ר א ת ה _•‬
‫‪ .‬אל הי ם זולתך‬
‫‪Seite 369. 2 — Maimonides 8. Perakim, Abscli. 4‬‬
‫כי כ שהיה א ד ם שוקל פעולותיו ת מיד ומכוון א מ צ עו ת ם יהיה ב מ ד רג ה עליונה‪.‬‬
‫‪ .‬מ מ ד רג ת בני א ד ם ובוה י תקרב אל ה' ית׳ וישיג אל טובו וכו׳‬
‫‪550‬‬

‫‪Seite 370, 9 — Jebamoth 62 a‬‬


‫אין בן דוד ב א עד שי כלו כל נ ש מו ת שבגוף‬

‫‪oder Midi*. Koheleth 3‬‬


‫אין מ ל ך המ שיח ב א עד שיעמדו כל הנ שמות שעלו ב מ ח ש ב ה ל ה ב ר או ת‪.‬‬

‫‪Seite 371, I — Kusari ed. Cassel, S. 65‬‬


‫שיעוריה כ ל ם כולל או תם שר ש א ח ד והוא יחול ק ר ב ה האלו־‪,‬ים ו טל אכיו וטי‬
‫‪.‬־שיגיע א ל ה מ על ה הז א ת ל א יר א ה מן ה טו ת וכף‬

‫‪Seite 371, 6 — Ckoboth ed. Stern, S. 234‬‬


‫א ב ל גמול ה עו ה״ ב ועונשו ל א פירש מ ה ם הנבי א מ או מ ה ב ס פ רו וג׳ ו ט ה ם‬
‫‪ .‬שג מול העו ה״ב אין תכלי תו א ל א ל ה ד ב ק ב אל הי ם ול ה ת ק ר ב אל אורו העליון וכף‬

‫‪Seite 371, 35 — Ikkarim Absch. 4, 40‬‬


‫וכדי להעיר על ה ה ב ד ל שבין ה שכ ר הרוחני ל ש כ ר הג שמי א מר על הרוחני כי‬
‫■‬
‫ל א ד ב ר רק הו א מ כ ם כ לו מ ר א ל ת ח שבו שהוא ד ב ר א ה ד זול תכ ם א ב ל הו א ב ע צ מו‬
‫חייכם ר״ל הנ פ ש שהיא מ הו ת החיות הנ ש א ר א ח ר ה מו ת וכ ׳‬

‫‪Seite 373, 28 — Midi*, raba I, 61 a‬‬


‫אני ישנה מן ה מ צו ת א ב ל זכות אבותי עו מד ת לי ולבי ער ‪.‬‬

‫‪, raba I, 67 a‬׳‪Seite 379, 7 ff. — Midi‬‬


‫א״ר חייא ב ר א ב א מ הו הן יר את ה׳ היא אוצרו א ט ־ ה אל הי ם אם היו ל ך‬
‫‪ .‬מע שים טובי ם אני נותן ל ך שכר ו מה שכר תורה‬

‫‪vgl. auch Maimonides Hilch tesch. 10, 2‬‬


‫ול א כ די לירש ה טו ב ה א ל א עושה ה א מ ת מפני ש הו א א מ ת וסוף ה טו ב ה ייבא _‬
‫‪ .‬ב כ ל ל ה וכף‬
‫‪Seite 380, 9 — Ikkarim Absch. 4,14‬‬
‫וחשקי ב מ צי או ת הו א היות נ דב ק ב א ל הי ם ל עול ם שהו א ד ב ר נצחי ול א א פ ח ד‪.‬‬
‫מן ה ה פ ס ד א ח ר שאני ד בק ב ד ב ר נצחי וכף‪ .‬ואני ק ר ב ת אל הי ם לי טוב ר״ל כל‬
‫‪ .‬טובי הו א היותי מ ת ד ב ק א ל ה שם‬

‫‪Seite 382, 4 — Baba kama 38‬‬


‫גדול המצווה ועו שה יותר מ מי שאינו מצווה ועושה‪.‬‬

‫‪Seite 383, 13 — Sanhedrin 74 a‬‬


‫כל ע ב רו ת ש ב תו ר ה אם או מ רי ם ל א ד ם עבור ו אל תהרג יעב*ור ‪«,‬אי יהרג חוץ‬
‫‪ .‬מ ע כו ״ ם וגלוי עריות ו שפיכת ד מי ם‬

‫‪Seite 385, 3 — Kiduschin 49 b‬‬


‫ה או מ ר ל א ש ה הרי א ת מ קו ד ש ת לי על מנ ת שאני צדיק אפילו רשע ג מו ר הרי‬
‫‪.‬זו מ קו ד ש ת ש מ א ה ר ה ר ת שובה ב ל בו‬

‫‪Seite 385, 11 — Berach. 34 b‬‬


‫ב מ קו ם שבעלי ת שוב ה עומדים צדיקים גמורים אין יכולים ל ע מו ד ‪.‬‬
‫‪551‬‬

‫‪Seite 385, 17 ff. — vgl. Maimonides Hilch. tesch. Absch. 3‬‬


‫‪Seite 388, 28 — Maimonides Hilch. teschub. Absch. 3, 5‬‬ ‫*‬
‫וכן חסידי או ה״ע יש ל ה ם חל ק ל עו ה״ ב ‪.‬‬

‫‪Seite 391, 20 — Kesef Mischne zu Hilch. Melach. 8‬‬


‫ומה ש כ ת ב והוא שי ק בל וגו׳ נ ר א ה לי ש ר ב עו או מ ר כך מ ס ב ר א דנפ שיה‪.‬‬

‫‪Seite 396, 10 — Midr. raba H, 54‬‬


‫ל עול ם וכות א בו ת קיימת ל עול ם ״טזכירין ואומר ץ כי א ל רחו ם ה׳ אל היך וגו׳‬
‫‪ .‬ול א י שכח א ת ב רי ת אבו תיך‬

‫‪Seite 414, 35 — Emuna rama 102‬‬


‫ונ א מ ר ת ח ל ה ש חל קי ה תור ה בין שיהיה ח מ ש ה או א ר ב ע ה או כ מ ה שיהיו אינם‬
‫‪ .‬כל ם שוים ב מ ע ל ה‬
‫‪Seite 415, 1 — Emuna rama 75‬‬
‫׳ומדתות מ ה ם מ פו ר ס מו ת בל שון ב עלי ההגיון ו א צל ב עלי ח כ מ ת ה ד בו ר ד תו ת‬
‫שכליו ת מ פני' ש ה ם מ תי ח סו ת א ל ה מו ש כלו ת ה תי חסו ת מה וזה כ מו שהיו שר טו ב‬
‫והעול רע וג׳ ו מ ה ם מ קו ב לו ת בל שון בעלי ההגיון והם בל שון ח כ מ ת ה ד בור ד תו ת‬
‫שמעיות כמו ש מירת ה ש ב ת וכו׳ ‪vgl. auch Kusari 148.‬‬

‫‪Seite 418, 28 — Moreh III 31‬‬


‫ה כ ל נ ת ל ה ב של ש ה ד ב רי ם ב ד עו ת ו ב מ דו ת וב מ ע ש ה הנהגה ה מדינית ‪.‬‬

‫‪Seite 418, 38 — ibid.‬‬


‫והיה דו מ ה אז כ אלו י ב א נבי א בז מננו זה ש קר א ל ע בו ד ת ה ש ם וי א מ ר ה שם צוה‬
‫א ת כ ם ש ל א ת ת פ ל לו אליו ול א ת צו מו ול א תב ק שו ת שועתו ב ע ת צרה א ב ל תהיה‬
‫‪ .‬ע בו ד ת כ ם מ ח ש ב ה מ ב ל תי מע ש ה‬

‫‪Seite 431, 18 — Or Ad., Einleitung Ende‬‬


‫הנה ראינו ל ח ל ק ה חל ק הזה ל א ר ב ע ה מ א מ רי ם ה א׳ ב שר ש שהוא ה ת ח ל ה ל כ ל‬
‫ה א מונו ת התוריות גר״ל מ צי או ת ה שם) ה ב׳ ב א מונו ת שה ם פנו ת ויסודות ל כ ל‬
‫‪ .‬ה מ צו ת וכ׳‬
‫‪Seite 439, 18 — vgl. Tanith 2‬‬
‫ולעבוד ב כ ל ל ב ב כ ם איוו עבוד ה שהיא ב ל ב זו ת פ ל ה ‪.‬‬

‫‪Seite 442,18 — Choboth 361‬‬


‫וראוי ל ך אחי שתדע כי כוונתנו ב ת פ ל ה אינה כי א ם כלו ת הנפ ש א ל ה א ל הי ם‬
‫‪ .‬וכניעתה ל פניו עם רו מ מו ת ה ל בו ר א ה ו שב חה והוד את ה ל ש מו ו ה של כ ת כ ל יהביה עליו‬

‫‪Seite 458, 1 — Midr. Schir. haschiriin r. 54 S.‬‬


‫בע שר ה מ קו מו ת נקר או י שר אל כל ה ‪.‬‬

‫‪Seite 488, 21 — Sefer hamada, Absch. 2, 10‬‬


‫ולפיכך א מ ר חי פ ר ע ה וחי נפ שך ואין או מ ד הי ה׳ א ל א חי ה׳ שאין ה בו ר א וחייו‬
‫שניים כמו חיי הגופים החיים או כחיי ה מ ל א כי ם וכו׳ ‪vgl. auch Moreh c. 53 u. c. 68.‬‬
‫‪552‬‬
‫‪s‬‬
‫‪Seite 499, 38 — vgl. auch Mechilta zu Mischpatim‬‬
‫רא שון ש בגנ בי ם גונ ב ד ע ת ה בריו ת‪.‬‬
‫‪Seite 503, 11 — vgl. Tanith 7 a und Sota 5 a u. b‬‬
‫‪Seite 503, 28 — vgl. Sota 5 a‬‬
‫א מ ר רב יוסף ל עול ם יל מ ד א ד ם מ ד ע ת קונו שהרי ה ק ב ה ‪ ,‬הניח כל הרים וגבעות‬
‫‪ .‬וה שרה שכינ תו על הר סיני והניח כל אילנו ת טובו ת וה שרה שכינתו ב סנ ה‬
‫‪Seite 509, 15 — Makoth 23 a‬‬
‫ונקל ה אחיך לעיניך כ שלק ה הרי הו א כ אחיך ‪.‬‬

‫‪Seite 509, 30 — Baba Mez. 30 b‬‬


‫ל א ח ר ב ה ירו שלים א ל א שהעמידו דיניהם על דין תורה ול א עבדו ל פני ם‬
‫‪ .‬מ שור ת הדין‬
‫‪Seite 529, 33 — vgl. Berach. 54 a‬‬

‫‪Seite 533, 14 — vgl. Joma 9 b‬‬

‫‪Seite 537 — Schebuoth 30 a‬‬


‫ב צ ד ק ת שפו ט ע מי תך הוי דן א ת חבי ר ך לכ ף זכות‪.‬‬
‫‪Seite 540, 25 — Megil. 18 a‬‬
‫ב ר כ ה ד ה ק ב ״ ה שלום‪.‬‬
Inhaltsverzeichnis.

Abc n d m a h l: Das Symbol des A. und Noah nicht mehr A. und noch nicht
das Symbol des Gesetzes 405. Abraham 135; A. und Eva 152.
A b erg la u b e: Monotheismus und A diap h oron : s. I n d if f e r e n z
A. 272 f.; Gebet• und A. 447 471; Ägypten*. Auswanderung nach Äg.
A. und Opferfeier 202. als Vorbedingung des jüd. Mono-
A bkehr: A. von der Sünde 227 237 241. theismus 43; Befreiung aus Äg. und
Abraham : Gottes ewiger Bund mit die Offenbarung 49; die Fremden-
A. 137 469; der Israelit als Sohn liebe und der Ägypter 139 146 520;
A. 133 139; Noah nicht mehr Adam Äg. und der messianische Völker-
und noch nicht A. 135; A. gegenüber gedanke 322 327: die Thora als An-
Sodom 222 466 509: 246; 353: 467. denken an die Befreiung aus der
A b so lu th e it: der Gedanke der A. ägyptischen Sklaverei 508: Absage
und die Geschichtsphilosophie 429; an die Befreiung aus Äg. bei Jeremia
absolute und relative Notwendigkeit 326; die Propheten und die ägyp-
428; die Allheit als absolute Ge- tische Kunst 62.
meinschaft 476; der Mensch als ab- Ä s th e tik : Ä. und Religion 169 171
solutes Individuum 193 f.; die A. des 185 187 188 189 494 f. 536; die Äg.
Christentums 429. und der Begriff der Wahrheit. 485;
A bson d eru n g: A. Israels 273; A und keine ästhetische Deutung des Lei-
Gesetz 402; vgl. Iso lie ru n g . dens Israels 276; Rührung als Be-
A b str a k tio n : A. und Urbedingungen weismittel des ästhetischen Bewußt-
361; sittliche A. und Aktualität 228 f.; seins 536; vgl. lAehe. K u n s t , B e w u ß t-
die abstrakten Ausdrücke für Gott se in .
104: der Mensch der sozialen Sitt- Ä s c h y lo s : 10 198.
lichkeit eine A. 210 239; das neue A ffek t: die Religion und die Trieb-
Ich keine A. 240: die Heiligkeit des kräfte des A. 7 f .; A. und Denken
Menschen als A. 130: die ökonomische 476 f.; Wille, reiner Wille und A. 382;
A. des Armen 172; A. und Mythos die A. des Willens 476 ff.; Mitleid
bei Plato 349 ff.: die stoische Moral A. des reinen Willens 165: Mitieid
nur A. 161 162. als A. in der Stoa 162: bei Spinoza
A ch d u th ( 48 :(‫ א ח דו ת‬. 20 163: Wille und A. bei Gott 175;
A c h tu n g : 278. die Affekte bei Gott 189; die A. der
A ch t zehn g e b e t (Schemone-Esre): Ehre und Achtung 278 (s. K h r e )\
105 258 445 458 465 ff. 467 f. 505 die Liebe als A. 278 478 500 f.:
514 527. Reue als Gefühlsausdruck eines A.
Adam: der Israelit als Sohn A. 133: 239; die Seh nsucht das idealistische
554

Moment des Ä. 442: A. und Leiden- 13 Eigenschaften Gottes 109; A.


schaft 531. identisch mit dem Begriff Gottes 468;
Aga da: s. Haggada. A. Gottes und Gottesfurcht 452 482;
A gen de: 78 257 313 083; vgl. Gehet, Einschränkungen dei• A. Gottes (A.
L itu r g ie . und Widerspruch, A. und Willens-
A g n o stiz ism u s: "0 243. freiheit) 481 f .; vgl. E l sehacläaj,
A g r a r g e se tz g e b u n g : 176 —179. S elb stg en ü g sa m k eit.
A hnen: Ahnenseele 291: Ahnenkultus A llw is s e n h e it: 109 469.
349 352 356; Väter und A. 354; A lm osen : für A. kein hebr. Ausdruck
sittliche Motive im mythischen Ahnen- 176; das A. und die allgemeine
begriff 370: A. im griech. Hymnus Liebestätigkeit 176 411 f.; das - A.
440; vgl. Irater. als Form der Treue 523 f.
A ion (1a iebv ): 287 294. A lter tu m : 2S5 290; vgl. (jrie c h e n r
A keda: 469. B ibel.
A kiba R.: 138 262 1* Arnos: gegen die Einheit zwischen
A k t iv itä t: Gott der Ursprung der Macht und Gottheit 289; die messi-
A. 73: das Mitleid als A. 165: A. anischen Stellen (8 9 1 1 f .; 9 7 8 —15)
und Reaktion 165: vgl. T ätigkeit. 301 317 f.; Am. 3 2 (Erwählung
A k tu ale: das A. der Annäherung 127f Israels s. Bestrafung! 306 511; Am.
A k tu a litä t: sittliche Abstraktion und 5 1 8 (der ,.Tag des Ewigen“) 288
A. 228 f. 318: Am. 5 2 5 (gegen das Opfer)
Ak tu eil: das Leiden als a. Gefühl 158 203 318.
A lb o, Joseph: über die Vergeltung A naw im : 334; vgl. A r m u t.
371 3S0: über Abänderung der Ge- A nd ach t: der hebr. Ausdruck für A.
setze 431; über Philosophie und 365 414 439 450: die A. im Gebet
Religion (Theorie und Praxis) 497; 413 f. 439 442 450; A. des Gebets
gebraucht den Ausdruck ‫״‬Zeremonial- ist Wille der Religion 471.
gesetz“ 421. A n d ere, der: der A. nicht nur Volks-
A len u -G e b e t: Sinn und Inhalt 455f. genösse 138; das Wehe des A. 153
A lex a n d ria : 34 55 515; alexandrin. vgl. N ä ch ster.
Literatur 296. A n fa n g (‫) ר א שי ת‬: A. in Gen. 1,1; 75;
A ll gegen wart: Gottes A. bei Jere- A. als Terminus f. d. Schöpfung 78 ff.;
mia 191. der A. als ewiger Ursprung 98.
A llg e m e in h e it: A. als Grundbe- A nn äheru ng (‫ ) ה ת ק ר בו ת‬: das Aktuale
bedingung für die Religion der Ver- der A. 127: die A. als ewiges Ziel
nunft 9; Philosophie als A. der 129; Nähe und A. 191 369; A in
Kulturvernunft 10. der Sehnsucht des Gebets; die 442
A llh e it: A. als Zielpunkt der Ethik Tugenden als Stufen der A. 481
17 f .; Individuum, Mehrheit und A. 482 f. 529; Liebe zu Gott und A.
131 193 209 456; und die Einteilung 482 f. 490; vgl. N äh e, V erein ig u n g ,
der Tugenden 476 478; Menschheit ‫״‬an s ic h “: 96 164.
als A 220 456: Gott liebt die Men- A n te il: s. Leben.
sehen alsA. 173; A. und das Problem A n th r o p o lo g ie : geschichtliche A. 13;
des Ich 219: das sittliche Indivi- anthropol. Ethik 20; anthropol. Be-
diram als Allheitsindividuum 362 363 deutung der Nation 425 428.
A llm
» a ch t: A. als negatives ° Attribut A n th ro p o m o rp h ism u s: Kampf ge-
der Privation 73; A. nicht unter den gen A. als Seele der jiid. Religions-
bildung 48 53 477; die jüd. Speku- Schöpfung 72; bei der Korrelation
lation gegen den A. der Bibel 186 von Erkenntnis und Liebe 189; das
189: Beseitigung des A. durch den aristotelische Prinzip der Glück-
heiligen Geist 127: Pantheismus für Seligkeit und Maimonides’ Selbst-
den Monotheismus A. 52. Vervollkommnung 369 371.
A n tig o n e: 96. A rm ut: A. Wurzel des sozialen Leidens
A n tin o m ie: A. zwischen Individuum 27 157; A. als das große Leiden
und Gesellschaft 160; A. zwischen des Menschengeschlechts 27 156 158
den Völkern und der christlichen 167 445; ‫״‬Arm und Reich“ und die
Menschheit 282; A. zwischen Volk Einheit Gottes 152: ‫״‬Arm und Reich“
und messianischer Menschheit als und der Begriff *des Menschen 149;
Schwerpunkt der jüdischen Geschichte der Prophet und die sozialen Unter-
298 305; A. zwischen dem Israeliten schiede von ‫״‬Arm und Reich“ 154 ff.
und dem Ausländer 134; A. zwischen 1661; A. und göttliche Vorsehung
der geschichtlichen und der lite- 157; der Arme als Typus des Men-
rarischen Bedingtheit des Monotheis- sehen 159 170. A. und Menschen-
mus 133; A. zwischen Sündenver- liebe (Mitmensch) 166 1 172; Leiden
gebung und Gerechtigkeit 246; A. und Armut 369 312 305 167 158 57 ‫ל‬
zwischen Gerechtigkeit und Liebe in 511; A. und Frömmigkeit 305 3061
dev geschichtlichen Welt 299. 311 1 334 369 372 504; A. und die
A n tiz ip a tio n : A. der Zukunft in der Nöte des Individuums 445; die Ar-
Sehnsucht 442 f. men soziales Urbild der Demütigen
A p a th ie: die Apathie der Stoa 158 504: ‫״‬Arm und Reich“ und der ge-
161. 162. meinsame Anteil an der Lehre 530;
A p h ro d ite: 151 440 A. und Schuld 166; Israel als Ar-
A p o sto la t: die Theophanie wird zum mer 173 174: Erlaßjahr und A. 179;
A. 87. Speisung der Armen bei den Festen
A p riori: das Ewige, die Offenbarung 524; hebr. Ausdrücke für die Armen
und das a priori der Erkenntnis 97. 176; Armengesetzgebung 176 305‫ז‬
A raber: a. Mittelalter und Judentum Armenrecht (A. und Gerechtigkeit)
34: Einheit Gottes bei den a. Philo- 510: vgl. L e id e n y F rö m m ig k e it, D e m u t.
sophen 47. A ron: Mose steht über A. 303 89.
Ara b is c h -jü d is c h e P h ilo so p h ie A sk e se : Die A. des Nasiräers 409;
s. J ü d isc h e P h ilo so p h ie. Held und Asket 315: Zufriedenheit
A rb eit: Ursprung der A. (Kultur) aus und Asketik 530: 399; 414: 483.
Vergehung gegen Gott 152; A (‫) ע בו ד ה‬ A ssy r ien : 322.
und Gottesdienst 59 307; der Begriff A st arte: 140.
des Arbeiters 180 : Sklave und Ar- A s y ls t ä d t e : die drei A. 508.
beiter 180 f.: Arbeiter-Gesetzgebung A te: A. (Schuldverblendung) 197 198;
179—181: Arbeiter und Sabbat 184. 223.
A rch im ed es: 297. A th eism u s: 494.
A r is to t e le s : einseitigerlntellektualis- A th en a: 198.
mus 366 (vgl. 371); Ethik und Tugend- A ttr ib u t: Ontologismus und At-
lehre 475: die Eudämonie und das tributenlehre 52; negative A. im
Gute 475: Unsterblichkeit 366; Plato Islam 70; Maimonides und das Pro-
u. A. in der 0 (0 (pQ0 0 vv?] 526; A. blem der negativen A. 71 ff.; Ein-
und Maimonides beim Problem der heit Gottes negatives A. 47; die A,
556

der Handlung (109 (‫תוארי ה מ ע ש ה‬ mung mit der A. der sittlichen Yer-
bis 115 189 252 313 416 f. 476 488 nunft 278; A. und Stellvertretung
490; das A. als Vorbild 189; die 310; die A. der Sittlichkeit und die
A. Gottes als Tugendbegriffe für den Idee Christi 405.
Menschen 476 480 f. 503 527 u. ö.; A u to r itä t: Autoritätsglauben und
Heiligkeit und Güte als A. Gottes ‫־‬ Wahrhaftigkeit 497.
128 245; die A. Gottes und die A viceb ro n : s. Salomo Ibn Gabirol.
Wahrheit als A. 486 487 488 f.; die
Schuld als A. des Individuums 161. B aal: das Opfermahl der Baalsver-
A u fe r ste h u n g : Unsterblichkeit und ehrer 202.
A. 348—398 (A. als Herabsetzung B .a b y lo n ien : die babylonische Be-
der Unsterblichkeit 352; als Hebel deutung des Sabbat 182: die Pro-
für die Formulierung der Unsterb- pheten widerstehen der Kunst in B.
lichkeit 355 371 f .; die Verbindung 62; babylonisch-griech. Hymnus und
von A. und Unsterblichkeit 364) monotheistischer Psalm 30 250 439ff.;
A. und Messianismus (Jecheskel) . Gebetübersetzungendii bab; ,Zeit 459;
331 308 355 363; A. und heiliger Weissagungen des Untergangs B. 322•
Geist 126; die A. bei Plato 351; B ach ja i. Pak u da: unterscheidet
bei den jüd. Religionsphilosophen Vemunftgrundsätze und Vorschriften
371; A. als Tugend in der Mischna 479. des Gehorsams 415; Religion und
A u fgab e: in Ethik und Religion nur Philosophie 497; zehn Worte für das
unendliche A. 239; Gott als die un- Vertrauen auf Gott 248; über An-
endliche Lösung der unendlichen A. näherung, Auferstehung. Unsterblich-
243; die Menschenseele als unendliche keit 371; Einheit Gottes, Einigung
A. 380; das Ich als A. 239; die des Herzens, Einigung des Gottes-
Heiligkeit als unendliche A. 112 129 dienstes 531.
240 f. 262 356 358. B arb a ren : B.. Hellenen und die Idee
A u fk lä ru n g : 283 421 425. der Menschheit 281.
A u fsch w u n g : die Erlösung als Mo- B a r m h e r z ig k e it: B. Gottes 189;
ment des A. 271 (vgl. 239 f.); das B. und Liebestätigkeit 411
sittliche Individuum als Träger des B a u k u n st: die Propheten und die
unendlichen A. 359 ff. 362 444; A. B. 66.
im Gebet 442 471 vgl. M om en t, B au r, Ch1\: 182.
D u rch g a n g . B e d e u tu n g : B. und Wortform 73.
‫״‬Aug um A u g e “: 146 f. 181 508. B e d in g th e it: logischeB des Werdens
A u se rw ä h lu n g : s. E rw ä h lu n g . durch d. Sein 74 f.: die Grundbe-
A u slä n d e r (‫)נ כ רי‬:. Antinomie zwischen dingtheit des Menschen die Grund-
Israeliten und A. 134 139 ff. : der A. lehre der Religion 129.
als Mitmensch 140 f.; die Rechte B e e in f lu s s u n g : Anomalie histori-
des A. in der Stoa 161; A. und scher B. in der Stellung der Pro-
liea 179. pheten zur Kunst 62.
A u ta rk ie: A. der Pflicht 382. B e fr e iu n g : die B. von der Sünde u.
A u to n o m ie: A. des Willens in der das neue Ich 219 f. 221: die Erlö-
Ethik und das Individuum 209 219; sung als B. 244 271 276; Selbster-
A. in der Buße 237; A. des Willens kenntnis und B. 237; vgl. E rlö su n g ,
und das Gesetz Gottes 237 382 400 V ergebung.
407; die Erlösung in Übereinstim- B e g r iff: B. als selbständiges Problem
557

3; B. als Vorbild der Entwicklung der Wahrhaftigkeit 501 f. 525; Liebe


3 ff.; B. und Geschichte 4 1 ; Ver- und B. 502; B. als Form der Treue 525.
nunft und B. off.; B. und Idee B e sc h n e id u n g : die B. und der
472: B. und Wissenschaft 6; ein- Fremdling 147.
heitlicher B. der Kulturerscheinungen B e s t ä n d ig k e it : Ursprung, B. und
1; Problem eines B. der Religion Erneuerung im Problem der Schöp-
2 ff. 13 ff. und pass.; der historische fung 9 1 ?‫׳‬
Zusammenhang der B. mit den Ein- B e s t a tt u n g : die B. der Toten im
richtungen 205; das Judentum bibl. Bewußtsein 354: Ehrung des
Problem eines B. 4 35 1; das Prinzip Toten in seiner B. 434.
der Entwicklung und die B. des B e th a u s s. G eb et
Geistes 208; der B. der Privation B e t t le r: kein h ebr. Ausdruck für B. 176.
71 ff ; der B. des Ursprungs 73; B ew eg u n g : Seih der Buhe Urgrund
die Schöpfung in den B. Gottes auf- der B. 53; die Substanz das Sein
genommen 75; der Harne Gottes als für die B. 69 74; Kosmos, B. Selbst-
B. Gottes 429; der begriffliche bewegung, Seele 349; Ursprung und
Charakter der Korrelation von Gott Fortführung der B. 443.
und Mensch 116; der B. der Stell- B e w u ß ts e in : B. anderer Ausdruck
Vertretung und der messianische Ge- für die Geschichte 5; B. und Ver-
schichtsbegriff 310; der Machtbegriff nunft 9; die philosophischen Probleme
der Geschichte 311; B. des jüd. des B. und der Seelenbegriff bei
Volksgeistes 36; das Gesetz in sei- Plato 348; das mythische B. 160;
nem B. 431; der B. des Guten bei und das metaphysische B. 169; Lust
Sokrates 472. das B. animalischer Sinnlichkeit 7;
B eh arru n g: Sein, B., Unveränderlich- Beligion allgemeine Funktion des
keit 53 1 menschlichen B. 8 187; den Ver-
bin düng des religiösen mit den poli-
B eja h u n g : B. und Verneinung —
tischen und sittlichen B. 1531;
Sein und Werden 75; die Privation
als Zwischenbegriff zwischen B. und religiöses und ästhetisches B. 4941
Verneinung 71. 536; das religiöse B. und die un-
gleiche Verteilung der menschlichen
B e k eh ru n g : messianische B. der
Lebenskräfte 149 ff.; und die sozialen
Völker 328; das Leiden Israels und
und sittlichen Unterschiede 153;
die B. der Völker 3331
Höhe und Vollendung des religiösen
B e k e n n tn is: Erkenntnis und B. 5 8 1 B. im Versöhnungstag 259; Liebe
239; B. und Handlung 239; B. und zu Gott Grundkraft des B. 5 8 1 ;
Reue 256; Heiligung und B. 518; das Leiden als prävalierende Tat-
das B. der Sünde als Buße 229 2331 sache des B. 158; und die anderen
451; B. der Schuld in der Übernahme Tätigkeitweisen des B. 159; das
der Strafe 264 (vgl. 228); die Liebe lyrische B. des Menschen in den
das B. der Seele von ihrer Liebe Psalmen 477; vgl. E in h e it, Ä sth etik ,
249 440; das B. der Wahrheit im K u ltu r b e w u ß ts e in , S elbstbeivu ß tsevn,
Gebet 451; Niederwerfung und B. S y ste m , B ib el.
Gottes 258. B e z a le l: 101.
B en A sa i: 138. B ib e l: die B. als Quelle 28 ff.; B.
B e s c h e id e n h e it : Demut und B. und Talmud 31 ff. (Talmud u. Bibel-
313 480 502 505 ; B. als Ergänzung vers 463); Stil der B. 44; und die
558

Schwierigkeit der literarischen Kritik Gerechtigkeit 508: B lu tsc h a n d e


44: B. und philosophische Erörterung 143 383 517; B lu tsc h u ld 255.
11 49 123 192: die B. kein Lehr- B od in : über das jüdische Gesetz 404.
gedieht, sondern nationale Literatur B o s e : Ursprung des B. kein theore-
84; Anthropomorphismus derB. 186: tisches Problem 23 (vgl. 214 213);
die historischen Partien der B. 272; Jezer des Herzens des Menschen b.
der bibl. Glaube 248: der biblische (Gen. 8 21) 213 f.; die Möglichkeit
Ausdruck für die Schöpfung und das des B. 215 262; das B. ist beim
rabbinische Schrifttum 79: die Be- Propheten das Übel 24 266 304
griffe von Schuld und Strafe und die (vgl. 55); Israel, die Völker und das
Bibel 197 222 f.: Grab und Scheol Problem des B. 333; Verschwinden
im religiösen Bewußtsein der B. 353: des B. in der messianischen Zeit 322;
biblische Einsetzung des Versöh- das radikale Böse und der Märtyrer
nungstages 254: die Liebe in der 377; und die Mitfreude 538: — das
B. 500: B. und Freundschaft 521; Wohlergehen des B ö s e w i c 111s (V‫)ר ש‬
die innere Lebendigkeit des Bibel- 153.
Wortes 463 f . ; biblische Sätze in B rauch: Idee und B. 403 433.
den Stammgebeten 463; christlicher B rot: die Bitte um das tägliche B.
Geist in der übersetzten B. 462; — 452 f.
B ib e le x e g e s e : 33 34 44: — die B ru d er: Br. und Fremdling 145;
moderne B ib e lfo r s c h u n g zum Be- der Beisaß als Br. 146; Br. und
griff der Heiligkeit H2; und das der Brudermord des Kain 151.
Deuteronomium 206; und das Ver- Bund: B. Gottes mit Noah und mit
ständnis des Messianismus 292; und Abraham 135 ff. 175 288 295 386 ff.
das cap. 53 des Deuterojesaia 337; 396 468-f.; 137 434; der ‫״‬neue B.“
— B ib e lk r itik : 431; — B ib e l- bei Jeremia 95 102 206 222 227 327
Ü b ersetzu n g : 53 462. 468: der ‫״‬B. des Lebens‘‫צרור) ־‬
B ild : B. und Idee (Gottes) 61 ff. 185: ‫ )□החיי‬als Ausdruck für das Fort-
Gott nur Urbild, nicht Abbild 61 ff. leben 376; der B. der Menschheit
66 188: die Propheten gegen Götter- als Gewähr der Weltregierung Gottes
bilder 60 ff.; B. und das Problem 468; B. und Treue 520; Friede
Christi 63: ‫״‬im Bilde Gottes“ 99 f. Gottes und B. Gottes 52S.
138; der B ild e r d ie n s t 58—67; B u n d esla d e : 454.
Bildnisverbot und Gotteshaus 454: B ü r g s c h a ft: die gegenseitige B. der
der Bilderdienst und der Gott der Israeliten 435.
Wahrheit 486 493; — der Bilder- B u ß e: Umkehr und B. (228 (‫; ת שו ב ה‬
sturm in der Geschichte des Christen- B. und Strafe 228 f. 264 f.: das Be-
tums 63; vgl. D ekaloy. kenntnis der Sünde als B. 229 233 f.
B ile a m : B.s Rede als Selbstcharak- Opfer und individuelle B. (Jecheskel)
teristik des monotheistischen Volkes 230 32: Reue und B. 238 f.: B. und
174 272 f. 402. Vergebung 243 ff. 439; die B. als
B i llig k e i t : GerechtigkeitundRechts- realisierende Handlung des Willens
verfahren der B. 509 f. 526. 238; die einzelnen Schritte der B.
B io lo g ie : 418 452 vgl. L eb en . 288 f.; B., Moment und das Ich 240;
B lu t: 151 230; — Verbot des B lu t- Gott als Ziel der Selbstheiligung u.
g e n u s s e s 136; gilt auch für den dieB. 237 f. 242 ff. 272 439; die B.
Fremdling 147; — B lu tr a c h e und und die Übernahme des Leidens 270;
559

die B. als Wiederkehr und Wieder‫־‬ C. und die Wirklichkeit Gottes 186;
herstellung 289; B. und Messianis- das Opfer C. 236 405: Reinigung
mus 330; die Pflicht der B. und nur durch Gott und vor Gott 263;
das Verdienst der Vater 372 374; das Leiden nicht als Idealbild des
B. und Anteil am ewigen Leben 385; Menschen (als das Göttliche) darzu-
Gesetzesübung und B. 263 264: der stellen 270 275; Idee C. und der
Gedanke der B. bei Jona 289; die Menschheit 282: cap. 53 des Deutero-
Zwiesprache der B. im Psalm als jesaja und die Passionsgeschichte
Ursprung des Gebets 443, 470; — C. 337 518; C., die Heiligen und
die zehn B u ß ta g e : 260f. der Thesaurus meritorum 377; C.
als die Bedingung für die Erlösung
C haos: Ch. im Mythos 70; Oh. in 389: und Paulus’ Stellung zum Ge-
der Genesis 74: ist logisch nur das setz 404 f.: die Idee C. und die
Unbestimmte 76; die Erneuerung Autonomie der Sittlichkeit 405; die
nicht die Erneuerung aus d. Ch. 81; Auferstehung C. und der Sabbat 432;
Ch. und Kosmos 169. die Gottheit C. als Symbol 493; die
C h r iste n tu m : C. und di e Verbin düng Passionsgeschichte C. ist die Ge-
* von Gott und Mensch 122; das Lei- schichte Israels 518.
den .des Menschen sein Gegenstand C ohen: ‫״‬Logik der reinen Erkenntnisa_
20; der Gedanke des Opfers als 73; ‫״‬Ethik des reinen Willens“ 165
Grundlage des C. 200; Gottesreich 195 476 480 484 526; ‫״‬Ästhetik des
und Himmelreich 364 f.; der Pneu^ reinen Gefühls“ 536; ‫״‬Deutschtum
matismus des C. 476; C. als Welt- und Judentum“ 106.
religion und der Menschheitsbegriff C redo quia absurdum : 497. /
282; die Behauptung der Absolut- C resca s: unterscheidet Grundlehren
heit des C. 429; die jüd. Religions- und Glaubens Wahrheiten 431.
Philosophen und das Chr. 281 f.; C usari: s. Jehitrla H a lew i.
Trennung von C. und Judentum in C yrus: 331.
der Bedeutung des Sabbat 181; im
Begriff der Frommen der Völker der D äm on en : 45.
Welt 389: Gesetz und Glaube als D a n ie l: das ‫״‬Reich des Himmels“ 364.
Differenz zwischen Judentum und C. D a n k b a r k e it: D. als spezifische Form
406; jüdische Gottesverehrung und der Treue 520; D. und die Hanno-
christliche Symbolik 493: Lebens- nie des Bewußtseins 521; die Treue
geschichte Christi als Differenz der D. in den Segenssprüchen 524 f.
zwischen C. und Judentum 518; die D an te: 350.
Sprache des Judentums im C. als D a sein : Sein und D. 51 f. 430; Über-
Übersetzung 460 f .; christlicher Geist Schätzung des D. durch den Logos
in der übersetzten Bibel 462 f.; altes 56; sinnliches D. und religiöses
Testament und christliche Kultur 464; Sein 271 f.; die Frage nach Sinn
Bibelkritik des C. 431; Philo als und Wert des menschlichen D. 287;
Vorarbeiter des C. 281; der Bilder- das D. des Menschen aufgehoben in
sturm in der Geschichte des C. 63; das Sein der Zukunft 293 (vgl 291);
die c h r is to lo g is c h e Deutung des das ewige D. der Individualseele 397;
Gottesknechts 311. vgl. S e in , A u fs c h w u n g .
C h r istu s: C. u. die Frage des Bildes D avid : die Davidische Poesie als
(Gottessohn) 63; ’ die Wirklichkeit Kultursymbol 296; Davids Autorschaft
560

an den Psalmen 305: der Messias D eu tero n o m iu m : dasD. als ‫״‬Wieder-


ursprünglich Sohn Davids 306 f.; das hoiung der Thora“ (84 (‫; מ שנ ה תורה‬
Reich Davids nicht der Boden für die Urgefühl des D. (die Thora nicht im
Welt des Monotheismus 296; die Himmel, sondern in deinem Herzen)
‫״‬Hütte Davids“, der ‫״‬Thron Davids“ 88 04 206 329 465: ‫״‬Satzungen und
und der Messianismus 318 321 327 Rechte“ (s. d ies) 28 f. 114 144 177
331 496; D. und Jonathan 521. 285 400 414 487 an Stelle des Opfers
D ed u k tio n : 3 33 107 206 f. 203 387; die Offenbarung am Sinai
D e f in it io n : die D. Gottes löst das und das D. 85—95 144; national-
Rätsel der Schöpfung 75; D. der politische und monotheistische Mo-
Sittlichkeit 115; D. des heiligen tive 86 f. (vgl. 31); messianisehe
Geistes als Stufe auf dem Tugend- Idealisierung der Kationalgeschichte
weg d. Menschen 126. 309; der sozial-ethische ,Reform-
D eka log: der D. als eigentliche Charakter des D. 29 149 im Sabbat-
Offenbarung am Sinai 85: 2. Gebot gesetz 182 f .; die Erkenntnis Gottes
51 63 185 493 198; 3. Gebot 408 104: das D. und das sogenannte
499: 4. Gebot 182 305; 5. Gebot 379 Heiligkeitsgesetz 111 114; der Ge-
413 f. 446 522; vgl. Gebot. danke von der Erwählung Israel*
D em iu rg: D. in Platos Timaeus 56. 173: die Kähe Gottes 190: das Herz
D em o k rit: 71. und das Innere im D. 223: Freiheit
D em ut: die D. als Höhepunkt des des Willens 482; Geist des D. in
Messianismus 313 504; die D. und den Propheten 94; D., Jecheskel u
das Hochgefühl der Versöhnung 264; das Opfer 231 f. (vgl. 298); vgl. P en -
von dem Frommen zum Demütigen ta t euch.
312 504: die D. als Ersatz des D e u ts c h : •die deutschen Juden als
Opfers 250 466: die D. in der jüd. Kulturband für die Juden aller Län-
und griechischen Ethik 504; die D. der 421; Deutschland das Mutter-
Gottes 313 503; die D. als eigent- land des modernen Judentums in
liehe Menschentugend in der jüd. allen Kulturfragen der Religion 461 f.;
Tugendlehre 313 479 480 5 0 2 -5 0 5 ; die deutsche Lyrik und die Psalmen
das demütige Wandeln mit Gott 201 496.
203.503; Armut, D., Frömmigkeit D ie b s t a h l: der D. der Meinung
504; D. gleichwertig mit Pflicht 505; (499 (‫ גני ב ת ד ע ת‬f.
die D. und das Verdienst der Väter D ie n s t: Verehrung, Liebe, D. 59;
377; die D. bei Moses 89 313 502; vgl. A rb e it, K n e c h t , Sklave.
die D. des jüdischen Helden 518; D iffe r e n z : die D. als Bestimmung
vgi. B esch eiden h eit. in der Einzigkeit Gottes 357.
D en ken: D. und Sein bei den Eleaten D in g : das D an sich bei Schopen-
46; D., Empfinden und Wirklichkeit hauer 164: vgl. a n sic h . •
(Gottes) 186; D. undünsterblichkeit D io n y s o s : D.-Mythen 294; Diony-
(Aristoteles, Maimonides) 366 f. 371; sien 172.
das D. der Erkenntnis 471; vgl. D ogm a: vom Dogmatismus zum Idea-
W irk lic h k e it. lismus 430; die jüd. Philosophen
D e s c a r te s : 123. zugleich Dogmatiker 399 (vgl. 481);
D e u te r o je s a ja : 114 172 266 298 Dogmatik in ethischen Rationalis-
307 308 325 331 ff. 453 505 507 511 mus aufgelöst von Maimonides 365;
518 527; vgl. Jesaja. Politik und jüd. Dogmatik 390; das
561

Problem des Gesetzes und die reli- E ife r : der E. als Tugend in der
giöse Dogmatik 406. Mischna 479.
)ram a: warum kein D. in der jüd. E ig e n a r t: E. und Eigenwert der
^ationalliteratur? 30 167 (vgl. 301); Religion s. E th ik (E th ik u n d R e lig io n ) ;
Redekunst an Stelle des D. in der E. der griechischen Philosophie und
hebr. Poesie 44; D. und Dionysien Wissenschaft 11; E. des Philoso-
172; vgl. tra g isc h . phischen in den *biblischen Quellen
)u: die Entdeckung des D. und das 11; das Eigentümliche des Prophe-
Ich 17; Korrelation von Ich und D. tismus 154;Js. historische E. 29; die
193 209 nationale E. Israels 299; die kultu-
)u a lism u s: persischer D. und Mono- relle E. Israels 300—304; E. des
theismus 55; D. als Charakter der jüdischen Geistes in der Identität
Stoa und des Epikureismus 475; von Religion und Sittenlehre 39;
vermeintlicher D. in der Frage der der Eigenwert des jüdischen Mono-
Schöpfung 77; I). in der Paradies- theismus 428: E. des Monotheismus
sage 292. im Gehet 438 ff.; kein abgeschlosse-
3 ‫ ס‬ran, Simeon: 421. ner Eigenwert der Gesetze 417 436;
D urchgang: Selbsterkenntnis der die kulturgeschichtliche Eigenheit
Sünde als Durchgangspunkt 234; des Messianismus 341: Eigenwert
Schuld, Leiden, Erlösung als D. 262 der Wahrheit für die Religion 485.
267 271; vgl. A u fsch w u n g , M om ent. E ig e n s c h a ft: E. Gottes 503; ‫״‬die
D urch prüfen : D. und Verlassen der 13 E.“ Gottes 109 ff. 245 261 481
Wege* 238 241. 506: und die Wahrheit 487.
E ig en tu m : Israel Gottes E. (‫)□ג ל ה‬
E b en b ild : s. B ild . 173 174 285: und der messianische
Echad (‫) א ח ד‬: E. im Schma 48 465; Völkergedanke 322; die Gottesfürch-
vgl. A ch d u th , E in z ig k e it. tigen als E. 339; Einschränkung des
E ckw in kel: 177 411 Eigentumrechtes 176 ff. 508.
Ed0 in: 61 139. E in fa c h h e it: Einzigkeit und E. 52.
E goism u s: E. und Pflicht 382: 220; E in f a lt : E. und Wahrhaftigkeit 492;
508. Vgl. d«HA heit.
Eh e: Bild von der E. Gottes mit Israel E in h e it: E. bei den Eleaten 46 f.
317 (vgl. 175); die Treue als Sinn 48; Einheitlichkeit der Erkenntnis
der E. 521 f.; die jüdische Ehegesetz- auf Grund der Scheidung der Pro-
gebung 522; E. und Unterricht 523. bleme 78; E., Vielheit, Zusammen-
Ehre: die E. als Affekt 278 477 499 gesetztheit 41 47; E. der Einzelheit
500: die E. begründet alle Stufen und der Mehrheit 131 f.; E. als ne-
des Menschenbegriffs 278 499 500; gatives Attribut 47 489; E. Gottes
die E. Gottes und die E. des Men- 37 45 47 263 u. ö.: E. und Einzig-
sehen 477: die E. als Synonym für keit 41 48 68 236 286: E. Gottes
Seele 477 499; die Tugenden der und Gottesliebe 185: E. Gottes und
E. als Tugenden der Allheit 478; E. der Menschheit 39 252 300: E.
F. und Wahrheit 499; E. und Be- von Liebe und Gerechtigkeit ist E.
scheidenheit 501 f.; vgl. H errlic h k e it. Gottes 261; Heiligkeit und E. Gottes,
E h r fu r c h t: Liebe und E. 481; die 114: E. Gottes, E. der Sittlichkeit;
‫ ״‬Tage der E.“ 260 467. E. des Menschen 151 f. 299 448; E.
E id: E. und Wahrhaftigkeit 499. des Menschen in der Liebe zu Gott
36
562

186: der Mensch als sittliche E. 228; bedeutet Einheit der Sittlichkeit 299;
die E. des Ich 39 221; E. und Ge- die E. Gottes in christlicher Über-
meinschaft 230: die Gemeinde als Setzung 37 462 vgl. A c h d u th , E c h a d ,
E. der Mehrheit 456; die Seele als E in fa c h h e it, G ott, M o n o th eism u s,
Prinzip der E. der Person 291; die U n vergleich ba t heit.
E. des Staates 427: die E. der Tu- E 1e a t e n : 46 f. 68; vgl. P a rm e n id e s,
gend (Sokrates) 472‫ ;־‬Einigung und X m ophan es.
E. des Herzens 447 f. 465 531; See- E lia s: E. der Vorbote des Messias
lenfrieden und E. des Herzens 531; 125 289.
Juden tum einheitlicher Begriff für El oh im: E. und Jahve (elokistische
die E. der Religion 36 37 39; — E. und jahvistische Quellen) 44 f.
d es B e w u ß tse in s höchstes Problem E l sc h a d d a y (45 :(‫ א ל שדי‬f. 73114;
der systematischen Philosophie 447; vgl. A llm a c h t, S elb stg en ü g sa m k eit.
E. d. B. und die Liebe zur Idee 187; E lte r n : E. als Symbol der Väter 379;
E. d. B., ästhetisches und religiöses das Gebot der Elternehrung 379 413
Bewußtsein 494 f .; E. des religiösen 414 446 522
B. und die E. Gottes 37; E. d. B. E m a n a tio n : E. und Immanenz 74;
im Gebet 450: die Treue und die Urgrund der E. ein mythologischer
E. d. B. 521 ff.: E. d. B. durch den Urgrund 76.
Frieden der Seele ausgedrückt 527. E m a n zip a tio n : 425.
E in ig u n g s. E in h e it. E m p fin d u n g : Denken, E. und Wirk-
E in s a m k e it: E. nur transitorischer lichkeit (Gottes) 186.
Zustand 456. ‫״‬E n de der T a g e “: von den Propheten
E in s e it ig k e it : geschichtliche E. des als politische Zukunft gedacht 340
Monotheismus in seiner Stellung zur (vgl. 294); vgl. E sch atologie.
Plastik 62; E. der sittlichen Kultur- E n d lich : s. W erd en , U n en dlich keit.
interessen in der Alleinherrschaft E n td e ck u n g : die E. des Menschen
d. Gesetzes 408. als Mitmenschen 131—167: E. des
E in z e lh e it s. E in h e it. Menschen durch die Sünde s. S ü n d e .
E in z ig k e it: die E. Gottes 41—57 E n th a ltu n g : E. als Tugend 479 483.
299 429 f. 493 f. u. u.: E. und Einheit E n tw ic k lu n g : der Begriff der E. in
41 48 68 236 286; die E. als ein- den Geisteswissenschaften 2 ff. 208;
zige Ursächlichkeit 70; Immanenz das Ewige und die E. 97 f.; Naivität
der Schöpfung in der E. Gottes 74 der geschichtlichen E. 115; der
76 (vgl. 68 ff.); Vergeistigung der Versöhnungstag als Musterbeispiel
Offenbarung als Folge der E. Gottes für das Prinzip der E. 259; E. als
95; die E. Gottes und die Korrela- Fortschritt in der Geschichte des
tion von Gott und Mensch 121 f.; Menschengeschlechts 294 (vgl. 288);
der einzige Gott und das einzige die messianische E. des Menschen-
Volk 134 (vgl. 86 285); einziger geschlechts 340 (343 f.) 355 361;
Gott und einzige Menschheit 496; und die unendliche E. der Menschen-
E. und Liebe Gottes 185; E. Gottes seele 361 370 380 388 394 397 413;
und die Unsterblichkeit der Seele 360; die E. und der Fortbestand des ge-
und das einige Herz (Schma) 465; schichtl. Individuums 363 394; Strafe
Heiligkeit und E. Gottes 466 f. 476; und E. 366; Regierung und E. 468;
E. Gottes in dem Begriff Gottes als die Stufe als positiver Fortschritt
Wahrheit 484 f.; der einzige Gott in der E. 483; Gerechtigkeit Gottes
563

als Prinzip der Theodizee der E. und B. 381; E. und Gesinnung 105;
des Menschengeschlechts 511; vgl. die universelle Forderung der E. im
M enseh engeseh lech t. Monotheismus 106 301 ff. 498 523
E p ik u r: 162 475. u. Ö.: und der Anteil der Juden an
E p os: Monotheismus und nationales der Kultur 106: Gottesverehrung
E. (Bibel) 43 f. 84. zur Gotteserkenntnis 59 301 f. 307
E r: der Er und das Ich 17; und das 412 481; Gotteserkenntnis und Ge-
Es 19: der Er wird zum Du 19. bot 417 f.; die E. im Gebet 105 451
453 ff. 458 465: E. Gottes als sitt-
E rb arm en : E. Gottes 94; als Aus-
liehe E. 381; religiöse E und Wahr-
druck für die Liebe Gottes (□ ‫) ר ח מי‬
heit (Wahrhaftigkeit) 448 ff. 498: E.
175.
und Liebe Gottes 58 f. 104 f. 169
E rb a u u n g s- und E r z ie h u n g s-
189 367 f. 369 381 412 451 f. 481;
lit e r a t u r : 35.
Gotteserkenntnis und Martyrium
E r b b e s itz : der E. Israels 322.
483; die E. im messianischen Zeit-
E rb sü n d e: 118 213 511.
alter *293 322 327 f.: die E. der
E r fa h ru n g : Forderung und E. 149
Sünde 223 f.; E. und Bekenntnis in
(vgl. 179); die E. und die Probleme
der Buße 239; Auflösung der Offen-
der Geschichte, Ethik, Religion 279 f.
barung in E. 303; die E. des Gottes-
312.
knechts 336; E. und Aristokratie
E r fo lg : E. und Handlung 242 f. 382;
523; Seelenfrieden und E. 530 f .;
der Glaube an den E. des Gebets
der Baum der E 100 vgl. L eh re ,
447: vgl. Z ie l, L o h n .
T hora, S tu d iu m , W issen , X a tu r e r -
E r fü llu n g : die Menschheit als die k e n n tn is, Selbsterken ntyi /V.
E. des Menschen 16. E r la ß ja h r: 179 508.
E r h a b e n h e it: E. der Natur und E. E r le b e n : das religiöse E. des Gesetzes
Gottes (Ps. 104) 54 57. 421 f. 434; Lyrik, Gottesliebe und
E r h a ltu n g : die Schöpfung bedeutet | Erlebnis 440 ff. (vgl. 249): Wahrheit
E. des Menschengeschlechts 175; E. und E. 485.
des Menschengeschlechts als Inhalt E r lö su n g : von der Sünde zur E. 220
des Bundes mit Noah 295; die E. 272; E. und Individuum 220 f. 444
des geschichtlichen Individuums und 479 493: Gott und Mensch bei der E.
die Wiederbelebung 363 f.; E. der 221 ff. 236 238 271 479; Leiden und E.
jüdischen Nationalität 427—430; vgl. 268 27011'. 275 ff.; göttliches Gericht
F o rtb esta n d .
und E. 260; die E. als Moment des
E r in y e n : 198. Aufschwungs 271 276 f. 372; die E.
E r k e n n tu is : die Grundfrage aller E. als Weg zum Selbst 275: E. und
4; Einheitlichkeit der E. auf Grund Verdienst 372; und das ‫״‬Verdienst
der Scheidung der Probleme 78; der Väter“ 374 f. (vgl. 378): E. und
theoretische und praktische E. 83 Anteil am ewigen Leben 385; E. und
101 169; und die Wahrheit 484 f . ; Unsterblichkeit 3961'.: Gebet und
E. und Erfahrung 280; E. der Einen E. 443 470 493; Gottv er trauen und
Substanz b. Spinoza 20; E. und E. 439 441 470 479; die E. Israels
Handlung 127 239 414 437; E., Sitt- • die E. der Menschheit 220 276 f.;
lichkeit und heiliger Geist 123 126 ff.; christl. und jüd. Sinn im Begriffe
E. und Willen 482 (bei Schopenhauer der E. und des E r lö se r s 389 462;
163 f.); Zweck und E. 108; Pflicht G. als E r lö se r von der Sünde 244 ff.
36*
564

327 447; der Erlöser und das Leiden Kant Schöpfer der systematische»
270; vgl. V ergebung, V ersöh n u n g. E. 123 283; anthropologische E. 20;
E rn eu eru n g : Schöpfung als ‫״‬E. der E. und Metaphysik 19 80 164 283;.
Welt“ (7 8 (‫דזדוש העול ם‬ff.; die E. philosophische E. und Sophistik 96;
des Geistes als s. Gründung 119 der Prophetismus u. die philos. E.
450 f.; der Tag des Gerichts als E. 105; E. und Soziologie 115; E. und.
der Welt 289‫׳‬: Rechtswissenschaft 280; E. und
E ros: die Bedeutung des E. 168 440; Religion 13ff. 37 115 133 157 166
keine Anknüpfung an den E. in der 187 188 192 f. 194—197 198 209 217
israelitischen Poesie 301; der griech. 219 234 237 239 265 271 278-280'
E. u. das Gebet des Psalms 440 495. 311 342 400 445 f. 448 470 478 485
E r sc h e in u n g : die E. an den drei 497; Mythos, E. und Religion b.
Festen 411. Plato 349; E. und Politik b. Plato
E r s t lin g e : 177 401 411. 3431*. 349 351; praktische E. und
E r w ä h lu n g : die E. Israels 173 f. 428; internationale Politik b. d. Propheten
und die messianiscke E. der Mensch- 346; Gott in der E. 54 279 470;
heit 174' 286 322 339 496; als Vor- Menschenbegriff in der E. 14ff. und
bedeutung f. d. messianischen Beruf das Du 17 ff.; das Problem des Mit-
Israels 305 f .; die E. als Prärogativ menschen u. die E. 132 f.; der Mensch
der Bestrafung 306 511 f .: E. und als ethisches Wesen u. die Strafe
Sündenbekenntnis 259;. die Wahrheit 265; Sittlichkeit theoretisch In-
des einzigen Gottes u. die E. Israels halt der E. 127; Sittengesetz und
496. Pflicht in der E., Sittengesetz und
E r zieh u n g : E. durch die Strafe und Gebot Gottes i. d. Religion 382;.
göttliche Vergeltung 366; das Gesetz Tugend und Sittlichkeit in der E.
als sittliches Erziehungsmittel 399 472 475; E. und Tugendlehre bei
400 405 407; die E. des Menschen- Aristoteles 475; E. und Pessimismus
geschlechts und d. Begriff d. Toleranz 21; das Leiden in E. und Religion
61; und die Selbsterziehung des 22 157; ethische Autarkie i. Leiden
Menschen 127: Israels Anteil an der Israels 334; E. und Mitleid 20 ff.
E. . des Menschengeschlechts 333; E. 165 f.; der ethische Begriff der Seele
der Welt durch Gott 288. b. Plato 351 ff. 357 393; E. und
E s c h a to lo g ie : E. und Messianismus Schöpfungsbegriff 77; der Affekt in
57 340 f. 343 f. 361 f. 364 516; Fehlen d. E. 165; Grenze d. E. im Problem
der E in d. jüd. Quellen 341 ff. 367 f .; der Schuld 196; Zwecklehre der E.
vgl. ‫ ״‬E n d e d e r Tage,u J e n se its, ‫ ׳‬U n - 217; E. und- Individuum 209 217;
S terblich keit. E. und Willensfreiheit 212 f. 216;.
E s o te r is c h : die Schöpfung als exo- E. und Gewissen 218; der Sabbat
terische und e. Lehre 78 f. u. die ethische Bedeutung d. Mono-
E sra (und N eh em ia): ihre Politik theismus 183; ethischer Begriff der
31; E. als Begründer der Gemeinde Weltgeschichte 311; Wahrheit und
204; E. der Schreiber 303 (‫; ס ו פ ח‬ E. 498; Gerechtigkeit Schwerpunkt
Esras Religionspolitik 428. d. sozialen E. 507; ethische Ein*
E s se n z : 52; vgl. S e in . seitigkeit im jüd. Gesetz 408 ff.;
E th ik : E. und Logik 78 81 105 123 jüdische u. griech. E. unterschieden
169 217 283 381; Platos Begründung i. d. Demut 504 f., in d. Gotteslehre
d. ethischen Idealismus 342 472; 515 f., verbunden i. Kampf gegen d.
565

Sinnlichkeit 515 (vgl. 342); vgl. als religiöser F. der Versöhnung


• s ittlic h . ‫־־‬ 439 441.
E t h n o lo g ie : der Messianismus kein F ak tu m : F. der Religion 2 4; Idea-
ethnologisches Rätsel 340 344 f .; das lisierung des F. der Offenbarung
Ethnische i. Begriff der Nation 428. (F. und Inhalt) 90 ff.; Faktizität der
E th o s: 161. geschichtlichen Natürlichkeit 7; das
E u d ä m o n ism u s: E. und Monotheis- F a k t is c h e als d. Aktuale der An-
mus 54 304: E. von Messianismus näherung 127 f.
u. Unsterblichkeit abgelöst 365 ff.; F a ll: Wissenschaft, ‫ ־‬Gesetz und ein-
E. nicht Schlüssel d. menschlichen zelner F. 197.
Wesens 269; b. d. Propheten keine F a ls c h h e it (499 498 ‫(שוא‬:‫־‬.
Rücksicht auf E. 155; Abwürdigung F a m ilie : F. als relative Gemeinschaft
ldes E. i. d. Lebenstragik Israels 334; 500; Begründung d. Familiensinnes
Lohn, E., Religion 382; Weltge­ 379; die F. als Institut der . Treue
schichte und E. 311; Zufriedenheit 522; -Strafpflicht und F. 509‫ ;־‬Unter-
und E. 529; E. bei Sokrates 474 rieht und F. 522 f.; die F. im Gebet
u. bei Aristoteles 474; ,7 220 243 446.
307 312 452 f. 508 u. ö. F a ste n : das F. am Versöhnttngstag
E ‫־‬v a n 'g eliu m : Mark. 2, 27: 508. 172 269; messianische Aufhebung
E w ig e , das: das E., die Offenbarung der Fasttage bei Sacharja 338.
u. d. a priori 97 ? das E. und die F atu m : 197; eschatoiogischer F a ta -
Entwicklung 98: das E. als Grund lis m u s 367.
d. nationalen Geschichte 98: das F e in d e s lie b e : das Problem der F
ewige Leben 384 ff 388 ff. 395 418; 532 ff
das Gesetz und das E. 432 434; der F ern e: die Wirklichkeit als unendliche
E w ig e : als Gottesnamen 50; die F. in der Lyrik 441 f.
Reinigung ‫״‬vor dem E.“ 233; der F e ste : die F. als Teil d. Gesetzgebung
‫״‬Tag des E.“ 288 f. vgl. L e h m . 402; die Erscheinung an d. drei
E w ig k e it: Ewigkeitswert im Streben Festen 411; die F. als F. der Freude
der Völker nach Einigung 299 f.; die 539 f.; Speisung d. Armen b. yl. F
E. als zukünftige Welt 395 544; die 524; die F. u. der Versöhnungstag
E. Gottes 397 468; und die E. des 254 402; Neujahrsfestu.Versöhnungs-
Menschen 397; die Frage der E. der tag 254 260 402 423 (s. N eu ja h r,
V ersöh n u n gstag)', Passah- und Hut-
Thora 430 f .; der Friede als Tugend
der E. 544; Welt und E. (□544 (‫;עול‬ tenfest 254 402 534 (Hüttenfest
vgl. L eben. als Friedensfest); Woclienfest 402.
E x il: 5! 1. F eu er: F. als Urelement d. Mythos
E x is te n z : 52. vgl. L a se rn . 66; Feueranbeter 5 66.
E x o te r is c h : s. esoterisch . F ik tio n : Illusion und F. 196; die
E z e c h ie l: s, J ech eslrl. F. einer individuellen Erlösung 074;
die F. des Versöhnungstages 262.
F le isc h : ‫״‬alles F .‘; 458 467.
F a k to r : literar. Geschichte als F. f. F lu t sa g e: 290.
d. Religion 4; d. Affekt nicht F., F o rd er u n g : F . und Krfahrung 149
aber Motor d. reinen Willens 165 5 (vgl. 179).
Mitleid als psychischer F. 161 ff., als F o r tb e sta n d : der F. Israels als des
ethischer F. 165 f . : Gottvertrauen Volkes d. Leidens 275 277 314 ff.;
566

F. des jüdischen Volkes ohne Staat F. und Treue 526; Tapferkeit und-
.296 ff. (vgl. 174) 314 ff.: Israels F. F. 526 537: F. und Freude 538 ff.
. u. das Gesetz 402f. 424ff.; d. Be- 540; F. als Grundkraft d. Menschen-
deutung d. Gemeinde f. Israels F. seele 536ff.: F. als Harmonisierung
457: F. d. Judentum als Religion d. d. Sittlichkeit 527; Gott als Zweck
Vernunft 429; d. Wahrheit d. einzi- ist Gott als F. 528 f.; d. Versöhnlichkeit
gen Gottes letzter Grund f. d. F. des F. und die Versöhnung m. Gott
der Juden 184 (429 f.) 494; der F. 537 541; F. als Zweck des Menschen
des Monotheismus u. die Nationali- 536 540 542; das ‫״‬Zelt des F.“
tat 428 ff.; Seelenfrieden u. Studium (534 (‫ ס כ ת שלום‬: der Tod als P.
als Voraussetzung von Israels F. 542ff.; der F. als F. der Ewigkeit 544;.
530 f. ; vgl. E rh a ltu n g , Iso lie ru n g . Leiden Israels : u. der F. der Men-
F 0 r 11eb e n : die Seele als Prinzip des sehen 334; F. als Wahrzeichen des
F. 29üf.: das Problem d. F. nach messianischen Zeitalters 324 527 f ;
d. Tode 05 6ff.: vgl.‫ ־‬U n sterb lich k eit. . F. als Wesen des jüd. Gemüts 541 ff.;
F o r ts c h r itt: Entwicklung als F. 294. S e e le n fr ie d e u. Erkenntnis 530f.
F r e ih e it: s. A u to n o m ie, W ille . 535 541; S. und Einheit d. Herzens
F r e is t ä d t e : 147. 531; Friede Gottes, S. und d. Liebe
F r e iw illig k e it : F. im Leiden des 529: S. und Haß 532 534 ff.; S. und
Gottesknechts 336. jüd. Festesfreude 540.
F r e m d liu g (1 :(‫ גר‬si aelis, Ausländer u F r ö m m i gk e i t : der Ausdruck für F.
F. 134: F. und Gasifreund 135 139; (‫ = ) צ ר ק ״‬Wohltätigkeit 176 412 f.
die Humanität im F. 140; F. und 479 506 509: die jüd. F. 264 268
Menschenliebe 169 386: der F. u. die in d. Begriff ‫״‬Verdienst d. Väter“
Schegaga 255 vgl. E re n id lin g -B e isa ß . 373 und die Unsterblichkeit 394
F r e m d lin g -B e i saß (‫) גר תו שב‬: (vgl. 357);. Versöhnungstag und F.
Rechtsgleichheit des F. 141 146 f. 259; die F. als höchste Stufe der
179 386 f .; religiöse Gleichstellung jüd. Tugendlehre 389 479 f.; Wahr-
des F. 147 f.: der F. als politischer haftigkeit und F. 499: Gerechtigkeit
.11. naturrechtlicher Begriff 390ff.; d. und F. 506 f .: F. und Armut s. Ar-
F. als Mitmensch 144 169 387; als m u t: Grundbedeutung des F rom -
Bruder 146; F. = Hoachide = men 388; vom Frommen zum De-
Fromme d. Völker der Welt j41 mütigen 312 504; Gott u. der F.
142 11. 387 ff.; das Gebot der Liebe 388; die ‫״‬From m en der V ölk er
des F. 148 170; der F. und d. ewige der W e lt“ 141 ff. 387—393; als-
Beben 387; die F r e m d e n g e s e tz - Grenzbegriff zw. Religion 11. Sitt-
g eb u n g 145 ff. 179; F. u. Nächsten- lichkeit 142 389; -‫ד‬- Noachide =
liebe 169. Fremdling 143 387 ff.; die ‫״‬Fr. d.
Freude: F. und Frieden 038 ff.; F. und V. d. W.“ 11. das Volk Israel 315;.
Rührung 538; Mitfreude u. Mitleid die ‫״‬Fr. d. V. d. W.“ und die Un-
538; Seelenfrieden jüd. Festesfreude Sterblichkeit 388 f. 396; die Fr. und
539 540 f. die Weisen d. V. d. W. 392 393.
F r e u n d s c h a ft: 521 538. F u n k tio n : Religion allgemeine F. d.
F r ie d e : Der Friede 526—544; F. u. menschlichen Bewußtseins 8: der
Vollkommenheit 24 55 304 527 528f. heilige Geist als F. der Korrelation
54u; F. und Wahrheit 486; Ge- zw. Gott u. Mensch 122.
rechtigkeit und F. 510 526 527 537; F u rch t: die F. der Sünde als Tugend
567

479 483; F. Gottes und Tugendweg G ebot: der Wille der Vernunft als G.
4821; vgl. G o ttesfu rch t, E h r fu r c h t . Gottes 237; G. Gottes identisch mit
Pflicht 382 406 f .; Autonomie und G.
G anzheit (‫) ת מי מו ת‬: G. ist Einfalt Gottes 237 382 400 407; G. Gottes
492; vgl. E i n f a l t . u. die Unschuld der Menschen 292;
? a s tfr e u n d : der Fremdling und der Befolgung der G. und Lohn 379; G.
griech. G. 135. u. Gesetz 398 f.; Unterscheidung von
Gebet: Das Gebet 438—471; Entste- rein sittlichen und religiösen G. 257
hung des G. 230 438; das G. als 410 ff, .414 ff.: die Frage nach den
Sprachform des Gottvertrauens (Re- Gründen der G. 402 f. 416 ff. 497 f.;
ligion) 384 439 441 444 471; das Maimonides über die Gründe der
G als Grundkraft der religiösen Ide- G. 402 416 ff. 418—421; Gotteser-
alisierung 471; polytheistisches und kenntnis und G. Gottes 417 530;
jüd. G. 492 (vgl. 4391;; die Er- die G. Gottes als Wahrheit 489 f.;
kenntnis (Lehre) im G. 105 451 Sabbat als Inbegriff aller G. 508;
453 ff. 458 462 464 465; das G. und (vgl. 184) die ‫״‬sieben G. der Söhne
die Korrelation von Gott u. Mensch Noahs“ 142 386 ff. 479: die sozialen
444 447 1 450 451 453 455 466 470; G. im 3. B. Moses 244; vgl. D ekalog ,
Individuum und G. 443—448 453 G esetz, V o rsch rifte n .
455—459; Gesetz und G. 404 438; G e b r e c h lic h k e it: 22 259.
G. Urform des Monotheismus 438 ff.: G edanke: G. und Wirklichkeit 433;
Andacht und G. 439 442: Liebe und das Gebet als Äußerung des G. 439;
G. 441 457 1; die Sehnsucht des G. G e d a n k e n fr e ih e it 430.
442 1 492 1: G. und Erlösung 443 1 G ed en k en : G. und Weltgericht 469;
470 493; G. und Versöhnung• 448 der ‫״‬Tag des G.1469 (‫; יום חזכרון) ־‬
466: Opfer und G. 230 438 467: G. und Treue 520.
das G. als Pflicht 447; Einigung G efü h l: das reine G. als Kraft des
des Herzens ini G. 4471 465; der Bewußtseins 187; Gesetz und reli-
Glaube an den Erfolg des G. 447; giöses G. 433 (vgl. 4211 462): Ge-
Psalm und G. 439 ff. 442 443 471 betsprache und religiöses Eigenge-
493: das G. als G. der Gemeinde fühl 464; das Leiden als G. 160;
455—459 462 (vgl. 446 f.); das tag- Wahrheit und G. 485: Abstraktion
liehe Morgengebet 257 383 411 ff. an Stelle Menschengefühls in der
449 450 451 453 457 458 505 530 Stoa 161.
u. ö.; Gebet-Zyklus 35 467 493 u. Ö.; G egen w art: die G. bei Griechen u.
die Stammgebete 364 f. 453 463 ff. Juden 97; s. Z u k u n ft.
465 ff.; die messianischen G. als G e ist: die Weltgeschichte des G. und
Höhepunkt des jüdischen G. 467—470; d. Begriff d. Toleranz 61: das Prin-
Gebetstellen 269 313 458 496 503 zip d. Entwicklung u. die Begriffe
u. ö.; das Sündenbekenntnis in der des G. 208: Korrelation zw. Gott u.
Gebetsliturgie 256; G. bei der Dar- Mensch im G. gegründet lOlff. 121
bringung der Erstlinge 177; das 3581; der G. Grundbegriff der Reli-
B e th a u s als Haus der Versammlung gion 103; Offenbarung des einzigen
453—458: die hebr. G e b e tsp ra c h e Gottes im G. 87 90ff.; der G. Gottes
459 —465; vgl. Au:ht\eh n gehet, A len u , im Messias 107 (vgl. 118 321; : der
K a d d is c h , Sein n a, A gen de, L itu r g ie , G. Gottes u. das Volk 102; Er-
H y m n u s } P r o p h e tis m u s . neuerung des G. als s. Gründung
568

.. 119; Seele und G. 103 356ff. 367 die menschliche G. 524; vgl. Ge -
394 f.; das soziale Leiden als geisti- Seilschaft.
ges Leiden 158: der ‫״‬neue Geist“ G em üt: Absonderung des G. für das
b. Jecheskel 95 102 227 242 f. 329f.; Gebet 439; Friede als Wesen des
: Ausgießung des G. (Joel) 102 289 jüd. G. 541 ff.
302; der Messias als ‫״‬G. von der G en ie: 42 297.
Höhe“ 324: G. und heiliger Geist G e n u g tu u n g (satisfactio): das Yer-
118 120 f.; vgl. H e ilig e r G e ist, H e ilig - dienst als G. 375 f.
keit. G e r e c h tig k e it: der Ausdruck für G.
G e is t e s w is s e n s c h a ft e n : 343 416 (‫ = ) צ ד ק ה‬Wohltätigkeit 176 411 506
484. 509 523; G. und Liebe Antinomie
G e is t ig k e it : Heiligkeit, G. und Sitt- i. d. geschichtlichen Welt 299: Liebe
lichkeit 89 114 144. vgl. G eist. und G. Gottes 87 109 114 245 260f.
G e le h r t e , der: der G. als Begründer 290 299 310 359 369 f. 508 509 f.
der religiösen Verfassung 303: der 511 516 ‫ ;י‬G. allein bei Gott 151 506;
Jude als G. ein Weiser 531. die G. Gottes u. das Unglück des
G elü b d e ( ‫) נ ד ר‬: G. und Widmung411. Gerechten 153 372 und das soziale
G em ein d e: die G. Grundwort des Leiden 160 und das unschuldige
Deuteronomium 204; die G. einzig Leiden (Israels) 333 f. 5121*. u. die
entsprechende Einheit f. d. einzige Kränkung des ]STatidnalgefühls durch
Aufgabe der Religion 231 457 f.; die d. Propheten 285; der heilige Gott
G. als Ersatz des Staates 31 231 f. durch (soziale) G. geheiligt 128 215
457; Staat. G., Individuum u. Opfer 245 506; G. Gottes u. Sündenverge-
231 234 (vgl. 457): G. und Indivi- bung 246 262: G. Gottes nur in Be-
duum 253 455 ff. 466: das Sünden- zogenheit auf d. Menschen denkbar
bekenntnis und die G. 256: das Ge- 503: G. als Hort d. messianischen
bet als Gebet der G. 455—459; die Reiches 324 326 327 506; Die Ge-
G. als Einheit d. Mehrheit 456: die rechtigkeit 506—513: der neue Weg
G. ürboden d. Gottesreiches 455 f.; der G. (Jecheskel) 228; Wahrheit u.
G. und Israels Fortbestand 457; G. 499; G. als Attribut d. Messias
Volk u. G. 457 f.: die G. und das 506; G. als Gebot 506; G. und
Ich der Psalmen 457 f.; Gott und d. Frömmigkeit 506 f.; G. als Staats-
G. 458; die G. Israels u. die messi- und Rechtsprinzip 507 ff.; G. und
anische Menschheit 456 458 466; die Frieden 510 526 f. 537; G. und
jüd. G. und der moderne Kultur Staat Schegaga 510: G. und Billigkeit 509;
425: das hebr. Wort für G. 453; G. als Prinzip d. Theodizee 511; G.
vgl. E sr a . und Tapferkeit 516 u. Treu!‘ 525;
G em ein ge füh l: das Mitleid als G. soziale G. und Almosen 523: die
in der Stoa 162. S t r a f g e r e c h t ig k e it Gottes u. die
G e m e in sc h a ft: die G. erzeugt den Unsterblichkeit 369 f.; Korrektur d.
Mitmenschen 159 165; die G. ist Str. Gottes 305; Gott, Mensch und
Wechselwirkung 159: Einheit und die Str. 509 516; das Leben des
G. 230; die menschliche G., das G e re ch te n ,u. Jecheskel 224 f.; der
Individuum u. das Gebet 455: die Gottesknecht als der G. 336. vgl.
Mehrheit als relative, die Allheit als E th ik , S ta a t, S o z ia l, L iebe.
absolute G. und die Tugenden 476 f. G e ric h t: göttliches G. und Erlösung
500; Wohltätigkeit als Treue gegen 260 f.; die Bilder vom jüngsten G. 350.
569

G e r ic h t s v e r f a s s u n g (‫)דינים‬: G. als Leben u. Gesetz 424: — Philosophie


erstes noachidisches Gebot 142 386 f. und G. 205—207; die G e s c h ic h ts -
507: Gerechtigkeit Prinzip d. G. 507 P h ilo s o p h ie u. die Absolutheit d.
510. Religion 429: geschichtsphilos. Deu-
G e ro n d i, Jona: 500. tung der Auferstehung b. Jecheskel
G e sc h e h e n : die Logik des G. 381. B31: die g. Bedeutung des Gesetzes
G e s c h ic h te : G. und sachlicher Inhalt 433; — W e ltg e s c h ic h t e d. Geistes
(G. und Religion) lff 15 280 312; 61; die Liebe Gottes der Leitstern
G. und Begriff 3 ff.: G. als G. der d. Welt 185; die göttliche Vorsehung
Vernunft 3 9 98; das geschichtliche f. d. W. 175; Wert der W. 214:
Individuum 15f. 363 373 445; Ideen Menschenhaß tragischer Grundzug
u. Einrichtungen in der G. 206f.; aller bisherigen W. 269 (vgl. 274 f.);
Kontinuität als Prinzip der G. 207; Gerechtigkeit, Leiden, W. 512. vgl.
der Gedanke der G. bei d. Griechen n a tio n a l, h isto r is c h , R e lig io n sg e -
294 308; G. als Idee d. Zukunft d. sc h ic h te , M e n s c h h e it, M ensch en ge-
Menschengeschlechts 293ff. 308 f. 340 sch lech t, M e s s ia n is m u s , 2jf11kunft.
343 f. 361 364 367; Menschheit, G e s c h ic h ts s c h r e ib u n g : Objektivi-
Menschenliebe und G. 309; der Messi- tat der altbibl. G. 272: Natürlichkeit
anismus als geschichtliche Vorsehung u. Wahrhaftigkeit in. der G. des
310: der soziale Gesichtspunkt i. d. Deuteron. 309: — Geschichtsschrei‫־‬
Schöpfung derG. 310; Stellvertretung ber 173.
u. messianischer Geschichtsbegriff G e s c h le c h ts lie b e : 168 171 172 249
311 ff.; die geschichtliche Bedeutung 440 521. vgl. L y r i k .
d. Unsterblichkeit 354 367 370; u. G e s e lls c h a f t : 160 279. vgl. Ge-
die Erzväter als .Vorbilder der G. m einsehaft
372 ff.; das Verdienst d. Väter als G e se n iu s: zu 213 :‫י צ ר‬.
geschichtliche Idealität u. das Indi- G e s e tz : die ‫״‬ungeschriebenen G.~ der
viduum 378 396; der Geschichts- Griechen 96: Das G. 398—437: die
begriff eine Schöpfung d. Prophetis- zwei Bedeutungen des G. 400 ff. (vgl.
mus (Monotheismus) 139 290 307 ff.; 257 410 ff. 414 ff.) u. ihre innere Ein-
d. Sinn d. jüdischen G. 298f. 314ff.; heit 407: das G. u. die neue Lehre
messianische Idealisierung der Natio- d. Religiosität 206; das G. als Sitten-
nalgeschichte Israels 309; d. Inhalt gesetz 399 405 407 f. 410; Offen-
d. Offenbarung u. d. Kontinuität d. barung u. G. 400; historische Ent-
nationalen G. 90f.; das Leiden in stehungsgriinde des G. 401 ff. (vgl.
der G. Israels 173 277 333f. 511; 32 423;; G. (Brauch) u. religiöse
nationale G. als Beginn d. jüd. Idee 403: das G. als Symbol 403 f.
Nationalliteratur 29: Urgeschichte 436; G. und Kirchenwerk 406;
d. jüd. Volkes im Deuteron. 86: G. das ‫״‬Joch der G,K 407 422 434; G.
der Juden und G. des Judentums 35; und Pflicht 193 382 406 f.: das G.
Absage an den g. Ursprung d. Nation als ethische Einseitigkeit 407 ff 410;
b. Jeremia 326; die geschichtl. Re- G. und Opfer 206 399 401 404 f. 409 f.;
flexion im cap. 53 d. Deuterojesaja das G. als Mittel 417 f. 420; das
332 ff.; die jüd. Tapferkeit als g. religiöse Erleben des G. 421 f. 434;
Tugend 517: das Martyrium als g. G. und Glauben 405 f. 435 f.: G. und
Tat 518: der Friede als Ziel der Individuum 193; das G. als Mittel
Menschengeschichte 536; geschichtl. d. Isolierung 423 ff. 432; das G. im
570

messianischen Zeitalter 430; G., G;e- die jüd. Glaubenslehre u. die Un-
setze u. Religion 431—437; G. und Sterblichkeit 395; der G. an Christus
religiöses Gefühl 433 (vgl. 421 f. 462); als Bedingung f. d. Erlösung 389;
G. und Kultur 408 ff. 410 432 434 f.; — G la u b e n sa r tik e l: ihre Formu-
G. u. Sittlichkeit 435: das G. nicht lierung d. Maimonides 431; — G lau -
nur Zaun, sondern Symbol d. Lehre b e n s g e m e in s c h a f t: 270. vgl.
436 403 f.; das G. als Verbindung Gottesverehrung.
zw. Erkenntnis u. Handlung 437ff.; G le ic h b e r e c h tig u n g : sittliche und
das G. der Wahrheit 484f. 487 489f.; religiöse G. der Menschen 389.
der künstlerische Wert der G. 434; G le ic h g ü lt ig k e it : die G. gegenüber
Fortdauer 11. Notwendigkeit des G. sozialen Unterschieden 153—156.
424 ff. 430ff. 434: die Macht des G. G l e i c h h e i t : die G. der Menschen im
im modernen Judentum 423; Men- selben Schöpfer begründet 181, als
delssohns Stellung zum G. 421—423; Voraussetzung der G. der Volks-
das G. und der Fortbestand d. Juden genossen 138; das Problem der sozi-
184 402 f.; Paulus und das G. 292 alen Ungleichheit 149 176; Rechts-
404 ff.: — einzelner Fall und G. in gleichheit des Fremdlings 146 f.; —
d. Wissenschaft 197: — G e s e t ze s - d. G l e i c h s t e l l u n g d. Menschen
Übung ist Anleitung z. Buße 264; im Sabbat 183.
— Gott als G e s e t z g e b e r d. Men- G l e ic hn i s : jesajanisehe G. für die
sehen i. d. Heiligkeit 112: — Ge- messianische Zeit 323 f.
s e t z l i c h k e i t u. Religion der Ver- Gnade: die G. Gottes 94 152 175
nun ft 12 f .: Gott als G. 484; Indivi- 264; auf d. Grenzlinie d. Liebe und
dualität d. Künstlers letzter Grund Güte 246; die Gerechtigkeit u. der
der G. seines Werkes 42. vgl. Ge- Friede als G. 537.
hot, S itte n g e se tz, V o rs c h rifte n , R itu a l, Goethe: G. und das alte Testament
S ab b a t, T hora, Gebet, E rz ie h u n g . 464; im ‫״‬Faust” 20 63 196 265 .429
G e s i n n u n g : die G. als Grundfaktor 528; in d. ‫״‬Grenzen d.Menschheit“ 63.
aller religiösen Tätigkeit 414; Er- Götter: die G. im mythischen Be-
kenntnis und G. 105; Gott ist Er- wußtsein 160 169 199 358; Stamm-
kenntnis und Bekenntnis 239; die götter 289: die Korrelation von
gesetzliche Handlung und die G. des Mensch und G. (Opfer) 199; das
Urhebers 406; ‫ כונה‬bedeutet G. 439. Wesen d. G. in der Teilung d. Ge-
Ge wi ss e n : 218 23S. walten wie der Affekte 299; die G.
G e w i s s e n s f r e i h e i t : derNoachide u. und das Problem v. Schuld u. Strafe
das Prinzip der G. 144; vgl. T oleran z. 197 345; die G. der Unterwelt und
G e w i ß h e i t : G. der wissenschaftl. Er- die Bibel 353: Gott und G. 51 60ff.;
kenntnis und G. der Ethik 123. G., Göttinnen 11. Gottesliebe 185; —
Gewöh n un g: die G. an die Lehre 452. G ö t te r bi l d : G. und Porträt 162 s.
Glaube: G. und Vernunft (Wissen, B ild . vgl. P o ly th e ism u s.
Erkenntnis) 107 485 497 530; G., G ö t ze nd i e ns t : • Ausrottung des G.
Vertrauen, Wahrheit 248 264 486 (vgl. Vorbedingung d. Monotheismus 60
520); G., Gesetz, Kirchenwerk 405f.; 274 401; Kampf d. Propheten gegen
G. und Treue (520 (‫ ; א מונ ה‬d. Glau- den G. 62 ff. 273 486; Geißelrede d.
bensgedanke d. Reformation u. der Jesaja gegen d. Götzenbilder 64ff.;
krit. Idealismus 123; der G. an den das Deuteron, gegen den G. 86 232;
jüd. Gott u. der Noachide 143 390: Wurzel des G. im Opfer 200; der
571

G. im altjüd. Bewußtsein nicht nur von G. und Mensch 122 125; Kor-
religiöser, sondern auch sittlicher relation zwischen G. und Mensch 3$
Begriff 1401; Götzendiener u. Men- 82 83 92 95 100 116 133 151 154 f.
schenliebe' 139 1; Heiligkeit und G. 157 160 167 175 188 1931 196 236
126; der Noachide u. die Enthaltung 244 251 1 258 2641 2701 300 3C2
vom G. 142 390; die Leiden Israels 3801 395 397 398 406 410 424 423
u. die Götzendiener 173; Götzen- 441 444 447 448 450 466 476 477
diener u. Gottesknecht 336; und 485 497 503 516; G. als Geist 103;
Martyrium 383 517; Gesetz und G. Erkenntnis und Liebe G. 58 1041
401: G. und der Gott d. Wahrheit 169 189 3671; G. und die soziale
486 4941; Verbot des G. u. Haß 533. Ungleichheit 149 ff. 452 ff.; G. und
G o tt: Sein, Einheit und G. bei den das Leiden 158; Gottesliebe und
Eleaten 46 1; G. als das Sein und Menschenliebe 168 ff.; G liebt den
der Seiende 48 ff.; das einzige Sein Fremdling 148 170 386; die Liebe
des einzigen Gottes 51 430; G. als Gottes zum Menschen 171 172 ff.;
der Seiende der G. Israels 50; das und seine Liebe zu Israel 173 ff. r
Sein der Welt und das göttliche Ausdrücke für die Liebe Gottes 175
Sein 68 ff.; Handlung und Sein G. 457 1; der Sabbat Inbegriff d. Got-
109 : die Schöpfung das Sein G. 75; tesliebe 183; — Liebe des Menschen
s S e in ; philosoph. Gottesbegriff (279) zu G. 185 ff. 249 (als Grundgebot 91);
und G. der Religion 23 ff. 42 47; Liebe und Gottesbegriff 5 8 1 1851;
Anteil der Gottesidee am Urproblem Liebe zu G. als Liebe zur Idee 187
der Philosophie 484; Idee Gottes als bis 189; Liebe zur Sittlichkeit ist
Grundlegung 217; G. und Materie Liebe zu G. 19*2; die Sehnsucht nach
54: G. und Welt 46 1 52; Vermitt- G. 190 1 (s. S eh n su ch t): Nähe
lung zwischen G. und Natur durch die Gottes 20 1901 249 (vgl. 191);
Einzigkeit ausgeschlossen 56: Korre- neu er Begriff von G. und vom
lationG. mit der Natur 135 ff. 429 444; Menschen 208: neuer Gottesbegriff
Einheit G. und die Natur 411 68; für den neuen Menschenbegriff
G. kein Schicksalsbegriff 26 223; des sündigen Individuums 215 ff.
die Einzigkeit G. 41—57 338 4291; 217 219 1 221 ff.: Gott und Mensch
in der jüd. Sittenlehre 38 (vgl. 28), bei der Erlösung und Versöhnung
Einheit und Einzigkeit G. 41 48 68 221 1 271;der .neue Mensch u.
236: Einheit G. nur negatives Attri- die Korrelation mit Gott 227 233
but 47: Einheit G., Einheit der Sitt- 2351 271 330; G. als Erlöser
lichkeit, Einheit des Menschen 1511 von der Sünde 236 244 ff. 327 378
299: der tiefste Sinn der Einheit 447: Reinigung ‫״‬vor Gott** *233 ff.
G. 263: G. als Person und die Ge- 238 263 272; G. der Versöhnung
fahren der Bezeichnung 48 ff. (vgl. 83): 233 543: G. und die Buße 2371
Offenbarung und Geistigkeit G. 84 ff. 241 ff. 272 (vgl. 263); G. der Ver-
92 ff. 284 (vgl. 186); G. als Urbild gebung •299 300 345; G. als nnend-
nicht abbildbar 61 ff.; Wesen und liehe Lösung d. unendlichen Aufgabe
Wirkungen G. 9 3 1 ; Heiligkeit G. 243; Heiligkeit und Güte G. 244 ff.;
111 1 120 127 1 189 215 221 355; G. nicht das Gute, sondern der Gute
G. als der ‫״‬Heilige Israels“ (Jes.) 245 257 264 3461 (vgl. 290): die
1131 240 244 355; Entstehung des Güte Gottes und die Korrelation von
heiligen Geistes in der Korrelation G. und Mensch 251; das Wesen G.
572

in seinen 13 Eigenschaften 49 ff. 109 S ch öpfu n g) — ‫״‬nicht ein Mensch ist


245 261; G. als Hirt jeder Seele 247 Gott“ 300 495 (vgl. 398 49503 7‫;)־‬
330; G. als Eigner d. Menschenseele die Wahrheit des einzigen G. letzter
224 358 395 f. 457; G. als Ursprung Grund für den Fortbestand der Ju-
u. Ziel der Seele 358 395; Liebe u. den 184: der einzige G. als Welt-
Gerechtigkeit Gottes 109 114 245 gott im Christentum 282.
J 2601 290; G. nicht Schöpfer des .G o t t e s d ie n s t : G. und Götzendienst
Bösen, aber des Übels 24 266 304 60: der G. im Heidentum und bei
(vgl. 55): G. als Herr der Sittlich- den Propheten 172 (vgl. 203 ff.);
keit 290; und Bürge der Sittlichkeit die sozialen Propheten und der G.
382 470; Ursprung der sittlichen 229; G. Verehrung des wahrhaften
Vernunft in G. 83 101; Attribute Seins 63; G. und Sündenvergebung
Gottes Attribute der Handlung llO f. 245: Versöhnung als Zentrum des
189; Korrelation zwischen G. und gesamten G. 253: der öffentliche G.
Mensch als die zwischen Religion und das Sündenbekenntnis 256 f.;
und Sittlichkeit 151; G. als Urbild G. und soziales Mitleid 172; G. und
der sittlichen Handlung 189 f. 259 sozialer Geist 204; G. dem Wortlaut
313 405 417 476 480 482 490 528; nach ‫״‬Dienen“ 307 (vgl. 59 180);
der Mensch steht vor G. 258: Gottes- der wahre G. und der wahre Men-
idee und Messianismus 345; der schendienst 290: die Völker und der
messianische Idealismus und der wahre G. 285; Wahrhaftigkeit und
N am e G o tte s 330 338 (vgl. 408); wahrer G. 490 ff. 493; G. und Ge-
die messianische Güte Gottes 346 f.; sinnung 414; der G. des Kultus 2 0 0 1 ;
der einzige G. und die messianische der G. des Opfers 231 f .; der G.
Menschheit 496: das Sein der Zu- als öffentliches Institut für das Be-
kunft und der Gott der Geschichte kenntnis 229 f.; der G. des G. 2305
294: ein Gott für alle Völker 297: Neuordnung des G. in deutschen
die Liebe Gottes zu den Vätern als Gemeinden 461 f .; Gesetz und G.
andauernder Grund der Geschichte 423 4331; Lehrabschnitte im G.
Israels 378 384 396; das Gedenken 454 462: G. und Studium der Lehre
Gottes 378; G. als das einzige Gut (Erkenntnis) 530; vgl. G ottes rer-
382; die Zuversicht auf G. und der ehru n g, K u ltu s , R efo rm .
Verdienst der .Väter 384 397; G. G o tte s e r k e n n tn is : s. E rk e n n tn is.
und der Fromme 388; Glaube an
G o tte s fu r c h t: G. und Allmacht
G. mnd der Noachide 143 390: G.
Gottes 452 482; Menschenwert und
und Gebet 439 440 444 447 f. 450 f.
G. 502: die Gottesfürchtigen als
453; Korrelation von G. und Mensch
Eigentum ( 339 (‫ ; ס ג ל ה‬vgl. F u rch t.
im. Gesetz 4061; der G, der Wahr-
heit s. W a h r h e it ; Demut als Vor- G o t te s g e is t : s. H e ilig e r G eist.
aussetzung jeder Relation mit Gott G o tte sh a u s: Bildnis verbot und G.
503; die Demut Gottes 313 503; 454: G. als Haus des Gebets 454 f.
G. als Weltenrichter und die Straf- vgl. B eth a u s.
gerechtigkeit 509 543; G. und Reich G o tte sk n e c h t: s. K necht.
Gottes 455; G. als Held 5141 und G o tte s lä s te r u n g : d. Noachide und
der Held Gottes 516 ff.; G. und Friede die Enthaltung von der G. 142 390.
(Vollkommener) 24 55 304 527 1; G o tte s le h r e : neuer Inbegriff der
G. als Schöpfer der Welt 74 544; (s. i| G. bei Jesaia (6, 3): 113.
573

G ottesn am en : Elohim44;Elschadday G rätz: 301.


45 f. 73 114; ‫״‬Ich bin der ich bin“ G r iech en : gr. Philosophie 11 81 280
als neuer G. (Ex. 3,13) 49 f.; Jahve 296 475: dergr. Geschichtshegriff 294
44 50; Raum (‫ )מקרם‬als G. 53; 308; das Rätsel der Erhaltung des
Schechina als G. 53; der ‫״‬Heilige gr. Geistes 296 f.: Humanität der
Israels“ als G. bei Jesaia 113 f.; gr. Götterlehre 135; die freie Sub-
‫״‬der Mächtige Israels“ b. Jesaia 114. jektivität des Hellenen 161; Sittlich-
G o tte s r e ic h : G. Reich der Sittlich- keit des gr. Volksgeistes (unge-
keit 252; G. Reich der Gesetze 407 schriebene Gesetze) 96: Polytheis-
434 542; G. der messianischen Zu- mus und Ahnungen der Religion in
kunft und Himmelreich des Jenseits Griechenland 199; jüd. Religion u.
•364 f.; G. nicht nur Zukunft, sondern gr. Philosophie 11 34; gr. und jüd.
beständige Gegenwart 365; der Geist 107 (vgl. 234 504 515); Logos
Name Gottes und das G. 409; 55 116 281; Barbaren, Hellenen und
‫״‬Übernahme des Joches des G.“ 365 die Idee der Menschheit 281 f.; Welt-
407 434 456; Priesterreich und G. Untergang in der gr. Philosophie
303; G. als Gipfelpunkt der Gemein- 287; gr. Plastik 296: griech.-babyl.
schaft 455; Weltregierung und G. Hymnus und monotheistischer Psalm
467 f.; G. als Reich des Friedens 30 250 439 ff.; gr. und jüd. Ethik
542; Gemeinde und G. 455 f.; das 504 515 u. ö.; die gr. Übersetzung
G. als höchster Inhalt des Gebets des neuen Testaments 460; die
468 470. Freundschaft in Bibel und gr. An-
G 0 11 e s v e r e h 1‫־‬un g : G. im Monothe'is- tike 521; vgl. P la to , P h ilo .
mus zur Gotteserkenntnis 59 104 ff G r ie c h is c h : ä d 1ä<p0 Q0 v 19 500;
30Lf. 307 412 418 481 530; die G. äQ srrj (virtus) 474 514; ä g e r a i
der Propheten 172; neuer Begriff b 1a v o r \d 1u a i und ä g s r a i fjd iu a i
von G. 208; G. dem Wortlaut nach (Aristot.) 475; öhcrjv b ib ö v a i 287;
Sklavendienst 59 307 (vgl. 180); gimÖQCdöig (Weltverbrennung) 288;
Messianismus und einzige G. 286 H A e o g lG l; /d eoq)tXfjg 168 290: X ö y o v
G., Gottesreich und Gegenwart 365; b ib ö v a i 106; jL17j 71; !avr1fj17] (Seele
Innerlichkeit als Norm und Gewähr als Bewußtsein) 348; v ö o g (Seele als
der G. 329; Wahrhaftigkeit, Wirkung theoret. u. sittl. Vernunft) 348 366;
und Voraussetzung der G. 495; o v v a y c o y r j 453; 0 c0 <pQ0 6 vvr) (Harmo-
praktischer Sinn der G. 259; G. und nie der Seelenkräfte) 526; (pdoveQ Ö v
Gebet 437 438; die Gründe des Ge- r ö f te io v (Neid und Haß der Götter)
setzes als Mittel der G. 418; die 199; (pvö£ 1- 6 vv$qK r) — vö/licö 96.
Isolierung auf die eigene G. und die G r o tiu s, Hugo: 144.
Kultur 435; jüdische G. und Christ- Grund: Gr. und Ursache 159 416; der
liehe Symbolik 493; vgl. K u ltu s . Satz vom G. 164: die Frage nach
G o tte sw a g e n : G. (‫ ) מ ר ב ב ״‬in der den Gründen der Gebote 402 f. 416 ff.
Vision Jecheskels 78. 418 ff.; der ‫״‬grundlose Haß“ 533ff.
G o tth e it: 104 138 s. G ott. — G r u n d a ffek t 172; G rundan-
G o ttv e r tr a u e n : s. V e rtra u e n . sch a u u n g 274; G ru n d b ed in g t-
Grab: das G. in den biblischen Ur- h e it s. B e d in g th e it; G r u n d b eg r iff
sagen 353; das G. Mißbrauch der 252 42 ‫ ־‬u. ö.; G rundform 169;
Seele 352; das G. als Haus der G ru n d geb ot 214: G ru n d g e setz
Ewigkeit 544. 484; G ru n d k raft 165 471; G rund-
574

le h r e 129: G ru n d m ach t 266; H ad es s. U n terw elt.


G ru n d m ittel 470: Gr und sinn H aggad a: 0 2 463.
484; G ru n d th em a 247: G rund- H a g io g r a p h e n : 30.
V erh ä ltn is 166. H a la ch a : 32 463: Terminus ‫ה ל כ ה‬
G ru n d legu n g: die G. bei Plato 106; 85 33 ‫ ל מ ש ה מסיני‬vgl. G esetz.
als Terminus (‫ ) הנ ח ה‬bei den jüd. H a m le t: ein Hamlet wort des Jesaja
ma. Philosophen 107; die Grundbe- (2, 22): 210 320.
griffe als G. 217: das Sein als eigene H an d lu n g : die ‫״‬Attribute der Hand-
G. 77. lung“ (189 115—109 (‫תוארי ה מ ע ש ה‬
252 313 416; H. und Sein Gottes
G u nst QH): Chessed, G., Liebe 388.
109 f .; Wirkungen und Eigenschaften
G u te , das: Idee des Guten 56 124 Gottes als Normen der H. 110 (vgl.
342 ff. 351 394 472 ff.: das G. als G ott , S ittlic h k e it , A ttr ib u t ); der Na-
Begriff und Idee 472 f. 4741; Ge- me Gottes als Ziel aller menschlichen
meinschaft von Gott und Mensch am H. 408 f. (vgl. 330 338); die H. des
Problem des G. 39: Gott der Gute Menschen und die Heiligkeit Gottes
(‫) טו ב‬, nicht das Gute 244 f. 257 264 128; H., Zweck und die Korrelation
3461 443 452 (vgl. 93 290); das G. von Gott und Mensch 110 191 416 f.;
der Ertrag der Güte 93; sittliche die H. als Kriterium des heiligen
Differenz von gut und schlecht 1501 Geistes des Menschen 125: Ideen
und die religiöse Differenz 151 266 ‫י‬ als Urbilder zu H. 187 11'.; die Logik
Aufhebung der Unterscheidung von des Geschehens und die Ethik der
gut und böse 226; Erkenntnis von H. 381; die Heiligkeit Aufgabe und
gut und schlecht in der Paradies- Ideal der H. 129; H. und Sittlich-
sage 292: das praktische Urteil über keit 187.; Liebe und H. 188—192;
gut und schlecht 384 ff.; das Irdische die Buße als realisierende H. des
und die Erkenntnis des G. 54; die Willens 238; Erfolg und H. 242 f.j;
Illusion des schlechthin guten Men- Verdienst, H., Urheber 377: H. und
sehen 214: irdisches Glück und das Lohn 379; Erkenntnis und H. 414
G. 304; das G. und der Überschuß 437; Rechtsfonnein und H. 230; die
über die pflichtmäßige Handlung gesetzliche H. 406.
376 1; Wehe des Guten 153; Herr- H a p h ta ra : 454.
schalt des G. auf Erden ist Messi- H arm on ie: GccxpQOOvvi‫ ן‬als H. der
anismus 24; der Friede als Sehnsucht Seelenkräfte 526; Friede als Hanno-
nach dem G. 539: das G. und die nisierung der gesamten Sittlichkeit
Eudämonie bei Aristoteles 475. 527; als H. des Individuums 527;
G üte: die G. Gottes Grundgedanke Gott als H. der sittlichen Weltkräfte
der Psalmen 111 190 244 245 346 mit ihren Naturbedingungen 528
443; Sündenvergebung u. G. Gottes 363 vgl. E in h e it.
245 ff. 251 255 443; G. und Liebe H arnack: 375.
Gottes 2451 345 3461 443; Heilig- H arusp ex: 289.
keit und G. Gottes 244 ff. 251; die Haß: der falsche H. 533; der H. als
messianische G. Gottes 3461; G. ‫״‬grundloser H.K (269 (‫שנ א ת הנ ם‬
der Grundbegriff der• sittlichen Welt 533 ff.; Charakteristik u. Definition
252; G. Gottes Ausdruck der gött^ des H. 5311'.; Verbot d. Menschen-
liehen Teleologie 443; G., Rührung, hasses in der Bibel 532; H. u. Neid
Friede 537. 532 534; H. u. Seelenfriede 532 534 ff.;
‫‪575‬‬

‫‪der H. als psychologischer Irrgedanke‬‬ ‫זהירות ‪.479‬‬


‫‪d. Pessimismus 535; das jüd. Gemüt‬‬ ‫זכות אבות ‪.ff 37-2‬‬
‫‪und der H. 542.‬‬ ‫זכרונות ‪.ff 467‬‬
‫‪H eb rä isch : imHebr. kein Ausdruck f.‬‬ ‫זריזות ‪.479‬‬
‫‪Bettler u. Almosen 176; kein Aus-‬‬ ‫חרוש העולם ‪.78‬‬
‫‪druck f. Sklave 307; — die hebr.‬‬ ‫חזה ‪.308‬‬
‫‪Gebetsprache 459—465.‬‬ ‫חטא ‪.235‬‬
‫א ה ב ה ‪.388 458‬‬
‫חלק ונחלה (‪.vgl. 104 358 391 (Hiob 31,2‬‬
‫א ח ד ‪.48 465‬‬
‫חן ‪.246 388‬‬
‫א חדו ת ‪.48‬‬
‫חנם (‪.vgl( 246. 269 533‬‬
‫אחורי ‪. 93‬‬
‫הסד ‪.f 175 388 486‬‬
‫אין ‪. 76‬‬
‫חסידות ‪.389 479‬‬
‫א ל ‪.51‬‬
‫חסידי אומות העולם ‪.ff 388 315 141‬‬
‫אל מ ה ‪.51‬‬
‫חקים ומשפטים ‪.29 400 414 419 479‬‬
‫אל מי ‪.51‬‬
‫אל שדי ‪.45 114‬‬ ‫טהרה ‪.479‬‬
‫א מ ת ה ‪.248 486 489 520‬‬ ‫טוב (‪.vgl( 93. 244 443‬‬
‫א מונו ת ודעות ‪.497‬‬ ‫טוב וסלח (‪.vgl( 443. 90‬‬
‫א מ ת ‪.486 489 520 526‬‬
‫יבושו ‪.495‬‬
‫א פס ‪.51 179‬‬
‫י״ג מדות ‪. 110 481‬‬
‫ארך אפי ם ‪.514 527‬‬
‫ידע ‪.59‬‬
‫א ש ת היל ‪.f 514‬‬
‫יום הזכרון ‪.469‬‬
‫בית ה מ ד ר ש ‪.453‬‬ ‫יהוד ‪.48‬‬
‫בי ת עולם ‪.544‬‬ ‫ייסורין של אהבה ‪.511‬‬
‫בן א ד ם ‪. 247‬‬ ‫יסוד ‪.96 107‬‬
‫בן נח ‪. 135 386‬‬ ‫יצר (‪.Gen( 213 136. 8,21‬‬
‫ברי ת ‪.520‬‬ ‫יראה ‪.481‬‬
‫יראת חטא ‪.479‬‬
‫גבור נגבר‪ ,‬גבורה ‪.etc[ 514.‬‬
‫גבור חיל ‪.515‬‬ ‫כונה ‪.365 414 439 450‬‬
‫ג מילו ת ח ס די ם (‪. s ( 509 126. 388 411‬‬ ‫כמוך ‪. 183‬‬
‫גניבת ד ע ת ‪.499‬‬ ‫כפרה ‪.233 236 251‬‬
‫גר ‪. 134 386‬‬
‫לב הדש ‪.95‬‬
‫גר תו שב ‪. 141 386‬‬
‫לפנים משורת הדין ‪.509‬‬
‫דינים ‪. 142 386‬‬
‫מאלך (‪.Deut( 185. 6,5‬‬
‫היה ‪.46‬‬ ‫מעשה בראשית ‪.78‬‬
‫ה ל כ ה ל מ ש ה מסיני ‪. 33 85‬‬ ‫מרה ‪.481‬‬
‫הנחה ‪. 107‬‬ ‫מו שכלו ת ר ש תו ת ‪.96 107‬‬
‫הפגיע ( ‪. Ges( 336. 53,6‬‬ ‫מהיצר‪.86 ,‬‬
‫הריני מ תכון ‪. 365‬‬ ‫מכשול (‪.Ez( 213. 18,30‬‬
‫ה ש תל מו ת ‪. 371‬‬ ‫מלכות שדי ‪.455‬‬
‫ה ת ק רבו ת ‪. 191 369‬‬ ‫מלכות שמים ‪.364‬‬
‫מלכתת ‪.ff 467‬‬
‫ו ה ח מ ס מני ע ת העול ‪.420‬‬ ‫מעלות ‪.481 482 483‬‬
‫וייצר (‪. Gen( 100. 2, 7‬‬ ‫מעשר עני ‪.411‬‬
‫ודוי ‪.411‬‬ ‫מפני דרכי שלום ‪.510 526‬‬
‫‪576‬‬

‫מצו ה ‪.406‬‬ ‫רוח ח ד ש ה ‪.95‬‬


‫מ צו ד ת דוד ‪.489‬‬ ‫ר ח מי ם ‪. 175‬‬
‫מ ר כ ב ה ‪.78‬‬ ‫רע ‪.463‬‬
‫מ ר מ ה ‪.498‬‬ ‫רשע ‪. 153‬‬
‫מ שנ ה תורה ‪.84‬‬
‫מתן תורה ‪.97‬‬ ‫שאול (‪.f (ygi 290. 341‬‬
‫מקו ם ‪.53‬‬ ‫שבע מצו ת בני נח ‪.142 386‬‬
‫ש ב ת (‪. Rübe( 178‬‬
‫נ ד ר ‪.411‬‬ ‫שגגה ‪. 147 234‬‬
‫נכרי ‪. 134‬‬ ‫שוא ‪.498 499‬‬
‫נכרי ‪ und‬רע ‪. 179‬‬ ‫שופרו ת ‪.ff 467‬‬
‫נפ ש ‪. 147‬‬ ‫שיתוף ‪.56 282‬‬
‫נקי ‪.262‬‬ ‫שיר ה מ ע לו ת ‪.483‬‬
‫נקיות ‪.479‬‬ ‫שכינה ‪.53‬‬
‫נקם ‪.369‬‬ ‫שכליו ת ‪.415‬‬
‫שלו ם ‪. 24 55 304 486‬‬
‫סגל ה ‪. 174 339‬‬ ‫ש מעיו ת ‪.415‬‬
‫ס פ ר ה מ צ ב ת ‪.421‬‬ ‫שנ א ת הנ ם ‪.269 533‬‬
‫סופרי ם ‪.30‬‬ ‫שנ א ת שקר ‪.269‬‬
‫ס כ ת שלו ם ‪.534‬‬ ‫שקר ‪.498‬‬
‫סלי ח ה ‪. 251 378‬‬ ‫שרש ‪.96 107‬‬
‫סלי ח ה ומחילה ‪.251‬‬ ‫שרי שות ‪.419‬‬
‫סלי חו ת ‪.35‬‬ ‫שר שים אמתיים ‪.431‬‬
‫שר שלו ם ‪.527‬‬
‫עבד ‪. 180‬‬
‫עבודה ‪.59 307‬‬ ‫תוארי ה מ ע ש ה ‪. 109‬‬
‫עבודה ש ב ל ב ‪.492‬‬ ‫תורות ‪.29‬‬
‫עולם ‪.544‬‬ ‫תחייה ה מ תי ם ‪.479‬‬
‫תמיד ‪. f 78‬‬
‫עולם ה ב א ‪. 363 384 395‬‬
‫ה מי טו ת ‪.492‬‬
‫עיקר ‪.96 107‬‬
‫תקוך ה מ רו ת ‪.419‬‬
‫עניים ‪. 334 338 511‬‬
‫תשור׳ה ‪. 228‬‬
‫ענוה ‪.479‬‬
‫‪H e g e l: 424.‬‬
‫עתיד ל בו א ‪.363‬‬
‫;‪H eid en tu m : Judentum und H. 24‬‬
‫פנים א ל פני ם ‪.87‬‬ ‫‪die Propheten gegen das H. im Opfer‬‬
‫פגות ויסודות התורה ‪.431‬‬ ‫;‪200; die heidnische Heiligkeit 116‬‬
‫פרי שות ‪.479 485‬‬ ‫‪der Gottesdienst im H. 172: der‬‬
‫‪Name im H. 408. vgl. P o ly th e is m u s .‬‬
‫צדיק ‪. 153‬‬ ‫‪H e il: Verheißungen d. Propheten über‬‬
‫צדק ה ‪. 176 479 506 523‬‬ ‫‪H. und Unheil 203 324 329.‬‬
‫צ ד ק ה ו ח ס ד ‪.508‬‬ ‫‪H e ilig e , der: das Verdienst d. Väter‬‬
‫צור ת טי ב ‪.494‬‬ ‫‪u. der Heiligenkultus 376 ff.; Heiligen-‬‬
‫צרור החיים ‪.376‬‬ ‫‪Askese 129 376 (s. M ä r ty re r), vgl.‬‬
‫־ ‪H e ilig k e it.‬‬
‫קדו שה ‪-. 479‬‬
‫;‪H e ilig e r G eist: Der h. G. 116—130‬‬
‫ק הל ‪.231‬‬ ‫‪h. G.“ in der alten‬״ ‪der Terminus‬‬
‫רא שית ‪.75‬‬ ‫;‪Bibel (Jes. 63, 10 11; Ps. 51) 117‬‬
‫רוח הקוד ש ‪.479‬‬ ‫;‪der h. G. falsche Übersetzung 121‬‬
577

Geist und h. G. 118 1201: der h. 357 ff. 367 394; H. und Individuum
G. als Vollziehung der Korrelation 356 395; H. und gesetzliche Hand-
v. Gott u. Mensch 117 120—130; lung 406; H. und Wahrheit 449 486 f.
h. G. Geist d. Menschen wie der 497; die H. als Tugend 479; H. und
Geist Gottes 119 302; der h. G. als Opfer (H. als Absonderung) 111 113
Funktion der Vereinigung 122; der 115 126 355 409; — der Mensch
h. G. als sittlicher Geist 123 126 kein Heiliger 130; die Indifferenz
302: der h G. des Menschen u. die zw. heilig u. profan im Gesetz 409 f.;
Sünde 1181 124; Handlung als der Zehnte als ‫״‬das Heilige“ 177.
Kriterium des h. G. des Menschen vgl. H e ilig e r G e ist , H eilig u n g .
125 127; Heiligkeit und h. G. 126 H e ilig tu m : die Wiederaufrichtung d.
128 302: der h. G. des Menschen u. das H. im Gebet 467.
Böse 214; der h. G. u. d. Messias H e ilig u n g : H. und Selbstheiligung
102 118 302 321: Unsterblichkeit u. 241 518; Selbstheiligung des Men-
h. G. 359 394; der h. G. Ausdruck sehen ist H. Gottes 128 518: Un-
1 Wahrhaftigkeit 490; der h. G. im Sterblichkeit in der unendlichen Auf-
jüd. Monotheismus 1221; der h. G. gäbe der H; 359; H. des göttlichen
als Mittel des messianischen Uni- Namens 330 376 408 f. 518.
versalismus 302; der h. G. in der H ein e: 434.
Tugendlehre 1251; Isolierung des H eld: Heroen tum die erste Idealität
1). G. ein Irrtum 129: die Lyrik und d. Menschen 150; der H. (Heroe) im
der h. G. 124. vgl. H eilig k e it. Polytheismus (Mythos) 168 290;
H e ilig k e it: das sog. Heiligkeitsgesetz Ahnen als Genien des Heroenge-
u. das Deut. 111: die H. als Sitt- schlechts u. die Väter 354; tragisches
liohkeit in der Korrelation von Gott Leid des H. 26 159 f.; die Gefahren
n Mensch 111 123 127 244 299 355 des Heroentums u. das ‫״‬Verdienst
449 476: H., Geistigkeit u. Sittlich- d. Väter“ 373 f.; Begriff u. Bedeu-
keit 114 467: die H. Gottes u. des tungswandel d. Heldentums 514ff.;
Menschen 112 127: die neue H. (der Held u. Märtyrer 377 383 517 f.; d.
‫״‬Heilige Israels“) bei Jesaia 1131 religiöse Heldenleben 516 ff. 526;
240 244 355; H. Gottes als Inbegriff Heroismus als Eigenschaft Gottes
d. Gerechtigkeit u. Liebe Gottes 114 514 f.; der Messias ohne Symptome
299 506: die H. als Vollzugsmittel des Heldentums 313; — die H e ld e n -
der Korrelation von Gott u. Mensch sa g e d. Völker u. die altbiblische
120 —130 (s. S elb sth eilig u n g ) ; H. und Geschichtsschreibung 272.
heiliger Geist 126 128 302; Gott als H e lle n e n tu m s. G riech en .
Heiliger nicht sowohl Vorbild als H e r a k lit: Einheit von Sein u. Werden
Urbild 189 (vgl. 405 476); H. und 77; der Krieg d. Vater aller Dinge
Güte Gottes 244ff.; H. und Einzig- 528.
keit Gottes 4661 476; die H. als H erd er: erkennt d. Messianismus im
unendliche Aufgabe 112 128 129 Prinzip des Monotheismus 284; H.
24( ‫י‬f. 262 276 358; der G. der H. Nährvater Goethes im alttestamentl.
ist Idee 457: Erneuerung d. Geistes Geiste 464.
der H. in d Versöhnung 262; H. H erm en eu tik : das Stilproblem der
ist ideale Menschlichkeit 300; Grund- talmudischen H. 463; die 13 Regeln
gebot der H. und das Böse 214; H. der H. 481.
und Unsterblichkeit der Seele 355 ff. H eroe s. H eld.
37
578 ‫ י‬,

H e r r lic h k e it: die H. als Wesen geschichte 422; sachliche Einsicht


Gottes 93; H. und Ehre Gottes 477. und hist. Aufklärung‫ ־‬in d. modernen
Herrin an n , Wilhelm: über d. Wirk- Bibelforschung 112: der hist. Geist
lichkeit Gottes 186. der nachkantischen Zeit 423; u. ö.;
H erz: H. und Seele 223; ‫״‬das neue vgl. G eschichte.
Herz“ (‫ ) ל ב הד ש‬b. Jecheskel 95 102 H offn u n g : Unsterblichkeit, messia-
227; das demütige H. als Ersatz d. nische Zukunft und d. H. 368.
Opfers 250 466 491; das reine H. H oh es L ied : 30 301 542.
als höchstes Gut 450: das ‫״‬reine H.“
H ö lle : keine H. im messian. Zeitalter
als Ausdruck f. Wahrhaftigkeit 490ff.:
367; die H. als Symbol b. Maimo-
die Einzigkeit Gottes u. das einige
nides 371; H ö lle n s tr a f e n s. S tra fe .
H. (Schma) 465; der ‫״‬Gottesdienst
des H.“ 492; Seelenfriede u. Einheit H om er: H. die Bibel der Freigeisterei
des H. 531: — H e r z e n s a n t e il 151; Poesie aller Zeiten Nachbildung
Israels an d. Bekehrung d. Völker 333. seines Geistes 296 : die Seele in der
H e r z f e ld : '332 335.' Sprache H. 348: die Übersetzbarkeit
H e x e n p r o z e sse : 274. H. 460; Diomedes u. Glaukos (II. 6,
H im m elr eich : s. G ottesreich . 119 ff.) 135.
H in b lic k : der H. auf Gott 439. Horn: ‫״‬H. des Heils“ 496.
H in gab e: ungeteilte H and. einzigen H osea : messianische Stellen (H. 2, 21;
Gott 60 465. 3, 5; 14, 6) 317; Naturfrieden (H. 2,
H in lä n g lic h : Einzigkeit d. Seins h. 20) 322; Wahrheit und Gerechtigkeit
Ursache f. d. Entstehung des Wer- (H. 4, 1) 499.
dens 74. H u m a n ism u s: 283; Neuh. 425.
H in t e r lis t (HD1D): 498. H u m a n itä t: die H. der griech. Götter-
H iob: 30; H. gebraucht vorzugsweise lehre. 135; H. in der Stoa 161 f.;
d. Gottesnamen El schaddaj 45; H. Rousseau, Kant u. Herder im Ge-
als Prophet u. das Leiden des H. danken der H. 284: die ‫״‬Frommen
267 f. 269; Korrelation von Mensch d. Welt“ als höchster Ausdruck der
u.Gott (H.31, 2; 32,8; 33,4) 101 104; H. 389 391 393; die H. im Fremd-
d. Geist als Anteil an der Gottheit ling-Beisaß 141: H. bei der Pfand-
(H. 31, 2) 104 358 395; H. und die gesetzgebung 179; Notlage der H.
Achtung des Sklaven (H. 31, 13 ff.) i. d. Ausrottungsforderung d. Mono-
181; Frieden als Attribut Gottes theismus gegenüber d. Polytheismus
(H. 25, 2) 527. 139; die Tugend der H. 526.
H ip p o ly to s : 151. H u m b o ld t, Alexander von: bewundert
H ir t: ‫״‬H. u. Herde“ 246f. 260; Jeremia Psalm 104: 54.
gegen die treulosen H. 325; Jecheskel H um or: 350; der Friede des H. und
gegen d. falschen H. 330; christl. die Tragik im jüd. Gemüt 541; H.
und jüd. Sinn i. Begriff des H. 462. bei Jesaja im Kampf gegen d. Götter-
H is to r ie : H. als griechischer Ge- bilder 64 f.
schichtsbegriff 308; die historischen H ü tt e n f e s t : s. F este.
Partien der Bibel 272; liturgische H y g ie n e : H. und Gesetz 401.
Dichtungen als historische Quellen H ym nus: d. H. als Urform d. Gottes-
35; der hist. Instinkt der Nation u. dienstes u. die Psalmen 250 439 ff.
das Gesetz 402 f.; die hist. Betrach- (vgl. 30 247); H. b. d. Erstlingsgabe
tung von Wendungen i. d. Kultur- 411; H. ‫״‬Unethane To^eph“ 247 260.
579

J a h v e: elohistische und jahvistische 356; die. messianische Zukunft als


Quellen 44 45; J. und El schaddaj I. der Geschichte 293 308; der
(Ex. 6,1): 45; J. und Sein 46 49 f.; Friede als I. des messianischen
J. als der Ewige 50; J. und der 2. Menschen 528: einheitlicher Cha-
Schöpfungsbericht des Menschen 99; rakter des Menschen ist nur I. 259;
vgl. G o ttesn a m e. I. werden Illusionen 265.
Jau res: 218. I d e a lb e g r if f: I. des Ich in dem sym-
Ib n D a u d : erwähnt die Auferstehung bolischen Israel 275: I. des Menschen
nicht 371; unterscheidet Vorschriften in der Ethik 278; Vorausnahme des
und sittliche. Grundsätze 41 4 f.; I. 4.
Gegner des Pantheismus und Vor- Id e a lb ild : die Schuld und das I. des
ganger des Maimonides 415; über Menschen 311; das Leiden nicht
die Frage von der Ewigkeit der als I. des Menschen darzustellen
Thora 431. 275; das I. des Stellvertreters 315;
Ibn E sra: zu Gen. 8,21: 213; zu das I. des Messias als des Gottes-
Deut. 5,4: 87 ; zu Ps. 119, 160: 489. knechts 332.
Ibn Gab iro l: s. S a lo m o ib n G a b iro l I d e a lis ie r u n g : symbolische und
Ich: angebliche Grundkräfte des 1.7; reale I. 410; I. des Faktums der
I. des Menschen zum I. der Mensch- Offenbarung 90 ff. 94; I. in der Er-
heit in der Ethik 15; das I. und der wählung Israels 173: I. des Volkes
Er 17; das I. und das Du 22 f. 193 im Rest Israels 305 f. 316; I. der
209; dasl. im Mitleid 164 165 f.; Das Nationalität zur Religion 428; nies-
In d iv id u u m a ls Ich 193—208 217; sianische I. der Nationalgeschichte
Problem des I. und die Korrelation Israels im Deut. 309; die I. des
von Mensch und Gott 196; das I. Messias 306 f ; Verdienst der Väter
und seine Versenkung in Gott 204; als I. der Unsterblichkeit 396; 1. in
das sündige I. und das neue religi- der Liebe 441; Gebet als Grundkraft
öse I. 219 f. 227 235 238 4441; das der religiösen 1. 470 471.
Individuum als I. zur Reife gebracht Id e a lism u s: der ‫״‬kritische I.“ 123;
in der Versöhnung mit Gott 222 227 Rationalismus und I. 416 418; Dog-
234 268 276 444; das Opfer und matismus und I. 430; I. und Kritik
die Entstehung des religiösen 1.234f.;, 418; der philosophische I. (475) und
das neue I. keine Abstraktion 240; der I. des Monotheismus 54 168 305
das neue I. als Aufgabe 239: die 412: der wissenschaftliche u. messi-
Kontinuität d. Momente und das I. anische I. 342 ff. (vgl. 338): I. der
240 271; Selbstheiligung und Ich- Zukunft 315; I. der Geschichtsbe-
Individuum 251 258; das Leiden als urteilung 206: Platos Wissenschaft-
Reifung zum I. 276; empirisches I., lieber I. ohne Universalismus 302;
Allheits-I. und die Unsterblichkeit Zufriedenheit und praktischer I. 530.
363; das betende!. 445; d a sl. der I d e a li t ä t : I. Gottes in seiner Einzig-
Psalmen 440 457; I c h h e it 220; vgl. keit 300; I. des Menschen in der
I n d iv id u u m , Selbst. Menschheit 300; I. des Messias 293;
Id eal: das I. Urbild der Sittlichkeit Verdienst der Vater als geschieht-
188; I. der Sittlichkeit und Wirk- liehe I. 378: Heroentum die erste
lichkeit 24 f. 523; die Liebe zu Gott I. des Menschen 150; die I. des
ist Liebe zum sittlichen I. 188; die Staatsbegriffs und der Imperialismus
Heiligkeit als I. der Handlung 129 426 428.
580'

" Id ee: .1.* und Begriff 472: I. und 39, 29) 95 102 227 242 f. 329 330;‫־‬
• Wirklichkeit 24 187 189 410 (im ,,die Seele sündigt“ (Jeck. 18, 4 20)
Gesetz) 433: I. und Realisierung 23 223 491 (vgl. 305 395); von Je-
(religiöse I. und Gesetz) 403 433; remia (Jesaia) zu Jech. 224 227 2391
die I. Gottes 187 416 484; die Liehe 246; Gott als Eigner der Menschen-
zur I. als die Liebe zu Gott 187 ff.; seele (Jech. 18, 2 - 4 ) 224 395 (vgl.
Immanenz der Verzeihung in der I. 25); Sünde der Eltern und Strafe‫־‬
Gottes 251; unsichtbare I. und Bild der Kinder (Jech. 18, 5—32) 224 ff.:
(Gottes) 61 ff.; die I. des Menschen 305 510; der neue Weg der Gerech-
281: Geschichte als I. der Zukunft tigkeit 228; die Sündenvergebung;
der Menschheit 294 f .; Ideen und Ein- Gottes Mittelpunkt des Monotheis-
richtungen in der Geschichte 204 ff.; mus 246; der Gedanke der Buße-
D ie I. des M e s s ia s und d ie 230 289 330 395; J. der nationale
M e n sc h h e it 278—316: die Motive Politiker im Geiste des Deut. 298•
in der I. des Messianismus 287 ff.; (vgl. 231 f.); gegen nationalistischen
I. als Urbilder zu Handlungen 187; Hochmut (Jech. 16, 1—3 46 48) 306
Wert des geschichtlichen Lebens in 329; Patriotismus •und Universalis-
den sittlichen I. 311; das Leben d. mus 308; J. und der Messianismus
I. und das Gebot der Heiligkeit 356 f.; (J. 11, 15—19; 16, 1—3 46; 34,23
die I. des Guten 56 124.474 (s. Gute): 24 30; 36, 23, 25—27; 37, 28: —
die I. Christi 472; Id een le h r e s. 28, 25; 37,25) 3 2 8-332; Aufer-
P la to . stehung und Messianismus (Jech. 37,
I d e n t it ä t : I. und Einheit bei Par- 3 11 12) 331 355 363: Israel als
menides 48; Einzigkeit Gottes als Gottesknecht 332; ewiger Bund.
1. mit dem Sein 48; I. und Korre- (Jech. 16, 60) 469; J. und die sozi-
lation 100; I. von Macht und Recht alen Propheten 212 ff. 215 220 ff.
im Selbsterhaltungstrieb 266; I. 223 ff.; ‫״‬Hirt und Herde“ (Jech. 34y
zwischen Gerechtigkeit und Liebe 12 17) 246 330; ‫״‬Menschensohn*
bei Gott 310; keine I. zwischen Geist (‫ א ד ם‬p ) 247 330; J. als Vorbildner
der Menschen und Geist Gottes 104; d. Psalmen 250: J. Anhänglichkeit
scheinbare I.-Verbin düng des Indivi- an den Ritual 328.
duums mit dem Leibe 361; I. vnn J eh u d a H a le w i: als religiöser Dich-
Religion und Sittenlehre als Erzeug- ter und als Philosoph 35; unter-
nis des jüd. Volkes 38 f. scheidet Vorschriften und sittliche
I d y lle : das messianische Zeitalter Grundsätze 415: Unsterblichkeit u»
keine I. 293; das I. der Seligen und Nähe Gottes 368 371; Vergeltung
die Malerei 350; das I. der Sukka und Bestrafung 371.
434. J e n s e it s : der mythische J.-Gedanke
J e c h e s k e l: J. und Sokrates 23; J. und der Prophet 291 293; Diesseit
Meister der politischen Praxis 31; und J. 295: das platonische u. das
• der Gottes wagen (‫ ) מ ר כ ב ה‬in der messianische J. 343 f. 351 516; das•
Vision J. 78; J. und das Opfer 31 Himmelreich des J. und das Gottes-
204—208 221 224 230ff. 235 328; reich d. messianischen Zukunft 364 f .;
und die Entdeckung des Individuums Lohn und Strafe ihi J. 366 ff. 381
in der Sünde 25 212 215 ff. 220 ff. 383; das Verdienst der Väter u. das
223 ff. 235; ‫״‬das neue Herz (‫) ל ב חד ש‬ Problem der jenseitigen Welt 381 383.
und der neue Geist“ (Jech. 36, 26 27; J e r e m ia : J . der tragische Prophet 298 r
581

. die Bekehrung der Völker u. Wieder- (Jes. 6,3) 477; Vermischung von Gott
. herstellung Israels Grundproblem bei und Mensch (Jes. 40, 18) 4&7; Geißel-
J. 325; s. Patriotismus 31 326 f .; rede über die Götzenbildner (cap. 44)
der ‫״‬neue Bund“ bei J. (31, 31—34) 6 4 ff.; der ‫״‬neue Geistu (‫) רו ח הד שה‬
. 95 102 206 222 227 327 329; gegen bei Jes. .95 329;. die Verwerfung des
d. Opfer (Jer. 7, 22) 203 387 419 Opfers. (Jes. 1, 10—'20) : 202 f. (vgl.
• (vgl. ,328); Schuld und Strafe (Jer. 328); Opfer und Unrecht (Jes. 1, 13
;; 31, 29 30) 222 f.; von J. zu Jecheskel 15) 201 f .; Gottesdienst und soziales
j 224 227 239 246: Gottes Allgegen- Mitleid (Jes. 58, 7) 172; der Sabbat
. ‫־‬wart (Je1\ 23, 23 24) 191); Gottes- (Jes. 56, 2; 58, 13) 184; ,.Hirt und
erkenntnis (Jer. 9, 22 ff.) 301: Gott Herde“ (Jes. 40, 11) 246: Volk und
der Gute (244 (‫ ; טו ב‬die Liebe zw. messianische Menschheit 298: der
Gott und Israel (Jer. 31, 19) 458; messianische Universalismus (Jes. 2,
Bund Gottes (Jer. 2, 2) 469); sozi- 2) 299: Patriotismus und üniversa-
; aler Sinn des Sabbat (Jer. 17, 27) lismus 308 331: die messianischen
184 ‫ ;׳‬der Ausdruck der :Sehnsucht Stellen (2, 1 - 5 1 0 -2 2 ; 4, 2—4: 9,
<■ bei J. 175 249; ‫״‬Hirt und . Herde“ 1 5 - 6 : 11, 1—16; 19, 12 21—25;
(Jer. 31,10) 246 325; ‫״‬Menschensohn“ 25, . 6 - 8 ; 29, 18—21: 30, 26: 32,
(□‫* אד‬p) 247; messianische Stellen 15—17) 320—324; Israel u. d. Völker
. (3, 14—17; 23, 1—8: 31, 23; 31,31 am messianischen Tag (Jes. 66, 20)
bis 36; 33, 14 15: 46, 26; 48, 47; 325; Namen für d. Messias 309: Geist
49, 6 39: 12, 15 16) 325—328; Durch- d. Messias (Jes. 11,2) 102: d. ‫ ״‬Knecht
. prüfen der Wege (Kl. Jer. 3, 40) 238; d. Ewigen“ als d. neue Messiasbild
. der Gott der Wahrheit (Jer. 10, 7—10) im Deuterojesaja (41, 8 9 ; 42, 1 3
486 489 ; Wahrhaftigkeit des Herzens 4—8: 49, 5—8; 52, 13—15: 53) 307
(Jer. 32,41) 492; Gerechtigkeit und 331 ff.: das cap. 53: 315 33 2 -3 3 7
Liebe (Jer. 3, 20) 510: Friede und (vgl. 518): Gerechtigkeit als Attribut
Treue (Jer. 33, 6) 526 : Jesaia u. J. des Messias (Jes. 11, 5) 506; als
als Vorstufen für den Stil der Psal- Kennzeichen des messianischen Zeit-
men 250. alters (Jes. 26, 10) 506); Gipfel des
J e r u s a le m : 232 324 496 (als Symbol). Messianismus (Jes. 56. 7) 140; der
J e s a ia : neuer Begriff von Gott als ‫״‬Tag des Herrn“ (Jes. 13): 288 (vgl.
dem ‫״‬Heiligen Israels“ (Jes. 6, 3; 321); die künftige Welt (Jes 64, 3)
29, 19; 47, 4; 57, 15) 113 f. 240 244 368; Jenseits (Jes. 64, 3) 291: mes-
(vgl. 215): die Heiligkeit Gottes sianischer Trost (Jes. 25, 8) 20 323;
(Jes. 5, 16; 8, 13) 128 214 f. 245 506; Messias und Frieden (Jes. 53. 5) 528;
Heiligung (Jes. 8, 13) 120: das drei- Erwählung Israels 511: Menschen-
fache Heilig 113 466; der heilige Verachtung (Jes. 2, 22) 210: Haus
Geist (Jes. 63, 10 11) 117; Gott das des Gebetes (Jes. 56. 7) 453: Wahr-
einzige Sein (Jes. 44, 6; 45,6) 51; heit des Herzens (Jes. 24, 14) 492;
Unvergleichbarkeit Gottes (Jes. 40, die Demütigen (Jes. 61, 1) 505; Ge-
25) 51; Herrlichkeit Gottes (Jes. 6, 3) rechtigkeit (Jes. 58, 8) 507; Gerech-
53; Ewigkeit Gottes (Jes. 44, 6; 48, tigkeit und Liebe (Jes. 45, 19) 510;
12) 53 468; Gott und das Nichts Friede an Stelle des Guten 527;
. (Jes. 45, 7) 55 (vgl. 266); Gott Seelenfriede (Jes. 57, 19) 541; Friede
. ‫״‬Schöpfer des Bösen“ (Jes. 45, 7; 266 des Humors (Jes. 40, 1) 541: Humor
304 (vgl. 24 55): die Ehre Gottes b. J. 64; Ironie 66: seine Berufung
582

113; J. und Jecheskel 239 246; J. für d. Fortbildung des Monotheis-


und Jeremia als Vorstufen für den mus 298; I. des Künstlers und die
Stil der Psalmen 250; das Wort Gesetzlichkeit s. Werkes 42.
‫( אחורי‬Jes. 41, 23) 93; E in z e l- I n d iv id u a ls e e le s. Seele.
s t e lle n : Jes. 11, 9: 102 322; Jes. I n d i v i d u a t i 0 : principium indi vidua-
40, 8: 516; Jes. 40, 18: 100; Jes. tionis 104.
57,19: 33. In d iv id u u m : der Mensch als I. 181
J ic h u d (48 :(‫יחוד‬. 193; I., Mehrheit u. Allheit 131 198
I llu s io n : Fiktion und 1.196: Ideale 209; das I. stirbt (Moses) 89: I. und
werden I. 265; die Tugend als I. Menschheit (Allheit) 362; I. und Ge-
(Sophisten) 473. Seilschaft 160; I. und Staat 210;.
Im in ane 11z: I. und Werden 75; Naivi- Staat, Gemeinde, I. 231 234; I. und
tat u. immanente Reflexion 272; die Gemeinde 253 455ff. 466: sinnlichem
Einzigkeit‫ ׳‬als I. der Ursächlichkeit u. geschichtliches I. 15 (vgl. 361);
70; I. d. Schöpfung i d. Einzigkeit der geschichtliche Begriff des I. 363;
Gottes 74 : I. der universalistischen das I. als Ich 193—208 217 219;.
Vorbedingung i. Begriffe d. einzigen Ich-I. u. der Mitmensch 193 209‫׳‬
Gottes 299; 1. der Verzeihung i. d. 478; I. und Ethik 16 ff. 209 217;
Idee Gottes 251; d. Messias imma- der Mensch als Ich-I. in der Religion
nent im Menschen 300. 18 37 194 209 211 444 478ff.; Lei-
I m p e r ia lism u s: Staatsidee u. 1.426. den, Schuld und J. 161; Schuld, J.
Im p u ls: triebhafter I. bringt keine und Korrelation zu Gott 196: Sünde
Religion hervor 7. und I 210ff. 223 ff. 356 4431; die
I n d iffe r e n tis m u s : 384 397 422 u. ö. Entdeckung des I. in der Sünde
I n d iffe r e n z : I. der Ethik gegenüber durch Jecheskel 25 212 215 ff. 220ff.
d. Wirklichkeit 24; I. zwischen Re- 223 ff. 235; neuer Zusammenhang v.
ligion u. anderen Kulturzweigen im Sünde, I., Gott bei Jecheskel 251
jüd. Altertum 40i ; das Leiden als I. 215 ff. (vgl. 444); I., Mehrheit und
(äbiäcpoQOv) i. d. Stoa 19; I. der Sünde 211 ff. 217ff. 228; I. u. Sünde
Gotteserkenntnis u. der Erkenntnis der Völker 218; Erlösung und I.
des Sittlichen im heiligen Geiste 126; 220 444; I. und heiliger Geist 119
I. von Sittengesetz u. Satzung 409 124; das I. als Ich zur Reite ge‫־‬
457: sittliche I. des griech. Gast- bracht in d. Versöhnung mit Gott
freundes 135; I. zwischen Sitten- (Selbstverwandlung) 222 227 234 276
gesetzen u. Ritual b. d. Rabbinen 444; Umkehr, Buße und I. 2281;
257: I. zwischen heilig u. profan das I. und der Gott d. Sündenver-
410: keine I. (ä b 1ä<p0 Q0 v ) vor dem gebung 2461 444 4781; individuelle
Gebot d. Wahrhaftigkeit 500; die i.. Erlösung u. das Verdienst d. Väter
Welt 39. 3741 378; Seele und I. 223 247
I n d iv id u a lit ä t: Erhöhung u. Läute- 249 270 351; I. als Menschensohn
rung der I. in der Ethik 15; die I. 247; Israel als Symbol des Ich-I.
des Mitmenschen als Problem f. d. 270 275; Unsterblichkeit des I. i. d.
soziale Sittlichkeit. 219; die I. der Geschichte seines Volkes 3541;
Ichheit 220; I., Gott u. Unsterblich- Nationalgeist Ursprung 1 die I. 28;
lichkeit 360f.; das Mitleid u. das I. und Heiligkeit 356; das sittliche
Geheimnis der I. bei Schopenhauer I. als Träger des Aufschwungs u. die
164; I. und Staat 17; nationale I. Unsterblichkeit 359 3601; I. und
583

Gebet 443—449 453455—459; Friede J o b e ija h r : 178 508.


Symbol d. Harmonie des I. 527; d. Joch : s. Gottesreich, Gesetz.
Vorzug des Judentums vor d. Pan- J och an an ben S ak k ai: s. Testa-
theismus im Begriffe des I. 24 (vgl. ment als Wanderbuch des jüd. Yol-
281); das I. im Mythos (Orestes d. kes 88.
Äschylos) 198; I. des Künstlers 42. J o e l: Ausgießung d. Geistes üb. alles
vgl. Ich, Seele , Sü n de. Fleisch (J. 8, 1.2) 102 289 802 888;
In d u k tio n : 1 3 13. J. und der Messianismus (3, 1. 2;
In h a lt: Geschichte und sachlicher I. 7, 4. 18) 337 f.
lff. 15 280 312; I. des Begriffes d. Jon a: 289.
Religion 13ff.; Faktum und I. bei d. J o se p h : 101 353.
Offenbarung 90. I r d is c h : die Stammgebete ohne Rück-
In n en w ert: Gebet und I. des Men- sicht auf i. Besitz 453; s. L eben.
sehen 448. I r o n ie : I. des Jesaja im cap. 44: 66;
In n e r e : das Herz, das I. und d. Seele I. in der Polemik d. Propheten 250;
223; 488. I. der bildenden Kunst 495.
Inn e r lic h k e it: 239 257 413; I. Norm Irrtu m : 262 (u. Irrung).
u. Gewähr d. Gottesverehrung bei Isa a k A ram a: 431.
Jecheskel 329. Isla m : I. und griech. Philosophie 34;
I n q u is it io n : 274. Monotheismus des I. und die jüd.
I n s e l der S e lig e n : 291 352. Philosophie des Ma. 107f. 281 f.;
I n s tin k t: I. keine Quelle f. Religion Attributenlehre d. islamischen Mono-
6 f.; historischer I. der Nation u. d. theismus 52 70; Bibelkritik und I.
Gesetz 402. 431: I. und christl. Bildersturm 63.
I n s t it u t : das Opfer als soziales I. I s m a e l, R ab b i: 481.
der Gemeinde 234: der Gottesdienst I s o lie r u n g : I. Israels u. ihre Not-
als öffentliches I. für d. Bekenntnis wendigkeit 174 298 f. 303 4231 432
230. 461 ; I. und messianische Mission
I n t e lle k t : tierischer I. 7; Willen u. 424; nationale, religiöse, staatliche
I. bei Schopenhauer 163 f. I. 4241, das Gesetz als Mittel mono-
I n te lle k tu a l: die i. Liebe b. Gott 175. theistischer I. 432; I. und Kultur
I n t e lle k t u a lis m u s : der griechische 432 435; die Isolierungskraft der
I. und der Geschichtsbegriff 308; hebr. Gebetsprache 4591 4641: die
einseitiger I. des Aristoteles 366; isolierte Erscheinung des Monotheis-
I. in Prophetismus, Monotheismus mus in Israel 301: I. des heiligen
u. Judentum 108: theoretischer I. Geistes i. Irrtum 128. vgl. F orfbe -
im Judentum religiös geklärt 367; s ta n d , S in g u la r itä t.
I. im Geiste der monotheistischen I s r a e l: Gott als der Seiende der Gott
Liebe b. Maimonides 189; d. Studium I. 50: Mose, Gott und I. 87ff.; die
d. Lehre Vorschub für den I.? 414; Erwählung I. und Gottes allgemeine
I. und Mystik 86. Menschenliebe 1731; I. als Knecht
I n t e l l i g i b i i e ; ‫מו שכלווז ר א ש וברז‬ des Ewigen 307 314ff. 331 ff.: Aus-
‫״‬erste I.“ 96 107. vgl. P r in x ip . drücke 1 d. Liebe zw. Gott und I.
In t■er n a tio n a l i tät: I. der Wissen- 175 4571; Gerechtigkeit Gottes und
schäften u. Künste 282; der Prophet das stellvertretende Leiden Israels
u. die i. Politik 154 290. 512: I. das heilige Priestervolk des
I n tu itio n : 488. Monotheismus 174; der geschieht!.
584•

Beruf I. und politische Wirklichkeit zipien b. d. jüd. Philosophen 96;


296: die tragische Mission I. 333; Ursprung der Offenbarung i. d. Ver-
1., die Völker u. der Mitmensch 134; nunft b. d. jüd. Pb. des Ma 95 f.;
: I. als Symbol der Menschheit 174 Harmonie zw. dem philosoph. Ratio-
496; Erlösung I. und Erlösung der nalismus des jüd. Ma und der Bibel
Menschheit 220 276 f.: I. leidet f. d. 192: gegen Anthropomorphismus d.
Völker 269 511? I. als d. historische Bibel 186; Nähe und Annäherung
Volk d. Leidens 275ff.; I. als Dritt- Gottes 191; Motive der mythisch-
teil z. d. Völkern 322; Leiden I. u. mystischen Unsterblichkeit in d. jüd.
. die Bekehrung d. Völker 333 336; Religionsphil. 370ff.; Streit über die
Wiederherstellung I. und die Be- Unsterblichkeit d. Seele in d. ara-
kehrung d. Völker 325 f.; Messias bisch-jüd. Ph. 866; ‫״‬Erneuerung d.
Symbol für I. 269; der messianische Welt“ als Terminus 80; die ‫״‬Grund-
. Beruf I. 306; I. und d. messianische legung“ (‫ ) הנ ח ה‬als Terminus 107;
. Völkergedanke 322 ff. 327 339 397; heil. Geist als Stufe auf dem Tu-
die Gemeinde I. und d. messianische gendweg des Menschen in der ma.
Menschheit 458; I. als Symbol des Religionsph. 126; Terminologie der
Ich-Individuum 270 275; I. als Armer Tugendlehre i. d. jüd. Religionsph.
173; der Anteil am ewigen Leben, 481; Frage von d. Ewigkeit d. Thora
I. und die Völker 386 ff. 397; die 430 f .; methodischer Zusammenhalt
Absonderung 1. durch das Gesetz zw. Religion u. Ethik 497 : die Philos.
und seine ErhaJtuug 402 f.; Selbst- des Judentums i. d. nachkantischen
Charakteristik Israels 273 (s. B ile a m ) ’, Zeit 423; 71. vgl. M a im o n id e s, A lbö,
Sabbat und I. 183; die kulturelle B a eh ja , G rescas , Jeh u da H a le w i etc.
Eigenart1.300—304; ‫״‬KinderIsraels“ J ü d isc h e .S c h r ifte r k lä r u n g : 93f,
446; die Kirche u. der Name I. 458; 179 189 273 307 314 u. ö. vgl. R ctseh i ,
I. als Staat 133; I. und seine natio- K im e h i.
nale Geschichte als Symbol 496; I. J ü d isc h e r S ta a t s. S ta a t.
und die Feinde I. 285. vgl. Biest J ü lic h e r : 421.
Is ra e l, Volk, G em ein d e, F o rtb e sta n d ,
E rw ä h lu n g , M a r ty r iu m . K ab b a la : 488.
I s r a e li t : dei I. als Sohn Noahs 139; K a d d isc h -G e b e t: Gottesreich im K.
Doppelsinn des Begriffes I. 133; I. und Vaterunser 364f. 456; Zusatz
und Ausländer 134 139ff.; Mensch, zum Andenken des Maimonides 456.
1.. Götzendiener 139 140; Mensch u. K ain: K.’s Mord an Abel Urbild aller
I. im Gebet 458 465 467; der Beruf sittlichen Konflikte 150: der Bruder-
als I. 530; die I. als Königskinder mord als erste menschliche Sünde
523. 151; K. und Gottes Vergebungskraft.
J ü d is c h e s M itte la lte r : Verfolgun- K an on: 30 49 250 303 463 464.
gen im jüd. Ma 35: s. jü d . P h ilo - K ant: Primat der praktisch n Ver-
soph ie. nunft 123; K. als Schöpfer der
J ü d is c h e P h ilo so p h ie : die jüd. Ph. systematischen Ethik 283: K und
des Ma und der Islam 109 f. 281; der Substanzbegriff 69; ‫״‬Menschheit“
die jüd. Religionsphilosophen d. Ma bei K. 283 f .; K. über Glaüben und
und das Christentum (Trinität) 281 f .; Gesetz 405 f.; Sittlichkeit des ge-
die jüd. Philosophen zugleich . Dog- meinen Mannes 534; K. über Mit*
matiker 399; Vernunftsätze als Prin- freude und Mitleid 538; von Platos
585

Ethik zu K. 343; Rousseau, K. und Kapitels (cap.53 ‫ )׳‬im Deuterojesaja


Herder 284; K. und Maimonides 391. 332ff.; Prophetu. Gottesknecht337f . ;
K. schöpft aus Spinoza sein Urteil der Gottesknecht als‫ ׳‬Symbol einer
über das Judentum 391; K. über Strafreform 510. vgl. S te llv ertreter.
MendelssohnsStellung zumGesetz 422. K o d ifik a to r : Maimonides als K. des
K a p ita lis m u s : 218. gesamten Gesetzes 141 f.
K aräer: 415. K o h ele t: 30 258; Koh. 1, 1: 54 533;
K a su istik : 500 501. Koh. 1, 4: 355; Koh. 3, 11: 544;
K a tak om b en ; 352. Koh. 7, 20: 375 385 507; Koh. 12,
K a te g o r ie : die Substanz als K. 69; 7: 57.
K. des Ursprungs in der Logik der K om öd ie: 162.
reinen Erkenntnis 73. K ö n ig e , Buch der: 1. Kön. 8, 12 13
K a te g o r is c h e r Im p e r a tiv : 284. 27 ff. (Bildnisverbot u. Gotteshaus)
K a t h o liz is m u s : K. undProtestantis- 454 f.; 1. Kön. 8, 41—43 (Ausländer
mus über Glaube und Werk 406. als Mitmensch) 140 147; 2. Kön. 14,
K a u s a litä t: zwei Arten von K. 70; 18 (Fremdling u. Opfer) 147; 2. Kön.
Substanz und K. 69; K. und Zweck 20, 19 (Friede u. Treue) 526.
109 216; Teleologie und K. 252 K ön igtu m : .Richter und K. 507.
(vgl. 54); Übereinstimmung in der K o n tin u itä t: K. als Prinzip der Ge-
Wahrheit 484; Offenbarung als Vor- schichte 207: K. der Seele 383; K.
bedingung der K. 83 (vgl. 108); K. der Momente und das Ich 240; die
und Schöpfung 81 (vgl. 108). vgl. Schöpfung als Sache der K. 78 f.;
U rsache. nationale K. der Offenbarung 88 90;
K a u tz sc h : 213 (zu Gen. 6, 5); 49 K. einheitlicher geistiger Volkskraft
(zu Ex. 3, 13); 93 (zu Ex. 33,19); für den Monotheismus notwendig
146 (zu Lev. 25, 35); 272 f. (zu 297; die geschichtl. K. in der gegen*
‫ ׳‬Hum. 23, 23;; 179 (zu Deut. 15, 3); seit. Bürgschaft 435.
179 (zu Deut. 15,4); 336 (zu Jes. K orah , R otte: 509.
53, 12); 486 (zu Jer. 10, 10); 119 (zu K o r r e la tio n : K. zwischen Gott und
Ps. 51, 13); 489 (zu Ps. 119, 86); Mensch s. (lo tt, M ensch: K. und
489 (zu P. 119, 160). Zweck 110; Unendlichkeit d. K. 173;
K ed u sch a: 466f. Heiligkeit, heiliger Geist und K. 120
n
K e u s c h h e it 390 495 bis 130: K. u. Opfer 235: K. zwischen
•K im chi: 307. Eltern und Kindern im Gebot der
K irch e: Theokratie und K., Staat u. Elternehrung 446.
K. 231; Universalismus der Iv. und K o r resp o n d en z: die Frage nach der
der Messianismus 304; K. u. Kirchen- K. der sozialen und sittlichen Unter-
werk 406: die K. und der Name schiede 152 f. 154: K. zwischen d.
Israels 458. Moralischen und Physischen 155.
K ly tem n a e s tra: 198. K osm os: K. als Einheit, Sein, Gott
K n echt: ‫״‬K. des Ewigen“ (180 (‫; ע ב ד‬ bei den Eleaten 46 f . : Götter. K.,
der K. des Ewigen als das neue Menschen im Polytheismus 160: K.,
Messiasbild im Deuterojesaja 307 Sein und Werden 69: Chaos und K.
331 372 496 510; christolog. Deutung 169; Entstehung und Untergang des
des Gottesknechts 311; Volk Israel K. 35$; die Welt als Aion im Ge-
als Gottesknecht 307 314ff. 331 ff. gensatz zum K. 287 (vgl. 294): die
496; Erläuterung des Gottesknecht- Seele als Lebensprinzip des K. 349
586

— K o sm o g o n ie 358. vgl. N a tu r ‫ל‬ schaft. und hebr. Gebetsprache 459 ff.


W e lt. 464 f . ; christliche K. u. altes Testa-
K r a ft: der Anfang (‫ ) ר א שי ת‬in Gen. ment 464.
1, 1 als K. 75; Prinzip der leben- K u ltu r b e w u ß tse in : die Religion u.
digen K. bei Leibniz 69. die Entwicklung . des menschlichen
K ran k h eit: 154 156 445. K. 127; K. und soziales Leiden 158
K r e isla u f: K. des Entstehens und 170 f.; 10.
Vergehens Widerspruch gegen die K u lt u r g e is t : die Sprache Organ des
Schöpfung 288. allgemeinen K. 459.
K reon: 96. K u ltu r g e s c h ic h te : das k. Rätsel
K r ieg : 218; der K. im Messianismus im messianischen Zeitalter der Zu-
292 323 345 f. 506 527; der K. nicht kunft 340 f .; Idee und Brauch in d.
Urheber des sittlichen Universums K. der Religion 408: die historische
(Heraklit) 528; K. und Seelenfriede Betrachtung großer Wendungen in
534. der K. 422: u. ö.
K r itik : Idealismus und K. 418: ‫״‬der K u ltu r sp rä ch e s. S prach e.
krit. Idealismus“ 123; kr. Selbst- K u ltu s: Bedeutung des K. 203f.;
bewußtsein und das geschriebene die ursprünglichen Kulte 254; die
Gesetz 33: kr. Urgefühl des Deuteron. Heiligkeit im K. 126; das Tieropfer
33; Kr. der Bibel 44; Schablonen- als K. 200; Opfer und K. bei den
kritik an den Gottesnamen 44 f. Propheten 200f. 203ff.; K. u. sitt-
K u ltur: K. und die Einheit des Be- liehe Handlung (bei Jech.) 224;
wußtseins 495; die Aufgaben der Kultustiefe des reinen Monotheismus
sittlichen K. 155; das Ewige und 256; Gesetz und K. 401 f. 423;
Ungeschriebene als Grundlegung aller Reform und K. 423. vgl. G ottes -
K. 97; Mythos Morgenrot der K. 293; d ie n s t , O p fe r .
die stoische Apathie Verzicht auf K u n st: Internationalität der Künste
alle K. 158: K. und Geschichte 5; 282; Einheit der Künste u. Einheit
Ursprung der K. aus Vergehung des ästhet. Bewußtseins 494; Un-
gegen Gott 152; Monotheismus und endlichkeit des Genies alleiniges
wissenschaftliche K. 15 105; Mono- Gesetz in der K. 297; K. u. Religion
theismus als Problem der K. 430; 157; Gegensatz zur K. (Plastik) im
Naivität ohne immanente Reflexion prophetischen Monotheismus 61 ff.
kein Anbau der K. 272; Wert der 185. vgl. G ö t t e r b i l d P l a s t i k , Poesien
religiösen K. 300 f .; Armut als Not- B a u k u n s t, M a lerei.
stand der K. 158 f .; die Bedeutung K u n s t lie b e s L ieh e , Ä sth etik ,
des Eros für die Kultur 168; Kultur-
konflikte in Gesetz und Idee 402 f.; L a ie n tu m : L. und Kirche 304.
Sittengesetz und die übrigen Kultur- Lamm: christl. und jüd. Sinn im Be-
aufgaben 408 ff. 410; das messia- griff des L. 462.
nische Zeitalter als Zeitalter der K. L a n g m u t (‫) א ר ך אפים‬: L. als Attri-
293: die Isolierung des Judentums but Gottes 514 527; als Kraft des
und die Kulturwelt 432 434 f. 459 f. Friedens 527.
461 ff.; Anteil der Juden an der K. L eb en : der Mensch als Lebewesen 13
106 435: Israels kulturelle Eigenart 100 f. 193 266 269 354 452; das biolo-
300—304; Mendelssohns kulturelle gische Leben und die Bitte ums
Wirksamkeit 421 f.: Kulturgemein- tägliche Brot 452 f.: L. als das Yer-

1
587

hältnis von Gott und Mensch 491; Seelenfrieden 530 f. vgl. T h ora
der Sinn des L. 260; L. und Schuld T r a d itio n , E r k e n n tn is , W issen .
26; Sünde und das Gesamtbild des L eh rer: Mose der Nationallehrer des
menschlichen L. 241; L., Tod und Monotheismus 88 91.
Sünde 260; das L. als Leiden des L e h r h a u s: das Bethaus als L. (‫בי ת‬
Menschen 265 310; L. und Seelen- 453 (‫ ה מ ד ר ש‬f. 458 f.
prinzip 349 ff. 357; echter Wert d. L ehr stan d : L. und Prophetenschulen
L. in den sittlichen Ideen 311; die 303.
Heiligkeit als Ideal des L. u. der L eib : der Leib als Organismus und
Tod 356 f.; L. und Tod im Gebet Materie 361; L. und Seele 22 352 ff.
445 f.; Gott und L. 486; Differenz 361 393 f. 444. vgl. U n sterb lic h k e it ,
des anderen L. vom irdischen L. A u fersteh u n g .
356 (vgl. 383); der ‫״‬Bund des L.a L e ib n iz : L. und das Prinzip der le-
als Ausdruck für das Fortleben 376; bendigen Kraft 69: L. u. die deut-
das künftige L. als Ideal des sitt- sehe Aufklärung 283; L. und Mai-
liehen L. 371 (vgl. 388); — das monides 391.
0‫׳‬
ew ig e Leben als das unendliche L eid : Metaphysik des L. 21 157 265;
L. 413; das e. L. und die Frommen das L. als Wesen des Menschen 171
der Welt 388ff.; der Fremdling u. (vgl. 26): das L. und die Ethik 21 f.;
das e. L. 387; ‫״‬Ganz Israel hat An- und die Entstehung der Religion
teil am e. L.“ 384 ff. 397: die Wahr- 21 f.; L. als soziales Leiden 156 ff.
heit der Lehre und das e. L. 488; (soziales als geistiges L. 158); phy-
Gerechtigkeit u. der Bund des e. L. sisches und soziales L. 156—159;
507; der Friede als der Friede des L. und Armut 27 157 158 167 305
e. L. 544. vgl. E icig k e it, K o sm o s , 312 445 511: Spinoza und das so-
N a tu r tr ie b } Seele, Tod , W elt. ziale L. 163: der Arme als Stell-
L ehre: Ursprung der L. im Herzen Vertreter des L. 312 334 369; L. u.
und Mund (Deut. 30, 11—14) 94 f.; Mitleid 19 ff. 161 ff.; Schuld und L.
schriftliche und mündliche L. 30 f. 159 ff. 173 310 ff.; L., Schuld, Indi-
85 97; die geschriebene L. der Juden viduum 161; L. des Menschen L.
ist das ungeschriebene Gesetz der amMenschen (Strafe) 165 (vgl. 274)f.;
Griechen 97; nationale Fruchtbarkeit L. und Strafe 266 f. 511 (vgl. 310
der mündlichen L. 33; ihre Authen- 333); Sünde und L. 26 267 304;
tizität 303; Auflösung d. Offenbarung Sünde und L. (Strafe) nicht als Ur-
in Erkenntnis in der mündlichen L. sache und Wirkung zu denken 268;
303; Entstehungszeit der mündlichen L. u. Sündenvergebung 267; L. als
L. und das Bibelwort 464; Gesetz Staffel zur Erlösung (Buße) 268
und L. 399 431 436 (vgl. 403 f.); 270 f. 275; das L. Mittel, nicht
die Gewöhnung an die L. 452; Gebet Zweckvollendung (nicht Idealbild d.
u. L. 454 458 f. 462 464; die Wahr- Menschen) 267 269 270 275 ff.: der
heit der L. 488 489 f. u. das ewige Leidende leidet unschuldig für den
Leben 488: alte und neue L. bei Schuldigen 174 333 336; stellver- K
den Propheten 326; — das S tu d iu m tretendes L. im leidenden Subjekt
der L. als Grundform d. Menschen- 173: der Messias nicht Stellvertreter
wesens 412 f.; als Fundament der der Schuld, sondern des Leidens
Religion 414; St. d. L. als Inbegriff 310 ff. (vgl. 336 f. 269); das L. des
aller Gebote 454 530; St. d. L. u. Unschuldigen 11. die Gerechtigkeit
588

Gottes 372 (vgl. 153 160); das mes- L u. Sehnsucht 189 ff. 249 442 f.•
sianische Volk als Stellvertreter des sinnliche L. u .. Göttesliebe 185 f.
: L. 315; Gott und das L. 26.158 310; 249 44 0 ff.; ästhetische u. religiöse
das L. Erbteil des jüd. Stammes 35 L. 169 J88 189 440 f ; L. Gottes
173 174 275 f. 333 511; das L. Isr ; zum Menschen 172 f.; Sinn der L.
raels Symbol. Ausdruck für die Ver- Gottes 184 f .; L. und Handlung 188
söhnung mit Gott 276; . L. leidet für bis 192 ; Güte u. L. Gottes (Psalmen)
die Völker 269 f. 511; das L. Israels 245 f. 846 f. 443; die L. Gottes zum
‫י‬ und die Bekehrung der Völker 333 Individuüm in der Versöhnung (Er-
336: das Erdenleid des Individuums lösung) 478 f . : die L. Gottes zu Israel
im Gebet 445; das L. als Indifferentes 173 f. (Ausdrücke dafür 175 457 f.);
i. d. Stoa 19 153 ff. und Spinozas die L. der Väter als die L. Gottes
. Seelenkunde 21: das L. im Pantüe- zu ihnen 378 384 396; die L. zwi-
ismus 265 f.: das L. der Tragödie sehen Gott u. der Gemeinde 458;
. 171. vgl. M essia s, M itle id , S tra fe , im Sabbat Inbegriff der L. Gottes
Übel, U n sch u ld. z. den Menschen 183 f.; die L. in
L e id e n s c h a ft : das Mitleid als L. der Gerechtigkeit Gottes, messianische
in der Stoa 162; Affekt u. L. 531; Zeit und Unsterblichkeit 369 f.; die
L. und Haß 531; Seelenfrieden und L. Gottes und das Weltgericht 469;
L. 529 531. . Chessed, Gunst, L. (388 (‫ ; א ה ב ה‬L.
L e itu n g : L. der Welt durch Gott 288. und Ehrfurcht 481; L. und Beschei‫־‬
L ie b e : Die L. als Affekt 278 478 denheit 502; Wahrheit u. L. 502;
500 f .: L. und Erkenntnis (Gottes) Treue, Freundschaft, L. 521; Friede
. 58 f. 104 f. 169 189 367 f. 369 381 Gottes, Seelenfriede u. die L. 529;
412 481; Gerechtigkeit und L. An- — L. als ‫־‬Geschlechtsliebe 168 249
tinomie in der geschichtlichen Welt 440: L. u. Lyrik 189 f. 249 440 f.
299: L. und Gerechtigkeit Gottes 457 f.; die L. im Polytheismus, Pan-
87 109 114 245 260 f. 290 299 310 theismus, Monotheismus 59. vgl.
359 369 f. 508 (511 (‫ צ ד ה ה ו הסד‬: M ensch en liebe, N ä ch sten lieb e, G ott,
L. innigster Ausdruck der Korrelation G erech tigkeit, H in g a b e, L y r ik .
zwischen Gott und Mensch 105 478; L ie b e S tä t ig k e it (“iDH ‫)ג מילו ת‬: L.
Verehrung, L., Dienst begriffliche als Vergeltung für die Wohltaten
Einheit 59 307: das Problem der Gottes 411 f.; Wohltätigkeit (Almo-
religiösen L. 168—192; ihre drei sen) und L. 176 412 413 479 509;
Grundformen 169 478 u. die vierte L. und Wahrheit 486: L. u. Liebe
Art 478; religiöse L. beginnt mit 502 f.
der Menschenliebe 171 f. 478: Gebot L ite r a tu r : religiöse L. als Quelle
der L. des Fremdlings 148; Grund- des jüdischen Volksgeistes 36: die
gebot der L. zu Gott 91 185; die Bibel als nationale L. 84; d. Quellen
L. des Menschen zu Gott 185 ff. des Monotheismus national-literarisch
440 ff. 479; L. zur Idee als L. zu bedingt 43 633: die literarische
Gott 187—191; L. und Gottesbegriff Eigenart des alten Israel 272; der
1851*.; L. zur Sittlichkeit ist L. zu Friede des Humors in der jüd. L.
Gott 192; die L. zu Gott als psy- des Abendlandes 541: die moderne
chologische Grundform der Religion Bibelforschung will Literaturge-
441; L. zu Gott bedeutet d. Willen schichte sein 337.
58; L. zu Gott und Annäherung 482 f.; L itu r g ie : 1. Dichtungen als histori-
589

sehe Quellen 35; die alte L. u. ihre L. 171; das Pririzip der L. in der
Fortsetzung im Ma. 35; der Name Ethik des Aristotelismus 475.
Gottes in d. L. 408; die 13‫ ״‬Eigen- L yk u rg: 98.
schäften“ in der L. yon Neujahr u. L y r ik : Sehnsucht und L. 189 190
Versöhnungstag 261 ; die L. des 249 442 492; die Liebe in der L•
Versöhnungstags u. des Neujahrs 189 f. 249 440 457 f .: die lyrische
256 ff. 260 f. 467 ff. (vgl. 247). vgl. Stilform der Psalmen 111 249 846
A g en d e, Gebet, M u ssafgebet, H y m n u s . 440 ff. 457 492; L. der Psalmen nur
L ö s e g e ld : Freilassung statt L. 509. ohne Plastik möglich 67; die L.
der Psalmen und die Entdeckung d.
L o g ik : L. und Wissenschaft 196;
heiligen Geistes 124; und das Opfer
‫״‬L. der reinen Erkenntnis“ 73; log.
250; und die Wahrhaftigkeit 490;
Entfaltung der Ideen und die Ge-
lyrische Liebe und Gottesliebe 440 ff.
schichte 206 f .: log. Bedingtheit d.
457 f.; Verhältnis von Gott und
Werdens durch das Sein 74; L. u.
Mensch Problem der monotheistischen
Ethik 123 169 217 283 381; L. und
L. 67 (vgl. 801); L. eine jüdische
Recht 32; L. u. Religion 188 485.
Volksquelle 80; L. in der hebr.
L. der Prinzipien und der Mono-
Poesie 44: die Wirklichkeit als un-
theismus 70 (vgl. 123); L. u. Pro-
endliche Ferne in der L. 441; die
phetismus 105; ein e L. in allen
deutsche L. und die Psalmen 496.
Stilformen der mündl. Lehre 33,
vgl. P o esie, P sa lm e n .
log. Theorie u. das Gesetz 32; L.
und Ethik im Schöpfungsproblem 76
M acht: Mythos und M. 290; der
78 81; die log. Bedeutung der Ver-
Machtbegriff der Geschichte 811;
einigung in der Korrelation v. Gott
Identität von M. u. Recht im Selbst-
und Mensch 122. vgl. E r k e n n tn is ,
erhaltungstrieb 266; nicht die M. in
E th ik .
Gott anzusprechen, sondern sittliche
L o g o s: das Mittelwesen des L. 55 f. Kräfte 289.
116 236; Plato, Philo u. der L. 56 M aim on id es: M. Klassiker des Ra-
124 281. vgl. P h ilo . tionalismus 73 891 415 f. 418; Grund-
L oh n: L. und Strafe 155 299 im Jen- tendenz, alle Dogmatik in ethischen
seits 366 f. 381: das Problem der Rationalismus aufzulösen 365 (vgl.
Vergeltung u. der L. 378ff.; Pflicht 189 391 456); M. Brennpunkt des
u. L. 379 (der Talmud darüber 3811); Kampfes an der Grenze von Religion
Befolgung der Gebote u. L. in Thora u. Philosophie 34 (vgl. 497): M. u.
und Mischna 379 413: L. und In- Aristoteles 369 371; M., Spinozaj
dividuum 380; Handlung, L. und Kant, Leibniz 391; ‫״‬Buch der Ge-
Staat (Volk) 3791 413; d. Gebot setze« (437 421 (‫ ; ס פ ר ה מ צו ת‬For-
der Elternehrung u. die Lohnver- mulierung der Glaubensartikel 431;
heißung 379 413; der L. des Ar- Deutungen des Gottesnamens El
beiters 180. vgl. S tra fe , V erdien st. schaddaj 45 f .; das Problem der
L ü g e: Verbot der L. 4981; L. und ‫״‬negativen Attribute« 71 7 3 ff.: das
Ehre 499; L. gleich Götzendienst Problem der Schöpfung 72 ff. 78;
500; hebr. Benennungen 498. vgl. M. zur Offenbarung am Sinai 86.
W a h rh a ftig k e it. die Eigenschaften Gottes 109: M.
L u st: L. und Unlust 7 269 368 393 und die Nähe Gottes 369 371; Gott
532; religiöse Liebe u. ästhetische als Gott der Wahrheit 488; gegen
590

Anthropomorphismus5 186: die Be- M a te r ia lis ie r u n g : Gefahr der M.


griffe des Fremdling-Beisaß (s. d ies), Gottes 83 85 f. 92 ff.
Nouchiden (s. d ies), des ‫״‬Frommen M a te r ia lism u s: Dualismus Zwischen
der Völker der Welt“ (s. d ies) 141 ff. M. und Spii^tualismus in der Stoa
388 ff. 391 ff.; Satzungen (□‫י‬pH) u. 19 475; M. der Geschichtsbeurteilung
Rechte (□‫ ) מ שפ טי‬unterschieden 400 206 218 457; der Staatsbegriff und
414 419; Rechtsgleichheit u. Men- der Kampf der materiellen Interessen
schenbegriff 387 (vgL 144 169); Kritik 426: eschatologischer M. 367; keine
d. Öpfergesetzgebung 203 386 f. 419; Einheit des Judentums in materiellen
Selbstvervollkommnung ( ‫) ה ש הל מי ת‬ Momenten 39; subjektiver Halt des
als höchstes Prinzip 369 371; Ver- M. im Lustprinzip 7.
geltung und Bestrafung 371; M. u.
M a te rie : Gott und M. 54; Seelisches
die Auferstehung 371; Unterschei-
u. Materielles im Organischen 535;
düng der ‫״‬künftigen Welt“ u. der
Seele ü. M. b. Plato 394; kein
‫״‬künftigen Zeit“ 365 f. 456; M. über materielles Hervorgehen d. Werdens
die Gründe der Gebote 402 416 ff. aus d. Sein 74; das Individuum u.
418—421: des M. Erklärung des
die Grundbedingungen <Jer M. 361;
Hiob 267 f.; die Demut als Kardinal-
die messianische Entwicklung u. ihr
tugend 504; Speisung, der Armen Zusammenhang mit der M. 362.
bei den Festen 524: Zusatz im
M ath em a tik : nur ein e M. 1.297;
Kaddisch-Gebet zum Andenken des
d. mathematischen Ideen und die
M. 456.
M a 1c h i j 0 1: 467 ff.; s. IV eitregieru n g . Idee d. Guten 474; d. mathematisch-
physikalische Unendlichkeit d. Uni-
Ma 1e a c h i : die Lehre der Wahrheit
versums 380.
(Mal. 2, 6—7) 487; Unveränderlich-
keit Gottes (Mal. 3, 6) 53; die fjL71‫׳‬. a . in der griech. Sprache 71; vgl.
Gottesfürchtigen als Eigentum (Mal. P r iv a tio n .
3, 17) 339; Elias als Vorbote des M ech an ism u s: der M. d. Vergeltung
Messias (Mal. 3, 23 24) 289 339. 359 366.
M a ler ei: 350 434. M ech ilta : 508.
m a n cip iu m : 181. M ed izin : M. und Gesetz 401; die
M a n n ig fa ltig k e it: Ewigkeit, M. u. forensische M. u. der Verbrecher 198.
Einheit 300. M eh rh eit: Allheit u. M. in d. Ethik
M a rty riu m : Gotteserkenntnis und 17 476; Einzelheit und M. 131: Ein-
M. 483: M. als ‫״‬Hingabe des Lebens heit der M. 132; Individuum, M., u.
an die Heiligkeit des göttlichen Na- Allheit 131 193 209 f. 456 und die
mens“ 376 518; das M. als geschieht- Einteilung d. Tugenden ■476; Indi-
liehe Tat 518; der Märtyrer kein viduum, M., Gemeinschaft 159 f.;
Held und ohne Verdienst 376 f. 383; Schuld und M. 161 210 212f.; Indi-
Israel M. als stellvertretende Gerech- viduum, M. und Sünde 217 ff. 228;
tigkeit 512 516; M. und geschieht- die Gemeinde als Einheit der M.
liehe Mission der Juden 431; tra- 456 ; relative Mehrheiten unter der
gische Würde des jüdischen M. 541; Menschheit 279; d. Mitmensch als
der Talmud und das M. 383 517; Glied eines Volkes und die M. der
das M. des Sokrates und das jüdische Völker 134.
M. 517 f. M e n d elsso h n , Moses: s. Philosophie
Maß (481 :(‫מדד׳‬. 421; s. kulturelle Wirksamkeit und
591

s. innere religiöse Lehre u. Praxis Einheit d. Sittlichkeit, Einheit des


421 f.; s. Stellung z. Gesetz :422 ff. M. 151 f. 448; Korrelation zw. Gott
M ensch: der M. als Lebewesen 13 und M. als ‫י‬die zw. Religion u. Sitt-
100f. 193 266 269 354 .452; der M. lichkeit 151; Korrelation zw. M.
in s. Erdendasein 20; der M. als und M. 154 170 266 410 und der
Lebewesen wird schon zum Mit- Begriff des M. 155 und das Mitleid
menschen (im Noachiden) 142; M. 161—167 170; der soziale M. 157;
und Tier 258; der M. für d. Ethik das Leiden und der Begriff des M.
Beziehungspunkt ihrer Probleme 13 156ff. 171; die unendliche. Menschen-
197; der Menschenbegriff der Ethik liebe Gottes 178; die Liehe des M.
14 ff. 278 f.: M. und Religion 38 zu Gott 185ff.; neuer Begriff vom
193f.; Seelenbegriff u. Menschen- M. in der Religion 194 208 ‫(־‬.vgl. 13
begriff 389 (s. Seele ); Zusammenhang 22ff,), der tragische,Begriff des lei-
des M. mit der Natur (empirisch- denden Idealmenschen 22 313; neuer
geschichtlicher M.) für d. religiöse Menschenbegriff des sündigen Indi-
Problem 444 ff.; der einzige Gott i. viduuins 23 217 (vgl. 212ff.); die
d. Lehre vom M. entdeckt 38 f.; die Schuld und das Idealbild des M.
Korrelation zwischen Gott und M. 311; der M. als neuer M. durch d.
s. G o tt ; der M. als Vernunftwesen Umkehr von der Sünde 227; Gott u.
(vgl. 5 ff. 193) Korrelat zum Gotte Mensch bei d. Erlösung u. Versöh-
der Offenbarung 82 92 95; der M. in nung 221 f. 238; der M. als sittliche
der Schöpfungsfrage 81; D ie S chöp- Einheit 228; der M. und d. Priester
fu n g des M. in der V e r n u n ft 232f.; das Opfer und d. Verbindung
99—108; d. Eigenschaften Gottes f. zw. M. und Gott 233ff. 236; der M.
den M. erdacht 110; die Heiligkeit als nationaler M. 282; der M. als
u. der M. 112; und die Korrelation Menschheit in der Ethik 16 278 f:;
von Gott und M. 120 (s. H e ilig k e it ); Idealität des M. in der Einheit der
M. und heiliger Geist 119 ff. 193 (vgl. Menschheit 300; die Würde des M.
103 104); Selbstheiligung des M. 120 in d. Idee d. Menschheit begründet
127 128 240f.; der M. kein Heiliger 57; der M. als M. der Menschheit
130; Sittlichkeit nur f. den M. ein 282 ff. unter dem Begriff d. Zukunft
Problem 127; der M. als I. der 294; die Idee des M. nicht bei
Mehrheit und Allheit 131 f. 193 209 f. Plato, aber bei Philo 281; der M.
(und die Einteilung der Tugenden im Christentum 282; Menschenbegriff
476); D ie E n td e c k u n g des M. a ls und Unsterblichkeit 387 ff. 395; der
M itm e n sc h e n 131—167; der M. als messianische Menschenbegriff im
Nebenmensch und Mitmensch 132 f. ‫״‬Frommen d. Völker d. Welt“ 388
(vgl. 209 282) s. M itm e n s c h ; der M. 396 f.; der M. als Zweck d. Gesetzes
und Gottes Bund m. Noah 137 386; 399; Korrelation von Gott und M.
der Begriff des M. als Voraussetzung im Gebet 444 447 448; M. u. Israelit
der Volksgenossen 138; im Mono- i. Gebet 458 465 467; Ehre u. Men-
theismus Ursprung f. d. Geschichte schenbegriff 500; der Begriff d. M.
des M. 139 ; der M. im Nichtisrae- und die Strafgerechtigkeit 509;
liten 140 386 f.; die soziale Ungleich- ‫״‬Menschensohn“ als neuer Terminus
heit u. der Begriff des M. 149ff.; f. d. Begriff des M. bei Jecheskel
Rechtsgleichheit u. Menschenbegriff 247 f. 380; Scheidewand zw. Gott u.
387 (vgl. 144 169); Einheit Gottes, M. im Monotheismus 300 395 398
592

495 497 503 und die Wahrhaftigkeit 306); Erlösung Israels als Erlösung
497 und die Demut 503. vgl. I n d i- der M. 220 276 f.; Versöhnungstag
v id u n m , Seele, G ott, M itm en sch . Symbol f. d. Erlösung der M. 277;
Men sehen ge s c h le c h t : d. Schöpfung die Idee des Messias u. die M. 278
bedeutet Erhaltung des M. 175; d. ! bis 816; Mensch, M., Gott der M.
Einheit der Menschen d. Ewigkeits- in Ethik u. Religion 278ff. 471 (vgl.
wert der M. 300: Entwicklung des 517); die messianische Erwählung d.
M. im Messianismus 340 3431 361 M. 174 286 322 339 496; die Idee
(vgl. 288 294); Gott, Israel u. das der M. in ihrer geschichtl. Entwick-
M. 174. vgl. M en sch h eit, E rz ie h u n g , lung 281—284; Autonomie zw. Volk
E n tw ick lu n g . und messianischer M. als Schwer‫־‬
M en sch en h a ß s. H a ß . punkt d. jüd. Geschichte 298; der
M e n sch en leb en : der Wert d. M. 260. einzige Gott u. die messianische M.
M e n sc h e n lie b e : die allgemeine M. 496; d. Zukunft der M. als Inhalt
in der Religion 168ff. 386ff.; die des Bundes m. Noah 295; die Ge-
religiöse Liebe beginnt mit der M. schichte als Idee d. Zukunft der M.
171 1 478: Gottesliebe u. M. 168ff. 294f. 3081; Individuum als Indivi-
521; Gott, Israel u. die allgemeine duum der M. 362; der Messias als
M. Gottes 1731; Mitleid u. M. 1691 Vater der M. 362; Weltregierung
529: Armut Urform derM. 172; die Gottes u. der Bund derM. 468: die
M. als messianische Konsequenz des Gebete Israels u. die messianische
Monotheismus 386: Menschheit, M. u. M. 458 466 4701; die Demut sach-
Geschichte 309; die M. und Gottes lieh es Fundament der messianischen
Schöpfung des M. 138; Liebe u. M. 521; M. 504; die menschliche Tapferkeit
Selbstliebe undM. 478; Bescheidenheit d. Juden als menschheitliche Tapfer-
als Stütze der M. 502: die M. und keit 5171; die Geschichte der 1‫־‬eli-
die Götzendiener 139; das Gebot d. giösen M. 236. vgl. M ensch en ge -
M. und der ‫״‬grundlose Haß“ 533; schlech t, M e ss ia n is m u s. '
die M. im Talmud 138. M e n s c h lic h k e it; die empirische M.
M e n sc h e n o p fe r : 200 236 399 469. 276; Urgepräge d. allgem. M. in d.
M en sch en soh n (□330 2471 :(‫; בן אד‬ Religion 9; Heiligkeit ist ideale M.
vgl. M ensch. 300; die Sünde als S. der M. 235;
M en sch en tu m : Selbstläuterung des Harmonie der M. als Tugend 526.
M. 263; der Prophet (Hiob) Symbol M e ssia n ism u s; M. u. Eschatologie
des M. 268: die Tapferkeit Triumph 57 3401 3431 3611 364 516; M. u.
desM. 516; 265; 2741 Utopismus 125 365; d. Wissenschaft-
M e n sch en w ert s. W e r t . liehe u. der messianische Idealismus
M ensch en w ü rd e s. W ü rd e . 342 ff.; Moralismus u. M. (b. Micha)
M e n sch h e it: der Mensch als M. in 318: Eudämonismus vom M. abge-
der Ethik 16 ff. 22; der Mensch als löst 365; M. u. Optimismus 535;
Mensch d. M. 28211 456; Idealität messianische Religion u. Weltreligion
des Menschen in der Einheit der M. 35; M. als Konsequenz d. Mono-
300; die Würde des Menschen in d. theismus 24 300 309 3451 386 471
Idee der M. begründet 57: M. als (von Herder erkannt 284); M. und
Allheit im Begriff d. Erlösung 220; Monotheismus in der Unsterblichkeit
Monotheismus und M. 174; Israel d. Menschengeistes 362 397 398; M.
als Symbol der M. 174 297 496 (vgl. I u. Natirmalgeist (Partikularismus)
593

284 ff. 2981 305 ff. 325 ff. 328 329 Ewigen“ 59 306 f. 331 ff. 496; der
332 424 427 517 (vgl. 84ff.): messi- Geist Gottes im Messias 102: der
anische Idealisierung der National- heilige Gei§t und der M. 118 302
geschichte Israels 309; der M. Sinn 321; die soziale Bedeutung des M*
der jüd. Geschichte 314 ff.; M. tilgt 307 372; die Symbol. Leidensgestalt
Unterschied zw. Ideal u. Wirklich- d. M. 269 275; der M. Stellvertreter
keit 25; M. ist Herrschaft d. Guten d. Leidens, nicht der Schuld 310 ff.
auf Erden 24; die Motive i. d. Idee (vgl. 336 f.); der M. Symbol f. Israel
des M. 287—316 (Mythos d. Welt- 269 307; der M. immanent i. Men‫־‬
Untergangs 287—290; Insel d. Seligen sehen 300; nationaler u. menschheit‫־‬
291; das goldene Zeitalter 292—294: licher Beruf d. M. 332: der M. als
die Flutsagen 295; der jüd. Staat Vater d. Menschen 362; d. unendliche
295—299; d. Heiligkeit Gottes 299 Entwicklung d. Menschenseele u. d.
bis 300: die kulturelle Eigenart unendliche Kommen d.M. 370; Bedeu-
Israels 300—304; der ethische Rigo- tung des M. als Idee 293; d. Namen
rismus 304—305; Niederlegung d. f. den M. 309 321; das Messiasbild
nationalen Schranke 305—306; Idea- 313; der Friede als Wirkung des M.
lisierung d. Messias 306—307; Idea- 324 527 f. 542; d. Wahrhaftigkeit i.
lisierung d. Natiohalgeschichte 307 Glauben an den M. u. d. Messianis-
bis 310: d. Begriff d. Stellvertre- mus 496: Gerechtigkeit als Attribut
ters 310—313; Israel als Gottes- d. M. 506: — d. messianischen Stellen
knecht314—316); jüd. Gotteserkennt- b. d. Propheten erläutert 317—347;
nis u. der M. 302; d. ‫״‬Rest Israels“ Mendelssohns messianische Tendenz
u. der M. 305 f. 314ff.; der messia- 421 f. vgl. (lo ttesreich , P ro p h eten ,
nische Leidensberuf Israels 315 336; Z e ita lte r .
der messianische Völkergedanke 298 M etaph er: die Liebe als Mitleid
322 ff. 327 f. 339; die messianische keine M. 171; die M. von Gott als
Zukunft als Ideal (i. Gegensatz zu Vater der Menschen 175.
Gegenwart u. Vergangenheit) 293f. M e ta p h y sik : M. der Naturlehre 77;
340 ff. 343 f. 361 531; Aufhören der M. und Ethik 19 164 283; und Re-
Sünde im M. 345 f.; das Gesetz im ligion 70 164: das metaphysische
messian. Zeitalter 430: Buße u. M. Problem von Sein und Werden zum
330; Auferstehung u. M. 331; M. ethischen 80: das metaphysische
Bürge f. d. unendliche Entwicklung Bewußtsein beginnt mit den Göttern
d. Menschenseele 361: M. und Un- 169: Einheit Gottes und die M. 41;
Sterblichkeit (ewiges Leben) 355 363 die Platonische M. und die Gottes-
364 ff. 371 387 ff. 389 395 f. 397 f. lehre des Judentums 516; Kausalität,
516: der Ausländer als Mitmensch M. undTeleologie 252 (vgl.241): dieM.
u. d. M. 140 386 ff. : M. u. ethischer des Leidens 21 157; die metaphysische
Sozialismus 365; Isolierung und Charakteristik des Mitleids (Schopen-
messian. Mission 424; die Gemeinde hauer) 20 f. 163 f. 171; M. des Pes-
Israels u. die messian. Menschheit simismus 21; Physik und M. in der
456 458 466; die Erwählung Israels talmudischen Terminologie d. Schöp-
u. die messianische Erwählung der fung 78.
Menschheit 174; d. Idee d. M e ssia s M eth od ik : Scheidung der Methoden
u. die Menschheit 278—316; Idea- und Einheit der Methoden 78;
lisierung des Messias im ‫ ״‬K n e c h t d. die wissenschaftliche M. im Ver-
38
594

hältnis ■•».von Philosophie und Ge- religiösen Geboten 257 411 ff. ; die
*schichte 207; M. der Geschichts- Frommen1 der Völker der Welt 389;
Philosophie 430; die Wahrheit und Handlungen zum Namen Gottes 408;
die M. der Wissenschaft und der Gesetz als Zaun der Lehre 436;
Religion 157-485 498; die'M. in d. das Studium der Lehre wiegt alle
Schätzung des Talmud '106 f.; me- Gebote auf 454 530; Einteilung der
thodischer Akt des philosophischen Tugenden‫( ־‬Aboda Sara 20b u. Sota)
Bewußtseins bei Aeschylos 198‫ ;־‬M. 479 ff. 483 504; Pflicht der Wahr-
und Inhalt in der Ethik 15 279 400; haftigkeit 498. vgl. ‘ S prü ch e d er
die M. 1der Ethik *und die Religion V ä te r , ’ T alm u d. ‫־‬
18 f. *27 194 • 265 •278 ff. 311 400 (s. M issio n : die M. Israels 315: histo-
‫״‬Ethik und Religion“ unter ,E thik)-. rische M. und historisches Schicksal
die Religion als methodisches Problem 333; Seelenfriede u: geschichtliche
im System der Phylosophie 14 f.; M. 531.
die wissenschaftliche M. u. die Be- M itg e fü h l s. M itle id :
hauptung d. Absolutheit d. Christen- M itle id : Leid und M. 19 ff. 161 ff;
tum s 429; meth0 dologische B edeutung metaphysische Charakteristik des M.
der Quellen des Judentums 28; me- 20 f. 164 171; Schopenhauer und
thodischer Unterschied in der Be- Spinoza über das M. 20 163 f.; die
deutung der Gründe für die Gesetze Stoa und das M. als Affekt 161 ff.;
416: das Individuum u. die metho- das M. als psychischer Faktor 161 ff.;
dischen Mittel der Geschichte* 15. M. keine Reflexbewegung 21 163 165;
M icha: die messianischen Stellen bei M. als ethischer Faktor 20 164 165 f.;
M. (4, 1—4 11—13; 5, 1—3 6—7 M. und sozialer Gedanke 163; das
9—12) 318—320: Aufhören der M. mit ' dem Armen und die Ent-
Kriege (M. 4 5 0 6 (3 ‫ ;׳‬M. 6, 8: 39 stehung des Mitmenschen (M. und
201 247 502 f. Religion) 164—167 170 f. 266 (vgl.
M ic h a e lis , Johann David: M. und 22);' das M. als Urform d. Menschen-
der Zusammenhang des Fremdlings liebe 169 f. 529 ; Gottesdienst und
mit dem Nächsten 145. soziales M. 172; Liebe u. Mitleid
M id rasch : 31 32; philosophische Gottes zu den Menschen im Sabbat
Spuren 34; biblischer Urgeist im 184; Mitfreude u. M. 538: M. in d.
M. 463: Gedankenfreiheit 430; Kain antiken Tragödie 161.
und Gottes Vergebungskraft 378: M itm en sch : Nebenmensch und M.
Handlung das Dokument des heiligen 132 f. 159 160 164 170 188 193: die
‫ ־‬Geistes 125: Israel Braut Gottes Ethik beruht auf dem Problem des
458; Unsterblichkeit und Aufer- M. 133; D ie E n td e c k u n g d es Men-
stehung •364 ;• Abfassung der Gebete se h e n a ls M. 131—167; der Mensch
im M. 463. ■
‫; ־‬ ' als Lebewesen schon M. (im Noachi-
M ikr okosm us: der M. des Menschen •d e n ) 142; die Vorbereitung des M.
280 f. 349. - in den Anfängen des bibl: Mono-
M ild e (388 (‫ ה ס ד‬. ‫ ׳‬theismus 135—138; der Ausländer
M isch n a: philosophische Spuren 34; als M. 140; der M. als Glied eines
der Noachide in den ältesten Be- Volkes‘ u. die Mehrheit der Völker
richten der M. 143 ; Feier des alten 134; der Mensch als M. in der Kor-
*Versöhnungstages 255; ; Unterschei- relatioh von Gott‫ ־‬u. Mensch 133;
düng von rein sittlichen und rituell- Gott u. der Fremdling als M. 144
595

148; die menschliche Ungleichheit Bericht über die erste Entstehung


‫גר‬. der M. 149; der M. als Problem des M. (Ex. 3, 6 ff;) 49 f,; der Begriff
des sozialen‫ ׳‬Leidens 159 ff.; die des M. 27 ;• d. biblische Vorgeschichte
Korrelation von Mensch u. Mensch des M. 135—138: Kulturtiefe des
154 f. 170 266 f.; Gemeinschaft und monotheistischen Prinzips 42 * M. u#
M. 159: ‫ ׳‬das Mitleid und der M. Wissenschaft 54 105 300 f.; der
164—167 170 f. 266; der M. als In- philosophische Idealismus und der
dividuum 193; Schuld und M. 160 Idealismus des M. 54 168 305 342 ff.
212 267; der M. und Gottes Liebe 412; M. u.‫ י׳‬Philosophie 301; die
172; die Liebe zu Gott und die so- prinzipielle Logik des M. 123; Kon«
ziale L. zum M. 188; der M. und tinuität in der Entwicklung der
das Problem des Bösen 23; vgl. Grundbegriffe des M. 141 f .: M. und
N ä c h s te r ‫ ן‬N ä ch sten lieb e, N eben m en sch. sokratischer Ursprung der Ethik 234:
M it t e ilu n g : die Offenbarung als M. historische Entstehung des M. aus
Gottes an den Menschen (materiali- dem Polytheismus 43 44 f. 115; M.
sierende Gefahr; Pantheismus; keine und Polytheismus s. P o ly th e is m u s ;
Kausalität, sondern Vorbedingung M. und Pantheismus s. P a n th e is m u s \
der Kausalität) 83. M. und Mystik 106 125: die Einzigkeit•
M itte l: Ziel und M. (in der Selbst- Gottes als Sinn des jüd. M. 41 ff.
hei-ligung) 241 (vgl. 417); das Lei- 429 f.; Einheit Gottes nicht tiefster
den als M., nicht als Zweckvollendung Sinn des M. 47; M. und Begriff des
270 f.; die Gründe der Gesetze als Seins 46 ff. 52; M. und Erkenntnis
M., nicht als Zwecke zu denken 417. Gottes 105; M. und Intellektualismus
M itte la lte r : Wissenschaften v. Recht 108 183; M. erwächst aus Mythos
u. Staat im Ma 343; das Ma und und nationalem Epos 84; national-
Maimonides 391; das Ma und das politische u. monotheistische Motive
Gesetz 421; die religiöse Poesie des im Deuteron. 86 f. 91 232; Israel
Ma 458: die Maler des Ma 350; 530. das heilige Priestervolk des M. 174;
M i t t e l a l t e r l i c h e P h ilo so p h ie : d. Selbstcharakteristik des monotheisti-
ontologische Argument des Ma 51; sehen Volkes 273; politische Wirk-
s. J ü d isch e P h ilo so p h ie. lichkeit und jüdische M. 296: kon-
M itte l w esen: kein M. für das Pro- tinuierliche Porterzeugung des M.
blem des Ursprungs 56; vgl. L ogos , durch einheitliche geistige Volks-
V e rm ittlu n g . kraft notwendig 297 f . ; Einseitigkeit
M ittle r : Mose als geistiger M. 87 89: der M. in Israel notwendig 301 ff.:
vgl. C h ristu s. Isolierung jund M. 174 289 f. 303 423
M odi: M. bei Spinoza 20 265. 432; Fortbestand des jüdischen M.
M om ent: Buße, M. und das Ich 240 und die Nationalität 428 ff. (vgl.
271; die Erlösung als M. des Auf- 296 ff.); Singularität d. Volkes Israel
Schwungs 271 276 f .: das Individuum, eine Forderung des M. 134; Er-
der M. des Aufschwungs und die Un- wählung, nationales Bewußtsein und
Sterblichkeit 359ff.; vgl. A u fsch w u n g , M. 173; Moses Leben und Tod und
D u rc h g a n g . der reine M. 88 f.; monotheistische
M on ism u s: 38 243 297 381 (der Färbung im ersten Menschen-Schöp-
monistische Irrtum des Pantheismus). fungsbericht 100: Grundbegriffe von
M o n o th e ism u s: Ursprung des M. Raum und Zeit in der Vernunlt des
im letzten Grunde unerklärt 42 286; M. 52; keine Toleranz des M. gegeilt
38*
596

über dem Götzendienst 60 274 (vgl. M ose: die Berufung Moses 4 5 f. 49;:
139); M. und Kunst (Plastik) 61 ff.; die Gestalt Moses b. d. Offenbarung
M. u. Prophetismus 154; monotheist. am Sinai 86; M., Gott und Israeli
Heiligkeit 1661; die Mission des 87 ff. 284 502: M als Vermittler,
heiligen Geistes im jüd. M. 122; Verkünder und Lehrer 88 91; s. Rede
der M. und der Fremdling als Mit- im Deuteron. 29; Moses tragisches
mensch 144; der M. und die rel'igi- Leben u. Tod u. der reine Mono-
Öse Liebe 169 ff. 386 440; die Sitt- theismus 88 f. 120; der Mann M. 89;
lichkeit des M. im Sabbatgesetz M. und das Ewige 98; M. und der
181 ff.; M. und Sünde 223; M. und heilige Geist 1171; M. u. die Heili-
‫ז‬Opfer 232 ff.; die Versöhnung Angel- gung Gottes 881 120; M. steht über
* punkt des M. 253; Tragik des M. Aron 303; Moses Demut 89 313 502;
im Begriff des Menschensohns 248; M. und die Gemeinde (Ex. 32,32)
der Versöhnungstag Tag des M. 466; M. und die Rotte Korah 509;
259 ff. 263;. Kulturtiefe des reinen M. M. und das Gesetz 434.
im öffentlichen Sündenbekenntnis Motiv": Verstrickung neuer u. alter
256; das Leiden symbolischer Aus- M. in der Geschichte 2061
druck für die Aufgabe des M. 276; M otor: der Affekt als M. des reinen
der M. Trost der Geschichte 185; Willens i. d. Ethik 165.
M. und Menschheit 174; M. Ursache M overs: 182.
für den Begriff der Weltgeschichte M u ssa fg eb et: M. d. Neujahrs 4671L
309 (vgl. 290); M. u. Messianismus (vgl. 260).
s. M e s s ia n is m u s ; das messianische M y ste rie n : die Propheten und dio
Zeitalter als Erfüllung des M. 338; Eschatologie d. M. 27; kein Mysterium
Mythos, und M. im Problem der Un- i. d. Offenbarung 97.
Sterblichkeit 3571; Gesetz und M. M y stik : Intellektualismus u. M. 36;
4231 432; Gebet und M. 438 ff. 470; M. und Monotheismus 106 125; Ver-
Psalm und M. 30 250 439 ff.; Gottes- bindung von Gott u. Mensch in der
haus u. M. 4541; M. u. hebräische M. 122 127 191 249; Scheidung v.
Gebetsprache 465; Poesie, M. und Religion und M. im Problem der
Wahrhaftigkeit 4951; Eigenwert d. Unsterblichkeit 360 368 370 ff. 395;
jüd. M. u. die andern Formen des Platos Seelenbegriff u. die M. 393;
M. 428 ff. 4601: M. im Islam 1071 d. Heiligkeit Gottes, die M. und
281 im Christentum 281; M. und Jesaia 1281; keine M. in der Sünden-
persischer Dualismus 55; M. und Vergebung Gottes 251; die Wahrheit
Sophistik 528; M. u. Aberglaube 272 d. Erkenntnis und die M. 488 (vgl.
M oral: Unterscheidung zw. dem Reli- 157): M. und Pessimismus 535; der
giösen u. Moralischen 155; Moralis- Tod in der M. 1561; M. und Ge-‫׳‬
mus die Seele des Messianismus b. meinde 256; M. isoliert das Indiyi-
Micha 318; innerer Zusammenhang duum im Gebet 456.
d. Prophetismus mit wahrhafter M. M yth o s: Mythologie und Religion 14
156; Moralisieren als Pflicht u. die 23 167 197 222 290 350 355 357
Religion 384; das moralische Be- 363; Mythen u. Sagen im Beginn d.
wußtsein u. d. Treue 525; d. stoische jüd. Nationalliteratur 29 48 93; d.
M. 162; die pantheistische M. 266. Monotheismus wächst aus dem M.
Mord: 143 383 517. heraus 70 84 100; die mytliolog.
M osaism u s: 85 120 203 204 510. Ansicht d. Schöpfung u. ihre Ober‫׳־‬
597

Windung 74ff. 78ff.; das mythische schichte 115; Friede und N. in der
Bewußtsein i. Polytheismus und der Weltbetrachtung 534.
Monotheismus 160 167 169; Heilig- Name: der N. Gottes 338 408 467,* .
keit im M. 111; mythol. und mono- der einzige Gott u. der einzige N.
theistische Liebe zu Gott 190: 408 429 467 518; der N. Gottes u.
mytholog. Ursprung des Opfers 202 das Gottesreich 409; Heiligung des
238 (vgl. 199); mythische Vorberei- göttlichen N. als Grundgebot 330
tungen des Messianismus 287 ff.; d. 409 f. 118/
Seelengedanke im M. 290 ff. 348 358; N a s ir ä e r : 409.
der M. feiert die Macht !290'; der M. N a tio n a l: der Mensch als n. Mensch
der Unterwelt u. der jüd. Geist 290f. 282; n. Sonderheit (Volk) u. Univer-
341 367 394; die mythische Unsterb- salismus 286 (vgl. 496); n. Geschichte
lichkeit 349 351 355 357 ff. 360 363 als Beginn der jüd. Nationalliteratur*
366 ff. 370ff.; der M. das Morgenrot 29; Naivität in der Bearbeitung d.
der Kultur 293; Abstraktion u. M. n. Urgeschichte 44: das Ewige als
bei Plato 349 394; .Schuld als Lei- Grund der n. Geschichte 98; der In-
densgrund in M. und Tragödie 159 halt der Offenbarung u. die Konti-
212. vgl. M ystik . nuität der n. Geschichte 90 f .; der
n. Ursprung u. die ‫״‬Satzungen und
Bechte“ 91; Quellen des Monotheis-
N a ch b a r v ö lk er: 327. vgl. Volk. mus n.-literar. bedingt 133; die n.
N a c h le b e n : das N. nach d. Tode Aufgabe des Monotheismus und der
156; vgl. A u fersteh u n g , U n sterb lich - n. Gegensatz zu andern Völkern 134;
keit. die n. Geschichte als Unterlage für
N a c h le s e : 177 508. die Liebe des Fremdlings 148 169;
N ä c h s t e : der Fremdling als N. 144f. die n. Geschichte u. d. Gottesknecht
(vgl. 138); der N. falsche Über- 314ff.; n. Geschichte u. das Gebot
Setzung von Bea (462 (‫ ר ע‬f. vgl. der Elternehrung 446: n. Geschichte
A n d ere. u. Sozialpolitik 386; der 11. Vorzug
N ä c h s t e n lie b e : der wahrhafte Sinn des Leidens in Israels Geschichte
d. Gebotes d. N. 144: die N. und 275 f.; n. Geschichte Israel als Sym-
d. Gebot der Liebe d. Fremdlings bolik 496; der n. Sinn des relig.
148; die geschichtl. Quellen der N. Judentums 36; Propheten u. Natio-
169; ‫ כ מוך‬b. Gebot der N. 183: die nalismus 31: Propheten gegen n.
Verleumdung der jüd. N. 462. Hochmut 306 329; n. Originalität u.
N a ch w u ch s: N. im siebenten Jahre güttl. Offenbarung 84 f. 284: nur
177 508. Gott gründet dem Monotheismus
N ä h e: die N. Gottes 91; ‫״‬N. Gottes“ eine n. Stätte 89; Durchdringung
nicht Vereinigung 191 368; die N. n.‫־‬polit. mit monotheist. Motiven im
Gottes 1t. die Unsterblichkeit 368 f. Deuteron. 87; n. Erinnerungen und
380; die N. Gottes u. die Sehnsucht messian. Gedanken bei Micha 319;
des Gebets 442; N. und Verzeihung n. Schranke u. Messianismus (‫״‬Best
Gottes 249: ‫״‬N. Gottes“ im 73. Psalm Israels”) 305f. 307 314ff. 326 328
20 190 249 380; N. u. Annäherung 329; n. Urwüchsigkeit u. das Ge-
)‫ (התקרבות‬191 369. schichtsbild der messian. Zukunft
N a iv it ä t: die N. im Stil der Bibel 308; n. und menschheitl. Beruf des
44 272: der naive Gang der Ge- Messias 332; der ..Tag des Herrn“
598

a's n. Ehrentag 289; das Gesetz jahr u. Gottesbegriff 183 (vgl. 42):
als n. Ferment 423; n., religiöse, Widerstreit zwischen N. u. Messia-
staatl. Isolierung 424 f .; der histor. nismus 284ff. 298f. (vgl. 84ff. 005f.);
Instinkt der N a tio n und das Gesetz die epische Urform des N. 44; der
402 : die alten Formen des Kultus griechische Geist u. die neuen Volks-
und der 11. Geist der Völker 423; geister 297; d. Sittlichkeit des griech.
Nation u. Staat 525 ff. u. die Ent- Volksgeistes i. d. ungeschr. Ge-
Stellung des Zionismus 4jß5; jüd. setzen 96; Volksgeist u. Hegelscher
Religion, jüd. Staat, jüd. Nation 425; Weltgeist 424. vgl. Volk.
— Nation und N a t io n a lit ä t 427; N a t io n a lg e s c h ic h t e : N. noch nicht
jüd. Nation u. messian. Ideal 427: Geschichte 309; messian. Idealisie-
Erhaltung der jüd. Nationalität als rung der N. Israels im Deut. 309.
‫ י‬Notwendigkeit 427 430; jüd. N. und N a tio n a lis m u s : der N. d. Deuteron.
Religion 428ff.; die staatenlose N. 86 309; der N. der Erwählung über-
Symbol für die Einheit der Staaten- wunden 339; Messianismus und N.
bund-Menschheit 298: der staatlich- 507. vgl. X a tio n a L
nationale Gesichtspunkt und d. hebr. N a t io n a llit e r a t u r : die Literatur d.
Gebetssprache 459 461. Juden als N. 28ff.; die Bibel als
N a tio n a lis m u s \ nationale Literatur 84.
v .. , . , .., > s. n a t io n al.
Nationalität f N atu r: N. im Problem Werden und
N a t i 0 n a 1b e w u ß t's e i n : N. als ge- Sein 77; N. und Gott im Sein 52;
schichtliches Bewußtsein 373; N. u. Korrelation zw. Gott und N. 136
Monotheismus im Deuteron.. 86 90 429 444; Einheit Gottes und die N.
232 (vgl. 284); der Gedanke d. Er- 41 f. 68; Gott u. die Schönheit der
wählung, das N. und d. Monotheis- N. 54; Teleologie der Sittlichkeit
mus 173 (vgl. 305); das N. ruft als aus der Kausalität der N. 54: Zu-
Menschen zunächst die Israeliten an sammenhang der Menschen mit der
133: Menschheitsgedanke (Messianis- N. 444; — N. im Mythos 294; N.
mus) u N. bei den Propheten 285 ff. bei den Eleaten 46; Selbständigkeit
305 ff. 308: Jeremia gegen das N. der N. im griech. Denken 55. vgl.
298: Nationallehrer (Mose) und N. , ,
Kosmos Pantheismus TJniversum,
88: das N. und der Schatz d. ‫״‬Ver- W e lt
dien-stes der Väter” 376. N a tu r e r k e n n tn is: sittl. Erkenntnis
N a tio n a lg e fü h l: N. u. Menschen- und N. 126 299; N. u. Wahrheit
liebe 138: der Gott der Gerechtig- 484: N. und Geisteswissenschaften
keit u. die Kränkung des N. durch 416.
die Propheten 285; N. und ,,‫ה ל כ ה‬ N a tu r g e s e t z lic h k e it : 262 265.
33 “‫ ל מ ש ה משיני‬. N a tu r in stin k t: N. des jüd. Volkes
N a t io n a lg e i st: N. Urgrund für die als letzte Ursache für die kultur-
Individuen 28: Ursprünglichkeit d. geschichtl. Eigenheit d. Messianis-
N. in den literar. Quellen d. Juden- mus 341.
tums 28 ff. 35 f.; Israels Volksgeist u. N a tu rfried en : 293 321 323 340 534;
der einzige Gott 28 30; Monotheismus vgl. W e ltfrie d en .
Schöpfung des jüd. N. 42; Urkraft N a tu r p o e s ie : N. im Ps. 104: 54;
des N. in der ‫״‬mündl. Lehre“ 31 33; N. bei Hosea 317.
Doppelheit des einheitl. N. 31; N a tu r r e c h t: N.- und Völkerrecht
Originalitätd. Volksgeistes im Sabbat- 283; N. und Naturreligion 416; der
599

naturrechtl. Begriff des Fremdling- (‫ ) שב ע מצות בני נח‬und ihr sittlicher


Beisaß und der Staat 390ff.; der Charakter 142 386 f. 479; der N.,
Noachide und das N. 142 f. das Naturrecht und der Mitmensch
N a tu r r e lig io n : die N. und der Mo- 142 f .; der N. und die theokrat.
notheismus 416. Verfassung 1431; der N. als erster
N a tu r tr ie b : N. nicht als Urkraft d. Vertreter der Gewissensfreiheit und
Religion anzuerkennen 7; der N. d. Toleranz 144; der N. und die Offen-
Lebens als sittl. Grundlage im Pan- barung am Sinai 386 (vgl. 139); der
theismus 266; das Gebet als N. 446. Nr und das ewige Leben 3^7; vgl.
N eb en men sch: N. und Mitmensch M cdm on ides.
132 f. 159 160 164 170 188 193; N. N o m ism u s: N. und Prophetismus 36;
und Soziologie 133; N. und Gegen- vgl. G esetz.
mensch in der sozialen Ungleichheit N orm : das Gesetz als sittliche N.
und das Problem des Mitmenschen 410; die Ethik als 'method. N. der
149: der N. als Untermensch 171, Religion 311 u. ö.; die 13Eigenschaften
vgl. M itm en sch . Gottes ( ‫ ג מ דו ת‬//‫ ) י‬als Normen 110.
N e g a t io n : das Problem der ‫״‬nega- N o t: Erdennot und Hilfe als Inhalt
tiven Attribute“ 70 ff.; Privation u. des Gebets 445 1
N. 71; das‘ Unendliche, die N. u. d. N o tlü g e : 501.
Privation 72; N. und Privation bei N o tw e n d ig k e it: Sinn der N. ist
Maimonides 73. Aufhebung der Zufälligkeit 7: rela-
N eid : Haß und Neid 532 534; Ein- tive u. absolute N. 428; die Frage
wand gegen Gott kein Anlaß zum nach der N. des Gesetzes 430 ff.;
N. 150: N. der Götter 199 221; N. die Erhaltung der jüd. Nationalität
und Mitleid bei Spinoza 20 163. als N. 427—430.
N eu ja h r: Gebet des N. 458; der
Neujahrstag als ‫״‬Tag des Gedenkens“ O bjekt: s. Subjekt.
469; Mussafgebet des N. 467 ff. O b je k tiv ie r u n g : 0. des menschl.
(vgl. 260); Hymnus ‫״‬Unethane To- Subjekts in der Menschheit 15; so-
keph“ 247; vgl. F este. Y ersö h m m g sta g ziale 0. von Wohl und Wehe 154 ff.;
N e u p la to n is m u s : 515; vgl. S to a 0. der Sittlichkeit in Recht und
N ic h t s : Schöpfung aus dem N. 72; Staat (Stoa) 161.
das N. (‫ )אין‬im Gedanken d. Schöp- O b je k tiv itä t: neutrale 0. des Ich
fung 76; Erneuerung aus dem N. 81. in der Ethik 19; 0. der altbibl.
N ic h ts e in : vgl. S ein . Geschichtsschreibung 272.
N ie d e r w e r fu n g : N. und Bekenntnis O ffen b aru n g: 82»—98: 251 259: all-
Gottes 258. gemeinster Sinn der 0. 82; O. als
N o a h , N o a c h id e (‫) בן נח‬: Noah als geistige Mitteilung 87 ff.; 0. als
Symbol des Menschengeschlechts Ausdruck der Korrelation zwischen
135 295: Gottes Bund mit N. 135 ff. Gott und Mensch 103; 0. als Akt
175 288 295 386 ff. 468 469: der der Liebe Gottes 175: — Schöpfung
Israelit als Sohn Noahs 139 386; — und 0. 82: 0. als Schöpfung der
der Fremdling-Beisaß wird in talmud. Vernunft 84 95; als Vernunft wahr-
Zeit zum Sohn Noahs 141 ff. 386 f .; heit 489; 0. und das Vernunftwesen
Fremdling-Noachide-Frommer der des Menschen 82 83 92 95; Ver-
Völker der Welt 142 ff. 387 ff. 396; geistigung des Faktums der 0. 90 ff.;
die ‫״‬sieben Gebote der Söhne Noahs“ 0. und d. nationale Schrifttum 84;
600

0. und das Deuteron. 84 ff.: 0. und 0. und Gesetz, 399 401 404 405
d. ‫״‬Satzungen u. Rechte“ 90; 0. u. 409;' Opferung Isaaks 469; Opfer-
die Tradition 303; der Dekalog die Symbolik als Entstellung der Wahr-
eigentliche 0. 85; kein Mysterium heit 491 f. vgl. Jecheskel, P r ie s te r .
in d. 0. 97; das Ewige, die 0. und Opf e r g e s e tz g e b u n g : 32 115.
das a priori der Erkenntnis 97: der O p fe rk u ltu s: 399 419.
Mittler Moses u. die 0. 88 f. 284 f.,‫ ־‬O p fe r r itu a l: 233 336 251 (‫) כ פ י ה‬
die erste 0. und der Gottesname 46 254 f. vgl. O pfer.
49 f.: hebr. Ausdruck für d. 0. 92; O p p o r tu n ism u s: 384 434 498 508.
0 . und der Noachide 386 : 0. und O p tim ism u s: 0 . und Pessimismus
Unsterblichkeit 397: 0. und Gesetz 21 522 535; 0. und Messianismus
400; Wochenfest als Fest der 0. 402; 535; 0 . des Psalms (73) 20.
vgl. Theophcm ie. O r estes: 198.
O n k e lo s: 186. Organ: Vernunft 0. der Begriffe 6.
O n to lo g ism u s: 0. und Attributen- O rgan ism u s: descriptiv gewonnener
lehre 52; 0. kein Schutz gegen Pan- Begriff des 0. 2; geistiger 0. 4;
theismus 52. der Leib als 0 . 361; d. Stoffwechsel-
o p era su p e r e r o g a to r ia : 377. O. und das Ich 19.
O pfer: 0. und Gesinnung 32; 0. u. O r ie n t: 0 . und Occident 515.
die Einheit Gottes 32; d. Heiligkeit O r ig in a lit ä t: nationale 0. und gött-
und das 0. 111 113 115 126 355 liehe Offenbarung 85; sittliche 0.
409; 0. u. Sittlichkeit 113 115 224 des Monotheismus im Sabbatgesetz
409; 0. und die Korrelation von 183. vgl. U rsp rü n g lich k eit:
Mensch u. Gott 233 236 399 401; O r p h isc h e T h e o lo g ie : 199 350.
das 0. und die Götter 199 f .: 0. u.
Kultus 200 f. 203 ff. 231; 0. und P a n p sy c h ism u s: 360.
Gebet 438 467; — mytholog. Ur- P a n th e is m u s : 243; P. nicht Reli-
Sprung des 0. 202; 0. im Deuter, gion 47; Religion u. Sittlichkeit im
und bei Jecheskel 31: Kampf der P. 38; P. ästhet. Idealisierung der
Propheten gegen das 0. 200 ff. 221 Natur 64; setzt Identität zw. Natur
(vgl. 318) 328 399 491 ff.; Grund- u. Gott 429: Ontologismus kein
fehler des Tieropfers 200 491; 0. Schutz gegen P. 52; Verneinung d.
u. sittliches Unrecht 201 ff.; Satzung j Seins der Welt kein Schutz gegen
und Recht anstelle des 0. im Deu- | P. 68; Unterscheidung d. Mono-
teron. und bei Maimonides 203 386f. | theismus vom P. im Begriff d.
vgl. 419; Umformung des 0. bei Schöpfung 74, im Problem von Sein
Jecheskel und seinen Nachfolgern und Werden 77, in der Vereinigung
204 ff. 230 f. 232—238 328 399 f. d. Menschen m. Gott 83 122 124
491 f . ; Demut als Ersatz des 0. 466 ‫י‬ 127 191 262, im Begriffe des In di-
(vgl. 250); 0. und Versöhnung 221 j viduums 124, in der Unsterblichkeit
400; 0. und individuelle Buße 230 i 360: Monotheismus, P. und die Welt-
234 238; 0. und die Einheit der regierung 468 ; der heilige Geist in
Gemeinde 231 234; 0. und die Ver- P. und Judentum 123 f (vgl. 262);
tiefung des Monotheismus 232 ff.; Gottes Liebe als ästhet. Liebe im
0. nur für die Sünde d. ‫״‬Schegaga“ P. 188; amor intellectualis 347; P.
234 ff. 255; das 0. ‫״‬vor Gott“ 233ff.; und das Leiden 265; das Selbst in
0. und die Lyrik der Psalmen 250; P. und Religion 266; der Seelen-
601

begriff im P. und d. messianische 339; — 19, 6 (Heiligkeit d. Priester


Seclenbegriff 380 f; P. und Demut u. d. Volkes) 355 409; — 20, 5 6
503; P. als Symbolik u. die Wahr- (Schuld u. Strafe) 198 510: —
haftigkeit 494; P. hei Xenophanes 20, 8—11 (Sabbat, vgl. Gen. 2,3;
47: Widerspruch des Monotheismus Deut. 5, 14) 182; — 21, 26 27
gegen die Kunst des P. 63. (Aug um Auge) 147 509; — 22,17
P a r a d ie s: monotheist. Bearbeitung (Zauberei) 274; — 22,20 (Liebe
d. Paradiessage 292; P. als Symbol d. Fremdlings) 148 (vgl. 170);
bei Maimonides 371: pers. Paradies- — 22,25 (Pfand) 180; — 23,5
sage 295. (Verbot d Menschenbasses) 532;
P a rm en id es: Identität u. Einheit bei — 23,7 (Verbot d. Lüge) 498;
P. 48; Werden und Sein bei P. 47. — 23,19 (Erstlinge) 411: — 26,12:
P a r sism u s: 24 304. 93: — 31,13 (Ideal d. Heiligkeit)
P ar t i k u 1a r i s m u s : s. M e ss ia n is m u s, 129; — 32,32 (Mose u. die Ge-
N a tio n a l, U?1ir e r s a lis m u s . meinde) 466: — 33,9 (Gnade
P a th o s: 161. Gottes) 246: — 33, 13 18 23
P a tr io t is m u s : P. der Propheten 31 (Theophanie) 92 f. 110 175: —
511 s. A a tio n a lb e iv iiß ts e in . 34, 6—7 (Eigenschaften Gottes)
P a u lu s: Polemik gegen das . Gesetz 49 ff. 109 245 261; - 34, 7 (Schuld
292 404 ff. u Strafe) 198.
P e n ta te u c h : s. einheitlicher L>oppel- L e v it ic u s : 1,17 (Fremdling-
charakter (relig. Theorie u. ethische Beisaß) 141: — 4,20 26; 5,16 18
Praxis) 29; Doppelform d. Bücher (Sühnung d. Priesters) 251: — 5,
Moses 84: pentateuchisch-prophe- 18 (Sünde als Schegaga) 235: —
tische Sätze i. d. Stammgebeten 463. 11,44 (Heiligkeit, Heiligung) 120f.
G e n e sis: 1, 1 ff. (Schöpfungs- 128 240 263: — 16,30 (Reinheit)
bericht) 74 f.; - 1, 26 27; 2, 5—7 262 f .: — 17, 11 ff. (Fremdling,
22 24 (Schöpfung d. Menschen) vgl. aber Deut. 14,21) 147: —
99 f.; — 2, 1: 370: — 2, 3 (Sabbat, 18, 5 (Leben) 491; — 19, 2 (Heilig-
vgl. Ex. 2 0 ,8 —11, Deut. 5,14) keit) 111 127 189: — 19, 9 10
182 f.: — 4, 16 (Gott d. Gerechtig- (Eckwinkel) 411: — 19,11 <Yer-
keit) 151: - 6,3 (heil. Geist u. bot d. Lüge) 498; — 19,12 (Eid)
Sünde) 252: — 6,5 (Jezer) 213; 499; — 19,17 (Haß) 269 532;
— 6,13 17; 7, 1: 8,21; 9, 4 5 11 — 19, 17 18 33 34 (Liebe d.
12 17 (Sintflut u. Bund m. Noah) Fremdlings) 148 (vgl. 170); — 19,36
136 f.: - 8,21 (Jezer) 213; — (Gerechtigkeit als Norm; 507: —
15, 15 (Ausdruck f. d. Tod) 354; 20,8; 21,8 (Heiligkeit) 129: 22.32
— 18, 18 19 (Bund m. Abraham) (Heiligkeit, Heiligung) 120 128
137; — 18, 23 25 (Episode von 140: — 24, 22 (Fremdenrecht) 145;
Sodom) 137: — 18,25 (,,Richter d. — 25,1—6 (Sabbatjahr) 178; —
ganzen Erde“) 509. 25 ,7 —24 (Jubeljahr) 178: — 25,
E x o d u s: 3, 6—15 (Mose am 35 ff.: 146; — 25,47 (Rechts-
Dornbusch) 49 f .: — 6,1 (Berufung gleichheit) 147: — die sozialen
Moses) 45: — 12,49 (Fremdling- Gebote im Lev. 244.
Beisaß) 141 387: — 15,25 (Satz- N u m eri: 11,29: 102 409; —
ungen 11. Rechte) 387 (ygl. 203); 12.3 (der Mann Mose) 88 f .; —
— 19,5 (Israel Gottes Eigentum) 12.3 (Moses Demut) 313 502: —
602

15, 14—16 (Fremdenrecht) 145147; heit d. Willens) 482; — 34, 6


— 15, 26 (Devise d. Versöhnungs- (Tod Moses) 89.
tages) 255; — 16,22 (Sünder u. P e r sie n : Einwirkung auf das Juden-
Gemeinde) 509; — 16, 22 ( 2 7 , 1 6 =‫ ־‬tum 34; Dualismus u. Monotheis-
s Gott d. Geister alles Fleisches) mus 55; Paradies- u. Flutsage aus
123; — 23, 9 23 26; 24,5 (Bileam) P. 26 295; Auferstehung aus P. 331
.174 273 402; — 35,15 (Schegaga) 364; p. Oberhoheit zur Zeit d. Je-
147. cheskel 230.
D eu teron om iu m : 1,16 (Frem- P erso n : die Seele als Prinzip der
denrecht; Gerechtigkeit als Norm) Einheit der P. 291; Allheitswert d.
145 507; — 1,17 (Strafgerechtig- sittl. P. im geschichtl. Begriffe des
keit Gottes) 369; — 4, 1 5—8 14; Individuums 363; das Persönliche d.
5,1: 6,20—24; 11,1 (Satzungen Individuums im Gebet 445 f.; die
u. Rechte) 91; — 4, 7 (Nähe Got- Persönlichkeit des Menschen u. die
tes) 190: — 4,11 (Stehen vor Gott) Wahrhaftigkeit 499; — Überwindung
259: — 4, 11—16 (Offenbarung) der P. des Messias 293 307; die P.
85 ff.: — 5, 3 (Geistigkeit d. Of- Gottes als des Seienden 48ff.; Gott
fenbarung) 88; — 5,4f. 28 (Offen- der Gute 245. P e r s ö n lic h k e it
barung) 85 ff.; — 5,14 (Sabbat, als menschl Eigentümlichkeit des
vgl. Ex. 20, 8—11, Gen. 2, 3) 182 f.; Du 19.
— 6,5 (Liebe zu Gott) 185; — P e ssim ism u s: 243; 377; P. im Unter-
8,3 (Mensch u. Brot) 310 452; schied von der Ethik 21; P. eine
— 10, 18 19 20 (Liebe d. Fremd- Eingebung der Mystik 535; P. und
lings) 148 (vgl. 170); — c. 12—18 Leiden 21 171 265 512: Haß u. P.
(Satzungen, Rechte u. Zeugnisse) 535; Mitfreude, Mitleid u. der P.
90 ff.: — 14, 21 (Fremdling, vgl. 538. vgl. O p tim ism u s .
aber Lev. 17, 11) 147; — 14, 28f. P fan d : Einschränkung d. Pfandrechts
(Zehnte) 177; — 15,1—4 (Erlaß- 179 f.
jahr) 179; — 15, 4 11 (soziale P flic h t : 200 375; das Übertreffen d.
Forderung u. Erfahrung) 149 179; P. 376; P., Lohn, Verdienst 379
— 16, 14 (d. jüd. Festesfreude) 383; P. u. Lohn im Talmud 3811
539: — 16,16 (Erscheinung a. d. P. u. Erkenntnis 381; Sittengesetz
3 Festen) 411; — .16,20 (Gerech- u. P. in der Ethik, Sittengesetz u.
tigkeit als Gebot) 506; — 18,13 Gebot Gottes in der Religion 382;
(Ganzheit d. Menschen) 4 9 ; ; — Gesetz Gottes u. P. 4061; soziale
23, 8 (Götzendiener u. Menschen- Pflichten in d. Mischna 413; Selbst-
liebe) 139; — 23, 25 26 (Eigen- sucht u. P. 446; das Gebet als P.
tnm) 176; — 24, 6 10 ff. 17 (Pfand) 447; P. des Bekenntnisses d. Wahr-
180; — 24,14 ff. (Arbeitergesetz- heit 451; P. u. Liebestätigkeit 5021;
gebung) 180; — 24, 16 (Straf- Demut gleichwertig mit der P. 505.
pflicht u. Familie) 509; — 24,17 P h äd ra : 151.
L (Fremdenrecht) 145; — 24, 19 ff. P h a n ta sie : Religion kein Zufalls-
(Nachlese, Eckwinkel, Nachwuchs) gebiet der Ph. 7: Logik u. Ph. in
178: — 25,3 (Geisselstrafe) 508; der Problematik der ‫״‬mündl. Lehre“
— 26, 2 ff. (Erstlinge) 177 411; 34; Platos dichterische Ph. 350.
— 27,17: 146; — 30,11—14 (Of- P h a r isä e r : 483 529.
fenbarung) 94; — 30, 15 19 (Frei- P h ilo : Ph. u. d. Nebengott d. Logos
56 124; Ph. u. Platon 124 281 (Idee Seelenbegriff (Unsterblichkeit und
des Menschen); Ph. als Verarbeiter Auferstehung) 348 ff. 393f .; Seelen-
des Christentums 281: Ph.s Bibel- lehre u. Ideenlehre 394; Kampf gegen
kenntnis 281. vgl. L ogos. d. Sinnlichkeit 515; Schuld, Opfer,
P h ilo s o p h ie : Ph. u. Religion (Mono- Reinigung 200; Vergeltung und Eu-
theismus) 6ff. 8f. 10f. 34 42 47 123 dämonisinus 366: d. Schlechte und
192 301 342 497 (vgl. 54 168); Ph. d. Gute (Theätet) 24; P. und der
als systematische Ph. 14 123 283 Begriff d. Privation 71; d. Plato-
447 484 f.; die Ph. Allgemeinheit nische Tapferkeit 516; Kindergemein-
d. Kulturvernunft 10; Wissenschaft- schaft i. d. Republik 522; P. und
liehe Ph. Idealismus 475; das Philo- Aristoteles i. d. öoxpQOövvrj 526; P.
sophische i. d. jüd. Quellen 11 49 und der Logosgedanke 56 124; die
123; jüd. Kampf um die Grenze von Idee des Menschen nicht bei P.,
Religion und Ph. 34f.; jüd. Religion aber b. Philo 281; Platonismus und
und griechische Ph. 11 34 (s. P la to , jüd. Geist (Judentum) 106 124 515;
G riech en ); Ph. und Geschichte 205 ethischer Monotheismus u. ethischer
bis 207 (s. G eschichte ); Verschmel- Idealismus Platos 305; der plato-
zung religiöser Praxis m. religiöser nische und der messianische Idealis-
11. philosoph. Spekulation 35. vgl. mus 342 ff.; der Monotheismus u. der
J ü d isc h e P h ilo so p h ie. philos. Idealismus Platos 412: Pia-
P h y s is c h : ph. und soziales Leiden tonismus u. monotheist. Korrelation
156—159. • 122; P. und die orphische Theologie
P ie tis m u s : 203 283 456. 199 (vgl. 350): Platons philosophisch-
P in dar: 10; P. und die Psalmen 30 künstlerischer Stil 349 394; Über-
440. setzbarkeit Platons 460.
P la s t ik : Polytheismus und P. 43; P lu r a l: PI. des Gottesnamens Elohim
plast. Darstellung entzieht sich der 441; PI. u. Singular im Gen. 1, 26
Idee d. Menschheit u. d. Einzigkeit 27: 99.
Gottes 57; Abwehr der P. durch d. P n e u m a tism u s: 476.
Wahrhaftigkeit d. jüd. Gottesbewußt- P o e s ie : P. 11. Religion 157: P. u.
seins 494 f.; die Propheten gegen die Prophetie 32 66: P. u. Gesetz 434;
P. 62 ff.; die P. und die Lyrik d. P. u. Monotheismus 4 3 1 ; 4951;
Psalmen 67; Darstellung des Men- Sprache der prophet. P. 248; religi-
sehen und die P. 67; die Pl. und der öse P. im Anschluß an die Liturgie
Gottesdienst 434; griechische P. 296. 35. P. und das Utopien d. Jenseits
vgl. B ild , K irn st. 291. Davidische P. als Symbol 1
P la to n : 10; P. und die Politik 26 d. Einheit des Reiches 296; israelit.
206 295 343 f.; Idee d. Guten 56 P. u. Messianismus 301 313; dramat.
124 351 472 f.; die Platonische Ethik P. u. Ethik 311. P. vom Natur-
u. die Gotteslehre d. Judentums 515; frieden 321 (s. X a tu r fr ie d e n ): my-
die Tugend u. das Gute b. Sokrates tholog. P. Platos 349 ff.: relig. P. d.
und P. 472 f. 474: Platos Staatslehre späteren Altertums u. des Ma 458.
s. Tugendlehre 475: d. Erkenntnis vgl. D r a m a , L y r i k , S yn a g o g a le
nicht allen Menschen aller Stände P o e s ie .
zugänglich 302 412; kein Unter- P o lis : P. u. Weltstaat 285 295.
schied unter d. Menschen i. d. Ethik P o l i t i k : Wandlung der Historie in
446; Eros 168 440 495: Platos die P. in d. jüd. Nationallit. 29»
604

P. und Sittlichkeit 498; Religion u. 474 f.; eth. Pr. u. Religion 22; The-
P. bei d. Propheten 29 467 u. soz. orie u. Pr; bei Sokrates u. d. Pro-
F»ag6 26 29 148f. 154 167 289. pheten 166.
846; p. Bedeutung des Israeliten 133; P r e d ig t: P. im Talmud 32.
‫ ־‬p. Antinomie zwischen Israel u. d. P r ie s t e r : der Pr. u. d. sittl. Selb-
Ausländer 139 ff: 145; p. Wirklich- ständigkeit d. Menschen 233 236
keit u. jüd. Monotheismus 296; 399 491 f.; Symbol. Handlungen des
Durchdringung national - politischer Pr. 232 f. 235 f. 491: die Funktion
m. monotheist. Motive im Deuter. des Pr. u. das Attribut Gottes 251 f.;
87 91; relig., polit.. u. sittl. Bewußt- Pr. kein karuspex 289: Pr. und
sein 153 f.; messian. Zukunft als das messian. Reich 327; der Hohe-
neue pol. Wirklichkeit 340 342; pol. priester u. der Versöknungstag 254 f.;
Begriff der Nation 424 ff.; P. und — -Propheten u. Pr. 36 148 302.
Dogmatik 390; pol. Horizont d. Al-
P r ie s t e r s e g e n : Friede als Abschluß
tertums 285; Rousseaus pol. Ideen
des Pr. 527 540.
283.
P o ly th e is m u s : Monotheismus u. P.: P r in z ip : Logik der Prinzipien u. d.Mo-
über Gott u. Uuiversum 41; über notheismus 70(vgl.l23); d. ersten Ver-
das Sein Gottes 47 51; über Korre- nunft-Pr. auch Pr. der Glaubenslehre
lation zw. Gott u. Mensch als der 107 ; erste . Yernunftsätze ‫מו שכלו ת‬
zw. Religion u. Sittlichkeit 151; ‫ ר א שונו ת‬als. Pr. bei d. jüd. Philos.
über soz. Leiden 160 167; über d. d. Ma 96: d. Kontinuität ein Pr. der
LTnsterblichkeit 398; über d. Gebet Geschichte 207; Pr. der Entwicklung
492 (vgl. 439 !.)Entwicklung des Mono- 2 208 259; Seele als Pr. des Fort-
theismus aus dernP. 43115 400; Liebe lebens u. Pr. der Einheit d. Person
Gottes u. d. P. 59 168 185; Heilig- 290 f .; Pr. des Gesetzes in s. rela-
keit von Dingen im P. 111; Schuld, tiven Notwendigkeit 433: P 1*. der
Opfer, Reinigung im P. 199 (vgl. Isolierung Israels 303; d. Wahrheit
254): die Feste im P. 254: vorzeitl. in den Prinzipien d. Methodik 498;
Unschuld im P. 345: P. als Kultur- Pr. d. lebendigen Kraft bei Leibniz
wert u. Sünde 511 f.; keine Toleranz 69.
des Monotheismus gegenüber d. P. P r iv a tio n : Pr. (fxr!) als Zwischenbe-
60 139. gegenüber d. Kunst des P. griff zw. Bejahung u. Verneinung 71;
63; jüd. Nationalismus gegen den Pr. als unendl. Urteil 72; Yerbin-
P. 86; Schwerpunkt des P. im My- düng d. Negation mit d. P 1*. durch
thos 167; P. fragt kausal 357; ün- Maimonides 73; neuer Sinn d. Pr.
terschied zw. Religion u. P. 169; P. 75 f.; Ursprung des Endlichen in d.
im Übergang zur Rel. in Griechen- Negation d. Pr. 76.
land 199. — P. im Gottesnamen P r o b a b ilism u s: 500.
Elohim? 44. P rob lem : Religion als method. Pr.
P o s it iv : negative Attribute Gottes u. 2 14 ff.; Judentum das Pr. eines Be-
posit. Bestimmungen 71 ff.; neue Po- griffs 4; Pr. d. ‫״‬negat. Attribute“
sitivität in der Privation 73 76. als Grundproblem 70: Scheidung d.
P r a g m a tism u s: 20. P 1*. u. Einheitlichkeit d. Erkenntnis
P r a x is: Theorie u. Pr. 497; beide 78; das Gute im Pr. der Erkenntnis
verbunden im Judentum 29 35 412 473; P 1*. des Stils eines National-
414 437 ff.: Tugend,'Wissen u. Pr. geistes 44.
605

P ro fa n : Indifferenz zwischen heilig das Individuum 210 ff.; Religion u.


und pr. im Gesetz 409 f. (vgl. §55). Sittlichkeit 215; die sozialen J \ u‫־‬
P r o le ta r ia t: gelehrtes Pr. 523. Jecheskel 210—215 220; Arm eurecht
P ro m eth eu s: 275 292 (378). u. Gerechtigkeit 510; d. Mitmensch
P ro p h eten : 5; Prophetismus geisti- entsteht durch das Mitleid mit dem
ger Mittelpunkt des jüd. Schaffens Armen 167; die P. und der Sabbat
29; s. historische Eigenart 29; die 188ff.; Leiden eine Form der Pro-
Fropheten nicht Philosophen, aber phetie (Hiob ein P.) 267 f.; der P.
Politiker 26 vgl. 29 54 148 154 167 ein Symbol des Menschentums 268;
289 346 467; prophetische Lehre u. Menschheitsgedanke 281; Messianis-
Zeitgeschichte 186; Religion, Politik mus u. !Nationalbewußtsein 285 f.
und soziale Frage bei den P. 148 f. (vgl. 306 467); Untergang u. Wieder-
154 (vgl. 289 346); praktische Ethik her Stellung des jüd. Staates 298?
und internationale Politik bei den der P. Urheber des Geschichtsbegriffs
P. 346; Prophetismus, Wissenschaft 290 307 ff.; die messianischen Stel-
(Logik, Ethik) und Erkenntnis 105; len bei den P. 317—347; ‫״‬Tag d.
Prophe’tismus und Intellektualismus. Ewigen“ 288 f.; das Jenseits 291;
108; die Pr. keine theoretischen der Tod 156: Unsterblichkeit und
Ethiker 166; Geist des Deuteronis- Prophetie 368; P. u. Gottesknecht
mus in den P. 94 207; der Pr. der 337 f.; Prophetismus u. Gebet 438
Schöpfer der Religion 290; der Pro- (vgl. 454 463); Prophetie u. Psalm
phetismus nicht weltfremd und ab- 30 438 443; Prophetie und Poesie
strakt 314; historische Singularität 32; die Pr. als Dichter in der Be-
der Prophetie in Israel 303; der P. Schreibung des Weltfriedens 293:
keine Ausnahme vom Volk 409; Pr. Unterschiede im Stil der P. 203; —
und Priester 36 148 302; Richter Prophetenschulen 303; vgl. d ie e in -
und P. 507; Prophetismus u. sakrale xeln en P ro p h e te n , M e s s ia n is m u s f
Einrichtungen (Kultus) 31 f. 203 f. M o n o th eism u s.
205 ff.: Kampf der P. gegen das P r o te s ta n tis m u s ; Katholizismus u.
Opfer 200 — 208 221 250 491; Ver- P. über Glauben u. Werk 406; pro-
Wandlung des Opfers bei den P. des testantische Theologie 186.
Exils 205 ff.; der Geist der P. und P salm en : P. und Prophetie 30 438
der Geist Gottes 101 118; der P. 443; Jecheskel und die P. 250; Ein-
als Bote Gottes 302 f.: die P1‫־‬. u. heitlichkeit von Propheten, P. und
die Heiligkeit Gottes 114; Erkennt- synagogaler Poesie im Kampfe gegen
nis u. Liebe Gottes 104 f. (s. d ie s ) ; Götterbilder 64; Güte Gottes als
P. über die Güte Gottes 245; das Grundgedanke 111 190 244, 245
prophet. Bewußtsein und der Gott 346 f .; Liebe zu Gott Grundthema
der Wahrheit 486 487 (vgl. 499) 189; Hoffnung auf Sündenvergebung
Gott auch Schöpfer des Bösen 24; als Grundthema 247; Messianismus
die P. als Künstler (Dichterdenker) als Grundakkord 305 339; Gott u.
gegen Götterbilder (Plastik) 62 ff. der Fromme 388; Armut als Leiden
64 486; die P. u. die Toleranz 61; des Menschengeschlechts 157 305;
der Prophetismus u. die sozialen Ausdruck für d. Sehnsucht 175 249;
Unterschiede 154 ff. 157 160 ff. : das Gottesliebe u. Sehnsucht 189 190
soziale Mitgefühl der P. 172 305; 249 442 f.; scheinbarer Haß in den
die P. der sozialen Sittlichkeit und P. 033; die lyrische Stilform der P.
606

111 249 - 346 440 ff. 457 492; Lyrik der Völker) 51; — 97, 7 (Scham
der P. mir ohne Plastik möglich 67 der Götzendiener) 66 495; — 101,
495; das neue Lied der P. 347; P. 7 (Verbot ,der Lüge) 498 f. — 104
und Gebet 438 439 ff. 442 443 471 (Gott'"und' Naturschönheit) 54; —
(vgl. 463 493); das Ich der P. und 106, 2 (Heldentaten Gottes) 514;
die Gemeinde 457 f.; das Halleluja — 111, 8 (Wahrheit der Gebote
der P. 470. ‫״‬Gesang der Stufen“ Gottes) 4894.: — 115, 8 (Scham
483; babyl.-griech. Hymnus und der Götzendiener) 66 495: — 118,
monotheist. P. 30 250 439 ff.; Psal- 1: 247; — 119; 29 (Verbot der
menpoesie ist Heldenpoesie d. Frie- Lüge) 498 4: 119, 51 86 (Wahr-
dens 542; die P. u. die deutsche heit der Gebote Gottes) 489 4;
Lyrik 496; die P. in der Welt- 119, 142 (Gerechtigkeit Gottes)
literatur 471. 506: 119, 160 (Wahrheit d. gött-
Ps. 8 (Optimismus) 20; — 15, 2 liehen Wortes) 489; — 120, 2
(Wahrhaftigkeit; 490; — 16, 9 (Verbot der Lüge) ;498 4 : '— 130,
(Ehre u. Seele) 477: 16, 10 (Seele 4 (Güte Gottes) 245; — 136, 1
u. Scheol) 291 357 394: — 19, 2 , (messian. Güte Gottes) 346 4; —
(Ehre u. Seele) 477; 19, 9 (Wahr- 137. 5 (Treue der Dankbarkeit)
heit der Gebote Gottes) 489 f.; 521; — 139, 1' (Gott als Geist)
— 22, 4 (Heiligkeit Gottes) 114; 103: — 145, 9 (Güte Gottes) 245;
— 23, 1 (Gott als Hirt) 247; 23, 145, 18: 4 ,149 — ;492‫( ־‬die De-
4 (d. Tod als Friede) 543; — 24, mütigen) 505; 149, 5 (Ehre und
7 (Ehre u. Seele) 477; — 25, 8 Seele) 477; — 150, 6 (Messianis-
(Güte Gottes) 245: — 31, 19 (Ver- mus, Universalismus) 305 467.
bot d. Lüge) 498; — 33, 3 (d. P s y c h o lo g ie : fragt nach den Quellen
neue Lied) 347; — 34, 15 (suche des Bewußtseins für den Inhalt der
den Frieden) 528; — 35, 19 (Haß Wissenschaft 1: die Ethik von Kant
269 533; — 38, 20 (Haß) 533; nicht als P. erdacht 283; P. und
— 45, 5 (Verbot d. Lüge; Demut) Ethik 534; ps. Scheidung zwischen
498 f. 504; — 51 (Bußpsalm) 118; Wissen und Gefühl 462; der ps. Irr-
51, 7 (Gebrechlichkeit der Men- gedanke des Pessimismus 535; der
sehen) 248; 51. 8 (Verbot der Haß in d. P. 531 534; die Liebe zu
Lüge) 498 f .; 51, 12 (Sündhaftig- Gott als ps. Grundform der Religion
keit) 118 f. 121 450; 51, 19 (das 441; die Liebe des Fremdlings ps.
demütige Herz) 250 466 491 (vgl. Grundlage für die Liebe des Mit-
419): — 67, 3 - 6 (Messias) 324; menschen 148; Zweideutigkeit in d.
— 68, 32 f. (Messias) 324; — 69, ps. Bedeutung des Leidens 156ff.;
5 (Haß) 533, — 71, 9 (das Alter) die falsche P. vom Menschen als
445; — 73: 54; 73, 18 (Nähe einem Heiligen 130; Opfer als ps.
Gottes) 20 190 f. 249 369 380; —
Werkzeug 233; die Demut u. d. ps.
85, 11': 502 527; 85, 12 (Verbot Natur, d. Menschen 505; d. Prophet
der Lüge) 498 f.: — 86, 5 (Güte als Psychologe 167; das ps. Problem
und Sündenvergebung Gottes) 250;
d. ta-lmud. Hermeneutik 463.
86, 11 (Einigung des Herzens)
447; — 90, 4 (Sehnsucht) 185; P y g m a lio n : 185.
— 91, 1 (Israels höchstes Lebens- P y th a g o r a s: 297 351 (Platos Pytha-
glück) 512; — 96, 5 (die Götter goräismus).
607

Q u elle: Qu. wird Urquelle 10; die beinahe rationale Auflösung d. Fak-
Quellen des Judentums 3 27 ff. 40 43; tums d. Offenbarung i. Deut. 94;
lit. Quellen u. der Begriff der Reli- Maimonides als Klassiker des R. 72
gion 4; methodolög. Bedeutung 28; 73 391 415f 418; der ethische-R.
Doppelheit der relig; 1 Qu. 30 (vgl. des Maimonides 189 365 (vgl. 391)
133) ; Vernunft als Qu. der Religion , 456.
5 1 ; die bibl. Qu. u. d. Philosophie R aum : R. keine Schranke für d. Sein
11 49 123; Bibelexegese.als Quellen- Glottes 52, ; t R. (□‫ ) מ קו‬als Gottes«
gebiet d/Judentums 34; elohist. u. name 53.
jahvist. Qu. 45; bibl. Qu. und ihre R ea k tifo n :;das Mitleid keine R. 165;
mythischen Urelemente 70. Aktivität und R. 165.
Q u ietism u s: 243 530 531.
R e a lis ie r u n g : Idee und. R. 433 (vgl.
R a b b in isch : r. Sittenlehre 269; das 403).
r. Schrifttum u.. die Fortwirkung d. R e c h e n s c h a ftle g u n g : 106 107 472;
Vernunftanteils in d. Religion des R. und Verdienst 372f.
Monotheismus 79; die Rabbinen u. R e c h t: 279; R. und Logik 32: Ethik
die bibl. Ausdrücke 1 d. Affekte bei und Rechtswissenschaft 280; Ur-
Gott 189; r. Erklärung von Gen. I, sprung des R. von Gott 411; das R.
1: 75; Sünde n. Opfer nach r. Gesetz Grundlage d. menschl. Sittlichkeit
234; die r. Ausgestaltung des Ver- 386; Rechtsgleichheit u. Menschen-
söhnungstages 259; r. Änderung an begriff 387 (vgl. 144 169); d. seelische
den 13‫ ״‬Eigenschaften“ 261; das r. Moment im R. 180: die Schuld und
Schrifttum über Lohn u. Strafe in das R. 195; Schuld und ‫ ׳‬Strafe im
jenem Leben 367; die Rechtslehre Rechts verfahren 2281; Gerechtigkeit
der r. Literatur und der (Fremdling- als Rechtsprinzip 507; Gerechtigkeit
Beisäß 390; die r. Entwicklung u. und das Rechtsverfahren der Billig-
der Terminus d. ‫״‬Frommen d. Welt“ keit 509; Identität von Macht u. R.
3921; die r. Gesetzgebung und die im Selbsterhaltungstrieb 266: der
Ehe 522; R a b b in ism u s 135 257 Noachide, das R. und der Staat 142
261 303 f. 144; israelit. Fremdenrecht 145ff.;
B a ch e; (DpJ) R. poet. Ausdruck für Rechtsverfahren und Verbot d. Lüge
Strafe 369. 498; Rechtsgesetz und Rechtssystem
B a sch i: R. über d. Knecht d. Ewigen im ‫״‬Gesetz“ (Halacha) 32; R. und
307; zu Jes. 63, 11: 117; zu Ps. 119, Gericht in d. ‫״‬Satzungen u. Rechten“
160: 489; zu Sabbat 31a: 106. 90; Spuren innerer Reform in der
R a sse: jüd. Volksgeist und Rasse- Rechtsgesetzgebung 410: Erneuerung
einheit 36; Rassenbegriff des jüd. der Rechts- und Staatslehre in der
Volkes 341 344; Rassenbedeutung d. Renaissance 283; vgl. R e ch tsve rfa s-
Nation 425 427. s u n g , G esetz, S a tzu n g e n u n d R echte.
R a tio n a lism u s: R. und Idealismus R e c h tfe r tig u n g : sittliche R. d. In-
416 418; die Wahrhaftigkeit als dividuums im Gebet 444: die ver-
Kräftigung des R. 497 f . ; der R. u. mißte R. Israels im Laufe der Ge-
die Frage nach den Gründen der schichte 3351
Gesetze 416ff.; jüd.-philos. R. und R ech tsfo rm en : 230.
seine Bibel 192; Rationalisierung d. R e c h ts v e r fa s s u n g : R. des Staates
biblischen Schöpfungswortes 72 f.; 16. vgl. G e ric h tsv erfa ssu n g .
608

R ed ek u n st: R. anstelle des Dramas R e lig io n s g e s c h ic h t e : Religion u.


in der hebr. Poesie 44. R. 2 8 10; das Prinzip der religions-
R e fle x b e w e g u n g : Mitleid keine R. gesch. Entwicklung beim Gebet 438;
.2 1 163. religionsgesch. Betrachtungsweise d.
R e f le x io n : Klarheit und R. 115; d. Ihn Daud 414.
Mitleid keine R. auf das Selbst 165; R e lig io n s g e s e t z : vgl. G esetz.
Naivität und immanente R. in der R e lig io n s g e m e in s c h a f t : 447.
altbiblischen Geschichtsschreibung R e lig io n s p h ilo s o p h ie : die R. u.
272: R. der Wiederholung im das Gesetz 407; wann hat R. wis-
Deuteron. 8 4 ff.; reflektierender Stil senschaftl. Wahrhaftigkeit? 39; Vor-
i. cap. 53 des Deuterojesaja 332. urteil der Absolutheit bei d. christl.
R. 40; vgl. J ü d isc h e P h ilo so p h ie.
R eform : Modifikationen der inneren
R e lig io n s u n te r r ic h t : R. und all-
R. 410; R. und Kultus 423; R. und
gemeine Kultur 462.
die nationalen Elemente des Gesetzes R e li g io s it ä t : das Gesetz und die
423 f*.; R. des Gottesdienstes und
neue Lehre der sittl. R. 206 : die
das alte Gesetz 433: die religiöse
Wahrhaftigkeit der jüd. R. 493.
Tendenz der R. 433; die Reform-
R e n a issa n c e : 283 350.
teil den zen der hebr. Gebetssprache R est I s r a e ls : Idealisierung des
459—465.
Volkes im ‫״‬R. I.“ 305 f. 314ff.; der
R efo rm a tio n : 123; Kants Ethik u. ‫״‬Rest Jakobs“ bei Micha 319, bei
die Religiosität der R. 283. Zephania 324 f.; vorgebildet in der
R eg e n b o g en : 295 469 520. messian. Phantasie des Deuterojesaja
R e in h e it: R. u. Reinigung 262; R. 518.
gleich Unschuld (262 (‫ ;נקי‬R. als R eue: R. und Buße 238 f.; Bekennt-
Tugend 479; Selbsterkenntnis u. R. nis und R. 256.
237; R. symbcl. Ausdruck der Ver- R e v o lu tio n : die französ. R. 283.
söhnung 233; R. d. Sehnsucht nach R e z ip r o z itä t: R. in der Erkenntnis
Gott 249; die R. der Seele als Be- des Menschen von Gott 103.
dingung der Wahrhaftigkeit 451; R h o d e, Erwin: 348.
R. als Aufgabe der Ethik 15; R. in R ich ter : 101; 303; R. und Prophet
der Erzeugung als Kennzeichen der 507; Gott als R. 137. vgl. Sem m el,
Vernunft 40; der reine Wille als W e lte n ric h te r.
R. des Affekts 165. R ic h tig k e it: Wahrheit und R. 484.
R e in ig u n g : Reinheit u. R. 262; die R itu a l: Sittengesetz u. R. 257 399
R. ‫״‬vor Gott“ am Versöhnungstage 404 f. 407 409 410 ff 414 ff.;' R. und
233 254 263; R. als Tugend in der Messianismus 304; Jecheskel u. das
Mischna 479; Schuld, Opfer u. R. R. des Pentateuch 328; das private
im Polytheismus 199 f. — R ein - R. und die* Werke der Kirche 304;
w erden: die Versöhnung als das idealer Charakter des R. als System
R. des ÜtUnschen 261. von Symbolen 403: das religiöse R.
R e la t io n s b e g r if f : Substanzbegriff und der Fremdling 140; R itu a l-
Voraussetzung der R. bei Kant 69. g e s e tz g e b u n g : 402; R. u. Sitten-
R e la tiv : absolute u. relative Not- ge setz bei Paulus 404 f. vgl. Z ere -
Wendigkeit 428; die Mehrheit als r. m o n ia lg e se tz.
Gemeinschaft 476 500: r. Mehrheiten R öm er: R. und röm. Charakter 161 f.
unter d. Menschheit 2v9. R o u ssea u : 293; Kants Ethik u. der
609

sozialpolit. Geist R.s. 283 f.; R. u. Symbol des S. und. d. Symbol des
Herder 284. Gesetzes 405.
R uhe: Sein der R. (Gott) als Urgrund S alom o ib n G ab irol: als religr
der Bewegung 53. Dichter u. Philosoph 30; sein Ringen
R ührung: 363; R. als Zeugnis des mit dem Pantheismus 125 415.
Seelenfriedens 536ff.; Träne u. R. S a m u e l: S. als Personifikation der
536: Mitfreude und Mitleid in der Theokratie und die Gerechtigkeit
R. 538. (1. S. 12,3) 507; 1. Sam. 2,2 (Hei-
ligkeit und Einheit Gottes) 114;
S a a dj a : unterscheidet Vernun ftgrund- 1. Sam. 12, 24 (Wahrhaftigkeit des•
sätze und Vorschriften des Gehör- Herzens) 492; 1. Sam. 15, 29 (Gott
sams 415; S. über Nationalität und kein Mensch) 300 495; 1. Sam. 21,.
Religion 428; S. u. die Frage nach 12—14 (Leichnam der Erhängten)
der Ewigkeit der Thora 431; der 509.
Titel seines Buches (Glauben und
S a n c tu s: 113 466 f.
Wissen) 497.
S a a ls c h ü tz : 176. S a tir e : 250 350 (Plato u. das Pro-
S a b b a t: der S. als Inbegriff aller blem der S. in den Mythen v. Hades).
Gebote 508; als soziales Grundgesetz S a tu r n a lie n : 162.
181—184 305 432 508 (vgl. 520 540); ‫״‬S a tz u n g e n und R e c h te “ (0 ‫חקי‬
Inbegriff der Liebe Gottes 183; der 28 (‫ ו מ שפ טי ם‬f. 31 114 144 177 285
S. Ausdruck für d. Sittlichkeit 183f.; 400 414; ihr sittl. Charakter 32 38;
als Gipfel relig. Innigkeit 184; als ihr Inhalt und Charakter 90 ff.; das
Schutzpatron des jüd. Volkstums 184; Heilige wird durch die S. zum Sitt-
als intimster Vertreter des Gesetzes liehen 123; S. u. R. anstelle des
184; Prinzip der Gerechtigkeit u.S.508; Opfers 203 387; Unterschied der bei-
S. als Stiftung d. sozialen Menschen- den Begriffe bei Maimonides 400
freude 140; S. als Symbol der all- 414 415 ff. 419; das ‫״‬Brot meiner
gern. Menschenrechte 183 401; — Satzrag“ (452 (‫ ל ה ם חקי‬f. (vgl. Ge-
babylon. u. monotheist. Bedeutung richtsverfassung 142 ‫ ;)דינים‬vgl.
des S. 182; die beiden Begründun- D e u te ro n o m iu m , R e ch t , Z eu g n isse.
gen d. S.‫־‬Gesetzes (in Ex. u. Deut.) S a u l: 101.
182 f. 401; der S. als Vollendung Scham : Sch Symptom der Wahr-
der Schöpfung 182 401 508; S. bei haftigkeit 495; Sch. der Götzen-
Maimonides 419; S. im modernen dien er als Ziel bei Jesaja, d. Psalm
Judentum 423 432; Seelenfriede u. d. synagog. Poesie 64 66 495.
jüd. Sabbatfreude 541; — S ab b at- S c h a tz : das Verdienst der Väter als
j a h r (Levit. 25, 1— 6) 178 401. Schatz der Nachkommen 376; vgl.
S a c h a r ja : S. u. d. Messianismus T h esa u ru s m e r ito ru rn .
(2,15; 8,16 22 23; 9,9 10; 14,9) S ch au en : Sch. (‫ )חו ה‬und Idee 308.
338 f. 408 467; der Name Gottes S c h a u fä d e n : ihr Symbol. Charakter
338 408 467; Verbot der Lüge (7,9) 403 405.
498; Friede und Treue (8,19) 526. S e h e c h in a : Wurzel und Bedeutung
S a ch e: S. und Subjekt (Sittlichkeit von Sch. als Gottesname 53.
u. Gott) 245. S ch eg a g a : ^(‫ )שגגד׳‬Sünde als Sch.
S a c h s, Michael: 64. 147 234 f. 380 397; Sch. und Ver-
S a k ra m en t: S. und Ritual 304; d. geoung 255 ff.; Sch. u Gerechtigkeit
39
610

510: Sch. Grenze des menschl. Irr- das Entstehungsrätsel geistigerSchöp-


tums 262. fungen 42.
S ch ein : die Welt ist Sch. 48. S c h ö n e , das: Gott und das Sch. im
S eh e m ono E s re: s. Achtxehngebet. Menschen 188.
S c h ic k s a l: 156 200 260 288; Mensch S ch ofar: 469 f.
u. Sch. 327; mytholog. Ergebung in S c h o fa r o t: 467 ff. vgl. W ?IterlÖsung.
das Sch. 223; Gott kein Schicksals- S c h o la s tik : 241 288.
begriff 26 223. S ch o p e n h a u e r: Sch. über das Mit-
S c h ille r : ‫״‬Das Leben ist der Güter leid 20 163 f.; ‫״‬operari sequitur esse“
höchstes nicht“ 483. 241.
S c h le c h t ig k e it : eigne und des an- S c h r e ib e r : (□80 (‫ ;סופ רי‬Esra der
dern Schl. 26. vgl. Ohite, B öse. Sehr. 303.
Schm a: ‫״‬Höre Israel“ als Einheits- S c h r if t g e le h r t e : 31 33.
begriff des Judentums 36 f.; als Lo- S c h u lc h a n A ruch: 411.
sung des einzigen Gottes 465 493; S ch u ld : Leben u. Sch. 26; Leiden u.
als messian. Lesung 467; ‫״‬unser Gott“ Sch. 173 310 ff.; in Mythos u. Tra-
im Sch. 90; Sch. im Mussafgebet gödie 159 197ff.;‫ ׳‬Leiden. Sch. u.
des Neujahrs 468. Individuum 161; Sch. u. Entdeckung
Schm erz: das Leiden als Sch. 158. des Mitmenschen 160 212; Armut u.
S ch öp fu n g: D ie Sch. 68—81; die Sch. 166; Sch. in Ethik u. Religion
mytholog. Sch. u. ihre Überwindung 195 ff.; Bibel u. Sch. 197; Sch. als
7 4 ff.: Gott als Schöpfer; 74 75 76 Erbteil des menschl. Daseins 199;
77 172 544: Sch. Konsequenz der Sch. u. Mehrheit 161 210 212 f.;
Einzigkeit Gottes 74 76; Sch. als Sch. der Eltern u. Strafe der Kinder
Urattribut Gottes 77 (vgl. 75); 222—326 305; Sch. u. Strafe im
Schöpfungsbegriff und Ethik 77 ff.; Rechtsverfahren 228 f. 264; Sch. als
Sch. u. Vernunft 73 ff.; Sch. als Durchgang zur Wiedergewinnung der
esoter. u. exoter. Lehre 78 f.; Sch. Unschuld 262 ; Messias nicht Stell-
ständige Erneuerung der Welt 80 Vertreter der Sch., sondern d. Leidens
358; Sch. und Offenbvrung 82 84 310 ff. (vgl. 336 f.) — Sch. u. Strafe
251; Sch. als Ausdruck der Korre- im Polytheismus 199 f. 345, vgl.
lation von Gott und Mensch 103 175; S tr a fe ‫ ר‬S ü n de.
D ieS ch .d e sM e n s ch e n in d e r V e r - S c h u ld n e r : die Gesetzgebung über
njunft 9 9 1 0 8 ‫ ; ־‬Sch. des Menschen den Sch. *179 f.
als Ausdruck der Liebe Gottes 172; S c h u le : Sch. und Synagoge 454.
Sch. als göttliche Vorsehung 175 S e e le : Leib u. Seele 22 352 ff. 361
310; Gottes Sch. des Menschen und 393 f. 444; S. u. Sünde (‫״‬die Seele
die Menschenliebe 138; Gleichheit sündigt“ : Jech.) 23 223 491 f. (vgl.
der Menschen im selben Schöpfer 305 395 527); S .u, Geist 103 356 ff.
begründet 181; Sch. des Menschen 367 394: S. u. Denken 366 f. 371;
nach den Berichten d. Gen. 99 f . ; S. u. Herz 223 ; S. als Lebensprinzip
Rationalisierung d. bibl. Schöpfungs- u .. eth. Begriff (bei Plato) 351 ff.
Worts b. Maim. und i, Talmud 72 f. 357 393; S. als Ausdruck für d.
(vgl. 78 f.); Sabbat als : Vollendung Individuum 223 247 249 270; Leiden
der Sch. 182 508; S$$u und Un- der S. 158; Gott als Eigner der S.
Sterblichkeit 397; Schöpfer-Begriff 224 358 395 f. (vgl. 457); S. als
. im ältesten Gottesnamen 45 f. — I Prinzip des Fortlebens 290 f. 488;
611

S. und Unsterblichkeit 348 ff. 393 ff. S e in : S. als eigene Grundlegung 77;
396 398; S. u. Erlöser 493; S., Ver- Monotheismus u. Seinsproblem 46;
söhnung, Wahrheit 491 f.; Seelisches S. und Dasein 51 f. 430; Gott als
u. Materielles i. Organischen 535; das einzige Sein 48 ff. 50 51 70
Eriede als Grundkraft der S. 536; 430; das S. Gottes und der Gottes-
I n d iv id u a ls e e le u. allgem. Men- name 46; und die Schechina 53;
schenseele 305; I.u. Menschheitsidee Raum u. Zeit keine Schranken f. d.
339; L u. Volksseele 354; unendl. S. Gottes 52 f .; Handlung u. S.
Entwicklung der I. 36 t 370 380 Gottes 109; göttl. Sein u. zeitl.
383 394 397 413; der messian. Be- Werden 53 68 ff. 74 ff.; die Substanz
griff der 1. u. d. Unsterblichkeit des S. für d. Bewegung 69 74; S.
362 369 397; S. im Messianismus Gottes u. Schöpfung 74 75; sinnl.
und Pantheismus 380; Seelenbegriff Dasein u. relig. S. 271; S. u. Wer-
u. Menschenbegriff 389; S. im Deut. den im Mythos 287; S., Einheit, Gott
4 ,1 5 : 85; S. als Vernunft (b. Plato) bei den Eleaten 46 f.; S. der Zukunft
394; Platos Seelenbegriff u. die Un- u. der Gott der Geschichte 294;
Sterblichkeit 348 ff. 393; S. im My- Wahrheit als einziges S. 488 489.
thos 291 348 358; das seel. Moment S e lb s t : 165 241 270 439: das S. in
im Recht 180: Ehre als Synonym Pantheismus u. Religion 266; d. S.
für S. 477 499; lyr. Liebe u. Gottes- als religiöser Gegenstand d. Sorge
liebe als Erlebnis der S. 249 440 ff. 446 478: das S. und die Anerken-
457 f . ; ‫״‬S. wie Staub“ 505; Rein- nung d. Leidens als gerechter Strafe
heit der S. 4 501; Harmonie der 267 ff.; die Erlösung als Weg zum
S e e le n k r ä fte als Tugend 526: S. 275; die relativen Tugenden und
Staat u. S. in der griech. Philosophie das S. 513; vgl. Ich, I n d iv id u u m .
280. vgl. H er:,, U n sterblichkeit'. S e lb s ta c h tu n g : Bescheidenheit und
S e e l e n f r i e d e s. F ried e. S. 502.
S e e le n g e d ä c h t n is : Sinn des S. 543. S e lb s t ä n d ig k e it : S. der Religion
S e e le n W a n d eru n g : S. als Seelen- als Religion d. Vernunft 14 (s. E i -
dauer der Individuen i. d. Geschichte g e n a rt); die methodische S. der Ethik
des Volkes 355. 278 ff. (s. E th ik ): die S. der Willens-
S e g e n s s p r u c h : allgem. Anweisung arbeit i. d. Buße 237.
für den S. 529; die S. und die Treue S e lb s ta n b e tu n g : S. und Martyrium
der Dankbarkeit 524; S. über die 377. — S e lb sta n n äher 11 ng
Thora 487 1; S. beim Anblick eines (369 :(‫( התקרבות‬vg1. 191); s. als
Weisen 393. höchster Lohn des Individuums 380 (s.
Seh er: der Prophet als S. 308. N ä h e). — S el b s t b e f r e i un g : die Be-
S e h n su c h t: S. als Prinzip der Ent- freiung vom Schuldbewußtsein als S.
Wicklung 370; S. des Gebets als 234 (s. S e lb stb e w v ß ise in ). — S e lb s t-
Hoffnung auf d. Erlöser 443 493; b e h e r r sc h u n g : Tapferkeit als S.
S. nach der Gottesnähe 190 249 526. — S e lb s t b e s tr a fu n g : S. des
442; S. und Sündenvergebung 249; Sünders im Bekenntnis der Sünde 229.
S. bei Jeremia u. in d. Psalmen 175 —‫ ־‬S e lb stb e w e g u n g : die Seele das
249; S. und Gottesliebe d. Psalmen Prinzip der S. 349. — S e lb stb e -
189 4421 493 ; Wahrhaftigkeit in der w u ß tsein : 443 447 505: die Sta-
S. 193; S. u. Lyrik 189 190 249 dien des sittlichen S. 502: S. und
442 492. physisches Leiden 19: kritisches S.
39 ‫י‬
612

und das geschriebene Gesetz 33; S. 478 f . — S e lb stp r ü fu n g : 448 525,


und Sünde 268; Reue und S. 238; — S e lb s t r e in ig u n g s. R e in ig u n g
S. und Dankbarkeit 520 525; Schwie- — S e lb s ts u c h t: S. im Martyrium
rigkeit für das S. der Propheten 268; 877; S. wird Pflicht 446.— S e lb s t ‫־‬
vgl. S elbstb efreiu n g. t ä tig k e it: sittliches, des Menschen
S e lb s t c h a r a k te r is t ik : die altbibli- ■u. der Priester 283. — S e lb s t -
sehe Geschichtsschreibung als S. V e r a n tw o r tlic h k e it 270. —
272: S. Israels 273 (s. B ile a m ). — S e lb s t v e r u r t e ilu n g 229.
S elb st en tw ick lu n g : S. als einziger S elb stvervollkom m nu ngS .h öch stes‫־‬
Sinn der Unsterblichkeit 369. — Prinzip b. Maimon. 369 371; die
S e lb s t e r h a lt u n g s t r ie b : das Prinzip Gottheit Urbild der S. 368 482 529;
des S. in der pantheistischen Moral S. und Strafvergeltung 367 380; die
266f. — S e lb ste r k e n n tn is: tief- Gottheit Urbild der S. 368 482 529';:
ster Grund der Religion in d. S. 23; S. und StrafVergeltung 367 380; S.
S. der Sünde und die Erzeugung d. und Seelenfriede 529.
Ich 23—26 234 f. 237; die S. der S elb stv erw a n d lu n g :4 9 6 . — S e lb s t-
Bescheidenheit 502. — S e lb s t e r - z u c h t 271. — S e lb s tz w e c k 270;.
lö s u n g 397. — S e lb s te r n e u e - die Sehnsucht als S. 442.
rung 356. — S e lb ste r z eu gu n g 5. S e id e n , Joh.: 143.
S e lb s t e r z ie h u n g : Sittlichkeit In- S e lig k e it : 250 389.
halt der S. des Menschen 127; S. S e r u b a b e l: 339.
des Menschen zur Dankbarkeit 524. S h a k esp ea re: 35.
— S e lb s t e x is t e n z 22. — S e lb s t- S ic h r o n o t: 467 469, vgl. W eltgerich te
g e fü h l: irdisches S. 268; S. der S ifra : S. zu 3 M. 11,44: 120.
selbständigen Arbeit 238; Gefahren S ifre: S. zu Nizabim (R. Tarphon)
des S. 505. — S e lb s t g e n u g s a m - 367.
k e it : im Gottesnamen El schadday S im son : 101.
45 f. 73. — S e lb s t g e r e c h t ig k e it • S in a i: s. O ffen baru n g.
23 270; die jüd. Frömmigkeit keine S in g u la r : S. u. Plural in Gen. 1, 26
S. 264 373; ‫״‬Verdienst der Väter“ 27: 99: S. des Verbs nach Elohim
als Schutz gegen S. 373 376 — 44 1
S e lb s t g e s e t z lic h k e it 24. S in g u la r it ä t : S. Israels eine For-
S e lb s t h e ilig u n g : S. des Menschen derung des Monotheismus 134 298;
120 f. 240 263 518; Heiligung und S. der Prophetie in Israel 303. vgl,
S. 128 241 518; S. • und Ideal der Iso lie ru n g .
Heiligkeit 129; Gott als Ziel der Sinn: S. Gottes und S. des Menschen
S. 242 ff. 272; Buße ist S. 241; un- 252; S. der Menschheit 22; S. des‫־‬
endlicher Abschluß der S. in der Lebens 260 271 287 542.
Vergebung d. Gott 243 ff. 397; S. S in n lic h k e it: S. Gegensatz zur Ver‫־‬
und Ich-Individuum 251 258 ; Aner- nunft 6; Zugkräfte der S. 7: sinnl.
kennung d. Leidens und S. 267 276 Dasein u. religiöses Sein 271; Hei-
S. und ‫״‬Verdienst der Väter“ 374 f; ligkeit u. S. 112 116 299; s. Liebe
S. als Inbegriff aller relig. Sittlich- u. Gottesliebe 185 249 440. Über-S.
keit 518. d. wissenschaftl. Idealismus (Plato)
S e lb s t lä u t e r u n g : 238 263 359 373 und die messian. Über‫־‬S. d. Zukunft
397 542 — S e lb s t lie b e : S. als 342 ff.; Kampf gegen die S. im Pia‫־‬
Sorge um die Versöhnung mit G. tonismus u. Monotheismus 515.
613

S in t f lu t 135 ff. 469 500. Offenbarung und S. 82 f.; s. Hand-


S ir a c h : das ‫״‬Reich des Himmels“ 364. lung als Erweis d. Menschen 125
S it t e n g e s e t z : S. als Gesetz der (vgl. 20); der Mensch als s. Einheit
sittl. Vernunft 257 382; S. u. Ritu- 228; die s. Vernunft d. Menschen u.
al 257 399 404f. 407 409 410ff.; die Allmacht Gottes 481 f.; Korre-
Gesetz u. S. (Paulus) 404 f. (vgl. lation zw. Gott u. Mensch als die
399 407); — S. in der Ethik und zw. Religion 11. Sittlichkeit 151;
Religion 382 498; S., Autonomie u. Religion und S. 28 (Selbsterkennt‫־‬
Sünde 219; das S. und die übrigen nis d. Sünde) 37 ff. 133 (u. der Mit-
Kulturaufgaben 408 ff. 410. mensch, vgl. 165 f.) 142 153 f. 215
S it t e n le h r e : Religion u. S. 27 38 290 389 437 ff. u. 450 (im Gebot des
127; u. Pantheismus 38; talmud. u. Gebetes), 470 (Gebet), 481 (u. die
philos. Definition d. heil. Geistes als Tugendlehre); nur die Vernunft-
Wahrzeichen der reinen S. 126; religion ist s. Religion 107; Sittlich-
Sabbat als Quintessenz d. jüd. S. keit d. Soziologie, Ethik, Religion
181; S. u. d. Ursprung der Sünde 115; Verwirklichung des S. Eigenart
213; rabbin. S. 269; Bücher der S. der Religion 279; Selbstheiligung
in der jüd. Lit. 35. als Inbegriff aller religiösen S. 518;
S it t lic h : d. Vernunft vorzugsweise s.‫־‬menschl. Differenz von gut u.
Erkenntnis der S. 83 101; die Sitt- schlecht 150 f .; das Urteil über gut
lichkeit als besonderes Problem 164; u. schlecht u.die persönliche menschl.
Subjekt u. Objekt der Sittlichkeit S. 3S4ff.; soziale und s. Unter-
377; Sittlichkeit u. Wirklichkeit 24f; .schiede 152ff.: S. des Monotheismus
Ideal und Sittlichkeit 188; s. Ab- i. Sabbatgesetz 183 f.; der sozial-s.
straktion u. Aktualität 228 f.; Tele- Sinn d. Vergeltung 369; Studium d.
ologie der S. entsteht aus d. Kau- Lehre als Fundament der sozialen
salität d. Hatur 54 (vgl. 252); Ur- S. 412; neuer Begriff der S. 208;
Sprung der s. Vernunft in Gott 83; S. des Ich und soziale S. 210 222;
Liebe zur S. ist Liebe zu Gott 192; das Gesetz u. die neue Lehre der s.
Gott und S. (Subjekt u. Sache) 245 Religiosität 206 (vgl. 435); das Reich
(vgl. 296); Urbild der S. in Gott d. Gesetze als Reich der S. 407 f.
189 f. 259 313 405 417 476 480 482 410 (vgl. 399 405); Opfer u. sitt-
490 528; Gott als Bürge f. d. S. auf liehe Handlung (bei Jech.) 224 (vgl.
Eiden 279 470; Erkenntnis Gottes 113 409); sittliche u. rituelle Ge-
als s. Erkenntnis 381; Einheit Got- bote 257 410 ff. 414 ff.; das s. Wesen
tes, Einheit der S., Einheit d. Men- des Leidens 312; das s. Individuum
sehen 151 f. (vgl. 299); S. nur für Gegenstand d. Unsterblichkeit 319;
d. Menschen ein Problem 127 ;'Wesen Anteil am ewigen Leben als Aus-
der S. in der Korrelation von Gott druck der s. Würde 385; Recht und
u. Mensch 114; die Heiligkeit als S. 386; s. Charakter d. ‫״‬Satzungen
Sittlichkeit i. d. Ivorrel. von Gott u. Rechte“ 28 32; Staat u. reine S.
u. Mensch 111 123 127 ff. 244 299 379; Theokratie ist Einheit von Staat
355 409 467; Güte und Heiligkeit und S. 143; Wert des geschichtl.
Gottes sichert S. des Menschen als Lebens i. d. sittlichen Ideen 311;
des Ich 251 f.; Heiligkeit, Geistig- S. und Politik 498; S. und üniver-
keit u. S. 114 467; Begrenzung des sum 380; die s. Motive des Ahnen-
heil. Geistes auf die S. 123 126; begriffs 370; s. Sicherung des In-
614

dividuums im Gebet 444 448; Tugend S o z ia l: das Problem der s. Ungleich-


und S. 472 475 f. 481; Harmonisie‫־‬ heit 149; und die Einheit Gottes
rung der gesamten S. im Frieden 152 ff.; s. Kräfte u. die Religion 8;
527; s. Kritik in d. Paradiessage s. Auffassung des Verhältnisses von
292; — S. des griech. Volksgeistes Mensch zu Mensch 157; Frage nach
in d. ungeschriebenen Gesetzen 96; der Korrespondenz d. s. u. sittlichen
S. und Humanität i. d. Stoa 161 f .; Unterschiede 153 ff. 156; d. Prophe-
vgl. G ott, In d iv id u u m , M ensch, So- tismus u. die sozialen Unterschiede
xialy Tugend. 149 154 ff. 172 285 337 f. (Joel) 445;
S k e p tiz ism u s: 243 258 494 498; s. Gerechtigkeit Gottes (Jesaia) 128
Agnostizismus u. Sk. 70; Forderung 215 245; s. Leiden (der Armen) 27
der Gottesfurcht gegenüber aller Sk. 157 f. 511 (s. A rm u t); als geistiges
(Maleachi) 339. Leiden 158; phys. u. soz. Leiden
S klave: (‫ ) ע ב ד‬kein besonderes Wort 156—159; Individuum u. s. Sittlich-
für Sk. im Hebr. 307; Gerechtigkeit keit 210; die s. Sünde 211 f. 214
u. Sk.-Gesetzgebung 508; Menschen- 217 ff.; d. Mitleid u. der s. Gedanke
liebe in der jüd. Sk.-Gesetzgebung 163; Gottesdienst u s. Mitleid 172
180 f. 520; der Sk. kein mancipium 204 207 j s. Gesetzgebung 508 523
181; d. Sk. u. Fremdling 145 (vgl. (Agrargesetz 176-179; Schuldner-
139); die ägypt. Sklaverei als Wiege u. Arbeitergesetz) 179 ff.; Armeng.e-
des jüd. Volkes 508; der Sabbat u. setzgebung 305; Sabbat als s. Grund-
die Aufhebung der Sk. 540; — gesetz 181—184 305; Opfer als s.
Sklavendienst als Begriffswort f.. d. Institut der Gemeinde 234; die s.
Verehrung Gottes 59 180; Messias Gebote im 3. B. M. 244; s. Bedeu-
als ‫״‬Sk. des Ewigen“ 59 180 307. tung des Messias 307; Messianis-
vgl. A r b e it (‫) עבו ד ה‬. mus 11. eth. Sozialismus 365 (bei
Sodom : 137; Abraham u. S. 222 466 Maimonides 371); der soz. Gesichts-
509. punkt in der Schöpfung der Ge-
Sohn: S. Gottes 263. vgl. C h ristu s, schichte 310; s. Pflichten in der
M enschensohn. Mischna 413; Studium der Lehre
S o k r a te s: S. u. das Problem der Ar- als Fundament d. s. Sittlichkeit 412;
mut 166; S. Anbahner der reinen sozialisierende Macht des Gebets 459;
Ethik 166 218 472; S. u. d. Dai- die Armen soziales Urbild der De-
monion 218; S. u. der Begriff 472: mutigen 504f.; Gerechtigkeit Schwer-
Tugend bei S. u. Plato 234 (vgl. 166) punkt s. Ethik 507 523; Versöhnung
472 f. 474 ff.; . und die Freiheit des als Losung der s. Freiheit 508; d.
Willens 473; S. u. die Propheten Gedenken u. die s. Tugend der
515; S. nnd Jecheskel 23; S.’ Mar- Fremdenliebe 520; s. Ideal, polit.
tyrium 517. Wirklichkeit u. d. Almosen 523;
S o l 0 1 1 : als Prophet 29; S. und das vgl. L eidy S abbat.
Problem der Armut 166; 98. S o z ia lp o lit ik : Religion u. S. im
S o n n en a n b eter : 5. Judentum 29; S. und Gesetz 401;
S o p h istik : 71 96 350 473 f. 498 528. S. und nationale Geschichte 386;
Sorge: S. und Gebet 445 ff. Nächstenliebe u. S. 478; — S. Ein-
S o u v e r ä n itä t: die S. Gottes 152; richtungen in den ‫״‬Satzungen und
Kampf gegen die S. der Sinnlichkeit Rechten“ 90; die Propheten als
515. Sozialpolitiker 154 289 316.
615

S o z io lo g ie : Sittlichkeit der S., Ethik, Lohn (I, 5): 379 381; die zwei
Religion 115; Nebenmensch und S. Tafeln (6, 2): 90: 264 (Aboth II);
133; Sünde u. Individuum vom so- 384 f.; 397 515; 535 f l 12); v g l/
ziologischen Standpunkt 211 215. M iseh n a .
S p e is e g e s e tz e : 32 402; vgl. Z ere - S ta a t: St. als Vermittler zw. d. empir.
m o n ieen . Individuum u. d. Menschen als Träger
S p e k u la tio n : rel. Praxis u. philos. der Idee der Menschheit 16 210 279;
Sp. im Judentum 35; spekulatives St. als höchste menschliche Idealität
Urverhältnis von Gott zu den Göt- 428; St. u. Sittlichkeit 143 379: St.
tern u. der Natur 43. u. Monotheismus 230; St. u. Kirche
S p in o za : S. über das Mitleid 20 163; 231; St. u. Gemeinde 231 234 457;
S, u. das soziale Leid 163; S. über St. u. d. Noachide 144: u. d. Fremd-
die Liebe bei Gott 168; deus sive ling-Beisaß 141 390 ff.: St. der
natura 52; praemium virtutis virtus Propheten 26; Jecheskel, s. Nach-
379; S.’s Polemik gegen Maimon. folger u. d. St. 230; Religion u. St.
im Begriff des Fremdling-Beisaß in d. israelit. Theokratie 148 401;
391 ff.; S.’s Mißverhältnis zum Mo- der jüd. S ta a t als Vorbereitung d.
notheismus 412; S. als Quelle eines Idee d. Messianismus 295 ff.; Polis
fundament. Mißverständnisses d. jüd. u. Weltstaat 295; Staatenlosigkeit
Religion 391; S. und die Stoa 163; Israels 174; kein St. und doch Volk
S. und Schopenhauer über Willensfrei- 297 457; als Symbol f. d. Einheit
heit 164. der Staatenbund-Menschheit 299;
S p ir itu a lis m u s : 19 475 476. die Propheten, d. Untergang u. d.
S p rach e: S. Ausdruck der Vernunft Wiederherstellung des .jüd. St. 298
438 459; Gebet die Sprache der 306 314 ff. (vgl. 415); prakt. An-
Religion 438 459; Gebet als Sprach- Wendung d. Geisteswissenschaften in
form des Gottvertrauens 439; als Recht u. St. 343; Handlung, Lohn
S. der Gemeinde 459 462; die hebr. u. St. 379; Nation, St. u. d. Ent-
Gebetssprache u. die Kultursprachen stehung d. Zionismus 425 ff.; moder-
459—465; S. des Judentums i. ner Kulturst. u. jüd. Glaub ensge-
Christentum als Übersetzung 460 f.; meinde425; jüd. Religion, jüd. Staat,
Gebetssprache ist Gefühlssprache jüd. Nation 425; St. u. Imperialis-
462; Gebetsspr. 11. relig. Eigenge- mus 426; St. u. Staatenbund in d.
gefühl 464. Gegenwart 426 (vgl. 16); Nationali-
S p rach form : innere Spracht*. 465. tat, Nation u. St. 427; staatl.-nat.
S p r ich w o rt: S. von d. Schuld der Gesichtspunkt u. hebr. Gebetssprache
Väter u. d. Strafe d. Kinder 224 ff. 459 461; Staat u. Seele in d. griech.
S p r u c h d ic h tu n g : 30. Philosophie 280; Platos Staatslehre
S prüche S a lo m o n is: Spr. 6, 23: u. Tugendlehre 475; Erneuerung d.
489; Spr. 14, 31: 181; Spr. 16, 32: Staatslehre aus d. Renaissance 283;
514; Spr. 30, 8: 452. — Wahrhaftig- vgl Volk, P o litik , R ech t , V o lk stu m .
keit (Spr. 12, 19: 12, 22: 23, 23)
S t aa t enbun d : St. als Ideal d. Staates
499; Demut (Spr. 15, 33; 18, 12)
16 426; St., Individuum u Mensch-
504; Gerechtigkeit (Spr. 10, 25) 507;
heit 17 210; Staat d. Propheten u.
Hymnus auf das Weib als Abschluß
d. St. 26: vgl. S ta a t.
der Spr. 515 522.
Sprüche der V äter: 34; Pflicht u. S t a a t e n lo s ig k e it : s. S ta a t.
616

S ta a ts b ü r g e r : der Israelit als St. Charakter d. Stoa 475; Kampf geg.


134 d. Sinnlichkeit in d. St. 515.
S ta a t s g e s e t z : s. Gesetz,. S tr a fe : Lohn u. S. 155 299 im Jen-
S ta a ts r e c h t: das St. u. d. Begriff seits 366 ff.; Vergeltung, S. u. Lohn
d. Fremdlings 140. 378 ff.; Schuld d. Eltern u. S. d.
S ta d tg e m e in d e : St. und Gemeinde Kinder 2 2 2 -2 2 6 305 510 f.; Buße
231. u. S. 228 f.; S. d. göttl. Gerichts
S ta m m g e b e te : s. Gebet. 261; S. als Schlußstein d. Buße f.
S tau b : St. des Ursprungs u. Menschen- d. Menschen 264 ff. 378; Leiden als
endes 505. gerechte S. anerkannt 266 f. 333 511
S te h e n : das St. vor Gott 258 f. (vgl. 310); Sünde u. S. nicht alsUr-
S t e llv e r t r e te r : die Armen als St. sache u. Wirkung zu denken 268;
d. Menschenleids 312: der Messias Weltuntergang als S. f. d. Dasein d.
St. des Leidens, nicht d. Schuld 310 ff. Welt 287; d. Gott d. S. zugleich
372 510; das messian. Volk St. d. Gott d. Vergebung 299 345; S., Er-
Menschenleids 315; der Thesaurus ziehung, Entwicklung 366; keine
meritorum u. d. Erlösung durch Hullenstrafen in d. jüd. Vergeltung
einen St. 378; vgl. K n ech t. 367 385 542 f.; die Geißelstrafe 508
S t e llv e r t r e tu n g : Autonomie u. St. 509. vgl. B ach e, S ch u ld, Sü n de.
310; Begriff d. St. u. messian. Ge S tr a f ge r e c h t ig k e it s . G erech tigkeit.
schichtsbegriff 311 ff.; St. der Schuld S tr a fg e r ic h t : Str. Gottes 288.
u. St. d. Leidens 310 510 f. — Er- S tr a fp flic h t: Str. u. Familie 509.
wählung Israels zu s t e 11v e r t r e t en- S tr a fr e c h t: 195 508.
dem Leiden 511; st. Leiden im S tr a fr e fo r m : Gottesknecht als Sym-
leidenden Subjekt 173; und d. Ge- bol einer Str. 510.
rechtigkeit Gottes 512. S t r a f V e r g e l t u n g s. V ergeltu n g.
S tif t s h ü t t e : 454. S tu d iu m : s. L eh re, ±hora.
S til: St. eines Nationalgeistes 44; S tu fe : das Ich als St. zum unendl.
die Stilform d. Bibel u. ihre Schwie- Ziel 239; die Tugenden als St.
rigkeiten f. d. Exegese 44; Unter- (482 481 (‫ מ ע לו ת‬f.; ‫״‬Gesang d.
schiede im St. d. Propheten 203; Stufen“ 483.
Jesaja u. Jeremia als Vorstufen f. S u b je k t, S u b j e k t iv it ä t : das S. als
d. lit. St. d. Psalmen 250; die lyr. Ich 240; Sache u. S. 245; S. u. Ob-
. St. d. Psalmen 111 249 346 440 457 jekt der Sittlichkeit 377; S u b jek -
492; reflektierender histor. St. im t iv it ä t von Wohl u. Wehe 154f.;
cap. 53 des Deuterojesaia 332; St. die S. d. religiösen Staatsbürgers
der Stammgebete 463; das Stil- 390 392; Religion, S. u. Wahrheit
problem d. talmud. Hermeneutik 463; 485; die freie S. d. Hellenentums
— Platos Stil 349 f. 161.
S toa: die St. u. d. Leiden der Men- S u b sta n z : S. das Sein f. d. Bewe-
sehen 19 ff. 153 ff.; St. u. d. Mitleid gung 69 74; Einheit u. Einzigkeit
161 ff.; stoische Apathie 158 161; der S. 52; Einheit v. Liebe u. Ge-
Sittlichkeit d. Stoa. 161 f.; röm. rechtigkeit ist die S. Gottes 260;
Charakter d. Stoa 161 f .; die St. nur Attribut u. S. des Menschen 503;
eine Paradoxie 162; St. u. d. Natur- die Eine S. bei Spinoza 20; der
u. Völkerrecht 283; St. u. d. Prin- Substanzbegriff bei Kant 69.
zip d. Lust 475; Dualismus als | S ü h n e ; Gott u. d. S. d. Priesters 232;
617

S. u. Versöhnung 233; Sühnung u. als S. der Menschheit 174 297 496


Vergeltung 251 f.; — S ü h n e 0 p fe r (vgl. 316); als S. des Individuums
255. 270 275; Symbolik der Erscheinung
S ünde: S. spezif. Eigenschaft d. Men- am Dornbusch 50; das Opfer als
sehen 118; S. und ■Individuum myth. S. für die Korrelation zwisch.
210 ff*. 223 ff. 356 443 f.; Entdeckung Menschen und Götter 199: symbol.
d. Individuum in der S. durch Je- Handlung des Priesters beim Opfer
cheskel 23 212 215 ff. 220 ff. 223 ff. 233 238 491; symbol. Blutgebrauch
235; die S. als Grundlegung 217; 230; der Prophet (Hiob) S. des
Ursprung d. S. 26 213 f.; S. als S. Menschentums 268; Messias S. für
gegen Gott 152 215 f. 217; spezielle Israel 269 307 (vgl. 316);' die Svm-
S. gegen Gott 258 410f.; S. u. hei- hole des Messias 313: der ‫״‬Tag des
liger Geist 119 124; S. u. Leid 26 Herrn“ S. für die ‫״‬Tage des Messi-
267 304; S. u. Strafe 222 ff.; nicht as“ 288; Symbolik des Gottesknechts
Ursache u. Wirkung 268; S. u. Er- 316; Frieden als allgem. S. des
lösung 220; Erkenntnis der S. und Messias für die Völker 324: der
Überwindung 223 f.; S. u. Umkehr Krieg als S. in der messian. Phan-
226 f. 227 238; Bekenntnis d. S.-als tasie 345 f .; Ritual (Gesetz) als
Buße 229 233 237; S. im Zusammen- System von S. 403 f. 436; das Ge-
hang d. Lebens 241; S. als Schega- setz keine Symbolik vom Wesen
ga 231 ff. 380 397 510; Gott als Er- Gottes 399; das S. des Sakraments
loser von d. S. 244 ff.; S. u. Sehn- u. das S. des Gesetzes 405; jüd.
sucht nach Gott 249; S. zw. Mensch Gottesverehrung u. christliche Sym-
u. Mensch 257 410; S. u. Leben u. bolik 493.
Tod 260; Gesetz u. S. 292: S. u. S y n a g o g e : die Männer der großen
der Gottesknecht 336; Aufhören der S. 78 453: S. und die hebr. Worte
S. im Messianismus 345; S. u. U11- für Bethaus 453 f .; vgl. B e ih a u s,
Sterblichkeit 397 1'.; S. u. Stellver- S ch u le, V ersa m m l ung.
tretung 224 ff. 305 510; d. Furcht S y n a g o g a le P o e sie : 64 247 429;
vor der S. als Tugend 479 483; — vgl. H y m n u s , L itu r g ie , P oesie.
der Brudermord als erste menschl. S y ste m : Philosophie als systematische
S. 151: Sage vom Sündenfall 26; Philosophie 14 123 283 447; d.
Moses Sünde, die Tragödie s. Le- Ritual als S. von Symbolen 403 f.
bens 89 120; ‫״‬die Seele sündigt“
(Jech.) 23 223 (vgl. 527). vgl. .Böse, T a fe l: der Bericht von den zwei T.
E rb s ü n d e , S c h e y a ya , S chu ld. u. die Vergeistigung d. Offenbarung
S ü n d e n b e k e n n tn is: das S. in der 89 f .; die Theophanie bei der zweiten
Liturgie des Versöhnungstages 255 ff.; T. 198.
das öffentliche S. u. die Gemeinde ‫״‬T ag d es E w ig e n (H errn)“: 288 f.;
256; im S. nur rein sittliche Ver- als Symbol f. d. ‫״‬Tage d. Messias“
gehungen formuliert 257 414; Ste- 289 294; als Erneuerung der Welt
hen vor Gott u. das S. 258. 289; als Weltgericht 290; sittliche
Sünden bock (Asasel): 255. Deutung des ‫״‬T. Jahves“ zuerst b.
S ü n d e n v e r g e b u n g s. Vergebung. Amos 318; bei Jesaia 321; b. Sa-
S u la m it 11: S. als Symbol 458. charja 338.
Sym b ol: S. u. Wahrheit 491 f. 493; T alm u d: babylon. und jerusalem. T.
Idee, S., Wirklichkeit 410; Israel 31; Homogenität des T. mit der
618

Thora 31 ff.: talmudische Bibel- terricht und Familie) 522 f.; — San-
exegese 33; T. und Bibelvers (Stil- he drin 63 b (Götzendienst u. Sin-
Problem der talmud. Hermeneutik) nenlust) 140; Sanh. 74 a (Martyrium
463; zwei Grundlehren als esoteri- wegen dreier Gebote) 383 517; Sanh.
sehe Lehre im T. 78; der T. u. die 92 a (Wahrhaftigkeit) 499 f.; Sanh.
innere Einheit der Gesetze 407; 105 a (die Frommen der Völker der
Spuren innerer Reform im T. 410 Welt) 388 f. 392; — M akkot 23 a
431; Gebete aus dem T. 313 450 (Strafrecht) 508 f.; — M en ach oth
451 457 465; der Sohn Noahs 137 48 a (Schuld u. Unschuld) 262; —
141 ff.; Opfer für die 70 Völker- C hulin 94 a (Wahrhaftigkeit) 499 f.
schäften 148; der heilige Geist 125 f .; vgl. M iseh n a .
Änderung an den 13 Eigenschaften T an ch um a, Midrasch: T. Schemini
261; Echad im Schma 465; Demut 149 b (Sinn der Gesetze) 524.
Gottes 313 503; Versöhnungstag im T a n ta lu s: 198.
Ausbau des T. 255; Sündenbekennt- T a p fe r k e it: D ie T. 514—519; die
nis und Gemeinde 256; Reinheit d. platonische T. 516; Gerechtigkeit u.
Seele 450; die Frommen der Völker T. 516; die jüdische T. 517 ff.; Ge-
der Welt und Israel 315; die an- •rechtigkeit, T., Treue 525; T. und
dern Völker des Monotheismus 282; Friede 526 537: T. als Selbstbe-
die Israeliten als Königskinder 523; herrschung 515 526; vgl. H eld.
Unterscheidung von rein sittlichen T a r ta r u s s. U n te n reit.
und religiös-ritualen Gesetzen 410 ff. T ä tig k e it: Gott der Urgrund d. T.
414; der Sabbat der Menschen we- 74; vgl. A kH m tät.
gen 508; Unsterblichkeit, Auferste- T e f illin : ihr symb. Charakter 403f.
hung und messian. Zeitalter 364; T e le o lo g ie : T. der Sittlichkeit und
Pflicht und Lohn 381 f.; Studium d. Kausalität der Natur 54 (Überein-
Lehre 412: Gerechtigkeit u. Friede Stimmung beider in der Wahrheit
526 (vgl. 510); die Gefahren der 484); in der Schöpfungsfrage 81;
Welt 451; — B erach. 19a (Buße) T. im Verhältnis Gottes zum Men-
263; Berach. 336 (Eigenschaften sehen 252; des Maimonides Aus-
Gottes) 109 452 482: Berach. 34b führung der T. u. das Problem der
(künftige Welt; Kraft der Buße) Gesetze 41 8 ff.; die Güte Gottes
368 385: Berach. 54 a (Anweisg. für Ausdruck der •göttlichen T. 443;
den Segensspruch) 529; — S a b b a t ethische T. und Darwinismus 310;
31a: 106 535; Sabb. 55a (Gott ist das Leiden keine Dysteleologie 267;
Wahrheit) 448 487; — Jom a 9b T em p el: d. T. im Polytheismus 454.
(grundloser Haß) 5331; Jom. 85 b der T. als Symbol 496; der T. als
(Versöhnungstag) 263; — Sukka Ausdruck für Synagoge 454.
42 a (Unterricht und Familie) 522 1: T!estarnent, Altes: 29 464 (A. T. u.
— J e r u s c h .N e d P. 9: 138;— Ke- christl. Kultur); Neues: 460 f.
tu b o t IIa (Noachide) 143; — N e- T h eo d iz ee : das Leiden u. die theo-
d arim S b : 367; — B ab a Kam a 38 dizeische Organisation der sittlichen
(Autarkie der Pflicht) 382: — B ab a Welt 19 267 f. 269 511; das Leiden
m ezia 30 b (Rechtsverfahren der der Juden in theodizeischem Lichte
Billigkeit) 509; B. m. 48 a (Wahr- 315 334 511; Sünde und Th. 244;
haftigkeit) 499 1: — B aba b a tra das Verdienst der Väter als theo-
9 b (Almosen) 524; B. b. 21 a (Un- dizeischer Leitgedanke d. Geschichte
619

378; Gerechtigkeit als Prinzip der und Menschenliebe 138; Th. und
Th. 511; Th. und die Ausrottungs- Fremdling 387; Befolgung der Ge-
forderung gegenüber d. Polytheis- bote u. Lohn in der Th. 379; die
mus 139. Frage der Ewigkeit der Th. 430 f.;
T h e o g o n ie : 358. Th. u. Talmud 31 ff.; Auffindung
T h eo k ra tie : das Prinzip der Th. der Th. 431; Pflege der Th. als
144; wahrer Sinn der th. Verfassung Grundbedingung der Religiosität
143; die israelit. Th. 148; die Th. 451 480; Thorastudium als Tugend
nicht Hierarchie 303; Th. u. Kirche 479 480 f. 523; Verlesung der Th.
231; Gerechtigkeit und Th. 507. an Sabbat und Festtag 454; vgl.
T h e o lo g ie : 283 337 406 (praktische G esetz, E r k e n n tn is , L eh re, P en ta teu ch ,
Th.); vgl. O rph isch e Th., P r o te s ta n t T ie r o p fe r s. O pfer.
tis m u s . Tod; 154 290f. 335 340; der T. als
T h eop h an ie* Gefahr einer Materi- metaphysisches Übel (vgl. 156 f.
alisierung der Th. u. das Deuter. 445) kein Thema für Ethiker 156;
85 f. und die jüd. Schrifterklärung der T. kein Symbol des Verhältnisses
92 ff. 110; geistige Th. u. geistiger von Gott u. Mensch 491; der T.
Vermittler 87; die Th. wird Aposto- im biblischen Bewußtsein 354 362
lat 87; die Th. u. das a priori u. 543: der Prophetismus u. der T‫״‬
a posteriori 97; die Th. und die 13 156; Leben, T. und Sünde 260; d;
Eigenschaften Gottes 109 245 261 Heiligkeit als Ideal des Lebens u.
(vgl. 49ff.); die Th. bei d. zweiten der T. 356; der T. Heimkehr der
Tafeln (Ex. 34, 7) 198; Ausdruck d. Seele (Geistes) zu Gott 358 f. das.
Erbarmens in der Th. 175; vgl. messianische Aufhören des T. 323
O ffenbarung. 331; Übernahme des T. zur Heili-
T h eo rie: in der Th. Wurzel für alle gung des göttlichen Namens 376
Entwicklung des Menschen 414; 518; der T. als Friede 542 f.; keine
theoretische u. sittliche Vernunft d. Todesfurcht im jüd. Gemüt 543;
Menschen 482 (s. E rk e n n tn is, V er- Verklärung des T. 434. vgl. A u f -
n u n ft)\ Th. u. Praxis (Philosophie u. ersteh u n g, G rab, L eben.
Religion) 497; Th. und Praxis bei T o d e s str a fe : Talmud 11. T. 508.
Sokrates u. den Propheten 166; T o le r a n z : T. und Götzendienst 6 0 f.
keine Scheidung von Th. u. Praxis 274; der Noachide t . das Prinzip
(theoret. u. prakt. Erkenntnis weise) der T. 144 147 393.
im Judentum 29 412 414 437 ff. T o s e p h ta : 392.
T h e sa u r u s m erito ru m : Th. in. u. T o te n g e r ic h t: 367 369.
das ‫״‬Verdienst der Väter“ 376 ff. T r a d itio n : die Authentizität der T.
383. vgl. S c h a tz. 303; 363 vgl. L eh re.
Thora: die Th. als Dokument der T ränen: 20 323; T. u. Rührung 536.
Vernunft und der ‫״‬Einsicht“ 144; T r a g isc h : Begriff des Menschen 26
Einheit der Tb. 257; die Th. ‫״‬nicht 313: Leben 11. Tod als tr. Grund-
im Himmel, sondern in deinem Her- fragen 260; die tr. Rolle der Kultur
zen“ 33; die ursprüngliche Th. der im sozialen Leid 159; tr. Abschluß
noachidischen Verpflichtungen 144; der platonischen Tapferkeit 516; die
Th. und Offenbarung 85 285; die tr. Mission Israels 333; die Tragik
Gabe der Th. (.‫ ) מתן תורד‬als techn. des jüd. Volkstums 314 ff.: Humor
Ausdruck für Offenbarung 97; Th. und Tragik im jüd. Gemüt 541; die
620

Tragik im J‫־‬om Kippur-Gottesdienst bis 501; die jüd. Tapferkeit als ge-
434; — T r a g ö d ie Produkt des Po- schichtliche T. 517; vgl. d ie ein%el-
lytheismus 167; die Schuld als Grund n en Tugenden.
des Leidens in der Tr. 159 f. 197 T u g en d leb re : T. der Ethik 278 476
.222; (griech.) Tr. und (römische) 480 ff. (vgl. 475); die jüdische T.
Komödie 162; das Mitleid in der 313 389 479 ff.; T. des Talmud und
antiken Tr. 161; Moses Leben und der heilige Geist 125 f.; die religi-
Tod als Tr. 88 f. öse T. und der Haß 532.
T r a n s su b sta n tio n : 405. T yp u s: der Mensch als T. in der
T r a n s z e n d e n z : T. des Guten bei Kunstliebe 188; der Arme als T.
Plato 342 ff. des Menschen 159; die Waise und
T reu e (‫) א מונ ה‬: D ie Tr. 520—525; Witwen als Typen der Armut 172.
T. u. die Einheit des Bewußtseins
521 ff ; Wahrheit u. T. 486 487 520;' Ü bel: das Böse ist beim Propheten
Frieden u. T. 526; T., Freundschaft, das Ü. 24 266 304 (vgl. 55); keine
Liebe 521; Bund u. T. 520; Wohl- Korrespondenz zwischen Schlechtig-
tätigkeit als Tugend der T. 523 f.; keit und Ü. 22; Objektivierung des
T. u. Familie 522; T. als Sinn der Ü. in der Armut 156 ff.; Grund des
Ehe 521 f.; T. und Segenssprüche Ü. keine theoretische Frage für die
524 f. vgl. D a n k b a rk e it , Gedenken. Ethik 23.
T r in itä t: die Tr. als Vergesellschaf- Ü b erm en sch : 88 383.
tung 56 282; Tr. als Symbol Ü b e rsc h u ß : Verdienst u. Ü. 375 ff.
493; Zwiespalt der Trinitätslehre Ü b e r se tz u n g : das Problem der Ü.
476; Tr. und Unsterblichkeit 57. 460; für den jüd. Monotheismus
T r ö ltsch : 176. 460 ff.; christl. Geist in der Ü. der
T u gen d : die Tugend als Wissen Bibel 462.
(Sokrates) 236 472 ff. (vgl. 166); Ü ber S in n lic h k e it: s. S in n lic h k e it .
Begriff der T. 449: T. ursprünglich U m fang: U. und Inhalt des Begriffs
Mannhaftigkeit 474 514; der jüd. der Religion 13 ff.
Begriff der T. und das ‫״‬Verdienst U m kehr: hebr. Wort (‫ ) ת שו ב ה‬u. die
der Väter“ 375; von der Sünde zur Buße 228 f.; Sünde u. ü. 226 f.; U.
T. 23; T. und Sittlichkeit 472 475 u. Individuum 228 f ; die U. als Rück-
(im jüd. Monotheismus 476 481) kehr zu Gott 242; Abkehr und U.
D ie T u g en d en 472—505; T. und 241; U., keine Umführung 237.
Tugenden 472 ff. 476; T., Wissen u. U n b e stim m te s: das Chaos logisch
Praxis 474 f.; das Gute u. die T. nur das U. 76.
472 474 f.; Einheit der Tugenden U n e n d lic h k e it: in Ethik u. Religion
(Sokrates) 472 f. 474 f .: Einteilung nur unendliche Aufgaben u. Ziele
der Tugenden 126 476 ff. 500; Tu- 239 f.: Gott als U. 103 243; religi-
genden der Religion und T. der öse Analogie zum sittlichen Begriff
Sittlichkeit 480 f .; die Tugenden als der U. 291; der Begriff des Unend-
Stufen 481 ff.; als Maße (481 (‫; מ דו ת‬ liehen, die Negation u. Privation 72
Freiheit des Willens, Gott und die 76; Problem der menschlichen Hand-
Tugendwege 4 82 f.; die relativen lung als u. Aufgabe 129; die u.
Tugenden als Einschränkungen d. Menschenliebe Gottes 173: die Hei-
Selbst 513; — die T. der Wahr- ligkeit als u. Aufgabe 358; die u.
haftigkeit als erste T. 449 ff. 490 Entwicklung der Menschenseele 361 f.
621

370 380 383 394 397 413 und das Aufhebung der U. in der Paradies-
u. Kommen des Messias 370; die sage 292; Gesetz und Unschuld (b.
U. des Menschenbegriffs und die U. Paulus) 404.
des Universums 380; das ewige Le- U n s te r b lic h k e it: 271 291; die my-
ben als das u. Leben 413; Auf- thisch-mystische U. 348 ff. 352 355ff.
schwung zur U. im Gebet 471; — 360 363 366 f. 368 370 ff.; Ursprung
die U. der Welt bei Arist. 72; die der ü . im Seelenprinzip d. Kosmos
Wirklichkeit als u. Ferne in der 349; U. und Eschatologie 341; Seele
Lyrik 441; U. des Genies alleiniges und U. bei Plato 348 ff. 393 f.; Un-
Gesetz in der Kunst 297. S te r b lic h k e it u nd A u f e r s t e ‫־‬
U n g le ic h h e it s. G leich h eit. h u n g 348—398; d. religiöse Be-
deutung der U. der Seele f. d. Men-
U n g lü ck : das U. des Gerechten 153
sehen 352 ff.; die geschichtliche Be-
(vgl. 372 f.) ; die Armut als Vertreter
deutung der U. 354; Sünde und U.
d. menschl. U. 156 158.
356 397 : Erlösung und U. 396 f.;
U n h e il: s. H eil. Heiligkeit und U. 355 ff. 357 ff. 394;
U n iv e r s a lis m u s : Erkenntnis und U. U. als U. des heiligen Geistes 359
3011: U. und Volkssonderheit 286; 394: U. und Vergeltung 359 366 f.
Patriotismus und U. 308 331; Par- 380; dieU. im Problem des sittlichen
tikularismus und U. im Gebet 467; Individuums 359 360 f.; Selbstent-
der ethische U. in keinem Gegen- wicklung als einziger Sinn der U.
satz zur bäuerlichen Ursprünglich- 369; Menschenbegriff und U. 387 ff.
keit d. sozialen Verhältnisse 176. 395; U. als Konsequenz d. Mono-
sozialer U. bei Joel 337; U. und theismus 398 (vgl. 362); die U. und
heiliger Geist 302; der messianische d. Korrelation von Gott u. Mensch
U. bei Jesaja 299; der U. der Kirche 397 f .; Messianismus und U. 355 363
u. der des Messianismus 304; vgl. 364 ff. 371 387 389 397 f.; die mes-
N a tio n a lb e w u ß ts e in . sian. Bedeutg. der U. für d. Indivi-
U n iv ersu m : 41 164 165 (sittliches duum 362 369; Erzväter, messian.
U.) 380 (U., Unendlichkeit, Sittlich- Zukunft und jüd. U.-Lehre 363 367
keit). vgl. K o sm o s, N a tu r . 372 ff. 395 f.; Verbindung von U. und
Auferstehung 364 (s. A u fersteh u n g ) ;
U n lu st s. L u st.
Seele und U. 348 ff. 393 ff.; Seele
U n m it te lb a r k e it : U. als Bedeutung und Scheol 291 341 357 394; Den-
d. 87 ‫ ; פגים אל פנים‬U. in Gott und ken und U. 366 f. 371; U. und Pro-
Volk 89; U. mit Gott u. der Prie- phetie 368; Strafgerechtigkeit Got-
ster 399 491; U. des Gedenkens tes und U. 369 f . ; Eudämonismus
und Wahrhaftigkeit (i. d. Psalmen) von der U. abgelöst 365 f .; U., Ver-
493. ehrung, Liebe 370; persönl. Urteil
U n r ec h t: Opfer u. sittliches U. 201ff.; über gut u. schlecht und die U.
U. darf nicht herrschen in I. 273. (künftiges Leben) 385; das ‫״‬Verdienst
U n sch u ld : leidende U. 174 333 336; d. Väter“ als Idealisierung der U.
und die Gerechtigkeit Gottes 372 396 (vgl. 378); Zusammenhang d.
(vgl. 153); Gott macht unschuldig Begriffe i. d. jüd. U.-Lehre 394ff.;
262; das Hochgefühl d. wiederer- dogmatische U. und jüd. Glaubens-
langten U. 264; — vorzeitliche U. lehre 395: U. und Gesetz 405; die
des Menschen i. Polytheismus 345; U. der Menschenseele in christl. und
622

jüd. Auffassung 57. vgl. Seele, Tod, 312. — U rm en sch 151. — U r-


Unterwelt, Welt. m o tiv 11 42f. — U rproblem löO
U n te r r ic h t: U. und Familie 522 f. 373 484. — U r q u e ll 188 192. —
U r sa c h e : Einzigkeit d. Seins hin-
U n te r w e lt (350 341 :(‫ ש אול‬f.; U. als
längl. U. für d. Werden 74 (vgl. 70);
Urwelt b. Plato 351; d. bibl. Grab
U. undürheber 218; Sünde u. Stra-
u. der Mythos von der U. 353; Scheol
fe (Leiden) nicht als U. und Wir-
als negative Instanz i. relig. Be-
kung zu denken 268; Zweck, U. und
wußtsein d. Bibel 353; U. Wider-
Vernunft 108; Grund und U. 159
spruch g. die religiöse Lehre v.
416; Grund, U., Zweck 416 f.; Ver-
Menschen 352; Seele u. Scheol 291
dienst, Handlung, Urheber 377.
357 394 516; vgl. U n sterblich keit.
U rsa g e n 353. — U r sc h a tz 460. —
ü n v e r ä n d e r li ch k ei t: U. des gött- ! U r sc h ic h te n 44. — U r se in 63
liehen Seins 53 ; U. und Beharrung 66. — U rsin n 146 286 352 394. -
53 f. U r sp r a c h e 43 263 460 462. —
U n v e r g le ic h b a r k e it : Einzigkeit j U r sp r u n g : Problem des U. 56; d.
Gottes i. der U. 51 494. ; Begriff des U. und d. Positivität i.
U n 'v erm isch b a rk eit: U. Gottes mit ] negativen Attribut d. Privation 73;
anderem Sein 494. j Schöpfung Sein des U. 75 f.; U.,
U n w is s e n t lic h : Sünde ist Unwis- | Beständigkeit, Erneuerung am Pro-
sentlichkeit 234; u. Vergehen s. j blem d. Schöpfung 79; d. Anfang als
Schegaga. j ewiger U. 88; — U. der Religion 7;
U rah n 356. — U rakt 58. — U r- ; U. des Monotheismus im letzten
a n fa n g 169 292. — U r a t tr ib u t Grunde unerklärt 42; Gott der U.
77. — U r b e d in g u n g e n 361. — der Aktivität 73; U. der Sünde 26
U ! b e g r if f 388 462. 213 f. 216; U. des Menschen in
U r b ild : d. Liebe zur Idee als U. 177; Mythos ‫ ׳‬u. Monotheismus 358; LT.
Vorbild u. U. 189; Gott als ü . s. des Menschenlebens u. Ende 505.
Sittlich, Gott; vgl. 26 61 ff. 66 99 U r s p r ü n g lic h k e it : gesetzliche U.
120 128 150 187 ff. 252 259 313 355 12; U. Wahrzeichen d. schöpferi-
367 ff. 405 417 476 f. 480 482 f. 490 sehen Vernunft 40; U. Vorzug des
504 514 518 527 ff. Judentums vor anderen monotheist.
U rb od en : 455 f. 515. — u r e ig e n s t Religionen 40 (vgl. 10 28); U. und
350. — U r e le m e n t 70. — • Ur- nationaler Charakter 28; Urwüchsig-
form 44 87 151 159 169 f. 172 177 keit d. Politik im Prophetismus 29;
250 f. 438 440 443 464 467 521. — Kraft der U. in d. Ausdrücken f. d.
U r fr a g e 153 212. — U rg e d a n k e Liebe Gottes 175; nationale ■Ur-
11 66 461 464. — U r g e fü h l 33 wüchsigkeit u. das Geschichtsbild
167 171 462. — U1*gehalt464. — d. Zukunft 308; U. der Stammgebete
U r g e is t 262 463f. 515. — Ur- 464; Ursprungskraft des Satzes Deut.
g e s c h ic h t e 44. — U r g e w a lt 45 6,5: 185. vgl. O r ig in a litä t.
350. — U rgrun d 12 28 53 74 76 U r s t ä t t e 351. — U r s to ff 76. —
98. — U rh eb er 284 4Ö6 (s. Handr • Ur strö m 515.
lu n g ). — U rh eld 284. — U r- U r t e il: d. Urteilsart der Privation
I n s t it u t 231. — U r k r a ft 7 11 31 71 ff.; das persönliche U. über gut
165 176 188 f. 190 281 435 447 495 u. schlecht 384 ff.
528. — U rla u t4 6 3 . —U r m a te r ia l U r t e x t 315 452 461. — U r tie fe 49.
623

— U r tr ie b 440. — U r v e r h ä lt ‫־‬ Y. d. Y. als geschieht!. Idealität


n is 43 491. — U r w e lt 272 351 878 396; als Idealisierung d. Un-
463. — U rw ert 307. — U rw ort Sterblichkeit 396; Verdienst, Lohn
43 463. — U r w ü c h s ig k e it 29 u. d. Y. d. Y. 379 f.; Y. d. Y. und
106 308 (s.' Ursprünglichkeit). — die Zuversicht auf Gott 384 397;
U r z e i.t 145 292 f. 340. V. d. Y. u. das Gesetz 436: — V.,
ü t i l i t a rism u s s. Eudämonismus. Handlung, Urheber 377; Gerechtig-
U to p ism u s: sozialer U. 149; U. keit, Friede u. das Y. d. Mitmen‫־‬
moralischer Abstraktion 162; die sehen 537. vgl. Lohn, Strafe, Ver-
jüd. Agrargesetze U.? 178; Messia- geltung.
nismus und U. 125 365; das Jenseits V ereh ru n g : Y. u. Liebe begriff!.
als Utopien des mythischen Glau- Einheit (59 (‫ידע‬.
bens 291; der platonische U. 343. V e r e in ig u n g : der hl. Geist als d.
Funktion der Y. 122; Y. und Ge-
V a ter: Der Vater im Himmel 263; trenntbleiben in d. Korrelation v.
‫״‬Einsammlung zu den V.“ als Aus- Gott u. Mensch 122; keine Y. mit
druck für den Tod 354 362 543; d. Gott in d. Sehnsucht 191 249; Y. mit
Messias als Y. d. Menschen 362; die Gott in Pantheismus u. Mystik 191;
Erzväter u. d. jüd. Unsterblichkeits- Y. mit Gott als Motiv der mythisch-
lehre 363 367 372 ff. 543; das Ver- myst. Unsterblichkeit 360 368 370 f.:
dienst der Väter 372 “( ‫זכות אבות)״‬ — log. Bedeutung d. Y. 122; vgl.
373 ff.; die V. nicht Individuen, Annäherung, Nähe.
nur Y. der Entwicklung 374 f.; ‫״‬er
V er er b u n g : 361 363; (Y. u. Un-
gedenkt der Liebe der Y “ 378 384; Sterblichkeit).
Stammväter u. Gebot d. Elternehrung;
vgl. Ahnen, Verdienst. V e r g a n g e n h e it: Y. u. Gegenwart
V a te r u n se r : Y. u. Kaddisch-Gebet bei den Griechen 97; messian. Ver‫־‬
364 f.; die Versuchung zur Sünde Wandlung der Y. in Zukunft 292 ff.
u. das Y. 452; die Bitte um das 340 f. (vgl. 362).
tägliche Brot im Y. 452 f. V e r g e b u n g : die Y. als spezif. Eigen‫־‬
V er a ch tu n g : Y. als schwerste Ver- Schaft Gottes (der Güte Gottes'' 118
suchung 452. 245 ff. 251 255 300 359 (vgl. 378);
V e r a n sta ltu n g : keine V. im Wesen Selbstheiligung und Y. 243 252 267
Gottes f. d. Sündenvergebung 251. 397; Y. u. Buße 243 ff.; Gottesdienst
V erb rech er: Y. u. Schuld 195 ff. u. Sündenvergebung 246; Sündenver-
228 f.; V., Gerechtigkeit u. Liebe gebung und Gerechtigkeit 246; Sehn‫־‬
510; der Y. in der myth. Anschau- sucht u.V.249;hebr.W0rt fürV.251378;
ung 198. Sühnung u.V. 25lf. (vgl.235); teleolog.
V erb ren n u n g: das Institut der Y. Sinn d. Y. 252; Schegaga u. Y. als
352. Hauptglieder d. Versöhnung für d.
V e r d ie n st: das ‫״‬Verdienst der Yater“ Versöhnungstag 255; das Leiden ge‫־‬
.(373 372 (‫ זכות א בו ת‬bis 384 396; hört zur Sündenvergebung 267; der
und d. individuelle Y. 372 ff.; Gott der Strafe zugleich der Gott
‫״‬V. d. Y.“ wehrt Heroentum ab 373; der V. 299 345; Sündenvergebung
Y. d. Y. u. jüd. Tugendbegriff 375; alleiniges Werk des einzigen Gottes
Y. u. Überschuß 375 f.; Y. d. Y. u. 300; die Y. u. das ‫״‬Verdienst der
d. Thesaurus meritorum 376 ff. 383; Väter“ 378; . Sündenvergebung als
624

Kraft des Friedens 527; vgl. E r • 481 f.; Zweck, Ursache u. V. 108;
lö su n g , V ersöh n u n g. das Yernuiiftwesen d. Menschen als
V e r g e is tu n g : vgl. G eist. Individuum 193; der Wille d. V.
V e r g e ltu n g : 151 152; Unsterblich- als das Gebot Gottes 237; Y. als
keit u. Y. 359: u. Eudämonismus Anlaß des Leidens 275; theoret. u.
366 f. 369 f.; V. als Motiv der sittl. Y. 482 (vgl. 83 101); V. u.
mythisch-myst. Unsterblichkeit 371; Erkenntnis 497 498; Sinnlichkeit
Y. als Aufgabe d. sittl. Kultur 369; oder Y. 515; Seelenfrieden als Frie-
Selbstvervollkommnung u. Strafver- den d. Y. 530; — religiöse Y. im
geltung 376 380 516; V. u. d. ‫״‬Yer- Messianismus 344; Seele als Y. bei
dienst d. Väter“ 378 396; das Pro- Plato 394; V. bei den jüd. Philo-
blem d. Y. u. d. Lohn 378 ff.; Y. sophen 96 107; Menschheit als Yer-
u. Liebestätigkeit 411; vgl. V er- nunftwesen bei Kant 283; Y. 11. Re
sö h m m g . ligion bei Mendelssohn 421; Kom-
plikation d. Y e r n u n ftm o tiv e bei
V e r g e s e lls c h a ftu n g : Y. ( 3 1 8 ( ‫שיתוף‬
Terminus 56 282. tiefsten Grundbegriffen d. Kultur 42.
V e r h e r r lic h u n g : Y. Israels als Y e r n u n ftg r u n d s ä tz e : Y. (‫) שכליו ת‬
Grund für d. Y. Gottes 457. 11. Vorschriften des Gehorsams
V e r la n g e n : das V. nach Gott 249. )‫ ( שמעיות‬415.
V e r m ittlu n g : Y. zw. Ich und Mensch- Y e r n u n ft s ä t z e :vgl. In te llig i b ilia ,
heit 17; Y. durch den Logos 56; P rin zip .
keine persönl. Y. zw. Gott u. Mensch V ersa m m lu n g : Y. Grundwort d.
116 121; Vereinigung als Ausschluß Mosaismus 204; Gemeinde Israels
der V. 122; Unsterblichkeit und die als Y. Israels 457; Bethaus als
unmittelbare Korrelation zw. Men- ‫״‬Haus d. Y.“ 453—459. vgl. B et -
schenseele 11. Gott 396 (vgl. 358 h au s, S yn agoge.
389). V er sö h n u n g : D ie V e r sö h n u n g 209
V ern ein u n g: Bejahung u. Y. — Sein —253; die Y. Angelpunkt d. Mono-
u. Werden 75; die Privation als theismus 253; Opfer u. V. 221;
Zwischenbegriff zw. Bejahung u. V. Sühne u. Y. 147 233 (vgl. 251 f.);
71. Y. d. Menschen mit d. Widersprüchen
V ern u n ft: Religion als Religion d. s. Individuums 221 f. u. d. V. mit
Y. 3 f. 5 f. 8 ff. 11 18 157 301 303 Gott 222 (vgl. 234 478 f.); Y. und
342 429 484 511 u. ö.; Y. Religion Schegaga 234 255; der einzige Gott
u. Sittenlehre 39; Y. u. d. Möglich- als Gott d. Y. 236 253 439; Y. mit
keit einer Mehrheit von Religionen Gott abhängig von der Y. zw. Mensch
39; Fortbestand d. Judentums als u. Mensch 259 411 537; Y. als Rei-
Religion d. Y. 429; Y. u. Schöpfung nigung d. Menschen 261; Y. u.
73 101: Y. u. Offenbarung 82 f. 84 Demut 264; Y. mit Gott u. d. Lei-
95 96 98; Glaube u. Y. 107 485 497; den Israels 276; individuelle Y. u.
der Mensch als Yernunftwesen Korre- d. ‫״‬Verdienst d. Väter“ 374 f. 378;
lat zum Gotte der Offenbarung 92 Gottvertrauen u. Y. 439 441 470 479
95; D ieS eh ö p fu n g d .M en sch en in 516; Gebet u. Y. 448 466; Wahr-
der Y. 99—108; Y. u. Gott 101; d. haftigkeit u. Y. 449 492; Y. als
V. als Grundlage der Korrelation Wechselwirkung der Liebe zw. Gott
von Gott u. Mensch 102 f .; sittl. u. Mensch 478 f.; Y. als Losung d.
Y. d. Menschheit u. Allmacht Gottes sozialen Freiheit 508; Versöhnlich-
625

keit des Friedens n. die V. mit Gott Menschheit 297 457 496; messian.
537 541; vgl. B u ß e , E rlö su n g , V er- Zukunft u. die Völker 298 828;
gebung. Antinomie zw. V. u. messian. Mensch-
V e r sö h n u n g sg e b e te ( 35 :(‫ ס ל י ח ו ת‬. heit als Schwerpunkt der jüd. Ge-
V e r sö h n u n g sle h r e : 255. schichte 298 305 314 ff. 496; der
V e r sö h n u n g sta g : 254—277; der V. messian. Völkergedanke 322 f. 327;
u. d. Feste 254 402: der alte V. im — Unsterblichkeit d. Individuums in
Opferritus 255 402 ; der V. in rabbin. der Geschichte s Volkes 354 f. (vgl.
Ausgestaltung 255 259 f. 402; als 308 331 363); V. Verdienst. Lohn,
der Tag des Monotheismus 263; — 373 379; V. u. Gemeinde 457; V. als
Schegaga u. Vergebung am V. 234 relative Gemeinschaft 500 (vgl. 476);
255; V. u. Buße 263 f; u. d. Über- Ägypten u. das jüd. V. 508: vgl.
nähme d. Leidens 270; V. u. d. Ich Is r a e l , B e st h r a e is.

d. Einzelmenschen 268; V. u. soziales V o lk s g e is t: s. y a tin n a lg e is t.


Mitleid 172; V. Symbol für d. Er- V o lk s g e n o s s e : V*. setzt Begriff d.
lösung d. Menschheit 277; Sünden- Menschen voraus 138.
bekenntnis am V. 256—258 414; das V o lk s p o e s ie : 291.
Schlußgebet am V. 258; der ‫״‬lange V olk stu m : der Sabbat als Schutz-
Tag“ 276; V. im modernen Juden- patron d. V. 184; Tragik d. jüd. V.
tum 423 432; V. in d. messian. 314 ff.; — das V o lk s tü m lic h e d.
Zeit 430, — V, u. Neujahr als ‫״‬Tage Religion 36.
d. Ehrfurcht“ 260 467; als ‫״‬Tage V o lk sty p u s: s. geist. Geheimnis in
d. Gerichts“ 260 f .: Verkündigung d. d. histor. u. polit. Verhältnissen 43.
Jobeijahrs am V. 508. V o llk o m m e n h e it: 492; Friede u.
V. 24 55 304 527 ff. 540: pers.
V e r su c h u n g : die V. zur Sünde im
Dualismus u. teleologische V. 55.
Gebet 452; Verachtung als schwerste
V o r b ild : V. u. Urbild 189
V. 452; die materiellen V. 453.
V o r sc h r ifte n : V. u. sittl. Grund‫־‬
V er tr a u e n : V. auf Gott 248 264 Sätze bei Ihn Daud 414 f; Vernunft-
266; hebr. Ausdruck f. V. 248; V. sätze u. V. d. Gehorsams (Saadja,
11. Öffentlichkeit 256; Gebet als Bacbja, Maimonides) 415; vgl. Gebot,
Sprachform d. V. 439 441: V. auf G esetz.
Gott u. Versöhnung 439 441 470 V o r s e h u n g : 301; Schöpfung als
493. göttl. V. f. d. Menschengeschlecht
V e r z e ih u n g : s. V ergebung. 175; Armut u. göttl. V. 157; Messi-
V ie lh e it : Einheit u. V. 41. anismus als geschiehtl. V. 310; V.
V ö lk e r frie d e n : s. F rie d en . u. Unsterblichkeit 397; Weltregierung
V olk er haß: V. u. Seelenfrieden 534. als V. 468; Zufriedenheit als Aner-
V ö lk err ec h t: Natur- und V. 283. kennung der V. 529; V. 11. ‫״‬Ver-
V olk : Monotheismus als tiefster Sinn dienst d. Väter“ 378.
d. jüd. V. 42 43 54 86 134 174 V o r s ic h t : V. als Tugend 479.
496 (vgl. 273 285 f.); der Geist Gottes
u. dasV. 102 117 f.; d. Individuum und W aebner, Andreas Georg: 144.
d. Sünde d. Völker 218; vom einzigen W a h r h a ftig k e it: der Gottder Wahr-
V. zu allen Völkern 285; ein Gott heit und der Mensch der W. 449
für alle V. 297; Israel kein Staat 490 ff. 493 f. 495 498; W. und Ver-
und doch ein V. — Symbol der söhnung 449 492; Wahrheit Gottes
40
626

u. Wahrheit d. Gottesdienstes 490 ff. u. Umkehr 241; der ■W. als Inbegriff
493; Gebet u. Wahrheit des Indi- der Handlungen 242.
viduums 449 ff. 492; W. als Kräfti- W e ise r : die Tugend der W. in der
gung des Rationalismus 496 f.; W. Stoa 162; die Frommen u. die Wei-
u. Wahrheit in den Fragen der Er- sen der Völker der Welt 392 393;
kenntnis 498; W. der jüd. Religiosi- der Jude als Gelehrter ein Weiser
tat 493 flv u. d. Fortbestand der 581.
Juden 494; die jüd. Wahrhaftigkeit W e llh a u se n : 332.
im Glauben an den Messianismus W e lt: Gott, Welt, Einheit 46 f. 52;
496; Poesie, Monotheismus u. W. keine Einheit zwischen W. u. Sein
495 f.; W. in der Sehnsucht 493; 48; Sein der W. u. göttliches Sein
W. in der prophet. Tendenz gegen 68 ff. (vgl. 544); Unendlichkeit der
den Opferdienst 491 f .; hebr. Aus- W. u. das Problem der Schöpfung
drücke für W. 490; W. als Funda- bei Aristoteles 72; der Gedanke d.
ment der Frömmigkeit 499; Pflicht W. als des Aion 287 294; die
der W. in Schrift u. Talmud 498 ‫״‬künftige Welt“ u. die ‫״‬künftige
bis 500; Ergänzung der W. in der Zeit“ 363 365 370 395 456; die
Bescheidenheit 500 f. 525; W. und Frommen der W. u. das ewige Le-
Treue 525; vgl. E id , E in f a lt, L ü ge, ben 388 ff.; Mensch, Gott u. die
Un m itte lb a r k eit, W ah rh eit. Gefahren der W. 451; W. u. Ewig-
W ah r h e it: W. als Gesetz des not- keit (□544 (‫צול‬. vgl. F r ö m m ig k e it ,
wendigen Zusammenhangs der Na- K o sm o s , L eben, N a tu r .-
turerkenntnis mit der sittl. Erkennt- W eltb ü r g er tu m : weltb. Geist der
nis 484 488; Eigenwert der W. f. Philosophie 283; weltb. Bedeutung
die Religion 485; d. Begriff Gottes der ‫״‬Menschheit“ bei Kant 284; W.
als Begriff der W. 484 f. 486 f. 488 f. u. nationales Eigenbewußtsein 286;
498 (vgl. 448 ff. 468); die W. als W. bei Jesaia 322 f.
Attribut u. die Attribute Gottes 486 W eltjen rich ter: der W. als Bundes‫־־‬
487 488 f.; die Gebote Gottes als genösse des Menschen 469; Gott als
W. 489 f.; W. u. Wahrhaftigkeit W. u. die Gerechtigkeit 509.
449 ff. 451 490 493 f. 498 501; W. W e lte r lö su n g : die messianische W.
u. Heiligkeit 449 486 f. 497; W. als im Gebet des Neujahrs 470.
W. der Erkenntnis 488 f .; die Lehre W e lte r n e u e r u n g : Weltuntergang n.
als W. 489; die W. der Lehre und W. 287 294 468 544.
das ewige Leben 488; Symbol und W elt flu c h t: der Gedanke der W. b.
W. 491 f.; W. u. Gerechtigkeit 499; Plato 351 516; Zufriedenheit und
Ehre u. W. 499; W. u. Liebe 502. W. 530.
a h r s a g e r e i s. G ö tze n d ie n st. W e ltfr ie d e n : der messianische W.
sä 3

a ise : W. u. Witwe als Vertreter als Naturfrieden 293 321 f., W. und
der Armut 172 177 f. (vgl. 145 f. 148). Seelenfrieden 534; der W. als Glau-
W ech sel: W. u. Werden 69; Sub- bensartikel d. Juden 536.
stanz* u. Wechselwirkung 69; Ge- W e ltg e r ic h t : Weltuntergang u. W.
moinschaft ist Wechselwirkung 159; 289 290; W. u. Weltbund Gottes
Reaktion als Wechselwirkung 165; 469; W. bei Joel 337.
Wechselwirkung der Ideen u. Ein- W e ltg e s c h ic h te : s. G eschichte.
richtungen in der Geschichte 207. W e ltk r ie g : 210 423 426 534.
W eg: der Ausdruck \J. für die Sünde W e ltm is s io n : die V/. Israels 276.
627

We 11r e gi e r u n g : W. und Gottesreich W ie d e r b e le b u n g : die Erhaltung d.


467 f.: W. als Zwecksetzung und geschichtl. Individuums und die W.
Zweckerfüllung der Welt 468; W. 363. vgl. A u fe rste h u n g , E rh a ltu n g .
u. Weltuntergang 469; d. Zufrieden- W ie d e r g e b u r t: 248 262 356.
heit als Anerkennung d. göttl. W. W ille : der reine W. und der reine
529. Affekt 165 (vgl. 382); der reine W.
W e ltr e lig io n : Hinstreben des Ju- der Ethik 187; W. und Affekt bei
dentums nach der W. 35 ; das Gott 175; die Affekte des W. 476ff.;
Christentum als W. u. der Begriff der W. bei Schopenhauer 163 f.;
der Menschheit 282. Religion, W. und Liebe 58; die
W e 11 s t a a t : s.. S ta a t. Handlung als Erguß des reinen W.
W e ltu n te r g a n g : W. u. Weitern euer- 188; Erkenntnis und W. des Men-
ung 287 294 468 544; Mythos vom sehen 482; Bekenntnis Gottes als
W. als ..T. des Ewigen“ bei d. Pro- Willenshandlung 59; der W. der
pheten 288; W. nur Strafgericht Vernunft als Gebot Gottes 237; der
Gottes i. Monotheismus 288; W. u. W. der Religion in der Andacht des
Weltgericht 289 f. 468 f.; Weltre- Gebets 471; — Spinoza u. Schopen-
gierung u. W. 469. hauer über F r e ih e it d. W ille n s
W erd e n: göttliches Sein u. zeitliches 164; Fr. d. Willens in der Ethik
W. 53; das Sein u. das Problem des 212 f. 216; Schuld u. freier W. 8.
W. 69 ff.: Immanenz und W. 7 0 ; 196 212; Fr. d. W. und die Lehre
Ursprung des W. im Unendlichen von der Tugend als Wissen 473; Fr.
76; das .Neue im W. 80 f.; das W. d. W., Gott u. d. Tugendweg 482 f.
u. der Mensch 100 102; die Abstrak- vgl. A ffekt , A u to n o m ie.
tion des ewigen sittlichen W. in d. W ir k lic h k e it: geschichtliche W. 7;
Heiligkeit des Menschen 129 f.: Sein Vernunft und W. 9; Idee und W.
u. W. im Mythos 287. vgl. E n d - 24f. 187 189 410 433 523; die W.
liehej N a tu r . Beziehungsbegriff des Denkens auf
W ert: Sinn u. W. des menschlichen die Empfindung 186; Idee, W., Sym-
Daseins 287; W. des Menschenlebens bol 410; die W. Gottes 186; W. u.
im Leiden 310: W. des geschichtl. Verwirklichung des Sittlichen als
Lebens in den sittl. Ideen 311; Eigenart der Religion 279; die Dies-
Menschenwert als Würde 446: sian. Zukunft im Gegensatz zur W.
Menschenwert u. Gottesfurcht 502; 293 308; die neue W. der messiau.
Ethik als Lehre vom Menschen und Zukunft 342 314; der sogen. W irk-
Menschenwert 22; der sittl. Wert lic h k e it s s iu n d. jüd. Volkes 341 f.;
des Individuums im Gebet gesichert die W. als unendliche Ferne in der
448; Unterscheidung des Wrertes d. Lyrik 441. vgl. Denken.
Teile der Thora 414 f., vgl. E w ig k e it. W irk u n g: Wesen u. W. Gottes 93f.;
Vresen: W. und Wirkungen Gottes Wirkungen u. Handlungen Gottes
93 f. (vgl. 367 369): Leiden als W. 110; das Leiden nicht eine W. 269.
des Menschen 171. vgl. K a u s a litä t , U rsache.
W i d e r s p r u c h : der W. und Gottes W issen : Tugend als W. bei Sokrates
Allmacht 481. 236 472 ff.; Tugend, W. und Praxis
W idm ung: (‫ )ודרי‬Gelübde und W. 474 f.: Glauben und W. 497; vgl.
411: die W. des Menschen an den E r k e n n tn is , Selbsterken n t n is.
einzigen Gott 465. W is s e n s c h a ft : Monotheismus u. W.
40*
628

8 54 105 300f.; die Wahrheit als Z e it: Z. keine Schranke d. götfcl.


Bindeglied zwischen W. u. Religion Seins 53; zeitl., nicht stoffl. Anfang
449 498; Logik ist Logik der W. des Schöpfungsaktes 75; Z. der Zu-
78; Bedeutung u. Inhalt eiuer W. kunft (messian. Z.) 293: die per-
1; Philosophie W. der Vernunft 6; sonifizierte Z. im Aion 294; die
W. und Mensch 197; Internationali- ‫״‬künftige Z.“ und die ‫״‬künftige
tat der Wissenschaften 282. Welt“ 363 365 370 395 456. vgl.
W itw e: Waise und W. als Vertreter Z e ita lte r .
der Armut 172 177 f. (vgl. 145f. 148) Z e it a lt e r : ‫״‬goldnes Z.“ als Vor-
W o h ltä t ig k e it : der Ausdruck für ahnung d. Messianismus 292 ff.;
W. (509 506 411 176 (‫ ; צ ד ק ה‬W. messian. u. goldnes Z. 293 308 321
und Liebestätigkeit 176 412 413 340 345; Begriff des Z. der Zukunft
479 509: W. als Tugend d. Treue 293; Friede und messian. Z. 527.
524. vgl. F rö m m ig k e it, G erech tig- vgl. K rie g .
keit. Z e itb e w u ß ts e in : 442.
W 011 u s’t : 171. vgl. L u st. Z e itfo r m : Z. im Gottesnamen (Ex.
W ort: W. und Satz 460. 3,63) 49; Z. im Satze der Heilig-
W ürde: die W. des Menschen 312; keit 111.
die sittliche W. von jedermann 385; Z e p h a n ia : das Gericht Gottes 288;
Menschen wert als W. 446 499; Demut (2,3) 504; ‫״‬suchet Gerech-
Selbstbewußtsein als Ausdruck d. tigkeit“ (2, 3) 528; der messian. Tag
Menschenwürde 211; die Güte Gottes (3 ,9 —13) 324 ff.
u. die Erhaltung der W. des Men- Z e r e m o n ia lg e s etz: der Ausdruck
sehen 252 258; die geschichtl. W. ‫״‬Z.“ 421; Maimonides und das Z.
des Menschen u. das Erdenleid 512; 386; Speisegesetze im rabbin. Z.
innere W. des Menschen u. sein 402; neuere Entwicklung des Juden-
Erdenlos 26; d. geschichtl. Leiden tums und das Z. 421 ff.; 32 37. vgl.
Israels gibt ihm seine Menschen- Gebot, Gesetz,, R itu a l, S peiseverbote
würde 333. Z e u g n is s e (90 :( ‫עדו ת‬. vgl. S a tz u n -
W under: das W. der Schöpfung und gen u n d R echte.
die Vernunft 81; die literarischen Z eus: Z. Gott der Gastfreundschaft
Propheten tun niemals W. 308. ( Z e v g § £ vtog) 135; Z. und Prome-
theus 275.
X e n o p h a n e s: Verknüpfung von Sein, Z iel: Gott als Ziel der Bußarbeit 238
Einheit, Gott 46 f. 77. 242 ff. 244; Z. und Aufgabe 239 240;
Z. und Mittel 241 417; Z. u. Sache
Z ach arja: Geist u. Schöpfung (Zach. 242; Z. und Zweck 191 417; zweck-
12,1) 101 ff. 117. haftes Ziel d. Entwicklung und der
Z a g r eu s: 294. Mythos d. Weltverbrennung 288
‫״‬Zahn um Z ahn“: 181 508. (vgl. 294). vgl. Z w eck.
Zaun: Z. der Lehre 436. Z in sn eh m en : Verbot des Z. 146.
Z ed ak a: Z. als Gerechtigkeit, Wohl- Z ion: Rückkehr nach Z. im Gebet
tätigkeit, Frömmigkeit 176 411 506 467; Z. als Symbol 496.
509. Z io n ism u s: Entstehung d. Z. 425ff.;
Z eh n te: 176 f.; Z. als das ‫״‬Heilige“ s. Rückständigkeit im Begriffe der
177: der Armenzehnte ‫) מ ע ש ר ענת‬ Nation 427.
411. Z iv ilr e c h t : 147.
629

Z ucht: ‫״‬Bücher der Zucht“ 35. Z u v er sic h t: Z. auf Gott und das
Z u fa ll: 288; Zufälligkeit 79. Verdienst der Väter 884 397; Sehn-
Z u fr ie d e n h e it: Z. und Erkenntnis sucht und Z. 493; vgl. V e rtra u e n .
530 f.; Z. als religiöse Tugend 529 f; Zweck: Z., Ursache und d. Vernunft
Z. und Seelenfrieden 529 f. 534. 108; Z. und Kausalität 109 216;
Z u ku n ft: Antizipation der Z. 442; Z. und Ziel 191 417; Handlung, Z.
Platos polit. Idealismus u. die Z. und die Korrelation von Gott u.
343; d. Jenseits u. der Begriff der Mensch 110 191 252; d. Zwecklehre
Z. 291; messian. Verwandlung in Z. der Ethik u. das Individuum 217;
292 f. 340 f. (vgl. 366); messian. Z. Gott u. Sittlichkeit als absolute Z.
als Ideal der Geschichte 243 f. 340 f. 417; erste u. zweite Z. bei Mai-
361 f.; neue Wirklichkeit d. messian. monides 419; Heiligkeit als Z. des
Z. 342 344; messian. Z. u. jüd. Un- Menschen 112; das Leiden als Mittel, >
sterblichkeitslehre 363 367 f .; die nicht als Zweckvollendung 269 270ff.;
Zeit der Z. 293: das Sein der Z. Gründe (der Gesetze) als Mittel,
und der Gott der Geschichte 294 Dicht als Z. zu denken 417 f.; Welt-
308; Aion und Z. 294; das Gottes- regierung als Zwecksetzung u. Zweck-
reich nicht nur Z., sondern Gegen- erfüllung d. Welt 468; der Friede
wart 365 456; der Rest Israels als als Prinzip des Z. 528: vgl. Teleologie ,
Israel der Z. 305 f. 315. U rsach e, K a u s a litä t.
Zunz: über den Segen des Gesetzes
Z w e ck m ä ß ig k eit: Wahrheit und Z.
436.
484.
Z u rech n u n g: die Z. des Verbrechers
196. Z w e ife l: Z. u. Verlangen nach Gott
Z u s a m m e n g e s e tz th e it: Einheit u. 219.
Z. 41; Einheit Gottes schließt Z. aus Z w ie g e sp r ä c h : Z. mit Gott i. Mo-
47; Einzigkeit Gottes, Einfachheit u. nolog d. Gebets 440.
Z. 52. | Z w in g li: 405.

Berichtigung:
Seite 553: N am en - und S a c h r e g is te r statt Inhaltsverzeichnis.

Buchdrackerei A. Favorke, Breslau II.

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