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DAS
CHRISTLICHE
ALTARGERÄT
IN SEINEM SEIN UND IN SEINER
ENTWICKLUNG /■fo
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MAX HUEBER / VERLAG / MÜNCHEN / MCMXXXII
IMPRIMI POTEST
FR. X. IIAYLER S. J, PRAEP. PROV. GERM. SUP.
MONACHD, DIE 13.JUNII 1930
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PioPapaeXI.
CHRISTI -IESU
AETERNI • IN • CAELIS • PONTIFICIS
DIE vorliegende Arbeit bildet eine Ergänzung und einen Abschluß zweier
früher von mir veröffentlichten Werke, von denen eines, ein einbändiges,
1907 unter dem Titel »Die liturgische Gewandung im Occident und Orient«,
das andere, ein zweibändiges, 1924 unter dem Titel »Der christliche Altar* er-
schien. Sie verdankt ihr Entstehen einer Anregung seitens Seiner Heiligkeit
Papst Pius' XI. Zwar hatte ich schon bei Bearbeitung des zweiten der beiden
vorgenannten Werke die Absicht, im Anschluß an dieses auch noch ein die
Geschichte des christlichen Altargerätes behandelndes zu schreiben, jedoch mit
Rücksicht auf mein hohes Alter, das mir die Möglichkeit seiner Vollendung
zweifelhaft machte, wie auch im Hinblick auf die kaum überwindlichen Schwie-
rigkeiten, die sich voraussichtlich seiner Drucklegung entgegenstellen würden,
auf ihre Ausführung nach längerer Überlegung verzichtet. Wenn ich sie dann
jedoch ungeachtet aller Bedenken wieder aufnahm, an ihre Verwirklichung
herantrat und sie trotz mancher zum Teil sehr ernsten Hemmnisse durchführte,
dann war dafür entscheidend ein diesbezüglicher Wunsch des Heiligen Vaters
und der Segen, mit dem Seine Heiligkeit denselben begleitet hatte. Jedoch war
es mir zu meinem lebhaften Bedauern bei allem Bestreben, den Fortschritt des
Werkes zu fördern, nicht möglich, dieses zum goldenen Priester]ubiläum des
Heiligen Vaters, wie ich es gehofft hatte, zu vollenden, da eine schwere, viele
Monate sich hinziehende Erkrankung, die sogar überhaupt seine Fertigstellung
durchaus zweifelhaft erscheinen ließ, das vereitelte. Als Jubiläumsgabe es Sei-
ner Heiligkeit darzubringen, war mir damit leider nicht gegeben.
Ziel des Werkes war für mich das gleiche wie bei den beiden ihm vorausgehen-
den. Es sollte nicht eine bloße Materialiensammlung, lediglich eine Zusammen-
stellung der das Altargerät betreffenden Angaben in den literarischen Quellen und
ein beschreibendes Verzeichnis der wichtigsten der aus vergangenen Zeiten noch
vorhandenen Altargeräte, sondern eine möglichst vollständige wissenschaftliche
Verarbeitung des zur Zeit vorliegenden literarischen und monumentalen Quellen-
materials sein, sachlich darbieten, was sich mit Sicherheit oder mehr oder weni-
ger Wahrscheinlichkeit an wirklichen Ergebnissen aus diesen hatte gewinnen
lassen. Das Quellenmaterial der älteren Zeit wurde, soweit es zugänglich war,
möglichst vollständig verarbeitet, das ungemein reichliche des späteren Mittel-
alters und der nachmittelalterlichen Zeit mit Auswahl, jedoch in einem den
Zielen des Werkes entsprechenden, wenigstens alles Wichtige und Bedeutungs-
volle berücksichtigenden Umfang. In welch ausgiebigem Ausmaß das schrift-
liche Quellenmaterial herangezogen wurde, zeigen die dem Text beigefügten
Fußnoten; von der Fülle der Altargeräte aus früherer Zeit, auf die in der Arbeit
als Belege hingewiesen wird, gibt ein Bild das erste der dem Werk angehängten
beiden Verzeichnisse, aus dem zugleich erhellt, daß außer deutschen — das
Wort im weitesten Sinne genommen — reichlichst auch außerdeutsche, italieni-
sche, englische, spanische, niederländische, französische und nordische heran-
gezogen wurden. Gern hätte ich die Angaben aus den schriftlichen Quellen, zu-
mal den Inventaren, wie auch die Hinweise auf die Monumente noch um zahl-
VIII VORWORT
reiche vermehrt, gern auch die Zahl der Abbildungen, im ganzen 610, noch um
manche andere vergrößert, allein die Rücksicht auf die Ermöglichung der Druck-
legung des Werkes zwangen mich wohl oder übel dazu, mich in der einen wie
anderen Beziehung zu beschränken, so weit das nur irgendwie ohne Beeinträch-
tigung des Wertes der Arbeit tunlich war. Mögen andere spater, soweit Grund
dafür vorliegt, meine Darlegungen ergänzen oder auch richtig stellen, was sich
etwa als verbesserungsbedürftig erweisen sollte. Ich kann das nur als einen mir
selbst durchaus willkommenen Dienst an der Sache betrachten, da es mir nicht
um Geltendmachung meiner persönlichen Ansicht, sondern einzig um die För-
derung wissenschaftlicher Erkenntnisse zu tun ist, und ich mein Ziel erreicht
sehe, wenn es mir gelungen sein sollte, unter weitestgehender Verwertung des
heute noch vorhandenen und erreichbaren Quellenmaterials eine Geschichte des
Altargerätes zu schaffen, die nach allen in Betracht kommenden Seiten eine
einlässige und zuverlässige Unterlage für weitere Studien bildet. Sehr bedauert
habe ich, daß meine schwere Erkrankung und ihre Nachwirkungen es mir un-
möglich machten, einige größere Studienreisen, die ich vor Abschluß des Wer-
kes zur ^Nachprüfung und Ergänzung meiner Ergebnisse noch zu unternehmen
im Begriffe stand, auszuführen. 4
Daß das umfangreiche und ausgiebig mit Abbildungen ausgestattete Werk
im Druck veröffentlicht werden konnte, verdanke ich wesentlich der von der
Nolgemeinschaft der deutschen Wissenschaft hierzu gewährten Beihilfe. Ich
fühle mich gedrängt, ihr für sie auch an dieser Stelle meinen aufrichtigsten
Dank auszusprechen. Indessen wäre es mit ihrer Unterstützung allein nicht
möglich gewesen, das Werk zum Druck zu bringen, wenn nicht in hochherzig-
ster und freigebigster Weise Seine Eminenz der hochwürdigste Herr Kardinal
Ehrle bei seinem tiefstgehenden Interesse für die Wissenschaft und wissen-
schaftliches Arbeiten zu diesem Zwecke den gleichen bedeutenden Betrag ge-
spendet hätte. Ich möchte darum ganz besonders auch Seiner Eminenz an dieser
Stelle meinen herzlichsten und tiefgefühltesten Dank zum Ausdruck bringen.
Die beiden früheren Werke haben in fachmännisch wissenschaftlichen Krei-
sen des In- und Auslandes alle Anerkennung gefunden. Ich darf hoffen, daß
auch dem vorliegenden Werk eine ähnlich gute Aufnahme zuteilwerden wird.
Seite
TORWORT......... .VII
VERZEICHNIS DER ABKÜRZUNGEN DER TITEL WIEDERHOLT
ANGEFÜHRTER WERKE........ XVI
EINLEITUNG
I. GEGENSTAND............ 2
II. QUELLEN
Literarische ............. 5
Monumentale ............ 8
DIE PATENE
ERSTES KAPITEL. DIE PATENE NACH HEUTIGEM BRAUCH
ZWEITES KAPITEL. BENENNUNGEN DES GERÄTES .
DRITTES KAPITEL. DAS MATERIAL DER PATENE
I. In vorkarolingischer Zeit
II. Seit der karolingisehen Zeit bis zum sechzehnten Jahrhundert
III. In nachmittelalterlicher Zeit ......
VIERTES KAPITEL. FORMALE BESCHAFFENHEIT DER PATENE
I. In alt christlicher Zeit und im frühen Mittelalter .....
IL Vom zehnten bis zum sechzehnten Jahrhundert .....
III. In nachmittelalterlicher Zeit ........
IV. Größe der Patene..........
FÜNFTES KAPITEL. DIE KÜNSTLERISCHE AUSSTATTUNG DER PATENE
I. Allgemeines ...........
IL Schmuckmittel...........
III. Inschriften...........
IV. Bildwerk als Schmuck .........
SECHSTES KAPITEL. DIE TURRIS DES GALLIKANISCHEN RITUS . . 24
DIE MONSTRANZ
ERSTES KAPITEL. DIE MONSTRANZ NACH HEUTIGEM BRAUCH . . 3
ZWEITES KAPITEL. BENENNUNGEN UND ALTER DER MONSTRANZ
I. Namen ............. 3
IL Alter.............3!
DRITTES KAPITEL. MATERIAL DER MONSTRANZ..... 31
VIERTES KAPITEL. FORMALE BESCHAFFENHEIT DER MONSTRANZ
Vorbemerkung ............ 9
I. Mit Ständer versehene gotische Monstranzen ...... 3(
II. Mit Ständer versehene Monstranzen der Renaissance und des Barocks . 3)
III. Höbe der mit Ständer versehenen mittelalterlichen und nach mittel alt. Monstranz 3S
IV. Ständerlose Monstranzen ......... 3!
FÜNFTES KAPITEL. ORNAMENTALE AUSSTATTUNG DER MONSTRANZ
I. Ornamentale Ausstattung der gotischen Monstranzen ..... 4(
IL Ornamentale Ausstattung der Renaissance- und Barockmonstranzen . . 4(
III. Schmuckmittcl........... *
IV. Das Bildwerk der Monstranzen ........ 4(
DAS KELCHLOFFELCHEN
ERSTES KAPITEL. NAMEN DES KELCHLÖFFELCHENS .... 444
ZWEITES KAPITEL. ALTER DES GEBRAUCHS UND BESCHAFFENHEIT DES
KELCHLÖFFELCHENS...........446
DER LITURGISCHE SEIHER
ERSTES KAPITEL. NAMEN DES LITURGISCHEN SEIHERS .... 448
ZWEITES KAPITEL. ALTER UND DAUER DER VERWENDUNG DES SEIHERS 450
DRITTES KAPITEL. MATERIAL UND FORM DES LITURGISCHEN SEIHERS 452
DIE FRIEDENSKUSSTAFEL
ERSTES KAPITEL. ALTER DER VERWENDUNG DER FRIEDENSKUSSTAFEL 557
ZWEITES KAPITEL. BENENNUNGEN DER FRIEDENSKUSSTAFEL . . 560
DRITTES KAPITEL. BESCHAFFENHEIT DER KUSSTAFEL
I. Material............. 562
II. Form.............565
III. Ornamentale Ausstattung ......... 569
DAS ALTARGLOCKCHEN
ERSTES KAPITEL. ALTER DES GEBRAUCHES UND NAMEN DES ALTARGLÖCK-
CHENS............573
ZWEITES KAPITEL. MATERIAL UND ARTEN DES ALTARGLÖCKCHENS . 577
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XVIII VERZEICHNIS DER ABKÜRZUNGEN DER TITEL
die Kanne für das heiße Wasser, das nach griechischem Ritus vor der Kommunion in das
heilige Blut gegossen wird; ein sowohl in ihm wie auch in anderen Riten des Ostens ge-
bräuchliches Gerät ist der Asteriskos.
Vergleicht man das Altargerät der lateinischen Riten mit dem der Riten des
Ostens, so ergibt sich, daß es dort wie hier im wesentlichen die gleichen Be-
standteile aufweist, im wesentlichen also das gleiche ist. Begreiflich übrigens.
Ist es doch im Osten wie im Westen dieselbe liturgische Handlung, um derent-
willen es da ist, der es zu dienen bestimmt ist, die Eucharistiefeier, bei der nach
der einheitlichen Lehre der lateinischen wie der östlichen Riten der Gottmensch
Jesus Christus durch Wesenswandlung der Substanz des Opferbrotes und des
Opferweines wahrhaft, wirklich und wesentlich, mit Fleisch und Blut, mit Leib
und Seele, mit Gottheit und Menschheit unter den Gestalten des Brotes und
Weines auf dem Altar gegenwärtig wird, durch seinen die Konsekration voll-
ziehenden Stellvertreter, den Priester, das einst am Kreuze blutigerweise dar-
gebrachte Erlösungsopfer unblutigerweise, aber in aller Wirklichkeit erneuert
und in der Kommunion sich selbst den Gläubigen als Opferspeise darbietet.
Denn das ist ja nicht nur in den Riten des Westens, sondern ebenso auch in
denen des Ostens Sinn und Bedeutung der eucharistischen Feier. Daß aber
neben dieser wesentlichen Übereinstimmung des Altargerätes sich in nebensäch-
lichen Bestandteilen desselben Abweichungen zwischen den lateinischen Riten
und denen des Ostens sowie zwischen den letzteren untereinander zeigen, kann
ebensowenig befremden. Haben doch die einzelnen Riten in der formalen Aus-
gestaltung der eucharistischen Feier bei unentwegtem Festhalten an ihren
Grundbestandteilen und an ihren wesentlichen Elementen in Nebensächlichem
eine selbständige Entwicklung durchlaufen, infolge deren jene Abweichungen
im Altargerät ihre Parallelen finden in der Mannigfaltigkeit und Verschieden-
heit der die wesentlichen Akte der Eucharistiefeier, ihren Kern, in den einzelnen
Riten begleitenden und umspielenden Zeremonien und Gebete, sowie nicht
minder in den Eigenheiten der in den verschiedenen Riten zur Verwendung
kommenden liturgischen Gewandung, die neben voller Übereinstimmung in den
Hauptstücken im übrigen gleichfalls mancherlei Unterschiede aufweist.
Nach protestantischer Anschauung hat die Eucharistiefeier in keinem Sinn
den Charakter eines Opfers, sondern nur den eines Gedächtnismahles; sie ist
ausschließlich »Abendmahl«, »Herrenmahl«. Der Altar ist folgerichtig im pro-
testantischen Kultus nicht Opferstätte, sondern bloß Abendmahlstisch, das Al-
targerät desselben aber in keiner Beziehung ein Gerät zur Darbringung eines
Opfers, kein Opfergerät, sondern lediglich Abendmahlsgerät. Es beschränkt
sich diesem seinem Charakter entsprechend auf Kelch und Abendmahlsschüs-
sel, auf Weinkanne, einen Ersatz des Meßkännchens, und Hostienbehälter, zu
denen weiterhin noch Leuchter und Kreuz als Ausrüstung des Abendmahls-
tisches kommen.
Eine Geschichte des Altargeräts und seiner Entwicklung wird notwendig vorwiegend eine
Geschichte des abendländischen Altargeräts werden. Seinen Grund hat das in der quanti-
tativen und qualitativen Beschaffenheit des für eine solche vorliegenden literarischen und
4 EINLEITUNG
monumentalen Quellenmaterials. Wahrend dieses für den Westen wenigstens seit der Karo-
lingerzeit in befriedigendem Maße, seit dem zwölften Jahrhundert reichlich und im späten
Mittelalter und der nachmittelalterlichen Zeit sogar in kaum übersehbarer Fülle vorhanden
ist, fließen die Quellen für eine Geschichte des Altargeräts im Osten zu aller Zeit nur
äußerst spärlich, nur wie tropfenweise, namentlich die monumentalen. Es sind nur verein-
zelte Stücke, was an wirklichem zweifellos echtem Altargerät aus älterer Zeit, ja noch aus
dem späten Mittelalter sich erhalten hat oder doch bekannt und veröffentlicht wurde. Es
darf darum auch nicht verwundern, wenn in der vorliegenden Arbeit trotz möglichst voll-
ständiger Ausbeutung des Quellenmaterials aus dem Osten der Löwenanteil auf das Altar-
gerät des lateinischen Ritus entfällt. Wo es an dem nötigen Material zu einer ausgiebigen
Darstellung mangelt, ist eine solche unmöglich und kann man darum auch eine solche nicht
erwarten.
mit den Geräten zur Herrichtung der Opfergaben, den Kännchen, dem Kelchlöffelclieh,
dem Hostien behalte r, der heiligen Lanze, dem Asteriskos (Asteriskus) und dem Zeon be-
schäftigen, der zweite mit der Meßausrüstung des Altars, dem Kreuz und den Leuchtern,
der dritte endlich mit den sonstigen im Altardienst zur Verwendung kommenden Geräten,
den Abiulionsgefäßen, dem Weihkessel mit seinem Wedel, der Paxtafel, dem Altarglöck-
chen, dem Rauchfaß mit seinem Zubehör, Schiffchen und Löffelchen, und dem liturgischen
Fächer beschäftigen. Ein dritter Teil wird die Segnung des Altargeräts und dessen Symbolik
behandeln.
II. QUELLEN
AUS der vorkarolingischen Zeit liegt im ganzen nur recht dürftiges Material
für die Geschichte des Altargerätes vor, das freilich eben darum um so
wertvoller ist. Mitteilsamer werden die Quellen seit der Karolingerzeit, noch
mitteilsamer seit dem 12, Jahrhundert. Im ausgehenden Mittelalter und der
Folgezeil aber ist das Material für die Geschichte des Altargerätes sogar fast
unübersehbar, zugleich aber freilich infolge der Fülle des Gleichartigen zu
einem großen Teil von geringerer Bedeutung. Nur spärlichste Ausbeute liefern
die Quellen für die Geschichte des Altargerätes in den Riten des Ostens. Was
uns die abendländischen Quellen, die seit der zweiten Hälfte des Mittelalters
kaum mehr etwas von Belang vermissen lassen, über dieselbe berichten, über-
trifft in aller Beziehung, quantitativ wie qualitativ, zeitlich wie örtlich, der-
gestalt das Nachrichtenmaterial, das wir aus den Riten des Ostens über sie be-
sitzen, daß dieses vor ihm fast verschwindet, nur wie ein Minimum ihm ge-
genüber erscheint.
Die Quellen sind teils literarische, teils monumentale. Zu den literarischen
zählen die auf das Altargerät bezüglichen Synodalbestimmungen, die Kanones-
sammlungen und die Dekrete der seit i588 bestehenden, von Sixtus V. einge-
setzten Ritenkongregation, ferner die liturgischen Rücher sowie die liturgi-
schen Traktate der mittelalterlichen Liturgiker, des weiteren die Schriften der
Väter und altchristlichen Kirchenschriftsteller sowie sonstige Schriftwerke aus
altchristlicher Zeit wie Urkunden, Itinerarien, Biographien u.a., dann die mit-
telalterlichen Chroniken und Heiligenleben, besonders aber die Schatzverzeich-
nisse aus altchristlicher, mittelalterlicher und selbst noch nachmittelalterlicher
Zeit. Die monumentalen Quellen umfassen Inschriften, die sich auf Altargeräte
beziehen, bildliche Darstellungen des Altargerätes sowie vor allem die Altar-
geräte, die sich aus der Vergangenheit, zumal der altchristlichen Zeit und dem
Mittelalter erhalten haben.
LITERARISCHE QUELLEN
Auf die literarischen Quellen hier näher einzugehen, erübrigt sich. Es sind
dieselben wie die literarischen Quellen zur Geschichte der liturgischen Gewan-
dung und des christlichen Altares. Da diese in meinen der Geschichte der liturgi-
schen Gewandung und des christlichen Altares gewidmeten Werken bereits
6 EINLEITUNG
eine ausgiebige Erörterung erfahren haben, (1) darf ich, um Gesagtes nicht
nochmals zu wiederholen, auf das daselbst Ausgeführte verweisen und mich
darauf beschränken, sie hier nur kurz nach ihrem Wert und ihrer Bedeutung
für die Geschichte des Altargeräts zu charakterisieren.
i. Kirchliche Bestimmungen. Die Kanones der allgemeinen Synoden enthal-
ten nichts über die Altargeräte, die der Provinzial- und Diözesansynoden spre-
chen dagegen seit dem 9. Jahrhundert mehrfach von dem einen oder andern,
von seiner materiellen Beschaffenheit, seiner Segnung und seiner Verwendung,
zumal vom Kelch und von der zur Aufbewahrung des Allerheiligsten dienenden
Pyxis. Auch bestimmen sie wohl, wie englische Synoden des i3. Jahrhunderts,
was an Altargeräten zum mindesten vorrätig sein müsse und wem die Pflicht
obliege, die einzelnen Geräte zu beschaffen. Über die formelle Gestaltung der
Altargeräte aber, über die etwas Näheres zu hören wir vor allem wünschten,
reden sie nie. Alle Geräte umfassende Bestimmungen über das Altargerät be-
gegnen uns erst in der Instructio fabricae ecclesiae des heiligen Karl Borro-
mäus, der Frucht der dritten Mailänder Provinzialsynode von i573. Sie sind
sehr einlässig. Ihrem Ursprung entsprechend nur partikularrechtlicher Natur,
haben sie nie, auch nicht durch ihre Approbation durch Born, allgemeingültige
Kraft erlangt, wurden aber immerhin über die Grenzen der Mailänder Kirchen-
provinz hinaus von Bedeutung durch den vorbildlichen und anregenden Ein-
fluß, den sie auf die Statuten anderer Synoden, zum Beispiel der von Aix
(1591) und von Prag (i6od) ausübten, wie auch durch das Echo, das sie in
dem Ornatus ecclesiasticus des Regensburger Generalvikars Myller von i5gi
und in Gavantis Thesaurus sacrorum rituum, der 1628 erstmalig zu Mailand
erschien, fanden.
Nur wenige Einzelheiten sind es auch, was wir in den mittelalterlichen latei-
nischen K(w.t)n(>*i:nmnti<in;j<'n und in den orientalischen Sammlungen dieser
Art über das Altargerät erfahren. Wegen ihrer Verbreitung und weil sie weithin
als bindende Norm galten, hatten sie vor den Statuten der partikulären Synoden
voraus, daß das, was sie gelegentlich über dasselbe sagen, nicht mehr rein par-
tikularrechtlichen Charakter an sich trug, wenn ihm auch ursprünglich nur ein
solcher eignete.
Zahlreich sind die Dekrete, welche die Kongregation der heiligen Riten seit
ihrem Bestehen bezüglich des Altargeräts erlassen hat. Sie betreffen jedoch zu-
meist seinen Gebrauch. Was von den älteren Entscheidungen heute noch Gel-
tung hat, findet sich in der unter dem Titel Decreta authentica Congregationis
sacrorum Rituum ex actis eiusdem collecta eiusque auctoritate promulgata seit
1898 erschienenen offiziellen Sammlung der Dekrete der Ritenkongregation.
Allgemein verpflichtend sind die sogenannten Decreta generalia, Entscheidun-
gen in Einzelfällen aber, wenn sie eine authentische Auslegung einer Rubrik
oder sonst einer liturgischen Vorschrift darstellen.
2. Liturgische Bücher und Traktate. Was uns die liturgischen Bücher, die
uns die vormittelalterliche Zeit und das Mittelalter hinterlassen haben, über das
(1) Die liturgische Gewandung im Occident und Orient (Freiburg 1907) 5 fi; Der christ-
liche Altar (München 1924) 5 ff.
IL QUELLES, LITERARISCHE 7
Altargerät berichten, belehrt uns fast nur darüber, welche Geräte in Gebrauch
waren und wie sie gebraucht wurden. In erster Beziehung sind besonders wert-
voll der erste der römischen Ordines Mabillons, aus dem wir ersehen, was alles
an liturgischem Gerät im 8. Jahrhundert bei der Papstmesse zur Verwendung
kam (2) und der 14. Ordo, der uns über die um die Wende des i3. Jahrhunderts
beim Pontifikalamt eines Kardinalbischofs erforderlichen Geräte Aufschluß
gibt. (3) Über das Material und die Form der Altargeräte erfahren wir aus den
liturgischen Büchern so gut wie nichts, über ihre Ausstattung gar nichts und
zwar verhält es sich so nicht bloß mit den Ordines, Ritualien, Cäremonialien,
Consuetudinarien, Sakramentaren, Missalien und Pontifikalien der lateinischen
Biten, sondern auch mit den entsprechenden liturgischen Büchern der Riten
des Ostens.
Wenig Ausbeute für die Geschichte des Altargerätes bieten auch die mittel-
alterlichen liturgischen Traktate, gleichviel, ob sie dem Westen oder dem Osten
angehören. (4) Sie nennen uns das in Gebrauch befindliche Altargerät, gehen
auch wohl auf die mystische Bedeutung ein, die nach ihnen die einzelnen Ge-
räte hatten, über Material und Form derselben reden sie nur gelegentlich und
nur um eine symbolische Bedeutung daran anzuknüpfen, über ihre Ausstattung
niemals. Selbst ein Durandus, der in seinem Rationale mit Bienenfleiß alles zu-
sammengetragen hat, was die ihm vorausgehenden Liturgiker über den mysti-
schen Sinn und die Symbolik der Altargeräte ersonnen und geschrieben hatten,
weiß uns über alles das nur wenig von Belang zu berichten.
3. Werke der Väter und andere altchristlicke Schriftwerke; mittelalterliche
Kanonisten, Chroniken und biographische Schriften. Was sich bei den Vätern
und altchristlichen Kirchenhistorikern sowie in den sonstigen Schriftwerken
aus altchristlicher Zeit über das Altargerät findet, sind immer nur Einzelheiten,
nur gelegentliche Bemerkungen, die freilich um so wertvoller sind, je spär-
licher überhaupt das Material zur Geschichte des Altargeräts in altchristlicher
Zeit fließt, und eben deshalb ausgiebigst in der vorliegenden Arbeit verwertet
wurden. Von kaum nennenswertem Belang ist für die Geschichte des Altar-
gerätes, was uns die mittelalterlichen Kanonisten bezüglich desselben zu sagen
haben, da sich etwaige Erörterungen darüber, die uns bei ihnen begegnen, sich
ganz in den Gleisen der Kanonessammlungen und des Corpus iuris canonici be-
wegen. Manche bemerkens- und schätzenswerte Beiträge liefern dagegen die
Chroniken und Biographien, besonders hinsichtlich des Materials und der künst-
lerischen Ausstattung der Altargeräte, doch auch wohl hinsichtlich der formalen
Beschaffenheit und der Größenverhältnisse derselben, wenn sie erzählen, was
alles an kostbarem liturgischen Gerät irgend eine Stifts- oder Klosterkirche
besaß, oder verewigen, was gläubiger frommer Sinn an solchem geschenkt habe
oder habe anfertigen lassen. Die Zahl dieser für die Geschichte des Altargerätes
unschätzbaren Schriften ist groß. Von besonderem Wert sind unter ihnen die
der altchristlichen Zeit und dem frühen Mittelalter entstammenden, weil sie
(2> N. 3 (M. 78, 939). (3) C. 48 (M 1. c. 1153).
(4) Näheres über diese Traktate in „Die liturgische Gewandung im Occident und Orient
S.7I. and „Der christliche Altar" S.8.
8 EINLEITUNG
eine der vorzüglichsten Quellen für die Geschichte des Altargerätes in dieser
Zeit bilden. Weitaus die wichtigste derselben, wenngleich keineswegs die ein-
zige, ist der römische Liber Pontificalis, das sogenannte Papstbuch, das ebenso-
wohl an Angaben über das Altargerät aus altchristlicher Zeit, wie aus der Zeit
der Päpste des 8. und 9. Jahrhunderts, zumal derjenigen Gregors III-, Ha-
driansl., Leos III., Paschalis'I., Gregors IV., Leos IV. und Nikolaus'I. reich ist.
ü. Inventare und sonstige auf Altargeräte bezügliche Dokumente. Von her-
vorragender Wichtigkeit für die Geschichte des Altargerätes sind die kirch-
lichen Inventare, das ist die Verzeichnisse der in einer Kirche befindlichen
Wertstücke, darunter namentlich auch der in ihr vorhandenen Altargeräte. Das
älteste bekannte ist die sogenannte Carta Cornutiana, das Schatzverzeichnis
einer Landkirche bei Tivoli aus dem Jahre /I71. (5) Bis zum i3. Jahrhundert
sind sie nicht übermäßig zahlreich, dagegen liegt aus dem i3., i4- und i5. Jahr-
hundert eine Fülle derselben vor. Auch aus nachmittelalterlicber Zeit sind zahl-
reiche vorhanden. Die älteren Inventare sind regelmäßig sehr knapp gefaßt,
knapper als man es wünschen möchte. Immerhin sind auch so die Angaben, die
sie über die in ihnen verzeichneten Altargeräte, deren Art, Zahl, Material und
Ausstattung machen, von großem Wert. Erheblich eingehender sind die In-
ventare des späteren Mittelalters, zumal auch bezüglich der Ausstattung der in
ihnen vermerkten Geräte, dergestalt, daß ihre Angaben bisweilen zu förm-
lichen, einlässigen Beschreibungen werden. Zu bedauern ist, daß es sich bei den
Inventaren, die aus dem Mittelalter vorliegen (6), zumeist nur um solche grö-
ßerer Kirchen handelt. Die Zahl der mittelalterlichen Inventare kleinerer Stadt-
und Landkirchen ist wenig erheblich. Es wäre aber sehr wichtig zu wissen, wie
es sich um den Bestand an Altargerät gerade in Kirchen dieser Art im Mittel-
alter gehandelt hat. In nachmittelalterlicher Zeit geben uns namentlich die
den Visitationsprotokollen eingefügten Inventare manchen lehrreichen Auf-
schluß darüber.
Wertvolle Ergänzungen zu den Inventaren bilden die den mittelalterlichen
Nekrologen, den Libri benefactorum und den Chroniken eingefügten Gaben-
verzeichnisse, die Testamente, soweit sie neben anderem auch Altargeräte zum
Gegenstand haben, sowie die Kirchenrechnungen. Denn auch sie liefern manche
brauchbaren Beiträge zur Geschichte des Altargeräts. Von den hier in Betracht
kommenden Testamenten reichen einige bis in den Ausgang der altchristlichen
Zeit und in den Beginn des Mittelalters zurück.
MONUMENTALE QUELLEN
Sie umfassen, wie früher gesagt wurde, Inschriften, Bildwerke und noch vor-
handenes Altargerät aus der Vergangenheit.
1. Inschriften. Es handelt sich bei ihnen um etwaige an den Altargeräten an-
gebrachte Inschriften. Sie sind ihrem Inhalt nach entweder historischer, erläu-
(5) Abgedruckt bei Duchesne, Liber Pontificalis I (Paris 1886) CXLVI.
(6) Ein Verzeichnis der bis 1894 im Druck veröffentlichten Inventare in dem wertvollen
Werk von Fernand de Mely und Edmund Bishop, Bibliographie des inventaires imprim6s
(Paris 1892—1894).
II. QUELLEN, MONUMENTALE 9
ternder oder religiöser Art. Historischer Art sind alle jene Inschriften, welche
Angaben über die Entstehungszeit des Geräts enthalten, den Auftraggeber, der
das Gerät herstellen ließ, nennen, den Namen des Stifters desselben verewigen
oder den Künstler vermerken, durch dessen Hände es geschaffen wurde; erläu-
ternder Art jene Inschriften, welche das Bildwerk erklären, mit dem das Gerät
ausgeschmückt wurde, oder den liturgischen Zweck und Charakter des Geräts
zum Ausdruck bringen; religiöser Art solche, welche in einer Anrufung, einer
Bitte, einer Lobpreisung besteben, eine Widmung darstellen oder heilige Na-
men wiedergeben.
Alle Inschriften sind je in ihrer Weise und nach ihrer Art für die Datierung des Gerätes,
an dem sie sich finden, wertvoll, vor allem die historischen, die uns unmittelbar über sie
Kunde bringen, während die der andern Klasse« durch die Eigenart ihres Inhaltes, ihres
formalen Baues sowie namentlich ihrer Schriftzeichen uns immerbin mittelbar einen An-
halt für dieselbe zu bieten vermögen. Dadurch aber, daß etwaige an einem Altargerät sich
findende Inschriften unmittelbar oder mittelbar die Feststellung seiner Entstehungszeit
ermöglichen, gewähren sie uns zugleich Aufschloß über Form und Ausstattung, welche
überhaupt den Geräten derselben Art zur Zeit seiner Entstehung wenigstens am gleichen
Ort eigen war, und sind wir infolgedessen imstande, an der Hand der durch ihre Inschrift
irgendwie datierbaren Geräte auch das Alter anderer, die einen gleichen oder verwandten
Charakter zeigen, einer Inschrift oder sonst eines Anhaltspunktes für eine Datierung aber
entbehren, mit mehr oder weniger Bestimmtheit und Genauigkeit festzustellen.
Inschriften erläuternden Charakters können für die Geschichte des Altargeräts auch da-
durch von großer Wichtigkeit werden, daß sie den liturgischen Charakter des Geräts, an
dem sie angebracht sind, außer Zweifel stellen. Dann nämlich, wenn sie, sei es zusammen
mit Bildwerk, das sie begleiten, sei es allein für sich und ohne solches, ausdrücklich oder
doch wenigstens andeutend einen Hinweis auf den liturgischen Zweck des Geräts zum Aus-
druck bringen, das Gerät aber, an dem sie sich finden, seine liturgische Bestimmung nicht
oder nicht deutlich genug erkennen läßt. Ist es ja in einem solchen Falle die Inschrift, die
uns seinen liturgischen Charakter gewährleistet. Als Beispiele seien genannt eine von Bi-
schof Konrad (raoi—1209) aus Konstantinopel mitgebrachte griechische Patene im Schatz
des Domes zu Halberstadt, die man ohne ihre Inschrift wohl nicht für eine solche halten
würde; eine Alabasterschüssel griechischer Herkunft in S. Marco zu Venedig, deren Charak-
ter als Patene ebenfalls nur durch ihre Inschrift außer Zweifel gestellt wird, sowie mehrere
griechische Henkelbecher in S. Marco von ungewöhnlicher Form, die nur durch ihre In-
schrift mit Sicherheit als liturgische Kelche beglaubigt werden.
2. Bildwerke. Die Bildwerke der Vergangenheit, auf welchen liturgisches
Gerat dargestellt ist, Malereien wie Plastiken, kommen als Quellen zur Ge-
schichte des Altargeräts weit weniger in Betracht, als man vielleicht annehmen
möchte.
Am wertvollsten sind als solche die altchristlicher Zeit und dem früheren
Mittelalter entstammenden, weil sie einen gewissen Ersatz für das zugrunde
gegangene Altargerät aus jener Zeit und eine willkommene Ergänzung des lei-
der allzu geringen Bestandes an noch erhaltenen altchristlichen und frühmittel-
alterlichen Altargeräten bilden. Ihre Zahl ist nicht groß, falls man nicht, wie
etwa Rohaclt de Fleuhy, kritiklos an die Monumente herantritt und, im Bann
einer Symboliersucht stehend, liturgisches Gerät zu finden glaubt, wo ein un-
befangener, nüchtern prüfender Blick solches nicht zu erkennen vermag. Zu-
dem bieten sie zumeist nur Material für die Geschichte des Kelches und des
Rauchfasses.
10 EINLEITUNG
Die Bildwerke des späteren Mittelalters kommen für die Geschichte des Al-
targeräts nur wenig mehr in Betracht, da die Altargeräte jeder Art, die sich aus
demselben in die Gegenwart gerettet haben, so zahlreich sind, daß wir besser
und vollständiger durch sie über das Altargerät jener Zeit Aufschluß erhalten,
als durch die meist mehr oder weniger mangelhaften Bildwerke, die uns über
das Material des Altargerätes nichts, über dessen formale Beschaffenheit und
seine Ausstattung kaum etwas Neues von Belang zu sagen wissen. Am bemer-
kenswertesten sind sie noch für die Geschichte der Monstranz, des Altarkreuzes
und der Altarleuchter.
Allen bildliehen Darstellungen von Altargerät ist mehr oder weniger gemeinsam, daß
sie uns nur relativ zuverlässigen Aufschluß über dasselbe zu geben vermögen und daß sie
deshalb mit einiger Vorsicht zu verwerten und zu deuten sind. Das gilt nicht nur von jenen
geradezu naiv primitiven Bildwerken, die kaum mehr Vertrauen verdienen als die Ge-
bilde des Griffels eines Schulkindes. Auch die besseren lassen, weil in hohem Grade Schöp-
fungen der Phantasie des Künstlers, an Genauigkeit und Treue, zumal in den Einzelheiten,
mehr oder weniger zu wünschen übrig. Es wäre irrig und würde zu verhängnisvollen Fehl-
schlüssen führen, wollte man selbst in den vollendeter ausgeführten Bildwerken so etwas
wie Photographien der auf ihnen dargestellten Altargeräte sehen.
3. Liturgische Geräte. Sie sind die wichtigste und vornehmste aller Quellen
zur Geschichte des Altargeräts. Insbesondere läßt sich nur an der Hand des
noch vorhandenen Bestandes an Altargeräten der Vergangenheit die Entwick-
lung derselben nach Form und Ausstattung genügend verfolgen und nach-
weisen. Für die Zeit bis etwa zum i3. Jahrhundert bedarf es allerdings einer
Ergänzung durch die andern Quellen, da die Zahl der Geräte, die sich aus dem
vorausgehenden Zeitraum erhalten haben, bei weitem nicht hinreicht, um allein
auf Grund ihrer eine Geschichte des Altargeräts zu schreiben. Für die nachfol-
gende Zeit liegt die Sache dann jedoch wesentlich anders. Zwar bieten auch für
sie die sonstigen Quellen noch manche bemerkenswerte Ergänzungen zu dem,
was die aus ihr noch vorliegenden Altargeräte berichten, doch sind letztere bei
ihrer außerordentlichen Fülle nunmehr die hauptsächlichste, vielseitigste und
ausgiebigste Quelle für eine Geschichte des Altargeräts.
Brauchbares Material für eine Geschichte des Altargeräts können natürlich
nur solche Geräte sein, welche zweifellos echt sind. Bei Altargerät, das seit
alters sich in kirchlichem Besitz befindet, darf, ja muß die Echtheit ohne wei-
teres angenommen werden. Nicht ganz so verhält es sich mit Geräten aus frühe-
rer Zeit, die sich im Kunst- und Anticpiitätenhandel befinden oder aus diesem
in Sammlungen, zumal in private, gekommen sind, und noch mehr gilt das von
Stücken, die unter mehr oder weniger mysteriösen und unkontrollierbaren Um-
ständen zu Tage traten und in den Handel gelangten, besonders wenn sie Altar-
gerät aus altchristlicher oder frühmittelalterlicher Zeit sein wollen.
Gefälschte Kunstwerke gibt es heute sehr viele. Die hohen, oft fabelhaften Preise, die
von den Sammlern für alte Kunstwerke gezahlt werden, laden geradezu zum Fälschen ein.
Auch unter den Altargeräten fehlt es an Fälschungen nicht. Man kann darum keineswegs
alles Altargeräte, das sich im Kunsthandel befindet oder aus diesem in Sammlangen ge-
raten ist, ohne weiteres lediglich auf Treu und Glauben als echt hinnehmen. Es wird
vielmehr nicht allzu selten nötig sein, dieses oder jenes Stück auf seine Echtheit einer
//. QUELLES, MONUMENTALE 11
vorsichtigen und sorgsamen Prüfung zu unterziehen, die freilich bei der Raffiniertheit,
mit der heute die Fälscher zu Werke zu gehen pflegen, selbst für den Fachmann nicht
immer eine leichte Sache ist, und wird ihm seinen Platz in der Geschichte des Altargerätes
erst anweisen, wenn seine Echtheit durch seine Beschaffenheit oder sonstige Anhalts-
punkte mit genügender Sicherheit oder doch mit hoher Wahrscheinlichkeit erwiesen ist.
Besonders gilt diese Vorsicht, wie auf der Hand liegt, gegenüber Altargeräten, die alt-
christlich oder frühmittelalterlich sein wollen. Geben sie sich als Schöpfungen des spä-
teren Mittelalters, wird man, wenn ihre Echtheit nicht mit hinreichender Sicherheit dar-
getan werden kann, am besten ganz von ihnen absehen, da sie neues Material von Wert
zur Geschichte des Altargerätes der späteren Zeit ja doch nicht zu bieten vermögen, weil
aus dieser auch ohne sie genug an gleichartigen oder verwandten zweifellos echten Stücken
vorhanden ist.
Übrigens muß man sich gegebenen Falls nicht bloß hinsichlich der Echtheit eines in
Frage stehenden Altargeräts vergewissern, sondern auch darüber, ob und wie weit es noch
in seinem ursprünglichen Zustand ist, ob es nicht etwa im Verlauf seiner Verwendung zum
Teil erneuert wurde, indem man z. B. einen Kelch mit einer neuen Kuppe oder einem neuen
Fuß versah, bei einer Monstranz den zylinderförmigen Behälter durch ein rechteckiges Ge-
häuse oder eine von Strahlen eingefaßte runde Kapsel ersetzte, einem Ziborium an Stelle
seines helmförmigen einen kuppeiförmigen Deckel gab, bei einem Rauchfaß den Fuß, das
Feuerbecken oder den Deckel änderte, oder ob es nicht zur Zeit, als es in den Handel kam,
weil unvollständig erhalten, durch den Händler oder später durch den Sammler mit Hilfe
älterer Stücke ergänzt wurde, wie das häufig genug geschehen ist. Im ersten Fall kann das
Stück als Zeuge für die formale oder stilistische Entwicklung des Geräts Beachtung ver-
dienen, im zweiten wird man meist gut tun, ganz von ihm abzusehen.
Es muß aber, damit ein aus der Vergangenheit vorliegendes Gerät als Mate-
rial für die Geschichte des Altargeräts verwertet werden kann, nicht bloß seine
Echtheit und seine Ursprünglichkeit festgestellt werden, sondern auch sein
liturgischer Charakter. Hatte zur Zeit, der es entstammt, das ihm entsprechende
Altargerät bereits eine typische, es als liturgisch kennzeichnende Form, so
macht das keine Schwierigkeit. Anders verhält es sich dagegen, wenn sich zu
seiner Entstehungszeit für dieses kein Typus herausgebildet hatte, falls nicht
etwa sonstwie, zum Beispiel durch eine zuverlässige Überlieferung, ein Inven-
tar, eine Inschrift, sein liturgischer Charakter bezeugt wird.
Es geht deshalb nicht an, in jedem kelchförmigen Becher oder in jeder patenenartigen
Schüssel aus altchristlicher und frühmittelalterlicher Zeit ohne weiteres einen liturgischen
Kelch bezw. eine liturgische Patene sehen zu wollen, jedes Rauchfaß aus einer Zeit, in der
Rauchfässer der gleichen Art sowohl beim Gottesdienst wie im profanen Lehen gebraucht
wurden, als liturgisch hinzustellen, Gefäße für Wasser und Wein, die noch nicht durch
ihre Form als liturgisch gekennzeichnet werden, Gefäße für die Händewaschung, wie sie
gleicherweise im Alltagsleben und heim Gottesdienst gebraucht wurden, ohne weiteres dem
Bestand an Altargerät, den uns die Vergangenheit hinterlassen hat, einzureiben, jede alt-
christliche Elfenbcinpyxis als eucharistisch, d.i. als Behälter zur Aufbewahrung des Aller-
heiligsten anzusprechen. Und doch ist in alledem viel gefehlt worden, hat man oft genug
Geräte als Altargerät gedeutet, die nicht einmal mit einiger Wahrscheinlichkeit sich als
solches erweisen lassen.
Kein genügender Grund ist es, ein Gerät als Altargerät hinzustellen, ledig-
lich weil es mit einem religiösen Symbol oder religiösen Darstellungen ge-
schmückt erscheint, es sei denn, daß das Bildwerk durch seinen Gegenstand in
deutlich erkennbarer Weise auf den Zweck des Gerätes als eines Altargerätes
12 EINLEITUNG
hinweist; ein Fall, der übrigens keineswegs häufig ist. Religiöse Darstellungen
als Zierat auch an profanen Geräten anzubringen, ist kein nur der heidnischen
Antike eigener, dein Christentum aber fremder Brauch. Er war auch diesem
vertraut, nur daß die Christen sie statt mit heidnischem mythologischen mit
christlichem Bildwerk schmückten. So geschah es in altchristlicher Zeit, so im
frühen wie im späten Mittelalter, so auch noch in nachmittelalterlicher Zeit;
eine Fülle von Beispielen beweist das.
Man kann darum z.B. nicht eine altchristliche Schüssel bloß darum, weil sie ein heiliges
Monogramm, wie das Chrisnion, oder, wie Goldglasschösseln biblische Szenen als Ver-
zierung aufweist, als liturgische Patene anspreche» oder die vorhin genannten altchristli-
chen Elfenbeinpyxiden wegen der alt- und neutestamentlichen Darstellungen, mit denen
sie ringsum verziert sind, als Pyxiden zur Aufnahme und Aufbewahrung der Eucharistie
ausgeben, einen Seiher, dessen Löchlein so gestellt sind, daß sie das Christusmonogramm
bilden, als liturgischen Scihcr bezeichnen oder Kupferbecken des za. Jahrhunderts wegen
der ihnen eingravierten allegorischen Darstellungen der Tugenden oder Laster, der sieben
Gaben des Heiligen Geistes, oder sonstiger religiöser Gegenstände, als gott es dienstliches
Gerät, ja als Schüsseln für das heilige Salböl deuten. Denn in allen diesen und ähnlichen
Fällen wird der liturgische Charakter eines Gerätes durch das Bildwerk allein, mit dem es
verziert ist, noch keineswegs gesichert.
Ist hiernach religiöses Bildwerk auf einem Gerät allein für sich noch kein
schlüssiger Beweis für den liturgischen Charakter desselben, so sind aber auch
profane Darstellungen, die sich auf ihm finden, nicht immer ein sicheres Zei-
chen nichtliturgischen Charakters.
Die Vorzeit war nicht so feinfühlig wie wir heute es sind. Wie man zu liturgischen Ge-
wändern ohne Bedenken auch Stoffe gebrauchte, in die recht weltliche Darstellungen einge-
webt waren, (7) weil man nicht auf den gegenständlichen, sondern nur auf den ornamentalen
Charakter derselben achtete, so hat man beispielsweise auch Waschschüsseln zu den liturgi-
schen Hände Waschungen verwendet, welche ausschließlich oder fast ausschließlich mit aus-
gesprochen profanem Bildwerk geschmückt waren. Deux hacins de chapelle d'argent, dorez,
en chaeun une rose en fonds ä un esmail de deux dames qui tiennent 2 faueons et semez
sur les bords d'esmaux ä oyseaux de proye, lesen wir beispielsweise im Inventar Carls V.
von Frankreich von 1379/80; deux baeins d'argent dore pour ung prelat quand il dit la
messe, une dame sur un cheval en l'un faicte en email et en I'autre ung nomine ä cheval
fait aussy en email, im Inventar des Herzogs von Savoyen von 1/498,(8) erhalten aberhaben
sich solche liturgische Waschbecken in den Domen zu Osnabrück und Halberstadt, dort
eines, hier zwei. Ebenso hat man zu den liturgischen Iländewasehungen Gießgefäße ge-
braucht, die gleich den zu Händewaschungen im Alltagsleben dienenden Löwen, Hunde,
Hirsche, Vogelgestalten, phantastische Tiergebilde, Ritter Jäger und ähnliches darstellten.
Freilich waren es meist nur Altargeräte untergeordneter Art, die eine derartige profan an-
mutende Ausstattung oder formale Beschaffenheit aufwiesen.
Nicht allzu selten kommt es vor, daß an der Echtheit eines Gerätes kein
Zweifel ist, daß es sicher irgendwie in kirchlichem Gebrauch gestanden hat,
daß es aber nicht klar ist, ob es zu den in der vorliegenden Arbeit zu behandeln-
den Altargeräten gehörte oder, falls es Altargerät war, zu welchem Zweck es
diente.
I J. Braun, Die liturgische Gewandung im Oceident und Orient (Freiburg 1907) 204 f.
I Gay I, 94 770.
//. QUELLEN, MONUMENTALE 13
So gibt es mittelalterliche Leuchter, die aus Kirchen stammen, also auch zweifelsohne
in diesen einst irgendwie zur Verwendung gekommen sind, deren eigenartige Form jedoch
kaum gestattet, in ihnen Altarleuchter zu sehen; Kreuze, von denen sich nicht feststellen
läßt, ob sie als Altarkreuze gedient haben, oder ob sie.nur Reliijuienkreuze waren; ziborien-
und monstranzartige Behälter, von denen es nicht klar ist, ob sie zur Aufnahme von Re-
liquien oder zur Aufbewahrung bezw. zur Aussetzung des AHerheiligsteo gemacht wurden,
d. i. ob sie Reliquiare oder cucharis tische Gefäße waren; Pyxiden, die ebensogut zur Aufbe-
wahrung konsekrierter Hostien wie zu der der noch zu konsekrierenden Hostien haben
dienen können, betreffs deren sich also nicht bestimmen läßt, ob Bie eucharistische Pyxi-
den oder bloße Hostienbüchsen waren. Lassen sich die Zweifel, ob und wie ein aus kirchli-
chem Gebrauch stammendes Gerät im Altardienst verwendet wurde, nicht genügend beheben,
wird man gut tun, es ebenfalls aus der Betrachtung auszuscheiden. Für das spätere Mittel-
alter hat das um so weniger Bedenken, als es aus diesem genug Geräte der gleichen Art
gibt, bezüglich deren Unklarheiten hinsichtlich ihrer Verwendung als Altargerät wie auch
hinsichtlich der Art dieser Verwendung nicht bestehen, an zuverlässigem Material für eine
Geschichte des Altargeräts kein Mangel ist.
Wichtig ist für eine Geschichte des Altargeräts eine möglichst genaue Datie-
rung der für sie als Material zu verwertenden Altargeräte aus früherer Zeit.
Bei manchen ermöglicht eine an ihnen befindliche Inschrift eine solche, bei
andern ihre formale oder ornamentale Verwandtschaft mit inschriftlich datier-
baren, wieder bei andern eine Stil- und formkritische Untersuchung. In vielen
Fällen wird man sich aber mit einer nur mehr oder weniger annähernd genauen
Feststellung ihrer Entstehungszeit begnügen müssen. Zu vermeiden sind Über-
datierungen, zu denen es leicht kommen kann und wie die Erfahrung lehrt, in
der Tat nicht allzu selten kommt; zu vermeiden eine genaue Datierung, wenn
für eine solche die vorhandenen Anhaltspunkte bei unvoreingenommener Wer-
tung nicht ausreichen, sondern nur gestatten, die Entstehungszeit mit größerer
oder geringerer Wahrscheinlichkeit annähernd zu bestimmen; zu vermeiden
eine mit dem Anspruch auf Sicherheit auftretende Aufstellung, wo immer nach
Lage der Umstände bestenfalls nur ein »vielleicht« oder ein »dürfte« am Platz ist.
Bei Altargeräten aus der zweiten Hälfte des Mittelalters bietet die Datierung im allge-
meinen keine erheblichen Schwierigkeiten. Läßt sich auch die Entstehungszeit nicht immer
genau bestimmen, so doch in der Regel mit ausreichender annähernder Genauigkeit. Ihre
Meister, die Werkstätten, aus denen sie hervorgingen, die Schule, der sie angehören, fest-
zustellen, ist freilich eine Sache, die nur selten gelingt. Indessen sind das ja auch Fragen,
deren Beantwortung zwar die Kunstgeschichte sehr interessiert, für die Geschichte des
Altargerätes aber ohne Bedeutung ist.
Anders wie mit der Datierung von Altargeräten aus der zweiten Hälfte des Mittelalters
verhalt es si;'I: hinr-ii'hi:idi (Si-rjeiij^üji von (reriilun uns der vorausgehenden Zeil, da es für
diese meist an sicher datierbarem Vergleichsmaterial fehlt und auch sonstige, die Ent-
stehungszeit genügend bestimmende Anhaltspunkte nicht immer vorliegen. Meinungsver-
schiedenheiten bezüglich ihrer Datierung können daher in Fällen, in denen eine genauere
Datierung nicht möglich ist, nicht überraschen. Altargeräte aus nachmittelalterlicher Zeit
zu datieren, bietet in der Regel keine Schwierigkeit, auch wenn ausdrückliche Angaben be-
züglich ihrer Entstehungszeit nicht vorhanden sind. Ihre formale Beschaffenheit und ihre
stilistischen Eigentümlichkeiten bieten für gewöhnlich hinreichende Anhaltspunkte zu einer
wenigstens annähernd genauen Bestimmung ihres Alters und zwar gilt das selbst von den
noch gotisierenden Altargeräten, deren namentlich in Deutschland noch viele bis tief in das
17. Jahrhundert entstanden.
14 EINLEITUNG
Die altchristliche Zeit und das Mittelalter haben im Westen wie im Osten
eine schier endlose Reihe materiell und künstlerisch oft höchst kostbarer Altar-
geräte geschaffen. Die literarischen Quellen, vor allem die Inventare mit ihren
oft langen Reihen der verschiedensten liturgischen Geräte legen dafür reich-
liehst Zeugnis ab. Leider ist von aller dieser Herrlichkeit nur ein winziger Teil
auf uns gekommen. Alles andere ist zugrunde gegangen, manches schon bald
nach seiner Herstellung, anderes erst im Verlauf der Zeit, sehr vieles, darunter
die wertvollsten und für die Geschichte des Altargeräts bedeutsamsten Stücke
im 16. Jahrhundert bei und infolge der damaligen kirchlichen Umwälzungen,
sehr vieles auch bei und infolge der Revolution zu Anfang des 19. Jahrhun-
derts und der mit ihr zusammenhängenden und auf sie folgenden Ereignisse,
zumal der Klosteraufhebungen und Säkularisationen. Hier fiel das Gerät dem
Feuer oder sonstigen Naturgewalten zum Opfer, dort den plündernden Hor-
den einer zügellosen Soldateska, anderswo der Habgier weltlicher Machthaber.
Manches ist eingeschmolzen worden zum Zweck, mit dem aus ihm erzielten Er-
lös drückende Schulden abzutragen oder sonstigen Noten abzuhelfen, Mittel
zu nötigen Neu- oder Wiederherstellungsbauten zu gewinnen oder Kriegs-
kontributionen zahlen zu können. Aber auch Sorglosigkeit, ja Nachlässigkeit
in Aufbewahrung, Behandlung und Gebrauch der Geräte sowie namentlich der
Wechsel im Geschmack hat endlich dazu beigetragen, daß zahllose der Altar-
geräte der früheren Zeit verloren gegangen sind, haben zahllosen derselben
Untergang und Verderben bereitet.
Von den Altargeräten, die in altchristlicher Zeit und in der ersten Hälft« des Mittelalters
entstanden, haben sich nur ganz vereinzelte Beispiele erhalten und zwar selbst im Westen,
Für den Osten kommt dazu, daß nicht alles, was aus ihm an Altargeräten aus jener Zeit
vorliegt, über jeden Zweifel sei es an seiner Echtheit oder doch an seinem Charakter als
Altargerät erhaben ist. (9) Für die zweite Hälft edes Mittelalters steht es im Bereich der
Riten des Ostens um etwaiges aus ihr noch vorhandenes Altargerät nur wenig besser als für
seine erste Hälfte und die altchristliche Zeit, und zwar selbst in Rußland, wo man aus ihr
noch am ehesten Altargeräte zu finden erwarten dürfte. Im Westen hat sich dagegen trotz
aller Verluste glücklicherweise so viel an Altargeräten aller Art aus dem späteren Mittel-
alter gerettet, daß wir wenigstens für dieses schon aus dem auf uns gekommenen Bestand
an solchen ein recht befriedigendes, für die Spätzeit sogar ein überraschend einlässiges Bild
der Entwicklung des Altargeräts gewinnen. Weitaus das meiste hat sich auf deutschem Bo-
den erhalten, zumal im nördlichen und westlichen Deutschland, von woher auch zahlreiche
Geräte stammen, die sich heute in außerdeutschen Museen und Sammlungen finden, doch
litrf'.'rn ar.ch tlii; amlem Lünaür reii'hliHi iii'isph.'Ji.'. darunter rntwiddiinL^-i'ji'liikjhtlich vAiv
bedeutsam. Was in Italien sich an Altargerät aus dem späten Mittelalter bis in die Gegenwart
gerettet hatte, ist zu einem sehr erheblichen Teil in ausländische Sammlungen gewandert,
so daß man die Geschichte des spätmittelalterlichen Altargeräts in Italien fast besser im
Ausland als im Lande selbst zu verfolgen vermag. Aus dem 16., 17. und 18. Jahrhundert ist
im Westen allenthalben noch eine Fülle von Altargerät vorhanden.
Altargeräte aller Art, die sich aus der Vergangenheit erhalten haben, sind in
großer Zahl in kunsthistorischen und archäologischen Zeitschriften und Jahr-
(9) Gemeint sind die in jüngerer Zeit angeblich auf Zypern und in Syrien gemachten
mysteriösen Funde, zumal ein bei Antiochien gefundener Kelch, den Reklamesucht und Spe-
kulation als Schöpfung des ersten christlichen Jahrhunderts ausgegeben, ja sogar als den
beim Letzten Abendmahl gebrauchten Kelch gedeutet haben.
//. QUELLES, MONUMENTALE 15
DER KELCH
ERSTES KAPITEL
DER KELCH IN HEUTIGER ZEIT
T~\ ER Kelch ist gemäß dem Glauben und der Anschauung der römisch-katho-
J-'lischen Kirche wie aller Riten des Ostens jenes liturgische Gefäß, in dem
bei der Messe durch den Priester an Stelle, im Namen und in der Kraft Christi
der Opferwein konsekriert, d. i. seiner Substanz nach, jedoch unter Verbleib
seiner äußeren Gestalten in Christi Blut umgewandelt wird, das also zwar vor
dem Konsekrationsakt lediglich Wein war, nach demselben aber das Blut Christi
ist unter den bloßen Gestalten des Weines. Da nach derselben Auffassung der
Konsekrationsakt zugleich den Charakter des neutestamentlichen Opfers, d. i.
der unblutigen Erneuerung und Wiedergegenwärtigsetzung des Kreuzopfers
hat, das nach der Konsekration im Kelch befindliche Blut Christi aber bestimmt
ist, bei der Kommunion vom Priester genossen zu werden, ist der Kelch sowohl
öpferkelch wie Kommunionkelch.
Nach protestantischer Lehre findet eine Umwandlung des Weines in Christi
Blut in keiner Weise im Kelche statt. Der lutherischen Lehrauffassung zufolge
wird allerdings, wer zum Genuß des Kelches hinzutritt, des wahrhaften Blutes
Christi teilhaftig, doch erst im Augenblick des Empfanges und nur, wenn er
im Glauben den Kelch trinkt. Nach der Lehre der Kalviner und Reformierten
kann auch nicht einmal im Augenblick des Kelchgenusses von einem Empfan-
gen des wirklichen Blutes Christi die Rede sein. Nach allen protestantischen
Bekenntnissen aber ist die Eucharistiefeier in keinem Sinne ein Opfer, sondern
lediglich Mahl, ein das Letzte Abendmahl des Herrn erneuerndes Gedächtnis-
mahl, der Kelch also nicht Opferkelch, sondern ausschließlich Abendmahls-
kelch.
Der Kelch zeigt in den lateinischen Riten wie in denen des Ostens, den nesto-
rianischen ausgenommen, die gleiche Form. Dort wie hier besteht er aus einem
becherartigen Behälter, der sog. Kuppa, und einem Ständer, der seinerseits sich
wieder gliedert in einen Fuß und einen in der Mitte mit einem Knauf, dem sog.
Nodus, versehenen Schaft, der bald höher, bald niedriger ist. Kuppa, Fuß und
Schaft können verschiedenartig gestaltet sein, das obere Ende des Fußes aber,
der Fußhals, wird entweder mit dem unteren Ende des Schaftes so verschmol-
zen, daß Fuß und Schaft ohne Trennung in einander übergehen, oder durch
irgend ein trennendes Glied von ihm geschieden.
Die Form des Kelches ist nicht das Ergebnis diesbezüglicher kirchlicher Be-
stimmungen, sondern einer allmählichen, von praktischen Erwägungen gelei-
teten Entwicklung, durch die andere Formen, wie namentlich der Henkelkelch
BRACH, DAS CHRISTLICHE ALTARGERÄT 2
18 VASA SACRA. ERSTER ABSCHNITT. DER KELCH
aus dem Gebrauch ausgeschieden wurden und der Kelch seine heutige tradi-
tionelle Form erhielt; eine Form, die zu ändern nicht einem einzelnen, und
zwar insbesondere auch nicht den Künstlern zusteht, die vielmehr, weil sie tra-
ditionell geworden und demgemäß die einzige rechtmäßige ist, nur von der zu-
ständigen kirchlichen Behörde umgestaltet werden kann. Das gilt namentlich
auch bezüglich des in jüngster Zeit hier und da versuchten, dem bindenden Her-
kommen jedoch widerstreitenden Weglassens des Nodus des Schaftes, dessen
Vorhandensein in verschiedenen Rubriken des römischen Missales ersichtlich
vorausgesetzt wird. (1) Ausdrücklich erklärte die Ritenkongregation gegen-
über wenig erfreulichen Versuchen, unter schönklingenden Namen neue Kelch-
typen zu schaffen, die in ihrer Form sich sehr einem profanen Weinglas an-
glichen und, wenigstens zum Teil, durch die Bildung der Kuppa die Gefahr
einer Verschüttung ihres Inhaltes nicht als allzufernliegend erscheinen ließen,
in einem Reskript vom 3o. Juni 1922: Ordinarius loci curet, ne calices a formis
traditionalibus differant ob periculum effundendi sacras species et excitandi
admirationem. (2)
Bei den IS'estorianem hat der Kelch die Gestalt einer fußlosen Trinkschale von etwa
20 Zentimeter Durchmesser. Von den Protestanten haben die Lutheraner an der aus dem
Mittelalter überkommenen traditionellen Form des Kelches durchweg nicht nur festgehal-
ten, sondern auch die stilistische Entwicklung, welche sich im 16., 17. und 18. Jahrhun-
dert unbeschadet der herkömmlichen Form mit dem Kelch des katholischen Kultus voll-
zog, unbedenklich mitgemacht, nur daß sie der Kuppa wegen der Art ihrer Abendmahls-
feier größere Maße gaben, damit dieselbe nämlich ein größeres Quantum Wein aufnehmen
könne. Die Reformierten hingegen verließen vielfach die überkommene Form des Kelches,
indem sie diesen entsprechend ihrer Auffassung vom Charakter der Abendmahlfeier zu
einem Pokal von der Art profaner Pokale oder Humpen umbildeten.
Bezüglich des Materials, aus dem der Kelch gemacht sein muß, sagt das römi-
sche Missale, er müsse entweder aus Gold oder Silber bestehen oder doch zum
mindesten eine im Jnnern vergoldete Kuppa aus Silber haben, (3) doch erschei-
nen in dem auf den Ritus der Meßfeier folgenden Abschnitt, der von den Män-
geln bei dieser handelt, auch Kelche aus Zinn zulässig, nicht aber Kelche aus
Kupfer (Messing, Bronze) und Glas..(4) Nach dem Ordo ad Synodum des römi-
schen Pontifikales sollen Kelch und Patene aus Gold oder Silber gemacht sein;
von Kelchen aus Zinn ist nicht die Rede, Kelche aus Kupfer (Bronze), Messing,
Glas und Holz werden ausdrücklich verboten. (5) Kelche aus Kupfer, Bronze
oder Messing gelten heute selbst dann als unzulässig, wenn sie nicht bloß im
Innern der Kuppa, sondern ganz vergoldet sind. Dagegen hindert nichts, den
Fuß und Schaft aus einem andern Metall als Gold und Silber herzustellen, wo-
fern nur der Kelch mit silberner inwendig vergoldeter Kuppa versehen wird. (6)
(1) Ritus celebr. VII, 4: Sinistra tenens nodum; VII, 5: Cum dextera autem nodum infra
cuppam; VIII, 7: Accipiens calicem juxta nodum infra euppam; X, 5: Calicem dextera manu
infra nodum cuppae aeeipit.
<2) Acta Apost. Sedis XIV (Romae 1922) 437. (3) Ritus celebr. I, 1.
(4) De defect. in celebr. oecurr. X, 1: Si non adsit ealix cum patena conveniens, euius cuppa
debet esse aurea vel argentea vel stannea, non aerea vel vitrea.
(5) Allocutio: Calix et patena sint aurei vel argentei, non aerei aut aurichalcei, vitrei
vel lignei. (6) Decret. auth. n. 3136.
ERSTES KAPITEL. DER KELCH KV HEUTIGER ZEIT 19
Ob es dagegen statthaft ist, dieselben statt aus Metall ausschließlich aus sonst
einem, wenn auch soliden, Material anzufertigen, wie z. B. aus Elfenbein oder
Krislall, muß angesichts des bestehenden Herkommens zum wenigsten als zwei-
felhaft bezeichnet werden. Dagegen steht nichts im Wege, Elfenbein oder Kri-
stall zusammen mit Metall zu ihrer Herstellung zu verwenden, also z.B. den
Nodus aus ihnen zu machen. Mit Chrisam gesalbt wird bei der Konsekration
des Kelches nur die Kuppa.
In den Biten des Ostens bestehen, wenigstens soweit sie nicht mit Rom uniert
sind, keine Vorschriften über das Material des Kelches. Kommen in ihnen doch
seihst noch Kelche aus glasiertem Ton, wie z. B. bei den Kopten, oder aus Holz,
das so hergerichtet ist, daß ihr heiliger Inhalt nicht in dasselbe eindringen kann,
vor. (7) In der Regel ist freilich auch in den Riten des Ostens der Kelch aus Me-
tall gemacht. Auch bei den Protestanten fehlt es an Bestimmungen hinsichtlich
des Materials des Kelches. Es kann deshalb nicht auffallen, wenn uns in prote-
stantischen Kirchen, wenn auch nur vereinzelt, selbst Kelche aus Glas begegnen.
So gibt es deren drei zu Gehlberg, darunter einen von 17^9, zwei aus dem An-
fang des 19. Jahrhunderts, (8) zwei von etwa 1800 zu Collmen, (9) sowie einen
aus dem 18. Jahrhundert, der sich vordem gleichfalls zu Collmen befand, im
Kunstgewerbemuseum zu Dresden. (10)
Den Kelch mit einem seiner Würde entsprechenden figuralen oder sonstigem
Schmuck auszustatten, ist auch gegenwärtig noch Brauch und angemessen. Es
muß in den zierenden Zutaten jedoch feines Empfinden und vornehme Zurück-
haltung herrschen. Sie dürfen sich nicht ungebührlich vordrängen, nicht als
die Hauptsache erscheinen wollen, nicht in irgendwelchen willkürlich ange-
brachten ornamentalen Gebilden bestehen, müssen vielmehr der Eigenart des
Gliedes des Kelches, an dem sie sich finden, angepaßt sein. Auch dürfen sie
nicht so beschaffen sein, daß sie die Handhabung des Kelches unbequem ma-
chen. Es kommt überhaupt nicht so sehr darauf an, daß man diesem eine mög-
lichst reiche Ausstattung zuteil werden läßt, als daß man ihm das gibt, was ihn
vor allem ziert, ihm in erster Linie künstlerischen Wert verleiht, eine edle,
gefällige Form, ruhig fließende Linien und Umrisse sowie fein abgestimmte
harmonische Verhältnisse seiner einzelnen Teile zu einander.
ZWEITES KAPITEL
BENENNUNGEN DES KELCHES
I. BENENNUNGEN ALLGEMEINEN CHARAKTERS
Lateinische Benennungen
Die Bezeichnungen des Altargerätes, das wir Kelch nennen, sind in den latei-
nischen Quellenschriften vornehmlich calix und scyphus. Nur sehr vereinzelt
wird es crater, poculum und fons genannt.
(7) Vgl. z.B. Roh. IV, 135E. (Kelche zu Moskau und Petersburg) und Mitt. XI (1866) II
(Kelche in orthodoxen Kirchen des Komitas Szathmär in Ungarn).
(8) Kd. von Sachsen-Koburg und Gotha, Amt Ohrdruf 151.
(9) Kd. von Sachsen XIX, 50. (10) A. a. 0.
20 VASA SACRA, ERSTER ABSCHNITT. DER KELCH
2. Scyphus, später auch seiffus (seifus) und eiffus (eifus), das griechische
oxü'io?. In der Sprache des AUtaglebens wie oxü'fo<;»Becher«, »Pokal« bedeutend,
kommt das Wort als Benennung des Konsekrationskelches nur in altchristlicher
Zeit vor. So heißt dieser scyphus bei Prudentius: Argenteis scyphis ferunt —
fumare sacrum sanguinem, (5) sowie im Liber Pontificalis in den Gabenver-
zeichnissen, die sich in den Vitae der Päpste Silvester I. (3i4—335), Damasus
(366—384), Innocentius I. (4oi—4i7), Bonifatius (4i8—422), Cölestinusl.
(422—43a), Xystus (432—44o), Hilarus (46i—468) und Hormisdas (5i4 bis
023) finden. (6) Denn die scyphi, die in diesen aufgeführt werden, können wegen
ihres kostbaren Materials und ihrer Größe sowie namentlich, weil sie regel-
mäßig an erster Stelle genannt werden, im Gegensatz zu den in ihnen verzeichne-
ten, calices oder gewöhnlich bestimmter calices ministeriales genannten Spende-
kelchen nur als Konsekrationskelche verstanden werden. Ob und inwieweit
scyphus auch im außerrömischen Sprachgebrauch in der Bedeutung von Konse-
krationskekh gebraucht wurde, läßt sich nicht feststellen. (7) Indessen behielt
auch zu Rom das Wort nicht allzulange diesen Sinn, wie es dort überhaupt zu
keiner Zeit die ausschließliche Bedeutung des Konsekrationskelches gewesen sein
durfte. Sind doch anscheinend schon unter den scyphi argenteiV., die im An-
schluß an einen calix aureus cum gemmis in einem Gabenverzeichnis der Vita
Johannes' II. (533—535) (8) aufgeführt werden, nicht Konsekrations-, sondern
Spendekelche zu verstehen. In den römischen Ordines des 8. und g. Jahrhun-
derts wird der Konsekrationskelch stets nur calix genannt, unter scyphus aber
ist in ihnen bloß noch der Spendekelch sowie der Kelch, in den beim Einsam-
meln der Opfergaben der geopferte Wein gegossen wurde, verstanden. (9) Seit
etwa der Wende des ersten Jahrtausends verliert dann jedoch auch der Obla-
tions- und der Spendekelch die Benennung scyphus. Soweit diese noch als Son-
dergerät in Gebrauch waren und nicht durch den Konsekrationskelch ersetzt
wurden, wurden auch sie nun stets calix genannt.
Barbieh de Montaui.t (10) irrt, wenn er sagt, noch der Micrologus des Bernold von Kon-
stanz (-j-1 ioo) kenne scyphus als Bezeichnung des Spendekelches; denn die von ihm hier-
für angeführte Stelle findet sieh keineswegs bei Bernold, sie ist vielmehr dem dem g. Jahr-
hundert angehörenden 3. römischen Ordo entnommen, und nicht anders verhält es sich,
wenn er (11) schreibt, Sicard von Gremona vergleiche im la. Jahrhundert den »scyphus«
mit dem Prediger, der seine Zuhörer berausche, und den in ihm befindlichen Wein mit
dem Zuhörer, der vom Wein der (göttlichen) Wissenschaft berauscht werde. Sicard redet
nämlich an der fraglichen Stelle nicht von einem als Spendekelch dienenden scyphus (Mitr.
1. i, c. i3 [M. 2i3, 5o]), sondern von den becherartigen Blumen am Schaft und an den
Armen des siebenarmigen goldenen Leuchters der Stiftshütte. Reichlich phantastisch ist
Barbier de Montaults Deutung zweier scyphi, zweier concae, zweier Handtücher und eines
silbernen scyphus mit zugehörigem Löffel, die zugleich mit io solidi der Kanonikus Ar-
taldus im 12. Jahrhundert der Kathedrale von Lyon als Beitrag zum Bau des Turmes der-
selben schenkt. (12) Die zwei erstgenannten scyphi sollen nach ihm Ablutionskelche, die
zwei concae deren Untertassen, die Handtücher Tücher zum Abtrocknen des Mundes der
Kommunikanten, der silberne scyphus ein Spendekelch und dessen Löffel ein Löffel zum
Austeilen des heiligen Blutes gewesen sein. In Wirklichkeit handelt es sich bei allen diesen
Stücken lediglich um profane Geräte, um Geräte des Alltajrsgebrauchs, wie sie oft zum
Besten eines Kirchenbaues gespendet wurden, damit deren Erlös für diesen verwendet werde.
(7) Unter dem scyphus in Paulins von Nola Carmen 19, v. 467 (C. SS. eecl. 30. 134) ist
nicht ein Kelch zu verstehen, wie Barbier de Montault meint (Bull. mon. XLVII [1881] 155),
sondern etwas ganz anderes, eine Lampenschale. (8) Ducir. L. P. I, 276.
(9) Vgl. z.B. Ordo Ln.13. 20; Ordo II n.9, 14; Ordo III, n.12, 16 (M. 78, 943, 946, 973,
976, 980, 982) sowie den Ordo von St-Amand (Di.cir., Orig. 461f.).
(10) A. a. O. 157, (11) A. a. 0.161. (12) A. a. O. 162.
22 VASA SACRA. ERSTER ABSCHNITT. DER KELCH
dem Wasser, von dem ein wenig bei Herrichtung der Opfergaben in den Kelch
gegossen wurde, im Ordo von St. Amand dagegen, (25) freilich auch nur hier,
den zur Ausspendung des heiligen Blutes an die Gläubigen dienenden Kelch.
In die Volkssprache ist nur die Benennung calix übergegangen, italienisch
calice, spanisch cäliz, katalanisch calzer, portugiesisch calice, englisch chalice,
französisch calice, deutsch Kelch, holländisch kellt, schwedisch-dänisch kalk,
böhmisch kalich, ungarisch kehely. Begreiflich übrigens, weil calix von jeher
die vorherrschende, zuletzt sogar die ausschließliche Bezeichnung des Kelches
war.
Griechische Benennungen
In den griechischen Quellen begegnen uns als Bezeichnungen des Kelches
■jroTYjpioVj StoxoroT^piov, xpairjp und xü-s>.),ov.
i. riorijp'.ov. Wie in den lateinischen Schriftquellen der Kelch von jeher vor-
nehmlich calix genannt wird, so heißt er zu aller Zeit in den griechischen vor-
zugsweise -oTTJpiov. Leicht verständlich freilich, weil ja auch der Abendmahls-
kelch in den Einsetzungsberichten des griechischen Urtextes der Synoptiker
und des i. Korintherbriefes die Benennung ttottjp'.ov hat. Zusätze, die man zu-
mal in älterer Zeit nicht selten dem Wort beifügte, sollten den Kelch im Unter-
schied von den profanen noTjjpia deutlicher als eucharistisches Gefäß kennzeich-
nen und zugleich auf seine Erhabenheit und Würde hinweisen. So wird er vom
heiligen Athanasius als geheimnisvoller Kelch irotijpiov jiuotlxov, (26) als Kelch
des Herrn, TroTYJptov xopiaxöv, (27)vom heiligen Johannes Chrysostomus als gei-
stiger und makelloser Kelch, Tratvjpiov ■CTsujKtTixöv, -rcoTJjpiov ä^paviov(28) als
furchtbarer, schreckensvollster Kelch.-oT^piov «o^spov, iro-rjpiQv'?pixoSssTsrav (29)
und als Kelch der Segnung, Tiotviptov x?,s e&XoYta?, (30) von Johannes Moschus
als heiliger Kelch, t4 Syiov t:otyjpiov, (31) bezeichnet. Irenäus nennt den Kelch
tJ xsxpajrsvov T;oi7]piov, gemischten Kelch, (32) wegen des dem Opferwein bei-
gemischten Wassers, Cyrill von Jerusalem xb TrotTjptov xoü atJMreo;, Kelch des
Blutes, wegen seines Inhaltes, des Blutes Christi. Auf das griechische iro-rfjptov
geht die koptische Bezeichnung des Kelches poterion sowie die slavische potir
zurück.
2. Aioxoirorfjptov. Der Kelch wird SiaxoTrot^piov genannt, wenn er zusammen
mit der zu ihm gehörenden Schüssel, otaxo? genannt, der Patene des griechi-
schen Ritus, gedacht wird. Die Bezeichnung war schon wenigstens gegen Ende
des ersten Jahrtausends in Gebrauch. Begegnet sie uns doch bereits in der an-
onymen Vita des Kaisers Romanus Lacapenus (920—p/to), von dem sein Bio-
graph berichtet, er habe nicht nur mehrere Kirchen und Klöster gestiftet, son-
dern diese auch mit goldverzierten Paramenten und mit 8wx©m>T()pia begabt. (33)
Häufig findet sie sich in den griechischen mittelalterlichen Schriftquellen aller-
dings nicht.
(25) Doch., Orig. 462. (26) Adv. Arianos n.ll (Mg. 25, 265). (27) I.e. 385.
(28) Hom. de resurrectione Dominica n. 2 (Mg. 50, 436).
(29) Hom. 24 in epist. 1 ad Corinth. n. 1 (Mg. 61, 199)^ (30) J. e. 200.
(31) Prat. spirit. c.48 (Mg. 87, 2904).
132) Contra haer. 1.5, c.2 (Mg. 7, 1125). S. CyrilU Catech.23, «.22 (Mg. 33, 1125).
(33) N.44(Mg. 109, 448).
24 VASA SACRA. ERSTER ABSCHNITT. DER KELCH
(34) N. 2 (Mg. 35, 665). (35) L. 3, c. 38 (Mg. 20, 1097). (36) L. 1, c. 41 (Mg. 153, 288).
(37) N. 6 (Mg. 139, 981). (38) C. 17 (Mg. 157, 112). (39) Bmgiitmak 62, 64.
(40) Nova Bitl. PP. collect. X 2 (Romae 1905) 97.
(41) Mg. 98, 389; vgl. auch I.e. 450:Töts U xojifcwH föojf fcpfjukorewi tk (Hxp4n Xt^nlEpimi wtt
•/.: vnjso-i i; ■i.:j-'/j ~','. r: vs.v.'i.v-.'i. -.'■ l:,l:y. -w:l'?.. :;.'t: v.'.s.ri ;i; ;'-; ~',-ii\i eUv.
(42) C. 12 (Mg. 1 • 1092). ' HSV fest. I. 2, n. 1 (Mg. 88, 1326).
(44) Ducii, L. P. I, 512: Fecit in ecclesia s. Dei Genitricis ad Praesepem patenam et eali-
cem san et um ex nitro obrizo, pensantes 1. 20... fecit in basilica b. Pauli apostoli patenam
ex auro obrizo cum calice saneto pensantes similiter 1. 25.
ZWEITES KAPITEL. IT. SONDERBEZEICHNUNGEN 25
und Leos IV. (847—855), (45) im 3. der römischen Ordines, (46) in dem yon
Duchcsne herausgegebenen Ordo von St. Araand, (47) sowie im Capitulare eccle-
siastici ordinis, (48) wo jedoch sanctus durch das gleichwertige sacer ersetzt ist:
De calicc sacro ponit ad confirmandum populum.
In späteren Quellen findet sich die Benennung calix sanctus (sacer) als Sonderbezcich-
nung des Konsekrationskclches nicht mehr; siü v.;ä; :n:r i'-u :. än-i";ljf i-p -D'-.n '.■■-<: Sjir;vü" mvm; ::
von verhältnismäßig kurzer Lebensdauer. Wenn man aber den Konsekrationskelch zu Rom
vor allen andern dadurch auszeichnete, daß man ihn in ausnehmendem Sinn calix sanctus
nannte, so geschah das nicht, weil man nur ihn, nicht die übrigen als res sacra betrachtet
oder weil er allein eine kirchlich'1 Scgiumg erhallen hätte, durch die er calix sanctus wurde,
sondern weil er zur erhabensten, in höchstem Grade heiligen Kulthandlung gebraucht
wurde. Den Konsekrationskelch vor den übrigen Kelchen, zumal dem Spendekelch, kenn-
zeichnend, verlor der Käme naturgemäß in gleichem Maße seine Bedeutung, in dem die Zahl
der Kommunikanten abnahm und man infolgedessen auch zu Rom den Konsekrationskelch
als Spendekelch verwendete.
(45) Ebd. II, 116: Obtulit in basilica b. Stephani patenam et calicem sanetum modicum
de argento, pensantem 1. IY2... in oratorio s. Nicolai calicem sanetum auroque perfusum,
evangelistarum habentem iconas et crucem pensantem 1. 4.
(46) N. 16 (M.73, 282): Ipse pontifex confirmatur ab archidiacono in calice saneto.
(47) Di:ch., Orig. (Paris 1903) 461.
(48) Memorie della Pontif. Aecademia di archeol. 1923, 200.
(49) Dicii. L. P. I, 170f„ 212.232f., 243. (50) Ebd. 507. (51) Ebd. II, 33.
(52) Vgl. 1. Ordo, n. 3 und 3. Ordo, n. 4 (M. 78, 939, 977). (53) Ducn., L. P. I. 244.
26 VASA SACRA. ERSTER ABSCHNITT, DER KELCH
da es zur Spendung des heiligen Blutes in der Messe nach der Taufe keines be-
sonderen Spendekelches bedurfte. Es konnte das mit dem gewöhnlichen Spende-
kelch geschehen und es geschah denn auch zweifellos in der Regel mit diesem.
Wenn Ron. IV, 55 sagt, es sei oft die Rede von calices baptismales, so ist das durchaus
irrig. Ein gut Stück Phantasie aber ist es, wenn er ebendort in zwei antiken, mit aufgeleg-
ten Fischen und Muscheln verzierten profanen Glasbechern, von denen einer zu Trier ge-
funden wurde, der andere sich im Museo cristiano des Vatikans befindet, Taufkelche sehen
möchte. Übrigens könnten die drei in der Vita Innozenz' I. erwähnten calices ad baptismum
auch als die Kelche für die Mischung von Milch und Honig verstanden werden, die in der
an die feierliche Taufe sieb anschließenden Messe gegen Schluß des Kanons gesegnet und
den Täuflingen nach Empfang der Kommunion zum Trinken gereicht wurden, ein Brauch,
der im 5. Jahrhundert auch noch zu Rom bestand, (60) dann aber sich dort verlor. Im
Taufrilus des Gelasianum und Gregor'ianum begegnet er uns nicht mehr.
(60) Johahn. DiAC., Epist. ad Senarium n. 12 (M. 59, 405). Vgl. auch die Segnungsforme]
in der Pfingsttaufmesse des sogenannten Leonianum (M. 55, 39).
(61) Muratori, Antiq. Ital. IV (Milano 1741) 869, 872, 873, 882.
(62) Archaeologia LH (1890) 231.
(63) Bibl. 4e Serie I (1855) 31; Tres parvos calices ad offerendam faciendam.
(84) L. 3, c. 12 (M. 149, 755). (65) L, 2, c. 30 (M. 150 1083).
28 VASA SACRA. ERSTER ABSCHMTT. DER KELCH
autres calices avec Ieurs platines d'argent dore, non benits, servant au grand-
autel pour faire l'offertoire, heißt es in ihm.(66)
Statt calix offerendarius oder calix: ad offerendum wurde der Opferkelch
auch wohl kurzhin offertorium genannt. So in der Vita s. Ansegisi n. 6: Offer-
torium aureum cum patena sua aurea opere mirabili, und n. 7: Calicem argen-
teuni anaglifo opere factum cum patena sua argentea, offertorium eiusdem
calicis habens effigiem mirifici operis, alia offertoria argentea cum patenis
eorumdem, (67) in den Gesta abbatum Fontanellensium, denen zufolge Abt
Wando um 742 dem Kloster offertorium argenteum unum cum patena, Abt
Gerwold um 787 offertoria duo cum patenis eorum schenkte, (68) im Inven-
tar des Klosters Centula (St-Itiquier) von etwa 800: offertoria argentea 10,
sowie im Inventar von Centula von 83i: offertoria aurea (\, argentea !\0, ebur-
neum unum, (69) im Inventar von St-Trond von 870, (70) im Inventar von
St. Bavo zu Gent von 860; offertorium unum (71) und im Inventar von Prüm
aus dem Jahre ioo3: Offertorium aureum gemmatum cum patena. (72)
Offertorium kommt in den mittelalterlichen Quellen in mannigfacher Bedeutung vor; so
als Name des Opferkelches, des Opfervelums —■ eines Tuches, mit dem die Opfernden beim
Opfergang die Hände verhüllten - -, des Handvelums — eines Tuches, mit dem der Diakon
die Hand bedeckte, wenn er in der feierlichen Messe den Kelch zum Altar trug, und der
Subdiakon in derselben nach der Opferung bis zum Ende des Pater noster die Patene
hielt—, der Opfergabe, des Opferaktes und des Opfergesanges, das ist des liturgischen Ge-
sanges während der Darbringung der Opfergaben. (73) Auch das liturgische Schoßtuch des
Bischofs, das sogenannte gremiale, wurde wohl, wie aus einem Inventar der Kathedrale zu
Angers von 1/167 erhellt, offertorium genannt. (74) Die offertoria, von denen in den vor-
hin angeführten Stellen die Rede ist, können nach den Angaben über ihre materielle Be-
schaffenheit, dem Zusammenhang, in dem sie aufgeführt werden, und dem Umstände, daß
sie gleich dem Konsekratlonskeich zum Teil mit einer zu ihnen gehörigen Patene ausge-
stattet waren, nur als kelchartige Opfergefäße, als Opferkelche verstanden werden. Daß wir
in ihnen keine Konsekrationskeiche zu sehen haben, ergibt sich aus den ersichtlich Konse-
krationskelche darstellenden Kelchen, welche neben ihnen in den gleichen Quellen aufge-
führt werden,
7. Calix quotidianus. Eine Sonderbezeichnung, die besagt, daß die durch sie
näher gekennzeichneten Kelche nicht beim festtäglichen, sondern nur beim all-
täglichen Gottesdienst zur Verwendung kamen. Wir treffen sie in älterer Zeit
beispielsweise an in der Vita Gregors III. (781—7^1) des Liber Pontif icalis (75)
und im Testament des Bischofs Riculf von Eine aus dem Jahre gi5. (76) Die
als calices quotidiani bezeichneten Kelche waren Kelche von geringerem Material
oder doch schlichterer Ausstattung, die darum als den Festtagen nicht entspre-
chend betrachtet wurden. Nicht Alltagskelche, sondern Kelche der gewöhnlichen
(66) Prosper Tarbe, Tresors des eglises de Reims (Reims 1843) 70.
(67) M. 105, 738, 739. (68) C. 18 und 16 (M G. SS. II. 287 290).
(69) Hariulfi, Chron. Cent. 1.2, c.6; 1.3, c. 3 (M 174, 1248, 1257).
(70) Deiiaiskes, Doc. 13. (71) N. Arch. VIII (1882) 374.
(72) Beyer I, 717. Vgl. auch Ardoxis. Vita s. Benedicti Anian. (f 821) c. 13 und 31
(M. G. SS. XV, 207. 213) sowie eine Schenkung Alfons' III. für die Kathedrale von Lugo aus
dem Jahre 897 (Florez XL, 385). (73) Vgl. D. C unter offertorium VI, 34.
(74) Revue XXXVI (1886) 175.
(75) Duch. L. P. I, 418: Calicem argenteum unum quotidianum.
(76) M. 132, 468: Alium calicem quotidianum.
ZWEITES KAPITEL. Jl SONDERBBZEIGHNUNGEN 29
henkcllosen Form sind die 7 calices usuales, die neben vier Henkelkelchen in
einem Inventar des Domes zu Monza von 1273 aufgeführt werden. (77)
8. Calix viaticus. Ein Kelch, den man auf Reisen wie überhaupt dorthin mit-
nahm, wo kein Kelch zur Feier der Messe vorhanden war. Die Reisekelche
waren in älterer Zeit von geringer Größe, ja oft von geradezu minimalen Ab-
messungen, wie Kelche dieser Art in St. Gervasius zu Trier, im Ryksmuseum
zu Amsterdam, im Dom zu Skara in Schweden, im Dom zu Calosza, in Mün-
chener Privatbesitz, in der ehemaligen Fürstlich Hohenzollerischen Sammlung
zu Sigmaringen sowie im Dom zu Hildesheim, der sogar fünf solcher besitzt,
bekunden. Der jüngste, der Kelch der Sigmaringer Sammlung, entstammt erst
dem 1/1., die übrigen dem 11., 12. und i3. Jahrhundert. Ihre Erhaltung ver-
danken die meisten dem Umstand, daß sie dem Resitzer nach dessen Tod mit
ins Grab gegeben, in jüngerer Zeit aber gelegentlich einer Eröffnung desselben
bei der Leiche aufgefunden wurden. Im späteren Mittelalter waren die Reise-
kelche bisweilen so eingerichtet, daß sie auseinandergenommen und ihre Teile
so zusammengelegt werden konnten, daß sie nur mehr einen geringen Raum
einnahmen. Einen solchen zusammenlegbaren Kelch erwähnt 1426 ein Inven-
tar der Moranduskapelle im Stephansdom zu Wien mit den Worten: Ain
ehelich, den man zesamlegt. (78)
9. Calix appensorius, calix pendentilis. Ein kelchförmiges Gefäß, das wie
die Zierkronen (regna, coronae) am Altarziborium, an der den Altarraum nach
dem Schiff zu abschließenden Schranke (pergula) sowie zwischen den das
Mittelschiff von den Seitenschiffen scheidenden Säulen als Zier aufgehängt
wurde, also lediglich ein Schmuckstück, kein irgendwie liturgischen Zwecken
dienender Kelch. Calix appensorius heißt dieser Zierkelch in des Agkellus
Liber Pontificalis Ravennatensis, (79) calix pendentilis im römischen Liber
PontificaÜs, in dem mehrfach, jedoch nur in den Biographien von Päpsten des
8. und 9. Jahrhunderts derartige Kelche erwähnt werden; so in der Vita Gre-
gors III. (73i— 74i), (80) Leos III. (790—816), (81) Paschalis'I. (817 bis
8aA),(82) Leos IV. (8/47—855). (83) Leo III. stiftete für die Paulusbasilika
nicht weniger denn 5i dieser Zierkelche, für Sankt Peter 69, Paschalis für
S. Maria Maggiore 4a. Ein von Leo IV. der Peterskirche geschenkter calix pen-
dentilis war mit sogenannten Delphinen, Armen in Form von Delphinen zur
Aufnahme von Lampen versehen, also zugleich Lampenhalter. Den calices pen-
dentiles verwandt waren Zierkelche, die oben auf der Pergula als Schmuck auf-
gestellt waren. (84) Welche Verbreitung die calices pendentiles diesseits der
Alpen hatten, läßt sich nicht feststellen. Erwähnt werden dort solche nur in
einem Inventar von St-Rertin zu St-Omer aus dem Jahre 867: Pendent ibi
calices 3. (85)
(77) Bull. mon. XLVI (1830) 629. (78) Mitt. XIV (1869) C.
(79) Vita s. Joannis Angelopti c. 1 (M. 106, 52Ö). (80) Dcch. L. P. I, 418.
(81) Ebd. II, 13, 18. (82) Ebd. II, 59. (83) Ebd. II, 111.
(84) Vita Leonis III. (Di-cit. L. P. II, 16): Calices maiores... ex argento mundissimo,
qui sedent super trabes argenteas numero 18 und Vita Leonis IV. (1. c. 111): Calices de
argento, qui sedent super cireuitum altaris numero 16. (85) M. G. SS. XIII, 634.
DRITTES KAPITEL
DAS MATERIAL DES KELCHES
Vorschriften bezüglich des Materials, aus dem der Kelch angefertigt werden
sollte, hat es weder in altchristlicher Zeit noch in den ersten Jahrhunderten
des Mittelalters gegeben. Man verwandte zu seiner Herstellung die gleichen
Materialien wie zu den Trinkgeräten des Alltagslebens, ohne grundsätzlich
irgend eines derselben auszuschließen. Freilich wird man zu ihm um des er-
habenen Zweckes willen, dem er dient, zu allen Zeiten, soweit immer mög-
lich, besseres, ja das beste Material, Silber und Gold, gebraucht haben, doch
waren Gold und Silber nicht immer zur Stelle und war man darum in solchen
Fällen gezwungen, sich irgend eines andern zur Verfügung stehenden Materials
zu bedienen. Heute geht das freilich selbst in Notfällen nicht mehr an, weil die
kirchlichen Bestimmungen aus Ehrfurcht gegen das heilige Blut des Herrn wie
auch um etwaigen Verunehrungen desselben sowie sonstigen zu befürchtenden
Mißständen vorzubeugen, nur mehr die Verwendung bestimmter Materialien
zur Herstellung des Kelches gestatten.
Was dazu führte und führen mußte, Kelche aus Holz zu verbieten, war abgesehen von
der Geringwertigkeit desselben namentlich auch der Umstand, daß eine genügende Ablution
derselben nach Gebrauch kaum möglich war, weil das in ihnen befindliche heilige Blut
notwendig mehr oder weniger in die Poren der Wandungen eindrang. Daß die Herstellung
und der Gebrauch von Kelchen aus Glas untersagt wurde, hatte seinen Grund vor allem in
der Zerbrechlichkeit derartiger Kelche und der bei ihrer Verwendung infolgedessen drohen-
den Gefahr eines Verschüttens ihres heiligen Inhaltes, weshalb denn auch nicht bloß Kelche
aus gewöhnlichem Glas, sondern auch solche aus Bcrgkristall, Onyx, Chalcedon, Alabaster,
Marmor und ähnlichen kostbaren Steinarten gleicherweise von dem Verbot betroffen wur-
den, wiewohl Materialien dieser Art an sich der Würde des Kelches kaum minder ent-
sprechen dürften wie Silber. Kupfer, Bronze und Messing unterliegen leicht der Oxydation
infolge der Einwirkung der Säure des Weines und wurde allein schon deshalb die Herstel-
lung von Kelchen aus ihnen untersagt. Zinn krankte an dem gleichen Übelstand nicht, doch
galt es wegen seiner ausgiebigen Verwendung zu Trink- und Eßgeschirren des Alltagslebens
als für Kelche nicht genügend würdig, weshalb es wenigstens später höchstens in Notfällen
zur Anfertigung derselben gebraucht werden durfte, ja zuletzt selbst überhaupt Kelche aus
Zinn in das Verbot einbezogen wurden. Von einem ausdrücklichen Verbot bleierner Kelche
vernehmen wir kaum je, wie denn auch in den Inventaren nur ganz vereinzelt von derarti-
gen Kelchen die Rede ist. Blei galt ersichtlich als allzu gewöhnliches und darum für Kelche
unpassendes Material, das nur sehr selten zu deren Anfertigung gebraucht wurde und des-
halb auch nicht ausdrücklich als zur Herstellung von Kelchen unzulässig verboten zu wer-
den brauchte. Sehr gern verwandte man es seit dem späten Mittelalter für Grabkelche,
Kelche, die dem Leichnam von Bischöfen oder Priestern ins Grab beigelegt wurden. Übri-
gens hat es, wie aus dem Nachfolgenden hervorgeht, lange gedauert, bis die heute geltenden
Vorschriften hinsichtlich des Materials des Kelches allgemeine Gültigkeit gewonnen hatten.
Auch ist es nur im Westen zu Bestimmungen über das Material des Kelches gekommen; in
den Riten des Ostens fehlen, wie früher gesagt wurde, solche noch jetzt.
(1) CSS. eccl. 39, 154, 173. (2) De locis sanetis 1.1, c7 (ebd. 234).
(3) De locis sanetis c.2 (ebd. 305). (4) Gallia ehrist II, 153, 155.
(5) Revue 37 (1887) 499. (6) luv. von 1382 (Revue 38 [1888] 196).
(7) luv. von 1412 (Güiffrey, Invent I, 54): Item le calice oü Nostre Seigneur beut ä la
Cene, garni d'or, escript ä l'entour de lettres noires, pesant 1 marc 14 esterlins.
(8) Ober den Kelch, für den in kaum zu überbietender Weise Reklame gemacht wurde —
ein Nordamerikaner Dr. Eisen hat Ober ihn ein zweibändiges luxuriös ausgestattetes, kost-
spieliges (150 Dollars) Werk in Folio herausgegeben —, ein Umstand, der ailein schon nicht
gerade geeignet ist, Vertrauen in ihn einzuflößen, liegt bereits eine ungemein reiche Lite-
ratur vor, die in der Hauptsache bei Gollai:ue de Jerph\mo\ S.J., Le calice d'Antiochie
(Rome 1926) 8 zusammengestellt ist. Hinzuzufügen wäre noch die die Echtheit des Kelches
ablehnende Untersuchung J. Wii.perts, Early Christian sculpture, its restoration and its
modern manufaeture in The art bulletin IX (1926) 89ff.
(9) Es ist hier nicht möglich, auf die die Echtheit des Kelches in Frage stellenden Be-
denken näher einzugehen. P. de Jerphamon hat die hauptsächlichsten im Juniheft der Echos
32 VASA SACRA. ERSTER ABSCHNITT. DER KELCH
Kelch nichl aus dem ersten christlichen Jahrhundert, dem ihn Mangel an ar-
chäologischem Wissen und Unkenntnis der altchristlichen Ikonographie irrig
zugewiesen haben, er ist vielmehr, wenn echt, um sehr vieles jünger.
Der Kelch hat seitens jener Fachleute, die an seiner Echtheit nicht zweifeln zu sollen
glaubten, sehr verschiedene, weit auseinandergehende Datierungen erfahren. Wenn ihn Eises
dem dritten Jahrzehnt des ersten Jahrhunderts zuschreibt und auch Strzygowski ihn trotz
aller ikonographischen Unmöglichkeiten unbegreiflicherweise noch in das erste Jahrhundert
setzt, (10) so datiert ihn Brehier in Gazette des Beaux-Arts 1920 (I, i73f.) in das Ende
des zweiten oder den Beginn des dritten Jahrhunderts, Wolf. Fr. Volbach (11) etwa in die
Mitte, Kirsch (12) in die zweite Hälfte desselben, Diehl (13) in die erste Hälfte des 4- Jahr-
hunderts. Nach STriiLFAtTii entstand er frühestens im 5. Jahrhundert, vielleicht sogar erst
im Anfang des sechsten. (14) P. Jerphamox endlieh, dem wir die eingehendste, gründlichste
und allseitigstc Untersuchung des Kelches verdanken, kommt zum Ergebnis, daß dieser
falls echt, was er vorläufig noch annehmen will, erst etwa um 5oo angefertigt wurde. (15) In
der Tat kann der Kelch, wenn anders er keine moderne Mache ist, erst um die Zeit, der ihn
Stuhlfauth und Jerphanion zuschreiben, entstanden sein. Ihn einer früheren Zeit zuzu-
weisen, zumal dem ersten, zweiten und dritten Jahrhundert, verbietet durchaus seine Ikono-
graphie. Allerdings weist der Slilcharakter des Ornaments des Kelches, besonders der Figu-
ren, anscheinend auf ein früheres Datum hin, ein Zwiespalt zwischen Stil und Ikonographie,
der ernste Bedenken an der Echtheit des Kelches zu erregen geeignet ist und erregt hat,
allein diese einmal angenommen, ist für die Datierung des Üelches die Ikonographie seines
ornamentalen und figuralen Schmuckes entscheidender als dessen Stil.
de l'Orient, Jahrgang 1929, zusammengestellt, auf das verwiesen sei. Bezüglich der stilisti-
schen und ikoaographischen Eigenarten des Kelches hat derselbe in seiner Schrift Le calice
d'Antiochie zwar gezeigt, daß alle irgendwo und irgendwie um etwa 500 nachweisbar sind,
doch folgt daraus nur die Möglichkeit einer Echtheit des Kelches, aber keineswegs deren
Taisäd:ikhkeit oder auch ii'.-.r derun \VaWsc:it;iuIir':ikt:it. P. Jnu'iiANtors meint denn auch
selbst am Schluß seiner Arbeit: Avant de se deeider, le musee oü le riche amateur qui
voudra l'acheter fera bien l'examiner de tres prds. Hätte man, als man den Kelch von der
ihn bedeckenden Oxydschicht reinigte, irgendwo etwas von derselben belassen, dann wäre
die Art der Oxydierung, ob Natur- oder Kunstprodukt, und damit die Echtheit bzw. Unecht-
heit des Kelches leicht festzustellen gewesen. Das ist jedoch nicht geschehen. Warum nicht?
(10) Jahrb. d. asiat. Kunst 1925, 53—61. (11) Zeitsehr. f. bildende Kunst 1921, UOf.
(12) Römische Quartalschrift XXX (1916—1922) 106. (13) Syria II (1921) 81f.
(141 Die ältesten Porträts Christi und der Apostel (Berlin 1918).
(15) Bezeichnend ist, daß die Besitzer des Kelches, die Gebrüder Kouchakji, die Kenntnis
von dem Ergebnis der Untersuchungen des P. JerI'hamon erhalten hatten, diesem die Er-
laubnis verweigerten, in seiner Arbeit die Abbildungen in Eisens Veröffentlichung des
Kelches zu reproduzieren. Begreiflich übrigens. Stammt der Kelch erst aus der Zeit um 500,
und nicht wie Eisen die Welt glauben machen will, schon aus der zweiten Hälfte des ersten
Jahrhunderts, dann können sie nicht den enormen Preis dafür verlangen, den sie jetzt für ihn
fordern. Vertrauen in die Echtheit des Kelches zu wecken, ist das Verhalten der Besitzer
desselben nicht gerade geeignet. (16) L. 1, c.89 (M. 172, 573).
DRITTES KAPITEL. MATERIAL. I. VORKAROLIKGlSCüE ZEIT 33
heiligen Bonifazius, nach dem dieser auf die Anfrage, ob es erlaubt sei, in höl-
zernen Gefäßen die heiligen Geheimnisse zu feiern, geantwortet haben soll,
ehedem hätten goldene Priester sich hölzerner Kelche bedient, nun aber ge-
brauchten hölzerne Priester goldene Kelche. (17) Irgendein Zeugnis, daß
überhaupt in frühchristlicher Zeit hölzerne Kelche bei der Feier der Messe ver-
wendet worden seien, liegt nicht vor. Da aber damals im Alltagsleben Trink-
gefäße aus Holz in Gebrauch waren, (18) ist die Möglichkeit nicht ausgeschlos-
sen, daß gelegentlich auch bei Vollziehung der heiligen Geheimnisse Kelche
aus Holz benutzt worden sind, zumal solches selbst noch hie und da in verhält-
nismäßig später Zeit vorkam, doch ist das angesichts des Fehlens jedes dies-
bezüglichen zuverlässigen Zeugnisses nur eine bloße Möglichkeit.
Was Honorius bezüglich der Einführung gläserner Kelche durch Papst Ze-
phvrinus (198—217) bemerkt, beruht auf einem Mißverständnis einer Angabe
in der Vita Zephyrini des Liber Pontificalis. Denn diese (19) redet nicht, wie
Honorius meint, von einer Einführung gläserner Kelche durch den Papst, noch
überhaupt von gläsernen Kelchen, sondern lediglich von gläsernen Patenen und
deren Verwendung beim Gottesdienst. Es geht auch keineswegs an, aus dem
Gebrauch gläserner Patenen ohne weiteres auch auf den gläserner Kelche zu
schließen. Denn die Gefahr einer Verunehrung des Allerheiligsten war bei
gläsernen Kelchen, bei denen ein Zerbrechen ein Ausfließen ihres Inhaltes zur
notwendigen Folge hatte, ungleich größer wie bei gläsernen Patenen. Für die
Beantwortung der Frage, ob etwa in frühchristlicher Zeit auch Kelche aus Glas
bei der Feier der Eucharistie in Gebrauch waren, ist demnach die Notiz des
Liber Pontificalis in der Vita Zephyrini von wenig Bedeutung, selbst wenn ihre
Zuverlässigkeit, was nicht der Fall ist, feststände.
Einen sicheren Beleg für die Verwendung gläserner Kelche in frühchristlicher Zeit hat
man in zwei Äußerungen Tektclliaks (20) sehen wollen. Mit Unrecht. Wenn man die be-
treffenden Stellen in ihrem Zusammenhang näher prüft, ergibt sich, daß sie allem Anschein
nach zwar von gläsernen Kelchen reden, aber auch, daß diese Kelche nicht als eucha-
ristischc verstanden werden können, sondern nur als Glaskelche des Alltagsgebrauches. Daß
aber auf den Kelchen, von denen Tertullian redet, das Bild des guten Hirten angebracht
war, bekundet keineswegs, daß es sich bei Urnen nra liturgische Kelche handelte. Denn reli-
giöse Darstellungen wurden auch auf profanen christlichen Geräten als Schmuck angebracht.
Wicht beweist auch den Gebrauch eucharistischer Kelche aus Glas, wenn Irenäcs von dem
Gnostiker Markus, einem Schüler Valentins (um 163), berichtet, derselbe habe bei der
Eucharistiefeier einen Kelch mit Wein gefüllt und hierauf ein längeres Gebet verrichtet,
auf das hin dann der Wein ganz rot erschienen sei. (21) Denn nichts in der Erzählung des
Heiligen weist darauf hin, daß der Kelch aus Glas gemacht war. Allerdings waren nach Epi-
phahibs (22) die Kelche, deren sich die Anhänger des Markus bei der Feier der Eucharistie
bedienten, aus weißem Glas Q.s.-jy.jfi -j(Ü.o-j), allein von Wert ist diese erst dem 5. Jahrhun-
dert entstammende Angabe nicht, zumal des Epiphanius Erzählung nur eine spätere Er-
weiterung des Berichtes des heiligen Irenäus ist. Aus Markus sind die Anhänger des Markus
geworden, aus dem einen Kelch bei Irenäus drei Kelche, der Wein aber wurde nach Epi-
phanius in dem eine» Kelch blutrot, in dem andern purpurn, im dritten blau.
Den Gebrauch silberner und goldener Kelche und Patenen führt Honorius
infolge Mißverständnisses einer Notiz in der Vita Urbani des Liber Pontificalis
auf Papst Urban (223—23o) zurück. In Wirklichkeit heißt es in ihr nur: Hie
fecit ministeria sacrata (das eucharistische Gerät) omnia argentea et patenas
argenteas XXV posuit. (27) Von einem Verbot von Kelchen und Patenen aus
anderem Material als Gold und Silber und einem Gebot, sich bei der Feier der
heiligen Geheimnisse keiner andern als goldener oder silberner Patenen zu be-
dienen, findet sich in der Angabe- der Vita Urbani nichts. Sie besagt lediglich,
daß Urban alles Altargerät, welches er anfertigen ließ, aus Silber herstellen
ließ. Übrigens kann sie, weil nicht genügend zuverlässig, selbst nur in diesem
Sinne keineswegs schlechthin Glauben beanspruchen. Daß um 3oo Kelche aus
Gold und Silber in Gebrauch waren, ergibt sich aus den Gesta apud Zenophi-
lum, (28) aus denen aktenmäßig hervorgeht, daß unter den in der diokletiani-
schen Verfolgung in der Basilika zu Girta beschlagnahmten gottesdienstlichen
Geräten sich auch zwei Kelche aus Gold und sechs aus Silber befanden.
Seit dem zweiten Viertel des 4- Jahrhunderts, also seit der Freigabe der Kirche
durch Konstantin und infolge der durch dieselbe ermöglichten reicheren Ent-
faltung des kirchlichen Kultus häufen sich bald die Angaben über das Material
des Kelches. In der Regel wurde dieser nun aus Metall hergestellt, aus dem
denn auch die Kelche bestanden, von denen Optat von Mileve in seiner Schrift
Contra Parmenianum spricht: Fregistis calices, Christi sanguinis portatores,
(23) Vgl. z.B. Plinh, Nat. bist.XXXVI, 199; XXXVII, 29; Ps. Verg., Copa 30; Martial.,
Epigr. 1. 14, n. 115. (24) Abb. in Bulle«, ser. III, IV (1879) tav. IV.
(25) Hist. abb. Condom, bei d'Achery, Spicileg. II (Paris 1723) 602.
(26) Abb. bei Rohault de Fleury, Le Latran au moyen äge, Tfl. 32.
(27) Dcch. L. P. I, 143. (28) C. SS. eccl. 26, 187.
DRITTES KAPITEL. MATERIAL. I. VORKAROLIXGISCHE ZEIT 35
(29) L. 6, n. 2 und 5 (C. SS. eeel. 26, 146, 152). (30) L. P. n. 36, 38, 41, 43 (Duck. I, 172,
176,179,181). (31) N. 3 (Mg. 58,508). (32) L. 2, c. 28 (M. 16.140). (33) N. 6, (M. 37,1484).
(34) Ep. 26, n. 6 (M. 33, 107). (35) L. P. n. 63, 70, 85, 93 (Duch. I, 232, 243, 271, 285).
(30) c.o (M. im. -o.iti). Cm r.p. LH, n. [>! ;M. TT. UUn . .;:: ;.„,. [,.:.■,.-. f.:J. <■. i.n
(M. 71, 520). (39) Ebd. 1. 7. c. 24 (1. c. 431). (40) Hist ep. Autiss. 1. 1, c. 20 (M. 138, 240).
Evag., Hist. eccl. 1. 6, c. 21 (Mg. 86, 2876). (41) Hist. eccfl. 2, c. 20 (M. 95, 116).
(42) M. 89, 290. (43.) Wilh. Malmsb., De antiq. Glaston. eccl. (M. 179, 1705).
(44) Doch. L. P. I, 507, 512, 514.
36 ^ VASA SACRA. ERSTER ABSCBXITT. DER KELCH
Hugo von Rouen (y 730) gab einen Kelch und eine Patene aus Gold im Gewicht von vier
Pfund und zwei Unzen dem Kloster Fontanelle. (45)
Von allen goldenen Kelchen, die vom 4" bis zum 9. Jahrhundert zum Ge-
brauch bei der Meßfeier geschaffen wurden, hat sich nur einer erhalten, der
bloß 8 cm hohe und /j,6 cm weite Miniaturkelch, der 1825 samt einer recht-
eckigen goldenen Schüssel zu Gourdon gefunden wurde, der aber nur als Reise-
kelch gedient haben kann, falls er überhaupt liturgischen und nicht vielmehr
profanen Zwecken gedient hat. (46) Erst in der französischen Revolution gin-
gen zugrunde der mit Zelleneinlagen reichgeschmückte goldene Kelch voir
Chelles und ein Goldkelch zu St-Omer, der dem heiligen Audomarus (gest.
ca. 667) zugeschrieben wurde. (47)
Kelche aus Bronze oder Kupfer werden in den vorkarolingischen Quellen
nicht erwähnt, doch folgt bei der Unvollständigkeit derselben daraus keines-
wegs, daß damals nicht auch aus ihnen Kelche angefertigt worden seien. (48)
Wo Gold und Silber nicht oder doch nicht in genügendem Maße zur Verfügung
standen, wird man ohne Bedenken sich zur Herstellung der Kelche als Ersatz
derselben der Bronze oder des Kupfers bedient haben. Andernfalls würde es im
9. Jahrhundert nicht untersagt worden sein, Kelche aus ihnen zu machen. Es
haben sich aber auch wenigstens aus dem 8. Jahrhundert verschiedene Kelche
erhalten, die aus Bronze bestehen und beweisen, daß man in der Tat auch aus
solcher Kelche hergestellt hat, ein Kelch des heiligen Ludgerus zu Werden
(Tafel 1), der sogenannte Ghrodegangkelch der ehemaligen Sammlung ßasi-
lewski (jetzt im Museum der Eremitage zu Leningrad), der Tassilokelch zu
Kremsmünster (Tafel I) und ein diesem gleichalteriger Kelch, der 1879 in
einem Grabe zu Petöhaza (Komitat ödenburg) gefunden wurde und sich heute
im Ödenburger Museum befindet. (49) Doch wurden Kelche dieser Art wohl
in der Regel wenigstens im Innern der Kuppa vergoldet.
Von Kelchen aus Glas ist in den vorkarolingischen Quellen mehrfach die
Rede. So, wie es scheint, im Briefe des heiligen Hieronymus an den Mönch
Rusticus, in dem er die Wohltätigkeit des Bischofs Exsupcrius von Toulouse,
der seine ganze Habe zur Speisung der Armen hingab, preist und daran dann
die Bemerkung anknüpft: Nihil illo ditius, qui corpus Domini canistro vimineo,
sanguinem portat in vitro, (50) in der Vita s. Hilarii Arelatensis (ff^iQ), in der
es beißt, der Heilige habe alles Kirchensilber zum Loskauf der Gefangenen hin-
gegeben, bis er zuletzt nur mehr Patenen und Kelche aus Glas zur Feier des
heiligen Opfers gehabt habe, (51) sowie in der Vita tripartita des heiligen Pa-
trik, in der wir von vier Kelchen aus Glas hören, die der Heilige dem Archipres-
(45) Gesta abb. Fontan. c. 8 (M. G. SS. II, 281).
(46) Vgl. über den Keleh Lab.vrte, I. 492 und Tfl. 30 sowie Roh. IV, 73.
(47) Martexe et Durand, Voyage lit. I (Paris 1713) 183.
(48) Allerdings läßt Walafried Strabo in seiner Bearbeitung der älteren Vita s. Galli
c 19 (M. 114, 934) den Heiligen sagen: Nain meus praeeeptor beatissimus Columbanus in
vasis aeneis Domino solet offere sacrificium salutis, quia fertur et Salvator noster clavis
aeneis cruci confixus, doch findet sich dieser Ausspruch nicht in seiner Vorlage.
(49) Jos. Hamfel, Altertümer des frühen Mittelalters in Ungarn II (Braunschweig 1905)
423 und Tfl. 324. (50) N. 20 (M. 22, 1085).
(51) N. 11 (AA. SS. 5. Mai; II, 29); vgl. auch die Vita s. Caesarii Arelat. n. 23, 24 (M. 67,
1012), wo ähnliches vom heiligen Cäsarius berichtet wird.
DRITTES KAPITEL. MATERIAL. I. VORKAROLIXGISCHE ZEIT 37
byler Ailbe in SHab Hua-n-Ailella schenkte. (52) Auch der Kelch, von dem
Gregor der Große in seinen Dialogen spricht, wenn er berichtet, Bischof Dona-
tus von Arezzo habe einen Kelch, der zerbrochen war, durch ein Wunder wie-
derhergestellt, war wohl aus Glas gemacht, (53) doch ist nicht sicher, daß es
sich bei ihm um einen eucharistischen Kelch handelte. Von Ardo vernehmen
wir, daß der heilige Benedikt von Aniane sich zur Feier der heiligen Geheim-
nisse keiner silbernen GefSße habe bedienen wollen, vielmehr habe er zu ihr
anfangs hölzerne, dann gläserne und zuletzt zinnerne verwendet, silberne aber,
die ihm geschenkt wurden, habe er alsbald andern zum Gebrauch über-
wiesen. (54) Daß man auch im Osten in der uns beschäftigenden Periode
gläserne Kelche zur Messe benützte, erhellt aus den Kanoa.es Jakobs von
Edessa. (55) Die Präester, heißt es darin, dürfen das Glas der heiligen Kelche,
die zerbrachen, nicht verkaufen.
Erhalten hat sich aus vorkaro linkischer Zeit kein Kelch aus Glas. Denn der oben 28 cm,
unten i3 cm weite und 9,5 cm hohe fußlose Napf aus bläulichem Glas, (56) der in S. Giulio
zu Orta in Piemont aufbewahrt wird und nach der Legende vom hl. Julius (7 400) als Kelch
gebraucht worden sein soll, kann doch nicht als Kelch angesehen werden. Ein zu Amiens
gefundener, oben 11,7 cm weiter, i6,5 cm hoher Henkelkelch aus blauem Glas, der sich
jetzt im Britischen Museum befindet, (57) ist zwar ein Kelch, doch liegt nicht der geringste
Anhalt vor, in ihm etwas anderes als einen profanen Trinkbecher zu sehen, und noch mehr
gilt das von einem fußlosen Henkelbecher aus Glas in der ehemaligen Sammlung Basi-
lewsky von .1,8 cm Höhe und 9 cm oberer Weit«. (58) Auch drei koptische Glaskelche im
Kaiser-Fried rich-Muse um zu Berlin, ein großer aus gelblich-grün ein und zwei kleinere aus
bläulichem Glas, sind lediglich profane Trinkgefäße.
\on einem Kelche aus Kristall in der Laurentiusbasilika zu Mailand, der dem
Diakon auf dem Weg zum Altar aus der Hand glitt, zu Boden fiel und in Stücke
zerbrach, dann aber auf das Gebet hin, das der Diakon an den heiligen Lauren-
lius richtete, wunderbarerweise wiederhergestellt wurde, erzählt Gregor von
Tours, (59) von einem andern Kelch, der aus Kristall bestand und von Kaiser
Philipp dem Erzbischof Felix von Ravenna (f 723) für dessen Kathedrale ge-
schenkt wurde, vernehmen wir in des Agsellus Liber Pontificalis Bavenna-
lensis. (60) Einen prachtvollen, mit Gold verzierten Kelch aus Onyx gab die
Königin Brunhildis der Stephanskathedrale zu Auxerre, (61) zwei mit Gold
und Edelsteinen verzierte Kelche aus Onyx Kaiser Philipp zugleich mit dem
vorhin erwähnten Kristallkelch dem Erzbischof Felix von Ravenna. (62) Einen
kleinen Kelch aus Onyx, mit goldenem Fuß, der einen Löwen darstellte, fand
man no4 bei dem Leichnam des heiligen Kuthbert, als man damals dessen
Sarg öffnete. (63) Ein mit goldener Fassung und goldenem Fuß ausgestatteter
Henkelkelch aus Kristall, der dem heiligen Servatius zugeschrieben wurde, be-
fand sich bis zum Ende des 18. Jahrhunderts in der Stiftskirche des heiligen
(52) Tripartite life of Patrik I (London 1837) 94. (53) L. 1, c. 7 (M. 77, 184).
(54) N. 14 (M. 103, 360).
(55) C. 30 (C. Kaysfr, Die Kanones Jakobs von Edessa [Leipzig 1886] 20).
(56) Abb. bei Ron. IV, Tfl. 271. (57) Abb. ebd. Tfl. 287.
(58) Abb. bei Roh. IV, Tfl. 387. (59) De gloria mart. c. 46 (M. 71, 747).
(60) Vita Felicis c. 5 (M. 106, 707).
(61) Hist. epist. Autiss. 1.1, c. 20 (M. 138, 239). (62) A. a. O.
(63) Liber de translat. s.Cuthberti c. 1, n. 8 (AA. SS. 20. Mart., III, 139).
38 VASA SACRA. ERSTER ABSCHMTT. DER KELCH
Servatius zu Maastricht, verschwand aber leider dann bei Aufhebung des Stiftes
durch die französischen Revolutionäre. (64) Ein nur als Bruchstück erhaltener,
mit Reliefs verzierter Majolikabecher, der in S. Anastasia zu Rom als Kelch
des heiligen Hieronymus gezeigt wird, war ein gewöhnlicher antiker Trink-
becher. (65)
Von Holzkelchen hören wir in dem uns hier beschäftigenden Zeitraum in den
Quellen nichts. Allerdings gibt es einen Brief Isidors von Sevilla an einen Red-
emptus, in dem der Gebrauch tönerner und hölzerner Kelche im Notfall als
statthaft bezeichnet wird, freilich auch nur in einem solchen, da sonst der Kelch
stets aus Metall gemacht sein müsse, doch ist derselbe zweifellos unecht und ein
Produkt nicht des 7., sondern erst des 11. Jahrhunderts. (66) Ein kleiner, nur
11 cm hoher Holzkelch in S. Michele zu Pavia, den Rohaült dem 5. Jahrhun-
dert zuschreibt, (67) stammt nach Ausweis seiner Form aus dem späteren Mittel-
alter. Er hat vermutlich als Grabkelch gedient; als Meßkelch ist er zweifellos
nie benützt worden.
Ihrer Geltung nach waren alle das Material des Kelches betreffenden Ver-
ordnungen, die uns bis zum Ende des Mittelalters begegnen, zunächst nur par-
tikularrechtlich, maßgebend nur für die Diözese oder die Kirchenprovinz, für
die sie erlassen wurden. Indessen gewannen diese an sich nur beschränkt gül-
tigen Bestimmungen allmählich dadurch eine über ihren ursprünglichen engen
Geltungsbezirk hinausgehende allgemeinere Bedeutung, daß sie, wie die so-
genannte Admonitio synodalis in die Pontifikalien Eingang fanden, oder wie
(64) Ob der Kelch wirklich vom heiligen Servatius herrührte, muß dahingestellt bleiben,
zumal ein Inventar von 1667 darüber noch nichts sagt. Er wird in ihm lediglich beschrieben
als ealix cristalinus munitus cireulo et pede aureo, nabens duas ansulas ad formam calicis
Domini (Fr. Bock et W. Wili.emses, Antiquites sacrees dans les anciennes collegiales de
St. Servais et de N.-Dame ä Maastricht (Maastricht 1873) app. LX. Eine Skizze des Kel-
ches hat sich in einem kurz vor dem Verschwinden desselben erschienenen Büchlein eines
Maktik von Heylerhoef über Kirche und Schatz von St. Servatius erhalten, wiedergegeben
fiei Roh. III, Tfl. 287.
(65) Mabillok, Museum ital. I (Paris 1687) 97: Constat ex terra figulina alba, sed frae-
tus, in morem calicis usualis ad potandum. Skizze bei Gay, 252. (66) N. 7 (M.83, 907).
(67) La messe IV, 65. Wenn Rohaui.t de Flelry ebendort unter den Kelchen des 5. Jahr-
hunderts auch einen lackierten, mit Perlmutter inkrustierten Kelch anführt, von dem man
1729 an Mostfaucos eine Abbildung geschickt habe, so verrät das einen geradezu unglaub-
lichen Mangel an Kritik.
DRITTES KAPITEL, MATERIAL. II. KAROLINGISCHE ZEIT 39
und Patenen gebraucht werden, die dem Verderben nicht unterworfen seien, (78) id est, wie
eine andere Fassung des Kanons erklärend bemerkt, de auro vel argento sive stagno vel
vitro. Ausgeschlossen von der Verwendung waren nach ihm demnach nur Kelche aus Bronze,
Kupfer und Holz. Auch die Synode von Winchester des Jahres 1076 begnügt sich damit,
lediglich Kelche aus Bronze und Höh zu verbieten. (79) Eine Verordnung aus Spanien be-
treffs des Materials des Kelches haben wir im dritten Kanon der Synode von Goyaca des
Jahres ioüo. Er verbietet mit Kelchen aus Holz oder Ton zu zelebrieren. (80)
Burchard von Worms (f ioa5) wiederholt in L. 3, c. 9 seiner Sammlung von Dekreten
(M. i£o, 69a) wörtlich den das Material des Kelches betreffenden Kanon Reginos von
Prüm, nur dehnt er das Verbot, hölzerne Kelche zu gebrauchen, auch auf gläserne aus:
Nullus autem in ligneo calice aut in vitrio praesumat cantare, was dann nach seinem Vor-
bild in ihren Kanonessani mlungen !>ei Wiedergabe des Kanons Reginos auch Ivo von Char-
tres (f 1116) (81) und Gratian (82) tun.
Die Londoner Synode von 1175(88) und die Synode von Rouen des Jahres 1189(84)
verordneten, daß zur Meßfeier nur mehr Kelche aus Gold oder Silber gebraucht werden
dürften; zugleich verboten sie, weiterhin Kelche aus Zinn zu konsekrleren, jene schlecht-
hin, diese mit der Einschränkung: Nisi iudicio episcopi evidens apparuerit necessitas. Die
Synode von York aus dem Jahre ngö will überall da einen Kelch aus Silber bei der Messe
verwendet sehen, wo die Mittel vorhanden seien, einen solchen zu beschaffen. (85)
Werfen wir einen Rückblick auf die kirchlichen Bestimmungen, die seit
Ende des 8. Jahrhunderts bis zum Ende des 13. erlassen wurden; er ist sehr
lehrreich. Von Kelchen aus Hörn ist nur einmal ihn ihnen die Rede. Dieselben
waren wohl nicht sehr verbreitet und nicht tief eingebürgert. Das eine Verbot
hat, wie es scheint, genügt, ihren Gebrauch auszurotten. Zäh scheinen sich die
Kelche aus Holz behauptet zu haben. Immer und immer wieder müssen Bestim-
mungen gegen die Verwendung derartiger Kelche erlassen werden. Wenn Bur-
chard von Worms, Ivo von Chartres und Gratian in ihren Kanonessammlungen
noch einen Kanon aufgenommen haben, in dem die Benützung hölzerner Kelche
verboten wird, so dürfen wir daraus wohl folgern, daß auch noch im n., ja im
12. Jahrhundert Holzkelche, wenn auch mißbräuchlich, weil entgegen dem all-
gemeinen Brauch, hier und da zur Verwendung kamen. Befand sich ja unter
den Vergehen, wegen deren der Magister Maurus von Brescia von Honorius III.
(121O—1227) abgesetzt wurde, noch auch dieses, daß er mit einem hölzernen
Kelch die Messe gefeiert hatte. (86)
Das Verbot von Kelchen aus Glas durch die Admonitio synodalis findet zu-
nächst kein Echo; sei es, weil die Verwendung von Glaskelchen nicht eben groß
war oder weil Glas noch zu den wertvolleren Materialien zählte. Erst bei Bur-
khard ist in dem im übrigen der Sammlung Reginos entlehnten, die stoffliche
Beschaffenheit des Kelches betreffenden Kanon wieder von gläsernen Kelchen
die Rede.
Kelche aus Bronze und Kupfer verbietet zuerst der von Regino angeführte
Kanon einer Reimser Synode, die wir nicht näher kennen, die aber wohl kaum
vor der zweiten Hälfte des 9. Jahrhunderts stattfand, da die Admonitio syn-
odalis nur erst Kelche aus Holz und Glas als unzulässig bezeichnet. Kelche aus
Zinn werden entweder nicht, oder doch nicht schlechthin verboten, wenn auch
im letzten Fall ihre Verwendung auf den Notfall eingeschränkt wird. Selbst
Petrus Damianos betrachtete zinnerne Kelche nicht einfachhin als unbrauchbar
zur Meßfeier, so wenig entsprechend er auch solche zu diesem Zweck hielt. (87)
In den Verordnungen bezüglich des Materials des Kelches, welche die Syn-
oden des i3. und i!\. Jahrhunderts erlassen, werden Kelche aus Holz, Glas,
Bronze und Kupfer nicht erwähnt. Eine Ausnahme macht nur die Trierer Syn-
ode des Jahres i3io: (88) Omnibus sacerdotibus nostrae Provinciae Trcviren-
sis interdicimus, ne quis eorum cum calice ligneo vel vitreo vel stannco vel plum-
beo vel de pelte (nicht Leder, wie man gemeint hat, sondern Hartzinn, englisch
pewter) vel de auricalco vel de eiectro (Bronze) infra nostram provinciam ulte-
rius celebrare praesumat. Itaque unaquaeque ecclesia calicem saltem argenteum
cum patena habeat. Als das Normale erscheinen in allen Synodalstatuten Kelche
aus Silber. (89) Nur vereinzelt werden auch nichtsilberne Kelche zugelassen,
doch bloß ausnahmsweise, und nur, wo silberne nicht zu beschaffen seien. (90)
Wenn in diesen späteren Verordnungen nie von Kelchen aus Gold die Rede ist,
so hat das seinen Grund nicht etwa darin, daß Kelche dieser Art als unzulässig
betrachtet wurden, sondern darin, daß für gewöhnlich die Mittel fehlten, Kelche
aus Gold zu beschaffen. Wo es an solchen nicht mangelte, hat man auch nach
wie vor nach Ausweis der Inventare goldene Kelche zur Meßfeier angefertigt.
Häufig ist in den Inventaren und Gabenverzeichmasen, die aus dem 9. bis zum i3. Jahr-
hundert vorliegen, von Kelchen aus Gold die Hede. Daß in den Listen der Gaben, welche die
Päpste des 9. Jahrhunderts den römischen Kirchen spendeten, solche genannt werden, kann
nicht auffallen. (91) Aber auch die Inventare außer römischer Kirchen wissen von man-
chen goldenen Kelchen zu erzählen. So verzeichnet das Inventar von Gcntula von 800 drei,
das von 83i vier solcher. (92) Ardo berichtet von goldenen Kelchen, die Ludwig der
Fromme dem heiligen Benedikt von Aniane schenkte, (93) Flodoard von einem calix maior
aus Gold, den Hinkmar um 845 hatte anfertigen lassen. (94) Andere Beispiele aus dem
9. Jahrhundert begegnen uns im Inventar von St. Trond aus dem Jahre 870 (95) und im
Testament des Grafen Eberhard von Friaul. (9G) Ein Inventar des Domes zu Monza von etwa
910 verzeichnet zwei Kelche aus Gold; (97) einen calix maior cum patena purissimo ex
auro schenkt Rothardus, Bischof von Cambrai (7 090) seiner Kathedrale. (98) Ein Inventar
der Abteikirche zu Prüm vermerkt nicht weniger denn fünf goldene Kelche, (99) je einen
(87) De ordinc eremit. (M. 145, 335) und Contra inscitiam cleric. c. 2 (I.e. 500).
(88) C. 68 (Hartzh. IV, 142).
(89) Vgl. Syn. von Oxford (1222) c. 10 (H. VII, 118); Svn. von Beziers (1246) c 31
(1. c. 412); Syn. von Lattich (1287) c. 5, n. 12 (Hartz». III, 690)"; Syn. von Excter (1287) c. 12
(H. VII, 1087) ; Lateinische Syn. von Nicosia (1298) c. 6 (]. c. 1734) ; Syn. von Cambrai (1300)
Tit. de euch. (Hartzh. IV, 71); Syn. von Vaur (1368) c. 85 (MaÜm 26, 520).
(90) Vgl. Innoeentii IV Ep. ad Otton. Card. Tusc. (1254) n. 13 (H. 1. c. S65); Syn. von
Albi (1254) c.42 (I.e. 464); Syn. von Ravenna (1311) c. 8 (I.e. 1364); Syn. von Marciac in
Spanien (1326) c.44 (I.e. 1528).
(91) Vgl. z. B. die Vita Leonis III. (795—816) n. 399, 409, 416 und die Vita Stephan!
(816—817) n. 429 (Ducti. II, 17, 26, 4d). Von einem mit Edelsteinen reich verzierten gol-
denen Kelch, den Kaiser Michael 860 dem Papst Nikolaus (885—867) verehrte, hören wir
in n. 585 (1. c. 154). (92) Chron. Cent. I. 2, c. 6; 1.3, e. 3 (M. 174. 1248, 1257).
(93) Vita s. Benedict! c.81 (M.G.SS. XV, 213).
(94) Hist. Rem. eccl. 1. 3, c. 5 (M. 135, 144). (95) Dehaissks, Doc. 13. (96) Ebd. 10.
(97) Bull. mon. 46 (1880) 464. (98) Dehaisses, Doc. 18. (99) Beyer I, 717.
42 VASA SACRA. ERSTER ABSCHNITT. DER KELCH
ein Inventar des AM in ghof kl osters zu Paderborn aus der Zeit des Bischofs Meinwerk
(7 io36),(100) ein Inventar von Kremsmünster aus der ersten Hälfte des n. Jahrhun-
derts, (100a) ein Seh atz Verzeichnis des Speyerer Domes von io5i (101) und ein Inventar
der Kathedrale zu Ely aus dem Jahre 1079. (102)
Im Verzeichnis der Hinterlassenschaft Viktors III. (7 1087), des ehemaligen Abtes Desi-
derius von Monte Cassino, werden zwölf goldene Kelche genannt, sieben größere und fünf
kleinere; (103) zu Martinsberg in Ungarn besaß man um das Ende des n. Jahrhunderte
zufolge einem aus der Zeit von io83—ioo5 stammenden Inventar dreizehn, von denen drei
mit Edelsteinen besetzt waren. (104) Kaiser Heinrich der Heilige schenkte einen goldenen
Kelch dem Dom zu Merseburg (105) und dem St-Vitonuskloster zu Verdun, (106) König
Ferdinand von Kastilien io63 der Kirche des heiligen Isidor zu Leon, (107) Bischof Brith-
wold von Salisbury (7 i&5) der Abtei Glastonbury. (108) Um 1100 verzeichnet ein Inventar
von St, Georg zu Köln neben einem nur vergoldeten auch einen goldenen Kelch. (109) Zwei
vermerkt ein Inventar des Klosters Muri in der Schweiz, (110) sechs ein Inventar von Gan-
dershemi, (111), einen ein Schatz Verzeichnis der Kathedrale zu Rouen,(lila) zwei ein In-
ventar von St. Vast zu Arras, (112) drei ein Schatz Verzeichnis von Altmünster zu Mainz, (118)
zwei ein Inventar von Prüfening; (114) alles Inventare des 12. Jahrhunderts. Einen mit
Email, Smaragden, Topasen und vielen anderen Edelsteinen geschmückten goldenen Kelch
stiftete Bischof Hugo von Le Mans (7 1i&3) seiner Kathedrale, (115) König Ludwig VII.
(-j* 1180) schenkte einen goldenen Kelch der Kathedrale zu Paris, (116) Abt Suger von
St. Denis löste einen 4,3 Kilogramm schweren goldenen Kelch, der verpfändet worden war,
wieder ein. (117) In einem Inventar des Domes zu Krakau von 1 r 10 begegnen uns neben
zwölf vergoldeten sechs goldene Kelche, (118) zwei mehr als in einem Inventar des Domes
von 1101. Im Dom zu Mainz besaß man um iioo drei Kelche aus Gold. (119)
Auch in den Schatz Verzeichnissen des i3., i£. und i5. Jahrhunderts hören wir noch oft
von Kelchen aus Gold, so, um nur einige Beispiele anzuführen, in einem Inventar von
S. Jacopo zu Pistoja (1294), (120) im Inventar der Kathedrale von Salisbury aus dem
Jahre 1233,(121) im Testament Philipps von Artois, Bischofs von Tournai, von i356,(122)
im Inventar des Schlosses zu Hesdin von i33i,(123) im Schatzverzeichnis des Domes zu
Freising von i35a, (124) im Inventar von N.-Dame zu Paris von i343, (125) im Schatzver-
zeichnis des Domes zu Prag, (126) im Inventar von St. Albans in England von zirka
iioo, (127) im Inventar Philipps des Kühnen von i4o4, (128) in einem Inventar der Ka-
thedrale zu York von i5oo,(129) in einem Inventar des Baseler Münsters von i5ii,(130)
sowie in einem Schatz Verzeichnis von St. Denis von iöo5. (131} Im Inventar Karls V. von
Frankreich von 1379/80 lesen wir von zwölf Kelchen aus Gold, von denen einer an der
Kuppa in Email ausgeführte Bilder der Apostel aufwies, am Nodus und Fuß mit Edel-
steinen besetzt war, (132) im Inventar des Apostolischen Stuhles von 1295(133) ebenfalls
von zwölf zum Teil kostbar ausgestatteten goldenen Kelchen, im Schatz Verzeichnis von
(100) Mart. et Durand II, 241. (100a) M.G.SS. XXV, 669. (101) Schaksat 9.
(102) DtGDALE I, 477. (103) Chron. Cas. 1.3, e.74 (MG. SS. VII, 753). (104) Mitt.V
(1860) 351. (105) Thietmari, Chron. 1.6, n.61 (M. 139. 1361). (106) M. 154, 210.
(107) Fi-orez XXXVI. CLXXXLX. (108) Wilh. Malmesbur., De antiq. Glaston. eecl.
<M. 179, 1723). (109) Fr. Bock, Das heilige Köln, St. Jakob 8f.
(110) Marqüard Herrgott, Genealogia diplom. aug. Dom. Habsburg I (Wien 1737) 313.
(111) Anzeiger XX (1873) 345. (lila) Revue XXXVI (1886) 461.
(112) Dehaisnes, Doc. 45. (113) Serapeum XVIII (1857) 363.
(114) N. Archiv XIII (1888) 561. (115) Mabillon, Vet. analect. III (Paris 1682) 354.
(116) Revue XXXVII (1887) 500. (117) Sugerii, De rebus in admin. sua gestis c. 34
(M. 186, 1238). (118) Essenweis, Krakau, Anh. XXXIII. (119) De calamitate eccl. Mo-
gunt n. 3 (M. G. SS. XXV, 240). (120) AnR. archeol. XV (Paris 1855) 142. (121) Jones,
Registr. II, 127. (122) Dehaisnes, Doc. 387. (123) Ebd. 235.
(124) Anzeiger XIV (1867) 303. (125) Revue archeol. XXVII (1874) 250.
(126) Podlaha, Anhang XXXIII. (127) Riley, II, 325. (128) Dehaiskes, Doc. 826.
(129) Raike, 215. (130) Mitt. der Ges. für vaterl. Altertümer in Basel (Basel 1862) 22.
(131) Omokt 12. (132) Labarte, Invent. 51. (133) BibL XLHI (1882) 644.
DRITTES KAPITEL. MATERIAL. IL NACHKAROLIXGISCHE ZEIT 43
St. Paul zu London von 12^5 von vier, (134) in einem Schatz Verzeichnis der Kathedrale
zu Canterbury von i3i5 sechs. (135) Eine große Zahl goldener, zum Teil prächtig ornamen-
tierter Kelche findet sich auch in den Inventaren Karls VI. von Frankreich von i^ao (136)
und des Herzogs Jean von Berry von i4o*—i&o3. (137) Ein Inventar der Kirche zu Saint-
Claude von i/|68 verzeichnet einen mit Henkeln versehenen, also spätestens dem frühen
i3. Jahrhundert entstammenden Kelch aus Gold, zu dessen Herstellung auch legendäre
Körner des von den Dreikönigen geopferten Goldes verwendet worden waren. (138)
Es waren übrigens, wie auch aus den angeführten Beispielen hervorgeht,
durchweg nur Kirchen, Klöster und Personen von Ansehen, Rang und Reich-
tum, die sich Kelche aus Gold beschaffen konnten. Erhalten hat sich von den
zahlreichen mittelalterlichen Goldkelchen wenig, ein Miniaturkelch in St. Ger-
vasius zu Trier von um 980, ein Kelch im Hildesheimer Dom von um 1376, ein
prachtvoller goldener Kelch aus dem Ende des i3. Jahrhunderts zu Villin-
gen, (139) ein. mit ungarischem Drahtemail geschmückter Kelch aus Gold von
i5oi im Dom zu Breslau, (140) ein gleichartiger Kelch von ca. i5oo in der
Franziskanerkirche zu Preßburg, (141) ein Kelch von i5o4 zu Untersee in
Schleswig-Holstein, (142) ein Kelch von i5o7 im Corpus-Christi-Kolleg zu
Oxford sowie ein Kelch des i(\. Jahrhunderts zu Ebstorf in Hannover. (143)
Kelche aus Silber sind nicht erst in den Inventaren des späteren Mittelalters,
sondern auch schon in denen des 9. und 10. Jahrhunderts derartig gewöhnlich,
ja die Rege!, daß es nicht vonnöten erscheint, aus ihnen Belege für die Verwen-
dung von Silber als Material des Kelches in karolingischer und nachkarolingi-
scher Zeit anzuführen.
Kelche aus Bronze oder Kupfer werden in den mittelalterlichen Inventaren
nur selten aufgeführt. Selbst in den Schatzverzeichnissen, die aus der Karo-
lingerzeit vorliegen, ist nur vereinzelt von Kelchen dieser Art die Rede. Be-
greiflich übrigens. Sind es doch fast nur Inventare größerer und begüterterer
Kirchen, was an solchen aus dem Mittelalter noch vorliegt; also von Kirchen,
denen hinreichende Mittel zur Beschaffung von Kelchen aus Silber zur Ver-
fügung standen, die demnach nicht genötigt waren, sich mit Kelchen aus Kupfer
zu bescheiden. Außerdem aber werden in den Inventaren meist nur die Gegen-
stände aus Edelmetall aufgeführt. Wie es in ärmeren Kirchen um den Gebrauch
von Kelchen aus Kupfer stand, darüber geben uns die Inventare keinen genü-
genden Aufschluß. Besseren erhalten wir darüber durch die zahlreichen Kelche
aus Kupfer, die sich aus dem späten Mittelalter gerettet haben. Sie bekunden,
daß trotz aller Verbote selbst noch damals Kelche dieser Art recht häufig
waren. Freilich wurden dieselben den silbernen und goldenen Kelchen dadurch
angeglichen, daß man sie versilberte, oder wie es gewöhnlich geschah, ver-
goldete. (144) Auch machte man häufig nur Fuß und Schaft der Kelche aus
(134) Archaeologia L (1887) 464.
(135) J.Jackson, History of the english platel (London 1911) 350.
(136) Doset d'Arcq II, 397f. (137) Guiffrey I, 297; II, 71, 14, 59, 60, 139, 172.
(138) Gay I, 255: Un calice d'or a oreille ouquel a de l'or des trois roys.
(139) Kd. von Baden, Villinge«, Tfl. 18. (140) Histzi;, Tfl. 17. (141) Pixsky I, Tfl. 13.
(142) Kd. von Schleswig-Holstein II, 114. (143) Mithoff IV, 65.
(144) Vgl. z.B. das Inventar des Schlosses Laraprechtsburg in Tyrol von 1481: Ain
kchupphren kelch übergult, und das des Schlosses Thaur von 1484: Zwen kelch, der ein
kupf rein vergult (O. VON" Zi>GEhle, Mittelalt. Inventare aus Tyrol [ Innsbruck 19091 43,131).
44 VASA SACRA. ERST/:/! ABSCHNITT. DER KELCH
Kupfer, die Kuppa aber aus Silber, wie manche der noch vorhandenen spät-
mittelalterlichen Kelche bekunden. Selbst in den Inventaren von Kirchen ersten
Kanges begegnen uns gelegentlich Kelche dieser Art, wie zum Beispiel in dem
der Peterskirebe zu Rom von l454/55, in dem neun derselben vermerkt
sind (145) und in dem der Latcrankirche von i^55, welche zwei solcher Kelche
aufführt. (146)
Auch über die Verwendung zinnerner Kelche geben uns die Invcntare keinen
befriedigenden Aufschluß. Nur äußerst selten ist von solchen in ihnen die Rede.
Indessen gilt auch hier, was von ihrem Schweigen bezüglich der Kelche aus
Kupfer gesagt wurde. In Wirklichkeit kamen auch zinnerne Kelche weit häufi-
ger zur Verwendung, als das nach den Inventaren scheinen könnte, zumal in
armen Kirchen oder in Zeiten der Not. Ma sa terre, heißt es in dem um 1260
geschriebenen Recit d'un menestrel de Reims, en fut moult gravee et les cglises
de regne; car il lor convint mettre jusques as calices et canterent lonc tans en
calices d'estain. (147)
Gern benützte man im späteren Mittelalter Kelche aus Zinn als Grabkelche
an Stelle silberner, die vordem mit Vorliebe als solche gebraucht zu werden
pflegten. Pour le calice et le platme d'estain pour mettre en le fosse, comme il
est de coutume en tel cas ä faire 12 s, heißt es in einer Kirchenrechnung der
Kathedrale zu Cambrai von i'u'j. (148) In den Statuten des Bischofs von Wor-
cester, Wilhelm von Blois, aus dem Jahre 1229 ist sogar ausdrücklich vorge-
schrieben, es solle in jeder Pfarrei außer einem silbernen Kelch für die Feier
der Messe auch ein nicht geweihter zinnerner, mit dem der Priester begraben
werde, vorhanden sein. (149) Grabkelche aus Zinn sind denn auch mehrfach
in Bischofs- und Priestergräbern des späten Mittelalters gefunden worden.
Ein gutes Beispiel aus dem i3. Jahrhundert findet sich heute im Schatz der
Kathedrale zu Sens. Aus Zinn gemacht und nicht geweiht war auch wohl meist
der Kelch, welchen der Priester zum Zweck der Ablution seiner Finger und
des Mundes des Kranken auf Versehgängen mitnahm. (150)
Von Kelchen, die aus Blei gemacht waren, ist in den höchst lehrreichen Pro-
tokollen der Visitationen, die von 1399—1/11,1 in der Diözese Grenoble abge-
halten wurden, mehrfach die Rede. So wurden bei diesen bleierne Kelche an-
getroffen zu St-Sigismond d'Aix, zu Verel, Balby und St-Jean d'Arvey. (150a)
Bemerkenswert ist, daß dieselben seitens der Visitatoren eine Beanstandung
nicht gefunden haben können, da andernfalls die Protokolle eine diesbezügliche
Bemerkung enthalten würden. Es galten also noch im späten Mittelalter Kelche
aus Blei keineswegs allgemein und unter allen Umständen als unzulässig, wenn
sie auch nur da zur Verwendung gekommen sein werden, wo bessere nicht zu
beschaffen waren. Ausdrücklich verboten wurden sie, wie wir hörten, nur durch
die Statuten der Trierer Synode von i3io, einschließlich von allen jenen Syn-
©den, nach denen die Kelche nicht einmal aus Zinn bestehen sollten. Daß man
im späten Mittelalter die Grabkelche mit Vorliebe aus Blei machte, wurde
früher schon gesagt.
Ein höherner Kelch wird im Testament des Grafen Eberhard von Friaul aus
dem Jahre 867 erwähnt. (151) Er bestand aus Nußbaumholz (de nuce) und war
mit Gohl verziert. Er ist der einzige Holzkelch, der uns in mittelalterlichen In-
ventaren begegnet. Zwei hölzerne Kelche in der ehemaligen Zisterzienserklostcr-
kirche Pforta, von denen der eine aus Buchenholz gedrechselt ist und um i3oo
entstanden sein dürfte, der andere aus weichem Holz besteht und etwas jün-
geren Datums ist, waren keine Meßkelehe; daran kann kein Zweifel sein. Ver-
mutlich handelt es sich bei ihnen um Grabkelche. (152) Lediglich ein Grab-
kelch war auch der hölzerne Kelch, den man zusammen mit hölzerner Patene
im Grabe des Wormser Bischofs Konrad JI. von Sternberg (f 1193) fand. (153)
Von zwei anderen Kelchen, die im Testament des Grafen Eberhard aufge-
führt werden, bestand der eine aus Glas, der andere aus Elfenbein. Auch Kelche
dieser Art kommen in mittelalterlichen Inventaren und anderen mittelalter-
lichen Schriftquellen weiterhin nicht mehr vor, es müßte denn das vasculum
eburneum ad usum sacrificii in einem Inventar von Meschede aus der Zeit
der Äbtissin Hidda (11. Jahrhundert) (154) ein Kelch gewesen sein.
Ein im 16. Jahrhundert mit silberner vergoldeter Innenbeklcidimg und mit gleich-
artiger Montierung des Fußes versehener romanischer Kelch aus Elfenbein, eine Schöpfung
des 1». Jahrhunderts, befindet sich zu Deventer (Tafel 1). Ob er auch schon ursprünglich
als Meßkelch benutzt worden, muß dahingestellt bleiben. Angesichts des elfenbeinernen
Kelches im Testament des Grafen Eberhard ist das immerbin möglich. Nie hat ein im Mai-
länder Dom befindliches teichartiges Gefäß mit Renaissancefuß von 1070 und Elfenbein^
kuppa, die im unteren Teile mit den Reliefdarstelltmgen der freien Künste geschmückt, im
n!:!':-.':! iii'}u{K'.:')l':)i':ni- ist, zur Mi'fjlieie;' güillm!. : 155'} Einige Kelche aus Glas im Schatz
von S. Marco zu Venedig sind nicht abendländischen Ursprunges; es bandelt sich vielmehr
hei ihnen um griechische Kelche, die nach der Eroberung KonstantiaopeJs durch die Kreuz-
fahrer 120/i als Beute nach Venedig gebracht, hier aber wohl nie wieder als Kelche ge-
hraucht wurden. (156) Daß sie eucharistische Kelche waren, beweist die an der Einfassung
ihres Randes angebrachte, die Konsekrationsformel des Weines wiedergebende Inschrift
(Tafel 6). Ein Kelch aus blauem Glas im Dom zu Monza (157) ist nie Meßkelch gewesen.
Seinen heutigen reichen gotischen Fuß erhielt er erst im späten i\. Jahrhundert. Vorher
war er lediglich ein von silbernen Bändern unizogener, an den Seiten mit zwei Ringen ver-
sehener fußloser Recher, wie aus den Inventaren von 137J und 1277, in denen er zuerst
genannt wird, hervorgeht. (158)
sonstigen älteren Schriftquellen von Kelchen aus Bergkristall und Onyx be-
richtet.
So verzeichnet das Inventar von St. Bavo zu Gent 860 einen Kelch von Kristall. (159) In
den Akten der Synode zu Douci von 871 lesen wir von einem mit Edelsteinen verzierten
Kelch aus Onyx und gleichartiger Patene, die König Karl der Kathedrale von Laon ge-
schenkt hatte, Bischof Hinkmar von Laon sich aber unrechtmäßiger Weise angeeignet haben
sollte. (160) Bischof Adalbert von Augsburg gab 908 hei einem Besuch dem Kloster Sankt
Gallen einen mit Gold und Steinen geschmückten Kelch aus Onyx. (161) Bischof Bernward
(T 102a) stiftete dem Dom zu Hildesheim außer einem zwanzig Pfund schweren goldenen
Kelch auch einen Onyx-und einen Kristallkelch. (162) In der Hinterlassenschaft Viktors III.
(f 1087) befanden sich zwei calices de onichino. (163) Bischof Ricardus von Verdun
schenkte seiner Kathedrale einen Kelch aus Onyx sowie einen zweiten aus Kristall. (164)
Einen Kelch aus Onyx gab es nach dem Inventar von ioöi ferner im Dom zu Speyer, (165)
einen Kelch aus Kristall nach dem Inventar von 1127 im Dom zu Bamberg. (166) Bischof
Otto von Bamberg (-J- 1 i3g) verehrte dem Petersdom zu Regensburg zur Beurkundung eines
mit Bischof Hartwig von Regensburg (f na6) wegen Zehnten abgeschlossenen Vergleiches
einen noch vorhandenen, heute aber seiner ursprünglichen Fassung und seines Fußes be-
raubten Kelch aus Onyx. (167) Zu Gandersheim besaß man im za. Jahrhundert einen
Kelch aus Onyx, zwei Kelche aus Kristall und einen Kelch aus Beryll. (168) Zu St. Denis
gab es zur Zeit des Abtes Suger einen prachtvollen Kelch aus Sardonyx, eine Stiftung Karls
des Einfältigen (f 929), mit Kuppa in Gestalt eines doppelhenkeligen mit bacchischen Dar-
stellungen geschmückten antiken Bechers, den Karl mit einem Fuß hatte versehen und in
einen Kelch umwandeln lassen, (169) Suger selbst aber fügte ihm einen zweiten Kelch aus
Sardonyx hinzu. (170) Außer diesen beiden Kelchen ist im Inventar von St-Denis des
Jahres i5o5 auch noch vermerkt: Ung calice de cristal, garny d'argent dore et de pier-
rerie. (171) Daß man im ia. Jahrhundert auch in S. Ambrogio zu Mailand einen Kelch
aus Onyx besaß, ersehen wir aus einem dieser Zeit angehörenden Inventar von S. Am-
brogio. (172) Von einem Kelch aus Onyx und Chalcedon, der mit Gold, Perlen und Edel-
steinen geschmückt war und von dem Erblasser den Patriarchen von Aguileja vermacht
wurde, vernehmen wir in einem Testament von i«6q bei Bianchi. (173) Er ist eines der
letzten Beispiele seiner Art, von dem wir hören.
Daß man auch Kelche aus Kristall und Onyx herstellte, kann nicht auffallen.
Material dieser Art galt durch seine Seltenheit dem Silber, ja dem Gold gleich-
wertig. Begreiflich also, daß man auch aus ihm da, wo solches zur Verfügung
stand, Kelche anfertigte, so lange die kirchlichen Bestimmungen nicht auf
ausschließliche Verwendung von Gold und Silber zur Herstellung des Kelches
(159) N. Archiv VIII (1882) 374. (160) Responsa episc c. 5 (H. V, 1305).
(161) M. G. Libri confrat. s. Galli 137. (162) Tiiaisgmari, Vita s. Bernwardi n. 8 (M. G.
SS. IV 761). (163) Chron. Cas. 1. 3, c. 74 (M. G. SS. VII, 753).
(164) Gesta epic. Virdun., Contin. n. 11 (M. G. SS. IV, 49). (165) Sciiaknat 9.
(166) Weber 40.
(167) Thomas Ried, Cod. dipl. episc. Ratisb. I (Regensburg 1816) 173. Wenn Rohault
de Feeury im Anschluß an Labarte angibt, Kaiser Alexis Komnenes habe Heinrich IV, einen
Kelch aus Bergkristall und eine Patene aus Sardonyx zum Geschenke gemacht, so hat er den
die Schenkung betreffenden Bericht bei Anna Comnena, Alexiadis 1. 3 ,(Mg. 131, 312) er-
sichtlich nicht eingesehen, weil er sonst alsbald erkannt hätte, daß es keine liturgischen,
sondern profane Gefäße waren, welche Alexis Heinrich IV. sandte.
(168) Anzeiger XX (1873) 345.
(169) Er trug auf dem Fuß die Inschrift: Hoc vas, XPE, tibi (devota) mente dieavit —
Tercius in Francos regimine Karlus.
(170) Slgerii, De rebus in administr. sua gestis e. 34 (M. 186, 1238).
(171) Omont 12. Aus welcher Zeit der Kelch stammte, ist nicht bekannt.
(172) Magistretti, Delle vesti eccl. in Milano (Milano 1897) 81.
(173) Documenta Forojuliensia 380.
DRITTES KAPITEL. MATERIAL. III. NACHMITTELALTERLICHE ZEIT 47
drängten. Mit solchen Bestimmungen waren dann freilich Kelche aus Kristall
und Onyx wenig mehr vereinbar; sie kamen deshalb nunmehr als Meßkelche
außer Gebrauch. Wo sie vereinzelt noch in Inventaren erscheinen, wie in dem
von St-Denis von 15o5, hatten sie nur mehr die Bedeutung von alten Erb- und
Prunkstücken. Erhalten hat sich nur einer der Kelche aus Bergkristall, ein aus
dem Bamberger Domschatz stammender kleiner Henkelkelch des n. Jahrhun-
derts, der sich heute in der Reichen Kapelle zu München befindet, ursprüng-
lich ein einhenkeliger, fußloser Becher aus Kristall (Tafel 2). Auch von den
aus Onyx gemachten Kelchen ist nur einer im wesentlichen unversehrt auf uns
gekommen, der prachtvolle Doppelhenkelkelch, den Abt Suger für St-Denis
anfertigen ließ (Tafel 3). (174) Nur die Kuppa blieb erhalten von dem Sard-
onyxkelch Karls des Einfältigen in St-Denis und, wie bereits gesagt wurde, von
dem von Bischof Otto von Bamberg dem Regensburger Dom geschenkten
Onyxkelche.
Zahlreiche Kelche aus Onyx, Serpentin, Jaspis, Kristall, Sardonyx, Alabaster
und Achat griechischer Herkunft, birgt der Schatz von S. Marco zu Venedig,
gleich den früher schon erwähnten Glaskelchen desselben zumeist Beutestücke,
die den Venezianern bei der Eroberung und Plünderung Konstantinopels zu-
fielen, Schöpfungen des 10. bis 12. Jahrhunderts. (175) Es sind teils doppel-
henkelige, teils henkellose Kelche (Tafel 1, 3, 5, 6, 7, 8, 9). Ein von Kaiser
Michael Paläologus (i3q,i — i42Ö) gestifteter, prachtvoll mit Gold montierter
Kelch aus Jaspis befindet sich im Kloster Watopädi auf dem Athos. Die In-
schrift auf dem ihn oben einfassenden Goldreifen, eine Wiedergabe der Worte
der Konsekration des Weines, stellt seine Eigenschaft als eucharistischer Kelch
außer Zweifel. (176) Bekunden die Kelche in S. Marco, daß Kelche aus Onyx,
Kristall und anderem kostbaren Stein im 10. bis la. Jahrhundert im griechi-
schen Ritus in Gebrauch waren, so beweist ein gleiches noch für die Frühe des
i5. Jahrhunderts der Kelch im Watopädikloster. Bei den Syrern fanden glä-
serne Kelche neben solchen aus Gold und Silber jedenfalls noch im 12. Jahr-
hundert bei der Eucharistiefeier Verwendung, wie wir aus des Syrers Bar Salibi
Erklärung der syrischen Liturgie ersehen. (177) Von irgend welchen Bestim-
mungen und Vorschriften bezüglich des Materials der Kelche hören wir bis zum
Ende des Mittelalters in keinem der Riten des Ostens jemals irgend etwas.
(174) Bei der Revolution beschlagnahmt und in das Cabinet des Medailles zu Paris ge-
bracht, hier dann gestohlen und fast ein Jahrhundert verschollen, tauchte er jüngst wieder
im Besitz eines amerikanischen Sammlers auf, der ihn von einem Engländer erworben hatte.
Vgl betreffs des Kelches Marx Rosenberg, -Ein wiedergefundener Kelch« in Festschrift
Paul Giemen (Düsseldorf 1926) 208. (175) Abb. bei Pasini, Tfl. XXXVff. Beschreibung
S. 55ff. des Textes. (176) H. Bkockiiai;s, Die Kunst in den Athosklöstern (Leipzig 1891) 48.
Abb. bei N. KobdakOw, Die Kunst auf dem Athos (St. Petersburg 1902) Tfl. 37.
(177) ExDOsitio liturgiae c. 7 (CSS. Syr., SS. Syri ser. 2, tom. 93 Fversio] 55).
(178) C. 16 (HartzilV, 674). (179) C. 5 (ebd. VI, 154).
48 VASA SACRA. ERSTER ABSCHNITT. DER KELCH
(180) Rubr. de Celebr. missae c. 8 (Massi 35, 241). (181) Hartzh. VII, 894.
(182) Tit. de sacrif. missae (ebd. IX, 117). (183) Ebd.IX,508. (184) C.8. (ebd. IX, 747).
(185) J. Jungnitz, Visitationsberichte der Diözese Breslau (Breslau 19021),
DRITTES KAPITEL. MATERIAL. III. NACHMITTELALTERLICHE ZEIT 49
Kelche aus Zinn werden ohne Einschränkung und schlechthin verboten von der Synode
von Ype'm des Jahres 1629, (186) von der Antwerpener Synode von i643, (187) von der
Synode zu Sitten von 1629, (188) von der Prager Synode von 1600, (189) von der In-
struclio fabricae ecclesiae des heiligen Karl Borromäus (190) und von der Synode von
Besancon aus dem Jahre 1707. (191) Die Kelche, so wollen sie, sollen entweder ganz aus
Silber angefertigt sein, oder doch wenigstens eine silberne, innen vergoldete Kuppa haben.
Als zulässig gelten dagegen aus Zinn bestehende Kelche der Synode von Arras des Jahres
1070, (192) der Synode von Ronen von i58i, (193) der Kulmer Synode von i5S3, (194)
sowie auch dem Regensburger Generalvikar Myller. (195) Nur einstweilig und für eine
näher bestimmte Zeit oder nur für den Fall von Diebsgefahr, Raub oder äußerster Armut
der Kirche gestatten den Weitergebrauch von Kelchen aus Zinn die Dubliner Synode von
iäi8, (196) die Synode von Cambrai von i586, (197) die Tournaier Synode von 1600, (198)
die Mechelner von 1607, (199) die Synode von Ypern von 1609, (200) die Synode von
Namur, (201) die Synode von St-Omer von ifiio, (202) die Kölner Synode von i65i, (203)
die Synode von Münster von i655 (204) und noch die Paderborner von 1688, (204a) in-
dem sie jedoch zum Teil ausdrücklich betonen, es müsse nach Möglichkeit dafür gesorgt
werden, daß die zinnernen Kelche ehestens durch silberne oder durch Kelche mit silberner
Kuppa ersetzt werden. Auch schärfen manche ein, es seien die Kelche aus Zinn oft sorg-
fältig und gründlich zu putzen.
Angesichts dieser Stellungnahme zahlreicher Synoden gegenüber Kelchen,
die aus Zinn gemacht waren, können denn auch die zinnernen Meßkelche nicht
befremden, die uns bis ins späte 17. Jahrhundert hinein in den schriftlichen
Quellen begegnen und zwar nicht bloß in deutschen, wie namentlich in den von
Jukgnitz herausgegebenen Protokollen der Visitationen der Breslaucr Diözese,
sondern auch in außerdeutschen, wie z. B. in einem Inventar der Pfarrkirche
von Brusson (Piemont) von i58o (205) und in einem Inventar von Coulanges-
les-Nevers (Nievre) von i638. (206) In der Diözese Besangon standen noch im
Anfang des 18. Jahrhunderts Kelche aus Zinn so sehr in Gebrauch, daß die
Synode von 1707 bemerkte: Calices stannei ad tempus permissi adhuc hodie
tarn frequentes sunt in hac dioecesi, ut iis uti non desinant, qui habent argen-
teos. (207) Auch sonst fanden zinnerne Kelche noch im 18. Jahrhundert Ver-
wendung, wie die sechs Kelche dieser Art im Erzbischöflichen Museum zu
Köln bekunden, übrigens konnte auch der Gebrauch von Kelchen aus Zinn
um so mehr noch als statthaft betrachtet werden, als selbst noch in dem von
etwaigen Mängeln bei der Meßfeier handelnden Abschnitt des Missales Pius' V.
Kelche aus Zinn als zulässig erscheinen (208) und auch noch keine Entschei-
dung der Ritenkongregation vorlag, durch die Kelche aus Zinn herzustellen
untersagt wurde.
Ein Kelch aus Blei begegnet uns noch in einem Inventar von Rengersdorf in
Schlesien aus dem Jahre i54o, ja es werden deren bemerkenswerterweise noch
(186) Tit. de sacr. c. 26 (Hartzh. IX, 498). (187) Tit. 7, n. 18 (ebd. 643).
(188) C. 6, § 5 (ebd. 391). (189) C. 13 (ebd. VIII, 692). (190) AA. Eccl. Med. 628.
(191) Tit. 19, c. 14 (Hartzh. X 341). (192) C. 8 (ebd. VIII, 252). (193) Tit. de aacrif.
missae n. 3 (Hartzh. X, 1219). (194) C. Ut nullus (Hartzh. VII, 987).
(195) Ornat, eccl. c. 59 (S. 110). (196) C. 3 (H. IX, 1889). (197) Tit. 9, c. 8 (H. 2162).
(198) Hartzh. VIII, 478. (199) Tit. 12, c. 14 (ebd. VIII, 783). (200) Tit. 5, c. 5 (ebd.
806). (201) Tit. 3, c. 2 (ebd. IX, 573). (202) Tit. 6, c. 4 (ebd. X, 789). (203) C. 8 (ebd.
IX, 747). (204) Tit. 7 (ebd. IX, 825). (204a) Tit. 5, n. 15 (ebd.X, 155). (205) Revue XL
(1890) 55: Item duo calices atagnei cum eorum patenis. (206) Ebd. XXXV (1885) 94: Trois
calices en estain. (207) Tit. 19, c. 14 (Hartzh. X, 341). . (208) Vgl. oben 8. 18.
BRAUS, DAS CHRISTLICHE ALTARGERAT *
50 VASA SACRA. ERSTER ABSCHNITT. DER KELCH
goldene Kelche des 18. Jahrhunderts im Dom zu Limburg a. d. Lahn; ein goldener Kelch
aus der gleichen Zeit in der Frauenkirche zu München; ein noch gotisierender goldener
Abendmahlskelch von i654 in der protestantischen Ulrichskirche zu Halle; ein goldener
Kelch in den Domen zu Kaschau und Neutra. Außergewöhnlich reich an Kelchen aus Gold
ist der Dom zu Gnesen, der solcher nicht weniger denn sechs besitzt, einen aus dem
Jahre 1690, vier aus der Zeit des Rokoko, einen sechsten aus dem Anfang des 19. Jahrhun-
derts. Im Dom zu Krakau gab es im 17. Jahrhundert neben 27 silbernen i5 goldene Kelche;
ein weiterer befand sich damals in der Jagellonisehen Kapelle. (213)
In den Riten des Ostens liegen auch aus nachmittelalterlicher Zeit keine Be-
stimmungen über das Material des Kelches vor. Eine Ausnahme macht nur
eine Verordnung der maronistischen Synode vom Libanon des Jahres 1736, in
der im Anschluß an den römischen Brauch Kelche aus Glas, Holz oder Bronze
verboten und nur goldene, silberne und zinnerne als zulässig bezeichnet wer-
den. (214) Den Italo-Griechen gestattete Benedikt XIV. 1762 den Gebrauch
zinnerner Kelche. (215)
VIERTES KAPITEL
DIE FORMALE BESCHAFFENHEIT DES KELCHES IN DER
VERGANGENHEIT
L ALLGEMEINES
Welche Form der Kelch hatte, dessen sich der Herr heim Letzten Abend-
mahl bediente, als er das eucharistische Opfer feierte und einsetzte, wissen
wir ebensowenig, wie uns über dessen Material etwas bekannt ist. Daß uns
einige Darstellungen der Abendmahlsfeier aus altchristlicher Zeit und dem
frühen Mittelalter, wie eine Miniatur des Codex Rossanensis, (1) zwei als alt-
christlich ausgegebene, angeblich in Syrien gefundene Patenen mit einer in
Relief ausgeführten Wiedergabe des Abendmahles (Tafel 4i) und eine Minia-
tur in einem dem 9.—10. Jahrhundert entstammenden Psalterium im Panto-
kratoroskloster auf dem Athos (2) darüber keinen Aufschluß geben, braucht
kaum gesagt zu werden, noch weniger aher können wir einen solchen von den
noch jüngeren Darstellungen des Abendmahles erwarten. Wie mit diesen Bild-
werken, so verhält es sich aber auch mit den Abendmahlskelchen, die man in
altchristlicher Zeit in Jerusalem, im Mittelalter hier und da im Abendlande
zeigte. (3) Alle hatten nur legendären Charakter. Daß auch nur einer derselben
wirklich das war, als was er angesehen wurde, dafür mangelt jeder genügende
Beweis. Dazu kommt, daß nur bezüglich eines dieser Kelche eine Angabe über
die formale Beschaffenheit vorliegt, über den Kelch, der nach Adamnanus (4)
in einer Kapelle auf Golgatha aufbewahrt wurde und von ihm als doppelhenke-
liger Kelch beschrieben wird; Duasque ansulas in se ex utraque parte altrinse-
cus continens compositas.
213) Essenweih, Krakau 169. (214) C. 13, n. 8 (Collectio Lacensis II, 215).
215) Constit. »Etsi pastoralis. 56, n. 20 (Bull. Bened. XIV. I [Mechlin. 1826]
) A. Hasei.off, Cod. purpur. Rossan. (Berlin 1898) Tfl. 5.
(ü) H. Brockiiaus, Die Kunst in den Athosklöstern (Leipzig luyij Hl.
W Vgl. oben S. 31. (4) De locis sanet. 1. 1, c. 7 (C. SS. eccl. 39, 234)
52 VASA SACRA. ERSTER ABSCHNITT. DER KELCH
Auch über die Form des Kelches in frühchristlicher Zeit sind wir nicht unter-
richtet. In den schriftlichen Quellen herrscht über sie völliges Schweigen, Bei-
spiele von Kelchen, die uns über sie zu belehren vermöchten, aber haben sich
nicht erhalten. Allerdings hat man in dem mit niedrigem trichterförmigen Fuß
und zwei Henkeln versehenen, 15 cm hohen Kelch aus blauem Glas, der in der
Ostrianumkatakombe gefunden wurde, dem 3. Jahrhundert zugeschrieben und
heute im Museo cristiano des Vatikans aufbewahrt wird, (5) einen eucharistischen
Kelch erkennen wollen, doch ohne allen Grund. Es war nur eine Vermutung,
wenn man ihn als solchen gedeutet hat, und noch mehr gilt das von anderen
in den Katakomben gefundenen Trinkgefäßen. (6) Aber auch die Bildwerke
geben uns nicht den gewünschten Aufschluß über die Form, die der Kelch in
frühchristlicher Zeit hatte. Zwar hat man in dem fußlosen, mit zwei Henkeln
ausgestatteten Becher auf der von Wilpert entdeckten Fractio panis in der Ca-
pella greca der Priszillakatakombe einen eucharistischen Kelch sehen wollen,
weil man das Bild als eine Darstellung der Eucharistiefeier deutete, doch ist
eine solche Auffassung von dem Bilde und darum auch die von dem auf ihm
dargestellten Henkelbecher wohl nicht zutreffend, jedenfalls aber zweifelhaft.
Daß der eucharistische Kelch, wie er in frühchristlicher Zeit gebraucht wurde, eine
Nachbildung des Abendmahlskelches dargestellt und demnach die gleiche Form gezeigt
habe wie dieser, darf als ausgeschlossen gelten. Wenn in nachkonstantinisclier Jahrhun-
derte lang zwei gleichberechtigte Formen des Kelches nebeneinander in Gebrauch waren,
dann kann es in frühchristlicher Zeit nicht lediglich eine einzige, dem Abendmahlskelch
entlehnte Form desselben gegeben haben. Wie der Herr beim Letzten Abendmahl sich eines
Kelches von der Art der sonst üblichen Trinkgefäße bediente, so geschah das vielmehr
auch in frühchristlicher Zeit bei der Eucharistiefeier.
Die Form der antiken Trinkgefäße war sehr mannigfaltig. Es gab flache
Trinkschalen und höher aufsteigende Becher. Beide waren bald fußlos, bald
mit einem Fuß versehen, hier mit niedrigerem, dort mit höherem; die einen
wie die andern aber waren wiederum entweder henkellos oder einhenkelig oder
zweihenkelig. Die archäologischen Museen bieten für alle diese Arten von
Trinkgefäßen manche Beispiele. Für die eucharistische Feier empfahlen sich
besonders zwei dieser verschiedenen Typen durch ihre Bequemlichkeit und
Handlichkeit, der mit hohem, als Handhabe dienenden Ständer versehene hen-
kellose Kelch und der nur mit niedrigem Fuß ausgestattete zweihenkelige
(Tafel 2). Diese werden darum auch vorzugsweise bei ihr zur Verwendung ge-
kommen sein, wenn auch wohl zunächst noch nicht so ausschließlich wie in
späterer Zeit, in der uns der eucharistische Kelch allgemein nur mehr in Gestalt
dieser beiden Kelchtypen begegnet. (7)
Mit dem eucharistischen Kelch hat es sich ähnlich verhalten wie mit der liturgischen Ge-
wandung. Wie diese sich aus der profanen Kleidung entwickelte und nicht etwa eine Nach-
bildung der alttestamentlichen liturgischen Gewandung war, so hat auch der eucharistische
Kelch nicht sein Vorbild in irgendwelchen Trinkgefäßen des mosaischen Kultus. Er wurde
vielmehr ebenfalls, und zwar in den beiden Typen, in denen er uns in der Folge entgegen-
tritt, dem profanen Brauch entnommen. Daß man aus ihm aber gerade diese beiden Typen
von Trinkgefäßen vor den übrigen in den christlichen Kult herübernahm, hatte seinen
Grund darin, daß eben sie sich mehr als die andern zur Verwendung bei der Liturgiefeier
als Konsekrationskelch wie als Spendekelch eigneten. Darum bieten auch die einst dem All-
tagsgebrauch dienenden antiken Kelche dieser beiden Typen, die sich aus frühchristlicher
Zeit erhalten haben, einen ge.wissen Ersatz für die völlig fehlenden christlichen eucharisti-
schen Kelche der gleichen Zeit, da sie uns sagen, wie diese für gewöhnlich formal beschaffen
gewesen sein werden.
Die beiden Typen sind in der Folge nicht gleich lang in Gebrauch geblieben.
Während der henkellose Kelch noch heute Verwendung findet, ist der Henkel-
kelch im Lauf der Zeit aus dieser ausgeschieden. Aber auch bezüglich der wei-
teren formalen Entwicklung beider Typen offenbart sich ein bemerkenswerter
Unterschied. Während es nämlich bei dem zweihenkeligen Kelch erst sehr spät
in formaler Beziehung zu einem ausgesprochen sakralen Typus kam, welcher
ihn von den gleichartigen profanen Trinkgefäßen deutlich abhob, zeigte sich
beim henkellosen Kelch schon zu guter Zeit das Bestreben, ihm eine ihm eigen-
tümliche und ihn gegenüber den gleichartigen Kelchen des Alltagslebens als
sakral kennzeichnende Form zu geben, den profanen Typus zu einem sakralen
umzuschaffen.
IL DER IIENKELKELCH
Die schriftlichen Quellen reden noch im 4. und den nächstfolgenden Jahr-
hunderten kaum je vom zweihenkeligen Meßkelch. Wird doch bis zur Karo-
lingerzeit nur einmal ausdrücklich von Kelchen dieser Art in ihnen gesprochen,
im Testament des heiligen Aredius, des Abtes von Attane (jetzt St-Irieux) bei
Limoges (f 573) nämlich, der jeder in demselben angegebenen Kirche außer
sonstigem Meßgerät auch vier silberne Kelche vermachte, zwei henkellose und
zwei ansati, mit Henkeln versehene. Indessen haben wir auch wohl den crater,
den der heilige Petrus Chrysologus (-f um 45o) der Basilika des heiligen Kas-
sian zu Imola schenkte, sowie die kostbaren crateres, die Kaiser Philippus dem
Erzbischof Felix von Ravenna (-f-723) verehrte, ihrer Bezeichnung wegen als
zweihenkelige Kelche aufzufassen. (8) Auffallend ist, daß das römische Papst-
buch bis zum 9. Jahrhundert nie Kelche dieser Art erwähnt, wahrscheinlich,
weil sie so häufig waren und so wenig als etwas Besonderes erschienen, daß
man es nicht für nötig hielt, ja nicht einmal daran dachte, bei den Kelchen, die
Henkel hatten, das ausdrücklich anzumerken. Insbesondere kann es keinem
Zweifel unterliegen, daß die 8, 10, ja 12 römische Pfund schweren, scyphi ge-
nannten Konsekrationskelche, die in den Gabenverzeichnissen der Vitae der
Päpste des h-, 5. und 6. Jahrhunderts in großer Zahl aufgeführt werden, mit
Henkeln versehen waren, da sie ja andernfalls ganz unhandlich gewesen waren.
Das um so weniger, als der Konsekrationskelch, dessen sich der Papst bei der
Stationsmesse bediente, zufolge den römischen Ordines des 8. und 9. Jahrhun-
(8) Agkelli, Liber Pontif. Ravennat, Vita s. Petri Chrys. c. 4 und Vita Felicis c. 5
(M. 106, 558, 707).
54 VASA SACRA. ERSTER ABSCHNITT. DER KELCH
derts selbst noch zu dieser Zeit ein Henkelkelch war. (9) Es können freilich
keineswegs alle Kelche im Papstbuch bis dahin von dieser Art gewesen sein. Ins-
besondere wird das von den nur zwei oder drei römische Pfund (= 65£ bzw.
981 Gramm) schweren, als Spendekelche dienenden calices minores und calices
ministeriales zu gelten haben, bei denen Henkel weniger erforderlich, ja selbst
minder zweckdienlich waren und deshalb füglich fortgelassen werden konnten.
Die Papstvitae des 9. Jahrhunderts kennen nur einen Henkelkelch. Er war einer
der drei Kelche, welche Karl der Große nach seiner Krönung am Weihnachts-
fest des Jahres 800 nebst andern Gaben der Basilika des hl. Petrus weihte. (10)
Einen goldenen, mit zwei Henkeln ausgestatteten Kelch von hervorragender
Arbeit stiftete Abt Ansegisus (-f- 833) nebst einem andern, anscheinend henkel-
loscn aus Silber dem Kloster Fontanelle. (11)
In nachkarolingischer Zeit vernehmen wir mehrfach von zweihenkeligen Kel-
chen. Kelche dieser Art müssen damals noch recht häufig gewesen sein, wie
aus einer bei Du Cange angeführten Notiz einer Handschrift des 10. Jahrhun-
derts (12) erhellt, in der es heißt: Scutra est per omnem modum sicut olla facta,
similiter de luto facta, sed tantum differt a nostra olla, quod scutra ansas habet
sicut nostri calices solent habere, in quibus missam cantamus. Es kann darum
auch nicht auffallen, wenn noch Theophilus in seiner Schedula diversarum
artium auch der Anfertigung der Henkel des Kelches ein eigenes Kapitel wid-
met, (13) in dem er eingehend beschreibt, wie dieselben herzustellen und am
Kelche anzubringen seien.
Von einem goldenen, behufs größerer Handlichkeit mit zwei Henkeln versehenen Kelch,
den Heinrich II. anfertigen ließ, berichten Leo von Ostia (-J-ii2Ö) (14) und Cosmas von
Prag (f ii25). (15) Einen kostbaren Henkelkelch aus Sardonyx schuf um ni5 Abt Suger
von St-Denis, wie er selbst erzählt. (16) Schon von Karl dem Einfältigen (*j- 929) besaß
die Abtei St-Denis einen prachtvollen Henkelkelch, einen antiken, mit zwei Henkeln ver-
sehenen, außen mit bacchischen Darstellungen geschmückten Onyxbecher, den der Schenk-
geber durch Hinzufügung eines Fußes zu einem Kelch hatte umarbeiten lassen. (17) Einen
gewaltigen Henkelkelch aus Gold, der ein Gewicht von 4g Mark (= ca. 9 Kilo) hatte, gab
es 1163 im Dom zu Mainz. (18) Ein Inventar des Schatzes des Domes zu Monza von 1375
aber verzeichnet vier mit Henkeln ausgestattete Kelche, drei goldene und einen silbernen,
von denen die drei ersten mit Perlen und Edelsteinen reich geschmückt waren. (19) In
PI.-Dame zu Paris besaß man einen großen Henkelkelch aus Gold, der von Karl dem Großen
herstammen sollte, i343 aber zur Vergoldung eines Altarfrontale des Hochaltares ver-
wendet und durch einen silbernen, mit Henkeln versehenen Scyphus von 16 Mark Gewicht
(9) Ordo 1, n. 15 (M. 78, 944): Ponit calicem super altare iuxta oblatam pontificis a dex-
tris, involutis ansis cum offertorio. Vgl. auch die etwas jüngeren Ordines 2, n. 9 und 3, n. 14
(ebd 973, 981).
(10) Vita Leonis III. (795—816) n. 377 (Doch., L. P. II, 8): Calicem maiorem cum gemnüs
et ansis duabus pens. I. 18. Bei den beiden andern fehlt ein Vermerk wegen etwaiger Henkel,
sie werden also wohl henkellos gewesen sein. (11) Vita s. Ansegisi n. 7 (M. 105, 758).
(12) II, 31. (13) C. 30 (A. Ilg, 191). (14) Chron. Cas. 1. 2, c. 47 (M. 173, 640).
(15) Chron. Bohem, 1.1, c. 37 (M.G.SS. 9, 59).
(16) De rebus in admin. sua gestis c. 34 (M. 186, 1238).
(17) Vgl. oben S. 46; Abb. bei Felibien, Hist. de l'abbaye de St-Denis (Paris 1706) pl. VI
und B. de tÜOMTFATOok, L'antiquite expliquee I (Paris 1719) pl. CLVTI,
(18) Guden, Cod. dipl. I, 242: Urkunde von 1163 über Verpfändung des Kelches; Chri-
stian;, De calam. eccl. Mogunt. n. 3 (M.G.SS. XXV, 240). Wegen seiner Schwere konnte
der Kelch, zu dem eine Patene von entsprechendem Gewicht gehörte, wie der Chronist be-
merkt, zum Zelebrieren nicht gebraucht werden. (19) Bull. mon. 46 (1880) 629.
VIERTES KAPITEL, FORM. II. DER HENKELKELCH 55
ersetzt wurde. (20) Einem Kelch aus vergoldetem Silber d'ancienne forme ä deux ansces
begegnen wir 1379 in einem Inventar Karls Y., (21) einem großen mit Bildwerk geschmück-
ten silbernen Henkelkelch, der am Karfreitag zur Aufbewahrung des Leibes des Herrn ge-
braucht wurde, ursprünglich aber wohl als Konsekrationskelch gedient haben dürfte, in
einem 1387 angefertigten Schatz Verzeichnis des Prager Domes. (22) Auch im Inventar von
Westminster zu London aus dem Jahre i388 wird noch ein Henkelkelch vermerkt. (23) Er
ist von der Bemerkung Pro oblatis deputatus begleitet, aus der hervorgeht, daß er, wie es
sich immer früher mit ihm verhielt, damals kein Konsekrationskelch mehr war, sondern zur
Entgegennahme des Opferweines benutzt wurde.
Die Henkel der Henkelkelche führen in den Quellen meist den Namen ansäe oder an-
sulae- Im Inventar von Monza. heißen sie manicae, in dem von Westminster sowie bei Theo-
philus auriculae (aures).
Das Bild, das uns die schriftlichen Quellen von dem zweihenkeligen Kelch
vermitteln, ist nur ein ganz allgemeines. Ein genaueres erhalten wir durch Bild-
werke, auf denen Kelche dieser Art dargestellt sind, und noch besser durch eine
Anzahl von Henkelkelchen, die sich erhalten haben.
Die Zahl der Bildwerke, auf denen ein zweihenkeliger liturgischer Kelch dar-
gestellt ist, ist nicht groß. Rohault de Flecry will allerdings den eucharisti-
schen Henkelkelch in allen jenen, vor dem 4. Jahrhundert nur erst seltenen,
dann aber bis ins 9. Jahrhundert überaus häufigen Darstellungen eines zwei-
henkeligen Gefäßes sehen, aus dem hier Weinreben, Epbeuranken oder Blu-
mengirlanden herauswachsen, dort Tauben, Pfauen, Hirsche oder Löwen trin-
ken oder zu trinken sich anschicken, anderswo Früchte oder Blumen zum Vor-
schein kommen oder ein springbrunnenartiger Wasserstrahl emporquillt. (24)
Allein mit Unrecht. Es handelt sich bei allen diesen Bildwerken nicht um die
Wiedergabe eines eucharistischen Kelches, sondern lediglich um die einer mit
Henkeln versehenen, meist ausgesprochen krugförmigen Vase, deren Gestalt
schon zur Genüge jeden Gedanken an einen Kelch ausschließt, (25) wie man
.auch immer jene Darstellungen sonst auffassen und deuten will. Daß sie in
manchen Fällen einen symbolischen Sinn haben, kann wohl nicht bezweifelt
werden, aber ebensowenig, daß sie in vielen andern lediglich als Ornament ge-
dacht sind.
Die ältesten Darstellungen im Westen, auf denen uns ein zweifellos als liturgisch zu be-
trachtender Henkelkelch entgegentritt, stammen aus dem 6. Jahrhundert und finden sich
auf einem Mosaik in S. Vitale zu Ravenna (26) und in S. Apollinare in Classe. (27) Beide
geben das Opfer Melchisedechs in einer Weise wieder, die dem eucharistischen angeglichen
ist. Wie demgemäß der auf ihnen erscheinende Altar und seine Bekleidung eine Nachbil-
dung des christlichen Altares und seiner Ausstattung nach der diesen im 6. und 7. Jahr-
(20) Revue archeol. XXVII (1874) 250. Nach einem Inventar von 1416 diente dieser Scy-
phus zur Spendung des Ablutionsweines nach der Osterkonununion.
(21) Labarte, Invent. 257.
(22) Podlaiia, Anh. XXXIII: Alius calix magnus cum imaginibus et duabus ansis, in quo
reponitur Corpus Dominicum in Parasceve. (23) Archaeologia LH, 1 (1890) 231.
(24) La messe IV, Tfl. 270ff. Vgl. auch W. Schmder, Darstellungen des eucharistischen
Kelches inX^^.ov ipywUv™-' (H«ma 1900).
(25) Beispiele bei GamhjOCL, Tfl. 230, 231, 255, 258, 269, 277, 278, 300, 336, 337, 345, 349,
554 355, 356, 388, 389, 390, 393, 408, 411, 414, 423, 426, 462, 479, 487, 489; bei Wilpert, Ma-
lereien Tfl. 50, 77, 121, 463; bei Wilpert, Mosaiken Tfl. 29, 31, 32, 37, 50, 75, 86.
(26) Abb. bei BhaCM, Paramente 185 und Braus, Altar I, Tfl. 6.
(27) Abb. bei Garrucci, Tfl. 266.
56 VASA SACRA. ERSTER ABSCHNITT. DER KELCH
hundert eigenen Gestalt sind, so ist auch der auf dem Altar stehende Kelch eine Wieder-
gabe des damals bei der Eucharistiefeier gebräuchlichen. Welcher Zeit das primitiv rohe
Graffit» eines liturgischen Henkelkelches am sogenannten Tempel der Vesta zu Rom an-
gehört, ist schwer zu sagen. Grisar, der es 189.4 entdeckte, schreibt es, jedoch wohl reich-
lich zu früh, dem 6. Jahrhundert zu. Immerhin mag es noch der vorkarolingi sehen Zeit
angehören. (28) Ob das kelchartigc Gefäß, das auf der Reversseite merowingischer Münzen
des 6. und 7. Jahrhunderts dargestellt ist, den eucharistischen Kelch wiedergeben soll, wie
Rohaui/t de Fi.eury wohl allzu bestimmt annimmt, (29) mag dahingestellt bleiben.
Den» 9. Jahrhundert entstammen die Darstellungen eines eucharistischen Henkelkelches
auf einem der Reliefs des Palliotto in S. Ambrogio zu Mailand (Messe des bl. Ambrosius),
auf zwei Miniaturen (Opfer Melchisedecbs und Meßfeier) des Sakramentars Drogos von Metz
(■]• 855) in der Nationalbibliothek zu Paris und auf einem der Elfenbeinplättchen (Meß-
feier) des Deckels desselben (30) sowie auf dem von Paschalis I. gestifteten, mit getrie-
benen Reliefs geschmückten Rehälter des Gemmenkreuzes des Schatzes der Kapelle Sancta
Sanctorum zu Rom, (31) dem frühen 10. Jahrhundert die vorzügliche Wiedergabe eines
solchen Kelches auf der bekannten Elfenbeintafel der Frankfurter Stadtbibliothek, auf der
wir den Rischof, umgeben von Diakonen und Subdiakonen, den Kanon der Messe beginnen
sehen (Tafel 6). Dem ausgehenden 10. Jahrhundert entstammt die Darstellung eines zwei-
henkeligen eucharistischen Kelches auf der goldenen Tafel Ottos III. im Münster zu
Aachen, (32) dem 11. die eines solchen auf dem Kreuz des Bischofs Erpho (— 1098) in
St. Mauritz zu Münster, auf einem Fresko in der Unterkirche von S. Clemente zu Rom (33)
und auf einer Miniatur eines Sakramentes von St-Dcnis aus dem 11. Jahrhundert in der
Nation albibHothek zu Paris: Christus reicht dem heiligen Dlonysius wunderbarer weise die
Kommunion. (34)
Bildliche Wiedergaben des doppelbenkeligen eucharistischen Kelches aus dem Osten sind
noch seltener als solche aus dem Westen. Dem 5. Jahrhundert entstammt eine solche auf
einem Fußbodenmosaik, das in den Überresten einer damals erbauten Basilika zu Madaba
in Palästina 1896 aufgefunden wurde; denn der auf ihm dargestellte Henkelkelch soll
allem Anschein nach den eucharistischen Kelch wiedergeben. (35) Ob auch der zweihenke-
lige Kelch auf einem koptischen Seh rank enfragnient einen liturgischen Kelch darstellt, wie
Strzygowski, der es veröffentlicht bat und dem 5.—6. Jahrhundert zuweist, annehmen
möchte, (36) muß dahingestellt bleiben. Kein eucharistischer Kelch ist das zweihenkelige
Gefäß in der Hand eines der Teilnelimer an dem großen Einzug, d. i. der feierlichen Ein-
führung der an der Prothesis hergerichteten Opfergaben zum Altar, das auf einem im
Xeropotamukloster des Athos befindlichen, aus Speckstein angefertigten Diskos wieder-
gegeben ist. Es handelt sich bei demselben vielmehr um das Gefäß mit den Eulogien. (37)
Dargestellt ist dagegen ein eucharistischer Henkelkelch auf der sogenannten Kaiserdalmatik
in St. Peter zu Rom, einem kostbar bestickten Sakkos aus etwa dem späten i4. Jahrhun-
dert. (38) Er erscheint auf ihr sowohl als Konsekrations-, wie auch als Spendekelch. Es ist
die jüngste mir bekannte Darstellung eines solchen auf einem Monument aus dem Osten. (39)
(28) Abb. in H. Grisar, Gesch. Roms u. der Päpste im Mittelalter (Freiburg 1901) 190.
(291 La messe IV, 74 und Tfl. 234, 238, 239, 292.
{30) Abb. der Miniaturen und des Reliefs bei Ron. I, Tfl. 4, 5, 6; der das Opfer des Mel-
chisedech darstellenden Miniatur bei Leroquais, Tfl. VII. (31) Jetzt im Vatikan. Abb. bei
Braus, Altar II, Tfl. 116. (32) Abb. bei Brau«, Meisterwerke Tfl. 11.
(33) Abb. bei Wilfert, Mosaiken Tfl. 241. (34) Abb. bei Leroquais, a. a. O. Tfl. XXXII.
(35) Nuovo Bullet. III (1897) 146 nebst Abb.
(36) Koptische Kunst (Wien 1904) n. 7368. Der Kelch steht auf einem Tuch, dessen En-
den zwei Pfauen in ihrem Schnabel halten. Eine aus ihm herausragende Scheibe deutet
Strz. als Hostie.
(37) Der eucharistische Kelch erseheint auf dem Diskos henkellos. Abb. bei O. Wulff,
Altchristi, und byzant. Kunst (Berlin 1913) 616. Der Diskos gilt als Geschenk Pulcherias,
der Schwester des Kaisers Romanos II. (1028—1034), doch ist er in Wirklichkeit, wie
Wülfi zutreffend urteilt, frühestens im 13. Jahrhundert entstanden.
(38) Braun, Gewandung 305. (39) Abb. bei Fr. Bock, Deutsche Reichskleinodien Tfl. 18,
19 und Ann. archeol.I (1844) 286. Über das Alter des Gewandes vgl. Braun, Gewandung 305.
VIERTES KAPITEL. FORM. IL DER IIEXKELKELCH 57
Fassen wir zusammen, was uns die angeführten Bildwerke Ober die formale
Beschaffenheit des zweihenkeligen Kelches sagen, so ergibt sich etwa folgen-
des. Der Ständer desselben besteht auf ihnen entweder nur aus einem oben ab-
gestumpften Konus oder aber aus einem Konus und aus einem den Übergang
von diesem zur Kuppa vermittelnden Nodus. Immer ist er jedoch niedrig und
rund, ausgenommen auf dem Fresko in S. demente, auf dem er der Kuppa an
Höbe gleichkommt und — doch wohl nur durch Ungeschicklichkeit des Ma-
lers — viereckig erscheint. Fußlos ist der Spendekelch auf der Abendmahls-
darstellung der Kaiserdalmatik. Die Henkel sind entweder scbleifenförmig oder
nach Art eines S gestaltet. Nach unten reichen sie bis etwa zur Mitte der Kuppa
oder nur wenig tiefer herab. Bis zum Boden des Kelches gehen sie herunter bei
dein auf der Kaiserdalmatik abgebildeten Spendekelch, eine Eigentümlichkeit,
die wir übrigens auch bei einigen der aus Byzanz nach Venedig gebrachten,
heute im Schatz von S. Marco befindlichen griechischen Kelche antreffen.
Wenn sie, wie auf dem Graffito am sogenannten Vestatempel zu Born und
merowingischen Münzen unten offen erscheinen — alles mangelhafte Dar-
stellungen —, so gibt das wohl nicht die Wirklichkeit wieder, da derartige Hen-
kel unpraktisch gewesen wären. Die Kuppa zeigt auf den bildlichen Darstel-
lungen zwei Formen. Bei der einen, die uns z. B. bei den Kelchen auf dem Mo-
saik von Madaba, dem koptischen Schrankenfragment, den merowingischen
Münzen und dem von Paschalis I. gestifteten Behälter des Gemmenkreuzes des
Schatzes der Kapelle Sancta Sanctorum, sowie bei dem Spendekelch auf der
Kaiserdalmatik begegnet, also bei Darstellungen, die zum Teil nicht mit Sicher-
heit als Wiedergaben des eucharistischen Kelches angesprochen werden können,
ist sie becherartig, erscheint sie im Profil als halbes Oval. Bei der andern da-
gegen, die uns auf den übrigen Bildwerken entgegentritt, ist sie vasenartig,
verengert sie sich zunächst von oben nach unten, um sich dann jedoch, sei es
allmählich, sei es in scharfem Knick, wulstartig auszubauchen, in welch letz-
terem Fall man die Ausbauchung wohl, wie es sehr gut der Kelch auf dem
Frankfurter Elfenbein und dem Erphokreuz in Münster zeigt, mit vertikal ver-
laufenden, oben abgerundeten, unten spitz auslaufenden Rippen belebte. Daß
noch um noo Kelche dieses zweiten Typus angefertigt wurden, ergibt sich aus
des Theophilus Schedula diversarum artium. Denn der Henkelkelch, dessen
Herstellung er beschreibt, (40) ist ein Kelch eben dieses Typus. Unter den
Henkelkelchen, die sich aus dem n., 12. und i3. Jahrhundert erhalten haben,
gibt es noch zwei, die ihn aufweisen, der kleine Henkelkelch im Dom zu Civi-
dale und der große, prachtvolle Henkelkelch in St. Peter zu Salzburg.
Einen besonderen Wert haben jene bildlichen Widdergaben des eucharisti-
schen Henkelkelches, welche dem ersten Jahrtausend angehören, da fast nur
sie uns näheren Aufschluß über die formale Beschaffenheit geben, die ihm in
jener Zeit eignete. Denn von den Henkelkelchen zweifellos eucharistischen Cha-
rakters, die sich aus der ganzen Vergangenheit erhalten haben, reichen die älte-
sten nur bis in das 10. Jahrhundert zurück. Denn daß der zweihenkelige Kelch
aus blauem Glase, der zu Amiens gefunden wurde, dem 5. oder 6. Jahrhundert
(40) C. 26, 27, 30 (Ilg 180M.).
58 VASA SACRA. ERSTER ABSCHNITT. DER KELCH
Dem 10. Jahrhundert wird gewöhnlich auch der 1868 gefundene Kelch von
Ardagh im Museum zu Dublin (Tafel 4) zugeschrieben, doch scheint diese Da-
tierung angesichts der auf spätere Zeit hinweisenden Form der Kuppa — sie
ist schalenförmig — wohl etwas zu früh.
Kuppa und Fuß bestehen aus einem Gemisch von Silber und Kupfer, der zwischen Fuß
und Kuppa eingeschobene niedrige Schaft samt den ihn oben und unten abschließenden
und zum Fuß bzw. der Kuppa überleitenden Ringen aus vergoldeter Bronze. Die Kuppa
hat einen Durchmesser von 23,i cm, eine Tiefe von nur 10,1 cm. Die Gesamthöhe des
Kelches beträgt 17,8 cm, die Höhe des unten horizontal umgekrempten Fußes 7,7 cm. Die
Henkel sind halbkreisförmig. Etwas unterhalb des leicht ausgebogenen Bandes umzieht die
Kuppa ein Band, das sich aus Flechtwerk im Wechsel mit Knäufchen, die mit roten und
blauen Zelleneinlagen verziert sind, zusammensetzt. Unterhalb des Bandes sind, unterbro-
chen von vier mit Filigran, Stein Imitationen und Knäufen mit Zelleneinlage geschmückten
Scheiben — zwei runden und zwei sechspaßförmigen —, in Gravierung die Namen der Apo-
stel angebracht. Den Schaft und die ihn oben und unten abschließenden Ringe belebt ein-
geschnittenes geometrisches Ornament, den waagerechten Rand des Fußes ein goldenes Band
von der Art des die Kuppa umziehenden Frieses, nur daß die Knäufchen hier durch vier-
eckige Plätichen mit Zelleneinlage ersetzt sind. Einzigartig ist die Verzierung der Unter-
(45) Auffallen konnte, daß man keinen Anstand genommen hat, einen mit heidnischen
Darstellungen geschmückten Becher zu einem Kelch umzuarbeiten. Indessen war man im
Mittelalter bei aller Tiefgläubigkeit weniger feinfühlig als heute und trug deshalb kein Be-
denken, selbst Gegenstände mit Darstellungen, die alles andere als kirchlicher Art waren
(vgl. oben S. 12), in den Dienst des Heiligtums zu nehmen. Über der Kostbarkeit des Mate-
rials oder der Ausstattung übersah man das minder passende des auf ihnen sieh findenden
Bildwerks, das man lediglich als bedeutungsloses Ornament betrachtete.
60 VASA SACRA. ERSTER ABSCHNITT. DER KELCH
Seite des Fußes: in der Mitte eine runde Kristallschcibe, um diese ein Ring aus Bernstein,
um letzteren zunächst ein Ring aus Goldfiligran und dann wieder ein Bernstein ring, um
diesen zweiten Bernsteinring ein Ring aus vergoldeter Bronze, der mit Spiralen, die durch
fünf grüne, runde Email plättchen in fünf Abteilungen geschieden sind, gemustert ist, des
weiteren ein silberner mit Flechtwerk belebter Ring, umgeben von einem Seilstäbchen und
zuletzt unter dem horizontalen Rand ein Fries von der Art des Frieses seiner Oberseite. (46)
Dem 11. Jahrhundert, genauer der ersten Hälfte desselben, gehört der Hen-
kelkelch in der Reichen Kapelle zu München an. Er stammt aus Bamberg und
ist aus einem einhenkeligen Kristallbecher, der Heinrich d. H. als Trinkbecher
gedient haben soll, in der Weise hergestellt, daß man ihn mit einem zweiten
Henkel aus Silber und einem aus silbernem Fuß und Kristallnodus sich zu-
sammensetzenden Ständer versah.
Seine Höhe beträgt ia,8 cm, von denen 6,7 cm auf Fuß und Nodus, 6,1 cm auf die
9,6 cm weite Kuppa kommen. Zwischen den konkav konischen niedrigen, mit breitem Hori-
zontalrand versehenen Fuß ist ein Perlstab, zwischen Nodus und Kuppa ein schmaler, mit
einem Mäander verzierter Ring eingeschaltet. Um den Rand des zur Kuppa gemachten Kri-
stallbechers ist ein glattes, silbernes Band gezogen, das durch vier silberne Vertikalstreifen
mit dem zwischen Kuppa und Nodus eingefügten Ring verbunden ist. Vier andere Streifen
umziehen entsprechend vertikal den Kristallnodus und verbinden jenen Ring mit dem zwi-
schen Nodus und Fuß befindlichen Perlstab. Die Henkel sind kreisförmig; oben sind sie mit
einem Plättchen zum Auflegen des Daumens versehen, eine bei antiken Henkelhechern
häufige Einrichtung. Der horizontale Rand des Fußes ist mit Nielloplättchen, Edelsteinen
und Filigran verziert
Nicht mehr in seinem ursprünglichen Zustand ist ein ungemein prachtvoller
Henkelkelch des 11. Jahrhunderts, der im frühen i3. in ein Reliquiar umge-
wandelt wurde. Man hat ihn zu dem Ende mit einem neuen Fuß und neuen
Nodus, sowie mit einem überaus reichen Deckel versehen. Dies aus einem deut-
schen Kirchenschatz kommende Reliquiar befindet sich heute im National-
museum zu Stockholm. Nach Schweden kam es wahrscheinlich als Beutestück
des Dreißigjährigen Krieges.
Erhalten hat sich von dem ursprunglichen Kelch die herrliche, 3<t cm weite, za cm tiefe
Onyxkuppa mit ihren goldenen, ehedem allem Anschein nach unten an einem zwischen
Ständer und Kuppa befindlichen Reifchen angebrachten, seitlich mit Blättern eingefaßten
Henkeln und ihrer glänzenden, mit vier Reihen von Edelsteinen geschmückten goldenen
Randeinfassung und den diese mit dem Nodus verbindenden, gleichfalls goldenen und mit
Steinen besetzten Vertikalstreifen.
(46) Die Photographie des Kelches verdanke ich der Güte meines Ordensgenossen P. Mau-
ritius Dowling S.J.
VIERTES KAPITEL. FORM. 11. DER HENKELKELCH 61
Fuß durch einen mit Steinen besetzten Ring getrennten Nodus von der Form
einer abgeplatteten Kugel versehen ließ (Tafel 3). Bemerkenswert und auf-
fallend ist die Höhe des Ständers (Fuß mit Nodus), eine Angleichung an das
Verhältnis der Höhe des Ständers zu der der Kuppa bei den henkellosen Kel-
chen des 12. Jahrhunderts.
Dem späten 12. Jahrhundert entstammen zwei Henkelkelche, die im Gegen-
satz zum Henkelkelche Sugers und den andern genannten Kelchen noch in der
Bildung der Kuppa den zweiten der beiden früher genannten Typen vertreten.
Es sind ein großer, mit getriebenem Figurenwerk reich verzierter Kelch in
St. Peter zu Salzburg (Tafel 8) und ein ehedem zu einem Tragaltar gehörender
Miniaturkelch im Dom zu Cividale (Tafel 5). Bei beiden verengert sich die
Kuppa von oben nach unten, baucht sich dann aber in ihrem unteren Teil aus.
Der Salzburger Kelch ist s3 cm hoch; die Höhe des Fußes samt Nodus beträgt i3 cm, die
Tiefe der Kuppa 10 cm, ihre Weite 20 cm. Die Höhe des Standers verrät auch hier den Ein-
fluß der (.''oii'h/eiiiipri henke-Iü^en Kekbe. Die Kuppa ist in ihrem oberen Teile mit einer
niellierten Inschrift und einem gravierten Rankenfries geschmückt, ihre Ausbauchung
gleich dem umgekehrt trichterförmigen, mit waagerechtem Rand versehenen Fuße mit kräf-
tigen Bossen, die in Treibarbeit an jener Propheten, auf diesem Apostel als Schmuck auf-
weisen. Der Horizontalrand des Fußes ist mit größeren Edelsteinen im Wechsel mit kleine-
ren besetzt. Der Nodus besteht aus einer etwas abgeplatteten Kristallkugel; er ist vom Fuß
liurch einen geperhea lliiiij ^e-e:ui:uen, oben über voa oir.i!:n Kran/ von Yo-eli.ÜpiVn um-
geben. Die Henkel werden von Drachen gebildet, die sich gegen den Rand der Kuppa an-
stemmen. (47)
Der Kelch im Dom zu Cividale, ein Reisekelch, ist nur 9,5 cm hoch, seine Kuppa nur
5,5 cm weit. Ständer nebst Nodus und Kuppa haben die gleiche Höhe. Der nach innen ge-
krümmte konische Fuß entbehrt eines Horizontalrand es. Der mit getriebenem romanischen
Blattwerk in Kreisen geschmückte Nodus sitzt ohne Trennung auf dem Fuß; von der Kuppa
ist er durch einen geperlten Ring getrennt, überaus zierlich sind die aus einer S-förmigen
Ranke gebildeten Henkel, von denen dem einen die Figur Abrahams, dem andern die Mel-
chisedechs eingefügt ist. Um den Rand der Kuppa und des Fußes zieht sich eine gravierte
Inschrift. (48)
Die beiden jüngsten der aus dem Mittelalter noch vorhandenen Henkelkelche
sind der bekannte mit Nieüodarstellungen reichgeschmückte Henkelkelch im
Stift Wüten bei Innsbruck (Tafel 7) sowie ein mit getriebenen und aufgelegten
figürlichen Reliefs prachtvoll ausgestatteter Henkelkelch im Zisterzienserinnen-
kloster Marienstern bei Kamentz (Tafelt). Jener entstand zu Ende des 12. Jahr-
hunderts, dieser im frühen i3. Beide haben sich in ihrer formalen Beschaffen-
heit der Form der gleichzeitigen henkellosen Kelche dermaßen angeglichen,
daß sie sich von diesen nur durch die an ihnen angebrachten Henkel unterschei-
den. Zeigt ihr Fuß doch selbst bereits statt eines Horizontalrandes einen Hoch-
rand, eine Zarge. Am fortgeschrittensten erscheint der Kelch zu Marienstern.
Während nämlich bei dem Wiltener Kelch sich zwischen Nodus und Kuppa
bzw. zwischen Nodus und Fuß noch nach Herkommen nur ein Perlstab als
Trennung und zugleich als Überleitung einschiebt, dient beim Mariensterner
zu gleichem Zweck hier wie dort bereits ein niedriges Schaftstück.
... Vgl. über den Kelch auch Mitt. VIII (1863) 33; Kunsttopogr. Salzburg, St. Peter44
JS,
- Braun, Meisterwerke II, 11 nebst Abb. auf Tfl. 55, 56.
(48) Vgl. auch Braus, Meisterwerke II, 12 sowie Tfl. 59.
62 VASA SACRA. ERSTER ABSCHNITT. DER KELCH
Die Höhe des Kelches zu Marienstern beträgt ig,5 cm, von denen n,5 cm auf Fuß und
Nodus nebst Schaftstücken entfallen, der Durchmesser seiner Kuppa 16 cm, die Tiefe der-
selben 8 an, alles Maß Verhältnisse, wie wir sie auch bei den gleichzeitigen henkellosen Kel-
chen antreffen und nicht anders steht es bei dem Wiltener Kelch, dessen Kuppa eine Weite
von i5 cm und eine Tiefe von 7,5 cm hat, während Fuß und Nodus eine Höhe von etwa
8,5 cm besitzen. Die Kuppa ist hiernach bei beiden Kelchen halbkugelförmig. Die schwe-
ren, aber durchbrochen gearbeiteten Henkel des Kelches zu Marienstern sind fast halb-
kreisförmig, die des Wiltener stellen eine leichte, mit schwungvollem Ranken- und Blatt-
werk gefüllte Volute dar. (49)
Noch im 18. Jahrhundert vorhanden, sind seitdem im Strudel der französi-
schen Revolution verschwunden ein zweihenkeliger Kelch zu St-Omer, der
dein heiligen Audomarus zugeschrieben wurde, ein angeblicher Henkelkelch
des heiligen Jodokus (-f- 69) zu St-Josse-sur-Mer bei Montreuü (Pas-de-Ca-
lais), ein unter dem Namen des heiligen Servatius gehender Henkelkelch in der
Servatiuskirche zu Maastricht sowie ein legendenhafter Henkelkelch des hei-
ligen Gerard vonToul ("fop/i) im Kloster des heiligen Mansuetus daselbst, doch
liegen von den drei letztgenannten noch Abbildungen, die uns ihre formale Be-
schaffenheit erkennen lassen, vor.
Was wir über den Kelch zu St-Omer hören, (50) gibt uns keinen Aufschluß über die
genauere Form desselben.
Der Kelch zu St-Josse-sur-Mer bestand aus balbeiförmiger, oben leicht nach außen ge-
krümmter Kuppa mit von romanischen Ranken gebildeten Henkern, einem leicht konkav
konischen Fuß und abgeplattetem kugeligem Nodus, der vom Fuß und der Kuppa durch
einen Perlstab getrennt wurde. Die Ikonographie des Bildwerkes, mit dem Kuppa und Fuß
geschmückt waren, Form und Inhalt der an diesen sich findenden Inschriften, der Cha-
rakter des Ornamentes an Kuppa und Nodus sowie besonders auch die Bildung der Henkel
lassen deutlich genug erkennen, daß der Kelch nicht schon im 7., sondern erst im 12. Jahr-
hundert entstand. (51)
Der angebliche Kelch des heiligen Servatius war zufolge der noch von ihm vorliegenden
Skizze ein bauchiger, nach oben zu sich etwas verengernder Becher mit zwei ringförmigen
Henkeln und niedrigem, konischen, mit Horizontalrand versehenen Fuß, der von der
Kuppa durch einen Wulst getrennt wurde. Die Kuppa war oben, der Fuß unten mit einem
Kranz mandelförmiger Rillen verziert. (52) Daß der Kelch ebensowenig vom heiligen Ser-
vatius herrührte, wie ein kleiner noch vorhandener Kelch des i/j. Jahrhunderts im Schatz
der Kirche, der als der Alltagsmeßkelch des Heiligen angesehen wurde, braucht kaum ge-
sagt zu werden. Immerhin mochte er noch in das erste Jahrtausend zurückreichen.
Der angebliche Kelch des heiligen Gerhard zu Toul war, wie die von ihm noch vorhan-
dene Abbildung bekundet, ein Erzeugnis der Goldschmiedekunst des frühen i3-, und nicht
schon des 10. Jahrhunderts. Die Halbkugelform der Kuppa, der zierliche, schlanke Fuß,
der melonenartig gerippte Nodus, die Form der Henkel wie auch die stilistische Beschaffen-
heit des Ornaments und des figuralen Schmuckes des Kelches stellen das außer Frage. (53)
Auch von den Henkelkelchen, die sich 127Ö im Schatz des Domes zu Monza befanden,
heute aber alle verschwunden sind, haben sich teilweise Abbildungen erhalten auf dem etwa
der Mitte des i3. Jahrhunderts entstammenden Bogenfeld des Portales des Domes, auf
(49) Vgl. über den Kelch zu Wüten auch Jahrb. der k. k. Zentralkommission IV (1860) 24
mit Abb., über den Mariensterner Kd. von Sachsen, Aiatsh. Kamentz-Land 191 f. und Bratc,
Meisterwerke II, 11 und Tfl. 58. (50) Mart. et Dcrasd, Voyage II, 183.
(51) Wiedergabe der Abb. des Kelches bei Roh. IV, TU. 311.
(521 Abb. nach der Skizze Heylerhoffs (vgl. oben S. 38) bei Roh. IV, 287.
(53) Wiedergabe der Abb., die sich gleich der des Kelches zu St-Josse-sur-Mer in der
Nationalbibliothek zu Paris im Nachlaß Montfaucons erhalten haben.
VIERTES KAPITEL. FORM, II, DER HENKELKELCH 63
einem dem it\. Jahrhundert angehörenden Relief im Dom, das eine Königskrönung dar-
stellt, und auf einem Gemälde des ausgehenden i5. Jahrhunderts. (54) Dieselben sind in-
dessen so ungenau und weichen derart voneinander ab, daß sie weder für die Datierung
der Kelche, noch für die. genauere Feststellung ihrer Form von Wert sind. (55) Am zuver-
lässigsten erscheinen noch die zwei auf dem vorhin erwähnten Gemälde abgebildeten Hen-
kelkelche, Kelche mit hoher Kuppa, die sich zunächst von oben nach unten zu verengert,
dann sich ausbaucht und auf der Ausbauchung Rippen aufweist, mit verhältnismäßig nied-
rigem, aus Nodus und aus konischem Fuß bestehenden Ständer, sowie mit langen, S-förmi-
gen Henkeln, die bei einem der Kelche die Form eines Delphins zeigen, bei dem andern
gleich der Kuppa dieses Kelches mit Steinen besetzt sind. Wie weit die beiden Kelche über
das Inventar von 1273 zurückreichen, muß dahingestellt bleiben.
Das wenige, was uns die Bildwerke über die formale Beschaffenheit des
Henkelkelches in den Riten des Ostens zu sagen wissen, erfährt eine höchst-
willkommene Ergänzung durch eine größere Zahl von Henkelkelchen des grie-
chischen Ritus im Schatz von S. Marco zu Venedig, zumeist Beutestücke der
Venezianer bei der Eroberung von Konstantinopel. (56)
Keiner der Kelche hat eine Kuppa aus Metall. Bei vier Kelchen besteht dieselbe aus
Onyx, bei einem aus Kristall, bei vier aus Glas, bei einem aus Ghalzedon, bei einem aus
Serpentin. Was die Form der Kuppa anlangt, so zeigen nur zwei Kelche eine Kuppa des
früher erwähnten zweiten Typus der Kuppa der Henkelkelche, ein Kelch aus graugrünem
Serpentin und ein Kelch aus Glas. Ursprünglich, wie es scheint, ohne förmlichen Fuß und
nur mit einer Platte als Untersatz ausgestattet, erhielt der erstere (Tafel 5) seinen heutigen
Fuß erst im i/|. Jahrhundert zu Venedig. (57) In ihrem oberen Teil achtpaßartig sich aus-
buchtend, verengert sich seine Kuppa bis etwa zu ihrer halben Höhe, um sich dann nach
unten auszubauchen. Ihre gleich dem Untersatz aus dem einen Steine geschnittenen Henkel
stellen aufrechtstehende Leoparden dar. Den Ausbuchtungen der Kuppa sind an der einen
Seite Christus zwischen den Heiligen Nikolaus und Johannes Chrysostomus sowie den Erz-
engeln Raphael und Uriel, an der andern Maria zwischen dem heiligen Basilius, einem un-
genannten Bischof und den Erzengeln Gabriel und Michael eingraviert. Daß der formal
so eigenartige Kelch ein eucharistischer Kelch war, erhellt aus der um seinen Rand herum
eingeschnittenen, allen Zweifel an seiner Verwendung bei der Meßfeier ausschließenden
Inschrift, einer Wiedergabe der Worte der Konsekration des Weines. Die Kuppa des aus
Glas bestehenden Kelches ist in ihrem oberen Teile umgekehrt konisch, in ihrer unteren
Hälfte ebenfalls bauchig. Ihre mit Filigran und Steinen geschmückten Henkel reichen von
der Randborte bis zum Fuß. Der niedrige, gleichfalls mit Filigran und Steinen verzierte
Fuß besteht aus achtseitiger Fußplatte, die mit hoher, von miniaturartigen Filigranarkaden
gebildeten Zarge versehen ist, und niedrigem konischen Hals. Henkel und Fuß sind gleich der
den Rand der Kuppa umziehenden, mit Filigran und Steinen ausgestatteten Borte abend-
ländisch (venezianisch), (58)
Die meisten der im Schatz von S. Marco befindlichen Henkelkelche aus Byzanz haben
eine Kuppa des ersten Typus, jedoch in mehrfacher Abwandlung. Hier halbeiförmig, dort
schalenförmig, hat diese bei andern die Gestalt eines abgestutzten, umgekehrten Kegels
oder eines kleinen Eimers. (59) Bei der Mehrzahl der Kelche sitzt sie nur auf einem nied-
rigen, von einem nach unten zu sich erweiternden Ring oder einer mäßig starken runden
Platte gebildeten Untersatz (Tafel 6). Nur bei zwei Kelchen weist sie einen aus schwach
konisch ansteigendem Fuß und kurzem, in der Mitte nodusartig sich verdickenden Schaft
bestehenden Ständer als Träger auf (Tafel 7). Daß es sich auch bei den ersteren trotz ihrer
ungewöhnlichen, sehr befremdenden Form um eucharistische Kelche handelt, beweist die
Inschrift, die bei vier derselben auf der ihren oberen Rand umziehenden Borte angebracht
ist. Bei drei Kelchen lautet sie nämlich: -f IBere i% ofaou -dvre;, tottrf Jon to oljui|tot> to xlfi
■iiiiffi ivxHfxtfi, bei dem vierten: Xpwri; Öiäowtv ayia to &nr,v tpipov. Ohne diese Inschriften würde
man in den fraglichen Kelchen kaum eucharistische Kelche vermuten. Die Henkel, mit
denen die Kelche der zweiten Gruppe versehen sind, sind teils so lang, daß sie bis zum un-
teren Ende der Kuppa reichen, teils gehen sie nur bis etwa über die Mitte derselben herab.
Die Henkelkelche im Schatz von S. Marco gehören dem 10.—12. Jahrhun-
dert an; ein hervorragend schöner später Kelch der gleichen Art, der um i/joo
entstand, hat sich im Watopädikloster auf dem Athos erhalten. Er ist ein Ge-
schenk des Michael Paläologos (i3gi—i£a5). Seine schalenförmige, 20cm
weite, aber nur 5 cm tiefe Kuppa besteht aus durchscheinendem Jaspis. Der
Ständer verrät in seiner formalen Bildung Einfluß aus dem Westen. Der mäßig
ansteigende Fuß ist achteckig und hat leicht nach innen gekrümmte Seiten. Der
Schaft ist gleichfalls achtseitig, verjüngt sich nach oben zu und zeigt in der
Mitte einen achtseitigen Nodus. Von dem Fuß ist er durch einen Ring getrennt,
den Übergang vom Schaft zur Kuppa bewerkstelligt ein rundes, profiliertes,
scheibenartiges Zwischenstück. Die Henkel werden von je einem kühn ge-
schwungenen Drachen gebildet, der mit den Füßen und dem aufgerissenen
Maul sich am Kupparand festhält, mit dem Schwanzende sich auf den Nodus
stützt. (60) Der Kelch dürfte selbst im Osten einer der spätesten seiner Art
sein. Seine eucharistische Bestimmung ist durch die Inschrift gewährleistet,
die auf der den Rand des Kelches umsäumenden Borte angebracht ist: "Kö/exs
toü &rtoi€ aoxou uaÖTjtaTi; xal &rcoor6Xot? el-aiv: IKsts s£ cuVtoÜ ^ävTss, toüto soti to
atua u-GO tq xatvijs Stecdpcif? tÖ ör.kp ifiäiv xal TcoÄXtüv sx^uvousvw sU orosoiv &papxi&«.
Man hat in den Henkelkelchen vielfach lediglich Spendekelche gesehen, doch
unzutreffenderweise. Wohl sind auch Kelche dieser Art zur Ausspendung des
heiligen Blutes gebraucht worden, doch keineswegs allgemein und ausschließ-
lich. Wurde das heilige Blut den Kommunizierenden durch Darreichung des
Kelches gespendet, war es sogar weniger zweckmäßig, dabei sich eines Henkel-
kelches zu bedienen und kaum anders verhielt es sich, wenn die Spendung
des heiligen Blutes an sie erfolgte, indem der Priester die konsekrierte Brot-
partikel in den konsekrierten Wein eintauchte, bevor er sie ihnen zum Genuß
in den Mund legte. Am meisten empfahl sich noch der Henkelkelch, wenn die
Kommunizierenden mittels eines Saugröhrchens (61) das heilige Blut aus dem
Kelche tranken, doch nur, wenn eine erhebliche Zahl von Gläubigen zum Tisch
des Herrn ging und deshalb ein größerer Kelch, der die erforderliche Menge
desselben zu fassen imstande war, benutzt werden mußte, da einen solchen
Henkel handlicher machten. Empfingen nur wenige das heilige Blut, wie na-
mentlich in Privatmessen, so diente zur Ausspendung des heiligen Blutes der
Kelch, den der Priester zur Konsekration benutzt hatte, der Meßkelch, ein
Henkelkelch also nur, wenn ein Kelch dieser Art als Konsekrationskelch ver-
(60) Vgl. H. Brockhaus, Die Kunst in den Athosk los lern (Leipzig 1881) 48. Abb. bei
Nik. Kokdakow, Die Kunst auf dem Athos (St. Petersburg 1902) Tfl. XXX.
(61) Vgl. unten II, 3. Kap.
VIERTES KAPITEL. FORM. II. DER HENKELKELCH 65
eines solchen aus der Zeit um i4oo im Watopadikloster auf dem Athos be-
kundet. (67)
Im Westen kommt der Henkelkelch um etwa dieselbe Zeit außer Gebrauch, zu welcher
dort auch der Empfang der Kommunion unter beiden Gestalten aufzuhören beginnt. Es
ist das indessen ein bloß zeitliches Zusammentreffen; es wäre nicht richtig, wollte man
das Außerbenutzungkommen des Henkelkelches als eine Folge des Verschwindens des Laien-
kelches deuten. War ja doch der Henkelkelch nicht ausschließlich Spendekelch, sondern
auch, ja vor allem Konsekrationskelch. Die Sache würde sich freilich anders verhalten, wenn
der Henkelkelch einzig zur Spendung des heiligen Blutes an die Gläubigen gedient hätte.
Dem war aber zu keiner Zeit so, auch nicht im i3. Jahrhundert. Nicht das Aufhören der
Kommunion unter beiden Gestalten brachte dem Henkelkelch sein Ende, sondern die hand-
lichere Bildung, die sein Ständer in Angleichung an den des henkellosen Kelches erhielt,
infolgedessen es weiterhin keinen Zweck mehr hatte, ihn mit Henkeln zu versehen.
Was dann zweitens seine formale Beschaffenheit anlangt, so tritt der Henkel-
kelch jedenfalls schon in altchristlicher Zeit in zwei Typen auf, die sich
durch die Bildung der Kuppa unterscheiden, während die des Ständers keinen
bemerkenswerten Unterschied aufweist. Bei dem einen becherartig, verengert
sie sich bei dem andern vasenartig von dem Rand nach der Mitte zu, um sich
dann mehr oder weniger auszubauchen. Eine formale Entwicklung des Henkel-
kelches hat, wenigstens soweit das vorhandene Material an Bildwerken und an
noch erhaltenen Kelchen ein Urteil darüber gestattet, bis in das 12. Jahrhun-
dert kaum stattgefunden und zwar ebensowenig beim Ständer wie bei der
Kuppa. Dann wird der erstere freilich entsprechend dem der gleichzeitigen
henkellosen Kelche höher und schlanker und gleicht sich die Kuppa des ersten
Typus der schalenförmig gestalteten halbkugeligen Kuppa an, wie sie in der
zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts bei dem henkellosen Kelche sich einbür-
gert. Würde der Henkelkelch nicht im i3. Jahrhundert außer Gehrauch ge-
kommen sein, würden wir auch wohl bei ihm eine ähnliche formale und stili-
stische Wandlung zu verzeichnen haben, wie wir sie sich mit dem henkellosen
Kelch im iß. und 15. Jahrhundert sowie der nachmittelalterlichen Zeit voll-
ziehen sehen.
Im griechischen Ritus — und so mag es auch in andern Riten des Ostens sich
verhalten haben — tritt zu den beiden vorgenannten Typen noch ein dritter, bei
dem die Kuppa statt mit einem förmlichen, wenn auch nur mäßig hohen Stän-
der bloß mit einem Ring oder einer Platte als Untersatz versehen ist, eine
Henkelkelchart, die sich besonders als Spendekelch eignete. Ob es auch im
Westen je Henkelkelche dieses Typus gegeben habe, läßt sich nicht sagen.
. In welchem numerischen Verhältnis die Henkelkelche zu den henkellosen
standen, läßt sich bei den unzureichenden Angaben, die wir nicht bloß, für die
altchristliche Zeit, sondern auch noch für das frühere Mittelalter über die Ver-
wendung jener wie dieser erhalten, nicht bestimmen. Die Gabenverzeichnisse,
Inventarc und ähnliche Quellen erwähnen nur sehr selten Henkelkelche, doch
beweist das keineswegs, daß die in ihnen verzeichneten Kelche allesamt henkel-
los waren, vielmehr mögen manche derselben im Gegenteil Henkelkelche ge-
wesen sein. Kelche mit Henkeln boten so wenig Auffallendes, daß man es für
(67) Vgl. oben S. 64.
VIERTES KAPITEL. FORM. 11t. DER HEXKELLOSE KELCH 67
gewöhnlich nicht für notwendig erachten mochte, sie ausdrücklich in den Ga-
benverzeichnissen und Inventaren, bei deren Abfassung, wie dieselben zeigen,
man sich der äußersten Kürze zu befleißigen pflegte, als solche zu charakteri-
sieren. In älterer Zeit mögen henkellose und Henkelkelche in annähernd glei-
cher Zahl in den Kirchen vorhanden gewesen und zur Verwendung gekommen
sein. So hörten wir im Testament des Abtes Aredius von vier Kelchen, von
denen zwei henkellos, zwei mit Henkeln versehen waren. (68) Später begann
dann freilich der henkellose Kelch zu überwiegen, so jedenfalls in nachkaro-
lingischer Zeit.
Zahl erhalten. Es sind ein 1875 bei Lamon gefundener, (94) heute zu Feltre be-
findlicher Kelch, der sogenannte Chrodegangskelch in der ehemaligen Samm-
lung Basilewsky, der Tassilokelch zu Kremsmünster, ein. 1879 zu Petöhäza
(Comit. ödenburg) in einem Grab entdeckter Kelch im Museum zu ödenburg
und der Ludgeruskelch zu Werden. (95) Nur mehr durch Beschreibung und
eine aus dem 17. Jahrhundert stammende gute Abbildung (96) kennen wir einen
goldenen, außen um die Kuppa herum, ausgenommen ihre untere Rundung,
mit Zelleneinlage völlig überkleideten Kelch im Kanonissenstift zu Chelles
(Seine-et-Marne), der der Überlieferung nach vom heiligen Eligius (■{- 65$)
der heiligen Bathildis (-{■ um 680) geschenkt wurde, 1792 aber ein Opfer der
französischen Revolution wurde, nachdem die zu ihm gehörende, gleichfalls
goldene Patene schon im i5. Jahrhundert zur Herstellung eines Schreines der
heiligen Bathildis verwendet worden war. (97)
Der Kelch zu Feltre ist 21 cm hoch. Er besteht aus einem
konkav-konischen Fuß, einem Nodus in Form einer abge-
platteten Kugel, einem niedrigen, glatten, den Nodus von
der Kuppa trennenden Ring und einer halbeiförmigen
Kuppa von ca. n,5 cm Höhe und i^cm Weite, die so ge-
räumig ist, daß sie eineinhalb Liter zu fassen vermag und
um den Rand herum die von einem Stäbchen oben und
unten begrenzte Inschrift zeigt; -f- De donis Dei Ursus
diaconus sancto Petro et sancto Paulo obtulit. De Rossi
glaubte den Kelch dem 6. Jahrhundert zuweisen zu sollen,
doch findet eine solche Datierung weder in seiner Form
noch in seiner Inschrif t, die selbst noch im 8. oder 9. Jahr-
hundert Parallelen aufzuweisen hat, eine genügende Be-
gründung. (98) Man wird ihn zutreffender wohl in das
8. Jahrhundert zu setzen haben.
Dem frühen 8. Jahrhundert gehört auch der ohne
Grund dem Bischof Chrodegang von Seez zuge-
schriebene, aus St-Martin des Champs stammende
Bild 1. Kelch aus Lamon, Feltre Kelch der ehemaligen Sammlung Basilewsky an, der
(94) Nicht Zaraon, wie es im Bullet. 1879, 159 heißt und andere, auch Leclercq in Ca-
brol II, 1633, unbesehen nachgesehrieben haben.
(95) Nach Rohault de Fleury wäre ihnen auch noch hinzuzufügen ein silberner, mit
niedrigem Ring als Untersatz versehener, zylinderförmiger Becher von 9 cm Höhe und
7,8 cm Weite, der sich im Museo cristiano des Vatikans befindet, um den Rand die ver-
stümmelte Inschrift zeigt: Petibi et aeeepi, votum sol(vi), also auf Grund eines Gelübdes
von jemand gestiftet wurde, und von Rohault dem 5. Jahrhundert zugeschrieben wird. (96)
Ob der Becher wirklich in diese Zeit zurückreicht, mag auf sich beruhen bleiben; daß er als
eucharistischer Kelch anzusehen ist, darf man jedoch füglich verneinen. Es liegt kein Grund
vor, ihn als solchen zu deuten. Insbesondere enthält auch seine Inschrift nichts, was ihn als
eucharistischen Kelch erwiese. Schlechthin ausgeschlossen ist, daß der 11 cm hohe Holz-
kelch in S. Michele zu Pavia ein Meßkelch aus dem 5. Jahrhundert ist. Er gehört weder dem
5. Jahrhundert an, noch ist er je zur Feier der Messe benützt worden. Vgl. oben S. 38.
(96) La messe IV, 64 nebst Abb. auf Tfl. 307. Vgl. auch Cabrol II, 2, 1632.
(97) Abb. und Beschreibung des Kelches hei A. du Saussay, Panoplia sacerdotalis (Paris
1653) 199f.; hiernach in Farben rekonstruiert bei Cu. de Limas, Les origines de l'orfßvrerie
cloisonne III (Paris 1887) und Cabrol 112, 1624. Vgl. auch über den Kelch Maut, et Durand
H (Paris 1724) 4 und Roh. IV, 83.
(98) Vgl. z. B. die Inschrift eines ehemaligen Altarziboriums in S. Giorgio zu Valpoli-
cella bei Verona (um 725) und in S. Pietro zu Bagnocavallo (8.-9. Jahrhundert) bei Braun,
Altar II, 197, 206.
VIERTES KAPITEL. FORM. 111. DER HENKELLOSE KELCH 71
der sich heute in der Eremitage zu Leningrad befindet. Aus Kupfer gegossen,
hat er eine Höhe von i5 cm und eine Kuppaweite von g cm. Die Höhe der
Kuppa beträgt 8 cm, die des Ständers, der sich aus konischem, am Rand um-
gekremptem Fuß, fast kugeligem, in der Mitte von einem Reifen umzogönen
Nodus und schmalem ringförmigem Zwischenstück zwischen Nodus und Kuppa
zusammensetzt, 7 cm. Die Kuppa ist halbeiförmig. Um ihren Rand zieht sich
eine geperlte Einfassung und die Inschrift: In nomine Domini omnipotentis
Gimfredus prb. Zwischen Fuß und Nodus ist ein Perlstäbchen eingeschaltet;
auf dem Horizontalrand des Fußes steht eine zweite Inschrift, von der jedoch
nur mehr a fieri rogavit lesbar ist. Kuppa und Fuß sind mit aufgehämmerten
Silberplättchen verziert, die in zwei Reihen übereinander angeordnet sind. Die
Plättchen der einen Reihe stellen ein langgezogenes Dreieck dar, dessen Spitze
in ein, mit eingravierter Rosette verziertes Rundscheibchen endet, die der zwei-
ten, die zu denen der ersten Reihe versetzt angeordnet sind, Rundscheibchen
mit eingravierter Rosette. An der Kuppa sind jene oben, diese unten angebracht;
am Fuß verhält es sich umgekehrt (Rild 3). (99)
Der Kelch zu Kremsmünster (Tafel 1) ist laut der den Rand des Fußes entlang laufenden
gravierten Inschrift; -J- Tassilo dux fortis Liutpirg virga regalis eine Stiftung des Herzogs
Tassilo von Bayern (7^9—788) und seiner Gemahlin Liutpirg, der Tochter des Langobar-
denkönigs Desiderius, und demnach im dritten Viertel des 8. Jahrhunderts entstanden. Er
ist aus Kupfer gegossen und 2 5 cm hoch. Sein aus konischem Fuß und abgeplattetem kuge-
ligem Nodus bestehender Ständer ist nur um ein geringes niedriger als die 10 cm im Durch-
messer haltende, halbeiförmige Kuppa. Zwischen Fuß und Nodus sowie zwischen diesem
und der Kuppa ist ein derber Perlring eingeschaltet. Die außerordentlich reiche Ornamen-
tierung des Kelches, bei der kein Fleckchen ohne Schmuck blieb, ist teils in tief einschnei-
dender Ziselierung, teils in Tauschierarbeit, teils in Niello ausgeführt und verrät stilistisch]
unverkennbaren irischen Einfluß. An der Kuppa sind in runder Umrahmung die Halb-
figuren Christi und der Evangelisten samt deren Symbolen, am Fuße in gleicher Einfassung
die Halbfiguren Johannes des Täufers und dreier anderen Heiligen angebracht, alles sehr
primitive, roh gezeichnete Figuren. (100)
Dem Tassilokelch gleichaltrig erscheint der zu Petöhäza gefundene Kelch. Er ist, abge-
sehen davon, daß er fast schmucklos und erheblich kleiner ist — seine Höhe beträgt nur
12,2 cm, die Weite seiner Kuppa nur 8,9 cm —, das getreue Gegenstück des Kelches zu
Kremsmünster. Auch bei ihm ist der Ständer nur um wenige Millimeter niedriger als die
Kuppa. Ein Perlstab ist nur zwischen Nodus und Kuppa angebracht. Die Verzierung des
Kelches beschränkt sich auf ein den Rand der Kuppa und des konischen Fußes umziehendes
Band aus Flechtwerk und vier gleichartige von oben nach unten bzw. von unten nach oben
verlaufende Streifen an Kuppa und Fuß. Eine Inschrift am Nodus: f Gundpald fecit, ver-
rät uns den Schöpfer oder Stifter des Kelches. (101)
Aus dem Ende des 8. Jahrhunderts stammt der kleine Kelch des heiligen Ludgerus
(f 809) (Tafel 1) in der ehemaligen Abteikirche zu Werden. Aus Kupfer gegossen und
vergoldet, ist er, bei einem Kuppadurchmesser von 7 cm, 12 cm hoch. Der konische Fuß,
dessen Wandung nur im unteren Teil leicht einwärts gekrümmt erscheint, hat mitsamt dem
stark abgeplatteten kugeligen Nodus, der bloß von der Kuppa, nicht aber auch vom Fuß
durch ein Stäbchen getrennt wird, eine Höhe von 6,5 cm gegenüber einer Kuppahöhe von
nur 5,5 cm. Um den Rand der Kuppa läuft die tief emziseh'erte Inschrift: f Agitur haec
summus per pocla triumphus; um den Rand des Fußes herum sind in gleicher Technik die
Worte angebracht: -j- Hie calix sanguinis Domini nostri Ihesu XPI; Inschriften, welche klar
die Bestimmung des Gefäßes zum Ausdruck bringen.
Der Kelch zu Chelles, dessen Untergang sehr zu bedauern ist, hatte eine Höhe von 27 cm,
von denen 18 cm auf die Kuppa und 9 cm auf den Ständer kamen. Die Kuppa hatte die
Form eines umgekehrten, nach unten mäßig sich verengernden Kegels von i5 cm oberem
Durchmesser, Sie wies zehn breite, durch einen Perlstab voneinander getrennte, nach oben
sich allmählich verflachende Rippen auf. Der Ständer bestand aus niedrigem runden, konkav-
kegelförmigem, mit schräger Zarge versehenem Fuß und abgeplattetem kugeligem, von
einem durch Zelleneinlagen gebildeten Bändchen umzogenem Nodus, der sowohl vom Fuß
wie von der Kuppa durch einen geperlten Ring getrennt war. Bemerkenswert war sowohl
die Form wie auch die große Höhe der Kuppa. Eine Kuppa ähnlicher Art zeigt ein byzan-
tinischer Kelch im Schatz von S. Marco zu Venedig (Tafel 9).
Aus dem neunten Jahrhundert hat sich kein henkelloser liturgischer Kelch erhalten, es
müßte denn der um 1770 zu Trewhiddle in Gornwall gefundene, jetzt im Britischen Mu-
seum aufbewahrte, ein liturgischer Kelch sein, was jedoch wenig wahrscheinlich ist. Denn
die profanen Schmucksachen, die er zugleich mit 11& Geldstücken enthielt, als er zu Tage
trat, weisen — auch wenn man der etwas eigenartigen und nicht gewöhnlichen Bildung des
Ständers keine Bedeutung beilegen will — allein schon deutlich genug darauf hin, daß er
ein profaner Trinkbecher war. Da die zwei jüngsten der in ihm gefundenen Münzen solche
Alfreds d. Gr. (■{■ 901) waren, dürfte er etwa aus der Wende des 9. Jahrhunderts stam-
men. Aus Silber gemacht, hat er bei einer Höhe von 12,7 cm einen Kuppadurchmesser von
11,4 cm und eine Kuppatiefe von ca. 7,5 cm. Die Kuppa ist halbeiförmig; der Ständer be-
steht aus einem gewölbten, mit Horizontalrand versehenen, 2,6 cm hohen Fuß und einein
gleichbohen aus zwei konischen Schaftstücken und abgeplattetem kugeligem Knauf sich zu-
sammensetzenden Schaft. (102)
Ein vorzügliches Bild der formalen Beschaffenheit, die der henkellose Kelch
im späten 10. und 11. Jahrhundert zeigte, geben uns der goldene, noch mit
seiner Patene versehene Miniaturkelch, der im Grabe Poppos von Trier (j 10/17)
entdeckt wurde und heute sich in St. Gervasius zu Trier befindet, (103) ein
ähnlicher kleiner Kelch aus Silber, den man nebst seiner Patene im Grabe des
Erzbischofs Udo von Trier (7 1078) antraf, (104) die fünf silbernen Miniatur-
kelche, die samt den zu ihnen gehörenden Patenen in den Gräbern der Bi-
schöfe Osdag (7 989), Diethmar (7 io4/(), Hezilo (7 1079) und Udo (f 1 n4)
sowie eines nicht näher bestimmbaren Bischofs in der Krypta des Domes zu
Hildesheim aufgefunden wurden und jetzt im Hildesheimer Domschatz auf-
bewahrt werden (Tafel 11), (105) der Miniaturkelch des Bischofs Adalvard
(7 um 1072) in der Domkirche zu Skara (Tafel 11) (106) und der noch mit sei-
ner Patene ausgestattete Miniaturkelch des Bischofs Bernulf von Utrecht (gest.
io54) im Rijksmuseum zu Amsterdam. (107)
(102) Proceedings of the society of Antiqu. of London 2 ser. XV (1903—1907) 48f. Abb.
auch in British Museum, guide to the early Christian and byz. antiquities (London 1921) 67.
(103) Braun, Altar I, 438. (104) J. N.TOM Wilmowsky, Die Grabstätten der Erzbischöfe
im Dom zu Trier (Trier 1876) 14 und Tfl. III. (105) Dr. A. Bertram, Hildesheims Dom-
gruft (Hildesheim 1897) 38f. und Tfl. I.; Braus, Altar I, 438.
(106) Haks Hildebramj, Sveriges Medeltid III (Stockholm 1898—1903) 650. Eine Photo-
graphie und zugleich eine Vertikalschnittaufnahme des höchst interessanten Kelches nebst
Angabe der Maß Verhältnisse erhielt ich durch die Liebenswürdigkeit des Herrn Direktors
des Nationalmuseums zu Stockholm, Dr. Bengt Thordeman, wofür ihm auch an dieser Stelle
aufrichtig gedankt sei. (107) Eine Abbildung des gleichfalls sehr bemerkenswerten Kel-
ches, dessen Fuß leider erheblich gelitten hat, übersandte mir freundlichst Frl. C. J. Hudig,
Konservatorin des Museums, unter Beifügung der Maß Verhältnisse und Auskunft über alles
sonstige Wissenswerte. Auch ihr möchte ich an dieser Stelle meinen Dank aussprechen.
VIERTES KAPITEL. FORM. III. DER HENKELLOSE KELCH 73
Alle diese Miniaturkelche waren ursprünglich Reisekelche, die zu den kleinen Portatilien
gebraucht wurden, deren man sich auf Reisen bediente. Daran kann kein Zweifel sein bei
dem aus Gold hergestellten Miniaturkelch aus dem Grabe des Erzbischofs Popp», da man
für diesen sicher nicht eigens einen Grabkelch aus Gold gemacht hätte. Gilt das aber vom
Kelche Poppos, so gilt das auch von den übrigen aus Silber gemachten, zum Teil im Innern
der Kuppa vergoldeten Kelchen. Daß man aber gerade diese kleinen Reisekelche dem Toten
ins Grab beifügte — nur von dem Kelch des Adalvard ist das nicht sicher —, (108) ist leicht
begreiflich. Erstens hatte man sie zur Hand, war also der Mühe und Unkosten überhoben,
welche die Anfertigung eines besonderen Grabkelches, die sogar bisweilen wegen mangeln-
der Zeit geradezu untunlich sein mochte, gemacht haben würde. Zweitens war für die
kleinen Reisekelche am leichtesten und ohne große Ausgaben Ersatz zu schaffen. Drittens
hatte — und das war wohl bei den tiefgläubig gegründeten religiösen Anschauungen jener
Zeit der hauptsächlichste und entscheidende Grund — der Tote bei seinen Lebzeiten den
Kelch zur Darbringung des heiligen Opfers gebraucht und mußte es darum passend er-
scheinen, gerade ihn und nicht etwa einen unkonsekrierten, nie zu jenem Zwecke benutzten
Kelch der Leiche beizulegen. (109)
Alle angeführten Kelche zeigen im wesentlichen formal den gleichen Typus: sie bestehen
alle aus einem konischen Fuß, einem Nodus von der Gestalt einer abgeplatteten Kugel,
einem schmalen, ringförmigen Stäbchen zwischen Nodus und Kuppa und endlich der
Kuppa. Der Fuß zeigt bald eine geradlinige, bald eine leicht nach innen gekrümmte Wan-
dung. Durch ein Stäbchen vom Nodus geschieden ist er nur beim Adalvarduskelcli; bei den
übrigen schließt sich der Nodus ohne trennendes Glied an den Fuß an. Der Ring, der zwi-
schen Nodus und Kuppa eingeschaltet ist, ist bei dem Bernulfskelch und einem der Hildcs-
heimer Kelche mit horizontalen Rinnen verziert, beim Poppokelch und dem Hildes heim er
Hezilokelch geperlt, beim Hildesheimer Osdag- und Diethmarkelch seilförmig. Reim Adal-
varduskelch zeigt er eine scharfe Kante, beim Hildesheimer Udokelch ist er schmucklos.
Die Kuppa ist im vertikalen Mittelschnitt entweder halbeiföraiig oder parabolisch. Beim
Bernulfskelch ist sie am Rand leicht ausgebogen; beim Hildesheimer Diethmarkelch zieht
sich etwas unterhalb des Randes um die Kuppa ein Stäbchen, beim Adalvarduskelch umgibt
den Rand die oben und unten von einem Stäbchen eingefaßte Inschrift: Adalvardus peccator.
Bemerkenswert ist das Höhen Verhältnis, in dem die Kuppa und der Ständer der Kelche
zueinander stehen. Beim Adalvarduskelch und dem Poppokelch ist der Ständer etwas nied-
riger als die Kuppa, bei dem Bernulfskelch, sind beide gleich hoch. Dagegen ist bei den
Hildesheimer Kelchen der Ständer um einige Millimeter höher als die Kuppa; beim Udo-
kelch sogar um acht Millimeter.
Einen Horizontair and zeigt am Fuß nur der Hildesheimer Osdagkelch; beim HezÜo-,
Diethmar- und Adalvarduskelch ist der Rand des Fußes stäbchenartig verdickt.
Außer den genannten gibt es nur noch einen Kelch, der dem 11. Jahrhundert
entstammt, ein laut Inschrift von Abt Dominikus (ioii —1073) gestifteter
Kelch im Kloster Santo Domingo de Silos bei Burgos in Spanien. Denn ein
aus Zinn gegossener Kelch in St. Mauritz zu Münster, der im Grabe des Bi-
schofs Friedrich I. (f 108/;) gefunden worden sein soll, gehört unmöglich dem
11. Jahrhundert an. Seine stark sich weitende, geradwandige Kuppa, eine
Kuppa, wie sie uns erst in der Zeit der Spätgotik beim Kelch begegnet, sein im
Profil karniesförmiger, glockenähnlich geschweifter Fuß, sein für das elfte
Jahrhundert zu schlanker Schaft, das zwischen Kuppa und Gesamthöhe be-
stehende Maßverhältnis von 1 zu 3, sowie das auf dem Fuß angebrachte, im
(108) In einem Inventar der Domkirche von Skara von 1729 heißt es bezüglich des Kel-
ches, er sej, wie berichtet werde, früher benutzt worden, um dem Scharfrichter die Kom-
i reichen. (109) Vgl. auch Bbavn, Altar I, 438.
74 VASA SACRA. ERSTER ABSCHNITT. DER KELCH
ii. Jahrhundert noch nicht nachweisbare Kreuzchen schließen eine solche Da-
tierung schlechthin aus. Auch das Material des Kelches spricht durchaus für
eine spätere Zeit. (110)
Der Kelch in Santo Domingo de Silos weicht von der üblichen Form dadurch ab, daß sein,
übrigen» mit Horizontalrand versehener runder Fuß nicht, wie gewöhnlich, kegelförmig,
■ondern halbkugelig ist, daß die zwischen Nodus und Fuß sowie zwischen Modus und Kuppa
sonst häufig eingeschobenen, schmalen, geperlten oder glatten Ringe bei ihm schon zu
förmlichen, wenn auch erst niedrigen Schaftstücken geworden sind und daß der Nodus volle
Kugelgestalt hat. Er ist 3o cm hoch und hat bei einer Kuppaweite von 19 cm eine Kuppa-
tiefe von ca. i3 cm. Weite der Kuppa und Höhe des Ständers verhalten sich also wie 1: 17s.
Wenn der Kelch trotzdem keineswegs schlank erscheint, so hat das seinen Grund in der
Plumpheit sowohl des Fußes, wie des fast 5 cm im Durchmesser starken Schaftes. Eigen-
artig ist seine reiche Ausstattung mittels Filigran, das freilich, was seine Ausführung an-
langt, recht minderwertig ist. Kuppa und Fuß umzieht eine Folge derber, von gewundenem
Draht eingefaßter, an den Bogen wie den Stützen mit Filigran gefüllter Rundbogen arka-
den, unter dem sich unten wie oben ein breiter Filigranfries herzieht. Innerhalb der Arka-
den des Fußes sind aus Filigran herzförmige Gebilde zur Belebung der von ihnen einge-
schlossenen Fläche angebracht. Der Nodus ist mit Filigran in Form von sieben teils breite-
ren, teils schmäleren horizontal verlaufenden Bändern völlig überkleidet, das Schaftstück
über und unter ihm dagegen schmucklos. Die unter dem Horizontalrand des Fußes ange-
brachte, in eckigen westgotischen Kapitalen ausgeführte Inschrift lautet: -j- In nomine
Domini ad honorem saneti Sebastian! Dominico abbas fecit (Bild 4)- (Hl)
Henkellose Kelche aus dem 12. Jahrhundert gibt es noch in der Kathedrale
zu Braga, in S. Isidoro zu Leon und in dem Museum zu Coimbra, im Louvre zu
Paris, in St. Peter zu Salzburg, im Nationalmuseum für alte Kunst zu Lissabon,
in der Stiftskirche N.-Senhora da Oliveira zu Guimaräes in Portugal, im Dom
zu Calocsa und im Bruckenthalsmuseum zu Hermannstadt. Sie werden teils
durch Inschriften, teils durch ihre formale Beschaffenheit als Arbeiten des
12. Jahrhunderts erwiesen. Auch die beiden romanischen Kelche zu Tremessen
sowie ein Kelch zu Frauenberg (Kr. Euskirchen) dürften noch dem späten
12. Jahrhundert angehören. Fast ganz hatte seinen Fuß verloren ein kleiner
BÜberner Kelch, den man im Grab Adalberts I. von Mainz (f n3']) fand. Ein
Grabkelch aus Holz aus dem Schluß des 12. Jahrhunderts trat im Grabe des
Wormser Bischofs Konrad von Sternberg (f 1192) zutage.
Der Kelch in der Kathedrale zu Braga (Tafel 10) dürfte wohl nicht als liturgischer Kelch
angefertigt worden sein, sondern als profaner Pokal. Das Ornament, mit dem die Kuppa
ausgestattet ist, phantastische Tier ungeheuer, die einer schweren, medaillon artig sie um-
rahmenden Ranke eingefügt sind, der seltsame, aus einer runden, den Fuß bildenden Platte
und e'inem derb ornamentierten, in der Mitte knaufartig verdickten, über und unter der
Verdickung mit fensterartigen, im Hufeisenbogen schließenden Durchbrüchen versehenen
Schaft sich zusammensetzende Ständer, sowie namentlich die anscheinend nicht eine Stifter-
sondern eine Besitzerinschrift darstellende, um den Rand des Fußes sich hinziehende In-
(110) Nach Herm. Kock, der das Chronicon Monasteriense als seine Quelle angibt (Series
episcoporum Monast. I [Monast. 1801] 37), bestand der Kelch, der sich im Grabe Friedrichs
befand, aus Silber. Aus dem Grabe herausgenommen wurde ein goldener mit einem Sma-
ragd geschmückter Ring, der, von einem kugeligen Behälter aus Jaspis umschlossen, in dem
Kelch vorgefunden worden war. Daß auch der Kelch dem Grabe entnommen worden wäre,
davon ist keine Rede. '
(111) Vgl. auch Dom E. Roulim, L'ancien tresor de Silos (Paris 1901) 31f. wo auch Abb.
VIERTES KAPITEL, FORM. HI. DER HENKELLOSE KELCH 75
schrift: In nomine Domini Menendus Gundisaius et Tuda Domna sum, lassen das vermuten.
Später, als er in den Besitz der Kathedrale gekommen war, wird er dann freilich als Kelch
gebraucht worden sein. (112) Seine Höhe beträgt io,5 cm, der Durchmesser der Kuppa 7 cm,
der der Fußplatte 7,4 cm. Der Kelch führt den Namen Geralduskelch, weil Bischof Geral-
dus (-[• 1109) ihn benützt haben soll, eine legendäre Angabe, die nicht mehr Wert hat wie
zahlreiche andere ähnlicher Art. Er ist eine arabische Arbeit.
Ein Prachtstück ist der Kelch in S. Isidoro zu Leon (Tafel ia). Er wurde laut Inschrift
oben am Fuß von Ferdinand II. (1157—1188) und seiner Gemahlin ürracca gestiftet, nicht
schon von Ferdinand L, dem Großen, gehört also nicht dem 11., sondern dem dritten
Viertel des 12. Jahrhunderts an. Kuppa und Fuß besteben aus Achat. Oben um die Kuppa
zieht sich ein mit Filigran und Edelsteinen besetzter Fries. Der schwere, gleichfalls auf das
reichste mit Steinen und Filigran verzierte Nodus in Form einer abgeplatteten Kugel wird
von der Kuppa wie vom Fuß durch einen schmalen geperlten Ring geschieden. Den flachen
konischen Fuß schließt oben ein Band mit der Inschrift: In nomine Domini Urracca Fredi-
nad ab; unten zeigt er einen aus einer Folge von Filigranarkaden bestehenden, durchbro-
chenen Hochrand.
Der Kelch in dem Museum zu Coimbra (Tafel 12) hat eine Höhe von 17 cm, von welchen
auf die Kuppa 7 cm, auf den aus hohem, schwach konkav-konischem Fuß, abgeplattetem,
kugeligem Nodus und zwei schmalen, diesen von Kuppa und Fuß scheidenden Ringen be-
stehenden Ständer 10 cm kommen. Die mit ziselierten, unter Rundbogenarkaden stehenden,
in Flachrelief aus dem Grund vortretenden Figuren der Apostel geschmückte Kuppa ist fast
halbkugelförmig. Der Nodus ist mit Filigran völlig bedeckt. Auf dem Fuß sind, von roma-
nischen Ranken umgeben, die ziselierten Reliefdarstellungen der Evangelistensymbole als
Ornament angebracht. Die um seinen Rand sich herumziehende Inschrift nennt den Stifter
und das Jahr der Anfertigung: f Geda Menendiz me fecit in onorem saneti Michaelis era
MCLXXXX (= n5a). (113)
Der aus Toledo stammende Kelch im Louvre zu Paris gehört dem späten 12. Jahrhun-
dert an. Er hat eine Höhe von i£ cm. Der Ständer ist 7,7 cm, die 10 cm weite, noch becher-
förmige Kuppa 6,3 cm hoch. Der gegossene Nodus ist mit Flechtwerk verziert, das die
Evangelistensymbole umschließt; er wird von Kuppa und Fuß durch je einen schmalen, mit
kleinen Kreischen belebten Ring geschieden. Der Fuß ist rund und besteht aus einer mit
schräger Zarge versehenen Platte und konkav-konischem, ein wenig vom Rand derselben
zurücktretendem Fußhals, den etwas unterhalb seiner Mitte die gravierte Inschrift: f Pela-
gius abbas me fecit ad honorem saneti Jacobi apostoli umzieht. (114)
Der Kelch in St. Peter zu Salzburg ist 12 cm hoch. Seine 10 cm weite, 5,5 cm hohe
Kuppa ist fast halbkugelförmig. Der Ständer ist 6,5 cm hoch. Nahe dem Rande ist der
Kuppa an einer Seite ein kleines Kreuzchen eingraviert. Von dem abgeplatteten Nodus ist
sie durch einen derben geperlten Ring geschieden. Den mit glatter Zarge versehenen Fuß
umzieht nahe dem Rand die Inschrift: f Hoc tibi devotus dat munus Ghriste Gerhohus,
welleicht der Propst Gerhoh von Reichersberg (f 1169), der sich viel um die religiöse He-
bung Salzburgs bemühte. Jedenfalls entstammt der Kelch noch dem späten 12. Jahrhun-
dert. (115)
Den Nodus hat verloren der kleine in den Ruinen einer romanischen Kirche zu Bären-
dorf in Siebenbürgen gefundene, jetzt im Bruckenthalsmuseum zu Hermanustadt befind-
liche, aus vergoldeter Bronze bestehende Kelch. Er hat eine Höhe von nur n cm, von denen
5 cm auf die 7,3 cm weite, noch ausgesprochen becherförmige Kuppa kommen. Der konkav-
(112) Joaquim de Vascoscellos, Arte religiosa em Portugal I (Porto 1914/15); Roh. IV,
127 und Tfl. 314; die Abbildung bei Rohault ist sehr ungenau.
(113) Vgl. auch Roh. IV, 126 und Tfl. 315, der den Kelch irrig dem Jahre 1228 zuweist.
(114) Abb. in Victoria and Albert Muaeum, Catalogue o£ Cbalices Tfl. 6, nach einer im
Besitz des Museums befindlichen genauen Nachbildung.
(115) Kunsttopogr., Salzburg, St. Peter 46 mit Abb. und Mitt. XIII (1868) LH.
76 VASA SACRA. ERSTER ABSCHNITT. DER KELCH
konisch ansteigende Fuß ist noch ohne Hochrand. Der Kelch dürfte dem dritten, spätestens
dem letzten Viertel des 12. Jahrhunderts entstammen. (116)
Eine sehr fortgeschrittene Form zeigt der Kelch in der Stiftskirche zu Gui-
maräes.
Seine Höhe beträgt 17 an; seine schalenförmige Kuppa hat gleich dem Fuß 16 cm im
Durchmesser, aber nur eine Höhe von 7 cm. Der flach-konische, nur in der Mitte anstei-
gende Fuß ist nur etwa 6 cm hoch. Der stark gedrückte Nodus ist melonenartig gerippt;
wenn ursprünglich, wäre er heute das früheste Beispiel dieser später so heliebten Art von
Nodus. Zwischen Nodus und Fuß bzw. Nodus und Kuppa ist ein niedriges sechsseitiges,
an den Seiten mit graviertem Flechtwerk belebtes Schaftstück eingeschaltet. Den Fuß
schmücken mit Rosetten und Tierfiguren gefüllte getriebene RundmedailIons; sein Hals ist
in Gravierung mit einem Kranz abwärts gerichteter, lanzettförmiger Blätter belebt. (117)
Die Form des Kelches ist so fortgeschritten, daß man ihn ohne Bedenken dem i3. Jahrhun-
dert zuweisen würde, wenn nicht die der Zarge des Fußes eingravierte Inschrift: f Rex
Sanci et regina Dulcia offerunt calicem istum sancte Marine de Costa era "MCCXXV uns be-
lehrte, daß er aus dem Jahre 1187 stammt. Indessen mag sie bloß mehr von dem Fuß gelten.
Kuppa und Schaft scheinen im i3. Jahrhundert erneuert worden zu sein. Darauf weist
auch ein gleichzeitig von derselben Königin Dulcia dem Kloster Alcobaca geschenkter Kelch
ün Nationalmuseum zu Lissabon hin, der ein wesentlich anderes Bild zeigt. Er ist 21,25 cm
hoch. Seine Kuppa hat eine Weite von 17 cm und eine Höhe von 8,5 cm, ist also noch fast
becherförmig. Der abgeplattete Nodus ist mit Filigran, dem Steine eingefügt sind, über-
zogen. Ein Schaft fehlt. Nodus und Kuppa bzw. Nodus und Fuß sind nur durch einen
schmalen Ring voneinander getrennt. Der runde konische, fast geradseitig aufsteigende Fuß
ist schmucklos und ohne Zarge. An einer Seite ist ihm ein Kreuichen aufgeheftet, das je-
doch seiner Form nach nachträglich angebracht worden zu sein scheint. (118) Vermutlich
zeigte der Kelch von Guimaräes ursprünglich eine ähnliche formale Beschaffenheit, wie
der gleichfalls von Dulcia gestiftete Kelch zu Lissabon.
Der Kelch zu Frauenberg ist leider nicht mehr ganz in seinem ursprünglichen Zustande,
da zu Anfang des 19. Jahrhunderts sein Nodus durch den heutigen ersetzt und zwischen die
Kuppa und den oberen polygonalen Schaftring ein rundes Zwischenstück eingeschoben
wurde. Alt sind demnach nur Kuppa und Fuß. Die Kuppa ist 12,4 cm weit und 7 cm hoch,
also etwas über halbkugelig. Sie ist in ihrem oberen Teile in Gravierung mit Rundbogen-
arkaden, unter denen Halbfiguren der Apostel angebracht sind, in ihrem untern, mit eben-
sovielen am oberen Ende abgerundeten Langbuckeln, die mit graviertem Rankenornament
auf gepunztem Grund belebt sind, verziert. Der Fuß hat 14 cm im Durchmesser, ist 6,6 cm
hoch, konkav-konisch und mit Zarge versehen. Als Schmuck weist er Buckel von der Art
derjenigen an der Kuppa auf, die bei ihm jedoch umgekehrt verlaufen. Der Kelch dürfte
dem letzten Viertel des 12. Jahrhunderts entstammen und ist die Arbeit eines Kölner Gold-
schmiedes, wie es scheint, und zwar vielleicht des Meisters des Kuppeire)iquiars aus Hoch-
elten im Viktoria-und-Albert-Museum zu London. (119)
Von den beiden Kelchen in der Pfarrkirche zu Tremessen, einer ehemaligen Kloster-
kirche, hat der eine, der an der Kuppa und am Fuß mit Niellobildern, am Nodus mit Treib-
arbeiten verziert ist (Tafel 12), eine becherförmige Kuppa von 12,5 cm Weite und 7 cm
Tiefe, der andere, der an der Kuppa und dem Fuß mit getriebenen Reliefs, am Nodus mit
getriebenen Ranken geschmückt ist, eine fast halbkugel förmige von der gleichen Weite, aber
von nur 6 cm Tiefe. Der konkav-konische Fuß ist bei beiden Kelchen mit einer Zarge aus-
(116) Abb. bei Viktor Roth, Kunstdenkmäler aus den sächsischen Kirchen Siebenbür-
gens (Hermannstadt 1922) TU. 2.
(117) Abb. bei Joaqitim de Vascoscellos, Arte religiosa em Portugal I (Porto 1914) 15.
(118) Abb. des Kelches bei M. Creltz und Herm. Lüer, Geschichte der Metallkunst II
(Stuttgart 1909) 259, wo er jedoch irrig als Kelch von Silos bezeichnet wird, sowie bei
Roh. IV, 312. (119) Abb. bei aus'm Weerth, TfL L, II.
VIERTES KAPITEL. FORM. III. DER HENKELLOSE KELCH 77
gestattet. Den des zweiten umzieht in der Mitte ein gewundenes Stäbchen, das ihn in zwei
Zonen teilt und zugleich die in der untern angebrachten Reliefs oben abschließt. Der No-
dus der beiden Kelche von der Form einer abgeplatteten Kugel wird von der Kuppa wie
vom Fuß durch einen geperlten Ring geschieden. (120) Wenn die Kelche noch dem
13. Jahrhundert angehören, entstammen sie jedenfalls erst dem Ausgang desselben.
Der dem dritten oder letzten Viertel des 12. Jahrhunderts angehörende kleine silberne
Reisekelch, der in einem Bischofsgrab des Domes von Kalocsa als Beigabe der Leiche ge-
funden wurde, ist nur 8,5 cm hoch, wovon 4 cm auf die Kuppa, 4,5 cm auf Fuß und Mo-
dus entfallen. Die 8 cm im Durchmesser haltende Kuppa nähert sich schon unverkennbar
der Form, welche der Kuppa im i3. Jahrhundert eigen ist. Der konische Fuß ist zur Er-
höhung der Standfestigkeit mit breitem Horizontalrand versehen worden. Der Nodus stellt
eine stark zusammengedrückte Kugel dar und ist sowohl von der Kuppa wie von dem Fuß
durch einen Perlstab geschieden. (121)
Der im Grab des Mainzer Erzbischofs Adalbert I. (7 1187) zu Tage gekommene Kelch
hatte eine becherartige Kuppa. Der abgeplattete kugelige Nodus war von dcrTCuppa durch
einen schmalen Ring getrennt. Zwischen dem Fuß, von dem nur mehr der obere Teil des
Halses erhalten war, und dem Nodus fehlte ein solcher. Die Kuppa hatte eine Weite von
nur 7,5 cm. Auch in diesem Falle handelt es sich also um einen Reisekelch. (122)
Der Kelch, den man im Grabe des Wormser Bischofs Konrad II. (7 1192) antraf, war,
weil aus Holz gemacht, nie Meßkelch, sondern nur Grabkelch; trotzdem verdient er hier ge-
nannt zu werden, weil er die Form der Kelche seiner Zeit aufweist. Er bestand aus einer
halbkugeligen Kuppa von 9 cm Durchmesser, einem konkav-konischen Fuß von 10 cm
Durchmesser und 3,7 cm Höhe und einem nur wenig abgeplatteten kugeligen Nodus von
2,4 cm Höhe. (123)
Die formale Entwicklung des Kelches, die im 12. Jahrhundert einzusetzen
begann, tritt deutlich in die Erscheinung, wenn man die Kelche, welche das
12. Jahrhundert hinterlassen hat, zumal die seiner Spätzeit entstammenden, den
Kelchen der früheren Zeit gegenüberstellt. Es bereitet sich die Kelchform des
i3. Jahrhunderts vor, bei Kelchen aus dem ausgehenden 12. Jahrhundert ist
dieselbe schon fast ganz ausgebildet. Auf den bildlichen Darstellungen der
Kelche macht sich diese Entwicklung freilich nicht oder kaum bemerkbar, eine
um so deutlichere Sprache reden dafür die noch vorhandenen Kelche des
12. Jahrhunderts. Die Kuppa weitet sich und verliert gleichzeitig an Tiefe, so
daß sie fast halbkugelig, ja bisweilen zur förmlichen Halbkugel wird. Der Stän-
der wird schlanker, leichter, zierlicher. Auch ist er nunmehr stets merklich
höher als die Kuppa. Einen ausgebildeten Schaft weist er jedoch noch nicht
auf. Höchstens, daß der Ring, der zwischen Nodus und Kuppa sowie zwischen
Nodus und Fuß oder doch wenigstens zwischen Nodus und Kuppa als vermit-
telndes und zugleich als trennendes Glied eingeschaltet zu werden pflegte, eine
etwas größere Höhe erhält, ohne dadurch indessen zu einem förmlichen Schaft-
stück zu werden. Wenn der Kelch von Guimaräes einen förmlichen, wenn auch
nur kurzen, sechsseitigen Schaft aufweist, so ist das wohl die Folge einer Er-
neuerung, der der Kelch im i3. Jahrhundert unterzogen wurde, wie früher ge-
sagt wurde. Die Form des Nodus erleidet keine Veränderung; denn von dem
(120) Abb. und Beschr. in Kd. von Posen IV, 64f.
(121) Eine Photographie des Kelches neb3t Angabe seiner Maße erhielt ich durch die
Güte des Hochw. Herrn Weihbischofs von Kalocsa, Exz. Dr. Viktor Horvath, dem auch hier
wSrmstens zu danken ich mich gedrängt fühle.
(122) Abb bei Bar, Geschichte der Abtei Eberbach Tfl. II und bei Roh. IV, Tfl. 320.
wo aber der Fuß verkehrt rekonstruiert ist. (123) Bonner Jahrb. LXXXV (1888) Tfl. V.
78 VASA SACRA. ERSTER ABSCHNITT. DER KELCH
der Herr sprach, als er beim Letzten Abendmahl den Jüngern sein heiligstes Blut reichte,
d. i. die Worte der Konsekration des Weines, und so verhält es sich auch bei der in den
Ruinen von Pergamon gefundenen Kelchkuppa, bei dem von Manuel Paläologus gestifteten
Henkelkelch im Watopädiklostcr auf dem Athos, bei einem Kelch des i3. Jahrhunderts in
der Kathedrale zu Percjaslawl, bei zwei Kelchen in der Kathedrale zu Moskau, die von dem
Bischof Antonius Romanus (erste Hälfte des ia. Jahrhunderts) herstammen sollen, in Wirk-
lichkeit aber erst dem späten Mittelalter angehören (128) und noch bei einem goldenen mit
Email und Steinen reich geschmückten Prachtkelch vom Jahre 1680 in der gleichen Kathe-
drale. (129)
Sonder bedenken erregen hinsichtlich ihrer Echtheit die drei Kelche der Sammlung Abu-
kasem, der im Besitz der Weißen Väter zu Jerusalem befindliche Kelch, der Kelch im Briti-
schen Museum sowie namentlich der Kelch der Sammlung Tyler. Die drei Kelche der
Sammlung Abukasem, weil sich unter den angeblich zugleich mit ihnen gefundenen son-
stigen liturgischen Silbergeräten auch solche befinden, die doch wohl unbedenklich als
verdächtig bezeichnet werden dürfen, vier Löffel, die als eucharistische Löffel gedeutet
worden sind (130) und in der Tat kaum anders gedeutet werden können, sowie zwei Leuch-
ter. (131) Denn wenn die Echtheit dieser Stücke zweifelhaft ist, ist es auch um das Ver-
trauen in die Echtheit der drei angeblich zusammen mit ihnen ausgegrabenen Kelche ge-
schehen. Dazu kommen bei dem mit figuralem und ornamentalem Schmuck ausgestatteten
Kelch der Sammlung Abukasem noch als Grund zu weiteren Bedenken die stilistische Be-
schaffenheit seines Figurenwerks und Ornaments sowie befremdende ikonographische Eigen-
tümlichkeiten; der Kelch der Weißen Väter zu Jerusalem (Tafel 11) und des Britischen
Museums wegen völligen Mangels der den übrigen Kelchen eigenen, noch nach Reinigung
an den zurückgebliebenen Spuren deutlich erkennbaren Oxydation, obwohl doch auch sie
Jahrhunderte lang im Boden gelegen haben sollen; (132) der Kelch der Sammlung Tyler
wegen der rings um den Rand seiner Kuppa herum angebrachten, dem Schluß der Ana-
mnese der Chrysostomusliturgie entlehnten Inschrift. Denn diese Liturgie hatte zur Zeit,
der die Kelche zugeschrieben werden und ersichtlich zugeschrieben werden wollen, noch
keinen Eingang im Patriarchat von Antiochien gefunden; vielmehr bedienten sich damals
nicht nur die monophysitischen, sondern auch die rechtgläubigen Antiochener (Melchiten)
gleicherweise der Jakobusliturgie, welche jenen Passus in ihrer Anamnese nicht kennt.
Die Chrysostomusliturgie beginnt erst seit dem 10. Jahrhundert, d. i. nach der Wieder-
eroberung Antiochäens, das 638 in die Gewalt der Araber gefallen war, durch Phokas bei
den syrischen Melchiten Fuß zu fassen. Noch zur Zeit des heiligen Johannes von Damaskus
(f um 7Öo) war die Jakobusliturgie bei ihnen in Gebrauch. Herrschend wurde sie bei ihnen
erst seit dem Ende des 13. Jahrhunderts durch die Bemühungen des orthodoxen antiocheni-
schen Patriarchen Theodor Balsamon (-{■ ca. 1200). (133) Wie will man angesichts dieses
späten Eindringens der Chrysostomusliturgie bei den Melchiten Syriens das Vorkommen
der ihr entnommenen Inschrift am Kelch der Sammlung Tyler erklären? Muß nicht wegen
dieser so befremdenden, weil zeitwidrigen Inschrift dessen Echtheit zum wenigsten als zwei-
felhaft bezeichnet werden?
Vielleicht, daß sich die Bedenken beheben lassen. Wenn ja, wird das jeder Archäologe
freudig begrüßen. Bis dahin wird man jedoch im Interesse der archäologischen wie der
(128) Antiquites de l'empire de Russie I (Moskau o. J.) TU. 68. (129) Ebd. Tfl. 66.
(130) Syria VII (1926) 110. (131) Näheres im zweiten Abschnitt des ersten Teiles
(F.ncharistischer Löffel).
(132) Man vergleiche nur das Bild des Kelches der Weißen Väter, Tafel 11, mit dem des
Kelches der Sammlung Kouchakji (Tafel 10). Hier in aller Deutlichkeit die Spuren der
durch die Oxydation verursachten Zerstörung der Oberfläche, dort tadellose Erhaltung und
völlige Glätte derselben.
(133) A. Baumstark, Die Messe im Morgenland (Kempten 1906) 58; Assemant, Cod.
liturg. I. 4, pars 2 praef. (Romae 1752) XXV; Cyrili.e Charon, Le rite byzantin et la litur-
gie Chrysostomienne dans les patriarchats melkites in Studi e ricerche intorno a s. Gio-
vanni Crisostomo (Roma 1908) 499; A. Bal-mstark, Die Chrysostomusliturgie und die syri-
sche Liturgie des Nestorius (ebd. 773, Note 2) ; Brichtmas I, 481—487.
VIERTES KAPITEL. FORM. III. DER HENKELLOSE KELCH 81
kunsthistorischen Wissenschaft gut tun, gegenüber den Kelchen die nötige Zurückhaltung
zu üben und sie keineswegs schlechthin als sichere Erbstücke der altsyrisehen Edelschmiede-
kunst und der altsyrisehen Liturgie zu betrachten und auszugeben. Unsere Sammlungen
sind nur zu reich an Fälschungen. Die hohen Preise, welche heute für die Altertümer be-
zahlt werden, laden geradezu zum Fälschen ein. Die Geschicklichkeit mancher Fälscher ist
so groß und ihre Kunst oft so raffiniert, daß es, wie schon gesagt wurde, selbst für den
geschulten Fachmann nicht immer leicht, ja kaum möglich ist, eine Fälschung als solche
zu erkennen. (134) Unter solchen Umständen erscheint es zum Frommen der Wissenschaft
besser, gegebenenfalls auf ein Werk alter Kunst, das irgendwie Anlaß zu Bedenken gibt,
zu verzichten, selbst auf die Gefahr hin, damit ein echtes Stück preiszugeben, als allzu ver-
trauensselig in Bezug auf ihre Herkunft nicht genügend kontrollierbare Fundslücke, die
in den Altertumshandel gebracht werden, als echt hinzunehmen.
Ganz anderer Art als die sieben Kelche ist der sogenannte Antiochenische
Kelch der Sammlung Kouchakji. Seine in. der Mitte etwas ausgebauchte Kuppa
ist merklich höher als weit. Heute etwas zusammengedrückt, hatte sie oben
einen Durchmesser von etwa i5,25 cm, in der Mitte etwa iß,5o cm. Der Fuß
zeigt demgegenüber einen Durchmesser von bloß 7,4 cm, also noch nicht die
Hälfte des Kuppadurchmessers. Hoch ist der Kelch 19,2 cm, von denen nur
3,3 cm auf den aus flachem Fuß mit niedrigem, gekehltem Hals und abgeplat-
tetem Nodus bestellenden Ständer fallen. Aber nicht nur durch Maße und Form
unterscheidet sich der Kelch von den sechs andern, sondern auch dadurch, daß
er eine doppelte Kuppa hat, (135) eine mit umgekremptem Rand versehene
innere, eine Einsatzkuppa, und eine die Hülle und den Behälter der herausnehm-
baren fußlosen inneren bildende äußere, die, abgesehen von einem schmalen
Streifen am oberen Rand, mit ziselierten, durchbrochen gearbeiteten Wein-
ranken verziert ist, denen nicht nur Vögel und Vierfüßler sowie anderes Getier,
sondern auch, auf zwei Reihen verteilt, zweimal die thronende Figur des bart-
losen Christus und zehn thronende, die Rechte wie zur Akklamation erhebende
Apostelfiguren eingefügt sind. (136)
Für die Geschichte des Kelches in den Riten des Ostens hat der sogenannte antiochenische
Kelch noch weniger Bedeutung als die sieben vorhin behandelten angeblich syrischen
Kelche. Denn hei ihm steht nicht nur die Echtheit in Frage, (137) es ist auch keineswegs
sicher, daß er, wenn echt, als eucharistischer Kelch zu deuten und anzusehen ist. Seine Be-
schaffenheit läßt daran ernstlich zweifeln. Für einen eucharistischen Kelch fehlte es ihm
bei der Hohe und Weite seiner Kuppa einerseits und dem so geringen Durchmesser seines
Fußes andererseits an der gerade für einen solchen unumgänglich erforderlichen Stand-
festigkeit, beim Mangel an Henkeln und der minimalen Höhe seines Ständers, wegen der
dieser zum Anfassen schlechthin ungeeignet war, an der nötigen Handlichkeit. Die unge-
schickte Weise aber, in der die Einsatzkuppa der äußeren eingefügt ist, machte es kaum
möglich, das heilige Blut ohne Gefahr einer Verunehrung desselben aus dem Kelche zu ge-
nießen, wie es zur Zeit, zu der der Kelch, wenn echt, entstand, noch allein im Osten Brauch
war. Denn es mittels eines Löffels zu empfangen, war damals noch nicht in Übung, sondern
bürgerte sich erst weit spater ein. Kein Beweis, daß wir in dem Kelch einen eucharistischen
(134) Man denke z. B. nur an die bekannte Tiara des Saitaphernes im Louvre., an den
Goldschatz des Giancarlo Rossi, den selbst ein Giovanni de Bossi für echt hielt, an das
gotische silberne Meßpültchen der ehemaligen Sammlung Oppenheim, an dessen Echtheit
die gewiegtesten Kenner nicht zweifelten. (135) Vgl. oben S. 31.
(136) Nicht zur Konzelebration, von der hier keine Rede sein kann, wie man irrig ge-
meint hat (Cabrol VII, 400). (137) Vgl oben S. 31 f.
BRAUN, DAS CHRISTLICHE ALTARGERAT
82 VASA SACRA. ERSTER ABSCHNITT. DER KELCH
Kelch zu sehen haben, sind die Weinreben, an (leren Trauben Vögel picken, sowie die Figu-
ren Christi und der Apostel, welche die äußere Kuppa schmücken. Denn mit religiösen Dar-
stellungen wurden auch nichteucharktische Geräte, ja Geräte des Alltags verziert, (138) den
Weinranken aber sind nicht nur Vögel eingefügt, die an deren Trauben picken, sondern
auch ein Hase, eine Heuschrecke und Schnecken, ein Zeichen, daß sie, wie in vielen andern
Fällen auf altchristlichen Monumenten, nicht als Symbol, sondern nur als Ornament ge-
dacht sind und aufgefaßt sein wollen, übrigens würde der sogenannte antiochenisebe Kelch,
selbst wenn er echt sein und zur Feier der Eucharistie gebraucht worden sein sollte, für die
Geschichte der formalen Entwicklung des Kelches schon darum von geringer Wichtigkeit
sein, weil er ganz vereinzelt für sieb dastände, als eine Merkwürdigkeit freilich, für die man
jedoch unter all den eucharistischen Kelchen, die sich aus der ganzen Vergangenheit, ange-
fangen von der altchristlichen Zeit im Osten und Westen erhalten haben, trotz ihrer überaus
großen Zahl vergeblich ein Gegenstück suchen wird. (139)
Auf sicherem Boden stehen wir bei der in den Ruinen von Pergamon gefun-
denen, 7 cm hohen, u cm weiten, am Hand mit der Inschrift IIists k£ aütou
t:«vts; tqütö sotiv to £|a<x u(oo), an der Ausbauchung mit einem vierfach sich wie-
derholenden, von CwTj und y&s gebildeten Monogramm versehenen, ihres Stän-
ders leider entbehrenden Kelchkuppa im Kaiser-Friedrich-Museum, von deren
Form schon die Rede war, (140) sowie bei den zahlreichen henkellosen byzan-
tinischen Kelchen im Schatz von S.Marco zu Venedig, die aus der Zeit vor i2o4
stammend, zum Teil bis in das io. Jahrhundert zurückreichen. Es sind ihrer,
wenn wir von einigen absehen, die zwar als Kelche bezeichnet werden, in Wirk-
lichkeit das aber nicht sind, im ganzen vierzehn. Nur bei einem besteht die einst
reich mit figürlichem und ornamentalem Zellenschmelz verzierte Kuppa aus
Metall, bei allen übrigen aus Achat, Kristall, Alabaster, Jaspis oder Onyx.
Die Kuppa hat bei fast allen Kelchen Becherform. Bei einem der Kelche ver-
engert sie sich von oben nach unten bis zu etwa ein Viertel ihrer Höhe, um sich
dann jedoch bauchig zu erweitern. In ihrem oberen Teil vergoldetes Silber, be-
steht dieselbe in ihrem bauchigen Teil aus grünem Jaspis. Bei vier der Kelche
zeigt sie parabolische Form, bei einem ist sie ein Gegenstück zu der Kuppa der
vorhin beschriebenen syrischen Kelche, nur ist sie eleganter, ebenmäßiger, we-
niger plump und schwerfällig als diese (Tafel 9).
Bei allen Kelchen, ausgenommen der letztgenannte, umzieht den Rand der
Kuppa eine breite, mit einer Inschrift (Tafel 1 und 9), mit Steinen (Tafel 8)
oder Emailbildchen (Tafel 9), bei einigen der Kelche sehr reich ornamentierte,
beiderseits von einer Perlenschnur eingefaßte (Tafel 1, 8, 9) Borte, die durch
drei oder vier, bald schlichte, bald mit Perlen, bald mit Steinen und Email-
medaillons besetzte Vertikalbänder mit einer die Kuppa unten abschließenden
(138) Vgl. oben S. 11.
(139) Kein eucharistiseher Kelch ist ein ein»erförmiges, mit minimalem Fuß versehenes
silbernes Trinkgefäß, das mitsamt einer Silberschale, die man irrig für einen liturgischen
Diskos ausgegeben hat, und anderen Gegenständen, darunter eine Reibe von Löffeln, zu
Lampsakus gefunden wurde und heute nebst den andern Stücken im Besitz des Britischen
Museums zu London ist. Ihn als liturgischen Kelch und die Schale als liturgischen Diskos
zu deuten, davon hätte nicht nur deren formale Beschaffenheit abhalten sollen, sondern
ebenso der profane Charakter der zugleich mit denselben gefundenen Gegenstände, zumal
der mit Inschriften aus Virgils Eklogen sowie Sprüchen Solons, Bias', Chitons und Pitta-
kus' geschmückten Löffel (Abb. des Trinkgefäßes und der Schale in Guide to the early Chri-
stian and byzantine antiquities [London 1921] TH, VIII). (140) Vgl. oben S.79.
VIERTES KAPITEL. FORM. III. DER HENKELLOSE KELCH 83
B. Die Form des henkellosen Kelches im ausgehenden 12. und 13. Jahrhundert
Die Form des henkellosen Kelches bietet im ausgehenden 12. und i3. Jahr-
hundert ein von der früheren Kelchform merklich abweichendes, neuartiges
Bild. Die Anfänge dieses Formwandels reichen in das 12. Jahrhundert zurück,
in dessen zweitem Viertel er vorbereitet wird. Im ersten Viertel des i3. Jahr-
hunderts steht die neue Form in ihrer ganzen Eigenart fertig vor uns. Sie be-
hauptet sich bis in das späte i3. Jahrhundert. Dann beginnt ein neuer Abschnitt
in der formalen Entwicklung des Kelches.
(141) N. 44 (Mg. 109, 448).
VIERTES KAPITEL. FORM. III. DER HENKELLOSE KELCH 85
Die Zahl der Kelche des 13. Jahrhunderts, die sich erhalten haben, ist sehr
groß. Es sind reich ornamentierte und schlichte Kelche; Kelche von sehr er-
heblichen und von geringeren Größenmaßen; Kelche nicht bloß aus Deutsch-
land, sondern auch aus Frankreich, den Niederlanden, Schweden, England,
Spanien, ja aus Island. Alle aber zeigen den gleichen, für den Kelch des
i3. Jahrhunderts charakteristischen Typus.
Weitaus die Mehrzahl dieser Kelche — mehr denn dreißig — findet sich auf deutschem
Boden, ist deutschen Ursprungs. Es sind ein Kelch in der Apostelkirche zu Köln (142)
(Tafel 8), ein aus dein ehemaligen Kloster Mariensee bei Hannover stammender Kelch im
Germanischen Museum zu Nürnberg, (143) ein Kelch auf dem Moritzberge (144) und in
St. Godehard zu Hildesheim (Titelbild), (145) ein Kelch in der Katharioenkirche zu Osna-
brück (Tafel i3), (146) ein Kelch in der Stiftskirche zu Fritzlar, dessen Schaft und Nodus
jedoch im il\. Jahrhundert erneuert wurden, (147) ein Kelch zu Rathenow (Tafel i3), (148)
ein Kelch in der Marienkirche zu Bergen auf Rügen, (149) der sogenannte Ülrichskelch in
St. Ulrich zu Augsburg, (150) ein Kelch zu Ottobeuren (Tafel iö), (151) ein aus Ottobeuren
stammender, dem dortigen gleichartiger Kelch zu Wörishofen, (152) der sogenannte Willi-
brorduskelch zu Emmerich, (153) ein Kelch in der Marienkirche zu Bielefeld, (154) ein
schlichter, aber formschöner Kelch aus dem späteren 13. Jahrhundert in der Johannis-
kirche zu Herford (Tafel 16), (155) ein Kelch aus Alt-Lomnitz im Schlesischen Museum für
Kunstgewerbe und Altertümer zu Breslau, ein Kelch aus Kieslingswalde im Görlitzer
Kaiser-Friedricb-Museum, ein Kelch zu Kissenbrück in Braunschweig, (156) ein im i5. Jahr-
hundert mit höheren Schaftstücken versehener Kelch zu Engelnstedt in Braunschweig, (157)
zwei «diücLte ki'lchi; zu (Irremu un:l iVi}Hn:^;i. : .: ,".-.-) ein kk'in!.'!- ii-Ach :.:n l.w.hniwii-w.i
zu Darmstadt, ein Kelch im Dom zu Limburg a. d. L., je ein Kelch in St. Marien zu Rostock,
in Heiligkreuz daselbst und zu Dobbertin, (159) zwei reich ornamentierte Kelche zu Marien-
stern bei Kamentz, (160) der goldene Fürsten bergische Kelch zu Villingen, (161) ein Kelch
zu Zehdenik, (162) ein Kelch im Dom zu Regensburg, der sogenannte Ulrichskelch zu
Füssen (163) und ein Kelch in der Marienkirche zu Prenzlau (Tafel ii). (164) Der Wende
des i3. Jahrhunderts gehört ein Kelch im Walburgiskloster zu Eiclistätt (Tafel 16), (165)
ein Kelch im Schnütgenmuseum zu Köln, ein Kelch in der Marienkirche zu Naugard (166)
sowie ein Kelch zu Wesenberg in Mecklenburg-Strelitz (Tafel 16) an.
Nicht mehr vorhanden und nur mehr durch eine Abbildung bekannt ist ein Kelch des
frühen i3. Jahrhunderts zu Weingarten in Württemberg, (167) laut Inschrift eine Arbeit
eines Konrad von Huse. Ein dem Wörishofener gleichartiger und wie dieser aus Ottobeuren
stammender Kelch befand sieb zu Ende des vorigen Jahrhunderts in der Sammlung Stein
(142) Braun, Meisterwerke 12 und Tfl. 56. (143) Abb. bei A. Essekwein, Kunst- und
kulturgeseh. Denkmale des Germ. National-Museums (Nürnberg 1877) Tfl, 12.
(144) Cahier, Nouveaux melanges, Deeorations d'eglises (Paris 1875) 249 f., nebst Abb.
(145) BraüH, a.a.O. 13 und Tfl.62. (146) Kd. von Hannover IV1, 163.
(147) Kd. von Hessen-Kassel, Kr. Fritzlar, Tfl. 112 und 113. (148) A. Bergau, Kd. von
Brandenburg 622. (149) Prüfer, Archiv II, Tfl. XVII. (150) M. Hartig, St Ulrich zu
Augsburg (Augsburg 1923) 71. (151) Jahrbuch des bist Vereins für Sehwaben 1851/52,12
mit Abb. (152) A. vo;* Steichele, Das Bistum Augsburg II (Augsburg 1864) 399.
(153) Kd. der Rheinpr., Kr. Reea 50. Er wird von E. .trs'w Weerth in Kunstdenkmäler
des christl. Mittelalters in den Rheinlanden I (Leipzig 1856) 6 irrig dem 11. Jahrhundert
zugeschrieben. (154) Kd. von Westfalen, Kr. Bielefeld, Tfl. 8.
(155) Kd. von Westfalen, Kr. Herford, 45. (156) Kd. von Braunschweig III, 60 mit Abb.
(157) Ebd. III, 315 mit Abb. (158) Mithoff III, 81 und IV, 286.
(159) Kd. von Mecklenburg-Schwerin I, 62, 234; IV, 367. (160) Kd. von Sachsen XXXV,
195—196. (161) Kd. von Baden, Kr. Villingen, 122 nebst Abb.
(162) Kd. von Brandenburg 799 und Zeitschr. für ehristl. Archäologie u. Kunst II, Tfl. 7.
(163) A. VOM Steichele, Das Bistum Augsburg IV (Augsburg 1883) 444.
(164) A Beroai-, Kd. der Prov. Brandenburg 608. (165) Kd. von Bavern, Sadt Eichstatt,
226 und Tfl. XXXII. (166) Kd. von Pommern, Rgb. Stettin, Kreis Naugard 119.
(167) Abb. in Gerbert, Liturgia aleman. I (St. Blasien 1776) Tfl. 3.
86 VASA SACRA. ERSTER ABSCHNITT, DER KELCH
zu Paris. (168) Deutscher Herkunft waren auch zwei Kelche des i3. Jahrhunderts in der
ehemaligen Sammlung Basilewsky (169) sowie ein Kelch in der ehemaligen Sammlung
Spitzer (Bild 5). (170)
Nicht vollständig erhalten haben sich von Kelchen des i3. Jahrhunderts ein Kelch in der
Pfarrkirche zu Hochelten, ein Kelch in der Pfarrkirche zu Haffen am Niederrhein, ein
Kelch in der ehemaligen Stiftskirche zu Lüdinghausen in Westfalen, ein Kelch in der Pfarr-
kirche zu Zimmerbach (OA. Gmünd) in Württemberg, ein Kelch in der evangelischen
Hofkirche zu Dresden, ein Kelch in der Kreuzklosterkirche zu Braunschweig, ein Kelch im
Erzbischöflichen Museum zu Köln sowie ein Kelch im Stift Lambach in Österreich. (171)
Von den beiden letztgenannten ist nur mehr die Kuppa übrig. Der Lüdinghauser Kelch
wurde im 17. Jahrhundert in ein Ziborium umgewandelt, wobei die Kuppa erneuert, der
Fuß aber durch eine unter ihm angebrachte zweitePlatte erhöht und vergrößert wurde. (172)
Von dem Kelche zu Hochelten ist bloß noch der Fuß, von dem zu Haffen Fuß und Nodus
erhalten. Alles übrige wurde bei ihnen Im späten Mittelalter erneuert. Von den Kelchen in
der Kreuzklosterkirche zu Braunschweig und der evangelischen Hof kirche zu Dresden (173)
erhielt sich der ganze Ständer, von dem zu Zimmerbach lediglich der mit Filigran verzierte
Nodus und der in gleicher Weise ausgestattete Fuß; Kuppa, Schaft und Zarge des Fußes
sind moderne Arbeiten. (174)
Grabkelche des i3. Jahrhunderts, die den in diesem herrschenden Typus zeigten, wurden
gefunden in den Domen zu Magdeburg und Trier, dort in einem nicht näher bestimmbaren
Bischofsgrab des i3. Jahrhunderts, (175) hier in den Gräbern der Erzbischöfe Theodorich
von Wied (y 12^3) und Heinrich von Finstingen (7 1286). (176) Einen weiteren entdeckte
man in einem Bischofsgrabe des Domes zu Mainz. (177)
Die Zahl der Kelche, die sich außerhalb Deutschlands aus dem i3. Jahrhun-
dert erhalten haben, ist, wenn auch bei weitem nicht so bedeutend, wie die der
noch vorhandenen deutschen Kelche der gleichen Zeit, immerhin keineswegs
unbeträchtlich. Es sind zum nicht geringen Teil Kelche, die in Gräbern des
i3. Jahrhunderts, zumeist Bischofsgräbern, gefunden wurden, in die sie der
Leiche bei deren Bestattung beigegeben worden waren; schlichte Kelche, die
jedoch insofern von besonderem Wert sind, als sie zeigen, daß nicht nur bei
reichen, sondern auch bei einfachen, nur wenig mit Schmuck bedachten oder
gar völlig schmucklosen Kelchen die für den henkellosen Kelch des i3. Jahr-
hundert charakteristische Form herrschend war.
(168) Er war schon 1786 nicht mehr zu Ottobeuren, sondern auf Schloß Stain, das 1746
vom Kloster Ottobeuren gekauft worden war (Jahresb. des hist. Vereins von Schwaben
1851/52 [Augsburg 18531 12)- E^e nur teilweise genügende Abb. bei Roh. IV, Tfl. 315.
(169) A. Darcel, La collect Basilewsky (Paris 1874) Catalogue n. 143 und 144; einer,
eine überaus reiche Arbeit, abgeb. bei Ron. IV, Tfl. 316.
(170) La Collect Spitzer, Orf6vrerie relig. n. 72 nebst Abb. Wo der letztgenannte sowie
der Kelch der Sammlung Stein sich heute befinden, ist mir nicht bekannt, die beiden Kelche
der Sammlung Basilewsky werden jetzt wohl in der Eremitage zu Leningrad stehen.
(171) Mitt XIII (1868) XXIII mitAbb. (172) Kd. v. Westfalen, Kr. Lüdinghausen, Tfl. 52.
(173) Kd. von Sachsen, Stadt Dresden, 155. (174) Kd. von Württemberg, Jagstkreis, 432.
(175) Abb. bei Rosekthal, Der Dom zu Magdeburg (Magdeburg 1852), Lief. V, Tfl. I;
der eine Höhe von nur 8 cm und einen Kuppadurchmesser von bloß 6,5 cm aufweisende, aus
Silber gemachte Kelch hatte wohl vordem als Reisekelch gedient.
(176) Abb. bei v. Wilmowsky, Die Grabstätten der Erzbischöfe im Dom zu Trier (Trier
1876) Tfl. III und Text S. 14, doch ist zu bemerken, daß späteren Feststellungen zufolge
das angebliche Grab des Erzbischofs Theodorich in Wirklichkeit das des Erzbischofs Otto
von Ziegenhain (■f 1430) war; als das Grab Theodorichs ergab sich das von v. Wilmowsky
irrtümlich als das Grab des Erzbischofs Boemunds IL (7 1367) bezeichnete.
(177) Fr. Schneider, Die Gräberfunde im Ostchor des Domes zu Mainz (Mainz 1874)
mit Abbildungen.
VIERTES KAPITEL. FORM. III. DER HENKELLOSE KELCH 87
In Belgien befindet sich ein Kelch aus dem ersten Viertel des i3. Jahrhunderts im Schatz
der Notre-Dame-Schwestern zu Namur (Tafel i5); er ist eine Schöpfung des als Gold-
schmied so hervorragenden Hugo von Oignies, wie die Inschrift am Fuß: 7 Hugo me fecit:
orate pro eo : calix ecclesie beati Nicholai de Ognies bekundet. Ein Kelch des i3. Jahrhun-
derts zu Afftighem mit niedrigen Schaftstücken, die mit Filigran übersponnen sind, ver-
tikal geripptem, mit fünf flachen runden Zapfen besetztem Nodus und rundem, mit Ran-
ken- und Figurenwerk, Rundmedaillons und Jessebaum, reich verziertem Fuß, erhielt im
16. Jahrhundert nicht nur eine neue Kuppa, es wurde auch unter dem Fuß eine zweite,
achtpaßförmige Fußplatte angebracht. Im Rijksmuseum zu Amsterdam gibt es zwei Kelche
des i3. Jahrhunderts, von denen einer, dessen Kuppa jedoch nicht mehr ursprünglich ist,
aus Wierseloo, der andere aus St. Peter zu Utrecht stammt.
Einen von dem Herzog Konrad von Masovien (1191—13^7) gestifteten Kelch des Typus
bewahrt der Dom zu Plock in Polen, In der Schweiz hat sich ein durch einen prachtvollen
Filigrannodus ausgezeichneter Kelch des i3. Jahrhunderts im Museum zu Basel erhalten;
er stammt aus dem dortigen Dom (Tafel i3). (178) Ein anderer kleiner Kelch, der dem
heiligen Germanus, Abt von Grandval, angehört haben soll, in Wirklichkeit aber erst dem
i3. Jahrhundert entstammt, hat sich zu Delsberg im Schweizer Jura gerettet.
Einen prachtvollen Kelch des Typus aus der Frühe des i3. Jahrhunderts besitzt in Frank-
reich die Kathedrale von Reims (Tafel i3). Nicht mehr ganz in seinem ursprünglichen Zu-
stand ist ein französischer Kelch des :3. Jahrhunderts im Viktoria-und-Albert-Museum zu
London, da seine Kuppa und sein oberes Schaftstück im i£. oder i5. Jahrhundert erneuert
wurden. (179) Was wir sonst an französischen Kelchen des Typus aus dem i3. Jahrhundert
kennen, sind Grabkelche, ein Kelch, den man im Grabe des Bischofs Herväus von Troyes
(f 1223) fand, (180) ein Kelch aus dem Grabe des Bischofs Michael von Villoiseau (7 1260)
in der Kathedrale zu Angers (181) und ein zinnerner Grabkelch im Schatz der Kathedrale
zu Sens. (182)
Daß auch in Spanien die Form, welche allen bisher genannten Kelchen eigen ist, im
i3. Jahrhundert bei den Kelchen heimisch war, lehrt der Kelch, den man im Grabe des
Bischofs Bernard Calvus von Vieh (f i2.'(o) antraf. (183)
Für England bezeugen das gleiche ein silberner Kelch aus St. James zu Berwick (Wilt.)
im Britischen Museum sowie eine größere Zahl von Kelchen, die in englischen Bischofs-
gräbern des i3. Jahrhunderts gefunden wurden: ein Kelch aus dem Grabe des Bischofs
Robert Grosseteste von Lincoln (7 1253), der leider seinen Fuß eingebüßt hat, (184) ein
Kelch aus einem Bischofsgrab des frühen i3. Jahrhunderts in der Kathedrale zu Canter-
bury {Tafel i5), (185) ein Kelch aus dem Grabe Richards von Gravesend (7 1279) in der
Kathedrale zu Lincoln, (186) ein Kelch aus einem Bischofsgrab der Kathedrale zu York
von ca. i25o, (187) ein zweiter Kelch aus einem Bischofsgrab des späten i3. Jahrhunderts
in der gleichen Kathedrale, (188) ein Kelch aus einem der zweiten Hälfte des i3. Jahrhun-
derts angehörenden Bischofsgrab in der Kathedrale zu Chichester, (189) ein Kelch aus einem
Bischofsgrab des späten i3. Jahrhunderts in der Kathedrale zu Salisbury, (190) ein bei
Dolgelly in Wales gefundener, jetzt im Kronbesitz befindlicher Kelch (Tafel i5), (191)
zwei Grabkelche aus Bischofsgräbern des i3. Jahrhunderts in der Kathedrale von St. Da-
vids, (192) ein Grabkelch aus dem Grabe des Abtes Heinrich von Worcester (f ia63) in der
Abteikirche zu Evesham (193) sowie ein Grabkeleh aus einem Bischofsgrab in der Kathe-
drale zu Hereford. (194)
(1781 Mitth. der Gesellschaft für vaterländische Altertümer in Basel IX (1862) 10 mit Abb.
(179) Abb. Victoria and Albert Museum, Catalogue of chalices pl. 8, n. 1.
(180) Ron. IV, 139. (181) Revue LV (1905) 188 mit Abb.
(182) E, Chartraire, Inventaire du tresor de l'eglise primatiale de Sens (Sens 1897) 76.
(183) J. Gkdiol y Citnii.l, El mobiliar liturg. (Vieh 1920) 27. (184) Jackson I, 99.
(185) Vetusta Monumenta VII1 (Westminsrer 1893) 7, nebst Abb. (186) Jackson I, 103.
(187) Ebd. 102. (188) Ebd. 334. (189) Ebd. 104. (190) Ebd. 335.
(191) Revne LX (1910) 142 und Victoria and Albert Museum, Catalogue of chalicca pl. 7.
(192) Archaeologia LX2, 490. (193) Archaeologia XX, 566 und The archaeolog. Jour-
nal III (1846) 136. (194) Ebd. 136.
88 VASA SACRA. ERSTER ABSCHMTT. DER KELCH
Auch in Schweden haben sich noch einige Kelche des i3. Jahrhunderts erhalten. Ein
Gegenstück zu dem in Dolgelly gefundenen Kelch besitzt die ehemalige Klosterkirche zu
Dragsmark. Wohl um die Mitte des i3. Jahrhunderts entstanden, ist er zweifellos eng-
lische Arbeit. (195) Dem ausgehenden i3. Jahrhundert gehören an ein Kelch aus dem Dom
zu Linköping (196) sowie ein derselben Zeit entstammender Kelch aus dem Dom zu Ve-
steräs, (197) beide heule im Historischen Museum zu Stockholm. Dazu kommt ein auf dem
Kirchhof zu Hsbo in Hälsingland gefundener, wohl noch aus der ersten Hälfte des i3. Jahr-
hunderts herrührender Kelch in demselben Museum. Er ist aus Blei gemacht. (198)
Einer der hervorragendsten Kelche des i3. Jahrhunderts befindet sich zu Borgä in Finn-
land (Tafel i&), wohin er von Wiborg kam, doch wurde er auch wohl für Wiborg nicht
angefertigt, vielmehr scheint er als Beutestück aus Deutschland dorthin verschleppt wor-
den zu sein. Eine Inschrift am Kelch: Sifridus me fecit, bezeichnet einen Goldschmied Si-
fridus als den Meister des Kelches, falls nicht der Stifter gemeint ist. Aus dem höchsten
Norden, aus Island, endlich stammt ein um die Mitte des i3. Jahrhunderts entstandener
Kelch im Viktoria-und-Albert-Museum zu London (Tafel 16). In seiner Form den andern
Kelchen seiner Zeit gleich, ist er ein sprechender Beweis für deren außerordentlich weite
Verbreitung.
In Italien sind aus dem i3. Jahrhundert keine Kelche vom Typus der Kelche dieser Zeit
auf uns gekommen. Ein Kelch in S. Francesco zu Assisi, eine Stiftung des ersten Franzis-
kanerpapstes Nikolaus IV. (1288—1292) zeigt schon fast vollentwickelt die die italieni-
schen Kelche des i!x. Jahrhunderts kennzeichnende formale Beschaffenheit.
Das Bild, das alle diese Kelche, nach ihrer formalen Beschaffenheit betrach-
tet, bieten, ist im wesentlichen ein völlig einheitliches. Eine Ausnahme machen
bis zu einem gewissen Grad einige Kelche aus der Spätzeit des i3. Jahrhunderts,
wie der Eichstätter Kelch, der Kelch des Schnütgenmuseums, der Kelch zu
Wesenberg und Naugard, die bei allem Festhalten am Typus der Kelche des
i3. Jahrhunderts doch schon deutlich den Übergang von diesem zu dem des
ili. Jahrhunderts verkörpern, hier in der Bildung des Schaftes, dort in der der
Kuppa.
Die Kuppa. Was an der Kuppa der Kelche des i3. Jahrhunderts auf den
ersten Blick auffällt, ist ihre bedeutende Weite. Sie ist von ungleich größerem
Durchmesser als die Kuppa der früheren Kelche. Ihre Weite tritt besonders
zu Tage, wenn man diese mit der Gesamthöhe des Kelches vergleicht. Bei einem
der Kelche, die in Bischofsgräbern der Kathedrale zu York gefunden wurden,
ist der Durchmesser der Kuppa geradezu gleich seiner Gesamthöhe. Die Höhe
des Kelches aus Berwick und des Kelches aus dem Grab des Bischofs Gravesand
in der Kathedrale zu Lincoln übersteigt nur um einen Zentimeter die Weite der
Kuppa. Bei andern Kelchen — und so verhält es sich am häufigsten — schwankt
das Minus des Kuppadurchmessers zwischen 2 und 3 cm, wie z. B. bei dem in
einem Bischofsgrab der Kathedrale zu Canterbury zu Tage getretenen Kelch,
den Kelchen zu Marienstern, dem Kelche des Hugo von Oignies zu Namur, dem
bei Rohault de Fleury abgebildeten Kelch der ehemaligen Sammlung Basi-
lewsky, dem Kelch zu Dragsmark, dem Kelch zu Kissenbrück, dem Kelch aus
dem Grab des Bischofs Herväus von Troyes, den Kelchen zu Wörishofen und
Ottobeuren, dem Kelch im Germanischen Museum zu Nürnberg, dem Kelch in
(195) Abb. bei Hii.debhand III, 653 und Revue LXII (1912) 135.
(196) Abb. bei Hildebrasü III, 652. (197) Abb. ebd. 657. (198) Eine Abbildung des
Kelches verdanke ich der Güte des Direktors des Museums, Dr. Bengt Thordeman.
VIERTES KAPITEL. FORM. III. DER HENKELLOSE KELCH 89
Der Nodus. Sehr interessant und zugleich sehr lehrreich ist ein Blick auf den
Nodus der Kelche des i3. Jahrhunderts. Er gibt uns nicht nur Aufschluß über
seine damalige formale Beschaffenheit, sondern auch über die Entwicklung,
die sich mit ihm seit etwa 1200 vollzog.
Es lassen sich bei den Kelchen des i3. Jahrhunderts vier Typen des Nodus
unterscheiden. Der Nodus des ersten Typus stellt eine gedrückte Kugel dar.
Er ist ein Erbstück aus dem 12. Jahrhundert und behauptet sich das ganze
i3. hindurch. Freilich sind es zumeist nur einfache Kelche, bei denen er noch
auftritt, wie der Kelch zu Berwick, die beiden Kelche, die in Bischofsgräbern
der Kathedrale von St. Davids gefunden wurden, der Kelch aus einem Bischofs-
grab in der Kathedrale zu Chichester, der Kelch in der Marienkirche zu Ro-
stock, der Kelch aus Island im Viktoria-und-Albert-Museum zu London u. a.
Doch kommt der Typus auch bei reichst ausgestatteten Kelchen vor, wie z. B.
bei dem Kelch in der Katharinenkirche zu Osnabrück (Tafel i3), bei dem so-
genannten Ulrichskelch zu Augsburg und in durchbrochenem Filigran ausge-
führt bei dem Kelch in St. Aposteln zu Köln (Tafel 8), dem Kelch zu Zimmer-
bach in Württemberg, dem Kelch in der Marienkirche zu Bergen, dem Rathe-
nower Kelch (Tafel i3) und dem Kelch im Historischen Museum zu Basel
(Tafel i3), alles Kelche aus dem zweiten, jawohl, wenigstens zum Teil, schon aus
dem ersten Viertel des i3. Jahrhunderts. Figürliche Darstellungen in runder
Umrahmung zeigen am Nodus die Kelche zu Ottobeuren (Tafel i5) und Wöris-
hofen, der aus Ottobeuren stammende Kelch der ehemaligen Sammlung Stein
zu Paris sowie der bei Rohault de Fleury wiedergegebene Kelch der Sammlung
Basilewsky. Die Medaillons sind jedoch keine äußerliche Zutat, sondern bilden
einen Bestandteil des getriebenen Ornamentes, mit dem der Nodus verziert ist.
Beim zweiten Typus, dessen älteste Vertreter dem ersten oder zweiten Viertel
des i3. Jahrhunderts angehören, ist der Nodus in der Mitte ringsum mit run-
den oder rautenförmigen Scbeibchen ausgestattet, die jedoch noch nicht zapf en-
artig aus ihm hervortreten, die also in ähnlicher Weise an ihm angebracht sind,
wie man auf dem Fuß der Kelche solche Scheibchen als Schmuck anzubringen
liebte. Beispiele bieten der Prachtkelch in der Kathedrale zu Reims (Tafel i3),
der Kelch auf dem Moritzberg zu Hildesheim, der Kelch zu Borgä (Tafel id),
der Marienseer Kelch im Germanischen Museum zu Nürnberg, der Kelch aus
dem Dom zu LinkÖping im Historischen Museum zu Stockholm, der schlichte
Kelch zu Dobbertin in Mecklenburg, der Kelch aus dem Dom zu Vesteräs im
Stockholmer Museum, der Kelch zu Kissenbrück in Braunschweig u. a.
Beim dritten Typus sind an die Stelle von Zierplättchen, die dem Nodus auf-
gesetzt sind, runde, ovale oder rautenförmige Zapfen getreten, die aus dem
Nodus herauswachsen, ohne jedoch, jedenfalls nicht erheblich, seine herkömm-
liche Form zu beeinflussen. Die Kelche mit derartigem Nodus gehören alle dem
ausgehenden i3. Jahrhundert an wie der Kelch im Dom zu Regensburg, einer
der Mariensterner Kelche, die Kelche zu Villingen und in St. Walburg zu Eich-
stätt (Tafel 16), der Kelch der Schnütgensammlung und der Kelchfuß in der
evangelischen Hofkirche zu Dresden. Mit dem dritten Nodustypus war für
den Kelchnodus die Form geschaffen, welche im i4- und i5. Jahrhundert die
92 VASA SACRA. ERSTER ABSCHNITT. DER KELCH
vorherrschende sein sollte, freilich erst in ihrem Anfang. Wie sie sich heraus-
gestaltet hat, ist nach dem Gesagten unschwer verständlich. Sie ist nur eine
Weiterbildung des zweiten Typus, dieser aber seinerseits eine Bereicherung
dos ersten.
Anderer Art als diese drei Typen ist ein vierter, bei demderNodus zwar auch
noch als Grundform die Gestalt einer abgeplatteten Kugel zeigt, jedoch in eine
Summe von Rippen, die von oben nach unten verlaufen und durch mehr oder
weniger tiefe, meist eckige, doch auch wohl rundliche Rinnen von einander
getrennt sind, aufgelöst ist und infolgedessen ein an eine gerippte Melone er-
innerndes Gebilde darstellt. Die Rippen sind bald breiter, bald schmäler, hier
abgerundet, dort scharfkantig, anderswo flach oder wenigstens abgestumpft.
Gewöhnlich wechseln Hauptrippen und Nebenrippen sowie Rippen verschie-
dener Form miteinander ab, so daß sich eine ungemein große Mannigfaltigkeit
in der Bildung des Nodus kund tut. Meist sind die Rippen schmucklos; doch
finden sich auch Nodi des Typus, bei denen sie mit einem Perlstäbchen, gra-
vierten Ranken oder ähnlich verziert sind. Ein eigentümliches Ornament zeigen
die Hauptrippen des Nodus bei dem Kelche des Hugo von Oignies zu Namur
(Tafel i5), einem Kelch der ehemaligen Sammlung Spitzer (Bild 5) und dem
Kelch zu Engelnstedt in Braunschweig. Es besteht aus reifenförmig übereinan-
der angebrachten, waagerecht verlaufenden Fältelungen. Die Rippen am Nodus
des Kelches zu Dragsmark verlaufen schräg zur Mittellinie desselben.
Die Zahl der Kelche des i3. Jahrhunderts, welche diesen melonenartig ge-
stalteten Knauf aufweisen, ist sehr erheblich. Als Beispiele seien genannt der
in einem Bischofsgrab der Kathedrale zu Canterbury gefundene Kelch (Ta-
fel 15), der Kelch von Dolgelly (Tafel i5), die schon erwähnten Kelche zu
Namur, Engelnstedt und der Sammlung Spitzer, der Kelch aus dem Grabe des
Bischofs Herväus von Troyes, der Kelch in Heiligkreuz zu Rostock, der Kelch
aus dem Grab des Bischofs von Angers, Michael von Villoiseau, einer der Kelche
zu Marienstern, der Kelch aus einem Bischofsgrab der Kathedrale von Sens, der
Kelch in St, Martin zu Emmerich, der Kelch zu Dragsmark in Schweden, der
Kelch aus dem Grabe des Bischofs von Lincoln, Richard von Gravesend, ein
Kelch aus einem Bischofsgrab in der Kathedrale von York, der Kelch im Mu-
seum zu Darmstadt, Grabkelche aus Bischofsgräbern in den Domen von Magde-
burg und Trier u. a. Sie bekunden nicht nur die große Beliebtheit des Typus,
sondern auch seine weite Verbreitung. Die frühesten bekannten Beispiele sind
der im Grabe des Bischofs Herväus von Troyes gefundene Kelch (i223), der
Kelch zu Namur (um I22Ö) und der in einem Bischofsgrabe der Kathedrale
von Canterbury gefundene Kelch (Frühe des i3. Jahrhunderts). (200) Sie be-
weisen, daß der Typus bis in das erste Viertel des i3. Jahrhunderts zurück-
reicht. Auch dieser Typus wird als Erbstück des 13. Jahrhunderts vom i4.
übernommen und von diesem dann auch noch dem i5. überliefert, doch erlangt
er weder in jenem noch in diesem je die Bedeutung des vorhin genannten drit-
ten Typus.
(200) Der Nodus des Kelches in der Stiftskirche zu Guimaräes, von dem früher bei den
Kelchen des 12. Jahrh. die Rede war {vgl. oben S. 76), ist wohl eine spätere Erneuerung.
VIERTES KAPITEL. FORM. III. DER HENKELLOSE KELCH 93
Eine Verquickung des vierten Typus mit dem dritten zeigen der Nodus des
Kelches zu Afflighem sowie der der Kelche zu Zehdenik, in der Marienkirche
zu Bielefeld und in der Johanniskirche zu Herford (Tafel 16). Zu einem Ty-
pus isi dies!.' \Iis;'h;jii(inng nicht geworden. Ehenso hat sich zu keinem Typus
der Nodus des Kelches im Dom zu Limburg entwickelt, ein kristallinisches, aus
polygonalen Feldern, acht Sechsecken in der Mitte und je acht Fünfecken oben
und unten zusammengesetztes Gebilde (Bild 6). (201) Einen frühen Versuch,
den Nodus architektonisch zu gestalten, stellt der Nodus des Kelches zu Prenz-
lau (Tafel 14) dar. Laternenartig, besteht derselbe aus einem Kranz von zwölf
Giebelbauten, die durch runde beringte, oben mit einem Knäufchen abschlie-
ßende Pfosten von einander getrennt werden und abwechselnd von zwei oder
drei langen, schlitzartigen Fenstern durchbrochen sind. Seine kuppelartig sich
wölbende Oberseite ist mit getriebenem romanischen Blattwerk verziert. Der
eigenartige Nodus hat im i3. Jahrhundert wohl kaum Nachfolger gefunden.
Heute steht er jedenfalls als eine vereinzelte Erscheinung da.
Der Fuß. Der Fuß der Kelche des i3. Jahrhunderts ist stets rund und mit
einem Hochrand (Zarge) versehen. Durch den Hochrand, der sich im späteren
12. Jahrhundert bei dem Kelchfuß einbürgert, bis zum i3. Jahrhundert aber
eine vereinzelte Erscheinung bleibt, erhält der Fuß eine neue Form. Er besteht
nun aus zwei voneinander deutlich sich abhebenden Bestandteilen, der Fuß-
platte und dem von dieser aufsteigenden Fußhals.
Die Zarge ist bald vertikal, bald schräg, bald, jedoch nur vereinzelt, leicht
gekehlt. Meist ist sie schmucklos. Eine Inschrift zeigt sie bei dem Kelch zu
Namur, den Kelchen in St. Ulrich zu Augsburg und zu Engelnstedt, bei dem
Eichstätter Kelch (Tafel 16) sowie bei dem Kelch zu Borgä (Tafel i/i), ein gra-
viertes geometrisches Ornament bei dem Isländer Kelch im Viktoria-und-Albert-
Museum zu London (Tafel 16), dem in der Kathedrale von Canterbury gefun-
denen Grabkelch (Tafel i5) und dem Kelch in St. Godehard zu Hildesheim
(Titelbild), eine Folge gestanzter Rosetten bei dem Kelch im Dom zu Regens-
burg. Mit fensterartigen Durchbrüchen ist sie bei dem Kelche in der Marien-
kirche zu Bergen belebt, mit einem durchbrochenen Fries von Miniaturarkaden
bei den Kelchen in der Marienkirche zu Rathenow (Tafel i3) und in der Niko-
laikirche zu Berlin. Ein Vierpaßfries, wie er im i!\. und i5. Jahrhundert so
häufig an der Zarge des Fußes der Kelche dieser Zeit vorkommt, begegnet uns
im i3. bei dem Kelchfuß in der Kreuzklosterkirche zu Braunschweig, dem
Kelch zu Kissenbrück, dem Kelch aus Linköping im Historischen Museum zu
Stockholm und dem Kelchfuß in der Evangelischen Hofkirche zu Dresden,
alles Schöpfungen der Spätzeit desselben. Am Fuß des Kelches im Dom zu
Fritzlar dürfte er erst der gleichen Zeit angehören wie der Nodus und Schaft
des Kelches, die einer Restaurierung des Kelches im i/t- Jahrhundert entstam-
men. Häufig umzieht den unteren Rand der Zarge ein feines Leistchen, nicht
jedoch schon ein aus dem Rand der Zarge herauswachsender Horizontalrand,
der erst bei den Kelchen des i5. Jahrhunderts an ihr auftritt, aber hervor-
(201) Ein Kelch mit ähnlichem Nodus befand sich auch in der Sammlung Basilewsky
(Darcel, Catalogue n. 144).
94 VASA SACRA. ERSTER ABSCH.MTT. DER KELCH
gegangen ist aus jenem Randleistchen, das bereits die Zarge der Kelche des
i3. Jahrhunderts oft aufweist und das wohl nicht bloß ästhetischen Zwecken,
sondern auch der Absicht, den Rand der Zarge zu verstärken, seine Entstehung
verdankt.
Der Hals des Fußes ist in der Regel gleich der Fußplatte rund. Nur bei einer
gewissen Gruppe von Kelchen entwickelt er sich mittels lanzettförmiger Blät-
ter, die ihn. von oben nach unten verlaufend, rings bedecken, in seinem oberen
Teil zu einem Acht-, Zehn- oder Zwölfseit, so bei dem Kelch aus Dolgelly
(Tafel i5), dem in dem Bischofsgrab der Kathedrale zu Canterbury (Tafel i5)
gefundenen Kelch, dem Kelch zu Dragsmark, dem Kelch aus dem Grabe des
Bischofs Herväus von Troyes, einem Kelch aus einem Bischofsgrab der Kathe-
drale zu York, dem Kelch aus einem Bischofsgrab der Kathedrale zu Chichester,
dem Kelch aus einem Bischofsgrab der Kathedrale von Salisbury, dem Kelch,
den man im Grabe des Trierer Erzbischofs Heinrich von Finstingen ("j- 1286)
antraf. Die Kelche zeigen eine auffallende formale Verwandtschaft, an eine
Herkunft derselben aus einander nahestehenden Werkstätten läßt sich aber
wohl nur bei den in England gefundenen Kelchen und dem Dragsmarker Kelch,
der allem Anschein englischer Herkunft ist, denken, nicht aber bei den Grab-
kelchen zu Trier und Troyes. (202)
Bei einer erheblichen Anzahl von Kelchen hat man den Fußhals nicht schon
gleich vom Rande der Fußplatte an in der herkömmlichen Weise, d. i. konkav-
konisch ansteigen, sondern ihn erst in einem Abstand vom Rand von etwa zwei
Drittel des Radius der Fußplatte in kräftiger Krümmung steil aus dieser her-
auswachsen lassen. Da es sich bei ihnen um Kelche handelt, deren Fuß mit
figürlichen Darstellungen, zumai mit Figurenwerk enthaltenden Medaillons
geschmückt ist, hat man das ersichtlich nur getan, um reichlicheren und geeig-
neteren Raum zur Anbringung von Bildwerk zu gewinnen.
Bemerkenswert ist die Größe des Fußes der Kelche des i3. Jahrhunderts.
Sie entspricht der Weite der Kuppa derselben. Nur bei wenigen erreicht der
Durchmesser des Fußes nicht ganz den der Kuppa, doch ist der Unterschied
gering, da er höchstens einen Zentimeter beträgt. Häufiger zeigen Fuß und
Kuppa die gleiche Weite, wie z. B. bei dem Kelch zu Berwick, einem der Grab-
kelche von St. Davids, den Kelchen zu Ottobeuren und Wörishofen, dem in der
Kathedrale zu Canterbury gefundenen Grabkelch, dem Kelch zu Engelnstedt,
dem Kelch in der Kathedrale zu Reims, dem sogenannten Ulrichskelch in Sankt
Ulrich zu Augsburg, den Kelchen zu Kissenbrück und zu Bergen auf Rügen,
dem sogenannten St. Magnuskelch zu Füssen und dem Kelch im Dom zu Lim-
burg. Gewöhnlich aber überschreitet der Durchmesser des Fußes den der Kuppa
um ein oder zwei Zentimeter, um drei Zentimeter jedoch nur ausnahmsweise.
Auffallend erscheint gegenüber der großen Weite des Fußes seine geringe
Höhe. Sie tritt noch mehr in die Augen als die verhältnismäßig geringe Tiefe
der Kuppa. Denn von fünfunddreißig Kelchen, die Gegenstand eines Verglei-
ches waren, verhielt sich die Höhe des Fußes zu dessen Durchmesser nur bei
(202) Einen Kelch mit gleichartigem Fuß aus dem frühen 14. Jahrhundert gibt es i:
Servatiuskirche zu Maastricht.
VIERTES KAPITEL. FORM. III. DER HEXKELLOSE KELCH 95
drei wie 1:2. Das Gewöhnliche war ein Verhältnis von etwa 1:3 (i3 Kelche)1
oder 2:5 (17 Kelche). Geringer, 1:4, war es freilich nur bei zwei Kelchen.
Die Kelche des i3. Jahrhunderts sind gekennzeichnet durch eine ausgespro-
chene Entwicklung in die Breite, in das Runde, in das Volle. Sie äußerte sich
vor allem bei der Kuppa, der dann aber naturgemäß auch der Fuß auf dem
gleichen Wege folgte. Die Kelche wurden aber dadurch keineswegs ungefällig.
Im Gegenteil dürften zu keiner anderen Zeit so formschöne, so ebenmäßige
und so wirkungsvolle Kelche geschaffen worden sein, wie gerade im i3. Jahr-
hundert.
Man hat die auffallende Weite der Kuppa der Kelche des i3. Jahrhunderts
in Beziehung gebracht zur Laienkommunion. Man soll ihr ihre große Weite
gegeben haben, um sie als Spendekelche zu benutzen. Mit Unrecht. Die weite
Kuppa findet sich bei allen Kelchen, auch bei solchen, die, wie ihre mäßige, ja
geringe Größe bekundet, lediglich als Konsekrationskelche haben dienen kön-
nen. Außerdem aber war die Laienkommunion im i3. Jahrhundert, wenn auch
noch nicht ganz außer Brauch, doch schon in der ersten Hälfte desselben dem
Absterben nahe und kam ihm in seinem weiteren Verlauf immer naher. Die
weitkuppige Kelchform aber wird darum keineswegs seltener, sie bleibt viel-
mehr durch das ganze i3. Jahrhundert herrschend. Übrigens darf man auch
wohl fragen, warum erst im i3. Jahrhundert die auffallend weite Kuppa sich
beim Kelch einbürgerte, wenn sie Ursprung und Einführung der Laienkommu-
nion verdankt, und warum trat diese Kuppaform nicht schon in einer Zeit auf,
in der die Laienkommunion noch in voller Blüte stand?
Die formale Entwicklung, die sich mit dem Kelch seit dem Ausgang des
12. Jahrhunderts vollzieht, und die neue Form, die er dabei gewinnt und die
bis zum Ende des i3. Jahrhunderts allenthalben die vorherrschende bleibt, ist
zweifellos auf einen Einfluß der hochromanischen Architektur zurückzufüh-
ren. Nicht als ob dieser zu einer architektonischen Umbildung des Kelches ge-
führt hätte, wie im ih- und im i5. Jahrhundert der Einfluß der Gotik, wohl
aber hat man die dem hochromanischen Stile eigene Vorliebe für runde, volle,
ruhig eindrucksvolle Formen auch auf den Kelch übertragen.
C. Die formale Entwicklung des Kelches im iU. und 15. Jahrhundert
Mit dem i4- Jahrhundert oder genauer schon im späten i3. tritt die Form
des Kelches in ein neues Entwicklungsstadium. Denn schon bei Kelchen aus
der Spätzeit des i3. Jahrhunderts offenbaren sich die Anfänge der im i4. und
15. Jahrhundert sich vollziehenden, formalen Umgestaltung des Kelches. Die
runden, vollen Formen desselben werden aufgegeben und mit ihnen zugleich
die für die Kuppa des Kelches des i3. Jahrhunderts kennzeichnende Weite.
An Stelle vornehm ruhiger Formen treten die lebensvolleren, bewegteren der
Gotik, an die Stelle einer Entwicklung in die Breite eine langsam aber stetig
zunehmende Steigerung der Höhe. Außerdem aber bleibt es nicht bloß im all-
gemeinen hei einer Angleichung an die Formensprache der Gotik und an die
diese beherrschende Höhentendenz, es erhalten auch ausgesprochen architek-
tonische Elemente, wie bei anderen Erzeugnissen der damaligen Goldschmiede-
96 VASA SACRA. ERSTER ABSCHNITT. DER KELCH
wurde, wieder die Becherform. Sie tritt bei den einzelnen Kelchen in mannig-
fachen Abwandlungen auf, doch lassen sich alle Einzelbildungen in drei Unter-
typen scheiden, in becherförmige Kuppä mit umgekehrt spitzbogig gekrümm-
tem Profil, in becherförmige Kuppä von der Form eines auf den Kopf gestellten
Kegels und in becherförmige, unten breite, nach oben zu nur sehr mäßig sich
erweiternde Kuppä. Becherförmige Kuppä von der Gestalt eines halben Eies
treten erst wieder im 16., frühestens aber im ausgehenden i5. Jahrhundert auf.
Gemeinsam ist allen diesen Untertypen, daß die Tiefe der Kuppa größer ist als
der halbe obere Durchmesser derselben. Der Unterschied zwischen beiden ist
bei manchen Kelchen erheblich; beträgt doch die Tiefe ihrer Kuppa selbst
das Eineinhalb-, das Einzweidrittel- ja fast das Zweifache der halben Weite
derselben. Besonders ist das bei Kelchen des späten i5. Jahrhunderts der Fall,
doch fehlt es auch schon vorher nicht an manchen Beispielen. Namentlich
macht sich bereits bei italienischen Kelchen des i4. Jahrhunderts nicht selten
eine im Vergleich zum Durchmesser auffallende Tiefe der Kuppa bemerklich.
Der erste Uotcrtypus der becherförmigen Kuppa scheint eine Umbildung des Typus der
schalenförmigen au sein. Er unterscheidet sich von diesem nur durch geringere Weite und
größere Tiefe der Kuppa. Die spitzbogenförmige Krümmung des Kuppaprofils ist bei ihm
bisweilen so schwach, daß sie bei oberflächlichem Zusehen statt bogenförmig fast gerad-
linig erscheint. Kelche des Typus begegnen uns allenthalben in großer Zahl, vorherrschend,
wie man vielleicht glauben möchte, ist er jedoch nie und nirgends geworden. Insbesondere
hat er in Italien, soweit die heute noch vorhandenen mittelalterlichen italienischen Kel-
che darüber ein Urteil gestatten, nur sehr wenig Boden gefunden. Als Beispiele, welche
den ersten Untertypus gut zu illustrieren geeignet sind, seien von den vielen Kelchen seiner
Art nur ein Kelch im Dom zu Sahburg, ein Kelch zu Stahle in Westfalen (Tafel 26), ein
Kelch in der Petrikirche zu Soest (Tafel 3o), der sogenannte Bernwardskelch im Dom zu
Hildesheim (Tafel 32), ein Kelch im Dom zu Minden (Tafel 3o), ein Kelch zu Schalkstetten
in Württemberg (Tafel 18), ein Kelch in der Pfarrkirche zu Kaiserswerth (Tafel 17) sowie
ein Kelch in der Kathedrale zu Toledo (Tafel 19) genannt
Am verbreitetsten war der zweite Untertypus. Die frühesten Beispiele bieten italienische
Kelche. Begegnet er uns doch schon bei dem Kelch, den der Franziskanerpapst Nikolaus IV.
(1288—1292) der Franziskusbasilika zu Assisi (Tafel 28) stiftete. In der Folge ist er in
Italien bis gegen Ausgang des Mittelalters, wenn nicht geradezu der allein herrschende, so
doch wenigstens der bei weitem vorherrschende Typus. Immer und immer wieder weisen die
italienischen Kelche des ih. wie des i5. Jahrhunderts ihn auf. Hier steigt die Wandung der
Kuppa steiler an, dort minder steil, in dem einen wie dem andern Fall aber stellt dies»
einen umgekehrten, an der Spitze abgerundeten Kegel mit starren, geraden Seiten dar
(Tafel 28, 29, 3o). Nur selten, daß die Härte des Profils durch eine ganz leichte Krüm-
mung gemildert erscheint, doch bewahrt auch in solchen Fällen die Kuppa noch zur Genüge
die typische Kegelform. Erst unter den italieniseilen Kelchen, die sich aus dem späteren i5.
(Tafel 39, Kelch im Dom zuMonza) und dem beginnenden 16. Jahrhundert erhalten haben,
finden sich Kelche des ersten der becherförmigen Untertypen, d. i. Kelche mit spitzbogig
gekrümmter Kuppawandung.
Außerhalb Italiens tritt die kegelförmige Kuppa erst im Lauf des i£. Jahrhunderts auf
den Plan. Ein frühes Beispiel einer Kuppa dieser Art zeigt der formschöne, reich mit
Steinen besetzte, laut Inschrift i33^ angefertigte Kelch im Stift KI oster neuburg. (226)
Andere bieten ein Kelch in der Marienkirche zu Soest (Tafel 3i), zu Neuruppin (Tafel 22),
zu Lockwitz in Sachsen, (227) zu Colditz in Sachsen, (22S) zu Crimmitschau in Sachsen (229)
und zu Frauenprießnitz in Sachsen-Weimar-Eisenach, (230) ein Kelch im Germanischen
(226)TÄbb. in Mitt. VI (1861) 269. (227) Kd. von Sachsen XXIV, 78. (228) Ebd. XIX, 39.
(229) Ebd. XII, 14. (230) Kd. von Sachsen-Weimar-Eisenach, Bez. Apolda 51.
VIERTES KAPITEL. FORM. 1U. DER HENKELLOSE KELCH 99
Museum zu Nürnberg, (231) ein Kelch zu Schroda, (232) ein im Grab des Bischofs Golan-
czewski von Kujawien (f i365) zu Wioclawek (Polen) gefundener silberner Kelch, (233) ein
Kelch zu Wetzhausen in Unterfranken, (234) ein prachtvoller, mit durchsichtigem Email
auf das reichste geschmückter, spanischer, aber italienisch beeinflußter Kelch der ehemali-
gen Sammlung Spitzer, der sich jetzt im Louvre befindet (Tafel 17), der sogenannte Tor-
quatuskelch in der Stiftskirche zu Guimaräes in Portugal (Tafel 19), ein Kelch in der
Pfarrkirche zu Longares, Provinz Saragossa, und ein Kelch in der Pfarrkirche zu Caspe,
Prov. Saragossa (Tafel 18), welch letztere bekunden, daß der Typus auch in Spanien und
Portugal heimisch war. Größere Verbreitung dürfte dieser übrigens außerhalb Italiens
erst im späteren i/|. Jahrhundert gewonnen haben; im i5. aber wird er auch hier bis in die
Spätzeit desselben der vorherrschende Kuppatypus, wie die in großer Zahl aus dem 15. Jahr-
hundert noch vorhandenen Kelche bekunden. (235)
Der dritte Untertypus der becherförmigen Kuppa entstammt erst dem ausgehenden
Mittelalter, Die Kuppa ist bei ihm noch ausgesprochener wie bei den beiden andern Typen
zum Becher geworden. Was sie kennzeichnet und von der Kuppa des ersten und zweiten
Typus sofort bei einem Vergleich auffallend unterscheidet, ist ihre oft schwache, stets
aber nur sehr mäßige Verbreiterung von unten nach oben, infolge deren ihre obere Weite
nur um ein Geringes die untere übertrifft, und als Folge hiervon die den beiden andern
Typen unbekannte erhebliche Breite des konkaven Kuppahodens. Die Wandung der Kuppa
steigt meist wie beim zweiten bech er förmigen Typus in gerader Linie an, doch kommen
auch Kuppä vor, deren Wandung sich nach dem Rand hin in allmählicher Krümmung
mehr oder weniger nach außen ausbiegt, wie beim Kelche in der Johanniskirche bei Posen
(Tafel 25), in St. Leonhard zu Frankfurt a. M. (Tafel aS) und in der Pfarrkirche zu
Fraustadt (Tafel 26). Der dritte Typus ist eine Umbildung des zweiten, die wahrscheinlich
durch die Erwägung veranlaßt wurde, daß bei einer Kuppa desselben weniger Gefahr für
ein Verschütten des heiligen Blutes beim Genuß desselben bestehe als bei der Kelchkuppa
der beiden andern Typen. In der Tat war eine Kelchkuppa des dritten Typus für den Ge-
brauch praktischer als namentlich eine solche des zweiten. Daher denn auch die große Be-
liebtheit, die dieser jüngste Typus bereits um die Wende des i5. Jahrhunderts erlangt hatte.
Die ältesten der noch vorhandenen Kelche mit einer becherförmigen Kuppa des dritten
Untertypus gehören der zweiten Hälfte des i5. Jahrhunderts an. Bemerkenswert ist die
rasche Verbreitung, die dieser gefunden haben muß. Hatte er sich doch bald selbst schon
in Spanien und Portugal eingebürgert, wie z. B. ein Prachtkelch in der Kathedrale zu Se-
govla (Tafeiao), Kelche zu Alborga bei Saragossa (Tafel 20), zu Mumiesa bei Teruel
(Tafeiao) und zu Junquera in Katalonien, zwei Kelche aus Avila im Viktoria-und-Albert-
Museum zu London, (236) ein spanischer Kelch in englischem Privatbesitz (Tafel ai), (237)
ein Kelch der ehemaligen Sammlung Spitzer, (238) ein Kelch von iöoo in der Kathedrale
zu Braga (Tafel ai) (239) sowie verschiedene Kelche im Nationalmuseum zu Lissabon (Ta-
fel 19 und 21) bekunden. (240) Auch in Italien war er um die Wende des iö. Jahrhunderts
nicht mehr unbekannt, wie ein prachtvoller venetianischer Kelch im Viktoria-und-Albert-
Museum (Tafel 28) (241) und ein italienischer Kelch im Schnütgenmuseum zu Köln zeigen.
Besonders verbreitet aber war der Typus im Osten Deutschlands, in Polen und in Ungarn,
wie die große Zahl der Kelche des Typus beweist, die sich bis heute dort aus dem Ende des
i5. und, der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts erhalten haben, wie z. B. im Diözesao-
inuseum zu Breslau (Tafel 3o), zu Lissewo, Löbau und Dirschau (Tafel 24), Fraustadt
(Tafel 26), (242) in der Johanniskirche bei Posen (Tafel sä), im Dom zu Gran (Tafel 27),
im Dom zu Krakau (Tafel 26, 27 und 32), in der Pfarrkirche zu Heltau in Siebenbürgen,
im Stift Klosterneuburg (243) u. a. Namentlich gehören dem Typus an alle mit Drahtemail
oder mit ungarischem Filigran verzierten Kelche (Tafel 27, 3a). Übrigens entstanden auch
im Westen Deutschlands manche spätgotische Kelche mit Kuppa des dritten Untertypus.
Polnischer Herkunft ist vermutlich ein aus der Riddarholmskirche zu Stockholm stam-
mender Kelch mit Kuppa dieser Art im Historischen Museum daselbst. Ein französischer
Kelch, dessen Kuppa den Typus vertritt, befindet sich im Besitz der Stadt Attendorn
(Tafel 34).
Der erste und zweite Typus der becherförmigen Kuppa verschwindet seit
dem Ende des 10. Jahrhunderts bald vom Schauplatz; der dritte behauptet sich
nicht nur, er wird sogar in der Folge zum schlechthin herrschenden Typus.
Eine Eigentümlichkeit der Keichkuppa des i!\. und i5. Jahrhunderts ist der
sogenannte Korb (französisch fausse coupe, englisch calyx), in den sie häufig
eingebettet erscheint. Er hatte einen praktischen und zugleich einen ästhetischen
Zweck. Einen praktischen: denn er diente dazu, der Kuppa größere Festigkeit
zu geben. Einen ästhetischen, weil er ein gewisses Gegengewicht gegenüber dem
Nodus bilden, vom Schaft in gefälliger Weise zur Kuppa überleiten und für
diese etwas ähnliches sein sollte, was der eine Blume unten umhüllende Blüten-
kelch für die Blume ist. Außerdem war er als Schmuck der ohne ihn völlig
glatten und schlichten Kuppa gedacht. Das i3. Jahrhundert hat den Kuppa-
korb noch nicht gekannt. Denn das romanische durchbrochene Blattwerk, mit
dem die Kuppa eines Kelches in der Katharinenkirche zu Osnabrück (Tafel i3)
bis nahe zum Rande bekleidet ist, hat noch nicht den Charakter eines Korbes;
es ist vielmehr wie auf dem Fuß des Kelches, der gleichfalls mit ihm überzogen
ist, lediglich Ornament, Ersatz für Treibwerk, mit dem man sonst die Kuppa
reicher romanischer Kelche zu beleben liebte.
Am frühesten tritt der Korb der Kuppa bei den italienischen Kelchen auf.
Begegnet er uns doch schon bei dem von Nikolaus IV. (j* 1292) gestifteten
Kelch in S. Francesco zu Assisi( Tafel 28). Er ist bei ihnen heimisch geworden,
wie sonst nirgendwo. Unter der großen Zahl italienischer Kelche des i4- und
10. Jahrhunderts, die sich bis in die Gegenwart erhalten haben, wird man nur
sehr wenige antreffen, die mit ihm nicht ausgestattet sind. Selbst die italieni-
schen Kelche, die dem 16. Jahrhundert angehören, zeigen gewöhnlich noch
den Korb. Seine Höhe ist verschieden; bald beträgt diese nur 1f7, bald y5, 1/i
oder 1/3 der Höhe der Kuppa. Oben schließt er regelmäßig mit Zacken ab, hier
mit niedrigeren, dort mit höheren. Ihrer Form nach sind die Zacken bald spitz-
winklig, bald rund, bald spitzbogig, bald kielbogig, bald kleeblattbogig. Ge-
wöhnlich wechseln Zacken verschiedener Form miteinander ab. Eine Ausnahme
bildet der venetianische Kelch im Viktoria-und-Albert-Museum (Tafel 28),
bei dem der Korb sich aus drei versetzt übereinander angebrachten Reihen von
(242) Abb. in Kd. von Posen III, 177. (243) Abb. in Mitt. VI (1861) 270.
VIERTES KAPITEL. FORM. III. DER HENKELLOSE KELCH 101
Hälfte des 16. Jahrhunderts. Als Beispiele seien von den vielen nur genannt ein
Kelch zu Fraustadt (Tafel 26), ein mit Drahtemail verzierter sowie ein mit
Filigran geschmückter Kelch aus dem Dom zu Krakau (Tafel 27 und 82), ein
Kelch in der Pfarrkirche zu Dirschau (Tafel 24) und ein durch seinen außer-
ordentlichen Reichtum an figürlichen Darstellungen wie auch durch die eigen-
artige Bildung des Fußes hervorragender Kelch im Dom zu Gran (Tafel 27).
Besonders war es Ungarn, wo man die Kuppa des Kelches gern mit einem Korb
versah. Eine lange Reihe spätgotischer Kelche dieser Art hat sich allein in den
nichlkatholischen Kirchen Siebenbürgens erhalten. (246)
Welche Verbreitung der spätmittelalterliche Brauch, die Kuppa des Kelches
mit einem Korb zu versehen, in den Niederlanden ^gewann, ist nicht mehr zu
bestimmen. Jedenfalls fand er auch dort Eingang. Ein Kelch in der Erzbischöf-
lichen Kapelle zu Hecheln von i4o,3, ein Kelch in St-Jacques zu Lüttich von
i5aS, einKelch zu Hünsterbilsen, ein flämischer Kelch im Viktoria-und-Albert-
Museum zu London u. a. bekunden das.
In Engtand scheint der Korb an der Kelchkuppa nie sich eingebürgert zu
haben. Wenigstens ist unter den in nicht unerheblicher Zahl noch vorhandenen
spätgotischen englischen Kelchen meines Wissens keiner, dessen Kuppa einen
solchen aufwiese. Vereinzelte Beispiele von Kelchen dieser Art in Schweden
sind ein Kelch von i4g4 zu Häggesled (247) und der Kelch aus der Riddar-
holmkirche zu Stockholm im Historischen Museum daselbst. Bei jenem aus
einem Blattkranz bestehend, zeigt er bei diesem, der wahrscheinlich aus Polen
stammt, den Typus einer mit Stäbchen und Blattkamm abschließenden nied-
rigen äußeren Kuppa.
Inwieweit man in Frankreich in der Zeit der Spätgotik die Kelchkuppa mit
einem Korb zu versehen pflegte, läßt sich nicht feststellen. Daß es in Spanien
infolge des Einflusses, den die italienische Goldschmiedekunst auf die spa-
nische im i4- Jahrhundert auszuüben begann, wenigstens vereinzelt schon im
i4- Jahrhundert vorkam, bekunden der jetzt im Louvre befindliche Kelch der
ehemaligen Sammlung Spitzer (Tafel 17) sowie je ein Kelch zu Longares und
Caspe bei Saragossa (Tafel 18). Ein Beispiel aus dem frühen 10. Jahrhundert
ist ein Prachtkelch in der Kathedrale zu Tortosa, ein Geschenk des Gegen-
papstes Pedro de Luna und Arbeit eines Goldschmiedes zu Barcelona. Spa-
nische Kelche mit Korb um die Kuppa aus dem ausgehenden i5. und dem
frühen 16. Jahrhundert sind die oben S. 96 aufgeführten Kelche. Weitere fin-
den sich im Bischöflichen Museum zu Vieh. Kelche in der Kathedrale zu Braga
(Tafel 21), im Museum zu Lissabon (Tafel 21) und im Museo de arte religiosa
zu Coimbra (Tafel 20) belehren uns, daß auch in Portugal um die Wende des
15. Jahrhunderts der Brauch, die Kelchkuppa mit einem Korb auszustatten,
eingedrungen war. Der Korb der Kuppa des Kelches im Louvre sowie der der
Kelche zu Longares und Caspe, von denen der letztgenannte zu Avignon, der
(246) Vgl. Viktor Roth, Kunstdenkmäler in den sächsichen Kirchen Siebenbürgens
{Hennannstadt 1922). Bemerkenswert ist, daß bei keinem der hier verzeichneten Kelche
des 14. und frühen 15. Jahrhunderts an der Kuppa ein Korb auftritt; er erscheint an ihr erst
bei Kelchen des späten 15. und des 16. Jahrhunderts.
(247) Sigurd Curman, Konsthist. Invent. I, Västergötland, 310.
VIERTES KAPITEL. FORM. III. DER HENKELLOSE KELCH 103
sowie ein Kelch zu Sorau in Brandenburg von i384. (252) Etwas häufiger werden Kelche
mit Streben an den Ecken des Schaftes erst in spät- und spätestgotischer Zeit Beispiele bie-
ten ein Kelch Londoner Arbeit von 1575 in englischem Privatbesitz, (253) ein spanischer
Kelch in englischem Privatbesitz (Tafel a i), (254) der Kelch zu Alborga (Tafel 20), ein spa-
nischer Kelch der ehemaligen Sammlung Spitzer, (255) ein Kelch im Dom zu Monza (Ta-
fel 29), der venetianische Kelch im Viktoria-und-Albert-Museum (Tafel 28), ein spanischer
Kelch im gleichen Museum, (256) Kelche, die bekunden, daß auch in England, Italien und
Spanien Kelche mit Streben an den Ecken des Schaftes entstanden, ein Kelch in der Marien-
kirche zu Danzig (Tafel 23) (257) u. a. Ein Kelch mit rundem Schaft, der mit Streben aus-
gestattet ist, eine vereinzelte Erscheinung, hat sich zuWerdau in Sachsen erhalten (Tafel 23).
Mit Arkaden, Nischen, Säulchen, Stäbchen oder Streben belebte und architektonisch aus-
gestaltete Schäfte kommen übrigens nur bei reicher ausgestatteten Kelchen vor. Bei den
dem Alltagsgebrauch dienenden, schmückender Zutaten überhaupt ganz oder fast ganz ent-
behrenden Kelchen, wird man derartige Behandlung des Schaftes vergeblich suchen. Höch-
stens daß man bei diesen seine Seiten in Gravierung mit ein- oder zweiteiligen Maß-
werkfensterchen oder Vierpässen verzierte. Von eigentümlicher Bildung ist der Schaft eines
schon den Einfluß der Renaissance bekundenden Kelches in St. Leonhard zu Frankfurt a. M.
Er besteht aus drei schlanken Säulchen, die von einem auf dem Hals des sechspaßförmigen
Fußes ruhenden Sockel aufsteigen, oben durch Spitzbogen verbunden sind, in der Mitte von
einem aus versetzten Dreiecken gebildeten Knauf durchschnitten werden und oben in Fia-
len, die sich der Kuppa anschmiegen, auslaufen (Tafel 25).
Wurde der Nodus durch ein tempiettoartiges Gebilde ersetzt, eine Erschei-
nung, die uns häufig bei spätgotischen deutschen Kelchen, besonders solchen
aus der Mitte und dem Osten Deutschlands, aber auch bei spanischen, portu-
giesischen und italienischen Kelchen der Spätzeit begegnet, so hat man den
Schaft bisweilen entweder ganz oder doch wenigstens oben bzw. unten weg-
gelassen, indem man das obere Schaftstück durch das Pyramidendach des Tem-
pelchens, das untere durch einen Unterbau von der Form einer umgekehrten
mehrseitigen Pyramide ersetzte. Beispiele bieten, um nur einige zu nennen,
Kelche in der Pfarrkirche zu Lissewo und Löbau (Tafel %k)> zu Pobethen in
Ostpreußen, zuWiskowo imPosenschen, in der Pf arrkirche zu Marienburg, (258)
in der Marienkirche zu Krakau, (259) in S. Marco zu Venedig u. a., alles spät-
gotische Kelche aus dem endenden i5. und der ersten Hälfte des 16. Jahrhun-
derts. (260)
Der Nodus fehlt nie bei den Kelchen des späten Mittelalters. In seiner Bil-
dung zeigt sieb eine sehr große Mannigfaltigkeit, ausgenommen allerdings bei
den italienischen Kelchen, bei denen er nicht nur im il\-, sondern auch noch im
ganzen i5. Jahrhundert im wesentlichen den gleichen Typus aufweist. Unter
den sehr zahlreichen italienischen Kelchen des i4- und 10. Jahrhunderts, die
sich erhalten haben, wird man nur sehr wenige antreffen, deren Nodus nicht
der herrschenden Form entspricht; es sind das alles Kelche der Spätzeit. Am
weitesten weichen von ihr ab einige Kelche, deren Nodus ein architektonisches
Gebilde darstellt, wie ein Kelch in S. Marco zu Venedig, im Dom zu Monza
(Tafel 29) und ein venetianischer Kelch im Viktoria-und-Albert-Museum zu
(252) Bergau 718. (253) Jacksos I, 156. (254) Ebd. I, 343. (255) Abb. in La collec-
tton Spitzer, Orfevr. I, n. 163. (256) Abb. in Catalogue of chalices Tfl. 16, n. 27.
(257) Czihak II, Tfl. 1. (258) Abb. in den Kd. von Westpreußen, Ostpreußen und Posen.
(259) Essenweis 162. (260) Vgl. auch die portugiesischen Kelche auf Tafel 21.
106 VASA SACRA. ERSTER ABSCHNITT. DER KELCH
London (Tafel a 8). Von diesen und einigen andern Ausnahmen abgesehen,
stellt der Nodus der italienischen Kelche regelmäßig eine meist nur mäßig zu-
sammengedrückte, ringsum mit Medaillons besetzte, oben und unten mit Blatt-
werk verzierte Kugel dar. Die Medaillons sind häufig so tief in den Nodus ein-
gebettet, daß sie nur schwach aus ihm heraustreten. Förmliche, weit vorsprin-
gende Zapfen stellen sie kaum je dar, selbst wenn sie dem Nodus nicht einge-
senkt, sondern aufgelegt sind. Die bei reicheren Kelchen mit Emailbildchen,
bei einfacheren mit graviertem Figurenwerk oder graviertem Ornament gefüll-
ten Medaillons sind bald — und zwar am gewöhnlichsten — rund, bald vier-
paßförmig, bald sechspaßförmig. Mandelförmig sind sie bei einem Prachtkelch
in S. Panfilio zu Solmona (Tafel 28). Das den Nodus oben und unten über-
ziehende, bis in die Zwickel der Medaillons hineinreichende und sie füllende
Blattwerk ist meist reliefartig aus dem Grund herausgehoben. Bei reicheren
Kelchen ist es bisweilen durch Emailscheibchen ersetzt, wie z. B. bei einem
mit durchsichtigem Email auf das glänzendste geschmückten Kelch zu Perugia
(Tafel 3o). Kennzeichnend für die italienischen Kelche ist durchweg die im
Verhältnis zur Bildung des Fußes und der Kuppa übertriebene Massigkeit und
Schwere des Nodus, der sich oft genug geradezu als die Hauptsache geltend zu
machen scheint.
Die Einheitlichkeit in der Bildung des Nodus, die für die italienischen Kelche
des i4- und i5. Jahrhunderts geradezu charakteristisch ist, fehlt bei den gleich-
zeitigen Kelchen diesseits der Alpen. Häufig begegnet uns hier bei Kelchen des
i4. Jahrhunderts als Erbstück des i3. Jahrhunderts der vertikalgerippte, me-
lonenartige Nodus. Er kommt nicht nur bei deutschen, sondern auch bei engli-
schen, schwedischen, ungarischen und französischen Kelchen des i4- Jahrhun-
derts vor. Es sind zumeist schlichte, aber in ihrem schlanken Aufbau und in
ihren guten Verhältnissen sehr gefällige Kelche. Bei Kelchen des i5. Jahrhun-
derts begegnet er uns im ganzen nur mehr selten, so bei einem Kelch zu Nieder-
salwey bei Eslohe in Westfalen, einem Kelch zu Gingen (Tafel 18) und einem
Kelch zu Schalkstetten (Tafel 18) in Württemberg. (261)
Bei manchen der Kelche, die einen melonenartig gerippten Nodus aufweisen, sind, wie
das schon im späten 13. Jahrhundert vorkam, damals freilich nur erst vereinzelt, dessen
Rippen alle oder zum Teil in der Mitte mit einem Zapfen, mit Zierscheibchen oder mit
einem Steine besetzt, wie beispielsweise an einem Kelch zu Schwaan, im Hospital zu Bützow
und zu Slate in Mecklenburg-Schwerin, (262) bei einem Kelche in der Jakobikirche zu
Greifswald, (263) im Kunstgewerbemuseum zu Düsseldorf und zu Frauenprießnitz bei
Apolda, (264) einem um 1400 vom Sohn der heiligen Birgitts gestifteten Kelch zu Vad-
stena (265) sowie einem schönen Kelch zu Neuruppin (Tafel aa). Spiralartig gerippt ist der
Nodus eines Kelches in der Münsterkirche zu Herford (266) und eines Kelches zum Ham-
stall Ridware (Stafford). (26?) An dem Nodus eines Kelches aus Äsarp im Historischen Mu-
seum zu Stockholm sind die Rippen fast zu kugelförmigen Gebilden geworden. (268)
(261) Kd. von Württemberg, Donaukreis I, 785, 810. (262) Abb. in Kd. von Mecklenburg-
Schwerin IV, 14, 69, 500. (263) Prüfer, Archiv II (1876) 55. (264) Kd. von Saehsen-
Weimar-Eisenach, Bez. Apolda, 51.
(265) Abb. bei Hildebrand III, 661. Den breiteren Rippen ist hier ein Zapfen, den sehma-
leren eine Art Beere aufgesetzt. Die heutige Kuppa des Kelches stammt von 1673.
(266) Kd. von Westfalen, Kr. Herford, Tfl. 32. (267) Jacksos I,. 113.
(268) Abb. bei Hildebrand III, 660.
VIERTES KAPITEL, FORM. III. DER HENKELLOSE KELCH 107
Die Blütezeit des melonenartig gerippten Nodus fällt in das i3. Jahrhundert;
das i/i. ist für ihn nur eine Zeit der Nachblüte; im Lauf des i5. verliert er sich.
Ein gewisses Seitenstück zum melonenartig gerippten Nodus ist ein Nodus-
typus, der uns bei spätgotischen ungarischen Kelchen aus dem Ende des i5. und
dem 16. Jahrhundert nicht selten begegnet, der jedoch keine weitere Verbrei-
tung fand, sondern auf seine Heimat beschränkt blieb. Statt vertikaler Rippen
gliedern den ungewöhnlich massigen, nur wenig abgeplatteten Nodus in verti-
kaler Richtung sechs ornamentierte, beiderseits von einem Bändchen eingefaßte
Streifen, die zwischen diesen befindlichen mandorlaförmigen Flächen aber sind
mit Filigran oder Rankenwerk, wozu sich bisweilen Steine gesellen, gefüllt.
Glänzende Beispiele eines geradezu übertrieben prunkvollen derartigen Nodos bieten ein
Kelch im Dom zu Gran (Tafel 27), bei dem der Zwischenraum zwischen den vertikalen
Keifen mit Nischen, in denen Statuettchen musizierender Engel stehen, gefüllt ist, sowie
ein Kelch im Nationalmuseum zu Pest, {269) der in den Zwischenräumen üppiges Blatt-
werk aufweist. Einfacher ist der Nodus des gleichen Typus bei dem auf Tafel 3a wieder-
gegebenen Kelch im Dom zu Krakau, bei einem in ungarischem Privatbesitz befindlichen
Kelch, von dem das Viktoria-und-Albert-Museum zu London eine galvanoplastische Nach-
bildung besitzt, (270) einem Kelch in der Pfarrkirche zu Villingen, einem Import aus
Ungarn, sowie Kelchen der gleichen Art in verschiedenen sieben bürgischen Kirchen. (271)
Eine abgeplattete Kugel ohne Rippen oder sonstige den Typus ändernde
Zutaten stellte der Nodus diesseits der Alpen, besonders in Deutschland, zwar
auch wohl noch im i4. und 10. Jahrhundert dar, jedoch im Ganzen nur mehr
selten. Bisweilen setzte er sich, wie übrigens vereinzelt schon im r3. Jahrhun-
dert, aus zwei Kugelkalotten zusammen, die unter scharfer Kante zusammen-
stießen, so daß ihr Vertikalschnitt statt Oval- Mandorlaform zeigte. So bei
einem Kelch aus Sant Andreu de LIevanares im Bischöflichen Museum zu
Vieh, (272) bei dem am Nodus und Fuß mit figürlichen Darstellungen in durch-
sichtigem Schmelz verzierten Kelch französischer Herkunft von 133o im Natio-
nalmuseum zu Kopenhagen und bei einem Kelch zu Neuenkirchen in Mecklen-
burg-Schwerin, bei dem der Nodus von durchbrochenem, auf beiden Hälften
in zwei Zonen angeordnetem Rankenwerk gebildet wird, so bei einem Miniatur-
kelch in der ehemaligen Fürstlich Hohenzollerischen Sammlung zu Sigmarin-
gen. Durch einen ornamentierten Ring, der zwischen sie eingefügt ist, sind die
beiden Kalotten zugleich getrennt und verbunden beispielsweise beim Nodus
eines Kelches im Stift Admont in Steiermark und einem mit Drahtemail am
Korb der Kuppa, am Fuß und am Nodus reich geschmückten Kelch im Dom zu
Krakau (Tafel 27), was übrigens auch schon bisweilen bei den von zwei Kalot-
ten gebildeten Nodi im i3. Jahrhundert vorkam, wie z. B. bei einem kleinen
mit Filigran und Steinen geschmückten Reisekelch rheinischen Ursprungs in
Lausanncr Privatbesitz und dem Kelch zu Rathenow (Tafel i3).
Die größte Verbreitung hatte schon im 14. Jahrhundert, wenn vielleicht
nicht allenthalben diesseits der Alpen, so doch jedenfalls in Deutschland, ein
(269) Abb. in Mitt. XII (1867) 111. (270) Catalogue of chalices, Tfl. 17, n. 84.
(271) Abb. bei Viktor Roth, Kunstdenkmäler in den sächsischen Kirchen Siebenbürgens
(Hermannstadt 1922). (272) Abb. bei J. Gudiol y Ci:nill, El mobiliar liturgich (Vieh 1920)
27, wo der Kelch jedoch irrtümlich dem 12. Jahrhundert zugeschrieben wird.
108 VASA SACRA. ERSTER ABSCHNITT. DER KELCH
Nodtis, dessen Anfänge uns bereits bei Kelchen aus dem späteren i3. Jahr-
hundert begegnen und der noch im i5. Jahrhundert der vorherrschende bleibt.
Er war es, der vornehmlich den letztgenannten Nodustypus, dessen Weiter-
entwicklung er darstellte, verdrängte. Was ihn von diesem unterscheidet und
ihn kennzeichnet, sind die Zapfen, mit denen er ringsum in der Mitte besetzt ist.
Denn an sich besteht auch er entweder in einer abgeplatteten Kugel oder in
einem aus zwei miteinander verbundenen Kugelkalotten sich zusammensetzen-
den Gebilde. Die Zapfen treten bald schwächer, bald stärker aus dem Nodus
hervor; bisweilen so sehr, daß dieser verkümmert und nur als eine verbindende
Brücke zwischen den Zapfen und als bloße Füllung der von diesen gebildeten
Winkel erscheint, wie beispielsweise bei einem Kelch zu Alt-Mügeln im Frei-
staat Sachsen, einem Kelch zu Schroda im Posenschen, (273) einem Kelch
aus östra Ny im Historischen Museum zu Stockholm, (274) zwei Kelchen in der
Marienkirche zu Lippstadt (275) sowie besonders bei einem Kelch zu Crim-
mitschau (Tafel 23) und zu Werdau, (276) bei denen der Nodus auf das ge-
ringste Maß zusammengeschrumpft ist (Tafel 23).
Die Form der Zapfen ist mannigfaltig. Hier rund, sind sie anderswo rauten-
förmig, vierpaßförmig oder sechspaßförmig, quadratisch oder mandelförmig
dagegen nur ausnahmsweise. (277) Am gewöhnlichsten haben sie Rautenform,
namentlich bei Kelchen des i5. Jahrhunderts. Bisweilen sind sie ganz oder teil-
weise durch Steine in Kapselfassung oder durch Rosetten ersetzt. Bei zwei Kel-
chen in der Marienkirche zu Gardelegen in Sachsen, (278) Schöpfungen aus
dem Ende des i4- oder dem Beginn des i5. Jahrhunderts und Arbeiten, wie es
scheint, desselben Meisters, umgibt an Stelle von Zapfen den gedrückt kugel-
förmigen Nodus ein Kranz dicht aneinandergereihter zierlicher Giebelbauten.
Immer erscheinen die Zapfen, anders wie bei einer Abart des Typus, von der
weiter später die Rede sein wird, als zum Nodus in keiner inneren Beziehung
stehende, ihm bloß äußerlich aufgesetzte oder eingefügte Zutat. Bisweilen sind
ihrer nur vier, häufiger acht, gewöhnlich aber sechs am Nodus angebracht. Oft
ist zur Ausfüllung des Zwischenraumes zwischen sie und in einer Reihe mit
ihnen ein Stein, ein Rosettchen oder ein kleines Zierplättchen eingefügt.
Die Flächen des Nodus oberhalb und unterhalb der Zapfen blieben selten
schmucklos. Bei je einem Kelch zu Proseken und in St. Jürgen zu Wismar sind
dort kleine Medaillons mit einer Miniaturdarstellung Christi am Kreuze ange-
bracht, (279) bei einem Kelch zu Weil der Stadt in Württemberg Emailbild-
chen (Fabeltiere). (280) Bei andern Kelchen, wie z. B. bei einem Kelch in der
Marienkirche und in der Jakobikirche zu Lippstadt (281) und einem Kelch in
der Marienkirche zu Soest (282) sind sie von Drei- oder Vierpässen, bei einem
Kelch zu Malchow in Mecklenburg-Schwerin (283) von Dreipässen und Krei-
sen durchbrochen. Häufiger dient graviertes, aus dem Grund herausziseliertes
(273) Kd. von Posen, Kr. Schroda, 283. (274) Hildebrand III, 658.
(275) Kd von Westfalen, Kr. Lippstadt, Tfl. 66. (276) Kd. von Sachsen XII, 14, 71.
(277) Vgl. die Abb. auf Tfl. 17 bis 31. (278) Kd. der Prov. Sachsen, Kr. Gardelegen, 75.
(279) Kd. von Mecklenburg-Schwerin II, 112, 328. (280) Pazairek, Tfl. 24.
(281) Kd. von Westfalen, Kr. Lippstadt, Tfl. 66, 72. (282) Ebd. Kr. Soest, Tfl. 83.
(283) Kd. von Mecklenburg-Schwerin I, 411,
VIERTES KAPITEL. FORM. III. DER HENKELLOSE KELCH 109
oder aufgelegtes Blattwerk zur Füllung der oberen und unteren Fläche des
Nodus; am gewöhnlichsten sind zu diesem Zweck jedoch lanzettförmige, meist
kräftig vortretende, mit gravierten oder durchbrochenen Maßwerkfenstern ver-
sehene Buckel verwendet, von denen die der oberen Nodusflache nach unten,
die der unteren nach oben gerichtet sind; ein Füllmotiv, das uns insbesondere
auf dem Nodus der Kelche aus dem i5. Jahrhundert immer wieder begegnet.
In der Begel stehen die Buckel senkrecht, minder oft schräg zur Mittellinie,
wie z. B. bei einem Kelch zu Neumark in Westpreußen (Tafel a4) und zu
Werdau (Tafel a3), einem Kelch zu Großebersdorf, (284) Kelchen im Bayeri-
schen Nationalmuseum zu München u. a.
Eine Sonderart des Typus zeigt die Eigentümlichkeit, daß die Zapfen dem
Nodus nicht lediglich aufgesetzt oder wie eingefügt sind, sondern sich gewisser-
maßen organisch aus ihm entwickeln. Als melonenartig gerippten, mit Zapfen
besetzten Nodus kann man einen so beschaffenen Nodus nicht bezeichnen, doch
mag der Typus des melonenartig gerippten Nodus auf die Entstehung dieser
Art von Nodus nicht ohne vorbildlichen Einfluß gewesen sein. Im i4. Jahrhun-
dert noch selten — ein frühes Beispiel bietet der Kelemankelch im Dom zu
Osnabrück (Tafel 17), ein etwas jüngeres ein Kelch im Schnütgenmuseum zu
Köln —, werden Kelche, die einen Nodus dieser Sonderart aufweisen, erst im
i5. häufiger.
Kelche mit sechsseitigem Nodus kommen ziemlich selten vor; auffallend ge-
nug, da einem sechsseitigen Schaft ein gleichartiger Nodus sehr gut entsprochen
hätte. Der sechsseitige Nodus begegnet uns in zwei Abwandlungen. Bei der er-
sten besteht er aus zwei flachen, abgestumpften sechsseitigen Pyramiden, die
ohne verbindendes Zwischenstück scharfkantig zusammengelötet sind. Beispiele
bieten ein Kelch zu Goathland (York), (285) ein aus Fritzlar stammender Kelch
zu Schmalkalden(286) sowie fünf Kelche im Bischöfl. Museum zu Vieh. (287)
Bei dem zweiten ist zwischen die beiden Pyramiden ein sechsseitiger Ring ein-
gefügt, so bei dem Nodus eines Kelches zu Mauker in Brandenburg (288) und
dem sogenannten Torquatokelch zu Guimaräes in Portugal (Tafel 19). Einen
eigenartigen Nodus der zweiten Art, der jedoch kein Sechsseit, sondern einen
aus acht Seiten bestehenden viereckigen Stern darstellt, zeigt ein Kelch zu Jun-
quera in Katalonien. (289)
Aus einem zwölfseitigen Topas besteht der Nodus des dem Ende des i4. Jahr-
hunderts entstammenden sogenannten Bernwardskelches im Hildesheimer Dom-
schatz (Tafel 22), aus einem achtseitigen Topas der goldene Kelch des Bischofs
Gerhard (f i3g8) im gleichen Schatz. Ein Sechsseit mit nach innen gekrümm-
ten Seiten stellt der Nodus eines spätgotischen Kelches von i55i in St. Andreas
zu Köln dar, einen sechseckigen Stern der ganz vereinzelt dastehende, von je
zwei einander durchschneidenden, in fünf Lagen übereinander angebrachten
dreiseitigen Platten gebildete Nodus eines Kelches in St. Leonhard zu Frank-
(284) Kd. von Sachsen-Weimar-Eisenach, Bez. Neustadt, 282. (285) Jacksox I, 128.
(286) Kd. von Kassel, Kr. Fritzlar, Tfl. 123. (287) Catalogo del museo episcopal de
Vieh (Vieh 1893) 163f. (288) Kd. von Brandenburg, Kr. Ruppin, 158. (289) Album de
la Secciön arqucol. de la exposieiön universal de Barcelona (Barcelona (1888), TIL 14.
110 VASA SACRA. ERSTER ABSCHNITT, DER KELCH
(290) Essenweik 162 f. (291) Kd. von Posen, Kr. Wiskowo, 139.
(292) Viktor Roth, Kunstd. in den sächs. Kirchen Siebenbürgens (Hermannstadt 1922).
(293) Pasini, II tesoro di s. Marco, Tfl. XL VI. (294) Catalogue of chalices Tfl. 13,
n. 21; Tfl. 16, n. 28. Auch in der ehemaligen Sammlung Spitzer gab es einen Kelch mit archi-
tektonisch in Form eines Tempels gestalteten Nodus. (295) Kd. von Schlesien III, 652.
(296) Kd. von Westpreußen, Pomerellen 170. (297) Ebd. Kreis Löbau 56.
(298) Ebd. Kr. Kulm, Tfl. 9. (299) Kd. von Ostpreußen, Samland 125.
(300) Grazer Kirehensehrauck XIV (1883). (301) Vgl. oben S. 105. (302) Abb. bei Joa-
qtim de Vascoscellos, Arte religiosa em Portugal I (Porto 1914/15).
VIERTES KAPITEL. FORM. III. DER HENKELLOSE KELCH 111
Auf ganz vereinzelt vorkommende Sonderformen des Nodus bei Kelchen der späten
Gotik hier einzugehen, ist nicht möglich, aber auch nicht vonnöten. Denn für die Ge-
schichte der formalen Entwicklung des Kelches sind nur die irgendwie typisch gewordenen
und daher mehr oder weniger häufig wiederkehrenden Bildungen des Nodus von Bedeu-
tung. Nur bezüglich dreier Kelche, deren eigenartiger Nodus wenigstens eine kurze Erwäh-
nung verdient, sei eine Ausnahme gemacht. Der erste ist der sogenannte Nesterkelch in der
Peterskirche zu Soest (Tafel 26). Sein Nodus besteht aus drei durch Zapfen getrennten, unten
von Eichenlaub, das dem Schaft entsprießt, umrankten Vogelnestern, in denen ein Adler,
ein Pelikan und ein Phönix sitzen. Der zweite ist ein Kelch im Diözesanmuseum zu Breslau
{Tafel So), dessen Nodus von sechs weit vorspringenden, an der Front mit je zwei Statuett-
chen geschmückten, kapellenartigen Bauten, die unmittelbar vom Schaft ausstrahlen, somit
lediglich von sechs Zapfen gebildet wird. Der dritte Kelch, der sich im Besitz des Freiherrn
von I leerem an-Zuydwyk zu Surenburg bei Tecklenburg befindet, ist dadurch bemerkens-
wert, daß sein Scbaft und sein Nodus durch ein Kreuz ersetzt sind, dessen Vertikalstamm
als Schaft und dessen Querbalken als Nodus dient. (303) Wird seine Kuppa abgeschraubt
und in zwei beweglichen Bingen in einem Gestell, das an ihrer Stelle oben auf dem Kreuz
befestigt ist, angebracht, so ist er ein Schiffskelch.
Als unterer Abschluß des Schaftes und als Mittelglied zwischen diesem und
dem Fuß ist bei den italienischen Kelchen des i4. und i5. Jahrhunderts sehr
häufig, um nicht zu sagen gewöhnlich, ein Zwischenstück eingeschaltet. Es be-
gegnet uns schon bei dem Kelch Nikolaus' IV. zu Assisi (Tafel 28), seine Ver-
wendung reicht also wenigstens bis in das Ende des i3. Jahrhunderts zurück.
Der Form des Schaftes angepaßt, also sechsseitig oder achtseitig, je nachdem
dieser sechs- oder achtseitig ist, ist es von mäßiger Hohe, oben und unten mit
einem Simschen versehen und zwischen diesen Simschen mit einer Inschrift
oder einem ornamentalen Fries in Email oder Gravierung belebt, doch be-
schränkt es sich auch wohl auf eine über Schaft und Fußende mit ihrem Profil
kräftig vortretende Platte.
Der älteste der noch vorhandenen mittelalterlichen deutschen Kelche, welcher
ein Zwischenstück zwischen Schaft und Fuß aufweist, ist ein Kelch zu Sig-
maringen; es besteht hier in einem netzartig gravierten Ring. (304) Ein um
einige Jahrzehnte jüngeres Beispiel bietet der Kelemankelch im Dom zu Osna-
brück (Tafel 17). Hier ergänzt das Zwischenstück, das mit Streben an den
Ecken sowie mit Arkaden und Statuettchen an den Seiten ausgestattet ist, den
nur schwach aus der Fußplatte aufsteigenden Fußhals, ähnlich wie es bei einem
aus der ersten Hälfte des i5. Jahrhunderts stammenden Kelch zu Werdau in
Sachsen der Fall ist. (305) Eine größere Verbreitung hat das Zwischenstück
bei den Kelchen deutscher Herkunft nie gefunden. Es sind im ganzen nicht ge-
rade zahlreiche der noch vorhandenen mittelalterlichen deutschen Kelche, die
ein Zwischenstück aufweisen. So findet sich bei den vielen Kelchen, die sich in
Mecklenburg-Schwerin erhalten haben, nur ein Beispiel, ein Kelch in St. Marien
zu Wismar (306) und nicht viel besser steht es bei den mittelalterlichen Kelchen
in der Provinz Sachsen (Bleicherode) und im Freistaat Sachsen (Werdau,
Ehrenfriedersdorf). Kaum mehr als fünf Kelche mit Zwischenstück haben sich
(303) Kd. von Westfalen, Kr. Tecklenburg, 92.
(304) Abb. bei von Falke und Fraiberger, Deutsche Schmelzarbeiten (Frankfurt a.M.
1904), Tfl. 111. (305) Kd. von Sachsen XII, 71.
(306) Kd. von Mecklenburg-Schwerin II, 63.
112 VASA SACRA. ERSTER ABSCHNITT. DER KELCH
Im i5. Jahrhundert änderte sich dann freilich die Sache. Zwar entstanden
auch in diesem noch immer Kelche mit runder Fußplatte, doch wird nun dieser
Typus des Fußes durch andere, die jetzt tonangebend wurden, durchaus in den
Hintergrund gedrängt, zumal durch die mehrseitige und die am Rand in drei
oder mehr Pässe aufgelöste Fußplatte. So vollzog sich, was in Italien schon im
i4- Jahrhundert Brauch und Regel geworden war, im i5. auch außerhalb Ita-
liens, soweit hier nicht etwa bereits im ik-, wie etwa in Spanien infolge vorbild-
lichen Einflusses der italienischen Kelche der Typus der ruuden Fußplatte hin-
ter einem andern hatte zurücktreten müssen.
Die mehrseitige Fußplatte tritt in zwei Untertypen auf. Bei dem einen sind
ihre Seiten leicht nach innen gekrümmt, bei dem andern dagegen gerade.
Beide Untertypen kommen schon im ilx. Jahrhundert vor, wenngleich nur erst vereinzelt.
Beispiele des ersten bieten aus diesem ein Kelch zu Hamstall Ridware (Staffordsh) in Eng-
land, (308) ein Kelch zu Bellpuig de les Avellanes in Katalonien, ein Kelch zu Wallendorf
in Siebenbürgen, ein von KarlV. von Frankreich (f i38o) gestifteter Kelch zu St-Denis,
den wir leider nur mehr durch eine Abbildung kennen, (309) sowie zwei Kelche im Schnüt-
genmuseum zu Köln. (310) Bei den beiden letzteren ist die Fußplatte achtseitig, bei den
übrigen ist bzw. war sie sechsseitig. Es sind nur wenige Beispiele. Alle entstanden erst im
späten i!x. Jahrhundert, Unter den Kelchen, die sich aus der früheren Zeit desselben ,er-
(308) Jackson I, 183. (309) Mich. Felibien, Histoire de l'abbaye de St-Denys (Paria
1706), Tfl. IV. (310) Witte, Tfl. 3.
BRAUS, DAS CHRISTLICHE ALTARGERÄT 8
114 VASA SACRA. ERSTEH ABSCHNITT. DER KELCH
halten haben, findet sich kein Kelch mit mehrseitiger Fußplatte des ersten Untertypus. Wir
werden daher wohl nicht fehlgehen, wenn wir das Auftreten des letzteren in die zweite
Hälfte des i '\. Jahrhunderts setzen.
Eine größere Verbreitung erlangten die Kelche mit mehrseitiger Fußplatte des ersten
Untertypus im i5. Jahrhundert. Kelche dieser Art mit sechsseitiger Fußplatte haben sich
aus ihm in Deutschland beispielsweise erhalten im Dom zu Minden, in der Petri- und
Höhenkirche zu Soest, in der Nikolaikirche zu Rostock, in der Stadtkirche zu Malchow in
Mecklenburg-Schwerin, im Schnütgcnmuseum zu Köln u.a. In Spanien begegneten mir
zwei Kelche der gleichen Art aus dem 15. Jahrhundert im Bischöflichen Museum zu Vieh.
Beliebt müssen damals Kelche mit sechsseitiger Fußplatte des ersten Untertypus besonders
in England gewesen sein. Zeigt doch von den Kelchen englischen Ursprunges, die noch aus
dem i5. Jahrhundert vorhanden sind, bemerkenswerterweise die Mehrzahl eine Fußplatte
eben dieser Form, so drei Kelche im Viktoria-und-Albert-Museum zu London, ein Kelch
zu Goathland (York), Nettlecombe (Somerset), Hornby (Lancaster), Bacton und Leominster
(Herford), Angleforth (York) und Little Farringdon (Oxford). (311) Häufig entstanden im
i5. Jahrhundert auch Kelche mit achtseitiger Fußplatte des ersten Untertypus. So gibt es
deren noch zu Fernyhalgh (Lancaster), (312) zu Bocholt, Meschede, in der Wiesen- {Ta-
fel 19) und Marienkirche (Tafel 3i) zu Soest, zu Niedersalwey (Kr. Meschede) sowie zu
Lippstadt (Jakobikirche) in Westfalen, auf Föhr in Schleswig-Holstein (Nikolaikirche), in
der Abtei Marienstatt im Wresterwald, im Schnütgenmuscum zu Köln u. a. Von der gleichen
Art ist auch ein von Jackson veröffentlichter irischer Kelch aus dem Jahre x4o,4. (313) Ein
Kelch mit Fußplatte des ersten Untertypus, der nur fünf Seiten aufweist, befindet sich in
der Pfarrkirche zu Schwaan in Mecklenburg-Schwerin; (314) zehn nach innen gekrümmte
Seiten zeigt die Fußplatte eines Kelches zu Nienstedten in Schleswig-Holstein, (315) zwölf
die eines Kelches zu Neumark in Westpreußen (Tafel 26).
Die mittelalterlichen Kelche mit mehrseitiger Fußplatte, deren Seiten geradlinig ver-
laufen, also mit Fußplatte des zweiten Untertypus, zeigen, soweit solche mir bekannt ge-
worden sind, fast alle eine sechsseitige Fußplatte, keiner eine achtseitige. Der älteste der-
selben ist der Kelemankelch im Dom zu Osnabrück (Tafel 17). Er bekundet, daß der Typus
schon der ersten Hälfte des i!\. Jahrhunderts nicht mehr fremd war. Alle anderen Kelche
der gleichen Art gehören jedoch erst dem i5. Jahrhundert, wie z. B. ein Kelch in St. Maria
im Kapitol zu Köln, im Dom zu Minden (Tafel 3o), in der Nikolaikirche zu Greifenhagen
in Pommern, welch letzterer laut Inschrift 1/189 angefertigt wurde, (316) in der Kirche zu
Roggow in Pommern (317) sowie ein italienischer Kelch im Schnütgenmuscum zu Köln,
der bekundet, daß es auch in Italien damals Kelche mit sechsseitiger Fußplatte des zweiten
Untertypus gab. Besonders zahlreich sind die Kelche dieser Art in Mecklenburg-Schwerin.
Sie stellen einen so erheblichen Bruchteil aller noch vorhandenen mittelalterlichen meck-
lenburgischen Kelche dar, daß sie als einer der Haupttypen derselben bezeichnet werden
müssen. Es finden sich ihrer z. B. zu Neukloster, Lichtenhagen, Rostock (Petrikirche),
Wismar (St. Jürgen), Hornstorf, Lübow. Bei mehreren dieser Kelche umgibt nicht nur den
Fuß unten ein breiter Horizontalrand, es sind auch dessen Ecken mit einem zylinderförmi-
gen, oben mit einem Blatt verzierten Ansatz ausgestattet, eine eigenartige Erscheinung, so
Bei einem Kelch zu Warsow, Camin, Güstrow, Woserin, Proseken (Tafel 28) sowie bei je
zwei Kelchen in St. Nikolai und St. Jürgen zu Wismar. Noch im Verlauf des 16. und im
Beginn des 17. Jahrhunderts entstanden in Mecklenburg verschiedene Kelche der einen wie
der andern Art, so zu Gressow (i55& und 1^57), Holzendorf (16. Jahrhundert), Prestin
(i58o) und Möllenbeck (1606). In St. Nikolai zu Wismar gibt es deren sogar zwei, die erst
den Jahren i632 und 1657 entstammen; ein Zeichen, welche Beliebtheit dieser Fußplatten-
typus im Mecklenburgischen erlangt und wie sehr er sich daselbst eingebürgert hatte. Von
(311) Jackson I, 1281; 337 f. (312) Ebd. 341. (313) Ebd. 340.
(314) Kd. von Mecklenburg-Schwerin IV, 14. (315) Kd. von Schleswig-Holstein II, 659.
(316) Kd. von Pommern, Reg. Stettin, Kr. Greifenhagen, 51. F,in Beispiel aus Schweden
bietet der Kelch zu Vetra in östergötland. (317) Ebd. Kr. Regenwalde, 100.
VIERTES KAPITEL. FORM. III. DER HENKELLOSE KELCH 115
Mecklenburg aus verbreitete er sich in das anstoßende Westpommera, wie noch heute
manche Kelche bekunden, die sich in dortigen Kirchen erhalten haben, wie zu Stralsund
(Marienkirche), Schaprode, Nossendorf, Richtenberg, Sassen, Behrenhof, Pinnow, Schlem-
min u. a. Ausnahmsweise fünfseitig ist ein Kelch in der Jakobikirche zu Greifswald. (318)
Zylinderförmige Ansätze an den sechs Ecken des Fußes zeigt ein Kelch zu Poseritz auf
Rügen von i48g. Aus dem benachbarten Mecklenburg stammt auch wohl ein Kelch mit
sechsseitiger Fußplatte des zweiten Untertypus in der Lambertikirche zu Lüneburg, der laut
Inschrift 1698 angefertigt wurde.
Als Anlaß für die Umwandlung der runden Kelchfußplatte in eine mehr-
seitige hat man den im Mittelalter hier und dort bestehenden Brauch bezeich-
net, den Kelch nach dem Genuß des Weines, der nach der Kommunion zur Ab-
lution des Kelches in diesen gegossen worden war, so umzulegen, daß seine
Kuppa auf der Patene ruhte. Die Erklärung erscheint bei oberflächlicher Be-
trachtung ansprechend und annehmbar, in Wirklichkeit ist sie das jedoch nicht.
Denn erstens vollzieht sich jene Umwandlung erst im ii. Jahrhundert, jener Brauch
aber bestand bereits zwei Jahrhunderte früher, da schon die Usus ordinis Cistercien-
sium (319) sich veranlaßt sahen, ihn zu verbieten. Im i3. Jahrhundert aber bezeugen ihn
bereits ein mitlndutussacerdosplaneta beginnender Meßordo, der sich in verschiedenen Mis-
salien des späteren Mittelalters findet und auch noch in gedruckte Missalien des 16. Jahr-
hunderts überging, (320) sowie Durandus, nach dem er symbolisieren sollte, daß Christus aus
dem Grabe erstand und dieses darum leer war. (321) Zweitens war der Brauch niemals all-
gemein, ja nicht einmal zu irgend einer Zeit weit verbreitet; er war vielmehr örtlich sehr
beschränkt, während doch die sechsseitige Fußplatte seit dem späten i/{. Jahrhundert sich
weithin beim Kelch einbürgerte und zwar auch an Orten, wo das Bestehen des Brauches für
jene Zeit durch nichts sich nachweisen läßt. Daß aber dieser keine große Verbreitung ge-
habt, steht außer Zweifel. Es sind nur wenige Missalien des i£. und i5. Jahrhunderts, die
ihn kennen und nicht anders verhält es sich mit den Bildwerken aus dieser Zeit, welche die
Feier der Messe wiedergeben. Aus dem ii. Jahrhundert ist mir keines bekannt geworden,
aus dem i5. nur eines, eine Miniatur des Gundekarpontifikales zu Eichstätt aus dem Jahre
i4o6, auf der aber der auf ihr dargestellte, mit der Kuppa auf der Patene liegende Kelch
bemerkenswerterweise keinen mehrseitigen, sondern einen runden Fuß aufweist. Ausdrück-
lich sagt Durandus, daß lediglich gewisse, also nicht viele, den Kelch nach dem Genuß der
Ablution umkippten. (322) Drittens bestand kein Grund, jenem Brauch zulieb die Form
des Fußes des Kelches zu ändern. Auch wenn dieser rund war, bot es, wie ein Versuch be-
weist, weder Schwierigkeit noch Unzuträglichkeiten, den Kelch auf die Patene umzulegen.
Es war darum keineswegs vonnöten, ihm zu diesem Ende einen mehrseitigen Fuß zu geben.
Andernfalls wäre ja auch dieser Fußtypus sicher nicht erst im i£. Jahrhundert, sondern
bereits weit früher auf den Plan getreten.
Was im i&. Jahrhundert dazu führte, dem Fuß des Kelches die Form eines Sechsseits zu
geben, war das Bestreben, ihn reicher, zierlicher, bewegter zu gestalten; ein Bestreben, das
in Italien, wo nach den zahlreichen italienischen Missalien des i<5. und i5. Jahrhunderts zu
urteilen der Brauch, den Kelch nach der Ablution auf die Patene umzukippen, kaum be-
standen hat, (323) schon im frühen ifi. Jahrhundert dazu führte, der Fußplatte des Kel-
ches die Form eines Sechspasses mit spitzen Zacken in den Winkeln zwischen den Pässen zu
(318) Prüfer, Archiv II (1876) 55. (319) C 53 (M. 166,1427): Quo hausto ponit illum (ca-
licem) non reclinatum super altare iuxta patenam. Similiter nee ad missas privatas reclmetur.
(320) Vgl. Legg 188 nach einem Druck von 1507. (321) Rationale 1. 4, c. 55, n. 2.
(322) L. c. Ad hoc quidam hausta purificatione inclinant calicem.
(323) Vgl. die zahlreichen, von Ebner im Iter italicum beschriebenen italienischen Mis-
salien des 14. und 15. Jahrhunderts, von denen nur drei den Meßordo Indutus saeerdos pla-
neta enthalten sowie den Meßordo im 14. der römischen Ordines Mabillons c.53 (M. 78,1168).
116 VASA SACRA. ERSTER ABSCHNITT. DER KELCH
Weit größere Bedeutung als die mehrseitige Fußplatte hatte für die Verdrän-
gung der runden der Typus der am Rand in Pässe aufgelösten. Wie schon ge-
sagt wurde, lassen sich auch bei ihm zwei Untertypen unterscheiden. Bei dem
ersten schließen sich die Pässe unmittelbar aneinander an, bei dem zweiten ist
zwischen sie ein sie scheidendes Zwischenstück eingeschoben.
Kelche mit Fußplatte des ersten Untertypus entstanden schon in der ersten
Hälfte und um die Mitte des ik- Jahrhunderts. Beispiele bieten ein Kelch zu
Ludwigslust in Mecklenburg von etwa i3io, der zwar aus Schweden stammt,
wahrscheinlich aber französischer Herkunft ist, ein Kelch französischen Ur-
sprungs im Nationalmuseum zu Kopenhagen, ein aus der Sammlung Spitzer
stammender spanischer Kelch in der Sammlung des Louvre zu Paris sowie ein
Kelch in der Nikolaikirche zu Nordhausen, der laut Inschrift am Nodus i35i
angefertigt wurde. (324) Dem späten i&. Jahrhundert gehört ein Kelch zu
Longares bei Saragossa mit Fußplatte des ersten Untertypus an, dem ausgehen-
den i4. oder beginnenden i5. je ein gleichartiger Kelch zu Gardelegen (325)
und Bleicherode (Tafel a3) (326) in der Provinz Sachsen, der Frühe des iö.
ein Kelch mit Fußplatte des Typus zu Werdau in Sachsen (Tafel a3). Im gan-
zen weisen nur wenige der Kelche, die sich aus dem i4- Jahrhundert erhalten
haben, eine Fußplatte des ersten Untertypus auf, doch werden der Kelche dieser
Art damals zweifellos mehr entstanden sein. Auf alle Fälle bekundet, was an
solchen Kelchen noch vorhanden ist, daß dieser Fußplattentypus sich bis in die
erste Hälfte des i4. Jahrhunderts zurückverfolgen läßt und daß er schon da-
mals nicht bloß in Deutschland, sondern auch in Frankreich und Spanien bei
Kelchen zur Anwendung kam.
Aus dem i5. und dem frühen 16. Jahrhundert hat sich eine außerordentlich
große Zahl von Kelchen mit Fußplatte des ersten Untertypus erhalten. In
Deutschland wurde dieser seit der Mitte des i5. Jahrhunderts, besonders aber
im letzten Viertel desselben geradezu für die Fußplatte neuer Kelche die vor-
herrschende Form und nicht anders verhielt es sich in Polen, Ungarn, Schwe-
den und den Niederlanden. In England kam er seit etwa der Wende des
i5. Jahrhunderts zur Herrschaft. Als Beispiele englischer Kelche aus dieser
Zeit, deren Fußplatte ihn zeigt, seien genannt ein goldener Kelch im Corpus*
Christi-Kolleg zu Oxford, von 1507/8, ein Kelch zu Leyland (Lancaster) von
i5i8, zwei in englischem Privatbesitz befindliche von Jackson veröffentlichte
Kelche von i5i5 und i5a5 (327) sowie ein englischer Kelch im Viktoria-und-
Albert-Museum zu London. (328) Welche Verbreitung er in Frankreich gewann,
läßt sich bei der sehr geringen Zahl der spätmittelalterlichen Kelche, die sich
dort erhalten haben, nicht sagen. Als Beispiele französischer Kelche aus der
ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts, deren Fußplatte ihn aufweist, seien ge-
nannt ein Kelch im Hospiz zu Limoges, ein gleichartiger Kelch französischer
Herkunft im Dom zu Solothurn, ein Kelch im Couvent du Refuge zu Tours, ein
Kelch französischen Ursprungs im Viktoria-und-Albert-Museum (329) sowie
{324) Kd. der Prov. Sachsen, Stadt Nordhausen, 133. (325) Ebd. Kr. Gardelegen, 75.
(326) Ebd. Kr. Hohenstein, 33. (327) Jacksok I, 152f. (328) Catalogue oi chalices,
Tfl 21 n. 39. (329) Ebd. Til. 23, n. 48.
VIERTES KAPITEL. FORM. III. DER HENKELLOSE KELCH 117
ein französischer Kelch im Besitz der Stadt Attendorn (Tafel 34). In Italien
erlangte der Typus nie größere Bedeutung, auch nicht im späten i5. Jahrhun-
dert. Zwar entstanden auch dort.Kelche, deren Fußplatte ihn zeigte. Ein Kelch
dieser Art in S. Nicola zu Bari, in S. Marco zu Venedig, in der Abteikirche zu
Gasa Mari bei Veroli (Tafel 29), im Dom zu Monza (Tafel 29), drei italienische
Kelche im Schnütgenmuseum zu Köln (330) sowie zwei italienische Kelche im
Viktoria-und-Albert-Museum zu London (Tafel 28) (331) bekunden das. Eine
größere Bedeutung aber erlangte der erste Untertypus in Italien nicht; hier war
der zweite Untertypus herrschend. Ähnlich wie in Italien verhielt es sich in
Spanien und Portugal. Auch hier bevorzugte man noch im ausgehenden i5.
und im frühen 16. Jahrhundert den zweiten Untertypus. Mehrere spätgotische
Kelche mit Fußplatte des ersten finden sich im Bischöflichen Museum zu Vieh,
andere in der Pfarrkirche zu Mumiesa (Tafel 20) in der Provinz Teruel, im
Museo de arte antija zu Lissabon und im Museo de arte religiosa zu Goimbra.
Die den ersten Untertypiis aufweisende Fußplatte ist in der Regel seclispaßförmig. Drei-
und vierpaß form ige sind seltene Ausnahmen. Nur dreipaßförmig ist beispielsweise die Fuß-
platte eines spätgotischen, erst dem frühen 16. Jahrhundert entstammenden Kelches im
Schloßmuseum zu Berlin, der auch insofern bemerkenswert ist, als Schaft, Nodos und Korb
derKuppa die Fortsetzung der Weinranken bilden, mit denen der Fuß ornamentiert ist. (332)
Vierpaßförmig ist die Fußplatte eines Kelches zu Kloster Neuendorf in Sachsen. (333) Häu-
figer kommen Kelche mit acktpaßförmiger Fußplatte vor. Die acht Pässe sind entweder alle
gleich oder es wechselt je ein breiterer mit je einem schmäleren ab. Das erstere ist das Ge-
wöhnlichere. Beispiele bieten Kelche mit aehtp aß förmiger Fußplatte dieser Art in der
Pfarrkirche zu Anröchte und zu Werne in Westfalen, in der Maria-IIimmelfahrts-Kirche zu
Köln, im Schnütgenmuseum daselbst, in der Münsterkirche zu Einbeck in Hannover, zu Col-
mnitz in Sachsen, zu Wittenburg in Mecklenburg-Schwerin, die vorhin genannten französi-
schen Kelche zu Limoges, Tours, Solothurn und Attendorn u.a. Breitere und schmälere
Pässe wechseln beispielsweise bei der Fußplatte eines Kelches zu Perlin und Varchentin in
Mecklenburg-Schwerin. (334) Eine zwölf paß förmige Fußplatte zeigt ein Kelch im Museo
de arte antija zu Lissabon.
Ihrer Form nach sind die Pässe der Fußplatten des ersten Untertypus in der Begel rund,
doch gibt es auch Kelche, bei denen dieselben kielbogig sind. Ein frühes Beispiel bietet
der aus der ehemaligen Sammlung Spitzer in die des Louvre übergegangene spanische
Kelch (Tafel 17). Aus dem i5. Jahrhundert gibt es Kelche, deren Fußplatten kielbogige
Pässe aufweisen, zu Allendorf in Westfalen, in der Marienkirche zu Soest, in der Nikolai-
kirche zu Stralsund, sowie zu Lüssow und in der Marienkirche zu Stolp in Pommern, (335)
aus dem Beginn des 16. Jahrhunderts im Trinity-College zu Oxford und zu Wylye (YVilt)
in England. (336) Kielbogenförmig sind auch die Pässe der Fußplatte eines Kelches zu
Mumiesa (Provinz Teruel), doch sind sie hier durch einen halb kreis förmigen Ausschnitt
von einander geschieden (Tafel 20). Abgestumpft ist die Spitze der kielbogigen Pässe der
Fußplatte eines um r5oo entstandenen Kelches im Historischen Museum zu Frankfurt a. M.
Durch einen halbkreisförmigen Ausschnitt ist sie beseitigt bei den gleichartigen Pässen
der Fußplatte des Kelches zu Longares (Tafel 18) sowie des mit Passionsdarstellungen in
durchsichtigem Email auf dem Fuß geschmückten Kelches französischen Ursprungs im Natio-
(330) Witte, TU. 10. (331) Catalogue of chalices, Tfl. 13,n. 21; Tfl. 19, n. 20.
(332) Abb. bei M. CaeUTZ und G. Iaer, Gesch. der Metallkunst II (Stuttgart 1909), 262.
(333) Kd. von Sachsen XX, 116.
(334) Vgl. bezüglich dieser und der vorgenannten Kelche die betreffenden Denkmäler-
statistiken, bezüglich des Kelches des Schniitgenmuscums Witte, TEL 6.
(335) Vgl. die betreffenden Denkmälerstatistiken. (336) Jackson I, 159.
118 VASA SACRA. ERSTER ABSCHNITT. DER KELCH
Nächst Italien fand der zweite Untertypus seine größte Verbreitung bei der
Fußplatte des Kelches in Spanien und Portugal, in Spanien wohl als Import
(337) M. Mackepra>g, Vases sacres emailles d'origine francaise du 14 siede (Kopen-
hagen 1921). (338) Kd. von Mecklenburg-Schwerin III, 247 mit Abb.
VIERTES KAPITEL. FORM. III. DER HENKELLOSE KELCH 119
profiliert. Irgend eine Regel laßt sich für die Form ihrer Profilierung weder
nach Ort noch nach Zeit feststellen. Am gewöhnlichsten verläuft sie senkrecht.
Schräg oder gekehlt erscheint sie fast nur bei Kelchen aus dem späten i5. und
dem frühen 16. Jahrhundert. Beliebt war es, sie oben und unten oder doch we-
nigstens unten mit einem mehr oder weniger vorspringenden Leistchen auszu-
statten, bei den italienischen Kelchen aber gliederte man aus dekorativen Rück-
sichten die Zarge gern von oben bis unten, indem man dabei das untere Rand-
leistchen verstärkte, damit es kräftiger hervortrete. Den Zwischenraum zwischen
den beiden Randleistchen belebte man gern mit einem gestanzten, gepunzten,
ziselierten Ornament, besonders häufig aber mit einem aus durchbrochenen
Dreipässen, Rauten und Vierpässen, aus durchbrochenen Fischblasen sowie
auch wohl aus einer Folge von Miniaturarkaden sich zusammensetzenden Fries,
ausgenommen in Italien, wo man im Interesse einer reicheren Gliederung des
Hochrandes auf Anbringung eines solchen durchbrochenen Frieses an dem-
selben meist verzichtete. Durchbrochenes Rankenwerk kommt als Füllung des
Zwischenraumes zwischen den Randleisten erst bei spätgotischen Kelchen aus
der zweiten Hälfte des x5. und der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts vor, in-
dessen sind Kelche mit durchbrochenem Rankenfries an der Zarge selbst in
dieser Zeit keineswegs sehr häufig. Als Beispiele seien genannt ein Kelch in der
Stiftskirche zu Kaiserswerth (Tafel 17), ein Kelch zu Marienwerder (Tafel 20),
ein Kelch zu Proseken (Tafel 28) und der ihm gleichartige Kelch in St. Jürgen
zu Wismar, ein Kelch in der Marienkirche zu Wismar, ein am Fuß, am Nodus
und an der Kuppa mit Rankenwerk überzogener Prachtkelch in der Ulrichs-
kirche zu Braunschweig (Tafel 27), Kelche im Dom zu Krakau (Tafel 26), ein
Kelch im Dom zu Gran (Tafel 27) u. a.
Zu dem unteren Randleistchen der Fußplatte gesellt sich im i5. Jahrhundert
häufig ein mehr oder weniger breiter Horizontalrand. Bei Kelchen des i4- Jahr-
hunderts begegnet er uns noch nicht oder doch erst in seinen Anfängen; bei den
italienischen Kelchen hat er sich bis zum Ende des i5. Jahrhunderts nie einge-
bürgert, höchstens daß man bei ihnen die untere Randleiste etwas stärker vor-
treten ließ. Erst dann entstehen vereinzelt auch italienische Kelche mit Hori-
zontalrand unten an der Fußplatte. Daß dieser auch bei spätgotischen flämi-
schen Kelchen an ihr zur Anwendung kam, zeigen einige Kelche flämischer
Herkunft im Viktoria-und-Albert-Museum zu London. (347) Beispiele spani-
scher Kelche des 15. Jahrhunderts mit Horizontalrand am Fuß bieten die Kelche
zu Alborga und Mumiesa (Tafel 20), Beispiele schwedischer Kelche aus Vis-
borg, Hagby und Misterhult im Historischen Museum zu Stockholm, ein Kelch
zu Norra Kedum u. a.
Aus dem Horizontalrand wurde um das Ende des i5. Jahrhunderts eine zweite
untere Zarge, die indessen abweichend von der oberen stets abgeschrägt oder
gekehlt erscheint. Kelche, die auf diese Weise eine aus zwei Stufen bestehende
Fußplatte erhalten haben, sind sehr zahlreich, besonders in Mittel- und Ost-
deutschland, in Polen und Ungarn. Weniger gibt es deren im Norden Deutsch-
lands, wie in Mecklenburg und Brandenburg, sowie im Westen, in Rheinland
(S477Catalogue of chalices Tfl, 11, n. 14,15; Tfl. 12. n. 17; TU. 15, n. 16, 47.
122 VASA SACRA. ERSTER ABSCHNITT. DER KELCH
die mit ihr sich zu betätigen beginnt, um dann im Barock ihren Höhepunkt zu erreichen.
Übrigens bleibt auch bei Kelchen mit doppelstufiger Fußplatte die obere Zarge die Haupt-
stufe, weshalb für gewöhnlich, wenngleich nicht ausnahmslos, auch nur sie ornamentiert
zu werden pflegt, Ist sie die Basis der Fußplatte, so kann die untere Stufe als der Sockel
derselben bezeichnet werden.
Die zweistufige Fußplatte findet sich nur bei spätmittelalterlichen Kelchen, deren Fuß-
platte am Bande in Pässe aufgelöst ist und zwar fast ausschließlich bei sechspaßförmigen
Fußplatten des ersten Untertypus dieser Fußplattenart. Da die untere Stufe bei denselben
konzentrisch zur oberen verläuft, zeigen die Winkel zwischen den Pässen leicht eine zu
große Tiefe. Um diese zu verdecken und für das Auge weniger merkbar zu machen, hat
man bisweilen die Winkel mit einer Rosette, mit Blattwerk oder einem Wappen gefüllt
(Tafel ai, 25, 26, 27). Eine eigenartige Füllung zeigen sie bei einem Prachtkelch im Dom
zu Gran. Dieselbe besteht hier aus miniaturartigen, Statuettchen enthaltenden Giebelbauten,
dio bis zum Rande der unteren Stufe vortreten (Tafel 27). Ein gutes Beispiel eines Kel-
ches mit sechspaßförmiger zweistufiger Fußplatte des zweiten Untertypus bietet ein Kelch
in der Kathedrale zu Braga (Tafel 21), ein anderes ein Kelch im Museum zu Lissabon, bei
dem die untere Stufe wulstförmig profiliert erscheint.
In der Regel verlaufen die obere und die untere Stufe konzentrisch, das Gegenteil ist
Ausnahme. Als Beispiel sei genannt ein Kelch in der evangelischen Kirche zu Isny in Würt-
temberg, bei dem die obere sechspaß förmig, die untere dagegen rund ist (Bild 9).
Das Motiv der doppelstufigen Fußplatte verschwindet um die Mitte des 16. Jahrhunderts
keineswegs vom Plan, es behauptet sich auch noch lange in der Folgezeit, und zwar nicht
bloß bei vielen noch gotisierenden Kelchen des späten 16. und des 17. Jahrhunderts, son-
dern auch, wenngleich entsprechend umgebildet, bei Kelchen der Renaissance und des Ba-
rocks.
Der Hals des Fußes entspricht nach seiner Form bei den Kelchen des i4-, i5.
und frühen 16. Jahrhunderts in der Regel der Form der Fußplatte. Ist diese
rund, so ist es auch der Fußhals; ist sie mehrseitig oder mehrpassig, so ist auch
er mehrseitig. Sind die Pässe der Fußplatte durch Zwischenstücke getrennt,
wie z. B. bei den italienischen Kelchen, so bestimmt die Zahl der Pässe die Zahl
der Seiten des Halses. Nicht immer richtet sich indessen die Form des Halses
nach der der Fußplatte. Es ist auch wohl der Fall, daß jener rund ist, dieser
polygonal oder mehrpassig und umgekehrt, jener mehrseitig, dieser rund, doch
ist das nicht das Gewöhnliche. Nie kommt bei den vielen noch erhaltenen italie-
nischen Kelchen ein solcher Wechsel der Form vor. Für sie ist die ausnahms-
lose formale Übereinstimmung von Fußplatte und Fußhals geradezu charak-
teristisch.
Den Fußhals ließ man bald schon am Rande der Fußplatte beginnen, bald, und zwar
wenn auch nicht ausschließlich, so doch besonders dann, wenn man oben auf der Fußplatte
eine das Anbringen von Bildwerk erleichternde, möglichst ausgedelinte Fläche schaffen
wollte, wie namentlich z. B. bei den italienischen Kelchen, erst in größerer oder geringerer
Entfernung vom Rande. In diesem Falle wächst er entweder allmählich in einer Krüm-
mung aus der Oberfläche der Fußplatte heraus oder er steigt, mit ihr einen förmlichen
Knick bildend, aus ihr heraus (Tafel 2/1). Die erste Weise ist die zierlichere, gefälligere
und darum auch die beliebteste und gewöhnlichste. Die zweite läßt einen organischen Zu-
sammenhang zwischen Fußplatte und Fußhals vermissen, der bei ihr nicht sowohl als das,
was er sein sollte, als ein mit der Fußplatte innerlich verwachsener Bestandteil des Fußes,
sondern als etwas der Platte lediglich äußerlich Aufgepfropftes erscheint.
Im Profil erscheint der Fußhals in der Regel mehr oder weniger nach innen gekrümmt
Bildungen, bei denen er einen geradseitigen Kegel oder eine geradseitige polygonale Pyra-
124 VASA SACRA. ERSTER ABSCHNITT. DER KELCH
mide darstellt, sind nicht häufig. Sic finden sich besonders da, wo der Fußhals in einem
Knick von der Fußplatte aufsteigt. Nie begegnen sie uns bei den spätgotischen italienischen
Kelchen.
Um das obere Ende des Fußhalses legt sich bei Kelchen aus dem ausgehenden i5. und
dem frühen 16. Jahrhundert bisweilen als bekrönender Abschluß ein aus einer Folge zacki-
ger Blätter oder Lilien bestehender Hängekamin. Es sind vornehmlich Kelche deutschen
Ursprungs, die ihn aufweisen. Kelche, die einen solchen Hängekamm oben am Fußhals
zeigen, gibt es beispielsweise in St. Gereon zu Köln, im Dom zu Paderborn, in der Mün-
sterkirche zu Herford, zu Härtensdorf, Colmnitz und Colditz in Sachsen, zu Schleiz und
Frisau in Thüringen, zu Großkochberg in Sachsen-Meiningen, zu Lärz in Mecklenburg-
Schwerin, zu Marienwerder (Tafel 25) und Löbau (Tafel 24) in Westpreußen u. a. Bei einem
Kelch zu Fraustadt im Posenschen (Tafel 26) schließt den Fußhals ein Kranz von Balda-
chinchen ab, und ebenso verhält es sich bei einem Prachtkelch im Dom zu Preßburg; bei
einem Kelch im Dom zu Gran (Tafel 27) umgibt sein oberes Ende ein Kranz von zierlichen
Nischen, die Halbfiguren enthalten. Es sind das alles spätgotische Kelche aus dem Ende des
i5. und der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts.
In Belgien haben sich spätgotische Kelche, die oben um den Fußhals herum einen Hänge-
kamm zeigen, beispielsweise erhalten in St-Jacqnes zu Lüttich und in der erzbischöflichen
Hauskapellc zu Mecheln (Bild n). Sie bekunden, daß man auch dort wohl den Fußhals
der Kelche mit einem solchen ausstattete.
Es erübrigt noch, kurz einen Blick auf die Maßverhältnisse der Kelche der
Spätgotik zu werfen; denn auch in ihnen offenbart sich gegenüber den Kelchen
der vorausgehenden Zeit ein bemerkenswerter Wandel und eine zumal bei den
Kelchen der Spätzeit fast greifbar in die Erscheinung tretende Weiterentwick-
lung. Es sind besonders die deutschen Kelche des i/;., 10. und frühen 16. Jahr-
hunderts, an denen wir diese verfolgen können, nicht als ob in den außerdeut-
schen Ländern sie sich in minder sinnfälliger Weise vollzogen hätte, sondern
weil für die Feststellung des Wechsels in den Maßverhältnissen bei den deut-
schen Kelchen eine Fülle von Material vorliegt, während dieses für die anderen
Länder, von Italien abgesehen, sehr lückenhaft ist.
Am meisten fällt bei einem Vergleich der deutschen Kelche des i\., i5. und
frühen 16. Jahrhunderts der Wechsel auf, der sich hinsichtlich des Verhält-
nisses der Weite der Kuppa zur Hohe des Kelches im Verlauf dieser Zeit voll-
zieht. Es ist ein ganz anderes Bild, welches sie am Schluß dieser Periode zeigen,
als das, welches die dem i4- Jahrhundert entstammenden Kelche deutscher
Herkunft bieten. Bei den letzteren schwankt das Verhältnis der Kuppaweite zur
Höhe des Kelches zwischen 1 : l»/4, 1: VjB, 1:1% und 1: l1/2. Am gewöhnlich-
sten verhalten sich bei ihnen diese zueinander wie 1: 1*/Ä, doch ist auch ein
Verhältnis derselben von 1: l*/4 nicht selten. Weniger häufig zeigen sie ein
Verhältnis von 1 : iye und 1 : l2/6. Kelche des ik- Jahrhunderts, bei denen die
Höhe ls/5, 1% oder gar l3/i des Durchmessers der Kuppa beträgt, sind Aus-
nahmen. Bei den deutschen Kelchen des i5. Jahrhunderts verhält sich die
Kuppaweite zur Kelchhöhe nur mehr in vereinzelten Fällen wie 1: l1/2, häufi-
ger wie 1: l8/5 und 1 : ls/8, in der Regel aber stehen beide, zumal bei Kelchen
der Spätzeit des Jahrhunderts, zueinander in einem Verhältnis von 1: l3/*
oder l:l4/s» das sogar im ausgehenden i5.Jahrhundert und noch mehr im
frühen 16. auf 1: 2, ja auf 1: 21/i steigt, ein Verhältnis, das dann von den Kel-
VIERTES KAPITEL. FORM, III. DER HEXKELLOSE KELCH 125
chen der Renaissance nicht nur übernommen, sondern sogar noch weiter zu
Gunsten der Höhe des Kelches und zu Ungunsten des Kuppadurchmessers ent-
wickelt wird.
Das Verhältnis zwischen dem Durchmesser der Kuppa und der Höhe des Kel-
ches, das sich bei den deutschen Kelchen erst am Ausgang des iö. Jahrhunderts
als Endergebnis einer durch das i4- und i5. Jahrhundert sich hinziehenden
langsamen, aber stetigen Entwicklung herausbildet, begegnet uns bei den italie-
nischen Kelchen bereits um die Mitte des i£. Jahrhunderts. Auch kann kaum
bei ihnen von einem Entwicklungsprozeß, der jenes Verhältnis gezeitigt hätte,
die Rede sein. Verhalten sich doch schon bei dem von Nikolaus IV. gestifteten
Kelch zu Assisi aus dem Ende des i3. und einem der Kelche zu Perugia aus der
ersten Hälfte des i4. Jahrhunderts Kuppaweite und Höhe zueinander wie 1: l8/^-
Seit der zweiten Hälfte des i4. Jahrhunderts beträgt dann bis zum Einsetzen der
Renaissance die Höhe der italienischen Kelche andauernd das Doppelte des
Kuppadurchmessers, bisweilen sogar zwei und ein Viertel oder zwei und ein
Drittel, in einzelnen Fällen selbst zwei und zwei Drittel desselben.
Was sich an spanischen Kelchen aus dem i4- und io. Jahrhundert erhalten
hat, reicht nicht aus, um uns den Entwicklungsgang erkennen zu lassen, den in
Spanien bei dem Kelch das Verhältnis von Kuppaweite und Kelchhöhe zueinan-
der nahm. Immerhin läßt sich zur Genüge feststellen, daß er dort rascher ver-
lief als in Deutschland. Verhalten sich doch schon bei dem aus dem Ende des
ilx. Jahrhunderts stammenden Kelch zu Longares (Tafel 18), der den Stempel
von Zaragoza tragt, Durchmesser der Kuppa und Höhe des Kelcbes zueinander
wie 1: l4/5, bei dem stark italienisch beeinflußten, der gleichen Zeit angehören-
den Kelch zu Caspe, der die Marke von Avignon zeigt, sogar bereits wie 1:2;
ein Verhältnis von Kuppadurchmesser und Kelchhöhe, das auch der aus der
Sammlung Spitzer stammende Kelch im Louvre zeigt. Im Verhältnis von 1: l4/5
stehen beide zueinander bei dem Kelch zu Alborga (Prov. Saragossa) aus dem
zweiten Viertel des i5. Jahrhunderts, bei einem Kelch zu Mumiesa aus der glei-
chen Zeit aber erscheint das Verhältnis sogar schon auf 1: 2l/s gesteigert. Bei
Kelchen aus dem Ende des i5. und dem frühen 16. Jahrhundert, wie bei zwei
spanischen Kelchen im Viktoria-und-AIbert-Museum zu London, (350) einem
spanischen Kelch in englischem Privatbesitz (351) u. a., wie auch bei portu-
giesischen Kelchen der gleichen Zeit in der Kathedrale zu Braga und im Mu-
seum zu Coimbra beläuft sich die Höhe derselben auf das Zweiundeinhalbfache
des Durchmessers der Kuppa. Auffallend konservativ scheint man bis in die
erste Hälfte des 16. Jahrhunderts hinein in England gewesen zu sein. Verhalten
sich doch nicht nur bei englischen Kelchen aus der zweiten Hälfte des id. Jahr-
hunderts, sondern selbst noch bei solchen aus der ersten Hälfte des 16. deren
Höhe und die Weite ihrer Kuppa zueinander wie 1: l1/» und 1 : la/.B Ganz ver-
einzelt steht ein Kelch zu Fernyhalgh (Lancaster) da, dessen Höhe das Doppelte
des Kuppadurchmessers beträgt. (352) Um den Anfang des 16. Jahrhunderts
standen, etwa von England abgesehen, wohl allgemein die Höhe der Kelche und
der Durchmesser ihrer Kuppa im Verhältnis von etwa 1: l*/s oder 1:2 zueinander.
(350) Catalogue of chalices TfL 16, n. 27und28. (351) Jackson 1,343. (352) Jackson341,
126 VASA SACRA, ERSTER ABSCHNITT. DER KELCH
Der für das Gesamtbild der Kelche bedeutsame Wandel in dem zwischen ihrer Kuppa-
weite und ihrer Höhe bestehenden Verhältnis, infolgedessen sie leichter, schlanker erschei-
nen, energischer aufwärts streben, ist die Folge von Veränderungen, die mit der Kuppa,
dem Schaft und dem Fuß des Kelches im ii- und i5. Jahrhundert vor sich gingen. Die
Kuppa verlor an Weite, hier bei gleichbleibender, dort bei wechselnder Tiefe; so nament-
lich bei den italienischen Kelchen, deren Kuppa bisweilen eine Tiefe aufweist, die nur um
ein weniges geringer ist als deren Weite, aber auch bei Kelchen deutscher Herkunft, bei
denen namentlich im i5. Jahrhundert die Tiefe der Kuppa das Ein- bis Eineinhalbfache
des halben Durchmessers derselben darstellt. Schaft und Fuß aber nehmen nicht nur in sich
an Höhe zu, es kommt zu jenem oft auch noch ein zwischen ihn und den Fuß sich einschie-
bendes Zwischenstück und zu diesem, als eine Art Sockel, eine untere zweite, meist sehr
kräftig ausgebildete Zarge. Nicht immer wirkten freilich alle diese Umstände zusammen,
wie auch die Veränderungen, welche mit Kuppa, Schaft und Fuß vor sich gingen, nicht
überall im gleichen Schritt erfolgten. Sehr früh, schon in der ersten Hälfte des i4. Jahr-
hunderts, treten sie, wie schon gesagt wurde, bei den italienischen Kelchen auf, nur in
langsamem, aber nachhaltigem Umbildungsprozeß bei den Kelchen deutschen Ursprungs,
bei denen deshalb auch erst um das Ende des i5. Höhe und Kuppadurchmesser in einem
Maßverhältnis zueinander standen, wie es bei den italienischen Kelchen schon einundein-
halb Jahrhundert früher die Regel geworden war.
Ihren Grund hatten die Veränderungen, die mit Kuppa, Schaft und Fuß des Kelches und
damit zugleich mit dem für dessen Höhenwirkung so bedeutsamen Verhältnis von Kuppa-
durchmesser und Kelchhöhe im i!\., i5. und frühen 16. Jahrhundert vor sich gingen, eben-
sowenig in Wandlungen der Liturgie, wie die formale Umgestaltung, die um das Ende des
12. Jahrhunderts mit dem Kelche vor sich ging, eine Umgestaltung, deren Ergebnis dann
im i!\. durch einen neuen Umbildungsprozeß verdrängt wurde. Insbesondere wäre es durch-
aus verfehlt, wollte man das Aufgeben der für die Kelche des i3. Jahrhunderts kennzeich-
nenden Schalenform der Kuppa und die Wiedereinführung der Becherform mit dem Auf-
hören der Kommunion unter beiden Gestalten in Verbindung bringen, sie als deren Folge
ansehen. Becherform der Kuppa und Laienkelch haben miteinander nichts zu schaffen.
Wohl war bei einer größeren Zahl von Kommunizierenden ein Kelch mit einer entspre-
chend großen Kuppa erforderlich; was aber die Form anlangte, so konnte diese ebensowohl
becher- wie schalenförmig sein, wie denn auch zur Zeit, da die Kommunion unter beiden
Gestalten noch in voller Blüte stand, der Kuppa des Kelches nicht die Schalen-, sondern die
Becherform eigen zu sein pflegte. Der Umbildungsprozeß, der sich im i£. und i5. Jahr-
hundert mit der Form und den Maß Verhältnissen des Kelches vollzieht, ist lediglich eine
der Stufen in der formalen Entwicklung desselben; einer Entwicklung, die im Gegensatz
zur vorausgehenden Zeit, in der von einer solchen kaum etwas zu bemerken ist, im 12. Jahr-
hundert anhob, erst in der Zeit des Spätbarocks abschloß und auf jeder ihrer Stufen durch
die jeweils herrschende religiöse Kunst, deren Formensprache und den sie beseelenden
Geist in ihrer Richtung, ihrer Betätigung und ihren Auswirkungen bestimmt wurde. So ver-
hielt es sich auch im i"4. und i5. Jahrhundert unter der Herrschaft der späteren und spä-
testen Gotik. Die formale Beschaffenheit von Fuß, Schaft, Nodus und Kuppa der Kelche,
die damals entstanden, läßt das, wenn man letztere mit andern gleichzeitigen Schöpfungen
der Gotik, zumal den Werken der Goldschmiedekunst, vergleicht, in aller Klarheit zu Tage
treten.
Unter den Kelchen des 14. und i5. Jahrhunderts bilden die italienischen eine durch die
ihnen gemeinsamen Eigentümlichkeiten gekennzeichnete Sondergruppe, eine Gruppe, in der
zudem nicht nur die dem i.'t. Jahrhundert angehörenden Kelche, sondern auch noch die des
i5. formal wesentlich dasselbe Bild zeigen. Was die späteren von 6en früheren unterschei-
det, ist lediglich der Charakter des Ornaments, das bei den Kelchen des späteren i5. Jahr-
hunderts schon stark durch die Frührenaissance beeinflußt ist. Kennzeichnend für alle ist
die stets kegelförmige, im Verhältnis zur Weite meist sehr tiefe Kuppa, der niedrige, becher-
artige, nie einen Blätterkranz darstellende, oben geschweift oder zackig abschließende
VIERTES KAPITEL. FORM. III. DER HENKELLOSE KELCH 127
Kuppakorb, der nie fehlt, der gedrungene, oft schwere Schaft, ein nicht minder schwerer,
nicht selten geradezu plumper, bei allem Ornament lebloser Kodus, weiterhin ein Zwischen-
stück zwischen Schaft und Fuß und endlich ein gleicherweise bei frühen und späteren Kel-
chen sechs-, selten achtpaßförmiger, mit Zacken zwischen den Pässen versehener und hoher,
meist überreich profilierter Zarge ausgestatteter Fuß. Wenn es irgendwelche Kelche gibt,
die dem Beschauer auf den ersten Blick ihre Herkunft verraten, dann sind das die italieni-
schen Kelche des i.'i. und r5. Jahrhunderts.
Erste Gruppe. Sie umfaßt die gotisierenden Kelche. Als gotisierend dürfen
die ihr zugehörigen Kelche bezeichnet werden, weil sie bei allen Zugeständ-
nissen, die sie der Renaissance hinsichtlich ihrer ornamentalen Ausstattung
machen, formal bewußt und mit Absicht noch als Kelche von der Bildung spät-
gotischer Kelche gedacht und gewollt sind. Freilich ist es keine schöpferische
Gotik mehr, was uns in den Kelchen dieser Art entgegentritt. Es ist vielmehr
eine Gotik, die lediglich fortführt, was sie überkommen hat, also lediglich eine
traditionelle Gotik, ohne tieferes Verständnis für den Geist des Stiles und oft
genug ohne Sinn für fein abgewogene Verhältnisse, leichte, gefällige Linien-
führung und lebensvolle Formen. Die Kuppa hat in der Regel die Form eines
breitbodigen, nur mäßig nach oben zu sich erweiternden Bechers. Häufig sitzt
sie in einem oben mit einem Stäbchen und niedrigem Zackenkamm abschließen-
den, in der Sprache der Renaissance ornamentierten Korb. Der Schaft ist zu-
meist sechsseitig, seltener achtseitig oder rund. Am Nodus sind die Zapfen oft
durch flache rautenförmige Feldchen, durch Rosetten oder durch Engelsköpf-
chen ersetzt. Die den Nodus der spätgotischen Kelche oben und unten beleben-
den langgezogenen, mit Maßwerk verzierten Buckel sind zu kraft- und aus-
druckslosen flachen rundlichen (Tafel 3i und 3a) oder dreiseitigen Gebilden
geworden. Die Fußplatte ist in der Regel sechspaßförmig, seltener rund,
mehrseitig nur mehr vereinzelt, ausgenommen in Mecklenburg, wo noch im
17. Jahrhundert manche gotisierende Kelche mit mehrseitiger Fußplatte ent-
standen. (353) Zacken zwischen den Pässen weist ein Kelch in der Stadtkirche
zu Bützow in Mecklenburg-Schwerin auf (Tafel 32), häufiger kommen solche
noch zwischen den Pässen am Fuß gotisierender italienischer Kelche vor. Der
Fuß ist nicht selten übermäßig hoch, auch wenn er nicht zweistufig ist, wie das
gewöhnlich der Fall ist. Mit dem Schaft steht er nicht immer in organischem
Zusammenhang. Die Höhe der Kelche beträgt regelmäßig wenigstens das Dop-
pelte des Durchmessers der Kuppa. Das Ornament, mit dem Fuß, Schaft, Nodus
und Kuppakorb ausgestattet sind, ist bald ein Gemisch von Renaissance- und
mehr oder weniger entarteten gotischen Motiven (Tafel a5, 3i, 3a), bald aus-
schließlich der Renaissance entnommen (Tafel 3i, 3a, 33).
Am frühesten begegnen uns Kelche der ersten Gruppe in Italien; finden sich daselbst
doch deren bereits in der zweiten Hälfte des i5. Jahrhunderts, wenn nicht bereits früher,
was allerdings bei der Bedeutung, welche die Renaissance dort für alle Gebiete des künst-
lerischen Schaffens schon damals erlangt hatte, nicht Wunder nehmen kann. Eher könnte
auffallen, daß ihr Einfluß beim Kelch zunächst nur erst in einem Wandel des Orna-
ments, nicht aber auch alsbald in einer Umbildung seiner Form sich äußerte. Gotisierende
Kelche entstanden in MittelOiorditah'en bis tief in das 16. Jahrhundert hinein. Ein sehr be-
merkenswertes Beispiel aus dieser Zeit im Dom zu Nocera (Prov. Perugia) hat nicht nur
einen Fuß und eine Kuppa von ganz der herkömmlichen Bildung, er ist sogar noch mit
einem tempiettoartigen, wenn auch in die Formen der Renaissance gekleideten Nodus aus-
gestattet (Bild n).
Ungemein viele gotisierende Kelche wurden in Deutschland geschaffen. Es haben sich
deren hier noch allenthalben erhalten, im Westen wie im Osten, im Norden wie im Süden,
besonders aber in Pommern, Mecklenburg (Tafel 3a), Braunschweig, Brandenburg, Thürin-
~~yzma
geii, Schlesien (Tafel3i und 3a), Sachsen (Freist.), Württemberg (Tafel 3a), Bayern, West-
preußen (Tafel 3i) und Ostpreußen (Tafel 33). Auch in Ungarn und Siebenbürgen gibt
es noch eine sehr erhebliche Zahl gotisierender Kelche. (354) Einzeln aufzuführen, was an
gotisierenden Kelchen deutschen Ursprungs noch vorhanden ist, ist wegen der überaus
großen Zahl derselben hier nicht angängig, aber auch nicht vonnöten, da die Denkmäler-
statistiken alle Auskunft über den heute noch vorhandenen Bestand an solchen bieten. In die
erste Hälfte des 16. Jahrhunderts reichen sehr wenige zurück. Auch tritt bei diesen wenigen
das Benaissanceornament nur erst sehr bescheiden auf. Weitaus die Mehrzahl gehört dem
späten iß. und dem frühen 17. Jahrhundert an. Seit der Mitte dea 17. Jahrhunderts ent-
standen dann freilich nur mehr vereinzelte. Wie die zahlreichen gotisierenden Kirchen, die
nicht bloß noch im ausgehenden 16. Jahrhundert, sondern selbst noch bis in den Beginn des
18. Jahrhunderts auf deutschem Boden entstehen, beweisen auch die vielen gotisierenden
Kelche dieser Zeit sinnfällig, wie tief gerade in Deutschland die Gotik Wurzel gefaßt hatte,
wie fest sie sich hier im künstlerischen Betrieb wie im künstlerischen Volksempfinden ver-
ankert hatte. Nirgendswo anders war es ihr vergönnt, in nachmittelalterlicher Zeit allen
Einflüssen von seiten der Renaissance und des Barocks zum Trotz ein so langes Nachlehen
zu führen wie in Deutschland. Bemerkenswert ist, daß es vornehmlich die nichtkatholischen
Gegenden Deutschlands waren, in denen bis in das 17. Jahrhundert hinein gotisierende
Kelche entstanden.
Auch in Spanien, Portugal und Frankreich haben sich vereinzelt gotisierende Kelche aus
dem 16. Jahrhundert erhalten, doch wurden solche hier rascher und gründlicher, wie es
scheint, durch Kelche der beiden andern Gruppen abgelöst. In Belgien gibt es einen goti-
sierenden Kelch aus der Zeit um 1600 noch in St. Waudru zu Mons, einen anderen von
etwa i63i in St-Boniface zu Ixelles. (355) In England finden sich zwei gotisierende Kelche
von 1660 und 1661 in der St. Georgskapelle zu Windsor, ein anderer mit achtseitigem Fuß
von 1676 zu Ashby de la Zouch (Leicester). (856)
Zweite Gruppe. Zar zweiten Gruppe zählen jene Kelche des 16. und des
17. Jahrhunderts, bei denen nicht nur das Ornament Renaissance- oder Barock-
charakter trägt, sondern auch die Form schon mehr oder weniger im Sinne der
Renaissance oder des Barocks umgestaltet erscheint, jedoch so, daß sie als Gan-
zes betrachtet noch immer bis zu einem gewissen Grade deutlich das traditio-
nelle Bild eines gotischen Kelches zeigt. Die zu ihr gehörenden Kelche nehmen
eine Mittelstellung ein zwischen denen der ersten und denen der dritten Gruppe.
Gotisierend können sie nicht mehr genannt werden, weil sie nicht nur in ihrer
ornamentalen Ausstattung, sondern auch in ihrer formalen Bildung zuviel des
Ungotischen zeigen und ihre Form fast nur mehr in ihrer Gesamterscheinung
an die Gotik erinnert. Der dritten Gruppe aber können sie nicht zugerechnet
werden, weil sie formal sich nur erst teilweise, nicht in allem, den ausgespro-
chenen Renaissance- und Barockkelchen angeglichen haben. Ihre Eigenart zeigt
sich besonders in der Bildung des Schaftes, des Nodus und des Fußes. Die
Kuppa beharrt wenigstens bei den älteren Kelchen der Gruppe bei der gerad-
wandigen, breitbodigen Becherform der Kuppa der spätgotischen Kelche; eine
Krümmung nach außen zeigen durchweg erst die späteren, nicht mehr von der
Renaissance, sondern vom Barock beeinflußten Kelche. Die über und unter dem
Nodus angebrachten Schaftstücke bauchen sich entweder aus, wie z. B. bei einem
Kelch im Priesterseminar zu Brügge (Tafel 33) und einem gleichartigen Kelch
(354) Vgl. Viktor Roth, Kunstdenkraäler in den sächsischen Kirchen Siebenbürgens
(Herraannstadt 1922). (355) L. und F. Croot, L'orfövr. relig. en Belgique depuis la fin du
XV. siede (Bruaelles 1911) pl. III und VII. (356) Jacksos f, 429, 433.
BRACX, DAS CHRISTLICH!: ALTARGERÄT 9
130 VASA SACRA. ERSTER ABSCHMTT, DER KELCH
aufsteigenden Fußhals anstatt des bei den spätgotischen und auch noch bei den
gotisierenden Kelchen üblichen Profils eines gerad- oder konkavseitigen Kegels
ein karnies- oder glockenförmiges Profil (Tafel 34).
Ihrer Form nach sind die Kelche der zweiten Gruppe, wie vorhin gesagt wurde, ein Mit-
telding zwischen denen der ersten und denen der dritten Gruppe. Es wäre aber unzutref-
fend, in ihnen eine Vorstufe für die Kelche der dritten zu sehen. Sie sind vielmehr eine
mehr oder weniger umfassende Angleichung an diese letzteren. Sie stehen darum auch zeit-
lich betrachtet nicht zwischen den Kelchen der ersten und dritten Gruppe, sie treten viel-
mehr etwas später als diese letztere auf, gehen ihr aber dann parallel, so daß neben Kel-
chen der ersten und dritten Gruppe auch solche der zweiten entstehen. ^\"ur behaupten sich
diese letzteren etwas länger als die gotisierenden Kelche. Werden ihrer doch noch bis ins
18. Jahrhundert manche geschaffen.
Die Maßverhältnisse der Kelche der zweiten Gruppe sind die gleichen wie die der Kelche
der ersten. Auch bei ihnen verhält sich die Weite der Kuppa zur Kelchhöhe wie 1: 2,1: 21/*
oder 1: 2y3. Ihr Fuß erscheint infolge seiner glockenförmigen Bildung meist schwerer und
massiger als der der Kelche der ersten Gruppe.
Beispiele von Kelchen der zweiten Gruppe finden sich nicht bloß in Deutschland, sondern
wie von denen der ersten allenthalben, wo es eine gewisse Weile gedauert hat, bis die Gotik
nicht nur in der Sprache des Ornaments, sondern auch in der formalen Gestaltung des Kel-
ches überwunden war, aber darum freilich vor allem in Deutschland, wo sie unter den
Kelchen, die dort bis ins frühe 18. Jahrhundert entstanden, in großer Zahl vertreten sind.
Von nichtdeutschen Ländern sind Ungarn und Siebenbürgen am reichsten an Kelchen der
zweiten Gruppe. 'Beispiele in Belgien wurden schon im "Vorausgehenden erwähnt.
Dritte Gruppe. Sie umfaßt die Renaissance- und Barockkelche, das ist alle
jene Kelche des 16., 17. und 18. Jahrhunderts, bei denen die Renaissance und
das Barock voll zum Durchbruch gekommen sind, die also nicht wie die Kelche
der ersten Gruppe, lediglich im Ornament, in ihrer formalen Bildung aber ent-
weder noch gar nicht oder, wie die der zweiten, nur erst teilweise von denselben
beherrscht werden. Sie treten, wie übrigens begreiflich, am frühesten in Italien,
dem Mutterland der Renaissance, auf und zwar werden die ersten ihrer Art
wohl noch in das rö. Jahrhundert zurückgehen. Zeigt doch schon ein Kelch im
Museum zu Lissabon, der laut Inschrift i5i3 von Georg von Almeida, Bischof
von Coimbra, seiner Kathedrale geschenkt wurde (363) und entweder aus Ita-
lien stammt oder doch auf italienische Vorbilder zurückgeht, den Typus voll aus-
gebildet. Ein frühes italienisches Beispiel ist ein Kelch von um i5oo in Sa. Agata
zu Cremona. Allerdings war auch in Italien der Wandel kein plötzlicher, viel-
mehr entstanden, w'ie schon gesagt wurde, eine geraume Zeit lang auch noch
Kelche der ersten und zweiten Gruppe, zumal in Venedig wie überhaupt in
Norditalien, wo man von der Wiege des neuen Stiles weiter entfernt und zu-
gleich von der diesseits der Alpen herrschenden deutschen Spätgotik stärker
beeinflußt war, als im mittleren und südlichen Italien. Kennt doch noch die
Instructio fabricae ecclesiae des heiligen Karl Borromäus Kelche mit acht- und
sechswinkeligem Fuß, das ist Kelche mit Fuß wie er im x§. und i5. Jahrhun-
dert die Regel gewesen war. Auf das gleiche weist auch hin, was sie über die
(363) Abb. in Esmeralda 1927, n. 29, S. 4.
132 VASA SACRA. ERSTER ABSCHNITT. DER KELCH
Form der Kuppa sagt. (364) Im endenden 16. Jahrhundert hatte indessen je-
denfalls allenthalben auf italienischem Boden die Renaissance beim Kelch nicht
nur die frühere Ornamentationsweise, sondern auch die zwei Jahrhunderte hin-
durch andauernd für ihn maßgehende Formgestaltung verdrängt.
Außerhalb Italiens dürfte die neue Kelchform das ganze 16. Jahrhundert
hindurch nur wenig Verbreitung gefunden haben, selbst in Portugal, obwohl
hier bereits der i5i3 vom Bischof Georg von Almeida seiner Kathedrale ge-
stiftete Kelch sie aufwies. Gehören doch ein goldener Kelch im Museum zu
Coimbra, den Bischof Johannes Soares (f löya) seiner Kathedrale stiftete,
ein Kelch von i546/47 im Museum zu Lissabon, (365) sowie ein zweiter Kelch
im gleichen Museum, der etwa derselben Zeit entstammt, alles Prachtkelche,
noch der vorhin behandelten zweiten Gruppe an. Am längsten währte es in
Deutschland, bis dort die Renaissance in aller Beziehung, also nicht nur hin-
sichtlich des Ornaments, sondern auch hinsichtlich der formalen Gestaltung
unter völliger Verdrängung der herkömmlichen spätgotischen Form beim Kelch
durchdrang. Während in Frankreich, Spanien und Belgien der neue von Italien
her eingedrungene Stil wohl schon im zweiten Viertel des 17. Jahrhunderts all-
gemein Ornament und Form des Kelches bestimmte, kam er dort bei demselben
erst im späten 17. Jahrhundert voll zur Herrschaft, also erst zu einer Zeit, da
die Renaissance schon längst durch den Barock abgelöst worden war. Allerdings
entstanden auch in Deutschland bereits seit der Frühe des Jahrhunderts Kelche,
bei denen alle Erinnerung an die Gotik verschwunden war, Kelche, die ganz, auch
formal im Geist und in der Sprache der Renaissance gedacht und ausgeführt
sind. So ein Kelch von 1602 zu Stuhm in Westpreußen, (366) ein Kelch von
1608 im Domschatz zu Breslau (Tafel 38), ein Kelch von 1609 in der Kirche zu
Goldberg in Mecklenburg, (367) ein Kelch von 1612 in der Stiftskirche zu
Aschaffenburg (368) und ein durch sein Email bemerkenswerter Kelch von
1621 im Stift St. Peter zu Salzburg. (369) Allein häufiger werden solche in
Deutschland erst gegen die Mitte des 17. Jahrhunderts, doch steht auch jetzt
noch ihre Zahl im Vergleich zu den Kelchen der ersten und zweiten Gruppe er-
heblich zurück. Anders wird die Sache dann freilich im letzten Viertel des Jahr-
hunderts. Zwar entstehen, wie schon gesagt wurde, auch noch im 18. Jahrhun-
dert Kelche, die mehr den Typus der Kelche der zweiten Gruppe als den eines
Barockkelches verkörpern, doch verschwinden solche Nachblüten vollständig
in der Menge der Barockkelche, wie sie nun allenthalben in Deutschland ge-
schaffen wurden, nicht zum wenigsten dank dem vorbildlichen Einfluß, den die
überaus zahlreichen Kelche dieser Art, welche in den Goldschmiedewerkstätten
Augsburgs und Wiens, den damaligen Hauptsitzen der deutschen Goldschmiede-
kunst, entstanden und von dort in alle Teile Deutschlands wanderten, weithin
ausübten.
(364) AA. Eccl. Mediol. (Milano 1599): Pes ampla pro illius amplitudine ita pateat, nt
cadere non queat; forma autem aut octangula aut sexangala aut alia eiusmodi sit... Cupa
aliquantulum in fundo angusta sensim usque ad summ um labrum latior fiat. Labrum sit
eiusmodi, ut neque extrinsecus neque intrinseeus ullo modo reflectatur,
(365) Abb. in Esmeralda 1927, n. 29 S. 4. (366) Kd. von Westpreußen III. 391.
(367) Kd. von Mecklenburg-Schwerin IV, 348. (368) Kd. von Bayern, Unterfranken.
19, 101. (369) Abb. bei Weing artner 187.
VIERTES KAPITEL. FORM. III. DER HENKELLOSE KELCH 133
Der Typus, den die Kelche der dritten Gruppe in formaler Hinsicht zeigen,
ist von Anfang an bis zu den letzten Beispielen aus dem Beginn des 19. Jahr-
hunderts im wesentlichen nur einer, so verschieden auch auf den ersten Blick
die Renaissancekelche, die Kelche des Barocks, des Rokokos, des Klassizismus,
und des Empire anmuten.
Charakteristisch ist für alle Kelche der dritten Gruppe, gleichviel welchem Sonderstil sie
angehören, das Verhältnis, in dem Kelchhöhe und Weite der Kuppa zueinander stellen.
Schon bei den Renaissancekelchen beträgt jene regelmäßig wenigstens das Doppelte des
Durchmessers der Kuppa. Bei den Barockkelchen aber steigert sich dann das Verhältnis bei-
der noch mehr zugunsten der Höhe des Kelches. Kuppaweite und Kelchhöhe verhalten sich
nun zueinander wie 1: 21/s, 1: 23/i, ja nicht selten wie 1: 3 oder gar wie 1: Q/i und so
bleibt es bis in den Beginn des 19. Jahrhunderts. Die absolute Höhe der Kelche der dritten
Gruppe schwankt für gewöhnlich zwischen 20 und 25 cm, doch sind auch Kelche von 27 bis
3o cm Höhe nicht selten. In einzelnen Fällen beträgt diese sogar, und zwar schon bei Kel-
chen aus dem Ende des 17. Jahrhunderts, noch weit mehr wie bei einem 38 cm hohen Kelch
in Notre-Dame zu Courtrai, das ist das Doppelte der Nonnalhöhe der Kelche des il\. und
i5. Jahrhunderts.
Die Kuppa ist entweder, doch seltener, halb ei form ig (Tafel 38, Bild 9), oder, und zwar am
gewöhnlichsten, von der Gestalt eines mit breitem, abgerundeten Boden versehenen, nur
mäßig nach oben sich erweiternden Bechers vom Typus der Kuppa, wie er sich bei den spät-
gotischen Kelchen um den Ausgang des Mittelalters einbürgerte. (370) Im zweiten Fall biegt
sie sich häufig, zumal bei Kelchen des 18. Jahrhunderts, mehr oder weniger auswärts, so
daß ihr Profil statt eine gerade Linie eine flache Welle darstellt. Kelche mit Kuppa, die
sich oben stark nach außen krümmt, hat man wegen der Ähnlichkeit der letzteren mit einer
voll aufgeblühten Tulpe Tulpenkelche genannt. Es waren keine praktischen Erwägungen
und Zwecke, welche diese Kelche schufen — bei stärkerer Ausladung der Kuppa war die-
selbe sogar zum Gebrauch wenig geeignet —, sondern lediglich ästhetische und stilistische.
Man wollte die Kuppa dadurch, daß man ihr ein geschweiftes Profil gab, den bewegten
Formen des Fußes einigermaßen angleichen.
Sehr gewöhnlich ist die Kuppa mit einem Korb versehen. Selbst bei einfachen Kelchen
ist sie nicht selten mit einem solchen ausgestattet, bei reicheren fehlt er kaum je. Von dem
Kuppakorb spätgotischer Kelche unterscheidet sich derjenige der Renaissance- und Barock-
kelche oft dadurch, daß er sich nicht eng an die Form der Kuppa anschließt, sondern sich
bald stärker, bald schwächer ausbaucht (Tafel 34ff.). Insbesondere sind es die Barockkelche
des 18. Jahrhunderts, bei denen der Korb eine solche Ausbauchung zeigt (Tafel 34,36,37). Sie
ist bisweilen so stark, daß die Kuppa geradezu an die nach unten zu sich ausbauchende Kuppa
der Kelche älterer Zeit erinnert, nur ist im Unterschied von dieser nur der Korb, nicht die
Kuppa selbst ausgebaucht. Der Korb ist bald durchbrochen, bald undurchbrochen und reicht
bis etwa zum oberen Drittel der Kuppa. Bei den Kelchen der Renaissance und des frühen
Barocks schließt er gewöhnlich oben mit einem Stäbchen oder Riemchen, zu denen meist
noch eine Art von Kamm kommt, ab (Tafel 36, 37, 38, 3g), ähnlich wie bei vielen spät-
gotischen Kelchen, seit dem zweiten Drittel des 18. Jahrhunderts jedoch, zumal zur Zeit
des Rokoko mit willkürlich bewegter, bald auf- bald niedersteigender, aus der Form des
Ornamentes der Kuppa sich ergebender Kontur (Tafel 36, 3g). Erst in der Zeit des späten
Klassizismus und Empire nimmt der obere Abschluß des Korbes wieder eine ruhigere, regel-
mäßigere Gestalt an (Tafel 4o).
Nodus und Schaft sind bei den Kelchen der dritten Gruppe stets zu einem ein-
heitlichen Gebilde verwachsen, das bei spanischen Kelchen oft an den Schaft
eines Kandelabers erinnert (Tafel 35), sonst aber das Bild einer Vase bietet,
(370) Vgl. oben S.W.
134 VASA SACRA. ERSTER ABSCHNITT. DER KELCH
dergestalt, daß aus dem unteren Schaftstück der Fuß derselben, aus dem oberen
ihr Hals, aus dem Nodus ihr Bauch geworden ist. Fuß und Hals der Vase sind
bald schlanker, bald gedrungener, bald reicher, bald einfacher gegliedert. Ab-
gesehen von den Kelchen des Rokokos sind beide der Regel nach rund. Der
Bauch der Vase ist mannigfaltig gestaltet. Hier gedrückt kugelig, herzförmig
oder oval, zeigt er anderswo und zwar mit Vorliebe Birnenform mit bald tief-
einschneidender, bald nur schwacher Einziehung, bei Kelchen des Spätbarocks
aber ist er oft drei- oder vierseitig' mit kräftig vortretenden Ecken (Tafel 34
und 3g). Ein frühes Beispiel eines Kelches mit dreiseitigem Vasenschaft bietet ein
von Kaiser Ferdinand III. gestif teter Prachtkelch im Kloster Montserrat (Bild 12).
Das den Schaft von dem Fuß scheidende Trennungsglied ist sehr häufig zu
einer Fußplatte der Vase geworden. Bei den Renaissancekelchen zeigt die Vase
eine vornehme, ruhige, ebenmäßig sich aufbauende Bildung (Bild i5). Bei den
Barockkelchen ist die Vase freier, bewegter, wenn auch noch nicht gesetzlos ge-
staltet. Erst das einer sachlichen Struktur abholde Rokoko sprengt alle Fesseln
und Regeln. Die Vasenform verkümmert in ihm nicht selten fast bis zur Un-
kenntlichkeit, wird zu einem willkürlichen Gebilde phantastischer Muschel-
schnörkel, die ohne Trennung in regellosem Spiel aus dem Fuß zur Kuppa auf-
steigen und nur noch durch eine Schwellung an den Nodus erinnern (Tafel 39).
Es sind übrigens fast nur süddeutsche Kelche, bei denen uns diese äußerste Ent-
artung des vasenförmigen Schaftes begegnet. Eine lange Dauer war dem Trei-
ben des Rokokos allerdings nicht beschieden; denn der schon bald einsetzende
Klassizismus räumte auch in der Bildung des Schaftes mit den Willkürlich-
keiten des Rokokos wieder auf (Tafel 3p, und 4o). Schaft und Nodus werden
wieder, wie im Barock, zu einer organisch sich aufbauenden Vase. Unter der
Herrschaft des nüchternen Empires entstanden Kelche, deren Schaft ein säulen-
artiges Gebilde, bei dem das Kapitell den Nodus vertrat, darstellte.
Was den Fuß der Renaissance- und Barockkelche von dem der gotischen
Kelche unterscheidet und ihn kennzeichnet, ist die Eigentümlichkeit, daß er
nicht mehr wie diese die Form eines gerad- oder konkavseitigen Kegels darstellt,
sondern glockenförmig gewölbt ist, das Profil eines verkehrt fallenden Karnies
zeigt, hier, wie bei italienischen (Tafel 35, Bild 15) und spanischen Kelchen
(Tafel 35) eines niedrigen, flacheren, anderswo, wie bei den deutschen, französi-
schen (Tafel 37, Kelch im Dom zu Köln), belgischen und ungarischen eines höher
schlanker ansteigenden Karnies (Tafel 34,36,37). (371) Erst bei Empirekelchen
(Tafel 4o) stellt sich wieder der kegelförmig gestaltete Fuß ein. Schon bei
Kelchen der zweiten Gruppe begegnet uns ein glockenartig gebildeter Fuß, je-
doch noch nicht als Regel wie bei denen der dritten. Unten schließt den Fuß ein
Horizontalrand oder ein zargenartiger, schräger, im Sinne der Renaissance und
des Barocks, bei Kelchen des Spätbarocks und des Rokokos oft in der üppigsten
und willkürlichsten Weise profilierter Hochrand ab. (372)
(371) Vgl. auch Witte, Tfl. 8 und 9, wo eine größere Zahl im Scfmütgenmuseum befind-
licher, zumeist dem Westen Deutschlands entstammender einfacher Kelche der gleichen Art
abgebildet ist. (372) Beispiele für beides auf Tafel 34ff.
VIERTES KAPITEL. FORM. 111. DER HENKELLOSE KELCH 135
Seiner Form nach ist der Fuß der Kelche der dritten Gruppe bald rund, zumal bei fran-
zösischen, italienischen und spanischen Reichen der Renaissance und des frühen Barocks,
sowie später wieder bei Kelchen des Empires, bald, bei deutschen Kelchen am gewöhnlichsten,
in Erinnerung an den Fuß der spätgotischen Kelche sechs- oder achtpaßförmig, nur daß
die Pässe nunmehr flacher, ausdxucks- und kraftloser sind, wenn aber rund, nur mehr
Kreissegmente darstellen, bald endlich besteht sein Rand aus willkürlich geschweiften, durch
kürzere geradlinige, gekrümmte oder winkelige Zwischenstücke getrennten Abschnitten. So
besonders in der Zeit des Spätbarocks und des Rokokos, in der oft genug nicht mehr die
Form des Fußes für die Art seiner ornamentalen Ausstattung bestimmend war, sondern
umgekehrt das aller Regelhaftigkeit bare Ornament dem Umriß des Fußes seine Gestalt gab.
Die Abbildungen auf Tafel 34—3g bilden für das Gesagte reichlich Belege. Wie willkür-
lich man unter der Herrschaft des Spätbarocks und des Rokokos vorging, zeigen manche
Kelche dieser Stile, bei denen der Hoehrand des Fußes ganz anders gestaltet ist, als dieser
selbst (Tafel 35, 36, 39). Bemerkenswert ist die starke Ausladung, welche der Fuß beson-
ders bei den Barockkelchen des späten 17. und des 18. Jahrhunderts gegenüber der Kuppa
zeigt. Beträgt doch sein Durchmesser regelmäßig wenigstens das Eineinhalbfache, ja oft
das Einzweidrittelfache oder Ein dreifünftel fache, nicht selten sogar das Einvier fünftelfache
oder das Doppelte des Durchmessers der Kuppa. (373) Ihren Grund hatte diese starke Aus-
ladung des Fußes in der großen Höhe der Kelche. Um angesichts dieser Höhe dem Kelch
die nötige Standfestigkeit zu geben, verbreiterte man entsprechend den Fuß, indem man
ihm einen größeren Durchmesser gab, freilich auf Kosten einer gefälligen Wirkung des
Kelches. Stand doch bei Kelchen dieser Art der breite und dazu oft noch überhoch sich wöl-
bende, wie aufgedunsene Fuß in keinem Verhältnis mehr zu der den Schaft bekrönenden
kleinen Kuppa. Zu keiner Zeit sind Kelche von so unschönen, ungefälligen Maß Verhältnissen
geschaffen worden, wie unter der Herrschaft des Spätbarocks und des Rokokos. Man suchte
die Wirkung des Kelches in etwas anderem, als in einer edlen, harmonisch gestalteten Form,
in einer möglichst prunkvollen ornamentalen Ausstattung nämlich. Sie ist es darum auch,
nicht die Form, welche den Renaissance- und Barockkelchen ihren künstlerischen Wert ver-
leiht, wofern nur das Ornament der Form sich genügend unterordnet, in maßvollen Gren-
zen sich hält und sich vor wilden, wirren Bildungen hütet. Der Wechsel, der sich in der for-
malen Bildung der Kelche der dritten Gruppe im Laufe des 16., 17. und 18. Jahrhunderts
vollzieht, schafft keine neuen Typen, sondern ist nur eine Abwandlung der einen vorhin
skizzierten Grundform; eine Abwandlung, die freilich von einer Mannigfaltigkeit ist, wie
sie uns bei den mittelalterlichen Kelchen nie entgegentritt. Diese Mannigfaltigkeit offen-
baren aber, wenn nebeneinandergestellt, nicht bloß die Kelche verschiedener Entstehungs-
zeiten, sondern auch die Kelche von gleichem oder annähernd gleichem Datum. Ihren
Grund hat sie zum Teil in dem im 16., 17. und 18. Jahrhundert allzu rasch sich vollziehen-
den Stilwandel, der mit der Renaissance beginnend, über das Frühbarock, das Spätbarock
zum Rokoko führend, zuletzt mit dem Klassizismus und Empire endete; doch keineswegs
in ihm allein, sondern ebensosehr in der schrankenlosen Freiheit und Willkür, mit der die
Goldschmiede jener Zeit, zumal die des Spätbarocks und des Rokokos, die jeweils herrschen-
den Stilwandel, der mit der Renaissance beginnend, über das Frühbarock, das Spätbarock
jektiven Empfindung behandelte und umgestaltete, ohne freilich im wesentlichen den Bo-
den des betreffenden Stiles zu verlassen. Dabei ist für die Kelche des deutschen Rokokos
das Bestreben, die einzelnen Teile des Kelches auf Kosten des struktiven Gedankens ohne
Trennung ineinander übergehen zu lassen, den Fuß in den Schaft, den Schaft in die Kuppa,
kennzeichnend. Bisweilen äußert es sich in einem Maße, daß der Kelch geradezu eine bizarre
Gestalt erhält. Daß auch die Eigenarten, welche Renaissance, Barock und deren Ausläufer
in den verschiedenen Ländern zeigten, Eigenarten, die bei den nachmittelalterlichen Stilen
stärker sich ausprägten, als je bei den mittelalterlichen, einen nicht geringen Einfluß auf
die so weehselvolle Gestaltung des nachmittelalterlichen Kelches hatten, braucht kaum ge-
sagt zu werden.
Eine besondere Entwicklung nahm der Kelch bei den Reformierten. Während
die Lutheraner an der traditionellen Form des Kelches festhielten, nur daß sie
wegen der Abendmahlsfeier unter beiden Gestalten der Kuppa größere Abmes-
sungen gaben, wandelte sich bei jenen der Kelch in einen, den profanen Pokalen
nachgebildeten, oft mit Deckel versehenen Pokal um (Tafel ßo). Der Deckel
aber war nicht selten so beschaffen, daß er als Patene benutzt werden konnte;
eine Einrichtung, die besonders bei englischen Abendmahlskelchen des 17. und
18. Jahrhunderts häufig ist. Nach lutherischer Lehre ist Christus zwar nicht
schon durch die Konsekrationsworte und vor dem Genuß des Abendmahlsweines
in diesem wirklich und substanziell gegenwärtig, wohl aber im Augenblick des
gläubigen Empfanges desselben. Für die Lutheraner hatte darum der Kelch
immer noch einen gewissen sakralen Charakter als Mittel nämlich zum wirk-
lichen Empfang Christi. Nach der Lehre der Reformierten kann dagegen in
keiner Weise von einer wirklichen Gegenwart im Sakrament die Rede sein. Die
Feier des Abendmahles ist vielmehr nur Gedächtnismahl, nur Bekenntnis der
Zugehörigkeit zur christlichen Gemeinschaft, Ausdruck des Gemeinschafts-
geistes — poculum charitatis steht darum auf einem englischen Kelch—, (374)
nur Pfand der Gnade für die Brot und Wein gläubig Genießenden. Der Kelch ist
darum auch in der Abendmahlsfeier der Reformierten nicht weiter mehr ein sa-
krales Gerät, sondern letztlich nicht viel mehr und nicht viel anders als ein
profaner Pokal.
Mit der Form, welche der Kelch im Spätbarock, im Klassizismus und Empire
erhielt, hatte die formale Entwicklung des Kelches ihr Ende erreicht. Die Folge-
zeit hat keinen neuen Kelchtypus geschaffen. Man beschied sich vielmehr zu-
nächst damit, den aus dem 18. Jahrhundert überkommenen Typus im wesent-
lichen unverändert weiterzuführen und so ist es in Italien, Spanien und Portugal
sowie in den von den letztern vordem abhängigen Gebieten Mittel- und Süd-
amerikas bis heute geblieben. In Frankreich, England, Belgien und Deutschland
setzte dann freilich um die Mitte des 19. Jahrhunderts eine lebhafte Bewegung
ein, die zum Ziele hatte, sich von der durch Renaissance und Barock geschaf-
fenen Kelchform frei zu machen, nicht freilich durch Weiterentwicklung der-
selben zu einem neuen Typus, die allerdings auch sehr schwierig, um nicht zu
sagen unmöglich gewesen wäre, sondern durch Wiederaufnahme der mittel-
alterlichen Kelchform. Zu einem herrschenden Typus führte sie jedoch nir-
gends; konnte sie ja nicht einmal da, wo sie eingesetzt hatte, trotz großer Er-
folge allgemein werden, alle Kreise erfassen. Begreiflich übrigens. War die
Wiedererneuerung der mittelalterlichen Kelchform ja doch keine Frucht einer
natürlichen Entwicklung, sondern lediglich ein künstlicher Versuch, eine bes-
sere Kelchform einzuführen. Außerdem aber war es nicht ein bestimmter der
mittelalterlichen Kelchtypen, den man wiederzuerneuern suchte, kein Typus,
der den Ausgangspunkt für eine weitere Entwicklung hätte bilden können, son-
dern bald der eine, bald der andere, je nachdem man sich mehr für diesen oder
jenen erwärmte. Bald war die allerdings klassische Kelchform des späten 12.
und i3. Jahrhunderts vorbildlich, bald schloß man sich an eine der Kelch-
(374) Catalogue of chalices Tfl. 4, b.
VIERTES KAPITEL. FORM. III. DER HENKELLOSE KELCH 137
formen des i4- und des frohen i5. Jahrhunderts an, bald endlich wiederholte
man diejenigen des späten i5. und des beginnenden 16. Jahrhunderts, ein
Eklektizismus, der besonders darum auch das Entstehen von Typen erschweren
mußte, weil er vielfach mehr von subjektiven Momenten als von zielbewußten
Grundsätzen und Normen bestimmt wurde und weil die Nachahmung der mittel-
alterlichen Kelchformen oft genug von wenig Verständnis derselben begleitet
wurde und auch deshalb häufig eine recht willkürliche und eine bloß äußer-
liche war. Noch mehr aber als dieser Eklektizismus mußte die Bildung be-
stimmter Typen der Umstand hindern, daß, wie die Herstellung so vieler an-
derer kirchlicher Geräte, so namentlich auch die der Kelche in der zweiten
Hälfte des Jahrhunderts im weitesten Umfang industrialisiert und mechanisiert
wurde, daß sie aus den Goldschmiedewerkstätten in die Fabriken und die soge-
nannten Anstalten für kirchliche Kunst überging und die Kelche infolgedessen
Handels- und Dutzendware wurden.
Das ausgehende ig. und das beginnende 20. Jahrhundert werden durch die
Suche nach neuen Kelchformen gekennzeichnet, die sowohl die noch immer
nicht ausgestorbene Barockkelchform, wie die neumittelalterlichen Kelchfor-
men ersetzen sollten. Formen, die irgendwelche Aussichten haben, sich all-
gemeiner durchzusetzen, wurden jedoch nicht geschaffen. Die einen zeigten im
Grunde nur mit neuzeitlichem Ornament verbrämte oder formal verballhornte
mittelalterliche, andere aus Neuerungssucht, die man mit schönem Mäntelchen
zu verdecken sich bemühte, geborene, über die traditionelle Kelchform selbst-
herrlich sich wegsetzende, meist in hohem Maße an Sinn für edle Verhältnisse
und vornehmen, gefälligen Linienfluß krankende Formen. Man vergaß oder
wollte nicht einsehen, daß neue Formen, die Aussicht auf Bestand und all-
gemeine Aufnahme haben, nur auf dem Wege einer langsamen gesunden, auf
der Überlieferung beruhenden Entwicklung, nicht aber durch künstlerischen,
ganz und gar in eigenen Geleisen gehenden Subjektivismus geschaffen werden
können. Die ganze Vergangenheit, an der man so selbstbewußt vorübergeht, als
hätte sie nichts zu sagen, nichts zu lehren, beweist das. Sie 2eigt, daß die ganze
Geschichte der Kelchform nichts anderes ist als eine stetige Folge neuer Ent-
wicklungsstufen.
D. DIE FORM DES KELCHES IN DEN RITEN DES OSTENS IM SPÄTEREN
MITTELALTER UND IN NACHMITTELALTERLICHER ZEIT
Über die Entwicklung, die sich im späteren Mittelalter in den Riten des Ostens
hinsichtlich der Form des henkellosen Kelches vollzog, läßt sich nichts sagen,
da es zu ihrer Feststellung durchaus am genügenden Quellenmaterial fehlt. Was
uns gelegentlich auf byzantinischen, syrischen und armenischen Bildwerken an
Darstellungen des Kelches begegnet, ist nicht nur wenig, sondern dazu noch un-
zuverlässig. An Kelchen aber, die sich aus dem späteren Mittelalter im Bereich
der Riten des Ostens erhalten hätten, ist so gut wie nichts bekannt geworden und
auch wohl kaum mehr viel vorhanden. Ein Kelch in der Kathedrale zu Pereja-
slawl, südöstlich von Kiew, der bei Rohault de Fleüry abgebildet ist, (375)
(875) La meswe IV, TU. 322. ...
138 VASA SACRA. ERSTER ABSCHNITT. DER KELCH
eine Arbeit des i3. Jahrhunderts, zeigt in allem so sehr die damals im ganzen
Westen herrschende Kelchform — fehlt doch nicht einmal der melonenartig
gerippte Nodus und das lanzettförmige Buckelwerk auf dem Fuß —, daß er
entweder als Import aus dem Westen oder als Schöpfung eines aus diesem
stammenden, nach Rußland gewanderten Goldschmiedes zu gelten hat. Die sla-
vische Inschrift, die den Rand der weiten, schalenförmigen Kuppa umzieht, ,und
die gravierten Medaillons, die deren Außenseite schmücken, dürften für das
letztere sprechen. Einfluß vom Westen her verraten auch zwei Kelche aus dem
späteren Mittelalter in der Kathedrale zu Moskau. (376) Der eine derselben
stammt vielleicht noch aus dem späteren i3. Jahrhundert. Seine Kuppa ist aus
Achat gemacht, hat im Vertikalschnitt die Form eines umgekehrten Spitzbogens
und ist von einer breiten Borte umrandet, die mit einer die Konsekrationsworte
wiedergebenden Inschrift, mit Filigran und Steinen geschmückt ist. Sein Stän-
der besieht aus einem runden Fuß mit Hochrand, Horizontalrand und mäßig
hohem, konkav-konischem Fußhals und aus einem runden, vom Fuß durch ein
Zwischenstück getrennten Schaft mit melonenartig geripptem Nodus. Der Hoch-
rand des Fußes und das Zwischenstück zwischen diesem und dem Schaft sind
mit einer Folge von Miniaturfensterchen belebt. Die Weite der Kuppa verhält
sich zur Höhe des Kelches wie 1: iys. Der zweite Kelch entstammt erst dem
ausgehenden Mittelalter, wenn nicht erst dem 16. Jahrhundert. Seine um den
Rand herum gleichfalls mit einer Inschrift, den Konsekrationsworten, verzierte
Kuppa zeigt die Form der spätgotischen, breitbodigen, becherförmigen Kuppa.
Sein Ständer setzt sich aus einem vierpaßförmigen, mit Zacken zwischen den
Pässen versebenen Fuß mit rundem Fußhals und aus rundem Schaft mit kugel-
förmigem, durch Rinnen vertikal viergeteilten Nodus zusammen. Die Höhe des
Kelches beträgt seiner Entstehungszeit entsprechend das Zweieinhalbfache des
Durchmessers der Kuppa.
Aber auch über die formale Entwicklung des Kelches der Riten des Ostens in
nachmittelalterlicher Zeit sind wir so gut wie nicht unterrichtet. Ein Holzkelch
im Dreifaltigkeitskloster bei Moskau, den man dem i!\. Jahrhundert zuschreibt,
der aber sicher späteren Datums ist, hat einen runden, schwach konisch anstei-
genden Fuß, einen runden, mit ringförmigem Nodus versehenen Schaft und
eine becherförmige, breitbodige Kuppa. (377) Ein spätgotischer Kelch in der
Kathedrale zu Seres in Mazedonien aus der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts
ist ungarische oder siebenbürgische Arbeit; sowohl seine Form wie seine Aus-
stattung lassen daran kaum einen Zweifel. (378) Dasselbe gilt von einem gleich-
artigen Kelch auf dem Berge Athos (379) und einem gotisierenden Kelch ver-
wandter Bildung im Kloster des heiligen Johannes des Täufers bei Seres. (380)
Ob solche aus der Fremde eingeführte Kelche auf die Formgestaltung der an
Ort und Stelle geschaffenen Kelche einen vorbildlichen Einfluß ausgeübt haben,
und welchen, wissen wir nicht.
(376) Abb. in Antiquites de Rusaie I. Tfl. 68. (377) Abb. bei Roh. IV, 135.
(378) N. P. Kondakow, Makedonija (St. Petersburg 1909) (379) Ron. IV, 145.
(380) Kohdakow, a.a.O. 167.
VIERTES KAPITEL. FORM. III. DER HENKELLOSE KELCH 139
Kelche des 17. und 18. Jahrhunderts, die sich in Rußland, Rumänien und
anderswo im Rereich der Riten des Ostens erhalten haben, zeigen eine den
Barockkelchen des Westens mehr oder weniger formale Bildung, (381) nur ist
die Kuppa weiter und größer als bei jenen. Welche Verbreitung solche Barock-
kelche im Bereich der Riten des Ostens fanden und inwieweit sie die einhei-
mischen Kelchformen verdrängten, läßt sich nicht feststellen. Daß in Rußland
Kelche in der Art der Barockkelche des Westens entstanden, kann nicht wunder
nehmen. Stand doch die russische Kunst seit dem späten 17. Jahrhundert in
hohem Maße unter dem Einfluß des Rarocks, der zunächst von Frankreich aus
in Rußland eindrang, dann aber auch von Deutschland aus. Ein Bild des Kel-
ches, wie er im koptisch-äthiopischen Ritus um 1700 in Gebrauch war, gibt ein
im britischen Kronschatz befindlicher, aus Gold angefertigter Kelch (Tafel 4o).
Sein Fuß ist rund, leicht gewölbt, in drei Absätze gegliedert und init Horizontal-
rand versehen. Sein kräftiger, gleichfalls runder Schaft erweitert sich behufs
Überleitung zum Fuß und zur Kuppa am oberen wie am unteren Ende. Der
Nodus ist ersetzt durch drei getrennt übereinander angebrachte Scheiben, von
denen die untere und obere schwächer, die mittlere stärker ausladet. Die mit
horizontalem Rand ausgestattete Kuppa hat die Form einer ziemlich flachen
Schale. Die Höhe des Kelches und der Gesamtdurchmesser der Kuppa sind
gleich; beide betragen zirka 20,8 cm. Ein anderer koptisch-äthiopischer Kelch
ist abgebildet in dem Führer zu den altchristlichen und byzantinischen Alter-
tümern des Britischen Museums. Sein leicht konisch ansteigender, eines Halses
entbehrender Fuß ist rund, sechsseitig der oben, unten und in der Mitte mit
wulstigen, runden Ringen geschmückte Schaft. Die Kuppa ist halbkugelförmig
und rings am Rand horizontal umgekrempt. (382)
Werfen wir zum Schluß einen Rückblick auf das über die Form des Kelches
bisher Gesagte. Eine formale Entwicklung des Kelches, und zwar sowohl des
Henkelkelches wie des henkellosen Kelches, macht sich im Westen bis in das
spätere 12. Jahrhundert nicht bemerklich. Weder die Darstellungen von Kel-
chen auf den Rildwerken aus der vorausgehenden Zeit, noch die Kelche, die
sich aus derselben erhalten haben, lassen eine solche erkennen. Sie beginnt dann
aber in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts, tritt allenthalben gleichzeitig
auf und äußert sich vornehmlich in einer Umbildung der Kuppa, die die Ge-
stalt einer weiten, wenig tiefen Schale erhält, sowie in der Einführung von Zwi-
schengliedern zwischen Nodus und Kuppa bzw. zwischen Nodus und Fuß, die
sich dann allmählich zu einem förmlichen Schaft ausgestalten. Zunächst und
vor allem betrifft sie den henkellosen Kelch, doch bleibt auch der freilich schon
im Aussterben begriffene Henkelkelch von ihr in seiner formalen Rildung nicht
unbeeinflußt. Der Typus, den sie schafft, beherrscht den Kelch bis in das späte
i3. Jahrhundert hinein. Dann setzt eine weitere Entwicklungsphase ein, an der
jedoch der Henkelkelch, weil mittlerweile aus dem Gebrauch ausgeschieden,
(381) Vgl. z. B. A. S. Uvarov, Katalog der Schatzkammer des Preobrachenskikl osters zu
Jaroslawl (Moskau 1887) ; A. Recmenskjm, Sammlung alter kirchlicher Denkmäler in Moskau
(Moskau 1813); Steliax Petrescu, Üdoarele dela Neamtu si Secu (Bukarest 1911); Anti-
quites de Russie I, TU. 66 und den Katalog der Kelche des Viktoria-und-AIbert-Museum zu
London, pl. 27. (382) Guide to the early Christian and byzantine antiquities (Londonl921) 156.
140 VASA SACRA. ERSTER ABSCHNITT. DER KELCH
nicht mehr teilnimmt. Am raschesten schritt sie voran in Italien. Hier zeigt
sich schon in der ersten Hälfte des ik- Jahrhunderts ein neuer, von der Kelch-
form des i3. Jahrhunderts in der Bildung aller seiner Bestandteile abweichen-
der Typus, bei dem insbesondere auch das Höhenverhältnis, den Durchmesser
der Kuppa als Einheit genommen, ein anderes als vordem geworden ist und
der dann nicht nur sich ohne namhafte Veränderungen bis zum Ausgang des
i5. Jahrhunderts in Italien behauptet, sondern auch in Spanien eindringt.
Diesseits der Alpen vollzieht sich der Entwicklungsprozeß zum Teil wegen
der Nachwirkung, die die Kelchform des i3. Jahrhunderts hier ausübte, weit
langsamer; dauert er daselbst doch bis ins späte i5. Jahrhundert fort. Seine
Wirkung ist ein langsam, aber stetig fortschreitender Wandel in der relativen
Höhe des Kelches, das ist in dem Verhältnis seiner Höhe zur Weite der Kuppa.
Dagegen schafft er keine einheitliche Kelchform, sondern verschiedene mehr
oder weniger verwandte Typen. Eine größere Einheitlichkeit tritt erst um das
Ende des i5. Jahrhunderts ein, als sich beim Fuß fast allgemein die Sechspaß-
form einbürgert, die Kuppa aber statt der gewöhnlicheren Kegelform die eines
breitbodigen, nur mäßig nach oben sich erweiternden Bechers erhält.
Das Auftreten der Renaissance hat keineswegs sogleich eine Umbildung der
Form des Kelches zur Folge. Es ändert sich zunächst nur das Ornament. All-
mählich aber greift dann der Wandel auch auf die Form über. Außer und
neben gotisierenden Kelchen, die selbst bei reichlichster Aufnahme von Re-
naissanceornament an der überkommenen gotischen Form festhalten, entstehen
nicht nur andere, die überlieferte formale Elemente mit solchen der Renaissance
verquickt zeigen, formal eine Zwitterstellung zwischen alt und neu einnehmen,
sondern namentlich auch solche, bei denen der neue Stil auch in der Form
völlig zum Durchbruch gekommen ist; in Italien und Portugal schon zur Zeit
der Frührenaissance, anderswo, wie namentlich in Deutschland, erst in der Zeit
des Barocks. In Kuppa, Schaft und Fuß sind bei diesen alle Erinnerungen an
den mittelalterlichen Kelch ausgeschieden, das relative und absolute Höhen-
verhältnis aber, wie es sich bei den Kelchen des ausgehenden Mittelalters her-
ausgebildet hatte, behauptet sich nicht nur, es schreitet sogar bis zum Äußersten
weiter. Mit der von der Renaissance geschaffenen und dann von dem Barock
übernommenen und im Sinne des Barocks weitergestalteten Kelchform hat dann
die formale Entwicklung des Kelches ihr Ende erreicht. Die Folgezeit hat kei-
nen neuen Typus hervorgebracht.
Über die formale Entwicklung des Kelches in den Riten des Ostens Hegt zu
wenig Quellenmaterial vor, als daß sie sich verfolgen ließe. Daß es aber auch
dort an einer solchen nicht gefehlt hat, daran läßt schon das wenige, was an
Quellenmaterial vorhanden ist, nicht zweifeln.
durch Nachgießen von unkonsekriertem, bedurfte es, so oft die Zahl der Kom-
munikanten eine namhafte war, eines entsprechend großen Konsekrations-
kelches, während bei einer geringeren Anzahl derselben ein kleinerer Kelch zum
Konsekrieren genügte. Ein kleiner Konsekrationskelch reichte auch aus, als es
Brauch wurde — zu Rom bestand die Sitte schon im 8. und 9. Jahrhundert,
wie der 1., 2. und 3. der römischen Ordines Mabillons bezeugen — an die Gläu-
bigen das heilige Blut vermischt mit geopfertem, aber nichtkonsekriertem Wein
auszuspendcn, wobei nur ein wenig des konsekrierten Weines in diesen gegossen
wurde. Kleinere Spendekelche genügten, wenn wegen der großen Zahl der
Kommunikanten die Spendung des Sakramentes unter der Gestalt des Weines
durch mehrere Priester oder Diakone zu gleicher Zeit erfolgte, wie es in sol-
chen Fällen zu Rom geschah, und darum mehrere Kelche zugleich benützt wur-
den. Ein größerer war erforderlich, wenn man sich trotz einer erheblichen An-
zahl von Kommunizierenden nur eines Spendekelches bediente, sei es eines aus-
schließlich zu diesem Zweck bestimmten, sei es, wie namentlich in späterer Zeit,
des Konsekrationskelches. (383) Für Privatmessen wie überhaupt für alle Mes-
sen, in denen die Kommunion nicht oder nur wenigen ausgeteilt wurde, genügte
ein kleiner Konsekrationskelch, der, wenn nötig, zugleich als Spendekelch
dienen konnte; man wird darum auch zu aller Zeit in der Regel bei denselben
einen kleinen Kelch benutzt haben.
Was sich an Kelchen aus der Zeit, in der die Kommunion unter beiden Ge-
stalten noch voll in Übung war, erhalten hat, das ist aus der Zeit vor dem
13. Jahrhundert, zeigt sehr verschiedene Größenverhältnisse. Mit dem Aus-
sterben des Laienkelches im i3. Jahrhundert ändert sich das jedoch allmählich.
Schon im i4- Jahrhundert sind die Abmessungen aller Kelche, von kleineren
Schwankungen und vereinzelten Ausnahmen abgesehen, die gleichen und so
bleibt es dann in der weiteren Folgezeit, soweit die Kelche der gleichen Ent-
stehungszeit in Frage kommen. Denn verglichen mit den Kelchen des i4- Jahr-
hunderts zeigen schon die des i5. eine, wenn auch nicht sehr erhebliche Ver-
minderung der Größe; stärker wird sie bei den Kelchen der Renaissance und
namentlich des späten Barocks, deren Kuppa nicht selten eine Weite von nur
9. 8V2» Ja § cm oat-
Außerordentlich große Konsekrationskelcke begegnen uns in großer Zalil in des Papst-
buches Biographien der Päpste des 4-, 5. und 6. Jahrhunderts. So schenkte Konstantin, um
nur einige Beispiele aufzuführen, der Laterankirche sieben goldene Kelche zu je 10 librae
(=3,275 kg), einen Kelch ex metallo coralli von 20 librae, 3 unciae (= 6,63 kg), sowie
zwanzig silberne Kelche zu je i5 librae (= 4,912 kg); der Peterskirche drei goldene Kelche
zu je 12 Jibrae (= 3,928 kg) und zwanzig silberne zu je 10 librae (= 3,275 kg); der Ba-
silika des heiligen Laurentius einen goldenen Kelch von 10 librae (= 4,912 kg) und zwei
silberne zu je 10 librae (= 3,275 kg). Damasus (366—384) stiftete der von ihm gegrün-
deten Kirche des heiligen Laurentius (heute S. Lorenzo in Damaso) einen mit plastischem
Schmuck ausgestatteten Kelch von io librae (= 3,275 kg), Innocentius I. (4oi—417) der
von ihm erbauten Basilika der heiligen Gervasius und Protasius zwei süberne Kelche von
ebenfalls je 10 librae, Gölestin (422—432) der Basilika Julii (S. Maria in Trastevere) zwei
(383) Der Priester ließ im letzteren Fall bei der Kommunion von dem konsekrierten Wein
einen Teil übrig, dem dann für die Kommunion der Gläubigen, soweit notwendig, nicht kon-
sekrierter Wein beigefügt wurde.
142 VASA SACRA. ERSTER ABSCHNITT. DER KELCH
silberne Kelche zu je 8 librae (= 3,62 kg), Xystus III. (433—44o) der Basilika Maria
Maggiore einen goldenen Kelch von 12 librae (= 3,925 kg) und fünf silberne von je
10 librae, Hilarus (46i—468) ließ für jede der fünfundzwanzig Stationskirchen je einen
silbernen Kelch von 10 librae und dazu für alle insgesamt einen goldenen von 8 librae
(=" 2,62 kg) anfertigen. Die Vita des Papstes Hormisdas berichtet von zwei goldenen Kelchen
von je 8 librae, die aus Griechenland gekommen waren. (384) Auch in den Biographien
der Päpste des 8. und 9. Jahrhunderts finden sich noch Riesenkelche verzeichnet. So ließ
Gregor II. (715—-;3i) einen goldenen Kelch von 3o librae (= 9,825 kg) herstellen, Gre-
gor III. (731—741) einen goldenen Kelch von 29 librae (= 9,497 kg). Ein goldener Kelch,
den Papst Hadrian (772—795) der Peterskirche schenkte, wog mitsamt seiner Patene
24 librae (= 7,86 kg); zwei andere goldene Kelche, die er der Basilika Maria Maggiore und
der Paulusbasilika spendete, hatten zusammen mit ihrer Patene ein Gewicht von je 20 librae
(—■ 6,55 kg). Unter Leo III. (790—816) stiftete Karl der Große der Peterskirche je einen
Kelch von 18, von 37 und 36 librae (= 2,62,12,117 una" r 1.79 I*g)- (385) Im ganzen sind
freilich Kelche solcher Größe, die zweifellos Henkelkelche waren, da sie sonst unhandlich
gewesen wären, in den späteren Papstbiographien seltener geworden.
Die Kelche, von denen der Liber Pontificalis berichtet, sind so riesenhaft, daß man fast
zu fragen geneigt sein könnte, ob seine Angaben zuverlässig seien und Vertrauen verdienen.
Indessen liegt um so weniger ein Grund vor, an ihrer Richtigkeit zu zweifeln, als wir auch
anderswo von ähnlich großen Kelchen hören und zwar selbst noch in weit späterer Zeit.
So berichtet Wilhelm von Malmesbury von einem goldenen Kelch, der von König Ina um
700 dem Kloster Glastonbury geschenkt wurde und samt seiner Patene 10 librae wog, (386)
ein Inventar des Klosters Abdinghof zu Paderborn aber aus dem Jahre io3i verzeichnet
zwei silberne Kelche, von denen einer 3o Mark (= ca. 7 kg), der andere 22 Mark (= ca. 5 kg)
wog, (387) Ein Kelch, den Bischof Brithwold von Salisbury dem Kloster Glastonburv spen-
dete, hatte ein Gewicht von 20 Mark Silber und 4 Mark Gold (= ca. 6 kg). (388) Ein gol-
dener Kelch, den Bischof Bernward dem Dom zu Hildesheim verehrte, war 20 Mark (etwa
4,25 kg) schwer. (389) Ein Inventar von S. Liberatore zu Chieti von 1019 vermerkt einen
Kelch von ca. 6 librae (= 1,96» kg). Ein Gewicht von 4o Mark (= ca. 9,5o kg) hatte ein
goldener Kelch, den ein gewisser Wilhelmus Brivare (f 1227) der Kathedrale zu Rochester
stiftete. (390) Papst Anastasius IV. (n53—Ii54) spendete der Laterankirche eine 28 librae
(= 9,17 kg) schweren Kelch, (391) im Schatz des Mainzer Domes aber befanden sich um
u5o zwei goldene Kelche, von denen einer 18 Mark (= ca. 4 kg), der andere sogar 4g Mark
(= 11,75 kg) wog. Die Wände des letzteren waren fingerdick, sein Gewicht so groß, daß
ihn nicht jedermann leicht aufheben konnte. Zur Feier der Messe konnten beide Kelche,
weil zu schwer, nicht benutzt werden, wie der Chronist bemerkt. (392) In St. Alban zu
Mainz gab es im frühen 12. Jahrhundert einen goldenen Kelch von 36 Mark (= ca. 8,5o kg)
Gewicht. Erzbischof Adalbert I. (im—1137) entnahm ihn dem Schatz der Kirche. (393)
Sogar zu Ende des i4- Jahrhunderts ist noch im Inventar Karls V. von Frankreich aus dem
Jahre i38o von einem solcher Riesenkelche die Rede. Er bestand aus Silber, war mit Email
verziert und wog 25 Mark (= ca. 6 kg). (394) Eine praktische Verwendung beim Gottes-
dienst fanden diese Kelche der spateren Zeit nicht mehr. Sie waren Prunkstücke, Wert-
stücke, die gegebenenfalls als Pfandobjekt dienten.
Das gerade Gegenteil solcher Riesenkelche waren die zu Miniaturkelchen zusammen-
geschrumpften Reisekelche, von denen bereits früher die Rede war. (394a) Wie jene das
Maximum eines Kelches darstellten, so diese das Minimum, unter das herabzugehen schlecht-
(384) Duch. L. P. I, 173, 176, 181, 212, 220, 230, 232, 244, 271.
(385) L. c. I, 410, 419, 512; II, 8. (386) De antiq. Glaston. eccl. (M. 179, 1705).
(387) M. G. SS. XI, 156. (388) Wilh. Mai.mesbi.r., De antiq. Glaston. eccl. (M. 179,1723).
(389) Thakghmari, Vita s. Berwardi n. 8 (M. G. SS. IV, 761). (390) Revue XXXVII (1887)
333. (391) Joh. Diac, De eccl. Lateran, c. 11 (M. 78, 1388) (892) Christiani, De calami-
tate eccl. Moguntinae n.3 (M.G.SS.XXV, 240). Der zweite Kelch wurde 1163 von Bischof
Konrad I. verpfändet; er wird in der diesbezüglichen Urkunde als 49 Mark schwer bezeich-
net (GunENüs, Cod. dipl. I, 242). (393) Ebd. II, 743. (394) Labarte 126. Dem König war
der Kelch vom Bischof von Paris geschenkt worden. (394a) Vgl. oben S.72.
FÜNFTES KAPITEL. FORM. IV. GROSSE DES KELCHES 143
hin unmöglich war. Es sind außerordentlich geringe Abmessungen, die sie zeigen. So be-
trägt die Höhe des goldenen Miniaturkelches, den man zu Trier im Grabe des Erzbischofs
Poppo (■(■ 10^7) fand, nur 4,6 cm, der Durchmesser seiner Kuppa bloß 5 cm; die entspre-
chenden Maßt; des kleinen silbernen, innen vergoldeten Kelches, den man im Grabe des
Trierer Erzbischofs Udo {f 1078) antraf, betrugen 6,5 bzw. 4,7 cm. Der Adalvarduskelch
zu Skara (Tafel 11) zeigt bei einer Höhe von 6,4 cm eine Kuppaweite von 3,4 cm, der
Bernulphuskelch im Rijksmuseum zu Amsterdam bei einer Höhe von etwa 7,5 cm eine
Kuppaweite von 5 cm. Von den fünf Miniaturkelchen im Dom zu Hildesheim ist der dem
Grab des Bischofs Osdag (f 989) entstammende 9 cm, der dem Grab des Bischofs Dithmar
entnommene (f io44) 6,3 cm, der Kelch aus dem Grabe des Bischofs Hezilo (f 1079)
6,2 cm (Tafel 11), der im Grabe des Bischofs Udo (•{• 1114) gefundene 7,2 cm, der in einem
nicht näher bestimmbaren, der Frühe des Jahrtausends angehörigen Grabe entdeckte 5,9 cm
hoch. Der Durchmesser der Kuppa beträgt beim ersten dieser Miniaturkelche 5,4 cm, beim
zweiten 3,8 cm, beim dritten 5 an, beim vierten 4,3 cm, beim fünften !\,i cm. Ein aus dem
Dom zu Köln oder zu Trier stammender, am Fuß und Nodus mit Filigran, Steinen und
Perlen, an der Kuppa mit einem gravierten Widmungsbild verzierter Miniaturkelch aus dem
frühen i3. Jahrhundert, der sich zur Zeit in Lausanner Privatbesitz befindet, hat bei einer
Kuppaweite von 6,5 cm eine Höhe von 8,3 cm. Der mit Henkeln versehene Reisekelch im
Dom zu Cividale (Tafel 5) ist, bei einem Kuppadurchmesser von 5,5 cm, 9 cm hoch. Ein im
Dom zu Magdeburg in einem Bischofsgrab des i3. Jahrhunderts gefundener Kelch hatte
eine Höhe von 8 cm und eine Kuppaweite von 6,5 cm, Maße, wie sie ähnlich ein in einem
Bischofsgrab des Domes zu Calocsa entdeckter Kelch aufwies. Sind die beiden letzten Kelche
auch etwas größer als die vorher genannten, so sind doch auch sie noch immer Müiiatur-
kelche. Der jüngste Kelch dieser Art, der mir bekannt wurde, entstammt erst dem i4- Jahr-
hundert Er ist 9 cm hoch, hat eine 5,8 cm weite Kuppa und kommt aus der Fürstlich
Hohenzollerischen Sammlung zu Sigmaringen. (395) Die äußerst geringen Maßverhältnisse
(395) Eine Photograhie des interessanten Kelches verdanke ich der Güte des derzeitigen
Besitzers, des Antiquitätenhändlers Herrn Goldschmidt zu Frankfurt
144 VASA SACRA. ERSTER ABSCHNITT. DER KELCH
dieser Kelche erklären sich nicht bloß aus ihrer Bestimmung, auf Reisen zur Meßfeier ge-
braucht zu werden, sondern besonders auch aus den kleinen Abmessungen des Steines des
Portatiles, zu dem sie gehörten. {396)
Zerlegbare Kelche scheinen erst im späten Mittelalter aufgekommen zu sein.
Ein Beispiel eines solchen wird in einem Inventar von St-Denis von i5o4 er-
wähnt : Un calice de 7 pieces fermant ä viz y comprenant l'escroue et la ves et
sa patene- Le tout est d'argent dore et esmaiüe- de basse taille. (396a) Der Kelch
war eine Stiftung Karls V. (j- i38o), stammte also aus dem späten 14- Jahr-
hundert. Da von den andern Kelchen des Inventars keiner als zerlegbar bezeich-
net wird, scheint er in ihm der einzige seiner Art gewesen zu sein. Ein anderes
Beispiel wird im Inventar der Moranduskapelle im Stephansdom zu Wien von
1^26 aufgeführt. (397) Erhalten hat sich ein zerlegbarer Kelch aus dem späten
i4- oder frühen id. Jahrhundert im Stift Klosterneuburg. (398) Er läßt sich
in drei Stücke, Kuppa, Nodus und Fuß auseinandernehmen. Zusammengesetzt
wird er mittels einer Schraube, die oben am Fuß, in dem der Behälter für die
Hostien eingeschlossen werden kann, angebracht ist (Bild i4)-
FÜNFTES KAPITEL
DIE ORNAMENTALE AUSSTATTUNG DES KELCHES
I. ALLGEMEINES
Das, worauf es bei Herstellung des Kelches vor allem ankommt, und was in
erster Linie Ziel sein muß, ist, ihm eine seiner würdige Form zu geben, also eine
Form, die ihn als ein gefällig sich aufbauendes organisches Gebilde erscheinen
läßt, dessen einzelne Bestandteile in einem inneren struktiven Zusammenhang
miteinander und in einem harmonischen Verhältnis zum Ganzen wie zueinander
stehen, und die zugleich derartig ist, daß sie ihn aus der Reihe der profanen
Geräte heraushebt und ihn als sakrales Gerät kennzeichnet. Weil aber der
Kelch das Gefäß ist, in dem sich bei der Feier des eucharistischen Opfers durch die
Konsekrationsworte die Transsubstantiation des Weines in Christi heiliges Blut
vollzieht und infolgedessen nach den Wandlungsworten Christus zunächst mit
seinem Blut, dann aber auch wegen der unlösbaren, lebendigen Verbindung von
Christi Blut mit Christi Leih, Seele und Gottheit, ganz und ungeteilt mit Gott-
heit und Menschheit, wahrhaft und wirklich in ihm zugegen ist, ist es begreif-
lich, daß man es nicht dabei bewenden ließ, ihm eine seinem erhabenen Zwecke
entsprechende Form zu geben, sondern ihn obendrein schon früh mit ange-
messenem Schmuck ausstattete. Befanden sich doch bereits unter den Kelchen,
mit denen Kaiser Konstantin nach dem Papstbuch die Lateranbasilika und an-
dere Kirchen begabte, mit Edelsteinen reich besetzte.
Leider sind wir über die Weise, wie man den Kelch verzierte und die Schmuck-
mittel, deren man sich dazu bediente, für die Zeit des ersten Jahrtausends und
selbst noch für das 11. Jahrhundert nur sehr mangelhaft unterrichtet. Der
(396) Vgl. Braus, Altar I, 438t (396a) Omost 18. (397) Vgl. oben S. 29.
(398) Mitt. VI (1861) 268.
ßiltl 12. Kelch. M Bild 13. Kvkh. München,
BavcrisHifs Natittnalmuscmri.
PATENE. ZIBORIUM. MONSTRANZ
In—
' Je? r? ". ■'
Kelche, die uns darüber Aufschluß geben könnten, sind allzuwenige. Was uns
die Bildwerke darüber sagen, ist nicht nennenswert. Was aber die schriftlichen
Quellen bis zum 12. Jahrhundert uns über die Ausstattung des Kelches berich-
ten, sind nur gelegentliche, allzu allgemein gehaltene Bemerkungen. Das gilt
insbesondere auch von den stets äußerst knapp abgefaßten Inventaren und
Gabenverzeichnissen aus jener Zeit, von denen wir noch am ehesten Auskunft
erwarten dürften. Für das 12., sowie namentlich das i3. und die folgenden
Jahrhunderte sind wir dann freilich über die ornamentale Ausstattung des Kel-
ches besser unterrichtet, nicht bloß, weil die Inventare gesprächiger werden,
sondern vor allem infolge der Fülle mehr oder weniger reich ornamentierter
Kelche, die sich aus jener Zeit erhalten haben und uns über die Art des
Schmuckes, mit dem man die Kelche versah, so umfassenden und allseitigen Auf-
schluß geben, daß dieser kaum mehr einer Ergänzung durch die Angaben der
Inventare bedarf.
In welchem Verhältnis die Zahl der reicher ornamentierten Kelche zu der aller schmücken-
den Zutaten entbehrenden oder doch nur in geringem Maß mit solchen bedachten steht, läßt
sich nicht einmal für das spätere Mittelalter und die nachmittelalterliche Zeit feststellen. Es
bietet dafür weder eine genügende Unterlage, was sich an Kelchen erhalten hat, noch was
uns die vielfach wenig einlässigen Inventare über die in ümen verzeichneten Kelche sagen.
Sicher ist, daß jedenfalls im späteren Mittelalter und in nach mittelalterlicher Zeit eine
überaus große Menge reich, ja reichst ornamentierter Kelche entstand, aber auch, daß diese
nur den bei weitem kleineren Teil aller Kelche, die damals geschaffen wurden, bildeten.
Weitaus die Mehrzahl war schmucklos oder nur sehr mäßig mit Ornament ausgestattet.
Waren doch auch sehr viele, um nicht zu sagen die meisten Kirchen, zumal die Landkirchen,
nicht eben in der günstigen Lage, reich ornamentierte Kelche zu beschaffen, teils weil
ihnen bei allem guten Willen die dazu nötigen Mittel mangelten, teils weil es an einem
Goldschmied fehlte, der imstande gewesen wäre, solche herzustellen. Man mußte schon
zufrieden sein, wenn es gelang, wenigstens für festliche Gelegenheiten einen ausgiebiger
mit Schmuck bedachten Festkelch anfertigen zu lassen. Aber auch der Umstand, daß man
sich reich ornamentierter Kelche nur aus Anlaß besonderer Feiern bei der Messe zu bedienen
pflegte, sowohl um sie vor den bei häufigem Gebrauch unvermeidlichen Beschädigungen
zu bewahren, als auch um den Feiercharakter der Gelegenheiten, bei denen man sie benutzte,
zum sinnfälligen Ausdruck zu bringen, an gewöhnlichen Tagen und bei Privatmessen aber
einfache Kelche zur Messe verwendete, mußte notwendig zu einem zahlenmäßigen Über-
wiegen dieser letzteren führen.
Bezeichnend ist nicht bloß für die Kelche der älteren Zeit, sondern auch noch
für die des i4- und des früheren i5. Jahrhunderts das wohl abgewogene, fein
empfundene Verhältnis, in dem Schmuck und Form zueinander stehen. Auch
wo die schmückenden Zutaten derart gehäuft sind, daß ihre Fülle an die Grenze
des Zulässigen streift, ja diese bisweilen überschreitet, bleiben sie der Form
untergeordnet, stören sie diese nicht, erscheinen sie nur als Beigabe, nicht als
Hauptsache. Erst in der Zeit der Spätgotik, zumal im ausgehenden i5. Jahr-
hundert, tritt darin nicht nur in Deutschland, zumal in Mittel- und Ostdeutsch-
land, sondern auch anderswo, namentlich in Spanien und Portugal, ein teil-
weiser Wandel ein. Der Korb der Kuppa wird in einer Weise ausgebildet und
mit Ornament überladen, daß die Kuppa gegen ihn an Bedeutung zurücktritt.
Schaft und Nodus werden aus Freude am Prunk zu einem oft überreichen, un-
BRAUN, das christliche altargerat 10
146 VASA SACRA. ERSTER ABSCHNITT. DER KELCH
H. SCHMUCKMITTEL
Die Schmuckmittel, deren man sich zur Ausstattung der Kelche bediente,
sind zahlreich, wenn auch nicht alle zu aller Zeit und überall in gleichem Aus-
maß zu ihr verwertet wurden, da die Vorliebe der Zeit und der örtlichen Ge-
pflogenheit für dieses oder jenes Schmuckmittel, wie überhaupt bei den Gold-
schmiedearbeiten, so auch beim Kelch jeweilig für ihre Verwendung bestimmend
war. Es sind: Edelsteine und Perlen, Filigran, Email und Niello, Tauschierung,
Gravierung und Ziselierung, Treib- und Gußarbeit.
i. Edelsteine und Perlen. Den Kelch mit Edelsteinen zu schmücken, war
schon frühzeitig Brauch. Befanden sich doch unter den Kelchen, welche Kon-
stantin der Peterskirche schenkte, auch drei goldene, die mit je ko Edelsteinen,
Smaragden und Hyazinthen, geschmückt waren. Ebenso war unter den Kelchen,
mit denen der Kaiser die Lateranbasilika ausstattete, ein mit Edelsteinen ver-
zierter Kelch. (1) Im Jahre 451 wird ein mit Edelsteinen besetzter Kelch von
hohem Wert in den Akten der Synode von Chalcedon bei Gelegenheit der Ver-
handlungen gegen Ibas von Edessa erwähnt, (2) Ö20 schickte Epiphanius von
Konstantinopel dem Papst Hormisdas einen goldenen mit Edelsteinen einge-
faßten Kelch. (3) Kaiser Justinian sandte der Peterskirche unter Johannes II.
(533—535) einen goldenen mit grünen Edelsteinen geschmückten Kelch, (4)
König Recared aber schenkte Gregor d. Gr. einen mit Edelsteinen geschmück-
ten Kelch. (5) Mit Edelsteinen verziert waren auch die sechzig goldenen Kelche,
die Childebert als Beute aus Spanien ins Frankenland brachte und hier Kirchen
und Basiliken zum Geschenk machte, (6) desgleichen der aus reinstem Gold ge-
machte Kelch, den die Königin Ingundis dem Bischof Desiderius von Auxerre
(6o3—6a3) für die dortige Stephanskirche spendete. (7) Ein Kelch, den die
Königin Bugge, die Gemahlin Inas, Königs von Wessex, einer von ihr gestif-
teten Basilika schenkte, war so reich mit Edelsteinen besetzt, daß Aldhelm,
Bischof von Sherborne (f 709) ihn wegen der Fülle derselben mit dem mit
(1) Duch. L. P. I, 271. (2) H. II, 518. (3) M. 63, 499; es ist wohl der scyphus aureus
cum gemmis, den der Liber Pontilicalis in der Vita Hormisdae unter den goldenen und sil-
bernen Gefäßen nennt, die zu Lebzeiten dieses Papstes aus Griechenland nach Rom kamen.
(Duch. L. P. 1, 271.) (4) Ebd. I. 285. (5) Ep. 1. 9, n. 61 (M. 77, 998). (6) Greg. Thron.,
Ilist. Franc. I. 3, c. 10 (M. 71 250). (7) Gesta episc. Autiss. c. 20(M. 138, 240).
FÜNFTES KAPITEL. ORNAMENTALE AUSSTATTUNG. II. SCHMUCKMITTEL 147
Die Menge der Steine und Perlen ist an einigen der mittelalterlichen Kelche sehr groß.
So zeigt der Fürstenbergs che Kelch zu VÜIingen allein auf dem Fuß etwa 80. Der Kelch zu
Ludwigslust weist auf dem Fuß 84 Steine und Perlen auf, der Kelch in der Nikolaikirche
zu Berlin 126. Bei dem vorhin genannten Kelch im Stift Klosterneuburg beläuft sich die
Gesamtzahl der Perlen und Steine auf etwa i5o. Mit einer außerordentlichen großen Fülle
von Steinen und Perlen war ein dem Erzbischof Albrecht von Mainz gehörender Kelch ge-
schmückt, den wir heute nur mehr durch eine Abbildung des Haller Heiltunisbuches kennen
(Tafel 37). Fuß, Nodus und Korb der Kuppa waren dicht von ihnen besetzt, der Korb der
Kuppa sogar in einem Ausmaß, daß er lediglich aus Steinen und Perlen zu bestehen schien.
Übrigens wurden schon im i3. Jahrhundert und noch mehr im i4- und i5. Steine und
Perlen bei Ausschmückung der Kelche mit Vorliebe durch andere, dem Zeitgeschmack ent-
sprechende Schmuckmittel, zumal durch figürliche Reliefs, aufgelegtes oder in Treibarbeit
herausgearbeitetes Blattwerk und Emailbildchen, verdrängt. Sehr lehrreich sind in dieser
Beziehung die oft aufs reichste mit Schmelzen geschmückten italienischen Kelche des 1/4-
und i5. Jahrhunderts, von denen Steine als Schmuck geradezu wie verbannt erscheinen,
sehr lehrreich auch die französischen Inventare derselben Zeit, aus denen gleichfalls her-
vorgeht, daß die mit Emails verzierten Kelche fast immer des Schmuckes von Steinen und
Perlen entbehrten, (13) sehr lehrreich die geradezu an einem Übermaß plastischen Schmuckes
krankenden, des Schmuckes von Steinen und Perlen aber ebendarum völlig entbehrenden
Spanischen und portugiesischen spätgotischen und gotisierenden Prachtkelche aus dem Ende
des i5. und der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts. Auch in Deutschland war es vornehm-
lich die Vorliebe für plastischen Schmuck, welcher die Verwendung von Steinen und Perlen
zur Verzierung des Kelches im 1/1. und r5. Jahrhundert so sehr verdrängte, daß unter der
Fülle der aus ihnen heute noch vorhandenen deutschen Kelche sich nur eine verhältnis-
mäßig sehr geringe Zahl befindet, die irgendwie reicher mit Steinen und Perlen verziert sind.
Die Steine, mit denen man im Mittelalter die Kelche schmückte, waren übrigens keines-
wegs immer wirkliche Edelsteine, wiewohl auch solche unter ihnen nicht fehlten. Sehr oft
waren es nur Halbedelsteine, Achate, Amethysten, Hyazinthen, Topase u. a., die freilich da-
mals einen weit höheren Wert als heute hatten.
In der Zeit der Renaissance macht sich gegenüber der Spätgotik eine gewisse
Steigerung in der Verwendung von Steinen und Perlen zur Ausstattung des
Kelches bemerklich, ohne jedoch schon erheblich zu werden. Das wird sie dann
jedoch im Barock. Seit Ausgang des 17. Jahrhunderts sind Steine und Perlen
nicht nur ein sehr gewöhnlicher und beliebter Schmuck reich verzierter Kelche,
sie werden auch oft in einem Ausmaß an denselben angebracht, das zum Über-
maß, zum geistlosen Prunk geworden ist. Barockkelche, an denen sich hundert
bis zweihundert Steine finden, sind keine Seltenheit. Ein 1699 angefertigter
Kelch in St. Peter zu Salzburg ist sogar mit 7/17 Steinen besetzt, ein Barock-
kelch im Dom zu Limburg aber weist nicht weniger als 991 auf. Allerdings
waren die Steine, mit denen der Barock die Kelche schmückte, vielfach nur ein
Surrogat echter Steine, nur Imitationen in Gestalt farbiger Glaspasten. Jedoch
wurden auch wirkliche Edelsteine und Halbedelsteine reichlich zum Schmuck der
Kelche verwendet. Unter den 7^7 Steinen des Salzburger Kelches gibt es keine
unechten und nur 9 Halbedelsteine (5 Hyazinthen und 4 Amethysten), die übrigen
bestehen in 201 Diamanten, 522 Rubinen, 5 Saphiren und 10 Smaragden (14)
und ähnlich verhält es sich mit dem Steinschmuck des Limburger Kelches.
(13) Man vgl. z. B. das Inventar Karls VI. von Frankreich von 1418 (Douet d'Arcq II,
3791), des Herzogs Jean von Berry von 1401—1403 (Guiffkey II, 2f.) und Karls V. von
Frankreich von 1379/80 (Labarte 511, 126f.).
(14) Kunsttopogr. Salzburg, St. Peter 48 mit Abb.
FÜNFTES KAPITEL. ORNAMENTALE AUSSTATTUNG. II. SCHMUCKMITTEL 149
Ausführung der Kelch in der Marienkirche zu Prenzlau (Tafel i&), am Fuß und am Nodus
der Kelch zu Zimmerbach, an Kuppa und Fuß, nicht aber am Nodus der Gauzelinuskelch
zu Nancy (Tafel 5), an Nodus, Schaft und Fuß der Kelch zu Rathenow (Tafel i3). An
Kuppa, Nodus und Fuß ist Filigran als Schmuck angebracht bei den Kelchen in S. Isidoro
zu Leon (Tafel za) und zu Silos, dem aus St-Denis stammenden Kelch in amerikanischem
Privatbesitz (Tafel 3), dem Kelch in der Kathedrale zu Reims (Tafel i3), dem durch die
Pracht seines Filigran ausgezeichneten Kelch in St. Godehard zu Hildesheim und dem Kelch
in der Marienkirche zu Bergen, vielleicht dem vorzüglichsten Beispiel eines mit Filigran
ausgestatteten Kelches, nicht nur wegen der Fülle und des Reichtums seines Filigran-
schmuckes, sondern ebensosehr wegen der hervorragend schönen und edlen Ausführung
des Filigrans.
Um die Mitte des i3. Jahrhunderts stirbt die Verwendung von Filigran bei
Ausschmückung der Kelche bald für lange Zeit aus. Erst um das Ende des
i5. Jahrhunderts kommt es zu diesem Zwecke wieder in Gebrauch, diesmal je-
doch nicht allgemein, sondern nur in einem engeren Bezirk, in den Gold-
schmiedewerkstätten Ungarns und Siebenbürgens. Gekennzeichnet wird das
Filigran der in diesen geschaffenen Kelche dadurch, daß es nicht durch gekörn-
ten, sondern durch fein gewundenen Draht gebildet wird und daß es statt aus
Rankenwerk ausschließlich aus Miniaturkreischen besteht, die bald lediglich
aneinandergereiht, bald innerhalb eines größeren Kreises zu Gruppen vereinigt
erscheinen und durch eingestreute Perlchen belebt werden. Angehracht ist es
am Fuß des Kelches, am Nodus und an dem Korb der Kuppa, die oft völlig mit
ihm wie übersponnen sind.
Beispiele von Kelchen, die diese Art von Filigran als Schmuck aufweisen, sind noch
heute nicht selten. So finden sich deren z. B. im Domschatz zu Preßburg, im Dom zu Gran,
im Dom zu Krakau (Tafel 3a), in den Kirchen zu Bogeschdorf, Meschen, Mettersdorf,
Tartlau und Hetzeldorf in Siebenbürgen, (15) zu Boleslav bei Tarnow in Galizien, zu
Ebenfurth in Niederösterreich, in der Johanneskirche zu Lissa, im Münster zu Überlingen
in Baden und anderswo, in den zuletzt genannten Kirchen als Import aus Ungarn. Selbst
auf dem Athos gibt es ein Beispiel. (16) Außerhalb Ungarns und Siebenbürgens wurde das
ungarische Filigran in den Goldschmiede werkstatten nicht gebräuchlich. Was sich dort an
Kelchen, die solches aufweisen, findet, stammt aus Ungarn, ist nicht das Werk einheimi-
scher Goldschmiede. In Ungarn fand es als Schmuck der Kelche Pflege bis in den Beginn
des 17. Jahrhunderts. Der Kelch zu Überlingen trägt das Jahresdatum 1396.
Zum dritten und letzten Mal erscheint Filigran um den Beginn des 18. Jahr-
hunderts als Mittel zur Verzierung des Kelches auf dem Plan. Anderer Art als
das Filigran der romanischen Zeit und als das ungarische Filigran des späten
10. und des 16. Jahrhunderts, stellte es nun barocke, sich breit entfaltende
Blätter, Blumen und Ranken dar mit kräftiger Kontur aus dickerem glatten und
luftiger Fällung aus feinstem gekörnten Silberdraht, wie ein Kelch aus St. Ge-
reon zu Köln (Tafel 37) zeigt, spitzenähnliche Gebilde, für welche die damals
so beliebten duftigen Klöppelspitzen Vorbild gewesen sein mögen, nur daß sie
nicht aus Fäden, sondern aus Draht hergestellt waren und die bisweilen ge-
radezu wie eine Art Schleier Fuß, Nodus und den unteren Teil der Kuppa um-
hüllten, wie z. B. bei einem Kelch in der Nikolauskirche zu Prag. (17) Es sind
(15) Viktor Roth, Kunstdenkm. in sächs. Kirchen Siebenbürgens (Hermannstadt 1922).
(16) Abb. bei Roh. IV, 145. (17) Abb. bei Weingartker 198. Ein anderes gutes Beispiel
findet sich im Benediktinerstift Raigern.
FÜNFTES KAPITEL. ORNAMENTALE AUSSTATTUNG. IL SCHMUCKMITTEL 151
besonders Kelche Augsburger Herkunft, die dies Filigran als Schmuck auf-
weisen. Großen Anklang hat es nicht gefunden. Schon bald ist es als Schmuck
der Kelche wieder von der Bildfläche verschwunden.
3. Zelleneinlage, Email, Niello. Zelleneinlage, das ist Glaspasten oder Halb-
edelsteine, namentlich Almandine und Türkise, die in kleinen von Stegen ge-
bildeten, meist viereckigen, doch auch andersgeformten Zellen eingelassen sind,
ein namentlich in merowingischer Zeit sehr beliebter und gepflegter Schmuck
von Goldschmiedearbeiten, kommt nur an einem Kelche vor, dem Ardaghkelch
im Nationalmuseum zu Dublin, einem der jüngsten Werke, welche solche
noch aufweisen. Völlig bekleidet war mit ihr rings um die Kuppa der sogenannte
Eligiuskelch zu Chelles. (18) In Verbindung mit Ranken zeigt Zelleneinlage
der kleine Kelch vonGourdon. (19) Selbst wenn beide keine liturgischen Kelche
gewesen sein sollten, zeigen sie immerhin, wie man in merowingischer Zeit auch
diese mit ihr geschmückt haben wird. Denn bei der großen Beliebtheit und
Pflege, deren sich die Zelleneinlage damals erfreute, wird man auch wohl
Kelche mit ihr verziert haben.
Email scheint bis zum ausgehenden i3. Jahrhundert im Abendland nur sel-
ten und nur in geringem Ausmaß zur Ausschmückung der Kelche verwendet
worden zu sein. Auffallend genug gegenüber der so ausgiebigen Verwendung,
welche es bei sonstigen kirchlichen Arbeiten der Goldschmiedekunst, die gleich-
zeitig mit ihnen entstanden, gefunden hat. Der überaus langen Reihe von Reli-
quienschreinen, Reliquiaren, Tragaltären, Pyxiden und sonstigem mit Email
verziertem liturgischen Gerät stehen nur wenige Kelche der gleichen Zeit gegen-
über, die Emailschmuck zeigen, keiner, bei dem dieser in ausgiebigerem Aus-
maß vorkäme. Einige ornamentale Zellenschmelzplättchen finden sich am Gau-
zelinuskelch zu Nancy (Tafel 5), einige ornamentale Grubenschmelzplättchen
an dem Kelch in S. Isidoro zu Leon (Tafel 12) und dem Kelch in der Kathe-
drale zu Reims (Tafel i3). Figürliche in Email ausgeführte Darstellungen be-
gegnen uns bis in das späte i3. Jahrhundert im Westen an keinem Kelche.
Anders wie im Westen verhielt es sich zu gleicher Zeit im Osten, wie die zahl-
reichen Kelche byzantinischer Herkunft im Schatz von S. Marco zu Venedig
bekunden. Wer immer von diesen eine reichere Ausstattung aufweist, zeigt als
Hauptschmuck Schmelzarbeiten in Gestalt von Inschriften (Tafel 1 und 6), von
ornamentalen Gebilden sowie namentlich von figürlichen Darstellungen, welch
letztere entweder Medaillons füllen oder aneinandergereiht einen, den Rand
der Kelchkuppa, sowie auch wohl den des Fußes umziehenden und einfassenden
Fries bilden; alles ausgeführt in kunstvollem, vergoldeten Goldzellensckmelz
(.Tafel 8 und 9).
Im Westen wurde Email erst seit dem späten i3. Jahrhundert ausgiebiger
xur Verzierung des Kelches verwertet. Vor allem fand es nun zu diesem Zwecke
ausgedehnte Verwendung in Italien, wo im i4« und 10. Jahrhundert Email,
zumal in Gestalt von Medaillons und sonstigen Zierplättchen den Hauptbestand-
teil des Schmuckes reicherer Kelche darstellte, wie eine sehr große Zahl italie-
nischer Kelche, die sich aus jener Zeit erhalten haben (Tafel 28f.), bezeugt,
(18) Vgl. oben S.72. (19) Vgl. oben S.58.
.152 VASA SACRA. ERSTER ABSCHNITT. DER KELCH
Eine an den Kelchen erst seit dem Ausgang des i5. Jahrhunderts auftretende
Sonderart des Emails ist das sogenannte Drahtemail. Es hat mit dem byzantini-
schen Zcllenschmelz insofern eine gewisse Verwandtschaft, als auch bei ihm
das Email in Zellen eingeschmolzen wird, die nicht in den Grund eingegraben,
sondern durch aufgesetzte Stege hergestellt sind. Es unterscheidet sich aber von
ihm erstens dadurch, daß diese Stege nicht aus dünnen, schmalen, auf die Kante
gestellten Metallriemchen bestehen, sondern aus gewundenem Draht, dann da-
durch, daß nur der Boden der Zellen mit Schmelz bedeckt, die Zellen also mit
ihm nicht bis oben gefüllt sind, und endlich dadurch, daß das Email nach dem
Einschmelzen nicht glatt geschliffen und poliert, sondern so belassen wurde,
wie es nach dem Erkalten war. Bei weitem nicht so vollendet wie Zellenschmelz
und ungleich derber, ist es, wenn sauber, sorgfältig und mit kräftig gefärbtem
Email ausgeführt, immerhin eine wirkungsvolle Technik.
Das Drahtemail tritt, wie vorhin gesagt wurde, an den Kelchen um das Ende
des i5. Jahrhunderts auf, es behauptet sich an ihnen bis in das Barock hinein.
Es war wie das Drahtfiligran eine Sondertechnik der ungarischen und sieben-
bürgischen Goldschmiedewerkstätten. Was sich über die Grenzen Ungarns und
Siebenbürgens hinaus, wie namentlich in Polen und Westpreußen an Kelchen,
die mit ihm verziert sind, findet, ist entweder Export aus Ungarn-Siebenbürgen
oder eine Arbeit im Ausland versprengter Goldschmiede von dort. Eingebürgert
hat es sich, wenigstens dauernd, außerhalb seiner Heimat ebensowenig wie das
Drahtfiligran. (21)
Zur Verzierung von Kelchen muß das Drahtemail in seiner Heimat mit Vorliebe ange-
wendet worden sein. Das bezeugen die vielen mit ihm geschmückten Kelche, die sich erhal-
ten haben. So gibt es deren in Ungarn im Dom zu Gran, in der Kathedrale zu Neutra (Ta-
fel 38), im Dom zu Raab, in der Zipser Kathedrale, im Dom zu Kaschau, in der Burgkirche
zu Neusohl, im Dom und im Franziskanerkloster zu Preßburg, in der katholischen Kirche
zu Trenczen, zu Bars-Szent-Kereszt, in Siebenbürgen in den protestantischen Kirchen zu
Großschenk, Klein-Bistriz, Nadesch, Jaad, Stein, Petersdorf bei Mühlbach, Großprobstdorf,
Schonburg, Eibesdorf, Kronstadt, Kleinschalken, Bogeschdorf und Meschen. (22)
Außerhalb Ungarns Grenzen finden sich gute Beispiele im Dom zu Frauenburg (Ta-
fel 3i), im Dom (Tafel 27) und in der Marienkirche zu Krakau, zu Tarnow, im Stift Klo-
sterneuburg, zu Eggenburg in Niederösterreich, zu Knittelfeld, Grdßlobming und Schön-
berg in Steiermark, im Dom zu Prag, in der Adalbertskirche zu Posen, zu Lissewo in West-
preußen, zu Krummin in Pommern, in der Marienkirche zu Zwickau, in der Nikolaikirche
zu Ehrenfriedersdorf sowie zu Groß-Walbur in Sachsen, im Dom zu Breslau (Tafel 25), im
Museum für Kunst und Gewerbe zu Hamburg, im Münster zu Aachen u. a., alles noch
gotische oder doch gotisierende Kelche. Einen prachtvollen, am Fuß, dem vasenförmigen
Schaft und dem Korb der Kuppa völlig mit reichstem Drahtemail überkleideten Barock-
kelch besitzt der Dom zu Pelplin (Tafel 3g).
Die Technik des rein koloristischen Emails, d. i. die teilweise Bemalung der plastischen
Ornamente eines Goldschmiedewerkes mittels farbigen Emails, die in der Zeit der Re-
naissance bei Goldschmiedearbeiten profaner Art häufig angewandt wurde, um der plasti-
schen Wirkung auch noch die der Farbe hinzuzufügen, ist bei Kelchen nur selten zur An-
wendung gekommen. Ein glänzendes Beispiel bietet ein mit Renaissanceornament geradezu
(21) Vgl. Ober das Drahtemail besonders Joset-ii Hampel, Das mittelalterliche Drahtemail
(Budapest 1888) und Zeitschrift XXII (1909) 149. (22) Virtor Roth, Kunstdenkmäler in
den sächsischen Kirchen Siebenbürgens (Hermannstadt 1922).
154 VASA SACRA. ERSTER ABSCHNITT. DER KELCH
überladener, der Form nach noch gotischer Kelch der ehemaligen Sammlung Rothschild
von etwa 1600 (Tafel 33), etwas einfachere ein Kelch in der ehemaligen Jesuitenkirche zu
Paderborn (Tafel 33), ein Kelch im Dom zu Neutra (Tafel 38), beide formal Kelche ge-
mischten Stiles, sowie ein Barockkelch von 1621 in St. Peter zu Salzburg (23) und ein Ba-
rockkelch im Kloster Montserrat in Spanien von i63g, eine deutsche Arbeit, ein Geschenk
Kaiser Ferdinands III. (Bild 11).
Eine Besonderheit der Barockkunst sind die an zahlreichen spätbarocken und Rokoko-
Kelchen vorkommenden kleinen, meist ovalen Kupferplättchen, die mittels aufgemalter
und aufgebrannter Emailfarben mit figürlichen religiösen Darstellungen, Szenen und Ein-
zelfiguren auf weißem Emailgrund, geschmückt, oft von Steinen rings eingefaßt, dem Fuß
und dem Korb der Kuppa sowie auch wohl dem Nodus aufgesetzt sind (Tafel 3.'i, 36, 37).
Diese mit sogenanntem Maleremail versehenen Zierplättchen sind als Schmuck der Kelche
eine Eigentümlichkeit deutscher Kelche und zwar bis gegen Ende des 18. Jahrhunderts. Be-
sonders waren es die GoldscluniedeWerkstätten Augsburgs und Wiens, aus denen mit ihnen
geschmückte Kelche hervorgingen, um weithin in Deutschland Verbreitung zu finden.
Niello, das ist Gravierungen, die mit eingeschmolzenem schwarzem oder grau-
schwarzem Schwefelsilber ausgefüllt sind, kommt an den Kelchen, die sich aus
dem i4- und i5. Jahrhundert sowie aus der Zeit der Renaissance und des Ba-
rocks erhalten haben, meines Wissens nicht vor, jedenfalls nicht in irgendwie be~
merkenswertem Ausmaß. Das früheste Beispiel eines mit Niello verzierten Kel-
ches ist der Tassilokelch zu Kremsmünster (Tafel 1). Nielliert sind an ihm die
der Kuppa und dem Fuß aufgehämmerten Medaillons mit Halbfiguren Christi,
der vier Evangelisten, des heiligen Johannes des Täufers und dreier anderer
Heiligen. Der Kelch bekundet, daß Niello schon im 8. Jahrhundert zur Aus-
stattung der Kelche verwendet wurde. (24) Ein Beispiel aus dem 11. Jahrhun-
dert ist der sogenannte Heinrichskelch in der Reichen Kapelle zu München,
der auf dem seinen Fuß umgebenden breiten Horizontalrand sechs, durch Steine
getrennte Nielloplättchen als Schmuck aufweist. Was sonst noch an Kelchen,
die mit Niello geschmückt sind, vorhanden ist, gehört dem späten 12. und dem
i3. Jahrhundert an, eine Kelchkuppa im Erzbischöflichen Museum zu Köln, ein
Kelch zu Afflighem in Belgien, der von Hugo von Oignies angefertigte Kelch
im Schatz der Schwestern von Notre-Dame zu Naraur (Tafel i5), ein Kelch zu
Ottobeuren (Tafel i5), ein aus Ottobeuren stammender Kelch in der ehemaligen
Sammlung Stein zu Paris, ein gleichfalls aus Ottobeuren kommender Kelch zu
Wörishofen, der aus Kloster Mariensee im Hannoverischen herrührende Kelch
im Germanischen Museum zu Nürnberg und als Krone aller ein Kelch zu Tre-
messen im Posenschen (Tafel 12) und der Henkelkelch in Stift Wüten (Tafel 7),
zwei Kelche, die überhaupt zu den hervorragendsten und bemerkenswertesten
unter allen, die uns das Mittelalter hinterlassen hat, gehören.
Der Kelch zu Namur weist Niello auf dem Fuß und am Nodus auf, dort zehn von Ran-
kenwerk umgebene figürliche Darstellungen, hier Ornament. Auch die Inschrift an der
Zarge des Fußes, die uns über den Schöpfer des Kelches Aufschluß gibt: -j- Hugo me fecit;
orate pro eo; calix ecclesie beati Nicolai de Ognies ist nielliert. Der Kelch zu Afflighem,
wohl der jüngste von allen, zeigt auf dem Fuß vier größere nieliierte Medaillons, an den
fünf Zapfen des Modus fünf kleinere. (25) Der Kelch zu Ottobeuren und seine beiden
gleichartigen Genossen enthalten an der Kuppa Niellodarstellungcn, die Figuren Christi
und der Apostel unter rundbogigen Arkaden; auf dem Fuß sind die Inschriften in Niello
ausgeführt. Der Kelch im Germanischen Museum zu Nürnberg zeigt auf dem Fuß vier
größere und vier kleinere Niellobildchen, von denen jene Christus am Kreuz, Abrahams
Opfer, Abel und Melchisedech, diese vier Propheten darstellen, auf den sechs den Nodus
schmückenden Kundscheibchen sechs, Christus, die Male zeigend, das Lamm Gottes und die
Evangelisten Symbole. (26) Der Kelch zu Tremessen ist, abgesehen vom Nodus, der getriebe-
nes Ornament aufweist, ganz mit Niellohildwerk geschmückt, das sowohl an der Kuppa
wie am Fuß in zwei durch eine emaillierte Inschrift geschiedene Zonen angeordnet ist und
dort in der oberen Zone den brennenden Dornbusch, die Verkündigung, den blühenden
Stab Aarons, die Geburt und die Taufe des Herrn sowie das Letzte Abendmahl, in der nied-
rigeren unteren die Evangelistensymbole, hier oben unter Rundbogenarkaden die vier Kar-
dinaltugenden, unten unter rundbogiger Architektur acht allegorische Frau engestalten, die
acht Seligpreisungen, wiedergibt. Ebenso sind die über und unter der oberen Zone der
Kuppa sich hinziehenden, das darunter befindliche Bildwerk erläuternden Inschriften sowie
die an der Zarge des Fußes angebrachte: *f- Gaudia summorum qui quaeris habere polorum —
Hamm seetator virtutum sis et amator (27) in Niello ausgeführt. Auch beim Wiltener Kelch
sind Kuppa und Fuß ganz mit NiellodarStellungen geschmückt, der Fuß mit fünfzehn alt-
testamentlichen Szenen, die Kuppa mit zwanzig neutestamentliehen bis zur Kreuztragung
einschließlich. (28) Die Darstellungen stehen in runden Feldern, deren Einfassung an der
Kuppa durch einander überschneidende, am Fuß durch einander umschlingende Bänder,
die Kuppa und Fuß umziehen, gebildet wird. Die Kuppa zählt zwei Reihen von Darstel-
lungen, der Fuß, bei dem die Felder versetzt zueinander angeordnet sind, drei. Die Zwickel
zwischen den Feldern sind am Fuß mit niellierten Vögeln und Ranken, an der Kuppa mit
Halbfiguren in Niello gefüllt. Das obere Ende des Halses des Fußes umgeben niellierte Halb-
figuren der Kardinaltugenden wie am Kelch zu Tremessen. Den Rand der Kuppa und die
Zarge des Fußes umzieht eine in Niello ausgeführte, auf das Bildwerk der Kuppa und des
Fußes sich beziehende Inschrift. Wie beim Kelch zu Tremessen ist nur der Nodus ohne
Nielloschmuck geblieben. Er ist wie bei jenem so auch beim Wiltener Kelch in Treibarbeit
mit den allegorischen Figuren der Paradies flu sse verziert. (29)
schätz zu Hildesheim, der in Gravierung am Fuß mit sieben Szenen aus dem Leben Jesu, an
den den Nodus, einen Topas, unten einfassenden sechs Goldplättchen mit Figuren heiliger
Jungfrauen und an der Kuppa mit einer Darstellung des Letzten Abendmahles geschmückt
ist (Tafel 22). Häufiger als Bildwerk findet sich an der Kuppa von Kelchen des i/i. und
i5. Jahrhunderts eine ihr eingravierte Inschrift und zwar begegnet uns eine solche nicht
bloß bei Kelchen deutschen Ursprungs, sondern auch bei spätgotischen spanischen, portu-
giesischen, englischen und schwedischen, ja vereinzelt selbst bei italienischen Kelchen, wie
denn überhaupt die Inschriften, die man am Kelch anbrachte, meist in Gravierung ausge-
führt zu werden pflegten. Wollte man den Fuß des Kelches mit graviertem Bildwerk ver-
zieren, so begnügte man sich nicht selten mit nur einer Darstellung, am gewöhnlichsten mit
dem Bilde des Gekreuzigten oder einer aus Christus am Kreuz, Maria und Johannes be-
stehenden Kreuzigungsgruppe, auf einem sechsteiligen oder achtteiligen Kelchfuß aber
ließ man gern graviertes Figurenwerk sei es mit graviertem Blatt- und Rankenwerk, sei es,
wie bei einem spätgotischen Kelch in der Stiftskirche zu Kaiserswert (Tafel 17), mit Re-
liefs abwechseln, statt alle Seiten gleicherweise mit gravierten figürlichen Darstellungen
auszustatten.
Auf den gotisierenden Kelchen des 16, und 17. Jahrhunderts wird graviertes
Figurenwerk selten, noch seltener auf Renaissancekelchen. Von den Barock-
kelchen ist es fast ganz verschwunden. Getriebene oder gegossene Reliefs sowie
später auch die mit Email bemalten Kupferplättchen haben es von ihnen ver-
drängt. In der Tat hatte es zu wenig zu dem bewegten, auf starke Wirkung aus-
gehenden plastischen Ornament, mit dem man die Barockkelche ausstattete,
gepaßt. Von einer selbständigen ornamentalen Technik ist die Gravierung auf
diesen lediglich zur bloßen Hilfstechnik herabgesunken.
5. Tauschierang und Ausschnittarbeit. Tausckierung, das ist die Verzierung
von Metallgegenständen durch eingelegtes und eingehämmertes Ornament aus
dünnerem, andersfarbigem Metallblech, ist nur an zwei Kelchen des S. Jahr-
hunderts zur Ausschmückung derselben angewendet worden, dem sogenannten
Chrodegangskelch der ehemaligen Sammlung Basilewsky (32 a) und dem Tas-
silokelch zu Kremsmünster (Tafel 1). Während der erste nur mäßig tauschiert
wurde, ist das beim zweiten in sehr ausgiebiger Weise geschehen. Sind doch
nicht bloß die bogen- und giebelförmigen Bänder des den Rand der Kuppa um-
ziehenden Frieses, der Fries am Rand des Fußes mit der Stifterinschrift und
die Einfassungen der Medaillons an der Kuppa und dem Fuß, sondern auch
diese Medaillons mit den nieliierten Halbfiguren Christi, der Evangelisten, des
heiligen Johannes des Täufers und drei anderer Heiligen sowie die Rauten in
der Mitte des Nodus in Tauschierarbeit ausgeführt. Bei der Beliebtheit, die sich
'diese in der Merowingerzeit erfreute, mögen die beiden Kelche kaum die ein-
zigen ihrer Art gewesen sein.
Ausschnittarbeit, von Theophilus in seiner Schedula diversarum artium opus
interrasile genannt, zeigt von den älteren Kelchen nur einer, ein Kelch aus dem
frühen i3. Jahrhundert in der Katharinenkirche zu Osnabrück (Tafel i3). Sie
besteht hier in prächtigem, aus Silberblech ausgeschnittenem und dann getrie-
benein romanischen Blattwerk und findet sich nicht nur am Nodus des Kelches,
sondern auch an der Kuppa und am Fuß desselben, von denen dieser ganz, jene
bis zu zwei Drittel ihrer Höhe ringsum völlig mit ihr überkleidet ist. Bei spät-
(32 a) Vgl. oben S. 70.
158 VASA SACRA. ERSTER ABSCHNITT. DER KELCH
gotischen, gotisierenden und Renaissancekelchen ist der Korb, mit dem die
Kuppa derselben ausgestattet ist, bisweilen in Ausschnittarbeit ausgeführt, bei
Kelchen des Barocks aber ist das oft der Fall (Tafel 34, 36). Ein gotisierender
Kelch zu Waldau (BA. Vohenstrauß) in Bayern zeigt Ausschnittarbeit nicht nur
am Korb der Kuppa, sondern auch auf dem Hals des Fußes (Tafel 36).
6. Treib- und Gußarbeit. Reiche Verwendung zur Verzierung des Kelches
fand seit wenigstens dem 12. Jahrhundert Treibarbeit, getriebene geometrische
und architektonische Gebilde, getriebenes Ranken- und Blattwerk sowie na-
mentlich auch getriebenes Figurenwerk. Daß sie auch schon früher zum glei-
chen Zwecke verwertet wurde, kann nicht zweifelhaft sein, da sie ja schon in
der antiken Goldschmiedekunst zur Ausschmückung profaner Trinkgefäße eine
große Rolle spielte, in welchem Umfang jedoch wissen wir nicht. Nur einige
Male ist in den schriftlichen Quellen die Rede von Kelchen mit getriebenem
Schmuck. So schon in der Vita Silvestri, in der von einem calix argenteus ana-
glyfus berichtet wird, den ein gewisser Gallicanus der Basilika zu Ostia stif-
tete (33) und in der Vita des Papstes Damasus (366—386), derzufolge dieser
der von ihm gegründeten Laurentiusbasilika zu Rom außer anderen liturgi-
schen Geräten einen scyphus anaglyfus von zehn römischen Pfund, einen mit
Reliefs verzierten Konsekrationskelch schenkte; (34) so im 9. Jahrhundert in
der Vita des heiligen Ansegisus, Abtes von Fontanelle, der dem Kloster Luxeuil
calices argentei tres deaurati, anaglifico opere parati, dem Kloster Fonta-
nelle aber außer einem goldenen, mit Edelsteinen besetzten Kelch auch noch
einen calix argenteus anaglifico opere factus spendete; (35) so um 810 im In-
ventar von Staffelsee: Sunt ibi calices argentei duo, quorum unus de foris
sculptus et deauratus, (36) da in allen diesen Stellen zweifellos Kelche mit
Treibarbeit gemeint sind. (37) So wenig das ist, so geht doch aus ihm zur Ge-
nüge hervor, daß schon seit alters Kelche auch mit getriebenem Schmuck ver-
sehen wurden.
Von allen Kelchen, die sich aus dem ganzen ersten Jahrtausend und selbst
noch aus dem 11. Jahrhundert erhalten haben, weist nur einer Treibarbeit auf,
einer der syrischen Kelche der Sammlung Abukasem, (37a) vier stehende Figu-
ren von Aposteln und zwei Kreuze unter rundbogigen Arkaden; leider unter-
liegt dessen Echtheit Bedenken. Aus dem späten 12. und dem i3. Jahrhundert
haben sich zahlreiche, bald ausgiebiger, bald weniger ausgiebig mit getriebenem
Schmuck, hier bloßem Blattwerk, dort auch figürlichen Darstellungen, ver-
sehene Kelche erhalten.
Zu den ersteren gehört namentlich eine Gruppe von Kelchen, welche die Eigentümlichkeit
zeigen, daß sich, vom Schaft beginnend und nach unten verlaufend, um den Hals des Fußes
nach Art eines umgekehrten Blumenkelches ein Kranz lanzettförmiger, aus dem Grund
herausgetriebener Blätter legt, der ihn ganz bedeckt; eine Verzierungs weise des Kelchfußes,
die weite Verbreitung gefunden haben muß. Begegnet sie uns doch bei dem im Grabe des
Bischofs Herväus von Troyes gefundenen Kelche, dem Kelche, den man in einem Bischofs-
grab der Kathedrale zu Canterbury entdeckte (Tafel i5), einem Kelch, den man in einem
(33) Dich. L. P. I, 184. (34) Doch. L. P. I, 212. (35) N. 6 (M. 105, 738).
(36) M. G. Leg. sect. II, I, 251. (37) Vgl. auch De Cange I. 237 unter anaglyphus.
(37a) Vgl. oben S. 79.
FÜNFTES KAPITEL. ORNAMENTALE AUSSTATTUNG. U. SCHMUCKMITTEL 159
Bischofsgrab der Kathedrale zu Cbichester antraf, dem 1890 zu Dolgelly in Wales gefun-
denen Kelch (Tafel i5), einem Kelch in der Klosterkirche zu Dragsmark in Schweden,
dem Kelch des Hugo von Oignies zu Namur (Tafel i5), einem Kelch deutscher Herkunft in
der früheren Sammlung Spitzer (Bild 5), einem Kelch zu Wesenberg in Mecklenburg-Strelitz
(Tafel 16), einem Kelch in der Martinskirche zu Emmerich, einem Kelch aus einem Bi-
schofsgrab im Dom zu Mainz, (38) einem Kelch aus dem Grabe des Erzbischofs Heinrich
von Finstingen (-}■ 1286) im Dom zu Trier, einem Kelch aus einem Bischofsgrab des
i3. Jahrhunderts im Dom zu Magdeburg und dem Kelch in der Pfarrkirche zu Frauenberg
bei Euskirchen; also in Frankreich, England, Schweden, Belgien, Deutschland. Beispiele
dieser Verzierungsweise des Fußes aus dem frühen i4- Jahrhundert bieten ein Kelch im
Dom zu Salzburg, (39) zu Gramzow in Pommern, (40) in der Stepbanskirche zu Zeitz (41)
und zu Stadtilm. (42) Dann freilich verschwindet sie von der Bildfläche, doch findet sie sich
vereinzelt noch einmal an einem Kelch im Museum zu Oldenburg. (43) Meist umhüllt den
Hals des Fußes nur eine Reihe von Blättern. Bei zwei Reihen, wie z. B. bei dem Kelch von
Dolgelly und Dragsmark oder bei drei, wie bei dem Emmericher Kelch, sind die Reihen
versetzt zueinander angeordnet.
Bei den Kelchen des 12. und i3. Jahrhunderts, die mit getriebenem Bildwerk
geschmückt sind, ist dieses meist nur auf dem Fuß angebracht und zwar in der
Regel in Gestalt von Medaillons, die entweder aus demselben herausgetrieben
oder ihm aufgesetzt sind. So bei zwei der drei Kelche im Zisterzienserinnen-
kloster zu Marienstern bei Kamenz, den Kelchen zu Zedhenik, Prenzlau (Ta-
fel ifi) und Rathenow in Brandenburg (Tafel i3), bei welch letzterem die
Kuppa gravierte Darstellungen aufweist, einem Kelch in der Marienkirche zu
Bielefeld und der Johanniskirche zu Herford, dem Kelchfuß in der Pfarrkirche
zu Lüdinghausen, Kelchen zu Haffen und zu Hochelten am Niederrhein, einem
Kelch in St. Walburg zu Eichstätt (Tafel 16), dem Kelch in der Apostelkirche
zu Köln (Tafel 8), einem Kelch in der Stiftskirche zu Guimaräes in Portugal,
dem aus dem Baseler Münster stammenden Kelch im Historischen Museum zu
Basel (Tafel i3) u. a. Am Fuß und am Nodus zeigen beispielsweise getriebenen
figürlichen Schmuck die Kelche zu Ottobeuren (Tafel i5), Wörishofen sowie
der ihnen gleichartige Kelch der ehemaligen Sammlung Stein zu Paris, nur an
der Kuppa der Henkelkelch im Zisterzienserinnenkloster Marienstern (Tafel 4),
dessen Fuß mit gegossenem und aufgesetztem Figurenwerk ausgestattet ist, an
Kuppa und Fuß ein Kelch in der Stiftskirche zu Fritzlar, in St. Godehard zu
Hildesheim (Titelbild), ein Kelch zu Tremessen und der Henkelkelch in Sankt
Peter zu Salzburg (Tafel 8). Auch bei diesen Kelchen ist das Figurenwerk meist
in Medaillons angebracht. Eine Ausnahme machen das Bildwerk an der Kuppa
des Kelches zu Fritzlar, die Apostel auf Thronen unter rundbogigen Arkaden,
das der Kuppa und des Fußes des Kelches zu Tremessen, eine Folge szenischer,
durch Säulchen geschiedener Darstellungen, sowie die auf langgezogenen
Buckeln angebrachten Propheten- und Apostelfiguren an der Kuppa und dem
Fuß des Henkelkelches in St. Peter zu Salzburg.
Gußarbeit scheint noch im i3. Jahrhundert nur erst wenig als Mittel zur
Ausschmückung der Kelche verwendet worden zu sein. Theophilus läßt in sei-
(88) Friedr. Schneider, Die Graberfunde im Ostchor des Domes zu Mainz (Mainz 1874).
(39) Weingartser 211. (40) Kd. von Pommern, Kr. Anklam, 111. (41) Kd. der Prov.
Sachsen, Kreis Zeitz, 55. (42) Kd. von Sehwarzburg-Rudolstadt, Bez. Stadtilm, 172.
(43) Zeitschrift XXV (1912) 275.
160 VASA SACRA. ERSTER ABSCHNITT. DER KELCH
ner Schedula nur die Henkel des Henkelkelches m Guß hergestellt werden. Von
den Kelchen, die sich aus dem i3. Jahrhundert erhalten haben, ist nur einer
ausgiebiger mit Gußarbeit geschmückt, der Henkelkelch im Zisterzienserinnen-
kloster Marienstern (Tafel 4). Ausgeführt ist bei ihm in Guß nicht nur der mit
Drachen prächtig ornamentierte durchbrochene Nodus, sondern auch das reiche,
in zwei Zonen übereinander angeordnete, dem Fuß aufgelötete Figurenwerk.
Bei einein spanischen Kelch des i3. Jahrhunderts im Louvre ist der durch-
brochene, aus Rankenwerk, dem die Evangelistensymbole eingefügt sind, be-
stehende Nodus gegossen.
Häufiger wird Gußarbeit zur Verzierung des Kelches seit dem i4- Jahrhun-
dert gebraucht und zwar nicht bloß zu Ornament, sondern namentlich auch zu
figürlichen Darstellungen, während Treibarbeit zu diesem Zweck immer mehr
in Abgang kommt. Von den Kelchen, die sich aus dem il\. Jahrhundert erhalten
haben, zeigen noch verschiedene, zumal Kelche deutschen Ursprunges, nach
wie vor getriebenen Schmuck, auch getriebenes Figurenwerk, doch gibt es auch
schon manche, bei denen die Treibarbeit durch Guß ersetzt ist. Ein hervorragen-
des Beispiel, wohl geradezu das hervorragendste aus dem i4- Jahrhundert, ist
der Kelemankelch im Dom zu Osnabrück (Tafel 17) mit den sechs unter be-
nasten Rundbogen angeordneten figurenreichen Gruppen am Fuß und den
achtzehn in Nischen angebrachten Statuettchen am Zwischenstück zwischen Fuß
und Schaft sowie am Schaft selbst.
An den Kelchen des id. Jahrhunderts findet sich nur wenig getriebener
Schmuck mehr. Was sie an plastischem Ornament und Figurenwerk aufweisen,
ist nun vorherrschend, bei den gotischen Kelchen der Spätzeit desselben und
des frühen 16. Jahrhunderts sogar fast alles Gußarbeit. (44) Bei den Renais-
sancekclchen und den ornamental von der Renaissance beeinflußten gotisieren-
den Kelchen tritt jedoch ein Wechsel ein. Sowohl im ornamentalen wie im figu-
ralen Schmuck derselben kommt immer mehr wieder Treibarbeit zur Gel-
tung. (45) Auf den Kelchen aus der Zeit des Barocks aber erscheint in dem
einen wie dem andern die Gußarbeit zu Gunsten der Treibarbeit fast ganz ver-
drängt, hauptsächlich wohl wegen der größeren Freiheit, Ungebundenheit und
Beweglichkeit, die sie dem Goldschmied bei seiner Arbeit gewährte. Überaus
zahlreiche Kelche, die sich aus dem späten 17. und dem 18. Jahrhundert erhal-
ten haben, legen davon Zeugnis ab. (46) Zur Verzierung der Kelche des Klassi-
zismus sowie namentlich des Empire kam dann jedoch auch Gußarbeit wieder
ausgiebiger zur Verwendung (Tafel 4o).
7. Zierbehänge. Ein eigenartiger Schmuck des Kelches sind die Zierbehänge,
mit denen man in Byzanz reicher behandelte Kelche ausstattete, Edelsteine, die
an einem Metallfaden frei von der die Kuppa umziehenden Borte herabhingen.
Mit solchen Behängen, Hyazinthen, die an einem Goldfaden befestigt waren,
war der goldene, mit Edelsteinen ringsum eingefaßte Kelch, den Kaiser Michael
nebst anderem kostbarem liturgischem Gerät durch seine Gesandten dem Papst
Nikolaus (858—867) als Weihegabe für den heiligen Petrus überbringen Heß,
(44) Beispiele auf Tafel 26, 27, 28, 30, 32. (45) Beispiele auf Tafel 31, 32, 33, 34.
(46) Beispiele auf Tafel 34 ff.
FÜNFTES KAPITEL. ORNAMENTALE AUSSTATTUNG. IL SCHMUCKMITTEL 161
Kelch weist als Verzierung am Rand der Kuppa und des Fußes einen aus graviertem Flecht-
werk bestehenden Fries, zu dem hier wie dort vier gleichartige, vertikal verlaufende
Zierstreifen kommen, am Nodus eine Inschrift auf. Beim sogenannten Chrodegangkelch
der ehemaligen Sammlung Basilewsky gesellt sich zu den Inschriften am Rand der Kuppa
und des Fußes als weiterer Schmuck noch ornamentale Tauschierarbeit auf Fuß und Kuppa
sowie ein ornamentierter Ring in der Mitte des Nodus. Ganz mit ornamentalem und figu-
ralem Schmuck in Gravierung, Tauschierarbeit und Niello sind ausgestattet Kuppa, Nodus
und Fuß des Tassilokelches (Tafel i). Nur an der Kuppa, den Henkeln und dem Fuß zeigt
Verzierung der Gauzelinuskelch zu Nancy (Tafel 5), nur am Fuß der sogenannte Heinrichs-
kelch in der Reichen Kapelle zu München (Tafel 2). An der Kuppa, dem Fuß und dem
Schaft — ein Nodus fehlt — ist ornamentiert der zu Ardagh gefundene Henkelkelcb zu
Dublin (Tafel h), an der Kuppa, dem Nodus und Fuß, nicht aber am Schaft, der schmuck-
los belassen wurde, der Kelch in Santo Domingo zu Silos bei Burgos. Von den byzan-
tinischen Kelchen in S. Marco zu Venedig ist ein Teil nur an der Kuppa mit Ornament aus-
gestattet, andere zeigen außer an der Kuppa auch auf dem Fuß Schmuck (Edelsteine und
Emails), einer ist mit solchem nur auf dem Fuß versehen. Nodus und Schaft sind, wo ein
solcher vorhanden ist, bei ihnen unverziert belassen worden, ausgenommen zwei Kelche,
bei denen der Nodus, nicht jedoch auch der Schaft mäßig ornamentiert ist.
Irgend eine feststehende Regel in der Ornamentation des Kelches hat es,
selbst nach dem wenigen, was wir über sie wissen, bis über die Wende des ersten
Jahrtausends hinaus nicht gegeben. Nur war man darauf bedacht, vor allem die
Kuppa als den bedeutsamsten Teil des Kelches irgendwie, hier ausgiebiger, dort
in schlichterer Weise, mit Schmuck zu versehen, wenn anders man den Kelch
überhaupt mit solchem bedachte und so hielt man es auch weiterhin bis tief
ins i3. Jahrhundert hinein. Der Henkelkelch in St. Peter zu Salzburg (TafelS),
der Kelch des Geda Menendiz im Museum zu Goimbra (Tafel 12), der aus
St-Denis stammende Kelch in amerikanischem Privatbesitz, das Werk des Abtes
Suger (Tafel 3), die Kelche zu Frauenberg bei Euskirchen, zu Tremessen (Ta-
fel 12), in St. Aposteln zu Köln (Tafel8), zu Borgä in Finnland (Tafel i(\), im
Zisterzienserinnenkloster Marienstern (Tafel k), in der Stiftskirche zu Fritzlar,
zu Ottobeuren (Tafel i5) und Wörishofen, in der Katharinenkirche zu Osna-
brück (Tafel i3), zu Rathenow, in der Kathedrale zu Reims (Tafel i3), zu Ber-
gen auf Rügen, in St. Godehard zu Hildesheim (Titelbild) und auf dem Moritz-
berg bei Hildesheim, der in einem Bischofsgrabe der Kathedrale zu Canterbury
gefundene Kelch (Tafel i5) u.a. bezeugen das zur Genüge.
Von den Kelchen, die noch aus der zweiten Hälfte des i3. Jahrhunderts vor-
handen sind, zeigt kaum einer mehr an der Kuppa Ornament. Es sind nur mehr
der Fuß, der mittlerweile allgemein eingebürgerte Schaft und der Nodus, ja
nur der Fuß mit solchem ausgestattet. Es ist das System der Ornamentatioai
des Kelches, das dann im i£. und i5. Jahrhundert allgemein herrschend wurde.
Zwar kommen auch in diesen noch Kelche vor, deren Kuppa mehr oder weni-
ger mit Schmuck bedacht wurde wie z. B. der aus der Sammlung Spitzer stam-
mende Kelch im Louvre (Tafel 17), dessen Kuppa ganz mit Rankenwerk auf
grünem Emailgrund überzogen ist, ein Kelch zu Werdau in Sachsen (Tafel 23),
dessen Kuppa gravierte Prophetenfiguren schmücken, ein an der Kuppa in Gra-
vierung mit drei Reihen versetzt zueinander angeordneter Halbkreise, inner-
halb deren Blattwerk angebracht ist, verzierter Kelch in der Katharinenkirche
164 VASA SACRA. ERSTER ABSCHNITT. DER KELCH
(51) Vgl. oben S. 100. (52) Abb. Kd. von Sachsen-Weimar-Eisenach, Bez. Apolda, 26.
(53) Abb. bei Ferd. Lütiimer, Gold und Silber (Leipzig 1888) 231.
(54) Abb. bei Bruno Bücher, Geschichte der technischen Künste (Berlin 1886) II, 348.
FÜNFTES KAPITEL. ORNAMENT ALB AUSSTATTUNG. IV. INSCHRIFTEN 165
wie das bei den Barockkelchen die Regel ist, mit einem Korb versehen, so ist es
eben dieser, der ornamentiert erscheint.
Von Reliquien, mit denen man den Kelch ausgestattet hatte, hören wir nur in
einigen, sehr wenigen Fällen. So gab es in St-Jacques zu Lüttich im Beginn des
18. Jahrhunderts einen Kelch, ein Geschenk des heiligen Ludwig, in dessen
Fuß eine Partikel des heiligen Kreuzes eingeschlossen war. (55) Ein Kelch zu
Lichtfelde in Westpreußen aus dem frühen i5. Jahrhundert zeigt auf dem run-
den Fuß eine spitzovale Kapsel mit einer Reliquie. (56) Im kapellenartigen No-
dus enthalten hinter Glas Reliquien ein Kelch in der Marienkirche zu Danzig
von i4a6 (Tafel 23) und ein aus dieser stammender Kelch zu Marienburg von
etwa i45o. Im Nodus eines Kelches in der Paulikirche zu Rrandenburg (Ta-
fel a3) ist eine Reliquie des heiligen Paulus eingeschlossen.
IV. INSCHRIFTEN
Wie sehr aber auch die Inschriften der Kelche, die letztgenannten ausgenom-
men, die Bedeutung von Schmuck haben, so dürfen sie doch nicht lediglich
unter diesem Gesichtspunkt gewertet werden, sie wollen auch über ihre ledig-
lich formale Seite als Ornament hinaus gegenständlich, das ist nach ihrem In-
halt betrachtet sein. Sie stehen den figuralen Darstellungen gleich, die ja auch
nicht bloß Schmuck sind, sondern auch gegenständlich dem Beschauer etwas
sagen wollen. Nach ihrem Inhalt aber betrachtet, lassen sich die Inschriften in
vier Gruppen scheiden, in Inschriften, welche auf den Zweck und die Bedeu-
tung des Kelches hinweisen, in Inschriften, welche das auf einem Kelch ange-
brachte Bildwerk erläutern, in Stifter-, Künstler- und Besitzerinschriften und
endlich in Inschriften, welche lediglich eine Lobpreisung oder Bitte allgemei-
ner Art enthalten.
Erste Gruppe. Ist der Kelch das Gerät, in dem der Opferwein konsekriert
wird, in dem also nach der Wandlung Jesus Christus wunderbar, aber wirklich
zugegen ist und das Opfer des Neuen Bundes, die unblutige Erneuerung des
Kreuzesopfers, gefeiert wird, durch das den Gläubigen die vom Erlöser durch
seinen Sühnetod am Kreuz erworbenen Gnaden zugewendet werden, dann kann
es nicht auffallen, daß uns am Kelch Inschriften begegnen, die in der einen
oder andern Weise auf das heilige Geheimnis Bezug nehmen, das sich in ihm
vollzieht. Sie sind zugleich ein Bekenntnis des Glaubens an dasselbe wie des
festen Vertrauens auf die in der Eucharistie geborgene und aus ihr zum Heil der
Menschen hervorfließende übernatürliche Gnadenkraft.
Inschriften dieser Art hat man schon in altchristlicher und frühmittelalterlicher Zeit auf
dem Kelch angebracht, wie die Inschrift bekundet, die sich auf einem vom heiligen Remi-
gius (7 533) gestifteten Kelch in der Kathedrale zu Reims befand, den Erzbischof Hinkmar
(f 88a) einschmelzen ließ, um mit dem Erlös die Gefangenen loszukaufen, welche die Nor-
mannen mit sich fortgeschleppt hatten. (57) Sie lautete: Hauriat hinc populus vitam de
sanguine sacro — Iniecto aeternus quem fudit vulnere Christos — Remigius reddit Domino
sua vota sacerdos. Am Rand der Kuppa des Ludgeruskelches zu Werden lesen wir: 7 Hie
calix sanguinis Domini nostri Jesu XPI, am Rand des Fußes: y Agitur baec summus per
pocla triumphus. Auf einem Kelch des Erzbischofs Adalbero von Reims (j 988) stand das
Distichon: Hinc sitis atque fames fugiunt: Properate fideles — Dividit in populos has pre-
sul Adalbero gazas, (58) auf einem dem heiligen Jodocus (f 669) zugeschriebenen, in Wirk-
lichkeit aber erst dem n.—12. Jahrhundert entstammenden Kelch in St-Josse-sur-Mer die
in Ieoniniscben Hexametern abgefaßte Inschrift: 7 Cum vino mixta fit XPI sanguis et
unda — Talibus his sumptis salvatur quisque fidelis. Die Kuppa des Henkelkelches in Sankt
Peter zu Salzburg umziehen oberhalb der Prophetenfiguren, mit denen dieselbe in ihrem
unteren Teile verziert ist, die leoninischen Verse: f Praescia priscorum suspirant vota pio-
rum — Ut sacer hie sanguis restaurat, quod necat anguis. Ein Kelch der ehemaligen Samm-
lung Basilewsky, jetzt im Museum der Eremitage zu Leningrad, weist rings um den Rand
des Fußes die Worte auf: 7 Qui manducat carnem meam et bibit sanguinem meum, in me
manet et ego in eo, dicit Dominus. Am Schaft des aus Ottobeuren stammenden Kelches zu
Wörishofen findet sich die Inschrift: 7 Ave benigne Deus, ein Gruß an den im hochheiligen
Sakrament gegenwärtigen Gottmenschen, am Fuß des sogenannten Ulrichskelches in Sankt
Ulrich zu Augsburg lesen wir: 7 Hie datur antidotum, quod curat iam moriturum — Lege
(57) Flodoardi, Bist. eccl. Rem. I. 1, c. 10 (M. 135, 44). (58) Adalberoms Epistolae
n. 24 (M. 137, 513).
FÜNFTES KAPITEL. ORNAMENTALE AUSSTATTUNG. IV. INSCHRIFTEN 167
sacerdotis stetit hoc vas pectore patris. (59) Ein isländischer Kelch des i3. Jahrhunderts
im Viktoria-und-Albert-Museum zu London hat um den Rand der Kuppa herum den Hexa-
meter: -f Sumitur hinc munda divini sanguinis unda (Tafel 16).
Auch im späteren Mittelalter begegnen uns nicht selten Inschriften an den Kelchen, die
auf deren heiligen Inhalt hinweisen. Auf einem Kelch aus Sunby im Nationalmuseum zu
Stockholm heißt es: De vera vite fert hoc vas pocula vite. Um den Rand der Kuppa des
jetzt im Louvre befindlichen Kelches der ehemaligen Sammlung Spitzer zieht sieh eine Lob-
preisung des heiligsten Sakramentes: Ave verum corpus natum ex Maria virgine, um die
Mitte der Kuppa eines Kelches zu Schroda im Posenschen die dem Ruch der Sprüche (9, 5)
entlehnte Einladung: Venite, comedite panem et bibite vinum, quod miscui vobis. Den Fuß
eines Kelches zu Kotig in Sachsen schmückt die fromminnige, glaubensvolle Regrüßung des
im heiligsten Sakrament gegenwärtigen Gottmenschen: Ave salus mundi, verbum Patris,
hostia vera — Viva caro, deitas itemque verus homo, den Nodus eines Kelches zu Mauker
in Rrandenburg die Verheißung: Participes huius calicis vivent cum domino. Auf das Kreuz-
opfer Christi, dessen unblutige Erneuerung das Meßopfer ist, weist die Inschrift auf dem'
Fuß eines Kelches zu Großebersdorf in Sachsen-Weimar-Eisenach hin: Vere languores
nostros ipse abstulit et infirmitates nostras ipse portavit. Am Rand der Kuppa eines Kel-
ches zu Werdau (Tafel a3) in Sachsen lesen wir: Calicem salutaris aeeipiam et nomen Do-
mini invocabo, dem Psalm n5 entlehnte Worte, welche der Priester vor Genuß des hei-
ligsten Blutes betet. Eine Inschrift an der unteren Stufe des Fußes eines Kelches im Dom zu
Gran jubelt: Ave vas clemencie, scrinium dulcoris, sacramentum gracie, pabulum amoris,
pignus vite, delicie celi. Ein Kelch zu St. Peter bei Freiburg von r5aa zeigt auf einem
Spruchband, das sich durch den Korb der Kuppa hindurchwindet, die Sakramentsantiphon:
0 sacrum convivium, in quo Christus sumitur, recolitur memoria passionis eius, der Kuppa
eines Kelches zu Lissewo aber ist der dem Sanktus entnommene Spruch eingraviert: Bene-
dictus, qui venit in nomine Domini. Die Kuppa eines Kelches in der Kathedrale zu Braga
(Tafel 21) umziehen oberhalb des Korbes derselben die Einsetzungsworte: Hie est calix
sanguinis mei, novi et eter(ni testamenti): Auf die Gewalt des Priesters, durch die Kon-
sekrationsworte Brot und Wein in Christi Leib und Blut zu wandeln, weist die Inschrift
auf dem Fuß eines Kelches zu Neumark in Westpreußen (Tafel a&) hin: Ille qui creavit
te, dat tibi creare se; o precelsa dignitas. Heilige Freude über die im heiligsten Sakrament
dem Empfänger desselben zuteil werdende Gnadenkraft spricht sich in den Worten aus, die
auf dem Fuß eines Kelches von etwa i5oo zu Alt-Falkenberg in Pommern (Regb. Stettin)
angebracht sind: Aspicio hunc quoties calicem vinumque sacratum — Gaudeo me refici
sanguine, Christe, tuo.
Indessen mag es bei den angeführten Beispielen, denen noch manche weitere
angefügt werden könnten, sein Bewenden haben. Sie genügen ja völlig zur
Charakterisierung der Inschriften der ersten Gruppe. Bemerkenswert ist ihre
große Mannigfaltigkeit. Nur selten wiederholt sich die gleiche Inschrift an ver-
schiedenen Kelchen. Bemerkenswert aber ist auch die allgemeine Verbreitung,
der sich diese Art von Inschriften erfreute. Sie sind nicht auf bestimmtes Land
beschränkt, sondern begegnen uns allenthalben, wie ja auch der Glaube an
Christi wirkliche Gegenwart im heiligsten Sakrament und dessen Bedeutung als
übernatürliche Seelenspeise ein allgemeiner war.
(59) Nach dem letzten der beiden Verse wäre der Kelch im Sarge des heiligen Ulrich auf
dessen Brust stehend gefunden worden, doch kann das nicht von dem Kelch in seiner heu-
tigen Gestalt gelten. In dem von eitlem Zeitgenossen herrührenden zuverlässigen Bericht
über die Erhebung des Heiligen im Jahre 1183 fand sich bei der Leiche kein Kelch, sondern
eine Pyxis vor (Inventio corporis s. üdalrici c. 1 [AA.SS. 4. Jul., II, 1311). Vermutlich ist
diese Pyxis im 13. Jahrhundert in einen Kelch, den heutigen Ulrichskelch, umgearbeitet
worden.
168 VASA SACRA. ERSTER ABSCHNITT. DER KELCH
Zweite Gruppe. Erläuternde Inschriften, das ist Inschriften, die dem Bild-
werk, mit dem der Kelch geschmückt erscheint, des besseren Verständnisses
halber beigefügt wurden, kommen als Beigaben zu Einzelfiguren schon auf dem
Tassilokelch vor. Auf den byzantinischen Kelchen in S. Marco zu Venedig sind
die in Email ausgeführten Halbfiguren von Heiligen regelmäßig von einer den
Namen des betreffenden Heiligen angebenden Beischrift begleitet, die beider-
seits von der Figur zugleich als Belebung des Grundes angebracht ist. Bei dem
Kelch des Geda Menendiz zu Coimbra von n5a sind die Namen der an der
Kuppa unter rundbogigen Arkaden stehenden Apostel dem über ihnen den
Hand der Kuppa umsäumenden Fries eingraviert. Auf einer Kelchkuppa im
Stift Lambach ist der Engel der Verkündigung von der Inschrift begleitet:
-j- Ave Maria gra(tia) plena, Maria von den Worten: f E(cce) ancilla Domini
f(iat) mi(hi), der heilige Evangelist Johannes und der heilige Kilian von ihren
Namen: "j* S. Joh(annes) Evangelista Domini bzw. -J* S. Khylianus episcopus et
martyr. Die Umrahmung der Darstellungen des Gekreuzigten, der heiligen
Walburgis, des heiligen Willibald und des heiligen Wunibald auf dem Fuß
eines Kelches im Walburgiskloster zu Eichstätt (ausgehendes i3. Jahrhundert)
enthält die eingravierten erklärenden Inschriften: JesusChristu(s), saneta Wal-
burgis, s. Wilebaldus, s. Wunebaldus. Das Fehlen von Abzeichen machte in
älterer Zeit die Beifügung der Namen zu Darstellungen von Einzelfiguren not-
wendig, wenn anders diese als die, welche man wiedergeben wollte, erkannt wer-
den sollten. Später, als man anfing, die Heiligen durch Abzeichen zu charak-
terisieren, konnte man auf eine Beischrift zu den Heiligenfiguren verzichten.
Inschriften, die szenische Darstellungen als Erläuterung derselben begleiten,
sind eine Besonderheit der Kelche des 12. und i3. Jahrhunderts. Sie stehen
bald auf der die Darstellung umrahmenden Einfassung, wie z. B. bei dem Kelch
auf dem Moritzberg bei Hildesheim, dem Kelch in St. Godehard zu Hildesheim,
dem Kelch zu Borgä in Finnland, zwei Kelchen im Kloster Marienstern bei
Kamcnz, einem heute leider großenteils zerstörten Kelch zu Werben, dem
Kelch zu Rathenow, dem nur mehr durch eine Abbildung bekannten Kelch zu
Weingarten, (60) bald, jedoch seltener, auf einem nur die Kuppa bzw. den Fuß
oder beide umziehenden Fries, wie bei dem Henkelkelch im Stift Wilten bei
Innsbruck, den Kelchen zu Tremessen und dem Marienseer Kelch im Germani-
schen Museum zu Nürnberg.
In der Regel hat jede der Darstellungen ihre besondere Inschrift. So sind auf dem Mo-
ritzherger Kelch die auf einem Medaillon vereinigten Figuren Melchisedechs und Abels von
der Inschrift begleitet: Melchisedech vinum dat, Abel libamen ovinum, zur Darstellung des
Opfers Abrahams heißt es: Progeniem Sare pater Abraham destinat are, zu denen der eher-
nen Schlange und der Kundschafter mit der Traube: Qui contemplatur anguem vite repa-
ratur bzw. Botrum legati referunt in vecte probat!. Die Inschriften, welche auf dem Fuß
des Kelches in St. Godehard die dort angebrachten Darstellungen: Ezechiel vor der ver-
schlossenen Pforte, Melchisedechs Opfer, Eherne Schlange und Aaron als Hoherpriester he-
gleiten, lauten: Porta negans aditum gremium notat inviolatum — Exemplo Christi vic-
toria congruit isti — In cruce dum patitur, hoc Christus in angue notatur — Differt in
specie, sed ad unum spectat utrumque. Der Kelch zu Borgä zeigt an der Kuppa die In-
(60) Abb. bei Gehbert, Vetus liturgia alemannica I (St. Blasien 1776), Tfl. 3.
FÜNFTES KAPITEL. ORNAMENTALE AUSSTATTUNG. IV. INSCHRIFTEN 169
Schriften: Ense probat senior, quantus domini sit amator — Hi sunt invicti palmaque ge-
runt benedicti — Hie Petrus arguitur fideique petra stabilitur — Ultra non dubitat Thomas,
dum vulnera palpat. Die Darstellungen, welche diese Inschriften umziehen, sind: Abrahams
Opfer, zwei heilige Märtyrer, deren Namen leider nicht angegeben sind, Petri Bekenntnis
am See Genesareth und Thomas, Christi Wundmale berührend. Bei den Darstellungen auf
seinem Fuß, Verkündigung und Geburt des Herrn, Christus am Kreuz und Besuch der
Frauen am Grabe, fehlen sie umrahmende Inschriften, doch nimmt die Inschrift, welche
der Zarge des Fußes eingraviert ist, teilweise auf sie Bezug. Sie beginnt: Virgo salutata
Christum parit inviolata — Agla(= Atha) gibbor leolam adonai (Du bist stark auf ewig,
Herr) — 0 quam mors fortis, quae mors erat in cruce mortis und schließt mit der Mah-
nung: Cor gere devotum, cor ab omni crirnine lotum — Et sie antidotum mortis vite bibe
potum. Die Umschrift, welche den Fuß des Marienseer Kelches zu Nürnberg umrandet, be-
zieht sich nur auf eine der vier auf ihm angebrachten Darstellungen, eine Kreuzigungs-
gruppe. Sie setzt sich aus vier bruchstückweise angeführten prophetischen Aussprüchen zu-
sammen: Sic ovis ad occisionem ducit(ur) — Foderunt manus — XPC factus est obediens —
Ecce quomodo moritur iustus. Besonders reich an Inschriften ist einer der Kelche zu Marien-
stern. Denn zu den Umschriften der Medaillons auf Fuß und Kuppa gesellen sich bei ihm
noch in den Zwickeln der Medaillons an der Kuppa auf Spruchbändern, die von Propheten
gehalten werden, vier auf Christi Tod und Auferstehung bezügliche Inschriften. (61)
Den gesamten bildlichen Schmuck der Kuppa und des Fußes fassen in seiner Bedeutung
zusammen die Inschriften, die sich am Henkelkelch zu Wüten oben um die Kuppa und
unten um den Fuß ziehen, während die einzelnen Darstellungen einer Erläuterung ent-
behren und nur die Paradiesflüsse am Nodus durch die beigefügten Namen Geon, Fyson,
Tygris, Euphrates und die aBegorischen Figuren der Kardinaltugenden am Hals des Fußes
durch die Beischriften Prudentia, Fortitudo, Temperantia, Justitia näher gekennzeichnet
sind. Die Inschrift der Kuppa, die mit einer Folge neutestamentlicher Bilder geschmückt
ist, lautet: Hie quodeumque vides, res signat spirituales — Spiritus est qui vivificat, sed caro
nil prodest. Des Herrn Leben, Wirken und Leiden wollen im Glauben erfaßt sein, der allein
Leben bringt; die Sinne genügen dazu nicht. Die Bedeutung der alttestamentlichen Dar-
stellungen am Fuß des Kelches kleidet die diesen unten umziehende Inschrift in die Worte:
7 In testamento veteri quasi sub tegumento — Clausa latet nova lex, novus in cruce quam
reserat rex. Im Alten Bunde, will sie sagen, war der Neue wie unter einer Hülle verborgen,
bis Christus, der neue König, am Kreuz diese wegnahm. Nur das auf dem Fuß angebrachte
Bildwerk, die Figuren der Kardinaltugenden in der oberen und die acht Seligpreisungen
in der unteren Zone desselben, faßt die an der Zarge des niellierten Kelches zu Tremessen
angebrachte Nielloinschrift zusammen, wenn sie malmt: Gaudia summorum qui quaeris
habere polorum — Harum seetator virtutum sis et amator. Beischriften zu szenischen Dar-
stellungen verlieren sich seit dem späteren i3. Jahrhundert fast ganz von den Kelchen,
während solche Darstellungen selbst sich länger auf ihnen behaupten. Ein Beispiel aus dem
i4. Jahrhundert ist noch der sogenannte Bernwardskelch im Dom zu Hildesheim. Die gra-
vierte Darstellung des Letzten Abendmahles, mit der er an der Kuppa geschmückt ist, wird
begleitet von der unterhalb ihrer diese umziehenden Inschrift: Rex sedet in cena, turba
cinetus duodena — Se tenet in manibus, se eibat ipse eibus. Was sonst noch an Bildwerk am
Kelch sich findet, ist ohne Beischrift belassen worden. Ein anderes aus dem ii. Jahrhun-
dert ist ein Kelch in der Kirche zu Lfttzow in Mecklenburg, dessen Fuß zu der auf vier
Reliefs verteilten Darstellung der Anbetung des Jesuskindes durch die Dreikönige, mit der
er verziert ist, die Inschrift zeigt: Jasper fert mirram, tus Melchior, Baltasar aurum. Ein
etwas jüngeres ist ein Kelch zu Lockwitz in Sachsen, der am Fußbals oberhalb der sechs
Rundmedaillons (Einzug, Abendmahl, Gebet am ölberg, Christus vor Pilatus, Kreuztragung
und Kreuzigung), die den Fuß zieren, drei Propheten mit den auf den Einzug des Herrn,
die Kreuztragung und die Kreuzigung bezüglichen Beischriften aufweist: Ysaias: dicite filie
sion ec(ce) — J(er)emias: ego quasi agnus ma(nsuetus) — Arnos: in die üla oeeidet sol.
(61) Vgl. die Wiedergabe der z. T. heute unleserl. Inschriften in Kd. v. Sachsen XXXV, 194.
170 VASA SACRA. ERSTER ABSCHNITT. DER KELCH
Selbst zu Einzelfiguren gesellt -sich auf den Kelchen des i!\. und i5. Jahr-
hunderts im ganzen nur mehr selten eine ihren Namen angebende Beischrift.
Das Abzeichen, mit dem man die Heiligen versah, machte eine solche entbehr-
lich, wie schon vorhin gesagt wurde.
Dritte Gruppe. Sie umfaßt die Stifter- oder Widmungs-, Künstler- und Be-
sitzerinschriften. Sehr beliebt waren die ersten. Daß man schon in altchrist-
licher Zelt Stifterinschriften auf dem Kelch anbrachte, bezeugt ein bis zur fran-
zösischen Revolution in der Stiftskirche zu Brive {Dep. Correze) vorhandener
Kelch, der die Inschrift trug: Valentinianus Augustus — Valentinian III. (gest.
/j55) — Deo et sancto martyri Martino Brivensi pro se suisque omnibus votuni
vovit et reddidit, die schon angeführte Inschrift auf einem vom heiligen Reini-
gius seiner Kathedrale gestifteten Kelch (61a) sowie die Inschrift: Offero
sancto Zachariae Galla Placidia am Rand der Kuppa eines von Galla Placidia
(■J*45o) der Kirche des heiligen Zacharias zuRavenna geschenkten Kelches. (62)
Der zwar nicht mehr aus altchristlicher Zeit, jedoch noch aus dem frühen Mit-
telalter stammende Kelch zu Lamon im Trentino weist um den Rand der Kuppa
die Stifterinschrift auf: -f- De donis Dei Ursus diaconus sancto Petro et sancto
Paulo. Von der Stifterinschrift des Tassilokelches war schon die Rede. (63)
Das Papstbuch berichtet von zwei mit dem Namen Leos IV. (8/1.7—855) be-
zeichneten Kelchen, die dieser der Marienkirche im Viertel der Sardinier spen-
dete. (64) Auf dem Fuß des Kelches, den Karl III. von Frankreich (*j- 929) der
Abtei St-Denis schenkte, war zu lesen: Hoc vas, XPE, tibi mente (devota) di-
cavit — Tertius in Francos regimine Karlus. Den Stifter des Kelches im Kloster
Silos bei Burgos, den Abt Dominikus (io4i —1073), verrät die am Rand des
Fußes des Kelches angebrachte Inschrift: j- In nomine Domini ob honorem
sancti Sebastiani Dominico abbas fecit. Den Rand des Fußes eines Kelches im
Museum zu Coimbra umzieht die Stifterinschrift: Geda Menendiz me fecit in
honorem sancti Michaelis era MCLXXXX (= 115a), den Fuß eines Kelches spa-
nischer Herkunft im Louvre die Widmung: -j- Pelagius me fecit ad honorem
sancti Jacobiapostoli, die Zarge des Fußes eines von König Sancho und der Kö-
nigin Dulcia gestifteten Kelches in der Stiftskirche zu Guimaräes in Portugal
die die Stifter angebende Legende Rex Sanci et regina Dulcia offerunt calicem
istum sancte Marine de Costa era MGCXXV (= 1187). Der von Ferdinand II-
und seiner Gemahlin Urracca der Kirche des heiligen Isidor zu Leon geschenkte
Kelch zeigt oben um den Hals des Fußes die in Filigran ausgeführte Widmung:
■j- In nomine Domini Urracca Fredinad. Ein kleiner Kelch in St. Peter zu Salz-
burg hat auf dem Fuß die Stifterinschrift: -j- Hoc tibi devotus dat munus Christe
Gerhohus. Die den Fuß des aus dem Baseler Münster stammenden romanischen
Kelches im Historischen Museum zu Basel: f Calicem istum dedit Gotfridus de
Eptingen beate Marie belehrt uns, daß der Kelch ein Geschenk des Vogtes Got-
fried von Eptingen war. Eine in Deutsch abgefaßte Stifterinschrift am Fuß des
Fürslenbergischen Kelches zu Villingen führt den Kelch redend ein: f Ich
keilch biu geiben durch grave h. von Fürstenberg und durch Agnesen sin wip
(61 a) Vgl. oben S. 166. (62) Agkblli, Liber Pontif. Rav., Vita s. Joh. Angelopti (M. 106,
536). (63) VgL oben S. 71. (64) Dich. L. P. II, 127.
FÜNFTES KAPITEL- ORNAMENTALE AUSSTATTUNG. IV. INSCHRIFTEN 171
und durch ir kinde sibeniu. Die Inschrift am Rand der Kuppa des von Herzog
Konrad von Masovien (1191 —12^7) gestifteten Kelches in der Kathedrale zu
Plock nennt lediglich den Stifter und seine Angehörigen: f Dux Conradus, dux
Boleslaus, EmomizI, Mesco, Ludmilla, Salomea, Judita.
Zahlreich sind die Kelche aus dem späten i£. und dem i5. Jahrhundert, die eine Stifter-
inschrift aufweisen. Manche dieser Inschriften sind nun, zumal auf deutschen Kelchen, in
der Volkssprache abgefaßt. Als Beispiel und Probe der vielen sei die Stifterinschrift auf dem
Fuße eines Kelches in der Nikolaikirche zu Greifenhagen in Pommern wiedergegeben:
MGCCCLXXXIXt jare heft laten maken bans knvst vnde sine frue gerde dessen kelk in die
ere gades. (65) Die Stifterinschrift ist bisweilen, wie z. B. auf einem Kelch in der Nikolai-
kirche zu Bielefeld, von einer Darstellung des Donators (66) oder von dem Wappen des
Stifters begleitet, wie beispielsweise auf einem von Birger, dem Sohn der heiligen Birgitta,
gestifteten Kelch zu Vadstena. (67) War der Kelch einem bestimmten Altar zugedacht, so
pflegt das in der Inschrift ausdrücklich bemerkt zu werden. So heißt es auf einem Kelch
zu Barlt in Schleswig-Holstein: Ad altare s. Michaelis et sanete Gaterine in dominica ecclesia
Barlete istum caücem procuravit Johannes Fabri fundator (68) und auf dem vorbin genann-
ten Kelch zu Vadstena: Birgerus miles, filius sanetae Birgittae dedit me ad altare beate vir-
ginis. Auch über den Gebrauch des Kelches enthalten die Inschriften bisweilen eine Angabe.
So las man nach einem Inventar von St-Denis aus dem Jahre i5o5 auf dem Fuß eines von
Karl V. (*{• i38o) für die Johanniskapelle gestifteten Kelches: Je fuz donne par le roy
Charles, filz du roy de France Jehan, en sa chapelle, qui est fondee en l'honneur de sainet
Jehan dedans de l'eglise Sainet Denis, oü chaeun jour ordinal rem ent doivent pour luv
chanter deux messes ä tousjours perpetuellement, (69) ein Kelch zu Dargun in Mecklenburg
aber trägt rings auf dem Fuß die Inschrift: Gheze gbaf dessen kellik on der scal me alle
daghe mede misse holden, dat er god gnedich sy. Die am Fuß eines Kelches im Stift Kloster-
neuburg angebrachte Stifterinschrift enthält Interessante Angaben über dessen Entstehung:
f Anno domini MCCGXXXVII hie calix beatae Mariae virginis comparatus et inchoatus
ex antiquo calice pondere habito iyg marcam 6 lot, quam Babo quondam praepositus com-
paravit.
Nicht selten sind die Stifterinschriften mit einer Bitte verbunden. Frühe Beispiele bietet
die Inschrift eines nicht mehr vorhandenen Kelches, den Honorius II. (1126—n3o) oder
Honorius III. (1216—1227) der Basilika des heiligen Paulus zu Bom schenkte: Nominis
excelsi vas nobile suseipe Paule — Vas in honore tuae quod praesul Honorius aulae —
(Do) ut tua regna piis preeibus mihi des pietatis — Et satur(er) pacis requie iungarque
beaüs (70) sowie die Legende, die der Henkelkelch im Stift Wüten auf der Zarge des Fuße3
zeigt: -f Parce calix iste per quos datus est tibi XPE — Bertholdi monitis, cui sis mitissime
mitis. (71) Ein schönes Beispiel aus der zweiten Hälfte des 1/4. Jahrhunderts ist die auf dem
Rand des Fußes angebrachte Inschrift des Kelemankelches im Dom zu Osnabrück: Hoc vas
dat, Christe, Gerhart tibi Keleman iste — Quem corpus sanguis foveat tuus, ut vetus an-
guis — Non possit plenum sibi nunc praebere venenum. Ein Kelch zu Burg im Dithmarschen
von i43i hat die Inschrift: Istud vas datum fac quod Jhcsu sit tibi gratum — In laudem
crucis da danti gaudia lucis. Auf dem Fuß eines Kelches im Dom zu Halberstadt liest man:
Tuam deposeimus pietatem ut nobis tribuere digneris lucidas et quietas mansiones. Frater
Matthias indignus episcopus Gadensis. Meist ist die Bitte übrigens nur in wenige Worte ge-
kleidet. Haseke von den Wolde, miserere mei Deus, lesen wir beispielsweise auf einem Kelch
der Nikolaikirche zu Bielefeld; Kord proyte vnde alheit zyne husvrowe gheven dessen kelk
(65) Kd. von Pommern, Kr. Greifenhagen, 51. (66) Abb. in Kd. von Westfalen, Kr. Biele-
feld 18. (67) Hildkbraso III, 661. (68) Kd. v. Schleswig-Holstein 1,112. (69) Omost 18.
(70) Bull, di arch. crist. 1879, 161. (71) Berthold ist Berthold IV., Graf von Andechs
(t 1206). Er hatte nicht selbst den Kelch herstellen lassen und dem Kloster gespendet, viel-
mehr hatten andere, wohl seine Nachkommen, das getan, jedoch Bertholdi monitis, d. i. wie
es scheint, auf Grund seines letzten Willens. Der Kelch entstand demnach erst nach den»
Tode Bertholds, also nach 1206.
172 VASA SACRA. ERSTER ABSCHNITT. DER KELCH
dorch got, o(ra) p(ro) eis auf einem Kelch der Petrikirche zu Rostock; Orate pro animabus
Johis Porpyll et Johannae uxoris auf einem Kelch zu West Drayton in England (72) und so
ähnlich in manchen anderen Fällen. Statt einer Bitte ist der Stifterinschrift an der Zarge
eines Kelches zu Stadtilm in Schwarzburg-Rudol Stadt eine Begrüßung Marias angefügt:
■j- Kunrat von Kungesse et soror eius Bertath. Ave Maria.
Die Inschriften, denen Bitten beigefügt sind, geben uns Aufschluß über den Sinn über-
haupt, den man mit den Stifterinschriften verband. Sie sollten nicht lediglich das Andenken
an die Stiftung des Kelches verewigen, die Stifter wollten dadurch, daß sie ihre Namen an
dem Kelch anbringen ließen, sich auch für alle Zeit in die heiligen Opfer empfehlen, zu
denen derselbe gehraucht werden würde. Schön kommt das in der Inschrift eines von Bi-
schof Heinrich Spiegel zum Dcsenberg (i36o—i38o) gestifteten Kelches zu Dörnhagen bei
Paderborn zum Ausdruck, wenn es in ihr heißt: Qui panem vite traetas cum sanguine vite —
Presulis Henrici recolens sis mente fideli. So oft man mit dem Kelche die Messe feiere,
möge man, bittet Bischof Heinrich, treuen Sinnes seiner gedenken; schön auch in der rüh-
renden Inschrift eines Kelches in der Lambertikirche zu Lüneburg: Missam qui dicis in
honore Dei Genitricis — Hoc vas pro dante tu post orabis et ante. Amen. (73)
Die Inschriften der dritten Gruppe sind von besonderer Wichtigkeit. Sind
sie doch Urkunden und zwar Urkunden, an deren Zuverlässigkeit kein Zweifel
bestellt, Urkunden, die es ermöglichen, nicht nur die Kelche, an denen sie sich
finden, sondern auch andere nach Form und Ausstattung gleichartige oder ver-
wandte mit mehr oder weniger Sicherheit genau oder doch annähernd zu da-
tieren. Außerdem aber bilden sie darüber hinaus auch noch sehr wertvolle Bei-
träge zur Geschichte der Goldschmiedekunst überhaupt, namentlich jene, welche
den Künstler nennen, der den Kelch schuf.
Vierte Gruppe. Sie ist von geringer Bedeutung. Es gehören zu ihr die In-
schriften, die eine Anrufung, eine Empfehlung oder eine Begrüßung zum Aus-
druck bringen. Eine Anrufung besagt z. B. die Inschrift am Fuße des Kelches
zu Ottobeuren: f Lumina septena de vero sole serena — Vas operis clari dantes
orate beari, in der die in Form von getriebenen Halbfiguren auf dem Fuß dar-
gestellten sieben Söhne der heiligen Felicitas um ihre Fürbitte für den Schenk-
geber des Kelches gebeten werden; die Inschrift auf dem Kelch zu Wörishofen:
Dantibus hoc donum regnum da Christe polorum, in der Christus angefleht
wird, den Stiftern des Kelches zum Lohn das Himmelreich zu geben; die In-
schrift auf einem Kelch des frühen i5. Jahrhunderts zu Delitzsch (Prov. Sach-
sen) : >-{- Wer zeu desem kelche hat gegeben, dem helfe Got vnde min herre sente
Petir in das ewige Leben«, sowie die Inschrift an der Kuppa eines englischen
Kelches in englischem Privatbesitz: Pater de celis Deus, miserere nobis, zu der
sich auf dem Fuße die weitere Anrufung gesellt: Sancta Maria, ora pro nobis.
Empfehlung ist die schöne Inschrift an der Zarge des Fußes des Kelches in
St. Walburg zu Eichstatt: In gremio matris residet sapiencia Patris — Tu michi,
Nate, pater et tu michi, fili(a mater). Eine nicht selten an spätmittelalterlichen
Kelchen vorkommende Begrüßung ist der Engelsgruß an Maria: Ave, Maria
gratia plena. Auch die so oft an den Zapfen des Modus und am Schaft der
Kelche des iß., i5., wie auch noch des 16. Jahrhunderts angebrachten Namen
Jhesus und Maria, seltener Christus, wollen in erster Linie als eine Begrüßung
verstanden sein.
Auch den Kelchen des griechischen Ritus sind Inschriften nicht fremd. Von
besonderer Wichtigkeit ist die Inschrift, welche, hier in Email, dort in Gravie-
rung ausgeführt, den Rand der Kuppa einer größeren Zahl der byzantinischen
Kelche des Schatzes in S. Marco zu Venedig umzieht. Die Konsekrationsworte
des Weines wiedergebend, bekundet sie mit Sicherheit, daß alle Gefäße, an
denen sie sich findet, wirkliche Kelche sind, was ohne jene Inschrift bei ver-
schiedenen derselben, die sehr wenig kelchartig aussehen, zum mindesten zwei-
felhaft sein würde. Man hat mit einer gewissen Vorliebe jene Konsekrations-
worte als Schmuck an der Kuppa der Kelche angebracht. Denn sie begegnen
uns auch an der dem frühen Mittelalter entstammenden Kelchkuppa im
Kaiser-Friedrich-Museum zu Berlin, die in den Ruinen von Pergamon gefunden
wurde, sowie an der Kuppa eines dem i3. Jahrhundert entstammenden Kelches
in der Kathedrale zu Perejaslawl, (76) des von Manuel Paläologus gestifteten
Henkelkelches im Watopädiklostcr auf dem Athos und der beiden früher er-
(76) Vgl. oben S. 137.
fünftes kapitel. Ausstattung, v. das kreuzchen auf dem fuss 175
wähnten Kelche in der Kathedrale zu Moskau, (77) eines Prachtkelches von
1680 daselbst und eines Kelches von i685 im Preobrachenskikloster zu Je-
roslawl.
Stifterinschriften gibt es an drei der byzantinischen Kelche in S. Marco. An
zwei von ihnen hat sich Kaiser Romanos durch die Inschrift verewigt: -f Kopie,
ßovj&si Ptoitavw &p9o5ö£ii) osa^ä-r^. die bei einem unten den Fuß umrahmt, bei dem
andern sich an der unter derKuppa angebrachten Platte findet. Der dritte Kelch
zeigt um den Rand des Fußes herum die in Gravierung ausgeführte Inschrift:
KtipiE, poijfrsi l'iaiwua 7caipmo> x(al) vsvtxü) KotoHrQ, die ihn als die Stiftung eines
Patriziers und Logotheten Sisinnios erweist, von dem jedoch sonst nichts be-
kannt ist. Beispiele von Beischriften zu bildlichen Darstellungen behufs Kenn-
zeichnung derselben bieten in großer Zahl die Kelche in S. Marco.
Eine Widmung am Rande des Fußes eines griechischen Kelches aus dem
Jahre 1756 im Viktoria-und-Albert-Museum zu London lautet: »Du bist wahr-
haft der Kelch des Heiles; du birgst in dir, du dreimalgesegneter, des Meisters
Blut und den Meister selbst. Ihm opfere ich, Gabriel von Nikomedia, dich.
I. Oktober 1756.« Die Inschriften am abessinischen Goldkelch im englischen
Kronscbatz besagen unter anderm, daß er von König Josua (1682—1706) und
seiner Gemahlin dem Heiligtum von Quesquäm geschenkt wurde. (78)
Die Bezeichnung des Kreuzchens als signaculum auf dem Fuß des Kelches ist übrigens
sehr jungen Datums. Nie kommt in den mittelalterlichen Quellen signaculum in dieser Be-
deutung vor, was doch unverständlich wäre, wenn man schon damals dein Kreuzchen auf
dem Kelch den Sinn eines signaculum, eines Weihekreuzchens, beigelegt hätte. Aber auch
in nachmittelalterlicher Zeit verhält es sich bis um die Mitte des 19. Jahrhunderts nicht
anders. Insbesondere weiß weder der heilige Karl Borromäus in seiner so einflußreichen
Instructio fabricae ecclesiae, in der er eingehend auch den Kelch behandelt, noch der be-
züglich der Beschaffenheit des Kelches gleichfalls sehr ausführliche Ornatus ecclesiasticus
des Regensburger Generalvikars Jakob Myller irgend etwas von einem signaculum des Kel-
ches von der Gestalt eines Kreuzchens auf dem Fuß desselben. Sie sagen lediglich, es
könne der Fuß bzw. Fuß und Kuppa des Kelches mit religiösen Darstellungen, zumal Pas-
sionsbildern und Passionssymbolen, geschmückt werden, die aber für die Handhabung des
Kelches nicht hinderlich sein dürften. Erst um die Mitte des 19. Jahrhunderts taucht das
Wort signaculum als Bezeichnung des Kreuzchens auf dem Fuß des Kelches auf. Wer dieses
zuerst so genannt hat, ist kaum festzustellen. (80) Aufnahme und Verbreitung fand der neue
Terminus nur bei Kunststatistikern und Kunsthistorikern. Weil er ohne Sinn ist, dürfte es
nachgerade dringendst geraten sein, ihn nicht länger zu gebrauchen.
Der Brauch, auf dem Fuß des Kelches ein Kreuzchen, sei es mit, sei es ohne
Kruzifixus anzubringen, läßt sich bis ins i3. Jahrhundert zurückverfolgen.
Allerdings findet sich ein solches bereits auf einem Zinnkelch in St. Mauritz zu
Münster, der im Grabe des Bischofs Friedrich I. (-J- io84) gefunden worden
sein soll, sowie auf einem Kelch des späten 12. Jahrhunderts im National^
museum zu Lissabon. Allein der erstere ist nicht der im Grabe gefundene, er
stammt vielmehr erst aus dem späten Mittelalter, (81) dem Lissaboner Kelch
aber ist das seinem Fuß aufgelötete Kreuzchen wohl nicht ursprünglich, wie
seine Form bekundet, sondern eine nachträgliche Zutat.
Von den vielen Kelchen, die sich aus dem i3. Jahrhundert erhalten haben,
wiesen bzw. weisen nur erst wenige ein Kreuzchen auf dem Fuß auf. So der
Kelch in der Katharinenkirche zu Osnabrück, bei dem das Kreuzchen von fünf
Steinen gebildet wurde, die dem Blattwerk, mit dem der Fuß bekleidet ist,
eingefügt waren, ein Kelch, den man im Grabe des Bischofs Michael von Vil-
loiseau von Angers (f 1260) fand — das bei diesem dem Fuß aufgelötete
Kreuzeheu war doppelarmig —, der Kelch im Kloster Ottobeuren, ein Kelch
aus dem Ende des i3. Jahrhunderts in St. Marien zu Rostock, ein Kelch zu
Engelnstedt in Braunschweig sowie der Kelch in St. Walburgis zu Eichstätt. Sie
werden freilich nicht die einzigen Kelche mit Kreuzehen auf dem Fuß gewesen
sein, die in damaliger Zeit geschaffen wurden, erheblich aber durfte die Zahl
(80) Vermutlich war es Fr. Bock, der überhaupt sehr erfindungsreich in der Bildung
neuer archäologischer Termini war. (81) Vgl. oben S. 73.
FÜNFTES KAPITEL. AUSSTATTUNG. V. DAS KREUZCHEN AUF DEM FUSS 177
der im i3. Jahrhundert entstandenen Kelche dieser Art noch nicht gewesen sein.
Bemerkenswert ist, daß die meisten der vorhin genannten Kelche erst der zwei-
ten Hälfte des i3. Jahrhunderts angehören.
Unter den Kelchen, die aus dem i^. Jahrhundert auf uns gekommen sind,
befinden sich bereits zahlreiche, die auf dem Fuß ein Kreuzchen aufweisen.
Genannt seien von den vielen als Beispiele nur ein Kelch zu Neuenkirchen und
zu Malchow in Mecklenburg, zu Frauenprießnitz in Sachsen-Weimar-Eisenach,
sowie in der Nikolaikirche zu Nordhausen, welch letzterer an den Zapfen des
Nodus das Datum Anno Domini MGCCLI zeigt, ferner ein Kelch in der Jakobi-
kirche und in der Marienkirche zu Lippstadt, ein Kelch zu Iburg in Hannover,
zu Beckum, im Dom zu Minden, zu Gladbeck und zu Wewer in Westfalen, in
der Gaukirche zu Paderborn, ein in der Kathedrale zu York in einem Bischofs-
grab des i'|. Jahrhunderts gefundener Kelch, ein Kelch aus öfver Gran im
Historischen Museum zu Stockholm und ein Kelch zu Nuria in Katalonien. Die
drei letztgenannten bekunden, daß der Brauch, auf dem Fuß des Kelches ein
Kreuzchen anzubringen, im i4- Jahrhundert auch schon in England, Schwe-
den und Spanien geübt wurde. Allgemein war er freilich damals nicht einmal in
Deutschland. Bilden doch die Kelche mit Kreuzchen auf dem Fuß nur den klei-
neren Teil der deutschen Kelche, die sich aus dem i4- Jahrhundert erhalten
haben. Überhaupt wurde die Gepflogenheit, auf dem Fuß des Kelches ein
Kreuzchen anzubringen, im Mittelalter nie allgemein, selbst nicht im i5. Jahr-
hundert, welcher Verbreitung sie sich auch gerade in diesem erfreute.
Im iti. und i5. Jahrhundert wurde das Kreuzchen bald dem Fuß eingraviert, bald, und
zwar mit Vorliebe, ihm aufgelötet oder aufgenietet. Wenn dem Fuß eingraviert, hat es
meist die Form einer crux quadrata, wenn ihm aufgesetzt, umgekehrt gewöhnlich die eines
lateinischen Kreuzes, d. i. eines Kreuzchens mit verlängertem unterem Arm. Hat es diese
letztere Form, so ist es regelmäßig mit einem Kruzifixus versehen, mag es nun eingraviert
oder aufgesetzt sein. Auch hat man es in diesem Falle bisweilen durch Beifügung von
Maria und Johannes zu einer förmlichen Kreuzesgruppe erweitert, wie z. B. auf einem
Kelch zu Achim in Braunschweig, zu Löbau in Westpreußen (Tafel 2I1), zu Fraustadt (Ta-
fel a&) u. a. Vereinzelt hat man sich unter Weglassung eines Kreuzchens damit begnügt,
dem Fuß einen Kruzifixus aufzuheften, wie bei einem Kelch zu Neumark in Westpreußen
(Tafel nt\) und einem Kelch zu Nettlecombe (Somerset) in England. Auf dem Fuß eines
Kelches in St. Andreas zu Köln ist es durch eine Darstellung des sogenannten Gnaden-
stuhles, Gott Vater mit dem Gekreuzigten in den Händen, ersetzt, auf einem Kelch zu
Tempzin in Mecklenburg durch eine Pieta, anderswo, wie auf einem Kelch zu Goathland
(York) in England durch das Monogramm des Namens Jesu. Auf dem Kelch der Nikolai-
kirche zu Nordhausen wird das Kreuzchen von fünf Edelsteinen gebildet.
Auf den Benaissance- und Barockkelchen ist das Kreuzchen, falls ein solches auf ihnen
vorhanden ist, dem Fuß gewöhnlich eingraviert und zwar in Form einer crux quadrata.
Was aber führte zu dem Brauch, auf dem Fuß des Kelches ein Kreuzchen
anzubringen? Nun zunächst und vor allem die Absicht, Kelchen, die reich zu
verzieren man nicht in der Lage war, wenigstens irgend einen, wenn auch nur
sehr bescheidenen religiösen Schmuck zu geben und sie nicht zwar als geweiht,
aber als heiligen, gottesdienstlichen Zwecken dienenden Gegenstand zu kenn-
zeichnen. Dann aber hat man, und zwar wohl in erster Linie, den Fuß des Kel-
ches mit einem Kreuzchen versehen, um eine der Seiten des letzteren als die*
BRAUN, DAS CHRISTLICHE AI.TARGERÄT 12
178 VASA SACRA. ERSTER ABSCHNITT. DER KELCH
Vorder- und Hauptseite, als die beim Genuß des heiligsten Blutes bei der Kom-
munion und der Ablution nach derselben zu benutzende vor den übrigen her-
vorzuheben und kenntlich zu machen. Daß man aber zu diesem Zwecke ein
Kreuzchen und nicht irgend ein anderes Symbol auf dem Kelchfuß anbrachte,
geschah zweifellos, weil es ein sinnvoller Hinweis auf das heilige Geheimnis
war, zu dessen Vollziehung der Kelch diente, die unblutige Erneuerung des
Kreuzesopfers des Herrn.
SECHSTES KAPITEL
DIE IKONOGRAPHIE DES KELCHES
I. DAS BILDWERK DER MITTELALTERLICHEN KELCHE IM ALLGEMEINEN
Es erübrigt noch, auf die Ikonographie des Kelches einzugehen. Kelche aus
altchristlicher Zeit, die mit figürlichen Darstellungen geschmückt sind, haben
sich im Westen nicht erhalten. Daß es schon damals solche gegeben hat, kann
indessen bei der Vorliebe der alten Christen, selbst das Trinkgerät des gewöhn-
lichen Lebens mit religiösen Bildern zu verzieren — schon Tertullian spricht
von profanen Kelchen aus Glas mit der Figur des guten Hirten (1) —, nicht be-
zweifelt werden. Das früheste Beispiel eines mit Bildwerk versehenen Kelches,
das im Westen auf uns gekommen ist, reicht nur bis in das Ende des 8. Jahr-
hunderts zurück. Es ist der bereits mehrfach erwähnte Tassüokelch. Er ist aber
nicht nur das früheste Beispiel, das sich daselbst erhalten hat, sondern aus der
Zeit vor dem 12. Jahrhundert heute auch das einzige seiner Art. Denn ein mit
graviertem Figurenwerk ausgestatteter, wohl noch dem 11. Jahrhundert ent-
stammender Kelch, der sich im 18. Jahrhundert zu St-Josse-sur-Mer befand,
ist gegenwärtig verschollen und uns nur mehr durch eine Zeichnung in der Pa-
riser Nationalbibliothek bekannt. (2) Selbst unter den Kelchen, die sich aus
dem 12. Jahrhundert im Westen gerettet haben, befinden sich nur erst wenige,
die mit bildlichem Schmuck ausgestattet sind, ein aus St-Denis stammender
Kelch in amerikanischem Besitz (Tafel 3), ein Kelch im Museum zu Coimbra
Tafel 12), ein Kelch in der Stiftskirche zu Guimaräes in Portugal und der Henkel-
kelch in St. Peter zu Salzburg (Tafel 8). Dann gestalten sich die Dinge freilich
anders. Schon unter den Kelchen, die sich aus dem i3. Jahrhundert erhalten
haben, sind die mit Bildwerk ausgestatteten Kelche so zahlreich, daß sie uns,
wenn zwar kein erschöpfendes, so doch ein im wesentlichen vollständiges Bild
des figuralen Schmuckes vermitteln, mit denen man damals die Kelche be-
dachte. Noch weit größer ist dann die Reihe der mit Bildwerk ausgestatteten
Kelche des i4- und i5. Jahrhunderts.
Daß man auch im Osten den Kelch mit Bildwerk zu schmücken liebte, zeigen,
um von dem angeblich syrischen Kelch der Sammlung Abukasem zu Port Said,
der an der Kuppa mit zwei Kreuzen und vier stehenden Apostelfiguren verziert
ist, und dem sogenannten Antiochenischen Kelch der Sammlung Kouchakji
(1) Vgl. oben S. 33. (2) Vgl. oben S. 62.
SECHSTES KAPITEL. IKONOGRAPHIE. I. ALLGEMEINES. II. CHRISTUS 179
wegen der gegen ihre Echtheit sich erhebenden Bedenken abzusehen, (3) eine
Anzahl der aus Byzanz stammenden, dem 10.—12. Jahrhundert angehörenden
Kelche im Schatz von S. Marco, ein Kelch aus dem i3. Jahrhundert in der Ka-
thedrale zu Perejaslawl und zwei Kelche in den Athosklöstern, darunter der
von Manuel Paläologos gestiftete Henkelkelch im Watopädikloster.
Das Bildwerk, mit dem die mittelalterlichen Kelche geschmückt erscheinen,
ist sehr mannigfaltig. Gemeinsam ist ihm irgendwie eine Beziehung auf das hei-
lige Geheimnis, das sich bei der Feier des eucharistischen Opfers im Kelch
vollzieht und in ihm nach der einen oder andern Seite seinen sinnfälligen Aus-
druck findet; hier in seinem Werden durch die Wesenswandlung des im Kelch
befindlichen Weines oder in seinem Sein als das Sakrament, in dem der im
Himmel thronende verklärte Christus unter der Gestalt des Weines wahrhaft,
wirklich und wesentlich als Gott und Mensch gegenwärtig ist; dort in seiner
Eigentümlichkeit als das Opfer des Neuen Bundes und als unblutige Erneue-
rung des Kreuzopfers oder in seinem Zweck, den Menschen die Gnaden des
Erlösungstodes zuzuwenden und übernatürliche Seelenspeise auf der irdischen
Pilgerfahrt zum himmlischen Vaterland sowie zugleich Unterpfand ewigen Le-
bens für dieselben zu sein; anderswo endlich in seinen herrlichen Wirkungen
und Früchten, als deren glänzendste Verkörperung die auf den Kelchen ab-
gebildeten Heiligen erscheinen. Nur bei Berücksichtigung aller dieser Gesichts-
punkte wird man zu vollem Verständnis des so ungemein mannigfaltigen Bild-
schmuckes, wie er uns auf den mittelalterlichen Kelchen entgegentritt, gelangen
können und gelangen. Weniger mannigfaltig, weil weniger reichlich als auf
den mittelalterlichen Kelchen ist das Bildwerk auf den nachmittelalterlichen.
Seinein Gegenstand nach besteht das Bildwerk der mittelalterlichen Kelche
bald in alttestamentlichen Darstellungen, bald in Bildern Marias und in Engel-
bildern, bald in Prophetenfiguren sowie in Darstellungen der Apostel und
Evangelisten, bald in Bildern von Heiligen, bald endlich, und zwar vornehm-
lich, in Darstellungen Christi und seines Erlösungswerkes.
II. DARSTELLUNGEN CHRISTI
und dann aus seiner Asche verjüngt sich erhebende Phönix, Symbol des dem
Grab zu neuem, verklärtem Leben entsteigenden Erlösers und der Löwe, der
durch seinen Hauch oder sein Brüllen die totgeborenen Jungen am dritten Tag
zum Leben erweckt, Symbol Christi, der der dem Tode der Sünde verfallenen
Menschheit das Leben der Gnade wiederschenkte, sind an den Kelchen nicht
allzu häufig. Auch kommen sie bloß am Nodus sowie allenfalls am Fuß vor.
Eine Ausnahme macht nur das Lamm, sofern es uns wenigstens einmal auch
an der Kuppa begegnet, bei dem heute nicht mehr vorhandenen Henkelkelch
zu St-Josse-sur-Mer. Berühmt ist die Darstellung des Pelikans, des Adlers und
des Phönix am Nodus des sogenannten Nesterkelches in der Peterskirche zu
Soest (Tafel 26); so genannt, weil sein Nodus aus drei von Eichenlaub umrank-
ten Vogelnestern, in denen ein Pelikan, ein Adler und ein Phönix stehen, ge-
bildet wird. Eine Darstellung des Einkorns, Sinnbild Christi, des Eingeborenen
des Vaters wie Marias, findet sich am Nodus eines Kelches des i!i. Jahrhun-
derts in der evangelischen Kirche zu Wimpfen am Berg und des aus der Ste-
phanskirchc stammenden, mit Schmelzbildern geschmückten Kelches im Dom
zu Mainz (Tafel 22) sowie an der Kuppa des Kelches des Meisters Hofftege
von 1&68 im Dom zu Osnabrück.
Auch die Evangelistensymbole sind am Kelch ein Symbol Christi. Denn mö-
gen sie auch zunächst die Evangelisten symbolisieren, so ist es doch Ietzlich
nicht sowohl die Person derselben, was sie sinnbilden, es sind das vielmehr die
von den Evangelisten geschriebenen Evangelien oder genauer der Inhalt der-
selben, das ist Christus, der das Eins und Alles der Evangelien ist, in dem alles,
was sie berichten, einbeschlossen ist, der in ihnen vor unsern Augen Mensch
wird, lebt und wirkt, leidet und stirbt, seine Kirche gründet und sie mit dem
Schatz seiner Geheimnisse ausstattet, darunter ganz besonders der heiligen
Eucharistie, der unblutigen Erneuerung des Kreuzesopfers und der übernatür-
lichen Speise der Seele, der uns in den Evangelien gleichsam als der zum Wort
gewordene, im Wort verkörperte Christus entgegentritt. Es ist darum nicht
ohne Grund und ohne Bedeutung, wenn auf den Kelchen gerade die Evange-
listensymbole nicht selten einer Figur Christi, wie schon an der Kuppa des
Tassilokelches, oder einer Darstellung des Gekreuzigten wie auf manchen Kel-
chen des i3., i4- und i5. Jahrhunderts, so beispielsweise auf dem Kelch zu
Hochelten, Kelchen zu Crimmitschau, Döbeln und Werdau (Tafel 23) in Sach-
sen, zu Ostdorf in Württemberg, zu Altmark in Westpreußen sowie auf einem
Kelch in der Jakobikirche zu Greifswald als ergänzende Begleitung beigegeben
sind. In der Regel sind die Evangelistensymbole auf dem Fuß des Kelches an-
gebracht, doch finden sie sich auch nicht selten am Nodus, wie z. B. an den
romanischen Kelchen zu Ottobeuren (Tafel i5) und Wörishofen, an Kelchen
zu Lockwitz und Colditz in Sachsen, zu Zehdenik in Brandenburg, an dem mit
Emailbildern verzierten Kelch im Dom zu Mainz, am Kelemankelch im Dom
zu Osnabrück (Tafel 17), am Kelch in St. Walburgis zu Eichstätt (Tafel 16) u. a.,
an der Kuppa dagegen nur vereinzelt wie beim Tassilokelch und einem der
Kelche zu Tremessen (Tafel 12), bei dem sie von der Nielloinschrift begleitet
sind: Concordes isti f antur magnalia Christi.
SECHSTES KAPITEL. IKONOGRAPHIE. II. CHRISTUS 181
Die vier Paradiesf lasse, die am Nodus des mit Niellodarstellungen geschmück-
ten Kelches zu Tremessen — hier als Parallele zu den an der Kuppa des Kelches
sich findenden Evangelistensymbolen —, sowie an dem des Henkelkelches im
Stift Wüten (Tafel 17) angebracht sind, Männer, die aus Urnen Wasser her-
vorfließen lassen, sollten zunächst die übernatürlichen Gnadenströme, die von
Christus zum Heil der Welt ausgehen und sich segen- und fruchtspendend
über die ganze Welt ergießen, wie auch und zwar schon nach altchristlicher
Auffassung, die vier Evangelien, durch welche sich das in Christus den Men-
schen gewordene Heil nach den vier Himmelsgegenden über die Erde hin ver-
breitete, symbolisieren. In der einen wie in der anderen Bedeutung wollten sie
dann aber auch auf Christus, den Felsen, dem das lebendige Wasser entspringt
(1. Cor. 10, 4), und den Urheber der Erlösung und Wriederbegnadigung des
sündigen Menschengeschlechtes hinweisen.
Als Einzelfigur ist Christus am Kelche bald in Büstenform, bald als Halb-
figur, bald als Ganzfigur wiedergegeben, als Ganzfigur jedoch gewöhnlich nur,
wenn er am Kreuze hängend als der Gekreuzigte, thronend in Gestalt der Maje-
stas oder, freilich nur selten, wie z.B. am Nodus des Kelches des Meisters
Hofftege im Dom zu Osnabrück, stehend als Salvator dargestellt ist. In Büsten-
form ist Christus nur an den Zapfen oder auf den Zierscheibchen des Nodus
abgebildet. Den italienischen Kelchen des i4. und i5. Jahrhunderts ist die
Darstellung des Schmerzensmannes, Pietä, in der in der italienischen Kunst be-
liebtsn Gestalt eigentümlich. Sie zeigt Christus, nur mit einem Lendentuch be-
kleidet, auf dem Haupt die Dornenkrone, die Wundmale der Hände weisend, in
halber Figur aus einem Sarkophag herausragend und kommt seit dem ifa. Jahr-
hundert überaus häufig an ihnen vor. Gibt es doch unter den etwa fünfund-
zwanzig italienischen Kelchen aus dem i4-, i5. und frühen 16. Jahrhundert
im Vikloria-und-Albert-Museum zu London nicht weniger denn dreizehn, auf
denen sie angebracht erscheint, hier am Nodus, dort am Fuß. Eine Darstellung
des Gnadenstuhles, das ist Gott Vater thronend, ein Kreuz mit dem Gekreuzigten
in den Händen haltend, die Taube des Heiligen Geistes zwischen Gott Vater und
Kreuz, findet sich, wie schon früher gesagt, eingraviert als Ersatz für ein Kreuz-
chen auf dem Fuß eines spätgotischen Kelches in St. Andreas zu Köln. Es ist das
einzige Beispiel an einem Kelch, das mir bekannt geworden ist. (4)
Darstellungen von Begebenheiten aus dem Leben des Herrn finden sich auf
den Kelchen, die sich aus dem Mittelalter erhalten haben, häufig. Von den Kel-
chen freilich, die über das i3. Jahrhundert zurückreichen, zeigt keiner solche,
was jedoch bei ihrer geringen Zahl nicht beweist, daß man nicht auch schon vor
diesem den Kelch mit Wiedergaben von Geheimnissen aus Christi Leben ge-
schmückt habe. Von den Kelchen des i3. Jahrhunderts weisen manche derartige
Darstellungen auf und nicht anders verhält es sich noch mit denjenigen des
i4. Jahrhunderts. Von den Kelchen des i5. Jahrhunderts werden dann jedoch
Szenen aus Jesu Leben und Leiden, abgesehen von der Darstellung Christi am
Kreuze zwischen Maria und Johannes, die sich behauptet, infolge der Zunahme
(4) Über die gleiche Darstellung auf Tragaltären des 12. Jahrhunderts, die zu den frühe-
sten bekannten Beispielen derselben zählen, vgl. Braun, Altar I, 507.
182 VASA SACRA. ERSTER ABSCHMTT. DER KELCH
von Heiligenfiguren fast ganz von den Kelchen verdrängt Wo sie aber auf-
treten, handelt es sich nur mehr um die eine oder die andere Darstellung, nicht
um einen Zyklus, eine größere oder kleinere Folge solcher. Um die italienischen
Kelche stand es so schon im i/j. Jahrhundert. Auf ihnen traten bereits in diesem
vor lauter Heiligendarstellungen Wiedergaben von Ereignissen aus dem Leben
des Herrn, ausgenommen die des Gekreuzigten, so gut wie ganz in den Hinter-
grund.
Die Zyklen von Darstellungen aus dem Leben des Herrn, die uns auf vielen
Kelchen des i3. und i!\. Jahrhunderts begegnen, bestehen ihrer Zahl nach ge-
wöhnlich aus vier, fünf oder sechs, doch auch wohl aus sieben oder acht, selten
aber nur aus drei Szenen. Am zahlreichsten sind sie beim Henkelkelch im Stift
Wüten. Sie bilden hier fast ein förmliches Leben des Herrn im Bild. Ange-
bracht sind sie bei einem Kelch der ehemaligen Sammlung Basilewsky am No-
dus, sonst aber an der Kuppa oder gewöhnlicher am Fuß.
Ihrem Gegenstand nach sind die Zyklen sehr mannigfaltig, immerhin lassen
sich unschwer vier Typen derselben unterscheiden. Der erste besteht nur aus
Szenen, die dem Jugendleben und dem Leiden des Herrn entnommen sind.
Beispiele bieten der von Konrad von Masovien gestiftete Kelch zu Plock (Verkündigung,
Geburt, Anbetung durch die Weisen, Flucht, Kindermord, Christus am Kreuze), der Kelch
zu Afflighem bei Brüssel (Verkündigung, Geburt, Anbetung, Christus am Kreuze), ein
französischer Kelch des i3. Jahrhunderts im Viktoria-und-AIbert-Museum zu London (Ver-
kündigung, Geburt, Geißelung, Christus am Kreuze), (5) ein von dem Wiener Bürger Kon-
rad von Regensburg gestifteter, heute ebendort befindlicher Kelch des 14. Jahrhunderts
(Verkündigung, Geburt, Darstellung im Tempel, Christus am Kreuze), (6) der vorhin er-
wähnte Kelch der Sammlung Basilewsky (Verkündigung, Geburt, Taufe, Christus am Kreuze),
ein Kelch in der Marienkirche zu Danzig von 1426 (Verkündigung, Geburt, Maria mit
Kind, Geißelung, Dornenkrönung, Christus am Kreuz), ein Kelch in der Walburgiskirche
zu Helmstedt (Verkündigung, Geburt, Maria mit Kind, Christus am Kreuz) (7) und ein
Kelch zu Wusterhausen in Brandenburg (Verkündigung, Geburt, Geißelung, Kreuziragung,
Christus am Kreuze). (8) Der glänzendste Vertreter des ersten Typus ist der Henkelkelch im
Stift Wilten bei Innsbruck mit nicht weniger denn siebzehn, in zwei Zonen die Kuppa rings
umgebenden Darstellungen, sechs Begebenheiten aus dem Jugendleben des Herrn, zu denen
sich zwei Szenen aus dem Beginn seines öffentlichen Lebens gesellen, sowie acht weitere
aus seinem Leiden: der Verkündigung, der Heimsuchung, der Geburt, der Verkündi-
gung der Geburt, der Anbetung des Jesuskindes durch die Dreikonige, der Darbringung im
Tempel, der Taufe und der Hochzeit zu Kana in der unteren Zone, der Beauftragung des
Petrus und Johannes, das Ostermahl zu bereiten, des Einzugs in Jerusalem, der Fuß-
waschung, des Letzten Abendmahles, des Gebetes des Herrn am ölberg, des Verrates, des
Verhörs durch Pilatus, der Geißelung und der Kreuztragimg in der oberen. (9) Unvoll-
ständig ist der Typus bei dem nieliierten Kelch zu Tremessen (Verkündigung, Geburt,
Taufe, Abendmahl), weil hier durch Aufnahme zweier alttes tarn entlicher Vorbilder zur
Verkündigung (brennender Dornbusch) und Geburt (blühender Stab Aarons) kein Platz
mehr für eine Darstellung des Gekreuzigten blieb, mit drei Heiljgendarstellungen verbun-
den und infolgedessen auf drei Szenen verkümmert (Geburt, Kreuzigung, Maria mit Kind)
auf einem Kelch zu Colmnitz in Sachsen von 148o, einem sehr späten, für diese Zeit verein-
zelt dastehenden Beispiel des Typus. Regelmäßige Bestandteile des Typus sind Verkündigung
(5) Catalogue of chalices Tfl. 8, n. 1. (6) Ebd. S. 47. (7) Kd. von Braunschweig 1,79.
(8) Kd. von Brandenburg, Kr. Ruppin, Tfl. 24. (9) Die Darstellung des Gekreuzigten
und die Glorifikationsszenen sind auf der Patene angebracht.
SECHSTES KAPITEL. IKONOGRAPHIE. U. CHRISTUS 183
(abgesehen vom Colmnitzer Kelch), Geburt und Christus am Kreuze. Die Darstellung der
Gottesmutter mit dem Kind auf dem Colmnitzer Kelch ist eine Abkürzung der Szene der
Anbetung des Jesuskindes durch die Dreikönige.
Der zweite Typus ist der häufigste. Er unterscheidet sich von dem ersten da-
durch, daß bei ihm zu den Darstellungen aus dem Jugendieben und Leiden
Christi noch die eine oder andere Glorif ikationsszene, wie die Frauen am Grabe,
die Auferstehung, die Himmelfahrt oder Christus als Weltrichter hinzutritt.
Auf dem Kelch in St. Godehard zu Hildesheim (Titelbild), dem Kelchfuß zu Lüding-
hausen und einem Kelch zu Haffen am Niederrhein gesellt sich zu den Darstellungen der
Verkündigung, der Geburt und des Gekreuzigten die Szene des Besuches der Frauen am
Grabe, auf dem Kelch zu Zehdenik und einem Kelch in der Marienkirche zu Bielefeld
kommt zu den gleichen Darstellungen die Auferstehung hinzu. Auf einem Kelch in der
Johanniskirche zu Herford besteht der Zyklus aus den Bildern der Verkündigung, der
Gottesmutter mit dem Kind, hier als Ersatz der Geburt, des Gekreuzigten und der Auf-
erstehung. Die fünf Darstellungen auf dem Fuß eines Kelches in der evangelischen Kirche
zu. Wimpfen am Berg geben die Verkündigung, die Gottesmutter thronend mit dem Kind
(= Geburt), die Geißelung, die Kreuzigung und die Auferstehung wieder; die sechs des
Kelches zu Kissenbrück in Braunschweig die Verkündigung, die Geburt, die Taufe des
Herrn, den Gekreuzigten, die Auferstehung und die Himmelfahrt; die sechs eines Kelches
aus dem Dom zu Vesteras im Historischen Museum zu Stockholm die Verkündigung, die
Geburt, Jesus vor Pilatus, die Geißelung, den Gekreuzigten und die Auferstehung. Auf dem
Fuß des Kelches zu Stahle bei Höxter begegnen uns die Verkündigung, die Geburt, das
Letzte Abendmahl, die Kreuzigung, die Auferstehung und der Weltrichter; die Schmelz-
bilder auf dem Fuß des Kelches in der Sammlung zu Sigmaringen stellen dar die Verkündi-
gung, die Geburt, das Gebet am ölberg, die Kreuztragung, die Kreuzigung und die Auf-
erstehung. Ein Kelch zu Wittstock in Brandenburg zeigt auf dem Fuß die Verkündigung,
die Geißelung, die Kreuztragung, den Gekreuzigten, die Auferstehung und als etwas nicht
Gewöhnliches die Krönung Marias. Als GlorifikationsdarsteUungcn gesellen sich auf dem
Fuß des sogenannten Bernwardskelches im Dom zu Hildesheim zu den Jugendszenen (Ver-
kündigung, Anbetung durch die Weisen und Darbringung im Tempel) sowie dem Bild der
Kreuzigung die Auferstehung, die Himmelfahrt und die Sendung des Heiligen Geistes, am
Kelch zu Borgä zur Verkündigung, Geburt und Kreuzigung der Besuch der Frauen am Grab
und zwei Erscheinungen des Auferstandenen (Christus und Thomas, sowie Christus und
Petrus am See Genesareth). Auch bei diesem zweiten Typus fehlen, wie aus Gesagtem er-
hellt, nie die Verkündigung und die Darstellung des Gekreuzigten, die man ersichtlich als
die beiden Hauptbilder betrachtete; nur selten hat man die Geburt des Herrn ausgelassen.
Der dritte Typus weist ausschließlich Passionsszenen auf. Ihn vertreten z.B.
der mit Schmelzbildern geschmückte Kelch im Dom zu Mainz (Tafel 22), bei
dem die Folge der Darstellungen auf dem Fuß mit der Gefangennahme beginnt
und mit der Abnahme vom Kreuze schließt, ein Kelch zu Malchin in Mecklen-
burg mit den Bildern des Verrates, der Verurteilung durch Pilatus, der Geiße-
lung, der Dornenkrönung, der Kreuztragung und des Gekreuzigten, ein Kelch
zu Lockwitz in Sachsen mit den Emaildarstellungen des Einzuges Christi, des
Letzten Abendmahles, des Gebetes am ölberg, der Verurteilung durch Pilatus,
der Kreuztragung und Kreuzigung sowie ein Kelch des frühen i5. Jahrhunderts
zu Delitzsch (Prov. Sachsen) mit den Reliefs der Geißelung, der Kreuztragung
und des Gekreuzigten. Beispiele des dritten Typus auf Kelchen nichtdeutschen
Ursprunges bieten der mit Passionsszenen in durchsichtigem Email verzierte
spanische Kelch der ehemaligen Sammlung Spitzer im Louvre (Tafel 17), ein
184 VASA SACRA. ERSTER ABSCHNITT. DER KELCH
Erneuerung des Kreuzopfers zuwendet, vor allem an die himmlische Herrlichkeit, die er
uns wieder verdient hat und die er allen denen verheißen hat und spenden wird, welche
sich die Früchte des Kreuzesopfers zu eigen machen, mit ihm eins werden und von der im
eucharistischen Opfer bereiteten Seelenspeise genießen, damit sie mit ihm im Himmel herr-
schen in alle Ewigkeit. Nichts konnte in der Tat ein angemessenerer und sinnvollerer
Schmuck für den Kelch sein, als Darstellungen aus Christi Leben, Leiden und Verherr-
lichung. Dabei waren die Passions- und Glorifikalionsszenen zugleich eine Illustration des
im Kanon an die Wandlung unmittelbar sich anschließenden Anamnesegebetes Unde et
Stellen wir die alttestamentlichen Typen, wie sie uns auf den mittelalterlichen Kelchen
begegnen, zusammen, so sind es folgende: der Sündenfall Adams, der brennende Dorn-
busch, der blühende Stab Aarons, das Vließ Gedeons, die verschlossene Pforte, Abel, Abra-
ham, die eherne Schlange, die Arche Noes, Jonas, Melchisedech, der Hohepriester Aaron, die
Kundschafter mit der Traube und die Witwe von Sarepta. Was sie an den Kelchen besagen,
erhellt aus ihrer Bedeutung. Adam, der Stammvater des sündigen Menschengeschlechtes,
der durch den Genuß der Frucht des Baumes der Erkenntnis auch seine Nachkommenschaft
dem Sünden verderben überantwortete, ist antithetisch Typus des neuen Adam, Christus, der
durch seinen Tod am Kreuze, dem wahren Lebensbaum, die Menschheit von Sündenschuld
und Sündenstrafe erlöste und zum übernatürlichen Leben wiedererweckte, die Frucht, die
ibm und seinen Nachkommen den leihlichen und übernatürlichen Tod brachte, antithetisch
der Typus der wunderbaren Seelenspeise, die Christus den Seinen im heiligen Opfer be-
reitet zugleich als Nahrung zum ewigen Leben und als Unterpfand desselben.
Der brennende Dornbusch, der blühende Stab Aarons, Gedeons Vließ und die verschlos-
sene Pforte haben als Vorbilder der wunderbaren Menschwerdung und Geburt Christi am
Kelch die gleiche Bedeutung, wie die Szenen der Verkündigung und der Geburt des Herrn,
die sie als deren Vorbilder zu begleiten pflegen. Auch sie sollen auf das Wunder der We-
senswandlung hinweisen, das sich mit Brot und Wein durch die Konsekrationsworte, durch
die der Gottmensch wahrhaft, wirklich und wesentlich unter den Gestalten der Opfergaben
auf dem Altar gegenwärtig wird, in geheimnisvoller, den Sinnen unfaßbarer Weise vollzieht.
Das Opfer Abels, Abraham, der dem Befehl Gottes gehorchend, sich anschickte, seinen
Sohn Isaak zu opfern, die eherne Schlange, deren Anblick die von den feurigen Schlangen
Gebissenen heilte, sind Typen des Sühnopfers Christi am Kreuze, am Kelch aber ange-
bracht, zugleich ein Hinweis auf die unblutige Erneuerung desselben bei der Feier der
Eucharistie. Auch die Arche Noes bat letztlich an den Kelchen diese doppelte Bedeutung,
mag man sie nun mit dem herrlichen Kreuzeshymnus des Venantius Fortunatus als Typus
des Kreuzes des Herrn (11) oder mit der Inschrift des Weingartner Kelches: Area Noe pro
diluvio baptismo figurat als Typus der Taufe auffassen. Denn auch das Sakrament der
Taufe, durch das der Mensch Christus angegliedert wird, Christus anzieht, wie der Apostel
sagt, (12) ist eine der Früchte des Kreuzesopfers, ohne das es keine Taufe _geben wurde,
weshalb auch die Väter das Wasser, das der Seitenwunde Christi entfloß, ebenso auf das
Sakrament der Taufe deuten, wie das Blut, das ihr entströmte, auf das der Eucharistie.
Die Jonasszene hat unter den alttestamentlichen Vorbildern, mit denen man den Kelch
schmückte, Aufnahme gefunden, weil Jonas auf Grund von Matth. ia, 4o als Typus des
Auferstandenen, sein Ausgeworfen werden als das der Auferstehung galt, man in der Jonas-
szene somit auch einen Hinweis auf die Wirkung der eucharistischen Speise sah; eine Wir-
kung, die Christus selbst in den Worten ausgesprochen hatte: -Wer mein Fleisch ißt und
mein Blut trinkt, bat das ewige Leben und ich will ihn auferwecken am Jüngsten Tage«
(Joh. 6, 55).
Melchisedech und Aaron sind bekannte Typen des eucharistischen Opfers. Ihre Verwen-
dung als Schmuck des Kelches legte sich daher sehr nahe, ergab sich ohne weiteres. In der
Traube, welche die Kundschafter aus dem Lande Kanaan mit sich zurückbrachten, sah man
schon früh ein Bild des Erlösers am Kreuze, indem man die Rebe auf Christi Kreuz, die
an ihr hängende Traube, ihre kostbare Frucht, auf den Gekreuzigten deutete. Am Kelch
angebracht, sinnbildete die Darstellung demgemäß zunächst die in der Messe sich voll-
ziehende unblutige Erneuerung des Kreuzestodes und Kreuzesopfers, doch sollte sie auch
auf den unter der Gestalt des Weines gegenwärtigen eucharistischen Gottmenschen hin-
deuten. Ein Hinweis auf das himmlische Brot endlich, das Christus bei der Feier des eucha-
ristischen Opfers immerfort bis zum Ende der Zeiten den Menschen als übernatürliche
Speise der Seele bereitet und spendet, war die Darstellung der Witwe von Sarepta, die dem
(11) Sola digna tu fuisti — Ferra mundi victimam — Atque portum praeparare — Area
mundo naufrago — Quam sacer cruor perunxit — Fusus agni corpore.
(12) Gabst 3, 27: Quicumque baptizati estis, Christum induistis.
SECHSTES KAPITEL. IKONOGRAPHIE. III- VORBILDER, PROPHETEN 187
hungernden Elias mit ihrem letzten Mehl und Öl einen Kuchen bereitete und dafür durch
andauernde wunderbare Vennehrung des Mehles und Öles belohnt wurde.
Sehr zahlreich sind die alttestamentlichen Bilder auf dem Fuß des Henkelkclch.es im
Stift Wilten. Außer den Darstellungen des Sündenfalles, des Opfers Abels, zu dem sich hier
auch das Kains gesellt, der Arche Noes, dem Opfer Abrahams und Melchisedechs sowie der
ehernen Schlange, finden sich auf ihm weiter noch wiedergegeben das Schöpfungswerk,
die Erschaffung der Eva, die Vertreibung aus dem Paradies, die Ermordung Abels, Noes
Opfer, die Schlachtung des Osterlammes sowie Moses, vor den Juden Wasser aus dem Felsen
schlagend. Die Darstellungen wollen hier indessen nicht sowohl als Einzeltypen, sondern in
ihrer Gesamtheit gegenüber der Gesamtheit der an der Kuppa des Kelches angebrachten
neutestamentlichen Darstellungen typisch gewertet sein, wie die den Fuß umziehende In-
schrift besagt: In testamento veteri quasi sub tegumento — Clausa latet nova lex novus in
cruce quam reserat rex.
nend, auf dem Arme, wenn sie stehend abgebildet ist. Ohne Kind erscheint sie
fast nur, wenn sie die Schmerzensmutter wiedergibt, oder wenn der Raum die
Beifügung des Jesuskindes nicht gestattete und man sich damit bescheiden
mußte, sie in Brustbildform abzubilden, wie das namentlich der Fall war, wenn
sie am Nodus dargestellt werden sollte. Als Immakulata, das ist auf dem Mond
stehend, kommt Maria oft auf Kelchen der Spätzeit vor. Auf italienischen mit
Emailbildchen geschmückten Kelchen des i4- und i5. Jahrhunderts gesellte
man zur Darstellung des Schmerzensmannes (15) gern als Ergänzung die Bilder
der Schmerzensmutter und des heiligen Johannes oder doch wenigstens ein
solches Marias. Die Einhornjagd, eine Allegorie der Menschwerdung, ist als
einziges Beispiel derselben an einem Kelche, eingefügt in dicht verzweigtes
Rankenwerk, an der Kuppa eines Kelches in der Stadtkirche zu Schleiz vom
Jahre 1496. (16)
Daß man Maria nicht bloß bei Wiedergaben von Geheimnissen aus dem Leben und Lei-
den des Herrn, sondern auch als Einzelfigur am Kelche darstellte, bedarf keiner Begrün-
dung. Wenn irgend jemand außer dem Heiland es verdiente, am Kelche abgebildet zu wer-
den, war es zweifellos Maria, die Mutter Christi nach dessen menschlicher Natur. Ist doeb
der Kelch, in dem der verklärte Gottmensch durch die Konsekration des Opferweines als
Gott und Mensch gegenwärtig wird, gewissermaßen ein Gegenstück des Schoßes der alier-
seligsten Jungfrau, in dem der Sohn Gottes einst die Menschennatur annahm und auf dem
er nach seiner Geburt wie auf seinem Throne ruhte.
Innozenz' VII.; an dem mit drei Reihen von Engeln besetzten Korb der Kuppa
eines venetianischen Kelches des iö. Jahrhunderts im Viktoria-und-Albert-
Museum zu London (Tafel 28); am Korb der Kuppa von zwei anderen italieni-
schen Kelchen im gleichen Museum und schon auf dem mit sechs einen Stab und
Kugeln haltenden Engeln in mandelförmigen Medaillons geschmückten Fuß des
romanischen Kelches in der Stiftskirche zu Fritzlar. Das Lamm anbetend waren
zwei Engel an der Kuppa des Kelches zu St-Josse-sur-Mer dargestellt. Im gan-
zen ist die Zahl der noch erhaltenen mittelalterlichen Kelche, auf denen Engel
nicht lediglich als Füllwerk angebracht sind, nicht groß.
3. Apostel und Evangelisten. Oft finden sich unter dem figürlichen Schmuck
der mittelalterlichen Kelche Apostelfiguren und zwar sind die Apostel in die-
sem Falle entweder in ihrer Zwölfzahl als das Kollegium der heiligen Zwölf-
boten dargestellt oder es sind nur einzelne derselben abgebildet. In ihrer Ge-
samtheit als Kollegium begegnen sie uns namentlich an Kelchen des 12. und
i3. Jahrhunderts. Beispiele bieten der Kelch des Geda Menendiz im Museum
zu Coimbra (Tafel 12), der Henkelkelch in St. Peter zu Salzburg (Tafel 8), der
Kelch in St. Aposteln zu Köln (Tafel 8), der Kelch zu Wörishofen, zu Otto-
bcuren (Tafel i5) und der der ehemaligen Sammlung Stein, der Kelch in der
Stiftskirche zu Fritzlar sowie der Kelch zu Frauenberg. Stehende Ganzfigu-
ren auf dem Kelch zu Coimbra, thronende auf dem Kelch zu Fritzlar, erscheinen
sie bei den übrigen Kelchen als Halbfiguren. Mit ihren Symbolen ausgestattet sind
sie nur erst bei dem Kölner Kelch. Angebracht sind sie bei dem Salzburger
Kelch auf dem Fuß, sonst aber, und zwar sinnvoller, rings um die Kuppa her-
um. War es wegen Platzmangel nicht möglich, das ApostelkoIIegium vollständig
am Kelch wiederzugeben, so begnügte man sich damit, wenigstens so viele seiner
Mitglieder zur Darstellung zu bringen, als nur immer der verfügbare Raum ge-
stattete und als nötig waren, um sie noch als Abbild des Apostelkollegiums er-
scheinen zu lassen. Als Beispiel sei genannt der Kelch des Hugo von Oignies zu
Namur. Immer befanden sich darum dann unter denselben die Apostelfürsten
Petrus und Paulus.
Von den Kelchen, die sich aus dem i£. und i5. Jahrhundert erhalten haben,
zeigt bloß einer das ApostelkoIIegium an der Kuppa, der sogenannte Bern-
wardskclch im Dom zu Hildesbeim (Tafel 22). Es ist hier durch Beifügung
einer Figur des Herrn und des Abendmahlstisches zu einer Darstellung des
Letzten Abendmahles geworden. Auf dem Fuß sind die zwölf Apostel wieder-
gegeben bei einem Kelch des i.'j. Jahrhunderts in der Marienkirche zu Lipp-
stadt und einem Kelch des i5. in St. Jürgen zu Wismar, hier zu zwei oder drei
auf Plättchen mit emailliertem Grund als Hauptbilder des Fußes, dort als Füll-
sel in den Zwickeln der Rundmedaillons mit Szenen aus dem Leben Christi, mit
denen der Fuß besetzt ist. Am Schaft begegnen uns in Form von Statuettchen
die heiligen Zwölfboten beim Kelemankelch im Dom zu Osnabrück sowie bei
einem Kelch des i5. Jahrhunderts in der Pfarrkirche zu Dirschau in West-
preußen. Im ganzen kommt die Darstellung der Apostel in ihrer Gesamtheit
auf den Kelchen des ik- und i5. Jahrhunderts nur mehr selten vor. Bevorzugt
SECHSTES KAPITEL- IKONOGR. IV. APOSTEL, EVANGELISTEN, HEILIGE 191
wurde nunmehr auf ihnen die Wiedergabe bloß des einen oder anderen der
Apostel, besonders der Apostel Petrus, Paulus und Johannes.
Die Darstellung der sogenannten Traditio legis, das ist der Übertragung der
Schlüsselgewalt an Petrus und der Beauftragung Pauli mit der Verkündigung
des Evangeliums durch Christus, die noch im n. und 12. Jahrhundert an litur-
gischem Gerät nicht selten war, fand sich an dem heute verschollenen Kelch 2u
St-Josse-sur-Mer, dem einzigen Kelch mit dieser Szene, der mir bekannt gewor-
den ist. An dem Ardaghkelch zu Dublin ist die Wiedergabe des Apostelkolle-
giums durch die rings um die Kuppa herum angebrachten Namen der heiligen
Zwölfboten ersetzt.
Daß man die Apostel am Kelch darstellte und zwar besonders auch in Gestalt des Apo-
stelkollegiums ist unschwer verständlich und bedarf kaum einer Begründung. Waren es
doch, um von allen andern Erwägungen abzusehen, die Apostel, mit denen der Herr das
Letzte Abendmahl feierte, denen er zuerst von allen und noch vor seinem Leiden bei dem-
selben seinen Leib zur Speise und sein Blut zum Trank reichte, und zugleich die Gewalt
verlieh, zu tun, was er seihst getan, die er beauftragte, zu seinem Gedächtnis immerfort zu
wiederholen, was sie ihn hatten tun sehen, und die dann, gleichwie sie den Mensehen das
Evangelium des Heiles und die durch den Kreuzestod des Gottmenschen der Welt gewor-
dene Erlösung verkündeten, so auch in treuer Ausführung des letzten Willens des Herrn,
dessen kostbares Vermächtnis, das Geheimnis seines Leibes und Blutes, als die immer-
währende unblutige Erneuerung des einen Sühneopfers am Kreuze und als die nach der
wunderbaren Brotvermehrung von Christus verheißene, übernatürliche Gnadenkraft und
übernatürliches Leben spendende Seelenspeise für alle Zeiten übermittelten.
Eine figürliche Darstellung der Evangelisten kommt schon an der Kuppa des
Tassilokelches vor. Sie hat aber nur sehr selten auf den mittelalterlichen Kelchen
ein Gegenstück gefunden. Wo immer die Evangelisten als solche dargestellt
werden sollten, geschah das mittels ihrer Symbole, von denen bereits die Rede
war. Die Bedeutung der Figuren der Evangelisten war die gleiche, wie die ihrer
Symbole.
U. Heilige. Darstellungen von Heiligen begegnen uns nicht erst auf den Kel-
chen des ik- und des i5. Jahrhunderts. Der Tassilokelch mit Brustbildern des
heiligen Johannes des Täufers und dreier anderer nicht näher bestimmbarer
Heiligen, der früher zu St-Josse-sur-Mer befindliche Kelch mit den Halbfigu-
ren der heiligen Martinus, Vedastus, Benediktus und eines Priesters, wohl des
heiligen Jodokus auf dem Fuß, der Kelch zu Ottobeuren mit den Brustbildern
der sieben Söhne der heiligen Felicitas als Schmuck des Fußes, der Kelch zu
Wörishofen mit den Brustbildern der heiligen Alexander, Theodor, Johannes
der Täufer, Gallus und Othmar auf dem Fuß, die Kelchkuppa im Stift Lam-
bach mit der Darstellung des heiligen Kilian sowie der Kelch in St. Walburg
zu Eichstätt mit den Bildern der heiligen Willibald, Wunibald und Walburgis
auf dem Fuß bezeugen das. Häufiger werden indessen Darstellungen von Hei-
ligen erst auf den Kelchen im i4. und i5. Jahrhundert, ja so häufig, daß sie
auf manchen Kelchen geradezu den Hauptbestandteil des Bildwerkes bilden,
mit dem man dieselben ausgestattet hat. Sie finden sich nicht nur auf dem Fuß
der Kelche, sondern auch wohl am Schaft und am Nodns, an dem Korb der Kuppa
jedoch fast allein bei italienischen. Außerordentlich reich an Heiligenbildern
192 VASA SACRA. ERSTER ABSCHNITT. DER KELCH
ist ein Kelch im Diözesanmuseum zu Breslau (Tafel 3o); es hat dieser deren nicht
bloß am Fuß und am Nodus, sondern auch am Korb der Kuppa. Am häufigsten
sind die Heiligen in Form von Halbfiguren und Brustbildern dargestellt, doch
erscheinen sie auch oft genug in Gestalt von Ganzfiguren. Gekennzeichnet sind
sie durch ein Attribut, wenn ihnen ein solches eignete, seltener durch eine In-
schrift, doch fehlt oft auch jede besondere Charakterisierung. Darstellungen
von Begebenheiten aus dem Leben der Heiligen hat man nur selten auf den
Kelchen angebracht, einen förmlichen Zyklus von Geschehnissen aus ihrem
Leben aber kaum jemals.
Für die Wahl der am Kelch abzubildenden Heiligen gab es keine Regel. Bestimmend bei
ihr war letztlich der Wille und Wunsch desjenigen, der den Kelch anfertigen ließ. Im all-
gemeinen waren eä die jeweilig an Ort und Stelle vor allem verehrten Heiligen, deren Bild
man auf den Kelchen anbrachte, die aber zum größten Teil sich nicht lediglich einer ört-
lichen, sondern eines mehr oder weniger allgemeinen Kultes erfreuten, weshalb auch viel-
fach die gleichen Heiligen allenthalben auf den Kelchen wiederkehren. Im besonderen
waren es namentlich die Darstellungen der Patrone der Kirchen, Kapellen und Altäre, für
die der Kelch bestimmt war, der Ordensheiligen, wenn es sich um einen Kelch für die
Kirche eines Ordens handelte, der Patrone der Zünfte und Bruderschaften, wenn diese den
Kelch herstellen ließen, sowie des oder der Patrone des Stifters des Kelches, mit denen man
diesen zu schmücken pflegte. Die Heiligen auf den Kelchen darzustellen, war durchaus be-
rechtigt. Sind sie doch gleichsam die herrlichsten Früchte sowohl des Kreuzopfers, das auf
dem Altar unblutigerweise erneuert wird, und des Meßopfers, durch das uns die Kreuzes-
gnaden zufließen, vermittelt werden, wie nicht minder der wunderbaren Seelenspeise des
Leibes und Blutes des Herrn, die dieser den Seinen als vorzüglichsten Quell aller Gnade
und Heiligkeit und als wirkungsvollste Stärkung und Förderung des übernatürlichen
Gnaden- und Tugendlebens im eucharistischen Opfer immer wieder bereitet. Und sind sie
ja doch zudem zusammen mit den Scharen der Engel gewissermaßen der himmlische Hof-
staat eben jenes verklärten Gottmenschen, der bei dem heiligen Meßopfer wahrhaft wirk-
lich und wesentlich auf dem Altar und im Kelch seinen Sitz aufschlägt, wie auch die mäch-
tigen Fürbitter der armen Menschheit, die als Sachwalter derselben am Throne Gottes mit
und durch Cliristus, dem höchsten Mittler, in dem alle andere Mittlerschaft ihren Grund
hat, für sie um Gnade, Hilfe und Erbarmen flehen. Wie man aus diesen Erwägungen heraus
an den Tragaltären, auf den Antependien und in den Retabeln auch Bilder der Heiligen
anzubringen liebte, so war es darum in der Tat durchaus entsprechend, auch am Kelch diese
darzustellen als Hinweis auf die Gnaden fr üchte des euchar istischen Opfers, das sich in ihm
vollzieht, auf die durch die Konsekration bewirkte wirkliche Gegenwart des verklärten Gott-
menschen unter der Gestalt des Weines und auf die fürbittende .Mittlerschaft der Hei-
ligen. Es begegnen uns deshalb auch Heiligendarstellungen nicht bloß auf Kelchen des We-
stens, sondern auch, ja weit ausgiebiger noch als auf diesen auf Kelchen der Riten des
Ostens. Sehr lehrreich sind in dieser Hinsicht die byzantinischen Kelche im Schatz von
S. Marco, auf denen die Heiligendarstellungen nicht nur relativ die Mehrzahl bilden, son-
dern auch absolut genommen alle anderen Darstellungen zusammen an Zahl erheblich über-
treffen.
Gerechtigkeit wie auch der göttlichen Liebe war; der göttlichen Gerechtigkeit,
sofern diese ihn als Genugtuung und Söhne für die Sünden der Menschen for-
derte, der göttlichen Liebe, sofern der Ratschluß, die Menschen zu erlösen und
die Verwirklichung desselben durch die Menschwerdung und den Kreuzestod
des Sohnes Gottes der Ausfluß der erbarmenden Liebe Gottes zu den Men-
schen war.
Allegorische Figuren der Kardinaltugenden der Klugheit, der Gerechtigkeit,
der Mäßigung und des Starkmuts sowie der durch Spruchbänder mit Inschrif-
ten als solche gekennzeichneten acht Seligkeiten sind auf dem Fuß des mit
Niellobildern geschmückten Kelches zu Tremessen angebracht. Jene, weibliche
Halbfiguren, nehmen die obere der beiden Bildzonen des Fußes ein, diese, ste-
hende weibliche Ganzfiguren, die untere. Ihren Sinn enthüllt die die Zarge des
Fußes umziehende Inschrift: Gaudia summorum, qui quaeris habere polo-
rum — Harum sectator virtutum sis et amator. Wer die himmlischen Freuden
erlangen will, muß den Weg der auf dem Fuß des Kelches dargestellten Tu-
genden und Seligpreisungen wandeln. Übrigens dürften die Gestalten der Kar-
dinaltugenden, weil unmittelbar unter den am Nodus befindlichen Paradies-
strömen angebracht, wohl auch als ein Hinweis auf die aus dem Meßopfer als
der Erneuerung des Kreuzesopfers hervorgehenden übernatürlichen Tugend-
gnaden zu deuten sein; ein Sinn, den auch die Gestalten der Kardinaltugeii-
den am Hals des Fußes des Henkelkelches im Stift Wüten haben werden. Denn
auch unmittelbar über diesen sehen wir die Figuren der Paradiesströme darge-
stellt. Eine Mahnung zu werktätiger Nächstenliebe im Geiste und in der Nach-
folge Christi, der im Kreuzopfer Leben und Blut für die dem Sündenverderben
verfallenen Menschen hingab, sind die Darstellungen der Werke der Barmher-
zigkeit auf dem Fuß eines Kelches in der Paulikirche zu Brandenburg (Ta-
fel 23). (18)
6. Stifterdarstellungen. Stifterdarstellungen kommen schon an zwei Kelchen
des i3. Jahrhunderts vor, dem Ottobeurener Kelch und dem Henkelkelch im
Kloster Marienstern, hier wie dort auf dem Fuß. An jenem sind der Stifter und
die Stifterin in Büstenform abgebildet, an diesem kniend und begleitet von
ihren Kindern, die beiden jüngsten auf den Händen haltend und dem Herrn
weihend. Übrigens sind noch auf den Kelchen aus dem i4. und i5. Jahrhundert
Donatorenbilder auf den Kelchen nicht eben häufig. Dargestellt sind die Stifter
auf diesen regelmäßig kniend.
Häufiger als Stifterbilder treffen wir auf den Kelchen des i&. und i5. Jahr-
hunderts die Wappen der Stifter. Aus der früheren Zeit ist mir kein Kelch be-
kannt, der solche aufwiese. Ikonographisch bilden sie nichts Bemerkenswertes,
weshalb es nicht vonnöten ist, sie hier näher zu behandeln. Ihr Wert liegt viel-
mehr darin, daß sie einen wichtigen Anhalt für die Feststellung der Entstehungs-
zeit und der Herkunft des Kelches, auf dem sie sich finden, bilden.
7. Ikonographie der griechischen Kelche. Von einem Eingehen auf die Ikono-
graphie des Kelches in den Riten des Ostens muß abgesehen werden, da es da-
für entweder völlig an Material fehlt, wie für die Ikonographie der syrischen,
~~ln) Kd. der Stadt Brandenburg 108 und T«. 29.
BRACH, das christliche altargerät !3
194 VASA SACRA. ERSTER ABSCHMTT. DER KELCH
die Eucharistie als Erneuerung des Kreuzesopfers und als übernatürliche Seelenspeise un-
mittelbar hinweisen, das Letzte Abendmahl und Leidensszenen, einsehlicßlich ihres Ab-
schlusses, der Auferstehung. Die gleichen Gesichtspunkte wie für die neutestamentlichen
waren maßgebend für die alttestamentlichen Darstellungen. Von den symbolischen Darstel-
lungen Christi, die uns auf mittelalterlichen Kelchen begegnen, erhielten sich nur das Ij>mm
und der Pelilcan. Sehr beliebt wurden die Leidensmerkzeuge. Sie finden sich sehr oft auf
nachmittelalterlichen Kelchen und zwar nicht erst auf den Renaissance- und Barockkelchen.
DIE PATENE
ERSTES KAPITEL
solcher erst wieder nach der Beendigung des Pater noster verwendet wird, also
nicht wie in jenen auch in der Zwischenzeit. In dieser ruht sie nämlich nach
lateinischem Brauch nicht auf der Patene, die seit der Opferung bis zu dem
an das Paler noster sich anschließenden Embolismus bei nichtfeierlichen Mes-
sen unbenutzt rechts unter dem Korporale liegt, halb von diesem verdeckt, bei
feierlichen Ämtern aber bis dahin vom Subdiakon gehalten wird, sondern auf
dem Korporale, während sie nach den Riten des Ostens sich von Beginn an bis
zur Kommunion ohne Unterbrechung auf der Patene befindet.
ZWEITES KAPITEL
(1) L. Douet d'Abcq II, 379. (2) Omoist 18. (3) Phosper Tarbe. Tresor des eglises
de Reims (Reims 1843) 70. (4) Archaeologia L, 46. (5) Revue XLI (1892) 500.
m Etym. 1. 20, c. 4 (M. 82, 715). (7) De eecl. o«. 1. 3, c, 27 (M. 105, 1147).
(8) De exordiis et inerementis quarundam in observationibus eccl. rertimc.24 (M. 114,951)-
(9) D. C. VI, 208.
ZWEITBS KAPITEL. BENENNUNGEN 199
Übrigens kommt das Wort patena in den schriftlichen Quellen nicht bloß als Bezeich-
nung der eucharistischen Patene vor, es sind auch wohl mit ihm andere, liturgischem Ge-
brauch dienende Schüsseln gemeint. So ist in der Vita s. Silvestri des Papsthuches von einer
patena argentea auro clusam chrismalem pens. 1. 5 und in der Vita Innocentü I. von pa-
tenae 2 ad chrismam pens. sing. 1. 3 die Rede, Schüsseln zur Aufnahme des Chrisams bei
der auf die Taufe folgenden Spendung der Firmung. (10) In den Gollectanea des iri-
schen Bischofs Tirechan (zweite Hälfte des 7. Jahrb.) wird von patini quadrati erzählt, die
Bischof Assicus, ein Schüler des heiligen Patrick, ein Kupferschmied, anfertigte. Tirechan
sah selbst noch drei derselben in der Patrickskirche zu Ardd-Macham, in der Kirche zu Alo-
find und in der Kirche zu Saeoli auf dem Altar des heiligen Bischofs Feiartus. (11) Da die
patini in der irischen Vita tripartita nüass (= mensa) genannt werden, handelt es sich wohl
bei ihnen um Portatilien, (12) worauf auch ihre quadratische Form hinzuweisen scheint.
Auf keii>en Fall sind unter ihnen Patenen zu verstehen, da deren irischer Name teisc war.
Eine Schüssel zum Auffangen des Wassers bei der liturgischen Händewaschung ist unter
patena verstanden, wenn in einem Inventar der Kathedrale zu Glermont-Ferrand aus dem
10. Jahrhundert vermerkt wird: Urceolus unus cum patena. Die hier als Zubehör zum ur-
ceolus, dem Gießgefäß bei der Händewaschung, erscheinende Patena ist das Becken, das
sonst in den Inventaren aquamanile genannt zu werden pflegt. In einem Inventar von
St-Ame zu Douai von i53g führen den Namen patenae die beiden im Mittelalter und auch
noch darüber hinaus viel zur liturgischen Händewaschung gebrauchten Becken, von denen
eines, das mit einem kurzen Ausflußrohr versehen war, als Gießgefäß, das andere zur Auf-
nahme des über die Hände gegossenen Wassers diente: Duae patenae argenteae in medio
solibus deauratis insignitae, quibus usus est cotidie ad magnum altare lavandis manibus,
quarum altera habet parvum canalem per quam aqua effunditur in alteram patenam. (13)
Die Kännchenschüssel heißt patena in Inventaren der Pfarrkirche von Mimsterberg und
von Frankenstein in der Diözese Breslau aus dem Jahre i65i. (14)
Nur sehr vereinzelt kommen in mittelalterlichen Quellen als Benennungen
des Geräts anstatt patena patera und paropsis vor. So heißt es patera in einem
Inventar von S. Liberatore zu Chieti von 1019: Unum calicem de optimo ar-
geuto cum duobus pateris (15) und in einem Inventar der dem Kloster S. Julian
de Samos 922 von König Ordofio II. gemachten Geschenke: calices duas ar-
genteas, pateras duas argenteas. (16) Paropsis (griechisch ■napo^t;) ist dem
Abendmahlsbericht des Evangelisten Matthäus (26, 23) entlehnt. Das Wort
wird zur Bezeichnung der eucharistischen Patene gebraucht in einem Verzeich-
nis der von Bischof Sisnandus von Gompostela dem Kloster S. Sebastian in
monte Hinico 914 gespendeten liturgischen Geräte, unter denen auch genannt
wird ein calix argenteus cum sua paropside. (17) Dagegen ist das vas de calzia-
donio factum ad modum paropsidis cum gemmis 22 desuper per orlum in einem
Inventar von S. Giovanni zu Monza von 1277 durch nichts als solche bezeugt,
wenn es sich auch bei ihm zweifellos um eine liturgischen Zwecken dienende
Schüssel handelt. (18)
Das dem Griechischen entlehnte lateinische discus kommt zur Bezeichnung
der Patene nicht vor, wohl aber begegnet es uns umgebildet in disc im Angel-
sächsischen, wie in einem Inventar der Kirche von Sherburn (York) aus dem
(10) Duch. L. P. I 170, 220. (11) Stokes, The tripartite life of Patrick I, 313.
(12) A.a.O. 97. (13) Gav A4.
(14) JusgnitzI, 245, 254. (15) Muratohi, Antiq. Ital. medii aevi IV (Milano 1741) 767.
(16) A. de Yepes, Coroniea general de la Orden de s. Benito III (1610), app. 20.
(17) Yepes, l.c.IV (1613) 430. (18) Bullet monum. 1881, 145. In einem Inventar von 1275
(ebd. 1880, 630) ist sie beschrieben als scutella cum viaculo et calcedonio, omata multis gem-
mis et perlis cum pede aureo et circulo aureo gemmato.
200 VASA SACRA. ERSTER ABSCH.MTT. DIE PATENE
Anfang des 10. Jahrhunderts: i calic et i disc, (19) sowie umgebildet in teisc
im Irischen, wie in der Vita tripartita des heiligen Patrick. (20)
Im griechischen Ritus heißt die eucharistische Schüssel nicht, wie man viel-
leicht erwarten möchte, der aus dem Griechischen stammenden Bezeichnung
patcna entsprechend TaTtxvvj, sondern 8(0x05. Sie führt in ihm diesen Namen
nicht nur seil alters, er ist auch ihr einziger. Denn das Wort öioxapiov, mit dem
sie im Chronicon paschale (7. Jahrh.) bezeichnet wird, (21) ist Deminutiv von
oEoxo? und findet sich zudem nur hier. Auch Espöc xivoZ wird sie lediglich ein-
mal in den schriftlichen Quellen genannt, bei Nikolaus Cabasilas (-J-13^1) näm-
lich. (22) Aus dem Griechischen ging die Bezeichnung otjxos auch in das Kop-
tische und Slavische über. Kelch (-oTijpiov)und eucharistische Schüssel zusam-
mengedacht, nannte man ötoxoTco-Tjfiiov. (23) Im armenischen Ritus heißt die
eucharistische Schüssel maghzmah, im syrischen pinco, im nestorianischen pe~
läsa oder päthüra.
DRITTES KAPITEL
nen bei der Messe vorgeschrieben, aber schon sein zweiter Nachfolger Urban
(f 23o) statt gläserner silberne eingeführt haben, (2) was dann in der Folge
bis in die neuere Zeit von andern kritiklos wiederholt wurde. Allein Zephyrinus
erließ, vorausgesetzt, daß die diesbezügliche Angabe der Vita Zephyrini im
Papstbuch (3) überhaupt zuverlässig ist, nur eine Verordnung über eine be-
stimmte Art der Verwendung gläserner Patenen beim Pontifikalgottesdienst.
Daß er solche schlechthin für die Meßfeier vorgeschrieben oder gar als der erste
gläserne Patenen bei dieser eingeführt habe, davon sagt die Quelle ebensowenig,
wie die Vita Urbani (4) von einer erstmaligen Einführung silberner Patenen
durch Urban etwas weiß, sondern lediglich berichtet, der Papst habe außer an-
dern heiligen Geräten, die alle aus Silber hergestellt waren, auch fünfundzwan-
zig Patenen aus Silber machen lassen. Eines folgt freilich aus den beiden An-
gaben des Papstbuches, vorausgesetzt ihre Zuverlässigkeit, an der zu zweifeln
die Sache selbst keinen Anlaß bietet, daß nämlich in frühchristlicher Zeit die
Patene auch wohl aus Glas, aber ebenso aus Silber bestand.
Daß man sich in altchristlicher Zeit auch gläserner Patenen bei der Feier
der heiligen Geheimnisse bediente, kann angesichts der ausgiebigen Verwen-
dung, die Schüsseln dieser Art damals im profanen Leben fanden, nicht auf-
fallen. Von einer Patene aus einem blauen Glasfluß zu Tours, die Kaiser Maxi-
mus dem heiligen Martinus schenkte, (5) sowie einer von dem Heiligen gespen-
deten kristallenen Patene zu Candes (Indre-et-Loire), erzählt Gregor von Tours.
Erhalten hat sich keine der altchristlichen gläsernen Patenen. Man hat aller-
dings in einigen Glasschüsseln des 3. und 4. Jahrhunderts Patenen erkennen
wollen, doch ohne Grund. Nichts beweist, daß sie das waren, weder eine In-
schrift, noch die Umstände des Fundortes, noch endlich die biblischen und son-
stigen religiösen Darstellungen, mit denen sie geschmückt waren. Denn Dar-
stellungen dieser Art waren bei den alten Christen keineswegs den liturgischen
Geräten vorbehalten, sondern bei ihnen nicht minder beliebt als Dekor der Ge-
räte des Alltagslebens.
Von Patenen aus Holz oder Kupfer hören wir in den vorkarolingischen Quel-
len nie, was freilich bei der Spärlichkeit der Angaben, die sie überhaupt hin-
sichtlich des Materials der Patene enthalten, nicht ausschließt, daß in alt-
christlicher und frühmittelalterlicher Zeit nicht auch solche zur Verwendung
gekommen sind, da ja noch keine Vorschriften bezüglich des Materials der
Patene bestanden. Hat es deren ja doch selbst noch später gegeben, öfters wird
in den vorkarolingischen Quellen von Patenen aus Gold berichtet und zwar be-
zeugen dieselben, daß man schon wenigstens im k- Jahrhundert auch solche
herstellte, was bei dem erhabenen Zweck, dem die Patene dient, allerdings leicht
verständlich ist.
So schenkte bereits Konstantin der Basilika Santa Croce, den Basiliken der heiligen
Agnes und des heiligen Laurentiiis sowie der Basilika der heiligen Petrus und Marzelliiuis,
zum Teil zugleich mit silbernen, je eine Patene aus Gold, der Lateranbasilika aber sieben. (6)
Aus Gold gemacht waren auch die Patenen, die Ö20 Epiphanius von Konstantinopel (7) und
(2) De exordiis et incrementis rer. eccl. c. 24 (M. 114, 851). (3) Dich. L. P. I, 138.
(4) Ebd. I, 143. (5) Vita s. Martini 1.4, c. 10 (M. 71, 995). (6) Dwe. L. P. I, 176f.
(7 M.6S, 499.
202 VASA SACRA. ERSTER ABSCHNITT. DIE PATENE
um dieselbii Zeit Kaiser Justinus zusammen mit einem goldenen Kelche dem Papst Hör-
misdas (5i4—5a3) zum Geschenke sandte, sowie auch die Patene, welche der Kaiser dessen
Nachfolger Johannes (5s3—5aG) spendete. (8) Gregor von Tours berichtet von einer aus
Gold bestehenden Patene, welche ein Kaiser Leo zum Dank für die Heilung seiner Tochter
nebst einem goldenen Kelch und einem kostbaren Evangelienbchälter für die Kirche von
Lyon anfertigen ließ. (9) Papst Sergius {687—701) ließ für St. Peter zu Rom eine goldene,
um den Rand herum mit Steinen und Perlen, in der Mitte mit einem von Hyazinthen und
Smaragden gebildeten Kreuz verzierte Patene anfertigen. (10) König Ina von Wessex
schenkte um 700 der Abtei Glastonbury eine Patene und einen Kelcb aus Gold. (11) Papst
Konstantin (708—715) ließ eine goldene Patene von 12 1., Papst Gregor IL (715—781)
eine solche gar von ag,5 1. Gewicht herstellen. (12) Erhalten hat sich keine der goldenen
Patenen vorkarolingischer Zeit, es müßte denn die rechteckige, 19,5 cm lange, ia,5 cm
breite, mit s cm breitem Rande, 1,8 cm hoher Fußleiste sowie vertieftem Mittelfeld ver-
sehene Schüssel, die zusammen mit dem früher erwähnten Miniaturhenkelkelch zu Gourdon
gefunden wurde und heute im Cabinet des Medailles zu Paris aufbewahrt wird, eine eucha-
rislische Patene sein, was aber trotz des in Zelleneinlage gearbeiteten Kreuzes, mit dem sie
in der Mitte verziert ist, keineswegs sicher ist. Denn aus dem auf ihr sich findenden Kreuz
allein, das auch auf profanen Zwecken dienendem Gerät angebracht wurde, läßt sieb ihr
eucharistischer Charakter nicht beweisen, ihre Form aber spricht eher für eine profane,
als für eine eucharistische Schüssel (Bild i5). (13)
Häufiger als goldene Patenen werden in den altchristlichen, und frühmittel-
alterlichen Quellen Patenen aus Silber erwähnt. Wie es scheint, wurden diese
schon früh, jedenfalls aber in nachkonstantinischer Zeit, wo immer die Mittel
vorhanden waren, mit Vorzug aus Silber hergestellt. Aus Silber sind denn auch
die als Patenen gedeuteten Schüsseln, die zu Riha und Stüma (Tafel 4i) gefun-
den wurden, drei patenenartige Schüsseln angeblich gleichfalls syrischer Her-
kunft in der Sammlung Abukasem zu Port Said (Tafel 4i), eine patenenartige,
auf Zypern gefundene Schüssel im Britischen Museum und die als eucharisti-
sche Patene bezeichnete Schüssel der ehemaligen Sammlung Stroganoff. (14)
Ob alle diese Schüsseln, ja selbst nur eine derselben, wirklich als eucharistische
Patenen gedient haben, muß dahingestellt bleiben, auch bei Annahme ihrer
Echtheit, die indessen keineswegs bei allen, wie bei den zu Riha und Stüma ge-
fundenen Schüsseln, den Schüsseln der Sammlung Abukasem und der Schüssel
aus Kerynia im Britischen Museum über alle Bedenken erhaben ist. (15)
Sicher war keine Patene, ja überhaupt keine liturgische Schüssel eine in einem Grab bei
Perugia entdeckte Schüssel mit dem Bild einer Kampfszene und der Inschrift: De donis Dei
et domni Petri utere felix cum gaudio, sondern eine vom Papst geschenkte profane Ehren-
schüssel. Keine eucharistisehen Patenen waren auch die zwei mit den Köpfen der Heiligen
Petrus, Paulus, Justus und Hermes auf dem Rande, in der Mitte aber mit einem nimbier-
(8) Doch. L. P. I. 271, 276. (9) De gloria conf. c. 63 (M. 71, 874). (10) Duck. L. P. I 375.
(11) Wilh. Malmesbi-r., De antiquitate Glaston. eccl. (M 179, 1705).
(12) Duch.L, P. I, 391, 410. (13) Abb. in Farbe bei CabrolII2, 1628.
(14) Abb. der jetzt in der Sammlung Kalebdjian zu Paris befindlichen, mit der Darstel-
lung des Abendmahles geschmückten Schüssel von Riha in Syria II (1921) pl. XIV sowie bei
W. Neuss, Die Kunst der alten Christen (Augsburg 1926) Tfl. 69; Abb. der drei zu Stüma
entdeckten, jetzt im Museum zu Konstantinopel aufbewahrten Schüsseln, von denen eine
ebenfalls eine Darstellung des Abendmahles aufweist, die beiden andern nur mit einem ein-
gravierten Kreuz verziert sind, in Revue archeol. IVe serie XVII (1911) pl. VIII und S. 411;
Abb. der drei Schüsseln der Sammlung Abukasem in Syria VII (1926) pl. XXV—XXVII;
Abb. der Patene aus Kervnia auf Zypern im Britischen Museum in Archaeologia LVII 1,
160; Abb. der Schüssel der Sammlung Stroganoff in Bullett. di arch. crist. 1871, Tfl. IX und
bei Gariuxci VI, Tfl. 460. (15) Vgl. das S. 79 f. über die angeblich syrischen Kelche Gesagte.
DRITTES KAPITEL. MATERIAL. II. BIS ZUM 16. JAHRHUNDERT 203
ten Kopf geschmückten silbernen Schüsseln von •>- 1. Gewicht, die zusammen mit zahlreichen
anderen profanen Silbergeräten, darunter io bis zu 20, ja 2/11. schweren Schüsseln, acht
runden und zwei viereckigen, 1637 im Garten des Noviziates der Jesuiten zu Trier gefunden
wurden, heute aber nicht mehr vorhanden sind. (16) Ebenso handelt es sich nicht um eine
eucharistische Patene bei einer zu Grigorowskoje im Gouvernement Perm gefundene, jetzt
in der Eremitage zu Leningrad befindlichen syrischen Schüssel aus Silber mit Darstellungen
alt- und neu testamentlich er biblischer Szenen. (17)
IL DAS MATERIAL DER PATENE SEIT DER KAROLINGISCHEN ZEIT BIS ZUM
SECHZEHNTEN JAHRHUNDERT
Die erste Verordnung bezüglich des Materials der Patene erließ die Synode
von Calechyt in England vom Jahre 785 bzw. 787. Sie beschränkte sich jedoch
lediglich auf das Verbot, sie aus Hörn herzustellen, wie sie ein gleiches auch
hinsichtlich des Kelches untersagt hatte, mit der Begründung, quod de sanguine
sunt, das ist weil Hörn tierischen Ursprunges ist. Die Admonitio synodalis un-
tersagt Kelche aus Holz, Glas oder Blei zur Meßfeier zu benutzen, (18) spricht
aber nicht vom Material der Patene, wie denn auch die vielen Synodalstatuten,
die sich in der Folge mit dem Material des Kelches beschäftigen, bis zum Ende
des Mittelalters zumeist betreffs des Materials der Patene schweigen. Der Grund
dürfte gewesen sein, daß die Verordnungen hinsichtlich des Materials des Kel-
ches ohne weiteres auch als für die Patene geltend betrachtet wurden. Freilich
galten nicht alle Gründe, welche dazu führten, die Verwendung bestimmter Ma-
terialien zur Herstellung des Kelches zu verbieten, in gleichem Maße auch von
der Patene. So war Bildung von Grünspan bei Patenen aus Kupfer oder Bronze
bei weitem nicht so zu befürchten wie beim Kelche; indessen war ja die Patene
gewissermaßen eine Ergänzung des Kelches und zuletzt ein gleich ehrwürdiges
und heiliges Gefäß wie dieser. Es war darum natürlich, daß man es ebensosehr
für ungeziemend ansah, die Patene aus minderwertigem oder gebrechlichem
Material herzustellen, wie man die Anfertigung des Kelches aus solchem seiner
Würde nicht für entsprechend hielt.
Ausdrücklich untersagt die Synode vonTribur des Jahres 890, sich zur Feier der
Messe hölzerner Patenen zu bedienen. Denn unter den lignea vascula, deren Ge-
brauch sie bei derselben verbietet, versteht sie, wie aus dem einleitenden Satz der
betreffenden V erordnung: Vasa, quibus sacrosaneta conficiuntur mysteria calices
sunt et patenae, hervorgeht, nicht bloß den Kelch, sondern auch die Patene. (19)
Eine andere ausdrückliche Vorschrift aus karolingischer Zeit bezüglich des zur
Patene zu verwendenden Materials begegnet uns im 67. Kanon der 906 entstan-
(16) Vgl. den Bericht Ai.. Wilthkims Luciliburgenaia (Luxemburg 1842) 120.
(17) Abb. bei A. N. Smirmov, Materialien zur russischen Archäologie (St, Petersburg 1898)
n. 22. Zutreffend bemerkt Daltox (Archaeologia LX 1, 20) bezüglich der Funde zu Kerynia—
was er aber sagt, gilt auch von ähnlichen —: Tnere is nothing which absolutely proves, that
any of the objeets were originally made for religious uses... The decoration of domestic
plate with biblical subjeets must have been by no means uausual a the time, when Christian
designs loomed so large alike in the major and minor arts. The facts, that the treasure was
found in the immediate neigbourhood of a religious house proves little; for secular plate was
sometimes bequeathed or presented to the church and again it is quite possible, that the
treasure may have been taken to the monastery in the hope, of its proving a comparatevely
safe place in a time of danger. (18) M. 115, 677. (19) C. 18 (Hard. VI 445): Statuimus,
ut deineeps nullus sacerdos sacrum mysterium corporis et sanguinis Jesu Christi Domini
nostri in ligneis vasculis ullo modo conficere praesumat.
204 VASA SACRA. ERSTER ABSCHNITT. DIE PATENE
denen Kanonessammlung Reginos von Prüm, der in der Überschrift als Kanon
einer Synode von Reims bezeichnet wird, von der nichts weiteres bekannt ist,
die jedoch erst im Verlauf des 9. Jahrhunderts abgehalten worden sein kann (20) :
Ut calix Domini cum patena, si non ex auro omnimodis ex argento fiat... Si
quis autem tarn pauperrimus est, saltem vel stanneum calicem habeat. Mit dem
Kelch, so verordnet er, soll auch die zu ihm gehörende Patene aus Gold oder
doch jedenfalls aus Silber gemacht sein, aus Zinn aber nur im Falle großer
Armut der Kirche. Verboten wird in ihm, die Messe mit Kelchen aus Holz,
Bronze und Messing, also auch mit Patenen aus dem gleichen Material, zu
feiern. Seinen Widerhall findet er in einem Statut des Bischofs Riculf von
Soissons aus dem Jahre 889, demzufolge Kelch und Patene, wenn möglich, aus
Silber oder doch aus irgend einem durchaus sauberen Metall gemacht werden
sollen. (21)
Von Bedeutung für die Folgezeit wurde, daß der Kanon aus Reginos Samm-
lung im Beginn des 11. Jahrhunderts in die Kanonessammlung Burchards von
Worms, (22) in das Decretum (23) und die Panormia (24) Ivos von Chartres
sowie in Gratians Dekretum (25) überging. Erlangte er auch durch Aufnahme
in diese, eines amtlichen Charakters entbehrenden Sammlungen an sich noch
keine allgemein verpflichtende Kraft, so war dieselbe jedoch Anlaß, daß er über
seinen ursprünglichen engen Geltungsbereich sich immer weiter einbürgerte und
durch Gewohnheit auch andererorten Rechtskraft erhielt. Was darum in Syn-
odalstatulen des späteren Mittelalters über das Material der Patene bestimmt
wird, ist sachlich nichts Neues. So wenn die Lütticher Synode von 1267 vor-
schreibt: Calix et patena, in quibus conficitur corpus Christi, sint argentea vel
aurea, (26) eine Verordnung, die dann von einer um i3oo zu Cambrai abgehal-
tenen Svnode wörtlich wiederholt wurde, (27) oder wenn die Trierer Synode
von i3io an das Verbot von Holz, Glas, Zinn, Blei, Hartzinn, Messing und
Bronze als Material zur Herstellung des Kelches (und der Patene) die Weisung
anfügt: Igitur unaquaeque ecclesia calicem saltem argenteam cum patena ha-
beat. (28) Ein aügemeinv verpflichtendes Gebot, die Patene gleich dem Kelch
nur aus Gold oder Silber sowie im Notfall wenigstens aus Zinn herzustellen,
wurde auch noch im späten Mittelalter nicht erlassen. Indessen war ein solches
auch kaum vonnöten, da dank dem Einfluß des Gratianischen Dekretes der ur-
sprünglich nur partikularrechtliche Kanon der Reimser Synode in der Kanones-
sammlung Reginos fast allgemein im Bereich des lateinischen Ritus, wenn auch
nicht überall als streng bindend, so doch als direktiv Aufnahme gefunden hatte.
Das Gewöhnliche war es seit der Karolingerzeit, wo immer das möglich war,
die Patene gleich dem Kelch aus Silber herzustellen, weshalb auch Theophilus
in seiner Schedula diversarum artium nur Silber als Material der Patene
nennt. (29) Das bekunden aber auch die mittelalterlichen Inventare, in denen
uns außer Patenen aus Gold nur sehr selten andere als aus Silber hergestellte
begegnen. Von Patenen aus Kupfer hören wir z. B. in einer Schenkungsurkunde
(20T~Hartzh. II, 452. (21) C. 7 (M. 131. 17). (22) L. 3, c. 96 (M. 140, 692.)
(23) P. 2, c. 131 (M. 161, 197). (24) L. 1, c 160 (ebd. 197). (25) Dist. 1, De consecr.
c. 45. (26) c.5, n. 12 (Hartzii. III, 690). (27) Tit. de euch. (ebd. IV, 71).
(28) C. 68 (ebd. IV, 142). (29) C. 44 (Ilg 215).
DRITTES KAPITEL. MATERIAL. II. BIS ZUM 16. JAHRHUNDERT 205
der Äbtissin des Klosters Milz von etwa 800, in der drei Patenen aus Kupfer
vermerkt sind, (30) und selbst noch in einem Inventar von St. Peter zu Rom von
i43G, in dem fünf patenae de aere deauratae, und von 1454/55, in dem 4 pa-
tenae aereae aufgeführt werden (31) sowie in einem Schatzverzeichnis der La-
terankirche von i455, das neben 17 silbernen Patenen auch zwei patenae
aereae deauratae verzeichnet. (32) Wenn aus Kupfer gemacht, waren die Pa-
tenen wohl meist vergoldet, was auch in den Inventaren mehrfach ausdrücklich
angegeben wird. Von einer Patene aus Elfenbein sprechen anscheinend das
Testament des Grafen Everard von Friaul aus dem Jahre 867: Calicem ebur-
nemn cum patena, auro paratum, (33) ein Inventar von Neumünster zu Würz-
burg von 1238: calix... et eburneum patina (sie) (34) sowie das Inventar
Karls VI. von Frankreich aus dem Jahre i4i8: Item une platine d'ivire, Ie fons
garny d'or. (35) Von Patenen aus Glas, Achat oder ähnlichem Material ist in
den Inventaren niemals die Rede, nicht einmal in der Karolingerzeit. Freilich
sind in ihnen auch kaum je Patenen aus Zinn vermerkt. Indessen kann das nicht
auffallen, gab es solche doch fast nur in armen Kirchen; was wir aber noch an
mittelalterlichen Inventaren besitzen, das sind fast alles Inventare größerer Kir-
chen, in denen man Patenen aus Zinn nur ausnahmsweise verwendet und in die
Schatzverzeichnisse aufzunehmen nicht für nötig befunden haben wird.
Häufig hören wir auch noch in und seit der Karolingerzeit in den mittelalterlichen Quel-
len von Patenen aus Gold. So berichtet das Papstbuch von zwei goldenen Patenen, die
Leo III. {795—816) für St. Peter anfertigen ließ, sowie von einer kostbaren, mit Edel-
steinen geschmückten Patene aus Gold, die Kaiser Michael 860 dem Papst Nikolaus (858
bis 867) zum Geschenke übersandte. (36) Im Inventar von St-Riquier aus dem Jahre 83i
werden zwei goldene Patenen vermerkt, (37) im Testament des Grafen Everard von 8G7
eine, (38) im Inventar von Prüm aus dem Jahre ioo3 sogar fünf. (39) Thietmar von Merse-
burg '(-j- 1018) erzählt von einem goldenen Kelch und der zugehörigen Patene, die Hein-
rieh IL dem Dom zu Merseburg spendete, (40) Hugo von Flavigny von einer goldenen Pa-
tene, die der Kaiser dem Kloster des heiligen Vitonus zu Verdau schenkte. (41) In einem
Inventar von Enger aus dem 11. Jahrhundert sind zwei goldene, mit Edelsteinen und Per-
len verzierte Patenen verzeichnet, (42) je eine im Inventar des Laurentiusklosters zu Lüt-
tich von io3r'i, (43) im Inventar des Klosters Abdinghof von no5, (44) im Verzeichnis der
Gaben Ferdinands für S. Isidoro zu Leon von io63 (45) sowie im Inventar der Kathedrale
zu Ely von 1079, (46) zwei in einem Inventar des 12. Jahrhunderts von Altmünster zu
Mainz, (47) drei, von denen zwei am Hand mit Edelsteinen besetzt waren, im Inventar des
Mainzer Domes von ca. u5o,(48) vier im Inventar von St. Paul zu London von ia45._(49)
Aber auch noch im i.'i. und i5. Jahrhundert begegnen uns in den schriftlichen Quellen,
zumal den Inventaren, manche goldenen Patenen. So z. B. in einem Inventar der Kathedrale
zu Canterbury von i3iö, (50) im Inventar von N.-Dame zu Paris von i343, (51) im Testa-
ment des Bischofs von Tournai, Philipp von Arbois aus dem Jahre i356, in dem Inventar
(30) Schahsat, Corpus 69: calices eunrini cumpatenis tribus. (31) Mv.vrz59,91.
(32) Melanges d'arch. et d'hist. IX (1889) 166. (33) Dehaishes. Doc. 10. "(34) Archiv
des Hist. Vereins von Unterfranken und Aschaffenburg XVI (1863) 251. (35) Douet «'Anco
II, 382. (36) Dich. L. P. II, 17,26,154. (37) Hariulfi, Chron. Centul. 1. 3 c. 3 (M. 174,1257).
(38) Deiiaisses, Doc. 10. (39) Beyer I, 717f. (40) Chron. I. fl, n. 61 (M. 139, 1361).
(41) Chron. Virdun. (M. 154, 210). (42) W. Diekamp, Weatf. Urkundenbuch 92.
(43) Jules Helbig. La sculpture au pays de Liege (Bruges 1890) 8. (44) Makt. et
Duuasd II, 241. (45) Florez, app. CLXXXIX. (46) Durale I (1846) 477. (47) Sera-
peum XVIII (1857) 363. (48) Christia:«, De calamit. eccl. Moguntin. n. 3 (M. G.SS.
XXV, 240). (49) Archaeologia L (1887) 464. (50) Jackson I, 350. (51) Revue areheol.
XXVII (1874) 250.
206 VASA SACRA. ERSTER ABSCHNITT. DIE PATENE
Karls V. von Frankreich von 1879/80, (52) in einem Schatz Verzeichnis des Domes zu Hil-
desheim von 1609, {53} im Inventar des Herzogs Jean von Berry von i4oi—1/|03, (54) in
einem Inventar des Domes zu Freising von i456, (55) in einem Seil atz Verzeichnis der Ka-
thedrale zu York von ca. i5oo, (56) im Inventar der Kathedrale zu Lincoln aus der Zeit
ihrer Beraubung durch Heinrich VIII. (57) u.a.
Die Patenen, die sich aus dem 10.—16. Jahrhundert erhalten haben —- aus dem 9. Jahr-
hundert ist keine mehr vorhanden (58) —, sind zum weitaus grüßten Teil aus Silber ge-
macht. Auch sie bestätigen also, daß man schon damals zu ihnen vornehmlich Silber ver-
wendete. Patenen aus Gold sind nur in geringer Zahl aus dem Mittelalter auf uns gekom-
men. Es sind die Prachtpatene des heiligen Gauzelinus (j 96a) in der Kathedrale zu Nancy
(Tafel 5), die Miniaturpatene in St. Gervasius zu Trier aus dem Ende des 10. Jahrhun-
derts, (59) eine mit Gravierungen verzierte Patene aus der Mitte des i3. Jahrhunderts zu
Marienstern bei Kameriz (Tafel 43) sowie zwei Patenen im Domschatz zu Hildesheim, die
zum Kelch des Bischofs Gerardus (j i3g8) gehörende Patene und die etwas jüngere so-
genannte Bernwardspatene (Tafel 46). Aus Kupfer bestehende Patenen sind unter den noch
vorhandenen mittelalterlichen Patenen selten. Ein gutes Beispiel bietet eine Patene zu Bin-
dern in Westfalen mit Inschrift auf dem Rand und zwei Vertiefungen, von denen die
äußere rund, die innere zehnpaß förmig ist. Mittelalterliche Patenen aus Zinn haben sich
nicht erhalten.
sehen eucharistischen Diskos aus Kristall, der sich noch in der Frühe des
18. Jahrhunderts im Schatz der Kathedrale zu Amiens hefand, heute aber nicht
mehr vorhanden ist, hören wir in einem Briefe Calmets an Montfaucon aus dem
Jahre 1726. (73) Zweifellos ein Erbstück aus dem Mittelalter, wurde auch er
als eucharistisch gekennzeichnet durch die seinen Kand umziehende Inschrift:
AäßsTs <?&.■*$■?& xtX.
VIERTES KAPITEL
FORMALE BESCHAFFENHEIT DER PATENE
I. FORMALE BESCHAFFENHEIT DER PATENE IN ALTCHRISTLICHER ZELT UND IM
FRÜHEN MITTELALTER
Über die Form, welche der Patene bis zum 10. Jahrhundert eigen war, sind
wir sehr mangelhaft unterrichtet. Die Schüsseln, welche im häuslichen Leben
gebraucht wurden, hatten zumeist runde Form. Allerdings hatte man auch
Schüsseln von Rechteckform, doch waren solche ebensowenig das Gewöhnliche
wie sie das heute sind. Gibt es doch unter den zahlreichen profanen Schüsseln
aus altchristlicher und frühmittelalterlicher Zeit, die bisher aufgefunden wur-
den, nur sehr wenige von Rechteckform. Als Beispiele seien genannt eine auf
dem Rand mit Szenen aus dem Landleben, in der Mitte der Vertiefung mit einer
Jagdszene geschmückte, 1736 im Park von Risley (Derby) gefundene Schüssel
mit der Inschrift: Exsuperius episcopus ecclesiae Bagiensi dedit, (1) eine auf
dem Rand mit einer Weinranke, in der Vertiefung mit mythologischen Gestal-
ten wie Apollo, Diana, Minerva, Juno und anderen Götterfiguren verzierte
Schüssel im Besitz des Herzogs von Northumberland, die im frühen 18. Jahr-
hundert in der Umgebung von Corbridge am Tyne zu Tage kam, (2) sowie zwei
der Schüsseln, die 1637 im Garten des Trierer Jesuitennoviziats ausgegraben
wurden. (3) Es kann darum auch kaum zweifelhaft sein, daß auch die eucha-
ristische Schüssel oder Patene, wenigstens seitdem es ausschließlich für die
Eucharistiefeier bestimmte Schüsseln gab und man nicht mehr genötigt war,
sich zu ihr irgend einer gerade zu Gebote stehenden zu bedienen, jedenfalls der
Regel nach Rundform hatte, zumal diese später schlechthin typisch für sie war;
nicht bloß weil sie die praktischste Form der Patene war, sondern wohl nicht
minder, weil man sie als die traditionelle überkommen hatte.
Das Beispiel einer rechteckigen Patene soll die kleine viereckige Goldschüssel von Gour-
don (Bild 17) sein, doch ist es, wie früher gesagt wurde, nicht sicher, daß es sich bei ihr um
eine liturgische Patene handelt. Daß sie in der Mitte der Vertiefung ein Kreuz aufweist,
beweist das nicht, da ein Kreuz auch auf Schüsseln angebracht wurde, die Schüsseln des
Hausgebrauchs waren. Von einer achteckigen Patene, die zu einem gleichfalls achteckigen
Kelch gehörte, berichtet das Papstbuch in der Vita Gregorii IV. (837—844): Fecit in eccle-
sia beaÜ Marci patenam octogoni exauratam, habentem in medio vultum Domini Dei nostri
Diskoscharakter haben, ist mindestens zweifelhaft. Einige sind, obwohl als Disken gedeutet,
sicher keine solche, sondern Schüsseln zum Auffangen des Wassers bei der Hände-
waschung. (7S) Roh. IV, 163. (1) A. Odobesco, Le trtsor de Petrossa (Paris 1889) 199.
(2) Ebd. 111. (3) Ax. Wh-theim, Luciliburgensia (Luxemburg 1842) 120.
VIERTES KAPITEL. FORM. I. IN V0RKAR0LHVG1SCHER ZEIT 209
et a duobus lateribus vultum ipsius heati Marci atiuie eiusdem jpracsulis, (4) wenn nicht
etwa octogoni besser als Name des Materials des Kelches zu verstehen ist.
Ob die Patene in altchristlicher und frühmittelalterlicher Zeit, wie im Westen
jedenfalls seit wenigstens dem 10. Jahrhundert bis zum Ende des Mittelalters,
stets Tellerform hatte, das ist mit Horizontalrand und Vertiefung in der Mitte
versehen war, oder ob auch beckenförmige Patenen, vertiefte Schüsseln ohne
Horizontalrand, in Gebrauch waren, muß dahingestellt bleiben. Da indessen die
profanen Schüsseln beide Formen zeigten, wird es auch wohl eucharistische
Patenen der einen wie der anderen Art gegeben haben. Wirklich fehlt bei der
Patene, die Kaiser Justinian auf einem Mosaik in S. Vitale zu Ravenna als
Weihegabe in den Händen hält, der Horizontalrand. Denn daß die fragliche
Schüssel, das Gegenstück des Kelches, den die Kaiserin Theodora auf einem
zweiten, gegenüber befindlichen Mosaik als Weihegabe darbringt, eine eucha-
ristische Schüssel darstellen soll, ist nicht zweifelhaft. Höchstens könnte man
fragen, ob die Schüssel in den Händen des Kaisers genau die eucharistische
Schüssel, wie sie damals in Gebrauch war, wiedergebe und oh nicht etwa das
Fehlen eines Horizontalrandes lediglich auf Rechnung des Mosaizisten zu setzen
sei.
Mit Henkeln versehen, wie man gemeint hat, (5) waren selbst Patenen von
der Größe der in den Vitae des Papstbuches aufgeführten Patenen wohl nicht.
Sind doch auch die profanen Schüsseln aus Silber oder Gold, die sich aus alt-
christlicher Zeit erhalten haben, trotzdem sie zum Teil bis zu io Kilo wiegen,
henkellos, wie denn auch die bis zu 20, ja 24 Pfund schweren, 1637 zu Trier
gefundenen Schüsseln anscheinend der Henkel entbehrten, da andernfalls
Wiltheim in seiner Beschreibung derselben die Henkel erwähnt haben würde.
Dagegen dürften die liturgischen Patenen häufig mit einem niedrigen ringför-
migen Untersatz versehen gewesen sein, wie ihn die profanen antiken Schüsseln
oft zeigen und wie er noch heute dem Diskos des griechischen Ritus eigen zu
sein pflegt.
Patenen von Hundform haben sich im Westen weder aus al (christlicher Zeit noch aus dem
frühen Mittelalter erhalten. Denn die altchristlichen Glasschüsseln, die man wegen ihres Bild-
werkes als Patenen gedeutet bat, (6) lassen sich in keiner Weise als eucharistische Patenen
erweisen. (7) Daß es sich bei der sogenannten Perugiaschüssel um keine eucharistische Pa-
tene handelt, wurde bereits S. aoa gesagt. Die ältesten Patenen, die im Westen auf uns ge-
kommen sind, gehören erst dem io. Jahrhundert an, die Gauzelinuspatene in der Kathe-
drale zu Nancy und die Miniatur patene in St. Gervasius zu Trier, die ursprünglich wohl zum
Andreasportatile des Erzbischofs Egbert (f 993) gehörte. Auf Bildwerken ist die Patene bis
ins 10. Jahrhundert im Westen nur zweimal dargestellt, auf dem schon angeführten Mosaik
in S. Vitale zu Ravenna aus dem 6. Jahrhundert und auf der Frankfurter Elfen bei nta fei
mit der Wiedergabe der Messe aus dem 9.—10. Jahrhundert. Auf letzterer hat sie teller-,
nicht beckenartige Gestalt, also die in der Folge im Westen für die Patene typische Form.
Unklar ist, ob die Rundscheibe, die auf einer Miniatur des 6. Jahrhunderts in G. a363r
der Staatsbibliothek zu München, einer der Eucharistiefeier sich angleichenden Darstellung
des Mahles zu Emma US, auf dem altarihnlichcr 7"s:-i-. ;,i>j..;!i ..-inrir-. WAck :::>::!. :;iu.> u:u
Ilorizontalrand versehene, in der Mitte vertiefte Schüssel oder ein Brot wiedergeben soll. (8)
(4) Dm» L. P. II, 77. (5) Witte 28. (6) Ebd. 29. (7) Vgl. oben S. 201.
(8) Abb. bei J. H. von Hefseh-Alteneck, Trachten, Kunstwerke und Gerätschaften I
(Frankfurt 1879) 12.
BRAUS, HAS CHRISTLICHE ALTARGERÄT 14
210 VASA SACRA, ERSTER ABSCHNITT.. DIE PATENE
Von den schon früher erwähnten, im Osten gefundenen, als Patenen gedeuteten Silber-
schüsseln, (9) denen noch zwei weitere, bei Kervnia entdeckte, die sich heute im Museum zu
Nikosia befinden, angereiht werden müssen, (10) sind die meisten beckenförmig (Tafel ii).
Mit förmlichem Horizontalrand verseben sind nur zwei Schüsseln von Stoma im Museum
zu Konstantinopel, von denen eine in der Vertiefung die Darstellung des Letzten Abend-
mahles, die andere ein eingraviertes Kreuz aufweist (Tafel In), sowie die Patene von Riha
in der Sammlung Kalebdjian (Tafel/u), doch ist der Rand bei allen nur so breit, daß er
gerade eine Inschrift aufnehmen konnte. Eine bildliche Darstellung der Patene zeigt die
Wiedergabe des Letzten Abendmaldes auf der Patene von Riha sowie auf einer Miniatur des
Athospsalters aus dem 9.—10. Jahrhundert (Tafel 10). Ist sie dort von runder Form, so er-
scheint sie hier viereckig; in beiden Fällen ist sie jedoch mit einem Fuß, nicht aber mit
Horizontair and versehen. (11)
II. FORMALE BESCHAFFENHEIT DER PATENE VOM ZEHNTEN BIS ZUM SECHZEHN-
TEN JAHRHUNDERT
über die Form, welche der Patene im Westen vom 10. bis zum 16. Jahrhundert
eignete, sind wir nicht bloß genügend, sondern dank der vielen Patenen, die
sich aus dieser Zeit erhalten haben, im wesentlichen geradezu erschöpfend un-
terrichtet. Aus dem 10., 11. und selbst noch dem 12. Jahrhundert ist freilich
die Zahl derselben noch nicht groß, seit dem i3. aber liegen sie in einer Fülle
vor, die kaum noch etwas zu wünschen übrig läßt. Die Patene zeigt in der hier
in Frage stehenden Periode im Westen stets Rundform. Nur scheinbar macht
eine Ausnahme eine eigenartige, am Rand acht flache Pässe zeigende, rosen-
förmige Patene in der Kathedrale zu Tortosa in Spanien; denn Achtpaßform
hat man lediglich ihrem Rand gegeben; die Vertiefung, die sie zeigt, ist rund.
Von einer quadratischen Patene hören wir anscheinend in einem Inventar der Kathedrale
von Cambrai aus dem Jahre i35g: Un calisce a pate (Fuß) quaree et le patene quaree, tout
dore, a un crueifiement d'esmaillure en le pate devant. Vielleicht war die Quadratform des
Fußes Anlaß, auch der Patene die gleiche Gestalt zu geben, wahrscheinlicher ist jedoch an-
gesichts der höchst mangelhaften Rechtschreibung und der überaus zahlreichen Schreib-
fehler des Inventars, daß entweder statt patene wiederum pate (Fuß) zu lesen ist, oder
quarr ee irrtümlich wiederholt wurde. (Ha) Als eine mit zwei Handhaben ausgestattete Pa-
tene hat man die oben auf dem Tragaltar des Rogkerus im Dom zu Paderborn dargestellte
Patene gedeutet Doch sicher zu Unrecht. Welchen Sinn hatten Handhaben an einer Patene,
die nur wenig größer erscheint als die heutige? Waren sie doch an einer solchen kleinen Pa-
tene nicht nur höchst überflüssig, sondern sogar völlig unzweckmäßig, weil unpraktisch.
Wir vernehmen aber auch nie etwas von Patenen mit Handhaben, insbesondere auch nicht
in des Theophilus Scbedula, die am Kelch zwar ansäe kennt, nicht aber an der Patene, deren
Herstellung und Form sie doch genau beschreibt. Man hat darum auch in der auf dem
Tragaltar wiedergegebenen Patene statt eine Patene mit Handhaben eine vierpaßförmige
Patene gesehen. Indessen wäre denn doch selbst eine Patene dieser Art allzu auffällig und
so wird man wohl zutreffender die eigenartige Form der fraglichen Patene auf Mangel-
haftigkeit der Zeichnung oder auf eine künstlerische Lizenz des Nielloarbeiters zurückzu-
führen haben.
Wie die Rundform, so ist auch die Tellerform für den Westen wenigstens
seit dem 10. Jahrhundert typisch. Alles, was sich dort an mittelalterlichen Pa-
(9) Vgl. oben S. 202. (10) ArcbaeologiaLXl,if. (11) Betreffs des liturgischen Charak-
ters und der Echtheit der vorhin genannten syrischen und zyprischen Patenen vgl. oben S. 202.
(IIa) Deiiais.\es, Doc. 402.
VIERTES KAPITEL. FORM. 11. BIS ZUM IG. JAHRHUNDERT 211
tenen seil dieser Zeit erhalten hat, zeigt immer wieder Tellerform. Eine frühe
Darstellung einer tellerförmigen Patene findet sich auf der dem 9.—10. Jahr-
hundert entstammenden Elfenbeintafel in der Stadtbibliothek zu Frankfurt
(Tafel 6). Werk der Phantasie ist die auf einer auch sonst an Verzeichnungen
reichen Miniatur eines Sakramentars von St-Denis aus dem 11. Jahrhundert,
einer Darstellung der Kommunion des heiligen Dionysius und seiner Gefährten,
wiedergegebene Patene, ein tiefes mit Fuß und Henkel versehenes Becken. (12)
Die Breite des Horizontalrandes der tellerförmigen Patenen ist sehr schwan-
kend. Irgendeine Norm hat es für sie ersichtlich nicht gegeben. Vereinzelt fast
ein Viertel, etwas häufiger ungefähr ein Fünftel des Gesamtdurchmessers der
Patene, verhält sie sich dagegen anderswo zu diesem nur etwa wie 1:9 oder 1: 10.
Am gewöhnlichsten steht die Breite des Randes zum Gesamtdurchmesser der
Patene in einem Verhältnis von etwa 1:6, 1:7 oder 1:8. Für die Größe, das ist
den Durchmesser der Vertiefung, gab es schon bei Patenen des 10. Jahrhun-
derts, eine wenn auch wohl noch nicht in allen Fällen beobachtete Norm, nach
der der Durchmesser der Vertiefung der Patene dem der Kuppa des Kelches
entsprach. Allgemein wurde dieselbe, als es Brauch wurde, die Patene auf den
Kelch gelegt zum Altare zu bringen; eine Gepflogenheit, die bei den Cluniazen-
sern bei den Privatmessen schon wenigstens im n. Jahrhundert, (13) später
aber nach Aufhören der Naturaloblationen allenthalben üblich war. Die Ver-
tiefung der Patene war durchweg schwach; belief sich ihre Tiefe doch zumeist
nur auf wenige Millimeter. Ihr Boden war fast immer eben, nur sehr selten
erscheint er bei den Patenen, die sich aus dem Mittelalter erhalten haben, ein
wenig konkav gekrümmt. Mit dem Horizontalrand ist er gewöhnlich durch eine
hier steilere, dort flachere Schräge, seltener durch ein vertikales Zwischen-
stück oder eine Kehle verbunden.
Von großer Mannigfaltigkeit war im Mittelalter die Form der Vertiefung.
Bei weitem am häufigsten war diese freilich rund (Tafel 20, 45, 46)) doch gab
es auch zahlreiche Patenen, bei denen sie vier-, sechs- oder achtpaßförmig war.
Eine fünfpaßförmige Vertiefung zeigt die Gauzelinuspatene zu Nancy (Tafel 5),
eine zelmpaßförmige hatte eine in einem Bischofsgrab aus dem i3. Jahrhun-
dert im Dom zu Mainz gefundene Patene, (14) eine dreizehnpaßförmige hat
die zum Henkelkeloh in St. Peter zu Salzburg gehörende Patene. Anlaß, der
Verlief ung der letzteren die ungewöhnliche Form eines Dreizehnpasses zugeben,
war die ihrem Boden eingravierte Darstellung des Letzten Abendmahles. (15)
Beispiele von Patenen mit schlicht runder Vertiefung anzuführen, ist nicht vonnöten;
ihre Zahl ist zu groß. Erwähnt sei nur, daß zu ihnen auch die fünf in Bischofsgräbern des
Hildesheim er Domes gefundenen Miniaturpatenen (Tafel 11), die goldene Miniaturpatene
in St. Gervasius zu Trier und die silberne aus dem Grabe des Erzbischofs Udo von Trier
(+ 1078) (16) sowie die Miniaturpatene im Rijksmuseum zu Amsterdam zählen, die alle
gleich den Miniaturkelchen, zu denen sie gehören, ursprünglich für Portatilien gemacht
worden waren.
(12) Abb. bei V. Leroquais, pl. 32. (13) Wilh. Hirsauc, Const. Hirsaug. 1. 1, c. 86
(M. 150, 1015); Udalrict. Constit. Clun. 1. 2, c. 30 (M. 149, 724).
(14) Fb. Schneider, Die Gräberfunde im Ostchor des Domes zu Mainz (Mainz 1874).
(15) Abb. in Brai\, Meisterwerke II, Tfl.60. (16) J.N.von Wilmüwskv, Die Grab-
statten der Erzbischöfe im Dom zu Trier (Trier 1876) 15 und Tfl. 3.
212 VASA SACRA. ERSTER ABSCHNITT. DIE PATENE
Eine vierpaß förmige Vertiefung eignet beispielsweise einer Patene im Dom zu Paderborn
aus dem i/|. Jahrhundert, einer Patene in der Wiesenkirche zu Soest aus dem i5., der im
Grabe des Bischofs Villoiseau von Angers (f 1260) gefundenen Patene, sowie einer Patene
aus Asarp im Historischen Museum zu Stockholm (i4- Jahrb..). Manche andere finden sich
noch in mecklenburgischen und sächsischen Kirchen. Beispiele von sechspaßförmiger Ver-
tiefung bieten unter andern eine Patene zu Gimbte in Westfalen (i4. Jahrh.), eine Patene
in der Wiesenkirche zu Soest (id. Jahrh.) und in der Kirche zu Saalhausen in Westfalen
(frühes 16. Jahrh.), eine Patene zu Dragsmark in Schweden (i3. Jahrh.) und eine Patene
Londoner Herkunft (frühes 16. Jahrh.) im Viktoria-und-AIbert-Museum zu London; (17)
Beispiele von achtpaß förmiger eine Patene in der Martinskirche zu Emmerich (i3. Jahrh.),
die sogenannte Bemhardspatene in St. Godeba.■:■ .--u i iii' ■ ■:■. in, ..'■'. JührL': i;Tl:?li:il<r.:.
eine Patene im Dom zu Imola (i3. Jahrh.), eine Patene spanischen Ursprungs im Louvre
zu Paris aus dem späten 12. Jahrhundert (Tafel 43) sowie eine Patene aus dem Dom zu
Linköping im Historischen Museum zu Stockholm (spätes i3. Jahrb.). Auch die Patene, die
auf einem der aus dem späten 11. Jahrhundert stammenden Fresken in der Unterkirche
von S. Clemente zu Rom dargestellt ist, zeigt eine Achtpaß Vertiefung. Vierpaßförmige Ver-
tiefungen, bei denen zwischen den halbrunden Pässen ein rechtwinkliger Ausschnitt einge-
fügt ist, begegnen uns auf einer Patene in St. Servatius zu Maastricht (i4- Jahrh.), einer
Patene zu Gronau in Hannover (i4. Jahrh.), einer Patene zu Gladbeck in Westfalen (Ta-
fel 47) aus dem i4. Jahrhundert und der im Grabe des Bischofs Richard von Gravesend
in der Kathedrale zu Lincoln (f 1279) gefundenen Patene.
Sehr zahlreich sind die Patenen, bei denen sich zu der runden Vertiefung eine zweite
innere vier- oder mehrpaßförmige gesellt. Eine vierpaßförmige findet sich innerhalb
der runden bei einer Patene zu Wusterhausen in Brandenburg (i5. Jahrh.), bei einer Pa-
tene zu Liesborn in Westfalen (von i366) und in der Marienkirche zu Soest (i5. Jahrh.),
bei der Patene aus Kloster Mariensee im Germanischen Museum zu Nürnberg (i3. Jahrh.),
der im Grab des Erzbischofs Johann von Bayern (j 1^70) im Dom zu Magdeburg gefun-
denen Patene, den Patenen aus Hagby (i5. Jahrb.) und Hätuna (i3. Jahrh.) im Histori-
schen Museum zu Stockholm, den Patenen, die in einem Bischofsgrab in der Kathedrale zu
Chichester (i3. Jahrb.), im Grab des Bischofs Walter von Cantilupe (f 1266) in der Kathe-
drale zu Worcester sowie im Grabe des Bischofs Grosseteste (f 1253) in der Kathedrale zu
Lincoln zu Tage kamen, (18) einer in einem Grabe in dem Münster von York aufgefun-
denen Patene (i4. Jahrh.) (19) u. a. Besonders häufig sind Patenen mit runder äußerer und
sechspaßförmiger innerer Vertiefung. Genannt seien als Beispiele zwei Patenen in der
Stiftskirche zu Guintaräes in Portugal aus dem späten 13. und dem i4- Jahrhundert (Ta-
fel 19), Patenen zu Hochelten (i3. Jahrh.), Perugia (Tafel 3o) aus dem i4- Jahrhundert,
Marienstadt (14. Jahrh.) und Geseke in Westfalen (i3. Jahrh.), eine zu Dolgelly in Wales
gefundene Patene (Tafel 44) aus dem r3. Jahrhundert, eine Patene im Nationalmuscum
zu Kopenhagen von i333 (Tafel 45), eine Patene englischen Ursprungs im Viktoria-und
Albert-Museum zu London, (20) eine in einem Bischofsgrab des i4- Jahrhunderts in der
Kathedrale zu York entdeckte Patene, (21) Patenen englischen Ursprungs zu Nettlecombe
von 1^79 (Somerset), zu Bacton in Herford (um i5oo), zu Bishops Sutton in Hants (um
i45o), in All Saints zu Bristol (i5. Jahrh.), zu Happisburgh in Norfolk von i5o4/5, zu
Hanworth und Merton in Norfolk (frühes 16. Jahrh.), zu Cliffe at Hoo in Kent (etwa
i5a5), (22) eine Patene zu Vastra Vingaker in Schweden (um i3oo) u.a. Bei einer Patene
im Stift Klosterneuburg von i337 haben die Pässe der sechspaßförmigen inneren Vertie-
fung als ganz vereinzelt dastehende Erscheinung Kleeblattform (Tafel 46).
Eine Achtpaß Vertiefung weisen innerhalb der runden auf eine Patene aus Hemse
(i3. Jahrh.) im Historischen Museum zu Stockholm, (23) eine Patene im Dom zu Mainz au3
dem it\. Jahrhundert (Tafel 45), die auf dem Rand mit Filigran und Edelsteinen ge-
schmückte Patene im Kloster Silos bei Burgos aus dem n. Jahrhundert (Tafel 4a), eine
Zelm paß Vertiefung eine Patene zu Buldcrn in Westfalen (i4- Jahrh.), eine Zwölf paß Vertie-
fung je eine Patene in der Kathedrale zu Toledo aus dem i4. Jahrhundert (Tafel 19), zu
Randazzo in Sizilien ebenfalls aus dem i4. Jahrhundert und in der Stiftskirche zu Fritzlar
aus dem frühen i3. Jahrhundert (Tafel 43). Eine dreifache Vertiefung zeigt eine Patene
zu Wykc bei Winchester (i3, Jahrh.) und die goldene Patene im Kloster Marienstern bei
Kamenz (Tafel 43). Die äußere hat bei beiden Rundform, desgleichen die innere dritte, die
mittlere zweite bei jener Achtpaß-, bei dieser Vierpaßform. Eine nicht gewöhnliche Erschei-
nung bot eine in einem Bischofsgrab des i3. Jahrhunderts in der Kathedrale zu York ge-
fundene doppeltvertiefte Patene, bei der abweichend von der sonst üblichen Anordnung
die äußere Vertiefung statt rund zehnpaßförmig, die innere dagegen rund war. (24)
Bisweilen hat man von einer zweiten Vertiefung abgesehen und als Ersatz einer solchen
dem Boden der runden Vertiefung einen Sechspaß eingraviert, wie z. B. bei der von Herzog
Konrad von Masovien gestifteten Patene im Dom zu Plock (erste Hälfte des i3. Jahrh.),
einer Patene in St. Peter zu Salzburg, laut Inschrift Gabe eines Heinrich, eines Syrus und
einer Ita (12. Jahrb.), einer Patene aus Öfver-Gran, sowie einer gleichartigen Patene aus
Ekebvborna (beide i4. Jahrh.) im Historischen Museum zu Stockholm.
Die im Vorstehenden angeführten Beispiele von Patenen mit vier- oder mehr-
paßförmiger Vertiefung, sei es als die einzige anstatt einer runden, sei es zu-
gleich mit einer solchen, beweisen, daß solche die ganze uns hier beschäftigende
Periode, das ist vom 10. Jahrhundert an bis in das 16. hinein, sehr beliebt
waren und häufig angefertigt wurden. Zugleich bekunden sie, daß derartige Pa-
tenen keineswegs sich auf ein bestimmtes Gebiet beschränkten, daß sie vielmehr
im ganzen Westen verbreitet waren, in Deutschland wie in Frankreich, in Spa-
nien wie in England, im Norden wie in Jtalien, wenn auch hier mehr, dort we-
niger. Daß der Brauch, der Vertiefung der Patene statt einer runden eine aus
Pässen sich zusammensetzende Form zu geben, jedenfalls bis ins 10. Jahrhun-
dert zurückreicht, beweist die Gauzelinuspatene zu Nancy. Ob er auch schon
vorher in Übung war oder erst im 10. Jahrhundert entstand, läßt sich nicht
feststellen. Bemerkenswert ist, daß das früheste Beispiel einer Patene mit Ver-
tiefung, die von Pässen umrandet ist, zeitlich fast genau zusammenfällt mit dem
Auftauchen der Gepflogenheit, oben vertiefte Altarmensen in der Vertiefung
dem Rahmen derselben entlang mit einem Bogenfries zu umranden. (25) Ob es
da nicht naheliegt, an irgend einen, freilich nicht näher bestimmbaren Zusam-
menhang zwischen dem einen oder andern Brauch zu denken, zumal beide an-
scheinend in Frankreich ihren Ursprung haben? Die Mensen mit Bogenfries als
Einfassung der oben auf ihnen angebrachten Vertiefung haben allerdings über
ihr Ursprungsland hinaus so gut wie keine Verbreitung gefunden; auch war
ihre Zeit schon mit dem 12. Jahrhundert dahin. Anders die Patenen mit von
vier oder mehr Pässen umrahmter Vertiefung. Sie kamen nicht bloß allgemein
in Gebrauch, sondern behaupteten sich auch die ganze Folgezeit hinaus bis zum
Ende des Mittelalters, ja noch bis ins 16. Jahrhundert hinein.
Einen praktischen Zweck hatten die Pässe der Vertiefung der Patene ebensowenig, wie
der Bogenfries, wo dieser eine oben auf der Altarmensa befindliche Vertiefung umgab.
Sie hatten gleich diesem nur ornamentalen Charakter. Es wäre auch unmöglich, irgend
~~<24) The archaeol. Journal III (1846) 137. (25) Betreffs der Mensen dieser Art vgl.
Braun, Altar I, 269f.
214 VASA SACRA. ERSTER ABSCHNITT.DIE PATENE
einen liturgischen Zweck zu finden, dem sie gedient haben könnten. Allerdings meint
Rohault de Fi.el'ry, die Pässe der Vertiefung hätten vielleicht angeben sollen, wohin die
Hostien auf der Patene zu legen und wie sie auf ihr anzuordnen seien, zum wenigsten für
die Kommunion der Gläubigen. (26) Einer Widerlegung bedarf indessen eine solche Auf-
fassung von der Bedeutung der Pässe nicht.
Einen symbolischen Sinn hat man mit den Pässen nie verbunden. Vergebens sucht man
bei den mittelalterlichen Liturgikern, die doch alles symbolisch zu deuten wissen, nach
einer Symholik, die man mit denselben verknüpft hätte. Sie reden nicht einmal von den
Pässen. Es ist darum ebenfalls völlig unzutreffend, wenn Rohault de Flevry sagt, die
Pässe hätten, falls sie nicht einem liturgischen Zweck gedient hätten, dann doch zweifellos
zum wenigsten eine symbolische Bedeutung gehabt. Sie hätten nämlich die den Heiland im
Kreis umgebenden und ihn anbetenden Engel sinnbilden sollen. Den Pässen diese Sym-
bolik unterschieben, gleichviel ob als Ursymbolik oder als Nachsymbolik, (27) heißt eine
selbstgemachte Symbolik als mittelalterlich ausgeben.
Mit einem Untersatz wurde die Patene nur ausnahmsweise versehen, wenn
nämlich die Vertiefung muldenförmig nach unten gekrümmt war, wie z. B. bei
einer Patene der ehemaligen Hohenzollerischen Sammlung zu Sigmaringen,
oder auf der Unterseite mit Bildwerk versehen war, wie die auf ihr in Relief
den Gekreuzigten zwischen Maria und Johannes zeigende Patene des Henkel-
kelches im Stift Wüten bei Innsbruck (Tafel 44). Immer aber bestand der Un-
tersatz nur aus einem niedrigen, wenige Millimeter hohen Ring.
Daß auch im Osten Patenen mit von Rundpässen begrenzter Vertiefung nicht
unbekannt waren, zeigen die schon früher erwähnte, aus Alabaster gemachte
byzantinische Patene in S. Marco zu Venedig mit sechspaßförmiger Vertiefung
(Tafel 42), sowie die wohl ein bis zwei Jahrhunderte jüngere, von Bischof Kon-
rad aus Byzanz mitgebrachte silberne Patene mit Achtpaßvertiefung (Tafel 42)
im Dom zu Halberstadt. Welcher Verbreitung sich derartige Patenen in den
Riten des Ostens erfreuten, läßt sich nicht bestimmen.
Sehr gebräuchlich war es im Osten, die Patene mit einem ringförmigen Un-
tersatz zu versehen, der aber für gewöhnlich nur einen oder doch nur wenige
Zentimeter hoch war. Die Patene in S. Marco hat bei einer Gesamthöhe von
5 cm einen ringförmigen Untersatz von 2 cm Höhe (Tafel 42). Einen förm-
lichen Fuß zeigt die Patene auf der Miniatur des Athospsalters (Tafel 10) sowie
auf einem Mosaik, das ebenfalls das Letzte Abendmahl zur Darstellung bringt,
in der Kathedrale und im Michaelskloster zu Kiew (12. Jahrh.). (28) Ob sich
mittelalterliche Patenen der letzteren Art erhalten haben, ist mir nicht bekannt.
Besondere Verbreitung fanden sie im russisch-griechischen Ritus. Ein Pracht-
heispiel ist eine nachmittelalterliche Patene aus Gold in der Kathedrale zu
Moskau. (29)
umrandeten, die noch im i5. Jahrhundert so beliebt waren, verlieren sich seit
dem 16. Jahrhundert immer mehr, wenn auch zumal in den lutherischen Ge-
bieten des nördlichen Deutschlands, wie die Denkmälerstatistiken von Sachsen,
Mecklenburg, Pommern und Schleswig-Holstein bekunden, selbst noch in der
Spätzeit desselben, ja noch im 17. Jahrhundert derartige Patenen entstanden.
Dauernd erhielten sich im Gebrauch Patenen mit runder Vertiefung; sie be-
haupteten sich selbst noch im späten Barock und im Rokoko. Freilich nicht als
die einzige Art der Patene. Neben ihr kam nämlich eine des Horizontalrandes
entbehrende, eine flache Mulde darstellende Patene immer mehr in Aufnahme,
die vor der mit Vertiefung versehenen Patene den Vorteil bot, daß sie sich nach
der Kommunion leichter purifizieren ließ. Der heilige Karl Borromäus hat
diese Form der Patene anscheinend noch nicht gekannt; denn die Patene, von
der er in seiner Instructio fabricae ecclesiae spricht, ist eine Patene mit Vertie-
fung in der Mitte: Patena illam mediam tenuem concavitatem habeat, quae am-
plitudinem calicis fere adaequet. Die Patena verordnet er, solle in der Mitte
eine schwache Vertiefung haben, von ungefähr demselben Durchmesser wie der
der Kuppa des Kelches; (30) eine Bestimmung, die dann von der Prager Synode
des Jahres 1600 wörtlich in ihre Statuten herübergenommen wurde. (31) Auch
der Regensburger Generalvikar Myller hat sich die Vorschrift der Instructio in
seinem Ornatus ecclesiasticus zu eigen gemacht. (32) Ausdrücklich gibt der
heilige Karl an, der runde Rand der Patene müsse an seiner Kante so dünn sein,
daß er es ermögliche, mittels der Patene etwaige auf dem Korporale zurück-
gebliebene Überrestchen der heiligen Hostie leicht und gut zu sammeln, was
dann ebenfalls sowohl von der Prager Synode, wie von Myller wiederholt wird.
Daß die Patene zum Aufsammeln etwaiger auf dem Korporale befindlicher
Partikelchen der konsekrierten Hostie geeignet sein müsse, betont auch die
Synode von Sitten des Jahres 1626. (33)
Eine bemerkenswerte Veränderung vollzog sich unter dem Einfluß des Kal-
vinismus mit der Patene im Ritus der anglikanischen Abendmahlfeier. Sie
wurde in ihm zu einer mit hohem Fuß versehenen, dem Diskos des russisch-
griechischen Ritus gleichenden Schüssel, die bis gegen Ende des 17. Jahrhun-
derts, umgekehrt auf den Kelch gestülpt, zugleich als Deckel desselben diente
{Tafel ^o), dann aber zu diesem letztgenannten Zwecke nicht weiter benutzt
wurde. (34) Bei den deutschen Reformierten wurde entsprechend deren Auf-
fassung vom Abendmahl die Patene mehrfach zu einer runden oder ovalen,
keine Spur von Ähnlichkeit mit einer Patene mehr zeigenden Brotschüssel, wie
ja auch der Kelch bei ihnen zu einem profanen Pokal wurde. Beispiele bieten
Brotschüsseln zu Neuenhaus, Nordhorn (Tafel /17) und Veldhausen in Han-
nover. (35)
IV. GROSSE DER PATENE
In altchristlicher Zeit und im frühen Mittelalter gab es Patenen von einer
Größe, die uns heute geradezu befremdet.
~(30) AA. eccl. Mediol. 1595) 628. (31) C. 13 (Hartzh. VIII, 692). (32) C. 60 (München
1591). (33) C. 6, § 5 (Hartzh. IX, 391). (34) Vgl. Victoria and AlbertMuseum, Catalogue
of chalices 45, Tf 1. 4 und 26, sowie Jacksos I, 391 f. (35)'Kd. von Hannover IV, 4.
216 VASA SACRA. ERSTER ABSCHMTT. DIE PATENE
So gab Silvester (3i4—335) der vom Priester Equitius errichteten Basilika (heute S. Sil-
vestro e S. Martmo) eine goldene Patene von ao 1. (= 6,55 kg), die er von Kaiser Konstan-
tin zum Geschenk erhalten hatte, Konstantin aber spendete der Laterankirche 7 goldene und
3o silberne Patenen, von denen jede 3o 1. (= 9,82 kg) wog, der Petersbasilika 5 silberne
Patenen von je i5 1. (= 4,9* kg), der Basilika in palatio Sessoriano (S. Croce) eine goldene
10 1. (= 3,27 kg) schwere Patene, der Basilika des heiligen Laurentius eine goldene Patene
von 20 I. (= 6,55 kg) und zwei silberne von je i5 1. (= 4,91 kg), der Basilika der heiligen
Agnes eine goldene und zwei silberne P;i! -nva m,d ji> :>ü . 1 !..":.'> k-i. der (ksiiib' dpi-11-:-ILi--
gen Petrus und Marzelh'nus, die beim Mausoleum seiner Mutter, der Kaiserin Helena, lag, eine
Patene aus Gold von 35 1. (= 11,i4 kg), der Basilika zu Ostia und der Basilika zu Albano
je eine Patene aus Silber von 3o 1. (— 9,82 kg), der Basilika zu Canua zwei Patenen von
je 20 1. (= 6,55 kg), der Basilika zu Neapel zwei Patenen von je 25 1. (— 8,18 kg). (36)
Damasus (366—384) gab der von ihm gestifteten Laurentiushasilika zu Rom eine silberne
201. wiegende Patene, Innozentius I. (4oi—4*7) der von ihm neugegründeten Basilika
der Heiligen Gervasius und Protasius zwei silberne Patenen von dem gleichen Gewicht, Boni-
fatius (4*8-—'122) dem Oratorium im Cömeterium der heiligen Felicitas an der Via Salaria
eine Patene aus Silber von 20 1. Die silberne Patene, welche Cölestm (422—-432) der Ba-
silika Julia (S. Maria in Trastevere) schenkte, wog 25 1. (= 8,35 kg). Die drei Patenen aus
Silber, die Xystus der Basilika Maria Maggiorc spendete, hatten ein Gewicht von 4o 1.
(= i3,oi kg), die drei Patenen, die er der Laurentiusbasilika vor den Mauern gab, zusam-
men ein Gewicht von 60 1. (= 19,92 kg). Unter Hormisdas (5i4—5a3) und Johannes
[ir.'.'S J:":: kamen zwei goldene mit Edelsteinen geschmückte, 20 1. schwere Patenen als
Geschenke des Kaisers Justinus aus Byzanz nach Rom. Papst Konstantin (708—715) ließ
eine 12 1. (= 3,93 kg) schwere Patene aus Gold anfertigen, Gregor II. (7T5—731) eine
goldene Patene von 29,01. (=9,66 kg), Gregor III. (731—741) eine mit Steinen besetzte
Patene aus Gold von 26 1. (=8,5i kg) Gewicht. (37)'Leo III. (790—816) stiftete in Sankt
Peter zwei Patenen aus tJold, von denen die eine so 1. (=8,18 kg), die andere 26,20 1.
(= 8,59 kg) wog. (38)
Patenen von einer Größe, wie sie ihrem Gewicht nach die im Papstbuch ver-
zeichneten Patenen gehabt haben müssen, waren in altchristlicher Zeit nichts
Auffälliges. Gab es doch auch, wie sowohl aus den schriftlichen Quellen wie
aus Funden hervorgeht, Metallschüsseln zum häuslichen Gebrauch, welche an
Größe sich mit jenen Patenen messen konnten.
So erzählt Gregor von Tours, König Chilperich habe ihm bei einem Besuch, den er die-
sem in der Villa Sogent gemacht habe, eine große, mit Edelsteinen geschmückte Schüssel
aus Gold von 00 1. Gewicht gezeigt, (39) in den Gesta der Bischöfe von Auxerre aber hören
wir von Schüsseln im Gewicht von 5o, 4o,5, 37, 35, 3o, 8,5 und 8 1., die von Bischof Desi-
derius mit zahlreichen andern häuslichen Gefäßen und Geräten den Basiliken des heiligen
Stephanus und des heiligen Germanus in seiner Bischofstadt geschenkt wurden. (40)
Was aber die als Funde zu Tage gekommenen profanen Schüsseln aus altchristlicher und
frühmittelalterlicher Zeit anlangt, so war die rechteckige Silbersrfiftssel, die man im frühen
iS. Jahrhundert bei Corbridge am Tyne fand, gut 5o cm lang, 38 cm breit und 4,22 kg
schwer. (41) Die zu Petrossa entdeckte runde Goldschüssel maß 56 cm im Durchmesser und
(36) Duca. L. P. I, 170f. (37) Duck. L. P. I, 212, 220, 227, 230, 232, 234, 271, 276, 391, 410,
419. (38) Ebd. II, 17, 29. (39) Hist. franc. 1. 6, n. 2 (M. 71, 671).
(40) C. 20 (M. 138, 237, 239). Daß es sich bei ihnen nicht, wie man irrig gemeint hat, um
sakrale, sondern um Gebrauchsgegenstände des häuslichen Lebens handelt, geht sowohl aus
dem Charakter der übrigen Geräte, die Desiderius zugleich mit ihnen den beiden Basiliken
spendete, wie aus den durchaus profanen, zum Teil mythologischen Darstellungen, mit denen
sie wie die anderen Gefäße verziert waren, "hervor. Nur ein Gerät, eine Schüssel von 8 Pfund,
wies christliches Ornament auf: Item alium missorium, pensantem 1. VIII; habet in medio
crucem cum duobus hominibus. Das Gerät diente zum täglichen Gebrauch des den beiden Ba-
siliken zugehörigen Klerus. (41) A. Odobesco, Le tresor de Petrossa I (Paris 1889/90) 109.
VIERTES KAPITEL. FORM. IV. GROSSE DER PATENE 217
wog 7,i3 kg. (42) Von den 1637 im Garten des Trierer Noviziats ausgegrabenen, meist
mit profanen Darstellungen verzierten, ersichtlich für den Hausgebrauch bestimmten run-
den Schüsseln wog eine a4 Pfund, eine zweite 20 Pfund, eine dritte 14 Pfund, zwei weitere
i3 Pfund, eine sechste 11 Pfund; von den beiden rechteckigen hatte eine ein Gewicht von
i3 Pfund, die andere ein solches von 10 Pfund. (43) Eine in einem Grab zu Kertsch ge-
fundene, jetzt im Museum zu Kertsch befindliche Silberschüssel mit griechischer Inschrift
hat einen Durchmesser von 4i cm und ein Gewicht von 3,o6 kg, eine aus Aquileja stam-
mende, im Kunsthistorischen Museum zu Wien befindliche Schüssel mit mythologischen
Darstellungen aus der ersten Hälfte des 1. Jahrhunderts n. Chr. einen Durchmesser von
üQ,5 cm. Ein Gewicht von 10 kg bei einem Durchmesser von 70 cm hat eine Schüssel mit
der Szene der Rückgabe der Briseis, die 1606 bei Avignon in der Rhone gefunden wurde
und sich jetzt im Cabinet des Medailles zu Paris befindet, einen Durchmesser von 35 cm
eine heute ebendort aufbewahrte Schüssel aus Berthouville in der IS'ormandie, ein Weihe-
geschenk an den Tempel des Merkur zu Canetum. Eine 1810 zu Constzesti am Pruth gefun-
dene, mit Jagdszenen und Köpfen auf dem Horizontalrand geschmückte Silberschüssel
in der Eremitage zu Leningrad mißt im Durchmesser 56 cm, hat also wohl ein Ge-
wicht von etwa 5 bis 6 kg. Die 1771 zu Orbetello entdeckte Ardabarschüssel aus der ersten
Hälfte des 5. Jahrhunderts in den Uffizien zu Florenz zeigt einen Durchmesser von t\i cm,
eine 1714 in der Dauphine ausgegrabene Schüssel im Gabinet des Medailles zu Paris hat bei
einem Durchmesser von 72 cm ein Gewicht von 10,67 kg. (^) Angesichts dieser profanen
Riesenschüsseln können die Patenen von ähnlicher Größe und Gewicht, von denen wir im
Papstbuch hören, nicht mehr befremden. Natürlich wurden Patenen dieser Art nicht an ge-
wöhnlichen Tagen bei der Feier der Messe gebraucht, sondern nur bei besonderen Gelegen-
heiten, bei denen viele kommunizierten, namentlich an Festen und an den Stationstagen.
In welcher Zahl Patenen von den Abmessungen der Patenen, wie sie uns im
Papstbuch begegnen, auch anderswo als zu Rom in Gebrauch waren, wissen wir
nicht, da die Quellen darüber keinen Aufschluß gehen. Daß es solche im Osten
gegeben habe, dürfen wir wohl aus den beiden Patenen schließen, die Kaiser
Justinus den Päpsten Hormisdas und Johannes für die Petersbasilika schickte.
Für Gallien bezeugt das eine Erzählung Gregors von Tours; wenn dieser näm-
lich berichtet, ein fußleidender Graf in der Bretagne habe, um gesund zu wer-
den, aus der Kirche eine Patene holen lassen und in ihr seine Füße gebadet,
so muß diese Patene doch wohl von sehr erheblichen Abmessungen gewesen
sein. (45) Unklar ist, ob die 60 cm im Durchmesser haltende Silberschüssel, die
zusammen mit elf Goldpokalen, einer Goldschale, einer Kanne und den Bruch-
stücken einer zweiten Silberschüssel, auf der ein sassanadischer König jagend
dargestellt war, 1912 im Gouvernement Poltawa gefunden wurde und sich
heute im Museum der Eremitage zu Leningrad befindet, als profane Schüssel
oder als liturgische Patene zu gelten hat, Sie zeigt in der Vertiefung ein großes
von A und £2 begleitetes Christusmonogramm, um das Monogramm herum die
Inschrift: Ex antiquis renovatum est per Paternum reverentis... epis ... no-
strum Amen, auf dem Horizontal rand aber zwischen zwei Stäben als Einfassung
eine getriebene, von vier in Zellenschmelz ausgeführten, rund umrahmten
Kreuzehen unterbrochene Weinranke, der ein Krug, ein Korb, ein Lamm, eine
Eidechse, ein Pfau, ein Hirsch, ein Fasan und anderes Getier eingefügt ist. Bi-
schof Paternus, der die Schüssel anfertigen ließ, dürfte Bischof Paternus von
(42) Ebd. 89. (43) Al. Wiltheim, Luciliburgensia (Luxemburg 1842) 120.
(44) 'A. Odobesco, Le trtsor de Petrossa I (Paris 1889/90) 1151, wo auch noch andere
große Schüsseln aufgeführt werden. (45) De gloria martjr. c. 85 (M. 71, 781).
218 VASA SACRA. ERSTER ABSCHMTT. DIE PATENE
Tomi (um 5io,) sein, die Schüssel also aus der Frühe des 6. Jahrhunderts stam-
men, worauf auch ein Stempel auf ihrer Unterseite mit der Inschrift D. N. Ana-
stasius P. Aug. (46) hinweist. Ist die Schüssel keine liturgische Patenc, wie es
allerdings am wahrscheinlichsten ist, so vermittelt sie uns immerhin eine gute
Vorstellung der Riesenpatenen des Papstbuches. (47)
Patenen von der Größe der im Papstbuch genannten waren zu keiner Zeit
irgendwo die Regel, auch nicht zu Rom. Für den gewöhnlichen Gebrauch bei
der Meßfeier waren sie zu schwer und zu unbequem. Sie waren Ausnahmen,
deren man sich bei besonderen Gelegenheiten, wie schon gesagt wurde, bediente.
Die Patenen, die für gewöhnlich zur Verwendung kamen, waren weit leichter
und kleiner als jene Riesenpatenen. Für die private Feier der Messe hatte man
kleine Patenen, wie aus einer Erzählung Gregors von Tours erhellt. Abt Maxi-
mus, so berichtet dieser nämlich, sei beim Übersetzen über den Araris (Saöne)
infolge Leckwerdens des Bootes mitsamt dem Evangelienbuch und dem alltäg-
lichen Meßgerät, einer kleinen Patene mit ihrem Kelch, die er am Halse trug,
in den Fluten versunken, aber durch Gottes Barmherzigkeit, ohne Schaden zu
nehmen und ohne etwas eingebüßt zu haben, gerettet worden. (48)
In der Tat konnte bei nicht öffentlichen Messen, bei denen außer dem Prie-
ster keiner oder doch nur der eine oder andere kommunizierte, schon in alt-
christlicher Zeit und im frühen Mittelalter, eine Patene von etwa der Größe der
Patenen des späteren Mittelalters und der nachmittelalterlichen Zeit genügen,
nicht aber bei dem Gemeindegottesdienst, wo und so lange bei demselben eine
größere Zahl von Klerikern und Laien nach dem Priester die Kommunion emp-
fingen und zu diesem Zweck eine entsprechende Zahl konsekrierter Hostien vor
Austeilung derselben auf ihr gebrochen werden mußte, da bei Verwendung zu
kleiner Patenen die Gefahr einer Verunehrung des Allerheiligsten bei der Bre-
chung nur schwer vermeidbar war. Es war deshalb auch die Patene, anders wie
im späteren Mittelalter, in dem wie heute ihr Gewicht durchweg nur etwa die
Hälfte bis ein Viertel des Kelches betrug, wohl zumeist erheblich schwerer als
der Kelch. Bestätigt wird das durch ein Schreiben Gregors des Großen an Bi-
schof Venantius von Lucca und das Testament des Abtes Aredius von Atane bei
Limoges (f5gi). Gregor gestattet in seinem Briefe dem Bischof die Konsekra-
tion der Kirche eines von diesem gegründeten Nonnenklosters, doch müsse er
außer mit anderen Meßutensilien sie versehen mit einem Kelch von 6 Unzen
(= i64 g) und einer Patene von 2 1. (= 655 g), also mit einer Patene von dem
vierfachen Gewicht des Kelches und darum natürlich auch von entsprechender
Abmessung. (49) Im Testament des Aredius aber entspricht zwei silbernen
Henkelkelchen im Wert von 3o solidi und einem silbernen henkellosen Kelch
im Wert von i3 solidi, eine silberne Patene im Wert von 72 solidi. (49a) Selbst
die Riesenpatenen des Papstbuches waren zum Teil doppelt so schwer als die zu
ihnen gehörenden Riesenkelche und darum entsprechend groß. Mit der Ein-
(46) Es ist Kaiser Anastasius II. (491—518). (47) J. Strzvgowski, Altai-Tran (Leip-
zig 1917) 47 f. Nach dem südliehen Rußland dürfte die Schussel als Beutestück oder als
Raub von Tomi gekommen sein.
(48) De gloria confess. c. 22 (M. 71, 846): ministerium quotidianum i. e. patenulam par-
vam cum calice. (49) Epp. 1. 8, n. 4 (M. 77, 909). (49a) Vgl. oben S.53
VIERTES KAPITEL. FORM. IV. GRÖSSE DER PATEISE 219
führung der kleinen Hostien im 11. Jahrhundert und dem Aufhören der Bre-
chung der für die Kommunion des Volkes bestimmten konsekrierten Hostien
fiel der Hauptgrund für die Verwendung großer Patenen fort. Zur Entgegen-
nahme des von den Gläubigen bei der Opferung dargebrachten Opferbrotes be-
nutzte man nach römischem Brauch noch in der Karolinger zeit nicht die Pa-
tene, sondern ein linnenes Tuch. (50) Nur das Opferbrot des Zelebrans wurde
auf der Patene zum Altar gebracht. Erst in dem, dem 10. Jahrhundert entstam-
menden, von nichtrömischen Elementen durchsetzten 6. Ordo Mabillons dient
die Patene auch zum Einsammeln der von den Gläubigen dargebrachten Ob-
laten. (51)
!.).■ iS nai'h :li;m ;;; Uik;ii:I>l-Jn.vi tiiiv.x tili- Ikr.'cru.' in its'lt Linli- für ili'1 Brivimn;: <!er kon-
sekrierten Hostien vor deren Austeilung da war, lehrt das Capitulare ecclesiastici ordi-
nis. (51a) Zur feierlichen Einbringung der Oblaten, die wie im griechischen Ritus so auch
im gallikanischen üblich war, wurde sie nur als Ersatz der turres, turmartiger Behälter, die
an sich dazu benutzt werden sollten, gebraucht, wenn solche turres nicht vorhanden wa-
ren. (52) Die gallikanische Patene scheint von großen Abmessungen gewesen zu sein. Denn
während man sich zur Einbringung der zu konsekri er enden Hostien je nach der Zahl der-
selben bis zu drei turres bediente, benutzte man zu diesem Zwecke, wie es scheint, stets nur
die eine Patene, auf der später die konsekrierten Hostien zur Ausspendung an die Gläu-
bigen gebrochen wurden.
Seit der Wende des ersten Jahrtausends verloren sich immer mehr Patenen
von größeren Maßverhältnissen. Erhebliche Verminderung des Kommunion-
empfanges und die Einführung der kleinen Hostien, die ein Brechen der kon-
sekrierten Hostien für die Kommunion des Volkes unnötig machten, mußten
Patenen dieser Art als überflüssig und zwecklos erscheinen lassen. Schon die
zum Gauzelinuskelch zu Nancy gehörende Patene hat nur einen Durchmesser
von [5 cm, von denen bloß iocm auf den Durchmesser der Vertiefung kommen.
Zwei sehr große Patenen gab es um i i5o im Dom zu Mainz; sie gehörten zu den beiden
Riesenkelchen, die derselbe besaß, die aber, wie der Chronist hervorhebt, wegen ihrer
Schwere und Unhandlichkeit nicht zur Feier der Messe benutzt werden konnten, was also
auch wohl von ihren Patenen galt. (53) Eine der größten Patenen, die sich aus der zweiten
Halfte des Mittelalters im Westen erhalten haben, ist die der zweiten Hälfte des n. Jahrhun-
derts entstammende Patene zu Silos bei Burgos in Spanien. Sie hat 3i cm im Durchmesser,
von denen freilich nur 18 cm auf die Vertiefung kommen, da ihr Rand 6,5 cm breit ist.
Den gleichen Durchmesser hat eine Patene zu Casa Mari bei Veroli aus dem i4. Jahrhun-
dert, doch ist hier die Vertiefung größer. (54) Der Durchmesser der zum Henkelkelch in
St. Peter zu Salzburg gehörenden Patene, wie der Kelch eine Arbeit des spaten ia. Jahr-
hunderts, mißt 27 cm, der Patene zu Imola (55) a5 cm, der Patene zu Fritzlar gleichfalls
25 cm, einer Patene in der ehemaligen Sammlung Basilewsky aus dem ii. Jahrhundert,
jetzt in der Eremitage zu Leningrad (56) »4,5 cm, einer Patene in S. Panfilio zu Solmona
aus dem i.'i. Jahrhundert a3,8 cm, der Patene des Kelcmankelches im Dom zu Osnabrück
a3,3 cm, der goldenen Patene im Zisterzienserinnenkloster Marienstern bei Kamenz aus
dem i3. Jahrhundert 21 cm, der Patene des Henkelkelches zu Wüten aus der Frühe des-
(50) Ordol, 13; 11,9; III, 12; V,8 M. 78,943,973,980,987); Ordo von St-Amand (Doch.
Orig. 459); Breviar. eccl. ordinis in Atti della Pontificia Accademia Romana di archeol., Me-
morie I p. 1 (Roma 1923) 194. (51) N. 9 (M. 78, 992). (51a) Atti I.e. 206. (52) Ebd. Cum
debent offerre, habent in sacrario praeparata oblationes in turres tres aut duas vel uns, aut
si turres non habent patenam ipsa praeparata, ubi corpus Domini confringere debent.
(53) Christian!, De ealam. eccl. Mogunt. n. 3 (M. G. SS. XXV, 240). (54) Ron. IV, 138.
(55) Ron. IV, 326. (56) Darcel. n. 185.
220 V.-1S/1 SACRA. ERSTER ABSCHNITT. DIE PATENE
selben Jahrhunderts a3,7 cm; die zu dem von König Sancho und Königin Dulcia zu Ende
des is. Jahrhunderts gestifteten Kelch in der Stiftskirche zuGuimaräes gehörende Patene hat
19,5 cm im Durchmesser. Bei den Patenen des späten Mittelalters schwankt dieser in der
Regel zwischen 1/1 und 17 oder allenfalls 18 cm.
Den Miniaturkelchen, deren man sich im 10., 11. und 12. sowie vereinzelt
noch im i/(. Jahrhundert als Zubehör zu den Reiseportatilien auf Reisen zur
Meßfeier bediente, (57) entsprechen Patenen von ähnlich geringer Abmessung.
So hat die goldene Patene, die man mitsamt dem zugehörigen kleinen Kelch im
Grabe des Trierer Erzbischofs Poppo fand, einen Durchmesser von nur 5 cm,
die etwas größere Reisepatene, die man im Grabe des Erzbischofs Udo ent-
deckte, einen solchen von bloß 7 cm. Von den aus Rischofsgräbern des späten
10., des 11. und des 12. Jahrhunderts im Hildesheimer Dom stammenden Pa-
tenen im Domschatz zu Hildesheim mißt die dem Grabe Osdags (f 989) ent-
nommene Patene im Durchmesser 7 cm, die Patene aus dem Grabe Dithmars
(■f io44) 5,2 cm, die Patene aus dem Grabe Hezilos (j- 1079) 6,9 cm, die Pa-
tene aus dem Grabe Udos (■{• 111&) ca. 6,5 cm, die Patene aus einem nicht mehr
näher bestimmbaren Grabe 6,1 cm. Etwas größer, aber auch etwas späteren Da-
tums ist die Reisepatene im Dom zu Cividale aus dem späten 12. Jahrhundert
sowie die in einem dem dritten oder letzten Viertel des 12. Jahrhunderts an-
gehörenden Rischofsgrab im Dom zu Galocsa gefundene Reisepatene, (58)
doch hat selbst die erste einen Durchmesser von nur 9 cm, die zweite von nur
9,4 cm. Rloß 8 cm beträgt dieser bei der zu dem früher erwähnten, aus dem
ii. Jahrhundert stammenden Reisekelch (59) in der ehemaligen Fürstlich
HohenzoIIerischen Sammlung gehörenden Miniaturpatene, der jüngsten mir
bekannten ihrer Art.
Nach des Theophihis Schedula diversarum artium soll die Patene so groß
sein, daß ihr Durchmesser der Höhe des Kelches gleichkommt oder nur wenig
über sie hinausgeht, ihr Gewicht aber soll etwa die Hälfte des Gewichtes des
Kelches betragen. (60) Wirklich entsprechen manche der Patenen des 11., 12.
und i3. Jahrhunderts der Anweisung der Schedula, nicht freilich als ob diese
für ihre Größe bestimmend gewesen wäre, sondern weil es allgemein Brauch
war, der Patene eine Größe von etwa der Höhe des Kelches zu geben. Belege
bieten die Patene zu Silos, die von König Sancho gestiftete Patene zu Guima-
räes, die zum spanischen Pelagiuskelch im Louvre gehörende Patene, die Pa-
tene des Hugo von Oignies zu Namur, die in einem Bischofsgrab des frühen
i3. Jahrhunderts in der Kathedrale von Canterbury gefundene Patene, (61) die
zu Dolgelly ausgegrabene Patene im englischen Kronschatz, (62) die Patene
des Kelches in St. Godehard zu Hildesheim, in St. Aposteln zu Köln, in der ehe-
maligen Klosterkirche zu Tremessen, in St. Peter zu Salzburg, im Stift Wüten
zu Innsbruck, im Zisterzienserinnenkloster Marienstern, die in dem Grabe des
Bischofs Herväus (j-1223) von Troyes gefundene Patene u. a.
Im i4- Jahrhundert tritt dann jedoch eine Änderung im Verhältnis der Größe
der Patene zur Höhe des Kelches ein. Infolge des Anwachsens des Schaftes und
(57) Vgl. oben S. 142. (58) Wegen des zugehörigen Kelches vgl. oben S. 77.
(59) Vgl. oben S.143. (60) C.26 (ed.Ii.G 1811). (61) Monumente vetusta VII p.1,8.
(62) Viktoria-und-Albert-Museum, Catalogue of chaliceß Tfl. 7.
VIERTES KAPITEL. FORM, IV. GROSSE DER PATENE 221
der Verengerung der Kuppa des Kelches erreicht nun der Durchmesser der Pa-
tene häufig, zumal seit der zweiten Hälfte des i4- Jahrhunderts, nicht mehr
die Höhe des Kelches, wenn auch der Unterschied durchweg zunächst nur erst
wenige Zentimeter heträgt. Besonders gilt das von den italienischen Patenen
des 1/4. Jahrhunderts, wenngleich es selbst unter diesen vereinzelt noch immer
solche gab, deren Durchmesser der Höhe des Kelches, zu dem sie gehörten,
gleichkam. Größer wird der Unterschied zwischen der Größe der Patene und
der Höhe des Kelches infolge der nun allenthalben eintretenden und stetig zu-
nehmenden Steigerung dieser letzteren sowie der gleichzeitigen Verengerung
der Kelchkuppa im i5. Jahrhundert. Um das Ende des Jahrhunderts ist er viel-
fach schon sehr erheblich. Häufig genug beträgt nun der Durchmesser der Pa-
tene nur noch etwa vier Fünftel, drei Viertel oder gar zwei Drittel der Höhe
des Kelches; Patenen, deren Durchmesser der Kelchhöhe gleich oder wenig-
stens annähernd gleich ist, sind unter denjenigen, die sich aus dem i5. Jahr-
hundert erhalten haben, seltene Ausnahmen.
In nachmittelalterlicher Zeit tritt der Unterschied zwischen der Größe der
Patene und der übermäßig anwachsenden Höhe des Kelches noch mehr zutage,
insbesondere bei den Patenen und Kelchen des Barocks, bei den spanischen und
portugiesischen Kelchen aber schon im frühen 16. Jahrhundert. Der Durch-
messer der Patene beträgt nun für gewöhnlich etwa drei Viertel oder zwei
Drittel der Kelchhöhe, oft sogar nur die Hälfte derselben. In Bezug auf die
absolute Größe zeigt die nachmittelalterliche Patene entsprechend der gerin-
geren Weite der Kelchkuppa gleichfalls eine Verminderung, die jedoch weniger
bedeutend ist und gegenüber der absoluten Größe, welche der spätmittelalter-
lichen Patene für gewöhnlich eignete, sich nur auf 1—2 cm beläuft.
Über die Größe der Patenen, das ist der eucharistischen Schüsseln, in den
Riten des Ostens sind wir nur sehr mangelhaft unterrichtet. Von den drei an-
geblich in Syrien gefundenen patenenartigen Silberschüsseln der Sammlung
Abukasem zu Port Said hat eine 37,5 cm, die zweite 39 cm, die dritte /ji cm im
Durchmesser. (63) Von zwei bei Kerynia auf Zypern ausgegrabenen patenen-
artigen Silberschüsseln mißt die eine, die sich im Britischen Museum befindet,
26 cm im Durchmesser, die andere, die im Besitz des Museums zu Nikosia ist,
44 cm. (64) Von den drei patenenartigen Silberschüsseln, die zu Stüma gefun-
den wurden, hat die mit einer Darstellung des Letzten Abendmahles geschmückte
einen Durchmesser von 37 cm, die zweite und die dritte, die auf dem Boden nur
mit einem Kreuz verziert sind, einen solchen von 36 bzw. 35 cm. (65) Die zu
Riha gefundene patenenartige Schüssel in der Sammlung Kaiebdjan zu Paris,
die ebenfalls in der Vertiefung eine Darstellung des Abendmahles aufweist, ist
im Durchmesser 34 cm groß. Ob auch nur eine dieser Schüsseln wirklich als
eucharistische Schüssel bei der Feier der Liturgie gedient hat, muß, wie schon
gesagt wurde, dahingestellt bleiben, (66) desgleichen wie es um die Echtheit
derselben bestellt ist.
(63) Syria VII (1926) 107. (64) Archaeologia LVII 1, 160f.; LX 1, lf.
(65) Revue archeol. IVe serie XVII (1911) 407. (66) Ch. Diehi. gibt den Schüsseln der
Sammlung Abukasem mit vorsichtiger Zurückhaltung die Bezeichnung plat, peut-etre patene
(Syria a.a.O.).
222 VASA SACRA. ERSTER ABSCHNITT.DIE PATENE
Die früher erwähnte, (67) vielleicht noch ins 10. Jahrhundert zurückrei-
chende Alabasterpatene in S. Marco zu Venedig hat einen Durchmesser von
35 cm. Eine zweite Schüssel, die vielleicht ebenfalls als Diskos gedient hat und
laut der Inschrift auf ihrer Unterseite: Öeötoxs Mapi-a jäo^ör, ■JaasJ.sT; entweder
aus der Zeit des Romanos I. Lakapenos (920—Q&4) oder des Basilius II. (976
bis I02Ö) stammt, zeigt 23 cm im Durchmesser, der mit getriebenem Bildwerk
geschmückte, von Bischof Konrad aus Byzanz mitgebrachte silberne euchari-
stische Diskos, den eine Inschrift genügend als solchen kennzeichnet, 3j cm.
Ein angeblich aus dem 12. Jahrhundert, in Wirklichkeit aber erst dem späten
i5. oder dem 16. Jahrhundert entstammender, aus Serpentin bestehender, je-
doch mit Metallrand versehener Diskos in der Kathedrale zu Moskau mißt nur
19 cm in der Weite, von drei andern in der gleichen Kathedrale haben zwei, die
erst dem 18. Jahrhundert angehören dürften, einen Durchmesser von 25,5 cm,
der dritte, der aus Gold gemacht ist und 1680 entstand, einen solchen von
38 cm. (68) Noch heute eignet dem Diskos des griechischen Ritus durchwegs
ein Durchmesser von über 20 cm, da es andernfalls schwer sein würde, bei der
Proskomidi die zu konsekrierenden Partikel in der vorgeschriebenen Weise auf
ihm anzuordnen.
FÜNFTES KAPITEL
DIE KÜNSTLERISCHE AUSSTATTUNG DER PATENE
I. ALLGEMEINES
Wie den Kelch und aus dem gleichen Grunde wie diesen hat man in altchrist-
licher und mittelalterlicher Zeit auch die Patene gern mit einer passenden orna-
mentalen Ausstattung versehen. In nachmittelalterlicher Zeit kam das jedoch
bald außer Brauch, nicht etwa, weil man nun die Patene geringer gewertet hatte,
sondern weil man es aus einer praktischen Erwägung heraus, um sie nämlich
nach Gebrauch leichter und gründlicher purifizieren zu können, für zweck-
mäßiger hielt, sie ohne Schmuck zu belassen. Ausdrücklich verbietet die In-
struetio fabricae ecclesiae des heiligen Karl, auf der Patene irgend welchen
künstlerischen Dekor anzubringen, ja sie selbst auch nur oben mit einem ein-
gravierten Kreis zu verzieren. (1) Das gleiche untersagten bezüglich der Patene
der Regensburger Generalvikar Myller in seinem Ornatus ecclesiasticus, (2) so-
wie die Cambraier Synode des Jahres i6o4, (3) der erstere in fast wörtlichem
Anschluß an die Instructio des heiligen Karl.
Eine Ausnahme machte man nur bezüglich eines kleinen gleicharmigen Kreuz-
chens, das man bei Patenen mit Vertiefung auf dem Horizontalrand, bei mul-
denförmigen nahe dem Rande anbrachte, wenngleich weder bei diesen noch bei
jenen allgemein. Neben Patenen, die in dieser Weise mit einem Kreuzchen ver-
(67) Vgl. oben S. 207. (68) Abb. der Disken in Antiquites de l'empire de Russie I, Tfl. 66,
67, 68, (1) AA. eccl. Mediol. 628. (2) C. 60 (München 1591, S. 112): Laevis ubioue sit
et artificio nullo ornata aut caelata, ita ut ne circulum quidem circino profundiuseule duc-
tum habent. (3) Tit. IX, c. 5 (Hartzh. VIII, 595): In patenis nullae deineeps fiant sculp-
turae vel caelaturae.
FÜNFTES KAPITEL. AUSSTATTUNG. I. ALLGEMEINES 223
sehen waren, gab es und gibt es noch heute zahlreiche, die desselben entbehrten
und entbehren.
Ein Kreuzchen begegnet uns auf dem Rande der Patene schon im i3. Jahr-
hundert, doch nur erst vereinzelt, wie z. B. bei der Patene des Hugo von Oignies
zu Namur, sowie bei einer Patene zu Hochelten am Niederrhein und einer Pa-
tene in der Martinskirche zu Emmerich. Im i!\. Jahrhundert hatte der Brauch,
dem Hand der Patene ein Kreuzchen einzugravieren, bereits an Verbreitung ge-
wonnen. Beispiele bieten je eine Patene im Dom zu Paderborn, zu Liesborn und
zu Gladbeck in Westfalen, eine Patene zu Marienstatt auf dem Westerwald und
zu Tempzin in Mecklenburg-Schwerin, eine aus Hätuna stammende Patene im
Historischen Museum zu Stockholm u. a. Häufig werden Patenen, die auf dem
Rand ein eingraviertes Kreuzchen zeigen, jedoch erst im iö. Jahrhundert.
Wie man das Kreuzchen auf dem Fuß des Kelches, so hat man auch das
Kreuzchen auf dem Rand der Patene als signaculum, als Weihekreuzehen, das
ist als Zeichen der erfolgten Konsekration derselben gedeutet. Allein auch bei
ihr zu Unrecht. Die Konsekration der Patene und das Kreuzchen auf dieser
haben nichts miteinander zu tun. Andernfalls müßte sich dieses ja auch auf
allen Patenen befinden. Das Kreuzchen hatte und hat noch heute vor allem einen
praktischen Zweck. Es sollte und soll eine Seite der Patene als die Vorderseite
kennzeichnen und zugleich die Stelle zum Anfassen der Patene markieren. Als
eine Art einfachen Schmuckes war es gedacht, wenn die Patene in der Vertie-
fung einer Verzierung entbehrte, wenn es einen den ganzen Rand der Patene
umziehenden Fries eingefügt war, wie bei der Patene zu Hochelten, oder wenn
statt nur eines vier Kreuzchen dem Rand eingraviert waren, wie bei einer Patene
aus Hemse im Historischen Museum zu Stockholm. (4)
H. SCHMUCKMITTEL
Die Verzierungsmittel, deren man sich vordem zur Ausstattung der Patene
bediente, waren Edelsteine und Perlen, Filigran, Email, Niello, Treibarbeiten
sowie namentlich Gravierungen.
i. Edelsteine und Perlen. Daß man schon in altchristlicher und frühmittel-
alterlicher Zeit Edelsteine als Schmuck auf der Patene anbrachte, bekunden
die patene argentea auroclusa cum gemmis, die Konstantin der Basilika im Ses-
sorianischen Palast (beute S. Croce) zu Rom schenkte, die goldene mit Hya-
zinthen besetzte Patene, die Justinus dem Papst Hormisdas (5i4—5a3) und die
patena aurea cum gemmis, die der Kaiser dem Papst Johannes (5a3—5a6) für
die Petersbasilika übersandte. (5) In der Vita Sergius* I. (687—701) berichtet
das Papstbuch von einer patena aurea maior, habens in gyro gemmas ex albis et
in medio ex iacintho et smaragdo crucem, in der Vita Gregors III. (731—7^1)
von einer patena aurea magna cum diversis lapidibus, in der Vita Leos HL
(795—816) von einer patena aurea diversis ornata pretiosis lapidibus, in der
Vita Nikolaus* IV. (858—867) von einer patena ex auxo purissimo cum diversis
lapidibus pretiosis, albis (Perlen), prasinis et iacinthis. (6) Von einem Kelch
<5) Duch. L. P. I, 179, 271, 276. (6) Duch. L. P. I,
224 VASA SACRA. ERSTER ABSCHNITT.DIE PATENE
und einer Patene, die aus Gold gemacht und mit Edelsteinen geschmückt
waren, erzählt auch Gregor von Tours. (7) Ein Beispiel einer mit Edelsteinen
in Form von Zelleneinlagen auf dem Rand und in der Vertiefung geschmückten
Patene aus altchristlicher Zeit ist die zu Gourdon gefundene rechteckige Gold-
schüssel (Bild 7), falls sie eucharistische Patene gewesen sein sollte, ein Beispiel
aus dem späten 10. Jahrhundert, die auf dem Horizontalrand und in den
Zwickeln der fünfpaßförmigen Vertiefung mit Edelsteinen und Perlen besetzte
Gauzclinuspatene zu Nancy (Tafel 5).
Auch in der zweiten Hälfte des Mittelalters sind mit Edelsteinen und Perlen
verzierte Patenen geschaffen worden. So verzeichnet ein Inventar von Enger
von ca. 1000 zwei goldene Patenen, die mit 20 Edelsteinen und Perlen ge-
schmückt waren, (8) ein Inventar des Domes zu Monza von 1270 eine große mit
Edelsteinen ringsum besetzte Patene, (9) das Inventar des Apostolischen Stuh-
les von 1295 eine Patene, die in der Mitte ein das Lamm Gottes darstellendes
Schmelzbild, auf dem Rande aber außer sechs weiteren Schmelzen 6 Baiasse
und 6 Saphire aufwies, (10) ein Inventar von S. Jacopo zu Pistoja von 1294
eine patena de auro, ornata de gemmis et perlis et aliis figuris, facta per ma-
gistruni Pacem de Senis, (11) das Inventar Clemens' V. von i33i eine mit drei-
zehn Edelsteinen verzierte Patene, (12) das Inventar Karls V. von Frankreich
aus dem Jahre 1379/80 eine patene (d'or) esmaillee et garnie de balais et de Sa-
phirs ä jour, (13) ein Inventar der Kathedrale zu York von i5oo eine von dem
Bischof Walter Gray (7 1255) geschenkte mit vier Edelsteinen besetzte Pa-
tene. (14) Außerordentlich reich mit Edelsteinen besetzt war eine mittelalter-
liche Patene in der Kathedrale von Troyes, die in einem Inventar derselben
aus dem Jahre 170/1 aufgeführt und beschrieben wird. Sie maß 7 Zoll (= 19 cm)
im Durchmesser, hatte eine füufpaßförmige Vertiefung und war ringsum auf
dem Rand mit 3 Saphiren, 6 großen Granaten, /; kleinen Granaten, 2 Smarag-
den, 3 kleinen grünen Steinen, 3 Türkisen, 3 dunkelblauen Steinen, 2 Ame-
thysten, einem kleinen Topas, 2 nicht näher bestimmten Steinen und einem ge-
schnittenen Stein, im ganzen also mit 3o Steinen verziert. (15)
Erhalten haben sich ans der zweiten Hälfte des Mittelalters nur zwei mit Edelsteinen be-
setzte Patenen. Die eine ist die Patene im Kloster Silos bei Burgos (Tafel fia). Sie war auf
dem 6,5 cm breiten Rand mit 36 Edelsteinen, vier großen und 3a kleinen, besetzt, von
denen jedoch nur mehr 20 vorhanden sind, darunter eine antike Kamee und zwei antike
Getnmen. In der Mitte der Vertiefung aber ist ein zirka 5,5 cm großer runder Bergkristall
angebracht, unter dem eine Partikel des heiligen Kreuzes geborgen ist. (16) Die zweite ist
die irrtümlich als Patene des Bischofs Bernhard (j n 53) bezeichnete, in Wirklichkeit aber,
wie das Filigran des Randes zweifellos macht, erst dem zweiten Viertel des i3. Jahrhun-
derts angehörende Prachtpatene in St. Godehard zu Hildesheini (Titelbild). Sie weist auf
dem Rande 18 in Filigran eingebettete Edelsteine auf. Bemerkenswert ist, daß der ihn be-
kleidende Fries an einer Stelle unterbrochen ist, wie zweifellos, um das Purifizieren der
(7) De gloria conf. c. 63 (M. 71, 874). (8) W. Diekamp, Weatf. Urkundenbuch 92.
(9) Bull. mon. 1880, 630. (10) Bibl. XLII (1882) 644. (11) Annal. archeol. XV (Paris
1855) 142. (12) Regest! Clementis V. app. I (Romae 18S2) 381.
(13) Labarte, 51. (14) Raine 215. (15) Annales archeol. XX, 12. Sie wird wie so vie-
les andere im Strudel der Revolution zu Grunde gegangen sein.
(16) Dom E. Rollis, L'ancien tresor de l'abbaye de Silos (Paris 1901) 65 und Tfl. IX.
FÜNFTES KAPITEL. AUSSTATTUNG. II. SCIMUCKMITTEL 225
Patene zu erleichtern. (17) Eine Vorrichtung zur Erleichterung des Purifizierens gab es
auch an einer aus Gold gemachten, mit Edelsteinen besetzten Patene im Dom zu Prag, von
der im Inventar von 1387 gesagt wird, es fehle an ihr außer zwei Steinen una pecia, per
quam debet sumi ablutio. (18) Ob den beiden Patenen als weitere mit Steinen besetzte
mittelalterliche Patene auch noch die aus St-Denis stammende, auf dem Boden ihrer Ver-
liefun;: mit i'in:reierten siliwnirn Fischi-hrn. ;.mf iiirem Horizontalrand dicht mit Steinen
und Zellen ei nlagen verzierte, 17 cm große Nephritschüssel im Louvre zugezählt werden
kann, ist unsicher, da nicht feststeht, ob es sich bei ihr um eine Patene handelt. (19) In
größerer Zahl werden mit Edelsteinen verzierte Patenen zu keiner Zeit hergestellt worden
sein. Sie waren für den Gebrauch zu wenig praktisch, da die Edelsteine auf dem Rand das
Purifizieren derselben erschwerten. Es waren Prachtstücke, die man nur bei besonderen
Gelegenheiten verwendete.
Daß es auch im Osten mit Edelsteinen besetzte Patenen gegeben hat, beweist
außer den beiden vorhin erwähnten Patenen, die Kaiser Justin den Päpsten
Hormisdas und Johannes zum Geschenk sandte, die um etwa ein halbes Jahr-
tausend jüngere byzantinische Prachtpatene im Schatz von S. Marco zu Vene-
dig, deren Rand mit einem beiderseits von einer Perlenschnur eingefaßten, aus
44 abwechselnd ovalen und viereckigen Edelsteinen sich zusammensetzenden
Fries verziert ist (Tafel 4a). Noch eine Patene aus Gold von 1680 in der Kathe-
drale zu Moskau weist auf dem Rand zwischen den dort angebrachten Zier-
inschriften vier Edelsteine auf. (20)
'2. Filigran. Nur vier der Patenen, die sich aus mittelalterlicher Zeit erhalten
haben, sind auf ihrem Rande mit Filigran geschmückt, die Gauzelinuspatene zu
Nancy, die Patene zu Silos, eine Patene der ehemaligen Sammlung Rasi-
lewsky (21) und die Patene in St. Godehard zu Hildesheim. Bei den drei ersten
schlichtes, dem Boden allenthalben festanhaftendes Rankenfiligran, das ein
dichtes, aber zierliches Gerimsel bildet, zeigt es auf der Hildesheimer Patene
die Eigenschaft hochentwickelten, in der Mitte vom Boden losgelösten, mit Fili-
granknäufchen reich belebten Schneckenfiligrans. Bei allen drei Patenen dient
es zur Füllung des Grundes zwischen den Steinen und Emailplättchen, mit
denen der Rand besetzt ist, mit letzteren jedoch nur bei der Gauzelinuspatene.
In der Vertiefung zeigt keine der Patenen Filigran; es wäre ja auch in ihr un-
unerträglich, weil durchaus zweckwidrig gewesen. Daß außer den drei genann-
ten Patenen auch noch andere mit Filigran ausgestattete zu gleicher Zeit ent-
standen, kann füglich nicht bezweifelt werden. In den Inventaren ist allerdings
von derartigen Patenen nie die Rede, doch läßt sich daraus nichts folgern, da
Filigran als für die mittelalterlichen Inventare nebensächliches, weil materiell
nicht eben kostbares Dekorationsmaterial überhaupt nur selten in ihnen erwähnt
wird. Viele Patenen mit Filigranschmuck werden indessen nicht geschaffen
worden sein, weil das den Rand überziehende Filigran das Purifizieren der Pa-
tene noch mehr erschwerte, als bloßer Steinbesatz, weshalb auch, wie schon
gesagt wurde, bei der Hildesheimer Patene der Horizontalrand an einer Stelle
in einer Breite von 3,5 cm von Filigran und Steinen frei blieb.
(17) Abb. bei Braun, Meisterwerke II, Tfl. 63 und A. Bertram, Hildesheims kostbarste
Kunstschatze (M.-Gladbach o.J.), Tfl. 25. (18) Podlaha. Anhang XXXIII. In den Inven-
taren von 1354 und 1355 (Ebd. V u. XVI) führt die Vorrichtung anscheinend die Bezeich-
nung porta. (19) Abb. bei Roh. IV, Tfl. 309.
(20) Abb. in Antiquites de l'erapire de Russie I, Tfl. 66. (21) Abb. bei Roh. IV, 316.
BRAUS, DAS. CHRISTLICHE ALTARGERÄT 15
226 VASA SACRA. ERSTER ABSCHNITT. DIE PATENE
3. Email, Niello. Mit Email scheint man die Patene bis gegen Ende des
i3. Jahrhunderts nur selten verziert zu haben. Nur einmal ist vor dieser Zeit
von einer mit Email geschmückten Patene die Rede, in einer Urkunde Ferdi-
nands I. von Kastilien (22) vom Jahre io63, vorausgesetzt, daß es sich bei der
patena ex auro cum olovitreo, die in ihr unter den vom König der Kirche des
heiligen Isidor zu Leon gespendeten liturgischen Geräten aufgeführt wird, um
eine mit Email geschmückte Patene handelt. Von den Patenen, die sich aus der
dem i4. Jahrhundert vorausgehenden Zeit erhalten haben, weist nur eine ein-
zige Emailschmuck auf, die Gauzelinuspatene zu Nancy, deren Horizontalrand
außer mit Steinen mit sechs Goldzellenschmelzplättchen besetzt war, von denen
heute aber nur mehr drei vorhanden sind. Mit dem ausgehenden i3. Jahrhun-
dert ändert sich die Sache jedoch. Nun wurde Email wie sowohl die Inventare
als auch zahlreiche spätmittelalterliche Patenen bekunden, ein sehr beliebtes
Mittel zur Verzierung der Patene, zumal in Italien, Frankreich und Spanien und
zwar vornehmlich in Gestalt des ungemein wirkungsvollen und vornehmen, je-
doch wenig haltbaren und deshalb heute meist sehr beschädigten, ja nicht selten,
wie auf einer einst hervorragend schönen Patene im Nationalmuseum zu Ko-
penhagen (Tafel 45) bis auf winzige Spuren oder, wie hei einer Patene aus
Engsö im Stockholmer Museum (Tafel 46), völlig verschwundenen durchsichti-
gen Reliefemails. Gewöhnlich bestand es nur in einem in der Mitte der Vertiefung
der Patene angebrachten Medaillon, oder, doch minder häufig, in mehreren
dieselbe ganz ausfüllenden Emailbildchen; seltener gesellten sich zum Schmuck
der Vertiefung auch noch Emaildarstellungen auf dem Rande der Patene. Nur
in der Vertiefung sind mit figürlichem Email geschmückt die auf Tafel 45 wie-
dergegebene Patene im Dom zu Mainz, eine gleichartige aus der Fürstlich
Hohenzollerischen Sammlung stammende Patene im Kunstgewerbemuseum zu
Frankfurt a. M., eine Patene zu Longares und zu Caspe bei Saragossa in Spa-
nien (Tafel iS), eine Patene in der Kathedrale zu Segovia (Tafel 20), in der
Stiftskirche zu Guimaräes in Portugal (Tafel 19) und im Museum zu Coimbra,
eine Patene zu Randazzo in Sizilien u. a. Ein glänzendes Reispiel einer in der
Vertiefung wie auf dem Rand mit figürlichen Emails ausgestatteten Patene
bietet eine Patene zu Perugia (Tafel 3o). Ihre Vertiefung füllt eine figurreiche
Darstellung der Kreuzigung, die sechs Medaillons auf dem Rand weisen Pas-
sions- und Glorifikationsszenen auf. Ein anderes nicht minder prachtvolles ist
eine Patene in der Marienkirche zu Lübeck, die leider erheblich gelitten hat
(Tafel 45). In ihrer Vertiefung ist in mandorlaförmiger Umrahmung der thro-
nende Gottmensch dargestellt, umgeben von den Evangelistensymbolen. Auf
dem Rand sehen wir unter ebensovielen flachen benasten Arkaden dreizehn
Halbfiguren musizierender Engel. Der Heiland steht auf grünem Emailgrund,
die Evangelistensymbole auf blauem, die Engel abwechselnd auf grünem oder
blauem. In den Inventarcn begegnen uns beide Arten von Patenen, sowohl
solche, die nur in der Vertiefung mit Emaildarstellungen geschmückt waren,
wie auch solche, die außerdem auf dem Rand Emailbilder aufwiesen. Auch
(22) Flobez XXXVJ, CLXXXIX.
FÜNFTES KAPITEL. AUSSTATTUNG. IL SCHMUCKMITTEL 227"
finden sich wohl Beispiele beider Arten in demselben Inventar zugleich, wie im
Inventar des Apostolischen Stuhles von 1295 und in dem des Herzogs von
Berry aus den Jahren i4oi/i4o3.
Eine lange Dauer war der Verwendung von Emailbildchen in Gestalt des
durchsichtigen Reliefemails als Schmuck der Patene nicht beschieden. Schon
im i5. Jahrhundert findet sie ihr Ende. Ein zweckmäßiges Dekorationsmittel
der Patene war dieses Email nicht. Wegen seiner geringen Solidität erhielt es
leicht Sprünge, bröckelte es bei einer weniger vorsichtigen Behandlung der Pa-
tene leicht aus und bestand infolgedessen die Gefahr, daß beim Purifizieren
derselben Splitter des Emails in den Kelch gerieten. In nachmittelalterlicher
Zeit entstanden keine auf der Oberseite mit Email verzierte Patenen im Westen
mehr. Auf der Unterseite findet sich eine Darstellung des Letzten Abendmahles
in einfarbigem Maleremail, die von den in mehrfarbigem Maleremail ausge-
führten Passionswerkzeugen umrahmt wird, bei einer Patene aus dem Jährt
i685 im Dom zu Salzburg (Tafel £7)-
Ein Gegenstück zu den mit einem in durchsichtigem Reliefschmelz ausge-
führten Medaillon in der Mitte geschmückten Patenen des i4. und i5. Jahr-
hunderts bietet aus dem Osten die etwa drei Jahrhunderte ältere byzantinische
Pracbtpatene in S. Marco, die mitten in ihrer Vertiefung eine von der Inschrift:
AißeTe. y&y&zz toüto p.06 i<m tä otäpo. umrahmte Rundscheibe mit der in Gold-
zellenschmelz ausgeführten Halbfigur des Erlösers aufweist. Lange erhielten
sich Emaildarstellungen als Schmuck der Patene in Rußland, wie Patenen aus
dem Ende des 17. und dem frühen 18. Jahrhundert in der Kathedrale zu Mos-
kau bekunden. (23)
Mit Niello verziert sind von den Patenen, die aus dem Mittelalter auf uns ge-
kommen sind, die sog. Bernwardspatene im früheren Weifenschatz, die zu dem
nieliierten Kelch zu Tremessen gehörende Patene, die Patene des Henkel-
kelches zu Wüten, die Patene des Hugo von Oignies zu Namur, die vom Propst
Stephan von Sierndorf gestiftete Patene im Stift Klosterneuburg und die Pa-
tene des Henkelkelches in St. Peter zu Salzburg, von denen die Klosterneu-
burger Patene um i320 entstand, die übrigen dem späten 13. und dem frühen
i3. Jahrhundert entstammen.
Bei der Patene im Weifenschatz ist der ganze Boden der Achtpaß Vertiefung mit figür-
lichen Darstellungen und Inschriften in Niello verziert, der Horizontalrand nur mit einer
Inschrift. Die Patene zu Tremessen (Tafel 44) zeigt nieliiertes Bildwerk auch auf dem Ilori-
nontalrand, eine niellierte Inschrift auf der Schräge der Vertiefung. Die Patene zu Wüten
weist nicht nur in der Vertiefung, auf dem Rand sowie auf der Schräge Inschriften und
figürliche Darstellungen in Niello auf, sie ist auch auf der Unterseite mit Niello ge-
schmückt, auf dem Rand mit nielliertem Figurenwerk, um die in der Mitte angebrachte pla-
stische Darstellung des Gekreuzigten sowie die gleichfalls plastischen Figuren von Maria,
Johannes und den Evangelistensymbölen herum mit einer niellierten Inschrift (Tafel 44).
Bei der Patene zu Klosterneuburg (Tafel 46} ist in Niello ausgeführt das auf ihrer Ober-
seite die Mitte der Secbspaßvertiefung einnehmende, den vor dem thronenden Erlöser
knienden Stifter wiedergebende Rundmedaillon samt der es umziehenden Inschrift, bei
der Patene zu Namur das Rundmedaillon mit der Darstellung des Gnadenstuhles in der
Mitte der Vertiefung. Nur Nielloinscliriftcn finden sich auf der Patene im Stift St. Peter
zu Salzburg. Die Inventare geben uns über die Verwendung von Niello zur Verzierung der
Patene so gut wie keinen Aufschluß. Bei einer Patene, die in einem Inventar Karls VI. von
Frankreich aus dem Jahre liio vermerkt ist, war der Boden der Vertiefung um das in
seiner Mitte angebrachte lUindmedaülon herum, das die segnende Hechte Gottes auf
blauem Emailgrund enthielt, mit kleinen nieliierten Adlern belebt. (24)
tt. Treibarbeiten, Gravierungen und Ziselierungen. Mit getriebenem Schmuck
ist im Westen schon im Mittelalter die Patene kaum je auf der Oberseite aus-
gestattet worden. Wenigstens hat sich keine auf dieser mit Treibwerk verzierte
Patene erhalten. Aber auch in den Chroniken und den Inventaren ist nie von
derartigen Patenen die Rede, es müßte sich denn bei dem Bildwerk der Patene,
die Bischof Athanasius von Neapel (85o—872) anfertigen ließ und von Jo-
hannes Diakonus mit den Worten beschrieben wird: Ex eodem metallo (Silber)
fecit magnam patenam scalpens in ea vultum salvatoris et angelorum, quam in-
trinsecus auro perfudit (25) um Treibarbeit gehandelt haben. Daß man im
Osten, wo man sich zum Purifizieren der Patene eines Sehwämmchens bediente,
sich weniger ablehnend gegen die Ausschmückung der Patene mittels Treib-
werk verhielt, bekundet, um von den mit der getriebenen Darstellung des Letz-
ten Abendmahles verzierten Schüsseln von Stüma und Riha, deren Echtheit
dahingestellt bleiben muß, und der in Sibirien gefundenen mit einem von zwei
Engeln begleiteten Kreuz in Treibarbeit ausgestatteten bekannten Schüssel der
ehemaligen Sammlung Stroganoff, die schwerlich ein eucharistischer Diskos
war, abzusehen, der aufs reichste mit getriebenem ornamentalem Schmuck ver-
zierte griechische Diskos im Dom zu Halberstadt (Tafel 4a).
Weitaus die gewöhnlichsten Verzierungsmittel, deren man sich zur Aus-
schmückung der Patene im Mittelalter bediente, waren Gravierungen und Zise-
lierungen. Begreiflich, weil sie für ein gründliches Purifizieren der Patene
nach deren Gebrauch, wie es durch die Natur der Sache und durch die kirch-
lichen Vorschriften gefordert war, die geringsten Schwierigkeiten bereiteten.
Angebracht wurden Gravierungen hier nur in den Zwickeln der Pässe der Ver-
tiefung, dort nur in der Mitte der Vertiefung oder nur auf dem Horizontalrand,
anderswo zugleich in der Mitte der Vertiefung und in den Zwickeln der Pässe
bzw. auf dem Rand. Bei reicheren Patenen aber, wie z. B. bei der goldenen
Patene im Kloster Marienstern (Tafel 43), der Patene in der Stiftskirche zu
Fritzlar (Tafel 43), der zum Henkelkelch in St. Peter zu Salzburg gehörenden
Patene, der sogenannten Bernwardspatene im Dom zu Hildesheim (Tafel k§),
der von Herzog Konrad von Masovien gestifteten Patene im Dom zu Plock, einer
Patene spanischer Herkunft im Louvre (Tafel 43) ist nicht nur die Vertiefung
völlig mit graviertem und ziseliertem Schmuck ausgestattet, sondern überhaupt
die ganze Oberseite. Selbst auf der Unterseite der Patene, zumal in der Mitte
derselben brachte man bisweilen in Gravierung oder Ziselierung ausgeführten
Dekor an, wie beispielsweise bei der vom Propst von Sierndorf gestifteten Pa-
tene zu Kloslerneuburg. Ihrem Gegenstand nach bestanden die Gravierungen
der Patene vor allem in figürlichen Darstellungen, aber auch in Ranken- und
(24) DotlST d'Arcq 379. (25) Gesta episc. Neapol. pars 2 (M.G.SS. rer. Langob. 434).
FÜNFTES KAPITEL. AUSSTATTUNG. III. INSCHRIFTEN 229
Blattwerk sowie namentlich in Inschriften, für die insbesondere der Rand reich-
lichst einen sehr geeigneten Kaum bot. Figurenwerk hatte seinen Platz fast aus-
schließlich in der Vertiefung; auf dem Horizontalrand begegnet es uns nur aus-
nahmsweise, wie z. B. bei einer Patene zu Wusterhausen in Brandenburg, deren
Rand Rundmedaillons mit den Brustbildern der Apostel und den Evangelisten-
symbolen eingraviert sind, während die Vertiefung die sogenannte kleine Deesis,
den Wehrichter mit Maria und Johannes in Gravierung aufweist. (26) Seit dem
16. Jahrhundert verschwindet bald der gravierte und ziselierte Schmuck von
der Oberseite der Patene, ausgenommen das dem Rande eingravierte Kreuz-
chen, von dem früher die Rede war.
III. INSCHRIFTEN
Die Patene bot reichlich und passenden Platz für Inschriften. Es ist daher
bei der großen Vorliebe, welche das Mittelalter für die ornamental so wirk-
samen, inhaltlich aber so ansprechenden Zierinschriften hatte, unschwer be-
greiflich, daß man mit solchen auch die Patene ausstattete. Am häufigsten
umrahmen sie die in der Mitte der Vertiefung angebrachte Darstellung oder
schmücken sie, in einer oder zwei Reihen angeordnet, friesartig den Rand der
Patene, doch wurden sie auch wohl an der von der Vertiefung zum Rand füh-
renden Schräge angebracht, wie z. B. bei der niellierten Patene zu Tremessen
(Tafel 44), der goldenen Patene im Kloster Marienstern (Tafel 43) und der
Patene des Wiltener Henkelkelches (Tafel 44)- Ausgeführt wurden sie bis ins
späte i4- Jahrhundert in Kapitalen, dann aber immer mehr in Minuskeln.
Inhaltlich betrachtet lassen sich die Inschriften auf den Patenen gleich denen
an den mittelalterlichen Kelchen (27) in vier Gruppen scheiden. Die der ersten,
die zahlreichsten, sind ein Bekenntnis des Glaubens an die Wesenswandlung
des Brotes in den Leib Jesu Christi und an des Gottmenschen wahrhafte und
wirkliche Gegenwart unter den Gestalten des Brotes, weisen darauf, daß die
Eucharistiefeier die unblutige Wiederholung des Kreuzopfers ist und daß
Christus im heiligsten Sakrament für die, die es empfangen, eine übernatür-
liche, ewiges Leben spendende Seelenspeise ist, betonen aber auch, daß nur
denen die Gnadenfrüchte dieser Speise zuteil werden, die sie würdig empfan-
gen. Man kann sie, da sie die Eucharistie in der einen oder anderen Beziehung
zum Gegenstand haben, hier mehr dogmatisch, dort mehr paränetisch, eucha-
ristische Inschriften nennen.
Sinnvoll heißt es auf der Patene zu Buldern in Westfalen: fEst eibus hie verus Jhesu
caro, sanguis et unda. Sehr bestimmt lautet die Inschrift auf einer Patene zu Götene in
VestergöÜand: f Constat in altari carnem de pane creari — Iste eibus Dens est, qui negat
hoc reus est. Daß der Gottmensch in jeder Hostie ganz und ungeteilt zugegen sei, bringt der
Spruch zum Ausdruck, der auf der Marienseer Patene im Museum zu Nürnberg dem Rand
eingraviert ist: f En panis sacer et fidei laudabile munus — Omnibus omnis adest et suffi-
cät omnibus unus. Die Patene, die man in einem Bischofsgrab des i3. Jahrhunderts in der
Kathedrale von Canterbury antraf, wies als Inschrift die auch auf Porlatiiien des 12. Jahr-
(26) Kd. von Brandenburg, Kr. Ruppin, Tfl. 24. (27) Vgl. oben S. 166.
230 VASA SACRA. ERSTER ABSCHNITT. DIE PATENE
hunderte vorkommenden Verse Hiideberts von Le Mans auf: f Ära crucis, tumulique calix,
lapidisque patena — Sindonis officium Candida byssus habet. (28) Auf dem Rand der so-
genannten Bern wardspaten c im Dom zu Hildesheim liest man: -j- Est corpus in se, panis qui
frangitur m me — Vivet in aeternum, qui bene sumit eum (Tafel <i6); auf dem Rand der
Patene aus östra Ny im Historischen Museum zu Stockholm: f Hie editur Jhesus, remanet
tarnen integer esus — Qui male sumit cum, se seiet esse reum; auf der Schräge der Ver-
tiefung der Patene in St. Godehard zu Hildesheim: -j- Haec sacra sumpturus sit corpore
menteque purus — Ex hoc ne pereat, quo vite premia sperat. Den Abendmahlstisch in der
Vertiefung der Patene des Henkelkelches in St. Peter zu Salzburg umzieht die Inschrift:
•f Mors est indignis haec cena salusque benignis — Qui carnem nudam malus aeeipis, aspice
Judam, auf dem Rand dieser Patene aber heißt es: j Haec duodena cohors fit in hoc munere
Concors — Hie pia vita datur, tetra mors hoc pane fugatur — Pectore traetatur, quod visu
rite negatur — Est caro non panis, qua mens reparatur inanis. (29) Die Darstellung derMaje-
stas in der Vertiefung der Fritzlarer Patene umrahmt eine zweiteilige Inschrift, deren erster
Vers derselbe ist wie der erste Vers der Inschrift des Götenor Kelches; der zweite lautet
dagegen: Da Deus in rebus quod sumitur in speciebus (Tafel 43). Ernst ermahnt zum
Empfang des heiligsten Sakramentes die Inschrift der Patene aus Hätuna im Historischen
Museum zu Stockholm: f Ve qui conficitis; de palmitibus nisi sitis — De vera vite manan-
cia pocula vite, die Inschrift auf dem Rand der Patene zu Cividale aber beteuert: Non sities,
non esuries sine crimine sumens.
Die zweite Gruppe bilden die Inschriften, die dem Bildwerk der Patenen zur
Erklärung beigefügt sind. An späterer Stelle werden Beispiele derselben ange-
geführl werden.
Weitere sind die Inschrift auf dem Rand einer Patene zu Wyke (Hants) (30): f Cuncta
creo, virtute rego, pietate reformo, welche die in der Mitte der Vertiefung angebrachte Dar-
stellung des Gotteslammes deutet, die Beischrift des auf dem Regenbogen thronenden, die
Male der Hände zeigenden Weltrichters auf der Patene des Weifenschatzes: -f- Huc speetate,
viri, sie vos moriendo redemi, die dem Bilde des vor dem thronenden Erlöser knienden Stif-
ters auf der Oberseite der Klosterneuburger Patene beigegebene tieffrommc Umschrift:
j Aspice peccator, tuus hie residet miserator, sowie die die Darstellung der Krönung Ma-
rias auf der Unterseite der gleichen Patene umrahmende sinnvolle Inschrift: f Virgo, Dei
nata, coronaris et inviolata — Permanes et paris; miseros preeibus tuearis. Zu den erklä-
renden Inschriften gehören auch die Reischriften zu einzelnen Figuren, durch welche diese
kenntlich gemacht werden sollen, so die Namen Melchisedech, Abraham, Abel, Noe, die die
auf einigen Patenen des i3. Jahrhunderts angebrachten Bilder derselben begleiten, die Na-
men der Kardinaltugenden, welche die Halbfiguren der Kardinaltugenden auf der soge-
nannten Bernwardspatene im Welfensehatz näher kennzeichnen sollen, die den zur Hölle
wanderden Männern auf der Unterseite der Wiltener Patene beigegebene Inschrift Syn-
agoga, durch welche dieselben als die Juden, die in ihrer Verblendung das Heil in Christus
hartnäckig verschmähten, charakterisiert werden. Erläuternder Art sind auch die Inschrif-
ten: Congratulamini m(ccum) und Quia inveni ovem q(ue) m(ihi) p(erierat), welche in der
auf der Unterseite dieser Patene angebrachten Darstellung der Einführung der Gerechten
in den Himmel der Heiland und der die Auserwählten empfangende Engel in der Hand
halten, sowie die Inschriften: Quid quaeritis in sepulcro — Noli me längere — Viri Galilei
q(uia) und Sic veniet que(madmodum), welche auf ihrer Oberseite der Szene des Resuchs
der Frauen am Grabe, der Magdalenaszene und der Himmelfahrt Christi beigefügt sind.
Die dritte Gruppe umfaßt jene Inschriften, welche eine Bitte enthalten, wie
die mehrfach vorkommende, das Lamm Gottes umrahmende Umschrift: Agnus
Dei qui tollis peccata mundi, miserere nobis und die auf dem Rand einer an-
(28) De mysterio Missae (M. 171, 1194). (29) Braun, Meisterwerke II, TH. 60.
(30) Jackson I, 346.
FÜNFTES KAPITEL. AUSSTATTUNG. III. INSCHRIFTEN' 231
scheinend für einen Altar oder eine Kirche des heiligen Lupus gestiftete Patene
zu Kirfc Malew auf der Insel Man angebrachte Inschrift: Sancte Lupe, ora pro
nobis, eine Lobpreisung darstellen, wie die den Rand spätgotischer englischer
Patenen zu Cliffe at Hoo, zu Great Waltham sowie in St. Edmunds zu Salis-
bury umziehende Inschrift: -j- Benedicamus Patrera et Filium cum Spiritu
sancto, oder endlich eine Begrüßung bilden wie die dem Bild der Verkündigung
in der Mitte der Vertiefung entsprechende Inschrift der Patene in S. Panfilio
zu Solmona: Salve plena (gratia), mundi salus, mulierum vera laus; tecum erit
Dominus oder wie die Randinschrift einer Patene aus Orkesta im Historischen
Museum zu Stockholm: f Ave Maria, gratia plena, Dominus tecum, benedicta
tu. (31)
Die vierte Gruppe endlich setzt sich aus Stifterinschriften zusammen. Schon
in der Vita Leonis IV. (847—855) des Papstbuches ist von einem Kelch und
einer Patene mit dem Namen des Papstes als des Schenkgebers die Rede. (32)
Eine dem Ende des 12. Jahrhunderts entstammende Patene mit Stifterinschrift findet
sich in St. Peter zu Salzburg, j Gaudeat in vita Heinricus, Syrus et Ita, lesen wir auf ihrem
Rand. (33) Ein Beispiel aus der Mitte des i3. Jahrhunderts ist die goldene Patene im Zister-
zienserinnenkloster Marienstem, deren Stifterinschrift jedoch sich infolge ihrer Abkür-
zungen und Fehler leider nicht genügend entziffern läßt. Patenen mit Stifterinschrift aus
dem ilt. Jahrhundert gibt es in der Stadtkirche zu Ludwigslust, im Historischen Museum
zu Stockholm, im Stift Klosterne üb urg und im Nationalmuseum zu Kopenhagen. Die In-
schrift der Patene zu Ludwigslust lautet: f Ob Patris aeterni decus WIpho, natus Aberni —
Ys» pro Christina dedit hoc, cui sit medicina — Gratia larga Dei, statuens animam requiei,
aus der wir ersehen, daß die Patene samt zugehörigem Kelch von einem schwedischen Ade-
ligen, Ulpho, dem Sohn des Abjörn, zur Seelenruhe seiner verstorbenen Gattin Christina
gestiftet wurde. (34) Die aus Ekebyborna stammende Patene im Stockholmer Museum
trägt die Widmungsinschrift: Bero de Fugisvelde consors sua Ingrcdis fecerunt mc fieri in
honorem sancte ecclesie. (35) In der Stifterinschrift der um i33o angefertigten Patene zu
Klosterncuburg bittet der Stifter, Propst Stephan von Sierndorf, man möge, so oft man
die Patene gebrauche, seiner gedenken und für seine Seelenruhe beten: f Stephanus ut
detur requiei, quisque precetur —. coelestis cena cum sumiter isla patena. In der Inschrift
der Patene im Nationalmuseum zu Kopenhagen von i333 empfiehlt sich der Schenkgeber
in alle heiligen Opfer, die am Orte der Stiftung wie überhaupt für die Gläubigen darge-
bracht würden, damit sie ihm und allen, die in Liebe oder durch besondere Verpflichtungen
mit ihm verbunden seien, Lebenden wie Verstorbenen, wirksam gereichten zur Vergebung und
zum ewigen Heil. (36) Ein Beispiel einer Stifterinschrift aus dem i5. Jahrhundert bietet eine
Patene zu Großstorkwitz in Sachsen: Sebastianus Groben vicar(ius) epis(copalis) ecc(lesi)e
rners(burgensis) obtulit hu(n)c calicem s. Leonardo ao. D. MCCCCLVII. (37) Wenn in
ihr nur vom Kelch, nicht aber auch von der Patene die Rede ist, so hat das seinen Grund
darin, daß diese als ein keiner besonderen "Erwähnung bedürfendes Zubehör des Kelches
galt, was auf einer Patene im Trinity College zu Oxford durch die an sich nicht zur Patene,
sondern zum Kelche passende Inschrift: Calicem salutaris aeeipiam et nomen Domini in-
(31) Hldebrand III, 704. (32) Duch. L. P. II, 127.
(33) Österr. Kunsttopographie, Salzburg, St. Peter 46: Heinricus und Syrus waren ver-
mutlich Burgherren zu Burghausen, Ita deren Nichte. (34) Christina lebte noch 1237 (Kd.
von Mecklenburg-Schwerin III, 247). (35) Hildebrasd, III, 704.
(36) Hostia salutaris que hie et ubicumque pro fidelibus immolatur, R. Fratri Petro Reo-
neri et omnibus sibi iunetis amore seu debito speeiali tarn vivis quam mortuis prosit effi-
caciter ad veniam et salutem aeternam. Amen. 1333. Es berührt eigenartig, fromme Stiftun-
gen dieser Art, ihrem Zweck entfremdet, heute als Schaustück in einem Museum zu finden.
(37) Kd. von Sachsen XV, 61.
232 VASA SACRA. ERSTER ABSCHNITT. DIE PATENE
vocafao, mit der man sie versehen hat, zum Ausdruck gebracht wurde. (38) Die Stifter-
inschriften sind von großem Wert für die Datierung der Patent;, auf der sie sich finden.
Daß auch im Osten der Brauch, auf der Patene Inschriften anzubringen, nicht
unbekannt war, bekunden, um von den auf dem Rand mit Votivinschrif-
ten versehenen Schüsseln von Stüma und Riha sowie den drei in der Vertiefung
solche zeigenden Schüsseln der Sammlung Abukasem in Port Said abzusehen,
der mit Sechspaßvertiefung ausgestattete Diskos in S. Marco zu Venedig so-
wie der eine achtpaßförmige Vertiefung aufweisende Diskos im Dom zu
Halberstadt. Bei diesem lesen wir um das in Zellenschmelz ausgeführte Halbbild
Christi in der Mitte der Vertiefung die Worte: f Attests, «pi-jeTs, toDtq ^oü £011 ?ö
otüiia, bei jenem um die in dieser angebrachte, von den Figuren Marias und Jo-
hannes und den Halbfiguren der Erzengel Michael und Gabriel begleitete ge-
triebene Darstellung des Gekreuzigten die vollständigeren Einsetzungsworte:
f Aaßs-s, '.pa-fiTS, tq5?6 so-t to Ofö;j.ci ;aoo, tc. ü-sp üf«öv x/.u»|tsvov sk ätpsaiv &[ietptt&V.
Außerdem steht auf dem Halberstadter Diskos neben Maria: 18s o i(i)ö? oou und
neben Johannes: loouij [«j^p oou, <len beiden Erzengeln aber sowie den acht
Brustbildern heiliger Märtyrer auf dem Rand und den acht Brustbildern hei-
liger Bekenner auf der Schräge der Vertiefung des Diskos sind, um sie kennt-
lich zu machen, nach griechischem Brauch deren Namen beigefügt. Eine zweite
vielleicht auch als Diskos zu deutende Schüssel byzantinischer Herkunft im
Schatz von S. Marco, von der schon die Rede war, zeigt auf der Unterseite die
Stifterinschrift: ösoxoxs Mapjjat, J3gv;&7, ^ao^JXeT?. Wie man im Bereich des griechi-
schen Ritus die Inschrift ritsra xtX.gern an den Kelchen anbrachte, so die entspre-
chende Inschrift Aä^ots, (pauste auf dem Rand des Diskos. Noch drei Patenen
aus dem Ende des 17. und der Frühe des 18. Jahrhunderts in der Kathedrale
zu Moskau weisen sie in Kirchenslavisch auf dem Rande auf. (39)
selten angebracht. Die Zahl der Patenen mit Heiligenfiguren, die mir bekannt
geworden sind, ist gering. Auf einer Patene deutscher Herkunft in der ehemali-
gen Sammlung Basilewsky findet sich beispielsweise eine Halbfigur des heiligen
Trudpert, aus der wir vielleicht den Schluß ziehen dürfen, daß sie aus St. Trud-
pert in Baden stammt, (47) auf einer italienischen Patene derselben Sammlung
sah man die Stigmatisation des heiligen Franziskus. (48) Eine Patene zu Fel-
brigge in England zeigt ein Bild der heiligen Margareta in der Mitte der Ver-
tiefung, (49) eine Patene zu Styrestad in östergötland das Martyrium des hei-
ligen Laurentius. In einem Inventar von St. Stephan zu London von i466 ist
eine Patene mit einer Darstellung des Kirchenpatrons erwähnt. (50) Es sind
das ja sicher nicht die einzigen Patenen mit Bildern von Heiligen, die im späten
Mittelalter entstanden, jedenfalls aber sind deren damals nicht viele angefertigt
worden.
Von den Darstellungen, die uns auf den mit Bildwerk versehenen mittelalter-
lichen Patenen begegnen, sind die häufigsten die mit Kreuznimbus versehene
segnende Rechte Gottes, das Lamm Gottes und Bilder Christi. Sie bilden zu-
sammen zum wenigsten zwei Drittel derselben.
Die Rechte Gottes, eine symbolische Darstellung, die bis in die altchristliche
Zeit zurückreicht, sollte die göttliche Allmacht sinnbilden, durch die das Wun-
der der Wesenswandlung bei der Feier der Eucharistie gewirkt wird. Es ist die
Bedeutung, welche sie auch auf Tragaltären des 12. Jahrhunderts sowie auf
den Zicrplättchen der Pontifikalhandschuhe des 12. und i3. Jahrhunderts hat.
Sie kommt schon auf der Reisepatene aus dem Grab des Bischofs Osdag von
Hildesheim (f 989) vor. Häufig begegnet sie uns auf Patenen des 11., 12. und
i3. Jahrhunderts, wie z. B. auf zwei weiteren der in Hildesheimer Bischofs-
gräbern gefundenen Patenen, auf den Patenen zu Cividale, Guimaräes in Por-
tugal, Kalocsa in Ungarn, den Patenen aus Bischofsgräbern des i3. Jahrhun-
derts in den Kathedralen zu Worcester, Lincoln und Chichester, auf sieben der
im Inventar von St. Paul zu London von 12/45 aufgeführten Patenen, einer Pa-
tene aus Hemse im Historischen Museum zu Stockholm u. a. Im i4- und
i5. Jahrhundert erscheint sie minder oft auf den Patenen, doch gibt es selbst
noch Patenen aus dem späten i5. und dem 16. Jahrhundert, auf denen sie auf-
tritt, wie z. B. auf Patenen zu Knauthain und Plaußig in Sachsen, Herschdorf
und Stadtilm in Schwarzburg-Rudolstadt, einer Patene im Diözesanmuseum zu
Breslau u. a. Auch in den Inventaren aus dem ausgehenden Mittelalter und dem
frühen 16. Jahrhundert begegnen uns noch Patenen, welche die Darstellung
aufweisen, wie in einem Inventar der Kathedrale von Aix aus dem Jahre 1533 (51)
und einem Schatzverzeichnis des Münsters zu York von i5oo. (52) Sie nimmt
gewöhnlich die Mitte der Patene ein; auf dem Horizontalrand ist sie nur aus-
nahmsweise angeordnet, wie bei der Patene des Hugo von Oignies im Kloster der
Schwestern U. L. Frau zu Namur, bei der in der Mitte der Vertiefung eine Dar-
stellung der heiligsten Dreifaltigkeit in Gestalt des sogenannten Gnadenstuhles
(47) Roh. IV, 130; Tfl. 316. (48) A. Dabcel, La collection Basilewsky (Paris 1874)
n. 185. (49) Jackson I, 347. (50) Archaeologia L, 34. (51) Revue XXXIV (1884) 376.
(52) Raine 215.
FÜNFTES KAPITEL. AUSSTATTUNG. IV. BILDWERK 235
angebracht ist, und bei der Patene im Diözesanmuseum zu Breslau, der eben Er-
wähnung geschah. Bisweilen ist die Hand Gottes von der Umschrift Dextera Do-
mini begleitet, wie auf einer Patene zu Gividale und einer der Reisepatenen aus
den Hildesheimer Bischofsgräbern.
Eine der ältesten Patenen, auf denen uns die Darstellung des Lammes Gottes
begegnet, war die sogenannte Audomaruspatene zu St-Omer. (53) Im 12. Jahr-
hundert auf den Patenen noch selten — Beispiele bieten die zum Henkelkelch
in St. Peter zu Salzburg gehörende Patene sowie eine kleinere etwa gleichzeitige
Patene daselbst — wird sie erst seit dem i3. auf ihnen häufiger. Im i4. und
i5. Jahrhundert findet sie sich oft auf ihnen. Auf der Patene zu Imola er-
scheint das Lamm geschlachtet auf einem von einem Kreuz überragten Altar
liegend, sonst aber ist es stehend dargestellt mit Kreuz oder Kreuzesfahne, vor
ihm bisweilen ein Kelch, in den das Blut aus seiner Brust strömt. Die Symbolik
des Lammes liegt in dem einen wie in dem andern Falle zu Tage. Der Gott-
mensch Jesus Ghristus, der unter Brotesgestalt auf der Patene ruht, ist das
Lamm Gottes, das am Kreuz sich zur Sühne für die Sünden der Menschen zum
Opfer brachte, in seinem Blut die Menschen erlöste, über Sünde und Hölle
triumphierte und im eucharistischen Opfer unblutigerweise immer wieder das
am Kreuz dargebrachte Opfer erneuert. Diese Symbolik kommt denn auch in
den Inschriften zum Ausdruck, von denen die Darstellung des Lammes mehr-
fach begleitet wird.
So heißt es auf der Patene zu Imola in Deutung des auf ihr geschlachtet und auf einem
Altar liegend dargestellten Lammes: Quem plebs tunc cara crucis agnus fixit in ara — Ho-
sü'a fit gentis primi pro labe parcntis. (54) Agnus Dei panis vivus lautete die Inschrift,
welche das Lamm in der Mitte der nun verschollenen Weingartener Patene aus dem frühen
i3. Jahrhundert umzog; sie sollte zum Ausdruck bringen, daß das Lamm Gottes, das ist
Christus in dem auf der Patene ruhenden Sakrament, das übernatürliche Lebensbrot der
Gläubigen sei. Peccati morbis hoc agno solvit(ur) orbis lesen wir auf der Patene des Henkel-
kelchcs in St. Peter zu Salzburg, f Victima, quae vicit, Septem signacula solvit — Ut com-
niedas pascha, scandes cenacula celsa, auf der sogenannten Bern wardspaten e im Dom zu
Ilildesheim als Deutung des auf ihr dargestellten Lammes. Weist jene Inschrift auf die
Erlösung der Welt aus den Banden der Sünde als das Werk des auf der Patene gegenwär-
tigen Gottmenschen hin, so ist diese außerdem eine Einladung zum würdigen sakramen-
talen Genuß des eucharistischen Gotteslammes. Am häufigsten besteht die das Lamm be-
gleitende Inschrift in der dem Friedensgebet vor der Kommunion im Meßritus voraus-
gehenden Bitte: f Agnus Dei, qui tollis peccata mundi, miserere nobis. Ein bloßer Hinweis
ist die Beischrift zum Lamm auf einer Patene zu Chewton Mendip (Somerset): Ecce agnus
Dei Jesus. (55)
Zahlreicher und gewöhnlicher noch als die Rechte Gottes und das Lamm
Gottes ist auf den mittelalterlichen Patenen eine Darstellung der Person Christi.
Wir hören von ihr als Schmuck der Patene bereits in der Vita Sergii IL des
Papstbuches und in des Johannes Diakonus Gesta der Bischöfe von Neapel,
einer Schrift des 9. Jahrhunderts. (56) Der Formen, in denen sie auf den Pa-
tenen auftritt, sind vier.
(53) Vgl. oben S. 233. (54) Abb. bei Roh. IV, Tfl. 326. (55) Jacksos I, 153.
(56) Dich. L. P. II, 95 und oben S. 228.
236 VASA SACRA. ERSTER ABSCHNITT. DIE PATENE
In Büstenform ist Christus auf ihr erst in später Zeit wiedergegeben. Ein
frühes Beispiel findet sich erwähnt in dem Inventar von Westminster aus dem
Jahre i388, (57) häufiger wird diese Form der Darstellung Christi jedoch erst
auf Patenen aus der zweiten Hälfte des i5. und der Frühe des 16. Jahrhunderts.
Bemerkenswert ist, daß fast alle Patenen, auf denen sie uns begegnet, in Eng-
land sich finden und englischen Ursprunges sind. So gibt es Patenen dieser Art
zu Great Waltham (Essex), in St. Edmunds zu Salisbury, zu Hanworth und
Happisburgh (Norfolk), zu Nettlecombe (Somerset), im Trinity Colleg zu Ox-
ford, (58) im Viktoria-und-Albert-Museum zu London (59) u. a. In den eng-
lischen Inventaren wird die Darstellung als veronica oder vernaculum (englisch
vernakyl) bezeichnet. Ein vereinzeltes Beispiel einer schwedischen Patene mit
Chrisluskopf ist eine aus Hagby stammende Patene im Historischen Museum
zu Stockholm. Ersatz für eine Büste ist in der Mitte einer Patene zu Bishops
Sutton (Hants) und Walmer (Kent) der Name Jesu.
Als Halbfigur oder als stehende Ganzfigur kommt Christus schon auf Pa-
tenen des i3. Jahrhunderts vor. Wir werden sogar kaum fehlgehen, wenn wir
uns ihn auch bereits auf den Patenen Sergius' II. und des Bischofs Athanasius
von Neapel als in Halbfigur abgebildet vorstellen. Beispiele von Patenen, auf
denen Christus in Halbfigur erscheint, sind die goldene Patene zu Marienstern
und eine Patene der ehemaligen Sammlung Basilewsky, (60) ein anderes war
die Weingartener Patene; alle drei Schöpfungen des i3. Jahrhunderts. Bemer-
kenswert ist, daß bei ihnen die Halbfigur des Herrn nicht die Mitte der Patene
einnimmt bzw. einnahm, sondern den oberen Paß der inneren vierpaßförmigen
Vertiefung. In der Mitte der Vertiefung sehen wir sie auf einer Patene des
i/i. Jahrhunderts aus öfver Gran im Historischen Museum zu Stockholm, so-
wie auf einer Patene zu Caspe bei Saragossa aus dem Ende des i4- Jahrhun-
derts. Stehend als Ganzfigur in spitzovaler Umrahmung ist Christus auf einer
Patene des i4- Jahrhunderts zu Tempzin in Mecklenburg dargestellt. Im gan-
zen ist die Zahl der Patenen mit Christusbildcni des zweiten Typus nicht groß.
Sehr zahlreich sind die mittelalterlichen Patenen, auf denen Christus als
Herrscher thronend dargestellt ist. Ihn in dieser Form auf der Patene abzubil-
den, scheint erst im i3. Jahrhundert üblich geworden zu sein. Im i4- Jahr-
hundert als Schmuck der Patene ungemein beliebt, verliert sich die Darstellung
im i5. bald von derselben. Beispiele von Patenen mit dem Bilde des thronen-
den Christus aus dem i3. Jahrhundert sind die früher erwähnte Patene in der
Stiftskirche zu Fritzlar (Tafel 43), die sogenannte Bernwardspatene im Wei-
fenschatz, die Patene in St. Godehard zu Hildesheim (Titelbild), die von Her-
zog Konrad von Masovien gestiftete Patene zu Plock, die Patene in St. Aposteln
zu Köln, die zu Dolgelly in Wales gefundene Patene im englischen Kronschatz
(Tafel 44). Erwähnt werden solche Patenen im Inventar von St. Paul zu Lon-
don von 1245 (61) sowie im Inventar des Apostolischen Stuhles von i2p,5. (62)
Aus dem i4. Jahrhundert finden sich Beispiele in der Stiftskirche zu Guima-
(57) Archaeologia LH (1890) 231.
(58) Jackson I, 1331, 150, 347f. (59) Catalogue of chalices Tfl. 14, n.32; T«. 21, n. 39.
(60) Ron. IV, TfJ. 316. (61) Archaeologia L, 464. (62) Bibl. XI.II (1882), 646.
FÜNFTES KAPITEL. AUSSTATTUNG. IV. BILDWERK 237
räes in Portugal (Tafel 19), in der Pfarrkirche zu Longares bei Saragossa (Ta-
fel i3), im Historischen Museum zu Stockholm, im Nationalmuseum zu Kopen-
hagen, im Kunstgewerbemuseum zu Frankfurt a. M., zu Ludwigslust in Meck-
lenburg, in der Kathedrale zu Tortosa, zu Klosterneuburg, in der Abteikirche
Casa Mari bei Veroli u. a. Sie beweisen die Verbreitung, die das Motiv als
Schmuck der Patene im i4- Jahrhundert allenthalben gefunden hatte. Daß es
insbesondere auch in Frankreich diesem Zwecke diente, bekunden außer der
Patene im Nationalmuseum zu Kopenhagen (Tafel 45), die wie der zugehörige
Kelch ein Werk französischer Goldschmiedekunst ist, auch französische Inven-
tare des i4- und des beginnenden i5. Jahrhunderts wie das Inventar Karls V.
von 1379/80 und das des Herzogs Jean von Berry von i4oi/i4o3. Was die Dar-
stellung selbst anlangt, so thront Christus entweder auf einem Regenbogen oder
auf einem Thronsessel. Die erstere, die sogenannte Majestas, wie sie auch in
Inventaren genannt wird, ist die ältere und im i3. Jahrhundert vorherrschende.
Die zweite, jüngere, die vereinzelt schon im späteren i3. Jahrhundert vor-
kommt, wird dann jedoch im 14. Jahrhundert bevorzugt. Auf der Patene zu
Klosterneuburg kniet der Stifter, der Propst von Sierndorf, vor dem thronen-
den Christus. Ein Seitenstück zu ihr bildet eine Patene, von der im Inventar
des Herzogs von Berry die Rede ist. (63) Auf den Patenen in St. Aposteln zu
Köln und im Museum zu Kopenhagen (Tafel 45), der Dolgellypatene (Tafel 44)
und der sogenannten Bernwardspatene im Weifenschatz ist der thronende Er-
löser von den Evangelistensymbolen umgeben; bei den Patenen zu Fritzlar
(Tafel 43) und Tortosa sind diese auf dem Horizontalrand angebracht. Die
Füße Christi ruhen bei der Kölner Patene auf einem Drachen und einem Löwen.
Die vierte Form der Darstellung Christi auf mittelalterlichen Patenen zeigt
ihn als Weltrichter, auf Wolken, auf einem Regenbogen oder auf einem Throne
sitzend. Sie kommt nur auf wenigen Patenen vor. Auf einer Patene zu Wuster-
hausen knien fürbittend neben ihm Maria und Johannes der Täufer. Auf einer
Patene im Dom zu Mainz gesellen sich außerdem zu ihm Engel mit Posaunen,
die Über ihm schweben, und Auferstehende, die zu seinen Füßen sich aus den
Gräbern erheben (Tafel 45). Auf einer aus Engsö stammenden (Tafel 46) im
Museum zu Stockholm ist Christus als Weltrichter durch die Male der Wunden,
die seinen Körper bedecken, sowie dadurch, daß er die Wundmale der Hände
ze'Sl> gekennzeichnet. Auch in den Inventaren begegnen uns nur selten Patenen,
auf denen Christus als Weltrichter wiedergegeben war, wie z. B. im Inventar
Karls V. von Frankreich von 1379, im Inventar Karls VI. von i4»o, im Inven-
tar des Herzogs von Berry von i4oi/i4o3, in einem Inventar von N.-Dame zu
Paris von i483 und einem Inventar der Kathedrale von Aix aus der Frühe des
16. Jahrhunderts.
Begebenheiten aus dem Leben des Herrn begegnen uns nur auf wenigen Pa-
tenen. Die Verkündigung ist dargestellt auf einer Patene zu Solmona aus dem
Beginn des i5. Jahrhunderts, das Letzte Abendmahl auf der Patene des Hen-
kelkelches in St. Peter zu Salzburg; doch wies auch eine Patene in der Kathe-
drale zu Lincoln einem Inventar von i536 zufolge dasselbe auf. Die Aufer-
(63) Guiffrey II. 14.
238 VASA SACRA. ERSTER ABSCHNITT. DIE PATENE
stehung Christi ist auf einer Patene aus dem frühen i4- Jahrhundert zu Västra
Vingakcr in Schweden sowie auf einer Patene im Museum für religiöse Kunst
zu Coimbra von zirka i5oo wiedergegeben; auch im Inventar des Herzogs von
Berry ist von einer mit ihr verzierten Patene die Rede. Selbst die Darstellung
der Kreuzigung treffen wir nur auf wenigen der mittelalterlichen Patenen an,
wie z. B. auf der Unterseite der Patene im Stift Wilten, auf der niellierten Pa-
tene zu Tremessen aus dem Ende des 12. Jahrhunderts, auf einer Patene im
Besitz der Stadt Perugia (Tafel 3o), einer Patene zu Toledo (Tafel 19) und
einer Patene zu Randazzo auf Sizilien und nicht besser verhält es sich bezüglich
der Patenen, von denen wir in den Inventaren hören. Es sind nur ein paar In-
ventare, wie dasjenige von N.-Dame zu Paris von i343 (64) und das Karls V.
vom Jahre 1379, in denen wir von Patenen mit einem Bild der Kreuzigung
hören. Und doch wäre gerade eine Kreuzigungsdarstellung ein sehr passender,
weil dem Zweck und dem Charakter der Patene hervorragend entsprechender
Schmuck für dieselbe gewesen. Die Auferstehung war abgebildet auf einer Pa-
tene, die im Inventar des Herzogs von Berry von i4oi/iio3 erwähnt wird.
Eine Darstellung des Schmerzensmannes, begegnet uns auf der Patene im
Diözesanmuseum zu Breslau.
dech und Abraham dargestellt; auf einer Patene der ehemaligen Sammlung
Basilewsky in ähnlicher Anordnung Abel und Melchisedech. Auf der heute ver-
schollenen Weingartener Patene sah man in drei der vier Pässe der inneren
Vertiefung um das in der Mitte derselben angebrachte Bild des Gotteslammes
herum Abel, Melchisedech und Noe, letzteren mit Taube und Opfermesser.
Zahlreich sind die Typen auf dem Rand der niellierten Patene zu Tremessen
(Tafel 44), in deren Vertiefung der Gekreuzigte zwischen den Figuren der
Kirche und der Synagoge abgebildet ist. Sehen wir doch hier nicht bloß das
Opfer Abrahams, das Melchisedechs und die eherne Schlange, sondern auch
Jakob, im Traum die Himmelsleiter schauend, Moses, Wasser aus dem Felsen
schlagend, die Kundschafter mit der Traube, die Berufung Gedeons durch
einen Engel, die Verheißung der Empfängnis und Geburt Samsons sowie die
wunderbare Vermehrung des Mehles und des Öles der Witwe von Sarepta durch
Elias. Auf den Typuscharakter der Darstellungen weist die die Darstellungen
umsäumende Umschrift des Randes hin: y Clamant scripture quod signavere
figure — Sighis patratis iubar emicuit deitatis — Quae precesserunt Christi
typus illa fuerunt, die Bedeutung des Bildwerkes in der Vertiefung gibt die auf
deren Schräge angebrachte inhaltsreiche Inschrift an: f Vita subit letum, dul-
cedo potat acetum — Non homo sed vermis, armatum vincit inermis. (65)
Drei Patenen sind mir bekannt geworden, die als Zier aufweisen ein Bild der
heiligsten Dreifaltigkeit in Gestalt des sogenannten »Gnadenstuhles«, jener
eigenartigen, dem späteren Mittelalter so geläufigen Darstellung, bei welcher
die drei göttlichen Personen in Beziehung gesetzt erscheinen zu der durch den
menschgewordenen Sohn Gottes gewirkten Erlösung der Menschen. Gott Vater,
thronend, hält in den Händen das Kreuz, an dem der Gottmensch hängt; zwi-
schen dem Kopf des Vaters und des Sohnes aber schwebt der Heilige Geist. Gott
Vater hat in liebevollem Erbarmen mit dem dem Sündenverderben anheim-
gefallenen Menschengeschlecht seinen ewigen, ihm wesensgleichen Sohn in die
Welt gesandt und am Kreuz in den Tod hingegeben, um die Menschen dem
Verderben zu entreißen. Gott Sohn hat sich als Opferpriester auf dem Kreuzes-
altar zur Genugtuung für die Sünden der Welt dem himmlischen Vater als voll-
gültige Opfergabe dargebracht, ein Opfer, das er immerfort unblutigerweise
in der Messe zum Heil der Menschen erneuert. Der Heilige Geist endlich war
es, durch dessen Allmacht der Sohn Gottes die menschliche Natur annehmend
Mensch wurde; zugleich ist er es, den der Erlöser nach seinem Hinscheiden in
die Welt sandte, damit er die Menschen des ihnen durch das Kreuzopfer ver-
mittelten Heiles teilhaft mache. Es sind die Patene des Hugo von Oignies zu
Namur, eine Patene zuBoteä (Angermanland) in Schweden (65a) und eine spät-
gotische Patene zu Cliffe at Hoo (Kent) in England, doch mag es sich auch
nei dem Bild der heiligsten Dreifaltigkeit auf Patenen, die in einem Inventar
des Kings College zu Cambridge von i45a, (66) einem Inventar von St. Ste-
phan zu London von i466 (67) und in einem Inventar der Kathedrale von
, (65) Vgl. auch Kd. von Posen IV, 65. (65a) Johnny Roosval, Utstältningen af aldre
kyrklig konst i Hernösand 1912 (Stockholm 1914) 146. (66) The ecclesiologist XXI (1860) 5.
(67) Archaeologia L, 34.
240 VASA SACRA. ERSTER ABSCHNITT. DIE PATENE
York von etwa i5oo (68) erwähnt werden, um eine Darstellung des »Gnaden-
stuhls« handeln.
Der »Gnadenstuhl« ist im Grunde nicht sowohl eine Darstellung der Trinität,
als vielmehr eine Darstellung des Kreuzopfers Christi und als solche eine Chri-
stusdarstellung. Das gleiche gilt auch von der Darstellung Marias mit dem
Kind, die wir auf einigen Patenen antreffen, so auf einer Patene zu Vansö in
Schweden, einer Patene zu Gronau in Hannover, in der Petrikirche zu Nord-
hausen und im Diözesanmuseum zu Breslau. Denn das, was auf ihr vornehm-
lich und in erster Linie in Betracht kommt und was Grund war, sie auf der
Patene anzubringen, war nicht Maria, wenigstens nicht in erster Linie, sondern
das Jesuskind, das ist der Sohn Gottes, sofern er zum Heil der Menschen von
Maria Fleisch annahm. Die Krönung Maria ist wiedergegeben auf der Patene
des Propstes von Sierndorf zu Klosterneuburg, jedoch nicht auf der Oberseite,
sondern auf der Unterseite derselben. Auf der Oberseite findet sie sich auf
einer Patene aus Vesteräs im Historischen Museum zu Stockholm; auf der Un-
terseite entspricht ihr bei dieser eine Darstellung des Weltrichters. (69) Ein
Bild der Schmerzensmutter begegnet uns auf dem Rand der Patene im Diöze-
sanmuseum zu Breslau als Gegenstück zu dem Marias mit dem Jesuskinde.
Engel erscheinen, wenn dargestellt, auf den mittelalterlichen Patenen fast
nur als Neben- und Füllfiguren. So dienen sie als Füllung der Pässe der Ver-
tiefung auf der Marienseer Patene im Germanischen Museum zu Nürnberg und
der Patene des Henkelkelches in St. Peter zu Salzburg. In der Vertiefung der
sogenannten Bernwardspatene im Dom zu Hildesheim sind inzensierende Engel
angebracht im Raum zwischen den Medaillons mit den Evangelistensymbolen,
die dort das Lamm in der Mitte umgeben. Auf der Patene in der Kathedrale zu
Torlosa füllen Engel die mondsichelförmigen Felder, welche die Mandorla mit
dem thronenden Christus in der Mitte der Vertiefung zu einem vollen Kreis er-
gänzen. Selbständige Figuren sind im Kreis der übrigen neben ihnen sich fin-
denden Darstellungen zwei Engel mit Geißelsäule und Dornenkrone auf dem
Rand der Patene im Diözesanmuseum zu Breslau sowie namentlich die in
durchsichtigem Reliefemail ausgeführten Halbfiguren musizierender Engel auf
der Prachtpatene in der Marienkirche zu Lübeck (Tafel 45). Von einer mit En-
gelbildern geschmückten Patene hören wir schon in des Johannes Diakonus
Gesta der Bischöfe von Neapel. (70) Eine häufige Erscheinung waren Engel-
figuren auf den mittelalterlichen Patenen nicht gerade.
Das Apostelkollegium zeigt von allen noch vorhandenen mittelalterlichen Pa-
tenen, wenn wir von der Darstellung des Letzten Abendmahles auf der Patene
in St. Peter zu Salzburg absehen, soweit mir bekannt ist, allein eine Patene
zu Wusterhausen in Brandenburg. In Büstenform auf dem Horizontalrand an-
gebracht und zu je drei durch eines der Evangeliensymbole voneinander ge-
schieden, bilden sie eine Ergänzung der der Vertiefung eingravierten Figur des
Weltrichters, erscheinen sie als dessen Beisitzer im Gericht, wie die neben ihm
knienden Maria und Johannes als Fürbitter in demselben. Eine Patene ähn-
licher Art mag die Patene gewesen sein, die im Inventar Karls V. von 1879 mit
den Worten beschrieben wird: La patenelle est esmaillee de plusieurs histoires
de Dieu, de Nostre Dame, des appostres et des evangelistes. (71)
Häufiger, wenngleich keineswegs gerade oft, finden sich auf Patenen die
Evangelistensymbole, hier wie bei der Patene in St. Aposteln zu Köln, der so-
genannten Bernwardspatene im Dom zu Hildesheim (Tafel 46), der sogenann-
ten Bernwardspatene im Weifenschatz, der Patene französischer Herkunft im
Nationalmuseum zu Kopenhagen (Tafel 45) und einer Patene zu Iber in Han-
nover in der Vertiefung, anderswo, wie bei der schon genannten Patene zu
Wusterhausen, der Patene zu Fritzlar (Tafel 43) und der Patene in der Kathe-
drale zu Tortosa auf dem Rand. Auf einer in dem Inventar der Kathedrale von
Lincoln aus dem Jahre i536 verzeichneten Patene umgaben sie das Lamm
Gottes, auf einer Patene im Inventar des Herzogs von Berry von i4oi/i4o5 den
Wellrichter. In allen diesen Fällen aber bilden sie eine Ergänzung der in der
Vertiefung angebrachten Darstellung des Gotteslammes, des thronenden Chri-
stus oder des Weltrichters. Die vier Evangelisten selbst sehen wir zusammen
mit der Rechten Gottes, zwei Engeln mit Leidenswerkzeugen, der Halbfigur des
Schmerzensmannes, den Bildern der thronenden Gottesmutter, der Schmerzens-
mutter uud des heiligen Johannes ebenfalls auf einem Thron sitzend darge-
stellt auf der schon erwähnten Patene von etwa i45o im Diözesanmuseum zu
Breslau.
Allegorische Darstellungen habe ich bloß auf zwei der mittelalterlichen Pa-
tenen, die sich erhalten haben, festgestellt, auf der nieliierten Patene zu Tre-
messen die Gestalten der Kirche und der Synagoge als Ergänzung des Bildes
des Gekreuzigten, auf der sogenannten Bernwardspatene im Weifenschatz die
Brustbilder der durch Beischriften als solche gekennzeichneten Kardinal-
tagenden.
Stifterbilder finden sich, um auch sie noch zu erwähnen, auf der Patene zu
Plock, der Patene in St. Peter zu Nordhausen und der Klosterneuburger Patene
des Propstes von Sierndorf. Ein anderes Beispiel wird im Inventar des Her-
zogs von Berry genannt. Auf der Patene zu Plock sind sie, als Dux Conradus,
Sofia, Semovitus und Hazimirus bezeichnet, in vier der sechs Pässe der Vertie-
fung angebracht. Auf der Patene zu Nordhausen knien Stifter und Stifterin,
ein Spruchband in der Hand mit der Bitte: Unser beider begere — 0 Maria uns
gewere beiderseits von der thronenden Gottesmutter mit dem Kinde. Die Pa-
tene zu Klosterneuburg zeigt den Stifter kniend vor dem thronenden Erlöser.
Auf der im Inventar des Herzogs von Berry erwähnten Patene war der Herzog
auf den Knien vor Christus dargestellt. (72)
Stifterwappen hat man erst seit dem späten i/[. Jahrhundert auf Patenen an-
gebracht. Sie erhielten ihren Platz bald auf dem Rand der Oberseite, bald, und
zwar gewöhnlicher, auf der Unterseite der Patene. Frühe Beispiele werden im
Inventar des Herzogs von Berry von i4oi erwähnt. So hören wir in ihm von
(71) Labarte n. 972. (72) Gliffrev II. 14. n. 42.
BRAIJN, das CHRISTLICHE ALTARGERAT H»
VASA SACRA. ERSTER ABSCHNITT. DIE PATENE
ner Palenc, unter der die Wappen des Herzogs angebracht waren, sowie von
ner zweiten, die auf der Unterseite das Wappen Urbans VI. zeigte. (73) In
inem Inventar der Kapelle des Kings College zu Cambridge von i45a ist
von einer Patene die Rede, die auf der Unterseite die Wappen Heinrichs VI.,
des Gründers des Kollegs, aufwies. (74) Auf dem Rand der Oberseite fanden
sich beispielsweise Wappen dargestellt auf einer weiteren im Inventar des Her-
zogs von Rerry aufgeführten Patene. (75) Auf der Patene zu Vansö in Schwe-
den sind die Stifterwappen in der Vertiefung der Oberseite beiderseits von dem
Bilde der Gottesmutter mit dem Kind angeordnet. Häufig waren Wappen auf
der Ober- oder Unterseite der Patene nie.
Über das Bildwerk, mit dem man in den Riten des Ostens die Patene
schmückte, sind wir so gut wie nicht unterrichtet. Daß man schon in altchrist-
licher Zeit solches auf ihr anbrachte, bekundet ein von TheodosiusII. (4o8 bis
45o) gestifteter, mit einer Darstellung des Letzten Abendmahles verzierter Dis-
kos, von dem in einem Schreiben der Patriarchen von Alexandrien, Antiochien
und Jerusalem an Kaiser Theophilus die Rede ist. (76) Ein Brustbild Christi
weist der dem n. oder 12. Jahrhundert entstammende Diskos im Schatz von
S. Marco auf, (77) das Bild des Gekreuzigten zwischen Maria und Johannes so-
wie zahlreiche Brustbilder heiliger Märtyrer und Bekenner der Diskos im Dom
zu Halberstadt. Eine eigenartige Darstellung weisen Disken des russisch-grie-
chischen Ritus in ihrer Vertiefung auf: das Jesuskind zwischen zwei Engeln
mit Rhipidion in einem eine Krippe versinnbildenden Behälter, über dem ein
Asteriskos angebracht ist, liegend, wie z. B. ein Diskos aus Gold von 1680
in der Kathedrale zu Moskau. (78) In der Vertiefung einer andern Patene in
derselben Kathedrale ist Maria mit dem Jesuskind vor der Brust abgebildet.
SECHSTES KAPITEL
(73) Guiffhey II, 7, n. 13 17. (74) The ecelesiologist XXI {1860) 5. (75) Eb& I, 59,
n. 420. (76) Mg. 95, 381. (77) Vgl. oben S. 227. (78) Abb. in Antiquites de l'empire de
Russie I, TU. 66. Vgl. auch eine bei Roh. IV 135 abgebildete Patene.
(1) M. 71. 1147. (2) Vita s. Desiderü, ep. Cadurc. c.9 (M. 87, 229). (3> M. 65, 971.
SECHSTES KAPITEL. DIE TURRIS DES GALLIKANISCHEN RITUS 243
Behälter aus Holz, die mit lauterem Gold bekleidet waren, gemacht, von denen
sich noch einige erhalten hätten, (4) in seiner Schrift De gloria martyrum aber
erzählt er von einem Wunder, das sich ereignete, als ein unwürdiger Diakon
nach Beendigung der Lesungen in der Messe die turris, in qua mysterium domi-
nici corporis habebatur, zum Altare bringen wollte. (5) In der Expositio missae
gallicanae heißt es bei Deutung der im gallikanischen Ritus üblichen, auf die
Schriftlesung folgenden feierlichen Einbringung der Opfergaben: Corpus vero
Domini ideo defertur in turribus, quia monumentum Domini in similitudinem
turris fuit scissum in petra. Von Flodoard hören wir, es habe Bischof Lando
von Reims (f ca. 648) eine turris aurea, die er infolge eines Gelübdes habe an-
fertigen lassen, zugleich mit drei Patenen und einem brachiale auf den Altar
seiner Kathedrale gesetzt, das ist derselben durch Aufstellen auf den Altar ge-
stiftet. Von Venantius Fortunatus haben wir ein Gedicht auf eine kostbare tur-
ris, die Bischof Felix von Bourges (-J- um 5^5) hatte herstellen lassen. (6) Erz-
bischof Hugo von Rouen schenkte dem Kloster Fontanelle außer einem Kelch
und einer Patene aus Gold und einem goldenen Reliquiar auch eine turricula
aurea im Gewicht von 6 1. (=■ ca. 2 kg), wie die Gesta abbatum Fontanellensium
erzählen. (7) Über die Verwendung der turris gibt uns Aufschluß ein dem
Capitulare ecclesiastici ordinis, einer römischen Gottesdienstordnung aus dem
Ende des 7. oder dem frühen 8. Jahrhundert, eingefügter Abschnitt aus einem
gallikanischen Meßordo. (8) Daß sie als vas sacrum galt, erhellt daraus, ,daß
sie wie Kelch und Patene vor ihrer Ingebrauchnahme gesegnet wurde und zwar
mittels des gleichen im Sakramentar von Bobbio (7. Jahrh.) sich findenden
Gebetsformulars. (9)
Das Testament des Aredius, die Vita des Bischofs Desiderius von Cahors, das
Testament des heiligen Remigius, der Bericht der Historia Francorum betreffs
der von Bischof Leo gemachten turres, Flodoards Erzählung von der turris
aurea, die Bischof Lando für seine Kathedrale anfertigen ließ, sowie die An-
gabe der Gesta der Äbte von Fontanelle sagen uns nichts über den Zweck und
die Bestimmung dieser turres. Es ergibt sich aus ihnen nur, daß sie zu dem
liturgischen Gerät zählten. Aus der Erzählung der Schrift Gregors von Tours
De gloria martyrum und der Deutung, welche die Expositio missae gallicanae
von der feierlichen Einbringung der Opfergaben gibt, hat man gefolgert, es
habe auch im gallikanischen Ritus der für Rom im ersten der römischen Ordi-
nes Mabillons, aber auch nur in diesem bezeugte Brauch bestanden, im Ponti-
fikalamt außer einer Partikel der neukonsekrierten Hostie auch eine solche
einer früher konsekrierten vor der Kommunion in das heilige Blut herabzulas-
sen und deshalb diese letztere vor der Opferung in einer turris zum Altar zu
bringen. Es seien die turres demnach Behälter zur Aufbewahrung der Eucha-
(■*) L. 10, c. 31 (M. 71, 569). (5) L. 1, c. 86 <M. 71, 781). (6) Carm. 1. 3, n.25 (M. 88,
144): Quam bene iuncta decent, sacrati ufc corporis agni — Margaritum ingens aurea
arme, ferant. — Cedant chryaolithis Salomonia vasa metallis — Ista placere magis ars
facit et fides. (7) C. 8 (M.G.SS. II 281). (8) Abgedruckt zuerst bei Gerbert, Monu-
menta vet. Jiturg. aleman. II (St. Blasien 1779) 173 und neuerdings bei Carlo Silva-Tarouca,
Giovanni archicantor di e Pietro a Roma e l'ordo romanus da lui eomposto (anno 680) in
A«i della Pontificia Accademia Romana di archeologia, Memorie II 1 (Roma 1923) 206.
(9) Bbadshaw Soc., The Bobbio missal (London 1920) 169.
244 VASA SACRA. ERSTER ABSCHNITT. DIE PATEN-E
ristie gewesen. Das gleiche hat man aus dem Gedicht des Venantius Fortunatus
auf die kostbare turris, die Bischof Felix hatte machen lassen, geschlossen.
Die Auffassung, welche in der turris des gallikanischen Ritus einen Behälter
für die Eucharistie sieht, könnte angesichts dessen, was wir über sie in Gregors
von Tours Schrift De gloria martyrum, in der Erklärung der gallikanischen
Messe und bei Venantius Fortunatus vernehmen, aufs beste begründet erschei-
nen, nichtsdestoweniger ist sie nicht zutreffend. Das erhellt aus dem dem Capi-
tulare ecclesiastici ordinis eingefügten Abschnitt aus dem gallikanischen Meß-
ordo, der in aller Ausführlichkeit die feierliche Einbringung der zu konsekrie-
renden Opfergaben zum Altar behandelt, eine dem gallikanischen Ritus eigene
Zeremonie, die dem römischen Ritus völlig fremd war, ein Gegenstück aber in
dem »Großen Einzug« der griechischen Meßliturgie hatte, und mit aller wün-
schenswerten, jeden Zweifel ausschließenden Bestimmtheit bekundet, daß bei
diesem feierlichen Zug von der Sakristei zum Altar in der turris nicht das Aller-
heiligste zu diesem hingebracht wurde, sondern das bei der Wandlung zu kon-
sekrierende Brot.
Cum debent offere, habent in sacrario, heißt es dort in der Schilderung der den Lesungen
sich anschließenden Einbringung der Opfergaben zum Altar, wie sie uns in sehr mangel-
haftem Latein in jenem Abschnitt geboten wird, praeparatas oblationes in turres (res aut
daas vel una, aut si larres non habent, patena ipsa praeparata, ubi corpus Domini frangere
debent (nämlich bei der der Kommunion vorausgehenden Brechung der konsekrierten Ho-
stien). Egrediuntur de sacerdotibus, qui cumstant altare, unus aut duo vel quanti necesse
fuerint cum diaconibus, ingrediuntur sacrario et accepit sacerdos in manibus suis turrem
vel patena cum oblationes, similiter diaconus calicem et elevant eos contra capita sua...
ingrediuntur sacerdotes cum ipsas turres vel patena seu et calicis et vadunt ante altare...
cum ipsas oblationes transeunt prae (= post) altare (10) et vertunt se ad altare et elevatis
manibus contra capita sua tenentes, ipsas patenas vel calices . . . Tunc vadit ille sacerdos qui
missas celebrat, ante altare... et tunc ille sacerdos, qui prae (= post) altare tenet ipsam
turrem vel patenam cum oblatione, porrigit ad illum sacerdotem; ille vero extensas manus
super altare accepit ea et ponit ipsam oblationem m altare, illam vero turrem vel patenam
reddit et reportat ea in sacrario usque dum ad confrangendum veniat. Similiter et dia-
conus qui cum calice prae (= post) altare stare videtur, extendit manus suas ad sacerdotem
et dat ei calicem; ille vero ponit ipsum super altare de dextera parte iuxta oblationem ad
consecrandam.
Eines Kommentares bedarf der hier geschilderte Ritus der Einbringung der
Opfergaben vor der Opferung kaum. Davon, daß man die in einer früheren
Messe konsekrierte Eucharistie bei dem feierlichen, von Gesang begleiteten Zug
aus dem Sakrarium, der Sakristei, zum Altar gebracht hätte, ist in der eingehen-
den Beschreibung der Zeremonie mit keinem einzigen Wort die Rede. Zum Al-
tare getragen wurden bei ihm lediglich die Opfergaben, Brot und Wein. Hinge-
bracht wurde das zu konsekrierende Opferbrot in einer, in zwei oder drei turres,
je nachdem die Zahl der Kommunizierenden geringer oder größer war und
(10) Daß prae hier den Sinn von hinter hat, geht aus verschiedenen Stellen des Capi-
tulare ecclesiastici ordinis unzweideutig hervor, so wo gesagt wird, die Einbringung der
Opfergaben erfolge prae antephona vel Kyrie eleison, prae lectionem Apostoli aut profetc...
atque evangelium (Memorie II 1, 205) oder wo es heißt, in einem Kloster bringe zuerst der
Abt oder sein Stellvertreter die Opfergaben dar und dann nach ihnen die gewöhnlichen
Gläubigen (et prae ipsis devoti et bonl christiani [ebd. 206]).
SECHSTES KAPITEL. DIE TURMS DES GALLIKANISCHEN RITUS 245
demgemäß weniger oder mehr Hostien zum Altar gebracht werden mußten. Die
turris war das zu diesem Zweck für gewöhnlich dienende Gefäß. Nur wo keine
turris vorhanden war, bediente man sich zur Einbringung des Opferbrotes der
Patene, auf der vor der Kommunion die konsekrierten Hostien zur Ausspen-
dung an die Gläubigen gebrochen wurden. Die turris wurde hierzu nicht ver-
wendet. Waren die Opfergaben zum Altare gebracht, so trug man die turres
bzw. die Patene in das Sakrarium zurück, von wo dann vor der Kommunion die
Patene, nicht die turris, herbeigeholt wurde, damit die zur Ausspendung be-
stimmten Hostien auf ihr gebrochen und von ihr ausgeteilt würden.
Unter dem mysterium corporis Christi bei Gregor von Tours und dem corpus
Domini ist nach dem Gesagten also nicht die Eucharistie, nicht eine konse-
krierte Hostie zu verstehen, sondern das erst noch zu konsekrierende Opfer-
brot, das aber, weil zur Konsekration bestimmt, proleptisch als mysterium cor-
poris dominici und als corpus Domini bezeichnet wird, ähnlich wie in dem den
Großen Einzug des griechischen Ritus begleitenden Cherubhymnus die Opfer-
gaben bereits t4 ä?ia genannt werden, (11) und darum weiterhin die turris
des gallikanischen Meliritus lediglich als liturgisches, nicht aber als eucharisti-
sehes Gerät im engeren Sinn, als Behälter für die konsekrierten Hostien, zu
deuten. Das gilt auch von der turris des Bischofs Felix von Bourges, wenn man
die dichterisch gefärbten Worte, mit denen Venantius Fortunatus von derselben
spricht, im nüchternen Lichte des Gapitularc ecclesiastici ordiois betrachtet.
Denn dann wird man auch seine Wendung sacrati corporis agni margaritum
ingens im gleichen Sinne wie das mysterium corporis dominici Gregors von
lours und das corpus Domini der Expositio missae gallicanae, das ist prolep-
tisch aufzufassen und auch in ihr lediglich eine turris, in der das zur Konse1-
kration bestimmte Opferbrot zum Altar gebracht wurde, zu sehen haben.
Der römische Ritus hat ein Gegenstück zur gallikanischen turris nicht gekannt. Wohl
hören wir in dem älteren Teil des Papstbuches einigemal von einer turris. So verzeichnet
dieses unter den Gaben, mit denen Konstantin der Peterskirche bedachte, auch eine patona
aurea cum turrem ex auro purrissimo cum columbam pens. 1. 3o, unter dem Gerät, mit dem
Innozenz I. (ftoi—ii-j) die Basilika des heiligen Gervasius ausstattete, eine turris argentea
cum patenam et columbam deauratam pens. 1.3o, unter den Geschenken des Papstes Hila-
nis(46i—i[68) fürdasLateranensischeBaptisterium eine turris argentea cum delfinos pens.
1.6o sowie eine Columba aorea pens. 1. a, für die Laurentiusbasilika turrem argenteam cum
delfinos pens. 1. 23. (12) Eine turris von der Art der gallikanischen turris war keine der
genannten. Die 6o 1. schwere turris, die Hilarus für das Baptisterium der Laterankirche und
die 2Öi. schwere, die er für die Laurentiusbasilika stiftete, waren turmartig gestaltete
Leuchter. Die delphini, das sind die armförmigen Lampenhalter in Form von Delphinen,
mit denen sie versehen waren, lassen daran keinen Zweifel. Ein Turmleuchter war auch
wohl die turris, die Innozenz I. der Basilika des heiligen Gervasius spendete, nur war sie
- (11) So auch schon Duchesse in Origines du culte chretien (Paris 1903) 204; vgl. 205,
Note 1, wo er Krusch vorwirft, zu Unrecht den Gebrauch der turris mit dem der capsa, in
«er man nach römischem Brauch früher konsekrierte Hostien zum Altar brachte (Ordo 1,
£•11 [M. 78, 943]), identifiziert zu haben. Die seine Auffassung voll bestätigende Beschrei-
bung der feierlichen Einführung der Opfergaben im gallikanischen Ritus, wie sie sich in dem
Einschiebsel des Capitulare ecclesiastici ordinis erhalten hat, hat er nicht gekannt; um so
bemerkenswerter ist daher seine Deutung des mysterium dominici corporis bei Gregor von
iours und des corpus Domini in der Erklärung der gallikanischen Messe.
(12) Duch. L. P. I, 176, 220, 243, 244.
246 VASA SACRA. ERSTER ABSCHMTT. DIE PATENE
statt mit Lampenhaltern in Armform mit einer Lampenschüssel ausgerüstet. Daß wir alle
drei uns als Leuchter zu denken haben, erhellt auch aus dem Umstand, daß sie im Papst-
buch zusammen mit Lampen und Leuchtern, zum Teil in unmittelbarem Anschluß an sie, auf-
geführt werden. Unklar ist, was die turris aurea bedeutet, die in der Vita Silvestri als Gabe
Konstantins für die Petersbasilika aufgeführt wird, doch haben wir auch bei ihr wohl am
ehesten an einen Turmleuchter von der Art des von Innozenz I. der Basilika des heiligen
Gervasius geschenkten zu denken. Ganz unwahrscheinlich, ran nicht zu sagen unzutreffend,
ist es, sie als eucharistisch, d. i. als Behälter zur Aufbewahrung der Eucharistie zu deuten. (13)
i Silvesters I.
ZWEITER ABSCHNITT
VORBEMERKUNG
T)EZÜGLICH der Ausspendung des heiligen Blutes an die Gläubigen und die
-L'Weise des Genusses desselben durch diese, Klerus wie Laien, bildete sich im
Lauf der Zeit im Abendlande eine dreifache Übung aus. Die älteste und ur-
sprüngliche bestand darin, daß man ihnen den Kelch mit dem heiligen Blut zum
Trinken darreichte, daß sie also, wie es der zelebrierende Priester zu tun pflegte,
dasselbe unmittelbar aus dem Kelch genossen. Dieser war entweder der Kelch,
in dem das heilige Blut konsekriert worden war, der Konsekrationskelch, oder
aber ein zum Austeilen desselben dienender besonderer Kelch, ein Kommunion-
oder Spendekelch, in älterer Zeit, aber auch nur in dieser, zu Rom und zwar
bloß hier, calix ministerialis genannt. (1) Wenn die Zahl der Kommunizieren-
den gering war, wird man sich des Konsekrationskelches bedient haben, war sie
erheblich, eines oder auch wohl mehrerer Kommunionkelche, je nachdem die
Umstände den Gebrauch mehrerer wünschenswert oder gar notwendig erschei-
nen ließen.
Indessen war es nicht ohne Bedenken, das heilige Blut an die Gläubigen un-
mittelbar aus dem Kelch auszuspenden, weil damit sehr leicht die Gefahr ver-
bunden war, etwas von dem heiligen Inhalt des Kelches zu verschütten; eine
Gefahr, der man selbst bei Anwendung aller Vorsicht und Sorgfalt nicht immer
ganz vorbeugen konnte. Infolgedessen bildete sich schon zu guter Zeit der
Brauch aus, den Gläubigen statt des Kelches eine Partikel einer konsekrierten
Hostie zu reichen, die man vor dem Austeilen in das im Kelch befindliche hei-
lige Blut ein wenig eingetaucht und auf diese Weise mit ihm getränkt hatte.
Römischen Ursprunges war er nicht. Weder in späterer, noch in älterer Zeit ist
er zu Rom nachweisbar. Paschalis II. (1099—1118) verwirft ihn sogar aus-
drücklich in einem Schreiben an Pontius, den Abt von Cluny, (2) wo er nach
den Consuetudines Cluniacenses des Mönches Ulrich bestand, (3) während die
unter dem Vorsitz Urbans II. iog5 abgehaltene Synode von Clermont das Ein-
tauchen nur gestattet per necessitatem et per cautelam, das ist wenn eine andere
Weise unter beiden Gestalten zu kommunizieren nicht möglich oder nur mit
Gefahr einer Verunehrung des heiligsten Sakramentes verbunden war. (4)
Die früheste Erwähnung findet der Brauch in c. 2 der 3. Synode von Braga
aus dem Jahre 675. Sie habe gehört, so bemerkt diese, daß man den Leib des
Herrn den Gläubigen bei der Kommunion eingetaucht (in das heilige Blut näm-
lich) reiche. Allein das entspreche nicht dem Bericht des Evangeliums, demzu-
folge der Herr bei Einsetzung des Sakramentes seines Leibes und Blutes, Brot
U) Vgl. oben S. 25. (2) H. VI, 1796.
(3) L. 2 c. 30: Quotquot autem ipsum corpus sacrum dederit, singulis sangtun e prius
"•tingit. (M. 149, 721.) (4) C. 28 (H. VI, 1719).
248 VASA SACRA. ZWEITER ABSCHNITT. DAS EVCHAR. SAUGRÖHRCHEN
und Wein getrennt von einander dargeboten habe. Nur dem Judas habe er den
Bissen eingetaucht gegeben und zwar, um ihn dadurch als Verräter zu kenn-
zeichnen, nicht um damit die Einsetzung des Sakramentes anzudeuten. (5) Si-
cher bestand demnach der Brauch wenigstens schon um das letzte Viertel des
7. Jahrhunderts, wenn auch wohl nur erst als eine Neuerung, die noch keine
große Verbreitung gefunden hatte. Eine Unterdrückung desselben hatte der
Kanon nicht zur Folge, er konnte sie nicht einmal bewirken, weil er nur parti-
kularrechtlichen Charakter hatte. Allgemein in Übung kam der Brauch nie,
doch dürfte er sich immerhin an manchen Orten eingebürgert haben. Nach
einem als Bestimmung einer Synode von Tours von Regino in seine Kanones-
sammlung aufgenommenen Kanon sollte sogar die konsekrierte Hostie, die für
etwaige Versehgänge vorrätig gehalten werden mußte, in das heilige Blut ein-
getaucht sein, damit der Priester in aller Wahrheit sagen könne: «Der Leib und
das Blut unseres Herrn Jesus Christus gereiche dir zur Vergebung der Sünden
und zum ewigen Leben.- Selbst dem Subdiakon, also nicht bloß den Gläubigen,
soll der Bischof nach dem Sakramentar von Corbie im feierlichen Amt die
Kommunion reichen in Gestalt des sacrificium mistum, d. i. eingetaucht in das
heilige Blut. Unter getrennten Gestalten sollten nur die Priester und Diakone
sie empfangen. (5a)
Um den Brauch zu begründen, bemerkt Bischof Ernulf von Rochester, dem-
zufolge er in keinem Widerstreit stand mit Christi Worten: Hoc facite in meam
commemorationem, er sei eingeführt worden aus Ehrfurcht vor dem allerhei-
ligsten Sakrament, um einem Verschütten des heiligen Blutes vorzubeugen und
um es dem Priester zu ermöglichen, ohne Gefahr das heilige Sakrament zu
spenden. (6) Ähnlich heißt es zu seiner Verteidigung in einer Handschrift der
Consuetudines Cluniacenses, man reiche bei der Kommunion eine in das heilige
Blut eingetauchte Hostie, wiewohl das gegen die Gepflogenheit anderer Kir-
chen sei, weil manche, zumal die Novizen, so ungeschickt seien, daß ein gele-
gentliches Verschütten des heiligen Blutes kaum vermieden werden könne, wenn
die Kommunion unter beiden Gestalten getrennt gespendet werde. (7) Auch
Johannes von Avranches (f 1079) hält in seiner Meßerklärung die Praxis, den
Gläubigen den Leib des Herrn eingetaucht in das heilige Blut zu reichen, für
statthaft, um einer Gefahr, das letztere zu verschütten, vorzubeugen. (8) Die
Verurteilung des Brauches durch die Synode von Clermont, partikuläre Verbote
desselben, wie das Paschalis'IL und der Synode von Westminster von 117»,
sowie seine Ablehnung durch einflußreiche Liturgiker, wie den Verfasser des
Micrologus und Innozenz III., brachten ihn im 12. Jahrhundert zum Aussterben
oder beschränkten ihn doch auf die Notfälle.
Die dritte Weise des Empfanges des heiligen Blutes bestand darin, daß man
dieses zwar getrennt von der heiligen Hostie aus dem Kelch genoß, aber nicht
(5) H. IH, 1033. (5a) Regln. De eccl. disciplina 1.1, c. 70 (M. 132, 206); M. 78, 243.
(6) Ep. 3 ad Lambertum (D'Achkry, Spieileßium III [ed. noval 471). (7) L. 2, c. 30 (M.
140, 721 Fußnote). (8) M.147, 37.
ERSTES KAPITEL. NAMEN 249
durch Trinken aus diesem, sondern dadurch,, daß man es mittels eines, mit sei-
nem unteren Ende in denselben eingesenkten Röhrchens heraufsaugte und so
dem Munde zuführte. Der erste und zweite Brauch kommen hier nicht weiter
in Betracht. Um was es sich im Folgenden handelt, ist nur der dritte und das bei
ihm zur Verwendung kommende eucharistische Saugröhrchen.
ERSTES KAPITEL
NAMEN DES EUCHARISTISCHEN SAUGRÖIIRCHENS
Das eucharistische Saugröhrchen führt in den schriftlichen Quellen mancher-
lei, nach Ort und Zeit verschiedene Bezeichnungen.
i. Pugillaris heißt es in den römischen Ordines des 8. und 9. Jahrhun-
derts. Zur Stationsfeier sollen, so lesen wir im 1. Ordo Mabillons, neben den
andern für die Papstmesse erforderlichen Geräten auch silberne und goldene
pugillares mitgenommen werden. (1) Aus der Beschreibung des Kommunion-
ritus in N. 20 des Ordo aber ergibt sich, daß diese pugillares die Saugröhrchen
waren, mittels deren das Volk nach Empfang des Leibes des Herrn das heilige
Blut genoß. (2) Außerhalb Roms scheint der Name pugillares nicht gebräuch-
lich gewesen zu sein. Aber auch zu Rom hat er sich nicht lange erhalten. Findet
er sich doch nur in den vorhin genannten römischen Ordines. An seine Stelle
tritt zu Rom später die Bezeichnung calamus.
2. Calamus. Den Namen calamus führt zu Rom das eucharistische Saug-
röhrchen schon in einer aus S. Valentino stammenden Inschrift Johannes' IX.
(898—900) am Portikus von S. Maria in Cosmedin, welche die Gegenstände
aufzählt, welche der Papst der Valentinsbasilika schenkte, darunter auch cali-
cem argenteum exauratum cum calamo et sua patena. In der Folge heißt das
Röhrchen zu Rom fast nur calamus. So beispielsweise in des Bernhardus Ordo
officiorum ecclesiae Lateranensis, (3) in Innozenz' III. Schrift De sacro altaris
mysterio, (4) im i4- der römischen Ordines Mabillons, (0) im i5. Ordo dessel-
ben (6) und in einem Inventar Pauls III. von i5/(9- (7) Aber auch in nicht-
römischen Quellen begegnet uns mehrfach der Name calamus. So schon in des
1 aschasius Radbertus (j um 860) Versus de corpore et sanguine Domini. (8)
Spätere Belege finden sich in einem Inventar der Kathedrale zu Nevers aus dem
11. Jahrhundert; (9) Calices argenteos 3 cum patenis et cum calamo, in einem
Verzeichnis der von Bischof Odolricus io/|0 der Kathedrale zu Lyon geschenk-
ten Kostbarkeiten: (10) Calicem unum cum patena et calamo ex auro purissimo,
«1 einem Tabularium des Theofredusklosters (Monastier-St-Chaffre) in Ve-
*ay. (11) in Guigos' (f n37) Consuetudines Carthusiae maioris, (12) im
(1) N.3 (M. 78, 939). (2) M. 78, 946; vgl. Ordo 2, n. 14 und Ordo 3, n. 17 (1. c. 975, 982).
(3) C. De missa (ed. L. Fischer, München 1919, 83). (4) L. 6, c.9 (M 217, 911).
(5) C. 47, 57 (M. 78, 1152, 1172). (6) C. 82 (ebd. 1326). (7) Gay, 309. (8) M. 120, 1261.
(ö) Revue XL (1890) 247. (10) Revue XXXVIII (1888) 341. (11) D.C.II, 20: Calices
argenteos decoratos sex cum uno calamo. (12) C. 40: Ornamenta aurea vel arcentea prae-
ter calicem et calamum, quo sanguis Domini sumitur, in ecclesia non habemus (M. 153, 722).
250 VASA SACRA. ZWEITER ABSCHNITT. DAS EUCH AR. SAVGRÖHRCHEN
Inventar von St. Paul zu London von i2/|5, (13) in dem des Domes zu Prag von
i35$, (14) und noch in dem der Kathedrale zu Laon von i5o2. (15) Dagegen
sind unter den calami argentei 53 eines Inventars der Kathedrale zu Ely von
1079 nach dem Zusammenhang keine eucharistischen Saugröhrchen zu verste-
hen. Es handelt sich bei ihnen vielmehr um Stäbe, etwa Leuchterstäbe. (16)
(13) Archaeologia L, 466. (14) Podlaha, App. V: Calami argentei duo pro aumendo
sanguine Christi pro communicantibus. (15) Annal. archeol. VI, 342: Duo calami longi ar-
gentei — olim deservientes, ad ministrandum pretiosum sanguinem Domini nostri aub
speciebus vini diacono et subdiacono. (16) Dugdale I, 234. (17) N. 10, 12, 13 (M. 78, 993,
994). (18) J. Helbig, La sculpture au pays de Liege (Bruges 1890) 8: Calix aureus cum
patena aurea et fistula. (19) Chron. Cas. 1 3; c. 74 (M. G. SS. VII, 753): fistula aurea cum
anulo ... fistulae argenteae 2. (20) Baier, 717: Calices aurei 4 . . . una cum totidem patenis
et duabus fistulis. (21) L.fl, n. 61 (M. 139, 1361): calicem aureum atque gemmatum cum
patena et fistula. (22) L. 1, c. 17 (M. 150, 949). (23) W. Diekamp, Westf. Urkundenbueh
92; Duo calices aurei ... et una fistula. (24) Maut., Monach.64; hier ausführliche An-
weisung betreffs des Gebrauchs der fistula. (25) C. 45 (Ilg 217).
(26) W.Stubbs, Magistri Rogeri de Hoveden Chron.I (London 1868) 140. Sie berichtet:
Wilhelm II. habe den Schatz seines Vaters, Kelche, Leuchter, fistulae u. a., gemäß dessen
letztwilliger Verfügung an die vornehmsten Kirchen Englands verteilt.
(27) Bock, St. Jakob 8 ff. Im zweiten Inventar ist nicht zu lesen una fistula pro concioni-
bus apta, sondern pro communionibus apta. (28) Esseiswein, App. XXXIII.
(29) Weber, 40. Vgl. dazu auch NoteJl, in der von einer fistula aurea die Rede ist, die
der Hauspriester des Ägidienspitals, Udalrich, 1159 dem Kloster Miehelsberg schenkte.
(30) N. 3 (M.G. XXV, 240). (31) Anzeiger XX (1873) 345: fistulae duae, quibus sanguis
dominicus datur accipientibus. (32) Serapeum XVIII (1857) 363. (33) C. 03 (M. 166,1427).
ERSTES KAPITEL. NAMBN 251
worden war, habe dem Kloster unter zahlreichen sonstigen liturgischen Gegen-
stände» auch einen silbernen Kelch cum fistula argentea geschenkt, (34) sowie
ein Inventar des Hüdesheimer Domes von i4og. (35) Daß auch zu Rom die Be-
zeichnung fistula neben der gewöhnlichen calamus keineswegs ganz unbekannt
war, erhellt aus dem von Petrus Amelii, Bischof von Sinigaglia (gestorben i4oi
als Patriarch von Grado) verfaßten i5. der römischen Ordines Mabillons. (36)
Weitere Bezeichnungen des eucharistischen Saugröhrchens in mittelalterli-
chen Quellen sind tutellus, pipa, arundo, canna, siphon, virga, sumptorium.
4- Tutellus. Den Namen tutellus führt das Röhrchen schon in einem Inventar
von Centula (St-Riquier) aus dem Jahre83i: Tutelli argentei 4- (37) In älterer
Zeit nur vereinzelt im Gebrauch, wird er erst im späten Mittelalter häufiger,
doch sind es nur französische und flandrische Quellen, in denen wir ihn an-
treffen, lateinisch in der Form tuellus, französisch in der von tyel oder tuyau
(tyau). So in einem Inventar von N.-Dame zu Paris von i343, (38) in einem
Inventar des Herzogs der Normandie von i347, (^9) m einem Inventar von
St-Ame zu Douai von 1877, (40) im Inventar Karls V. von Frankreich von
1379/80, (41) in einem Inventar des Herzogs Jean von Berry aus dem Jahre
*4ia, (42) in einem Inventar von St-Denis aus dem Jahre i5o5 (43) und noch
in einem Inventar der Kathedrale von Auxerre von 1567. (44)
5. Pipa. Pipa wird das Saugröhrchen bereits im Testament des Grafen Eber-
hard von Cisoing (j-um 868), also bereits im 9. Jahrhundert genannt. Zu den
liturgischen Geräten, welche dieser darin seinem Sohn Unroch vermachte, ge-
hörte nämlich auch eine pipa aurea. (45) Ein Jahrhundert später begegnet uns
der gleiche Name in der angelsächsischen Form pipe im Verzeichnis der Kost-
barkeiten, die Ethelwold von Winchester um 970 dem Kloster Peterborough
schenkte. (46) Noch ein weiteres Jahrhundert und wir treffen ihn im Testament
(34) M.G. SS. XXV, 503. (35) Anzeiger XXV (1878) 207.
(36) C.82 und c.85 (M. 78, 1326, 1333); hier wie dort zugleich mit calamus.
(37) Hariclfi, Chron. Cent L. 3, c. 3 (M. 174, 1257). (38) Revue archeol. XXVII (1874)
250: 2 tuelli argentei deaurati ad hauriendum vinum post communionem in die paschae. Im
Inventar von 1416 lesen wir (ebd. 400): 2 tuyaux d'argent dorez pour prendre le vin le jour
de Pasques apres la eommunion. (39) Gay 309: Un tyau d'or ä administrer et recevoir le
corps N. S. (40) Dehais.nes, Doc. 542: un tuyel d'argent avec les dessus dis calisses.
(41) Labarte, 257: Item ung calice d'argent dore d'ancienne forme ä deus ansces ... et
uedans sont deux tyaux ä prendre le sang de Notre Seigneur; 297: Item un tuyau d'or ä
prendre le Corps Notre Seigneur. Ein profanen Zwecken dienendes Saugröhrchen wird S. 244
verzeichnet. Nicht ein Saugröhrchen, sondern der Schaft des Kelches ist wohl unter tuyau
xu verstehen, wenn es S. 51 unter n. 234 heißt: Item un autre calice d'or ä ung tuyau earre,
esmaill6 des armes monseigneur Dauphin.
(42) Gcipfrey I, 86: Item deux petiz tuyaux d'argent Ionguez, wozu die Anmerkung:
Isti parvi duo tuelli traditi et redacti fuerunt executoribus et postmodum venditi pro facto
et necessitate execueionis, aus der hervorgeht, daß sie nicht mehr in Gebrauch waren.
(43) Omost 23: Un tuyau, garny d'un petit bassinet, le tout d'argent, servans au prestre
pour le sacrement d'autel. (44) Rev-ue archeol. XIX (1869) 335: ün tuyau d'argent dore
qui servait apres la eommunion aux clercs, pour boire au calice. In einem Inventar der Abtei
von Maubuisson des Jahres 1463 hören wir von einem petit tuyau d'argent dore, ploye (ge-
bogen) ä l'un des bouts, servant pour faire boire les malades (Revue XXXVIII [ 1888] 342).
Ea handelte sich jedoch bei diesem Röhrchen um ein profanes Gerät, das Kranken daa
Trinken erleichtern sollte, nicht um ein Röhrchen zum Empfang des heiligen Blutes.
(45) Dehaisses, Doc. 10. (46) Digdai.e I, 382: 4 sylverne calices, 4 patenan, 1 sylvem
Pipe.
252 VASA SACRA. ZWEITER ABSCHNITT. DAS EUCH AR. SAUGRÖHRCHEN
Leofrics von Exeter (f 1072). (47) Pipa (angels. pipe) erscheint hiernach schon
früh als Bezeichnung des eucharistischen Saugröhrchens. Spätere Belege für
den Gebrauch des Wortes in diesem Sinne finden sich in zwei Inventaren dec
Kathedrale zu Amiens von 13/17 (4&) una< " ''T9' (**9) *m Inventar von St-Dona-
tien zu Brügge von i46o, (50) sowie im Inventar der Johanniskirche von Lüne-
burg von i/j3o. (51)
6. Arundo. Die Bezeichnung arundo (harundo) kommt nur wenige Male vor.
So in einem Inventar des Klosters Prüfening von u65, (52) in des Bischofs
Reginbert von Brixen Stiftungsurkunde des Klosters Wüten von 11/;0, (53) und
in einem Ordo operis Dei von St. Blasien aus dem i.'i. Jahrhundert. (54) Auch
in W;ilhelms von Hirsau Constitutiones Hirsaugienses begegnet uns, hier neben
fistula, arundo als Name des eucharistischen Saugröhrchens. (55)
7. Canna (Cana). Canna wird das Saugröhrchen genannt in einem Inventar
des Freisinger Domes von i456: (56) Item quatuor cannae argenteae deauratae
ad usum calicis in die coenae, sowie in einem Inventar von St. Peter zu Salzburg
von 1^62 und 1^78: (57) Item tres magni calices, quondam usi in coena Domini
pro populo communicando cum 8 suis magnis patenis et duahus cannis. In
einem Inventar von Monte Cassino von 1.497 heißt es statt canna in der Demi-
nutivumform canella, (58) in einem Verzeichnis der gottesdienstlichen Gegen-
stände, welche Bischof Ellenhard von Freising (io52—1078) anfertigen ließ,
canaliculus. (59) Im Inventar des Apostolischen Stuhles von iso.5 führt es
abweichend von der sonst zu Rom gebräuchlichen Benennung calamus die Be-
zeichnung canulus. (60)
8. Sifo (sipho). Eine der ältesten Bezeichnungen des Saugröhrchens ist neben
pugülaris sifo (sipho). Sie begegnet uns bereits im Papstbuch in der Vita
Leos III. (795—810), (61) sowie im Verzeichnis des liturgischen Gerätes, mit
dem Angilbert das von ihm gegründete Centula ausstattete (62): sifones ar-
gentei 2; in der Folge verliert sich jedoch diese Benennung bald.
9. Virga, sumptorium. Es sind das nur ganz vereinzelt vorkommende Be-
nennungen des eucharistischen Saugröhrchens. Virga heißt es in einem hand-
(47) F. E. Warren, The Leofric missal (Oxford 1883) XXII: 5 silver chaüces, 4 cor-
porals, 1 silver pipe. (48) Gay 309: Unura vas lapideum auro ligatum cum pipula argentea,
de quo miscetur (zu lesen wohl sumitur) in communione die paschae. (49) Ebd.: Una
pipula argentea, habens 4 circulos, cum quo sumitur vinum in Pascha. (50) Ebd.: Unus
argenteus deauratus calix cum 2 handhaven (Henkeln) et patena deaurata, cum 2 argenteis
deauratis pipen, ex quibus potant in pascha communicantes. (51) Kd. der Prov. Hannover
III 2, 75: 10 calices cum 10 patene et 3 vorgulden pypen, darmede plecht de lüde to commu-
nirierende. (52) N. Archiv XIII (1880) 560: Harundines auream unam, deauratam unam,
argenteas duas. (53) H. Schüler, Die Stiftskirehe des heiligen Laurentius zu Wilten
(Innsbruck 1920) 15. (54) Herrgott, De veteri diseiplina monastica 369: Interim custos
et socii eins praeparent ... duos calices et duas harundines ponanturque hostiae, ut suffi-
cere videtur communicantibus. (55) L. 1 c. 17 (M. 150, 949): Pro signo fistulae sive arun-
dinis, ex qua sanguinem Domini reeipere solemus. (56) Anzeiger, N. F. XV (1868) 14.
(57) Österr. Kunsttopographie, Salzburg, St. Peter 45. (58) Gattcla, Hist. abbat.
Cassin. II, 598: Item tres canellae argenteae, ubi ahbas sumit sanguinem Domini.
(59) Meichelbeck Historia Frising. (Freising 1724) I 1, 257. (60) Bibl. XLV (1884) 31.
Nicht das Saugröhrchen ist wohl Gemeint, sondern die Kannchen für Wein und Wasser,
wenn ein Martyrologium von St. Stephan zu Auxerre anmerkt: Ilgerius... dedit calicem
argenteum, canulas argenteas, dedit etiam Goscelinus calicem argenteum cum canulis argen-
teis (D.C.II, 109). (61) Düch. L.P. II, 8: Item ealice maiore fundato cum sifone.
(62) Hariui.fi, Chron. Cent. 1. 2, c. 6 (M. 174, 1248).
ZWEITES KAPITEL. I. ALTER DER VERWENDUNG 253
schriftlichen Caeremoniale von Padua aus dem 12. Jahrhundert, (63) sumpto-
rium in Flodoards Historia remensis ecclesiae. (64)
In spät- und nachmittelalterlichen deutschen Schriftquellen wird es rorlein,
rörlein, doch auch wohl, wie in einem Inventar der Domkirche zu Havelberg
von 1027 (65) roere genannt. Die heutige französische Bezeichnung chalumeau,
von calamus, ist, wie es scheint, erst nachmittelalterlich. In mittelalterlichen
französisch abgefaßten Quellen ist sie mir nicht begegnet.
ZWEITES KAPITEL
ALTER, VERBREITUNG UND DAUER DER
VERWENDUNG DES EUCHARISTISCHEN SAUGRÖHRCHENS
I. ALTER DER VERWENDUNG DES SAUGRÖHRCHENS
Die Zeit der Einführung des eucharistischen SaugrÖhrchens läßt sich nicht
bestimmen. Nach Leclercq soll bereits Bischof Desiderius von Auxerre (■{• Ö23)
seiner Kathedrale elf derselben geschenkt haben. (1) Er irrt indessen. Nach den
Gesta episcoporum Autissiodorensium (2) gab der Bischof derselben nicht elf,
sondern nur zwei cannae, diese cannae aber waren nach dem Zusammenhang
keine eucharistischen Saugröhrchen, ja überhaupt keine liturgischen Gegen-
stände, sondern, wie alle andern zugleich mit ihnen vom Bischof der Kathedrale
gestifteten, zur Verwendung im häuslichen Leben der dieser angehörigen Geist-
lichkeit dienende Geräte. Es ist schwer verständlich, wie Leclercq in den frag-
lichen cannae eucharistische Saugröhrchen hat sehen können.
Rohault de Fi.Et'RY meint, Gregor von Tours bezeuge bereite die Verwendung des Saug-
rÖhrchens, wenn er in seiner Historia Francorum (3) schreibe: Et erat consuetudo (Aria-
norum), ut ad altariuin venientes de alio calicc reges commuriicent et de alio populus
minor. (4) Allein für den Gebrauch der fistula durch die Katholiken und ihren Nichtge-
brauch durch die Arianer ist den Worten Gregors nichts zu entnehmen. Die einzige Schluß-
folgerung, die sich aus ihnen ziehen läßt, ist die, daß bei den Katholiken Fürst und Volk
aus demselben Kelch das heilige Blut genossen und daß für den Fürsten zu diesem Zwecke,
anders wie bei den Arianern, bei ihnen kein besonderer Kelch verwendet wurde.
Mabillon berichtet in seinen Annalen des Benediktinerordens, man lese in einer alten
Handschrift der Vatikanischen Bibliothek von einer virgula argentea perforata, mittels
deren Gregor d. Gr. bei der Feier der Messe das heilige Blut genossen habe, (5) ohne jedoch
nähere Mitteilungen über die fragliche Handschrift zu machen. Es ist deshalb nicht möglich,
die von ihr gemachte Angabe auf ihren Wert und ihre Zuverlässigkeit zu prüfen. Indessen
kann es auch so nicht zweifelhaft sein, daß sie nur legendären Charakter hat. Denn daß
schon zur Zeit Gregors d. Gr. das cucharistische Saugröhrchen zu Rom in Gebrauch war,
dafür fehlt es an jedem Beweis.
(63) Fra>c. Berlkndis, De oblationibus in altari (Venet. 1743) 147: Diaconus tenens Can-
cern cum sanguine Christi confert omnibus sumere volentihus cum quadam virga vitrea.
(64) L. 3, c. 3 (M. 135, 144): Hincmarus (f 882) calicem maiorem cum patena sumptorio
gue feeit auro lapidumque pretiosorum illustravit nitore. (65) A. F. Riedel, Codex dipl.
Brandenburg. I 3 (Berlin 1843) 128: 2 sulveren roere, dan men met coramunicert.
(1) Cabrol, Diction. d'archeol. III, 133: Les onze cannae, que l'öveque Didier d'Auxerre
«onna a son eglise au 6e siede, etaient chalumeaux. (2) C. 20 (M. 138,237). (3) L. 3, c. 31
(M. 71, 264). (4) C'est je crois, sagt er (La messe IV, 182), Saint Gregoire de Tours, qui
nous dit, que l'usage de communier avec la fistula etait negligö" par les Ariens.
(5) Ann. O.S.B. I (Paris 1703) 261.
254 VASA SACRA. ZWEITER ABSCHNITT. DAS BUCH AR. SAUGRÖHBCHEN
Das älteste Zeugnis für die Verwendung des Saugröhrchens zum Genuß des
heiligen Blutes bietet der i. römische Ordo Mafoillons. Da derselbe bis zur Mitte
des 8. Jahrhunderts zurückreicht, (6) war es also schon damals zu Rom in Ge-
brauch. Weil es aber in dem Ordo in keiner Weise als ein erst neuerdings ein-
geführtes Gerät erscheint, muß es bereits eine Weile vorher Verwendung gefun-
den und in Aufnahme gekommen sein. Wie lange, läßt sich jedoch nicht fest-
stellen. Das Capitulare ecclesiastici ordinis und das Breviarium ecclesiastici
ordinis, zwei römische Ordines, die jedenfalls älter sind als der erste Ordo
Mabillons in seiner heutigen Form, erwähnen das Saugröhrchen noch nicht.
Der Liber Pontificalis bezeugt den Gebrauch des Saugröhrchens zu Rom erst in
der Vita Leos III. {795—810). Bis dahin geschieht des Röhrchens bemerkens-
werter Weise nirgends in ihm der Erwähnung, obwohl er doch von so vielen
Schenkungen liturgischer Geräte zu berichten weiß, welche Leos Vorgänger
den römischen Kirchen machten.
Gebraucht wurde das Röhrchen zu Rom, wie im ersten römischen Ordo ange-
geben wird, (7) zum Kommunizieren des Volkes. Ob auch bei der Kommunion
des Klerus, sowie, wenn der Papst das heilige Blut genoß, wie das später der
Fall war, ist nicht angegeben, doch läßt der Umstand, daß außer silbernen auch
goldene pugillares zur Feier der Stationsmesse mitgenommen werden muß-
ten, (8) das vermuten, da man sich goldener schwerlich beim Kommunizieren
des Volkes bedient haben dürfte.
Aus Spanien liegt bis zum 9. Jahrhundert kein Beleg für die Verwendung des
Saugröhrchens zum Genuß des heiligen Blutes vor. Auch im gallikanischen
Ritus hören wir nichts von ihm. Zum ersten Mal begegnet es uns in Gallien um
800 im Verzeichnis der liturgischen Gegenstände, Geräte und Paramente, mit
denen Angilbert das von ihm gestiftete Richariuskloster zu Centula ausstattete.
Es führt in ihm die gleiche Bezeichnung sifo, unter der es um dieselbe Zeit im
Liber Pontificalis erscheint. Karls d. Gr. Bestrebungen zur Hebung und Er-
neuerung der Liturgie waren bekanntlich darauf gerichtet, den römischen Ritus,
wie er zu seiner Zeit in Rom in Übung stand, in Frankreich einzubürgern. Auch
die sifones im Verzeichnis der Gaben Angilberts, des Freundes und tätigen Mit-
arbeiters Karls d. Gr., sind zweifellos dank jenen Bestrebungen als eine Entleh-
nung aus dem römischen Ritus dorthin gekommen. Denn zu den liturgischen
Büchern, die von Rom ins Frankenreich eingeführt wurden und dann hier einen
entscheidenden Einfluß auf die Neugestaltung der Liturgie im Sinne des römi-
schen Ritus ausübten, gehörten nicht nur das sog. gregorianische Sakrainentar,
das römische Antiphonar und das römische Graduale, sondern namentlich auch
die uns noch heute in Gestalt des 1., 2. und 3. Ordo Mabillons vorliegenden rö-
mischen Gottesdienstordnungen. Aus diesen Ordines, von denen der erste die
Grundlage für Amalars Schrift De offieiis ecclesiasticis bildet, der zweite in
der Eclogae genannten Schrift kommentiert ist, ersah man auch, daß in Rom
die Gläubigen bei der Kommunion das heilige Blut nicht unmittelbar aus dem
(6) Über das Alter der römischen Ordines Mabillons vgl. J. Braus, Die liturgische Ge-
wandung (Freiburg 1907) 6. (7) N. 20 (M. 178, 947): vol. ordo 2, n. 14 und ordo 3, n. 17
(1. c. 970, 982). (8) Ordo 1, n. 3 (M. 178, 939).
ZWEITES KAPITEL. U. VERBREITUNG UND DAUER DER VERWENDUNG 255
Kelch genossen, sondern mittels eines in das heilige Blut eingesenkten Saug-
röhrchens. Zugleich erkannte man auch die Vorzüge dieser Art des Empfanges
des heiligen Blutes. Damit aher legte sich von selbst eine Herübernahme auch
des eucharistischen Saugröhrchens aus dem römischen Ritus sehr nahe.
Das eucharistischc Saugröhrchen ist, daran kann kein vernünftiger Zweifel bestehen,
in Rom in Gebrauch gekommen. Hier begegnet es uns am frühesten; von hier aus gelangt
es mit dem römischen Ritus der Karolingerzeit zunächst ins Frankenland, um sich dann
allmählich auch sonstwo diesseits der Alpen einzubürgern. Daß man aber zu Rom dazu
kam, das eucharistische Saugröhrchen im Kommunionritus einzuführen, ist unschwer ver-
ständlich. Gerade dort mußte die sehr große Zahl der Kommunikanten in den vom Papst
gefeierten Stationsmessen es als zweckmäßig und wünschenswert erscheinen lassen, eine
Einrichtung zu treffen, die nicht nur die Ausspendung des heiligen Blutes erleichterte,
sondern auch geeignet war, der Gefahr einer etwaigen unfreiwilligen Verunehrung des-
selben durch zufälliges Verschütten noch mehr vorzubeugen, als es beim unmittelbaren
Genuß des heiligen Blutes aus dem Kelch möglich war. Sie bot sich dar in Gestalt eines
ausschließlich für den Empfang des heiligen Blutes bestimmten und hergerichteten Röhr-
chens, mit dem der Kommunikant ein wenig desselben aus dem Kelch heraussaugte und
dem Mund zum Genuß zuführte.
hard, (IC, Innozenz' III. Schrift De sacro altaris mysterio, (11) der Usus ordi-
nis Cisterciensium des heiligen Abtes Stephan, Guigos (f 1187) Consuetudines
Carthusiae maioris, (12) die Historia des Klosters Rastede, (13) eine Urkunde
des Bischofs Reginbert von Brixen von n'fO, ein Caeremoniale von Padua, ein
Inventar von Altmünster zu Mainz, des Domes zu Mainz, von St. Georg zu Köln,
des Domes zu Krakau, des Klosters Prüfening, des Klosters Gandersheim und
des Domes zu Bamberg. (14) Das Schatzverzeichnis des Mainzer Domes weiß
sogar von fünf, das Inventar von Altmünster von drei fistulae zu berichten.
Im 11. und 12. Jahrhundert erreichte die Verwendung des eucharistischen
Saugröhrchens ihren Höhepunkt. Es wird nun nicht mehr nur in Rom und im
Frankenland gebraucht, sondern allenthalben diesseits der Alpen, auch in Eng-
land, wo seine Verwendung bereits im 10. Jahrhundert durch das Verzeichnis
der Gaben, mit welchen Ethelwold von Winchester das Kloster Peterborough
bedachte, bezeugt ist, in Polen sowie namentlich auch in Deutschland. Hier wohl
dank dem allda weitverbreiteten 6. Ordo Mabillons. Nur in Spanien scheint es
sich nicht oder nur in geringem Maße eingebürgert zu haben. Denn es muß auf-
fallen, daß selbst noch in spanischen Inventaren des 11. und 12. Jahrhunderts nie
von ihm die Rede ist. Seine Verwendung fand das eucharistische Saugröhrchen
von jeher hauptsächlich bei der Kommunion der Laien und der der Messe nur
anwohnenden oder nur als Ministri näher oder entfernter bei ilir tätigen Kleri-
ker. Daß aber auch wohl der Zelebrans, zumal wenn Bischof, im feierlichen
Amt wie der Papst in der feierlichen Papstmesse, sich zum Empfang des heili-
gen Blutes desselben bediente, ersehen wir z. B. aus dem in Deutschland sehr
verbreiteten, dem 10. Jahrhundert entstammenden 6. römischen Ordo Mabil-
lons, (15) sowie aus des Kardinals Bernhard Ordo für die Laterankirche.
Seit dem i3. Jahrhundert nimmt zugleich mit der Kommunion unter beiden
Gestalten auch der Gebrauch des eucharistischen Saugröhrchens immer mehr
ab. Begreiflich, hatte dieses doch mit dem Aufhören der Kommunion unter
beiden Gestalten den Zweck verloren, um dessentwiüen es eingeführt worden
war, wurde es im Kommunionritus überflüssig. Zwar ist noch im ii-, ja i5.
Jahrhundert in den Inventaren mehrfach von ihm die Rede. So beispielsweise
in Inventaren von N.-Dame zu Paris aus den Jahren i343 und i4i6, in einem
Inventar des Herzogs der Normandie von 1847, einem Inventar der Kathedrale
zu Amiens von iB^, dem Inventar des Prager Domes von i354, (16) einem In-
ventar von St-Ame zu Douai von 1377, einem Inventar Karls V. von Frankreich
von 1379/80, einem Ordo operis Dei von St. Blasien aus dem i4- Jahrhundert,
einem Inventar des Domes zu Hildesheim von 1609, dem Inventar des Herzog
Jean von Berry von 1/112, der Johanneskirche zu Lüneburg von i^So, des Do-
mes zu Freising von i456, einem Inventar von St-Donatien zu Brügge von iföo,
dem Inventar von St.Peter zu Salzburg aus den Jahren 1462 und 1478 sowie dem
(10) Ed. L, Fischer (München 1916) 85. (11) I- 6, c. 9(M.217,&11). (12) C.40 (M.153,
722). Im Kommentar dazu wird bemerkt, daß in den statuta antiqua von 1259 von dem calamus
keine Rede mehr sei. (13) Vgl. oben S. 249. (14) Vgl. die Belege oben S. 2501 (15) N. *2
(M. 178, 994). (16) Im Inventar von 1355 werden sie nicht mehr aufgeführt und ebensowe-
nig in den folgenden Inventaren, besonders aucn nicht in dem sehr ausführlichen von 13Ö".
ZWEITES KAPITEL. II. VERBREITUNG UND DAUER DER VERWENDUNG 257
Inventar von Monte Gassino von i497- Indessen waren verschiedene der in die-
sen Inventaren aufgeführten Saugröhrchen keineswegs ein Gerät zur Ausspen-
dung und zum Empfang des heiligen Blutes, kein eucharistisches Gerät mehr,
sondern nur ein Gerät zur Spendung des sog. Ablutionsweines, der den Gläu-
bigen zur Ausspülung des Mundes nach dem Genuß des Leibes des Herrn, zumal
nach der Osterkommunion, gereicht zu werden pflegte: 2 tuelli argentei deaurati
ad hauriendum vinum post communionem in die Paschae, heißt es in dem Inven-
tar von N.Dame zu Paris von i343; 2 tuyaux d'argent dorez pour prendre le vin
le jour de Pasques apres la communion im Inventar derselben Kathedrale von
i4i6. Una pipula argentea habens 4 circulos, cum quo sumitur vinum in Pa-
scha, lesen wir in einem Inventar der Kathedrale zu Amiens von 1419, umis
argenteus deauratus calix . . . cum 2 argenteis deauratis pipen, ex quibus potant
in Pascha communicantes, im Inventar von St-Donatien zu Brügge von i46o.
Bei andern handelt es sich um nicht mehr in Gebrauch stehende ehemalige
eucharistische Saugröhrchen, wie z.B. hei den 2 cannae in den Inventaren von
St. Peter zu Salzburg, den zwei tyaux im Inventar des Herzogs von Berry und
zwei calami in einem Inventar der Kathedrale von Laon aus dem Jahre IÖ23:
Duo calami . . . olim deservientes ad ministrandum sanguinem pretiosum Do-
mini nostri sub speciebus vini diacono et subdiacono.
Ein Überrest uralten Brauches war es, wenn nach dem Ordo des Petrus
Amelii noch um i4oo allen, auch den Laien, welche am Gründonnerstag in der
feierlichen Papstmesse aus der Hand des Papstes den Leib des Herrn und dann
durch den Diakon das heilige Blut empfingen, dieses letztere mittels eines Saug-
röhrchens gespendet wurde. (17)
Das Verbot des Laienkelches durch das Konstanzer Konzil brachte auch der
Verwendung des eucharistischen Saugröhrchens bei der Kommunion des Vol-
kes ein Ende. In Süddeutschland, Salzburg und Österreich schien es freilich
bei ihr um die Mitte des 16. Jahrhunderts infolge der dort aufgetretenen, auf
Wiedereinführung der Kommunion unter beiden Gestalten hinzielenden Be-
wegung neuerdings in Gebrauch kommen zu sollen. Denn in der Verordnung,
welche die Salzburger Provinzialsynode von i564 betreffs des Laienkelches er-
ließ, nachdem der Papst ihn unter bestimmten Beschränkungen wieder gestattet
hatte, wird ausdrücklich bestimmt, es müsse das heilige Blut mittels eines «Bör-
leins» genossen werden. (18) Indessen kam es nicht zur dauernden Wiederein-
führung des Kelches, sowohl, weil diese den von ihr erhofften Erfolg weder
zeitigte, noch auch nur erwarten Heß, ja sich als unzweckmäßig erwies, als auch,
weil der Papst inzwischen das Zugeständnis des Kelches zurückgezogen hatte,
und darum auch nicht zur Wiedereinführung des eucharistischen Saugröhr-
chens in dem Kommunionritus.
Langer, wenn auch nur sehr vereinzelt, blieb das Böhrchen im feierlichen
Amt beim Zelebrans und dessen Ministri im Gebrauch. So verzeichnet noch das
Inventar von Monte Cassino aus dem Jahre 1497 drei silberne canellae, mittels
„,(17) C.S5 (M.78, 1382). (18) N.8 bei Ai.. Kn-öpfler, Die Kelchbewegung in Bayern
(München 1891) 145.
^AUN, DAS CHRISTLICHE ALTARGERAT l7
258 VASA SACRA. ZWEITER ABSCHNITT. DAS BüCHAR. SAUGRÖHRCHEN
deren der Abt das Blut des Herrn genoß. (19) Zu St-Denis und zu Cluny erhielt
sich die Verwendung des Röhrchens im Konventualamt an Sonn- und Festtagen,
in dem dort Diakon und Subdiakon nach altem Brauch noch immer ,unter
beiden Gestalten kommunizierten, bis ins 18. Jahrhundert; zu Cluny nur bei
den beiden Ministri, (20) zu St-Denis aber auch beim Zelebrans. (21) Noch
heule genießen das heilige Blut mittels des Saugröhrchens der Papst, wenn er
in der feierlichen Papstmesse kommuniziert, sowie der zur Kommunion unter
beiden Gestalten berechtigte Kardinaldiakon, der ihm in derselben ministriert,
nicht aber auch der bei ihr ministrierendc Apostolische Subdiakon, der zwar
auch unter der Gestalt des Brotes wie des Weines das allerheiügste Sakrament
zu empfangen befugt ist und empfängt, das heilige Blut aber nicht mittels des
Röhrchens, sondern unmittelbar aus dem Kelche trinkt. So hat sich das eucha-
ristische Saugröhrchen, wie es in Rom in Gebrauch gekommen ist, so dort auch
am längsten in ihm erhalten.
Indessen ist das Saugröhrchen auch hei der Spcndting des Ablutionswein es, hei der
man es seit dem späten Mittelalter mehrfach verwendete, nachdem die Kommunion unter
der Gestalt des Weines aufgehört hatte, nicht lange über den Beginn des 16. Jahrhunderts
hinaus in Gebrauch geblieben. Zu ihr es zu benützen, lag ja auch kein Bedürfnis vor. Han-
delte es sich ja doch bei ihr um Darreichung gewöhnlichen Weines und waren darum bei ihr
nicht jene Vorsicht und Sorgfalt von Nöten, welche ehedem die Spendung des heiligen
Blutes gefordert hatte. Es hätte aber auch der weitere Gebrauch des Röhrchens bei Spendung
der Ablution in den schlichten Gläubigen den irrigen Glauben aufkommen lassen können,
als handele es sich bei ihr um etwas mehr als um den Empfang nichtkonsekrierten Weines,
Wo der Brauch vom späten Mittelalter her bestand, den Ablutionswein mittels des Saug-
röhrchens zu nehmen, wird er wohl auch noch im 16. Jahrhundert zunächst eine mehr oder
weniger lange Weile fortgedauert haben, wie z. B. nach Lindanus (f IÖ58) in den Klöstern
Thabor und Berghem in Friesland. (22) Indessen verschwand er auch in diesen vereinzelten
fällen noch im Lauf des 16. Jahrhunderts. Im 17. hören wir nie mehr von ihm. Wo nach
der Kommunion Ablutionswein gereicht wurde, trank man ihn unmittelbar aus dem Becher,
in dem er dargeboten wurde. Kein liturgisches Saugröhrchen, jedoch eine Nachbildung des-
selben, ist das Köhrchen, mittels dessen man aus einem schalenförmigen Reliquiar zu Alto-
münster und zu Ebersberg in Oberbayern den in dieses gegossenen Wein trinkt. Es ent-
hält zu Altomünster eine Reliquie vom Schädel des heiligen Alto, zu Ebersberg eine solche
vom Schädel des heiligen Sebastian.
Beim lutherischen Abendmahl fand das Saugröhrchen bis in das iS. Jahrhundert hinein
Verwendung; während reformierte Theologen und Synoden dieselbe bekämpften, wurde
sie von lutherischen sowohl aus praktischen Gründen wie auch aus solchen des Dekorums in
Schutz genommen. Zu Altona machte ein Edikt des dänischen Königs Friedrich vom Jahre
17öS ihr ein Ende, in Brandenburg verboten sie etwas später königlich preußische Verord-
nungen. (23) Ein bei Spendung des Abendmahles gebrauchtes Saugröhrchen aus recht
(19) Erasm. Gattula, Hist. abbat. Casin. II (Venetiis 1733) 598: Item tres canellae ar-
genteae, ubi abbas sumit sanguinem Domini. (20) Lebro-Desmarettes, Voyages liturg.
(Paris 1723) 149. (21) Dom Doublet, Hist. de l'abbaye de St-Denis (Paris 1625) 334.
Lebrus-Desmarettes a. a. O.
(22) Panoplia evangelica 1. 4, c. 56 (Coloniae 1560, S. 138): Habet et monasterium Thabor
et Berghem poculum simile — nämlich von der Art zweier mit angelöteten Saugröhrchen
versehener Kelche zu Bolsward in Friesland —, sed argentea fistula veterem in ritum factum,
quo post communionem et hodie utantur. Die Bezeichnung poculum für das fragliche Trink-
gerät und die Bemerkung, man gebrauche ihn noch heute nach der Kommunion, bekundet,
daß es sich bei ihm um einen Ablutionsbecher handelte.
(23) Ji:L. Smend, Kelchspendung und Kelch versagung (Göttingen 1898) 18.
DRITTES KAPITEL. BESCHAFFENHEIT. I. MATERIAL 25$
später Zeit gibt es zu Marienhafe in Hannover. Es ist aus Zinn gemacht, sechsseitig und mit
der Mat. n, 28 entnommenen Inschrift: „Kommet her zu mir" usw. verziert. Das dieser
beigefügte Jahresdatum belehrt uns, daß es 1781 angefertigt wurde. (24)
DRITTES KAPITEL
BESCHAFFENHEIT DES EUCHARISTISCHEN SAUGRÖHRCHENS
Über die Beschaffenheit des eucharistischen Saugröhrchens geben uns na-
mentlich Aufschluß Beispiele derselben, die sich erhalten haben oder, wenn
heute nicht mehr vorhanden, wenigstens durch Beschreibung oder Abbildung
uns bekannt sind. Ihre Zahl ist nicht groß, doch genügend, um uns ein Bild des
Gerätes zu vermitteln, zumal die Angaben, die wir in den schriftlichen Quellen
bezüglich des Röhrchens erhalten, dasselbe zum Teil ergänzen. Besonders wert-
voll ist in dieser Beziehung die Beschreibung, welche Theophilus in seiner
Schedula diversarum artium von der Anfertigung der fistula, wie er das Röhr-
chen nennt, gibt.
I. MATERIAL DES SAUGRÖHRCHENS
Als Material zur Herstellung des Röhrchens diente vornehmlich Silber. Die
Inventare lassen daran keinen Zweifel. Entweder ist in ihnen ausdrücklich ge-
sagt, daß das oder daß die in ihnen verzeichneten Saugröhrchen aus Silber ge-
macht seien oder es erhellt dies aus dem Zusammenhang. Schon im 1. der römi-
schen Ordines und in den Inventaren von Centula von ca. 800 und 83i ist von
silbernen Saugröhrchen die Rede, in jenen allerdings neben goldenen, und so-
bleibt es in der Regel auch in der Folge. Vergoldet waren die Röhrchen anschei-
nend meist nicht; wenigstens ist nur in verhältnismäßig wenigen Fällen ange-
merkt, daß sie vergoldet waren, wie z.B. im Inventar des Mainzer Domes von
ca.nöo: 5 fistulae ad communicandum argenteae deauratae, im Inventar von
K.-Dame zu Paris von i3i{3: 2 tuelli argentei deaurali, im Inventar von St. Paul
zu London von 1290: 2 calami argentei deaurati, im Inventar des Freisinger
Domes von i/;56:/i cannae argenteae deauratae, im Inventar der Johanniskirche
zu Lüneburg von i43o: 3 vorgulden pypen, im Inventar von St-Donatien zu
Brügge von i46o: Unus argenteus deauratus calix . . . cum 2 argenteis deaura-
tis pipen. Es sind meist jüngere Quellen, in denen uns Saugröhrchen aus vergol-
detem Silber begegnen.
Von eucharistischen Saugröhrchen aus Gold hören wir schon im ersten römi-
schen Ordo: Pugillares alios argenteos et alios aureos. Auch in der Folge ist
wiederholt in den Quellen von solchen die Rede, wie z. B. in Flodoards Historia
reniensis ecclesiae, im Testament des Grafen Eberhard, im Inventar von Prüm
von ioo3, in Thietmars Chronik, im Inventar des Laurentiusklosters zu Lüttich
von io34, im Verzeichnis der Hinterlassenschaft Viktors III., im Verzeichnis
der Gaben des Erzbischofs Odolricus von Lyon von io4o, in Guigos Consuetu-
dmes Carthusiae maioris, in des Theophilus Schedula, im Inventar des Aposto-
lischen Stuhles von 1290 und noch bei Dom Doublet, in dessen Geschichte der
„ (24) Mithoff VII, 146. Ein Saugröhrchen zu Ramelsloh in Hannover wird zwar ebd. IV,
*«> erwähnt, aber nicht näher beschrieben.
260 VASA SACRA. ZWEITER ABSCHNITT. DAS EUCH AR. SAUGRÖHRCHEN
chen, die sich aus dem Mittelalter erhalten haben, oder uns aus Abbildungen
oder durch eine Beschreibung bekannt sind, ist nicht immer näher zu bestim-
men. Indessen reicht jedenfalls keines über das frühe i3. Jahrhundert zurück,
über die Form, welche das eucharistische Saugröhrchen vor dem 12. Jahrhun-
dert hatte, erfahren wir demnach weder aus den schriftlichen Quellen, noch
auch etwaigen Beispielen etwas. Indessen kann nicht zweifelhaft sein, daß es
formal von jeher im wesentlichen die gleiche Beschaffenheit zeigte, wie im
12. Jahrhundert und in der Folgezeit.
Theophilus beschreibt uns die Herstellung.und damit die Form des Röhrchens folgender-
maßen: (3) Mach dir ein eisernes Stäbchen von etwa einer Spanne und vier Finger Länge,
das am unteren Ende ganz dünn ist, sich nach den oberen zu aber etwa zu Strohhalm weite
verbreitert. Es muß rund und gleichmäßig gefeilt sein. Dann schlage reines Silber zu einem
dünnen Streifen, treibe diesen um das Eisen, passe oben seine Enden sauber durch Abfeilen
aneinander, und verlöte sie im Feuer, nachdem du zuvor das Tüisen herausgezogen Tiast.
Ist das'Verlöten beendet, so schiebe das Eisen wieder in des Röhrchen hinein, und bearbeite
die Lötstelle überall gleichmäßig so lange, bis sie nicht mehr sichtbar ist. Nun mache ge-
sondert für sich ein rundes hohles oder ein viereckiges massives Knäufchen, durchbohre es,
so daß es von unten her bis nahe zum oberen Ende über das Röhrchen geschoben werden
kann, schiebe es über dasselbe, nimm wiederum das Eisen aus dem Röhrchen heraus und
löte das Knäufchen ringsum an."Hierauf führe nochmals das Eisen ein und hämmere unter-
halb des Knäufchens allenthalben so lange auf das Röhrchen, bis es ganz gleichmäßig und
hart geworden ist; in den oberen Teil oberhalb des Knäufchens aber führe ein breites ab-
geplattetes Eisen von der Breite, wie sie das Röhrchen oben erfordert, ein, lege dieses mit-
samt dem Eisen auf einen Amboß und schlage mit dem Hammer auf beide, so daß die obere
Öffnung des Röhrchens, die (bei Benützung desselben) aus dem Kelch herausragt und in
'■■■■ii Mund Lii'nii-iitü'ii ivird, ein:.' schüt/aMi,-;:' Form orl:ält. Sehiii'iiMcli n:ag>i i\v.. wenn :s
dir beliebt, das Knäufchen mit Kiello beleben und das Röhrchen im übrigen vergolden.
Aus den wenigen sonstigen schriftlichen Quellen, die uns einiges über die
formale Beschaffenheit des Röhrchens mitteilen, erfahren wir als Ergänzung der
Beschreibung, die uns Theophilus von ihr gibt, daß statt des einen Knäufchens,
nut dem dieses nach dessen Schedula versehen werden sollte und das den Zweck
hatte, das Anfassen und Halten des Röhrchens zu erleichtern, auch wohl drei
Knäufchen oder drei Ringe an demselben angebracht würden, daß das Knäuf-
chen bisweilen durch eine Handhabe ersetzt wurde oder daß sich zu ihm noch
eine besondere Handhabe gesellte. Auch erfahren wir aus ihnen, daß man wohl
etwas unterhalb des oberen Endes ein kleines Schüsselchen um das Röhrchen
herum anbrachte, von dem beim Genießen des heiligen Blutes ein etwa herab-
fließender Tropfen desselben aufgefangen wurde. So heißt es in dem Inventar
der Kathedrale zu Amiens von i4ig: Una pipula argentea habens U circulos;
wn Inventar der Kathedrale von Laon des Jahres 1Ö23: Duo calami... in extre-
™Uatibus et in medio babentes pomellum deauratum neenon ansulam, qua
teneri possunt; im Inventar des Apostolischen Stuhles von 1296: Item unum
canulum de auro cum duabus manicis et uno pomello, item unum canulum de
auro cum 2 manicis, item tres canulos cum tribus pomellis de auro; in einem
Inventar von St-Denis von i5o5: un tuyau garny d'un petit bassinet.
Die Saugröhrchen, die sich erhalten haben oder uns doch wenigstens durch
Abbildungen oder eine Beschreibung bekannt sind, bilden gleichfalls eine Er-
gänzung der Beschreibung des Röhrchens bei Theophilus. Von drei bei Ger-
bert (4) abgebildeten Saugröhrchen, deren Herkunft leider nicht angegeben
Ist, halte eines überall die gleiche Breite, abgesehen von dem ein wenig sich
erweiternden, eine Art Mundstück bildenden oberen Ende. Mit einem Knäuf-
chen oder einer Handhabe war es nicht ausgestattet. Lang war es 20cm; im
Durchmesser hatte es 6 mm. Das zweite war 17,0 cm lang und unten 7 mm weit.
Nach oben zu sich ein wenig erweiternd, endete es dort mit einem runden, pro-
filierten 12 mm im Durchmesser zeigenden Mundstück. Nahe dem oberen Ende
war ihm ein Ring als Handhabe angesetzt. Das dritte war 22 cm lang, unten
4 mm, oben 5 mm weit und ohne Mundstück. Die in zwei Drittel seiner Höhe
mittels zweier Ringe an ihm befestigte Handhabe bestand aus einem einen Drei-
viertelkreis darstellenden, mit filigranartigen Voluten gefüllten Bügel. Sicher
das älteste der drei Saugröhrchen, mochte es wohl noch dem i3. Jahrhundert
angehören. Dem frühen i3. Jahrhundert entstammten zwei Saugröhrchen der
ehemaligen Sammlung Basilewsky. Mit einem Knäufchen waren sie nicht ver-
sehen, sondern nur mit einer S-förmigen Handhabe mit Filigranranken als
Füllung, ebenso fehlte ein Mundstück. (5)
Zwei Saugröhrchen im Stift Wüten bei Innsbruck sind 21 cm lang und unten
ca. 4 mm, oben ca. 5 mm weit. Auch sie entbehren eines Mundstücks, das Knäuf-
chen aber ist bei ihnen ersetzt durch einen herzförmigen Halter, der nicht ge-
rade auf ein sehr hohes Alter der Röhrchen hinweist. (6) Ins 13. Jahrhundert
reicht eine Fistula im Dom zu Brixen zurück (Tafel 48). Bei einer Länge von
2 t ,6 cm hat sie überall den gleichen Durchmesser von 4 mm. (7) Ihr Halter be-
steht in einem 2 cm breiten Scheibchen von etwas mehr als Halbkreisform und
ist mit Ornament, das in Grubenschmelz ausgeführt ist, verziert. Ein Mundstück
fehlt ihr- Der Behälter, in dem sie aufbewahrt wurde, ist noch vorhanden. Er
besteht in einem langen, schmalen mit flachem Klappdeckel versehenen höl-
zernen Kästchen, das an einer Seite einen Ansatz zur Aufnahme des Halters
hat. Von drei Saugröhrchen, die sich im Dom zu Erfurt erhalten haben (Ta-
fel 48) und alle mit einem Bügel als Halter versehen sind, weist eines hart über
dem Halter ein kleines rundes Schälchen auf. Zwei sind 18 cm lang, das dritte
24,5cm; weit sind alle drei von unten bis oben 4cm. (8) Der auch zu Erfurt noch
vorhandene Behälter der Röhrchen besteht in einer mit abnehmbarem Deckel
ausgestatteten, nach unten zu etwas schmäler werdenden ledernen Hülse von
der Form der Scheide eines Rasiermessers, die mit eingeschnittenem Ornament,
Rankenwerk und geometrischen Mustern, verziert ist. Das Schälchen, mit dem
das eine der Saugröhrchen ausgestattet ist, weist darauf hin, daß wenigstens
dieses aus einer Zeit stammt, in der noch die Kommunion unter beiden Gestal-
ten in Brauch war. (9) Der Behälter dürfte noch in das 14- Jahrhundert zurück-
(A) Vetus liturgia alemannica I (St. Blasien 1776) Taf. V. (5) 'Abb. bei Roh. IV, Taf. 316.
(6) Eine photographische Abbildung der Röhreben verdanke ich der Güte des hochw.
Herrn Abtes des Stiftes, Prälat Heinrich Schuler. (7) Nach gütiger Mitteilung des Herrn
Kanonikus A. Egger zu Brixen. (8) Nach gütiger Mitteilung des Herrn Propstes Freusberg.
(9) Vgl. auch Zeitschrift XVI (1903) 23ö!
DRITTES KAPITEL. BESCHAFFENHEIT. II. FORM 263
reichen. Mit einem Schlichen war auch versehen ein Saugröhrchen, das sich
noch im Beginn des 18. Jahrhunderts im Kloster Corbie befand, jedoch nicht
mehr im Gebrauch war. Es hatte die Besonderheit, daß an ihm zwei dünne
Röhrchen angebracht waren, durch die etwaiges heiliges Blut, das beim Emp-
fang in dasselbe geflossen war, ohne weiteres in den Kelch zurückgeleitet
wurde. (10) Das Saugröhrchen, mittels dessen ehedem der Abt von Monte Cas-
sino das heilige Blut genoß, war mit einem kugelförmigen, als Halter dienenden
Knäufchen ausgestattet (Bild ig). (11) Keines der Saugröhrchen, die wir ken-
nen, zeigt ein flaches, breitgeschlagenes Mundstück, wie Theophilus es gestaltet
sehen will; bei allen ist es rund.
Niemals hören wir im Mittelalter von einem Saugröhrchen, das dem Kelch angelötet war.
Immer erscheint es als ein Gerät für sich. Freilich wäre es auch durchaus unpraktisch ge-
wesen, es am Kelch anzulöten. Einen besonderen Schute gegen etwaiges unvorsichtiges Ver-
schütten des heiligen Blutes beim Empfang desselben hätte das kaum gewährt, wohl aber
hätte das, wie schon früher gesagt wurde, das Purifizieren des Köhrchens nach Gebrauch
/um mindesten sehr erschwert. Etwas anders verhielt es sich mit dem Röhrchen, als dieses
lediglich zum Empfang des Ablutionsweines diente, da dasselbe nun nach Gebrauch nicht
jener sorgfältigen Purifikation bedurfte, wie das Saugröhrchen, mittels dessen man das
heilige Rlut genossen hatte. Es kann darum auch schon aus diesem Grund allein kaum zwei-
felhaft sein, daß das Röhrchen, das Lindanus zu Bolsward, zu Thabor und zu Rerghem
einem Kelch angelötet sali, (12) nicht zur Spendung des heiligen Blutes, sondern zu der
der Ablution diente.
Saugröhrchen, die sich aus mehreren Einzelröhrchen zusammensetzten, sowie Saugröhr-
chen mit mehreren Mundstücken hat es nie gegeben. Es ist durchaus unzutreffend, wenn
Witte meint: »Es kommen auch fistulae vor, die zu mehreren vereinigt waren, bzw. meh-
rere Mundstücke hatten.- (13) Saugröhrchen der einen wie der andern Art wären völlig zweck-
los, ja sogar, weil zu unhandlich, schlechthin unbrauchbar gewesen, zumal solche mit meh-
reren Mundstücken, aber nur einem Zuleitungsrohr. Hätte man doch beim Gebrauch derselben
alle Mundstücke bis auf das eine, mittels dessen man "das heilige Rlut genießen wollte, schlie-
ßen müssen, um das Röhrchen überhaupt benützen zu können. Wenn aber Witte zur Be-
gründung seiner Behauptung auf Du Gange hinweist, bei dem es heißt: tenens fistulam
intra calicem, ut quisque sugeret de calice ex alio fistulae capite, so hat er übersehen, daß
liier ex alio capite fistulae doch nicht bedeutet noch bedeuten kann, »mittels eines andern,
von dem vorher gebrauchten verschiedenen Mundstückes«, sondern mittels des andern,
nämlich des nicht in den Kelch eingesenkten Endes der fistula. Außerdem hat er nicht be-
achtet, daß es sich bei jenen Worten aus Du Gange keineswegs um eine Relegstelle, sondern
bloß um eine von diesem selbst herrührende Erklärung des Gebrauches des Röhrchens han-
delt, daß sie also auch aus diesem Grunde nicht beweisen, was sie beweisen sollen.
(tö) Mart. et Durahd II, 62. (11) Nach einer Abbildung des damals in der Sakristei
von Monte Cassino noch vorhandenen, aber nicht langer im Gebrauch stehenden Röhrchens
be» Fiukciscus de Bkrlesois, De oblationibus ad altare (Venetiis 1743) Tafel zu S. 148.
U2) Vgl. oben S. 258. (13) Witte 33.
VASA SACRA. ZWEITER ABSCHNITT. DAS Et CIIAR. SAUGRÖHROHBN
die unten mit dem Saugröhrchen durch einen Ring fest verbunden waren, soll-
ten das etwa im Schüsselchen sich sammelnde heilige Blut wieder dem Kelch
zuführen. 4,5 cm unterhalb des Schüsselchens umschloß ein kraftiger runder
Knauf alle drei Röhrchen. Zwei dornenkranzartige Henkel verbanden ihn mit
dem Schälchen. Eine Abbildung des Röhrchens hat sich bei
Berlendis erhalten. (14) Zum Purifizicren desselben diente
eine oben mit einem Knäuf chen versehene, etwa 38 cm lange
goldene Nadel. Von der gleichen Form war auch schon der in
einem Inventar Pauls III. (i534—i54o,) (15) aufgeführte,
mit Edelsteinen und der Inschrift Clemens VII. Pont. Max.
an. VI versehene calamo d'oro. (16) Er war noch vorhanden
sino agli ultimi tempi nella sagrestia pontificia, heute ist er
es jedoch nicht mehr. Um den Ausgang des i3. Jahrhunderts
hatte das Saugröhrchen, dessen sich der Papst beim Ponti-
fikalamt bediente, noch nicht die heutige Form. Wenigstens
enthält die Beschreibung der vier canuli im Inventar des Apo-
stolischen Stuhles von 1295 nichts, was auf eine solche auch
nur irgendwie hindeuten könnte. Das Saugröhrchen, das heute
bei der feierlichen Papstmesse benutzt wird, entbehrt des
Knaufes, ist aber im übrigen dem im 18. Jahrhundert ge-
bräuchlichen gleichartig. (17)
Eine reichere Ausstattung hat das Saugröhrchen anschei-
nend nur selten gefunden. Nur einmal begegnen wir im Mit-
telalter einem Röhrchen dieser Art, im Inventar des Apostoli-
schen Stuhles von 1295. Es war an beiden Seiten mit je
6 Baiassen, 6 Saphiren und 23 Perlen besetzt, wozu an einer
Seite noch ein Smaragd, an der andern ein Rubin kam. Das
Knäufchen des Röhrchens war in Filigran gearbeitet und mit
Bild 19. Eudiaristi-
sche Fistula zu Mon- 5 Baiassen sowie 5 Saphiren verziert. Ein zweites Saugröhr*
te Cassino; Bild 20. chen des entars wies am Knäufchen Nielloschmuck auf,
Päpstliche eudiari- eine Verzierung desselben, von der wir schon bei Theophilus
stidie Fistula (nach in dessen Schedula vernehmen. Die zwei andern canuli des
Berlendis).
Inventars waren schmucklos. (18) Von den beiden Saugröhr-
chen in der Johanniskirche zu Lüneburg ist eines mit Blattwerk ornamen-
tiert. (18a) Ein eucharistisches Saugröhrchen, das Abt Suppo von Mont-
St-Michel um 10/10 für seine Abteikirche anfertigen ließ, trug die bezeich-
nende Inschrift: Hie Domini sanguis nobis sit vita perennis. (19) Von der
Inschrift auf dembeiBERLENDis abgebildeten Saugröhrchen Klemens'VII. war
schon die Bede wie auch von der eines Röhrchens zu Marienhafe, das früher bei
der lutherischen Abendmahlsfeier benutzt wurde.
Von einem eigenartigen Gegenstück zum eucharistischen Saugröhrchen hören wir ir»
Prager Inventaren aus den Jahren i354, i355 und 1887, von zwei silbernen Zangen,
mit denen der Erzbischof, wie es im ersten Inventar heißt, den Leib des Herrn den Kommu-
nizierenden reichte: Foreipes binae argenteae pro porrigendo corpore Christi pro commu-
nicantibus per archiepiscopum. (20) Im Inventar von i355 fehlt per archiepiscopum: Duo
foreipes argentei, quibus porrigitur corpus Domini, (21) in dem von 1887 erscheinen die
beiden Zangen schon als außer Gebrauch gesetzt: Duo foreipes argentei, quibus porrigebatar
hominibus Corpus Domiiiicmn. (22) Es ist das einzige Mal, daß wir von einer Zange als
Gerät zur Ausspendung des Leibes des Herrn vernehmen. Zu Rom war es, wie wir aus dem
Ordo des Petrus Amelii ersehen, im späten i4. und frohen i5. Jahrhundert Brauch, daß
der päpstliche Sakristan, ein Bischof, in der Papstmesse am Ostertage die zur Kommunion
der Osterkommuni kanten bestimmten konsekrierten Hostien mit einer goldenen Zange in
das zu ihrer Aufnahme herbeigebrachte Ziborium legte. (23)
Das eucharistische Saugröhrchen ist weder heute in den Riten des Ostens in
Gebrauch, noch wurde es jemals in ihnen zum Empfang des heiligen Blutes
benutzt. Es liegt auch nicht die geringste Spur vor, aus der sich erschließen
ließe, daß es wenigstens in früherer Zeit hierzu in ihnen gedient habe. (24) Es
gab aber und es gibt noch in den Riten des Ostens ein gewisses Gegenstück zu
ihm, den eucharistischen Löffel (griech. Xaßk, slav. ljitza, syr. tarwodho, kopt.
koklarion, myster, äth. 'erfa raaskal).
Der lateinische Ritus hat zu keiner Zeit den eucharistischen Löffel gekannt.
Wohl begegnet uns in ihm schon in früher Zeit ein Löffel, mit dem man den
Weihrauch seinem Behälter entnahm, um ihn auf die Kohlen des Rauchfasses zu
werfen. Auch kam im späteren Mittelalter mancherorten, namentlich in Frank-
reich und Deutschland, ein Löffelchen in Gebrauch, mittels dessen man dem
zur Konsekration in den Kelch gegossenen Wein einige Tropfen Wassers bei-
mischte, bei den Cluniazensern aber gab es in älterer Zeit einen Löffel, mittels
dessen der Hebdomadar bei der Hauptmesse an diejenigen, welche bestimmt
waren, in ihr zu opfern, die hierzu dienenden Hostien austeilte (25) und der
Priester bei der Vorbereitung zur Privatmesse die Hostie auf die Patene
legte. (26) Zur Ausspendung des heiligen Blutes bediente man sich in den Riten
des Westens eines Löffels zu keiner Zeit. Man genoß es hier, wie schon gesagt
wurde, entweder unmittelbar aus dem Kelch oder mittels eines Saugröhrebens
oder in der Weise, daß der die Kommunion ausspendende Priester die Partikel
der heiligen Hostie vor der Spendung ein wenig in das heilige Blut tauchte, so
daß sie von diesem benet2t wurde und der Kommunikant darum zugleich mit
(20)" Podlaha, app. V. (21) Ebd. XVI. (22) Ebd. XXXIV.
(23) C. 85 (M. 178, 1332). (24) Nach Rohatilt de Fleurv, der sich dafür auf Voigt,
«istoria fistulae eucharisticae beruft, soll allerdings in des Nicetas Vita des heiligen Igna-
nus, Patriarchen von Konstantinopel (t 877), von einem eucharistischen Saugröhrchen die
Hede sein (Ron. IV, 182). Hatte er jedoch die betreffende Stelle selbst eingesehen, würde
er alsbald bemerkt haben, daß, der calamus, von dem sie spricht, nicht ein eucharisti-
senes Saugröhrchen, sondern ein Schreibrohr war. (25) Udalrici, Consuet. Cluniac. 1,3,
e-12 CM 149, 756); vgl. auchWiLH. Hirs.ug., Constit. Hirsaug. 1. 2, e. 30 (M. 150, 1083).
(26) Udalricus I.e. 1.2, c.30 (M. 149, 724).
266 VASA SACRA. ZWEITER ABSCHNITT. DER EUCH AR. LÖFFEL
ihr auch das heilige Blut empfing. (27) Der Brauch, die konsekrierten Partikeln
vor Austeilung der Kommunion in das heilige Blut einzusenken und dann bei
letzterer mit einem Löffel die einzelnen Partikeln wieder herauszuholen und
in den Mund des Kommunizierenden zu legen, war dem Westen stets unbekannt.
Nie ist in den Quellen liturgischen Charakters von ihm die Rede, obwohl man doch,
falls er in Gebrauch war, sicher ihm irgend einmal in ihnen begegnen würde und müßte.
Auch läßt sich nicht annehmen, es sei der eucharistische Löffel zwar in alter Zeit auch im
Westen zur Ausspendung des heiligen Blutes zur Verwendung gekommen, jedoch später
wieder abgeschafft worden. Denn bei dem schon früh einsetzenden Bestreben, den Genuß
des heiligen Blutes mittels Trinkens desselben aus dem Kelch durch eine andere Weise zu
ersetzen, die mit geringerer Gefahr für Verschüttung verbunden war, würde man den
eucharistischen Löffel doch sicher nicht wieder außer Gebrauch gesetzt haben. Selbst im
Ritus der Krankenkommunion, in dem man noch am ehesten auf ihn zu stoßen erwarten
könnte, vernehmen wir niemals von ihm.
Aber auch die sonstigen schriftlichen Quellen. Biographien, Chroniken, Gaben Verzeich-
nisse und Inventare, wissen nichts von einem eucha ristischen Löffel im Westen. Allerdings
finden sich in älterer Zeit unter den Gegenständen, die jemand bei seinen Lebzeiten oder
testamentarisch einer Kirche schenkte, bisweilen auch Löffel. So in Flodoards Historia
ecclesiae Remensis, (28) die berichtet, Bischof Sonnacius habe der Basilika des heiligen Re-
migius missorium argenteum, cochlearia quoque 12 et salarium argenteum, gespendet; in
dem Testament einer Ermentrudis, in dem diese der Basilika des heiligen Kreuzes und des
heiligen Vincentius zu Paris cochlearia 10 argentea vermacht; (29) in den Gesta episcopo-
rura Autissiodorensium, (30) in denen unter den Gaben, mit denen Bischof Desiderius
(-j-6a3) in reichstem Ausmaß seine Kathedrale bedachte, Hausgerät der mannigfachsten
Art, auch cocbleares 9, pens. 1. 3,5, cochleares 12, pens. 1. 3, unc. 3, item cochleares 12,
pens. 1. 3, unc. 9 sowie cochleares 12, pens. 1. 3, qui habent caudas scriptas, genannt werden
und in einem Obituar der Kathedrale von Lyon, in dem berichtet wird, ein Kanonikus Arial-
dus habe dem heiligen Stephan vermacht: a scyphos et 2 concas et 2 mantilia et '10 solidos in
opus turris maioris ecclesiae et scyphum argenteum cum cochleari. (31) Man hat sie als eucha-
ristische Löffel gedeutet, (32) weil man nicht genügend den Zusammenhang, in dem sie sich
finden, beachtete. In Wirklichkeit handelt es sich bei ihnen entweder um Löffel für den
häuslichen Gebrauch der zu der betreffenden Basilika gehörenden und bei ihr wohnenden
Welt-oder Ordensgeistlichen, wie bei den Löffeln, die Bischof Athanasius von Neapel (fSf*)
für sein episcopium anfertigen ließ, (33) und den coclearea argentea tractoria im Schatz
des episcopium zu Ravenna, von denen wir in des Agnellus Bischofsbuch der ravennatischen
Kirche hören, (34) oder um Gegenstände aus dem Haushalt, die einer Kirche als Wert-
stücke zu irgend einem guten Zweck, wie zur Vollendung derselben oder zur Beschaffung
kirchlicher Einrichtungsgegenstände von einem Wohltäter bei dessen Lebzeiten geschenkt
oder hinterlassen wurden. (35)
Nur einmal, in dem Inventar von Prüm aus dem Jahre ioo3, scheint bei bloß oberfläch-
lichem Zusehen von einem eucharistischen Löffel die Rede zu sein. Es wird nämlich
in ilim unter den Gaben des Kaisers Lothar auch genannt ein calix aureus cum patena
aurea . . . una cum cochleari aureo gemmatoque et fistula nihilominuä aurea cum gem-
mis. (36) Indessen weist schon zur Genüge die gleichfalls zum Kelch gehörende fistula
darauf hin, daß unter dem cochlear auch hier kein Löffel zum Austeilen des hochheili-
gen Blutes verstanden werden kann. Außerdem aber gibt das Inventar selbst ausdrücklich
und in aller Klarheit an, welches Gerät mit ihm gemeint ist, wenn es andernorts bemerkt:
(27) Vgl. oben S.247. (28) L.2, c. 5 (M. 135, 105). (29) Mabillox, Liturgia gallic.
(Paris 1729) 463. (30) L. 1, c. 20 (M. 138, 2571). (31) Bull. mon. XLVII (1881) 162.
(32) Vgl. z. B. die reichlich phantastische Deutung der Schenkung des Artaldus durch
Barbier de Müytault oben S. 21. (33) Vita s. Athanasii epist Neap. bei Miratori, So.
rer. Ital. II, 2 (Mailand 1726) 1946: In episcopio ad quotidiana ministeria in cochlearus
catinisque fere 100 libras contulit argenti. (34) Vita Sergii c. 4 (M. 106, 729).
(35) Vgl. oben S. 21. (36) Beyer 717.
VORBEMERKUNG. NAMEN 267
Colatoria 3, unum aureum et gemmatum, cui aupra meminimus Lolharii imperatoris, alia
vero duo unum auro argentoque paratum, alterum argenteum cotidianum. (37) Das coch-
lear war also nichts anders als ein colatorium, ein liturgischer Seiher, cochlear im Inventar
genannt wegen seiner löffelartigen Form. Daß das cochlear magnum argenti in einem
Inventar von St-Martial zu Limoges aus der Zeit von i22Ö—ia45 (38) kein eucharislischer
Löffel war, braucht kaum bemerkt zu werden. Auch dieses cochlear mag ein Seiher gewesen
Da im Westen in keinem der dortigen Riten und zu keiner Zeit sich ein Löffel zum Aus-
teilen der Eucharistie im liturgischen Gebrauch nachweisen läßt, ergibt sich ohne weiteres,
daß einige Löffel altchrisliehen Ursprunges, die dort gefunden wurden, wie z. B. sechs
Löffel, die zu Canziano bei Aquileja entdeckt wurden, (39) verschiedene Löffel, auf die
man in Gräbern des alamanniscnen Gebietes, namentlich aber in Gräbern zu Sasbach, Heil-
bvonn und Eßweiler stieß, (40) ein Löffel im Museum zu Parma, (41) sowie namentlich
auch ein aus einem Kölner Funde herrührender, angeblich der konstantinischen Zeit ange-
höriger Löffel im Schnütgenmuseum zu Köln, irrig als eucharistische Löffel gedeutet wur-
den. Allerdings meint Witte, (42) der Kölner Löffel sei vermutlich das Erzeugnis einer
in Köln zu suchenden syrischen Gold schmiede werk statte und wenn auch der römische Ritus
den eucharis tischen Löffel nicht gekannt habe, so habe sich das doch anders im Orient und
im besondern im syrischen Ritus verhalten, indem er zum "Beweis dafür auf eine Rubrik im
syrischen Kommunionritus verweist. (43) Allein erstens entbehrt die Vermutung, der Löffel
sei das Werk eines syrischen Goldschmiedes aller und jeder Begründung und geht es schon
darum nicht an, auf sie die Behauptung aufzubauen, es sei derselbe ein syrischer euchari-
stischer Löffel. Zweitens ist nichts darüber bekannt, daß es im £. und 5. Jahrhundert in
Köln eine syrische Christengemeinde gegeben habe und daß dort die Liturgie jemals nach
syrischen Ritus gefeiert worden sei. Ist das nicht geschehen — daß es geschehen sei, muß
aber bewiesen werden —, wie kann dann der Löffel als eucharistischer Löffel des syrischen
Ritus ausgegeben werden? Drittens und namentlich endlich hat Witte es unterlassen, zu
untersuchen, aus welcher Zeit die Rubrik des syrischen Kommunionritus, auf die er sich
beruft, stammt. Andernfalls würde er gefunden haben, daß dieselbe erst einer verhältnis-
mäßig jungen Zeit angehört und daß sich deshalb aus ihr ebensowenig ergibt, es sei schon
im !\. und 5. Jahrhundert in Syrien der eucharistische Löffel in Gebrauch gewesen, wie sich
mit den Rubriken betreffs der Elevation bei der Wandlung im Missale Pius' V. beweisen
läßt, es sei die Elevation schon zu Konstantins Zeiten üblich gewesen.
Daß der zu Sasbach gefundene Löffel das Monogramm Christi und auf dem vorderen
Stielende den Namen Andreas aufweist, (44) daß sich auf dem Heilbrunner und auf dem
Eßweiler Löffel die anscheinend christlichen Inschriften Posenna vivas und Luciliane vivas
finden, daß auf dem Löffel im Museum zu Parma die segnende Hand Gottes, auf einem der
Löffel von S. Canziano das Opfer Abrahams, auf einem zweiten derselben die Anbetung des
Jesuskindes durch die Drei Könige und auf einem dritten die Taufe Christi dargestellt ist,
beweist nur, daß wir in ihnen christliche Löffel zu erkennen haben, nicht aber, daß sie zur
Ausspendung der Eucharistie benutzt worden sind, ja nicht einmal, daß sie überhaupt zu
irgendwelchen sonstigen liturgischen Zwecken gedient haben. Denn derartige religiöse Dar-
stellungen, Symbole und Inschriften wurden, wie schon früher betont wurde, wie auch noch
später so namentlich in altchristlicher Zeit nicht bloß auf gottesdienstlichem Gerät, sondern
ebenso, und zwar mit Vorliebe, auf Geräten häuslichen Charakters angebracht. Wie wenig
das religiöse Bildwerk insbesondere auf den drei Löffeln von Canziano deren eucharislische
oder auch nur deren liturgische Verwendung verbürgt, erhellt aus dem Umstand, daß zu-
gleich mit ihnen weitere Löffel gefunden wurden, die mit profanem Bildwerk, Angehöri-
gen der Familie der Eusebier, und der diese begleitenden Inschrift Eusebiorum dignitas
verziert waren. Noch viel weniger als mit religiösem Bildwerk oder sonstigen religiösen
Zeichen geschmückte Löffel läßt sich ein Löffel aus altchristlicher Zeit als eucharistisch
bezeichnen, wenn das Ornament, mit dem er verziert ist, nicht einmal eindeutig christ-
lich ist, wie bei dem Löffel im Schnütgcnmiisoum. Alan kann sogar mit Fug fragen, ob es
sich bei diesem Löffel überhaupt um einen christlichen und nicht vielmehr um einen Löffel
nicht christlicher Herkunft handelt.
ERSTES KAPITEL
DER EUCHARISTISCHE LÖFFEL IN DEN RITEN DES OSTENS
NACH HEUTIGEM BRAUCH
Sehen wir zu, in welcher Weise die Kommunion in den Riten des Ostens ge-
spendet wird, so bietet sich uns ein sehr verschiedenes Bild dar. Nur darin stim-
men alle überein, daß in ihnen alle, nicht bloß der Zelebrans, sondern auch die
übrigen Priester, der Diakon, der niedere Klerus und die Laien das hochheilig-
ste Sakrament unter beiden Gestalten empfangen. Eine Ausnahme machen bloß
die Chaldäer, d. i. die katholischen Nestorianer, die unierten Armenier und
Abessinier sowie die Maroniten, bei denen sich wenigstens beim niederen Kle-
rus und den Laien die Kommunion unter nur einer Gestalt nach Weise des latei-
nischen Ritus eingebürgert bat.
Gespendet wird die Kommunion, soweit sie nicht Krankenkommunion ist, in
allen Riten in der Messe und zwar mit Ausnahme der Nestorianer, bei denen
Priester und Diakon erst nach den Gläubigen kommunizieren, wie im lateini-
schen Ritus nach der Kommunion des Zelebrans und des Diakons. Was aber die
Form des Kommunizierens anlangt, so empfangen im griechischen Ritus der
Zelebrans, etwaige sonstige Priester und der Diakon das heiligste Sakrament
unter beiden Gestalten getrennt und zwar das heilige Blut unmittelbar aus dem
Kelch, also nicht mittels eines Löffels. Für die Kommunion aller übrigen wer-
den dagegen die für dieselben konsekrierten Partikeln in das heilige Blut ein-
gesenkt und dann bei Spendung der heiligen Kommunion mittels eines Löffel-
ehens wieder aus demselben herausgeholt und in den Mund des Kommunizie-
renden gelegt, wobei der Priester den Kelch in der linken, das Löffelchen in
der rechten Hand hat und, um einer Verunehrung des heiligsten Sakramentes
vorzubeugen, den Kelch dicht an den Mund des Kommunizierenden hält. Das
Löffelchen besteht aus einer kleinen Schale und langem, meist mit einem Kreuz
endenden Stil. Es ist gewöhnlich aus Silber gemacht.
In der Form des Kommunionempfanges bestand bis in die jüngste Zeit kein Unterschied
zwischen den nichtunierten (orthodoxen) und den unierten Griechen. Neuerdings hat sich
jedoch aus Gründen der Hygiene bei letzteren eine etwas andere Form desselben, wenn auch
noch nicht allgemein, eingebürgert, hei der das Löffelchen nicht mehr dazu dient, die
konsekrierte Brotpartikel aus dem Kelch wieder herauszuholen und in den Mund des
Kommunizierenden zu legen, es werden vielmehr mittels desselben nur noch die auf der
ERSTES KAPITEL. HEUTIGER BRAUCH 269
Patene belassenen Partikel mit einem Tropfen des heiligen Blutes getränkt, und die so mit
diesem befeuchteten Partikeln vom Priester beim Austeilen derselben mit der Hand auf die
Zunge des Kommunizierenden gebracht. Auch den Kranken wird wenigstens bei den nicht-
unierten Griechen die heilige Kommunion mittels eines Löffels gespendet, indem ein paar
kleine Partikel des am Gründonnerstag für die Krankenkommunion des ganzen Jahres
konsekrierten und mit dem heiligen Blut getränkten Brotes in einen kleinen Kelch gelegt,
mit etwas Wein übergössen und nun mittels des Löffels dem Kranken gereicht werden.
Bei den Syrern kommunizieren, umgekehrt wie bei den Griechen, mit einem
Löffel der Zelebrans, etwaige andere Priester, der Diakon, der Subdiakon und
die Mönche, nicht aber die sonstigen Gläubigen. Der Zelebrans genießt mittels
des Löffeis zuerst die nach der Brechung in den Kelch eingesenkte Partikel
des Leibes des Herrn und sodann zwei Löffel des heiligen Blutes. Die Priester,
der Diakon, der Subdiakon und die Mönche aber empfangen durch den Zele-
brans mittels des Löffels nur in das heilige Blut zuvor eingelegte Partikeln des
konsekrierten Brotes, nicht jedoch auch noch das heilige Blut für sieb allein.
Dem Volke spendet der Zelebrans die heilige Kommunion ohne Hilfe *ines
Löffels, indem er ihm eine in das heilige Blut eingetauchte Partikel des kon-
sekrierten Brotes mit der Hand in den Mund legt. Im westlichen Syrien ge-
schieht das Eintauchen unmittelbar nach der Brechung der Hostie, im östlichen
erst bei Ausspendung der gebrochenen Partikel. Bei den katholischen Syrern
wird vor der Brechung nur eine der zur Kommunion des Volkes dienenden Ho-
stien in das heilige Blut eingetaucht; die andern werden dann mittels dieser
Hostie befeuchtet. Gebrochen werden die Hostien erst beim Austeilen derselben
an die Gläubigen, das auch bei den katholischen Syrern ohne Löffel mittels
der Hand des Zelebrans erfolgt.
Der Bitus der Nestorianer kennt keinen eucharistischen Löffel, auch nicht
«er der katholischen, der sog. Chaldäer, soweit bei diesen die Kommunion unter
beiden Gestalten in Übung ist. Nicht bloß der Zelebrans, sondern auch alle
übrigen genießen das heilige Blut unmittelbar aus dem Kelch. Die monophysi-
lischen Kopten kommunizieren zwar ebenfalls unter gelrennten Gestalten, doch
empfangen nur der Zelebrans und sonstige Priester das heilige Blut, indem sie
den Kelch trinken, allen übrigen wird es mittels eines Löffelchens gespendet.
Bei den unierten Kopten verhält es sich bezüglich der Kommunion des Zele-
brans, etwaiger sonstiger Priester und des Diakons wie bei den nichtunierten,
an den niederen Klerus und die Laien wird dagegen das heiligste Sakrament
ausgeteilt wie bei den Griechen, also aus dem Kelch, in dem Partikeln des Lei-
bes Christi dem heiligen Blut beigemischt wurden, mit Hilfe eines Löffelchens.
Bei den Abessiniern, deren Bitus eine Abart des koptischen ist, wird die Kom-
munion wie bei den Kopten gespendet, was auch von den katholischen Abbessi-
luern gilt, soweit diese sich nicht bei ihr mit der Gestalt des Brotes begnügen.
Im armenischen Ritus genießt der Zelebrans den Leib und das Blut des Herrn
getrennt und zwar letzteres aus dem Kelche. Für die übrigen wird bei den
schismatischen Armeniern das konsekrierte Brot in den Kelch mit dem heiligen
Blut eingesenkt, jedoch bei der Kommunion nicht mittels eines Löffelchens
wieder herausgenommen und dem Kommunizierenden in den Mund gelegt,
270 VASA SACRA. ZWEITER ABSCHNITT. DER BVGBAR. LÖFFEL
sondern mittels der Finger des Priesters. Bei den unierten Armeniern kommu-
nizieren mit Ausnahme des Zelebrans alle, auch Priester und Diakone, nur
unter der Gestalt des Brotes.
Bei den Maroniten, deren Ritus eine Abart des syrischen, jedoch in manchen
Einzelheiten latinisiert ist, empfangen nur der Zelebrans und etwaige sonstige
Priester sowie der ministrierende Diakon das heiligste Sakrament unter beiden
Gestalten. Jener genießt das heilige Blut aus dem Kelche, diese, indem ihnen
der Zelebrans eine durch Eintauchen mit demselben getränkte Hostie mit der
Hand, nicht mittels eines Löffels in den Mund legt. Einen Löffel hierzu zu
gebrauchen, wurde schon 1735 durch die Nationalsynode im Libanon ausdrück-
lich untersagt. Alle anderen kommunizieren bei den Maroniten nur unter der
Gestalt des Brotes. (1)
Wie aus dem Gesagten hervorgebt, findet der eucharistische Löffel keines-
wegs in allen Riten des Ostens, wie wohl irrtümlich gesagt wird, bei Spendung
und Empfang der Kommunion unter beiden Gestalten Verwendung, sondern
nur im griechischen, syrischen und koptischen (abessinischen), nicht im nesto-
rianischen, armenischen und maronitischen. Bei den Griechen wird er bei der
Kommunion des niederen Klerus und der Laien benutzt, bei den Syrern bei der
des Zelebrans und sonstiger Priester, des Diakons, des Subdiakons und der
Mönche. Bei den nichtunierten Kopten (Abessiniern) wird er bei der Kommu-
nion des Diakons, des niederen Klerus und der Laien gebraucht, bei den unier-
ten nur bei der der beiden letzteren.
ZWEITES KAPITEL
ALTER DER VERWENDUNG DES EUCHARISTISCHEN LÖFFELS
IN DEN RITEN DES OSTENS
Bei den Armeniern und Nestorianern war der eucharistische Löffel auch in
früherer Zeit nicht in Gebrauch. Wenn er gegenwärtig bei denselben im Ritus
des Kommunionempfanges nicht benützt wird, so hat das also seinen Grund
nicht etwa darin, daß er im Lauf der Zeit bei ihnen allmählich außer Verwen-
dung kam oder daß sein Gebrauch später ausdrücklich verboten wurde, wie es
1735 durch die Synode im Libanon bei den Maroniten geschah. Bei den Grie-
chen, den Syrern und Kopten (Abessiniern) ist er heute in Benützung, weil er
bei ihnen auch schon früher bei Spendung der Kommunion gebraucht wurde.
Verwendet wurde er im griechischen Ritus, seitdem er in ihm eingeführt
worden war, stets zu dem gleichen Zweck und in derselben Weise wie noch
jetzt, d. i. vor allem zur Ausspendung der vor der Kommunion in das heilige
Blut eingesenkten und dadurch von ihm durchtränkten Partikeln des konsekrier-
ten Brotes an den niederen Klerus und die Laien, ausgenommen jedoch den
Kaiser, der wie der höhere Klerus das heilige Blut aus dem Kelch genoß, (la)
(1) P. Fr. Dunkel, Die Spendung der heiligen Sakramente in der orientalischen Kirche
in Theol.-prakt. Quartalschrift LXXX (1927) 446f, 676f.
(la) Jon. Castacczexi, De rebus ab Andronico gestis 1. 1, c. 41 (Mg. 153, 288).
ZWEITES KAPITEL. ÄLTER DER VERWENDUNG 271
Nie diente er in ihm zur Ausspendung des heiligen Blutes allein und für sich,
doch wurde er schon im Mittelalter auch dazu benutzt, die am Gründonnerstag
für die Kommunion der Kranken bestimmten konsekrierten Hostien, sowie die
Hostien, welche an den Sonntagen der Fastenzeit für die in der folgenden Wo-
che zu feiernden Präsanktifikatenmessen konsekriert wurden, mit einigen Trop-
fen des heiligen Blutes zu benetzen; letztere jedoch nur, wo das üblich war, also
nicht zu Konstantinopel, wo dieser Brauch nicht bestand. (2) Von Simeon von
Saloniki (um i^oo) hören wir, daß man, um einem Kranken die Kommunion
zu reichen, die zu dieser dienenden Partikeln mittels einer Xaßtc dem Artopho-
rion, in dem sie aufbewahrt wurden, entnahm. (3)
Daß der eucharistische Löffel bei den Griechen schon in verhältnismäßig
früher Zeit in Gebrauch kam, und nicht erst im späten Mittelalter, daran be-
steht kein Zweifel. Wenn man dagegen seine Einführung dem heiligen Johan-
nes Chrysostomus zugeschrieben oder doch gemeint hat, er sei schon im 4* und
5. Jahrhundert bei den Griechen zur Verwendung gekommen, so ist das un-
zutreffend. Den Leib des Herrn legte der Priester damals bei Spendung der
Kommunion den Kommunizierenden in die rechte, von der linken gestützte
Hand, damit sie selbst ihn mit derselben zum Munde führten, zum Genuß des
heiligen Blutes aber reichte er ihnen den Kelch zum Trinken. So verhielt es
sich aber nicht bloß im 4- und 5. Jahrhundert, sondern noch weit später. Noch die
706 abgehaltene Trullanische Synode legt dafür Zeugnis ab. Man hatte begonnen,
den Leib des Herrn bei der Kommunion sich statt in die Hand in einen Behälter
aus Gold oder sonstigem kostbaren Stoff legen zu lassen. Demgegenüber ver-
ordnet die Synode mit aller Entschiedenheit und unter Androhung schwerer
Strafe für die Zuwiderhandelnden, Spender wie Empfänger, wer bei der Messe
kommunizieren wolle, müsse, die Hände gekreuzt — d. i. die Linke unter die
ausgestreckte Rechte gelegt —, zum Kommunizieren hinzutreten. Die Kommu-
nion sich statt in die Hand in ein Gefäß aus Gold oder anderem Stoff legen zu
lassen und dann mittels desselben empfangen, heiße ein lebloses, von Menschen
gemachtes Ding einem Abbild Gottes, der Hand nämlich, vorziehen. (4) Das
Fortbestehen des alten Brauches bezeugt zu derselben Zeit auch der heilige Jo-
hannes Damascenus. (5)
Es kann darum auch nicht auffallen, vielmehr entspricht es durchaus dem
Tatbestand, wenn die unter dem Namen des heiligen Germanus, Patriarchen von
Konstantinopel (7733), gehende und aller Wahrscheinlichkeit nach wirklich
von demselben herrührende, jedenfalls aber vor dem 9. Jahrhundert geschrie-
bene Historia mystica catholicae ecclesiae noch nichts von einem eucharistischen
(2) Vgl. Michel Andrieu, Immixtio et consecratio (Paria 1924, 202f.) und die hier ange-
fahrten Belegstellen besonders auch des Conslantin Harmenopulos (f ca. 1380) Epitome ca-
nonum sect 2, tit. 6 (Mg. 150, 98): Ti ;«, yy.v.; -A •Kya.fvx^yo. 5ii ttj; Äo^töo; b t<ü Uazo-ixS, afyxa
iv T(5 piUeiv toü^, H)]ukraw (nämlich zur Prasanktiiikatenmesse) dxpföszzpbi ifjjaiv 6 |*mwji»s
Löffel weiß. (6) Denn wenn die Schrift alle übrigen Meßgeräte nennt und my-
stisch deutet, und zwar selbst schon die bei der Proskomidi zur Herstellung der
Hostie dienende sog. heilige Lanze, von dem eucharistischen Löffel aber völlig
schweigt, kann das doch nur wohl dahin verstanden werden, daß dieser noch
nicht im Gebrauch war. Das um so mehr, als die Schrift dort, wo sie von der
Kommunion handelt, zwar von einer forceps { Xoßfc) spricht, jedoch mit ihr nicht
den später Äa^i; genannten liturgischen Löffel, sondern die Hand des den Leib
des Herrn austeilenden Priesters bezeichnet: (7) Illud vero, quod missus est
unus de Seraphim (Is. 6, 6) et accepit carbonem in manu, quem forcipe tulerat
de altari, significat sacerdotem et ipsum tenentem intellegibilem carbonem
Christum forcipe manus suae in sancto altari et sanctificantem atque purgan-
tem eos, qui accipiunt et communicant.
Allerdings wird m der Vita s. Marci monachi (8) von einer wunderbaren Kommunion
des Heiligen erzählt, bei der diesem die Eucharistie durch die Hand eines Engel und zwar
mittels eines Löffels gereicht wurde. Indessen ist die Angabe, derselbe habe sich dabei eines
Löffels bedient, ein Zusatz aus einer Zeit, in welcher der eucharistische Löffel bereits in
Gehrauch war. In dem Bericht über den Vorgang bei Sozomenus (9) und Palladius (10) ist
von ihrer Spendung mittels eines Löffels noch keine Rede. Wenn aber in einem von
Pitra (11) herausgegebenen und dem Patriarchen von Konstantinopel, Johannes dem Faster
(y 58s), zugeschriebenen liturgischen Fragment der Kommunion mittels eines Löffels
Erwähnung geschieht, so ist zu bemerken, daß dasselbe wie sein Inhalt beweist, von des
Pseudo-Sophronios Meßerklärung abhängig ist, einer interpolierten und erweiterten Be-
arbeitung der Schrift des Germanus, die erst dem zweiten Jahrtausend entstammt, also
ebenfalls erst dieser Zeit angehört und nicht von Johannes dem Faster herrührt.
Die älteste Angabe betreffs eines eucharistischen Löffels im Dienst der grie-
chischen Liturgie, an deren Zuverlässigkeit kein Zweifel besteht, findet sich in
den Kanones der von Photius 861 berufenen Synode von Konstantinopel. Wer
immer, so bestimmt diese, den heiligen Kelch, den Diskos, den Löffel, die ehr-
würdige Bekleidung des Altars, den sog. Aer, kurz irgend etwas von den im Al-
tarraum befindlichen heiligen Geräten und Gewändern zu eigenem Nutzen weg-
nehme oder zu unheiligem Zwecke mißbrauche, solle durchaus der Absetzung
verfallen. (12) In der zweiten Hälfte des 9. Jahrhunderts zählte demnach auch
schon die XaßEsi der eucharistische Löffel, ebenso zum Altargerät wie Kelch
und Diskos.
Etwas früher noch als in dem 10. Kanon der Synode von Konstantinopel sollen wir von
dem eucharistischen Löffel indem unter dem Namen des Gregor vonDekapolis (-J-um8ir),
des mutigen Verteidigers der Rechtmäßigkeit der Bild er Verehrung gehenden Sermo de
Saraceno hören. (13) Indessen ist es keineswegs genügend sicher, daß der auch im übrigen
(6) Sie wurde bereits von Anastasius, dem Bibliothekar der römischen Kirche, der sie
in Konstantinopel kennen gelernt hatte in das Lateinische übersetzt und ihre Übersetzung
dann von ihm Karl dem Kahlen gewidmet. Dieselbe ist veröffentlicht worden in A. Mai,
Nova bibl. Patr. X, 2 (Romae 1903) 10«. und Revue de Porient chr6t. X (1905) 350f. Der
griechische Originaltext wurde aufgefunden von N. Khasxojkijtcev und herausgegeben in
Jahrbuch von Odessa IV, 2 (1894) 178f. (7) N. 60 (Mai, I.e. 27).
(8) AA.SS. 5. Mäht; I, 365. (9) Hiat. eccl. !.6, c.29 (Mg. 67, 1376). (10) Hist. Lau-
siaca c. 20 (Mg. 34, 1065). (11) Spicileg. Solesm. IV (Paris 1853) 442.
(12) C. 10 (H. V, 1203). (13) Mg. 100, 1201 f. Ein Sarazene, der von dem Emir von
Syrien nach einem Ort Ampelon geschickt worden war, so heißt es darin, habe, als er der
Feier der Liturgie in der dortigen Georgskirche beiwohnte, gesehen, wie der Priester bei
der Proskomidi in Gestalt des Brotes ein Kind in die Hand genommen, es geschlachtet, sein
ZWEITES KAPITEL. ALTER DER VERWENDUNG 273
von Fabeln nicht freie Scrmo wirklich von Gregoriiis Dekapolita herrührt. Manches in ihm
spricht sogar entschieden dafür, daß er einer erheblich späteren Zeit angehört. Daß er
Gregors Namen trägt, beweist keineswegs, daß er dessen Werk ist. (14) Als einwandfreies,
zuverlässiges Zeugnis, daß im griechischen Ritus den Gläubigen die Kommunion bereits
im frühen 9. Jahrhundert mittels des eucharistischen Löffels gespendet worden sei, kann
demnach nicht gelten, was der Sermo von der Austeilung desselben mit Hilfe eines Löffels
erzählt.
Aus dem ersten bis zweiten Viertel des 10. Jahrhunderts liegt ein Zeugnis
über den Gebrauch des eucharistischen Löffels im griechischen Ritus in des
Barhebräus Chronicon eeclesiasticum vor. (15) Denn wenn in ihm erzählt wird,
der Wesir von Bagdad, Ali Bar Isa, habe zur Zeit des Maphrian Denha (912 bis
9.^2), den Katholikos der Nestorianer gefragt, bei welchen christlichen Völ-
kern man mittels eines Löffels die heiligen Geheimnisse spende, so kann der-
selbe bei dieser seiner Frage nur die Griechen im Sinne gehabt haben, deren es
zu Bagdad eine so große Zahl gab, daß sie darnach strebten, einen eigenen
Metropoliten zu erhalten, (16) die dort ihre Kirchen hatten, deren Gepflogen-
heit hinsichtlich der Weise der Ausspendung der heiligen Geheimnisse also dem
Wesir sehr wohl bekannt sein konnte. Bei den Nestorianern, Armeniern und
Syrern wurde es ja nie Brauch, dem Volk mittels eines Löffels die Kommunion
zu reichen.
In Gebrauch wird der eucharistische Löffel im griechischen Ritus frühestens
im ausgehenden 8., spätestens aber in der ersten Hälfte des 9. Jahrhunderts
gekommen sein. Denn im 10. Kanon der Synode von Konstantinopel erscheint
er, wie wir hörten, bereits als ein bekanntes Zubehör zu Patene und Kelch. Ob
er seine Einführung einer ausdrücklichen Vorschrift verdankt, oder ob dieselbe
gleich der so manchen andern Brauches auf dem Wege der Gewohnheit er-
folgte, läßt sich nicht feststellen, doch ist das letztere wohl das Wahrscheinli-
chere. Ihre Verbreitung aber wird seine Verwendung wohl lediglich auf dem
zweiten Wege gefunden haben, darum aber auch nur nach und nach sich voll-
zogen haben und der Gehrauch des eucharistischen Löffels erst allmählich
im griechischen Ritus allgemein geworden sein. Kennt doch selbst die Moo-roti)
ftswpta, eine im 10. Jahrhundert entstandene erweiterte Bearbeitung der Schrift
des Germanus, noch keineswegs den eucharistischen Löffel; wie es scheint, weil
er noch nicht überall im griechischen Ritus in Gebrauch war. Bis gegen die Mitte
des 11. Jahrhunderts hatte dann jedoch seine Verwendung in ihm weiteste Ver-
breitung erlangt, wie aus des Kardinals Humbert Schrift Adversus Graecorum
calumnias responsio (17) von io54 erhellt. Erscheint doch die Spendung der
Blut in den Kelch gegossen und seinen Leib zerstückelt auf den Diskos gelegt habe. Beim
feierlichen Einzug habe er wiederum den Leib des Kindes zerteilt auf dem Diskos und das
Blut desselben im Kelch geschaut, bei der Ausspendung der Kommunion aber habe er ge-
wahrt, wie der Priester den Kommunizierenden mittels einer 'i.i.p.% vom Leib und Blut des
Kindes gereicht habe. (14) Der Sermo wurde zuerst herausgegeben 1642 von dem Karme-
liter Isidor vom heiligen Joseph. Spätere Veröffentlichungen sind nur ein Wiederabdruck
dieses ersten Druckes da die Handschrift, die der erste Herausgeber benützte, seitdem ver-
schollen ist, was um so mehr zu bedauern ist, als infolgedessen eine Prüfung derselben auf
ihr Alter nieht mehr möglich ist.
_„(15) Ed. Aukloos und I.amy (Paris 1874J III, 240. (16) A.a.O. III, 236. (17) C. 32, 33
(M. 143, 951f.).
BIUC.V, DAS CHRISTLICHE ALTARGERÄT 1B
274 VASA SACRA. ZWEITER ABSCHNITT. DER EUCH AR'. LÖFFEL
Kommunion mittels eines Löffels in ihr schlechthin als die den Griechen eigene
Weise ihrer Spendung. Damit steht im Einklang, daß der Löffel nun auch
in einer zweiten, irrig dem heiligen Sophronius zugeschriebenen Bearbeitung
der Schrift des Germanus, die vielleicht erst im i3. Jahrhundert entstand, unter
den Altargeräten genannt wird und ebenso das wohl noch jüngere Fragment, das
der Herausgeber dem Patriarchen Johannes dem Faster irrtümlich zueignete,
ihn unter denselben erwähnt. Allerorten war der eucharistische Löffel im grie-
chischen Ritus jedoch noch um das Ende des 12. Jahrhunderts nicht eingebür-
gert. Denn wenn Balsamon (-J-ca. 120/1) in seiner Kanonessammlung bei Be-
sprechung des Kanon 101 des Trullanum sagt, in gewissen Kirchen habe sich
der von diesem eingeschärfte Brauch dahin geändert, daß man den Laien bei
der Kommunion den heiligen Leib des Herrn nicht mehr in die Hand lege, so
ergibt sich daraus, daß selbst noch zu seiner Zeit griechische Kirchen — denn
von solchen spricht er — nicht fehlten, in denen man am ursprünglichen Ritus
festhielt. Bemerkenswert ist, wie sich Balsamon mit dem Wechsel, der sich seit
dem Trullanum allmählich in der Form der Laienkommunion vollzogen hatte,
abfindet. Man solle sich nicht wundern, nicht nach dem Grunde fragen, weshalb
in gewissen Kirchen den Laien der Leib des Herrn bei der Kommunion nicht
mehr in die Hand gegeben' werde, wie es doch jener Kanon verlange. Denn dies
habe seinen Grund in rechtem Glauben, in Gottesfurcht und in über allem Ver-
dacht erhabener Frömmigkeit; die Änderung sei jedoch nicht erfolgt, weil man
die Laien nicht länger für würdig gehalten habe, daß man ihnen weiterhin den
Leib des Herrn auf die Hand lege.
Im Bereich des Patriarchats von Jerusalem, für den der zu Jerusalem beste-
hende Brauch bestimmend war, war es noch im 11. Jahrhundert nicht üblich
geworden, den Laien die Kommunion vermittels eines Löffels zu spenden. Aus-
drücklich bezeugt das Kardinal Humbert in seiner schon erwähnten Schrift
Adversus Graecorum calumnias responsio gegenüber der entgegengesetzten Ge-
pflogenheit im griechischen Ritus. Zu Jerusalem, sagt er, habe man seit alters
den gleichen Ritus bei Austeilung der Kommunion beobachtet, wie ihn die rö-
mische Kirche bis dahin zu beobachten nicht aufgehört habe. Einen Löffel,
dessen man sich bei und zu derselben bediene, habe man dort gar nicht, weil es
nicht gebräuchlich sei, die beiden Gestalten im Kelche zu vermischen. Mau
spende vielmehr den Gläubigen zuerst eine Partikel des konsekrierten und dann
für die Kommunion gebrochenen Brotes und reiche ihnen hierauf den Kelch.
Cochlear, schreibt er, cum quo communicant, sicut in ecclesia Graecorum, mi-
nime habent, quia uon ita commiscent ipsam sanetam communionem in calice,
sed sola communione communicant populum. Nachdem er dann auf einen
Brief, den er in dieser Frage geschrieben habe, verwiesen hat, fährt er fort:
Ubi (nämlich in jenem Briefe) luce clarius intellegi datur, eumdem ritum di-
vini sacrificü sanetam Hierosolymitanam ecclesiam observasse antiquitus, quem
sacrosaneta romana ecclesia observare non cessat hactenus. Siquidem tenues
oblatas ex simila praeparatas integras et sanas — nicht zerschnitten wie bei
den Griechen — sacris altaribus nos quoque superponimus et ex ipsis post con-
secrationem fractis cum populo communicamur. Et tunc demum calice meri et
ZWEITBS KAPITEL. ALTER DER VERWENDUNG 275
liquidi cruoris potamur. Freilich sollte der Brauch, wie er noch um die Mitte
des ii. Jahrhunderts zu Jerusalem bestand, sich dort nicht dauernd erhalten.
Als die alteinheimische Jakobusliturgie in'der Folge daselbst durch die byzan-
tinische Chrysostomusliturgie verdrängt wurde, bürgerte sich mit dieser zu-
gleich auch der byzantinische Kommunionritus und mit diesem die eucharisti-
sche iajät; desselben ein.
Daß bei den jakobitischen (monophysitischen) Syrern noch zu Ende des
7. Jahrhunderts, ja noch im 9. kein Löffel bei und zur Spendung des heiligen
Blutes bei der Kommunion benutzt wurde, erhellt aus Georgs, des Araberbi-
schofs (um 687—7^4), Erklärung der Mysterien der Kirche und aus des Moses
BarKepha (f9o3), Bischofs vonMossul, Erklärung der Messe. Denn der Ritus
der Kommunion ist bei beiden noch der ursprüngliche: Der Priester legt dem
Kommunizierenden den Leib des Herrn in die vorgestreckte, durch die linke
gestützte rechte Hand. (18) Von einem eucharistischen Löffel aber ist selbst
bei Moses Bar Kepha noch keine Bede, obwohl es schon zu dessen Zeit mit
Aufgabe des älteren Brauches üblich geworden war, die nach der Brechung in
das heilige Blut eingesenkte Partikel des heiligen Leibes aus demselben vor der
Kommunion der Gläubigen wieder zu entfernen. Wie aber bei Moses, so verhält
es sich auch noch bei Dionysius Ben Salibi (f 1171). (19) Es kann darum auch
nicht auffallen, wenn in dem Verzeichnis der liturgischen Gegenstände, welche
die Franken n48 bei der Plünderung des Klosters Barsumas wegschleppten,
der eucharistische Löffel fehlt. (20)
Erst um das Ende des 13. Jahrhunderts erscheint der eucharistische Löffel
bei den Jakobiten in Gebrauch. Barhebräus (f 1286) ist der erste, der von ihm
spricht. Die Priester, so heißt es in seinem Nomokanon bei Beschreibung
des Kommunionritus, (21) sollen sowohl selbst den Kelch trinken, als auch ein-
ander, wie den Laien zum Trinken darreichen. Ohne den Kelch, bloß mit dem
Leih des Herrn dürfe der Priester die Kommunion nicht spenden, vielmehr
solle, falls das möglich sei, während er selbst den Leib des Herrn austeile, der
Diakon den Kelch zum Trinken reichen. Falls das aber nicht geschehen könne,
solle er den Leib des Herrn in den Kelch eintauchen und dann spenden, wie
es bei den Westsyrern geschehe. Wenn aber auch das infolge der Menge des
Volkes nicht angehe, solle er, wie man es bei den Ostsyrern halte, die Hostien zur
Zeit der Brechung in den Kelch eintauchen, dann brechen und später mit ihnen
die Gläubigen kommunizieren. Den Priestern und Diakonen aber solle der Bi-
schof oder Priester mittels des Löffels die Kommunion reichen, also in der
Weise, wie es heute geschieht. (22) Die Kommunion der Gläubigen erfolgt
heute in der Weise, wie es zu des Barhebräus Zeit bei den Westsyrern Brauch war.
(18> R. H. Cossolly, Two commentaries on the Jacobite liturgy (London 1913) 20, 88.
(19) Expositio liturgiae c. 16 (C. SS. Syr. ser. 2, t. 93 (Romae 1903) versio 88.
(20) Greg. Barhoraei, Chron. eccl. II (Paris 1874) 508: Quidquid reperirc poterant,
abstulerunt, phialas argenteas discos, calices, cruces, thuribula, candelabra, flabella, evan-
geliaria, librosque rituales ac velamina. (21) C. 4, sect. 5 (A. Mai, SS. vet. nova coli. X, 2
IKomae 1838] 24). (22) Die Übersetzung Presbyteros autem et diaconos cum patena com-
niunicet episcopus et similiter sacerdos in Mais Veröffentlichung des Nomokanons ist irrig.
Statt cum patena muß es cum cochleari heißen, wie ein Vergleich der Übersetzung mit dem
Urtext in der Vatikanischen Bibliothek, den mein Ordensgenosse P. Fb. Zoreix für mich
anzustellen die Güte hatte, beweist.
276 VASA SACRA. ZWEITER ABSCH.MTT. DER EUCH AR. LÖFFEL
Wann der eucharistische Löffel bei den Illaronitm Eingang fand, ist nicht
näher bestimmbar, doch jedenfalls wie bei den jakobitischen Syrern erst in
später Zeit. Die Synode im Libanon von 1735 machte bei ihnen, wie früher
schon gesagt wurde, seiner Verwendung ein Ende. (23) Daß er im 17. Jahrhun-
dert bei ihnen in Gebrauch war, bezeugt Hieronymus Dandini. (24)
Bei den syrischen Melchiten kam ähnlich wie im Patriarchat von Jerusalem
der eucharistische Löffel wohl erst bei der Kommunion in Gehrauch, als sie
die Liturgie des heiligen Jakobus mit der byzantinischen Chrysostomusliturgie
vertauschten. In einem griechischen Text der Jakobusliturgie, der nach 670 ent-
stand, nach dem Charakter seiner Schrift dem 8. Jahrhundert angehört und
im melchitischen Patriarchat Antiochien, näherhin in der melchitischen Me-
tropolie von Damaskus gebraucht worden ist, ist noch kein Wechsel in der
Form der Ausspendung der Kommunion an die Laien eingetreten und von
einem eucharistischen Löffel noch keine Rede. (25) Die Kommunion wird in
ihr noch unter getrennten Gestalten an dieselben ausgeteilt. Die Jakobusli-
turgie blieb jedenfalls bis zur Wiedereroberung Antiochiens durch Phokas
969 auch bei den Melchiten in Gebrauch. Erst dann beginnt unter dem von
Byzanz her sich geltend machenden Einfluß langsam bei denselben die Chry-
sostomusliturgie und mit ihr der in derselben bereits bei der Kommunion des
niederen Klerus und der Laien zur Verwendung kommende eucharistische Löf-
fel sich einzubürgern. (26) Daß der Löffel um die Wende des 9. Jahrhunderts
bei den Melchiten noch keine Benutzung fand, beweist eine Bemerkung des
Moses Bar Kepha, aus der sich ergibt, daß der Leib und das Blut des Herrn bei
ihnen den Gläubigen damals noch entsprechend dem ursprünglichen Brauch
getrennt für sich ausgespendet wurden. (27) Wenn aber die anonyme nestoria-
nische Streitschrift Liher demonstrationis de vera fide (28) den Melchiten wie
den Jakobiten den Vorwurf macht, sie spendeten und empfingen bei der Kom-
munion das heilige Blut ohne Hilfe des Kelches, d. i. ohne es aus demselben zu
trinken, so beweist das, daß zur Zeit ihrer Entstehung, also um 1200, das hei-
ligste Sakrament bei ihnen den Gläubigen nicht mehr unter getrennten Gestal-
ten, sondern unter beiden zugleich gereicht wurde. Ob aber, indem man den
Leib des Herrn in das heilige Blut eintauchte, wie es schon damals bei der
Kommunion des niederen Klerus und der Laien bei den Jakobiten geschehen
sein wird, oder nach griechischen Ritus, mittels eines Löffels, sagt die Streit-
schrift nicht, doch steht das letztere wohl außer Zweifel, da damals die Chry-
sostomusliturgie bei den Melchiten bereits die herrschende geworden war.
(23) Vgl. oben S. 270. (24) Richakd Simos, Voyage du mont Libanon (Paris 1685) 103;
Deszisger, Ritus orientalium I (Würzburg 1863) 416.
(25) Die Handschrift befindet sich heute in der Vatikans Cod. graec. 2282. Sie ist heraus-
gegeben worden von Costa Luzzi in Nova bibl. Patr. X, 2 (Romae 1005) 38«. Daß sie aus
dem Patriarchat Antiochien und der Metropolie von Damaskus stammt und daß sie naehG'O
geschrieben wurde, erhellt aus den Fürbitten; daß sie melchitisch, nicht monophysitisch ist,
ergibt sich aus dem Fragment des Glaubensbekenntnisses, mit dem sie anfängt. Daß sie
noch längere Zeit, nachdem sie geschrieben war, sich in Gebrauch befand, beweist die
arabische Übersetzung der Rubriken am Rand der Handschrift.
(26) Studi e ricerehc intorno a s. Giovanni Crisostomo (Roma 1908) 449 und 773, Note 2.
J. A. Assemam, Codex liturg. IV, 2 (Romae 1725) XXV. (27) R. H. Comoi.t.y Two com
mentaries 69. (28) Jos. Sim. Assemaiu, Bibl. Orient. III, 1 (Romae 1725) 305.
ZWEITES KAPITEL. ALTER DER VERWENDUNG 277
DRITTES KAPITEL
BESCHAFFENHEIT DES EUCHARISTISCHEN LÖFFELS DER RITEN
DES OSTENS
Betreffs der Beschaffenheit, die dem eucharistischen Löffel der Riten des
Ostens in der Vergangenheit eignete, läßt sich kaum etwas von Belang sagen.
Wie bezüglich des Materials des Kelches und des Diskos in den Riten des
Ostens keine Vorschriften bestehen, so noch viel weniger bezüglich des des eu-
charistischen Löffels. Wie man indessen jene, wo immer das möglich war, aus
Silber herzustellen pflegte, so wird man auch, diesen tunlichst aus dem gleichen
Material gemacht haben. Von einem Löffel aus Bronze, dessen sich die Maro-
niten bei Spendung der Kommunion bedienten, berichtet Dandini bei Richard
Simon; (1) ein goldener aus dem Jahre 1680 befindet sich in der Kathedrale
zu Moskau. (2)
Was die Form des Gerätes anlangt, so könnte es angesichts des Namens, den
es schon in c. 10 der Konstantinopoiitanischen Synode von 861 führt, scheinen,
als ob es ursprünglich nicht Löffelform, sondern Zangenform gehabt habe.
DennXaßc; bezeichnet an sich nicht einen Löffel, sondern ein zum Greifen und
Festhalten eingerichtetes zangenartiges Werkzeug. Allein eine Art von Zange
wäre zur Ausspendung der in das heilige Blut eingesenkten Partikeln des kon-
sekrierten Brotes an die Laien sehr wenig geeignet gewesen und so wird das
Gerät, dessen man sich zu diesem Zwecke bediente, wie später stets und allge-
mein auch schon von Anfang an, seitdem es in Gebrauch kam, Löffelform ge-
habt, d. i. ein kleines flaches, rundes oder ovales, mit Stil als Handhabe ver-
sehenes Schälchen dargestellt haben. Daß man es aber trotzdem Äaßk nannte,
geschah, weil man die übernatürlich reinigende und heiligende eucharistische
Partikel in der brennenden Kohle vorgebildet sah, die der Seraph (Is. 6, 6)
mit einer \*fc vom Altare nahm, um mit ihr die Lippen des Propheten Isaias
zu läutern und zu heiligen. Bei einer solchen Auffassung lag es in der Tat nahe,
daß man auch das Gerät, mittels dessen der Priester, als Seraph des Neuen Bun-
des, die Kommunion spendete, Xaß k nannte, obwohl es seiner formalen Beschaf-
fenheit nach keine Zange, sondern ein Löffel war. Anders freilich wie die
Griechen haben es die Lateiner gehalten, wenn sie von dem eucharistischen
Löffel der Griechen sprechen. Sie nahmen dann nicht die in der Vulgata hei
Is. 6, 6 der griechischen Benennung Xaßk entsprechende Bezeichnung forceps
für denselben herüber, sondern nannten ihn seiner Form entsprechend cochlear.
Im griechischen und koptischen Ritus zeigt heute der eucharistische Löffel
am oberen Ende des Stieles meist, im äthiopisch-koptischen stets ein Kreuz,
daher er in diesen auch Kreuzlöffel genannt wird, (3) und so wird es sich auch
früher verhalten haben. Bei den unierten Ruthenen ist in jüngerer Zeit an die
Stelle der Schale des Löffels eine Miniaturschaufel getreten.
Eucharistische Löffel haben sich aus älterer Zeit nicht erhalten. Man hat
allerdings vier Löffel in der Sammlung Abukasem zu Port Said, die angeblich
(1) Voyage du mont Libanon (Paris 1685) 103. (2) Abb. in AntiquitGs de l'empire de
Russie I, Tfl. 66. (3) Bhiuhtman I, 200.
DRITTES KAPITEL. BESCHAFFENHEIT 279
in Syrien mit dem andern liturgischen Gerät derselben gefunden wurden und
dem 6. Jahrhundert zugeschrieben werden, als eucharistische Löffel gedeutet.
Drei derselben weisen in der Schale ein graviertes Kreuz auf. Dazu kommen bei
einem von ihnen auf dem Ansatz des Stieles die Monogramme Thomas und
Johannes, wohl die Namen der Stifter oder früheren Besitzer, sowie hei zweien
auf dem der Löffelschale zugekehrten Ende des Stieles die Inschrift: T»5v
8socpftou bzw.Titsp sü/t);. Der vierte Löffel zeigt lediglich am Ansatz des Stieles
ein nicht zu entzifferndes Monogramm. Allein erstens ist die Echtheit der Löf-
fel gleich der der Kelche und der übrigen angeblich syrischen Fundstücke der
Sammlung Abukasem nicht frei von Bedenken, und wird man daher gut tun,
auch ihnen gegenüber jedenfalls vorsichtige Zurückhaltung zu beobachten.
Zweitens Hegt, ihre Echtheit angenommen, nichts vor, um dessentwillen man
sie als eucharistische Löffel anzusprechen hätte. Das Kreuz in der Schale
dreier der Löffel und die an drei derselben angebrachten Inschriften erweisen
sie bestenfalls als Weihegaben für irgend einen kirchlichen Zweck, nicht aber
als eucharistisch. Drittens ist die Schale der Löffel für einen eucharistischen
Löffel viel zu groß. Viertens endlich, und das ist schlechthin entscheidend,
fand im 6. Jahrhundert in Syrien bei Spendung der Kommunion ein Löffel
noch keine Verwendung und zwar weder bei den Anhängern des Konzils von
Chalcedon, den rechtgläubigen Melchiten, noch bei dessen Gegnern, den rao-
nophysitischen Jakobiten. (4) Ein Löffel mit Hornschale in der Kathedrale
zu Kiew, der dem heiligen Antonius Romanos (fn47) zugeschrieben wird,
aber wohl ebensowenig von demselben herstammt, wie die Kelche im Schatz der
Kathedrale, die von ihm herrühren sollen, (5) ist nach Form und Beschaffen-
heit zweifellos kein eucharistischer Löffel.
Weil heiliges Gerät und weil unmittelbar mit dem Allertl eiligsten in Berührung kom-
mend, empfängt der eucharistische Löffel bei den Kopten gleich dem Kelch und dem Diskos
eine Segnung durch den Bischof. Sie bestellt darin, daß dieser zunächst ein an Is. 6, 6 an-
knüpfendes Gebet über den Löffel spricht, in welchem er Gott bittet, denselben zu segnen,
ihn zu heiligen und ihn mit Kraft und Herrlichkeit zu erfüllen und dann ein Kreuzzeichen
über Um macht, bei dem er spricht: Stärke, Kuhin, Ehre und Verherrlichung sei der heiligen
Dreifaltigkeit in der einen heiligen Kirche der Stadt N. (6) Die Segnung findet sich schon
im Rituale des Patriarchen Gabriel V., reicht also zum wenigsten in den Anfang des i5. Jahr-
hunderts zurück. Aus dem koptischen Ritus ist sie mit unwesentlichen Änderungen auch in
den äthiopischen übergegangen. (7) Das griechische Euchologion bat kein Formular für die
Segnung der la^k, im russisch-griechischen wird diese zugleich mit dem Kelch gesegnet.
(4) Daß die in großer Zahl angeblich zu Kerynia auf Zypern vor etwa drei Jahrzehnten
in der Nähe eines Klosters gefundenen Löffel, die heute zum größten Teil im Besitz des
Britischen Museums sind und dem 5.-6. Jahrhundert zugeschrieben werden (Archaeologia
LVII, l [1900| 172), keine eucharistischen Löffel waren, beweist nicht nur ihre Menge —
etwa 36 —, sondern noch mehr der durchaus profane Schmuck, mit dem die Löffelschale
hei sehr vielen ausgestattet ist, wie Hasen, Panther, Löwen, Hunde u. a. Irgend ein christ-
liches Symbol zeigt keiner der Löffel. (5) Abb. in Antiquites de fempire de Russie I,
Tafel 68. (6) Resaidot, 1.e. I, 53. (7) Brightman I, 200.
DRITTER ABSCHNITT
DAS ZIBORIUM
ERSTES KAPITEL
DAS ZIBORIUM NACH HEUTIGEM BRAUCH
DAS Ziborium ist der Behälter, in dem die für die Kommunion der Gläubigen
bestimmten kleinen Hostien nach geschehener Konsekration derselben zum
Zweck und bis zu ihrer Ausspendung aufbewahrt werden, die für die feierliche
Aussetzung des heiligsten Sakramentes dienende konsekrierte große Hostie
aber nur. wenn für diese kein besonderes Gefäß, keine sog. Custodia vorhanden
ist. Zur Überbringung der heiligen Kommunion an die Kranken wird es durch
ein nur wenige Hostien fassendes kleineres, ein sog. Krankenziborium, falls
ein solches vorhanden ist, ersetzt, bei Versehgängen zu entfernt wohnenden
Kranken aber gewöhnlich durch ein niedriges Büchschen von nur wenigen Zen-
timetern Weite.
Angefertigt soll das Ziborium nach dem römischen Rituale sein aus einem
haltbaren und geziemenden Material. Ein bestimmtes Material, wie für den
Kelch und die Patene, ist demnach für dasselbe nicht vorgeschrieben. Nicht
verwendbar zu ihm ist nur gebrechliches, seinem heiligen Zweck unangemesse-
nes Material, wie Glas, Holz, Blei, Blech und ähnliches. Daß Ziborien aus Glas
nicht zulässig sind, und zwar nicht einmal da, wo Diebesgefahr besteht, hat die
Ritenkongregation auf eine Anfrage des Bischofs von Mondonedo in Spanien
ausdrücklich entschieden. Gefragt hatte dieser, ob es gestattet sei, an waldigen
und unwegsamen Orten, wo Diebe, lüstern auf das Metall der Ziborien, diese
stählen, das Allerheiligste in einer gläsernen Pyxis aufzubewahren, um so einer
Verunehrung desselben vorzubeugen. Die Antwort vom 3o. Januar 1880 lau-
tete verneinend. (1) Dagegen hat die Ritenkongregation auf die Anfrage, ob
das Ziborium aus vergoldetem Kupfer bestehen dürfe, unter dem 31. August
1867 bejahend geantwortet. (2) Was das Caeremoniale episcoporum bezüglich
seines Stoffes sagt, (3) gilt nur bezüglich des etwa im Pontifikalamt zur Ver-
wendung kommenden Ziboriums.
Hinsichtlich der Form des Behälters findet sich weder im Rituale, noch sonst
eine Bestimmung. Er soll jedoch so beschaffen sein, daß die heiligen Hostien
leicht aus ihm herausgenommen und daß er, wenn geleert, ohne Schwierigkeit
gründlich purifiziert werden kann. Es empfiehlt sich daher, ihm die Form einer
Halbkugel oder eines mit konkavem Boden versehenen Bechers zu geben. Mehr-
seitige Behälter, wie sie im späten Mittelalter gebräuchlich waren und auch
in neuerer Zeit wieder hergestellt wurden, ohne jedoch größere Verbreitung zu
(1) Decret auth. n. 3511. (2) EbA 3162. (3) L. 2, c. 23, n. 2.
ERSTES KAPITEL. HEUTIGER BRAUCH 281
finden, sind nur brauchbar, wenn mit halbkugeligem Einsatz ausgestattet. Ihn
nach dem Vorbild des Kelches mit einem aus Fuß, Schaft und Nodus sich zu-
sammensetzenden Ständer zu versehen, ist nicht notwendig, doch jedenfalls
hei dem zur Kommunion des Volkes dienenden seiner Handlichkeit halber sehr
zweckmäßig und wünschenswert und darum auch bei diesem heute allgemein
der Fall. Von dem Kelch unterscheidet sich ein mit Ständer ausgestatteter Be-
hälter nur durch größere Weite der Kuppa und den Deckel, mit dem diese
nach dem Rituale versehen sein muß, der gut schließen soll, aber heute nicht
mehr mit Scharnier an ihr befestigt ist, wie es im Mittelalter gewöhnlich der
Fall war. Weil dem Kelche formähnlich, wird er auch Speisekelck genannt.
Die sog. Custodia, deren man sich, doch erst seit jüngerer Zeit, zur Aufbe-
wahrung der zur Aussetzung in der Monstranz bestimmten großen konsekrier-
ten Hostie bedient, besteht in einem kleinen zylinderförmigen oder rechtecki-
gen Gehäuse aus Metall, die sog. Krankenpatene aber, die man in neuerer Zeit
vielfach bei Versehgängen statt eines bloßen Büchschens verwendet, stellt eine
kleine, leicht konkave Metallschüssel dar, in deren Mitte ein kleines mit schließ-
barem Deckel versehenes Büchschen angebracht ist.
Die Größe des Ziboriums bestimmt sich nach den jeweiligen Umständen. Wo
die Zahl der Kommunikanten eine große ist, wird man eines geräumigen Zibo-
riums benötigen, anderswo ist ein kleineres zweckmäßiger. Aufbewahrt werden
muß nach heutiger kirchlicher Vorschrift das konsekrierte Hostien enthal-
tende Ziborium in einem gut verschlossenen Tabernakel, das auf dem Hoch-
altar oder, wo die Verhältnisse das rätlicher und angemessener erscheinen las-
sen, auf einem andern, zur Förderung des Kultes des heiligsten Sakramentes
geeigneteren Altar fest errichtet ist. (4)
In den Riten des Ostens wird der Leib des Herrn, sofern er in ihnen über-
haupt aufbewahrt wird, was nicht geschieht bei den Kopten und Nestorianern,
wie im Westen einst im Mittelalter, nur für die Krankenkommunion sowie,
doch bloß im griechischen, für die an Mittwochen und Freitagen der Fastenzeit
stattfindende Liturgie der vorgeweihten Gaben aufgehoben. Benutzt wird hierzu
ein Kästchen oder eine Büchse, ja selbst ein Säckchen. Ziborien von der Form
des abendländischen sind im Osten ungebräuchlich, doch wird bei den Griechen
das für die Krankenkommunion dienende heilige Sakrament, das bei denselben,
von Notfällen abgesehen, nur am Gründonnerstag zur Verwendung für das
ganze Jahr konsekriert wird, auch wohl in einer über dem Altar unter einem
auf der Mensa sich erhebenden Baldachin schwebend angebrachten Taube auf-
bewahrt. Einen Behälter zur Aufbewahrung des heiligen Blutes gibt es in den
Riten des Ostens nicht, da dieses in keinem aufgehoben wird, auch nicht zur
Kommunion der Kranken. Es sind die für diese bestimmten Partikel des heiligen
Leibes lediglich mit heiligem Blut befeuchtet. Wie aber jetzt, so wird es wohl
stets gehalten worden sein. Über die Geschichte des Behälters, in dem man im
(4) Über den Ort der Aufbewahrung des Aller heiligsten und insbesondere den Altar ala
Stätte derselben in der Vergangenheit sowie die Art und Weise der Aufbewahrung in
früherer Zeit vgl. Braus Altar II (München 1924) 574f. Hier handelt es sich nicht mehr um
den Ort und die Weise aer Aufbewahrung, sondern nur um das Gefäß, in dem das heiligste
Sakrament aufbewahrt wurde.
282 VAS.l SACRA. DRITTER ABSCHNITT. DAS ZIBORIUM
Osten das heiligste Sakrament für die Kommunion der Kranken aufbewahrte,
läßt sich bei dem fast völligen Versagen der schriftlichen und monumentalen
Quellen nichts von Belang sagen.
Auch im Westen wurde bereits, als dort noch allgemein die Kommunion unter beiden
Gestalten in Übung war, für die Kranken stets nur der Leib des Herrn aufbewahrt. Aller-
dings pflegte man auch diesen die Kommunion unter beiden Gestalten zu spenden. Es
geschah das jedoch entweder in unmittelbarem Anschluß an eine vorausgehende Messe
mittels des in dieser konsekrierten heiligen Leibes und Blutes des Herrn oder aber indem
man, wie noch jetzt im Osten, die für die Krankenkommunion bestimmte heilige Hostie
durch Eintauchen in das heilige Blut mit diesem befeuchtete, ein Modus, den ein Kanon
bei Regino von Prüm ausdrücklich vorschreibt, (5) oder endlich, indem man den Leib
des Herrn in nicht konsekrierten Wein tauchte, weil man vielfach der freilich unzu-
treffenden Meinung war, es werde dieser dadurch konsekriert; nie aber indem man zu
jenem Zwecke außer dem heiligen Leibe und gesondert von ihm auch das heilige Blut
aufbewahrte, weshalb es auch keinen Behälter zu dessen Aufbewahrung gegeben haben
Erst in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts begann man hier und da in Schlesien,
Österreich und Süddeutschland unter dem Einfluß der utraquistischen Kelchbewegung,
das heilige Blut aufzubewahren, um auch den Kranken die Kommunion unter beiden
Gestalten reichen zu können, was jedoch zu groben Unzuträglichkeiten führte. (6) In
der Breslaucr Diözese bediente man sich den Visitationsberichten zufolge zu einer Auf-
bewahrung hier einer Pyxis, dort eines Bechers, anderswo einer Kanne. In Süddeutsch-
land und Österreich fand der Mißbrauch schon bald infolge Widerrufs des Zugeständnisses
des Laienkelches seitens des Papstes sein Ende, in der Diözese Breslau bestand er, wie aus
den Visitationsberichten erhellt, noch i58o. (7)
ZWEITES KAPITEL
BENENNUNGEN DES GEFÄSSES ZUR AUFBEWAHRUNG
DER EUCHARISTIE
Das Gefäß, in dem man das heiligste Sakrament aufbewahrt, heißt heute nur
mehr Ziborium (eiborium) oder Pyxis, in den mittelalterlichen schriftlichen
Quellen aber wird es auch genannt bustia (bustula), capsa, cuppa, chrismale,
vasculum, custodia, archa, repositorium, tabernaculum, theca, viaticum, co-
lumba, Benennungen, die sich zum Teil auch noch in uachmittelalterlichen
Quellen finden.
i. Pyxis. Die gebräuchlichste Bezeichnung des Gefäßes war im Mittelalter
pyxis, vom griechischen nräfr«, nach seiner ursprünglichen Bedeutung ein Behäl-
ter aus Buxbaumholz. Immer wieder erscheint dasselbe seit dem 9. Jahrhun-
(5) Can. 68 (Hartzh. II, 452): Quae Sacra oblatio (nämlich ad viaticum) intineta esse
debet in sanguine Christi, ut veraciter presbyter possit dicere infirmis: Corpus et sanguis
Domini proficiat tibi etc.
(6) Vgl. die Visitationsordnung von 1579 bei Juxgsitz I, 20: Experientia docet, in multis
locis terribilem abominationem et abominandam profanationem sacramenti fieri, dum qui-
dam contra omnium ecclesiarum consuetudinem... venerabile sacramentum sub specie vini
in quartum et quintum usque diem servent, donec species vini vel alteratur et corrumpitur
vel ita acescitans variatur, ut absque horrore, nausea et vomitu sumi nequeat... ideo dili-
genter curandum ut species vini per noctem numquam servetur und dazu beispielsweise das
Visitationsprotokoll von 1579 (Ebd. 92): Rottwarm, magna abominatio facta fuit in asser-
vatione sacramenti sub specie vini, quod in cantharo stanneo servabatur et iam per multos
dies et noctes asservatum fuit, ut vini species iam faeces haberet. (7) Ebd. III, 12, 22.
ZWEITES KAPITEL. BENENNUNGEN 283
dert in den Chroniken, den Synodalstatuten und Inventaren unter eben dieser
Benennung. Freilich bezeichnet das Wort in ihnen nicht ausschließlich das
Gefäß zur Aufbewahrung des Allerheiligsten. Nicht selten heißen in ihnen viel-
mehr auch andere Behälter pyxis, zumal für Reliquien, für die zu konsekrie-
rendcn Hostien und für den Weihrauch. Man wird darum das Wort im ein-
zelnen Falle nur dann als den Behälter für die Eucharistie verstehen und deuten
dürfen, wenn dieser Sinn, sei es aus einer Beifügung, etwa pro conservando
corpore Christi, wie in einer Ordinatio für die Kirchen der Erzdiözese York
aus dem i4- Jahrhundert, (1) continens eucharistiam, wie in einem Inventar
von Hüll aus dem Jahre 1220, (2) ad eucharistiam, wie in einem gleichzeitigen
Inventar von Swalewclive, (3) pro sacramento, wie in einem Inventar des Kings
College zu Cambridge von 1/402, (4) in qua reponitur eucharistia, wie in einem
Inventar der Kathedrale zu Rouen aus dem 12. Jahrhundert, (5) ad dominici
corporis repositionem, wie in einem Inventar von St-Vaast zu Arras aus dem
12. Jahrhundert, (6) cum corpore Domini ad viaticum pro infirmis, wie in der
Synodalermahnung des 9. Jahrhunderts (7) oder einem ähnlichen Zusatz er-
hellt oder doch durch den Zusammenhang gewährleistet wird. Fehlt eine nähere
Bestimmung oder gibt der Zusammenhang nicht den gewünschten Aufschluß
über den Charakter des pyxis genannten Gegenstandes, wie es namentlich in
den älteren Inventaren nicht selten der Fall ist, so muß man es dahingestellt
sein lassen, ob die eucharistische oder eine sonstigen gottesdienstlichen Zwecken
dienende Pyxis gemeint ist.
Statt pyxis heißt das Gefäß bei Regino von Prüm pixida: Si pixida semper sit super
altare cum sacra oblatione ad viaticum infirmis, soll der Visitator bei Visiticrung der
Kirchen erforschen, will Regino. (8) Buxida wird es bei Ratherius von Verona in seiner
Synodica genannt, (9) buxis von Petrus Damiani, (10) pissis in den Statuten der Synode
von Gubbio des Jahres i3o3, (11) im Inventar des Apostolischen Stuhles von iao.5, (12)
im Inventar Clemens* V. von i3ii (13) u. a., alles Umbildungen von pyxis. Noch heute ist
pyxis die offizielle römische Bezeichnung des Gefäßes zur Aufbewahrung des heiligsten
Sakramentes. Man vergleiche nur die dasselbe betreffenden zahlreichen Dekrete der Riten-
kongregation im fünften Band der Decreta authentica S./n.'i unter pyxis. In die Volks-
sprache ist das Wort nur im Italienischen als pisside und Im Englischen als pyw überge-
gangen. ' :|
2. Giborium (franz. eiboire, ital. und portug. eiborio, deutsch Ziborium). Ur-
sprünglich den Altarüberbau bezeichnend, erhielt das Wort im Laufe des Mit-
telalters eine Anzahl abgeleiteter Bedeutung. So nannte man eiborium nun auch
den Überbau über Reliquienschreinen, das Reliquienretabel, den Baldachin
über Heiligenstatuen und über Grabfiguren, das Gewölbe der Kirche sowie die
Plattform des Lettners. (14) Auch das tabernakelartige über dem Altar schwe-
bend angebrachte Gehäuse, in dem man in Frankreich die Pyxis mit dem Aller-
heiligsten aufbewahrte, sowie das Wandtabernakel und das sogenannte Sakra-
(1) Raime 164. (2) Jones I, 275. (3) Ebd. 361. (4) The ecclesiologist XXI (1860) 5.
(51 Revue 3e ser. IV (1886) 465. (6) Dehaiskes, Doc. 45. (7) M. 115, 677.
(8) Liber de synodalibus causis b. 9 (ed. F. G. A. Waschersieben [Leipzig 1840] 20).
(9) M. 136 559. (10) Opusc. 47, c. 2 (M 145, 711). (11) Archivio per la storia eccl.
dell'Umbria I (1913) 320. (12) Bibl. XLV (1884) 84. (13) Regesti dementia V. app. 1,384.
(14) Braus, Altar II, 193.
284 VASA SACRA. DRITTER ABSCHNITT. DAS ZIBORIUM
enthalte. Mit Unrecht. Es hat den Namen ciborium erhalten, indem man die Bezeichnung
des Wand- und I längelabe rnakels auf das Gefäß übertrug, zu dessen Aufbewahrung die-
selben dienten. Diese Übertragung erfolgte aber eben zu der Zeit, da an die Stelle des
Wand- und Hängetabemakels ein auf dem Altar fest angebrachtes Gehäuse trat, das man
labernaculum nannte. Wurde sie durch die Einführung des letzteren nicht geradezu ver-
anlaßt, so wurde sie doch durch, dieselbe jedenfalls gefördert. In Frankreich mag die
Bezeichnung ciborium zunächst vom Hängetabernakel auf die Hängepyxis und von dieser
dann auf die Standpyxis übergegangen sein. Verbreitung fand die Bezeichnung ciborium
besonders in Frankreich, Deutschland und Portugal, wo dieselbe auch in die Volkssprache
als Benennung des Behälters des Allerheiligsten überging. In Süddeutschland heißt das
Gefäß vielfach Speisekelch, so genannt, weil nicht das heilige Opfer in ihm dargebracht
wird, sondern die Gläubigen aus ihm mit dem heiligsten Sakrament gespeist werden, d. i.
kommunizieren.
'S. Bustia, bustula, eine nicht gerade häufig vorkommende Benennung des
Behälters zur Aufbewahrung der Eucharistie. Die Bezeichnung bustia führt es
z. B. in einem Yisitationsprotokoll von Grenoble aus den Jahren i3p,9—i4i4:
St-Ferjus, bustia parva, continebat quendam pannum, infra quem corpus
Christi — Alloix, corpus Christi in quadam bustia — Cruet, corpus Christi in
bustia argentea — St-Jean de Conz, corpus Christi in quadam bustia de latoni —
Autrans, corpus Christi in quadam bustia rotunda. (31) Ein Beispiel der De-
minutivform bustula bieten die Historiae des Rudolf Glaber. (32) Bussula
heißt der Behälter zur Aufbewahrung des Allerheiligsten im Inventar des Apo-
stolischen Stuhles von 1295, (33) bossolo in einem Inventar von S. Chiara bei
S. Gimignano. (34) In französischen Inventaren ist bustia mit boiste (boitte,
boette) wiedergegeben, wie in einem Inventar der Kirche des Heiligen Grabes zu
Paris von 1379, einem Inventar von St-Florent zu Saumur von i538 und einem
Inventar der Kathedrale zu Reims von 1669. (35) Das Deminutiv bustula ist
in einem französisch abgefaßten Inventar der Kathedrale zu Cambrai von i359
zu boistelette geworden: Item une boistelette d'yvoire, qui est dedans le chiboire
loye d'argent assez foivlement (36) und ebenso in einer Schenkungsurkunde
für St-Pierre zu Namur von i/ji8: Item une petite ronde boistelette d'ivoire
ä en mettre corpus Domini. (37) Häufiger wird in französischen Inventaren
boiste (boitte, boette) zur Bezeichnung des Behälters für die nichtkonsekrierten
Hostien gebraucht. Abzuleiten ist bustia von pyxis.
h. Capsa (Capsula). Capsa heißt der Behälter im ersten römischen Ordo Ma-
billons, (38) in einem Inventar der Gaben des Königs Ordono für S. Pedro de
Montes von 897, (39) in einem Inventar des Domes zu Freising von ii56 (40)
und anderen, cassia, cascia, verderbt aus capsa in den Visitationsprotokollen
von Grenoble von 1399—1/(1/1 (41) und in einer Urkunde des Erzbischofs Jo-
hannes von Kapua aus dem Jahre i3oi. (42)
(31) U. Chevalier, Visites past. des eveques de Grenoble (Montbeliard 1874) 50, 53, 72,
75,93. (32) L.5, c.l: Dum bustulam vel pjxidem, in qua servabatur (sc. das heiligste Sakra-
ment), ut mos est, attraetare veUet, e manibus illius sese eripiens, longius inaere stetit.
(33) Bibl.XLV (1884) 34.
(341 Arch. Franc. IX (1916) 299. (35) Ebd. II, 607, 608. (36) Deuusnes, Doc. 403.
(37) J. Boiuüset et S. BormaKS, Cartulaire de Namur II (Namur 1873) 323.
(38) N.8 (M. 78, 941). (39) Yepez, Coronica generai del orden de s. Benito II (1609)
aPP- i. 11. (40) Anzeiger N. F. XV (1868) 15: Capsa argentea deaurata pro sacramento.
(41) A. a. 0. 57, 58, 66. (42) D. C. II, 800.
286 VASA SACRA. DRITTER ABSCHNITT. DAS ZIBORIUM
Dagegen bedeutet capsa nicht das Gefäß für die Eucharistie in dem nicht eben klaren
und darum vielerörterten Kanon der Synode von Orange des Jahres 441: Cum capsa edlix
inferendus (offerendum) est et admixtione eucharistie consecrandus. (43) Unter capsa ist
hier vielmehr wohl der sonst turris genannte Behälter mit dem zu kon seltneren den Brot zu
verstehen, das in demselben in feierlichem Zug nach dem Evangelium zum Altar gebracht
wurde. Der Kanon schreibt demnach nicht vor, es solle mit dem Kelch auch die capsa mit
früher konsekrierten Hostien zum Altar gebracht werden, damit diese oder doch eine Par-
tikel derselben dem konsekrierten Wein beigemischt würden; ein Brauch, der allerdings
für die Papstmesse im ersten römischen Ordo bezeugt ist, (44) dem gallikanischen Ritus
aber, in dein sieb keine Spur desselben findet, unbekannt war. Es hätte in diesem Falle der
Kanon doch auch lauten müssen: Cum calice et capsa inferenda est. Der Kanon verordnet
vielmehr, daß hei der feierlichen Einführung des zur Konsekration bestimmten Brotes
zugleich mit der capsa, die dieses enthielt, auch der Kelch zum Altar gebracht werden solle:
und daß später nach Beendigung des Kanons bei der Brechung eine Partikel der konsekrier-
ten Hostie in das heilige Blut eingesenkt werden müsse.
Statt capsa begegnet uns auch wohl als Bezeichnung der eucharistischen Pixis
die Demimitivform Capsula, wie z. B. in einer Chronik von Peterborough, (45)
in einem Inventar der Laterankirche von i455 (46) und in den Statuten der
Yperner Synode von 1609 (47) oder caxula, wie in den Visitationsprotokollen
von Grenoble von i356. (48) Oft kommt capsa (capsula) zur Bezeichnung der
Behälter für die Eucharistie nicht eben vor. Weit häufiger bedeutet das Wort
in den schriftlichen Quellen die Behälter für die Reliquien, für das Evangelien-
buch, für die unkonsekrierten Hostien, für den Weihrauch, für die Korpora-
lien. Wie bei pyxis wird man daher auch, wenn von capsa in ihnen die Rede
ist, in jedem einzelnen Falle zuzusehen haben, was etwa gemeint ist. Als Be-
hälter für das Allerheiligste kann die Benennung capsa nur verstanden werden,
wenn durch eine diesbezügliche Beifügung oder durch den Zusammenhang das
als seine Bedeutung gewährleistet oder doch wahrscheinlich gemacht wird.
5. Cuppa (coppa, cupa). Oft wird in Inventaren des späteren Mittelalters das
Gefäß zur Aufbewahrung des Allerheiligsten cuppa (cupa), franz. coupe, ge-
nannt. So in einem Inventar Karls II. von Anjou aus dem Jahre 1296, (49) in
einem Martyrologium der Kathedrale zu Tournai, (50) in dem berichtet wird,
Bischof Walter (■{* 1261) habe derselben unter anderem geschenkt coppam de-
auratam, in qua reponitur corpus Christi, in einem Inventar der Gregorius-
kapelle bei St. Paul zu London von iagö: una cuppa de cupro deaurata in qua
ponitur eukaristia in bursa de serico serata, (51) in einem Inventar von Monk
Wearmouth aus dem Jahre i3ai: una cuppa argentea deaurata pro conser-
vando corpore Christi, (52) in dem Visitationsprotokoll von St-Denis zu Troyes
von i5a6: Corpus Christi honeste et reverenter reconditum in cupa seu vase
stanneo, (53) in einem Inventar von N.-Dame zu Paris von 1 /| 16: Une coupe de
(43) H. I, 1785. (44) N. 8 und 18 (M. 78, 941, 945); vgl. den zweiten Ordo n. At 12 (ebd.
970, 975). Im dritten Ordo geschieht des Brauches keine Erwähnung mehr.
(45) Historiae Anglic. SS. (London 1732) 170; vgl. auch Bravä, Altar II, 601.
(46) Melanges d'archeol. et d'hist. IX (1889) 166. (47) Tit. 5, c. 5 (Hartzh. VIII, 806).
(48) A. a. O. 39. (49) Revue XXXIII (1883) 465. (50) Dehaisnes, Doc. 61.
(51) Archaeologia L, 463. (52) Surtees Society XXIX, 139. (53) Bullet, mon. XXIV
(1858) 428; vgl. ebd. auch das Visitationsprotokoll von St-Nizier: Accessit ad eibotium, m
quo reperit post magnum altare corpus Domini reconditum in cupa stannea.
ZWEITES KAPITEL. BENENNUNGEN 287
cuivre bien doree ä mettre corpus Domini et a ung crucifix ä mettre dessus, (54)
in einem Inventar der Kirche zuSoignies von i382 : unecoupe d'argent etune de
cuevre a le paroche pour corpus Domini (55) u. a. Comp ist es genannt in einem
Inventar der Kathedrale von Aberdeen von 1496. (56) Von einem vas insigne
argenteum deauratum, quod vulgo cupam vocant, in dem in einer silbernen
Pyxis die für die Kommunion der Kranken dienenden Hostien aufbewahrt wur-
den, lesen wir in einem Inventar der Kathedrale von Laon von IÖ23. (57) In
die Volkssprache ging cuppa in der Form von copa über in Spanien.
6. Chrismale. Das Wort chrismale (crismale) hatte im Mittelalter eine mehr-
fache Bedeutung. So verstand man unter ihm das Gefäß mit dem heiligen Chri-
sam, das Korporale, (58) die über Reliquiare als Schutz und Schmuck ausge-
breitete Decke, das Taufkleid, sowie besonders auch den zur Aufbewahrung des
heiligsten Sakramentes dienenden Behälter, doch hieß dieser chrismale nur in
der älteren Zeit. Beispiele für den Gebrauch des Wortes in diesem Sinne bieten
die Vita s. Comgalli, des Abtes von Bangor (f 601), (59) die Vita s. Macha-
moeci (7. Jahrh.), (60) die Regel des heiligen Columban, (61) Cummeans
(f um 661) Poenitentiale, (62) Halitgars (f 83i) Poenitentiale, (63) Pseudo-
Bedas De remediis peccatorum (8. Jahrh.) (64) sowie ein Rätselgedicht des Bi-
schofs Aldhelm von Sberborne (f 709), das die Überschrift zeigt: De crismali
sive crismario und zum Gegenstand das Gefäß zur Aufbewahrung des Aller-
heiligsten hat. (65) Auch die Sakramentare und Pontifikalien legen bis in das
11. Jahrhundert Zeugnis ab für den Gebrauch von chrismale zur Bezeichnung
der eucharistischen Pyxis, ein Zeugnis, das um so bedeutungsvoller ist, als es
offiziellen liturgischen Büchern entnommen ist. So in dem Missale Francorum
der Vatikana (um 700), im Sakramentar von Gellone in der Pariser National-
bibliothek (8. Jahrh.), im sogenannten Gelasianum (um 7Öo), in einem Ponti-
fikale in der Universitätsbibliothek zu Freiburg i. Br. (9. Jahrh.), in einem Pon-
tifikale in der Donaueschinger Hofbibliothek (9. Jahrh.), im Sakramentar Leo-
frics von Exeter (um 1000) zu Exeter und im sogenannten Egbertpontifikale in
der Nationalbibliothek zu Paris (Anfang 11. Jahrh.). Chrismale heißt das Ge-
fäß zur Aufbewahrung des Allerheiligsten in ihnen in der Überschrift des For-
mulars, das zur Segnung desselben diente: Praefatio chrismalis.
^ Beachtenswert ist, daß chrismale in den Pönitentialien sowie den beiden vorhin genannten
^itae den Behälter bezeichnet, in dem man bei sich, zu Hause, bei der Arbeit wie auf
Reisen das heiligste Sakrament aufbewahrte, nicht die Pyxis, die in der Kirche zu diesem
Zwecke diente, während es sich in den Sakramentaren und Pontifikalien sowie in den Ver-
den Aldhelms bei dem chrismale genannten Gefäß um den Behälter handelt, in dem es
m der Kirche für die Kommunion der Kranken hinterlegt wurde. Eine allgemeine Ver-
breitung hat die Bezeichnung chrismale nicht gefunden. Sie war den Iren und Angelsachsen
'igen tum lieh. Wenn sie sich auch anderswo findet, wie im tSelasianum, im Missale Fran-
(54) Revue archeol. XXVIII (1874) 84. <55) Dehais.nes, Doc. 583.
(56) Registrum episc. Aberdon II (Edinburgh 1845) 167: Item «nun cowp argenteum
deauratum pendens coram magno altari pro eucharistia. (57) Revue XXXIII (1883) 469;
andere Beispiele bei D. C. II, 657 unter eupa, VII, 133 unter repositorium, VIII, 3 unter ta-
»ernaculum. (58) Rüdoi.h Glabeh, Hist. 1. 5, c. 1 (M. 142, 691).
(M) C. 2 (AA. SS. 10. Mai; II, 583). (60) C. 3, n. 25 (AA. SS. 13. Marl.; IL 284).
(61) C. 10 (M. 80, 217). (62) De raensura poenit. n. 13 (M. 87. 996). (63) M. 105, 701.
(64) De euch. (M. 94, 574). (65) M. 89, 194.
288 VASA SACRA. DRITTER ABSCHNITT. DAS ZIBORIUM
cor um und im Sakramentar von Gellonc, so hat das seinen Grund in dem Einfluß, den
irischer und angelsächsischer Brauch im 7. und S.Jahrhundert auf dem Kontinent aus-
übte. Bald nach der Wende des ersten Jahrtausends verliert sich der Name chrismale.
Die Pontifikalien behalten zwar das althergebrachte Segensformular der eucharistischen
Pyxis bei, nennen diese aber in der Überschrift nicht mehr chrismale, sondern vascnlum
eucharistiale, und zwar gilt das nun auch von den englischen und den von diesen ab-
hängigen Pontifikalien.
(66) C. 70 (Hartzh. II, 452); vgl auch Ivo Decreti pars 2, c. 19 (M. 161, 165).
(67) Mitt. V (1860) 350. (68) A. Essenwein, Anh. XXXIII. (69) C. 53 (M. 166, 1426).
(701 U. Chevalier, Ordinaire de l'eglise cath. de Laon (Paris 1897) 44.
(71) Dehaisses, Doc. 235: Un petit vaissiel d'argent ä porter corpus Domini; vgl. auch
das Inventar von St. Katharina zu Lille von 1386 (ebd. 629).
(72) Mart. I. 2, c. 13, ordo 7 (II, 267).
(73) Hittorp 131. Münchener Staatsbibl. Clm 10073, f. 218*.
(74) C. 5 (Hartzh. VII, 169; IX, 44. (75) Hartz«. VII, 32. (76) C. 5 (ebd. VIII, 339'.
(77) De eultu divino c. 1 (ebd. VIII, 387). (78) C. 13 (ebd. VIII, 411).
(78a) De sacr. euch, c.3 (Maksi XXXV, 1110).
(79) De sacr. euch. (Hartzh. VIII, 649). (80) C. 18 (ebd. VIII, 702). (81) Tit. 6, c. i
(ebd. IX, 707). (82) Tit. 4 c. 6 (ebd. X, 151). (83) C. 6 (ebd. IX, 270).
ZWEITES KAPITEL. BENENNUNGEN 289
Allerheiligste im Ziborium zu den Kranken gebracht wurde, wie in den Metzer Statuiea von
1699. (84) Schon in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts selten, erscheint die Bezeich-
nung vas oder vasculum im 18. ganz aus dem Gebrauch verschwunden.
8. Custodia. Custodia, franz. custode, begegnen uns als Bezeichnung des Zi-
boriums beispielsweise in einem Inventar des Sicardus Alaman, des Ministers
des Grafen Raymund VII. von Toulouse, von ia8o: Una custodia argenti, in
qua custodia ostie reservantur, (85) in einem Inventar von S. Felix zu Gerona
von i3io: Duae custodiae argenti, una in qua servatur corpus Christi super
altare el alia in qua portatur corpus Christi ad communicandum (nämlich die
Kranken), (86) in den Visitationsprotokollen vonGrenoble aus den Jahren 1899
bis i4i/i im Wechsel mit bustia und cassia (87) und in einem Inventar von
St-Amö zu Douai von 1470: Item Ie cibole d'argent dore pendant ä la croche
devant le grant autel,. .. dedans lequel il y a une petite custode en manidre de
saliere d'argent dore. (88)
9. Archa, eine seltene Bezeichnung des Behälters. So heißt dieser archa in
Visitationsprotokollen von Grenoble aus den Jahren i33g und i35G: Corpus
Christi in una archa —corpus Christi inventum fuit in quadam archa bassa. (89)
10. Repositorium, theca. Mit repositorium bezeichnete man ebenfalls nur ver-
einzelt die eucharistische Pyxis. Ein Beispiel bieten die Statuten von Meaux:
Item quod duae sint cuppae seu duo repositoria, unum videlicet, quod pro ho-
stiis conservandis remanet, alterum quod ad infirmos deferatur, (90) ein an-
deres das Inventar der Ste-Chapelle zu Paris von i5y3, in dem repositorium zu-
gleich die Pyxis für das Allerheiligste und das Hängetabernakel, in dem dieselbe
aufbewahrt wurde, bezeichnet. (91)
Theca findet sich als Bezeichnung des Behälters zur Aufbewahrung der Eu-
charistie in den Gesta s. Albani, in denen berichtet wird, Heinrich II. habe dem
Abt Simon eine cuppa nobilissima geschickt, in qua poneretur et ipsa theca im-
mediatc continens corpus Christi (92) und in den Visitationsprotokollen von
Benevent aus dem Jahre lögi: Auferatur thecula, ubi asservetur ss. Eucharistie,
quae asservetur in pixide argentea. (93)
il. Tabernaculum. Unter tabernaculum verstand man in mittelalterlicher Zeit
in der Regel nicht die eucharistische Pyxis, sondern das über dem Altar schwe-
bend angebrachte laternenartige Gehäuse, in dem diese aufbewahrt wurde, das
sogenannte Hängetabernakel, den kleinen Baldachin, der die über dem Altar
aufgehängte Pyxis mit dem Allerheiligsten überdachte, und die Monstranz, in
nachmittelalterlicher Zeit das auf dem Altar befestigte Gehäuse für das hei-
ligste Sakrament, das Altartabernakel. Nur selten bedeutet tabernaculum das
Gefäß zur Aufbewahrung des heiligsten Sakramentes wie z. B. in dem Inventar
des Apostolischen Stuhles von I2g5: Unum tabernaculum de argento albo cum
pede et coperculo et una clavicula cum Iaqueo rubeo pond. iS1/^ unc; bussula
autem quae est intus pond. 2 unc; unum tabernaculum de argento deauratum
(84) Tit 5, n. 8 (ebd. X, 236). (85) Revue XLI (1892) 414. (86) Florez XLV (1832)255.
(87i U. Chevalier, Viaites past. 56, 57, 59, 65, 83, 90. (88) Deuaisses, Doc. 545, note 5.
(89) Chevalier Visites past.25, 89. Ein weiteres Beispiel bei Lidewig, Reliquiae mscr.
>I. 201. (90) D.C. VII, 133. (91) Revue archäol. V, 1 (1848) 192. (92) Rilet, Geste
*> 190. (93) C. 70, n. 128; vgl. n. 140 und 148; Massi XXXVI bis 500, 502, 503.
BKAliM, DAS CHRISTLICHE ALTARGERÄT 19
290 VAS.i SACRA. DRITTEH ABSCHNITT. DAS ZIBORIUM
(94) Bibl. XLV (1884) 34. Von einer Monstranz kann bei diesen tabernacula noch keine
Rede sein; daß sie aber keine Hängetabernakel waren, geht zur Genüge aus den Angaben
des Inventars hervor. (95) Revue XLI (1892) 411. Die Beschreibung des tabernaculum be-
kundet, daß es sich bei ihm nicht um eine Monstranz handelt, es wird vielmehr ein Ziborium
gewesen sein, in dem man das Aller heiligste zu den Kranken trug.
(96) C. 5 (Hahtzii. VIII, 339): tabernaculum seu vasculum, cui eucharistia includitur.
(97) De cust. et loco euch. (Massi XXXV, 877), in denen sowohl das Altartabernakel wie
auch der das Allerheiligste enthaltende silberne Behälter in demselben tabernaculum heißt.
(98) Marx. SS. vetVI, 688. (99) Johes, Registr. II, 129.
(100) Tu. Jos. Lacomblet, Urkundenbuch II (Düsseldorf 1846) 438; vgl. auch des Udal-
nicus Consuetudines Cluniac. 1. 2, c. 30 (M. 149, 723). (101) BraOT, Altar II, 580.
(102) De gloria mart. c. 71 (M. 72, 769). (103) Dccii. L. P. II. 95. (104) Vgl. die Unter-
suchungen J. Havkts in Bibl. de l'Ecole des Chartes XLVI (1885) 205 f. sowie Historische
Zeitschrift IV (1886) 284.
DRITTES KAPITEL. MATERIAL. I. BIS ZUR NACHMITTELALT. ZEIT 291
DRITTES KAPITEL
DIE MATERIELLE BESCHAFFENHEIT DES HEHÄLTERS ZUR
AUFBEWAHRUNG DER EUCHARISTIE
I. DAS MATERIAL DES EUCHARISTISCHEN BEHÄLTERS IN ALTCHRISTLICHER UND
MITTELALTERLICHER ZEIT
(105) Gudiol y CuNiLt, Nociöns d'arqueologia sagrada catalana {Madrid 1902) 457.
W Vgl. oben S.39. (2) Ebd. (3) L. 1, c.70 (M. 132, 205).
292 VASA SACRA. DRITTER ABSCHNITT. DAS ZIBORIUM
der Figur des Orpheus, mit Jagdszenen und Szenen aus dem Landleben (4) und
zu Brioude mit gleichartigen Reliefs (5) als eucharistisch gedeutet. (6) Allein
von keiner läßt sich mit Sicherheit, ja nicht einmal mit einiger Wahrscheinlich-
keit feststellen, daß sie zur Aufbewahrung des Allerheiligsten geschaffen wur-
den oder ursprünglich gedient haben. Die religiösen Darstellungen, mit denen
sie geschmückt sind, allein sind dafür noch kein Beweis, zumal nicht in allen
jenen Fällen, in denen sie keine ausgesprochene Beziehung zum heiligsten Sa-
krament enthalten. Auch der Umstand, daß einzelne der Pyxiden in späterer
Zeit als Behälter für das Allerheiligste gebraucht wurden, bekundet das nicht.
Denn aus ihrer späteren Benützung zur Aufbewahrung des heiligsten Sakra-
mentes folgt nur, daß sie zu dieser verwendet werden konnten, nicht aber auch,
daß sie wirklich schon in altchristlicher Zeit für dieselbe gedient haben und
noch weniger, daß sie für sie angefertigt wurden. Allerdings ist die Möglichkeit,
daß die eine oder andere dieser Pyxiden zu jenem Zwecke hergestellt oder doch
schon in altchristlicher Zeit gebraucht wurde, nicht schlechthin ausgeschlossen,
weil ja auch im späteren Mittelalter Pyxiden aus Elfenbein gern zu ihm ver-
wendet wurden, wo solche sich beschaffen ließen. Allein es sind das doch nur
bloße Möglichkeiten, die keine genügenden Unterlagen für wissenschaftliche
Schlüsse bilden.
Am ehesten können noch eine aus Afrika stammende Elfenbeinpyxis im Museum zu
Livorno und eine Pyxis im Museum zu Sitten im Wallis als eucharistisch angesprochen
■werden. Bei der ersten (7) legt die Szene der wunderbaren Brotvermehrung, mit der die-
selbe geschmückt ist, weil Vorbild der Eucharistie, eine solche Auffassung einigermaßen
nahe, bei dieser (8) die an ihr angebrachten Darstellungen der Auferstehang Christi und
des Besuchs der Frauen am Grabe, weil dieselben erinnern an die Symbolik der eucha-
ristischen Pvxis in dem schon im sog. Missale Francorum (um 700) sich findenden Segens-
gebet derselben: Omnipotens Deus Trlnitas, manibus nostris opem tuae benedictionis in-
funde ut per nostram benedictionem hoc vasculum sanetificetur et corporis Christi novum
sepulcrum Spiritus Sancti gratia perficiatur. In der Elfenbein pvxis des Kaiser-Fricdrich-
Museums zu Berlin mit der Darstellung des zwischen den Aposteln thronenden Christus
und des Opfers Abrahams, wohl der schönsten und künstlerisch vollendetsten, eine eucha-
ristische Pyxis zu sehen, dürften die Abmessungen derselben wohl kaum gestatten. (9)
Die Pyxis im Dom zu Pesaro (10) wurde im späteren Mittelalter mit einer Hänge Vorrichtung
versehen, von der oben auf dem Deckel noch Reste vorhanden sind, und als Hängepyxis
verwendet. Andere Elfenbein pyxiden wurden mit einem aus Fuß und Schaft mit Nodus
sich zusammensetzenden Ständer ausgestattet und dann in dieser Gestalt als Ziborium ge-
braucht, so zwei Pyxiden zu Lavoüte-Chühac bei Puy und eine aus S. Ambrogio zu Mailand
stammende Pyxis im Museo cristiano des Vatikan. (11)
Forrer hat einen 7 cm hohen, 4,5 cm weiten, mit einem Kreuzchen in Relief und den
eingeschnittenen Buchstaben A und 9. geschmückten, aus dem Gräberfelde von Achmim-
Panopolis stammenden Holzzylinder veröffentlicht, den er als aJtchristliche eucharistisciie
Pyxis gedeutet hat. (12) Mit Unrecht. Es ist für die archäologische Wissenschaft kein Ge-
(4J Abb. in Nuovo Bollettino III (1897) TU. 1. (5) Abb. bei Roh. V, Tfl. 365.
(6) Ron., a.a.O. 9; Cahier, Nouveaux melanges, Ivoires (Paris 1874) 22.
(7) Abb. in Bollet. di archeol. crist. ser. 5, II (1891) Tfl. IV und V. (8) Abb. bei Ron-
V, Tfl. 371. (9) Abb. bei Garrucci Tfl. 440, 1, der auf Tfl. 437—440 auch noch eine große
Anzahl der andern altchristlichen Eifenbeinpvxiden abgebildet hat.
(10) Abb. bei Garritcci, Tfl. 439, n. 1. ("ll) Abb. der drei letztgenannten bei Ron. V,
Tfl. 366. (12) Forrer, Die frühchristlichen Altertümer aus dem Gräberfelde von Achnum-
Panopolis (Straßburg 1893) 15: .Zweifellos haben wir hier eine Pyxis zur Aufnahme der
Hostie vor uns; möglich aber auch ist es, daß sie die Capsa war, die das Heiligste umschloß
DRITTES KAPITEL. MATERIAL. 1. BIS ZUR NACHMITTELAIS. ZEIT 293
winn, wenn ein Archäologe an allzuviel Phantasie krankt. Daß man in altchristlicher
Zeit die Eucharistie auch wohl in einem hölzernen Behälter aufbewahrt hat, kann frei-
lich nicht in Zweifel gezogen werden. Es war nicht immer und nicht überall möglich,
für diesen Zweck ein Gefäß aus kostbarem Material zu beschaffen. Auch gab es noch
in weit späterer Zeit Behälter zur Aufbewahrung des Allerheiligsten, die aus Holz gemacht
waren. Allein daraus folgt keineswegs, daß wir in dem heute des Bodens und Deckels ent-
behrenden Forrerschen llolzzylinder eine eucharistische Pyxis zu sehen haben. Aber auch
aus dem Kreuzchen auf demselben und den es begleitenden Buchstaben läßt sich das
nicht erschließen, da mit ihnen auch profane Geräte geschmückt wurden. Nichts berechtigt
daher, in dem llolzzylinder etwas anders zu vermuten als einen der profanen Gegenstände,
die den Toten nach koptischem Brauch als Beigabe in das Grab beigelegt zu werden pflegten.
Was an schriftlichen Quellen aus altchristlicher Zeit und dem früheren Mit-
telalter vorliegt, gibt uns wenig Aufschluß über die materielle Beschaffenheit
des zur Aufbewahrung des Allerheiligsten dienenden Behälters. Wenn das
Papstbuch selbst in den Biographien der Päpste des 8. und 9. Jahrhunderts
noch nirgends denselben erwähnt, obwohl in den Gabenverzeichnissen, die diese
enthalten, von kostbarem Altargerät aller Art die Bede ist, und wenn es sich
nicht anders in den Inventaren der Karolingerzeit verhält, dann läßt sich dar-
aus nicht schließen, daß die Eucharistie selbst damals noch nicht aufbewahrt
wurde. Wohl aber dürfte dem LSchweigen des Papstbuches und der Inventare der
Karolingerzeit sich mit einigem Fug entnehmen lassen, daß die hierzu dienen-
den Behälter stofflich meist noch nicht so kostbar waren, daß man es für an-
gebracht hielt, auch sie zu verzeichnea. Verlangt doch selbst noch der früher
angeführte Kanon Beginos lediglich, daß die Pyxis für die zur Krankenkom-
munion aufzuhebenden Partikeln der Eucharistie ihres heiligen Inhaltes wür-
dig sei. Daß man den Behälter indessen schon früh selbst aus Gold herstellte,
bekundet, um von den Versen des Venantius Fortunatus auf die turris des Bi-
schofs Felix von Bourges abzusehen, (13) das Aenigma de crismali Aldhelms
von Sherborne (-f- 709). (14) Im 10. Jahrhundert wird uns von einer goldenen
Taube berichtet, die der Kanonikus Frodo von Auxerre als Behälter für die
Eucharistie stiftete, (14a) im n. von einer goldenen Taube, in der man zu
Cluny diese aufbewahrte, (15) sowie von einer pyxis aurea cum smaltis pro cor-
pore Domini, die zur Hinterlassenschaft Viktors III. (f 1087) gehörte, (16)
im 12. von einer aurea pixis ad dominici corporis repositionem in einem In-
ventar von St-Vaast zu Arras. (17) Eine silberne eucharistische Pyxis, begegnet
uns neben der vorhin genannten goldenen in dem Verzeichnis der Hinterlassen-
schaft Viktors III.: Et alia maior de argento cum nigello, in einem Inventar von
Martinsberg in Ungarn von ca. 1090: Vasculum argenteum in quo corpus Do-
mini continetur, (18) in einem Inventar des Domes zu Krakau von n 10 (19)
sowie als äußerer Behälter — der innere bestand in einer Elfenbeinpyxis — in
einem Inventar von Prüfening bei Begensburg aus dem 12. Jahrhundert. (20)
«nd selbst erst in einer reicher geschmückten elfenbeinernen Pyxis ruhte. Darauf deutet die
Kleinheit dieser Holzpyxis im Verhältnis zu den bekannten Elfenbeinpyxiden derselben Zeit
sowie ihre geringe Verzierung.« Dann fügt er hinzu: »Auch an einen Behälter für eine dem
Toten beiueeebene Reliquie ließe sich denken - was freilich zu dem vorausgehenden -zwei-
fellos, nicht paßt. (13) Vgl. oben S. 243. (14) M.89, 194. (14a) Vgl. oben S.290.
(15) Udalrici, Const. Cluniae. 1. 2, c. 30 (M. 148, 723). (16) Chron. Casin. I. 3. e.74
(M.G.SS. VII, 753). (17) Dehaisnes, Doc. 45. (18) Mitt. V (1860) 350.
(19) EBSsmsra, Anh. XXXIII. (20) N. Archiv XIII (1888) 561.
294 VASA SACRA. DRITTER ABSCHNITT. DAS ZIBORIUM
Von einer pyxis eburnea in qua reponitur eucharistia hören wir auch in einem
Inventar der Kathedrale zu Rouen aus dem Ende des 12. Jahrhunderts, (21)
von einer aus Onyx gemachten eucharistischen Pyxis, einem Geschenk Hein-
richs II., in des Hugo von Flavigny Ghronicon Virdunense, (22) von einer höl-
zernen in Ruperts Schilderung des großen Brandes, von dem das Köln gegen-
überliegende Deutz 1128 heimgesucht wurde, (23) von einer pyxis cortica, einer
aus Rinde gemachten Pyxis, in des Udalricus Constitutiones Cluniacenses. (24)
Aus einem Briefe Fulberts von Chartres von 1006 an einen gewissen Einhard ersehen
■ wir übrigens, daß man selbst noch damals keinen Anstand nahm, den Leib des Herrn in
einem zusammengefalteten Pergament auf« übe wahren und daß nicht einmal ein Bischof
von solch reformatorischem Eifer und solcher Gelehrsamkeit wie Fulbert an einem der-
artigen Vorgehen Anstoß nahm. (25) Allerdings handelt es sich in dem Schreiben nicht
um die gewöhnliche Aufbewahrung des heiligsten Sakramentes in der Kirche und für die
Kommunion von Kranken, sondern um die der Hostie, welche die Neopresbyter nach der
Weibe vom Bischof empfingen und bei sich aufbewahrten, um während vierzig Tagen bei
der Feier der Messe eine Partikel derselben zu genießen. Allein, wenn man in diesem Falle
keine Bedenken trug, die konsekrierte Hostie in einer Pergamenthülle aufzubewahren, wird
man auch solche schwerlich gehabt haben, das gleiche oder ähnliches in der Kirche mit der
für die Kranken bestimmten Hostien zu tun, wenn eine Pyxis fehlte und zugleich keine
Mittel vorhanden waren, eine solche zu beschaffen. Nahm man doch selbst noch in späterer
Zeit beim Mangel einer Pyxis keinen Anstand, dieselben in einer Tasche aus Seide oder sonst
einem Stoff aufzuheben. (26)
Erhalten hat sieh aus dem ia. Jahrhundert ein höherner Behälter, der zur Aufbewahrung
der Eucharistie diente, zu Lugnano bei Amelia in Umbrk'Ti (Tafel 48). Er stellt ein 12 cm
langes, /i cm hohes und etwa ebenso breites mit einem Schiebdeekel versehenes, aus einem
Stück Holz geschnitztes Kästchen dar. Der Deckel ist an einer der Schmalseiten mit einem
gekrönten Kopf, mittels dessen er ausgezogen wird, ausgestattet. An den Seiten ist das
Kästchen in Kerbscbnitt mit einer doppelten Reihe vierblätteriger, von Quadraten um-
schlossenen Rosetten verziert. Über seinen Zweck erhalten wir durch die auf dem Deckel
angebrachte Inschrift: Pro pane vite Aufschluß. Sie bekundet mit aller Bestimmtheil, daß
es angefertigt wurde zur Aufbewahrung des heiligsten Sakramentes. Eine zweite Inschrift
auf dem Deckel -verrät uns, wer es gemacht hat: 7 Ma(gister) Ioani me fecit. Das Kästchen ist
der älteste auf uns gekommene Bellälter, an dessen Verwendung zur Aufbewahrung der
Eucharistie kein Zweifel besteht, obwohl es nur aus schlichtem Holz gemacht ist.
Die früheste Verordnung hinsichtlich des Materials des Behälters der Eucha-
ristie erließ, soweit wenigstens die Quellen darüber Aufschluß geben, Bischof
Odo von Paris (1196—1208). Das heiligste Sakrament soll, so schreibt er vor,
in einer Pyxis aus Elfenbein aufbewahrt und ebenso in einer elfenbeinernen
{21) Revue 36 (1886) 461. (22) L. 2, n. 8 (M. 154, 210): Dedit... pixidem de onichino,
in qua servatur corpus Domini. (23) De incendio oppidi Tuitii c. 5 (M. 170, 337). Die Pyxis
befand sich in der vor dem Deutzer Benediktinerkloster liegenden Urbanuspfarrkirche, die
damals auch der Feuersbrunst zum Opfer fiel, während die Pyxis wie durch ein Wunder
in den Flammen unversehrt blieb.
(24) L. 2, c. 30 (M. 149, 722). Die pyxis cortica mit der in ihr befindlichen Hostie war in
die goldene Taube eingeschlossen, von der vorhin die Rede war. Im 14. Jahrhundert war an
ihre Stelle laut einem Inventar von 1382 ein viereckiges goldenes, mit Edelsteinen besetztes
Kästchen, an Stelle der Taube ein runder Behälter aus Gold getreten (Revue XXXVIII
11888] 199). (25) Ep. 3 (M. 141, 193).
(26) Vgl. z. B. das Visitationsprotokoll der Kirche zu Hüll in der Diözese Salisbury von
1220: Non est ibi pixis continens sacramentum, sed deponitur in bursa quadam serica (Jones
I, 312) und noch die Visitationsberichte der Diözese Grenoble von 1399—1414:_ St-Hippolyte
d'Aix: Corpus Christi servabatur in quadam modica bursa in panno piloso (U. Chevalieb 55)-
DRITTES KAPITEL. MATERIAL. I. BIS ZUR KACHMITTELALT. ZEIT 295
j355, 1387 und 1^20 (37) und in einem Inventar des Hildesheimer Domes von
14og: Pixidem auream cum corpore Christi cum 5 gemmis, [\ saphiris et uno
smaragdo. (38) Im ganzen hören wir jedoch von Behältern, die aus Gold ge-
macht waren, nur vereinzelt.
Von Behältern aus Elfenbein ist in den schriftlichen Quellen des späteren
Mittelalters seltener die Rede, als man angesichts der Empfehlung, die ihnen
durch die Synodalstatutendes i3. Jahrhunderts zuteil wurde, annehmen möchte.
Indessen waren Pyxiden dieser Art wohl nicht so leicht zu beschaffen. Er-
wähnt werden eucharistische Elfenbeinpixiden beispielsweise in einem Visi-
tationsprotokoll von Mere aus dem Jahre iaso: Una pixis eburnea... cum
eucharistia, (39) in einem Inventar von Cambrai von i35a: Item une boitellette
d'yvoire qui est dedans le chiboire (Tabernakel), (40) in einem Inventar der
St. Georgskapelle zu Windsor von i385, (41) in einem Inventar der Kathe-
drale zu Lincoln aus dem i5. Jahrhundert, (42) in den Statuten einer Synode
von Autun aus dem Ende des i3. Jahrhunderts, (43) in einem Inventar der
Kapelle des Schlosses zu Dover von i36i, (44) in den Statuten der Synode von
Soissons des Jahres 14o3 (45) und in einer Schenkungsurkunde für die Stifts-
kirche St-Pierre zu Namur von iii8. (46)
Erhalten hat sich eine a,£cm hohe, 6,6 cm weite, mit Scharnier und Klammer Verschluß
versehene Pyxis aus Elfenbein in S.Damiano zu Assisi. (47) Zwei andere mittelalterliche
elfenbeinerne Pyxiden gibt es noch in der Stiftskirche zu Vreden, von denen eine ovale
6 cm lang, 5 cm breit und 6 cm hoch ist, die andere, von runder Form einen Durchmesser von
6 cm und eine Höhe von 5 cm hat. Beide sind mit Scharnier und Klamm er Verschluß aus-
gestattet, der erste obendrein an den Seiten mit zwei Ringen, die darauf hinweisen dürften,
daß sie als Versehpyxis gebraucht wurde. (48) Eine Hängepyxis war, wie der auf dem
Deckel angebrachte Ring bekundet, eine mit einem Schlößchen ausgestattete, außen mit
neun Szenen aus dem Jugendlehen des Herrn unter spitzbogigen Arkaden geschmückte
Elfenbeinpyxis in der ehemaligen Sammlung Basüewsky. (49) Mit einem spätgotischen,
aus Fuß und Schaft mit IVodus bestehenden Ständer ausgestattet ist eine an altchristliche
Elfenbein pyxiden erinnernde, ursprünglich standerlose, mit Verschluß Vorrichtung versehene
Pyxis aus Elfenbein zu Mittelzeil auf der Reichenau. (50) In späterer Zeit ihrem ursprüng-
lichem Zweck entfremdet, wurden die elfenbeinernen euchartstischen Pyxiden gern als Re-
liquiare benutzt.
Von einem Behälter aus Glas, in dem in der Kirche des Moritzberges bei
Hildesheim der Leib des Herrn aufbewahrt wurde, erzählt das Chronicon epi-
scoporum Mindensium zum Jahre 1309: Corpus dominicum ibidem in vitro
habebatur, (51) von einem reliquiari de crestay (Kristall), abte a tenir le Cor-
pus ab lo peu (Fuß) d'argent grevat (graviert), ein Inventar der Kathedrale zu
Vieh von i4io, (52) von einer mit vergoldetem Silber montierten, mit Steinen
(37) Podlaha, App. IV, XVI, XXXII, IX (38) Anzeiger XXI (1878) 207.
(89) Jones I, 291. (40) Dehaisnes, Doc. 403. (41) Monast. angl. VIII, 1365.
(42) Archaeologia LIII 1 (1892) 3. (43) C. 15 (Maksi XXXII, 291). (44) Archaeolo-
gieal Journal XI (1854) 384. (45) Bullet mon. XXIV (1858) 434. (46) J. Borgnet et
S. Bormaks, Cartulaire de Namur (Namur 1873) 325. (47) Zeitschrift XXIII (1910) 341.
(48) Kd. von Westfalen, Kr. Ahaus 88 und Tfl. 46. (49) A. Darcel, La collection Basi-
lewsky (Paris 1874) Cat n. 92. (50) Kd. von Baden, Kr. Konstanz 353.
(51) C.45 (Leibnitics, SS. rer. Bronsv. II [Hannov. 1710] 157—211. (52) Gi.diol v CCMU.,
Nociöns d'arqueologia sagrada catalana (Madrid 1902) 457. Die Kristallkuppa wurde 158-
dureh eine Metallkuppa ersetzt. Das Gefäß ist in dieser Gestalt noch vorhanden. Der konische
Deckel ist unten ringsum mit Giebelchen verziert, zwischen denen Engelstatuettchen stehen.
DRITTES KAPITEL. MATERIAL. I. BIS ZUR NACHMITTELALT. ZEIT 297
verzierten Pyxis aus Achat, die früher zur Aufbewahrung des Leibes des Herrn
gedient hatte, ein Inventar von N.-Dame zu Paris von 1677. (53)
Ein gutes Beispiel einer Kristallpyxis bietet eine aus der Abtei Aywieres stammende
Pyxis im Museum des Parc. du Cinquantenaire zu Brüssel; denn es handelt sich bei derselben,
wie das Lamm Gottes an der Innenseite des Deckels nahelegt, wohl nicht um ein Reliquiar,
>!,nacrn um einen Behälter zur Aufbewahrung des ADerhcili^ii-n, S:-> >et't --kl: ;iu- !"i:idi'i::
Fuß, melonenartig geripptem IS'odus, trichterförmigem Zwischenstück zwischen Kuppa und
Nodus, zylinderförmiger Kuppa und leicht schräg ansteigendem, von einem laternenartigen
Rundbau bekrönten Deckel zusammen. Der Fuß, der Nodus und der zur Kuppa überleitende
Trichter sind aus vergoldetem Silber gemacht; die oben und unten mit einer Borte aus
Filigran und Steinen eingefaßte Kuppa besteht aus Kristall (Tafel 5i). Eine anscheinend
eucliaristische Pyxis aus Achat mit Ständer aus Gold, die jedoch heute ihres Deckels erman-
gelt, hat sich in der ehemaligen Klosterkirche zu Tremessen erhalten. (54)
Von hölzernen Behältern zur Aufbewahrung der zur Krankenkommunion
dienenden konsekrierten Hostien vernehmen wir in den Visitationsprotokollen
von Mere (Wilt), Swalewclive (Wilt) und Horningham (Wilt) aus dem Jahre
1220. (55) Wie wenig selten in ärmeren Kirchen selbst noch im ausgehenden
Mittelalter Behälter aus Holz zur Aufbewahrung des Leibes des Herrn verwen-
det wurden, dafür sind die Visitationsprotokolle der Diözese Grenoble aus den
Jahren i3oo,—14*4, die dafür manche Belege bieten, sehr lehrreich. So diente
z. B. zu diesem Zweck zu Voglans eine custodia fustea, zu St-Alban eine custo-
dia nimis parva et fustea, zu Bassens eine cassia fustea, zu Verel eine pixis
fustea, in St-Leger zu Chambery eine bustia rotunda fustea, zu Jacob eine
custodia fustea, zu Montailleur eine custodia nemorea, zu Morette eine custodia
nemorea. (56) Bemerkenswert ist, daß der Visitator sich nicht veranlaßt sah,
es zu tadeln, daß die Behälter aus Holz hergestellt waren und zu verordnen, sie
durch andere zu ersetzen. Sie galten ersichtlich noch keineswegs als unzulässig.
Erhalten haben sich hölzerne Behälter für das heiligste Sakrament aus dem späteren
Mittelalter in St. Kunibert zu Köln (Tafel 5i), (57) im Museum zu Braunschweig (Ta-
fel 02), (68) im Schnutgenmuseum zu Köln (Tafel 53), (59) und zu St. Kunigund bei Bur-
gerroth in ünterfranken (Tafel 5a). (60) Zu St. Kunigund haben sich zwei gerettet.
Alle bestehen aus Fuß, Kuppa und Ständer. Die Kuppa der Pyxis des Scbnütgenmuseums
ist becherförmig, die der übrigen zylinderförmig. Der Deckel, der heute bei einer der
Pyxiden zu St. Kunigund fehlt, zeigt bei allen Kegelform; bei den Pyxiden in St. Kunibert
und im Schnutgenmuseum zu Köln sowie bei der Braunschweiger Pyxis wird er von einem
Kreuzchen bekrönt. Bei der aus der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts stammenden Pyxis
in der Kömer St. Kutiibertskirchc ist nur die bloß mit einem dünnen Silberkelch bekleidete
Kuppa aus Holz gemacht, während Fuß und Deckel aus Silber bestehen. Fuß, Kuppa und
Deckel sind mit Filigranbändern, denen Steine eingefügt sind, geschmückt. Die aus Leinde
kommende, dem 1 (\. Jahrhundert angehörende Pyxis im Museum zu Braunschweig ist außen
wie innen bemalt. An der Kuppa zeigt sie auf Goldgrund sieben Halbfiguren, Christus und
sechs Apostel; das Bildwerk ihres Deckels ist verschwunden. Als eucharistische Pyxis wird
sie durch die ihren obern Rand umziehende Majuskclumschrift: fHic est panis qui de celo
(53} Gay, I, 378. (54) Kd. von Posen IV, 67.
(55) Jones I, 291: pixis lignea depieta, hier neben einer pixis eburnea und einer.pixis
argentea; 311: pixis ad eucharistiam lignea debilis — es soll eine pixis ad eucharistiam ho-
nesta beschafft werden; 313: pixis lignea in tabernaculo serico dependens ultra altare, con-
tmens eucharistiam. (56) Chevalier 56, 57, 58, 59, 64, 65, 83.
(57) Kd. der Rheinprov., Stadt Köln I 4, 307. (58) Kd. von Braunschweig III 2, 65.
(59) Witte, Tfl. 14. (60) Kd. von Unterfranken, BA. Ochsenfurt 234.
298 VASA SACRA. DRITTER ABSCHMTT. DAS ZIBORIUM
descendit mit Sicherheit erwiesen. Die Holzpyxis des Schnütgenmuseums ist auf dem
Fuß, der Kuppa und dem Deckel mit figürlichen Darstellungen in Perl Stickerei hekleidet.
Sie entstammt dem \(\. Jahrhundert. Die Pyxiden zu St. Kunigund, die ebenfalls wohl noch
dem i^. Jahrhundert zugeschrieben werden dürfen, zeigen nur mehr Spuren von'Bemalung.
Jahres 1Ö97 (71} soll der Behalter aus Silber gemacht sein, während die Synode von Siponto
außer silbernen auch solche aus vergoldetem Messing zuläßt, wo die Mittel zu gering sind,
um silberne zu beschaffen. (72) Die Kölner Synode von 1662 nennt wie die von St-Omer
als Material, aus dem die Ziborien anzufertigen seien, Gold, Silber, Elfenbein und Zinn;
ausgeschlossen werden Holz, Ton, Glas, Kupfer und Messing. (73) Die Synode von Cambrai
des Jahres 1661 gestattet ebenfalls Pyxiden aus Kupfer oder Zinn, doch soll das Allerhei-
ligste nicht unmittelbar in solche gelegt werden, sondern in eine in sie hineinzusetzende
kleinere, unten rundliche Pyxis aus Silber. (74) Die Synode von Paderborn des Jahres 1688
erlaubt nur solche aus Gold und Silber, aus Zinn aber lediglich propter ecclesiae pauper-
tatem vel direptionum pericula. Verboten werden Ziborien aus Holz, Ton, Glas und Kup-
fer. (75) Die Synode von Besancon des Jahres 1707 untersagt alle Ziborien, die nicht eine
Kuppa aus Silber haben, auch solche aus Kupfer und Zinn. (76) Nach den Statuten der
Metzer Synode von 1699 sollen die während eines Versehganges in der Kirche zurückblei-
benden Partikeln des Allerheiligsten in einem Behälter aus Silber oder Elfenbein aufbe-
wahrt werden. (77) Des heiligen Karl Borromäus Instructio fabricae ecclesiae schreibt vor,
es müsse die Pyxis aus Gold oder Silber gemacht und, wenn aus Silber bestehend, wenigstens
im Innern vergoldet sein. Aus vergoldetem Messing oder Zinn dürfe sie bestehen, wo Armut
die Beschaffung anderer unmöglich mache. (78) Nach diu: ürn...U>; :vdr>«ksui'u< liis üc-
gensburger Generalvikars Myller soll der Bellalter für die zur Kommunion der Gläubigen
dienenden konsekrierten Hostien aus Gold oder wenigstens aus vergoldetem Silber be-
stehen: die Pyxis für die Krankenkommunion kann dagegen auch aus vergoldetem Kupfer
oder Messing angefertigt sein, immer aber muß die in dieser befindliche kleine Pyxis, in
der sich das heiligste Sakrament befindet, von Silber sein. (79) Die Synode von Ypern aus
dem Jahre 1609 bestimmt, es solle das AUerlieiligste in einer Capsula argentea vel ad minus,
si ex alia materia, deaurata aufbewahrt werden. Aus vergoldetem Silber wollen den Be-
hälter gemacht sehen die Synode von Breslau des Jahres i5p,2, (80) die Trienter Synode von
i5g3, (81) die Churer von i6o5, (82) die Prager von i6o5, (83) die Ermländer von
1610, (84) die Salzburger von 1616, (85) die Konstanzer von 1616, (86) die Osnabrücker
von 1628, (87) die Synode von Ypern des Jahres 1639, (88) die Antwerpener Synoden von
i63o (89) und i6^3, (90) die Genter des Jahres i65o, (9l) sowie die Synode von Münster
aus dem Jahre i656. (92)
Es ist lehrreich, die angeführten Synodalbestimmungen miteinander zu ver-
gleichen. Nur drei derselben sehen von einer näheren Angabe bezüglich des
Materials des Behälters ab, die Prager von i655 und die Augsburger von 1667
sowie von 1610. Sie verlangen lediglich, es solle das heiligste Sakrament auf-
bewahrt werden in einem vas decens et honestum bzw. einem vas debitum et
honorificum. Die Prager Synode von i6o5 schließt sich wie in vielem andern so
auch hinsichtlich ihrer Bestimmung über das Material des Behälters zur Aufbe-
wahrung des Allerheiligsten an die Instructio fabricae ecclesiae des heiligen Karl
Borromäus an. Von Gold als Material desselben hören wir nur fünfmal. Be-
greiflich, gab es doch nur sehr wenig Kirchen, welche die Mittel besaßen, es
aus Gold herstellen zu lassen. Es war deshalb überflüssig, von diesem als Ma-
terial des Ziboriums zu sprechen, zumal ohnedies kein Zweifel daran bestand,
(71) De sacr. euch. c. 3 (ebd. 1110). (72) De cust. euch. (ebd. 877). (73) Tit. 7, § 6 (ebd.
IX, 986). (74) C. 16 (ebd. IX, 889). (75) Tit. 4, n. 6 (ebd. X, 151). (76) Tit. 13, n. 6
(ebd. X, 316). (77) Tit.5, n.8 (ebd. X, 236). (78) AA. eccl. Mediol. 634.
(79) C. 18 (München 1591, S. 40). (80) De eultu divino c. 6 (Hartzii. VIII, 391).
(81) C. 13 (ebd. VIII, 411). (82) Ebd. VIII, 649. (83) C. 18 (ebd. VIII, 702).
(84) Ebd. IX, 146. (85) C. 6 (ebd. IX, 270). (86) C. 6 (ebd. IX, 270).
(87) C. 15, n. 5 (ebd. IX, 449). (88) De sacr. c. 26 (ebd. IX, 498): Post haec nullos cali-
ces, patenas vel eiboria consecrabimus, quae non sunt ex argento, saltera interius deaurato.
(89) Ebd. IX, 52. (90) Tit. 7, n. 3 (ebd. IX, 642). (91) Tit. 6. c. 1 (ebd. IX, 707).
(92) Tit. 6, De euch. (ebd. IX, 823).
DRITTES KAPITEL. MATERIAL. II. IN NACHMITTEL ALT. ZEIT 301
daß es an sich schon sich am meisten zur Herstellung des Ziboriums eigne.
Elfenbein erscheint zu diesem Zweck nicht bloß in den Synodalstatuten von
St-Omer des Jahres i583 zulässig, sondern selbst noch in den Kölner von 1661,
ja noch in den Metzer von 1699. Ziborien aus Kupfer werden nur von der Syn-
ode von St-Omer ohne Einschränkung gestattet, mit gewisser Beschränkung
bloß von der Synode von Cambrai des Jahres i665, dem heiligen Karl und dem
Ornatus ecclesiasticus Myllers, Ziborien aus Zinn bedingungsweise von den Syn-
oden von Paderborn und Cambrai sowie vom heiligen Karl. Ausdrücklich ver-
bieten Ziborien aus Kupfer oder Zinn die Synode von Besancon und die Na-
murer Synode von 1639. (93) Nicht weniger als zwölf Synoden wollen, daß der
Behälter lediglich aus Silber hergestellt werde, in den Synodalstatuten aber,
die zu seiner Anfertigung auch Elfenbein, Kupfer und Zinn zulassen, erscheint
Silber stets wenigstens als das vorzüglichere Material.
Was sich an Ziborien aus dem späten 16., dem 17. und dem 18. Jahrhun-
dert erhalten hat, ist denn auch vornehmlich aus Silber gemacht. Zum min-
desten besteht die Kuppa aus solchen. Auch aus den Inventaren erhellt, daß die
Ziborien möglichst aus Silber hergestellt wurden. Lehrreich sind hierfür, um
nur auf diese hinzuweisen, die Schatzverzeichnisse ermländischer Kirchen aus
den Jahren i544—1597- In allen, auch in denen kleinerer Kirchen, besteht die
Pyxis, wie das Ziborium in ihnen genannt wird, aus Silber.
Freilich entstanden auch jetzt noch Ziborien aus vergoldetem Kupfer und aus Zinn,
und zwar selbst da, wo solche durch Synodalstatuten verboten waren. Die Verhältnisse
waren oft mächtiger als die Vorschriften. Nicht selten fehlten die Mittel, um ein Ziborium
aus Silber beschaffen zu können, zumal in kleinen, armen Dorfkirchen, in andern Fällen
machten Diebesgefahr, Kriege mit ihren Plünderungen, bei denen auch die Kirchen nicht
verschont blieben, die Verwendung von Ziborien aus Kupfer, Messing oder Zinn rätlich.
Es begegnen uns demgemäß denn auch noch in den nachmittelalterlichen Visitationsbe-
richten und Inventaren nicht selten Ziborien aus Kupfer oder Messing, die indessen ineist
als vergoldet bezeichnet werden und oft eine kleinere Pyxis aus Silber enthielten, in die,
statt unmittelbar in die Kuppa des Ziboriums, die heiligen Partikeln gelegt wurden. Ebenso
lesen wir in ihnen noch mehrfach von Ziborien aus Zinn, wie z. B. in den Breslauer Visi-
tationsberichten von 1666/67 ^d 1687/88 sowie in Inventaren badischer Kirchen aus
dem Jahre i683, wie dem Inventar von Daxlanden, Muckensturm, Forbach, Weißenbach,
Michelbach, Oos und Haueneberstein. (94) Ein noch gotisierendes zinnernes Ziborium mit
zylinderförmiger Kuppa, rundem Fulä, siebenseitigem Schaft und Deckel in Form eines
siebenseitigen Helmes, das dem Anfang des 17. Jahrhunderts entstammt, hat sich in der
PatrokHkirche zu Soest erhalten. Zinnerne Ziborien des 18. Jahrhunderts finden sich bei-
spielsweise im Diözesanmuseum und im Schnütgenmuseum zu Köln.
Auch hölzerne Behälter zur Aufbewahrung des Allerheiligsten hat es noch in mittelalter-
licher Zeit gegeben. So hören wir noch in den Visitationsprotokollen von Benevent aus dem
Jahre iöc,i mehrfach von solchen, die jedoch abgeschafft und durch eine silberne Pyxis
ersetzt werden sollten, (95) wie wir in ilmen selbst noch von einer pixis ex' alabastro ver-
nehmen, die man zur Aufbewahrung des Allerheiligsten benutzte. (96) Etwa ein gutes halbes
Jahrhundert später aber finden sich Pyxiden aus Holz noch in den Breslauer Visitations-
berichten von 1602 und 16Ö1 verzeichnet. So heißt es in ilmen bezüglich Pstrzonsa: In
eiborio (—-Tabernakel) in Capsula lignea asservabatur ss. sacramentum und bezüglich Seif-
(03) Tit. 3, c. 3 (Hartzh. IX, 573). (94) Freiburger Diözesanarchiv X (1876) 201; XII
(1878) 70; XIV (1881) 174, 178, 195; XVI (1883) 63; XVII (1885) 136. (95) C.70 n.140,145,
147, 148 (Mansi XXXVI bis 502, 503). (96) L. e. n. 143 (ebd. 502).
302 VAU SACRA. DRITTER ABSCHNITT. DAS ZIBORIUM
fersdorf: Pixis ex aurichalco interius pms ex ligno pro ss. sacramento. (97) Wir lesen
sogar noch im Rituale von Beauvais aus dem Jahre 1788 von Ziborien aus Holz und Karton,
die jedoch außen wie innen mit Seide überzogen sein und im Innern ein der Größe des-
selben entsprechendes Korporale enthalten sollten. Sie wurden gestattet, wo Gefahr sei,
daß Diebe die heiligen Gefäße stahlen, zumal, um In ihnen nachts das All er heiligste aul-
zubewahren. (98) Ein Ziborium aus Achat, das reich mit Edelsteinen besetzt war, schenkte
Maria von Kleve, Königin von Polen (f 157/4), der Abtei Port-Royal. (99) Ein prachtvolles
Ziborium in der Bergkirche zu Laudenbach in Baden mit goldenem Fuß und Deckel, die
ganz mit köstlichem emaillierten Renaissance Ornament übersponnen sind, hat eine Kuppa
aus grüngeädertem Jaspis (Tafel 58). (100)
Über die materielle Beschaffenheit des Behälters, in dem man im griechi-
schen, im syrischen und armenischen Ritus die Eucharistie für die Kranken-
kommunion, im griechischen auch für die Präsanktifikatenmesse der Fasten-
zeit aufbewahrte, hören wir kaum etwas. Daß man zu diesem Zwecke ihn auch
aus Edelmetall machte, wo die Mittel dazu vorhanden waren, ist nicht zweifel-
haft, aber ebensowenig, daß man oft genug sich damit begnügte oder vielleicht
besser begnügen mußte, ihn aus Holz zu machen oder das Allerheiligste in
einem Säckchen aufzubewahren. (101) Allgemein verbindliche Vorschriften be-
treffs des Materials des Behälters hat es in den Riten des Ostens nie gegeben,
wir hören aber auch nie von partikulären Vorschriften darüber. Wie man be-
züglich seines Materials im Osten dachte, erhellt aus den Akten der gegen Cvril-
lus Lukaris gerichteten orthodoxen Synode von Jerusalem des Jahres 1692.
Gegenüber dem von protestantischer Seite erhobenen Vorwurf, die Orientalen
glaubten nicht an Christi wirkliche Gegenwart im heiligsten Sakrament, weil
man das konsekrierte Brot in hölzernen Behältern aufbewahre und zwar selbst
außerhalb des Altarraumes, aufgehängt an irgendeinem der Pfeiler, bemerkt
sie: Es sei allerdings zutreffend, daß bisweilen arme Priester den Leib des
Herrn in hölzernen Behältern aufbewahrten, allein Christus werde ja nicht mit
Stein und Marmor geehrt, er fordere vielmehr ein gesundes und reines Herz. In
den Kirchen, in denen die nötigen Mittel nicht mangelten, wie zu Jerusalem,
werde der Leib des Herrn ehrenvoll im Altarraum aufbewahrt und würden
sieben Lampen beständig vor ihm angezündet. (102)
"VIERTES KAPITEL
FORMALE BESCHAFFENHEIT DES BEHÄLTERS DER EUCHARISTIE
I. VORBEMERKUNG
Über die formale Beschaffenheit des Behälters, in dem man das Allerhei-
ligste aufbewahrte, erhalten wir bis ins 12. Jahrhundert hinein keinen nähe-
ren Aufschluß. Das älteste Beispiel eines solchen Behälters, das sich erhalten
hat, ist das schlichte Holzkästchen zu Lugnano, von dem bereits die Rede
(97) JUKGurrz I, 49, 243. (98) Bullet mon. XXIV (1858) 427, wo S.426 auch mitgeteilt
wird, daß man in der Kathedrale und in St-Etienne zu Beauvais noch um die Mitte des
19. Jahrhunderts Ziborien aus Palisanderholz hatte, in denen man das heiligste Sakrament
außer den Messen, besonders aber nachts, wegen Diebesgefahr aufbewahrte.
(99) Ann. archeol. XII, 398. (100) P. Kuppler, Württembergs kirchliche Altertümer
(Rottenburg 1888) 227. (101) Bkal.n, Der christliche Altar II, 597. (102) H. XI, 266.
VIERTES KAPITEL. FORM. I. VORBEMERKUNG 303
war. (1) Denn von den Elfenbeinpyxiden, die aus altchristlicher Zeit und dem
frühen Mittelalter sich in die Gegenwart gerettet haben, ist, wie schon gesagt
wurde, keine, die mit Sicherheit als zu eucharistischen Zwecken angefertigt
und ursprünglich dienend angesprochen werden kann. In älteren schriftlichen
Quellen findet sich nur einmal eine Beschreibung des Behälters, in Aldhelms
von Sherborne Rätselgedicht auf das Chrismale, die jedoch keineswegs klar
ist. (la) Wie es scheint, hatte das fragliche Chrismale die Form eines kreuz-
förmigen Zentralbaues von natürlich miniaturartigen Abmessungen. Um es zu
öffnen, mußte man den Deckel abheben. Sonst wissen wir über die formale Be-
schaffenheit des Behälters bis ins 12. Jahrhundert hinein nichts anderes, als was
uns etwa die Benennungen pyxis, capsa, columba (2) verraten. Pyxis läßt uns
an eine runde oder polygonale Büchse mit flachem oder leicht gewölbtem
Deckel, capsa an einen Behälter von Gestalt eines Kästchens denken. Columba
besagt, daß der Behälter die Form einer Taube hatte. Von irgendeiner forma-
len Entwicklung des Behälters vernehmen wir nichts, es hat sich indessen auch
sicher mit ihm bis zum späteren Mittelalter keine vollzogen.
Wesentlich anders wird die Sache seit dem ausgehenden 12. Jahrhundert.
Zwar geben uns auch nun die schriftlichen Quellen im ganzen nur geringen
Aufschluß über die Form des der Aufbewahrung des Allerheiligsten dienenden
Behälters und noch geringeren über die schon im späten 12. Jahrhundert ein-
setzende formale Entwicklung desselben, infolge deren er mit einem Ständer
versehen und immer mehr seiner Form nach dem Kelch angeglichen wird, bis
er in nachmittelalterlicher Zeit sich von diesem nur mehr durch größere Weite
der Kuppa und den nimmer fehlenden Deckel unterscheidet. Was aber sie uns
nicht berichten, das sagen uns zur Genüge die zahlreichen eucharistischen Pyxi-
den und Ziborien, die sich aus dem i3-, ii. und i5. Jahrhundert sowie aus der
nachmittelalt er liehen Zeit erhalten haben. Das Bild, das sie uns von den ver-
schiedenen Formen desselben sowie von der mit ihnen sich vollziehenden for-
malen Entwicklung vermitteln, läßt nichts Wesentliches vermissen.
Der Kräfte, welche für den formalen Entwicklungsgang des Behälters trei-
bend waren und zugleich Richtung und Weg bestimmten, waren hauptsächlich
drei: Zweckmäßigkeitsrücksichten, höhere Wertschätzung, infolge deren man
in ihm nachgerade nicht mehr bloß ein nebensächliches Hilfsgerät, sondern
eine Art Gegenstück und Ergänzung des Kelches erblickte, und der Einfluß,
den die jeweilige große Kunst auf seine formale Gestaltung ausübte. Zweck-
mäßigkeitsgründe waren Anlaß, ihn mit einem Ständer zu versehen, in nach-
mitlelalterlicher Zeit aber führten sie zur Ausscheidung von Typen, die den
veränderten Verhältnissen nicht mehr entsprachen, unpraktisch geworden wa-
ren. Die höhere Wertung, die man ihm seit dem 12. Jahrhundert entgegen-
brachte und die veranlaßte, ihn fast auf eine Stufe mit dem Kelche zu stellen,
wurde Ursache, ihn auch seiner Form nach diesem anzugleichen, indem man
«einen Ständer dem des Kelches nachbildete. Der Einfluß der zeitgenössischen
(*) Vgl. oben S. 294. (1 a) De crismali (M 89, 194) : Alma domus veneror divino munere
plena — Valvas sed nullua reaerat nee limina pandit — Culmina ni fuerint aulis sublata
<iuat«rnis. (2) VgL oben S.282f.
304 VASA SACRA. DRITTER ABSCHNITT. DAS ZIBORIUM
Das Bild, das der Behälter im späteren Mittelalter formal bietet, ist unge-
mein mannigfaltig. Immerhin lassen sich drei Hauptformen desselben unter-
scheiden, Behälter ohne Ständer, Behälter mit Ständer und Pyxiden in Tauben-
form, sogenannte eucharistische Tauben.
i. Behälter ohne Ständer. Ursprünglich wohl die einzige Art, waren sie, wie
es scheint, noch im i3. Jahrhundert das Gewöhnlichere, wurden aber dann
immer mehr durch mit Ständer ausgestattete, in ihrer Form der des Kelches
angeglichene verdrängt, doch entstanden auch noch im iA\ und i5. manche
ständerlose. Insbesondere entbehrte der Behälter, in dem bei Versehgängen der
Leib des Herrn zu den Kranken gebracht wurde, wohl dann gewöhnlich eines
Ständers, wenn der Kranke in weiter Entfernung von der Kirche wohnte.
Die ständerlosen Behälter hatten in der Begel die Form einer zylinderförmi-
gen, niedrigen, nicht selten nur wenige Zentimeter hohen, mit Deckel ver-
sehenen Büchse. Der Deckel war bald flach, bald leicht gewölbt, bald kegel-
förmig. An dem Behälter war er meist mittels einer Scharniers befestigt, dem
gegenüber eine Vorrichtung zum Verschließen, ein Schlößchen oder gewöhn-
licher eine Art von Riegel, angebracht war. Beispiele haben sich noch manche
erhalten. Aus dem frühen i3. Jahrhundert stammt je ein Behälter des Typus
im Museum des Bargello zu Florenz (Tafel 6o), im Viktoria-und-Albert-Museum
zu London, im Kestner-Museum zu Hannover, im Kölner Kunstgewerbemuseum,
und in der Jakobikirche zu Lippstadt (Tafel 48). Nur wenig jünger ist eine
ständcrlose Pyxis im Historischen Museum zu Stockholm, sowie eine Elfen-
beinpyxis der gleichen Art in S. Damiano zu Assisi. Andere lehrreiche Bei-
spiele aus dem i3. Jahrhundert bieten die mit Email verzierten Limoger Pyxi-
den, die sich in großer Zahl erhalten haben. Es sind die pixides de opere lemo-
vitico, von denen in englischen Synodalstatuten des i3. Jahrhunderts (5) und in
dem Visitationsprotokolle der zu Salisbury gehörenden Kapelle zu Herst von
1220 (6) die Rede ist.
Die Pyxis im Bargello in Florenz "hat einen stark gewölbten Deckel, aus dessen Scheitel
ein Zapfen herauswächst, der einen von Blättern umgebenen, in einen Ring zum Auf-
hängen endigenden Knauf trägt, (7) die Pyxis im Kestner-Museum einen nur leicht sich
(3) A.A. Eccl. Mediol. 634. (4) C.18; S.40. (5) Vgl. oben S. 295. (6) Joses I, 280.
(7) Br.ux. Altar II, 606 und Tfl. 362.
VIERTES KAPITEL. FORM. II. BIS ZUR NACHMITTELALT. ZEIT 305
wölbenden Deckel, auf dessen Scheitel ein Knäufchen in Form eines Doppelkegels mit
Ose zur Aufnahme eines beweglichen Ringes sitzt. (7a) Nur in der Mitte mit leicht gewölbter
Erhöhung versehen ist der Deekel der Pyxiden im Viktoria-und-Albert-Museum zu London
und im Kölner Kunstgewerbemuseum. Beide zeigen im Scheitel der Erhöhung ein Knäuf-
chen, das jedoch nur bei der Londoner Pyxis mit Öse zum Aufhängen ausgestattet ist. (8)
Die letztere ist als eucharistische Pyxis durch die im Innern auf dem Boden angebrachte
Inschrift: f Intus portatur, per quod mund(us) satiatur — Credenti rnagnum tollit peccata
per agnum gekennzeichnet, die Kolner durch die außen den Mantel oben und unten um-
ziehende Inschrift: ~ Ego sum panis virus, qui de celo descendi — -J" Si quis mandueaverit
ex hoc pane, vivet in aeternum. Ganz flach ist der Deckel der am Mantel mit gestanzten
Halbfiguren von Aposteln verzierten Pyxis in der Jakobikirehe zu Lippstadt sowie der
Elfenbeinpyxis in S. Damiano zu Assisi, bei welch letzterer er aus einem schmalen Reifchen
und Deckelplatte, die durch Klammern verbunden sind, besteht. (9) Einen niedrigen, leicht
nach innen gekrümmten Kegel bildet der Deckel der Pyxis im Historischen Museum zu
.Stockholm; auf der Spitze trägt er ein beeren förmiges, aus einem Blattkranz heraus wach-
sendes Knäufchen. (10)
Die zahlreichen, heute zumeist in den öffentlichen und in privaten Sammlungen sich
findenden Limoger Pyxiden haben fast alle einen bald mehr bald weniger hoch ansteigen-
den, starr kegelförmigen Deckel der von einem auf einem kugeligen Knäufchen sitzenden
Kreuzchen bekrönt zu sein pflegt (Tafel ^9). Haubenartig geschweift ist der Deckel einer
Limoger Pyxis im Museum des Parc du Cinquantenaire zu Brüssel. Bei einzelnen Limoger
Pyxiden ist der Deckel ringsum den Rand entlang mit vergoldeten Kügelchen besetzt, bei
einigen andern treten aus ihm kleine in ein Kügelchen endigende Zapfen heraus, die ver-
mutlich zur Befestigung eines Behanges dienten. Es dürfte kaum eine größere Sammlung
geben, die nicht wenigstens eine der einst geradezu für den Handel angefertigten Limoger
Pyxiden besitzt. Im Cluny-Museum gibt es deren wenigstens vier, im Bayerischen National-
museum zu München fünf, im Viktoria-und-Albert-Museum zu London ebenfalls fünf,
im Archäologischen Museum zu Namur sogar sieben, im Museo cristiano des Vatikan zwei.
In kirchlichem Besitz gibt es nur mehr sehr wenige. So finden sich vereinzelte in den
Kathedralen zu Amiens, Lyon und Poitiers, in der Abtei S. Giulia zu Bologna, in der
Kathedrale zu Pienza, im Oratorium zu Rom, in S. Nazaro zu Mailand, zu Web im Rhein-
land. (11) Als die Limoger Pyxiden in späterer Zeit ihren ursprünglichen Zweck entfremdet
worden waren, dienten sie andern Zwecken, namentlich zur Aufbewahrung von Reliquien
sowie auch wohl als Behälter für die Reliquien, die bei der Altarweihe in dem Sepulcrum
des Altares beigesetzt wurden. (12)
(14) Kd. von Westf., Kr. Ahaus 88 und Tfl. 46. (15) Catal. n. 183—1866 und 184—1866.
(16) Catal.249-1874. (17) SigurdCurmas und I. Roosval, Utstallingen af äldre kyrklig
konst i SträngnSs (Stockholm 1913). Eine um den Mantel sich herumziehende Inschrift lau-
tet: Factu(m) e(st) vas istud sub anno domini MCDXXII per dorn, olaum curatu(rn) m
wikingakir ex parte eccle(siae) cur(atiae) pfraeldictae. , „,_
(18) Kd. von Westf., Kr. Lippstadt 106 und Tfl. 66. (19) Abb. in Mitt. XVIII (1873) 217.
VIERTES KAPITEL. FORM. II. BIS ZUR NACHMITTELALT. ZEIT 307
dratischen Bebälter für die Eucharistie hören wir in dem Protokoll über die
i457 in der Diözese Grenoble abgehaltenen Kirchenvisitationen, in dem auch
von einem vas fusteum oblongum et rotundum, von einem ersichtlich ständer-
losen ovalen Behälter aus Holz, in dem das heiligste Sakrament aufbewahrt
wurde, die Rede ist, (20) von einer boette quarree d'or, en lequel repose le Cor-
pus Domini, die sicher ebenfalls ständerlos war, in einem Inventar von St-Florent
zu Saumur aus dem Jahre i536. Vorhanden ist keine dieser quadratischen
Pyxiden mehr, wie denn auch solche nie häufig gewesen sein dürften. Eine dem
i4. Jahrhundert angehörende ständerlose, ovale Pyxis aus Elfenbein mit zwei
kleinen am Mantel einander gegenüber angebrachten Ösen, die vermuten lassen,
daß sie bei Versehgängen gebraucht wurde, gibt es zu Vreden in Westfalen. (21)
Daß es auch ständerlose becherförmige Behälter zur Aufbewahrung des
Allerheiligsten gegeben hat, bezeugen zwei nach unten zu sich etwas ausbau-
chende Pyxiden dieser Form in englischem Privatbesitz aus dem Ende des
12. Jahrhunderts (22) sowie eine im späten if\. Jahrhundert mit einem Stän-
der versehene, ursprünglich ständerlose Pyxis, ein achtseitiger Becher, aus der
Frühe des i4. Jahrhunderts im Stift Klosterneuburg. (23) Ein unter ihrem
Boden angebrachter Bing ermöglichte es, sie hinzustellen.
Der Deckel der beiden englischen Pyxiden hat, natürlich im umgekehrten Sinn, die
Form der Kuppa. Auf seinen) Scheitel sitzt auf vier aufsteigenden Blättern ein abgeplatteter
Knauf, der bei einer oben noch mit dem Ring versehen ist (Tafel 60), mittels dessen sie
über dem Altar aufgehängt werden konnten. Der gleich der Kuppa achtseitige Deckel der
Klosterneuburger Pyxis zeigt geschweifte Form. Der Knauf, von dem er heute bekrönt
wird, ist nicht ursprünglich; er entstammt erst der Zeit, da man die Pyxis mit dem beutigen
Fuß versah. Alle drei Pyxiden sind reich mit Email verziert, die beiden englischen mit ab-
getöntem, vielfarbigem, die Klosterneuburger mit unabgetöntem rotem und blauem Gru-
benschmelz.
i2. Bekälter mit Ständer. Die mit Ständer versehenen bilden den weitaus
größten Teil der noch vorhandenen mittelalterlichen eucliaristischen Behälter.
Ihr Ständer besteht wie der des Kelches aus Fuß und Schaft mit Nodus. Nach
der Form des Behälters, der Kuppa, lassen sie sich in drei Hauptgruppen
scheiden.
Erste Gruppe. Die zu ihr gehörenden Behälter haben eine zylinderförmige
Kuppa. Ihr Deckel, der stets mittels eines Scharniers am Bebälter befestigt ist,
hat in der Regel die Gestalt eines umgekehrten, leicht einwärts gekrümmten
Trichters, wie bei der dem frühen i3. Jahrhundert entstammenden Pyxis in
St. Kunibert zu Köln (Tafel 5i) oder eines starrseitigen, höchstens am unteren
Ende etwas nach außen gekrümmten, bald niedrigeren, bald hoch aufstrebenden
Kegels, wie bei den acht Ziborien des Typus im Nationalmuseum zu München, den
hölzernen Pyxiden im Museum zu Braunschweig (Tafel 5a) und zu St.Kuni-
gund bei Burgerroth in Unterfranken (Tafel 52), einer Pyxis im Bischöflichen
Museum zu Münster (Tafel 5a), einer Pyxis zu Villingen, einer Pyxis im Bi-
schöflieben Museum zu Vieh in Katalonien, den beiden Elfenbeinpyxiden zu
(20) Congrcs scientif. XXIV 1, 217. (21) Kd. von Westf., Kr. Ahaus 88 und Tfl. 46.
, (22) Bium, Altar II, 607 und TU. 352. (23) Mitt.VI, 295 und Tfl. VII sowie Mitt. IX,
40 und Tfl. I, II.
308 VASA SACRA. DRITTER ABSCHNITT. DAS ZIBORIUM
Pyxiden im Museum des Parc du Cinquantenaire zeigen, nur daß bei den letz-
leren der Hals des Fußes und das Zwischenstück zwischen Nodus und Kuppa
von auffallender Schlankheit sind. Die beiden Pyxiden des Brüsseler Museums
haben einen melonenartig gerippten Nodus.
Der Ständer der jüngeren Pyxiden zeigt die Bildung des Ständers der Kelche
des ii- und i5. Jahrhunderts. Wie dieser besteht auch er aus einem Fuß, einem
Nodus und zwei den Nodus mit dem Fuß bzw. mit der Kuppa verbindenden
runden oder polygonalen Schaftstücken. Der Fuß ist nun statt rund auch wohl
sechspaßförmig oder sechsseitig; am Nodus sind wie an dem der gleichzeitigen
Kelche Zapfen als Schmuck angebracht (Tafel 5i), doch bleibt auch der verti-
kal gerippte Nodus weiterhin beliebt (Tafel 52). Was den Stander dieser jün-
geren Pyxiden von dem der Kelche unterscheidet, ist ein vom oberen Schaft-
Stück zur Kuppa überleitendes, nur selten fehlendes, trichterförmiges Zwi-
schenstück und meist auch seine größere Höhe, die Folge der Einschaltung
dieses Zwischenstückes.
Zweite Gruppe. Von den zur zweiten Gruppe gehörenden mittelalterlichen
Pyxiden ist noch eine große Zahl vorhanden; Pyxiden dieser Art müssen sehr
beliebt gewesen sein. Aus dem i3. Jahrhundert hat sich freilich kein Beispiel
erhalten, um so mehr gibt es deren dagegen noch aus dem ri., i5. und frühen
16. Jahrhundert. Wie es fast scheinen möchte, kamen Pyxiden der zweiten
Gruppe erst im i^. Jahrhundert in Gebrauch.
Kennzeichnend für sie ist die polygonale Form der Kuppa und als Folge
davon die polygonale Bildung des Deckels und Ständers. Die Kuppa ist in der
Regel sechsseitig. Nur in wenigen Fällen ist sie achtseitig, wie bei einer Pyxis
zu Lehesten in Sachsen-Meiningen, (28) zu Maeseyk in Belgien, zu Rees am
Niederrhein (Tafel 55), zu Bocholt, zu Buldern in Westfalen und im Dom zu
Xanten. Eine vereinzelt dastehende Erscheinung ist eine große zwölfseitige
Pyxis des frühen 16. Jahrhunderts zu Hall in Tirol.
Häufig sind die Ecken der Kuppa mit mehr oder weniger vortretenden, meist
in zwei Absätzen aufsteigenden Streben besetzt, die bald auf einer Vorkragung
des die Kuppa unten umgebenden Simses, bald auf einer Konsole sitzen, doch
auch wohl unten in eine Volute auslaufen. Im Falle reicherer Ausstattung sind
die Streben mit Baldachinchen und Statuettchen, ja mit Wasserspeiern verziert.
Der Deckel besteht bei ganz einfachen Pyxiden aus einem schmucklosen, mit
einem profilierten Knäufchen schließenden, pyramidalen Helm, auf dem sich
ein freilich heute vielfach fehlendes Kreuzchen erhob. Höchstens umzieht den
unteren Rand des Deckels ein Zinnenkranz oder ein niedriger Zackenkamm,
aus dem, falls die Kuppa an den Ecken mit Streben besetzt ist, über diesen Stre-
iten eine niedrige Fiale aufsteigt. Bei reicherer Ausgestaltung des Deckels sind
die Kanten des Deckels mit einer Folge von Miniaturkrabben besetzt oder er-
heben sich unten auf ihm entsprechend den Seiten der Kuppa kleine, mit Krab-
ben und Kreuzblume verzierte, gewöhnlich durch Fialen getrennte Giebel, wie
bei einer Pyxis in der Mönchskirche zu Brandenburg, (29) in der Pfarrkirche
(28) Abb. in Kd. von Sachsen-Meiningen IV, 27. (29) Bergau, Kd.von Brandenburg 427.
310 YASA SACRA. DRITTER ABSCHNITT. DAS ZIBORIUM
rin, (41) bei dem die Streben auf den Ecken durch niedrige Fialen ersetzt sind.
Nur ein vierseitiges Türmchen zeigt als BekrÖnung der eine sechsseitige abge-
stumpfte Pyramide darstellende Deckel einer schlichten Pyxis im Schnütgen-
museum zu Köln. (42)
Kuppelförmig gewölbt war der Deckel der Ziborien mit polygonaler Kuppa
nur selten. Beispiele bieten je ein Ziborium in der Pfarrkirche zu Konitz, (43) in
der Marienkirche zuDanzig, in Groß-St. Martin zu Köln und in der Pfarrkirche
zu Kempen. Bei dem ersten steigt aus dem Scheitel der flachen Kuppel, um die
sich unten wie oben ein Zinnenkranz zieht, ein sechsseitiger, von einer Kreuz-
blume gekrönter Helm auf, bei den andern sitzt auf dem Scheitel ein Türmchen,
das bei dem Ziborium in Groß-St. Martin das Gefäß mit dem Krankenöl auf-
nehmen konnte. Den kuppelartigen Deckel des Kempener Ziboriums (Tafel 55)
umgibt unten eine aus Vierpässen sich zusammensetzende Galerie; auf seinen
Ecken stehen auf kleinen Türmchen Statuettchen von Engeln, deren Flügel
schwibbogenartig sich zu dem auf dem Scheitel des Deckels sich erhebenden
Türmchen hinziehen. Zwei Ziborien mit sechsseitigem kuppeiförmigem Deckel,
der anscheinend nur von einem Knäufchen und einem Kreuzchen darüber be-
krönt war, Schöpfungen des frühen 16. Jahrhunderts, finden sich im Bayeri-
schen Nationalmuseum zu München. Auf dem Scheitel des sechsseitigen kup-
pelartigen Deckels eines Ziboriums in der Liebfrauenkirche zu Münster in
W estfalen sitzt ein kleiner sechsseitiger Behälter mit flachgewölbtem, von einem
Zackenkamm umrahmtem Deckel, der zur Aufnahme des Behälters des Kran-
kenöles diente.
Der Ständer der Ziborien der zweiten Gruppe zeigt fast noch ausgesproche-
ner die gleiche Bildung wie der der Kelche des i4. und i5. Jahrhunderts. Nur
ist regelmäßig zwischen Schaft und Kuppa ein polygonales, hier weiteres, dort
engeres Zwischenstück von Trichterform als Überleitung vom Schaft zur Kuppa
eingefügt, dem zwischen Fuß und unterem Schaftstück fast immer ein zweites
Zwischenstück entspricht. Der Fuß ist nur bei wenigen Pyxiden rund, wie bei
einer Pyxis aus dem frühen i4- Jahrhundert zu Überlingen (Tafel 5^), einer
Pyxis aus Sigtuna im Historischen Museum zu Stockholm, (44) einer Pyxis im
Museum des Steen zu Antwerpen, (45) sowie zwei Pyxiden mit sechsseitiger
Kuppa aus dem frühen 16. Jahrhundert im Bayerischen Nationalmuseum zu
München. In der Regel ist er sechs- oder achtseitig, namentlich bei den Zibo-
rien des i£- und frühen i5. Jahrhunderts, bei denen der Folgezeit aber vor-
herrschend sechs- oder achtpaßförmig. Ist er sechsseitig, sind seine Seiten
meist nach innen gekrümrat, seltener gerade wie bei einem Ziborium aus Bunge
im Historischen Museum zu Stockholm, (46) einem Ziborium der ehemaligen
Sammlung Oppenheim, (47) einem Ziborium im Germanischen Museum zu
Nürnberg (48) und einem Ziborium zu Axberg in Schweden. Der acht- bzw.
sechsseitige Fuß der Pyxiden zu Itees, Millingen und Bocholt sitzt ungewöhn-
(41) Kd. von Mecklenburg-Schwerin IV, 49. (42) Witte, Tfl. 19, 3. (43) Kd. von West-
preußen IV. 376. (44) Abb. bei Hildebrand III, 570. (45) Recsens, Archeol. ehret. II,
330. (46) Abb. bei Hildebra>d a. a. 0. (47) Zeitschrift XVII (1904) 271. Es befindet sich
jetzt im Besitz von Pierpont Morgan. (48) Abb. in Essenweiü, Denkmäler, Tfl. 37.
312 VASA SACRA. DRITTER ABSCHNITT. DAS ZIBORIUM
licherweise auf kleinen Löwen. Vierseitig, jedoch in der Mitte jeder Seite mit
rechteckigen Vorsprüngen ausgestattet, ist der Fuß des Ziboriums der ehemali-
gen Sammlung Rothschild (Tafel 55).
Ist der Fuß sechs- oder achtpaßfürmig, so sind die Pässe in der Regel rund.
Kielbogig sind sie bei dem Fuß des Ziboriums im Dom zu Xanten. Kielbogige
wechseln mit runden bei dem Fuß des Ziboriums zu Buldern und bei dem einer
Ziborium-Monstranz zu Tronchon, Prov. Teruel (Tafel 56), eckige Zacken mit
runden Pässen bei dem eines Ziboriums zu Moselkern bei Koblenz, (49) sowie
je eines Ziboriums zu Veruela und in der Kathedrale zu Cordoba (Tafel 56);
doch sind solche Bildungen nicht das Gewöhnliche. Das Zwischenstück zwi-
schen Fuß und Schaft, das nur selten fehlt, wurde mit Vorliebe architektonisch
ausgestattet; durch einen profilierten Ring ist es nur vereinzelt ersetzt.
Der Schaft ist nur in wenigen Fällen weggelassen, doch ist dann der Hals des
Fußes fiöher hinauf, der zur Kuppa überleitende Trichter tiefer hinabgezogen,
wie bei dem Ziborium zu Überlingen (Tafel 07) und bei zwei der mit sechs-
seitiger Kuppa versehenen Ziborien im Bayerischen Nationalmuseum, von denen
eines einen vertikal gerippten, das andere einen architektonisch gestalteten
Nodus aufweist. Bei einfachen Ziborien geht er bisweilen ohne Trennungsglied
in den Hals des Fußes und in den zur Kuppa führenden Trichter über, wie bei-
spielsweise bei einigen späten, in Messingguß hergestellten Ziborien des Baye-
rischen Nationalmuseums und des Schnütgenmuseums zu Köln. (50) Seiner
Form nach ist er regelmäßig polygonal, also je nach der Form der Kuppa
sechs- oder achtseitig; zwölfseitig ist er bei dem Ziborium zu Hall in Tirol,
dessen Fuß zwar nur sechspassig ist, sich nach oben zu jedoch zu einem Zwölf-
seit entwickelt. Rund ist der Schaft der Ziborien der zweiten Gruppe nur aus-
nahmsweise; ein Beispiel bietet das Ziborium im Museum des Steen zu Ant-
werpen. Einen vierseitigen Schaft zeigt das Ziborium der ehemaligen Samm-
lung Rothschild.
Der A'orfus wird bald von zwei schlichten, unter scharfer Kante zusammen-
gesetzten Kugelsegmenten gebildet, so namentlich bei Ziborien des i4- und
frühen i5. Jahrhunderts, bald besteht er aus zwei abgestumpften, flachen, ge-
genständig miteinander verbundenen Pyramiden, bald ist er melonenartig ver-
tikal gerippt, bald endlich stellt er einen mit Zapfen besetzten, abgeplatteten
runden oder polygonalen Knauf dar, zumal bei den Ziborien des i5. Jahrhun-
derts (Tafel 55 und 57). Ein tempiettoartiges Gebilde ist er bei dem vorhin
erwähnten Ziborium im Bayerischen Nationalmuseum (Tafel 55), sowie bei
einem spätgotischen Ziborium der zweiten Gruppe zu Tronchon (Prov. Teruel)
in Spanien (Tafel 56).
Das trichterförmige, vom Schaft zur Kuppa überleitende Zwischenstück hat
vielfach die volle Weite der Kuppa. Es zeigt die gleiche Form wie Schaft und
Kuppa, ist also gleichfalls der Regel nach sechs- oder achtseitig, bei dem Zibo-
rium zu Hall in Tirol aber wie die Kuppa zwölfseitig. Bei reicher behandelten
Ziborien ist es bisweilen auf den Kanten mit einem Kamm geschmückt, wie bei
(49) Kd. des Reg. Koblenz, 263. (50) Witte, Tfl. 19, 1, 2, 3.
VIERTES KAPITEL. FORM. IL BIS ZUR NACHMITTELALT. ZEIT 313
dem Ziborium zu Buldern oder mit Blättern bekleidet, wie beim Ziborium zu
flees.
Vergleichen wir den Ständer der Ziborien der zweiten Gruppe mit dem Stän-
der der Kelche des i4- und ia. Jahrhunderts, so ist das Bild, das beide bieten,
abgesehen von dem trichterförmigen Zwischenstück zwischen Schaft und Kuppa,
im wesentlichen das gleiche. Doch fällt, wie bei dem Ständer der Ziborien der
ersten Gruppe, so auch bei dem der Ziborien der zweiten, die größere Schlank-
heit auf, die er gegenüber dem Ständer der gleichzeitigen Kelche zeigt. Sie hat
aber ihren Grund nicht nur in dem bei diesem stets, bei jenem dagegen fast nie
fehlenden Zwischenstück zwischen Schaft und Kuppa, sondern auch in der
größeren Höhe und Leichtigkeit des Schaftes der Ziborien. Eine Höhe, wie sie
der Ständer des Kelches erst seit dem ausgehenden i5. Jahrhundert erhält, ist
bei den Ziborien der zweiten Gruppe schon im ii- Jahrhundert das Gewöhn-
liche. Man wollte ersichtlich für die Gesamthöhe von Kuppa und Deckel durch
einen entsprechend hohen Ständer ein Gegengewicht und einen Ausgleich
schaffen.
Die Ziborien der zweiten Gruppe beschränkten sich nicht auf ein bestimmtes
Land. Sie waren, wie die Beispiele beweisen, die sich allenthalben aus dem i4.
und i5. Jahrhundert erhalten haben, überall im Gebrauch, wenn auch hier in
größerer, dort in geringerer Zahl. Besondere Typen lassen sich für die einzel-
nen Länder nicht feststellen. Die spanischen Ziborien der zweiten Gruppe be-
kunden, soweit sie dem i5. und dem frühen 16. Jahrhundert angehören, eine
ausgesprochene Vorliebe für eine möglichst reiche Ausgestaltung des Fußes.
Statt schlichte Sechspaßform zeigt er bei ihnen häufiger die Gestalt eines Sechs-
passes, dessen Winkeln Zacken eingefügt sind, statt runder Pässe kielbogige
Pässe mit segmentförmigem Ausschnitt an der Spitze oder kielbogige im Wechsel
mit runden Pässen bzw. getrennt durch Zacken, was alles uns auch bei den spa-
nischen Kelchen derselben Zeit begegnet und von diesen ersichtlich auf das Zibo-
rium überging. Eine andere Eigenart der spätmittelalterlichen spanischen Zi-
borien der zweiten Gruppe ist, daß bei ihnen, bald vom Schaft oberhalb des
Nodus, bald von dem zwischen Schaft und Kuppa befindlichen Trichter nach
beiden Seiten hin ein Arm ausgeht, der auf seinem kapitellartigen Ende die
Statuette eines leuchterhaltenden Engels trägt. Zwei weitere Eigentümlich-
keiten dieser Ziborien bestehen darin, daß der Behälter für das heiligste Sa-
krament oft die Form eines rechteckigen oder eines in die Breite gezogenen,
zwei längere und vier kürzere Seiten aufweisenden sechseckigen Kästchens hat
und daß verschiedene derselben mit einem Aufsatz für die große Hostie,
der dem Deckel des Behälters aufgesetzt ist, versehen sind, also nicht bloß Zi-
borien waren, sondern auch als Monstranz verwendet werden konnten. Gute
Beispiele für das Gesagte bieten Ziborien in der Pfarrkirche zu Veruela bei
Saragossa (Tafel56) sowie zuPierola y Hostalets (Prov.Barcelona), (50a) lehr-
reiche reichere ein Ziborium in der Kathedrale zu Cordoba, das an beiden seit-
(50a) Wo ein in Zeitschrift I (1838) 70 abgebildetes spanisches Ziborium von der oben
geschilderten Art aus Kölner Privatbesitz, das dort irrtümlich als Reliqttiar bezeichnet und
als Arbeit eines westfälischen Meisters gedeutet wird, sich heute findet, ist mir nicht be-
kannt. Seinem wohl GERV, nicht DERV zu lesenden Stempel zufolge stammte es aus Gerona.
314 VASA SACRA. DRITTER ABSCHNITT. DAS ZIBORIUM
liehen Ecken des Behälters über der Statuette des Engels einen Baldachin, an
den andern ein Türmchen statt Streben aufweist (Tafel 56); ein Ziborium in
englischem Privatbesitz mit Löwchen unter dem reichgegliederten Fuße, Stre-
ben an den Ecken der Kuppa und zierlichem Krabbenkamm auf den Kanten
des Daches, des Trichters unter der Kuppa und der.vom Schaft oberhalb des
Nodus ausgehenden Arme (Tafel 56); ein zweites Ziborium in englischem Pri-
vatbesitz mit scheibenartigem, bei feierlicher Aussetzung des Allerheiligsten
auf der Spitze des Deckels anzubringenden, von einem Kreuz bekrönten Be-
hälter für die große Hostie (Tafel 64) sowie ein prächtiges Ziborium zu Tron-
chon (Prov. Teruel) mit sechsseitigem architektonischem Tempelchen an Stelle
des Nodus und des oberen Schaftstückes, zierlichen Streben an den Ecken und
einem Hängekamm unter der Kuppa, Giebeln an den Seiten und Fialen an den
Ecken des pyramidenförmigen Deckels sowie einem, über einem offenen Tem-
pelchen aufsteigenden scheibenförmigen Behälter für die zur Aussetzung die-
nende Hostie auf dessen Spitze (Tafel 56). Einen besonderen Typus bilden
diese Ziborien trotz ihrer Eigenart freilich nicht.
Von den vielen mittelalterlichen Pyxiden der zweiten Gruppe, die sich erhal-
ten haben, war wohl keine auf der Spitze des Deckels mit einer Hängevorrich-
tung versehen, vielmehr werden alle auf ihm als bekrönenden Abschluß ein
Kreuzchen getragen haben.
Dritte Gruppe. Zu ihr gehören die Pyxiden mit schalenartiger Kuppa. Es
lassen sich bei ihnen zwei Hauptformen der Kuppa, zwei stetig wiederkehrende
Typen derselben unterscheiden. Die Kuppa des ersten stellt eine oben mit etwa
ein Zentimeter hohem, vertikalseitigem Reifen abschließende, nach der Mitte zu
bauchig sich erweiternde Schale dar, deren Tiefe höchstens dem halben Durch-
messer derselben gleichkommt, meist aber nur ein Drittel oder gar nur ein
Viertel desselben beträgt. Er ist anscheinend der älteste der beiden Kuppa-
typen der Gruppe; wenigstens sind es die ältesten Pyxiden der dritten Gruppe,
deren Kuppa ihn zeigt. Durch den jüngeren zweiten Typus wurde er nicht ver-
drängt, vielmehr behauptete er sich auch noch weiterhin neben diesem.
Die ältesten Beispiele des Typus bieten Ziborien des ausgehenden ia. und des frühen
i3. Jahrhunderts, ein zum Aufhängen eingerichtetes Ziborium im Schatz der Kathedrale
zu Sens, (51) zwei später als Reliquare benutzte Pyxiden im Schatz von St-Maurice im
Wallis (Tafel 5o), (52) das bekannte, oft abgebildete Ziborium des Alpais im Louvre, eine
Arbeit Limoger Goldschmiedekunst (Bildio), mit der Inschrift: f Magister G Alpais me
fecit Lcmovicarum, ein Ziborium Limoger Herkunft im Britischen Museum zu London, (53)
eine Pyxis Limoger Ursprungs in der ehemaligen Sammlung Basilewsky (Tafel i ()), das soge-
nannte Warwickziborium im Viktoria-und-Albert-Museum zu London (Tafel 5o), das leider
seinen Deckel verloren hat, wohl eines der ältesten seiner Art, die sich erhalten haben, da es
noch dem späten 12. Jahrhundert angehört Die Form der Kuppa ist bei allen dieselbe wie
bei den zwei ständerlosen Hängepyxiden in englischem Privatbesitz (Tafel 60). (54)
Etwas jünger, doch noch Arbeiten des i3. Jahrhunderts sind zwei den Typus aufweisende
Pyxiden im Bayerischen Nationalmuseum zu München, von denen jedoch eine beute den
Fuß und den auf dem Deckel früher befindlichen Aufsatz eingebüßt hat, sowie eine aus
(51) Abb. bei Bragn, Altar II, TH. 351. (52) E. Auber, Tresor de l'abbaye de St-Maurice
(Paris 1872) 172 f.; Tfl. XXXIV und XXXV. (53) British Museum, Guide to mediaeval An-
tiquities (London 1924) 80. (54) Vgl. oben S. 307.
VIERTES KAPITEL. FORM. IL BIS ZUR NACHMITTELALT. ZEIT 315
einer Limoger Werkstätte stammende Pyxis im Cluny-Museum zu Paris (Tafel 53). Bei-
spiele aus dem i4. Jahrhundert bieten zwei Pyxiden des Schmitgenmuseums zu Köln, (55)
ein Ziborium in der Sammlung des Louvre zu Paris, (56) ein Ziborium in der Pfarrkirche
zu Antoing in Belgien, (57) eine später als Reliquiar gebrauchte Pyxis im Weif enschätz, (58)
ein Ziborium aus Huddunge im Historischen Museum zu Stockholm, (59) sowie ein Zibo-
rium zu Vintrosa in Schweden (Tafel 53).
Die Kuppa des zweiten Typus stellt bald die Hälfte einer mehr oder weniger
stark abgeplatteten Kugel, bald ein Kugelsegment dar.
Als Beispiele von Ziborien mit einer Kuppa dieser Art seien genannt zwei Ziborien des
Germanischen Museums zu Nürnberg, von denen eines Limoger Herkunft ist (Tafel 53),
zwei Ziborien des Schnütgenmuscums zu Köln, von denen eines unten um die Kuppa
herum oben abgerundete, unten spitze Buckel aufweist, vier Ziborien im Bayerischen Na-
tionalmuseum, ein mit einem Kranz flacher Buckel unten an der Kuppa verziertes Ziborium
im Weifenschatz, das später wie das schon erwähnte Ziborium desselben gleichfalls als
Reliquiar benutzt wurde, (60) zwei Ziborien Limoger Arbeit im Erzbischöflichen Museum
zu Lyon, (61) zwei Limoger Ziborien der ehemaligen Sammlung Basilewsky, (62) ein Limo-
ger Ziborium der ehemaligen Sammlung Spitzer, (63) ein Ziborium zu Teichwolframs-
dorf, (64) zwei Limoger Ziborien im Bischöflichen Museum zu Vieh, je ein Limoger Zibo-
rium in der Sammlung des Louvre sowie in der Pfarrkirche zu Prunet (Pyr.-Orient.), welch
letzteres noch im Innern die kleine Pyxis für die Hostien enthält, (65) ein Ziborium im
Dom zu Halberstadt, je ein Ziborium aus Runtuna im Historischen Museum zu Stockholm
und zu Mellösa in Schweden, Ziborien zu Mergeln und Meschendorf in Siebenbürgen, (66)
ein ungemein edles, an der Kuppa mit einem Kranz langgezogener Buckel verziertes Zi-
borium in der Franziskanerkirche zu Baldogaszony in Ungarn (Tafel 54), Ziborien im Fran-
zensmuseum zu "Brunn, (67) in der Pfarrkirche zu Maldur in Ungarn, in Obermünster zu
Regensburg, (68) in der Stiftskirche zu Fritzlar (Tafel 53), (69) in St. Peter zu Salz-
burg (70) u. a. Nur ausnahmsweise hat die Kuppa die Form einer sechsseitigen Schale bei einem
Ziborium zu Bußdorf bei Mühlbach in Siebenbürgen sowie bei einem Ziborium der ehemali-
gen Sammlung Basilewsky, dessen Kuppa den oberen Rand entlang eine friesartige Folge
durchbrochener Vierpässe aufweist (Tafel 5a). Auch die Kuppa des zweiten Typus hatte
gleich der des ersten nur eine geringe Tiefe. Eine Halbkugel stellte sie nur ganz ausnahms-
weise dar, wie bei einem der vier Ziborien des Bayerischen Nationalmuseums. Sonst betrug
ihre Tiefe stets weniger als die Hälfte, am gewöhnlichsten etwa nur ein Drittel des Durch-
messers der Kuppa, oder doch bloß wenig mehr.
Wie aus der langen Reihe der angeführten, den verschiedensten Gegenden
angehörenden Beispielen hervorgeht, erfreuten sich die Ziborien mit Kuppa des
zweiten Typus einer sehr weiten Verbreitung. Bemerkenswert ist die sehr er-
hebliche Zahl der Ziborien Limoger Herkunft unter den noch vorhandenen
Beispielen spätmittelalterlicher Ziborien dieser Art. Wie die ständerlosen, zylin-
derförmigen Limoger Pyxiden des i3. Jahrhunderts, von denen früher die
Rede war, müssen auch sie fabrikmäßig angefertigt worden sein; die stets
(55) Witte, Tfl.17, 1, 3. (56) Abb. bei Roh.V, Tfl.380. (57) Revue XLV (1896) 29.
(58) W.A.Neumask. Der Reliquienschatz d. Hauses Braunschweig-Lünebg. (Wien 1891) 306.
(59) Hildebrand III, 571. (60) W.A.Neumann a.a.O., 305 (61) Cahter, Nouveaux
melanges, Decorat d'eglises (Paris 1875) 286. (62) Darcei-, Catal. n. 232 und 233.
(63) Molinier, La collection Spitzer I, Orfevr. relig. n. 58. (64) Kd. von Sachsen-Wei-
mar-Eisenach, Bez. Neustadt 329. (65) Rupm, L'ceuvre de Limoges pl. XXIII.
(66) Viktor Roth, Kunstdenk mal er in den sächsischen Kirchen Siebenbürgens (Hermann-
stadt 1922). (67) Mitt. XVIII (1873) 211. (68) Jakob, Die Kunst im Dienste der Kirche,
TR. XIV, 4. (69) Kd. von Kassel, Kr. Fritzlar, Tfl. 117. (70) Kunsttopogr., Salzburg,
St. Peter 44.
316 VASA SACRA. DRITTER ABSCHNITT. DAS ZIBORIUM
(71) Vgl. oben S, 307. (72) Kd. von Bayern, Niederbayern XIV, 351.
VIERTES KAPITEL. FORM. II. BIS ZUR NACHMITTELALT. ZEIT 317
trennt. Ein Zwischenstück zwischen beiden, wie es uns zwischen ihnen bei dem
Ständer der Ziborien der zweiten Gruppe so häufig begegnet, weisen nur we-
nige der Ziborien der dritten auf, die aus dem 14. und 15. Jahrhundert auf
uns gekommen sind, wie z. B. das aus Huddunge herstammende im Museum zu
Stockholm, die Ziborien zu Vintrosa (Tafel 53) und Mellösa in Schweden und
ein Ziborium des Schnütgenmuseums zu Köln. (74)
Bisweilen ist der Schaft sowohl mit dem Hals des Fußes als auch mit dem Zwischenstück
zwischen ihm und der Kuppa verschmolzen wie bei den Ziborien zu Antoing und Vilshofen,
einem Limoger Ziborium im Cluny-Museum und einem zweiten Ziborium der dritten
Gruppe im Schnütgenmusemn, (75) oder es ist doch zum wenigsten eine Verschmelzung
des oberen Schaftstückes mit dem Zwischenstück zwischen ihm und der Kuppa erfolgt wie
bei dem Ziborium in St. Peter zu Salzburg, einem Ziborium zu Vigeois (Correze), (76) einem
Limoger Ziborium im Germanischen Museum zu Nürnberg (Tafel 53), dem Ziborium zu
Mellösa, sowie einem der beiden Ziborien Limoger Herkunft im Erzbischöflichem Museum
zu Lyon. (77) Ein Zwischenstück zwischen dem oberen Schaftstück und der Kuppa fehlt bei
einem zweiten Ziborium im Germanischen Museum, dem Ziborium zu Mergeln und zu
Bußdorf in Siebenbürgen, dem 1890 zu Graz ausgestellten Ziborium {Tafel 54), einem
Ziborium der ehemaligen Sammlung Basilewsky, (78) einem Limoger Ziborium im
Louvre, (79) dem Ziborium aus Runtuna im Historischen Museum zu Stockholm, sowie
bei zwei der Ziborien des Bayerischen Nationalmuseums, ein oberes Schaftstück bei dem
Ziborium zu Prunet (Pyr.-Orient.).
Der Fuß der Ziborien der dritten Gruppe war meist rund. Sechspaßförmig
ist er bei dem Ziborium zu Baldogaszony in Ungarn und zu Vilshofen, dem Zibo-
rium in der Stiftskirche zu Fritzlar und in der Pfarrkirche zu Meschede, bei
einem Ziborium der ehemaligen Sammlung Basilewsky sowie einem Ziborium
des Schnütgenmuseums. (80) Bei den drei ersten sind die Pässe rund, bei den
beiden letzten kielbogig. Einen Sechspaß mit spitzwinkeligen Zacken in dem
Winkel zwischen den Pässen stellt der Fuß eines Ziboriums Limoger Herkunft
der ehemaligen Sammlung Spitzer dar, ein Sechsseit mit geraden Seiten der
Fuß des Ziboriums zu Vintrosa in Schweden (Tafel 53) und zu Bußdorf in
Siebenbürgen, ein Sechsseit mit einwärts gekrümmten Seiten ein Ziborium im
Louvre. Vier eselsrückenbogige Pässe, die durch rechtwinkelige Zacken ge-
schieden werden, zeigt der Fuß des Ziboriums im Stift Klosterneuburg.
Auch der Schaft der Ziborien der dritten Gruppe ist gewöhnlich rund, Sechs-
seitig ist er bei den Ziborien zu Baldogaszony, Vilshofen, Fritzlar, Bußdorf, Vin-
trosa und Meschede, dem Ziborium der ehemaligen Sammlung Basilewsky,
einem Limoger Ziborium in der Kathedrale zu Lyon und einem Ziborium des
Schnütgenmuseums; alles, mit Ausnahme der beiden letzten, Schöpfungen des
i5. und des frühen 16. Jahrhunderts. Aus einem durch den Nodus in zwei Teile
geschiedenen Bündel von acht Säulchen besteht der vereinzelt dastehende Schaft
des Klosterneuburger Ziboriums. Der Sockel des Säulenbündels bildet das Zwi-
schenstück zwischen Fuß und Schaft, sein Kapitell das zwischen Schaft und
Kuppa.
(74) Ebd. (75) Witte, Tfl. 16, 4. (76) Rupih, L'ceuvre de Limoges 242.
(77) Cauier, Nouv. melanges, Deeorat d'eglises 268. (78) Darcel, Catal. n. 233.
(79) Rtjpis, L'ceuvre de Limoges, pl. XXIII. (80) Witte, Tfl. 16, 2.
VIERTES KAPITEL. FORM. II. BIS ZUR NACHMITTELALT. ZEIT 319
Der Nodus hat bei den Limoger Ziborien zumeist, weil aus zwei Kugelseg-
menten sich zusammensetzend, die Form einer abgeplatteten runden Kugel. Zi-
borien anderer Herkunft zeigen einen solchen Nodus selten; so das Ziborium
zu Antoing sowie ein Ziborium des Schnütgenmuseums. (81) Aus zwei sechs-
seitigen flachen Kalotten oder zwei sechsseitigen abgestumpften flachen Pyra-
miden, die, sei es unmittelbar, sei es mittelbar, unter Einschaltung eines Zwi-
schenbandes gegenständig miteinander verbunden sind, besteht der Nodus eines
Ziboriums im Nürnberger Germanischen Museum, je eines Ziboriums der ehe-
maligen Sammlungen Spitzer und Basilewsky (Tafel 5a), des Ziboriums zu
Vintrosa (Tafel 53), eines Ziboriums des Bayerischen Nationalmuseums zu
München sowie eines Ziboriums des Kölner Schnütgenmuseums. (81a) Bei
deutschen Ziborien der dritten Gruppe ist ein melonenartig gerippter Nodus
nicht selten. Beispiele bieten die beiden Ziborien des Weifenschatzes, eines der
Ziborien des Bayerischen Nationalmuseums, das Ziborium im Dom zu Halber-
stadt, in Obermünster zu Regensburg und zu Teichwolframsdorf. Auch die
Ziborien zu Baldogaszony und Maldur in Ungarn weisen einen Nodus dieser
Art auf. Mit Zapfen besetzt ist der Nodus des Ziboriums in der Sammlung des
Louvre, des Ziboriums zu Meschede und Mellösa, des Ziboriums in der Stifts-
kirche zu Fritzlar (Tafel 53), eines Ziboriums des Schnütgenmuseums, (82)
des Klosterneuburger Ziboriums sowie eines der Ziborien im Bayerischen Na-
tionalmuseum, mit eichelartigen Gebilden an Stelle von Zapfen ein Ziborium
des Schnütgenmuseums. (83) Wie man sieht, herrschte wenig Übereinstim-
mung in der Bildung des Nodus der Ziborien der dritten Gruppe. Eine Aus-
nahme machen nur die Ziborien Limoger Herkunft, bei denen sich die Gleich-
heit jedoch leicht durch den gemeinsamen fabrikmäßigen Ursprung erklärt.
Auffallend ist angesichts der Vorliebe, mit der man allgemein den Nodus der
Kelche im i4. und i5. Jahrhundert mit Zapfen ausstattete, die verhältnismäßig
geringe Zahl der in ihrer formalen Beschaffenheit den Kelchen doch am näch-
sten stehenden Ziborien der dritten Gruppe, die einen mit Zapfen versehenen
Nodus aufweisen.
Das trichterartige Zwischenstück zwischen Schaft und Kuppa ladet im Ge-
gensatz zu dem Zwischenstück bei den Ziborien der zweiten Gruppe stets nur
wenig aus. Es ist fast immer von runder Form, selbst bei mehrseitigem Schaft.
Mehrseitig ist es bei den Ziborien zu Baldogaszony und Vintrosa sowie bei
einem der Ziborien des Bayerischen Nationalmuseums, vierseitig, jedoch nach
oben ins Runde übergehend, bei dem Klosterneuburger Ziborium.
3. Die eucharistische Taube. Im Osten soll die Verwendung eines tauben-
förmigen Behälters zur Aufbewahrung der Eucharistie schon im 4- Jahrhun-
dert gebräuchlich gewesen sein. Allein die Vita s. Basilii redet von ihr nur als
von einem ganz vereinzelten Vorkommnis, nicht als von einer weithin heimi-
schen Gepflogenheit. Außerdem ist dieselbe ein durchaus unzuverlässiges Mach-
werk des 8. Jahrhunderts, das sich fälschlich als Werk des Bischofs Amphi-
lochius von Ikonium, eines Zeitgenossen des heiligen Basilius, bezeichnet, durch-
(81) Witte, Tfl. 17, 1. (81 a) Witte, Tfl. 17, 3. (82) W7itte, Tfl. 17, 2. (83) Witte,
320 VASA SACRA. DRITTER ABSCHNITT. DAS ZIBORIUM
aus legendär und völlig unzuverlässig ist. Es ist auch das erste und einzige Mal
bis zum Ende des Mittelalters, daß wir in ihm von einer eucharistischen Taube
in den Riten des Ostens hören; ein Umstand, der es zum mindesten als zweifel-
haft erscheinen läßt, ob diese in denselben bis dahin überhaupt jemals als Be-
hälter zur Aufbewahrung der Eucharistie benutzt wurde. (84)
Auch im Westen soll ein Gefäß in Taubenform schon in altchristlicher Zeit
zu diesem Zwecke gedient haben. Allein man hat einige Angaben in den alt-
christlichen Quellen, die das erhärten sollen, mißdeutet. Von einer eucharisti-
schen Taube ist in keiner von ihnen die Rede. (85) Völlig unzutreffend ist es
auch, wenn Witte (86) unter Verweis auf die Worte des heiligen Ambrosius:
Ibi (in tabernaculo) dolium aureum habens manna, receptaculum scilicet spiri-
talis alimonae ac divinae promptuarium cognitionis (87) schreibt: »Ende des
4. Jahrhunderts spricht sich Ambrosius ganz unzweideutig über die Existenz
der Taube als eucharistischen Behälter aus und es ist mehr wie wahrscheinlich,
daß er von der hängenden Taube im Turme spricht.« Er hat die Bemerkung
des Heiligen durchaus mißverstanden. Von einer Taube, in der man zu dessen
Lebzeiten die Eucharistie aufbewahrt hätte, ist in ihr auch nicht im entfern-
testen die Rede und noch weniger, womöglich, von einer in einem Turm hän-
genden Taube. Es läßt sich aus ihr nicht einmal entnehmen, daß es überhaupt
schon Brauch war, das Allerheiligste in der Kirche aufzubewahren. Denn Am-
brosius deutet das Manna der alttestamentlichen Stiftshütte symbolisch nicht
auf die Eucharistie, sondern auf die die geistige Nahrung bildende göttliche
Erkenntnis.
Zuerst ist im Westen von einer eucharistischen Taube um die Wende des ersten
Jahrtausends die Rede. (88) Sie wird aber auch, da die Quellen aus der voraus-
gehenden Zeit völlig von ihr schweigen, nicht erheblich früher in Gebrauch ge-
kommen sein. Vielleicht, daß, was des Pseudo-Amphilochius Lebensbeschrei-
bung des heiligen Basilius, die schon im 9. Jahrhundert ins Lateinische über-
setzt wurde und in dieser Gestalt rasch im Westen Verbreitung fand, über die
goldene Taube, die der Heilige anfertigen ließ, um in ihr eine Partikel einer
von ihm konsekrierten Hostie über dem Altar aufzuhängen, berichtet, Anlaß
zu ihrer Einführung gab.
Die ältesten eucharistischen Tauben, die sich erhalten haben, entstammen
erst dem 12. Jahrhundert. Ältere sind nicht auf uns gekommen. Zu Cluny, wo
man sich zur Aufbewahrung des Allerheiligsten im 11. Jahrhundert gemäß
des Udalricus Consuetudines Cluniacenses eines Gefäßes in Taubenform be-
diente, war dieses schon nach einem Inventar von i38a durch einen goldenen,
reich mit Edelsteinen besetzten Behälter, in dem sich ein viereckiges, goldenes,
gleichfalls mit Edelsteinen verziertes Kästchen zur Aufnahme der heiligen Ho-
stien befand, ersetzt. (89)
Der eucharistischen Tauben des späten 12. Jahrhunderts gibt es nur noch
zwei, von denen sich eine im Stift Göttweig in Niederösterreich, die andere, die
aus Frankreich stammt, in der Sammlung des Bargello zu Florenz befindet. Die
(84) Vgl. näherhin Braus, Altar II, 579 f. (85) Vgl. ebd. 575 f. und oben S. 290.
(86) Die liturgischen Gerate der Sammlung Schnütgen 41. (87) Ep. IV, n. 4 (M. 16, 890).
(88) Vgl. oben S. 290. (89) Revue XXXVIII (1888) 199.
VIERTES KAPITEL. FORM. IL BIS ZUR NACHMITTEL ALT. ZEIT 321
erstere ist völlig schmucklos; nicht einmal die Federn sind angedeutet. Bei der
zweiten zeigen Hals, Leib und Schenkel eine schuppenartige, die Federn dar-
stellende Gravierung, die Flügel und der Schwanz statt einer Nachahmung von
Federn graviertes romanisches Rankenwerk. Bei beiden stehen die Füße auf
einer runden Scheibe. Die Göttweiger Taube weist noch auf dem Rücken die
eiförmige Mulde mit ihrem leicht gekrümmten, oben mit einem Scharnier,
unten mit einer Schließvorrichtung versehenen Deckel auf, bei der Taube im
Bargello sind Mulde und Deckel verschwunden und erinnert nur mehr ein Rest
des Scharniers des Deckels an dieselben.
In größerer Zahl haben sich eucharistische Tauben des i3. Jahrhunderts er-
halten, wenn auch zum Teil verstümmelt, so im Kestnermuseum zu Hannover,
zu Münstermaifeld, im Wiener Kunsthistorischen Museum, in der ehemaligen
Fürstlich Hohenzollerischen Sammlung zu Sigmaringen, im Dom zu Salzburg,
im Nationalmuseum zu Kopenhagen, im Gluny-Museum zu Paris, im Museum
zu Amiens, in S. Sepolcro zu Barletta, in S. Nazaro zu Mailand, zu Frassinoro
(Prov. Modena), in der Sammlung der Eremitage zu Leningrad sowie in der
Sammlung Lazaro zu Barcelona. Andere befanden sich in den Sammlungen
Spitzer, Le Roy zu Paris, de Lasteyrie, Dryalinski sowie in der Kirche zu La-
guenne. (90)
Alle sind für den Handel angefertigte Erzeugnisse der Limoger Emailindustrie. Unbe-
schadet neben sä ehli eher Abweichungen bieten sie in der Hauptsache dieselbe Erscheinung:
Kopf und Rumpf sind zur Andeutung der Federn schuppenfürmig graviert. Die Augen be-
stehen aus Glasperlen. Die Flügel sind meist unbeweglich angenietet, doch gab es auch
Tauben mit Flügeln, die in Scharnieren hingen, also beweglich waren; ein Beispiel bietet die
Taube im Cluny-Museum. (91) Unter den Füßen ist eine runde Fußplatte angebracht. Das
Gefieder der Flügel und des Schwanzes ist in Email ausgeführt, die Fußplatte mit Email-
ornament geschmückt. Querbänder, die sich über die Flügel ziehen, sind entweder mit
Glasflüssen, die Edelsteine nachahmen, oder mit einem emaillierten, aus Kreisen oder
Ilauten bestehenden Fries verziert. Der an einem bald oben, bald unten angebrachten
Scharnier befestigte Deckel ist auf der Oberseite bei mehreren der Limoger Tauben mit
einem Stein, auf der Unterseite mit der gravierten Rechten Gottes geschmückt. Die zur
Aufnahme der heiligen Hostien im Rücken der Tauben eingelassene Mulde ist von ver-
sclüedener Größe, stets jedoch so klein, daß sie nur wenige Partikeln fassen kann. Ihr Boden
ist m der Regel gekrümmt. Die Größe der Tauben wechselte. Die größte Länge und Höhe,
3o,5 bzw. 2i cm, zeigt die Taube zu Barletta, während z. B. die Taube im Gluny-Museum
nur 26cm lang und 19 cm hoch ist, die Taube im Kestncr-Museum bloß eine Länge von 34 cm
bei einer Höhe von 18 cm hat, der Taube zu Münstermaifeld aber bei einer Höhe von i/| cm
ohne die Füße) gar nur eine Länge von 21 cm eignet. Wenn über dem Altar schwebend auf-
gehängt, standen sie in der Regel los auf einer schüsselartigen runden Platte, die mittels drei
oder vier Ketten, die sich am obern Ende in einen Ring vereinigten oder oben an einem
Kronreifen hingen, an dem sie haltenden, von dem Gewölbe oder von einem hinter dem
Altar angebrachten Krummstabe herabhängenden Strick befestigt war. Bei den zwei Tauben
der ehemaligen Sammlung Spitzer (92) war die Schüssel durch vier von der Fußplatte der-
selben ausgehende leicht nach oben gekrümmte Stangen ersetzt, die mit einem Knäufchen
°der einem Haken zur Aufnahme der zum Aufhängen dienenden Ketten versehen waren.
Zum Aufhängen eingerichtet war die Taube der Sammlung Le Roy. Sie war am Hals und
«interkörper mit je einem Ilaken für die zwei Ketten ausgestattet, mittels deren sie an dem
(80) Vgl. Braun, Altar II, 610 und die Abbildungen Tfl. 353—355.
(91) Braun a. a. 0., Tfl. 353. (92) Braun a. a. O., Tfl. 354. .
BRACH, HAS CHRISTLICHE ALTARGERÄT 21
322 VASA SACRA. DRITTER ABSCHNITT. DAS ZIBORIUM.
Strick, der über dem Altar angebracht war, aufgehängt wurde. Die Füße dieser Taube
waren wie zum Fluge zurückgezogen.
Die Limoger Tauben, die sich erhalten haben, sind alle aus vergoldetem Kupfer ge-
macht. Es war daher auch wohl keine Limoger Arbeit die silberne Taube, in der dem Vi-
sita tionsprotokoll von i32o zufolge in der Kathedrale zu Salisbury das heiligste Sakrament
aufbewahrt wurde (93) und ebensowenig die columba argentea cum pixide aurea continente
corpus Christi in dicta columba, welche Graf Adolf von Berg 1280 der Johanniskirche zu
Burg an der Wupper schenkte. (94) Aus dem i!t. und 15. Jahrhundert hat sich keine eucha-
ristische Taube erhalten. Eine als solche ausgegebene Taube im Museum des Parc du Cin-
quantenain ?.n Brüssel (iiö) i-i ein VtYihni;i['!i.-;-hif;>ln'ii ■TaiVl i.'i«)): eini^ Taube zu ^(un-
real (Reg. Koblenz), in der Kohault de Fleury eine eucharistische Taube sah, (96) ist der
Adler einer Königskette der dortigen Schützenbruderschaft. Nicht um einen Behälter für
die Eucharistie, sondern um ein Schmuckstück, das über der zur Aufbewahrung derselben
dienenden goldenen Pyxis angebracht war, handelte es sich bei der columba, von der die
Inventare des Prager Domes aus dem Jahre i35£ und *355 sprechen. (97) Eine Monstranz
für die Fronleichnamsprozession war das reliquiarium argenti, factum ad modus) unius
columbae, in quo portatur corpus Christi die festivltatis eiusdem cum uno vitro in pectore
et habet unum pedem argenti, welches in einem Inventar von St-Cesaire zu Arles aus dem
Jahre 1673 erwähnt wird. (98)
hängt aufbewahrte, verwendete man zu diesem Zwecke in der Regel eine Pyxis.
Es ist darum auch von den eucharistischen Tauben in den schriftlichen Quellen
nur ganz vereinzelt die Rede, in einem Inventar nur einmal, dem Inventar der
Kathedrale zu Salisbury von 1320, während umgekehrt eucharistische Pyxi-
den immer wieder erwähnt werden, wie ja auch die Zahl der eucharistischen
Tauben gegenüber den überaus zahlreichen Pyxiden, die sich aus dem späteren
Mittelalter erhalten haben, gering ist. Bezeichnend ist auch, daß keiner der
mittelalterlichen Liturgiker von der eucharistischen Taube redet, nicht einmal
Durandus, der doch alles und jedes in den Kreis seiner Deutungen einbezogen
hat. Daß dieselbe im i3. Jahrhundert eine größere Bedeutung und weitere Ver-
breitung erhielt, hat seinen Grund wohl in dem Umstand, daß die Limoger
Emailindustrie sich des Motivs des taubenförmigen Behälters zur Aufbewah-
rung der Eucharistie bemächtigte und neben ständerlosen und mit Ständern ver-
sehenen eucharistischen Emailpyxiden, Emailkästchen, mit Email geschmück-
ten Reliquiaren, emaillierten Waschschüsseln und den sonstigen Erzeugnissen
ihrer Werkstätten auch die mit Email verzierten Tauben als Handelsartikel in
alle Welt hinausgehen ließ. Die Tatsache, daß alle noch vorhandenen mittel-
alterlichen eucharistischen Tauben, abgesehen von der Taube zu Göttweig und
Florenz, Limoger Herkunft sind, läßt daran doch wohl kaum einen Zweifel.
Von einer Symbolik der eucharistischen Taube hören wir im Mittefalter nie etwas. Hat
man jemals mit ihr eine solche verbunden, so war es wohl der Heilige (Seist, den man durch
sie hat versinnbilden wollen, dessen Macht wie das Werk der Menschwerdung so auch das
Wunder der eucharistischen Wesenwandlung zugeschrieben wird, der als Spender aller
fibernatürlichen Gaben als die küstlichste derselben auch den Leib des Herrn zur Speise
der Seele bereitet. (101)
Ziborien der erste mit zylinderförmiger und der zweite mit mehrseitiger Kuppa,
weil dem Formempfinden des neuen Stiles nicht entsprechend, seit Ende des
16. Jahrhunderts sich bald so gut wie ganz verloren — vereinzelte Beispiele mit
zylindrischer Kuppa bieten ein Ziborium aus dem Anfang des 17. Jahrhun-
derts in der Patroklikirche zu Soest und ein Krankenziborium von etwa i65o
in St-Paul zu Antwerpen (Tafel 61) —, während der dritte sich auch weiter-
hin behauptete, ja sogar, umgemodelt im Sinne der Renaissance und des Ba-
rocks, geradezu alleinnerrschend und der Ziboriumtypus des 17. und 18. Jahr-
hunderts wurde. Hatte es einen einheitlichen Typus im Mittelalter nicht gegeben,
so entsteht nunmehr ein solcher, und hatten sich damals bei dem Behälter Stil
und Form nicht gedeckt, so fallen jetzt bei ihm beide in einem Typus zusammen.
Schon die Instructio fabricae ecclesiae des heiligen Karl Borromäus kennt
zur Kommunion des Volkes nur mehr Ziborien dieses einen Typus (102) und
nicht anders verhält es sich im letzten Dezennium des 16. Jahrhunderts mit
dem Ornatus ecclesiasticus Myllers, wie die dessen deutscher Ausgabe beige-
gebene Abbildung eines zu jenem Zweck bestimmten Ziboriums bekundet. Üb-
rigens war es wohl nicht lediglich das dem gotischen so ganz entgegengesetzte
Formempfinden der Renaissance, welches dem ersten und zweiten Typus ein
Ende bereitete, sondern zugleich auch wohl der im späteren 16. Jahrhundert
einsetzende Wandel in der Zweckbestimmung des Ziboriums, infolge dessen
dieses nunmehr auch, ja vornehmlich, zur Aufbewahrung der konsekrierten
Hostien, die zur Kommunion des oft sehr zahlreich zum Tisch des Herrn tre-
tenden Volkes vorrätig gehalten werden mußten, wie auch zur Ausspendung
derselben an dieses diente; eine Verwendung, für die Ziborien mit zylinder-
förmiger und mehrseitiger Kuppa, weil minder zweckentsprechend, sich we-
niger empfahlen.
Was die Kuppa der ausgebildeten Renaissance- und Barockziborien von der
der dritten Gruppe der mit Ständer ausgestatteten spätmittelalterlichen Zibo-
rien auffällig unterscheidet, ist sowohl ihre Tiefe, wie ihre Form. Ihre Tiefe
ist durchweg zum wenigsten der Hälfte ihres Durehmessers gleich, meist aber
größer. Mußte ja doch auch das Ziborium so beschaffen sein, daß es eine große
Zahl Hostien aufzunehmen vermochte. Was aber die Form der Kuppa anlangte,
so stellte diese der Regel nach nicht eine mehr oder weniger flache Schale, son-
dern einen halbkugeligen Napf oder gewöhnlicher eine Art Becher von der Art
der Kuppa der Renaissance- und Barockkelche dar. Was sich an Ziborien
aus dem 17. und 18. Jahrhundert erhalten hat, zeigt immer wieder diese for-
male Beschaffenheit der Kuppa.
Mit einem Korb hat man die Kuppa des Ziboriums, abweichend von der des
Kelches, im Mittelalter nicht versehen. In der Zeit der Renaissance und nament-
lich des Barocks wird jedoch auch das anders. Bei einfachen Ziborien beließ
man allerdings auch jetzt noch die Kuppa ohne Korb, wie bei einfachen Kel-
chen, bei reicheren, zumal aus der Zeit des Barocks, fehlt dieser jedoch meist
ebensowenig wie bei den gleichzeitigen reicheren Barockkelchen, denen er er-
sichtlich entlehnt wurde. Die Tafeln 58 und 59 geben verschiedene gute Bei-
<102) AA. Eecl. Mediol.634.
VIERTES KAPITEL. FORM. III. IN NACHMITTELALT. ZEIT 325
spiele von Ziborien mit Korb an der Kuppa wieder. Bisweilen, wie bei dem Zi-
borium aus Vornbach, umschließt dieselbe diese unten in Gestalt eines kräftig
sich ausbauchenden Wulstes.
Der Deckel des Ziboriums soll nach der Instructio des heiligen Karl rund oder
oval gewölbt sein, in der Mitte aber ähnlich wie etwa eine Pyramide in die Höhe
wachsen und auf der Spitze ein Kreuzchen oder eine Figur des Auferstandenen
tragen. Nach Myller soll der Deckel ungefähr pyramidal gestaltet sein, was er
aber damit meint, zeigt die Skizze des Ziboriums, auf die er als Erläuterung
seiner Worte verweist, einen gewölbten, oben in eine Spitze auslaufenden Deckel
von mäßiger Höhe. Der Deckel, wie ihn der heilige Karl und Myller beschrei-
ben, ist der Deckel, wie ihn die Ziborien des 17. und 18. Jahrhunderts immer
wieder zeigen. Wohl fehlt es nicht an Unterschieden. Hier ist der Deckel höher,
dort niedriger, hier schwächer, dort stärker gewölbt, hier wulstig, dort ge-
schweift, anderswo haubenförmig, überall aber ist die Grundform dieselbe. Man
vergleiche die Beispiele auf Tafel 58 und 59. Auf der Spitze trägt er gewöhn-
lich ein Kreuzchen; doch auch wohl einen Pelikan, wie z. B. beim Ziborium zu
Retzbach, oder eine Statuette des Auferstandenen, wie z. B. beim Ziborium im
Dom zu Köln. Auch erhebt sich nicht selten auf seinem Scheitel eine zierliche
offene Laube mit kuppeiförmigem Dach, auf dessen Spitze ein Kreuzchen
steht, wie bei dem Ziborium in der Aldegundiskirche zu Emmerich. Bei andern
umgibt ihn unten oder in der Mitte eine reich ausgestaltete Krone, wie bei dem
Ziborium zu Vornbach, von der bisweilen Bügel, die mit perlenähnlichen Kü-
gelchen besetzt sind, zu dem oben auf dem Deckel angebrachten Kreuzchen sich
aufschwingen, wie bei einem prächtigen Barockziborium in der Nikolaikirche
zu Elbing (Tafel 58 und 59).
Der Ständer der Ziborien zeigt noch im späteren 16. und frühen 17. Jahr-
hundert, wie der der gleichzeitigen Kelche, meist mehr oder weniger die tra-
ditionelle gotische Bildung. Insbesondere sind Schaft und Nodus noch keines-
wegs wie später zu einem einheitlichen vasenartigen Gebilde verschmolzen.
Lehrreiche Beispiele bieten ein mit Buckeln an Kuppa, Deckel und Nodus ver-
ziertes Ziborium zu Judenburg in Steiermark, (103) ein mit langgezogenen
Buckeln an der tiefen becherartigen Kuppa und dem niedrigen geschweiften
Deckel ausgestattetes Krankenziborium in St. Peter zu Salzburg, (104) zwei
Ziborien des Schnütgenmuseums, (105) ein mit Niellobildchen am Fuß und
Nodus, an der Kuppa und am Deckel geschmücktes Ziborium portugiesischer
Herkunft in der ehemaligen Sammlung Spitzer, (106) ein Krankenziborium zu
Berchem-lez- Anvers (107) von 1612 u. a. Auch das in Myllers »Kirchenschmuck«
als Muster abgebildete Ziborium zeigt nur erst in der Bildung der Kuppa und
des Deckels den Einfluß der Renaissance, nicht dagegen auch schon in der des
Ständers, der sogar noch recht mittelalterlich anmutet. Ein frühes Beispiel
eines italienischen Ziboriums, bei dem Schaft und Nodus bereits zu einer Vase
umgebildet sind, bietet ein prächtiges Retiaissanceziborium aus der ersten Hälfte
(103) Graz. Kirehenschrouck XIV (1883) 136. (104) Abb. in österr. Kunsttopogr., Salz-
ig, St. Peter 44. (105) Witte, TU. 19, 6 und 7. (106) Moi.isieh, n. 176 mit Abb.
(107) Abb. bei Croov, TU. XXIX.
326 VASA SACRA. DRITTER ABSCHNITT. DAS ZIBORIUM
des 16. Jahrhunderts im Dom zu Monza (Tafel 57), dessen Fuß jedoch noch
im Sinu der italienischen Spätgotik gestaltet ist. Als frühe Beispiele eines Zi-
boriums mit Vasenschaft diesseits der Alpen seien genannt ein Ziborium in.
St. Peter zu Salzburg von 160g und ein etwa derselben Zeit angehörendes im
Dom zu Köln, deren Fuß indessen ebenfalls noch nach Weise des Fußes der
spätgotischen Ziborien gestaltet ist (Tafel 58).
Bei den Ziborien des späteren 17. und 18. Jahrhunderts ist die Umbildung
des Standers im Sinn des Barocks allgemein vollendete Tatsache geworden. Er
besteht nun allenthalben aus einem bald runden, bald sechspaßförmigen, bald
mannigfaltig geschweiften, meist glockenartig gewölbten Fuß und einer bau-
chigen Vase von verschiedener Gestalt, in Spanien aber auch wohl aus einem
kandelaberartigen Gebilde als Zwischenglied zwischen Fuß und Kuppa an Stelle
des ehemaligen Schaftes und Nodus. Es ist dieselbe formale Beschaffenheit
wie die des Ständers der gleichzeitigen Kelche und zwar mit allen nach Zeit
und Ort der Entstehung sowie durch die Individualität des Künstlers bedingten
Eigenarten und Sonderformen, die uns jeweils in der Bildung des Ständers der
Barockkelche begegnen, wie denn überhaupt die Barockziborien sich von den
gleichzeitigen Barockkelchen fast nur durch ihren Deckel und durch die von
ihrem Zwecke geforderte größere Weite ihrer Kuppa unterscheiden. Ein nähe-
res Eingehen auf die formale Beschaffenheit des Ständers der Barockziborien
und seine stilistische Entwicklung bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts er-
übrigt sich darum auch. Es kann genügen, auf das, was anderswo (108) in die-
ser Beziehung des näheren betreffs des Ständers der Barockkelche des 17. und
18. Jahrhunderts gesagt wurde, zu verweisen. Denn das, was dort bezüglich des
Ständers dieser letzteren ausgeführt wurde, gilt alles auch von dem der gleich-
zeitigen Barockziborien. Fuß, Schaft und Nodus sind zu einem einheitlichen
Gebilde verschmolzen bei einem Rokokoziborium im Dom zu Frauenburg. Der
Nodus ist hier durch Engelköpfchen angedeutet (Tafel 5g). Es wird nicht das
einzige seiner Art gewesen sein, das das Rokoko schuf.
Von welcher Form die pixis argentea war, in der man zufolge den Breslauer
Visitationsberichten von i58o zu Waltersdorf das heilige Blut für die Kommu-
nion der Kranken aufbewahrte, (109) vernehmen wir nicht. Von einem Kran-
kenziborium, das zugleich das heilige Blut, den Leib des Herrn und das Kran-
kenöl enthielt, wird weiter unten die Rede sein.
Bei Ziborien, die zu Versehgängen gebraucht wurden, hat man im 16., 17-
und 18. Jahrhundert nicht selten auf dem Scheitel des Deckels einen zylindri-
schen Aufsatz zur Aufnahme des Büchschens mit dem Krankenöl angebracht.
Solche Krankenziborien haben sich noch mehrere erhalten, so in der Pfarr-
kirche zu Berchem-lez-Anvers von i6i2/i3, in den Pfarrkirchen zu Nieuport
und Aerschott, in St-Pierre zu Löwen, in St-Paul zu Antwerpen. Der Aufsatz
des letzteren trägt einen kronenförmigen Deckel; bei dem Löwener Ziborium
befindet sich der Behälter für das heilige öl in der Krone, die den Deckel
schmückt. (110) Das Schnütgenmuseum zu Köln besitzt zwei dieser Kranken-
(108) Vgl. oben S.133. (109) Jusgnitz III (Breslau 1907) 22. Pius IV. hatte den Laienkelch
auch Breslau gestattet. (110) Chooy, 160 f.
VIERTES KAPITEL. FORM. III. IN NACH MITTEL ALT. ZEIT
ziborien, von denen eines aus dem 16., das andere aus der ersten Hälfte .des
iS. Jahrhunderts stammt. Bei letzterem ist der Behälter für das Krankenöl im
oberen, konisch ansteigenden Teil des Deckels angebracht. Ein anderes, das
laut Inschrift 1736 angefertigt wurde, findet sich in der Kirche zu Rheine in
Westfalen. (111) Bei einem Beispiel aus dem 17. Jahr-
hundert in der Lambertikirche zu Düsseldorf sitzt das
Ölgefäß nicht unmittelbar auf dem Deckel, sondern wie
schwebend über demselben in einer Platte, die von vier
von dem flachen Deckel des Ziboriums aufsteigenden
toskanischen Säulchen getragen wird (Tafelöl). Reich
ornamentiert ist ein dem späten 17. Jahrhundert ent-
stammendes Krankenziborium mit Aufsatz zur Auf-
nahme des Behälters des Krankenöles auf dem Deckel
im Dom zu Würzburg. (112) Übrigens waren Kranken-
ziborien mit Behälter für das Krankenöl nicht erst
eine Erfindung der nachmittelalterlichen Zeit, schon im
15. Jahrhundert kommen solche vor, wie Beispiele im
Dom zu Fritzlar (Tafel 53) und in Groß-Martin zu Köln
bekunden. (113)
Ein eigenartiges Krankenziborium, das sich aus einem Kelch
für das heilige Blut, einer Pyxis für die heilige Hostie und dem
Gefäß mit dem Krankenöl zusammensetzte, war die Frucht der
um die Mitte des 16. Jahrhunderts in Süddeutschland bei den
Katholiken einsetzenden utracmistischen Kelchbewegung, Erhalten
hat sieh keines, doch liegt noch eine Zeichnung vor, die vom
Bischof von Gurk an Herzog Albrecht von Bayern übersandt
wurde (114) und uns eine Vorstellung von seiner formalen Be-
schaffenheit gibt. Das auf ihr dargestellte Ziborium besteht aus
einem gotisierenden runden, oben ins Seehsseit übergehenden Fuß,
einem durch ein Leistchen vom Fuß getrennten sechsseitigen
Schaft mit senkrecht geripptem, jedoch mit Engelköpfchen statt
mit Zapfen besetztem Knauf, einer hohen, zylinderförmigen, un-
ten abgerundeten Kuppa zur Aufnahme des heiligen Blutes, einer
mäßig hohen, runden Pyxis für die heilige Hostie, einem in u
staffeln sich aufbauenden, von einem Zackenkamm eingefaßten djjj 21 Utraauistisches
niedrigen Deckel und dem in dessen Mitte sich erhebenden zylin- Krankenziborium.
derförmigen Behälter für das Büchschen mit dem Krankenöl mit (Nach Originalzeichnung.)
Kuppelförmigem, unten von einem Zackenkamm umrahmten
Deckel und einem schlanken, von einem Kreuzchen bekrönten Aufsatz als Abschluß. Das
baldige Abflauen der Laienkelchbewegung nach Zurücknahme des Zugeständnisses der
Kommunion unten beiden Gestalten brachte auch dieser eigenartigen Art von Kranken-
ziborium ein frühes Ende. (115)
Krankenkreuze, d. i. Versehbehälter in Gestalt eines Kreuzes, die in der Mitte eine flache
Pyxis für das heiligste Sakrament, im untern Balken das Büchschen mit dem heiligen öl
Enthielten, waren schon zu Ausgang des Mittelalters in Gebrauch. Ein Beispiel in dem
(111) Katalog der Ausstellung westfäl. Altertümer zu Münster 1879, Nr. 349. (112) Kd.
von Bayern, Unterfr. XII, 88 mit Abb. (113) Abb. bei Bock, St. Martin, Tfl. XVI.
(114) Bayer. Reichsarch. T. V. f. 6. (115) Vgl. über die I.aienkelchbewegung im 16. Jahr-
ißo A-fciüPFLER, Die Kelchbewegung in Bayern unter Herzog Albrecht V. (München
1891). Über das utraquistische Krankenziborium vgl. daselbst S. 146.
328 VASA SACRA. DRITTER ABSCHMTT. DAS ZIBORIUM
Schniilgenmuseum, das laut Inschrift auf der Rückseite dem Jahre 1/199 entstammt, be-
kundet das (Tafelöl). Das Kreuz besteht aus einer flachen runden, auf die Kante gestellten
Pyxis für das AHerheiligste und vier die Arme bildenden Dreipässen, von denen einer einen
kleinen Behälter für das heilige Ol enthält. Der Deckel der Pyxis weist eine gegossene Halb-
figur des Schmerzensmannes auf, die Dreipässe umschließen die gegossenen Symbole der
Evangelisten. Das Kreuz sitzt auf einem Ständer von der Art des Ständers spätgotischer
Kelche, von dem es abgehoben werden kann. An der Rückseite befinden sich zwei Ösen zur
Aufnahme einer Schnur. Die hier angebrachte Inschrift lautet A° D" MCCCCXGIX0 tem-
pore Johaimis Rusike pastoris. Ein zweites Versehkreuz des gleichen Museums ist etwas
jüngeren Datums. Es hat die Form eines gewöhnlichen Kreuzes mit ungewölinlich breiten
Armen. Die den Deckel bildende Vorderseite ist aufklappbar und mit der getriebenen
Darstellung des Gekreuzigten verziert. An den Querbalken findet sich eine Vorrichtung
zum Aufhängen. Beide Kreuze bestehen aus vergoldetem Kupfer. (116) Ein anderes spät-
mittelalterliches Krankenkreuz hat sich in der Johanniskirche zu Lüneburg erhalten.
Auf der aufklappbaren Vorderseite zeigt es die aufgenietete Figur des Gekreuzigten. (117)
Ein Krankenkreuz vom Jahre i5o,3 befindet sich noch zu Freckenhorst in Westfalen. (118)
Versehbehälter in Kreuzesform entstanden noch in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts,
heute werden jedoch keine mehr angefertigt. Krankenziborien mit dem Behälter für das
heilige öl auf dem Deckel und Krankenkreuze mochten praktisch sein, sie entsprachen aber
nicht der "Wurde des heiligsten Sakramentes, mit dem das heilige öl allzusehr auf eine
Stufe gestellt wurde und sind mit den gegenwärtigen kirchlichen Vorschriften, denen zu-
folge das AHerheiligste und das Krankenül in verschiedenen Behältern, gesondert von ein-
ander, zu den Kranken getragen werden sollen, nicht vereinbar.
aufzunehmen geeignet war, wie z. B. die ovale Mulde im Rücken der euchari-
stischen Taube, die meist nur Ix—6 cm lang und !\—4,5 cm breit war, dürfte er
für gewöhnlich nicht gewesen sein. Die ständerlosen Limoger Pyxiden des
i3. Jahrhunderts haben durchwegs eine Weite von 6—8 cm. Im i/i. und
i5. Jahrhundert bewegt sich der Durchmesser des Behälters in der Regel zwi-
schen 8—ii cm. Am häufigsten beträgt er 9—iocra, minder oft 11 cm, 12
oder i3 aber nur selten. Pyxiden von noch größerem Durchmesser, wie eine
zum Aufgehängtwerden eingerichtete Pyxis in der Kathedrale zu Sens, die sich
in der Mitte ausbaucht und hier einen Durchmesser von 19 cm aufweist, (120)
sowie die zwei später als Reliquiare benutzten Pyxiden ähnlicher Form in der
Abtei St-Maurice im Wallis von i5,6 bzw. 17,6 cm größtem Durchmesser
(Tafel 5o) (121) waren im ganzen Mittelalter Ausnahme.
Daß man sich nicht darauf zu beschränken pflegte, dem Behälter nur gerade
jene Größe zu geben, deren er zur Aufnahme von nur ein paar Hostien be-
durfte, geschah sowohl aus Zweckmäßigkeitsrücksichten — gab man ja doch
auch dem Kelch aus dem gleichen Grunde größere Maßverhäitnisse als das
Quantum des in ihm zu konsekrierenden Weines erforderte — als nicht minder
um die Würde und Erhabenheit des heiligsten Sakramentes willen, denen ein
kleiner, unbedeutender Behälter zu wenig entsprach und die nur in einem grö-
ßeren einen einigermaßen angemessenen Ausdruck fanden, wie ja auch Maß-
stab für die Größe eines Reliquiars nicht die materielle Größe der Reliquien,
sondern die diesen eigene Würde und Heiligkeit bildete.
Seit dem späten 16. Jahrhundert erfuhr die Verwendung der Pyxis infolge
des stetig zunehmenden Empfangs der Kommunion, der Frucht der durch das
Tridentinum herbeigeführten Erneuerung und Steigerung des religiösen Le-
bens, eine wesentliche Änderung. Sie stand nun nicht mehr bloß im Dienste
der Kommunion der Kranken, sondern auch, ja in erster Linie, in dem der
Kommunion des Volkes. Es ging darum aber auch nicht mehr an, ihrer Kuppa
eine beliebige Größe zugeben, vielmehr war für diese jetzt maßgebend die Zahl
der zur Kommunion des Volkes benötigten Hostien. Wo die Gläubigen in grö-
ßerer Zahl zur Kommunion erschienen, wie überhaupt in größeren Gemeinden,
bedurfte es einer geräumigeren Pyxis, in kleineren Orten wie auch da, wo der
Zutritt zum Tisch des Herrn geringer war, genügte eine kleinere. Immer aber
mußte der Behälter so groß sein, daß er imstande war, in ausreichender Menge
Hostien für die Kommunion des Volkes aufzunehmen. Sie müsse so weit und so
tief sein, sagt demgemäß schon Myller in seinem Ornatus ecclesiasticus, daß sie
für so viele Hostien Raum biete, als deren erforderlich seien, wenn nicht für
die Kommunion der ganzen Gemeinde, so doch wenigstens für die eines großen
Teiles derselben. (122)
Die Kuppa der Ziborien, die sich aus der zweiten Hälfte des 16. und dem frühen 17. Jahr-
hundert erhalten haben, weist noch keinen merklichen Unterschied hinsichtlich der Weite
gegenüber der der größeren Ziborien des 15. Jahrhunderts auf. Stand man ja auch noch erst
Jn der Zeit des beginnenden Aufschwunges des Konimunionempfanges. In der Folge hat
„ (120) Abb. bei Braun, Altar IL Tfl. 351. (121) Vgl. auch Ed.Aubert, Le tresor de
'abbaye de St-Maurice (Paris 1872) 172f.; Tfl, 24, 25. (122) C. 18, S. 40.
330 VASA SACRA. DRITTER ABSCHNITT. DAS ZIBORIUM
die Kuppa als das Gewöhnliche einen Durchmesser von 10—ia cm. Größere kommen vor,
aber nicht allzu häufig. Ein Prachtziborium in St. Aldegundis zu Emmerich (Tafel 08) hat
eine Kuppaweite von i8,5 cm. Ziborium mit Kuppa von geringerem Durchmesser als 10cm
wurden nur mehr angefertigt, wenn das Bedürfnis eine größere Kuppaweite nicht er-
heischte, sowie als Aushilfs- oder Krankenziborium. Mehr als durch ihre Weite unterscheidet
sich die Kuppa der Ziborien des 17. und 18. Jahrhunderts von den früheren durch ihre
größere Tiefe. Bei den mittelalterlichen Pyxiden betrug die Tiefe der Kuppa durchweg
höclistens die Hälfte des Durehmessers — eine Ausnahme machten fast nur die kleinen
sländerlosen Limoger Pyxiden des i3. Jahrhunderts —, in weitaus den meisten Fällen war
sie geringer, oft sogar in auffallendem Maße. Bei den Ziborien des 17. und 18. Jahrhunderts
übersteigt die Tiefe der nun meist becherförmigen Kuppa umgekehrt regelmäßig die halbe
Weile der Kuppa, infolge dessen diese auch bei nur mäßiger Steigerung der Weite eine
erhebliche Zahl konsekrierler Hostien fassen konnte.
Eine Entwicklung und Weiterbildung, wie wir sie beim Kelch seit dem ia. bis zum
18. Jahrhundert allmählich, aber stetig hinsichtlich des Verhältnisses seiner Höhe zur Weite
seiner Kuppa vor sich gehen sahen, (123) hat sieh bei den mit Ständern versehenen Pyxiden,
die allein in Betracht kommen, weder im Mittelalter noch in nachmittelalterlicher Zeit
vollzogen. Im Mittelalter verhielt sich ihre Höhe — den Deckel nicht eingerechnet — zum
Durchmesser ihrer Kuppa annähernd wie i,5 : 1, 2 : 1, 2,5 : 1 oder 3 : 1, am häufigsten
annähernd 2 : 1 und a,ö: 1. In nachmittelalterlicher Zeit stehen beide zu einander nur in
dem Verhältnis von etwa i,5: 1 und 2:1, während doch zur gleichen Zeit beim Kelch
dessen Höhe das Dreifache der Kuppaweite darstellte. Der Unterschied findet seine Er-
klärung in der größeren Weite der Kuppa der Pyxis.
Der Behälter für das heiligste Sakrament, dessen man sich in nachmittelalterlicher Zeit
bei Versehgängen zu bedienen pflegte, wenn der Kranke in weiterer Entfernung von der
Kirche wohnte, bestand gewöhnlich in einem niedrigen, runden, nur /1—6 cm weiten Büchs-
chen, das nur einige heilige Hostien aufzunehmen vermochte. Aufbewahrt wurde es in
ihm nicht; vielmehr wurden, wenn Kranke zu versehen waren, jedesmal erst die dazu nöti-
gen Partikeln aus dem gewöhnlichen Ziborium in es hineingelegt.
In den mittelalterlichen Quellen ist mehrfach von dem Büchschen die Rede. Es führt in
ihnen dieselben Benennungen wie der große Behälter. Seine früheste Erwähnung findet es
im 11. Jahrhundert indes Udalricus Consuetudines Cluniacenses. (124) Im 12. Jahrhundert
(123) Vgl. oben S. 124. (124) L. 2, c. 30 (M. 14Ö, 722) ; vgl. oben S. 294.
VIERTES KAPITEL, FORM. IV. EINLAGEN 331
spricht von ihm ein Inventar von Prüfening: Pixidem eburneam cum eucharistia, cuius
exterius vasculum est de argento, (125) im Jahre 1280 eine Urkunde Adolfs von Berg, (126)
130.5 das Inventar des Apostolischen Stuhles: Unum tabernaculum de argento album cum
pede et operculo pond. iS1/» unc.....bussula autem, quae intus est, pond. % unc. (127)
Belege aus dem i4, Jahrhundert begegnen uns beispielsweise im Inventar Clemens'V. von
i3ii: Unum vas de pede piano ... item in dicto vase erat una pissis de auro piano cum
parvo pometo superius; (128) in einem Inventar von Cambrai von i35g: Item un autre
cyboire de cuevre doret a un anelet a trois kainettes, item une boitellette d'yvoire qui eafc
dedans le chiboire; (129) in einem Inventar von St-Ame zu Douai von 1^70: Item le cibole
d'argent dore pendant a la croche devant le grant autel . .. dedans lequel il y a une petite
custode d'argent dor6; (130) in einem Inventar der Kirche des Heiligen Grabes zu Paris von
1379: Une coupe d'argent, dont le pied et la jambe et le couvescle sont d'argent esmailliez
et le buvent (die Kuppa) est de cristal ... et dedans la coupe a une boiste d'argent doree
et sacree, oü repose le corps de N. S. (131)
Der Brauch erhielt sich verschiedenerorten bis in das 16., ja bis in das späte 17. Jahr-
hundert. So wird er beispielsweise noch bezeugt im Inventar von St-Florent zu Saumur von
i538: Item sur le dit grand autel ... pend une grande custode d'argent, dedans laquelle
est une boitte quarree d'or, en laquelle repose Corpus Domini; (132) in einem Inventar
der Marienkirche zu Braunsberg von i565: In ciborio (hier das Wandtabernakel) pixis
argentea sparsiin inaurata, in qua et alia pixis argentea inaurata, continens hostias pro
infirmis; (133) im Ornatus ecclcsiasticus des Regensburger Generalvikars Myller von
1691; (134) in den von Jungnitz herausgegebenen Visitationsberichten der Breslauer Diö-
zese aus den Jahren t56i, 1567/68, 1670 und 1687/88 sowie in den Inventaren badener
Kirchen von i683. (135) Übrigens handelte es sich bei den Ziborien mit Innenpyxis, die
uns in nachmittelalter]icher Zeit begegnen, wohl in der Regel entweder um spätmittelalter-
liche, noch in Gebrauch befindliche Ziborien oder um Ziborien zu Versehgängen.
Hergestellt war das Büchschen in der Regel aus Silber. Daß es aber aueb
wohl aus Gold gemacht war, ersehen wir aus der früher erwähnten Urkunde
Adolfs vonBerg, (136) dem Inventar Clemens' V. von i3n und einem Inventar
von Cluny aus dem Jahre i382. (137) Von elfenbeinernen hörten wir in dem
Inventar von Prüfening und einem Inventar der Kathedrale zu Cambrai von
1359. (138) Das Büchschen, von dem in den Consuetudines Cluniacenses die
Rede ist, wird als pixis cortica bezeichnet. Zu Seifersdorf in Schlesien be-,
stand der innere Behälter des Ziboriums laut dem Visitationsprotokoll von i65i
aus Holz. (139)
Ein Beispiel einer Innenpyxis aus dem Mittelalter findet sich im Germanischen Museum
zu Nürnberg, ein zylinderförmiges, Innen und außen vergoldetes Büchschen mit einem
Ring in der Mitte des mittels Scharniers am Behälter befestigten und mit Verschluß Vorrich-
tung versehenen Deckels. Sie gehörte zu einem achtseitigen mit Ständer versehenen Zibo-
rium. Ihr Schmuck besteht in einem aus kreuzförmigen Rosettchen sich zusammensetzen-
den Fries, der den Behälter unten und oben umzieht und den Deckel umrandet. (140) Ein
anderes Beispiel hat sich erhalten in einer Limoger Pyxis des 1/1. Jahrhunderts in der Pfarr-
kirche zu Prunet (Pyr.-Orient.). (141) Erst aus dem Jahre i6ao stammt die Innenpyxis
(125) N. Archiv XIII (1888) 561. (126) Vgl. oben S. 290. (127) Bibl XLV (1884) 34.
(128) Regesti Clementis V. app. I, 384. - _
(129) Dehaisnes Doc.403. (130) Ebd. 545. (131) Gay, Glossairel, 377.
(132) Bull, des Soc sav. 7e ser. II (1880) 238. (133) Hipler 48. (134) C. 18, S.40.
(135) Freiburger Diüzeswiarchiv XI (1877) 49; Xll (1878) 42, 57, 64; XIV (1881) 189.
(136) Vgl. oben S.290. (137) Revue XXXI (1888) 199. (138) Vgl. oben.
(139) Jungnitz I 243 (140) Mitt. aus dem Germ. Nationalmuseum 1908, 134.
(141) Rupik, L'ceuvre de Limoges pl. XXIII.
332 VASA SACRA. DRITTER ABSCHMTT. DAS ZIBORIUM
Statt eingeschlossen in eine kleine Büchse wurde das heiligste Sakrament seit
dem späteren Mittelalter indessen auch wohl in ein Tüchlein, ein Säckchen oder
ein Häubchen gelegt im Ziborium aufbewahrt. Ausdrücklich wird das bereits
in dem Meßordo des 1256 vollendeten Missales des Dormnikanergenerals Hum-
bert de Romanis vorgeschrieben: Infra quam — nämlich der Pyxis — in panno
albo et mundo servanda est una hostia consecrata vel si plures servantur, non
tarnen in magna multitudine, (143) desgleichen im Ordo der Ausspendung der
Kommunion im Liber Ordinarius von St. Jakob zu Lüttich von ca. 1285, in dem
den Worten in panno albo et mundo angefügt wird de veteri corporali magis
proprio. (144) Auch einige der Synoden des i3. Jahrhunderts verordneten das
gleiche, so eine um 1287 abgehaltene, nicht näher bestimmbare englische Syn-
ode, (145) die Kölner von 1381 (146) und die Synode von Exeter des Jahres
12S7. (147) Bei der Verordnung der ersten und dritten dieser Synoden handelt
es sich allerdings nicht um die Pyxis, in der das Allerheiligste in der Kirche
aufbewahrt wurde, sondern um die Pyxis, in der es zu den Kranken gebracht
wurde. Was indessen bezüglich dieser vorgeschrieben wurde, hatte doch wohl
auch für jene Geltung.
Der Brauch, die heiligen Hostien in ein Tüchlein gelegt im Ziborium aufzubewahren,
erhielt sich vielerorten bis tief in die nachmittelalterliche Zeit hinein, hie und da selb.st
bis in die Neuzeit. Durch einzelne der an das Tridentinum sieb anschließende Synoden
wurde das sogar ausdrücklich angeordnet, so durch die Synode von Ypem des Jahres
1677, (148) die Synode von St-Onier des Jahres i583, (149) die Synode von Avignon des
Jahres iötji, (150) die ermländische Synode von 1610, (151) sowie die Metzer Synode von
1610. (152) Myller stellt es in seinem Ornatus ecclesiasticus frei, in dem Ziborium als
Unterlage der heiligen Hostien ein dessen Form angepaßtes, leicht gesteiftes Korporale
anzubringen, wofern das nur in geziemender Weise geschehe. Daß der Brauch in der Diö-
zese Breslau nicht unbekannt war, zeigen die Visitationsprotokolle von i65i und 1679,
in denen es z. B. von Zobten heißt: Species sacrae custodiuntur in lineo saeculo in pixi
vili, von Seichwitz: Venerabile in pixide ex aurichalco in Capsula lintea servatur, sowie von
Schierokau: Venerabile in pixide ex aurichalco, capsulae lineae inclusum, (155) daß er aber
auch in einzelnen Teilen Italiens heimisch war, zeigen die Beneventer Visitationsprotokolle
von i5qi, in denen sich häufig die Anweisung findet: Pixis de corporali sine glutino fode-
retur oder pixis de corporali foderetur. (154) Nicht allen behagte er freilich. So verboten
(142) Kd. von Westpreußen IV, 376.
(143) Legg, 85. (144) C.61 (Volk, Der Liber Ordinarius des Lütticher St. Jakobsklo-
sters 98). (145) H.VII, 305. (146) C.7 (Hartzheim III, 663): Lineus pannus albus et
mundus intra pyxidem ponatur supra quem corpus Domüü in pixide collocetur.
(147) C. 4 (H. VII, 1077): Sit corpus Dominicum repositum in bursa mundissima et ipsa
includatur sub serura in pyxide mundo et honesta argentea vel eburnea.
(148) Tit. 14, c. 6 (Hartzh. VII, 845): Custodiat (das heiligste Sakrament) in pyxide
eburnea, argentea, cuprea aut stannea, ineluso etiam mundo linteo seu corporali, cui sacra
hostia iroponatur, sed absque pyxide in solo linteo seu corporali numquam portare praesumat.
(149) Tit. 5, c.3 (ebd. 922). (150) C. 16 (II. X, 1345): Intra pyxidem vero corporate od-
aptatum perpetuo ponatur. (151) De fabrica eeel. (Hartzh. IX, 146 I: In bursula de tela
spissa. (152) C.5 (ebd. VIII, 952): Substernatur in eiborio ss. sacramento pars aliqua
corporali«. (153) Jungnitz I, 272; II, 46, 51. Vgl. auch in den Berichten von 1652: Lubo-
witz, Ciborium, in quo in Capsula linea venerabile asservatur, und Altendorf, Ciborium,
in quo in Capsula ex corporali confeeta venerabile asservatur (ebd. II, 12, 13).
(154) Mansi XXXVI bis, 466 f.
FÜNFTES KAPITEL. AUSSTATTUNG 333
unter die Hostien im Ziborium ein Linnentüchlein zu legen die Konstanzer Synode von
1616, sowie die Antwerpener von r6.'i3. (155)
Wie wir aus den angeführten Synodal Verordnungen ersehen, mußte das
Tüchlein in nachmittelalterlicher Zeit aus Linnen bestehen, weil man in ihm
eine Art Korporale sah, darum aber auch wohl gleich diesem gesegnet sein,
wenn das auch nicht ausdrücklich gesagt wird. Die Bestimmungen, die aus dem
Mittelalter über seinen Stoff vorliegen, betonen zwar ebenfalls, daß es von Lin-
nen sein solle, doch scheint man es noch nicht als Korporale betrachtet zu
haben, wenn es auch nach dem Liber Ordinarius des Jakobsklosters zu Lüttich
am passendsten aus einem alten Korporale hergestellt wurde. Auch bestand es
keineswegs immer aus Linnen, wie die Visitationsprotokolle der Diözese Gre-
noble aus den Jahren i3Qg—i4iä bekunden. Vernehmen wir doch in ihnen,
daß es in mehreren Kirchen von Seide war, und zwar ohne daß der Visitator das
beanstandet hätte, so z. B. zu Cruet, Les Echelles, Morette und Chäteau-Ber-
nard. (i56) Zu St-Barthelemy-du-Groin und zu St-Hippolyte-d'Aix fand man
es eingehüllt in ein behaartes Tuch (pannus pilosus), das ist wohl in ein Tüch-
lein aus Samt, in St-Leger zu Chambery sogar eingeschlagen in grobes Pa-
pier. (157) Daß man den konsekrierten Hostien im Ziborium ein Tüchlein aus
Baumwolle oder Seide, ja Papier unterlegte, kam in der Regensburger Diözese
nach dem Zeugnis Myllers, der das jedoch durchaus mißbilligte, noch zu Ende
des 16. Jahrhunderts vor. (158)
FÜNFTES KAPITEL
DIE ORNAMENTALE AUSSTATTUNG DER EUCHARISTISCHEN PYXIS
Der eucharistischen Pyxis als dem Behälter zur Aufbewahrung des heiligsten
Sakramentes eine dieser ihrer hohen Bestimmung und Verwendung entspre-
chende ornamentale Ausstattung zu geben, wurde nicht erst in nachmittelalter-
licher Zeit beliebt, das ist, seitdem es infolge Erweiterung des Zweckes, dem es
bis dahin lediglich gedient hatte, zu einem förmlichen Gegenstück des Kelches
geworden war, es war das auch schon im Mittelalter üblich. Die große Zahl
mehr oder weniger reich mit Schmuck versehener Pyxiden, die sich aus dem
12. und i3., besonders aber aus dem 1/1. und r5. Jahrhundert erhalten hat,
darunter viele hervorragende Meisterwerke der Goldschmiedekunst, beweisen
das zur Genüge und es ist darum nicht vonnöten, auch noch aus den schrift-
lichen Quellen Belege dafür anzuführen. Wir müssen daher hier auch auf die
ornamentale Ausstattung, welche man dem zur Aufbewahrung des Allerheilig-
sten dienenden Behälter in der Vergangenheit zuteil werden ließ, näher ein-
gehen. Steht sie auch an Reichtum und Mannigfaltigkeit im ganzen merklich
hinter der des Kelches zurück, zumal bei den mittelalterlichen Pyxiden — be-
greiflich übrigens wegen der geringeren liturgischen Bedeutung der letzteren —
und bietet sie deshalb nicht jene Fülle des Bemerkenswerten und Interessanten
(155) C. 6 (Hartzh. IX, 270): Nullae pallae vel pulvinaria in pvxide euchariatiae subster-
«antur. Syn. Antwerp. tit. 7, n. 3 (ebd. 642). (156) Chevalier, 72, 76, 83, 96.
(157) Ebd. 55, 59, 95. (158) Miller c. 18, S.41.
334 VASA SACRA. DRITTER ABSCHNITT. DAS ZIBORIUM
wie diese, so enthält doch auch sie immerhin genug des Beachtenswerten und
Lehrreichen und zwar sowohl bezüglich der zu ihrer Ausschmückung ange-
wandten Verzierungsmittel als auch ihrer Ikonographie.
I. VERZIERUNGSMITTEL
i. Gravierungen. Unter den Mitteln, deren man sich im Mittelalter zur Ver-
zierung der Pyxiden bediente, müssen an erster Stelle Gravierungen genannt
werden. Sie sind das gewöhnlichste Mittel, das man zu diesem Zweck anwandte
und zwar nicht bloß in Form von geometrischen oder vegetabilischen Gebilden
sowie von Inschriften, sondern insbesondere auch von figuralen Darstellungen,
Brustbildern, Halbfiguren, Ganzfiguren und szenischem Bildwerk.
Gravierte Büsten der Apostel in runden Medaillons begegnen uns schon bei
der Pyxis der Sammlung Clemens im Kölner Kunstgewerbemuseum (frühes
i3. Jahrh.}, die außerdem im Innern in Gravierung auf dem Boden eine Dar-
stellung des Gekreuzigten, auf der Unterseite des Deckels aber eine Taube mit
einer Hostie im Schnabel aufweist, wie früher schon gesagt wurde. Die etwa
gleichzeitige Pyxis im Bargello zu Florenz weist am Behälter gravierte Halb-
figuren, auf dem Deckel gravierte Brustbilder der Apostel auf; jene befinden
sich unter gedrückten Rundbogen, diese in Kundmedaillons. Gravierte thro-
nende Figuren der Apostel zeigt eine Pyxis des i3. Jahrhunderts im Histori-
schen Museum zu Stockholm (1) sowie eine Pyxis des i£. Jahrhunderts im Ger-
manischen Museum zu Nürnberg, dort unter kleeblattbogigen, hier unter be-
nasten spitzbogigen Arkaden. Dazu kommen bei ersterer auf dem Deckel gra-
vierte Halbfiguren von Engeln. In Gravierung ausgeführte thronende Figuren
heiliger Könige schmücken eine Pyxis aus Bunge (i/i. Jahrh.) im Historischen
Museum zu Stockholm. Gravierte Ganzfiguren finden sich an der Kuppa des
Ziboriums zu Rees (Tafel 55), eines Prachtziboriums im Viktoria-und-Albert-
Museum deutscher Herkunft (i5. Jahrh.), des Ziboriums zu Lehesten in Sach-
sen-Meiningen (iö. Jahrh.), eines Ziboriums in der Pfarrkirche zu Burghausen
in Oberbayern (i5. Jahrh.), (2) eines Ziboriums in St. Johann zn Köln, eines
Krankenziboriums des 16. Jahrhunderts im Diözesanmuseum zu Münster, eines
Ziboriums des 16. Jahrhunderts in der Liebfrauenkirche zu Münster, eines
Ziboriums des späten ii. Jahrhunderts zu Bocholt in Westfalen, zweier Zibo-
rien des späten i5. Jahrhunderts im Bayerischen Nationalmuseum zu Mün-
chen u. a. Gravierte szenische Darstellungen (Passionsdarstellungen) weisen
an der Kuppa auf ein Ziborium in der Pfarrkirche zu Körtvelyes in Ungarn
(i5. Jahrh.), ein Ziborium des i5. Jahrhunderts im Bayerischen National-
museum, ein Ziborium zu Pelchenhofen in der Oberpfalz (3) aus dem Ende des
i5. Jahrhunderts sowie ein gleichzeitiges Ziborium zu Konitz. (4) Es sind be-
sonders Ziborien des i!\. und i5. Jahrhunderts mit mehrseitiger Kuppa, die
mit graviertem Bildwerk an der Kuppa verziert sind. Auf dem Fuß und dem
Deckel der Ziborien sind seltener in Gravierung figürliche Darstellungen ange-
bracht; auf dem Deckel z. B. bei dem Ziborium zu Körtvelyes, dem Kranken-
(1) Abb. bei Hildebrand III, 696. (2) Kd. von Oberbayern 2435 mit Abb.
(3) Abb. in Kd. der Oberpfalz XVII, 224. (4) Kd. von Westpreußen IV, 376.
FÜNFTES KAPITEL. AUSSTATTUNG. I. YERZIERUNGSMITTEL 335
des Ziborium im Britischen Museum, (8) kaum anders als in Gestalt eines der
Spitze des Deckels etwa aufgesetzten Kreuzchens, um so häufiger und reich-
licher dagegen bei denjenigen des ri. und i5. Jahrhunderts. Regelmäßig sind
in Guß ausgeführt die Architekturglieder der diesen entstammenden archi-
tektonisch gestalteten Ziborien mit mehrseitiger Kuppa, die Streben, Schwib-
bogen, Fialen, Giebel, Kreuzblumen, Baldachine, Arkaden, Galerien, Kämme.
Desgleichen ist das plastische Figurenwerk in Gestalt von Statuettchen, das an
den Streben und den Seiten der Kuppa sowie auf dem Deckel gerade der Zi-
borien dieser Art — genannt seien ein Ziborium in der Mönchskirche zu Jü-
terbog, in der Lambertikirche zu Koesfeld (Tafel 07), in der Pfarrkirche zu
Longkamp an der Mosel, zu Lüdinghausen, zu Dülmen, zu Bocholt und Bul-
dern in Westfalen, zu Maaseyk und Herenthals in Belgien, sowie zu Kempen
am Niederrhein (Tafel 55), ein Ziborium im Bayerischen Nationalmuseum zu
München (Tafel 55) und ein Ziborium aus Matzlow im Museum zu Schwerin —
häufig angebracht ist, stets gegossen. In Guß ausgeführt sind auch, um noch
einige andere lehrreiche Beispiele seiner Verwendung zur Verzierung von Pyxi-
den anzuführen, das plastische Bildwerk der Vorderseite der Krankenpyxis zu
Wormbach in Westfalen (Tafel 61) sowie das eines der Krankenkreuze im
Schnütgenmuseum (Tafel 61), die ölberggruppe auf dem Deckel der Pyxis zu
Melnik in Böhmen, (9) die Statuettchen auf den die Kuppa spanischer Zibo>
rien flankierenden Armen (Tafel 56) sowie das Ornament auf dem Fuß man-
cher spätgotischer und gotisierender spanischer und italienischer Ziborien. An
den Ziborien des 17. und 18. Jahrhunderts ist gegossener Dekor, ornamentaler
wie figuraler, wenigstens in Deutschland, nur in recht beschränktem Ausmaß
zur Verwendung gekommen.
3. Filigran. Nur drei der noch vorhandenen mittelalterlichen Pyxiden sind
mit Filigran verziert: die Pyxis in St. Kunibert zu Köln, eine Pyxis mit Kristall-
kuppa im Brüsseler Museum und eine Pyxis in St-Omer. Alle drei gehören der
Frühe des i3. Jahrhunderts an. Sie mögen nicht die einzigen ihrer Art gewesen
sein, doch wissen wir nicht, in welchem Umfang auch sonst noch Filigran da-
mals als Schmuck der Ziborien zur Verwendung gekommen ist. Im i/i- und
i5. Jahrhundert können keine Pyxiden mit Filigranschmuck entstanden sein.
da in ihnen die Filigrantechnik nicht mehr geübt wurde. Neue Pflege fand sie
erst wieder im 16. Jahrhundert, doch nur in Ungarn. Von den mit Filigran
verzierten Kelchen, die damals von den ungarischen Goldschmieden angefertigt
wurden, gibt es noch eine größere Zahl, (9a) von Pyxiden dieser Art dagegen
keine, wenn überhaupt solche hergestellt wurden. Eine zweite Wiederbelebung
erfuhr das Filigran um 1700 in Gestalt des zierlichen, locker dem Grund auf-
liegenden, Ranken oder Blätter darstellenden Silberfiligrans, das jedoch keine
größere Verbreitung fand. Ein bemerkenswertes Beispiel hat sich im Dom zu
Graz erhalten, ein anderes in der Michaelskirche zu München. Das Ziborium
zu Graz ist bis auf die Einziehungen des vasenförmigen Schaftes und einen
mäßig breiten, den Rand der Kuppa umziehenden Streifen vollständig mit FiU-
gran, dem reichlichst Steine eingefügt sind, übersponnen (Tafel 59).
(8) Guide (London 1921) 80. (9) Vgl. oben S. SOS. (9a) Vgl. oben S. 150.
FÜNFTES KAPITEL. AUSSTATTUNG, i. VERZIERUNGSMITTEL 337
Im ganzen hören wir indessen nur selten von Behältern zur Aufbewahrung
der Eucharistie, die mit Edelsteinen geschmückt waren; ein Zeichen, daß es
im Mittelalter keineswegs das Gewöhnliche war, die eucharistische Pyxis mit
Edelsteinen zu verzieren. Bestätigt wird das durch die mittelalterlichen Pyxi-
den, die sich erhalten haben. Es sind nur wenige, die Steine als Schmuck auf-
weisen; so in Verbindung mit Filigran die Pyxis in St. Kunibert zu Köln (Ta-
fel 5i), die aus Aywieres stammende Pyxis im Museum zu Brössei (Tafel 5i)
und die Pyxis in St-Omer; allein für sich und ohne Filigran das Ziborium des
Alpais im Louvre, bei dem die Schnittpunkte der die Kuppa und den Deckel in
rautenförmige und dreieckige Felder aufteilenden gravierten Bänder und der
den Knauf auf der Spitze des Deckels umziehende Ring mit Steinen besetzt
sind, sowie das gleichartige Ziborium Limoger Herkunft im Britischen Mu-
seum, das jedoch seinen Deckel verloren hat. Auch auf dem konischen Deckel
«er kleinen ständerlosen Limoger Pyxiden sind bisweilen Steine als Schmuck
angebracht. Verschwunden sind heute mitsamt dem Ständer die Steine, die den
jJeckel eines Ziboriums des i3. Jahrhunderts mit schalenförmiger Kuppa im
Bayerischen Nationalmuseum zierten.
Häufiger als auf mittelalterlichen begegnen uns Steine als Schmuck auf Zi-
borien des Barocks, an denen sie bisweilen, ähnlich wie bei den gleichzeitigen
flehen in sehr erheblicher Zahl angebracht sind, so beispielsweise an dem
jurch seinen Emailschmuck hervorragenden Prachtziborium zu Laudenbach
(°A. Mergentheim) in Württemberg (Tafel 58), dem mit Silberfiligran über-
dumt i -^; *^: E* licet exterius ruttlent de corpore (sei. crismalis) gemmae — Aurea
a tulv»s flavescit bulla metallis — Sed tarnen uberius ditantur viscera crassa — Intus
WH flagrat pulcherrima Christi — Candida. (11) Rk.ev, Gesta 190. (12) Dugdale
*' 1385- (13) Bibl. XLV (1884) 34. (14) Regesti dementia V. app. I, 384.
**' DAS CHRISTLICHE AI.TARGERÄT »
338 VASA SACRA. DRITTER ABSCHNITT. DAS ZIBORIUM
Warwick-Ziborium wird als Arbeit eines englischen Meisters angesprochen, die beiden
anderen Pyxiden mögen von einem der vielen Goldschmiede der Maasschulc geschaffen
worden sein.
Mit figurlichen, in Gold ausgesparten Darstellungen auf blauem und rotem Email-
grund geschmückt sind auch das schon erwähnte Ziborium im Stift Klosterneubitrg (16)
und ein Ziborium der ehemaligen Sammlung Oppenheim, das sich jetzt im Besitz von
Pierpont Morgan befindet, (17) Arbeiten aus dem frühen 14. Jahrhundert und Wiener
Herkunft, wie es scheint. Jenes weist Emailbilder an der achtseitigen, becherförmigen
Kuppa und dem Deckel auf (Begebenheiten aus dem Leben Jesu und Halbfiguren von Pro-
pheten), wozu noch an der Innenseite des Deckels eine Darstellung des Auferstandenen
und unter dem Fuß des Ziboriums eine einst unter dem Boden der anfänglich ständer-
losen Kuppa angebrachte symbolische Darstellung des Löwen, der seine Jungen zum Leben
erweckt, kommen. Dieses zeigt Emailbilder auf dem sechsseitigen Fuß (Brustbilder von
Propheten mit Spruchbändern), am sechsseitigen Nodus (Köpfe von Heiligen), an den
sechs Seiten der Kuppa (Passionsszenen) und auf dem sech^eitiL'i'n pyramidenförmigen
Deckel (Evangelistensymhole und Banken). Ein Ziborium des i/|. Jahrhunderts im Germa-
nischen Museum zu Nürnberg (Tafel 57), eines der prächtigsten seiner Art, ist auf dem
Fuß, an den Zapfen des Nodus, an den Seiten der sechsseitigen Kuppa, -an den über den-
selben sich erhebenden Giebeln und an den sechs Seiten des pyramidalen Deckels mit Hei-
ligend arstellungen (Ganzfiguren, Halbfiguren, Büsten) in durchsichtigem Reliefschmelz
geschmückt, ein Ziborium des 14-Jahrhunderts im Münster zu Überlingen (Tafel 57) an
der sechsseitigen Kuppa mit kräftig vortretenden Rundmedaillons, welche Heilige in Gold
auf Emailgrund enthalten, besetzt. Darstellungen aus dem Leben des Herrn in durchsich-
tigem Reliefschmelz finden sich an den Seiten der sechsseitigen Kuppa eines spanischen
Ziboriumsaus dem Ende des ii. oder der Frühe des 15. Jahrhunderts in englischem Privat-
besitz (Tafel 56), Halbfiguren von Heiligen in gleicher Technik auf den sechs Seiten des
niedrigen Deckels desselben. Ein flämisches oder nordfranzösisches Ziborium im Viktoria-
«nd-Albert-Musenm aus dem frühen 1/1. Jahrhundert hat außen in Gruben schmelz ausge-
führte Figuren der zwölf Apostel, innen in gleicher Technik auf dem Boden eine von den
Evangelistensymbolen umgebene Majestasdarstellung, unter dem Deckel die Figuren des
heiligen Eustachius und seiner zwei Söhne.
Die angeführten, denen sich noch das eine oder andere minder bemerkenswerte Bei-
spiel anfügen ließe, sind zweifellos nicht die einzigen mit Email geschmückten euclia-
ristischen Pyxiden nicht Limoger Herkunft, die im ii- Jahrhundert entstanden, in so
erheblicher Zahl wie zu Limoges sind solche jedoch nirgends anderswo hergestellt worden.
Eine allgemeine Verbreitung hat das Email zur Verzierung der zur Aufbewahrung des
Allerheiligsten dienenden Pvsis nicht erlangt. Ein vereinzeltes Beispiel von reichlicher
Verwendung von Email aus nachmittelalterlicher Zeit bietet das Ziborium zu Laudenbach
<n Württemberg. Auffallend ist, daß im Maleremail ausgeführte Medaillons, die uns so
häufig auf dem Fuß und an der Kuppa der Kelche des Spätbarocks und Rokokos begegnen,
auf den Ziborien der gleichen Zeit — als Beispiel sei nur genannt ein Ziborium zu Gött-
weig aus der "Mitte des 18. Jahrhunderts (18) — weit seltener vorkommen.
Niello dürfte nur sehr selten zur Verzierung des Ziboriums benützt worden
sein. Niellierte Inschriften finden sich auf der Pyxis aus Aywieres im Museum
zu Brüssel; Niellobilder, Passionsszenen, Halbfiguren von Heiligen und Engel-
bösien und nielliertes Ornament schmücken Fuß, Nodus, Kuppa und Deckel
eines prachtvollen gotisierenden Ziboriums portugiesischer Herkunft in der
ehemaligen Sammlung Spitzer. (19)
(16) Vgl. oben S. 307. (17) Zeitschrift XVII (1904) 271 mit Abb.
(18) Abb. in Kunsttopoer. I, 467. (19) Mommer, La collect. Spitzer I, Orfevr. rehg.
»176 mit Abb.
340 VASA SACRA. DRITTER ABSCHNITT. DAS ZIBORIUM
daß das heiligste Sakrament die Frucht des Erlösungsleidens und Opfertodes
Christi ist, und daß der Leib des Herrn, der in der Kommunion sakramental
unter den Gestalten des Brotes empfangen wird, eben derjenige ist, den er in
seinem Leiden und Sterben zur Sühne für die Sünden der Menschen hingab.
Die Taube, das Symbol des Heiligen Geistes, begegnet uns an der Innenseite
des Deckels einer kleinen Pyxis der ehemaligen Sammlung Clemens im Kunst-
gewerbemuseum zu Köln. Eine Hostie im Schnabel haltend, eine durchaus ver-
einzelt dastehende Darstellung der Taube, soll sie symbolisieren, daß das Wun-
der der Wesenswandlung durch die Allmacht des Heiligen Geistes vollbracht
wird.
Die segnende Rechte Gottes ist an der Unterseite des Deckels des Ziboriums
des Alpais im Louvre zu Paris dargestellt, dem einzigen der noch vorhandenen
mittelalterlichen Ziborien, an dem wir sie antreffen. Auch sie sollte darauf hin-
weisen, daß die Umwandlung der Substanz des Brotes in den Leib Christi das
Werk der göttlichen Allmacht ist.
Für die Limoger Pyxiden ist das häufige Vorkommen der Monogramme der
Namen Jesus und Christus als Schmuck derselben kennzeichnend. Das letztere
Monogramm dürfte sonst an den mittelalterlichen und nachmittelalterlichen
Pyxiden sich kaum finden, wenigstens ist es mir an anderen als Limoger Pyxi-
den nicht begegnet. Das erstere ist zwar auch den Pyxiden, die nicht aus Limo-
ges stammen, nicht ganz fremd, aber, auffallend genug, nur sehr selten auf
diesen angebracht.
AlltestamentUche Darstellungen zeigen außer den beiden emaillierten Pyxi-
den in englischem Privatbesitz (20) beispielsweise weiter noch eine Pyxis deut-
scher Herkunft aus dem Ende des 12. oder dem frühen i3. Jahrhundert im
Vikteria-und-Albert-Museum zu London, das Warwickziborium daselbst, ein
spätgotisches Ziborium zu Reichenbach in Württemberg sowie ein um 1600
entstandenes Renaissanceziborium in St. Aldegundis zu Emmerich. Die an er-
ster Stelle genannte Pyxis weist am Mantel die Halbfiguren Melchisedechs,
Abrahams. Isaaks und Jakobs auf, an der Kuppa des Warwickziboriums sehen
wir abgebildet Kain und Abel, ihr Opfer darbringend, Moses vor dem brennen-
den Dornbusch, Isaaks Beschneidung, Isaak das Holz zum Opfer tragend, Abra-
ham, im Begriff stehend Isaak zu opfern, und Jonas, vom Seeungeheuer aus-
geworfen; Darstellungen, die der Mehrzahl nach auch an der Kuppa der beiden
in englischem Privatbesitz befindlichen Pyxiden angebracht sind. An dem Zi-
borium zu Reichenbach begegnen uns drei alttestamentliche Bilder, Abrahams
Opfer, Melchisedechs Opfer und der Mannaregen, am Ziborium zu Emmerich
aber nicht weniger denn acht, auf dem Fuß: Elieser und Rebekka am Brunnen
und Moses, das Wasser aus dem Felsen schlagend, an der Kuppa: das Mahl der
drei Engel bei Abraham, Melchisedechs Opfer und das Ostermahl der Juden,
aiif dem Deckel: der Umzug mit der Bundeslade um die Mauern Jerichos, der
Mannaregen und die beiden Kundschafter mit der Traube. Alle sind typische
Darstellungen, doch sind sie nur zum Teil direkte Typen der Eucharistie.
bringung im Tempel und Kreuzigung, bald endlich Jugendleben-, Passions-- und Glorifi-
kalionsszenen, wie das mit Perlstickerei verzierte Ziborium des Schnütgeimiuseunis, das
portugiesische Ziborium der ehemaligen Sammlung Spitzer sowie namentlich das Ziborium
im Stift Klostemeuburg, das in siebzehn Emailbildern ein förmliches Leben Christi zur
Darstellung bringt: Verkündigung, Geburt, die Darbringung im Tempel, die Weisen auf
dem Wege nach Bethlehem, die Anbetung des Kindes, die Heimkehr des zwölfjährigen
Jesusknaben nach Nazareth, das Gebet am ölberg, die Gefangennahme, Christus vor Pilatus,
die Geißelung, die Dornenkrönung, die Kreuz trag ung, Christus am Kreuze, die Abnahme
vom Kreuze, die Auferstehung, der Tod Marias, die Krönung Marias. Die Leidensszenen,
unter denen je ein Prophet dargestellt ist, befinden sich an der Kuppa, die Szene der
Auferstehung an der Innenseite des Deckels, die übrigen auf dem Deckel. (24) An der
Kuppa des Ziboriums im Dom zu Frauenburg sind nur die Fußwaschung und das Letzte
Abendmahl dargestellt. Ein sechsseitiges spätgotisches Ziborium zu Niederlahnstein zeigt
als Schmuck diu Verkündigung des Herrn, seineGeburt, seine Taufe sowie Szenen aus dem
Leben seines Vorläufers. Vergleicht man die Darstellungen aus dem Leben und Leiden
des Herrn, die an den Ziborien angebracht sind, mit den gleichen Darstellungen an den
Kelchen, so gewahrt man, daß es nicht nur dieselben sind, sondern daß sie auch dort zu
den gleichen Gruppen wie auf diesen zusammengeordnet sind. Indessen ist das unschwer
verständlich. Waren doch bei den Kelchen wie bei den Ziborien die gleichen Gedanken-
gänge für die Wahl des Bildwerks bestimmend.
auch hier stellen dieselben einen förmlichen Engelreigen dar. Eine bei spani-
schen Ziborien mehrfach vorkommende Eigentümlichkeit sind die zwei, die
Kuppa beiderseits begleitenden, anbetenden oder nach Ministrantenart einen
Leuchter haltenden Engelstatuettchen {Tafel 56). (26)
Propheten sind nur an sehr wenigen Pyxiden zur Darstellung gekommen. An
der Kuppa finden sich solche beim Ziborium im Stift Klosterneuburg; sie sind
hier unterhalb der Passionsszenen angebracht. Auf dem Fuß sehen wir Prophe-
ten abgebildet bei dem aus der Sammlung Oppenheim stammenden Ziborium
im Besitz Pierpont Morgans. Welche Propheten wiedergegeben sind, läßt sich
weder dort wie hier feststellen, da jede Beischrift zu den Figuren, die uns dar-
über Aufschluß geben könnte, fehlt. Dargestellt sind die Propheten an beiden
Ziborien, um zum Ausdruck zu bringen, daß die Begebenheilen aus dem Leben
des Herrn, denen sie zugeordnet sind, die Erfüllung dessen sind, was im Alten
Buude die Propheten vom Erlöser vorherverkündigten.
Bilder der Apostel treffen wir häufiger an den Ziborien an. Als Einzelfiguren
und zusammen mit Heiligen dargestellt, haben sie keine andere Bedeutung, be-
sagen sie nichts anderes als diese. Eine besondere Beachtung beanspruchen sie
nur, wenn alle zwölf zugleich auftreten, die Apostel also in ihrer Gesamtheit,
als das Apostelkollegium wiedergegeben sind, wie am Ziborium des Meisters
Alpais im Louvre, an der Pyxis der ehemaligen Sammlung Clemens im Kunst-
gewerbemuseum zu Köln und an einer Pyxis im Historischen Museum zu Stock-
holm, alle drei Schöpfungen des i3. Jahrhunderts, an einer Pyxis im Viktoria-
und-Albert-Museum, einer Pyxis im Germanischen Museum, dem Ziborium zu
Bocholt in Westfalen, sowie einem Ziborium der ehemaligen Sammlung Basi-
lewsky (Tfl. 5s), Arbeiten des i4. Jahrhunderts, bei dem Bocholter an der Kuppa
und am Deckel, bei dein letztgenannten auf dem Deckel, bei den andern an
der Kuppa. Unvollständig erscheint das Apostelkollegium an der Holzpyxis aus
Leinde im Museum zu Braunschweig, doch waren die sechs heute fehlenden
wohl ehedem dem Deckel aufgemalt. Ziborien, an denen die heiligen Zwölf-
boten vollzählig sich finden, haben sich aus dem i5. Jahrhundert in den Pfarr-
kirchen zu Lüdinghausen, Buldern und Dülmen in Westfalen erhalten, aus dem
frühen 16. in der Liebfrauen- und in der Lambertikirche zu Münster. Alle fünf
zeigen eine mehrseitige Kuppa.
Am Ziborium, also um den in diesem sakramental gegenwärtigen Gottmen-
schen in ihrer Gesamtheit dargestellt, sollten die Apostel an das Letzte Abend-
mahl, wie es scheint, erinnern, bei dem jener, ihr Meister, in ihrem Kreise das
erste eucharistische Opfer des Neuen Bundes feierte, ihnen sich selbst seiner
Verheißung gemäß zur Seelenspeise darbot und die Vollmacht wie den Auf-
trag gab, das was er getan, zum Gedächtnis an ihn zu wiederholen. Die Wieder-
gabe der heiligen Zwölfboten an den Ziborien ist eine der sinnvollsten Darstel-
lungen, mit denen das Ziborium geschmückt werden konnte und geschmückt
worden ist.
(26) Vgl. oben S. 313. Andere Beispiele in der Sammlung Lazaro zu Madrid; Abb. in La
colleceiön Lazaro de Madrid (Madrid 1826) Nr. 239, 360, 823.
FÜNFTES KAPITEL. AUSSTATTUNG. III. INSCHRIFTEN 345
Darstellungen von Heiligen kommen, wenn wir von Maria und den Aposteln
absehen, vor dem i4- Jahrhundert an Ziborien kaum vor, jedenfalls treten sie
erst im Verlauf des i4- häufiger an denselben auf. Daß man auch ihnen einen
Platz an den Ziborien gewährte, dafür war nicht nur ihre Heiligkeit und Ver-
ehrungswürdigkeit, ihre Stellung in der Heilsordnung als Fürbitter bei Gott
für ihre noch in den Lebenskämpfen stehenden Mitbrüder auf Erden und ihre
innigen Beziehungen zu Christus, dem Urgrund und zugleich dem Lohn ihres
heldenhaften übernatürlichen Tugendlebens, bestimmend, sondern besonders
auch die Erwägung, daß ihre Heiligkeit nicht zum wenigsten die Frucht des
Genusses der gnadenreichen Seelenspeise war, die der Heiland in eben jenem
Sakrament, das die Pyxis birgt, seinen Jüngern und Dienern zur Erhaltung, zur
Stärkung und zum Wachstum im übernatürlichen Leben darbietet. Welche Hei-
ligen zur Darstellung gebracht werden sollten, hing natürlich von den jeweili-
gen Umständen ab. Hier waren es der oder die Patrone der Kirche, für die das
Ziborium hergestellt wurde, dort der oder die Patrone des frommen Stifters,
der es anfertigen ließ, anderswo Heilige, die sich bei den Gläubigen einer be-
sondern Verehrung erfreuten.
Allegorische Darstellungen finden sich an den Ziborien, die sich aus dem
Mittelalter und nachmittelalterlicher Zeit erhalten haben, meines Wissens nicht;
es ist mir keines mit einer solchen bekannt geworden. Denn die stehenden, nim-
benlosen männlichen Figuren mit Spruchbändern, auf denen die acht Selig-
preisungen geschrieben sind, wie sie den Seiten der Kuppa der Ziborien zu
Itecs und Bocholt eingraviert sind, kann man wohl nicht als allegorische Ge-
stalten deuten, freilich auch nicht als Heilige. Am ehesten mögen sie Propheten
wiedergeben sollen.
Ein Stifterbild begegnet uns auf dem Fuß des Ziboriums zu Rees. Es stellt
dessen Schenkgeber, den Kanonikus der Stiftskirche allda, Johannes de Co-
lonia, kniend dar, in der Hand ein Spruchband mit der Inschrift: Domine mise-
rere mei.
IIT. INSCHRIFTEN
Wie beim Kelch und der Patene sind auch bei den mittelalterlichen Ziborien
außer Bildwerk auch wohl Inschriften als Schmuck verwendet worden. Denn
auch bei ihnen sind die Inschriften, die sich auf ihnen finden, ersichtlich als
Dekor gedacht. Die meist sorgfältige Ausführung und die Art und Weise, wie
sie angebracht sind, bekunden das. Sie befinden sich bald am Fuß, bald, und
zwar am gewöhnlichsten, an der Kuppa, bald auf dem Deckel. Eine Pyxis im
Museum zu Brüssel weist eine Inschrift sowohl an der Kuppa wie auf dem
Deckel auf. Im Innern auf dem Boden ist die Inschrift angebracht bei dem
Ziborium des Meisters Alpais in der Sammlung des Louvre. Daß sie auch hier
ornamental gedacht ist, erhellt aus dem Umstand, daß sie die Umschrift eines
Medaillons mit der gravierten Halbfigur eines Engels bildet, dem im Innern des
Deckels ein Medaillon mit der segnenden Rechten Gottes entspricht. Übrigens
ist die Zahl der Inschriften, die uns an den mittelalterlichen Ziborien begegnet,
erheblich geringer als die der Inschriften der Kelche und Patenen.
346 VASA SACRA. DRITTER ABSCHNITT. DAS ZIBORIUM
' Inhaltlich lassen sich die Inschriften der Ziborien ähnlich wie die der Kelche
und Patenen in vier Gruppen scheiden. Die der ersten Gruppe sind dogmati-
scher Art, beziehen sich auf den heiligen Inhalt des Behälters, bringen den
Glauben an die wahre und wirkliche Gegenwart Christi im heiligsten Sakra-
ment, zu dessen Aufbewahrung er bestimmt war, zum Ausdruck. Sie können
von großer Wichtigkeit sein, sofern sie seinen eucharistischen Charakter ver-
bürgen. So würde man in dem Holzkästchen zu Lugnano (27) einen Behälter zur
Aufbewahrung der Eucharistie auch nicht entfernt vermuten, wenn die Inschrift
auf dem Deckel: Pro pane vite nicht allen Zweifel daran beseitigte und kaum
anders verhält es sich mit dem hölzernen Ziborium aus Leinde im Museum zu
Braunschweig, das durch die Inschrift am Rande der Kuppa: j Hie est panis
qui de celo descen(dit) mit Bestimmtheit als Behälter für das Allerheiligste er-
wiesen wird.
Andere lehrreiche Beispiele bieten die kleine flache Pyxis der Sammlung Clemens im
Kunstgewerbemuseum zu Köln, deren eucharistische Bestimmung allerdings schon deut-
lii'Ii ::i'iiHL." in ihiviii Bil<r,M-rk /um jinisfälli^i'n W-rlrurk k;>m:nt. niuhi- und deutlichiT
aber noch durch die ihren oberen und unteren Kand umziehende Inschrift: Ego sum panis
vivus qui de celo descendl — Si quis mandueaverit ex hoc pane vivet in aeternum gewähr-
leistet wird; die Pyxis mit den Halbfiguren Melchisedechs, Abrahams, Isaaks und Jakobs
im Viktoria-und-Albert-Museum, deren eucharistischer Charakter aus der den Deckel um-
ziehenden Inschrift: Intus portatur, per qued mund(us) satiatur — Credenti magnum
tollit peccata per agnum klar erhellt; eine niedrige flache runde Kapsel aus vergoldetem
Kupfer im Bayerischen Nationalmuseum, die wohl niemand für eine eucharistische Pyxis
halten würde, wenn nicht auf ihrem Deckel und um den Zylinder herum die Inschriften
eingraviert wären: f Ecce panis angelorum, factus eibus viatorum und f Factus est pro
nobis obediens usque ad mortem sowie die Pyxis im Museum zu Brüssel, deren Deckel-
inschrift: -f Discat qui nescit, hie hostia saneta quiescit, keinen Zweifel läßt, daß es sich
auch bei ihr um eine eucharistische Pyxis, nicht um ein bloßes Reliquiar handelt.
Sehr eindringlich betonen die Inschriften an einem spätmittelalterlichen Ziborium im
Franzensmuse um zu Brunn (28) den Glauben an die wahre und wirkliche Gegenwart des
Gottmenschen im heiligsten Sakrament. Sie muten an, als habe man sich in der Beteuerung
dieses Glaubens nicht genug tun können. Lesen wir doch sachlich das gleiche auf Deckel,
Kuppa und Fuß; auf dem ersteren ^ Corpus rlomini nostri Jesu, auf der zweiten: -[" Hoc est
corpus Jesu christi, auf dem dritten: -J- Ego sum panis (wohl zu ergänzen: vivus qui de celo
descendi), welch letztere Inschrift beliebt gewesen sein muß. Kommt sie z. B. doch auch an
zwei Ziborien im Historischen Museum zu Stockholm (29) und einem Ziborium in der
Pfarrkirche zu Burghausen (29a) vor. Eine runde, heute ihres Ständers beraubte Pyxis
im Priesterseminar zu Freising zeigt an der Zarge des Deckels und um den oberen Rand
der Kuppa herum die Inschrift: f Dum corpus Christi sacratur ab ore magistri — f Vinuin
fit sanguis panis substantia carnis, auf dem Fuß des Ziboriums zu Pollenfeld von i55a
aber lesen wir: Das ist das haus des lebendigen Götz suns. (30) Die Inschrift eines Ziboriums
im Historischen Museum zu Stockholm kleidet den Glauben an Christi Gegenwart im heilig-
sten Sakrament in den Gruß: -j- Ave verum corpus, natum ex Maria virgine — vere passum
in cruce in mortem pro nomine. Auf die Versehgänge weist., wie ^s scheint, die eigenartige,
Luk 4,3o entnommene, wenn auch in anderm Sinne als dort gebrauchte Inschrift eines
weiteren Ziboriums desselben Museums hin: flhesus autem transiens per medium iI(lorum).
Inschriften der zweiten Gruppe, das ist Inschriften, welche angebrachtes Bild-
werk erklären, kommen, soweit es sich nicht etwa um den einer Heiligenfigur
(27) Vgl. oben S. 294. (28) Mitt. XVIII (1873) 211. (29) Hildebraisd IH, 570 f.
(29a) Kd. von Oberbayern III, 2435. (30) Kd. von Bayern, Mittelfranken II, 296.
FÜNFTES KAPITEL. AUSSTATTUNG. 111. INSCHRIFTEN 347
beigefügten Namen derselben handelt, an Ziborien des i!\. und i5. Jahrhun-
derts nicht mehr vor. Wir treffen sie nur hei einigen dem Ende des 12. Jahr-
hunderts entstammenden an, den beiden mit Emailbildern geschmückten Hänge-
ziborien in englischem Privatbesitz und dem Warwickziborium im Viktoria-
und-Albert-Museum. Sie erläutern die alt- und neutestamentlichen Szenen, mit
denen dieselben ausgestattet sind und befinden sich bei jenen beiden ersten auf
der kreisförmigen Einfassung der Darstellungen, bei dem dritten umziehen sie
oberhalb der Bilder in fortlaufender Reihe die Kuppa.
Die dritte Gruppe umfaßt die Inschriften von rein religiöser Art, wie Begrü-
fSungen, Anrufungen, Empfehlungen. Auch sie sind wenig zahlreich, aber auch
zumeist ohne Bedeutung. Bemerkenswert, daß sich unter ihnen namentlich
auch mehrfach an Maria gerichtete finden. So enthalten eine Begrüßung Marias
im Anschluß an den Engelgruß fünf der vierzehn Ziborien im Historischen
Museum zu Stockholm. Auf einem sechsten derselben lesen wir die an Maria
gerichtete innige Bitte: f Maria, mater gracie, mater raisericordie, tu nos ab
hoste protege in hora mortis. Ave genade vrauwe mir. Eine Inschrift, für die
man nicht bloß auf den Ziborien, sondern überhaupt auf den mittelalterlichen
Utargeräten ein Gegenstück kaum antreffen wird, begegnet uns auf dem Zi-
borium aus Vintrosa im Historischen Museum zu Stockholm. Wie im Lapidar-
stil heißt es hier in der in Majuskeln gravierten Inschrift, die den Fuß um-
randet : j Pax patrie, decus ecclesie. Dem Vaterland möge Friede, der Kirche
Zier werden, wünscht und bittet sie.
Süfterinschriften, die vierte Inschriftengruppe, finden sich beispielsweise auf
der aus Aywieres stammenden Pyxis im Museum zu Brüssel, an deren zylindri-
scher Kuppa sich ihr Schenkgeber durch die niellierte Inschrift: Elemosina Bal-
duini de Namuco dicti de Villerec sacerdotis. Pater n(oster) pr(o) anima Bal-
duini verewigt hat, an einer 1910 zu Strängnäs ausgestellten Pyxis, (30a) an
einer Pyxis im Dom zu Osnabrück, (31) an einem der Versehkreuze im Schnüt-
genmuseum zu Köln (32) sowie an der Pyxis zu Rees, die an der Zarge des
Fußes die aus dem Grund herausgehobene Minuskelinschrift aufweist: f Anno
Domini MCGCXCVI V kal. marcii obiit Johannes de Colonia canonicus Reys-
sensis et eius bonis procuratum est hoc vas, cuius anima requiescat cum Omni-
bus iustis in saneta pace. Amen. Über die Entstehung eines Ziboriums zu Nieder-
lahnslein am Rhein gibt uns eine an ihm angebrachte deutsche Inschrift Aus-
kunft: Allyn lyden sy kont, lautet sie, dat dvse boyse hayt dvn machin arm unde
richc dy gemeine von Nyderlaynsteyn. Amen dico. Meisterinschriften treffen
wir an zwei künstlerisch sehr ungleichen eucharistischen Behältern an, dem
schlichten, mit Schiebdeckel versehenen Holzkästchen zu Lugnano und dem
ganz mit Email geschmückten Prachtziborium des Meisters Alpais im Louvre
zu Paris. (33)
(30a) Vgl. oben ö. 306, Note 17. (31) Vgl. oben S. 306. (32) Vgl. oben S. 328.
(33) Vgl. oben S. 294 und S. 314.
348 VASA SACRA. DRITTER ABSCHNITT. DIB MONSTRANZ
DIE MONSTRANZ
ERSTES KAPITEL
nötig ist, nach Gebrauch von kleineren Partikelchen, die sich etwa von der
Hostie loslösten, leicht und vollständig purifizieren zu können. Wie die Mon-
stranz, so braucht auch die Lunula nicht aus Silber zu bestehen, sondern kann
laut dem vorhin angeführten Dekret der Ritenkongregation vom 31. August
1867 auch aus vergoldetem Kupfer gemacht werden. Drittens muß die Mon-
stranz so beschaffen sein, daß sie zur feierlichen Aussetzung hingestellt, zur
Erteilung des Segens benutzt sowie bei sakramentalen Prozessionen getragen
werden kann und darum mit einem passenden Ständer versehen sein, ohne den
sie ja auch unhandlich sein würde und für jene Zwecke nicht gebraucht wer-
den könnte. Auf der Spitze soll die Monstranz nach Herkommen von einem
Kreuzchen bekrönt sein, wie auch eine Antwort der Ritenkongregation vom
11. September 1847 betont. (4)
ZWEITES KAPITEL
BENENNUNGEN UND ALTER DER MONSTRANZ
Die Benennungen, mit denen man die Monstranz bezeichnete und bezeichnet,
sind im Gegensatz zu den vielen Benennungen des Ziboriums wenig zahlreich.
Begreiflich übrigens, da es sich bei ihr um ein Gerät handelt, das erst im spä-
ten Mittelalter in Gebrauch kam. Sie sind ostensorium, monstrantia, custodia,
tabernaculum, hierotheca.
1. Ostensorium ist die offizielle kirchliche Benennung des Geräts. Ein Blick
auf die zahlreichen, zumeist seine Verwendung betreffenden Entscheidungen
der Ritenkongregation bekundet das. Es wird in denselben ausschließlich osten-
sorium genannt. Im Mittelalter scheint diese Bezeichnung noch nicht gebräuch-
lich gewesen zu sein; wenigstens ist mir kein Beleg für ihre damalige Verwen-
dung in dem Sinne, den ostensorium heute im kirchlichen Sprachgebrauch hat,
bekannt geworden. Insbesondere begegnet uns in den Inventaren das Wort in
dieser Bedeutung nie. Darum findet es sich auch bei Du Cange nicht. Selbst
dem heiligen Karl Borromäus ist ostensorium als Benennung der Monstranz
noch völlig fremd. Der Regensburger Generalvikar Myller kennt dann freilich
in seinem i5qi erschienenen Ornatus ecclesiasticus den Namen ostensorium be-
reits, bemerkt aber zugleich, daß das Gerät gewöhnlich monstrantia genannt
werde, wie er es denn auch in der Folge nur mehr monstrantia nennt. (1) Die
Bezeichnung ostensorium ist demnach, wie es scheint, erst im Laufe des
16. Jahrhunderts gebräuchlich geworden. In die Volkssprache ist ostensorium
nur in Italien als ostensorio und in Frankreich als ostensoire übergegangen.
Genannt werde das Gerat ostensorium, weil in ihm der Leib des Herrn den
Gläubigen gezeigt werde, bemerkt Myller.
2. Monstrantia ist in Deutschland von jeher, das ist seit dem ersten Auftreten
des Behälters, in dem das Allerheiligste Öffentlich zur Verehrung ausgesetzt und
(4) Decret auth. n.2957.
(1) C. 17: Primum est ergo ostensorium aeu quod vulgo monstrantia dicitur.
350 VASA SACRA. DRITTER ABSCHNITT. DIE MONSTRANZ
{2) Podlaha, app. IV. Gefäße von ähnlicher Art, wie man sie bei der Fronleichnamspro-
zession zum öffentlichen Herumtragen des heiligsten Sakramentes gebrauchte, wurden hier-
nach auch wohl zu Krankenversehgängea anstatt der Pyxis verwendet. (3) Bock, St. Jo-
hann 14. Von dem Gefäß, in dem das heiligste Sakrament zu den Kranken gebracht jvurde,
heißt es hier: Item sylveren byisse (Pyxis), da man dat heilige Sakrament eynen brenght
den Seighen, darezu gehört eine sylvern achter buysse und ein sylveren schaelgin (eine
kleine Schale zur Ablution, nicht, wie Bock meint, ein Glöckchen). (4) Mitt. II (1857) 152.
(5) Hemi. Boos, Monumenta Wormatiensia (Berlin 1893) 3 f. (6) Archiv des Hist. Ver.
für Ünterfranken und Würzburg IV (1838) 133. (7) Hartzh. V, 416. (8) Anzeiger, iN. F.
XV (1868) 15. (9) Ebd., N.F.XXI (1874) 170. (10) Roth, Geschichtsquellen von Nassau
III, 202: Eine Monstranz, silber und ubergult, eine monstranz, silber, da man daß heilig
sacrament dagelich yn hat. Es diente die Monstranz also auch wohl zur Aufbewahrung des
Allerheiligsten. (11) Tit. IV (Hartzh. VI, 8). (12) Archaeologia L, 34.
(13) L.1, c. 16 (Mart., Thes. III, 1304). (14) Die liturgischen Geräte der Sammlung
Schnütgen (Berlin 1913) 44. (15) Hartzh. IX, 520 und 642. (16) Ebd. 578.
ZWEITBS KAPITEL. I. BENENNUNGEN 351
von ihotx, (28) in einem Inventar der Kathedrale zu York von i5oo, (29) in
einem Inventar Karls V. von 1378, in dem zweimal die Rede ist von einem reli-
quiaire ä porter le corps Notre Seigneur, (30) in einem Inventar des Schlosses
Cornillon von 1379 sowie des Schlosses Verte-feuille von 1379, (31) in einem
Inventar von St-Martin zu Montpezat von i436. (32) Ein reliquiario para llevar
el cuerpo de Dios von n Mark Silber stiftete Leonore, die Gemahlin Karls III.
von Navarra. (33)
Genannt wurde der Behälter reliquiare zunächst wegen seiner formalen Ähnlichkeit
mit einem Reliquiar, dann aber auch, weil nicht selten der gleiche Behälter bald zur Auf-
nahme des Allerheiligsten, bald zu der von Reliquien diente oder zugleich mit dem heilig-
sten Sakrament auch wohl noch Reliquien enthielt. Item unum reliquiarium argenteum
album pro ponendo corpus Christi, ubi etiam plures sunt reliquiae, heißt es im Inventar
des Schlosses zu Cornillon; item unum reliquiarium magnum argenti deauratum cum reli-
quiis, in qua portatur corpus Christi im Inventar von Montpezat; item una magna mon-
strantia cuprea deaurata cum 6 ymaginibus pro corpore Christi et reliquiis. Ebenso wird
im Verzeichnis der zum Weifenschatz gehörenden Reliquiare von I,'|82 eine Monstranz auf-
geführt, die in der Fronleichnamsoktav zur Aussetzung des Allerheiligsten gebraucht wurde,
sonst aber Reliquien einschloß. (34) Noch im Inventar von Rössel im Emiland von 1097
hören wir von einer monstrantia pro processione cum eucharistia, in qua alüs temporibus
truncnlus cum affixis reliquüs asservatur.
Die Benennung jocale eignet dem Behälter in einem Inventar von N.-Dame
zu Paris aus dem Jahre i343, (35) in einem Inventar von Westminster des
Jahres 1388 (36) und in einem Inventar des Herzogs Jean von Berry aus dem
Jahre i4oi/3,(37) das vier der Behälter unter diesem Namen aufführt. Jocale
wurde er wohl nicht genannt wegen einer etwaigen besonders kostbaren Aus-
stattung oder wegen des Materials, aus dem er gemacht war, da keines jener
iocalia nach der Beschreibung, die wir von ihnen erhalten, in der einen oder in
der andern Beziehung etwas Außergewöhnliches darstellte, sondern wegen des
Juwels, das aufzunehmen, dessen Fassung zu sein, er bestimmt war.
Mit dem gräzisierten hierotheca bezeichnete man infolge Vorliebe für klassi-
zistische Benennungen den Behälter bisweilen im 17. Jahrhundert. Selbst einige
Synodalstatuten dieser Zeit nennen ihn so, wie die der Antwerpener Synode
von 1610, (38) der Kölner von i65i (39) und der Paderborner von 1688. (40)
Eine größere Verbreitung hat die Benennung hierotheca indessen, weil zu
fremdartig, nicht gefunden, noch hat sie sich zu behaupten vermocht.
In Frankreich erhielt der Behälter in der Zeit des Barocks wegen seiner
sonnenartigen Form den Namen soleil.
Der in dem Behälter der Monstranz angebrachte Halter für die heilige Hostie
heißt schon in den mittelalterlichen Inventaren wie heute lunula (engl, mone),
ein Zeichen, daß er schon damals die ihm heute eigene Form hatte. Im Süden
und Osten Deutschlands nannte man ihn, doch wohl erst seit dem 16. Jahr-
(28) Dkhaissks, Doc. 834. (29) Rawe 221. (30) Labarte 46, 125. (31) Revue XXXIV
(1884) 36. (32) Bullet, archeol. de la Soc. archeol. de Tam-et-Garonne V (1877) 150.
(33) Zeitschrift VII (1894) 291, Note 5. (34) Neumas«, 287.
(35) Revue archöol. XXVII (1874) 253. (36) Archaeologia LH (1890) 226.
(37) Guiffrey, Invent. du Jean, duc de Berry II (Paria 1896) 94 f. (38) Tit. VI, c. 6
(Hartzh. VIII, 991). (39) C. 8 (ebd. IX, 747). (40) Tit IV, n. 7 (ebd. X, 151).
ZWEITES KAPITEL, II. ALTER 353
Die Monstranz ist die Frucht der Einführung des Fronleichnamsfestes durch
Urban IV. (1264) oder genauer des mit diesem Feste in innigem Zusammen-
hange stehenden, weil aus ihm erwachsenen Brauches, das heiligste Sakrament
Öffentlich zur Verehrung auszusetzen und es zu gleichem Zwecke öffentlich in
Prozession umherzutragen.
Vor Einführung des Fronleichnamsfestes hat es noch keine Monstranz ge-
geben, wie es damals auch noch nicht üblich war, das Allerheiligste zur Ver-
ehrung auszusetzen und es noch keine sakramentale Prozession im Sinne der
durch das Fronleichnamsfest ins Dasein gerufenen Sakranientsprozession ge-
geben hat. Es konnte nicht einmal zur Bildung einer Monstranz kommen, weil
die nötigen Vorbedingungen hierfür, jene feierliche Aussetzung des Allerheilig-
sten und die feierliche Prozession mit demselben noch nicht in Übung waren.
Man hat allerdings den schon vor der Bulle UrbansIV. bestehenden Brauch, das heiligste
Sakrament über dem Altar aufgehängt aufzubewahren, als eine Art Aussetzung desselben
bezeichnet, (44) jedoch mit Unrecht, Man wird vergebens in den Quellen nach einer Be-
stätigung einer solchen Auffassung dieses Brauches suchen. Derselbe galt in keiner Hin-
sicht als eine exposiüo des Aller!(eiligsten, sondern lediglich als eine der verschiedenen
Arten der repositio desselben; er war nicht eine Aussetzung zum Zweck der Verehrung des
heiligsten Sakramentes, sondern lediglich eine Beisetzung desselben zum Zweck seiner Auf-
bewahrung für die Kommunion der Kranken, mochte nun der über dem schwebend auf-
gehängten Behälter, in dem es eingeschlossen war, in einer eucharistischen Taube oder
in einer Pyxis bestehen. Es handelte sich bei ihm ebensowenig um eine Aussetzung, wie es
eine Aussetzung war, wenn man das heiligste Sakrament anstatt in def Sakristei, in einem
Wandschrank oder in einem Sakramentshäuschen, in einer auf dem Altar stehenden Pyxis
oder in einem beweglich auf ihm aufgestellten tabernakelartigen Gfhäuse aufbewahrte,
die doch auch für jedermann sichtbar waren, oder wie es heute eine Aussetzung ist, wenn
das Allerheiligste in einem auf dem Altar errichteten, allen in die Augen fallenden Taber-
nakel beigesetzt werden muß.
Auch in dem durch den zweiten Ordo Mabillons für die Karolingerzeit bestehenden
Brauch, bei der Papstmesse auf den Altar eine Pyxis mit Hostien, die in einer früheren
Messe konsekriert worden waren, zu stellen, hat man eine Aussetzung des Allerheiligsten
sehen wollen, (45) indessen ebenfalls zu Unrecht. Man hat nicht erkannt, daß die capsa
mit den sancta während der Papstmesse nicht auf den Altar gestellt wurde, damit diese
Gegenstand der Verehrung seitens der Gläubigen seien, sondern lediglich, damit der Papst
ihr vor dem Pax Domini eine Partikel der früher konsekrierten Hostien entnehme, um
dieselbe in den Kelch einzusenken. In dem ersten römischen Ordo ist sogar nirgends die
Kede davon, daß die capsa überhaupt auf den Altar gestellt wurde. Unzutreffend ist aber
nicht nur, daß es sich bei dem Brauch um eine Aussetzung des heiligsten Sakramentes
gehandelt habe, sondern auch, daß die Pyxis im romischen Ritus in feierlichem Zuge
zum Altare getragen wurde; denn nach dem ersten römischen Ordo (/|6) waren es zwei
Akoljthen, welche die capsa mit den sancta herbeibrachten, nach dem zweiten (47) aber
stand sie beim Einzug des Papstes, wie es scheint, bereits auf dem Altar. Dann, daß sie im
römischen Ritus erst beim Offertorium herbeigebracht wurde; waren doch nach dem
ersten römischen Ordo die Akolythen schon beim Hingang des Papstes zum Altar mit der
capsa zur Stelle, nach dem zweiten aber befand sie sich, wie gesagt, bereits zu Anfang der
Messe auf dem Altar. Weiterhin, daß der Bellälter allgemein turris geheißen habe; wird
er ja im ersten Ordo nicht turris, sondern capsa genannt. Endlich, daß nach dem gallikani-
schen Ritus in einer turris bei dem Offertorium das heiligste Sakrament zum Altar gebracht
worden sei. Denn was man nach demselben bei dem Offertorium in der turris zum Altar
trug, waren die erst zu konsekrierenden oblatae. (48)
Selbst die Bestimmung der Admonitio synodah's, (49) es solle auf den Altar durchaus
nichts anderes gesetzt werden als die Evangelienbücher, die Reliquienbehälter und die
Pyxis mit dem Leib des Herrn zur Wegzehrung für die Kranken, hat man im Bestreben, ein
möglichst hohes Alter der Aussetzung des Allerh eiligsten nachzuweisen, unbegreiflicherweise
dahin gedeutet, als rede sie von einer Art Aussetzung des heiligsten Sakramentes, ähnlich
der unsrigen an hohen Festen. (50) Nicht von einer Aussetzung des AHerheiligsten, wie heute
an Festtagen, spricht sie, sondern von dem Altar als Aufbewahrungsort der Pyxis mit den
für die Kommunion der Kranken dienenden heiligen Hostien.
Als eine Art sakramentaler Prosession, die schon vor Einführung des Fronleichnams-
festes in Übung stand, hat man die Beisetzung der für die Präsanktifikatenmesse am "Kar-
freitag konsekrierten Hostie an dem für sie bestimmten Ort, die nach der Messe des Grün-
donnerstags stattfindet, sowie deren Wiedereinholung zum Altar am Karfreitag gedeutet.
Indessen geschah die eine wie die andere bis ins späte Mittelalter ohne feierliches Zermoniell
in sehr einfacher Weise und keineswegs in Form einer Prozession. Erst im i/j. Jahrhundert
nahmen sie unter Beeinflussung durch die Fronleichnamsprozessionen, wie es scheint, eine
reichere, dieser sich verähnlichende Gestalt an, ohne indessen dadurch eine wirkliche sakra-
mentale Prozession zu werden. Denn auch jetzt waren sie. gerade wie früher, nur eine
Beisetzung und eine Wiedereinholung des für die Kar frei tagsliturgie am Gründonnerstag
konsekrierten Hostie, wenn auch in feierlicher Gestalt.
Eher konnte die Palmprozession, wie sie im Dekret Fanfrancs (-j- 1089) (51) beschrieben
und im Süden Englands sowie in der IVorman'die vielfach üblich gewesen zu sein scheint, —
in der Kathedrale zu Rouen einem Ordinarium derselben zufolge noch im id. Jahrhun-
il'-v' '■'■■'-■- l)i'i i:'>:.';'i'lüi'L:icui'r fli.'fr.-irlici.iiiir ;.ls sr^ratüentulf; Pic/p^inn f;rdf:iitt.'t wmlwi.
Wurde doch bei ihr ein Schreinchen, in dem sich das heiligste Sakrament befand, mitge-
führt. In Wirklichkeit war jedoch auch sie keineswegs eine Sakramentsprozession wie die
spätere Fronleichnamsprozession und die von dieser abgeleiteten sakramentalen Prozessio-
nen. Denn ihr primärer und formaler Gegenstand war nicht das heiligste Sakrament, son-
(45) Witte 41: »In feierlichem Zuge wurde die eucliaristische Pyxis beim Offertorium
sowohl im römischen wie gallikanischen Ritus zum Altare getragen; der Diakon Öffnete
die Büchse und zeigte dem Papste die heilige Gestalt. Während der heiligen Feier hlieb
dieser Behälter, der allgemein turris (Turm) genannt wird, auf dem Altar, bildete also recht
eigentlich während der Dauer der Messe ein Aussetz ungsgerät.« (46) N.8 (M.78, 941)-
{Al) N.4 (ebd. 970). (48) Vgl. oben S. 244. (49) M 115, 677.
(50) Raible, Der Tabernakel einst und jetzt (Freiburg 1908) 130.
(51) Sect IV (M. 150, 456). (52) M. 147, 117.
ZWEITES KAPITEL. IL ALTER 355
dem die kultische Nachbildung des feierlichen Einzages des Herrn in Jerusalem. Das hei-
ligste Sakrament aber führte man bei ihr mit, um die Prozession nach Möglichkeit diesem
anzugleichen. Es sollte ähnlich die Stelle des einst in Jerusalem einziehenden Christus ver-
treten wie anderswo als Sinnbild Christi ein Kreuz, das Evangelienbuch sowie später auch
wohl eine auf einem Esel sitzende Figur des Herrn bei der Palmprozession mitgeführt
wurde. Nicht das bloße Mitnehmen des Allerheiligsten bei einer Prozession macht diese zu
einer sakramentalen, sondern der Zweck dieses Mitnehmens, die bei einer Sakramentspro-
zession, direkt, formal und wesentlich die öffentlcihe Verehrung des heiligsten Sakra-
mentes ist.
Übrigens hat es selbst nach Einführung des Fronleichnamsfestes bis zur Ent-
stehung der Monstranz noch eine gute Weile gedauert. Denn Aussetzung des
Allerheiligsten und Prozession mit demselben bildeten keineswegs von Anfang
an einen Bestandteil der liturgischen Feier des Fronleichnamsfestes, wie auch
weder die eine noch die andere in der Bulle Urbans IV. von 1264, ja nicht ein-
mal in der Konstitution Si Dominum, durch die Clemens V. i3i 1 die Bulle sei-
nes Vorgängers bestätigte, erwähnt wird. Erst allmählich kamen beide in Übung,
hier rascher und eher, dort langsamer und später. Auch bürgerten sie sich nicht
überall gleichzeitig ein, vielmehr scheint am frühesten die Prozession Eingang
gefunden zu haben. So kennt der Liber Ordinarius der Essener Stiftskirche aus
der zweiten Hälfte des i4- Jahrhunderts zwar schon die Prozession am Fron-
leichnamsfest, nicht aber auch schon die Aussetzung zur Anbetung des Aller-
heiligsten. (53) Außerdem aber hat man mancherorten zur Aussetzung des hei-
ligsten Sakramentes und zur Prozession mit demselben lange Zeit nicht ein
besonderes Gefäß, in dem dasselbe sichtbar angebracht war, ein Schaugefäß,
gebraucht. So ist in den Statuten der Synode von Lüttich des Jahres 1287,
trotzdem dort das Fronleichnamsfest schon eine gute Weile vorher eingeführt
worden war und gefeiert wurde, noch nicht von einer Monstranz die Rede, son-
dern lediglich von einer Pyxis, in qua corpus Christi reservatur vel ad infirmos
defertur. (54) Zu Gerona wurde die Fronleichnamsprozession schon i320, zu
Barcelona bereits i322 gefeiert, hier wie dort aber benutzte man bei ihr noch
keine Monstranz, sondern erst eine Pyxis. (55) Nach einem dem späteren
*4. Jahrhundert entstammenden Ordinarium der Kathedrale zu Rouen befand
sich das Allerheiligste bei der Fronleichnamsprozession derselben in einem f ere-
trum, einem Schrein, der von zwei Priestern getragen wurde. (56) In der Stifts-
kirche zu Essen benutzte man zur Prozession zufolge dem Liber Ordinarius
derselben noch in der zweiten Hälfte des i4- Jahrhunderts die Pyxis, in
ot-Martial zu Limoges aber nach einer aus diesem Jahre stammenden Gottes-
dienstordnung sogar noch 1470 einen reicher geschmückten Kelch. (57) Eine
Bestätigung erfährt das Gesagte durch Darstellungen der Fronleichnamsprozes-
sion aus dem i4. und i5. Jahrhundert, wie durch eine von Rohault de Fleury
veröffentlichte Miniatur einer Handschrift des i4- Jahrhunderts (58) sowie
(531 Fr. Arens, Der Liber Ordinarius der Essener Stiftskirche (Paderborn 1908) 93.
(54) C. 5, n. 33 (Hartzh. VII, 691). (55) Eneiclopedia universal illustrada europea-ame-
rieana unter custodia. (56) M. 147, 123. (57) Mart. 1.4, c.29; III (ed. Antwerp. 1764)
]97, wo auch noch ein anderes Beispiel angeführt wird.
(58) La messe V, Tfl. 379.
(59) Abb. bei Fr. Bock, Geschichte der liturg. Gewänder II (Bonn 1866) Tfl. 46.
356 VASA SACRA. DRITTER ABSCHNITT. DIE MONSTRANZ
des Erzstiftes Magdeburg war die Monstranz sogar überhaupt noch nicht in Ge-
brauch, obwohl die Fronleichnamsprozession in ihr schon in Übung stand. So
berichtet wenigstens der Magdeburger Dompropst Georg von Anhalt, der i53o
sich dem Luthertum zuwandte. Im Erzstift Magdeburg sei, sosagtderselbe,(63)
für die erst in newigkeit auffgerichte procession Corporis Christi bis auf den
heutigen Tag kein eigen Monstranz oder heuslein bereit. Man darf allerdings
fragen, ob seine Angabe streng wörtlich zu verstehen sei, jedenfalls ergibt sich
aus ihr, daß im Magdeburger Erzstift für die Fronleichnamsprozession zumeist
noch keine Monstranz, sondern die gewöhnliche Pyxis benutzt wurde.
Von den zahlreichen Synoden des ausgehenden 16. und des 17. Jahrhunderts
dringen nur mehr ein paar, wie die Beneventer von 1599, (64) die Konstanzer
von 1609 (65) und die Antwerpener von i6^3 (66) auf die Beschaffung einer
Monstranz. Die übrigen setzen eine solche als vorhanden voraus und han-
deln nur von ihrer materiellen Beschaffenheit. Freilich fehlte es noch im späten
17. Jahrhundert nicht an Kirchen, in denen eine solche noch nicht vorhanden
war. Die Visitationsberichte der Breslauer Diözese von 1687/88 (67) und die
Inventare badischer Kirchen aus dem Jahre i683 (68) bekunden das.
DRITTES KAPITEL
von den Monstranzen, die aus dieser Zeit sich erhalten haben, ist, wenn nicht
der größere, so doch ein sehr großer Teil aus Silber gemacht. Insbesondere be-
stehen alle künstlerisch hervorragenden unter ihnen zumeist aus Silber. Wo
immer man die nötigen Mittel beschaffen konnte, hat man die Monstranzen um
des hohen Zweckes willen, dem sie zu dienen bestimmt waren, aus Silber her-
gestellt und zwar auch in kleineren Stadt- und Landkirchen.
Indessen war die Monstranz doch auch schon im i4-. i5. und frühen
16. Jahrhundert sehr oft aus vergoldetem Kupfer angefertigt, vor allem in
ärmeren Kirchen, denen eine silberne Monstranz zu beschaffen nicht möglich
war, doch nicht bloß in ihnen, sondern auch in sehr hervorragenden Kirchen,
wie z.B. selbst in der Laterankirche zu Rom, im Dom zu Preßburg und im Dom
zu Freising, in welch letzterem es jedoch zugleich auch eine silberne gab. Item
unum tabernaculum de ere deauratum aptum ad ferendum corpus Christi, heißt
es in einem Inventar der Laterankirche von i455; (14) item una magna mon-
strantia cuprea deaurata cum sex imaginibus argenteis pro corpore Christi et
reliquüs im Inventar des Domes zu Preßburg von ida5; (15) item duae mon-
strantiae, quae dominicis diebus portantur, quarum una est argentea et alia cu-
prea im Inventar des Domes zu Freising von i456. (16) Aus vergoldetem Kupfer
besteht auch eine stattliche spätgotische Monstranz im Dom zu Münster. Meist
waren die aus Kupfer gemachten Monstranzen einfachere Arbeiten, doch gibt
es unter ihnen auch sehr reich entwickelte, künstlerisch hervorragende, die an
vollendeter Ausführung den gleichartigen silbernen nichts oder kaum etwas
nachgehen und lediglich durch ihr geringwertiges Material hinter denselben zu-
rückstehen. Zahlreiche in Messing gegossene, vielfach weder vergoldete noch
auch nur versilberte spätgotische Monstranzen entstanden um das Ende des i5.
und im Beginn des 16. Jahrhunderts.
Von Monstranzen aus Zinn vernehmen wir nie etwas in den Inventaren, noch
haben sich solche erhalten. Eine spätgotische Monstranz aus vergoldetem Holz,
die an Eleganz des Aufbaues und Feinheit der Ausführung mit ihren Schwe-
stern aus Silber und vergoldetem Kupfer wetteifert, hat sich im Dom zu Frei-
sing erhalten (Tafel 69). In Silber ausgeführt, nur etwas verkleinert, befindet
sich diese in der Pfarrkirche zu Waidhofen a. d. Ybbs.
In nachmittelalterlicher Zeit bleibt es bezüglich des Materials der Monstranz
wie in der vorausgehenden. Die reicheren Monstranzen, deren namentlich das
Barock sehr viele schuf, wurden regelmäßig aus Silber hergestellt, einfachere
aus vergoldetem Kupfer oder vergoldetem Messing, doch war auch bei diesen
die Lunula meist aus Silber gemacht, wie auch etwaiges Rankenwerk, die Engel-
köpfchen und Engelchen und sonstiges Ornament bei ihnen am gewöhnlichsten
aus Silber bestanden oder doch versilbert waren. Monstranzen aus Gold entstan-
den begreiflicherweise nur in geringerer Zahl. Immerhin fehlte es auch an sol-
chen nicht. So entstand eine goldene Monstranz in den Domen zu Gnesen und
Posen, im Dom zu Prag, im Dom zu Köln u. a. Bei silbernen Monstranzen
wurde bisweilen die Lunula aus Gold gemacht.
(14) Melanges d'archöol. et d'hiatoire IX (1889) 166. (15) Mitt. II (1857) 152.
(16) Anzeiger für Kunde deutsch. Vorzeit, n. F. XV (1868) 15.
360 VASA SACRA. DRITTER ABSCHNITT. DIE MONSTRANZ
VIERTES KAPITEL
FORMALE BESCHAFFENHEIT DER MONSTRANZ
VORBEMERKUNG
Die formale Beschaffenheit der Monstranz war nach Zeit und Ort mannig-
fach verschieden. Ein anderes Gebilde ist beispielsweise die am Behälter von
Strebepfeilern flankierte, hoch aufsteigende Turmmonstranz, wie sie im spä-
ten Mittelalter namentlich in Deutschland in Gebrauch war, ein ganz anderes
die nur wenig hohe, pyxiden- oder laternenartige Monstranz, wie sie um die-
selbe Zeit in Italien mit Vorzug Verwendung fand, ein anderes als beide die
Sonnenmonstranz des Barocks. Aber auch unter den Monstranzen, die densel-
ben Typus verkörperten, gab es, von der Hauptform abgesehen, in der Bildung
ihrer einzelnen Bestandteile eine außerordentliche Verschiedenheit und die
reichste Mannigfaltigkeit, wie die zahlreichen typisch gleichartigen Monstranzen
bekunden, die wir aus der Vergangenheit als deren Erbstücke überkommen
haben. Bei keinem der sonstigen liturgischen Geräte verbindet sich mit dem Fest-
halten an einen bestimmten Typus ein so reicher Wechsel in den Einzelheiten
wie bei der Monstranz. Jede soll und will, soweit sie Anspruch auf künstleri-
schen Wert macht, unbeschadet des Typus in der näheren Ausgestaltung des-
selben etwas besonderes, etwas Neues bieten. So aber verhielt es sich, wie die
vielen Monstranzen bekunden, die sich aus der Vorzeit erhalten haben, nicht nur
im Mittelalter, sondern auch weiterhin bis in die Zeit des späten Barocks und
des Rokokos hinein, ja in letzteren vielleicht noch mehr als im Mittelalter. Neue
Grundformen zu schaffen, war nicht das Ziel der Goldschmiede. Die Grund-
formen waren ihnen durch Brauch und Tradition gegeben; es waren die gerade
herrschenden Formtypen, die sie jedoch mit aller Freiheit und in größter
Mannigfaltigkeit, jeder in seiner Weise, zu verkörpern suchten und auch, weil
des Suchens nach einer neuen Grundform überhoben, mit allen ihnen eigenen
künstlerischen Mitteln zu verkörpern vermochten. Eine Ausnahme machten fast
nur die für ärmere Kirchen bestimmten, den herrschenden Typus in der ein-
fachsten Ausbildung wiedergebenden, zum Teil geradezu als eine Art Dutzend-
ware in Messingguß hergestellten Monstranzen, bei denen die Kunst ja auch
keine Gelegenheit zu reicherer Betätigung fand.
Der stilistischen Beschaffenheit der Monstranz entsprach keineswegs stets
ein bestimmter Formtypus. Was wir noch an gotischen Monstranzen aus dem
i4-, iö. und frühen 16. Jahrhundert haben, zeigt nicht nur den Typus der
Turmmonstranzen, sondern auch den der pyxidenförmigen und der retabel-
förmigen Monstranz und ebenso weisen die Renaissancemonstranzen sowie die
(17) Jungsitz III, 23.
VIERTES KAPITEL. FORM. I. MIT STÄNDER: GOTIK 361
Monstranzen des frühen Barocks nicht nur den Typus der Scheibenmonstranz,
sondern auch noch in zahlreichen Fällen den der Turmmonstranz und beson-
ders der retabelförmigen Monstranz auf. Erst bei den Monstranzen des Spät-
barocks und des Rokokos decken sich regelmäßig Stil und Form, entspricht der
Stileigentümlichkeit ein bestimmter Formtypus. Man kann darum auch nur
von einer Spätbarock- oder Rokokoform der Monstranz reden, nicht aber von
einer gotischen Form und einer Renaissanceform derselben. Aber auch von
einer mittelalterlichen und einer nachmittelalterlichen Monstranzform zu spre-
chen, geht nicht an. Denn sowohl im Mittelalter wie in der Folgezeit gab es nicht
lediglich einen einzigen Formtypus der Monstranz, vielmehr zeigte diese in
jenem wie in dieser formal verschiedene Typen.
Sehen wir ab von allen Sonderformen, so lassen sich die Monstranzen der
Vergangenheit in zwei Gruppen scheiden, in mit einem Ständer versehene und
in ständerlose, nur mit einem Sockel ausgestattete Monstranzen. Die Zahl der
zur zweiten Gruppe gehörenden Monstranzen war stets sehr gering. Das Ge-
wöhnliche waren zu aller Zeit die auf einem Ständer sitzenden Monstranzen,
weshalb denn auch diese vor allem hier in Betracht kommen.
faltigkeit in der Form des Fußes auf, wie sie uns weder bei den Kelchen noch
bei den Pyxiden der gleichen Zeit entgegentritt.
Da gibt es runde Füße, sechs- und achtseitige Füße mit geraden oder nach innen ge-
krümmten Seiten, sechs- und achtseitige Füße mit halbrunden Ausschnitten an den Ecken
oder den Seiten, einen sechsseitigen Fuß mit kleeblattförmig ausgeschnittenen Seiten, vier,
sechs oder acht Rundpässe zeigende Füße, sechspassige Füße mit spitzen, abgestumpften
oder an der Spitze mit halbrunden Ausschuitii'n i-.v.-";hmi.''i -A'-lh^^v^r^-ny..:::^ I'iK-^n.
von drei, vier oder sechs rundbogigen oder kielbogigen Pässen gebildete Füße, zwischen
deren Pässe sich Zacken, kleine Rundbogen oder kleine Kiclbogen einschieben. Weiterhin
begegnen uns runde und sechsseitige Füße, aus deren Rand sechs halbkreisförmige Ansätze
heraustreten, zwölfpaßfürmige mit Zacken zwischen je zwei Pässen, ein von Rund- bzw.
fünfseitigen Pässen im Wechsel mit quadratischen gebildeter Fuß, ein kreuzförmiger Fuß
mit halbrunden Füllungen in dem Winkel zwischen den Armen und kielbogigen Ansätzen
in der Mitte derselben, ein am Rand in vierundzwanzig Halbkreise aufgelöster achtseitiger
Fuß, ein mit acht kielbogigen Pässen, vier spitz zulaufenden und vier an der Spitze konkav
ausgeschnittenen, versehener Fuß, ein Fuß in Form eines achtseitigen, aus zwei einander
überschneidenden Quadraten gebildeten Sternes.
Von mannigfaltigster Gestalt sind auch die in die Breite gezogenen Füße, wie sie nament-
lich bei den späteren gotischen Monstranzen nicht selten vorkommen: Vier-, sechs- und
achtpaß form ige, bei denen die nach den Seiten zu gerichteten Rundpässe durch kiel-
bogige ersetzt wurden, damit der Fuß die gewünschte Ausladung nach rechts und links
erhalte; Füße der gleichen Art, bei denen die Pässe durch Zacken oder kleine Halbkreise.
die zwischen sie eingeschaltet wurden, getrennt wurden, in die Breite gedehnte sechsseitige
Füße mit kreisförmigen Ansätzen an den Ecken, rautenförmige Füße mit flachen dreiecki-
gen Ansätzen an den vier Seiten und runden an den vier Ecken u. a. Es sind mehr denn fünf-
zig verschiedene Bildungen des Fußes, die ich bei mittelalterlichen Monstranzen feststellen
konnte und doch machen sie keineswegs den Anspruch, erschöpfend zu sein. Wras sie von den
gleichfalls sehr mannigfaltigen des Fußes der Barockmonstranzen unterscheidet, ist ihre
streng gesetzmäßige Bildung aus wenigen, in reichem Wechsel zusammengestellten Grund-
formen. Nicht alle Bildungen sind gleich häufig. Während die einen öfter vorkommen, be-
gegnen uns andere nur selten oder gar bloß vereinzelt. Aber auch von häufiger verwendeten
ist anders wie beim Kelch keine zu einem vor den übrigen vorherrschenden Typus geworden.
Bemerkenswert ist das seltene Vorkommen des schlicht runden Fußes, doch ist zu beachten.
daß zur Zeit, aus der die heute noch vorhandenen gotischen Monstranzen stammen, auch
beim Kelch an Stelle des runden Fußes meist reichere Fußformen getreten waren. Am
beliebtesten waren für die Bildung des Fußes als Grundform das Vier- und das Sechspaß-
motiv. Bemerkenswert ist weiterhin noch, daß der Fuß der gotischen Monstranz meist nur
mäßig ansteigt und daß der Fußhals durchweg nur von geringer Höhe ist. Eine doppelte
Zarge kommt wie am Fuße spätgotischer Kelche so auch an dem der Monstranzen des ausge-
henden i5. und des frühen 16. Jahrhunderts nicht selten vor, wie bei einer Monstranz zu
Seitenstetten, Rabenstein, Prigglitz und Matzen in Osterreich, einer Monstranz zu Donau-
eschingen, Wangen und Freising, einer Monstranz zu Aldenhoven (Tafel 68), zu Wenau bei
Düren (Tafel 68) und Rees (Tafel 66), der Monstranz in der Lambert!kirche zu Düsseldorf
(Tafel 69) u. a. Kleine niedrige Stützen, wie Klauen, Köpfe, Tierfiguren oder Tünnchen
hat man nur ausnahmsweise unter dem Fuß der gotischen Monstranzen angebracht. Bei-
spiele hierfür bieten die Monstranz in der Stiftskirche zu Guimaräes (Tafel 67), eine aus
der Rothschildschen Sammlung stammende Monstranz venezianischer Herkunft im Louvre
(Tafel 63) und die Monstranz in der Pfarrkirche zu Dorsten (Tafel 66). In einem In-
ventar der Kathedrale von Avignon des Jahres iöii hören wir von einer Monstranz, deren
Fuß auf acht Löwchen saß. (1) Eine Besonderheit zeigt der Fuß einer Monstranz zu St. Paul
in Kärnten. Es fehlt der Hals des Fußes, dagegen steigen die den Kanten desselben auf-
(1) Gay I, 527,
VIERTES KAPITEL. FORM. I. MIT STÄNDER: GOTIK 363
gelegten ornamentierten. Leisten bis zum Anfang des Schaftes hinauf. An Stelle des Fuß-
halses ist so ein offener pyramidaler Hohlraum getreten, dessen Boden ein kapselartiges
Reliquiar eingefügt ist.
Nur selten, wie bei einer französischen Monstranz der ehemaligen Sammlung
Basilewsky (Tafel 64) und der Monstranz in Fürstlich Hohenzollerischem Be-
sitz zu Sigmaringen (Tafel 62), geht der Fuß unmittelbar in den Schaft über.
Die Regel ist, daß sich wie beim Kelch, so auch bei der Monstranz, zwischen
beide ein sie trennendes und zugleich verbindendes Glied einschiebt. Es besteht
entweder in einem niedrigen profilierten Ring, in einer Scheibe, in einem oft
kräftig vorspringenden, aus Schräge, Platte und Kehle bestehenden Sims oder
in einem mehr oder weniger reich architektonisch gestalteten Zwischenstück.
Am [läufigsten dient zur Trennung ein Sims, doch war auch ein architektoni-
sches Zwischenstück sehr gebräuchlich. Es bildete ein Gegenstück zu dem, den
Übergang vom Schaft zum Behälter für die beilige Hostie vermittelnden Trich-
ter. Gute Beispiele in bald schlichterer, bald reicherer Ausbildung bieten, um
nur einige anzuführen, Monstranzen zu Brochterheck, Meschede, Waltrop,
Freckenhorst, Dorsten (Tafel 66), Wiedenbrück und Vreden in Westfalen, zu
Ochsenhausen und Horb in Württemberg, zu Ahrweiler (Tafel 65), Steinfeld,
Ratingen (Tafel 65), Gerresheim, Kempen und Straelen im Rheinland, zu Fritz-
lar (Tafel 66) in Hessen, zu Konitz und Zarnowitz in Westpreußen, eine Mon-
stranz im Kölner Dom (Tafel 66) sowie in der Bußdorfkirche zu Paderborn
(Tafel 65) und, um auch Beispiele aus Spanien zu nennen, Monstranzen zu Cue-
vas de Tanarit (Tafel 62), Egulve (Tafel 64), Tronchon (Tafel 56), Palenzia
(Tafel 67) und Monistroi de Monserrat in Spanien. Das Zwischenstück besteht
aus einem schlichten kleinen, polygonalen, meist mit Zinnenkranz abschließen-
den und mit flachem, abgestumpftem Pyramidendach versehenen Gehäuse,
das, wenn reicher ausgestaltet, an den Ecken mit Streben und an den Seiten mit
Maßwerkfenstern oder mit Bogennischen, in denen bisweilen Statuettchen ange-
bracht sind (Tafel 65, 66), ausgestattet ist.
Der Schaft des Ständers ist nur ausnahmsweise rund. Einen gewundenen
Schaft zeigt eine Monstranz zu St. Paul in Kärnten, einen Schaft, der von vier
einander umschlingenden Ästen gebildet wird, die Monstranz zu Sigmaringen
(Tafel 62). Sonst ist der Schaft regelmäßig mehrseitig. Vierseitig ist er bei-
spielsweise bei der vorerwähnten Monstranz zu Cuevas de Tanarit in Spanien
(Tafel 62), achtseitig bei den Monstranzen zu Ahrweiler, Ratingen (Tafel 65)
und in der Bußdorfkirche zu Paderborn (Tafel 65) sowie einer Monstranz der
ehemaligen Sammlung Basilewsky (Tafel 64)- Einen im Querschnitt sechspaß-
förmigen Schaft zeigt eine Monstranz zu Gmünd in Württemberg. Sonst ist der
Schaft fast immer sechsseitig. Seine Seiten sind bei reicheren Monstranzen ge-
wöhnlich mit gravierten Fenstern belebt. Eine Monstranz zu Zarnowitz sowie
die Monstranz zu Cuevas de Tanarit zeigen an den Kanten des Schaftes einen
Zackenkamm; Streben an den Kanten weist der Schaft der Monstranzen zu
Konitz, Wiedenbrück und Vreden auf; mit einer förmlichen Architektur be-
kleidet ist der Schaft einer Prachtmonstranz in der Akademie der schönen
364 VASA SACRA. DRITTER ABSCHNITT. DIE MONSTRANZ
fehlt bisweilen bei einem Nodus dieser Art dem Ständer der Monstranzen, die
einen solchen aufweisen, da Dach und Basis des Nodus ihn ersetzen, jenes das
obere, diese das untere Schaftstück. So verhält es sich z. B. bei den Monstran-
zen zu Hall, zu Bozen, zu Guhrau, der italienischen Monstranz im Louvre (Ta-
fel 63), den Monstranzen zu Wieliczka (Tafel 68), zu Capodistria und Zuckau.
In der Regel geht indessen der Schaft nicht ganz in den Nodus auf, meist bleibt
er vielmehr, wenn auch mehr oder weniger stark verkürzt. Es verhält sich mit
dem architektonisch gestalteten Nodus und dem Schaft beim Ständer der Mon-
stranz nicht ganz so, wie bei dem des Kelches, bei dem der Schaft weit häufiger
durch Dach und Basis des Nodus, die an seine Stelle treten, völlig verdrängt
wird, was übrigens bei der größeren Höhe des Ständers der Monstranz leicht
begreiflich ist.
Gewöhnlich hatte der Nodus die Form eines zusammengedrückten runden oder mehrsei-
tigen, meist sechsseitigen, Knaufes. Bei den gotischen Monstranzen der Spätestzeit ist er
bisweilen oben wie unten mit kleinen Buckeln verziert, wie bei Monstranzen au Heinrichs-
walde in Schlesien, Briesen und Kulmsee in Westpreußen, Monstranzen im Schnütgenmu-
seum zu Köln, der Monstranz zu Schwäbisch-Gmünd u. a. Häufig ist er wie der Nodus der
gleichzeitigen Kelche mit Zapfen besetzt, meist mit sechs, seltener mit acht. Nur vier weist
der Nodus der Monstranzen zu Gerresheim und Batingen auf. Die Zapfen sind bald rund,
bald rautenförmig. Zapfen von reicherer Ausgestaltung, wie vier- oder sechspaß förmige,
kommen am Nodus der Monstranzen nicht vor. Halbkugelform haben die Zapfen am Nodus
einer Monstranz in der Kathedrale zu Porto (Tafel 67) und an der von Emmanuel I. ge-
stifteten goldenen Monstranz im Schloß d'Ayuda zu Lissabon (Tafel 67). Bei letzterer sind
sie in Email mit dem Wappen des Schenkgebers geschmückt. Ein melonenartig von oben
nach unten gerippter Nodus, wie er sich bei den Kelchen noch im iö. Jahrhundert oft ge-
nug findet, begegnet uns bei den Monstranzen nur sehr selten. Der Nodus der Monstranz
zu Wangen in Württemberg besteht aus vier maßwerkartig von Fischblasen durchbrochenen
Kugeln, der der Monstranz zu Stetten im Allgäu aus zwei einander durchschneidenden,
einen achtspitzigen Stern bildenden Platten, einer stärkeren und einer schwächeren.
Ein regelmäßiger Bestandteil des Ständers der gotischen Monstranz ist das
vom Schaft zum Behälter für das Allerheiligste, dem Schaugefäß, überführende
Zwischenstück. Wenn auch bisweilen verkümmert, fehlt es jedoch nur sehr
selten völlig. Es ersetzen es dann, wie z. B. bei der Monstranz zu St. Paul in
Kärnten, der Monstranz zu Sigmaringen und der Monstranz in der Lamberti-
kirche (Tafel 69) zu Düsseldorf sowie einer Monstranz in N.-Dame-aux-Domi-
nicains zu Löwen, vom Schaft ausgehende volutenartig gekrümmte Blätter oder
Ranken.
In der Regel hat das Zwischenstück die Form eines mehrseitigen, in leichter Krümmung
nach oben sich erweiternden Trichters. Die Form einer umgekehrten Kalotte oder einer
flachen geschweiften Sehale hat es bei gotischen Monstranzen deutscher Herkunft nur aus-
nahmsweise, häufiger bei italienischen. Beispiele bieten Monstranzen im Museo crisüano
des Vatikan und im Museo civico zu Turin. Nur vierseitig ist der Trichter ausnahmsweise,
so bei der Monstranz in St. Leonhard zu Tamsweg (Tafel 67) im Salzburgischen, einer
Monstranz in der Michaelskirche zu Olmütz und der Monstranz zu Guevas de Tanarit (Ta-
fel 6a) in Spanien. Sonst ist er in der Regel sechsseitig, sowie auch wohl achtseitig. Rund
ist er fast nur in den sehr seltenen Fällen, in denen auch der Schaft rund ist. An den
Kanten ist der Trichter oft mit einem Zackenkamm besetzt, wie bei den Monstranzen zu
Albachten, Meschede, Waltrop, Fritzlar, Rees (Tafel 66), Monstranzen im Dom zu Köln
(Tafel 66), zu Steinfeld, Ochsenbausen, Altw arten bürg, Zarnowitz, Matzen, Bozen, Ra-
366 VASA SACRA. DRITTER ABSCHNITT. DIE MONSTRANZ
benstein, Monstranzen zu Corbera, Egulve, Cuevas de Tanarit und Palenzia (Tafel 67)'
in Spanien, in der Kathedrale zu Porto, im Schloß d'Ayuda (Tafel 67) und in der Akademie
zu Lissabon u. a. An den Seiten des Trichters ist Blattwerk angebracht beispielsweise bei
den Monstranzen zu Rees, Straelen, Ratingen (Tafel 65) und Vreden. Mit einer oder meh-
reren Reihen von Buckeln belebt ist der Trichter einer Monstranz zu Venray in Holländisch^
Limburg, einer Monstranz aus Herzogenrath im Schnütgenmuseum und der Monstranz
zu Schwäbisch-Gmünd. Vom Schaft ist das zum Schaugefäß führende Zwischenstück, Trich-
ter oder Schale, durch ein Leistchen oder ein mehr oder weniger vorkragendes Sims ge-
schieden. Ohne jede Trennung verschmelzen Schaft und Trichter bei einer französischen
Monstranz der ehemaligen Sammlung Basilewsky (Tafel 64). Bei zwei spanischen gotischen
Monstranzen, den Monstranzen zu Cuevas de Tanarit und zu Egulve begegnet uns eine
Eigentümlichkeit, die wir schon bei spanischen Ziborien antrafen. Es geht nämlich auch
bei ihnen unterhalb des zum Behälter überleitenden Trichters vom Schaft beiderseits ein
Arm aus, auf dessen kapilellai■:!:: .:■■-.■■ i;'>:: K::i:." --i;-:i di'' Sh.ti.u'ün '•mt.'s Elidel'! !'rln>i>:.
Die Einrichtung findet sich auch bei den spanischen Ziborium-Monstranzen, von denen
später die Rede sein wird. Ein vereinzeltes Beispiel anscheinend deutschen Ursprunges,
bietet eine Monstranz in der Sammlung Figdor, (2) bei der jedoch das Schaugefäß nicht
in einem pyxidenartigen Behälter, sondern in einer am Rand mit Krabben besetzten, auf
dem Scheitel von einer einst mit einem Kreuzchen abschließenden Architektur bekrönten
Rundkapsel besteht. Die beiden es flankierenden anbetenden Engel sind auf wagerecht
verlaufenden Armen angebracht, die, durch eine mit einer Zacke verzierte Strebe abgestützt,
nach rechts und links von dem vom Schaft zum Behälter überleitenden Trichter ausgehen.
2. Das Schaugefäß. Während die Ständer der gotischen Monstranzen bei aller
Verschiedenheit im einzelnen in der Hauptsache alle den gleichen Typus zeigen,
lassen sich bezüglich des Schaugefäßes derselben drei Haupttypen unterschei-
den, das pyxiden- oder laternenförmige Schaugefäß, das turmartig gestaltete
und das retabelarüge. Was uns sonst noch an Formen desselben bei den goti-
schen Monstranzen begegnet, sind vereinzelt auftretende Bildungen, die keine
solche Verbreitung gewannen, daß sie zum herrschenden Typus wurden.
Das Schaugefäß des ersten Typus stellte einen mit pyramiden- oder kuppel-
artigem Deckel abschließenden und gewöhnlich von einem Kreuzchen bekrön-
ten, bald runden, bald vierseitigen, bald — und zwar am häufigsten — mehr-
seitigen, pyxidenartigen Behälter dar. Von der Pyxis unterschied er sich nicht
nur durch größere Höhe, sondern namentlich auch dadurch, daß er laternen-
ähnlich an den Seiten fensterartige, arkadenformige, viereckige oder runde
Durchbrüche aufwies, die in das Innere zu schauen gestatteten, aber mit
Glas- oder Kristallscheiben, bei rundem Behälter durch einen in diesen ein-
gelassenen Zylinder aus Glas oder Kristall, verschlossen waren. Waren Bo-
den und Deckel des Behälters nur durch Pfosten oder Säulchen verbunden, so
bildeten die Scheiben zusammen mit den Pfosten seine Wandung, die sich in
solchen Fällen demnach aus zwei Bestandteilen zusammensetzte, aus den Pfo-
sten und den zwischen diesen eingefügten Scheiben. Und nicht anders verhielt
es sich, wenn bei rxinden Behältern hinter den Pfosten ein Zylinder angebracht
war. Denn auch dieser war lediglich Ergänzung des Pfostenwerkes, Füllung
des Zwischenraumes zwischen den Pfosten oder Säulchen, Abschluß des Inne-
ren, nicht aber ein Behälter für sich. Wie man aber den spätgotischen Pyxi-
den, zumal den mehrseitigen, gern eine architektonische Ausstattung gab, in-
(2) Vgl. Sammlung Figdor II, n.870.
VIERTES KAPITEL. FORM. I. MIT STÄJSDER: GOTIK 367
dem man den Behälter mit Streben besetzte und den Deckel helmartig auf-
steigen Heß oder ihn, wenn er gewölbt oder flach war, mit einem turmartigen,
bisweilen auf das reichste gegliederten Aufsatz versah, so geschah es auch bei
der pyxidenartigen Monstranz. Wie aber hei der Pyxis alle diese architektoni-
schen Zutaten die Grundform und den Typus derselben nicht änderten, so ver-
hält es sich nicht anders bei den pyxidenförmigen Monstranzen.
Pyxidenförmige Monstranzen, tabernacula, wie sie dort hießen, waren vor
allem in Italien heimisch. Sie waren dort bis in die Zeit der Renaissance der
vorherrschende Monstranztypus. Heute sind solche daselbst wohl kaum mehr
im Gebrauch; die Sonnenmonstranz hat sie in nachmittelalterlicher Zeit ver-
drängt, doch haben sich noch manche in Museen und Sammlungen erhalten.
So im Museo cristiano das Vatikans, (3) im Dom zu Arezzo, in S. Nicola zu Bari, (4)
in der Kathedrale zu Arezzo, (5) in S. Stefano zu Mailand, sowie in Privatbesitz daselbst, (6)
im Museo eivico zu Turin, das eine größere Zahl dieser pyxidenartigen Monstranzen be-
herbergt, (7) im Schnütgenmuseum zu Köln (8) sowie in der ehemaligen Sammlung de
Farcy zu Angers (Tafel63), im Bayerischen Nationalmuseum zu München, im Diözesan-
museum zu Köln u. a. Von zwei dieser Monstranzen in S. Nicola zu Bari ist die eine durch
die Inschrift des Spruchbandes, das die den Deckel bekrönende Engelfigur hält, als Mon-
stranz gekennzeichnet, die andere durch das an den Seiten des Aufsatzes des Behälters be-
findliche Bildwerk. Die zweite wurde später als Reliquiar benutzt. Hervorragende Beispiele
bieten eine sechsseitige, mit Baldachinchen und Statuetten an den Ecken, Giebeln über den
Seiten, einem halbkugeligem Deckel und sechsseitigem, zweigeschossigem Türmchen auf
dem Scheitel desselben ausgestattete Monstranz in S. Benedetto zu Norcia (Tafel 63), sowie
eine sechsseitige, mit schlankem, in drei Geschossen sich aufbauendem Deckel versehene
Monstranz in der Kathedrale zu Bovino.
Ecken des Behälters mit Statuettchen besetzte Monstranz in der Kathedrale zu Palma de
Mallorca, eine Monstranz mit sechsseitigem, von schlankem Türmchen bekröntem, vorn
mit runder, an den anderen Seiten mit fensterartigen Öffnungen versehenem Schaugefäß
in der Kathedrale zu Barcelona, eine Monstranz mit Behälter von rechteckigem Grundriß in
der Kathedrale zu Palenzia (Tafel 67), die Monstranz zu Cuevas de Tanarit mit sechsseiti-
gem Gehäuse (Tafel 6a), eine Monstranz mit sechsseitigem Schaugefäß und architektoni-
schem Nodus in der Sammlung Lazaro zu Madrid (Tafel 64) (10) und eine schon stark von
der Renaissance beeinflußte gleicher Art in spanischem Privatbesitz (Tafel 73).
Meist ist der Behälter des Allerheiligsten an allen Seiten durchsichtig, doch
gibt es auch Monstranzen des Typus, die nur an der Vorderseite, bzw. an ihr
und der Rückseite eine Öffnung zeigen, wie die Monstranzen zu Cuevas de Ta-
narit, zu Palenzia sowie die Monstranz im Brüsseler Museum. Bei einer hierher
gehörenden Monstranz der ehemaligen Sammlung Basilewsky von 39,5 cm Höhe
besteht der Behälter ausschließlich aus einem Glaszylinder (Tafel 64); denn
der beiderseits neben diesem angebrachte gewundene Stab hat nur den Zweck,
den Boden des Zylinders mit dem sechsseitigen Kuppeldach desselben zu ver-
binden. Eine bemerkenswerte Abbildung einer mit vierseitigem pyxiden- oder
laterneDarügem Schaugefäß versehenen Monstranz findet sich auf einem dem
i5. Jahrhundert entstammenden Gemälde im Museum zu Antwerpen, das einen
Papst, den Segen mit dem Allerheiligsten gebend, darstellt. (11)
Gegenstucke haben die Monstranzen des ersten Typus in manchen Reliquiaren. Beson-
ders gibt es zahlreiche dieser letzteren in Italien, darunter künstlerisch sehr hervorragende.
Die Gleichartigkeit dieser Reliquiare mit den den ersten Typus zeigenden Monstranzen ist
bisweilen derart, daß es schwer, ja kaum möglich ist. lest zustellen, ob es sich bei dem Ge-
rät um eine Monstranz oder ein Reliquiar handelt oder ob es nicht etwa je nach Bedürfnis
bald als Monstranz, bald als Reliquiar gedient hat. Herzuleiten aber sind beide zweifellos
von der mit Ständer versehenen, zylinderförmigen und mehrseitigen eucharistischen Pyxis,
von der zu den Reliquiaren und Monstranz des ersten Typus nur ein kleiner Schritt war.
Es bedurfte dazu in der Hauptsache nur einer entsprechenden Durchbrechung der Wan-
dung der Pyxis, um deren Inhalt, Reliquien bzw. All erheiligstes, sichtbar werden zu lassen.
Der zweite Typus des Schaugefäßes wird gegenüber dem ersten dadurch ge-
kennzeichnet, daß bei ihm dieses nicht lediglich im Behälter für das AHer-
heiligste besteht, sondern sich aus zwei Bestandteilen zusammensetzt, aus jenem
Behälter und einem turmartigen, aus Sockel, Strebewerk und bekrönendem
Aufsatz bestehenden Aufbau, dem der Behälter in der Mitte eingefügt ist.
Der Sockel des Aufbaues ist meist rund oder sechseckig, doch auch nicht sel-
ten quadratisch oder rechteckig. Geschweifte Form zeigt er nur vereinzelt, wie
bei einer Monstranz zu Matzen in Niederösterreich und zu Freienburg im Rhein-
land. Die Form des Fußes wiederholt er ebenfalls nur in wenigen Fällen, wie
bei der Monstranz in der Pfarrkirche zu Wenau (Tafel 68) und in der Stifts-
kirche zu Guimaräes in Portugal (Tafel 67). Einen Zwölfpaß bildet der Sockel
der Monstranz Emmanuels I. im Schloß d'Ayuda zu Lissabon (Tafel 67). Ist er
sechspaßförmig, so erscheint er bisweilen in die Breite gezogen. Der untere
Rand des Sockels wurde gern mit einem Hängekamm ausgestattet. Als Träger
(10) La coleeeiön Lazaro de Madrid (Madrid 1926) n. 255. (11) Abb. in Mfinch. Jahr-
buch der bildenden Kunot XIII (1923) 123.
VIERTES KAPITEL. FORM. I. MIT STÄNDER: GOTIK 369
der den Behälter flankierenden oder umgebenden Streben treten aus dem
Sockel je nach der Zahl derselben zwei, drei oder vier Ansätze oder Konsolen
heraus. Sie sind meist viereckig, doch auch wohl rautenförmig; nach unten zu
enden sie häufig in einer mit einer Rosette gefüllten Volute, in einer Rosette
oder einem Zapfen. Die Streben der Monstranz zu Ahrweiler (Tafel 65) sitzen
auf Stützen, die an dem zum Schaugefäß überleitenden Trichter des Ständers
aufsteigen. Die Ausladung der Ansätze oder Konsolen bemißt sich nach der
Tiefe der Streben. Bei der Monstranz zu Wieliczka in Galizien (Tafel 69) sitzen
die Streben eigenartiger Weise auf zwei vom Trichter des Ständers nach rechts
und links ausgehenden Armen. Der Sockel des Schaugefäßes einiger Monstran-
zen mit Schaugefäß von turmartiger Gestalt, wie einer Monstranz zu Les-Deux-
Acren in Belgien (Bild 20), im Dom zu Xanten, zu Altwartenburg im Erm-
land (Tafel 69) und in der Bußdorfkirche zu Paderborn (Tafel 65) bildet einen
förmlichen ca. 5—6 cm hohen, sechs- bzw. achtseitigen Behälter, der bei den
beiden ersten zur Aufnahme von Reliquien diente; ein Zweck, für den ur-
sprünglich auch der der andern bestimmt gewesen sein mag.
Die Zahl der Streben beläuft sich bisweilen auf drei oder vier. So zeigen drei
Streben am Schaugefäß eine Monstranz zu Brauweiler bei Köln, zu Haffen am
Niederrhein, zu Horb und zu Weil der Stadt in Württemberg, eine Monstranz im
Nationalmuseum zu München, zu Venray in Holländisch Limburg, in St-Leo-
nard zu Leau, (12) in St-Martin zu Hai, in N.-Dame-aux-Dominicains zu
Löwen, zu Baelen-sur-Nethe und zu Wancennes in Belgien. Vier Streben weist
das Schaugefäß einer Monstranz in der Pfarrkirche zu Ratingen und zu Ahr-
weiler, in der Bußdorfkirche zu Paderborn, in der Pfarrkirche zu Helden im
Sauerland und zu Waltrop in Westfalen, zu St. Paul in Kärnten und in der
Servatiuskirche zu Maastricht auf. Bei den Monstranzen zu Ratingen (Tafel 65),
zu Waltrop und zu Ahrweiler (Tafel 65) umstehen sie den Behälter für das
Allerheiligste im Kreuz, bei den andern sind sie paarweise nahe nebeneinander
rechts und links von demselben angeordnet. Auf sechs beläuft sich die Zahl der
Streben ausnahmsweise bei der Monstranz im Dom zu Xanten (Tafel 65).
-Monstranzen, deren Schaugefäß mit drei oder vier Streben ausgestattet ist,
sind im ganzen Ausnahmen. In der Regel finden sich an ihm nur zwei Streben,
von denen eine rechts, die andere links vom Behälter für die heilige Hostie an-
gebracht ist, was sich übrigens leicht begreift. Drei oder vier Streben mußten
sich weniger empfehlen, sowohl weil sie die Sichtbarkeit des Allerheiligsten be-
einträchtigten, als auch weil sie das Einsetzen desselben erschwerten.
Häufig ist den Streben eine zweite, schwächere und niedrigere als Verstär-
kung vorgesetzt, so, um wenigstens auf einige Beispiele hinzuweisen, am Schau-
gefäß der Monstranz zu Gmünd in Württemberg, Klosterneuburg, Tramin,
Olniütz, Anröchte in Westfalen, Wieliczka, Gerresheim, Steinfeld in der Eifel,
Kempen, Haffen, Aldenhoven (Tafel 68), Rees (Tafel 66), Wenau (Tafel 68),
Kaikar, Bück und Grätz im Posenschen. Es sind vornehmlich Monstranzen mit
»ur zwei Streben, bei denen diese um eine ihnen vorgelegte schwächere Strebe
bereichert sind.
(12) Abb. bei Reuse;« II. 337.
U
braum, das christliche altahgerat
370 VASA SACRA. DRITTER ABSCHNITT. DIE MONSTRANZ
Das Schaugefäß des dritten Typus ist gleich dem des zweiten ein architek-
tonischer, mehr oder weniger reich gegliederter Aufbau, dem ein Behälter für
Aufnahme der auszusetzenden Hostie eingebaut ist. Was es von dem turmför-
migen unterscheidet, ist, daß es nicht wie dieses einteilig, sondern nach Art eines
dreiteiligen Retabels, das auch wohl das Vorbild für es gewesen sein dürfte,
dreiteilig ist. Es wird nämlich seitlich nicht von bloßen Streben flankiert, son-
dern von förmlichen Seitenteilen, wie sie ähnlich sich an den Mittelbau eines
dreiteiligen Retabels anschließen. Dieselben stehen zwar auch im Zusammen-
hang mit dem Mittelteil der Monstranz und dem über ihm sich erhebenden und
ihn bekrönenden Aufsatz, sie bilden aber, weil sie nicht den Charakter einer
bloßen Verstrebung des Mittelteils haben, mit diesem nicht das völlig einheit-
liche Ganze, welches uns im turmförmigen Schaugefäß entgegentritt. Die Sei-
tenteile des retabelförmigen sind förmliche seitliche Anbauten, nicht ledig-
lich Streben und als solche kein zum System des mittleren Teiles der Mon-
stranz innerlich gehörendes Element, sondern, wenn auch mit ihm verbunden,
nur Zutaten, durch die er nach den Seiten hin verbreitert wird, sind ihm nicht,
wie das Strebewerk der Turmmonstranz eingeordnet, sondern nebengeordnet,
stehen, wenn auch als Ergänzung des mittleren Teiles, doch als ein in sich selb-
ständiges Gebilde neben ihm. Es mangelt deshalb auch dem retabelartigen
Schaugefäß die strenge Einheitlichkeit und straffe Geschlossenheit des turm-
förmigen.
In Bezug auf die Bildung des Sockels besteht zwischen den turmförmigen
und den retabelförmigen Schaugefäßen nur insofern ein Unterschied, als die
aus ihm heraustretenden seitlichen Ansätze bei diesen entsprechend der größe-
ren Breite der Seitenteile stärker ausladen, als es bei jenen der Fall ist. In der
Gestaltung des über dem Behälter des Allerheiligsten sich aufbauenden und ihn
bekrönenden Aufsatzes weichen beide Monstranztypen namentlich insoferne
von einander ab, als dieselbe bei den retabelförmigen Monstranzen vielfach eine
freiere, weniger streng organische und gesetzmäßige, nicht selten sogar eine
geradezu willkürliche ist. Indessen liegt das nicht im Charakter des Typus; gibt
es doch auch Beispiele desselben, die an straffer Logik im architektonischen
Aufbau des Aufsatzes den Turmmonstranzen nicht nachstehen. Seinen Grund
hat das vielmehr darin, daß die retabelförmigen Monstranzen zumeist der auf
malerische Wirkung bedachten, die architektonischen Formen oft in freiester
Weise behandelnden spätesten Gotik entstammen. Darum zeigen auch die Turm-
monstranzen, die um das Ende des i5. und im Beginn des 16. Jahrhunderts ent-
standen, vielfach die gleiche Freiheit, ja Willkür.
Was das Schaugefäß des dritten Typus kennzeichnet, ist demgemäß seine
Dreiteiligkeit und dann der Charakter seiner Seitenteile. Bei der Turmmon-
stranz nach Zweck und formaler Beschaffenheit lediglich Strebewerk und zwar
auch dann, wenn ihnen bei reicherer Ausgestaltung eine weitere Strebe als Ver-
stärkung vorgelegt wurde und sie dadurch an Tiefe gewannen, sind sie bei den
retabelförmigen seitliche Anbauten, bestehend aus zwei oder drei Pfeilern, die
durch baldachinartig gestaltete Bogen oder förmliche, von einem Türmchen be-
krönte Baldachinchen, nie durch Schwibbogen miteinander verbunden und
372 VASA SACRA. DRITTER ABSCHNITT. DIE MONSTRANZ
mehr oder weniger mit dem üblichen architektonischen Beiwerk der Gotik,
Fialen, Wasserspeier u. a. ausgestattet sind. Unten zwischen den Pfeilern aber
stehen auf einem Säulchen oder sonst einem Untersatz Statuettchen von Hei-
ligen, ähnlich wie in den Seitenteilen der Retabeln Statuen.
Die gotischen retabclformigßn Monstranzen, die sich erhalten haben, entstammen fast
alle erst dem Ende des i5. und der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts. Sie scheinen vor-
nehmlich im Süden und Osten Deutschlands beliebt gewesen zu sein. Finden sich doch ge-
rade hier die meisten spätgotischen retahelförmigen Monstranzen. Erwähnt seien als die
M'ii-IiMrn, ('di-lstvi! -1t■.il Ih'-UvuÜ'.'^.tU'zi :'ini' Mmi^trai;/ :n <b.'.r Pfarrkirche y.a Bozen und
in der Pfarrkirche zu Hall in Tirol, eine überaus stattliche Erscheinung, (13) eine Mon-
stranz in der Pfarrkirche zu Mergentheim (Tafel 68), die Monstranz im Fürstlich Oettingen-
Wallersteinsehen Besitz zu Maihingen (Tafel 69), die hölzerne Monstranz im Dom zu Frei-
sing (Tafel 69), die Monstranz in der Lambertikirche zu Düsseldorf (Tafel 69), sowie die
durch klare Gliederung und strengen Aufbau ausgezeichnete Monstranz in St. Leonhard
zu Tainsweg (Tafel 6y), die auch darum Beachtung erheischt, weil sich bei ihr als einzig
dastehendem Beispiel zwischen Ständer und Schaugefäß ein an den Seiten mit Statuettchen
besetztes Zwischenstück einschiebt, das unter einer spitzbogigen Arkade eine Statuette des
heiligen Leonhard enthält. Besonders hervorragend war auch eine Monstranz des dritten
Typus in der Michaelskirche zu München, die wir leider nur mehr durch eine Abbildung
kennen; ein Geschenk Herzog Wilhelms V., trotz seiner späten Entstehungszeit im wesent-
lichen noch ein ausgesprochen gotisches Werk (Tafel 70). Andere lehrreiche Beispiele von
Monstranzen mit Schaugefäß des dritten Typus gibt es zu Matzen, Prigglitz, Habenstein und
Seitenstetlen in Niederösterreich, (14) zu Mehlsack, Plaßwich und Wormditt in Ostpreußen,
zu Putzig, Okonin, Grodziczno, Kazanitz, Rumian, Zwiniarz, Briesen und Kulmsec in
Westpreußen. (15) Eine durch klaren Aufbau ausgezeichnete retahel form ige Monstranz hat
sich in Bayern zu Kastl in der Oberpfalz erhalten (Tafel 70). Durch die Eigenart der Stützen
der Seilenteile ist bemerkenswert eine Monstranz dieser Art in der Kathedrale zu Agram
(Tafel ,0).
Im Westen Deutschlands entstanden, wie es scheint, nur vereinzelte Monstranzen mit
retabelförmigem Schaugefäß. Als Beispiele seien genannt eine Monstranz im Dom zu Mün-
ster und in der Pfarrkirche zu I.iesborn in Westfalen (Tafel 69), eine Monstranz zu Freien-
burg (Regb. Aachen) und die aus Herzogenrath stammende Monstranz im Schnütgenmuseum.
terschied zwischen den beiden Bestandteilen, aus denen ihr Schaugefäß sich zu-
sammensetzt, geltend, dem architektonischen Aufbau und dem ihm eingefügten
Behälter für das AHerheiligste, und zwar tritt letzterer unabhängig von der Art
des Aufbaues in vier verschiedenen Formen auf.
Der Behälter der ersten Form bestand in einem unten mit einem Boden ver-
sehenen, oben mit einem Deckel abgeschlossenen Zylinder aus Kristall oder
Glas. Es war das, wo immer Monstranzen mit turmförmigem Schaugefäß in
Gebrauch waren, die gewöhnlichste Form desselben, aber auch bei den späteren
Monstranzen mit retabelförmigem Schaugefäß blieb es so. Der Deckel war
meist flach, seltener zeigte er die Gestalt einer Rundkuppel oder einer mehr oder
weniger steil ansteigenden abgestumpften Pyramide. Den oberen Rand des
Bodens verzierte man mit einem stehenden, den unteren des Deckels mit einem
hängenden Zackenkamm. Den oberen Rand des Deckels bekrönte man bald
mit einem stehenden Blattkamm, bald mit einer durchbrochenen Galerie, doch
auch wohl, wenn nämlich der Deckel aus dem Rund ins Mehrseit übergeführt
worden war, mit einer Folge von baldachinartig vorkragenden, mit Nasen oder
Maßwerk geschmückten Kielbogen, zwischen die, zumal an den Ecken, Fialen
eingeschaltet wurden. Bei einfachen Monstranzen begnügte man sich damit,
den oberen Rand des Deckels mit einem Zinnenkranz zu versehen. Den Be-
hälter in die Architektur einzubauen, bot keine Schwierigkeit. Der Aufsatz bil-
dete den naturgemäßen Ausklang des Deckels, die Streben bzw. die seitlichen
Anbauten umgaben den Zylinder. Die Abbildungen bieten reichlich Belege für
das Gesagte.
Die zweite Form des Behälters für das AHerheiligste stellte einen liegenden,
vorn und hinten mit Glas verschlossenen Metallzylinder dar. Die Zahl der einen
solchen aufweisenden Monstranzen ist nicht sehr erheblich. Als Beispiele seien
genannt eine Monstranz in der Stiftskirche zu Vreden (Tafel 66), in der Pfarr-
kirche zu Wiedenbrück und zu Ottmarsbocholt in Westfalen, im Dom zu Köln
(Tafel 66), zu Steinfeld in der Eifel, zu St. Paul in Kärnten, zu Tramin und Lüsen
in Tirol, zu Seitenstetten in Niederösterreich, zu Eltz an der Mosel, im Dom zu
Preßburg sowie zu Ungarisch Hradisch in Mähren. (16) Den Glasverschluß
umgibt eine kreisförmige, mit Rosetten, einer Inschrift oder sonstwie verzierte
kreisförmige Umrahmung, die um den Rand herum mit einem Zackenkamm
besetzt ist. Den hinteren Verschluß bildet ein Türchen, das das Einsetzen der
heiligen Hostie ermöglicht. Einen Vierpaß bildet die Umrahmung des vorderen
Verschlusses des Zylinders bei einer Monstranz zu Vallendar. Es sind nur Mon-
stranzen mit turmförmigem Schaugefäß, bei denen uns ein Behälter des zwei-
ten Typus entgegentritt.
Schwierigkeit bot die Einordnung des Zylinders in die ihn umgebende Turmarchitektur,
Eine völlig befriedigende Lösung war nicht zu erreichen. Bei der Monstranz im Dom zu
Köln und zu Steinfeld erhebt sich auf dem Trichter ein rechteckiger Sockel, mit segment-
förmigem Ausschnitt, dem der Zylinder eingefügt ist. Die seitlichen Streben sitzen auf
Ansätzen des Sockels, der Aufsatz baut sich auf dem Scheitel des Zylinders auf. Der Zylin-
(16) Der Bebalter der Monstranz zu Tegernsee ist wie überhaupt der größere Teil der-
selben modern.
374 VASA SACRA. DRITTER ABSCHNITT. DIE MONSTRANZ
der der Monstranz zu St. Paul und zu Seiten stellen liegt ohne jede organische Verbindung
zwischen den Streben auf dem Sockel des Schaugefäßes. Der Aufsatz sitzt auch hier unver-
mittelt oben auf dem Zylinder. Bei der Monstranz zu Eltz (17) ruht der Zylinder auf dem
Trichter des Ständers zwischen Voluten, die nach rechts und links sich aufschwingen und
auf ihrem Ende die den Zylinder beiderseits flankierenden Streben tragen. Der1 hier ver-
suchten Lösung ähnlich ist die Weise, wie man zu Vreden, Ottmarsbocholt und Wiedenbrück
den Zylinder dem architektonischen Aufbau eingegliedert bat. Er ruht hier auf einem
sechsseitigen Untersatz, der bei den Monstranzen zu Vreden (Tafel 66) und Wiedenbrück
von einem niedrigen, kapitellartigen Trichter, mit dem der Ständer endet, aufsteigt, bei
der Monstranz zu Ottmarsbocholt unmittelbar von dem den Ständer abschließenden Sims.
Das seitliche Strebenwerk wird bei der Vredener Monstranz getragen von wagerechten,
durch eine leichte Volute abgestützten Ansätzen des Untersatzes, bei der Wiedenbrücker
von Voluten, die neben dem Untersatz sich aufschwingen, bei der Ottmarsbocholter durch
gekrümmte, von einer Volute unterfangene Stützen, die nach rechts und links weit aus
dem Untersatz heraustreten. Eigenartig, wenn auch nicht gerade gefällig, ist die Lösung,
die man bei der Monstranz im Dom zu Preßburg versucht hat. Der Zylinder ist hier ver-
mittels zweier kurzer achtseitiger Scfaaftstücke, .-i:,i wu-,, f'rü'iu .iüü'i;;, 7iViHi.--i'v
zwei niedrige achtseitige leicht gekrümmte Trichter dem Aufbau eingefügt, von denen der
eine von dem achtseitigen, mit ungewöhnlich weit ausladenden Ansätzen für die seitlichen
Streben versehenen Sockel des Schaugefäßes aufsteigt, der andere von dem Sockel des
den letztern bekrönenden Aufsatzes herabhängt. (18) Eine ähnliche Lösung zeigt die Mon-
stranz zu Ungarisch Hradisch.
Der Behälter der dritten Form besteht in einer wenig tiefen, auf die Kante ge-
stellten, vorn mit Glasverschluß, hinten mit einem Türchen versehenen runden
Kapsel. Auch er dürfte im großen und ganzen nur geringe Verbreitung besessen
haben, am meisten noch in Portugal. Turmförmig sich aufbauende Monstranzen
mit einer Kapsel der beschriebenen Art finden sich daselbst in der Kathedrale
zu Porto (Tafel 67), in der Kathedrale zu Vizeu, in der Stiftskirche zu Guima-
räes (Tafel 67) und in der Akademie der schönen Künste zu Lissabon. Auch die
vonEmmanuel I. gestiftete Monstranz im Schloß d'Ayuda zu Lissabon (Tafel 67)
hat einen kapseiförmigen Behälter, doch ist dieser hier nicht ursprünglich; er
ist a« die Stelle eines stehenden Zylinders getreten, wie es auch bei der Monstranz
zu Egulve (Prov. Teruel) in Spanien der Fall ist (Tafel 64). Andere Beispiele
bieten eine Monstranz in der Pfarrkirche zu Beyghem in Belgien (19) und in
der Kathedrale zu Agram (Tafel 70), dagegen kann nicht als solches gelten der
Behälter der um i5oo von Hans von Reutlingen verfertigten, in Einzelheiten
schon erheblich von der Renaissance beeinflußten Monstranz im Münster zu
Aachen. Denn der von Strahlen umgebene, aufs reichste mit Edelsteinen ge-
setzte kapseiförmige Behälter, mit dem sie heute ausgestattet ist, stammt nicht,
wie man gemeint hat, aus der Entstellungszeit der Monstranz, sondern ist spä-
terer Ersatz für den stehenden Zylinder, mit dem sie ursprünglich versehen
war (Tafel 71). Man hat es mit der Monstranz gemacht, wie man es im 17. Jahr-
hundert überhaupt mit zahlreichen gotischen Monstranzen machte. Der stehende
Zylinder, mit dem dieselben versehen waren, gefiel nicht mehr; eine von Strah-
len umgebene runde Kapsel erschien schöner und wohl auch praktischer und
so entfernte man den Zylinder und fügte an seine Stelle, freilich fast immer 1»
(17) Abb. bei v. Falke, Tfl. 120. (18) Abb. in Mitt. I (1856) Tfl. 11.
(19) Crooy, TfLXlIL
VIERTES KAPITEL. FORM. I. MIT STÄNDER: GOTIK 375
(21) GAi I, 415. (22) A. Welby Pugis, Glossary of ecclesiastical ornaments (London
1846) 181. (23) Revue archeol. XXVII (1874) 253, 398. (24) Archaeologia L, 514.
(25) Revuearcheol. XIV (1869) 380; das Kreuz diente zugleich als Monstranz und als Be-
hälter für eine Kreuzpartikel.
VIERTES KAPITEL. FORM. I. MIT STÄXDER: GOTIK 377
Daß Monstranzen von der Form der beiden erstgenannten nicht zum Typus
wurden, ja nicht einmal werden konnten, ist leicht begreiflich. Auffallend muß
aber angesichts der zahlreichen Reliquienkreuze, die das späte Mittelalter her-
vorbrachte, genannt werden, daß auch solche in Kreuzesform nur vereinzelte
Erscheinungen blieben und daß insbesondere Monstranzen von der Art der
Kruschwitzer und Löfer nicht öfter entstanden. Indessen mochte der Grund
dafür wohl das gesunde Empfinden sein, daß als Behälter zur Aussetzung des
Allerheiligsten doch nur ein nicht an sich schon einen bestimmten religiösen
Charakter tragendes Gerät wie das Kreuz geeignet sei und daß das Allerheiligste
in einem Kreuze ausgesetzt nur zu leicht als Vertreter einer Darstellung des
Gekreuzigten erscheinen könne.
Sonderformen der Monstranz sind auch die Ziborium-Monstranzen, eine Ver-
bindung von Ziborium und Monstranz. Sie konnte auf zweifachem Wege erfol-
gen. Erstens indem man zwischen Kuppa und Deckel des Ziboriums behufs
Aussetzung des Allerheiligsten ein Schaugefäß zur Aufnahme desselben ein-
(26) Revue des Soc. sav. 6e ser. V, 295. (27) Kd. von Posen IV, 42.
(28) Grazer Kirchenschmuck XV (1884) 94. (29) Abb. in Mitt. der antiquar. Gesell-
schaft in Zürich XIV, Heft 2, Tfl, I. Betreffs der Monstranz zu Löf vergleiche auch aus'm
Weekth III, 65 nebst Abb.
378 VASA SACRA. DRITTER ABSCHNITT. DIE MONSTRANZ
schob. Der Deckel des Ziboriums bildete in diesem Falle den das Schaugefäß
bekrönenden Aufsatz. Ein Beispiel einer Ziborium-Monstranz dieser Art be-
findet sich im Schnütgenmuseum zu Köln. Ohne Schaugefäß, das ist als bloßes
Ziborium, 44.3 cm hoch, hat sie nach Einschaltung desselben eine Höhe von
57 cm. Deckel und Boden des laternenartigen Schaugefäßes werden abwech-
selnd durch Streben und Säulchen verbunden. Das der ersten Hälfte des i5. Jahr-
hunderts entstammende Gerät ist das einzige seiner Art, das sich erhalten hat
(Tafel 54).
Zweitens konnte man das Ziborium in der Weise auch zu einer Monstranz
machen, daß man auf dem Scheitel seiner Kuppa einen Behälter für die zur
Aussetzung anzusetzende Hostie in Form einer Rundkapsel anbrachte. Gotische
oder doch noch gotisierende Ziborium-Monstranzen dieser Art haben sich nur
aus Spanien erhalten.
Ein lehrreiches Beispiel, bei dem im Ornament schon die Renaissance Eingang gefunden
hat, befindet sich heute in englischem Privatbesitz {Tafel 64)- Es besteht in einem sechs-
seitigen Ziborium mit niedrigem, pyramidalen Deckel, der auf dem Scheitel eine oben und
unten in eine Spitze auslaufende, scheibenartige Rundkapsel trägt, die vorn und hinten
mit Glas abgeschlossen erscheint, ringsum mit Krabben verziert ist und als Bekrönung ein
Kreuzchen mit einem Kruzifixus zeigt, den Rehälter für die zur Verehrung auszusetzende
Hostie. Ein reicheres und zugleich älteres bietet die aus dem frühen 15. Jahrhundert
stammende rein gotische Ziborium-Monstranz zu Tronchon (Tafelöß)- Die gleichfalls von
Blattern umrahmte, mit einem Kreuzchen abschließende Kapsel für das All er heiligste sitzt
bei diesem nicht unmittelbar auf dem Deckel des sechsseitigen Ziboriums, sondern auf
der Spitze eines kleinen sechsseitigen Tcmpelcheiis. das sich zunächst auf demselben erhebt
und gleichsam den Fuß der Kapsel bildet., An den Seiten des Ziboriums sind unter rundbo-
gigen mit Zackenkamm versehenen Arkaden in durchsichtigem Schmelz die Geburt Christi,
die Kreuzigung, die Abnahme vom Kreuze, die Gregoriusmesse und die Heiligen Stephanus
und Ursula dargestellt. Ein weiteres noch ganz gotisches Beispiel einer Ziborium-Monstranz
findet sich im Bischöflichen Museum zu Vieh. Der das Ziborium darstellende "Behälter be-
steht hier in einem rechteckigen, mit sattelförmigem, abgewalmtem Deckel versehenen
Kästchen. Ein oberes Schaftstück fehlt über dem Nodus des Ständers. Zwei von dem Nodus
aufsteigende Arme, auf denen auch die das Ziborium beiderseits begleitenden Engel stehen,
tragen das Ziborium. Eine andere Ziborium-Monstranz, mit rechteckigem Kästchen als
Ziborium, findet sich zu Pierola y Hostalets in Katalonien. Während jedoch die Kapsel für
die zu exponierende Hostie bei den drei vorgenannten der gleichen Zeit wie das Ziborium'
angehört, stammt sie bei ihm erst aus nachmittelalterlicher Zeit, doch mag die heutige nach
Art der Sonnenmonstranzen von Strahlen eingefaßte Kapsel an Stelle einer älteren getreten
sein. Schon ganz in Renaissanceformen gekleidet sind zwei Ziborium-Monstranzen aus dem
16. Jahrhundert in der Sammlung Lazaro zu Madrid (Tafel 63). (30) Alle genannten Zibo-
rium-Monstranzen weisen wie die spanischen Ziborien, von denen früher die Rede war, (31)
neben dem zur Aufnahme der zur Kommunion bestimmten Hostien dienenden Behälter
Engelfiguren auf.
Abgebildet ist eine Ziborium-Monstranz des zweiten Typus auf einer Minia-
tur, die sich in einer Handschrift aus dem späten i5. Jahrhundert in der Pa-
riser Nationalbibliothek befindet, einer Darstellung der Aussetzung des Alier-
heiligsten. Der Behälter der Hostie besteht auf ihr in einer auf kurzem Schaft
sitzenden runden Kapsel, die von einem Kelch oder wohl richtiger von einem
(30) La colecciöu Lazaro de Madrid (Madrid 1926) I, n.239; II, n.825.
(31) Vgl. oben S. 313. V '
VIERTES KAPITEL. FORM. I. MIT STANDER: GOTIK 379
Ziborium aufsteigt und auf dem Scheitel ein Kreuzchen aufweist, sonst aber
allen Beiwerkes, selbst eines ihren Rand umziehenden Zackenkammes ent-
behrt. (32) Die Miniatur läßt vermuten, daß auch außerhalb Spaniens Ziborium-
Monstranzen, wie sie dort in Brauch waren, entstanden. Beide Arten von Zibo-
rium-Monstranzen waren nur Notbehelf. Immerhin hat sich wenigstens die
zweite in einem engeren Gebiet, in Nordostspanien, bis in das 17. Jahrhundert
hinein behauptet.
Scheibenförmige Monstranzen im Sinn und von der Art der nachmittelalter-
lichen Scheibenmonstranzen, das ist Monstranzen mit einem aus Behälter und
flacher Umrahmung desselben bestehenden, völlig unarchitektonischen, an eine
Rund- oder Ovalscheibe erinnernden Schaugefäß, hat es im Mittelalter besten-
falls nur ganz vereinzelt gegeben; auffallend genug, da doch Scheibenreliquiare
in diesem nicht gar selten entstanden.
Nicht als Scheibenmonstranzen gelten können die vorhin besprochenen spanischen Zibo-
rium-Monstranzen. Höchstens kann man die runde flache, mit Glas verschlossene Kapsel,
welche das Schaugefäß derselben bildete, als entfernten Vorläufer und als Ausgangspunkt
für die Entstehung der Scheibenmonstranz bezeichnen.
Nicht Scheiben monstranz ist auch eine Monstranz mit kapsei förmigem Behälter für die
heilige Hostie im Museo civico zu Turin, die man vielleicht als eine solche zu bezeichnen
geneigt sein möchte. Ihr Ständer besteht aus einem Sechspaßfuß, sechsseitigem Schaft, mit
rautenförmigen Zapfen besetztem Nodus und einem zum Behälter des Allerheiligsten über-
leitenden sechsseitigen, leicht auswärts gekrümmten Trichter. Der Behälter ist um die runde
Öffnung herum mit einem Zackenfries verziert. Auf seinem Scheitel erhebt sich zwischen
■"■v.wi'isr :;.'!)i.v.!.'!tii'.:ifl'.'rr-h'hi'ii!!ci; uii'iln^i'n Fiaion ein kii;:nrs Türmchen. Den Seiten sind.
durch eine Volute abgestützte Streben angefügt, die jedoch, weil zu niedrig, mit dem Aufsatz
oben auf dem Behälter in keiner Verbindung stehen und wie bloße Anhängsel anmuten.
Parallelen zu der Monstranz sind die Monstranz,in der Kathedrale zu Porto, in der Stifts-
kirche au Guimaräes, im Dom zu Agram, zu Beyghem in Belgien (33) und andere mit kap-
seiförmigen Behälter versehene türm- oder retabelartig gestaltete gotische Monstranzen.
Auch sie ist eine Monstranz dieser Art, nicht eine Scheiben monstranz im 'Sinne der nach-
niiltelalterlichen Scheibenmonstranzen, nur ist ihre Architektur1 nicht völlig, wie es der
Typus erfordert hätte, durchgeführt worden, unvollständig geblieben.
Noch nicht um eine Scheibenmonstranz, jedoch schon um eine Vorstufe der-
selben handelt es sich bei der früher erwähnten Monstranz der Sammlung Fig-
dor. (34) Eine Scheibenmonstranz in ihrem frühesten Entwicklungsstadium stellt
ein Ostensorium italienischer Herkunft im Schnütgenmuseum dar, dessen Schau-
gefäß von einer auf hohem Ständer angebrachten Rundscheibe gebildet wird,
die aus einem kapselartigen Behälter, der flachen, mit einem Kranz von Me-
daillons, nieliierten Brustbildern, verzierten Umrahmung desselben, und einem
Kamm von strahlenförmig um den Rand herum angeordneten dreiteiligen Blät-
tern besteht; (35) vorausgesetzt, daß es sich bei ihm um eine Monstranz für das
Allerhciligste und nicht um ein Reliquiar handelt. Das sicher nicht ursprüngliche
Kreuzchen, das, einen der Zacken des den Rand umziehenden Blätterkranzes
halb verdeckend, heute oben auf dem Scheitel der Scheibe angebracht ist, dürfte
für letzteres sprechen. Gotische Reliquiare ähnlicher Art kommen zudem auch
sonst vor.
~~V®y Abb. bei Roh. V, TU. 376. (33) Vgl. oben S. 375. (34) Vgl. oben S.366.
(35) Abb. bei Witte, Tfl. 62, n.2.
380 VASA SACRA. DRITTER ABSCHNITT. DIE MONSTRANZ
Die Renaissance übernimmt zunächst die Formtypen der Monstranz, wie sie
die Gotik geschaffen hatte, und führt sie weiter, fügt aber eine weitere Form
ihnen zu, die Scheibenmonstranz, die jedoch erst in der Zeit des Barocks voll
zur Herrschaft kommt. Die Umbildung, die mit den drei mittelalterlichen Typen
vor sich geht, ist wie die, welche der Kelch und das Ziborium durch das Ein-
dringen der Renaissanceformen und des Renaissanceornaments unter gleich-
zeitigem Verdrängen der gotischen Formen und des gotischen Ornaments er-
fuhr, in erster Linie eine stilistische, doch geht mit ihr Hand in Hand ein Wan-
del in der Gesinnung. Das Verständnis für die strenge Folgerichtigkeit .und
Gesetzmäßigkeit verliert sich ebenso wie der Sinn und das Empfinden für die
Eigenart der gotischen Formensprache und der gotischen Konstruktionsgedan-
ken. Immer mehr tritt die Richtung auf malerische Wirkung in den Vorder-
grund, während in gleichem Maße das Streben nach konstruktiver Gestaltung
zurücktritt und zuletzt sich ganz verliert. Bei den Monstranzen des Barocks, die
zum weitaus größten Teil den Typus der Scheibenmonstranzen zeigen, ist die
Architektur zu Gunsten einer möglichst glänzenden malerischen 'Wirkung völ-
lig oder doch so gut wie völlig ausgeschaltet.
1. Der Ständer der Renaissance- und Barockmonstranzen. Der Ständer der
noch gotisierenden Monstranzen, das ist jener Monstranzen, in denen sich die
Gotik außer im struktiven System des Aufbaues auch noch in mehr oder weni-
ger erheblichem Ausmaß in der Bildung der Einzelbestandteile behauptet und
die Renaissance nur erst teilweise in der Formensprache und im Ornament Ein-
gang gefunden hat, jener Monstranzen also, die trotz aller bei ihnen eingedrun-
genen Elemente der Renaissance als Ganzes noch ausgesprochen gotische Er-
scheinungen darstellen, unterscheidet sich von dem der gotischen, abgesehen
von etwaigem Renaissanceornament, mit dem er verziert ist, nur wenig, jeden-
falls nicht wesentlich. Die Form des Fußes bleibt die gleiche, ebenso sein Profil,
nur ist er gewöhnlich doppelstufig statt einstufig. Ein runder Fuß begegnet
uns auch bei den gotisierenden Monstranzen selten. Wollen doch noch der hei-
lige Karl in seiner Instructio fabricae ecclesiae wie auch Myller in seinem Or-
natus ecclesiasticus (Tafel i43), er solle mehrwinklig sein, mit der Begründung,
damit er standsicherer sei. Der Nodus verliert seine Zapfen, mit denen er übri-
gens schon bei den gotischen Monstranzen keineswegs regelmäßig ausgestattet
war, ähnlich wie der der gotisierenden Kelche. Sie werden durch Rosetten oder
Engelsköpfchen ersetzt. Gotisierende Monstranzen mit architektonisch gestal-
tetem Nodus entstanden nur vereinzelt. Ein Beispiel bietet die Monstranz zu
Mehlsack im Ermland.
Eine eingreifendere Veränderung erfuhr der Ständer bei den Monstranzen,
in denen die Renaissance den Sieg davongetragen und die gotische Formen-
sprache ganz oder so gut wie ganz verdrängt hatte, auch wenn sie im System des
Aufbaues an dem aus der Gotik überkommenen Typus festhielten. Der Fuß
beginnt sich zu wölben; statt eines nach innen gekrümmten Profils, wie es der
Fuß der gotischen und auch noch der gotisierenden Monstranzen zeigte, erhält
VIERTES KAPITEL. FORM. IL MIT STÄNDER: RENAISSANCE. BAROCK 381
maligen Jesuitenkircbe zu Hildesheim, die iu5a nach einem Entwurf des zum Kölner Je-
suitenkolleg gehörenden Bruders Silling, eines Goldschmiedes, angefertigt wurde, sind
nur Schaft, Modus und Trichter des Ständers im Sinne des neuen Typus gebildet. In allen
Teilen verkörpert diesen der Ständer einer Monstranz in N.-Dame zu Aerschot von etwa
i6^a (Tafel 72), einer Monstranz in St-Pierre zu Turnhout von i656, architektonische
Bauten mit stehendem Zylinder, aber stilistisch durchaus Renaissance- oder besser Früh-
barock arbeiten, (38) desgleichen der einer gleichartigen Monstranz in St. Severin zu Köln
von etwa i65o.
Doch die angeführten Beispiele können genügen. Galt es ja doch nur, an Bei-
spielen die Umbildung des Ständers vom gotischen Typus zum Renaissance-
und Barocktypus zu beleuchten. Die Umbildung erfolgte überall in derselben
Weise und nach derselben Richtung. Hier tritt sie jedoch früher auf, dort
später, hier verbreitet sie sich rascher, dort langsamer, hier wird sie eher all-
gemein, dort erst nach längerer Zeit, je nachdem der gotische Tvpus des Stän-
ders weniger tief oder tiefer Boden gefaßt hatte und der Einfluß der Renais-
sance stärker sich geltend machte, weil sie, wie in Italien, eine bodenständige
Stilrichtung war, oder minder stark und minder eingreifend, weil sie an eine
durch lange Übung in sich gefestigte Kunst von außen als etwas Neues, Unge-
wohntes herantrat. Am frühesten und raschesten vollzog sich der Umbildungs-
prozeß demgemäß, wie schon früher kurz bemerkt wurde, in Italien. Daß aber
auch hier der alte Typus des Ständers keineswegs in kurzer Frist zu Gunsten des
neuen preisgegeben wurde, daß vielmehr auch hier der Umbildungsprozeß in.
stufenweisem Fortschritt sich vollzog, zeigen die italienischen Renaissance-
monstranzen, die sich erhalten haben, (39) und erhellt auch aus der Verordnung
des heiligen Karl bezüglich der Form des Fußes der Monstranz.
Von eigenartiger Bildung ist der Ständer der um iooo von Hans von Reutlingen ange-
fertigten, ausgiebig Renaissancemotive aufweisenden Monstranz im Münster zu Aachen
(Tafel 71). Der achtpaßförmige Fuß, oben mit sich überschneidendem, kräftig vortretendem
Maßwerk überzogen, sitzt auf einer runden Scheibe. Das von ihm aufstrebende untere
Schaftstück hat die Gestalt einer Vase. Der Nodus besteht aus einer achtpaß form igen, mit
Buckeln verzierten flachen Kapsel. Das obere Schaftstück fehlt; der Trichter ruht unmittel-
bar auf dem Nodus. Der Meister hat zweifellos etwas Neues und Neuartiges schaffen wollen,
Nachfolge aber hat er nicht gefunden. Was er schuf, ist ein vereinzelt dastehender Versuch
geblieben.
In der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts bürgert sich der von der Re-
naissance geschaffene neue Typus des Ständers der Monstranzen bald allgemein
ein. Der frühere Typus erscheint nun völlig verdrängt. Erinnerungen an ihn
kommen allerdings gelegentlich vor, doch nur als schwache Anklänge, die für
das Gesamtbild des Ständers ohne Bedeutung sind. Der Fuß ist nun bald rund,
bald oval, bald am Rand rundlich gezackt, bald, besonders zur Zeit des Rokokos,
willkürlich geschweift, meist zweistufig und im Profil karniesförmig oder, doch
seltener, rundlich gewölbt. Vereinzelte Erscheinungen sind Ständer mit drei-
(38) Abb. der belgischen Monstranzen bei L. et F. Crooy, L'orfevrerie religieuse en
Belgique (Bruxelles 1911) pl. XIV—XXI, der Hildesheimer Monstranz in Zeitschrift JA
(1907) 215. (39) Eine Anzahl guter Beispiele im Museo civico di Torino (Torino 1905),
bei Witte, Tfl. 60—61 sowie bei Li:ca Bkltrami, L'arte negli arredi sacri della Lombardia
(Milano 1897) tav. 80.
VIERTBS KAPITEL. FORM. L MIT STÄNDER: GOTIK 383
stützigem Fuß von der Art des Fußes der Barockleuchter (Tafel 77). Der
Schaft ist regelmäßig eine mit Fuß und Hals versehene Vase von mannigfacher
Bildung. In der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts ist sie wie bei den gleich-
zeitigen Kelchen oft dreiseitig. Eine Erinnerung an die Zapfen des Nodus der
gotischen Monstranzen sind die Engelsköpfchen, mit denen der Bauch der Vase
gern verziert wurde. Ein Zwischenstück zwischen Schaft und Fuß fehlt. Es
wird ersetzt durch die über den Hals des Fußes vortretende Fußplatte der Vase.
Zur Überleitung vom Schaft zum Schaugefäß dient zum Teil noch ein Zwischen-
glied in Form einer Schale oder eines Bechers, das jedoch bei einem scheiben-
förmigen Schaugefäß, wie das der Barockmonstranzen, wenig Sinn hatte, da
zwischen einem solchen und einem becherförmigen Zwischenstück eine orga-
nische Verbindung nicht möglich ist. Man ließ es daher auch meist weg, indem
man das Schaugefäß entweder unvermittelt dem Schaft aufpfropfte oder durch
ein vasenartiges Gebilde, eine Einzelfigur, einen aus stehenden Blättern gebil-
deten Kelch, eine Kartusche, eine Volute, durch Wolkenballen oder sonst ein
Ornament wenigstens für das Auge eine Verbindung zwischen Schaft und
Schaugefäß herzustellen suchte. (40)
Sicht selten ersetzte man den ganzen Schaft durch eine stehende Engelfigur, die in ihren
in die Höhe gerichteten und ausgebreiteten Händen das "Schaugefäß zu halten hatte; und
zwar beliebte man diese Lösung nicht bloß in Deutschland, wir begegnen ihr auch bei nicht-
deutschen Monstranzen, wie beispielsweise bei einer Monstranz zu Crevalcore bei Bologna
(Tafel 77), die sicher nicht die einzige ihrer Art in Italien geblieben ist, sowie bei einer
Prachtmonstranz in der Kathedrale zu Gadix (Tafel 70). Bei dem Ständer einer Monstranz
zu Weiden (BA. Neustadt) in Bayern (Tafel 75) vertritt den Schaft ein Engel, in der Linken
ein Flammensch wert, auf der erhobenen Rechten und dem behelmten Kopf die Arche des
Bundes, über der, umgeben von einem Strahlenkranz, der Behälter für die heilige Hostie
schwebt. Bei einer Monstranz in S. Maria Maddalena zu Bologna dient als Schaft eine Figur
des heiligen Michael, die Wage in der Rechten, der Schaft einer Sonnenmonstranz in
St. Agatha zu Aschaffenburg, einer Schöpfimg des Klassizismus, besteht in einer auf vier-
seitigem sockelartigem Fuß sitzenden kannellierten Säule, auf der sich die Halbfigur eines,
in den ausgebreiteten Händen das Schaugefäß tragenden Engels erhebt (Tafel 76). Bei einer
den Jessebaum darstellenden Monstranz zu Weilheim in Oberbayern dient als Schaft ein
Stamm, der von dem auf dem Fuß ruhenden Jesse ausgebt und oben sich in die die Ahnen
des Herrn umschließenden Ranken, welche den Behälter für das heiligste Sakrament
umrahmen, verzweigt. Bei einer gleichartigen Monstranz zu Heinrichau in Schlesien wird
der Schaft von einem Baumstumpf gebildet, auf dem die Iialbfigur Jesses angebracht ist,
in den ausgestreckten erhobenen Händen das hinter seinem Kopf aufsteigende Schauge-
fäß haltend (Tafel 7^). Schaft einer Monstranz in der Peterskirebe zu Straubing ist die ste-
hende Figur des Erlösers; (41) ein Holunderbaum, dessen Ästen der Behälter eingefügt,
am Boden Markgraf Leopold mit zwei Jagdhunden, eine Anspielung auf die Legende der
Gründung des Klosters, ist Schaft einer 1712—1716 entstandenen, durch ihren Reichtum an
Edelsteinen und Perlen kostbaren, ihrer Form nach aber bizarren Monstranz zu Kloster-
neuburg. Etwas sinnvoller ist eine durch ihren Reichtum an Diamanten äußerst wertvolle
Monstranz im Loretoschatz zu Prag (Tafel 78), deren Schaft die auf Wolken stehende
Immaculata bildet, die den auf dem Fuß des Ständers von der Form eines Felsblockes
lagernden, den Schwanz mächtig emporbäumenden Drachen zertritt. Als Wolkensäule, die
von der auf dem Fuß des Ständers ruhenden Bundeslade aufsteigt, und oben sich nach
beiden Seiten zu mächtigen, den Behälter für die heilige Hostie umwallendem Wolkenballen
verzweigt, ist gestaltet der Schaft einer Sonnenmonstranz von 17^9 im Museum der Stadt
Wien. (42) Es war nicht irerade Vust'luli «ulen Geschmacks und feinen Empfindens für das,
was sich ziemt, wenn man heilige Figuren, wie die von Engeln, der Immaculata und gar erst
des Erlösers selbst zum Schaft für eine Monstranz erniedrigte. Frucht eines ungesunden, un-
gezügelten Symbolisierens, war das vielmehr, so gut es subjektiv gemeint war, zweifellos
eine Verirrung, zu deren Lobredner sich zu machen, keinerlei Anlaß vorliegt. Bei einer
Barockmonstranz in der Franziskanerkirche zu Paderborn dient als Sehaft eine allegorische
Frauengestalt, die Fides. Den Behälter einer pyxidenförmigen Monstranz aus der Zeit der
Spälrenaissance in der Stiftskirche zu Osuna in Südspanien tragen zwei Atlanten, deren
vortretende Knie den Nodus darstellen.
Bei Rokokomonstranzen verliert der Schaft nicht selten die Vasenform. Der
Fuß geht in den Schaft ohne Trennung über, indem sich der Fußhals als Schaft
fortsetzt. Der Nodus aber besteht lediglich in einer Schwellung des Schaftes.
Bei andern Monstranzen des Spätbarocks, zumal einfacheren, gliederte sich der
Schaft bisweilen in eine regellose Folge von Einschnürungen, Ringen und Wül-
sten, von welch letzteren einer den Nodus vertrat.
Der Typus des Ständers, den die Renaissance geschaffen und der dann unter
der Herrschaft des Barocks allgemein geworden war, behauptete sich auch im
Klassizismus, nur wurden die üppigen, bewegten, willkürlichen Formen, in die
ihn namentlich der Spätbarock gekleidet hatte, wieder schlichter, gemäßigter,
oft sogar geradezu nüchtern. Ein bezeichnendes Beispiel der nun beliebten
nüchternen Sachlichkeit ist der Ständer der Monstranz in St. Agatha zu Aschaf-
fenburg von 1779, von dem schon die Rede war, ein Bild geistloser Öde. Den
Nodus bildet der Bausch des Mantels, der die den oberen Teil des Schaftes er-
setzende Halbfigur eines Engels unten umgibt.
Zwei Arme mit einer Engelfigur auf den Enden, wie sie uns bei spanischen Monstranzen
des i5. und 16. Jahrhunderts begegneten, (43) zeigt am Schaft eine stattliche Sonnenmon-
stranz des 17. Jahrhunderts (Tafel 77) zu Beaupreau (Maine-et-Loire). (44) Sehr beliebt
war es zur Zeit des Spätbarocks in Westpreußen, dem Schaft der Monstranz zwei Arme mit
einem ihnen aufgesetzten Statuettchen anzufügen, wie die vielen Monstranzen dieser Art,
die sich aus ihr erhalten haben, bekunden. So gibt es deren beispielsweise noch in der
Pfarrkirche zu Kunzendorf (Tafel77), (45) zu Fischau, zu Ladekopp, zu Ließau, zu Posilge,
zu Groß-Montau, zu Tannsee u. a. (46) Nur waren es in der Regel Statuettchen von Heiligen,
nicht Engelfiguren, die man in Westpreußen auf den Armen anbrachte.
2. Das Schaugefäß und der Behälter für die heilige Hostie. Wie schon gesagt
wurde, behaupteten sich die Typen des Schaugefäßes, welche die Gotik ge-
schaffen hatte, zunächst auch noch, als die Renaissance sich bei der Monstranz
einzubürgern begann. Ihr Eindringen bedeutete so wenig einen Wandel in der
Bildung des Schaugefäßes, daß die hergebrachten Typen sich vielmehr selbst
(501 Abb. in Grazer Kirchenachmuck XV (1384) 117. (51) Crooy 159.
(52) Auskunft Ober dieselben nebst photographischen Aufnahmen mehrerer von ihnen
erhielt ich durch die Güte des Herrn Direktors D. Jos6 de Figueiredo und seines Assistenten
Dr. Joäo Couto, denen ich auch an dieser Stelle aufrichtigst danken möchte.
(53) Abb. in Catalogo illustrado da exposicäo em I.isboa (Lisboa 1882) Tfl. 74.
Braun, das christliche altargerät 25
386 VASA SACRA. DRITTER ABSCHNITT. DIE MONSTRANZ
dann noch erhielten, als bezüglich der Formensprache die Abkehr von der
Gotik vollkommen geworden war und alle dekorativen und konstruktiven Ein-
zelheiten das Kleid der Renaissance angezogen hatten. Erst das sich einbür-
gernde Barock brachte den überlieferten Typen auch hinsichtlich des Systems
des Aufbaues ein Ende. An ihre Stelle trat der Typus des scheibenförmigen,
architekturlosen Schaugefäßes.
Der pyxidenförmige Typus des Schaugefäßes war, wie schon unter der Herr-
schaft der Gotik, nach wie vor vor allem in Italien heimisch. Er entspricht noch
durchaus dem, was der beilige Karl in seiner Instructio fabricae ecclesiae von
der Gestalt des Schaugefäßes der Monstranz sagt. Vom Boden desselben sollen
sich vier, sechs oder acht Säulchen erheben, die jedoch, wenn acht an der Zahl,
paarweise zusammengestellt werden sollen. Oben sollen sie durch einen, dem
korinthischen Gebälk entlehnten Fries verbunden werden, über diesem Fries
aber soll sich ein halbkugeliges oder pyramidales durch zwei Nadeln oder Haken
zu befestigendes Dach mit einem gleicharmigen Kreuzchen, einem Kreuzchen
mit dem Bilde des Gekreuzigten oder einem Statuettchen des Auferstandenen
als Bekrönung erheben. Innerhalb der Säulchen soll, um den Innenraum nach
außen abzuschließen, ein oben geschlossener, unten offener Zylinder aus Glas
oder Kristall angebracht werden. Das tabernaculum, wie der heilige Karl das
Schaugefäß nennt, soll von runder Form sein. (54)
In der Tat sind die pyxidenförmigen italienischen Monstranzen der Renais-
sance, die sich erhalten haben, zumeist zylinderförmig; polygonale kamen, im
Gegensatz zum mittelalterlichen Brauch, nur mehr selten vor. (55) Das Schau-
gefäß der Monstranzen aus der Zeit der Frührenaissance zeigte noch mehr oder
weniger Erinnerungen an die Gotik, so namentlich in der Bildung der das
Dach tragenden, nicht als antike Säulchen, sondern noch als Streben gebildeten
Stützen (Tafel 73). Statt Säulchen oder Streben verband Boden und Dach aucli
wohl ein von großen rundbogigen Öffnungen durchbrochener Zylinder. Als
Bekrönung saß auf dem Scheitel des Daches häufig ein kleiner laternenartiger
Aufsatz. Im allgemeinen sind die pyxidenförmigen italienischen Monstranzen
der Renaissance schlichte Gebilde. Ein reicheres, außen an der Wandung des
Behälters außer mit Ornament auch mit Statuettchen geschmücktes Beispiel
findet sich in S. Stefano zu Mailand. (56) In der Barockzeit wird auch in Italien
die pyxidenförmige Monstranz durch die Scheibenmonstranz verdrängt.
Außerhalb Italiens scheinen pyxidenförmige Renaissancemonstranzen kaum
entstanden zu sein, abgesehen von Spanien und Portugal, wo es schon zur Zeit
der Gotik neben andern auch Monstranzen dieses Typus gab. Als Beispiele
seien genannt eine Monstranz des späten 16. Jahrhunderts im Klarakloster zu
Coimbra mit kandelaberförmigem Schaft, flacher, reichornamentierter Schale
als Überleitung zum Behälter, sechsstützigem Behälter für das Allerheiligste
und sechsseitigem in zwei laternenartigen Geschossen sich aufbauenden, mit
Engelstatuettchen besetzten und von einem Statuettchen des Auferstandenen
(54) AA. Eccl. Mediol. 633. (55) Ein Beispiel im Museo civico di Torino (Torino 1905)
tav. 86. (56) Abb. bei Liga Beltrami, L'arte negli arredi sacri della Lombardia (Milano
1897) tav. 80.
VIERTES KAPITEL. FORM. II. MIT STÄNDER: RENAISSANCE. BAROCK 387
denen Ähren eingefügt sind, dort in Schnörkel werk, anderswo in einer oder zwei
Reihen Strahlen, die vom Behälter nach allen Seiten hervorschießen, wieder
anderswo in einer Verbindung eines Strahlenkranzes mit Ranken- und Schnör-
kelwerk, wobei die Strahlen bald unmittelbar vom Behälter ausgehen, bald von
der ihn zunächst umziehenden, aus anderem Ornament bestehenden Einfas-
sung. Im letzteren Falle gesellen sich zu dem äußeren Strahlenkranz bisweilen
auch noch nach innen oder außen gerichtete Strahlen um den Rand des Behäl-
ters herum. Der Strahlenkranz besteht bis gegen Ende des 17. Jahrhunderts
aus breilansetzenden, nach oben sich verschmälernden und in einer Spitze en-
denden, durchweg mäßig langen Zacken, die in regelmäßigen Abständen ein-
zeln nebeneinander angeordnet sind und bald alle gerade oder flammenartig
verlaufen, bald aber abwechselnd gerade und flammenartig. Es sind stilisierte
Strahlen, aus denen er sich zusammensetzt. Im ausgehenden 17. Jahrhundert
traten dann aber an Stelle der stilisierten naturalistisch gebildete, schmal be-
ginnende, nach oben zu sich immer mehr verbreiternde, am Ende unregelmäßig
ausgezackte Strahlen, die nicht selten, zumal bei den Monstranzen des Klassi-
zismus eine bedeutende Länge haben, häufig zu Gruppen oder Büscheln, in
denen kürzere und längere Strahlen meist willkürlich wechseln, verschmolzen
oder wenigstens zusammengestellt sind, einer streng regelmäßigen Anordnung
aber entbehren, nicht selten sogar völlig willkürlich um den Behälter herum
aus den ihn umgebenden Wolkenballen hervorschießen. (62) Die Abbildungen
auf Tafel 74—77 bieten für das Gesagte gute Beispiele.
Fast nur aus langen, aus Wolkenballen hervorschießenden, dicht mit Dia-
manten besetzten Strahlenbündeln setzt sich die Umrahmung einer äußerst
kostbaren Monstranz von 1699 im Loretoschatz zu Prag zusammen (Tafel 78).
Sie ist für ihre Zeit erst die einzige ihrer Art. (63) Häufiger entstehen solche
Monstranzen in der Spätzeit des 18. Jahrhunderts, in der Zeit des Klassizismus.
Es sind durchweg steife, nüchterne Gebilde, bei denen sich zu den Strahlen
höchstens etwas Ähren, Weinreben oder Wolkenballen, die den Ansatz dersel-
ben verdecken, gesellen (Tafel 76). Bis dahin überzieht die Strahlen zunächst
dem Behälter eine mehr oder weniger breite, oft reichst ornamentierte, von
Ranken-, Blatt-, Band- und Schnörkelwerk, dem häufig Engelchen oder an-
deres Figurenwerk eingefügt sind, gebildete Umrahmung, aus und hinter der
die Strahlen bald weiter, bald weniger weit hervortraten. In Spanien und Por-
tugal begegnen uns Scheibenmonstranzen aus dem späten 17. Jahrhundert,
deren Strahlen an der Spitze abwechselnd mit einem Stern besetzt sind, wie z.B.
zu Esplugat de Llobregat in Katalonien (64) und im Convento do Paraizo zu
Evora. (65) Eine Monstranz zu Crevalcore (Prov. Bologna) in Italien weist an
Stelle von Strahlen radial angeordnete Ähren auf (Tafel 77).
Man hat jene scheibenförmige Monstranzen, bei denen die Umrahmung des Behälters des
Allerlieiligsten aus Strahlen oder doch aus Ranken- und Schnörkelwerk in Verbindung
(62) Man vgl. z. B. die Abb. der früher (S. 384) schon erwähnten Monstranz im Museum
der Stadt Wien bei \Vein*«artm:k 243. (63) Abb. bei \Vei\gart.\er 240.
{64) Abb. in Album de la seccion arqueol. de la exposiciön universal de Barcelona (Bar-
celona 1888), Objectos liturgicos, Tfl. 13. (85) Abb. in Catalogo da exposicäo em Lisboa
(Liaboa 1832) Tfl. 75.
390 VASA SACRA. DRITTER ABSCHNITT. DIE MONSTRANZ
mit Strahlen besteht, Sonnenmonstranzen (franz. soleil) genannt. Abgeleitet aber hat man
den Strahlenkranz von dem Zackenkamm, mit dein man bei gotischen Monstranzen mit
Behälter für die heilige Hostie in Form eines liegenden Zylinders oder einer Rundkapsel
die vordere Öffnung derselben einzufassen liebte. Indessen ist ein Zusammenhang zwischen
diesem Zackenkamm und dem Strahlenkranz der nach mittelalterlichen Sonnenmonstranzen
nicht ersichtlich und auch sonst nicht nachweisbar. Außerdem ist zu beachten, daß der
erstere einen ganz anderen Charakter und einen ganz andern Sinn hatte als der letztere.
Der Zackenkamm war lediglich als Ornament gewollt, der Strahlenkranz aber war nicht
bloß Ornament, er war vielmehr auch, ja in erster Linie, als Symbol gedacht, als Symbol
der himmlischen Glorie nämlich.
Seiner Form nach ist das Schaugefäß der Scheibenmonstranzen bald rund,
bald, und zwar am häufigsten, hochoval oder mandelförmig, das ist unten ab-
gerundet, oben spitz, selten, wie z.B. bei einer Monstranz in St. Peter zu Salz-
burg, herzförmig. Der Behälter für das Allerheiligste ist hier rund, dort hoch-
oval, anderswo, und zwar sehr häufig, herzförmig, bei spätbarocken Monstran-
zen auch wohl mehr oder weniger willkürlich geschweift oder dreiseitig. Ist
das Schaugefäß rund, so liegt er stets in der Mitte desselben, andernfalls ist er
in der Regel ein wenig nach unten zu angebracht. Bei rundem Schaugefäß ist
er stets ebenfalls rund.
Die Scheibenmonstranz bat nach dem Gesagten mit den architektonisch sich aufbauenden
Turm- und Retabelmonstranzen gemeinsam, daß sie wie diese aus zwei Elementen sich
zusammensetzt. Sie unterscheidet sich von ihnen dadurch, daß das, den Formtypus der
Monstranz bestimmende, zum Behälter hinzukommende zweite Element nicht eine Archi-
tektur, sondern eine bloße Umrahmung ist. Aber auch das Verhältnis, in dem die beiden
Bestandteile zu einander stehen, ist nicht ganz das gleiche. Bei den Turm- und Retabel-
monstranzen ist der Behälter für die heilige Hostie der Turm- und Retabelarchitektur or-
ganisch eingebaut, bei der Scheibenmonstranz ist dagegen die Umrahmung ihm lediglich
äußerlich angefügt, die Verbindung beider also eine losere, freiere, größere Freiheit ge-
stattende.
sei trotz der Krabben oder des Kammes, die ihren Rand umziehen, Sonnen-
monstranz genannt werden. Denn diese sind ebensowenig ein Strahlenkranz,
wie der Zackenfries, der die vordere Öffnung des Behälters der Turm- und
Retabelmonstranzen umrahmt, wenn dieser die Form eines liegenden Zylin-
ders oder einer auf die Kante gestellten Kapsel hat.
Eine sehr frühe, ja wohl die früheste Darstellung einer Scheibenmonstranz
findet sich auf Raffaels Disputa (i5o8—i5n). Mit Strahlen ausgestattet ist
dieselbe noch nicht. Es kann darum kein Zweifel sein, daß es zu Raffaels Zeit
bereits Scheibenmonstranzen gegeben hat, andernfalls würde er eine solche
kaum auf seinem Fresko wiedergegeben haben, nur wissen wir nicht, welche
Verbreitung sie damals hatte. Eine etwas jüngere, etwa dem dritten Jahrzehnt
des 16. Jahrhunderts entstammende Darstellung einer Scheibenmonstranz be-
gegnet uns im Halleschen Heiltumsbuch, das Albrecht von Brandenburg her-
stellen ließ (Tafel 74)- Sie gibt eine Monstranz im Halleschen Schatz wieder,
stilistisch eine ausgesprochene Renaissanceschöpfung.
Erhalten haben sich Scheibenmonstranzen des 16. Jahrhunderts in sehr geringer Zahl,
wohl ein Beweis, daß in diesem noch nicht viele entstanden. Eine 55 cm hohe italienische
Monstranz der ehemaligen Sammlung Rothschild, die der ersten Hälfte desselben entstammt,
kann noch nicht als Scheibenmonstranz angesprochen werden. Denn ihr Behälter für das
Allerheiligste, eine hochovale Kapsel von 12 cm Breite und i5,5cm Höhe, ist um seinen
schmalen, schmucklosen Rand herum nur über Kreuz mit drei größeren und vier kleineren
Ansätzen versehen, entbehrt aber der den Scheibenmonstranzen eigenen, den Behälter zu
einer solchen machenden Umrahmung. Sie ist eine Monstranz von der Art der spanischen
Ziborium-Monstranzen des i5. und 16. Jahrhunderts. Außerdem ist es kaum zweifelhaft,
daß wir es bei ihr nur mit einer Reliquienmonstranz, nicht mit einer eucharistischen zu
tun haben. (67)
Der Scheibenmonstranzen, an deren eucharistischem Charakter kein Zweifel besteht, sind
mir aus dem 16. Jahrhundert nur zwei bekannt. Beide stammen erst aus dessen Ausgang.
Die eine von ihnen befindet sich zu Stadtlohn in Westfalen (Tafel 74) und entstand laut
Inschrift 15go. Sie ist mitsamt dem Ständer 64 cm hoch. Der runde Behälter für die heilige
Hostie hat i3,5cm im Durchmesser, die ihn umgebende, mit einem kurzem Zackenkamm
abschließende Umrahmung ist 4,5 cm breit. Auf seinem Scheitel erhebt sich ein von Fialen
flankierter rundbogiger Aufsatz, unter dem die Figur des heiligen Otgerus steht. Er war von
einem Kreuzchen bekrönt. Weit reicher ist die Scheiben monstranz im Dom zu Salzburg.
Den runden Behälter für das Allerheiligste umgibt zunächst ein reichornamenter Ring und
diesen dann eine aus zierlichen durchbrochenen Arabesken bestehende Umrahmung, die auf
dem Scheitel ein mit Steinen besetztes gleicharmiges Kreuzchen trägt. Die Monstranz ent-
stand 1596. (68) Von einer Scheiben monstranz des 16. Jahrhunderts in der Kathedrale
zu Porto hat sich nur der Behälter für das heiligste Sakrament mit der ihn umgebenden
Umrahmung erhalten. Ihr heutiger Ständer und der doppelte Strahlenkranz, der jetzt das
Schaugefäß schmückt, entstammen der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts (Tafel 75).
Selbst in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts waren Scheibenmon stran zen noch keines-
wegs das Gewöhnliche. Ein glänzendes Beispiel einer solchen entstand 1610/11 in Gestalt
der leider heute untergegangenen Gemmingenmonstranz zu Eichstätt. (69) Um den Be-
hälter der heiligen Hostie rankte sich, von der liegenden Figur Jesses ausgehend, beider-
, (67) Abb. bei Lithmeii, Der Sehatz des Freiherra Kar! von Rothschild (Frankfurt 1885)
Tfl.XV und Weh*6*MMEh 237. (68) Abb. bei Weimgartseh 238.
(69) Die Monstranz wurde 1805 zu Deckung der französischen Kriegskontributionen ver-
pfändet, kam 1806 zunächst als Pfand und dann durch Kauf um 34000 iL in den Besitz das
Münchener Bankiers Seeligmann, der sie zerbrechen ließ.
392 VASA SACRA. DRITTER ABSCHNITT. DIE MONSTRANZ
seits der Jessebaum mit den Halbfiguren der Ahnen des Herrn empor, über dem Behälter
in drei von ihm gebildeten, an Größe abnehmenden Ovalen sah man die Gottesmutter mit
dem Jesuskind, die Halbfigur Gott Vaters und die Taube des Heiligen Geistes (Tafel 7/1).
Erst in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts wird die Scheibenmonstranz
häufigj dann aber bald so allgemein, daß sie alle anderen Typen in den Hinter-
grund drängt und zum herrschenden Typus wird, dem gegenüber die wenigen
Monstranzen der anderen Typen, die noch etwa entstehen, keine Bedeutung
haben. Zugleich entwickelt sie sich zu der Sonderform der Sonnenmonstranz,
die freilich nicht zur einzigen Form der Scheibenmonstranz wird, jedoch rasch
allenthalben, in Deutschland, Belgien, Frankreich, Spanien, Portugal, ja selbst
Italien Verbreitung findet und dann im 18. Jahrhundert die beliebteste Mon-
stranzform darstellt.
Diese Vorliebe für die Sonnenmonstranz führt nun auch dazu, vorhandene Turm- und
Retabelmonslranzen nach Möglichkeit dem Typus der Sonnenmonstranz anzugleichen, in-
dem man entweder, wie z. B. bei einer gotisierenden Monstranz zu Wangen (OA. Saulgau)
in Württemberg von i58o und einer Monstranz zu Metnitz in Kärnten (70) hinter dem
Schaugefäß einen Strahlenkranz anbrachte oder aber den den Behälter für das Allerheil igst e
bildenden stehenden Zylinder durch eine von Strahlen eingefaßte Kapsel ersetzte. Eine
wirkliche Sonnenmonstranz entstand jedoch weder in der einen noch m der andern Weise.
Zahlreiche Turm- und Retabelmonstranzen, gotische wie Renaissancemonstranzen, haben
sich die Umwandlung des Zylinders gefallen lassen müssen und zwar nicht bloß in Deutsch-
land, wo sie, zumal im Süden und Osten, fleißig betrieben wurde, (71) sondern auch außer-
halb Deutschlands, wie die prächtige Monstranz zu Grimberghe in Belgien bekundet. Auch
waren es nicht bloß Monstranzen von geringerer Bedeutung, bei denen sie vorgenommen
wurde, sondern auch solche von künstlerischem Wert, wie die Monstranz des Hans von
Reutlingen im Aachener Münster (Tafelöl), die ebengenannte Monstranz zu Grimberghe
und die stattliche, auch sonst stark überarbeitete Monstranz zu Mehlsack in Ostpreußen. (72)
Sonnenmonstranzen lassen sich vor der Mitte des 17. Jahrhunderts nicht
nachweisen. Was an solchen aus diesem noch vorhanden ist, entstand frühe-
stens erst in der zweiten Hälfte desselben. Allerdings gibt es in der Opera del
Duomo zu Siena eine Sonnenmonstranz, die auf dem Fuße das Wappen des
Kardinals Piccolomini, des nachmaligen Papstes Pius II. (i458—146/1) trägt,
doch ist nur der gotisierende, im Stil der Frührenaissance ornamentierte Stän-
der ursprünglich; das Schaugefäß entstammt erst dem späten 17. Jahrhundert.
Ebenso datiert die Sonnenmonstranz in der Kathedrale zu Porto in ihrer
heutigen Sonnenmonstranzform erst aus der zweiten Hälfte des 17. Jahrhun-
derts. Die Sonnenmonstranz ist die eigenste Schöpfung des Barocks. Wo sie
zuerst auftrat, läßt sich nicht feststellen. Seit der zweiten Hälfte des 17. Jahr-
hunderts begegnet sie uns bald allenthalben. Vorbildlich für sie war vielleicht
der auf einer Scheibe angebrachte, von einem Strahlenkranz umgebene Name
Jesu, eine seit dem ausgehenden Mittelalter vorkommende, im 17. Jahrhundert
sehr gewöhnliche Darstellung desselben.
Übrigens waren seit der Mitte des 17. Jahrhunderts keineswegs alle Monstranzen nut
scheibenförmigem Schaugefäß Sonnemnonstranzen. Es gab auch solche, die eines Strahlen -
kranzes völlig entwehrten, wie z.B. eine mit Edelsteinen wie übersäte Monstranz im Dom
zu Salzburg von 1697, (73) eine Monstranz in der Loretokircbe daselbst, (74) sowie die den
Jessebaum darstellenden Monstranzen zu Weilheim in Bayern und zu Heinrichau in Schle-
sien (Tafel 74). Bei andern verdeckte das Rankenwerk und sonstige Ornamente den Strah-
lenkranz so sehr, daß er nicht zur Geltung kam, wie z. B. bei einer Monstranz in der Pfarr-
kirche zu Kissingen (Tafel 76) und in der Staniglauskirche zu Schweidnitz, oder nur wenig
über das ihn maskierende Ornament herausragte, wie z.B. bei einer Monstranz in der
Bürgerhospitalkirche und in der Franziskanerkirche zu Salzburg. (75) Immerhin bilden
solche und ähnliche Monstranzen den bei weitem kleineren Teil der Scheibenmonstranzen.
Dem größeren eignet der Typus der völlig ausgebildeten Sonnenmonstranz.
3. Sonderformen. Monstranzen von Sonderform kommen wie in gotischer
Zeit so auch später nur vereinzelt vor. Erwähnt sei eine Monstranz zu Nord-
kirchen (Kr. Lüdinghausen) in Westfalen (Tafel 80) in Form eines Kristall-
kreuzes mit Arabesken in den Winkeln zwischen den Armen, von Ranken gebil-
deten Ansätzen an den Enden und Statuettchen oben auf den Armen, einem
von einem Strahlenkranz umgebenen Pelikan oben auf dem Kreuz und einem
hinter diesem hervortretenden und es umrahmenden Kranz von abwechselnd
flammenartigen und geraden Strahlen, die übrigens erst nachträglich angefügt
sein dürften. (76) Bei einer Barockmonstranz von 1732 in St. Peter zu Salz-
burg (77) trägt eine Statuette der Immaculata ein Kreuz, das auf den Enden des
Querbalkens die Hände des Herrn, auf dem Vertikalbalken unten seine Füße,
oben aber die Kreuzestafel zeigt. Der Behälter für die heilige Hostie befindet
sich im Schnittpunkt der Balken, ist herzförmig, mit einer Dornenkrone be-
krönt und von Wolken sowie von einem Strahlenkranz umgeben. Auf den Wol-
ken sind Engelchen mit den Leidenswerkzeugen angebracht, über dem Kreuz ist
unter einem Baldachin Gott Vater, über dessen Haupt die Taube schwebt, dar-
die zur Aussetzung dienende Hostie damals zeigte, nicht so groß war wie in
späterer Zeit. Ob es auch schon im Mittelalter Lunulä in Form eines Kreises ge-
geben hat, muß dahingestellt bleiben. Da die Lunula, die sich ursprünglich in
den Monstranzen fand, welche sich aus dem Mittelalter erhalten haben, in sehr
vielen Fällen nicht mehr vorhanden ist, läßt sich darüber nichts Sicheres fest-
stellen. Dasselbe gilt, und zwar aus dem gleichen Grunde, bezüglich der Frage,
ob auch bereits im Mittelalter Lunulä hergestellt wurden und zur Verwendung
kamen, welche zur Erleichterung des Purifizierens aufgeklappt werden konn-
ten. Jedenfalls schreiben das schon der heilige Karl in seiner Instructio fabricae
ecclesiae und Myller in seinem Ornatus ecclesiasticus vor, die zugleich wollen,
daß unter der Lunula eine Art von Schüsselchen zur Aufnahme etwaiger von
der heiligen Hostie sich ablösenden und herabfallenden Partikelchen ange-
bracht werde. Dasselbe müsse bis zur Wandung des Behälters reichen, am Rand
sich nach oben krümmen und so eingerichtet sein, daß es zusammen mit der
Lunula herausgenommen werden könne. Die Lunula mit einem Schüsselchen
zu versehen, ist jedoch nicht Brauch geworden. Es wäre das auch nur bei pyxi-
denförmigen Monstranzen und Monstranzen mit stehendem Glaszylinder mög-
lich gewesen. Bei Monstranzen mit liegendem zylinderförmigem Behälter und
bei Behältern, wie er den Scheibenmonstranzen eignet, ging das nicht an. An-
gebracht war die Lunula bei den mittelalterlichen Monstranzen bald auf einem
schlichten Slift, bald auf einem mehr oder weniger reich profilierten pfeil-
artigen Untersatz, doch wurde sie auch wohl von einem oder zwei knienden
Engelfigürchen getragen (Tafel 66, 68, 69, 71, 72). Und so verhielt es sich
auch weiterhin in der nachmittelalterlichen Zeit.
Über die Höhe, die die Monstranz im i4., i5. und frühen 16. Jahrhundert in
den nichtdeutschen Ländern zeigte, sind wir nur mangelhaft unterrichtet, da
die Zahl der Monstranzen, die in diesen aus jener Zeit sich erhalten haben, zu
gering ist, als daß sie uns reichlicheren Aufschluß über sie zu geben vermöchte.
Von den spätmittelalterlichen englischen Monstranzen ist so gut wie nichts
mehr vorhanden, von den französischen und niederländischen (belgischen und
holländischen) nur sehr wenig, mehr von den italienischen, spanischen und
portugiesischen. Von den Monstranzen, die sich in Belgien erhalten haben, er-
reicht eine in St-Martin zu Hai befindliche von idi3 eine Höhe von 80cm; eine
Monstranz in St-Leonard zu Leau von etwa i45o ist 78,5 cm, eine Monstranz in
N.-Dame-aux-Dominicains zu Löwen von i5ao 77 cm hoch. Es sind die größ-
ten. Einige andere, wie die Monstranzen zu Baelen-sur-Nethe, zu Bande bei
Marche und zu Wancennes aus dem späten i5. und frühen 16. Jahrhundert
gehen nur wenig über 5o cm hinaus. 80 cm hoch ist eine Monstranz in St. Ser-
396 VASA SACRA. DRITTER ABSCHNITT. DIE MONSTRANZ
Die älteste, die sich erhalten hat, ist die schon i/j3o in Auftrag gegebene, aber erst
i£58 vollendete Kustodia in der Kathedrale zu Gerona. Andere etwas jüngere gotische
Kustodien des ausgehenden 15, Jahrhunderts finden sich in der Kathedrale zu Barcelona
und in den Stiftskirchen zu lativa und Gandia, von denen die beiden letzten eine Stif-
tung des in lativa geborenen Alexanders VI. sind- Im Jahre i5o6 begann Enrique d'Arphe
eine Kustodia für die Kathedrale zu Leon, die sich leider nicht erhalten hat. Sie baute
sich in fünf Geschossen auf. Im Jahre 1018 vollendete derselbe Meister die in drei Ge-
schossen aufsteigende Kustodia zu Cordoba (Tafel 79), i52& die noch reichere, aus einem
Itohen Untergeschoß für die von der Königin Isabella gestiftete Monstranz und einem
niedrigen Obergeschoß bestehende Kustodia der Kathedrale zu Toledo; ein Prach'werk,
das aus 56oo einzelnen Stücken bestand, die mittels i2Öoo Schrauben zusammengesetzt
waren. Eine kleine gotische Kustodia befindet sich in der Kathedrale zu Cadix (Tafel 79).
Den gotischen folgte dann noch eine Reihe von Renaissancekustodien. Antonio d'Arphe
schuf i54o eine aus vier Geschossen sich zusammensetzende Kustodia für die Kathedrale
zu Santiago de Compostela, sowie i56.'i—1571 eine zweite für Sa.Maria in Medina de
Rioseco bei Valladolid; i5a8 begann Juan'ßuiz aus Cordoba eine in vier Geschosse sich
gliedernde Kustodia für Cuenca, die 1808 bei der Plünderung der Stadt durch Caulaincourt
zerschlagen wurde. Von i564—1571 schuf Juan d'Arphe die Kustodia der Kathedrale zu
Avila, von i58o—1087 die gewaltige Kustodia der Kathedrale zu Sevilla, i588 eine Ku-
stodia für die Kathedrale zu Burgos, die heute nicht mehr vorhanden ist, 1Ö90 eine Ku-
stodia für die Kathedrale zu Valladolid und schließlich noch je eine weitere für die Kathe-
drale zu Osma und für San Martin zu Madrid. (89)
Zu Jaen befindet sich eine Kustodia des Juan Ruiz von i533, in der Seo zu Saragossa
eine Kustodia von 1537. Für die Kathedrale zu Palenzia schuf i585 Juan de Bonavente
eine Kustodia, für die Kathedrale zu Gadix Antonio Suarez (ißiiS—ißß.'i) zu der schon
vorhandenen gotischen hinzu noch eine Riesenkustodia im Stil der späten Renaissance, die
jüngste aller Kustodien (Tafel 79). Andere gibt es noch zu Santa Gadea de Cid, zu Sahagun
und im Kloster Silos bei Burgos, welch letztere aus dem Königlichen Hospital zu Burgos
Stammt. In Portugal findet sich eine gotische Kustodia von mäßiger Höhe im Museo de
ai't'.: iv%iosa *;i Coimbra. ¥.< sind i'ust nur ki.lhi'rlniii'n. i:; di'ni'n dl:'*! k:i-Eodi:'
standen. Begreiflich übrigens. Hatten doch fast nur sie die zu ihrer Herstellung erforder-
lichen Mittel.
Cordoba, die Kustodia zu Sevilla aber ist gar 3,33 m hoch. Der Höhe der Ku-
stodien entspricht natürlich das Gewicht. So enthält die Kustodia zu Toledo
7g5 Mark Silber (=ca. 100 kg) und 57 Mark (=ca. i3 kg) Gold, die Kustodia
zu Cordoba 53a Mark Silber (= ca. 127 kg), die Kustodia zu Sevilla sogar
3174Mark (=ca.5aokg) Silber. 200 Kilo wiegt die Kustodia zu Palenzia.
Das späte 17. und das 18. Jahrhundert haben in Spanien keine weiteren die-
ser Riesenkustodien hervorgebracht. Die Zeiten hatten sich zu sehr verschlech-
tert, als daß man noch die Mitte! für solche hätte aufbringen können. In Ge-
brauch genommen werden sie nur am Fronleichnamsfest und am Gründon-
nerstag.
Außerhalb Spaniens gibt es nur eine mittelalterliche ständerlose Monstranz
vom Typus der spanischen custodia de asiento, eine Monstranz zu Ratibor in
Schlesien (Tafel 79). Sie stammt laut Inschrift aus dem Jahre i^q5, ist 1,27 m
hoch und baut sich in drei leicht und schlank aufsteigenden Geschossen auf,
von denen das untere eine ausdrucksvolle Statuette des im Sarkophag stehenden
Schmerzensmannes, das zweite den zylinderförmigen Behälter für das Allerhei-
ligste, das dritte eine Statuette der Gottesmutter mit dem Kinde enthält. Sie
dürfte die einzige sein, die auf deutschem Boden entstand, ist aber darum um
so bemerkenswerter.
FÜNFTES KAPITEL
ORNAMENTALE AUSSTATTUNG DER MONSTRANZ
I. ORNAMENTALE AUSSTATTUNG DER GOTISCHEN MONSTRANZEN
Ein reicher Schmuck ist der Monstranz in der Zeit der Gotik im allgemeinen
nicht zuteil geworden und zwar gilt das nicht nur von den pyxidenförmigen,
sondern ebenso von den türm- und retabelförmigen Monstranzen. Freilich bot
das Schaugefäß nicht nur bei jenen, sondern auch bei diesen keinen Platz für
eine ausgiebigere ornamentale Ausstattung desselben. Allein auch der Fuß des
Ständers, der doch, wie immer er auch gestaltet war, hinreichende Flächen
zum Anbringen von Ornament aufwies und wenigstens bei den besseren Kelchen
regelmäßig mehr oder weniger ausgiebig mit schmückenden Zutaten bedacht
wurde, ist auffallenderweise meist, und zwar selbst bei Monstranzen, die archi-
tektonisch auf das glänzendste ausgestaltet erscheinen, ornamental recht stief-
mütterlich behandelt worden. Bei sehr vielen ist er völlig schmucklos, zeigt
er aber Dekor, so besteht dieser gewöhnlich bloß in Blatt- und Rankenwerk und
nur verhältnismäßig selten in figürlichen Darstellungen, wie z. B. bei der Mon-
stranz zu Wenau (Tafel 68), in St. Kolumba zu Köln, zu Donaueschingen, zu
Guhrau u. a. Ausgeführt aber ist das Ornament durchweg in der einfachsten
Technik, in Gravierung und Ziselierung.
Auch der Nodas des Ständers der gotischen Monstranzen erscheint ornamen-
tal durchweg erheblich einfacher als der des Ständers der gotischen Kelche.
Insbesondere waren Zapfen und Scheiben an ihm als Verzierung keineswegs so
beliebt und so gebräuchlich, wie an diesem, an dem sie uns im i4. und i5. Jahr-
FÜNFTES KAPITEL. AUSSTATTUNG. I. GOTIK 401
hundert selbst bei einfachen Kelchen immer wieder begegnen. Reicher ent-
wickelt erscheint er fast nur, wenn er die Form einer kapellenartigen Archi-
tektur zeigt, was indessen keineswegs das Gewöhnliche ist. Beispiele wurden
früher angeführt. (1)
Der Schaft des Ständers weist, wenn er mehrseitig ist, als Belebung der Sei-
ten häufig ein- oder zweiteilige, meist lediglich in Gravierung ausgeführte
Spitzbogenfenster auf, wenn auch nicht so oft, wie der Schaft der gotischen
Kelche. In vielen Fallen ist er völlig schmucklos. Mit Figurenwerk ist er nur in
vereinzelten Fällen bedacht, wie z. B. bei der Monstranz zu Rees. Der vom
Schaft zum Schaugefäß überleitende Trichter ist bisweilen mit einem Kranz
stehender Blätter umkleidet, seine Kanten aber zeigen als Schmuck des Öfteren
einen Zackenkamm, mit dem sie besetzt sind. (2)
Das Schaugefäß der pyxidenförmigen gotischen Monstranzen war durchweg
an Ornament arm. Bei den türm- und retabelförmigen ist, soweit es sich bei
ihnen nicht um handwerksmäßige Arbeiten handelt, alles Interesse und alle
Aufmerksamkeit auf möglichst reiche Ausgestaltung ihrer Architektur gerichtet,
was an Schmuckmitteln an ihnen zur Verwendung gekommen ist, ist demnach
vornehmlich architektonischer Art, Säulchen, Streben, Schwibbogen, Hänge-
kämme, Kammbekrönungen, Baldachinchen, Fialen, Krabben, Kreuzblumen,
Wasserspeier u. a. Bei gotischen Monstranzen der Spätzeit sind die Architektur-
glieder bisweilen in dekorativer Absicht naturalistisch umgebildet, ähnlich wie
bei spätgotischen Altarretabeln. Aus den Streben sind mit Astzapfen besetzte,
knorrige Stäbe, aus den Bogenschenkeln einander überschneidende Ranken,
aus den Nasen der Bogen Blätter und Blumen geworden. Das glänzendste Bei-
spiel einer derartigen Umbildung des Architekturwerkes ist eine Monstranz in
Fürstlich Hohenzollerischem Besitz zu Sigmaringen (Tafel 62). Bei den reta-
belförmigen Monstranzen im Osten Deutschlands, im Posenschen und in Böh-
men sind die Helme der den Mittelteil und die Seitenteile bekrönenden Türm-
chen in nach oben zu sich verjüngende Spiralen aufgelöst. Beispiele dieser
eigenartigen Helmbildung bieten Monstranzen zu Mehlsack und Plaßwich in
Ostpreußen, zu Okonin, Grodziczno, Kazanitz, Zwiniarz, Kulmsee und Brzozie
in Westpreußen, zu Grätz, Bück, Kruschwitz (Tafel 80) und in der Johannes-
kirche bei Posen im Posenschen (3) sowie im Dom zu Agram (Tafel 70), im
Westen aber als einzige ihrer Art eine Monstranz in der Lambertikirche zu
Düsseldorf (Tafel 69).
Reichlich ist oft dem architektonischen Aufbau der türm- und retabelförmi-
gen Monstranzen bildlicher Schmuck in Gestalt von Relieffigürchen oder Sta-
tuettchen eingefügt, so in den Lauben des über dem Behälter des Allerheiligsten
sich erhebenden Aufsatzes, unten an diesem, unter den den Streben nach außen
vorgelegten Baldachinchen, au den Seiten der Streben, zwischen den Streben
und dem Behälter, bei retabelförmigen Monstranzen aber namentlich in den
Seitenteilen, in denen Statuettchen nie fehlen.
(1) Vgl. oben S. 364. (2) Vgl. oben S. 365. (3) Vgl. die Denkmälerstatistiken von Ost-
preußen, Westpreußen und Posen.
BRAIHf, DAS CHRISTLICHE ALTARGERAT ^
402 VASA SACRA. DRITTER ABSCHNITT. DIE MONSTRASZ
Bei der Vorliebe, welche die Renaissance für reichliches Ornament hatte, ist
bei den Renaissancemonstramen solches in weit erheblicherem Ausmaß zur
Verwendung gekommen als bei den gotischen und zwar auch bei den den Turm-
und Retabeltypus fortführenden, einen architektonischen Aufbau darstellenden
(4) Dehaisses, Doc. 399. (5) Anzeiger, N. F. XXI (1874) 171: Item eine silbern mon-
straneze obirgult mit 8 glacken und 2 glacken oben, mit 2 czimbelchein.
FONFTES KAPITEL. AUSSTATTUNG. II. RENAISSANCE UND BAROCK 403
Monstranzen, vor allem den ganz in die Formensprache der Renaissance geklei-
deten, doch ebenso schon bei den noch gotisierenden. Insbesondere wird nun
auch der Fuß gewöhnlich mehr oder weniger ausgiebig mit Ornament, Blatt-
und Rankenwerk, Kartuschen, Grotesken ausgestattet, oft völlig mit solchem
wie bekleidet. Auch das zum Schaugefäß vom Schaft überleitende Zwischen-
stück, das nun häufig statt Trichterform Schalenform zeigt, wird jetzt gern mit
reichlichem Ornament bedacht. Schaft und Modus halten bei den noch goti-
sierenden Monstranzen gewöhnlich an der herkömmlichen Schlichtheit fest,
was 2umeist auch noch von dem mit dem Nodus zu einer Vase verschmolzenen
Schaft jener Monstranzen gilt, die zwar noch das architektonische System des
Aufbaues der türm- und retabelförmigen Monstranzen zeigen, jedoch in der
formalen Gestaltung der Einzelglieder bereits ganz die Wege der Renaissance
gehen. Beim Schaugefäß der Monstranzen des Turm- und Rctabeltypus bürgert
sich, oft in Fülle, dekorativ gedachtes Schnörkelwerk ein, besonders in Gestalt
S-förmiger oder willkürlich geschweifter, an den Seiten des Hauptgeschosses
sowie" des über dem Behälter sich erhebenden Aufsatzes angebrachter Ohren-
ansätze (Tafel 71).
Zur vollen Entfaltung kommt das Ornament erst bei den scheibenförmigen
Monstranzen, zumal bei den um etwa 1600 auftauchenden und dann rasch all-
gemein werdenden Sonnenmonstranzen, und zwar nicht nur bei dem Ständer,
sondern namentlich auch bei dem Schaugefäß. Schon die Scheibenmonstranzen,
die noch nicht die Sonderform der Sonnenmonstranzen hatten, konnten seiner
nicht entraten. War es doch bei ihnen notwendiger Ersatz für die fehlende
Architektur. Ein Schaugefäß in Gestalt einer fast schmuckloseu Scheibe, wie
das der Monstranz zu Stadtlohn (Tafel 7^), mußte allzu ärmlich erscheinen.
Daher denn auch die reiche ornamentale Ausstattung, die man schon Monstran-
zen wie der Scheibenmonstranz in dem Halleschen Heiltumsbuche (Tafel 7/1),
der Scheibenmonstranz von 1695 im Domschatze zu Salzburg und der Gem-
mingenmonstranz zu Eichstätt (Tafel 74) gegeben hat. Am wenigsten aber
durfte ausgiebiges Ornament dem Schaugefäß der Soimenmonstranz fehlen.
Sonnenmonstranzen mit einem Strahlenkranz als Umrahmung des Behälters
für das Allerheiligste ohne nennenswerten sonstigen Schmuck des Schaugefäßes
hätten, wie Monstranzen des Klassizismus und Empire zeigen (Tafel 76), ein
äußerst nüchternes Bild geboten. Man hat darum auch gerade hei ihrem Schau-
gefäß am wenigsten mit Ornament gespart; so wenig, daß der Strahlenkranz
nicht selten fast nur noch wie eine das übrige Ornament ringsum einfassende
und abschließende Zutat erscheint, die Hauptsache zu sein aber das den Be-
hälter zunächst in möglichster Breite umrahmende Ornament beansprucht.
Stilistisch zeigt dieses den Wandel, den das Ornament überhaupt in der Zeit
des Barocks erfuhr. Gegenständlich besteht es aus Schnörkelgebilden — in der
Zeit des späten Rokoko aus wildem, willkürlichem Muschelwerk ~~, aus Bandel-
werk, Akanthusblättern und Akanthusranken, Ähren, Weinranken, Wolken-
ballen und ähnlichem. Die figürlichen Darstellungen, die ihm eingefügt sind,
bestehen vorherrschend in geflügelten Engelköpfchen und in bald fliegenden,
bald anbetenden, doch auch wohl Leidenswerkzeuge haltenden Engelchen.
404 VASA SACRA. DRITTER ABSCHNITT. DIE MONSTRANZ
Auch den Ständer der Sonnenmonstranzen hat man in der Regel ausgiebig mit
Dekor versehen, zumal aber den Faß. Das Rokoko kann sich sogar in seiner
Ornamentierung kaum genug tun, so daß häufig vor lauter Schmuck die Form
des Ständers nur mehr ungenügend zur Geltung kommt. Das Zwischenglied
zwischen Ständer und Schaugefäß aber wird nicht selten durch RIattwerk, das
den Ansatz des letzteren verhüllt, ersetzt, der Schaft aber durch eine das Schau-
gefäß haltende Figur. (6)
Erst der Klassizismus setzt dem Übermaß des Dekors der Scheibenmonstran-
zen ein Ende. Rei den Sonnenmonstranzen umgibt den Behälter nun bisweilen
lediglich ein einfacher oder doppelter Strahlenkranz, wenn sich aber zu diesem
noch sonstiger Schmuck gesellt, hält derselbe sich nicht nur in bescheidenen
Grenzen, tritt er gegenüber den Strahlen nicht nur fast völlig zurück, er wird
auch ruhiger, regelmäßiger, freilich zugleich nüchterner, vornehm steif.
HL SCHMUCKMITTEL
Ausgeführt ist der ornamentale und figürliche Schmuck der gotischen Mon-
stranzen vorherrschend in Gravierung, Ziselierung und Guß. Insbesondere ist
das Rankenwerk und das Figurenwerk, mit dem etwa der Fuß des Ständers aus-
gestattet erscheint, meist graviert und ziseliert. Was sich aber an Relieffiguren
und Statuettchen an den gotischen Monstranzen findet, ist in Guß hergestellt. In
Treibarbeit ausgeführter Dektor kommt an diesen, abgesehen etwa von dem Fuß
der italienischen, spanischen und portugiesischen, im allgemeinen nur in recht
beschränktem Ausmaß vor. Nicht viel anders als bei den gotischen verhält es sich
bei den gotisierenden Monstranzen, bei den Monstranzen dagegen, in denen die
Renaissance wenigstens in der Formensprache zum vollen Durchbruch gekom-
men ist, ist die Sachlage nicht mehr die alte und hat getriebenes Ornament bereits
an Boden gewonnen. Den vollen Sieg trägt dieses dann bei den Rarockmon-
stranzen davon. Was sich bei ihnen an Schmuck findet, auch an figürlichem.
ist vornehmlich in Treibarbeit hergestellt; gerade darin liegt nicht zum wenig-
sten ihre künstlerische Wirkung und ihr künstlerischer Wert. Freilich ist die
Treibarbeit nicht bei allen gleich vortrefflich; bei manchen ist sie sogar ledig-
lich handwerksmäßig. Immerhin ist bei vielen der getriebene ornamentale und
figürliche Dekor wenigstens technisch geradezu eine meisterliche Leistung.
Was freilich selbst bei solchen erstklassigen Barockmonstranzen nur zu oft übel
wirkt, ist die nicht eben von feinem künstlerischen Empfinden zeugende Über-
ladung mit schmückenden Zutaten, wozu namentlich bei Rokokomonstranzen
gewöhnlich noch Undurchsichtigkeit und Unklarheit in der Anordnung und
Willkür in der Rildung als weitere Mängel kommen. Gravierung, Ziselierung
und Guß erscheinen bei den Rarockmonstranzen fast nur noch als Hilfstechniken.
Edelsteine und Perlen dienten bei den gotischen Monstranzen nur in sehr ge-
ringem Ausmaß zur Verzierung derselben, und zwar verhielt es sich so nicht
bloß bei den architektonisch sich aufhauenden türm- und retabelförmigen, son-
dern auch bei den pyxidenförmigen. Nur an wenigen der zahlreichen noch vor-
handenen gotischen Monstranzen begegnen uns Steine als Schmuck, immer aber
(6) Vgl. oben S. 383.
FÜNFTES KAPITEL. AUSSTATTUNG. III. SCHMUCKMITTEL 405
sind sie nur in geringer Zahl angebracht. Selbst bei den so überreich ornamen-
tierten spanischen und portugiesischen Monstranzen spielen sie keine nennens-
werte Rolle. Aber auch in den mittelalterlichen Inventaren hören wir nur selten
von Monstranzen, die mit Perlen und Steinen verziert waren. Freilich boten
auch die gotischen Monstranzen aller drei Typen zu wenig Platz für reicheren
Stein- und Perlenschmuck. Bemerkenswert ist, daß selbst an der Lumila der
gotischen Monstranzen, wie es scheint, gewöhnlich keine Steine und Perlen als
Schmuck angebracht zu werden pflegten, vielleicht in der nicht unbegründeten
Erwägung, daß solche eine sorgfältige Purifizierung der Lunula erschweren
könnten. Am häufigsten finden sich Edelsteine und Perlen noch bei türm- und
retabelförmigen Monstranzen mit stehendem zylinderförmigem Behälter für die
heilige Hostie an dessen Sockel und Sims, bei Monstranzen dieser Typen mit
liegendem rundem oder rechteckigem stehendem Gehäuse für das heiligste
Sakrament auf der Umrahmung der Vorderseite desselben.
Eine ausgiebigere Verwendung von Perlen und Steinen zur Verzierung der
Monstranz setzt erst im 16. Jahrhundert ein. Frühe Beispiele bieten die Mon-
stranz im Halleschen Heiltumbuch, die Monstranz von 1596 im Dom zu Salz-
burg und die Gemmingenmonstranz, alle Scheibenmonstranzen. Es ist wohl
nicht ohne Grund, daß ausgiebigerer Stein- und Perlenschmuck an der Mon-
stranz um dieselbe Zeit anhebt, zu der der Typus der Scheibenmonstranz auf
den Plan tritt oder doch sich zu verbreiten beginnt. Die an den Typen der goti-
schen Monstranzen festhaltenden gotisierenden und Renaissance-Monstranzen
konnten des Stein- und Perlenschmuckes ebenso entraten wie die gotischen, zu-
mal er auch bei ihnen nicht genügend zur Geltung gekommen wäre, ja bei
ihrem größeren Reichtum an ornamentalen Zutaten noch weniger als bei die-
sen. Bei den Scheibenmonstranzen gelangten Perlen und Steine nicht nur zur
vollen Wirkung, sie waren bei ihnen auch ein dem Ornament gleichberechtigtes,
ja in größerem Ausmaß verwendet, das Hauptschmuckmittel. Allerdings fehlt
es nicht an Monstranzen, die, obwohl nicht den Typus der Scheibenmonstranzen
zeigend, reich, ja überreich mit Steinen und Edelsteinen bedacht worden sind,
wie eine pyxidenartige Monstranz im Dom zu Köln von i658 und eine gleich-
artige, derselben Zeit entstammende Monstranz im Dom zu Limburg (Ta-
fel 72), indessen sind solche, die ganz mit Edelsteinen und Perlen wie übersät
sind, Ausnahmen. Der Regel nach sind es die scheibenförmigen Monstranzen,
zumal die Monstranzen des Haupttypus derselben, die Sonnenmonstranzen, die
mehr oder weniger ausgiebig Steine und Perlen als Schmuck erhalten haben.
Die Blütezeit des Brauches, die Monstranz wie mit Ornament, so auch mit Steinen und
Perlen zu schmücken, fällt in die zweite Hälfte des 17. und in die erste des 18. Jahrhunderts.
Die Zahl der Steine und Perlen ist an einzelnen Monstranzen außerordentlich groß, so
groß, daß der Grund kaum zum Vorschein kommt. Beispiele sind die schon erwähnten Mon-
stranzen in den Domen zu Köln und zu Limburg, eine Monstranz im Dom zu Salzburg von
I097> eine von Steinen und Perlen strotzende Monstranz in der Kathedrale zu Cadix (Ta-
&I75), eine auf den weit vorschießenden Strahlen mit einer langen Zeile von Diamanten
<hcht besetzte Monstranz im Loretoschatz zu Prag von 1699, (7) eine gleichartige Mon-
stranz, die ich in der Schloßkapelle zu Wardour Castle sah, eine nicht nur auf den Strahlen,
(7) Abb. Tafel 78 sowie bei Weingartner 240.
406 VASA SACRA. DRITTER ABSCHNITT. DIE MONSTRANZ
sondern auch auf den Palmwedeln am Fuß und den Ähren und Trauben am Schaft mit
Brillanten, Granaten, Amethysten, Chrysolithen und anderen Edelsteinen verzierte Sonnen-
monstranz im Herz-Jesu-Kloster zu Lissabon u. a. Die Zahl der Edelsteine der Monstranz zu
Limburg belauft sich auf 3i35, darunter viele von bedeutender Größe sowie 3600 größere
und kleinere Diamanten. An der Monstranz zu Cadix gibt es über 3ooo Edelsteine und
Perlen; auf den Strahlen der Prager Monstranz zählt man etwa 4ooo— 45oo Diamanten.
Die Monstranz zu Salzburg weist als Schmuck 1792 Diamanten, 24 Smaragde, 4o5 Rubine.
16 Saphire, 1 Hyazinth, 8 Amethysten, 1 Aquamarin, 2 Granaten und 9 Chrysolithen auf.
Die genannten sind nicht die einzigen ihrer Art, die entstanden, doch waren sie naturge-
mäß Ausnahmen, da nur in seltenen Fallen die Mittel vorhanden waren, die zur Herstellung
derartiger Monstranzen erforderliche Menge von Edelsteinen und Perlen zu beschaffen.
Immerhin war auch bei anderen Monstranzen, die keine so gewaltige Fülle von Edelsteinen
und Perlen aufwiesen, die Zald dieser letztem oft sehr beträchtlich. Übrigens waren es,
namentlich bei den Monstranzen des 18. Jahrhunderts, keineswegs immer echte Steine,
oder doch wenigstens Halbedelsteine, was man als Schmuck an denselben anbrachte, oft
waren es unechte Steine, geschliffene farbige Glaspasten, die nach Farhe und Form Edel-
steine vortäuschten und namentlich auch durch ihre Größe wirken sollten.
Daß zur Verzierung der gotischen Monstranzen auch Email und Emailbildchen
verwendet wurden, ist zweifellos. Gelegentliche Angaben der Inventare bekun-
den das. Es wäre auch auffallend, wenn das nicht geschehen wäre, zumal in
Italien, Frankreich und Spanien, wo ja in Email ausgefültrte ornamentale und
figürliche Darstellungen im i4- und i5. Jahrhundert ein beliebter Schmuck der
Kelche waren. In welchem Umfang Email zur Ausstattung der Monstranz her-
angezogen wurde, läßt sich jedoch nicht feststellen. Die Inventare geben dar-
über keine Auskunft.
Von den gotischen Monstranzen, die sich erhalten haben, weisen nur wenige Email auf
und auch diese meist kaum anderswo als an den Zapfen des IVodus. Emailscheibchen mit
den 'Evangelistensymbolen und zwei Halbfiguren von Heiligen begegnen uns auf dem Fuß
der aus Rothschildschem Besitz stammenden italienischen Monstranz im Louvre (Tafel 63).
Reichst ist mit Maleremail, ornamentalen und figuralen Grisaillen, auf blauem Grund,
eine pyxidenförmige Monstranz der ehemaligen Sammlung Basilewsky in der Eremitage zu
Leningrad geschmückt (Tafel 6&). Es bedeckt nicht nur den Fuß und den Schaft, sondern
auch die obere und untere Einfassung des Behälters des heiligsten Sakraments, eines
stehenden Kristallzylinders, sowie die über diesem sitzende achtseitige geschweifte Flach-
kuppel. Mit aufgelegtem Email sind bemalt die Apostelfiguren, die Engel und Engelköpf-
chen der von Emmanuel I. gestifteten Monstranz im Schloß d'Ayuda zu Lissabon. Auf-
fallend ist, daß das Drahtemail, das doch in Ungarn seit Ausgang des 15. Jahrhunderts
so beliebt war und uns an so vielen gotischen und gotisierenden Kelchen ungarischen Ur-
sprungs begegnet, zur Verzierung von Monstranzen nicht verwendet worden zu sein scheint.
Wenigstens ist mir keine Monstranz bekannt geworden, die solches aufwiese. Alles in
allem dürfte Emailschmuck an den gotischen .Monstranzen nicht gerade häufig angebracht
worden sein.
Audi bei den Monstranzen der Folgezeit spielen Emails als Schmuck dersel-
ben keine irgendwie namhafte Rolle. Ein wenig aufgelegtes Email findet sich
am Nodus der schon erwähnten Prachtmonstranz von i658 im Dom zu Köln.
Reichste Emailauflage weist eine Sonnenmonstranz im Schatz des Breslauer
Domes auf, eine Stiftung des Bischofs Sebastian von Rostock (i664— i"?1)
(Tafel 75). Nicht nur ihr Fuß und Schaft, sondern selbst die den Bebälter für
das Allerheiligste umgebenden Strahlen sind mit Email bedeckt. Ein- oder
mehrfarbige, in Maleremail ausgeführte Scheibchen mit Szenen aus dem Leben
FÜNFTES KAPITEL. AUSSTATTUNG. III. SCHMUCKMITTEL 407
Abteilungen, seltener an dem Strebewerk des über dem Behälter sich aufbauen-
den Aufsatzes. In der Laube dieses Aufsatzes finden sich Heilige nur ausnahms-
weise aufgestellt. Es handelte sich in solchen Fällen gewöhnlich um den Patron
der Kirche oder, wenn die Monstranz zugleich oder vordem ein Reliquiar war,
um den Heiligen, dessen Reliquien es enthalten hatte. Sonst waren es außer dem
oder den Patronen der Kirche namentlich der Patron des Stifters oder Heilige,
die sich einer besonderen Verehrung erfreuten, welchen man einen Platz an der
Monstranz einräumte. Sie waren gedacht als Abbild des himmlischen Hofstaates
des im heiligsten Sakrament gegenwärtigen Königs. Szenische Darstellungen fin-
den sich nur ausnahmsweise als Schmuck am Schaugefäß der türm- und retabel-
förmigen Monstranzen. Es sind stets Darstellungen, die sich unter diesem oder
jenem Gesichtspunkt auf das heiligste Sakrament beziehen. Beispiele wurden
schon angeführt. (8) Der Jessebaum, der die Maihinger Monstranz umrankt
(Tafel 69), hat an ihr einen ähnlichen Sinn wie die Gottesmutter mit dem Jesus-
kinde im bekrönenden Aufsatz des Behälters mancher Monstranzen. Wie der
menschgewordene Gottessohn, so ist auch das heiligste Sakrament, das ist der
Gottmensch unter den Gestalten des Brotes, Frucht aus der Wurzel Jesse.
Die Scheibenmonstranzen sind durchweg, wie früher gesagt wurde, mit Bild-
werk nur sparsam versehen; auch ist dieses wenig mannigfaltig. Hauptschmuck
war bei ihnen nicht Figurenwerk, sondern eine möglichst große und wechsel-
volle Fülle von Ornament, demgegenüber das ihm etwa eingefügte Bildwerk so
zurücktritt, daß es meist fast nur als bloße Zugabe zu ihm erscheint. Das gilt
besonders auch von den am Schaugefäß der Scheibenmonstranzen so beliebten
hier knienden, dort schwebenden, hier jubilierenden, dort anbetenden oder Lei-
denswerkzeuge tragenden, hier auf Wolkenballen thronenden oder sich tum-
melnden, dort Bändel-, Ranken- oder Schnörkelwerk eingearbeiteten Engelchen.
Oft wollen diese sogar kaum etwas mehr sein als die Wolken, Ranken und
Schnörkel, denen sie eingefügt sind, bloßes Ornament. Von sonstigem Figuren-
werk begegnen uns am Schaugefäß der Scheibenmonstranzen namentlich noch
eine Halbfigur Gottvaters, der bisweilen die Taube des Heiligen Geistes zuge-
gesellt ist, eine Ganz- oder Halbfigur Marias sowie auch wohl der Jessebaum.
Die Figur Gottvaters befindet sich stets oberhalb des Behälters für das Alier-
heiligste, hart unterhalb des Scheitels des Schaugefäßes (Tafel 7.4, 76). (9)
ihre Bedeutung ist klar. Sie sagt gleichsam: »Dieser ist mein geliebter Sohn, an
dem ich mein Wohlgefallen habe« (Matth. 3, 17). Ist sie von der Taube des
Heiligen Geistes begleitet, so soll das wohl zum Ausdruck bringen, daß die Ge-
genwart des Gottmenschen in dem in der Monstranz zur Anbetung und Ver-
ehrung ausgesetzten heiligsten Sakrament das Werk der Allmacht des Heiligen
Geistes ist. Als Ersatz der Darstellung Gottvaters findet sich bei Sonnenmon-
stranzen des späten Barocks bisweilen das Auge Gottes.
Maria ist entweder dargestellt das Jesuskind auf dem Arm tragend oder in
der Weise, daß der Behälter mit dem Allerheiligsten sich an Stelle ihres Schoßes
befindet, eine gut gemeinte, aber echt barocke und wenig geschmackvolle Dar-
stellung, die indessen in ihrer Zeit vielen Beifall gefunden haben muß, da sie
(8) Vgl. oben S.402. (9) Vgl. auch die Beispiele bei Weingartser 181,243,247, 249,250.
410 VASA SACRA. DRITTER ABSCHSITT. DIE MONSTRANZ
an manchen Monstranzen vorkommt. Würdiger ist es, wenn, wie bei einer Mon-
stranz in der Kollegienkirche zu Salzburg von 1710 Maria ein ausgebreitetes
Tuch, eine Windel, in den Händen hält, dem der Behälter für die heilige Hostie
eingefügt ist (Tafel 76) und noch würdiger, wenn Maria als Halbfigur über
dem Behälter dargestellt ist, in den Händen die hinter diesem im unteren Teil
verschwindende Windel, wie zu Maria Plein bei Salzburg von 1733. (10) Der
Sinn der Darstellung ist derselbe, gleichviel ob Maria mit dem Jesuskind auf dem
Arm wiedergegeben ist, oder ob dieses durch das Allerheiligste in dem im
Schöße der Gottesmutter oder in einer von derselben gehaltenen Windel ange-
brachten Behälter ersetzt ist.
Der Jessebaum kommt mehrfach an Scheibenmonstranzen der Renaissance
und des Barocks vor. (11) Er war in der Tat ein ebenso sinnvolles wie passendes
und der Form der Scheibenraonstranz entsprechendes Motiv. Das vollendetste
Beispiel einer Scheibenmonstranz mit Jessebaum bot die Gemmingenmonstranz
zu Eichstätt (Tafel 76). Ausgehend von der auf dem kelchblumenartig gestal-
teten oberen Schaftstück ruhenden Figur Jesses, gabelte er sich in zwei Arme,
die, einander überkreuzend, vier ovale, an Größe abnehmende Medaillons bil-
deten, nach außen aber zu Voluten sich krümmende, mit Blättern, Trauben,
Wickeln reich verzierte Zweige aussandten (Tafel 74). In den Voluten dieser
Zweige waren, aus Blumenkelchen heraustretend, die Ahnen des Herrn ange-
bracht. Im untersten der von den beiden Hauptästen gebildeten Medaillons be-
fand sich der ädikulaartige, wie die Monstranz überhaupt, reich mit Edelsteinen
geschmückte Behälter für die heilige Hostie, im zweiten eine von einem Strah-
lenkranz umgebene, auf der Mondsichel stehende Ganzfigur der Gottesmutter
mit dem Kind, im dritten die Halbfigur Gottvaters, in der Linken die Welt-
kugel, die Rechte segnend erhebend, den Blick nach unten gerichtet, in der
vierten die Taube des Heiligen Geistes, darüber als Abschluß ein mit Edel-
steinen besetzter, von einem mit Edelsteinen verzierten Knauf überragter Stern.
Die Gemmingenmonstranz war eine Schöpfung der Renaissance. Eine Nach-
bildung von, freilich von weit geringerem Reichtum, ist die Monstranz in der
Pfarrkirche zu Weilheim.
Vereinzelte Erscheinungen sind Sonnenmonstranzen, deren Schaugefäß mit
Emailscheibchen, auf denen die Rosenkranzgeheimnisse oder Passionsszenen
wiedergegeben sind, verziert ist, (12) eine Sonnenmonstranz in der Ignatius-
kirche zu Landshut mit einer Darstellung des Letzten Abendmahles unterhalb
des Behälters der heiligen Hostie sowie namentlich auch die höchst originelle
Sonnenmonstranz zu Tittmoning in Niederbayern, deren Schaugefäß der Stall
zu Bethlehem eingebaut ist mit anbetenden Hirten um die Krippe herum, dem
Untersatz der Kapsel für das heiligste Sakrament. (13)
Heiligenfiguren finden sich nur selten am Schaugefäß der Scheibenmon-
stranzen. Eigenartig ist eine prächtige Sonnenmonstranz in der Franziskaner-
kirche zu Salzburg. Sie ist eine Nachbildung der Monstranzen, bei denen den
(10) Abb. der Monstranz bei Wkisgartner 251. (11) Z.B. an der Monstranz zu Hein-
richau (Iafel74), einer Monstranz zu Schweidnitz, der Monstranz zu Weilheim in Ober-
bayern u. a. <12> Vgl. oben S.406. (13) Vgl. oben S. 393.
FÜNFTES KAPITEL. AUSSTATTUNG. IV. BILDWERK 411
Bellälter für das Allerheiligste der Jessebaum umrankt, nur sind die Ahnen
des Herrn ersetzt durch Heilige aus dem Orden des heiligen Franziskus, an-
fangend mit dem heiligen Stifter und der heiligen Klara. (14) Etwas häufiger
als am Schaugefäß begegnen uns Heiligendarstellungen auf dem Fuß des Stän-
ders von Sonnenmonstranzen.
Auffallend ist bei der Vorliebe, welche der späte Barock für allegorische
Darstellungen hatte, der Mangel allegorischer Figuren an den Barockmonstran-
zen. Ein vereinzeltes Beispiel bietet eine Monstranz in der Franziskanerkirche
zu Paderborn, deren Schaft in einer Figur der Fides besteht. Sie sollte zum
Ausdruck bringen, daß das in dem von ihr getragenen Schaugefäß zur An-
betung ausgesetzte Sakrament ein Geheimnis des Glaubens sei, das, wie es uns
nur durch den Glauben vermittelt wird, so auch nur in demütigem Glauben er-
faßt werden kann: Praestet fides supplementum sensuum defectui.
(14) Abb. bei Weikgartser 249.
ZWEITER TEIL
DIE VASA NON SACRA
DIE beim Altardienst zur Benützung kommenden vasa non sacra, das ist jene
Geräte und Gefäße, die zwar einen liturgischen, aber nicht auch einen sa-
kralen Charakter haben, lassen sich nach ihrer Bestimmung und der Art ihrer
Verwendung beim Gottesdienst in drei Gruppen scheiden. Die erste umfaßt
jene Geräte und Gefäße, die zur Herrichtung der Opfergaben gebraucht wer-
den oder doch wurden. Zu ihr gehören die Behälter für den zur Messe erforder-
lichen Wein und das zu dieser nötige Wasser, die sogenannten Meßkännchen,
das Löffelchen, dessen man sich bedient, um dem Wein ein wenig Wasser beizu-
mischen, die Büchse zur Aufbewahrung des für die Eucharistiefeier bestimm-
ten Brotes, die sogenannte Hostienbüchse, der liturgische Seiher sowie zwei im
griechischen Ritus gebräuchliche Geräte, der Stern, die heilige Lanze und das
Zeon.
Die zweite Gruppe wird von den Geräten gebildet, die bei der eucharistischen
Feier die Ausstattung des Altares darstellen; es sind das Altarkreuz und die
Altarleuchter.
Die dritte setzt sich aus Geräten zusammen, die bei bestimmten Zeremonien
der Liturgie oder zu besonderen Zwecken bei derselben gebraucht werden. Es
zählen zu ihr die Gefäße für die bei der Meßfeier vorgeschriebenen oder übli-
chen Waschungen, das Kesselchen für das Weihwasser und der zum Austeilen
des letzteren dienende Sprengwedel, die sogenannte Pax, das Altarglöckchen,
das Rauchfaß mit seinem Zubehör, dem Behälter für den Weihrauch, dem so-
genannten Schiffchen, und dem zum Aufstreuen des Weihrauchs dienenden
Löffelchen und der liturgische Fächer.
ERSTER ABSCHNITT
DIE MESSKÄNNCHEN
ERSTES KAPITEL
ALTER DER MESSKÄNNCHEN. HEUTIGE VERWENDUNG
GEFÄSSE für den zur Herrichtung des Kelches erforderlichen Opferwein
und für das Wasser, das diesem nach uraltem Brauche beigemischt werden
muß, sind der Natur der Sache entsprechend von jeher in Gebrauch gewesen.
Jedoch hat es in älterer Zeit wohl noch nicht Gefäße gegeben, die ausschließlich
zu dem Gesamtbestand der liturgischen Gerate gehörten und den Charakter
liturgischer Gefäße im weiteren Sinne hatten. In den Riten des Ostens haben
die Behälter für Wein und Wasser noch heute diese Eigenschaft nicht, Im We-
sten dagegen zählten sie, wenn auch noch nicht allgemein, schon im frühen
Mittelalter zum Meßgerät, um dann im Verlauf des Mittelalters allenthalben
daselbst diese Eigenschaft zu gewinnen. Sowohl die mittelalterlichen Meß-
ordines, anfangend mit den römischen Ordines des 8. und 9. Jahrhunderts,
wie die mittelalterlichen Inventare bieten dafür reichlich Belege. Gefäße, die
zueinander gehörten, Gegenstücke waren, miteinander ein Paar bildeten, wur-
den die beiden Behälter anscheinend erst seit etwa der Wende des ersten Jahr-
tausends. Regelmäßig erscheinen sie als solche im späteren Mittelalter, das ist
seit dem ausgehenden 12. Jahrhundert. So oft in den schriftlichen Quellen
dieser Zeit, zumal in den Inventaren, von ampullae, urceoli, phialae oder wie
immer die Behälter genannt werden, die Rede ist, werden deren stets zwei auf-
geführt, von denen einer zur Aufnahme des Weines, der andere zu der des
Wassers bestimmt war. (1) Seine endgültige Besiegelung erhielt der liturgische
Charakter der beiden Gefäße durch das allgemein verbindliche Missale Pius V.,
dadurch nämlich, daß dieses zu den Geräten, welche zur Meßfeier vorhanden
sein müssen, auch die Gefäße für Wein und Wasser rechnet (2): A parte epi-
stolae paretur... parva campanula, ampullae vitreae vini et aquae cum pelvi-
cula et manutergio mundo in fenestella seu mensa ad hoc praeparata.
Nach heutigem Brauch dient der Inhalt der beiden Gefäße nicht bloß zur
Herrichtung des Kelches, vielmehr wird der Wein in dem einen derselben nach
der Kommunion auch zur doppelten Purifikation des Kelches sowie zur Ablu-
tion der Finger des Priesters, welche die heilige Hostie berührten, benützt, das
Wasser in dem andern aber auch zu der nach der Opferung stattfindenden
symbolischen Händewaschung — jedoch nur in nichtbischöflichen Messen —
JJ) Vgl. z.B. den Meßordo des Dominikanermissales von etwa 1260 bei Leg« 73 und den
Ordod.
o des Jacobus Gajetanus (um 1300) c. 48 (M. 78,1153), sowie die Auszüge aus Inventaren
des spateren Mittelalters unten im zweiten und dritten Kapitel. (2) Rubr. gen. tit. XX.
ERSTES KAPITEL. ALTER. VERWENDUNG 415
sowie nach der Kommunion zusammen mit dem Wein zur zweiten Purifakation
des Kelches und zur Ablution der Finger gebraucht. Ursprünglich dienten beide
Gefäße nur zur Herrichtung des Kelches. Für die Händewaschung hatte man
besondere Waschgefäße, die Purifikation des Kelches aber fand nicht am Altar,
sondern in der Sakristei statt. So verhält es sich noch in den römischen Ordines
des 8. und 9. Jahrhunderts. Der heutige Brauch bezüglich der Verwendung der
Kännchen für WTein und Wasser bildete sich in nachkarolingischer Zeit, zu-
nächst wohl bei den Privatmessen, wofür ein frühes Beispiel bereits die Con-
stitutiones Hirsaugienses des Wilhelm von Hirsau bieten, (3) doch herrschte
im einzelnen hinsichtlich des Umfanges und der Art ihrer Benützung noch zu
Ende des Mittelalters keine einheitliche Praxis. Sie wurde erst durch das Mis-
sale Pius' V. geschaffen. Bei der Abendmahlsfeier der Protestanten gibt es we-
der eine Händewaschung noch wird dem Abendmahlswein Wasser zugesetzt.
Es bedarf daher bei ihr auch keines Gefäßes für dieses. Anstatt kleiner Wcin-
kännchen aber kommen bei ihr, weil allen am Abendmahl Teilnehmenden auch
der Abendmahlswein gereicht wird, große Weinkannen zur Verwendung, aus
denen nach Bedarf der Wein in den zu seiner Ausspendung dienenden Kelch
gegossen wird.
ZWEITES KAPITEL
von Tivoli gelegene Landkirche. (4) Eine Verordnimg Johannes' III. (56i—574), von der
wir im Papstbuch hören, besagt, es sollten die oblatio, die amula und die luminaria, also
das Opferbrot, der Behälter mit dem Opferwein und das Licht für den an Sonntagen in
den Zömeterien abzuhaltenden Gottesdienst von der Latprankirche beschafft werden. (5)
Wiederholt werden in den romischen Ordines des 8. und 9. Jahrhunderts amulae in der
Bedeutung eines Behälters für den Opferwein erwähnt und zwar hieß amula auch das
Gefäß, in dem die Gläubigen den Wein opferten. Der Behälter für das dem Wein bei dem
Offertorium in der .Messe beiz 11 mischende Wasser heißt amula im 2. römischen Ordo, wie
schon gesagt wurde. Ebenso wird zweifellos je eine der beiden Paare der amulae super-
auratae, die Gregor III. (781—7^1) nach dem Papstbuch der Petersbasilika schenkte, (6)
ein Behälter für jenes Wasser gewesen sein. Der Umstand, daß ihrer zweimal zwei waren,
weist, wie es scheint, deutlich genug darauf hin. Papst Hadrian (773—796) spendete, wie
in dessen Vita berichtet wird, (7) der Diakonie des heiligen Hadrian eine amula offertoria.
Außerhalb Roms dürften die Bezeichnungen ama und amula nur dort gebräuchlich ge-
wesen sein, wo sie zugleich mit dem römischen Meßordo eingeführt wurden. Aber auch
in Rom haben sie die Karolingerzeit nicht lange überdauert. Schon im 5. Ordo werden die
Behälter für Wein und Wasser nicht mehr amulae, sondern cannae genannt, (S) in der
Folge aber heißen sie auch zu Rom nicht mehr amulae, sondern ampullae. Ganz verlor
sich freilich die Bezeichnung amula nicht aus dem Gebrauch. Heißen (loch die Gefäße für
Wein und Wasser noch in der Instructio fabricae ecclesiae des heiligen Karl Borromäus
hamulae, wenn auch als ganz vereinzeltes Vorkommnis. (9) Herzuleiten ist ama von dem
griechischen aprr
2. Ampulla. Mit dem Worte ampulla bezeichnete man, wie es scheint, die Ge-
fäße für Wasser und Wein ursprünglich außerhalb Roms. Findet es sich doch
in diesem Sinne oder wenigstens als Bezeichnung des Gefäßes für den Opfer-
wein hier schon im letzten Viertel des 8. Jahrhunderts in Alkuins Gedicht De
pontifieibus Eboracensibus, (10) um 800 in einer Schenkungsurkunde der
Äbtissin Emhilda von Milz, (11) um 810 in einem Inventar von Staffelsee (12)
und nur wenig später bei Walafried Strabo (■{■ 84g), der, wie er in rein äußer-
licher Weise patena von patere, so ampulla von amplus ableitet, (13) während
doch in Wirklichkeit ampulla ein verderbtes Deminutiv von amphora ist. (14)
Zu Rom bürgerte sich ampulla als Bezeichnung der Gefäße für Wasser und
Wein erst etwa um die Wende des ersten Jahrtausends ein; auffallend genug,
da die Gefäße für die heiligen öle schon im 1. römischen Ordo ampullae
heißen. (15) In der zweiten Hälfte des Mittelalters ist ampulla, wenn auch nicht
die allgemeine und ausschließliche, so doch die gewöhnlichste Benennung der
beiden Gefäße, zu Rom sogar die einzige.
Die Belege hierfür sind sehr zahlreich. So bieten solche beispielsweise des Udalricus Con-
suetudines ClunJacenses (n. Jahrh.), des Wilhelm von Hirsau Constitution es Hirsaugienses
(11. Jahrb.), des Bernhardus Ordo officiorum ecclesiae Lateranensis (um n5o), der Liber
Ordinarius des Lütticher St. Jakobsklosters (s. Hälfte des i3. Jahrh.), das Ordinarium missae
des Humbertus de Romanis, des fünften Ordensgeneral es der Dominikaner (um 1356),
der römische Ordo des Jacobus Gajetanus (um l3oo), der römische Ordo des Petrus Amelii
(4) Dich., L. P.I, Introduction CXLVI. Oblatoria heißt die amula wegen des Zweckes,
für den sie bestimmt war. (5) Ebd. I, 305. (6) Ebd. I, 417. (7) Ebd. I, 510.
(8) N. 8 <M. 78, 988). (9) AA. Ecel. Mediol. (Mediolani 1595) 629. (10) M. 101, 842.
(m Schassat 69. (12) MG. Lecks, Capit. I, 251.
(13) De esordiis et increment. rer. ecet. c. 25 (M. G. LggeS, Capit. II, 503): Patena a
patendo, quod patula sit ampulla quasi parum ampla. (14) Eigentlich amphorula, dann
amporla, ampurla, ampulla. (15) N. 2 31 (M. 78, 952): vgl. auch den Ordo von St-Amand II
(Dich. Orig. (Paris 1903] 466).
ZWEITES KAPITEL. NAMEN 417
(Ende des ih. Jahrh.), der Ordo missae des Burkard von Straßburg (i5oa), die liturgischen
Schriften eines Honorius, Gilbert von Limerick, Sicardus von Cremona, Innozenz III. und
des Durandus, die Chronik Thietmars von Merseburg (fioiS), die Schedula diversarum
artium des Theophilus (um noo), das Inventar von Abdinghof zu Paderborn (io3i), des
Domes zu Olmütz (noo), des Domes zu Mainz (iiöo), der Neumünsterkirche zu Würz-
burg (ia33), das Registrum Roffense (ra. Jahrh.), das Testament des Kardinals Bentivegna
von Albano (ia8g), die Synode von Köln von ca. 1280, das Inventar des Apostolischen
Stuhles von I2Q.5, Klemens'V. von i3ii, des Domes zu Trier von ia'38, der Peterskirche
zu Rom von i/j36 und 1454/55, des Domes zu Preßburg von iis5 u. a.
Weil ampulla auch zu Rom die herrschende Bezeichnung der Gefäße für
Wein und Wasser geworden war, erhielt das Wort bei der Neuordnung des
Missales durch Pius V. Aufnahme in dessen Rubriken (16) und wurde damit
wie allgemeingültige, so auch offizielle liturgische Benennung der beiden Ge-
fäße. Iu die italienische Volkssprache ging es in dieser Bedeutung über als am-
pollina, in die spanische als ampolla, in die deutsche als Ampulle und in ver-
kürzter Form als Polle; Bezeichnungen, die sich bereits in spätmittelalterlichen
deutschen Inventaren befinden wie z. B. in einem Inventar der Pfarrkirche
St. Johann zu Köln von i/(o6: Item ein par sylvern pollen, item 5 paar pol-
len, (17) einem Inventar der Moranduskapelle in St. Stephan zu Wien voniiaö:
Czwo silbrin ampullen (18) und einem Inventar der Pfarrkirche zu Schweid-
nitz von 1467: Eyn par süberyn ampullen. (19) Bullen werden sie genannt in
den Breslauer Visitationsberichten von 1579. (20)
3. Phiala, fiabi (fiola). Ob schon unter den zwei fialae argenteae, die Abt
Gervold von Fontanelle um 787 seinem Kloster schenkte, Behälter für den
Opferwein und das diesem beizumischende Wasser oder doch wenigstens für
den ersteren zu verstehen sind, ist nicht mit Sicherheit zu entscheiden. Häufig
läßt sich phiala als Bezeichnung der beiden Gefäße in englischen Quellen aus
der Frühe des i3. Jahrhunderts und der Folgezeit nachweisen. So begegnet uns
das Wort in diesem Sinne, um wenigstens einige Belege anzuführen, in dem
Inventar der Kathedrale von Salisbury von 1223, (21) im Dictionarius des Eng-
länders Johannes de Garlandia, (22) in den Statuten der Synode von Worcester
von laÄo, (22a) in einer Verordnung des Erzbischofs von York aus dem
i4. Jahrhundert, (23) in dem Testament des Bischofs von Herford, Richard
von Swinfield, aus dem Jahre 1817. (24) Manche weitere lehrreiche Belege aus
England bieten uns das Inventar des Klosters Jarrow von i333 sowie das des
KlostersMonk Wearmouth voni32i und i36o, (25) dielnventare derChantries
der Kathedrale von York aus dem i4- und i5. Jahrhundert, (26) das Inventar
von St. Paul zu London aus dem Jahre ia45, der Gregoriuskirche im Atrium
von St. Paul zu London von 1299, der Abtei St. Albans von etwa i4oo, des Kings
(16) Ruhr. gen. tit.XX; Ritus serv. in celebr. misaae tit. VII, 4.
Ü7) ü:n:w, SL.Mu^n 14. C l!i) \:u\ Xl\ ( Uiüül (..'. ('^ Aqzc-v N.KXXI 'Ü74.
170. (20) Jungnitz I, «3. (21) Joses II, 137 f.: 2 fialae argenteae . . . fialae 2 . . . fialae
2 argenteae . . . fialae 2 stagneae.
(22) Jahrb. für roman. und engl. Literatur VI (1865) 157: Et fiola sit una cum vino et
alia cum aqua. (22a) C.l (H.VII, 331): Praecipimus ut in qualibet ecclesia sint . . . duae
pbialae, una vinaria alia aquaria (23) Ordinatio super his, quae sunt invenienda in eccle-
süs (Raus 164): Fialae pro vino etaq»'" ' \\ . ;i.mid-■<: l^ii:
2 phialas majores arcenteas (25) Surtees Soc. XXIX (Duell. 1854) 26, 139, 160.
(26)RAiNL275f.
BRAtS, DAS CHRISTLICHE ALTARGERÄT ^
418 VASA NON SACRA. ERSTER ABSCHNITT. DIE MESSKÄNNCüEN
College zu Cambridge von 1.452, der Kathedrale von York von etwa i5oo u. a.
Phyals werden die Gefäße für Wein und Wasser genannt in dem englisch ge-
schriebenen Inventar der Kathedrale von Lincoln aus dem Jahre 1536. (27)
Phiala war hiernach ersichtlich im späteren Mittelalter die gewöhnliche Be-
zeichnung der Behälter für Wasser und Wein in England, während uns das
Wort in diesem Sinn um jene Zeit sonst nirgends begegnet.
h. Canna, caneta (canula). Canna heißen die Gefäße für Wasser und Wein
im 5. Ordo Mabillons. (28) Häufiger begegnet uns das Deminutiv caneta in der
gleichen Bedeutung wie z. B. in einem Inventar der Kapelle des Schlosses zu
Annecy von i3o,3, (29) des Sicardus Alaman, des Ministers des Grafen Ray-
munds VII. von Toulouse von ia8o, (30) der Kapelle des Schlosses zu Girous-
sens von i4i3, (31) der Stiftskirche zu Montpezat von i436 (32) und der Ka-
thedrale von Poitiers von i4ao. (33) Weitere Beispiele finden sich in einer
französischen Urkunde von ia3i; in einem Inventar von St-Victor zu Marseille
sowie in einer französischen Urkunde von i344- (34) Canulae werden die Ge-
fäße genannt in Einträgen eines Martyrologiums von St-Etienne zu Anton: II-
gerius dedit calicem argenteum, canulas argenteas; dedit etiam Goscelinus cali-
cem argenteum cum canulis argenteis. (35)
Alle angeführten Belege entstammen französischen Quellen; englische, In denen die
Gefäße caneta oder canula genannt werden, sind mir nicht bekannt geworden, sowie
namentlich auch keine deutschen, was um so auffallender erscheinen kann, als in den mittel-
alterlichen deutschen Inventaren, die in der Volkssprache abgefaßt sind, die Gefäße känd-
lin, känthlin, kennergin, opferkandel genannt werden. »Vier silberne Meßkändlin« heißt
es z.B. in einem Inventar des Domes zu Würzburg von i44§> (36) »item zwei silberne
maß känthlin« in einem Inventar des Münsters zu Basel von i5n; (37) -a silberne Meß-
kennergin» in einem Inventar von Gottesthal in Nassau von 1/199; (38) -zway opferkandel«
im Inventar des Schlosses Fragenstein in Tirol von 1/482. (39) Canadella werden die Gefäße
in den Palastgesetzen JakobsII. von Majorca aus dem Jahre i337 genannt. "(40) Die Be-
nennungen caneta und canula waren, wenn auch nicht ausschließlich, so doch jedenfalls
vornehmlich im südlichen und mittleren Frankreich gebräuchlich. Der Bezeichnung caneta
entsprach in der Volkssprache canette. (41)
(27) Monast. angl. I (ed. 1846) 1281: Item two phyals of silver and gilt.
(28) N.8 (M.78, 988). (29) Revue L (1901) 66: Duas parvas canetas capelle argenti.
(30) Ebd. XLI (1892) 414: 2 canetas argenti. (31) Ebd. 500: 2 canetas stagni.
(32) Bullet, archeol. de la Soc. areheol. de Tarn-et-Garonne V (1877) 158: Unum par
canetarum stagni. (33) Revue XXXVII (1887) 494: Deux canettes d'etain pour le Service
commun de l'öglise. (34) D. C. II, 91. (35) D. C. ebd. 109.
(36) Mitt. IX (1864) 38. (37) Mitth. der Ges. für vaterl. Altert, in Basel IX (Basel
1862) 22. (38) Roth, Geschichtsqueilen von Nassau III, 202. (39) O. von Zin<;krle, Mittel-
alter!, luv. aus Tyrol und Vorarlberg (Innsbruck 1909) 20; vgl. das Inventar der Wallfahrts-
kirche Kaltenbrunn von etwa 1460, sowie des Schlosses Pergine von 1434, des Schlosses
Rottenburg von 1490 und des Trienter Bischofs Georg Hack von 1465 (ebd. 38, 81, 87, 195).
(40) N.378 (AA.SS.IV. Jim., LXV). (41) Beispiele bei Gay 271 und Revue XXX\I1
(1887) 494. (42) DC. VIII, 338: Duas vinaterias de stagno. Duas vinaterias argenteas vel
duas canetas. (43) Ebd. 337: Qui decoravit ecclesiam sanetam Eemovicensem ... cum para-
mentis altaris, duobus calicibus, uno argenteo aurato et alio ex auro, cum duabus vinagerus.
ZWEITES KAPITEL. NAMEN 419
Johannes Gasqui von Marseille (j-i344)> (44) ein Inventar von St-Martial zu
Limoges, (45) Grenobler Visitationsberichte von i33g, (46) in denen das Gefäß
für das Wasser aygueria genannt wird, eine Urkunde des Klosters des heiligen
Theofridus (jetzt Monastier-St-Chaffre, Haute-Loire) (47) sowie das vorhin
schon erwähnte Inventar der Schloßkapelle zu Annecy: Duo paria parvarum
vinagiarium argenti albarum. Es sind wiederum alles nur Belege aus dem süd-
lichen und mittleren Frankreich, wenn aber in Spanien noch heute die Gefäße
für Wein und Wasser auch vinajeras heißen, so läßt das vermuten, daß diese
Benennung daselbst auch schon im Mittelalter gebräuchlich war. Ursprüng-
lich wurde nur das Gefäß für den Wein vinageria genannt. Später übertrug
man die Bezeichnung aber auch auf das zugehörige und gleichartige Gefäß für
das WTasser, weshalb denn auch die vinageria (vinateria, vinagiares, vinearia)
in den vorhin angeführten Quellen immer zu zwei aufgeführt werden. Wenn
in dem Inventar von Annecy und in einem der Inventare von St-Victor zu Mar-
seille neben den duo paria vinagiarium bzw. den duae vinetariae auch duas
canetas aufgeführt werden, so dürfte das darauf hinweisen, daß zwischen jenen
und diesen irgend ein Unterschied bestanden haben muß, der sich heute nicht
mehr näher bestimmen läßt, jedoch wohl ihre Form oder vielleicht richtiger
ihre Maßverhältnisse betroffen haben dürfte.
6. Bureta. Buretae, eine der Volkssprache entnommene und latinisierte Be-
zeichnung, nannte man die Gefäße für Wein und Wasser im späteren Mittelalter
im nördlichen Frankreich. Belege bieten z. B. ein Obituar der Kathedrale zu
Paris, in dem berichtet wird, daß man mit Hilfe eine Summe von fünfzehn
Livres und sechs Solidi, die Bischof Ranulphus (f 1288) geschenkt hatte, habe
anfertigen lassen duas buretas aureas ad ministrandum vinum et aquam in missa
und daß der Archidiakon Girard (j- i32o) sowie eine gewisse Margareta de
Vergy (j um 1^80) der Kathedrale hinterließen duas buretas de argento de-
aurato, (48) das Inventar von N.-Dame zu Paris aus dem Jahre i343: Due
burete auree, (49) ein Verzeichnis der der Gräfin Mathilde von Arras i32i ge-
raubten Gegenstände: Item 4 buretas argenteas (50) u.a.
Häufiger als bureta ist in derselben Bedeutung das volkssprachliche burettes (buretes, bu-
rectes). So heißt es im Inventar der Königin KJementine, Gemahlin Ludwigs X. von i3a8:
2 buretes d'argent dorees, 2 autres buretes d'argent blanc; (51) des Herzogs Jean von Berry
von iüoi—i4o3: Itemdeuxburetes d'argent dor6; (52) KarlsV. von 1379/80: Deux burectes
d'or ... item deux burettes, qui servent ä la chapelle du grant autel . .. item deux autres
petites burectes . . . item deux burectes d'argent; (53) in einem Inventar des Herzogs Lud-
wig von Anjou aus dem Jahre i36o: Deux burettes d'argent dorees... deux autres burettes
Manches; (54) in einem Inventar von IV.-Dame zu Paris von 1^16: Deux burettes d'argent
dorees; (55) in einem Inventar Karls VI. von 1/118: Item deux burectes d'or a mectre le vin
etl'eau ä chanter ... item deux burectes d'argent dorees; (56) des Raoul de Nesle von i3o3:
Deux burettes d'argent dour^es; (57) der Margareta von Flandern von iio5: Item deux
burettes (58) sowie in einem Inventar von'St-Denis von i5o5: Deux burettes de crystal . . .
(44) Ebd. 3S6. (45) Ebd. 338. (46) Chevalier 10. (47) 'Ebd. 341: Vinearia stagnea,
jd est ampiillae, vinum et aquom continentia. (48) Gverard, Cartulaire de N.-Dame de
Paris IV, 185, 34, 53. (49) Revue archeol. XXVII (1374) 243. (50) E. Boutaric, Actes
°w Parlement de ParisII (Paris 1867) 367. (51) RevueXLI (1892)415. (52) Guiffrey II
{Paris 1896), n. 749. (53) Labaute53. (54) Gay239. (55> Revue archeol. XXVII (1874)397.
(56) Doüet d'Arcq II, 380. (57) Deiiaisxes, Doc. 135. (58) Ebd. 78.
420 VASA NON SACRA. ERSTER ABSCHNITT. DIE MESSKÄNNCHEN
servitio altaris assignaveramus, als die Gefäße für Wein und Wasser deutlich genug ge-
kennzeichnet. (77)
DRITTES KAPITEL
MATERIAL DER GEFÄSSE FÜR WEIN UND WASSER
I. DAS MATERIAL IN MITTELALTERLICHER ZEIT
Betreffs des Materials der Gefäße für Wein und Wasser liegen mit Aus-
nahme einer Verordnung der Würzburger Synode von 1298 bis in das 16. Jahr-
hundert hinein keine kirchlichen Bestimmungen vor, auch nicht solche parti-
kularrechtlicher Art. Dieselbe schrieb vor, es sollten die Kännchen für den
Wein und das Wasser aus Glas, aus Zinn, aus Gold oder aus Silber be-
stehen. (1) Aus welchem Material man sie bis dahin anfertigte, darüber geben
uns fast nur die Inventare Aufschluß. Denn von den Gefäßen für Wein und
Wasser hat sich aus altchristlicher und frühmittelalterlicher Zeit nichts, aus
dem späteren Mittelalter aber nur sehr wenig erhalten. Freilich bieten uns auch
die Inventare kein erschöpfendes Bild von dem Material der beiden Gefäße,
nicht einmal die spätmittelalterlichen. Denn was an solchen vorliegt, sind zu-
meist Inventare größerer Kirchen. Wie es um das Material der Gefäße für
Wein und Wasser in kleineren Kirchen stand, darüber erfahren wir infolge-
dessen äußerst wenig. Außerdem verzeichnen die Inventare in der Regel nur,
was an wertvollen Gefäßen dieser Art vorhanden war. Die Aufnahme der min-
derwertigen wurde meist nicht für nötig erachtet.
1. Gold. Aus Gold wurden die Gefäße für den Wein und das Wasser nur
selten hergestellt. Im Papstbuch hören wir von amae ex auro nur in der Vita
Silvestri — es waren amae, die Konstantin der Laterankirche sowie den Basiliken
der beiden Apostelfürsten spendete (2) — sonst stets nur von amae argenteae.
Um 770 ließ Bischof Aelbert von York für seine Kathedrale eine ampulla maior
non parvi ponderis, qua vina sacerdos funderet in calicem solemnia celebrans,
aus auro obrizo anfertigen. (3) Im Inventar von Prüm aus dem Jahr ioo3 ver-
nehmen wir von einem fons aureus, zu dem für den Wein als Ersatz für eine
Ampulle ein offertorium aureum, ein Opferkelch, gehörte. (4) Im Dom zu
Mainz gab es um iiöo drei Paar goldene Ampullen. (5) 1288 ließ das Kapitel
von N.-Dame zu Paris mit den Mitteln, die Bischof Ranulphus hinterlassen
hatte, duas buretas aureas ad ministrandum vinum et aquam machen. (6) Vier
Ampullen aus Gold begegnen uns im Inventar des Apostolischen Stuhles von
1395. (7) Duas ampullas de auro pulcras cum suis pedibus et coperculis ad ser-
viendum de aqua et vino ad altare vermerkt das Inventar Clemens' V. von 1311, (8)
due burele de auro pond. unius marchae cum dimidia uncia das Inventar von
N.-Dame zu Paris von i343, (9) drei Paar solcher das Inventar Karls V. von
Frankreich von 1379/80, (10) deux burectes d'or ä mectre Ie vin et l'eau ä chan-
ter das Inventar Karls VI. von :4i8. (11) Nach den Leges Palatinae Jakobs IL
von Majorca sollten in der Palastkapelle vorhanden sein tres calices cum suis
canadellis de auro. (12) Es sind, wie man sieht, nur wenige Beispiele von gol-
(1) C. 2 (Hartzh. IV, 26). (2) Drcn. L. P. I, 173, 176, 178. (3) Alcuisi, De pontif. ecel.
Eborac. (M. 101, 842). (4) Beyer I, 717. (5) Chkist., De calamitat. eccl. Mogunt. N.3 (M.
G.SS.XXV, 240). (6) Gueraud, Cartulaire de N.-Dame de Paris IV, 185. (7) Bibl.XLYI
(1884) 33. (8) Regesti Clem.V. app. I (Romae 1892) 394. (9) Revue archeol. XXVII
(1874) 253. Es sind wohl die aus dem Nachlaß des Bischofs Ranulphus beschafften buretae
aureae. (10) Labarte 53. (11) Douet d'Arcq II, 380. (12) AA.SS. IV. Jun. LXV.
DRITTES KAPITEL. MATERIAL. I. IN MITTELALTERLICHER ZEIT 423
denen Gefäßen für Wein und Wasser, die ich anführen kann. Sie waren sicher
nicht die einzigen, die überhaupt in altchristlicher Zeit und im Mittelalter ent-
standen, häufig aber hat man solche zweifellos nicht angefertigt. Waren die
Gefäße für Wasser und Wein liturgisch doch nur ein Gerät von untergeord-
neter Bedeutung.
2. Silber. Überaus oft berichten die Quellen wie schon in altchristlicher Zeit
so auch das ganze Mittelalter hindurch von Gefäßen für den Wein und das
Wasser, die aus Silber gemacht waren und zwar ebensowohl die italienischen
wie die deutschen, die französischen wie die spanischen und englischen. Immer
wieder begegnen uns in ihnen amae argenteae, amulae argenteae, ampullae ar-
genteae, phialae argenteae, urceoli argentei, canetae argenteae, buretae argenteae.
Häufig ist ausdrücklich hervorgehoben, daß sie vergoldet waren. So heißt es beispielsweise
im Papstbuch in der Vita Gregors III. (j§i—",!n): Contulit amulas superauratas; (13)
im Register von Rochester: Emulfus episcopus (in4— na'i) fecit fieri ampullam vinariam
ad missas argenteam et deauratam; (14) im Inventar der Neumünsterkirche zu Würzburg
von ia33: Duae ampulla argenteae deauratae; (15) im Inventar des Baoul de Nesle von
i3oa: Deux burettes d'argent dourees; (16) im Inventar von N.-Dame zu Paris von i4i6:
:s burettes d'argent dorees; (17) in einem Verzeichnis der von Bonifaz VIII. der Peterskirche
gespendeten Kostbarkeiten: 4 paria ampultarum de argento, quorum unum est deaura-
tum; (18) im Inventar des Berner Münsters von etwa i535: Item 8 paar silbern und ver-
gülte Meßstitzly. (19) Vereinzelt wird auch wohl ausdrücklich angemerkt, daß die Gefäße
nicht vergoldet waren, wie z. B. in einem Inventar der Kapelle der Königin Klementine, der
Gemahlin LudwigsX., von i328: Deux autres burettes d'argent blanc, (20) im Inventar der
Schloßkapelle zu Annecy von i3o3: Duo paria vinagiarium argenti albarum (21) und in
dem Inventar des Schatzes von St. Paul zu London von i»45: Item duae phialae albae
argenteae. (22) Wenn bei zwei anderen Paaren von phialae im gleichen Inventar nur je
eine phiala als vergoldet bezeichnet wird, so war das zweifellos die zur Aufnahme des
Weines bestimmte. Vergoldet hatte man sie aber sowohl, um eine Oxydation des Metalles
durch die Säure des Weines zu verhüten, als auch, um die phiala für den Wein von der für
das Wasser besser zu unterscheiden und bei der Messe einer Verwechslung der beiden Ge-
fäße vorzubeugen.
3. Zinn. Die frühesten Belege für die Verwendung von Zinn zur Herstellung
der Gefäße für den Wein und das Wasser begegnen uns in Inventaren einiger
der Kathedrale von SaHsbury inkorporierter Kirchen von 1220 sowie in einem
Inventar der Kathedrale selbst von 1232. So im Inventar der Kirche zu Mere:
2 fialae de stagno und in dem der Kirche zu Swallewcliffe: 3 fialae stagneae
ad vinum et aquam. (23) In den Kirchen zu Sunning, Ruscomb, Wokingham,
Hurst und Hevtesbury waren anscheinend keine phialae vorhanden; wenigstens
werden in den Inventaren derselben von 1220 keine aufgeführt. Im Inventar
der Kirche zu Horningham wird bemerkt: Fialae et pixis ad hostias minus suf-
ficientes, in der Kathedrale zu Salisbury aber gehörten je 2 fialae stagneae zu
dem jNikolausaltar und dem Thomas-Becket-Altar. (24) Schon in einem Inven-
tar von Staffelsee von etwa 810 wird eine ampulla stagnea erwähnt. (25) ia33
(13) Doch L. P I, 417. (14) Revue XXXVII (1887) 385. (15) Archiv des Hist. Vereins
für Unterfranken und Aschaffenburg XVI (1863) 249. (16) Deh.usses, Doc. 135.
(17) Revue archeol. XXVII (1874) 397. (18) Möim 12. (19) Mitt. IX (1864) 38.
(20) Revue XU (1892) 415. (21) Ebd. L (1901) 66. (22) Archaeologia L (1887) 466.
(23) Joses I, 291, 311. (24) Ebd. II, 139. (25) M.G.Leges, Capit I, 251.
424 VASA NON SACRA. ERSTER ABSCHNITT. DIE MESSKÄNNCHEX
k. Kupfer, Bronze, Messing. Eine ampulla cuprina ist im Inventar von Staffel-
see von ca. 8io verzeichnet. (35) Doch ist fraglich, ob es sich bei derselben um
eines der hier in Frage stehenden Gefäße handelt. Ampullae duae operis de
Lemugis werden in einem Inventar des Domes zu Trier von 1238 aufgeführt,
(26) Archiv des Hist. Vereins für Unterfranken und Aschaffenburg XVI (1863) 250.
(27) Revua XLI (18Ö2) 496. (28) Svhtees Soc. XXIX, The inventories of larrow and
Monk Warmouth (Durham 1854) 26, 139, 160. (29) Dehaisnes, Doc. 453.
(30) Revue XlJl (1892) 500. (31) Bullet archeol. de la Soc. archeol. de Tarn-et-
Garonne V (1877) 158. (32) Raine 275 f. (33) Mitt. V (1860) 350.
(34) N.Arch. XIII (1888) 561. (35) M. G. Leg es, Capit. 251.
DRITTES KAPITEL. MATERIAL. I. IN MITTELALTERLICHER ZEIT 425
mit Email verzierte Ampullen aus vergoldetem Kupfer, wie- sie gleich anderem
Meßgerät, Pyxiden, Leuchter, Rauchfässer, Schiffchen u. a. in Limoger Werk-
stätten als Dutzendware für den Handel angefertigt wurden. Limoger Herkunft
waren auch wohl zwei ampullae cupreae, die in den Inventaren des Prager Do-
mes von i355 und 1387 erwähnt werden, dort mit dem Zusatz deauratae, hier
mit der Angabe de smelcz. (36) Phiolae de electro gehörten nach einem Inven-
tar der Chantries des Münsters zu York zu den Chantries des heiligen Gregors
und des heiligen Johannes von Beverley. Bei jenem gab es 4 phiolae de electro,
bei diesem zwei. Unter electrum aber ist hier wohl Bronze oder eine bronze-
artige Kupferlegierung zu verstehen. (37) Aus Messing bestanden die 3 pair
of cruette in dem Inventar von St. Stephan zu London von i5&2. (38) Gefäße
für den Wein und das Wasser aus Kupfer oder einer Kupfermischung waren
nicht empfehlenswert, auch wenn sie im Innern vergoldet oder verzinnt waren,
da selbst in diesem Falle eine Gefahr für Grünspanbildung nicht ausgeschlossen
war. Es kann darum nicht auffallen, daß solche uns in den Inventaren nur wie
ausnahmsweise begegnen.
5. Kristall, Halbedelsteine. Mehrfach werden in den mittelalterlichen Inven-
taren aus Kristall oder Halbedelsteinen angefertigte Gefäße für den Wein und
das Wasser aufgeführt. So vermerkt ein Inventar des Speyerer Domes von ioäi
4 vasa cristallina, unter denen wir nach dem Zusammenhang wohl Gefäße eben
dieser Art zu verstehen haben. (39) In einem Verzeichnis der liturgischen Ge-
räte, mit denen die Äbtissin Hidda im n. Jahrhundert das Benediktinerinnen-
stift Meschede bedachte, hören wir von drei ampullae, von denen eine aus Onyx,
zwei aus Kristall gemacht waren. (40) Die Vita des Grafen Burchard von Melun
("j* 1012) berichtet von einem kostbaren aus Beryll hergestellten Gefäß für das
dem W7ein im Kelch beizumischende Wasser, das der Graf dem Kloster St-Maur-
les-Fosses schenkte. (41) Suger, Abt von St-Denis, erzählt von vascula cry-
stallina, die er für den Alltagsgottesdienst in seiner Kapelle bestimmt hatte, die
er aber dann der von ihm neuerbauten Abteikirche überwies. (42) Im Inventar
der Kathedrale zu Salisbury werden unter den derselben vom Bischof ge-
schenkten gottesdienstlichen Geräten auch fiolae 2 cristallinae ornatae argento
a parte superiore genannt. (43) Das Inventar Clemens' V. von i3ii verzeichnet
außer duas parvas ampullas de cristallo auch noch zwei vasa de terra viridi
ullramarina für den Wein und das Wasser, ein reich mit Edelsteinen besetztes
und ein gleichartiges aber ohne Steinschmuck. (44) Reich an kristallenen Ge-
fäßen für den Wein und das Wasser bei der Messe ist das Inventar des Herzogs
Jean von Berry von i/|Oi/3; enthält es deren doch nicht weniger denn vier
Paare. Außerdem vermerkt es deux autres esguieres de pierre estrange. (45)
Im Inventar von St. Albans in England von etwa i4oo lesen wir: Ad magnum
altare duo fiolae de beryllo satis honestae; (46) im Inventar der Peterskirche
(36) Podlaha, App. XVI—XXXIV. (37) Rahe 285, 288. (38) Vgl. oben S. 421.
(39) SciiANNAT 9. (40) N.Archiv XI (1885) 409. (41) M. 143, 859.
(42) De rebus in administratione sua gestis c. 34 (M. 186, 1238). (43) Jones II, 127.
(44) Regest! Clement. V. app.I, 462. (45) Gbiefhe« II, 62, 67. (46) Riley II, 327.
Unter Beryll ist in den mittelalterlichen Inventaren meist nicht der heute Beryll genannte
Edelstein verstanden sondern eine Art Kristall.
426 VASA NOX SACRA. ERSTER ABSCHNITT. DIE MESSKANNCHEN
einzelne Kännchen in englischem Besitz (Tafel 81). (59) Ein mit Email verziertes Kännchen
aus vergoldetem Kupfer Limoger Herkunft, eine Arbeit des i3. Jahrhunderts, besitzt das
Cabinet des Mcdailles der Nationalbibliothek zu Paris (Tafel 8a), ein anderes hefindet sich
in englischem Privatbesitz, (60) ein Paar solcher Kännchen im Museum zu Olot in Kata-
lonien (Prov. Gerona). Ein Paar Kännchen aus Zinn, die in einem spätmittelalterlichen
Abtsgrabe zu Bipoll gefunden wurden, gibt es im Bischöflichen Museum zu Vieh in Kata-
lonien. Andere zinnerne spätmittelalterliche Meßkännchen finden sich noch in der Marien-
kirche zu Danzig. (61) Zwei Kristallampullen, die heute als Reliquiare dienen, haben sich
in der Lambertikirche zu Düsseldorf (Tafel 8i) (62) erhalten. Bei zwei Meßkännchen in
St. Foilan zu Aachen wurde in jüngerer Zeit der Kristallbehälter durch einen silbernen er-
setzt. (63) Ob eine mit eingeschnittenen Adlern -verzierte, mit silbernem Fuß, Deckel und
Henkel versehene Kristallampulle östlicher Herkunft in der Kirche zu St-Georges-Ies-Lan-
des (Haute-Vienne), die im späten 13. Jahrhundert mit einem Untersatz ausgestaltet und
zu einem Reliquiar gemacht wurde, vor dieser Umwandlung als Meßampulle gedient hat
(Tafel8a), ist möglich, doch nicht sicher. (64) Zwei Meßampullen im Schatz von S.Marco
zu Venedig wurden im i3. Jahrhundert aus zwei älteren Onyxbechern, einem zweihenkligen
und einem henkellosen, hergestellt, indem man ihnen einen Hals mit Ausflußrohr und
Henkel aufsetzte. (65) Aus einer einhenkligen Onyxkanne, die mit hohem Hals, Deckel
und Henkel versehen wurde, entstand die stattliche, heute im Louvre zu Paris befindliche
Ampulle, die Abt Sugerius von St-Denis um nfi5 für seine Abteikirche herstellen ließ.
Leider sagt uns dieser nicht, wozu dieselbe nach seiner Absicht dienen sollte, ob zur Auf-
nahme des für die Messe erforderlichenWeines und Wassers, zu den Hände Waschungen oder
zu sonst einem Zweck, wo er in seiner Schrift De rebus in administratione sua gestis von
ihr spricht, (66) noch erhellt das aus der Inschrift: Dum libare Deo gemmis debemus et
auro — Hoc ego Sugerius offero vas Domino, die er um den Band des Fußes des Gefäßes
herum anbringen ließ. (67)
ken des Römischen Missales, die Instructio fabricae ecclesiae des heiligen Karl
Borromäus, der Ornatus ecclesiasticus des Regensburger Generalvikars Myller,
die Statuten der Synode von Avignon von 15g4j die Synodalstatuten von Brixen
von i6o3, die Statuten der Metzer Synode von 1699 und die Statuten der Syn-
ode von Besancon von 1707.
Nach den Generalrubriken des Missal es-sollen die Meßampullen von Glas sein, (68} doch
ist das nicht dahin zu verstehen, als oh jedes andere Material ausgeschlossen wäre. Darum
entschied auch die Ritenkongregation unter dem 28. April 1866 auf die an sie gerichtete
Anfrage, oh es zulässig sei, dieselben aus Gold oder Silber zu machen, wo das Gewohnheit
sei, im bejahenden Sinne. (69) Ausdrücklich schließt der heilige Karl alles Metall, und zwar
nicht bloß Zinn und Messing, sondern selbst Silber, als Material der Meßkännchen aus;
dieselben sollen vielmehr aus durchsichtigem, nicht farbigem Glas gemacht sein. (70) Nicht
so eng, wie der große Mailänder Oberhirte ist Myller. Zwar werden auch nach ihm die
urceoli, wie er die Kännchen nennt, am besten aus Kristall oder Glas hergestellt, doch
können sie auch aus Gold, Silber oder Zinn angefertigt werden, sie sollen aber in diesem
Falle auf dem Deckel zur Kennzeichnung den Buchstaben A bzw. V aufweisen. Den aus
Metall gemachten Kännchen empfiehlt er Zylinder-, also Kannenform zu geben, da sie dann
am leichtesten sich reinigen ließen. (71) Die Statuten der Synode von Avignon schreiben im
Anschluß an den heiligen Karl, von dessen Bestimmungen auch sie beeinflußt sind, vor:
Urcei, qui missae inserviunt, posthac vitrei erunt. (72) Nach den Statuten der Brixener
Synode sollen die urceoli aus Zinn oder Silber besteben; von Meßkännchen aus Glas ist in
ihnen keine Rede. (73) Als Material der Meßampullen nennt die Synode von Metz Zinn und
Glas. (74) Die Synode von Besancon beschränkt sich darauf, Kännchen aus Holz und
Kupfer (75) zu verbieten.
Wie schon aus diesen Bestimmungen zur Genüge hervorgeht, bestand auch in
nachmiltelalterlicher Zeit bezüglich des Materials der Meßampullen trotz der
Rubrik des Missales keine allgemeine Übereinstimmung und keine einheitliche
Praxis. Bestätigt wird das durch die Meßkännchen, die sich aus nachmittel-
alterlicher Zeit erhalten haben. Goldene dürften nur sehr selten angefertigt
worden sein. Kännchen aus Silber entstanden dagegen in sehr großer Zahl. (76)
Insbesondere liebte man es selbst in kleineren Kirchen, die Ampullen für die
Festtage, wenn immer möglich, aus Silber herzustellen. Aber auch zinnerne
waren bis ins 19. Jahrhundert sehr gebräuchlich, wenn auch nicht in Italien,
so doch außerhalb Italiens, besonders aber in Deutschland, wo sie erst in
neuerer Zeit an Beliebtheit verloren. In Jtalien dürften gläserne Meßampullen
schon im 16. Jahrhundert das Gewöhnliche gewesen sein. Die Rubrik des Mis-
sales und die Verordnung der Instructio fabricae ecclesiae weisen deutlich ge-
nug darauf hin. In Deutschland erlangten solche erst im 19. Jahrhundert
größere Verbreitung. Die Prager Provinzialsynode von 1860 bemerkt bezüglich
derselben: Urceoloscrystallinos seuevitro pellucido solide confectos plurimum
probamus. (77) Meßampullen aus durchsichtigem Glas sind besonders deshalb
sehr zweckmäßig, weil bei ihnen eine Verwechslung des Weines und des Was-
(68) Tit. XX: Arapullae vitreae von et aquae cum pelvicula. (69) Decr. auth. 3149.
(70) AA. Eccl. Mediol. (Mediol. 1595) 629. (71) C.68 (München 1591, S. 127).
(72) Tit. 24 (H. X, 1850). (73) C. De eccl. n. 22 (Haätzh. VIII, 566). (74) Tit. XV, n. 8
(Hartzh.X, 261). (75) Tit. 19, c. 15 (Hartzh.X, 341). (76) Man vergleiche z.B. die
Ansahen in den von Hipler veröffentlichten ermländischen Inventaren.
(77) Coli. Lac. V, 538.
VIERTES KAPITEL. FORM UND GRÖSSE. I. FORI» 429
sers nicht leicht vorkommen kann, aber auch, weil bei ihnen jede Oxydierung
ausgeschlossen und es leicht ist, sie sauber zu halten. Freilich müssen sie ge-
nügend solid sein. Zwei bemalte, mit Zinndeckel versehene Meßkännchen aus
Porzellan befinden sich im Diözesanmuseum zu Münster (Tafel 84). Aus
Kupfer gemachte, jedoch vergoldete Meßampullen begegnen uns ganz verein-
zelt in einem Inventar von Wormditt von i58/[. (78) Ein Paar im Sinn der Re-
naissance mit Silber reichst montierter Meßkännchen aus Bergkristall befindet
sich im Bayerischen Nationalmuseum zu München (Tafel i43).
VIERTES KAPITEL
FORM UND GRÖSSE DER GEFÄSSE FÜR WEIN UND WASSER
I. FORM DER GEFÄSSE FÜR WEIN UND WÄSSER
Bezüglich der Form der Gefäße für den Wein und das Wasser erfahren wir
aus den älteren Quellen, zumal auch aus den Inventaren der älteren Zeit nichts
Näheres. Nur die Schedula diversarum artium des Theophilus macht eine Aus-
nahme. Sie kennt bauchige Ampullen und kannenartige, wie es scheint, Ampul-
len mit Henkeln und Ausgußröhrchen (deductorium, effusorium) und ohne
solche. (1) Aber auch die spätmittelalterlichen Quellen geben uns über die
Form der Gefäße für Wein und Wasser sehr ungenügende Auskunft. Das gilt
selbst von den Inventaren des späteren Mittelalters, die doch vielfach erheblich
gesprächiger und eingehender sind als die der früheren Zeit. Höchstens, daß
in ihnen eine gelegentliche Bemerkung entfernt auf die Form der Gefäße für
den Wein und das Wasser hinweist, wie z. B. wenn es in einem Inventar Karls V.
von Frankreich von 1379/80 heißt: Item deux grans burettes, qui servent ä la
chapelle du grant autel ä un biberon (Ausgußröhrchen), (2) im Inventar des
Herzogs Jean von Berry von i/joi/3: Item deux aurrespetilos esgttieres de cristal
pour servir ä l'autier, chaseune ä un biberon (3) und im Inventar des Apostoli-
schen Stuhles von iao.5: Item unam aliam ampullam de auro cum pede et collo
longo (4) oder wenn das Inventar Clemens' V. von i3ii von einer Ampulle für
den Wein sagt: Unum vas pro vino de terra viridi ultramarina et habet pedem de
argento... et habet in venire unum circulum de argento, habet etiam manu-
brium et beecum et operculum fornitos de argento et in collo in suramitate.
habet circulum. (5)
Bildwerke, auf denen die Gefäße für das Wasser und den Wein dargestellt
sind, haben wir erst aus dem ausgehenden Mittelalter und selbst aus diesem
nicht gerade viele. Als Beispiele seien genannt die Miniatur eines Stunden-
buches von i45o im Britischen Museum, (6) eine der Miniaturen der Miracles
de N.-Dame von ii56 in der Pariser Nationalbibliothek, (7) ein Alabasterrelief
im Britischen Museum mit der Ermordung des heiligen Thomas Becket, (8)
(78) Hipler 84: Par ampullarum cuprearum inauratarum.
(1) C.57, 58, 87, 89 (Ii.<; 2431, 335 f.). (2) Labarte 53. (3) Güiffrey II, 62.
(4) Bibl. XLV (1884) 33. (5) Regesti Clero. V. app.I, 452. (6) Percy Dearmer, Fifty
pictures of gothic altars (London 1910) XX. (7) Abb. bei Bral-s Altar II, 'I fl. 144.
(8) Abb. in Guide to mediaeval antiq. of the Brit. Museum (London 1924) 3.
430 VASA NON SACRA. ERSTEH ABSCHNITT. DIE MESSKÄNNCBEN
ein geschnitzter Altarflügel mit der Gregoriusmesse zu Lübeck, (9) ein ge-
malter Altarflügel mit der gleichen Darstellung flämischer Herkunft zu Viborg
in Dänemark. (10) Ist es auch nicht viel, was uns die Bildwerke von den Ge-
fäßen zu sagen wissen, so bilden sie doch für das späte Mittelalter eine wert-
volle Ergänzung zu den keineswegs zahlreichen Meßampullen, die sich aus dem-
selben erhalten haben, die Hauptquelle für unsere Kenntnis der Form derselben
in damaliger Zeit.
Aus altchristlicher Zeit haben sich keine Ampullen erhalten, die man mit
Fug als Gefäße für den Wein und das Wasser ansprechen könnte, in denen
man aber solche hat erkennen wollen. Insbesondere gilt das auch von einer von
Bianchini veröffentlichten bauchigen Silberampulla, (11) einer von Bottari wie-
dergegebenen Silberampulla, (12) einer Silberampulla im Museo cristiano des
Vatikans (13) und einer weitbauchigen Silberampulla im Cabinet des Medailles
der Nationalbibliothek zu Paris. (14)
Daß die drei ersten mit religiösen Darstellungen geschmückt sind, beweist nicht, daß
sie Gefäße zur Aufnahme des für das heilige Opfer bestimmten Weines und Wassers waren,
ja nicht einmal, daß sie überhaupt gottesdienstlichen Zwecken dienten, da auch profane
Geräte mit Vorliebe mit religiösem Bildwerk verziert wurden. Was aber die Ampulle der
Nationalbibliothek anbelangt, so hätte schon die an ihrem Hals angebrachte Inschrift:
Quinta vivas in Christo abhalten sollen, in derselben etwas anderes als ein Gerät für den
häuslichen Gebrauch zu sehen. Unverständlich ist, wie Lkclercq (15) einen in einem frän-
kischen Grabe zu Concevreux (Aisne) gefundenen flaschenartigen Behälter aus Bronze von
der Art einer zum Umhängen eingerichteten Feld- oder Reiseflasche als Ampulle für den
Meßwein deuten kann, da doch der Fundort, die sonstigen im gleichen Grabe gefundenen
Geräte, die Forin und auch die an ihm angebrachte Inschrift: Johannis vive Deo, utere
felix keinen Zweifel lassen, daß es sich bei ihm um einen altchristlichen profanen Ge-
brauchsgegenstand handelt. (16)
(9) Abb. bei Braun a.a.O. II, Tfl. 269. (10) Ebd. Tfl. 331. (11) M. 127, 1327.
(12) Roma sott. I, 185. (13) Garrccci VI, Tfl. 460, n. 1. (14) Ebd. Tfl. 460, n. 5.
(15) Dict. d'archeol. ehret, et liturgie I, 1354. (16) Einen erheblichen Mangel an Kritik
verrät es auch, wenn Rohai.i.t de Fleury vier vasenförmige Behälter aus Marmor, Jaspis
und Kristall von erheblicher Größe, wohl antike Stücke sowie eine eigenartig ornamentierte
gehenkelte Silberampulla, die sich noch im 18. Jahrhundert zu Moissac befanden, heute aber
nur mehr durch Abbildungen, die 1770 angefertigt wurden, bekannt sind, als Gefäße für
den Opferwein deuten zu dürfen glaubt (La Messe IV, 173).
VIERTES KAPITEL. FORM WD GRÖSSE. I. FORM 431
den ist, gehört erst dem späteren Mittelalter an und zwar zumeist erst dem
i4. und io. Jahrhundert. Sie wurden bereits anderen Ortes genannt. (17)
Überschauen wir, was uns die schriftlichen Quellen, die Bildwerke und die
noch vorhandenen mittelalterlichen Beispiele über die Form zu sagen wissen,
welche die Meßampullen bis zum Ausgang des Mittelalters zeigten, so findet
sich, daß wir drei Haupttypen derselben unterscheiden können.
Die zum ersten gehörenden Ampullen stellten ein bauchiges, mit langem Hals
versehenes, stets henkelloses Gefäß dar, also eine Art größerer oder kleinerer
Flasche, weshalb sie auch als flaschenarüge Ampullen bezeichnet werden kön-
nen. Sie waren meist mit einem niedrigen Fuß und einem bald flachen, bald
gewölbten Deckel, sowie auch wohl an der Mündung mit einem kurzen nasen-
artigen Ausguß ausgestattet, doch bildeten weder Fuß, noch Deckel, noch Aus-
guß eine kennzeichnende Eigentümlichkeit des ersten Typus.
Daß es schon in altchristlicher und frühmittelalterlicher Zeit, soweit in
ihnen besondere liturgische Behälter für den Wein und das Wasser bei der
Messe in Gebrauch waren, auch bereits Ampullen des ersten Typus für diese
gegeben habe, läßt sich nicht wohl bezweifeln, da derselbe ja auch den im pro-
fanen Leben zur Verwendung kommenden Ampullen damals eigen war. Im
späteren Mittelalter waren Meßampullen dieses Typus vielfach gebräuchlich.
Die spätmittelalterlichen Inventare, in denen wir des öftern von Ampullen
hören, die dadurch näher charakterisiert werden, daß sie als henkellos bezeich-
net werden, bekunden das. So heißt es z. B. im Inventar des Herzogs Jean von
Berry von itioiß: Item deux buretes d'argent dore, qui ont chascune un grant
col sens ansses. (18) Im Inventar von St-Denis von i5oo ist sogar eine größere
Anzahl derartiger Ampullen für den Wein und das Wasser verzeichnet: Deux
burettes rondes ä couvercle sans ances; deux burettes d'argent blanc et cou-
vercle sans ances; deux burettes d'argent verees sans ances. (19) Auch auf den
spätmittelalterlichen Bildwerken begegnen uns Ampullen des ersten Typus; so
auf der Miniatur des spanischen Stundenbuches von i45o im Britischen Mu-
seum, der Miniatur der Miracles de N.-Dame in der Pariser Nationalbibliothek,
den Betabelflügeln mit der Darstellung der Gregoriusmesse zu Viborg u. a.
Beispiele spätmittelalterlicher Meßampullen des Typus, die sich erhalten haben,
sind eine Ampulle in englischem Privatbesitz (Tafel 8i) (20) sowie zwei unge-
mein zierliche in der Stiftskirche zu Maubeuge (Nord). (21)
Beim zweiten Typus erscheint der erste um einen nie fehlenden Henkel be-
reichert, durch den die Ampulle die Klaschenform verliert und zu einem größe-
ren oder kleineren Krüglein wird. Man wird ihn darum auch treffend als den
krugartigen Typus bezeichnen. Mit Fuß und Deckel verhält es sich wie beim
ersten Typus, statt eines oben an der Mündung der Ampullen angebrachten
kurzen, nasenförmigen Ausgusses ist aber, wenigstens im späteren Mittelalter,
oft ein langes, gekrümmtes Ausgußröhrchen getreten, das bald unten am Bauch
der Ampulla, bald über demselben unten am Halse angesetzt war. In französi-
schen Inventaren biberon genannt, heißt es in einem Inventar des Domes zu
(17) Vgl. oben S.426. (18) Guiffrey II, n.749. (19) Omo.nt 24, 30, 34; vgl. auch 27, Si.
(20) Jackson 1, 356. (21) Abb. bei Gay 239.
432 VASA NON SACRA. ERSTER ABSCHNITT. DIE MESSKÄNNCHEN
Frauenburg, das aber schon dem späten 16. Jahrhundert angehört, fistula. (22)
Daß es schon in altchristlicher und frühmittelalterlicher Zeit Meßampullen
auch dieser Art gegeben hat, lassen wiederum die Ampullen profanen Charak-
ters, die sich aus demselben erhalten haben, vermuten. Im späteren Mittelalter
dürften sie mit Vorliebe zur Verwendung gekommen sein. Zeigen doch die mei-
sten der Ampullen, die aus ihm auf uns gekommen sind, wie die beiden Am-
pullen im Schatz von S. Marco (Tafel 85), die formschönen Ampullen in der
Kirche zu St. Peter Port auf Guernsey (Tafel 8i), die Meßkännchen zu Horb
(Tafel 8o) und Braunsberg, die Prachtampullen im Museum zu Pest (Tafel 8i),
die durch die an ihnen angebrachten Buchstaben A und V als Meßkännchen ge-
kennzeichnet werden, die beiden Prachtampullen der ehemaligen Sammlung
Bothschild zu Wien, die beiden Meßkännchen in St. Foilan zu Aachen, die mit
Limoger Email geschmückte Ampulle im Gabinet des Medailles der Pariser
Nationalbibliothek (Tafel 82) sowie die beiden Kännchen der ehemaligen
Sammlung Passavant zu Frankfurt (Tafel 80) den zweiten Typus. Auch auf den
Bildwerken des ausgehenden Mittelalters sind Meßkännchen desselben darge-
stellt, wie z. B. auf dem Alabasterrelief im Britischen Museum und dem Reta-
belflügel mit der Gregoriusmesse zu Lübeck. (23) Ebenso kennt die Schedula
diversarum artium des Theophilus den Typus, wenn auch nicht als den alleini-
gen, da sie auch von henkellosen bauchigen Ampullen, also von solchen des
ersten Typus redet. (24) Eine den zweiten Typus verkörpernde ornamental
schon von der Renaissance beeinflußte Ampulle für den Wein aus dem frühen
16. Jahrhundert findet sich im Grünen Gewölbe zu Dresden.
Den dritten Typus kann man den kannenartigen nennen. Mit dem zweiten
hat er den Henkel gemeinsam, es fehlt bei ihm jedoch ein Ausgußröhrchen; als
Ausguß dient fast stets eine am oberen Rand des Behälters angebrachte kleine
Schnauze. Der Behälter selbst stellt seiner Form nach eine kleine Kanne dar,
und zwar hat er meist die Form eines Zylinders oder eines nach oben zu schwach
sich verengernden Kegels, doch ist er auch mehrseitig oder unten abgerundet
und oben mit einer Einziehung, nie jedoch mit einem förmlichen Hals ver-
seilen. Reichere Beispiele des dritten Typus bieten das Ampullenpaar zu Zarno-
witz (Tafel 80) sowie die beiden Kristallampullen in der Lambertikirche zu
Düsseldorf (Tafel 81), einfachere haben sich aus dem ausgehenden Mittel-
alter in der Marienkirche zu Danzig erhalten. (25) Eines Henkels entbehrt eine
kannenartige Ampulle in englischem Privatbesitz; man hat ihn ersetzt, indem
man den sonst niedrigen Fuß zu einem aus Fuß, Schaft mit Nodus und Zwi-
schenstücken zwischen Fuß und Schaft sowie zwischen Schaft und Behälter
bestehenden hohen Ständer ausgestaltete (Tafel 81). Seit wann Ampullen des
dritten Typus in Gebrauch waren, wie auch welche Verbreitung sie im Mittel-
alter hatten, ist nicht festzustellen, doch lassen mittelalterliche Bezeichnungen
der Meßampullen wie caneta, canulus, canette, kändel, kenniger, stitzly (26)
vermuten, daß der Typus nicht erst im ausgehenden Mittelalter sich heraus-
(22) Zeitschrift III (1890)238: Ampullae duae altae argenteaeet deauratae ventriculosae
habentes Hstulas. (23) Vgl. oben S. 430. (24) Vgl. oben & 429.
(25) Abb. bei A. Hont, Die Schatzkammer der Marienkirche zu Danzig (Danzig 187UJ
TU. 14. (28) Vgl. oben S.418, 421.
VIERTES KAPITEL. FORM UND GRÖSSE. I. FORM 433
(27) N. 83 (London 1847) 93. (28) Raine 216. Es waren wie aus der Angabe, daß die
Ampullen mit Email geschmückt seien, hervorgeht, Erbstücke aus mittelalterlicher Zeit.
(29) Revue archeol. V 1 (1848) 196. (30) Anzeiger N.F. XXI (1874) 172.
BRMlB, DAS CHRISTLICHE ALTARGEHAT
434 VASA fiON SACRA. ERSTER ABSCHNITT. DIE MESSK.KNNCHEX
über denselben gelegt werden können. Der von den Wandungen eingeschlossene Hohlraum
nimmt den Wein und das Wasser auf (Bild 2, S. i<13). (31) Meßampullen in Form von Tau-
ben, Schwänen, Bienen, Hahn und Henne wird man nicht gerade als sonderlich geschmackvoll
bezeichnen. Sie waren auch zweifellos zu aller Zeit nur Ausnahme. Ihr Vorbild hatten sie
wohl in den als Tiere gestalteten, bis ins späte Mittelalter sehr beliebten Wasserbehältern,
deren man sich bei den Händewaschungen, auch den liturgischen, bediente.
gen ließen. Was sich an Ampullen aus Edelmetall aus dem 16., 17. und
18. Jahrhundert erhalten hat, zeigt wenn nicht ausschließlich, so doch vornehm-
lich den dritten Typus (Tafel 83, 8.4). Regelmäßig gab man diese Form den
aus Zinn gemachten Meßkännchen, um dadurch deren Reinhalten zu erleich-
tern. Der zweite Typus kam besonders bei gläsernen Ampullen zur Anwendung,
hier ohne Anfügung eines Ausgußröhrchens, anderswo, wie namentlich in Ita-
lien, wo man sich keines Löffelchens zu bedienen pflegte und pflegt, um bei
Herrichtung des Kelches dem Wein das vorgeschriebene Wasser beizumischen,
unter Anbringung eines solchen. Den zweiten Typus zeigen auch die interes-
santen Porzellanampullen im Bischöflichen Museum zu Münster (Tafel 84),
zwei prächtige Renaissanceampullen aus dem späten 16. Jahrhundert mit Be-
hälter, Deckel und Fuß aus Kristall und silbernem Ausgußröhrchen im Bayeri-
schen Nationalmuseum (Bild »4) sowie zwei mit Silberornament bekleidete
Barockampullen aus Kristall im Museum zu Aveiro (Tafel 86). Auch bei Meß-
kännchen aus dem 16., 17. und 18. Jahrhundert, die aus Edelmetall hergestellt
sind, begegnet uns derselbe, wenn auch weit weniger häufig als der dritte Ty-
pus. Es mangelt ihnen indessen am gewöhnlichsten ein Ausgußröhrchen, statt
dessen als Ausguß eine oben an der Mündung der Ampullen angebrachte kleine
(31) Mitt. VI (1881) 268.
VIERTES KAPITEL. FORM UND GRÖSSE. II. GRÖSSE 435
Schnauze dient. Silberne Ampullen des Typus mit Ausgußröhrchen aus dem
Jahre 1691 finden sich in der Pfarrkirche zu Erding. (32)
Die Ampullen für den Wein und das Wasser waren schon wenigstens im spä-
teren 16. Jahrhundert, wie heute, der Regel nach von nur sehr mäßiger Größe.
Sie faßten nur soviel von beidem, als für die betreffende Messe erforderlich
war, das ist etwa ko bis 5o Kubikzentimeter. Im Mittelalter verhielt es sich an-
ders. In den Inventaren werden nicht selten ausdrücklich neben kleinen auch
größere Meßampullen aufgeführt. So lesen wir in einem Inventar Karls V. von
Frankreich von 1379/80: Item deux grands burectes, gui servent ä la chapelle
du grant autel... item deux autres petites burectes pour les confesseurs. (33)
Ein Inventar des Münsters zu York von ca. 15oo vermerkt neben andern auch
-t phiolae largae argenteae . . . cotidie occupatae ad summum altare, (34) das
Inventar der Kathedrale zu Siena von 1/167 neben zwei großen Ampullen von
Silber vier mittlere und ein Paar kleine silberne Meßampullen. (35) In des
Udalricus Constitutiones Cluniacenses heißt es, (36) es sollten für die Privat-
messen im Armarium größere und kleinere Ampullen vorhanden sein, größere
für den Wein, kleinere für das Wasser. (37)
Auch die Angaben, welche sich in den mittelalterlichen Inventaren bezüglich des Ge-
wichtes der in ihnen verzeiclineten Gefäße für den Wein und das Was-ser finden, bekunden,
daß dieselben oft erhebliche Abmessungen hatten. So wogen zwei Ampullen im Besitz des
Herzogs Jean von Berry von iioi/3 2 Mark, 5 Unzen (=:ca. 63og), zwei andere 3 Mark,
7 Unzen {= ca.700g), ein drittes Paar 3 Mark (=ca.72Ög), (38) zwei burectes d'ar-
gent pour chapelle im Inventar Karls V. 2 Mark, 2 Unzen (= ca. 55og), (39) zwei
burectes d'or im Inventar Karls VI. von i4l8 1 Mark, !i Unzen (= ca. 36og), zwei burectes
d'argent im gleichen Inventar 1 Mark, 31/» Unzen (— ca. 33o g), (40) zwei Ampullen im
Inventar des Apostolischen Stuhles von 120,0 gar .'1 -Mark, 1 Va Unze (= ca. 1000 g),
bzw. 3 Mark, 3 1/i Unzen (= ca. 82 5 gr.), zwei andere, etwas kleinere 2 Mark, & Unzen
(= ca. 55og), zwei weitere 2 Mark (= ca. 48og). (41) Im Inventar des Münsters zu
York begegnen uns 2 phiolae preciosae et deauratae ex opere subtili cum lapidibus annexis
von !\ Pfund, 2 Unzen, sowie 3 phiolae argenteae deauratae cum imaginibus bb. Petri et
Pauli sculptis circa corpora earumdem von 2 Pfd., 1Vi Unze. Die beiden in ihm erwähnten
phiolae argenteae deauratae faetae ad modum cygnorum wogen a Pfund, 11 Unzen. (42)
Aber auch die Ampullen für den Wein und das Wasser, die sich aus dem Mittelalter er-
hallen haben, zeigen durchweg beträchtlichere Abmessungen als die heute gebräuchlichen.
So ist von den beiden früher erwähnten Ampullen im Schatz von S. Marco zu Venedig eine
lö.öoi), die andere 23 cm hoch. Die Ampullen der Sammlung Passavant hatten eine Höhe
■von iä,8 bzw. 16 cm. Die Meßkännchen in St. Peter Port auf Guernsey und zu Horb zeigen
eine Höhe von i6,5cm. Die beiden Kristall kann eben in der Lambertikirche zu Düsseldorf
s'nd iScm, bzw. i8,5cm, die Ampullen in der Pfarrkirche zu Braunsberg etwas über
Kelchhohe hoch, die beiden Meßkännchen, fast besser Meßkannen im Nationalmuseuin zu
Pest aber haben sogar eine Höhe von '3i,5 cm.
FENFTES KAPITEL
ORNAMENTALE AUSSTATTUNG DER GEFÄSSE FÜR DEN WEIN UND
DAS WASSER
I. ALLGEMEINES
Eine reiche Ausstattung haben die Gefäße für den Wein und das Wasser, die
zum gewöhnlichen Gebrauch dienten, zu keiner Zeit gefunden. Dafür war die
Rolle, die ihnen bei der eucharistischen Feier zugewiesen war, zu untergeord-
net, zu bedeutungslos. Es waren im allgemeinen wohl nur die bei festlichen
Gelegenheiten zur Verwendung kommenden Ampullen, denen man eine reichere
Ausstattung gab.
Wie man es in altchristlicher Zeit mit der Ornamentierung der liturgischen
Gefäße für den Wein und das Wasser gehalten hat, muß dahingestellt bleiben.
Die schriftlichen Quellen geben uns darüber keinen Aufschluß, was sich aber
an ornamentierten altchristlichen Ampullen erhalten hat, läßt sich, wie schon
gesagt wurde, nicht einmal mit einiger Wahrscheinlichkeit als Gefäße zur
Aufnahme des bei der Messe benötigten Weines oder Wassers, ja überhaupt
auch nur als liturgisch erweisen. (1) Wie für die altchristliche Zeit, so verhält
es sich aber auch für das frühere Mittelalter. Natürlich soll nicht gesagt wer-
den, daß man in jener wie in diesem stets die Ampullen für den Wein und das
Wasser ohne allen Schmuck gelassen habe; denn wenn sich auch eine Ornamen-
tierung der Ampullen für jene beiden Perioden nicht nachweisen läßt, so folgt
daraus nicht, daß eine solche damals überhaupt nicht vorgekommen sei.
Belege für eine ornamentale Ausstattung der Ampullen liegen erst aus dem
späteren Mittelalter vor, insbesondere in den Angaben der Inventare, doch sind
dieselben keineswegs allzu zahlreich; ein Beweis, daß selbst im späteren Mittel-
alter eine Ornamentierung der Ampullen nicht eben das Gewöhnliche war. Nur
ganz allgemein deutet das Inventar von Prüfening von n65 auf eine solche
hin, wenn es sagt: ampullas argenteas miro opere duas. (2) Beliebt war es, wie
es scheint, bei krugförmigen Ampullen in der Mitte des Bauches derselben, am
Ansatz und um das obere Ende des Halses herum, sowie auch wohl in dessen
Mitte, bei kannenförmigen aber unten, in der Mitte und oben um den Rand des
Behälters herum einen ringförmigen ornamentierten Fries anzubringen. Meh-
rere der noch vorhandenen spätmittelalterlichen Ampullen bekunden das. Von
solchen Friesen ist auch im Inventar des Apostolischen Stuhles von 1295 die
Rede, wenn es von einer Ampulle schreibt: Item unam ampullam de auro cum
Uno circulo in pede de opere fili, uno in medio et uno in iunctura colli cum
quibusdam granatellis, zaffirelis et perlis, in summitate autem est magna
perla; (3) einer Angabe, der wir entnehmen, daß auch wohl um den Fuß der
Ampulle herum ein Fries als Schmuck gelegt wurde. Ebenso verzeichnet das
Inventar Clemens' V. von i3i 1 eine Ampulle mit Fries in der Mitte des Bauches
und oben am Hals derselben. (4) Im ausgehenden Mittelalter und im frühen
■*6- Jahrhundert liebte man es, den Bauch, den Hals und den Fuß der Ampullen
(1) Vgl. oben S.430. (2) N. Archiv XIII (1888) 561. (3) Bibl. XLV (1884) 33.
(V ftegesti Clera. V. app. I, 452.
438 VASA NOX SACRA. ERSTER ABSCHNITT. DIE StESSKANNCHBN
II. SCHMÜCKMTITEL
Filigran begegnet uns am Hals einer der Ampullen im Schatz von S. Marco
zu Venedig (Tafel 85). Ebenso wird das opus fili als Schmuck einer Ampulla
genannt in der vorhin angeführten Angabe des Inventars des Apostolischen
Stuhles. Hier wie dort erscheinen ihm Steine und Perlen eingefügt. Von Steinen
als Schmuck der Ampullen hören wir auch im Inventar Clemens'V. von i3ii,
in dem Inventar Karls V. von Frankreich von 1379/80 (5) und im Inventar von
St-Denis von i5o5. (6) An der im Inventar Clemens' V. verzeichneten Am-
pulla fanden sich auf dem Fuß 8 orientalische Saphire, i5 große Granate und
8 Türkise, auf dem Deckel je 6 Saphire, Türkise und Granate. Von zwei bu-
rectes, die im Inventar Karls V. aufgeführt werden, zeigte eine auf dem Deckel
8 Baiasse, 6 Saphire und 64 große Perlen, die andere 8 Saphire, 6 Baiasse und
64 Perlen.
Von getriebenem Bildwerk als Schmuck der Ampullen vernehmen wir auf-
fallenderweise nur sehr selten. Mit den getriebenen Bildern der Apostel Petrus
und Paulus waren am Bauch zwei phiolae verziert, die im Inventar des Münsters
zu York von ca. i5oo verzeichnet sind. (7) Deux burectes d'or garnies de pier-
rerie et sont les convescles en facon de mictnes et sont les dictes ystoriees ä
ymages enlevez, lesen wir im Inventar Karls V. von 1879/80. Von den noch vor-
handenen mittelalterlichen Ampullen hat keine getriebenen Figurenschmuck.
Die beiden gegossenen Klerikerfiguren, die als Griff zum Aufklappen auf dem
Deckel der Meßkännchen zu Horb angebracht sind, wollen ersichtlich nicht
als Bildwerk wirken.
Mehrfach hören wir von Ampullen, die mit Email verziert waren. So be-
gegnen uns in einem Inventar des Trierer Domes von ia38: Ampullae duae
operis de Limugis, das ist zwei mit Limoger Email geschmückte Ampullen, im
Inventar des Apostolischen Stuhles von 1295: Duae ampullae de argento de-
auratae ad 4 angelos cum esmaltis in medio, (8) in einem Inventar des Herzogs
Ludwig I. von Anjou von i36o: Deux burettes d'argent et esmaüliees et a cha-
cune six cost et en chacune coste a un apotre, ferner deux autres burettes
blanche a long col... et dessuz Ie couvercle a 2 esmaux. (9) Andere mit Email
verzierte Ampullen werden in den Inventaren Karls V., Karls VI., des Herzogs
Jean von Berry sowie im Inventar des Münsters von York erwähnt. Ein Beispiel
einer mit Email verzierten Ampulle aus Kupfer ist die im Cabinet des Medailles
der Pariser Nationalbibliothek erhaltene Limoger Ampulle. Bauch und Hals
(5) Labarte 53. (&) Omont 12. (7) Raise 216.
(8) Bibl. XLV (1884) 33. (9) Gay I, 239.
FÜNFTES KAPITEL. AUSSTATTUNG. 11. SCHMVCKMITTEL 439
derselben sind mit dem bekannten Limoger Rankenwerk in Gold auf farbigem
Emailgrund überzogen, dem an jenem Rundmedaillons mit der Halbfigur eines
Engels, an diesem in der Mitte ein mit Kreisen ornamentierter Ring eingefügt
ist (Tafel 82). Eine prachtvolle aus dem Kloster Meldorf in Schleswig-Holstein
stammende Ampulle von 20,5 cm Höhe im Nationalmuseum zu Kopenhagen,
eine Schöpfung französischer Emailleure aus dem i/[. Jahrhundert, ist am
Bauch, Hals, Deckel und Fuß in durchsichtigem Schmelz mit Bildwerk (Dar-
stellungen aus dem Gleichnis vom verlorenen Sohn, von Spielen und Belusti-
gungen sowie von männlichen und weiblichen, auf Fabelwesen reitenden Figu-
ren), am Henkel mit in gleicher Technik ausgeführten Ranken geschmückt,
doch ist sie vielleicht nicht, wie das Bildwerk vermuten läßt, ursprünglich für
eine Verwendung beim Gottesdienst bestimmt gewesen, da kein Grund vor-
liegt, dasselbe symbolisch religiös zu deuten. Mit Email verzierte Flügel haben
die beiden als Engel gestalteten Meßkännchen im Münster zu Aachen.
Inschriften fanden sich nur vereinzelt an den Meßampullen. Im Inventar des
Kings College zu Cambridge von i45a ist ein par fiolarum in parcella deaura-
tum cum scriptura in medio illarum Maria et Jesus verzeichnet. Von zwei Känn-
chen in der Kathedrale zu Lincoln wies das eine auf dem Fuß die Stifter-
inschrift: Orate pro anima magistri Johannis Walpole auf, das andere die Mo-
nogramme Jesus und Christus. (10) Die Meßampullen zu St. Peter Port tragen
um den Bauch herum ein Band mit der Inschrift: Sancte Petre (Paule) ora pro
nobis (Tafel 81).
Einer reicheren Ausstattung haben sich, wie aus dem Gesagten hervorgeht,
auch im späteren Mittelalter die zur Aufnahme des für die Messe benötigten
Weines und Wassers dienenden Ampullen für gewöhnlich nicht erfreut, wenn
auch reicher verzierte zweifellos in größerer Zahl hergestellt wurden, als es
nach den spärlichen Angaben, die uns die Inventare bieten, und den wenigen
Beispielen, die sich erhalten haben, scheinen könnte.
In nachmittelalterlicher Zeit entstanden für den festlichen Gebrauch allent-
halben viele reich ornamentierte Meßkännchen. Der durch das Wiederaufleben
und Erstarken des kirchlichen Sinnes neu belebte Eifer betätigte sich auch im
Bestreben, das zur Meßfeier dienende liturgische Gerät seinem hohen Zweck
entsprechend möglichst schmuckvoll zu gestalten und zwar nicht bloß die
Hauptgeräte, sondern auch die Hilfsgeräte, darunter namentlich auch die Meß-
kännchen. Insbesondere war es das Spätbarock und das Rokoko, die eine große
Zahl reichst verzierter, ja nicht selten auf Kosten der Form zu reich verzierter
Kännchen für den Wein und das Wasser schufen, die zwar stets von hoher tech-
nischer Geschicklichkeit, nicht aber immer von gleich feinem Geschmack der
Goldschmiede, die sie anfertigten, Zeugnis ablegten. Unruhe und Willkür in
der Form, wobei Fuß und Behälter miteinander verschmolzen, rangen schließ-
lich bei ihnen oft genug mit Regellosigkeit und Übermaß im Ornament geradezu
um die Palme (Tafel 83, Aschaffenburg), bis sie dann im Klassizismus wieder
wie zu ruhigerer Formgestaltung so auch zu strengerem, edlerem Ornament
zurückkehrten (Tafel 83, Karthaus). In der Barockzeit bürgerte sich als eine
(10) Inv. von 1536 (Dugdale I (1846) 1281.
440 VASA XON SACRA. ERSTER ABSCHNITT. DIE KANNCHENSCHCSSBL
DIE KÄNNCHENSCHÜSSEL
10RSTES KAPITEL
dem Sinne, als ob vorher zum Auffangen des Wassers bei der Händewaschung
nach der Opferung noch nicht ein Becken verwendet worden sei und als ob
ein solches für diesen Zweck erst durch das Römische Missale angeordnet wor-
den sei. Auch früher hat man vielmehr schon das Wasser bei der Hände-
waschung in einem Becken aufgefangen, doch war das weder allgemein üblich,
noch war schon das fragliche Becken ein vorschriftsmäßiges Zubehör zu den
Meßkännchen. Ein solches, das ist eine Kännchenschüssel, ist es erst durch das
Missale Pius' V. geworden.
Mit der Übernahme des römischen Missales, wie sie Pius V. allgemein vor-
geschrieben hatte, soweit nicht bereits ein anderes seit zweihundert Jahren
irgendwo in Gebrauch war, wurde auch ohne weiteres die Einführung der
Kännchenschüssel allenthalben Pflicht. Es bedurfte darum auch zu ihr keiner
diesbezüglichen Statuten von Provinzial- und Diözesansynoden. In der Tat ist
es von allen Synoden des ausgehenden 16., 17. und 18. Jahrhunderts auch nur
die Prager des Jahres i6o5, die sich mit der Kännchenschüsssel beschäftigt. (6)
Ihre Bestimmungen wiederholen fast wörtlich, was der Regensburger General-
vikar Myller in seinem Ornatus ecclesiasticus (7) im Anschluß an die Instructio
fabricae ecclesiae des heiligen Karl (8) bezüglich der Kännchenschüssel vor-
schreibt. Wie die wirkliche Einführung des Römischen Missales, so erfolgte
übrigens auch, ja noch mehr, die der pelvicula keineswegs allenthalben mit
einem Male, sondern nur allmählich. Ist doch in den Ermländer Inventaren des
späten 16. noch nicht, in den Breslauer Visitationsberichten aus dem späten
16. und dem 17. Jahrhundert aber nur erst vereinzelt von einer zu den Ampul-
len gehörenden Schüssel die Rede. Sie heißt in ihnen scutella, wie in einem
Bericht von i58o, von 1687/88 sowie von 1677, (9) bacile, wie in einem Be-
richt von 1666/67, (10) patena, wie in dem gleichen Bericht, (11) »Schale,
Schalichen«, wie im Bericht von 1677 (12) und pelvicula, wie in dem gleichen
Bericht. (13)
ZWEITES KAPITEL
BESCHAFFENHEIT DER KÄNNCHENSCHÜSSEL
Nach dem heiligen Karl soll die Schüssel für gewöhnlich aus stannum brita-
nicum, das ist aus Hartzinn, gemacht sein, kostbare aber sollen aus Gold oder
Silber bestehen und mit Treibarbeit religiösen Charakters verziert sein, nicht
jedoch in der Vertiefung, die stets eben sein müsse, damit die Kännchen sicher
ständen. (1) Nach Myllers Ornatus ecclesiasticus kann sie auch aus Ton ange-
fertigt sein, soll dann aber weiß oder blau glasiert und mit Blumen verziert
sein. (2)
Als Material zur Hersteilung der Kännchenschüssel diente bis ins ig. Jahr-
hundert in der Tat vornehmlich Zinn. Aus Gold dürften nur wenige angefertigt
(6) C.13 (Hartzh.VIII, 692). (7) C. 70; S. 128. (8) AA. EccI. 628. (9) JusgnitzIL61;
III, 58, 589, 591; IV, 71. (10) Ebd. I, 306. (11) Ebd. I, 245, 254. (12) Ebd. IV, 85, 201.
(13) Ebd. IV, 186, (1) AA. EccI. Med. 629. (2) C.70 (München 1591, S. 128).
ZWEITES KAPITEL. BESCHAFFENHEIT 443
die Geburt, die Beschneidung und die Anbetung des Jesuskindes. Allzu häufig
scheinen solche Emailscheibchen jedoch nicht als Schmuck der Kännchen-
schüsseln verwendet worden zu sein und ebensowenig Steine.
Zugleich für die Meßkännchen wie für die große in Pontifikalämtern zur
Verwendung kommende Lavabokanne bestimmt erscheint die ersichtlich zum
Gebrauch beim Pontifikalamt angefertigte, reich ornamentierte silberne Schüs-
sel in der Stiftskirche zu Ellwangen aus dem Beginn des 18. Jahrhunderts (Ta-
fel 82). Statt nur zwei, wie bei den bloß zur Aufnahme der Kännchen dienen-
den Schüsseln, weist sie in der Vertiefung drei runde Feldchen auf, ein größeres
mittleres für die Lavabokanne und zwei kleinere rechts und links für die Meß-
ampullen. Ob auch noch andere Schüsseln der gleichen Art geschaffen wurden,
ist mir nichl bekannt.
DAS KELCHLOFFELCHEN
Das Kelchlöffeichen, ein kleines Löffelchen von etwa 7—9 cm Gesamtlänge,
dient dazu, bei der Herrichtung des Kelches dem Meßkännchen, welches das
Wasser enthält, einige Tropfen des letzteren zu entnehmen, um sie dem bereits
in den Kelch gegossenen Wein beizumischen. Es pflegt mit dem Kelch zum
Altar gebracht zu werden. Sein Gebrauch ist heute sehr verbreitet, doch keines-
wegs allgemein und noch weniger vorgeschrieben, aber auch nicht, wie die
Ritenkongregation auf eine Anfrage hin unter dem 7. Februar i858 ausdrück-
lich erklärt hat, verboten. (1) Nicht gebräuchlich ist es besonders in Rom, wo
es nur in der Pontifikalmesse des Papstes zur Verwendung kommt, wie über-
haupt in Italien. Das lange Ausgußröhrchen, mit dem hier die Meßkännchen
versehen zu sein pflegen, macht seinen Gebrauch unnötig.
ERSTES KAPITEL
NAMEN DES KELGHLÖFFELCHENS
In den lateinisch abgefaßten mittelalterlichen Inventaren heißt das Kelch-
löffelchen stets cochlear (coclear). So in einem Menologium der Kathedrale
von Tournai, in dem sich der Eintrag findet: Magister Johannes de Parisiis
(spätes 13. Jahrhundert) dedit unum calicem et patenam argenteos, decenter
ornatos una cum cocleari officio missae, (2) in einem Obituarium der Pariser
Kathedrale, aus dem wir ersehen, daß Bischof Ranulfus (f 1288) dieser ver-
machte calicem aureum cum patena et cochleari, (3) in einem Inventar des
Zisterzienserklosters zu Heilsbronn von 1437: Item XXXXIII coclearia argen-
tea pro calicibus, (4) in einem Inventar von St-Donatien zu Brügge von 1/162:
Calix minor cum patena argentea deaurata et cocleari argenteo ad usum mis-
sarum animarum ad altare retro magnum altare, von i<188: Ad magnum altare
(1) Decr. auth. 3064. (2) Dehais.\eb, Doc. 113. (3) Ron. IV, 187 (4) Repert. für
Kunstgesch. I, 84 f.
ERSTEH KAPITEL. HAMEN 445
magnus calix cum patena et cocleari argenteo deaurato ad usum cotidianum, (5)
in einem Inventar der Franziskanerkirche zu Avignon von i359: 2 coclearia
parva de argento ad ministrandum de aqua in calice ad altare, in einem Inventar
der Kathedrale zu Amiens von 1/119: 3 coclearia eiusdem formae et aliud alte-
rius formae et aliud adhuc parvum, tenens quasi unam guttam aquae, (6) in
einem Inventar von St. Georg zu Köln von etwa tioo: 2 ampullae argenteae
item nimm coclear argenteum. (7)
In französisch abgefaßten Inventaren wird das Kelchlöffelchen cuiller (cuil-
lerete, cokeüar) und louche (louchette, loucette) genannt, in katatonischen
culereta, in englischen spoon, in deutschen lebel.
Cuiller heißt das Kelchlöffeichen im Inventar des Raoul de Nesle von i3c*3:
Un calice et une cuiller, (8) im Inventar der Johanna von Presles von 1347:
Un calice et une platine dorez, une petite cuiller d'argent blanc, (9) im Inven-
tar Karls VI. von i3gg: Un calice d'or... et y a une petite cuiller d'or ä ad-
ministrer et mettre l'eau ou calice, (10) in dem Inventar von St-Denis von 15o5:
Un calice avec sa platine et une petite cuiller, le tout d'argent, dore dedans et
dehors (11) u. a. Mit cuillerete wird es bezeichnet in dem schon erwähnten In-
ventar des Raoul de Nesle von i3o2: Un calice dore, le platine et le cuillerete
pour amministrer (12) und in einem Inventar von St-Urbain zu Troyes von i468:
une petite cuillerete ä mettre l'eau ou calice, (13) mit cokeliar in einem Inventar
der Kapelle des Grafen von Hennegau von 1307; 6 parva urcheola (Ampullen)
argentea, unum parvum cokeliar argenteum ad ministrandum. (14)
Louche, louchette und loucette wird das Kelchlöffelchen in den flandrischen
Inventaren des i4- und i5. Jahrhunderts genannt, wie z. B. in einer Rechnung
für die Dominikanerkirche zu Arras: Deux loucetes pour ministrer le prestre
ä l'autel, (15) im Inventar der Schloßkapelle des Grafen Robert von Flandern
von iSs'a: Item un calisse d'argent dore ä platinne, item une louchette d'ar-
gent, (16) und des Reliquienaltares der Kathedrale zu Cambrai von i364:
1 calisse et le platine d'argent dorö et le loucette, (17) im Inventar von St-Ame
zuDouaivon 1377: 2 calisses estoff es (ausgestattet) de platines et loucettes,(18)
der Kirche zu Soignies von i382: 1 calisce, platines et loucettes, (19) von
Ste-Catherine zu Lille von i386: 2 calisces estoffes de platine de loucbes (20)
und von St-Pierre zu Lille von 1397: 1 grant calisse, le platine et le louce d'ar-
gent tout doret, servant au grant autel und der Kathedrale zu Cambrai von 14o 1:
1 calisse d'argent et le platine et le louchette tout dore, item un petit calisse et
le platine tout dore et le louchette non dore, (21) im Inventar von St-Ame zu
Douai von 1469: Un calice tout dore et le loucette aussy (22) u.a. In nicht-
flandrischen Inventaren ist mir die Benennung louche, louchette nicht begeg-
net; sie dürfte eine nur der flandrischen Volkssprache eigene Bezeichnung des
Kelchlöffelchens gewesen sein.
(5) Gay 254. (6) Ebd. 513, wo auch noch weitere Belege aus Inventaren des 14. und
15. Jahrhunderts französischer Kirchen. (7) Bock, St. Jakob 13.
(8) Dehaisn-es Doc.136. (9) Revue XLI (1892) 496. (10) Gay 513. (11) Omovt 32.
(12) Dehaisnes Doc. 135. (13) Gay 513. (14) Dehaisxes, Doc. 181.
(15) Gay II, 94* (16) Dehaisnes, Doc. 239. (17) Ebd. 453. (18) Ebd. 542.
(19) Ebd. 593. (20) Ebd. 629. (21) Ebd. 808. (22) Gay 254.
446 VASA XON SACRA. ERSTER ABSCHNITT. DAS KELCHLÖFFELCHEN
Den Namen mietetet (cuylereta) führt das Löffelchen in einem Inventar der
Kathedrale zu Vieh von i368: Item una cuylereta d'argent ab que digueren que
meten aygua en lo calzer und in einem Inventar eines Marti l'Huma von itiio:
Item dues culleretes poques por dar aygua al calzer, (23) die volkssprachliche
Benennung spoon im Inventar der Kathedrale zu Lincoln von i536: A chalice
of silver with one gilded spoon, containing a scripture: Blessed be God, (24)
die gleichfalls volkssprachliche Bezeichnung lebel z. B. in dem Inventar der
Morandskapelle in St. Stephan zu Wien: Item zway lebel zu Ambullen und
verguldt. (25)
ZWEITES KAPITEL
ALTER DES GEBRAUCHS UND BESCHAFFENHEIT
DES KELCHLÖFFELCHENS
Die aus Inventaren des endenden i3-, des i^. und des i5. Jahrhunderts an-
geführten Stellen sind nicht bloß insofern von Wert als sie uns Aufschluß über
die Benennungen des Kelchlöffelchens in jener Zeit geben, sie sind auch noch
in weilerer Hinsicht von Bedeutung. Zunächst stellen sie nämlich außer Zweifel,
daß der Gebrauch des Kelchlöffelchens nicht, jedenfalls nicht weit über das
ausgehende i3. Jahrhundert hinaus zurückreicht. Die frühesten Belege für die-
sen entstammen dem letzten Viertel desselben, alle andern erst dem i/(. und
i5. Jahrhundert. Vor Ende des i3. Jahrhunderts hören wir zwar schon von
einem Löffelchen, mittels dessen man den Weihrauch seinem Behälter ent-
nahm, um ihn in das Rauchfaß zu werfen, nie und nirgends aber von dem
Kelchlöffelchen.
Zweitens erhalten wir durch die Angaben der Inventare wertvollen Aufschluß
über die Verbreitung, deren sich der Brauch, dem Wein bei Herrichtung des
Kelches in der Messe das Wasser mittels eines Löffelchens beizumischen, im
späteren Mittelalter erfreute. Wir ersehen aus ihnen nämlich, daß man sich sei-
ner zu diesem Zwecke vornehmlich im nördlichen Frankreich und in Flandern
bediente. Wohl begegnet uns das Kelchlöffeichen nicht dort allein; es liegen
ja für seine Verwendung aus jener Zeit auch aus dem Nordosten Spaniens, aus
Deutschland und aus England Belege vor, aber sie sind im Vergleich mit den
den französischen Inventaren entnommenen nur sehr gering an Zahl, die zwar
beweisen, daß auch dort das Kelchlöffelchen nicht ganz unbekannt war, daß
es sich aber noch keiner größeren Verbreitung erfreute, jedenfalls bei weitem
keiner solchen wie in Frankreich. Von dem bei der feierlichen Papstmesse zur
Verwendung kommenden Kelchlöffelchen hören wir erst im Ordo des Petrus
Amelii, also um i^oo. (1) Aufnahme in den Ritus der feierlichen Papstmesse
aber dürfte es bei Gelegenheit und infolge des Aufenthaltes der Päpste zu
Avignon gefunden haben und dem französischen Brauch entlehnt sein.
(23) Gudioi. y Cusill, Nociöns d'arqueologia sagrada catalana (Madrid 1902) 462. Vgl.
auch das Inventar der Kathedrale von 1342: Item una eulereta argenti, cum qua datur
mixtum. (24) Dlgdai.e I (1846) 1278. (25) Mi«. XV (1869) C. (1) C. 81 (M. 78, 1325).
ZWEITES KAPITEL. ALTER UND BESCHAFFENHEIT 447
Weiterhin geben uns die früher angeführten Belege Antwort auf die Frage,
wann und wo das Kelchlöffelchen in Gebrauch gekommen sein wird und von
wo aus es sich demnach in der Folge auch anderswo einbürgerte. Denn stammen
die ältesten derselben erst aus dem späten i3. Jahrhundert und gibt es keine
früheren, dann folgt daraus, daß es erst im Verlauf der zweiten Hälfte einge-
führt wurde. Sind es aber nordfranzösische Quellen, die uns von ihm die erste
Kunde bringen und hatte es im Norden Frankreichs bereits in der ersten Hälfte
des i4. Jahrhunderts weite Verbreitung gefunden, dann läßt das keinen Zweifel
daran, daß es der Norden Frankreichs war, wo es zuerst in Gebrauch genom-
men wurde. Es waren ersichtlich lediglich praktische Gründe, was seine Ein-
führung veranlaßte.
Endlich erfahren wir aus den Angaben der Inventare, aus welchem Material
das Löffelchen im Mittelalter vornehmlich gemacht zu werden pflegte. Wir
ersehen aus ihnen nämlich, daß es gewöhnlich aus Silber, vereinzelt sogar aus
Gold hergestellt wurde. Bestand es aus Silber, so war es bald unvergoldet, bald
vergoldet.
Von der Größe, die dem Löffelchen im Mittelalter eignete, hören wir nichts.
Es kann jedoch auch schon damals nicht groß gewesen sein, da es sonst für
seinen Zweck nicht brauchbar gewesen wäre. Ein Löffelchen, von dem im In-
ventar der Kathedrale zu Amiens von i^io, die Rede ist, faßte fast nur einen
dicken Tropfen. (2)
Erbalten hat sich ein spätmittelalterHches Kelchlöffeichen aus vergoldetem Silber in der
Kirche St. Maria in der Kupfergasse zu Köln. Das kleine runde Löffelschälchen ist 31 mm
breit; die Gesamtlänge des Löffelchens beträgt einschließlich des 35 mm hohen gegossenen
Statuettchens der Gottesmutter 8,5 cm (Tafel 84). Auf Tafel 143 ist ein Kelchlöff eichen
aus dem Schatz Albrechts von Mainz wiedergegeben, das im Hallesehen Heiltumbuch abge-
bildet ist. Schon von der Renaissance beeinflußt, entstammte es dem Anfang des 16. Jahr-
hunderts. Kein Kelchlöffelchen ist dagegen ein auf dem Ende des Stieles ein Heiligenfigür-
cben tragender spätgotischer Löffel im' Diözesanmuseum zu Lüttich. Seine Länge und mehr
noch die Größe seiner Schale schließen einen solchen Charakter aus und erweisen ihn un-
schwer als einen profanen Löffel. (3)
ERSTES KAPITEL
NAMEN DES LITURGISCHEN SEIHERS
Der liturgische Seiher führt in den altchristlichen und mittelalterlichen Quel-
len verschiedene Namen: colum, colatoriam, catia (catiola), cochlear (cuiller),
sia (sion, syon), palette.
1. Colum. Unter dem Namen colum wird der Seiher schon in der Carta Gor-
nutiana von 471 unter dem in ihm verzeichneten Altargerät aufgeführt. (1)
Unter der Benennung cola begegnet er uns im 6. Ordo Mabillons (10. Jahr-
hundert): (2) Archisubdiaconus... archidiacono apportet vinum, per colam,
quam in sinistra manu romanus ordo archisubdiaconum auriculari digito ferre
iubet, purgandum, im Inventar des Mainzer Domes von n5o: Erant colae ar-
genteae novem, per quas vinum poterat colari, si necesse fuisset, praeter eam,
quae attinebat calici aureo et haec aurea erat (3) sowie im Inventar des Bam-
berger Domes von n 27: 2 colae ex auro et gemmis. (4) Auch im Verzeichnis
der i2Öo verpfändeten Kostbarkeiten des Domes wird eine cola aurea cum
gemmis et margaritis, habens in pondere 6 marcas absque fertone (weniger
YiMark) erwähnt, (5) desgleichen im Chronicon Laurishamense (6) sowie
in Wilhelms von Hirsau Constitutiones Hirsaugienses. (7) Unter der verderbten
Bezeichnung gallum argenteum wird ein liturgischer Seiher in einem Inventar
von Farfa von 1119 (8) vermerkt; denn nur ein solcher kann nach dem Zusam-
menhang unter gallum verstanden werden.
2. Colatorium heißt der Seiher im ersten und dritten der römischen Ordines
Mabillons: Colatorium argenteum et aureum; (9) im Ordo von St-Amand:
Deinde tenet subdiaconus colatorium super calicem et mittitur de vino, quod
est in seiffo, quos offert populus; (10) in der Vita Sergii II. (844—847) <*es
Papstbuches: colatorium de argento, quod in sacro officio utitur, deauratum
(1) Dlch. L.P. Introduction CXLVI. (2) N.8 (M.78, 992). (3) Christ., De calamit.
eccl. Mogunt. n. 3 (M. G. SS. XXV, 240). (4) Weber 40. (5) Ebd. Anm. 7.
(6) Ad. an. 1166 (MG. SS. XXI, 451). (7) I, 2, c. 34 (M. 150, 1093). (8) M.G. SS. XI,
578. (9) Ordo 1, n. 3; Ordo 3, n. 4 (M. 78, 939, 978). (10) Dlch., Orig. 460.
ERSTES KAPITEL. NAMES 449
unum (11) und in der Vita Benedicti III. (855—858); (12) in des Theophilus
Schedula diversarum artium, der der Herstellung des colatorium ein eigenes
Kapitel widmet; (13) im Inventar des Apostolischen Stuhles von 1295, das
k colatoria verzeichnet, von denen eines beschrieben wird als colatorium de
argento deauratum cum duobus coperculis de argento albo, iunctis in manica
ipsius colatorii; (14) im Inventar der Gaben, mit denen BonifazVIII. i3o3
St. Peter bedachte: Colatorium de argento perforatum; (15) im Inventar Cle-
mens'V. von i3ii : Item unum colatorium ad colandum vinum in calice cum
cifo (Schale) inferiori perforatum minutim ... et martubrium (Stiel) cum po-
mulo deaurato in summo; (16) im Inventar von St. Peter von i454/55; (17) von
S. Fortunato zu Todi von 1289: colatorium de argento (18) u. a.
5. Catia wird der Seiher mit der catia näher bestimmenden Beifügung cola-
toria in der Vita Leonis III. des Papstbuches genannt, (19) schlechthin catiola
und cazula in des Beroldus Ordo ecclesiae Mediolanensis: Cazula, unde colatur
vinum; post haec de calice, ubi vinum oblationum fusum est, per catiolam ar-
genteam fudit in calicem aureum. (20)
h, Sia. Die Benennung sia (sion, syon) begegnet uns im Testament des Gra-
fen Eberhard von Cysoing (9. Jahrh.): Sia aurea, (21) im Testament Riculfs
von Eine (7 915): Sion argenteum Optimum unum, (22) im Verzeichnis der Ga-
ben des Erzbischofs Didacus von Compostela von 1125, (23) in der Vita des
Bischofs Hugo von Le Mans (-j-ii43): Colatorium ad instar acerrae seu thuri-
buli affabre elaboratum; per hoc foratum subtilissime vinum quandoque fun-
ditur in calicem, ne pili sive <juae immunda aer movet agitabilis valeant admi-
sceri. Sion antiquorum vocavit docta discretio et a subdiacono festive geritur
pro manipulo (24) sowie in einem Rituale von St-Martin zu Tours aus dem
i3.—14. Jahrhundert. (25) Sia (sion, syon) ist das latinisierte althochdeutsche
siha (altnordisch sia, angelsächsisch seohhe), das sich in unserm heutigen Seihe,
Seiher erhalten hat.
5. Cochlear (coclear) wurde der Seiher wegen seiner Ähnlichkeit mit einem
Löffel genannt. So heißt er schon in den Gesta abbatum Fontanellensium; denn
die coclearia argentea duo, die Abt Gervold (um 787), wie in ihr berichtet wird,
zusammen mit 3 Kelchen und anderem Altargerät seinem Kloster schenkte,
können kaum anders als liturgische Seiher verstanden werden. Duo cocliaria
aurea, die ebenfalls als solche zu deuten sind, begegnen uns in einem Inventar
der Westminsterkirche zu London von i388. (26) Kein Zweifel kann bezüglich
des Seihercharakters bestehen bei dem cochlear aureum gemmatumcnie im In-
ventar der Abtei von Prüm von ioo3, das Kaiser Lothar derselben nebst andern
(11) Duch. L.P.II, 94. (12) Ebd. 146. (13) L. 3, c.56 (Ilg 243).
(14) -Bibl. XLV (1884) 32. Unter den 2 copercula hat man wohl nicht zwei übereinander
angebrachte Deckel sondern einen aus zwei einzeln aufklapp- oder verschiebbaren Hälften
sich zusammensetzenden Deckel zu verstehen. (15) Mümtz 11. (16) Regesti Clement. V.
aPP- 1, 381. (17) Müntz 82. (18) Arch. storico italiano II (Firenze 1888) 262.
(19) Dich LP II 3; catia wohl zusammenhängend mit catinus (Schüssel).
(20 MüBATOaiAntiq. Ital. IV (Milano 1741) 86S, 873. (21) Dehais.nes, Doc. 10.
(22) M. 132 Am (23) L. 2, c. 57 (M. 170, 1105). (24) Gesta episc. Cenomanen. c. 37
(Mabillo.n, Vet analecta III (Paris 1862) 354. (25) Mart., LI, c.4, art.6, n.12; I, 218.
(26) Archaeologia LH (1890) 231.
ALTARGERÄT £9
450 VAS.A NON SACRA. ERSTER ABSCHNITT. DER LITURGISCHE SEIHER
ZWEITES KAPITEL
ALTER UND DAUER DER VERWENDUNG DES SEIHERS
Wie aus der Carta Cornutiana hervorgeht, befand sich der Seiher schon we-
nigstens im 5. Jahrhundert in liturgischem Gebrauch. Er ist dem profanen an-
tiken Leben entlehnt; denn auch dieses kannte und verwendete ihn schon, be-
sonders auch zum Seihen des Weines. Daß man ihn aber bei der Eucharistie-
feier zu diesem Zwecke benützte, so lange es Brauch war, daß die Gläubigen
bei der Messe Wein opferten, ist leicht begreiflich. War es doch unvermeidlich,
daß auch Wein geopfert wurde, auf dessen Reinerhaltung man nicht die genü-
gende Sorgfalt gelegt hatte, dem es daher an der nötigen Sauberkeit mangelte
und der daher nicht, ohne geläutert zu werden, zur Konsekration verwendet wer-
den konnte. Geseiht wurde nur der Wein, den die Gläubigen geopfert hatten,
und auch nur soviel von demselben, als von ihm in den Kelch gegossen wurde,
wie wir dem Ordo von St-Amand entnehmen, (1) nicht der Wein, den der Zele-
brans opferte, da bei diesem ein Mangel an Sauberkeit nicht zu befürchten war.
(27) Beyer 1,717; vgl. S. 713 colatoria 3, tmum aureum et gemmatum, cui supra monuimus
Lotharn imperatoris, alia vero duo unum auro argentoque paratum, alterum argenteum coti-
dianum. (28) Ul. Chevalier, Ordinaires de l'eglise cath.de Laon (Paris 1897) 51.
(29) Ann. archeol.VI (1847) 342. (30) Müntz114. (31) Revue XXXVII (1887) 497.
(32) Bibl. 4e s6rie I (1855) 31. (33) Omost 23. (34) Doublet, Hist. de l'abbaye de
St-Denys 334. (35) Prospeh Taube, Tresors des eglises de Reims (Reims 1843) 70.
(36) Labahtk 297. (1) Vgl. oben S. 448.
ZWEITES KAPITEL. ALTER UND DAUER DER VERWENDUNG 451
Daß man auch wohl das Wasser, das dem Weine beigemischt wurde, mit dem
Gerät seihte, ersehen wir beispielsweise aus des Theophilus Schedula diver-
sarum artium (2) sowie aus Wilhelms von Hirsau Konstitutionen. (3) Für ge-
wöhnlich wird man sich seiner freilich nur zum Seihen des Weines bedient
haben. Von einer eigenartigen, sonst nicht bezeugten Verwendung des colato-
rium hören wir in dem vorhin genannten Ordo von St-Amand (9. Jahrh.), dem-
zufolge man ihn auch benutzte, um aus dem Konsekrationskelch die in ihn nach
der Brechung der Hostie eingesenkte Partikel vor der Kommunion des Volkes
wieder herauszunehmen und in den zu dieser dienenden Kelch zu übertragen. (4)
Mit dem Aufhören der Weinoblationen seitens der Gläubigen war kaum mehr
ein Grund für den Gebrauch des Seihers vorhanden. Wenn dieser trotzdem sich
noch an manchen Kathedral- und Stiftskirchen bei der feierlichen Messe auch
weiterhin, zum Teil bis ins spätere Mittelalter erhielt, wurde das durch den Um-
stand veranlaßt, daß das Seihen des Weines zu einer liturgischen Zeremonie
geworden war. Indessen verlor es sich auch als solche seit dem Ausgang des
Mittelalters bald ganz. Etwas ganz vereinzelt Dastehendes war es, wenn es in
St-Denis bis ins 18. Jahrhundert fortbestand. (5)
Bei der protestantischen Abendmahlsfeier bürgerte sich im 17. Jahrhundert zur Ent-
fernung etwaiger Fremdkörper aus dem Abendmahls wein ein ein bisweilen nur wenig mehr
als 10—i5cm langer Löffel mit bald tiefer, bald sehaufelartig flacher Schale, die häufig
siebartig durchlöchert oder mit feinen Längsschlitzen versehen war, aber auch in solchen
Fällen nicht zum Seihen des Weines diente, sondern lediglich benutzt wurde, um aus diesem
jene Fremdkörper herauszufischen. (6) Der Löffel kommt noch heute bei der Abendmahls-
feier zur Verwendung. Beispiele aus dem spaten 17. und dem 18. Jahrhundert, die zum
Teil einen reich ornamentierten Stiel aufweisen, haben sich in erheblicher Zabl erhalten, so
in St. Jörgen zu Wismar, (7) in der Ulrichskirche zu Halle, (8) in den Kirchen zu Brfiheim
und Großen beb ringen, (9) in der Kirche zu Lichtenstein, (10) in der Löbnichtschen Kirche,
der altstädtischen Kirche, in der Löbnichter Hospitalkapelle, in der Halersberger Kirche
und in der Steindammer Kirche zu Königsberg, (11) in der Kirche zu Lichtfelde in West-
preußen, (12) in dem Dom, der Petrikirche und der Marienkirche, der Jakobikirche, der
Ägidienkirche zu Lübeck (13) u. a.
Da es, wie auch aus den Ordines erhellt, Sache des Subdiakons war, den Seiher in der
Messe zum Gebrauch bereitzuhalten, wurde dieser zuletzt sogar hier und da eine Art Ab-
zeichen des Subdiakons, das derselbe, wo das der Fall war, anstatt des Manipels bei der
Messe sowie auch bei Prozessionen, besonders aber, wenn er auf dem Amhon die Epistel
sang, an der linken Hand trug. Schon der sechste Ordo Mabillons bezeugt das ausdrück-
heb. (14) Spätere Belege für den Brauch bieten Wilhelms von Hirsau Constitution es, (15)
ein Ordinarium von Laon, die Gesta episcoporum Genom arten si um und noch ein Inventar
der Kathedrale von Laon von i5s3. (16) Auch in einem Inventar der Kathedrale von
Amiens von iiiig ist noch von ihm wenigstens andeutungsweise die Rede: Goclear magnum
cuin cauda longa, cum quo ministratar quotidie ad altare magnum. (17) Damit der Sub-
(2) L.8, c.56 (Ilg 243). (3) L. 2, c. 34 (M. 150, 1093).
(4) Duck., Orig. 462. (5) Mart. 1.1, c. 3, art. 6, n. 12; I, 141.
(6) Nach Mitteilung des f Geh. Konsistorialrates Prof. Dr. Smend zu Munster i. W.
(7) Kd. von Mecklenburg II, 116. (8) Kd. der Prov. Sachsen, Stadt Halle 205. (9) K&
v«n Sachsen-Koburgund Gotha,Amt Wangenheim 103. 119. (10) Kd. von Sachsen XIII, 19.
(11) E. v. CzniAK, Die Edelschmiedekunst früherer Zeiten in Preußen I (Leipzig 1903) 69 ff.
(12) Kd. von Westpr. III, 288. (13) Kd. von Lübeck II, 98, 288, 429; III, 437, 537.
(14) Vgl. oben S. 448. (15) L. 2, c. 34 (M. 150, 1093) : IUe (sacerdos) eam (sc. colam) de
subdiacono aeeepit, qui infra missam vel ad processioneni eam in manu suspensam portavit.
(16) Vgl. oben S.450. (17) Memoire dela Soc. des antiq. de Picardie X (1850) 254.
452 VASA NON SACRA. ERSTER ABSCHNITT. DER LITURGISCHE SEIHER
diakon den Seiher leicht halten konnte, war am oberen Ende des Stieles des Seihers ein
King angebracht, durch den der digitus auricularis, wie der sechste Ordo den kleinen Finger
nennt, hindurchgesteckt werden konnte. Von dem Brauch, den Seiher am Finger zu tragen,
und dem zu diesem Behufe am oberen Ende des Stieles desselben angebrachten Ring, spricht
auch Theopbilus in seiner Schedula diversarum artium, wo er die Anfertigung der colato-
rium beschreibt: Habebit (cauda = Stiel) etiam in altera summitate caput simili modo
sculptum (einen Löwenkopf), in cuius ore pendebit anulus, per quem (colatorium), inserto
digito portari possit. (18)
Von den mittelalterlichen griechischen Liturgikern spricht nur einer von dem
Gebrauch des Geräts zum Seihen des zu konsekrierendert Weines, der Verfasser
des Gommentarius liturgicus, einer unter dem Namen des heiligen Sophronios
gehenden, in Wirklichkeit jedoch erst um das i3. Jahrhundert entstandenen
Bearbeitung der'lo-topiaiyxX-fiotasTtx'ij des heiligen Germanus von Konstantinopel.
Der Seiher werde gebraucht, heißt es in ihr, um zu verhüten, daß etwas Un-
reines in den heiligen Kelch falle. (19) Das Gerät hat im griechischen Ritus
ersichtlich nur mit großer örtlicher und zeitlicher Beschränkung Verwendung
gefunden; andernfalls würde auch sonst von ihm die Rede sein, zumal im Ritus
der Proskomidi (der Herrichtung der Opfergaben), in dem jedoch niemals sei-
ner Erwähnung geschieht, mag es sich nun um den einfachen Ritus der älteren
Zeit oder um den reich entwickelten des i!\. und 15. Jahrhunderts handeln. (20)
Zwei Seiher aus Silber, die angeblich in jüngerer Zeit zusammen mit andern liturgischen
Geräten in Syrien gefunden wurden und dem 6. Jahrhundert zugeschrieben werden — einer
befindet sich im Besitz der Weißen Väter zu Jerusalem, der andere in der Sammlung Abu-
kasem zu Port Said — wurden, wenn echt, bekunden, daß man sich schon damals im syri-
schen Ritus des Seihers zum Seihen des Opferweines bedient habe. Indessen steht ihre Echt-
heit nicht außer allem Zweifel, weshalb hier lediglich auf sie aufmerksam gemacht werden
soll. Literarisch ist die Verwendung des Seihers im syrischen Ritus weder für die ältere
noch für die spätere Zeit bezeugt.
DRITTES KAPITEL
MATERIAL UND FORM DES LITURGISCHEN SEIHERS
Das Material, aus dem man den liturgischen Seiher zu machen pflegte, war
zufolge den Inventaren in der Regel Silber. Bisweilen merken dieselben aus-
drücklich an, daß er aus unvergoldetem Silber bestand, in anderen Fällen, daß
das Silber vergoldet war. Von Seihern aus geringerem Material hören wir
nichts, was übrigens nicht auffallen kann, da der Seiher wohl nur in größeren
Kirchen, wie Kathedralen, Klosterkirchen und Stiftskirchen zur Verwendung
kam, in diesen aber die Mittel vorhanden waren, silberne Seiher zu beschaffen.
(18) L.3, c.56 (Ilg, S.243). (19) Mg. 87, 3985: 'H8|W( SiÄ i4 |«S tt *owöv tpnxeä* & *
(20) Vgl. Bkightuah I, 544 f. Wenn in einem Briefe des Patriarchen von Konstantino-
pel (um 1081) an Paulus, den erwählten Bischof von Gallipoli, in dem der Ritus der Pros-
komidi beschrieben wird von einem traaotvsöv des Weines die Rede ist, so kann man teiMW*
nicht mit dem Herausgeber des Briefes (Ang. Mai, Nova Patr. bibl.X2 [Roma 1905) 168)
mit purificare, was an eine materielle Reinigung des Weines denken lassen möchte, Über-
setzen, das Wort besagt vielmehr, wie kxa&aUj») heiligen, zum gottesdienstlichen Gebrauche
DRITTES KAPITEL. MATERIAL UND FORM 453
Wiederholt vernehmen wir von Seihern, die aus Gold angefertigt waren, wie
z. B. im ersten und dritten römischen Ordo, im Testament des Grafen Eberhard
von Cysoing, im Inventar der Westminsterkirche zu London von i388 sowie
im Verzeichnis der Schätze des Domes zu Mainz von n5o. Einen mit Edel-
steinen verzierten Seiher aus Gold verzeichnet das Inventar von Prüm aus dem
Jahre ioo3, zwei von gleicher Beschaffenheit das Inventar des Domes zu Bam-
berg von 1127.(1)
Von der Form des liturgischen Seihers sprechen die Inventare nur sehr selten
und auch in diesen wenigen Fällen mehr andeutungsweise als eingehend. Daß
er die Gestalt eines Löffels zu haben pflegte, erhellt aus den Namen coclear,
cuiller, mit denen man ihn mancherorts zu bezeichnen pflegte. Von den kleinen
Löchlein seiner Schale ist beispielsweise die Rede in den Gesta episcoporum
Genomanensium, dem Inventar ClemensV. von i3ii, dem Inventar der Ka-
thedrale von Chälons-sur-Marne, dem Inventar der Kathedrale von Soissons
von i5a3 und dem Inventar von St-Denis von i5o5; von der manica oder dem
manubrium, dem Stiel des Seihers, im Inventar des Apostolischen Stuhles
von 1295, in dem auch ein Seiher mit Stiel zum Schließen, das ist wohl mit
zusammenklappbarem Stiel, cum manica quae recluditur erwähnt wird. Aus
dem gleichen Inventar erhellt ferner, daß es Seiher mit Deckel gab. Von einem
Ring, den man am oberen Ende des Stieles anbrachte, damit man mittels des-
selben den Seiher am kleinen Finger tragen könne, berichten der sechste Ordo
Mabillons, Theophilus in seiner Schedula diversarum artium sowie das Inven-
tar von Laon von iöa3; von Seihern, die ein Knäufchen am oberen Ende des
Stieles aufweisen, vernehmen wir im Inventar des Apostolischen Stuhles von
1295: Cum pomello in extremitate manubrii, und im Inventar Clemens' V.
Eine ausführliche Beschreibung des Seihers, seiner Form wie seiner Größe, erhalten wir
im 56. Kapitel des dritten Buches der Schedula des Theophilus, das von der Herstellung des
colatorium handelt. »Einen goldenen oder silbernen Seiher,- so lesen wir dort, -mache auf
folgende Weise. Treibe eine kleine Schale von der Form eines mäßig großen Beckens, die
nur eine Weite von etwas mehr als einer Handbreite hat. Bringe dann einen, eine Elle
langen und einen Daumen breiten Stiel an demselben an, der an einem Ende mit einem
reinst ziselierten Löwenkopf, der die Schale in seinem Maule hält, abschließt, am andern
Ende niit einem Kopf gleicher Art, in dessen Maul ein Ring hängt, mittels dessen das cola-
torium am Finger getragen werden kann, und der zwischen den beiden Köpfen mit Niello
sowie an geeigneter Stelle mit Gußarbeit, Punzierarbeit und gravierten Inschriften ver-
ziert werden möge. Die an dem einen Ende befindliche Schale aber muß in der Mitte in
einem zwei Fingerbreiten im Durchmesser haltenden Rund mit ganz feinen Löchlein ver-
sehen werden, um mittels derselben den Wein und das Wasser, die behufs Konsekration
des Blutes des Herrn in den Kelch gegossen werden, zu seihen.- (2)
Liturgische Seiher aus altchristlicher Zeit und dein Mittelalter haben sich, wie eingangs
schon gesagt wurde, im Westen nicht erhalten. Denn daß der silberne Seiher, der mitsamt
einem altchristlichen Löffel, einer altchristlichen Ampulla und einer altchristlichen zum
l-mhängen eingerichteten Flasche unter vielem nichtchristlichem Gerät zu Taprain Law
Ja Schottland gefunden wurde, und durch das von den Löchlein im Boden gebildete Mono-
gramm des Namens Christus ebenfalls als altchristlich gekennzeichnet ist, liturgischen
Zwecken geaient habe, ist unbeweisbar. Sicher hatten keinen liturgischen Charakter der in1
(t) Vgl. bezuglich des Materials der Seiher die früher angeführten Stellen S. 448 f.
(2) Ilo 243.
454 VASA NON SACRA. ERSTER ABSCHNITT. DER HOSTIEHBEHÄLTER
der Schale mit dem gleichen Monogramm verzierte 2 2 cm lange Löffel und die in derselben
Weise als christlich gekennzeichnete Umhängflasche. (3) Der Seiher hat ca. io cm im Durch-
messer. Anstatt mit einem Stiel ist er mit einer kurzen Handhabe ausgestattet.
Von den beiden früher erwähnten angeblich syrischen Seihern ist der in der Sammlung
Abukasem zu Port Said befindliche ca. 23 cm lang. Am Ende seines quergerillten Stieles
ist ein großer beweglicher Ring angebracht. Seine strahlenförmig durchlöcherte Schale hat
eine Weite von nur etwa ,'t,5 cm, für einen liturgischen Seiher wohl allzuwenig. Der zweite,
den Weißen Vätern zu Jerusalem gehörende, hat eine Schale von 7,5 cm Weite und einen
7,5 cm langen Stiel mit der Inschrift Toä ivio'j Stfrrfou. (4)
ohne Vorwissen des Zelebrans während dessen Messe geblieben war. Behandelt
wird die Frage, ob die in ihr befindlichen Hostien als konsekriert anzusehen
seien oder nicht. (3) In des Gilbert von Limerick (fii3()) Schrift wird unter
den gottesdienstlichen Gegenständen, die einer Segnung durch den Bischof
nicht bedürfen, neben den Ampullen für Wein und Wasser, den Leuchtern, den
Becken zur Händewaschung und anderm auch die pixis cum oblatis genannt. (4)
Um die Mitte des 12. Jahrhunderts ist die Rede von der Hostienbüchse in einem
Inventar der Schätze des Mainzer Domes, aus dem wir ersehen, daß sowohl
jeder der zwölf silbernen Kelche als auch der drei goldenen Kelche des Schatzes
als Zubehör, wie zwei Ampullen für Wasser und Wein, so auch eine pixis ad
hostias aus dem gleichen Metall hatte. (5)
In den Inventaren des 13. Jahrhunderts und der Folgezeit sind häufig Hostien-
büchsen verzeichnet. Vorgeschrieben werden sie i2a5 in den Konstitutionen des
Bischofs von Wbrcester, Wilhelm von Blois, (6) in denen zu den liturgischen
Gegenständen, die in jeder Kirche vorhanden sein müßten, außer der Pyxis für
die konsekrierten Hostien auch noch eine andere pixis decens et honesta, in qua
oblatae reponantur gezählt wird, durch die zu Worcester ia4o abgehaltene
Synode, welche die Bestimmung von I22Ö von neuem einschärfte, (7) durch
die Synode von Exeter aus dem Jahre 1287, die sogar für jeden Altar eine pyxis
ad oblatas beschafft wissen will (8) sowie durch eine Yorker Synode des
i!\. Jahrhunderts: Pixis pro conservando corpore Christi et pro oblatis re-
ponendis. (9) Es sind nur englische Synoden, in deren Statuten wir von der
Hoslienbücbse vernehmen, doch darf daraus nicht geschlossen werden, daß
nur in England die Hostienbüchse zu den liturgischen Geräten gehört habe;
denn aus den Inventaren ergibt sich durchaus das Gegenteil.
Von den nachmittelalterlichen Synoden spricht keine von der Hostienbüchse,
nicht einmal die Prager von i6o5, die sich doch so eingehend mit den liturgi-
schen Geräten befaßt. Wohl aber handeln der heilige Karl in seiner Instructio
fabricae ecclesiae (10) und der Regensburger Generalvikar Myller in seinem
Ornatus ecclesiasticus (11) des näheren von ihr. Beide wollen sogar, daß zwei
Hostienbüchsen vorhanden seien, eine etwa 8 cm im Durchmesser haltende
besserer Art für die zum Zelebrieren erforderlichen großen und eine geräumi-
gere einfachere für die für die Kommunion des Volkes zu konsekrierenden
kleinen Hostien und so hält man es denn auch heute für gewöhnlich. Im Römi-
schen Missale ist von der Hostienbüchse keine Rede, wohl aber im Caeremo-
niale für die Bischöfe, demzufolge beim Pontifikalamt auf der Kredenz auch
eine Capsula cum hostiis sich befinden soll. (12)
Im protestantischen Kult wurde, wie die Ampulle für den Wein, so auch die
Hostienbüchse beibehalten, jedoch erhielt auch sie größere Abmessungen als
vordem und wurde ihr häufig eine reiche Ausstattung durch ornamentales und
.(3) L. 2 c. 2 <M. 156, 633). Wenn Witte (Witte 72) meint, die Pyxis mit den Hostien
sei als »Altarschmuck- auf dem Altar belassen worden, so hat er die fragliche Stelle
durchaus mißverstanden. Die Pyxis war aus Vergeßlichkeit auf dem Altar geblieben. Übri-
gens, welchen Sinn hätte auch eine Pyxis mit unkonsekrierten Hostien als »Altarschmuck«.
(4) M.159,1002. (5) Chmstiani, foecalamitatecccl.Moguntinae n.3(M.G.SS.XXV,240).
(6) Mansi XXIII, 176. (7) H. VII, 331. (8) C. 12 (H.VII, 1087). (9) Rai.ve 164.
(10) AA. Eccl. Mediol. 637. (11) C. 21 (München 1591, S. 43). (12) L. 1, c. 12, n. 19.
456 VASA NON SACRA. ERSTER ABSCHNITT. DER HOSTIEN BEHÄLT ER
figürliches Treibwerk zuteil. (13) Das prächtigste Beispiel ist ein Abendmahls-
brotbehälter in der evangelischen Stiftskirche zu Stuttgart, ein achtseitiger,
bauchiger, von zwei Engeln getragener Silberkasten, auf dessen Deckel zwi-
schen zwei geflügelten Engelsköpfchen eine Wolkensäule aufsteigt, auf der
oben das Gotteslamm steht (Tafel 87). Begreiflich übrigens, daß man den Be-
hälter des Abendmahlsbrotes gern reich ornamentierte. Diente und dient er doch
vielfach anstatt der Patene als eine Art Ziborium zur Ausspendung des Abend-
mahles. (14)
ZWEITES KAPITEL
NAMEN DES HOSTIENBEHÄLTEBS
1. Pyxis. In den mittelalterlichen Inventaren wird der Behälter für die noch
nicht konsekrierten und erst zu konsekrierenden Hostien meistens gleich dem
für die konsekrierten pyxis (pixis) genannt, jedoch da, wo nicht aus dem Zu-
sammenhang seine Bestimmung klar hervorgeht, mit einem ihn als bloße
Hostienbüchse kennzeichnenden Zusatz. So verhält es sich nicht bloß schon bei
Guibert von Nogent, Gilbert von Limerick und im Inventar des Mainzer Domes
von 1 i5o, sondern auch in der Folgezeit. Belege bieten ein Inventar von S. For-
tunato zu Todi von 1289: 5 pissides de busso (Buchsbaum) pro hostiis, (1) ein
Inventar der Kathedrale von Salisbury von 1222: Una pixis ad oblatas, (2) ein
Inventar der Gregoriuskirche im Atrium von St. Paul zu London von 1290:
Una pixis lignea ad oblatas, (3) das Inventar der Westminsterkirche zu London
von 1388: Pixis est una argentea pro oblatis imponendis, (4) ein Inventar des
Münsters von York von etwa i5oo: Una pixis argenti pro pane portanda diebus
ferialibus, una pixis argenti deaurati cum rotundo nodo pro pane portanda
ad summum altare in festis duplicibus, (5) ein Inventar der Kapelle des Kings
College zu Cambridge von 1452 : Alia pixis de argento pro conservatione panis.(6)
Der in allen diesen Beispielen, die noch um manche vermehrt werden könnten,
dem Worte pixis beigefügte Zusatz, läßt keinen Zweifel, daß in ihnen unter
pixis ein Behälter für nichtkonsekrierte Hostien, nicht für konsekrierte, ver-
standen sein will.
Der Benennung pixis entsprechen in französisch abgefaßten Inventaren des
Mittelalters boite, boete, boiste, boeste, boistelette. Auch diese werden, weil an
sich zu unbestimmt, in den Inventaren durch einen Zusatz als Behälter für die
nichtkonsekrierten Hostien gekennzeichnet. So heißt es in einem Inventar der
Johanna von Presles von i347: Unte boite de Limoges ä mettre pain ä chanter
(= Messe feiern), (7) im Inventar des Herzogs Jean von Berry von i4oi/3:
Item une petite boite de jaspe ä mettre pain ä chanter, garnie d'argent, seant
sur trois petis cynes (Schwäne) et a plusieurs flours de lix entour, (8) im In-
(13) Vgl. z. B. die Abbildungen mancher Abendmahlsbrotbeh älter in den Kd. von Meck-
lenburg-Schwerin. (14) Nach Mitteilung des f Geh. Konsistorialrates Prof. Dr. J. Smend
zu Münster in Westf. (1) Arch. stör. ital. II (1888) 266. (2) Jones, Registr. II, 139.
(3) Archaeologia L, 463. (4) Ebd. LH (1890) 238. (5) Raine 221.
(6) The Ecclesiologist XXI (1860) 5. (7) Revue XLI {18921 496. (8) Guiffret II, 101.
ZWEITES KAPITEL. NAMEN 457
ventar Karls V. von 1379/80: Item une grant boiste d'or ä mectre pain ä chan-
ter, laquelle a six carres esmailliees de la Passion, (9) in einem Inventar Phi-
lipps des Kühnen von ujoi: Une grosse boeste de cristail ä mettre pain ä chan-
ter, garnie d'argent dore, a un esmail au fonds de Nostre Seigneur en son
trone, (10) in einem Inventar der Kathedrale zu Cambrai von 1309: Le boistel-
lette d'ivoir leur on met le pain pour le grant autel (11) und ähnlich in zahl-
reichen andern Inventaren. Der französischen Benennung boite entspricht in
deutschen Inventaren die Bezeichnung bächs, wie z. B. in einem Inventar des
Münsters zu Basel von i5ii : Item ein silbern ostien büchs (12) und im Inven-
tar der Pfarrkirche zu Elbing von i565: 1 silbern Oblatbüchslein. (13)
2. Hosliaria (zu ergänzen pyxis), ostiaria, lateinisch-deutsch hostiary, ist eine
Bezeichnung der Hostienbüchse, die sich erst im späten Mittelalter und im
16. Jahrhundert nachweisen läßt, wie in dem deutsch geschriebenen Inventar der
Moranduskapelle in St. Stephan zu Wien von 1^26: Czwo silbrin ampullen mit
einen silbrem Hostiary, (14) im Inventar der Schloßkapelle zu Allenstein von
i58i: Hostiaria ex kemmich obducta et circulis argenteis inclusa; hostiaria
Hgnea, (15) im Inventar von Wormditt von i58i: Hostiaria argentea, hostiaria
stannea,(16) im Inventar des Domes zuFrauenburg voniÖ78: Ostiaria una (17)
und im Inventar der Marienkirche zu Braunsberg von i565: Ostiaria argentea
indurata. (18) Die volle Benennung pixis hostiaria begegnet uns beispielsweise
im Inventar der Stiftskirche zu Gutstadt von i58i : Pixis hostiaria argentea, (19)
im Inventar von Bischofsburg von 1597: Pixis hostiaria lignea (20) sowie im
Inventar von Bischofstein aus dem gleichen Jahre: Pixis hostiaria lignea. (21)
Für eine Verwendung von hostiaria zur Bezeichnung des Behälters für die nicht
konsekrierten Hostien fehlt es für die frühere Zeit an jedem Beleg. Wenn in
dem Chronicon Casinense von hostiaria und hostiales die Rede ist, (22) so sind
darunter keine Hostienbehälter, wie man gemeint hat, (23) sondern Türvor-
hänge zu verstehen.
3. Vasculam, quod continet hostias nennt um i3oo den Behälter der Ordo des
Jacobus Gajetanus, wo er angibt, was die Kleriker mitzunehmen haben, wenn
ein Kardinalbischof irgendwo ein Pontifikalamt zu halten habe (24) sowie der
heilige Karl in seiner Instructio fabricae ecclesiae, Capsula cum hostiis das
Caeremoniale episcoporum. (25)
DRITTES KAPITEL
BESCHAFFENHEIT DES HOSTIENBEHÄLTERS
Betreffs des Materials zur Herstellung der Hostienbüchse gibt es weder jetzt
eine Vorschrift, noch gab es je eine solche. Die Konstitutionen Wilhelms von
Blois, Bischofs von Worcester und die Statuten der Synode von Worcester
von ia4o verlangen nur eine pixis decens et honesta für die aufzubewahrenden
unkonsekrierten Hostien. Nach dem heiligen Karl kann die Hostienbüchse aus
Silber, aus Gold oder aus einem sonstigen geziemenden Material bestehen. (1)
Myller spricht in seinem Ornatus ecclesiasticus lediglich von hölzernen. (2)
Lehrreich ist, was uns die Inventare über das Material der Hostienbüchse
sagen. Häufig begegnen uns in ihnen aus Silber angefertigte, wie z. B. im In-
ventar des Raoul de Nesle von i3o2, im Inventar der Westminsterkirche zu
London von i388, unter den Gaben des Bischofs von Le Mans, Gottfried von
Loudon (f 1255), (3) in dem Inventar der Moranduskapelle im Dom zu Wien
von 14a6 und des Kings College zu Cambridge von i /(Sa, dem Inventar des Her-
zogs Jean von Berry von 14oi/3, der Peterskirche zu Rom von 148g, des Münsters
zu York von etwa iooo, des Baseler Münsters von i5ii und noch der Pfarr-
kirche zuElbing Yon i565 sowie der Stiftskirce zu Gutstadt von i58i. Hostien-
büchsen, die aus Gold bestanden, kommen in den Inventaren selten vor. Es er-
wähnt deren drei das Schatzverzeichnis des Domes zu Mainz von i i5o, zwei das
Inventar Karls VI. von 1420, vier dasjenige Karls V. von 1379/80. Goldene
Hostienbüchsen waren ersichtlich Ausnahmen; finden sich deren doch nicht
einmal im Inventar des Schatzes des Apostolischen Stuhles von 1290. Eine
boite de Limoges ä mettre pain ä chanter verzeichnet das Inventar der Johanna
von Presles von i347- Sie bekundet, daß die Limoger Emailpyxiden, wenn
auch vornehmlich zur Aufbewahrung der konsekrierten Hostien dienend, doch
auch wohl benutzt wurden zu der der nichtkonsekrierten. Eine innen und
außen mit Email geschmückte boiste ä mettre pain ä chanter von 1 Mark
3 Unzen Gewicht sowie eine sechsseitige, mit Passionsdarstellungen in Email
verzierte grant boiste d'or ä raectre pain ä chanter von 2 Mark Gewicht, beide
also von erheblicher Größe, werden im Inventar Karls V. von 1879/80 aufge-
führt, das auch eine boiste niellee ä mectre pain ä chanter, eine mit Niellen
ausgestattete Hostienbüchse vermerkt. (4)
Hostienbüchsen aus Jaspis, eine aus grünem, die zweite aus rotem, werden
im Inventar des Apostolischen Stuhles von 1295 genannt, zwei weitere aus dem
gleichen Material im Inventar des Herzogs Jean von Berry von i4oi/3, von
denen die eine auf drei kleinen Schwänen, die andere auf drei kleinen Löwen
saß, eine boeste de cristail ä mectre pain ä chanter, eine Hostienbüchse aus
Kristall, die mit Silber montiert war und auf dem Boden ein Bild des thronen-
den Christus aufwies, im Inventar Philipps des Kühnen von i4o4. (5)
Mehrfach hören wir in den Inventaren von elfenbeinernen Hostienbüchsen,
wie z. B. im Inventar des Apostolischen Stuhles von 1395, in dem ihrer sogar
(1) AA. Eccl. Med.637. (2) C.22; S. 44. (3) Gesta episc. Cenomanensium (Maeillon,
Vet. analect. III [Paris 1682] 390). (4) Lababte 54, 129, 236. (5) Dehaisnes, Doc. 826.
DRITTES KAPITEL. BESCHAFFENHEIT 459
sieben aufgeführt, von denen allerdings zwei als zerbrochen bezeichnet werden,
im Inventar der Kathedrale zu Cambrai von 135p,, in dem an Hostienbüchsen
reichen Inventar Karls V., in dem uns auch zwei aus Elfenbein gemachte be-
gegnen, sowie im Inventar der Ste-Chapelle zu Paris von i53a. (6)
Aber auch Hostienbüchsen aus Holz gab es, wie wir beispielsweise aus dein
Inventar von S. Fortunato zu Todi ersehen, in dem sogar von fünf pissides de
busso pro hostiis die Rede ist, im Inventar der Gregoriuskirche im Atrium von
Westminster von 120,5: Una pixis lignea ad oblatas (7) sowie im Inventar des
Blasius Chantry des Münsters von York von i3og: Una pixis lignea pro obla-
tis. (8) In einer Urkunde des Klosters Monastier-St-Chaffre hören wir von vasa
lignea, tornatili opere facta, quibus oblatae servantur, von hölzernen gedrech-
selten Hostienbüchsen. (9)
In nachmittelalterlicher Zeit dürften Hostienbüchsen aus kostbarem Material,
von Silber abgesehen, wohl kaum mehr angefertigt worden sein. Silberne wird
es allerdings nach wie vor gegeben haben, wie uns denn auch in den Inventaren
der Pfarrkirche zu Elhing von i565, des Domes zu Frauenburg von 1678, der
Stiftskirche zu Gutstadt von i58i und der Pfarrkirche zu Wormditt von i58i
in der Tat solche begegnen. Für gewöhnlich dürften die Hostienbüchsen aus
Messing, aus Zinn sowie namentlich aus Holz gemacht worden sein. Lehrreich
sind in dieser Beziehung die Schatzverzeichnisse der ermländischen Kirchen.
Hostienbüchsen aus Messing finden sich im Inventar des Domes zu Frauenburg
von 1578 sowie der Pfarrkirche zu Bischofsburg von 1597 und zu Braunsberg
von i565, eine zinnerne im Inventar der Pfarrkirche zu Wormditt von i58i,
hölzerne im Inventar der Pfarrkirche zu Allenstein von i58i, des Domes zu
Frauenburg von 1578 sowie der Pfarrkirche zu Bischofsburg von 1697, zu
Bischofstein von 1697, zu Bludau von 1672 und zu Neukirch von 1572. (10)
Aus Holz bestand auch wohl eine mit Kemmich überkleidete und mit silbernen
Reifen umzogene Hostienbüchse, die im Inventar der Pfarrkirche zu Alienstein
verzeichnet ist, desgleichen das mit kleinen Spänglein (kleinen silbernen Orna-
menten) belegte Oblatenbüchslein im Inventar des Trinitatisaltars in der Alt-
stadt von Elbing aus dem Jahre i565. (11) Eine pixis ferrea ad oblata wird im
Inventar des Frauenburger Domes von 1578 (12) genannt; sie bekundet, daß
auch aus Eisen Hostienbüchsen hergestellt wurden. Von Hostienbüchsen aus
Glas, wie sie in neuerer Zeit beliebt wurden, hören wir bis zu dieser nichts.
Über die Form, welche die Hostienbüchsen im Mittelalter hatten, geben uns
die Inventare so gut wie keinen Aufschluß. In der Regel werden sie einen run-
den oder ovalen, mäßig tiefen, mit Deckel versehenen Behälter dargestellt
haben, wie es in nachmittelalterlicher Zeit der Fall zu sein pflegte. Ihnen Zylin-
derform zu geben, wurde durch die Gestalt der Hostien, die sie aufzunehmen
bestimmt waren, nahegelegt. Daß es indessen auch mehrseitige Hostienbüchsen
gegeben hat, bekundet die Beschreibung einer Hostienpyxis im Inventar Karls V.
von 1379/80: Item une grant boiste d'or ä mectre pain ä chanter Iaquelle a six
carres esmaillees de la Passion, sowie die boeste ä six pands, servant ä mettre le
_ (6) Revue archeol. V, (1848) 197. (7) Archaeologia L, 463. (8) Raine 277. (9) D.C.
u, 384. (10) Ebd. 38, 42, 43, 45, 47, 50, 53, 84, 95, 97. (11) Ebd. 40, 21. (12) Ebd. 35.
460 VASA SOS SACRA. ERSTER ABSCHNITT. SOSDERGERÄTE IM OSTES
pain ä chanter, die innen wie außen mit Bildern in Gold auf blauem Email-
grund verziert war, allem Anschein nach ein älteres, dem Mittelalter entstam-
mendes Stück, im Inventar der Ste-Chapelle zu Paris von iö3a. (13) Becher-
form scheint eine Hostienbüchse gehabt zu haben, die im Inventar der Lateran-
kirche von i^55 als copula bezeichnet wird. (14) Immerhin dürften zylinder-
förmige Hostienbüchsen das Gewöhnliche gewesen sein.
Die Größe der Hostienpyxiden hing von der Menge der Hostien ab, die sie
aufnehmen sollten. In den Inventaren begegnen uns neben solchen, die aus-
drücklich als klein bezeichnet werden und nur etwa 6—7 Unzen wogen, andere,
die ebenso ausdrücklich groß genannt werden oder durch das ihnen beigefügte
Gewicht von 2 Mark und mehr als Behälter von erheblichen Abmessungen
kenntlich gemacht sind. Ein Deckel wird den Hostienbüchsen nie gefehlt haben,
erwähnt wird er in den Inventaren nur, wenn das Material, aus dem er bestand,
oder seine Verzierung Anlaß dazu gaben, wie z. B. bei Pyxiden im Inventar
Karls V. von 1379/80, einem Inventar Karls VI. von 1/120, im Inventar Cle-
mens' V. von i3ii, im Inventar der Laterankirche von i455, im Inventar der
Ste-Chapelle zu Paris von io32. Mit drei niedrigen Füßchen waren ausge-
stattet eine pissis ad reponendum hostias, die im Inventar Clemens' V. von i3n
verzeichnet ist, (15) sowie zwei Hostienbüchsen im Inventar des Herzogs Jean
von Berry von i4oi/3. (16) Eine boiste d'argent dore ä mettre pain ä chanter,
seant sur un pie, also wohl eine Hostienbüchse von der Form der mit Fuß ver-
sehenen Pixiden für das heiligste Sakrament, treffen wir in einem Inventar des
Herzogs Jean von Berry von 1^12 an, (17) das einzige Beispiel, das mir in
mittelalterlichen Inventaren begegnet ist.
Nur sehr wenige der in den mittelalterlichen Inventaren verzeichneten Ho-
stienbüchsen hatten eine reichere Ausstattung mit Hilfe von Email, Niello und
Gravierung erhalten. Da sie zu wenig des Bemerkenswerten bieten, ist es nicht
nötig, näher auf sie einzugehen. Sie wurden übrigens schon zum Teil erwähnt.
Mit Stickereien bekleidet waren zwei Hostienbüchsen, die im Inventar von
S. Francesco zu Assisi des Jahres 1870 erwähnt werden. Eine war auf dem
Deckel mit Zierplättchen und Perlen geschmückt. (18)
Von der Form und Ausstattung reicherer Hostienbüchsen, wie sie auch in
nachmittelalterlicher Zeit bisweilen entstanden, geben eine gute Vorstellung
drei vorzügliche Abbildungen von Hostienbüchsen dieser Art, die sich früher
in der Michaelskirche zu München befanden und zu Ende des 16. oder im Be-
ginn des 17. Jahrhunderts entstanden. Aus Silber bestehend und entweder ganz
oder teilweise vergoldet waren alle am Behälter wie auf dem Deckel in Treib-
arbeit und Ziselierung mit Renaissanceornament, Engelköpfchen und Wappen
völlig wie bedeckt. Bei einer der Hostienbüchsen saß der Behälter auf einem
flachglockenförmigen Fuß; auf dem Scheitel ihres Deckels erhob sich ein
Statuettchen (Tafel 87). Die Hostienbüchsen, die in den beiden andern Abbil-
(13) Revue archeol. VI (1848) 198. (14) Melanges d'archeol. et d'hiat. IX (1889) 166:
Item una copula cum copertorio de argento ad tenen das hostias.
(15) Regesti Clement V. app. I, 452. (16) Guiffrey II, 101. (17) Guiffuky I, 46.
(18) Archiv. Franc. VII (1914) 298.
ERSTES KAPITEL. DER ASTERISKOS 461
ERSTES KAPITEL
DER ASTERISKOS
Der Asteriskos ist ein Zubehör zur eucharistischen Schüssel. Er ist im griechi-
schen, armenischen (1) und koptischen Ritus sowie bei den unierten Syrern (2)
in Gebrauch, während die andern Riten des Ostens ihn nicht kennen. Er besteht
aus zwei einander rechtwinklig überkreuzenden schmalen Metallbügeln, die
entweder Rechteck- oder Trapezform haben, wie bei den Griechen und Arme-
niern, oder halbkreisförmig sind, wie bei den Kopten. Über dem Kreuzungs-
punkt der Bügel ist ein kleiner Knauf als Handhabe angebracht, unter ihm
pflegt nach griechischem Brauch ein Sternchen herabzuhängen. 'Aorfjp (Stern),
aaxspioxo? (Sternchen) heißt er im griechischen, zwczdniUa (Sternchen) im
slavisch-griechischen Ritus, weil man in ihm einen vierstrahligen Stern sieht
und ihn entsprechend der Symbolik des Diskos, über den er nach Herrichtung
des Opferbrotes gestellt wird und der als Bild der Krippe gilt, als Sinnbild des
Sternes von Bethlehem deutet. Bei den Kopten wird er kubbah genannt, weil er
an eine Kuppel erinnert.
Der Asteriskos wird bei Herrichtung der Opfergaben vom Zelebrans auf die
liturgische Schüssel gesetzt, wenn dieser die zur Konsekration bestimmten Brot-
(19) Abb. bei L Gmki.in, Alte Handzeichnungen nach dem verlorenen Kirchenschatz der
St.Michaels-Hofkirche zu München (München 1888) TA. XII, XIII, XXI. (20) UlUUUCr,
Consuet Cluniac. 1.2, c.3; 1.3, c. 12 (M.149, 724, 756); Wii.h. Hirsaug. Constit. Hirsaug.
1-2, c.30 (M. 150, 1083). (21) D. C. II, 384. (1) Maximilians, princ. Saxoniae, Missa
Armenica (Regensburg 1908) X. (2) Brigbtmas 595.
462 VASA NON SACRA. ERSTER ABSCHNITT. SONDERGERÄTE IM OSTEN
partikel auf ihr in der vorgeschriebenen Weise angeordnet hat. Sein Zweck ist,
zu verhüten, daß das Velum, mit dem die Schüssel verhüllt werden muß, die-
selben berühre und in Unordnung bringe, weshalb er auch wie das Velum bis
zur Konsekration auf der Schüssel bleibt und erst unmittelbar vor ihr von dieser
weggenommen wird.
Im griechischen Ritus, in dem die Herrichtung der Opfergaben, die soge-
nannte Proskomidi, in ungemein feierlicher Weise vor sich geht, spricht der
Priester, wenn er bei ihr den Asteriskos auf den Diskos setzt, nachdem er ihn
zuvor inzensiert hat, entsprechend dessen Symbolik die Worte: »Und der Stern
kam und blieb stehen über dem Ort, an dem der Knabe lag (Matth. 3, 9), all-
zeit, jetzt und immer in alle Ewigkeit. Amen.«
Ein sehr hohes Alter hat die Verwendung des Asteriskos in den Riten des
Ostens nicht, vielmehr hat sich dieser erst in recht später Zeit in dieselben ein-
gebürgert, am frühesten wohl im griechischen Ritus, von dem er dann auch in
den armenischen und koptischen sowie in den der unierten Syrer überging.
Goar meint allerdings, (3) schon der heilige Jobannes Chrysostomus habe den
Asteriskos in den griechischen Ritus eingeführt, vermutlich, weil er den heu-
tigen Ritus der Proskomidi desselben für ein Werk des Heiligen gehalten hat,
während derselbe in Wirklichkeit in seiner jetzigen Gestalt erst dem späteren
Mittelalter angehört. (4) Allerdings gab es nachweislich schon wenigstens im
8. Jahrhundert im griechischen Ritus zufolge des Germanus Meßerklärung
eine Proskomidi. Allein sie war damals noch erst in ihren Anfängen. Zwar
hören wir in des Germanus Angaben über dieselbe schon von der heiligen Lanze,
mit der aus dem Opferbrot der mittlere, mit einem Stempel versehene Teil des-
selben, das sogenannte Lamm (äjivos), für die Konsekration herausgeschnitten
wurde, doch ist bei ihm vom Asteriskos noch mit keinem Wort, ja nicht einmal
andeutungsweise die Rede und so verhält es sich auch noch in der dem 10. Jahr-
hundert entstammenden Muatixr, öaiupia einer Erweiterung der Schrift des Ger-
manus, in der ein oder zwei Jahrhunderte jüngeren Commentatio liturgica des
Theodor von Andida, in einer von einem Patriarchen Nikolaus von Konstanti-
nopel herrührenden Beschreibung des Ritus der Proskomidi, (5) in einem
Briefe eines ungenannten Patriarchen von Konstantinopel an einen Paulus, er-
wählten Bischof von Gallipoli in Apulien (um 1081), in dem der Patriarch die-
sen unter anderm auch über die Weise, wie die Proskomidi vorzunehmen sei,
belehrt, (6) in dem von Pitra irrig dem Patriarchen Johannes dem Faster
(j 595) zugeschriebenen, früher schon erwähnten Fragment (7) sowie nament-
lich auch in allen älteren Formularen für die Vornahme der Proskomidi. (8)
Zum erstenmal begegnet uns der Asteriskos in dem wohl erst dem i3. Jahr-
hundert entstammenden, fälschlich dem heiligen Sophronius von Jerusalem
zugeschriebenen Commentarius liturgicus. Unter den eucharistischen Geräten,
die derselbe aufzählt und bespricht, findet sich nun auch der Asteriskos. Er
verhülle gleich den vier Lebewesen (Apok. 4,6) die himmlische Kohle (Is. 6,6) ;
(3) Euchologion graecum 121. (4) Vgl. die lehrreiche Übersicht über die Entwicklung
des Ritus der Proskomidi bei Brightmah I, 5441 (ö) A.Mai, Nova bibl. Patr.X2 (Romae
1905) 168. Der Patriarch wird Nikolaus III. (1084—1111) sein. (6) Ebd. 168.
(7) Spicileg. Solesm. TV (Paris 1858) 442. (8) Vgl. Brightmah a. a. O.
ERSTES KAPITEL. DER ASTERISKOS 463
auch solle er es verhindern, daß die Partikeln des Brotes an dem Velum fest-
klebten. (9) Um die Mitte des i4. Jahrhunderts erwähnt den Asteriskos Niko-
laus Kabasilas in seiner Liturgiae expositio, (10) um i4oo Simeon von Salo-
niki. (11) Für Kabasilas wie für Simeon ist der Asteriskos schon Sinnbild des
Sternes, der bei der Geburt des Herrn aufging, doch ist diese Symbolik nicht
Grund seiner Einführung gewesen; sie ist nicht Ursymbolik, sondern Nach-
symbolik. Anlaß, ihn in Gebrauch zu nehmen, waren praktische Erwägungen.
In dem Ritus der Proskomidi wird der Asteriskos erst seit dem i£. Jahrhun-
dert erwähnt. Freilich kommen noch im späten Mittelalter Handschriften der
Chrysostomusliturgie vor, die ihn noch nicht erwähnen, doch beweist das nur,
daß er sich noch nicht allenthalben eingebürgert hatte. Daß dies aber damals
wirklich noch nicht überall der Fall war, ergibt sich aus einer den Asteriskos
betreffenden Rubrik im Ritus der Proskomidi einer Handschrift der Chry-
sostomusliturgie des 14. Jahrhunderts, die besagt, wenn der Priester einen
Asteriskos habe, stelle er auch ihn auf den Diskos. (12) Es gab also wirklich
noch im i4. Jahrhundert Kirchen des griechischen Ritus, in denen der Asteris-
kos bei der Liturgie noch keineswegs im Gebrauch war.
Eine frühe Abbildung des Asteriskos findet sich auf einem Mosaik in der
Kathedrale zu Kiew, einer der Spendung der Kommunion angeglichenen Dar-
stellung des Letzten Abendmahles. (13) Dasselbe wird gewöhnlich dem 11. Jahr-
hundert zugeschrieben, doch beweist der Asteriskos auf dem Altar, hinter dem
Christus den Aposteln seinen Leib und sein Blut reicht, daß es frühestens im
i3. Jahrhundert entstanden sein kann.
Ein gewisses Gegenstück zum Asteriskos in den vorgenannten Riten des
Ostens ist die stellula, die in der feierlichen Papstmesse zur Verwendung
kommt. Sie dient in ihr jedoch nicht wie in jenen zum Schutz der zu konsekrie-
renden Hostie, wenn diese vor der Opferung auf der Patene zum Altar getra-
gen wird, sondern zum Schutz der konsekrierten Hostie, wenn diese nach dem
Friedenskuß dem auf dem Throne sitzenden Papste vom Apostolischen Sub-
diakon auf der Patene zur Kommunion überbracht wird. Über die Hostie ge-
stellt, soll sie verhindern, daß das Schultervelum, mit dem der Subdiakon die
Patene auf dem Wege zum Throne verhüllen muß, sie berühre. Die stellula der
Papstmesse unterscheidet sich aber nicht nur ihrem Zweck nach von dem Aste-
riskos der Riten des Ostens, sondern auch, wenn auch nicht wesentlich, seiner
l'orm nach, sofern zwar auch er ein sternförmiges, mit einer Handhabe im
Scheitel versehenes Gebilde darstellt, jedoch sich nicht aus zwei einander über-
kreuzenden Bügeln, sondern aus acht radial angeordneten, nach unten ge-
krümmten lanzettförmigen Blättern zusammensetzt.
Die stellula der feierlichen Papstmesse ist noch weit jünger als der Asteris-
kos in den Riten des Ostens. Um die Wende des ii. Jahrhunderts fand sie in
(») M. 87, 3985: 'Aate^imo; xaSns ii -riasapa £<iia i-txaXbxrEi t&v oipävwv ävOpaxs, Jsriv li
xai Sid tg jj.t 7.<iü.iz>H<- tvj; 'j-i^w.-?; iv -m 5tr/.ra»?.iiJ.;jaTt. Die Übersetzung, welche Mai in
seiner Ausgabe der Sclirift von der Stelle gibt, ist sinnlos.
(10) M.ll (Mg. 150, 389). (11) De aacra liturgia c. 85 u.96 (Mg. 155, 264, 285).
(12) Brightman 547: Ki\ zl i'/zi 'iz-i'Az:^:>. Tvh-3'. mi "-ijtv, j-:vUv :ij V.zwi; Vgl. auch Goar,
Euchologion 101. (13) Abb. bei'RoK.IV, 390.
464 VASA NON SACRA. ERSTER ABSCHNITT. SONDERGERÄTE IM OSTEN
ihr noch keine Verwendung, wie aus dem Ordo des Petrus Amelii, dem i5. Ma-
billons erhellt; (14) ja es verhielt sich so selbst noch im ausgehenden i5. Jahr-
hundert, wie aus dem Caeremoniale capellae pontificiae des Patrizius Piccolo-
mini, Bischofs von Pienza (fi/196), hervorgeht. (15) Ist doch im Ritus der
Kommunion des Papstes von ihr wie in jenem, so auch in diesem noch keine
Rede. Sie wird daher frühestens im Verlauf des 16. Jahrhunderts bei der feier-
lichen Papstmesse in Gebrauch gekommen sein; ihr Vorbild aber mag der Aste-
riskos des griechischen Ritus gewesen sein.
ZWEITES KAPITEL
I. DIE HEILIGE LANZE
Die heilige Lanze (r, ay"* '^TATi)< ist ein Gerät, dessen sich der zelebrierende
Priester im griechischen Ritus bei der feierlichen Herrichtung der zu konse-
krierenden Opfergaben bedient. Es wird bei dieser gebraucht, um aus dem
Opferbrot den für die Konsekration bestimmten, durch einen Stempeleindruck
gekennzeichneten mittleren Teil von quadratischer Form, das sogenannte Lamm
(äji.v<5<;) herauszuschneiden und auf die Patene zu legen. Ursprünglich geschah
das in sehr einfacher Weise, nach und nach gestaltete sich jedoch das Aus-
schneiden des Lammes immer feierlicher, bis es im ausgehenden Mittelalter
jene Form gewonnen hatte, in der noch heute die Zeremonie im griechischen
Ritus bei der Proskomidi sich vollzieht. (1) Zuerst war mit der ganzen Hand-
lung nur ein Begleitspruch verbunden, am Schluß der Entwicklung hatte sich
zu jeder einzelnen Handhabung der Lanze ein solcher gesellt.
Die heilige Lanze wird schon in der Historia mystica ecclesiae catholicae des
Patriarchen Germanus von Konstantinopel (-f -j!\6) erwähnt. Rereits zu dessen
Zeit galt die mittlere Partikel des Opferbrotes, die man mittels der Lanze her-
ausschnitt, als Sinnbild des Gotteslammes, wie aus dem Spruch: »Wie ein Schaf
ist er zum Tode geführt worden und wie ein Lamm vor dem, der es schert, hat
er keinen Laut von sich gegeben* erhellt, den schon damals der Zelebrans beim
Ausschneiden sprach. Im Beginn des 9. Jahrhunderts spricht Theodor Studita
von der heiligen Lanze. (2) In der Folge ist von ihr bei den griechischen Litur-
gikcrn wie auch im Ritus der Proskomidi so häufig die Rede, daß es unnötig
ist, die Zeugnisse im einzelnen anzuführen. Schon io54 konnte Kardinal Hum-
bert in seiner Responsio adversus Graecorum calumnias die Lanze als ein dem
griechischen Ritus eigentümliches Gerät bezeichnen. (3) Zur Verwendung kam
die heilige Lanze stets nur bei der Proskomidi, nicht im Ritus der Liturgie
selbst bei der der Kommunion vorausgehenden Teilung der konsekrierten
Hostie, die nicht durch Zerschneiden, sondern durch Brechen erfolgte.
Ihrer Form nach ist die heilige Lanze des griechischen Ritus ein zweischnei-
diges, spitz zulaufendes, mit Stiel als Handhabe versehenes Messer, also eine
(14) C.82 (M.78, 1326). (15) Jos. Catai.am, Saerarum caeremonianim sanctae ro-
manae ecclesiae 1.2, c. 14, §13; II (Romae 1751) 78. (1) Vgl. die Entwicklung des Ritus
bei Bhightma« I, 539 f. (2) Adv. iconomachos 1 (Mg. 99, 489). (3) C.3S (M. 143, 951).
ZWEITES UND DRITTES KAPITEL. DIE HEILIGE LANZE. DAS ZEON 465
Miniaturlanze, daher auch ihre Benennung. Das obere Ende des Stieles endet
meist in einem Kreuz. Die Form, die das Gerät heute zeigt, hat es, wie auch der
NameÄöy^T], den es von jeher führte, klar genug andeutet, im wesentlichen zu
aller Zeit gehabt.
Bei den übrigen Riten des Ostens ist die heilige Lanze nicht in Gebrauch,
noch war sie das jemals früher. Man bedurfte ihrer nicht, weil man, wie noch
heute, die ganze Hostie, nicht bloß ihren mittleren Teil, zur Konsekration be-
nutzte. Auch in den lateinischen Riten ist nie eine heilige Lanze bei der Feier
der Messe in Benützung gewesen, wie es auch eine Proskomidi, bei der man nach
Art des griechischen Ritus aus dem Opferbrot einen Teil für die Konsekration
ausgeschnitten hätte, in ihnen nie gegeben hat. Konsekriert wurden stets die
ganzen oblatae. Zur Kommunion aber wurden die konsekrierten Hostien wie
in allen Riten, auch im griechischen, durch Brechen, nicht durch Zerschneiden
geteilt.
DRITTES KAPITEL
II. DAS ZEON
Das Zeoni^im) ein Henkelgefäß für heißes Wasser, daher auch Ospi^ptov ge-
nannt, verdankt seinen liturgischen Charakter einem eigenartigen Brauch des
griechischen Ritus. Vor der Kommunion nämlich gießt der Diakon heißes
Wasser in Kreuzform in das im Kelch befindliche heilige Blut, wobei er spricht:
»Glut des Glaubens, voll des Heiligen Geistes. Amen.« Ursprünglich bezeich-
nete Ceqv das heiße Wasser, das in dem Gefäß war, dann aber ging die Benen-
nung von jenem auch auf dieses über.
Der dem griechischen Ritus eigentümliche Brauch, dem heiligen Blut vor
der Kommunion heißes Wasser beizufügen, reicht bis wenigstens in das Ende
des ersten Jahrtausends zurück; denn er ist nicht nur um den Beginn des
i5. Jahrhunderts von Simeon von Saloniki (1) und im 12. oder noch früher
von Theodor von Andida (2) bezeugt, sondern auch schon in des Pseudo-Ger-
manusMi)oTixT|9s(up£a,(3) einer dem 10. Jahrhundert entstammenden Bearbei-
tung und Erweiterung der dem 8. Jahrhundert angehörenden Historia mystica
ecclesiae catholicae. Dagegen kennt diese letztere den Brauch noch nicht, da
sie auffallenderweise seiner keine Erwähnung tut, so daß es scheint, als ob er
im 8. Jahrhundert noch nicht bestanden hätte. Was ihn veranlaßte, läßt sich
nicht feststellen. Ein praktischer Grund war es kaum, da nicht ersichtlich ist,
welch praktischer Zweck zu seiner Einführung hätte führen können. Es waren
also wohl mystische Erwägungen, denen er seine Entstehung verdankt. Bei
Pseudo-Germanus und Theodor von Andida heißt das Gefäß, in dem sich das
heiße Wasser befand, noch nicht Csov, sondern XsßTjxiptov.
Seiner Form nach ist das Zeon ein 10—12,5 cm im Durchmesser haltender,
mit einer Handhabe versehener Napf aus Metall.
(1) De divino templo n. 94 (Mg. 156, 742). (2) Commentatio liturgica n. 36 (Mg. 140,463).
(3) Mg. 98, 449.
.ICKE AI.TABGERÄT W
ZWEITER ABSCHNITT
DAS ALTARKREUZ
ERSTES KAPITEL
DAS ALTARKREUZ NACH HEUTIGEM BRAUCH
NACH den Generalrubriken des römischen Missales soll auf dem Altar in der
Mitte ein Kreuz mit einer Figur des Gekreuzigten stehen, zu dem hin bei
der Messe der sie zelebrierende Priester bei zahlreichen Gelegenheiten das Haupt
zu verneigen hat, wie z. B. beim Aussprechen des Namens Jesus — ausgenom-
men jedoch, wenn er das Evangelium liest—, beim Gloria Patri des Introitus
und des Psalmes Lavabo, bei dem die Orationen einleitenden Oremus, bei Be-
ginn sowie bei bestimmten Stellen des Gloria und des Credo, beim Gratias aga-
mus der Präfation u.a. (1) und das, wenn der Altar inzensiert wird, wie z.B.
im feierlichen Amt vor dem Introitus und nach dem Offertorium, (2) in der
feierlichen Vesper beim Magnificat, gleichfalls inzensiert werden muß. Es ist
darum auch nicht bloßer religiöser Schmuck des Altares, noch hat es lediglich
den Zweck, zum Ausdruck zu bringen, daß die auf dem Altar sich vollziehende
Opferhandlung die wirkliche, wenn auch unblutige Erneuerung des Kreuz-
opfers ist, es ist vielmehr auch Gegenstand gewisser liturgischer Zeremonien
bei der Meßfeier. Keines Aitarkreuzes bedarf es nur, wenn im Retabel des Al-
tares als Hauptbild sich eine Darstellung des Gekreuzigten findet, (3) die als
Ersatz eines Kreuzes gilt, sowie auch, wenn auf dem Altar das AUerheiligste
ausgesetzt ist, (4) gegen das an Stelle des Kreuzes die gegen dieses vorgeschrie-
benen Verneigungen zu machen sind. Kein Ersatz für das Altarkreuz ist zufolge
ausdrücklicher Entscheidungen der Ritenkongregation ein vor der Tabernakel-
türe oder oben auf dem Tabernakel als Schmuck angebrachtes Kreuz. (5) Übri-
gens verpflichtet die Vorschrift, den Altar bei der Messe mit einem Kreuz aus-
zustatten, nicht unter schwerer Sünde.
Daß kein bloßes Kreuz als Altarkreuz genügt, daß vielmehr dieses ein Kreuz
mit Kruzifixus sein muß, sagt auch das Caeremoniale episcoporum, (6) das
außerdem angibt, der Ständer des Kreuzes solle so hoch sein, daß er den ihm
zunächst stehenden Leuchtern an Höhe gleichkomme und infolgedessen das
Kreuz selbst ganz über die Leuchter herausrage, (7) was freilich wenig be-
obachtet wird.
Das Kreuz auch außer der Meßfeier und andern am Altar stattfindenden
gottesdienstlichen Verrichtungen, die es voraussetzen, wie z. B. die Inzensation
des Allares beim Canticum der feierlichen Laudes und dem Magnificat der
feierlichen Vespern, auf dem Altar zu belassen, ist nicht vorgeschrieben, doch
M) Rubr. gen. tit.XX; Ritus celebr. tit. II, 2tf. (2) Ebd. tit.IV, 4; VII, 10.
(3) Decr. auth. n. 1270. (4) Ebd. n. 2565. (5) Ebd. n. 1270, 2621, 4136.
(6) L. 1, c. 12 n. 16; Altaria per ecclesiam . . . habeant . .. crucem cum imagine crucifixi.
<7) Ebd. n.11.
ERSTES KAPITEL. HEUTIGER BRAUCH 4Ö7
allgemein Brauch, insbesondere beim Hochaltar und zwar sowohl aus einem
praktischen wie aus einem symbolischen Grund. Aus einem praktischen, um
nämlich nicht immer wieder, wenn auf einem Altar die Messe zelebriert wer-
den soll, von neuem auf demselben ein Kreuz aufstellen zu müssen; aus einem
symbolischen, um den Altar auch für die Zeit, da er nicht benützt wird, als die
eucharistische Opferstätte zu kennzeichnen.
ZWEITES KAPITEL
ALTER DES ALTARKREUZES
Ein Altarkreuz im heutigen Sinne hat es bis wenigstens ins n. Jahrhundert
hinein noch nicht gegeben. Wohl hat man bisweilen über dem Altar ein Kreuz
aufgehängt, wie wir z.B. aus einer Erzählung Gregors von Tours, (1) aus An-
gaben des Papstbuches (2) und aus dem Inventar von Staffelsee von etwa 810
ersehen. (3) Auch hing man, wo sich vor dem Altar eine Pergula, ein von einer
Wand zur andern sich hinziehender, von Säulen oder Pfosten gestützter Balken
befand, an dieser wohl ein oder mehrere Kreuze auf, wie wiederum das Papst-
buch berichtet, (4) oder brachte, wenn der Altar mit einem Ziborium versehen
war, auf der Spitze des letzteren ein Kreuz an. (5) Von einem großen Kreuz,
das sich rechts neben dem Hochaltar in St. Peter auf einem Ständer erhob —
da der Altar dem Volk zugewendet war, hinter ihm also kein Platz für dasselbe
war, konnte es nicht hinter demselben errichtet werden —, hören wir in der
Vita Leos III. und Leos IV. (6) Die Gesta Dagoberti (f 63g) erzählen von
einem großen Kreuz aus Gold, das Dagobert zu St-Denis hinter dem Altar hatte
errichten lassen, (7) in St-Germain-des-Pres zu Paris aber befand sich auf
einer Säule hinter dem Altar des heiligen Vinzehtius zur Zeit Philipps I. von
Frankreich (1060—1108) ein kostbares, mit Edelsteinen besetztes Kreuz, das
der Überlieferung nach eine Stiftung Cbildeberts war. (8) Auch das Kreuz, von
(1) De miraculis s. Juliani c. 43 (M. 71, 824): Pendebat super ipsum altare (s. Juliani)
crux holoerysa, eleganti opere facta. (2) Vgl. z. B. Vita Gregorii III. (Duch. L. P. I, 419):
Item in ecclesia b. Genesii martyris . .. contulit coronulam auream cum cruce pendentem
super altare; Vita Leonis III. (ebd. II, 17): Ubi (im Oratorium des heiligen Kreuzes $n
St. Peter) obtulit . . . regnum spanoclistum ex auro mundissimo cum cruce in medio penden-
tem super ipsum altare; Vita Gregorii IV. (ebd. II, 74): obtulit in iam saepe nominaia
ecclesia (s. Marco) regnum aureum, quod usque hodie super altare dependens cum geramis
valde optimis habens in medio auream crucem cum gemmis pariter pretiosis.
(3) Pendet super idem altare Corona argentea per loca deaurato ... et in medio illius
pendet crux parva deaurata una (M. G.Leges, sect. II, I, 251). (4) Vita Gregorii III.
(ebd. 1, 417) : In quo (in einem von ihm errichteten Oratorium in St. Peter) faciens pergulam,
contulit dona divers arum speeierum, i. e. cruces pendentes num. 4, item cruces similes
aum. 10; Vita Leonis III. (ebd. II, 13): Fecit in basilica b. Pauli apostoli . . . crucem anagli-
Eam interrasilem ex auro purissimo pendentem in pergula ante altare. Vgl. selbst noch aas
Inventar von Gandersheim aus dem 12, Jahrhundert: Sex ornamenta super ciborium ponenda,
tres cruces ante pendentes (Anzeiger XX [1873] 345). (5) Vita Leonis III. (ebd! II, 27):
Cibm-ium .. . posuit super altare maiore in basilica beatae Dei genitricis, quae appellatur
ad praesepem et crucem ex argento puro fecit et inibi posuit.
(6) Ducn. L. P. II, 27: Fecit et crucem maiorem ex argento purissimo deauratam, quae
stat iuxta altare maius; II, 119: Obtulit crucem ex auro purissimo, ex diversis gemmis mirae
magnitudinis ornatam, quae stat parte dextra juxta altare maiore, in qua etiam noviter
renovavit virgam et deargentavit eam, in qua praedicta crux continetur.
(?) C.20 (M.96, 1402). (8) AA. SS. 28. Mai; VI, 796.
468 VASA NOff SACRA. ZWEITER ABSCHNITT. DAS ALTARKREUZ
dem Äthelwulf um 8iO in seinem Gedicht auf die Äbte von Lindisfarne
spricht, (9) war wohl hinter dem Altar auf hohem Ständer aufgestellt, des-
gleichen das Kreuz, das nach Wilhelm von Malmesbuly (10) König Edgar
(t 97^) über dem Altar der Kirche des Klosters Glastonbury errichtete.
Insbesondere war es der im Schiff der Kirche stehende Kreuzaltar, den man
durch ein hinter ihm angebrachtes, hoch aufragendes Kreuz auszuzeichnen
liebte. (11) In medio ecclesiae fecit altare, in quo et crucifixum Domini nostri
Jesu Christi auro et argento mirabiliter fabricatum erexit, lesen wir in der Vita
des Bischofs Aldricus von Le Mans (*{• 856), (12) altare s. Crucis, quod situm
est intra chorum et parochiam ad eundem Crucifixum pertinentem in einer
den Kreuzaltar in der Kathedrale zu Angers betreffenden Urkunde aus dem
Jahre iogt». (13) Ein Kreuz erhob sich hinter dem Kreuzaltar auch in der von
Angilbert erbauten Richariuskirche zu Centula; (14) ebenso ist im Plan für
den Neubau des Klosters St. Gallen von etwa 820 hinter dem in der Mitte des
Schiffes der Klosterkirche stehenden Kreuzaltar ein großes Kreuz eingezeichnet.
Daß man aber auch wohl hinter anderen Altären als dem Kreuzaltar ein Kreuz
anbrachte, darauf scheinen die kleinen Kreuze hinzuweisen, die hinter den
neun weiteren im Schiff vorgesehenen Altären — freilich auch nur hinter die-
sen, nicht aber insbesondere hinter den drei im Ost- und Westchor befind-
lichen Hauptaltären, hinter denen ein Kreuz fehlt — angebracht sind.
Bildwerke, auf denen ein Altar, hinter dem ein Kreuz steht, dargestellt ist, gibt es aus
der Zeit vor der Wende des ersten Jahrtausends nicht; die ältesten finden sich in einem
um 1000 entstandenen Tropar aus Prüm in der Nationalbibliothek zu Paris. Sie stellen die
Verkündigung des Vorläufers und die Darstellung des Jesuskindes im Tempel dar. Der
Altar ist auf beiden, wie auch sonst bei der Wiedergabe dieser Szenen, dem christlichen
Altar nachgebildet. (15) Andere Beispiele aus dem 11. Jahrhundert begegnen uns in einer
Ilandschrif t der Miracula s. Benedict! in der Bibliothek zu Troyes, (16) im Wyscherader
Evangeliar der Universitätsbibliothek zu Prag, (17) sowie in einem Sakramentar ausSt-Denis
in der Nationalbibliothek zu Paris. (18) Beispiele aus dem 1«. Jahrhundert bieten ein Salz-
burger Antiphonar (19) und ein Rotel Bertrands de Baux (f 1181). (20) Aus einer der Mi-
niaturen der Miracula s, Benedicti und der Miniatur des Prager Evangeliars ersehen wir, daß
man sich bisweilen nicht damit begnügte, nur ein Kreuz hinter dem Altar aufzustellen,
sondern deren zwei hinter ihm anbrachte.
Ein Altarkreuz im späteren Sinne war das Kreuz in keinem der angeführten
Fälle, höchstens war es entfernterer oder näherer Vorläufer desselben. Das gilt
namentlich von dem neben oder hinter dem Altar aufgestellten Kreuz. War
doch von dem Brauch, hinter dem Altar ein solches anzubringen, zu dem
Brauch, ein Kreuz auf den Altar zu setzen, nur ein kleiner Schritt, zumal wenn
(9) M. 96, 1343: Ära dicata Deo mittebat munera summo — Quae excelsa crucis porrexit
vertice Signum — Haec rutilo ex auro gemmisque nitescit opimis. (10) De antiq. Glaston.
eccl. (M. 179, 1719). (11) Über den Kreuzaltar vgl. Bravs, Altar I, 401 f.
(12) N.3 (M.115, 36). (13) L.de Farcy, Monographie de la cath. d'Angers III, 21.
(14) W. Effsiash, Centula (Münster 1912) 123. (15) Abb. der Darstellung der Ver-
kündigung bei Rohaolt de Fleiry, La sainte vierge I (Paris 1878), Tfl. 32. Das Kreuz
steht auf ihr nicht auf dem Altar, wie es bei J. Sauer, Symbolik des Kirch enge bäudes, (Frei-
burg 1902) 176. Fußnote 6 heißt, sondern hinter ihm. Abb. der Darstellung im Tempel bei
Braum, Altar II, Tfl. 115. (16) Abb. bei Roh. I, Tfl. 10, 11. (17) Abb. bei Lebkeh, Ceska
scola malirskä(Prag 1902) Tfl. 16. (18) Abb. bei Leroquais, Tfl. 80. (19) Swarzesssi,
Die Sal2burger Malereien (Leipzig 1908) Tfl. 106. (20) Abb. bei Ron. I, Tfl. 15.
ZWEITES KAPITEL. ALTER 469
das Kreuz so eingerichtet war, daß es nach Belieben auf einen Fuß oder eine
Stange aufgesteckt werden konnte.
Welcher Verbreitung sich der Brauch, über, vor, neben oder hinter dem Altar
ein Kreuz anzubringen, in altchristlicher Zeit und im früheren Mittelalter er-
freute, läßt sich nicht bestimmen. Daß das damals allgemein üblich gewesen
sei, ist nicht zu beweisen. Wo aber der Brauch bestand, wird wohl meist nur der
Hochaltar und der Kreuzaltar in der einen oder andern Weise mit einem Kreuz
ausgestattet worden sein; entbehrten die Nebenaltäre doch noch im späteren
Mittelalter, ja selbst noch im 16. Jahrhundert vielfach eines Kreuzes. Eine
allgemein verbindliche oder auch nur partikularrechtliche Vorschrift, in der
einen oder andern der genannten Weisen den Altar, und sei es auch nur der
Hochaltar, mit einem Kreuz auszustatten, bestand jedenfalls nicht. Allerdings
rechnet Bischof Ghaerbald von Lüttich (802—810) in seinen Capitula zu dem
Ornatus ecclesiae, um den sich jeder Priester nach Möglichkeit bemühen solle,
wie Kelch, Patene, Kasel, Albe, Missale u. a. auch ein Kreuz, (21) allein wir
erfahren nicht, zu welchem Zwecke dasselbe dienen sollte und welchen litur-
gischen Charakter es hatte.
Das Kreuz auf den Altar zu stellen war bis zum Ausgang des ersten Jahr-
tausends nicht zulässig. Als Gegenstände, die auf ihn gesetzt werden dürften,
nennt die der Mitte des 9. Jahrhunderts entstammende »Synodalermahnung*
nur den Kelch, die Patene, das Evangelienbuch, die Pyxis mit den für die Kom-
munion der Kranken aufzubewahrenden konsekrierten Hostien sowie die Reli-
quiare. (22) Es wird sich darum auch nicht um ein auf dem Altar, sondern um
ein hinter demselben angebrachtes Kreuz handeln, wenn in der Vita des heiligen
Ansegisus bezüglich eines Kreuzes, mit dem dieser den Hochaltar der von ihm
zu Flavigny erbauten Basilika ausstattete, heißt: Arae crucem argenteam im-
posuit. (23) Die ältere Auffassung, nach der auf den Altar außer Kelch, Pa-
tene und Evangelienbuch nur noch der Behälter mit dem Allerheiligsten und
Reliquiare gesetzt werden durften, verlor sich jedoch im ausgehenden ersten
Jahrtausend. Der Wandel hatte zur Folge, daß man nunmehr auch das Kreuz
auf ihn zu setzen keinen Anstand nahm. Damit aber war der Ort gegeben, an
dem dasselbe in der Folge vornehmlich und zuletzt durch das Missale Pius' V.
endgültig seinen Platz erhielt.
Einen frühen Beleg für jenen Wandel bietet Theobalds, des Abtes des Erlöserklosters
zu Chieti, Bericht über die von ihm loro in seiner Abteikirche ausgeführten Arbeiten, aus
dem wir ersehen, daß der Abt auf ihrem Hochaltar eine Elfenbeintafel mit dem Bilde der
Gottesmutter sowie beiderseits derselben Bilder heiliger Märtyrer und zwei kristallene
Kreuze aufstellte, (24) In Leos Chronik von Montecassino hören wir von einer crux aurea
super altare, gemnus ac margaritis speciosissime compta, librarum paulo minus duarum,
cum tripode suo argenteo deaurato et astili onichino argento et auro decenter ornato, die
AbU^iedrich^ der spätere Papst Stephan IX., 1007 gestiftet hatte. (25) Ortlieb von Zwie-
_{21) M.G. Leg. II, Capit. I, 243: Ut unusquisque aeeundum possibilitatem auam certare
»aciat de ornatu ecclesiae suae, scilicet in patena et calice, planeta et alba, missale . . .
crace, capsa. {22) M. 115, 677. (23) CIO (M. 105, 742).
[i ffl Mi-RATORi, Antiq. ital. (Müano 1741) 768. (25) Chron. Cas. 1.2. n. 100 (M. 173, 707).
Unklar ist, ob Honorius in seiner im frühen 12. Jahrhundert entstandenen Schrift Geroma
8?>mae bei Erörterung der Frage, warum über dem Altar ein Kreuz errichtet werde, von
euiem auf dem Altar oder einem oberhalb der Rückseite desselben angebrachten Kreuz
470 VASA NON SACRA. ZWEITER ABSCHNITT. DAS ALTARKREUZ
falten erzählt in seiner um n'n geschriebenen Chronik von zwei Kreuzen, einem größeren
und einem kleineren, die andauernd auf dem altare dominicum, dem Hochaltar der
Klosterkirche standen; wie die vielen übrigen, zumeist sehr kostbaren Kreuze, deren man
sich zu Zwiefalten erfreute, enthielten auch sie Reliquien. (26) Aus dem um i i4o verfaßten
Ordodes Kanonikus Benedikt, dem n. Mabillons, ersehen wir, daß das Stationskreuz, wel-
ches dem Papst bei der Prozession am Ijchtmeßtage und an den Bittagen vorgetragen wurde,
von dem Altar der Kirche, von der dieselbe ausging, genommen wurde, und daß es nach
Beendigung der Prozession zum Altar der Kirche getragen wurde, in der die Station ge-
halten wurde. (27) Daß auf dem Hochaltar der Zisterzienserkirchen ein Kreuz zu stellen
pflegte, ergibt sich aus den Statuten des Generalkapitels von n85, welche bestimmten,
es dürfe an den Hauptfesten zusammen mit dem Reliquienb ehält er außer dem alltäglichen
hölzernen nur noch ein weiteres Kreuz auf den Altar gesetzt werden und zwar ohne Kerzen
und bloß während der Messe. (28) In den Worten des Sicardus von Cremona: Vexillis simul
cum crucc in altaribus utimur in memoriam trophaei Domini nostri Jesu Christi, (29)
erscheint das Kreuz zwar als Ausstattungsstück der Altäre, doch erhellt aus ihnen nicht
deutlich, ob es auf oder hinter ihnen stand. Die Gleichstellung des Kreuzes mit den vexilla
(Fahnen) macht das letztere wahrscheinlicher.
Von einem bei der Messe auf der Altarmensa mitten zwischen zwei auf deren
hinteren Ecken aufgestellten Leuchtern stehenden Kreuz, das ist von dem heu-
tigen Altarkreuz, redet zuerst klar und bestimmt Innozenz III. in seiner Schrift
De sacro altaris mysterio. (30) Nichts aber weist darauf hin, daß dieser selbst
zu Rom den Brauch einführte, auf der Mensa des Altares bei der Meßfeier zwi-
schen zwei Leuchtern ein Kreuz anzubringen; er gibt vielmehr ersichtlich nur
wieder, was dort bereits üblich war. Indessen ist, was er in jener Schrift über
den Brauch sagt, bei der großen Berühmtheit, die dieselbe erlangte, zweifellos
von Einfluß auf dessen Weiterverbreitung geworden. Zu Ende des i3. Jahr-
hunderts, also etwa hundert Jahre später, spricht Durandus von ihm als von
einer allbekannten Gepflogenheit. (31)
Das früheste Bildwerk, auf dem ein Kreuz auf der Mensa des Altares stehend
dargestellt ist, ist eine Miniatur in dem um 1086 geschriebenen Wyscherader
Evangeliar. (32) Nur wenig jünger ist ein Niellobild auf der Oberseite des
Tragaltars im Dom zu Paderborn, das den Bischof Meinwerk vor einem Altar,
auf dem ein Standkreuz sich erhebt, die Messe feiernd wiedergibt. Dem dritten
Viertel des 12. Jahrhunderts gehört das Widmungsbild einer Handschrift der
Staatsbibliothek zu München an, auf dem uns ein auf dem Altar stehendes
redet. Am wahrscheinlichsten ist das zweite, da es sich bei dem fragliehen Kreuz anschei-
nend um ein großes, weit sichbares Kreuz, nicht um ein Kreuz von nur mäßiger Höhe han-
delt, wie man sie au! die Mensa des Altares zu stellen pflegte. Auch kann wohl nur von
einem hinter dem Altar dauernd befestigten Kreuze verstanden werden, was Honorius als
ersten Grund, über dem Altar ein Kreuz zu errichten, angibt: Quod signum regis nostri
in domo Dei quasi in regia urbe figitur, ut a militibus adoretur, nicht von einem beweglich
auf der Mensa angebrachten kleinen Kreuz (1.1, c. 135 [172, 587]). (26) M.G.SS.X, 89.
(27) N.29, 57 (M.78, 1036, 1048). Daß das Kreuz kein Stangenkreuz war, erhellt daraus,
daß der Subdiakon es auf dem Weg vom Altar zur Pforte der Kirche, von der die Prozession
auszog, den Gläubigen zum Kuß darreichte. (28) Mart., Thes. IV (Paris 1747) 1258.
Wenn das Gcneralkapitel nur einen Reliquienbehälter und ein Kreuz an den hohen Festen
zu dem gewöhnlichen Kreuz hinzu auf den Altar zu setzen vorschrieb, so geschah das, weil
auch an diesen aller Prunk nach Möglichkeit vermieden werden sollte.
(20) Mitralis 1.1, c. 13 (M. 213, 55). (SO) L. 2, c. 21 (M. 712,811). (31) Rat. 1. 1, c.8,n.31.
(32) Abb. bei Leiter, Ceska scola malirska (Prag 1902) Tfl. XV.
ZWEITES KAPITEL. ALTER 471
Kreuz begegnet, (33) der Zeit um 1170 die Darstellung eines Altares mit Kreuz,
Kelch und Leuchter auf einem Limoger Reliquienschreinchen zu Mozac (Puy-
de-Döme), einer Stiftung des Abtes Petrus de Barri (j 1174). (34) Die Abbil-
dungen bilden eine lehrreiche Bestätigung und Ergänzung der Angaben der
schriftlichen Quellen. (35)
Die Bildwerke aus dem i3., i4- und 10. Jahrhundert, die ein Kreuz auf der
Mensa des Altares zeigen, sind zahlreich. Als Beispiele seien genannt die Dar-
stellungen eines Limoger Schreinchens im Dom zu Minden (36) sowie zweier Li-
moger Schreinchen der ehemaligen Sammlungen Basilewsky und Spitzer, (37)
ein Fresko in der Unterkirche von S. Franceaco zu Assisi, die Messe des hei-
ligen Martinus, (38) ein Fresko in der Oberkirche daselbst, Vision des Bruders
Juniperus, Miniaturen einer spanischen liturgischen Handschrift des Britischen
Museums, (39) eine Miniatur des Psalters des heiligen Ludwig und der Königin
Bianca, (40) Miniaturen eines Missales des i5. Jahrhunderts in der Bibliothek
zu Rouen sowie einer Handschrift der Nationalbibliothek zu Paris aus der glei-
chen Zeil, (41) eines Franziskanermissales italienischer Herkunft aus dem
1.4. Jahrhundert in der Nationalbibliothek daselbst, (42) zweier Handschriften
des i4. Jahrhunderts in der Brüsseler Staatsbibliothek (43) u. a.
Wie verbreitet übrigens auch im späten Mittelalter der Brauch gewesen sein
mag, das Kreuz auf die Mensa des Altares zu setzen, so geschah das jedoch kei-
neswegs allgemein. Noch immer erhob sich dasselbe verschiedenerorten, zu-
mal in Kathedralen, statt auf dem Altar hinter demselben auf einem Ständer
oder einem sonstigen Unterbau. Besonders häufig aber gab man ihm seinen
Platz in oder auf einem Retabel. Auch schmückte man wohl, wenn der Altar
einer Wand hart vorgestellt war, diese oberhalb der Mensa desselben mit einem
Bilde des Gekreuzigten, sei es in Malerei, (44) sei es mit Hilfe eines Behanges,
der in Stickerei mit einem solchen versehen worden war. (45)
Eine allgemeine Vorschrift, den Altar in der einen oder der andern Weise
mit einem Kreuze auszustatten, sei es auch nur während der Messe, hat es noch
im späteren Mittelalter nicht gegeben. Daß es zu Rom wenigstens um i3oo vor-
geschrieben war, bei der Messe auf den Altar ein Kreuz zu setzen, erhellt aus dem
Ordo des Jakobus Gajetanus Stefaneschi. (46) Außerdem hören wir von einer
solchen Bestimmung in den Statuten der Synode von Exeter des Jahres 1287,
derzufolge nämlich jeder Altar, an dem die Messe gefeiert werde, außer mit
dem übrigen Gerät auch mit zwei Kreuzen ausgestattet sein sollte, einem fest-
(33) Abb. bei Swarzenski, Die Salzburger Malereien (Leipzig 1908) Tfl. 115. Das Bild
stellt den Erzbischof Eberhard (1147—1164) dar, dem in pontifikaler Meßkleidung neben
einem Altar stehenden heiligen Rupert die Handschrift überreichend. (34) Abb. bei Ren:.,
L'oeuvre de Limoges (Paris 1890) 103. (35) Das bei Schmidt, Der ehristl. Altar, S. 216 un-
genau wiedergegebene Fresko aus dem Torbau von SS. Vincenzo ed Auastasio alle tre fon-
tane zu Rom, das einen Priester, die Messe feiernd darstellt, gehört nicht dem 11., sondern
frühestens dem 13 Jahrhundert an. (36) Kd. von Westf., Kr. Minden, Tfl. 33.
(37) Darcel, Tfl. XXXI; La collection Spitzer I, Orfevr. relig. n.25. (38) Abb. bei
Roh. I, 20. (39) Abb. bei Percy Dearmer, Fifty pictures of gothic altars (London 1910)
n. 1—4. (40) Abb bei L. Delisle, Notice de douze Ihres royaux (Paris 1902) Tfl. 8.
(41) Abb. bei Roh. I, Tfl.22; IV, Tfl.i264. (42) Abb. bei Roh.V, Tfl. 412, 413.
(43) Abb. ebd. 410 413. (44) Brau«, Altar II, 532 f. (45) Ebd. 538.
(«) C 48 und 53 (M.78, 1153, 1156).
472 VASA NON SACRA. ZWEITER ABSCHNITT. DAS ALTARKREUZ
stehenden und einem tragbaren. (47) Im übrigen vernehmen wir nie von einer
derartigen Vorschrift, weder von einer allgemein verbindlichen, noch von einer
partikularrechtlichen. Wohl zählen die Synode von Worcester aus dem Jahre
i a4o, (48) eine Konstitution des Erzbischofs Walter Gray von York von 12/18, (49)
ein Statut des Erzbischofs Johannes Peckham von Canterbury von 1281 (50)
und die Synode von Merton von i3oo (51) zu dem gottesdienstlichen Gerät, das
die Parochianen zu beschaffen hätten, wie Kelch, Patene, Pyxis, Leuchter usw.,
auch ein Prozessionskreuz sowie ein Kreuz für die Begräbnisse, von einem
Altarkreuz aber reden sie auffallenderweise nicht. Wenn man auf oder hinter
dem Altar, im Retabel oder an der Wand oberhalb der Mensa ein Kreuz oder
eine Darstellung des Gekreuzigten anbrachte, dann geschah das also lediglich,
weil und soweit das dem jeweiligen Brauch entsprach.
Daß man den Hochaltar auf eine dieser Weisen im späteren Mittelalter allent-
halben mit einem Kreuze auszustatten pflegte, kann wohl kaum bezweifelt wer-
den. Anders verhielt es sich jedoch mit den Nebenaltären. Auch sie mit einem
Kreuz zu versehen, war, wie es scheint, damals noch keineswegs allgemein
üblich. Ist doch in keinem der aus den Jahren i3oo„ i36o, :364, i383, iiM,
i483 und IÖ20 stammenden Inventare der neunzehn Chantries der Kathedrale
zu York von einem Altarkreuz die Rede, während Altarleuchter in den meisten
erwähnt werden. (52) Oder ist etwa anzunehmen, daß alle Altäre mit einem
Retabel ausgestattet waren, in oder auf dem eine Darstellung des Gekreuzigten
angebracht war oder daß sich wenigstens hinter ihnen an der Wand ein Bild
desselben befand? Doch wohl kaum. Selbst in den der zweiten Hälfte des
16. Jahrhunderts angehörenden Inventaren ermländischer Kirchen fehlen im
Verzeichnis der Ausstattung der Nebenaltäre zwar nicht die Altarleuchter, wohl
aber vermißt man fast immer ein Kreuz. (53) Aber auch der Umstand, daß
nach Veröffentlichung des Missales Pius' V. verschiedene Synoden des aus-
gehenden 16. und der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts, wie die Synode von
Avignon des Jahres i5o,4, (54) die Prager Synode von i6o5, (55) die ermlän-
dische Synode von 1610, (56) die Synode von St-Omer von 16/10 (57) und die
Antwerpener Synode von 16/43 (58) sich veranlaßt sahen, ausdrücklich vorzu-
schreiben, es müsse bei der Messe auf dem Altar ein Kreuz stehen, weist darauf
hin, daß das damals noch nicht immer der Fall war. Dasselbe ergibt sich aus dem
Ornatus ecclesiasticus des Regensburger Generalvikars Myller, wenn es in dem-
selben heißt: Volumus et serio mandanvus, ut in quovis altari, in quo sacrum
faciendum est, illo saltem tempore, quo missa celebratur, Christi Domini
nostri crueifixi imago habeatur, quae altitudine candelabrum proximum ad-
aequet vel paululum superet. (59)
(47) C. 12 (H. VII, 1087): Item ad quodlibet altare.cum contigerit inibi missam celebrari,
sint . . . duae cruces, una fixa et alia portabilis.
(48)'C.l (H.VII, 331). (49) Ebd. 431. (50) Ebd. 878. (51) Ebd. 1212.
(52) Raike 275 f. (53) Vgl. die Inventare des Domes zu Frauenburg von 1578, der Pfarr-
kirche zu Bischofsburg von 1597 und Bischofstein von 1597, der Peter- und Paulakirche zu
Heilsberg von 1581, sowie der Pfarrkirche zu Mehlsack von 1581, Wormditt von 1584 und
Arnsdorf von 1572 bei Fr. Hipi.er, 31, 43, 45, 59, 65, 83, 92. (54) Tit. 24 (H.X, 1849).
(55) C. 12 (Hartzh. VIII, 690). (56) Tit. De sacrif. missa (ebd. IX, 117). (57) Tit. 6,
c.4 (ehd.X, 789). (58) Tit. 7, n. 19 (ebd. IX, 643). (59) C. 50, München 1591,8.94.
ZWEITES KAPITEL. ALTER 473
Die bei gewissen Gelegenheiten in der Messe übliche Kopf verneigung auf das
Altarkreuz hin zu richten, und bei Vornahme der Inzensierung des Altares im
Hochamt auch das Altarkreuz zu inzensieren, wie das durch das Missale Pins' V.
angeordnet wurde, war bis dahin weder Vorschrift, noch auch nur Brauch. Nie
hören wir davon, daß man, wenn der Altar inzensiert wurde, auch das Altar-
kreuz inzensierte, nie daß man sich dem Altarkreuz zuwandte, wenn eine Kopf-
verneigung zu machen war. So verhielt es sich insbesondere selbst zu Rom und
zwar nicht bloß um i3oo, was der Ordo des Jacobus Gajetanus beweist, (60)
sondern auch noch zu Beginn des 16. Jahrhunderts, wieder Meßordo Burckards
von Straßburg bekundet. Wo es im Ritus servandus in celebratione missae des
römischen Missales heißt: Caput cruci inclinat, lesen wir bei Burckard ledig-
lich: Caput Deo inclinat. Durch das Missale Pius'V. ist also das Altarkreuz
nicht bloß allgemein und für alle Altäre bei der Meßfeier verpflichtend gewor-
den, es hat darüber hinaus auch noch durch die Vorschrift, zu ihm gewisse
Hauptverneigungen bei der Messe zu machen und es gleich dem Altar im Hoch-
amt zu inzensieren, den besonderen liturgischen Charakter erhalten, der ihm bis
dahin nicht eigen war und durch den es nun im vollen Sinne zum liturgischen
Ausstattungsgegenstand des Altares wurde.
Fassen wir das Gesagt« in einem kurzen tiberblick zusammen, so ergibt sich, daß sich
in der Geschichte des Altarkreuzes drei Entwicklungsstufen unterscheiden lassen. In der
ersten war die Beziehung des Kreuzes zum Altar als der Stätte des eucharistischen Opfers
nur erst eine lose, äußerliche. Es war mehr Ausstattungsgt'genstand des Gotteshauses als
des Altares. Mit diesem wurde es in Verbindung gebracht, weil er die vornehmste Stelle im
Gotteshause darstellte, weniger und nur entfernter mit Rücksicht auf das eucharistische
Opfer, das sich an ihm vollzog. Es war darum auch in der Regel lediglich der Hochaltar,
(liv Ü;:l <[<'< (ii>ni;,iride^':;tr!":lii-Ti-.-ri'>, i'r-js ki.'im in di-r rin.'n ; .-.!;■- ;in;>n'u früher angegebenen
Weise mit einem Kreuz ausstattete.
Auf der zweiten, mit dem n. Jahrhundert anhebenden Entwicklungsstufe tritt das Kreuz
m eine nähere, innigere Verbindung mit dem Altar. Örtlich wird es nun auf den Altar selbst
gestellt, seiner Bedeutung nach aber wird es, zumal es jetzt nicht mehr in einem bloßen
Kreuz zu bestehen, sondern mit der Figur des Gekreuzigten ausgestattet zu sein pflegte, Aus-
druck und Hinweis auf die auf dem Altar sich vollziehende unblutige Erneuerung des
Kreuzopfers. Eine allgemein verbindliche Vorschrift, den Altar, zumal den Hochaltar,
bei der Messe mit einen» Kreuz auszustatten, gab es jedoch noch nicht, eine dahingehende
partikulärrechtliche aber erst vereinzelt, zu Rom wohl schon vor 1200, indessen wurde das
seit dem i3. Jahrhundert bald allenthalben wenigstens Brauch. Ein Kreuz, das auf der
Mensa des Altares stand, war das Kreuz freilich nicht immer, noch brauchte es das zu sein.
-Wh war ein Altarkreuz dieser Art nicht das einzig Normale, ein als Altarkreuz dienendes
Kreuz im Retabel oder an der Wand hinter dem Altar noch nicht bloßer Ersatz. Alle drei
Weisen, den Altar mit einem Kreuze zu versehen, waren vielmehr noch völlig gleichberech-
tigt. Ein liturgischer Ausstattungsgegenstand des Altares im späteren Vollsinn war das
Altarkreuz auf seiner zweiten Entwicklungsstufe noch nicht, wenn es sich auch auf dem
Wege befand, ein solcher zu werden.
Die dritte Entwicklungsstufe des Altarkreuzes setzt ein mit der Neuordnung des Missales
durch PiusV. Das Altarkreuz wird durch dasselbe überall, wo das neue Missale eingeführt
werden muß, bei Feier des heiligen Opfers zur Vorschrift und zwar für alle Altäre, falls
an denselben die Messe gehalten wird. Außerdem ist nun ein Kreuz mit einer Figur des Ge-
kreuzigten, das unmittelbar oder mittelbar, mittels eines Untersatzes nämlich, auf der Altar-
mensa aufgestellt ist, das Normale, ein im Retabel angebrachtes plastisches oder gemaltes
Bild des Gekreuzigten, nur Ersatz. Endlich ist das Altarkreuz nunmehr Gegenstand litur-
gischer Zeremonien. Damit war das Altarkreuz für die Zukunft liturgischer Ausstattungs-
gegenstand des Altars in vollem Sinne geworden und ist es das noch heute.
Den Riten des Ostens ist ein Altarkreuz von der Art und im Sinne desjenigen
des römischen Ritus unbekannt, soweit sie nicht etwa infolge ihrer Wiederver-
einigung mit Rom es gleich anderm aus diesem herübernahmen, wie es z. B.
die Maroniten taten. (61) Im griechischen Ritus steht ein Kreuz vor dem Altar
auf der Bilderwand, die den Altarraum nach dem Schiff der Kirche zu ab-
schließt, auf dem Altar aber liegt nur ein kleines Handkreuz.
DKITTES KAPITEL
MATERIELLE RESCHAFFENHEIT DES ALTARKREUZES
Nach dem Caeremoniale episcoporum soll das Altarkreuz aus dem gleichen
Material bestehen, wie die Altarleuchter, an Festtagen daher wie diese aus Sil-
ber, Messing oder vergoldetem Kupfer. (1) Über den Stoff, aus dem es an ge-
wöhnlichen Tagen sein soll, sagt dasselbe nichts. Gemäß der Instructio fabricae
ecclesiae des heiligen Karl soll das Kreuz des Hochaltars an Festtagen in den
Kathedralen und in den Stiftskirchen aus Goldblech oder aus Silber, an son-
stigen Tagen aus vergoldetem Messing angefertigt sein. In den Pfarrkirchen
soll das Kreuz des Hochaltars aus Silber oder vergoldetem Messing bestehen,
das der Nebenaltäre derselben kann jedoch aus Holz hergestellt werden, es muß
aber in diesem Fall bemalt und vergoldet sein. (2) Dem Ornatus ecclesiasticus
Myllers zufolge kann das Altarkreuz aus Gold, aus Silber, aus vergoldetem
Kupfer, doch auch aus vergoldetem Holz bestehen. (3) Die Synode von Avignon
des Jahres 15o,£ schreibt lediglich vor, es solle das Altarkreuz aus irgend einem
angemessenen Material gemacht sein, (4) die Prager von i6o5 will, daß es
wenigstens von Bronze sei. (5) Das sind die einzigen aus nachmittelalterlicher
Zeit vorliegenden kirchlichen Bestimmungen über das Material des Altarkreuzes.
Nur die des Caeremoniale episcoporum hat allgemeinere Bedeutung; die übri-
gen waren nur partikularrechtlicher Natur.
Aus Gold dürfte das Altarkreuz in nachmittelalterlicher Zeit nur äußerst
selten angefertigt worden sein. Häufiger entstanden Altarkreuze aus Silber, die
indessen meist nur an Festtagen und bloß auf dem Hochaltar zur Verwendung
zu kommen pflegten. Beispiele haben sich noch manche erhalten. Aber auch
in den nachmittelalterlichen Inventaren ist nicht selten von silbernen Altar-
kreuzen die Rede. So verzeichnet ein Inventar der Pfarrkirche zu Elbing von
i544 und der Pfarrkirche zu Seeburg von i5q7 zwei derselben, (6) ein Inventar
der Schloßkirche zu Alienstein von i58i und der Pfarrkirche zu Rössel von 1Ö97
je eines, (7) ein Inventar der Peter-und-Paulskirche zu Heilsberg drei, (8) die
Breslauer Visitationsberichte aber erwähnen beispielsweise silberne Kreuze zu
(61) Vgl. die Synode auf dem Libanon von 1736, c. 13, n.8 (Collect. Lac. II, 214).
(1) L.l, c.12, n.ll. (2) AA. EccI. Mediol. 624. (3) C.72, S. 130. (4) H. X, 50.
(5) C.12 (Hartzh. VIII, 690). (6) Hipi.er 6, 77. (7) Ebd. 42, 68. (8) Ebd. 59.
DRITTES KAPITEL. MATERIAL 475
Goldene Kreuze entstanden bis zum I.S.Jahrhundert in ungemein großer Zahl. Kaum
eines der Inventare der vorausgehenden Zeit, das nicht eines oder mehrere derselben auf-
wiese. Das Inventar des Klosters Martinsberg von ca. 1090 verzeichnet sogar 10 cruces
(9) Jl'NGnitz, I, 76, 231; II, 13, 15. (10) Essenwein, Anh. XXXIII.
(11) Abb. bei WEisfiARTNEB, 278.
476 VASA NON SACRA. ZWEITER ABSCHNITT. DAS ALTARKREUZ
aurcae Iapidibusque pretiosis optime comptae. (12) Es waren die Goldkreuze allerdings
vornehmlich Reliquien kreuze und Prozessionskreuze. In welcher Zahl sich unter ihnen auch
Altarkreuze im Sinne der ersten Entwicklungsstufe sowie seit dem n. Jahrhundert solche
der zweiten befanden, läßt sich nicht bestimmen.
In den Inventaren des späteren Mittelalters werden in auffallendem Gegensatz zu denen
der vorausgehenden Zeit Kreuze aus Gold im ganzen nur selten mehr erwähnt. Ausdrück-
lich wird ab Altarkreuz bezeichnet ein Goldkreuz im Inventar Karls V. von Frankreich von
1370, während es bei anderen goldenen Kreuzen des gleichen Inventars unentschieden blei-
ben muß, ob wir in ihnen Altarkreuze zu sehen haben. Sie mögen indessen Altarkreuze für
die Festtage gewesen sein, da jenes in dem Inventar croix cothidienne genannt wird, also
Alltagskreuz: Item une croix d'or cothidienne, qui est pour le grand autel et est d'ancienne
facon et un crueifix, qui a une couronne en la teste, en laquelle a huit perles. Der Fuß
des Kreuzes bestand wie der der meisten andern im Inventar aufgeführten Goldkreuze aus
Silber. (13) Um ein Altarkreuz dürfte es sich auch handeln bei einem goldenen Kreuz, das
im Inventar des Apostolischen Stuhles von iao5 mit den Worten verzeichnet ist: Item unam
crueem de auro cum crueifixo relevato et 6 smaragdis et 2 granatis, 9 perlis et pluribus
aliis lapillis parvis . .. item pedem ipsius crucis rotundum cum !\ brancis et literis, labora-
tum ad bolinum (Gravierung) et nigcllum (Niello). (14) Ein Trag- oder Reliquienkreuz
war dasselbe jedenfalls nicht. Ebenso werden wir wohl als Altarkreuz anzusprechen haben
die crux de auro, cum imagine beatae Mariae et ymaginibus Adae et Evae in pede et cum
aquila alba in capite eiusdem, die unter den Kreuzen, anscheinend Altarkreuzen, im Inven-
tar des Kings College zu Cambridge von iÄ5a aufgeführt wird. (15) Übrigens war, wie
mehrere noch vorhandene mittelalterliche Goldkreuze zeigen, oft nur deren Vorderseite aus
Gold hergestellt, während ihre Rückseite und die diese mit jener verbindenden Zarge da-
gegen aus vergoldetem Silber oder Kupfer bestanden. Der Untersatz der Goldkreuze war
nur ausnahmsweise aus Gold gemacht, wie %. B. bei einem Kreuz, von dem im Inventar des
Laurentiusklosters zu Lüttich von n34 die Rede ist. (16)
Gern wurden die Kreuze im Mittelalter aas Silber angefertigt. Die mittelalterlichen
Inventare bekunden das. Weitaus die meisten Kreuze, von denen wir in ihnen hören,
werden als aus Silber bestehend bezeichnet und zwar verhält es sich so nicht bloß in den-
jenigen späterer Zeit, sondern auch in denen der früheren. Selbst in Inventaren kleinerer
Kirchen begegnen uns Kreuze aus Silber. Was sich an silbernen Kreuzen aus dem Mittel-
alter erhalten hat, gibt uns kein genügendes Bild von dem Umfang, in welchem damals
Silber zur Herstellung von Kreuzen aller Art, auch von Altarkreuzen, verwendet wurde.
Sind dieselben doch nur ein äußerst geringer Bruchteil aller silbernen Kreuze, die im
Mittelalter entstanden. Als Altarkreuz wird nur sehr selten ausdrücklich eines der silbernen
Kreuze in den Inventaren gekennzeiclmet, wie z. B. eines der im Inventar Karls V. aufge-
führten: Item la croix de l'autel aux confesseurs, laquelle es d'argent, doree, assise sur un
entablement carre, seant sur quatre lvonceauls et tout autour dudit entablement une Iice
d'esmail d'oiseaulx et de bestes, pesant 8 marcs, 6 onces (17) und in einem Inventar von
St. Peter zu Rom von \t\h'.\: Crux de argento parva cum pede de argento, quae stat in saen-
stia pro altari conventuali. (18) öfters werden in den Inventaren die aus Silber gemachten
Kreuze als vergoldet bezeichnet.
In welcher Zahl Kreuze aus Bronze, Kupfer und Messing im Mittelalter entstanden,
darüber geben uns die Inventare keinen Aufschluß. Nur vereinzelt werden Kreuze dieser
Art in ihnen aufgeführt, wie z.B. in einer Schenkung Alfons'III. von 891, (19) im Testa-
(12) Mitt. V (1860) 350. (13) Labarte 42. Nach der Beschreibung, die das Inventar
von dem gleichfalls als d'ancienne forme charakterisierten Fuß gibt, scheint das Kreuz
eine ArbeU des frühen 13. Jahrhunderts gewesen sein. (14) Bibl. XLIII (1882) 642.
(15) The Ecclesiologist XXI (1860) 5. (16) J. Helbig, La sculpture an pays de Liege
(Brugesl890) 8. (17) N. 852 (Labvhte 112); ebenso n. 845 (ebd. 112) und n. 2321 (ebd.253).
(18) Mt:stz 90. (19) Fi.ohkz XXXVII, 339: Duas cruces, unam argenteam et aliam
DRITTES KAPITEL. MATERIAL 477
ment des Bischofs Genadius von Astorga (-{■ um g3o), (20) im Inventar der Abtei Martins-
berg von ca. 1190, (21) von St-Aubain zu Namor von 1218 (22) und von Heylesbury von
1220, (23) im Inventar von St. Georg zu Köln von ca. 1/1O0, (24) des Domes zu Prag von
i355 (25) sowie des Sicardus Alaman, Ministers des Grafen Kaymund VII. von Toulouse
von 1280. (26) Aus Kupfer gemacht waren auch die Kreuze de esmali (mit Email ge-
schmückte Kreuze), mit denen der Allerheiligenaltar, der Magdalenenaltar und der Altar
des heiligen Thomas Becket in der Kathedrale von Sarum zufolge dem Inventar von 122a
ausgestattet waren, (27) aus Messing nach einem Inventar von i£36 die Kreuze der Neben-
altäre der Stiftskirche zu Montpezat. (28) Indessen gilt auch hier, daß, wie schon anderswo
gesagt wurde, erstens in den Inventaren gewöhnlich nur Stücke von Wert verzeichnet worden,
und daß zweitens gerade von den kleineren Kirchen, die vielfach nicht im Stande waren,
ein Kreuz aus Silber zu beschaffen, die also sich mit einem solchen aus geringerem Material
l>egnügen mußten, Inventare nur in sehr kleiner Zahl vorliegen. In Wirklichkeit werden
Kreuze aus Bronze, Kupfer und Messing häufig gewesen sein. Insbesondere waren aus ver-
goldetem Kupfer gemacht die mit Email geschmückten Kreuze, Tragkreuze und Altar-
kreuze, die von Limoges aus im iS. Jahrhundert ihren Weg allenthalben in die Welt hinein
nahmen, wie noch manche derselben, die sich bis heute vollständig oder in Bruchstücken
erhalten haben, bekunden (Tafel 89). Ebenso bestehen die mit Email ausgestatteten ver-
goldeten Kreuze, die aus den Werkstätten der rheinischen und der Maas-Goldschmiede des
späten 12. und des i3. Jahrhunderts hervorgingen, aus Kupfer. Aber auch von den sonstigen
Kreuzen, Prozessions-, lleliquien-, Pazifikal- und Altarkreuzen, sowie den Überresten von
Kreuzen, zumal Figuren des Gekreuzigten und Standern, die sich aus dem Mittelalter gerettet
bähen, ist ein großer Teil aus Kupfer, Bronze und Messing gemachte. Kupferne Kreuze
wurden stets vergoldet oder doch, wenngleich seltener, versilbert, Kreuze aus Bronze oder
Messing oft.
Zwei aus Kristall gemachte Kreuze werden schon im Verzeichnis der von Theobald, dem Abt
des Erlöserklosters zu Chieti, 1019 für seine Kirche beschafften Gegenstände erwähnt. (29)
Auch in der Folgezeit hören wir noch mehrfach von Kreuzen dieser Art. So finden sich
solche beispielsweise aufgeführt in einem Inventar der Hauptkirche zu Barbastro von
i325 (30) und des Prager Domes von i355, (31) im Inventar von S. Francesco zu Assis«
von 1370, (32) der Schloßkapelle zu Giroussens von i/(r3, (33) von St. Peter zu Korn von
i45/i, (34) der Kathedrale zu York von ca. röoo (35) u. a. Von einem Kreuz aus Jaspis,
allem Anschein nach ein Altarkreuz, hören wir im Inventar des Herzogs Jean von Berry von
i^oi, (36) von einer crux de coralio, super quam est posita ymago Crucifixi de argento cum
pede de argento deaurato, gleichfalls einem Altarkreuz, im Inventar von S. Francesco zu
Assisi von 1870, (37) von einer crux de diaspro (Jaspis) cum ferro intus cum pomo in pede,
im Inventar von S. Peter von i*454. (38) Kristallkreuze haben sich noch in erheblicher Zahl
aus dem Mittelalter erbalten. Es handelt sich bei ihnen zumeist um Reliquien- und Pro-
zessionskreuze. Als Altarkreuze mögen z. B. gedient haben ein Kristallkreuz im Dom zu
(20) Yepez, Coronica generallV, fo. 443 b; Signum (Glocke), crucem et lucernam aeream.
(21) MittV (1860) 350: Tres hereae (cruces) deauratae.
(22) Analectes pour servir ä l'hist. eccl. de Belgique I (Löwen 1864)) 65: Crucifixus
cupreus deauratus cum Maria et Joanne. (23) Joses, Reg. I, 294: 2 cruces argento cooper-
tae et una de cupro. (24) Book, S.Jakob 11; Item crux magna cuprea cum pede suo.
(25) Pom.AHA,App.XVI: Item 4cruces cupreae; item 4cruces cupreae. (26) RevueXLl
(1892) 414: 2 cruces de lato de opere Lemovicensi. (27) Jomss, Reg. II, 139 f.
(28) BulL archdol. de la Soc. archeol. de Tarn-et-Garonne V (1877) 179.
(29) Vgl. oben S. 469. (30) Florez XLVIII (Madrid 1862) 226. (31) Podlaha, App. XVI:
Tres cruces cristallinae, duae pulchrae et duae rüdes. (32) Arch. Franc. VII (1914) 296:
Alia crux de crystallo, ornata argento, de opere veneto, cum ymagimbus Salvatoris, b. V.
ai r*ae et h. loannis evangelistae cum pede eiusdem operis, nach dem Zusammenhang ein
Altarkreuz. (33) Revue XLI (1892) 500: 1 crucem de cristallo, 2 candelabra metalli; auch
hier handelt es sich zweifelsohne um ein Altarkreuz. (34) Müsxz 90: Crux de cristallo cum
Pede de argento; crux de cristallo rotunda; crux de cristallo cum crucifixo in medio smal-
***<»• (35) Raine 218. (36) Geiffkey II, 98. (37) Arch. Franc, a. a. O. (36) Müntz 90.
478 VA&A fiÖS SACRA. ZWEITER ABSCHNITT. DAS ALTARKREUZ
Brixen, (39) ein Kristallkreuz im Historischen Museum zu Basel, (40) sowie vielleicht
auch zwei Kristall kreuze im Schatz der Stiftskirche zu Tongern. (41)
Inwieweit die Kreuze, und zwar insbesondere das Altarkreuz, im Mittelalter aus Höh
gemacht waren, läßt sich nicht feststellen. Aus Holz bestand das Altarkreuz nach dem ur-
sprünglichen Brauch der Zisterzienser. (42) Aber auch sonst wird dasselbe, und zwar nicht
bloß in ärmeren Kirchen, häufig aus Holz angefertigt gewesen sein.
VIERTES KAPITEL
FORMALE BESCHAFFENHEIT DES ALTARKREUZES
Das Altarkreuz, wie es heute allgemein formal beschaffen ist, besteht aus
zwei Teilen, dem eigentlichen Kreuz und einem Ständer, der seine Aufstellung
auf dem Altar ermöglicht.
Ein Hangekreuz, wie es auf der ersten Entwicklungsstufe des Altarkreuzes als solches
verwendet worden war, bedurfte eines Untersatzes nicht und war auch nicht mit einem
solchen ausgestattet, mochte es nun in der Mitte eines Kronreifens, regnum, Corona genannt,
oder ohne solchen über oder vor dem Altar aufgehängt sein. War das Altarkreuz neben
oder, wie es noch in späterem Mittelalter nicht selten vorkam, hinter dem Altar auf einer
Stange, einer Säule oder einem Pfeiler, die über den Altar hinausragten und in die es oben
befestigt war, aufgestellt, brauchte es ebenfalls nicht mit einem Ständer ausgestattet zu
werden, da die Stange, die Säule oder der Pfeiler in diesem Falle seinen Träger bildeten,
und nicht anders verhielt es sich, wenn es, wie das seit dem za. Jahrhundert des öfteren
der Fall war, oben auf dem Retabel des Altares angebracht war — frühe Beispiele bieten
das Retabel aus Broddetorp im Museum zu Stockholm, die Retaheln aus Odder (Tafel 88)
und Lisbjerg im Nationalmuseum zu Kopenhagen und das Retabel zu Salil in Jütland —. (1)
Wurde dagegen das Kreuz auf die Altarmerisa gestellt, so mußte es mit einem Ständer ver-
sehen werden.
Das Kreuz dem Ständer so einzufügen, daß es von ihm abgenommen werden
konnte, brachte, wie gesagt, den Vorteil, daß das gleiche Kreuz zu zwei ver-
schiedenen Zwecken verwendet werden konnte, ihm aufgesetzt als Altarkreuz,
einer Tragstange aufgesteckt als Prozessions- und Vortragskreuz. Kreuz und
Ständer so miteinander zu verbinden, daß jenes aus diesem herausgenommen
werden konnte, war darum schon im Mittelalter vielfach üblich. Crux super
altare ponenda est, et eam inde tollit baiulus crucis, belehrt uns Durandus. (3)
Item ein vergülter fuß pro bona cruce; item ein schlechter fuß pro cruce domi-
nicali, heißt es in einem Inventar des Baseler Münsters von 1B11. (4) Noch die
Instructio fabricae ecclesiae des heiligen Karl Borromäus und der Regens-
burger Generalvikar Myller kennen den Brauch, doch brauchte nach jener nur
das Kreuz des Hochaltares so eingerichtet sein, daß es aus seinem Ständer her-
ausgenommen und als Vortragskreuz bei Prozessionen und anderen kirch-
lichen Verrichtungen verwendet werden konnte, nicht das der Nebenaltäre.
Myller aber hat seiner deutschen Ausgabe des Ornatus ecclesiasticus zwei Dar-
stellungen eines vom Ständer abnehmbaren Altarkreuzes als Vorbilder einge-
t (Bild a5, 27). Übrigens dürfte der Brauch das 16. Jahrhundert nicht lange
31. (4) Mittb. der Gesellschaft für vaterländische Altertümer in
480 VASA ÄÖ» SACRA. ZWEITER ABSCHNITT. DAS ALTARKREUZ
überdauert haben. In der Folge hören wir nicht mehr von ihm. Bei den Altar-
kreuzen des Barocks erscheinen Kreuz und Fuß stets in der Weise miteinander
verbunden, daß ein Abnehmen des Kreuzes nicht mehr möglich ist.
i. Der Ständer romanischer Kreuze bestand aus einem bald drei- oder vier-
seitigen, bald runden Fuß und einem hier niedrigen, dort höheren Schaft.
Wenn drei- oder vierseitig, hatte der Faß die Form einer Pyramide, wenn
rund, Kalotten- oder Glockenform. Ein Altarkreuz mit dreiseitigem Fuß ist
dargestellt auf dem um noo entstandenen Tragaltar im Dom zu Paderborn,
auf der schon erwähnten Miniatur des Wyscherader Evangeliars, (5) dem Wid-
mungsbüd einer Handschrift von etwa 115o in der Staatsbibliothek zu Mün-
chen und dem Limoger Reliquienschreinchen zu Mozac. Dreiseitig ist auch der
Fuß einiger der romanischen Kreuzständer, die sich bis heute erhalten haben,
wie z. B. eines Kreuzständers im Nationalmuseum zu Pest, im Bayerischen Na-
tionalmuseum zu München, im Kunstgewerbemuseum zu Düsseldorf, im Dom
zu Mainz, in der ehemaligen Fürstlich Hohenzollerischen Sammlung zu Sigma-
ringen, in der Sammlung des Priesterseminars zu Freising (Tafel 89), im
Viktoria-und-Alhert-Museum zu London (Tafel 88), (6) im Schloßmuseum zu
Berlin (Tafel i44) (7) und im Dom zu Trier, eines Gegenstücks des Berliners.
Von drei Löwen, die gegen eine Kugel, die das Kreuz trägt, anspringen, wird
gebildet der Ständer eines Kreuzes im ehemaligen Weifenschatz. (8) Vierseitig
ist der Fuß eines romanischen Kreuzständers in der Kreuzkirche zu Hildes-
heini, (9) zu Haus Offer bei Münster (Tafel i44), (10) in der Klarakirche zu
Basel, (11) im Dom zu Ghur sowie ein aus der Michaelskirche zu Lüneburg
stammender Kreuzständer im Weifenmuseum. (12) Einen runden Fuß zeigt
ein zwischen Leuchtern dargestelltes Kreuz auf dem Grabstein des Sakristans
Hugo von St-Victor von 1225 im Borelymuseum zu Marseille sowie ein an-
scheinend auf einem Altar stehendes Kreuz im Psalter der Königin Blanka. (13)
Rund ist auch der eines Kreuzständers im Museum zu St-Omer (Tafel i44), (14)
im Schloßmuseum zu Berlin, in der Stiftskirche zu Fritzlar, (15) im Dom zu
Pisa, (16) des Ständers des Weifenkreuzes im ehemaligen Weifenschatz (17)
sowie des 1888 zu Brüssel ausgestellten Kreuzes aus belgischem Privatbesitz zu
Tervueren. (18) EinReliquiar in Gestalt einer auf vier Klauen sitzenden Kirche
mit vierseitigem Mittelturm bildet den Fuß eines Kreuzes im Dom zu Hildes-
heim. (19) Einen andern Fuß von ungewöhnlicher Bildung zeigt ein aus dem
Münster stammendes Kreuz im Historischen Museum zu Basel. Er besteht aus
einer quadratischen, an den Ecken abgerundeten, an den Seiten geschweiften
Platte und einem von dieser aufsteigenden, offenen, viersäuligen Kuppelbau,
auf dessen Scheitel ein mit Blättern besetzter Knauf sitzt. (20)
(5) Vgl. oben S.470. (6) Ein weiteres Beispiel im gleichen Museum ist abgebildet bei
v.Falke, Tfl.75. (7) Abb. bei Swarzenski, Tfl.2. (8) Neumann 104. (9) Abb. bei
Bertram, Tfl. 14. (10) Abb. bei v. Falke, TfL 120. (11) Abb. in Mitth. der Gesellsch. für
vaterländ. Altert, in Basel IX (1862) 8. (12) Mithoff IV, 165. (13) L. Delisle, Notice
de douze livres royaux (Paris 1902) Tfl. VIII. (14) Abb. bei Braun, Meisterwerke I,
Tfl. 51. (15) Abb. bei v. Falke 17. (16) Roh. V, Tfl. 408. (17) Abb. bei Neuman» 63.
(18) Exposit. retrospect., Cat.97. (19) Abb. bei Bertram, Tfl. 5. (20) Abb. in Mitth.
der Gesellsch. für Vaterland. Altert, in Basel X (1867) 13.
VIERTES KAPITEL. FORMALE BESCHAFFENHEIT 481
Unter dem Fuße waren in der Regel drei oder vier kleine, meist Klauen dar-
stellende Stützchen angebracht, gleichviel ob er dreieckig, viereckig oder rund
war. Der Schaft des Ständers war gewöhnlich rund, seltener, wie bei dem Kreuz-
ständer zu St-Omer und dem Ständer des Kreuzes in der Klarakirche zu Basel
vierseitig. War er rund, so war er meist mit einem Nodus versehen. Seine Höhe
war sehr verschieden. Oft bestanden die über und unter dem Nodus angebrach-
ten Schaftstöcke nur aus einem niedrigen Ring. Bei dem aus Lüneburg stam-
menden Kreuzständer im Weifenmuseum, dem Ständer zu Haus Offer und
dessen Gegenstück im Dom zu Chur tragen zwei oben auf dem Fuß stehende
Engel, zwischen denen sich aus einem Sarkophag die Halbfigur Adams erhebt,
den Schaft in ihren Händen. (21) Allerdings mag es sich bei dem einen oder
andern der angeführten Beispiele, wenn nicht gar bei den meisten, nicht sowohl
um den Ständer eines Altarkreuzes als vielmehr um den eines Reliquienkreuzes
oder eines Prunkkreuzes handeln. Allein auch für diesen Fall durfte hier auf
sie verwiesen werden, da ja der Ständer des Altarkreuzes nicht anders gestaltet
war als der sonstiger gleichzeitiger Standkreuze.
Ein anderes Bild als der Ständer der romanischen Kreuze zeigt der der goti-
schen. War ersterer ein Gegenstück zum Fuß der romanischen Leuchter, so
zeigte letzterer gewöhnlich die Bildung des Ständers der gotischen Kelche und
Ziborien, sowie namentlich der gotischen Monstranzen. Wie dieser bestand er
aus Fußplatte, Fußhals und Schaft mit Nodus. Die Fußplatte war mit Zarge
ausgestattet und bald vier- oder sechsseitig (Tafel 89), bald vier-, sechs- oder
achtpaßförmig (Tafel 88, 89). Im ersten Falle wurden unter den Ecken bis-
weilen kleine Stützen, Löwchen oder Klauen, angebracht; die Seiten aber waren
entweder gerade oder nach innen gekrümmt. Im zweiten Fall wurde nicht selten
wie bei der Fußplatte der Kelche, Ziborien und Monstranzen zwischen die Pässe
eine Zacke eingeschoben (Tafelgi), die Pässe selbst aber waren entweder rund
oder kielbogig (Tafel 90, 91). Mit der Platte des Fußes der Monstranzen hatte
die des Fußes der Kreuze häufig gemeinsam, daß auch sie in die Breite gezogen
wurde. Der Hals des Fußes war der Form der Platte entsprechend, bald vier-,
bald sechs-, bald achtseitig, selten rund. Hier niedrig und gedrückt, dort höher,
ja schlank aufsteigend, zeigte er regelmäßig ein mehr oder weniger stark nach
innen gekrümmtes Profil. Von dem Schaft war er gewöhnlich nur durch ein
Simschen geschieden, indessen wurde doch auch wohl zwischen ihn und jenen,
wie bei manchen spätgotischen Kelchen, Ziborien und Monstranzen, ein archi-
tektonisch gestaltetes Zwischenstück eingeschoben. Beispiele bieten das Kreuz
zu Rössel (Tafel 89) und zu Weil der Stadt (Tafel 90). Bloß aus einem Fuß,
wie bei dem Kreuz zu Kleve und zu Neuruppin (Tafelgi), bestand der Ständer
wohl selten. Ebensowenig war eine Verschmelzung des Fußhalses und des Schaf-
tes, wie sie beim Kreuz in der Kathedrale zu Lucca erfolgte (Tafel 89), ge-
wöhnlich.
Der Schaft des Ständers war bald, und zwar am häufigsten, mehrseitig, bald,
und zwar auch bei mehrseitigem Fuß, rund. Der Nodus hatte gewöhnlich die
Form einer abgeplatteten, melonenartig gerippten (Tafel 89, London, Viktoria-
(21) Tafel 144; wegen des Churer Ständers vgl. Rah.n, Gesch. der Kunst in der Schweiz 278.
"^AUN, da8 christliche ALTAUGERÄT 31
482 VASA /VÜ/V SACRA. ZWEITER ABSCHSlTT. DAS ALTARKREUZ
und-Albert-Museum) oder mit Zapfen besetzten Kugel (Tafel 28, Neusohl; Ta-
fel 90, Weil der Stadt, Horb), doch war er auch wohl mehrseitig (Tafel 89,
Lucca; Tafelgr, Wiesensteig). Bei Kreuzen des späten i5. und des frühen
16. Jahrhunderts ist er, wie bei den gleichzeitigen Kelchen und Monstranzen,
des öfteren durch eine kapellenartige Architektur ersetzt. So bei einem Kreuz
im Dom zu Salzburg (Tafel 91), in der Pfarrkirche zu Dirschau in Westpreußen
und zu Gutstadt im Ermland, im Dom zu Brixen, in der protestantischen Pfarr-
kirche zu Heitau in Siebenbürgen, in der Pfarrkirche zu Burghausen in Ober-
bayern u. a. Ein Kreuz in der Pfarrkirche zu Rössel im Ermland zeigt über der
untern noch eine zweite, kleinere Kapelle (Tafel 89). Die Verbindung des Schaf-
tes des Ständers mit dem Kreuze läßt meist zu wünschen übrig. Ihn organisch
zu diesem überzuleiten, ist nur selten versucht worden. In der Regel ist das
Kreuz dem Schaft lediglich aufgesetzt. Höchstens, daß man es aus einem Kranz
stehender Blätter, mit dem man das obere Ende des Schaftes umgeben hatte,
herauswachsen ließ. Bei dem vorhin genannten Kreuz zu Rössel verdeckt die
Halbfigur eines Engels den Ansatz des Kreuzes. Das Unorganische der Verbin-
dung von Schaft und Kreuz macht sich besonders dann geltend, wenn das Kreuz
auch am unteren Ende des Vertikalbalkens ein Endstück zeigt. Bei dem Kreuz
in der Pfarrkirche zu Kleve ist der Vertikalbalken über sein unteres Ende ver-
längert worden (Tafel 91), wohl als Ersatz für den fehlenden Schaft.
Der Kreuzständertypus, wie ihn die Gotik geschaffen hatte und wie er bis in die späteste
Zeit derselben herrschend blieb, behauptete sich überall da, wo die Gotik tiefe Wurzeln ge-
schlagen hatte, auch noch lange nach dem Auftreten der Renaissance. Wie es sich mit dem
Fuß des Kelches, des Ziboriums und der Monstranz in dieser Beziehung verhielt, so auch
mit dem des Altarkreuzes. Es wandelte sich nur der Stil, nicht der Typus. Selbst bei Kreuzen
aus der Zeit des Barocks begegnet uns dieser noch bisweilen, wie z. B. bei einem Altarkreuz
im Dom zu Salzburg (22) und im Schnütgenmuseum zu Köln (Tafel 93). Wohl zeigt der
Hals des bei beiden noch immer vierpaßförmigen Fußes im Profil nicht mehr die Form
einer Kehle, sondern eines Karnies und er bat darum nicht mehr die Gestalt eines umge-
kehrten Trichters, sondern einer Glocke. Auch ist aus dem Schaft und dem Nodus bei ihnen
die uns von den Barockkelcben her so bekannte Vase geworden. Als Ganzes aber hält der
Fuß trotz diesem Wandel in der formalen Bildung noch immer unverkennbar am Typus des
gotischen Fußes fest. Und doch entstammt das Salzburger Kreuz erst dem Jahre 1715.
Freilich ist der Typus des gotischen Ständers bereits im 16. Jahrhundert nicht
mehr der einzige. Denn es traten schon damals unter dem Einfluß der Renais-
sance zwei neue Typen neben ihn, die dann in der Folge die herrschenden wur-
den. Der Ständer des ersten besteht lediglich in einem bald runden, bald vier-
eckigen, bald geschweiften Sockel, der in der Zeit des späten Rokokos nicht sel-
ten geradezu wildbizarre Formen zeigte. Ein Zwischenglied zwischen Sockel und
Kreuz fehlt. Es sitzt dieses deshalb mit dem unteren Ende seines Vertikalbalkens
unmittelbar auf dem oben bald flachen, bald mit Erhöhung versehenen Sockel.
Ein früheres Beispiel eines Altarkreuzes mit vierseitigem Sockel findet sich in
der Academia zu Lissabon (Tafel 9a), ein etwas jüngeres der gleichen Art,
das dem späten 16. Jahrhundert entstammte, sowie zwei Altarkreuze mit run-
(22) Abb. bei Weingartner 277.
VIERTES KAPITEL. FORMALE BESCHAFFENHEIT 483
dem Sockel aus derselben Zeit gab es vordem in der St. Michaelskirche zu Mün-
chen. (23)
Der aus drei- oder vierseitigem, seltener rundem Fuß und hohem, mannig-
faltig gegliedertem Schaft sich zusammensetzende Ständer des zweiten Typus
war einem Renaissance- oder Barockleuchter nachgebildet, von dem er sich nur
dadurch unterschied, daß er der Kerzenschale entbehrte. Altarkreuze mit einem
Ständer dieser Art entstanden schon im 16. Jahrhundert, wie das Altarkreuz des
Hochaltars der Certosa bei Pavia (Tafel 108) und die Abbildung eines Altar-
kreuzes in der deutschen Ausgabe des Ornatus ecclesiasticus (Bild 26) bekunden.
Ein gutes Beispiel aus dem frühen 17. Jahrhundert bietet das Kristallkreuz in
der Schloßkirche zu Aschaffenburg (Tafel 102). Besonders beliebt wurden Al-
tarkreuze mit Ständer, der den zugehörigen Altarleuchtern gleich oder doch
angeglichen war, in der Zeit des Barocks (Tafel 108, Porto; 109, Frauenburg).
Der Fuß des Ständers war bei diesen Barockkreuzen im Unterschied von dem
der zu ihnen gehörenden Barockleuchter vielfach nicht drei-, sondern vierseitig.
2.Das Kreuz hatte,soweit es als Altarkreuz verwendet wurde, schon im 11 .Jahr-
hundert, wenn auch nicht ausschließlich, so doch vorherrschend die Form einer
crux oblonga, d. i. eines Kreuzes mit nach unten verlängertem Vertikalbalken,
nicht die einer crux quadrata, eines Kreuzes mit vier gleichlangen Armen. Zeigen
doch auch die Prozessions- und Reliquienkreuze seit dieser Zeit meist die Form
der crux oblonga. Seit dem i3. Jahrhundert ist diese beim Altarkreuz für alle
Zukunft die Regel. Kreuze in Gestalt der sogenannten Patriarchalkreuze, das sind
Kreuze mit doppeltem Querbalken, einem längeren unteren und einem kürzeren
oberen, deren sich noch verschiedene aus dem Mittelalter erhalten haben, dürf-
ten wohl kaum als Altarkreuze verwendet worden, sondern nur Reliquienkreuze
gewesen sein. Sind sie doch auch in der Regel nicht mit einer Figur des Gekreu-
zigten versehen.
Eine Eigentümlichkeit der Kreuze vorromanischer Zeit war, daß ihre Balken
sich nach dem Ende zu schaufelartig zu verbreitern pflegten, was darum auch
bei jenen Kreuzen der Fall gewesen sein wird, die damals als Altarkreuz — im
Sinne der ersten Entwicklungsstufe desselben — gedient haben werden. Bei den
romanischen Kreuzen verliert sich die schaufeiförmige Verbreiterung der Bal-
kenenden bald. An ihre Stelle tritt ein die Balken an Breite überragendes, recht-
eckiges, quadratisches oder trapezförmiges Abschlußstück, das den Balken-
enden bald lediglich wie äußerlich angefügt erscheint, bald durch eine Schräge
oder eine Kehle oder sonst eine seitliche Profilierung zu den Balken übergeleitet
wird. Die Tragkreuze, wie die Standkreuze, die sich aus dem 11., 12. und
10. Jahrhundert erhalten haben, bieten für alles das reichlich Belege. (24) Die
Gotik behielt die Abschlußstücke bei, gab ihnen aber Scheiben-, Dreipaß-,
Hauten- und Lilienform, letztere namentlich in Frankreich und Spanien, und
besetzte sie an den Kanten mit einer Folge von Krabben, mit zierlichen Zacken-
,, (23) Abb. der sehr bemerkenswerten Kreuze, von denen ursprünglich zwei in je zwei
Exemplaren vorhanden waren, bei L. Gmei.in, Alte Handzeichnungen nach dem verlorenen Kir-
chenschatz der St.Michaels-Hofkirche (Münehenl888)Tfl.VIII. (24) Vgl. z. B. Br*un, Mei-
aterwerke I, Tfl. 13, 15, 16, 17, 23, 42 und verkümmert Tafel 89 (Freising, Priesterseminar).
484 VASA XON SACRA. ZWEITER ABSCHNITT. DAS ALTARKREVZ
kämmen, mit Blattwerk, Knäufchen oder Perlen. Bei den Altarkreuzen geschah
letzteres allerdings nicht in dem Ausmaß und so häufig, wie bei den Prozes-
sionskreuzen. Stets fehlen jedoch die Abschlußstücke bei Kreuzen, deren Stamm
und Arme naturalistisch gebildet sind.
Auch in nachmittelalterlicher Zeit fuhr man fort, die Balken der Kreuze mit
einem Abschlußstück auszustatten. Von den Formen, die es in der Gotik gezeigt
hatte, erhielt sich bei ihm am längsten und reinsten die des Dreipasses (Tafel g3.
Schnütgenmuseum). Eignet sie ihm doch selbst noch bei Kreuzen des frühen
18. Jahrhunderts. Immerhin weist es schon im 16. Jahrhundert, zumal bei ita-
lienischen Kreuzen, neue freiere Bildungen auf (Tafel 108, Certosa bei Pavia),
die nicht oder kaum mehr an die herkömmlichen Formen erinnern und in der
Folge dann bei ihm das Gewöhnliche werden. Bei Kreuzen des Barocks, zumal
des Spätbarocks, besteht es nicht selten bloß in durchbrochenem Schnörkel-
werk, das man den Enden der Balken angesetzt hat. Im Ornament, mit dem man
bei reicheren Kreuzen die Abschlußstücke an den Kanten auszustatten liebte,
kam schon im 16. Jahrhundert an Stelle der Gotik die Renaissance zur Herr-
schaft.
Seit dem i3. Jahrhundert gestaltete man die Balken des Kreuzes nicht seilen
naturalistisch, indem man ihnen die Gestalt runder, mit Aststumpfen oder
Blattwerk besetzter Baumstämme gab. Man wollte dadurch das Kreuz als den
Baum des übernatürlichen Lebens kennzeichnen.
Ein sehr frühes, aus der Sammlung Sollikow herrührendes Standkreuz dieser Art, auf
dessen Fuß die Figuren der drei Erzengel sitzen, eine Arbeit aus der ersten Hälfte des
i3. Jahrhunderts deutschen Ursprungs (Tafel 89), besitzt das Viktoria-und-Albert-Museum
zu London. Dem späten Mittelalter entstammt ein Standkreuz der gleichen Art im Dom
eu Salzburg (Tafel 91), zu Neusohl in Ungarn (Tafel 88), in der Pfarrkirche zu Neuruppin
(Tafel 91) und zu Rössel (Tafel 89) sowie im Dom zu Lucca (Tafel 89). Beim Salzburger
in leichter Krümmung ansteigend, sind die Arme beim Neuruppin er segmentförniig und
am Ende mit einer rosettunartigen Blume verziert. (25) Beim Kreuz zu Neusohl verlaufen
sie horizontal und zeigen an den Enden einen Kranz von Blättern. Die Arme des Kreuzes
zu Rössel krümmen sich nach oben; statt mit Aststumpfen sind sie gleich dem Vertikal-
balken mit Zweigen, die Blätter umschließen, besetzt; auf ihren Enden wie auch oben auf
dem Vertikalbalken sitzt eine Blume. Ein Prachtstück ist das Kreuz in der Kathedrale zu
Lucca. Vom Vertikalbalken gehen beiderseits Blumen und Blätter aufweisende Zweige aus;
die geschweift nach unten gekrümmten Arme sind dicht mit Blättern umkleidet. Oben
auf dem Vertikalbalken, unten unter ihm und auf den Enden der Arme ist eine offene mit
Kuppeldach abschließende Laube angebracht, die die Halbfigur je eines der Evangelisten
enthält. Auf zwei mit Blättern besetzten Armen, die von der unterhalb des Vertikalbalkens
sich findenden Laube nach rechts und links herauswachsen, stehen Statuetten der Schmer-
zensmutter und des heiligen Johannes Ev. Zu dem prunkvollen Reichtum des Kreuzes
stehen der schlichte, mit feinem ziseliertem Rankenwerk geschmückte sechsseilige Fuß und
der schmucklose, horizontal in drei Glieder geteilte Nodus in allzu starkem Kontrast.
3. Mit einer plastischen Figur des Gekreuzigten war bis zur Wende des ersten
Jahrtausends das Altarkreuz, wie in der Regel das Kreuz überhaupt, nicht aus-
gestattet. Es ist ein ganz vereinzelter Fall, wenn das Papstbuch von einem Kreuz
mit Kruzifixus berichtet, das Leo HL in St. Peter bei dem Hochaltar aufgestellt
habe. (26) Seit etwa dem Beginn des zweiten Jahrtausends wurde es dann aber
(25) Vgl. auch Kd. von Brandenburg, Kr. Ruppin, Tfl. 17. (26) Drcii. L. P. II, 13.
VIERTES KAPITEL. FORMALE BESCHAFFENHEIT 485
immer mehr und immer allgemeiner Brauch, die Kreuze mit einem plastischen
Bilde des Gekreuzigten zu versehen.
Frühe Beispiele bieten das silberne Bernwardskreuz im Dom zu Hildesheim, das Kreuz
der Äbtissin Mathilde (-j- ioii) in der Münsterkirche zu Essen und das Giselakrcuz in der
Reichen Kapelle zu München. (27) Auch ein Inventar des Laurent!usklosters zu Lüttich
von u34 weiß uns bereits von zwei Kreuzen mit einem Kruzifixus zu berichten und zwar
waren das bemerkenswerter weise Standkreuze. (28) Im i a. Jahrhundert war der "Brauch
bereits sehr verbreitet, wie die zahlreichen Kreuze und von ihrem Kreuze losgelösten Fir
guren des Gekreuzigten, die sich aus ihm erhalten haben, beweisen. Es waren aber zweifeL-
los nicht bloß Prozessionskmize, die man mit einem Kruzifixus ausstattete, sondern auch,
ja namentlich das Kreuz, das man bei der Messe auf den Altar setzte. Bediente man sich
ja doch auch der Prozessionskreuze als Altarkreuze, sei es, daß man sie hinter dem Altar
aufstellte, sei es, daß man sie, nachdem man sie von ihrer Tragstange abgehoben und in
einem Fuß befestigt hatte, auf denselben setzte. Im späteren Mittelalter und erst recht in
nachmittelalterlicher Zeit wies das Altarkreuz regelmäßig eine Figur des Gekreuzigten auf.
Eine ausdrückliche Vorschrift, es mit einem Kruzifixus zu versehen, ist im Mittelalter nie
erlassen worden. Es war auch nicht vonnöten, da das ohnehin allgemein üblich war. Es ist
darum auch nie in den liturgischen Büchern und bei den Liturgikern damaliger Zeit von
dem Kruzifixus des Kreuzes die Rede; stets sprechen sie nur vom "Kreuz und so verhält
es sich auch noch in der Instructio fabricae ecclesiae des heiligen Karl. Begreiflich, verstand
man doch unter einem Altarkreuz ohne weiteres ein Kreuz mit Kruzifixus.
Als vorhanden wird das Bild des Gekreuzigten vorausgesetzt, wenn das Missalc Pius'V.
im Anschluß an den Ordo missae Burkards von Straßburg aus dem Jahre i5o2 in dein Ritus
celebrandi tit. 2, n. a vorschreibt, es solle der Zelebrans nach dem Hintritt zum Altar vor
diesem und dem auf ihn gestellten Kruzifix eine Verneigung machen, wenn das Caere-
moniale episcoporum 1.1, c. 12, n. 11 angibt, wie das Kreuz auf dem Altar aufzustellen
sei, und wenn Benedikt XIV. in einer für die Diözesen des Kirchenstaates beslimmten Kon-
stitution vom 16. Juli 17^6 einschärft, es müsse das Altarkreuz so weit über die neben ihm
stehenden Leuchter herausragen, daß sowohl der Priester wie die dem heiligen Opfer an-
wesenden Gläubigen leicht und bequem den Gekreuzigten zu sehen vermöchten. (29) Aus-
drücklich schreibt Mvllers Ornatus ecclesiasticus vor, es solle jeder Altar wenigstens, wenn
an ihm die Messe gefeiert werde, mit einem an Höhe den nächs(stehenden Leuchtern zum
mindesten gleichkommenden Bilde Christi am Kreuze ausgestattet sein. (80) Von den nach-
niittelalterlichen Synoden sahen sich nur zwei veranlaßt, das gleiche zu bestimmen, die
Synode von Namur des Jahres 1612: In medio candelabrorum semper ponatur crux cum
imagine D. N. Jesu Christi eidem affixi (31) und die Antwerpener von i67|3: Imago cruci-
fixi tempore sacrificii numquam in altari desit. (32)
Zu der Figur des Gekreuzigten gesellten sich schon bei Kreuzen des i3. Jahr-
hunderts bisweilen als Ergänzung Statuettchen der Schmerzensmutter und des
heiligen Johannes Ev. Sie standen auf Armen, die bald unten aus dem Vertikal-
balken selbst nach rechts oder links herauswuchsen, bald hart unterhalb des-
selben angebracht waren. Es waren nicht nur Prozessionskreuze, hei denen man
dem Gekreuzigten die beiden Nebenfiguren hinzufügte; es geschah das auch
bei Altarkreuzen.
In den Inventaren des späteren Mittelalters ist mehrfach von Altarkreuzen dieser Art die
Rede, so in einem Inventar von St-Aubain zu Namur von 1218, (33) im Inventar der Kö-
(27) Braun, Meisterwerke I, Tfl. 14 und 15.
(28) J. Helbig, La sculpture au pays de Liege (Bruges 1890) 8: Crucifixus aureus cum
Pede aureo crucifixus argenteua cum pede argenteo. (29) Bullar. IV (Mechlin. 1826) 272.
(30) C.50, S.94. (31) C. De sacr. alt. (Hartz«. IX 167). (32) Tit.7, n. 19 (ebd. 643).
(83) Analectes pour servir ä l'hist. eecl. de Belgique I (Löwen 1864) 55.
486 VASA NON SACRA. ZWEITER ABSCHNITT. DAS ALTARKREUZ
nigin Klementine, Gemahlin LudwigsX. von i3a8, (34) im Inventar von S.Francesco zu
Assisi von 1870, (35) im Inventar des Herzogs Jean von Berry von laoi, (36) im Inventar
von St-Denis von r5o5 (37) u. a. Aber auch unter den Altarkreuzen, die sich aus dem
Mittelalter erhalten haben, gibt es deren. So in der Pfarrkirche zu Burghausen, (38) im
Dom zu Salzburg (Tafel 91), im Dom zu Brixen, (39) in der Kreuzkirche zu Goyck in
Belgien, in der protestantischen Pfarrkirche zu Heltau in Siebenbürgen, (40) im Viktoria-
und-Albert-Museum zu London (Tafel 89), (41) in der Stiftskirche zu Überlingen, in der
Kathedrale zu Lucca (Tafel 89), sowie in den Kathedralen zu Gerona und Tortosa. (42)
Nicht auf zwei vom Ständer oder Kreuz ausgehenden Armen, sondern auf besonderem, auf
dem Fuß des Ständers angebrachten Untersatz stehen die beiden Figuren bei einem Kreuz
zu Horb. (48)
Der Brauch, beim Altarkreuz der Figur des Gekreuzigten auf Armen oder
Nebenständern Statuettchen Marias und Johannes beizufügen, verschwindet in
nachmittelalterlicher Zeit. Höchstens, daß man in realistischer Auffassung sol-
che neben dem Kreuz auf dessen Sockel anbrachte, wie es z.B. hei zwei /3er
früher erwähnten Kreuze in St. Michael zu München (44) geschah. Doch dürfte
selbst das bei Altarkreuzen nur sehr vereinzelt vorgekommen sein.
Häufig wurde in die Altarkreuze des späteren Mittelalters eine Reliquie des heiligen
Kreuzes, wenn man sich einer solchen erfreute, doch auch andere Reliquien eingeschlossen.
Die Kapseln, in denen sie sich befanden, waren gewöhnlich in der Mitte des Kreuzes und
in den Endstücken der beiden Balken desselben angebracht, seltener in diesen selbst. Von
der Vorderseite des Kreuzes her waren die Reliquien nur ausnahmsweise sichtbar. Von
Reliquiaren in Form eines Standkreuzes unterschieden sich die Altarkreuze, in die Re-
liquien eingelegt waren, durch die an ihrer Vorderseite angebrachte Figur des Gekreuzigten,
durch die sie als Altarkreuze gekennzeichnet wurden. Man bezeichnet allerdings oft auch
sie schlechthin als Reliquien kreuze, doch mit Unrecht. Die Reliquien, die sie enthielten,
waren nur Zugabe. In erster Linie waren diese Kreuze Altarkreuze, wenn sie auch gewöhn-
lich nur an Festtagen als solche zur Verwendung gekommen sein werden.
FÜNFTES KAPITEL
KÜNSTLERISCHE AUSSTATTUNG DES KREUZES
I. SCHMUCKMITTEL
Der beliebteste Schmuck der Kreuze waren bis ins 11. Jahrhundert Edel-
steine und Perlen. Daß auch die Kreuze, die vor, hinter oder über dem Altar
angebracht waren, mit solchen verziert zu werden pflegten, erhellt aus den
früher angeführten Zeugnissen. (1) Geschmückt mit Steinen war übrigens nur
die Vorderseite. So verhielt es sich noch bei den mit Edelsteinen besetzten Kreu-
zen des 10. und 11. Jahrhunderts, wie z. B. die Kreuze im Essener Münster, das
sogenannte Lotharkreuz im Aachener Münster, das Giselakreuz in der Reichen
Kapelle zu München, das Kreuz aus Enger im Berliner Schloßmuseum (2)
(34* Revue XLI (1892) 415. (35) Arch. Francisc. VII (1914) 296. (36) Guiffrey II, 98.
(37) Ohont 19. (38) AJbb. in Kd. von Oberbayern, Tfl. 267. (39) Abb. bei K. Atz,
Kunstaesch. von Tirol, 634. (40) Abb. in Mitt. VI (1861) 149. (41) Das Kreuz ist deut-
scher Herkunft (42) Abb. bei J.Gudiol y Cünill, Les creus d'argenteria a Catalunya
(Barcelona 1920) 68, 96. (43) Abb. bei Pazaurek, Tfl. 21. Der Umstand, daß das Kreuz
auch Reliquien enthalt, ist kein Grund, ihm die Eigenschaft eines Altarkreuzes abzusprechen.
M4) Vgl. oben S. 483.
(1) Vgl. oben S.467. (2) Abb. bei Braun, Meisterwerke, Tfl. 13—17, 42.
FÜNFTES KAPITEL. AUSSTATTUNG. L SCHMUCKMITTEL 487
., (3) Abb. bei Neumass 56, 94, 97. (4) ßibl. XLII (1882) 642. (5) Ann. archfiol. XVIII
(1858) 31. (6) Regest! Clem.V. app. I, 3831. (7) Labarte 38 f, 112 f. (8) Abb. bei
ri?Ats> Meisterwerke I, Tfl. 23. (fl) H. Grisar, Die römische Kapelle Sancta Sanctorum
tfreiburg 1908)62f. mit Abb. (10) Abb. bei Neumans 70. (11) Abb. bei v.Falke, Tfl.75.
488 VASA NO.V SACRA. ZWEITER ABSCHNITT. DAS ALTARKREVZ
In Guß sind hergestellt die mit Rankenwerk, Drachen und anderem Getier so-
wie auch wohl mit Figurenwerk reich ornamentierten Kreuzständer, die sich aus
dem 12. und frühen i3. Jahrhundert erhalten haben, wie zwei Ständer im Dom
zu Chur, sowie je ein Ständer im Dom zu Trier, im Schloßmuseum zu Berlin,
zu Haus Offer bei Münster, in der Klarakirche zu Basel, im Dom zu Mainz, im
Nationalmuseum zu München u. a. (14) Gegossen waren meist auch, wenn aus
Metall, und zwar schon in romanischer Zeit, die Figur des Gekreuzigten, sowie
in der Zeit der Gotik die Figuren der Schmerzensmutter und des heiligen Jo-
hannes Ev., die man bei reicheren Kreuzen nicht selten der des Erlösers zuge-
sellte, sowie sonstiges Figurenwerk, mit dem man solche Kreuze ausstattete, ins-
besondere auch die Evangelistensymbole, die man mit Vorliebe in der Zeit der
Gotik, auf den die Balken des Kreuzes an den Enden abschließenden Zier-
stücken, anbrachte.
Treibarbeit wird erst in nachmittelalterlicher Zeit ausgiebiger zur Verzierung
der Altarkreuze verwendet (Tafel 92, Köln, Schnütgenmuseum).
II. BILDWERK ALS SCHMÜCK DES ALTARKREUZES
Bezüglich der Ikonographie des Altarkreuzes ist wenig zu bemerken. Die
Figur des Gekreuzigten, die wie schon gesagt wurde, erst um die Wende des
ersten Jahrtausends am Kreuze häufiger aufzutreten beginnt, im späten Mittel-
alter aber jedenfalls bei Altarkreuzen kaum je mehr gefehlt haben wird, zeigt
bis ins i3. Jahrhundert Christus bald gestorben, das Haupt geneigt, bald trium-
phierend als Sieger über die Hölle, dann jedoch, und zwar für alle Folgezeit nur
mehr leidend, sterbend oder gestorben als den, der für die Sünden der Welt am
Kreuz zum Sühnopfer wurde. So in der Zeit der Frühgotik und der Spätgotik,
der Renaissance und des Barocks, das Spätbarock nicht ausgeschlossen. Etwaige
Unterschiede in der Darstellung sind lediglich stilistischer Art oder Ausfluß
subjektiver künstlerischer Auffassung; den Typus lassen sie unberührt.
Außer dem Bilde des Gekreuzigten wurde sonstiges Bildwerk am Altarkreuz
stets nur in sehr beschränktem Ausmaß angebracht, nicht bloß, weil das Kreuz
nur wenig Platz für solches bot, sondern auch wohl in dem richtigen Empfin-
den, daß durch eine zu große Fülle anderer Darstellungen die Hauptfigur, der
Gekreuzigte, in ihrer Wirkung Einbuße erleiden müsse. Am häufigsten be-
gegnet uns noch an ihm, wenn wir von den Evangelistensymbolen absehen, eine
Darstellung der Schmerzensmutter und des heiligen Johannes. Von dem Brauch,
Maria und Johannes in Form freistehender Statuettchen auf Armen, die oben
vom Ständer des Kreuzes oder unten vom Vertikalbalken desselben nach rechts
und links ausgingen, anzubringen, war schon die Rede. Anderswo hatten die-
selben, hier in Relief, da in Gravierung, dort wieder in Email ausgeführt, in
Gestalt von Ganz- oder Halbfiguren an oder nahe den Enden der Vorderseite des
Querbalkens ihren Platz.
Sehr häufig wurden die Evangelistensymbole, seltener die Evangelisien selbst,
an den Kreuzen dargestellt und zwar namentlich auch an den Altarkreuzen. So-
wohl die Kreuze, die sich aus mittelalterlicher Zeit erhalten haben, wie die In-
(14) Vgl. oben S. 480.
490 VASA /VON SACRA. ZWEITER ABSCHNITT. DAS ALTARKREUZ
(16) Abb. bei J. Gudiol y Cunili-, Les creus d'argenteria a Catalunya (Barcelona 1920) 68,
wo auch 56, 62 und 88 Abb. der vorhingenannten Kreuze mit der Darstellung Adama.
492 VASA HON SACRA. ZWEITER ABSCHNITT. DIE ALTARLEVCHTER
DIE ALTARLEÜCHTER
ERSTES KAPITEL
ALTER DER VERWENDUNG DER ALTARLEUCHTER
Nach kirchlicher Vorschrift sollen bei der Feier des heiligen Opfers auf dem
Altar Leuchter mit brennender Kerze sich befinden bei einem Hochamt sechs,
beim Pontifikalamt sieben, bei Privatmessen zwei, bei Privatmessen eines Bi-
schofs zwei oder vier. (1) Aufgestellt werden sollen sie nach dem Caeremoniale
episcoporum in planitie altaris, also unmittelbar auf der Mensa des Altarejs,
doch ist es nach einer Entscheidung der Ritenkongregation vom 5. Dez. 1891
auch zulässig, sie auf eine, auf dem Altar angebrachte Leuchterbank zu setzen, (2)
wie es übrigens schon lange vorher vielerorten gebräuchlich war. An der Wand
neben dem Altar sie anzubringen, hat die Ritenkongregation in einem Dekret
vom 16. Sept. i865 als unstatthaft und einen derartigen Brauch als den kirch-
lichen Vorschriften zuwiderlaufend und als abzuschaffend erklärt. (3) Nach
dem Caeremoniale episcoporum sollen die Leuchter des Hochaltars nicht gleich
hoch sein; vielmehr sollen sie nach der Mitte zu an Höhe zunehmen, die beiden
äußeren also niedriger sein als die mittleren, die beiden neben dem Kreuz be-
findlichen aber hoher als letztere. Indessen ist, wie die Ritenkongregation unter
dem 21. Juli 1855 erklärt hat, das nicht so zu verstehen, als ob die Leuchter
nicht auch, wie es in der Tat fast allgemein der Fall ist, von gleicher Höhe sein
könnten. (4)
Leuchter auf den Altar zu setzen, war jedenfalls bis ins 11. Jahrhundert
hinein nicht üblich. Keiner der Liturgiker, keiner der Ordines, wie auch sonst
(17) Abb. in Kd. von Posen IV, 68. (18) Abb. in Mitt. VI (1861) 149. (19) Abb. bei
Gitdiol a. a. O. 33, 47. (20) Abb. ebd. 88.
(1) Ritus serv. in celebr. missae tit. IV, n.4; Rubr. gener. tit. XX; Caeremon. episc. 1. 1,
e.12; n. 11, 16. (2) Decr. autb. 3759. (S) Decr. auth. 3137. (4) Decr. auth. 3035.
ERSTES KAPITEL. ALTER IRRER VERWENDUNG 493
keine der schriftlichen Quellen spricht auch nur andeutungsweise bis dahin von
einem derartigen Brauch. Aber auch kein dem ersten Jahrtausend entstammen-
des Bildwerk bezeugt diesen, so besonders auch nicht die neun, die Meßfeier in
ihren einzelnen Teilen wiedergebenden Reliefs auf einem der Deckel des Drogo-
sakramentars sowie die Miniaturen des letzteren, ganz im Einklang mit der
Bestimmung der Admonitio synodalis, derzufolge auf den Altar nur gestellt
werden durften Kelch, Patene, Evangeliar, Pyxis mit dem heiligsten Sakrament
für die Kommunion der Kranken und Reliquiare. (5) An Licht, Lampen und
Kerzen hat man es bei der Feier der Messe allerdings keineswegs fehlen lassen.
Die Sicherung des zum Gottesdienst nötigen Lichtes bildete sogar bei Neubauten
von Kirchen einen Hauptpunkt bei Feststellung der der neuen Kirche mitzuge-
benden Dos. (6) Allein noch der /|2. der kirchlichen Kanones König Edgars
(f 97^) begnügt sich damit, lediglich zu bestimmen, es müsse allzeit bei der
Feier der Messe in der Kirche ein Licht brennen; Et semper lumen ardeat in
ecclesia cum missa decantatur. (7) Wollte man den Altar durch Leuchter mit
brennender Kerze auszeichnen, so stellte man sie vor oder hinter demselben
auf, wie eine aus dem Ende des 9. Jahrhunderts stammende Elfenbeintafel
in der Frankfurter Stadtbibliothek zeigt, auf der ein Bischof die Messe feiernd
dargestellt ist (Tafel 6).
Bemerkenswert ist, daß noch im späten 11. Jahrhundert der Micrologus de ecclesiasticis
observationibus zwar betont, dem römischen Ordo zufolge dürfe man die Messe nie ohne
Lieht feiern, jedoch keine Andeutung darüber macht, wo und wie es anzubringen sei; daß
um dieselbe Zeil bei den Klumazensern, den Consti tut Jones Wilhelms von Hirsau zufolge,
man zur Privatmesse an den Seitenaltären zwar aus der Sakristei eine brennende Kerze mit-
nahm, daß diese aber während der Messe, wie es scheint, nicht auf dem Altare stand (8) und
daß in den Konventsmessen bei ihnen von den drei bzw. fünf Kerzen, die bei denselben je
nach dem Ritus des Tages angezündet wurden, zwei auf einem Leuchter vor dem Altar sicli
i:-■ J,i;;l1 i'h. die dritte h/.w. Mr drei übrigen hinter diesem aufgehängt waren, keine also ihren
Platz auf ihm hatte; daß zufolge den Usus Gisterciensis ordinis bei den Zisterziensern noch
m der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts die zwei Kerzen, die man bei der Konventsmesse
anzündete, beiderseits neben dem Altare, nicht auf diesem standen. (9)
Immerhin hat man schon in der zweiten Hälfte des 1 r. Jahrhunderts begon-
nen, die Leuchter auch auf die Mensa des Altares zu stellen. Die schriftlichen
Quellen bezeugen das freilich nicht, doch gibt es einige Bildwerke aus jener
(5) Sakeu meint allerdings (Symbolik des Kirchengebäudes, Nachträge [Freiburg 1924]
402), daß Leuchter schon früh auf Altären standen, zeige die Basilika ansieht eines Grab-
mosaiks von Thabarka. Allein hiergegen ist ein Doppeltes zu bemerken. Erstens handelt es
»ich bei der Sauer vorliegenden Wiedergabe des Mosaiks nicht um Leuchter auf dem Altar(
sondern um hinter dem Altar stehende Kerzen. Zweitens ist diese Wiedergabe durchaus
unzuverlässig, weil willkürlieh ergänzt Wie die nicht ergänzte Abbildung des Mosaiks bei
Grüneisen (Ste-Marie Antique [Rom 1911] 449) lehrt, war von dem Altar nichts mehr er-
halten. Drittens endlich ist es keinesweg sicher, ob der dargestellte, heute nicht mehr fest-
steifbare Gegenstand einen Altar oder nicht vielmehr eine Grabanlage wiedergab. Die drei
Kerzen dürften für das letztere sprechen. (6) Vgl. z. B. c. 3 der Synode von Worms des
Jahres 868 (H. V, 738) : Non levis est ista temeritas, si sine luminaribus . .. tamquam domus
Privata ecclesia consecretur, und Hincmari capitula n. 12 (ebd. 396) 1 Investigandum de
luminaribus ecclesia« aut quot cerarios habeat ipse titulus. (7) M. 138, 502. (8) L. 1,
c.88 (M.150, 1016). L 2 c.9 (ebd. 1080). Vgl. Udalrici, Consuetudines Cluniac. 1.2, c. 30
(M.149 724). (9) C. 22,' 53 (M. 166, 1401, 1421. Bedurfte man auf dem Altar des Lichtes,
so zündete man eine über demselben hängende Laterne an.
494 VASA NON SACRA. ZWEITER ABSCHNITT. DIE ALTARLEVCHTER
Zeit, aus denen wir das ersehen. Es sind eine Miniatur eines Evangeliar aus
Prüm, das unter Abt Ruotbert (io56—io63) entstand, (10) zwei Miniaturen
des Wyscherader Evangeliars in der Universitätsbibliothek zu Prag, (11) ein
Fresko in der Unterkirche von S. demente zu Rom, (12) sowie zwei Feder-
zeichnungen einer illustrierten Handschrift der Psychomachie des Prudentius
in der Bibliothek des Palais des Arts zu Lyon. (13)
Von besonderer Wichtigkeit ist das Fresko in der Unterkirche von S. demente. Be-
kundet es doch, daß man zu Rom schon im späten n. Jahrhundert begonnen hatte, die
Leuchter auf den Altar zu setzen, und daß das somit daselbst nicht erst zur Zeit Inno,-
zenz* III. in Übung kam, sondern bereits ein Jahrhundert früher geschah. Der Umstand
aber, daß die angeführten Bildwerke alle verschiedenen Ländern entstammen, weist darauf
hin, daß der Brauch bereits im späten 11. Jahrhundert sich einer gewissen Verbreitung
erfreute. Bildwerke aus dem 12. Jahrhundert, die uns von ihm Kunde bringen, sind bei-
spielsweise eine Miniatur deutscher Herkunft, die 191a zu Leipzig versteigert wurde, (14)
eine der Emailtafeln der Ambobekleidung des Nikolaus von Verdun zu Klosterneuburg (15)
sowie ein Emailbild auf einem Reliquienschreinchen zu Mozac (Puy-de-Döme), einer Stif-
tung des Abtes Petrus de Barri (f u^fi). (16)
In den Inventaren des 11. und 12. Jahrhunderts kommt der Wandel in der
Aufstellung der Leuchter bei der Messe nicht zum Ausdruck, da sie sich regel-
mäßig damit begnügen, die Zahl der vorhandenen Leuchter und deren Material
anzugeben, über die Art ihrer Verwendung aber schweigen. Nur das des Main-
zer Domes von 1 ioo macht eine Ausnahme, wenn es außer zwei großen silber-
nen Leuchtern, die neben dem Altare ihren Platz hatten, auch noch andere
kleinere erwähnt, die auf denselben gestellt wurden. (17)
Von den mittelalterlichen Liturgikern spricht zuerst Innozenz III. in seiner
gegen Ende des 12. Jahrhunderts verfaßten Schrift De sacro altaris mysterio
von Leuchtern, die sich bei der Messe auf dem Altare befanden, jedoch in einer
Weise, daß solche nicht als Neuerung, sondern als bereits längst bestehende,
allgemein bekannte Einrichtung erscheinen. (18) Ausdrücklich gibt er an, daß
die Leuchter auf deji Ecken des Altares standen. Daß es im Dominikaner-
ritus schon um 1260 Brauch war, die Leuchter bei der Messe auf den Altar zu
stellen, erhellt aus dem Meßordo des Dominikanergenerals Humbert de Ro-
manis. (19) Von der Ste-Chapelle zu Paris bezeugt das gleiche nur wenig später
der Biograph des heiligen Ludwig, Joinville, (20) von dem St. Jakobskloster
zu Lüttich ein Liber Ordinarius desselben von etwa 1280 in der Beschreibung
des Ritus der Privatmesse. (21) Gegen Ende des i3. Jahrhunderts bekundet
unter wörtlicher Wiedergabe der Ausführungen Innozenz' III. Durandus in sei-
nem Rationale das Bestehen des Brauches. (22)
(10) Vgl.Trierisches Archiv I (1898) 17; die Handschrift befindet sich zur Zeit im Besitz
des Lord Crawford. (11) Abb. bei Lehser, Ceska scola malirska, Tfl. 15 und 16.
(12) Abb. bei Braus, Altar, Tfl. 146.
(13) Abb. bei R. Stettiner, Die illustrierten Prudentiushandschriften (Berlin 1905) Ta-
fel 113 und Braun a. a. O. Tfl. 160. (14) Abb. in Auktion Börner, Katalog n.9.
(15) Abb. bei Braun, Meisterwerke I, Tfl. 89. (16) Abb. bei Rupin, L'ceuvre de Limoges
(Paris 1390) 103. (17) Chbistiasi, De calamitate eccl. Mogunt. n.2 (M.G.SS.XXV, 239):
Erant candelabra magna duo, quae iuxta altare ponebantur argentea et alia minorä, quöe
super altare ponebantur. (18) L. 2, c.21 (M. 217, 811). (19) Legg 73, 95.
(20) Jul. Corblet Histoire du aaer. de Peuch. II (Paris 1886) 147. (21) P.Volk, Der
Liber Ordinarius des Lütticher St. Jakobaklosters (Münster 1923) 100. (22) L. 1, c. 3, n.27.
ERSTES KAPITEL. ALTER IHRER VERWENDUNG 495
Bildliche Darstellungen des 13. Jahrhunderts, welche das gleiche dartun, finden sich
namentlich mehrfach auf Limoger EmäiIschreinchen aus dieser Zeit, wie z. B. auf einem
Schreinchen zu Eslohe, (23) dem Schreinchen der heiligen Valeria in der ehemaligen Samm-
lung Basilewsky, (24) einem Schreinchen in der Kathedrale zu Sens (25) u. a.'Im i!\. und
i5. Jahrhundert war der Brauch, wie es scheint, allgemein in Übung. Die Bildwerke aus
denselben bieten dafür reichlich Belege. (26)
Ausnahmen fehlten freilich noch im späten Mittelalter nicht. Noch im
io.Jahrhundert standen die Leuchter bisweilen vor oder hart neben dem Al-
tar (27) oder, teils vor, teils hinter ihm, wie beim Hochaltar mancher Stifts-
kirchen und Kathedralen, zumal in Frankreich. Auch an der Wand neben dem
Altar waren sie, wenigstens bei Nebenaltären, bisweilen angebracht, wie z. B.
laut der Angabe des Inventars von i36o: •>, candelabra ferrea, fixa in postibus
parietis, (28) bei dem Marien- und Johannesaltar in der Kathedrale zu York,
einem der vielen Nebenaltäre derselben.
Übrigens können solche und ähnliche Ausnahmen nicht auffallen. Die Leuchter hei der
Messe auf den Altar zu setzen, war noch nicht Vorschrift, sondern lediglich Brauch und
Gepflogenheit. Eine diesbezügliche ausdrückliche Vorschrift ist selbst im späten Mittel-
alter nie erlassen worden, nicht einmal eine bloß partikularrechtliche. Wohl begegnen uns
vereinzelte Synodalbestimmungen, die verbieten, sine lumine de cera zu zelebrieren, wie
die Konstitutionen des Kardinals Ägidius Albomoz von i353, (29) die Statuten der Frei-
singer Synoden von i44o und i£8o, (30) sowie der Salzburger Synode von i4go, (31) die
verordnen, wie viele Leuchter in den Kirchen vorhanden sein müßten, wie die Konstitutio-
nen des Bischofs von Worcester, Wilhelm von Blois, (32) und die Statuten der Synode von
Worcester von za^o, (33) oder angeben, wie viele Kerzen bei der Messe anzuzünden seien,
wie die Statuten der Synode von Exeter des Jahres 1287 (34) und die Konstitutionen der
Synode von Lucca des Jahres i35i; (35) eine Vorschrift, die Leuchter seien bei der Messe
auf den Altar zu stellen, findet sich in keiner der mittelalterlichen Synodalstatuten.
Die Zahl der Leuchter, die bei der Messe auf dem Altar standen, belief sich
noch im ausgehenden Mittelalter selbst beim Hochaltar und bei Aussetzung des
Allerheiligsten (36) gewöhnlich auf höchstens zwei, abgesehen allerdings von
Festtagen, an denen man je nachdem drei oder mehr derselben beim heiligen
Opfer auf ihn stellte. So sollten nach den Consuetudines der regulierten Chor-
nerren von St-Victor zu Paris bei der Hauptmesse an den Sonntagen und den
niederen Festen auf dem Altar zwei Kerzen brennen, an Doppelfesten drei, an
den höchsten Festen fünf — bei der Frühmesse aber auch an letztern nur
zwei—, an allen andern Tagen bloß eine. Wenn zwei anzuzünden waren, sollte
je eine auf den beiden hinteren Ecken des Altares stehen, wenn nur eine, sollte
sie in die Mitte desselben gestellt werden. (37) Ein Satz von sieben ungleich
(23) Abb. in Kd. von Westf., Kr. Meschede, Tfl. 7. (24) Darcel, Tfi. XXXI.
(25) Abb. bei Roh. I, Tfl. 21. (26) Man vgl. z. B. Percy Dearmkh, Fifty pietures of
gothic altars (London 1910) n. 1, 2, 3, 4, 16, 20, 21, 24, 25, 28, 29, 31, 37, 38, 39; I. van'den
('Heys, Le breviaire de Philippe le Bon (Brüssel 1909) Tfl. 43, 48; Leroquais, Tfl. 74, 95.
WjRoH.I.Tfl.SO, 22; IV, 264; V, 378; VI,459; Braus, Altar II, Tfl. 144,146, 269,331, 357 u.a.
(27) Tafel 116 sowie Miniaturen aus den Miracles de N.-Dame in der Pariser National-
bibliothek bei Brav», a. a. O., Tfl. 144. (28) Raine 293. (29) C. Quod missa (Mansi
XXVI, 279). (30) Habtzh.V, 274, 521. (31) Ebd. 682. (32) C. 2 (Mansi XXIII, 176).
(331 C.1 (H.VIL 331). (84) C.4 (H.VII, 1077). (85) C.69 (Mansi XXVI, 279).
(36) Vgl. z. B. die Abb. bei Percy Deakmer, bei Brav», bei I. van den Ghey.v, bei Lero-
QI'ais sowie bei Fr. Dörnhöffek, Seelengärtlein (Frankfurt 1909) 731.
(37) C. 22 (Mart. III, app. 264). Vgl. auch die Anweisung des Dominikanermissales des
numbert de Romanis bei Legg 73, die Angaben Jomvilles betreffs der Zahl der Kerzen, die je
496 VASA N0.\ SACRA. ZWEITER ABSCHMITT. DIE ALTABLEVCIITEU
großen Leuchtern, wie ihn später das Caeremoniale episcoporum für das Ponti-
fikalamt vorschrieb, begegnet uns schon in einem Inventar des Domes zu Siena
von 1/467. (38) Er wird zu seiner Zeit wohl nicht das einzige Beispiel eines sol-
chen gewesen sein. Die Ncbenaltäre des Domes waren alle mit zwei Leuchtern
ausgestattet, mit Ausnahme eines einzigen, der nur mit einem Leuchter ver-
seben war, wie es auch sonst im späteren Mittelalter nicht selten bei Neben-
altären der Fall war. So wiesen z. B. auch in der Kathedrale zu York mehrere
Nebenaltärc, wie der der Heiligen Anna und Antonius, des heiligen Edmund,
des heiligen Jakobus und der heiligen Katharina, des heiligen Johannes des
Täufers und des heiligen Johannes Ev. nur je einen Leuchter auf. (39) Wie
wenig es aber als unstatthaft galt, bei Privatmessen sich nur mit einem Leuchter
zu begnügen, erhellt aus den Anweisungen, welche der Liber Ordinarius des
St.-Jakobsklosters zu Lüttich, (40) die Konstitutionen der Synode von Lucca
des Jahres i35r, (41) ein Dominikanermissale von iöos (42) und noch ein Or-
dinale divinorum officiorum sacrae religionis Carmelitarum von i53a (43) be-
züglich der Feier der Privatmesse geben.
Quando sacerdos lecturus est evangelium, servitor libruni et candelam, si necesse sit,
d. i. wenn nur ein Leuchter auf dem Altare steht, ad sinistrum cornu transferat, heißt es
im ersten; in den zweiten: Volumus . . . quod in omni ecclesia in cuiuslibet missae cele-
bratione ardeat candela cerea in tota missa, nee sacerdos audeat missam ineipere, donec
talis candela accensa fuerit; im dritten: Cum aulem transfertur liber a sacerdote, transferat
cum libro candelam, nisi ex utraque parte altaris fuerit candela, im vierten aber lesen wir:
Et statini a prinnipio missae candelam de cera accensam habeat et illam in sinistra parte
supra candelabrum boneslum statuat, nisi ipsam oporteat haberi ad librum et tunc cum
libro transferatur.
Bildwerke aus dem späteren Mittelalter, auf denen der Altar nur mit einem Leuchter
ausgestattet erscheint, sind nicht selten. (44) Ob und inwieweit das Fehlen eines zweiten
Leuchters bei ihnen auf Rechnung des Malers zu setzen ist, läßt sich nicht entscheiden.
Keinesfalls gebt es an, alle derartige Darstellungen in Bausch und Bogen lediglich als
das Werk künstlerischer Freiheit zu betrachten und ihnen jede Bedeutung abzusprechen.
Eine einheitliche Praxis bezüglich der Zahl und des Standortes der Altar-
leuchter schuf erst das Missale Pius' V. Selbst da, wo man nicht zu dessen Ein-
führung streng verpflichtet war, weil man seit zweihundert Jahren ein eigenes
Missale hatte, fand sie vielerorten durch Angleichung des bestehenden Ritus an
das römische Missale oder durch völlige Annahme desselben Aufnahme und
Verbreitung.
Von den auf die Veröffentlichung des Missales Pius' V. folgenden Synoden des späten
16. und des 17. Jahrhunderts handeln die meisten in ihren Statuten nur von der Zahl und
dem Material der bei der Alesse anzuzündenden Kerzen, ohne ausdrücklich auch der Leuchter
nach dem liturgischen Charakter des Tages bei der Messe auf dem Hochaltar der Sainte-
Chapelle zu Paris standen bei Jul. Corblet, Hist du sacr. de Peuch. II, 147 und der
Leges Palatinae Jakobs II. von Majorca, denen zufolge an den höchsten Festen bei der
Messe zwölf Kerzen brennen sollten, an Duplicia vier, an den übrigen Tagen zwei (n. 423
[AA.SS.IV.Jun.,LXXIl). (38) Ann. archeol.XXV, 266. (39) Raine 277, 283,287,290,291.
(40) P. Volk, Der Liber Ordinarius des Lütticher St. Jakobsklosters 10t. (41) C. 69
(Mansi XXVI, 279). (42) Legg 95. (43) Ebd. 246. (44) Vgl. z. B. Ron. I, 20, 22; Le-
roqi.ais, Tfl.74, 75; Percy Dearmer, Fifty pictures ofgotbic altars(London 1910) n.4, 28,
29; Revue LX (1910) 189; Fr. Döhnhöffer, Seelengartlein (Frankfurt 1907) 731 u. a.
ERSTES KAPITEL. ALTER UND VERWENDUNG 40?
und ihres Standortes zu gedenken. So die Konstitutionen des Bischofs Lindanus von Roer-
mond von 1071, (45) die Synode von Herzogenbuscu von 1571, (46) die Regensburger
Synode von i588, (47) die Brixener von i6o3, (48) die Cambraier von iüo4, (49) die Kon-
stanzer von 1609, (50) die Mechelner von 1609, (51) die Genter von i6i3, (52) die Cam-
braier von i63i, (53) die Antwerpener von i643 (54) und die Tournaier von 1661. (55)
Bemerkenswert ist, daß noch die Tournaier Synode von 1661 zwei Kerzen in Stifts- und
Klosterkirchen nur für die Messen am Hochaltar, in Pfarrkirchen nur für die Hauptmesse
an Sonn- und Festtagen vorschrieb, die Synode von i663 dann jedoch diese Verordnung
auf alle Messen ausdehnte. Von Leuchtern auf dem Altar als Träger der Kerzen reden nur
die Statuten der Synode von Avignon des Jahres 100/1, (56) die Prager von i6oö (56a) und
die Namurer von 1612. (57) Beachtung verdient, daß noch die Synode von St-Omer des
Jahres i67io gestattet, die Kerzen statt auf den Altar zu setzen, auch um ihn herum anzu-
bringen. (58) Nach der Instructio fabriciae ecclesiae des heiligen Karl soll der Hochaltar in
Kathedralen, Stifts- und Pfarrkirchen mit sechs Leuchtern ausgestattet sein, die Nebenaltäre
und die Altäre in sonstigen Kirchen mit zwei. Beim Pontifikalamt sollen auf dem Altar
sieben Leuchter stehen, also ebensoviele, wie das Caeremoniale episcoporum etwa ein Vier-
tel} ah rhund er t später für dasselbe vorschrieb. (59) Nach Myllcrs Ornatus ecclesiasticus ge-
nügen in Kirchen, die wenig Einkünfte haben, auf dem Hochaltar wie auf den Nebenaltären
zwei Leuchter. In reicheren Kirchen soll jener dagegen mit sechs Leuchtern versehen sein,
zu beiden Seiten des Altarkreuzes mit je drei, die, wie es ein Jahrzehnt später wiederum
das Caeremoniale episcoporum will, so hoch sein sollen, daß der dem Kreuz zunächst be-
findliche den mittleren um ebensoviel an Höhe überragt wie dieser den zu äußerst ste-
henden. (60)
Lehrreich sind die Angaben, welche die Inventare ermländischer Kirchen aus dem späten
16. Jahrhundert über die Zahl und den Standort der Leuchter machen. Wir erfahren aus
ihnen, daß die Nebenaltäre allenthalben mit zwei Leuchtern ausgestattet waren. Eine Aus-
nahme machten nur der Wenzeslausaltar im Dom zu Frauenburg und sieben Nebenaltäre
in der Marienkirche zu Braunsberg, bei denen in den Inventaren nur ein Leuchter vermerkt
wird, doch war dieser bei vier der Altäre der letztgenannten Kirche statt nur mit einer
mit drei Spitzen versehen. Auf dem Hochaltar befanden sich in der Marienkirche zu Brauns-
berg sowie in der Pfarrkirche zu Bischofsburg und zu Wormditt ebenfalls nur zwei Leuch-
ter, in der Pfarrkirche zu Arnsdorf, Rössel und zu Seehurg drei, in der Pfarrkirche zu
Wartenburg und zu Mehlsack sowie in der Stiftskirche zu Gutstadt vier. Die beiden Leuch-
ter des Hochaltars der Marienkirche zu Braunsberg waren an den hinteren Ecken desselben
befestigt, standen also nicht wie sonst auf der Mensa. Die beiden Leuchter eines der Neben-
altäre in der Pfarrkirche zu Wormditt waren an der Wand angebracht
Was aber hat im 11. Jahrhundert dazu geführt, von der alten Übung, auf den
Altar nur heilige Gegenstände, wie Kelch, Patene, Evangeliar, Pyxis mit dem
Allerheiligsten und Reliquiare zu setzen, abzugehen und auch Leuchter mit
Kerzen, die doch nicht als heilig galten, bei der Messe auf ihm aufzustellen?
Waren es Erwägungen idealer Art, die dazu führten, etwa die Ehrfurcht von
"lern am Altar sich vollziehenden heiligen Geheimnis, die das veranlaßte, oder
die Symbolik, die man mit dem liturgischen Licht verband oder gab dazu den
^nstoßein praktischer Grund, nämlich das Bedürfnis einer ausgiebigeren Be-
(45) Tit. 5, n. 18 (Hartzh. VII, 668). (46) Tit 6, c.5 (ebd. 715).
J*7) C. De eelebr. missae (ebd. [10641). (48) C. De sacrif. missae n.4 (ebd. VIII, 547).
40) Tit. 3, c.8 (ebd. 590). (50) Tit. 19, n.23 (ebd. 909).
>«} Tit 11' c-12 (ebd. IX, fl). (52) § 5 (ebd. 391). (53) Tit. 3, c. 19 (ebd. 543).
>«( Tit7' n17 (ebd. 643). (55) Art. 14 (ebd. 886) und Axt. 5 (ebd.X, 3).
, lWLT»t84 (H.X, 1850). (56a) C12 (Hartzh. VIII, 690). (57) C. De ornam. alt.
.(ebd. IX, 167). (58) Tit 6, c. 4 (ebd. X, 789) : Crux in medio altaris adsit et duo candelae
jo eo vel Circo illad ardeant, dum sacrificium missae celebratur. (59) AA. Eccl. Mediol.
w^f- (60) C.50, München 1591, S.93.
W4BK, DAS CHRISTLICHE AI.TARGERÄT 3*
498 VASA NON SACRA. ZWEITER ABSCHNITT. DIE ALTARLEUCHTER
leuchtung des Altares, als sie durch ein oder zwei neben demselben aufgestellte
Kerzen oder durch eine über ihm aufgehängte Laterne, wie sie zu diesem
Zwecke gern angewandt wurde, (61) ermöglicht wurde. Eine befriedigende Ant-
wort läßt sich auf diese Fragen nicht geben, doch waren zweifellos nicht bloß
Erwägungen der ersten Art, sondern auch solche der zweiten für die Entstehung
des Brauches bedeutsam, wahrscheinlich sogar zunächst und in erster Linie.
War doch in den Kirchen der frühromanischen Zeit, in der der Brauch sich zu
bilden begann, die Kirchen mit ihren mächtigen Mauern und nur wenig großen
Fenstern, nicht gerade reichliches Licht, zumal nicht in den Kapellen derselben,
in denen die Privatmessen gehalten wurden. Und hatte doch selbst noch im
späten Mittelalter bei Privatmessen, bei denen nur ein Leuchter auf dem Altar
angebracht war, dieser Leuchter auch den Zweck eines Beleuchtungskörpers. (62)
Genannt wurden die Altarleuchter von jeher ausschließlich candelabrum. So
wurden sie nach Ausweis der liturgischen Bücher, der Liturgiker und der In-
ventare im Mittelalter bezeichnet und so heißen sie auch in nachmittelaherli-
cher Zeit.
Auch in den Riten des Ostens sind heute Altarleuchter in Gebrauch. Im grie-
chischen Ritus stehen ihrer bei der Feier der Liturgie zwei oder mehr auf dem
Altar, im jakobitischen drei oder mehr, im nestorianischen zwei, im koptischen
vier, im armenischen drei oder mehr. Im jakobitischen und syrischen sind sie
auf Leuchterbänken aufgestellt, im koptischen haben sie ihren Platz auf den
vier Ecken des Altares. Im russisch-griechischen Ritus pflegt ein hinter dem
Altar angebrachter siebenarmiger Leuchter die Altarleuchter zu ersetzen.
Seit wann Altarleuchter in den Riten des Ostens in Verwendung sind, läßt
sich nicht feststellen. Bemerkenswert ist, daß bei keinem der mittelalterlichen
Liturgiker des Ostens von Leuchtern die Rede ist, die beim heiligen Opfer auf
dem Altar standen, auch noch nicht bei Simon von Saloniki (um i^oo). Zwar
spricht Pseudo-Sophronios (i3. Jahrh.) von xatvoijXat und xYjpoc, die bei der Feier
der Liturgie brannten, (63) allein er sagt nichts darüber, wo dieselben ihren
Platz hatten. Dürfen wir aus dem Schweigen der Liturgiker schließen, daß
Allarleuchter sich in den Riten des Ostens erst seit Ausgang des Mittelalters ein-
bürgerten? Jedenfalls standen im koptischen Ritus die zwei Kerzen, die bei der
Messe angezündet werden mußten, noch im späten Mittelalter nicht auf, sondern
bei dem Altar. (64)
ZWEITES KAPITEL
DAS MATERIAL DER ALTARLEUCHTER
Eine Angabe bezüglich des Materials der Altarleuchter findet sich im Mittel-
alter nur in einer Verordnung des Erzbischofs von York aus dem il\. Jahrhun-
hundert, derzufolge dieselben aus Rronze oder Zinn bestehen sollten. (1) An-
weisungen betreffs desselben aus nachmittelalterlicher Zeit liegen vor im Cae-
(61) Vgl. z. B. noch die Usus ordinis Cisterciensis c. 53 (M. 168, 1421): Et accendat (zur
Konventsmesse) duas candelas, quae solent ardere juxta altare hinc inde et absconsam
cum lumine super altare, si necesse fucrit, praeparet. (62) Vgl. oben S. 496.
(63) Mg. 87, 3986. (64) Remaudot I, 178 CO Haine IM.
ZWEITES KAPITEL. MATERIAL 499
Ieuchter aus der Zeit der Spätgotik, denen es beschieden war, bis heute der Zer-
störung zu entgehen.
Es wird und kann sich auch schon im Mittelalter bezüglich der Verwendung
von Kupfer, von Bronze sowie von Messing zur Herstellung von Altarleuchtern
nicht anders verhalten haben, wie im 16. Jahrhundert. In welchem Umfang das
aber in diesem geschah, dafür sind die Inventare der ermländischen Kirchen
mit ihren zahlreichen candelabra aerea und besonders aurichalcea aufschluß-
reich. (16) Aber auch andere Inventare des 16. Jahrhunderts sind nach der glei-
chen Richtung hin lehrreich, wie z. B. ein Inventar von St. Stephan in der Cole-
manstraße zu London mit seinen dreizehn Messingleuchtern (17) und der Schot-
tenkirche zu Würzburg von i535, in dem zweiundzwanzig derselben aufgeführt
werden. (18) Die ausgiebige Verwendung von Bronze, Kupfer und Messing zur
Anfertigung von Altarleuchtern erhielt sich auch im 17. und 18. Jahrhundert.
Die Prager Synode von i6o5 schrieb ausdrücklich vor, es sollten die beiden
Leuchter, mit denen jeder Altar auszustatten sei, wenigstens aus Bronze beste-
hen. (19) Kupfer benützte man namentlich zur Herstellung von getriebenen
Leuchtern, die, wenn vollendet, vergoldet oder gewöhnlicher versilbert wurden.
Die alten Kirchen Münchens, um nur diese zu nennen, enthalten eine Fülle
barocker Leuchter dieser Art. Übrigens wurden auch wohl schon in romanischer
Zeit aus Bronze gegossene Leuchter vergoldet. Stets wurden vergoldet die aus
Kupfer gemachten mit Email verzierten Limoger Leuchter.
Noch seltener als Altarleuchter aus Bronze, aus Messing oder Kupfer begeg-
nen uns in den mittelalterlichen Inventaren aus Zinn gemachte. Nur in wenigen
ist von solchen die Rede, wie z. B. im Inventar des Nikolausaltares in der Kathe-
drale zu York von 136o, (20) in einem Inventar der Pfarrkirche zu Soignies von
i38a, (21) im Inventar von St. Johann zu Köln von i/jo6, (22) im Inventar der
Morandskapelle in St. Stephan zu Wien von 1^26 (23) und in einem Inventar
von Mittelheim in Hessen-Nassau von 1492. (24) Es sind alles Inventare des
späten Mittelalters. Erst dem i£. Jahrhundert gehört auch die Verordnung des
Erzbischofs von York an, in der von Zinnleuchtern die Rede ist. (25) Von zwei
Leuchtern aus Blei (candelabra de plumbo) vernehmen wir im Inventar des
Gregoriusaltares in der Kathedrale zu York von 1.183. (26) Erhalten haben sich
spätmittelalterliche Altarleuchter aus Zinn zu Eggerode in Westfalen (27) und
Katingen in Schleswig-Holstein. (28)
Wie es scheint, wurde es erst im späten Mittelalter gebräuchlich, die Altar-
leuchter aus Zinn zu machen. Daß sie uns in den Inventaren aus dieser Zeit nur
vereinzelt begegnen, mag auf dieselben Gründe zurückzuführen sein, wie das
verhältnismäßig seltene Auftreten von Altarleuchtern aus Bronze und Messing
, (*|) Vgl. z. B. die Inventare des Domes zu Frauenburg, der Marienkirche zu Braunsberg,
aer .Pfarrkirche zu Rössel und Wartenburg u. a. bei Fn. Hipleh, Die ältesten Sehatzver-
zeichniase ermländ. Kirchen. (17) Archaeologia L (1887) 46. (18) Archiv des Hist. Ver-
eins für Unterfranken XVI (1863) 46. (19) C. 12 (Hartzh. VIII, 690): Altaria singula
/<>«?* Crucem elegantem, quae saltem aenea sit, candelabra duo saltem aenea.
tat) Raine 298: 2 candelabra de peudre (Hartzinn). (21) DEHAtSHBS. Doc. 593: 2can-
aeliers d'estaing. (22) Bock, St. Johann 15: Item 3 zinnerne Elter Lechter.
(23) Mitt. XIV (1869) C.: Czwen ezinnen lewchter. (24) Roth, Geschichtsquellen von
"S2?11.419 ■* czen lichter. (25) Raine 164: Candelabra aenea vel stagnea. (26) Ebd. 285.
(■") Abb. in Kd. von West!., Kr. Ahaus 28. (28) Kd. in Schleswig-Holstein I, 208.
502 VASA NON SACRA. ZWEITER ABSCHNITT. DIE ALTARLEUCHTER
fT\jtf\
Bild 28.-32. Eiserne Altarleuchter.
Vieh, Bischöfliches Museum.
Eiserne Leuchter werden schon in dem Inventar von Centula aus dem Jahre
83i aufgeführt: Candelabra ferrea ex argento et auro parata maiora i5, mi-
nora 7. (31) Sie waren mit Silber und Gold verziert. Um Altarleuchter kann es
sich bei ihnen nicht gehandelt haben, doch mögen sie Akolythenleuchter ge-
wesen sein. Auch in der Folge berichten die Inventare immer wieder gelegent-
lich bis in die nachmittelalterliche Zeit hinein von Leuchtern aus Eisen; so z. B.
das Inventar der Kathedrale zu Novara von 1218, (32) ein Inventar der Pfarr-
kirche zu Hüll von 1220, (33) das Inventar des Marien- und Johannesaltares
in der Kathedrale zu York, (34) ein Inventar von Monk Wearmouth des Jahres
x36o, in dem neben vier Bronzeleuchtern auch vier candelabra ferrea verzeichnet
sind (35) und ein Inventar der Abteikirche St. Albans von ca. i^oo, in dem
von zwei Leuchtern aus vergoldetem Silber, zwei aus unvergoldetem Silber,
zwei aus Messing und acht aus Eisen die Rede ist, (36) ein Inventar von St. Katha-
(29) Hipler 92 77, 59. (30) Eine Anzahl reich ornamentierter Altarleuchter dieser
Art aus Böhmen, Schöpfungen aus der Frühe des 18. Jahrhunderts, sind bei Weingart.ner
294 f. abgebildet (31) Hariulfi, Chron. Cent. 1. 2, c. 3 (M. 174, 1257). (32) Hist. patr.
monum., Chart I, 1192. (33) Jones, Registr. I, 312. (34) Raine 293. (35) Surt. Soc.
XXIX, 160. (36) Riuby II, 324.
ZWEITES KAPITEL. MATERIAL 503
rina zu Lille von i386, (37) das Inventar des Domes zu Siena von 1467. (38)
ein Inventar von Grottkau in Schlesien von i5o,7 (39) u. a. Es waren das alles
wohl Altarleuchter. Im Dom zu Siena waren alle Altarleuchter der Seitenaltäre,
auf zwei derselben nur je einer, auf den übrigen je zwei, aus Eisen gemacht.
Sehr gebräuchlich scheinen im ausgehenden Mittelalter eiserne Leuchter in den
kleineren Kirchen Kataloniens gewesen zu sein, wie die höchst interessante,
reichhaltige Sammlung eiserner Leuchter aus Kirchen der Diözese Vieh, darunter
auch eine Reihe von Altarleuchtern von 22—5ocm Höhe, im Bischöflichen
Museum zu Vieh bekundet. Sechs schmiedeeiserne Altarleuchter aus gotischer
Zeit befinden sich in der Peterskirche zu Friesach in Kärnten. (40) Drei eiserne
Altarleuchter in Adlerform von etwa i5oo haben sich in Zaschendorf (Mecklen-
burg-Schwerin) erhalten (Tafel o4), (41) drei kunstreichst gearbeitete gotische
Altarleuchter aus Schmiedeeisen, Schöpfungen des späten i5. Jahrhunderts,
im Nationalmuseum zu München (Tafel 143 und i44)-
Altarleuchter aus Holz sollten nach der Instructio fabricae ecclesiae des hei-
ligen Karl, wie wir hörten, nur an Nebenaltären verwendet werden und auch
an diesen nur, wenn Leuchter aus Messing oder sonst einem besseren Material
nicht beschafft werden könnten. Der Regensburger Generalvikar Myller gestat-
tet hölzerne Altarleuchter nur in ärmeren Kirchen; sie sollten jedoch geziemend
bemalt sein. Hölzerne Leuchter wird man überhaupt meist nur verwendet haben,
wo man für bessere nicht die nötigen Mittel besaß. In den mittelalterlichen In-
ventaren vernehmen wir von hölzernen Leuchtern nur sehr selten — aufgeführt
werden solche z. B. in dem Inventar zweier Altäre der Kathedrale zu York, dem
des Blasiusaltares von i3op, und des Edmundsaltares von i36o, (42) sowie in
einem Inventar des Münsters zu Basel von i5ii (43) — nach dem früher Ge-
sagten (44) übrigens leicht begreiflich. Erhalten haben sich zwei bemalte höl-
zerne Altarleuchter aus dem i5. Jahrhundert in der Sammlung des Priester-
seminars zu Freising (Tafel q4). Zwei andere gleichfalls bemalte aus etwa der-
selben Zeit, von denen einer aus dem Dom zu Konstanz, der andere reich
ornamentierte aus der Kirche zu Bielitz in Schlesien stammt, gibt es im Ger-
manischen Museum zu Nürnberg; (45) weitere spätgotische Holzleuchter fin-
den sich im Weifenmuseum zu Hannover.
Häufiger hören wir in nachmittelalterlichen Inventaren von Altarleuchtern
ans Holz. So werden ihrer im Inventar von Bischofstein im Ermland von 1597
zwei, in dem von Bischofsburg drei, in dem des Weozeslausaltares des Frauen-
burger Domes einer aufgeführt. (46) Zu Dobrau (Diözese Breslau) gab es i653
sechs hölzerne Altarleuchter, zu Schmiedeberg 1677 sieben, zu Profen im glei-
chen Jahre zwei versilberte, zwei versilberte teilweise vergoldete, vier rote und
vier schwarze. (47) In der Zeit des Spätbarocks, zumal der des Rokokos, entstan-
den nicht selten äußerst reich geschnitzte, versilberte Holzleuchter von der Art
der gleichzeitigen prunkvollen Metalleuchter. (48)
Eine ziemlich häufige Erscheinung sind in den mittelalterlichen Inventaren
Altarleuchter aus Kristall; Leuchter, die sich aus Kristallstücken von der Form
einer vollen oder zusammengedrückten Kugel, eines länglichen ei- oder birn-
förmigen Gebildes, einer geradseitigen oder bauchigen Walze u. a. zusammen-
setzten und durch einen, durch die Kristalle hindurchgeführten und sie verbin-
denden Stab aus Eisen oder Kupfer den nötigen Halt erhielten. Beispiele solcher
Leuchter begegnen uns schon in einem Verzeichnis der von Herzog Robert dem
Kloster Monte Cassino geschenkten liturgischen Geräte sowie im Inventar der
Hinterlassenschaft Viktors III. (-[-1087), des früheren Abtes Desiderius; (49)
doch ist es fraglich, ob wir in denselben Altarleuchter zu sehen haben.
Häufig hören wir von Leuchtern aus Kristall seit dem späten 13. Jahrhundert, wie z. B. in
einem Verzeichnis liturgischer Gegenstande, die Karl II. von Anjou (f i3oo) der Nikolaus-
kirche zu Bari verehrte, (50) im Inventar des Apostolischen Stuhles von 1295, in dem uns
außer einem Paar Kristallcuchter auch ein Paar Leuchter begegnet, deren Schaft von
Jaspiszylindern und Chalzedonknäufen gebildet wurde. (51) im Inventar der Templer zu
Toulouse von i3i3, (52) der St. Markusbasilika zu Venedig von i3a5 (53) und der
Ilauptkirche zu Barbastro in Katalonien von i3a5, (54) im Inventar von S.Francesco zu
Assisi von 1370, (55) des Klosters Cluny von i38s, (56) der Schloßkapelle zu Annecy von
i3o3, (57) des Herzogs Jean von Berry von i4or, in dem drei Paare vermerkt sind, (58) der
Peterskirche zu Rom von i/j54, (59) der Kathedrale zu York von ca. i5oo, (60) der Abtei
St-Denis von i5o5, (61) der Kathedrale von Chälons-sur-Marne von 1/410 und des Kardinals
d'Amboise, Erzbischofs von Rouen (~ i5io). (62) Bemerkt sei, daß alle in diesen Inventaren
und Verzeichnissen aufgeführten Kristalleuchter, wie es scheint, Altarleuchter waren.
Nicht immer war übrigens der ganze Leuchter aus Kristall gemacht, vielmehr bestand oft
nur der Schaft aus'ihm, der Fuß und die Lichtschalc aber aus Metall, Silber oder vergolde-
tem Kupfer (Bronze), wie bei den Kristal leuchte rn in den Inventaren von Cluny, Annecy,
St-Denis, York, S. Marco zu Venedig, des Apostolischen Stuhles sowie des Herzogs Jean von
Berry. Aus Jaspis war ein Leuchterpaar gemacht, das Bonifaz VIII. im Jahre i3o3 St. Peter
schenkte. (63)
Erhalten haben sich je zwei mittelalterliche Kristalleucbter in S. Nicola zu Bari und in
S. Marco zu Venedig, je einer in der Stiftskirche zu Königslutter in Braunschweig und in
der Altertum ersammlung des Priesterseminars zu Freising. Die Leuchter zu Bari (Tafel 101)
sind 58 cm hoch. Der dreiseitige, auf Löwcheu sitzende Fuß und die Lichtschale derselben
bestehen aus vergoldetem Silber und sind gleich den Ringen, welche zwischen die Kristall-
stücke des Schaftes eingefügt sind, mit Steinen besetzt. Sie werden die Kristalleucbter sein,
die Karl von Anjou der Nikolausbasilika schenkte. Die beiden Leuchter in S.'Marco, vene-
tianische Arbeiten des 14. Jahrhunderts, sind 5o cm hoch. Der gleichfalls dreiseitige und
auf Löwchen ruhende Fuß und die Lichtschale bestehen teilweise aus Silber, teilweise aus
einem Kristall von der Form eines Kugelsegmentes. Getrennt werden die KristaUe des
Schaftes von einander wie von Fuß und I.ichtschale durch Ringe, die beiderseits mit Zacken
besetzt sind. (64) Der 43 cm hohe Leuchter zu Königslutter wird, abgesehen von den die
(48) Vgl. die bei Weikgartneh 298 abgebildeten Beispiele aus der Pfarrkirche zu
Kostendorf bei Salzburg. (49) Chron. Casin. 1.3, c. 59. 74 (M. 173, 795, 812).
(50) Revue XXXI (1883) 465. (51) Bibl. XLV (1884) 37. (52) Memoires de la Soc.
areheol. du Midi de la France XI (1880) 177. (53) Revue XLIX (1900) 241.
(54) Florez XLVIII (Madrid 1862) 226. (55) Arch. Franc. VII (1914) 298.
ifSi J,6-™6 XXXVIII (1888) 197. (57) Revue L (1001) 66. (58) Grn-FREY II, 61.
(59) Muxrz 90. (60) Raim; 217. (61) Omo>t 14. (62) Revue XLIX (1900) 241.
(63) Muktz 11. 64) Abb. bei Pasiki, Tfl. LX
DRITTES KAPITEL. FORM. I. BIS ZUM Id. JAHRHUNDERT 505
Kristallstücke scheidenden geperlten Brongeringen, der Fassung des Fußes und der Licht-
schale sowie den drei Drachen, auf denen der Fuß sitzt, ganz von Kristall gebildet. (65)
Er wird im frühen i3. Jahrhundert entstanden sein. Der 3.'i cm hohe Leuchter zu Freising
gehört dem i/j. Jahrhundert an. Nur der Schaft und der von drei Klauen getragene Fuß
sind bei ihm aus Kristall gemacht (Tafel 101).
Auch in der Zeit der Renaissance und selbst noch in der des Barocks hat man Altar-
leuchter aus Kristall geschaffen. Vortreffliche Beispiele bieten zwei Leuchter dieser Art
in der Schloßkirche zu Asciiaffenburg (Tafel 108) aus dem Beginn des 17. Jahrhunderts.
Dem 16. Jahrhundert entstammen zwei Kristalleuchter in S.Marco zu Venedig, (66) sowie
zwei Paaro Kristalleuchter in S.Ambrogio zu Mailand, dem frühen 17. Jahrhundert zwei
in Gold gefaßte, mit Email verzierte Kristalleuchter im Kapuzinerkloster zu Klausen in
Tirol, (67) zwei 53 cm hohe, aus siebzehn Stücken bestehende Kristalleuchter im Stift Klo-
stcrneuburg sowie zwei mit Silber montierte Kristalleuchter in der Frauenkirche zu Mün-
chen. Zwei in belgischem Privatbesitz befindliche Paare aus der Barockzeit waren 1888 zu
Brüssel ausgestellt. (68)
DRITTES KAPITEL
FORMALE BESCHAFFENHEIT DER ALTARLEUCIITER
1. DIE FORMALE BESCHAFFENHEIT DER ALTARLEUCHTER BIS ZUM VIERZEHNTEN
JAHRHUNDERT
Über die formale Beschaffenheit der Altarleuchter und die formale Entwick-
lung, die sich mit ihnen seit der Zeit, da sie in Gebrauch kamen, bis zum Beginn
des ig. Jahrhunderts vollzog, gaben uns die Inventare wie überhaupt die schrift-
lichen Quellen nur sehr wenig Aufschluß und nicht viel besser verhält es sich
mit den Bildwerken. Zwar fehlt es seit dem späten 11. Jahrhundert keineswegs
an Darstellungen der Altarleuchter, aus dem späteren Mittelalter liegen solche
sogar in großer Zahl vor. Allein dieselben lassen in der Wiedergabe der Form
der Leuchter viel zu wünschen übrig, leiden meist in Einzelheiten mehr oder
weniger an Ungenauigkeiten und Willkürlichkeiten und sind darum oft genug
nur bezüglich der Leuchterform in ihrer Ganzheit zuverlässig. Ihre Bedeutung
hegt nicht sowohl in dem, was sie uns über die formale Beschaffenheit der
Altarleuchter ihrer Zeit sagen, als vielmehr in dem, was wir durch sie über
Alter, Umfang und Art der Verwendung derselben erfahren. Ungleich ausgie-
bigeren und zuverlässigeren Aufschluß über die formale Entwicklung, die sich
mit dem Altarleuchter seit dem 11. Jahrhundert vollzog, geben uns die überaus
zahlreichen Beispiele von Leuchtern, die sich aus der Zeit des romanischen
Stiles, der Gotik, der Renaissance und des Barocks bis heute erhalten haben und
uns von ihr zwar nicht in allen Einzelheiten, jedoch wenigstens im wesentlichen
«n vollständiges Bild gewähren.
Notwendig sind für Standleuchter, wie es die Altarleuchter waren und sind,
ein Fuß, ohne den sie nicht aufgestellt werden könnten, und eine Vorrichtung
zum Aufstecken der Kerze. Aus praktischen wie ästhetischen Gründen kamen
beim Altarleuchter von jeher zu beiden als weitere Bestandteile uoch hinzu ein
Schaft und eine Lichtschale. Der Schaft gab ihm die erforderliche Handlichkeit;
(65) Abb. in Kd. von Braunsohweig I, 224. (66) Tafel 406; Pasini, Tfl. LVITI, n. 138.
(67j Abb. bei Weincartner 278. (68) Exposit retrospect. 1888, Catalogue 107.
506 VASA #Ü0V SACRA. ZWEITER ABSCHNITT. DIE ALTARLEVCHTER
die Lichtschale verhinderte, daß das herabfließende Wachs auf die Altartücher
falle und sie beschmutze. Ein Schaft wird den Altarleuchtern kaum je gefehlt
haben, eine Lichtschalc nur selten. Wurden doch selbst schmiedeeiserne Altar-
leuchler gewöhnlich mit einer solchen ausgestattet. Bei Bronze- oder Messing-
leuchtern, die einer Lichtschale entbehrten, war zum Ersatz bisweilen der Fuß
tellerartig gestaltet, so daß er das herabträufelnde Wachs aufzunehmen ge-
eignet war (Tafel 93); eine Leuchterart, die besonders im häuslichen Leben
vielfach zur Verwendung kam. Leuchter, die nur aus Fuß und Vorrichtung zum
Aufstecken der Kerze bestanden, werden als Altarleuchter nicht oder doch nur
ausnahmsweise gebraucht worden sein. Sie waren zu wenig handlich, zu un-
ansehnlich und zu unzweckmäßig. Was sich an mittelalterlichen Leuchtern
dieser Art in Sammlungen und Museen erhalten hat— meist mit Email ge-
schmückte Leuchter Limoger Herkunft aus dem späten i3. und der ersten
Hälfte des 1/1. Jahrhunderts — wird häuslichen Zwecken gedient haben. In
einem Inventar Karls VI. von Frankreich heißen sie pointe. (1)
Häufig entstanden im späten 12., im i3. sowie auch wohl noch im i'i. Jahr-
hundert Leuchter, bei denen der Fuß und Schaft durch die Figur eines Drachen
(Tafel 92) oder sonst eines Fabeltieres, eines Löwen (Tafel 93), eines einen
Wehrlurm als Lichtschale auf dem Rücken tragenden Elefanten (Tafel g3) eines
Reiters, eines auf einem Löwen sitzenden Mannes (Tafel n.-!) oder ein anderes
mehr oder weniger phantastisches Wesen gebildet wurde.
Zum Teil technisch wie künstlerisch hervorragende Beispiele derartiger Leuchter, haben
sich in erheblicher Zahl erhalten, wie z. B. im Bayerischen Nationalmuseum zu München,
im Germanischen Museum zu Nürnberg, im Schloßmuseum zu Berlin, in der Sammlung
des Freisinger Seminars, im Bischöflichen Museum zu Münster, im Dom zu Hildesheim, in
der Sammlung Seligmann zu Köln (Tafel 92), im Museum des Parc du Cinquantenaire zu
Brüssel, im Nationalmuseum zu Pest u. a. Sechs zu häuslichem Gebrauch bestimmte Leuch-
ter in Gestalt eines Elephanten mit einem Wehrturm auf dem Rücken werden im Inventar
Karls V, von 1379 erwähnt, ein Zeichen, daß solche noch im späten i4- Jahrhundert zur
Verwendung kamen, aber auch, daß sie nicht bloß kirchlichen, sondern auch häuslichen
Zwecken dienten, zwei Elephantenleuchter im Inventar des Apostolischen Stuhles vom
Jahre i2p,5. (2) Zwei Leuchter von der Art des Leuchters der Sammlung Seligmann, eines
Leuchters im Museum zu Brüssel und eines Leuchters in der ehemaligen Fürstlich Hohen-
zollerischen Sammlung zu Sigmaringen werden anscheinend im Inventar der Paulskirche
zu London von 1245 aufgeführt. (3) Was heute an derartigen Leuchtern noch vorhanden
ist, dürfte zumeist oder doch wenigstens zum großen Teil aus Kirchen stammen. Daß solche,
wie noch heute der Löwenleuchter im Dom zu Hildesheim, auch in der Kirche Verwendung
fanden, kann demnach nicht bezweifelt werden, ob und inwieweit sie jedoch als Altar-
leuchter gebraucht wurden, muß dahin gestellt bleiben. Passend waren sie, weil zu profan,
als solche nicht gerade.
oder kniende Engel mit einem Leuchter in den Händen. Gute Beispiele kniender
Engelfiguren mit Leuchter, Arbeiten des ausgehenden i5. Jahrhunderts, finden
sich noch im Dom (Tafel 106) und in Groß-St. Martin zu Köln, (4) stehender
zu Vellern in Westfalen. (5) Übrigens standen derartige Leuchter, wenn als
Altarleuchter gehraucht, nicht auf dem Altare selbst, sondern entweder auf dem
Retabel oder auf einer Säule oder einem Pfosten neben den hinteren Ecken des
Altares. (6) Zwei Altarleuchter aus Silber in Gestalt eines Chorknaben, der
einen kleinen Leuchter in den Händen trug, werden im Inventar des Herzogs
von Berry aus dem Jahre i/|ia erwähnt. (7)
Die Vorrichtung zum Aufstecken der Kerzen bestand bei den Altarleuchtern
zu aller Zeit, in mittelalterlicher wie in nachmittelalterlicher, in der Regel in
einem Dorn oder Stachel, der aus der Mitte der Lichtschale herauswuchs. Mit
einer Tülle, einer niedrigen runden Hülse, mit der die häuslichem Gebrauch
dienenden Leuchter zu diesem Zwecke gern versehen wurden, waren sie, soweit
die vielen Altarleuchter, die sich aus dem Mittelalter und der Folgezeit erhalten
haben, das erkennen lassen, gewöhnlich nicht versehen. Am ehesten begegnet
uns eine Tülle statt eines Domes noch bei schmiedeeisernen Altarleuchtern so-
wie bei dreikerzigen Leuchtern, hei denen zwar die mittlere Kerze auf einem
Stachel saß, die beiden seitlichen dagegen in Tüllen steckten (Tafel 93).
Zwischen den Leuchtern des n.—13. Jahrhunderts, des späten Mittelalters
und der nachmittelalterlichen Zeit besteht in formaler Hinsicht eine große Ver-
schiedenheit, die sich, abgesehen von der Vorrichtung zum Aufstecken der
Kerze, welche keinen Wandel erlitt, alle andern Bestandteile des Leuchters,
Fuß, Schaft und Lichtschale, gleichmäßig betrifft. Sie ist das Ergebnis der Ent-
wicklung, welche sich mit dem Altarleuchter unter dem Einfluß des jeweils
das künstlerische Schaffen beherrschenden Stiles vollzog.
Der Fuß der Leuchter des n.—13. Jahrhunderts, das ist der romanischen
Leuchter, war in der Regel dreiseitig, wie sowohl die Bildwerke als die zahl-
reichen aus dieser Zeit noch vorhandenen Leuchter bekunden. Bei einfachen
Leuchtern mit dreiseitigem Fuß bestand dieser aus drei oben zusammentreffen-
den Bügeln, bei reicheren in einem bald hoch und steil, bald mäßig und flach
ansteigenden, unter den Ecken mit kleinen Stützen in Gestalt von Klauen oder
Drachen versehenen, pyramidenartigem Gebilde, das oben gewöhnlich ins Rund
überging, doch auch, wie namentlich bei den Leuchtern Limoger Herkunft, ab-
gestumpft war. Bei den letzteren an den Seiten stets undurchhrochen und mit
Email geschmückt, setzt er sich bei fast allen andern noch vorhandenen roma-
nischen Leuchtern aus durchbrochen gearbeiteten, hier ausschließlich in Ran-
ken- und Blattwerk (Tafel 97, München, Nationalmuseum), dort ebenso aus-
schließlich in Tiergestalten, zumal Drachen (Tafel g4, Münstermaifeld; Ta-
*c* 95, Herford), anderswo und zwar meist in einer Verbindung beider be-
stehenden Gebilden zusammen. Wenn ausschließlich aus Drachengestalten,
(4) Abb. eines der letzteren in Kd. der Rheinpr., Köln II1, 384. (5) Abb. in Kd. Westl,
»■'•Beckum, Tfl.72. (6) Vgl. die Abb. aua den Miracles de N.-Dame und der Legenda
aurea bei Braun, Altar II, TU. 144. (7) Guiffrey II, 110.
508 VASA NON SACRA. ZWEITER ABSCHNITT. DIE ALTARLEUCHTER
beläuft sich ihre Zahl bisweilen auf nicht weniger denn vierundzwanzig der-
selben, je zwei übereinander auf jeder der drei Kanten, je zwei von der Mitte
nach den Ecken zu sich hinstreckende als unterer Abschluß jeder der drei
Seiten, je drei als Füllung der drei Seiten, drei endlich unter den Ecken des
Fußes als Träger desselben, wie bei einem Leuchter im Bischöflichen Museum
zu Münster (Tafel 96) und in der Münsterkirche zu Herford (Tafel 90), oder
doch auf einundzwanzig, wenn nämlich die Seiten als Füllung nur je zwei auf-
weisen, wie bei einem Leuchter in der Stiftskirche zu Münstermaifeld (Tafel 9^)-
Bei andern Leuchtern, bei denen die die Seiten füllenden Drachenfiguren durch
romanisches Blattwerk ersetzt sind, wie bei einem Leuchter im Germanischen
Museum zu Nürnberg, dem aus Valluhn stammenden Leuchter im Museum m
Schwerin, (8) einem Leuchter der ehemaligen Sammlung Bouvier (Tafel g.'i)
sowie einem i88# zu Brunn ausgestellten Leuchter aus böhmischem Privat-
besitz zählen wir ihrer immerhin noch fünfzehn.
Die unter den Ecken des Fußes angebrachten kleinen Stützen sind ihm ent-
weder nur äußerlich und ohne organischen Zusammenhang mit ihm unter-
gesetzt oder die Fortsetzung der Kanten, aus denen sie als deren Verlängerung
wie herauswachsen. Im ersten Falle bilden Fuß und Stützchen ein aus zwei
Stücken zusammengesetztes, im zweiten ein in sich einheitliches Ganzes. Leuch-
ter mit Fuß der ersten Art gibt es beispielsweise in der Martinskirche zu Min-
den, im Dom zu Minden, zu Oberkirchen (Tafel 101), Borghorst (Tafel q5) und
Kobbenrode in Westfalen, (9) im Domschatz zu Trier (Tafel 99), im Schloß-
museum zu Berlin, im Altextümermuseum zu Klagenfurt u. a. Bestehen die
drei Stützchen in einer Drachenfigur, so ist unter ihnen bisweilen ein nied-
riger Sockel angebracht (Tafel g5, Herford; 96, Münster, Diözesanmuseum),
der bei einem Leuchter in der Stiftskirche zu Münstermaifeld Dreipaßform
hat (Tafel 9A).
Altarleuchter mit schlichtem, nur von drei Bügeln gebildeten Fuß haben sich
aus romanischer Zeit nicht erhalten. Wir kennen sie lediglich aus Bildwerken
des 11.—13. Jahrhunderts, auf denen derartige Altarleuchter dargestellt sind,
wie Miniaturen in dem Wyscherader Evangeliar, einer zu Leipzig 1912 verstei-
steigerten Miniatur des 12. Jahrhunderts, einer Emaildarstellung auf dem Be-
liquienschreinchen zu Mozac u. a. Eine Erinnerung an den nur aus drei Bügeln
bestehenden Fuß zeigt der Fuß jener romanischen Leuchter, bei denen die
Stützen, auf denen er sitzt, ihm nicht unorganisch untergesetzt sind, sondern in
innerem Zusammenhang mit ihm stehen, mit ihm eine volle Einheit bilden, wie
es vor allem bei den Altarleuchtern Limoger Ursprungs Regel ist (Tafel ioo,
102), aber auch bei manchen andern zutrifft.
So bei einem Leuchter im Bayerischen ■S'ationalmuseum zu München (Tafel 97), zwei
fast gleichen Leuchtern in der Stiftskirche zu Komburg und einem weiteren gleichartigen
Leuchter zu Riding in Bayern, (10) einem Leuchter in St. Johann zu Regensburg (Tafel 97),
zu Lobsing in Bayern, (II) in der Altertümersammlung des Priesterseminars zu Freising
(6) Abb. in Kd. von Mecklenburg-Schwerin III, 110. (9) Abb. in Kd. von Westf. Kr.
Meschede, Tfl 17. (10) Abb. in Kd. von Württemberg, Jagstkreis 623 und in Kd. von
Oberbayem, Tfl. 196. (11) Abb. in Kd. von Bayern, Öberpfalz XIII, 72.
DRITTES KAPITEL. FORM. I. BIS ZUM ik JAHRHUNDERT 509
Minder häufig als ein dreiseitiger begegnet uns bei den noch vorhandenen
romanischen Leuchtern ein rander kalottenförmiger Fuß. Von den Leuchtern,
die dem 12. Jahrhundert angehören, zeigt ihn nur ein mit Email geschmücktes
Leuchlerpaar im Dom zu Halberstadt (Tafel 102). Die sonstigen Leuchter, die
einen derartigen Fuß aufweisen, gehören, wie es scheint, alle frühestens dem
13. Jahrhundert an. So zwei prächtige Leuchter im Dom zu Hildesheim mit je
drei allegorischen Frauengestalten auf dem Fuße, die durch Inschriften als
Europa, Asia, Africa bzw. als Medicina, Gonflictus und Theorica-Practica ge-
kennzeichnet sind (Tafel 99), Leuchter in der Pfarrkirche zu Gravenhorst, (22)
Die eines Schaftes entbehrenden, nur mit Nodus versehenen Leuchter sind
alle von geringer Höhe. Von den drei Leuchtern zu Borghorst ist z. B. einer nur
io,5 cm, ein anderer 12 cm, der dritte i3 cm hoch. Von den beiden Leuchter-
paaren im Dom zu Minden hat das eine eine Höhe von hloß 11 cm, das andere
von bloß n,5 cm. Ein Leuchter im Bayerischen Nationalmuseum ist i3 cm
hoch, das Leuchterpaar zu Kobbenrode in Westfalen (30) ebenfalls nur i3 cm
das Leuchterpaar im Dom zu Hildesheim 17,8 cm. Von vier aus Gandersheim
stammenden Leuchtern im Museum zu Braunschweig mißt einer in der Höhe
i4,5 cm, ein zweiter 17,5 cm, der dritte i8,5 cm, der vierte 19 cm. Eine Höhe
von 18 cm haben zwei Leuchter zu Gravenhorst in Westfalen (31) sowie zwei
Leuchter zu Dörnholthausen, (32) eine Höhe von 21 cm ein Leuchter in der
Münsterkirche zu Herford (33) und in der Pfarrkirche zu Haltern, (34) von
22 cm Leuchter zu Emsdetten, (35) von a3 cm Leuchter in der Martinikirche zu
Minden. Wie aus den angeführten Beispielen hervorgeht, schwankt die Höhe
derselben zwischen io,5 cm und h3 cm; die Mehrzahl zeigt eine Höhe von etwa
17 cm bis 23 cm. So wie bei den genannten verhält es sich aber ähnlich bei den
übrigen Leuchtern der gleichen Art.
Stets weisen einen förmlichen Schaft die Leuchter Limoger Herkunft auf.
Ihre Zahl ist sehr erheblich. Findet sich doch fast in allen größeren Samm-
lungen das eine oder andere Beispiel derselben, so z. B. um von Privatsamm-
lungen abzusehen, im Schloßmuseum zu Berlin, im Bayerischen National-
museuni zu München, im Germanischen Museum zu Nürnberg, im Museum zu
Darmstadt, im Kunstgewerbemuseum zu Düsseldorf, im Thüringischen Museum
zu Eisenach, im Museum des Parc du Cinquantenaire zu Brüssel, im Britischen
Museum zu London, im Chmy-Museum zu Paris, im Museo Poldi-Pezzoli zu
Mailand, im Museo cristiano des Vatikans u. a. In Kirchen haben sich nur we-
nige erhalten. So im Dom zu Trier und in der Kirche zu Au am Inn. Bei keinem
dieser Leuchter fehlt ein förmlicher Schaft. Bei der geringen Höhe, welche
Fuß und Lichtschale bei ihnen zeigen, konnte nicht wohl davon abgesehen wer-
den, sie mit einem solchen auszustatten. Er ist in der Regel mit einem gravierten
Schuppenmuster (Tafel 100, 102), doch auch wohl mit einem gravierten Rau-
tenmuster belebt. Bei einigen Leuchtern ist der Schaft mit zwei oder drei Nodi
versehen, wie z. B. bei einem Leuchter in Frankfurter Privatbesitz (Tafel 100),
bei zwei Leuchtern im Schloßmuseum zu Berlin, einem Leuchter der Samm-
lung Dutuit im Petit Palais zu Paris u. a. Ein Limoger Leuchter im National-
museum zu München, der aber wohl kein Altarleuchter war, hat sogar fünf (Ta-
fel 100). In der Regel zeigt der Schaft jedoch nur einen Nodus. Wie der Fuß
ist auch der Nodus des Schaftes der Limoger Leuchter gewöhnlich mit Email
verziert.
Von den nicht Limoger Werkstätten entstammenden romanischen Leuchtern
zeigen einige nur ein kurzes Schaftstück zwischen Fuß und Nodus, wie die
Leuchter zu Emsdetten, Gravenhorst, Beydenfleth und Rees, ein Leuchter im
(30) Kd. von Westf., Kr.Meschede, Tu. 17. (31) Ebd. Kr. Tecklenburg43
(32) Ebd. Kr. Arnsberg 113. (33) Ebd. Kr. Herford 35. (34) Ebd. Kr.Koesfeld 104.
(35) Ebd. Kr. Steinfurt 38.
512 VASA NÖN SAÖRA. ZWEITER ABSCHNITT. DIE ALTARLEU CHT ER
(37) La collection Spitzer I, Orfevr. relig. n. 32, 33. (38) Abb. bei Ron. VI, 451, 457.
BRA<W, DAS CHRISTLICHE A
514 VASA A'O.V SACRA. ZWEITER ABSCHNITT. DIE ALTARLEUCHTER
ziert ist die trichterartige Lichtschale eines Leuchters im Dom zu Trier (Ta-
fel 99) sowie des Leuchterpaares im Dom zu Hildesheim (Tafel 99).
Ein ganz anderes Bild als die romanischen Leuchter zeigen, wenn auch die
Grundform natürlich die gleiche bleibt, die des späten Mittelalters, der Zeit der
gotischen Leuchter. Die künstlerische Phantasie, die vordem so manchen köst-
lichen Leuchter schuf, hat an ihnen wenig Anteil. Von äußerster Schlicht-
heit waren die schmiedeeisernen Leuchter. Man vergleiche die Bild 28—32 wie-
dergegebenen Beispiele aus dem Bischöflichen Museum zu Vieh. Ihr Fuß besteht
aus drei, oben sich vereinigenden, unten in eine Art Klaue endigenden Bügeln.
Ihr Schaft ist hier noduslos, dort mit zwei oder drei nodusartigen Verdickun-
gen versehen, Zwei der Leuchter entbehren einer Lichtschale; zwei sind mit
einer tellerförmigen Lichtschale versehen, einer mit einer lilienartigen. Die
Vorrichtung zum Aufstecken der Kerze besteht bei zwei der Leuchter in einem
Dorn, bei drei in einer Tülle. Daß freilich gelegentlich auch reichere schmiede-
eiserne Altarleuchter geschaffen wurden, ersehen wir aus den Leuchtern zu
Zaschendorf in Mecklenburg-Schwerin (Tafel 94)- Ihr Fuß besteht aus einer
von drei Stützen, die in Voluten endigen, getragenen Kalotte; ihr Schaft stellt
einen heraldischen zweiköpfigen Adler mit ausgebreiteten Flügeln und ausge-
streckten Beinen dar, ihre Lichtschale einen flachen Teller mit hohem, mit Zin-
nen abschließenden Steilrand. Noch reicher ist ein Paar sowie ein einzelner
spätgotischer schmiedeeiserner Altarleuchter im Bayerischen Nationalmuseum
zu München, deren Abbildung (Tafel i£3 und i44) eine nähere Beschreibung
unnötig macht. Immerhin dürften eiserne Altarleuchter reicherer Ausgestaltung
nicht oft entstanden sein.
Was sich an Leuchtern aus Silber, Bronze, Kupfer und Messing erhalten hat,
tritt in zwei Typen auf. Die dem ersten derselben angehörenden Leuchter wei-
sen, was Fuß und Schaft anlangt, eine dem Fuß und Schaft der spätgotischen
Kelche gleichartige Bildung auf. Er ist, wie es scheint, der ältere der beiden
Typen. Beispiele bieten ein Leuchterpaar im Münster zu Aachen (Tafel io3), ein
Geschenk Ludwigs des Großen von Ungarn, das von dem Gegenpapst Felix IV.
gestiftete Leuchterpaar zu St-Maurice in Wallis (Tafel 102), ein Leuchter im
Schloßmuseum zu Berlin (Tafel io3), (39) ein Leuchter im Germanischen
Museum zu Nürnberg, ein Leuchterpaar im Dom zu Paderborn (Tafel io3),
zwei Leuchter im Schnütgenmuseum zu Köln, (40) ein Paar Prachtleuchter der
ehemaligen Sammlung Spitzer, (41) ein Leuchter im Kloster Seligenthai bei
Landshut (42) sowie ein Leuchter Sieneser Herkunft in der Sammlung des
Louvre (43) und ein Bronzeleuchter im Bayerischen Nationalmuseum zu
München.
Bei allen ist der Fuß einem Kelchfuß nachgebildet. Der Fuß der Aachener Leuchter
ist vicrpaßförmig, der der Leuchter zu St-Maurice hat die Form eines Sechspasses mit
Zacken zwischen den Pässen. Sechsseitig ist der Fuß der beiden Leuchter im Scbnütgen-
museum, achtseitig der des Leuchters zu Landshut, secbspaßförmig der Fuß des Leuchters
im Schloßmuseuni zu Berlin und im Museum zu München sowie der der Leuchter der Samm-
lung Spitzer, rund der des Leuchters im Germanischen Museum. Sechs kielbogige Pässe
zeigt der Fuß des Leuchters im Louvre, vierseitig ist der der Leuchter im Dom zu Paderborn.
Bei allen Leuchtern ist der Fuß mit Zarge versehen. Auf hockenden Löwchen und sitzenden
Engelfigürchen ruht der Fuß der Spitzerschen Leuchter. Mit einem architektonisch ge-
stalteten Zwischenstück zwischen Fuß und Schaft, wie es spätgotische Kelche so häufig
als Mittelglied zwischen denselben aufweisen, sind versehen der Leuchter in St-Maurice
und einer der beiden Leuchter im Schnütgenmuseum zu Köln. Mit einem doppelten acht-
seitigen Zwischenstück von der Art eines zweistufigen Sockels ist der Landshuter Leuchter
ausgestattet.
Der nodus lose Schaft der beiden Paderborner Leuchter setzt sich aus einer Gruppe von
vier freistehenden schlanken Säulchen zusammen. Ein Modus fehlt auch beim runden Schaft
des Landshuter Leuchters, während der Leuchter im Schloßmuseum zu Berlin sowie dessen
Gegenstück, der vorhin genannte Leuchter im Bayerischen Nationalmuseum, umgekehrt
nicht eines Nodus, wohl aber eines Schaftes entbehren. Man hat bei ihnen, wie es nicht nur bei
romanischen Leuchtern, sondern bisweilen auch bei gotischen Kelchen geschah, das Schaft-
stück unterhalb des Nodus durch höheres Hinaufführen des Halses des Fußes, das oberhalb
des Nodus durch Verlängerung der trichterartigen Lichtschale ersetzt. Bei den übrigen
Leuchtern weicht die Bildung des Schaftes nur unwesentlich von dem der spätgotischen
Kelche ab. Vierseitig bei den beiden Aachener Leuchtern, ist er bei den andern rund oder
sechseckig. Der Nodus des Sieneser Leuchters besteht in einem kapellenartigen Gebilde; mit
einem doppelten Nodus ist der schlanke Schaft eines der Leuchter im Scbnütgenmuseum
ausgestattet
Die Überleitung des Schaftes zur teller- oder schüsseiförmigen Lichtschale ist in der
Regel durch ein kurzes trichterartiges Gebilde erfolgt. Durch ein architektonisches Zwischen-
stück, eine Wiederholung des zwischen Fuß und Schaft eingeschalteten Zwischengliedes,
wird sie bei den Leuchtern zu St-Maurice bewerkstelligt. Bei den Leuchtern der ehemaligen
Sammlung Spitzer vermittelt den Übergang vom runden Schaft zur sechsseitigen Licht-
schale ein sechsseitiges mit Blattwerk verziertes, durch mandelförmige Zwickel zum Schaft
übergeleitetes Zwischenstück.
den Plan, bürgert sich aber bald in einem Umfang ein, daß man ihn schlecht-
hin den spätgotischen Leuchtertypus nennen kann. Die Zahl der Leuchter dieses
Typus, die sich erhalten haben, ist ungemein groß. Obwohl fast immer alles Orna-
ments bar, zeigen sie doch dank des reichen Wechsels in der Verwertung der
Anordnung, der Verbindung und Betonung der Profilglieder eine außerordent-
lich große Mannigfaltigkeit.
An die Form des Fußes und des Schaftes der spätgotischen Kelche zeigen
Fuß und Schaft bei ihnen kaum eine Erinnerung mehr. Kleine Stützen unter
dem Fuß in Gestalt von Klauen, Löwchen oder ähnlichen Gebilden, kommen
zwar auch noch bei ihnen vor (Tafel io4, ioö), sind aber nicht mehr Regel, viel-
mehr entbehrt die weitaus größere Zahl der Leuchter des zweiten Typus ihrer.
Der Fuß ist stets rund; nie fehlt ihm eine, nicht selten überhohe Zarge. Der
Faßhals verjüngt sich meist kegelförmig nach oben, zeigt jedoch, weil er sich
aus einer Summe bald stärker, bald schwächer zurücktretender senkrechter,
schräger, hohlkehlenartiger und wulstiger Glieder zusammensetzt, kaum je
reine Kegelform. Nicht selten erinnert er in seiner Bildung an die Basis eines
spätgotischen Pfeilers, in welchem Falle seine Zarge den Sockel desselben dar-
stellt. Belege für das Gesagte bieten auf Tafel io4 und io5 abgebildete Leuch-
ter. Nicht kegelartig gestaltet, sondern halbkugelig ist der Fuß eines Leuchter-
paares in der Pfarrkirche zu Rhode (47) und zu östinghausen (Tafel io4). Bei
jenem umziehen ihn horizontal von unten bis oben flache Kannelüren, bei die-
sem flache Wülste. Eine ähnliche Fußbildung eignet Leuchtern zu Greven und
Telgte, (48) einem Leuchter zu Wassel in Hannover (49) und einem Zinnleuch-
tur von i5o6 im Historischen Museum zu Stockholm. (50) Auch kommen
Leuchter des zweiten Typus mit oben abgeflachtem oder tellerförmig vertief-
tem Fuß (Tafel a.3, Römershagen; io4, Köln, Schnütgenmuseum) vor, doch
sind auch derartige Altarleuchter ebensowenig zahlreich wie die Altarleuchter
mit halbkugeligem Fuß. Zwischen Fuß und Schaft ist häufig ein nach oben sicli
verjüngendes rundes oder mehrseitiges Zwischenstück eingeschoben, das, wenn
rund, von Ringen begrenzt zu sein pflegt, wenn aber mehrseitig, gewöhnlich mit
Sockel und Sims ausgestattet erscheint und oft an den Seiten mit einer Gruppe
kleiner Löchlein (Tafel io4, Werl; io5, Neumark) oder mit einem durchbro-
chenen Vierpaß belebt ist. Auch werden Fuß und Schaft wohl bloß durch einen
Wulst (Tafel io5, Tiefenbach) oder einen Anlauf (Tafel io5, Rahrbach) ver-
bunden.
Der Schaft zeigt entweder von unten bis oben den gleichen Durchmesser oder
verengert sich, was das Gewöhnlichere ist, nach oben zu. Die Nodi, mit denen
der Schaft verziert ist, haben bald die Form einer abgeplatteten Kugel, bald die
eines wulstigen Ringes oder die einer Scheibe, bald endlich, und zwar am häu-
figsten, die eines gedrückten, mit Mittelkante oder Mittelring versehenen Knau-
fes. Ihre Zahl beläuft sich hier auf drei, dort auf zwei; anderswo weist der
Schaft nur einen Nodus auf. Gibt es an ihm drei, so ist der mittlere gewöhn-
licher kräftiger als die beiden andern. Oft sind die Nodi oben und unten von
(471 Abb. in Kd. von Westt, Kr. Olpe 98. (48) Ebd. Kr. Münster-Land 65, 181.
(49) Kd von Hannover, Hildesheim I, 41. (50) Abb. bei Hildebkand III, 542.
DRITTES KAPITEL, FORM.II. IM SPÄTEN MITTELALTER 517
einem leichten Ring als Überleitung zum Schaft begleitet. Auch zwischen den
Nodi sind häufig als Belebung des Schaftes leichte Ringe angebracht oder ring-
förmige Linien ihm eingraviert. Leuchter des zweiten Typus mit gewundenem
Schaft gibt es beispielsweise in den Pfarrkirchen zu Gettorf, Bannesdorf, Nor-
burg und Gikau in Schleswig-Holstein, sowie im Dom zu Schleswig. (51) Im
allgemeinen aber dürften derartige Leuchter Ausnahmen gewesen sein. Die
Regel bildete nach Ausweis des reichen Bestandes an spätgotischen Leuchtern
des zweiten Typus der nicht gewundene Schaft. Bei einem Leuchterpaar zu Neu-
mark in Westpreußen besteht der Nodus in einer sechsseitigen, mit Heiligen-
statuettchen besetzten Architektur (Tafel io5). (52)
Die Lichtschale der Leuchter des zweiten Typus hat in der Regel Napfform,
seltener Schüsselform. Halbkugelig ist sie bei den vorhin genannten Leuchtern
zu Östinghausen, Rhode, Greven und Telgte. Bei der erstgenannten glatt, ist sie
bei den übrigen ringförmig mit flachen Rinnen versehen. Mit dem Schaft ist
sie bald durch ein niedriges, trichterartiges oder kaiottenförmiges Zwischen-
stück, bald durch einen Ring, bald durch einen bloßen Ablauf verbunden. Stets
ist die Lichtschale von runder Form. Ihr Steilrand weist bisweilen oben einen
zinnenartigen Abschluß auf. Mit einem Hängekamm geschmückt, ist die Licht-
schale dreier Bronzeleuchter im Dom zu Minden (Tafel io/|) (53) sowie eines
Leuchters im Schnütgenmuseum zu Köln (Tafel io4). Ein aus Holz gedrech-
selter Leuchter im Germanischen Museum zu Nürnberg ist nicht nur unterhalb
der Lichtschale, sondern auch am Nodus sowie oben am Fuß ringsum mit
einem doppelten Kamm verziert. (54)
Die Höhe der Altarleuchter erfuhr im späten Mittelalter eine erhehliche Steigerung.
Wohl gab es, wie Beispiele bekunden, auch damals noch Leuchter von nur 18—19 cm, ja
von nßr i.'i—i5cm Höhe, doch war das nicht mehr das Gewöhnliche. In der Regel waren
die spätmittelalterlichen Altarleuchter wenigstens 32—3ocm hoch, manche sogar 36, 37
bis 3g cm. Selbst solche von über .'io cm, ja 5o cm Höhe finden sich bereits in beträchtlicher
Zahl unter den noch vorhandenen Altarleuchtem des ausgehenden Mittelalters. Leuchter im
Rom zu Münster sind sogar 54 cm, ein Leuchterpaar zu Neumark in Westpreußen und ein
Leuchter zu Lehnsalm in Schleswig-Holstein 57 cm, vier Leuchter in der Pfarrkirche zu
Werl 58 cm, zwei weitere Leuchter zu Neumark 60 cm, ja zwei Leuchter zu Putzig in West-
preußen 67 cm hoch. Es ist eine Zunahme des Höhenmaßes, wie wir sie ähnlich bei den
gleichzeitigen Kelchen und Monstranzen wahrnehmen. Übrigens kann es nicht auffallen,
daß die Altarleuchter im ausgehenden Mittelalter so sehr an Höhe zunahmen. Es war da-
mals die Zeit, in der in großer Zahl die hochaufstrebenden spätgotischen Retabeln ge-
schaffen wurden. Die niederen Leuchter der früheren Zeit hätten zu diesen wenig mehr
gepaßt. Die Höhe des Retabels erforderte höhere Altarleuchter.
_ Verschiedene der spätmittelalterlichen Leuchter sind mit zwei kurzen Armen versehen,
d'e, wie der Leuchter selbst, mit einer Vorrichtung zum Aufstecken von Kerzen ausgestattet
sind, wie z.B. Leuchter zu Nustrup, Süderbrarup, Hörup und Lysabbel in Schleswig-Hol-
stein, (55) Leuchter zu Gandersheim, (56) ein Leuchter von 1^79 im Historischen Museum
zu Stockholm, (67) ein Leuchter zu Römershagen in Westfalen (Tafel g3) u. a. Ältere
Beispiele sind der Löwenleuchter im Dom zu Hildesheim (Tafel 98) und ein frühgofischcr
Leuchter im Schloßmuseum zu Berlin (Tafel 93). Man könnte vielleicht fragen, ob denn
auch derartige Leuchter als Altarleuchter gedient haben. Indessen läßt sich daran nicht wohl
zweifeln. Bezeugt doch ihre Verwendung als Altarleuchter noch das Inventar der Marien-
kirche zu Braunsberg von i565: In t\ altaribus juxta chorum unum candelabrum stanneum
cum tribus acuminibus. (58)
(58) Hipler 60. (69) Abb. bei Witte, Tfl. 39. (80) Abb. bei Reusess H, 420-
DRITTES KAPITEL. FORM. III. IN X ACH MITTELALT. ZEIT
laufender Buckel auf; der walzenförmige Schaft ist mit einem Rautenmuster
belebt.
So ausgesprochen diese Leuchter in ihrem Bau noch den vom ausgehenden
Mittelaller geschaffenen Leuchtertypus verkörpern, das Bild, das sie bieten, ist
infolge einer anders gearteten Formensprache schon nicht mehr das gleiche
wie das eines rein gotischen Leuchters des Typus. Vollständig anders wird es
dann, als im späten 16. Jahrhundert auch der Schaft eine durchgreifende Um-
wandlung im Sinne der Renaissance erfährt und er zu einem aus tiefen Ein-
ziehungen, flachen Einschnürungen, runden oder scharfkantigen Ringen, kuge-
ligen, abgeplatteten oder bauchig birnförmigen Knäufen bestehenden Gebilde
wird (Bild 33—35), jedoch unter Festhalten am Typus, der sich bei aller
stilistischer Wandlung der Formen bei manchen Leuchtern, zumal im Norden
Deutschlands bis ins späte 17., ja bis ins 18. Jahrhundert behauptet, wie z. B.
Altarleuchter in der Pfarrkirche zu Qualzow in Mecklenburg-Strelitz von 1667
(Tafel io5), (61) in der Stadtkirche zu Strelitz von 1720 (62) und in der Pfarr-
kirche zu Schillersdorf (63) bekunden. Allerdings nicht als der einzige Altar-
leuchtertypus und schon im 17. Jahrhundert nicht mehr als der vorherrschende.
Den Vorrang hat ihm ein neuer Typus abgelaufen, der als eine Schöpfung der
Renaissance im 16. Jahrhundert auftretend, rasch weite Verbreitung fand und
schon im 17. Jahrhundert der herrschende wurde.
Das Bild, das der neue Leuchtertypus bietet, ist von dem des spätgotischen
Leuchters und seiner mehr oder weniger von der Renaissance und dem Barock
^gemodelten Nachfahren durchaus verschieden, zumal auch hinsichtlich ihrer
Formgestaltung. Der Fuß ist zwar auch jetzt noch wohl rund (Tafel 106, Ve-
nedig; 107, München), vorwiegend jedoch wieder, wie bei den romanischen
(81) Kd. von Mecklenburg-Strelitz I, 1, 219. (62) Ebd. I, 1, 128. (63) Ebd. I, 1, 215.
520 VASA NQN SACRA. ZWEITER ABSCHNITT. DIE ALTARLEUCUTER
Leuchtern dreiseitig. Er tritt in drei Abwandlungen auf. Bei der ersten stellt er
eine regelrechte, oben abgestumpfte Pyramide mit trapezförmigen Seiten dar. Bei
der zweiten zieht er sich von oben bis etwa zur Mitte mehr oder weniger ein, um
sich dann von dort an nach unten mehr oder minder stark auszubauchen (Ta-
fel 107, Graz; 108, Certosa, Porto). Bei der dritten sind die Seiten nach innen
gekrümmt, aus ihren Kanten aber wächst unten ein volutenartiger Vorsprung
heraus, zu dem oft, bei Leuchtern des späteren Barocks fast regelmäßig, durch
eine tiefe Einbuchtung von dem unteren geschieden, am oberen Ende der Kan-
ten ein zweiter kleinerer kommt (Tafel io^f, Biberach; 109, Düsseldorf, Wipp-
stetten). Im ersten Fall bilden die Seiten miteinander eine scharfe Kante, im
zweiten sind die Kanten abgerundet und häufig mit einem von unten nach oben
verlaufenden Akanthusblatt verziert, im dritten ist zwischen die Kanten der
Seiten ein Band, durch das sie verbunden werden, eingeschoben. Leuchter mit
Fuß der ersten Abwandlung entstanden fast nur in der Zeit der Renaissance
und dann wieder in der des Klassizismus.
Regelmäßig sitzt der Fuß auf kleinen Stützchen. Sie bestehen am häufigsten
in einer Klaue (Tafel 108, Certosa; 109, Düsseldorf), in einem klauenartigen
Gebilde (Tafel 108, Porto; 109, Wippstetten, Frauenburg) oder in einer Ku-
gel (Tafel 107, Graz, Biberach).
Der Schaft der Leuchter des neuen Typus baut sich aus zwei oder drei über-
einander angebrachten vasenartigen Gebilden auf, die sich meist deutlich von-
einander abheben, seltener mit einander verschmelzen. Bei den nur mäßig
hohen unteren Vasen sind Bauch und Hals voneinander getrennt, bei der fla-
schenartig gestalteten oberen geht der hoch und schlank aufsteigende Hals un-
vermerkt in den Bauch über. Bei kleineren Leuchtern begnügte man sich mit
der oberen flaschenartigen Vase. Eine freiere Behandlung, bei der die den
Schaft bildenden Vasen so ineinander übergehen und so mit fremdartigen Ele-
menten durchsetzt sind, daß sie als solche kaum mehr erkennbar sind, ja daß
sich kaum mehr eine Erinnerung an sie zeigt, erfährt der Schaft erst in der Zeit
des späten Barocks, zumal des Rokokos, in der er auch wohl sich der Form des
Fußes angleicht, die Rundform verliert und ebenfalls dreiseitig wird (Tafel 109,
Frauenburg).
Die Lichtschale ist bei den Leuchtern der Renaissance schüsseiförmig; in der
Zeit des Barocks gibt man ihr mit Vorliebe eine an einen Blumenkelch gemah-
nende Gestalt.
Die Zahl der noch vorhandenen Renaissanceleuchter des Typus ist sehr er-
heblich, fast endlos aber der der Barockleuchter desselben. Auf einzelne einzu-
gehen, ist hier nicht möglich, aber auch nicht vonnöten, da das Bild, das sie
bieten, von unwesentlichen Elementen abgesehen, immer wieder das gleiche ist.
Was sie am meisten unterscheidet, ist der mit der Renaissance beginnende und
mit dem nüchternen Klassizismus und Empire (Tafel 109, Aschaffenburg) en-
dende Stilwandel. Es kann darum auch genügen, das Gesagte durch einige Ab-
bildungen zu beleuchten (Tafel 107—109). Auf Sonderbildungen von Leuch-
tern, wie sie in nachmittelalterlicher Zeit gelegentlich entstanden, einzugehen,
DRITTES KAPITEL. FORM. III. IN NACHMITTELALT. ZEIT 521
erübrigt sich hier, da sie nicht zu Typen wurden und darum für die Geschichte
des Allarleuchters belanglos sind.
Die Höhe der Altarleuchter, die schon im späten Mittelalter eine merkliche Steigerung
erfahren hatte, erfährt unter der Herrschaft der Renaissance, besonders aber des Barocks
eine weitere. Namentlich sind es die Leuchter des Hochaltars, bei denen das der Fall ist,
doch nehmen auch die der Seitenaltäre, wenn auch in bescheidene rem Maß, an ihr teil. Es war
wiederum nicht zum wenigsten die Höhe der Altarretabel, welche das neuerliche Anwachsen
der Höhe der Altarleuchter veranlaßte. Vor Altar kolossen, wie sie seit der späten Renaissance
in so außerordentiieher Zahl entstanden, wären nur ,'|0—5ocm hohe Leuchter geradezu
verschwunden. Ausdrücklich sagt der heilige Karl in seiner Instructio fabricae ecclesiae, es
sollten die Leuchter jene Höhe haben, die durch die Rücksicht auf den Altar und die Kirche
gefordert werde. (64) Altarleuchter von 60—70 cm Höhe, die noch im späten Mittelalter
eine Ausnahme waren, sind darum schon um das Ende des r 6. Jahrhunderts sehr gewöhn-
lich, zumal Hochaltarleuchter. In der Folge aber steigert sich dann die Höhe der Altar-
leuchter dermaßen, daß nun, besonders in der Zeit des Spätbarocks, 90 cm bis 100 cm hohe
eine häufige Erscheinung sind. Schon von sechs zueinander gehörenden Leuchtern aus dem
frühen 17. Jahrhundert im Dom zu Salzburg ist ein Paar »5 cm, das zweite 100cm, das dritte
io'icri hoch. (65) Im 18. Jahrhundert aber begegnen uns nicht selten Leuchter, die eine
Höhe von iia cm aufweisen, wie zwei Silberleuchter zu Ehingen von 1700, oder von 120cm,
wie ein Leuchterpaar von 1720 zu Biberach (Tafel 107).
Die Heimat des für die Renaissance und das Barock kennzeichnenden Altarieuchtertypus
ist Italien. Ob seine Anfänge noch ins Mittelalter zurückgehen, muß dahingestellt bleiben.
Auf alle Fälle trat er dort spätestens in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts auf den
Plan. Denn gegen Ende des dritten Vierteis ist er nicht nur schon dem heiligen Karl be-
kannt, er wird von ihm in der Instructio fabricae ecclesiae auch schon als der zweckmäßigere
empfohlen. (66) Ein Satz von sechs Altarleuchtern des Typus (Tafel 106), die dem dritten
^ iertel des 16. Jahrhunderts entstammten und bereits eine Höhe von ca. 85 cm haben, finden
sich in S. Marco zu Venedig. (67) zwei andere aus etwa der gleichen Zeit von ungemein
vornehmen Verhältnissen in der Ccrtosa von Pavia (Tafel 108), wo sie den Hochaltar
schmücken. In Deutschland hatte der Typus bereits im späten 16. Jahrhundert sich einzu-
bürgern begonnen. Eine Anzahl von Altarleuchtern im ehemaligen Schatz von St. Michael
zu München, die dieser Zeit angehörten (Tafel 107), völlig durchgebildete Beispiele des Typus
ohne jede Erinnerung an den spätgotischen, (68) wie auch einer der Musterleuchter in der
deutschen Ausgabe des Ornatus ecclesiasticus Myllers (69) bezeugen das. Daß der neue
I^uchtertypus im späteren 16. Jahrhundert auch schon in Frankreich nicht mehr unbekannt
war, zeigen Ornamentstiche Du Cerceaus (f nach i58&). Allgemein herrschend wurde er
im Lauf des 17. Jahrhunderts, um dann bis in die Zeit des Klassizismus allenthalben der
hauptsächlichste Altarleuchtertypus zu bleiben, in Italien und Spanien sogar bis in die
Gegenwart.
(64) AA. Ecel. Mediol. (Mediol. 1599) 624. (65) Kunsttopogr., Salzburg IX, 47.
(66) AA. Eccl. Mediol. a. a. 0.: Candelabri basis, quem pedem dieunt, rotunda vel trian-
sularis potius existat. (67) Pasiki, Tfl.I.VIII, n.138; vgl. auch TH.LX, n. 147, wo noch
ein weiterer ähnlicher Art abgebildet ist. (68) L.Gmemn, Alte Handzeichnungen nach
dem verlorenen Kirchenschatz von St. Michael (München 1888) Tfl. XXII ff.
(69) Kirchengeschmuck (München 1591) 155.
522 VASA NON SACRA. ZWEITER ABSCHNITT. DIE ALTARLEUCHTER
VIERTES KAPITEL
ORNAMENTALE AUSSTATTUNG DER ALTARLEUCHTER
<1) Vgl. oben S. 514. (2) Abb. in Mitt. IV (1859) Tfl. II.
VIERTES KAPITEL. AUSSTATTUNG. 1. IM MITTELALTER 523
Filigran und Steine weisen auf dem Fuß und an den Ringen, welche die Kri-
stalle trennen, aus denen der Schaft zusammengesetzt ist, die beiden Leuchter
in S. Nicola zu Bari (Tafel ioi) auf, nur auf dem Fuß ein den Limoger Leuch-
tern formgleicher, vielleicht auch aus Limoges stammender Leuchter in Köl-
ner Privatbesitz (Tafel ioo). Dem Leuchterpaar zu Bari anscheinend ähnlich
waren zwei Leuchter, die im Inventar des Apostolischen Stuhles von 1295 auf-
geführt sind (13) und auch noch im Inventar Clemens' V. von i3ii wieder-
kehren. (14) Mit Filigran und Steinen geschmückte Altarleuchter dürften übri-
gens nicht oft geschaffen worden sein. Selbst bloß mit Steinen verzierte werden
in den Inventaren nur sehr selten erwähnt.
Tauschierarbeit begegnet uns an dem Leuchterpaar zu Kremsmünster, (15)
dem heute nur mehr aus Fuß, Nodus und Dorn bestehenden Leuchter zu Ober-
kirchen in Westfalen (Tafel 101), dessen Fuß eine Art Gegenstück des Fußes
der Kremsmünsterer Leuchter darstellt, sowie dem schon erwähnten Leuchter in
Krefelder Privatbesitz (Tafel 100), der gleichfalls Verwandtschaft mit den
Leuchtern zu Kremsmünster zeigt. Wie es scheint, sind alle derselben Herkunft
und zwar dürften sie aus dem Osten stammen. Die Verwandtschaft des Ober-
kirchener Fußes mit den Leuchtern zu Kremsmünster stellen die hier wie dort
auf den Kanten des Fußes lagernden, den Kopf zurückwendenden, an den
Oberschenkeln mit den gleichen mandelförmigen auftauschierten Silberplätt-
chen verzierten Löwen außer Frage. Bei dem Krefelder Leuchter, auf dessen
Fuß von den auf dem Fuße der Kremsmünsterer Leuchter angebrachten Löwen
nur die nach rückwärts gerichteten Köpfe übrig geblieben sind, weist die Tau-
schierung des Schaftes deutlich auf Verwandtschaft und gemeinsame Herkunft
hin, wenn auch die hier wie dort durch Streifen mit Drachenfiguren in Flach-
relief getrennten tauschierten Silberbänder bei ihm nicht spiralförmig den
Schaft umziehen, sondern in der Richtung der Achse desselben von oben nach
unten verlaufen. Man hat die Kremsmünsterer Leuchter dem späten 8. Jahr-
hundert und als gleichzeitig mit dem Tassilokelch bezeichnet. Mit Unrecht.
Sie entstammen gleich den beiden ihnen verwandten Leuchtern erst aus dem
12. Jahrhundert.
Von einer Ikonographie der mittelalterlichen Altarleuchter kann nicht die
Rede sein. Das gilt, wie kaum gesagt zu werden braucht, schlechthin von den
gotischen Leuchtern, aber nicht nur von diesen, sondern auch von den romani-
schen, trotz der reichen ornamentalen Ausstattung, die ihnen zuteil wurde, ri-
gurale Darstellungen, zumal religiösen Charakters, die etwas mehr als bloßes
Ornament wären, kommen nur an äußerst wenigen derselben vor, wie an den
beiden Leuchtern im Dom zu Hildesheim (Tafel 99), allegorische Fraucn-
(13) Bibl. XLV (1884) 36.
(14) Clement V. Regesti app. I, 449: Duo candelabra de argento laborata de opere
fili (Filigran), in quorum pedibus sunt saphiri orientales, granati grossi et paryi, tu
chesie, perle grosse. Et sunt in quolibet pede tria acuta exmaltata ad arraa regis_*>icl"
liae... unum candelabruni habet canulum (Schaft) quasi integrum de diaspide (Jaspis) e
criatallo, in quo canulo sunt octo virolae (Ringe) de argento deaurato, laboratae de ope
fili in quibus sunt multae perlae grossae et exmaraldae et granatae et in summitate nnoe
patellam de argento deaurato cum pluribus perlis et exmaraldis et granaÜB per girum. f
zweite Leuchter wird als dem ersten gleichartig, aber stark beschädigt bezeichnet.
(16) Abb. in Mitt. IX (1859) TD. 2.
Viertes kapitbl. Ausstattung, t. m Mittelalter 525
gestalten der Erdteile bzw. der Medizin, Jurisprudenz und Philosophie, den bei-
den Leuchtern im Dom zu Halberstadt (Tafel 102), Halbfiguren von Engeln,
dem Leuchter aus Gandersheim zu Braunschweig (Tafel 96) und dem Leuch-
terfuß in der Diakonissenanstalt zu Dresden, sitzende Engelfiguren, dem Leuch-
ter in St. Jakob zu Stendal (Tafel q6), Evangelisten, zwei Leuchterfüßen der
ehemaligen Sammlung Basilewsky, drei sitzende, nicht näher bestimmbare
männliche Gestalten (16) und einem Limoger Leuchter im Bischöflichen Mu-
seum zu Münster, Medaillons mit der Halbfigur eines Heiligen. Was sonst an
Figürlichem an den Leuchtern vorkommt, ist lediglich Ornament ohne jede dar-
über hinausgehende Bedeutung. Es wäre grundlos, in diesen zum Teil nackten
Gestalten einen symbolischen Sinn zu suchen, was übrigens auch von den Figu-
ren an den beiden Bernwardsleuchtern zu Hildesheim und dem Gloucester-
leuchter im Viktoria-und-Albert-Museum zu London gilt.
Auf dem Fuß der Limoger Leuchter finden sich bisweilen figurale Darstellungen pro-
faner Art und zwar auch auf solchen, die aus Kirchen stammend oder noch in kirchlichem
Besitz sich befindend, zweifellos als Altarleuchter gedient haben. So wies z. B. ein Leuchter-
paar der ehemaligen Sammlung Spitzer auf ihm einen Jäger zu Pferd, einen mit einem
Löwen kämpfenden Mann sowie die Halbfiguren eines Mannes und einer Frau auf, (17)
ein Leuchter der ehemaligen Sammlung Basilewsky zwei kämpfende Ritter, zwei kämpfende
Männer sowie einen Mann im Kampf mit einem Löwen, dessen Schwanz eine Frau er-
greift. (18) Auf einem Leuchter zu Au am Inn sieht man auf jeder Seite des Fußes einen
Kämpfer mit Schwert und Schild. Die Leuchter, welche von Limoges aus als Handelsware
in alle Welt hinausgingen, waren keineswegs ausschließlich für den kirchlichen Gebrauch,
sondern auch für den häuslichen Gebrauch gemacht. Daher sie denn auch nur selten reli-
giöse Darstellungen, wohl aber des öfteren profane zeigen, trotzdem jedoch auch für Kirchen
gekauft wurden und in ihnen als Altarleuchter Verwendung fanden.
Die an den romanischen Leuchtern bis in das r3. Jahrhundert hinein weit-
aus am gewöhnlichsten wiederkehrenden ornamentalen Motive sind Ranken-
werk und Tierfiguren, Löwen, Vögel sowie namentlich Drachen und ähnliche
Phantasiegebilde und zwar gilt das ebenso bezüglich der mit Email verzierten
Leuchter Limoger Ursprungs, wie bezüglich der in Guß hergestellten, bei welch
letzteren sogar nicht selten, wie schon früher gesagt wurde, der Fuß ausschließ-
lich von Drachen und ähnlichen Tiergestalten gebildet wurde. (19)
Man hat diese Drachenfiguren symbolisch gedeutet, in ihnen das Licht im Streit mit
der Finsternis, Christus, das übernatürliche Licht im Kampf mit den höllischen Mächten
versinnbildet sehen wollen. Mit Unrecht. Sie sind nichts anders als das Rankenwerk, die
Vögelgestalten, die Löwen und die nackten oder bekleideten menschlichen Figuren, die uns
ebenfalls als Schmuck an den Leuchtern des 11., 12. und i3. Jahrhunderts begegnen, ledig-
lich Ornament, rein dekorative Elemente. Wer nur den einen oder andern der mit Drachen-
gestalten am Fuß, dem Nodus oder der Lichtschale geschmückten Leuchter vor sich hat,
'«ag zwar auf den Gedanken kommen, es seien die Drachen symbolisch gedacht, zumal,
wenn er, freilich ohne Grund, geneigt ist, in allen Ausgeburten der Phantasie, mit denen-
e Künstler des romanischen Stiles ihre Arbeiten so reichlich ausgestattet hahen, Symbolik
zu vermuten. Wer jedoch unbefangen die lange Reihe der mit Drachen unholden verzierten
•euchter einer näheren Prüfung unterzieht und dabei sich nicht bloß auf die gegossenen
^euchter beschränkt, sondern auch die mit Email geschmückten berücksichtigt, wer die
/i« Daucei- n-227- O?) La collection Spitzer l.Orfevr. relig. n.32, 33.
U«) Daucel n. 200. (19) Vgl. oben S. 506.
526 VASA NÖN SACRA. ZWEITER ABSCHNITT. DIE ALTARLEUCHTER
Drachen gestalten im Licht ihrer dekorativen Bedeutung betrachtet und sieht, wie demselben
Zweck hier zugleich mit ihnen, dort an Stelle von ihnen auch Rankenwerk, Vögel, ja
menschliche Figuren dienen, von einem Gegensatz zum Licht aber weder in der Dar-
stellungs weise der einzelnen Drachen, noch in deren oft geradezu grotesken Gruppierung
etwas gewahrt, wird auch in den Drachengestalten an den Altarieuchtern nur das erkennen
können, was die an den Kapitellen romanischer Säulen und Pfeiler, in romanischen Friesen,
an romanischen Konsolen, Rauchfässern, Goldschmiede- und Emailarbeiten wie auch in
Initialen von Handschriften aus der Zeit des romanischen Stiles so häufig vorkommenden
Drachen sind, ein bloßes Ornament, ein ausschließlich Dekoration bezweckendes Spiel
künstlerischer Phantasie, das erst symbolische Bedeutung erhielt durch die, die überall
Symbolik wittern.
FÜNFTES KAPITEL
DIE AKOLYTHENLEUCHTER
(2t) Vgl. die Abb. bei Weingart.ner 294, 295. (22) Abb. von Beispielen ebd. 298.
. (23) Vgl. die Abb. auf Tafel 107—109. (24) Ebd. 291. (25) Kd. von Bayern, Nieder-
bayern VI, 227
v (1) Rit serv'. in celebr. missae tit. II, n.5. (2) L. 1, c. 11, n.S. (3) Über die sonstige
Verwendung der Akolvthenleuchter vgl. man die Rubrizisten.
528 VASA NÖN SACRA. ZWEITER ABSCHNITT. DIE ALTARLEUCHTER
Erklärung der gallikanischen Messe, die wohl noch bis in das 7. Jahrhun-
dert zurückreicht, jedenfalls aber vorkarolingisch ist, den Diakon begleiteten,
wenn er sich behufs Verlesung des Evangeliums zum Ambo begab, nichts ande-
res als die späteren Akolythenleuchter. (4) Nicht ist dagegen der Akolythen-
leucbter unter dem ceroferarius cum cereo der Statuta ecclesiae antiqua (5)
verstanden, den der Archidiakon dem zu ordinierenden Akolythen bei dessen
Weihe überreichte. Denn dieser hatte nur symbolischen Charakter; er sollte
nämlich, wie es in den Statuta ausdrücklich heißt, den Ordinanden darauf hin-
weisen, daß es seines Amtes sei, die Lichter in der Kirche anzuzünden. Im aus-
gehenden 7. Jahrhundert spricht von ihnen das Breviarium ecclesiastici ordinis
und nur wenig später das etwas jüngere Capitulare ecclesiastici ordinis. (6) In
der Karolingerzeit erwähnen sie der 1., 2., 3. und 5. Ordo Mabillons, (7) der
Ordo von Sl-Amand, (8) Amalar von Metz, (9) Hrabanus Maurus, (10) die
Eclogae (11) sowie Pseudo-AIkuin, (12) im 10. Jahrhundert der 6. Ordo Ma-
billons (13) und das Sakramentar Ratolds von Corbie. (14) Aus der Folgezeit
Belege anzuführen erübrigt sich. Die Art der Verwendung der Akolythen-
leuchter blieb nicht nur das ganze Mittelalter hindurch, von kleineren Abwei-
chungen abgesehen, die gleiche wie zur Karolingerzeit, sie ist das auch noch
heute, nur erfuhr die Zahl der Leuchter beim Pontifikalamt eine Verringerung.
Während dieselbe sich nämlich zur Karolingerzeit bei diesem in der Regel auf
sieben belief und selbst noch zur Zeit Innozenz' III. bei ihm an den höchsten
Festen sieben betrug, (15) beschränkt sie sich bei ihm gegenwärtig, wie übrigens
schon im späteren Mittelalter, (16) ohne Rücksicht auf den Festcharakter des
Tages, nicht anders wie bei nichtpontifikalen feierlichen Ämtern stets auf nur
zwei.
In dem 1., 2. und 3. der römischen Ordines Mabillons sowie im Ordo von
St-Amand wird der Akolythenleuchter cereostatum genannt. Cereostatum
scheint die eigentlich römische Benennung desselben gewesen zu sein. Außer-
halb Roms hat sie keine Verbreitung gefunden. Hier heißt der Akolythenleuch-
ter stets candelabram, und zwar schon in der Expositio liturgiae gallicanae, im
Breviarium ecclesiastici ordinis und im Capitulare ecclesiastici ordinis. Aber
auch zu Rom hat die Bezeichnung cereostatum sich nicht über das 9. Jahrhun-
dert hinaus zu behaupten vermocht. Seitdem nannte man auch dort den Ako-
lythenleuchter nur mehr candelabrum.
Hinsichtlich des Materials der Akolythenleuchter besteht keinerlei kirchliche
Vorschrift noch ist jemals eine diesbezügliche Verordnung erlassen worden. Aus
welchem Material man sie im Mittelalter anfertigte, ist aus den Inventaren nicht
zu ersehen, da die in ihnen verzeichneten Leuchter, wenn auch vielleicht Ako-
(4) M.72, 91. (5) C. 6(H. 1,979). (6) Neuerdings veröffentlicht von CSilva-Takolci
in Atti della Pontif. Accad. Romana di archeol., Memorie I, parte 1 (Roma 1923) 19^ «»•
(7) Ordo l,n.8, 11 ;ordo2,n. 6, 8; ordo 3, n.8,10; ordo 5, n.5, 7(M.941 f.,971, 979f.986£).
(8) Duch., Orig. (Paris 1903) 457 f. (9) De eeclesiast. off. 1.3, c.5, 7, 18 (M. l(ta, 1"«.
1114, 1126). (10) De instit. cleric. 1.1, c.9 (M. 107, 304).
(11) M. 105, 1317, 1320, 1323. (12) De div. off. c. 39, 40 (101, 1245, 1250). „
(13) N.2f. (M.78, 989 f.). (14) M.78, 241. (15) De sacro altaris mysterio 1.2, c.°
(M.217,804). (16) Vgl.denOrdo des JacobusGajetanus,c.53 (M.78,1158): Duo ceroferam.
fünftes Kapitel, die akolythenleuchter 529
lythenleuchter, doch nicht als solche ausdrücklich bezeichnet, noch durch den
Zusammenhang als solche kenntlich gemacht werden. Daß die sieben silbernen
Leuchter, welche Abt Ansegisus dem Kloster Flavigny schenkte (17) als Ako-
lythenleuchter zu deuten sind, darauf weist ihre Siebenzahl hin. Für das Mate-
rial der Akolythenleuchter werden zu aller Zeit vornehmlich die vorhandenen
Mittel bestimmend gewesen sein.
Über die formale Beschaffenheit des Akolythenleuchters im frühen Mittel-
alter geben uns zum Teil schon früher erwähnte Bildwerke aus dieser Zeit eini-
gen, wenn auch infolge der Mangelhaftigkeit derselben, nur allgemeinen Auf-
schluß, eine Miniatur eines dem 9. Jahrhundert entstammenden Sakramentars
von Antun, (18) ein Elfenbeinrelief des Deckels des Drogosakramentars in der
Nationalbibliothek zu Paris (19) und eines der Reliefs der Bückseite des Pal-
liotto in S. Ambrogio zu Mailand. (20) Dagegen können die beiden Leuchter
neben dem zelebrierenden Bischof auf der Frankfurter Elfenbeintafel wohl
nicht als Akolythenleuchter gedeutet werden. Überall besteht der Leuchter aus
einem dreiseitigen Fuß, aus einem Schaft und einer Lichtschale. Am bemer-
kenswertesten ist der Leuchter auf der Miniatur des Sakramentars von Autun.
Sein Fuß besteht aus drei oben sich vereinigenden Bügeln. Sein durch einen
kugelförmigen Nodus vom Fuß und von der auf langem Stiel sitzenden Licht-
schale getrennter Schaft erscheint in der Mitte bauchig verdickt. Am Träger ge-
messen hat der Leuchter etwa die halbe Höhe desselben. Erhalten hat sich kei-
ner der Akolythenleuchter des frühen Mittelalters.
Auch aus dem späteren Mittelalter ist kein Akolythenleuchter auf uns gekom-
men, es müßte denn der eine oder andere mit höherem Schaft versehene unter
den vielen noch vorhandenen mittelalterlichen Leuchtern als solcher gedient
haben wie z.B. der auf Tafel 100 abgebildete Leuchter aus dem National-
museum zu München, Bildwerke mit Darstellungen von Akolythenleuchtern
aber sind aus ihm noch seltener als aus dem frühen Mittelalter. (21) Übrigens
wird sich der Akolythenleuchter des späteren Mittelalters von dem Altarleuchter
nicht formal, sondern lediglich durch größere Höhe des Schaftes unterschie-
den haben. In nachmittelalterlicher Zeit, in der auch die Altarleuchter durch-
weg eine beträchtliche Höhe aufwiesen, verschwand aber auch dieser Unter-
schied zwischen Altar- und Akolythenleuchter. Es werden sogar bei der außer-
ordentlichen Höhe, die vielfach den Leuchtern des Hochaltares eigen war, die
Akolythenleuchter aus praktischen Gründen niedriger gewesen sein als solche
überhohe Altarleuchter, was der heilige Karl in seiner Instructio fabricae eccle-
siae bezüglich der bei Prozessionen zu verwendenden Akolythenleuchter als zu-
lässig bezeichnet. (22)
Ein Gegenstück zum Akolythenleuchter sind die Leuchter, die in den Riten des
Ostens bei der Verlesung des Evangeliums und der ihr vorausgehenden Prozes-
tJ17) Vgl. oben S. 499. (18) Abb. bei Braun, Gewandung 62. (19) Abb. bei Roh. I,
jfl-IV. (20) Abb. bei Brut», Altar I, Tfl. 101. (21) Ein Beispiel aus einer Handschrift
*• «. Jahrhundert« bei Ron. VI, Tfl. 460.
(22) AA. EccL Medioh (MedioL 1599) 624: Candelabra ad usum processionum et metallo
t^fornia existant ut illa quae usui sunt altaris maioris, sed longitudine breviori et crassi-
tudine
tninori item esse poterunt.
Blll"'N, DAS CHRISTLICHE I
530 vasa non Sacra, dritter abschnitt, waschgefässe
sion, im griechischen Ritus aber auch bei der feierlichen Einführung der Opfer-
gahen — dem sogenannten großen Einzug — zur Verwendung kommen. Über
ihre Geschichte läßt sich beim fast völligen Mangel des erforderlichen Quellen-
materials nichts sagen. Daß sie nicht erst in neuerer Zeit in Gehrauch kamen,
bekundet eine Schüssel im Xeropotamukloster des Athos mit einer Darstellung
des großen Einzuges, auf der auch sie wiedergegeben sind. Die Schüssel soll
ein Geschenk der Pulcheria, der Schwester des Kaisers Romanos III. (1028
bis io34) sein, doch stammt sie in Wirklichkeit frühestens aus dem i3. Jahr-
hundert. (23)
(23) O. Wulf, Altchrist, und byzant. Kunst (Berlin 1913) 616 mit Abb.
DRITTER ABSCHNITT
ERSTES KAPITEL
DIE LITURGISCHE HÄNDEWASCHUNG IN GEGENWART UND
VERGANGENHEIT
hundert entstammende Sakramentar Ratolds von Corbie. (1) Nicht erwähnt wird
sie insbesondere von den römischen Ordines des 8., 9. und 10. Jahrhunderts,
wohl ein Zeichen, daß sie zu Rom wenigstens bei Pontifikalmessen noch nicht
üblich war. Im 11. Jahrhundert wird die Händewaschung vor der Messe in Wil-
helms von Hirsau Constitutiones Hirsaugienses (2) und in des Udalricus Con-
suetudines Cluniacenses (3) bezeugt, um 1100 aber im Ritus von S. Renigne zu
Dijon, (4) jedoch nur für die Privatmesse, nicht für die Konventmesse, bei der
sie auch zu Cluny und Hirsau noch, wie nach den römischen Ordines erst nach
Entgegennahme der Oblationen vor der Opferung stattfand. Von Sakramen-
taren des 11. Jahrhunderts erwähnen die Händewaschung vor Beginn der Messe
der unter dem Namen Missa Illyrica bekannte Meßordo des Bischofs Sigibert
von Minden (f io36) (5) sowie Sakramentare von Murbach, Troyes und Sois-
sons. (6) Nach den Usus ordinis Cisterciensium (1. Hälfte des 12. Jahrh.) voll-
zog sie sich bei den Zisterziensern sowohl vor der Konventmesse wie vor den
Privatmessen. (7) Wann es zu Rom Brauch wurde, der Messe eine Hände-
waschung vorausgehen zu lassen, ist nicht festzustellen. Jedenfalls geschah das
aber dort bereits zur Zeit Innozenz' III., wie aus dessen Schrift De sacro alta-
ris mysterio erhellt. (8) Er wird also für Rom nicht erst um i3oo durch den
Ordo des Jacobus Gajetanus bezeugt. (9) Im i3., i4- und 10. Jahrhundert war
die Händewaschung vor der Messe, wie aus den Missalien dieser Zeit erhellt,
allgemein in Übung.
Die Händewaschung vor der Opferung hatte, so lange dieser ein Opfergang
vorausging, bei dem Naturalien, zumal Brot und Wein geopfert werden, einen
praktischen Zweck. Als derselbe jedoch seit dem 11. Jahrhundert außer Brauch
kam oder zur bloßen Zeremonie wurde, verlor sie ihre ursprüngliche Bedeu-
tung. Zwar behielt man sie in den Pontifikalämtern bei, doch nur mehr als
Zeremonie. In allen übrigen Messen begnügte man sich damit, nach der Opfe-
rung die beiden ersten Finger beider Hände zu waschen, wie man es in den
Privatmessen, in denen kein Opfergang stattfand, schon früher getan hatte.
Deinde (nach der Opferung) binos et primos utriusque manus digitos, quibus
corpus Dominicum est tractandum, lavat, heißt es in Wilhelms von Hirsau Con-
stitutiones Hirsaugienses. (10) Wo man im Pontifikalamt an der Hände-
waschung vor der Opferung festhielt, war es vielfach nicht üblich, nach der
Opferung noch einmal die Finger abzuwaschen, wie das nach Vorschrift des
Caeremoniale episcoporum heute im Pontifikalamt zu geschehen hat. So ver-
hielt es sich insbesondere auch zu Rom, wie der Ritus des Pontifikalamtes
im Ordo des Jacobus Gajetanus zeigt. (11) Im Pontifikalamt auch noch nach der
Opferung die Finger zu waschen, wie es nach dem Caeremoniale episcoporum
in ihm geschehen soll, kann demnach dort frühestens im i4- oder i5. Jahrhun-
(I) Leroquais I, 131; M. 78, 241. (2) L. 1, c. 86 (M.150, 1015). (3) L.2, c.30 (M. 149,724).
(4) Mart., Monacli. 1.2, c.6, n.18; IV, 70. (5) Mart. 1.1, c.4, art. 12, ordo 4; I, "7.
(C) Leroquais I, 131, 151, 161. (7) C.53, 59 (M. 166, 1421, 1436). „ ,_n
(8) L.1, c.49 (M.217, 792). (9) C.47, 53 (M. 78, 1148, 1156). (10) L. 1, c. 86 (M. lo«.
1017). Vgl. auch die Usus Cistereiensium, c. 53 <M. 166, 1424): Deinde (nach der Opferung
und Inzensierung der Opfergaben) ablutis digitis aqua, sibi a diacono de ampulla data et
in pelvi ad hoc praeparata recepta, incurvus ante altare faciat orationem.
(II) C.53 (M.78, 1115).
ERSTES KAPITEL. DIE LITURGISCHE HANDEWASCHVNG 533
<lert üblich geworden sein. Beide Waschungen begegnen uns schon in den Sta-
tuten des Kartäuserordens (12) und im Ordo des Pontifikalamtes im Ponti-
fikale des Durandus (Ende i3. Jahrb.). (13)
Von einer Händewaschung nach der Kommunion soll schon in der von einem
Zeitgenossen verfaßten Lebensbeschreibung des heiligen Bonitus, Bischofs von
Clermont (+ 709), die Rede sein, (14) doch ist das nicht zutreffend. Der Bio-
graph spricht lediglich von einer Händewaschung am Altare, ohne anzugeben,
wann sie stattfand. Zum ersten Male hören wir von einer Händewaschung nach
der Kommunion im Ordo von St-Amand (um 800), (15) doch ist es nicht der
Zelebrans, der sie vornimmt, sondern die Priester und Diakone, welche die
Kommunion den Gläubigen gespendet haben. Von einer Händewaschung des
Zelebrans nach der Kommunion vernehmen wir zuerst in der gegen Ende des
9. Jahrhunderts entstandenen Inquisitio Reginos von Prüm, einer Anweisung
für die Abhaltung einer Kirchenvisitation, nach der der Visitator auch zusehen
soll, ob in der Sakristei oder beim Altar ein Gefäß hange für die Hände-
waschung des Priesters nach Empfang des Leibes und Blutes des Herrn; (16) sie
erscheint jedoch in derselben keineswegs als etwas Neues, sondern als ein be-
reits bestehender Brauch. Etwa ein halbes Jahrhundert später wird sie im Sa-
kramentar Ratolds von Gorbie bezeugt, (17) dagegen vernehmen wir noch
nichts von ihr in dem der Frühe des 11. Jahrhunderts entstammenden, so ein-
lässigen und an Rubriken so reichen Meßordo Sigiberts von Minden, der soge-
nannten Missa Illyrica, und dem Meßordo des Johannes vonAvranches (-J-1079).
Mehrfach ist von ihr in den Ordines und Ordinarien des späteren Mittelalters
die Rede, wie in einem Ordinarium von Bayeux aus dem zweiten Viertel des
i3. Jahrhunderts, (18) Ordinarien von St-Martin zu Tours, der Kathedrale von
Lyon und der Kathedrale von Soissons sowie im Pontifikale des Durandus von
Mende, demzufolge sie aber erst nach Beendigung der Messe vorgenommen
wurde (19) und zudem damals noch keineswegs allgemein in Übung stand oder
auch nur, wie es scheint, weit eingebürgert war, wie aus dessen Rationale erhellt.
Eine Händewaschung nach der Kommunion war bis ins ausgebende Mittel-
alter zu Rom nicht gebräuchlich. Allerdings spricht der 6. Ordo Mabiüons von
einer lotio manuum nach derselben (20) und auch Innozenz III. tut das
gleiche. (21) Allein wenn es sich auch in jenen um eine Waschung der Hände
zu handeln scheint, so ist doch zu beachten, daß der 6. Ordo keineswegs den
römischen Ritus rein wiedergibt, sondern vermischt mit nichtrömischen Ge-
bräuchen, bei Innozenz III. aber ist wohl nicht eine Händewaschung, sondern
"ur eine Ablution der Finger gemeint. Denn in dem um 1145 verfaßten Ordo
«er Laterankirche ist nur von einer zweimaligen Ablution der Finger des Zele-
brans die Rede, zunächst mit Wein und dann mit Wasser (22) und nicht anders
Verhaltes sich noch im Ordo des Jacobus Gajetanus von etwa i3oo. (23) Die
M (12) Märt. 1.1, c. 4, art 12, ordo 25; I, 227. (18) Ebd. ordo 23 ;I, 222. (14) A. Franz, Die
Messc: im deutsch.Mittelalter (Freiburg 1902) 106. (15) Dich., Orig.463. (16) C.8 (M. 132,187).
Uli M.78, 245. (18) ü. Chkvai.ier, Ordinairc de l'eglise cath. de Bayeux (Paris 1302) 32.
D U9) Mart. LI, c.4 art. 12, ordo 19, 20, 22, 28; I, 8«, -l'-K 220, 222; vgl. au<:a Dubasdi,
,™t div. oHic. 1.4 c 55 n. 1. (20) N. 13 (M. 78, 994). (21) De sacro alt. mvst. 1.6, c. 8
S& W0>- <22) L.Fi'scHER.Ordo off. ecel. Lateran. (München 1916) 87.
(23) C.47, 53 (M.78, 1152, 1169).
534 VASA NON SACRA. DRITTER ABSCHNITT. WASCHGEFÄSSE
Ablution mit Wein fand hier wie dort über dem Kelch, die mit Wasser aber
einem Becken statt und zwar auch in der feierlichen Papstmesse. (24) Keine
Händewaschung nach der Kommunion kennen auch Wilhelms von Hirsau Con-
stitutiones Hirsaugienses (11. Jahrh.), denen zufolge nur dieFinger zweimal über
dem Kelch mit Wein abgewaschen werden sollen, (25) die Usus Cistercienses
(12. Jahrh.), nach denen bloß die Finger mit Wein über dem Kelch und dann
mit Wasser an der Piscina zu abluiren sind (26) und der Ordo missae des Do-
minikanergenerals Humbert de Romanis von i»56, der lediglich eine Wa-
schung der Finger mit Wein über dem Kelch und hierauf eine zweite mit Was-
ser sei es über einem Becken, sei es über dem Kelch vorschreibt. (27) Erst in
dem um i.^oo entstandenen Ordo des Petrus Amelii ist aus der zweiten Ablu-
tion der Finger über einem Becken, wie sie uns noch im Ordo des Gajetanus be-
gegnet, eine Händewaschung geworden (28) und so verhalt es sich dann auch
in dem um ein halbes Jahrhundert jüngeren Ordo der Papstmesse im Cäremo-
niale des Kardinals d'Estouteville. (29) Indessen war diese Händewaschung
zu Rom nur in den Pontifikalmessen üblich, nicht in den übrigen, wie noch
aus dem Ordo missae Burckards von Straßburg erhellt, demzufolge in diesen
nach der Kommunion die Finger überhaupt nicht mit Wasser, sondern ledig-
lich über dem Kelch mit Wein abgewaschen werden sollen. (30)
Die Händewaschung vor der Messe nahm man, von Pontifikalmessen abge-
sehen, in der Regel in der Sakristei an einer dort ständig angebrachten Wasch-
einrichtung (lavatorium) vor, die Ablution der Finger nach der Opferung und
Kommunion, soweit letztere mit Wasser geschah, mancherorten an der neben
dem Altar angebrachten, oft mit beckenartiger Vertiefung und W7asserablauf ver-
sehenen Nische (piscina, lotorium, lavatorium). (31) Im übrigen benutzte mau
zur Waschung der Hände wie der Finger entweder eine Kanne zum Aufgießen
und ein Becken zum Auffangen des Wassers, oder zwei Becken, von denen
eines die Stelle einer Kanne vertrat und gewöhnlich mit Ausgußvorrichtung
versehen war. In kleineren Kirchen und bei Privatmessen aber bediente man
sich statt einer besonderen Wasserkanne oder eines Ausgußbeckens wohl meist,
wie heule allgemein in nichtpontifikalen Messen, der Ampulle mit dem bei Her-
richtung des Kelches dem Wein beizumischenden Wasser auch zur Ablution
der Finger nach der Opferung und Kommunion. War kein Becken zum Auf-
fangen des Wassers vorhanden, so nahm man, wie aus dem Meßordo des Hum-
bert de Romanis erhellt, (32) wenig Anstand, das bei der Händewaschung vor
der Messe und das zur Ablution der Finger nach der Opferung gebrauchte
Wasser auf die Erde fließen zu lassen.
Das Waschen der Hände war bei der Eucharistiefeier sowohl im allgemeinen durch die
Rücksicht auf die Heiligkeit der Handlung und die mit dieser verbundenen vielfachen
Berührungen des heiligsten Sakramentes, wie insbesondere durch die in alter Zeit der
Opferung vorausgehende Oblation von Naturalien, zumal Brot und Wein, begründet und
veranlaßt. Auf letzteres weist ausdrücklich der sechste römische Ordo hin, wenn er von der
Händewaschung nach dem Opfergang sagt: Quod (die Hände wasch ung) ah antiquis patribus
decretum fertur, ut pontifex, qui caelestem panem accepturus est, a terreno pane, quem a
laicis accepit, manus lavando expurget. (33) Die zum Waschen der Hände dienenden Gefäße
gehören darum zu den ältesten liturgischen Geräten, wenn sie auch, weil mit dem Aller-
heiligsten nicht in nähere Berührung kommend, nie die Eigenschaft eines vas sacrum hatten,
noch je erlangt haben. Erwähnt werden sie als zu Rom in Gebrauch befindlich schon in den
Vitae der Päpste Innozenz I. (-j- /117), Cölestinus I. (-J-132) und Xystus III. (f'.'ido). (34)
In Gallien fand schon um 5oo die Überreichung des liturgischen Waschgeräts Aufnahme
in den Ritus der Weihe der Subdiakone, wie die Statuta ecclesiae antiqoa bekunden: Sub-
diaconus cum ordinatur, quia manus impositionem non accipit, patenam de manu episcopi
accipiat vacuam et calicem vacuum, de manu vero archidiaconi urceolum, aquamanile et
manutergium; (35) eine Zeremonie, die dann später auch in den römischen Weiheritus
überging und sich bis heute in ihm erhalten hat. In der Folge ist sehr oft von dem liturgi-
schen Waschgerät die Rede, insbesondere in den Inventaren, in denen es fast eine ständige
Von den beiden Typen des liturgischen Waschgerätes, die uns im Mittelalter
begegnen, ist der aus Becken zum Auffangen des Wassers und Kanne zum Auf-
gießen desselben bestehende zweifellos der älteste. Begegnet er uns doch schon
in den Statuta ecclesiae antiqua. Er wurde dem Alltagsleben entnommen.
Reichliche Belege hiefür bieten, um von nichtchristlichen abzusehen, altchrist-
liche Bildwerke mit Darstellungen des profanen Waschgerätes, wie Sarkophag-
und Elfenbeinskulpturen. (36) Aber auch verschiedene Beispiele antiken Wasch-
geräts, die bei Ausgrabungen zu Tage traten, wie zwei aus Glas bestehende im
Wallraf-Richartz-Museum zu Köln, die in Gräbern als Leichenbeigaben ge-
funden wurden (Tafel 110), bekunden das gleiche.
Der zweite Typus, zwei Becken, von denen eines zum Ausgießen, das andere
zum Auffangen des Waschwassers diente, ist erheblich jüngeren Datums; denn
erläßtsich erst im späteren Mittelalter nachweisen. Vielleicht, daß schon die vier
manus(=aquamanilia)ineinemInventarvonS.AmbrogiozuMailand(i2.Jahrh.)
zwei Beckenpaare des zweiten Typus waren. Das älteste mir bekannt gewordene
sichere Beispiel ist ein Beckenpaar im Inventar von St. Paul zu London von 1245,
das von einem Johannes de S. Laurentio, der um 1192 lebte, gestiftet wurde. (37)
^'«r wenig jüngere werden im Inventar von St-Aubain zu Namur von 1218 (38)
sowie im Inventar der Kathedrale von Salisbury von r222 erwähnt. (39) Der
Typus scheint demnach erst im 12. Jahrhundert in Gebrauch gekommen zu
sem. Allerdings sollen schon die gemelliones, von denen wir im ersten römi-
schen Ordo und in der Vita Gregorii IV. (827—844) des Papstbuches, aber
(33) N. 9 (M. 78, 992). Vgl. auch,was Di-ra^dus (Rat. 1. 4, c. 28) zur Begründung der nach
,0~1pI,*runS auf die Inzensation des Altares folgenden Fingerwaschung sagt.
34) Drcii. L.P. 220, 230, 234. (35) C.5 (H. 1,979).
tZ\ \el z" B- Garbu» V, Tfl.322, 334, 346, 350, 358; VI, Tfl. 445,461 497.
IV ' Awhaeologia L 469 (38) Joses, Registr. II, 137. (39) Analectes pourservir a
"»stoire tccl de Belgique I (Löwen 1864) 55.
536 VASA NON SACRA. DRITTER ABSCHNITT. WASCHGEFÄSSE
auch nur hier hören, (40) Waschgeräte des zweiten Typus gewesen sein, doch
ist das nicht zutreffend. Was immer unter diesen gemelliones zu verstehen ist,
Waschgeräte können nicht gemeint sein, da von diesen im ersten Ordo schon
vorher unter der Bezeichnung aquamanus die Rede war. Bestätigt wird das
durch die parallele Angabe des dritten Ordo, in der, und zwar gleichfalls an
erster Stelle, unter der Benennung aquamaniles hoc est vas manuale das Wasch-
gerät genannt, von gemelliones aber überhaupt nicht gesprochen wird. (41) Im
i3., i/(. und i5. Jahrhundert waren Waschgeräte des zweiten Typus weithin
gebräuchlich, besonders aber in Frankreich und England, wie aus den fran-
zösischen und englischen Inventaren jener Zeit erhellt. Daß solche im i3., ii.
und i5. Jahrhundert auch zu Rom Verwendung fanden, ersehen wir beispiels-
weise aus dem Inventar des Apostolischen Stuhles von 1295, (42) aus dem
Ordo des Jacobus Gajetanus (43) und aus dem Ordo des Petrus Amelii. (44)
Selbst das Caeremoniale episcoporum kennt noch den Typus, wenn auch nicht
ausschließlich: (45) Duas argenteas lances seu fontes, si commodum erit, vel
bacile et bucale cum aqua odorifera ministrent. Indessen war er wohl zur Zeit,
da das Caeremoniale erschien, das ist 1600, wohl wenig mehr verbreitet. Der
heilige Karl spricht in seiner Instructio f abricae ecclesiae nicht mehr von ihm;
begreiflich übrigens, da Waschgeräte des ersten Typus handlicher, praktischer
waren.
Eine Händewaschung bei der Eucharistiefeier war schon sehr früh auch im
Osten in Gebrauch, wie z. B. aus den Apostolischen Konstitutionen (46) und
aus den Katechesen Cyrills von Jerusalem (47) erhellt und ist auch jetzt noch
in den östlichen Riten bei derselben üblich und zwar sowohl vor ihrem Beginn
wie nach der Kommunion, doch haben sich besondere liturgische Geräte für
sie nicht eingebürgert.
ZWEITES KAPITEL
BENENNUNGEN DER LITURGISCHEN WASCHGERÄTE
(40) Nach jenem soll man zur Stationsfeier aus der Laterankirche mitnehmen aquamanus,
Etenant quotidianam, calicem, scyphos, pugillares alios argenteos et alios aureos et ge"^'"
nes argenteos, colatorium argenteum et aureum, amas argenteas et cantatorium (N. 3
[M. 78, 939]); nach dieser ließ der Papst anfertigen amas argenteas, quod procedunt per
omnes atationes sciphos 2, gemilkmes 8 (Ducir. L. P. II, 80). (41) N. 4: Sacra ministem
vasa . .. deferantur ad stationis eelebrandae locum, quae sunt aquamanile, hoc est vas
manuale, patenae, calices, scyphi atque pugillares aurei sive argentei, amulae argenteae
ad vina fundenda paratae, colatorium aureum sive argenteum, cantatorium.
(421 BibLXLIII (1882) 290. (43) C.47, 53 (M. 78; 1148, 1149, 1156, 1163).
(44) C.85 (M.78, 1133). (45) L. 1, c.ll, n. 12. (46) L. 8, eil (Mg. 1, 1089).
(47) Catech. 23, n. 2 (Mg. 33, 1109).
ZWEITES KAPITEL. NAMEN. I. DES WASCHBECKENS 537
Wasser mit den Namen aquamanile und manile, indem man diese von dein zum Auffangen
desselben bestimmte Becken auf das Gießgefäß übertrug, wie es z.B. im Briefe des Bischofs
Gilbert von Poitiers (■{■ i i5'i) an den Abt Matthäus von St-FIorent zu Saumur, (25) im In-
ventar des Domes zu Mainz von etwa iiüo: Pelves erant l\ argenteae et urcei diversarum
formarum, quos manilia vocant, eo quod aqua sacerdotum manibus funderetur ex eis, (26)
und im Inventar des Baniberger Domes von 1127, in dem manile zu manuale verderbt
erscheint, (27) der Fall ist. Im is. Jahrhundert verschwanden aquamanile und manile als
Benennung des liturgischen Waschbeckens zu Gunsten der Bezeichnungen pelvis und ba-
einum (bacile) aus dem Gebrauch und zwar auch in ihrer eigentlichen Heimat, in Italien.
Es klingt fast schon wie ein Anachronismus, wenn Johannes de Balbi in seinem Catholicon
aquamanile noch erklärt als vas, super quod cadit aqua, qua abluuntur digiti sacerdotis post
sumptionem corporis Christi. (28) Nur in den Rubriken des Subdiakonatsweiheritus be-
haupteten sich aquamanile und manile bis zum 16. Jahrhundert. Dann aber wurden sie
auch aus diesen verdrängt und durch bacile in ihnen ersetzt.
2. Pelvis begegnet uns als Bezeichnung des liturgischen Waschbeckens zuerst
in Quellen des 11. und 12. Jahrhunderts, wie z.B. in einer spanischen Schen-
kung von 1029, im Inventar von Martinsberg in Ungarn von etwa 1090, (29) im
Inventar des Domes zu Krakau von 1110, (30) in des Abtes Rudolf (-J- 1138)
Gesta abbatum Trudoniensium, (31) in des Bischofs Gilbert von Limerik
(f 1139) Schrift De statu ecclesiae, (32) in den Usus Cistercienses (33) sowie
im Inventar des Mainzer Domes von n5o. (34) In der Folgezeit erscheint das
Wort in diesem Sinne allenthalben gebräuchlich, zumal, wie die Inventare be-
kunden, in England und Deutschland, wenn auch nicht als die einzige Bezeich-
nung des Geräts. Selbst zu Rom bürgerte sich pelvis als Benennung des liturgi-
schen Waschbeckens an Stelle der alteinheimischen aquamanile ein, wie der
Ordo des Jacobus Gajetanus (35) und zuBeginn des 16. Jahrhunderts derOrdo
missae Burckards von Straßburg (36) bekunden. Am wenigsten Verbreitung
fand pelvis in Frankreich, wo man das Becken bacinum zu nennen liebte.
3. Bacinum, bacile. Bacinum läßt sich in anderer Bedeutung zwar schon
früher, als Bezeichnung des Gefäßes zur Aufnahme des Wassers bei der litur-
gischen Händewaschung jedoch erst im 12. Jahrhundert und selbst in diesem
nur erst in wenigen Fällen nachweisen, wie z.B. in den Gesta episcoporum
Cenomanensium, (37) vorausgesetzt, daß diese in Benennung der in ihnen auf-
geführten liturgischen Geräte nicht etwa dem Sprachgebrauch ihrer Ent-
stehungszeit folgen, im Inventar des Klosters Prüfening von n65 (38) sowie
im Verzeichnis der von Abt Heinrich dem Kloster Lorsch 1166 geschenkten
liturgischen Geräte. (39) Die bei einer Bischofskonsekration oder einer Abts-
weihe gebrauchten Waschbecken meint der Kanon 18 der römischen Synode von
1099, welcher den Primaten, Erzbischöfen und Bischöfen streng untersagt, bei
der Weihe von Bischöfen und der Einsegnung von Äbten von denselben cappae-
tapetia, bacini und manutergia anzufordern. (40)
(25) M. 188, 1257. (26) M. G. SS. XXV. 239. (27) Weber 38. (28) Mitteil, aus dem
Germ. Nationalmuseum II (1912) 14. (29) Fi.orez XXXVI app., XXXV: pelvis cum suo
aquaraanili. Mitt. V (1860) 350. (SO) Essenwein, Anh. XXXIII. (31) M.G.SS. X, 257.
(32} M.159, 1002. (33) C. 52 (M. 166, 1424). (34) M.G. .SS. XXV, 239.
(35) C.47, 53 (M.78, 1148, 1152. 1156, 1165). (36) Legc. 130. (37) Vita Hugonis epi«.
c.37 (Mäbii-lox Vet. analect. III [Paris 1682] 354). (38) Neues Archiv XIII (1888) WM-
(39) Chron. Laurish. ad 1166 (M.G. SS. XXI, 451). (40) H.VI, 1761; vgl. die gleich-
lautenden Kanones der Synode zu Poitiers von 1100 (c 13 Tebd. 18601) sowie der Londoner
von 1138 (c.3 [ebd. 1204]).
ZWEITES KAPITEL. NÄHEN. I. DES WASCHBECKENS 539
Häufiger begegnet uns bacinum als Bezeichnung des liturgischen Waschbeckens erst
seit dem i3. Jahrhundert. Sie war, wie schon bemerkt wurde, besonders in Frankreich ge-
bräuchlich, jedoch keineswegs ausschließlich. Begegnet sie uns doch beispielsweise auch im
Verzeichnis der von Abt Heinrich dem Kloster Lorsch 116C geschenkten liturgischen Geräte
und im Inventar des Klosters Prüfening, wie vorhin gesagt wurde, in einem Inventar von
Neumünster zu Würzburg von ia33, (41) in einem Inventar von S. Fortunato zu Todi
von 1289 (42) sowie in Seh atz Verzeichnissen von St. Paul zu London von ia/|5 und
i/,o3. (43).
In Frankreich ging bacinum als bacin, bachain, bachin, bassin in die Volks-
sprache über, wie sich aus den in dieser abgefaßten Inventaren ergibt. Belege
bieten z.B. das Inventar der Schloßkapelle zu Hesdin von iS'31, (44) der Ka-
thedrale zuCambraivoni35o„(45) der Katharinenkirche zu Lille von 1386, (46)
von St-Pere zu Chartres von 1899, (47) des Herzogs Jean von Berry von liioi, (48)
Karls VI. von i4i8 (49) sowie der Ste-Chapelle zu Paris von i53-! (50) u. a.
Im Inventar des Sicardus Alaman, Ministers Raymunds VII. von Toulouse,
von 1280 lesen wir statt bacinum bassis. (50a) In Italien bezeichnete man das
Becken zum Auffangen des Wassers bei der liturgischen Händewaschung statt
mit bacinum auch mit bacile. So wird dasselbe bacile genannt in einem Briefe
des Kardinals Odo von Tusculum an den Abt Ervisius von St. Viktor zu Paris
(7 1177), (51) im Inventar des Apostolischen Stuhles von 1290, (52) im Inven-
tar der der Peterskirche von Bonifaz VIII. i3o3 geschenkten liturgischen Ge-
räte, (53) im Inventar Johannes'XXIII. von i320, (54) im Ordo des Petrus
Amelii, (55) im Inventar des Kardinals Pietro Barbo von i457 (56) u. a. Auch
im Caeremoniale episcoporum findet sich für das Waschbecken die Bezeich-
nung bacile, (57) desgleichen im Ritus der Subdiakonenweihe des römischen
Pontifikales.
4. Concha. Concha heißt das Becken für die liturgische Handwaschung in des
Udalricus Consuetudines Cluniacenses (58) und in einer Schenkung des Bi-
schofs Pclagius von Leon von 1073, (59) coneus in einer Schenkungsurkunde
des Bischofs Oveco von Leon (f ca. g5o). (60) Verbreitung hat die Benennung
nicht gefunden. Aus der Folgezeit liegt kein Beleg für sie mehr vor. Wenn im
(.hronicon Casinense von einer conca argentea cum aquiminili (=aquamanili)
suo die Rede ist, (61) so bezeichnet hier conca nicht das Becken, sondern das
'jießgefäß, das in dem wenige Kapitel später folgenden Verzeichnis der Hinter-
lassenschaft Viktors II. urceus genannt wird: Urceus cum aquamanili suo. (62)
5. Patena, discus. Patena wird das Becken zum Auffangen des Wassers ge-
nannt in einem dem 10. Jahrhundert angehörenden Inventar der Kathedrale
i*l) 4xch"
J;l; des Hist.
Arch. des Hist Vereins
Vereins von
vonUnterfrsnken
UnterfrankenXVI
XVI(1863)
( 249.
(421 At^Ii et»-. :*.«1 TT /L\"___.__ 4aoo\ <tß1 t*v\ A»
(42) Arch. stör. ital. II (Firenze 1886) 261. (43) Archaeologia L, 469 und 514.
(«) Deiiaisnes,Doc.23ö. (45) Ebd.493. (46)Ebd.629. (47! RevueXXXVII(1887)
«) GoiFrauY n, 9. (49) Dornt n'Anco II 381. (59) Revue archeol. VI (1848) 1
™») Revue XII (1892) 414. (51) Ma«t. SS. vot. VI, 245.
»21 Bibl. XIIII (1882) 299, 393. (53) MräTz 11.
54) Revue XL (1890) 495; hier neben bessini. (55) C.85 (M.78, 1333).
W|) E. Motz, I'nrt i la cour des pages II (Paris 1879) 291. (57) 1.1, c. 11, n. 12.
Isul k 2' C' ^ i^I 149> 71a); UrreuUis qua aqua funditur, concha, qua suseipitur.
ia ) Fi°rez XXXVI, app. IXI: concham argenteam cum sno ureeolo argenteo.
(80) Flobkz XXXIV, 454. (61) 1.3, c.59 (M. 173, 795). (62) C.74 (ebd. 812).
540 VASA NON SACRA. DRITTER ABSCHNITT. WASCHGEFÄSSE
Was die Benennung des Gießgefäßes anlangt, so entbehrte dieses, wie leicht
verständlich, eines besonderen Namens, wenn es sich um ein liturgisches Wasch-
gerät des zweiten Typus handelt. War ja doch bei diesem das Gießgefäß von
der gleichen Form wie das zum Auffangen des Wassers dienende Becken, nur
daß es abweichend von letzterem in der Regel mit einer das Aufgießen erleich-
ternden Tülle versehen war. Anders wie mit dem Waschgerät des zweiten, ver-
hält es sich jedoch mit dem des ersten Typus. Weil bei ihm das Gießgefäß
formverschieden von dem Becken zur Aufnahme des ausgegossenen Wassers
war, hatte es auch einen seiner Sonderform entsprechenden eigenen Namen.
Wenn man es im 11. und 12. Jahrhundert vereinzelt mit der seit alters dem
(63) Revue archeol. X (1853) 172. (64) Revue XL (1890) 320. (65) Gay 1,94.
(661 1,1, eil, n.12; 1.2, c.8, n. 11 und 76. (67) Revue XLI (1892) 415.
(68) Ebd. 496. Die plas werden als plas de chapelle bezeichnet, zum Unterschied von
den bei Tisch zur Verwendung kommenden. (69) Dehaisnes, Doc.811. (70) Revue ar-
cheol. XXVII (1874) 393. (71) Gay 94. (72) Roth, Geschichtsquellen von Nassau III, f™-
(73) Anzeiger N.F. XXI (1874) 211. (74) Mitth. der Ges. für vaterl. Altert, in Basel IX
(1862) 22. '
ZWEITES KAPITEL. NAHEN. It. DES GIESSGEFÄSSES 541
DRITTES KAPITEL
BESCHAFFENHEIT DES LITURGISCHEN WASCHGERÄTS
(75) Weber 38: Vasa 3 manualia argentea, tertium avis struthionis cum receptaculo.
(76) Archaeologia LH (1890) 226. (77) De eccl. off. L 2, c. 10 (M. 83, 191).
(78) De instit. clerc. 1.1, c.8 (M. 107, 304). (79) L.3, c.59 (M. 173, 795).
(80) Florez XXXVII, 339. (81) Sciiansat 69. (82) Florez XXXIV 454.
(83) Graz. Kirchenschmuck XIV (1883) 54: 2 pelves cupreae cum fusorio eupreo.
(84) L.2, c.8, n.M. (85) L.1, c.ll, n. 12. (86) AA. Eccl. Med. 603.
542 VASA NOtt SACRA. DRITTER ABSCHNITT. WASCHGEPÄSSE
Zahl sogar sehr beträchtlich. So verzeichnet das Inventar von St. Paul zu Lon-
don von i2ii5 nicht weniger denn sechs Paare silberner Becken für die liturgi-
schen Händewaschungen, (1) das Inventar des Apostolischen Stuhles von 1295
aber vermerkt deren sogar dreizehn Paare. Auch in nachmittelalterlicher Zeit.,
in der ein besonderes liturgisches Waschgerät kaum anders mehr als in Ponti-
fikalmessen zur Verwendung kam, entstanden noch manche aus Silber ge-
machte, wie die Beispiele bekunden, die sich aus dem 16., 17. und 18. Jahr-
hundert erhalten haben. In Kirchen, die nur über wenige Mittel verfügten, wer-
den freilich silberne Waschgefäße zu allen Zeiten selten gewesen sein, wenn
es überhaupt ein besonderes Gerät für die liturgischen Handwaschungen in
ihnen gab.
Liturgisches Waschgerät aus Kupfer, Bronze oder Messing wird in den mit-
telalterlichen Inventaren nicht oft erwähnt. Verzeichnet ist solches beispiels-
weise im Inventar von Heilsbronn von 1437, (2) im Inventar von Neumünster
zu Würzburg von 1233, (3) im Inventar des Sicardus Alaman zu Toulouse
von 1280, (4) im Inventar des Prager Domes von i354, (5) in einem Inventar
von St-Trond von etwa 1100 (6) und schon im Inventar von Staffelsee von
etwa 810. (7) Indessen werden manche der Waschgeräte, die in den Inven-
taren ohne Angabe ihres Materials oder lediglich als vergoldet vermerkt wer-
den, aus Kupfer oder sonst einem geringeren Metall gemacht gewesen sein,
zumal wenn sie als Limoger Arbeit gekennzeichnet werden, wie z. B. in einem
handschriftlichen Inventar des Trierer Domes von ia38: Item invenimus et
duas pelves operis Limugis. Denn die von Limoges im i3. und frühen i/(. Jahr-
hundert allenthalben hin ausgeführten emaillierten Waschbecken bestanden in
der Begel aus Kupfer, wie die große Zahl derselben beweist, die sich erhalten
hat. Besseren Aufschluß über die Verbreitung, deren die aus Bronze, Kupfer
oder Messing gemachten liturgischen Waschbecken und Gießgefäße im Mittel-
alter sich erfreuten, als die Inventare ihn gewähren, bieten die vielen aus ihm
noch vorhandenen Waschbecken und Gießgefäße aus diesen Metallen. Freilich
haben nicht alle im Kultus Verwendung gefunden, vielmehr werden unter ihnen
auch solche sein, die häusliches Tafelgerät waren. Immerhin stammt zweifellos
eine gute Zahl derselben aus kirchlichem Gebrauch.
Daß es im Mittelalter auch an liturgischen Waschgeräten, die aus Gold her-
gestellt waren, nicht ganz gefehlt hat, bekunden z. B. das Inventar von Prüm
von ioo3, in dem ein urceus aureus cum aquamanili, ein Geschenk des Kaisers
Lothar verzeichnet ist, (8) das Inventar des Apostolischen Stuhles von iao,5,
in dem vier Paare goldener liturgischer Waschbecken aufgeführt werden, (9)
das Inventar Johanns XXII. von i3ao, (10) der Ordo des Petrus Amelii von
etwai/ioo(ll) sowie ein Inventar des Kings College zu Cambridge von i£52 (12)
(I) Archaeologia L, 489. (2) Grazer Kirchenschmuck XIV (1883) 66. (3) Archiv des
Hist Vereins lür Unterfranken XVI (1863) 249: duo baccina de pulchro auriehalco.
(4) Revue XLI (1892) 414: 2 bassis de cueubro. (5) Podlaba, app. XXXIV.
(6) M.G. SS.X, 257: Pelviculam de cupro, faetam ad suseipiendam aquam manuum
lavandarum. (7) M.G. Leg. Capit. I, 251: Urceum cum aquamanile cuprinum I.
(8) Beyer I, 719. (9) gibl. XLIII (1882) 290. (10) Revue XL (1890) 495.
(II) C.85 (M.78, 1333). (12) The Ecclesiologist XXI (1860) 6.
DRITTES KAPITEL. BESCHAFFENHEIT. I. MATERIAL 543
und der Kathedrale von York von etwa 1000. (13) Indessen waren derartige
Waschgeräte begreiflicherweise nur Ausnahmen.
Liturgische Waschgefäße aus Kristall, Achat und ähnlichem Material wer-
den in den Inventaren nicht erwähnt. Ob die zwei, um den Rand herum mit
Edelsteinen besetzten beckenartigen Glasschüsseln im Schatz von S. Marco zu
Venedig, von denen eine mit einer Handhabe versehen ist (Tafel no), sowie
eine aus Alabaster gemachte, um den Rand gleichfalls mit Edelsteinen verzierte
Schüssel des Schatzes, allem Anschein nach Gefäße zur Aufnahme des Wassers
bei Waschung der Hände, keinesfalls aber Patenen, wie man irrig gesagt hat,
je liturgischen Zwecken dienten, ist mit Sicherheit nicht festzustellen. Das
gleiche gilt von einer Kristallkanne und zwei Krügen aus Onyx in demselben
Schatze, von denen es überdies zweifelhaft ist, ob sie überhaupt je auch nur
als Wasserkanne verwendet worden sind. Sowohl die Schüsseln wie die Kannen
stammen aus dem Osten. Sie mögen wenigstens zum Teil als Beutegut i so/i von
Konstantinopel gekommen sein. (14)
i. Das Becken zum Auffangen des Wassers. Über die formale Beschaffenheit
des Gefäßes, welches das bei den liturgischen Händewaschungen aufgegossene
Wasser aufzunehmen bestimmt war, bleiben wir bis zum 12. Jahrhundert ohne
Aufschluß, da sich aus der vorausgehenden Zeit weder ein Gefäß dieses Zweckes
erhalten hat, noch irgend ein Bildwerk ein solches wiedergibt, noch endlich die
schriftlichen Quellen uns über seine Form etwas von Belang mitteilen. Ein we-
sentlicher Unterschied zwischen der Form, die es vor dem 12. Jahrhundert
hatte, und der ihm später eigenen wird indessen nicht bestanden haben. Es wird
vielmehr auch schon damals für gewöhnlich ein rundes, mäßig weites und tiefes
Becken dargestellt haben. Waren doch auch seine Vorbilder, die im Alltags-
leben beim Waschen der Hände zum Auffangen des Wassers dienenden Ge-
fäße von dieser Form, wie wir sowohl den Bildwerken, auf denen solche dar-
gestellt sind, als auch antiken Waschbecken, die auf uns gekommen sind, ent-
nehmen (Tafel 110). Daß aber auch das bei liturgischen Händewaschungen
zur Aufnahme des ausgegossenen Wassers zur Verwendung kommende Becken
bisweilen mit einer Handhabe versehen war, wie das bei den häuslichen Hände-
waschungen dienende häufig der Fall war, ersehen wir aus dem Verzeichnis
der von Abt Theodorich von St. Trond (1092—1107) für seine Abteikirche be-
schafften liturgischen Paramente und Geräte, unter denen es auch nennt pelvi-
culam simulacro bestiae caudatam de cupro, factam ad suscipiendam aquam
manuum lavandarum, (15) also ein Becken zur Aufnahme des bei den Hände-
waschungen aufgegossenen Wassers mit Handhabe in Gestalt einer Bestie. Ein
aus dem Osten stammendes, dem 10. oder 11. Jahrhundert angehörendes Bei-
spiel eines mit Handhabe versehenen Beckens findet sich im Schatz von S.Marco
zu Venedig, dessen liturgischer Charakter jedoch, wie schon gesagt wurde, nicht
(18) RAiME 216 (14) Abb. bei Pasini, Tfl. XXXVIII, n. 71 und Tfl. LH, n. 118, 120.
<15)M.G.SS.X,257.
544 VASA NON SACRA. DRITTER ABSCHNITT. WASGHGEFÄSSE
mit voller Sicherheit feststeht. Allzu häufig war das zum Auffangen des Was-
sers bei der liturgischen Händewaschung dienende Gefäß wohl schwerlich mit
einer Handhabe versehen, da abgesehen von dem Gabenverzeichnis des Abtes
Theodorich von St. Trond sonst kein Inventar darüber etwas verlauten läßt.
Aus dem 12., i3. und i4- Jahrhundert hat sich eine bemerkenswerte Anzahl
von Becken erhalten, die wenigstens zum Teil bei den liturgischen Hände-
waschungen zur Aufnahme des ausgegossenen Wassers dienten. Sie gehören
zwei Gruppen von Becken an, von denen die eine dem 12. und i3. Jahrhundert
entstammt und deutschen Ursprungs ist, die andere aus dem i3.und i4. herrührt
und französischer, zumal Limoger Herkunft ist. Die der ersten Gruppe bestehen
aus ehemals vergoldetem oder aus unvergoldetem Kupfer und sind zumeist
mehr oder weniger ausgiebig mit unbeholfen gravierten Darstellungen ge-
schmückt, die teils religiöser Art sind (Tafel in, Xanten), wie allegorische
Figuren der göttlichen Weisheit, der Gaben des Heiligen Geistes, der Tugenden
und der Laster, Halbfiguren von Engeln, alt- und neutestamentliche Persön-
lichkeiten, Szenen aus der Ursulalegende, der Parabel vom barmherzigen Sama-
ritan und der Geschichte Samsons, teils profaner Art, wie allegorische Figuren
der freien Künste und Szenen aus der antiken Sage (Jugend des Achilles, Pyra-
mus und Thisbe, Geschichte der Myrrha). (16)
Aus Bronzeblech bestehen ein Becken im Museum zu Riga, das 1886 zu Fellin in Un-
land gefunden wurde, ein Becken im Museum zu Halle, das iqi3 daselbst bei Ausschach-
tungsarbeiten zu Tage trat, und ein zu Krassow bei Wismar im Boden entdecktes Becken.
Alle drei dürften dieselbe Herkunft haben; so verwandt erscheinen sie. Sie kennzeichnend
sind ein runder, flacher, niedriger Buckel in der Mitte des Rodens, das demselben aufge-
lötete gestanzte Rundmedaillon und vier im Kreuz von ihm ausgehende, dem Becken auf-
gelötete gestanzte Friese, die beim Rigaer und Hallenser Becken spät romanisches Ranken-
werk, beim Krassower eine Ganzfigur des heiligen Petrus aufweisen und beim ersten mit
einem das des Buckels wiederholenden Medaillon, beim zweiten mit einem mit gestanzten
Ranken gefüllten halbrunden Abschlußstück enden. Das Medaillon auf dem Buckel des
Rigaer und Hallenser Beckens — das des Krassower ist fast ganz zerstört — stellt in Halb-
figur einen in beiden aufgehobenen Händen ein Gefäß haltenden König dar, auf Grund
dessen man die Becken der ottoniscben Zeit zuschrieb, indem man ihn aus Mißverständnis
der Beischrift Otto als einen der drei Ottonen deutete, während er doch ikonographiscb
wie auch zufolge der Umschrift des Medaillons nur als Melcbisedech verstanden werden
(16) Vgl. über die Becken besonders Schlesiens Vorzeit in Bild und Schrift V, 271 f-
und VI, 137 f.; ferner Zeitschrift für vaterländische Geschichte und Altertumskunde LIV
(Münster 1896) 57f.; Zeitschrift X (1897) 239 und Bonner Jahrbücher LXXX (1883) 54f,
wo ausführlich drei dieser Becken, die religiöse Darstellungen aufweisen, ein Becken in
einer Aachener Sammlung, im Dom zu Xanten und im Provinzialmuseum zu Trier bespro-
chen werden. Wenn hier die Ansicht geäußert wird (S. 77), es hätten diese letzteren
Becken zur Aufnahme der heiligen öle bei deren Verwendung gedient, so bedarf eine
solche Deutung nicht nur wegen der Unkenntnis des im 12. und 13. Jahrhundert herrschenden
liturgischen Brauches, den sie bekundet, sondern auch angesichts der so überaus großen
Zahl der noch vorhandenen Becken — zu Pöddes, einem Gut an der Küste von Strandwier-
land in Estland würden 1846 ihrer 35 gefunden — und der zwischen 25—35 cm Durchmesser
schwankenden Größe aller keine Widerlegung. Noch mehr gilt das von den nicht nur un-
zutreffenden, sondern obendrein reichlich phantastischen Ausführungen in Zeitschrift XXXII
(1919) 58, durch die das Rigaer und das Hallenser Bronzebecken mit ihrer irrig als Kaiser
Otto gedeuteten Halbfigur Melchisedechs in der Mitte als Becken für das heilige öl erwiesen
werden sollen. Unbegreiflich insbesondere ist, wie hier das Gefäß, das Melchisedech in der
rechten Hand hält, als eucharistische Taube, der völlig klar als solcher erkennbare Ring
auf dem Deckel desselben als Kopf und sein Fuß als Füßchen der Taube hingestellt werden.
DRITTES KAPITEL. BESCHAFFENHEIT. II. FORM 545
kann. In Wirklichkeit gehören sie, wie das ausgesprochen spätromanisehe Ornament der
Friese außer Zweifel stellt, erst der Zeit um iaoo an. (16a)
Die Becken der zweiten Gruppe sind aus vergoldetem Kupfer gemacht und
innen reich mit ornamentalen und figürlichen Darstellungen, profanen wie
religiösen, die in Gold auf Grubenschmelz Limoger Art ausgeführt sind (Ta-
fel in, Halberstadt, Madrid), verziert.
Weder die noch vorhandenen Becken der ersten noch die der zweiten Gruppe sind alle bei
der liturgischen Händewaschung zur Verwendung gekommen, vielmehr hat ein sehr erheb-
licher, von denen der ersteren Gruppe sogar sicher der größere Teil, als häusliches Tafel-
gerät zu der auf die Mahlzeit folgenden Waschung der Bände gedient. Indessen sind doch
zweifellos manche als liturgisches Gerät anzusprechen, zumal diejenigen, die aus Kirchen
stammen oder, wenn auch nicht mehr in Gebrauch, sich noch in Kirchen befinden, wie ein
Becken der ersten Gruppe im Dom zu Xanten, zwei Becken der zweiten im Dom zu Halber-
stadt sowie eines im Dom zu Osnabrück. Daß insbesondere Becken der zweiten Gruppe
häufig zu der liturgischen Händewaschung dienten, erhellt aus manchen Angaben der In-
ventare des i3. und 14. Jahrhunderts. Wie wenig aber profane Darstellungen auf den
Becken ihrer Verwendung bei der liturgischen Händewaschung im Wege standen, beweisen
zwei aus der Kirche zu Flaesheim in Westfalen (Kr. Recklinghausen) stammende Kupfer-
becken mit den gleichen sieben Darstellungen aus der Sage von Pyramus und Thisbe im
Bischöflichen Museum zu Münster in Westfalen. (17)
Die Größe der Becken war schwankend. Hier und da werden sie in den In-
ventaren ausdrücklich als klein bezeichnet, wie z. B. im Inventar der Kathedrale
von York von ca. i5oo. (18) Im Durchschnitt bewegte sich bei denen der zwei-
ten Gruppe die Weite zwischen 20 und 3o cm, die Tiefe zwischen 3 und 5 cm.
Die Becken der ersten Gruppe haben durchweg etwas größere Abmessungen.
Bei einer Weite von etwa 20—35 cm sind sie 5—8 cm tief. Mit einer Ausguß-
vorrichlung sind die letzteren nicht versehen, auch wenn sie, wie die aus Flaes-
heim stammenden Becken im Bischöflichen Museum zu Münster ein Paar bil-
den, eines also als Gefäß zum Ausgießen des Wassers gedient hat. Nur ein
Becken der ersten Gruppe im Dom zu Xanten (Tafel in), das sich durch tief-
sinniges Bildwerk auszeichnet, weist eine Art von Nase als Ausguß auf, die in-
dessen erst nachträglich durch Niederhämmern des Bandes hergestellt wurde.
Von den Becken der zweiten Gruppe, die stets paarweise zur Verwendung
kamen, war dasjenige, welches zum Aufgießen des Wassers diente, nahe dem
oberen Rand mit einer kurzen Ausgußtülle oder einem dieselbe vertretenden
Löwenkopf mit geöffnetem Rachen ausgestattet (Tafel 111). Alle Becken des
ersten wie zweiten Typus sind rund.
Andere Becken, die als Gefäße für die liturgischen Händewaschungen ange-
sprochen werden könnten, haben sich außer denjenigen der vorhin behandelten
beiden Gruppen aus mittelalterlicher Zeit kaum erhalten. Insbesondere han-
delt es sich bei den in großer Zahl vorkommenden Nürnberger Messingschüsseln
des ausgehenden i5. und des 16. Jahrhunderts, deren es namentlich in vielen
protestantischen Kirchen Nord- und Mitteldeutschlands noch manche gibt und
(16a) Vgl. betreffs des Rigaer und Hallenser Becken und die Literatur Über sie Zeit-
schrift XXII (1919) 49 f., betreffs des Krassower Kd. von Mecklenburg-Schwerin II, 627.
(17) Zeitschrift für vaterländ. Geschichte und Altertumskunde LIV (1896) 57 ff.
<«) Rajnf. 216.
bHal's, das christliche altahgerät 35
546 VASA NON SACRA. DRITTER ABSCHNITT. WASCHGBFÄSSE
die gewöhnlich als Taufschüsseln bezeichnet werden, nicht um Becken für die
liturgische Händewaschung.
In nachmittelalterlicher Zeit ging mit dem Gefäß, das zum Auffangen des
Wassers hei der liturgischen Händewaschung diente, in dreifacher Hinsicht ein
Wandel vor sich. Erstens nahm es an Tiefe ab und wurde infolgedessen aus
einem Becken eine Schüssel; zweitens erhielt der Band die drei- bis fünffache
Breite von früher, so daß er nunmehr reichlich Raum für Ornament bot (Ta-
fel ii 3, Braga); drittens verlor es in der Zeit und unter dem Einfluß des Ba-
rocks die seit alters ihm eigene Rundform, indem man ihm entweder Oval-
form oder die bewegten, willkürlich geschweiften Umrisse gab, die bei den
Kännchenschüsseln so beliebt waren (Tafel n4, Braga). Auch wurde es im Spät-
barock bisweilen mit einer Einrichtung versehen, durch die es auch als Känn-
chenschüssel zum Aufstellen der Meßkännchen benutzt werden konnte. (19)
Man versah es nämlich zu dem Ende in der Vertiefung mit drei von einer er-
höhten Umrandung eingefaßten Rundfeldern, einem größeren mittleren und
zwei kleineren seitlichen, von denen jenes die Gießkanne für die Händewaschun-
gen aufzunehmen bestimmt war, diese die beiden Meßkännchen. Als Beispiele
seien genannt ein schüsselartiges Barockbecken zugleich für die Gießkanne und
die Meßkännchen in der ehemaligen Stiftskirche zu Ellwangen (Tafel 82) sowie
im Dom zu Prag, beide von etwa 1700. (20)
2. Das Gießgefäß. Das Gießgefäß, das bei der liturgischen Händewaschung
zur Verwendung kam, zeigte, soweit es nicht ebenfalls in einem Becken bestand,
nicht die Einheitlichkeit in der Form, wie sie bis in die nachmittelalterliche
Zeit dem zum Auffangen des Wassers dienenden Becken eignete. Am häufigsten
stellte es zu allen Zeiten ein krugförmiges, das ist mit seitlichem Henkel, mit
niedrigem Fuß und mit Schnauze oder sonstiger Vorrichtung zur Erleichterung
des Ausgießens des Wrassers versehenes, unten bauchiges, nach oben zu sich
verengerndes Gefäß dar. Der Name urceus (urceolus), den das Gerät mit Vor-
zug zu aller Zeit führte, weist deutlich genug darauf hin. Auch hat schon in
altchristlicher Zeit das Gießgefäß bei Darstellungen nicht liturgischer Hände-
waschungen regelmäßig Krugform. (21) Krugförmige Gießgefäße zur liturgi-
schen Händewaschung haben sich allerdings erst aus dem ausgehenden Mittel-
alter erhalten. (22) Sie bestehen meist aus Bronze, doch auch aus Messing, sind
gegossen und gewöhnlich statt mit einer Schnauze mit einem Ausgußrohr, das
oft Tierform hat (Tafel n3, Freising), versehen. Freilich sind nicht alle noch
vorhandenen mittelalterlichen Gießgefäße dieser Art zur liturgischen Hände-
waschung bestimmt gewesen und benutzt worden. Manche von ihnen entstam-
men dem häuslichen Gebrauch. Immerhin fehlt es unter ihnen keineswegs an
solchen, die, aus Kirchen kommend, als Gießgefäße bei der liturgischen Hände-
waschung Verwendung gefunden haben werden. In der Zeit des Spätbarocks
trat ähnlich wie bei den Meßkännchen, so auch wohl bei dem zur Hände-
waschung dienenden Gießgefäß an Stelle der Krugform die Kannenform (Ta-
(19> Vgl. oben S. 444. (20) Abb. bei Pom.au a, TU. 71. ,.
(21) Vgl. die oben S. 535 genannten Bildwerke. (22) Über ältere Krüge aus Kristall
und Onyx in S. Marco zu Venedig vgl. oben S. 543.
DRITTES KAPITEL. BESCHAFFENHEIT. IL FORM 547
fei n/i, Frauenburg). Ob und inwieweit das auch schon in älterer Zeit der
Fall war, wissen wir nicht, doch lassen die Bezeichnung scyphus, unter der uns
das Gefäß im 6.—9. Jahrhundert bisweilen begegnet, sowie die Benennungen
conca und concus, die es in einigen Inventaren des 9.—11. Jahrhunderts führt,
das fast vermuten, falls nicht unter diesen ein schalenartiges Gießgefäß zu ver-
stehen ist.
Eine eigentümliche Art von Gießgefäßen für die Händewaschung kam um
die Wende des 11. Jahrhunderts in Gebrauch; vorher hören wir nie von ihnen
und haben sich auch aus früherer Zeit keine Beispiele derselben erhalten. Sie
stellten Tiere wie Löwen (Tafel 113), Pferde, Hirsche, Widder, Hunde, Hähne
(Tafel n3), Tauben und anderes Geflügel, phantastische Tiergebilde wie
Drachen, Syrenen, Centauren, Einhörner, Greife, Tierkörper mit menschlichem
Kopf (Tafel 112, 11/t), aber auch menschliche Figuren, wie männliche und
weibliche Büsten (Tafel 112, ii/)), Mann mit Schlange, Phyllis auf dem Rücken
des auf Händen und Füßen sich voranbewegenden Aristoteles reitend, Simson.
den Löwen bändigend (Tafel 11/1), Reiter zu Pferd und ähnliches dar.
Die. Zahl der Gießgefäße dieser Art, die sich erhalten hat, ist ungemein groß. Kaum ein
Museum von Bedeutung, daß nicht das eine oder andere Beispiel besitzt. Im Germanischen
Museum zu Nürnberg gibt es ihrer sogar zwanzig, im Aalion ahn useum zu Kopenhagen
neunundzwanzig. Meist aus Bronze, seltener und erst später aus Messing hergestellt, reichen
die ältesten bis in das 1a. Jahrhundert zurück, die jüngsten entstammen dem i5. Jahr-
hundert. Die Mehrzahl entstand im i3. und i.'i. Jahrhundert, der Blütezeit von Gießgefiißen
dieser Art. Die Öffnung zum Eingießen des Wassers befindet sich bei Gießgefäßen in der
Form von Tieren meist oben auf dem Kopf, die Ausguß Vorrichtung im Maul oder vor der
Brust derselben. Bei Gießgefäßen in Gestalt von Tieren mit menschlichen Köpfen oder
menschlicher Figuren ist die Ausgußtülle an.oder über der Stirn angebracht. Als Handhabe
dient bei Gießgefäßen von Tierform bald der aufwärts gerichtete und nach dem Hals zu
gebogene Schwanz des Tieres, bald eine auf dem Rücken desselben aufspringende, mit
dem Maul in den Nacken des Tieres sich einbeißende Figur eines Drachen oder einer
t'idf'i'h.if!. (?_?,'i YWitaii* am kiUuiü-ien ~tr;d rlie Gidj.'rl.a^e in Für:!! eines I.iiwen. Sie bililrn
fast die Hälfte aller hier in Frage stehenden Gießgefäße.
Nicht alle Gießgefäße der vorbeschriebenen Art, die sich erhalten haben, stammen aus
kirchlichem Gebrauch, wurden zum Aufgießen des Wassers bei liturgischen Iländewa-
schungen benützt. Denn auch im häuslichen Leben fanden solche Gießgefäße Verwendung,
zumal als Tischgerät bei der nach dem Essen üblichen Händewaschung. Immerhin wird
jedenfalls ein sehr großer, wenn nicht der größere Teil derselben aus Kirchen kommen.
Nur so erklärt es sich, daß sich eine so bedeutende Zahl dieser Gießgefäße gerettet hat.
Auch gibt es noch heute deren manche als Erbe aus dem Mittelalter in kirchlichem Besitz,
wie in den Pfarrkirchen zu Rinkerode, Darup, Darfeld, Voßwinkel, Rheine und Berghausen
(23) Ausführlich werden diese Gießgefäße in den Mitt. aus dem Germanischen Museum II
(1912) behandelt, wo auch, nach Typen geordnet, eine lange Reihe derselben aufgeführt
^d, die jedoch bei weitem nicht vollständig ist Denn außer den dort genannten gibt es
wie in Deutschland, so namentlich auch im Ausland noch zahlreiche andere, so im Provinzial-
Museum zu Münster, im Kunstgewerbemuseum zu Düsseldorf, in verschiedenen westfäli-
schen Kirchen, im Kunstgewerbemuseum zu Köln, im Provinzialmuseum zu Bonn, im Kunst-
gewerbemuseum zu Kloppenburg, im Heimatmuseum zu Nossen in Sachsen, im Museum
?" Posen, in dem Museum zu Reykjavik auf Island, in der Universitätssammlung zu Oslo,
JP °e'i Museen zu Bergen und Trondhjem, im Kunsthistoriscben Museum zu Wien, in der
ammlung des Louvre, im Viktoria-und-Albert-Museum zu London, in den Museen zu Bo-
°gna und Neapel, im Museo Falconieri zu Viterbo, im Museum des Parc du Cinquantenaire
2« Brüssel, im Metropolitan-Museum zu New-York, um von den in Privatsammlungen sich
»ndenden Beispielen abzusehen.
548 VASA NON SACRA. DRITTER ARSCHNITT. WASCHGEFÄSSE
(24} MG. SS. X, 257. (25) Weber 38. (26) Mabillon, Vet. anal. III (Paris 1682) 354.
(27) N. 2 (M.G. SS. XXV, 239). (28) Neues Archiv XIII (1888) 561. (29) Saure, Aus-
stellung von Meisterwerken mohammedanischer Kunst (München 1912).
DRITTES KAPITEL. BESCHAFFE.\HEIT. II. FORM 549
Das Gießbecken, das seit dem späten 12. Jahrhundert an Stelle einer Gieß-
kanne bei der liturgischen Händewaschung vielfach zur Verwendung gelangte,
bietet formal nichts zu bemerken. Es war von ganz der gleichen Art wie das
zur Aufnahme des über die Hände gegossenen Wassers, hatte die gleiche Größe
und unterschied sich von ihm nur durch die Ausgußvorrichtung, mit der es
gewöhnlich ausgestattet zu werden pflegte.
Eine letzte Art von liturgischem Gießgefäß, die erst im ausgehenden Mittel-
alter in Gebrauch kam, dann aber bald sehr beliebt wurde und sich verschie-
denerorten bis in die Gegenwart in ihm erhielt, bestand in einem mit einem
oder zwei Ausgußrohren und einem Henkel zum Aufhängen ausgestatteten bau-
chigen Kessel mittlerer Größe. Aufgehängt aber war derselbe, wo der Brauch
bestand, nach der Opferung und Kommunion an der Piszina die Hände zu wa-
schen, in der Piszina, in welchem Falle entweder ein Becken (30) oder eine im Bo-
den derselben angebrachte beckenartige Vertiefung zur Aufnahme des zur Hände-
waschung benutzten Wassers diente. Wo es nicht üblich war, nach der Opfe-
rung und Kommunion an der Piszina eine Waschung der Hände vorzunehmen,
befand es sich, und so verhielt es sich in nachmittelalterlicher Zeit stets, in der
Sakristei. Zum Auffangen des Wassers diente in diesem Falle entweder eben-
falls ein unter ihm aufgestelltes Becken aus Metall oder ein dauernd und fest
unter ihm befindliches Becken aus Stein. Gebraucht wurde es, wenn in der Sa-
kristei angebracht, nur zur vorgeschriebenen Händewaschung YOr der Messe,
und zu der nicht zwar pflichtmäßigen, aber doch fast allgemein üblichen Hände-
waschung nach der Messe. Gießgefäße dieser Art, die übrigens wie die krug-
und kannenförmigen Gießgefäße, die Gießgefäße von Tierform und die Gieß-
becken nicht bloß zur liturgischen Händewaschung, sondern auch im gewöhn-
lichen Leben zum Waschen der Hände Verwendung fanden, haben sich manche
erhalten, die zum Teil noch in Gebrauch sind. Besonders schöne gibt es z. B.
in der Pfarrkirche zu Olfen (15. Jahrh.), (31) in der Pfarrkirche zu Greven, (32)
in der Peter-und-PauIskirche zu Bochum, dieses von i547, (33) und in der
Pfarrkirche zu Gemen (Tafel 115).
Daß im Mittelalter auch wohl das liturgische Waschgerät gleich den übrigen,
gottesdienstlichen Zwecken dienenden Geräten mit Schmuck bedacht wurde,
erhellt sowohl aus den mittelalterlichen Inventaren, als auch aus dem, was sich
aus jenem an solchem erhalten hat. Von einer Verzierung des Geräts mittels
Edelsteinen und Perlen hören wir in Inventaren nur einmal, in dem des Aposto-
lischen Stuhles von 1295 nämlich; item duo bacilia cum lapidibus et perlis
grossis, de quibus deficiunt in castonibus (Fassung) 18 lapides, lesen wir
dort. (34) Die Edelsteine und Perlen, deren Zahl erheblich gewesen sein muß,
waren zweifellos dem Rand aufgesetzt wie bei den drei aus dem Osten stam-
(30) Vgl. die Wiedergabe eines in einer Nische neben dem Altar aufgehängten Gießge-
fäßes dieser Art nebst zugehörigen Becken auf einer Miniatur aus den Miracles de N.-Dame
auf Tafel 116. (31)Kd. von\Vestf.,Kr. Lüdinghausen 78. (32) Ebd. Kr. Münster-Land, Tfl. 47.
(33) Ebd. Kr. Bochum-Stadt, Tfl. 7. (34) Bibl. XLIII (1882) 290.
550 VASA NON SACRA. DRITTER ABSCHNITT. WASCHGEFÄSSE
inenden Waschbecken im Schatz von S. Marco, von denen schon die Rede war
(Tafel 110).
Wie es scheint, wurde vornehmlich das Becken zum Auffangen des Was-
sers mit Schmuck bedacht, das Gießgefäß aber nur dann, wenn es, wie seit
dem 12. Jahrhundert, ebenfalls Beckenform hatte. Von einem mittels Treib-
arbeit mit einer männlichen Büste, mit Weinranken und sonstigen Darstellun-
gen verzierten Aquamanile vernehmen wir schon in der Vita Leos IV. (8^7
bis 855) des Papstbuches. (35) Eine von Abt Theodorich von St-Trond (1092
bis 1107) für seine Abteikirche beschaffte pelvicula de cupro ad suscipiendam
aquam manuum lavandarum zeigte im Innern silbernes Bildwerk. (36) Von der
Ausstattung der kupfernen Becken des 12. und frühen i3. Jahrhunderts mittels
gravierter figürlicher Darstellungen, religiöser wie profaner, war schon die
Rede. (37) Besonders bemerkenswert unter ihnen sind ein Becken in der ehe-
maligen Sammlung Wings zu Aachen mit sieben Szenen aus der Legende der
heiligen Ursula, ein Becken im Provinzialmuseum zu Trier mit sechs durch
stilisierte Bäumchen getrennten Darstellungen aus der Parabel des barmher-
zigen Samaritans, ein Becken im Britischen Museum mit Bildern aus der Le-
gende des Apostels Thomas, sowie namentlich das durch den Ideenreichtum und
die Geschlossenheit seines figuralen Schmuckes, einer allegorisch-typisch sym-
bolischen Darstellung der ewigen Weisheit und der von ihr ausgehenden sieben
Gaben des Heiligen Geistes, hervorragende, leider durch den Gebrauch stark
abgegriffene Becken im Dom zu Xanten (Tafel 111). Gestanzte Figuren begeg-
nen uns an den Bronzebecken aus Riga, Halle und Krassow.
Die zur liturgischen Händewaschung dienenden Becken des späteren i3., des
1/1. und i5. Jahrhunderts waren, wenn ornamentiert, vorzugsweise, wie eben-
falls bereits früher gesagt wurde, mit Emaildarstellungen geschmückt. Die
vielen Beispiele solcher emaillierter Limoger Becken und die Inventare bieten
dafür reichlich Belege. Indessen gab es neben Becken dieser Art auch manche,
die mit graviertem oder getriebenem Schmuck ausgestattet waren. Man ver-
gleiche z.B. die Angaben des Inventars des Apostolischen Stuhles von 1290,
des Inventars von St. Paul zu London von ia45 und 1^02, des Inventars der
Westminsterkirche zu London von i388, des Inventars des Kings College zu
Cambridge von i4Ö2 u. a.
Soweit die Becken Limoger Herkunft waren, waren sie arm an religiösem
Bildwerk; um so ausgiebiger waren sie dagegen mit nicht religiösen Darstel-
lungen, wie kämpfenden Rittern, Jagd- und Liebesszenen, musizierenden Figu-
ren, Sirenen und anderen phantastischen Gebilden, Wappen und Tierfigureu
geschmückt (Tafel m, Halberstadt); begreiflich übrigens, da die Limoger
Becken, wie überhaupt die von Limoges kommenden Emailerzeugnisse für den
Handel und nicht bloß für den kirchlichen Gebrauch, sondern ebensosehr für
den profanen gemacht wurden. Am häufigsten kommen auf den Limoger
Becken an religiösem Bildwerk Halbfiguren von Engeln vor (Tafel nr, Ma-
drid). Minder selten scheint religiöses Figurenwerk auf den zu den liturgischen
(35) Dual., L. P. II, 131: In s. Clement« aquamanilem de argento parium 1, habenteiu in
se sculptum aimilitudo caput hominis cum vite et alia hiatoria.
(36) RoDixri, Gesta abb. Trudon. (M.G.SS.X. 257). (37) Vgl. oben S. 5441.
DRITTES KAPITEL. BESCHAFFENHEIT. III. AUSSTATTUNG 551
ERSTES KAPITEL
ALTER UND DAUER DER ABLUTION DER KOMMUNIKANTEN
Nach heutigem Brauch wird Wein zur Ablution des Mundes nach Empfang
der Kommunion nur noch den neugeweihten Priestern, in der Messe, in der sie
geweiht wurden, sowie dem König und der Königin in der Messe, in der sie ge-
krönt wurden, dargeboten, jenen in einem von dem Meßkelch verschiedenen
Kelch, diesen in dem Kelch, den der die Krönung vornehmende Metropolit
selbst bei der Messe gebrauchte. Ihn überhaupt den Gläubigen nach der Kom-
munion zu spenden, ist außer Übung gekommen.
Zum ersten Male vernehmen wir in Wilhelms von Hirsau Constitutione«
Hirsaugienses von einer den Kommunikanten nach Empfang der Kommunion
zu reichenden Ablution, doch nur in der Beschreibung des Ritus der Privat-
messe: De eodem calice etiam communicantes mox debeant vinum bibere. (1)
In seiner eingehenden Schilderung der feierlichen Messe des Konvents hören
wir von einer solchen Anweisung nichts. Gar nichts findet sich hinsichtlich der
Ablution nach der Kommunion in des Udalricus Usus Cluniacenses und in den
Usus Cistercienses, wie überhaupt in sonst einem Meßordo des n. und des
12. Jahrhunderts. Es kann sich darum bei der fraglichen Anweisung in den
Hirsauer Konstitutionen bloß um einen ganz vereinzelt dastehenden, nur zu
Hirsau üblichen Brauch handeln.
Im 12. Jahrhundert berichtet Johannes Beleth (7 nach n65) von dem in
verschiedenen Kirchen bestehenden Brauch, am Ostertage nach der Osterkom-
munion den Kommunikanten etwas Brot und Wein zu reichen, bevor dieselben
sich entfernten, damit nicht ein Teilchen des heiligsten Sakramentes im Munde
bleibe und ausgespuckt werde. (2) Beleth, der ihn überall eingeführt sehen
möchte, führt ihn auf eine Vorschrift des heiligen Benedikt, demzufolge die
Tischdiener nach der Kommunion ein wenig genießen sollten, wenn sie nach
derselben beim Mittagessen zu ministrieren hätten, als vorbildlich zurück; ob
zu Recht oder Unrecht mag dahingestellt bleiben. Der Brauch, wie er ihn be-
schreibt, bestand z. B. zu Soissons, wie aus einem Ordinarium des Bischofs
NiveloII. (71262) erhellt. (3) Am Osterfeste sollten diesem zufolge auf einen
Tisch Gefäße mit Wein und Oblaten gesetzt werden und alle, die kommuniziert
hätten, kommen und mit dem Wein und Brot ihren Mund reinigen.
Größere Verbreitung gewann der Brauch erst in der zweiten Hälfte des
13. Jahrhunderts, jedoch mit einer doppelten Veränderung. Erstens nämlich
fiel die Darreichung von Brot fort und blieb nur die des Weines, zweitens
wurde der Brauch in dieser vereinfachten Gestalt in den Kommunionritus auf-
genommen.
Seine früheste Erwähnung findet in diesem der Brauch, den Kommunizie-
renden nach Spendung des Leibes des Herrn Wein zur Ablution des Mundes
zu reichen, in dem 1206 vollendeten Ordo missae des Dominikanergenerals
(1) L.l, c.86 (M.150, 1019). (2) C. 119 (M.202, 122). (3) M. 66, 611.
ERSTES KAPITEL. ALTER UND DAUER SEINER VERWENDUNG 553
(4) Legg 86. (5) Volk 99. (6) H.VII, 862. (7) C.7 (H.VII, 826). (8) H.VII, 915.
(9) C. 56 (M. 78, 1172): Subdiaconus ponat vinum in calice et porrigat iis, qui communi-
caverunt, ut ex eo sumant et os abluant. (10) J. ömf.ivd, Kelchspendung und Kelch-
versagung {Göttingen 1898) 50 ff. (11) C. De euch. (Mamsi XXXV, 876). (12) De ss. euch.
«■5 (ebd. 619). (13) De euch. c. 14 (ebd. 661). (14) C.8 (ebd.XXXVI bis 569).
(15) C.14 (ebd.990). (16) AA. Eccl. Med. 606, 613, 619, 722.
554 VASA NON SACRA. DRITTER ABSCHNITT. DAS ABLUT ION SGEF ASS
Weil auch zu Rom in Übung, fand der Brauch Aufnahme in das Missale
Pius' V. Minister autem dextera manu tenens vas cum vino et aqua, sinistro vero
mappulam, aliquando post sacerdotem eis — den Kommunikanten — porrigit
purificationem et mappulam ad os afastergendum, heißt es in demselben im
Ritus servandus in celebratione missae tit. X, n. 6. Wenn seit dem späten
17. Jahrhundert der Brauch sich allmählich wieder verlor, so dürfte der Haupt-
grund hiefür in der infoige der religiösen Erneuerung allzu zahlreich gewor-
denen Kommunionen, die seine Fortführung unmöglich machten, zu suchen
sein.
Irrig wäre es, wollte man die Einführung der Spendung des Ablutionsweines
dahin deuten, als habe diese eine Art Ersatz für die des heiligen Blutes sein
sollen. Reichen ihre Anfänge ja doch in die Zeit zurück, in der die Kommunion
noch allgemein unter beiden Gestalten ausgeteilt wurde, in der sie also im An-
schluß an diese erfolgte. Was wir bei Wilhelm von Hirsau und bei Beleth vor-
hin hörten, läßt daran keinen Zweifel. Was man bezweckte, wenn man den
Gläubigen nach Empfang des Leibes des Herrn Ablutionswein reichte, darüber
lassen uns der Ordo des Humbert de Romanis, der Liber Ordinarius des Sankt
Jakobsklosters zu Lüttich, die Statuten der Synode von Lambeth und Nimes
sowie der Ordo des JacobusGajetanus, Quellen, die absolut zuverlässig sind, weil
an der Wiege des Brauches stehend, nicht im Unklaren. Es war eine rein prak-
tische Erwägung, welche die Spendung des Ablutionsweines veranlaßte. Man
wollte das Herunterschlucken der heiligen Hostie erleichtern und verhüten, daß
Partikel derselben im Munde blieben. Immerhin mag ein gewisser äußerer Zu-
sammenhang zwischen dem Aufhören des Laienkelches und der Einführung
des Ablutionsweines vorliegen. Solange jener bestand, lag für eine Spendung
von Ablutionswein wenig Grund vor, da der Empfang und Genuß des heiligen
Blutes schon genügend den Zweck verwirklichte, um dessentwillen man den
Kommunikanten nach Reichung der heiligen Hostie den Ablutionswein spen-
dete. Als dann aber die Kommunion unter beiden Gestalten aufzuhören be-
gann, legte es sich nahe, daß man ihn auf eine andere Weise und durch ein
anderes Mittel zu erreichen suchte, durch Wein, den man den Kommunikanten
nach Empfang des Leibes des Herrn zu trinken gab. Wie wenig man in dem
Ablutionswein eine Art von Ersatz für das heilige Blut sah, erhellt klar daraus,
daß die Synode von Lambeth ausdrücklich es den Pfarrern zur Pflicht machte,
die Gläubigen zu beiehren, daß der Ablutionswein nichts ais gewöhnlicher
Wein sei und gespendet werde, um den Genuß der heiligen Hostie zu erleichtern.
Nicht also als ein Ersatz für das heilige Blut wurde nach Aufhören der Kom-
munion unter beiden Gestalten nach Empfang des Leibes des Herrn Wein zum
Trinken gereicht, wie man gemeint hat, sondern lediglich behufs Abiution des
ZWEITES KAPITEL. BESCHAFFENHEIT 555
Mundes. Welchen Sinn hätte es übrigens auch gehabt, für einen schon ausge-
storbenen oder dem Aussterben nahen Brauch, die Austeilung der Kommunion
unter Weinsgestalt, in Gestalt der Reichung eines Kelches mit unkonsekriertem
Wein ein bedeutungsloses Surrogat zu schaffen, zumal dieses zuletzt mit fast
den gleichen Schwierigkeiten und Übelständen zu kämpfen hatte, wie der Brauch,
an dessen Stelle es trat? Wäre es da nicht besser und naheliegender gewesen, den
früheren Brauch, der nicht bloßer Schein, sondern Leben und Wahrheit war,
zu neuem Leben zu erwecken?
Zwei Zwecken, sowohl der Ablutio der Finger des Priesters wie des Mundes des Kommu-
nikanten, dienten der Kelch oder andere ihn vertretende Gefäße, die der Priester bei
Versehgängen zugleich mit dem heiligsten Leib des Herrn seit wenigstens dem i3. Jahr-
hundert zu den Kranken mitnehmen mußte (17) und die darum auch in den Inventaren
des späten Mittelalters und der nachmittelalterlichen Zeit oft unter Angabe ihres Zweckes
aufgeführt werden. Sehr klar sprechen sich über diesen die Constatutiones Provinciales
des Erzbischofs Edmund von Canterbury, die Synode von Exeter und der Liber Ordinarius
des Jakobsklosters zu Lüttich aus. Habeat, verordnet der Erzbischof Edmund, vas argenteum
sive stanneum ad haec specialiter deputatum, quod semper ad aegrotum secum deferat,
ut in eo dare valeat aegroto post sumptam eucharistiam suorum loturam digitorum. Der
Synode von Exeter zufolge soll in jeder Kirche sich vorfinden scyphus argenteus vel
stanneus pro infirmis, ut postquam eucharistiam assumpserint, loturam digitorum suorum
sacerdos sibi praebeat in eodem. Der Liber Ordinarius des St. Jakobs kl osters aber fügt seiner
Beschreibung des Ritus der Kranken komm union die Weisung an: Postea abluat digitos et
det ei (dem Kranken) ablutionem in aliquo vase ad hoc deputatum.
ZWEITES KAPITEL
BESCHAFFENHEIT DES ABLÜTIONSGEFÄSSES
Als Gefäß zur Spendung des Ablutionsweines bediente man sich ursprüng-
lich eines Kelches, jedoch meist eines von dem Meßkelch verschiedenen. Be-
nützte man zu ihr den Meßkelch, so geschah das erst, nachdem der Priester
nach Genuß des heiligen Blutes, ihn durch Wein purifiziert hatte. Postquam
sacerdos sumpserit de sanguine, vel post vinum sumptum, quod est infusum in
calice, fratres accedant ad communionem, heißt es im Liber Ordinarius des
St. Jakobsklosters zu Lüttich. (1)
Einen Kelch zur Spendung des Ablutionsweines zu benützen, blieb bis in das
16. Jahrhundert das Gewöhnliche. Es ist darum in den Inventaren auch fast nur
ausnahmsweise von einem andern Gefäß, das diesem Zwecke diente, die Rede,
wie z.B. im Inventar des Zisterzienserklosters Heilsbronn von 1334, in demduo
(17) Vgl. die Constitutiones Provineiales des Erzbischofs Edmund von Canterbury von
1236 (c.25 [H.VII, 272]), die Statuten der Synode von Worcester von 1240 (c. i [I.e. 331]),
der Synode von Clennont von 1268 (c.6 [I.e. 593]), der Synode von Trier von 1278 (c. 5,
«■31 [Hartzh. III, 691]), der Synode von Exeter von 1287 (e. 12 [H.VII, 1087]) und den
Liber Ordinarius des St. Jakobsklosters zu Lüttich von ca. 1285 (c.44 [ed.Volk 66]).
(1) Volk 99. Vgl. auch c. 56 des Ordo des Jakobus Gajetanus (M. 78, lt72): Cumque
pontifex sanguinem sumpserit, post primam eius ablutionem, antequam digitos abluat,
accedant ad eura, qui communicari debent..'. pontifex aeeipiens cum sinistra manu patenam
et supponens hostias consecratas, porrigat singulis cum dextra manu communionem ...
subdiaeonus vero ponat vinum in calice et porrigat iis qui communieaverunt, ut ex eo
sumant et os abluant.
556 VASA NOIV SACRA. DRITTER ABSCHNITT. DAS ABLUTION SGEFÄSS
(2) Repert. für Kunstwissenschaft I (1876) 54. (3) AA. Eccl. Med. 635.
(4) C.8 (Hartzh. VII, 872). (5) Tit. de sa. euch. (Hahtzii. IX, 115).
(6) Hahtzh.IX, 348; vgl. auch c. 15 der Osnabrüeker Synode von 1628 (ebd. 448).
10 ÜL.;.i ,-.!; :;■:,:■■;■,■:■:.\ i!(. ;;.-,;;■■. r ;■:: i'. .1, „. 2 (eVl. IX, 4!'. ■0 j Tit. 11, C. «
(ebd. 553). (10) § 2, n. 33 (ebd. X, 65). (11) Tit. 6 (ebd.IX, 824). (12) Tit. 5, c. 7 (ebd.788).
ZWEITES KAPITEL. BESCHAFFENHEIT 557
Synode, (13) letztere in Wiederholung einer gleichlautenden Bestimmung der Metzer Syn-
ode von i6o4 (14) sowie eine Synode von Besancon von 1707. (15)
In den Inventuren und Visitationsprotokollen des 16. und 17. Jahrhunderts ist noch des
öfteren von Kelchen, die zur Spendung des Ablutionsweines dienten, Rede, doch waren das
keine konsekrierten Meßkelche, sondern aus Bronze oder aus Zinn, zumal aus letzterem,
bestehende kelchförmige Gefäße. So z.B. im Inventar der Pfarrkirche zu Keukircli im
Ermland von 1573: Calix stanneus non consecratus, ex quo ablatio bis <mi communicant
in paschate porrigitur, (16) der Pfarrkirche zu Arnsdorf von 137a: Calix stanneus pro
ablutione communicantibus, (17) der Pfarrkirche zu Bischofsburg von 1097: Calix aereus
pro ablutione communicantium, (18) im Inventar der Pfarrkirche zu Waltersdorf von
i58o: Calix stanneus pro ablutione communicantium, (19) der Pfarrkirche zu Queißen von
1687/88: Calix unus similis (= stanneus) pro communicantibus, (20) der Pfarrkirche
zu Münsterberg von 1666/67: 3 stannei calices pro communicantibus, (21) der Pfarrkirche
zu Jablunkau von r6Ö2: Calix stanneus pro ablutione (22) u. a.
DIE FRIEDENSKUSSTAFEL
ERSTES KAPITEL
ALTER DER VERWENDUNG DER FRIEDENSKUSSTAFEL
Der Friedenskuß ist eine sehr alte liturgische Zeremonie, da er in die alt-
christliche Zeit zurückreicht. Er ist sowohl in den Riten des Ostens wie in denen
des Westens in Übung. In den Riten des Ostens sowie im mozarabischen Ritus
findet er vor der Konsekration statt, und so verhielt es sich auch im gallikani-
schen, im römischen und im ambrosianischen nach dem der Kommunion vor-
aufgehenden Friedensgebet. Erteilt wird er im Westen entweder durch leichte
Umarmung oder Überreichung der sogenannten Friedenskußtafel. Näher er-
läutert wird die Zeremonie in dem Ritus servandus in celebratione missae des
römischen Missales (1) sowie im Caeremoniale episcoporum. (2) Mittels einer
-Paxtafel wird er erteilt in Messen, die ohne Mitwirkung eines Diakons und Sub-
diakons gefeiert werden, also in sogenannten gesungenen Messen (missae can-
tatae) und Stillmessen allen, auch ihnen etwa anwohnenden Bischöfen, Prä-
(13) Tit. 5, c.5 (ebd.X, 236). (14) De sacr. euch. (ebd. 765).
(15) Tit. 13, stat. 4 (ebd. 316). (16) Hipler «7. (17) Ebd. 93. (18) Ebd. 44.
(19) Jlwsnitz III (Breslau 1907) 22. (20) Ebd. 347. (21) Ebd. I, 527. (22) Ebd. II, 20.
(23) Ebd. IV, 201. (24) Revue XL (1890) 376.
(1) TitX, n.8 und 8. (2) L. 1, c.24; c. 29, n.8; c. 30.
558 VASA NON SACRA. DRITTER ABSCHMTT. DIE PAXTAFEL
laten und sonstigen Geistlichen, in feierlichen Messen aber nur den Laien, den
Geistlichen dagegen durch Umarmung. Wird er mittels einer Kußtafel ge-
spendet, so küßt der Zelebrans nach dem Friedensgebet zuerst den Altar und
hierauf die ihm vom Ministranten gereichte Kußtafel. Dann geht er zur Epistel-
seite und reicht hier die Tafel mit den Worten Pax tecum dem auf der Stufe
des Altares knienden Ministranten, der, nachdem er den Friedensgruß mit Et
cum spiritu tuo beantwortet hat, die Tafel unter Beifügung des Pax tecum dem-
jenigen zum Küssen überbringt, dem der Friedensgruß gespendet werden soll.
EineKußtafel alsMittel zur Erteilung desFriedenskussesgibt es nur im Westen;
die Riten des Ostens kennen eine solche nicht, noch haben sie je dieselbe gekannt.
Im Westen aber hat sie bei weitem nicht das ehrwürdige Alter, das der Zeremonie
des Friedenskusses selbst eignet, vielmehr stammt ihre Verwendung erst aus
verhältnismäßig junger Zeit, da sie erst im i3. Jahrhundert in Gebrauch zu
kommen begann. Am frühesten begegnet uns die Kußtafel in England, wo sie
bereits 1248 in den Statuten des Yorker Erzbischofs Walter Gray, 1287 in den
Statuten der Synode von Exeter, (3) iag5 in einem Inventar der Paulskathe-
drale zu London (4) und um i3oo in den Statuten des Erzbischofs Robert von
Winchelsey von Ganterbury erwähnt wird. (5)
Aus Frankreich und aus Deutschland liegen erst aus dem i4. Jahrhundert
Belege für den Gebrauch der Kußtafel vor. (6) Die erste Nachricht über die
Erteilung des Friedenskusses mittels einer Paxtafel, die wir aus Frankreich
haben, bietet ein Kanon einer um i3oo zu Bayeux abgehaltenen Synode, der
verbietet, mehr als zwei Personen weiblichen Geschlechtes die hier marmor
genannte Tafel zum Kusse zu reichen. (7) Etwa ein Dezennium später bestim-
men Statuten des Kartäuserordens, es solle in Zukunft der Friedenskuß in der
Kirche nur erteilt werden mittels tabula, in qua sit depicta imago Christi cru-
cifixi. (8) i328 verzeichnet das Inventar der Königin Klementine von Ungarn,
der Gemahlin LudwigsX., ung portepais d'argent, (9) i347 das Inventar einer
Johanna von Presles une pais d'argent et un crucifix ou milieu. Durandus von
Mende scheint den Gebrauch der Kußtafel noch nicht gekannt zu haben, da er
in den langen Erörterungen, die er in seinem 1286 verfaßten Rationale dem
Friedenskuß in der Messe widmet, ihrer mit keinem Wort gedenkt. (10)
Das früheste Zeugnis über die Verwendung einer Kußtafel, das aus Deutsch-
land vorliegt, findet sich in den Statuten der Prager Synode von i355. Die
Pfarrer sollen, so schreibt diese vor, ihre Pfarrkinder ermahnen, dem alten
Brauch entsprechend den nach dem Agnus Dei ihnen durch einen Kleriker
überbrachten Friedenskuß einander weiterzugeben. Falls sie dieselben aber
dazu nicht veranlassen könnten, möge ihnen eine Tafel mit einem Bild des Ge-
kreuzigten als Zeichen des Friedenskusses zum Küssen gereicht werden. (11)
(3J H. VII, 431, 1038. (4) Archaeologia L, 463. (5) H. VII, 1212, 1213.
(6) Eine in Limoger Email ausgeführte Tafel aus dem frühen 13. Jahrhundert im Cluny-
Museum zu Paris, die einen Heiligen unter einer rundbogigen Arkade darstellt (Abb. bei
Roh. VI, Tfl. 496), ist erst in späterer Zeit zur Kußtafel gemacht worden, sie war das nicht
auch schon ursprünglich. (7) C. 10 (H. VII, 1228) : Inhibemus firmiter et districte, ne pace
recepta a presbytero in altari, pluribus quam duabus mulieribus marmor tradatur deoscu-
landain. (8) N. 9 <M. 153, 1129). (9) Revue XLI (1892) 415. (10) L. IV, c. 52, 53.
(U) C.8 (Hartzh.IV, 406).
ERSTES KAPITEL. ALTER UND DAUER IHRER VERWENDUNG 559
Daß in Rom um i3oo die Kußtafel noch keine Verwendung fand, ergibt sich
aus dem Ordo des Jacobus Gajetanus. Findet sich doch eine Kußtafel weder
unter den bis ins einzelne in ihm aufgezahlten liturgischen Geräten, welche
für ein von einem Kardinalbischof zu feierndes Pontifikalamt beschafft und
mitgenommen werden mußten, noch wird sie im Ritus dieses letzteren bei der
Beschreibung der Erteilung des Friedenskusses erwähnt. (12)
Begonnen hat man mit der Erteilung des Friedenskusses der Messe durch Überreichung
einer Tafel zum Küssen anstatt durch die herkömmliche Umarmung, wie kaum zweifelhaft
sein kann, in England. Der Brauch blieb aber auf seinen Ursprungsort nicht beschränkt,
vielmehr verpflanzte er sich von dort bald auch auf das Festland, wo er dann im Lauf des
il\. und noch mehr in dem des i5. Jahrhunderts sich nach und nach weithin einbürgerte.
Die Angaben der Inventare und anderer schriftlicher Quellen aus dem il\. und i5. Jahr-
hundert sowie eine erhebliche Anzahl von Kußtafeln, die sich aus dieser Zeit, namentlich
aus dem i5. Jahrhundert erhalten haben, bekunden das zur Genüge. Wir finden ihn im aus-
gehenden Mittelalter in Spanien und Frankreich, in den Niederlanden und der Schweiz, in
Italien und in Deutschland. Schlechthin allgemein wurde er freilich nie. Nicht überall war
die Spendung des Friedenskusses an nicht unmittelbar an der Messe Beteiligte in Übung.
Wo das aber noch der Fall war, hielt man mancherorten an der Form fest, in der man ihn
seit alters erteilt hatte. Ein lehrreiches Zeugnis dafür haben wir in der um das Ende des
i5. Jahrhunderts verfaßten Meßerklärung des Augustiners Johannes Bechofen. Licet autem
olim sicut et hodie in plerisque locis hoc osculum pacis a sacerdote per ministrum porrec-
tum fideles sibi mutuo imprimant, tarnen honestior est cautela, ut per paeifieale sive tabu-
lam imaginem Christi aut sanetorum reliquias continentem fiat, ne sub specie boni aliquid
carnalitatis diabolico inflatu surripiat. (13)
Wann der Brauch in Rom heimisch wurde, läßt sich nicht bestimmen. Daß man dort
jedenfalls im i5. Jahrhundert die Kußtafel kannte, erhellt beispielsweise aus den Inventaren
von St. Peter von i454 und i48o, (14) dem Inventar des Kardinals Pietro Barbo von
1457 (15) und dem Inventar des Kardinals d'Estouteville von iA83. (16) Auch der Ordo missae
Burckards von Straßburg legt dafür Zeugnis ab. (17) Si est daturus pacem, heißt es darin
bei Beschreibung der Weise, wie der Friedenskuß zu erteilen sei, osculatur (der Zelebrans)
altare in medio et Jnstrumentum pacis sibi porrectum per ministrum iuxta ipsum ad
dexteram videlicet in cornu epistulae genuflexum, prius dicena voce competenti: Pax tecum.
Et minister respondet: Et cum spiritu tuo. Surgit minister et pacem interessentibus missae
porrigit osculandum, dignioribus prius, deinde aliis, ultimo mulieribus, singulis dicens:
Pax tecum et singuli respondent ei: Et cum spiritu tuo; eine Rubrik, die zum Teil wörtlich
in den Ritus servandus in celebratione missae des römischen Missales herühergenommen
wurde. Offizielle Anerkennung erhielt der Brauch, mittels einer Tafel den Friedenskuß
zu erteilen, durch seine Aufnahme in das Missale Kos' V. von 1570 und in das Caeremoniale
episcoporum Klemens' VIII. von 1600.
Einer besonderen Verbreitung scheint der Brauch im 16. Jahrhundert sich in Italien er-
freut zu haben. Das beweisen die sehr zahlreichen italienischen Kußtafeln, die sich aus diesem
erhalten haben. Nach der Instructio fabricae ecclesiae des heiligen Karl sollten in allen
Kathedral-, Stifts- und Pfarrkirchen zwei tabellae gestatoriae pacis offerendae vorhanden
sein, (lg) Tn Deutschland stand im 16. Jahrhundert die Verwendung einer Kußtafel zur
Erteilung des Friedenskusses namentlich im Ermland in Übung, wie die aus dieser Zeit
stammenden Inventare ermländischer Kirchen bekunden. (19) In den Inventaren der Kir-
chen zu Elbing von i544 sind 38 paeificalia verzeichnet, in dem Inventar des Domes zu
Frauenburg von 1578 sechs, in dem der Pfarrkirche zu Heilsberg von 1081 acht.
.., (t2) C.48, 63 {M.78, 1153, 1168). (13) Ad. Franz, DieMesse im deutsch. Mittelalter
(/reiburg 1902) 594 (14) Mümtz 90, 113. (15) E.Müstz, L'art ä la cour des papes II
{Paris 1879) 201. (16) Ebd. III 1 (Paris 1882) 287 f. (17) Legs 161 (18) AA. EccL
jj*e«hol. 609^ 616 621 (19) Hipi.e«, Die ältesten Seh atz Verzeichnisse der ermländischen
K'rchen (Braunsberg 1886).
560 VASA /VOV SACRA. DRITTER ABSCHNITT. DIE PAXTAFEL
ZWEITES KAPITEL
BENENNUNGEN DER KUSSTAFEL
Das Gerät zur Erteilung des Friedenskusses heißt in den schriftlichen Quel-
len pax (pacem), paeiferum, paeifieale, instrumentum pacis, osculatorium, ta-
bula ad pacem, asser ad pacem, lapis pacis, marmor ad deosculandum. Kommt
in Benennungen wie pax, paeiferum, paeifieale, instrumentum pacis der litur-
gische Zweck des so genannten Gerätes zum Ausdruck, so weist osculatorium
auf die Form der liturgischen Paxspendung, tabula (asser) ad pacem auf die
Gestalt des zu dieser dienenden Gerätes, lapis (marmor) pacis auf dessen ma-
terielle Beschaffenheit hin.
1. Pax. Pax wird die Kußtafel beispielsweise genannt in den Inventaren von
St.Peter zu Rom von i454 und 1/(89, m den Inventaren der Kardinäle Pielro
Barbo von 1^57 und d'Estouteville von i483, in einer Verordnung des Kardi-
nals Pedro Gonzalez de Mendoza (-J- iig5), in der dieser die Verwendung der
Patene zur Erteilung des Friedenskusses untersagt und in allen Kirchen die An-
fertigung von paces argenteae vel ligneae vorschreibt, (1) In den Statuten der
Synode von Sevilla des Jahres i5ia u. a. Statt pax findet sich in den Inventaren
auch wohl pacem als Bezeichnung der Kußtafel, wie es scheint, veranlaßt durch
das dem Friedenskuß vorausgehende Friedensgebet: Domine qui dixisti, pacem
relinquo vobis, pacem meam do vobis; so z. B. im Inventar der L.-Fr.-Kirche zu
Frankfurt a. 0. von i5i6, (2) in einem Inventar der Domkirche zu Kölln an der
Spree von i536, (3) im Verzeichnis des Nachlasses des Trienter Bischofs Ulrich
(20) Tit. XII (Hartz». VI, 756). (21) C. 18 (ebd. 369). (22) C. De campaoia etc. n. S
<Hartzh.VII,8). (23) DC. VI, 229. V
(1) DC. VI, 229. (2) A. Fr. Riedel, Codex dipl. Brandenburg. I, 23, 419.
(3) L. vo\ Ledebui, Allg. Archiv für die Geschichtskünde des Preuß. Staates XVIII
(1835) 79.
ZWEITES KAPITEL. BENENNUNGEN 561
DRITTES KAPITEL
BESCHAFFENHEIT DER KUSSTAFEL
I. MATERIAL DER KUSSTAFEL
Schon früh wurde die Kußtafel, an sich ein nicht gerade liturgisch bedeut-
sames Gerät, zum Prunkstück. Darum begegnen uns bereits in der zweiten
Hälfte des i/j. und in der Frühe des i5. Jahrhunderts neben silbernen selbst
aus Gold hergestellte, so im Inventar König Karls V. von 1879/80, im Inventar
des Herzogs Jean von Berry von idia, im Inventar von N.-Dame zu Paris von
i4i6 und im Inventar König Karls VI. von i4ao. Das Karls V. verzeichnet
(23) H.VII, 1213. (23a) Raine, The fabrie rolls of YorkMinster 286, 287, 302.
(24) Palgrave, Ancient kalendars and inventories III (Londonl836) 207.
(25) Vgl. oben S. 658. (26) N.9 (M. 153, 1129). (27) Raine 164.
(28) Palgrave a.a.O. 245. (29) C.8 (Hartzii.IV, 406).
(30) Archaeologia LH (1890) 236. (31) Archaeol. Journal II (1846) 348. , Jfl
(32) C. 12 (H. VII, 1038). (33) Riley II, 327. (34) Rai*e 290. (35) Archaeologia L, 46.
(36) DC. V, 28. (37) Vgl. oben S. 558.
DRITTES KAPITEL. BESCHAFFENHEIT. I. MATERIAL 563
deren sogar vier, (1) das des Herzogs von Berry seqhs. (2) Daß auch noch spä-
ter goldene Paxtafeln entstanden, bekunden eine von Leo X. gestiftete Pax im
Dom zu Mailand, (3) eine mit Reliefs aus Gold ausgestattete Pax in S. Marco
zu Venedig (Tafel 119) sowie eine von Albrecht von Brandenburg stammende
goldene Paxtafel im Dom zu Köln (Tafel 118). Aus Gold gemacht ist auch
eine sehr eigenartige Pax in der Kathedrale zu Valencia in Gestalt einer auf
einem Throne sitzenden Statuette des Jesuskindes. (4) An der Rückseite der
Rücklehne des Thrones ist in Email der Jesusknabe unter den Schriftgelehrten
im Tempel dargestellt, an der des Sitzes in gleicher Technik die Anbetung de&
Kindes durch die drei Weisen. Unter dem Sitz befindet sich eine von miniatur-
artig kleinen vollplastischen Figürchen gebildete Gruppe der Geburt des Herrn.
Allzu häufig werden goldene Paxtafeln allerdings nicht hergestellt worden
sein, um so häufiger waren sie, wie aus den Inventaren hervorgeht, aus Silber
angefertigt. Man vergleiche beispielsweise die Angaben über das Material der-
selben im Inventar des Grafen von Hereford von i322, der Königin Klementine
von i328, der Johanna von Presles von 1347, Karls V. von 1879/80, der West-
minsterkirche zu London von i388, der Abteikirche St. Albans von etwa i&oo,
der Margareta von Flandern von i4o5, Karls VI. von i/jao, des Kings College
zu Cambridge von i452, der Peterskirche zu Rom von i454 und 1/489, des
Kardinals Pietro Barbo von 1457, des Kardinals d'Estouteville von i483, der
Abteikirche zu St-Denis von i5o5, der Pfarrkirche zu Esclimont von i546, des
Domes zu Frauenburg von 1678, der Pfarrkirche zu Alienstein im Ermland
von i58i u.a. Auch die zahlreichen silbernen Paxtafeln, die sich aus dem aus-
gehenden Mittelalter und dem 16. Jahrhundert erhalten haben, bekunden, daß
man wenigstens die besseren mit Vorliebe aus Silber herstellte. Ausdrücklich
schreibt die Instructio fabricae ecclesiae des heiligen Karl als Material für
kostbarere Paxtafeln, wie sie z.B. an hohen Festen verwendet wurden, Gold
oder Silber vor. (5)
Manche Paxtafeln waren aber auch aus Kupfer oder Messing gemacht. Wenn
aus Kupfer, waren sie stets, wenn aus Messing, meist vergoldet. Ausdrücklich
bestimmt der heilige Karl, nicht kostbare Kußtafeln sollten aus Messing ge-
macht sein. In den Inventaren ist nur selten von einer Pax aus Kupfer oder
Messing die Rede, wie z.B. in einem Inventar der Stiftskirche zu Gutstadt von
i58i: Pacificale cupreum inauratum. Daß solche aber in weit größerer Zahl
entstanden, als das nach den Inventaren scheinen könnte, bekunden die aus
Kupfer oder Messing hergestellten Paxtafeln, die aus dem i5.—17. Jahrhun-
dert auf uns gekommen sind. So sind unter den sechs portapaces des Bischöf-
lichen Museums zu Vieh nur die beiden jüngsten, dem 18. Jahrhundert ange-
hörigen aus Silber gemacht. Von den vier andern, die im 16. und 17. Jahrhun-
dert entstanden, bestehen drei aus Kupfer, einer aus Messing. Aus dem späten
15. Jahrhundert stammende gotische Paxtafeln in St. Ursula und in Groß-
St. Martin zu Köln (6) sind von vergoldetem Kupfer.
r, (1) Labarte 85, 287. (2) Guiffbev I, 45; II, 7. (8) Abb. dieser Pax bei LüCA Beltrahi,
>- arte negli arredi sacri della Lombardia (Milano 1897) Tfl. 43. (4) Abb. in Las joyas de
* «xposiciön de Madrid 1892 (Madrid 1893) Tfl. 39, 40. (5) AA. Ecel. Mediol. (Mediol.
]599) 635. (6) Bock Das heilige Köln, Tfl. 8 und 17.
564 VASA NON SACRA, DRITTER ABSCHNITT. DIE PAXTAFEL
(7) GiiiFFREi II, 101, 297. (8) Omont 12. (9) Hipler 19. (10) Die Photographie der
Tafel verdanke ich der Güte des Herrn Prof. Dr. Berliner, Hauptkonservator am Museum.
(11) DC. VI, 229. (12) Hiplek 33. (13) Vgl. oben S. 558. (14) DC.V, 28.
DRITTES KAPITEL. BESCHAFFENHEIT. II. FORM 565
Über die Form des in ihnen pax, pacificale, osculatorium, tabula pacis u. a.
genannten Gerätes zum Überbringen des Friedenskusses in der Messe geben uns
die Inventare nur sehr spärlichen Aufschluß und nicht anders verhält es sich
mit den Bildwerken. Indessen haben sich aus spätmittelalterlicher wie nach-
mittelallerlicher Zeit so viele Beispiele desselben erhalten, daß wir durch sie
ein völlig ausreichendes Bild seiner formalen Beschaffenheit im späten Mittel-
alter wie in der Folgezeit erhalten. Im einzelnen sehr mannigfaltig, lassen sie
sich unschwer in drei Hauptgruppen scheiden.
Die zur ersten Gruppe gehörenden Pazifikalien stellen eine schlichte, meist
mit bald breiterer, bald schmälerer Umrahmung versehene, gewöhnlich ein
Bild, doch auch wohl Reliquien enthaltende viereckige Tafel dar.
Beispiele kochrechtecläger sind eine um den Rand des Rahmens herum mit vergoldeten
Kügelchen, auf dem Rahmen dicht mit Edelsteinen und Perlen besetzte, als Paxbild den
Schmerzensmann zeigende Kußtafel im Dom zu Arczzo {Tafel 118), ein Geschenk Pins' II.
(f i/|6ß); eine vornehm ornamentierte Pax in der Pfarrkirche zu Kleve von etwa i^5o mit
ovalem Bild (Tafel 117), einer mit Glas bedeckten Anbetung des Jesuskindes durch die drei
Weisen in durchbrochener Perlmutterschnitzerei in der Mitte des vertieften Feldes, dem
klevesclien Wappen in den unteren, zwei Heil igen statu et teilen in den oberen Zwickeln, einem
Spruchband unterhalb und Rankenwerk mit einer Halbfigur Christi oberhalb des Bildes;
"ne Paxtafel aus Silber mit einer aufgelöteten Kreuzigungsgruppe in Relief in der Ver-
tiefung und graviertem Ranken- und Blattwerk auf dem Rahmen in New College zu Ox-
ford; (15) eine Kußtafel venezianischer Herkunft mit einem Emailbild des Schmerzens-
mannes im Viktoria-und-Albert-Museum zu London; eine im vertieften Feld unter einem
Spitzbogen ein heute des Kruzifixus entbehrendes Kreuz aufweisende, auf dem Rahmen
<wd dem Grund des Kreuzes mit emailliertem Ornament belebte Kußtafel im Museum zu
Tours und eine der letzteren gleichartige, noch mit der Figur des Gekreuzigten auf dem'
Kreuz versehene Pax im Louvre zu Paris. (16) Quadratische Form zeigt eine spätgotische,
auf zwei gemeinsam ein Spruchband haltenden Engelchen als Trägern sitzende, oben von
einem kielbogigen Aufsatz bekrönte Pax in St. Foilan zu Aachen, (17) die statt ein Paxbild
1Ji einer über Eck gestellten quadratischen Vertiefung Reliquien des heiligen Timotheus
enthält. Desgleichen hatte Quadratform eine Kußtafel aus Elfenbein, von der wir im In-
ventar des Herzogs Jean von Berry von i/jia vernehmen. (18) Die Form einer Raute hatte
eine von zwei Engeln gehaltene, von einem Kreuz bekrönte Paxtafel, die im Inventar von
St-Denis von i5o5 verzeichnet ist. (19) Eine oben spitzbogig statt horizontal abschließende
(15) Abb. bei Jackson I, 160. (16) Eine Skizze der beiden Tafeln bei Roh. VI, 496.
(IT) Abb. in Kd. der Rheinpr., Stadt Aachen 65. (18) Guiffrej II, 297. (19) Omo.vt 28.
566 VASA NON SACRA. DRITTER ABSCHNITT. DIE PAXTAFEL
Pax findet sich nach Rohault im Museum zu Rouen. (20) Im Halbrund endet oben eine
dem frühen 16. Jahrhundert entstammende, an den Seiten und oben von einer getriebenen
Blumenranke umzogen e, unten mit einem durchbrochenen Maßwerkfries verzierte Kußtafel
aus vergoldetem Silber in St. Gereon zu Köln mit einer Darstellung der Anbetung des
Jesuskindes durch die Dreikönige, einer Bernsteinschnitzerei, als Paxbild. Eine Renaissance-
pax der gleichen Form findet sich in der Pinacoteca zu Bologna sowie im Museo Poldi-
Pezzoli zu Mailand. Die letztgenannte ist mit zwei Türchen versehen, so daß sie geschlossen
■werden kann und mit Ständer versehen (Tafel 117). Die früher genannten Elfenbeinpax-
tafeln im Nationalm ose um zu München schließen oben in Form eines Bogensegments,
(Tafel 116).
Die Paxtafeln der zweiten Gruppe stellen einen an ein einteiliges Retabel
erinnernden architektonischen Aufbau dar. Sie sind eine Weiter- und Umbil-
dung der Pazifikalien der ersten Gruppe. Der untere Rahmen derselben ist
durch einen Sockel ersetzt worden. Die seitlichen Rahmen sind in einen Pfosten
umgewandelt, dem man bei gotischen Pazifikalien eine oben von einer Fiale
bekrönte Strebe angefügt, bei Renaissancepazifikalien aber einen Pilaster vor-
gelegt hat. An Stelle des oberen Rahmens ist bei jenen ein Giebel oder giebel-
artiges Gebilde getreten; bei diesen ist er in ein Gebälk mit dreieckigem, halb-
kreisförmigen oder geschweiften Aufsatz als bekrönendem Abschluß umge-
bildet worden.
Als Beispiele gotischer Pazificalien des zweiten Typus seien genannt eine Pax in Groß-
St. Martin, in St. Jakob (Tafel 117), in St. Ursula und in St. Georg zu Köln; eine hübsche
Kußtafel in der Servatiuskirche zu Maastricht, (21) mit einer Darstellung des Gekreuzigten
in Hinterglasmalerei als Paxbild; eine Pax in St-Nicolas zu Dixmuiden mit einem die heilige
Katharina und die knjende Stifterin darstellenden Niellobild; (22) eine von Herzog Filippo
Maria Visconti (1/112 — 1447) gestiftete, durch ihr getriebenes Bildwerk, Christus als
Schmerzensmann im Sarkophag stehend zwischen zwei trauernden Engem, ausgezeichnete
Kußtafel in S. Ambrogio zu Mailand (Tafel 117); eine oben kleeblattbogig abschließende,
an den Seiten und über dem Bogen mit Astwerk verzierte Kußtafel in St. Adalbert zu
Aachen, die an den Seiten auf kleinen Konsolen Statuettchen des heiligen Johannes des
Täufers und des heiligen Kornelius aufweist, auf dem Scheitel aber von zwei aus einer
Blume herauswachsenden Engelhalbfigürchen bekrönt wird, (23) eine spätgotische Pax mit
der Reliefdarstellung der heiligen Anna Selbdritt in Santa Ana zu Triana (Prov. Tarra-
gona) in Spanien, (24) sowie eine Pax in der Stiftskirche zu Alcalä de Henares mit einer
Abnahme vom Kreuz unter helmartigem, durchbrochenem, von Streben mit Fialen flankier-
tem Baldachin. (25)
Aus der Zeit der Renaissance haben sich der Paxtafeln des zweiten Typus viele erhalten.
So gab es in der ehemaligen Sammlung Spitzer an zehn derselben (Tafel 120). Andere
befinden sich in der Pinacoteca und im Museo di S. Petronio zu Bologna, im Museo Na-
zionale und in der Sammlung des Palazzo Pitti zu Florenz, in der Kathedrale von Borgo
S. Donnino, in S. Marco zu Venedig (Tafel 1 rg), in der Kathedrale zu Mantua, in S. Marco
zu Florenz, im Dom zu Mailand, im Museum- zu Vieh, in der Kathedrale zu Giudad Real
(Spanien), in der Sammlung des Louvre zu Paris (Tafel 119), in der Academia das Bellas
Artes zu Lissabon sowie im Viktoria-und-Albert-Museum zu London. Ein gutes Beispiel ist
(20) La messe VI, Tf 1.496. Die Form der Buchstaben der auf ihrer Umrahmung ange-
brachten Inschrift läßt, wenn richtig wiedergegeben, an der Echtheit der Tafel zweifeln,
es müßte denn die Inschrift aus spaterer Zeit stammen als die Tafel selbst.
(21) Abb. bei Fr. Bock und M. Willemsex, Antiquites sacrees dans les anciennes cottc-
giales de St-Servais et de N.-Dame ä Maastricht 1873, 212. (22) Abb. bei Recsens II, 448-
Ob die Pax auch heute noch vorhanden ist, kann ich nicht sagen. (23) Abb. in Kd. der
Rheinprov., Stadt Aachen 30. (24) E. Bebtalx, L'exposition retrospect. de Saragosse (Sara-
gosse 1910) n. 101. (25) Las joyaa de la exposieiön de Madrid 1892 (Madrid 1893) TfL 41.
DRITTES KAPITEL. BESCHAFFENHEIT. IL FORM 567
auch die vom Mainzer Erzbischof Kardinal Albrecht stammende kostbare PaxtafeC im
Dom zu Köln (Tafel 118). Noch gotische Elemente weist eine Renaissancepax des Anton
Eisenhoidt im Besitz des Grafen von Fürstenberg zu Herdringen auf. (26)
Zur bequemeren Handhabung versah man die Pazifikalien des ersten und
zweiten Typus an der Rückseite meist mit einem Halter, der gewöhnlich so be-
schaffen war, daß er auch ein Aufstellen derselben ermöglichte. Auch versah
man sie wohl zum gleichen Zweck anstatt mit einem Halter mit einem Kett-
chen : Ein silbern pacem an eynem messen ketchen, lesen wir im Inventar von
Schweidnitz von 1667. (27) Andere Belege bieten die ermländischen Inventare.
Auf einen Ständer scheint man Pazifikalien des ersten und zweiten Typus nur
selten gesetzt zu haben. Ein vereinzeltes Beispiel ist die triptychonartige Pax
im Museum Poldi-Pezzoli zu Mailand (Tafel 117).
Die Paxtafeln des dritten Typus waren medaillonartig und zwar in der Regel
rund. Beispiele bieten eine Pax des i5. Jahrhunderts im Dom zu Brixen (Ta-
fel 118) sowie eine Pax des frühen 16. in der Pfarrkirche zu Braunsberg, deren
heutiger Fuß jedoch erst dem 17. Jahrhundert angehört, sei es daß dieselbe
bis dabin ohne Fuß war, sei es, daß dieser damals erneuert wurde, was am
wahrscheinlichsten ist. Lehrreiche Abbildungen zahlreicher teils noch goti-
scher, teils gotisierender, teils Renaissanceformen aufweisender runder, meist
reichst ornamentierter Pazifikalien (Tafel 119}, Schöpfungen des ausgehenden
i5. und frühen 16. Jahrhunderts, die in den Wirren zu Beginn des 19. Jahr-
hunderts zu Grunde gingen, finden sich in dem Halleschen Heiltumsfauch des
Erzbischofs Albrecht von Mainz (f i545) zu Aschaffenburg. Ein reich orna-
mentiertes vierpaßförmiges Pazifikale, das laut dem an ihm angebrachten Wap-
pen des Bischofs Lukas Watzelrode (i48g—1012) um iöoo entstand, gibt es
im Dom zu Frauenburg (Tafel 118). Ein herzförmiges wird im Inventar des
Frauenburger Domes von 1578 erwähnt: Pacificale argenteum in modum cor-
culi formatum. Zwei rautenförmige gab es den Abbildungen des Schatzbuches
zufolge früher in St. Michael zu München. (28) Sie stammten von etwa i5oo.
Ob und inwieweit auch schon im i4- und frühen i5. Jahrhundert Paxtafeln
des dritten Typus Verwendung fanden, läßt sich nicht feststellen, da Pazifika-
hen dieser Art, die als solche mit genügender Sicherheit anzusprechen wären,
aus dieser Zeit sich nicht erhalten haben und auch die ihr entstammenden In-
ventare uns keinen Aufschluß geben.
Im ausgehenden i5. und im 16. Jahrhundert waren Kußtafeln des dritten
Typus in Deutschland nicht selten. Das bekunden nicht bloß die Pazifikalien
dieser Art, die sich dort erhalten haben, und die zahlreichen Abbildungen der-
artiger Paxtafeln im Halleschen Heiltunisbuch, sondern auch die Inventare.
So verzeichnet i5o8 ein Inventar der Pfarrkirche zu Schweidnitz zwei dersel-
ben : TJnam pacem kewlicht (rund) mit einem kuppern fusselein, item unam pa-
cem kewlichl mit einem silbern fusselein, bescheiden. (29) Nur wenig später
werden runde Pazifikalien in einem Inventar der Pfarrkirche zu Zeitz von 1514
erwähnt. (30) Besonders aber begegnen uns pacificalia rotunda, die auch als
„ (26) Abb. bei Weisgabtner 166. (27) Anzeiger, N.F. XXI (1874) 170. (28) GKfitlif 4,
F»g.2. (29) Anzeiger, N.F. XXI (1874) 174. (30) Kd. der Prov. Sachsen, Kr. Zeitz 70.
568 VASA NOU SACRA. DRITTER ABSCHNITT. DIE PAXTAFEL
Pax in Groß-St. Martin zu Köln 22 cm hoch und 11 cm breit, die Pax in S. Am-
brogio zu Mailand 26 cm hoch und i5 cm breit. Paxtafeln in der ehemaligen
Sammlung Spitzer, Schöpfungen aus der Zeit der Frührenaissance, hatten bei
einer Breite von 18, 12, i4 und i£,5 cm eine Höhe von 20,0, 22, 26, 20,5 cm.
Die Prachlpax in der Kathedrale zu Giudad Real zeigt sogar eine Breite von
19 cm und eine Höhe von 3o,5 cm.
Nur vereinzelt kommt ein Bild der heiligsten Dreifaltigkeit auf Paxtafeln vor. Etwas häu-
figer finden sich auf ihnen, wenn auch im ganzen nur in geringerer Zahl auf Maria bezüg-
liche Darstellungen, wie Maria mit dem Jesuskind, ihre Aufnahme und Krönung, Maria
als Mater dolorosa oder als Rosen kränz königin. Seltener begegnen uns Bilder von Heiligen
auf den Pazifikalien. Sie gaben den Patron der Kirche oder des Altares, für die die Kuß-
tafel bestimmt war, oder den Patron des Stifters wieder (Tafel 116, München; 119, Halle-
sches Heiltumsbuch).
In der Regel bildet das Paxbild den einzigen figürlichen Schmuck der Pax. Paxtafeln,
bei denen andere Bilder als Nebendarstellungen demselben beigefügt sind, kommen vor,
sie sind aber im ganzen nicht eben häufig. Beispiele bieten die Pax in St. Adalbert zu
Aachen mit den an den Seiten auf Konsolen angebrachten Statuettchen des heiligen Jo-
hannes des Täufers und Kornelius, die Pax zu Kleve mit zwei Heiligenfiguren in den
oberen Ecken derselben (Tafel 117), die Paxtafel im Kölner Dom mit den Statuettchen
der Apostel Petrus und Paulus vor den die Tafel seitlich abschließenden Pilastern (Ta-
fel 118), eine Pax in der ehemaligen Sammlung Cottreau und in S.Marco zu Venedig,
mit der Halbfigur Gott Vaters in dem die Tafel bekrönenden Aufsatz (Tafel 119), sowie
eine zweite Pax in S. Marco mit einer Statuette des segnenden Jesuskindes als Bekrön uiig.
Zwei Paxtafeln im Inventar Karls V. von 1379 enthielten um das Bild des Gekreuzigten
herum Darstellungen der Evangelisten. (38)
Besonders reich an Nebendarstellungen ist eine Frührenaissancepax in der Kathedrale
zu Ciudad Real sowie eine Paxtafel italienischer Herkunft im Louvre zu Paris (Tafel 119)-
Bei jener, deren Paxbild in einem den Abstieg zur Vorhölle wiedergebenden Serpentinrelief
des 11. Jahrhunderts besteht, sind rechts und links vor den die Tafel abschließenden Pfosten
die emaillierten Relieffigürchen der stehenden Apostel Petrus, Paulus und Andreas sowie
des heiligen Johannes des Täufers, am Sockel die emaillierten Relief figürchen der sitzenden
Evangelisten, in einer über dem Gebälk sich erhebenden Scheibe, gleichfalls mit Email
überzogen, die von Engeln umgebene Immaculata, auf dem Scheitel dieser Scheibe endlich
die emaillierte Figur Christi angebracht.
Noch reicher mit Neben darstellungen ist die Pax im Louvre ausgestattet (Tafel 119)- l"
der Umrahmung, die das Paxbild, eine Kreuzigung, umgibt, sehen wir die Halbfiguren der
Evangelisten mit ihren Symbolen, sowie die von sechs Aposteln, in den Zwickeln zwischen
der Umrahmung und dem Gebälk Medaillons mit Büsten von Propheten, an den seitwärts
der Pax vorgelegten Pilastern stehende Figuren der sechs andern Apostel, am Sockel in
Rundmedaillons Büsten zweier Propheten sowie in einem liegenden Oval den von trauernden
Engeln gehaltenen Leichnam des Herrn, am Gebälk Brustbilder der vier großen lateinischen
Kirchenlehrer, an dem die Pax bekrönenden Aufsatz Gott Vater und die Taube des Heiligen
Geistes, oben auf diesem Aufsatz eine Statuette des Auferstandenen, über den Enden des
Gebälks auf Voluten musizierende Putti. Mit Ausnahme dieser Putti und der Statuette
des Auferstandenen sind alle andern Darstellungen gemalt, jedoch mit Kristall überdeckt.
Bei der Paxtafel im Museum Poldi-Pezzoli zu Mailand kommen zur Geburt des Herrn als
dem Hauptbild auf den Flügeln ein heiliger Bisehof und ein heiliger Ordensmann.
Pazifikalien, die Reliquien enthielten, begegnen uns, wenn auch nur verein-
zelt, schon in Inventaren des ii. und frühen i5. Jahrhunderts. So vermerkt das
Inventar Eduards III. von England von i345 unam pacem deoscuiatoriam, in
qua continentur reliquiae diversorum sanctorum, (39) im Inventar des Herzogs
Jean von Berry von i4i2 aber sind zwei Paxtafeln verzeichnet, die Reliquien
enthielten, von denen eine beschrieben wird als petis portepaix d'or, ou quel a
une Veronique d'esmaü et par dessus une croix garnie de 3 balaiz, un saphir
et une perle et par dessoubz un Heu pour mectre reliques, die andere als porte-
paix d'or, ou il a du fust de la vraie croix. (40) 1467 erwähnt ein Inventar der
Pfarrkirche zu Schweidnitz: Eyn silbern pacem, dorynne ist de ligno vitae. (41)
Bei dem ersten der im Inventar des Herzogs von Berry genannten Paxtafeln bildeten die
Heliquien keinen Ersatz des Paxbildes, bei den übrigen mag das jedoch der Fall gewesen
sein. Bei den mit Reliquien ausgestatteten Pazifikalien des ausgehenden i5. Jahrhunderts
verhielt es sich jedenfalls in der Regel so. Auch in dieser Beziehung sind die Abbildungen
der Pazifikalien im Halleschen Heiltumsbuch lehrreich. Selbst bei der tafelförmigen Pax,
die in ihm wiedergegeben ist, der einzigen ihrer Art im Heiltumsbuch, ist das Paxbild
durch Reliquien ersetzt. Beispiele von Pazifikalien und Reliquien an Stelle eines Paxbildes
sind die Pax des Bischofs Lukas Watzelrode im Dom zu Frauenburg (Tafel 118), sowie
die etwas jüngere Pax in der Pfarrkirche zu Braunsberg. Pazifikalien mit Reliquien anstatt
eines Paxbildes kennt auch die Meßerklärung Bechofens von etwa i5oo. Häufig werden
die Kreuze, die an Stelle von Paxtafeln zur Überbringung des Friedenskusses gebraucht
wurden, mit Reliquien versehen gewesen sein und zwar auch schon vor dem 16. Jahr-
hundert. Zwei solcher Kreuze werden, wie schon früher gesagt wurde, und zwar unter der
Bezeichnung paeifieale, im Inventar der Pfarrkirche zu Neukirch von 1572 sowie der von
Bludau von 1097 erwähnt und näher beschrieben, (42) andere sind unter der gleichen
Bezeichnung abgebildet im Halleschen Heiltumsbuch zu Aschaffenburg.
Der Brauch an liturgischen Geräten, die Erinnerung an ihren Stifter durch ein Bild
oder durch das Wappen desselben zu verewigen, hat sich auch an den Paxtafeln bisweilen
betätigt. So waren wohl Stifterbilder der König und die Königin, die in Email auf dem
Fuß einer Pax dargestellt waren, von der wir im Inventar Karls VI. vernehmen. (43) Ein
Beispiel von Stifterdarstellungen bietet das Paxbild in der Servatiuskirche zu Maastricht.
Häufiger versah man die Pax mit dem Wappen des Stifters. So findet sich ein Stifterwappen
auf der Pax in S. Ambrogio zu Mailand, auf der Paxtafel in der Pfarrkirche zu Kleve, der
Pax im Dom zu Frauenburg, der von Leo X. geschenkten Pax im Dom zu Mailand, zwei
Paxtafeln in der Pinacoteca zu Bologna (44) u. a. Auch die Inventare berichten bisweilen
von Paxtafeln, die mit dem Wappen des oder der Stifter versehen waren.
Pmnkpazifikalien wurden gern mit Edelsteinen und Perlen verziert. Die In-
ventare bieten manchen Beleg hierfür. So gab es unter den Paxtafeln, die im
Inventar Karls V. von 1879 aufgeführt werden, eines, das mit großen Smarag-
den, Baiassen sowie Gruppen von Perlen besetzt war und auf der Spitze einen
Saphir trug. Ein anderes im gleichen Inventar war mit 3 Saphiren, 3 Baiassen
und 19 Perlen geschmückt. (45) Eine Pax im Schatz des Herzogs von Berry
enthielt laut Inventar von i4i2 3 Baiasse, 8 Saphire und 36 auf drei Grüpp-
chen verteilte Perlen, eine weitere 12 Baiasse, 2 Saphire, i4 Diamanten und
56 zu 14 Gruppen zusammengestellte Perlen, (46) eine Pax in N.-Dame zu
Paris gemäß dem Inventar von i4i*> ro Baiasse, 4 Saphire und 56 Perlen. (47)
Von einem der Pazifikalien im Inventar des Prager Domes von i5o3 heißt es:
Paeifieale argenteum, habens crystallina album cum lapidibus octo, (48) von
zwei Paxtafeln des Kardinals d'Estouteville in dessen Inventar von i483: Item
(4oTGuiffrey I, 47; II, 7. (41) Anzeiger, N.F.XXI (1874) 170. (42) Hipler 94, 97-
(43) Douet d'Ahcq II, 379. (44) Abb. bei Marc. Rosexberg, Niello (Darmstadt 1907)
30, 33. Wenn der Verfasser die beiden Tafeln wegen der zwei verschiedenen Wappen, die
sich auf jeder von ihnen finden, als Kußfcafeln deutet, die man bei der Eheschließung zum
Brautkuß benutzt habe, so ist das unbegründet. Die zwei Wappen auf ihnen besagen ledig-
lich, daß es zwei Personen oder zwei Familien waren, die sie stifteten. Übrigens hätte schon
die Inschrift auf einer der Paxtafeln: Memorare novissima et in aeternum non peccabia,
sowie das Paxbild der beiden, die Auterstehung bzw. Christus am Kreuze, abhalten sollen,
in den Tafeln Brautkußtafeln zu sehen. (45) Labarte 53, 287. (46) Guiffrey I, 45; 11,7.
(47) Revue archeol. XXVII (1847) 397. (48) Podlaha, App. XCIX.
572 VASA NON SACRA. DRITTER ABSCHNITT. DAS ALTARGLÖCKCHEN
una pax magna argentea aurata, smaltata cum praesepe domini cum perlis veris
et lapidibus foratis, item alia pax argentea aurata cum passione Domini nigel-
lata et cum novem perlis. (49) Im Osten Deutschlands brachte man im 16. Jahr-
hundert auf den Pazifikalien als Schmuck gern Korallen an. In den Inven-
taren der ermländischen Kirchen finden sich dafür manche Belege. (50)
Von den mit Steines und Perlen besetzten Prachtpazifikalien, die sich erhalten haben, ist
das glänzendste Beispiel die von PiusII. der Kathedrale zu Arezzo geschenkte Pax, deren
Rahmen völlig mit Edelsteinen und Perlen bedeckt ist (Tafel 118). Die Paxtafel im Dom
zu Köln weist io große Perlen, 5 Rubinen, 7 Diamanten und 1 Saphir als Schmuck auf.
Eine Pax in S. Marco zu Venedig ist am Sockel und Gebälk mit 9 großen Edelsteinen, am
bekrönenden Aufsatz mit zwei kleineren und drei außergewöhnlich großen länglichen Per-
len, die eine Art von Baldachin für die unter ihnen befindliche Halbfigur Gott Vaters
bilden, besetzt. Auch das Pazifikale im Dom zu Frauenburg war sehr reich mit Steinen
geschmückt, von denen jedoch heute viele nicht mehr vorhanden sind.
In der Regel war es nur die Vorderseite der Paxtafel, die man mit Schmuck
versah. Immerhin hat man bisweilen auch die Rückseite mit solchen bedacht,
wenn auch natürlich nicht in dem Umfang und in dem Reichtum wie die Vor-
derseite, die Hauptseite. So geschah es beispielsweise bei zwei Pazifikalien in
S. Marco zu Venedig, von denen an der Rückseite eines in Gravierung mit einer
Darstellung der Auferstehung, das andere in gleicher Technik mit einem Bilde
der Verkündigung versehen wurde, sowie bei der früher erwähnten Prachtpax
im Louvre, deren Rückseite mit zierlichem Rankenwerk in Tiefschnittschmelz
und acht gemalten Bildchen unter Kristall, vier rechteckigen und vier runden,
verziert ist. Bei der Pax im Dom zu Brixen entspricht dem an der Vorderseite
angebrachten Kruzifixus an der Rückseite ein Engel mit einer sogenannten Ve-
ronika in den Händen. Schon im Inventar des Herzogs Jean von Berry von it\i2
ist die Rede von einer auch an der Rückseite mit Schmuck versehenen Paxtafel.
Dieselbe wies dort die Figur eines Bischofs auf, dessen Mitra und Stab mit
einigen Rubinen und Perlen verziert waren. (51) Häufiger schmückte man die
Rückseite mit Bildwerk, wenn an der Vorderseite der Tafel hinter Glas oder
Kristall Reliquien eingeschlossen waren. Pacificale rotundum deauratum cum
reliquiis s. Laurentii cum cristallo aperto, habens a tergo tres imagines, scilicet
Katharinae, beatae virginis, Dorotheae; pacificale rotundum deauratum cum
reliquiis s. Wenceslai, habens a tergo agnus Dei (52) heißt es beispielsweise in
einem Inventar des Prager Domes von i5i2. Andere Beispiele begegnen uns
im Inventar der Pfarrkirche zu Bludau von 1572 und der zu Neukirch von
159,^(53)
(49) E.Müntz, Les arts ä Ia cour des Papes III (Paris 1882) 291.
(50) Vgl. z. B. das Inventar von Bischofsburg von 1597, Braunsberg von 1565, Heilsberg
von "1581, Wartenburg von 1597, Wormditt von 1584 (bei IIipler 45, 48, 61, 81, 84).
(51) Guiffrey II, 7. (52) Podlaha, App. XCVI. (53) Hipler 94, 97.
ERSTES KAPITEL. ALTER DER VERWENDUNG UND NAMEN 573
DAS ALTÄRGLOCKCHEN
ERSTES KAPITEL
ALTER DES GEBRAUCHES UND NAMEN DES ALTARGLÖCKCHENS
Nach dem Missale Pius' V. zählt zu den Meßgeräten auch ein Glöckchen
(campanula): A parte epistolae paretur parva campanula. (1) Zur Verwendung
kommt es gemäß den Vorschriften der Meßrubriken beim Sanktus und bei
der Wandlung, bei welch letzterer es bei jeder Erhebung des heiligsten Sakra-
mentes entweder dreimal oder einmal anhaltend geläutet werden soll. (2) Außer
bei dem Sanktus und der Wandlung wird mancherorten auch bei der Opferung
und bei dem Domine non sum dignus vor der Kommunion ein Glockenzeichen
gegeben. Nicht gebraucht wird das Altarglöckchen vom Gloria der Messe des
Gründonnerstages bis zum Gloria der Karsamstagsmesse. Es wird während die-
ser Zeit nach altem Brauch durch eine Klapper oder Knarre ersetzt. Auch soll
es nicht geläutet werden bei feierlicher Aussetzung des Aller heiligsten, bei Pri-
vatmessen, die während des Chorgebetes in der Nähe des Chores gehalten oder
zu einer Zeit, in der sich eine Prozession durch die Kirche bewegt. (3)
Von einem Glockenzeichen, das man bei der Messe, insbesondere bei der
Wandlung gegeben hätte, hören wir vor dem i3. Jahrhundert nie. Wohl ver-
nehmen wir bisweilen von Handglocken, wie z. B. in einem Inventar der Kirche
zu Sherburn (York) aus dem io. Jahrhundert: 4 handbellan neben 6 hangende
bellan, (4) in einer Schenkung Ethelwolds von Winchester von etwa 970:
7 handdbellan und in dem Testament Leofrics von Exeter (71072): 13 hand-
belis. (5) Allein daß man solche Handglöckchen vor dem i3. Jahrhundert je zu
dem Zweck, dem sie heute in der Messe dienen, gebraucht hätte, davon verneh-
men wir nichts. Allerdings hat man gesagt, es kenne bereits die Expositio brevis
anliquae liturgiae Gallicanae das Schellenzeichen und widme dieselbe ihm eine
eigene Betrachtung »De sono*. Erklungen sei es, wenn vor der Oblation die
heilige Eucharistie zum Altar getragen wurde. (5a) Allein unter »sonus« ver-
stand man im gallikanischen Ritus kein Schellenzeichen, sondern einen Pro-
zessionsgesang, der bei Einbringung der zu konsekrierenden Gaben — nicht
der Eucharistie — erklang. Von den Liturgikern des 9.—13. Jahrhunderts ken-
nen selbst Innozenz III. und Sicardus noch keineswegs den Brauch, bei der
Wandlung ein Glockenzeichen zu geben.
Zum erstenmal hören wir von der Gepflogenheit zum Jahre 1201. Wie näm-
lich Cäsarius von Heisterbach in seinen 1222 geschriebenen Dialogus miracu-
lorum berichtet, ordnete Kardinal Guido, der nach Köln geschickt worden war,
um die Wahl Ottos IV. zu bestätigen, an, es solle bei der Elevatum der Hostie
alles Volk in der Kirche ad sonitum nolae um Gnade bitten und so, bis der
Kelch geweiht sei, auf den Knien liegen bleiben. (6) Die gleiche Bestimmung
(1) Rubr. gen. t XX. (2) Tit. VII, n.8; VIII, n.6. (3) Deer. auth. 3157, 3814.
(4) Raine 142. (5) Digdale I (1846) 332. E. Warmes, The Leofric Missal (Oxford
1883) XXII. (5a) J. Sauer, Symbolik des Kirchengebäudes (Freiburg 1902) 152, Fußnote 7.
(6) L. 9, c. 51; vgl. auch Alberici monachi Chron. ad 1200 (M. G. XXIII, 877).
574 VASA NON SACRA, DRITTER ABSCHNITT. DAS ALTARGLÖCKCHEN
erließ etwa dreißig Jahre später Bischof Alexander von Coventry (7): Unde
praeeipimus, quod in elevatione eucharistiae, quando ultimo elevatur et magis
in altum (also nicht schon bei der niedrigen Elevation des Brotes und Weines
vor der Konsekration, sondern erst bei der auf die Konsekration derselben fol-
genden höheren) tunc primo sonet campanella, quae sit quasi modica tuba, de-
nuntians adventum iudicis, immo salvatoris ad nos venientis, und 12/40 Bi-
schof Walter von Worcester (8): Cum in celebratione missae corpus Domini
per manus sacerdotum in altum erigitur, campanella pulsetur, ut per hoc de-
-votio torpentium excitetur et aliorum Caritas fortius inflammetur, nach den
Statuten der Synode von Exeter des Jahres 1287 aber soll nicht nur vor der Ele-
vation zur Weckung der Andacht mit einer campanella ein Zeichen gegeben.,
sondern auch bei der Elevation dreimal die große Glocke geläutet werden (9):
Ad quod—nämlich zur Anbetung des heiligsten Sakramentes—per campanellae
pulsationem primitus excitentur et in elevatione ter tangatur campana maior.
Gleichzeitig mit der letztgenannten Synode bezeugt auch Durandus in seinem
Rationale den Brauch, bei der Elevation ein Glöckchen erklingen zu lassen und
zwar sowohl nach der Konsekration des Brotes wie nach der des Weines. (10)
Im Alten Testament hätten ja auch, meint er, zur Zeit des Opfers die Leviten
Posaunen geblasen, um durch deren Klang das Volk aufzufordern, zur An-
betung des Herrn vorbereitet zu sein.
Nur vom Läuten einer Turmglocke bei der Elevation ist die Rede in den Statuten des
Generalkapitels des Zisterzienserordens von I2i5, (11) in den Konstitutionen des Bischofs
Wilhelm von Paris, (12) in den iaöo bestätigten Statuten des Kartäuserordens, (13) in den
Statuten des Bischofs Nicolaus von Angers aus dem Jahre 1272 (14) und in den Statuten
der Lütticher Synode von 1287. (15) Indem man eine Turmglocke bei ihr läutete, wollte
man, wie es die Statuten des Generalkapitels des Zisterzienser Ordens ausdrücklich angeben,
auch die nicht in der Kirche befindlichen auf den in dieser vollzogenen Wandlungsakt
aufmerksam machen und sie auffordern, gleich denen, die der Messe beiwohnten, nieder-
zuknien und den Gottmenseben im heiligsten Sakrament anzubeten. Ob man mit dem Läu-
ten der Turmglocke auch noch ein Glockenzeichen in der Kirche zu verbinden hatte oder
verband, wie das ausdrücklich von der Synode von Exeter des Jahres 1287 vorgeschrieben
wurde, und wie das später gewöhnlich geschah, muß dahingestellt bleiben. Notwendig war
das nicht, da das mit der Turmglocke für die nicht bei der Messe anwesenden Gläubigen
gegebene Zeichen auch als solches für die bei ihr gegenwärtigen dienen konnte. Nach den
Statuten des Kartäuserordens sollte bei der Wandlung nur in der Konventualmesse die
Glocke geläutet werden.
Der Brauch, bei der Wandlung die Elevation des konsekrierten Brotes und
Weines mit Glockenklang zu begleiten und sie durch diesen dem Volke kund zu
machen, damit es das heiligste Sakrament in Andacht anbete, verdankt seine
Entstehung zweifellos der Einführung eben jener Elevation. Er war eine Art
Ergänzung derselben. Wie die Elevation sollte auch er auf die vollzogene Kon-
sekration aufmerksam machen. Es mußte sich aber um so mehr empfehlen,
<Ji. D* ««r. (H.VII, 275). (8) C.8 (ebd. 333). (9) C.4 (ebd. 1077).
(10) L.4, c.41, n.53: In elevatione utriusque squilla pulsatur. (11) Mart., Thes. IV
(Pans 1717) 1314. (12) C. 15 (H.VI2, 1979); ob sie von Wilhelm II. (f 1223) oder von
Wilhelm III. (T1248) erlassen wurden, ist nicht klar. (13) P. 1, c.43, Mart. 1.1, c.4,
art.12, ordo 25; I, 228. (14) D'Aciiery, Spicilegium IX (Paris 1672) 219. (15) C.5, n.23
(Habtzb. III, 691).
ERSTES KAPITEL. ALTER DER VERWENDUNG UND NAMEN 575
das durch ein Glockenzeichen zu tun, als noch im i/j. Jahrhundert, wie aus dem
Ordo des Jacobus Gajetanus (16) erhellt, der Priester vor der Elevation nur erst
eine Kopfverneigung machte, die im Gegensatz zu einer Kniebeugung wenig
auffiel und leicht unbeachtet bleiben konnte. Daß die Einführung des Glocken-
zeichens bei der Wandlung gleichzeitig mit der der Elevation erfolgte, erscheint
allerdings nicht wahrscheinlich. Immerhin erfolgte sie in nicht viel jüngerer
Zeit. Das beweisen die vorhin angeführten Zeugnisse aus dem frühen i3. Jahr-
hundert, besonders aber, was über seine Einführung bei der Elevation in der
Kölner Diözese durch Kardinal Guido Cäsarius von Heisterbach berichtet. Denn
Kardinal Guido war sicher nicht derjenige, dem der Brauch, die vollzogene
Konsekration bei der Elevation durch ein Glockenzeichen kund zu tun, sein Ent-
stehen verdankt. Vielmehr wird er das, was er für die Kölner Diözese anord-
nete, schon anderswo als dort in Übung stehend kennengelernt haben. Es kann
darum auch kein Zweifel sein, daß der Brauch gleich der Elevation, zu der er
bald hinzukam, in seinen Anfängen über das i3. Jahrhundert hinaus in das 12.
zurückreicht.
Welche Verbreitung der Brauch, bei der Elevation mit einem Glöckchen ein
Zeichen zu geben, im i3. Jahrhundert gewann, läßt sich den wenigen Angaben,
die über ihn aus diesem vorliegen, nicht entnehmen. Immerhin muß er zu Ende
des Jahrhunderts bereits weithin heimisch gewesen sein. Die knappe, von kei-
ner Einschränkung begleitete Angabe des Durandus: In elevatione autem utri-
usque squilla pulsatur, (17) weist deutlich darauf hin. Bemerkenswert ist, daß
der Dominikanergeneral Humbert de Romanis in seinem 1256 vollendeten
Meßordo ein Zeichen mit einem Glöckchen bei der Wandlung noch nicht kennt,
dagegen der auf diesem beruhende Meßordo im Liber Ordinarius des Lütticher
St. Jakobsklosters, der etwa dreißig Jahre später entstand, es erwähnt, wenn
auch noch nicht als bei, sondern als vor der Elevation erfolgend. (18) Übrigens
wurde ein Glockenzeichen damals wohl nur in den Messen gegeben, die am
Hochaltar stattfanden und öffentlichen Charakter hatten, wie namentlich die
Konventualmesse in Stiften und Klöstern, die Pfarrmesse in Pfarrkirchen und
Messen ähnlicher Art, nicht aber in Privatmessen, denen keine oder nur wenige
Gläubige anwohnten. Vom Läuten eines Glöckchens beim Sanktus hören wir im
i3. Jahrhundert nichts. Stets handelt es sich lediglich um ein bei der Wand-
lung zu gebendes Glockenzeichen. Aus dem i4- und i5. Jahrhundert sind keine
kirchlichen Bestimmungen bekannt, welche vorschreiben, es sollten bei der
Elevation die in der Messe anwesenden Gläubigen durch Läuten eines Glöck-
chens auf dieselbe aufmerksam gemacht werden. Wo immer in Synodalstatu-
ten aus dieser Zeit angeordnet wird, es solle bei der Wandlung geläutet wer-
den, wie in den Statuten der Synode von Cambrai von i3oo, (19) der Olmützer
Synode von i34a, (20) der Würzburger von 1^46 (21) und der Bamberger
von i4ai, (22) handelt es sich nur um Läuten einer campana, einer Turm-
glocke. (23)
IttTc. 53 (M. 78,1166). (17) L. 4, c. 41, n. 53. (18) Volk 94. (19) C. De euch. (Hartzh.
IV, 71). (20) C 17 (ebd. 340). (21) Ebd. V, 339. (22) Tit. 23 (ebd. 617).
(23) Unklar ist, ob c. 4 der Synode von Nicosia des Jahres 1340 (H. VII, 1759) von einer
Altar- oder einer Turmglocke zu verstehen ist.
576 VASA /VGfV SACRA. DRITTER ABSCHNITT. DAS ALTARGLÖCKCHEN
Die Inventars geben uns wie für das i3., so auch noch für das i!\. und iö.Jahrhundert
wenig Aufschluß über das Elevationsglöckchen. Die Zahl der Inventare, in denen von ihm
die Kede ist, ist nicht groß. Erwähnt werden Glöckchen dieser Art beispielsweise im Inventar
von St.PauI zu London von I2q5: Uiium tintinabufum ad elevationem corporis Christi
personandum, (24) im Inventar der Gregoriuskirche im Atrium von St. Paul von 1399:
Item tlno tintinabula ad elevationem corporis Christi, (25) im Inventar der Kapelle
EduardsII. (-J- 1827): Un petit sonet d'argent od 2 cercles dorrez (26) und der Kapelle
des Raoul de Nesle von i3oa, (27) im Inventar Karls V. von Frankreich von 1879/80: Item
une petite clochette de chapelle d'argent blanc, (28) des Altares der Schreinerzunft in der
Kathedrale zu Cambrai von i364, (29) des Domes zu Prag von 1387: Nola argentea, quam
dedit regina Ungariae, (30) der Kathedrale von Toulon von i333: Squülam parvam fixam
altari praedicto, (31) Ludwigs von Anjou von i36o: Une clochette d'argent ä sonner,
quand on live N. Seigncur, (32) des Herzogs Jean von Berry von ihoi: Item une clochette
pour chapelle d'argent dore escript autour, (33) Karls VI. von 1^20: Item une petite
cloche d'or, (34) der Chantries des heiligen Johannes Ev. und der heiligen Magdalena im
Münster zu York von 1020 (35) und der Kapelle des Schlosses Fragenstein in Tirol von
1482: Ain Main glöglein. (36)
Übrigens kann es nicht auffallen, daß in den Inventaren nicht gerade häufig
Elevationsglocken vorkommen. In der Regel wurden diese ja nicht aus Edel-
metall, sondern aus minderem Metall gemacht und dann nicht für wertvoll
genug angesehen, um in den Schatzverzeichnissen mit aufgeführt zu werden.
Weiterhin wird ihre Zahl überhaupt nicht sehr groß gewesen sein, da man bis
zum 16. Jahrhundert bei Privatmessen, bei denen außer dem Meßdiener keine
oder nur vereinzelte Gläubige anwesend waren, schwerlich überall bei der Ele-
valion ein Glockenzeichen gegeben haben dürfte, weil weder ein Grund dafür
vorlag noch eine Vorschrift bestand, auch in ihnen ein solches zu geben. End-
lich aber wird man in manchen Kirchen, vielleicht gar in den meisten, sich
nicht eines Handglöckchens, sondern einer beim Altar an der Wand dauernd
angebrachten Ziehglocke bedient haben, um den der Messe Anwohnenden die
Elevation anzuzeigen, zumal in Stifts- und Klosterkirchen, in denen eine solche
Hängeglocke wegen des Ghordienstes ohnehin schon vorhanden war. Glocken
dieser Art aber pflegten in den spätmittelalterlichen Inventaren anders wie in
nachmiltelalterlichen kaum verzeichnet zu werden. Daß aber auch im Mittel-
alter zum Glockenzeichen vielfach eine beim Altar an der Wand befestigte
kleine Glocke und nicht eine Handglocke verwendet wurde, dürfen wir wohl
aus dem Umstand folgern, daß es noch im 16. Jahrhundert besonders Wand-
glocken waren, die zu jenem Zwecke benutzt wurden.
Noch in der Instructio fabricae ecclesiae des heiligen Karl erscheint das tintinnabuluni
parieti affixum als das gewöhnliche (37) und nicht anders verhält es sich im Ornatus
ecclesiasticus des Regensburger Generalvikars Myller. (38) Nur beim Hochaltar, heißt es
in jener, sei ein tintinnabulum gestatorium bequemer, weil er meist zu weit von der Wand
abstand, und brauche er deshalb mit einem Wandglöckchen nicht versehen zu werden.
(24) Dugdai.e III 1 (1846). (25) Archaeologia L, 464. (26) Palgrave III (London
1836) 137. (27) Dehaiskes, Doc. 136. (28) Labarte 129. In der Kapelle des Louvre (S.254)
befand sich eine clochette d'argent doree. (29) Deiiaisnes, Doc. 453. (30) Podlaha,
App. XXXIV. Eine Randbemerkung besagt, es sei die nola eingeschmolzen worden und habe
man aus ihrem Silber mit Hinzufügung von weiterem drei nolae gegossen. (31) Gay 397.
(32) Ebd. (33) Guiffrey II, 101. (34) Dodet d'Arcq II, 379. (35) Raine 291, 294:
Unum tintinnabulum. (36) O. vos Zoigjerlb, Mittelalter!. Inventare von Tirol (Innsbruck
1909) 20. (37) AA. Eccl. Med. 571. (38) C. 52; München 1591, S. 97.
ZWEITES KAPITEL. MATERIAL UND ARTEN 577
Myller aber will eine Handglocke dann zum Glockenzeichen bei der Elevation verwendet
wissen, wenn an der Wand kein geeigneter Platz zum Anbringen eines Ziehglöckcbens sei.
Lehrreich für die Beliebtheit, deren sich noch im 16. Jahrhundert die Wandglöckchen er-
freuten, sind auch die der zweiten Hälfte desselben entstammenden von Hipler veröffent-
lichten Inventare ermländischer Kirchen. Wohl sind in denselben auch Handglöckchen,
campanulae manu gerendae, manu gcstibiles verzeichnet, doch sind in ihnen fast ebenso
zahlreich die campanulae pensiles, appensae, in einzelnen Kirchen sogar zahlreicher.
ZWEITES KAPITEL
MATERIAL UND ARTEN DES ALTARGLÖCKCHENS
, (39) AA. Eccl. Med. 571. (40) Tit. 24 (H. X, 1850): Campanula ad altaria singula pe-
tita sit. (41) Belege folgen im nächsten Kapitel.
(1) Vgl. oben S. 576. (2) Labahte 54. (3) Douet d'Arcq II, 380.
fcRAia, DAS CHRISTLICHE
578 VASA NQN SACRA. DRITTER ABSCHNITT. DAS ALTARGLÖCKCHEN
(4) GmFFHEv II, 101. (5) Bullet, areheol. de la Soc. archeol. de Tara-et-Garonne V
(1877) 183. (6) Jungsitz I, 76, 83. (7) Anzeiger, N.F.XXI (1874) 221. (8) C. 52; S. 98.
(ß) Vgl. auch Guus, Tfl.XII, XV.
ZWEITES KAPITEL. MATERIAL UNI) ARTEN 579
Breslau von 166C. (9a) Von den cymbala in St. Michael unterscheiden sich die des Barock da-
durch, daß das Gehäuse, in dem die Glöckchen angebracht sind, nicht eine Art bauchigen,
oben offenen Korb darstellt, sondern bald die Form einer Kalotte, bald die eines mit
flachem oder gewölbtem Deckel versehenen niedrigen Zylinders oder abgestumpften Kegels,.
also die einer Glocke hat, stets aber nicht nur oben und an den Seiten durchbrochen,
sondern auch unten offen ist.
Von Altar glöckchen in Gestalt von Handglöckchen erster Form hat sich aus dem Mittel-
alter fast nichts erhalten. Ein Beispiel romanischen Stiles, das jedoch heute der Handhabe
entbehrt, befindet sich in der Kathedrale zu Reims. Reicht es noch in das ia. Jahrhundert
zurück, dann wird es schwerlich ursprünglich ein Altarglöckchen gewesen sein, wenn es auch
später als solches verwendet worden sein mag. Es zeigt oberhalb des Schlagringe» zwei
durch ein schmales Band mit den eingravierten Namen der Evangelisten getrennte durch-
brochene Zonen, von denen die untere die Evangelistensymbole, die durch Bäumchen ge-
schieden werden, die oben romanisches Rankenwerk enthält. Das Material, aus dem es be-
steht, ist Bronze. (10) Ein spätgotisches, mit den Monogrammen der Namen Jesus und
Maria geschmücktes, ebenfalls aus Bronze hergestelltes Beispiel hat sich zu Mayschoß
(Kr. Ahrweiler) erhalten. (11) Andere, die sich zu Jenkhofen, Milbertshofen, Abensberg,
Obcrdingolfing in Bayern sowie zu Oberwesel sich befunden haben sollen, scheinen nicht
mehr vorhanden zu sein. Ein eigentümliches Mittelding zwischen den Handglöckchen des
ersten und des zweiten Typus befindet sich in der Kapelle der Burg Karlstein bei Prag.
Mit dem ersten hat es gemein, daß es nur eine Glocke aufweist, mit dem zweiten, daß diese
Glocke in einem von vier schrägstehenden, oben sich vereinigenden Stangen gebildeten und
mit einer Handhabe versehenen Gestell aufgehängt ist. (12)
Einige Beispiele aus der Zeit der Renaissance gibt es im Bischöflichen Museum zu Mün-
ster. Alle bestehen aus Bronze. Am bemerkenswertesten ist das auf Tafel 116 wiedergegebene.
Am Mantel zeigt es oben die Inschrift: Lov Got boven, darunter den Engel der Verkündi-
gung und Maria nebst dem Engelsgruß: Ave gratia plena, unten am Schlagring den Gieß-
vermerk: Ghegoten int jaer MDLVI. Alle Inschriften sind trotz der späten Entstehungszeit
des i3cm hohen Glöckchens noch in schönen gotischen Majuskeln ausgeführt. Ein Re-
naissancebeispiel im Dom zu Regensburg von i5fi8 zeigt am Mantel die Umschrift: 0 Mater
Dei, memento mei, darunter aber mythische Darstellungen. (13)
Auch wenn an der Wand befestigt, trat das Altarglöckchen in zwei Typen
auf, von denen der erste dem ersten Typus der Handglocke, der zweite dem
zweiten derselben entsprach. Denn auch die Wandglocke des ersten Typus be-
stand nur aus einem Glöckchen, das durchweg allerdings größere Abmessungen
zeigte, die des zweiten aber aus einer Anzahl kleinerer, die jedoch nicht in einem
mit Handhabe versehenen Gehäuse, sondern an einem Rad, das durch eine Zieh-
vorrichtung um seine Achse gedreht werden konnte, befestigt waren, daher
denn auch dieser Typus Glockenrad genannt zu werden pflegt. In der Regel
hatte das Rad Kreisform, daß es aber auch sternförmige gab, bekundet das im
Dom zu Fulda befindliche. Von kreisförmigen Glockenrädern haben sich in
Deutschland zwei erhalten, von denen eines sich im Bayerischen National-
museum zu München, das andere in der Pfarrkirche zu Landsberg befindet.
Jenes, das aus dem Augsburger Dom stammt, gehört noch dem Mittelalter an. Die
Glöckchen, ursprünglich zwölf, von denen jedoch heute ein Teil fehlt, sind bei ihm an
zwei aus Eisen geschmiedeten Reifen angebracht, die durch vier Speichen verbunden und
an der Innenseite mit einem Bogenfries verziert sind. Die Glöckchen bestellen aus Bronze.
(9a) Jungnitz I, 299. (10) Abb. in Ann. archeol. I (1844) 459.
(11) Kd. des Rgb. Koblenz 67. (12) Abb. in Mitt. VII (1862) 94. (13) G. Jakob, Die
Kunst im Dienst der Kirche (Landshut 1901) 234.
580 VASA NON SACRA. DRITTER ABSCHNITT. DAS WEIIIWASSERGERÄT
Der Durchmesser des äußeren Reifens beträgt ca. a5cm. Das Glockenrad zu Landsberg
entstammt laut Inschrift dem Jahre 1611; 1776 erfuhr es eine Erneuerung. Es äst in einem
Gehäuse angebracht, aus dem es seitlich heraustritt. Die Glückchen, ursprünglich zwölf,
heute 9, sitzen an einer mit geraden und gewellten Strahlen aus Eisen beschlagenen Scheibe.
Es nimmt noch seinen alten Platz neben dem Hochaltar ein. Von bedeutenden Abmessungen
ist das aus Eisen hergestellte sternförmige Glockenrad im Dom zu Fulda, das laut Inschrift
i£i5 angefertigt wurde. (14) Glockenräder waren im ausgehenden Mittelalter, namentlich
aber im 1 G.Jahrhundert nicht selten. Das läßt auch Myller durchblicken, wenn er in seinem
Omatus ecclesiasticus in dem der Altarglocke gewidmeten Kapitel schreibt: In summo
autem altari pro missa conventuali maiusculum (sc. tintinabulum) et quod manu commode
pulsari possit adesse debet, ubi plura üntinnabula rolis affixa non habentur. Nach Gerbert
gab es Glockenräder zu seiner Zeit noch zu Breisach, im Münster zu Freiburg, zu Villingen,
Überlingen und Ewattingen; er bemerkt aber ausdrücklich, er wolle nur einige aus der
Nachbarschaft von St. Blasien nennen. (15) Im Westen Deutschlands scheinen solche kaum
gebräuchlich gewesen zu sein. Daß sie im Osten nicht unbekannt waren, erhellt aus einem
Inventar der Pfarrkirche zu Wormditt von i584; denn die campanulae 10 in una Corona
appensae, von denen wir in ihm hören, (16) werden doch wohl als Glockenrad zu ver-
stehen sein. '■
(14) Abb. bei Gailhabalt, L'arehitecture du V. au XVII. siecle IV, Tfl. 12.
(15) De cantu et musica sacra II (St. Blasien 1774) 166.
(16) Hipler 88. (17) Ann. archeol. XXI (1861) 112. (18) Abb. des Glockenrades zu
Gerona bei Ferencz Schulcz, Denkmäler der Baukunst (Leipzig 1869) 1. Heft.
(19) DC. VII, 221: Praeterea fecit vir venerabilis Athehvoldus quandam rotam, tintin-
nabulis plenam, quam auream nuneupavit propter laminas ipsius deauratas, quam in festivis
diebus ad maiorem excitationem devotionis reducendo volvi constituit. (20) Chron. Lau-
resh. ad a. 972 (M.G. SS. XXI, 934).
ERSTES KAPITEL. PIAMEX. 1. DES WEH/WASSERBEHÄLTERS 581
ERSTES KAPITEL
BENENNUNGEN DEB BEIDEN GERÄTE
zu Bamberg von 1127, (32) von einem aspersol cum hysopo argenti in einem
Inventar des Schlosses zu Annecy von tkkl\. (33) Sonst pflegt aspersorium ge-
wöhnlich den Weihwedel zu bezeichnen.
6. Caldarotium, caldare. Caldarotium heißt der Weihwasserbehälter im In-
ventar zu St. Peter zu Rom von I&54: Unum caldarotium cum aspersorio ,de
argento pro aqua benedicta, (34) caldare im Inventar der Schlolikapellc zu
Alienstein von x58i, der Pfarrkirche zu Bischofsburg von 1597, der Stifts-
kirche von Gutstadt von i58i, der Pfarrkirche zu Arnsdorf und zu Bludaii
von 1572 sowie zu Rössel von 1097. (35) In deutsch geschriebenen Inventaren
entsprechen den Benennungen caldarotium, caldare die Bezeichnungen spreng-
kessel, sprengvaß, wykessel, wie z.B. in einem Inventar der Pfarrkirche zu
Schweidnitz von 1467, (36) einem Inventar der Pfarrkirche zu Ottmachau in
Schlesien von 1579, (37) einem Inventar der Pfarrkirche zu Mittelheim in
Nassau von 1^92: Item zwen wykessel, (38) dem Inventar von St. Johann zu
Köln von i^oö: Item 1 kuifferen wykessel, (39) der Michaelskapelle zu Elbing
von i5&& (40) und der Heiliggeistkirche zu Heidelberg von i4n. (41)
Nur vereinzelt vorkommende Bezeichnungen sind curia, ansatus, piscine,
bolcet und estopaz. Curia heißt, vielleicht verderbt aus cuva, der Weihwasser-
kessel im Inventar des Münsters zu York von ca. iöoo: Una curia magna pro
aqua benedicta cum ysopo de argento, una minor cuna pro aqua benedicta cum
ysopo argenteo; (42) ansatus (Henkelgefäß) im Testament Riculfs von Eine
(t 9J5): Ansatus aereus unus ad aquam benedictam; (43) piscine im Inventar
der Kathedrale zu Treguier von 1620; Une piscine ou benestier d'argent dore
avec son anse et aspergoir de mesme, armoye des armes du sieur 6vesque
d'Amboyse (-j-1616); (44) estopaz, zusammenhängend mit stoop (Humpen) im
Inventar Eduards II. von England von i3o3; (45) boket (= bücket, Eimer) im
Inventar von St. Paul zu London von 1/102. (46)
(32) Weber 40. (33) DC. I, 428. (34) Müstz 90. (35) Hipler 43, 45, 57, 75, 93, 95.
(36) Anzeiger, N.F.XXI (1874) 172. (37) Ji-ngsitz 83. (38) Roth, Geschichtsquellen
von Nassau III, 419. (39) Bock, St Johann 15. (40) Hipi.er 10. (41) Mose, Anzeiger
lür Kunde der deutschen Vorzeit IV (1835) 257: Item eyn silbern wykessel vergult mit
eynem silbern wedel. (42) Rai\e 218. (43) M. 132, 468. (44) Revue III (1859) 455.
(45) (Pai,grave III, 136. (46) Archaeologia L, 514: Vas argenteum, videlicet unum
boket cum uno aspersorio argenteo. (47) DU. I, 424. (48) Mlratori, Antiq. itai. IV, 912.
584 VASA NON SACRA. DRITTER ABSCHNITT. DAS WEIHWASSERGERÄT
tum (49) und aspergellus, wie in einem Inventar der Kathedrale zu Lyon
von i448. (50)
In französisch abgefaßten Inventaren ist aus aspersorium geworden asper-
goir (heule aspersoir), wie im Inventar der Kathedrale von Treguier von 1620,
besonders aber esparge, esperge, asperges, wie im Inventar von St-Ame zu
Douai von 1877, im Inventar der Kathedrale von Cambrai von i35q: Item le
benoitier d'argent et l'esperge, (51) im Inventar der Kapelle des Grafen von
Hennegau von 1807: Item 1 orichuel et 1 esparge, (52) im Inventar Karls V.
von 1379: Un eaubenoistier et son asperges (53) u.a.
Ysoputn (yssopum) wird der Weihwedel genannt in den Inventaren der Ka-
thedrale von Angers aus den Jahren 1297 und i3gi: Item unum benedictorium
pro aqua benedicta cum duobus ysopis, (54) im Inventar Klemens' V. von i3i 1:
aliud pulcrum vas novum de auro cum suo manubrio ad tenendam aquam bene-
dictam cum ysopo suo de auro, (55) in den Leges Palatinae Jakobs II. von
Majorca, im Inventar des Schlosses zu Annecy von if\!ik, dem Inventar des
Münsters zu York von etwa i5oo u. a. Die Benennung ysopum aber erhielt er,
weil man sich in älterer Zeit zum Besprengen mit Weihwasser eines Hysop-
büschels bediente, von dem dann der Name auf den Wedel überging, als ein
solcher an die Stelle eines Hysopbüschels trat.
Die heute neben aspersoir übliche französische Benennung guipillon führt
der Wreihwedel schon in französisch abgefaßten Inventaren des späten Mittel-
alters. So lesen wir im Inventar Karls VI. von 1420: Item un benoistier d'ar-
gent ver6 ä tout le guepillon, (56) im Inventar von N.-Dame zu Paris von j488:
Un benoistier d'argent pesant n marcs sans le guipillon, qui est de fer dedans
et couvert d'argent blanc, (57) im Inventar von St-Denis von i5o5: Un benoi-
stier d'argent vere et son guipillon, couvert d'argent jusque ä la soye et de cuivre
par la soye (Borsten). (58) Durch aspersouer (= aspersoir) wird der Name
näher erklärt im Inventar des Herzogs Jean von Berry von 1.412: Item un be-
noistier d'or avec l'esguipülon ou aspersouer. Die Benennung goupillon er-
hielt der Wedel sei es, weil man sich damals zum Aussprengen des Weihwas-
sers auch wohl des Schwanzes eines Fuchses (goupil) bediente, oder weil er,
wenn er am oberen Ende mit Borsten besetzt war, an einen Fuchsschwanz er-
innerte. (59) In den Interlinearglossen des Dictionarius des Johannes von Gar-
landia wird aspersorium mit dem normanischen wispeilon übersetzt. (60)
Eine andere französische volkssprachliche Bezeichnung des Wedels treffen
wir im Inventar der Königin Klementine, der Gemahlin Ludwigs X. von i328
an. Er wird hier getover genannt: 1 orcel d'argent ä eaue benoiste et le geto-
ver. (61) Statt getover lesen wir getuer in der Interlinearübersetzung des vor-
bin genannten Dictionarius des Johannes von Garlandia. Abzuleiten ist das
Wort wohl von dem mittelalterlich-lateinischen gitare (= jeter) und zu über-
(m Mitt. V (1860) 350. (50) Vgl. oben S. 582. (51) Dehais.ses, Doc. 403.
(52) Vgl. oben S. 582. (53) Labarte 55. (54) Roh. VI, 182. (55) Regesti Cletn. V.
app. I, 382. (56) DolET d'Arcq II, 381. (57) Revue archeol. XXVIII (1874) 101.
(58) Omont 25. (59) Vgl. auch E. Littre, Dictionnaire de la langue franc II (Paris
1885) 1899. (60) Jahrb. für roman. und engl. Literatur VI (Leipzig 1865) 157.
(61) Revue XLI (1892) 415.
ZWEITES KAPITEL. ALTER DES BEHÄLTERS UND WEDELS 585
ZWEITES KAPITEL
ALTER DES LITURGISCHEN WEIHWASSERBEHÄLTERS UND
WEIHWEDELS
Der Weihwasserbehälter als liturgisches Gefäß zur Aufbewahrung des zu
sakralen Besprengungen dienenden geweihten Wassers und der Weihwedel als
liturgisches Gerät zum Aussprengen desselben sind keineswegs so alt wie das
Weihwasser selbst. Wohl hat es stets einen Behälter gegeben, in dem sich das
Weihwasser befand, nicht aber auch ein Gefäß, das, zu den liturgischen Ge-
räten zählend, ausschließlich zur Aufnahme desselben diente. Als Hilfsmittel
zum Aussprengen des Weihwassers aber benutzte man ursprünglich keinen
Wedel, sondern einen Büschel aus Hysop, Buchs, Palmblättern, Weidenzweigen
und ähnlichem.
Ein besonders liturgisches Gefäß für das zum Besprengen dienende Weih-
wasser bürgerte sich erst ein, als die Besprengung mit diesem aus dem privaten
Gebrauch in den öffentlichen Kult übergegangen war, zumal aber, seitdem es
seit dem 9. Jahrhundert immer allgemeiner üblich wurde, Sonntags vor der
Gemeindemesse die Kirche und die Gläubigen mit Weihwasser zu besprengen
und dann bald auch sich die Gepflogenheit einbürgerte, bei Segnungen von
Gegenständen es nicht mehr bei Segnungsgebeten bewenden zu lassen, sondern
diesen auch behufs Segnung eine Besprengung mit geweihtem Wasser anzu-
fügeu. Um den Beginn des zweiten Jahrtausends war das eine wie das andere
allgemein in Übung gekommen. (1) Seitdem wird denn auch die Verwendung
eines liturgischen Weihwasserkessels sowohl durch die Inventare, wie durch
noch vorhandene, bis in die zweite Hälfte des 10. Jahrhunderts zurückrei-
chende Beispiele solcher bezeugt. Aus karolingischer und vorkarolingischer Zeit
bieten die schriftlichen Quellen keinen Beleg für dieselbe.
Allerdings berichtet Wilhelm von Malmesbury (7 um n45), König Ina
(um 700) habe der Abtei Glastonbury ein vas ad aquam benedietam ex 20 libris
argenti geschenkt, (2) doch kann es sich bei diesem Weih Wasserbehälter ange-
sichts seines Gewichtes nicht um einen tragbaren Wreihwasserkessel von der
Art der späteren handeln. Bemerkenswert ist, daß wir noch in der Karolinger-
zeit in den schriftlichen Quellen nie von einem Weihwasserkessel hören, es
müßten denn unter der situla argentea una und den situlae argenteae duae, von
denen in den Inventaren von Centula von ca. 800 und 831 die Rede ist, solche
zu verstehen sein. Bildlich dargestellt ist ein Weihwasserkessel jedoch schon
(62) Riley II, 325. (63) Mose, Anzeiger für Kunde der deutsch. Vorzeit IV (1835) 257.
(1) über das Weihwasser in älterer Zeit und seinen Gebrauch im Westen vgl. nament-
lich Ad. Frakz, Die kirchl. Benediktionen im Mittelalter I (Freiburg 1909) 86 ff., das beste,
Was aber den Gegenstand geschrieben wurde. (2) M. 179, 1705.
586 VASA NON SACRA. DRITTER ABSCHNITT. DAS WEIHWASSERGERÄT
DRITTES KAPITEL
MATERIAL, FORM UND ORNAMENTALE AUSSTATTUNG DES WEIH-
WASSERBEHÄLTERS UND WEIHWEDELS
die tarn, von einem bronzenen Henkelgefäß für das Weihwasser, (1) aus dem
12. Jahrhundert aber haben sich nicht weniger denn vier, reich mit Bildwerk
geschmückte Weihwassergefäße erhalten, welche die Verwendung von Bronze
zur Anfertigung derselben bezeugen, ein aus der Reichenau stammendes in der
ehemaligen Fürstlich Hohenzollerischen Sammlung zu Sigmaringen, ein zweites
früher in St. Alban zu Mainz befindliches, dem Anfang des 12. Jahrhunderts
angehörendes im Dom zu Speyer (Tafel 122), ein drittes seinem Bildwerk nach
vermutlich für Abt Hartmann von Deutz (um 1182) angefertigtes in St. Ste-
phan zu Mainz und ein viertes in der Stiftskirche zu Berchtesgaden (Tafel 122).
Von zwei andern mit romanischem Rankenwerk verzierten Weihwassergefäßen
aus Bronze, die auf uns gekommen sind, befindet sich das eine im Dom zu
Mainz, das andere im Schloßmuseum zu Berlin, (2) das auch noch einen auf
drei Drachen sitzenden, dem 13. Jahrhundert entstammenden fast schmuck-
losen bronzenen Weihwasserbehälter besitzt. Daß im späten Mittelalter der Be-
hälter für Weihwasser besonders gern aus Bronze sowie auch wohl aus Messing
angefertigt wurde, bekundet die große Zahl solcher noch vorhandenen spät-
mittelalterlichen Weihwassergefäße.
Auffallend könnte erscheinen, daß in den spätmittelalterlichen Inventaren
nur selten von Weihwassergefäßen aus Bronze die Rede ist. Indessen ist auch
hier zu beachten, daß an Inventaren aus gewöhnlichen Pfarrkirchen und son-
stigen kleineren Kirchen nur sehr wenige vorliegen. Es sind zumeist Kathe-
dralen, größere Klosterkirchen und Stiftskirchen, denen die vorhandenen In-
ventare entstammen, in diesen aber Hebte man es, wie diese Inventare bekun-
den, den Weihwasserbehälter aus Silber machen zu lassen. In nachmittelalter-
Hcher Zeit wurde das Weihwassergefäß vornehmlich aus Messing hergestellt.
Daß man im Mittelalter dort, wo es an den nötigen Mitteln nicht fehlte, den
Weihwasserbehälter mit Vorliebe aus Silber anfertigte, daran lassen die Inven-
tare keinen Zweifel. Immer wieder hören wir in ihnen von Gefäßen dieser Art,
die aus Silber bestanden, und zwar schon in Inventaren des 11. und des frühen
12. Jahrhunderts, wie in denen von Martinsberg in Ungarn von ca. 1090, von
Farfa von 1122 und des Bamberger Domes von 1127. In den spätmittelalter-
lichen Inventaren der Kathedral-, Kloster- und Stiftskirchen aber sind silberne
Weihwasserbehälter etwas ganz Gewöhnliches. Man vergleiche nur die früher
S. 081 f. gemachten Angaben aus den Inventaren.
Auch in nachmittelalterlicher Zeit entstanden noch manche Weihw^serkrssel aus Silber.
So gibt es deren, um nur einige Beispiele zu nennen, in St. Peter zu Salzburg, im Dom zu
Kottenburg, in der Heiligkreuzkirche zu Gmünd in Württemberg (Tafel 120), in der
Reichen Kapelle und in der Heiliggeistkirehe zu München, auf Schloß Herdringen in
Westfalen (Tafel lao), in der Kathedrale zu Agram (Tafel 1a 4), in St-Jean (Tafel 1a 5)
und in St-Antoine zu Lüttich, im Museo de arte religiosa zu Coimbra (Tafel ia3), die meist
auch durch reiche Ornamentierung bemerkenswert sind. Nach der Instructio fabricae eccle-
siae des heiligen Karl sollte nicht nur das bei bischöflichen Funktionen und in Kathedralen
zur Verwendung kommende Wei Wassergefäß von Silber sein, sondern auch das in Stifts-
kirchen, den Pfarrkirchen untl sonstigen irgendwie hervorragenderen Kirchen. Aus Bronze
oder Messing könne es nur in Kirchen mit geringen Einkünften bestehen. (3)
(1) Vgl. oben S. 583. (2) Abb. bei G. Swarzksski, Mittelalterliches Bronzegerät (Berlin
1Ö02) TfF. 7. (3) AA. Eccl. Med. 631.
588 VASA MW SACRA. DRITTER ABSCHNITT. DAS WEIHWASSERGERÄT
meist sogar nur sehr schwach. Ein wenig nach außen krümmt sich dabei bloß
der Weihwasserbehälter der Sammlung Pierpont Morgan aus Kranenburg; bei
den übrigen vollzieht sich die Erweiterung in gerader Linie nach Art eines um-
gekehrten Kegels.
Der Henkel ist bei der Mehrzahl der angeführten Weihwassergefäße des
10.—12. Jahrhunderts verloren gegangen oder doch in späterer Zeit erneuert
worden. Er zeigte bisweilen eine reiche Bildung, wie der noch vorhandene aus
zwei gegenständig angeordneten Drachen bestehende Henkel des Mailänder
Wreihwasserkesselchens oder der nur teilweise erhaltene, aus zwei parallel über-
einander verlaufenden Stäben bestehende des Speyerer Weih Wasserbehälters.
Befestigt, und zwar beweglich, war er entweder in zwei oben am Rand des Ge-
fäßes gegenständig befindlichen Ösen oder in zwei daselbst angebrachten Köp-
fen. Mit Füßchen, Drachen, ist nur einer der beiden Weihwasserbehälter im
In der Zeil und unter dem Einfluß der Gotik ging mit dem eimerförmigen
Weihwasserbehälter formal eine doppelte Veränderung vor sich, ohne daß je-
doch die Eimerform einen wesentlichen Wandel erfuhr. Erstens wurde das
Maßverhältnis zwischen Höhe und Weite des Behälters ein anderes als vordem.
Überwog bei den früheren Weihwasserbehältern die Höhe die Weite, so ge-
staltete sich nunmehr das Verhältnis zwischen Höhe und Weite dahin, daß um-
gekehrt diese jene bald mehr, bald weniger, nicht selten um 5—7 cm, überstieg.
Zweitens erhielt das Profil des Behälters statt wie vorher die Form einer ge-
raden, die einer nach innen sich krümmenden Linie.
Zahlreiche Weih Wasserbehälter, die sich aus dem späten Mittelalter, zumal aus dem
i5. Jahrhundert erhalten haben, bekunden den mit dem Gefäß unter dem Einfluß der Gotik
geschehenen formalen Wandel, so ein Weihwasserhehälter in St. Jakob zu Aachen, in der
Pfarrkirche zu Ksch (Landkreis Köln), zu Roitzheim (Kr. Rheinbach), zu Hcmmersbach,
Paffendorf und Niederaußem (Kr. Bergheim), zu Waldfcucht (Kr. Heinsberg), zu Sinzig,
Unkel und Linz am Rhein, zu Peterslahr (Kr, Allenkirchen), zu Garden an der Mosel, im
Schnütgenmuseum und im Diözesanmuseum zu Köln, in St. Kunibert und in St. Maria
im Kapitol daselbst, in der Pfarrkirche zu Grefrath (Kr. Solingen), zu Straelcn und Hoch-
elten am Niederrhein (Tafel iai), zu Balve, Attendorn (Bild 37) und Alberslohe in West-
falen (Bild 36), im Kunstgewerbemuseum zu Frankfurt a. M., im Germanischen Museum
zu Nürnberg, im Bayerischen Nationalmuseum zu München u. a. Daß aber nicht bloß in
Deutschland, sondern auch außerhalb Deutschlands jener Wandel sich vollzog, bekunden
ein Weihwasserbehälter in Ste-Gertrude zu Löwen, (29) zu Pailhe in Belgien (30) und zu
Vassy-les-Avallon (Yormc) in F;-ankrrit'!i soivin ein vo;i Yi'il.i'l-le-jJi:'.- ;i'ü:.'.:']>il::j-;r>r YVi'h~
Wasserbehälter. (31)
{29J Reuseks II, 302. (30) M. G. Terme, L'art ancien au pays de Liege III, TU 65.
(31) Diction. raison, du mobilier francaia II (Paris 1871) 36.
DRITTES KAPITEL. II. FORM DES BEHÄLTERS UND WEDELS. 593
einer Handschrift des i3. Jahrhunderts (32) sowie eine die Altarweihe darstellende Mi-
niatur eines Pontifikales des i5. Jahrhunderts in der Biblioteca Colombina zu Sevilla
(Tafel I2Ö). Auf beiden von bauchiger Form, ist der Weihwasserbellälter auf der zweiten
Miniatur mit drei kleinen Füßchen als Trägern versehen. Erhalten hat sich ein kessei-
förmiges Weihwassergefäß, fast das genaue Gegenstück des auf der Miniatur im Pontifikale
der Colombina dargestellten, zu Vasbach in Westfalen (Tafel iaö). (33) Sich ausbauchend,
auf drei Füßchen sitzend, oben mit schräg nach außen geneigtem Rand ausgestattet, weist
es nahe diesem Rande zwei Ohrenansätze auf, in denen der Henkel sich bewegt. Es ist das
einzige seiner Art, das mir bekannt geworden ist. Eine vereinzelte Erscheinung ist ein im
Museum zu Laval (Mayenne) befindliches, vielleicht noch dem späten i3. oder frühen
i£. Jahrhundert entstammendes Weihwassergefäß, das in seiner unteren Hälfte einen Zylin-
der, in der oberen einen siark sich verjüngenden umgekehrten Kegel darstellt. Der hohe
Untersatz, mit dem es in der ganzen Breite des Zylinders versehen ist, ist mit einer doppel-
ten Schräge profiliert. (34)
In nachmittelalterlicher Zeit tritt an die Stelle des eimerförmigen immer
mehr das kesseiförmige Weihwassergefäß, am ehesten in Italien, doch begegnet
uns auch in Portugal schon in der Frühe des 16. Jahrhunderts ein Beispiel die-
ses Typus. Es ist der von Bischof Georg von Almeida (f i543) gestiftete
Weihwasserbehälter im Museo de arte religiosa zu Coimbra (Tafel ia3). Im
Gegensatz zu den mittelalterlichen eimerförmigen zeigen die nachmittelalter-
Hchen kesseiförmigen Weihwasserbehälter, zumal in der Zeit der späten Re-
naissance und des Barocks, keineswegs die jenen eigene formale Gleichartig-
keit. Hier unten stark ausgebaucht, oben in scharfem Knick sich verengernd
(Tafel 12/1, München; öS, Gmünd), stellen sie anderswo ein unten zwar abge-
rundetes, im übrigen aber geradseitiges Gefäß dar. Gewöhnlich rund, zeigen
sie, wie ein Weihwasserbehälter im Dom zu Salzburg und im Dom zu Rotten-
burg, aber auch wohl einen sechspaßförmigen Querschnitt. Hier von der Ge-
stalt einer Zweidrittelkugel (Tafel 123, Wien), haben sie anderswo Kantharus-
form (Tafel 123, Lüttich). Kurz, von einem auch nur vorherrschenden Typus
kann keine Rede sein. Als Untersatz haben sie entweder einen nach oben zu sich
verengernden niedrigen Ring (Tafel 125, Rottenburg) oder, und zwar gewöhn-
licher, einen förmlichen, jedoch nur mäßig hohen, mehr oder weniger stark
gewölbten, mit kurzem Hals versehenen Fuß. Der gewöhnlich in Ringen oder
Ösen sich bewegende Henkel weist mannigfaltige Formen auf. Er ist bald halb-
rund (Tafel 120, Agram), hald kleeblattbogig (Tafel 123, Coimbra; 125, Lüt-
tich), bald korbbogig (Tafel 125, Rottenburg, Gmünd), bald winklig gebro-
chen (Tafel 124, München), bald, zumal in der Zeit des Barocks, mehr oder
weniger willkürlich geschweift. Im Scheitel wurde er oft mit einem Ring ver-
sehen, um mittels desselben den Behälter aufhängen zu können, sowie auch
wohl mit einer Handhabe zum bequemeren Tragen ausgestattet (Tafel 125,
Gmünd).
Am längsten erhielt sich die spätmittelalterliche Eimerform des Weihwasser-
behälters in Deutschland, ähnlich wie die mittelalterliche Form des Kelches,
des Ziboriums und der Monstranz. Entstanden doch Weihwasserbehälter dieses
Typus zu Hemmersbach (Kr. Bergheim) und Roitzheim (Kr. Rheinbach) laut
(32) Diction. raison, du mobilier francais II (Paris 1871) 34. (33) Kd. von West, Kr.
Olpe 63. (34) Roh. VI, 182. t,
BRAUN, DAS CHRISTLICHE AI.TARGERÄT 38
594 VASA NON SACRA. DRITTER ABSCHNITT. DAS WEIHWASSERGERÄT
des an ihnen angebrachten Datums erst 1610 und 1622. Andere hat man der
Kesselform dadurch anzugleichen gesucht, daß man sie etwa von der Mitte an
nach oben sich kesselartig erweitern Heß. Besonders zäh behauptete sich die
den spätmittelalterlichen Behältern eigene Verzierung mittels Reifen und Rillen.
Der Weihwedel kommt heute in zwei Typen zur Verwendung. Die Wedel
des ersten bestehen aus einem kurzen als Handhabe dienenden Stab und einem
an dessen oberem Ende angebrachten, mit Borsten besetzten Knauf von meist
länglicher Form. Bei denen des zweiten, die stets aus Metall gemacht werden,
ist an die Stelle dieses Knaufes ein hohler, in der Regel nur in seiner oberen
Hälfte mit feinen Löchlein versehener Behälter von Kugel-, Ei- oder Pinien-
zapfenform getreten, der im Innern einen Schwamm zu enthalten pflegt.
Der erste der beiden Typen ist zweifellos der älteste. Wann der zweite in
Brauch kam, läßt sich nicht feststellen. Die mittelalterlichen Inventare geben
uns darüber keinen Aufschluß. Zwar hören wir schon zu guter Zeit von Spreng-
wedeln aus Silber und Gold, doch werden das wohl Wedel gewesen sein, die am
oberen Ende mit Borsten besetzt waren. Wenn es aber in einem Inventar
Karls V. von Frankreich bei Aufzählung der Weihwasserbehälter von einem
derselben heißt: Item un autre eauebenoistier avec l'asperges d'argent blaue...
et est le pommel de l'asperges rond, esmaille des armes de France, pesant
5 marcs, 3 onces, (35) so ist zweifellos unter pommel hier kein am oberen
Ende des Stieles angebrachter kugelförmiger Behälter zur Aufnahme des Weih-
wassers, sondern ein am unteren Ende als Abschluß befindlicher Knauf zu
verstehen. Erst in dem Inventar der Kathedrale zu Siena von 1/(67 (^D) ver~
nehmen wir von einem Weihwedel des zweiten Typus. Denn unter der in ihm
als Zubehör zu einem Weihwasserbehälter verzeichneten pina kann ange-
sichts ihrer Benennung pina, das ist Pinienzapfen, wohl nur ein mit pinien-
zapfenartigem Sprengknauf versehener Weihwedel verstanden werden. Ein
Sprengwedel des zweiten Typus, der laut Inschrift aus dem Jahre 1496 stammt,
findet sich in der Kathedrale zu Agram (Tafel ia4). Er ist am Sprengknauf
um die Löchlein herum mit ungarischem Filigran verziert. Er dürfte der älteste
seiner Art sein, der sich erhalten hat. Sehr bemerkenswerte Beispiele aus dem
endenden 16. Jahrhundert bieten ein Sprengwedel von i586 in der Domkirche
zu Bottenburg (Tafel ia4) sowie der von dem Warburger Goldschmied Anton
Eisenhoidt angefertigte prunkvolle Sprengwedel im Besitz des Grafen Fürsten-
berg zu Herdringen (Tafel 120). Etwas Gewöhnliches werden übrigens Spreng-
wedel des zweiten Typus im 16. Jahrhundert noch nicht gewesen sein. Nennt
doch der heilige Karl in seiner Instructio fabricae ecclesiae (37) diese erst an
zweiter Stelle und wie als Ersatz solcher des ersten Typus. Das erhellt denn
auch aus Myllers Ornatus ecclesiasticus, der Sprengwedel des zw:eiten Typus
überhaupt nicht einmal erwähnt, was um so mehr auffallen muß und von Be-
deutung ist, als der Ornatus ecclesiasticus nichts anderes als eine, die deutschen
Verbältnisse und den deutschen Brauch berücksichtigende Bearbeitung der In-
structio des heiligen Karl ist. Größere Verbreitung dürften demnach die Spreng-
wedeides zweiten Typus erst in der Zeit des Barocks gefunden haben. Ein im
(35) Labarte 131. (36) Ann. archtol. XXV (1865) 267. (37) AA. EccL Mediol. 582.
DRITTES KAPITEL. 111. AUSSTATTUNG DES BEHÄLTERS UND WEDELS 595
besagt; Bis binos quadruplen complentes dogmate mundum — Designent totidem diffusa
fluenta per orbem, aus der wir ersehen, daß die Personifikationen der Flüsse ebenfalls als
Symbole der Evangelisten gedacht waren. In der Inschrift, welche die beiden Zonen trennt
und die untere unten begrenzt, widmet Abt Berhtoldus das Gefäß dem heiligen Albanus.
Eine weitere Inschrift am Henkel nennt uns die Meister, die denselben schufen; Haertwich
erat factor et Snello mei fui auetor (Tafel iaa).
Auf dem bronzenen Wassereiinerchen in St. Stephan zu Mainz sind in leichtem Relief
vier stehende Figuren angebracht. Sie werden durch ein Säulchen von einander getrennt
und sind in der über ihnen am Rande des Behälters befindlichen Inschrift als Christus, Maria,
St. Heribertus und Hardmannus abbas gekennzeichnet. Abt Hardmannus wird der gleich-
namige Abt des vom heiligen Heribert zu Deutz gestifteten Benediktinerklosters sein, der
uns in Urkunden von 1082 und io85 (38a) begegnet, das Eimerchen demnach aus dem
Deutzer Kloster stammen. (39)
Der Weih Wasserbehälter der ehemaligen Fürstlich 11 oh enz oll eri sehen Sammlung weist
als Schmuck die zwölf Apostel auf. Sie sind auf zwei Zonen verteilt. Die der oberen sind
unter Giebeln angeordnet, die der unteren unter rundbogigen Arkaden. Jene sind auf Bogen
thronend dargestellt, diese auf Bänken sitzend. In den Zwickeln der Giebel der oberen Zone
sind Cherubimgestalten angebracht, in denen der Arkaden der unteren Brustbilder von
Engeln. (40)
Das Berchtesgadener Weihwassereimerchen (Tafel iaa) zeigt in der oberen der beiden
Zonen, in die es gegliedert ist, zwölf Rundbogenarkaden, von denen eine eine Halbfigur
Christi enthält, die andern stehende Ganzfiguren der Apostel. In der unteren sind die vier
Personifikationen der Paradiesströme dargestellt, unbekleidete Mann er gestalten, die aus
einer Urne Wasser ausgießen. Von den zwischen sie verteilten Figuren stellen zwei die Ver-
kündigung dar; der Sinn der andern ist nicht klar.
Was sich sonst an romanischen Weihwasserbehältern erhalten hat, ist ent-
weder schmucklos, oder wie ein Weihwassergefäß im Schloßmuseum zu Ber-
lin und das achtseitige Weihwassereimerchen im Dom zu Mainz lediglich mit
bescheidenem Rankenwerk verziert, bei jenem in Form eines den Rand um-
ziehenden Frieses, bei diesem als Flächenbelebung. Ein auf drei kleinen hocken-
den Löwen sitzender Weihwasserbehälter aus Bronze in St. Jakob zu Aachen,
der oben, in der Mitte und unten mit einem aus Rankenwerk und Drachen be-
stehenden Fries geschmückt ist, stammt nicht, wie man gemeint hat, aus spät-
romanischer Zeit, sondern erst aus der Frührenaissance. (41)
In der Zeit der Gotik dürften nur wenige mit figürlichen Darstellungen ge-
schmückte Weihwasserbehälter entstanden sein. Gibt es doch unter den zahl-
reichen Weihwassergefäßen, die aus dem späteren Mittelalter sich erhalten
haben, nur eines, das solche aufweist. Es befindet sich in der Pfarrkirche zu
Straelen am Niederrhein (Tafel isi). Oberhalb des unteren Randes mit einem
Blattkamm verziert, ist es ringsum mit steifem, an mehrteilige gotische Fenster-
füllungen erinnerndem Stab- und Maßwerk bekleidet, dem außer dreiteiligen
Blättern auch kleine stetig sich wiederholende Heiligenfigürchen eingefügt
sind. Künstlerisch wertlos, hat es nur kunstgeschichtliches Interesse. Aber auch
in den Inventaren aus der Zeit der Gotik ist nur ganz vereinzelt von Weih-
wassergefäßen mit Bildwerk als Schmuck die Rede, wie z.B. in einem Inven-
(38a) Tn. Jos. Lacomblet, Urkundenbuch I (Düsseldorf 1840) n.232, 237.
(39) Abb. bei Hefner I, Tfl.51. (40) Abb. bei Hefner v. Alteneck, Die Kunstkaramer
des Fürsten Karl Anton von Höhenzollern-Sigmaringen (Sigmaringen 1866) Tfl.54.
(41) Abb. in Aachener Zeitschrift XXX (1908) Tfl.l.
DRITTES KAPITEL. III. AUSSTATTUNG DES BEHÄLTERS UND WEDELS 597
tar von St. Paul zu London von iagö, in dem uns ein vas argenteum ad aquam
benedictam cum opere levato de imaginibus et interlaquaetis vineis, pens. 8 marcs
begegnet (42) und in dem Inventar Karls V. von 1879, in dem neben vielen an-
dern auch ein benoistier ä ymages d'apostres neellez aufgeführt wird. (43)
Selbst mit bloß ornamentalem Schmuck hat man das Weihwassergefäß im
späteren Mittelalter anscheinend nicht häufig versehen. Insbesondere waren
Weihwasserbehälter von der Art der beiden im Inventar Clemens' V. erwähn-
ten, (44) von denen eines mit Treibarbeit, Filigran, Schmelzen, Perlen und Stei-
nen verziert, das andere mit einer großen Zahl von Schmelzplättchen besetzt
war, (45) sicher etwas Außergewöhnliches, zu denen sich daher auch in den son-
stigen Inventaren keine Parallelen finden. Die zahlreichen spätmittelalterlichen
Weihwasserbehälter, die sich bis heute erhielten, sind mit Ausnahme des vor-
hin genannten zu Straelen befindlichen, alle, abgesehen von den Reifen und
Rillen, mit denen man sie umzogen, und den Köpfen oder Halbfiguren von En-
geln, die man etwa an ihrem oberen Rand als Ersatz von Ösen oder Ohren zur
Aufnahme des Henkels angebracht hat, fast immer völlig schmucklos. Eine von
einem Wappen begleitete Stifterinschrift in schönen Minuskeln ziert einen
bronzenen Weihwasserbehälter in der Pfarrkirche zu Attendorn im Sauerlande.
Oben denselben umziehend lautet sie: Dominus volmar de beiden pastor in
wyppvorde donavit anno domini MCCCCLXIII. (46) Ein mit einem Zickzack
gemustertes Band und ein zweites, das mit einer blattlosen Ranke belebt ist,
schmücken ein Wreihwasscrgefäß zu Alberslohe in Westfalen. Dieses umzieht
dasselbe in der Mitte, jenes nahe dem oberen Rand (Bild 36 und 37, S. 591). (47)
Unter der Herrschaft der Renaissance und des Barocks erhielt der Weih-
wasserbehälter oft eine reiche Ausstattung mittels Gravierung sowie namentlich
mit der zumal im letzteren so beliebten Treibarbeit. Die auf Tafel 123, 12/1, ia5
abgebildeten Renaissance- und Barockweihwasserbehälter bekunden das. Figür-
licher Schmuck wurde, abgesehen von den unvermeidlichen Engelsköpfchen,
freilich nur selten auf ihnen angebracht. Der Außenseite des Weihwasserkes-
sels in der Kathedrale zu Agram (Tafel 120} sind, getrennt durch Wappen, die
Evangelistensymbole eingraviert. An dem Weihwassergefäß Eisenhoidts auf
Herdringen sind in Treibarbeit außen die Taufe Christi, Christus und die Sama-
riterin am Jakobsbrunnen, Christus und Petrus auf dem See wandelnd, sowie
die Taufe des Kämmerers durch Philippus, innen auf dem Boden aber der
Durchgang durchs Rote Meer unter Beifügung der betreffenden Schrifttexte
dargestellt (Tafel 120). Es dürfte an Reichtum des Bildwerkes unter den nach-
mittelalterlichen Weihwasserkesseln nur wenige Gegenstücke gehabt haben.
Die ornamentalen Motive, die zur Ausstattung der Weihwasserkessel ver-
wendet wurden und die Art ihrer Ausführung entsprachen der jeweils herr-
schenden stilistischen Beschaffenheit des Ornaments, deren Wandel auch im
(42) Ann. archeol. XIX, 104; vgl. das Inventar von 1245, in dem es von dem fraglichen
vas heißt: Vas ad aquam benedictam cum axisa; est argenteum totum, opere graeco fabrica-
tum, cum ymaginibus et literis designantibus sculpturam pond. 8 marc, 4 s. (Archaeologia L,
469). Es handelte sich also bei ihm um ein Gefäß griechischer Herkunft, das man zu London
zu einem Weihwassergefäß gemacht hatte. (43) Labarte 131. (44) Vgl. oben S. 588.
(45) Regesti Clem. V. app. I, 382. (46) Abb. in Kd. von Westf., Kr. Olpe 20.
(47) Abb. ebd., Kr. Münster-Land, Tfl. 5.
598 VASA NON SACRA. DRITTER ABSCHNITT. DAS RAVCHFASS
ERSTES KAPITEL
VERWENDUNG DES RAUCHFASSES NACH HEUTIGEM BRAUCH
Das Rauchfaß nebst Zubehör kommt nicht nur bei der Messe, sondern auch
bei andern liturgischen Verrichtungen wie bei der Kirch- und Altarweihe, bei
der Aussetzung des Allerheiligsten, den sakramentalen Prozessionen, dem sa-
kramentalen Segen, bei der Absolution am Katafalk, den Beerdigungen, den
feierlichen Vespern u. a. zur Verwendung, doch ist sein Gebrauch bei der Messe
wie der älteste, so auch der vornehmste. Benutzt wird es indessen nur bei den
feierlichen Messen, nicht bei nur gelesenen, sogenannten Stillmessen und auch
nicht, wenigstens nach heutiger römischer Vorschrift, (1) bei nur gesungenen,
ohne Diakon und Subdiakon gefeierten Messen. Ausführliche Angaben über
die Gelegenheiten, bei denen es in den uichtpontifikalen feierlichen Messen
zur Verwendung gelangt, enthält das Römische Missale. (2)
In den nichtpontifikalen Messen wird es gebraucht nach dem Staffelgebet zur Inzen-
sation des Altares durch den Zelebrans, des Zelebrans durch den Diakon, vor bzw. nach
(1) Decr. auth. 937, 2515. (2) Ritus setv. in celebratione roissae tit.4, n.4; tit. 6, n.5;
tit. 7, n. 10; tit. 8. n. 8; tit. 13, n. 2. Di« Vorschriften über seine Benützung im Pontifikalamt
finden sich im Caeremoniale episcoporum 1. 2, c. 8, n. 24, 34, 46, 70; c. 11, n. 8.
ERSTES KAPITEL. HEUTIGER BRAUCH 599
Absingung des Evangeliums zur Inzensation des Evangelien buches tind des Zelebrans durch
den Diakon, nach der Opferung zur Inzensation der Opfergaben, des Altarkreuzes (bzw.
des ausgesetzten allerheiligsten Sakramentes), etwaiger auf dem Altar ausgestellter Re-
liquien und des Altares durch den Zelebrans, des Zelebrans und des Subdiakons durch
den Diakon, des Diakons, der Akolythen, des Chores und des Volkes durch den Thuriferar,
bei der Wandlung zur Inzensation des Allerheiligsten bei den bei derselben stattfindenden
Elevationen, doch fallen in feierlichen Totenmessen aus die Inzensationen nach dem Staffel-
gebet sowie bei dem Evangelium, bei der Inzensation nach der Opferung aber werden in
ihnen nur die Opfergaben, das Altarkreuz, der Altar durch den Zelebrans und dieser durch
den Diakon inzensiert und wird die Inzensation bei den Elevationen nicht durch den Thuri-
ferar, sondern durch den Subdiakon vorgenommen. Die Gelegenheiten, bei denen im Pon-
tifikalamt das Rauchfaß gebraucht wird, wie auch der Gegenstände und Personen, die
inzensiert werden, sind die gleichen wie im nichtpontifikalen feierlichen Amt und zwar so-
wohl bei pontifikalen Totenämtern wie bei andern PontifikaJämtern, nur findet bei letzteren
das Rauchfaß auch noch beim Hingang des Bischofs zum Altar Verwendung. Der Brauch.
wie er heute besüglich der Inzensationen in nicht pontifikalen wie pontifikalen feierlichen
Ämtern in Geltung steht, hat erst durch das Missale Pias' V. von 1370 und das Caeremoniale
episeoporum Clemens' VIII. von 1600 seine endgültige Festlegung und seine allgemeine
Verbindlichkeit erhalten.
Auch m den Riten des Ostens zählen Ranchfaß und Zubehör zu den liturgi-
schen Geräten und zwar auch in ihnen in erster Linie zu den Altargeräten. Sie
finden sogar bei der Feier des heiligen Opfers in ihnen eine noch ausgiebigere
Verwertung als im römischen Ritus. Ist doch beispielsweise im koptischen
Ritus die ganze Zeit von der Herrichtung der Opfergaben an bis zur Anaphora
angefüllt mit Inzensationen des Altares, des Altarraumes, der Geistlichen, des
Laienraumes der Kirche und der Gläubigen. (3) Im griechischen Ritus werden
bei der Proskomidi, der feierlichen Bereitung der Opfergaben, inzensiert der
Asteriskos, bevor er auf den hergerichteten Diskos gesetzt, die Velen des Diskos
und des Kelches, bevor mit ihnen diese verhüllt werden, das große Velum, aqp, ehe
es über beide ausgebreitet wird, der Prothesistisch mit den darauf befindlichen
Gaben und zuletzt der Altar, der Altarraum und das Schiff der Kirche. Wäh-
rend der Messe aber kommt in ihm das Rauchfaß zur Verwendung bei der In-
zensation des Altarraumes und des Volkes vor Verlesung des Evangeliums, bei
der feierlichen Einbringung der Opfergaben, dem sogenannten großen Einzug,
bei der dieser vorausgehenden dritten Inzensation des Altares, des Altarraumes
und des Volkes sowie endlich am Schluß der Messe nach der Kommunion zur
Inzensation des Altares. (4)
ZWEITES KAPITEL
ALTER DER LITURGISCHEN VERWENDUNG DES RAUCHFASSES
(3) J. A. Assemam, Missale Alexandriuum P. 2 (Romae 1754) 17 ff. (4) Vgl. den Ritus
der Chrysostomusliturgie bei Mg. 63, 901 ff. und Placidvs »B Meester, La divine liturgie
«e S. Jean Chrysostome (Paris 1920).
600 VASA NOM SACRA. DRITTER ABSCHMTT. DAS RAUCHFASS
der drei ersten Jahrhunderte darüber sagen, läßt daran keinen Zweifel. (1)
Allerdings verwerfen sie ausdrücklich nur eine Darbringung von Inzens im
Sinne des Weihrauchopfers im jüdischen und in den heidnischen Kulten, nicht
irgend eine andere liturgische Verwendung von Weihrauch, die nicht den Cha-
rakter eines Opfers hat. Doch kann es auch eine solche noch nicht gegeben
haben, da sie leicht zu Mißverständnissen und Irrtümern hätte führen können,
ja wohl sicher solche im Gefolge hätte haben müssen. Höchstens mag man in
besonderen Fällen, wo das die Umstände erwünscht oder nötig erscheinen
ließen, beim Gottesdienst Weihrauch verbrannt haben, um üble Gerüche zu
beseitigen, wie etwa bei Gottesdiensten in den Katakomben, vielleicht auch zur
Hebung der Feier. Doch hatte das dann nicht den Charakter einer liturgischen
Verwendung des Weihrauchs, und zwar auch im letzten Falle nicht, wie ja auch
ein reicheres Licht, das an Festtagen im Schiff der Kirche angezündet wird,
noch keineswegs ein liturgisches Licht ist. Ein Anachronismus ist es, wenn das
Papstbuch den Papst Soter (162—170) schon vorschreiben läßt, es dürfe kein
Mönch eine geweihte Palla berühren, noch in der Kirche räuchern (incensum
ponere). (2) Die früher dem heiligen Hippolyt zugeschriebene Schrift De con-
summatione mundi, in der es heißt, am Ende der Tage werde kein Opfer und
kein Itauchwerk mehr dargebracht, aber ist nicht vor dem 9. Jahrhundert ent-
standen. (3)
Erst in nachkonstantinischer Zeit beginnt sich, als eine Mißdeutung nicht
mehr zu befürchten war, im Osten wie im Westen eine liturgische Verwendung
des Weihrauchs einzubürgern. Freilich reden nicht alle Väter, die nun eine
solche zu bezeugen scheinen, in Wirklichkeit von ihr.
Wenn Basilius in seiner Homilie auf den heiligen Märtyrer Gordius (-J- 3o3) ausruft:
\\T.--.'iij.}.'j;-r, :i.z; r,v/.'y. -y.vvr/ifi 'jt.'j yzv.üri tt>,'j;iiu'., 'Jsiit'Ar.s.-'j ii ih^'.u.--il'n'j. v.v, t/s/, -j^-j rjioswoid 'i'J'.~-
flojtfofw oj töito; *o5 «opraBasu, (4) sind die Worte oöx f,v ^pon^opd usw. wörtlich dem Ge-
sang der drei Jünglinge im Feuerofen (4a) entlehnt und nur eine rhetorische Ausdrucks-
weise. Nur bildlich redet Hosius von Cordoba, wenn er in seinem Schreiben an Konstantius
vom Jahre 354 oder 355 diesem bemerkt: -Weder steht es uns zu auf der Erde zu herrschen,
noch hast du die Befugnis, Rauchwerk darzubringen«, (5) nur bildlich Ambrosius, wenn er
in seinem Kommentar zu Lukas 1, 11 sagt:Atque utinam nobis quoque adolentibus altaria,
sacrifieiis deferentibus, assistat angelus; (6) denn adolere altaria ist hier dem Sinne nach
identisch mit sacrificium offene und sacrifieium offerre nur die Erklärung für das meta-
phorische, an Luc. 1, 9 (incensum ponere) sich anleimende adolere altaria. Außerdem aber
wurde eine Inzensation des Altares erst in weit späterer Zeit üblich; zur Zeit des heiligen
Ambrosius war sie noch nicht im Gebrauch. Ebenso ist es nur bildlich verstanden, wenn
Ambrosius in seiner Schrift De Cain et Abel'(7) sagt: Ne verearis, ne in convivio ecelesiae
aut grati odores aut dulces eibi aut diversi potus aut convivae nobilcs desint aut decentes
ministri. Denn das convivium ecelesiae, von dem er hier spricht, ist nicht das eucharistische
Mahl, bei dem es ja auch keine dulces eibi aut diversi potus gibt, sondern das Mahl, zu dem
(1) Athenagohas, Legatio pro ehrist. c. 13 (Mg. VI, 916); Justini, Apol. I, c. 13; Apol. II,
c. 5 (Mg. 6, 345, 452); Tkrtui.i,., Apologet, c. 30 (M. 1,444); AiufOBH, Adv. gentes 1.7, c. 26 f.
(M. 5, 1253if.); Lactant., Div. instit. 1. 6, c. 25 (M 6, 728) und noch Elses., De demonstr.
evang. 1.4, c.15 (Mg. 22, 292). (2) Dlch. L. P. I, 135. (3) C.34 (Mg. 10, 937). Über das
Alter der Schrift vgl. 0. Baädenhewer, Patrolocie (Freiburg 1910) 193.
(41 N.2 (Mg. 31, 496). (4a) Dan. III, 38. (5) Atiia.n., Hurt. Ariao. c.44 (Mg. SB, 745).
(6) Expositio evang. see. Luc. LI, n. 28 (M. 15, 1545). (7) L.l, c.5, n.19 (M. 14, 326).
ZWEITES KAPITEL. ALTER SEINER VERWENDUNG 601
die cöttliche Weisheit (Spr. c. S und 9) einladet, wie der Zusammenhang das außer Zwei-
fel stellt.
Von einer Verwendung von Weihrauch bei der Feier der Liturgie sprechen
der heilige Johannes Chrysostomus in seiner 89. Homilie zu Matthäus, (8)
Ephräm der Syrer in seinem Testament, (9) Canon 3 der um 4oo entstandenen
Apostolischen Kanones, (10) aus dem wir ersehen, daß die Gläubigen damals
wie öl für die Lampen, so auch Weihrauch zum Gebrauch bei der Feier des
heiligen Opfers zu opfern pflegten, sowie die Vita des Papstes Bonifaz I. (4*8
bis 422), derzufolge dieser verordnete, kein Weib, auch keine Nonne, dürfe die
geweihte Palla berühren oder waschen noch auch in der Kirche räuchern (in-
censum ponere); das stehe nur dem Minister zu. Über Weise und Zeit der Räu-
cherung sagen uns jedoch alle nichts. (11)
Von Rauchgefäßen, die zu kirchlichem Gebrauch dienten, hören wir schon
in der Vita Silvestri des Papstbuches, nach der Konstantin der Laterankirche
zwei goldene thymiamateria im Gewicht von 3o 1. (= 9,80 kg), der Taufkirche
beim Lateran aber ein goldenes, mit 49 grünen Steinen besetztes thymiamate-
rium im Gewicht von i5 1. (4,90 kg) und der Petersbasilika ein goldenes mit
60 Edelsteinen verziertes thymiamaterium von gleichem Gewicht schenkte, in
der Vita Xysti III., derzufolge Papst Xystus (43a—44o) der Basilika S.Ma-
ria Maggiore ein thymiamaterium argenteum pens. 1. 5 (= i,63 kg) verehrte, in
der sogenannten Charta Cornutiana von ^71, in der unter den liturgischen Ge-
räten auch ein thymiamaterium erwähnt wird, und Cyprians (j- 546) Vita
s. Caesarii Arelatensis, in der erzählt wird, der Heilige habe zum Loskauf der
Gefangenen die turibula, calices und patenae seiner Kathedrale veräußert. (12)
Indessen waren sicher die von Konstantin der Laterankirche, deren Baptisten um und der
Petersbasilika geschenkten keine liturgischen Ilandrauchfässer, wie schon aus ihrem be-
deutenden Gewicht hervorgeht. Es handelte sich bei ihnen vielmehr um Stand- oder Hänge-
rauchfässer, die nicht zu bestimmten Zi'ivnionien verwendet wurden, sondern lediglich den
Zweck hatten, im allgemeinen die gottesdienstliche Feier zu erhöhen, gleich den Lampen,
den Kronleuchtern, Kandelabern und ähnlichem Gerät. Daß es aber auch derartige Rauch-
fässer gab, bezeugt die Vita des Papstes Sergius I. (687—701), derzufolge dieser für St. Pe-
ter ein thymiamaterium aureum maius cum columnis et cooperculo, quem suspendit ante
imagines tres aureas heati Petri apostoli, in quo incensum et odor suavitatis festis diebus,
dum missarum solemnia celebrantur, omnipotenti Deo opulentius mättitur, stiftete, (13)
sowie schon die Vita des Papstes Hormisdas (5i4—5a3) in der ein subfitorium super con-
fessionem heati Petri apostoli erwähnt wird. (14) Auch Aldhelm spricht in seinem Gedicht
auf die von Bugge, Gemahlin des Königs Ina (um 689—726) erbaute Basilika von einem
Hängerauchfaß, in dem während der Messe Weihrauch verbrannt wurde, (15) desgleichen
Ethelwulf in seinem um 810 geschriebenen Gedicht De abbatibus et viris piis Lindisfarnen-
sibus. (16) Ja noch im 11. Jahrhundert stiftete der heilige Gerard, Bischof von Csanäd
ff 10/16) ein solches vor dem in der Georgskirche errichteten Muttergottesaltar, indem er
(8) N.4 (Mg. 58, 781). (0) Opera omnia II (Romae 1743) 317. (10) H. I, 10.
(11) Ducir. L. P. V, 227. Ob die Verordnung wirklich von Bonifaz I. stammt, muß dahin-
gestellt bleiben. Jedenfalls bestand sie zu Rom zur Zeit, da der erste Teil des Papstbuches
mit der Vita Bonifacii entstand, d. i. in der Frühe des 6. Jahrhunderts.
(12) Duch. L. P. 1,174,177; I, Introduction CXLVI; Cvpr. Vita s. Caes. n.23 (M. 67,1012).
(13) Ducn. L.P. I, 374. (14) Ebd. 271. (15) M.89, 290: Hie quoque turibulum capitellis
undique cinetum — Pendet de summo, fumosa foramina pandens — De quibus ambrosiam
spirabunt tura sabaea — Quando sacerdotes missas öftere iubentur. (16) M. 06, 1344.
602 VASA NON SACRA, DRITTER ABSCHNITT. DAS RAUCHFASS
zugleich zwei Männer beauftragte, dafür zu sorgen, daß stets Weihrauch in demselben
brenne. (17) Noch beute befindet sich ein Hängerauchfaß in der Kathedrale zu Santiago
de Compostela. Es hängt vom Gewölbe der Vierung herunter, ist fast a m hoch und heißt
el botafumeiro.
der nichlpontifikalen und pontifikalen feierlichen Messe sagen, ist lediglich der Niederschlag
des Brauches, wie er sich bezüglich derselben zu Ende des Mittelalters in Rom befestigt hatte.
Der theoretischen Einheitlichkeit, wie sie durch das Römische Missale und das Caeremoniale
geschaffen wurden, entsprach freilich nicht ebenso Einheitlichkeit in der Praxis. Auch wo
beide in den Gebrauch übergingen, hielt man bezüglich der Inzensationen vielfach an dem
Brauch fest, wie er bis daliin bestanden hatte.
Wie sich die Inzensationen bei der Feier der Liturgie in den Riten des Ostens
entwickelten, auch nur in großen Zügen darzustellen, davon muß hier abge-
sehen werden, nicht bloß darum, weil das außerhalb der Grenzen dieser Arbeit
liegt, sondern namentlich wegen der äußersten Mangelhaftigkeit des darüber
vorliegenden Quellenmaterials. Es gilt das selbst hinsichtlich der Inzensationen
bei der Liturgiefeier des griechischen Ritus, bezüglich deren wir noch verhält-
nismäßig am besten unterrichtet sind. (25)
Gegenstand synodaler Verordnung sind die liturgische Inzensation bei der
Messe und das zu ihr dienende Gerät nur sehr selten gewesen. Hinkmar von
Reims (26) und die Generalsynode von Rouen des Jahres 878 (27) bestimmten,
jeder Priester soll ein Rauchfaß und Rauchwerk haben, um bei der Lesung
des Evangeliums sowie nach der Opferung — nach dieser über die Opfer-
gaben — die vorgeschriebenen Inzensationen vornehmen zu können. Konsti-
tutionen englischer Bischöfe und englischer Synoden des i3. Jahrhunderts nen-
nen unter den liturgischen Geräten, die in jeder Pfarrkirche vorhanden sein
sollten, auch das Rauchfaß, wie die Statuten der Synode von Worcester von
12/to (28) und der Synode von Exeter von 1287 (29) sowie eine Konstitution
des Erzbischofs von York Walter Gray von 1248, (30) des Erzbischofs von
Canterbury Johannes Peckham von 1281 (31) und des Erzbischofs von Canter-
bury Robert von Winchelsey von i3oo. (32) Übrigens hatten auch die Synoden
wenig Anlaß, sich mit dem Rauchfaß zu beschäftigen, da, wie die Inventare
bekunden, meist allenthalben ein solches vorhanden war.
DRITTES KAPITEL
BENENNUNGEN DES RAUCHFASSES
(25) Vgl. Atchley a.a.O. 269 ff. (26) Capit. n.6 (H. V, 392). (27) C.l (H.VI, 205).
(28) C.1 (H.VII, 331). (29) C. 12 (ebd. 1088). (30) Ebd. 431. (31) Ebd. 878.
(32) Ebd. 1212. (1) Dcch. L. P. I, 174, 177, 233; II, 49, 75, 81.
604 VASA NO<\ SACRA. DRITTER ABSCHNITT. DAS RAUCHFASS
im Papstbuch das Rauchfaß bereits in den Vitae Paschalis. I. und Leos IV. (2)
thuribulum genannt.
Die Benennung thuribulum findet sich schon in Cyprians Lebensbeschreibung
des heiligen Cäsarius, Bischofs von Arles (-j- 542), in dem Capitulare und in dem
Breviarium ecclesiastici officii, (3) in Aldhelms Gedicht auf die von Bugge er-
baute Basilika, (4) im sogenannten Gelasianum (5) und in dem gallikanisch be-
einflußten Ordo der Taufskrutinien, dem siebten Mabillons, (6) hier neben
thymiamaterium. (7) Im g. und io. Jahrhundert bezeugen ihren Gebrauch bei-
spielsweise das Inventar von Staffelsee von etwa 8io, (8) die Vita des heiligen
Ansegisus (+833), (9) das Inventar des Klosters Centula von 83i, (10) das
Testament des Grafen Eberhard von Friaul von 867, (11) eine Schenkung Al-
fons' IL von 812 für die Kathedrale von Oviedo, (12) des Königs Ordono für
S. Julian de Samos von 922 (13) und des Bischofs Oveco von Leon (f o,5o) für
S. Juan de la Vega, (14) ein Inventar der Kathedrale zu Nevers aus dem
10. Jahrhundert, (15) der 2., 5. und 6. römische Ordo Mabillons, (16) die
Kapitula Hinkmars von Reims und andere. Seit der Wende des ersten Jahr-
tausends aber wird das Rauchfaß, von einigen vereinzelt auftretenden Benen-
nungen abgesehen, allgemein, auch in Italien sowie im besondern auch zu Rom,
nur mehr thuribulum genannt. Die Belege hierfür sind so zahlreich, daß es
sich erübrigt, auch nur einzelne derselben anzuführen.
Eine nur selten vorkommende Benennung des Rauchfasses ist incensorium.
So wird es in älterer Zeit mit incensorium bezeichnet im Inventar von Centula
von ca. 800, (17) im 5. Ordo Mabillons (18) sowie im Testament Riculfs von
Eine von Qi5, (19) im spateren Mittelalter in einem Ordinarium von St-Martial
zu Limoges, (20) in Wilhelms von Malmesbury Schrift De antiquitate Glasto-
niensis ecclesiae (21) und in einem südfranzösischen Inventar von idij). (22)
Von Bedeutung wurde die Bezeichnung jedoch dadurch, daß sie im späten
Mittelalter in Frankreich als encensier, in England als censer, in Spanien als
encensero, heute incensario, in die Volkssprache überging. Dos encenseros de ar-
gent, heißt es in einem Inventar von Barbastro von i325, (23) a pair of1 great
censers, sÜver and gilt, im Inventar der Kathedrale von Lincoln von i536. (24)
Für encensier (enchensier, ancensier) als volkssprachliche französische Benen-
nung des Rauchfasses — heute encensoir — bieten die vielen französisch abge-
faßten Inventare des ii. und i5. Jahrhunderts ebensoviele Belege, wie z.B.
das Inventar der Schloßkapelle zu Hesdin von i32i, (25) der Königin Kiemen-
tine von i328, (26) der Johanna von Presles von i3i7, (27) der Kathedrale zu
Cambrai von 135g, (28) Karls V. von 1379, (29) des Herzogs Jean von Berry
(2) Ebd. II, 57,119,127. (3) Atti della Pontificia Accademia Romana di Archeologia, Me-
moriell (1923) 190. (4) M. 89,290. (5) N. XXXIV (Wilson 50). (6) N. 10 (M. 78, 999.
(7) N. 10 (M. 78,999). (8) M.G. Lkgks, Cap. 1,251. (9) N. 7 (M.105,739). (10) Hariui.fi,
ChroD. Cent. 1.3, c. 3 (M. 174,1257). (11) Dehaisses, Doc. 10. (12) Florfz XXX VII, 313.
<18> YEPEZ ni) app. f. 20. (14) Florez XXXIV, 454. (15) Revue XL (1890) 247.
(16) N.9 (M.78, 972); n. 5 (ebd. 986); n.l (ebd. 989); diese wohl ebenfalls infolge außer-
römischen Einflusses. (17) Harhilfi, Chron. Cent. 1.2, c. 6 (M. 174, 1248).
(18) N. 7 (M. 78, 987). (19) M. 132, 468. (20) Atchley 218. (21) M. 179, 1705.
(22) DC. IV, 323. (23) Florez XLVIII, 226. (24) Dccdale I (1846) 1279.
(25) Dehais>es, Doc. 235. (26) Revue XLI (1892) 415. (27) Revue XLI (1892) 496.
(28) Dehais.nes, Doc. 403. (29) Labarte 54.
DRITTES KAPITEL. BENENNUNGEN 605
von iioi/3, (30) Philipps des Kühnen von i4o4, (31) der Kathedrale zu Cam-
brai von ido*, (32) Karls VI. von i4i8, (33) der Abtei St-Denis von i5o5 (34)
und andere. Die heutige Schreibweise encensoir entstammt erst der nachmittel-
allerlichen Zeit.
Fumigalorium erscheint als Benennung eines Rauchfasses griechischer Her-
kunft im Verzeichnis der liturgischen Geräte, die Papst Viktor III., vorher
unter dem Namen Desiderius, Abt von Montecassino, seiner früheren Abtei
hinterlassen hatte. (35)
In dem angelsächsisch abgefaßten Testament Leofrics von Exeter (f 107 2) (36)
und in einem angelsächsischen Verzeichnis der von Ethelwold von Winchester
um 970 dem Benediktinerkloster zu Peterborough geschenkten liturgischen
Geräte (37) heißt das Rauchfaß storkille.
VIERTES KAPITEL
MATERIAL DES RAUCHFASSES
Als Material zur Herstellung des Rauchfasses konnte nur Metall in Betracht
kommen. Honorius von Autun spricht, wo er das Gerät symbolisch deutet, von
Rauchfässern aus Gold, Silber, Kupfer und Eisen, hat also ersichtlich Rauch-
fässer aus allem diesem Material gekannt. (1) In der Tat wissen denn auch die
Inventare bis zum Ende des Mittelalters nicht nur von Rauchfässern aus un-
edlem Metall, sondern auch von solchen aus Silber, ja aus Gold zu berichten.
Von silbernen Rauchfässern ist in ihnen sogar außerordentlich oft die Rede.
So schon im Papstbuch in der Vita Xvstus'III. (432—44o), Stephans IV. (816—817),
Paschalis"I. <8n—824), Gregors IV. (827—844), Sergius'II. (844—847) und LeosIV.
(847—855), in den Gesta abbatum Fontanellensium, (2) in der Vita s.Ansegisi, (3) dem
Inventar von Staffelsee von etwa 810, (4) dem Verzeichnis der von Angilbert um 800 für
Centula beschafften liturgischen Geräte, (5) dem Inventar von Ccntula aus dem Jahre 831 (6)
und dem Inventar von St. Trond von 870, (7) im Testament des Grafen Eberhard von Friaul
von 867 (8) und des Bischofs Riculf von Eine von oi5, (9) in Schenkungen des Königs
Athelstan von q3o (10) und 0,34, (11) im Verzeichnis der vom Bischof Ethelwold von
Winchester dem Kloster Peterborough gespendeten liturgischen Geräte, (12) um wenigstens
aus dem ersten Jahrtausend etliche Belege anzuführen; denn aus den Inventaren der Folge-
zeit Beispiele zu nennen, ist wegen der übergroßen Zahl derselben nicht angängig, aber auch
überflüssig. Erhalten haben sich aus altchristlicher Zeit und dem frühen Mittelalter keine
silbernen Rauchfässer; aus spätromanischer Zeit giht es deren je eines im Dom zu Trier und
>m Historischen Museum zu Basel, die einzigen ihrer Art, die überhaupt aus derselben auf
uns gekommen sind. Aus der Zeit der späten Gotik ist noch eine größere Zahl silberner
Rauchfässer vorhanden. So finden sich solche in St. Alban zu Köln, in der Pfarrkirche zu
(30) Guiffrey II, 8. (31) Deiiaisses, Doc.830. (32) Deiiaisnes, Doc.811. (33) Dotet
k'Arcq II, 380. (34) Omost 24. (35) Chron. Casin. 1.3, c. 74 (M.G.SS. VII, 753).
(36) F. A. Warner, The I.eofric missal (Oxford 1883) Introd. XXII.
(37) Dugdale I (1846) 382.
(1) Gemma animae 1.1, e. 12 (M. 172, 548). (2) C. 16 (M. G. II, 292). (3) N. 7 (M. 105,
739). (4) M G.Leges, Cap. I, 251. (5) Harjxi.fi, Chron. Cent 1.2, c. 6 (M. 174, 1248).
(6) Ebd. 1 3 c. 3 (1. c. 1257). (7) Dehaisnes, Doc. 13. (8) Dehaisnes, Doc. 10.
(9) M.132, 468. (10) Dugdale I (1846) 234. (11) Symeokis Dunelm., Hist de s. Cuth-
herto I (London 1882) 211. (12) Dugdale I (1846) 382.
606 VASA NON SACRA. DRITTER ABSCHNITT. DAS RAUCHFASS
cescozu Assisi von 1370, (34) im Inventar der Westmmsterkirche zu London von i388, (35)
des Domes zu Freising von i/|56, (36) der Kathedrale zu York von etwa i5oo und manchen
andern. Am gewöhnlichsten beließ man allerdings silberne Rauchfässer ohne Vergoldung.
Natürlich empfahl es sich nicht, in silberne und noch mehr in goldene Rauch-
fässer die Kohlen unmittelbar hineinzulegen. Man versah sie deshalb wie heute
mit einem zur Aufnahme der Kohlen bestimmten Einsatz, einer Feuerschale,
im Inventar des Apostolischen Stuhles von 1295 concula, im Inventar von
St. Paul zu London von iaa5 scutella genannt. Die Feuerschale der in jenem
erwähnten goldenen Rauchfässer bestand aus Silber; die silbernen Rauchfässer
im Inventar von St. Paul zu London hatten einen Einsatz aus Rronze oder
Kupfer. Übrigens ist in den Inventaren nur selten von dem Einsatz, mit dem
die Rauchfässer aus Edelmetall versehen zu werden pflegten, die Rede, teils
weil er in der Regel aus minderwertigem Metall gemacht war, teils weil er ein
selbstverständliches Zubehör des Rauchfasses bildete, das deshalb keiner Er-
wähnung bedurfte. Nach dem Ornatus ecclesiasticus Myllers soll für die Kohlen
in dem Rauchfaß ein eiserner Rehälter angebracht werden. (37)
Von Rauchfässern aus Kupfer oder Bronze vernehmen wir in den mittel-
alterlichen Inventaren nicht so oft wie von silbernen, ja nicht viel häufiger als
von goldenen. Erwähnt wird ein turabulum cuprinum im Inventar von Staffel-
see von etwa8io, ein turibulum hereum in einer Schenkung Alf ons'II. von 812,
ein turibulum aeneum in einem Inventar von St-Rertin von 867, (38) ein thuri-
bulum ex cupro im Inventar des Klosters Centula von 83i und von St-Trond
von 870, (39) ein aeren storcille im Verzeichnis der von Ethelwold von Win-
chester der Abtei Peterborough um 970 geschenkten liturgischen Geräte. (40)
Als Inventare aus späterer Zeit, die Rauchfässer aus Kupfer oder Bronze —
meist zugleich mit einem oder mehreren silbernen —- vermerken, seien z. B.
genannt ein Inventar der Pfarrkirche zu Wörthsee in Kärnten von ca. 1000, ein
Verzeichnis der vom Priester Felix dem Michaelskloster bei Leon, seiner Stif-
tung, 1029 geschenkten liturgischen Geräte, (41) ein Inventar von S. Ambrogio
zu Mailand aus dem 11. Jahrhundert, (42) ein Inventar des Domes zu Krakau
von 1110 (43) sowie ein Inventar der Kathedrale zu Rouen aus dem 12. Jahr-
hundert. (44)
In den Inventaren des 12.—16. Jahrhunderts hören wir kaum je von Rauchfässern aus
Bronze, Kupfer und Messing, doch wäre es verkehrt, daraus zu folgern, es seien solche
damals nur wenig in Gebrauch gewesen. Die ungemein große Zahl von Rauchfässern dieser
Art, die sich dank vor allem der Geringwertigkeit ihres Materials, die sie vor dem Untergang
bewahrte, aus jener Zeit erhalten haben, zumal in Deutschland, aber auch in Belgien, Spa-
nien, Italien und dem Norden, beweist das gerade Gegenteil. Die älteren bestehen aus-
nahmslos aus Bronze oder Kupfer, die jüngeren auch aus Messing, besonders im ausgehen-
den Mittelalter. Im 17. und 18. Jahrhundert wurde das Rauchfaß mit Vorliebe aus Messing
gemacht. Immer war das bei nichtfeierlichen Gelegenheiten zur Verwendung kommende
Rauchfaß damals auch in begüterten Kirchen aus Messing hergestellt
(34) Arch. Franc. VII (1914) 297. (35) Archaeologia LH (1890) 227.
(36) Anzeiger, N.F.XV (1868) 15. (37) C.67; München 1591, S. 125.
(38) M.G.SS.XIII, 634. (39) Dehaiskes, Doc. 13. (40) Dugdale I (1846) 382.
(41) Florez XXXVI, app. XXXIV. (42) M. Magisthetti, Delle vesti eccl. in Milaao
(Milano 1879) 79: Turibula 3, 2 maiora de oricaleo. (43) Essenwein, Anh. XXXIII.
(44) Revue XXXVI (1886) 461.
608 VASA NON SACRA. DRITTER ABSCHNITT. DAS RAUCHFASS
FÜNFTES KAPITEL
FORMALE BESCHAFFENHEIT DES RAUCHFASSES
Über die Form, die das zu den liturgischen Räucherungen dienende Rauch-
faß in altchristlicher Zeit und im frühen Mittelalter, das ist bis etwa zur Wende
des ersten Jahrtausends, hatte, sind wir direkt nur sehr ungenügend unter-
richtet. Im Westen hat sich nur eines aus dieser Zeit erhalten, das wir wohl als
liturgisch anzusprechen haben, ein in den Ruinen einer 6si zerstörten altchrist-
lichen Basilika zu Clapavice bei Salona gefundenes Rauchfaß. (1) Es ist sechs-
seitig, sitzt auf drei Füßchen, hat einen pyramidenförmigen, unten von einer
Folge rundbogiger Arkaden durchbrochenen, von einem Täubchen bekrönten
Deckel und ist mit drei kurzen Ketten versehen, die am Rand des Feuerbeckens
in Ösen befestigt sind und sich an ihrem oberen Ende in einem Ringe vereini-
gen (Tafel 127). Nichtliturgische, der privaten Frömmigkeit oder dem häus-
lichen Leben dienende Rauchfässer, die uns indirekt über die Form des litur-
gischen Rauchfasses einigen Aufschluß geben könnten, haben sich im Westen
aus dem ersten Jahrtausend nicht erhalten.
Abendländische Bildwerke aus der Zeit bis etwa 1000, auf denen uns ein
liturgisches Rauchfaß begegnet, sind namentlich ein Mosaik in S. Vitale zu
Raverma (TafeliaG), ein Mosaik in S.Apollinare in Classe, beide aus dem Ende
des zweiten Viertels des 6. Jahrhunderts sowie vielleicht auch die Reliefs eines
altchristlichen Sarkophags in S. Marco zu Venedig, in dem später der Doge Moro-
sini heigesetzt wurde {Tafel 126), ferner ein Elfenbeinrelief auf dem Deckel
und eine Miniatur im Text des Sakramentars Drogos von Metz (f 855), eine
Elfenbeinrelief im Viktoria-und-Albcrt-Museum zu London aus dem 9. Jahr-
hundert (Tafel 126) (2) sowie zwei zueinander gehörende Elfenbeinreliefs eines
Ruchdeckels im Louvre. (3)
Das auf den Mosaiken zu Ravenna und in Classe wiedergegebene Rauchfaß stellt einen
zylinderförmigen, an drei Ketten hangenden, mit drei Füßclien versehenen deckellosen
Feuerbchälter dar, die Rauchfässer auf dem Sarkophag des Dogen Morosini einen halb-
kugeligen Feuerbehälter mit niedrigem, aus zwei Wülsten bestehenden Untersatz, halb-
eiformigem, von einem durchbrochenen Knauf bekröntem Deckel und drei oben in einem
Kreuz zusammenlaufenden, anscheinend s langen artigen Haltern. [Das Rauchfaß auf dem
Elfenbeinrelief und der Miniatur des Drogosakramentars hat einen deckellosen schalen-
förmigen Feuerbehälter, niedrigen Fuß in Form eines abgestumpften Kegels und drei
oben sich vereinigende Ketten als Halter. Ähnlicher Art ist das Rauchfaß auf den Elfen-
beinreliefs des Louvre, während das auf der Elfenbeintafei im Viktoria-und-Albert-Museum
dem auf dem Sarkophag in S. Marco dargestellten gleicht und zwar insbesondere auch in
Bezug auf den Deckel, der jedoch eines Knaufes als Abschluß entbehrt. Auch enden die
Ketten oben nicht in einem Kreuz, sondern in einer auf dem Scheitel mit einem Ring
versehenen Kugel. Was uns sonst noch auf abendländischen Bildwerken bis zur Wende des
ersten Jahrtausends an Rauchfässern begegnet, wie namentlich auf der mehrfach vor-
kommenden Darstellung des Ganges der drei Marien zum Grabe, gibt keine liturgischen
Rauchfässer wieder. Immerhin gewähren uns auch diese Bildwerke indirekt insofern Auf-
^Nim^o Bullet, de archeol. crist. XIV, 197. (2) Vgl. auch A. Goldschmidt, Elfenbein-
. turen I (Berlin 1914) Tfl. VIII. (3) Abb. ebd. Tfl. LXI.
FÜNFTES KAPITEL. FORM. 1. BIS ZUM 11. JAHRHUNDERT 609
Schluß über die Form des liturgischen Rauchfasses, als das auf ihnen sich findende Rauch-
faß dem liturgischen nachgebildet sein wird. Das Bild, das sie von dem Rauchfaß bieten,
entspricht der Darstellung desselben auf dem Elfenbeinrelief und der Miniatur des Drogo-
sakramentars. (4)
Das gilt insbesondere auch von jenen Rauchfässern ans Bronze, die mit religiösem Bildwerk
Szenen aus dem Leben des Herrn, vereinzelt auch Heiligenbüsten, verziert sind, wie fünf der
Rauchfässer im Kaiser-Friedrich-Museum (Tafel 126), die zwei im Museum zu Odessa,
das Rauchfaß im Bargello, die Rauchfässer im Britischen Museum, oder mit dem Mono-
gramm Christi, wie das Rauchfaß im Museum zu Mannheim (Tafel 126). Denn erstens
sind weder die religiösen Darstellungen, noch ein heiliges Monogramm, mit dem sie ver-
ziert erscheinen, ein Beweis, daß sie liturgischen Charakter hatten, da in altchristlicher Zeit
und im frühen Mittelalter solche auch als Schmuck von Gegenständen des häuslichen Le-
bens verwendet zu werden pflegten. Außerdem aber stammen auch sie nachweislich fast
alle aus Gräbern.
Läßt sich also auch nach dem Gesagten von keinem der aus dem Osten, zu-
mal aus Ägypten, bekannt gewordenen Rauchgefäßen mit Grund behaupten,
daß es liturgischen Charakter gehabt habe, so sind dieselben doch für die Ge-
schichte des liturgischen Rauchfasses wenigstens insofern nicht ohne Wert, als
uns die dreikettigen, ein rundes Becken, einen niedrigen Zylinder oder ein
sechsseitiges Prisma darstellenden immerhin auch eine Vorstellung von der
Form der gleichzeitig mit ihnen gebräuchlichen liturgischen Rauchfässer geben,
die ja nicht anders gestaltet gewesen sein werden. In der Tat zeigt das ein litur-
gisches wiedergebende Rauchfaß auf zwei Miniaturen des Cosmas Indicopleu-
stes in der Vatikana, die Aaron und Zacharias mit Rauchfaß und Weihrauch-
behälter, den Abzeichen ihres Dienstes, darstellen, (7) sowie auf fünf Minia-
turen der Homilien Gregors von Nazianz aus dem 9. Jahrhundert in der Pa-
riser Nationalbibliothek (Begräbnis eines Apostels, Begräbnis des Cäsarius.
Bruders des heiligen Gregor, Weihe Gregors, Basilius beim kranken Sohn des
Kaisers Valens und Begräbnis Gregors) die Gestalt eines mit niedrigem ring-
förmigem Untersatz sowie mit drei Ketten als Haltern ausgestatteten kleinen
runden Beckens ohne Deckel, dessen auch jene Rauchfässer mit wenigen Aus-
nahmen stets entbehren. (8) Mehr eimerförmig ist das Rauchfaß auf einer das
Rauchopfer des Zacharias darstellenden Miniatur des syrischen Rabulasevange-
liars von 586 in der Laurenziana zu Florenz. (9)
Wie aus dem Gesagten erhellt, ist, was sich über die Form des liturgischen,
das ist zu liturgischen Zeremonien dienenden Rauchfasses für die Zeit des er-
sten Jahrtausends feststellen läßt, recht mangelhaft. Insbesondere gilt das be-
züglich einer etwaigen formalen Entwicklung, die mit ihm in den letzten Jahr-
hunderten desselben wenigstens im Westen vor sich gegangen zu sein scheint
und als Ergebnis das Rauchfaß hatte, wie es uns im n. und 12. Jahrhundert
dort entgegentritt. Immerhin sind wir soweit über die formale Beschaffenheit,
die dem liturgischen Rauchfaß in altchristlicher Zeit und in der ersten Hälfte
des Mittelalters eignete, unterrichtet, daß wir uns ein im großen und ganzen
einigermaßen genügendes Bild von ihr machen können. Es stellte im Osten wie
im Westen bald ein halbkugeliges, bald ein mäßig tiefes kleines Becken, bald
einen niedrigen Zylinder, bald ein niedriges, mehrseitiges Prisma dar. In den
(7) Gahrugci III, tav. 146, 151. Rauchfaß und Weihrauchbehälter sind hier nach Weise
der entsprechenden Geräte im christlichen Kult gestaltet, wie auch sonst alttestamenthehes
Kultgerät in Form des christlichen auf den Bildwerken dargestellt zu werden pflegt.
(8) H.Omont, Fac-Similes des miniat. des plus anc. manuscr. grecs (Paris 1902) 1*1.22,
23, 25, 31, 40. (9) Garkccci III, tav. 129.
FDNFTES KAPITEL. FORM. IL ZEIT DES ROMANISCHEN STILES 611
beiden letzten Fällen war es mit kleinen Stützchen versehen, in den beiden
ersten saß es auf einem niedrigen, ringförmigen Untersatz. Einen Deckel hatte
es am gewöhnlichsten nicht, wie es scheint. Die Ketten, die an seinem oberen
Rande in Ösen oder Zapfen angebracht waren, damit es zu den Räucherungen
verwendet werden konnte, stets nur drei, vereinigten sich oben in einem Ring
oder einer Kugel. Sie hatten eine geringe Länge, so daß das Rauchfaß immer
bloß mit einer Hand gehalten wurde (Tafel 127).
Über die Form, welche das Rauchfaß im Westen, seit der Wende des ersten
Jahrtausends bis ins i3. Jahrhundert zeigte, sind wir durch die vielen Rauch-
fässer, die sich aus dieser Zeit erhalten haben, so gut unterrichtet, daß es als
Ergänzung derselben nicht auch noch der bezüglich ihrer Einzelheiten nicht
immer genügend zuverlässigen Darstellungen des Rauchfasses bedarf, die sich
auf abendländischen Bildwerken des 11., 12. und i3. Jahrhunderts finden.
Ein Untersatz, der ein Hinstellen des Rauchfasses gestattete, fehlt demselben
nie. Er besteht bald bloß in einem schmalen Ring oder Wulst, bald in einem
niedrigen Kegelstumpf, bald endlich in einer niedrigen abgestumpften viersei-
tigen Pyramide. Bei einem dem 12. Jahrhundert entstammenden Rauchfaß der
Schnütgensammlung gesellen sich zu dem unter der Feuerschale angebrachten
Wulst drei kleine Füßchen. (10) Lediglich mit drei kleinen Füßchen versehen
sind zwei Rauchfässer im Nationalmuseum zu Kopenhagen. In der Regel ist
der Untersatz völlig schmucklos, auch wenn er die Form eines Kegel- oder
Pyramidenstumpfes hat. Ein Fuß, der durch vertikal verlaufende Streifen in
mit runden und viereckigen Durchbrüchen belebte Felder aufgeteilt und von
einem schmalen Perlband umrandet ist, wie er uns bei einem Rauchfaß in der
Pfarrkirche zu Heggen in Westfalen (Tafel 129) (11) begegnet, ist eine ebenso
seltene Ausnahme wie der Fuß eines Rauchfasses zu Hellefeld (Tafel 129) und
zu Eversberg in Westfalen, (12) der mit kreuzförmigen bzw. fensterartigen
Durebbrüchen versehen ist, oder der mit Rippen und einer Inschrift ge-
schmückte Fuß eines Prachtrauchfasses im Dom zu Trier (Tafel i3i).
Der Tragketten gab es an den romanischen Rauchfässern bald nur drei, bald
vier. Dazu kam als vierte bzw. als fünfte eine Zugkette, die es ermöglichte, den
Deckel hochzuziehen. Ausdrücklich erwähnen diese letztere bereits Theophilus
m seiner Schedula diversarum artium (13) und Honorius in seiner Gemma
animae (14) als eine bekannte und gewöhnliche Einrichtung des Rauchfasses.
Wenn aber Honorius auch von Rauchfässern mit einer Kette spricht, so handelt
es sich bei solchen zweifellos um Hängerauchfässer; denn zum Inzensieren
waren Rauchfässer mit einer Kette nicht geeignet. Was sich an Rauchfässern
(10) Wenn Witte dasselbe wegen der Akanthusblätter, mit denen es an der Feuerschale
und dem Deckel verziert ist, in die karolingische Zeit setzt, so ist das unzutreffend; akan-
thusartige Blatter kommen als Ornament auch noch im 12. Jahrhundert zur Verwendung.
» (11) Vgl. auch Kd von Westf., Kr. Olpe 48. (12) Kd. von Westf., Kr. Arnsberg, Tfl 28;
Kr.Meschede, Tfl. 9. (13) L.2, c.61; ed.lLG 263. (14) L. 1, c. 12 (M. 172, 548: Si quatuor
lineas habet . . . quinta quae thuribulum ab inviceoi separat; si autem tribus lineis contine-
*** • ■. quarta, quae partes dividit.
612 VASA NON SACRA. DRITTER ABSCHNITT. DAS RAUCHFASS
erhalten hat, hatte ausnahmslos drei oder vier Ketten, die Zugkette nicht ein-
gerechnet. Die Tragketten waren in Zapfen befestigt, die am oberen Rand des
Feuerbeckens angebracht waren und bisweilen die Form von Köpfen hatten,
wie bei einem Rauchfaß im Dom zu Trier (Tafel i3i), im Museum zu Karls-
ruhe und im Antiquarium zu Mannheim, gingen durch Zapfen, die sich am
Rand des Deckels befanden, hindurch und endeten oben an einem mit einem
Ring versehenen Halter, der bald nur aus drei oder vier Armen bestand, bald
Scheiben- oder Kegelform hatte, bald eine Rosette, einen Stern oder ein blu-
menartiges Gebilde darstellte. Circalus nennt ihn Honorius in seiner Gemma
animae, lilium Theophilus in seiner Schedula. j
Beispiele reich gegliederter und reich ornamentierter Halter bieten das Rauchfaß im
Museum zu Karlsruhe, ein Rauchfaß in der Kapelle zu Menne in Westfalen (Tafel i3o),
Kr. Warburg, sowie ein Rauchfaß im Historischen Museum zu Basel. Mit Email verziert war
ein kegelförmiger Halter eines Rauchfasses Limoger Herkunft in der ehemaligen Samm-
lung Bardini (Tafel 128). Eine drei blätterige lilicnförmige Blume stellt der Halter eines
Rauchfasses aus St. Daniel in Kärnten (15) dar, einen mit einem Kranz lanzettförmiger
Blätter ornamentierter Kegel der Halter eines Rauchfasses im Museum des Parc du Giquan-
tenaire zu Brüssel. Die Form einer vierblättrigen Lilie hat der Halter eines Limoger Rauch-
fasses im Historischen Museum zu Stockholm, (16) die einer aus vier größeren und vier
kleineren Blättern bestehenden Blume ein romanisches Rauchfaß aus Silber im Historischen
Museum zu Basel. (17) Ein Achteck mit leicht nach innen gekrümmten Seiten stellt der flache
Halter eines Rauchfasses im Diözesanmuseum zu Lüttich dar. (18) Die Zugkette war an
einem oben auf der Spitze des Deckels des Rauchfasses vorgesehenen Ring angebracht und
reichte bis zum Halter der Tragketten, an dem sie entweder gleich diesen mittels eines
Ringleins oder einer Öse festgemacht, wie Theophilus angibt, (19) oder durch den sie
hindurch geführt wurde. Daß man die Tragketten wenigstens in ihrem unteren Teil auch
schon bei romanischen Rauchfässern durch dünne Eisenstäbe ersetzte, wie es später bei
den gotischen häufig geschah, bekundet ein Rauchfaß im Germanischen Museum zu Nürn-
berg, bei dem sich die Stäbe noch erhalten haben (Tafel i3o).
neten Vögeln und Vierfüßlern, die Ranken eingefügt sind, bzw. phantastischen Tierfiguren
in großen, halbkreisförmigen Medaillons und romanischem Blattwerk in den Zwickeln dieser
letzteren ist verziert ein Rauchfaß im Antiuuarium zu Mannheim, ein ähnliches im Museum
zu Lille (Tafel 127) sowie ein Rauchfaß im Dom zu Trier (Tafel i3i). Bei Rauchfässern,
deren Feuerbecken Durchbräche aufwies, bedurfte es immer eines Einsatzes für die Kuhlen.
Nicht durchbrochenes Rankenwerk, dem die Figuren der drei Jünglinge im Feuerofen
eingefügt sind, zeigt als Schmuck das Feuerbecken eines Prachtrauchfasses zu Trebnitz, nur
Rankenwerk dieser Art als Füllung von Halbkreisen das eines Rauchfasses zu Alverskirchen
in Westfalen, (21) einen Kranz von Palmetten in Flachrelief das Feuerbecken eines Rauch-
fasses im Museum des Parc du Cinquantenaire zu Brüssel (Tafel ia8), sowie seiner Gegen-
stücke im Kunstgewerbemuseum zu Frankfurt und im Historischen Museum zu Stock-
hohn, (22) eines Rauchfasses aus St. Daniel in Kärnten (23) und eines weiteren in der Samm-
lung Lazaro zu Madrid. Mit Email, Blatt- und Rankenwerk sowie auch wohl Halbfigurcn
von Engeln, das jedoch heute meist aus seinen Gruben herausgefallen ist, waren manche der
Limogcr Rauchfässer um das Feuerbecken herum geschmückt. Zwei Rauchfässer dieser Art
gibt es im Bischof Hellen Museum zu Vieh; ein anderes befand sich in der ehemaligen Samm-
lung Bardini (Tafel 128). Ein Beispiel, an dessen Becken Engel mit Rankenwerk wechseln,
besitzt das Märkische Museum zu Berlin. Am Feuerbecken eines Limoger Rauchfasses im
Historischen Museum zu Stockholm, stehen die in Gold auf Emailgrund ausgesparten Engel,
mit denen dasselbe verziert ist, auf Buckeln, die es im Kranz rings umgeben. (24)
Bei manchen der Rauchfässer des dritten Typus treten diese Flächen mehr oder
weniger vor, so z. B. bei einem Rauchfasse zu Ruppichteroth im Siegkreis, (26)
im Dom zu Trier (Tafel i3o) und auf Schloß Tratzberg in Tirol, (27) bei
Rauchfässern zu Hellefeld (Tafel 129), Lichtenau, Bausenhagen und Evers-
berg in Westfalen sowie bei einem Rauchfaß aus östra Ryd im Historischen
Museum zu Stockholm, (28) Beliebt war es, aus den Flächen in der Mitte einen
erkerartigen Ausbau in Form einer Viertelkugel oder einer halben Kalotte her-
auswachsen zu lassen und zwar ebensowohl aus vorspringenden wie nichtvor-
springenden. Die vorhin genannten Rauchfässer zu Hellefeld, Bausenhagen und
Eversberg, das Rauchfaß im Dom zu Trier, Rauchfässer zu Ualve (Tafel 12g)
und Heggen (Tafel 129) in Westfalen, ein Rauchfaß in belgischem Privat-
besitz, (29) im Nationalmuseum zu Kopenhagen u. a. bieten gute Belege für
die Einrichtung. Sie bekunden zugleich, daß der Vorsprung auch wohl mit
Durchbrüchen versehen zu werden pflegte. Beispiele von Rauchfässern, bei
denen die Vorsprünge fehlen, sind das Rauchfaß zu Ruppichteroth, ein Rauch-
faß zu Bibra (30) und das Rauchfaß aus östra Ryd im Museum zu Stockholm.
Bei den beiden letzten enthalten die vier Flächen durchbrochen gearbeitete Per-
sonfikationen der Paradiesflüsse. Bei dem Rauchfaß zu Lichtenau und einem
Rauchfaß im Germanischen Museum zu Nürnberg (Tafel i3o) hat der Vor-
sprung die Form eines Kopfes. Bei dem romanischen Rauchfaß im Historischen
Museum zu Basel bauchen sich alle vier Flächen des Feuerbeckens ganz aus, so
daß dasselbe, von oben gesehen, vierpaßförmig erscheint. Um ein Rauchfaß mit
Feuerbecken des dritten Typus handelt es sich, wie es scheint, schon in c. 60 der
Schedula des Theophilus. Jedenfalls reicht derselbe in das 12. Jahrhundert
zurück. Was sich an Rauchfässern, die ihn zeigen, erhalten hat, findet sich ent-
weder noch auf deutschem Boden oder stammt doch anscheinend aus Deutsch-
land. Deutschland dürfte darum auch wohl als seine Heimat anzusehen sein.
Das Feuerbecken des vierten Typus ist nicht mehr als Kugel gedacht, es stellt
vielmehr einen unten in ein Rund übergeführten Würfel dar. Es ist eine Abart
der Feuerbecken des dritten Typus, von denen ja auch nur mehr ein kurzer
Schritt zu ihm war.
Zwei vorzügliche Beispiele eines Feuerbeckens des vierten Typus bieten ein Rauchfaß
aus Buchholz im Dom zu Trier (Tafel i3i) und ein weiteres in der Sammlung des Prie-
sterseminars zu Freising (Tafel i3o). Die nahe Verwandtschaft ihres Feuerbeckens mit
denen des dritten Typus ist unverkennbar. Die Überführung des quadratischen Beckens zum
runden Fuß ist beim Trierer Rauchfaß erfolgt mittels durchbrochenen Rankenwerks, dem
unter den Vorsprüngen der Seiten je eine unbekleidete männliche Figur, vielleicht Per-
sonifikationen der Paradiesflüsse eingefügt sind, beim Freisinger, dessen vier Seiten zwei
Drittel eines Sechsecks darstellen, durch vier Rauten. An den Ecken zeigt jenes die Halb-
figuren Aarons, Moses', sowie der Propheten Isaias und Jeremias, aus deren Köpfen die
Tragketten aufsteigen, dieses vier Köpfe, denen am Deckel Türmchen entsprechen. Andere
Beispiele bieten zwei Rauchfässer, von denen sich eines in der Kapelle zu Menne, Kr. War-
burg (Tafel i3o), das andere in der Pfarrkirche zu Brakel, Kr. Höxter, (31) erhalten hat. Es
(26) Abb. in Kd. der Rheinpr. V, 880. (27) Atz 331. (28) Hildenbrasd III, 728.
(29) Abb. in L'art ancien ä l'exposit. nat. beige (Bruxelles 1882) 6.
(30) Abb. in Kd. von Sachsen-Altenburg, Bz. Kahla 72.
(31) Abb. des zweitenin Kd. von Westf-, Kr. Höxter, Tfl. 20.
FÜNFTES KAPITEL. FORM. II. ZEIT DES ROMANISCHEN STILES 615
sind Gegenstücke und Arbeiten desselben Meisters. Die Verschiedenheiten zwischen beiden
sind gering und unwesentlich. Die vier Seiten des Feuerbeckens sind bei ihnen dreieckig;
zum niedrigen, ringförmigen Fuß werden sie durch gleichseitige Dreiecke mit gekrümmter
Grundlinie, die sich aus drei kleineren Dreiecken zusammensetzen, übergeleitet. Die Ver-
wandtschaft des vierten mit dem dritten Typus zeigen die eine Viertelkugel darstellenden
Ausbauten, die aus den Seiten des Feuerbeckens herauswachsen. Sowohl die Seiten des
Beckens, wie deren Ausbauten und die zum Fuß überführenden Dreiecke sind durchbrochen.
Ihre Füllung besteht teils aus Ranken, teils aus phantastischen Tiergestalten. Durchbrechun-
gen in Form von Dreipässen in den Winkeln der Seiten des Feuerbeckens weisen deutlich
darauf hin, daß die Rauchfässer wohl erst in der Mitte des 13. Jahrhunderts entstanden,
während das Trierer und Freisinger dem späteren 12. Jahrhundert entstammen. Bemerkens-
wert ist der Kettenhalter des Rauchfasses zu Menne, der sich erhalten bat. Er stellt eine vier-
blättrige Rosette dar, deren Blätter durch einen ornamentierten Ring verbunden sind und
auf der Oberseite lang sich binlagernde Vierfüßler tragen. Kopien der beiden Rauchfässer
von etwa i5oo befinden sich im Dom und in der Bußdorfkirche zu Paderborn. Nach ihrer
formalen Beschaffenheit denselben fast ohne alle Veränderung nachgebildet, unterscheiden
sie sich von ihnen nur stilistisch. An die Stelle von romanischem Rankenwerk und Tier-
unholden äst bei ihnen als Füllung spätgotisches Maßwerk getreten. (32) Ein Feuerbecken
des vierten Typus zeigt endlich auch ein Rauchfaß im Diözesanmuseum zu Lüttich. Auch
bei ihm fehlt der halbrunde Vorsprung nicht, er setzt sich jedoch nach unten bis zum Fuße
fort, an dem er, immer schwächer werdend, sich verliert (Tafel i3i). (83)
Mit einem Deckel war das Rauchfaß nach dem Brauch des Westens im 11.,
12. und i3. Jahrhundert allgemein ausgestattet. Deckellose Rauchfässer mögen
gelegentlich noch vorgekommen sein, doch waren das sicher nur Ausnahmen.
Auf den Bildwerken jener Zeit dargestellt, weist das Rauchfaß regelmäßig
einen Deckel auf. In des Theophilus Schedula diversarum artium (um 1000)
und in des Honorius Gemma animae (um 1120) erscheint der Deckel als
eine Einrichtung, mit der das Rauchfaß zu versehen selbstverständlich war.
Über die Form des Deckels geben uns die romanischen Rauchfässer, die sich
erhalten haben, allen Aufschluß.
Bei den Feuerbecken des ersten Typus hat der Deckel in der Regel die Form
des Beckens, jedoch natürlich im umgekehrten Sinne. Bei halbkugeligen Becken
ist auch er halbkugelig, bei halbeiförmigen halbeiförmig; bei Becken von der
Gestalt einer halben abgeplatteten Kugel stellt auch er die Hälfte einer solchen
(Tafel 127, 128) dar. Immer ist er mit Durchbrüchen versehen, die sowohl
den brennenden Kohlen die nötige Luft zuführen als dem Rauch Ausgang ver-
schaffen sollten. Bei einfachen Rauchfässern hat man sich begnügt, im Deckel
runde, dreieckige oder viereckige Löcher oder Löcher von Fenster- oder Kreuz-
form anzubringen; bei reicheren hat man ihn mit durchbrochenem Ornament,
fortlaufenden Ranken in Form eines ihn umziehenden Ranken-, Blatt- oder
Palmettenfrieses oder mit halbkreisförmigen, Blattwerk, Ranken oder Tiere als
Füllung aufweisenden Medaillons ausgestattet.
Hervorragende Beispiele solcher Deckel bieten das Rauchfaß im Museum zu Lille (Ta-
fel uz-}), das Rauchfaß im Antiquarium zu Mannheim, ein Rauchfaß im Museum zu Karls-
ruhe, das Rauchfaß aus St. Daniel in Kärnten, das Rauchfaß zu Trebnitz, ein Rauchfaß
im Museum des Parc du Cinquantenaire zu Brüssel (Tafel 138) und seine Gegenstücke im
(32) Abb. in Kd. von Westf-, Paderborn, Tfl. 59 und 95. (33) Terms, L'art ancien au
Pays de Liege I, Tfl. 52.
616 VASA NON SACRA. DRITTER ABSCHNITT. DAS RAUCHFASS
Als Abschluß zeigt der Deckel der Feuerbecken des ersten Typus bei schlich-
ten Rauchfässern einen Zapfen (Tafel 128), einen Knauf, ein Kreuzchen oder
ein kleines Türmchen. Oben mit einem Löchlein oder einem Ring versehen,
dienten dieselben zugleich zur Aufnahme der Zugkette. In der Regel war das
Abschlußstück dem Deckel aufgesetzt, seltener wuchs es aus dem Deckel her-
aus, wie z. B. bei zwei Rauchfässern im Schnütgenmuseum und einem Rauch-
faß im Museum zu Neu-Strelitz, deren Deckel infolgedessen die Form einer
Spitzmütze zeigt, bei einem Rauchfaß im Museum zu Schwerin, bei dem sich
ein Türmchen aus dem Deckel entwickelt (Tafel 127), dem Rauchfaß zu Liede-
kahle sowie einem Rauchfaß im Museum des Parc du Cinquantenaire, bei denen
der Deckel infolgedessen fast eine glockenförmige Gestalt erhalten hat.
Wollte man dem Deckel einen reicheren Abschluß geben, so fügte man zu dem Türm-
chen, das als solcher diente, drei oder vier kleine Giebelbauten sowie auch wohl noch eben-
soviele kleinere Türmchen hinzu, durch die er ein burgartiges Aussehen erhielt, oder versah
es wenigstens mit Ecktürmchen. Beispiele einer solchen reich gestalteten Bekrönung bieten
das romanische Rauchfaß im Antiquarium zu Mannheim, das Rauchfaß aus Immenstaad
im Museum zu Karlsruhe, die Rauchfässer zu Alverskirchen und Trebnitz, ein Rauchfaß im
Museum des Parc du Cinquantenaire zu Brüssel (Tafel 128} und seine Gegenstücke im
Historischen Museum zu Stockholm und im Kunstgewerbemuseum zu Frankfurt, das Rauch-
faß aus Orkesta im Museum zu Stockholm und ein Rauchfaß aus Drottenskyrka daselbst. (S4)
Statt eines Türmchens zeigt das Rauchfaß zu Lille (Tafel 127) auf dem Scheitel des Deckels
den Engel, der den Jünglingen im Feuerofen erschien, auf einem Thron sitzend, und um
ihn herum zu seinen Füßen die drei Jünglinge. Die Bekrönung der Limoger Rauchfässer
besteht in einem runden, unten breiten Aufbau, der sich nach obenzu in zwei Geschossen, die
mit einer dichtgedrängten Folge von schießschartenähnlichen Fensterchen durchbrochen
sind, verjüngt und mit einem kegelförmigen Dach schließt, auf dessen Spitze eine Kugel
mit einem Ring für die Zugkette angebracht ist (Tafel 128).
Eine Ausnahme von der gewöhnlichen Form bildet der Deckel einiger Rauch-
fässer mit Feuerbecken des ersten Typus, der sich, statt die Bildung des Beckens
zu wiederholen, aus einer mit einer Folge dreiseitiger oder trapezförmiger
Durchbrüche an der Seite versehenen Staffel, bzw. aus drei dieser Staffeln und
einem mit einem Kegeldach abschließenden Türmchen als Bekrönung zusam-
mensetzt. Rauchfässer mit derartigem Deckel dürften übrigens nicht viele ent-
standen sein. Ein Beispiel mit dreistaffeligem Deckel findet sich im Schnütgen-
museum (Tafel 128), andere mit einstaffeligem im Museum des Parc du Cin-
quantenaire zu Brüssel und im Nationalmuseum zu Kopenhagen.
Der Deckel der Rauchfässer mit einem Feuerbecken des zweiten Typus ist
stets dem Feuerbecken völlig gleich, nur ist der Grund der Ornamente, mit
denen die Bänder, welche die nasenartigen Buckel scheiden, verziert sind.
(34) Abb. bei Hildebr.vxd III, 730 f.
FÜNFTES KAPITEL. FORM. II. ZEIT DES ROMANISCHEN STILES 617
durchbrochen. Als BekrÖnung sitzt auf dem Scheitel des Deckels stets ein run-
des oder vierseitiges, mit Fensterchen versehenes Türmclien mit kegelförmigem
Dach und Knauf nebst Ring für die Zugkette auf dessen Spitze (Tafel 128).
Der Deckel der Feuerbecken des dritten und vierten Typus ist meist keine
Nachbildung des Feuerbeckens, zu dem er gehört. Aber auch in den nicht zahl-
reichen Fällen, in denen er eine gewisse Formähnlichkeit mit demselben auf-
weist, handelt es sich doch immer um eine mehr oder weniger freie, wie z. B.
bei einem Rauchfaß zu Bibra, (35) dem romanischen Rauchfaß im Historischen
Museum zu Basel, dem Rauchfaß zu Menne (Tafel i3o) und seinem Gegenstück
zu Brakel sowie einem Rauchfaß im Germanischen Museum zu Nürnberg (Ta-
fel i3o). In der Regel ist der Deckel ein selbständiges Gebilde, und zwar ein
vierseitiger turmartiger Bau, das also nicht gleich manchen, der Deckel des
Feuerbeckens des ersten Typus Architekturen nur als Bekrönung aufweist, son-
dern schlechthin eine förmliche ein- oder zweigeschossige Architektur dar-
stellt. Wenn eingeschossig, besteht es aus vier durch ein Rautendach verbun-
denen oder mit Satteldächern versehenen Giebeln, aus Türmchen zwischen den
Giebeln oder in der Mitte der Dachfelder und einem von vier niedrigen Türm-
chen sowie auch wohl noch von sonstigen Miniaturbauten umgebenen Türm-
chen als Abschluß. Ist er zweigeschossig, so schiebt sich zwischen das Dach
und die es bekrönende Architektur als Obergeschoß noch ein über Eck gestell-
tes, kleineres, weiteres Geschoß ein, eine Nachbildung des ersten, des Haupt-
geschosses. Die Giebel haben abweichend von der Form der Seitenflächen des
Feuerbeckens meist die Gestalt von Dreiecksgiebeln, doch sind sie auch wohl
rund- oder spitzbogig. Immer setzt sich der halbrunde Vorsprung, mit dem die
Seiten des Feuerbeckens ausgestattet sind, auch an den Giebeln fort, meist als
dessen Umkehrung, doch auch wohl in Form von türmchenartigen Erkern.
Einen Deckel von der Art des beschriebenen zeigen die zwei Rauchfässer im Dom zu Trier
(Tafel i3o, i3i), das Rauchfaß zu Heggen (Tafel 129), zu Hellefeld (Tafel 129), zuEvers-
berg, zu Balve (Tafel 129), zu Lichtenau und zu Bausenhagen in Westfalen, ein Rauch-
faß in einer belgischen Privatsammlung, ein Rauchfaß in der Sammlung des Priesterse-
minars zu Freising (Tafel i3o), das Rauchfaß auf Schloß Tratzberg in Tirol. Besonders
ausgebildet erscheint diese Deckelform hei einem der Trierer und dem Freisinger Rauch-
faß, bei denen das Feuerbecken fast wie das Untergeschoß des Deckels erscheint. In drei
zu einander versetzt gestellten Geschossen mit spitzbogigen Giebeln baut sich der Deckel
eines Rauchfasses zu Ruppichterroth auf. (36) Aus vier Reihen an Größe abnehmender,
spitzbogiger Giebel, die nicht versetzt, sondern hintereinander angeordnet sind, von
denen daher die der drei oberen in ihrem unteren Teil durch den ihnen vorgelagerten
verdeckt werden, baut sich der eigenartige Deckel eines Rauchfasses mit Feuerbecken
des dritten Typus im Kunstgewerbemuseum zu Dusseldorf auf. Eine nähere Beschrei-
bung der vorbin genannten in Einzelheiten mannigfachst von einander abweichende Bei-
spiele ist nicht angängig, weil zu weit führend, aber auch nicht nötig, da es hier ja
sich nur darum handelt, das darzulegen, was allen diesen Deckeln gemeinsam ist und sie in
ihrer Eigenart und im Unterschied von den Deckeln der Feuerbecken des ersten Typus
kennzeichnet. Auch bilden ja die Abbildungen einiger Rauchfässer mit besonders bezeich-
nendem Deckel eine hinreichende Ergänzung des Gesagten.
(35) Abb. in Kd. von Sachsen-Altenburg, Bez. Kahla 72. (36) Abb. in Kd. der Rheinpr.
Siegkreis 179.
618 VASA NON SACRA. DRITTER ABSCHNITT. DAS RAUCHFASS
Der Deckel des Feuerbeckens des ersten Typus zeigt am häufigsten in Wie-
derholung der Form des Beckens die Gestalt einer Halbkugel. Belege bieten in
größerer Zahl die Rauchfässer im Nationalmuseum zu Kopenhagen. Andere
fitiden sich im Historischen Museum zu Stockholm, im Bischöflichen Museum
zu Münster, im Schnütgenmuseum zu Köln sowie noch an Ort und Stelle in
verschiedenen Kirchen Schleswig-Holsteins. Meist zeigt der Deckel auf dem
(42) Molimer I, Orfevr. relig. Catal. n. 142.
(43) Vgl. oben S. 614. (44) Abb. bei Moi.imer I, Orfevr. relig. n. 142. (45) Catal.
illustr. da exposicao retrospect. em Lisboa (Lissabon 1882) TU, 78.
620 VASA NON SACRA. DRITTER ABSCHNITT. DAS RAUCHFASS
Scheite! ein Türmchen oder eine Gruppe von Architekturen als Bekrönung,
doch hat man ihn auch wohl zum Ersatz für eine solche oben in eine kegelför-
mige Spitze sich auswachsen lassen, etwa in der Mitte der Wölbung aber hat
man ihm in dem einen wie in dem andern Fall bisweilen kleine Dacherker auf-
gesetzt (Tafel i32, Köln, Schnütgenmuseum). Die meisten der Rauchfässer mit
halbkugeligem Deckel dieser Art, die sich erhalten haben, dürften der früheren
Gotik angehören. Daß aber auch noch in der Zeit der spätesten Gotik solche
Rauchfässer entstanden, bekundet ein Rauchfaß zu Grefrath (Kr. Mettmann)
von etwa i5oo, (46) auf dessen halbkugeligem Deckel zwischen vier Dach-
erkern auf vierseitigem Unterbau und versetzt zu ihm ein mit Streben, Fialen,
kielbogigen Giebeln und Maßwerkfenstern ausgestattetes, mit blattverziertem
Knauf abschließendes Türmchen sich als Bekrönung erhebt.
Ein Rauchfaß aus dorn Jahre 1^98 mit halbkugeligem, in eine Spitze auslaufendem
Deckel, der von spätgotischem Maßwerk, einander überschneidenden Kielbogen, gebildet
wurde, befand sich in der ehemaligen Sammlung Spitzer. (47) Ein um fünfsig Jahre jünge-
res Rauchfaß vom Jahre iö/|8 mit einem Deckel derselben Art gibt es im Münster zu Über-
lingen. (43) Ein anderes von Fisenne veröffentlichtes, am Becken mit Buckeln, am Fuß
mit einem Eierstab verziertes Rauchfaß mit halbkugeligem, von Maßwerk, sich überschnei-
denden Kielbogen, gebildetem Deckel, zeigt auf dem Scheitel ein sechsseitiges Törm-
chen. (49) Aus dem Jahre 1/470 stammt laut Inschrift ein Rauchfaß mit halbkugeligem
Feuerbecken und Deckel im Kloster Putna in Rumänien, das unten um den Rand des
Deckels herum mit einer Folge von sechzehn, mit Giebeln abschließenden Nischen umgeben
ist, auf dem Scheitel aber einen zweigeschossigen achtseitigen, von einer Kreuzblume be-
krönten Turm trägt, ein Prachtstück und wofil ungarischer Herkunft (50) Ihm ähnlich, je-
doch ungleich schlichter ist ein Rauchfaß im belgischen Privatbesitz (Tafel i36).
Außer Halbkugel form hatte der Deckel der Rauchfässer mit Feuerbecken des ersten
Typus auch wohl die eines kegelförmigen Helmes oder einer turmartigen Architektur. Bei-
spiele von Feuerhecken dieser Art mit kegelförmigem Deckel gibt es namentlich im Na-
tionalmuseum zu Kopenhagen. Bisweilen sind solche kegelförmige Deckel mit vier kleinen
Erkern besetzt, so daß sie das Bild eines kegelförmigen, mit Dacherkern besetzten Turm-
helmes bieten. Dem kegelförmigen Deckel eines Rauchfasses zu Wusterbarth (51) sowie eines
Rauchfasses im Historischen Museum zu Stockholm, (52) sind unten am Rande Giebel vor-
gelegt, die mit derben Krabben besetzt sind. Rauchfässer mit Feuerbecken des ersten Typus
und kegelförmigem Deckel dürften wohl meist der früheren Gotik entstammen.
Ein sehr bemerkenswertes frühes Beispiel eines turmförmig gestalteten Deckels, dessen
ursprüngliches Feuerbecken, das zweifellos halbkugelig war, in nach mittel alterlicher Zeit
durch ein neues ersetzt wurde und der noch in das i3. Jahrhundert zurückreicht, hat sich
zu Wiedenbrück erhalten. Von Kreisform, gliedert er sich Jn drei an den Seiten mit benasten
Spitzbogenfensterchen versehene Stufen, von denen die unterste vier Giebel trägt. Auf
dem Dach der obersten erhebt sich ein Rundtürmchen. (53) Dem späten 1/4. Jahrhundert
gehört an ein im Viktoria-und-Albert-Museum zu London befindliches Rauchfaß (Ta-
fel i3a) mit halbkugeligem Feuerbecken und Deckel in Gestalt eines zw^igi^chossigen sechs-
seitigen Turmes auf runder, den Übergang zum Becken vermittelnder Platte. Der Deckel
eines Rauchfasses mit halbkugeligem Feuerbecken zu Andenne bei Namur besteht aus einem
sechsseitigen Mittelturm, aus sechs quer zu demselben stehenden, mit Satteldach und Fen-
stern versehenen, auf den Giebelschrägen mit Krabben besetzten Giebelbauten und aus sechs
zwischen letztern angebrachten kleinen Türmchen. Das Rauchfaß dürfte um i^ioo ent-
stünden sein. :'51; Di»' Fi>:-ni id:ies :--:ch~:^iIJirs'n. 'm de:: Erkv:t mit rumli'ii Tiirmeiien ver-
zierten Kuppelbaues hat der Deckel eines dem späten i5. Jahrhundert angehörigea italieni-
schen Rauchfasses mit halbkugeligem Feuerbecken im Schnütgenmuseum zu Köln, die eines
runden, mit vier Türmchen besetzten, und mit vierseitigem Helm abschließenden Turmes
der Deckel eines der gleichen Zeit entstammenden italienischen Rauchfasses mit halbkuge-
ligem Feuerbecken im Kunstgewerbemuseum zu Düsseldorf. Erst im 16. Jahrhundert ent-
stand ein hierhin gehöriges Rauchfaß zu Scheer in Württemberg mit einem Deckel in Gestalt
eines zweigeschossigen, sechsseitigen Turmes mit Giebeln, die in Eselsrückenbogen schließen,
in beiden Geschossen. Es werden die angeführten Rauchfässer nicht die einzigen ährer Art
gewesen sein, doch dürfte die Zahl der mit halbkugeligem Feuerbecken und turmformigem
Deckel ausgestatteten Rauchfässer nie groß gewesen sein.
Der Deckel der gotischen Feuerbecken des zweiten Typus tritt in vier Haupt-
formen auf, die alle ein architektonisch gestaltetes Gebilde darstellen. Die erste
ist ausschließlich dem Deckel jener weitverbreiteten Gruppe von Rauchfässern
eigentümlich, deren Feuerbecken im Anschluß an Feuerbecken romanischer
Rauchfässer in der Mitte der drei oder vier Segmentflächen, mit denen es oben
versehen ist, einen Vorsprung in Gestalt einer Viertelkugel aufweist. Der Deckel
dieser Rauchfässer besteht aus zwei Reihen von je vier oder drei versetzt über-
einander angeordneter Dreieckgiebel, von denen die der untersten, die größten, die
gleich den Segmentflächen des Feuerbeckens und entsprechend denselben einen
viertelkugeligen Vorsprung aufweisen, durch dreieckige, die kleineren der obe-
ren durch rechteckige Flächen verbunden sind, und aus einer zwischen den
oberen Giebeln herauswachsenden runden oder auch mehrseitigen Spitze. Den
Durchlaß des Rauches ermöglichen vierpaßförmige, dreipaßförmige und recht-
eckige Durchbrüche sowie zu Gruppen zusammengestellte runde Löchlein (Ta-
fel i3i, Freising, Priesterseminar und Münster, Diözesanmuseum). Wo die
Heimat dieser sehr bemerkenswerten Gruppe von Rauchfässern war, die abge-
sehen von nebensächlichen Einzelheiten einander fast gleichen wie ein Ei dem
■andern und ersichtlich für den Vertrieb durch den Handel angefertigt wurden,
bat sich noch nicht feststellen lassen. Beispiele wurden schon früher genannt. (55)
Die drei anderen Formen des Deckels finden sich nicht nur bei den Feuer-
becken des zweiten Typus, soweit dieselben nicht zur vorgenannten Gruppe ge-
hören, sondern gleicherweise bei den Feuerbecken des dritten Typus. Die
Deckel der ersten dieser drei Formen bestehen aus vier oder sechs Giebelhauten
mit radial angeordneten Satteldächern, aus denen in der Mitte des Deckels sich
entweder eine pyramidenförmige Spitze entwickelt oder ein Türmchen von der
Art eines Dachreiters aufsteigt. Einfachere Beispiele dieser ersten Deckelart
sind ein Rauchfaß der ehemaligen Fürstlich Hohenzollerischen Sammlung so-
wie ein Rauchfaß im Schnütgenmuseum zu Köln (Tafel i36), im National-
niuseum zu Kopenhagen, in der Pfarrkirche zu Passering in Kärnten, (56) im
Museum des Parc du Cinquantenaire zu Brüssel und in St-Croix zu Lüttich
(Tafel i35), das Gegenstück des Brüsselers; reichere ein Rauchfaß zu Orsoy
(54) Abb. bei Reuse\s II, 441. (55) Vgl. oben S. 618. (56) Kd. von Kärnten 257.
622 VASA NON SACRA, DRITTER ABSCHNITT. DAS RAUCHFASS
und Hochelten (Tafel i33) am Niederrhein und zu Euskirchen, bei denen zwi-
schen den Dächern der Giebelbauten Fialen stehen, die durch Schwibbogen mit
dem Türmchen auf der Mitte des Deckels verbunden sind, und ein spätestgoti-
sches Rauchfaß zu Montan in Tirol, dessen Deckel anstatt bloß einen, einen
doppelten Kranz von Giebelbauten aufweist, von denen der obere versetzt zu
dem unteren angeordnet ist. (57)
Die zweite jener drei Deckelformen stellt einen in einem oder in zwei Ge-
schossen aufsteigenden sechsseitigen, seltener achtseitigen Turmbau mit bald
höherem, bald niederem Helm oder einem Kuppeldach als Abschluß dar.
Rauchfässer mit einem Deckel dieser Art entstanden in der Zeit der Gotik
manche, einfachere und reicher ausgestaltete, und zwar allenthalben, auch in
Spanien und Portugal, wie ein Rauchfaß im Archäologischen Museum zu Ma-
drid und in der Kirche zu Pombeiro in Portugal sowie zwei spanische Rauch-
fässer (Tafel i35) in der ehemaligen Sammlung Spitzer bekunden. (58) Be-
sonders beliebt waren Rauchfässer mit turmförmigem Deckel in Italien, wie
die vielen Reispiele zeigen, die sich erhalten haben (Tafel i3a, München, Na-
tionalmuseum; i33, ehem. Sammlung Bardini; i3't, ehem. Sammlung Prinz
Karl), darunter namentlich ein Rauchfaß im Santo zu Padua (Tafel i34), eines
der reichsten, die je geschaffen wurden, auffallend nicht nur durch die unge-
messene Höhe des Deckels, sondern auch durch eine verwirrende Fülle von
Archilekturgliedern aller Art. Die große Höhe, die für den turmförmigen
Deckel der italienischen Rauchfässer geradezu kennzeichnend ist und auch beim
Deckel der spanischen und portugiesischen sich findet, zeigt auf deutschem
Boden das Prachtrauchfaß zu Seitenstetten (Tafel i35) in Niederösterreich,
sonst aber zeichnen sich die turmförmigen Deckel deutscher gotischer Rauch-
fässer durch gefälligere Verhältnisse aus, wie z. B. ein Rauchfaß zu Herdringen
in Westfalen (Tafel i35) aus dem späten i6., sowie zu Horb in Württemberg
aus dem frühen 16. Jahrhundert (Tafel i34).
Die dritte der drei Deckelformen endlich besteht aus einem vereinzelt run-
den, in der Regel aber sechs- oder achtseitigen Kuppelbau mit schräg stehenden
Seiten und runder oder polygonaler Laterne mit gleichfalls schräg gestellten
Seiten, welche in einzelnen Fällen sich aus dem Dach des Kuppelbaues ent-
wickelt, meist aber ihm lediglich aufgesetzt ist (Tafel i32, München, National-
museum). Seiten und Dach des Kuppelbaues wie auch der Laterne zeigen in
größter Zahl rechteckige, dreieckige, runde, clreipaßförmige und vierpaßför-
mige Durchbrüche. Mit Streben an den Ecken ist der Deckel nur ausnahms-
weise besetzt. Beispiele von Rauchfässern mit einem Deckel dieser dritten Form
sind häufig. Namentlich finden sich solche, zum Teil in erheblicher Zahl, im
Schnütgenmuseum zu Köln, im Bayerischen Nationalmuseum zu München, im
Bischöflichen Museum zu Münster und im Kunstgewerbemuseum zu Düssel-
dorf, im Nationalmuseum zu Kopenhagen und im Historischen Museum zu Stock-
holm. Streben an den Ecken des Deckels wie der Laterne mit schrägliegenden
Fialen weist ein Rauchfaß zu Niedertrixen in Kärnten auf, vielleicht das
schönste Beispiel seiner Art. (59) Das Beispiel eines Deckels des Typus, aus
dessen Dach die Laterne herauswächst, bietet z. B. ein Rauchfaß in der Ru-
prechtskirchc zu Völkermarkt in Kärnten, (60) andere finden sich im Schnüt-
genmuseum zu Köln. (61)
Die dritte der drei Deekelformen tritt erst im iö. Jahrhundert auf. Außerhalb Deutsch-
lands scheint sie keine Verbreitung gefunden zu haben, eine um so größere in Deutschland,
wie die zahlreichen Rauchfässer mit einem Deckel der dritten Form beweisen, die sich in
Deutschland erhalten haben und sieb zum Teil noch heute in deutschen Kirchen befinden,
wie z. B. in St. Patrokli zu Soest, (62) zu Drahnsdorf in Brandenburg, (63) zu Düppel1 in
Schleswig-Holstein, (64) sowie zu Niedertrixen und Völkermarkt in Kärnten, (65) soweit sie
aber in Museen und Sammlungen, auch ausländische, gewandert sind, aus deutschen Kirchen
stammen. (66) Wir werden darum auch' wohl nicht fehlgehen, wenn wir in Deutschland die
Heimat der dritten Deckelform suchen.
Die Zahl der Tragketten beträgt bei den gotischen Rauchfässern nach wie vor
bald drei, bald vier. Bei einfachen Rauchfässern waren sie häufig durch eine
längere oder mehrere kürzere, durch Ösen beweglich verbundene dünne runde
Eisenruten ersetzt, doch bestanden sie auch wohl nur in ihrem unteren Teil,
das ist in einer Höhe von etwa der des Rauchfasses, aus einer Rute dieser Art.
Als Ersatz der Zugkette dürfte man kaum je eine Eisenrute verwendet haben,
weil eine solche zum Hochziehen des Deckels wenig dienlich war. Eine Zug-
kettc fehlte natürlich, wo das Rauchfaß eines Deckels entbehrte, wie es im
Bereich des Mailändischen Ritus der Fall gewesen sein dürfte. Entbehrte doch
noch im 16. Jahrhundert, wie der heilige Karl in seiner Instructio fabricae
ecclesiae ausdrücklich sagt, das Rauchfaß nach mailändischem Brauch eines
Deckels: Thuribulum cum quadruplici catena — drei Tragketten und einer
Zugkelte — et operculo eiusdem metallo, ubi ritu romano fit, at ambrosiano
more cum catenula triplici sineque operculo adhibetur. (67)
Der Fuß der älteren gotischen Rauchfässer zeigt noch keine Veränderung
gegenüber dem der romanischen. Er besteht nach wie vor bald nur aus einem
Ring, bald aus einem niedrigen Kegelstumpf oder aus einem kurzen Pyrami-
denstumpf (Tafel i32, Köln, Schnütgenmuseum). Wenn sich heute bisweilen
an gotischen Rauchfässern der früheren Zeit ein Fuß von der Art, wie er uns
bei den spätgotischen Rauchfässern begegnet, findet, so ist derselbe nicht ur-
sprünglich, sondern eine spätere Zutat, mit der das Rauchfaß entweder schon
versehen wurde, als es noch in Gebrauch stand, weil der alte Fuß nicht mehr
genügte, oder erst zur Zeit, da es in den Handel bzw. in eine Sammlung kam.
Erst um das späte 14. Jahrhundert erfolgt eine Umbildung des Fußes des
Rauchfasses im Sinne und nach dem Vorbild des Fußes der gleichzeitigen
Kelche, nur daß er meist gedrungener und schwerfälliger ist als dieser. Er be-
steht nun aus Platte und Hals. Schaft und Nodus fehlen stets. Die Platte ist
hier rund, dort sechsseitig oder sechspaßformig, reichere Bildungen der Platte,
JlSrAbb. in Kunstfreund, K.F. III (1887) 35. (60) Mitt.XI (1866) 59. (61) Witte,
Tafel 44 und 45 (62) Kd. von Westf., Kr. Soest 107. (63) Kd. von Brandenburg V, 98.
(641 Kd von Schleswig-Holstein II, 398. (65) Kd. von Kärnten 243, 396.
(66) Deutscher Herkunft ist zweifellos auch ein aus einer schwedischen Kirche stammen-
«es Rauchfaß mit Deckel der dritten Form im Historischen Museum zu Stockholm (Abb. bei
Hildebrand III, 732). (67) AA. Eecl. Mediol. 630.
624 VASA NON SACRA. DRITTER ABSCHMTT. DAS RAUCIIFASS
wie i. B. bei dem Prachtrauchfaß im Santo zu Padua, bei dem er acht kiel-
bogige Pässe mit ebensovielen Zacken in den Winkeln derselben aufweist, sind
Ausnahmen. Ist der Fuß sechsseitig, so sind die Seiten entweder gerade oder
gewöhnlicher leicht nach innen gekrümmt. Der Hals des Fußes ist bald rund,
bald sechsseitig und verjüngt sich meist nur mäßig, nicht selten sogar nur bis
zu einer Breite des halben Durchmessers der Platte des Fußes. In der Regel
zeigt der Hals oben eine Breite von ein Drittel bis ein Viertel des Platten-
durchmessers. Füße, die eine stärkere Verjüngung aufweisen, finden sich nur
bei Rauchfässern aus spätestgotischer Zeit, falls sie nicht etwa das Ergebnis
einer nacbmittelalterlichen Erneuerung sind. Die Abbildungen auf Tafel i32
bis i3C bieten für das Gesagte gute Belege.
Der Kcttenhalter war bei einfachen Rauchfässern oft äußerst einfach, zumal
wenn Stäbe die Tragketten ersetzten. Er bestand dann aus drei oder vier unter
einem Winkel von 120 bzw. 900 zusammenstoßenden, an dem äußeren Ende
mit einer Öse versehenen kurzen Ärmchen aus starkem Eisendraht. In der Mitte
war er mit einem Ring zum Durchstecken des Daumens versehen (Tafel i3i.
Münster, Diözesanmuseum sowie i32, Köln, Schnütgenmuseum). Bei besseren
Rauchfässern, bei denen er aus dem gleichen Material wie diese gemacht war,
hatte er bald Pyramiden- oder Kegelform, bald zeigte er die Form eines Blu-
menkelches, bald bestand er in einer runden oder rosettenförmigen, leicht ge-
wölbten Scheibe. Der zur Aufnahme des Daumens dienende Ring war meist
in einer auf dem Scheitel des Halters befindlichen Öse angebracht, seltener in
einem ihn abschließenden Knauf. Aus zierlichem getriebenem Blattwerk be-
steht der dreiseitige pyramidenförmige Halter des Rauchfasses zu Horb (Ta-
fel i3/i). Reich ornamentiert ist der Halter des Rauchfasses in der Kirche des
Santo zu Padua (Tafel i3i).
IV. DIE FORM DES RAUCHFASSES IN NACHMITTELALTERLICÜER ZEIT
Die Renaissance hat nicht sogleich die überkommenen Formen des Rauch-
fasses geändert, vielmehr hat sie selbst in Italien sich zunächst darauf be-
schränkt, die Einzelglieder und das Ornament unter Ausscheidung der Gotik
dem neuen Stil entsprechend zu gestalten. Was man so schuf, waren Rauch-
fässer der herkömmlichen Form übersetzt in die Sprache der Renaissance. Wo
aber die Gotik sich zu tief eingewurzelt hatte, als daß die von außen eindrin-
gende Renaissance sie so leicht hätte verdrängen können, wie es in Italien ge-
schah, verhält es sich auch mit dem Rauchfaß wie mit Kelch, Ziborium, Mon-
stranz und anderem kirchlichem Gerät. Nicht bloß in Bezug auf die Grund-
form, sondern auch in Bezug auf die stilistische Behandlung desselben be-
hauptet sich hier, wenn auch mehr oder weniger beeinflußt von dem neuen
Stil, zumal im Ornament, bis tief in das 16. Jahrhundert hinein die Gotik, wie
in Spanien, wo noch um die Mitte des 16. Jahrhunderts ausgesprochen goti-
sierende Rauchfässer entstanden (Tafel i35, ehem. Sammlung Spitzer), sowie
namentlich in Deutschland, wo sie sich auch beim Rauchfaß mit aller Zähig-
keit wenigstens bis in die Endzeit des gleichen Jahrhunderts gehalten hat. Einen
Beleg hierfür bietet ein Rauchfaß in St. Alban zu Köln (Tafel i33), das, abge-
FÜNFTES KAPITEL. FORM. IV. NACHMITTELALT. ZEIT 625
sehen von dem gravierten Ornament am Feuerbecken und auf dem Deckel,
nicht nur in seiner Gesamtform, sondern auch in den Einzelformen so wenig
von Renaissance an sich hat, daß man es sicher nicht dem Ende des 16. Jahr-
hunderts zuweisen würde, wenn es nicht als eine Arbeit von i588 beglaubigt
wäre, und nicht anders verhält es sich mit dem Rauchfaß zu Herdringen (Ta-
fel i35), das bei oberflächlicher Betrachtung allerdings als eine Schöpfung
des i5. Jahrhunderts erscheinen kann und auch als solche ausgegeben wurde,
in Wirklichkeit aber, wie das Ornament des Feuerbeckens und der Schale sowie
andere Einzelheiten, die deutlich Renaissancecharakter zeigen, bekunden, erst
der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts entstammt, sowie mit einem Rauchfaß
von i583 in der Schloßkapelle zu Burghausen in Bayern. Sehr lehrreich und
bezeichnend ist auch, daß noch keine der beiden Vorlagen für ein Rauchfaß,
die der Regensburger Generalvikar Myller der deutschen Ausgabe seines Orna-
tus ecclcsiasticus von i5gi beigefügt hat, ein Renaissancerauchfaß wiedergibt.
Das reichere der beiden ist noch durchaus gotisch gedacht, wenn auch im Sinn
der spätesten Gotik, das einfachere erinnert sogar an Rauchfässer der frühen
Gotik. Freilich hatten schon um etwa i5go zwei Rauchfässer im Kirchenschatz
von St. Michael zu München (Tafel i36, 187) in fast allen Einzelheiten die
Sprache der Gotik mit der der Renaissance vertauscht, dank dem tiefgehenden
Einfluß, den letztere dort damals auf allen Gebieten des kirchlichen Kunst-
schaffens, auch auf dem des kirchlichen Kunstgewerbes, ausübte. Allein so
mächtig wie zu München war dieser keineswegs überall, besonders nicht im
Westen und im Osten Deutschlands.
Erst im Verlauf des 17. Jahrhunderts verloren sich unter dem Einfluß des
Barocks allgemein die überkommenen Typen des Rauchfasses wie überhaupt
jeder Typus desselben. Stilmode und Willkür der Künstler bestimmen nun die
Form des Rauchfasses. Darum denn auch die äußerst große Mannigfaltigkeit,
die die Rauchfässer aus der Zeit des Barocks in formaler Hinsicht zeigen und
zwar gilt das ebensowohl von ihrem Feuerbecken wie namentlich von ihrem
Deckel, dessen Profil oft genug die überraschendste, über alle Regel und Gesetz-
mäßigkeit sich hinwegsetzende Bildung aufweist. Übereinstimmung herrscht bei
den Barockrauchfässern nur darin,daß bei ihnen alle architektonischen Elemente,
wie sie uns bei den Renaissancerauchfässern noch so oft begegnen, völlig ausge-
schaltet, und daß sie nicht mehr vier- oder mehrseitig, sondern stets rund sind.
Das stets bauchige, bald kesselartige, bald vasen- oder urnenförmige, bald
beckenartige Feuerbecken wurde nie mit Durchbrüchen ausgestattet; nur der
kuppel- oder glockenartige, in bunter Mannigfaltigkeit aus Wülsten, Ein-
ziehungen, Ringen und ähnlichem sich zusammensetzende Deckel wurde mit
solchen versehen, sei es in Form von Schlitzen oder von runden und ovalen, zu
Gruppen angeordneten Löchern, sei es in Form eingeschnittenen Ornaments,
sei es endlich durch Beseitigung des Grundes getriebenen Schmuckes (Ta-
fel 136, Werden; 137, Köln, Schnütgenmuseum). Eine beliebte Verzierung des
Feuerbeckens war ein Kranz von Buckeln oder Rippen. Den Abschluß des
Deckels bildete ein meist abgeplatteter runder Knauf, doch auch wohl ein orna-
mentierter Zapfen oder ein Engelsköpfchen mit aufgesetzter Öse zur Aufnahme
BRAl'N, DAS OIRISTLICHE ALTARGERÄT 40
626 VASA A'O.Y SACRA. DRITTER ABSCHNITT. DAS RAUCHFASS
des unteren Endes der Aufziehkette. Der Tragketten haben die barocken Rauch-
fässer in der Regel nur drei; vier kommen an ihnen nur ausnahmsweise vor
wie z. R. an einem Rauchfaß des späten 17. Jahrhunderts in der ehemaligen
Abteikirche zu Werden (Tafel i36). Der leicht gewölbte Halter, an dem sie sich
an ihrem oberen Ende vereinigen, hat hier Kreisform, dort geschweifte Umrisse.
Der Hals des fast immer runden, nur wenig hohen Fußes zeigt bald ein leicht
nach innen gekrümmtes, bald ein glockenförmiges, bald ein von Wulst und
Kehle, die durch ein Plättchen geschieden werden, gebildetes Profil.
Eine ruhigere, strengere, aber auch nüchternere Form als sie den Rauch-
fässern des Rarocks eigen ist, zeigen die wenig zahlreichen, bisweilen an Feuer-
urnen erinnernden Rauchfässer, die in der Zeit des Klassizismus und Empires
entstanden.
Einheitliche Maßverhältnisse hat es weder für die romanischen, noch für die
gotischen, noch endlich für die Renaissance- und Rarockrauchfässer gegeben.
Neben größeren finden sich unter allen auch kleinere. Rei den Rauchfässern
romanischen Stiles bewegte sich die Weite des Feuerbeckens, nach den noch vor-
handenen Beispielen solcher zu urteilen, gewöhnlich zwischen 10 und 12 cm.
Romanische Rauchfässer, deren Feuerbecken die Weite von 12 cm überschreitet
und sich etwa auf i3 cm, höchstens aber ik cm beläuft, gibt es nur wenige;
mehr gibt es solche, deren Recken noch nicht 10 cm weit ist. Geradezu minia-
turhaft klein ist ein bei M.-Gladbach gefundenes Rauchfaß im Schnütgen-
museum zu Köln, dessen Feuerbecken einen Durchmesser von nur etwa 6,25 cm
hat. Etwa 7,5 cm weit ist das Becken eines zweiten Rauchfasses im gleichen
Museum, 8,5 cm das des jetzt in Privatbesitz befindlichen Rauchfasses aus
St. Daniel in Kärnten. Rauchfässer, deren Becken nur 9 cm weit ist, kommen
mehrfach vor, so im Schnütgenmuseum, im Bischöflichen Museum zu Münster
und im Bischöflichen Museum zu Vieh.
Sehr schwankend ist die Höhe der romanischen Rauchfässer verglichen mit
der Weite des Feuerbeckens. Rauchfässer, bei denen beide annähernd gleich
sind, sind selten; Beispiele bieten ein Rauchfaß im Historischen Museum zu
Basel und im Rischöflichen Museum zu Vieh. Aber auch Rauchfässer, bei denen,
wie bei dem romanischen Rauchfaß in der Sammlung des Freisinger Priester-
seminars, einem Rauchfaß im DiÖzesanmuseum zu Lüttich und im Antiqua-
rium zu Mannheim, bei denen die Höhe, bis zur Spitze des Deckels gemessen,
der doppelten Weite des Feuerbeckens annähernd gleichkommt, sind ebenso-
wenig das Gewöhnliche. In der Regel verhalten sich Beckenweite und Höhe des
Rauchfasses zueinander wie 1: ls/8, 1: 1V8, 1: l8/5 und 1: l8/*-
Die der früheren Gotik entstammenden Rauchfässer zeigen durchweg noch
die gleichen Maßverhältnisse wie ihre romanischen Vorgänger. Erst bei den-
jenigen der späteren Gotik macht sich eine Änderung derselben bemerklich. In
Bezug auf die Weite des Feuerbeckens tritt sie allerdings weniger zu Tage, da
dieses nicht in allen Fällen eine Vergrößerung erfahren hat, dort aber, wo eine
solche eingetreten ist, die Wreite nur um wenige Zentimeter zugenommen hat
FÜNFTES KAPITEL. FORM. V. GRÖSSE. VI. IM OSTEN 627
und i5—16 cm nicht überschreitet. Anders verhält es sich dagegen mit dem
für die ästhetische Wirkung so wichtigen Verhältnis der Weite des Feuer-
beckens zur Höhe des Rauchfasses. Hier offenbart sich ein Wandel fast allge-
mein. Verhält sich doch nun jene zu dieser selbst bei Rauchfässern, deren
Becken kaum oder nicht an Weite gewonnen hat, fast immer wenigstens wie
1: 2, in manchen Fällen wie 1: 21/4 oder 1: 21/2, ja selbst wie i: 3, und zwar
nicht bloß bei italienischen, spanischen und portugiesischen spätgotischen
Rauchfässern, bei denen ein derartiges Verhältnis etwas Gewöhnliches ist,
sondern auch bei deutschen, wie z. B. bei dem Rauchfaß zu Seitenstetten,
zu Orsoy und auf Schloß Herdringen. Beim Prachtrauchfaß im Santo
zu Padua steigt das Verhältnis sogar auf etwa 1: 31/2. Seinen Grund hat der
Wandel im Verhältnis zwischen der Weite des Feuerbeckens und der Höhe des
Rauchfasses zum Teil in der größeren Höhe des Fußes der spätgotischen
Rauchfässer, hauptsächlich aber in der größeren Höhe, die man dem archi-
tektonisch gestalteten Deckel derselben zu geben liebte.
Die Maßverhältnisse, wie sie das Rauchfaß in der Spätgotik erhalten hatte,
behaupteten sich auch noch bei den Renaissancerauchfässern. In der Zeit des
Barocks aber, in der jede Art von architektonischer Bildung des Deckels des
Rauchfasses aufgegeben wurde, nahm die Höhe des Deckels ab, während oft
genug das Feuerbecken an Weite um den einen oder andern Zentimeter ge-
wann. Damit wurde denn auch das oft zu Gunsten der Höhe des Rauchfasses
übertriebene, keineswegs immer gefällige Verhältnis seiner Weite zu seiner
Hohe, wie es manche der spätgotischen und selbst noch der Renaissancerauch-
fässer zeigten, auf ein erträglicheres Maß zurückgeführt.
Auf die formale Entwicklung, die das Rauchfaß in der zweiten Hälfte des
Mittelalters und in der nachmittelalterlichen Zeit in den Riten des Ostens er-
fuhr, näher hier einzugehen, erübrigt sich, da es völlig an den dazu nötigen
Unterlagen fehlt. Bemerkt sei nur, daß noch heute das Rauchfaß nicht in allen
Riten des Ostens mit einem Deckel versehen ist, wie z. B. nicht bei den Kopten,
bei denen es ein kleines, unten sich rundendes, mit ringförmigem Untersatz ver-
sehenes, deckelloses Becken darstellt, das an drei Ketten getragen wird. Im grie-
chischen und armenischen Ritus ist es gegenwärtig allerdings mit einem Deckel
ausgestattet, doch wie es scheint, erst seit dem späten Mittelalter. Wenigstens
ist es bis dahin auf den byzantinischen und armenischen Bildwerken, auf denen
es dargestellt ist, deckellos. Schon mit einem Deckel versehen ist ein spätmittel-
alterliches gotisches Rauchfaß im Kloster Putna in Rumänien, das laut In-
schrift am halbkugeligen Feuerbecken im Jahre 6978 (= 1470 n. Chr.) von
Johannes Stephan, Fürsten und Herrn der Moldau, gestiftet wurde. Es war
schon früher von ihm die Rede. (68)
Mehrere bemerkenswerte Rauchfässer des 17. Jahrhunderts haben sich in
Rußland erhalten. Sie verraten zum Teil deutlich den Einfluß der Kunst des
<68) Vgl. oben S. 620.
628 VASA A'O/V SACRA. DRITTER ABSCHNITT, DAS RAUCHFASS
SECHSTES KAPITEL
ORNAMENTALE AUSSTATTUNG DES RAUCHFASSES
Ornament ist an den Rauchfässern der Gotik nur spärlich angebracht. Bei
denjenigen der früheren Gotik, meist schlichten Bronzegüssen, hat man auf
schmückende Zutaten fast immer verzichtet, bei den Rauchfässern der Spät-
(66) Abb. bei A. S. Uvarov, Katalog der Schatzkammer des Preobrachenskiklosters zu
Jaroslawl (Moskau 1887) Tfl. 8. (70) Abb. in Antiquitcs de Russie I, Tfl. 39 und bei Sabas,
Sacristie patriarcale de Moscou (Moskau 1865) Tfl. XII.
(71) Ann. archeol. XV (1855) 77. (72) A. Recmenskim, Sammlung alter kirchlicher
Denkm. in Moskau (Moskau 1913) 20. (73) Ann. archeol. X, 209.
(74) Abb. in Katalog der Sammlung Sarre I (Berlin 1906) 52.
(75) Le Museon XXXIX (1926) 3151; Übersetzung eines Abschnittes des Werkes von
P. Vardan Wardapet Hatzouni Ober die altarmenisehe Tracht (Venedig 1923).
SECHSTES KAPITEL. AUSSTATTUNG. 629
gotik aber waren Sinn und Streben 2u sehr auf eine architektonische Ausge-
staltung derselben gerichtet, als daß man sich für eine ornamentale Ausstat-
tung derselben hätte sonderlich erwärmen können. Außerdem aber boten auch
nur das Feuerbecken, der Fuß und allenfalls noch der Kettenhalter geeigneten
Platz für Ornament, diese aber kamen gegenüber dem Deckel nur in sehr un-
tergeordneter Weise zur Geltung, so daß es zwecklos erscheinen mochte, sie zu
ornamentieren. In der Tat ist denn auch unter den vielen spätgotischen Rauch-
fässern, die sich erhalten haben, nur eine verhältnismäßig kleine Zahl am
Feuerbecken, am Fuß und am Halter mit Ornament bedacht worden. Ausge-
führt aber wurde dasselbe meist in der einfachsten Technik, in Gravierung,
wie z.B. bei dem Rauchfaß zu Hochelten (Tafel i33) und Seitenstetten (Ta-
fel i35) sowie bei dem in St. Alban zu Köln (Tafel i33) und zu Herdringen
(Tafel i35), bei welchen das Ornament schon ausgesprochen der Renaissance
angehört. Mit getriebenem Blattwerk war verziert das Becken eines italienischen
Rauchfasses der ehemaligen Sammlung Bardini (Tafel i33); zierliches fili-
granartiges Rankenwerk schmückt den Fuß, das Feuerbecken und den Ketten-
halter des Rauchfasses im Santo zu Padua, durchbrochene geometrische Mu-
sterung den den Halter desselben abschließenden Knauf sowie die den Ketten
eingefügten kugeligen Knäufe (Tafel i34). Durchbrochenes ziseliertes spät-
gotisches Rankenwerk füllt die Rundbuckel am Becken des Rauchfasses zu
Horb (Tafel i34) und bildet dessen Kettenhalter.
Figürliche Darstellungen finden sich nur ausnahmsweise an gotischen Rauch-
fässern, wie z. B. an dem Rauchfaß im Santo, das in den vorkragenden Er-
kern des ersten Geschosses des Deckels Statuettchen von Heiligen, in den Ni-
schen des zweiten Geschosses Ganzfiguren von Engeln, unter dem den Deckel
bekrönenden Baldachin ein Statuettchen des heiligen Antonius zeigt, und einem
spanischen, vom Einfluß der Renaissance nicht mehr unberührten Rauchfaß der
ehemaligen Sammlung Spitzer, bei dem am Fuß der Türmchen, die dem Deckel
an den Ecken vorgestellt sind, Statuettchen von Heiligen stehen (Tafel i35).(l)
Ausgiebig ist Ornament, Rankenwerk, Blattwerk, Vögel, Drachen u.a. an
manchen romanischen Rauchfässern zur Verwendung gekommen, die ja auch
sowohl am Feuerbecken wie auf dem Deckel reichlich Platz für solches boten.
Ein Rauchfaß im Germanischen Museum zu Nürnberg, die beiden Rauchfässer
im Dorn zu Trier, das Rauchfaß aus St. Daniel in Kärnten, Rauchfässer zu
Alverskirchen, Ralve (Tafel 120), Brakel und Menne (Tafel i3o) in Westfalen,
im Antiquarium zu Mannheim, in den Museen zu Karlsruhe, Lille (Tafel 127)
und Szegediu, das Rauchfaß zu Trebnitz, um von andern minder reichen abzu-
sehen, mögen als Beispiele genannt werden. Friesartig hier das Feuerbecken
und den Deckel, dort nur den letzteren umziehend, anderswo Füllung halb-
kreisförmiger Felder, ist es am Deckel stets durchbrochen, am Feuerbecken da-
gegen meist nicht.
(1) Ein von Heideloff in Kunst des Mittelalters in Schwaben, Tfl. 14 abgebildetes Rauch-
faß, das um den Deckel herum einen Kranz posaunenblasender Engel zeigte, angeblich aus
der Barfüßerkirche in Eßlingen stammte, heute aber verschollen ist, eine wunderliche
Verquickung gotischer und romanischer Motive, und dazu von unglaublicher Form, kenn-
zeichnet sich auf den ersten Blick als modernes Fabrikat.
630 VASA NON SACRA. DRITTER ABSCHNITT. DAS RAUCHFASS
Von einem mit Email verzierten Hauchfaß hören wir schon in dem Inventar
der Hinterlassenschaft Viktors III. (•{• 1087). (7) Im Beginn des i3. Jahrhun-
derts verzeichnet ein Inventar der Kathedrale zu Novara ein solches. (8) Es sind
die einzigen Beispiele, von denen bis dahin in Inventaren die Bede ist. Im
i3. Jahrhundert entstanden zu Limoges manche mit Email geschmückte Bauch-
fässer, die, als Handelsware angefertigt, auf dem Handelswege auch ins Aus-
land gelangten und sich, freilich der Emailfüllung meist ganz berauht, bis
heute in einzelnen Exemplaren erhalten haben. (9) Mit Email war bei ihnen
bedacht das Feuerbecken, der halbkugelige Deckel, das Dach des ihn bekrönen-
den Aufsalzes und der Kettenhalter, also fast das ganze Bauchfaß. Die zu des-
sen Schmuck verwandten, entweder nur in Gold oder in Gold und Email auf
Emailgrund ausgeführten ornamentalen Motive bestanden bald nur in geome-
trisch gemusterten Friesen und dem die Limoger Emailarbeiten kennzeichen-
den Blatt-: und Rankenwerk, bald auch in Halbfiguren von Engeln, die dem-
selben eingefügt waren. Ein empfehlenswerter Schmuck war Email für Rauch-
fässer nicht, da es bei diesen, wie auch die Erfahrung beweist, infolge der un-
gleichen Ausdehnung von Metall und Email bei Erwärmung zu wenig dauer-
haft war, zumal am Feuerbecken. Nach dem i3. Jahrhundert dürften keine
Rauchfässer mit Email mehr entstanden sein. Von einem goldenen Rauchfaß,
das mit acht .\iellobildchen in Rundmedaillons verziert war, vernehmen wir im
Inventar des Apostolischen Stuhles von 1290. (10)
Das Einsetzen der Renaissance hatte für das Rauchfaß Wiederaufnähme einer reicheren
Ornamentation zur Folge, als sie ihm unter der Herrschaft der Gotik wegen Überwucherns
der Architektur zuteilgeworden war, ja hätte zuteilwerden können. In dem Maße, in dem
die architektonischen Elemente von ihm verschwanden, wurde eine solche nicht nur wieder
möglich, weil dadurch der nötige Platz für sie geschaffen wurde, es ergab sich auch geradezu
die Notwendigkeit einer ausgiebigeren Wiederverwendung von Ornament als Ersatz der
verschwundenen Architektur, wenn anders das Rauchfaß nicht schmucklos bleiben sollte,
zumal, als unter dem Einfluß des Barocks auch die letzten Reste einer architektonischen
Ausgestaltung des Rauchfasses sich verloren hatten. Freilich wurde auch in der Zeit der
Renaissance sowie des Barocks nur der kleinere Teil aller Rauchfässer mit reicherem
ornamentalem Schmuck versehen, da nicht überall die dazu erforderlichen Mittel vorhanden
waren und man sich darum wie auch schon in früherer Zeit in ähnlichen Umstanden mit
einem schmucklosen Rauchfaß begnügen mußte. Blatt- und Rankenwerk, Kartuschen und
Masken, Engelköpfchen und Hermen bilden bei Renaissancerauchfässern, Akanthusranken,
Bandelwerk, naturalistisches Blatt- und Blumenwerk, Engelköpfcben und Schnörkel bei
Barockrauchfässern die zur Verzierung derselben dienenden ornamentalen Motive. Bild-
werk in Gestalt figürlicher Darstellungen dürfte man weder in der Zeit der Renaissance
noch in der des Barocks am Rauchfaß angebracht haben. Am Deckel Durchbrucharbeit,
wurde das Ornament mit Vorliebe in jener in Gravierung und Ziselierung, in dieser in
Treibarbeit ausgeführt.
Eines der glänzendsten Beispiele eines reichst ornamentierten Rauchfasses der Renaissance
findet sich in der Opera del Duomo zu Orvieto, dessen Form freilich wenig von der eines
Rauchfasses an sich hat. (11) Ein ähnliches, wenn auch etwas weniger reiches, eine Arbeit
aus dem Ende des 16. Jahrhunderts gab es im Kirchenschatz von St. Michael zu München,
von dem sich eine treffliche Abbildung erhalten hat (Tafel i36), das aber weit mehr
(7) Chron. Caain. 1. 3,0.74 (M.G.S3.VH, 753). (8) Hist patr. mon., Chart.I, 1192:
Tria turibida, unum argenteum, aliud hosmaltum. (9) Vgl. oben S. 613.
(10) Bibl. XLV (1884) 34. (11) Abb. in Zeitschrift XXIII (1910) 165.
632 VASA NON SACRA. DRITTER ABSCHNITT. WEIHRAUCHBEIlÄLTER. LÖFFEL
das Aussehen eines Rauchfasses hat als das Rauchfaß zu Orvieto. Ein gutes Beispiel eines
ausgiebigst ornamentierten Barockrauchfasses von gefälliger Form ist das auf Tafel i36
wiedergegebene Rauchfaß im Schatz der ehemaligen Abteikirche zu Werden, das eines vor-
nehm und geschmackvoll verzierten, formal noch gotisierenden Renaissancerauchfasses
bietet ein zweites vordem in St. Michael befindliches Rauchfaß (Tafel 187).
ERSTES KAPITEL
ALTER DES WEIHRAUCHBEHÄLTERS UND DES WEIHRAUCH-
LÖFFELCHENS
Ein Leute nirgends fehlendes Zubehör zum liturgischen Rauchfaß sind der
Behälter für den Weihrauch und das Löffelchen, mittels dessen der Weihrauch
diesem entnommen und auf die Kohlen gestreut wird. Sowohl das römische
Missale (1) als auch das Caeremoniale episcoporum (2) erwähnen beide.
Von einem besonderen Behälter für den Weihrauch ist bis zur Karolingerzeit
im Westen nie die Rede. Freilich muß es auch schon vor ihr einen solchen ge-
geben haben, doch wird man ihm keine besondere Bedeutung beigelegt, ihn als
bloßes Zubehör des Rauchfasses betrachtet und es darum nicht für nötig ge-
halten haben, ihn ausdrücklich zu erwähnen, sondern ihn als in den Begriff des
thymiamaterium oder thuribulum eingeschlossen betrachtet haben. In karo-
Hngischer Zeit hören wir dann jedoch auch von ihm, wie z. B. in den Gesta
abbatum Fontanellensium, (3) im Inventar von Staffelsee von ca. 810, (4) in
einer Schenkung Alfons' II. von 812 (5) und in einem Inventar von St-Trond
von 870, (6) indessen ist häufiger erst in Inventaren des 12. Jahrhunderts von
ihm die Sprache. Es sind aber fast ausschließlich Weihrauchbehälter aus Sil-
ber, Gold oder sonstigem edlen Material, die man in ihnen einer Erwähnung
für wert gehalten hat. Sehr oft wird seit dem i3. Jahrhundert der Weihrauch-
behältcr gedacht, in den Inventaren sogar fast regelmäßig, hauptsächlich wohl,
weil sich inzwischen eine Sonderform für ihn gebildet hatte, die rasch allge-
meine Aufnahme und Verbreitung fand und ihn als ein besonderes Gerät kenn-
zeichnete, die Schiffchenform.
Das Löffelchen, dessen man sich heute allgemein bedient, um dem Weih-
rauchbehälter den Weihrauch zu entnehmen und diesen auf die Kohlen zu
streuen, dürfte erst gegen Ende des ersten Jahrtausends in Gebrauch gekom-
men sein. Bis dahin wird man den Weihrauch entweder mit den Fingern aus
dem Behälter herausgeholt oder ihn unmittelbar aus demselben in das Rauch-
faß geschüttet haben. Seine früheste Erwähnung findet das Löffelchen in zwei
m Ritus celebr. tit.4, n.4. (2) L.l, c.23, n. 1. (3) C. 16 (M.G.SS.II, 292.
(4) M.G. Leg. Capit.I, 251. (5) Flohez XXXVII, 313. (6) Dehaiskes, Doc. 13.
ERSTES UND ZWEITES KAPITEL. ALTER. BENENNUNGEN 633
ZWEITES KAPITEL
BENENNUNGEN DES WEIHRAÜGHBEHÄLTERS UND DES WEIH-
RAUCHLÖFFELGIIENS
wie z.B. im Inventar von Prüm von ioo3, das den ersten Beleg für den Ge-
brauch von acerra bietet, im Inventar von Bamberg von 1127, im Schatzver-
zeichnis des Mainzer Domes von n5o, im Inventar der Klosterkirche zu Prü-
fening von 1165 und der Kathedrale zu Kouen aus dem 12. Jahrhundert, im
Inventar des Klosters Martinsberg von etwa rogo, (12) in einem Inventar der
Kathedrale zu Arras aus dem 12. Jahrhundert, (13) in einem Ordinarium der
Kathedrale zu Bayeux {12. Jahrh.), (14) in einem Inventar von Neumünster
zu Würzburg von ia33. (15)
Es ist ein recht reichhaltiges Verzeichnis von Namen, unter denen uns der
Weihrauchbehälter bis in das i3. Jahrhundert in den Quellen begegnet. Dann
aber wird es anders. Hatte der Behälter bis dahin bald die Form einer runden
Büchse, eines Kästchens, einer Kapsel oder einer Schüssel, so erhält er nun die
eines Schiffchens, weshalb er denn auch jetzt navis, naveta, navicula, navicella,
volkssprachlich aber französisch nef, navette (navecte), englisch ship, spanisch
naveta, italienisch navicella, deutsch Schiffchen genannt wurde. Die neue Be-
nennung begegnet uns schon 1217 in einem Testament Philipps, Bischofs von
Beauvais, (16) 1222 in einem Inventar der Kathedrale von Salisbury, (17) um
ia3o in einem Inventar von St-Martial zu Limoges, (18) ia/|5 im Inventar
von St. Paul zu London. (19) Daß sie sich auch zu Rom schon im i3. Jahrhun-
dert heimisch machte, erhellt aus einem Verzeichnis des liturgischen Gerätes,
mit dem Nikolaus III. 1277 die Nikolauskapelle in St. Peter ausstattete, (20)
aus dem Inventar des Apostolischen Stuhles von i2g5 (21) und dem Ordo des
Jacobus Gajetanus. (22)
Bereits im Lauf des 1/1. Jahrhunderts hatte wie die neue Form des Weihrauehbehälters,
so auch die dieser entsprechende neue Benennung laut den Inventaren weiteste Verbrei-
tung gefunden. Allerdings kommen noch im i5. Jahrhundert die eine oder andere der
älteren Benennungen vor. So heißt der Behälter noch acerra in einem Inventar der West-
minsterkirche zu London von i388 (23) und in einem Inventar von St. Albans von etwa
i4oo; (24) cerne (von acerra) in einem Inventar der Kathedrale zu Cambrai von i^oi, (25)
vas im Inventar des Domes zu Iliklesheim von 1/109, (26) sowie in dem des Domes zu Frei-
sing von i/|56, (27) in welch letzterem es jedoch beschrieben wird als gemacht ad modum
naviculae. Im Inventar des Prager Domes von i355 ist noch eine parva pixis de argento
pro thurc verzeichnet, anscheinend ein älteres Stück neben den zwei naviculae, die außer
ihm in demselben noch aufgeführt werden. (28)
Die vorherrschende Bezeichnung waren indessen schon im ii. und noch mehr im
i5. Jahrhundert navicula (navicella, naveta) und die davon abgeleiteten volkssprachlichen!
Bezeichnungen. Am längsten behauptete sich von den älteren Benennungen acerra. Sic
begegnet uns noch in der Instructio fabricae ecclesiae und in zwei ennländischen Inventaren
aus dem Jahre i5p,7, den Inventaren der Pfarrkirchen zu Bischofsburg und Rössel. (29)
Acerra mag man namentlich dann den Weihrauchbehälter genannt haben, wenn er noch
nicht Schiffchen form zeigte. Im Ornatus ecclesiasticus Myllers heißt er navicula und ebenso
im römischen Missale und im Caeremoniale episcoporum.
(12) Mitt.V (1860) 350: Duae serrae (statt acerrae) argenteae cum cochelaribus.
(13) Dehais:ses, Doc. 45. (14) ü. Chevalier, Ordinaire de l'egl. cath. de Bayeux (Paris
1902) 28. (15) Archiv des Bist. Vereins von Unterfranken XVI (1863) 249.
(16) Teher, Dict d'orfevr. (Paria 1856) 1219. (17) Jones, Registr. II, 127.
(18t Bibl^ser. 1(1855) 32. (19) Archaeologia L, 467. (20) Revue XXXVIII (1888) 340.
(21) Bibl.XLV (1884) 34. (22) C.48 (M.78, 1153). (23) Archaeologia LH (1890) 227.
(24) Ru-ey II, 324. (25) Dehaisnes, Doc. 802. (26) Anzeiger, N.F.XXV (1878) 207.
(27) Ebd. XV (1868) 15. (28) Podi.aha, App. XVI. (29) Hipler 45, 76.
DRITTES KAPITEL. MATERIAL 635
In deutsch geschriebenen Inventaren des i5. und 16. Jahrhunderts erscheint der Be-
hälter bisweilen unter der Bezeichnung buchse, wie im Inventar von S. Maria di Campiglio
in Tirol von 1/171, (30) im Inventar der Domkirche zu Kölln an der Spree von i536 (31)
u. a. Coquilhim (Schale) wird der Behälter in einem Inventar von N.-Dame zu Paris von
i3ß3 genannt. (32) In dem französisch abgefaßten Inventar von 1/116 ist coquillum mit
coquille wiedergegeben.
Das Löffelchen, dessen man sich zur Entnahme und zum Aufstreuen des
Weihrauchs bedient, heißt in den lateinisch geschriebenen Inventaren seit sei-
nem ersten Auftreten in denselben cochlear, coclear (verderbt coclea, cloqueas).
In den französisch abgefaßten mittelalterlichen Inventaren heißt es bald cui7-
ler (cuillere, quiller), bald loucheüe (loucette), in den englisch geschriebenen
spoon.
DRITTES KAPITEL
MATERIAL DES WEIHRAUCHBEHÄLTERS UND DES WEIHRAUCH-
LÖFFELCHENS
Aus welchem Material man in vorkarolingischer Zeit den Weihrauchbehälter
herzustellen pflegte, wissen wir nicht, weil über es erst aus der karolingischen
und nachkarolingischen Zeit Angaben vorliegen. Es sind vor allem die Inven-
tare, die uns über das Material des Weihrauchbehälters Mitteilung machen.
Wir entnehmen ihnen, daß man ihn mit Vorliebe aus Metall anfertigte. Von
Weihrauchbehältern, die aus unedlen Metallen bestanden, berichten uns im gan-
zen nur wenige der mittelalterlichen Inventare, wie beispielsweise ein Inventar der
Pfarrkirche zu Soignies in Belgien von i38a, in dem eine navette de cuevre ä
inettre encens (1) vermerkt ist, ein Inventar der Lateranensischen Basilika von
1455, das neben einer navicula argentea pro incenso auch eine weitere de stanno
erwähnt, (2) sowie ein Inventar der Hauptkirche zu Barbastro von i32Ö, (3) in
dem es heißt: Dos navetas por tener encens, Ia una de fiero (Eisen), et l'otra de
Limoges. Wie indessen die Rauchfässer aus Bronze, Kupfer und Messing im
Mittelaller weit gewöhnlicher waren, als es nach den Inventaren scheinen
könnte, so hat es sich zweifellos ähnlich auch mit den Weihrauchbehältern aus
Kupfer, Zinn und Eisen verhalten. Was an Weihrauchbehältern Limoger Her-
kunft noch vorhanden ist, ist alles aus Kupfer angefertigt. Wo die Mittel dazu
vorhanden waren, machte man den Weihrauchbehälter mit Vorliebe aus Silber.
Die Inventare bieten dafür bis zurück in die Karolingerzeit zahlreiche Belege. Wo immer
sie vom Material des Behälters reden, bandelt es sieh in weitaus den meisten Fällen um
Silber. Weihrau ebbe hälter aus Gold kommen nur in einigen Inventuren vor, wie im Inventar
des Domes von Monza von ca. 910, (4) des Klosters Martinsberg von ca. 1190, (5) des
Apostolischen Stuhles von iao.5, (6) Johannes'XXII. von i3io, (7) Karls V. von 1879(8)
(30) O..1vos Zingerle, Mittelalt Inventare aus Tirol (Innsbruck 1909) 46.
(31), _.
L. vo»
1 Ledebur, AHg. Archiv für die Geschichtskunde des preuß, Staates XVIII
(1835) 79. (32) Revue archeol. XXVII (1874) 253.
(1) Dehaisnes, Doc.593. (2) Melange» d'archeol. et d'hiat.IX (1889) 166.
(3) Florez XLVIII, 226. (4) Bull. mon. XLVI (1880) 465. (5) Mitt. V (1860) 350.
(6) Bibl. XLV (1884) 34. (7) Revue XL (1890) 495. (8) Labarte 54.
636 VASA JVOJV SACRA. DRITTER ABSCHNITT. WEIHRAVCHBEHÄLTER. LÖFFEL
und des Herzogs Jean von Berry von i^or. (9) Goldene Weihrauchbehälter waren Zubehör
zu goldenen Rauchfässern.
Mit hölzernen Weihrauchbehältern wird man sich nur in armen Kirchen be-
gnügt haben, doch ist selbst im Inventar des Apostolischen Stuhles von i2o5
eine navicella de ligno et pice, ein im Innern verpichter Weihrauchbehalter in
Schiffchenform erwähnt, der jedoch mit Gold, Korallen und Perlen verziert
war. Eine navicula de nachara (Perlmutter) im gleichen Inventar bestand wohl
in einer zu einem Weihrauchbehälter umgearbeiteten Nautilusmuschel; sie war
also von der Art eines spätgotischen Weihrauchbehälters, der sich in der Kathe-
drale zu Chartres erhalten hat (Tafel i3g), sowie eines zweiten im Schatz von
S. Marco zu Venedig. (10)
Von Weihrauchbehältern aus Elfenbein vernehmen wir nur in einem Inven-
tar des Domes zu Monza von etwa 910 (11) und im Inventar von Prüm von
ioo3, von einer acerra ossea im Inventar von Neumünster zu Würzburg von
1233. (12) Insbesondere ist in den spätmittelalterlichen Inventaren nie mehr
von derartigen Weihrauchbehältern die Rede. Sie werden überhaupt zu keiner
Zeit, auch nicht in vorkarolingischer, häufig gewesen sein. Eine acerra de onice
begegnet uns in einem Inventar der Kathedrale zu Rouen aus dem 12. Jahrhun-
dert (13) sowie im Inventar des Mainzer Domschatzes von n5o, (14) eine na-
vicula iaspidina und eine navicula amitistina, Schiffchen aus Jaspis bzw.
Amethyst im Inventar des Domes zu Prag von i355. (15) Die Mainzer acerra
hatte die Form eines krötenartigen Tieres, das aus einem einzigen Onyx ge-
macht war, abgesehen vom Kopf, der aus einem Topas bestand. Die Höhlung
auf dem Rücken war mit einem silbernen Band eingefaßt, das eine griechische
Inschrift enthielt. Der Behälter war demnach byzantinischen Ursprungs. Erhal-
ten hat sich ein Weihrauchschiffchen aus Achat im Schatz von S. Marco zu
Venedig. Am Behälter und am Fuß mit Filigran und Steinen geschmückt, ent-
stammt es dem i3. Jahrhundert. Ein Schiffchen aus Porphyr, irre ich nicht,
das am Schaft des Fußes mit Nischen, in denen sich ein Statuettchen befindet,
am Behälter mit Bändern, die mit aufgelegtem Rankenwerk und Steinen gefüllt
sind, verziert ist und an den Enden der beiden Deckel eine Drachenfigur als
Griff zum Aufklappen aufweist, eine Arbeit des frühen i5. Jahrhunderts, be-
findet sich in der Sammlung des Louvre (Tafel i38).
In nachmittelalterlicher Zeit wurde der Weihrauchbehälter in der Regel ent-
weder aus Silber, Kupfer oder Messing gemacht. Wenn aus Kupfer, wurde er
versilbert oder vergoldet. Daß es aber auch zinnerne gab, ersehen wir aus dem
Inventar der Pfarrkirche zu Seeburg im Ermland von i5p,7 (16) und den Bres-
lauer Visitationsberichten von i»8o. (17)
Das Löffelchen zum Entnehmen und zum Ausstreuen des Weihrauchs war
wohl meist aus'Metall angefertigt und zwar in der Regel aus dem gleichen wie
der Weihrauchbehalter, zu dem es gehörte. Bestand dieser aus Gold, so war es
(9) Guiffrey II, 8. (10) Abb. bei Roh. V, Tfl. 422. (11) Bull. mon. XLVI (1880) 314
(12) Arch. des Hist. Vereins von Unterfranken XVI (1863) 249. (13) Revue, 3e Serie IV
(1886) 461. (14) Christ., De caiamitate eccl. Mog. n. 2 (M. G. SS. XXV, 239).
(15) Poblaha, App. XVI. (16) Hipler 79. (17) Jisg.mtz III, 562: Una navicula et
cochlear ex stanno.
VIERTES KAPITEL. FORM UND AUSSTATTUNG 637
darum ebenfalls aus Gold gemacht, wie auch aus dem Inventar des Apostoli-
schen Stuhles von 129a, Karls V. von 1379 und des Herzogs Jean von Berry
von i4oi erhellt. Auch im Inventar des Bamberger Domes ist von einem coclear
aureum die Rede sowie zugleich als ganz für sich dastehendem Beispiel von
einem Weihrauchlöffel aus Kristall. (18)
VIERTES KAPITEL
FORM UND AUSSTATTUNG DES WEIHRAUCHBEHÄLTERS UND DES
WEIHRAUCHLÖFFELCHENS
Liturgische Weihrauchbehälter, die uns über die Form desselben Aufschluß
geben könnten, haben sich aus der Zeit vor dem i3. Jahrhundert nicht erhalten.
Allerdings gibt es im Germanischen Museum zu Nürnberg einen kleinen, 12,5 cm
langen, liegenden, aus Bronze gegossenen Löwen mit einer durch einen Deckel
verschlossenen Öffnung auf dem Rücken, ein Werk des späten 12. Jahrhun-
derts, den man als einen Weihrauchbehälter angesprochen hat; eine Annahme,
die der Möglichkeit nicht entbehrt, da wir ja im Inventar des Mainzer Dom-
schatzes von einem Gegenstück hören, einem Weihrauchbehälter in Form einer
Kröte. (1) Indessen liegt auf der Hand, daß auch die Deutung des Bronzelöwen
als zutreffend angenommen, dieser doch ebensowenig wie sein Mainzer Gegen-
stück uns etwas über die Form sagt, ja selbst sagen kann, die der Weihrauch-
behälter bis da zu haben pflegte. Für ihre Kenntnis sind wir also angewiesen auf
die Benennungen, welche der Behälter in den Inventaren der älteren Zeit führt
und auf die Bildwerke aus der Zeit vor dem i3. Jahrhundert, auf denen der-
selbe wiedergegeben ist.
Was die letzteren anlangt, so handelt es sich hei dem auf ihnen uns begegnenden
Weihrauclibehälter allerdings in vielen Fällen, so namentlich auf den Darstellungen der
Frauen am Grabe nicht um ein liturgisches Gerät. Wie indessen das Rauchfaß auf solchen
Bildwerke» uns auch über die Form des liturgischen Rauchfasses, die keine andere war
als die der nichtliturgischen, Aufschluß gibt, so gewährt uns gleicherweise der auf ihnen
wieder gegebene Weihrauchbehälter ein IHM :1.- ■■'■. liturgischen Räuclierungen benutzten.
Das gilt umsomehr, als der Weihrauchbehälter auf Darstellungen, auf denen es sich bei
ihm zweifellos um einen Behälter dieser letzten Art handelt, die gleiche Form aufweist,
wie die Weihrauchbehälter auf jenen Bildern, auf denen der Weihrauchbehälter nicht als
liturgisches Gerät erscheint.
Din Bildwerk»1 beslüli:.".1:! .".üht riür, scnnlem ergänzen auch den Aufsclduß, den wir be-
züglich der Form des Weihrauchbehälters durch dessen Benennungen erhalten. Insbesondere
machen sie es wahrscheinlich, daß er am häufigsten nicht ein viereckiges Kästchen von der
Art der antiken acerra, sondern eine runde Büchse darstellte. Denn fast immer hat er auf
ihnen die Form einer runden Büchse, die ja auch für ihn die zweckdienstlichste war, da
sie ein Aufstreuen des Weihrauchs auf die Kohlen sehr leicht und eine eigene Vorrichtung
hierzu überflüssig machte, und zwar verhält es sich so nicht nur auf Bildwerken westlicher,
sondern auch auf solchen östlicher Herkunft; so auf Miniaturen des Cosmas Indicopleustes
der Vatikana, (2) zwei Miniaturen der Homilien Gregors von Nazianz in der Pariser Na-
tionalbibliothek, (3) einer von Paciaudi veröffentlichten, den heiligen Stephanus dar-
(18)~Weber 39.
(1) Vgl. oben S. 636. (2) Garrvcci, Storia III, 146, 151. (3) H. Omost, Fac-Similes
•des miniatures des plus anciens manuscr. grecs (Paris 1902) Tfl. 22, 23, 25, 31, 60.
638 VASA JVOLV SACRA. DRITTER ABSCHNITT. WEIHRAVCUBEHALTER. LÖFFEL
etwa lediglich ein Produkt der Phantasie des Miniators ist; denn auf einer an-
dern Miniatur desselben Rotels zeigt der Behälter noch die frühere Form. (10)
Um das Ende des i3. Jahrhunderts hatte der neue Typus bereits eine solche
Verbreitung gefunden, daß Durandus in seinem Rationale nur mehr ihn zu
kennen scheint, jedenfalls nur mehr ihn mystisch deutet. (11)
An Weihra uch bciiä her n von Schiffchen form haben sich aus dem i3.— 16. Jahrhundert
so viele erhalten, daß sie uns ein ausreichendes Bild der formalen Beschaffenheit zu ver-
mitteln vermögen, welche den Weihrauchbehältern dieses Typus in jener Zeit eignete, aus
dem i3. Jahrhundert ein Schiffchen förmiger Weibrauchbehälter in S.Marco zu Venedig,
falls derselbe nicht etwa besser als Tafelaufsatz anzusprechen ist, und eine Anzahl von
Weihrauchschiffchen Limoger Herkunft, wie z. B. ein Schiffchen dieser Art im Schloß-
museum zu Berlin, im Stift Lambach in Ober Österreich, im Clunv-Museum zu Paris und
in der Pfarrkirche zu Neuenbeken in Westfalen (Tafel 137). Weitere fanden sich in der
ehemaligen Sammlung Desmottes zu Paris, sowie in der früheren Fürstlich Hohenzolleri-
schen Sammlung zu Sigmaringen. Ein Weihrauchschi ffchen aus dem i^. Jahrhundert, das
aus der Abtei Ramsey stammt, besitzt das Viktoria-und-Albert-Museum zu London (Ta-
fel 137). Dem i5. und frühen 16. Jahrhundert gehören an ein Schiffchen in englischem
Privatbesitz, ein Weihrauch Schiffchen zu Horb in Württemberg, dessen Fuß jedoch im
18. Jahrhundert dem Zeitgeschmack entsprechend erneuert wurde (Tafel i3,'i), zu Ried-
lingen und zu Eggmannsried daselbst, (12) ein Schiffchen im Germanischen Museum zu
Nürnberg und in der Marienkirche zu Danzig, ein Prachtschiffchen im Louvre zu Paris
(Tafel i38) sowie ein Schiffchen im Britischen Museum und im Bayerischen National-
museum zu München. (13) Mehrere gotische und noch gotisierende Schiffchen italienischer
Herkunft aus der gleichen Zeit besitzt das Schnütgenmuseum zu Köln (Tafel i38).
Alle diese Schiffchen bieten formal dasselbe Bild. Nur in einem Punkt macht
sich eine Entwicklung geltend, in der Bildung des Fußes. Bei den Liraoger
Schiffchen des i3. Jahrhunderts zeigt er, soweit er nicht später erneuert wurde,
die Form eines niedrigen Kegelstumpfes, bei denen des i4- und der Folgezeit
hat er nicht nur an Höhe zugenommen, er setzt sich nun auch in der Regel aus
Platte mit mehr oder weniger hoher Zarge und Hals zusammen, von denen die-
ser bald rund, bald, und zwar häufiger, mehrseitig, jene hier rund, dort sechs-
seitig, anderswo vier- oder sechspaßförmig ist. Bei den Schiffchen italienischer
Herkunft, die sich erhalten haben, sind die Passe, zumal die in der Richtung
der Achse des Behälters liegenden, statt rundbogig auch wohl kielbogig und sind
zwischen die Pässe Zacken eingefügt. Es ist eine Fußbildung, wie sie uns be-
sonders auch bei den italienischen gotischen Kelchen begegnet. (14) Nur bei
dem Prachtschiffchen im Louvre hat man, um den Fuß reicher ornamentieren
zu können, den hier sehr verkümmerten Hals desselben durch einen runden
Schaft ergänzt, um den herum man kielbogig schließende Nischen mit Hei-
ligenstatuettchen angebracht hat. Von einem Schiffchen, das auf einem Bär
saß, sowie von einem zweiten, dem ein fliegender Drache als Fuß diente, ver-
nehmen wir im Inventar des Herzogs Jean von Berry von i4oi. (15)
Der Schalenrand fast aller Weihrauchschiffchen, die sich aus dem Mittelalter
erhallen haben, verläuft waagrecht, ihr Deckel stellt daher bei weitaus den mei-
sten von dem einen bis zum andern Ende eine völlig ebene Fläche dar. Nur we-
nige der Schiffchen krümmen sich oben von der Mitte aus nach beiden Seiten
hin um ein geringes aufwärts, infolgedessen ihr Deckel statt einer ebenen eine
leicht konkav gekrümmte Fläche bildet. Auf den beiden Enden des Deckels er-
hebt sich bei allen zur Erleichterung des Aufklappens der beiden Deckelhälften
ein kleiner Griff in Gestalt eines Knäufchens, eines Schlangen- oder Drachen-
kopfes u. a. Bei dem aus dem Kloster Ramsey stammenden Schiffchen im
Viktoria-und-Albert-Museum zu London sitzt auf den beiden Enden in Anspie-
lung an den Besitzer der Kopf eines Widders (ram). War eine der Hälften des
Deckels nicht aufklappbar, ein Griff also auf ihr ohne praktische Bedeutung,
so wurde er trotzdem der Gleichförmigkeit halber auch auf ihrem Ende ange-
bracht. Auch in den Inventaren ist, wenn dieselben die in ihnen verzeichneten
Schiffchen etwas näher beschreiben, von diesen Aufsätzen auf den Enden des
Deckels bisweilen die Rede, wie z.B. im Inventar Karls V. von 1379 und des
Herzogs Jean von Berry von i4oi.
Die formale Weiterentwicklung, die der aus dem Mittelalter überkommene
Typus des Weihrauchschiffchens in der Zeit der Renaissance erfuhr, äußerte
sich beim Behälter desselben nur insofern, als man ihn nun mit Vorliebe oben
nach den Enden zu sich emporkrümmen ließ, zumal in der Zeit des Spät-
barocks, in der man, damit nicht zufrieden, nicht selten auch noch das eine
seiner Enden nach Weise einer Volute auf- und zurückbog und dadurch dem Be-
hälter eine muschelartige Form gab {Tafel i38). Eingreifender war der Wan-
del, der mit dem Fuß vor sich ging. Statt den Behälter unmittelbar auf ihm zu
befestigen, schob man zwischen beide als eine Art Schaft ein vasen- oder kande-
laberartiges Zwischenstück ein, durch das das Schiffchen eine Höhe erhielt, die
dem mittelalterlichen Schiffchen fremd war; eine Höhensteigerung, wie sie uns
auch gleichzeitig bei dem Kelch begegnet und die wohl von der des letzteren
beeinflußt und veranlaßt wurde. Dabei nahm aber — und auch das hat seine
Parallele in der gleichzeitigen formalen Umbildung der Kuppa des Kelches —
nicht auch entsprechend die Länge des Behälters zu. Eher wird dieser sogar
wie die Kuppa der Renaissance- und Barockkelche kleiner. Verhielt sich bei den
Limoger Schiffchen die Gesamthöhe derselben zu ihrer Länge wie 1: 4, bei den
Schiffchen des i4- und i5. Jahrhunderts aber noch wie 1: 2—3, so beträgt ihr
Verhältnis zueinander nun wie 1: 1, und zwar nicht nur infolge Erhöhung des
Fußes, sondern auch wohl infolge Verkürzung des Behälters.
Ein dem ausgehenden 10. Jahrhundert entstammender Weihrauchbehälter, der ein förm-
liches Schiff darstellt, hat sich in der Marienkirche zu Danzig erhalten. Ob auch noch andere
ähnlicher Art schon das Mittelalter entstehen sah, läßt sich nicht sagen. Beispiele aus dem
16. Jahrhundert bieten ein aus einer Nautilusmuschel hergestelltes Schiffchen von i5.'|0 in
der Kathedrale zu Chartres (Tafel 139), das nur erst in der Bildung und Ornamentierung
des Fußes von der Renaissance beeinflußt ist, ein prachtvoller, mit Mast und Mastkorb, Segel
und Segelleinen ausgestatteter Weihrauchbehälter in Schifform von ausgesprochenem Re-
naissancecharakter im Santo zu Padua (16) und als Beispiel aus der Zeit des Barocks ein
(16) Abb. in Zeitschrift XXIII (1910) 169.
VIERTES KAPITEL. III. FORM UND AUSSTATTUNG 641
Schiffchen in der Pfarrkirche zu Grefrath von 16Ö7 mit Statuetten des heiligen Augu-
stinus und der heiligen Katharina neben dem Mäste und einer Statuette der Gottesmutter
mit dem Kind auf der Spitze desselben (Tafel i3q). Ein Weihrauchbeliälter von 15S7 zu
Scheer in Württemberg besteht in einem in Silber gefaßten, mit Klauenfüßchen versehenem
Büffclhorn, ursprünglich vielleicht ein Trinkhorn. Ein Weihratichbehälter des Spätbarocks
in Gestalt einer Taube mit Klappdeckel auf der hinteren Hälfte des Rückens, der Fort-
setzung der Flügel, den man irrig als eucharistische Taube gedeutet hat, befindet sich im
Museum des Parc du Cinquantenaire zu Brüssel {Tafel i3o); alles nur vereinzelt vorkom-
mende Bildungen des Weihrauchbehälters.
Eine ornamentale Ausstattung hat man im i^., i5. und frühen 16. Jahrhun-
dert dem Weihrauchbehälter nur ausnahmsweise gegeben und auch dann be-
schränkte sich der Schmuck, den man ihm gab, für gewöhnlich auf graviertes
Blattwerk, gravierte Wappen oder in Gravierung ausgeführte Heiligenfiguren,
wie bei einem der Schiffchen im Schnütgenmuseum, mit denen man die Ober-
seite des Deckels des Behälters versah. Der Fuß erscheint nur selten ornamen-
tiert. Eine so glänzende Ausstattung, wie sie das Weihrauchschiffchen im
Louvre (Tafel i38) zeigt, mit Steinen durchsetztes Rankenwerk auf den den
Deckel und den Rand des Behälters einfassenden Friesen sowie auf den vier
Bändern, welche die Randumrahmung desselben mit dem Ständer verbinden,
Nischen mit Heiligenstatuettchen rings um den zwischen Fuß und Behälter ein-
geschalteten Schaft und vier Löwchen mit Wappenschild als Träger des vier-
paßförmigen, mit Zacken zwischen den Pässen versehenen Fußes, dürfte den
gotischen Weihrauchschiffchen nur sehr selten zuteil geworden sein. Reicheren
Schmuck als die gotischen des späten Mittelalters weisen die Limoger Weih-
rauchschiffchen des i3. Jahrhunderts auf, vor allem auf dem Deckel und auf
dem Fuß, auf denen er in Email ausgeführt ist. Das Ornament besteht vor-
nehmlich in dem bekannten Limoger Rankenwerk, doch auch wohl in Halb-
figuren von Engeln, den Evangelistensymbolen, in vereinzelt angebrachten Stei-
nen oder einem in der Mitte der beiden Deckelhälften angebrachten, mit einer
phantastischen, in Durchbrucharbeit ausgeführten Tierfigur gefüllten, buckei-
förmigen Rundmedaillon, wie solche auch sonst auf den Schöpfungen der Li-
moger Schmelzwirker des öfteren vorkommen, das der Seiten des Behälters und
des Fußes in geometrischen Motiven. Übrigens entstanden auch noch im
ii- Jahrhundert Weihrauchschiffchen mit Emailschmuck auf dem Deckel. So
verzeichnet das Inventar Karls V. von 1879 eine navette d'argent doree ä k an-
geloz esmaillez qui encensent, (17) das Inventar des Herzogs Jean von Berry
von i4oi une navette d'ancienne forme d'argent dore, le couvercle esmaille de
plusieurs ymages (18) und ein Inventar von S. Francesco zu Assisi von i43o
eine navicula cum duabus smaltis figuratis ymaginibus b. Francisci et b. Cla-
rae, (19) um von in Email ausgeführten Wappen, wie sie in den Inventuren als
Schmuck des Deckels verzeichnet werden, abzusehen. Doch handelt es sich bei
dem Email dieser Schiffchen wohl nicht mehr um Limoger Grubenschnielz,
sondern um den späteren durchsichtigen Schmelz.
Häufig wurden die W?eihrauchschiffchen wieder in der Zeit des Barocks mit
Ornament bedacht und zwar entsprechend den jeweiligen Schmuckformen bald
~(17J7.abarte, n. 1004. (18) Gwffrey II, 756. (19) Arch. Franc. VII (1914) 316.
BRAlTf, DAS CHRISTLICHE ALTARGERÄT tl
642 VASA A'O/V SACRA. DRITTER ABSCHNITT. DER L1TVRG. FÄCHER
mit Blatt-, bald mit Schnörkelwerk. Ausgeführt wurde es in der Barockzeit vor-
nehmlich in Treibarbeit (Tafel i38).
Über die formale Beschaffenheit des Weihrauchlöffels in der Vergangenheit,
seine formale Entwicklung, die übrigens der Natur der Sache gemäß nicht er-
heblich gewesen sein kann, und seine Ornamentierung, die nie reich gewesen
sein wird, läßt sich nichts sagen, da die Quellen uns darüber keinen Aufschluß
ERSTES KAPITEL
DER LITURGISCHE FÄCHER IN DEN RITEN DES OSTENS
I. NAMEN DES FÄCHERS UND ALTER SEINER VERWENDUNG
Zu den bei der Feier des heiligen Opfers zur Verwendung kommenden Ge-
räten gehört noch jetzt im griechischen, armenischen, syrischen und koptischen
Ritus auch eine Art Fächer. Als griechische Benennungen des liturgischen Fä-
chers begegnen uns pi-iSiov, pi-t;, pi-io-rijp, pwriar/jptov und i£ar:i£pUYOv. 'Pint;
kommt als Bezeichnung desselben in der Vita der heiligen Martha (j 55i), der
Mutter des jüngeren Simon Stylites, (1) in der Commentatio liturgica des
Theodor von Andida (12.—13. Jahrh.), (2) in des Cyrills Vita des heiligen
Euthymius (7 £73) (3) sowie in des Pachymeres (um i3oo) Commentar der
pseudo-dionysischen Schrift De ecclesiastica hierarchia als Deutung des von
Pseudo-Dionysius gebrauchten TJ-cspuS (4) vor. Die Benennung ^wewr^p findet
sich in dem irrig dem heiligen Athanasius zugeschriebenen, wohl erst der Frühe
des zweiten Jahrtausends angehörenden Sermo De descriptione Deiparae, (5)
die BezeichnungpMttorripiovin der Vita des heiligen Epiphanius. (6) Die gewöhn-
liche griechische Bezeichnung war von jeher das Deminutiv von pwcis, pwtioiov.
Im griechisch-slavischen Ritus heißt der Fächer ripida.
'E&wtTipuTQv hat sich erst in jüngerer Zeit als Benennung des liturgischen Fä-
chers im griechischen Sprachgebrauch eingebürgert. "Genannt hat man ihn so.
weil man in ihm ein Sinnbild der sechsflügeligen Cherubim und Seraphim sah,
sowie auch, weil um dieser Symbolik willen auf ihm eine oder mehrere Figu-
ren dieser himmlischen Geister angebracht zu werden pflegten.
Im koptischen Ritus führt der liturgische Fächer die dem Griechischen ent-
nommenen Bezeichnungen ripidion und ripisterion, doch wird er wegen des
mit ihm verbundenen mystischen Sinnes in demselben auch ckerubim genannt.
Im syrischen heißt er marwatho, im armenischen hekots.
(1) N.70 (AA.SS.24MaÜ; V, 424): ^tö p-tsttav. (2) N. 18 (Mg. 140, 441): TA faßt*, ä
*»i f istö« TpÄjwvM«. (3) DC. Gloss. graec. (Lugduni 1688) 1299. (4) Mg. III, 489: tlept»-
xoX^jiivov pintaiv 471011 i; ttt%j;i Suoxotttaux. (5) N. 7 (Mg. 28, 953) : 'Pwwrfjp« t« XtpOöSV-
(6) DC 1. c.: To äftov %3t£-£ivti pi^iarripiov.
ERSTES KAPITEL. IM OSTEN. 1. NAMEN, ALTER 643
Die liturgische Verwendung des Fächers im Osten ist schon in früher Zeit
vielfach bezeugt. Der älteste Beleg für eine solche findet sich in den sogenann-
ten Constitutiones apostolicae, die um 4oo in Syrien entstanden. Hatten die Dia-
kone, so lesen wir in ihnen, nach der Entlassung der Katechumenen die Opfer-
gaben zum Altar gebracht, dann sollten ihrer zwei, einen aus zarten Häutchen
(Pergament), aus Pfauenfedern oder aus Linnen gemachten Fächer in der Hand
haltend, beiderseits vom Altar stehen und mit ihm sacht die kleinen fliegenden
Tierchen (Fliegen, Mücken) verscheuchen, damit sie nicht in die Kelche fie-
len. (7) Um die Wende des 5. Jahrhunderts spricht von einem liturgischen
Fächer des Pseudo-Areopagiten Schrift De hierarchia ecclesiastica, (8) um 55o
der Mönch Cyriüus in seiner Vita des heiligen Euthymius (7/173) (9) und um
etwa dieselbe Zeit auch der Mönch Job in seiner Schrift De verbo incarnato. (10)
In der zweiten Hälfte des 6. Jahrhunderts bezeugt die Existenz und die Ver-
wendung eines liturgischen Fächers die dieser Zeit entstammende Vita der hei-
ligen Martha (f 55i);(ll) in der Frühe des 7. Johannes Moschus (f 620) (12) und
das zwischen 63 r und 64 * verfaßte sogenannte Chronicon paschale, (13) um das
Ende des 7. Jahrhunderts ein Bischof Georg, wahrscheinlich Georg der Araber-
bischof, in einem Kommentar der jakobitischen Liturgie; (14) im frühen
8. Jahrhundert die Historia mystica ecclesiae catholicae des Patriarchen Ger-
manus von Konstantinopel (-J- 733). (15) Von jüngeren Zeugnissen sei abge-
sehen. (16)
Aus den angeführten Belegen erhellt, daß der liturgische Fächer nicht erst
im zweiten Jahrtausend im Osten in Gebrauch kam, sondern daß er dort schon
um die Wende des 4. Jahrhunderts, ja schon früher zu den gottesdienstlichen
Geräten zählte. Denn was uns die Constitutiones apostolicae über den Fächer
und seine Verwendung bei der Liturgie sagen, war sicher keine neue Vor-
schrift, sondern nur Wiedergabe eines schon bestehenden Brauches.
(7) L. 8, c. 12 (Mg. 1, 1092) : Aüo U iWnwvoi t$ Uatipmv tcüv [AEpÄv -coi ftjatao-nipfou wxi-
EZitowav i* 'ijjivDJV Xe—5-. K\-?.:vi l -i&cüv tciöWo; r; oHvtfi ?.■;■': v.fs« ir.',st,fä.-:ay}a.v tä jiwpä räiv
(8) C.4, n.2 (Mg.3, 473): (9) AA. SS. 20 Jan.; II, 679. (10) Mg. 103, 769.
(11) N.70 (AA.SS-24.Maii; V, 424): A-axivcuv tynteuävroiv [ww furfSwv xai 8-^ia-^pitov xai
■WAivtdw. (12) Pratum. spirit. c. 150, 196 (Mg. 86, 3016, 3081.
(13) Ad a. 624 (Mg.92, 1001): Hoc anno mense Artemisio, seeundum Romanos Maio . . .
sub Sergio, patriarcha Consta ntinopolitano, tum primum induetum est, ut, postquam ouines
sacra mysteria pereeperunt, cum clerici relaturi sunt in scenophylacium pretiosa flabelia,
discos et calices (xi -rijus pimäta, Bwreäpi« x«l hot^ih«) atque alia vasa Sacra, .. . caneretur
naec antiphona: Impleatur os nostrum laude etc. ^14) R. H. Connolly, Two commentaries
on the Jacobite liturgy (London 1913) 13, 22 f. (15) N. 60 (Ano. Mai, Nova PP. Bibl. X2
[Romae 1905] 27). (16) Zeugnisse aus dem 8. Jahrhundert und der Folgezeit bei arme-
nischen Schriftstellern in Le Museon XXXIX (1926) 257 ff.
644 VASA NON SACRA. DRITTER ABSCHNITT. DER UTVRG. FÄCHER
bewegen, sondern um auf diese Weise Fliegen, Mücken und ähnliches Getier zu
verscheuchen und zu verhindern, daß dieselben in die Kelche, die ohne Be-
deckung waren, hineinfielen. Wir dürfen wohl daraus schließen, daß der Fä-
cher um keines andern, als um eben dieses praktischen Zweckes willen bei der
Liturgie eingeführt wurde. In der Folge hören wir freilich nie mehr von ihm.
Der Brauch, bei der Anaphora über dem Altar Fächer hin und her zu bewegen,
erhielt sich zwar, er wurde aber zu einer die heilige Handlung feierlicher ge-
staltenden, ihres praktischen Zweckes entkleideten, symbolisch gedeuteten Zere-
monie. Die die Fächer schwingenden Diakone hatten nicht mehr die Aufgabe,
den oder die Kelche zu schützen, man sah in ihnen nun Abbilder der sechsflüge-
ligen Cherubim und Seraphim, die unsichtbar bei der heiligen Feier den Altar
umschwebten, in ihren Fächern aber, die gern aus Pfauenfedern gemacht wur-
den, im Anschluß an Ezechiels Vision (17) die Flügel dieser himmlischen Geister.
Wann sich dieser Wandel in der Auffassung vom Zweck und der Bedeutung des Fächers
vollzog, läßt sich nicht bestimmen, da die Quellen darüber keinen Aufschluß geben. In-
dessen muß er sehr zeitig eingetreten sein. Deutet doch schon um 5oo des Pseudo-Areopa-
giten Schrift De ecclesiastica hierarchia die mit dem liturgischen Fächer den Altar um-
stehenden Diakone als Sinnbilder der sechsflügeligen Seraphim. Denn die oti>5sxa rctipvve«,
von denen sie C. I\, n. 2 spricht, (18) können wohl kaum anders als liturgische Fächer ver-
standen werden, die ja namentlich auch aus Pfauenfedern angefertigt wurden. In der Tat
deuten denn auch so Pachymeres (19) und Simeon von Saloniki (20) die -xzlp-jyK des Pseudo-
Dionysius. Um 55o nennt Gyrillus in seiner Vita s. Euthymii den Fächer bereits r, |«3tix*| $1-
r& (21) und vergleicht um etwa dieselbe Zeit auch der Mönch Job in seiner Schrift De verbo
incarnato die bei der Liturgie die Fächer über den Altar bewegenden Diakone mit den
sechsflügeligen Seraphim, (22) eine Symbolik, die dann die ganze Folgezeit herrschend
bleibt. Es sind also nicht erst des Patriarchen Germanus' Schrift Historia mystica (23) und
Georgs des Araberbischofs -Erklärung der Mysterien der Kirche«, (24) die den Wandel be-
zeugen. Vollzogen hat sich aber derselbe sicher nicht in der Weise, daß mit einem Male die
mystische Bedeutung des Fächers die praktische ablöste und an deren Stelle trat. Vielmehr
hat dieser auch, als man schon anfing ihn mystisch zu deuten, zunächst noch nach; wie vor
seinem ursprünglichen praktischen Zwecke gedient. Einen ausschließlich mystischen Sinn
erhielt seine Verwendung erst allmählich, wobei gleichzeitig ihr praktischer Zweck immer
mehr in den Hintergrund trat und sich schließlich ganz verlor. Für die Annahme, daß die
Symbolik, die man nach dem vorhin Gesagten schon im 6. Jahrhundert mit dem Fächer
verband, auf den Pseudo-Areopagiten zurückgeht, liegt kein Anhalt vor, doch mag dessen
Schrift De ecclesiastica hierarchia zu ihrer Verbreitung beigetragen haben.
Gebraucht wurde der Fächer ursprünglich wohl nur bei der Feier der Litur-
gie, wenigstens hören wir nichts davon, daß er in der ersten Zeit auch ander-
weitig benutzt worden wäre. Indessen fand wohl im Zusammenhang mit dem
Wechsel in seinem Zweck und seiner Bedeutung seine Verwendung schon früh
eine Erweiterung, indem man begann, ihn zur Erhöhung der Feier auch bei
anderen liturgischen Gelegenheiten, zumal bei feierlichen Prozessionen, bei
denen sie jedoch jedenfalls später nur Schmuckstücke ohne symbolische Be-
(17) C.10, 12; Et omne corpus earum(der Cherubim) et colla et manus etpennae et cir-
culi ptena erant oculis. <18) Mg.3, 473; vgl. auch n.3, §5 (ebd.480). (19) Vgl. obenS.644.
(m De sacro unguento c. 72 (Mg. 155, 241).
(21) N.78 (DC. graec. II, 1299: Süiwmv«« Ss nptctä WEw pim (des Altars) u*tä iftj (»««*
i«wj; jiiriS« mptbroco). (22) Mg. 103, 769. (23) N. 60 (Aug. Mai, Nova PP. Bibl. X2, 27).
(24) R. H. Cohkollt, Two commentaries on the Jaeobite iiturgy 22 f.
ERSTES KAPITEL. IM OSTEN. II. ZWECK 645
deutung darstellten, sowie namentlich bei der Weihe des heiligen Öles am
Gründonnerstag zu gebrauchen. Bereits in der aus der Mitte des 6. Jahrhun-
derts stammenden Vita der heiligen Martha hören wir von einer Prozession, an
der auch Diakone, wie mit Rauchfässern, so auch mit Fächern teilnahmen. (25)
Bei der ölweihe am Gründonnerstag aber kam der Fächer schon um ooo zur
Verwendung, wie die Schrift des Pseudo-Areopagiten De ecclesiastica hier-
archia bezeugt. (26) Es war darum auch kein neuer oder auch nur junger, son-
dern ein schon seit langem bestehender Brauch, wenn im späten 7. Jahrhundert
im syrischen Ritus, wie uns die »Erklärung der Mysterien der Kirche* des Ara-
berbischofs Georg (um 687—72^) belehrt, zwölf fächertragende Diakonen den
Bischof umgaben, wenn er am Gründonnerstag das zu weihende öl feierlich aus
der Sakristei zum Altare brachte und es dann hier konsekrierte.
Von dem praktischen Zweck, den der liturgische Fächer ursprünglich zufolge den Con-
stitutione» apostolicae hatte, ist, wie schon gesagt wurde, in der Folge niemals mehr die
Rede. Wo immer von seiner Verwendung gesprochen wird, tritt er uns überall als ein die
unsichtbaren Cherubim und Seraphim symbolisierendes Sehmuckstück entgegen; so beim
Araberbischof Georg, in der Historia mystica des Patriarchen Germanus, in der Myarix-Tj
ytuwict des Pseudc-Germanus, im pseudo-athanasianischen Sermo De descriptione Deiparae,
in des Pseudo - Sophronius Commentarius liturgicus, (27) in des Theodor von Andida
Commentatio liturgica (28) sowie bei Simeon von Saloniki. (29) Im griechischen Ritus wird
heute bei der Anaphora vom Diakon meist nicht mehr der Fächer, sondern das Tuch, mit
dem bedeckt der Kelch zum Altar gebracht wurde, das sog. xä?,u|j.iia, zum Fächern gebraucht
und zwar auch da, wo ein Fächer vorhanden ist; nicht ganz im Einklang mit der Rubrik
der Clirysostomusliturgie, nach der das Kelchtuch nur beim Fehlen eines Fächers als Ersatz
desselben bei jener Gelegenheit dienen kann. (30) Der Fächer wird heute im griechischen
Ritus meist nur noch bei Prozessionen verwendet, im russisch- und rumänisch-griechischen
sogar bloß mehr bei Pontifikalf Miktionen. Bei den Syrern ist der liturgische Fächer bei der
Feier der Liturgie nicht mehr im Gebrauch, wohl aber noch bei anderen liturgischen Funk-
tionen, wie z. B. den heiligen Weihen, (31) zumal bei der Weihe der Diakone. (32),
1. Material des Fächers. Als Material, aus dem man zu Beginn des 5. Jahr-
hunderts den liturgischen F'ächer herstellte, nennen die Apostolischen Konsti-
tutionen dünne Häutchen, Linnen und Pfauenfedern. Daß man sie aus Federn
herstellte, sagt auch der Mönch Job: PuctSoc icxtp&v iteirowjpivo«. (33) Wie
lange sich der Brauch erhalten hat, die Fächer aus Federn, und zwar wegen
ihrer Symbolik wohl mit Vorzug aus Pfauenfedern, anzufertigen, wissen wir
nicht, ebensowenig, seit wann es Fächer aus Metall gegeben hat. Wenn im
Chronicon paschale ad a. 6s£ wie in einem Atemzug vouTifua£ttci8i«,5iax£ptaxal
rcoTijpi« die Rede ist, (34) möchte man glauben, daß wie die Disken und Kelche
so auch die hier genannten Fächer aus Metall gemacht waren, und daß es dem-
(25) N.70 (AA. SS. 24.Mali; V, 424): AktoSwbn 6&a&nm wetä äntfimv xst BuiAwrcr.piuiv -mX
Wü.v.-w. (26) C.4,n.2 (Ms. 3. 473). (27) X. 21'iM^. 87, 4ijt>l>. (28) N. 18, 23 (Mg. 140,
441,448). (29) De sacro unguento c.72 (Mg. 155, 241). (30) Mg. 63, 915: F,fc« jisT^atvst
*» -™ &$¥ fiepet x=ri jktdC« fcttfc« tßv frfbv prnä pw&fou e«aflä«; sE U oix &m ÄirfSiov, mntf
"ü'jto uettt %aX6wMttoe. (3t) Vgl. die Wiedergabe der Miniatur eines syrischen Pontifikales
von 1239 bei Brau«, Gewandung 51. (32) Revue XXXI (1883) 509. (33) Mg. 103, 769
(34) Mg. 92, 1001.
646 VASA NON SACRA. DRITTER ABSCHNITT. DER UTVRG. FÄCHER
nach bereits wenigstens zu Beginn des 7. Jahrhunderts auch Fächer dieser Art
gab. Ein vor etlichen Jahrzehnten zu Stüma im Bezirk von Aleppo gefundener
liturgischer Fächer aus Silber, der heute im Besitz des Ottomanischen Mu-
seums zu Konstantinopel ist und auf Grund der ihm eingepunzten Marken der
Zeit um 600 zugeschrieben wird, bestätigt, seine Echtheit vorausgesetzt, diese
Vermutung (Tafel i4o)- Er hat einen Durchmesser von 25 cm, ist mit einem
kurzen, zum Einstecken in eine Handhabe bestimmten Stiel versehen und be-
steht aus einem runden Mittelfeld, dem ein von zwei Rädern begleiteter sechs-
flügeliger Seraph eingraviert ist und einer, aus einem Kranz von sechzehn Päs-
sen gebildeten Umrahmung, die in jedem Paß als Schmuck eine gravierte
Pfauenfeder aufweist. Die gravierten Teile des Fächers sind vergoldet. (35) In
der späteren Zeit dürften die liturgischen Fächer im Osten regelmäßig aus
Metall, zum Gebrauch bei feierlichen Gelegenheiten bestimmte aus Silber her-
gestellt worden sein.
2. Form des Fächers. Über die Form der Fächer wissen uns die schriftlichen
Quellen zu keiner Zeit etwas zu sagen. Nur einige Fächer, die sich aus der Ver-
gangenheit erhalten haben, zumeist nachmittelalterliche, sowie eine Anzahl von
Bildwerken mit Darstellungen des liturgischen Fächers geben uns über sie Aus-
kunft. Wie aus ihnen hervorgeht, hatten die Fächer gewöhnlich die Form einer
mit mäßig langer Handhabe versehenen runden Scheibe. Dieser Art sind vier
von Rohaul t de Fleury veröffentlichte Fächer (36) sowie der auf Tafel 1.^0
wiedergegebene Fächer aus Karlowitz. Rund ist auch der Fächer auf den Mi-
niaturen des früher erwähnten syrischen Pontifikales in der Nationalbiblio-
thek zu Paris. (37)
Immerhin kamen auch Fächer anderer Form vor. So zeigt der vorhin er-
wähnte altsyrische Fächer die Form eines Sechzehnpasses. Zwei von Rohault
de Fleury veröffentlichte Fächer aus Ghelath setzen sich aus fünf Rundschei-
ben zusammen, einer mittleren und vier, die dieser mittleren über Kreuz ange-
fügt sind. (38) Ein Quadrat, aus dessen Seiten Halbkreise herauswachsen,
stellen dar zwei auf einem Mosaik in der Kathedrale zu Kiew wiedergegebene
Fächer (39) sowie zwei zu Putna befindliche, laut Inschrift vom Woywoden
Stephan VI. (i456—i5o/t) geschenkte Fächer, (40) einen achteckigen Stern
zwei Fächer auf einer Miniatur eines georgischen Evangeliars. (41) Zwei Fä-
cher in der Kathedrale zu Seres bestehen aus einer Rundscheibe, um die, teil-
weise in sie einschneidend und durch Zwischenräume, die von einem spitzen
Kleeblattbogen abgeschlossen werden, voneinander getrennt, sich sechs Kreise
lagern (Tafel i4o). (42)
(35) Revue arcbeol. IV serieXVII (1911) 401 nebstAbb. (36) LamesseVI,Tfl.490,493,494.
(37) Vgl. oben a. 31. Wenn bei Roh. VI, Tfl. 489 unter den liturgischen Fächern auch
ein aua Pfauenfedern bestehender Wedel in Form eines Büschels abgebildet ist, der uns
auf einer Miniatur einer griechischen Handschrift des 9. Jahrhunderts in der Nationalbi-
bliothek zu Paris (Ms. grec. 510) begegnet, so ist zu bemerken, daß es sich bei demselben
nicht um einen liturgischen, sondern um einen profanen Gegenstand handelt. Dargestellt
ist auf der Miniatur nämlich, wie jemand mit ihm einem Kranken Kühlung zufächelt.
(38) La messe VI, Tfl. 490. (39) Ron. IV, Tfl. 259. (40) Revue XXXIV (1884) 33 nebst
Abb. und H. Gi.f ck, Die Christ. Kunst des Ostens (Berlin 1928) Tfl. 131. (41) Roh. VI,
Tfl. 489. (42) N. P. Kondakov, Makedonija (St. Petersburg 1909) 155f., 165 f. nebst Abb.
93, 94, 103, 104.
ERSTES KAPITEL. IM OSTEN. III. MATERIAL. FORM. AUSSTATTUNG 647
Der Fächer des armenischen Ritus, ein mit der Figur eines sechsflugeligen
Seraphs ausgefüllter flacher Ring, ist am Rand mit kleinen Glöckchen besetzt,-
die beim Bewegen desselben erklingen. Getragen wird er von niederen Kleri-
kern, nicht mehr von einem Diakon. (43) Den Fächer am Rand mit Glöckchen
auszustatten, ist nicht erst in verhältnismäßig junger Zeit üblich geworden.
Schon Mekhitar Goch (um 1180) und Nerses Chnorhali (12. Jahrb..) kennen
den Brauch. Abgebildet ist ein mit Glöckchen ringsum verzierter kchots in
einem Rituale von I&44- (44)
3. Ausstattung. Das figürliche Bildwerk, mit dem man den liturgischen Fä-
cher verzierte, bestand, dessen Symbolik entsprechend, vornehmlich in einer
oder in mehreren Darstellungen sechsflügeliger Seraphim. Beispiele bieten
die bereits genannten Fächer. Schon der zu Stüma gefundene weist, wie vorhin
gesagt wurde, als Schmuck einen sechsflugeligen Seraph auf. Auf den beiden
Fächern in der Kathedrale zu Seres sind außer Seraphim auch Halbfiguren
von Engeln mit je zwei Fächern in den Händen dargestellt. Sie sind in den das
Mittelfeld umgebenden sechs Kreisen angebracht, während die Seraphim die
Felder zwischen diesen Kreisen einnehmen. Auf einem Fächer im Kloster
Megaspelion in Achaia tragen die Seraphim selbst je zwei Fächer. (45) Die
Symbole der Evangelisten begegnen uns auf einem der Fächer zu Ghelath (46)
und dem vorhin genannten Fächer im Kloster Megaspelion. Statt eines Seraph
füllt ein stehender Engel das Mittelfeld des eben erwähnten Fächers zu Ghelath,
zwei Heilige das des zweiten Fächers daselbst, die Panhagia mit dem Jesuskind
das des Fächers zu Megaspelion, Christus thronend und als Kind das derVorder-
und Rückseite eines der Fächer zu Seres, als Hoherpriester und als Jüngling
das der Vorder- und Rückseite des andern daselbst, Christus als Jüngling das
des Fächers zu Karlowitz. Solche und ähnliche Darstellungen bekunden, daß
Bilder von Seraphim, so beliebt und gewöhnlich sie auch auf den Fächern
waren und so sehr sie die mit diesen verknüpfte Symbolik zum Ausdruck brach-
ten, doch andere keineswegs ausschlössen. Ein Kreuz findet sich auf keinem.
Daß man auch Inschriften auf den Fächern anbrachte, bekunden die bei-
den Fächer zu Seres, der Fächer zu Karlowitz, der Fächer zu Megaspelion und
ein von Rohault de Fleury veröffentlichter, doch von ihm mit Unrecht dem
i3. Jahrhundert zugeschriebener Fächer zu Moskau. (47) Inhaltlich weisen
solche Inschriften auf den Zweck und die Symbolik des Fächers hin.
Ausgeführt ist der Schmuck der vorhin angeführten Fächer vornehmlich in
Gravierung und Treibarbeit. In reichstem Zeilenschmelz sind gearbeitet die bei-
den Fächer zu Seres, Filigran findet sich auf den beiden Fächern zu Putna. In
einer armenischen Handschrift von i35a wird ein kchots erwähnt, der mit
Edelsteinen besetzt war. (48)
Der Schaft, dem der Fächer aufgesteckt ist, endet oben gewöhnlich mit einem
Knauf. Den Übergang von dem Knauf zum Fächer vermitteln bei dem Fächer
zu Megaspelion Drachengestalten.
(43) Abb. bei Braun, Gewandung 93. (44) Le Museon XXXIX (1926) 314.
(45) Roh. VI, Tfl. 494. (46) Ebd. TU. 490. (47) La messe VI, Tfl. 493.
(48) Le Museon XXXIX (1926) 314.
648 VASA NON SACRA. DRITTER ABSCHNITT. DER LITVRG. FÄCHER
ZWEITES KAPITEL
DER LITURGISCHE FÄCHER IM LATEINISCHEN RITUS
Im lateinischen Ritus war früher und zwar vereinzelt bis ins 16. Jahrhun-
dert gleichfalls bei der Feier der Messe ein Fächer vielerorten in Gebrauch,
heute findet er in ihm jedoch keine Verwendung mehr. Denn die großen
Straußenfederwedel, welche den Papst z. B. bei seinem feierlichen Einzug in
St. Peter begleiten, haben keinen liturgischen Charakter. Sie sind lediglich
Schmuck, Ausstattungsstück. Sie sind die Nachfolger der sogenannten Cheru-
bim, welche bei den feierlichen Aufzügen zusammen mit zwölf Fahnen von
Bannerträgern dem Papst vorausgetragen wurden. Primo procedit equus do-
mini papae phaleratus, secundo vadit subdiaconus cum cruce, tertio duodecim
bandonarii (Fahnenträger) cum duodecim vexillis rubeis et duo alii cum duo-
bus cherubim cum lanceis... decimo sexto dominus papa, heißt es im Ordo
Gregors X. (1271 —1276). (1)
Beschrieben werden solche Cherubim mit ihren Lanzen im Inventar des Apo-
stolischen Stuhles von 1295 mit den Worten: Item duo esmalta magna rotunda
quae vocantur cherubini cum pomellis rotundis de argento circa ipsa, pond.
10 m, i4 unc, item duos canulos de argento cum pomis ad portandum ipsos
cherubinos pond. 2 m et 6 unc. (2) Zur Zeit Bonas (f 1674) waren an die Stellt?
dieser Cherubim Wedel aus Pfauenfedern getreten. (3) In der Messe kamen sie.
wie derselbe ausdrücklich bemerkt, nicht zur Verwendung, sondern nur beim
feierlichen Aufzug zur Messe. Einen liturgischen Charakter hatten sie dem-
nach niemals, ebensowenig wie die Tiara, die der Papst bei seinen feierlichen
Aufzügen noch heute trägt. Eine interessante Darstellung eines feierlichen Auf-
zuges des Papstes zum Empfang der zu Rom angekommenen heiligen Ursula,
bei dem zwei Kleriker, eine lange Stange mit einer Rundscheibe, die eine Ro-
sette als Verzierung aufweist, in den Händen tragend, dem Papst vorausgehen,
findet sich auf einem spätmittelalterlichen Gewölbegemälde in der Kirche zu
Lipp bei Bergheim. (4)
I. BENENNUNGEN DES LITURGISCHEN FÄCHERS IM LATEINISCHEN RITüS
Die Benennugen des Fächers in den mittelalterlichen Quellenschriften
sind flabellum (flavellum, frabellum, flagellum), ventilabrum, muscarium
(muscatorium, musco, muscifugium, museale, emuscallus), rostarollum (roste-
rium), cherubim, philacia, dyadema, rotula.
1. Flabellum, das Deminutiv von flabrum, ist die älteste Bezeichnung des
liturgischen Fächers im Westen; zugleich war sie im Mittelalter dort stets die
verbreitetste Benennung desselben. Flabellum (flavellum) wird er schon im In-
fi) N.9 (\L78, 1111); vgl. auch den Ordo des Jacobus Gajetanus c. 20: Cum duobus
cherubim in lanceis; c. 38: Cum duobus cherubim et lanceis; c. 46: Duo cherubini in lanceis
(ebd. 1131, 1137, 1146). Unter den lanceae sind die Stube zu verstehen, auf die die cherubim
aufgesteckt wurden. (2) Bibl. XLHI (1882) 635. (3) Rer. liturg. 1. 1, c. 25, n. 6: Hodte
in ecclesia romana, cum summus pontifex celebraturus procedit, duo flabella ex pennis pa-
vonum compaetn huic inde portantur, sed nullus eorum intra missam usus est.
(4) Abb. in Kd. der Rheinpr., Kr. Bergheim 121. Das Bild gehört zu einem Zyklus von
Darstellungen aus der Legende der heiligen Ursula.
ZWEITES KAPITEL. IM WESTES. I. BENENNUNGEN 649
ventar von Centula aus dem Jahre 831: Flabellum argenteum unum (5) und im
Testament des Grafen Eberhard von Friaul von 867: Flavellum argenteum (6)
genannt. Im 11. Jahrhundert heißt er flabellum in des Udalricus Consuetudines
Cluniacenses (7) und in den Consuetudines von St-Benigne zu Dijon, (8) im
12. bei Hildebert von Tours (f n33) (9) und in der Vita des heiligen Petrus,
Bischofs von Policastro (f- ii23). (10) Aus der Folgezeit Belege für den Ge-
brauch von flabellum (flavellum) zur Bezeichnung des liturgischen Fächers
anzuführen, ist nicht vonnöten. In frabellum verderbt erscheint flabellum im In-
ventar von S. Fortunato zu Todi von 1289: Item 4 frabella pro altari sive roste-
ria, (11) in flagellum in einem Inventar der Königin Isabella von England von
i35g: De capella duo flagella pro muscis fugandis (12) sowie in einem Schatz-
verzeichnis der Kathedrale zu Lyon von 1M8. (13)
2. Muscarium heißt der liturgische Fächer im Inventar der Westminster-
kirche von i388: Muscarium ad f Ugandas muscas est unum, argento in manu-
brio laminatum, (14) muscatorium im Inventar von St. Paul zu London: Unum
muscatorium de pennis pavonum, (15) musco im Inventar von St. Peter zu
Rom von i36i : Item tres muscones ad pellendas muscas diversimode labo-
rati, (16) muscifugium im Inventar der Kapelle des Abtes von Bury St. Ed-
munds, Wilhelm von Exeter, von 1/129: Unum muscifugium de pecok, (17)
museale in einem Inventar der Ste-Chapelle zu Paris: Item duo flabella, vulga-
rice nuneupata muscalia, ornata perlis, (18) emascallus im Inventar Clemens'V.
von i3ii: Item unum ventilabrum sive esmulcallus ad altare cum teca sua de
ligno, (19) muscallus in einem Statut der Kathedrale zu Maguelonne von
i33i; (20) alles Benennungen, die auf den Zweck des Gerätes hinweisen, die
aber alle erst dem späten Mittelalter angehören.
In französisch abgefaßten Inventuren wird der liturgische Fächer esmouchouer (esmoa-
ehotr) genannt, wie z.B. in einem Inventar Ludwigs X. von i3i6: Un esmouchouer pour
le prestre & l'autel, in einem Inventar der Kathedrale zu Sens von i5o4: Une belle echarpe
de drap d'or, en laquelle pendent 2 gros esmouchouers, (21) sowie in dem Inventar der
St-Chapellc zu Paris von 1578: Ung esmouchoir ou eventail de parchemin aux armes de
France et de Bourgogne, qui est mis et enferme en ung eserm ou coffre de yvoire. (22)
Häufig begegnet uns esmouchouer (esmouchoir) in den Inventarcn als Bezeichnung der
Fächer des profanen Gebrauchs. (23)
(5) Harhjlfi, Chron. Cent. 1.3, o. 3 (M. 174, 1257). (6) Dehaisses, Doc. 10.
(7) L.2, c.30 (M.149, 719). (8) Marx., Monach. 1.2, c.4, §2; IV, 61. (9) Ep. 1.1, n.2
(M. 171, 143). (10) C.2, n. 11 (AA.SS.4. .Wart. I, 329). (11) Arch. stör. ital.II (Florenz
1888) 264. (12) Palgrave 244. (13) Gay 715: 2 flagella pro muscis ab altari repellendum
cum repertorio de corio bulito. (14) Archaeologia LH (1890) 226.
(15) Revue XXXI (1887) 393. (16) Mfoxz 50. (17) Revue XXXI (1887) 393.
(18) DC.V, 555. (19) Regesti Clem.V. app. I, 445. (20t Roh. VI, 130. (21) Gay 627.
(22) Ebd. 684. Vgl. auch schon das Inventar von 1376: Fiabelli, gallice esmouchoirs bei
DC.V, 555. (28) Beispiele bei Gay 627. (24) Cont. n.10 (MG. ÖS. IV, 49).
650 VASA NON SACRA. DRITTER ABSCHNITT. DER LITURG. FÄCHER
seiner Kathedrale cruces aureas cum ventilabris aeque aureis erneuern las-
sen (25) und in einem Inventar des Domes zu Speyer von io5i : Cruces 4 cum
hastilibus suis, ventilabrum deauratum cum hastili suo. (26)
Spätere Belege bieten ein Inventar der Kathedrale von Namur von iai8i Duo ventilabra
argentea, (27) eine Schenkung des Kanonikus Peter d'Eu für die Kathedrale zu Amiens aus
der Zeit von etwa ia58: Ventilabrum factum de serico et auro ad repellendum muscas et
immunda, (28) sowie das Inventar des Apostolischen Stuhles von 1290: Item unum ventila-
brum totum de argento cum baculo de argento laborato ad vites et folia p. 7 mare. et
6 um:.; item unum aliud ventilabrum de carta cum cassagna intra de auro cum manubrio
ad caput leonis et duo poma de auro esmaltato, (29) und noch in einem Inventar Von Monte
Cassino aus dem Jahre 1(479: Item ventilabrum ornatum de ebore cum cartis membra-
naco». (30)
In französisch abgefaßten Inventaren wird ventilabrum mit esventail wiedergegeben; so
in einem Inventar der Ste-Chapelle zu Paris von 1^16: Un esventail brode aux ymages de
s. Estienne et de ceulx, qui le lapident, garni de petites pierres Manches, und in einem
Inventar des Schlosses les Baux von 1^26: Ung esventail pour aatel. (31) In deffendalh
verderbt erscheint esventail in einem Inventar der Kathedrale zu Aix von i5o3: Unum
flabellum sivc deffendalh ex plumis pavonum cum gemmis et medalliis in medio- (32) In
einem katalanischen Inventar des Klosters Pedralbes (bei Barcelona) von i364 heißen die
Fächer ventayh: 3 ventavls, 1 de fuyla daur et los 2 de seda; 2; ventayls ab ploma de paho
qui servexen al altar. (33)
lt. Rostarollum. Die Bezeichnung rostarollum, das latinisierte Deminutiv des
italienischen rosta, Fächer, Wedel, begegnet uns im Inventar des Apostolischen
Stuhles von i2Q5: Item 1 rostarollum parvum quadrum de pennis pavonum.:
item 1 rostarollum de carta depicta ad aurum et diversorum colorum; item
1 rostarollum operatum de serico diversorum colorum; item 1 rostarollum la-
boratum ad imagines de opere cyprense super xamito rubeo; item unum rosta-
rollum laboratum ad imagines de opere cyprensi super xamito violaceo. (34)
Da indessen diese rostarolla im Inventar nicht unter den gottesdienstlichen Ge-
genständen aufgeführt werden, sondern auf ein Verzeichnis profaner Gegen-
stände, wie Messer, Kämme, Stöcke, Bettzeug, Teppiche u. a. folgen, darf man
wohl fragen, ob es sich bei ihnen um liturgische und nicht vielmehr um profane
Fächer handelt. Zweifellos liturgische Fächer waren die vier rosteria, von denen
im Inventar von S. Fortunato zu Todi von 1289 die Rede ist, da sie auch als
frabella pro altari bezeichnet werden. (35)
5. Cherubim heißt der Fächer in einem Inventar der Kathedrale von Novara
des Jahres 1218, in dem neben Kreuzen, Kelchen und andern gottesdienstlichen
Gegenständen auch Cherubim aufgeführt werden (36) sowie in einem Inventar
von S. Marco zu Venedig von i3a5: Cherubinos duos argenti, quos portant an-
gelus et Maria in processione ad sanctam Mariam Formosam, ponderis march.6,
unc. 3Vs> cum petris vitreis et radicibus (radiis?) perlarum; item cherubinos
tres rotundos argenti, intaiatos cum rame; cherubinum unum rotundum cum
angelo, varnitum (guarnitum) argento retro et perlis antea. (37)
(25) L.3, n.49 (MG. SS. VII, 48). (26) Schannat 10. (27) Le Beffroi III, 130. Im
Inventar von 1572 (ebd. 136) werden dieselben beschrieben als orbes argentei deaurati,
latitudinis quisque pedis unius, insigniti singiili lapillis pelluci'dis 5. (28) DC. VIII, 274.
(29) Bibl. XLIII (1882) 635. (30) E. Gattula, Hist. abbat. Cassinensis II (Venet. 1733)
699. (31) Gay 684. (32) Gay 715. (33) Gedioi. 481. (34) Bibl. XLVII (1886) 666.
(35) Vgl. oben S. 649. (36) Hist. patriae monumenta, Chart. 1,1192. (37) Pasini, app. II-
ZWEITES KAPITEL. IM WESTEN. IL ALTER UND DAUER 651
redet, (43) so ist zu bemerken, daß zu Rom noch im 8. und 9. Jahrhundert ein liturgischer
P'ächer nicht zur Verwendung kam, wie aus den römischen Ordines jener Zeit zur Genüge
hervorgeht. Moschus hat östlichen Brauch auf Rom übertragen. Daß einige irische Minia-
turen im dem dem 7. Jahrhundert entstammenden Book of Keils im Trinity College zu
Dublin, auf denen Engel mit einem fächerartigen Scheibenstab dargestellt sind, in keiner
Weise dartun, daß zur Zeit ihrer Entstehung im Westen ein liturgischer Fächer in Gebrauch
war, liegt auf der Hand. Stände es fest, daß es bereits im 7. Jahrhundert im, Westen einen
solchen gegeben habe, dann könnte man vielleicht in dem Fächer in der Hand der Engel
auf jenen Miniaturen eine Nachbildung dieses liturgischen Fächers sehen, umgekehrt aber
aus jenen Fächern schließen, daß zu ihrer Entstehungszeit bereits liturgische Fächer im
Gebrauch waren, geht nicht an. (44)
Am frühesten erwähnt den Fächer im Westen das Inventar von Centula aus
dem Jabre 831. Nach Rom kamen 860 unter Papst Nikolaus als Gaben des
Kaisers Michael außer einem Kelch, einer Patene und Paramenten von großer
Kostbarkeit auch zwei griechische Rhipidien, die im Papstbuch beschrieben
werden als repides duae in typum pavonum cum scutum et diversis lapidibus
pretiosi, iacinthis, albis, (45) zu Rom aber, wo der liturgische Fächer damals
nicht in Gebrauch war, keine liturgische Verwendung gefunden haben werden.
Es ist auch das erste und für lange Zeit das einzige Mal, daß wir in Rom einem
liturgischen Fächer begegnen. Denn in der Folge hören wir von einem solchen
dort erst wieder zu Ende des i3. Jahrhunderts. 867 verzeichnet das Testament
des Grafen Eberhard von Friaul unter dem liturgischen Gerät, das dieser sei-
nem Sohne Unroch vermacht, einen Fächer.
Es geschieht nur sehr selten, daß im Westen bis zum 11. Jahrhundert in den
schriftlichen Quellen ein liturgischer Fächer erwähnt wird; ein Zeichen, daß
die Verwendung eines solchen sich bis dahin noch keiner namhaften Verbrei-
tung erfreute. Dann wird die Sache jedoch anders. Seit dem frühen 11. Jahr-
hundert liegen zahlreiche Nachrichten über ihn vor, zumal auch in den Inven-
taren. Allgemein gebräuchlich wurde er jedoch auch dann keineswegs. Ins-
besondere scheint in Deutschland seine Benutzung nur wenig Boden gefunden
zu haben. Denn in den dem späteren Mittelalter entstammenden Inventaren
deutscher Kirchen werden liturgische Fächer nie aufgeführt. Ihre Hauptver-
breitung erhielten diese in Frankreich, wie ihre häufige Erwähnung in den von
dort stammenden mittelalterlichen Quellen bekundet. Vorgeschrieben werden
Fächer in einem Statut von Maguelonne von i33i : Tenetur habere... moscal-
los de plumis pavonum in altari beati Petri. (46) Mit dem ausgehenden Mittel-
alter verschwand der liturgische Fächer bald ganz von der Bildfläche. Es ist
nur ein ganz vereinzelter Fall, wenn wir einen solchen nochiÖ73 im Inventar der
Ste-Chapelle zu Paris (47) antreffen. Es war wohl ein älteres Stück, das nicht
(43) C. 150 (Mg. «7, 3016): Tiv Swxovov -rov x«£vövra -cä ^ntCSwv.
(44) Unverständlich ist, wie man das achtteilige auf einer Handhabe sitzende sternartige
Gebilde, das der Evangelist Matthäus auf einer Miniatur der Thomasbibel in der Stadt-
bibliothek zu Trier (8. Jahrh.) zusammen mit einem Messer in den Händen hält, als litur-
gischen Fächer hat deuten können. So wenig das Messer in der Hand des Evangelisten ein
liturgisches Messer darstellt, da es ein solches im Westen nie gegeben hat, so wenig gibt
der Stern einen liturgischen Fächer wit:di.T. Su'i'ii v.r.d Mi^d' --.'inä Symjuli:. .iunor der vyü
dem Evangelisten berichteten Menschwerdung des Herrn, dieser seines Opfertodes. Abb.
bei J. O. WESTWOOD, Facsimiles of the miniatures of anglo-saxon and irish Mss. (London
1868) Tfl.20. (45) Dich., L. P. II, 154. (46) Ron. VI, 130. (47) Gav 627.
ZWEITES KAPITEL. IM WESTE*, llt. AKTEN 653
mehr im Gebrauch stand. Wenn noch i58i in einem Inventar der Pfarrkirche
zu Gutstadt und 1097 in einem Inventar der Pfarrkirche zu Bischofsburg (48)
ein flabellum aufgeführt wird, so handelt es sich bei beiden ebenso wie bei den
flabella, von denen die Ordnung der Fronleichnamsprozession in einem Direk-
torium des Bamberger Domes aus dorn Ende des i5. Jahrhunderts redet, und
dem flabellum, von dem um i5oo eine Beschreibung der Bona praepositurae
der Tübinger Universität spricht, nicht um Fächer zum Gebrauch bei der Messe
noch auch um flabella von der Art der sogenannten Scheibenkreuze, sondern
lediglich um Schmuckstücke, die ähnlich wie die sogenannten Prozessions-
stangen hier und dort im i5. und 16. Jahrhundert als Zierat bei der Fron-
leichnamsprozession zur Verwendung kamen. (49)
usum tibi mysticum praebeat intellectum. Um die Mitte des i3. Jahrhunderts
spricht von einem Fächer der ersten Art und seiner Verwendung der Meßordo
des Dominikanergenerals Humbert de Romanis, wenn er verordnet: Tempore
quoque muscarum post inceptionem secretarum debet diaconus tenere flabel-
him quo cohibeat eas honeste a molestando sacerdotcm et abigat a sacri-
ficio, (53) einige Jahrzehnte später aber tut das gleiche der Liber Ordinarius
von St. Jakob zu Lüttich. (54) Um das ausgehende i3. Jahrhundert lesen wir
auch in des Durandus Rationale von einem liturgischen Fächer der ersten Art.
Der materielle Fächer, mit dem man zur Sommerzeit während des Kanons der
Messe die Fliegen verscheuche, solle den Priester, sagt es, mahnen, mit dem
geistigen Fächer der Gnade des Heiligen Geistes die während desselben sich ein-
stellenden Zerstreuungen zu vertreiben, damit sie die Andacht beim Gebete
nicht störten. (55) Daß aber um die gleiche Zeit auch zu Rom ein Fächer zur
Abwehr der Fliegen bei der Messe Verwendung fand, ersehen wir aus dem Ordo
des Jacobus Gajetanus. Für die Feier eines Pontifikalamtes müßten die Kleri-
ker, so schreibt c. 48 vor, im Sommer außer dem sonstigen erforderlichen litur-
gischen Gerät auch flabella ad abigendum muscas mitnehmen, im c. 53 aber
gibt er genauere Anweisung über die Handhabung des Fächers, aus denen sich
ergibt, daß er zu Rom nicht bloß während des Kanons, sondern auch wenn der
Bischof beim Kyrie und so oft er auf seinem Throne saß, gebraucht wurde. (56)
Häufig werden liturgische Fächer der ersten Art in den Inventaren des späteren Mittel-
alters erwähnt, und zwar weisen nicht bloß Benennungen wie muscarium, muscatorium,
musco, museifugium, museale, muscallus, emuscallus, esmouchouers, die der liturgische
Fächer in ihnen führt, auf dessen Zweck hin, es heißt auch wohl ausdrücklich, daß die
Fächer dazu dienen sollten, die Fliegen zu vertreiben, bei der .Messe nämlich, so im Inventar
der Kathedrale von Lyon von i448, im Inventar von St, Peter zu Rom von i36i, im Inven-
tar der Kapelle der Königin Isabella von England von 1872 sowie in einem Inventar der
Kathedrale von Amiens von etwa ia58. (57)
Erhalten haben sich aus dem Mittelalter drei Fächer der ersten Art, der der Mitte des
9. Jahrhunderts angehörende ans St-Philibert zu Tournus im Bargello zu Florenz (Ta-
fel iaa), ein frühestens dem 12. Jahrhundert entstammender zu Canosa, (58) der, wenn-
gleich irrtümlich, dem heiligen Sabinus (-{■ ca. 566) zugeschrieben wird, und ein aus dem
i5. Jahrhundert datierender in der ehemaligen Sammlung Spitzer. (59)
Eine Vorstellung von der Verwendung des Fächers der ersten Art geben uns Miniaturen
des spaten i3., des i^. und i5. Jahrhunderts (Tafel iia). Sie zeigen den Priester am Altar
vor, bei oder nach der Konsekration, hinter ihm den Diakon oder Ministranten in der
erhobenen Rechten über dem Haupt des Zelehrans den Fächer haltend. (60) Bemerkenswert
ist, daß es sich bei allen um Miniaturen französischen Ursprungs handelt, wodurch die aus
den schriftlichen Quellen gewonnene Erkenntnis, daß Fächer der ersten Art vornehmlich
in Frankreich in Gebrauch waren, eine bemerkenswerte Bestätigung findet.
Daß der liturgische Fächer auch benutzt worden sei, dem zelebrierenden Priester im
heißen Sommer Kühlung zuzufächeln, davon hören wir nur einmal, in einer der Inschriften
des Fächers aus Tournus im Bargello zu Florenz. Aber auch in diesen erscheint als Haupt-
zweck seiner Verwendung das Verjagen der Mücken und Fliegen. (61)
{53) Legg 79. (54) Volk 93: Tempore muscarum post inceptionem secretarum debet
dyaconus tenere flabeJlum, quo cobibeat eas a molestando sacerdote et abigat a sacrificio;
vgl. auch S. 100. (55) L. 4, c. 35, a. 8, 9. (56) M. 78,1154, 1160, 1165. (57) Vgl. obeo S.650.
(58) Abb. in Revue XXXI (1883) Tfl. XIV. (59) Abb. bei Gay 715. (60) Vgl. die
Wiedergaben bei Roh. VI, Tfl.495 und I.eroqiais, TU. 47 und 51.
(61) Hoc decus eximium pulcro moderamine gestum — Condecet in sacro semper ad-
esse loeo — Namque suo volucres infestos flamine pellit — Et strictim motus longius ire
ZWEITES KAPITEL. IM WESTEN. III. ARTEN 655
Die Fächer der zweiten Art waren lediglich Zierstücke ohne den praktischen
Zweck, der den Fächern der ersten Arten eignete. Zu ihm zählen alle Fächer
aus Silber, die uns in den Inventaren begegnen, wie im Inventar von Centula
von 831, im Inventar der Nachlassenschaft des Grafen Eberhard von Friaul
von 867, im Inventar des Domes zu Speyer von io5i, in Inventaren der Kathe-
drale zu Namur von 1218 und iÖ^a, im Inventar des Apostolischen Stuhles
von i2p,5, im Inventar der Kathedrale zu Angers von I2Ö6 sowie im Inventar
der Kathedrale zu Salisbury von 1222: Item flavellum unum argenteum, quod
dominus episcopus contulit ecclesiae. (62) Denn Fächer aus Silber oder son-
stigem Metall waren, weil zu schwer und unhandlich, bei der Feier der Messe
zur Abwehr von Fliegen und anderen Insekten durchaus ungeeignet, sie waren
darum Fächer nur ihrer Form, nicht ihrem Zwecke nach, bildeten ihrem litur-
gischen Charakter nach Gegenstücke zu den vexilla (Kreuzfähnchen) und Trag-
kreuzen, die im Mittelalter beim feierlichen Aufzug zur Messe und bei feier-
lichen Prozessionen eine so ausgiebige Verwendung fanden, dienten dem glei-
chen Zwecke wie diese, weshalb sie auch in ihrem Mittelfeld mit einem Kreuz
ausgestattet zu werden pflegten. Ausdrücklich spricht von diesem Kreuz ein
Inventar der Kathedrale zu Angers von j4q5, wenn es das im Inventar der
Kathedrale von I2Ö6 vermerkte flabellum mit den Worten beschreibt: Item
quoddam dyadema cum baculo argenteo et in eo quaedam crux figuratur et
circulus ille in modum dyadematis. (63)
Von einer Symbolik der Fächer der zweiten Art, wie man sie mit dem Fä-
cher in den Riten des Ostens verband, hören wir nie, höchstens, daß man dort
eine ähnliche Bedeutung mit ihnen verband, wo man sie cherubim nannte, wie
zu Novara nach dem Inventar der dortigen Kathedrale von 1218 und zu Vene-
dig nach dem Inventar von S. Marco daselbst von i32Ö. Eine liturgische Ver-
wendung beim Kanon der Messe wie der Fächer in den Riten des Ostens fanden
sie aber auch dort nicht. Im Inventar von S. Marco werden zwei der darin auf-
geführten cherubim klar als Prozessionsgeräte gekennzeichnet. (64)
Flabella der zweiten Art haben sich aus dem Mittelalter noch mehrere erhal-
ten. Es sind die sogenannten Scheibenkreuze, so bezeichnet, well sie eine Scheibe,
die ein nie fehlendes Kreuz umschließt, darstellen. Sie sind im Grund nichts
anderes als ein Tragkreuz, das jedoch durch die Scheibe, der es eingefügt ist
und die unten mit einem Stachel zum Einstecken in einen Stab oder einer Hand-
habe versehen wurde, die Form eines Fächers erhalten hat, ohne jedoch Fächer
zu sein, sei es im Sinn der praktischen Zwecken dienenden liturgischen Fächer,
sei es in dem der Rhipidia in den Riten des Ostens.
Drei solcher Flabella gibt es noch im Schatz des Hildesheimer Domes (Tafel iüi), ein
größeres im Gewicht von 3,80 kg und zwei etwas kleinere, Gegenstücke zueinander, im
Gewicht von 3,65 kg. Sie gehören dem 11. bis 13. Jahrhundert an. (65) Zwei andere roma-
nische befanden sich in der ehemaligen Sammlung Basilewsky, mit der sie in die Eremitage
zu Leningrad gekommen sein werden. Reich mit Email verziert und anscheinend rheinischer
facit — Hoc quoque flabellum tranquillas excitat auras — Aestus dum eruetat ventum ex-
eitatque serenum — Fugat et obscenas importunasque volucres.
(62) Jones, Registr. II, 127. (63) Revue XXXI (1883) 373. (64) Vgl. oben S. 650.
(65) Abb. bei Braun, Meisterwerke II, Tfl. 15, 16.
656 VASA NON SACRA. DRITTER ABSCHNITT. DER LITVRG. FÄCHER
Herkunft, entstammen sie dem späten ra. Jahrhundert (Tafel 141). Eines dieser Flabella
wiegt 1,69 kg, das andere i/n kg. Zwei weitere Beispiele, gleichfalls Erzeugnisse rheinischer
Goldschmiede, aus dem späten 12. Jahrhundert, enthielt die ehemalige Sammlung Seilliere
zu Paris. Sie hatten ein Gewicht von i,55 bzw. i,3a kg. (66)
Ein um iaoo entstandenes Flabellum gibt es im Schatz des Stiftes Kremsmünster. Heute
in einem Fuß aus gleicher Zeit befestigt, konnte es ursprünglich aus diesem herausgenom-
men und auf einem Schaft gesteckt werden. Leider haben der Band der Scheibe und das
dieser eingefügte Kreuz ihren Steinschmuck verloren. ((>": .(>:■.- '/.-. it um i ,'-!■-,■■; . :-".■,- iii .. in
gotisches Flabellum, der ehemaligen Sammlung Basilewsky, im Gewicht von o,55kg (Ta-
fel i4i). Zwei ein Paar bildende, daher Gegenstücke, finden sich im Nationalmuseum zu
Kopenhagen. (68) Sie weisen am Schaft die Jahreszahl i5i8 auf, sind jedoch erheblich
älter und noch dem il\. Jahrhundert zuzuweisen. Das Datum am Schaft ist nachträglich bei
einer Erneuerung desselben angebracht worden. Eines der beiden Flabella wiegt 2,5 kg, das
andere, das verletzt ist, heute 2,ü5 kg.
Das erhebliche Gewicht, das die meisten der angeführten Flabella haben, schloß eine
Verwendung derselben zur Abwehr der Fliegen vom Altar und dem zelebrierenden Priester
während des Kanons der Messe schlechthin aus, das Kreuz aber, das bei allen dem Mittelfeld
der Scheibe eingefügt ist, läßt keinen Zweifel, daß es sich bei ihnen nur um; ein Tragkreuz
in Form eines Fächers handelt, um ein Kreuz von der Art der cruces aureae rotundae im
Inventar des Domes zu Bamberg von 1127 (69) oder der crux orbicularis im Inventar der
Kathedrale von Salisbury von 123a. (70)
Der Durchmesser des Flabellums zu Kremsmünster beträgt 28 cm, der des größten
Flabellums zu Hildesheim .'n cm, der der kleineren dort 33 cm. Die Flabella der Sammlung
Seilliere haben 29 cm, die beiden romanischen der Sammlung Basilewsky ao,5 cm, das
gotische derselben Sammlung 29cm, die beiden Flabella im Museum zu Kopenhagen 38,5 cm
im Durchmesser.
meno, (72) das Inventar des Apostolischen Stuhles von 1296: Item unum fla-
bellum de carta (Pergament) aurata cum repositorio et baculo de argento; item
3 flabella de carta rotunda depicta cum repositoriis et manicis de ligno; item
unum aliud ventilabrum de carta cum cassagna intra de auro, cum manubrio
ad caput leonis et duo poma de auro esmaltata (73) und das Inventar Cle-
mens' V. von i3i 1: Item unum flabellum de carta rolunda picta ad multas ima-
gines et habet manubrium et repositorium pro ipsa carta de ebore. (74) Das-
selbe bekundet der aus St-Philibert zu Tournus stammende Fächer im Bar-
gello zu Florenz, der dem heiligen Sabinus (-f- ca. 566) zugeschriebene, jedoch
in Wirklichkeit frühestens dem 12. Jahrhundert angehörende Fächer zu Ca-
nosa, (75) sowie ein dem i5. Jahrhundert entstammender F'ächer der ehemali-
gen Sammlung Spitzer. (76) Auch der Fächer im Schatz des Domes zu Monza,
der jedoch kein liturgischer, sondern laut Inschrift ein profaner Fächer war,
ist aus Pergament gemacht. (77)
Einem Fächer aus Seide begegnen wir in einem Inventar von Rochester von
i346: Unum flabellum de serico cum virga eburnea, (78) in einem Inventar der
Kathedrale zu Amiens von etwa 1208: Ventilabrum factum de serico et auro
ad repellendas muscas et immunda, (79) einem Fächer aus violettem Samt und
einem zweiten aus Seide, welch letzterer als opus Ungariae bezeichnet wird, in
einem Inventar des Abtes von St-Victor zu Marseille von i358. (80) Aus Samt
waren auch zwei der rostarolla gemacht, von denen im Inventar des Apostoli-
schen Stuhles von 1290 die Rede ist. Was wir aus den Inventaren über das Ma-
terial der Fächer erfahren, sind nur vereinzelte Angaben; immerhin geben sie
uns auch so wertvollen Aufschluß über das Material, aus dem dieselben ange-
fertigt zu werden pflegten.
Die nicht zu praktischen Zwecken dienenden Flabella aus leichtem Material
anzufertigen, dafür lag kein Grund vor. Im Gegenteil mußte sich für sie, ge-
rade wie für die Tragkreuze, denen sie zwar nicht der Form, wohl aber der
Sache nach gleichartig waren, Metall als Herstellungsmaterial vor allem emp-
fehlen. Wie diese wurden daher auch sie aus Silber, aus vergoldetem Kupfer,
ja selbst aus Gold gemacht. Von ventilabra aurea, die Bischof Gerhard von
Cambrai (■{■ io^8) wie die cruces aureae seiner Kathedrale erneuern ließ, hör-
ten wir schon in den Gesta episcoporum Cameracensium. (81) Häufiger waren
flabella der zweiten Art, die aus Silber angefertigt waren. (82) Was sich an sol-
chen flabella erhalten hat — die flabella im Dom zu Hildesheim, in den ehe-
maligen Sammlungen Basilewsky und Seilliere, im Stift Kremsmünster sowie
im Nationalmuseum zu Kopenhagen —, besteht aus vergoldetem Kupfer. Auch
das ventilabrum deauratum des Inventars des Speyerer Domes von ioöi dürfte
aus vergoldetem Kupfer hergestellt gewesen sein.
(72)~Joses, Registr. II, 1S5. (73) Bibl. XLIII, 666, 635. (74) Regesti Clem. V. app. I,
449, wo 459 auch noch ein weiteres der gleichen Art verzeichnet ist. (75) Abb. in Re-
vue XLIII (1883) Tfl. XIV. (76) Abb. bei V. Gay 715.
(77) Abb. in Revue a. a. 0., Tfl. XII und XIII. Er wird als der Fächer der Königin Theodo-
linde (-j- 625) bezeichnet, jedoch irrigerweise; denn laut seiner Inschrift geborte er einer
Alfada. Von den Inventaren des Domes zu Monza verzeichnet ihn erst das von 1353. Ins-
besondere fehlt er in den Inventaren des 10. Jahrhunderts. Wie er in den Schatz des Domes
kam, ist unbekannt. (78) Revae a. a. O. 390. (79) DC. VIII, 274. (80) Gay I, 715.
(81) Vgl. oben S. 650. (82) Vgl. oben S. 649 f.
BSABif, das christliche altargerät 43
658 VASA NON SACRA. DRITTER ABSCHNITT. DER LITURG. FÄCHER
Die Handhabe oder der Schaft (manubrium, baculus, virga) des Fächers war
wohl meist aus Holz gemacht, doch hören wir auch von elfenbeinernen Hand-
haben; so in dem Inventar des Apostolischen Stuhles von i2q5, einem Inventar
von N.-Dame zu Paris von i343, (83) dem Inventar Clemens'V. von i3n.
einem Inventar von Rochester von i3'i6 u. a. Ebenso gab es Handhaben, die aus
Silber gemacht oder doch mit solchem bekleidet waren. Belege bieten z. B. das
Inventar des Apostolischen Stuhles von 1290, das Inventar der Kathedrale zu
Angers von ia56, das Inventar von Westminster zu London von i388 und ein
Inventar des Münsters zu York von etwa i5oo: Unum manubrium flabelli ar-
genti deaurati cum ymagine episcopi in fine. (84) War der Fächer ein Rad-
fächer (s. unten 2) und demgemäß mit einem repositorium versehen, so be-
stand dieses in der Regel aus dem gleichen Material wie die Handhabe. Ein
repositorium aus gekochtem Leder (de corio bulito) wird im Inventar der Ka-
thedrale von Lyon von 1/448 erwähnt. Handhabe und Behälter des Fächers zu
Canosa sowie desjenigen der ehemaligen Sammlung Spitzer bestehen aus Holz,
des Fächers aus Tournus im Bargello zu Florenz aus Elfenhein und Bein.
2. Formale Beschaffenheit des Fächers. Was die Form des liturgischen Fä-
chers im Westen anlangt, so stellten die nicht praktischen Zwecken dienenden
flabella, wie die noch vorhandenen Beispiele bekunden und aus den Angaben
der Inventare von Angers und Namur klar hervorgeht, eine Rundscheibe dar.
Ein an ihnen angebrachter Stachel oder ein kurzes Schaftstück, mit dem sie
versehen waren, ermöglichte es, sie auf einem Stab anzubringen und wieder
von ihm herabzunehmen, doch dürfte es auch solche gegeben haben, die dau-
ernd auf dem Tragstab befestigt waren. Angaben, wie die des Speyerer Inven-
tars, der Inventare von Angers und des Inventars des Apostolischen Stuhles
von 1295 (85) lassen das vermuten.
Die praktischem Zwecke dienenden Fächer waren entweder unfaltbare Blatt-
fächer oder Radfächer, stets jedoch mit Handhabe versehen. Handhabenlose
von der Art der in nachmittelalterlicher Zeit so beliebten profanen Fächer, wird
es unter ihnen nicht gegeben haben, weil solche zu dem Zweck, dem sie dienen
sollten, nicht brauchbar gewesen wären. Die Inventare bieten uns über die
Form wenig Aufschluß. Stets waren Blattfächer die aus Pfauenfedern gemach-
ten. Um Radfächer, Fächer, die man je nach Bedarf entfalten und schließen
konnte, handelt es sich in den Inventaren, wenn in ihrer Beschreibung von einer
cassagna oder einem repositorium, einem Behälter zur Aufnahme des zusam-
mengefalteten Fächers, die Rede ist, wie bei einigen der im Inventar des Apo-
stolischen Stuhles von 1295 erwähnten Fächer, bei einem Fächer im Inventar
Clemens' V. von i3i 1: Item unum flabellum de carta rotunda picta ad multas
imagines el habet manubrium et repositorium pro ipsa carta de ebore (86) und
in einem Inventar der Kathedrale von Lyon von i448: 2 flagella pro muscis ab
altare repellendum cum repositorio de corio bulito. (87) Auf den Bildwerken
hat der Fächer bald Blattform, bald Radform. (88)
E Revue archeol. XXVII (1874) 255. (84) Raine 223. (85) Vgl. oben S. 650 £
Regeati Clement V. app. I, 449. (87) Gay 715. (88) Vgl. die Abb. bei Ron. VI,
, Revue XXXI (1883) 300 f. nnd Leroquais, Tfl. 47, 51.
VIERTES KAPITEL. IM WESTEN. IV. FORM. AUSSTATTUNG 659
(89) Revue arctaol. XXVII (1874) 255. (90) Reges« Clement V.app. I, 411.
(91) Gay 715.
660 VASA NON SACRA. DRITTER ABSCHNITT. DER LITURG. FÄCHER
denen zwei bukolische Szenen aufweisen, eine dritte Weinranken mit Vögeln, die an den
Weinbeeren picken, und Hirten, welche dieselben pflücken, die vierte Akanthusranken mit
Vögeln und mit je einem Hirten an den Enden. Eigentümlich berührt die so ausgiebige
Verwendung profaner Motive an der Handhabe und am Behälter. Sie paßt wenig zu der
am mittleren Knauf angebrachten Inschrift: Johel me sanetae fecit in honore Mariae. (92)
Die Prunkflabella wird man ausgiebig mit Schmuck ausgestattet haben. Waren sie doch
eine Art von Gegenstück zu den Tragkreuzen, die man sehr oft auf das kostbarste verzierte.
In iler Tat bekunden die Beispiele, die sich erhalten haben, wie sehr man es sich angelegen
sein ließ, sie reich mit Ornament zu bedenken. Insbesondere zeigen das die Flabella, die aus
romanischer Zeit auf uns gekommen sind, Prachtstücke der Goldschmiedekunst (Tafel ifri).
Die drei Hildesheimer Flabella sind sowohl auf dem Kreuz wie auf der sie rings umzie-
henden, mit einem Blattkamm abschließenden Umrahmung mit zierlichem Bankenfiligran,
dem große und kleinere Edelsteine in größter Zahl eingefügt sind, besetzt. Die Zwickel
zwischen den Armen des Kreuzes füllt durchbrochen gearbeitetes, ziseliertes Bankenwerk.
Die romanischen Flabella der ehemaligen Sammlung Seiliiere, die den Hildesheimern
formal so ähnlich scheinen, daß man sie fast als deren Seitenstück bezeichnen könnte, sind
mit Filigran und Steinen in geringerem Ausmaß ausgestattet, sie weisen aber dafür auf
Kreuz und Umrahmung reichlichst Grubenschmelz als Schmuck auf. Auch bei ihnen sind
die Zwickel mit durchbrochenem ziseliertem Ornament, Rankenwerk und einer Folge vier-
blättriger Rosetten, gefüllt und umgibt den Band ein Blattkamm.
Bei den aus einer mittleren gewölbten, von schmaler gestanzter Einfassung umrahmten
Scheibe und vier ringförmigen Zonen bestehenden Flabella der ehemaligen Sammlung
BasÜewsky kommt zu dem ausgiebig verwendeten Grubenschmelz, zum Filigran, zum
Stein schmuck und zu den Ziselierungen noch gestanztes Ornament. Zudem ist bei ihnen,
abweichend von den Flabella zu Hildesheim und der Sammlung Seiliiere auch die bei diesen
kahle Rückseite mittels Stanzblechen und Gravierungen mit einem einfachen Schmuck ver-
sehen worden.
Das Flabellum zu Kremsmünster hat leider die Ausstattung des Kreuzes und der Um-
rahmung, wie schon früher gesagt wurde, verloren. Daß auf ihnen vordem auch Steine
als Zierart angebracht waren, bekunden die in ihnen befindlichen Löcher. Die Zwickel
zwischen den Armen des Kreuzes enthalten in Durchbruch arbeit oben zwei neutestament-
licho Darstellungen, links die Auferstehung, rechts die Himmelfahrt des Herrn, unten
zwei symbolische, links den Löwen, der seine Jungen zum Leben erweckt, rechts den Adler,
der, um sich zu verjüngen, zur Sonne emporfliegt und dann in einem Quell sich badet,
Symbole der Auferstehung und Himmelfahrt des Herrn. Inschriften, die den inneren Rand
der Umrahmung des Flabellums entlang um die Darstellungen angebracht sind, erläutern
diese. (93) Von ähnlicher Ausstattung mag eines der Flabella im Inventar der Kathedrale
zu Angers von 1256 und i4si gewesen sein, das, wie uns das letztgenannte belehrt, Vetos
Testamentum genannt zu werden pflegte. (94)
Das gotische Flabellum der Sammlung Basilewsky (Tafel iii) und die beiden im Na-
tionalmuseum zu Kopenhagen befindlichen gotischen sind einfacher als die vorhingenannten
romanischen. Kreuz und Umrahmung sind bei jenem mit getriebenen Epheuranken, denen
Steine eingefügt sind, bei diesem mit graviertem Blattwerk, zwischen das Steine eingeschaltet
waren, verziert. Die durchbrochen gearbeitete Füllung der Winkel zwischen den Armen
des Kreuzes besteht beim ersten aus einem den Jnnenrand der Umrahmung entlang laufen-
den Vierpaßfries, einer Maßwerkrosette und phantastischen Tiergestalten in den Zwickeln
dieser Bosctte, bei den beiden letzten in Darstellungen der Evangelistensymbole.
(92) Vgl. Über den Fächer Revue XXXI (1883) 496 und A. Goldschmidt, Die Elfenbein-
skulpturen aus der Zeit der karolingischen und sächsischen Kaiser I (Berlin 1914) Tfl. LXVI
und n. 155 des Textes. (93) Mitt. VI (1861) 651 nebst Tfl. II. (94) Revue XXXI (1883) 391.
DRITTER TEIL
DIE SEGNUNG UND DIE SYMBOLIK
DER ALTARGERÄTE
ERSTER ABSCHNITT
T~\ IE beiden Gruppen der Altargeräte, vasa sacra und vasa non sacra unter-
*—J scheiden sich nicht bloß dadurch, daß jene in unmittelbarem Dienst des
AHerheiligsten stehen, diese nur in einem mehr oder weniger entfernteren, son-
dern auch dadurch, daß die ersten, sei es infolge ausdrücklicher Vorschrift der
Kirche, sei es des bestehenden Brauches vor ihrer erstmaligen Verwendung ge-
segnet werden müssen, die zweiten zwar gesegnet werden können, aber nicht
gesegnet zu werden brauchen und auch für gewöhnlich nicht gesegnet werden.
Gemeinsam mit der Segnung der vasa sacra hat die der vasa non sacra, falls sie
erfolgt, daß auch sie nicht eine bloße benedictio invocativa ist, eine Segnung,
die auf den zu segnenden Gegenstand Gottes Gnadensegen herabruft, sondern
eine benedictio constitutiva, eine Segnung, die ihm dauernd den Charakter einer
geheiligten Sache verleiht. Jene Segnungen der vasa sacra, die von einer Sal-
bung mit Chrisam begleitet ist, also die des Kelches und der Patene, pflegt man
im Unterschied von den Segnungen, die nicht mit einer solchen verbunden sind,
nicht als benedictio, sondern als consecratio zu bezeichnen.
ERSTES KAPITEL
SEGNUNG DER VASA SACRA
bene-fdiclionem in Christo Jesu Domino nostro, qui tecum vivit et regnat in umtäte Spiritus
sancti Deus per omnia saecula saeculorum. Amen.
Die Weihe des Kelches beginnt mit dem Invitatorium (D): Oremus, fratres dilectissimi,
ut Deus et Dominus noster calicem istum in usum ministerii sui consecrandum coelestis
graliae inspiratione sanctificet et ad hnmanam consecrationem plenitudinem divini favoris
accommodet. Per Christum Dominum nostrum. Amen. Das Segensgebet (E) besagt: Oremus,
Domine Deus noster, calicem hunc benefdicere in usum ministerii tui pia famulatus devo-
tione formatum et ea sanctiyficatione perfundere, qua Melchisedech famuli tui sacratum
calicem perfudisti et quod arte vel metalli natura effici non potest altaribus tuis dignum,
fiat tua bene-Jdictione sanctificatum. Per Christum Dominum nostrum. Amen. Der die
Salbung des Kelches begleitende Segensspruch (F) ist der gleiche wie der bei der Salbung
der Patene.
Das den Ritus der Konsekration der Patene und des Kelches beendende Schlußgebet (G)
hat den Wortlaut: Omnipotens sempiterne Deus, manibus nostris, quaesumus, opem tuae
benedictionis infunde, ut per nostram bene-J-dictionem hoc vasculum et patcna sanetificen-
tur et corporis et sanguinis Domini nostri Jesu Christi novum sepulcrum sancti Spiritus
gratia efficiantur. Per eundem Dominum nostrum Jesum Christum Filium tuum, qui
tecum vivit et regnat in unitate eiusdem Spiritus Sancti Deus per omnia saecula saeculorum.
Amen.
Eine der Ingebrauchnahme der Patene und des Kelches vorhergehende Weihe
derselben hat es ursprünglich nicht gegeben. Nicht durch einen derartigen Seg-
nungsakt empfingen sie ihren sakralen Charakter, sondern durch ihre Verwen-
dung bei und zu der Feier der eucharistischen Geheimnisse und ihre diesbezüg-
liche Bestimmung.
Ausdrücklieh leitet Augustinus (2) die Heiligkeit des Kelches und der Patene — denn diese
hat er zweifelsohne vor allem bei seinen Worten im Sinn — von ihrem Gebrauch beim
Altardienst her, wenn er sagt: Sed et nos pleraque instrumenta et vasa ex huiusmodi materia
vel metalla habemus in usum celebrandorum sacramentorum, quae ipso ministerio conse-
crata sancta dicantur in eius honore, cui pro salute nostra inde servitur. Ein gleiches tut
Hieronymus, wenn er in einem Brief an den Patriarchen Theophilus (3) schreibt: Discant,
qui ignorant . . . sacros calices et sancta velamina et cetera, quae ad cultum Dominicae per-
tinent passionis ... ex consortio corporis et sanguinis Domini eadem qua corpus et sanguis
maiestate veneranda. Wenn aber Ambrosius (4) zwischen vasa initiata und vasa nova
nequaquam initiata unterscheidet, so versteht er nach dem Zusammenhang unter jenen nicht
etwa durch eine Weihe geheiligte, unter den vasa nova nequaquam initiata noch nicht ge-
weihte gottesdiensüicbe Gefäße (zumal Kelche), vielmehr bezeichnet er mit vasa initiata
die bereits in Gebrauch stehenden, mit vasa nova nequaquam initiata die zwar für den
Altardienst bestimmten, aber noch nicht für ihn in Gebrauch genommenen. Wenn es nötig
werden sollte, heilige Gefäße zur Linderung der Not der Armen und zur Befreiung der
Gefangenen einzuschmelzen, sollten zuerst die vasa non initiata zu diesem Zwecke ver-
wendet werden.
Freilich wurde nicht ohne weiteres irgend ein Becher oder irgend eine Schüs-
sel, die aus irgend einem Grund wie im Notfall beim Mangel eines Kelches oder
einer Patene zufällig und nur gelegentlich zur Feier der heiligen Geheimnisse
diente, durch diese vorübergehende Verwendung schon ein vas sacrum, eben-
sowenig wie ein gewöhnlicher Tisch dadurch, daß man ihn beim Fehlen eines
Altares als Altar benutzte, zu einem heiligen Tisch, einem Altar wurde. Anders
verhielt es sich jedoch mit einem Kelch und einer Patene, die für den Gebrauch
(2) Enar. in ps. 113, sermo 2, n. 6 (M. 37, 1484). (3) Ep. 114, n. 2 (M. 22, 934).
(4) De off. 1.2, c.28 (M. 16, 142).
664 SEGNUNG UND SYMBOLIK, ERSTER ABSCHNITT. SEGNUNG
beim eucharistischen Opfer gemacht und bestimmt waren. Für sie war ihre
Verwendung im Altardienst, durch die sie ihren sakralen Charakter erhielten,
und zwar schon ihre erstmalige, eine, wenn auch nicht formelle, so doch wirk-
liche Weihe.
Daß Patene und Kelch nicht schon in der Frühzeit vor Ingebrauchnahme
durch einen besonderen Segensakt geheiligt wurden, kann nicht befremden.
Ein diesbezügliches Gebot Christi gab es nicht und ebensowenig bestand bereits
eine kirchliche Vorschrift, welche das zur Pflicht machte. Aber auch durch den
Zweck, dem Patene und Kelch dienen, wurde an sich eine ihrem Gebrauch
vorausgehende Weihe keineswegs gefordert. Hatte sich doch auch der Erlöser,
als er beim Letzten Abendmahle mit seinen Aposteln das eucharistische Opfer
feierte, keines geweihten Kelches und keiner geweihten Patene bei demsel-
ben bedient.
Seit wann es üblich wurde, der Ingebrauchnahme von Kelch und Patene eine
Weihe derselben vorausgehen zu lassen, läßt sich nicht feststellen, ebensowenig,
wo das zuerst geschah. Am frühesten hören wir von dem Brauch in dem soge-
nannten Missale Francorum, (5) einem gallikanisch beeinflußten römischen
Sakramentar aus der Zeit von etwa 700 in der Vatikana und in zwei etwas jün-
geren Sakramentaren, dem Bobbiosakramentar in der Nationalbibliothek zu
Paris (6) und dem sogenannten Gelasianum (7) in der Vatikana, zwei Hand-
schriften, die früher ebenfalls noch der Wende des 7. Jahrhunderts zugeschrie-
ben wurden, heute aber etwa der Mitte des 8. zugewiesen werden. Als etwas
Neues erscheint er in keinem der drei Sakramentare. Er muß deshalb schon eine
geraume Zeit vor 700 in Übung gewesen sein, worauf auch der Umstand hin-
weist, daß sich in den genannten Sakramentaren nicht weniger denn drei ver-
schiedene Formeln für die Segnung des Kelches und der Patene finden. Bekun-
det doch diese Vielgestaltigkeit der Segnungsformulare, daß diese nicht für die
betreffenden Sakramentare neu geschaffen, sondern dem schon vorhandenen
Bestand solcher entnommen wurden.
Das Segensformular des Bobbiosakramentars besteht nur aus einem einzigen Segensgebet.
Es ist ausgesprochen gallikanisch. Ist es doch nach der Überschrift nicht nur für die Seg-
nung des Kelches und der Patene, sondern auch für die der turris, eines dem gallikanischen
Ritus eigentümlichen Gerätes, bestimmt. (8) Im Missale Francorum und im Gelasianum be-
gegnen uns zwei Formulare für die Segnung des Kelches und der Patene. Das eine ist sehr
lang und wortreich und nicht ausschließlich für die Segnung von Kelch und Patene be-
bestimmt, sondern überhaupt für die alles Kirchengerätes. Auch dieses ist, wie Form und
Inhalt bekunden, gallikanisch. Das andere Formular besteht aus zwei Teil form ularen, von
denen das erste den Ritus der Segnung der Patene, das zweite den der Segnung des Kelches
darstellt. Beide setzen sich aus zwei Gebeten zusammen, einem Invitatorium und dem
Segensgebet. Das Invitatorium der Segnungsformel der Patene ist ein3 mit dem der Segens-
formel der Patene (A) im heutigen Pontifikale, nur lesen wir in ihm conficiendum statt
confringendum, das Segensgebet der Patenenweihe ist dem Segensspruch (C) gleich, mit
dem nach dem jetzigen Pontifikale der Konsekrator die Salbung der Patene begleitet. Das
Invitatorium der Formel für die Segnung des Kelches stimmt überein mit dem Invitatorium
der Kelchsegnung (D) im heutigen Pontifikale, das Segensgebet derselben mit dem der Sal-
bung des Kelches in ihm vorausgehenden Segensgebet (E). Die knappe, allen Wortschwall
(5) Mi-hatori II, 324. (6) Lowe 169. (7) Welsos 1S4. (8) Vgl. oben S.242L
ERSTES KAPITEL. VASA SACRA.!. KELCH. PATENE 665
und alles Überflüssige vermeidende Fassung des Forraulars scheint darauf hinzuweisen, daß es
römischen Ursprungs ist. Eine Salbung kennt weder das Formular des Bobbiosakramentars
noch das erste allgemeine Formular der beiden andern Sakramentare, das zweite dieser
letztern aber spricht nur von einer Salbung der Patene, nicht auch von der des Kelches, die
indessen sicher nicht gefehlt haben wird. Vollzogen sollte die Salbung werden in Kreuzform
und zwar mit oleum sanctum,mitKatechumenenöl: Inde (d.i. nach dem Invitatorium) facis
Signum crucis de oleo sancto super patenam. Die Formulare finden sich bis ins 9. Jahrhun-
dert in den Sakramentaren, dann wandern sie in die Pontifikalien. Schon im 10. und) n.
kommen sie nur mehr ausnahmsweise in Sakramentaren vor, wie z.B. im Sakraiuentar
Ratolds von Corhie (f986) in der JVationalbibliothek zu Paris, einem Sakramentar -von
Moissac (n.Jahrh.) ebendaselbst und im Sakramentar Leofrics von Exeter (-{-107a) in
der Bodleiana zu Oxford. Seit dem 12. Jahrhundert haben sie ihren Platz nur mehr in den
Pontifikalien.
Welche Verbreitung der Brauch, Kelch und Patene vor ihrer Benützung durch
einen Segensakt zu weihen, zur Zeit, aus der die frühesten Nachrichten über
ihn vorliegen, hatte, darüber geben die allzu spärlich fließenden Quellen keinen
Aufschluß. Daß er damals in Gallien in Übung war, daran lassen die Sakra-
mentare, die ihn bezeugen und alle gallischer Herkunft sind, keinen Zweifel;
daß er aber auch schon zu Rom bestand, bekundet das vorhin genannte zweite
Segensformular im Missale Francorum und Gelasianum, vorausgesetzt, daß es,
wie es allerdings den Anschein hat, aus Rom stammt. Im 9. Jahrhundert dürfte
er allgemein heimisch geworden sein. Begegnet er uns doch nun auch bereits in
Pontifikalien deutscher Herkunft aus dieser Zeit, wie z. B. in den Pontifikalien
zu Donaueschingen und Freiburg im Breisgau sowie einem Mainzer Pontifikale
in der Ambrosiana zu Mailand. In den Pontifikalien der Folgezeit, inhaltlich
einer Verquickung von Elementen des gallikanischen und römischen Brauches,
gehört die Weihe von Kelch und Patene zu dem nie fehlenden Bestand.
Von einer Vorschrift, Kelch und Patene vor ihrer Ingebrauchnahme segnen
zu lassen, hören wir nie. Nicht durch eine ausdrückliche Bestimmung wurde
das Pflicht, sondern auf dem Wege des Gewohnheitsrechtes. Allerdings be-
zeichnet eines der Kapitularien des Benedikt Levita um die Mitte des 9. Jahr-
hunderts eine Segnung der bei der Messe zur Verwendung kommenden Ge-
fäße, also vor allem des Kelches und der Patene, als vorgeschrieben und eine
Feier des heiligen Opfers mit nicht vom Bischof konsekrierten Gefäßen als
ebenso unzulässig, wie seine Darbringung auf nicht geweihtem Altar. (9) Allein
das Kapitulare ist wie so manche der Sammlung Benedikts zu wenig zuver-
lässig, und sonst nicht weiter bezeugt. Immerhin ist es insofern von Wert, als
aus ihm hervorgeht, daß man schon wenigstens im 9. Jahrhundert eine ihrem
Gebrauch vorausgehende Segnung von Kelch und Patene als irgendwie pflicht-
mäßig ansah.
Von den drei Segnungsformeln, die uns in den vorkarolingi sehen Sakramentaren begegnen,
verliert die erste, im Sakramentar von Bobbio überlieferte ihre Eigenschaft als selbständige
Formel schon in karolingischer Zeit. Wo sie uns seitdem noch begegnet, erscheint sie ledig-
lich als Anhängsel des dritten Formulars und zwar angefügt der Segnung des Kelches, wie
z. B. in dem von Menard herausgegebenen Sakramentar, (10) in einem Pontifikale von
Cahors, (11) einem Sakramentar von Moissac in der Nationalbibliothek zu Paris, einem
(9) Cap. 1. 3, n. 431 (M. 97, 853). (10) M. 78, 159. (11) Marx. 1. 2, c. 13, ordo 7; II, 263.
666 SEGNUNG UND SYMBOLIK.ERSTER ABSCHNITT. SEGNUNG
Pontifikale von Narbonne, (12) einem Freisinger und einem Augsburger Pontifikale des
ia. Jahrhunderts in der Staatsbibliothek zu München (13) und als vereinzelte späte Er-
scheinung noch in einem Freisinger Pontifikale des i/|. Jahrhunderts, einer sklavischen Ab-
schrift eines Pontifikales des ia., ebendaselbst. (14)
Auch das zweite Formular hat sich nicht dauernd behauptet. Zwar begegnet
es uns noch in Pontifikalien des 12. Jahrhunderts, ja vereinzelt selbst in noch
jüngeren, wie den vorhin genannten Pontifikalien von Freising und Augsburg
in der Münchener Staatsbibliothek, es diente aber schon seit dem 10. Jahrhun-
dert — abgesehen von wenigen dem 11. Jahrhundert angehÖrendenAusnahmen,
wie dem Leofricsakramentar und einem aus Werden stammenden Pontifikale
in der Berliner Staatsbibliothek — nicht mehr zur Segnung des Kelches und
der Patene, die darum auch nicht mehr in ihm erwähnt werden, sondern ledig-
lich zu derjenigen des sonstigen Altargerätes und des Altarlinnens.
Erhalten hat sich bis heute das dritte Formular. Es lebt, wenn auch in zwei-
facher Richtung weitergebildet, in dem Formular für die Segnung von Kelch
und Patene fort, das im jetzigen Pontifikale als Erbe aus dem ausgehenden
Mittelalter vorliegt. Seine Weiterbildung erfolgte erstens in der Weise, daß in
die Formel für die Segnung der Patene zwischen Invitatorium und Segens-
spruch ein Segensgebet eingeschoben, diejenige für die Segnung des Kelches
um einen Segensspruch bereichert und der aus den beiden Teilformeln sich
zusammensetzenden Gesamtformel ein zugleich auf die Weihe des Kelches und
der Patene bezügliches Schlußgebet angefügt wurde. Zweitens dadurch, daß
an die Stelle der Salbung mit Katechumenenöl eine solche mit Chrisam trat und
als Abschluß der Segnung sich eine Besprengung des Kelches und der Patene
mit Weihwasser einbürgerte.
Ein Bestreben, die ursprüngliche Formel durch Anfügung von Gebeten zu
erweitern, zeigt sich erst seit dem 10. Jahrhundert. In den Pontifikalien des
9. Jahrhunderts ist von ihm noch nichts wahrzunehmen. Erweitert wird bald
nur eine der beiden Teilformeln, bald und zwar häufiger sowohl die Formel für
die Segnung der Patene wie die für die Segnung des Kelches. Dabei begnügt
man sich hier mit der Beigabe von nur je einem Gebet, dort werden beide For-
meln oder doch wenigstens die für die Segnung des Kelches um zwei Gebete
bereichert. Meist sind die Gebete, sei es unverändert oder mit geringen Ände-
rungen, einem andern Segensformular, wie z. B. der Formel für die Segnung
der eucharistischen Pyxis entnommen, das gallikanische Segensgebet für Kelch,
Patene und Turris, das sich im Sakramentar von Bobbio findet, aber wird
mehrfach unter Auslassung der Worte patena et turris und einigen Erweiterun-
gen der Formel für die Segnung des Kelches angehängt. (15)
Eigenartige, sonst nicht nachweisbare Gebete zur Erweiterung der beiden Teilformeln
begegnen uns in normannischen und englischen Pontifikalien, wie in einem Pontifikale
von Jumieges (um 1000) in der Stadtbibliothek zu Rouen, (16) dem Pontifikale Dunstans
(12) Ebd. ordo 8; II, 267. (13) Clm. 3909, 23303. (14) Clin. 6429.
(15) Vgl. besonders den in Deutschland vielverbreiteten sog. Ordo vulgatus bei Hittorp,
De div. off. (Paris 1610) 132, der uns auch im Gundekarpontifikale zu Eichstätt begegnet,
f.37v. (16) Maut. 1.2, c. 13, ordo 3; II, 252.
ERSTES KAPITEL. VASA SACRA. I. KELCH. PATEffE 667
von Canterbury (fü88) (17) und noch im Pontifikale des Magdalen College (12. Jahrh.) zu
Oxford. (18)
Als Beispiel der Erweiterung des ursprünglichen Formulars diene das Formular für die
Segnung von Patene und Kelch, das uns in zwei Augsburger Pontifikalien des 13. Jahr-
hunderts in der Münchner Staatsbibliothek, im Eichstätter Gundekarpontifikale und im
Rituale von St. Florian, (19) aber auch in andern der gleichen Zeit (20) begegnet. In die
Formel für die Segnung der Patene ist nach dem Invitatorium das Segensgebet eingeschaltet,
das ihr im heutigen Pontifikale eigen ist, der Formel für die Segnung des Kelches sind zwei
Gebete angefügt, als Gebet bei Salbung desselben das Segensgebet, welches im Gelasianum
zur Segnung der eucharistischen Pyxis dient, sowie außerdem noch das vorhin erwähnte
Segensgebet des Sakramentars von Bobbio.
hier und dort, wie im Sakramentar Ratolds von Gorbie, (24) im Pontifikale
Gundekars (f 1079) wie überhaupt im sogenannten Ordo vulgatus und in einem
Pontifikale von Narbonne. (25) Deutlich erscheint die Änderung im Sakra-
mentar Ratolds als eine Neuerung. Denn während hier die dem Segensgebet der
Patenc vorausgehende Rubrik bereits lautet: Et fac crucem de chrismate, heißt
es in der Überschrift des Formulars für Konsekration der Patene noch: Conse-
cratio patenae, fac crucem de oleo. Häufiger bediente man sich zur Salbung
statt des Katechumenenöls des Chrlsam erst im 12. Jahrhundert. Verquickt er-
scheint die alte mit der neuen Praxis in dem dem 12. Jahrhundert entstammen-
den Pontifikale des Magdalen College zu Oxford, demzufolge die Patene nach
wie vor noch mit Katechumenenöl gesalbt werden soll, der Kelch dagegen mit
Chrisam. (26) Ganz verdrängt wird dann bei der Salbung jenes durch dieses
seit dem i3. Jahrhundert.
Eine Anweisung, Patene und Kelch am Schluß der Segnung mit Weihwasser
zu besprengen, findet sich in den Segnungsformularen bis ins i3. Jahrhundert
niemals. Sie wird demnach dem Ritus erst in diesem angefügt worden sein. Ein
frühes Beispiel bietet das Pontifikale des Durandus von Mende. (27) Allerdings
begegnet sie uns in einer Reichenauer Handschrift, die Gerbert dem 11. Jahr-
hundert zuschreibt. (28) In Wirklichkeit aber gehört dieselbe, wie früher schon
gesagt wurde, frühestens dem späten i3. Jahrhundert an.
Durch die Aufnahme in das Pontifikale Clemens' VIII. erhielt das Formular
für die Segnung der Patene und des Kelches, wie es sich im späteren Mittelalter
gestaltet hatte, seine endgültige, allgemein verpflichtende Fassung. Seine Ent-
wicklung hatte damit ihren Abschluß gefunden.
crato vel vase mundo benedicto... et alia patena seu palla cooperit (30) wird
man kaum als eine allgemein die Segnung des Ziboriums gebietende Vorschrift
deuten können. Wie es sich aber auch mit der Antwort auf die Frage, ob
eine Segnung des Ziboriums streng verpflichtend sei, verhalten mag, auf alle
Fälle ist dieselbe dem heiligen Zwecke, dem das Gefäll dient, höchst angemes-
sen, weshalb denn auch seine Segnung, gleichviel, ob streng vorgeschrieben oder
nicht, allgemeiner Brauch ist. Auch ist diese aus dem gleichen Grunde keines-
wegs erst in späterer Zeit üblich geworden, vielmehr begegnet uns eine solche
bereits in den Sakramentaren der Merowingerzeit, dem Missale Francorum(31)
und dem sogenannten Gelasianum (32) wie auch in dem frühkarolingischen
Sakramentar von Gellone, (33) um von den Sakramentaren und Pontifikalien
des 9. und io. Jahrhunderts sowie den Pontifikalien der Folgezeit, in denen
wir sie immer wieder antreffen, abzusehen.
Das Segnungsformular besteht im Missale Francorum wie im Gelasianum aus einem In-
vitatorium: Oremus, fratres carissimi, ut Deus omnipotens hoc ministerium corporis filii
sui Domini nostri Jesu Christi gerulum benedictione, sanetificationis tutamine, defensio-
nis donatione implere dignetur orantibus nobis. Per Dominum, sowie dem Segensgebet:
Omnipotens Deus, Trinitas inseparabilis, manibus nostris opem tuae benedictionis infunde,
ut per nostram benedictionem hoc vasculum sanetificetur et corporis Christi novum sepul-
crum Spiritus saneti gratia perficiatur. Per Dominum. Das Formular erhielt sich ohne
wesentliche Veränderungen bis in das i3. Jahrhundert, ja vereinzelt noch länger. Nur selten
hat man sich mit einem der beiden Gebete begnügt, wie im Pontifikale des Halinardus1 von
Lyon (34) oder eines derselben durch ein anderes ersetzt. So namentlich in normannischen
und englischen Pontifikalien, wie im Pontifikale von Jumieges, im Pontifikale Dunstans (35)
und in dem des Magdalen College zu Oxford, (36) durch ein Gebet, das durch seine
Redseligkeit auffällt: Deus, qui sacra scriptura testante tribus diebus et tribus noctibus
servata integriiate divinitalis sponteque peraeta humani corporis f unetione, insinuans casu-
rum, quod corruptibile est, et resurecturum, quod spirituale, in sepulcro iaeuisti, hoc
eucharistialc vas quaesumus, quod nos indigni ad mystici corporis tui custodiam consecramus
et benedieimus, tu in nomine sanetae trinitatis angelum tuum custodem deputans, conse-
crare digneris, quatenus, quicumque ex eo in aeeeptione corporis tui viarum praesumpserint
viaiieum paternarum, caelesti hie et in futuro te miserante non destituaotur auxilio. Per
Dominum.
Das heute zur Segnung des Ziboriums dienende besteht nur aus einem von
der Versikel Adjutorium nostrum und Dominus vobiscum eingeleiteten Segens-
gebet. In den Pontifikalien bis zum i3. Jahrhundert nicht nachweisbar, scheint
es erst in diesem entstanden zu sein. Es findet sich schon im Pontifikale des
Durandus.
Von einer Salbung war die Segnung des Ziboriums nie begleitet, aber auch
von einer Besprengung desselben mit Weihwasser, mit der heute die Segnung
beschlossen wird, hören wir bis ins i3. Jahrhundert niemals. Sie wird erst in
diesem üblich geworden sein und begegnet uns ebenfalls schon im Segnungs-
formular des Pontifikales des Durandus.
(30) Ritus serv. in eelebr. missae II, 3. (31) Muratori II, 324. (32) Wilson 135.
(33) Mart. 1.2, c.13, ordo 1; II, 245. (34) Mart. rit. 1.2, c. 13, ordo 9; II, 270.
(35) Ebd. ordo 3 und 4; II, 252, 257. (36) Wilson, The pontifical of Magdalen College
(London 1Ö10) 138.
670 SEGNUNG UND SYMBOLIK. ERSTER ABSCHNITT. SEGNUNG
Die Monstranz bedarf keiner Segnung. Es scheint nicht einmal die Segnung
der Lunula streng vorgeschrieben zu sein, doch entspricht es der Ehrfurcht ge-
gen das heiligste Sakrament, daß wenigstens sie gesegnet wird. Ein Formular
für die Segnung der Monstranz findet sich im Anhang des Römischen Rituales.
Dasselbe ist jedoch allerjüngsten Ursprungs. Bis zu ihm hat es kein besonderes
Segensformular für die Monstranz gegeben. Wollte man sie segnen, so bediente
man sich dazu des Formulars für die Segnung des Ziboriums, wie denn in der
Tat das Formular der Ziboriumsegnung im Pontifikale, Rituale und Missale
auch für eine etwaige Segnung der Monstranz bestimmt war. Denn unter dem
Tabernaculum, zu dessen Segnung das Formular zufolge seiner Überschrift: De
benedictione tabernaculi sive vasculi pro sacrosancta eucharistia conservanda
auch dienen sollte, verstand man zu Rom im späten 16. Jahrhundert, der Zeit
der Herausgabe des Missales und des Pontifikales, die Monstranz.
Von einer Segnung der eucharistischen fistula vernehmen wir nie etwas.
Wurde sie gesegnet, so wird man zu ihrer Segnung das allgemeine Segensfor-
mular für das sonstige Altargerät gebraucht haben, das sich in den Pontifika-
lien zu finden pflegte.
ZWEITES KAPITEL
SEGNUNG DER VASA NON SACRA
Eine Segnung des nicht zu den vasa Sacra gehörenden Altargeräts kann ge-
schehen, ist aber nicht erforderlich. Sie findet auch, abgesehen von der an die
Weihe einer Kirche oder eines Altares sich anschließenden Segnung desselben,
für gewöhnlich nicht statt. Erfolgt sie nach der Weihe einer Kirche oder eines
Altares, so werden zu ihr die im Pontifikale dem betreffenden Weiheritus an-
gehängten Formulare gebraucht, von denen das an den Ritus der Altarweihe sich
anschließende eine Variante des auf den der Kirchweihe folgenden ist. Für eine
zu anderer Zeit vorzunehmende Segnung von vasa non sacra dient das im Ponti-
fikale und Rituale befindliche, die Überschrift: De benedictione sacrorum va-
sorum et aliorum ornamentorum in genere tragende Formular. Es besteht aus
zwei Segensgebeten, wird durch die Versikel Adiutorium nostrum und Domi-
nus vobiscum eingeleitet und schließt mit einer Besprengung der gesegneten
Gegenstände mittels Weihwasser. Zur Segnung des Altarkreuzes kann das For-
mular der Segnung eines neuen Kreuzes dienen, das im Römischen Rituale ent-
halten ist.
Eine an die Kirchweihe sich anschließende Segnung des nicht zu den vasa
sacra gehörenden Altargeräts begegnet uns schon im Missale Francorum (37)
und im Gelasianum. (38) Das Formular für sie diente auch zur Segnung der
Patenc und des Kelches — es ist das zweite der früher besprochenen Segnungs-
formulare derselben — (39) aber wie seine Überschrift: Benedictio ad omnia in
usum basilicae besagt, nicht lediglich zu ihrer Segnung, sondern überhaupt
zur Segnung aller Altargeräte. Es erhielt sich noch lange in den Pontifikalien
(37) Müratori II, 324. (38) Wilsos 135. (39) Vgl. oben S. 664, 666.
ZWEITES KAPITEL. VASA JVCMV SACRA 671
der Folgezeit, doch diente es seit dem n. Jahrhundert, bisweilen, wie beim
Egbertpontifikale, (40) in verkürzter Form, immer aber mit Ausscheidung der
Worte patenam hanc et calicem hunc, nur noch zu der der sonstigen Altaraus-
stattung.
Das im beutigen Pontifikale an die Kirch- und Altarweihe sich anreihende
Formular für die Segnung der vasa non sacra begegnet uns schon in Pontifika-
lien des ausgehenden 10. und des frühen n. Jahrhunderts, wie im Sakramen-
tar Ratolds von Gorbie und im sogenannten Missale s. Eligii, (41) im Dunstan-
pontifikale und im Pontifikale von Jumieges, (42) häufiger aber dann in den
Pontifikalien des 12. Jahrhunderts, anfangs noch zugleich mit dem älteren
Formular, später jedoch allein und unter Verdrängung dieses letzteren. Es leitet
sich ab von einem Formular für die Segnung des Altarlinnens, das uns schon
im Missale Francorum (43) und im Gelasianum (44) begegnet, als Erweiterung
und Umbildung desselben.
Das sich nicht an die Kirch- und Altarweihe anschließende Segnungsformu-
lar der vasa non sacra im Römischen Pontifikale stammt, wie es scheint, erst
aus dem i3. Jahrhundert, doch sind die beiden Gebete, aus denen es sich zu-
sammensetzt, älter. Begegnet uns das erste doch schon im Ordo vulgatus bei
Hittorp, (45) das zweite bereits im sogenannten Missale s. Eligii und in Ponti-
fikalien von Cahors und von Narbonne (ir. Jahrh.). (46) Voll ausgebildet ein-
schließlich der die Segnung beendenden Besprengung mit Weihwasser findet
es sich schon im Pontifikale des Durandus.
Eine Sonderformel für die Segnung eines Kreuzes enthielten schon die Ponti-
fikalien des 9. Jahrhunderts, wie die Pontifikalien in der Universitätsbibliothek
zu Freiburg und zu Donaueschingen, das Mailänder und das Mainzer Pontifi-
kale der Ambrosiana zu Mailand und ein Pontifikale der Bibliothek zu Zü-
rich (47) bezeugen. Sie besteht aus den beiden ersten Gebeten und der an diese
sich anschließenden Präfation des Segnungsformulars im heutigen Pontifikale.
Das Formular scheint bis gegen Ausgang des 10. Jahrhunderts keine Verände-
rung erlitten zu haben, dann entstehen jedoch auf Grund des ursprünglichen
zwei neue, sehr ausgedehnte Segnungsformulare. Bei beiden wird das alte um
eine Reihe weiterer Gebete bereichert, die bei dem einen die gleichen sind wie
diejenigen, die sich im Formular des Römischen Pontifikales den drei ersten,
dem ursprünglichen Formular entnommenen Gebeten anreihen, bei dem andern
dagegen bis auf eines einen von diesen völlig verschiedenen Wortlaut zeigen.
Auch sind bei diesem zweiten Formular zwei der Gebete des alten durch neue
ersetzt, das erste und das dritte. Bei beiden neuen Formularen ist ferner zu den
Gebeten eine Besprengung des Kreuzes mit Weihwasser und eine Inzensierung
desselben gekommen, bei dem zweiten außerdem noch eine, Salbung des Kreu-
zes, die anfänglich mit Katechumenenöl vollzogen wurde, später aber mit Chri-
sam. Das erste Formular erscheint schon in Pontifikalien des 11. und 12. Jahr-
(40) Mart. 1.2, c. 13, ordo 2; II, 248. (41) M. 78, 157. (42) Mart. 1. 2, c. 13, ordo 3
und 4; II, 252, 257. (43) Muhatori II, 324. (44) Wilson 134. (45) De div. off. 130.
(46) Marx. 1. c. ordo Tund 8; II, 263, 267. (47) J. M. Metzger, Zwei karolingische Pon-
tifikalien vom Oberrhein (Freiburg 1914) 38*; Marco Magistretti, Pontif. Mediol. (Mai-
land 1897) XXXV und 21; Gerbert, Monumenta vet. liturg. alem. II, 51.
672 SEGNUNG UND SYMBOLIK. ERSTER ABSCHNITT. SEGNUNG
hunderts, wie in einem der Pontifikalien aus dem Dom zu Augsburg in der
Münchener Staatsbibliothek (48) und im Ordo vulgatus Hittorps, im Gunde-
karpontifikalc zu Eichstätt u.a., dem heutigen fast gleich; ganz gleich ist die-
sem das Formular im Pontifikale des Durandus von Mende (Ende des i3. Jahr-
hunderts) in der Staatsbibliothek zu München. (49) Das zweite Formular be-
gegnet uns nur in normannischen und englischen Pontifikalien; noch in der
Entwicklung begriffen im Pontifikale von Jumieges, (50) ist es völlig ausge-
bildet in einem Pontifikale von Lyra in der Normandie (51) sowie im Pontifi-
kale des Magdalen College zu Oxford. (52) Nur das erste Formular hat das
Mittelalter überdauert. Durch seine Aufnahme ins Römische Pontifikale wurde
es allgemein verpflichtend und das allein berechtigte Formular für die feier-
liche Segnung von Kreuzen. Für eine nicht feierliche Segnung wurde ein Aus-
zug aus ihm, ein aus nur zwei Gebeten bestehendes und mit einer Besprengung
des Kreuzes mittels Weihwasser verbundenes Formular, dem Römischen Ri-
tuale eingefügt.
Ein Sonderformular für die Segnung des Rauchfasses gibt es heute nicht
mehr. Anders im Mittelalter. Die karolingische Zeit kennt allerdings noch kei-
nes, aber schon Sakramentare und Pontifikalien des io. und n. Jahrhunderts
weisen ein solches auf, wie das Leofricsakramentar, in dem es ein Einschiebsel
aus dem io.—n. Jahrhundert ist, (53) der Ordo vulgatus bei Hittorp (io. Jahr-
hundert), das Gundekarpontifikale (Anfang des 11. Jahrh.), das Dunstanponti-
fikale (spätes io. Jahrh.) und das Pontifikale von Jumieges (frühes n. Jahr-
hundert). Belege aus dem 12. Jahrhundert bieten die beiden Augsburger Ponti-
fikalien der Münchener Staatsbibliothek, (54) eine aus Freising stammende
spätmittelalterliche Kopie eines Pontifikales des 12. Jahrhunderts ebenda-
selbst, (55) zwei Pontifikalien der Wiener Staatsbibliothek (56) sowie das Pon-
tifikale des Magdalen College zu Oxford. (57) Auch Gilbert von Limerick
(f n3c;) kennt die Segnung des Rauchfasses. (58) Im 10., 11. und 12. Jahr-
hundert dem Ritus der Kirchweihe angeschlossen, erscheint sie später, wie im
Pontifikale des Durandus, von ihr getrennt. Das zur Segnung dienende Gebet
tritt in drei verschiedenen Fassungen auf. Das der ersten knüpft an den Besuch
der Frauen am Grabe an, die beiden andern gehen von 2. Mos. 16, 46 aus. Das
der ersten ist den Sakramentaren und Pontifikalien normannisch-englischer
Herkunft eigentümlich, wie dem Leofricsakramentar, dem Pontifikale von Ju-
mieges und dem Pontifikale des Magdalen College.
Die Segnung des Rauchfasses verliert sich schon im ausgehenden Mittelalter
aus den Pontifikalien. In das Römische Pontifikale wurde sie darum auch nicht
einverleibt, obwohl das Pontifikale des Durandus, das ihm zu Grunde gelegt
und dem es nachgebildet wurde, sie noch aufweist. In ein unter Gregor XIII.
i583 herausgegebenes Rituale wurde sie, wie manches andere veraltete aller-
dings wieder aufgenommen, doch hatte dasselbe keinen offiziellen Charakter.
(48) Clm. 3917. (49) Clm. 10073. (50) Mart. 1.3, c. 13, ordo 3; II, 253.
(51) Ebd. 1.2, c. 23, ordo 1; II, 298. (52) Wilson, The pontif. of Magdalen College 140.
(53) Warbbn, The Leofric miasal 131. (54) Clm. 3909 und 3917. (55) Clm. 6429.
(56) Gkubkrt, Monum. vet II, 57. (57) Wilson, The pontif. of Magdalen College 138.
(58) De statu eccl. (M. 159, 1002).
DRITTES KAPITEL. BERECHTIGUNG 673
DRITTES KAPITEL
BERECHTIGUNG ZUR SEGNUNG DES ALTARGERÄTS
Die Segnung des Altargeräts war von jeher rechtlich dem Bischof vorbehal-
ten. Es i*st nicht erst die Synode von Vienne des Jahres 1267, welche den Äbten
verbietet, Patenen und Kelche zu konsekrieren, falls sie nicht ein diesbezüg-
liches Privileg besäßen, (59) schon die Synode von Poitiers des Jahres 1100
bestimmte, es dürfe sich keiner außer dem Bischof vermessen, die priester-
lichen Gewänder oder die Altargeräte zu segnen. (60) Und ebenso ist nicht
Innozenz III. der erste, welcher die Segnung der liturgischen Gewänder und
Gefäße als bischöfliches Vorrecht bezeichnet, (61) schon im Beginn des 12. Jahr-
hunderts bemerkt Gilbert von Limerick: in Bezug auf die Befugnisse des Bi-
schofs gegenüber denen des Priesters: Gonsecrat episcopus utensilia ecclesiae,
vestimenta videlicet sacerdotalia et pontificalia, altaris velamina, calicem, pate-
nam, vasculum eucharistiae... thuribulum... crucem. (62) Es galt sogar be-
reits im g. Jahrhundert die Segnung des Altargeräts als ein nur den Bischöfen
zustehender liturgischer Akt. Benedikt Levita bezeugt das in seiner Kapitula-
riensammlung: Simul et hoc statutum est, ut nullus sacerdos in aliis quam in
Deo dicatis vasis et ab episcopis consecratis ministrare seu missas celebrare
praesumat... Non est licitum ut in aliis domibus vel altaribus aut vasis missas
sacerdotes celebrare praesumant quam ab episcopis consecratis. (63) Allerdings
ist das Kapitulare nicht echt und ein Werk Benedikts, zum wenigsten aber inter-
poliert. Inhaltlich aber gibt es zweifellos die Anschauung des 9. Jahrhunderts
und das in diesem bestehende liturgische Recht wieder.
Daß die Segnung des Altargeräts den Bischöfen vorbehalten war, ist unschwer ver-
ständlich. Bildete dasselbe doch mit der Kirche und dem Altar, als eine notwendige Er-
gänzung beider, ein Ganzes. Nun stand aber die Vornahme der Kirch- und Altarweihe allein
den Bischofen zu. Es war also nur folgerichtig, wenn sie auch die Segnung des- Altargerätes
als ein nur ihnen eigenes Recht betrachteten und ausübten.
Seit wann ISichtbischöfe. zumal Äbte, vom Apostolischen Stuhl die Vollmacht erhielten,
das AHargerät zu segnen, läßt sicli nicht bestimmen. Bis etwa 1200 habe ich keine päpstliche
Bulle finden können, in denen einem Abt dieselbe verheilen wird. Wohl erhalten Äbte bis da-
hin oft das Privileg, sich der Mitra, des Stabes und der sonstigen Pontifikalgewänder bedienen
zu dürfen, was aber die Kirch- und Altarweihe und darum auch die mit diesen verbundene
Segnung des Altargeräts anlangt, werden sie immer angewiesen, sich derenthalben an ihren
Diözesanbischof zu wenden, vorausgesetzt, daß dieser in Verbindung mit dem Apostolischen
Stuhle stehe, andernfalls an irgend einen andern Bischof. Nach laoo aber muß dann ein
Wandel eingetreten sein. Denn die Synode von Vienne des Jahres 1267 verbietet ja die
Segnung von Kelch und Patene ihnen bloß, falls sie vom Apostolischen Stuhl kein dies-
bezügliches besonderes Privileg erhalten hätten. Um 1267 muß es demnach schon Äbte ge-
geben haben, denen die Ermächtigung zur Vornahme der Konsekration des Kelches und der
Patene und also erst recht (1er übrigen Altargeräte zuteil geworden war. In der Tat verlieh
Innozenz IV. 12/46 dem Abt von St. Jakob zu Lüttich die Vollmacht, die liturgischen Ge-
räte, bei deren Segnung keine Salbung mit Chrisam anzuwenden sei, zu benedizieren, den
Äbten von St. Gallen aber gewährte er 1 a/|8, dem Abt von Fecamp und dem Abt von St-Vaast
zu Arras 1202, den Äbten von St-Riquier 1253, den Äbten von St-Remi zu Reims und den
(59) C.14 (H.VII, 534). (60) C. 4 (H. VI, 1859). (61) De sacro altaris myst 1.1, c 9
(M.217, 779). (62) De statu eccl. (M. 159, 1002). (63) Cap. 1.3, c.431 (M.97, 853).
BBACT, DAS CHRISTLICHE ALTARGERAT «
674 SEGNUNG UND SYMBOLIK. ERSTER ABSCHNITT. SEGNUNG
Prioren des mit der Kathedrale zu Winchester verbundenen Benedikt™ er kl osters 125/4 die
Ermächtigung, Kelche (und Patenen) zu konsekHeren. Bemerkenswert ist, daß die meisten
dieser Vollmachten erst in den späteren Jahren seines Pontifikates von Innozenz IV. erteilt
wurden. (64)
Das heute geltende Recht hinsichtlich der Segnung der Altargeräte ist im
neuen Codex iuris canonici festgelegt. Die Vornahme der Segnung der Patene
und des Kelches steht hiernach, weil sie unter Salbung mit Chrisam zu erfolgen
und darum die Eigenschaft einer Konsekration hat, nur den Bischöfen zu.
Nichtbischöfe können sie nur vollziehen, wenn sie durch ein diesbezügliches
Apostolisches Indult oder von Rechts wegen, wie Kardinäle, Apostolische Vi-
kare und Präfekten sowie die sogenannten Äbte und Prälaten nullius, welche
die Bischofsweihe nicht empfangen haben, dazu ermächtigt sind, jedoch, von den
Kardinälen abgesehen, nur im Bereich des ihnen unterstehenden Bezirks. (65)
Die nicht mit Salbung verbundene Segnung der übrigen vasa sacra und der
vasa non sacra können von Rechts wegen außer den Kardinälen und Bischöfen
von Nichthischöfen ausüben die höheren Ortsobern wie Generalvikar, Bistums-
verweser, Apostolische Vikare und Präfekten für die Kirchen und Kapellen
ihres Bezirkes, die Pfarrer für die Kirchen und Kapellen innerhalb ihrer
Pfarrei, die Rektoren von Kirchen für ihre Kirche sowie die Obern der reli-
giösen Orden für die eigenen Kirchen und Kapellen. Andern Priestern aber ist
sie nur auf Grund einer diesbezüglichen Ermächtigung durch den höheren
Ortsobern oder durch ihren Ordensobern gestattet, und zwar jenen für die
Kirchen und Kapellen im Bereich des delegierenden Ortsobern, diesen für die
ihrem Obern unterstehenden Kirchen und Kapellen. (66).
VIERTES KAPITEL
SEGNUNG DES ALTARGERÄTS IN DEN RITEN DES OSTENS
Eine Segnung des Altargeräts ist auch in den Riten des Ostens üblich. Für die
Segnung des Kelches und Diskos, die zugleich mittels eines Aktes gesegnet
werden, gibt es im griechischen Ritus zwei Formulare, ein längeres, das mit
einer Ektenie, einem litaneiartigen Fürbittgebet, beginnt und ein kürzeres, in
dem eine solche fehlt. Beiden ist eine Salbung des Kelches und des Diskos mit
Myron eigen. (67) Nicht mit einer Salbung, jedoch mit einer Beräucherung und
einer Besprengung mittels Weihwasser verbunden ist ein im slavisch-griechi-
schen Ritus gebräuchliches Formular für die Segnung des Kelches und des
Diskos, mit dem gleichzeitig auch der Asteriskos, der eucharistische Löffel,
die kleinen Velen des Diskos und des Kelches sowie das beide verhüllende große
Aer genannte Velum gesegnet werden. (68) Im koptischen Ritus werden Patene
und Kelch getrennt gesegnet. Die hierzu dienenden Formulare bestehen nur
aus einem Segensgebet, auf das dann aber unter einem Segensspruch eine Sal-
(64) E. Berger, Les registres d'Jnnocent (Paris 1884 f.) I, n. 2035, 3872; IV, 6004, 6001,
6346, 7936, 8074. (65) C. I. C. c. 1147. (66) C. I. C. c 1304. (67) Jac. Goab, Euchol. graec.
852, 853. (68) Alex, von Maltzew, Bitt-, Dank- und Weihegottesdienste (Berlin 1897) 950.
VIERTES KAPITEL. ÖSTLICHER BRAUCH 675
bung folgt. (69) Sie finden sich schon im Rituale des Patriarchen Gabriel von
i/iii. Ein Formular für die Segnung der Kibotos, des Behälters zur Aufbe-
wahrung des Allerheiligsten gibt es nur im slavisch-griechischen Ritus. Es be-
ginnt mit einer Beräucherung derselben, besteht aus einer Folge von Gebeten
und schließt mit einer von einem Segensspruch begleiteten Besprengung des
Gefäßes. (70)
Auch eine Segnung der vasa non sacra begegnet uns im slavisch-griechischen
und koptischen Ritus. In jenem aus einer längeren Folge von Gebeten sich zu-
sammensetzend und mit einer unter einem Segensspruch erfolgenden Bespren-
gung schließend, (71) besteht sie in diesem nur aus einem Segensgebet, einer
Bekreuzung des Gegenstandes und einem kurzen Lobspruch. (72)
Die Segnung des Kelches und des Diskos erfolgt im slavisch-griechischen
Ritus durch den Präester, im übrigen griechischen und koptischen durcli den
Bischof, der im letzteren auch das sonstige Altargerät segnet.
Auch in den Riten des Ostens ist die Segnung der vasa Sacra wie non sacra vor
deren Ingebrauchnahme nicht erst in nachmittelalterlicher Zeit üblich gewor-
den. Wie weit sie in ihnen in die Vergangenheit zurückreicht, wie sie ur-
sprünglich in ihnen geschah und welche Entwicklung sich in ihnen mit ihr
vollzog, läßt sich jedoch aus Mangel an dem erforderlichen Quellenmaterial
nicht feststellen.
(69) Em Rbnaddot, Collect liturg. Orient. I (Frankfurt 1847) 53.
(70) A. von Maltzew a. a. O. 970 f. (71) Ebd. «94 f. (72) Renaudot a. a. 0.
ZWEITER ABSCHNITT
SYMBOLIK DER ALTARGERÄTE
VON einer Symbolik der Altargeräte ist bei den mittelalterlichen Liturgikern
nur in sehr beschränktem Ausmaß die Rede. Es fallt das namentlich auf,
wenn wir die mystische Deutung, die sie ihnen zuteil werden lassen, mit der-
jenigen vergleichen, die sie von den liturgischen Gewändern geben. Während sie
diese regelmäßig einer systematischen Behandlung würdigen, bei der alle jeweils
in Gebrauch befindlichen Gewandstücke berücksichtigt werden, hören wir von
einer Symbolik der liturgischen Geräte nur nebenbei bei gelegentlicher Erwäh-
nung derselben und zwar lediglich von der sinnbildlichen Bedeutung, die man
mit eben diesen Geräten verband. So verhält es sich im 9. Jahrhundert in Ama-
lars Schrift De officiis ecclesiasticis, die in der Folgezeit von so tiefgreifendem
und nachhaltigem Einfluß auf das liturgische Denken war, und in des Hrabanus
Maurus Institutio clericorum, von denen diese nur die Symbolik erwähnt, die
man mit Kelch und Patene verknüpfte, jene bloß der der Patene und des
Rauchfasses gedenkt; so im frühen 12. Jahrhundert in der Gemma animae des
Honorius, der außer dem Kelch und der Patene nur noch das Rauchfaß und
das Kreuz mystisch deutet, und so selbst noch zu Ende des 13. Jahrhunderts in
Innozenz' III. Schrift De mysterio altaris. Erst in des Sicardus Mitrale und des
Durandus Rationale begegnet uns der Versuch einer systematischen Deutung
des Altargeräts, der jedoch dort wie selbst noch hier keineswegs alle Altar-
geräte einbezieht.
Ausgangspunkt für die Symbolisierung der liturgischen Geräte war vornehmlich deren
Bestimmung und Verwendung. So beispielsweise, wenn in dem zweiten der nach dem Mis-
sale Francorum und dem sogenannten Gelasianum zur Segnung der eucharistischen Pyxis
dienenden Gebete diese bezeichnet wird als Christi novum sepulcrum, als Christi neue
Grabstätte; (1) wenn Hrabanus Maurus den Kelch und die Patene Abbild des Grabes des
Herrn nennt; (2) wenn Amalar das Rauchfaß als Bild des corpus Christi, in quo est ignis,
scilicet Spiritus Sanctus, ex quo bonus odor procedit, d. i. die opinio bonarum virtutum, des
vom Heiligen Geist erfüllten, Duft der Tugenden ausströmenden Leibes des menschgeworde-
nen Gottessohnes deutet; (3) wenn die dem 10. Jahrhundert entstammende Expositio
missae in den Ampullen unsere rückhaltlose Hingabe an Gott symbolisiert sieht; (4) wenn
Honorius in seiner Gemma animae, die von Hraban gegebene Deutung des Kelches und der
Patene erweiternd, jenen als Hinweis auf Christi Grab, diese als Hinweis auf dessen Ver-
schluß auslegt, aber auch den Kelch, wohl im Anschluß an Matt, ao, aa und Marc. i4, 36,
als Bild des Leidens des Herrn bezeichnet, die Patene als Bild des Kreuzes; (5)' wenn Inno-
zenz III. in den beiden Altarleuchtern mit ihren brennenden Kerzen die Freude des Juden-
tums und Heidentums über die Menschwerdung Christi, durcli die ihnen das wahre Licht
aufging, zum Ausdruck gebracht sieht (6) und Durandus die eucharistische Pyxis als den
Schoß der Gottesmutter deutet. (7)
An die materielle oder formale Beschaffenheit knüpft die Symbolik an, wenn Amalar
die Patene wegen ihrer Weite als Sinnbild eines von Gottesliebe geweiteten Herzens, (8)
Sicard von Cremona sie aus dem gleichen Grunde als Typus der frommen Frauen, die
(1) Vgl. oben S.669. (2) De instit. der. 1. 1, c. 33 (M. 107,324). (3) De eccl. off. 1. 3, c. 18
(M.105, 1125). (4) Hittorp 1173. (5) L. 1, c.4737 (M 172, 558, 555).
(6) De sacro alt. myat. 1.2, c. 21 (M 217, 311). (7) Rat. 1.1, c.3, n. 25.
(8) De eccl. off. 1.3, c.27 (M.105, 1147).
IM WESTEN 677
heberfüllten Hertens mit Spezereien zum Grab des Herrn sich begaben, um den Leichnam
ihres göttlichen Meisters zu salben (9) und Durandus sie wegen ihrer Kreisfonn als Symbol
der anfangs- und endlosen Gottheit sowie als Bild der Vollkommenheit im guten Han-
deln (10) deutet; wenn Durandus uns belehrt, daß das Material der eucharistisehen Pyxis
je nach seiner Art verschiedene auszeichnende Eigenschaften des Leibes Christi symbo-
lisiere (11) und nach Sicard von Cremona ein goldener Kelch die in Christus verborgenen
Schätze der göttlichen Weisheit sinnbildet, ein silberner an Christi Reinheit von aller
Schuld erinnert, ein zinnerner aber daran gemahnt, daß Christus dadurch, daß er die
Sündenschuld der Menschen auf sich nahm, uns Sündern nicht zwar gleich wurde, — das
würde ein Kelch aus Blei symbolisieren — jedoch ähnlich. (12) Ganz besonders aber grün-
det auf sie Honorius in der Gemma animae (13) seine Deutung des Batichfasses, die zu einer
förmlichen Beschreibung desselben wird und in ihrer Ausführlichkeit einzig dasteht; denn
bei der ausführlichen mystischen Erklärung des Leuchters in des Sicardus Mitrale (14)
handelt es sich um den alttes tarn entlichen sieben armigen Leuchter. Ist es aus Gold ange-
fertigt, so symbolisiert es nach Honorius die alles überragende göttliche Natur des Gott-
menschen; besteht es aus Silber, sinnbildet es die im Glänze aller Heiligkeit strahlende
Menschheit Christi. Ist es aus Kupfer, so besagt das, daß Christus ein leidensfähiges, sterb-
liches Fleisch in seiner Menschwerdung annahm; aus Eisen gemacht, weist es darauf hm,
daß Christi Fleisch, das am Kreuze starb, auferstehend den Tod besiegte. Hangt es an- vier
Ketten, so symbolisieren diese die vier Kardinal lügenden, die Klugheit, Starkmut, Ge-
rechtigkeit und Mäßigung, von denen Christi Menschheit voll war. Ist es mit drei Ketten
ausgestattet, so belehren uns diese, daß Christi Leib, Seele und Gottheit nur eine einzige
Person sind. Die den Deckel vom Feuerbehälter abhebende Zugkette erinnert nach Ho-
norius bei vier Hängeketten daran, daß sich im Tode Christi Seele von seinem Leibe trennte,
bei drei Hängeketten, daß Christus aus eigener Macht sein Leben für seine Schafe hingab.
Hat das Rauchfaß nur eine Kette, so weist das nach ihm darauf hin, daß' Christus allein
von einer Jungfrau geboren wurde und daß er allein als frei unter den Toten vorhergesagt
wurde (Ps. 87, 6). Den Ring, an dem die Ketten befestigt werden, deutet er als'Bild der
göttlichen Majestät, die alles umfaßt und keine Grenzen kennt. Der Behälter mit dem Weih-
rauch sinnbildet, weil als Schiffchen gestaltet, nach Durandus, das Lebensschifflein, in
dem wir mit Hilfe des Weihrauchs des Gebetes über das große Meer der Zeitlichkeit- zum
himmlischen Vaterlande hinüberzufahren uns bemühen ti
Die Symbolik, welche man mit den Altargeräten verband, hatte entweder
typologischen oder tropologischen, das ist moralischen Charakter. Die typo-
logische, bei der die Geräte als Sinnbilder Christi, seiner Menschheit und ihrer
Tugenden, seiner Gottheit, seines Leidens, des Kreuzes und des Grabes Christi,
der Gottesgebärerin und ähnlich gedeutet wurden, war die gewöhnliche, wie
auch aus den vorhin angeführten Beispielen erhellt, die tropologische oder mo-
ralische, bei der sie als Hinweise auf christliche Tugenden, wie Gottesliebe.
Hingabe an Gott, Andacht, ausgelegt wurden, begegnet uns im ganzen nur
seltener.
Eine größere Bedeutung hat die Symbolik, die man mit dem Altargerät ver-
band, nie gewonnen, insbesondere hat sie nie nennenswerten Eingang in die
liturgischen Gebete gefunden. Man kann darum auch in keinem Sinne von
einer kirchlichen Symbolik der Altargeräte sprechen, wie das doch bezüglich
der Symbolik der liturgischen Gewandung möglich ist. (15) Was die mittel-
alterlichen Liturgiker uns über sie zu sagen wissen, hat rein privaten Charak-
(9) Mitr. 1.3, c.6 (M.218, 137). (10) Rat. 1.4, c.30, n.80; c. 51, n. 1. (11) Ebd. 1.1,
c.3, rt.25. (12) Mitr. 1.1. c. 13 (M.213, 56). (13) L. 1, c.12 (M. 172, 548). (14) L. 1,
c. 13 <M 213 49). (15) Vgl. Braus, Gewandung 706.
678 SEGNUNG UND SYMBOLIK. ZWEITER ABSCHNITT. SYMBOLIK
ter. Einen Einfluß auf die Entwicklung des Altargeräts hat die Symbolik, die
man mit ihm verknüpfte, nicht gehabt. Alles, was uns an solcher begegnet, ist
lediglich Nachsymbolik, das ist eine Symbolik, die von bereits Vorhandenem
ausgeht, ihm nachträglich eine sinnbildliche Bedeutung unterlegt, (16) in kei-
nem Falle handelt es sich um Vrsymbolik, eine Symbolik, welche einem der
Geräte das Dasein gegeben, seine Aufnahme unter das Altargerat veranlaßt
oder seine Entwicklung bestimmt hätte.
Die Entwicklung, die sich in der Symbolik der Altargeräte bemerklich macht,
erfolgte teils durch Vertiefung und Bereicherung der vorhandenen mystischen
Deutungen derselben, teils durch Erweiterung der Zahl der symbolisierten Ge-
räte. Sie findet um den Ausgang des i3. Jahrhunderts ihr Ende. Was man bis
dahin an Symbolik des Altargeräts erdacht hatte, das alles hat Durandus fleißig
gesammelt und in seinem Rationale divinorum officiorum niedergelegt. Das
ausgehende Mittelalter hat nichts Neues, nichts Eigenes an mystischer Deutung
derselben hinzugefügt. Was uns in ihm wie auch weiterhin in der Folgezeit in
liturgischen Schriften an Symbolik der Altargeräte begegnet, ist dem Rationale
als der hauptsächlichsten Quelle entnommen.
Eine erschöpfende Darstellung der Symbolik, die man bis zu Durandus im
Westen den Altargeräten zuteil werden ließ, erübrigt sich. Bei der geringen Be-
deutung, die sie zu aller Zeit hatte, dürfte das bisher Gesagte ein genügendes
Bild von ihr geben. Wer sich darüber hinaus über sie zu unterrichten wünscht,
findet alles, was bis zum Ende des i3. Jahrhunderts an Symbolik der Altar-
geräte vorlag, in des Durandus Rationale, freilich nicht an einem Ort. (17)
Auch in den Riten des Ostens hat man die Altargeräte mystisch gedeutet. Von
einer Symbolik des liturgischen Fächers hören wir sogar schon sehr früh. (18)
Leider sind wir nur über die Symbolik, die man im griechischen Ritus mit
ihnen verband, näher unterrichtet. Sie erscheint in ihm, wie aus der 'lo-ropta &*•
xXqotaoturij erhellt, schon im 8. Jahrhundert, aus dem diese Schrift stammt,
fast völlig entwickelt. Was die späteren Liturgiker uns über sie mitteilen, be-
wegt sich ganz in den Geleisen der 'kröpfet, bringt kaum etwas Neues von
Gedeutet werden in der loropia die heilige Lanze, das Rauchfaß, der liturgische Fächer,
der Diskos und der Kelch. Der Diskos versinnbildet nach ihr die Hände des Josephs rvon
Arimathea und des Nikodemus, die den Leichnam des Herrn zu Grabe trugen, doch auch,
weil er den unter Brotesgestalt auf ihr gegenwärtigen Christus trägt, den Himmel, an dem
Christus, die geistige Sonne uns entgegenscheint. Den Kelch deutet sie als das Gefäß, in
das das aus den Wunden der Hände, der Füße und der Seite des Herrn am Kreuz hervor-
strömendo Blut aufgefangen wurde, wie auch den Becher, den die göttliche Weisheit
mischte, damit alle aus ihm tränken (Sp. 9, a). Die heilige Lanze ist nach ihr Sinnbild
der Lanze, mit der Christus am Kreuze durchbohrt wurde, das Rauchfaß, typologisch aus-
gelegt, Sinnbild der heiligen von der Gottheit erfüllten Menschheit Christi sowie des
Schoßes der Gottesmutter, der die göttliche Kohle, d. i. Christus, in dem alle Fülle der
Gottheit wesenhaft wohnt (Koll. 2, 9), umschloß, tropologisch aber verstanden, Sinnbild
süßesten Wohlgeruch verbreitender Freude. Der liturgische Fächer symbolisiert nach ihr
die Cherubim und Seraphim, die beim heiligen Opfer den Altar unsichtbar umschweben.
(16) Brato, Lit. Handlexikon 333. (17) Besonders 1.1, c. 2 und 3; ferner 1.4, e.S, 10,
30, 50. (18) Vgl. oben S. 643.
IN DEN RITEN DES OSTENS 679
Nur die Symbolik des Rauchfasses findet ein Gegenstück in den Deutungen, welche man im
Westen den Altargeräten zuteil werden ließ.
Die-Miwnxj) ösmpw, eine Bearbeitung der'IoTopta aus dem 10. Jahrhundert wiederholt ledig-
lich die Deutungen dieser letzteren, nur daß nach ihr der Kelch auch den Abendmahlskelch
symbolisiert (19) und nicht anders verhält es sich mit der Gommentatio liturgica des
Theodor von Andida (i 3. Jahrhundert), soweit diese Altarge rate mystisch deutet. (20) Neues
bieten dagegen ein etwa dem 13. Jahrhundert entstammendes, von dem Herausgeber Kar-
dinal Pitra irrig Johannes dem Faster (f 5q5) zugeschriebenes liturgisches Fragment (21)
sowie die unter dem Namen des heiligen Sophronius gehende Meßerkläru;
Wirklichkeit erst dem späten 13. Jahrhundert entstammen dürfte, (22) vor allem insofern
in ihnen der Kreis der gedeuteten Geräte durch Aufnahme des eucharisfischen Löffels, in
der zweiten außerdem durch die des Asteriskos eine Erweiterung erfahren hat. Den Asteris-
kos deutet, weil vierteilig, die Meßerklärung als Sinnbild der vier Lebewesen, die die himm-
lische Kohle, Christus, verhüllen, den Löffel als Sinnbild der allerseligsten Jungfrau, die
das Himmelsbrot in ihrem Schoß trug, während er nach dem liturgischen Fragment Pitras
die Zange symbolisiert, mittels deren Isaias in einer Vision einen Seraphim eine glühende
Kohle vom himmlischen Altar nehmen sah, um mit ihr die Lippen des Propheten zu läutern
(Is. 6, 6). Den Diskos legt Pseudo-Sophronius nicht, wie die früheren Liturglker, als Him-
mel, sondern als Wolke aus, das Fragment dagegen als die Sonnenscheibe, die das Licht,
Christus, enthält. Was Simeon von Saloniki über die Symbolik der Altargeräte sagt, bringt
nur bezüglich der des Asteriskos etwas Neues, den er im Anschluß an das Gebet^ das der
Priester spricht, wenn er ihn bei der Proskomidi nach Herrichtung des Diskos auf diesen
setzt, als Sinnbild des Sternes von Bethlehem bezeichnet. (23)
Eine besondere Bedeutung hat die Symbolik der Altargeräte auch im Osten
nicht gehabt, zumai nicht im ausgehenden Mittelalter. Die Art, wie Kahasilas in
seiner Meßerklärung (24) und Simeon von Saloniki sie behandeln, läßt das
vermuten. Weil sie fast ausschließlich an den Zweck und die Verwendung
der Geräte anknüpft, bietet sie für die Geschichte der Entwicklung derselben
kein Material. Ihrem Charakter nach ist sie noch mehr als die Symbolik, die
man im Westen mit den Altargeräten verband, typologisch. In liturgischen
Gebeten hat nur die Symbolik der heiligen Lanze und des Asteriskos ein Echo
gefunden, die der ersteren schon früh, die der letzteren erst im r4. Jahrhun-
dert. (25) Daß man im griechischen Ritus bereits im Mittelalter den Diskos
auch als Bild der Krippe gedeutet hätte, dafür findet sich bei den griechischen
Liturgikern kein Beleg. Bildwerke, die das in Windeln gehüllte Jesuskind auf
einer Patene liegend zeigen und anscheinend noch in das ausgehende Mittel-
alter zurückreichen, lassen das jedoch vermuten. Darstellungen dieser Art aus
nachmittelalterlicher Zeit sind nicht selten. Sie finden sich besonders auch in
der Vertiefung des Diskos angebracht. (26) Nach der Scientia ecclesiastica,
einer koptischen Schrift des i5. Jahrhunderts, symbolisiert der Diskos in der
Messe zunächst die Krippe, später aber, das ist wohl nach der Konsekration, das
Grab des Herrn. (27)
(19) Mg. 98, 397 f., 490. (20) M. 140, 429 f, (21) Spie. Solesm.IV (Paris 1858) 441.
(22) Mg. 87, 3986. (23) De sacra liturgia c. 85 (Mg. 155, 264). (24) Mg. 150, 369.
(25) Brightmas 539 f. (26) Vgl. oben S. 242. (27) Re.naidot I, 170.
I. VERZEICHNIS
DER IN DEM WERK BEHANDELTEN GERÄTE UNTER ANGABE DER IN IHM
IN ABBILDUNG WIEDERGEGEBENEN
Die kursiv gedruckten Zahlen bezeichnen, wenn ohne Beifügung, die Bildnummern auf
den dem Werk angehängten Tafeln, wenn mit vorgesetztem B versehen, die Nummern der
Abbildungen im Text und auf den diesem eingeschalteten Tafeln.
Die den Ortsnamen in Klammern folgende Beifügung gibt näheren Aufschluß über den
Besitzer des Gegenstandes. Fehlt eine solche, so befindet sich dieser im Besitz der Kirche
des betreffenden Ortes.
KELCHE
Aachen (Münster) 153. Basel (Histor. Museum) 87, Burg 171.
Achim 177. 149. 40. Burgberg 110.
Admont (Stiftskirche) 107. Bautzen (Dom) 101. Bützow (Hospital) 106.
Affiighem (Klosterkirche) 87. Beckum 97, 118. Bützow (Stadtkirche) 128,195.
154, 182, 187. Behrendorf 115. HO.
Alborga 99, 119, 61. Beleke 112, 122. Calocsa (Dom) 74,143.
Allendorf 117. Bellpuig de les Avellanes 118. Camin 114.
Alt-Falkenberg 167. Bergen auf Rügen (Marien- Canterbury (Kathedrale) 87,
Alt - Lomnitz (Breslau, Mu- kirche) 85, 89, 149. 158. 44.
seum) 85, 185. Berlin (K.-Friedr.-Museum) Capo d'Istria (Dom) 110.
Altmark 180. 82, 174. Casa Mari (Abteikirche) 117.
Alt-Mügeln 108, 113. --(Nikolaikirche) 147. 97.
Alzan 113. — (Schloßmuseum) 117. Caspe 99, 119. 56.
Amsterdam (Rijks-Museum) Berwick (London, Brit. Mu- Chelles 36, 72.
72, 87, 148. seum) 87. Chichester (Kathedrale) 87,
Angers (Kathedrale) 87, 176. Bielefeld (Marienkirche) 85. 159.
Angleforth 114. — (Nikolaikirche) 119, 171. Cividale (Dom) 61, 143. 14.
Anröchte 112, 117. Biville 97, 113. Coimbra (Museum) 74, 110,
Arouca (Klosterkirche) 161. Bleicherode 104, 110, 111. 69. 117, 118, 120, 122, 130, 149,
Asarp (Stockholm, Museum) Bogeschdorf 150, 153. 161, 170. 35, 64.
97. Boleslav 150. Colditz 98, 113, 124, 180.
Aschaffenburg (Schloß, Ha!- Bologna (S.Giov. in Monte) Colmnitz 117, 124, 182.
lesches Heiltumsbuch) 148. 118. Colle di Val d'EIsa 118. 98.
130. Bonn (Prov.-Museum) 34. Cremona (Sa. Agata) 181.
— (Stiftskirche) 132. Bonneland 118. Crimmitschau 98, 156, 180. 76.
Ashby de la Zouch 129. Borgä (Dom) 88, 90, 91, 93, Cues (Hospital) 118.
Assisi (S. Francesco) 88, 98, 168, 183. 42. Danzig (Marien-Kirche) 105,
120. 92. Braga (Kathedrale) 74,99,119, 165, 173. 74.
Athos (WatopSdikloster) 47, 120, 122, 123, 161. 31, 67. Dargun 171.
64, 138, 150. Brandenburg (Pauli - Kirche) Darmstadt (Museum) 85.
Attendorn (Stadtbesitz) 100, 165, 193. 73. Delitzsch 174, 183.
117. 116. Braunschweig (Kreuzkloster- Delsberg 87.
Augsburg (St. Ulrich) 85, 91, kirche) 86. Demmin 113.
93, 166. — (Ulrichskirche) 121. 91. Deventer (kath. Kirche) 45. 5.
Avila (London, Viktoria-und- Breslau (Diözesan - Museum) Dirschau 100, 156. 79.
Albert-Museum) 99. 100, 111, 156. 105. Dobbertin 85.
Bacton 97, 114. — (Dom) 43, 132, 138, 153. 83. Döbeln 180.
Barga (Dom) 118. Brügge (Priesterseminar) 129, Dolgelly (London, Kronschatz)
Bari (S.Nicola) 117. 133. 114. 87, 89, 92, 94. 45.
Barlt 171. Brüssel (Museum) 120. Dömitz 122.
Barop 122. Budapest (Nat.-Museum) 110. Dornburg 164.
Bars-Szent-Kereszt 153. Büderich (HausWcstrich) 122. Dürnhagen 172.
VERZEICHNIS: KELCHE 681
Dortmund (Marienkirche) 113. Greifswald(Jakobikirche) 106, Isny (evang. Kirche) 123. B9.
Dragsmark (Kloster-Kirche) 115,173,180. Junquera 99, 109, 118.
88, 89, 92, 159. Gressow 114,130. Ixelle (St-Boniface) 129.
Draygton 172. Gronau 85. Kaiserswerth 98, 121. 51.
Dresden (ev. Hofkirche) 86. Großebersdorf 109, 113, 167. Kaschau (Dom) 51, 110, 153.
Dublin (Museum) 59, 149. IL Großkoehberg 124. Katingen 113.
Düsseldorf (Kunstgewerbemu- Großlobming 153. Kempen 133, 134, 135. 138.
seum) 106. Großprobstdorf 153. Kissenbrück 85, 156, 188.
— (St. Andreas) 128. 107. Großschenk 153. Klausen (Kapuziner-Kloster)
Ebenfurth 150. Groß-Walbur 153. 133, 134. 122, 123.
Ebstorf 43. Guimaräes (Stiftskirche) 74, Klein-Bistritz 153.
Eggenburg 153. 99, 119, 170. 60. Kleinschalken 153.
Ehrenfriedersdorf 111, 153. Güstrow 114. Klosterneuburg (Stiftskirche)
Eibesdorf 153. Haffen 86, 159. 98,100, 144, 147. B 14.
Eichstätt (St. Walburgis) 85 Hagby (Stockholm, Hist. Mu- Klosterneuendorf 173.
147, 174. 51. seum) 121. Knittelfeld 153.
— (Schutzengel-Kirche) 133, Häggesled 102. Kobbelgrube 104.
134, 135. 126. Hahnbach 113. Köln (Diözesan-Mi'.scum) 49,
Einbeck 117. Halberstadt (Dom) 171. 86, 154.
Ellwangen (Stiftskirche) 133, Halle (Ulrichskirche) 51, 164. — (Dom) 112,, 133, 134, 195.
134, 135. 139. Hamburg (Kunstgewerbe-Mu- 119,131,135.
Emmerich (Martiusk.) 85,159. seum) 153. — (Groß-St. Martin) 112.
Engelnstedt 85, 173. Hammersdorf 97, 113. — (Kunstgewerbe-Mus.) 113.
Evesliam (Abteikirche) 87. Hamstall Ridware 97, 113. — (Maria Himmelfahrt) 112,
Evora (Kathedrale) 130, 195. Härtensdorf 124. 117.
Ferayhalgh 114. Heeßen 122. — (St. Andreas) 109, 118, 172,
Föbr (Nikolaikircbe) 114. Heidau 129. 109. 177.
Frankfurt (Hist.Museum)117. Helmstedt (Walburgiskirche), — (St. Aposteln) 85, 90, 149,
— (Privatbesitz) 143. 113, 156, 182. 190. 22.
— (St. Leonhard) 99, 105. 81. Heitau 100. — (St. Gereon) 124, 150. 129.
Frauenberg 74. Herdringen (Schloß) 195. — (St. Johann) 112.
Frauenburg (Dom) 50,153.706. Hereford (Kathedrale) 87. — (St. Maria im Kapitol) 114.
Frauenprießnitz 99, 113, 177. Herenthals (Ste-Waudru) 195. — (Schnütgen - Museum) 85,
Fraustadt 99, 100, 102, 124, Herford(Johannisk.)85,183.50. 100, 109, 112, 113, 114, 117,
177. 88. — (Münsterkirche) 97, 113. 118, 132. 132, 133, 134.
Friesau 124, 1G4. Hermanustadt (Museum) 74. — (Wallraf-Richartz-Mus.)
Fritzlar (Stiftskirche) 85,190. Hetzeldorf 150. 34. e.
Füssen 85. Hildesheim (Dom) 72, 98, 109, Königsberg (Altstadt. Kirche)
Gardelegen (Marien-Kirche) 143, 157, 164, 190. 34, 71. 129, 195. 112.
108, 116, 173. — (Moritzberg) 149, 168. Königsdorf 104,
Geseke 113. — (St. Godehard) 85, 147,149, Kopenhagen (Nat, - Musaum)
Gingen 106. 54. 168. Titelbild, 107, 118, 184.
Gladbeck 113. Hochelten 86, 149, 159. Krakau (Dom) 100, 121, 150,
Gnesen (Dom) 51. Höckendorf 104. 153. 87, 89,111.
Goathland 97, 114, 177. Holzendorf 114. — (Marienkirche) 110, 153.
Goldberg 132. Hornby 114. Kreisch 110.
Görlitz (Museum) 85. Hornstorf 114. Kremsmünster (Stiftskirche)
— (Peterskirche) 110, 119. Höxter (Nikolaikirche) 122. 36, 71. 3.
Gourdon (Paris, Cab. des Me- Jaad 153. Kronstadt 153.
dailles) 36, 58,151. BZ. Jarosl a wl ( P reobr a eh ensk i k lo - Krummin 153.
Gran (Dom) 50, 100, 121, 123, ster) 175. Lambach (Stiftskirche) 86,168,
153. 90. Iburg 97, 113, 177. 188, 191.
Greifenhagen (Nikolaikirche) Jerusalem (Kloster der Wei- Lamon (Feltre, Dom) 170. B1.
114, 171. ßen Väter) 78. 32. Lara 124.
VERZEICHNIS: KELCHE
Lausanne (Privatbesitz) 107. Magdeburg (Dom) 86,143,159. Neuruppin 98, 113, 153. 72.
Leipzig (alte kathol. Pfarrk.) Mainz (Dom) 74, 86, 113, 152, Neusohl (Burgkapelle) 153.
172, 195. 159, 180. 78. Neutra (Dom) 51, 130, 153,
Leningrad (Eremitage) 36, 70. Malchow 97, 108, 177. 154. 136.
B3. Maniewo 104. Niedersalwey 106, 114.
Leominster 114. Manker 167. Nienstedten 114.
Leon (S. Isidoro) 147, 149, Mons (St-Waudru) 129. Nocera (Dom) 128. Bit
170. 36. Maria Rast 110. Nordhausen (Nikolai-Kirche)
Leyland 116. Marienburg (Schloßkapelle) 116, in.
Lichten!) agen 114. 165. Norra Kedum 121.
Lichtfelde 165. Marienstatt (Abteikirche) 114, Nossendorf 115.
Liesborn 113. 133, 154, 158. 125. Nuria 113, 177.
Limburg (Dom) 51, 85, 148. Marienstern (Zister z.-KIoster ) Nürnberg (German. Museum)
B6. 61, 85, 147, 193. 10. 85, 99, 113, 149, 154.
Limoges (Hospiz) 116. Marienwerder (Dom) 104,121, Obermarchthal 134. 14t
Lincoln (Kathedrale) 87. 124. 52. ödenburg (Museum) 36, 71.
Lippstadt (Jakobikirche) 108, Mecheln (erzb. Kapelle) 102, Öfver Gran (Stockholm, Hist.
113, 114, 177. 122, 124. B8. Museum) 113, 177.
— (Marien-Kirche) 108, 113, Meschen 150, 153. Ortenburg 113.
177, 190. Mettersdorf 150. Orta (S.Giulio) 37.
Lissa (Johannisk.) 104, 150. Michelsberg 113. Osnabrück (Dom) 96, 110,113,
Lissabon (Museum) 74, 99, Minden (Dom) 98, 114. 101. 114, 160, 164, 180. 50.
117, 118, 122, 123, 130, 149, Misterhult (Stockholm, Hist. — (Katharinenkirche) 85, 97,
161. 58, 66. B 7. Museum) 112, 121, 173. 113, 157, 163. 39.
Lissewo 100, 110, 153, 167. Möllenbeck 114. Ostdorf 97, 180.
Linie Farringdon 114. Montefiascone 118. östra Ny (Stockholm, Histor.
Löbau 100, 124, 173. 50. Montserrat 134, 154. B12. Museum) 104, 120, 152.
Lockwitz 98,113,152,169,180. Monza (Dom) 62, 98, 110, 117, Ottenstein 97,113.
London (Brit. Museum) 37, 72, 118. 99. Ottobeuren (Kloster-Kirche)
78, 87, 130. Moskau (Dreifaltigkeitsk lö- 85, 154, 174, 176. 46.
— (KronschaU) 87, 139, 175. stet) 138. Oxford (Corpus-Christi-Kol-
144. — (Kathedrale) 138, 175. leg) 116.
— (Vikt.-u.-Alb.-Mus.) 87, 88, München (Dom) 51. — (Trinity College) 97, 117.
97, 100, 102, 107, 110, 114, — (Bayer. Nationalmuseum) Paderborn (Dom) 50, 97, 124.
116, 117, 118, 119, 121, 125, 109, 134. B13. — (Gaukirche) 113, 177.
130, 156, 173, 175, 181, 182, — (Reiche Kapelle) 47, 60, — (Landeshospital) 130.
190. 48, 95, 142. 130, 147, 149, 164. 7. — (Marktkirche) 130,154.115.
Longares 99, 114, 116, 117. 55. Muniesa (nicht Mumiesa) 99, Paris (CIuny-Museum) 133,
Lübow 114. 117. 62. 134. 120.
Lübtheen 130. Münster i. W. (St. Mauritz) — (Louvre) 99, 116, 117, 152,
Lüdinghausen 86. 73, 176. 160. 52.
Ludmannsdorf 156. Münsterbilsen 102. Pavia (S.Michele) 39.
LudwigsIust(Stadtkirche) 116, Nadesch 153. Pelplin (Dom) 50, 153. 137.
118, 152. Namur (Kloster N.-D.) 87, 92, Perejaslawl (Kathedr.) 137,174.
Lüneburg (Lamberti-Kirche) 154, 159. 47. Perlin 117.
115, 172. Nancy (Kathedrale) 59, 147, Perugia (Stadtbesitz) 104,118,
Lüttich (St-Jaeques) 102, 122, 149. 12. 120, 173. 96, 102.
124, 165. Naugard 85. Petersberg 110.
— (St-Pholien) 130. 117. Nettlecombe 97, 114, 177. Petersdorf 153.
Lützow 169. Neuendorf 117. PetBhäza (Öden bürg, Museum)
Maastricht (St. Servatiuskir- Neuenkirchen 97, 113, 177. 36, 71, 172.
che) 62, 118. Neukloster 114. Pinnow 115.
Madrid (Sammlung Lazaro) Neumark 109, 114, 119, 167. Pobethen 110.
132, 133. 724. 77,78. Posen (Adalbertskirche) 153.
!. ;}/!:n:ii\i^. ki-i.c.ue
Wilten (Stiftskirche) 61, 154, Wismar (St. Marien) Hl. Woserin 114.
>9, 171, 181, 182. 20. — (Nikolaikirche) 114. Wylye 117.
Wimpfen am Berg 152, 180. Wittenburg 117. York (Kathedr.) 87, 97, 177.
Windsor (St, Georgskapelle) Wittingen 85, 138. Zehdenik 85, 159.
129. Wittstock 152. Zeitz 113.
Wipperfürth 118, 152, 184. Wioelawek 90, 113. Zimmer ha ch 86.
Wismar (St. Jürgen) 108, 114, Wörishofen 85, 154, 174. Zips (Kathedrale) 153.
121, 190. Worms (Dom) 45, 74. Zwickau (Marienkirche) 153.
PATENEN
Amsterdam (Rijksmus.) 211. Guimaräes (Stiftsk.) 212. 60. Mainz (Dom) 211, 212. 157.
Amiens (Kathedrale) 208. Hagby (Stockholm, Hist. Mu- Marienstatt (Abteikirche) 212.
Angers (Kathedrale) 212. seum) 236. Marienstern (Zisterz.-Kloster)
Asarp (Stockholm, Hist. Mu- Halberstadt (Dom) 214, 220. 213, 238. 151.
seum) 212. 148. Merton 212.
Bacton 212. Hanworth 212, 236. Moskau (Kath.) 214, 220,232.
Bishops Sutton 212. Happisburgh 212, 236. Namur (Kloster N.-D.) 239.
Boteä 239. Hätuna (Stockholm, Hist. Mu- Nancy (Kathedrale) 206, 211,
Breslau (Diözesan - Museum) seum) 212. 225. 12.
234, 238, 240. Hemse (Stockholm, Hist. Mu- Nettlecombe 212.
Bristol (All Saints) 212. seum) 212. Neuenhaus 215.
Buldern 206, 213. Herschdorf 234. Nikosia (Museum) 210.
Calocsa (Dom) 220. Hildesheim (Dom) 206, 211, Nordhausen (Petrikirche) 241.
Casa Mari 219. 220, 240. 34, 161. Nordhorn 215. 164.
Caspe 226, 236. 56. — (St. Godehard) 212. Nürnberg (Germ. Mus.) 212.
Chichester (Kathedrale) 212. Kachelten 212. öfver Gran (Stockholm, Hist.
Crvidale (Dom) 220. 14. Iber 241. Museum) 213.
Cliffe at Hoo 212, 231, 239. Imola (Dom) 212, 335. Orkesta (Stockholm, Histor.
Coimbra (Museum) 226,238.fi<*. Kertsch (Museum) 217. Museum) 231.
Corbrjdge (englischer Privat- Kirk Malew 231. Oxford (Trinity Colleg) 231,
besitz) 208. Klosterneuburg (Stiftskirche) 286.
Dolgelly (London, Kronschatz) 212, 227, 240. 162. Paris (Louvre) 225. 153.
212. 755. Knauthain 234. — (Cab. des Medailles) 217.
Dragsmark (Klosterk.) 212. Köln (St. Aposteln) 220, 237. Perugia (Stadtbes.) 212, 226,
Ekebyborna (Stockholm, Hist. Kopenhagen (Nat. - Museum) 238. 102.
Museum) 213. 212, 226, 231. 159. Petrossa (Bukarest, Museum)
Emmerich (Martinskirche) 212. Leipzig (alte kathol. Pfarr- 217.
Engsö (Stockholm, Hist. Mu- kirche) 233. Plaußig 234.
seum) 226. 160. Leningrad (Eremitage) 203, Plock (Dom) 213, 241.
Felbrigge 234. 217. Proseken 233.
Florenz (Offizien) 217. Liesborn 212, 223. Randazzo 213, 226.
Frankfurt a. M. (Kunstgewer- Lincoln (Kathedrale) 212. Risley 208.
bemuseum) 226. Linkoping (Stockholm, Hist. Riha (Sammlung Kalebdjian)
Fritzlar (Stiftsk.) 213. 152. Museum) 212. 202, 210. 146.
Geseke 212. London (Brit. Mus.) 202, 221. Saalhausen 212.
Gimbte 212. — (Vikt.-u.-Alb.-Museum)212, Salisbury (St. Edmunds) 231,
Gladbeck 212. 163.
Götene 230. Longares 226, 237. 55. Salzburg (Dom) 227. 165.
Gourdon {Paris, Cab. des Me- Lübeck (Marienkirche) 226, — (St Peter) 211,213,233,240.
dailles) 202, 208, 224. B15. 240. 158. Sammlung Abukasem (Port
Great Waltham 231, 236. Ludwigslust(Stadtkirche)231. Said) 202. 145..
Gronau 212, 240. Maastricht (St.Servatius)212. — Stroganoff 202.
Großstorkwitz 231, Magdeburg (Dom) 212. Segovia (Kathedrale) 226. 63.
VERZEICHNIS: l'ATFAES
Silos (Santo Domingo) 213. Tremessen 227, 239. 156. Werne 233.
150. Trier (Dom) 211, 220. Wien (Kunsthistor. Museum)
Soest (Wiesenkirche) 212. — (St. Gervasius) 206, 209, 217.
— (Marienkirche) 212. 211, 220. Wüten (Stiftskirche) 214,227,
Troyea (Kathedrale) 220, 224.
Solmona (S. Panfilio) 219, .231, 235. 154.
Stadtilm 234. VansS 240. Wismar (St. Jürgen) 283.
Stüma (Konstantinopel, Mu- Västra Vingaker 212, 238. Worcester (Kathedrale) 212.
seum) 210. 147. Veldhausen 215. Wusterhausen 212, 229, 240,
Styrestad 284. Venedig (S. Marco) 207, 214, 241.
Tempzin 223, 236. 222. 149. Wyke 213.
Toledo (Kathedrale) 213. 59. Vesterfis (Stockholm, Histor, York (Kathedrale) 212, 213.
— (Paris, Louvre) 212. 155. Museum) 240.
Tortosa (Kathedrale) 240,241. Weingarten 239.
Lavoute-Chilhac 292, 308. 314, 315, 346. 173, 174, 198. — Dryalinski 321.
Lehesten 309, 334. 276. — de Lasteyrie 321.
Leningrad (Eremitage) 321. — (St. Michael) 336. — Le Roy 321.
Letmathe (katholische Pfarr- Münster (Bischüfl. Museum) — Pierpont Morgan 339.
kirche) 310. 307, 342. 184. — Rothschild 310. 199.
Lippstadt (Jakobikirche) 335. — (Liebfrauen) 311, 344. — Spitzer 315, 321, 325.
172. Münstermaifeld (Stiftsk.) 321. Schwerin (Museum) 310.
— (Marienkirche) 306. Namur (Archäol. Mus.) 305. Soest (Patroklikirche) 324.
Livorno (Museum) 292. Niederlahnsteiu 347. St.Kunigund 297, 307. 185.
Longkamp 310. Niedersalwey 310. St-Maurice (Abteikirche) 314,
London (Brit. Museum) 314, Nieuport 326. 342. 177.
337, 343. Nürnberg (German. Museum) St-Omer (Kathedrale) 308.
— (Viktoria-und-Albert-Mus.) 305, 310, 315, 339. 191, 2Ö7. Sigtuna (Stockholm, Hist. Mu-
304, 306, 310, 341. 178. Osnabrück (Dom) 306. seum) 311.
Löwen (St-Pierre) 326. Ostritz 310. Stockholm (Histor. Museum)
Lüdinghausen 310, 336. Paderborn (Büßdorf-Kirche) 346 f.
Lugnano 294. 171. 305, 340. 175. StrSgnas (Ausstellung 1910)
Lüneburg (Johannisk.) 328. Paris (Cluny - Museum) 305> 306, 347.
Lyon (Kathedrale) 305. 315, 321. 189. Teichwolframsdorf 315.
— (Erzb. Museum) 315. — Louvre 314, 315. B16. Tremessen 297.
Madrid (Sammlung Lazaro) Pelchenhofen 334. Tronchon 312. 206.
344. Pesaro (Dom) 292. Überlingen (Münster) 311,339.
Maeseyk 309, 336. Pienza (Kathedrale) 305. 209.
Mailand (S. Nazaro) 305, 321. Pierola y Hostalets 313. Ungedanken 308. 182.
Maldur 315. Poitiers (Kathedrale) 305. Veruela 312, 313. 203.
Matzlow (Schwerin, Museum) Privatbesitz, engl. 307, 312. Vieh (Bischöfl. Museum) 305,
336. 205, 221. 307.
Melissa 315, 316. Prunet 315. Vigeois 318.
Mellrichstadt 340. Rees 309. 202. Villingen 307.
Melnik306. Regensburg (Obermünst.) 315. Vilshofen 316, 335.
Mergeln 315. Eetzbach 325. 217. Vintrosa (Stockholm, Histor.
Meschcde 316. 195. Rheine 327. Museum) 315, 347. 190.
Meschendorf 315. Rom (Oratorium) 305. Vreden (Stiftsk.) 296, 306.
Miliingen 310. — (Vatikan, Mus.) 292, 305. Vornbach 325, 338. 214.
Mittelzell 296. Runtuna (Stockholm, Histor. Welfensehatz 315, 335.
Mona (Soeur-Noires) 335. Museum) 315. Welz 305.
Monza (Dom) 326. 210. Salzburg (Dom) 321. Wien (Museum) 321,
Moselkern 312. — (St. Peter) 315, 325, 335. Wormbach 306, 336. 225.
München (Bayer. Nationalmu- Sam m lungB asilewsky 296,314, Würzburg (Dom) 327.
seum) 305, 307, 310, 311, 315, 330. 176, 187. Xanten (Dom) 309.
MONSTRANZEN
Aachen (Münster) 374, 382. Altshausen 407. Bande 395.
266. Alt-Wartenbnrg 364, 369, 370. Barcelona (Kathedrale) 36
Aerschot (N.-Dame) 382. 270. 252. Bari (S. Nicola) 367.
Agram (Kathedrale) 372.263. Andechs (Klosterkirche) 395. Beaupreau 384. 292.
Ahrweiler 356, 363. 259. Arezzo (Dom) 367. Bensheim 407.
Ailingen 397. Aschaffenburg (Schloß, Hal- Beyghem 374, 379.
Albachten 365. Iesches Heiltumsbuch) 391. Biberach 381, 396.
Aldenhoven 362, 369, 370. 253. 279. Bittesch 364.
Alost (Beginenhof) 381. — (St. Agatha) 383. 290. Bologna (S. Maddalena) 3
Altenmarkt 407. Aulendorf 389. 289. Borstendorf 364.
Alsemberg 381. 267. Baelen-sur-Nöthe 369. Bovino (Kathedrale) 367.
VERZEICHNIS: MONSTRANZEN 687
KUSTODIEN
Avila (Kathedrale) 399. Gerona (Kathedrale) 399. Ratibor 400. 297.
Barcelona (Kathedrale) 399. Jaen (Kathedrale) 399. Sahagun (Kathedrale) 399.
Burgos (Kathedrale) 399. Jativa (Stiftskirche) 399. Santa Gadea del Cid 399.
Cadix (Kathedrale) 399. 299, Leon (Kathedrale) 399. Santiago de Compostela (Ka-
300. Madrid (S. Martin) 399. thedrale) 399.
Coimbra (Museum) 399. Medina de Rioseco (S.Maria) Sevilla (Kathedrale) 399.
Cordoba (Kathedr.) 399. 298. 399. Silos (Santo Domingo) 399.
Cuenca (Kathedrale) 399. Osma (Kathedrale) 399. Toledo (Kathedrale) 399.
Gandia (Stiftskirche) 399. Palenzia (Kathedrale) 399. Valladolid (Kathedrale) 399.
Erding 435. Monza (Dom) 434. 319. Privatbesitz engl. 427, 432.
Frankfurt (Privatbesitz) 426, München (Bayer. Nationalmu- 307, 30S.
482. 305. seum) 429, 434, 440. 568. Regensburg (Dom) 440. 317.
Gmünd (Heiligkreuz) 443. — (Reiche Kapelle) 461. Rom (Vatikan) 430.
Gran (Dom) 443. — (St. Michael, Schatzbuch) Sammlung Rothschild 426.
Heining 434. 320. 460. 330, 331. St-Georges-Ies-Landes427,312.
Heilbronn 436. 321. Münster (Bischöfl. Museum) St. Paul (Stiftsk.) 440,443. 306.
Horb 426, 433. 303. 434. 318. St. Peter Port 426, 431. 306.
Ingelfingen 436. 322. Olot (Museum) 427. Stuttgart (Stiftsk.) 456. 332.
Karthaus 439. 316. Osnabrück (Dom) 443. Venedig (S.Marco) 427. 324.
Kopenhagen (Nationalmus.) Paris (Cabinet des Medailles) 325.
439. 427, 430. 311. Vieh (Bischöfl. Museum) 427.
Maubeuge (Stiftskirche) 426. — (Louvre) 427. Würzburg (Franziskanerkir-
Melk (Stiftskirehe) 440, 443. Pest (Museum) 426, 432, 438. che) 443. 327.
309. Zamowitz 426, 432, 433. 304.
KREUZE
Aachen (Münster) 486. Herdringen (Schloß) 481, 433. München (Reiche Kapelle)
Ager (Stiftskirehe) 491. 340. 485.
Asehaf fenburg (Schloßk.) 475. Hildesheim (Dom) 480, 485. Neuruppin 481. 344.
412. — (Kreuzkirche) 480. Neusohl 482. 334.
Basel (Hist.Museum) 478,483. — (St. Godehard) 487. Odder (Kopenhagen, National-
— (Klarakirche) 480. — (Magdalenenkirche) 487. Museum) 478. 333.
Berlin (Schloßmuseum) 480, Horb 482. 342. Paris (Louvre) 491.
486, 492. 577. Klausen (Kapuzinerkl.) 475. Pisa (Dom) 480.
Brixen (Dom) 478. Kleve 481. 346. Porto (Kathedrale) 483. 417.
Certosa di Pavia 483. 414. Klosterneuburg (Stiftskirche) Privatsammlung, Span. 491.
Chur (Dom) 480. 475. Rössel 481, 482. 338.
Dirschau 482. Köln (Sehnütgenmuseum) 482. Sahl 478.
Essen (Münster) 485. 347. Salzburg (Dom) 482, 484. 343.
Frauenburg (Dom) 483. 420. — (St Pantaleon) 487. Stockholm (Hist. Mus.) 478.
Freising (Priestersemin.) 478, Lissabon (Academia) 482. 348. St-Omer (Museum) 480. 573.
480, 483, 488. 336. London (Viktoria-und-Albert- Tervueren (Privatbesitz) 480.
Fritzlar (Stiftsk.) 430, 488. Museum) 480, 481, 484. 335 Tongern (Stiftskirche) 478.
Gerona (Kathedrale) 486,491. 339. Tortosa (Kathedrale) 486.
Goyck 478. Lucca (Kathedrale) 481. 337. Trier (Dom) 480. -
Gutstadt 482. München (Bayer. Nationalmu- Überlingen (Stiftskirche) 486.
Hannover (Weifenmus.) 480. seum) 478. Vieh (Kathedrale) 491.
Haus Offer 480, 489. 572. — (St. Michael, Schatzbuch) Weil der Stadt 481. 341.
Heitau 482. 483. Wiesensteig 482. 345.
690 VERZEICHNIS: ALTAÜLEvOUTEH
ALTARLEVCHTER
Aachen (Münster) 500, 518. Hildesheim (Dom) 506, 509, Nustrup 517.
391, 392. 517. 350, 375. Oberkirchen 508,509, 524. 383.
— (St. Jakob) 518. — (Magdalenenkirche) 523. Osnabrück (Dom) 515.
As ch a f f enburg (S ch loßkir che) Hörup 517. östinghausen 509, 516. 357,
605. 413, 422*, Kaikar 518. 404. 396.
— (St. Agatha) 520. Katingen 501. Paderborn (Dom) 514. 393.
Au am Inn 511. Klagenfurt (Museum) 508. Paris (Louvre) 514,
Bannesdorf 517. Klausen (Kapuzinerkl.) 505. — (Petit Palais) 511, 517.
Bari (S.Nicola) 504. 384. Kobbenrode 511. Pest (Nationalmuseum) 506.
Berlin (Schloßmuseum) 506, Köln (Dom) 507. 403. Porto (Kathedrale) 520. 416.
508, 509, 511. 352, 365, 390. — (Groß-St. Martin) 507. Privatbesitz, ungar. 509. 372.
Beydenfleth 510. — (Privatbesitz) 500. 378. Qualzow 519. 402.
Biberach 520. 411. — (SammlungSeligmann)506. Rahrbach 516. 401.
Boel 519. B33—35. 349a. Rees 510.
Borghorst 508. 358. — (Schnütgen-Museum) 516, Regensburg (St. Emmeram)
Braunschweig (Museum) 509} 517, 518. 394. 509.
510, 511. 364. Komburg (Stiftskirche) 508. — (St. Johann) 508. 367.
Brügge (Ste-Anna) 518. Königslutter 504. Rhode 516.
Brüssel (Museum) 506. Krefeld (Sammlg. Kamphau- Riding 508.
Certosa di Pavia 520. 415. sen) 509, 524. 381. Rom (Vatikan. Museum) 511.
Courtrai (Museum) 515. Krems tnünster (Stiftskirche) Römershagen 516, 517. 351.
Dörnholthausen 511. 512, 522, 524. Salzburg (Dom) 521.
Dresden (Diakonissenanstalt) Lehnsahn 517. Sammlung Basilewsky 525.
509. Leipzig (Museum) 509. — Bouvier 508. 355.
Düsseldorf (St Andreas) 520. Landshut (Klost Seligenthal) — Spitzer 513, 514, 525. 377.
418. 514. Schillersdorf 519.
Eggerode 501. Löbstedt 513. Schleswig (Dom) 517.
Ehingen 521. lipndon (Britisches Museum) Schwerin (Museum) 508, 509.
Eisenach (Museum) 511. 511. Sens (Kathedrale) 510.
Emsdetten 510. Lysabbel 517. Stendal (Jakobik.) 512. 363.
Frankfurt (Privatbesitz) 511. Mailand (S. Ambrogio) 505. St. Florian (Stiftsk.) 509. 371.
379. — (Museo Poldi-Pezzoli) 511. St-Maurice (Abteikirche) 500.
Frauenburg (Dom) 520. 421. Minden (Dom) 508, 517. 395. 389.
Freising (Priestersem.) 478, — (Martinskirche) 508. Stockholm (Histor. Museum)
480, 503, 504, 506, 508. 353, München (Bayer. Nationalmu- 509, 516.
368, 382. seum) 503, 506, 507, 508. Strelitz (Stadtkirche) 519.
Friesach (Peterskirche) 503. 349, 350a, 366, 380, 569, 5.0. Süderbrarup 517.
Fritzlar (Stiftsk.) 509 385. — (Dom) 505. Telgte 516.
Gandersheim 517. — (St. Michael, Schatzbuch) Tiefenbach 516. 400.
Gettorf 517. 519. 407, 408. Trier (Dom) 508, 510, 511,
Gikau 517. Münster (Bischof 1. Museum) 513. 360, 376, 386.
Gravenhorst 509. 506, 508, 509, 510. 361, 369, Vellern 507.
Graz (Privatbesitz) 520. 409, 370, 387. Venedig (S. Marco) 504, 505,
410. — (Dom) 517. 519, 520. 405, 406.
Greven 516. Munstermaifeld (Stiftskirche) Vieh (Biachöfl. Museum) 502.
Halberstadt (Dom) 509. 388. 507. 356. B 28—32.
Haltern 509. Neumark 516. 398, 399. Wassel 516.
Hannover (Welfenmus.) 503. Norburg 517. Werl 516. 397.
Helden 513. Nürnberg (German. Museum) Wippstetten 520. 419.
Herdt 518. 503, 506, 508, 509, 510, 513, Wollen 509.
Herford (Münsterkirche) 507, 514. 362, 373, 374. Zaschendorf 503. 354.
508. 359.
VERZEICHNIS: WA&CHGERÄTE. paxtafelx. ALTARGLÖCKCHEN 691
LITURGISCHE WASCHGERÄTE
Aachen (Münster) 547. 432. Genien 549. 447. Olfen 549.
— (Privatbesitz) 544, 550. Greven 549. Osnabrück (Dom) 545.
Berghausen 547. Halberstadt (Dom) 545. 431. Prag (Dom) 551.
Bochum (Peter- und Paulskir- Halle (Museum) 544. Rheine 547. 435.
che) 549. 446. Köln (Wallraf-Richartz-Mus.) Riga (Museum) 544.
Berlin (Schloßmus.) 547. 433. 535, 543. 423, 424. Rinkerode 547.
Braga (Kathedrale) 546. 438, — (Diözesanmuseum) 547.443. Sammlung Figdor 547. 442.
439, 444, 445. Kopenhagen (National-Mus.) Soest (Nikolaikapelle) 548.
Darfeld 547. 547. Stendal (Marienk.) 547. 441.
Darup 547. Madrid (Sammlung Lazaro) Trier (Provinzialmuseum) 544,
Ellwangen (Stiftsk.) 546. 313. 545. 429. 550.
Frankfurt (Kunstgewerbemu- Minden (Dom) 548. Venedig (S. Marco) 544, 550.
seum) 547. 436. Münster (Bisehöfl. Mus.) 545. 425, 426, 427, 428.
Frauenburg (Dom) 547. 440. — (Lambertikirche) 548. Voßwinkel 547.
Freising (Priestersem.) 546. Oberwesel (Stiftskirche) 547. Xanten (Dom) 544, 550. 430.
437.
PAXTAFELN
Aachen (St. Adalbert) 566. — (S. Marco) 566. München (Bayer. National mu-
— (StFoilan) 565. — (Palazzo Pitti) 566. seum) 564, 566. 453.
Alealä de Henares (Stiftskir- Frauenburg (Dom) 567. 462. — (St. Michael, Schatzbuch)
che) 566. Herdringen (Schloß) 567. 567..
Arezzo (Dom) 565, 569, 572. Kleve 565. 453. Oxford (New College) 565.
460. Köln (Dom) 563, 570, 572. 463. Paris (Louvre) 565, 566, 570.
Aschaffenburg (Schloß, Heil- — (Groß-St. Martin) 563, 566. 464.
tumsbuch) 567. 465. — (St. Georg) 566. Rouen (Museum) 566.
Berlin (K.-Friedr.-Museum) — (St. Jakob) 566. 456. Sammlung Gottreau 569. 468.
564. — (St. Ursula) 563, 566. t — Spitzer 566, 569. 467.
Bologna (Museum) 566. Lissabon (Academia) 566. Tours (Museum) 565.
— (Museo di s. Petronio) 566. London (Viktoria-u.Alb.-Mu- Triana (Santa Ana) 566.
Borgo s. Donnino (Kath.) 566. seum) 565, 566. Venedig (S.Marco) 566, 570,
Braunsberg 567. Maastricht (St. Servatius) 566. 572. 466.
Brixen (Dom) 667. 461. Mailand (Dom) 563, 566. Vieh (Bisehöfl. Museum) 563.
Ciudad Real (Kath.) 566, 570. — (Museo Poldi-Pezzoli) 566, Valencia (Kathedrale) 563.
Dixmuiden 566. 569. 459.
Florenz (Bargello) 566. — (S.Ambrogio) 566, 569.457.
ALTARGLÖCKCHEN
Aerschot (Hospital) 578. Gerona (Kathedrale) 580. — (St. Michael, Schatzbuch)
Barcelona (Kathedrale) 580. Köln (Schnütgenmus.) 578. 578. 452.
Brüssel (Beginenhof) 578. Landsberg (Pfarrkirche) 579. Münster (Bisehöfl. Museum)
Düsseldorf (Kunstgewerbemu- Lüttich (St-Antoine) 578. 450. 579. 454.
seum) 578. — (St-Pholien) 578.451. Regensburg (Dom) 579.
Freising (Priesters.) 578. 448. München (Bayer. Nationalmu- Reims (Kathedrale) 579.
Fulda (Dom) 580. seum) 578, 579. 44P.
BAUCHFÄSSER
Alverskirchen 613, 616. Hellefeld 611, 614. 514. — (Museo arqueologico) 619,
Andenne-sur-la-Meusc606,620. Herdringen (Schloß) 619, 622, 622.
Balve 614, 617. 513. 627. 539. Mannheim (Antiquarium) 609,
Basel (Hist. Mus.) 612, 616. Hochelten 606, 618. 531. 612, 613, 616. 497.
Bausenhagen 614, 617. Horb 606, 622, 629. 536. Menne 612, 614, 617. 520.
Berlin (K.-Friedr.-Museum) Jaroslawl (Preobrachenski- Montan 606, 622.
609, 610, 613. 500, 503. • kloster) 623. Moskau (Kathedrale) 628.
~~ (Märkisches Museum) 613. Kairo (Museum) 609.498, 499. — ( Patriarch alsakristei) 628.
Brakel 614, 617. Karlsruhe (Museum) 612. München (Bayer. Nationalmu-
Brüssel (Museum) 612, 613, Köln (Schnütgenmuseum) 612, seum) 618, 622. 527, 528.
615, 616, 621. 509. 613, 616, 618, 620, 621, 622, — (St. Michael, Schatzbuch)
Cilli 618. 623, 625. 507, 508, 510, 525, 625, 631, 632. 543, 545.
Drahnsdorf 623. 541, 546, 547. Münster (Bischöfl. Museum)
Düppel 623. — (St. Alban) 605, 619, 624. 618, 624. 524.
Düsseldorf (Kuns tge werbemu- 532. — (Mauritzkirche) 606.
seum) 613, 617, 622. Kopenhagen (National-Mus.) Neu-Strelitz (Mus.) 612, 616.
Emmerich (St.Aldegundis)606. 611, 616, 618, 622. Neuwerk 606.
Engers 606. Ktoutz (Kloster) 628. 504. Niedertrixen 618, 622, 623.
Euskirchen 606, 618, 622. Leuthen 618. Nowgorod (Romanoski.) 628.
Eversberg 611, 614. Lichtenau 614, 617. — (Kathedrale) 628.
Florenz (Bargello) 609. Liedekahle 612. Nürnberg (German. Museum)
Frankfurt a. M. (Kunstgewer- Lille (Museum) 615. 630. 505. 609, 614, 616, 618. 516, 517.
bemuseum) 612, 613, G16. London (Brit. Museum) 6091 Odessa (Museum) 610.
Freising (Priestersem.) 614, 630. 501. Orsoy 618, 621.
617, 618. 578, 522. — (Vikt.-u.-Alb.-Museum)606, Orvieto (Opera del Duomo)
Fritzlar (Stiftskirche) 606. 620. 526. 631.
Grefrath 606, 620. Lüttich (Diözesanmus.) 612, Paderborn (Büßdorf-Kirche)
Hamburg (Kunstgewerbemu- 615, 618, 619. 521. 606, 619.
seum) 609. — (Ste-Croix) 619, 621. 538. — (Dom) 606, 619. 529.
Heggen 611, 612, 614, 617. 515. Madrid(Sammlg.Lazaro) 613. Padua (II Santo) 606. 533.
VERZEICHNIS: WEIHRAUCHBEHÄLTER. FÄCHER. QUELLEN D. ABBILD.
Passering 620. — Prinz Karl 618, 622. 534. Trebnitz 613, 615, 616, 630.
Pombeiro 606, 622. — Sarre 628. Trier (Dom) 611, 612, 613,
Privatbesitz, belg. 619. 542. — Spitzer 619, 620, 622, 624. 614, 617, 630. 519, 523.
Putna (Kloster) 620, 627. 537. Tratzberg (Schloß) 614, 617.
Quem 618. Scheer 606, 621. Turin (Museo civico) 613.
Ruppichterroth 614, 617. Schwerin (Museum) 612, 616. Überlingen (Münster) 620.
Rom (Campo Santo) 609. 596. Vieh (Bischöfl. Museum) 613.
Salona (Museum) 608. 502. Seitenstetten (Stifts-Kirche) Völkermarkt 623.
Sammlung Bardini 612, 613, 606, 622. 540. Weimar (Museum) 618.
618, 622. 512, 530. Soest (Patroklikirche) 623. Werden (Abteik.) 625, 626,
— Fresart 618. Sterup 618. 632. 544.
-Fürstl. Hohenzoller. 621. Stockholm (Histor. Museum) Wusterbarth 620.
— Prinz Joh. Georg von Sach- 612, I -, 614, I
Tating 618.
WEIHHAUCHBEHÄLTER
Berlin (Schloßmuseum) 639. Lambach (Stiftskirche) 639. Padua (II Santo) 640.
Brüssel (Museum) 641. 556. ^ondon (Brit. Museum) 639. Paris (Cluny-Museum) I
Chartres (Kathedr.) 640. 554. - (Vikt.-u.-Alb;-Museum)639, - (Louvre) 636. 552.
Danzig (Marienkirche) 639. 640. 549. Riedlingen 639.
Eggmannsried 639. München. (Bayer. Nationalmu- Sammlung Bardini 641. ,
Gretrath 641. 555. seum) 639, 640. 553. - Desmottes 639.
Horb 639. Neuenbeken 639. 548. -Fürstl. Hohenzoller, £
Köln (Schnütgenmuseum) 639. Nürnberg (German. Museum) Scheer 641.
550, 557. 637, 639. Venedig (S. Marco) 636, ■
LITURGISCHE FÄCHER
Canosa (Kathedrale) 654. Konstantinopel (Ottom. Mus.) Leningrad (Eremitage) 655,
Florenz (Bargello) 654. 563. 646. 557. 656, 660. 560, 56/.
Ghelath (Kloster) 646. Kopenhagen (National-Mus.) Megaspelion (Kloster) 647.
Hildesheim (Dom) 655, 660. 656, 660. Putna (Kloster) 646.
562. Kremsmünster (Stiftskirche) Sammlung Seiliiere 656, 660.
Karlowitz(Privatbes.)646.553. 656, 660. —Spitzer 654.
Seres (Kathedrale) 646. 558.
Bei einer teihveisen Änderung der Bildfolge sind durch übersehen ein paar Hinweise
auf Abbildungen im Text, die zu ändern gewesen wären, nicht auch geändert worden. Sie
sind im obigen Verzeichnis richtig gestellt worden. Beim Druck der Tafeln wurden die
Unterschriften zu den Abbildungen Nr. 249 und 250 vertauscht, was ebenfalls in ihm be-
richtigt ist. Statt 96 ist auf S, 102, Z, 7 von unten 99 zu lesen; auf S. 309, Z. 1 von unten, ist
nach: zu ausgefallen: Jüterbog in.
Als Vorlagen füt die dem Werk als Ergänzung unu Veranschaulichung des im Texte
Gesagten beigefügten Abbildungen dienten hauptsächlich Aufnahmen des Verfassers, ältere
Aufnahmen aus der Denkmälersammlung der -Stimmen der Zeit«, der Kunstbibliothek zu
Berlin und des j Herrn Geheimrates Prof. De. Mark Rosenberg sowie Abbildungen aus
den Denkmälerstatistiken, auf welch letztere in den Fußnoten des Textes im einzelnen
hingewiesen ist. Auf Pasini — vgl. das dem Werk vorausgeschickte Verzeichnis von Titel-
abkürzungen — gehen zurück die Abb. 4, 9, 13, 17, 18, 19, 23-27, 149, 324, 325, 405, 406,425,
426, 466, 474, 475; auf Goldschmidt die Abb.5,471, 472, 476, 563; auf Jackson die Abb.65, 68,
205, 236, 306—308; auf Czihak die Abb. 74, 112, 216, 218, 420, 421, 440;auf Hintze die Abb.83,
105, 109, 282, 285, 297; auf Pazaurek die Abb. 103, 139, 140, 141, 256, 289, 303, 313, 321, 322,
694 QUELLEN DER ABBILDUNGEN
332, 341, 342, 345, 411; auf Crooy die Abb. 114, 117, 224, 267—271, 492; auf Witte die Abb.
132—134, 188, 196, 197, 222, 275, 347, 394, 507, 508, 510, 525, 541, 546,547, 550, 551; auf
Pulsky die Abb. 136, 309, 372, 486, 489; auf Swarzenski die Abb. 352, 365, 390, 482, 571;
auf Terme die Abb. 450, 451, 492, 509, 521, 538; auf ü. Gnoli, L'arte ümbra nella mostra di
Perugia die Abb. 92, 96, 102; auf E. Bertaux, L'exposition rötrospective de Saragosse die
Abb. 55, 56, 61, 62, 206; auf den Katalog der Sammlung Lazaro zu Madrid die Abb. 124, 237,
277, 429; auf Veröffentlichungen des Viktoria-und-Albert-Museums zu London die Abb. 48,
95, 142, 144, 178, 526, 549. Die Vorlagen zu den Abb. 145 und 146 wurden entnommen der
Syria, zu 147 und 557 der Revue archeologique zu Abb. 30 der Zeitschrift für bild. Kunst.
Die Abb. 6, 423 und 424 wurden angefertigt nach Photographien des Wallraf-Riehartz-Mu-
seums zu Köln, die Abb. 148, 257, 388, 431, 493 nach alteren Aufnahmen des Herrn Dr. Stödtner
in Berlin, die Abb. 50, 51, 70, 107, 119, 125, 129, 131, 135, 138, 157, 179, 201, 202, 212, 213,
223, 238, 242, 244, 246, 253, 254, 258, 270, 271, 310, 349a, 360, 376, 381, 386, 403, 418, 430, 456,
463, 477, 484, 519, 523, 531, 532, 555 und Bild 10 nach Aufnahmen des Rheinischen Museums
zu Köln, die ich der Güte des Direktors desselben, Herrn Dr. Wilh. Ewald verdanke, die
Abb. 130, 279, 453, 465 und 565 nach Aufnahmen, die mir freundlichst Herr Prof., Dr. R. Ber-
liner, Hauptkonservator am Bayerischen Nationalmuseum zu München zur Verfügung stellte,
die Abb. 20 und 154 nach Photographien, die ich dem hochw. Herrn Abt des Stiftes Wilten,
Prälat H. Schuler, verdanke, die Abb. 166 und 177 nach Aufnahmen, die mir Herr Kanonikus
Msgr. Ad. Egger zu Brixen gütigst übermittelte.
H. SACHVERZEICHNIS
Aaron, bestätigt durch Kelches 47; der Pa- nachmittel alterlich. asser ad pacem -
den blühenden Stab tene 207. Zeit 526 f. Kußtafel 562.
als Hoherpriester allegorische Darstel- alveola — Weihrauch- Asteriskos (dar^p, dore-
am Kelch 186; die lungen, am Kelch behälter 633. p(oxot), Beschaffen-
Priester salbend, 192,193,196; auf der ama (amula).= Opfer- heit und Verbrei-
am Altarkreuz 491. Patene 241; an der weinbehälter 415. tung 461; Alter sei-
AbelsOpfer, am Kelch Monstranz 411; am ampulla, Ampulle - ner Verwend. 462f.
186; auf der Patene Altarkreuz 492; Meßkännchen 416. Aufbewahrung desAl-
239; am Ziborium allegorische Figuren ance = Henkel der lerheiligsten, im la-
341; am Rauchfaß derErdteile509;der Meßkännchen 431. teinischenRitus 280;
630. Medizin, Jurispru- ansa (ansula) = Hen- in den Riten des
Abendmahl, Letztes, denz, Philosophie kel des Kelches 55; Ostens 281; des hl.
dargestellt an der ebd.; der Fides 411. des Wtihwasserbe- Blutes 282, 327.
Monstranz 402. 410. Altargerät, Begriff und hälters 581. aur i cul a (auri s) =Hen-
Abendmahlsbrot, Be- Einteilung 2; in den ansatus = Weihwas- kel des Kelches 55.
hälter dess. 455. lat. Riten 2; in den serbehälter 583. Ausschnittarbeit, sog.
Abendmahls brots chüs- Riten des Ostens 2; Antto chenis ch er Kelch, an Kelchen 157; an
sei 215. im protest. Kult 3. sog. 31, 81. barocken Rauchfäs-
Ab endmahlskann e 436. Altarglöckchen, heuti- Apostelbilder, am sern 625.
Abendmahlskelchedes ger Brauch und Al- Kelchl90f, 195; auf aygueria = Wasser-
Herrn, legendäre ter seiner Verwen- der Patene 240; am kännchen 419.
31. dung 573 f; Mate- Ziborium 344; an
Ablution der Kommu- rial 577; Arten 578 f. der Monstranz 408. Bacile—liturg. Wasch-
nikanten, Alter 552; Altarkreuz, heutiger aquafusiiis = Gießge- becken 538.
Verbreitung sowie Brauch 466; Alter fäß 541. bacinum (bacin,
Dauer 553 f.; Be- 467; Material 474f; aquamanile (aquama- chain, bachin,
schaffenheit des Ab- formale Beschaffen- ni'is, aquaeman-le sin, bassis) = liturg.
lutionsgefäßes 555. heit : der Ständer und aquamanus) - Waschbecken 538f.
Ablutionskelch 555 f. 478 f; das Kreuz Waschbecken 537; beecum = Ausguß'
Abrahams Opfer, am 483 f; die Figur des = Gießgefäß 537. schnauze der Meß-
Kelch 186; auf der Gekreuzigten 484 f; areba --= Behälter zur kännchen 429.
Patene 239; Maria und Johan- Aufbewahrung des baculus = Weihwedel
i341; i Al- nes als deren Er- hhl. Sakr. 289. 582; = Handhabe d.
tarkreuz 491; an dem gänzung 485; Reli- Arche Noe, am Kelch Fächers 658.
Rauchfaß 630. quien im Kreuz 486; dargestellt 186. beckhin = liturgisch.
acerra = Weihrauch- seine Ausstattung: arma Christi s. Lei- WTaschbecken 540.
behälter 633. SehmuckmitteI486f; denswerkzeuge. Behälter der türm- und
Achat, Material des Bildwerk 489 f. reta beiförmig. Mon-
Kelches 47; des Zi- Altarleuchter, heuti- zur Aufbewahrung stranzen für das Ali
boriums 297, 302; ger Brauch 492; Al- des hhl. Sakr. 291. 1 erheiligste: stehen-
des Weihrauchbe- ter 493f;Brauch im arundo = eucharist. der Zylinder 372;
hälters 636. späten Mittelalter Saugröhrchen 252. liegender Zylinder
Adam, am Altarkreuz 495; in den Riten aspergerium = Weih- 373; Rundkaps. 374;
dargestellt 490. des Ostens 498;Ma- wedel 583. vierseitGehäuse 375.
Adler, am Kelch 179; terial 498 f; Form aspergoir (asper ges) benedictio invocativa,
am Fächer 660. bis zum 14. Jahrb. = Weihwedel 584. constitutiva 663.
aiguiere = Meßkänn- 505f; im späten M.A. aspersol = Weihwas- benedictorium = Be-
chen 421. 514 f; in nachmittel- serbehälter 582. hälter für das Weih-
Akolythenleuchter, Al- alt.Zeit518f; Maß- aspergitorium (asper- wasser 582.
ter 527f; Beschaf- verhältnis8e513,517, sorium) = Weih- benitier (benoitier, be-
fenheit 529. 521; Ausstattung im w a sser beh äl t e r 58 2; noistier) = Weih-
Alabaster, Material d. Mittelalter 522 f; in = Weihwedel 583. wasserbehälter 582.
SACHVERZEICHNIS
Lanze, heilige, in dem Löffelchen für den Melchisedech = Lunu- Nautilusschiffchen 636.
griech. Ritus 464. Weihrauch 635. la 353. navette (navecte) —
lanx = Waschbecken Löwe, am Kelch 180; Melchisedechs Opfer, Weihrauchbehälter
540. am Ziborium 339. am Kelch 186; auf 634.
lapis pacis — Kußta- Lunula der Monstranz, der Patene 239, am navis (navicella, navi-
fel 562. Namen 352 f; Mate- Ziborium 341; am cula, naveta) = Be-
lebel =Kelchlöf felchen rial 349, 357; Form Rauchfaß 630. hälterfür denWeih-
446. 393 f. Messing, Material der rauch 634.'
Ufafdpm =- Zeon 465. Altargeräte s. Kup- naf = Weihrauchbe-
Leidensbilder an dem Maghzmdh, armen. Be- hälter 634.
Kelch 1821; 195; auf zeichnung der euch. Meßkännchen, Alter Niello an Kelchen 154;
der Patene 233; am Schüssel 200. 414; Namen 415 f; an Patenen 227; am
Ziborium 342; am Mahl der Engel bei Material bis zum 16. Ziborium 339; an d.
Waschbecken 551; Abraham am Zibo- Jahrh. 422 f; in der Altarleuchtern 523.
ander Paxtafel569; rium 341. nachmittelalt. Zeit Nodus des Ständers
am Weih Wasserbe- Majestasbild, amKelch 427; alt» des henkellosen Kel-
hälter 595. 181; auf der Patene christl. und mittel- ch es bis zum späten
Leidens Werkzeuge, am 236. alt. Zeit 429 f; in 13. Jahrh. 68f, 83;
Kelch dargestellt Maleremail, an Kel- nachmittelalt. Zeit im 13. Jahrh. 91 f;
189, 196; auf der chen 154; an der Pa- 434; Größe 435 f; im 14. u. 15. Jahrh.
Patene 227, am Zi- tene 227; an Zibo- d. Ausstattung 437; 105 f; in nachmittel-
borium 341; au der rien 339; an der Schmuckmittel 4381 alt. Zeit 128, 133;
Monstranz 409. Monstranz 406; an Monogramme der Na- des Ziboriums 308,
Lichtschale der Leuch- Meßkännchen 440; men Jesus, Christus, 312, 317; der Mon-
ter, Typen 513, 517, an Kännchenschüs- Maria amKelchl74; stranz 364 f; des Al-
520. seln 443; an Paxta- auf der Patene 236; tarkreuzes 481.
Liebe, allegor. Darstel- fein 569. am Ziborium 341; Nodus in Tempi ettoge-
lung, am Kelch 192. manica = Henkel des an d. Meßkännchen stalt bei d. Kelchen
lilium = Halter des Henkelkelches 55; 439. 110, 128; b. Ziborien
Rauchfasses 612. = Handhabe d. Sei- Monstranz (monstran- 312; bei Monstran-
Ijitza = slav. Bezeich- hers 453. tia), nach heutigem zen 364; bei Altar-
nung des eucharist. manile = aquamanile, Brauch 348; Benen- kreuzen 482.
Löffels 265. 537. nungen 349 f; Alter Noc, auf der Patene
Löffel, altchristl. 267. manipulus = aquama- 353f;Material357f; dargestellt 239.
Löffel zur Austeilung nile 537. Formal eBescha ffen- nola = Altar glückchen
der Hostien zu dem Mannaregen, am Zibo- heit 360f; mit Stän- 577.
Darbringen dersel- rium dargestellt 341. der versehene Mon-
ben 265. manuale = aquamani- stranzen, mittelalt. Offer
Löffel,euch aristischer, le 538. 361f; nachmittelal- of ferenda = Meßkänn-
Namen 265; Nicht- manubrium =^ Hand- terliche 380f; Höbe chen 421.
gebrauch im Westen habe d. Seihers 453; 394 f; standerlose offertorium = calix of-
265f; in den Riten des Fächers 658. Monstranzen 397 f; ferendarius28; son-
des Ostens 268 f; Al- manus = aquamanile Ausstattung d. goti- stige Bedeutungen
ter seiner Verwen- 537. schen Monstranzen ebd.
dung im griech. Ri- Maria, dargestellt an 400f; der Renais- Onyx (Sardonyx), Ma-
tus 271f; bei den demKelchl88f,196. sance- und Barock- terial des Kelches
Syrern 275 f; bei den auf der Patene 240; monstranzen 402. 37, 46 f, 60, 63; des
Kopten 277; Mate- am Ziborium 343; muscarium (muscifu- Weihrauch! ehälters
rial 278; Form 278f. an den Monstranzen gium, musco) — li- 636.
Mtx>]> >] Äff» 464. 409 f. turg. Fächer 649. orcel (orchiuel.orseau)
louche (louchette, lou- =Kußtafel562. myster, kopt. Bezeich- = Behälter für das
cctte)=Kelchlöf fel- marwatho, syr. Name nung des eucharist. Weihwasser 582.
chen 445. des liturg. Fächers Löffels 265. osculatorium = Kuß-
louchette (loucette) — tafel 561.
SACHVERZEICHNIS 701
ostensorium = Mon- päihü ra, nestor. Be- heiligst. Sakramen- ses, auf der Patene
stranz 349. Zeichnung d. Patene tes 283. 239; am Ziborium
opus interrasile 157. 200. pixis = Hostienbehäl- 341; am Altarkreuz
pax (pacem) = Kuß- ter 453; Weihrauch- 491.
Pacijerum = Kußtafel tafei 560. behälter 633. quiller = Weihrauch-
pa xbr ed,p ax brede.pax- plateau (plat) Wasch- löffelchen 635.
pacificale = Kußtafel ■d = Kußtafel becken 540.
561. 562. platine = Patene 193. Radfächer 658.
peläsa, nestorian. Be- Pazifikalkreuze 568. pochon (pochonne) - Rauchfaß, heutiger Ge-
zeichnung der Pate- Pelikan am Kelch 179, Meßkännchen 421. brauch im Westen
ne 200. 196; am Ziborium poculum = Kelch 22; 598; in dem Osten
palette = liturg. Sei- 340; am Altarkreuz = Ablutionsgefäß 599; Alter seiner
her 450. 491. 557. Verwendung 599 f;
Parabel vom verlore- pelvis =Waschbecken Polle = ampulla 417. Benennungen 603f;
nen Sohn, auf einer 538. portepaix ~ Kußtafel Material 605; Form
Kanne 439. Pergament als Mate- 561. bis zum 11. Jahr-
Paradiesflüsse, an dem rial zum Einhüllen portapaz = Kußtafel hundert 608; in ro-
Kelch 181;amBehäl- des AIlerheiligsten 561. manischer Zeit 611f;
ter für Weihwasser 294; der litur. Fä- pot, franz. Name der in der Zeit der Go-
595f; am Rauchfaß cher 656. Meßkännchen 421. tik 618 f; in nach-
630. Perlen an d. Kelchen ro^ptov, griech. Be- mittel alt. Zeit 624f;
paropsis = patena 199. 146 f; an der Patene zeichnung des Kel- Größe 626; in den
Paschamahl, am Zibo- 223f; am Ziborium ches 23. Riten d.Oätens627;
rium 341; am Altar- 837; an Monstran- Prophelenhilder an d. seine Ausstattung:
kreuz 491. zen 404f; an Meß- Kelch 187; am Zi- Schmuckmittel628f;
Passionsbilder s. Lei- kännchen 438. borium 344; an der Bildwerk 630; Email
densbilder. Petruskelche, legendä- Monstranz 408; am 631; Ornament 631.
patena = euchar isti- re 34. Kreuz 490; an dem Rauchfässer, nichtli-
sche Schüssel 198; Pforte, verschlossene, Rauchfaß 630. turgische 609.
= liturg. Wasch- am Kelch 186. puerulus = Lunula353. Rechte Gottes auf der
becken 539. phiala (phyal, Kala, pugillaris=SaugrÖha- Patene 234; am Zi-
Patene, heutig. Brauch fiola) = Meßkänn- chen 249. borium 341; am Al-
197; Benennungen cben 417. pype = pipa 252. tarkreuz 491.
Iat.198; griech.200; philacia — liturg. Fä- pyxis (pixis, pyx) - Reisekelche 29, 61, 72,
Material in vorka- cher 651. Behälter zur Aufbe- 143.
rol. Zeit 200f; im Phönix am Kelch dar wahrung des heilig- Reisepatenen 211, 220.
spateren Mittelalter gestellt 180. sten Sakr. 282, 283; Reliefemai 1 an Kel-
203f, in nachmittel- phyala = AblutionS' = Behälter der Ho- chen 152; an Pate-
alt. Zeit 206 f; Form gefäß 557. stien 456. nen 226; an Zibo-
in vorkaroling. Zeit picarium = Ablutions- rien S38f; an Mon-
208; im spät. M.A. gefäß 556. Quellen, literarische: stranzen 406; an d.
210f; in naehmittel- itfwS Up<S;= Diskos20O. Kirch 1. Bestimmun- Meßkännchen 439;
alt.Zeit214f. Größe pinco,syr. Bezeichnung gen 6; liturg}. Bücher an Kreuzen 488.
215f; Ausstattung: der Patene 200. u.Traktate 6f; pa- reliquiare, Name der
Schmuckmittel223f; pipa (pipe, pipula) - tristische Schriften, Monstranz 351.
Inschrif t. 2291; Bild- Saugröhrchen 251. Kanonisten, Chroni- reliquiari = Behälter
werk 232; in denRi- piscine = Weih Was- ken, Biographien 7; für das hhl. Sakr.
ten des Ostens 197, serbehälter 583. Inventare und Ur- 291.
207, 214, 221 f, 227, pisside (pissis) == Be- kunden 8. Reliquien im Kelchno-
228, 232, 242. hälter zur Aufbe- — monumentale: In- dus 165; in Mon-
patent = Patene 198. wahrung des heilig- schriften 8; Bild- stranzen 352,356,363.
patera = Patene 199; sten Sakr. 283. werke 9 f; liturgi- repositorium = Behäl-
= Ablutionsgefäß pixida = Behälter zur sche Geräte lOf. ter für das heiligste
557. Aufbewahrung des Quellwunder des Mo- Sakr. 289.
702 S.iCHVEIiZElCflMS
storkille mangels ächs. 440; an d. Schüssel Ziborium 342; am nungen 633; Mate-
Bezeichn. d. Rauch- fürd.Kännchen443; Wei h wass erge fäße rial 635f; Form 637 f;
fasses 605. am Altarkreuz 489; Ausstattung 641.
strengte = Weihwedel an d. Rauchfässern vernaeulum (verna- Weihrauchschiffchen
629, 631; an Weih- ky-)> Veronikabild 634, Bf.
sumptorium = Saug- rauchbehältern 642. 236. Weihwasserh ehälter,
röhrchen 253. Trinkgefäße, antike,ih- veronica, Veronikabild Benennungen 581f;
Symbolik des Altar- re Formen 52. 236. Alter 585 f; Mate-
geräts, im Westen tropologische Deutung Vertiefung der Patene, rial 586 f; Form in
677f; im Osten 679. der Altargeräte 678. runde 211; vier- und vorgot. Zeit 590; in
tuellus = Saugröhr- ntehrpaßförm. 212; der Zeit der Gotik
Tabemaculum = Be- chen 251. doppelte 212f; Sinn 592; in nachmittel-
hälter zur Aufbe- turris im gallikani3ch. der Pässe 213. alt. Zeit 593f; Aus-
Währung des heilig- Ritus 242f; Nicht- viaticum = Behälter stattung : Bildwerk
sten Sakr. 289; = gebrauch für das hhl. Sakr. 595f; sonstiger Zie-
Monstranz 351. sehen 245. 290. rat 597.
tabula = Kußtafel 562. tutellus = 1 igröhr- vinageria (vinagiaris, Weihwedel,Benennun-
tarwodho = syr. Be- chen 251. vinearium, vinate- gen 583 f; Alter 586;
Zeichnung des euch, tuyau (tyau, tyel) - )= Meßkännchen Material 589; Aus-
Löffels 265. Saugröhrchen 251. stattung 598.
Taube, eucharistische, typologische Deutung virga = euchar. Saug- Weltrichterbild an d.
Alter 319f;Beschaf- der Altargeräte 678. röhrch.252; = Hand- Kelch 183; auf der
fenheit 320f; Dauer habe d. Fächers 658. Patene 237.
d.Verwendung322f. Umzug mit der Bun- vircnnicle=Veronika- WitwevonSareptaam
Taufe des deslade, am Zibo- bild 540. Kelch 186; auf der
i einem Gießgefäß rium 341. Vorbilder, alttestam., Patene 239; am AI-
551. ungarisches Filigran am Kelch 185f, 195; tarkreuz 491.
Tauschier arbeit an 150. auf der Patene 233f; wykessel — Weihwas-
Kelchen 157; an AI- Untersatz des Rauch- am Ziborium 341; serbehälter 583.
tarleuchtern 524. fasses 603, 611, 623. Altarkreuz 491;
teisc = irische Be- urceus == Weih wass er- Rauchfaß 630. Ysopum (yssopum -
zeichnung der Pa. behälter 581. Weihwedel 584.
tene 200. ceus, ureeolus (ul- Wappen amKe!chl93;
Terrakotta, Material ceolus, urcheolus) = auf der Patene 241; Zahl der Altai'leuchter
der Patene 197. Meßkännchen 420; den Altarleuchtem 495 f.
theca = Behälter für » Gießgefäß 541. 523; an Waschbek- Zange, zur Spendung
das hhl. Sakr. 289. Urielbilder an by ken 550f; an Weih- der Kommunion 265.
thuribulum(turibulum, tin. Kelchen 194. wassergefäßen 597; Zarge (Hochrand) am
turabulum)=Rauch- an Schiffehen 641. Fuß des Kelches 93,
faß 603. is (vasculum) Waschbecken, liturg., 120; doppelte 121 f,
thymiamaterium=thu- hälter für da s. Waschgeräte. 128,130; der Leuch-
ribulum 603; =■ Be- Sakr. 288f; = Meß- Waschgeräte, liturgi- ter 515 f.
hälter f. Weihrauch kännchen 420; - sehe, ihr AIter531f; Zelleneinlage an Kel-
Hosti enb eh ä 1 ter-;57 Bestandteile sowie chen 151; an einer
tintinnabulum = Al- = Weihrauch behäl- Arten 535; Bcnen- Schüssel 225.
targlöckchen 577. tur 633; = Weih. nungen des Behil- Zeon (£iov) des grie-
Traditio legis, darge- Wasserbehälter 581 ters zum Auffangen einsehen Ritus 465,
stellt ara Kelch 191. 3 manuale = Gieß' des Wassers 536 f; Ziborium, gegenwärt.
Treibarbeit an Kel- gefäß 541. des Aufgieß^efäßes Brauch 280 f; seine
chen 158f; an Pate- ventilabrum = liturg, 540f;Material541f; Benennungen 282 f;
nen 228; am Zibo- Fächer 649. Form 543 f; Aus- Material in der att-
rium 335f; an Mon- Verherrlichungsbilder stattung 549. christl. und mittel*
stranzen 404; an d. Kelch 183f; auf Weihrauch behälter, I alt. Zeit 291 f; in
Meßkännchen 433, der Patene 238; am Alter 632; Benei nach mittelalt. Zeit
SACHVERZEICHNIS
299 f; formale Be- schriften 345 f und 260; des Ziboriums zwezdnitza= Asteris-
schaffenheit in älte- 347. 298, 300 f; derMeß- kos 461.
rer Zeit 302 f; im Ziborium-Monstranzen kännchen 423; der Zwischenstück, einge-
späteren Mittelalter 377 f, 384. Kännchens chüss ein schaltet zwischen
3041: ohne Ständer Zier behänge an Kel- 442; d. Altarleuch- den Fuß und Schaft,
304f; mit Ständer chen 160; an Mon- ter 501; des Ablu- bei Kelchen des 14.
307 I; in Tauben- stranzen 402. tionsgefäßes 557 u. und 15.Jahrh. Ulf;
form 319 f; in nach- Zimbel (cymbalum) - der Weih Wasserbe- bei d. Ziborien 312,
mittelalt. Zeit 323; Altarglöekchen 577, hälter 588. 318; bei der Mon-
Größe 328 f; Einla- 578. Ziselierung an d. Kel- stranz 363; zwischen
gen 3301; Ausstat- Zinn, Material desKel- chen 1551; an Pa- Schaft und Kuppa
tung: Mittel zu sei- ches 18, 44, 48 f; tenen 228; an Mon- bei d. Ziborien 309,
nerVerzierung334f; derPatene204,206f; stranzen 404; am 312,319; bei d.Mon-
Bildwerk 340 f; In- des Saugröhrchens Altarkreuz 488.
TAFELN
KELCHE.........TAFELN 1-40
PATENEN........... 41-47
FISTULÄ, EUCHARISTISCHE BEHÄLTER..... 48-61
MONSTRANZEN........„ 62—80 u. 143
MESSKANNCHEN......... 80-87 u. 143
HOSTIENBEHALTER.......„ 87
ALTARKREUZE UND KREUZSTÄNDER .... „ 88-92 u. 144
ALTARLEUCHTER.......„ 92—109 u. 143,144
LITURGISCHES WASCHGERÄT....... 110-115
ALTARSCHELLEN......'. „ 115-116
PAXTAFELN........„ 116—120
WEIHWASSERBEHÄLTER UND WEDEL...... 120-125
RAUCHFÄSSER UND SCHIFFCHEN...... 126—139
LITURGISCHE FÄCHER......„ 140-142
KELCHLÖFFELCHEN.......„ 84 u. 142
Tafel i
22. Kelch. Köln, St. Aposteln. 23. Byzantinischer Kelch. Venedig, S. Mai
Tafel 9
28. Miniatur. Athos, Pantokratoroskloster. 29. Kelch. Port Said, Sammlung: Almkasein.
30. Kelch. New York, Sammlung Koudiakji. 31. Kelch, ßraga, Kathedrale.
Tafel 11
32. Kelch. Jerusalem, Kloster der Weißen Väter. 33. Rdsekelch. Skara, Dom.
44. Kelch. Canterbnry. Kathedrale. 45. Kelch ans Dolgelly. London, Kronschutz.
50. Keldi. Herfi.nl, Johurumkirdic. 51. Kelch. Eichst irtt, St. Walburgis.
Tafel IT
Tafel W
59. Kt-ldi inil Patene. Toledo, Kathedrale. 6«. Kddi mit Patene. Guiamräes, Stiftskirche.
Tafel 20
63. Kelcb mit Putene. Heg«via. Kathedrale. 64. Kelch mit Patene. Coimbra, M
Tafel 21
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. Keldi. EngMsAet Privatbesitz. ß& Kckh. Lissabon, M
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<J8. Kelch. CoHe <li Val cf'Elsa, Kalhedrale. 99. Kelch. Monza, Dom.
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143. Kelch. Uelsen, evang. Pfarrkirche. 144. Abessinisdier Kelch. London, Kronsdiatz.
Tafel 41
Tafel 42
Tafel 41
Tafel 44
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Tafel 46
Tafel 47
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Lippstadt,
Jakobikirche.
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175. Pyxis. Paderborn, Bußilortkirdie. 176. Pyxis. Ehemalige Sammlung Basilewsky
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EUCHARISTIEBEHÄLTER Tafel 51
Tafel 52 EUCHARISTIE BEHÄLTER
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Tafel 78 l/O.Y.Srfi.l.VZE.V
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Tafel 80 MONSTRANZEN, MESSKÄNNCBEN
311. Meßkännd
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316. Mt'lfkiinndiej]. Karthaus, Pfarrkirdie. 317. Melikiinmheii. Regensburg, Dom.
Tafel 84 MBSSKAMCHEN. KElCAtLöFFELCMES
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Tafel 86 MESSKANNCHEN. KÄNNCHENSCHÜSSEL
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Tafel 108 altarkreuz, altarlevchter
ALTARKREUZ. ALT ARLEV CUT ER Tafel 109
Tafel HO i.irciiarsciiKs wa-schcerät
479. Weihwasserbehälter. W:
Kimsthistorisches Museum Coimbra, Museum.
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481. Weih Wasserbehälter. Coimbni AVii. Weih Wasserbehälter.
Museum. Berlin, Sddoßmuseum.
Tafel 124 W£MWAS>serbehalter rsu wffiHWEDEL
14. Weihwasserbehälte
Straelen, Pfarrkirche.
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533. Rauchfaß. Padua, II Santo.
537. Rauchfaß.
Ehemalige Sammlung Spitzer.
isdioi' lim irischer Fächer. istautinopel, 558. Liturgischer griechischer Fächer. Seres,
Ottomamsdios Mus-eiini. Kathedrale.
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