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Die Liturgien der östlichen Kirchen

Wer an einem Gottesdienst einer östlichen Kirche teilnimmt, taucht in eine andere Welt ein:
Gesänge, Prozessionen, Weihrauchschwaden, eine Fülle von Symbolen, vergoldete Ikonen,
Priester, Diakone und Kantoren in festlichen Gewändern … in der Liturgie bleibt der Alltag
zurück. Die Feiernden begeben sich für einige Stunden in die Sphäre Gottes. Für westliche
Augen ist die Verschiedenheit von vertrauten Gottesdienstformen verwirrend. Doch manche
Gedanken und Formen der östlichen Kirchen stellen auch Fragen an unser traditionelles Bild
von Kirche und regen an, Neues zu entdecken. Von Hans-Jürgen Feulner

Typisch ostkirchlich

I
n der altrussischen Nestorchronik (1113–1118)
wurde die in der Hagia Sophia gefeierte Li- Es gibt eine Reihe gemeinsamer Merkmale, die
turgie als „Himmel auf Erden“ bezeichnet. östliche Liturgien von den römisch-katholischen
Aufgrund der Schönheit dieser Gottesdienstform und den protestantischen Gottesdienstfeiern
wandte sich das mittelalterliche Großreich Kie- stark unterscheiden. Zunächst fallen der Kirchen-
ver Rus zur oströmischen (byzantinischen) statt raum und seine Ausstattung bzw. Aufteilung so-
zur weströmischen (lateinischen) Glaubens- und wie die Feierlichkeit der stets gesungenen Litur-
Liturgieform. Es gibt vielerlei Gestalten von Ost- gie auf (keine Orgelmusik, außer im armenischen
kirchen. Ritus), dann das Vorhandensein entweder einer
Am bekanntesten dürfte der byzantinische mit Ikonen geschmückten „Bilderwand“ (Ikono-
Ritus sein, gehören doch über 80 % aller Ost- stase), die den Altar von den Gläubigen abtrennt,
christInnen einer Kirche an, die diese Form oder eines Altarvorhangs, der den (erhöhten)
des gottesdienstlichen Lebens pflegt (z. B. grie- Altarraum während der Feier der Eucharistie an
chisch-, russisch-, serbisch-, bulgarisch- und bestimmten Stellen den Blicken der Gläubigen
rumänisch-orthodoxe oder ukrainische, melki- entzieht. Auch die wichtige Rolle der Diakone
tische und ruthenische griechisch-katholische und anderer liturgischer Dienste (Psalmist, Kan-
Kirche). Aber durch die gegenwärtigen Flücht- tor …) ist auffällig. In den orientalischen Liturgi-
lingsmigrationen kommt man in West- und Zen- en zelebriert der Priester grundsätzlich nur nach
traleuropa zunehmend auch in Kontakt mit ara- Osten gewandt (und nie zum Volk gerichtet), also
bischen ChristInnen aus dem Nahen Osten, die in Richtung der aufgehenden Sonne, denn von
einer uns wenig oder gar nicht bekannten östli- dort erwartete man in der Antike die Wiederkunft
chen Kirche angehören. Christi (vgl. Mt 24,27.30).
Das besondere Verständnis des ostkirchlichen
Gottesdienstes ist charakteristisch zusammenge-
Äthiopischer Priester in Jerusalem. Viele fasst in dem Satz, mit dem Patriarch Germanos I. Prof. Dr. Hans-Jürgen
Kerzen und das Gold der Ikonen, Schwaden von (650/60–730) von Konstantinopel die ihm zuge- Feulner ist Professor
für Liturgiewissen-
Weihrauch und feierliche Gesänge verleihen den schriebene Liturgieerklärung beginnt: „Die Kir-
schaft und Sakramen-
östlichen Kirchen eine Atmosphäre des Trans- che ist ein irdischer Himmel.“ Im östlichen Den- tentheologie an der
zendenten. Mitten in die düstere Welt bricht der ken gilt nicht nur der Kirchenbau als Abbild des Katholisch-Theolo-
Himmel ein und breitet sich aus. Liturgie ist Himmels, auch in dem in ihm gefeierten Gottes- gischen Fakultät der
Feier des Göttlichen auf der Erde. dienst senkt sich symbolisch der Himmel auf die Universität Wien

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DEN HIMMEL AUF DIE ERDE HOLEN

Erde herab. Der irdische Gottesdienst stellt ge- nur ohne Schuhe betreten, wie z. B. im äthiopi-
wissermaßen den schwachen Abglanz der himm- schen Ritus. Aber da der Mensch das göttliche
lischen Liturgie dar. Diese Sicht von Himmel und Wirken nur begrenzt mit seinen Sinnen wahr-
Erde, besonders in der Feier der „Göttlichen Li- nehmen kann, nähert sich Gott auf besondere
turgie“, d. h. der Eucharistiefeier im byzantini- dem Menschen zugängliche Weise: z. B. in feierli-
schen Ritus, gibt allem, was dort geschieht, eine chen Prozessionen, in den Gesängen, in den Ge-
eminent symbolische Bedeutung, da jede Hand- rüchen des Weihrauchs, im Kerzenglanz, in den
lung und jeder liturgische Gegenstand in den mit Gold belegten Ikonen, in den vergoldeten
Kosmos des göttlichen Handelns einbezogen ist. und reich verzierten liturgischen Geräten, in den
In diesem „Mysteriendrama“ wird alles in enger prächtigen farbigen Gewändern der Zelebranten
Verbindung mit der Heilsgeschichte, vor allem (es gibt allerdings keinen strengen liturgischen
mit dem Leben Jesu von seiner Geburt bis zur Farbkanon wie im Westen) usw.
Auferstehung, gesehen. Gott selbst ist in der Li-
turgie am Werk, der Altarraum daher ein beson-
ders heiliger Ort. Deshalb tragen in einigen orien- Der Kirchenraum als irdischer
talischen Kirchen die Liturgen dort keine oder
besondere liturgische Fußbekleidung, wie z. B. Himmel
im armenischen oder koptischen Ritus, oder die
Gläubigen dürfen den Kirchenraum überhaupt
In dieses stark symbolgeladene Verständnis ist
auch der Kirchenraum mit einbezogen: Vor al-
lem im byzantinischen und äthiopischen Ritus
ist er zumeist reich mit biblischen und außerbib-
DIE BIBEL IM OSTKIRCHLICHEN GOTTESDIENST lischen Szenen ausgemalt. Das Gotteshaus ist
nämlich Abbild des himmlischen Jerusalem und
zugleich der Ort, an dem die himmlische Welt auf
D er eigentümliche Zug aller ostkirchlichen Gottesdiensttra-
ditionen besteht in der ungemein reichen Symbolwelt des
irdischen Geschehens, das immer die himmlische Herrlichkeit
Erden gegenwärtig wird. Dies spiegelt sich auch
in der Gliederung des Kirchenraums wider: Der
widerspiegeln soll. Demgegenüber spielen Verkündigung und Vorraum (Nárthex) war ursprünglich für diejeni-
Predigt eine relativ untergeordnete Rolle (die Predigt wird in gen bestimmt, die sich auf die Taufe vorbereite-
manchen Ostkirchen oftmals erst am Ende der Eucharistiefeier ten oder Buße tun mussten. Im Kirchenschiff
gehalten, wenn möglichst viele Gläubige anwesend sind). Das (Naós) feiern die Gläubigen den Gottesdienst. In
heißt aber nicht, dass die Bibel in den orientalischen Kirchen dem in der Regel durch eine Bilderwand oder ei-
ein Schattendasein führt. Der biblische Kanon ist in manchen
nen Vorhang abgetrennten Altarraum (Hierón)
halten sich nur die Liturgen auf.
Kirchen sogar noch weiter gefasst als in den westlichen Kirchen
(so z.B. durch die Aufnahme apokrypher und nachapostolischer
Schriften; bei den Äthiopiern hat v. a. das apokalyptische erste Eigenart der östlichen Liturgie
Henochbuch einen hohen Stellenwert).
Außer in der assyrischen Kirche des Ostens hat
Das Alte Testament spielt in den meisten östlichen Riten
die Bilderverehrung einen recht hohen Stellen-
zumindest während der Eucharistiefeier eine geringe bzw. gar wert. Ikonen sind sakrale Bilder der Ostkirchen
keine Rolle. Allerdings sind natürlich liturgische Hymnen und und eher mit den katholischen Gnadenbildern
Oden sowohl vom Neuen wie vom Alten Testament inspiriert. als mit deren „normalen“ religiösen Bildern ver-
gleichbar, die im orthodoxen Verständnis auf das
sinnlich unwahrnehmbare Urbild hinweisen und
es mystisch vergegenwärtigen. Jede Verehrung
Bibel in einer eines auf der Ikone dargestellten Heiligen gilt
orthodoxen daher direkt dem Urbild, dem/der dargestellten
Kathedrale. Heiligen.
Durch Be- Unter abendländischem Einfluss hat sich seit
rührung oder
Jahrhunderten in den meisten Ostkirchen die
Küssen wird
Siebenzahl der Sakramente (Mysteria) allmäh-
sie verehrt.
lich durchgesetzt, ohne dass sie jedoch förmlich
dogmatischen Charakter besäße. Die Eucharistie
wird in den Ostkirchen an einem Tag nur einmal
auf einem Altar gefeiert. In vielen Klöstern wird

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DEN HIMMEL AUF DIE ERDE HOLEN

die Eucharistie täglich, in anderen Kirchen nur


an Sonn- und Feiertagen gehalten. In den öst-
lichen Riten wird die Kommunion unter beiden
Gestalten gereicht, in der Regel durch Eintauchen
des konsekrierten (zumeist gesäuerten) Brotes in
den Kelch (im Westen ungesäuerte Hostien). Auf
die Kommunion, an der relativ wenige Gläubige
teilhaben, bereitet man sich traditionell spätes-
tens ab Mitternacht durch sexuelle Enthaltsam-
keit und Fasten vor.
Die Ostkirchen befolgen in der Regel ein stren-
ges Fasten, auch vor speziellen Festen im Kir-
chenjahr, z. B. im byzantinischen Ritus das Apo-
stelfasten für Peter und Paul (29. Juni), Heimgang
Mariens (15. Aug.), Enthauptung Johannes des
Täufers (29. Aug.) oder Kreuzerhöhung (14. Sept.)
Zur 40-tägigen „Großen Fastenzeit“ kommen in
einigen Riten noch weitere Fastenzeiten hinzu.
Die eucharistische Liturgie der Ostkir-
chen weist – abgesehen von wechselnden
Schriftlesungen und Gesangsstücken – keine
Veränderungen während des Kirchenjahres
auf, dennoch bringt das Kirchenjahr mit sei-
nen Festen und geprägten Zeiten eine Man-
nigfaltigkeit in das gottesdienstliche Leben.
Es hat, äußerlich betrachtet, einen doppelten
Anfang: die beweglichen Feste beginnen, abhän-
gig von Ostern, mit der Vorfastenzeit und der
„Großen Fastenzeit“; die unbeweglichen Feste
hingegen beginnen mit dem 1. September, der
nach altrömischer Weise Jahresanfang war. Bei
den westlichen Christen beginnt das Kirchenjahr
mit dem 1. Advent. Abgesehen von Ostern wer-
den zwölf „große Feste“ hervorgehoben. Dazu
gehören auch die Beschneidung Christi (1. Jan.),
oder die Begegnung des Herrn mit Simeon und Innenraum der Erlöserkirche in St. Petersburg. Die vielen „Großen“
Anna im Tempel (2. Feb.) des Christentums verbinden die Gläubigen der Gegenwart mit denen, die vor
Als Sprache in ihrer Liturgie benutzen nur die ihnen den Glauben bezeugt haben.

EIN EIGENER KALENDER

V iele Ostkirchen folgen für ihre


liturgischen Feste und geprägten
Zeiten dem sog. julianischen Kalen-
Verschiebung der unbeweglichen
Feste, wie Weihnachten (7. Januar). Die
beweglichen Feste wie das Osterfest
nien, Bulgarien, Zypern, Griechenland)
dem melitianischen Kalender, der dem
gregorianischen Kalender entspricht,
der. Der von Julius Caesar eingesetzte und der damit verbundene Festkreis aber noch genauer als dieser ist. Sie
Kalender hinkt heute dem im Westen (Fastenzeit, Karwoche, Osterzeit) kön- wenden ihn aber nicht auf die beweg-
üblichen – nach der Kalenderreform nen nur selten in allen Kirchen gemein- lichen Feste Ostern (mit Palmsonntag
von Papst Gregor XIII. benannten – sam gefeiert werden. Daneben folgen und der Fastenzeit), Pfingsten und das
gregorianischen Kalender um 13 Tage manche orthodoxen Kirchen (Konstan- Fasten der Apostel (am Sonntag nach
hinterher. Dadurch kommt es zu einer tinopel, Alexandrien, Antiochien, Rumä- Pfingsten) an. (W. Baur)

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DEN HIMMEL AUF DIE ERDE HOLEN

Ignatius Ephräm II. Karim ist seit dem östlichen Kirchen in Rumänien, Albanien und
31. März 2014 der 123. „Patriarch von in etlichen Ländern Ost- und Nordeuropas die
Antiochien und dem ganzen Orient“ der jeweilige Gegenwartssprache, einige Ostkirchen
syrisch-orthodoxen Kirche. Er war Schüler im Nahen Osten teilweise auch das Arabische.
des 2013 in Aleppo entführten Metropoliten. Viele andere östlichen Kirchen verwenden die
im Mittelalter konservierten Sakralsprachen,
nämlich Altgriechisch, Altkirchenslawisch, Alt-
georgisch, Altarmenisch (Grabar), Altsyrisch
(ostaramäischer Dialekt), Altäthiopisch (G ‘ z)
ee
und koptisch (bohairischer Dialekt).
Die Stellung der Priester in den orientalischen
Kirchen, zumindest in ihren Ursprungsgebie-
ten (Süd- und Osteuropa, Naher Osten, Indien),
muss besonders in den ländlichen Gegenden
als sehr hoch angesiedelt werden, nicht nur im
liturgischen, sondern auch im gesellschaftlichen
Bereich. Sie sind meistens verheiratet oder zäh-
len zum Mönchsstand, wenn sie zölibatär leben.
Außer in der assyrischen Kirche des Ostens müs-
sen die Priester jedoch bereits vor ihrer Diako-
nenweihe geheiratet haben, danach ist es nicht
mehr möglich. Bei manchen sakramentalen
Feiern, wie z. B. bei der Krankensalbung, sind
in den meisten orientalischen Kirchen mehrere
Priester liturgisch eingebunden, im Idealfall so-
gar sieben.

DIE FEIER DER TRAUUNG IN DEN


ORIENTALISCHEN KIRCHEN

D ie Trauung ist ein höchst feierlicher Vorgang. Die Ehe bedeutet


ewige, im Reich Gottes geheiligte Vereinigung, die durch ein
Krönungsritual geschlossen wird.
In den östlichen Kirchen spielen das Krönungsritual sowie der
Trauungssegen durch den Priester eine wesentliche Rolle und sind
zur Gültigkeit notwendig, wohingegen in den westlichen Kirchen
die Erfragung des Ehekonsens konstitutiv ist (nach katholischem
Verständnis spenden sich die getauften Eheleute gegenseitig das
Ehesakrament). In den orthodoxen Kirchen kennt man anhand stren-
ger Bestimmungen auch ausnahmsweise eine zweite (und u. U. sogar
eine dritte) kirchliche Trauung im Sinne der „Oikonomia“ (= flexible
Anwendung oder Auslegung von kirchenrechtlichen Bestimmungen
zum Wohl der Gläubigen), wobei dann das byzantinische Trauungsri-
tual aber einen ausgeprägten Bußcharakter aufweist.

Äthiopisches Hochzeitspaar in Axum: Kronen bringen in der


Liturgie die königliche Würde des Ehestandes zum Ausdruck.

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DIE FEIER DER TAUFE IN DEN ORTHODOXEN KIRCHEN

K inder erhalten ihren Namen erst bei der Taufe.


Dieser wird aus einer jährlich aktualisierten
Liste von Heiligen ausgewählt.
einem längeren Gebet, während er mit
dem vom Patriarchen geweihten Myron
in Kreuzesform Stirn, Augen, Nasenflü-
Vor der Taufe wird der Täufling vom Priester gel, Mund, beide Ohren, Brust, Hände
nach Osten gewendet und dreimal angehaucht und Füße salbt: „Siegel der Gabe des
sowie auf Stirn und Brust dreimal mit dem Zei- Heiligen Geistes. Amen.“
chen des Kreuzes besiegelt. Ihm wird die Hand Der Getaufte erhält nun das weiße
aufgelegt, was eine Inbesitznahme des Täuflings Taufkleid und ggf. ein Taufkreuz. Da-
durch Jesus Christus darstellen soll. Es folgen vier bei wird gesungen: „Gekleidet wird der
(Tauf-)Exorzismen, also Gebete um Befreiung vom Diener [die Dienerin] Gottes mit dem
Bösen: „… Vertreibe aus ihm [ihr] jeden bösen Gewand der Gerechtigkeit …“ und „Rei-
und unreinen Geist, der sich verborgen und einge- che mir das Lichtgewand, der Du Dich
nistet hat in seinem [ihrem] Herzen, …“ umkleidest mit Licht wie mit einem
Danach sagen sich die Taufpaten mit dem Kind Gewande, erbarmungsvoller Christus,
selbst von den bösen Mächten los und wenden unser Gott!“
sich dazu nach Westen (zur Finsternis). Heutzutage findet nach der Taufe
Darauf spricht der Priester: „So blase und spu- und Firmung sogleich oftmals eine ri-
cke ihn an!“ – Der Taufpate spuckt symbolisch tuelle „Abwaschung der Salbung“ statt
Kinder erhalten
den Satan als Zeichen der Verachtung an. und mancherorts auch noch eine Art „Haarbe- in der Regel in
Nun kommt das Taufgelübde mit der Wendung schneidung“ in Kreuzesform (eine Art „Tonsur“). einer Feier drei
zum Licht – nach Osten. Alle drehen sich um. Der In den orientalischen Kirchen werden in der Sakramente: Taufe,
Priester fragt: „Schließt du dich Christus an?“ Der Regel alle drei Initiationssakramente (Taufe, Fir- Firmung und Kom-
Taufpate antwortet: „Ich schließe mich an.“ Auch mung, erstmaliger Eucharistieempfang) in einer munion.
dies wird dreimal wiederholt. Danach wird das einzigen gottesdienstlichen Feier zusammen ge-
Glaubensbekenntnis gesprochen. spendet, wenn sie während einer Eucharistiefeier
Nach dieser Vorbereitung wird die Taufe ge- an einem Sonntag stattfindet (oder die Erstkom-
spendet. Als Zeichen für die Dreifaltigkeit werden munion wird ggf. am darauffolgenden Sonntag
am Taufstein drei Kerzen entzündet und alle be- nachgeholt). Säuglinge bekommen dabei einige
kommen eine brennende Kerze. Tropfen des konsekrierten Weins auf die Zunge.
Taufkleid, Kreuz,
Der Priester bekreuzigt dreimal das Wasser, in- Kerzen, Öl und
dem er seine Finger hineintaucht, dann haucht er Pinsel liegen bereit
es an und spricht dabei dreimal: „Unter dem Zei- für die Taufe.
chen Deines Kreuzes mögen alle gottfeindlichen
Kräfte zerschmettert werden.“
Dann wird das Katechumenenöl geweiht, wovon
danach in Kreuzesform dreimal etwas in das Tauf-
wasser gegossen wird. Der Täufling wird nun mit
diesem Öl in Kreuzesform auf mehreren Körper-
stellen gesalbt:
„Gesalbt wird der Diener [die Dienerin] Gottes
mit dem Öl der Freude, im Namen des Vaters und
des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen. – Zur
Heilung der Seele und des Leibes. – Auf dass er/
sie höre den Glauben. – Deine Hände haben mich
geschaffen und gebildet. – Auf dass er/sie wandle
auf dem Pfade der Gebote.“
Die Taufe selbst wird nun durch dreimaliges Un-
tertauchen vollzogen. Es schließt sich die Myron-
salbung an. Sie entspricht der Firmung im Westen.
Dabei spricht der Priester zum Neugetauften nach

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DEN HIMMEL AUF DIE ERDE HOLEN

Die alexandrinische Liturgiefamilie

Der koptische Ritus Die unierte koptisch-katholische Kir- äthiopische Ritus, der eine ausgeprägte
In Alexandrien und Unterägypten wur- che folgt dieser Liturgieform, hat aber Marien- und Engelverehrung aufweist
de der Gottesdienst zunächst in griechi- seit dem II. Vatikanischen Konzil, wie und etwa 254 Fasttage kennt, zeigt heute
scher Sprache gefeiert; in Oberägypten auch andere katholische Ostkirchen, noch ein ganz eigentümliches Gepräge.
hingegen wahrscheinlich bereits in den eine freiwillige „Latinisierung“ ihrer Li- Die eucharistische Liturgie muss auf der
koptischen Dialekten. Seit dem 9. Jh. turgie durchgeführt (Zelebration zum auf dem Altar liegenden Gesetzestafel
wurde der bohairische Dialekt die offi- Volk hin, tägliche Eucharistiefeiern, vollzogen werden. Dieses sogenann-
zielle liturgische Sprache. Heute nimmt meist keine Ikonostase usw.). te Tabo-t (eine Holztafel, auf der oft der
die Landessprache Arabisch einen wei- Dekalog und ein Abschnitt aus Mt 25
ten Raum ein. In der Eucharistie gibt es Der äthiopische Ritus eingeschnitzt sind) gilt als Nachbildung
drei verschiedene Anaphoren (eucharis- Noch besser als die koptische Liturgie der Bundeslade. Dieser Ritus kennt auch
tische Hochgebete). hat ihre „Tochter“, die äthiopische Li- liturgische Trommeln und Handrasseln
In der Sakramentenspendung ha- turgie (in Äthiopien und Eritrea), das (Sistren) sowie eine Art von liturgischem
ben sich weitgehend syrische Bräuche syrische Erbteil bewahrt (siehe dazu Tanz in den gottesdienstlichen Feiern.
durchgesetzt, ein Beweis für den starken den Beitrag in WuB 3/2015, S. 20). Die Neben Ostern und Weihnachten hat das
syrischen Einfluss in Ägypten. Auch der ersten Missionare Äthiopiens kamen Fest der Taufe Jesu, Timkat (am 6. Jan.),
Einfluss der Mönche auf die koptische aus dem römischen Teil Syriens und große Bedeutung.
Liturgie, besonders das Tagzeiten-/Stun- dem Kloster der Syrer (Dair as-Surya-n)
dengebet, darf nicht unterschätzt werden. in Unterägypten (im Wa-dı- Natru-n). Der

Die antiochenische Liturgiefamilie


Der ostsyrische Typ Eines der charakteristischen Merk- Der chaldäische Ritus
Der syro-mesopotamische male seiner Reform ist eine Vorliebe für Bereits im 14. Jh. vereinigten sich
(„nestorianische“) Ritus den Siebener-Rhythmus. Das Liturgi- „Nestorianer“ auf Zypern und im 16./17.
Dieser Ritus in Persien-Mesopotamien sche Jahr, das mit dem dem 1. Dezember Jh. ein Teil der ostsyrischen Kirche aus
(mit seiner isolierten Lage außerhalb des nächstliegenden Sonntag beginnt, wur- Mesopotamien mit Rom und bildeten
damaligen Römischen Reiches) erhielt de in Reihen von sieben Wochen aufge- die chaldäisch-katholische Kirche. Seit
frühzeitig sein Gepräge durch die Kir- teilt. Die stark reduzierte Heiligenvereh- ihrer Vereinigung mit Rom haben die
che von Edessa (dem heutigen Şanliurfa rung zeigt ein altchristliches Gepräge. sog. Chaldäer zahlreiche „lateinische“
in der Türkei), die damals ein mächtiges Ein charakteristisches Element des ost- (römisch-katholische) Bräuche über-
Zentrum syrischer Sprache gewesen ist. syrischen Stundengebets ist der Reich- nommen: Bei der Taufe geschieht kein
Die Evangelisation der Gebiete an Euph- tum seiner Gebete. Die ostsyrische Kirche vollständiges Untertauchen mehr, die
rat und Tigris ging in der Hauptsache von erkennt der Mönchs- und Altarweihe, Firmung wird nach der römischen For-
Antiochien und Edessa aus. Diese Pro- den Begräbnisriten sowie der Totensal- mel gespendet, ebenso die Lossprechung
vinzen waren kaum hellenisiert, die Be- bung einen sakramentalen Wert zu, da- beim Bußsakrament. Nur Ehe- und Be-
völkerung sprach einen ostaramäischen gegen nicht der Krankensalbung, die sie gräbnisriten haben ihre alte Form ohne
Dialekt, und in diesen Provinzen gab es nur bis ins 7. Jh. praktizierte. Stattdessen allzu große Veränderungen bewahrt.
viele jüdische Gemeinden, teils noch aus gibt es eine Krankensegnung mit dem
der babylonischen Gefangenschaft, teils sog. Hena-nâ (= „Staub der Verehrung“), Der syro-malabarische Ritus
aus der Zuwanderung nach der Zerstö- d. h. Staub von Märtyrergräbern, der Als die Portugiesen erstmals mit den
rung des Jerusalemer Tempels. Deshalb mit Öl und Wasser vermischt den Kran- Christen der Südwestküste Indiens (Ke-
hat das dortige Christentum ganz beson- ken zum Trank gereicht oder aufgelegt rala) in Berührung kamen, war dort
ders altertümliche Züge bewahrt. wird. Die Kirchengebäude kennen wohl schon lange die syro-mesopotamische
Nach den stürmischen Zeiten der bereits seit der arabischen Invasion (im (ostsyrische) Liturgie in Gebrauch, aller-
römisch-persischen Kriege und der ara- 7. Jh.) keinen Bilderschmuck mehr, wes- dings mit einigen Sonderformen. Im 16.
bischen Eroberung ging dann mit der halb es statt einer Ikonostase nur eine Jh. wollten die portugiesischen Eroberer
Reorganisation der Kirche auch die Fest- niedrige zaunartige Abtrennung gibt. die Christen Indiens der katholischen
legung der Liturgie Hand in Hand. Diese Besondere Bedeutung hat die Verehrung Kirche zurückführen, gingen dabei aber
Reform begann im 7. Jh. mit dem Patriar- des Kreuzes. ziemlich unklug vor, da sie ihnen die
-
chen ‘Išo-‘jahb- III. († 658). römische Liturgie aufdrängten. So ist

30 welt und umwelt der bibel 1/2016


Kirchen und Riten
Die Kirchenfamilien (s. Übersicht S. 20f) sind nicht
deckungsgleich mit den jeweils verwendeten liturgischen
Riten, da es unterschiedliche Fachbezeichnungen und
komplexe historische Entwicklungen gibt. Sie unterschei-
den sich nicht nur durch unterschiedliche Liturgiespra-
chen oder Hochgebete in der Eucharistiefeier, sondern
auch durch die ganze Lebensordnung und Verfassung der
jeweiligen (Teil-)Kirche in ihrer Eigenart.

Syrisch-
katholische
Christen
in der Paulus-
kirche von
Damaskus.

31
DEN HIMMEL AUF DIE ERDE HOLEN

dieser Ritus heute am meisten latinisiert Griechischen übersetzt, teils ursprüng- Der byzantinische Ritus
und hat nur einen kleinen Rest seiner lich syrisch waren. In der zweiten Hälf- Dieser Ritus stammt eigentlich ur-
Überlieferung bewahrt. Die Wiederher- te des 12. Jh. erhielt er sein endgültiges sprünglich vom Presbyter Johannes von
stellung der ostsyrischen Tradition ist Gepräge. Dieser Ritus besitzt außer der Antiochien ab. Ihm wurde im 6. Jh. der
noch immer im Gange. Die Liturgiespra- alten Jakobus-Anaphora etwa 70 ande- Beiname Chrysostomus („Goldmund“)
che ist die Landessprache Malayalam. re Anaphoren. Ein charakteristisches verliehen, wahrscheinlich wegen seiner
Merkmal ist das Überwiegen hymnischer berühmten Predigten. Der Ritus erhielt
Elemente im Stundengebet, sodass die jedoch in Konstantinopel (Byzanz; heu-
Der westsyrische Typ Psalmen fast ganz verdrängt wurden. te: Istanbul) seine endgültige Ausgestal-
Der syrisch-antiochenische Ritus Altsyrisch ist die Liturgiesprache geblie- tung. Er spiegelt in vielen seiner Zere-
Nach Jerusalem war Antiochien die ers- ben, wenn auch in Syrien und im Liba- monien den Prunk des byzantinischen
te Gemeinde, von der das Christentum non die Lesungen und andere Gebete in Kaiserhofes wider.
seinen Ausgang nahm. Als römische arabischer Landessprache gesprochen Drei Hochgebete sind im Gebrauch:
Provinz mit griechischer Kultursprache werden. Im 17. Jh. vereinigte sich ein Teil die Anaphora des hl. Basilius; die am
entwickelte Westsyrien eine Liturgie in der Westsyrer mit Rom. Sie bilden seit- häufigsten verwendete Anaphora ist die
griechischer Sprache; nur das Gebiet um her ein syrisch-katholisches Patriarchat, des hl. Johannes Chrysostomus; und
Edessa (Adiabene) bildete das Zentrum in dem bis heute der syrisch-antiocheni- manche Kirchen benutzen gelegentlich
sche Ritus mit lateinischen Elementen in die Anaphora des hl. Jakobus. An Tagen
Kraft ist. ohne Messfeier wird die „Liturgie der
vorgeweihten Gaben“ verwendet, die der
Der malabarische und der malan- römisch-katholischen Karfreitagsliturgie
karische Ritus mit Kommunionfeier ähnelt.
Im 17. Jh. vereinigte sich an der West- Ein besonderes Merkmal des byzanti-
küste Indiens ein Teil der ostsyrischen nischen Ritus ist die Bedeutung der Bil-
Syro-Malabaren, die keine Union mehr derverehrung (Ikonen). Der Altarraum
mit Rom wollten, mit dem „miaphysiti- ist nicht mehr bloß durch eine Schranke,
schen“ Patriarchat von Antiochien und sondern durch eine Ikonostase abge-
übernahm die westsyrische Liturgie (= schlossen. Diese Bilderwand bildet das
malabarischer Ritus). 1930 schlossen vielleicht auffälligste Ausstattungsstück
sich mehrere Bischöfe dieses nicht ka- in einer byzantinischen Kirche: Auf der
tholischen malabarischen Ritus wieder von drei Türen durchbrochenen Wand
an Rom an; man nennt sie auch „Ma- sind in einer festen Anordnung Ikonen
lankaren“. Sie behielten ihren westsyri- angebracht. Im ostkirchlichen Ver-
schen Typus der Liturgie bei, den sie in ständnis grenzt die Ikonostase zwar den
der Volkssprache Malayalam feiern. himmlischen vom irdischen Bereich ab,
wird aber während der Gottesdienstfeier
Syrisch-orthodoxer Bischof bei der Der (syro-)maronitische Ritus immer wieder geöffnet, um so die Kom-
jährlichen Wasserweihe anlässlich des Dieser Ritus ist eine Variante des syrisch- munikation zwischen Gott und den Men-
Festes der Taufe Jesu antiochenischen Ritus. Er wird von den schen zu symbolisieren. Die Betonung
maronitischen Gemeinden des Libanon der Bilderverehrung ist eine Reaktion auf
verwendet. Seit der Zeit der Kreuzzüge den Bilderstreit des 8./9. Jh. (sog. „Iko-
syrischer Kultur. Das Konzil von Chalze- (11.–14. Jh.) sind die Maroniten eng mit noklasmus“). Die Gebete des byzantini-
don (451 nC) verursachte eine Spaltung Rom verbunden und waren seither star- schen Ritus zeichnen sich durch ihren
innerhalb der Kirche von Antiochien. Ein ken lateinischen Einflüssen ausgesetzt. theologischen Reichtum aus; mehr als
„rechtgläubiges“ Patriarchat blieb zwar Seit dem Mittelalter hat sich auch der der Römische Ritus lassen sie das Bestre-
bestehen, aber es umfasste mit der Zeit Kirchenbau immer mehr den römischen ben erkennen, die Dogmen der großen
vor allem die „Kaisertreuen“ (Melkiten), Bräuchen angepasst, ebenso wie die li- Konzilien zu verkünden.
die schließlich bis zum 9. Jh. die byzan- turgische Gewandung. Erst im Rituale Die ursprüngliche Liturgiesprache ist
tinische Liturgie vollständig annahmen. von 1942 findet man erste Anzeichen ei- das Griechische. Die liturgischen Bücher
Sieger blieben jedoch die „Miaphysiten“. ner Rückwendung zu der authentischen wurden jedoch bei der Bekehrung der
Die sog. „jakobitische“ Kirche Antio- maronitischen Überlieferung. Seit 1992 Slawen ins Altkirchenslawische über-
chiens (heute: syrisch-orthodoxe Kirche) gibt es ein neues Messbuch, das sich der setzt. Die Melkiten in Syrien und Ägyp-
vereinigte Christen griechischer und sy- syrischen Tradition stärker verbunden ten feierten ihre Gottesdienste anfangs
rischer Sprache. Der syrisch-antioche- weiß, wenngleich die arabische Sprache Syrisch bzw. Griechisch, später und be-
nische Ritus wurde aus verschiedenen die altsyrische nach wie vor sehr stark sonders heute in Arabisch.
Bestandteilen gebildet, die teils aus dem verdrängt hat.

32 welt und umwelt der bibel 1/2016


DEN HIMMEL AUF DIE ERDE HOLEN

DIE PROSKOMIDIE (GABENBEREITUNG) IN DEN


KIRCHEN DES BYZANTINISCHEN RITUS

Der Priester schneidet aus dem Brot mit einer kleinen Lanze (Bild rechts) ein
Stück in Kreuzesform heraus. Das Stück wird als „Lamm“ bezeichnet und sym-
bolisiert den Opfertod Christi am Kreuz. Dabei wird folgender Dialog gespro- Die Elemente für die Gabenbe-
chen: reitung. Die Prosphoren („Darbrin-
gung“) sind runde Brote, die entspre-
Diakon: Schlachte, Vater! chend den zwei Naturen Christi aus
Priester: Geschlachtet wird das Lamm Gottes, das die Sünde der Welt zwei Teilen bestehen. Auf dem oberen
hinwegnimmt, für das Leben und das Heil der Welt. Teil der Prosphore wird ein Kreuz-
Diakon: Stich, Vater! stempel aufgedrückt, in seinen Ecken
Priester: Einer der Soldaten stieß die Lanze in seine Seite, und sogleich stehen die Abkürzungsbuchstaben
des Namens Jesus Christus „IC XC“
floß Blut und Wasser heraus [...].
und das griechische Wort „NIKA“, was
[aus: Liturgie. Die Göttliche Liturgie der Orthodoxen Kirche, hg. v. A. Kallis, Münster 2005 zusammen bedeutet: Jesus Christus
(6. Aufl.), S. 20 + 22]. siegt.

Der armenische Ritus


Der (ost-)syrische Einfluss von Edessa auf
den armenischen Ritus zeigt sich beson-
ders in der Aufstellung des Kalenders.
Dieser ist heute der einzige, der fast gar
keine unbeweglichen Feiertage kennt.
Außer armenischen Heiligen werden nur
noch einige syrische und persische Hei-
lige verehrt. Das einzige Formular, das
gegenwärtig zur Feier der Eucharistie
verwendet wird, ist die Athanasius-Ana-
phora. Von allen Ostkirchen unterschei-
det sich die armenisch-apostolische von
alters her durch den Gebrauch von un-
gesäuertem Brot. Desgleichen verzichtet
die armenische als einzige aller christ-
lichen Kirchen auf die Beimengung von
Wasser zum Wein, obwohl dieser Brauch
bereits im 2. Jh. allgemein bezeugt ist. Die alte armenische Kirche Khor Virap mit dem Berg Ararat im Hintergrund
Die armenisch-apostolische Kirche ist
die einzige Kirche, die keine Trennung
von Weihnachten und Epiphaniefest der Jahrhunderte weitgehend von der mit Bildern), den Ordinationssalbungen
kennt und beides als Doppelfest am 6. byzantinischen und mit den Kreuzzügen und den Einfügungen römischer Gebe-
Januar feiert. auch von der römischen Liturgie beein- te (Stufengebet und Confiteor) und des
Abgesehen von diesen Besonderheiten flusst. Das zeigt sich bei der Mitra der Bi- Schlussevangeliums (meist Joh 1) in die
wurde die armenische Liturgie im Verlauf schöfe, dem Altar-Retabel (Altaraufbau armenische Eucharistiefeier. W

welt und umwelt der bibel 1/2016 33

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