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Fabian Benjamin Hafner

Die NS-Bewegung in Kärnten (1918—1934)


Von der Entstehung bis zum Juliputsch

DIPLOMARBEIT
zur Erlangung des akademischen Grades

Magister der Philosophie

Studium: Lehramtsstudium UF Englisch UF Geschichte, Sozialkunde,


Polit.Bildg.

Alpen-Adria-Universität Klagenfurt

Begutachter
Univ.-Prof. Dr. Dieter Pohl
Alpen-Adria-Universität Klagenfurt
Institut für Geschichte

Klagenfurt, April 2018


Eidesstattliche Erklärung

Ich versichere an Eides statt, dass ich


- die eingereichte wissenschaftliche Arbeit selbstständig verfasst und keine
anderen als die angegebenen Hilfsmittel benutzt habe,
- die während des Arbeitsvorganges von dritter Seite erfahrene Unterstützung,
einschließlich signifikanter Betreuungshinweise, vollständig offengelegt habe,
- die Inhalte, die ich aus Werken Dritter oder eigenen Werken wortwörtlich oder
sinngemäß übernommen habe, in geeigneter Form gekennzeichnet und den
Ursprung der Information durch möglichst exakte Quellenangaben (z.B. in
Fußnoten) ersichtlich gemacht habe,
- die eingereichte wissenschaftliche Arbeit bisher weder im Inland noch im
Ausland einer Prüfungsbehörde vorgelegt habe und
- bei der Weitergabe jedes Exemplars (z.B. in gebundener, gedruckter oder
digitaler Form) der wissenschaftlichen Arbeit sicherstelle, dass diese mit der
eingereichten digitalen Version übereinstimmt.

Mir ist bekannt, dass die digitale Version der eingereichten wissenschaftlichen
Arbeit zur Plagiatskontrolle herangezogen wird.

Ich bin mir bewusst, dass eine tatsachenwidrige Erklärung rechtliche Folgen
haben wird.

Fabian Hafner e.h. Klagenfurt, 25.4.2018


(Unterschrift)* (Ort, Datum)

*Bei der elektronischen Version ist es – aus datenschutzrechtlichen Gründen –


nicht erforderlich, dass die eidesstattliche Erklärung unterschrieben wird. Sie soll
mittels Kürzel „e.h.“, dieses ist dem Namen nachzustellen, elektronisch gezeichnet
werden.

© Alpen-Adria-Universität Klagenfurt, Studien- und Prüfungsabteilung Version 2018-01-0

II
Danksagung
Viele Personen haben mich im Prozess des Schreibens dieser Diplomarbeit
begleitet und unterstützt. Diesen Menschen soll hiermit meine Verbundenheit
ausgesprochen werden. Ein besonders großes Dankeschön gilt meinem Betreuer,
Herrn Univ.-Prof. Dr. Dieter Pohl, weil er stets ein offenes Ohr für meine Anliegen
und Fragen hatte. Seine Rückmeldungen in Phasen der Unsicherheit haben mir
wieder Selbstvertrauen gegeben und ließen mich einige Hürden auf dem Weg zur
letztlichen Arbeit überwinden. Außerdem bin ich Herrn Ass.-Prof. Mag. Dr. Ulfried
Burz und Herrn Mag. Dr. Christian Klösch zu Dank verpflichtet, da sie mir
ebenfalls Tipps und Hinweise gegeben haben, auch wenn diese aufgrund von
Kursänderungen im Laufe der Zeit nicht allesamt verwertet werden konnten. Dem
gesamten Team der Universitätsbibliothek sei an dieser Stelle ebenfalls Dank
ausgesprochen, vor allem Karl-Heinz Girl, welcher mich beim Auffinden der
wichtigsten Kärntner Zeitungen tatkräftig unterstützt hat. Aus mentaler (und
aromatherapeutischer) Sicht war meine Freundin eine besonders große Stütze,
weshalb ihr beträchtliche Dankbarkeit gilt. Diese Liste könnte noch endlos weiter
fortgesetzt werden, aber um dies zu verhindern, gilt abschließend all meinen
FreundInnen, Bekannten, KollegInnen und meiner Familie ein allseitiges
Dankeschön für ihren Beistand.

III
Abstract
Das Ziel der Arbeit war es, eine übersichtliche Darstellung der NS-Bewegung
in Kärnten von 1918 bis 1934, also von ihrer Entstehung bis zum Juliputsch,
anzufertigen, unter Berücksichtigung aller stattfindenden Kärntner
Landtagswahlen, sowie zum Teil auch der Gemeinderatswahlen. Im Rahmen
dessen konnten z. B. das Gründungsdatum der deutschen nationalsozialistischen
Arbeiterpartei (DNSAP) in Kärnten mithilfe von zeitgenössischen Zeitungen
gesichert ins Jahr 1918 gelegt oder das mutmaßliche Auftreten von Herman
Göring im Rahmen des Wahlkampfes 1930 in Villach widerlegt werden.
Zweifelsfrei aufgezeigt wurden außerdem die speziellen Bedingungen in Kärnten,
welche hier einen fruchtbaren Boden für den Nationalsozialismus bildeten. Zu
diesen sind insbesondere der Kärntner „Abwehrkampf“ und seine Folgen, der
hohe Anteil an evangelischer Bevölkerung, das dichte Netz an deutschnationalen
Vereinen sowie das überaus hohe Engagement von Lehrpersonen für die NS-
Bewegung in Kärnten zu nennen. In Bezug auf den Juliputsch wurde die
Einzigartigkeit der Ereignisse in Kärnten und hier besonders im Lavanttal mithilfe
von Statistiken aufgezeigt. In weiterer Folge wurde argumentiert, dass von einem
Einfluss Hitlers auf den Aufstand in den österreichischen Bundesländern
auszugehen ist, und der Juliputsch im Kärntner Lavanttal aufgearbeitet.

IV
Inhaltsverzeichnis
Danksagung .......................................................................................................................... III
Abstract ................................................................................................................................ IV
Abbildungs- und Tabellenverzeichnis ................................................................................... VI
Abkürzungsverzeichnis ........................................................................................................ VII
Einleitung ............................................................................................................................... 1
1 Die günstigen Voraussetzungen in Kärnten für die Entwicklung der
nationalsozialistischen Bewegung ......................................................................................... 7
2 Die DNSAP in Kärnten 1918–1926 ............................................................................... 14
2.1 Vorgeschichte und Entstehung der Partei ............................................................ 14
2.2 Formierung und Grundlagen in Kärnten bis 1920 ................................................ 16
2.3 Stabilisierung der Partei und alleiniger Wahlantritt 1921–1923 .......................... 26
2.4 Radikalisierung und Spaltung der Partei 1924–1926 ........................................... 35
3 Von einer Splitterpartei zur führenden nationalen Bewegung 1927–1933 ................ 41
3.1 Zwei rivalisierende nationalsozialistische Parteien 1927–1928 ........................... 41
3.2 Niedergang der Schulz-Partei und Aufstieg der Hitlerbewegung 1929–1932...... 44
3.3 Die Verbotszeit ab 1933 ........................................................................................ 53
4 Der Juliputsch 1934 in Kärnten .................................................................................... 56
4.1 Allgemeine Voraussetzungen ............................................................................... 58
4.2 Hitlers Rolle beim Juliputsch ................................................................................. 62
4.3 Der Putschplan ...................................................................................................... 67
4.4 Der Juliputsch im Kärntner Lavanttal.................................................................... 69
4.4.1 Die speziellen Bedingungen........................................................................... 69
4.4.2 Der Ablauf ...................................................................................................... 76
4.4.3 Die Flucht ....................................................................................................... 83
Schlussbetrachtung ............................................................................................................. 84
Quellen- und Literaturverzeichnis ....................................................................................... 90

V
Abbildungs- und Tabellenverzeichnis
Abbildung 1: Ankündigung des Erscheinens von Hermann Göring in Villach am 5.
November 1930 .................................................................................................... 46
Abbildung 2: Vergleich zwischen Kärnten und der Steiermark (Bevölkerung 1934
und Todesopfer des Juliputsches)........................................................................ 57
Abbildung 3: Anteil des Lavanttals an der Bevölkerung Kärntens 1934 sowie an
den Todesopfern des Juliputsches in Kärnten...................................................... 58
Abbildung 4: Berufliche Herkunft der Juliputschisten im Lavanttal und ihr Anteil an
der Gesamtbevölkerung ....................................................................................... 73
Abbildung 5: Plakat der Putschisten in Wolfsberg vom 26. Juli 1934. .................. 80

Tabelle 1: NS-Wähler 1932 und Juliputsch-Beteiligte 1934 im Vergleich…………71

VI
Abkürzungsverzeichnis
BB ......................................................................................................... Bauernbund
CSP ...................................................................................... Christlichsoziale Partei
DAP ..................................................................................... Deutsche Arbeiterpartei
DDP ............................................................................ Deutschdemokratische Partei
DNSAP ............................................. Deutsche nationalsozialistische Arbeiterpartei
GDVP .............................................................................. Großdeutsche Volkspartei
Hagebund ..................................................................... Handels- und Gewerbebund
HSR ................................................................................. Historical Social Research
K. K. .......................................................................................... Kaiserlich-Königlich
KLA .......................................................................................Kärntner Landesarchiv
KWG............................................................................. Kärntner Wahlgemeinschaft
LB ..............................................................................................................Landbund
NSDAP ............................................. Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei
NSLB .................................................................. Nationalsozialistischer Lehrerbund
SA .................................................................................................... Sturmabteilung
SDAP ................................................................ Sozialdemokratische Arbeiterpartei
SHS .... Königreich der Serben (Srba), Kroaten (Hrvata) und Slowenen (Slovenaca)
SS ........................................................................................................ Schutzstaffel
VSB ...................................................................................... Völkisch-sozialer Block

VII
Einleitung
Mit der „Waldheim-Affäre“ 1986 und den Ge- bzw. Bedenkfeiern ein halbes
Jahrhundert nach dem „Anschluss“ Österreichs an Deutschland im Jahr 1988
wurde eine Hochkonjunktur der Nationalsozialismusforschung in Österreich
eingeleitet. Die intensive Auseinandersetzung mit diesem Thema hat folglich die
These von Österreich als erstem Opfer des nationalsozialistischen Deutschland
widerlegt. Einen Beitrag dazu leisteten auch regionalhistorische Projekte, welche
vor allem in den späten 1990er-Jahren vermehrt durchgeführt wurden. Der Fokus
der historischen Forschung verschob sich dabei immer mehr von der Zeit des
Nationalsozialismus zur Frühgeschichte der Partei.1 Mittlerweile gibt es sogar eine
Jugendsachbuchreihe, welche sich mit dem Nationalsozialismus in den einzelnen
Bundesländern Österreichs beschäftigt. 2015 erschien der Band, welcher den
Nationalsozialismus in Kärnten thematisiert.2 Dies zeigt sowohl die hohe Aktualität
des Themas als auch das ungebrochene Interesse daran. Gleichzeitig bedeutet
das Erscheinen dieses Buches, dass mittlerweile viel über den
Nationalsozialismus in Kärnten bekannt ist. Nichtsdestotrotz verrät ein Blick auf
das Inhaltsverzeichnis des Bandes, dass insbesondere die Frühzeit der NS-
Bewegung noch Lücken aufweist, denn die lange Zeitspanne zwischen 1918 und
1938 wird nur auf etwas mehr als 10 % des Buches erläutert. Deshalb ist es auch
wichtig sich weiterhin mit den Anfängen der NS-Bewegung in Kärnten zu
befassen, was mit dieser Arbeit geleistet werden soll, wobei hier die Zeit zwischen
1918 und 1934, also dem Ende des Ersten Weltkrieges und dem Juliputsch im
Zentrum steht. Dem Bundesland Kärnten kommt in Bezug auf den
Nationalsozialismus in Österreich ohnehin eine besondere Stellung zu, denn 1932
gab es hier „mehr als doppelt so viele Parteimitglieder, als dies dem
Bevölkerungsanteil entsprochen hätte“.3 Sich mit der Frühphase der NS-
Bewegung in diesem speziellen Umfeld zu beschäftigen, ist ebenfalls besonders
wichtig, denn wie Anton Pelinka im Vorwort von Alfred Elstes Büchlein über
1 Burz, Ulfried: Die nationalsozialistische Bewegung in Kärnten (1918–1933). Vom
Deutschnationalismus zum Führerprinzip, Klagenfurt 1998, S. 13.
2 Danglmaier, Nadja/Koroschitz, Werner: Nationalsozialismus in Kärnten. Opfer. Täter. Gegner

(Nationalsozialismus in den österreichischen Bundesländern, Bd. 7), Innsbruck - Wien - Bozen


2015.
3 Valentin, Hellwig: Der Sonderfall. Kärntner Zeitgeschichte 1918–2004/08, Klagenfurt - Laibach -

Wien 2009, S. 60.

1
ausgewählte Kärntner Nationalsozialisten festgehalten hat: „Der verbrecherische
Charakter des Nationalsozialismus war schon lange vor 1938 angelegt […]. Das
ist zwar keine Kärntner Besonderheit – aber in Kärnten werden diese
Zusammenhänge besonders deutlich.“4

Doch aus welchen Gründen entwickelte sich Kärnten zu einem solchen NS-
Bollwerk? Diese Frage soll zu Beginn der Diplomarbeit (Kapitel 1 Die günstigen
Voraussetzungen in Kärnten für die Entwicklung der nationalsozialistischen
Bewegung) beantwortet werden, um im zweiten Hauptkapitel darauf aufbauend
den Werdegang der ersten nationalsozialistischen Partei, der Deutschen
nationalsozialistischen Arbeiterpartei (DNSAP), darzustellen. Dazu werden zuerst
kurz die Ursprünge dieser Partei, noch unter dem Namen Deutsche Arbeiterpartei
(DAP), in der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg im Böhmen der Habsburgermonarchie
dargelegt (2.1 Vorgeschichte und Entstehung der Partei). Danach (2.2 Formierung
und Grundlagen in Kärnten bis 1920) liegt der Fokus auf der Entstehung und den
Grundlagen der ersten nationalsozialistischen Partei in Kärnten. Bezüglich der
Entstehung sollte die Forschungsfrage beantwortet werden, warum sich genau in
Kärnten eine in Böhmen beheimatete Partei angesiedelt hat und ob das
Gründungsdatum der DNSAP eruiert werden kann, denn dieses ist bis dato nicht
bekannt. In Bezug auf den ersten Wahlantritt 1919 war es außerdem ein Anliegen,
Teilwahlergebnisse für Kärnten auszumachen, um die ersten Zentren der Partei
genauer definieren zu können. Im Hinblick auf die ebenfalls betitelten Grundlagen
der Partei sollen z. B. die Ortsgruppenentwicklung sowie die soziale Basis der
Partei in der Formierungsphase aufgezeigt werden. Im darauffolgenden Abschnitt
(2.3 Stabilisierung und alleiniger Wahlantritt 1921–1923) soll die nächste Phase
der Partei, die Stabilisierung unter dem Parteiobmann Alois Michner,
veranschaulicht werden. In dieser Periode konnte die Kärntner DNSAP 1921
mithilfe eines Wahlbündnisses ein Mandat im Kärntner Landtag erobern und
dieses schließlich 1923 im Alleingang verteidigen. Hauptfragen diesen Zeitraum
betreffend sind, wie das Wahlbündnis 1921 legitimiert wurde und ob dieses der
DNSAP einen Nutzen brachte. Darüber hinaus ist die Frage zu beantworten, wie
der Salzburger Parteitag 1923 von den Kärntner Parteigängern aufgenommen
wurde. Anschließend an diese Ausführungen stehen im letzten Unterkapitel des

4 Elste, Alfred: Kärntens braune Elite, Klagenfurt - Laibach - Wien² 1997, S. 37.

2
zweiten Abschnittes (2.4 Radikalisierung und Spaltung der Partei 1924–1926) die
am Salzburger Parteitag eingeleitete und 1926 vollzogene Spaltung und
Radikalisierung der Partei im Vordergrund. Erstere fand 1926 mit der Passauer
Tagung ihre Vollendung. Dabei drängt sich die Frage nach der Reaktion aus
Kärnten auf die vollzogene Trennung der beiden Parteiflügel auf und ob das
Pendel eher für Adolf Hitler oder Karl Schulz auszuschlagen schien. Das dritte
Hauptkapitel ist der Zeit zwischen 1927 und 1932 gewidmet, in welcher die
NSDAP (Hitlerbewegung) von einer Splitterpartei zur führenden nationalen
Bewegung in Kärnten aufsteigen konnte. Anfangs existierten die Hitlerbewegung
und die Schulz-Gruppe noch nebeneinander und traten 1927 bei den
Landtagswahlen in unterschiedlichen Wahlbündnissen an (3.1 Zwei rivalisierende
nationalsozialistische Parteien 1927–1928). Wie sich bei dieser Landtagswahl der
Wahlkampf und das Wahlergebnis gestalteten, sind die Leitfragen dieses
Abschnittes. Darauf aufbauend kann in weiterer Folge (3.2 Niedergang der
Schulz-Partei und Aufstieg der Hitlerbewegung 1929–1932) auf den langsamen
Fall der Schulz-Gruppe sowie den gleichzeitigen Aufschwung der Hitlerbewegung
eingegangen werden. In diesem Kontext wird auch die Landtagswahl 1930
eingehend untersucht. Außerdem sollte in dieser Arbeit die Frage beantwortet
werden, ob Hermann Göring und Heinrich Himmler, welche als Redner für
Wahlveranstaltungen in Kärnten vorgesehen waren5, tatsächlich als solche
aufgetreten sind. Selbstredend müssen noch die Erfolge bei den
Gemeinderatswahlen 1931/32 erläutert werden und in diesem Zusammenhang
eine Veränderung in der sozialen Basis der Nationalsozialistischen Deutschen
Arbeiterpartei (NSDAP), verglichen mit jener aus ihrer Formierungsphase in
Kärnten. Das letzte Unterkapitel dieses Abschnittes (3.3 Die Verbotszeit ab 1933)
soll die Zeit in Kärnten nach dem Parteiverbot kurz erläutern und den Weg in den
Juliputsch aufzeigen. Der NS-Aufstand war, wie im vierten Hauptkapitel
nachzuweisen versucht wird, in Kärnten und hier vor allem im Lavanttal besonders
erheblich. Antworten auf die Frage nach den grundlegenden Voraussetzungen des
Juliputsches, seien sie ideologisch, gesellschaftlich oder wirtschaftlich, gibt das

5 Anderwald, Karl: Die brüchige antimarxistische Front. Kärntner Landtagswahlkämpfe in der


Ersten Republik, in: Dachs, Herbert/Dippelreiter, Michael/Schausberger, Franz (Hg.), Radikale
Phrase, Wahlbündnisse und Kontinuitäten. Landtagswahlkämpfe in Österreichs Bundesländern
1919 bis 1932, Wien - Köln - Weimar 2017, S. 71–134, hier S. 129.

3
erste Unterkapitel dieses Abschnittes (4.1 Allgemeine Voraussetzungen). In
Verbindung damit steht die Rolle Hitlers, welcher neuesten Erkenntnissen zufolge
einen Einfluss auf ein Losschlagen des Putsches in Kärnten hatte, was ebenfalls
in dieser Arbeit aufgezeigt werden muss (4.2 Hitlers Rolle beim Juliputsch).
Anschließend kann der Putschplan für Wien und die Bundesländer aufgearbeitet
werden (4.3 Der Putschplan). Danach können schließlich die Besonderheiten der
Situation im Lavanttal beleuchtet werden (4.4.1 Die speziellen Bedingungen),
welche einen aus nationalsozialistischer Sicht aussichtsreichen Putsch überhaupt
erst möglich gemacht haben. Nach der Darstellung der günstigen
Voraussetzungen im Lavanttal steht der Ablauf der Geschehnisse, vornehmlich in
der Bezirkshauptstadt Wolfsberg, im Mittelpunkt des Interesses (4.4.2 Der Ablauf).
Als letzter Abschnitt vor dem Schlusskapitel soll noch kurz die Fluchtroute der
meisten Kärntner Putschisten nachgezeichnet werden (4.4.3 Die Flucht). Die
Schlussbetrachtung umfasst neben einer kompakten Zusammenfassung der
Arbeit im Hinblick auf die Beantwortung der Forschungsfragen auch
Forschungsdesiderata. Die gesamte Arbeit hat neben der Beantwortung der
kleinteiligen Forschungsfragen zum Ziel, die einzelnen bekannten
Teilinformationen über die NS-Bewegung in Kärnten zwischen 1918 und 1934
unter Berücksichtigung der stattgefundenen Landtags- und teilweise auch
Gemeinderatswahlen übersichtlich zusammenzufügen und darzustellen.

Die Methode, um dies erreichen zu können und die Leitfragen zu


beantworten, war die Analyse von wissenschaftlicher Literatur, zeitgenössischen
Darstellungen, Statistiken sowie Zeitungen. Innerhalb der Kärntner
Presselandschaft erwies sich vor allem die Villacher Zeitung als besonders
ergiebig und als bis jetzt durchaus unterschätztes Printmedium im
Zusammenhang mit der Frühgeschichte der NS-Bewegung in Kärnten. Aus dieser
Quelle ließen sich z. B. zum Gründungsdatum der DNSAP in Kärnten und zum
mutmaßlichen Erscheinen von Göring und Himmler 1930 neue Erkenntnisse
gewinnen, was vermutlich auch darauf zurückzuführen ist, dass Villach das erste
Zentrum der Bewegung war und die Zeitung deutschnationales Gedankengut
vertrat. Es wurden darüber hinaus noch weitere deutschnational geprägte Blätter,
wie die Unterkärntner Nachrichten oder die Freien Stimmen, aber auch
nationalsozialistische Parteizeitungen aus Kärnten wie die Kärntner Volkszeitung,

4
der Vormarsch oder dessen Beilage der Bauernvormarsch zur
Informationsgewinnung herangezogen. Darüber hinaus wurden auch die Kärntner
Parteiblätter der konkurrierenden Parteien oder sogar außerhalb Kärntens zu Rate
gezogen, wobei bei allen Zeitungen vor ihrer Verwendung als Quelle eine kritische
Einschätzung der Blattlinie und Aussagekraft vorgenommen wurde. Unter der
verwendeten zeitgenössischen Literatur waren insbesondere die
Veröffentlichungen von Alois Ciller6, dem Verfasser des ersten großen
Parteiprogrammes der DAP, beachtenswert. Darin hat er z. B. die Entwicklung der
Partei, erste wichtige Personen und die ersten Parteiprogramme angeführt. Die
verwendeten Statistiken waren die Ergebnisse von Volkszählungen 7, um
demographische oder wirtschaftliche Gegebenheiten aus erster Hand belegen zu
können.

Unverzichtbar war selbstverständlich die wissenschaftliche Literatur zur


frühen NS-Bewegung in Kärnten, welche zwar im Vergleich zu jener Zeit nach
dem Anschluss eher bescheiden ausfällt aber in Kombination mit den
zeitgenössischen Zeitungen und Quellen ein durchaus umfassendes Bild des
untersuchten Zeitraumes ermöglicht hat. Die Hauptquelle dazu war die
Dissertation von Ulfried Burz, welche 1998 als aktualisierte und gekürzte Fassung
in Buchform erschienen ist.8 Seine Ausführungen bilden aufgrund der detaillierten
Darstellung und Quellenarbeit eine wichtige Grundlage dieser Diplomarbeit. Diese
Arbeit erweitert seine Darstellung um den Juliputsch und versucht die Ereignisse
durchwegs in chronologischer Abfolge darzulegen. Bei Burz wird die Chronologie
hingegen durchbrochen, um verschiedene Aspekte wie die Ideologie,
Sozialstruktur oder das deutschnationale Zeitungswesen in eigenen Kapiteln
unterzubringen. Ähnliches gilt für die zweite wichtige Studie zur Geschichte der

6 Ciller, Alois: Vorläufer des Nationalsozialismus. Geschichte und Entwicklung der nationalen
Arbeiterbewegung im deutschen Grenzland, Wien 1932; Ciller, Alois: Damals und heute.
Entstehung, Kämpfe und Aufgaben der nationalen Arbeiterbewegung in Österreich, Wien 1937 und
Ciller, Alois: Deutscher Sozialismus in den Sudentenländern und der Ostmark, Hamburg 1939.
7 Bundesamt für Statistik (Hg.): Statistisches Handbuch für den Bundesstaat Österreich. XV.

Jahrgang, Wien 1935; Bundesamt für Statistik (Hg.): Die Ergebnisse der österreichischen
Volkszählung vom 22. März 1934 (Heft 8 – Kärnten), Wien 1935 und K. K. statistische
Zentralkommission (Hg.): Die Ergebnisse der Volkszählung vom 31. Dezember 1900 in den im
Reichsrate vertretenen Königreichen und Ländern, Heft 2, Wien 1903.
8 Burz: Bewegung.

5
NSDAP in Kärnten von Alfred Elste und Dirk Hänisch.9 In ihrem Werk haben sie
sich nicht ausschließlich auf eine übersichtliche Darstellung des Weges der
Kärntner NS-Bewegung konzentriert, sondern vor allem die soziale und
wirtschaftliche Herkunft der Kärntner NS-Wähler aufgezeigt und damit einen
wichtigen Beitrag zur aktuellen Forschungslage geleistet. Auf Kärnten bezogene
historische Überblicksdarstellungen, wie jene von Hellwig Valentin 10, eigneten sich
nur bedingt, weil sie nur vereinzelt brauchbare Informationen für diese Arbeit
beinhalten. Der Nachteil der eben erwähnten Monographie ist vor allem, dass
einzelne Textpassagen nicht belegt und somit nicht überprüfbar sind. Deshalb
wurde bewusst darauf verzichtet, besonders viele oder wichtige Angaben daraus
zu beziehen. Im Gegensatz dazu ist die Monographie von Bruce F. Pauley zu den
Ursprüngen des Nationalsozialismus in Österreich11 wissenschaftlich sehr fundiert
und durch die Einbeziehung zahlreicher Dokumente und Quellen angereichert.
Hier konnten die grundlegenden Strukturen und Entwicklungen der
österreichweiten NS-Bewegung entnommen und, sofern möglich, auf Kärnten
übertragen werden. Auch wenn seine Einschätzungen, wie noch aufzuzeigen sein
wird, in Bezug auf den Juliputsch und die Rolle Adolf Hitlers nicht mehr dem
aktuellen Forschungsstand entsprechen, hat er im Rahmen der für ihn in den
späten 1980er-Jahren einsehbaren Quellen ausgezeichnete Arbeit geleistet. In
Bezug auf die nationalsozialistischen Vereine erwies sich der Beitrag von Werner
Drobesch12 als äußerst fundierte Grundlage. Sein bereits etwas älterer Beitrag ist,
da er späterer Forschung zu den NS-Vereinen in Kärnten stets als Bezugspunkt
dient, als Standardliteratur anzusehen und dient in dieser Diplomarbeit als
Hauptquelle bezüglich des Kärntner NS-Vereinsapparats. Zum Juliputsch in
Österreich, im Besonderen zu den Vorgängen in Wien, ist noch immer die
Monographie von Gerhard Jagschitz13 als maßgebend anzusehen. Darüber hinaus

9 Elste, Alfred/Hänisch, Dirk: Auf dem Weg zur Macht. Beiträge zur Geschichte der NSDAP in
Kärnten von 1918 bis 1933 (Vergleichende Gesellschaftsgeschichte und politische
Ideengeschichte der Neuzeit, Bd. 8), Wien 1997.
10 Valentin: Sonderfall.
11 Pauley, Bruce F.: Der Weg in den Nationalsozialismus. Ursprünge und Entwicklung in

Österreich, Wien 1988.


12 Drobesch, Werner: Vereinskultur und Nationalsozialismus. NS-Vereinstätigkeit und NS-

Vereinspolitik vor und nach dem „Anschluss“, in: Rumpler, Helmut (Hg.), März 1938. Fallstudien
und Dokumente zum Weg in den „Anschluss“, Klagenfurt 1989, S. 181–211.
13 Jagschitz, Gerhard: Der Putsch. Die Nationalsozialisten 1934 in Österreich, Graz - Wien - Köln

1976.

6
haben sich in den letzten Jahren Hans Schafranek14 und Kurt Bauer15 intensiv mit
diesem Thema beschäftigt, wobei ersterer in seinem Werk einen chaotischen,
nicht immer nachvollziehbaren Aufbau für die Darstellung der Ereignisse gewählt
hat. Außerdem konnte Bauer, wie in dieser Diplomarbeit veranschaulicht wird,
Schafraneks Thesen teilweise mit guten Begründungen widerlegen. Bauer hat
überdies große Arbeit geleistet, um die einzelnen Opfer des Putsches namentlich
auszumachen sowie genaue Angaben zu den Opferzahlen aufzustellen und diese
im Internet der Allgemeinheit zur Verfügung zu stellen16. Bei ihm finden sich
bereits detaillierte Angaben über die Geschehnisse in Kärnten. Als Koryphäe auf
diesem Gebiet muss jedoch Christian Klösch gelten. Dieser hat mit seinem Buch17
die bis dahin karge Forschungslage zum aus nationalsozialistischer Sicht sogar
kurzfristig positiv verlaufenden Putsch im Lavanttal beinahe vervollständigt, indem
er darin die Begebenheiten zwischen dem 26. und dem 30. Juli mithilfe von
hervorragenden Quellen minutiös nachzeichnen konnte. Die weiteren literarischen
Hilfsmittel oder zeitgenössischen Quellen, die nicht explizit in dieser Einleitung
angeführt wurden, wurden ergänzend zu den eben dargestellten verwendet und
komplettieren das vorliegende Material zum Thema.

1 Die günstigen Voraussetzungen in Kärnten für die


Entwicklung der nationalsozialistischen Bewegung
In diesem Kapitel sollen die wichtigsten Faktoren erläutert werden, welche
dem Nationalsozialismus in Kärnten einen fruchtbaren Boden bereiteten und
seinen in Österreich besonders steilen Aufstieg ermöglichten.

Eine Kärntner Besonderheit, welche die deutschnationale Ausrichtung der


Politik und der Bevölkerung förderte, war das Aufeinandertreffen der slowenischen
und deutschen Ethnien in diesem Gebiet. Es darf aber keinesfalls unerwähnt

14 Schafranek, Hans: Sommerfest mit Preisschießen. Die unbekannte Geschichte des NS-
Putsches im Juli 1934, Wien 2006.
15 Z. B. Bauer, Kurt: Elementar-Ereignis. Die österreichischen Nationalsozialisten und der

Juliputsch 1934, Wien 2003 und Bauer, Kurt: Hitlers zweiter Putsch. Dollfuß, die Nazis und der 25.
Juli 1934, St. Pölten - Salzburg - Wien 2014.
16 Bauer, Kurt: Die Todesopfer des Juliputsches, Stand: 20.5.2014, URL: http://www.kurt-bauer-

geschichte.at/PDF_Buecher/PDF_%20Juliputsch/Todesopfer-des-Juliputsches.pdf (zuletzt
abgerufen am 23.2.2018).
17 Klösch, Christian: Des Führers heimliche Vasallen. Die Putschisten des Juli 1934 im Kärntner

Lavanttal, Wien 2007.

7
bleiben, dass es über 1000 Jahre ein friedliches Zusammenleben dieser
Bevölkerungsteile gab und die Zeit der Konflikte, die in der Mitte des 19.
Jahrhunderts begann, vergleichsweise kurz ist. Solange noch die feudale
Weltordnung bestand, waren nationalistische Tendenzen nicht erkennbar, aber
nach der industriellen Revolution begann sich dies zu ändern.18 Im
gemischtsprachigen Kärnten setzte der nationale Konflikt, so wie in vielen ethnisch
gemischten Gebieten im Habsburgerreich, ab dem Revolutionsjahr 1848 verstärkt
ein. Man stellte sich im österreichischen Reichsparlament die Frage, ob das
Kronland in zwei national homogene Ländergruppen aufgeteilt werden sollte. Der
Kärntner Landtag wollte dies verhindern. Sogar slowenisch orientierte
Abgeordnete sprachen sich gegen eine Teilung Kärntens aus, weil es hier im
Gegensatz zur Steiermark keine eindeutigen ethnischen Grenzen gab. Dennoch
gab es Bestrebungen, aufgrund der Existenz einer slowenischen und einer
deutschen Ethnie zumindest Teile Kärntens in ein „Vereintes Slowenien“
einzugliedern. Der nationale Konflikt wurde im 19. Jahrhundert außerdem um
einen weltanschaulichen erweitert. Während die slowenisch nationale Bewegung
klerikal geprägt war und von Geistlichen getragen wurde, war die deutschnationale
Bewegung antiklerikal. Dies könnte übrigens ein Grund für die ebenfalls in diesem
Kapitel erläuterte schwache Stellung der Christlichsozialen Partei (CSP) in
Kärnten sein. Die Angst vieler Kärntner vor der Majorisierung durch die
slowenische Volksgruppe konnte bereits am Ende des 19. Jahrhunderts vom
deutschnationalen Kärntner Bauernbund (BB) genutzt werden, sodass er rasch zu
einer populären Volkspartei aufsteigen konnte, welche sogar „deutschfreundliche
Slowenen“ in ihrem Kreis hatte. Das Attentat von Sarajewo verschärfte die
Maßnahmen gegen Kärntner Slowenen, welche sich nun häufig mit
Hochverratsvorwürfen konfrontiert sahen, weil man unter ihnen serbische
Verschwörer vermutete. Die südslawischen Abgeordneten sprachen sich in der

18 Deuer, Wilhelm: Abwehrkampf und Volksabstimmung als geistige Herausforderung.


Voraussetzungen, Wege und Ziele der Propaganda, in: KLA (Hg.), Der 10. Oktober 1920,
Klagenfurt² 1990, S. 61–132, hier S. 61 und Wadl, Wilhelm: Zur Entwicklung des
Nationalitätenkonfliktes in Kärnten bis zum Jahre 1918. Historische Voraussetzungen, in: Der 10.
Oktober 1920, Klagenfurt² 1990, S. 9–23, hier S. 9.

8
Maideklaration von 1917 dafür aus, einen südslawischen Staat innerhalb der
Habsburgermonarchie zu errichten, was eine Teilung Kärntens bedeutet hätte.19

Nach dem Ersten Weltkrieg wurde Kärnten von einem ethnischen


Grenzgebiet innerhalb eines Staatsgebildes zu einem umstrittenen Grenzgebiet
zwischen zwei Staaten. Es war jedoch lange unklar, ob bzw. welche Teile
Kärntens bei Deutschösterreich (ab 1919 Österreich) bleiben sollten. Das am 1.
Dezember 1918 neugegründete Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen
(SHS) erhob nämlich Ansprüche auf etwa ein Drittel der Landesgebiete, weshalb
bereits zuvor weite Teile Unterkärntens besetzt wurden. Die vorläufige Kärntner
Landesversammlung beschloss, der Besetzung durch die südslawischen Truppen
Widerstand zu leisten, was zum sogenannten Kärntner „Abwehrkampf“ führte. Die
langen Kämpfe (die hier nicht näher erläutert werden sollen) sowie diplomatische
Bemühungen ermöglichten die Abhaltung einer Volksabstimmung für den Großteil
der umkämpften Gebiete. Das Mießtal, das Seeland und Unterdrauburg wurden
ohne Abstimmung an den SHS-Staat abgegeben. Die beschlossene
Volksabstimmung wurde am 10. Oktober 1920 durchgeführt und von einem
Propagandakrieg begleitet. 59,04 % der Wahlberechtigten entschieden sich für
den Verbleib bei Österreich, welcher daraufhin umgesetzt wurde, die nationalen
Spannungen blieben aber bestehen. Diese Spannungen wurden parteipolitisch im
Kärnten der Ersten Republik lediglich von den deutschnationalen Parteien genutzt.
Im Gegensatz zu den zurückhaltenden Sozialdemokraten instrumentalisierten vor
allem die Nationalsozialisten die Volksabstimmungsfeiern in den 1920er- und
1930er-Jahren, um gegen die Slowenen im eigenen Land Stimmung zu machen.
Diese historisch gewachsenen Spannungen, auf die Spitze getrieben durch den
Kärntner „Abwehrkampf“ und die darauffolgende Abstimmung, wurden also am
stärksten von den Nationalsozialisten ausgenutzt und „[n]icht zuletzt wegen der
Akzentuierung der nationalen Frage in Kärnten verzeichnete die NS-Bewegung im
südlichsten Bundesland einen überdurchschnittlich starken Zulauf“.20

19 Wadl, Wilhelm: Kärnten im Widerstreit zweier Nationalismen (1828–1918), in: Beclin,


Nicole/Karpf, Peter/Kassl, Thomas/Platzer Werner (Red.), Ein Kärnten. Die Lösung, Klagenfurt
2012, S, 18–26, hier S. 20–26.
20 Valentin, Hellwig: Der nationale Konflikt in Kärnten von der Gründung der Ersten Republik bis

zum „Anschluss“ (1918–1938), in: Beclin, Nicole/Karpf, Peter/Kassl, Thomas/Platzer Werner


(Red.), Ein Kärnten. Die Lösung, Klagenfurt 2012, S, 27–34, hier S. 27–32.

9
Im Zusammenhang mit der nach dem „Abwehrkampf“ stattfindenden
Volksabstimmung ist das nächste Kärntner Spezifikum zu sehen, welches von
Burz aufgezeigt wurde: Er entwickelte die These, dass eine der Bedingungen für
das Beschwören der deutschen Volks- und Schicksalsgemeinschaft in Kärnten die
finanzielle Hilfe aus Deutschland für die Kärntner Volksabstimmungspropaganda
war. Über den Kärntner Heimatdienst flossen nämlich Spenden von etwa 20
Millionen Kronen teilweise aus Deutschland und von deutschnationalen Vereinen
nach Kärnten. Das war in der Tat ein „überaus großzügiger“ Betrag, welcher die
Unterstützung der Wiener Regierung, in den Schatten stellte, obwohl nicht das
ganze Geld zweckmäßig verwendet wurde. Der österreichische Staat konnte
angesichts „der im Vergleich zu Deutschland noch schwierigen ökonomischen
Lage“ vornehmlich Nahrungsmittel, Benzin, Bekleidung und Kredite als Hilfe für
die Kärntner Bevölkerung sowie die Volksabstimmungspropaganda zur Verfügung
stellen. Die Bemühungen der Wiener Regierung waren zwar enorm, wurden aber
von den Hilfsspenden aus Deutschland übertroffen. „Damit lagen zweifellos
günstige Voraussetzungen vor, die guten Verbindungen zwischen Kärnten und
Deutschland […] über den 10. Oktober hinaus aufrechtzuerhalten.“21

Ein weiteres Spezifikum waren die wirtschaftlich-sozialen Bedingungen in


Kärnten nach dem Ersten Weltkrieg. Ein Teil davon ist die Arbeitslosenquote,
welche im Kärnten der späten 1920er- und frühen 1930er-Jahre (so wie in ganz
Österreich) stark anstieg. Dies geschah gleichzeitig mit den einsetzenden
Wahlerfolgen der NSDAP. Obwohl deshalb lange ein direkter Zusammenhang
zwischen der steigenden Arbeitslosigkeit und dem NS-Wählerzuwachs in Kärnten
hergestellt wurde,22 konnte Burz aufzeigen, dass bis dato nicht schlüssig belegt
werden kann, ob in Kärnten „Arbeitslose überdurchschnittlich die NSDAP gewählt
haben“. Aber selbst wenn Arbeitslose die NSDAP nicht eher gewählt haben als
Beschäftigte, war die hohe Arbeitslosigkeit eine Situation, welche den
Nationalsozialisten ihre Propaganda erleichtert hat.23 Im Gegensatz zu den
Arbeitslosen, welche zwischen 1928 und 1934 in Kärnten nicht

21 Burz: Bewegung, S. 33–36.


22 Karner, Stefan: Wirtschaftlich-soziale Bedingungen für den Aufstieg des Nationalsozialismus in
Kärnten, in: Härtel, Reinhard (Hg.), Geschichte und ihre Quellen. Festschrift für Friedrich
Hausmann zum 70. Geburtstag, Graz 1987, S. 299–308, hier S. 304.
23 Burz: Bewegung, S. 148f.

10
überdurchschnittlich stark vertreten waren, hatten vor allem landwirtschaftliche
Betriebe mit besonders großen Schwierigkeiten zu kämpfen. Das geht aus dem
Einlagestand der Kärntner Raiffeisenkassen hervor. Dieser sank zwischen 1929
und 1935 um 22 %, während er im restlichen Österreich durchschnittlich um 11 %
steigen konnte. Des Weiteren war die Mechanisierung der Landwirtschaft in
Kärnten vergleichsweise rückständig. Gleiches trifft für die Technisierung der
Bevölkerung zu, denn 1935/36 kamen in Kärnten auf ein Radiogerät bzw. auf ein
Kraftfahrzeug 110 bzw. 25 Personen, in Österreich waren dies zum gleichen
Zeitpunkt nur mehr 70 bzw. 12.24

Eine weitere günstige Voraussetzung für eine deutschnationale Entwicklung


in Kärnten war der verglichen mit den anderen österreichischen Bundesländern
hohe Anteil der evangelischen Bevölkerung. Dieser lag 1934 mit 8,85 % etwa 4 %
über dem österreichischen Durchschnitt.25 Protestanten befürworteten nach dem
Ersten Weltkrieg häufig den Anschluss an Deutschland, weil man im
Ursprungsland der eigenen Glaubensrichtung nicht mehr wie in Österreich zu
einer religiösen Minderheit gezählt hätte. Vor allem als ab 1933 in Österreich der
christliche Ständestaat unter Engelbert Dollfuß etabliert wurde, kam es zu einer
verstärkten Diskriminierung der evangelischen Bevölkerung, da sie mit dem
Konkurrenzregime, dem nationalsozialistischen Deutschland in Verbindung
gebracht wurde. Bereits ab 1932 setzte langsam eine politisch motivierte
Übertrittswelle von der katholischen zur evangelischen Glaubenslehre ein. Häufig
wollten österreichische Nationalsozialisten ihre Sympathie mit dem ab 1933
verbotenen Nationalsozialismus öffentlich bekunden und wechselten deshalb zum
evangelischen Glauben.26 Elste und Hänisch haben gezeigt, dass die
protestantische Bevölkerung Kärntens eher dazu geneigt hat, nationalsozialistisch
zu wählen, als die restliche Bevölkerung. Dies konnten sie zumindest für den
Zeitraum zwischen 1923 und 1932 nachweisen. Um drei Beispiele zu geben: 1927
gaben 6 % der evangelischen Bevölkerung Kärntens den Nationalsozialisten ihre
Stimme und nur 2 % der restlichen Bewohner, 1930 war das Verhältnis 12 % zu

24Karner: Bedingungen, S. 300–302.


25Berechnet auf der Grundlage von: Bundesamt für Statistik (Hg.): Statistisches Handbuch, S. 8.
26 Hanisch-Wolfram, Alexander (Hg.): Glaube, Gehorsam, Gewissen. Protestantismus und

Nationalsozialismus in Kärnten. Katalog zur Sonderausstellung im Evangelischen Kulturzentrum


Fresach, 27. April bis 31. Oktober 2013, Klagenfurt 2013, S. 56–60.

11
5 % und 1932 schließlich 20 % zu 9 %.27 Gleichsam bezeichnet auch Burz die
Protestanten als „stabile[s] Wählerreservoir der Nationalsozialisten“.28 Dieses
Wählerreservoir konnte vor allem in Kärnten, wo es, wie soeben aufgezeigt, den
höchsten Anteil an evangelischer Bevölkerung in Österreich gab, ausgeschöpft
werden und schlug sich auch in den Wahlergebnissen nieder.

Verglichen mit den anderen österreichischen Bundesländern war in Kärnten


die CSP nicht sehr bedeutend. Hier waren es die deutschnationalen Parteien,
welche großen Einfluss auf die Gemeinde- und Landespolitik ausübten. In den
Städten nahm vor allem die Großdeutsche Volkspartei (GDVP) und am Land der
Kärntner BB eine dominierende Rolle im deutschnationalen Lager ein. Die CSP
galt in Kärnten vornehmlich als Vertreter der katholischen Kirche. Diese hatte aber
hierzulande nicht die Bedeutung wie z. B. in Tirol, Salzburg oder der Steiermark
und wurde, wie bereits erwähnt, mit der slowenischen Minderheit in Verbindung
gebracht. Deshalb übte die CSP weniger Anziehungskraft auf die Bevölkerung
Kärntens aus als in anderen Bundesländern.29

Werner Drobesch hat belegt, dass es in Kärnten ein vergleichsweise gut


ausgebautes Netz an völkisch-nationalen Vereinen gegeben hat, welches den
Nationalsozialisten den Anschluss 1938 und die Gleichschaltung des
Vereinswesens erleichtert hat. Dieses Netz wurde bis zum Verbot der Partei im
Juni 1933 ausgebaut, indem zumeist vormals deutschnationale Verbände in den
nationalsozialistischen Einflussbereich gebracht wurden. Nach dem Verbot
mussten viele davon aufgelöst werden, aber das Gedankengut konnte sogar in der
Verbotszeit in nach außen hin unpolitischen Vereinen, wie in Sport-, Turn- oder
Gesangsvereinen weiterverbreitet und ausgelebt werden. Zu den Vereinen in
Kärnten, welche in einem Nahverhältnis zur nationalsozialistischen Bewegung
bzw. zur NSDAP standen, gehörten z. B. der Alldeutsche Verband, der Deutsche
Verein Südmark oder der Deutsche Turnerbund.30 Dass in solchen
deutschnationalen (später nationalsozialistischen) Vereinen bereits vor dem von
Drobesch untersuchten Zeitraum (ab 1930) die ideelle Grundlage für den darauf

27 Elste/Hänisch: Weg, S. 149 und Hänisch, Dirk: Die österreichischen NSDAP-Wähler. Eine
empirische Analyse ihrer politischen Herkunft und ihres Sozialprofils (Böhlaus Zeitgeschichtliche
Bibliothek, Bd. 35), Wien - Köln - Weimar 1998, S. 267.
28 Burz: Bewegung, S. 134.
29 Klösch: Vasallen, S. 14 und Burz: Bewegung, S. 40.
30 Drobesch: Vereinskultur, S. 181–184.

12
aufbauenden Nationalsozialismus gelegt wurde, lässt sich zweifelsfrei erfassen.
Schon 1920 war z. B. die deutschnationale Ausrichtung des Turnvereins in
Wolfsberg sichtbar. So heißt es im Bericht der Unterkärntner Nachrichten über das
Turn- und Spielfest des Wolfsberger Turnvereins:

„Nach Beendigung der Freiübungen hielt der Obmann des


Turnvereins Herr Fachlehrer Pressinger eine kurze Ansprache, in welcher
er den Wert des deutschen Turnens für die körperliche Ertüchtigung und für
die Erweckung des Volksbewusstseins kurz beleuchtete […]. Der Obmann
des Turnvereines zeigte in seiner Festrede die Ziele des deutschen
Turnens auf, das neben der körperlichen Ertüchtigung der Jugend unseres
Volkes auch die Hebung des Volksbewusstseins und die Bekämpfung alles
Volksfremden sich zur Aufgabe gemacht hat. R a s s e n r e i n h e i t ,
V o l k s e i n h e i t u n d G e i s t e s f r e i h e i t [Herv. i. O.] sind die
drei Leitsterne, welchen unsere Turnerschaft zustrebt und welche ihr bei
der Erziehungsarbeit vorschweben.“31

Der seit 1907 amtierende Obmann des Wolfsberger Turnvereins Viktor


Pressinger war nicht nur Obmann des Turnvereins und Lehrer in einer
Bürgerschule, sondern auch von 1920 bis 1928 (bis zu seinem Tod) Bürgermeister
der Stadt Wolfsberg. Er war zwar kein Vertreter der NSDAP, aber der GDVP,
welche ja, wie bereits erwähnt, in Kärnten traditionell stark vertreten war und dem
Nationalsozialismus ideologisch sehr nahestand. Diese Besetzung des
Turnvereines bzw. des dritten Lagers von der GDVP verschob sich in den 1930er-
Jahren hin zur NSDAP.32 Infolgedessen können das gut ausgebaute
deutschnationale bzw. nationalsozialistische Vereinswesen sowie die Stärke der
deutschnationalen Fraktion in Kärnten als weitere vorteilhafte Bedingungen für
den frühen Aufschwung der nationalsozialistischen Bewegung in Kärnten gesehen
werden.

Eine besondere Berufsgruppe für die Nationalsozialisten, welche vor allem


bei der Indoktrinierung der Jugend eine Rolle spielen sollte, waren Lehrkräfte.
Diese organisierten sich in Kärnten im Oktober 1924 vereinsmäßig, also bereits
fünf Jahre früher als in Deutschland, im sogenannten Verband
nationalsozialistischer Lehrer und Lehrerinnen Kärntens, welcher später in den
Nationalsozialistischen Lehrerbund (NSLB) eingegliedert wurde. Anhand
Mitgliederzahlen dieses Bundes für die Bundesländer Kärnten, Oberösterreich und

31 Unterkärntner Nachrichten, 5. 6. 1920, S. 4.


32 Klösch: Vasallen, S. 23–26.

13
Wien konnte Burz nachweisen, dass „die nationalsozialistische Lehrerorganisation
Kärntens quantitativ betrachtet die weitaus stärkste Landesorganisation in
Österreich stellte“. Somit ist es belegt, dass die Lehrpersonen in Kärnten
besonders zahlreich dem Nationalsozialismus nahestanden und sich dazu
bekannten.33 Der Nationalsozialismus und vor allem der Juliputsch wurden von
jungen Menschen getragen, wovon die meisten von deutschnational gesinnten
Pflichtschullehrpersonen erzogen wurden, denn in den 1920er- und 1930er-Jahren
waren rund 85% aller PflichtschullehrerInnen in Kärnten deutschnational
eingestellt. Bereits Mitte der 1920er-Jahre war etwa ein Drittel aller Lehrpersonen
in Kärnten im oben erwähnten Verband nationalsozialistischer Lehrer und
Lehrerinnen Kärnten organisiert und viele betätigten sich in der
nationalsozialistischen Partei selbst. Diese überdurchschnittlich hohe Betätigung
und das Engagement von Lehrpersonen für den Nationalsozialismus in Kärnten
müssen als weitere Besonderheiten gesehen werden, welche eine positiven Effekt
auf die Verbreitung und den Aufstieg des Nationalsozialismus in Kärnten hatten.
Denn wie Klösch zurecht festhält, waren die Lehrkräfte die „Eckpfeiler der NS-
Bewegung in Kärnten“.34

2 Die DNSAP in Kärnten 1918–1926

2.1 Vorgeschichte und Entstehung der Partei


Den deutschen Nationalismus sowie den Sozialismus in einer Partei zu
vereinen, gelang nicht der NSDAP in Deutschland als erstes, sondern die
Ursprünge einer nationalsozialistischen Partei liegen bereits im Nordböhmen zu
Zeiten der Österreich-Ungarischen Monarchie. Hier wurde nämlich 1903 in Aussig
an der Elbe die DAP gegründet.35 In dieser Stadt an der Grenze zum deutschen
Kaiserreich sprachen im Jahr 1900 etwa 98,62 % der Bevölkerung Deutsch.
Abseits der Grenzregionen wurde in Böhmen jedoch vornehmlich Tschechisch
gesprochen. So gaben bei der Volkszählung in Cisleithanien im Jahr 1900 nur
33 Burz, Ulfried: „Der Wille der Lehrerschaft ist der Wille des Volkes“. Bildungspolitische
Zielsetzungen und Aktivitäten der nationalsozialistischen Bewegung in Kärnten, in: Lechner,
Elmar/Rumpler, Helmut/Zdarzil, Herbert (Hg.), Zur Geschichte des österreichischen
Bildungswesens. Probleme und Perspektiven der Forschung, Wien 1992, S. 491–514, hier S. 504–
507.
34 Klösch: Vasallen, S. 32–36.
35 Bauer: Elementar-Ereignis, S. 15.

14
37,27 % der böhmischen Bevölkerung die Sprache Deutsch als verwendete
Umgangssprache an, gegenüber 62,67 %, mit Böhmischer Umgangssprache. In
Prag, einer Stadt im Zentrum Böhmens, waren es sogar 89,5 %.36

Durch diesen hohen Anteil an nicht deutscher Bevölkerung in Böhmen


entstand eine Konkurrenz der deutschen und tschechischen Volksgruppe um
Arbeitsplätze, wobei vor allem deutsche Arbeiter um ihre Lebensgrundlage
fürchteten. Diese Entwicklung begünstigte bereits seit den 1880er-Jahren die
Entstehung von deutschnationalen Arbeiterorganisationen, wie Gewerkschaften, in
Böhmen. Die zu Beginn des 20. Jahrhunderts einsetzende Auflösung der
Alldeutschen Partei Georg Schönerers, welche sich für eine deutsche
Vorherrschaft auch in gemischtsprachigen Gebieten einsetzte, sowie die Folgen
der „Badeni-Krise“ begünstigten nun die Entwicklung neuer deutschnationaler
Vereine. Aus solchen Vereinen und Gewerkschaften entstand die DAP. Diese
verschrieb sich den deutschen Arbeitern Böhmens und entwickelte sich nicht
zufällig in Aussig, dieser überwiegend deutsch besiedelten böhmischen
Grenzregion zum Deutschen Kaiserreich.37 Träger dieser Bewegung in Böhmen
waren vor allem Bergarbeiter, Handelsangestellte und Eisenbahner.38
Letztgenannte sollten besonders auch in Kärnten eine wichtige Rolle spielen.

In ihrem ersten Programm legte die DAP am 15. August 1904 in Trautenau
ihr Ziel, die „arbeitenden deutschen Volksschichten aus dem Zustande ihrer
heutigen wirtschaftlichen, politischen und kulturellen Unterdrückung“ zu befreien,
fest. Außerdem verlangte die Partei die deutsche Sprache als Staatssprache in
der Habsburgermonarchie festzulegen, das allgemeine, gleiche und direkte
Wahlrecht einzuführen und die Trennung von Staat und Kirche zu vollziehen. Aber
auch sozialdemokratische Forderungen wie die Einführung eines
Achtstundentages, das Verbot der Nachtarbeit für Jugendliche und Frauen sowie
der Ausbau der Sozialversicherungen werden im Programm angeführt. Mit dem
Deutschen Reich sollte es zumindest eine Zollunion geben.39 Doch im
Trautenauer Programm von 1904 steht noch nichts von einem Anschluss an das

36 Eigene Berechnung auf Grundlage von: K. K. statistische Zentralkommission (Hg.): Ergebnisse,


S. 63.
37 Pauley: Weg, S. 35.
38 Ciller: Vorläufer, S. 46.
39 Das Trautenauer Programm ist abgedruckt bei: Ciller: Vorläufer, S. 135–139 und Ciller:

Deutscher Sozialismus, S. 180–183.

15
Deutsche Reich, während beim letzten Programm vor dem Ende der
Habsburgermonarchie vom 5. Mai 1918 die „Zusammenfassung des gesamten
deutschen Siedlungsgebietes in Europa zum demokratischen, sozialen Deutschen
Reiche“ gefordert wird. Auch Antisemitismus ist 1918 in der Partei bereits
erkennbar, wenn z. B. die „Beseitigung der Herrschaft der jüdischen Banken über
das Wirtschaftsleben“ verlangt wird.40

Bei jenem Parteitag am 5. Mai 1918 in Wien wurde nicht nur ein neues
Programm, sondern auch der neue Name beschlossen – Deutsche
Nationalsozialistische Arbeiterpartei, um vermehrt auch Beamte, Kleinbürger und
Landwirte anzusprechen. Geführt wurde die Partei seit 1909 von Walter Riehl,
einem ehemaligen Sozialdemokraten. Dieser konnte die Partei in Böhmen und
Mähren zu ersten Erfolgen führen (drei Sitze im Reichsrat 1911) und übernahm
nach dem Ende der Donaumonarchie die Führung der österreichischen DNSAP,
da die Partei aufgrund von Gebietsabtretungen nach dem Ersten Weltkrieg in
einen österreichischen und einen tschechischen Teil zerfallen war.

Außerhalb Böhmens konnte sich die Partei bis 1918 kaum in Szene setzen
und Ortsgruppen entstanden außer in Böhmen und Mähren vornehmlich ebenfalls
in Grenz- oder gemischtsprachigen Gebieten, wie z. B. in der Steiermark, in
Kärnten, Krain oder Südtirol.41

2.2 Formierung und Grundlagen in Kärnten bis 1920


In Kärnten waren die demographischen Verhältnisse jenen in Böhmen
ähnlich. Zwar war hier die deutschsprechende Bevölkerung nicht kleiner als die
slowenisch sprechende, aber zumindest 25,18 % der KärntnerInnen sprachen
nicht Deutsch als Umgangssprache42, was das Entstehen der DAP und später der
DNSAP erleichterte. Eine erste gesicherte Verbindung einer
nationalsozialistischen Partei nach Kärnten lässt sich bereits im Jahr 1904 beim
ersten Parteitag der DAP in Trautenau finden. Dort waren nämlich laut Pauley

40 Das Parteiprogramm vom 5. Mai 1918 ist abgedruckt bei: Ciller: Vorläufer, S. 140–145 und Ciller:
Deutscher Sozialismus, S. 183–188.
41 Holzmann, Michael: Die österreichische SA und ihre Illusion von „Großdeutschland“. Völkischer

Nationalismus in Österreich bis 1933 (E-Book), Berlin 2011, Pos. 1700–1871.


42 Eigene Berechnung auf Grundlage von: K. K. statistische Zentralkommission (Hg.): Ergebnisse,

S. 60.

16
zwei Parteiführer aus Kärnten anwesend.43 Bei Alois Ciller, einem frühen Mitglied
der DAP und dem Urheber des Trautenauer Programmes von 1904, wird
zumindest einer, nämlich Gustav Ainspinner aus Klagenfurt als in die Parteileitung
gewähltes Mitglied angeführt.44 Ainspinner war im Kärntner Abwehrkampf aktiv45
und zählte in Kärnten zu den frühen Verfechtern des völkischen
Deutschnationalismus.46 Aber auch in die 1909 gewählte Parteileitung der DAP in
Böhmen wurde ein gewisser Herr Posch aus Villach gewählt.47 Diese Angabe
muss sich auf Otwin Posch beziehen. Dieser wird von Burz angeführt als Mitglied
des Vertrauensmännerausschusses des Deutschen nationalsozialen Vereins für
Österreich, welcher sich am 25. Juli 1918 in Villach gebildet hatte. Posch war
damit ebenfalls ein frühes Bindeglied zwischen der ursprünglichen Partei in
Böhmen und der NS-Bewegung in Kärnten.

Bis zum Ende des Ersten Weltkrieges blieb die DAP in Kärnten jedoch eine
von vielen rechten Splitterparteien, die sich vor allem gegen den
„Einwanderungsdruck der Slawen, [die] Arbeitskonkurrenz, [die] sozial[e]
Unsicherheit“ und für einen „militanten Patriotismus“ einsetzten. Erst mit der
Umbenennung der DAP in „Deutsche nationalsozialistische Arbeiterpartei“ 1918
schaffte die Partei einen ersten Schritt zur „Sammelpartei aller Klassen“.48
Nichtsdestotrotz hatte die DAP bereits vor der Verlautbarung des Trautenauer
Programms 1904 drei Ortsgruppen (Klagenfurt, St. Veit und Völkermarkt) und
1918 vier Ortsgruppen in Kärnten. Damit war es stets das Bundesland auf dem
Gebiet der heutigen Republik Österreich mit den zweitmeisten DAP-Ortsgruppen,
denn nur in der Steiermark (welche aber bevölkerungsreicher war) gab es zu
beiden Zeitpunkten mehr.49 Außerdem für eine vergleichswese gute Organisation
der DAP in Kärnten spricht der Bericht eines Linzer Parteileiters 1912 nach

43 Pauley: Weg, S. 37.


44 Ciller: Vorläufer, S. 43 und Ciller: Sozialismus, S. 77.
45 AT-KLA 662-C-81, Ainspinner Gustav, 13. 4. 1872, Klagenfurt, Stadtwehr, Allg. Ktn.

Kreuz/Verdienste.
46 Elste/Hänisch: Weg, S. 28.
47 Ciller: Sozialismus, S. 96.
48 Elste/Hänisch: Weg, S. 28.
49 Wladika, Michael: Vätergeneration. Die Ursprünge des Nationalsozialismus in der k. u. k.

Monarchie, Wien - Köln - Weimar 2005, S. 524 und Holzmann: SA (E-Book), Pos. 1778–1792.

17
Böhmen. Darin teilte er mit, dass es nach seinem Wissen im österreichischen
Kernland nur in Kärnten eine fortgeschrittene Parteiorganisation gäbe.50

Als erstes geographisches Zentrum der frühen NS-Bewegung in Kärnten


lässt sich die Stadt Villach ausmachen. Dafür gibt es zwei Hauptgründe.
Zuallererst war Villach schon lange eine Stadt, in welcher verschiedene Kulturen
aufeinanderprallten. Dies machte die Stadt bereits in der Monarchie zu einem
Sammelpunkt völkischer Vereine. Weitaus wichtiger war jedoch, dass Villach
„Verkehrsdrehscheibe und wirtschaftliches Ballungszentrum im Kärntner
Zentralraum“ war. Hier gab es viele Arbeiter und Handwerker, aber vor allem
Eisenbahnbeamte, welche ja ebenfalls, wie schon erwähnt, bei der Entstehung der
NS-Bewegung in Böhmen in Erscheinung traten.51 Für die wichtige Rolle der
Eisenbahner innerhalb der NS-Bewegung spricht auch ein von Ciller verfasstes
Büchlein über die „nationale Arbeiterbewegung in Österreich“. Darin befindet sich
ein eigenes Kapitel über die „nationale Eisenbahner-Bewegung“ und ihren Beitrag
zur Gesamtbewegung. Mit „national“ ist jedoch stets nationalsozialistisch gemeint.
Dies wird bereits auf der ersten Seite des Buches klar. Dort sind nämlich die
beiden Worte „national“ und „sozial“ als einzige an unterschiedlichen Stellen im
Text optisch hervorgehoben.52 Doch die Verbindung der beiden Wörter in den Titel
oder Kapitelüberschriften zu inkludieren, hätte in der Phase der illegalen NS-Partei
in Österreich eine Veröffentlichung des Buches verhindert, weshalb
wahrscheinlich im Titel nur das Wort „national“ (nicht kombiniert mit „sozial“ oder
„sozialistisch“) vorkommt.

Nach dem Ende der Monarchie wurden viele Eisenbahnbeamte aus dem
Grenz- und Ausland nach Villach versetzt. Diese engagierten sich häufig bereits
vorher für die NS-Bewegung oder wurden in Villach zu deren Anhängern. Ein
wichtiges Beispiel für diesen Typus ist der Mitbegründer der österreichischen DAP
Moritz Czeitschner. Der in Mähren geborene Czeitschner war Bahnbeamter und
nach seiner Tätigkeit für die österreichische DAP ab 1912 als Propagandist für
diese Partei in ihrem Ursprungsland Böhmen tätig. Schon 1911 wetterte das
damalige Hauptleitungsmitglied des Reichsbundes deutscher Eisenbahner bei

50Wladika: Vätergeneration, S. 565.


51Elste/Hänisch: Weg, S. 29.
52 Ciller, Alois: Damals und heute. Entstehung, Kämpfe und Aufgaben der nationalen

Arbeiterbewegung in Österreich, Wien 1937.

18
einer Vereinsversammlung der Eisenbahner in Graz gegen tschechische
Bahnbeamte und Sozialdemokraten und sprach sich für eine nationale Bewegung
aus:

„Zum Schlusse beleuchtete er [Czeitschner, Erg. d. Vf.] das nationale


Verhalten der anderssprachigen Eisenbahner, die die Deutschen
wirtschaftlich schädigen und auch, wie es die Tschechen tun, bei den
Wortgefechten denunzieren, und geißelte die Internationalität der
deutschen Sozialdemokraten. […] Wenn der Notschrei [der Eisenbahner,
Erg. d. Vf.] ungehört verhalle, dann werden die Nationalen zur richtigen Zeit
die entsprechenden Mittel ergreifen.“53

Solche und ähnliche Forderungen äußerte Czeitschner stets bei


Versammlungen der Reichsdeutschen Eisenbahner, wo er als Redner auftrat.
Dies geht eindeutig aus weiteren Zeitungsberichten hervor.54 Nach dem Ersten
Weltkrieg und dem Zusammenbruch der Monarchie wurde er nach Villach
versetzt. Dort gründete er vermutlich die erste Kärntner Ortsgruppe der DNSAP
und nahm am Kärntner Abwehrkampf teil. In weiterer Folge war er entscheidend
daran beteiligt, dass der Nationalsozialismus in Kärnten früh einen hohen
Bekanntheitsgrad erreichen konnte.55

In Kärnten lässt sich das Gründungsdatum der DNSAP zwar nicht exakt
festlegen, aber die Gründung muss laut Burz zumindest vor der Wahl der
„Konstituierenden Nationalversammlung“ im Februar 1919 stattgefunden haben.56
Die Villacher Zeitung erwies sich als hilfreiche Informationsquelle in Bezug auf die
Frage nach der Gründungszeit der Kärntner DNSAP. Das Blatt, welches
deutschnationales Gedankengut vertrat, berichtete im Februar 1918 über die
Gründung der Gemeinschaft ‚Deutsche Einheit‘, dessen Name schließlich als
völkisch-sozialer Verband ‚Deutsche Einheit‘ verkündet wurde. Die Leitsätze des
Verbandes wurden sogar in einer Beilage der Zeitung abgedruckt. Darin wird der
Zweck der Vereinigung damit beschrieben, „alle deutschen Kräfte im
gegenwärtigen Daseinskampfe des deutschen Volkes in Österreich
zusammenzufassen“. Zahlreiche typisch nationalsozialistische Forderungen wie
eine „Vertiefung des Bündnisses mit dem Deutschen Reiche“, die „Sicherung des

53 Grazer Tagblatt, 19. 9. 1911 (Abend-Ausgabe), S. 2.


54 Grazer Tagblatt, 6. 3. 1912, S. 7f. und Grazer Tagblatt, 23. 5. 1914, S. 11.
55 Elste: Elite, S. 35–37 und AT-KLA 662-C-1136, Czeitschner Moritz, Neutitschen, Staatsbahn

Dion Villach, Allg. Ktn. Kreuz/Tapferkeit.


56 Burz: Bewegung, S. 60.

19
Deutschtums in den Sudetenländern“ oder der Widerstand gegen die
„Vorherrschaft des internationalen Judentums“ finden sich darin wieder. Da diese
der nationalsozialistischen Weltanschauung sehr ähnlich sind, bezeichnet Burz
den völkisch-sozialen Verband ‚Deutsche Einheit‘ zurecht als
„nationalsozialistische Vorfeldorganisation“.57 Aber nicht nur das Gedankengut,
sondern auch die Mitglieder des Verbandes fanden sich später auf der ersten
Wahlwerberliste der DNSAP, aber auch der Deutschdemokratischen Partei (DDP),
wieder: Dazu zählen für erstere z. B. Hans Mischitz, Walter Gattermayer, Moritz
Czeitschner und Julius Ortis.58

Nach der Durchführung von zahlreichen deutschnationalen oder völkisch-


sozialen Abenden des völkisch-sozialen Verbandes ‚Deutsche Einheit‘ zwischen
Mitte Februar und Mitte Juni 1918 wurde am 3. Juli erstmals eine „Versammlung
der deutschen nationalsozialistischen Partei Österreichs“ angekündigt. Es wurde
der Versammlung, auf welcher Dr. Walter Riehl und Walter Gattermayer sprechen
sollten, „mit Rücksicht auf die Tagesordnung“ eine hohe Anzahl an Gästen
vorhergesagt.59 Tatsächlich, so wurde sechs Tage später in der Zeitung berichtet,
war der Versammlungsraum für den großen Ansturm an Gästen zu klein. Walter
Riehl zeigte sich über die aktuelle Versorgungslage in Österreich entrüstet und
gab der Regierung die Schuld daran, weil sie für die „Misswirtschaft in den vom
Judengeiste erfüllten Zentralen, durch Duldung der Preistreiberei, der Ausbeutung
und des Wuchertums unter den Augen der Öffentlichkeit“ verantwortlich wäre. Auf
Kärnten bezogen, sprach sich Riehl vehement für die Unteilbarkeit des Landes
aus.60 Auf eine Villacher Ortsgruppe der Partei oder Ähnliches wird in dem Bericht
nicht verwiesen und es ist stets von der „deutschen nationalsozialen Partei
Österreichs“ die Rede. Der Zusatz ‚Arbeiterpartei‘ wurde ausgespart. Es scheint,
als hätte es bei dieser am 6. Juli stattfindenden Versammlung noch keine Kärntner
DNSAP gegeben, zumindest wird sie in dem Beitrag nicht erwähnt. Dies stellt sich
beim nächsten Beitrag über eine Versammlung der Partei jedoch anders dar.

Das Gründungsdatum der DNSAP in Kärnten kann nämlich mithilfe des


nachfolgenden Zeitungsberichtes weiter eingeschränkt werden. Hieß es zuvor

57 Burz: Bewegung, S. 76–78 und Villacher Zeitung, 3. 3. 1918, Beilage zwischen S. 3 und 4.
58 Villacher Zeitung, 13. 2. 1919, S. 5.
59 Villacher Zeitung, 3. 7. 1918, S. 3.
60 Villacher Zeitung, 9. 7. 1918, S. 3.

20
noch, dieses müsse zumindest vor der Wahl der konstituierenden
Nationalversammlung, also vor dem 16. Februar 1919, stattgefunden haben,
sprechen folgende Befunde eindeutig für eine Gründung zumindest vor dem 8.
Dezember 1918. Denn an diesem Tag wurde im städtischen Schauspielhaus in
Villach eine Versammlung von der „deutschnational-sozialistischen Partei Villachs“
abgehalten. Riehl sollte dort erneut als Redner auftreten, musste aber von
Gattermayer vertreten werden. Dieser verkündete den selbstständigen Antritt der
Partei bei den kommenden Wahlen und das Hauptziel der Partei, nämlich „den
Kampf gegen das Judentum“. In diesem Beitrag wird die Partei einmal sogar als
„deutschnationale sozialdemokratische Arbeiterpartei“ bezeichnet. Hier ist zwar
die Bezeichnung als ‚Arbeiterpartei‘ erstmals vorhanden, aber gleichzeitig wird
dem Parteinamen fälschlicherweise das ‚demokratische‘ Element hinzugefügt.61
Aber, dass es sich bei dieser Partei um die DNSAP handeln muss, steht außer
Frage, da Parteigrößen wie Riehl und Gattermayer als Hauptredner auftraten.
Außerdem verweist Gattermayer nach dem Vorwurf der Ähnlichkeit des
Programmes mit jenem der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei (SDAP) auf die
lange Tradition der Partei, welche bereits seit 1905 (eigentlich 1903) im
Sudetenland bestünde. Dieser Bericht über „eine von der deutschnational-
sozialdemokratischen Partei Villachs veranstaltete Versammlung“ ist ein
gesicherter Nachweis über die Existenz einer Kärntner Parteiorganisation. Da in
diesem Bericht über die am 8. Dezember 1918 stattfindende Versammlung,
erstmals eine Villacher Ortsgruppe der Partei erwähnt wird, muss eine solche
zumindest vor dem 8. Dezember 1918 gegründet worden sein.

Inhaltliche und personelle Überschneidungen dieser DNSAP mit der DDP


kamen nur eine Woche später bei einer deutschnationalen Frauenversammlung in
Villach zum Vorschein. Dort wurde der Leiterin der Versammlung, Frau Andrea
Huber, von Hans Angerer, einem hochrangigen Vertreter der DDP, die
Empfehlung gegeben, sich geschlossen der DDP anzuschließen. Frau Huber
äußerte sich dahingehend zurückhaltend, weil „viele Frauen […] infolge der
Parteizugehörigkeit ihrer Männer zur deutsch-sozialdemokratischen Partei für
diese und nicht für die deutschdemokratische Partei eintreten werden“. Trotz ihrer
Bedenken wird von einem anderen Mitglied der Vorschlag aufgegriffen und

61 Villacher Zeitung, 10. 12. 1918, S. 2f.

21
beantragt. Der Antrag wird von der Mehrheit der anwesenden Frauen
angenommen. Wenig verwunderlich scheint die vor den Kopf gestoßene Frau
Huber zwei Monate später auf der Wahlwerberliste der DNSAP auf. Abermals fällt
im Zeitungsbericht die falsche Bezeichnung der DNSAP als „deutsch-
sozialdemokratische Partei“ auf.62

Einen Monat vor der Wahl fand eine Versammlung der Villacher Ortsgruppe
des deutschnationalen Handlungsgehilfen-Verbandes statt. Dabei waren Vertreter
verschiedener Parteien anwesend, so auch der DNSAP. Ein Vertreter des
Handlungsgehilfen-Verbandes namens Obereder sprach sich dabei deutlich für
einen Anschluss der Mitglieder des Verbandes „an die deutschnational-
sozialistische Arbeiterpartei“ aus. Vom anwesenden Vertreter der SDAP wurde
dies in Frage gestellt, da die DNSAP bis dato noch nichts geleistet habe. Darauf
konterte Herr Kerschberger von der DNSAP mit einem Überblick über die 15-
jährige Geschichte seiner Partei. Auch Julius Ortis (Mitte der 1920er Gauleiter der
DNSAP in Kärnten) spricht bei dieser Versammlung und erläutert das Programm
der Partei, worauf der bereits erwähnte Herr Obereder erneut betont, „dass sich
der deutsche Handlungsgehilfe, der völkisch denkt, nur der deutschnational-
sozialistischen Arbeiterpartei anschließen kann“.63 Es handelt sich bei diesem
Herrn ziemlich sicher um Andreas Obereder, welcher wenig später auf der
Wahlwerberliste der DNSAP aufscheinen sollte. Diese wird nämlich in der
Villacher Zeitung veröffentlicht. Dieses Mal wurde schließlich der richtige Name
der Partei verwendet: „Deutsche nationalsozialistische Arbeiterpartei“.64

Zur Wahl der „Konstituierenden Nationalversammlung“ trat die DNSAP


neben der DDP an. In der Forschung heißt es zumindest, dass die DDP zur Wahl
der „Konstituierenden Nationalversammlung“ in Kärnten in einer Wahlkoalition mit
der CSP angetreten ist und der Kärntner BB in die DDP integriert war.65 Es scheint
aber so, dass es in Kärnten auch mit der DNSAP eine Wahlkoalition gegeben hat.
Dieser Umstand geht eindeutig aus den Villacher Zeitung hervor:

„Fünf Parteigruppen treten in den Wahlkampf ein, von denen sich die
vier deutschbürgerlichen Parteien, und zwar die deutschdemokratische

62 Villacher Zeitung, 17. 12. 1918, S. 2.


63 Villacher Zeitung, 26. 1. 1919, S. 3.
64 Villacher Zeitung, 13. 2. 1919, S. 5.
65 Burz: Bewegung, S. 60 und Holzmann: SA (E-Book), Pos. 3756.

22
Partei, der Kärntner Bauernbund, die christlich soziale Partei und die
deutschnational sozialistische Arbeiterpartei durch Koppelung der
Wahlwerberlisten zu gemeinsamer Arbeit gegen die Sozialdemokratische
Partei zusammengeschlossen haben.“66

Hier wird ersichtlich, dass die Deutschdemokraten nicht nur mit dem BB und
den Christlichsozialen kooperiert haben, sondern auch mit den Nationalsozialisten,
also der DNSAP. Damit erklärt sich auch in gewisser Weise wieso z. B. Richard
Strobel sich zunächst noch für die DDP engagiert hat. Diese Partei stand nämlich
ohnehin in einer Wahlkoalition mit der DNSAP und vertrat ähnliche Ansichten.

Das gesondert betrachtete Ergebnis für die Nationalsozialisten war kaum


zufriedenstellend. So erreichte die DNSAP in Kärnten zwar das zweitbeste
Ergebnis österreichweit hinter der Salzburger Partei, aber mit nur 1,2 % der
Stimmen war dieses dennoch nicht sehr vielversprechend.67 Aufschlussreich sind
die in den Freien Stimmen abgedruckten Teilwahlergebnisse für Kärnten. Darin
wird das Ergebnis der Nationalsozialisten gesondert in den größeren Orten und
Bezirken Kärntens angegeben. Das mit Abstand beste Ergebnis konnte wenig
überraschend in Villach (Stadt) erzielt werden. Mit 1001 Stimmen wurde hier sogar
die CSP überflügelt. Aber außerhalb Villachs tat sich die Partei noch sichtlich
schwer. Nur im Bezirk St. Veit (169) und in Klagenfurt-Stadt (105) sowie
Klagenfurt-Land (159) konnten noch über 100 Stimmen erreicht werden. Für mehr
als 30 reichte es in Völkermarkt (36), im Bezirk Wolfsberg (36) und in Feldkirchen
(34). In den restlichen 33 angegebenen Orten gab es elf Mal keine
nationalsozialistische Stimme, ansonsten zumindest eine.68 Auffallend ist, dass
unter den sechs angeführten Orten/Bezirken mit den meisten Stimmen genau jene
drei zu finden sind, in welchen die DAP bereits 1904 Ortsgruppen hatte, nämlich
Klagenfurt, St. Veit und Völkermarkt.

Danach gab es Versuche seitens der DDP, die DNSAP für die kommenden
Wahlen an die eigene Partei anzuschließen, aber diese Gespräche führten zu
keiner Einigung. Das Zerwürfnis führte sogar soweit, dass bei einer
Nationalsozialistischen Versammlung in St. Veit fast keine Vertreter der

66 Villacher Zeitung, 13. 2. 1919, S. 1.


67 Burz: Bewegung, S. 60.
68 Freie Stimmen, 18. 2. 1919, S. 3.

23
bürgerlichen Parteien anwesend waren.69 So ging die DNSAP weiterhin ihre
eigenen Wege und trat bei den Gemeindewahlen 1920 selbstständig an.

Ein ähnliches Bild wie bei der Nationalversammlungswahl 1919 zeigte sich
bei den Kommunalwahlen im August 1920. Abermals war es in der
Eisenbahnerstadt Villach, wo die DNSAP, nun mit dem Spitzenkandidaten Richard
Strobl, ihr bestes Ergebnis erzielen konnte. Von 28 Gemeinderatssitzen eroberte
sie hier vier und wurde mit 1169 Stimmen zur drittstärksten Partei in der
Eisenbahnerstadt.70 Man konnte also im Vergleich zum Vorjahr bereits etwas
zulegen. Als neue Partei fast 14 % der abgegebenen Stimmen auf sich vereinen
zu können, ist sicher als großer Erfolg zu werten und war zu diesem Zeitpunkt nur
in Villach aus bereits dargelegten Gründen möglich. Neben Villach schafften es
die Nationalsozialisten auch in St. Veit Mandate zu erhalten – hier hatten sie
zumindest zwei Mandate inne und damit gleich viel wie die CSP in der
Herzogstadt.71

In der Anfangsphase der Kärntner DNSAP gelang es ihr außerdem rasch


eine eigene Parteipresse aufzubauen. Am 31. August 1919 erschien erstmals die
wöchentlich erscheinende Kärntner Volkszeitung, welche ab März 1920 offizielles
Parteiblatt der DNSAP Kärnten wurde, was im April auch eine Namensänderung
zu Kärntner Volkswille zur Folge hatte. Die geringe Auflage von etwa 1500 Stück
dürfte eine wichtige Rolle der Zeitung als Propagandainstrument verhindert haben
und führte schließlich zur Auflösung der Zeitung am 26. Februar 1921.72 Die
bereits feststellbaren Unsicherheiten bezüglich des Parteinamens der
Nationalsozialisten sind sogar an die Parteizeitung herangetragen worden und
wurden von dieser durch einen falschen Untertitel sogar befördert. Die Kärntner
Volkszeitung trug nämlich seitdem sie offizielles Parteiblatt war (ab März 1920),
den Zusatz „Organ der national-sozialistischen Partei Kärntens“, was in Bezug auf
den offiziellen Parteinamen nicht korrekt war. Nach einem Monat wurde deshalb
der Untertitel in „Organ der deutschen national-sozialistischen Arbeiterpartei“ (ab
11. Juni 1920 ohne Bindestrich) geändert. Aber bereits am 28. März wurde in der

69 Villacher Zeitung, 20. 4. 1919 und 29. 4. 1919, jeweils S. 2.


70 Burz: Bewegung, S. 60.
71 Unterkärntner Nachrichten, 7. 8. 1920, S. 5.
72 Beutl, Bernd/Hefner, Claudia/Monschein, Wolfgang/Randl, Fritz: Dokumentation der NS-Presse

der Ersten Republik, in: Die österreichische NS-Presse 1918–1933, Wien 2001, S. 101–252, hier:
S. 231f und Elste/Hänisch: Weg, S. 38–41.

24
Zeitung versucht die Unsicherheiten bezüglich des Parteinamens zu beenden.
Dazu heißt es dort: „Auf verschiedene Anfragen: Unsere Partei heißt parteiamtlich
(offiziell) ‚Deutsche national-sozialistische Arbeiterpartei‘ oder kurz benannt
(abwechselnd zu gebrauchen) ‚nationalsozialistische Partei‘.“73 Dass das Blatt
aber erst drei Ausgaben nach dem Erscheinen dieses Artikels den Titelzusatz
angepasst hat, hat vermutlich nicht zur raschen Klarheit über den Parteinamen
beigetragen.

Trotz dieser nicht von Erfolg gekrönten Entwicklung der


nationalsozialistischen Parteipresse in Kärnten, war die Ortsgruppenentwicklung in
Kärnten positiv. Während es die DAP vor 1918 nur auf vier Kärntner Ortsgruppen
brachte, konnte die DNSAP 1919/20 bereits 17 verzeichnen – in Salzburg waren
es im gleichen Zeitraum nur acht gewesen. Aber trotz dieser ersten Erfolge ist die
Entstehungszeit der DNSAP in Kärnten 1918–1921 eher von Unbeständigkeit in
der Führungsetage geprägt. In diesen drei Jahren waren es nicht weniger als
sechs Obmänner, welche der Partei vorstanden. Erst mit Alois Michner gab es für
zwei Jahre eine konstante Führungsperson der DNSAP in Kärnten (1921–1923).74
Politische Schwerpunktsetzungen waren bis 1920 kaum erkennbar, denn die
Politik in Kärnten war bis zum Ende der Kärntner Volksabstimmung durchwegs
vom „Abwehrkampf“ und der erwähnten Kärntner Volksabstimmung geprägt. Ein
gemeinsamer Gegner, der SHS-Staat, konnte Gegensätze zwischen den
einzelnen Parteien in Kärnten noch kaschieren. Diese traten aber danach umso
stärker bei der Landtagswahl 1921 hervor. So konnten sich z. B. die GDVP und
der BB nicht mehr auf ein gemeinsames Antreten einigen.75

Die soziale Basis der Kärntner Partei war in der Anfangszeit eindeutig der
Mittelstand. Von den neun Kärntner Kandidaten zur Nationalversammlungswahl
1919 waren sechs öffentlich Bedienstete. Davon waren vier bei den Staatsbahnen
beschäftigt, eine war Lehrerin und einer Postbeamter. Die drei restlichen waren
Angestellte. Ähnlich verhielt sich die soziale Aufteilung der nationalsozialistischen
Wahlwerber bei den Gemeinderatswahlen 1920/21, nur dass nun auch
Handwerker und Angehörige der Sparte „Freie Berufe“ vertreten waren. Somit

73 Kärntner Volkszeitung, 28. 3. 1920, S. 4.


74 Elste/Hänisch: Weg, S. 48 und S. 32, Fn. 123;
75 Burz: Bewegung, S. 61f.

25
waren in dieser Frühphase kaum Arbeiter und keine Bauern unter den Kärntner
Wahlwerbern vertreten.76 Diese Beobachtungen decken sich mit jenen von Botz,
welcher für österreichische DNSAP-Führungsschicht den ungemein hohen Anteil
an öffentlich Bediensteten (51 %) nachgewiesen hat, wovon 14 %
Bahnbedienstete waren. Im Gegensatz dazu war der Arbeiteranteil, vor allem für
eine „Arbeiterpartei“ mit 11 % sehr gering.77 Aber nicht nur bei den
Parteifunktionären, sondern auch bei der Wählerschaft, wo erste Analysen ab
1923 vorliegen, dürfte sich ein ähnliches Bild ergeben. 1923 war in Kärnten bei
den Wählern der neue Mittelstand die maßgebende Wählerschicht, da jeder
zehnte Angestellte und Beamte bereits nationalsozialistisch wählte, womit jeder
zweite DNSAP-Wähler 1923 in Kärnten dem neuen Mittelstand zuzuordnen war.
Bei den Arbeitern war es nur jeder hundertste, gleich wie bei den Selbstständigen,
wozu auch die Bauern zu zählen sind. Womit diese beiden nicht nur in der
Führungsschicht, sondern auch in der Wählerschaft stark unterrepräsentiert
waren. Neben dem neuen Mittelstand waren als einziges die Berufslosen etwas
überrepräsentiert, welche das zweitstärkste Wählerreservoir stellten.78 Wie sich
diese soziale Basis der nationalsozialistischen Bewegung in Kärnten bis in die
1930er-Jahre verändert hat, wird im Kapitel 3.2 noch beantwortet werden.
Zunächst soll jedoch nach der unbeständigen Entstehungsphase, mit dem
häufigen Wechsel der Obmänner, die Stabilisierung der Partei durch Michner
dargestellt werden.

2.3 Stabilisierung der Partei und alleiniger Wahlantritt


1921–1923
Michner und seine Partei nützten die Gunst der Stunde, welche sich durch
die unüberwindbaren Differenzen zwischen GDVP und Kärntner BB auftat: Der BB
ging nun mit dem Handels- und Gewerbebund (Hagebund) und der DNSAP ins
Rennen um den Kärntner Landtag unter der Bezeichnung „Kärntner
Wahlgemeinschaft (KWG)“. Vermutlich war es der Parteileitung bewusst, dass
man ohne ein Wahlbündnis kaum in den Landtag einziehen konnte und der

76 Burz: Bewegung, S. 80.


77 Botz, Gerhard: Strukturwandlungen des österreichischen Nationalsozialismus (1904–1945), in:
HSR, Supplement, Nr. 28 (2016), S. 214–240, hier S. 220.
78 Elste/Hänisch: Weg, S. 186–189.

26
Bauernbund versprach der DNSAP einen sicheren Listenplatz.79 Der alleinige
Wahlantritt sollte für die Partei erst am Ende dieser Stabilisierungsphase im Jahr
1923 möglich werden.

Warum man sich 1921 nicht der GDVP anschloss, konnte bis jetzt nicht
gänzlich geklärt werden. Burz vermutet, dass sich „die Nationalsozilisten des gut
ausgebauten Funktionärsapparates des Bauernbundes auf dem Lande bedienen“
wollten.80 Möglicherweise befürchtete die DNSAP jedoch von der GDVP
aufgesogen zu werden, weil sie ideologisch nicht sehr weit voneinander entfernt
waren. Diese Gefahr war beim BB vermutlich weniger ausgeprägt.

Das Wahlbündnis des BB mit der DNSAP wurde von ersterem nach der
Uneinigkeit mit der GDVP folgendermaßen legitimiert:

„Es blieben also nur noch zwei freisinnige bürgerliche Parteien


[neben der GDVP, Erg. d. Vf.], die bei der Einbeziehung in die
Wahlgemeinschaft in Frage kamen, nämlich der Handels- und
Gewerbebund und die Deutsche nationalsozialistische Arbeiterpartei. […]
Was die Deutsche nationalsozialistische
A r b e i t e r p a r t e i [Herv. i. O.] betrifft, so findet sich auch zwischen
dieser Partei und dem Bauernstande sehr viel Gemeinsames.“81

Die weiters angeführten Gemeinsamkeiten liegen hauptsächlich im Kampf


gegen die Sozialdemokratie, welche vornehmlich als „jüdisch“ bezeichnet wird. So
ist z. B. ein genannter Grund für die Zusammenarbeit der Parteien der Umstand,
dass die DNSAP „von den roten Sozialdemokraten gehasst“ werde. Allein die
Abneigung der Sozialdemokraten gegenüber den Nationalsozialisten zeige, dass
die Kärntner Bauernbündler mit dieser Zusammenarbeit den richtigen Weg
eingeschlagen hätten und sie „es [deshalb] freudig begrüßen, auch die deutsche
Arbeiterpartei mit uns vereint im Kampfe gegen die jüdische rote Internationale zu
finden“.82

Im Wahlkampf setzte die DNSAP auf diese bereits erläuterten


Gemeinsamkeiten der Bauern und Arbeiter. Deshalb wurden diese als „arbeitende
Menschen“ zusammengefasst, welche ihre Stimme der KWG schenken sollten.83

79 Burz: Bewegung, S. 61f. und Anderwald: Front, S. 85–87.


80 Burz: Bewegung, S. 62.
81 Allgemeine Bauern-Zeitung, 31. 5. 1921, S. 1.
82 Allgemeine Bauern-Zeitung, 31. 5. 1921, S. 2.
83 Allgemeine Bauern-Zeitung (Redaktionelle Beilage der „Deutschen nationalsozialistischen

Arbeiterpartei“), 31. 5. 1921, S. 2.

27
Hauptziel der aggressiven Propaganda war jedoch stets die bereits erwähnte
„jüdische“ Sozialdemokratie. In einer redaktionellen Beilage der Allgemeinen
Bauern-Zeitung (Parteiorgan des Kärntner BB) stellen die Nationalsozialisten 21
Gewissensfragen an ihre Leser. Darunter z. B. folgende:

„Warum sind die Führer unserer deutschen Arbeiter fast


ausschließlich Angehörige jener Nation, die man niemals arbeiten sieht?
[…] Warum sind die Führer gerade der Parteien, die vorgeben, das
internationale Kapital bekämpfen zu wollen, fast ausnahmslos Angehörige
derjenigen Rasse, d i e T r ä g e r i n u n d a u s s c h l i e ß l i c h e
Besitzerin des internationalen Weltkapitals
i s t ? [Herv. i O.] […] Wer leidet heute unter dem Zustand der allgemeinen
Teuerung aller Bedarfsartikel mehr, der deutsche Arbeiter oder sein
jüdischer Führer?“84

An diesen drei provokativ gestellten Fragen erkennt man den aggressiv


geführten Wahlkampf der DNSAP, welcher sich vor allem gegen die
Sozialdemokraten und deren angeblich jüdischen Führer richtete. Aber trotz der
teilweisen Bemühung um eine Verbindung zu den Bauern, konzentrierten sich die
Nationalsozialisten auf die deutschen Arbeiter, welche in den meisten Fragen
explizit angesprochen wurden. Die Berührungspunkte mit der landwirtschaftlichen
Welt wurden wohl eher zu Beginn des Bündnisses bedient, um das Wahlbündnis
zu legitimieren. Danach konzentrierte man sich wieder verstärkt auf das Werben
um deutsche Arbeiter und das Hetzen gegen die jüdische Sozialdemokratie.

Während die DSNAP sehr vom Wahlbündnis profitierte und so schließlich mit
einem der nationalsozialistischen Kandidaten, Parteiobmann Alois Michner, in den
Landtag einziehen konnte, deutet aus den Zeitungsberichten nichts daraufhin,
dass der BB Kapital aus dem Bündnis schlagen konnte, sogar der gegenteilige
Eindruck wird in der Parteizeitung der GDVP, den Freien Stimmen, erweckt. Dort
hieß es, „das Sonderabkommen der Bauernbündler mit den
N a t i o n a l s o z i a l i s t e n [Herv. i. O.]“ habe bei der Kärntner Bevölkerung
keinen Anklang gefunden.85 Auf den Punkt bringt es die Berichterstattung der
Unterkärntner Nachrichten, wenn dort festgehalten wird, dass „die
Nationalsozialisten […] dem BB, der ihre Anhängerschaft so sehr überschätzt
hatte, keine 1000 Stimmen zugeführt, aber trotzdem vom BB ein Mandat erhalten“

84 Allgemeine Bauern-Zeitung (Redaktionelle Beilage der „Deutschen nationalsozialistischen


Arbeiterpartei“), 7. 6. 1921, S. 2.
85 Freie Stimmen, 21. 6. 1921, S. 1.

28
haben und dass dies Ziel der DNSAP war - „ihre ganze Politik [darauf]
hinauslief“.86 Derselbe Schluss, also der einseitige Nutzen der Wahlkoalition, liegt
auch aus heutiger Sicht nahe. Für den BB war das Bündnis mit der DNSAP nicht
von Erfolg gekrönt, umgekehrt jedoch schon. Die Nationalsozialisten konnten sich
durch das Wahlbündnis und das damit einhergehende Mandat im Kärntner
Landtag vor einem frühzeitigen Verfall in die politische Bedeutungslosigkeit retten
und als Fraktion im Kärntner Landtag etablieren.87

Neben diesem kleinen Erfolg für die Kärntner DNSAP zeigte die Wahl, dass
sich in Kärnten das dritte Lager im Aufschwung befand, denn die GDVP war die
einzige Partei, die einen Stimmenzuwachs (im Vergleich zur Wahl der
„konstituierenden Wahlversammlung“ 1919) verzeichnen konnte. Diese Partei war
gleichzeitig jene, die vorerst noch „den Anschlussgedanken in ehrlichster Form“
vertrat.88 Der Schoß war sozusagen fruchtbar, war man doch ideologisch nicht
weit von der DNSAP entfernt. Die ideologische Nähe zeigte sich rasch, denn so
schlossen sich die Abgeordneten des BB, der GDVP und der DNSAP im Kärntner
Landtag bereits etwa einen Monat nach der Wahl zu einem „Verbande der
deutschfreiheitlichen Abgeordneten“ zusammen.89

Wie bereits erwähnt, war Alois Michner nach raschen Wechseln der
Parteiobmänner erstmals konstant über drei Jahre, von 1921 bis 1923,
Parteiobmann von Kärnten. Darüber hinaus blieb er der Partei bis 1928 als
Mandatar im Kärntner Landtag erhalten. Damit kann er sicher als prägende
Persönlichkeit der frühen Parteigeschichte in Kärnten gesehen werden, welcher
„wichtige Aufbauarbeit geleistet hat und dem es gelungen ist, das Parteigefüge
[…] zu stabilisieren“.90

Nun im Kärntner Landtag vertreten, dürfte der Kärntner DNSAP ihre


anfängliche Dynamik jedoch Abhandengekommen sein, denn im August 1922
wurde ein Parteitag in Klagenfurt abgehalten, um der abgeebbten Bewegung in
Kärnten wieder einen neuen Anstoß zu geben. Somit war es der Partei also mit

86 Unterkärntner Nachrichten, 2. 7. 1921, S. 1.


87 Anderwald: Front, S. 97.
88 Unterkärntner Nachrichten, 2. 7. 1921, S. 1.
89 Arbeiterwille, 23. 7. 1921, S. 6.
90 Burz: Bewegung, S. 61.

29
Sicherheit noch nicht gelungen, stärker ins dritte Lager einzudringen. 91 Im Zuge
dieses Parteitages wurde für etwa 200 nationalsozialistische Teilnehmer aus dem
Deutschen Reich, dem Sudetenland und Wien ein Besuch „de[s] Hauptorte[s] der
A-Zone, der Stadt Völkermarkt“ organisiert, um dort den Bewohnern „für den Mut
und die Ausdauer im Kampfe um das Selbstbestimmungsrecht zu danken“. Dort
sprach z. B. der Parteiobmann der DNSAP in Österreich, Walter Riehl. Dieser
„stellte den Gästen den ‚kärntnerischen Andreas Hofer‘, Herrn Abgeordneten [vom
BB, Erg. d. Vf.] Josef G l a n t s c h n i g [Herv. i. O.], vor, der mit lang anhaltendem
Beifalle begrüßt wurde“.92 Hier kann bereits die besondere Stellung von
Abwehrkämpfern für die Bewegung gesehen werden. Außerdem kommt es damit
zu einer ersten Vereinnahmung und Glorifizierung des „Abwehrkampfes“ seitens
der Nationalsozialisten.

Im Kärntner Landtag dürfte Michner in erster Linie die Sozialdemokraten,


welche dort am meisten Sitze hatten, angefeindet haben und für einen Anschluss
an Deutschland eingetreten sein. So geht es zumindest aus dem Parteiorgan der
Sozialdemokraten in der Steiermark und Kärnten, dem Arbeiterwille, hervor. Hier
wird Michner häufig angegriffen, weil er „gegen den ‚Arbeiterwille‘ polemisiert und
den Sozialdemokraten vorhält, dass die Internationale wieder einmal versagt hätte
und nur ein geeinigtes (natürlich nationalsozialistisches) Alldeutschland imstande
sei, uns [die österreichische Bevölkerung, Anm. d. Vf.] aus dem Elende
herauszuführen“.93 Dieses kleine Duell zwischen Michner und der
sozialdemokratischen Partei sowie ihrem Presseorgan gipfelte am 11. April 1923
in einem Artikel mit dem Titel „Der Michner, wie er leibt und lebt“. Darin antwortet
das sozialdemokratische Parteiblatt auf einen in den Freien Stimmen
erschienenen, von Michner verfassten Beitrag, mit dem Titel „Politische
Brunnenvergiftung“. Darin wird selbige vom Kärntner NS-Parteiführer der Zeitung
Arbeiterwille unterstellt.94 Das wollte die sozialdemokratische Zeitung nicht auf
sich sitzen lassen und antwortete darauf, indem sie den Freien Stimmen und
Michner nun politische Brunnenvergiftung nachsagte.95

91 Elste/Hänisch: Weg, S. 35.


92 Klagenfurter Zeitung, 30. 8. 1922, S. 1115.
93 Arbeiterwille, 25. 3. 1923, S. 9.
94 Freie Stimmen, 4. 4. 1923, S. 1f.
95 Arbeiterwille, 11. 4. 1923, S. 6.

30
Unabhängig von den Geschehnissen im Kärntner Landtag wurde beim
Parteitag der Nationalsozialisten im August 1923 in Salzburg der erste Schritt zur
Spaltung und zur Radikalisierung der Partei gesetzt. Seit Adolf Hitler 1921
Parteivorsitzender der NSDAP in Deutschland war, lässt sich eine langsam
eintretende Verschlechterung der Beziehungen der österreichischen und der
deutschen Partei feststellen, auch wenn es anfangs noch zu einem Austausch und
zu Kooperation gekommen ist. Hitler wollte sich keinesfalls der österreichischen
Organisation unterordnen, sondern forderte den umgekehrten Weg und stellte
selbst einen uneingeschränkten Führungsanspruch. Doch die österreichischen
und sudetendeutschen Nationalsozialisten sahen sich selbst als Urheber der
Bewegung und wollten sich ebenfalls nicht unterwerfen. Dazu kamen
unterschiedliche Auffassungen von Riehl und Hitler. Im Gegensatz zu Riehl war
Hitler nämlich gewillt, die Macht im Staat mithilfe eines Putsches zu ergreifen und
nicht nur mit Worten gegen Juden aufzutreten. Nachdem Hitler in Deutschland
größere Erfolge erzielen konnte als Riehl und viele Mitglieder der Partei Hitlers
radikale, gewaltsame Linie gegen die Demokratie und die Juden teilten, geriet
Riehl ins Hintertreffen, sodass er einen Monat nach dem Salzburger Parteitag im
August 1923 seinen Rücktritt bekanntgab. Auf diesem Parteitag traten die größten
Meinungsverschiedenheiten zwischen Riehl und Hitler besonders hervor.96

Diese waren einerseits der von Riehl angedachte Zusammenschluss mit der
GDVP für die kommende Nationalratswahl und andererseits die ablehnende
Haltung desselben gegen einen militärischen Putsch. Im Gegensatz dazu sprach
sich Hermann Esser (ein Vertreter Hitlers) entschieden gegen ein Antreten bei der
Wahl mit den Großdeutschen und für eine generelle Wahlenthaltung aus, um sich
auf den Ausbau der Sturmabteilung (SA) für die baldige gewaltsame
Machtergreifung konzentrieren zu können. Die Wahlenthaltung für die kommende
Nationalratswahl wurde beim Salzburger Parteitag beschlossen.97 Anscheinend
hatte Esser mehr Unterstützer hinter sich, was zumindest das Salzburger
Volksblatt feststellte: „Nach Essers Referat brauste ein Beifallssturm durch den
Saal. Was konnte Dr. Riehl dagegen vorbringen?“98 Darüber hinaus hielt Hitler

96 Holzmann: SA (E-Book), Pos. 2075–2230.


97 Ferber, Walter: Die Vorgeschichte der N.S.D.A.P in Österreich. Ein Beitrag zu
Geschichtsrevision, Konstanz 1954, S. 39.
98 Salzburger Volksblatt, 16. 8. 1923, S. 2.

31
selbst am 14. August eine groß inszenierte Rede, welche die Spaltung der Partei
noch weiter voranschreiten ließ. Leider gibt es inhaltlich kaum Angaben zur Rede,
weil sich die Presse verstärkt mit der religiös anmutenden Inszenierung der Rede
beschäftigt hat.99

Nach diesem Parteitag drohte die Nationalsozialistische Bewegung in


Österreich in drei Gruppen zu zerfallen: die radikale, meist junge Anhängerschaft
Hitlers, die Parteigänger von Karl Schulz, welcher die Partei auf den
demokratisch-gewerkschaftlichen Weg halten wollte und Walter Riehls
abgespaltene Gefolgschaft.100 Letzterer versuchte zwar noch die getroffenen
Salzburger Bestimmungen in einer Sitzung der österreichischen NS-Führer zu
revidieren, wurde aber überstimmt und gründete deshalb den Deutschsozialen
Verein. Damit sah er sich gezwungen, sein Amt als Bundesparteiobmann
niederzulegen und „[m]it dem Rücktritt Riehls segelte die österreichische NS-
Bewegung alsbald auf Hitlers Kurs“.101 Dies war nicht allzu verwunderlich, denn,
so konstatieren bereits Zeitgenossen, mit Riehl „verlor die D.N.S.A.P. ihr
politisches Profil; hatte doch sein Nachfolger Karl Schulz keine staatspolitische
Ader.“102

Doch wie wurde dieser Bruch innerhalb der eigenen Partei in Kärnten
aufgenommen? Zu dieser Frage gibt es vorerst nur wenig aussagekräftige
Quellen. Burz führt diesbezüglich eine Nachricht eines Vertrauten Hitlers, Leutnant
Lechner an. Dieser hat dem Führer Ende August 1923 über die Positionierung der
Parteiorganisation in den österreichischen Bundesländern zu den Salzburger
Beschlüssen informiert. Darin vermeldet Lechner dem Führer, dass in Nieder- und
Oberösterreich, Tirol, der Steiermark und in Kärnten die Salzburger Beschlüsse
aufrechterhalten werden. Somit liegt der Schluss nahe, Kärntens NS-Bewegung
hätte sich rasch für den hitlertreuen Weg der Partei entschieden.103 Im Gegensatz
dazu schreibt jedoch August Walzl, dass Walter Rentmeister (Rentmeister war

99 Hanisch, Ernst: Zur Frühgeschichte des Nationalsozialismus in Salzburg (1913–1925), in:


Mitteilungen der Gesellschaft für Salzburger Landeskunde 117, Salzburg 1978, S. 371–410, hier
406f.
100 Beutl, Bernd: Zäsuren und Strukturen des Nationalsozialismus in der Ersten Republik, in:

Duchkowitsch, Wolfgang (Hg.), Die österreichische NS-Presse 1918–1933, S. 20–47, hier S. 25–
28.
101 Burz: Bewegung, S. 64–65.
102 Ferber: Vorgeschichte, S. 39.
103 Burz: Bewegung, S. 66.

32
zwischen 1923 und 1925 Landesleiter der Kärntner Nationalsozialisten104) 1924
der Kärntner Landesregierung vermeldete, es gäbe aktuell 25
nationalsozialistische Ortsgruppen. Diese sollten, so wurde es hervorgehoben,
„der Richtung Karl Schulz und nicht jener Hitlers angehören“.105 Dieser Befund
spricht eher gegen eine unverzügliche Entscheidung der Kärntner NS-Bewegung
für die Hitlerbewegung. Offiziell gab es in Österreich vorerst jedoch nur den in der
Bedeutungslosigkeit versunkenen Deutschsozialen Verein von Walter Riehl und
die DNSAP unter der österreichweiten Leitung von Karl Schulz, in Kärnten
vertreten von Alois Michner. Die Spannungen entluden sich also noch
innerparteilich, denn innerhalb der Partei gab es bereits eine Gruppe, welche sich
Hitler unterstellen wollte.

Obwohl mit der am Salzburger Parteitag beschlossenen Wahlenthaltung bei


der Nationalratswahl einer der Salzburger Beschlüsse selbst von hohen
Parteifunktionären, z. B. Hans Prodinger (Führer der nationalsozialistischen Partei
in Salzburg), in Frage gestellt wurde, hielt man sich für die Nationalratswahlen
daran.106 In Kärnten kandidierte die DNSAP trotz der beschlossenen
Wahlenthaltung bei den Landtagswahlen am 21. Oktober 1923. Die Entscheidung,
in Kärnten anzutreten, obwohl die Wahlenthaltung beschlossen worden war,
wurde mit dem Kärntner Sonderstatus als Grenzland argumentiert. Man riskiere
durch eine Wahlenthaltung nämlich, die Slowenen und ihre
Unabhängigkeitsbewegung sowie die SDAP zu stärken. Dies müsse verhindert
werden.107 Trotzdem löste der Antritt bei anderen Parteien wie der SDAP
Verwunderung aus. So wurden in der sozialdemokratischen Parteizeitung die
Gründe für ein Antreten der Nationalsozialisten in Kärnten traditionell anders
gesehen. Die DNSAP Kärnten habe sich demnach lediglich zu diesem Schritt
entschlossen, um „dem Herrn Volksgenossen Michner das Mandat zu sichern“.108
Dies könnte tatsächlich eine Rolle gespielt haben, ist aber nach aktuellem
Quellenstand nicht überprüfbar. Zumindest hatte die DNSAP 1923 nach der

104 Stockhorst, Erich: Fünftausend Köpfe. Wer war was im Dritten Reich, Baden 1967, S. 342f.
105 Walzl, August: „Als erster Gau…“. Entwicklungen und Strukturen des Nationalsozialismus in
Kärnten, Klagenfurt 1992, S. 16.
106 Freie Stimmen, 6. 11. 1923, S. 2.
107 Burz, Bewegung, S. 66.
108 Arbeiterwille, 2. 10. 1923, S. 9.

33
Stabilisierungsphase der Partei bereits die Stärke, allein in die Kärntner
Landtagswahlen zu gehen.

Aus demselben Zeitungsbericht des Arbeiterwille geht hervor, wie die


Kärntner Nationalsozialisten sich um Stimmen für die Landtagswahl bemüht
haben. Darin wird nämlich ein Aufruf der DNSAP, vermutlich in Form von
Straßenplakaten, in missbilligender Weise zusammengefasst. Dieser Aushang
beschäftige sich

„[…]- wer hätte anderes erwartet? – vor allem mit den Juden…. Dann
kommt noch eine spaltenlange Beteuerung, dass ‚man allein in den
Wahlkampf ziehe‘ und dass die Türkei einen hervorragenden Mann hätte,
den Kemal Pascha, der zum Leidwesen der Hakenkreuzler nicht aus
Krumpendorf stammt, sonst […] würde er sicherlich als Listenführer für den
Landtag aufgestellt werden.“109

Der Rest des Aufrufes sei laut Arbeiterwille nicht von Belang und wurde
deshalb nicht angeführt. Vermutlich waren die anderen Punkte jedoch nicht so
einfach zu verunglimpfen, wie z. B. die Instrumentalisierung von Kemal Pascha für
die DNSAP. Diese Vereinnahmung der nationalsozialistischen Bewegung war bis
dato lediglich aus Deutschland bekannt110, wurde aber anscheinend zumindest in
Kärnten für den Landtagswahlkampf 1923 übernommen. Dies geht aus dem eben
angeführten Beitrag hervor.

Tatsächlich konnte die DNSAP beim erstmaligen alleinigen Antritt bei


Kärntner Landtagswahlen ihr Mandat behaupten. Dazu waren aufgrund einer
neuen Wahlkreisordnung nur 3991 Wählerstimmen notwendig. Diese Anzahl
konnten sie um 764 Stimmen überbieten. Die Stimmenanzahl in Ober- und
Unterkärnten fiel beinahe gleich aus (2427 zu 2428).111 Was intern wohl als Erfolg
angesehen wurde, den Einzug in den Landtag bei selbstständigem Wahlantritt zu
schaffen, wurde von den Gegnern belächelt, da die Ansprüche der
nationalsozialistischen Bewegung in ihrer Agitation andere waren. So sprach die
SDAP-Parteizeitung von einer „geradezu furchtbaren Niederlage des großdeutsch-
hakenkreuzlerischen Gedankens am 21. Oktober“.112 Auch die der NS-Bewegung
nahestehende GDVP konstatiert, dass „[d]er Wahlausgang […] der

109 Arbeiterwille, 2. 10. 1923, S. 9.


110 Ihrig, Stefan: Atatürk in the Nazi Imagination, Cambridge - London 2014.
111 Burz, Bewegung, S. 67.
112 Arbeiterwille, 16. 11. 1923, S. 10.

34
nationalsozialistischen Kinderspielerei mit der n a t i o n a l e n D i k t a t u r [Herv.
i. O.] ein rauhes Ende bereitet“ hat.113

Den Aufbau einer nationalsozialistischen Diktatur in Österreich als


„Kinderspielerei“ zu bezeichnen, streicht bereits den jugendlichen Charakter jener
Gruppe innerhalb der Partei hervor, welche den revolutionären Weg suchen
wollte. Dieser Weg wurde ja bereits 1923 von Esser und Hitler am Parteitag in
Salzburg gefordert und größtenteils von den jüngeren Parteianhängern unterstützt.
Die endgültige Spaltung der Partei 1926 war, wie Burz gezeigt hat, ein
Generationenkonflikt zwischen den jüngeren Revolutionären und den vornehmlich
älteren „moderaten“ Parteigängern.114 Aber nicht erst 1926, sondern bereits 1923
dürfte diese Unterscheidung zugetroffen haben. Dafür spricht zumindest die
Bezeichnung des Aufbaues einer nationalsozialistischen Diktatur als
„Kinderspielerei“.

2.4 Radikalisierung und Spaltung der Partei 1924–1926


Die Radikalisierung und Spaltung der Partei wurde schon 1923 mit dem
bereits genannten Parteitag in Salzburg eingeleitet. Letztere konnte im vorherigen
Kapitel im Zusammenhang mit der Wahlenthaltung erläutert werden, nun soll die
militaristische Radikalisierung der DNSAP verdeutlicht werden. Diese wurde
ebenfalls bei dem vieldiskutierten Parteitag in Salzburg beschlossen. Dort wurde
nämlich auch der Ausbau der Ordnertruppen besiegelt. Diese innerparteiliche
Aufrüstung sei weit wichtiger als vergeblich Kraft für einen Wahlkampf zu
vergeuden. Ein solcher habe ohnehin keinen Nutzen für den Aufbau einer
nationalen Diktatur, im Gegensatz zu einer kräftigen und starken Kampftruppe.
„Vaterländischer Schutzbund“ wurde beim Parteitag in Salzburg als Name für die
kämpfende Ordnereinheit verkündet.115

Auch wenn es schon vorher in Kärnten nationalsozialistische Ordnertruppen


gab, welche oft gemeinsam mit dem Kärntner Heimatschutz auftraten, wurden
diese gezielt ab 1923/24 ausgebaut. Dies ist wenig verwunderlich, denn der
Nachfolger Michners wurde noch 1923 Walter Rentmeister, welcher nicht nur als

113 Freie Stimmen, 24. 10. 1923, S. 1.


114 Burz: Bewegung, S. 75.
115 Salzburger Volksblatt, 16. 8. 1923, S. 2.

35
Schriftleiter der Kärntner Volkszeitung und des Kärntner Volkswille, sondern vor
allem bereits als Gründer des Vaterländischen Schutzbundes in Kärnten aktiv war.
Seine Wahl an die Parteispitze in Kärnten bedeutete eine Ablösung des
„Parlamentariers“ Michner und eine Forcierung der hitlertreuen, radikalen Politik.
Trotz des gescheiterten Münchner Putsches im November 1923 war in Kärnten
eine Begeisterung innerhalb der Partei für Hitler wahrzunehmen.116

So wurde noch im selben Monat ein Schreiben von der Kärntner


Landesleitung der DNSAP nach München geschickt, in welcher noch Hoffnung für
die „Münchner Sache“ bekundet wurde. Darüber hinaus wurde finanzielle
Unterstützung aus Kärnten versprochen. Auch in den folgenden Monaten kam es
zu weiteren Loyalitätsbekundungen und als Hitler die österreichische
Staatsbürgerschaft aberkannt wurde, hagelte es Proteste aus Kärnten. Wenig
überraschend sollte Hitler, nach dessen Freilassung, ein Geschenk seiner
Kärntner Parteigenossen erwarten. Neben Rentmeister waren es aber auch die
vier aus Deutschland geflüchteten Münchner Putschisten (Josef Berchtold,
Hermann Esser, Julius Schaub und Hermann Kriebel), die nun in Kärnten für
Radikalisierung und Hitlertreue eintraten. Ihre Auftritte bei Versammlungen dürften
darüber hinaus eine wichtige Rolle bei der beinahe Verdoppelung der Kärntner
Ortsgruppen im Zeitraum zwischen 1923 und 1924 gespielt haben.117

Diese Befunde erwecken zwar den Eindruck, dass die Kärntner DNSAP
bereits 1923/24 gänzlich auf Hitlers Kurs eingeschwenkt wäre, aber dies war nicht
der Fall. Auch wenn Rentmeister für einen solchen eintrat, war Michner (er war
noch immer einziger nationalsozialistischer Landtagsabgeordneter in Kärnten) der
Schulz-Richtung zuzuordnen. Des Weiteren war neben der eben dargelegten
Kärntner „Hitler-Hysterie“ gleichzeitig auch ein Bekenntnis zu Schulz zu
vernehmen. Dieser wurde, solange er die Bewegung in Hitlers Sinne führte,
ebenfalls unterstützt.118 Dies ist ein Hinweis darauf, dass die Partei 1924 noch
nicht völlig gespalten war und Schulz noch nicht im direkten Gegensatz zu Hitler
stand. Wer hitlertreu war, musste anscheinend (noch) nicht schulzfeindlich sein.
Selbst Michner, welcher in der Literatur als Vertreter der Schulz-Richtung und des

116 Elste/Hänisch: Weg, S. 33–36; Burz: Bewegung, S. 95f. und Moschner, Richard: Kärnten. Die
Gaue seit der Machtergreifung, Berlin 1940, S. 21.
117 Elste/Hänisch: Weg, S. 36f und S. 48 und Burz, Bewegung, S. 68f.
118 Elste/Hänisch: Weg, S. 37.

36
Parlamentarismus gilt, soll bei der Sitzung des Kärntner Landtages am 7.
November 1923 eher den Eindruck vermittelt haben, den Münchner Weg zu
gehen. Dafür spricht zumindest die sozialdemokratische Sicht dieser Sitzung, in
welcher Michner bereits den in der Nacht des nächsten Tages losschlagenden
Hitlerputsch wohlwollend vorweggenommen hat:

„Sodann spricht Herr Michner, der einzige Vertreter des ‚nationalen


Sozialismus‘ im Landtage, der schwulstiges Zeug, das nach Hitler und
Münchner Weißwürsten roch, sagte. Nur einmal nahm er sich einen Anlauf
und rief: Wir hoffen, dass es in Deutschland bald losgehen wird! [Herv.
i. O.]“119

Es bestehen also keine Zweifel daran, dass zu dieser Zeit (1923/24) ein
österreichischer Anhänger Hitlers gleichzeitig ebenfalls Parteigänger von Karl
Schulz sein konnte, wenn sogar der Kärntner Parteiobmann der österreichischen
Nationalsozialisten und Vertreter des Schulz-Flügels, sich positiv über die Politik
Hitlers äußerte.

Nachdem es Rentmeister 1926 nach Wien zog, wo er später erster Gauleiter


der NSDAP-Hitler-Bewegung wurde, schlug das Pendel in Kärnten wieder stärker
in die Richtung der Schulz-Fraktion aus. Julius Ortis, neuer Gauleiter Kärntens,
war Parlamentarier und verfolgte diese Richtung. Über ihn und seine Politik ist
aber ansonsten kaum etwas bekannt. Ortis haben wir lediglich als einen der ersten
Nationalsozialisten in Kärnten kennengelernt, da er z. B. auf der ersten
Wahlwerberliste der DNSAP zur Nationalversammlungswahl 1919 kandidiert hat.
Vermutlich wurde er rasch wieder abgesetzt und von Heinrich Schmidt, nun nicht
mehr bloß Gauleiter der Steiermark, sondern zusätzlich auch von Kärnten,
vertreten.120

Im März 1926, wurde Hans Mazenauer Parteiobmann der DNSAP in


Kärnten. Er wurde ursprünglich als solcher eingesetzt, um das von Schulz
vertretene „parlamentarische“ Konzept der Partei zu wahren.121 Diese Hoffnung
sollte sich aber nicht bewahrheiten, was sich bereits am 26. August 1926 zeigen
sollte. An diesem Tag fand in Passau eine Tagung der deutschen und
österreichischen Nationalsozialisten statt. Letztere waren (noch innerparteilich) in

119 Arbeiterwille, 9. 11. 1923, S. 9.


120 Holzmann: SA (E-Book), Pos. 3800–3820, Elste/Hänisch: Weg, S. 37 und Kap. 2.2 (S. 20)
dieser Arbeit.
121 Elste/Hänisch: Weg, S. 38.

37
den parlamentarisch, gewerkschaftlichen Schulz-Flügel und in die Hitlerbewegung
Richard Suchenwirths, welcher bereits im Mai 1926 von der deutschen NSDAP-
Leitung in München als Nachfolger für den moderaten Schulz angedacht war,
gespalten.122 In Passau wollte Hitler den Richtungsstreitigkeiten der
österreichischen Partei ein Ende setzen, indem er einen gänzlichen
Führungsanspruch über die österreichische Partei stellte und deren Eingliederung
in die Reichsdeutsche NSDAP forderte. Selbstverständlich wurde dies von
Suchenwirth und seinen Gefolgsleuten angenommen, da sie damit ihr Ziel, die
Vereinigung mit der deutschen NSDAP, erreicht hatten. Die Schulz-Fraktion wollte
diesem Aufruf jedoch nicht Folge leisten.123 Als Gründe dafür werden häufig die
antiösterreichische Stellung Hitlers in der Südtirolfrage, aber vor allem der
antiparlamentarische sowie antigewerkschaftliche Kurs Hitlers genannt.124 Somit
existierten von nun an in Österreich die alte DNSAP unter Karl Schulz und die
neugegründete NSDAP (Hitlerbewegung) unter Adolf Hitler, in Österreich vertreten
von Richard Suchenwirth.

Bei der Passauer Tagung waren Burz zufolge zwei Vertreter aus Kärnten
anwesend, Ferdinand Scheriau und Hans Mazenauer. Beide erwiesen sich, wie
bereits angedeutet, Hitler gegenüber loyal. Dies geht aus dem NS-Presseorgan
der Schulz-Fraktion, der Deutschen Arbeiter-Presse hervor. Darin wurde
angekündigt, Mazenauer und Scheriau für deren Haltung bei der Passauer
Tagung zu tadeln.125 Aber auch aus weiteren Presseschreiben geht hervor, dass
Kärnten unter jenen Bundesländern war, die alsbald ihre Loyalität zu Hitler
bekundet haben.126

Die eben erwähnte Behauptung, Mazenauer und Scheriau wären bei der
Passauer Tagung anwesend gewesen, stützt sich lediglich auf einen Artikel in der
Deutschen Arbeiter-Presse, wonach diese beiden Parteivertreter aufgrund ihrer
Entscheidung bei der Passauer Tagung maßgeregelt werden sollten. Gegen die
These, dass beide Parteigänger bei der Tagung anwesend waren, spricht ein
Artikel der Freien Stimmen vom 14.10.1926. Darin heißt es:

122 Kellerhoff, Sven Felix: Die NSDAP. Eine Partei und ihre Mitglieder, Stuttgart 2017, S. 122.
123 Whiteside, Andrew Gladding: Austrian National Socialism before 1918, Den Haag 1962, S. 122.
124 Arbeiterwille, 27. 8. 1926, S. 9 und Vorarlberger Tagblatt, 27. 8. 1926, S. 1.
125 Burz: Bewegung, S. 74.
126 Arbeiterwille, 27. 8. 1926, S. 9 und Reichspost, 31. 8. 1926, S. 4.

38
„Für Kärnten wurde erhoben, dass der Vertreter Herr Scheriau gegen
den ausdrücklichen Beschluss der Landesparteileitung im letzten Moment
von Herrn Mazenauer nach Passau entsandt worden war und in keiner
Weise berechtigt war, die Erklärung im Namen des Landes Kärnten
abzugeben.“127

Somit lag die ‚Fehlleistung‘ Mazenauers vermutlich darin, Scheriau nach


Passau zu schicken und ihn mit nicht vorhandenen Vollmachten auszustatten.
Dafür spricht zumindest noch ein weiterer Artikel, welcher im Vorarlberger Tagblatt
erschienen ist. Darin wird erklärt, dass die Kärntner Landesleitung sich sogar noch
während der Tagung darum bemühte, die Bekundungen des Kärntner Vertreters
(in der Einzahl und nicht in der Mehrzahl) zu revidieren:

„Es ist also bloße Stimmungsmacherei der Hitlerleute, wenn sie


behaupten, alle Bundesländer stünden geschlossen hinter ihnen. Im
Gegenteil, sie haben mit sehr starken Widerständen zu kämpfen. So z. B.
wurde Hitler in Passau telegraphisch verständigt, dass der Vertreter [Herv.
d. Vf.] Kärntens keinerlei Vollmachten vonseiten seiner Landesleitung
besitze.“128

Hier ist also auch nur die Rede von einem Vertreter, was für die alleinige
Anwesenheit von Scheriau (im Auftrag Mazenauers) spricht. Des Weiteren wird in
diesem von einem Schulz-Vertreter verfassten Beitrag der angeblich
geschlossene Übertritt der Bundesländer zur Hitler-Partei bestritten, sogar von
Widerständen ist die Rede.

Tatsächlich war man sich in ganz Österreich sowie in Kärnten innerhalb der
NS-Bewegung uneinig in der Frage, ob man weiterhin bei Schulz bleiben oder mit
Hitler gehen sollte. Dieser Zwiespalt sollte sich rasch in der Kärntner
Parteienlandschaft (wie in der gesamtösterreichischen) niederschlagen.
Mazenauer wurde „Gauführer“ der Kärntner NSDAP (Hitlerbewegung) und
Michner der alten DNSAP. Die Bezeichnung als „alter“ Parteiflügel trifft nicht nur
aufgrund der längeren Existenz der Partei, sondern auch aufgrund der älteren
Mitgliederstruktur dieser Gruppe zu. Die Hitlerbewegung wurde vornehmlich von
jüngeren, radikalen und revolutionären Parteigängern getragen.129 Für die
unmittelbare Zeit nach der Passauer Tagung kann festgehalten werden, dass die
Kärntner Partei, gleich wie die gesamtösterreichische weder geschlossen für noch

127 Freie Stimmen, 14. 9. 1926, S. 2.


128 Vorarlberger Tagblatt, 1. 9. 1926, S. 4.
129 Burz: Bewegung, S. 74.

39
gegen einen Übertritt zur Hitlerbewegung eintrat. Von 36 Ortsgruppen in Kärnten
waren vorerst 6 bereit, sich Mazenauer zu unterstellen und in die NSDAP
(Hitlerbewegung) einzutreten. Dies zeigt, dass kurz nach der Passauer Tagung die
Mehrheit (83,33 %) der nationalsozialistischen Ortsgruppen noch nicht bereit war,
zur NSDAP (Hitlerbewegung) überzutreten.

In Kärnten standen sich die beiden Parteien nun rivalisierend gegenüber,


was sogar zu handgreiflichen Konflikten bei Versammlungen führte, so z. B. bei
einem Auftritt Mazenauers im Oktober 1926 in Villach. Ausgetragen wurden diese
zumeist vom Vaterländischen Schutzbund und von der neuaufgestellten SA.
Ersterer stand weiterhin hinter Michner und seiner Partei, letztere wurde von
Mazenauer in den hitlertreuen Ortsgruppen aufgestellt.130

In den nachfolgenden Kapiteln wird die Schulz-Partei nicht mehr als DNSAP
bezeichnet, auch wenn sie vereinzelt in der Literatur auch nach 1926 als solche
bezeichnet wird.131 Zeitgenössische Presserzeugnisse bezeichnen jedoch auch
die Gruppe der Nationalsozialisten unter der Führung von Schulz von nun als
„Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei“ – also NSDAP. So weist der
Arbeiterwille auf ein kommendes Bündnis zwischen der GDVP und der
„Nationalsozialistische[n] Deutsche[n] Arbeiterpartei“ hin, womit die Schulz-
Richtung gemeint ist. Die abgespaltene Richtung Hitlers wird nämlich im selben
Beitrag gesondert als „Hitler-Partei“ erwähnt, da diese Gruppe sich dem Bündnis
nicht anschließen möchte.132 Auch bei einer Wahlversammlung in Villach ist von
der „Nationalsozialistische[n] Deutsche[n] Arbeiterpartei“ die Rede, und da dort der
Abgeordnete Michner als Redner auftrat, muss damit die Schulz-Richtung gemeint
sein.133 Auch in den Freien Stimmen wird vom „Anschluss der
nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei“ unter dem Abgeordneten
Michner an die Einheitsliste berichtet.134 Es deutet also einiges darauf hin, dass
1927 die Schulz-Richtung auch als NSDAP bezeichnet wurde und zur
Unterscheidung die Hitler-Partei den Zusatz „Hitlerbewegung“ führte. Deshalb wird
in weiterer Folge nicht mehr die Bezeichnung DNSAP verwendet, da dieser Name

130 Elste/Hänisch: Weg, S. 38 und 65.


131 So z. B. bei Anderwald: Front, S. 111ff.
132 Arbeiterwille, 24. 2. 1927, S. 7.
133 Arbeiterwille, 18. 3. 1927, S. 11.
134 Freie Stimmen, 5. 4. 1927, S. 2.

40
in zeitgenössischen Erzeugnissen und auch bei der gängigsten Literatur zum
Thema nicht mehr benützt wird. Aus diesem Grund wird nachfolgend entweder
dezidiert auf die Schulz- oder Hitlerbewegung verwiesen.

Zu einer Wahlkonfrontation der beiden Parteien kam es erstmals 1927 bei


den Kärntner Landtagswahlen, welche am Beginn des nachfolgenden
Hauptkapitels thematisiert werden.

3 Von einer Splitterpartei zur führenden nationalen


Bewegung 1927–1933

3.1 Zwei rivalisierende nationalsozialistische Parteien


1927–1928
Die beiden nationalsozialistischen Parteien traten bei den im April 1927
stattfindenden Landtagswahlen in Kärnten getrennt voneinander an. Die NSDAP
(Schulz-Richtung) mit ihrem Parteiobmann Michner schloss sich der CSP und der
GDVP unter der Bezeichnung „Einheitsliste“ an. Neben Michner erhielt dieses Mal
auch Alois Lichtenegger einen Listenplatz.135 Der Beitritt der Schulz-Partei zur
Einheitsliste ist aber erst Anfang April zustande gekommen. Darüber berichten
erstmals am 5. April, also nur 19 Tage vor der Landtagswahl, das Kärntner
Tagblatt und die Freien Stimmen, die Presseorgane der verbündeten CSP und
GDVP. Im Kärntner Tagblatt wird von einer „wertvolle[n] Verstärkung“ berichtet,
welche durch die Nationalsozialisten „in letzter Stunde“ aufgeboten werden
konnte. In den Freien Stimmen wird ebenfalls der „Anschluss der
nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei“ unter Michner zur Einheitsliste
verkündet.136 Der damalige Gauführer der NSDAP (Hitlerbewegung) in Kärnten,
Ernst Priessnitz, war über diese Feststellung erbost und schickte den Freien
Stimmen ein Schreiben zur Richtigstellung. Dieses wurde dort tatsächlich
abgedruckt. Darin wird Michner von Priessnitz nur als „Landesobmann eines
Bruchteiles der Nationalsozialisten“ bezeichnet, welcher nicht stellvertretend für
alle Nationalsozialisten kandidieren könne. Die Freien Stimmen sahen dies
natürlich anders und verwiesen auf Hitlers Haltung in der Südtirolfrage, die im
135 Anderwald: Front, S. 111.
136 Kärntner Tagblatt, 5. 4. 1927, S. 1 und Freie Stimmen, 5. 4. 1927, S. 2.

41
heimattreuen Kärnten zu einer gänzlichen Abkehr der Menschen von der
Hitlerbewegung geführt habe. Deshalb wäre Michner der wahre Führer aller
Kärntner Nationalsozialisten, welche geschlossen am 24. April die Einheitsliste
wählen müssten.137

Die NSDAP (Hitlerbewegung) schloss sich der ebenfalls völkischen


„Kipperpartei“ des Grazer Schriftstellers Hans Kipper an. Mit dieser Partei trat man
gemeinsam als Völkisch-sozialer Block (VSB) zur Kärntner Landtagswahl an.
Severin Janschütz konnte für den ersten Listenplatz gewonnen werden. Der
Spitzenkandidat, der bereits bei Land- und Hagebund aktiv war, sollte vor allem
die bäuerlichen Wähler mobilisieren. Der Einfluss Hitlers wurde mit dem
zweitplatzierten Hugo Herzog sichergestellt. Als Wahlziel wurden 18 000 Stimmen
der Kärntner Bevölkerung ausgegeben.138 Über das Antreten der Hitlerbewegung
zur Kärntner Landtagswahl erfuhr man sogar noch später als über jenen der
Schulz-Linie. Der Arbeiterwille berichtet erst am 10. April über einen „Völkisch-
sozialen Block“ der Nationalsozialisten (aber noch kein Wort vom Bündnis mit der
„Kipperpartei“). Vor allem amüsiert sich der Bericht nun über die Frage, wen denn
der Abgeordnete Michner nun vertreten wolle, wenn nun noch eine
nationalsozialistische Partei antrete.139 Vor allem in den Freien Stimmen wurde
Stimmung gegen den VSB gemacht. So schlugen sich bei einer
Wählerversammlung des neuformierten Blockes angeblich die kommunistischen
und hitlertreuen Parteigänger, sodass das Blatt zu folgendem Ergebnis gekommen
ist: „Zusammenfassend muss gesagt werden, dass man diese Wählergruppe
wirklich nicht ernst nehmen kann und dass es sich nicht lohnt, ihre
Versammlungen zu besuchen“. Im gleichen Bericht wird außerdem der
Namensgeber der koalierenden Kipper-Partei als Holzhändler dargestellt, welcher
nicht nur von Juden finanziell unterstützt wurde, sondern ihm wurde selbst
Geldverleih und Wucher vorgeworfen.140

Im weiteren Verlauf des Wahlkampfes verlautbarten die Freien Stimmen


sogar die Hitler-Partei hätte eine Wahlempfehlung für die Einheitsliste

137 Freie Stimmen, 12. 4. 1927, S. 2.


138 Anderwald: Front, S. 112 und Elste/Hänisch: Weg, S. 66.
139 Arbeiterwille, 10. 4. 1927, S. 15.
140 Freie Stimmen, 14. 4. 1927, S. 2.

42
abgegeben.141 Noch haltloser war die Behauptung vom 21. April 1927, die NSDAP
(Hitlerbewegung) hätte „ihre Wahlwerberlisten für den Nationalrat und für den
Landtag zurückgezogen“. Die daraus resultierende Verminderung der
wahlwerbenden Parteien wurde selbstverständlich vom Blatt begrüßt.142 Nur einen
Tag später, also nur mehr zwei Tage vor der Wahl, wurde diese Aussage sogar
noch einmal bekräftigt und unter dem Titel „Die Hitlerleute kommen zur Vernunft“
veröffentlicht. Dem Artikel zufolge hätte die Hitler-Gruppe die Aussichtslosigkeit
ihrer Kandidatur eingesehen und die Zersplitterung, welche vor allem der
Sozialdemokratie nütze, gestoppt, indem sie sich aus der Wahl zurückgezogen
hätten. Der VSB stünde zwar noch zur Wahl, aber ohne nationalsozialistische
Wahlwerber. Somit sei die Partei für jeden völkischen Wähler unwählbar
geworden.143 Diese Aussagen, für die sich keine Anhaltspunkte in der
wissenschaftlichen Literatur finden ließen, können wohl als Wahlpropaganda der
GDVP und der koalisierenden Schulz-Partei in Kärnten angesehen werden.
Vermutlich stellte der Antritt der Hitlerbewegung eine ernstzunehmende
Konkurrenz für die nationalsozialistischen Wähler der Einheitsliste dar, weshalb
diese Unwahrheiten über den konkurrierenden VSB in der Parteipresse verbreitet
wurden.

Das Ergebnis der Wahl bedeutete für keine der beiden Parteien einen
Fortschritt. Das Wahlziel der NSDAP (Hitlerbewegung) von 18 000 Stimmen für
den VSB wurde weit verfehlt. Er erreichte bei der Kärntner Landtagswahl 5 230
Stimmen und damit 3,03 %, was immerhin ein Mandat im Landtag bedeutete.
Dieses wurde bis Oktober 1929 vom bäuerlichen Spitzenkandidaten Severin
Janschütz und danach vom hitlertreuen Hugo Herzog wahrgenommen. 144 Alois
Michner konnte erneut mit den Stimmen der Einheitsliste in den Landtag einziehen
und dort sein langjähriges Mandat weiterhin ausüben.

141 Freie Stimmen, 15. 4. 1927, S. 3 und 16. 4. 1927, S. 10.


142 Freie Stimmen, 21. 4. 1927, S. 2.
143 Freie Stimmen, 22. 4. 1927, S. 2.
144 Anderwald: Front, S. 120 und Elste/Hänisch: Weg, S. 66.

43
3.2 Niedergang der Schulz-Partei und Aufstieg der
Hitlerbewegung 1929–1932
Von nun an verlor die Schulz-Gruppe in Kärnten rasch an Einfluss, während
die Hitlerbewegung einen Aufschwung verzeichnen konnte. Innerhalb eines
Jahres (31.13.1928 bis Ende 1929) konnte letztere ihren Mitgliederstand fast um
ein Drittel erhöhen (von 590 auf 750).145 Für die Schulz-Richtung gibt es keine
verfügbaren Mitgliederzahlen, aber eine gegenteilige Entwicklung dürfte dort
vorgeherrscht haben. Dafür spricht der Parteiwechsel von Parteiführern wie Moritz
Czeitschner oder Alois Michner. Ersterer war bereits im Juni 1927 zur Hitler-Partei
gewechselt, da diese ihm dynamischer erschien. Alois Michner legte sein Mandat
im Kärntner Landtag am 30. März 1928 zurück und übergab es an Alois
Lichtenegger, um im November 1929 zur NSDAP (Hitlerbewegung) zu wechseln.
Kurz vor dem Eintritt in die Hitlerbewegung von Michner wurde am 30. September
1929 zwischen der „bedeutungslos gewordenen Schulz-Richtung“ und der
Hitlerbewegung ein Burgfriede vereinbart.146

Die Schulz-Partei war somit bereits vor dem Burgfrieden vom September
1929 ein sinkendes Schiff und wurde schließlich von der Hitlerbewegung
absorbiert. Dort war seit 1. September 1927 Hugo Herzog Gauleiter von Kärnten –
von Hitler persönlich zum selbigen ernannt. Herzog nahm als solcher auch ab
Oktober 1929 das Landtagsmandat von Severin Janschütz in Anspruch.147

Infolge der Absorption der Schulz-Partei trat im Unterschied zu 1927 bei der
Landtagswahl im November 1930 lediglich die NSDAP (Hitlerbewegung) als Partei
an. Dieses Mal war sie bereits stark genug, um ohne Wahlbündnis antreten zu
können. Zudem wurde der Wahlkampf bereits aus München gesteuert und von
den Spitzenkandidaten Hugo Herzog und Moritz Czeitschner geführt. Vermehrten
Wählerzuspruch versprach man sich durch die kürzlichen Erfolge der
reichsdeutschen NSDAP.148 Es scheint, als ob die NSDAP (Schulz-Gruppe) sich
1930 in Kärnten nach dem geschlossenen Burgfrieden noch nicht gänzlich
unterworfen hätte, aber in der allgemeinen Wahrnehmung als Teil der

145 Elste/Hänisch: Weg, S. 80.


146 Elste: Elite, S. 37 und Anderwald: Front, S. 126.
147 Anderwald: Front, S. 126.
148 Anderwald: Front, S. 126.

44
Hitlerbewegung angesehen wurde. Dafür spricht zumindest ein Zeitungsbericht
der Freien Stimmen, worin sich die Schulz-Gruppe über ihrer Auflösung zu Wort
gemeldet hat:

„Entgegen Gerüchten, dass die nationalsozialistische Arbeiterpartei


Österreichs (Schulzgruppe) sich in Kärnten aufgelöst und in die Reihen der
Hitlerbewegung eingetreten sei, wird bekanntgegeben, dass dies nicht den
Tatsachen entspricht. Von einem Alleingehen in den Wahlkampf seitens
der Nationalsozialistischen deutschen Arbeiterpartei (Schulzgruppe) in
Kärnten wurde in Anbetracht der nationalen Wähler und
Wirtschaftsgruppen abgesehen und die Wahl jedem Mitglied nach freiem
Ermessen anheimgestellt.“149

Die nationalsozialistische Schulz-Gruppe dürfte 1930 in Kärnten bereits


bedeutungslos gewesen sein, denn sonst wäre die Partei zumindest in einer
Wahlkoalition mit einer anderen Partei zu den Landtagswahlen angetreten und
hätte nicht über eine Zeitung ihre eigene Auflösung abstreiten müssen. Zu dieser
Zeit war der Wahlkampf der Kärntner Hitlerbewegung bereits seit etwa einem
Monat im Gange.

Die Feiern zum 10. Jahrestag der Kärntner Volksabstimmung zwischen dem
9. und 12. Oktober 1930 wurden von den meisten Parteien noch abgewartet,
bevor mit dem Wahlkampf begonnen wurde. Eine Ausnahme bildete Karl
Anderwald zufolge die NSDAP (Hitlerbewegung), die bereits am 4. und 5. Oktober
einen wahlwerbenden Gauparteitag in Völkermarkt abhielt.150 In den Freien
Stimmen finden sich jedoch kaum Hinweise auf eine besondere
Instrumentalisierung des Parteitages für den Kärntner Wahlkampf. Lediglich der
Linzer Gauleiter Alfred Proksch verwies abschließend auf den 9. November als
„Auferstehungstag des Volkes“. Ansonsten standen vor allem die
Abstimmungsfeiern und die Rede von Georg Strasser aus München im Fokus.
Anschließend an den Parteitag wurden noch in einer Besprechung der
Parteiführer die Nationalrats- und Landtagslisten von der NSDAP
(Hitlerbewegung) erarbeitet.151

Da die NSDAP (Hitlerbewegung) in Kärnten zu dieser Zeit weiterhin kein


eigenes Parteiblatt hatte, es zu keiner Wahlkoalition mit einer größeren Partei kam
und sie von den anderen Parteien nicht als großer Konkurrent gesehen wurde,
149 Freie Stimmen, 6. 11. 1930, S. 4.
150 Anderwald: Front, S. 128.
151 Freie Stimmen, 8. 10. 1930, S. 6.

45
schlug sich der NS-Wahlkampf kaum in den Kärntner Zeitungen nieder. Einzig die
Villacher Zeitung erlaubt diesbezüglich tiefere Einblicke. Mithilfe dieses Blattes
konnte die Behauptung von Anderwald, dass „der Einsatz von Herman Göring am
5. November [als Wahlwerber in Kärnten, Erg. d. Vf.] vorgesehen war und dass
Heinrich Himmler am 8. November in der Villacher Turnhalle sprechen sollte“
daraufhin überprüft werden, ob diese tatsächlich nach Kärnten gekommen sind
oder ob ihr Erscheinen nur angedacht war. Anderwald kann zwar das Vorhaben
von Hugo Herzog, die beiden erwähnten Parteigrößen sowie Rudolf Schmeer
(Führer der NSDAP in Aachen und Mitglied des Reichstages152) aus Deutschland
für den Wahlkampf nach Kärnten zu holen, aufgrund eines Schreibens des
Kärntner Gauleiters Herzog nach München nachweisen, aber er erwähnt nicht ob
es zur Umsetzung dieser Vorhaben gekommen ist.153

Herman Göring sollte tatsächlich am 5. November 1930 in der neuen


Turnhalle in Villach über „Wahrheit und Volksgemeinschaft“ sprechen. Sein Auftritt
wurde, zusätzlich zu einem kurzen Beitrag, auch mit einem eigenen Inserat am
Tag der Versammlung in der Villacher Zeitung angekündigt, wie in Abbildung 1
ersichtlich ist.

Abbildung 1: Ankündigung des Erscheinens von Hermann Göring in Villach am 5. November


1930154

Trotz großer Ankündigung trat Göring bei der Massenversammlung der


NSDAP (Hitlerbewegung) in Villach jedoch nicht auf. „Der Saal war bis auf das
letzte Plätzchen besetzt“, aber nach den Aufmärschen der SA und der
Schutzstaffel (SS) musste der Vorsitzende Herr Czeitschner verlautbaren, „dass
der angekündigte Redner Fliegerhauptmann G o e r i n g [Herv. i. O.] nicht
erscheinen konnte“. An dessen Stelle sprach der Wiener Gauleiter, Alfred Eduard
Frauenfeld, welcher in seiner Rede hauptsächlich gegen die CSP, die SDAP, den
Schoberblock und den Landbund (LB) Stimmung machte. Czeitschner musste

152 Stockhorst: Köpfe, S. 383.


153 Anderwald: Front, S. 129.
154 Villacher Zeitung, 5. 11. 1930, S. 3.

46
gegen Ende der Veranstaltung das für den 8. November angekündigte Erscheinen
von Wilhelm Frick widerrufen. Dieser werde „bei der Totengedenkfeier für die
Gefallenen Münchens nicht sprechen […], da er auch so wie G o e r i n g [Herv. i.
O.] an anderer Stelle eingesetzt“ werden müsste. Als Ersatz sollte am 8.
November Heinrich Himmler erscheinen, welcher ähnlich wie Göring mit einem
eigenen Inserat angekündigt wurde.155 Wo Göring am 5. November hinbeordert
wurde, geht aus der Villacher Zeitung zwar nicht hervor, aber die Reichspost weiß
zu berichten, dass Herman Göring am 5. November in Linz auf einer
Wahlversammlung aufgetreten ist.156

Im Gegensatz zu Göring erschien Himmler wie angekündigt. Die


Versammlung stand eigentlich im Zeichen der gefallenen Münchner Putschisten,
aber Himmler „gedachte aller Helden des großen Krieges und der Nachkriegszeit“.
Seine weiteren Ausführungen bezogen sich auf den Nationalismus und den
Sozialismus, deren beider Grundlage die „Volksgemeinschaft“ sei. Abermals soll
die Veranstaltung sehr gut besucht gewesen sein.157 Die Ankündigung der beiden
großen Parteiführern aus Deutschland hatte also stets einen Besucherandrang zur
Folge. Im Gegensatz dazu gab es bei nationalsozialistischen Wahlversammlungen
ohne ‚Stargäste“, wie am 21. Oktober, nur einen „etwas mäßigen Besuch“ zu
verzeichnen.158 Somit hatte das Ausschreiben von besonderen Gästen aus
Deutschland einen positiven Einfluss auf die Besucherzahlen der
nationalsozialistischen Veranstaltungen. Von den beiden bei Anderwald
angeführten Parteigrößen Göring und Himmler ist zumindest letzterer erschienen.
Ein Auftreten von Schmeer wurde in der Villacher Zeitung weder angekündigt
noch erwähnt, Frick war zumindest vorgesehen, erschien aber nicht. Das zwar
etwas chaotische und unkoordinierte Erscheinen der Parteigrößen aus
Deutschland dürfte seine Wirkung dennoch nicht verfehlt haben. Neben den
Besucherzahlen spricht auch das Ergebnis der Wahl dafür.

Mit 7,06 % der Stimmen bei den Kärntner Landtagswahlen 1930 erreichte die
Hitlerbewegung ein passables Ergebnis. Erstmals konnten mit Hugo Herzog und
Moritz Czeitschner zwei Abgeordnete einer geeinten NS-Bewegung in den

155 Villacher Zeitung, 8. 11. 1930, S. 5 und S. 7f.


156 Reichspost, 6. 11. 1930, S. 2.
157 Villacher Zeitung: 12. 11. 1930, S. 5.
158 Villacher Zeitung: 25. 10. 1930, S. 5.

47
Kärntner Landtag einziehen.159 Auch bei der gleichzeitig stattfindenden
Nationalratswahl konnte die NSDAP einen Achtungserfolg erzielen. Über 100 000
Stimmen wurden für die Hitler-Partei abgegeben, reichten aber dennoch nicht aus,
um ein Mandat zu erzielen. Aus diesem Grund konstatierten die noch der GDVP
nahestehenden Unterkärntner Nachrichten der NSDAP zwar, eine „ganz schöne
Stimmenanzahl“ erreicht zu haben, sahen diese Stimmen aber aufgrund des nicht
erreichten Mandates als „vollständig vergeblich“ an.160

Möglicherweise gestärkt durch die ersten Wahlerfolge bei den


Landtagswahlen 1930 erhielt die nationalsozialistische Bewegung in Kärnten,
nachdem der Kärntner Volkswille 1921 eingestellt wurde, nach zehn Jahren
wieder eine eigene Parteizeitung. Der Vormarsch, wie die Parteizeitung nun
genannt wurde, wurde vom Gauleiter Hugo Herzog ins Leben gerufen, welcher die
meiste Zeit auch als Verleger und Herausgeber fungierte. Das Blatt erschien
erstmals am 8. Jänner 1931 mit dem Zusatz „Nationalsozialistisches
Nachrichtenblatt“. Dieser wurde aber bereits ab Mitte Februar desselben Jahres
auf „Nationalsozialistisches Kampfblatt für Kärnten“ geändert. Der weitere
Aufwärtstrend der Partei in den Jahren 1931/32 ermöglichte die Herausgabe eines
gleichnamigen, separat erscheinenden Tagesblattes. Dieses erschien aber nur
drei Monate lang, zwischen 1. Juli und 30. September 1932 und nicht wie bei Elste
und Hänisch angegeben nur bis 30. August.161 Die Veröffentlichung eines
Tagesblattes wurde aber auch durch den Kauf von Anteilscheinen durch Leser
und Unterstützer finanziert. Bereits am 19. Dezember 1931 wurde erstmals ein rot
hervorgehobener Aufruf zum Kauf von Anteilscheinen gedruckt, da, so hieß es
dort, der Vormarsch Tageszeitung werden müsse. Nur eineinhalb Monate später,
am 30. Jänner 1932, wurde in diesem stets am unteren Rand auf der vierten Seite
erscheinenden Aufruf bereits das zukünftige Erscheinen der Tageszeitung
angekündigt und weiterhin für das Zeichnen von Anteilscheinen geworben. Zum
letzten Mal erschien diese Einschaltung am 19. März, womit spätestens zu diesem
Zeitpunkt die Finanzierung einer täglich erscheinenden Zeitung gesichert gewesen

159 Anderwald: Front, S. 133 und Klagenfurter Zeitung, 12. 11. 1930, S. 1.
160 Unterkärntner Nachrichten, 15. 11. 1930, S. 2f.
161 Elste/Hänisch: Weg, S. 41f und Beutl et al.: Dokumentation, S. 233–235.

48
sein muss.162 Dreieinhalb Monate später wurde der zusätzlich täglich
erscheinende Vormarsch erstmals gedruckt.

Den Einfluss des Propagandablattes auf die Wahlerfolge beschreiben Elste


und Hänisch als eher gering, da es alles in allem „ein kümmerliches Organ auf
niedrigem Niveau und in bescheidener Auflage“ war. 163 Aber es ist kaum möglich,
dies zu verifizieren bzw. zu falsifizieren. Wenn schon nicht der Einfluss auf die
Wahlergebnisse überprüft werden kann, so ist es zumindest möglich, das 1932
von den Nationalsozialisten initiierte Bemühen um Stimmen aus den bäuerlichen
Schichten nachzuvollziehen. Christian Klösch erwähnt diese Versuche im
Wahlkampf 1932 in Verbindung mit Übertritten von Parteiführern des LB zur
NSDAP.164 Aber gleichsam äußerten sich das nationalsozialistische Umgarnen der
Kärntner Landwirte im wöchentlich erscheinenden Vormarsch. Dieser wurde
nämlich ab 13. Februar 1932 mit einer Beilage, dem sogenannten
Bauernvormarsch versehen.

Darin wird bereits in der zweiten Ausgabe auf die neugegründeten


nationalsozialistischen Bauernschaften verwiesen, in welcher die Bauern
Österreichs „Schulter an Schulter“ mit den reichsdeutschen Bauern unter die
„Fahne Adolf Hitlers“ treten sollten. Während der internationalen Weltwirtschaft die
Sinnhaftigkeit abgesprochen wird, werden die Landwirtschaft und der Bauernstand
als die „Grund- und Eckpfeiler dieses Dritten Reiches“ bezeichnet. Darüber hinaus
wird das nationalsozialistische Agrarprogramm erläutert. Darin wird aber lediglich
noch einmal die wichtige Stellung des Bauern im Nationalsozialismus
hervorgehoben. Zusätzlich werden die vermeintlichen Verfehlungen des
gegenwärtigen Systems aufgezeigt. Dazu zählen zu hohe Steuern für Bauern, zu
niedrige Zölle, welche ausländische Konkurrenz bevorzugen würden, und die
„unzulässig hohen“ Profite der jüdischen Großhändler. Die Lösung dafür scheinen
„deutsches Bodenrecht“ und „deutsche Bodenpolitik“ zu sein. Das bedeutet, das
nur deutsche Volksgenossen einen solchen Boden besitzen und im Sinne der
Volksgemeinschaft bebauen dürfen.165

162 Der Vormarsch (Kampfblatt): 19. 12. 1931, 30. 1. 1932 und 19. 3. 1932, jeweils S. 4.
163 Elste/Hänisch: Weg, S. 43.
164 Klösch: Vasallen, S. 52.
165 Der Bauernvormarsch, 20. 2. 1932, S. 1.

49
Von den anderen Parteien wurden am häufigsten der LB und die CSP
angegriffen, weil man sich hier vermutlich am meisten bäuerliche
Wählerwanderungen zur eigenen Partei erhoffte. So wurde z. B. über mehrere
Ausgaben hinweg dem christlich-sozialen Bauernführer Roggenhofer unterstellt,
den Lavanttaler Bauern eine Subvention unterschlagen zu haben, was im Kärntner
Tagblatt sogleich abgestritten wurde.166 Das Bemühen um Stimmen aus der
bäuerlichen Bevölkerung in Kärnten war auch für die anderen Parteien
offensichtlich. So stellte das Kärntner Tagblatt bereits über einen Monat vor den
Gemeinderatswahlen 1932 fest: „Die N a t i o n a l s o z i a l i s t e n [Herv. i. O.]
arbeiten unermüdlich bis in die letzte Keusche hinauf und ohne Zweifel werden sie
Erfolge erzielen“.167 Kurz vor der Wahl versucht sich das Blatt (derselbe Artikel
erschien zwei Tage später auch noch im Kärntner Bauernbote) noch einmal zu
wehren, musste aber dennoch das Bemühen der Nationalsozialisten um Bauern
weiterhin anerkennen:

„Es gibt keine Ortschaft mehr, auch im Gebirge nicht, wohin die
Hakenkreuzler nicht kämen. […] Vormittags oder nachmittags nach dem
Gottesdienste rücken sie an, 12 bis 20 Braunhemden, darunter Buben, die
noch schulpflichtig sein dürften. [...] Verantwortung tragen sie keine. Dass
sie wirtschaften können, haben sie noch nirgends gezeigt. Vom
Versprechen ist noch niemand satt geworden. […] Wir brauchen keine
Belehrungen durch den ‚Vormarsch‘. Wir haben den Vormarsch nach
Serbien und Italien selbst gemacht zu einer Zeit, wo die meisten der
heutigen Hakenkreuzler noch hinter den Karawanken waren oder in den
Windeln gelegen sind.“168

Das Zitat verdeutlicht ebenfalls die Jugendlichkeit der NSDAP, die deshalb
noch bis dato keine Verantwortung tragen musste, aber das Landvolk mit
Versprechungen zu locken versuchte.

Auch wenn Elste und Hänisch sicher richtig in der Annahme gehen, die
Bauern wären 1932 unter den NS-Wählern im Vergleich zu ihrem Anteil an der
Gesamtbevölkerung noch stark unterrepräsentiert gewesen, ist ein vermehrtes
Eindringen in die landwirtschaftliche Schicht zu dieser Zeit unverkennbar.
Entsprach der Anteil an Selbstständigen (Bauern sind hier inkludiert) 1923 an den
NS-Wählern weniger als ein Drittel des eigentlichen Bevölkerungsanteils, so war

166 Der Bauernvormarsch, 5. 3. 1932, S. 3; 12. 3. 1932, S. 2; 26. 3. 1932, S. 3; 9. 4. 1932, S. 1 und
16. 4. 1932, S. 2.
167 Kärntner Tagblatt: 16. 3. 1932, S. 3.
168 Kärntner Tagblatt: 21. 4. 1932, S. 1, Kärntner Bauernbote: 23. 4. 1932, S. 5.

50
es 1932 nur mehr die Hälfte. Die Stammwählerschaft blieb weiterhin der neue
Mittelstand auch wenn der Anteil an Bauern und Arbeiter etwas zunahm.169
Wenngleich die Bauern in der NS-Wählerschaft noch nicht auf das Niveau ihres
Anteils an der Gesamtbevölkerung kommen konnten, begannen sie zumindest in
der NSDAP-Mitgliedschaft (österreichweit) schlagartig das Niveau der
Gesamtgesellschaft erreichen.170 Bei den Wahlwerberlisten der Nationalsozialisten
in Kärnten schienen nun 21,2 % Bauern auf, was nur mehr 5,5 % unter ihrem
tatsächlichen Bevölkerungsanteil lag. In Landgemeinden, wo vermehrt Bauern
lebten, wurde der Gesamtdurschnitt mit 40,6 % klarerweise übertroffen.171
Außerdem konnte in Kapitel 1 bereits aufgezeigt werden, dass die Landwirte in
Kärnten besonders von der Weltwirtschaftskrise betroffen waren. So kam es zu
dieser klaren Veränderung der sozialen Basis der NSDAP und seiner Wähler. Ob
dieses Eindringen in die bäuerliche Schicht nun mit dem Bauernvormarsch,
welcher zu Beginn des Jahres 1932 erstmals erschien, in Verbindung zu bringen
ist, kann zwar nicht geklärt werden, aber es wäre zumindest möglich, da beide
Vorgänge 1932 stattfanden. Aber es ist zumindest verständlich, warum sich die
NSDAP im landwirtschaftlich dominierten Österreich um Stimmen aus diesem
Milieu bemüht hat, denn es wäre nur mit einer Mobilisierung der Landbevölkerung
möglich gewesen, zu einer einflussreichen Massenpartei zu werden.172

1931/32 konnten die ersten Achtungserfolge bei den Landtagswahlen 1930


noch weiter übertroffen werden. Schließlich hat es die NSDAP geschafft, die
anderen deutschnationalen Parteien aufzusaugen und den Großteil dieses
Wählerpotentials für sich zu vereinen: „Was sie [Großdeutsche Volkspartei und
andere deutschnationale Splitterparteien, Anm. d. Vf.] an Mandaten besaßen,
haben die N a t i o n a l s o z i a l i s t e n [Herv. i. O.] erobert“.173 In Bezug auf den
Ausgang der Gemeinderatswahlen in Kärnten hielt auch das Kärntner Tagblatt auf
seiner Titelseite fest: „Die Nationalsozialisten treten das Erbe der Großdeutschen,

169 Elste/Hänisch: Weg, S. 187 und 190.


170 Botz: Strukturwandlungen, S. 234.
171 Elste/Hänisch: Weg, S. 90.
172 Falter, Jürgen/Hänisch, Dirk: Wahlerfolge und Wählerschaft der NSDAP in Österreich 1927–

1932: Soziale Basis und parteipolitische Herkunft, in: HSR, Supplement, Nr. 25 (2013), S. 233–
259, hier S. 258f.
173 Unterkärntner Nachrichten, 30. 4. 1932, S. 7.

51
vielfach auch jenes des Heimatblocks und Landbundes an“.174 Aber nicht nur bei
den Gemeinderatswahlen in Kärnten, sondern auch bei jenen in der Steiermark
sowie den Landtagswahlen in Niederösterreich, Salzburg und Wien war der
Aufstieg der NSDAP zur wichtigsten nationalen Partei erkennbar. Eine
zeitgenössische Einschätzung in den Unterkärntner Nachrichten lautet, die Wähler
hätten sich gegen

„die Splitterparteien Heimatblock, Großdeutsche und Landbund


entschieden und sich für eine eindeutige, klare nationale Zielsetzung
dokumentiert. Die Wähler haben bekundet, dass sie eine radikalere
Vertretung wünschen. […] Die Nationalsozialisten zogen in Österreich
Stimmen der Großdeutschen, des Heimatblockes, der Christlichsozialen
und des Landbundes auf sich, sie brachen aber auch in den
sozialdemokratischen Besitzstand ein. Die Hakenkreuzbewegung ist die
führende nationale Bewegung in Österreich geworden.“175

Auch wenn diese Angaben nicht nur auf das Abschneiden bei den
Gemeinderatswahlen in Kärnten (es fanden gleichzeitig solche in Wien und der
Steiermark sowie Landtagswahlen in Wien, Niederösterreich und Salzburg statt)
bezogen waren, lässt sich diese Beobachtung, wie eingangs gezeigt wurde, auch
auf Kärnten beziehen. Dafür sprechen nicht nur die zeitgenössischen
Pressestimmen, sondern diese Feststellung wird auch von der wissenschaftlichen
Literatur untermauert. Burz bezeichnet nämlich die Nationalsozialisten als „die
großen Gewinner“ der Kärntner Gemeindewahlen 1931/32, bei welchen sie
vielerorts zur drittstärksten Fraktion aufsteigen konnte.176 Interessant ist, dass im
Ausschnitt aus den Unterkärntner Nachrichten nun die anderen nationalen
Parteien (GDVP, LB und Heimatblock) als Splitterparteien bezeichnet wurden. Die
NSDAP hatte es also geschafft, sich selbst von einer Splitterpartei zur wichtigsten
nationalen Partei zu wandeln.

Die NSDAP war bei den Gemeinderatswahlen in Kärnten 1932 die Partei,
welche am meisten Zuwachs im Vergleich zu 1928 verzeichnen konnte. Sie
schaffte es, ihren Stimmenanteil im Vergleich zu den Gemeinderatswahlen 1928
mehr als zu verachtfachen, von 2 198 auf 18 323 Stimmen (von 1,2 % auf 9,6 %
der Wahlberechtigten). Noch deutlicher wird der Wahlsieg in den Wahlanalysen
von Dirk Hänisch, denn er zeigt auf, dass die insgesamt 9,6 % NS-Wähleranteil in

174 Kärntner Tagblatt, 26. 4. 1932, S. 1.


175 Unterkärntner Nachrichten, 30. 4. 1932, S. 8.
176 Burz: Bewegung, S. 149 und 152.

52
nur 98 von 212 wählenden Gemeinden erreicht wurden. Wenn man nur die
abgegebenen Stimmen in den 98 Gemeinden mit NSDAP-Kandidaturen
betrachtet, erreichten sie dort durchschnittlich sogar 15,7 % der Stimmen aller
Wahlberechtigten. Vor allem in der alten NS-Hochburg, der Eisenbahnerstadt
Villach konnte mit mehr als einem Viertel der Stimmen aller Wahlberechtigten ein
besonders großer Erfolg verzeichnet werden. In Mandaten bedeutete der
Aufwärtstrend ein Anwachsen von 24 im Jahr 1928 auf 337 nur vier Jahre später.
Wenig verwunderlich war der Hauptverlierer der Wahl der bäuerliche LB, welcher
im Vergleich zu 1928 5 % einbüßen musste.177 Ein weiteres Indiz dafür, dass der
WählerInnenfang im bäuerlichen Milieu erfolgreich war.

Aus diesen Auszügen aus zeitgenössischen Zeitungsberichten und der


wissenschaftlichen Literatur lässt sich deutlich ablesen, dass sich die NSDAP in
Österreich bis 1932 von einer Splitterpartei zur wichtigsten nationalen Partei
entwickelte.

3.3 Die Verbotszeit ab 1933


Bis 1933 konnte die NSDAP ihre Wirksamkeit in Österreich stetig erhöhen
und wurde zur Gefahr für den austrofaschistischen Ständestaat unter Engelbert
Dollfuß. 1932 war es bereits zu vereinzelten NS-Terroraktionen gekommen, doch
nach der Regierungsübernahme der Nationalsozialisten in Deutschland und der
Verschärfung des autoritären Systems unter Dollfuß in Österreich setzte im Juni
1933 eine nationalsozialistische Terrorwelle ein. Nach einem Attentat auf eine
Abordnung christlich-deutscher Turner am 19. Juni 1933 in Krems war schließlich
der Anlass gegeben, die NSDAP in Österreich gänzlich zu verbieten.178

Das Parteiverbot kam für die Führer und Mitglieder zwar überraschend,
bedeutete aber kein Abebben der Anschläge, sondern führte zu schwereren
Anschlägen bis August 1933 und einer massiven Böller- und
Sprengstoffattentatsserie zwischen Dezember 1933 und Februar 1934. Unterstützt

177Hänisch: NSDAP-Wähler, S. 100–102.


178Bauer, Kurt: Der Weg zum Juliputsch. Zu Struktur und Dynamik des Nationalsozialismus in der
Steiermark von 1932 bis 1934, in: Halbrainer, Heimo/Polaschek, Martin F. (Hg.), Aufstand, Putsch
und Diktatur. Das Jahr 1934 in der Steiermark, Graz 2007, S. 95–118, hier S. 99 und Jagschitz,
Gerhard: Die Nationalsozialistische Partei, in: Tálos, Emmerich/Dachs, Herbert/Hanisch,
Ernst/Staudinger, Anton (Hg.), Handbuch des politischen Systems Österreichs. Erste Republik
1918–1933, Wien 1995, S. 231–244, hier S. 242–244.

53
wurde die illegale Bewegung in Österreich mit Material (Waffen, Munition,
Sprengstoff etc.) aus dem Deutschen Reich. Diese militärischen Aktivitäten
wurden von einer illegalen Zeitungs- und Flugblattpropaganda begleitet. Die
dauernden Terroraktionen hatten von staatlicher Seite die Verhängung hoher
Strafen sowie die Errichtung von Anhaltelagern für nationalsozialistische
Parteikämpfer zur Folge.179 In Kärnten konnte die Partei vor allem in den
nationalsozialistischen Vereinen weiterhin aktiv bleiben, wie bereits zu Beginn
dieser Arbeit erwähnt wurde.

Im Kärntner Landtag wurde nach dem Parteiverbot den Nationalsozialisten


ihre beiden Mandate aberkannt. 248 führende Parteimitglieder wurden verhaftet,
was Demonstrationen zur Folge hatte. Zu den auffälligsten Aktivitäten der illegalen
NSDAP zählen Valentin zufolge die Störung von Kundgebungen Dollfuß’ in
Klagenfurt und Villach.180 In Kärnten zeigte das Verbot also wie im Großteil
Österreichs keinen Erfolg. Viele der zu Beginn Verhafteten wurden wieder
freigelassen und kehrten unter Jubel Heim in ihre Ortschaften. Vielerorts
sympathisierte man mit den verbotenen Nationalsozialisten. So z. B. im
Lavanttaler Ort Reichenfels. Dort trat der offiziell nicht als Nationalsozialist
geführte, aber mit der Partei ideell verbundene Bürgermeister Johann Weinberger
aus Protest gegen das NS-Parteiverbot zurück. Trotzdem wurde er von den
Gemeinderäten wiedergewählt. Er nahm sein Amt jedoch nicht mehr an und wurde
von einem anderen NS-Sympathisanten abgelöst. Selbst der Landeshauptmann
von Kärnten, Ferdinand Kernmaier, sprach sich öffentlich gegen den
„Vaterländischen Schutzbund“ des österreichischen Ständestaates aus, weshalb
anzunehmen ist, dass nicht nur er und der Kärntner LB, sondern der Großteil der
politischen Führung des Bundeslandes gegen das Verbot der Partei waren.
Kernmaier konnten 1934 sogar Verbindungen zur illegelan NSDAP nachgewiesen
werden, weshalb er im Februar desselben Jahres seines Amtes enthoben
wurde.181

Der Zulauf zur Nationalsozialistischen Bewegung hielt weiter an und war vor
allem in der jungen ländlichen Bevölkerung ungebrochen. Aus dem Kärntner

179 Jagschitz: Nationalsozialistische Partei, S. 243f.


180 Valentin: Sonderfall, S. 60f.
181 Klösch: Vasallen, S. 68f.

54
Lavanttal ist bekannt, dass Propagandamaterial aus Jugoslawien nach Österreich
geschmuggelt wurde. Darüber hinaus wurden häufig Hakenkreuze auf Fassaden
gemalt, in Wiesen gemäht oder auf hohen Gebäuden gehisst. Da die Täter solcher
Aktionen zumeist sehr jung waren, wurde in Kärnten im November 1933 eine
Ausgangssperre ab 20 Uhr für unter 18-Jährige erlassen. Nichtsdestotrotz kam es
zu weiteren Aktionen, die nicht immer gewaltlos blieben und auch Opfer forderten.
In Kärnten wurden in der zweiten Jahreshälfte 1933 in den Lage- und
Wochenberichten des Sicherheitsdirektors des Landesgendarmeriekommandos
14 Sprengstoffanschläge, 17 Sachbeschädigungen, 173 Propagandaaktionen und
41 Böllerexplosionen vermerkt, wobei die tatsächliche Zahl höher gewesen sein
dürfte. 182

Der Höhepunkt der Gewalt war der Juliputsch der Nationalsozialisten im Jahr
1934. Er war kein überraschend auftretendes Ereignis, sondern nur der Gipfel
einer sich zuspitzenden, gewalteskalierenden Situation. Eine solche Entwicklung
lässt sich unter anderem im Lavanttal beobachten, worauf noch genauer
eingegangen wird.183 Gleichfalls kann eine solche Tendenz in der Steiermark, dem
nordöstlich an das Lavanttal angrenzenden Bundesland, nachgewiesen werden.
Hier konnte Bauer aufzeigen, dass es bereits zum Jahreswechsel 1933/34 in der
Steiermark eine vermehrte Anzahl an angezeigten NS-Aktivitäten gab. Diese
gingen zwar aufgrund der Februarkämpfe 1934 kurzzeitig zurück, stiegen jedoch
danach wieder bis zum Juni dieses Jahres an.184 Aber nicht nur regional für das
Lavanttal und die Steiermark, sondern auch für das gesamte österreichische
Staatsgebiet kann festgehalten werden, dass die Terroraktionen der illegalen
NSDAP ab dem März 1934 anstiegen und mit dem Juliputsch ihren markanten
Höhepunkt erreichten.185 Mit dieser Kulmination der Gewalt wird sich das
nachfolgende Kapitel befassen.

182 Klösch: Vasallen, S. 230.


183 Klösch: Vasallen, S. 78.
184 Bauer, Kurt: Der Weg zum Juliputsch. Zu Struktur und Dynamik des Nationalsozialismus in der

Steiermark von 1932 bis 1934, in: Halbrainer, Heimo/Polaschek, Martin F. (Hg.), Aufstand, Putsch
und Diktatur. Das Jahr 1934 in der Steiermark, Graz 2007, S. 95–118, hier S. 99 und 108.
185 Bauer, Kurt: Die Kulmination der Gewalt. Februar und Juli 1934, in: Karner, Stefan (Hg.), Die

umkämpfte Republik. Österreich von 1918–1938, Innsbruck 2017, S. 217–226, hier S. 220.

55
4 Der Juliputsch 1934 in Kärnten
Der Juliputsch in Österreich kann trotz der allgemein feststellbaren Tendenz
der ansteigenden Gewalt kaum als ein in Österreich flächendeckendes, überall
gleich stark einsetzendes Ereignis gesehen werden, denn er zerfällt „in zwei
miteinander lose verbundene Vorgänge – einerseits den Überfall auf das
Bundeskanzleramt in Wien und die Ermordung Dollfuß’, andererseits den NS-
Aufstand in mehreren Bundesländern, der durch den Putschversuch in Wien
ausgelöst wurde, praktisch aber autonom ablief.“186 Deshalb werden diese beiden
Vorgänge sowohl in der Planung als auch in der Durchführung getrennt
voneinander behandelt. Die Geschehnisse in allen Bundesländern darzustellen,
würde aber den Rahmen dieser Arbeit sprengen, weshalb nur kurz die Ereignisse
in Wien und ausführlich jene in Kärnten, vor allem im Lavanttal, erläutert werden.

Die Vorfälle in Kärnten waren besonders erheblich. Das südlichste


Bundesland Österreichs war nämlich, neben der Steiermark, am stärksten vom
Juliputsch betroffen. Diese beiden Bundesländer verzeichneten 181 von den
aktuell bekannten, insgesamt 229 Todesopfern des Juliputsches in Österreich.
Dies sind 79,04 % aller Todesopfer, welche der Juliputsch insgesamt forderte. Im
Rest Österreichs waren es nur 48, wobei die meisten davon auf die Bundesländer
Salzburg (16), Wien (15) und Oberrösterreich (11) entfielen. Weitaus weniger
waren es in Tirol (3), Niederösterreich (1) und im Burgenland (1). In Vorarlberg
gab es überhaupt keine Todesopfer zu beklagen.187 Diese Zahlen belegen sehr
eindrucksvoll, in welchen Bundesländern der Aufstand der Nationalsozialisten am
heftigsten ausfiel. Obwohl es in der Steiermark am meisten Todesopfer (96) zu
beklagen gab, war Kärnten (85) aufgrund seiner mehr als 2,5-fach geringeren
Anzahl an Einwohnern188 auf die Bevölkerungszahl gerechnet stärker betroffen.

Dies wird sehr deutlich, wenn man die beiden Bundesländer gesondert
miteinander vergleicht. Denn wenngleich Kärnten nur einen Anteil von 28,53 % an
den Einwohnern der beiden Bundesländer im Jahr 1934 hatte, war die Zahl der
Opfer fast gleich hoch. Dies wird eindrucksvoll in Abbildung 2 ersichtlich. Während
der äußere, dunklere Ring die Aufteilung der Bevölkerung auf die beiden

186 Bauer: Elementar-Ereignis, S. 8.


187 Bauer: Todesopfer, S. 11.
188 Bundesamt für Statistik (Hg.): Statistisches Handbuch, S. 5.

56
benachbarten Bundesländer darstellt, zeigt der innere, hellere Ring die Aufteilung
der Opfer. Das Ringdiagramm lässt keinen Zweifel daran, dass der Anteil
Kärntens an den Todesopfern des Juliputsches in Kärnten und der Steiermark den
Anteil an der Bevölkerung der beiden Bundesländer bei Weitem überschritten hat.

28,53 %

46,96 %

53,04 %

71,47 %

Anteil der Steiermark an den Todesopfern Anteil Kärntens an den Todesopfern


Anteil der Steiermark an der Gesamtbevölkerung Anteil Kärntens an der Gesamtbevölkerung

Abbildung 2: Vergleich zwischen Kärnten und der Steiermark (Bevölkerung 1934 und Todesopfer
des Juliputsches)189

Somit steht außer Zweifel, dass das Bundesland Kärnten sehr stark von den
Ereignissen des Juliputsches betroffen war. Innerhalb Kärntens wiederum war es
das Lavanttal, in welchem die Nationalsozialisten besonders aktiv und erfolgreich
waren. Ersteres zeigt Abbildung 3, da sie verdeutlicht, dass im Lavanttal ein
überproportional hoher Anteil an Todesopfern des Juliputsches in Kärnten zu
verzeichnen war. Letzteres, also der Erfolg der NS-Putschisten im Lavanttal, ist
nicht zu bezweifeln, denn „[n]irgendwo in Österreich beherrschten die
Nationalsozialisten ein Territorium von einer vergleichbaren Größe und nirgendwo
in Österreich konnten sich die Putschisten so lange halten“, wie in diesem
östlichen Tal Kärntens.190

189 Eigene Berechnung und Darstellung auf Grundlage von: Bundesamt für Statistik (Hg.):
Statistisches Handbuch, S. 5 und Bauer: Todesopfer, S. 11.
190 Klösch: Vasallen, S. 7.

57
30 27,06

25
Anteil in Prozent

20

15
11,1
10

Anteil des Lavanttals an der Gesamtbevölkerung Kärntens 1934


Anteil des Lavanttals an den Todesopfern des Juliputsches in Kärnten

Abbildung 3: Anteil des Lavanttals an der Bevölkerung Kärntens 1934 sowie an den Todesopfern
des Juliputsches in Kärnten191

Nachdem anhand der Opferzahlen das besondere Ausmaß der


Geschehnisse im Juli 1934 im Lavanttal verdeutlicht wurde, ist die Frage zu
beantworten, warum es den Putschisten genau dort möglich war, den Aufstand so
erfolgreich zu gestalten. Dies wird in Kapitel 4.4.1 dieser Arbeit aufgezeigt, zuvor
müssen aber noch generelle Bedingungen und Voraussetzungen des Juliputsches
in Österreich geklärt werden, denn obwohl der Fokus dieser Arbeit auf den
Geschehnissen in Kärnten liegt, ist es notwendig, die Vorbereitungen sowie die
Durchführung des Putsches in Wien zu erläutern, da es ohne den versuchten
Regierungssturz in Wien auch vorerst nicht zu einem Aufstand in den einzelnen
Bundesländern gekommen wäre.

4.1 Allgemeine Voraussetzungen


Schon in „Mein Kampf“ insistiert Hitler darauf, dass „Deutschösterreich“ mit
dem deutschen Reich vereint werden müsse, da alle „seine eigenen Söhne [jene
des deutschen Reiches; Anm. d. Verf.] in einem gemeinsamen Staat“

191 Eigene Berechnung und Darstellung auf Grundlage von: Bundesamt für Statistik (Hg.):
Statistisches Handbuch, S. 5. und Bauer: Todesopfer, S. 2–9.

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zusammenleben müssten.192 Somit war es im Weltbild Hitlers und der
Nationalsozialisten eine Notwendigkeit, Österreich langfristig ins Deutsche Reich
einzugliedern. Dies ist somit die ideelle Grundlage für die Notwendigkeit eines NS-
Putsches in Österreich.

Zugleich war das Bedürfnis nach einem Anschluss an Deutschland auch in


der Mehrheit der österreichischen Bevölkerung nach dem Ersten Weltkrieg
verankert, zwar nicht vornehmlich aus denselben Gründen, die Hitler propagierte,
aber zumindest aus wirtschaftlichen Gründen, um die Überlebensfähigkeit der
neuen kleinen Republik zu sichern.193 Der Anschlussgedanke war in weiten Teilen
der Bevölkerung präsent. Dafür sprechen nicht zuletzt die Ergebnisse von zwei
Volksabstimmungen im Jahr 1921 sowohl in Tirol als auch in Salzburg.194 In Tirol
entfielen 98,77 % der abgegebenen Stimmen dafür, beim Rat des Völkerbundes
einen Antrag über einen Anschluss Österreichs ans Deutsche Reich vorzulegen.
In Salzburg waren es sogar 99,12 %.195 Auch wenn diese Abstimmungen in den
frühen 1920er-Jahren durchgeführt wurden, zeigen sie die nach dem Ersten
Weltkrieg in der österreichischen Bevölkerung verbreitete Befürwortung eines
Anschlusses an Deutschland, welche es auch in den 1930er-Jahren noch gab und
die vor allem von der NSDAP vertreten wurde.

Aber nicht nur Teile der Bevölkerung oder die NS-Bewegung, sondern auch
Vertreter von politischen Parteien sprachen sich für einen Anschluss aus. Am
stärksten traten die SDAP sowie die großdeutschen Parteien für diesen ein, aber
auch in der CSP gab es vereinzelt Personen, die sich für eine Eingliederung ins
Deutsche Reich aussprachen.196

Nach der Etablierung eines autoritären Herrschaftssystems in Österreich


durch Engelbert Dollfuß, der eine Geschäftsordnungskrise des Nationalrates im
März 1933 zu seinen Gunsten ausnutzen konnte, verbot dieser die NSDAP
schließlich im Juni desselben Jahres. Nach monatelangen Terroraktionen der
NSDAP in Österreich war der Anlass für das Verbot letztlich ein

192 Hitler, Adolf: Mein Kampf. Zwei Bände in einem Band, München855 1943, S. 1.
193 Bukey, Evan Burr: Hitlers Österreich. „Eine Bewegung und ein Volk“, Hamburg - Wien² 2001, S.
23–24.
194 Pauley: Weg, S. 23.
195 Berechnet auf der Grundlage von: Schausberger, Norbert: Der Griff nach Österreich. Der

Anschluss, Wien 1978, S. 102f.


196 Pauley: Weg, S. 22.

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nationalsozialistischer Handgranatenanschlag am 19. Juni auf christlich-deutsche
Turner in Krems.197 Bereits mit dem Beginn des von Dollfuß etablierten
Ständestaates kam es nicht nur zu vermehrten Anschlägen der österreichischen
Nazis, sondern auch bereits zur Ausarbeitung erster Aufstandspläne durch die SA-
Führung in Österreich. Intensiviert wurden diese Vorbereitungen aber erst mit dem
Verbot der Partei.198 Somit können der Beginn der autoritären Regierung
Österreichs unter Dollfuß im März 1933 sowie das Parteiverbot der NSDAP nur
drei Monate später ebenfalls als Voraussetzungen für den Juliputsch angesehen
werden.

Eine weitere Voraussetzung war das (geglaubte) Ergebnis des Treffens


zwischen Mussolini und Hitler am 14. und 15. Juni in Stra (Venedig). Wichtig dabei
war, dass Hitler nach seiner Reise geglaubt hatte, Mussolini habe ihm die
Erlaubnis erteilt, in Österreich Dollfuß abzusetzen, einen unparteilichen
Regierungschef einzusetzen und Neuwahlen auszurufen. Dies legen unter
anderem die bereits öfters in der Forschung angeführten Tagebücher Alfred
Rosenbergs nahe.199 Tatsächlich soll diesem zufolge Mussolini Hitlers Vorschlag
zur Lösung der Österreichfrage mit einer Absetzung Dollfuß’, einer Einsetzung
eines unparteilichen Regierungschefs und der Ausrufung von Neuwahlen
akzeptiert haben. Hitler betrachtete das Treffen diesbezüglich als Erfolg und war
sich sicher, es „würde kein Konflikt [Herv. i. O.] mit I.[talien] wegen Oesterreich
eintreten“.200 Ergänzend zu den Tagebüchern Rosenbergs wurden von Bauer
auch erstmals jene von Joseph Goebbels diesbezüglich durchleuchtet. Diese
bestätigen die Ausführungen Rosenbergs. Darin äußert sich Goebbels nämlich
nicht minder erfreut über die positiven Berichte des „Führers“, welcher ihm über
seine freundschaftliche Aussprache mit Mussolini berichtete. Bei dieser stand die
Österreich-Frage an erster Stelle und auch Goebbels berichtet von dem gleichen
Ergebnis wie Rosenberg. Es steht also außer Zweifel, dass Hitler geglaubt hatte,
er hätte die Rückendeckung Mussolinis bei einer Absetzung von Dollfuß, obwohl

197 Tálos, Emmerich: Das austrofaschistische Herrschaftssystem. Österreich 1933–1938 (Politik


und Zeitgeschichte, Bd. 8), Wien - Münster 2013, S. 31–37 und 52f.
198 Jagschitz: Putsch, S. 68.
199 Bauer, Kurt: Hitler und der Juliputsch 1934 in Österreich. Eine Fallstudie zur
nationalsozialistischen Außenpolitik in der Frühphase des Regimes, in: Vierteljahrshefte für
Zeitgeschichte 2011, 59 (2), S. 193–227, hier S. 203.
200 Alfred Rosenberg. Die Tagebücher von 1934 bis 1944, herausgegeben und kommentiert von

Jürgen Matthäus und Frank Bajohr, Frankfurt am Main 2015, S. 136.

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diese Sicht der Dinge auf italienischer Seite nicht geteilt wurde. Vermutlich hat
Mussolini im Gespräch mit Hitler weitaus mehr Eingeständnisse gemacht, als er
es eigentlich wollte oder als er selbst wusste, denn sein Deutsch war
unzureichend, um komplizierte politische Sachverhalte zu besprechen. Dennoch
wurde von ihm kein Übersetzer zugezogen und es wurde auch kein Protokoll des
Gesprächs verfasst. So sind vermutlich die unterschiedlichen Auffassungen ein
und desselben Gespräches zu erklären.201 Dies geht, wie Bauer erstmals
beschrieben hat, aus den Memoiren von Hitlers damaligem Adjutanten, Fritz
Wiedemann, hervor. Bei diesem heißt es:

„Politisch wichtiger war die Besprechung, die Hitler mit Mussolini auf
einem Schloss in der Nähe von Venedig führte. Ein Dolmetscher wurde
nicht hinzugezogen, da Mussolini glaubte, die deutsche Sprache zu
beherrschen. So ganz scheint das aber nicht der Fall gewesen zu sein,
denn als Mussolini kurze Zeit darauf seine Missbilligung über die Vorgänge
in Österreich ausdrückte, die zur Ermordung des Kanzlers Dollfuß geführt
hatten, meinte Hitler erstaunt: ‚Ich verstehe das gar nicht, ich habe ihn doch
in Venedig über alle Einzelheiten unserer Politik aufgeklärt!‘ Das kann also
passieren, wenn Staatsmänner aus Eitelkeit einen Dolmetscher ablehnen
und kein Protokoll aufnehmen lassen.“202

Eine weitere Ursache war die befürchtete Isolation Deutschlands aufgrund


einer weiteren Annäherung zwischen Österreich, Italien und vor allem Frankreich.
Eine solche Verbindung deutete sich nämlich im Juli 1934 an. Dollfuß wurde im
Juni von Mussolini zum Urlaub in Riccione und im September von Louis Barthou,
dem französischen Außenminister, zu einem Treffen eingeladen.203 Die Angst vor
einer solchen verstärkten Kooperation war also tatsächlich begründet und
teilweise von Hitler bereits 1928 befürchtet worden. So heißt es in seinem Zweiten
Buch: „Gelingt es Frankreich aber, Österreich in die Kette seiner ‚Freundschaft‘
einzufügen, […] besteht die Gefahr für Deutschland, dass ein möglicher
Bundesgenosse auf unabsehbare Zeit für Deutschland endgültig ausscheidet und
Frankreich damit immer mehr zum Herren der Geschicke Europas wird“.204 Eine
solche Konstellation, in welcher drohte, den „Bundesgenossen“ Österreich in die

201 Bauer: Hitler, S. 203–205.


202 Wiedemann, Fritz: Der Mann, der Feldherr werden wollte. Erlebnisse und Erfahrungen des
Vorgesetzten Hitlers im 1. Weltkrieg und seines späteren Persönlichen Adjutanten, Velbert -
Kettwig 1964, S. 64.
203 Bauer: zweiter Putsch, S. 179.
204 Hitler, Adolf: Hitlers zweites Buch. Ein Dokument aus dem Jahr 1928 (Quellen und

Darstellungen zur Zeitgeschichte, Bd. 7), bearbeitet von Gerhard Weinberg, Stuttgart 1961, S. 180.

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Hände Frankreichs zu verlieren, hätte für Deutschland eine Isolation bedeutet und
ließ es vermutlich notwendig erscheinen, den Putsch bereits vor diesen beiden
Treffen durchzuführen.205

Wie in den letzten beiden Absätzen bereits angedeutet, war Hitler vermutlich
nicht so unwissend und unbeteiligt, wie er nach dem Putsch vorgab, um das
Ansehen des Deutschen Reiches aufrechtzuerhalten. Dafür sprechen zumindest
die letzten beiden Punkte (befürchtete Isolation Deutschlands und vermeintliches
Ergebnis des Gespräches zwischen Mussolini und Hitler), da sie vor allem Hitler
betrafen und als Konsequenz auf eine Initiative seinerseits schließen lassen.
Diese Andeutungen sollen im nachfolgenden Kapitel, welches sich gänzlich mit
der Rolle Hitlers beschäftigt, klargelegt werden. Hitlers Initiative hat nach neuesten
Erkenntnissen erst einen NS-Putsch im Sommer 1934 in Österreich und im
speziellen auch in Kärnten möglich gemacht, was im nachfolgenden Kapitel
nachgewiesen werden soll.

4.2 Hitlers Rolle beim Juliputsch


Bis vor wenigen Jahren herrschte Uneinigkeit darüber, ob Hitler überhaupt
über die Vorbereitungen des Juliputsches in Österreich informiert war, ob er seine
Zustimmung dazu gab oder sogar den Auftrag dazu erteilt hatte. Diese Uneinigkeit
bezüglich der Rolle Hitlers beim Juliputsch erwähnt auch Bruce F. Pauley, wenn er
schreibt: „Ob Hitler direkt oder indirekt für den Putsch verantwortlich war, hat
beträchtliche Meinungsverschiedenheiten unter den Historikern hervorgerufen.“206
Pauley selbst kommt nach einer vergleichenden Darstellung der bis dahin
eingenommenen Positionen und seinen bekannten Quellen zu dem Ergebnis,
dass weder Hitler den Putsch befohlen habe, noch die Initiative zu einer solchen
Planung von ihm ausgegangen sei.207 Dieser Forschungsstand hielt sich mit den
nun folgenden Begründungen lange als wahrscheinlich.

Neben der Aussage Görings bei den Nürnberger Prozessen, nach welcher
Hitler von Theo Habicht, dem Führer der österreichischen NSDAP überlistet und
im Glauben gelassen worden sei, der Putsch in Österreich wäre vom eigenen

205 Bauer: Hitler, S. 225.


206 Pauley: Weg, S. 133.
207 Pauley: Weg, S. 135.

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Bundesheer geführt, nennt Pauley noch weitere Argumente für eine Täuschung
und damit ausbleibende Beteiligung Hitlers am Putsch. Zuerst entkräftet er die
Memoiren Alfred Eduard Frauenfelds, des ehemaligen Wiener Gauleiters. Dieser
widerspricht darin nämlich Görings bereits erwähnter Aussage, indem er angibt,
dass es nur von einzelnen Offizieren des österreichischen Bundesheeres
Sympathie- oder Neutralitätsbekundungen gab. Manche erklärten zwar ihre
Bereitschaft zur Mitarbeit nach einem Gelingen des Putsches, aber sicher keine
Beteiligung des gesamten Bundesheeres. Doch Pauley zufolge versuchte
Frauenfeld damit nur die Verantwortung für den Juliputsch von sich zu weisen.
Eine Gegenargumentation zu den Aussagen Frauenfelds findet der Autor
außerdem in den Memoiren von General Wilhelm Adam, dem
Militärkommandanten des bayrischen Wehrkreises. Dieser erfährt nämlich am
Morgen des 25. Juli 1934 vom „Führer“, dass „das österreichische Bundesheer
gegen seine Regierung“208 losschlagen werde. Abschließend wird noch Martin
Broszats Ansatz dargelegt, nach welchem Hitler zumeist keine klaren
Anweisungen gab, sondern seine Gefolgsleute versuchten, ihm selbstständig
entgegen zu arbeiten.209

Doch während Kurt Bauer 2003 selbst noch feststellen musste, dass „die
Haltung Hitlers gegenüber den österreichischen Nazis […] unklar“ sei, da er die zu
diesem Zeitpunkt vorliegenden Befunde zur Rolle Hitlers nicht als ausreichend
ansah,210 versuchte er danach mit der erstmaligen Untersuchung neuer Quellen,
wie der Goebbels-Tagebücher, in Hinblick auf die Frage nach einer
Mitverantwortung Hitlers am Juliputsch in Österreich Klarheit zu schaffen.211 So
bezeichnet er einen Eintrag aus dieser Quelle als „Missing Link in jener
Indizienkette, die zu Hitler als dem eigentlichen Inspirator und Befehlsgeber des
Putsches vom 25. Juli 1934 führt“.212 Er widerspricht mit seiner Forschung somit
der bis dahin vorherrschenden Ansicht über der Rolle Hitlers, wie sie oben
beschrieben wurde. Kurt Bauer sieht z. B. die Angaben Frauenfelds als korrekt an,
da sie im Gegensatz zu den Aussagen Görings nicht vor Gericht getätigt worden

208 Erinnerungen des Generalobersten Wilhelm Adam, zit. n. Pauley: Weg, S. 134.
209 Pauley: Weg, S. 133–135.
210 Bauer: Elementar-Ereignis, S. 25.
211 Bauer: Hitler, S. 193–227.
212 Bauer: zweiter Putsch, S. 164.

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sind und es somit nicht notwendig war, jemanden zu schützen oder zu
beschuldigen. Göring versuchte hingegen, sich „vom Punkt 1 der Anklage
‚Gemeinsamer Plan oder Verschwörung‘ zu entlasten“ und bestritt deshalb eine
Steuerung des österreichischen Putsches aus Deutschland.213 Die von Pauley
angeführten Aussagen von Wilhelm Adam sind zwar nicht auf ihren
Wahrheitsgehalt hin zu bezweifeln. Hitler hatte ihm also wahrscheinlich tatsächlich
gesagt, dass das Bundesheer in Österreich an diesem Tag einen Aufstand
durchführen würde, aber Hitler habe hier die Wahrheit bewusst verzerrt, da
Wilhelm Adam dem Nationalsozialismus ablehnend gegenüberstand. Deshalb
sollte er im Glauben gelassen werden, dass der Aufstand in Österreich vom
eigenen Bundesheer ausginge. Außerdem sollte auf diese Weise die Verteilung
von Waffen der deutschen Reichswehr für die österreichische Legion
sichergestellt werden, denn dafür war das Einverständnis von Adam notwendig. 214

Das Hauptargument Bauers ist jedoch der bereits erwähnte „Missing Link“ im
Tagebuch von Joseph Goebbels. Und tatsächlich ist diese Notiz von Goebbels
weit überzeugender als die bisher angeführten Argumentationsweisen. Darin hält
der Reichspropagandaminister nämlich im Eintrag vom 24. Juli stichwortartig die
Teilnehmer und das Thema eines Treffens vom Sonntag dem 22. Juli in Bayreuth
fest: „Sonntag: beim Führer General v. Hammersteins Nachfolger, Gen. v.
Reichenau, dann Pfeffer, Habicht, Reschny. Österreichische Frage. Ob es gelingt?
Ich bin sehr skeptisch.“215 Außer dem General von Reichenau (welcher vermutlich
aus militärtaktischen Gründen anwesend war) können alle Teilnehmer dieser
Besprechung mit dem Juliputsch in Österreich in Verbindung gebracht werden.
Hermann Reschny war der Führer der österreichischen SA sowie der
Österreichischen Legion, Theo Habicht war „Landesinspekteur“ der NSDAP in
Österreich und Franz von Pfeffer war als eine Art Koordinator für den
Regierungssturz 1934 in Österreich eingesetzt worden. Die Teilnehmer waren also
vornehmlich entscheidende Köpfe in der Planung und Umsetzung des
Juliputsches. Das Thema benannte Goebbels konkret, die „Österreichische Frage“
und das, was möglicherweise gelingen sollte, kann wohl nur die Lösung dieser

213 Bauer: Hitler, S. 213.


214 Bauer: zweiter Putsch, S. 208.
215 Die Tagebücher von Joseph Goebbels, Teil I: Aufzeichnungen 1923–1941, (Bd. 3/1), April 1934

– Februar 1936, herausgegeben von Elke Fröhlich, München 2005, S. 83, Eintrag vom 24. 7. 1934.

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Frage sein. Die Lösung, das sollte sich wenige Tage später zeigen, war ein
gewaltsamer Regierungssturz. Und da Goebbels den Eintrag mit „beim Führer“
einleitet, ist klar, dass Hitler Teil dieser Besprechung war und somit nicht als
ahnungslos gelten kann, im Gegenteil, er muss bei dieser Zusammenkunft
zumindest seine Einwilligung zu einem Putsch gegeben haben. Hätte er dies nicht
getan, hätten Habicht und Reschny den Aufstand wenige Tage später nicht
durchgeführt.216

Diese Sichtweise wird darüber hinaus noch einmal sehr deutlich in einem
Tagebucheintrag von Fritz Steinert, dem wichtigsten Mitarbeiter von Habicht (und
zur Zeit des Putsches von Pfeffer). Darin heißt es in einem Eintrag, welcher um
den 23. Juli verfasst worden war:

„Der Führer habe auf die Mitteilung Habichts und Reschnys, dass in
Österreich einer Machtübernahme politisch nichts Wesentliches mehr
entgegenstehe, außenpolitisch seit Stra auch nichts mehr zu befürchten
sei, längeres Warten jedoch zur Apathie führen würde, einem ihm
vorgelegten Putschplan zugestimmt.“217

Dieses Zitat fasst einige der wichtigsten Erkenntnisse der letzten beiden
Kapitel sehr prägnant zusammen. Die positive Aussicht auf Erfolg eines
Regierungssturzes, die geglaubte Rückendeckung Italiens seit dem Treffen in
Stra, die vermutete Isolation Deutschlands bei Abwarten und, bezogen auf die
Rolle Hitlers, die Notiz, dieser habe den Plänen zu einem Putsch zugestimmt.

Auch wenn Bauer schreibt, diese neuen Befunde zeigen, „dass Hitler selbst
den Befehl dazu [zum Juliputsch, Erg. d. Vf.] erteilte“,218 ist ein vollständiger
Nachweis für einen eindeutigen Befehl des „Führers“ damit nicht erbracht.
Zweifelsfrei belegen die beiden erstmals dargelegten Zitate von Goebbels und
Steinert, dass Hitler sehr gut über die Planungen informiert war und seine
Zustimmung bekundete, aber ein konkreter Befehl kann nicht belegt werden.
Nichtsdestotrotz haben die Forschungen Bauers gezeigt, dass Hitler stärker in die
Planung und Ausführung des Juliputsches 1934 in Österreich involviert war, als
lange angenommen. Somit kann zumindest die Mitverantwortung Hitlers am

216 Bauer: zweiter Putsch, S. 192–194.


217 Tagebuch Fritz Steinert, 22. 7. 1934 und 23. 7. 1934 (Stadtarchiv Wiesbaden, NL 34, Nr. 139)
zit. n. Bauer: zweiter Putsch, S. 195.
218 Bauer: zweiter Putsch, Klappentext.

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Juliputsch sowie die häufige Ansicht eines schwachen Diktators für den Juliputsch
1934 durch die eben dargelegten Quellen entkräftet werden.

Die reichlichen Nachweise für eine Befehlsgewalt Hitlers beim Juliputsch


haben auch eine Bedeutung für den Aufstand in Kärnten, denn ohne den Führer
wäre es möglicherweise gar nicht mehr zu einem solchen gekommen, so
zumindest die Argumentationsweise von Bauer. Dieser beschäftigte sich nämlich
auch mit der Frage, ob die Intention, den SA-Aufstand in den Bundesländern trotz
des Scheiterns der Aktionen in Wien durchzuführen, von Hitler selbst ausging. Zur
Beantwortung führt er dafür erneut die Goebbels-Tagebücher an. Darin notiert
Goebbels nach kurzen Notizen über das Misslingen des Putsches in Wien
Folgendes: „Führer bleibt ganz ruhig. Neue Pläne geschmiedet. Dollfuß weg.
Schwere Schwächung der österr. Regierung“. Weiters heißt es für den 29. Juli,
dass ein Telegramm aus Kärnten erhalten wurde, worin auch die
Hoffnungsbekundungen für das südlichste Bundesland aufgegeben wurden:
„unsere Leute vollkommen eingeschlossen. Hunderte von Toten“.219 Hitler und
sein Kreis haben also nach dem Scheitern des Aufstandes in Wien neue Pläne
geschmiedet. Dabei handelte es sich wahrscheinlich um das Erobern Wiens von
außen, also über die Bundesländer. Kärnten war dabei aufgrund der ersten
Erfolge von besonderer Bedeutung und wurde von Goebbels explizit erwähnt.
Darüber hinaus hat Herman Reschny, Leiter der österreichischen SA und der
österreichischen Legion in Deutschland, als er sich am 26. Juli in Bayreuth bei
Hitler befand, in Bezug auf die eingangs gestellte Frage, ein aufschlussreiches
Telefonat geführt. Er wurde aus München von einem Führer der österreichischen
SS angerufen und gefragt, ob Reschny der Wiener SA über den Mittelsmann Fritz
Hamburger den Einsatzbefehl geben möge. Reschny tat es – „widerwillig“, denn
„[e]r könne in dieser Frage nicht mehr frei entscheiden“, gab er in einem Telefonat
mit Hamburger zu. Dies zeigt, dass er nicht mehr die tatsächliche Befehlsgewalt
über den Aufstand innehatte. Wohl kaum musste er diese an Habicht, welcher
auch in Bayreuth anwesend war, abgeben, denn selbiger musste für den eben in
den Sand gesetzten Wiener Aufstand geradestehen. Somit ist anzunehmen, dass
Habicht wahrscheinlich gegen eigene Vorbehalte, aber unter Anweisung Hitlers
handelte und Hitler damit ein Aufbegehren in den Bundesländern förderte, da es

219 Die Tagebücher von Joseph Goebbels, S. 84 und 86, Eintrag vom 26. 7. 1934 und 30. 7. 1934.

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die letzte Chance auf einen aus nationalsozialistischer Sicht positiven Ausgang
des Putsches war. Damit zeigt Bauer eindeutig das Drängen Hitlers auf das
Losschlagen und Anhalten des Putsches in den Bundesländern auf.220 Demnach
hatte Hitler nicht nur eine entscheidende Rolle in Bezug auf den Putsch in Wien,
sondern auch in den Bundesländern – so auch in Kärnten.

4.3 Der Putschplan


Der Plan, welcher für den Juliputsch festgelegt wurde, konnte bereits 1938
von der historischen Kommission des Reichsführer SS, Heinrich Himmler,
weitgehend rekonstruiert werden. In diesen nach dem Zweiten Weltkrieg
aufgefundenen Akten werden die finalen Planungen für den Juliputsch kurz und
prägnant dargelegt, wie sie am 25. Juni 1934 in Zürich von den Hauptakteuren für
die Wiener Aktion, Glass, Weydenhammer, Wächter und Habicht, festgesetzt
worden sind:

„Eine Auslese von ungefähr 150 Männern der 89. SS-Standarte sollte
zur Zeit eines nachmittags tagenden Ministerrates das Stadtkommando
Wien mit ungefähr 30 uniformierten Soldaten besetzen. Zur gleichen Zeit
sollten durch den rückwärtigen Eingang des Stadtkommandos
bereitgestellte Lastkraftwagen mit Uniformen und Waffen in den Hof
einfahren. […] Weiter war daran gedacht, fasst [sic!] gleichzeitig das
Gebäude der ‚Ravag‘ und die Telephonzentrale in Wien, durch zwei andere
Gruppen besetzen zu lassen [Herv. i. O.]. […] Nach der Besetzung der
‚Ravag‘ sollte sofort folgende Meldung gesendet werden: ‚Regierung
Dollfuss zurückgetreten. Gesandter Dr. Rintelen wurde mit der neuen
Bildung der Regierung betraut.‘ Erst auf diese Nachricht hin sollten alle
übrigen Kräfte der Bewegung im Lande zum Einsatz gelangen.“221

Bezogen auf die Pläne der Wiener SS hatten die Nationalsozialisten drei
Ziele: Sie wollten die gesamte Wiener Regierung am Ballhausplatz festnehmen,
die Station der österreichischen Radio-Verkehrs-Aktiengesellschaft (RAVAG)
besetzen und den Bundespräsidenten, welcher gerade in Velden am Wörthersee
Urlaub machte, festnehmen. Keine der drei Ziele konnte gänzlich verwirklicht
werden. Im Bundeskanzleramt war nur mehr ein Teil der Regierungsmitglieder
anwesend (die Versammlung wurde aufgrund einer Warnung früher aufgelöst),
was die Verwirklichung des ersten Zieles der Nationalsozialisten unmöglich

220Bauer Kurt: zweiter Putsch, S. 232–234.


221 Historische Kommission des Reichsführers SS: Die Erhebung der österreichischen
Nationalsozialisten im Juli 1934. Akten der Historischen Kommission des Reichsführers SS, Wien -
Frankfurt - Zürich 1965.

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machte. Außerdem brachte der vermutlich unbeabsichtigte Mord an
Bundeskanzler Dollfuß die Aufständischen in eine strategisch schlechte Position,
um Verhandlungen zu führen. Die RAVAG konnte nur kurz besetzt werden und die
Aktion gegen den Bundespräsidenten scheiterte rasch, noch bevor die
Verschwörer in die Nähe des Staatsoberhauptes kommen konnten.222

Wichtiger für das zentrale Thema dieser Arbeit ist jedoch der Putschplan für
die Bundesländer. Dieser Aufstand wurde nicht von der SS, sondern von der SA
organisiert. Dessen Leiter war gleichzeitig der Führer der österreichischen Legion,
Hermann Reschny. Lange galt die These als vertretbar, Reschny habe den Putsch
sabotiert, da dieser von der konkurrierenden österreichischen Landesleitung der
NSDAP unter Habicht sowie der SS geleitet wurde. Die österreichische SA-
Leitung sei demnach nicht in die Vorbereitungen des Aufstandes eingeweiht
gewesen und war deshalb nicht gewillt „einen SS-geführten Putsch zu
unterstützen“.223 Nach aktuellem Forschungsstand stellt sich die Lage jedoch
anders dar: Reschny war zwar nicht erfreut darüber, dass der Putsch in Wien von
der SS geführt werden sollte, aber eine Sabotage von seiner Seite kann laut
Bauer ausgeschlossen werden. Reschny war ja wie Habicht am 22. Juli bei den
finalen Besprechungen über den Putsch bei Hitler. Die dort getroffene
Entscheidung, den Aufstand durchzuführen, kann nur mit der Zusage der
Unterstützung der österreichischen SA, also vom anwesenden Reschny, erfolgt
sein.224

Der Plan für die Bundesländer geht aus dem Kollerschlager Dokument
hervor. Dieses maschinengeschriebene Schriftstück sollte, wie Heinz Schafranek
aufzeigen konnte, in zweifacher Ausarbeitung zusammen mit einem
handgeschriebenen Chiffrenschlüssel von zwei Kurieren aus München nach Wien
zu Fritz Hamburger, einem Vertrauten des Wiener SA-Brigadeführers Oskar Türk
gebracht werden. Einer der beiden Kuriere erreichte sein Ziel, der anderer wurde
in der Nacht vom 25. auf den 26. Juli beim Grenzübertritt in Kollerschlag von einer
Zollwache abgefangen.225 Das Dokument sollte laut Bauer „vor allem als eine
aufschlussreiche Zusammenfassung der Aufstandspläne der SA in den Jahren

222 Pauley: Weg, S. 131f.


223 Schafranek: Sommerfest, S. 224.
224 Bauer: Putsch, S. 226f.
225 Schafranek: Sommerfest, S. 162f.

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1933/34“ gesehen werden, da der Juliputsch in der Provinz tatsächlich zumeist
nach den darin verlautbarten Vorgaben ablief.226 Darin wurde angeordnet, dass
nach der Meldung vom Rücktritt Dollfuß’ die SA mit „unbewaffneten“ (das Wort
wurde auch im Original unter Anführungszeichen gesetzt, was darauf hindeutet,
dass sehr wohl Waffen mitgeführt werden sollten) Propagandaaufmärschen
beginnen sollte. Im Zuge dessen sollten in Haupt- und Bezirksstädten öffentliche
Gebäude besetzt werden, um NS-Gauleiter als Landeshauptmänner sowie ND-
Brigadeführer als Sicherheitsdirektoren einzusetzen. Des Weiteren ging man von
einer neutralen Stellung der Exekutive und des neuen Bundeskanzlers aus,
welcher es nicht wagen würde, gegen die SA loszuschlagen, sofern diese die
Macht im restlichen Österreich innehabe. Sollte die nationalsozialistische
Bewegung nicht als Machthaber anerkannt werden, sondern staatlich geleiteter
Widerstand einsetzen, dürfe „sich die SA nicht mit ‚Propagandamärschen‘ und
friedlichem Besetzen der Regierungsgebäude begnügen“. In einem solchen Fall
müsse die SA „mit allen Mitteln [Herv. i. O.] um die Erringung der Macht“
kämpfen.227 Wie in Kapitel 4.4.2 dieser Arbeit noch dargestellt wird, orientierte sich
der Ablauf im Kärntner Lavanttal auch an diesen Vorgaben. Zuvor sollen aber
noch die speziellen Bedingungen, welche dort herrschten und einen Putsch
begünstigten, aufgezeigt werden.

4.4 Der Juliputsch im Kärntner Lavanttal

4.4.1 Die speziellen Bedingungen


Eine Besonderheit im Lavanttal war, dass der Erste Weltkrieg weitreichende
Auswirkung auf das Gebiet hatte. Es wurde nicht nur wie ganz Kärnten zum
Grenzland, sondern verlor auch seine südlichste Gemeinde, nämlich
Unterdrauburg/Dravograd, an den SHS-Staat. Neben dem Gebietsverlust hatte vor
allem der Verlust der durch Unterdrauburg/Dravograd verlaufenden
Eisenbahnverbindung Klagenfurt – Marburg – Graz weitreichende Auswirkungen
auf das Tal. Es wurde nämlich durch den Verlust der Eisenbahnverbindung

226
Bauer: Elementar-Ereignis, S. 44–46.
227 Das Kollerschlager Dokument, in: Rot-Weiss-Rot-Buch. Gerechtigkeit für Österreich!
Darstellungen, Dokumente und Nachweise zur Vorgeschichte und Geschichte der Okkupation
Österreichs, Wien 1946, S. 45.

69
wirtschaftlich isoliert. Diese Isolation konnte erst 1936 mit der Eröffnung der
Packer Bundesstraße kompensiert werden.228

Eine weitere Bedingung war unter anderem die gesellschaftliche Struktur im


Lavanttal. Die allgemeine Beobachtung, dass der Nationalsozialismus in
Österreich „[b]esonders […] in solchen städtisch- und ländlich-industriellen
Gebieten Fuß [fassen konnte], die einerseits aufgrund ihrer ‚alten‘ Industrien und
ihrer Branchenstruktur stark krisenanfällig waren und andererseits in einem
sozialstrukturellen Nahe-, wenn nicht Mischungsverhältnis mit besonders
traditionellen agrarischen Gebieten standen“,229 lässt sich nicht nur, wie
ursprünglich in diesem Absatz beabsichtigt, sehr gut auf die Obersteiermark,
sondern auch auf den Bezirk Wolfsberg in den frühen 1930er-Jahren ummünzen.
Die Wirtschaft des Lavanttals war nämlich sehr krisenanfällig durch die stark
konzentrierte Ausrichtung auf die Papierherstellung in Frantschach-St. Gertraud
und den Kohlebergbau in St. Stefan. Beide Wirtschaftszweige hatten am
Höhepunkt der Weltwirtschaftskrise nahezu keine Abnehmer mehr, sodass die
Papierfabrik kurzzeitig sogar schließen musste, was 600 Arbeitnehmer der Fabrik
sowie alle Forstarbeiter im Tal betraf. Neben dieser industriellen Ausrichtung in
und um die Bezirkshauptstadt Wolfsberg ist im gesamten Lavanttal, vor allem in
den ländlicheren Regionen, das Mischungsverhältnis mit traditionellen agrarischen
Bereichen erkennbar, denn trotz der bereits einsetzenden Industrialisierung waren
mehr als die Hälfte der Bewohner des Lavanttals in der Land- und Forstwirtschaft
tätig.230 Das war im Vergleich zu Gesamtösterreich, wo es nur mehr rund ein
Viertel der Bewohner war, welche im Primärsektor arbeiteten231, ein sehr hoher
Wert. Dieser zeigt, dass die wirtschaftliche Gliederung im Lavanttal noch eher
rückständig war.

Die überdurchschnittliche Größe des Primärsektors (Land und


Forstwirtschaft) im Bezirk Wolfsberg mag vorerst Verwunderung auslösen, da in
der Sozialstruktur der NS-Wähler und Mitglieder in erster Linie der neue
Mittelstand dominierend war. Im Unterschied zur Zusammensetzung der NS-

228 Klösch: Vasallen, S. 16–17.


229 Botz, Gerhard: Arbeiter und andere „Lohnabhängige“ im österreichischen Nationalsozialismus
auf Basis von Stichproben aus der NS-Mitgliederkartei, in: Botz, Gerhard (Pl.), Die Sozialstruktur
der illegalen NS-Bewegung (1933–1938), Projektbericht, Wien 2011, S. 159–189, hier S. 173.
230 Klösch: Vasallen, S. 17–20.
231 Bauer: Elementar-Ereignis, S. 134.

70
Wählerschaft und der NS-Parteimitgliedschaft kamen beim Juliputsch 1934 jedoch
andere Faktoren zum Tragen. So schaffte es die NSDAP zum einen nach 1932 in
die Bauernschaft sowie in die Arbeiterschaft Einzug zu erhalten.232 Auch in
Wolfsberg wurde erstmals im Vorfeld der Gemeinderatswahlen 1932 versucht, die
bäuerliche Bevölkerung zu mobilisieren. Dies gelang sowohl durch den Übertritt
einiger Funktionäre des LB zur NSDAP als auch durch den Aufruf zu einem
Steuer- und Abgabeboykott der Lavanttaler Bauern. Diese waren aufgrund ihrer
wirtschaftlichen Not diesem sehr zugetan, und obwohl der Boykott keine
Verbesserung brachte, solidarisierten sich viele Bauern mit der Partei, da sie sich
für sie einzusetzen schien. Zum anderen war ausschlaggebend, dass die
Beteiligten des Juliputsches nicht zwangsläufig auch Mitglieder oder Wähler der
NSDAP sein mussten. Dies lässt sich zumindest sehr eindrucksvoll für den Bezirk
Wolfsberg nachweisen, wo nicht einmal ein Viertel aller Juliputsch-Beteiligten auf
NS-Seite tatsächlich Mitglieder der NSDAP oder einer ihrer Gliederungen waren.
Von allen Mitgliedern, welche die NSDAP im Lavanttal hatte, beteiligte sich nicht
einmal die Hälfte an den Kämpfen.233 Obwohl also, wie bereits angedeutet,
Vertreter des Primär- und Sekundärsektors nicht die Träger, Wähler und Mitglieder
der NS-Bewegung waren, beteiligten sie sich zahlenmäßig am stärksten am
Juliputsch in Österreich. Diese Entwicklung lässt sich sehr gut an Tabelle 1
ablesen.

Primärsektor Sekundärsektor Tertiärsektor Ohne Beruf

NS-Wähler bei den


Landtagswahlen 1932 12 % 32 % 38 % 18 %
(ohne Wien)

Juliputsch-Beteiligte 1934 37 % 49 % 11 % 2%
Tabelle 1: NS-Wähler 1932 und Juliputsch-Beteiligte 1934 im Vergleich234

Der Primärsektor (Land- und Forstwirtschaft) war dennoch beim Putsch in


Österreich in Relation zum Anteil der in diesem Sektor Beschäftigten an der
Gesamtbevölkerung leicht unterrepräsentiert. Der Sekundärsektor (Industrie und
Gewerbe) jedoch war stark überrepräsentiert. Der Anteil an Juliputschisten aus

232 Bauer: Elementar-Ereignis, S. 145.


233 Klösch: Vasallen, S. 52–53 und 130.
234 Bauer: Elementar-Ereignis, S. 145.

71
dem Tertiärsektor (Dienstleistungen) entsprach österreichweit ungefähr dem Anteil
an der Gesamtbevölkerung, obwohl sich im Führungssektor überproportional viele
öffentlich Bedienstete befanden. Bauern, Bauernsöhne, Knechte, industrielle
Arbeiter und Handwerker aus dem Primär- und Sekundärsektor waren vor allem in
den kämpfenden Formationen des Juliputsches sehr stark vertreten. 235

Ähnliches lässt sich auch in Wolfsberg beobachten, vor allem wenn man sich
mit diesem Hintergrundwissen Abbildung 4 ansieht. In Wolfsberg war nämlich der
Anteil an Putschisten aus der Land- und Forstwirtschaft im Vergleich zu den
anderen Sektoren am höchsten, entsprach aber noch nicht dem Anteil an der
Gesamtbevölkerung. Die noch rückständige patriarchalische Gesellschaftsstruktur
im Lavanttal begünstigte jedoch sicherlich das Mitwirken von Personen aus
diesem Sektor. Häufig wiesen Bauern ihre Söhne und Knechte an, beim Putsch
mitzumachen. Der Sekundärsektor war, wie in ganz Österreich feststellbar, stark
überrepräsentiert. In diesem Sektor spielte der Druck von Firmenbesitzern oder
leitenden Personen auf die Belegschaft eine Rolle. So war Ernst Swatek, Besitzer
der „Sensenwerke Offner“, im Führungsstab der Wolfsberger SA und
entscheidend am Juliputsch beteiligt.236 Auch in der Papierfabrik Frantschach-
St.Gertraud237 und im Kohlebergwerk St. Stefan waren leitende Arbeiter
Nationalsozialisten238. Bevorzugt wurden oftmals Gleichgesinnte eingestellt und
Andersdenkende entlassen, was Keimzellen der NSDAP in diesen großen
Industrien Wolfsbergs entstehen ließ. Der Tertiärsektor teilt sich in Abbildung 4 in
die Bereiche „Handel und Verkehr“ sowie „öffentlicher Dienst und freie Berufe“.
Der hohe Anteil in ersterem ist in der Mitwirkung zahlreicher Handelsangestellter
des Handelshauses „IM Offner“ von Ernst Swatek begründet.239 Obwohl sich in
Gesamtösterreich nicht sehr viele öffentlich Bedienstete, vermutlich aus Angst vor
Konsequenzen, am Putsch beteiligten,240 war dieser Anteil im Bezirk Wolfsberg
sehr hoch. Wenngleich in ganz Kärnten bereits die Beteiligung der Lehrerschaft im
österreichweiten Vergleich „markant“ hoch war und sich 5–6 % aller

235 Bauer: Elementar-Ereignis, S. 144–146.


236 Klösch: Vasallen, S. 86–87.
237 Verdnik, Alexander: Wolfsbergs dunkelstes Kapitel. NS-Herrschaft im Lavanttal, Klagenfurt -

Wien 2015, S. 23.


238 Klösch: Vasallen, S. 103–104.
239 Klösch: Vasallen, S. 87.
240 Bauer: zweiter Putsch, S. 161.

72
PflichtschullehrerInnen beteiligten, war dieser Wert im Lavanttal um das 5,5-fache
erhöht. 28 %, also fast jedeR dritte PflichtschullehrerIn in Wolfsberg, nahm am
Juliputsch teil.241 So lässt sich auch der überproportional hohe Anteil an
Juliputschbeteiligten aus dem öffentlichen Dienst im Lavanttal erklären.

Land und Forstwirtschaft

Industrie und Gewerbe

Handel und Verkehr

Öffentlicher Dienst und freie Berufe

Sonstige (Schüler, Rentner, Hilfsarbeiter)

0 10 20 30 40 50 60

Anteil an den Putschbeteiligten Anteil an der Gesamtbevölkerung

Abbildung 4: Berufliche Herkunft der Juliputschisten im Lavanttal und ihr Anteil an der
Gesamtbevölkerung242

Österreichweit hat sich gezeigt, dass es einen hohen Anteil an


protestantischen Beteiligten gab, vor allem bei den politischen und militärischen
Führern. Dort war der Anteil 15,9 bzw. 17,7 %, bei einem durchschnittlichen
Bevölkerungsanteil in den Aufstands-Gemeinden von nur 3,6 %, sodass Bauer
sogar von Protestantismus als „die Keimzelle des Nationalismus in Österreich“
spricht.243 3,6 % war auch der Anteil der Protestanten in Unterkärnten (bei 15,2 %
in Oberkärnten) an der Gesamtbevölkerung.244 Tatsächlich dürften aber auch im
Lavanttal vermehrt Nationalsozialisten zu diesem Glauben konvertiert sein, um ein
öffentliches Zeichen für den Nationalsozialismus zu setzen und sich dazu zu
bekennen. Die evangelische Kirche hatte ihren Ursprung in Deutschland, was sie
für deutschnational Gesinnte attraktiv machte. Außerdem wurde sie als das
Gegenstück zum christlichsozialen, römisch-katholischen Staatsapparat in

241 Klösch: Vasallen, S. 155.


242 Klösch: Vasallen, S. 131.
243 Bauer: Elementar-Ereignis, S. 166–168.
244 Hänisch: NSDAP-Wähler, S. 254.

73
Österreich gesehen. In den Unterkärntner Nachrichten, die ja der NSDAP sehr
nahestanden, wurde der Protestantisums gelobt, fast beworben und sogar mit der
frühesten Kärntner Geschichte verbunden, womöglich um damit die Bevölkerung
zu „bekehren“ – zum Protestantismus und insgeheim auch zum
Nationalsozialismus: „Der Funke [der Lehre Martin Luthers, Anm. d. Vf] zündete
schnell. Kärntner Studierende Jugend, von der Wittenberger Universität kommend,
half ihn entfachen zum Brand“.245 Nach einer geschichtlichen
Überblicksdarstellung der Evangelischen Kirche in Kärnten sticht gegen Ende des
Beitrages augenscheinlich der unterschwellige Bezug zum Deutschnationalismus
hervor:

„Die Uebertrittsbewegung der letzten Monate [Herv. i. O.] greift nun


auch in Kärnten von den Städten aufs Land über. Neue, große Aufgaben
erwachsen damit den Gemeinden, ihren Pfarrern und Presbytern; aber sie
dürfen diese Aufgaben getrost auf sich nehmen, in dem Glauben, dass der,
der die Aufgaben gibt, auch die Kraft dazu schenkt. Und wie der große
Reformator Luther von sich bekannt hat: ‚Meinen Deutschen bin ich
geboren, ihnen will ich dienen‘, so will auch die evangelische Kirche in der
Gegenwart unserem Volke dienen in allen seinen Ständen ohne Ansehen
der Person, dienen mit dem Köstlichsten und Wertvollsten, mit dem
Evangelium vom gekreuzigten, auferstandenen und lebendigen
Christus.“246

Mit der neuen Übertrittsbewegung könnten die politisch, nationalsozialistisch


motivierten Konfessionsübertritte gemeint sein, die nun auch verstärkt am Land
vorkommen sollten. Tatsächlich vergrößerte sich die Evangelische Gemeinde in
Österreich von 1910 bis 1934 von etwa 205 000 auf 295 000 Mitglieder,247 das ist
ein Plus von 44 %. Die neuen großen Aufgaben könnten in der Funktion der
Religion als Verbindungsglied zum Nationalsozialismus, zum Deutschtum liegen.
Das angeführte Zitat von Luther legt diese Verknüpfung zwischen Protestantismus
und Nationalsozialismus offen. Danach endet der Beitrag wieder mit sehr religiös
anmutenden Worten, wohl um den Anschein eines religiösen Aufrufes zu wahren.
Nichtsdestotrotz dürfte der Einfluss von Protestanten auf den Putsch im Lavanttal

245 Unterkärntner Nachrichten, 22. 6. 1934, S. 7.


246 Unterkärntner Nachrichten, 22. 6. 1934, S. 9.
247 Gelinek, Oskar: Bevölkerungs-Spiegel Österreichs. Lebenswichtige Ergebnisse der
Volkszählung 1934, Wien 1936, S. 14f.

74
eher gering gewesen sein, denn der Anteil an evangelischer Bevölkerung war im
politischen Bezirk Wolfsberg mit 0,95 % nur verschwindend gering.248

Eine im Gegensatz dazu als gesichert geltende günstige Voraussetzung war,


dass Kärnten und das Lavanttal aufgrund der Grenzlage zu Jugoslawien, aber
auch zu Italien leichter mit Waffen versorgt werden konnte. So waren Kärnten und
die Steiermark die einzigen beiden Bundesländer, in welchen die SA ausreichend
bewaffnet war, um für einen Aufstand überhaupt gerüstet zu sein. Da sich im
Frühjahr 1934 die Bauernwehr des ehemaligen LB dieser anschloss, war sie
zusätzlich gestärkt.249

Ein weiterer Vorteil für die Wolfsberger Putschisten ergab sich aus der
Abkommandierung von Soldaten der Heimwehr ins steirische Obdach am 25. Juli,
da in der Steiermark der Aufstand bereits im Gange war. Somit fehlten diese
anfangs, um in den nächsten Tagen Wolfsberg verteidigen zu können.250

Die Planung und Durchführung des Juliputsches in den Bundesländern hing


sehr stark von der Initiative einzelner regionaler Führer ab.251 Im Lavanttal war
dies der arbeitslose Förster und Sturmbannführer Josef Welz. Welz wurde 1899 in
Wien geboren, aber sein Vater stammte aus Deutschland. Interessanterweise
rückte der erst 17-jährige Welz freiwillig zu einem deutschen Garderegiment ein
und wurde im Stellungskrieg an der Westfront eingesetzt. Nach dem Krieg
kämpfte er noch gegen die Spartakisten in Berlin und schied 1919 aus dem Heer
aus. Anschließend absolvierte er eine Forstschule und gelangt 1926 aus
beruflichen Gründen nach Eisenkappel, einem Kärntner Grenzgebiet zu
Slowenien. Doch seine forstwirtschaftliche Anstellung verlor er bald, weil sein
Arbeitgeber österreichtreu war und Welz offenkundiger Nationalsozialist war (er
benannte einen seiner Söhne nach dem Führer mit dem Vornamen „Adolf“).
Danach konzentrierte er sich auf die Vorbereitung eines Staatsstreiches in seinem
neu zugeteilten Operationsgebiet – dem Lavanttal.252 Es waren mit Sicherheit
seine straffe Organisation und tatkräftige Initiative, welche das Zustandekommen

248 Eigene Berechnung auf Grundlage von: Bundesamt für Statistik (Hg.): Ergebnisse, S. 10f.
249 Klösch: Vasallen, S. 84 und 88.
250 Klösch: Vasallen, S. 92.
251 Bauer: Putsch, S. 52.
252 Kreuzer, Anton: Kärntner. Biographische Skizzen von Anton Kreuzer. 12.–20 Jahrhundert

(Bd. 9), Klagenfurt 2001, S. 157f.

75
eines solch großen Aufstandes wie im Lavanttal begünstigt haben. Er arbeitete
seit dem Frühjahr 1934 an den Plänen für einen Putsch und kooperierte dabei mit
der Obersteirischen SA-Standarte 5 von Berndt Gregory. Sein Einsatz und seine
unnachgiebige Führung können auch als eine besondere Voraussetzung für den
Juliputsch in Wolfsberg gesehen werden.253

Nicht zu unterschätzen ist auch der Einfluss des einzigen Regionalmediums


im Lavanttal, der Unterkärntner Nachrichten. Diese erreichten im Lavanttal jeden
dritten Haushalt und waren ab 1931 nationalsozialistisch geprägt. Der Inhaber und
seine beiden für die Blattlinie verantwortlichen Mitarbeiter (einer davon war
übrigens Franz Novak) traten bereits vor dem Parteiverbot in die NSDAP ein und
verbreiteten ihre Gesinnung in diesem Pressemedium. Durch die hohe Auflage,
zwischen 10 000 und 12 000 Exemplaren pro Woche, kann der Zeitung zurecht
„großen Einfluss auf die öffentliche Meinung im Bezirk Wolfsberg“ attestiert
werden. Diesen Einfluss nutzte das einzige Regionalmedium des Lavanttals, um
für die NSDAP mobil zu machen. Eine inoffizielle NS-Parteizeitung als
auflagenstärkste Regionalzeitung in einem Bezirk zu haben, war eine weitere
Besonderheit des Lavanttals.254

4.4.2 Der Ablauf


Welche Voraussetzungen im Bezirk Wolfsberg gegeben waren, die einen
Putsch begünstigten, wurde soeben dargelegt. Jetzt geht es darum zu zeigen, wie
sich dieser vor allem im Lavanttal, aber insbesondere in der Bezirkshauptstadt
Wolfsberg zugetragen hat. Ähnlich wie in den anderen österreichischen
Bundesländern, außer der Steiermark, löste die Radio-Wien Meldung am 25. Juli
kurz nach 13 Uhr über den Rücktritt Dollfuß’ in Wolfsberg noch keine konkreten
Aktionen, sondern lediglich eine Alarmbereitschaft der NS-Abteilungen aus.
Möglicherweise war die Radiomeldung zu kurz und allgemein formuliert, um von
den Aufstandsleitern in den Bundesländern als Signal für einen Aufstand
wahrgenommen zu werden255 oder es hätte noch ein spezielles Signalwort
gesendet werden sollen, auf welches die SA-Leiter in den Bundesländern gewartet

253 Klösch: Vasallen, S. 86–89.


254 Klösch: Vasallen, S. 29–32.
255 Pauley: Weg, S. 130.

76
haben, zu dessen Aussendung es aber nicht gekommen ist.256 Dies ist nach
aktueller Forschungslage die wahrscheinlichste Theorie, denn ein durch die kurze
und unvollständige Radiomeldung missglückt erscheinender Putsch in Wien
musste die SA-Führungen in der Provinz verunsichert haben. Dazu kam
außerdem, dass die Funkverbindungen aus München größtenteils nicht
ordnungsgemäß funktionierten.257 Tatsächlich konnte auch die Funkanlage des
militärischen Befehlshabers des Putsches im Lavanttal, Josef Welz, am 15. Juni
1934 von den Behörden gefunden und beschlagnahmt werden. Mit dieser Anlage
stand Welz bis Mitte Juni in ständigen Kontakt mit der Zentrale in München. 258
Danach war dies vermutlich nicht mehr möglich. Dies könnte ein Grund sein,
warum man im Bezirk Wolfsberg ebenfalls erst am 26. Juli mit dem Aufstand
begann.

Das Signalwort, welches wahrscheinlich bereits am 25. Juli hätte verlautbart


werden sollen, wurde in Wolfsberg erst am 26. Juli um 11:55 Uhr per Kurier aus
Klagenfurt weitergeleitet. Dort befand sich nämlich in einer Wohnung die
eingerichtete Funkzentrale der Unterkärntner SA. Die Kuriere verließen die
Zentrale mit ihren Meldungen für die einzelnen Unterkärntner Bezirke bereits am
Vormittag noch vor der Ankunft der Polizei, die erst gegen 11:30 Uhr dort eintraf.
In den Mitteilungen hieß es, die Kärntner Brigade solle mit dem
„Elementarereignis“ beginnen. In Villach war eine weitere Meldezentrale
eingerichtet. Diese konnte aber bereits vor der Übermittlung der Aufstandsbefehle
ausgehoben werden, weshalb es in Oberkärnten noch weitere Verzögerungen gab
und der Putsch nicht recht losschlagen konnte. In Wolfsberg hingegen wurde der
Aufstandsbefehl ordnungsgemäß zugestellt.259

Das war der bereits lang ersehnte Aufstandsbefehl für Josef Welz, dem
Führer des SA Sturmbannes VIII. Er sammelte seine Stoßtrupps in der Villa
Swatek, wo schon seit längerer Zeit die Waffen (hauptsächlich Gewehre,
vereinzelt Handgranaten und Maschinenpistolen) für einen Aufstand gelagert
wurden. Diese wurden dann an die vier Stoßtrupps mit einer durchschnittlichen
Stärke von ca. 20 Mann ausgegeben. Alles zusammen waren es also etwa 80 SA-

256 Schafranek: Sommerfest, S. 121.


257 Bauer: zweiter Putsch, S. 226–230.
258 Klösch: Vasallen, S. 87f.
259 Bauer: zweiter Putsch. S. 147f.

77
Männer, welche sich von der Villa Swatek aus ins Stadtzentrum von Wolfsberg
aufmachten.260 Die Wolfsberger SS (unter ihnen angeblich auch Odilo Globocnik),
die nach verschiedenen Angaben eine Stärke zwischen 25 und 60 Mann
aufweisen konnte, sammelte sich zwar am Wolfsberger Schlossberg, zog sich
aber, nachdem der Aufstand begonnen hatte, aus ungeklärten Gründen nach
Lavamünd, einem Grenzort zu Jugoslawien, zurück. Der ein oder andere dürfte
sich aber den SA-Einheiten angeschlossen haben, denn z. B. war Ernst Plötz
sowohl Teil der Wolfsberger SS, die sich auf dem Schlossberg sammelte, als auch
jener Putschisten, die am selben Abend eine Bundeswehreinheit im Wolfsberger
Stadtteil Priel abwehren konnten.261 Den vier Stoßtrupps der Wolfsberger SA, mit
einer Stärke von insgesamt etwa 80 Mann, stellten sich in Wolfsberg etwa 100
Mann der Staatsmacht (20 Gendarmen, 53 Heimatschützer und 28 Sturmschärler)
entgegen. Diese waren zwar besser bewaffnet, aber an unterschiedlichen Punkten
stationiert.

Jeder der vier Trupps schaffte es vorerst, strategisch wichtige Punkte


(Bezirkshauptmannschaft, Gendarmerieposten, Stützpunkte der Heimwehr und
des Schutzkorps) in Wolfsberg zu belagern, aber nicht einzunehmen. Dabei kam
es zu heftigen Stellungskämpfen und ersten Todesopfern auf beiden Seiten. Erst
als man in das Haus von Hans Leeb, dem Führer des Wolfsberger
Heimatschutzes, eindringen konnte, begann sich das Blatt zu wenden. Der
bekannte Führer der Heimwehr wurde gemeinsam mit seinem Sohn und einem
Mann des Schutzkorps’ als Geisel genommen. Mit diesen Personen als Geiseln,
die man zu erschießen drohte, ließen sich auch die anderen strategisch wichtigen
Punkte bis ca. 20 Uhr einnehmen.

Bereits um 18:30 Uhr näherte sich jedoch eine Einheit des Bundesheeres
aus Völkermarkt dem Süden der Stadt Wolfsberg. Daraufhin wurden 16 SA-
Männer aus dem Stadtzentrum in diese Richtung geschickt. Im Stadtteil Priel
trafen diese auf eine 78 Mann starke Kompanie des Bundesheeres. Obwohl die
Nationalsozialisten zahlenmäßig unterlegen waren, konnten die Putschisten den
Angriff des Bundesheeres abwehren, indem sie diese aus dem Hinterhalt an einer
Brücke angriffen und rasch den Befehlshaber der Einheit töteten. Die Einheit des

260 Klösch: Vasallen, S. 90–93.


261 Klösch: Vasallen, S. 92 (Fn. 254) und S. 100 (Fn. 274).

78
Bundesheeres musste sich zum Rückzug entschließen und auf Verstärkung aus
Klagenfurt zu warten. Somit hatten die Putschisten es geschafft, die Stadt
Wolfsberg erfolgreich einzunehmen und auch vorerst zu verteidigen. Wolfsberg
stand somit unter nationalsozialistischer Flagge. Als Folge dessen wurden
sogleich politische Gefangene freigelassen, NSDAP-feindliche Personen inhaftiert,
ein eigener Bürgermeister eingesetzt, Hakenkreuzfahnen gehisst und Plakate
aufgehängt. Ein solches ist in Abbildung 5 zu sehen. Damit wurde die Bevölkerung
über die Vorkommnisse sowie die weitere Vorgehensweise informiert. Die Stadt
Wolfsberg wurde über Nacht zum Zentrum des Juliputsches im Lavanttal und
sogar von außerhalb der Stadt sollen Putschisten gekommen sein, um zu feiern
und über die neuen Zustände zu staunen.262 Die eben beschriebenen Vorgänge
und die euphorische Stimmung der Putschisten, werden in den folgenden Zeilen
eines Aufständischen, der diese in einem Brief aus Jugoslawien an seinen
zurückgebliebenen Kameraden richtet, sehr deutlich:

„Dann war die Stadt unser – wir waren die Herren […] Ich hatte […]
eine schöne Aufgabe: Die Gefangenen aus dem Gefängnis zu befreien!
[…] Dann kam die erste schlaflose Nacht, dann der herrliche Morgen am
Freitag [27. Juli, Anm. d. Vf.], den ich nie vergessen werde. Es war alles so,
wie wir es in unseren Liedern früher immer gesungen haben: ‚War ein
junger Sturmsoldat!‘ Der Traum der SA war in Erfüllung gegangen! […]
[M]an vermeinte, in der aufgehenden Sonne das Hakenkreuz zu sehen –
oh es war einfach herrlich!! – Und das Schönste war der Gedanke, dass die
Opfer nicht umsonst waren. So verging der Tag in Feststimmung, man sah
das Aufatmen des Volkes, all die vielen Fahnen und Fähnchen […]“.263

262
Klösch: Vasallen, S. 98–103.
263Reich von Rohrwig, Otto: Der Freiheitskampf der Ostmark-Deutschen. Von St. Germain bis
Adolf Hitler, Graz - Wien - Leipzig 1942, S. 168.

79
Abbildung 5: Plakat der Putschisten in Wolfsberg vom 26. Juli 1934.264

Auch in den anderen Städten und Gemeinden des Lavanttals waren die
Putschisten erfolgreich, sodass „am Vormittag des 27. Juli […] das ganze
Lavanttal in der Hand der Nationalsozialisten“ war.265 Zuvor ereigneten sich noch
weitere heftige Kämpfe in der christlichsozialen Hochburg St. Andrä, südlich von
Wolfsberg, aber ansonsten verliefen die Einnahmen der restlichen Lavanttaler
Gemeinden ohne große Vorkommnisse. In St. Andrä, wo übrigens Leopold
Pötsch, der bekannte ehemalige Geschichteprofessor Hitlers, lebte266,

264 Klösch: Vasallen, S. 85.


265 Klösch: Vasallen, S. 117.
266 Verdnik: Kapitel, S. 76

80
konzentrierten sich nun alle Lavanttaler SA-Einheiten unter Josef Welz, um von
dort aus Richtung Klagenfurt loszuschlagen.

Flüchtende Putschisten aus Judenburg (Steiermark), die über die Saualpe


auf dem Weg nach Jugoslawien waren, zeigten sich überrascht, dass der
Aufstand im Lavanttal noch im Gange war und für die NS-Seite positiv verlief.
Nach einer Unterredung mit Josef Welz wurde den steirischen Putschisten
mitgeteilt, dass sogar Klagenfurt und auch Graz bereits nationalsozialistisch seien.
Anscheinend war dies der damals falsche Informationsstand der Lavanttaler SA.
Die Judenburger NS-Aufständischen unter der Führung des obersteirischen SA-
Standartenführers Berndt Gregory bereiteten sich nach dieser vermeintlichen
Erfolgsmeldung bereits auf eine neuerliche Eroberungsaktion für die Steiermark
vor. Aber gegen 14 Uhr, kurz bevor Gregory wieder seine Heimat aufbrechen
wollte, erhielt er abermals Meldung von Welz: „[D]er Rückzug müsse sofort
angetreten werden […]. Alle Nachrichten über den für uns günstigen Aufstand in
Kärnten und in der Steiermark seien falsch. Dafür dringe das Militär von allen
Seiten gegen das Lavanttal.“267

Diese Informationen waren nun korrekt, denn eine niederösterreichische


Bundesheereinheit war bereits auf dem Weg ins Lavanttal und stand vor dem
Obdacher Sattel (Grenzpass zwischen Kärnten und Steiermark) und eine Einheit
aus Klagenfurt bezog am Griffner Berg Stellung (westliche Grenze des
Lavanttals). An beiden Orten waren bis zum Rückzugsbefehl gegen 14 Uhr noch
Lavanttaler SA-Einheiten stationiert. Diese wurden aufgrund der neuen
Informationslage rasch abgezogen.268 Diese Stunden, in welchen sich die
Situation für die Lavanttaler Putschisten schlagartig änderte, werden ebenfalls in
dem bereits zitierten Brief beschrieben:

„Erst in St. Andrä erfuhren wir, dass Bundesheer von Norden nach
Wolfsberg gekommen sei. Wir waren zwischen dem Bundesheer am
Griffener und Wolfsberg. Eine Einnahme der Stadt Klagenfurt war
unmöglich, zumal wir erfuhren, dass in Graz und in vielen anderen Orten
nichts mehr los sei. Diese Enttäuschung und Zerknirschung kann man sich
gar nicht vorstellen. – Es blieb uns nur mehr ein Weg, nach Lavamünd.“269

267 BA Berlin, Personalunterlagen der NSDAP, SA Personalakt Reschny, Bericht Berndt Gregory,
S. 14 zit. n. Klösch: Vasallen, S. 119.
268 Klösch: Vasallen, S. 119f.
269 Reich von Rohrwig: Freiheitskampf, S. 168f.

81
Aus dem ganzen Lavanttal zogen nun ca. 780 Putschisten mit sechs Geiseln
auf Last- und Personenkraftwägen, in einem Autobus und mit Motorrädern nach
Lavamünd, einer Lavanttaler Grenzgemeinde zu Jugoslawien, und weiter bis zum
Ort Rabenstein, direkt an der Grenze zu Jugoslawien, wo die Kolonne am 27. Juli
gegen etwa 22 Uhr eintraf. Deshalb stießen die Einheiten des Bundesheeres am
späten Nachmittag dieses Tages auf keinen aktiven Widerstand mehr im
Lavanttal. Dennoch gab es Todesopfer, da die Klagenfurter Bundesheereinheit
beim Gasthaus Brenner am Griffner Berg noch mit etwa 400 auf der anderen Seite
stationierten Putschisten rechnete. Daher wurde das Gasthaus in den frühen
Morgenstunden des 28. Juli angegriffen, was vier Todesopfer (einen Knecht, den
Bruder des Besitzers sowie zwei Touristen) zur Folge hatte. Diese
Bundesheereinheit begann nun, St. Andrä und Wolfsberg zu besetzen, während
die niederösterreichische Einheit, welche zuvor bereits das nördliche Lavanttal
einnehmen konnte, auf dem Weg nach Lavamünd war.270

Dort setzten sich bereits ca. die Hälfte der auf Rückzug befindlichen
Lavanttaler Putschisten (300–400 Mann) nach Jugoslawien ab. Der Rest
versuchte sich noch unter Josef Welz an der Grenze zu halten und kleine Aktionen
zu setzen, wobei z. B. Gefangene Putschisten in Lavamünd befreit wurden. Als
noch an diesem Tag das Bundesheer in der Grenzregion eintraf, wurde die
Situation immer aussichtsloser, obwohl die Wiener Regierung ihrem Heer verbot,
militärisch einzugreifen, um keinen Grenzkonflikt mit Jugoslawien zu provozieren.
Von diesem Zeitpunkt an bis zum 30. Juli um 16 Uhr hielten die Putschisten ihre
Stellung und verhandelten mit dem Bundesheer über die Freigabe von Geiseln.
Zuerst drohten die Putschisten, solche zu erschießen, aber das Bundesheer
seinerseits drohte mit der Festnahme der Familie von Josef Welz. Nach Tagen
des ergebnislosen Verhandelns und mit geringer Nahrungsversorgung gab es
wohl kaum mehr Aussicht auf Erfolg, sodass die Putschisten sogar in
Funksprüchen aus München aufgefordert wurden, aufzugeben, was Josef Welz
und seine etwa 350 Mann mit dem Grenzübertritt schließlich auch in die Tat
umsetzten. Damit war der Juliputsch, fünf Tag nachdem er begonnen hatte, am

270 Klösch: Vasallen, S. 120–124.

82
30. Juli um 16 Uhr auch im Lavanttal und somit schließlich in ganz Österreich
beendet.271

4.4.3 Die Flucht


Die meisten NS-Putschisten, die nach dem Scheitern des Umsturzversuches
Österreich verließen, flüchteten zuerst nach Jugoslawien und dann weiter nach
Deutschland. So z. B. Thomas Ottitsch aus Lamm, einem kleinen Ort auf der
Saualpe. Dazu heißt es in der Pfarrchronik zum einzigen Aufständischen aus dem
Ort: „Letztgenannter [Thomas Ottitsch, Anm. d. Vf.] flüchtete nach Jugoslawien
und befindet sich jetzt in Urach (Württemberg)“.272 Dieser Auszug stellt, wie noch
aufzuzeigen sein wird, keinen Einzelfall, sondern eher die Regel dar, deshalb sei
er in dieser Stelle beispielhaft angeführt.

Die flüchtenden Putschisten wurden auf drei Lager in Kroatien (Varaždin,


Bjelovar und Slovanska Požega) aufgeteilt, jeweils weit von der Grenze zu
Österreich entfernt. Die meisten befanden sich in Varaždin, wo Anfang Oktober
1934 etwa 1367 von insgesamt 1885 NS-Putschisten untergebracht waren. Dort
lebte unter anderem die zweite Welle der flüchtenden Putschisten aus dem
Lavanttal mit ihrem Führer Josef Welz. Die erste Welle war in Bjelovar
untergebracht, West- und Untersteirer hauptsächlich in Slovanska Požega.

Finanzielle Hilfe gab es zwar durch Hilfsfonds aus Deutschland, aber


trotzdem waren die Bedingungen sehr schlecht. Anfangs gab es kaum
Trinkwasser und die Untergebrachten mussten auf Lehmböden schlafen. Erst mit
der Zeit wurden zumindest Pritschen errichtet. Dazu heißt es in einem Brief aus
dem Lager Varaždin, dass es den NS-Putschisten selbst im austrofaschistischen
Anhaltelager Wöllersdorf nicht viel schlechter gehen könne als hier. Zu den
schlechten Lebensbedingungen kamen interne Streitigkeiten über die dem Führer
des „Steirischen Heimatschutzes“ anvertraute Lagerleitung, in welche auch Josef
Welz involviert war. Vor allem die Kärntner SA fühlte sich betrogen und
unterstütze Welz beim Kampf um die Lagerleitung. Welz wurde Ende November
bei der Überfahrt mit dem Schiff nach Bremerhaven verhaftet, da ihm die
Veruntreuung von Hilfsgeldern vorgeworfen wurde. Bis Mitte Dezember waren alle

271 Klösch: Vasallen, S. 124–127.


272 Wornik, Nepomuk Johann (Hg.): Chronik der Pfarre Lamm – St. Georg, Klagenfurt 2016, S. 31.

83
Putschisten nach Deutschland überstellt. Mitglieder der österreichischen SS
wurden in die Deutsche SS aufgenommen. SA-Putschisten wurden entweder nach
Bad Urach oder nach Fischingen in weitere Lager gebracht. Dort wurden sie
untersucht und konnten, sofern sie dafür tauglich waren, in die SS oder die
Österreichische Legion eintreten.273

Schlussbetrachtung
Die spätere NS-Hochburg Kärnten zeigte ihre nationalsozialistische
Veranlagung bereits früh. Die Leitfrage nach den spezifischen Voraussetzungen,
welche in Kärnten diesbezüglich vorgeherrscht haben, ließ sich vielfältig
beantworten. Eine besondere Stellung kommt mit Sicherheit den 1848
aufkommenden und im Kärntner „Abwehrkampf“ sowie der nachfolgenden
Volksabstimmung 1920 kulminierenden Spannungen zwischen der slowenischen
und der deutschen Volksgruppe in Kärnten zu. Diese Ereignisse haben das Land
nachhaltig geprägt und wurden im Kärnten der Ersten Republik vor allem von den
Nationalsozialisten instrumentalisiert. Darüber hinaus stellte der Kärntner
Heimatbund über Spenden aus Deutschland großzügige Finanzmittel für die
Propagandaschlacht vor der Volksabstimmung zur Verfügung, weshalb es zu
einer Annäherung und Solidarisierung vieler KärntnerInnen mit Deutschland
gekommen ist. Die wirtschaftlich-sozialen Bedingungen im Kärnten der 1920er-
und 1930er-Jahren stellten sich im österreichweiten Vergleich nicht
unterdurchschnittlich schlecht dar. Lediglich die landwirtschaftlichen Betriebe
hatten mit größeren Problemen als im restlichen Österreich zu kämpfen. Eindeutig
aufgezeigt werden konnte, dass es einen Zusammenhang zwischen dem hohen
Anteil an evangelischer Bevölkerung und den Wahlerfolgen der Nationalsozialisten
in Kärnten gab. Im Gegensatz dazu galt die katholische Kirche als Vertreter der
slowenischen Interessensgebiete, weshalb auch die CSP in Kärnten nicht so
erfolgreich wie in anderen Bundesländern war. Besonders gut ausgebaut war in
Kärnten das Netz deutschnationaler Vereine. Diese bildeten in den 1930er-Jahren
die Grundlage für die nationalsozialistischen Vereine und deren Erstarken. Die
Kärntner LehrerInnen stellten sich ebenfalls als gut vernetzt und darüber hinaus
größtenteils der nationalsozialistischen Ideologie verhaftet heraus. Somit bildeten

273 Klösch: Vasallen, S. 132–142.

84
sie eine weitere Grundlage für die Erfolge der nationalsozialistischen Bewegung in
Kärnten.274

Nach den Ursprüngen der DAP in Böhmen und ihrem Weg hin zur
Umbenennung in DNSAP 1918 stand die NS-Bewegung in Kärnten im Fokus
dieser Arbeit. Das Gründungsdatum der Kärntner Partei konnte zumindest
eingeschränkt werden. Es muss, wie anhand eines Zeitungsberichtes der Villacher
Zeitung nachgewiesen werden konnte, zumindest vor dem 8. Dezember 1918
liegen und kann somit auf den Zeitraum zwischen Sommer und Dezember 1918
eingegrenzt werden. Dass Villach das erste geographische Zentrum der Partei
war, bestätigte sich deutlich in den Teilwahlergebnissen der
Nationalversammlungswahl 1919. Hier konnte mit Abstand das beste Ergebnis
erzielt werden. Des Weiteren konnte die DNSAP zumindest in jenen Gebieten
Stimmen auf sich vereinen, wo es bereits vor der Ersten Republik Ortsgruppen der
DAP gegeben hat, also in Klagenfurt, St. Veit und Völkermarkt. Die Stabilisierung
der Partei wurde in den Jahren 1921 bis 1923 vom damaligen Parteiobmann
Michner erreicht. Er schaffte es, mithilfe eines Wahlbündnisses mit dem BB und
dem Hagebund 1921 in den Kärntner Landtag einzuziehen und schließlich 1923
das Mandat im alleinigen Antritt zu verteidigen. Das Wahlbündnis von 1921 wurde
legitimiert, indem Bauern und Arbeiter als arbeitende Stände zusammengefasst
wurden. Außerdem hatten sowohl der BB als auch die DNSAP die „jüdisch“
Sozialdemokratie als gemeinsame und verbindende Hauptfeinde ausgemacht. Der
Nutzen der Wahlgemeinschaft lag einseitig auf Seiten der DNSAP, die ihr Mandat
durch das Bündnis gewinnen konnte. Der Salzburger Parteitag 1923 und seine
Beschlüsse wurden in Kärnten unterschiedlich aufgenommen. Es gibt sowohl
Nachweise für rasche Loyalitätsbekundungen zu Hitler als auch Befunde, welche
Gegenteiliges nahelegen. Selbst nach der Passauer Tagung 1926, auf welcher die
Trennung der beiden innerparteilichen Gruppen beschlossen wurde, war vorerst
noch kein einheitliches Bekenntnis zu Hitler zu vernehmen, auch wenn der
anwesende Vertreter aus Kärnten ein solches abgab. Die Ortsgruppen blieben
nämlich anfangs noch mehrheitlich auf der Seite der Schulz-Gruppe.275

274 Siehe dazu das Kapitel 1 „Die günstigen Voraussetzungen in Kärnten für die Entwicklung der
nationalsozialistischen Bewegung“ (S. 7–14) dieser Arbeit.
275 Siehe dazu das Kapitel 2 „Die DNSAP in Kärnten 1918–1926“ (S. 14–40) dieser Arbeit.

85
Im dritten Hauptkapitel konnte der Aufstieg der NSDAP (Hitlerbewegung) von
einer Splitterpartei zur wichtigsten nationalen Bewegung in Kärnten aufgezeigt
werden. Dieser war gleichbedeutend mit dem Niedergang der Schulz-Partei. Diese
war 1927 noch zur Landtagswahl angetreten und stellte eine Konkurrenz zur
NSDAP (Hitlerbewegung) dar, was sich auch im Wahlkampf bemerkbar machte.
Denn in diesem wurden über die Parteizeitung der verbündeten GDVP Lügen und
Verunglimpfungen über die Hitler-Partei und die mit ihr antretende Kipper-Partei
verbreitet. Bis zu den Landtagswahlen 1930 versank die Schulz-Gruppe jedoch in
die Bedeutungslosigkeit. Ein Nachweis dafür, dass der alte Teil der NSDAP in
Kärnten mittlerweile unbedeutend war, ist das nachgewiesene Faktum, dass die
Schulz-Partei über die Freien Stimmen verlautbaren musste, dass sie überhaupt
noch existierte. Anscheinend wurde sie innerhalb der Bevölkerung bereits als
aufgelöst oder gänzlich von der NSDAP (Hitlerbewegung) absorbiert angesehen.
Die Forschungsfrage nach den mutmaßlichen Auftritten deutscher Parteigrößen
wie Göring oder Himmler konnte mithilfe der Villacher Zeitung zweifelsfrei
beantwortet werden. Erster erschien nicht, da er in Linz als Redner bei einer
Wahlveranstaltung eingesetzt wurde. Himmler hingegen trat am 8. November
1930 in der Villacher Turnhalle auf und hielt seine Ansprache im Zeichen der
gefallenen Kriegs-, Novemberputsch- und Abwehrkampfhelden. Die ersten Erfolge
des Wahljahres 1930 (es zogen erstmals zwei Abgeordnete der Hitlerbewegung in
den Kärntner Landtag ein) konnten bis zu den Gemeinderatswahlen 1931/32
weiter gesteigert werden. Im Vergleich zu den letzten Gemeinderatswahlen 1928
verachtfachten sich die Stimmen der NSDAP (Hitlerbewegung), sodass die Partei
erstmals zur wichtigsten nationalen Partei in Kärnten aufsteigen konnte. Ein
entscheidender Faktor auf diesem Weg war auch das Eindringen in die
landwirtschaftliche Wählerschaft, um welche man sich z. B. mit dem sogenannten
Bauernvormarsch bemühte, selbst wenn weiterhin der neue Mittelstand das größte
Wählerreservoir der NSDAP in Kärnten war. Dollfuß versuchte den Aufstieg der
NSDAP mit dem Parteiverbot im Juni 1933 einzudämmen, was aber nicht gelang.
Vor allem in Kärnten, wo man sich auf das dichte Netz an nationalen Vereinen
stützen konnte, hielt der Zustrom zur Bewegung an. Die illegale NS-Bewegung
wurde außerdem vom damaligen Landeshauptmann, Ferdinand Kernmaier,
unterstützt. Abschließend konnte demonstriert werden, dass der 1934

86
stattfindende Juliputsch kein überraschend einsetzendes Ereignis war, sondern
lediglich der Höhepunkt einer Gewaltwelle.276

Der eben erwähnte Juliputsch war auch das letzte Thema der Diplomarbeit.
Zu Beginn wurde anhand von den Todesopferzahlen des gesamten Juliputsches
nachgewiesen, dass die meisten Opfer (auf die Bevölkerungszahl gerechnet) aus
Kärnten und hier aus dem Lavanttal kommen. Danach ging es noch um die
allgemeinen Bedingungen, welche einen Anschluss Österreichs an Deutschland in
der NS-Ideologie, aber auch im Denken der österreichischen Gesellschaft
notwendig erscheinen ließen. Bezüglich Hitlers Rolle beim Juliputsch wurde
zuerst, wie von Bauer nachgewiesen, eine Befehlsgewalt des Führers für den
Putsch in Wien und was besonders für Kärnten wichtig war, in weiterer Folge auch
für die Bundesländer, geschildert. Der danach dargestellte Juliputsch im Kärntner
Lavanttal wäre vermutlich ohne den Einfluss Hitlers in dieser Form noch nicht im
Sommer 1934 durchgeführt worden. Bevor die Ereignisse in diesem ländlichen
Zentrum des Putsches aufgearbeitet werden konnten, wurden noch die
Putschpläne für Wien und die Bundesländer erläutert. Nachfolgend war es das
Ziel, die Besonderheiten des Lavanttals herauszufiltern, welche einen derart
intensiven Putsch überhaupt erst ermöglicht haben. Dazu gehörte die Isolation des
Tales durch das Abtreten von Unterdrauburg/Dravograd nach dem Ersten
Weltkrieg. Die Gesellschaftsstruktur des Lavanttals, welche mit ihrem großen
landwirtschaftlichen Sektor zwar nicht NS-Wahlerfolge, aber eine
Putschbeteiligung begünstigte, konnte klar nachgewiesen werden. Aus dem
Primärsektor stammten nämlich die meisten Putschteilnehmer. Bauern schickten
oft ihre Söhne oder Knechte, um beim Aufstand mitzuwirken, wenn sie nicht sogar
selbst daran teilnahmen. Es nahmen zwar weniger Menschen aus dem
Sekundärsektor als aus dem Primärsektor am Putsch im Lavanttal teil, aber der
Sekundärsektor war bezogen auf den Anteil an der Gesamtwirtschaft im Bezirk
Wolfsberg überrepräsentiert. Dafür war die Initiative vom Großunternehmer Ernst
Swatek verantwortlich, welcher seine Arbeiter auch zur Beteiligung am Putsch in
der SA angeregt hat. Gleiches gilt für die Teilnahme von Handelsangestellten, da
Swatek auch ein Handelshaus besaß. Dass sich im Lavanttal fast jede dritte

276Siehe dazu das Kapitel 3 „Von einer Splitterpartei zur führenden nationalen Bewegung 1927–
1933“ (S. 41–55) dieser Arbeit.

87
Pflichtschullehrer an den Kämpfen beteiligte, passt ins Bild der früh
nationalsozialistisch geprägten Kärntner Lehrerschaft. Die Grenzlage zu
Jugoslawien war eine weitere Voraussetzung, weil über diese Route Waffen,
Munition und Propagandamaterial ins Lavanttal befördert werden konnten. So war
es möglich, dass hier im Gegensatz zu den meisten anderen Aufstandsorten eine
für einen Putsch notwendige Bewaffnung erreicht werden konnte. Diese kann
gleichzeitig mit der entschlossenen Initiative des Führers der Wolfsberger SA,
Josef Welz, in Verbindung gebracht werden. Ohne seine Tatkraft wäre die
Organisation des Aufstandes womöglich im Sand verlaufen. Dass mit den
Unterkärntner Nachrichten das auflagenstärkste Regionalmedium
nationalsozialistisches Gedankengut verbreitete, sollte auch als eine Besonderheit
des Lavanttals gesehen werden, ebenso die Schwächung der staatlichen
Verteidigungsformationen in Wolfsberg durch die Abkommandierung der lokalen
Heimwehr am 25. Juli in die Steiermark. So war es den Lavanttaler Putschisten
möglich, vom Losschlagen des Putsches am Nachmittag des 26. Juli bis zur
folgenden Nacht das gesamte Lavanttal einzunehmen. Diese Zeit der
nationalsozialistischen Machtübernahme dauerte aber nur kurz, denn am 27. Juli
musste gegen 14 Uhr bereits der Rückzug eingeleitet werden, weil
Bundesheereinheiten aus dem Norden und aus dem Westen ins Lavanttal
vorrückten. An der Grenze zu Jugoslawien hielt etwa die Hälfte der flüchtenden
Putschisten (300–400 Mann) Stellung und verhandelte mit der Bundesheereinheit.
Erst als die Nahrung knapp wurde und alle Hoffnung verloren schien, überschritt
diese Gruppe die Grenze nach Jugoslawien. Damit begannen diese Putschisten
ihre Flucht nach Jugoslawien in desolate Flüchtlingslager, um einer Verurteilung in
Österreich zu entgehen. Aus diesen Lagern wurden sie per Schiff im Spätherbst
und frühen Winter 1934 nach Deutschland gebracht, wo sie wohlwollend
aufgenommen wurden.277

Für die zukünftige Forschung gibt es zur NS-Bewegung in Kärnten zwischen


1918 und 1934 über den gesamten Zeitraum verstreut weiterhin einige offene
Felder. So ist die Forschungslage zur DAP in Kärnten besonders dürftig und es
wäre ein Anliegen, über Ausrichtung, Verbreitung und wichtige Personen dieser
Partei mehr zu erfahren. Des Weiteren konnte das Gründungsdatum der Kärntner

277 Siehe dazu das Kapitel 4 „Der Juliputsch 1934 in Kärnten“ (S. 56–84) dieser Arbeit.

88
DNSAP zwar eingegrenzt, aber noch immer nicht genau festgelegt werden.
Desgleichen sind die genauen Umstände und Kräfteverhältnisse der Schulz- und
Hitler-Gruppe innerhalb der Kärntner Partei, aber nach dem Passauer Parteitag
auch in der getrennten Partei nicht vollkommen klar, auch wenn in dieser Arbeit
Tendenzen aufgezeigt werden konnte. Sollte der Verfasser dieser Diplomarbeit
sich für eine Dissertation noch weiter im Thema vertiefen dürfen, würde in erster
Linie die Formierungsphase der Kärntner DNSAP zwischen 1918 und 1926, also
von der Entstehung bis zur offiziellen Spaltung, noch umfassender (mithilfe von
Archivmaterial) beleuchtet werden. Es bleibt festzuhalten, dass es mittlerweile
eine annehmbare Forschungslage zu den Grundlagen der frühen NS-Bewegung in
Kärnten gibt, aber hoffentlich in zukünftigen Projekten bislang ungeklärte
Detailfragen beantwortet werden können.

89
Quellen- und Literaturverzeichnis
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Freie Stimmen
Grazer Tagblatt
Kärntner Bauernbote
Kärntner Tagblatt
Kärntner Volkszeitung
Klagenfurter Zeitung
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Vorarlberger Tagblatt
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