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Die Faszination eines unbekannten Landes – 8 Tage ursprüngliches Nordalbanien

Europa besitzt kaum noch weiße Flecken auf seiner touristischen Landkarte – wir haben eine
Reise in das geheimnisvolle Albanien gewagt und waren erstaunt, fasziniert und gerührt...

Langsam senkt sich das Flugzeug in seinem Landeanflug auf den internationalen Airport von
Tirana „Nënë Tereza“. Unter der aufgelockerten Wolkendecke spitzen schroffe Berggipfel, grün
bewaldete Bergflanken, kleine Seen und eine ausgedehnte Lagunenlandschaft vor der Weite
der Adria. Die interessanten Ausblicke lassen die Spannung auf unsere 8-Tägige Albanienreise,
vorwiegend durch den Norden des Landes, steigern. Wir sind neugierig auf das kleine,
unbekannte Land, gespannt auf die angeblich umwerfende Landschaft, auf die
geschichtsträchtigen Städte, die alten Kulturen und aufgeschlossen und ohne Vorurteile
gegenüber einer Bevölkerung, der man nicht nur Gutes nachsagt.
Die Einreiseformalitäten auf diesem kleinen, aber erstaunlich modern ausgestatteten Flughafen
sind unkompliziert und schnell erledigt, unsere Mietwägen und Fremdenführer erwarten uns
bereits.
Unsere erste Anlaufstelle ist die Hauptstadt Tirana, deren Stadtrand wir in 20 Minuten über die
verkehrsreiche, autobahnähnliche SH2 erreichen. Gerade mal 600.000 Einwohner umfasst der
Kern der Stadt, für europäische Verhältnisse einer Hauptstadt ist das wenig. Um in das
Zentrum zu gelangen, bedarf es guter Nerven, der Nachmittagsverkehr auf der dreispurigen
Ausfallstrasse ist mehr als dicht, die meist roten Ampeln erfahren kräftig Unterstützung durch
mit Trillerpfeifen ausgerüstete Verkehrspolizisten. Links und rechts der palmenbestückten
Seitenstreifen fallen die Niederlassungen großer, internationaler Firmen auf, riesige
Einkaufszentren, Universitäten, Krankenhauskomplexe und Autohäuser sämtlicher Marken. Wir
kämpfen uns bis ins Zentrum vor, umkreisen auf der erfolglosen Suche nach Parkplätzen den
berühmten Skanderbeg-Platz weitläufig und werden erst stadtauswärts fündig. Die wenigen
hundert Meter zurück ins Zentrum legen wir zu Fuß zurück. Die wichtigsten
Sehenswürdigkeiten liegen dicht beieinander. Zeitzeugen, deren Geschichte aber nur bis in die
osmanische Ära zurückreicht. Die innen und außen mit wunderhübschen Malereien übersäte Et
´hem Bey Moschee aus dem 18. Jhd, der begehbare Uhrturm aus dem 19.Jhd., die prunkvolle,
Neue Orthodoxe Kathedrale, das Nationalmuseum mit seinem bunten Frontmosaik mit Motiven
aus zahlreichen Freiheitskämpfen, die orange-gelben Regierungsgebäude im italienischen Stil
der 1920er-Jahre. Die namensgebende Piramida, einst der teuerste Bau Tiranas aus
tonnenweise weißem Marmor, rotem Stahl und viel Glas, sollte nach Plänen ihrer Architektin,
Pranvera Hoxha, ihrem Vater Enver, dem Diktator, als Museum gewidmet werden, entwickelte
sich jedoch zu einem recht lieblos geführten Kulturzentrum. Erfolgreich konnte sich der Bau
kürzlich dem Abriss wehren und harrt nun neuer Aufgaben. Im Park der Jugend treffen sich
nicht nur die jungen Tiraner, alte Männer versinken mit Hingabe dem Dominospiel, fliegende
Händler bieten allerlei Krims-Krams und Eiscreme feil und ältere Frauen unterhalten sich
lautstark über scheinbar wichtige Dinge ihres einfachen Lebens. Junge, sehr hübsche Mädchen
flanieren auf und ab und betonen ihre Wichtigkeit demonstrativ mit einem Smartphone der
neuesten Generation. Letzte, kulturhistorische Errungenschaft ist ein Originalstück der Berliner
Mauer, neben Zeugen aus der kommunistischen Ära eine Mahnung an Geschehnisse, die man
lange Zeit zu vergessen suchte und in dieser Form nicht mehr dulden würde. Der
Sonnenuntergang vom Sky-Tower mit einem phänomenalen Rundumblick über die Stadt bei
einem kühlen und sehr schmackhaften Tirana-Bier bildet einen schönen Abschluss unseres
Kurzbesuches der Hauptstadt. Tirana ist eine interessante Minimetropole, der erste Eindruck
sehr chaotisch und hektisch, doch entpuppt sie sich als eine moderne, saubere, geordnete und
liebenswürdige Stadt und strahlt statt des erwarteten Balkancharakters einen westlichen,
aufgeschlossenen Eindruck aus.
Unser sehr ruhig gelegenes Hotel befindet sich etwas außerhalb des Zentrums, wir werden
herzlich vom Deutsch sprechenden Manager begrüßt und fürstlich bewirtet.

Das Frühstück ist üppig, kontinental und wirklich gut. Wir brechen Richtung Süden auf. Vom
Burgfelsen der nahegelegenen Festung Petrele haben wir einen letzten Blick auf Tirana.
Skanderbegs Schwester Mamica unterstütze von hier aus ihren Bruder und verteidigte damit
Teile des Landes im 15. Jhd. gegen die vehement vordringenden Türken. Wir werden dem
Nationalhelden noch einige Male während unserer Reise begegnen. Über den knapp 900 Meter
hohen Krrabe-Pass queren wir eine schroffe aber anmutende, mit kleinen Seen durchsetzte
grau-grün leuchtende Berglandschaft und finden uns in Elbasan wieder, der drittgrößten Stadt
Albaniens mit antiken Wurzeln. Doch weniger beeindruckt uns hier die unscheinbare Altstadt
innerhalb der hohen Mauern mit ihrer restaurierten Moschee, als der quirlige und orientalisch
authentische Lebensmittel- und Kleinwarenmarkt. Das Obst und Gemüse könnte frischer nicht
sein, ebenso die Fischauswahl, das Käseangebot ist unerwartet vielfältig, unter den
Haushaltsgegenstände findet man Dinge, an deren Existenz man in Westeuropa schon nicht
mehr denkt. Und die Preise sind beschämend günstig, Handeln ist somit selbstverständlich
tabu.
Auf der Fahrt durch das Dumreja-Plateau nach Berat passieren wir eine sehr fruchtbare und
landwirtschaftlich geprägte Gegend, 68 größere und kleinere, malerisch gelegene Karstseen
durchsetzen die liebliche Landschaft mit ihren gepflegten Dörfern entlang des Devoll-Flusses,
in der Ferne zieht die gewaltige, neue Staumauer des unteren Wasserkraftwerkes von Banjë
unsere Blicke auf sich. In der Stadt der 1000 Fenster beziehen wir ein stilvolles Quartier in
einem original osmanischen Haus aus dem 18. Jhd., sehr liebevoll restauriert und die
geschmackvolle Einrichtung unterstreicht das fast schwarze Holz der Decken und Dielen. Berat
ist seit 2008 eines der drei kulturellen UNESCO-Weltkulturerben Albaniens. Berechtigterweise –
ein abendlicher Spaziergang durch die verwinkelten Gassen des osmanischen und christlichen
Stadtteils eröffnen anschaulich die Lebensweise in der seit Jahrhunderten bedeutenden Stadt
mit ihrer einzigartigen Architektur.

Den nächsten Tag beginnen wir mit einem üppigen Frühstück auf der hoch gelegenen Terrasse
des Hotels mit einem weitläufigen Blick über den osmanischen Stadtteil Mangalem, bevor wir
die steile Kopfsteinpflastergasse zur Kalaja emporwandern. Die Altstadt auf dem 140 Meter
hohen Hügel war bereits vor der ersten Jahrtausendwende von den Illyrern besiedelt. Sie
gelten als bisher unnachweislich als die direkten Vorfahren der Albaner. Römer, Bulgaren und
Serben folgten. Über 40 orthodoxe Kirchen soll es hier gegeben haben, bevor die Osmanen im
15. Jhd. die Herrschaft übernahmen. Nur wenige der Gotteshäuser konnten sich erhalten und
die wertvollen Fresken trugen irreparable Schäden davon. Die Altstadt innerhalb ihrer starken
Mauern wird heute noch rege bewohnt, Besucher können in einem der liebevoll restaurierten
Gästehäuser nächtigen. Die Sicht vom südlichsten Aussichtspunk über gesamt Berat zieht uns
alle in ihren Bann.
Çorovoda liegt 50 km südlich von Berat und ist über eine kurvenreiche Panoramastraße entlang
eines geologischen Nationalheiligtums der Albaner zu erreichen. Das Bergmassiv des Tomorr
misst 2.416 Meter, ist 19 km lang und 6 km breit, der Gipfel dient alljährlich im August dem
islamischen Bektashi-Orden als beliebter Wallfahrtsort. Überall entlang des Weges schneiden
kräftige Arbeiter wunderschöne Steinplatten und schichten sie nach Farbe und Stärke auf
Paletten. Sie werden hoch oben im Steinbruch des Massivs abgetragen, in ganz Albanien zu
Verkleidungen und Wegen verarbeitet und sogar exportiert. Auf halbem Weg in Poliçan zeugen
verrostete Schornsteine in den grünen Hügeln von der wichtigsten Munitionslagerstätte des
Diktators Hoxha. Noch heute finden hier hörbar Entsorgungsaktionen statt, besichtigen kann
man die Bunker in den ausgehöhlten Bergen nicht. Wenige Kilometer südlich Çorovodas
beginnt das Naturschauspiel des gewaltigen Osum-Canyons. Bis zu 80 Meter Tiefe hat der mit
161 km fünft längste Fluss seinen Verlauf in Millionen von Jahren in das rostbraune Gestein
geschliffen. An etlichen Stellen bieten sich atemberaubende Ausblicke in die Tiefe, begleitet
von rauschenden Wasserfällen. Den Höhepunkt bildet eine Wanderung auf halber Höhe in den
steilen Felsen zu beiden Seiten des Osum. Zurück in Berat lassen wir den Tag in einem
stilvollen Restaurant mit albanischen Köstlichkeiten und Wein ausklingen.

Auf dem Weg Richtung Norden müssen wir vorerst mit der weiten Myzeqe-Ebene vorlieb
nehmen, die landschaftlich so gar nichts Schönes bietet. Die SH4 verläuft durch eine eintönige
Landschaft, die bis in die 1930er-Jahre noch ein malariaverseuchtes Sumpfgebiet war, dann
erst wurden endlose km² trockengelegt und der Landwirtschaft nutzbar gemacht. Die
küstennahe Festung Bashtova aus venezianischer Zeit diente lange Zeit der Deckung der
Werftanlagen der antiken Stadt Apollonia und der Verschiffung von Getreide, bis ein Erdbeben
den Verlauf des Flusses Shkumbin verschob und die Anlage verfiel.
In der Hafenstadt Durrës bestaunen wir das Treiben am südlichen Strandabschnitt und die
Dichte der bunten Liegestühle und Sonnenschirme im dunklen Sand, hier ist man bereits Ende
Mai dem kommenden Ansturm Tausender von Kosovaren gewappnet, Durrës-plazh ist einfach
deren beliebtester Hausstrand und seit 2010 bequem in kürzester Zeit über die A1 zu
erreichen. So nahe am Meer müsste man doch ausgezeichnet Fisch essen können. Wir werden
fündig am langen und noch ruhiger gelegenen Sandstrand von Gjiri i Lalzit, frischer und
besser können Shrimps, Tintenfische, Doraden und Barben nicht sein. Wir ziehen weiter an das
Kap Rodon. Die sandige Felsenspitze nördlich von Durrës bietet gleich mehrere achtenswerte
Besonderheiten: Eine alte Kirche aus dem 12. Jhd. im römisch-gotischen Stil restauriert, in ihr
entdeckte man eine unscheinbare Freske, die vermutlich die Grundlage des Doppeladlers
bildet, der heute Fahne und Wappen ziert. Eine weitere Festungs Skanderbegs am Fuße der
Felsen, eine Großbunkeranlage mit seltsamen Spitzhauben und die Kap-Spitze für sich – alle
bieten ein einmaliges Fotomotiv. Eine Wanderung über den Grat bis an den äußersten Punkt ist
durchaus möglich aber abenteuerlich. Es ist Sonntag und man merkt, das Kap ist ein beliebtes
Ausflugsziel der Tiraner und Durrësianer.
Den Abend verbringen wir in Kruja, die Stadt, von welcher aus der Nationalheld Skanderbeg in
25 legendären Kämpfen im 15. Jhd mit gerade mal 25000 Soldaten gegen eine
Hunderttausende umfassende Armee über die Türken siegte. Kruja fehlt in fast keinem
Reiseprogramm, ein Bummel über den zwar original im Mittelalterstil erhaltenen, aber äußerst
touristischen Bazar macht dies deutlich. Zwar kann man hier neben handgewebten Teppichen
noch die eine oder andere antiquarische Kostbarkeit entdecken, doch die Preise sprechen für
sich und die Händler scheinen gesättigt. Aber nun haben wir Bazar und Burganlage fast für uns
allein, die Touristenbusse sind weg und nur eine sich auflösende Hochzeitsgesellschaft lässt
den Rummel des vergangenen Tages erahnen. Unser familiäres Guesthouse mit geräumigen
Zimmern liegt direkt innerhalb der Festung, unterhalb des Leuchtfeuerturmes, der in direktem
Kontakt mit Petrele und einer weiteren Anlage stand. Das mehrgängige, typisch albanische
Menü stammt aus der Küche der herzlichen Wirtin, mit Aussicht auf die umliegenden Berge
und der Ebene lassen wir es uns schmecken.

Hoch über Kruja liegt die Wallfahrtsstätte Sari Salltik, ein Prophet des Bektashi-Ordens fand
hier seine letzte Ruhestätte in einer Grotte tief im Felsen. Wir genießen die Aussicht von 1.200
Metern Höhe auf die Stadt und bis zur Küste.
Einen kleinen Teil der im Landeanflug bereits wahrgenommenen Lagunenlandschaft können wir
nun aus nächster Nähe bestaunen. Auf einem kilometerlangen Damm geht es bis fast zur
äußersten Spitze der Lagune Patok, im Schwemmbereich des Flusses Mat gelegen.
Romantische Stelzenhäuschen mit traditionellen Fischrestaurants und typische
Fischfangvorrichtungen, die sogenannten Kalmere, säumen den schmalen, schnurgeraden
Asphaltweg. Zwei der seltenen, hier aber noch heimischen Krauskopfpelikane kreuzen den
tiefblauen Himmel, bevor sie langsam am Horizont verschwinden. In der Stadt Lezha werfen
wir einen kurzen Blick auf das wichtigste Nationalheiligtum der Albaner. Die Ruinen der alten,
nun mit Glas überdachten und Betonmauern ummantelten St. Nikolaus-Kirche beherbergt
symbolisch die letzte Ruhestätte des Helden Skanderbeg. Nach seinem Tod 1468 plünderten
die Osmanen sein Grab und formten aus seinen Knochen Kräfte spendende Amulette.
Für den weiteren Weg nach Shkodër wählen wir die kaum befahrene, alte Landstraße unterhalb
des Bergzuges östlich der belebten SH1. Bereits hier ist der katholisch geprägte Norden
Albaniens spürbar. Jedes der kleinen Dörfer bietet neben der obligatorischen Kneipe, in denen
man stets Männer beim Nationalschnaps Raki antrifft, auch eine stattliche Kirche. Doch damit
nicht genug, ein findiger Künstler hat eine ganze Reihe von Bunkern mit religiösen Figuren aus
Eisen bestückt. Vielleicht auch eine Art Reaktion auf den zwanghaften Atheismus zu
kommunistischer Zeit. Das kleine Land versetzt uns immer wieder ins Staunen. Nach endlosen
Kurven eröffnet sich ein erster Blick auf den Drin-Stausee mit der untersten Stufe des
Stausystems bei Vau i Dejës. Vermehrt erblicken wir alte Frauen in ihrer typisch
nordalbanischen Alltagstracht, sehr schlicht in schwarz-weiß, dennoch auffällig.
Unseren Hunger stillen wir im erstaunlich skurrilen Restaurantkomplex DEA bei Mjedë. Begrüßt
werden wir von überdimensionalen Ritterrüstungen am Eingang, das Innere der gepflegten
Anlage beherbergt kleine Seen mit Karpfen und Saiblingen, Brücken und Boote,
wasserspeiende Elefanten aus Weidengeflecht und zu unserem Entsetzen auch zwei echte
Bären und einen Uhu. Wir bleiben trotzdem und speisen vorzüglich in einem Saal mit
künstlichen Grotten, die schmackhaften Fische aus der eigenen Zucht werden gegrillt, gebraten
und gefüllt serviert.
Shkodër erreichen wir durch die „Hintertüre“. Das Wesentliche der geschichtsträchtigen Stadt
besichtigen wir nur zum Teil, es ist schon später Nachmittag und für die alte Festungsanlage
Rozafa mit bedeutenden Einflüssen aus illyrischer, römischer und osmanischer Zeit auf dem
Hügel bleibt keine Zeit. Wir bummeln durch die angenehme und belebte Fußgängerzone Kole
Idromeno, deren alte Häuser im italienischen Stil des vorletzten Jahrhunderts bereits zum
größten Teil aufwendig und farbenfroh restauriert wurden. Ein Cafe und eine Bar reiht sich an
die andere, die Entscheidung, wo wir unser Bier und den Kaffee einnehmen fällt schwer.
Wenige Kilometer östlich der Stadt wartet noch ein kleines Highlight auf die Freunde alter
Steine unter uns – die alte Steinbogenbrücke von Mes aus dem 19. Jhd. Mit 130 Metern Länge
überspannt sie den Fluss Kir, der sich mit seiner türkisblauen Farbe tosend seinen Weg zur
Buna bahnt.
Unser Quartier liegt direkt am Ostufer des weiten Skutari-Sees, mit 540 km² das größte
Binnengewässer des Balkans. Das Campingresort bietet komfortable Unterkünfte in riesigen
Indianerzelten, mit richtigen Betten, Teppich und Stromanschluss, eine außergewöhnliche
Abwechslung. Das Restaurant lockt mit traditionellen Gerichten und europäischer Küche. Die
Pizzas sind unschlagbar gut und die Portionen reichlich. Der farbenprächtige Sonnenuntergang
taucht den See und das Resort in ein warmes Licht, am gegenüberliegenden Ufer schimmern
die aufgehenden Lichter der wenigen montenegrinischen Dörfer.

Unser nächstes Ziel ist eines der drei spektakulären albanischen Alpentäler, wir machen uns
auf den Weg in das bei Wanderern und Bergfreunden legendäre Dorf Theth. Den Anfahrtsweg
bis Bogë säumen weite Lavendelfelder, die Abgeschiedenheit nutze die albanische Regierung,
um hier den größten Hochsicherheitsgefängnis-Komplex des Landes zu errichten, mit
finanzieller Unterstützung der EU selbstverständlich. Im Anschluss führen uns endlos
scheinende Serpentinen mit 22 Kehren aus dem Trogtal hinauf auf den 1.600 m hohen Thora-
Pass, der das Tal von der Zivilisation trennt. Die Etappe wurde erst 2014 asphaltiert, jedoch
nur bis hierhin, keinen Meter weiter. Der erste Blick auf die zum Greifen nahen Berggipfel und
das vor uns liegende Shala-Tal ist unbeschreiblich eindrucksvoll. Eine Blockhaushütte in
exponierter Lage lässt uns auf eine Erfrischung mit dieser phänomenalen Aussicht hoffen, man
öffne erst am kommenden Samstag, erklärte uns der Englisch sprechende, freundliche Wirt.
Somit nehmen wir die mühselige Schotterpiste in Angriff und werden nur wenige Kilometer
weiter am Edith-Durham-Denkmal mit einem weiteren, unerwartet atemberaubenden
Panorama konfrontiert. Schroffe, teils mit Schnee bedeckte Bergspitzen unter einem
tiefblauen, fast makellosen Himmel soweit das Auge reicht, rauben uns den Atem. Der höchste
Berg Albaniens, der 2.694 Meter hohe Jezerca, ragt unmittelbar gegenüber von uns auf, tief
unten kann man die ersten Häuser erkennen. Es scheint fast unmöglich, eine solch
überwältigende Schönheit zu beschreiben und nur ungern verlassen wir diesen besonderen
Aussichtspunkt und widmen uns voller Aufmerksamkeit der teils engen Offroad-Strecke durch
den dicht bewaldeten Nationalpark hinunter in das Tal von Theth. Immer wieder werden wir
von klappernden Minibussen mit fröhlich hupenden Fahrern überholt, welche Bewohner,
Touristen, Tiere, Gepäck, Holz und Möbelstücke in rasantem Tempo abwärts befördern – wir
beneiden sie nicht, es bleibt ihnen kaum Zeit, die wunderbare Natur zu genießen.
Unser Guesthouse liegt im Zentrum des Dorfes, es gibt zwei Zufahrten, wir wählen die Brücke
und verzichten auf die Flussdurchfahrt. Bevor wir uns dort mit einem späten, kräftigen
Mittagessen aus Salaten, frischem Brot, Fleisch, Gemüse, Obst und Käse stärken, möchten wir
den berühmten Blutracheturm von innen sehen. Die kleine Kulla ohne Fenster beherbergt im
oberen Stockwerk nur wenige Schießscharten und Luftlöcher. Man erzählt uns die tragische
Geschichte der Familie, in der über Generationen die meisten männlichen Mitglieder der
Blutrache, einem wichtigen Teil des traditionellen Gesetztesbuches der Bergvölker, dem Kanun,
zum Opfer fielen und zum Glück gehören diese schaurigen Geschichten nun endlich der
Vergangenheit an, lautet die beruhigende offizielle Version des jungen Mannes. In der Realität
können das nicht alle Familien von sich behaupten, immer wieder werden aktuelle Fälle der
Blutrache bekannt.
In 30 Minuten wandern wir entlang des Theth-Baches zum beachtlichen Grunas-Wasserfall. Aus
30 Metern Höhe ergießt sich das Wasser in ein rötlich-grünes Becken. Wir versinken in der
Schönheit der Natur und beobachten bunte Regenbogen immer wieder kommen und gehen.
Auf einem Foto ist dies kaum festzuhalten.
Es dämmert bereits als wir zurückkehren und Kühe, Schafe und Schweine finden finden ihren
Nachhauseweg alleine. Der Abend verspricht eine Mischung aus Spannung und Romantik, seit
Stunden wartet das Dorf auf Elektrizität. Bei Kerzenschein werden Kartoffeln, Salate, saftige
Hammelstücke, Pasteten, Käse, Gemüse, Brot, Rotwein und der traditionelle Raki, ein
hochprozentiger Schnaps aus Trauben serviert. Zu schade als das Licht dann doch noch
erglimmt, aber der fröhlichen Stimmung tut das keinen Abbruch.

Die Nacht ist kühl in Theth, es regnet leicht, der nächste Morgen begrüßt uns mit einem dunkel
verhangenen Himmel, der die hohen Bergspitzen nahezu verschlingt. Nach einem typisch
nordalbanischen Frühstück mit Maisbrot, Eiern, Käse und starkem Kaffee brechen wir nach
Nderlysa auf, 8 km südlich des Dorfes gelegen. Die kurze Etappe ist abenteuerlich und zieht
sich endlos dahin. Nicht nur unsere Autos müssen sich auf Geröll, Absätzen und tiefen Furchen
beweisen, auch wir Insassen benötigen gute Nerven und sind froh, nach der knapp
einstündigen Fahrt wieder unversehrt festen Boden unter den Füßen zu haben. Hier in Nderlysa
werden wir belohnt mit einer bizarren Mondlandschaft aus rötlichem Karstgestein, über das
sich der Fluss Shala, durchsetzt mit tosenden Wasserfällen, seinen Weg aus dem engen
Seitental bahnt. Doch das eigentliche Ziel der anstrengenden Fahrt liegt noch viel weiter
abseits, im abgelegenen Örtchen Kapreja. Nach einer 40-minütigen Wanderung erreichen wir
die drei Häuser des Dorfes und das berühmte Blue-Eye. Ein niedriger Wasserfall ergießt sich in
ein großes Becken mit eiskaltem, glasklaren, blau schimmerndem Wasser. Ein Bad scheint
unglaublich verlockend, doch konstante 12° Wassertemperatur lassen uns verzichten. Eine
kleine Bar mit Sitzen aus Baumstümpfen lockt mit einfachen Erfrischungen und Kaffee. Für die
Rückfahrt nach Shkodër stehen uns zwei Möglichkeiten offen. Eine qualitativ gleichwertige
Fortsetzung der letzten Etappe auf weiteren 65 Kilometern oder auf dem gleichen Weg zurück.
Wir verzichten auf Ersteres und wählen die bereits bekannte Variante. Zurück in die Zivilisation
gibt es außerhalb des Hochsommers keine Einkehrmöglichkeiten, so erreichen wir
spätnachmittags hungrig das vertraute Resort am Skutari-See. Die reichhaltigen Portionen des
wirklich guten Restaurants werden restlos aufgegessen. Gerne hätten wir noch einen lauen
Abend am Seeufer verbracht, doch es regnet und wir ziehen uns in unsere geräumigen,
komfortablen Indianerzelte zurück.

Der Regen hat sich über Nacht verzogen, die Luft am Skutari-See ist wunderbar klar und rein.
Wir brechen sehr früh auf, uns stehen zwei Stunden Fahrtzeit bis Koman bevor, der unteren
Staustufe des gleichnamigen Sees und Anlegestelle der Fähren, die zwischen hier und dem
weit östlich gelegenen Fierza verkehren. Die abwechslungsreiche Strecke entlang des Drin-
Stausees ist wunderschön und zeigt uns immer wieder Einblicke in die sanfte
Voralpenlandschaft. Die letzten Meter führen durch einen dunklen Tunnel und wir finden uns im
unerwarteten Chaos wieder. Am Platz des Fähranlegers wimmelt es von Menschen,
Einheimische und Touristen versuchen einen der begehrten Plätze auf den Booten zu ergattern,
fliegende Händler bieten Obst, Zigaretten und Getränke an. Autos und Kleinbusse
unterschiedlicher Altersklassen warten auf die Freigabe einer Passage. Jeder und alles scheint
wichtig und ganz tief unter dem Durcheinander existiert wohl doch eine gewisse Ordnung, die
uns aber auf den ersten Blick verborgen bleibt. Eine Szenerie, die als Sehenswürdigkeit selbst
für sich spricht. Viel zu schnell müssen wir uns von der Faszination des hektischen Treibens
trennen, überpünktlich legt die kleine Fähre Berisha mit 7 Autos und etwa 70 Passagieren ab.
Über 34 km bahnt sich der türkisgrüne See seinen Weg durch die eindrückliche Berglandschaft.
Stellenweise ragen die Felsen hunderte von Metern an den manchmal nur 40 Meter breiten
Engstellen empor, nicht nur einmal versperren sie uns scheinbar ausweglos die Weiterfahrt.
Der Ursprung des bis zu 96 Meter tiefen Sees lag darin, dass man bereits in den 1960er-Jahren
damit begann, den Fluss Drin an mehreren Stellen zu stauen, um den Energiebedarf des
Landes zu decken. Gleichzeitig entstand damit ein offizieller Verkehrsweg, um fortan alles, was
von Nöten war, in die nordöstlichste Ecke des Landes zu transportieren. Nach der Fertigstellung
der A1 2010 profitieren heute hauptsächlich Touristen von diesem einzigartigen
Albanienhighlight. Viel zu schnell sind die von Abenteuer und Romantik geprägten 2,5 Stunden
vorbei.
Von Fierza, dem östlichen Ende des Koman-Stausees führt die Straße in Serpentinen nach
oben und wir haben einen faszinierenden Blick auf den gewaltigen Staudamm des östlichsten
Wasserkraftwerkes. Immer noch versorgt es den größten Teil des Landes mit Strom, bis die
drei Wasserkraftwerke am Devoll in der Landesmitte fertiggestellt sind. Ab hier bis zum
Abzweig auf die SH5 sind es nur 40 km, doch diese scheinen endlos. Die nächste Kurve liegt
zum Greifen nah, doch dass wir bis dorthin kilometerweite Bergflanken umfahren müssen,
sieht man nicht. Wir werden belohnt mit immer wiederkehrenden Ausblicken auf die tiefblauen
Ausläufer des Fierza-Stausees. Hinter Fushë Arrëz zweigt eine unscheinbare Straße Richtung
Süden ab. Nach wenigen Kilometern befinden wir uns im Herzen der Mirdita. Sie gilt als eine
der ärmsten Regionen des Landes und ist traditionsgemäß seit jeher am stärksten in die
Gebräuchlichkeiten der Blutrache involviert. Die von Schlaglöchern übersäte, kaum befahrene
Straße führt weit oberhalb des Flusses Fan auf durchschnittlich 1.000 Metern Höhe durch eine
grandiose Berglandschaft – komplett konträr zum schroffen Alpengebirge. Fast scheint es, als
würde man über dem Land schweben und bis über seine Grenzen hinaus blicken. Ab und an
erinnern die Halbmeter hohen Steinhaufen und Gedenktafeln verstorbener Männer an die
Tradition des Kanun. Ein alter Bauer führt seine vermutlich einzige Kuh zum Grasen am
Seitenstreifen entlang. Das Gefühl der einsamen und idyllischen Weite endet jäh, als tief unten
im Tal die störend moderne Konstruktion der Autobahn A1 von Milot bis in den Kosovo vor uns
auftaucht und uns wenige Zeit später in die Zivilisation geleitet. Diese können wir am Ende des
Tages in einem abgelegenen Waldstück am Fuße der Berge nochmals für eine Weile
verdrängen. In einem Ökohotel erwarten uns geräumige Zimmer mit hellen Holzmöbeln,
ausgesprochen gutes Bioessen und Wein der Region sowie ein ausgesprochen höfliches
Personal.

Die letzten Stunden unserer spannenden und abwechslungsreichen Albanien-Reise sind


angebrochen. Wir verlassen die einsame Idylle bei Rubik und begeben uns entlang der
belebten SH1 Richtung Norden. Südlich von Lezha zweigen wir nach Westen ans Meer ab. In
der Nähe des endlos langen und breiten, grauen Sandstrandes von Tale können wir eine
gigantische Großbunkeranlage aus Hoxhas Zeit studieren. Das sind vier riesige Betonpilze, eine
unterirdische Versorgungsanlage und ein weiteres undefinierbaren Gebäude inmitten einer
weitläufigen, sumpfigen Riedlandschaft. Kopfschüttelnd diskutieren wir über den Sinn der 40
Jahre dauernden Abschottung des Landes durch den Diktator Enver Hoxha.
Den Abschluss bildet ein Besuch der Burganlage von Preza, sie war neben Petrele und Kruja die
dritte der bedeutenden Verteidigungsanlagen Skanderbegs gegen die Osmanen. Von hier bietet
sich ein schöner Blick auf den Hügelzug, welcher uns wenige Tage vorher zum Kap Rodon
geleitet hat und auf der anderen Seite in der Ebene können wir den Flughafen entdecken, der
für dieses Mal leider unser letztes Ziel sein wird.

Wir verlassen ein kleines, großartiges Land, welches wir in den wenigen vergangenen Tagen
innig ins Herz geschlossen haben und das uns einen intensiven Einblick in sein Innerstes
gewährt hat. Jeder Tag war mit unglaublich vielfältigen und positiven Eindrücken ausgefüllt und
Albanien bietet ein unerschöpfliches Potential für Reisende, die das Außergewöhnliche, nicht
Alltägliche suchen. Vieles wird uns aber weiterhin ein Rätsel bleiben wenn wir in unsere
zivilisierte Welt zurückkehrt sind. Es ist ein faszinierendes Land mit einer bewegten Geschichte,
einer eindrucksvollen Kultur, atemberaubenden Landschaften und unglaublich herzlichen und
gastfreundlichen Menschen, ein kleines Paradies mitten in Europa.

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