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Liebe GenossInnen,

als Folge der anhaltenden Verrohung der Debattenkultur im Jugendverband erklären wir
gemeinsam in zwei Wochen zum 05.08.2022 unseren Rücktritt aus dem
Landessprecher*innenrat. Wir bitten euch etwaige offene Auslagen bis zum 03.08. an
finanzen@linksjugend-niedersachsen.de zu senden, damit diese noch erstattet werden können.

Bis zuletzt haben wir versucht eine Lösung zu erarbeiten, die einen geordneten Übergang nach
der LMV und eine „Linksjugend für Alle“ ermöglicht. Die sich immer weiter zuspitzenden Angriffe
auf Genoss*innen innerhalb wie außerhalb des LSp*R haben aber in der Zwischenzeit ein Level
erreicht, dass nicht mehr aushaltbar ist. Mitglieder der Linksjugend üben Druck auf private
Kontakte von uns aus und diskreditieren uns in unserem Umfeld. Manche von uns haben
inzwischen wegen der permanenten Anfeindungen und Drohungen durch einige wenige
Genoss*innen Schlafstörungen entwickelt oder leiden unter noch schlimmeren psychischen
Folgen. Während manche Mitglieder stolz auf ihre toxische Männlichkeit verweisen können, ist
die ehrliche Entschuldigung Anderer nur ein weiterer Anlass draufzuhauen. Uns wird
vorgeworfen queeren Menschen das Existenzrecht abzusprechen, was niemand von uns tut
oder je getan hat. Mit uns wird im Gegensatz dazu so umgegangen, dass wir keine andere
Option mehr sehen als den Schlussstrich zu ziehen. Jeder von uns hat sein Herzblut in diesen
Verband gesteckt und auf dieser Basis so miteinander umzugehen halten wir für unanständig. Im
Sinne einer ehrlichen Aufarbeitung haben wir weder gefälschte Fotos, Screenshots noch
Lügengeschichten, die über uns im Umlauf sind, thematisiert. Auch haben wir anders als unsere
Kritiker*innen keine der belastenden Handlungen/Aussagen dieser Personen veröffentlicht und
werden dies auch in dieser Erklärung nicht tun. Auf dieses Niveau begeben wir uns nicht herab.

Dem konnten wir uns auch deshalb nicht mit der nötigen Vehemenz entgegensetzen, weil wir
neben den legitimen Anliegen unserer Kritiker*inne auch noch andere Verpflichtungen haben. In
weniger als 3 Monaten findet in Niedersachsen eine Landtagswahl statt, die es vorzubereiten
gilt, wir waren in den letzten Zügen die zweite Auflage des Mitgliederhandbuches zu
veröffentlichen und stehen den Mitgliedern unserer inzwischen knapp 30 Basisgruppen
permanent mit Rat und Tat zur Seite. In verschiedensten AGs haben wir seit jeher die Basis
eingebunden und jeden Teil unseres Verbandes zur Mitarbeit an der Arbeit auf Landesebene
eingeladen. Wir haben in mehreren Runden mit Genoss*innen über die Probleme gesprochen,
was aber keinen Beitrag dazu leistete, den Streit zu befrieden.

„Nebenbei“ explodieren in Deutschland Benzinpreise, Strompreise, Gaspreise,


Lebensmittelpreise und in der Ukraine explodieren sogar Bomben. Selten zuvor hätte es so eine
geeinte Linke gebraucht, die mit ganzer Kraft der drohenden Verelendung großer Teile der
Gesellschaft entgegensteht. Stattdessen zerlegen wir gegenseitig, weil wir letztlich kleine
Unterschiede nicht ertragen. Darüber, dass die von Behörden durchgesetzte Praxis, die Trans-
Personen vor einer Änderung ihres Personenstandes durchlaufen müssen, menschenverachtend
und diskriminierend ist, bestand nie ein Dissens. Dass wir jede Gewalt, die queere Menschen
erfahren, verurteilen, eint uns. Gesellschaftlich festgelegte Geschlechterrollen, wollen wir
überwinden. Auf Basis eines solchen Wertekonsens müssen Diskussionen aber weiterhin möglich
sein. Frauen müssen das Recht haben über ihre spezifischen Unterdrückungserfahrungen zu
sprechen, ohne dass dies als transexklusiv gewertet wird. Vielleicht gibt es sogar Gründe in
bestimmten Kontexten von Frauen statt von Flinta* zu sprechen, ohne dass Autor*innen Trans-
Personen insgeheim das Existenzrecht absprechen. Solche Debatten sind heute in der
Linksjugend oft nicht mehr möglich.

Ein weiterer Grund für die sich letztlich zuspitzenden Konflikte liegt darin begründet, dass der
LSp*R oft zu wenig mit der aktiven Mitgliedschaft kommuniziert hat. Wut und Frustration stauen
sich vor allem dann an, wenn man keine Möglichkeit hat diese zu adressieren. In früheren Jahren
wurden die Treffen des LSp*R über den Mitgliederverteiler eingeladen doch spätestens mit dem
pandemiebedingten Wechsel auf Onlineformate, zeichnete sich ab, dass dieses ohnehin schon
spärlich genutzte Angebot quasi nicht mehr genutzt wurde. Dazu kam, dass viele Mitglieder die
ständigen Mails als belästigend empfunden haben und uns gebeten haben, sie aus den
Verteilern zu entfernen oder ihre Mitgliedschaft beendet haben. Die Kommunikation mit der
Basis war in den letzten zwei Jahren immer wieder Thema im LSp*R und der Telegram Kanal war
ein Versuch dieses Problem zu lösen. In LSp*R-Sitzungen haben wir außerdem begonnen
regelmäßig Basisgruppen einzuladen, um mit diesen in den Austausch zu kommen. Letztlich
haben wir da aber zu wenig Energie investiert und waren auch nicht konsequent genug. Dass
Screenshots und Satzschnipsel, die über zwei Jahre hinweg gesammelt wurden, bis zuletzt nicht
thematisiert wurden und nur in geschlossenen Gruppen zur Hetze gegen Mitglieder verwendet
werden, lässt uns aber auch ein wenig an der Redlichkeit der anderen Seite zweifeln.

Den verbleibenden Mitgliedern des LSp*R obliegt nun die nicht ganz einfache Aufgabe eine
LMV und die Wahl eines neuen Vorstandes zu organisieren. Eine Aufgabe, die schon für einen
intakten LSp*R eine Kraftanstrengung darstellt aber für einen dysfunktionalen LSp*R kaum zu
realisieren ist. Aus diesem Grund appellieren wir an alle konstruktiven Kräfte innerhalb des
Jugendverbandes sie bei der Bewältigung dieser Aufgabe zu unterstützen. In Bezug auf die
Kampagne zur Landtagswahl werden wir bis zum Rücktritt noch die wichtigsten Weichen
stellen, so dass, der restliche LSp*R nur noch die Verschickung organisieren muss.

Viele von uns werden nach ihrem Rücktritt aus der Linksjugend austreten, weil wir uns im
Verband nach allem was geschehen ist nicht mehr sicher fühlen. Zwangsläufig werden dadurch
neue Genoss*innen in das Vergnügen kommen Verantwortung für den Verband zu übernehmen.
Grade die bürokratischen Aufgaben rund um die Organisation von Fördergeldern, die
Vorbereitung von (Groß)Veranstaltungen, juristische Auseinandersetzungen, Bürokratie von
Banken, Parteien, Lieferanten usw. erfordern eine Form von Beharrlichkeit, die nicht jedem
gegeben ist. Wir appellieren an die aktive Mitgliedschaft bei der Wahl ihres neuen Vorstandes
auch darauf zu achten.

Kein Landesverband ist in den letzten Jahren so massiv gewachsen wie Niedersachsen und
nirgendwo gab es bis zuletzt so wenig Austritte. Die Anzahl der Basisgruppen hat sich durch
gezieltes abtelefonieren von Mitgliedern außerhalb der Ballungszentren und die gute Arbeit von
Genoss*innen vor Ort vervielfacht. Nur in Sachsen, wo es mehrere hauptamtliche
Linksjugendmitarbeiter gibt, wurden Kampagnen und Organisation so professionell gehandhabt
wie in Niedersachsen. Statt uns wie andere Landesverbände entlang einer der vielen Spaltlinien,
die es innerhalb der politischen Linken gibt, zu zerlegen, gelang es fünf Jahre lang oft, diese
auszuklammern. Mitglieder jeder vorstellbaren politischen Strömung waren in dieser Zeit im
LSp*R repräsentiert und leisteten einen wertvollen Beitrag zur Entwicklung des Verbandes.
Natürlich war nicht alles perfekt aber es gibt auch vieles worauf wir mit Stolz zurückblicken
können.

Felix Mönkemeyer

Aaron Girard

Charis Müller

Til Dralle

Paul Bieder

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