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Nennen und erklären Sie ein Argument für und ein Argument gegen die Behauptung,

einem Gegenstand eine Farbe zuzuschreiben heisse, dem Gegenstand die Disposition
zuzuschreiben, in uns eine bestimmte Empfindung hervorzurufen
Argument dafür

Das standhafteste Argument ist mit Sicherheit der Fakt, dass es in der physischen Welt so etwas wie
Farbe nicht gibt, sondern lediglich ein Wellenspektrum, dass man als unterschiedliche Farben
wahrnehmen kann. Die Farben oder allgemein die Sinneseindrücke sind eine psychologische Realität,
nicht jedoch eine Physische. Folglich kann man eine Farbe nicht im Gegenstand lokalisieren, denn es
existieren keine Farben in der Aussenwelt und somit auch nicht in dem Gegenstand. Farben sind ein
Produkt unseres Geistes, ausgelöst durch äussere Trigger Phänomene. Einem Gegenstand, welcher in
uns eine Farbwahrnehmung triggern kann, schreiben wir eine Eigenschaft zu, welche eben diese
Fähigkeit beschreibt.

Gemäss Locke ist eine Farbe eine Eigenschaft zweiter Art, welche sich aus den Eigenschaften erster
Art zusammensetzen. Eigenschaften erster Art sind die tatsächlichen physikalischen Eigenschaften in
unterschiedlicher Ausprägung, abhängig vom Gegenstand. Diese Eigenschaften können wir zwar
nicht wahrnehmen in ihrer Reinform, jedoch sind jene in den Gegenständen zu lokalisieren. Dazu
gehören Masse, Gestalt, Zahl, Lage und Bewegung oder Ruhe der Teile. Diese Eigenschaften wirken in
einer besonderen Weise auf unsere Sinne und lösen damit die verschiedenen Vorstellungen von
Farben, Tönen, Gerüchen, Geschmäcken usw. aus.

Intuitiv mag es logisch klingen, dass die Eigenschaften zweiter Art die wahren Eigenschaften in den
Gegenständen sind, da wir nur diese wahrnehmen, allerdings trifft dies nur subjektiv zu. Es kann
argumentiert werden, dass dies auch objektiv psychologisch der Fall ist, weil angenommen werden
kann, dass alle Menschen aufgrund gleicher Sinnesorgane das gleiche Phänomen wahrnehmen,
jedoch haben wir den impliziten Konsens in der Gesellschaft, dass es eine von unseren Sinnen
unabhängige externe Realität gibt, über welche wir sprechen und faktische Aussagen treffen, wovon
die Dispositionszuschreibung nicht ausgenommen ist.

Daraus schliesst sich, dass wenn wir einem Gegenstand eine Farbe zuschreiben, ist zu unterscheiden,
ob wir annehmen, dass die Farbe objektiv im Gegenstand vorhanden ist und damit eine Eigenschaft
erster Ordnung darstellt oder es nur etwas im Gegenstand gibt, was bei uns diese
Sinneswahrnehmung in Interaktion mit einem Sinnesorgan auslöst, was durch die Definition der
Farbe in der Essay-Frage gegeben ist.

Argument dagegen

Das stärkste Argument dagegen ist ebenso plausibel wie jenes dafür und lautet wie folgt:

Wenn es tatsächlich der Wahrheit entspricht, dass einem Gegenstand eine Farbe zuzuschreiben
heisse, dem Gegenstand die Disposition zuzuschreiben, in uns eine bestimmte Empfindung
hervorzurufen, dann könnten wir folglich einem Gegenstand mit einer Farbe nach mehrfacher
Teilung, bis er nicht mehr wahrnehmbar ist, nicht mehr die Eigenschaft einer Farbe zuschreiben.

Intuitiv scheint diese Behauptung schon fast lächerlich, allerdings folgt sie aus den Prämissen. So
plausibel die genannte Definition scheinen mag, was wir tun, wenn wir einem Gegenstand eine Farbe
zuschreiben, entspricht dies wie am Beispiel im mikroskopischen Bereich gezeigt, nicht unserem
Alltagsverständnis. Folglich stellt sich die Frage: Was tun wir, wenn wir einem Gegenstand eine
Eigenschaft zweiter Art zuschreiben wirklich?

Wenn wir beim mikroskopischen Beispiel bleiben, können wir festhalten, dass wir intuitiv auch einem
sehr kleinen, nicht wahrnehmbaren weissen Papierstück die Farbe weiss zuschreiben. Wir wissen,
dass die Ursache für die weisse Farbe die Wellenlänge ist, welche auch noch vorhanden ist, obwohl
es die Farbe nicht mehr ist. Wir müssen also davon ausgehen, dass wir mit der Farbzuschreibung eine
Art Synonym verwenden, mit welchem wir eigentlich die Eigenschaft erster Art beschreiben. Wenn
wir also dem Papierstück die Eigenschaft weiss zuschreiben, sagen wir damit es habe eine
Wellenlänge xy. Die Verbindung zwischen Farbe und Wellenlänge mag den meisten Leuten
unbewusst sein, allerdings stimmen die Leute zu, dass die Farbe auch noch vorhanden ist, wenn sie
nicht mehr wahrnehmbar ist. Vielen Leute mögen die Ursache dahinter nicht kennen, was allerdings
nicht weiter tragisch ist.

Wichtig ist, dass die Leute wissen, dass die Leute zustimmen, dass einem Gegenstand eine Farbe
zugeschrieben werden kann, ohne dass sie jemals sinnlich wahrgenommen werden kann. Wenn man
also 2 verschiedene Gegenstände hat und beiden die Eigenschaft weiss zuschreibt, welche bei einem
Gegenstand wahrnehmbar ist und beim anderen nicht, dann muss es eine dahinter liegende
Gemeinsamkeit haben, welche nicht durch die Sinneswahrnehmung erklärt wird und dies ist, wie
bereits mehrfach erwähnt, die Wellenlänge. Viele Leute mögen dieser Erklärung abgeneigt sein, weil
wir im Alltag nie etwas mit den Eigenschaften erster Art zu tun haben, jedoch sehe ich keine
Alternative Erklärung, um unseren gesellschaftlichen Konsens zu erklären, dass wir einem nicht
wahrnehmbaren Gegenstand eine Farbe zuschreiben können.

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