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Der Mythos
„Wille zur Macht“
ISBN 978-3-11-047280-6
e-ISBN (PDF) 978-3-11-047437-4
e-ISBN (EPUB) 978-3-11-047412-1
www.degruyter.com
Vorwort
Diese Streitschrift geht von einer wirkungsvollen Fälschung und einer Legen-
denbildung aus: von dem als Werk nie vorhandenen „Willen zur Macht“. Nur in
weit verstreuten Nachlass-Notaten Nietzsches und rudimentär auch in mehreren
seiner Schriften ist eine Lehre vom „Willen zur Macht“ greifbar. Kritisch wird hier
das von ihm bewusst als Schlagwort lancierte und durch den Nietzsche-Kult iko-
nisierte Werkphantom dargestellt sowie das konzeptionelle Scheitern des damit
verbundenen philosophischen Anspruchs analysiert. Besondere Aufmerksamkeit
gilt der ideologisierten Wirkungsgeschichte im Zeitalter der Weltkriege. Mehrere
Kapitel untersuchen die vielfältig gebrochene literarische Rezeption des „Willens
zur Macht“ in den Werken der großen Autoren des 20. Jahrhunderts: bei Kafka,
Musil und Thomas Mann. Heideggers Adaption im Dienste des ‚Dritten Reichs‘
kommt ebenso zur Sprache wie die fatale Rolle der damals führenden Nietzsche-
Publizisten.
Die strikt quellenbezogene und historisch kontextualisierte Auseinander-
setzung mit Nietzsches gesamtem Werk reicht von seinen frühen Abhandlun-
gen über die großen Aphorismen-Sammlungen bis hin zum Zarathustra und zu
den extremistischen Spätschriften. Hinter der schriftstellerischen Glanzfassade
zeigt diese Auseinandersetzung Nietzsche, der sich als bahnbrechendes Ori-
ginalgenie ausgab, als Kompilator und Plagiator, der seine Quellen meistens
verschwieg. Sie dekuvriert seine in bisher ungekanntem Ausmaß falschen oder
verfälschenden Aussagen, seine betäubende Rhetorik, welche er an Wagners
Musik als „Sursum! Bumbum!“ verurteilte und zugleich bewunderte; sein apo-
diktisches und pseudoprophetisches Pathos und sein Schwadronieren in vielen
Bereichen, die außerhalb seiner Kompetenz lagen, aber ihm Anschluss an die
zeitgenössische Aktualität erlaubten. Während er sich in Schopenhauers Manier
als Unzeitgemäßer gerierte, blieb er ein Sohn des 19. Jahrhunderts, aus dem er
reaktiv und immer mehr auch reaktionär auszubrechen suchte. Dabei geriet er
in eine desperate Selbstdogmatisierung. Sie dementierte die von ihm adaptierte
Rolle des sich selbst riskierenden geistigen Abenteurers. Sie dementierte auch
seine an der europäischen Aufklärung und am Ideal des Freigeists orientierte
experimentalphilosophische Ambition. Nicht zuletzt fällt ein Licht auf die ideo-
logisch und politisch präjudizierten Deformationen der Nietzsche-Rezeption,
die bis heute oft vernachlässigt wurden, weil Nachwirkungen und Neuinsze-
nierungen des Nietzsche-Kults immer noch die historische Wahrnehmung be-
hindern.
Mit wertvollen Anregungen haben Sebastian Kaufmann, Andreas Urs
Sommer und insbesondere Armin Thomas Müller geholfen, der auch die bib-
liographischen Angaben kontrolliert hat. Gabriele Schulz hat die Zitate aus
VI Vorwort
Nietzsches Werken verifiziert sowie die Register und die Druckvorlage optimiert
und geschrieben. Ihnen allen danke ich für die konstruktive und engagierte Mit-
arbeit.
Ute Schmidt-Berger, meine Frau, hat durch Rat und Tat zum Gelingen beige-
tragen. Ihr ist dieses Buch gewidmet.
J. S.
Inhaltsverzeichnis
Vorwort V
5 Der „Wille zur Macht“ als Movens des „Lebens“ und universelles
Erklärungsmodell 30
Bibliographie 139
Gesamtregister 177
Hinweise zur Benutzung
Nietzsche-Zitate beziehen sich auf die Kritische Studienausgabe der Werke (KSA)
und folgen dem Schema: Band-, Seiten- und Zeilenzahl.
Notate aus dem Nachlass (NL) sind mit der in KSA fixierten Nummer versehen:
Auf die Angabe, aus welchem Jahr das NL-Notat stammt, folgt erstens die Angabe
der Doppelnummer in KSA, z. B. 22[28], zweitens die Nummer des KSA-Bandes
und drittens die Seiten-, viertens die Zeilenzahl.
Briefe werden aus der Kritischen Studienausgabe der Briefe (KSB) nach folgen-
dem Schema zitiert: X an Y, Datum, KSB-Band, Brief-Nr., Seiten- und Zeilenzahl.
Dem ‚Willen zur Macht‘ kommt auf problematische Weise ein besonderer Platz
in Nietzsches an sich schon problematischer Wirkungsgeschichte zu. Zur Hori-
zontbildung skizziere ich deshalb einleitend diese Wirkungsgeschichte. Seit
1889, dem Jahr, in dem Nietzsche in Wahnsinn verfiel, war seine Wirkung epi-
demisch. Man sprach vom „Nietzscheanismus“. Ferdinand Tönnies konstatierte
bereits 1897 einen „Nietzsche-Kultus“,1 nachdem er schon 1893 ein Buch über
„Nietzsche-Narren“ veröffentlicht hatte.2 Eine psychologisch scharfsinnige Dia-
gnose erschien bald darauf unter dem Titel Der Nietzsche-Kultus und Zur Psycho-
logie des Nietzsche-Kultus.3 Einer der maßgebenden Kulturphilosophen, Georg
Simmel, veröffentlichte 1897 einen Artikel ebenfalls mit dem Titel Der Nietzsche-
Kultus.4 Die Funktionen, die der Nietzsche-Kult erfüllte, untersuchte Wilhelm
Carl Becker: Der Nietzschekultus: Ein Kapitel aus der Geschichte der Verirrungen
des menschlichen Geistes (1908).
Bis 1889 allerdings hatte Nietzsche kaum Leser, seine Schriften blieben zum
größten Teil unverkauft bei den Verlagen liegen. Im Vorwort zu dem unmittelbar
vor dem Zusammenbruch verfassten Rückblick, dem er den Titel Ecce homo gab,
beklagte Nietzsche voller Bitterkeit, „dass man mich weder gehört, noch auch nur
gesehn hat. Ich lebe auf meinen eignen Credit hin, es ist vielleicht bloss ein Vor-
urtheil, daß ich lebe? …“5 Schwer einzuschätzen ist die bemerkenswerte Tatsache,
dass sich der sensationelle Erfolg gerade in dem Moment einstellte, in dem Nietz-
sche wahnsinnig wurde, noch schwerer einzuschätzen, welchen Anteil daran
die zum allgemeinen Bildungsgut der Zeit gehörende Verbindung von Genie und
Wahnsinn hatte. Nietzsche selbst griff sie in einem dem Thema „Wahnsinn“ gewid-
meten Text auf, in dem er sich das schon geahnte Wahnsinnsschicksal geradezu
wünschte, um den Durchbruch als Autor zu schaffen.6 Auf den Schriften franzö-
er sich damit begnügt, das Christentum seiner Zeit als schon obsoletes Über-
bleibsel einer vergangenen Ära zu charakterisieren. Einen Kurztext seiner Schrift
Morgenröthe stellte er unter den Titel ‚Am Sterbebette des Christentums‘. Diese
Diagnose spitzte er kurz darauf zur finalisierenden Formel „Gott ist todt“ zu.11
Aus dem Verlust der auf die Transzendenz gesetzten Heilshoffnungen resultierte,
drittens, die Hybrid-Phantasie des ‚Übermenschen‘. Der Übermensch sollte die
bisher auf die Gottheit projizierten Qualitäten, vor allem diejenige grenzenloser
Potentialität, in der Immanenz repräsentieren. Dem Schöpfertum des Übermen-
schen schreibt Nietzsche, und dies ist das vierte Schlagwort, das Vermögen zur
„Umwertung aller Werte“ zu, weil er selbst das Schaffen neuer Werte zum schöp-
ferischen Akt par excellence deklariert. Er meint damit sein eigenes Projekt einer
„Umwertung aller Werte“. Diese Umwertung setzt, wie Nietzsche immer wieder
betont, die Vernichtung aller bisher geltenden Werte voraus. In seinem Nachlass
finden sich Listen über alles – und es ist in der Tat fast alles ‒, was er „vernich-
ten“ will.12 Doch belässt er es im Wesentlichen bei solchen Vernichtungsphan-
tasien. Radikale Kritik ist bei ihm das Primäre, über das er trotz gegenteiliger
Beteuerungen mit keinem konstruktiven Konzept hinausgelangt ‒ ein Sachver-
halt, dem Nietzsche selbst Pathos zu verleihen suchte, indem er vom schicksal-
haft tragischen Scheitern und zugleich vom heroischen Selbstopfer auf dem Weg
der Erkenntnis sprach, sofern ihn der Erkennende kompromisslos geht. Ungleich
wirkungsreicher war, fünftens, in der Zeit des Imperialismus und des Faschismus
der „Wille zur Macht“, der im Folgenden analysiert wird. Ein letztes Ideogramm,
das Nietzsche ebenfalls mit großem Gestus exponierte, ist die „ewige Wiederkehr
des Gleichen“, eine schon von Heraklit und den Stoikern und dann noch später
oft als Inbegriff einer zyklischen Geschichtsauffassung verwendete Vorstellung,
die Nietzsche aber als seine originäre Schöpfung darstellte, obwohl er ihren
antiken Ursprung nachweislich kannte.13 Diese Schlagworte bestimmen weitge-
hend Nietzsches Wirkungsgeschichte.
mit Rosenbergs Der Mythus des 20. Jahrhunderts ein Exemplar des Zarathustra im
Gewölbe des Tannenbergdenkmals deponiert.20
Auch im Bereich von Dichtung und Kunst wirkte der Zarathustra. Dem
Expressionismus gab er Impulse mit seinem „O Mensch“-Pathos, mit seiner ins
Ekstatisch-Visionäre gesteigerten Bilderwut, mit seiner Tendenz zum Exzessi-
ven und seinem ikonoklastischen Protest gegen alle überkommenen Werte und
Normen, nicht zuletzt gegen die bürgerlichen. Inzwischen erweckt diese ‚welt-
liche Bibel‘ von einst weit weniger Interesse. Thomas Mann, neben Musil wohl
der profundeste Nietzsche-Kenner unter den Schriftstellern des 20. Jahrhunderts,
dessen eigene Werke bis hin zu seinem späten großen Nietzsche-Roman Doktor
Faustus (1947) voll von Nietzsche-Bezügen sind, schrieb nach der Katastrophe
des Nationalsozialismus einen Aufsatz mit dem Titel Nietzsches Philosophie im
Lichte unserer Erfahrung. Mit knappen Zügen charakterisiert er darin den Zara-
thustra, den Nietzsche nach dem Scheitern seines Projekts ‚Der Wille zur Macht‘
zum Hauptwerk deklarierte, als von Grund auf missraten. Indirekt bringt Thomas
Mann zum Ausdruck, dass die enorme Wirkung gerade dieses Werks keineswegs
einen Rückschluss auf dessen Qualität erlaubt und Wirkungsgeschichte kein
Qualitätsnachweis ist. „Dieser gesicht- und gestaltlose Unhold und Flügelmann
Zarathustra“, schreibt Thomas Mann, „mit der Rosenkrone des Lachens auf dem
unkenntlichen Haupt, seinem ‚Werdet hart!‘ und seinen Tänzerbeinen ist keine
Schöpfung, er ist Rhetorik, erregter Wortwitz, gequälte Stimme und zweifelhafte
Prophetie, ein Schemen von hilfloser Grandezza, oft rührend und allermeist pein-
lich – eine an der Grenze des Lächerlichen schwankende Unfigur“.21
Wirft schon die Wirkungsgeschichte des Zarathustra irritierende Fragen
auf, so gilt dies noch mehr, wenn auch in ganz anderer Weise für den Willen zur
Macht, Nietzsches zwar als Hauptwerk geplante, aber nie ausgeführte Schrift.
Hier liegt das Problem, wie man schon seit längerer Zeit weiß, darin, dass es sich
um eine spätere Kompilation handelt. Sie erschien erstmals 1901, ein Jahr nach
Nietzsches Tod, und wurde auf Wunsch und unter der Ägide seiner Schwester Eli-
sabeth Förster-Nietzsche von mehreren Mitarbeitern angefertigt. Von Nietzsche
selbst überliefert sind nur immer wieder abgeänderte Dispositionen mit dem Titel
‚Wille zur Macht‘ sowie nachgelassene Notate. Sie hängen nicht zusammen und
sind oft auch in sich unfertig, aber lassen erkennen, dass sich Nietzsche seit 1881
über einige Jahre hinweg tatsächlich mit einem solchen Plan trug, wie übrigens
22 Alfred Baeumler brachte den ‚Willen zur Macht‘ 1930 als Band 78 von Kröners Taschenaus-
gabe heraus (= Friedrich Nietzsche: Werke, hg. von Alfred Baeumler, Bd. 6: Der Wille zur Macht.
Versuch einer Umwertung aller Werte, Leipzig 1930); dieser Band machte im Dritten Reich als-
bald Karriere und wurde auch nach dem Ende des Nazi-Regimes weiter gedruckt: 1996 erschien
die 13. Auflage. Zu Nietzsches 100. Geburtstag im Oktober 1944 veröffentlichte Baeumler auf der
Titelseite des ‚Völkischen Beobachters‘, des nationalsozialistischen Zentralorgans, einen ganz
auf Nietzsche als heroischen „Propheten des Krieges“ gestimmten Artikel.
23 Das Foto ist reproduziert in dem für Nietzsches Wirkungsgeschichte insgesamt aufschlussrei-
chen Werk von Aschheim: Nietzsche und die Deutschen, S. 217.
24 Nietzsche und die politische Wissenschaft, in: Volk im Werden 2 (1934), S. 455–469, hier S. 457.
Die totalitäre Instrumentalisierung Nietzsches brachte Hans-Joachim Falkenberg auf den Nen-
ner: „Und nehmen wir Nietzsche als geistigen Führer zu einer neuen Kultur, so dürfen, ja müssen
wir sagen: Die deutsche Kultur sei eine Einheit; das heißt, alle Teile müssen deutsch sein. Und
Der Nietzsche-Kult und die Entstehung der Legende vom „Willen zur Macht“ 7
Abb. 1: Hitler beim Anblick einer Nietzsche-Büste, 1934. © Goethe- und Schiller-Archiv, Klassik
Stiftung Weimar, GSA 101/239. Mit freundlicher Genehmigung.
Unter den Philosophen fixierte sich besonders Heidegger auf das vermeintliche
Hauptwerk Nietzsches. Er ließ sich faszinieren, obwohl er die Problematik der
Kompilation erkannte. Ein drastisches Beispiel ist, dass er ein Notat als Fazit des
von Nietzsche eigentlich Gemeinten und Gewollten auffasste, da es unter der
Überschrift ‚Rekapitulation‘ steht. Er bemerkte nicht, dass die unterstrichene
(Zwischen-)Überschrift nicht von Nietzsche, sondern von seinem ehemaligen
Mitarbeiter Heinrich Köselitz (Pseudonym: Peter Gast) stammt, den die Schwes-
ter mit der Herstellung der Kompilation beauftragt hatte. Köselitz wollte lediglich
ein Orientierungssignal für die Benutzer setzen.25 Heideggers Faszination durch
die besonders in späten Nachlass-Notaten hervortretende, aber sonst keineswegs
dominierende Vorstellung des ‚Willens zur Macht‘ ging so weit, dass er Nietzsches
Nachlass insgesamt zu Nietzsches „eigentlicher Philosophie“ erklärte.26 Seine
Behauptung führte dazu, dass sich bis in die Gegenwart hartnäckig ein einseitiges
somit auch die Wissenschaft. Die ersten Schritte zu einer Kultur sind die Erziehung zum Kampf
und die Erziehung zur Einheit von Blut und Tat“.
25 Hierzu die Analyse von Wolfgang Müller-Lauter: Über Werden und Wille zur Macht. Nietzsche-
Interpretationen I, Berlin/New York 1999, S. 353.
26 Martin Heidegger: Nietzsche, 2 Bde., Pfullingen 1961, Bd. 1, S. 17.
8 Der Nietzsche-Kult und die Entstehung der Legende vom „Willen zur Macht“
Abb. 2: Alfred Soder, Ex Libris von Friedrich Berthold Sutter. © Goethe- und Schiller-Archiv,
Klassik Stiftung Weimar, GSA 101/80. Mit freundlicher Genehmigung.
Der Nietzsche-Kult und die Entstehung der Legende vom „Willen zur Macht“ 9
Abb. 3: Cover Der Spiegel 24/1981. SPIEGEL-Verlag Rudolf Augstein GmbH & Co. KG.
Mit freundlicher Genehmigung.
10 Der Nietzsche-Kult und die Entstehung der Legende vom „Willen zur Macht“
Interesse für die nachgelassenen Notate hält, als seien diese nicht weitestgehend
bloß Lesefrüchte, Exzerpte, Gedankenskizzen, Stichworte, Pläne sowie für die
Publikation vorerst nicht mehr in Betracht gezogene und deshalb beiseite gelegte
Aufzeichnungen.27 Damit soll nicht in Abrede gestellt werden, dass der Nachlass,
der zum überwiegenden Teil aus solchen Notaten besteht und umfangreicher als
das veröffentlichte Werk ist, nützliche Verständnishilfen für die Werke bietet.
Zu unterscheiden ist zwischen dem angeblichen Hauptwerk ‚Der Wille zur
Macht‘, das als Werk nie existiert hat, und der gedanklichen Konzeption eines
„Willens zur Macht“, die nicht nur in nachgelassenen Aufzeichnungen, sondern
auch in mehreren von Nietzsche selbst veröffentlichten und autorisierten Werken
greifbar ist, wenn auch eher sporadisch. Die scheinbar so eingängige Prägung
verdeckt eine vieldeutige und komplexe Poblematik. Was versteht Nietzsche
unter „Wille“, was unter „Macht“? In welchem Kontext stehen diese Begriffe und
wo liegen ihre Voraussetzungen? Wie bildet sich dieses Theorem aus? Ich gehe
zunächst von dieser letzten Frage aus.
Schopenhauer, mit dessen Werk Nietzsche sehr gut vertraut war und das
bei ihm von der Geburt der Tragödie bis zu den späten Schriften in Zustimmung
wie Widerspruch tiefe Spuren hinterließ, ja das ihn eigentlich niemals losließ –
Schopenhauer hatte in seinem Hauptwerk Die Welt als Wille und Vorstellung den
„Willen“ in einer missverständlichen Weise zum Angelpunkt seiner pessimis-
tischen Philosophie gemacht.28 Abweichend vom geläufigen Sinn des Wortes
27 Speziell zu den nachgelassenen Notaten zum ‚Willen zur Macht‘ vgl. Marie-Luise Haase/Jörg
Salaquarda: Konkordanz. Der Wille zur Macht. Nachlass in chronologischer Ordnung der Kriti-
schen Gesamtausgabe, in: Nietzsche-Studien 9 (1980), S. 446–490. Elisabeth Kuhn: „Der Wille
zur Macht“. Vom „Hauptprosawerk“ zu den „Nachgelassenen Fragmenten“. Dokumente zur Edi
tionsgeschichte, in: Prima Philosophia 8 (1995), S. 21–34.
28 Mit seinem metaphysischen Willensbegriff schloss sich Schopenhauer an Schellings Philo-
sophische Untersuchungen über das Wesen der menschlichen Freiheit und die damit zusammen-
hängenden Gegenstände (1809) an. Darin heißt es: „Wollen ist Urseyn“ (Friedrich Wilhelm Joseph
Schelling: Sämmtliche Werke, hg. von Karl Friedrich August Schelling, Abt. 1, Bd. 7: 1805–1810,
Stuttgart/Augsburg 1860 [Reprint Darmstadt 1976], S. 294: „Es gibt in der letzten und höchsten
Instanz gar kein anderes Seyn als Wollen. Wollen ist Urseyn, und auf dieses allein passen alle
Prädicate desselben: Grundlosigkeit, Ewigkeit, Unabhängigkeit von der Zeit, Selbstbejahung.
Die ganze Philosophie strebt nur dahin, diesen höchsten Ausdruck zu finden.“ Schopenhauer
verteidigte sich gegen den immer wieder erhobenen Vorwurf, er habe seine Grundposition von
Schelling übernommen, ohne diesen als Quelle zu nennen, in: Parerga und Paralipomena: Kleine
philosophische Schriften. Zweite, verbesserte und beträchtlich vermehrte Auflage, aus dem hand-
schriftlichen Nachlasse des Verfassers herausgegeben von Dr. Julius Frauenstädt. Erster Band,
Berlin 1862, S. 144 f. Eine scharfe Attacke gegen Schopenhauer hatte schon Ludwig Noack in sei-
nem erfrischend unzimperlichen Werk geführt: Schelling und die Philosophie der Romantik. Ein
Beitrag zur Culturgeschichte des deutschen Geistes. In zwei Theilen. Zweiter Theil, Berlin 1859.
Der Nietzsche-Kult und die Entstehung der Legende vom „Willen zur Macht“ 11
meint er mit dem „Willen“ einen heillosen metaphysischen Weltgrund, der allem
konkreten Dasein vorausliegt und dieses wesentlich durch Schmerz, Leiden
und Widersprüche bestimmt sein lässt. Die konkreten Manifestationen dieser
metaphysischen Willenskonzeption beobachtet er in der Hexenküche einer von
blinden Triebspannungen erfüllten Welt. Sein zweiter Hauptbegriff, derjenige
der „Vorstellung“, meint die Repräsentation dieser Welt in Empfindungen, Wahr-
nehmungen und Gedanken; sie schließt die Fähigkeit des Menschen ein, sich
im Medium des schönen Scheins über die Unseligkeit des so gedeuteten Seins
zu erheben, wenn auch nur temporär und illusionär. Daher rührt bei ihm, wie
dann auch in Nietzsches Frühwerk, die besondere Bedeutung der Kunst, die fast
Erlösungsqualität erhält, aber das Verhängnis nicht gänzlich aus dem Leben und
dem Bewusstsein zu verdrängen vermag. Den sich im Dasein manifestierenden
„Willen“ versteht Schopenhauer als elementaren Lebensdrang, dem, so paradox
dies im Hinblick auf den Willensbegriff erscheint, primär nichts Intentionales
anhaftet. Er spricht vom „Willen zum Leben“, und in einer eigenen Schrift handelt
er sogar vom „Willen in der Natur“, um die Grunddisposition zu charakterisieren,
die alles Leben als naturhaftes Schicksal bestimmt.29 Hier liegt der begriffliche
Geburtsfehler von Nietzsches Konzeption des „Willens zur Macht“. Obwohl Nietz-
sche in seinen späten Schriften durchaus die Kalamität von Schopenhauers Wil-
lensbegriff erkannte, blieb er an seinem Willen zur Macht haften. Nicht so miss-
verständlich und irreführend wäre es gewesen, wenn Schopenhauer statt vom
„Willen zum Leben“ vom Lebensdrang und statt vom „Willen in der Natur“ von
einem Naturtrieb gesprochen hätte.
Aufgrund seiner pessimistischen Weltanschauung, der er den ontologischen
Willensbegriff zugrunde legt, wertet Schopenhauer den real im „Willen zum
Leben“ wirkenden Drang negativ. Deshalb wendet er sich der Möglichkeit zu, dass
dieser konkret das Dasein bestimmende Wille sich gegen sich selbst kehrt: dass
er das Leben verneint, und zwar so sehr, dass er sich bis zum Äußersten redu-
ziert oder sogar selbst auslöscht. Daher erhalten bei ihm die allem Welttreiben
und allen Trieben enthobenen Figuren des Asketen und des Heiligen besondere
Bedeutung. Als allgemeineres Orientierungsmodell wählt Schopenhauer den
Buddhismus mit seinen Strategien der Affekt- und Triebreduktion bis hin zum
Übergang ins Nichts, ins Nirwana, in dem sich der Mensch von sich selbst erlöst
hat. Das letzte Kapitel seines Hauptwerks Die Welt als Wille und Vorstellung I
beginnt Schopenhauer mit den Worten: „Vor uns bleibt allerdings nur das Nichts.
29 Darin besteht eine Gemeinsamkeit mit der idealistischen Naturphilosophie (die Schopen-
hauer freilich verschweigt): mit Schellings Projekt einer „Spekulativen Physik“, welche die
Ergebnisse der Naturwissenschaften philosophisch „begründen“ sollte.
12 Der Nietzsche-Kult und die Entstehung der Legende vom „Willen zur Macht“
Aber Das, was sich gegen dieses Zerfließen ins Nichts sträubt, unsere Natur, ist
ja eben nur der Wille zum Leben, der wir selbst sind, wie er unsere Welt ist“. Und
nach einem Hinweis auf das Brahma der Inder und das Nirwana der Buddhisten
lautet der letzte Satz seines Werks: „Wir bekennen es […] frei: was nach gänzlicher
Aufhebung des Willens übrig bleibt, ist für alle Die, welche noch des Willens voll
sind, allerdings Nichts. Aber auch umgekehrt ist Denen, in welchen der Wille
sich gewendet und verneint hat, diese unsere so sehr reale Welt mit allen ihren
Sonnen und Milchstraßen – Nichts“.30
Diesem nihilistischen Pessimismus, dem Nietzsche in seinem Frühwerk noch
weitgehend folgte, stemmt er sich später entgegen. Seine prägnante Formel für
die von ihm nunmehr versuchte Revision ist der „Wille zur Macht“. Er möchte ihn
als eine dem Leben und der Natur immanente Tendenz zur Selbst-Bejahung ver-
stehen, die er an die Stelle der Selbst-Verneinung des Willens bei Schopenhauer
setzt. Dass Nietzsche den Willen nicht nur, wie Schopenhauer, als „Willen zum
Leben“ interpretiert, sondern zu einem „Willen zur Macht“ steigert, verrät noch
mehr das Antithetische der Operation in diesem Geistergespräch. Denn während
es Schopenhauer auf die schließlich ins Nichts, ins Nirwana übergehende Selbst-
Reduktion des Willens im Individuum ankommt, markiert Nietzsche mit seiner
Macht-These die maximale Selbst-Expansion. Auf das Titelblatt eines französi-
schen Buches, das er sich gekauft hatte, schrieb er folgende Bemerkung: „Die
höchste Intensität des Lebens steht in der That im nothwendigen Verhältnis zu sa
plus large expansion […] diese expansion drückt sich als unbändiger Wille zur
M a ch t aus“.31
Bevor ich zu den näheren Einzelbestimmungen des Willens zur Macht sowie
zu dessen Zusammenhang mit Nietzsches anderen Leitvorstellungen übergehe:
zum Tod Gottes und zum Übermenschen, skizziere ich die Forschungsdiskussion
zum Willen zur Macht. Sie geht von der Frage aus: Warum spricht Nietzsche immer
wieder im Singular vom Willen zur Macht, beschwört dann aber auch in einem
befremdlichen Plural „die“ Willen zur Macht? Man hat versucht, mit dem Hinweis
auf diese Pluralität die Annahme eines Willens zur Macht wenn nicht zu bestrei-
ten, so doch als das nicht eigentlich Gemeinte darzustellen. Dieses Problem wäre
wohl nicht in die Diskussion geraten, wenn man die zentrale Aussage Nietzsches
30 Arthur Schopenhauer: Die Welt als Wille und Vorstellung I (= WWV I/II), § 71, in: ders.: Sämt
liche Werke, nach der ersten, von Julius Frauenstädt besorgten Gesamtausgabe neu bearbeitet
und hg. von Arthur Hübscher, Bd. 2, 3. Auflage, Wiesbaden 1972, S. 487.
31 Giuliano Campioni u. a. (Hg.): Nietzsches persönliche Bibliothek, Berlin/New York 2003,
S. 271. Zur Forschungsdebatte wie überhaupt zum ‚Willen zur Macht‘ vgl. die Werke von Günter
Abel: Nietzsche. Die Dynamik der Willen zur Macht, 2. Auflage, Berlin 1998; Wolfgang Müller-
Lauter: Über Werden und Wille zur Macht. Nietzsche-Interpretationen I, Berlin/New York 1999.
Der Nietzsche-Kult und die Entstehung der Legende vom „Willen zur Macht“ 13
genauer gelesen hätte, die durch andere Aussagen nicht in Frage gestellt wird. Sie
befindet sich in seiner 1886 entstandenen Schrift Jenseits von Gut und Böse. Als
Hypothese, zugleich aber auch als seine dezidierte These, mit der Nietzsche auf
das schon im Zarathustra apodiktisch Behauptete zurückgriff32, formuliert Nietz-
sche Folgendes: „Gesetzt endlich, dass es gelänge, unser gesammtes Triebleben
als die Ausgestaltung und Verzweigung Einer Grundform des Willens zu erklä-
ren – nämlich des Willens zur Macht, wie es mein Satz ist ‒; gesetzt, dass man
alle organischen Funktionen auf diesen Willen zur Macht zurückführen könnte
und in ihm auch die Lösung des Problems der Zeugung und Ernährung – es ist
Ein Problem – fände, so hätte man damit sich das Recht verschafft, alle wir-
kende Kraft eindeutig zu bestimmen als: Wille zur Macht . Die Welt von innen
gesehen, die Welt auf ihren ‚intelligiblen Charakter‘ hin bestimmt und bezeich-
net – sie wäre eben ‚Wille zur Macht‘ und nichts ausserdem“.33
Das von der Forschungsdebatte aufgeworfene Problem löst sich vor dem
Hintergrund dieses Schlüsseltexts auf. Denn wenn der Wille zur Macht unser
gesamtes Leben als dessen von Nietzsche so genannte triebhafte „Grundform“
bestimmt – das ist der Singular – und sich dann in den verschiedensten Berei-
chen ausdifferenziert – Nietzsche spricht ja von „Ausgestaltung und Verzwei-
gung“ –, dann geht die Pluralität der Willen zur Macht aus der einen Grundform
hervor und steht somit keineswegs in einem widersprüchlichen oder gar gegen-
sätzlichen Verhältnis zu ihr.34 Schon hier füge ich an, dass erstens im Bereich
des Organischen die Rede von „Macht“ fragwürdig ist, dass zweitens Nietzsches
Rückführung aller „organischen“ Funktionen auf den Willen zur Macht keines-
wegs die von ihm vorgenommene Totalisierung im Hinblick auf die „Welt“ im
Ganzen erlaubt, dass drittens insbesondere die Übertragung aus dem Bereich des
an sich schon falsch interpretierten Organischen auf den gesellschaftlichen und
politischen Bereich auf einem Fehlschluss beruht. Obendrein versucht Nietzsche
auf der metaphysischen Hintertreppe die Wendung „die Welt von innen gesehen“
und die Rede vom „intelligiblen Charakter“ als wenig taugliche Stützen seiner
These einzuführen.
In der aus der Schrift Jenseits von Gut und Böse zitierten zentralen Aussage über
den „Willen zur Macht“ überführt Nietzsche den Begriff der „Kraft“ in den der
„Macht“. Er schreibt, man habe sich aufgrund seiner alsbald zur These formierten
Hypothese – ich wiederhole den markantesten Passus ‒ „das Recht verschafft,
a l le wirkende Kraft [!] eindeutig zu bestimmen als: Wille zur Macht“. Ist
die angeblich „eindeutige“ Bestimmung der „Kraft“ als „Wille zur Macht“ so be-
rechtigt wie Nietzsche glauben machen will? Schon die Überlegung, dass der
Begriff der Macht sich immer auf das Verhältnis zu anderen Menschen, Institu-
tionen und Staaten bezieht, aber derjenige der Kraft nicht von einem solchen
relationalen Zusammenhang bestimmt ist, spricht eher gegen die Gleichsetzung
von Kraft und Macht. Warum rekurriert Nietzsche überhaupt auf den Begriff
der Kraft?37 Der unmittelbare Kontext lässt erkennen, dass er sich zunächst um
37 Schopenhauer hatte den schon längst gängigen Begriff der Kraft bereits in den des „Willens“
zu transformieren versucht, der dann bei Nietzsche als „Wille zur Macht“ erscheint. „Bisher“,
schreibt Schopenhauer in seinem Hauptwerk Die Welt als Wille und Vorstellung (1819), „subsu-
mirte man den Begriff Wi l l e unter den Begriff K r a f t : dagegen mache ich es gerade umgekehrt
und will jede Kraft in der Natur als Wille gedacht wissen. Man glaube ja nicht, daß dies Wort-
streit, oder gleichgültig sei: vielmehr ist es von der allerhöchsten Bedeutsamkeit und Wichtig-
keit. Denn dem Begriffe K r a f t liegt, wie allen anderen, zuletzt die anschauliche Erkenntniß
der objektiven Welt, d. h. der Erscheinung zum Grunde, und daraus ist er geschöpft. Er ist aus
dem Gebiet abstrahirt, wo Ursache und Wirkung herrscht, also aus der anschaulichen Vorstel-
lung, und bedeutet eben das Ursachseyn der Ursache, auf dem Punkt, wo es ätiologisch durch-
aus nicht weiter erklärlich, sondern eben die nothwendige Voraussetzung aller ätiologischen
Erklärung ist. Hingegen der Begriff Wi l l e ist der einzige, unter allen möglichen, welcher seinen
Ursprung nicht in der Erscheinung, n i ch t in bloßer anschaulicher Vorstellung hat, sondern aus
dem Innern kommt, aus dem unmittelbarsten Bewußtseyn eines jeden hervorgeht […]“ (Arthur
Schopenhauer: Die Welt als Wille und Vorstellung I, zweites Buch, § 22, in: ders.: Sämmtliche
Werke, hg. von Julius Frauenstädt, Bd. 2, Leipzig 1873 (= WWV I/II), S. 133). Gegen diese noch von
Kants Unterscheidung von „Ding an sich“ und „Erscheinung“ ausgehende Konzeption wendet
sich die monistische Auffassung. – Spätere Notate Nietzsches setzen ausdrücklich „Kraft“ und
„Wille zur Macht“ gleich (NL 1885, 36[31], KSA 11, 563; NL 1888, 14[121], KSA 13, 300). In der
Spätschrift Der Antichrist. Fluch auf das Christenthum heißt es: „Das Leben selbst gilt mir als
Instinkt für Wachsthum, für Dauer, für Häufung von Kräften, für M a ch t : wo der Wille zur Macht
fehlt, giebt es Niedergang“ (KSA 6, 172, 21–23). Nietzsche, der von schweren Krankheitskrisen
Bedrohte, phantasierte kompensatorisch von der „großen Gesundheit“ und wollte deshalb nicht
16 Nietzsches Anschluss an die zeitgenössische Freidenker-Bewegung
wahrhaben, dass das Leben weder „Dauer“ hat, noch aus einer „Häufung von Kräften“ besteht,
sondern naturgemäß auf Alter und Tod hinausläuft – ganz zu schweigen von schwächenden
Krankheiten. Zur kritischen Analyse der Aussage und ihres Kontextes vgl. auch Andreas Urs Som-
mer in NK 6/2 zu 172, 21–26 sowie weiter ausgreifend zum „Willen zur Macht“ in NK 6/2 zu 170,
2–6.
Nietzsches Anschluss an die zeitgenössische Freidenker-Bewegung 17
38 Bemerkenswert ist eine schon wesentlich frühere Verbindung von „Wille“ und „Macht“ in
der vierten der Unzeitgemäßen Betrachtungen: Richard Wagner in Bayreuth. Dort heißt es von
Wagner: „Zu unterst wühlt ein heftiger Wille in jäher Strömung, der gleichsam auf allen Wegen,
Höhlen und Schluchten an’s Licht will und nach Macht verlangt“ (KSA 1, 437, 3–6).
39 NL 1884, 26[432], KSA 11, 266.
40 Roger Joseph Boscovich: Philosophiae naturalis theoria redacta ad unicam legem virium in
natura existentium, 2 Bde., Wien 1759. Dieses Werk entlieh Nietzsche seit 1873 mehrmals aus der
Universitätsbibliothek Basel.
41 NL 1888, 14[105], KSA 13, 282, 23–283, 6; vgl. schon den Brief an Köselitz vom 20. 3. 1882, KSB
6, Nr. 213, S. 182–184.
42 NL November 1887-März 1888, 11[83], KSA 13, 39–40, 31–34.
18 Nietzsches Anschluss an die zeitgenössische Freidenker-Bewegung
Schon in einem auf den Zeitraum zwischen 1880 und 1881 zu datierenden
Notat nimmt N. die zeitgenössische Ineinssetzung von Kraft und Materie und
damit das Konzept eines dynamischen Materialismus auf. Er schließt sich der
Annahme an, „daß Kraft und Materie Eins sind“.43 Diese Vorstellung war zwar
schon im jonischen Hylozoismus vorhanden und jeder fundierten Philosophie-
geschichte zu entnehmen. Doch erhielt sie im aufklärerischen Materialismus des
Freidenkertums ihr zeitgenössisches Profil aus der Frontbildung gegen die christ-
liche Transzendenz und die idealistische Geistphilosophie. Vor allem sollte die
grundsätzliche Identität von Kraft und Materie für alles Organische gelten, auf das
der diffuse und gegen Ende des 19. Jahrhunderts definitiv als obsolet angesehene
Begriff der ‚Lebenskraft‘ angewandt wurde ‒ ein Wiedergänger der altbekann-
ten „vis vitalis“. Dennoch erhielt die Physiologie ein über den engeren medizini-
schen Bereich hinausreichendes Interesse. Besonders wurde der physiologische
Kraftbegriff im Hinblick auf die „Nervenkraft“ erörtert. Bereits um 1800 hatte der
Radikalaufklärer Pierre Jean Georges de Cabanis (1757–1808), auf den sich auch
Schopenhauer berief, in einem in fast alle europäischen Sprachen übersetzten
und bis weit ins 19. Jahrhundert hinein wirkenden Werk Gehirn und „Nerven“ zur
physiologischen Zentralinstanz deklariert und strikt materialistisch aufgefasst.
Von der „Nervenkraft“ her, die Nietzsche eigens thematisierte44, und überhaupt
von den „Nerven“ her, die eines der großen Modethemen in der zweiten Hälfte
des 19. Jahrhunderts waren – ein prominentes Zeugnis ist das Journal des Gon-
court ‒ ergab sich die Verbindung zur Sphäre des „Gefühls“. Deshalb sprach man
in der zeitgenössischen populärwissenschaftlichen Literatur, an die sich Nietz-
sche meistens hielt, mit Vorliebe von „psycho-physischen“ Krafterfahrungen.
Das von Büchner paradigmatisierte Junktim von Kraft und Stoff beförderte
bis in die hier nur knapp angedeuteten Differenzierungen hinein ein antimeta-
physisch-naturalistisches Denken, das sich zu einer monistischen, übrigens auch
literarisch wirkungsreichen Weltanschauung verdichtete. Deren wichtigster und
außerordentlich weit wirkender Vertreter in Deutschland war der Zoologe Ernst
Haeckel, der sich der Abstammungslehre Darwins anschloss. 1868 veröffentlichte
er sein Werk Natürliche Schöpfungsgeschichte. 1874 folgte die Anthropogenie oder
Entwicklungsgeschichte des Menschen. Haeckel propagierte einen kämpferischen
Atheismus und ließ sich 1904 auf dem internationalen Freidenkerkongress in
Rom zum Gegenpapst ausrufen. 1899 veröffentlichte er sein Hauptwerk Die
Welträthsel, in dem er den Anspruch auf „totale Welterklärung“ erhob und den
Monismus als revolutionären Neuanfang darstellte. Dieses Buch wurde schon vor
mische oder psychische Kraft außerdem giebt“.50 Helmuth Plessner hat derartige
generalisierende Überbauten des Macht-Theorems ad absurdum geführt.51
Auch die verschiedenen Ausformungen des „Willens zur Macht“ in Nietz-
sches Werken sind immer unter dem schon erörterten kritischen Generalvorbe-
halt zu sehen, demzufolge dem Bereich des Organischen keineswegs „Macht“
zuzuschreiben ist, und die Übertragung vom „Organischen“ auf die gesellschaft-
liche Sphäre auf einem Fehlschluss beruht. In der 1880/81 verfassten Schrift
Morgenröthe entwickelt Nietzsche eine Vorform, indem er immer wieder vom
„Gefühl der Macht“ spricht. Selbst die nachgelassenen Notate zu diesem Werk
kreisen oft um dieses Gefühl der Macht, das für ihn besonders von der „Nerven-
kraft“ abhängt. Tendenziell verrät sich schon beim „Gefühl der Macht“ die Uni-
versalität, die später dem „Willen zur Macht“ zukommt. Überall sieht Nietzsche
das Verlangen nach einem „Gefühl der Macht“, das er hier allerdings noch ganz
subjektiv als Streben nach einem erhöhten Lebensgefühl, nach einer Erfahrung
höchstmöglicher individueller Daseinssteigerung, ja als rauschhaften Zustand
maximalen Selbstwertempfindens versteht. Dieses Gefühl der Macht stellt sich
nicht nur in zwischenmenschlichen Beziehungen oder in politischen Konstella-
tionen ein, sondern auch im Verhältnis des Menschen zu sich selbst. Der Mensch
übt Macht gegen sich selbst aus, indem er sich etwa zu Leistungen zwingt, bis
er dadurch ein selbstgesetztes Ziel erreicht und dies als Glücksgefühl genießt.
Solche Macht besteht in der Kraft der Selbstüberwindung, die Nietzsche in einem
eigenen Kapitel des Zarathustra unter der Überschrift ‚Von der Selbstüberwin-
dung‘ erstmals als ‚Wille zur Macht‘ interpretiert. Sie bestimmt auch schon seine
Vorstellung vom Übermenschen, denn dieser zwingt sich durch permanente
Selbstüberwindung zum Übergang in ein immer höheres, wenn auch unbestimmt
und abstrakt bleibendes Dasein.
Ein wahrer Abgrund öffnet sich in den auffallend häufigen Ausführungen Nietz-
sches zum Opfer. Sowohl dem Selbstopfer wie dem Opfern anderer gewinnt er
ein Gefühl der Macht ab, und deshalb zeigt er auch besonderes Interesse für die
„Grausamkeit“. Ich analysiere exemplarisch einen Text aus der Aphorismen-
sammlung Morgenröthe. Er bedarf zunächst einer knappen Kontextualisierung,
denn vorausgeht eine Zurückweisung des Mitleids, das Schopenhauer wie vor ihm
schon Rousseau zur elementaren Basis der Moral erklärt hatte. Ineins mit dieser
Zurückweisung wendet sich Nietzsche gegen das christliche Gebot der Nächsten-
liebe und gegen sämtliche Humanitätsvorstellungen. Zu den Voraussetzungen
für das Verständnis der Anfangspartie dieses Textes gehört es auch, dass Nietz-
sche hier implizit gegen mehrere Werke zur Ethik polemisiert, die damals aktuell
waren. In einer Vorstufe des Textes nennt Nietzsche das kurz zuvor erschienene
Buch Herbert Spencers The data of Ethics, dessen deutsche Übersetzung er sich
sogleich besorgt hatte. Sie trägt den Titel Die Thatsachen der Ethik. Spencer hatte
geschrieben, das „Wesen des Moralischen“ liege darin, „dass wir die nächsten
und unmittelbarsten Folgen unserer Handlungen für den Anderen in’s Auge
fassen und uns darnach entscheiden“. Dies wertet Nietzsche in der Anfangspartie
des zu erörternden Textes als eine „kleinbürgerliche Moral“. Mit seiner Grundfor-
derung, man solle sich „über den Nächsten hinweg“ setzen, widerspricht er auch
dem von ihm vielfach benutzten Handbuch der Moral des Göttinger Philosophie-
professors Johann Julius Baumann. Dieser hält es für unsittlich, wenn jemand
„die Menschheit wie ein Abstractum“ behandelt, so dass er „gegenüber den ein-
zelnen lebendigen Menschen rücksichtslos und lieblos ist, um einer gedachten
oder gehofften Menschheit zu dienen“.52
Nietzsches Text lautet (Nr. 146):
Auch über den Näch sten h i nwe g. – Wie? Das Wesen des wahrhaft Moralischen
liege darin, dass wir die nächsten und unmittelbarsten Folgen unserer Handlungen für
den Anderen in’s Auge fassen und uns darnach entscheiden? Diess ist nur eine enge und
kleinbürgerliche Moral, wenn es auch Moral sein mag: aber höher und freier scheint es mir
gedacht, auch über diese nächsten Folgen für den Anderen h i nwe gz u s e h e n und ent-
ferntere Zwecke unter Umständen au ch du rch d a s Le i d d e s A n d e re n zu fördern, ‒
zum Beispiel die Erkenntniss zu fördern, auch trotz der Einsicht, dass unsere Freigeisterei
52 S. 135.
22 Das Plädoyer für Menschenopfer zugunsten einer privilegierten Kaste
zunächst und unmittelbar die Anderen in Zweifel, Kummer und Schlimmeres werfen wird.
Dürfen wir unseren Nächsten nicht wenigstens so behandeln, wie wir uns behandeln? Und
wenn wir bei uns nicht so eng und kleinbürgerlich an die unmittelbaren Folgen und Leiden
denken: warum m ü s s te n wir es bei ihm thun? Gesetzt, wir hätten den Sinn der Aufopfe-
rung für uns: was würde uns verbieten, den Nächsten mit aufzuopfern? – so wie es bisher
der Staat und der Fürst thaten, die den einen Bürger den anderen zum Opfer brachten, ‚der
allgemeinen Interessen wegen‘, wie man sagte. Aber auch wir haben allgemeine und viel-
leicht allgemeinere Interessen: warum sollten den kommenden Geschlechtern nicht einige
Individuen der gegenwärtigen Geschlechter zum Opfer gebracht werden dürfen? sodass ihr
Gram, ihre Unruhe, ihre Verzweiflung, ihre Fehlgriffe und Angstschritte für nöthig befun-
den würden, weil eine neue Pflugschar den Boden brechen und fruchtbar für Alle machen
solle? – Endlich: wir theilen zugleich die Gesinnung an den Nächsten mit, in der er s i ch
als Opfer fü h l e n kann, wir überreden ihn zu der Aufgabe, für die wir ihn benützen.
Sind wir denn ohne Mitleid? Aber wenn wir auch ü b e r u n s e r M i t l e i d h i nwe g gegen
uns selber den Sieg erringen wollen, ist diess nicht eine höhere und freiere Haltung und
Stimmung, als jene, bei der man sich sicher fühlt, wenn man herausgebracht hat, ob eine
Handlung dem Nächsten wo h l o d e r we h e t h u t? Wir dagegen würden doch durch das
Opfer – in welchem wir u n d d i e Nä ch s te n einbegriffen sind – das allgemeine Gefühl
der menschlichen M a ch t [!] stärken und höher heben, gesetzt auch, dass wir nicht Mehr
erreichten. Aber schon diess wäre eine positive Vermehrung des G lü cke s. – Zuletzt, wenn
diess sogar ‒ ‒ doch hier kein Wort mehr! Ein Blick genügt, ihr habt mich verstanden.
Nietzsche deklariert in diesem Text die Absage an das Mitleid als heroischen Akt,
wenn nicht sogar als acte gratuit. Er zielt auch hier auf das „Gefühl der mensch
lichen M a ch t“, und zwar, das ist bemerkenswert, um dieses Gefühls willen.
Schon dieses Gefühl würde ihm reichen, denn es heißt ja: „gesetzt auch, dass wir
nicht Mehr erreichten“. Der von ihm so genannte „fernere Zweck“, der die Mittel
sogar dann heiligt, wenn es sich um Menschenopfer handelt, entpuppt sich
daher als die Gewinnung eines bloßen „Gefühls“, eben des ‚Gefühls der Macht‘.
Nietzsche geht es in diesem Text nicht etwa, wie Machiavelli, auf dessen Werk Il
principe er anspielt, um eine konkrete staatliche oder fürstliche Macht, sondern
bloß um das ‚Gefühl der Macht‘: um das, wie er sagt, „Glück“ des Selbstgenusses
in diesem Gefühl der Macht – um eine Stärkung des schon in mehreren vorausge-
henden Texten mit diesem Terminus beschworenen „Ego“. Paradoxerweise will
er, um dieses Ego durch das Glücksgefühl der Macht zu stärken, nicht nur andere
opfern, sondern auch sich selbst, sein reales Ego. In einem nachgelassenen Notat
spricht er von „der Wollust am Zerstören“.53 Sie betrifft sowohl die Zerstörung
anderer als auch der eigenen Existenz. Lou von Salomé, die Nietzsche und sein
Werk sehr gut kannte, bezeichnete ihn in ihren Erinnerungen treffend als Sado-
54 Lou Andreas-Salomé: In der Schule bei Freud. Tagebuch eines Jahres. 1912/1913, aus dem
Nachlass hg. von Ernst Pfeiffer, Zürich 1958, S. 156.
55 KSA 5, 166, 24–26.
56 166, 33 f.
57 NL 1880/1881, 10[B51], KSA 9, 423, 6.
58 KSA 1, 769, 22.
24 Das Plädoyer für Menschenopfer zugunsten einer privilegierten Kaste
der Kunstwelt zu ermöglichen“.59 In Jenseits von Gut und Böse redet Nietzsche
von der angeblich „guten und gesunden Aristokratie“ und sieht die nicht privi-
legierte Schicht nur als „Unterbau und Gerüst, an dem sich eine ausgesuchte Art
Wesen zu ihrer höheren Aufgabe und überhaupt zu einem höheren S ein empor-
zuheben vermag“. Er lässt seine Ausführungen in folgenden parodiereifen Ver-
gleich einmünden: „[…] vergleichbar jenen sonnensüchtigen Kletterpflanzen auf
Java – man nennt sie Sipo Matador ‒, welche mit ihren Armen einen Eichbaum so
lange und oft umklammern, bis sie endlich, hoch über ihm, aber auf ihn gestützt,
in freiem Lichte ihre Krone entfalten und ihr Glück zur Schau tragen können“.60
Nietzsche sagt nicht, von wem die „ausgesuchte Art Wesen“ ausgesucht wird,
nicht, was „ihre Aufgabe“ ist, und auch nicht, welches „höhere Sein“ ihnen
angeblich zukommt. Die verquere Metaphorik trägt vollends zur unfreiwilligen
Selbstparodie bei, denn in der Botanik werden Kletterpflanzen, die ihre Wirts-
pflanzen ruinieren, ‚Schmarotzer‘ genannt. Abgesehen davon, dass auf Java zwar
Zuckerrohr, Kakao-Sträucher und Palmen, aber keine Eichen wachsen, eignet
sich überdies die Metapher des „Eichbaums“ nicht als Sinnbild für diejenigen,
die zu Sklaven „herabgedrückt“ werden: Die Eiche ist seit jeher Sinnbild mäch-
tiger Stärke.
Der aktuelle zeitgenössische Hintergrund für Nietzsches Preis der Sklaverei
lässt sich aus seiner Irritation über die Abschaffung der Sklaverei in Amerika
erkennen, nachdem schon vorher eine Reihe von Staaten die Sklaverei aufgeho-
ben hatten. Bereits 1754 hatten die Quäker in Philadelphia erklärt, dass Sklave-
rei Sünde ist. 1832 wurde in Boston die New England Anti-Slavery Society, 1833
in Philadelphia die American Anti-Slavery Society gegründet. Noch im gleichen
Jahr endete im britischen Empire die Sklaverei. 1865 schaffte Lincoln die Skla-
verei ab – in den USA gab es damals noch vier Millionen schwarze Sklaven, vor
allem auf den großen Plantagen der Südstaaten.61 Im Nachlass aus dem Jahre
1884/85 unterstrich Nietzsche das Notat: „Gegen die Aufhebung der Sklaverei“62,
und noch in Ecce homo äußerte er sich abfällig über die Absicht, „die Sklaven in
Afrika zu befreien“.63 Obwohl sich Nietzsche in seinen frühen Schriften noch weit-
gehend an Schopenhauer orientierte, der die Sklaverei scharf ablehnte, forderte
er den „Sk l ave ndienst der großen Masse“64 und dass „das Elend der mühsam
Wie der Mensch mit dem Menschen verfährt, zeigt z. B. die Negersklaverei, deren Endzweck
Zucker und Kaffee ist. Aber man braucht nicht so weit zu gehen: im Alter von fünf Jahren
eintreten in die Garnspinnerei, oder sonstige Fabrik, und von Dem an erst 10, dann 12,
endlich 14 Stunden täglich darin sitzen und die selbe mechanische Arbeit verrichten, heißt
das Vergnügen, Athem zu holen, theuer erkaufen. Dies aber ist das Schicksal von Millionen,
und viele andere Millionen haben ein analoges.65
Eine noch schärfere Stellungnahme Schopenhauers gegen die Sklaverei, die auf
Nietzsche ebenfalls keinen Eindruck machte, obwohl sie auf den exakt dokumen-
tierten Verhältnissen in den USA beruhte, steht in den Parerga und Paralipomena
II, in § 114 der Abhandlung ‚Zur Ethik‘. Darin heißt es:
Der Mensch ist im Grunde ein wildes, entsetzliches Thier […] Ein vollwichtiges Beispiel aus
der Gegenwart liefert […] die Antwort, welche die Brittische Antisklavereigesellschaft, auf
ihre Frage nach der Behandlung der Sklaven in den sklavenhaltenden Staaten der Nord-
amerikanischen Union, von der Nordamerikanischen Antisklavereigesellschaft im Jahre
1840 erhalten hat: Slavery and the internal Slavetrade in the United States of North-Ame-
rica: being replies to questions transmitted by the British Antislavery-society to the Ame-
rican Antislavery society. Lond. 1841. 280 S. gr. 8. price 4 sh. in cloth. Dieses Buch macht
eine der schwersten Anklageakten gegen die Menschheit aus. Keiner wird es ohne Entset-
zen, Wenige ohne Thränen aus der Hand legen. Denn was der Leser desselben jemals vom
unglücklichen Zustande der Sklaven, ja, von menschlicher Härte und Grausamkeit über-
haupt, gehört, oder sich gedacht, oder geträumt haben mag, wird ihm geringfügig erschei-
nen, wenn er liest, wie jene Teufel in Menschengestalt, jene bigotten, kirchengehenden,
streng den Sabbath beobachtenden Schurken, namentlich auch die Anglikanischen Pfaffen
unter ihnen, ihre unschuldigen schwarzen Brüder behandeln, welche durch Unrecht und
Gewalt in ihre Teufelsklauen gerathen sind. Dies Buch, welches aus trockenen, aber authen-
tischen und dokumentirten Berichten besteht, empört alles Menschengefühl in dem Grade,
daß man, mit demselben in der Hand, einen Kreuzzug predigen könnte, zur Unterjochung
und Züchtigung der sklavenhaltenden Staaten Nordamerika’s. Denn sie sind ein Schand-
fleck der ganzen Menschheit.
Weil Nietzsche das „Gefühl der Macht“, das sich im Verlauf der Achtzigerjahre
schließlich zum „Willen zur Macht“ ausformt, als Erfüllungsziel eines univer-
sell wirksamen expansiven Lebensdrangs interpretiert, interessiert er sich für
dessen Manifestation in allen Bereichen, aber nur – und das ist entscheidend ‒,
65 WWV II, 663 (viertes Buch, § 46: Von der Nichtigkeit und dem Leiden des Lebens).
26 Das Plädoyer für Menschenopfer zugunsten einer privilegierten Kaste
um Macht als Machtprinzip zu etablieren und dieses gegen Moral, Recht, Staat,
Pflicht, Humanität, ja gegen jedwede Verbindlichkeit und Norm in Stellung zu
bringen. In der Vielzahl seiner mehr oder weniger aphoristischen Kurztexte ent-
faltet er ein breites Spektrum von Manifestationen des Willens zur Macht. Dabei
gerät er als erklärter Immoralist, der die Moral grundsätzlich bekämpft, in eine
fatale Paradoxie. Denn die Moral selbst erscheint als Ausdruck eines Willens zur
Macht. Sie beruht, wie er sehr wohl wahrnimmt, auf Moral-Gesetzen, die einmal
statuiert wurden und so ihre Autorität und Gültigkeit erhalten haben, im Extrem-
fall sogar durch Berufung auf die über alles Menschliche hinausgehende Macht-
instanz der Gottheit wie im mosaischen Dekalog. Aus dieser Paradoxie suchte
er sich später zu lösen, indem er eine auf dem angeblichen Recht des Stärkeren
beruhende „Herrenmoral“ von der „Sklavenmoral“ unterschied, als die er die
jüdisch-christliche Moral attackierte.
4 Die Rede von den „Werten“ und den
„Wertschätzungen“: Ein erster Ansatz zur
„Umwertung aller Werte“
Nachvollzug der in der Aufklärung beginnenden und im 19. Jahrhundert fortgeschrittenen
Erosion der christlichen Jenseits-Religion: „Gott ist tot.“ Zarathustra als Gegen-Moses. Die
Aporien des theoretischen Immoralismus. Flucht in Voluntarismus, Dynamismus und
Übermenschen-Utopie
Ein besonderer Schwerpunkt liegt seit dem Zarathustra, der zu den Radikalismen
des Spätwerks überleitet, auf dem Schaffen. Die schöpferische Produktivität ver-
steht Nietzsche, wie später Heidegger in seinem Gefolge,66 als intensivste Mani-
festation des expansiven Machtstrebens, das er in allem Leben erkennen will,
und Schaffen ist für ihn vorrangig das Schaffen neuer Werte. Zuallererst setzt
es das Zerstören der alten, bisher geltenden Werte voraus, so dass Schaffen und
Vernichten sich gegenseitig bedingen, wie er in Erinnerung an eine Denkfigur
seines Lieblingsphilosophen Heraklit betont und wie Heidegger ihm ebenfalls
nachspricht.67 Allerdings gibt es für Nietzsche keine Werte an sich, vielmehr sind
alle Werte, und darin folgt er zeitgenössischen Theorien, nur Ausdruck von Wert-
gefühlen, die aus Erfahrungen resultieren. In dem von ihm intensiv studierten
Handbuch der Moral von Johann Julius Baumann (Leipzig 1879) konnte Nietzsche
die Feststellung finden: „Alle Werthgefühle überhaupt sind ein Bewußtsein von
Erhöhung des Lebens, von Steigerung der Kraft“.68 Aus diesen Wertgefühlen wie-
derum resultieren Wertschätzungen und schließlich Wertsetzungen. Im Zuge einer
zunehmenden Autonomisierung und Absolutsetzung des „Willens zur Macht“ in
Nietzsches Texten seit dem Zarathustra kehrt er dann allerdings die Reihenfolge
um: Wertschätzungen und Wertsetzungen resultieren nicht mehr aus vorgän-
gigen Erfahrungen, sondern sind nur noch Ausdruck des „Willens zur Macht“.
„Alle Werthschätzungen“, schreibt Nietzsche, „sind nur Folgen [!] und engere
Perspektiven i m Dienste [ !] dieses Einen Willens: das Werthschätzen
selbst ist nur dieser Wille zur Macht“.69 Schon im Zarathustra kündigt sich diese
Wendung mit aller Deutlichkeit an. Im Zarathustra-Kapitel ‚Von der Selbst-Ueber-
windung‘, das erstmals die Lehre vom ‚Willen zur Macht‘ formuliert, heißt es:
66 Vgl. S. 35.
67 Vgl. S. 28 f.
68 Johann Julius Baumann: Handbuch der Moral nebst Abriss der Rechtsphilosophie, Leipzig
1879, S. 60.
69 NL November 1887-März 1888, 11[96], KSA 13, 45, 4–7.
28 Die Rede von den „Werten“ und den „Wertschätzungen“
„Das ist euer ganzer Wille, ihr Weisesten, als ein Wille zur Macht; und auch wenn
ihr vom Guten und Bösen redet und von den Werthschätzungen“70; und noch
deutlicher: „Mit euren Werthen und Worten von Gut und Böse übt ihr Gewalt,
ihr Werthschätzenden“.71 Nietzsche propagiert die „Umwertung aller Werte“ auf-
grund solcher „Macht“, ja „Gewalt“, aber indem er voraussieht, dass die in dieser
Umwertung neugenerierten Werte künftig von anderen Wertschätzungen und
Wertsetzungen wieder aufgehoben werden können, bleibt im Prinzip nur ein sich
jeweils anders und neu artikulierender, ewig fluktuierender „Wille zur Macht“.
Die Formel „Wille zur Macht“ steht demnach in engstem Zusammenhang mit
dem Konzept der „Umwertung aller Werte“.72 Dies zeigt auch der im Sommer 1886
wiederholt notierte Titelentwurf: „Der Wille zur Macht/Versuch einer Umwer-
tung aller Werte“. Der Zarathustra bringt diese Umwertung am eindringlichs-
ten zum Ausdruck. In der letzten, erst postum erschienenen Schrift Ecce homo
nennt Nietzsche, rückblickend auf seine Werke, das Zarathustra-Kapitel ‚Von
alten und neuen Tafeln‘73 eine „entscheidende Partie“.74 Dass die Tafeln einer
alten Moral und einer paradoxen neuen Anti-Moral gemeint sind, verrät schon
die Anspielung auf den Begründer der biblischen Religion: auf Moses, der auf
dem Berg Sinai von Gott die alten Tafeln empfing. Die auf ihnen fixierten Zehn
Gebote sind ja Moral-Gesetze – Gesetze, denen der biblische Verfasser mit der
Erzählung der Übergabe durch Gott eine absolute Autorität zuspricht. Nietz-
sche konzipiert seine Zarathustra-Figur als Gegen-Moses. Zarathustra will die
neuen Werte-Tafeln bringen. Aber weil die alten Tafeln mit ihren alten Werten
zunächst ungültig gemacht werden müssen, damit die neuen, auf verräterische
Weise unbestimmt bleibenden Tafeln mit ihren neuen Werten Geltung erlangen
können, muss zuallererst die absolute Legitimation der alten Tafeln durch Gott
beseitigt werden. Dies geschieht durch die Botschaft vom Untergang der Legiti-
mationsinstanz: vom Tod Gottes. Deshalb steht am Anfang des Werks Zarathu-
stras Begegnung mit einem Einsiedler, einem „alten Heiligen“. Er lebt in einem
Wald, gewissermaßen als ein aus der Zeit gefallener Hinterwäldler. Zugleich ist
er ein gegen das Hereinbrechen der Moderne abgeschotteter Weltanschauungs
idylliker. Nach einem von hintergründiger Ironie durchzogenen Gespräch verab-
schiedet sich Zarathustra von ihm, und die letzten Worte dieses für das ganze
Werk horizontbildenden Beginns lauten: „Als Zarathustra aber allein war, sprach
er also zu seinem Herzen: ‚Sollte es denn möglich sein! Dieser alte Heilige hat in
seinem Walde noch Nichts davon gehört, dass G ott todt ist!‘“75 – Erst mit dieser
Erkenntnis, dass Gott tot ist, d. h. mit dem zu seiner letzten Konsequenz getrie-
benen Aufklärungs- und Säkularisierungsprozess, mit dem schon von Feuerbach
verkündeten Ende einer als Selbstentfremdung des Menschen begriffenen Trans-
zendenz, wird der Weg frei für das Schaffen neuer Werte.
Weil allerdings jedwede neue Wertsetzung nur eine vorläufige sein kann,
treiben Nietzsches Gedanken hier endgültig einer Aporie zu. Mit suggestiven
Formeln versucht er der zeitlichen Unabsehbarkeit eine dynamisierende Energie
abzugewinnen. Die grenzenlose Prozessualität des Wertewandels, die mit der
permanenten Umwertung immer auch schon die künftige Entwertung mitpro-
duziert, gerät ihm zu einem Überwindungs- und Selbstüberwindungsrausch.
Die anthropologische Chiffre hierfür ist der Übermensch, der sich permanent im
Übergang befindet, indem er zu immer neuen Formen des Menschseins voran-
stürmt. In Nietzsches Vorstellung vermag sich der Übermensch schier endlos zu
steigern. Doch wird nirgends plausibel, inwiefern das Voranschreiten nicht nur
zu neuen, sondern auch zu den prätendierten höheren Lebensformen führt. Aus
dieser Aporie versuchte sich Nietzsche zu lösen, indem er im Spätwerk die zeit-
genössischen Ideologeme von Zucht und Züchtung adaptierte und damit in den
Biologismus abglitt. Der Übermensch blieb eine Utopie, die sich in einem überan-
strengten Dynamismus und Voluntarismus erschöpft. Darin erschöpft sich letzt-
lich auch der ‚Wille zur Macht‘.
Für Nietzsche verband sich mit der Konzeption des ‚Willens zur Macht‘ ein außer-
ordentlicher Anspruch, denn er erhob dieses Theorem zum universellen Erklä-
rungsmodell. Allerdings diagnostizierte er zugleich in einem Aphorismus der
Morgenröthe, der unter dem Titel „Die Tyr anne n des G eis tes “ steht (Nr. 547),
den Versuch, eine alles übergreifende Formel zu finden, schon als einen ‚Willen
zur Macht‘. Nietzsche führte dies insbesondere auf die eitle Selbstüberschätzung
von Philosophen zurück, die mit ihren Universal- und Superioritätsambitionen
sich zu eben solchen „Tyrannen des Geistes“ aufzuschwingen versuchen. Diese
These, in der auch ein gut Teil subversiver Selbstdiagnose steckt, exemplifiziert
er an Schopenhauer. Eine Leitvorstellung hierbei ist die auch von Ernst Haeckel
für seine monistische Weltanschauung publikumswirksam exponierte Phantasie
eines Welt-„Rätsels“. Sie verbindet sich mit der Phantasie einer „Rätsellösung“,
welche den gordischen Knoten unauflösbarer Komplexität mit einem Schlage
durchhauen soll. Trotzdem thematisierte Nietzsche selbst in seinen Werken aus
den Achtzigerjahren immer wieder die Rätsel-Lösung durchaus affirmativ. Sein
Rätsel-Wort, das alles enträtseln sollte, wurde der ‚Wille zur Macht‘ als innerstes
Movens des Lebens. Das ist seine Version der schon populärwissenschaftlich ver-
breiteten monistischen Weltanschauung. In einem nachgelassenen Notat formu-
liert er im Ton größter Entschiedenheit und mit stolzem Pathos: „wollt Ihr einen
Na m e n für diese Welt? Eine Lösung für alle ihre Räthsel? ein Licht auch für
euch, ihr Verborgensten, Stärksten, Unerschrockensten, Mitternächtlichsten? –
D i e s e We lt i s t der Wille z u r Macht – u nd nichts außerdem!“76
Bereits Schopenhauer, den Nietzsche als Beispiel für den Glauben an die
eigene Einzigartigkeit anführt, exponiert die Vorstellung des „Rätsels“ samt der
Rätsellösung mit Vorliebe. Das lösende Wort, das Schopenhauer gefunden zu
haben beansprucht, lautet: „Wille“. Im ersten Band seines Hauptwerks Die Welt
als Wille und Vorstellung behauptet er, es sei „dem als Individuum erscheinen-
den Subjekt des Erkennens das Wort des Räthsels gegeben: und dieses Wort heißt
Wi l l e . Dieses und dieses allein, giebt ihm den Schlüssel […]“.77 In der beigefüg-
ten ‚Kritik der Kantischen Philosophie‘ lässt sich Schopenhauer mit folgenden
selbstbewussten Worten vernehmen: „Besonders aber lese man über die Auflö-
sung der Antinomien den § 53 der Prolegomena [gemeint sind Kants Prolegomena
zu einer jeden künftigen Metaphysik, die als Wissenschaft wird auftreten können]
und beantworte dann aufrichtig die Frage, ob alles dort Gesagte nicht lautet wie
ein Räthsel, zu welchem meine Lehre das Wort ist“.78 Damit beansprucht Scho-
penhauer insbesondere, das von Kant als unerkennbar dargestellte „Ding an
sich“ doch erkannt zu haben: als „Wille“.
In einem Aphorismus der Fröhlichen Wissenschaft (Nr. 99) kritisiert Nietzsche
an Schopenhauer, dass er sich „vom eitlen Triebe, der Enträthseler der Welt zu
sein, verführen und verderben liess“.79 Unschwer ist das „tua res agitur“ in der
Kritik an Schopenhauers Gestus des Rätsel-Lösers zu erkennen. In einer Vor-
stufe zu dem schon vorgestellten Aphorismus Die Tyr annen des G eistes
nennt Nietzsche Schopenhauer ausdrücklich und setzt sein eigenes Schlüssel-
wort „Macht“ ein. „Man suchte“, schreibt Nietzsche, „alles mit Einem Schlage zu
lösen, mit Einem Worte: wie ein Räthsel. Und die Aufgabe schien: alles in die ein-
fachste Räthselform zusammenzudrängen, so daß alle Fragen mit Einer Antwort
beantwortet werden konnten, d. h. man that den Dingen die ärgste Gewalt an,
um sich die grenzenlose Freude, Enträthseler der Welt zu sein, zu machen. So
noch Schopenhauer. […] Philosophie war eine Art, Macht zu zeigen – man wollte
Ty r a n n des Geistes sein“.80 Genau dies aber ist auch Nietzsches eigenes Projekt,
mit dem er sich als „Philosoph der Zukunft“ immer wieder in Szene setzt. Er ver-
schiebt, was er als problematisch erkennt, lediglich auf vage bleibende Zukunfts-
prophetien oder auf die Kritik an anderen, hier auf die Kritik an Schopenhauer.
Und was er in dem zitierten Text „Philosophie“ nennt, mit dem Begriff, der im
Wortsinn „Liebe zur Weisheit“ bedeutet, transformiert er ins Voluntative: in den
Begriff „Wille zur Wahrheit“, um diesen sodann als „Willen zur Macht“ auszuge-
ben. Der in Anlehnung an Platons Politeia und sein syrakusisches Experiment
erträumte Machthaber, ja Befehlshaber und Führer ist er selbst als „Philosoph der
Zukunft“. Unüberhörbar ist im Zarathustra nicht nur ein prophetischer, sondern
mindestens ebenso sehr auch befehlshaberischer und dekretierender Ton.
In der Schrift Jenseits von Gut und Böse weist Nietzsche nicht etwa Biologen,
sondern Philosophen die Aufgabe zu, „Gesammt-Versuche von Zucht und Züch-
77 WWV I, 119.
78 WWV I, 595.
79 KSA 3, 454, 9 f.
80 KSA 14, 227 f.
32 Der „Wille zur Macht“ als Movens des „Lebens“ und universelles Erklärungsmodell
tung vorzubereiten“, und er fährt fort: „dazu wird irgendwann einmal eine neue
Art von Philosophen und Befehlshabern nöthig sein […] das Bild solcher Führer
ist es, das vor u nsern Augen schwebt“.81 In solchen „cäsarischen Züchtern und
Gewaltmenschen“82 lebt der reine, unverstellte „Wille zur Macht“. Was sie zu
setzen und durchzusetzen vermögen, wird als „Wahrheit“ deklariert, und zwar
allein, weil sie es durchzusetzen vermögen. Die eigentlichen Philosophen, so sta-
tuiert Nietzsche, und nur er selbst ist in seiner Selbsteinschätzung ein solcher
„eigentlicher“ Philosoph, denn alle anderen von Platon bis zu Kant und Hegel
nennt er „Falschmünzer“ ‒, „Die eigent lichen Philo s o phen ab er s ind
B e f e h l e n d e u nd G esetzgeber: sie sagen ‚so soll es sein!‘ […] ihr Schaffen ist
eine Gesetzgebung, ihr Wille zur Wahrheit ist – Wille zur Macht“.83
„Die Selbstbehauptung der deutschen Universität“ gab und die ihren ‚Grund‘
in Hitlers Machtergreifung hat, gerinnt Nietzsches sich selbst wollender „Wille
zur Macht“ zum pseudometaphysisch legitimierten Selbstbehauptungswillen. Er
ist vorab entschieden vom Geschehen des ins „Sein“ hineinprojizierten vorgeb
lichen Willens zur Macht. Damit degeneriert der „Wille“, obwohl er immer noch
voluntaristisch aufgeladen und avantgardistisch aufgeputzt ist, zu einer Selbst
ermächtigung, die eine Kopie des Ermächtigungsgesetzes ist, mit dem Hitler
1933 seine Diktatur formal legitimierte. Paradoxerweise führt Heideggers Selbst
ermächtigung zu einer Selbstentmächtigung angesichts der historischen Ereig-
nisse, indem sie dem Philosophen nur noch ein opportunistisches Nachhutge-
fecht überlässt – ein verzerrtes Echo auf Nietzsches „amor fati“. „Aber niemand
wird uns auch fragen“, verkündete Heidegger in seiner Rektoratsrede, „ob wir
wollen oder nicht wollen“. „Es komme darauf an“, fährt er fort, indem er mit
einem absonderlichen Volksbegriff operiert, „ob wir als geschichtlich-geistiges
Volk uns selbst noch und wieder wollen“, und weiter: „Wir wollen uns selbst.
Denn die junge und jüngste Kraft des Volkes, die über uns schon hinweggreift,
hat darüber bereits entschieden“.86
Wenn ein Nietzsche-Wort auf Heideggers letztlich nur auf sich „selbst“
zurückweisende permanente Ausstellung des „Selbst“ zutrifft, dann das Wort
über die von „grosser Liebe zu sich selber“ beflügelte Projektionsfigur Zarathus-
tra: „im eignen Safte kochte Zarathustra“.87 Nietzsches unablässige Beschwörung
des „Selbst“ und der „Selbstsucht“ ist noch immer von Selbstaufhebungsfiguren
unterminiert – wie sein „Wille zur Macht“ häufig und ausdrücklich als Reaktion
auf Ohnmachtsgefühle erkennbar bleibt. Derartiges liegt Heideggers Versimpe-
lungen fern. Zwar glaubte er später, nachdem er sich vom Nationalsozialismus
und dessen „Willen zur Macht“ halbwegs – in Wahrheit kaum halbwegs – distan-
ziert hatte, eine „Kehre“ zu vollziehen, indem er auch Nietzsches antimetaphysi-
schen Furor als Metaphysik in anderer Form erkannte und dies samt dem „Willen
zur Macht“. Doch übertrug er den „Willen zur Macht“ in die Vorstellung bloßer
Herrschaft. Mit antimoderner Wendung entwarf er eine Kritik der instrumentel-
len Vernunft, die in der „Technik“, wenn nicht gar im „Gestell“ das Fundament
des von ihm beschworenen „Seins“ bedrohe.
Gerade auf den „Willen“ und das „Wollen“: auf den desperat voluntaristi-
schen und autoritären Zug in Nietzsches Zarathustra ist Heideggers Betonung des
86 Martin Heidegger: Die Selbstbehauptung der deutschen Universität. Rede, gehalten bei der
feierlichen Übernahme des Rektorats der Universität Freiburg i. Br. am 27. 05. 1933. Das Rektorat
1933/34. Tatsachen und Gedanken, Frankfurt am Main 1990, S. 19.
87 KSA 4, S. 204 und S. 205.
Heidegger als ‚zeitgemäßer‘ Interpret des „Willens zur Macht“ 35
Denn ich wiederhole es, meine Freunde! – alle Bildung fängt mit dem Gegentheile alles
dessen an, was man jetzt als akademische Freiheit preist, mit dem Gehorsam, mit der Unter-
ordnung, mit der Zucht, mit der Dienstbarkeit. Und wie die großen Führer der Geführten
bedürfen, so bedürfen die zu Führenden der Führer.90
Schon vor Beginn des Dritten Reichs wuchs sich dieser Führerkult aus,91 für den
der inzwischen zum Mode-Autor aufgestiegene Nietzsche die Vorgaben geliefert
hatte, Vorgaben, die in einer Zeit krisenhafter Desorientierung infolge des poli-
tischen und militärischen Zusammenbruchs Orientierung zu stiften schienen.
Heidegger entwarf den Ruf nach dem Führer ‚existentialistisch‘ auf Hitler hin. Als
Rektor der Universität Freiburg veröffentlichte er in der Badischen Zeitung am
88 KSA 4, 110 f.
89 Heidegger: Die Selbstbehauptung der deutschen Universität, S. 19.
90 Vortrag V, KSA 1, 750, 18–23.
91 Hierzu Kurt Sontheimer: Antidemokratisches Denken in der Weimarer Republik, 4. Auflage,
München 1962 (8. Kapitel b: ‚Der Ruf nach dem Führer‘, S. 268–280).
36 Heidegger als ‚zeitgemäßer‘ Interpret des „Willens zur Macht“
3. November 1933 unter der Überschrift ‚Deutsche Studenten‘ einen Artikel, der
mit den Worten begann: „Die nationalsozialistische Revolution bringt die völlige
Umwälzung unseres deutschen Daseins“, und er endete: „Der Führer selbst und
allein ist [Heideggers Hervorhebung] die heutige und künftige deutsche Wirklich-
keit und ihr Gesetz. Lernet immer tiefer zu wissen: Von nun an fordert jedwedes
Ding Entscheidung und alles Tun Verantwortung./Heil Hitler! Martin Heidegger,
Rektor“. Der Widersinn der abschließenden Aufforderung zu „Entscheidung“
und „Verantwortung“ erhellt aus der unmittelbar vorangehenden Feststellung,
dass der Führer „allein“ die deutsche „Wirklichkeit“ und ihr „Gesetz“ ist, folglich
ihm allein auch „Entscheidung“ und „Verantwortung“ zukommt.
Da es Heidegger immer nur um sein autoritär formiertes „Selbst“ ging,
begrüßte er die vom nationalsozialistischen Führerprinzip her gebotene Mög-
lichkeit, nun dieses Führerprinzip als Führer der Universität Freiburg und weit
darüber hinaus als maßgebender Führer der anderen deutschen Universitäten
durchzusetzen und damit eine radikale Hochschulreform zu bewirken, die ihn
allein als „Führer“ einer ruinierten Universität übrigließ. Am 22. August, einen
Tag nach Erlass der neuen badischen Führerverfassung für die Hochschulen,
notierte der Freiburger Prorektor Joseph Sauer in seinem Tagebuch: „Finis univer-
sitatum! – das Ende der Universitäten – und das hat uns dieser Narr von Heideg
ger eingebrockt, den wir zum Rektor gewählt haben, daß er uns neue Geistigkeit
der Hochschulen bringe“.92
Ebenso wie Heidegger als Rektor scheiterte und deshalb sein Rektorat 1934
aufgab, scheiterte er mit seinen im vollen Sinne des Wortes bodenlosen Hölder-
lin-Interpretationen, weil er, ideologisch verblendet, auf Hölderlins Dichtungen
nur seine eigenen Präokkupationen: sein „Selbst“ projizierte. Einen deprimieren-
den Eindruck nicht nur dieser Unfähigkeit, Texte in ihrer Eigenart und in ihren
historischen Kontexten und Bedingtheiten wahrzunehmen, sondern auch den
Eindruck niveaulosen Drauflos-Redens machen seine Hölderlin-Vorlesungen,
die von den Verwaltern seines Nachlasses in mehrere Bände der an sich schon
dubiosen, weil einer Vorzensur unterliegenden Gesamtausgabe aufgenommen
wurden. Dass Heidegger einfach nicht lesen konnte, weil sein „Selbst“ ihm als
„Eigentlichkeit“ im Wege stand und er, wie Nietzsche-Zarathustra in dem schon
zitierten Text, ausschließlich dieses Selbst „wollte“, zeigen auch seine Kommen-
92 Zitiert nach: Bernd Martin: Martin Heidegger und das ‚Dritte Reich‘. Ein Kompendium, Darm-
stadt 1989, S. 214. Eine umfassende, durch Quellen-Studien fundierte Darstellung bietet Helmut
Heiber: Universität unterm Hakenkreuz. Teil 2: Die Kapitulation der Hohen Schulen. Das Jahr 1933
und seine Themen, 2 Bde., München u. a. 1992 und 1994. Aus der uferlosen Heidegger-Literatur
ist auch das Werk von Hugo Ott einschlägig: Martin Heidegger. Unterwegs zu seiner Biographie,
Frankfurt am Main/New York 1988.
Heidegger als ‚zeitgemäßer‘ Interpret des „Willens zur Macht“ 37
tare zu antiken Texten, nicht zuletzt diejenigen zu Platon und Aristoteles. Die
Forschung hat nachgewiesen, wie sehr er sein Ziel verfehlte, weil er sich selbst
mit dem „Eigenen“ schon immer am Ziel glaubte, wo sich ihm das „Sein des Sei-
enden“ metaphysisch kundtat.93
93 Günter Figal: Martin Heidegger. Phänomenologie der Freiheit, 3. Auflage, Weinheim 2000,
darin vor allem das vierte Kapitel: ‚Freiheit und Zeit‘, S. 273–368.
7 Nietzsche als Kompilator und Plagiator
Eine erste Horizontbildung.
Hier schließt sich der Kreis zurück zu Nietzsche, denn Nietzsche war wesentlich
Kompilator von Vorhandenem, teils unkritisch und affirmativ wie in seinen noch
im Bann Schopenhauers und Wagners stehenden Frühschriften, teils kritisch
oder distanziert wie in seiner mittleren, aufklärerischen Phase (Menschliches,
Allzumenschliches, Morgenröthe, Die fröhliche Wissenschaft), bevor er dann, mit
dem Zarathustra und den auf ihn folgenden Schriften, also seit etwa 1883, in die
halbverzweifelten, weil immer schon unterhöhlten Radikalismen der späten Jahre
regredierte und „Tyrann des Geistes“ sein wollte (Morgenröthe Nr. 5: „Die Tyran-
nen des Geistes“). Wie sehr Nietzsche in haltloses Schwadronieren geriet, und dies
besonders dort, wo er sich zu historischen Themen äußerte oder „Genealogien“
konstruierte, zeigen einige der in den folgenden Kapiteln analysiertenTexte aus
seinen Aphorismen-Sammlungen Morgenröthe und Die fröhliche Wissenschaft,
die zunächst als Fortsetzung der Morgenröthe geplant war. Darüber hinaus wird
zu sehen sein, dass Nietzsche nicht nur seine wichtigsten Quellen verschwieg,
sondern auch ungeniert als Plagiator agierte – bei gleichzeitiger Versicherung
seiner „unzeitgemäßen“ Originalität gerade dort, wo er das Wesentliche von
Anderen und durchaus „zeitgemäß“ übernahm. Doch wusste er alle seine Schrif-
ten – bis zum Ende immer gezielter – rhetorisch zu dem an Wagner kritisierten
„Sursum! Bumbum!“ zu formieren, das übertönen sollte, dass er seit Mitte der
Siebzigerjahre nur um einige wenige Gedanken und Vorstellungen kreiste, die er
ununterbrochen repetierte, variierte, ausspann, inszenierte und instrumentierte.
Dies gilt insbesondere für seine Moralkritik, die fast alle seine Werke von 1876 bis
zum Zusammenbruch 1889 monomanisch bestimmt (hierzu das nächste Kapitel).
Er war, wie später der Freund Paul Rée, mit dem er jahrelang in enger Gemein-
schaft und intensivem geistigen Austausch lebte, rückblickend feststellte, „geist-
reich und gedankenarm“.94 Dieser Gedankenarmut versuchte er teils durch Radi-
kalismen auf die Beine zu helfen, um zu provozieren und nach langen Jahren fast
vollständiger Nichtbeachtung auf sich aufmerksam zu machen, teils versuchte
er durch „Buntschriftstellerei“95 mit allen Mitteln seine Texte zu verlebendigen.
Dennoch reichte es nicht zur Erfüllung des von ihm immer wieder und beson-
ders mit dem Zarathustra erhobenen Anspruchs, Künstler zu sein. Sein treuester
Freund, der ihm bis zum Zusammenbruch im Januar 1889 beistand, Franz Over-
beck, notierte in seinem Erinnerungsbuch über die Freunde Treitschke, Nietzsche
und Rohde klarsichtig: „Nietzsche’s Künstlerbegabung ist eine zu beschränkt
rhetorische gewesen“.96
lorenen) Satiren Prosa und Verse mischte. Damit und überhaupt mit der „Buntscheckigkeit des
Stils“ wirkte er stark auf die römische Literatur, so auf die Saturae Menippeae des Varro, die
zwischen 81 und 67 v. Chr. entstanden, auf Senecas Apocolocynthosis, die Satyrica des Petro-
nius und Lukians Ikaromenippos. Die Menippeische Satire ist nur gelegentlich ‚Satire‘ im moder-
nen Sinn, primär bezeichnet das Wort „Satura“ Uneinheitlichkeit und bunte Mannigfaltigkeit
der Themen und Formen. Nietzsche hatte sich wissenschaftlich mit der menippeischen Satire
beschäftigt (KGW I 5, 7–11). Vgl. auch KSA 6, 155, 23 f. – In Deutschland dominierte bis hin zu Kant
der begrifflich rigide und wissenschaftlich trockene Stil der Wolffschen Aufklärungsphilosophie.
Eine gefälligere Form der Darbietung pflegte unter den Nietzsche bekannten Philosophen Scho-
penhauer mit seinem oft lebendigen und unterhaltsamen Stil. In Frankreich hatte neben ande-
ren „philosophes“, die sich als Schriftsteller – nicht als ‚Philosophen‘ im engeren Sinn – mit
aufklärerischem Engagement verstanden, Voltaire den unterhaltsamen Stil kultiviert, sogar bis
hin zum Genre des philosophischen Wörterbuchs: in seinem witzigen, außerordentlich erfolgrei-
chen Dictionnaire philosophique portatif. Nietzsche diagnostiziert (in Nr. 427 der Morgenröthe) in
seiner Zeit die inzwischen angesagte Form eines unterhaltsamen Philosophierens. Er selbst hatte
schon früh eine Vorliebe für die spätantike „Buntschriftstellerei“ entwickelt, die einen durch
Anekdoten und andere Einlagen aufgelockerten Unterhaltungsstil bis in die philosophische
Sphäre hinein kultivierte; zu den von ihm herangezogenen Werken dieses Genres gehören dieje-
nigen des Diogenes Laërtios, des Athenaios und des Stobaios. Über die soeben beendete Morgen-
röthe schrieb Nietzsche an Heinrich Köselitz auf einer Postkarte vom 9. Februar 1881: „Es sind so
viel bunte [!] und namentlich rothe Farben darin!“ (KSB 6, Nr. 80, S. 60 f.).
96 Franz Overbeck: Werke und Nachlass, Bd. 7/2: Autobiographisches. „Meine Freunde Treitschke,
Nietzsche und Rohde“, hg. von Barbara von Reibnitz und Marianne Stauffacher-Schaub, Stutt-
gart/Weimar 1999, S. 31.
8 Freigeisterische Moralkritik: Nietzsches
zentrales Thema von 1876 bis 1889
Er folgt im Wesentlichen und bis in die Einzelheiten den Vorgaben und Zuarbeiten seines
Freundes Paul Rée. Nietzsches Originalitätssucht und seine Angst, insbesondere mit Rée
„verwechselt“ zu werden. Die Bedeutung der moralistischen Tradition. Naturalistisch und
‚physiologisch‘ verengte Aufklärung.
Nietzsche übernahm von einem Andern, von Paul Rée, die Konzeption, die für
alle seine Schriften von 1876 bis 1889 maßgebend war: die Moralkritik. Am klars-
ten lässt sich dies an der Morgenröthe studieren, weil Nietzsche gerade in der Zeit,
in der er an diesem Schlüsseltext arbeitete, in den Jahren 1880 und 1881, mit Rée
in Italien eine enge Beziehung pflegte. Rée vermittelte Nietzsche die moralkriti-
sche Grunddisposition der Morgenröthe und sogar ihre wichtigsten thematischen
Bereiche. Schon vorher – denn Nietzsche war bereits Jahre früher mit Rée gut
bekannt – absorbierte er Rées Schriften bis hin zur Übernahme von Kapitelüber-
schriften und wörtlichen Formulierungen in Menschliches, Allzumenschliches.
Rées Erstlingswerk Psychologische Beobachtungen (1875), eine Sammlung von
Aphorismen, waren Nietzsches Vorbild für seine eigene Hinwendung zum apho-
ristischen Genre und auch zur französischen Moralistik, die ihm allerdings auch
schon von Schopenhauer her vertraut war. 1877 erschien Rées Schrift Der Ursprung
der moralischen Empfindungen, die – wie einige Jahre später Nietzsches Morgen-
röthe – schon im Titel die genealogische Methode ankündigte, der Nietzsche noch
bis hin zu seiner späten Abhandlung Zur Genealogie der Moral als Grundmuster
seiner eigenen moralkritischen Methode folgte. Sogar der Ausgangs- und Angel-
punkt dieser Moralkritik, die genealogische Subversion der moralischen Wertur-
teile „gut und böse“, die Nietzsche in der Morgenröthe adaptierte und später in
der Titelformulierung seiner Abhandlung Jenseits von Gut und Böse aufnahm, war
der Ausgangspunkt Paul Rées: Der erste Paragraph seiner Abhandlung über den
Ursprung der moralischen Empfindungen trägt die Überschrift ‚Der Ursprung der
Begriffe gut und böse‘. Bereits im Vorfeld von Nietzsches Arbeit an der Morgen-
röthe konzipierte Rée sein erst 1885 erscheinendes Hauptwerk Die Entstehung
des Gewissens und teilte Nietzsche dessen Konzeption im Grundriss mit. Wie aus
einer Nachricht Nietzsches hervorgeht97, war er davon beeindruckt, und alsbald
hielt er sich an die Vorgaben und Zuarbeiten des Freundes. Am 19. Oktober 1879
schrieb ihm Rée: „Die Arbeit ist im Rohbau fertig“.98
99 KSA 6, 257, 16–18: „Hört mich! denn ich bin der und der. Verwechselt mich vor Allem nicht!“
Nietzsche hob diese Worte am Ende des ersten Abschnitts seines Vorworts durch Sperrdruck
hervor.
42 Freigeisterische Moralkritik: Nietzsches zentrales Thema von 1876 bis 1889
Rée. Nachdem er von Rée sowohl für Menschliches, Allzumenschliches wie für die
Morgenröthe die entscheidende Anregung erhalten hatte und sie wie eine Blau-
pause für seine Schriften benutzte, wollte er diesen Zusammenhang ‒ wohl auch
wegen des Zerwürfnisses aufgrund der Lou-Affäre – nicht öffentlich dokumen-
tiert wissen. An den Freund Franz Overbeck schrieb er am 6. März 1883: „Eine
andere ‚Befreiung‘ will ich Dir nur andeuten: ich habe es abgelehnt , daß Rée’s
Hauptbuch ‚Geschichte des Gewissens‘ mir gewidmet wird – und damit einem
Verkehre ein Ende gesetzt, aus dem manche unheilvolle Verwechslung entstan-
den ist. ‒“.100 Man hatte bei ihm zu viel „Réealismus“ bemerkt! In einem von
einer Intrige seiner Schwester beeinflussten Brief schrieb Nietzsche an Malwida
von Meysenbug Mitte Juli 1883: „Man soll sein Ideal vom M enschen durchset-
zen, man soll mit seinem Ideale seine Mitmenschen wie sich selber zwingen und
überwältigen: und also schöpferisch wirken! Dazu aber gehört […] daß man, was
unserm Ideale z uwider geht (wie z. B. solches Gesindel wie L<ou> und R<ée>)
auch als Fe i n d e behandelt“101 – und dies, obwohl er in einem Brief an Heinrich
Köselitz vom 21. April 1883 gestand: „Rée ist immer gegen mich von einer rüh-
renden Bescheidenheit gewesen, dies will ich Ihnen ausdrücklich bekennen“.102
Rée, in bemerkenswertem Kontrast zu seinen immoralistischen Theorien ein Cha-
rakter von reiner Güte und Hilfsbereitschaft, auch gegenüber Nietzsche, dem fünf
Jahre älteren und ihn dominierenden Freund, starb 1901, nachdem er 10 Jahre
lang unentgeltlich als Armenarzt gewirkt hatte.103
In einem Brief vom November des Jahres 1897, den Paul Rée an einen Freund
schrieb und der 1903 aus seinem Nachlass ans Licht kam,104 heißt es, er habe
Nietzsche erst in einer neueren Darstellung genauer studiert, und er fügt hinzu
und unterstreicht diese Bemerkung: „ich habe ihn doch nie zu lesen vermocht“.
Darauf folgt die gewichtige Begründung: „Er ist geistreich und gedankenarm“.
Weiterhin berichtet Paul Rée im gleichen Brief: „Nietzsche konnte nicht ange-
strengt geistig arbeiten, nur stossweise, explosiv; er fühlte, dass ihm keine lange
Arbeitszeit beschieden sei. Er wollte durchaus etwas Ungeheures hervorbringen,
die Welt bewegen. Er klagte mir einst in Leipzig über die gänzliche ‚Wurschtig-
keit‘ seines Denkens; damit meinte er, dass niemand sich darum kümmere. In
seinem Aerger über die Wurschtigkeit brachte er in den wenigen Momenten, in
denen zu schaffen ihm seine Gesundheit erlaubte, Unerhöhrtes, Grässliches […]
hervor; Aufsehen Erregendes um jeden Preis. Jeder thut Jedes aus Eitelkeit; aber
seine Eitelkeit ist eine pathologische, krankhaft gereizte. […] in dem Kranken, der
nur selten denken, schreiben konnte, bald es überhaupt nicht mehr zu können
fürchtete, Ruhm um jeden Preis erobern wollte, brachte die krankhafte Eitelkeit
Krankes, vielfach Geistreiches und Schönes, aber im wesentlichen doch Verzerr-
tes, Pathologisches, Wahnsinniges hervor; kein Philosophieren, sondern Deli
rieren!!“
9 Nietzsches Rhetorik und sein rhetorisierter Stil
Die Hauptmasse von Nietzsches Schriften, von Menschliches, Allzumenschliches
über die Morgenröthe bis zur Fröhlichen Wissenschaft, besteht aus mehr oder
weniger aphoristischen Kurztexten. Auch der Zarathustra, der auf diese großen
Aphorismen-Sammlungen folgt, ist mit seinen in zahlreichen kurzen Kapiteln
und vor allem aufgrund der Spruchform der von Zarathustra verkündeten Lehren
aphoristisch strukturiert. Alle diese Texte, die von 1876 bis 1884 entstanden und
in mehrfachem Sinn die ‚Mitte‘ von Nietzsches Schaffen bilden, stehen unter dem
Vorzeichen aufklärerischer Moralkritik und haben als Leitvorstellung den „Frei-
geist“.
Eine Charakterisierung von Nietzsches Stil hat zuallererst von der Form des
Aphorismus auszugehen. Inwiefern handelt es sich um Aphorismen, also um
knappe, scharf konturierte und pointierte Gedankenkonzentrate, die sich am –
nicht nur für den Aphorismus geltenden – Stilideal der brevitas orientieren?
Schon ein kurzer Überblick zeigt, dass es bei Nietzsche zwar solche Aphorismen
gibt, aber dass er meistens nicht einem strengen Formideal folgt, sondern einen
impulsiven und experimentell offenen Stil bevorzugt. Nicht selten erstrecken sich
Texte über mehrere Seiten. Schon deshalb sind sie nicht aphoristisch. Manche
knüpfen glossenartig an Lektüre-Eindrücke an, um sie weiter auszuspinnen oder
um sie zu kommentieren. Ein betont subjektives, erlebnishaft gefärbtes Monologi-
sieren, das ins Selbstgespräch übergeht, begegnet ebenso wie der dialogisch mit
Rede und Gegenrede inszenierte Wechsel von Positionen, mit denen das Ich seine
eigene innere Mehrstimmigkeit kundtut. Überlegungen zu zentralen Themen
wie ‚Moral‘, ‚Vorurteil‘, ‚freier Geist‘, ‚Christentum‘, ‚Wahrheit‘ und ‚Erkenntnis‘
wachsen sich immer wieder zu kleinen Abhandlungen aus, die an Kleists Vor-
stellung vom „Verfertigen der Gedanken beim Reden“ erinnern und eher nicht ins
aphoristische Genre gehören. Eine aufschlussreiche Selbstdiagnose im Hinblick
auf seinen Stil wie überhaupt auf sein darstellerisches Verfahren gibt Nietzsche
in der Morgenröthe unter der Überschrift „Das gefürchtete Auge“. Darin ist
die Rede von der Furcht vor der Entdeckung des „kleinen B etrugs“, auch von
der „unschuldigen Lust an sich selber oder zum Effect-machen“.105 Mit einem Sei-
tenblick auf sein eigenes Unternehmen ironisiert er Künstler, Dichter und Schrift-
steller, die einen „Alltags-Gedanken“, der als „Diebstahl an aller Welt“ erschei-
nen könnte, „dehnen, kürzen, färben, einwickeln, würzen mussten, um Etwas
aus ihm zu machen“.106
Im grossen S chwe ige n . – Hier ist das Meer, hier können wir der Stadt vergessen. Zwar
lärmen eben jetzt noch ihre Glocken das Ave Maria […], aber nur noch einen Augenblick!
Jetzt schweigt Alles! […] Das Sprechen, ja das Denken wird mir verhasst: höre ich denn
nicht hinter jedem Worte den Irrthum, die Einbildung, den Wahngeist lachen? Muss ich
nicht meines Mitleidens spotten? Meines Spottes spotten? – Oh Meer! Oh Abend! Ihr seid
schlimme Lehrmeister! Ihr lehrt den Menschen au f h ö re n , Mensch zu sein! Soll er sich
euch hingeben? Soll er werden, wie ihr es jetzt seid, bleich, glänzend, stumm, ungeheuer,
über sich selber ruhend? Über sich selber erhaben?109
Zum Erregungsstil, wie er sich hier ausprägt, gehören auch die zahlreichen Stil-
figuren, die den Ausdruck intensivieren sollen, aber wenn sie die vorgefertigte
Effekt-Schablone übertreiben, ins Maniriert-Serielle und, nach einem Ausdruck
Grillparzers, in den „Mietpferdegalopp“ geraten. Später kritisierte Nietzsche an
Wagner das „espressivo um jeden Preis“,110 das doch bei ihm selbst immer mehr
zum Stilprinzip wurde. In der hier angeführten Passage verwendet er neben erreg-
ten Ausrufen und Fragen überreichlich die einfachen rhetorischen Figuren der
Anapher und der Häufung (accumulatio). An der am schärfsten pointierenden
Stelle („Meines Spottes spotten“) ahmt er eine figura etymologica aus den bibli-
schen Sprüchen Salomonis nach (Kap. 3, 34: „Der Herr wird der Spötter spotten“).
Nietzsche ist vor allem Rhetoriker. Franz Overbeck, der Freund, der ihm bis
zum Ende beistand und ihn aus vertrautem Umgang kannte, stellte später fest:
„Nietzsche’s Künstlerbegabung ist eine zu beschränkt rhetorische gewesen“.111
Schon früh, längst vor den ‚aphoristischen‘ Schriften, hatte sich Nietzsche in
diesen rhetorisierten Sprachstil eingeübt. Eine erhebliche Anzahl seiner in Basel
gehaltenen Vorlesungen waren Rhetorik-Vorlesungen; er studierte die großen
antiken Rhetoriken (Aristoteles, Cicero, Quintilian) und zog die zeitgenössischen
Rhetorik-Lehrbücher heran, so das Werk Hermagoras oder Elemente der Rheto-
rik von Richard Volkmann (1865), das er am 14. Februar 1872 aus der Universi-
tätsbibliothek Basel auslieh und für seine eigene Rhetorikvorlesung benutzte.
Zwar setzen Aphorismen seit jeher rhetorische Mittel ein, um Pointen zu erzie-
len, aber eine so massive Häufung ist ihnen fremd. Fremd ist dem Aphorismus
in der spanisch-französischen Tradition vor allem der die eigene Subjektivität
hervorkehrende emphatische Sprechstil. Der Aphorismus älteren Typs, wie ihn
La Rochefoucauld pflegte und wie ihn Goethe in seinen Maximen und Reflexionen
als Ausdruck von Erfahrungsweisheit wählte, zeugt von distanzierter Diagnose
und von geistreich desillusionierter Weltklugheit. Er kultiviert nicht das Pathos
109 KSA 3, 259 f.
110 KSA 6, 422, 25.
111 Overbeck: Werke und Nachlass, Bd. 7/2, S. 31.
Nietzsches Rhetorik und sein rhetorisierter Stil 47
und schon gar nicht die Passion des einsamen Problemdenkers, sondern gilt der
beobachteten Wirklichkeit. Allerdings konnte Nietzsche den selbstquälerischen,
vom Zweifel, auch vom Selbstzweifel heimgesuchten Seelenzustand des Wahr-
heitssuchers in den Pensées Pascals finden, für den er auch als Leidenden Sym-
pathie empfand.
Nietzsche selbst verstand seine vom aufklärerischen Ideal des Freigeists
bestimmten ‚aphoristischen‘ Schriften als große Loslösung von Wagner, dem er
im Frühwerk – in der Geburt der Tragödie und in den Unzeitgemäßen Betrachtun-
gen – noch weitgehend huldigte. Zugleich wollte er sich von einem als spezifisch
deutsch empfundenen Geist der Schwere und mystischen Dunkelheit befreien.
Insofern spricht die Neu-Orientierung am Aphoristischen und Essayistischen
dem Streben nach einer übergreifenden geistigen Neu-Orientierung. Dennoch
tut sich eine tiefe Kluft zwischen dem traditionellen Aphorismus mit seiner auch
geistig klaren Grenzziehung (aphorizein = ‚abgrenzen‘) und Nietzsches Tendenz
zu Grenzüberschreitungen und zur Polychromie auf. Es handelt sich um die Kluft
zwischen einer meist aufklärerischen Rationalität, die innerhalb der Grenzen
der Vernunft bleibt, und einem Entgrenzungsverlangen, ja einem romantischen
Unendlichkeitstrieb, der bei Nietzsche immer wieder durchbricht. Er zeigt sich
besonders deutlich im letzten Aphorismus der Morgenröthe „Wir Luft-S chiff-
f a h re r d e s G e i s tes“, aber auch schon in dem für die stilistische Charakteri-
sierung herangezogenen ersten Aphorismus des fünften Buches: „Im grossen
S chwe ige n“. Dieser gipfelt in einem ins Grenzenlose deutenden Gestus der
Selbstüberbietung und Selbstübersteigung, wenn das hybridisierte Ich fragt:
„Muss ich nicht meines Mitleidens spotten? Meines Spottes spotten?“ Darauf
folgt die nachdrückliche Betonung dieser auf das Konzept des „Übermenschen“
vorausweisenden Selbst-Überhebung bis ins Wortwörtliche hinein: „über sich
selber ruhend? Über sich selber erhaben?“
Im 18. Jahrhundert ließen sich Münchhausens Abenteuer, deren burlesken
Höhepunkt der Versuch darstellt, sich am eigenen Schopf aus dem Sumpf zu
ziehen, als Satire auf den Autonomismus der Genie-Ideologie und den Titanismus
der Stürmer und Dränger verstehen; später führte der romantische Infinitismus
zu einer tendenziell endlosen Selbstreflexivität, die in leere Selbstbespiegelung,
wenn nicht in Selbstzerstörung überzugehen drohte. Dieser romantische Infini-
tismus beförderte eine mit Siebenmeilenstiefeln ins Metaphysische und zugleich
in den Nihilismus ausschreitende Subjektivitätsphilosophie. Obwohl Nietzsche
in der Morgenröthe ein partiell aufklärerisches Programm verfolgt, schlägt diese
radikal-romantische Vorkodierung hier immer wieder von Neuem durch. Jean
Paul hatte seinen Titan, der sich gegen den genialisch-hybriden Titanismus
wendet, in einem Brief an Friedrich Jacobi vom 14. Mai 1803 mit den Worten
kommentiert: „Jeder Himmelsstürmer findet im Titan seine Hölle“. Eigentlich
48 Nietzsches Rhetorik und sein rhetorisierter Stil
müsse sein Roman deshalb „Anti-Titan“ heißen. Abgeschlossen hatte er ihn mit
der großen Parabelerzählung vom Absturz des „Luftschiffers Giannozzo“, eines
modernen Ikarus. Das überraschend genaue Echo gibt Nietzsche mit der Parabel
„Wir Luft-Schifffahrer des Geistes“, mit der er die Morgenröthe enden lässt.
Am nächsten freilich lag Nietzsche die Gestalt des Fliegenden Holländers, den
Wagner in seiner Schrift Eine Mitteilung an meine Freunde als Synthese von Odys-
seus, Ahasver und Kolumbus deutete.
Nietzsches Stil hängt eng zusammen mit seiner methodisch-unmethodischen
Darstellungsstrategie. Oft bewegen sich die Texte selbst dort, wo sie einen kon-
zeptionellen Zusammenhang erkennen lassen, nach Art eines Perpetuum mobile.
Ununterbrochen repetiert, variiert, revidiert, assoziiert, räsoniert, pointiert und
maskiert Nietzsche die aus antiken Schriftstellern und zeitgenössischen Publika-
tionen absorbierten Gedanken, er bricht sie ab, greift sie wieder auf und lässt sie
in einem „beweglichen Heer von Metaphern“112 entgleiten. Er entwirft Positionen
und dazu die Gegenpositionen, wie um zu demonstrieren, dass es nichts Festes
gibt. Er lanciert pathetisch provozierende Fragen und gibt emphatische Antwor-
ten, die er alsbald selbst wieder in Frage stellt. Diese Art des Schreibens wollte er
als „Experimental-Philosophie“113 verstehen, doch ebenso sehr hält er alles im
Fluss, in dem jede Bewegung dem Nichts oder bloß dem isolierten Ego zutreibt,
an dem ihm in einer ganzen Reihe von Texten explizit oder implizit so sehr liegt –
nach dem er sucht, ohne es zu finden.
halte hr. N. wort, ergreife er den thyrsos, ziehe er von Indien nach Griechenland, aber
steige er herab vom katheder, auf welchem er wissenschaft lehren soll; sammle er tiger und
panther zu seinen knieen, aber nicht Deutschlands philologische jugend.118
118 Gründer, S. 55.
119 An Erwin Rohde, 18. 6. 1872, KSB 4, Nr. 230, S. 12, Z. 49.
120 25. 10. 1872, KSB 4, Nr. 265, S. 70, Z. 20 und S. 71, Z. 1.
121 NL 1872/1873, KSA 7, 19[58], 437, 21–438, 5.
122 KSB 4, Nr. 300, S. 137, Z. 78–80.
Rückblick auf ein Desaster und die Folgen: Die Geburt der Tragödie 51
Weil die gräzistische Fachwelt ihre Aufmerksamkeit auch weiterhin auf die Tra-
gödienschrift konzentrierte, blieb bis heute vernachlässigt, was Nietzsche in
seinen späteren Schriften, insbesondere in den zahlreichen, weit verstreuten
aphoristischen Texten zur Antike verlautbarte. Dies gilt besonders für die Aus-
sagen, in denen er nach einem schon seit Jahrhunderten etablierten Schema die
Differenz von Antike und Moderne thematisierte. Ein eklatantes Beispiel bietet
sein Vergleich der antiken und modernen Anschauungen von der Freundschaft
in einem Aphorismus der Morgenröthe (Nr. 503). Darin heißt es: „Das Alterthum
hat die Freundschaft tief und stark ausgelebt, ausgedacht und fast mit sich in’s
Grab gelegt. Diess ist sein Vorsprung vor uns: dagegen haben wir die idealisirte
Geschlechtsliebe aufzuweisen“.125 Wie unhaltbar diese Aussagen sind, geht aus
dem historischen Befund hervor. Denn neuzeitliche Autoren haben zahlreiche
Freundschaftserfahrungen zum Ausdruck gebracht, ja geradezu einen Freund-
schaftskult zelebriert. In Montaignes Essai De l’amitié verbindet sich die philoso-
phische Reflexion auf das Wesen der Freundschaft mit der persönlichen Erinne-
rung an den Freund La Boétie, ähnlich wie Laelius in Ciceros Schrift De amicitia
sich an die von tiefer Zuneigung geprägte Freundschaft mit Scipio erinnert: Beide
Autoren geben zu verstehen, dass das Sprechen über Freundschaft nur authen-
tisch sein kann, wenn es in gelebter Erfahrung wurzelt. Im 18. Jahrhundert ent-
stand ein sentimentalisch intensivierter, oft patriotisch überhöhter und heroisch
stilisierter Freundschaftskult. Schon Shaftesburys Morallehre setzte die Freund-
schaft in Bezug zur Gesellschaft. Die freundschaftliche Beziehung könne nicht
gelebt werden „without such an enlarged Affection and Sense of Obligation
to Society“126, so dass der wahre Freund auch „Man’s Friend“ und „Friend of
Mankind“ sein müsse.127 Klopstock hatte den dichterischen Freundschaftskult
gepflegt, Gleim inszenierte ihn geradezu in seinem Wohnhaus in Halberstadt.
Die herausragenden Zeugnisse aus der Zeit der Weimarer Klassik sind Schillers
Drama Don Karlos mit der für die Freiheit engagierten Freundschaft zwischen
Marquis Posa und Don Karlos sowie Hölderlins Briefroman Hyperion, in dem
die revolutionär bewegte Freundschaft zwischen Hyperion und Alabanda einen
großen Teil des Geschehens bestimmt, eines Geschehens, das die rückblicken-
den Freundschaftsbriefe Hyperions an Bellarmin auf die Höhe philosophischer
Reflexion heben.
Einprägsamen Ausdruck fand der Freundschaftskult auch in Schillers
Ballade Die Bürgschaft, nachdem bereits Goethe in seiner Iphigenie die bis zur
Aufopferungsbereitschaft gehende Verbundenheit der Freunde Orest und Pylades
gestaltet hatte. Goethe und Schiller selbst schlossen bekanntlich einen produk-
tiven Freundschaftsbund, und die Romantiker kultivierten Freundschaftsbünde,
in denen sich das Gemeinschaftsempfinden der romantischen Schule zum Pro-
gramm des ‚symphilosophein‘ steigerte. Angesichts dieses weiten Spektrums
moderner Freundschaftskultur trifft Nietzsches Entgegensetzung der Moderne
zum „Alterthum“ nicht zu, das angeblich die Freundschaft „fast mit sich in’s Grab
gelegt“ habe. Auch lässt er mit der Opposition „dagegen haben wir die idealisirte
Geschlechtsliebe aufzuweisen“ außer Acht, dass in einem der berühmtesten und
bis in die Moderne wirkungsreichsten Texte, in Platons Symposion, gerade Eros,
die Geschlechtsliebe, ins Reich des Idealen führt und insofern schon hier eine
Idealisierung der Geschlechtsliebe stattfindet. Bei Platon ist sie homoerotisch
unterlegt. Seit der frühen Neuzeit wurde die Eroslehre des Symposion, vermit-
telt durch Marsilio Ficino im Florenz des Quattrocento, zur Grundlage vielfältiger
Idealisierungen der Liebe.
12 Nietzsche als Falschmünzer
Seine Entstellung der philosophischen Tradition: Platon und Aristoteles. Seine Verfäl-
schung der deutschen Philosophie: Kant und Schopenhauer.
Wie sehr sich Nietzsche bei seinen verfehlten Vergleichen von Antike und
Moderne bis in elementare, sowohl literaturgeschichtliche und philosophische
wie sprachliche Kalamitäten hineinverirrte, geht aus der Schlusspartie des
Aphorismus Nr. 207 der Morgenröthe hervor. Darin kontrastiert er, wie schon in
einigen vorangehenden Texten, die antike Mentalität mit der deutschen, hier mit
der deutschen Neigung zum Gehorsam.128 Dafür glaubt er Deutsche wie Luther
(188, 5), Kant (188, 10) und Schopenhauer (188, 21) mit dem pauschal genannten
„antiken Philosoph[en]“ (188, 19 f.) zum Nachteil der deutschen Philosophen ver-
gleichen zu können. Diese abwegige Partie beginnt mit dem Satz: „Gar der antike
Philosoph! Nil admirari – in diesem Satze sieht er die Philosophie“ (188, 19 f.).
Die Losung „nil admirari“ („Nichts anstaunen“) stammt nicht von einem antiken
Philosophen oder gar pauschal von ‚dem‘ im Kollektivsingular genannten Phi-
losophen, sondern von einem römischen Dichter. Horaz beginnt eines seiner
Briefgedichte (Epistulae) mit den Versen: „nil admirari prope res est una, Numici/
solaque, quae possit facere et servare beatum“ (Epist. I 6, 1; „Nichts anstaunen:
nur dies Eine, dies allein kann, o Numicius, glücklich machen und [glücklich]
erhalten“). Anschließend führt Horaz aus, dass er diesen Leitsatz „nil admirari“,
auf dem das Glück beruhe, als Vermeiden unruhestiftender Gemütsbewegungen
und Begehrlichkeiten versteht, zu denen das Anstaunen aller möglichen Güter
und Schätze führen würde. Horaz selbst erinnert an die Herkunft seines Rezepts:
an die stoische Ethik, die hauptsächlich vor vier schädlichen Affekten (πάθη)
bewahren will: ἡδονή (freudige Erregung), λύπη (Schmerz), ἐπιθυμία (Begierde),
φόβος (Furcht) – Horaz fasst sie in V. 12 zusammen („gaudeat an doleat, cupiat
metuatne“).
Wenn Nietzsche überdies verallgemeinernd behauptet, es sei „der antike Phi-
losoph“, der in diesem Satz („nil admirari“) generell „die Philosophie“ sieht, so
setzt er sich über die bedeutendsten Philosophen der Antike hinweg. Denn Platon
und Aristoteles bezeichnen gerade im Gegenteil das „Staunen“ (thaumázein) als
den Beginn alles Philosophierens. Indem Nietzsche feststellen will: „Und ein
Deutscher, nämlich Schopenhauer, geht so weit im Gegentheil zu sagen: admirari
id est philosophari“129, und indem er dies in ‚moralisch‘ empörtem Ton mit „dem“
Ich habe bereits am Ende des ersten Buches auseinandergesetzt, daß, meiner Ansicht nach,
die Stoische Ethik ursprünglich nichts, als eine Anweisung zu einem eigentlich vernünf-
tigen Leben, in diesem Sinne, war. Ein solches preiset auch Horatius wiederholentlich an
sehr vielen Stellen. Dahin gehört auch sein ‚Nil admirari‘ und dahin ebenfalls sein μηδεν
αγαν. [Schopenhauer lässt hier die Akzente weg] ‚Nil admirari‘ mit ‚Nichts bewundern‘ zu
übersetzen ist ganz falsch. Dieser Horazische Ausspruch geht nicht sowohl auf das Theore-
tische, als auf das Praktische, und will eigentlich sagen: ‚Schätze keinen Gegenstand unbe-
dingt, vergaffe dich in nichts, glaube nicht, daß der Besitz irgend einer Sache Glücksälig-
keit verleihen könne: jede unsägliche Begierde auf einen Gegenstand ist nur eine neckende
Chimäre, die man eben so gut, aber viel leichter, durch verdeutlichte Erkenntniß, als durch
errungenen Besitz, los werden kann‘. In diesem Sinne gebraucht das ‚admirari‘ auch Cicero,
De divinatione, II, 2.
Am Ende seines Textes wünscht sich Nietzsche von den Deutschen statt ihrer
Gehorsamkeits-Moral den „Ungehorsam“ (188, 25), mit dem sie etwas Neues
erreichen könnten, und dieses Neue ist das, was Nietzsche selbst in der Morgen-
röthe als „Immoralist“ unternimmt, nämlich sich über die Moral erheben133 –
Moral verstanden als „Herkommen“, als normenbildende Konvention. Doch will
Nietzsche das Gehorchen durch das „Befehlen“134 ersetzen (programmatisch
heißt es: „etwas Neues thun, nämlich befehlen“)135, ohne zu reflektieren, dass
Befehlen auf der Seite des Adressaten das Gehorchen voraussetzt, ja geradezu
will. Die Hinwendung zum „Befehlen“, die in Nietzsches späteren Werken immer
entschiedener zum Ausdruck kommt und im Wunsch nach „Gesetzgebern“,
„Befehlshabern“ und „Führern“ gipfelt136, entspricht seiner eigenen dezisionis-
tisch-autoritären – wenn auch immer wieder vom Gestus der Selbstaufhebung
gebrochenen – Tendenz. Symptomatisch hierfür ist der apodiktische Verkündi-
gungsstil des Zarathustra und die immer häufigere Attitüde des Gesetzgebers.
Ganz entgegen seinen Auslassungen über die von ihm behauptete Gehorsam-
keitsmentalität der Deutschen kontrastiert Nietzsche in einer ganzen Reihe von
Texten die von seinen persönlichen Nobilitierungsambitionen grundierte Vor-
stellung von der angeblichen „Vornehmheit“ „der“ Deutschen mit der vermeint-
lich nicht so vornehm-adeligen Haltung „der“ Griechen – Nietzsche verwendet
gerne den pauschalierenden Kollektiv-Singular. Zugleich griff er mit dem Thema
eine zeitgenössische Aktualität auf: die Diskussion über die Rolle des Adels
in der modernen Gesellschaft. Im Aphorismus Nr. 199 der Morgenröthe, den er
unter das Thema „Wir sind vornehmer“ stellte, versucht er auch hiermit eine
Unterscheidung von antiker und moderner Haltung zu konstruieren. Der zeit-
genössische Hintergrund der Adelsproblematik ist bekannt: Der durch ererbten
Grundbesitz, Schlösser oder andere repräsentative Wohnsitze, alten Reichtum,
Privilegien und Titel von den anderen Bevölkerungsschichten abgehobene,
aber auch aufgrund des ökonomischen Strukturwandels oft durch Verarmung
(vgl. Nr. 200) bedrohte Adel geriet immer mehr ins Abseits. Ursächlich hierfür
waren die Dynamik der Industrialisierung, die Entstehung eines kapitalistischen
Wirtschaftssystems, das nicht mehr auf dem Großgrundbesitz und dessen feu-
dalistischer Nutzung beruhte, ein expandierender Handel sowie ein neues, zu
selbsterworbenem Reichtum gelangendes bürgerliches Unternehmertum und
schließlich auch die Verlagerung der Schwerpunkte sozialen Lebens in die neu
entstandenen Großstädte. Seine zunehmende Funktionslosigkeit machte den
Adel zu einer anachronistischen Erscheinung. Nur im Militär, wo dem Adel die
Offiziersposten zustanden, und in Staatsämtern, wo ihm die der Monarchie nahen
hohen Positionen vorbehalten blieben, spielte er noch eine nicht unwichtige
Rolle.
Die ökonomische Krise, das obsolete Standesdenken und die Funktionslosig-
keit des Adels thematisierte zur gleichen Zeit, in der Nietzsche seine Texte schrieb,
Fontane in mehreren bedeutenden Romanen: in Irrungen, Wirrungen, Effi Briest
und Der Stechlin. In Irrungen, Wirrungen (1888) lässt er den in die ökonomische
Krise geratenen und deshalb zu einer Heirat mit einer reichen, aber ungeliebten
Frau gezwungenen adligen Protagonisten, der in Berlin als preußischer Offizier
ein müßiges Dasein führt, eines Tages selbstkritisch und resigniert feststellen:
„Was kann ich? Ich kann ein Pferd stallmeistern, einen Kapaun tranchieren und
ein Jeu machen. Das ist alles“.137
58 Die verfälschende Darstellung der griechischen Literatur
Andererseits kam bei bürgerlichen Parvenus das Bedürfnis auf, sich durch
repräsentatives Ambiente, gesellschaftliche Verbindungen zu – wenn auch
marginalisierten – Adligen und durch einen zur Schau getragenen Sinn für
‚Höheres‘ zu nobilitieren. Dies ist das Thema von Fontanes satirischer Zeitdia-
gnose in seinem Roman Frau Jenny Treibel. Nietzsche, der selbst das Bedürfnis
verspürte, sich eine adlige Herkunft zuzuschreiben, versuchte aus seinem nicht
sehr deutsch klingenden Nachnamen eine angeborene Vornehmheit abzulei-
ten, indem er überlegte, ob er aus polnischem Adel stammen könnte.138 Einmal
behauptet er sogar: „Ich bin ein polnischer Edelmann pur sang“!139 Entspre-
chend fallen seine Aussagen über den Adel und die „vornehme“ Art in der Mor-
genröthe aus.140 Obwohl Nietzsche als übergeordnetes Thema die „moralischen
Vorurtheile“ traktiert, moralisiert er hier selbst: Er preist die „Tugenden“141, die
„vo r n e h m“ und „adelig“ seien. Da die „alten Gegenstände“, auf die das adlige
Leben einst bezogen war, keine „Achtung“ mehr erfahren, fordert er, „diesem
unserem köstlichen Erbtriebe“, nämlich einer adligen „Gesinnung“, „neue
Gegenstände unter[zu]schieben“, ohne allerdings zu sagen, welche Gegenstände
er dabei im Sinn hat. Anstelle der ererbten Besitztümer und Privilegien, die dem
Adel früher zukamen, möchte er an anderem Ererbtem festhalten. Er spricht von
„vererbter ritterlicher Abenteuerlichkeit und Opferlust“.142 Als einziges Beispiel
der angeblich ererbten Abenteuerlichkeit und Opferlust weiß er für die Gegen-
wart das „Duell“143 zu nennen, das damals bereits als Inbegriff überholter und
sinnloser Ehrvorstellungen galt. Die berühmteste literarische Darstellung des auf
einen obsoleten Ehrenkodex fixierten Duell-Brauchs aus dieser Zeit ist Fontanes
Roman Effi Briest. Schon Schopenhauer hatte das Duellwesen samt dem fragwür-
digen Ehrbegriff in seinen Aphorismen zur Lebensweisheit, Kapitel IV: ‚Von dem,
was einer vorstellt‘ kritisch aufs Korn genommen.
Vollends fragwürdig ist der anschließende Versuch, die angeblich aus
„unserem“144 Erbtrieb zu erklärende quasi-adlige Vornehmheit der Gesinnung
mit der angeblich nicht so hoch stehenden „Gesinnung“ der „vornehmen Grie-
chen“ zu kontrastieren. Homer, an den Nietzsche zunächst erinnert, schuf seine
137 Theodor Fontane: Irrungen, Wirrungen, in: ders.: Werke. Schriften und Briefe, 1. Abt., Bd. 2,
hg. von Walter Keitel/Helmuth Nürnberger, 2. Auflage, München 1971, S. 319–475, S. 403.
138 Vgl. NK 6/2, S. 372–374.
139 KSA 6, 268, 2 f.
140 Nr. 199 und Nr. 200.
141 KSA 3, 173, 12 f.
142 KSA 3, , 31 f.
143 KSA 3, 174, 2.
144 KSA 3, 173, 14.
Die verfälschende Darstellung der griechischen Literatur 59
Voß übersetzt das griechische Adjektiv κύντερος im ersten der hier zitierten Verse
(τέτλαθι δή, κραδίη · καὶ κύντερον ἄλλο ποτ᾽ ἔτλης) in einer auch sonst beleg-
ten metaphorischen Bedeutung. Die Lexika verzeichnen zwei ganz verschiedene
metaphorische Bedeutungen: „schamlos“ und „schrecklich“. Da im Kontext der
zitierten Verse (18–21) nur die zweite Bedeutung in Frage kommt, also „schreck-
lich“, trifft die (aus metrischen Gründen dehnende) Version von Voß („härtere
Kränkung“) im Wesentlichen zu, denn was Odysseus in der Höhle des menschen-
fressenden Kyklopen Polyphem erleiden musste, war in der Tat „schrecklich“
und ‚hart‘. Die andere metaphorische Bedeutung „schamlos“, obwohl sie dem
eigentlichen unmetaphorischen Sinn von κύντερος näher ist („hundemäßig“,
„hündisch“), scheidet hier ebenso aus wie die etymologisch ‚eigentliche‘ Version
des von κύων, „Hund“ abgeleiteten Komparativs κύντερος.
Nietzsche manipuliert Homers Worte auf zweifache Weise, um die im Ver-
gleich mit „uns“ angeblich nicht „vornehme“ Art der Griechen am Beispiel des
Odysseus zu demonstrieren. Erstens reißt er den von ihm zitierten Vers aus
dem Kontext, der seine Ausdeutung im Sinne von „hündisch“, „schamlos“
nicht erlaubt. Schon im ersten Satz hatte er von der „Scham des guten Rufs“
aufgrund unserer angeblich ererbten „Vornehmheit“ gesprochen, um damit
auf das konstruierte Gegenbild zuzusteuern. Zweitens – und allgemeiner – ver-
stößt Nietzsche mit dem manipulierten Paradigma Odysseus, mit dem er gene-
rell die vergleichsweise unvornehme, ja zur Schamlosigkeit tendierende Art
der Griechen darlegen möchte, gegen das aus dem gesamten Geschehen der
Odyssee sich ergebende Odysseus-Bild. Homer hatte schon in der Ilias gerade
die auf den Ruhm und die Ehre (κλέα ἀνδρῶν) gegründete, entschieden „vor-
nehme“ Adelsethik in zahlreichen Heldengestalten von archaischer Größe aus-
gestaltet. In der Odyssee rühmt er das unbeirrbare Durchhaltevermögen, das
auf Geschicklichkeit, auf Erfindungsgeist und List, aber auch auf Kraft und eine
letztlich unwandelbare Treue zur Heimat und zu den Seinen angelegte Wesen
des Odysseus. Dessen Abenteuer und Taten werden zu einem erheblichen Teil
in einer epischen Rückschau innerhalb des Geschehens vom Sänger Demodo-
kos am Königshof der Phäaken vorgetragen. Sie entfalten dort in einer hoch-
adligen Gesellschaft und in einer ganz auf „vornehmen“ Edelmut gestimmten
Atmosphäre ihre Wirkung. Auch die Dichtung und der Dichter selbst erhalten
im Rahmen einer vornehmen höfischen Kultur hohen Rang – wahrscheinlich
ist der Sänger Demodokos eine Perspektivfigur, durch die Homer (oder der so
genannte Dichter) seine gesellschaftliche Rolle innerhalb der Adelsgesellschaft
definiert.
Nicht weniger interessengeleitet und aberrant als die Darstellung des home-
rischen Odysseus ist diejenige des Themistokles. Nietzsches Quelle ist Schopen-
hauer, der in seinen Aphorismen zur Lebensweisheit eine Episode aus Plutarchs
Die verfälschende Darstellung der griechischen Literatur 61
Vergleichenden Lebensläufen erzählt, und zwar aus dem Kapitel, das den Grie-
chen Themistokles in Parallele zu dem Römer Camillus setzt. Schopenhauer
greift diese Episode auf, um im Kontext längerer Ausführungen den Ehrbegriff
ad absurdum zu führen, der mit der Romantisierung des Rittertums in Europa
aufkam und bis zu dem im 19. Jahrhundert grassierenden Duellwesen fortlebte. Er
stellt diesen Ehrbegriff als lächerlich dar, insbesondere auf der historischen Folie
der Griechen und Römer, die „ganze Helden“ hervorgebracht hätten, ohne doch
einem derart irrationalen Ehrbegriff zu verfallen. Als eines von mehreren Beispie-
len führt Schopenhauer die Konfrontation des athenischen Oberbefehlshabers
Themistokles mit dem Kommandanten der spartanischen Flotte kurz vor der See-
schlacht bei Salamis an, in welcher die Griechen – Athener und Spartaner – die
Übermacht der persischen Flotte dank der genialen strategischen Planung des
Themistokles besiegen konnten. In der von Schopenhauer aufgegriffenen Partie
berichtet Plutarch, wie der spartanische Flottenkommandant Eurybiades kurz
vor Beginn der Schlacht angesichts der gewaltigen Übermacht der Perser den Mut
verlor und mit seinem Flottenverband noch zu entkommen suchte. Als Themis-
tokles ihn zurückhalten wollte, habe er diesen in beleidigender Weise bedroht.
In Schopenhauers Worten: „Im Plutarch (Them. 11) lesen wir, daß der Flotten-
befehlshaber Eurybiades, mit dem Themistokles streitend, den Stock aufgeho-
ben habe, ihn zu schlagen; jedoch nicht, daß dieser darauf den Degen gezogen,
vielmehr daß er gesagt habe: παταξον μεν ουν, ακουσον δε [Schopenhauer lässt
die Akzente weg]: ‚schlage mich, aber höre mich‘. Mit welchem Unwillen muß
doch der Leser ‚von Ehre‘ hiebei die Nachricht vermissen, daß das Atheniensische
Offizierskorps nicht sofort erklärt habe, unter so einem Themistokles nicht ferner
dienen zu wollen!“145
Die etwas verwirrende Einleitung zu Nietzsches tendenziöser Charakterisie-
rung des Themistokles ist präjudiziert von dem Hinweis auf den von Nietzsche
für „ehrenvoll“ gehaltenen zeitgenössischen Brauch des Duells.146 Weil der Duell-
Brauch besonders bei Offizieren verbreitet war, nennt Nietzsche Themistokles
zunächst nicht mit Namen; er bezeichnet ihn auch nicht als den Oberkommandie-
renden der Athener, der die Strategie für die entscheidende, zu einem triumpha-
len Sieg führende Seeschlacht bei Salamis entwarf; er spricht „von jenem athe-
nischen Officier, der, vor dem ganzen Generalstabe, von einem andern Officier
mit dem Stocke bedroht, diese Schmach mit dem Worte von sich abschüttelte:
145 Arthur Schopenhauer: Sämmtliche Werke, hg. von Julius Frauenstädt, Bd. 5: Parerga und
Paralipomena I, Leipzig 1874, S. 399.
146 KSA 3, 173, 32–174, 2.
62 Die verfälschende Darstellung der griechischen Literatur
‚Schlag‘ mich nur! Nun aber höre mich auch!‘ (Diess that Themistokles […])“.147
Nietzsches Absicht ist es, ganz im Gegensatz zu Schopenhauer, den „athenischen
Officier“ Themistokles als wenig ehrenvoll im Vergleich mit Offizieren seiner
Gegenwart erscheinen zu lassen, die eine solche schmachvolle Drohung mit einer
Herausforderung zum Duell beantwortet hätten. In Plutarchs Erzählung geht es
aber gar nicht um einen beliebigen Ehrenhandel zwischen zwei Offizieren, wie
Nietzsche wegen des von ihm unterschwellig forcierten Vergleichs mit zeitgenös-
sischen Offizieren suggeriert, sondern um den angesichts der ultimativen stra-
tegischen Entscheidung entbrannten Wortwechsel zwischen dem Kommandeur
der von Sparta entsandten Flotte, und Themistokles, dem Befehlshaber der athe-
nischen Flotte. Aus dem Kontext dieser Worte geht hervor, dass Themistokles in
einer Situation, die für die Athener von schicksalhafter Bedeutung war, in unmit-
telbarer Erwartung der Entscheidungsschlacht, für die er die strategischen Dis-
positionen schon getroffen hatte, alles Persönliche und so auch die beleidigende
Grobheit seines Kontrahenten hintanstellte, um ihn doch noch zu überzeugen, er
solle gemeinsam mit den Athenern die Seeschlacht bei Salamis wagen.
Nietzsche übergeht das alles und reduziert die Konstellation auf einen per-
sönlichen Ehrenhandel im Kleinformat preußischer Duell-Kombattanten, die er
als „vornehm“ und „ritterlich“ bewundert. Wie sehr sein auf „Ehre“ und auf Ehr-
verletzung durch „Schmach“ konzentriertes Interesse die Darstellung bestimmt,
geht auch aus der anachronistischen Phantasie hervor, der „Officier“ Themisto
kles sei „vor dem ganzen Generalstabe“ beleidigt worden. Weder steht etwas auch
nur annähernd Entsprechendes bei Plutarch, noch hatten die Athener überhaupt
einen „Generalstab“; doch ließ sich Nietzsche von Schopenhauers (ironischer)
Rede vom „Atheniensischen Offizierskorps“ verleiten.
Die weiteren Ausführungen sind aberrante Phantasien über ‚Vornehmheit‘.
Dies gilt besonders für die Behauptung „Wenn aber gar Sokrates sagte: ‚der
Tugendhafte ist der Glücklichste‘, so traute man [!] seinen Ohren nicht, man [!]
glaubte etwas Verrücktes gehört zu haben. Denn bei dem Bilde des Glücklichsten
dachte jeder Mann [!] vornehmer Abkunft an die vollendete Rücksichtslosigkeit
und Teufelei des Tyrannen“.148 Diese generalisierende Aussage entbehrt jeder
Grundlage; Nietzsche reflektiert auch nicht, dass Platon, der aus einem vorneh-
men Adelsgeschlecht stammte, die dem Sokrates in den Mund gelegten Worte
sich selbst zu eigen machte. Und wiederum setzt er sich mit der Erwähnung „des
Tyrannen“ über die historischen Verhältnisse hinweg.
nunft statuierte ‚Moral‘ neben vielen anderen auf Schopenhauer. Indem Nietz-
sche diese epochale Gestalt eskamotierte, wollte er seine pauschale Abwertung
der „deutschen Bildung“ ebenso retten wie mit der Abdrängung Goethes und
Schopenhauers in den Zuschauerraum.
15 Nietzsches Missverständnis
der Evolutionslehre
Nicht zu den bewussten Entstellungen und Verfälschungen zu rechnen, sondern
auf mangelnde Kenntnis der Texte zurückzuführen ist Nietzsches Missver-
ständnis von Darwins Evolutionslehre – ein großes, sensationelle Aufmerk-
samkeit erregendes Thema der Zeit. Darwins Evolutionslehre zufolge kennt
die Natur keine Zwecke und keine Absicht. Philosophisch hatte schon Spinoza
die Annahme von Zwecken in der Natur als falsche Projektion menschlichen
Zweckdenkens auf die Natur erörtert.157 In den Aphorismen Nr. 122 und Nr. 123
der Morgenröthe, schließlich noch in der Götzen-Dämmerung greift Nietzsche die
falsche Annahme von Zwecken in der Natur auf und beruft sich dabei auf die
Rolle des bloßen „Zufalls“ im Prozess der Evolution. Nietzsches Missverständnis
geht darauf zurück, dass Darwin in seinem Werk Über die Entstehung der Arten
(The Origin of Species) zunächst (!) vom „Zufall“ („chance“) gesprochen hatte. Im
Schlusswort des deutschen Übersetzers Heinrich Georg Bronn heißt es: „Je mehr
ein Naturforscher sich mit Detail-Studien über den Bau der natürlichen Wesen
und über dessen wunderbare Zweckmäßigkeit […] beschäftigt hat, umso schwe-
rer wird es ihm anfangs werden, darin nichts weiteres als die Folgen eines fort-
schreitenden Verbesserungs-Prozesses zu sehen, worin jeder weitre Fortschritt
nach des Vfs. Theorie jedesmal nur ein Zufall ist und erst durch Vererbung fest-
gehalten werden kann. Doch darf man darin noch kein unbedingtes Hinderniss
für diese Theorie erblicken“. Darwin selbst schränkt seinen Begriff des „Zufalls“
in mehrfacher Hinsicht ein: im Zusammenhang mit der von ihm angenomme-
nen Entstehung der Arten aufgrund natürlicher Selektion („by means of natural
selection“), insbesondere der geschlechtlich gesteuerten Auswahl des Partners
(„selection in relation to sex“) sowie aufgrund einer Anpassung an vielfältige
Umweltbedingungen wie Klima und Lebensräume und schließlich aufgrund
der von Malthus konstatierten Über-Population in Relation zu den vorhandenen
natürlichen Ressourcen, die zum „Kampf ums Dasein“ führt („in the struggle for
life“). Die aus diesen multifaktoriellen Konstellationen folgende Neukodierung
des Zufallsbegriffs (nämlich im Hinblick auf Bedingungen, die auf unerklärliche
Weise besondere Geltung erlangen) führt Darwin dazu, dass er die Verwendung
des traditionellen Zufallsbegriffs ablehnt und seine eigene Rede vom „Zufall“ in
einem „als ob“-Modus vorträgt: „Ich habe bisher von den Abänderungen [d. h.
von der Varietät der Arten] – die so gemein und manchfaltig [ältere Schreibweise]
158 Charles Darwin: Über die Entstehung der Arten im Thier- und Pflanzenreich durch natürliche
Züchtung/oder/Erhaltung der vervollkommneten Rassen im Kampfe um’s Daseyn. Nach der zwei-
ten [englischen] Auflage mit einer geschichtlichen Vorrede und andern Zusätzen des Verfassers
für diese deutsche Ausgabe aus dem Englischen übersetzt und mit Anmerkungen versehen von
Dr. H. G. Bronn, Stuttgart 1860 [Reprint Darmstadt 2008, S. 142]. Darwins eigene Formulierungen
stehen am Anfang des fünften Kapitels seines Buchs: „I have hitherto sometimes spoken as if the
variations – so common and multiform with organic beings under domestication, and in a lesser
degree with those under nature – were due to chance. This, of course is a wholly incorrect expres-
sion, but it serves to acknoledge plainly our ignorance of the cause of each particular variation.“
Nietzsches Missverständnis der Evolutionslehre 69
Bilde“ gestaltete, damit vor allen anderen Wesen privilegierte und zugleich diese
ihm untertan machte. Ebenso bezeichnend ist es, dass Bronn Darwins Aussage
über den Menschen wegließ: „Light will be thrown on the origin of man and his
history!“159 Auch verstand er den von Nietzsche so favorisierten „Zufall“ nicht,
wie Darwin selbst, als eigentlich „unrichtigen Ausdruck“, sondern insistierte
in seinem Appendix darauf, dass „jeder neue weitre Fortschritt nach des Vfs.
Theorie selbst jedesmal nur ein Zufall ist und erst durch Vererbung festgehalten
werden kann“.160 Wie meistens auch in anderen Bereichen zog Nietzsche nicht
die primären Quellen heran, sondern verließ sich auf sekundäre, z. T. populär-
wissenschaftliche Darstellungen und ‚darwinistische‘ Perspektivierungen.
Zum Kern von Nietzsches Theorien, die eng mit seiner Absicht zusammenhängen,
jedwede Form allgemeinverbindlicher Moral zu negieren und die Sonderrolle des
großen Einzelnen, des „Individuums“ zu markieren, gehört ein strikt antigesell-
schaftlich, ja asozial und anarchistisch geprägter Individualismus. Er erinnert in
Vielem an Max Stirners Schrift Der Einzige und sein Eigentum (1845). Die Apho-
rismen Nr. 108 und 109 der Morgenröthe und andere Texte betonen auffällig oft
das ‚Eigene‘. Auch viele Partien des Zarathustra folgen dieser Tendenz. Sie wirkt
deformierend auf Nietzsches Erörterungen sowohl der griechischen Philosophie
wie der christlichen Lehre von der Unsterblichkeit der Seele.
An der griechischen Philosophie waren für ihn vor allem Epikur und die
Stoiker interessant, sofern sie sich die Bewahrung der „Seelenruhe“ (Ataraxie,
tranquillitas animi) und einer diesem Ziel dienenden Lebensart zuwandten. Im
Aphorismus Nr. 131 der Morgenröthe wählt Nietzsche Epiktet als Repräsentanten
der strengsten, radikal asketischen Form der Stoa. Er war unter den römischen
Stoikern, zu denen auch Seneca und Kaiser Marc Aurel zählen, aufgrund seiner
Lebensumstände – er lebte lange als besitz- und rechtloser Sklave – eine Ausnah-
mefigur. Durch die Vermittlung des Kirchenvaters Augustinus, der ihn in seinem
Hauptwerk Über den Gottesstaat (De civitate Dei) den „edelsten Stoiker“ genannt
hatte, wirkte er noch lange auf die asketischen Strömungen des Christentums,
insbesondere auf das Mönchtum. Epiktet repräsentierte die kynisch gehärtete
Form des stoischen Ideals: den ganz auf Bedürfnislosigkeit und Askese ausge-
richteten Kynismus, der schon fünfhundert Jahre früher in Griechenland entstan-
den und eng mit den Anfängen der stoischen Schule verbunden war.161 Aufgrund
seiner Erfahrungen als ehemaliger Sklave wusste er, wovon er sprach, wenn er
in einem programmatischen Lehrgespräch (einer ‚Diatribe‘) die Freiheit zu einer
inneren Haltung erklärte. Er galt als Paradigma eines glaubwürdigen stoisch-
asketischen Lebens – anders als Seneca, der als reichster Mann des römischen
Imperiums im 90. seiner an den Freund Lucilius gerichteten Moralischen Briefe
das Ideal der Eigentums- und Bedürfnislosigkeit verkündete und deshalb schon
von dem römischen Historiker Cassius Dio (etwa 150–235 n. Chr.) und später u. a.
von La Rochefoucauld als Heuchler desavouiert wurde.
„Nichts ist wahr, alles ist erlaubt“.164 Allerdings ist es nicht allen erlaubt, wie
er insbesondere im Hinblick auf die Philosophen mit folgenden Worten seiner
Schrift Jenseits von Gut und Böse feststellt: „Für jede hohe Welt muss man geboren
sein; deutlicher gesagt, man muß für sie gezüchtet sein: ein Recht auf Phi-
losophie – das Wort im grossen Sinne genommen – hat man nur Dank seiner
Abkunft, die Vorfahren, das ‚Geblüt‘ entscheidet auch hier“.165 Alsbald, in Ecce
homo, bezeichnete er sich selbst als einen solchen Mann von „Geblüt“, indem er
sich von angeblich adligen polnischen Ahnen herzuleiten versuchte: „Ich bin ein
polnischer Edelmann pur sang“.166 Das „Geblüt“ des einzig zur Philosophie Beru-
fenen, so statuiert er in Jenseits von Gut und Böse anschließend an seine Ausfüh-
rungen zum „Recht auf Philosophie“, beweist sich in der „Hoheit herrschender
Blicke“ und in der „Kunst des Befehlens“.167 In dieser Vorstellung vom Philoso-
phen gipfelt sein schließlich in den Ego-Wahn übergegangener „Wille zur Macht“.
164 Die Herkunft dieser Losung erörtert Andreas Urs Sommer: Kommentar zu Nietzsches ‚Der
Antichrist‘. ‚Ecce homo‘. ‚Dionysos-Dithyramben‘. ‚Nietzsche contra Wagner‘ (= Historischer und
kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken, hg. von der Heidelberger Akademie der
Wissenschaften, Bd. 6/2), Berlin/Boston 2013, S. 501 zu KSA 6, 319, 2 f.
165 KSA 5, 148, 27–31.
166 KSA 6, 268, 2 f.
167 KSA 5, 149, 2; 149, 7.
17 Nietzsche zitiert Goethe und Schiller
absichtlich falsch
Eine Rückblende auf Nietzsches früheres Werk zeigt die gleichen Mängel, Entstel-
lungen und Verfälschungen wie seine späteren Schriften. Schon Die Geburt der
Tragödie aus dem Geiste der Musik verrät den in den späteren Schriften auffallen-
den Umgang mit der deutschen und der griechischen Literatur bis in die zitierten
Texte hinein. Nietzsche verkehrt sie manchmal sogar ins Gegenteil. So macht er
den Vers von Goethes Faust (Szene Nacht, Faust I, V. 409): „Das ist deine Welt!
Das heisst eine Welt!“ zum stolzen Ausdruck des selbstbewusst schöpferischen
Prometheus bei Aischylos. Goethe hingegen lässt Faust sein lebensfernes Gelehr-
tenlos beklagen und meint den von Nietzsche zitierten Vers bitter-selbstironisch:
Griechen noch nicht wie in der Moderne die Kluft zwischen Ideal und Wirklich-
keit, und deshalb schreibt er: „Der Chor war folglich in der alten Tragödie mehr
ein natürliches Organ, er folgte schon aus der poetischen Gestalt des wirklichen
[!] Lebens“.169 Dagegen konzipiert Schiller für die moderne Tragödie, in der Ideal
und Wirklichkeit nicht mehr übereinstimmen, den Chor als ein gegenüber der
Wirklichkeit distanzschaffendes, zum Ideal und zur ‚Freiheit‘ erhebendes Kunst-
mittel.
Nietzsche setzt seine Zustimmung zu Schillers idealistischem Konzept und
die Polemik gegen den Realismus, der sich an der „wirklichen Wandelbahn der
Sterblichen“ orientiert, auf absurde Weise fort. Die Satyrn als Darstellung einer
ans Tierische grenzenden Triebhaftigkeit sind keineswegs „hoch emporgehoben“
über die Wirklichkeit wie die olympischen Götter, sondern im Gegenteil eine
naturalistische Repräsentation, die aus den mit dem Dionysoskult verbundenen
Sexual- und Fruchtbarkeitsritualen resultiert, zu denen auch die Phallos-Umzüge
gehörten. Ein Wesensmerkmal des Satyrs ist der erigierte Phallos. Daraus eine
in Schillers Sinn idealisierte Natur zu machen, ist ebenso abwegig wie die Ver-
wechslung des Fiktiven ‒ der „fingirten Naturwesen“170 ‒ mit dem ‚Idealen‘.
169 Friedrich Schiller: Werke und Briefe, hg. von Otto Dann u. a., Bd. 5: Dramen IV, hg. von Mat-
thias Luserke, Frankfurt am Main 1996, S. 286.
170 KSA 1, 55, 18.
18 Die wider besseres Wissen unternommene
Verfälschung der Überlieferung am Beispiel
des Euripides
Wie Nietzsche Goethe und Schiller zu Unrecht zitiert, um ihre Texte nach seiner
Intention zu modeln, so verfährt er auch mit den Texten des Euripides, den er
im Gefolge August Wilhelm Schlegels aus idealistischer und antiaufklärerischer
Absicht bewusst falsch interpretiert, um ihn herabzusetzen. Im elften Kapitel der
Tragödienschrift schreibt er: „Die bürgerliche Mittelmässigkeit, auf die Euripi-
des alle seine politischen Hoffnungen aufbaute, kam jetzt zu Wort, nachdem bis
dahin in der Tragödie der Halbgott, in der Komödie der betrunkene Satyr oder
der Halbmensch den Sprachcharakter bestimmt hatten“.171 Die politische Posi-
tion des Euripides wird traditionell aus Versen abgeleitet, die er in seinem Drama
Die Hiketiden (Die Schutzflehenden) dem athenischen Nationalheros Theseus in
den Mund legt (V. 238–45): Von den drei für die Polis wesentlichen Gruppen sei
diejenige „in der Mitte“ – zwischen Arm und Reich – die staatstragende (V. 244:
ἡ ᾽ν μέσῳ σῴζει πόλεις). Daraus ein Plädoyer des Euripides für „Mittelmässig-
keit“ abzuleiten, zeugt, mit den Worten von Wilamowitz, von „geflissentlicher
Entstellung“.172 Dies gilt ebenso für die Behauptung, dass bis hin zu Euripides „in
der Tragödie der Halbgott, in der Komödie der betrunkene Satyr oder der Halb-
mensch den Sprachcharakter bestimmt hatten“. Mit Ausnahme des (pseudo-)
aischyleischen Prometheus, den Nietzsche immer wieder zum alleinigen Maßstab
erhebt, und der Herakles-Dramen ist die Handlung keiner einzigen erhaltenen
Tragödie des Aischylos und des Sophokles von einem „Halbgott“ oder einem als
halbgöttlich aufzufassenden Helden bestimmt, woraus Nietzsche den besonde-
ren „Sprachcharakter“ dieser Dramen abzuleiten versucht. Dass in der Komödie
„der betrunkene Satyr oder Halbmensch den Sprachcharakter bestimmt hatten“,
trifft schon deshalb nicht zu, weil in der Komödie – auch in derjenigen des Aristo
phanes, den Nietzsche zum Kronzeugen gegen Euripides aufruft – Satyrn und
„Halbmenschen“ gar nicht vorkommen. Diese Figuren waren den Satyrspielen
vorbehalten, die nach den Tragödien-Aufführungen zur Entspannung dienten.
Nietzsche verfälscht auch bewusst die europäische Wirkungsgeschichte des
Euripides, um ihn zu desavouieren. Im zwölften Kapitel der Tragödienschrift
behauptet er in Anspielung auf das in den Bakchen des Euripides über den theba-
nischen König Kadmos und seine Gemahlin Harmonia verhängte Strafgericht (die
Verwandlung in Drachen): „dass Euripides zur Strafe von den Kunstrichtern aller
Zeiten in einen Drachen verwandelt worden ist“.173 Keineswegs haben die „Kunst-
richter aller Zeiten“ den Euripides negativ beurteilt; mit wenigen Ausnahmen,
zu denen gerade der von Nietzsche herangezogene Aristophanes und in dessen
Gefolge August Wilhelm Schlegel gehören, schätzen im Gegenteil schon viele
‚Kunstrichter‘ der Antike, von Platon über Cicero bis zu Quintilian, den Euripi-
des besonders hoch. In der Neuzeit gehören zu den prominenten ‚Kunstrichtern‘,
die Euripides rühmen, Wieland, Lessing und Goethe. Selbst A. W. Schlegel, eine
der wichtigsten Quellen für Nietzsche und auch schon für die von ihm benutzte
philologische Literatur des 19. Jahrhunderts, hatte trotz seiner Abneigung gegen
Euripides immerhin erwähnt, dass auch in der Moderne viele den Euripides
hochgehalten haben: „Wie wohl die Neueren nicht selten den Euripides seinen
beiden Vorgängern vorgezogen, ihn mehr als diese gelesen, bewundert und nach-
geahmt haben, sei es nun, daß sie durch die größere Verwandtschaft der Ansich-
ten und Gesinnungen angezogen oder durch einen mißverstandenen Ausspruch
des Aristoteles [der in seiner Poetik, 1453a 29 f., den Euripides den „tragischsten“
(τραγικώτατός γε τῶν ποιητῶν) unter den Dichtern genannt hatte] irre geleitet
wurden“.174
Für Nietzsches schwindelhaftes Verfahren ist es bezeichnend, dass er die
von A. W. Schlegel erwähnte, wenn auch nicht akzeptierte positive Rezeption
des Euripides ausblendet und wider besseres Wissen nur die negativen Beur-
teilungen zur Sprache bringt. Noch in den Aufzeichnungen zu seiner Tragö
dienvorlesung vom Sommersemester 1870 hatte Nietzsche richtig notiert: „Der
Euripides-Cultus ist der älteste u. der verbreitetste – bis auf A. W. Schlegel“.175
Die Bezeichnung „Euripides-Cultus“ fand Nietzsche in dem von ihm benutzten
mehrbändigen Werk von Julius Leopold Klein über die Geschichte des Drama’s
(Leipzig 1865 ff.), wo es heißt: „Auch liess der Widerspruch gegen den Euripides-
Cultus nicht lange auf sich warten. Schon vor A. W. Schlegel hob Jacobs, in den
Nachträgen zu Sulzer’s Theorie der Künste, die Mängel des Tragikers hervor, und
weit gründlicher und gerechter als Schlegel; aber auch immer noch mit voller
Anerkennung und Bewunderung für die grossen Vorzüge, Verdienste und das
tragische Genie des Euripides“.176 Kurz vorher heißt es bei Klein: „Um keines
Dichters Seele haben guter und böser Engel, Vergötterung und Verdammniss so
heftig gestritten und gerungen, wie um die dramatische Kunstseele des Euripi-
des: von Aristophanes’ komischer Hölle bis zu J. A. Hartungs komischem sieben-
ten Himmel, in den er seinen heilig gesprochenen Tragiker erhoben. J. A. Hartung
konnte 1843 eine unabsehbare Reihe von Phileuripiden [Euripides-Freunden]
bis herab in das Zeitalter überschauen, das seine zwei dicken Bände entstehen
sah“.177 Auf diesem Hintergrund wird erkennbar, wie entschieden Nietzsche sich
in einen schon längst zur Mode gewordenen Parteikampf um Euripides stürzte,
wie einseitig er dies tat und wie er trotz der ihm wohlbekannten Fülle von Euri-
pides-Bewunderern sogar behauptete, Euripides sei „von den Kunstrichtern aller
Zeiten in einen Drachen verwandelt worden“.
Über die hohe Beliebtheit des Euripides war Nietzsche ganz im Gegensatz
zu seiner verfälschenden Darstellung nicht zuletzt durch ein zu seiner Zeit maß-
gebendes und von ihm intensiv benutztes Handbuch informiert, das er in seiner
persönlichen Bibliothek besaß und zusätzlich wiederholt auslieh: durch das von
Gottfried Bernhardy verfasste zweibändige Werk Grundriss der Griechischen Lit-
teratur.178 Darin steht eine ganze Partie über die Hochschätzung des Euripides
in Antike und Neuzeit aufgrund der Vorliebe für sentenzenhafte Prägungen in
seinen Dramen. Allerdings resultierte deren Beliebtheit nicht nur wie diejenige
von Schillers jederzeit zitierfähigen Sentenzen im 19. Jahrhundert aus ihrer bür-
gerlichen Alltäglichkeit, wie Nietzsche im Anschluss an die karikierende Euri-
pides-Kritik des Aristophanes unterstellt. Platon würdigte diese Sentenzen als
Weisheitsschatz, die Zentralfigur der Stoa, Chrysipp, machte sie sich zu eigen,
Alexander der Große, von seinem Lehrer Aristoteles gut unterwiesen, schätzte
sie, und auch die wirkungsmächtigsten Rhetoriker: Cicero und Quintilian sowie
ein großes humanistisch gebildetes Publikum huldigte dem griechischen Tragi-
ker bis in die Florilegien seiner Sentenzen hinein.
177 S. 412.
178 Gottfried Bernhardy: Grundriss der griechischen Litteratur, mit einem vergleichenden
Ueberblick der Römischen, 2 Teile, Halle 1836 und 1845 [1. Teil in Nietzsches persönlicher Biblio
thek (= NPB)].
19 Die Entstellung der griechischen Mythen
Die griechischen Mythen manipuliert der frühe Nietzsche, indem er sie nach
schon vorhandenen Mustern ‚symbolisch‘ und allegorisch darstellt, um sie zum
archetypischen Ausdruck von Philosophemen Schopenhauers umzudeklarieren.
Schopenhauers Theorien sollten damit eine hinter alles Historische und Zeit-
bedingte zurückreichende apriorische Legitimation erhalten. Außerdem sollte
Wagners Umgang mit Mythen in seinem ‚Gesamtkunstwerk‘ und die in seinen
theoretischen Schriften exponierte irrationalistische Kunstideologie samt dem
damit verbundenen romantisierten Mythos-Begriff gefeiert werden. Nietzsches
akademischer Lehrer Friedrich Ritschl, der sich für ihn in Basel mit einer Emp-
fehlung so nachdrücklich eingesetzt hatte, dass der junge Gelehrte gegen alle
akademischen Gepflogenheiten unpromoviert und unhabilitiert allein aufgrund
der wissenschaftlichen Autorität Ritschls den Ruf nach Basel erhielt, reagierte
auf die Zusendung der Tragödienschrift am 14. Februar 1872 mit einem Brief, der
bei aller freundlichen Höflichkeit doch nicht kritischer und enttäuschter sein
konnte – gerade im Hinblick auf die Manipulation des historisch Überlieferten
durch ‚symbolisches‘ Schopenhauerisieren und mystifizierendes Wagnerisieren.
Dieses Zeugnis verdient es, ausführlich zitiert zu werden:
Wenn ich nun aber, trotz Ihres Wunsches, zu einer eingehenden Besprechung Ihrer Schrift,
die für Sie irgend einen Werth haben könnte, mich auch jetzt noch außer Stande fühle und
wohl auch weiterhin außer Stande fühlen werde, so müssen Sie bedenken, daß ich zu alt
bin, um mich noch nach ganz neuen Lebens- und Geisteswegen umzuschauen. Meiner
ganzen Natur nach gehöre ich, was die Hauptsache ist, der h i s to r i s ch e n Richtung und
historischen Betrachtung der menschlichen Dinge so entschieden an, daß mir nie die Erlö-
sung der Welt in einem oder dem andern philosophischen System gefunden zu sein schien;
daß ich auch niemals das natürliche Abblühen einer Epoche oder Erscheinung mit ‚Selbst-
mord‘ bezeichnen kann [wie Nietzsche in seinem Euripides-Kapitel]; daß ich in der Indi-
vidualisirung des Lebens keinen Rückschritt zu erkennen, und nicht zu glauben vermag,
daß die geistigen Lebensformen und -potenzen eines von Natur und durch geschichtliche
Entwickelung selten begabten, gewissermaßen privilegirten Volkes absolut maßgebend
für alle Völker und Zeiten seien – so wenig wie e i n e Religion für die verschiedenen Völ-
kerindividualitäten ausreicht, ausgereicht hat und je ausreichen wird. – Sie können dem
‚Alexandriner‘ und Gelehrten unmöglich zumuthen, daß er die E r ke n n t n i ß verurtheile
und nur in der Kunst die weltumgestaltende, die erlösende und befreiende Kraft er-
blicke. Die Welt ist Jedem ein Anderes: und da wir so wenig, wie die in Blätter und Blüthen
sich individualisirende Pflanze in ihre Wurzel zurückkehren kann, unsere ‚Individuation‘
überwinden können, so wird sich in der großen Lebensökonomie auch jedes Volk seinen
Anlagen und seiner besondern Mission gemäß ausleben müssen.
Das sind so einige allgemeine Gedanken, wie sie mir die flüchtige Durchsicht Ihrer Schrift
eingegeben hat. Ich sage ‚Durchsicht‘, weil ich freilich bei meinen 65 Jahren nicht die Zeit
und die Kräfte mehr habe, um die nothwendige Führerin Ihrer Entwickelungen, die Scho-
penhauersche Philosophie, zu studiren, und mir deshalb auch kein Urtheil darüber erlaube,
Die Entstellung der griechischen Mythen 79
ob ich Ihre Intentionen überall recht verstanden habe. Wäre mir Philosophie geläufiger,
so würde ich mich ungestörter an den mannigfachen schönen und tiefsinnigen Gedanken
und Gedankenvisionen erfreut haben, die mir nun wohl manchmal durch eigene Schuld
unvermittelt geblieben sind. Ist es mir doch in jüngeren Jahren schon ähnlich ergangen mit
der Lectüre Schellingischer Ideenentwickelung, um von den speculativen Phantasien des
tiefsinnigen ‚Magus des Nordens‘ [Hamanns] gar nicht zu reden.
Ob sich Ihre Anschauungen als neue E r z i e h u ngs fundamente verwerthen lassen, ‒ ob
nicht die große Masse unserer Jugend auf solchem Wege nur zu einer unreifen Mißachtung
der Wissenschaft gelangen würde, ohne dafür eine gesteigerte Empfindung für die Kunst
einzutauschen, ‒ ob wir nicht dadurch, anstatt Poesie zu verbreiten, vielmehr Gefahr liefen,
einem allseitigen Dilettantismus Thür und Thor zu öffnen ‒: das sind Bedenken, die dem
alten Pädagogen vergönnt sein müssen, ohne daß er sich, meine ich, deshalb als ‚Meister
Zettel‘ zu fühlen braucht. […]
Gegenüber Ihrer ‚Fülle der Gesichte‘ würde es wenig am Platze sein, wenn ich eine alexan-
drinische Frage an sie richten wollte […] daher unterlasse ich es.179
Metamorphosen (11, V. 1–66) überliefert. Nietzsche zieht die Sage heran, um das
im Jahr 399 v. Chr. von einem athenischen Gericht gegen Sokrates verhängte
Todesurteil zu metaphorisieren – in aberranter Weise, denn die athenischen
Richter können ebensowenig mit „Mänaden“ verglichen werden wie der durch
einen Gifttrank verursachte Tod des Sokrates mit der Zerstückelung des Orpheus
durch die rasenden Weiber im Gefolge des Dionysos. Dass der in Nietzsches Phan-
tasie „übermächtige Gott“ Dionysos dann doch von seinem vorgeblichen Gegner
(Sokrates) „zur Flucht“ genötigt worden sei, soll die Aussage-Intention illustrie
ren, derzufolge in der Geschichte der Tragödie die ‚sokratische‘ Tendenz, die
sich am stärksten bei Euripides ausprägte, schließlich über den „dionysischen“
Ursprung siegte.
Induziert sind Nietzsches Phantasien durch eine Partie der Ilias. In diesem
ältesten literarischen Zeugnis, in dem Dionysos erwähnt wird, ist von der Flucht
des Dionysos die Rede, der als Gott des Wahnsinns „der Rasende“ heißt. Er
flieht vor dem König Lykurgos, als dieser ihn und sein weibliches Gefolge („die
Ammen“, die den Dionysos als Kind in der Naturwildnis von Nyssa aufgezogen
haben) verfolgt182:
Diesen Mythos von der Flucht des Dionysos in die „Tiefen des Meeres“ benutzt
Nietzsche, um metaphorisch die Entstehung der unter der Oberfläche der Kultur
sich ausbreitenden Dionysos-Mysterien zu verdeutlichen: des „Geheimcultus“,
der die „ganze Welt“ allmählich überzog. Aber schon die behauptete zeitliche
Abfolge – die Dionysos-Mysterien seien erst entstanden, nachdem die ‚diony-
sische‘ Tragödie und mit ihr die öffentlichen Dionysosfeiern verschwunden
gewesen seien – trifft nicht zu, denn bereits im 5. Jahrhundert v. Chr., also gerade
in der Zeit der großen Tragödiendichtung, sind auch die Dionysos-Mysterien gut
182 Ilias, 6. Gesang, V. 130–140, in der Übersetzung von Johann Heinrich Voß, München 2004.
Die Entstellung der griechischen Mythen 81
bezeugt, so von Herodot (IV 79), von Sophokles (Antigone, V. 118–120), von Aristo-
phanes (Frösche, V. 314 ff.). Aus den Versen des Sophokles und des Aristophanes
geht die enge Verbindung der Dionysos-Mysterien mit den Demeter-Mysterien in
Eleusis hervor, die wiederum durch den spätestens schon um 600 v. Chr. entstan-
denen ‚homerischen‘ Demeterhymnus bezeugt sind. Obwohl die Dionysos-Mys-
terien ein mit einem Geheimhaltungsgebot belegtes Einweihungsritual enthiel-
ten, waren sie im Ganzen nicht, wie Nietzsche will, ein „Geheimcultus“, sondern
öffentlich zugängliche, von großen Kultvereinen getragene und mit Prozessionen
(etwa von Athen nach Eleusis) verbundene Feiern. Auch lösten sie keineswegs
andere Formen des – öffentlichen – Dionysoskults ab, denn diese lebten bis in
die römische Kaiserzeit weiter.
20 Nietzsches Verfälschung der Operngeschichte
im Dienste Wagners
Die Tragödienschrift sollte eine Huldigung an Wagner sein, wie schon aus dem
Vorwort zur Erstauflage hervorgeht. In ihr verurteilt Nietzsche, ganz nach Wagners
Vorgaben in dessen Schrift Oper und Drama (1851), alle vor Wagner entstandenen
Opern als Missgeburten. Schließlich geht Nietzsche als Bauchredner Wagners
so weit, das gesamte Opernschaffen vor und neben Wagner als Vernichtung des
einzig im Werk Wagners verwirklichten wahren Wesens der Oper darzustellen. Er
wendet sich gegen die zahlreichen zeitgenössischen Wagner-Kritiker unter der
Leitvorstellung „Wer die Oper vernichten will“183 und zugleich eskamotiert er alle
anderen Opernkomponisten. Schon die um 1600 in Italien beginnende Geschichte
der neuzeitlichen Oper durfte nicht als die – allein Wagner vorbehaltene – „Wie-
dergeburt“ der antiken Tragödie mit ihrer Verschmelzung von Musik und Wort
erscheinen, obwohl die italienischen Komponisten und Librettisten in dieser
Spätphase der Renaissance, die ja ihrem Selbstverständnis nach insgesamt eine
Wiedergeburt der Antike sein sollte, ihre Opernkonzeption ausdrücklich auch als
eine „Renaissance“: als eine Wiedergeburt der antiken Tragödie verstanden.
Weil Nietzsche einen epochalen Neu-Anfang durch Wagners Opern markieren
will, stellt er wie schon Wagner selbst die italienische Entstehungsgeschichte der
neuzeitlichen Oper im 19. Kapitel der Tragödienschrift als Entartung dar. Deshalb
erwähnt er auch mit keinem Wort das spätere Opernschaffen von Händel, Gluck
und Mozart, ja mit Stillschweigen übergeht er Wagners großen zeitgenössischen
Konkurrenten Verdi, dessen Opern schon zu einem großen Teil komponiert und
aufgeführt waren, darunter mit internationalem Erfolg Rigoletto, Il Trovatore, La
Traviata. Gleichzeitig mit dem Erscheinen der Geburt der Tragödie wurde Aida
uraufgeführt. Die Opernbühne vor und neben Wagner sollte leergeräumt werden,
damit dessen in Bayreuth unmittelbar bevorstehender Auftritt – für diesen Anlass
sollte die Tragödienschrift werben – umso triumphaler nicht nur als Neubeginn
sondern als erstmals legitime „Wiedergeburt“ der antiken Tragödie erscheinen
konnte.
Später, als sich Nietzsche schon von Wagner und dessen Musikästhetik abge-
wandt hatte, veröffentlichte Eduard Hanslick, der bedeutendste Musikkritiker
des 19. Jahrhunderts, eine Reihe von Kritiken unter dem Titel Musikalische Statio
nen (Berlin 1880). Darin findet sich ein Artikel mit dem Titel Kritische Nachfeier
von Bayreuth, der auch einen Verriss der Geburt der Tragödie enthält. Hanslick
184 Eduard Hanslick: Musikalische Stationen. Die moderne Oper 2, Berlin 1880, S. 259.
185 Hierzu S. 77.
186 Cosima Wagner: Die Tagebücher, ediert und kommentiert von Martin Gregor-Dellin/Dietrich
Mack, hg. von der Stadt Bayreuth, Bd. 1, München 1976, S. 499.
187 Cosima Wagner: Tagebücher, Bd. I, 1027.
188 Richard Wagner: Ueber die Bestimmung der Oper. Ein akademischer Vortrag, Leipzig 1871,
S. 20 f.
189 KSA 1, 488, 21–23.
190 Vgl. Menschliches, Allzumenschliches II: Vermischte Meinungen und Sprüche 165 u. 168, KSA
2, 445 f.
84 Nietzsches Verfälschung der Operngeschichte im Dienste Wagners
191 In einem Brief an Heinrich Köselitz vom 30. März 1881 schreibt Nietzsche: „Genug: wenn ich
meine eignen Schriften sehe, ist es mir als ob ich alte Reiseabenteuer hörte, die ich vergessen
hätte. Sehen wir zu, daß wir unser ganzes Leben derartig f ü r u n s monumentalisiren – es ist mir
ganz gleichgültig und leerer Schall in den Ohren, wenn ein solches Begehren ‚Eitelkeit‘ heißt.
Seien wir doch eite l f ü r u n s und so sehr als möglich!“ (KSB 6, Nr. 97, S. 77, Z. 31–37).
21 Etikettenschwindel als ‚zeitgemässe‘
Strategie: Die angeblich Unzeitgemässen
Betrachtungen
Ihr Echo in der vernichtenden zeitgenössischen Kritik. Nietzsches „Grossmanns-Sucht“. Die
Schlüsselfunktion des im 19. Jahrhundert epidemischen Epigonen- und Décadence-Syn-
droms in Nietzsches Geschichtsvorstellung. Seine Flucht in eine irrationalistische Jugend-
bewegung und in leere Zukunftsprophetien.
Aufsehen erregen und Skandal machen, das gehört schon zu den in Nietzsches
Frühwerk sich abzeichnenden Strategien. Auch der Etikettenschwindel ist nicht
erst im späteren Werk ein Charakteristikum: nicht erst in der Morgenröthe und
in der Fröhlichen Wissenschaft, für die er solche verheißungsvollen Titel wählt,
obwohl diese Werke über den fundamentalen, immer noch von Schopenhauers
Nihilismus grundierten Pessimismus nicht hinauskommen. Sie inszenieren ledig-
lich vordergründig einen aufklärerischen Optimismus. Schon im Frühwerk prak-
tiziert Nietzsche diese Camouflage in seiner Titelwahl. Die von ihm als „Unzeit-
gemäße Betrachtungen“ etikettierten Schriften, mit denen er eine sich von allem
Zeitgemäßen kühn abhebende Originalität und Souveränität beansprucht, sind
durchgehend ‚zeitgemäß‘, ja sie bleiben im ‚Zeitgemäßen‘ stecken. Schopen-
hauer und Wagner, beide Exponenten der zeitgenössischen kulturellen Wahr-
nehmung, bestimmen zwei der insgesamt vier ‚Unzeitgemäßen Betrachtungen‘:
die Abhandlung über Schopenhauer als Erzieher und die abschließende Schrift
Richard Wagner in Bayreuth. Obendrein verrät die Huldigung an Schopenhauer,
der nach Jahrzehnten der Nichtbeachtung seit Mitte des Jahrhunderts zum Mode-
Philosophen aufgestiegen war, woher Nietzsche seine Konzeption des Unzeitge-
mäßen nahm. Denn Schopenhauer hatte aus Erbitterung über seinen jahrzehnte-
lang ausbleibenden Erfolg gegen alles Zeitgemäße und Zeitgenössische gewütet.
Deshalb beruft sich Nietzsche auf ihn als idealen Repräsentanten der Unzeitge-
mäßheit, der eben zu dieser erziehe. Doch liefert er nur eine hastig hingeworfene
Paraphrase des Traktats Über die Universitätsphilosophie, in dem Schopenhauer
insbesondere gegen die an den Universitäten etablierten philosophischen Leit-
figuren, allen voran gegen die von ihm mit lustvollen Schimpfkanonaden atta-
ckierte „Hegelei“ zu Felde zog. In doppelter Weise also blieb Nietzsche mit seiner
Paraphrase ‚zeitgemäß‘ – zunächst indem er Schopenhauer, den aktuellen und
auch von Wagner weltanschaulich adaptierten Modephilosophen, als Vorbild
nahm, dann aber dessen Tiraden gegen alles Zeitgemäße adaptierte.
Ursprünglich plante er zum Thema der (Un-)Zeitgemäßheit nicht weniger als
dreizehn ‚Betrachtungen‘. Die tatsächlich aber letzte (vierte) der Unzeitgemäßen
86 Etikettenschwindel als ‚zeitgemässe‘ Strategie
192 KSA 1, 505, 6.
193 Hierzu die Bibliographie – auch zu allen anderen Werken von Strauß und zu ihrem Echo –
in der Untersuchung von Friedrich Wilhelm Graf: Kritik und Pseudo-Spekulation. David Fried-
rich Strauß als Dogmatiker im Kontext der positionellen Theologie seiner Zeit, München 1982, dort
S. 613–664.
Etikettenschwindel als ‚zeitgemässe‘ Strategie 87
194 „Als ich jüngst den Versuch machte, meine älteren Schriften, die ich vergessen hatte, ken-
nen zu lernen, erschrak ich über ein gemeinsames Merkmal derselben: sie sprechen die Sprache
des Fanatismus. Fast überall, wo in ihnen die Rede auf Andersdenkende kommt, macht sich jene
blutige Art zu lästern und jene Begeisterung in der Bosheit bemerklich, welche die Abzeichen
des Fanatismus sind“ (NL Frühjahr 1880, 3[1], KSA 9, 47, 5–11).
195 KSA 6, 317, 9.
196 Hierzu die umfassende Dokumentation von Hauke Reich: Rezensionen und Reaktionen zu
Nietzsches Werken 1872–1889, Berlin/Boston 2013.
197 Hierzu die maßgebliche und lange nachwirkende Besprechung: David Strauß und sein
neuester Kritiker, in: Schweizer Grenzpost und Tagblatt der Stadt Basel, Nr. 218 f. vom 15. und
16. 09. 1873. Der Tenor: „Unredliche Mittel“. Das Fazit: noch nie habe man sich solches Pathos „in
so maßlosem Selbstgefühl, in so hohler Emphase, in so unwürdiger Herabsetzung des Gegners,
in solcher Häufung von Schimpfwörtern“ expektorieren sehen.
88 Etikettenschwindel als ‚zeitgemässe‘ Strategie
Ist Ihnen etwas über die Person des Professors Friedrich Nietzsche in Basel bekannt? Der-
selbe hat eine Schandbroschüre gegen Strauß geschnellt [d. h.: geschleudert] und ein wahn-
witziges Buch über die „Geburt der Tragödie aus dem Geiste der Musik“ zu Ehren Richard
Wagners dieses betrunkenen Schulmeisters, geschrieben. Ich frage deshalb, weil ich vier
Wochen angestrengter Arbeit an eine Kritik über Nietzsche schon gewendet habe, welche
ich selbständig herauszugeben gedenke. Ich bin gleichwohl kein Bewunderer des „Alten
und neuen Glaubens“.198
Das knäbische Pamphlet des Herrn Nietzsche gegen Strauß habe ich auch zu lesen begon-
nen, bringe es aber kaum zu Ende wegen des gar zu monotonen Schimpfstiles ohne alle
positiven Leistungen oder Oasen. Nietzsche soll ein junger Professor von kaum 26 Jahren
sein, Schüler von Ritschl in Leipzig und Philologe, den aber eine gewisse Großmannssucht
treibt, auf anderen Gebieten Aufmerksamkeit zu erregen. Sonst nicht unbegabt, sei er durch
Wagner ‒ Schoppenhauerei [sic] verrannt und treibe in Basel mit ein paar Gleichverrannten
einen eigenen Kultus. Mit der Straußbroschüre will er ohne Zweifel sich mit einem Coup ins
allgemeine Gerede bringen, da ihm der stille Schulmeisterberuf zu langweilig und langsam
ist. Es dürfte also zu erwägen sein, ob man einem solchen Spekulierburschen dieser Art
nicht noch einen Dienst leistet, wenn man sich stark mit ihm beschäftigt.199
Trotz dieses Freundesrats ließ sich Emil Kuh nicht von seinem Plan abbringen,
seine kritische Gegenschrift zu veröffentlichen. Am 27. November 1873 teilte
er Gottfried Keller mit, er bestätige ihm den Eindruck, den er von Nietzsches
„Schandschrift“ gewonnen habe und nun habe er sich auch noch ‚Die Geburt der
Tragödie‘ vorgenommen.
Emil Kuh veröffentliche seine Auseinandersetzung mit Nietzsche erst Jahre
später als selbständige Schrift200 und eröffnete seine Attacke mit den Worten:
„Wer ist Nietzsche? Ein großer Mann im Geheimen, der nichts sehnlicher in der
Welt wünscht, als daß dieses Geheimniß den weitesten Kreisen offenbar werde.
Ein Professor der classischen Philologie zu Basel, der im Gefühle seiner Superio
rität entrüstet ist, daß sein Lehrstuhl nicht so hoch ragt, wie vormals der Kai-
serstuhl zu Aachen“. Nach der kritischen Durchleuchtung der „gynäkologisch
denkwürdigen Geburt der Tragödie“ distanziert sich Emil Kuh zunächst von der
altersschwachen Strauß-Schrift Der alte und der neue Glaube und rückt dann
198 Irmgard Schmidt/Erwin Streitfeld (Hg.): Briefwechsel Gottfried Keller – Emil Kuh, Zürich
1988, S. 74.
199 A. a. O. S. 77 f.
200 Emil Kuh: Professor Friedrich Nietzsche und David Friedrich Strauß. Eine kritische Studie, in:
Literaturblatt. Wochenschrift für das geistige Leben der Gegenwart, Bd. 2, Nr. 19–22, Wien, Sep-
tember bis Oktober 1876.
Etikettenschwindel als ‚zeitgemässe‘ Strategie 89
Nietzsche zuleibe: Alles, was dieser schreibe, geschehe mit „einer ausgesuchten
Gehässigkeit, bald bitter satyrisch, bald süßlich hämisch, jetzt mit dem Stirn-
runzeln einer widerspänstigen Gelassenheit, dann wieder mit der Wildheit eines
erbosten Katers“! Und er fährt fort: „Professor Nietzsche ist ein von seinem Eigen-
nutze gedungener Fechter, der das flaue Buch eines verehrungswürdigen und
edlen Gelehrten mit gemietheter Entrüstung anfällt, um die Augen der Menge auf
sich selbst zu lenken“. In eingehender Analyse weist Emil Kuh nach, wie gehässig
Nietzsche einzelne Aussagen von Strauß entstellt oder verfälscht, dass er aber
selbst immer wieder sprachlich entgleist. Sein Fazit mit Goethes Worten: „unge-
bildete Anmaßung“ und „Sansculottismus“.
Wohl mobilisierte Nietzsche seinen Freundeskreis, insbesondere die Wagne-
rianer, eingefleischte Antisemiten und sogar seinen Schwager Bernhard Förster.
Aber all dies half wenig, denn der bekannte, in Paris lebende Publizist Karl Hille-
brand schrieb einen kritisch distanzierten Artikel,201 den Nietzsche in Ecce homo
in verfälschender Weise ins Positive zu wenden suchte,202 und aus England kam
ein Verriss der ersten drei Unzeitgemäßen Betrachtungen, speziell des Pamphlets
gegen Strauß. Die Westminster Review brachte im April 1875 eine Sammelbespre-
chung zum Thema Contemporary Literature, die Strauß aufgrund seines für die
moderne Theologie bahnbrechenden Werks Das Leben Jesu (1835) würdigte und
die Diffamierung von Strauß lediglich aufgrund seines Alterswerks Der alte und
der neue Glaube als unangemessen verurteilte. Das Fazit lautet: widerwärtig und
denunziatorisch. Trotz gelegentlich zutreffender Bemerkungen sei Nietzsches
Pamphlet „in a bitter and denunciatory spirit“ geschrieben.203
Die einzige der Unzeitgemäßen Betrachtungen, die eine allgemeinere Wir-
kungsgeschichte hatte, ist die Schrift Vom Nutzen und Nachtheil der Historie für
das Leben. Auch sie ist in mehrfacher Hinsicht ‚zeitgemäß‘. Nietzsche operiert
mit der Opposition von Historie und Leben, wobei unklar bleibt, was er unter
„Leben“ versteht. Von Anfang an legt er das Gewicht viel mehr auf den Nachteil
als auf den Nutzen der Historie. Diese interessiert ihn nur, sofern sie dem „Leben“
dient, sei es als monumentalische, als antiquarische oder als kritische Historie.
Eine grundsätzliche Feststellung geht von der Erwägung aus, dass die Geschichte
an sich keinen Sinn hat, sondern diesen nur durch die Deutung erhält, welche der
Geschichtsschreiber ihr verleiht. Daraus ergibt sich für Nietzsche eine doppelte
Konsequenz: erstens dass der Historiker keine Rücksicht auf Fakten zu nehmen
201 Karl Hillebrand: Nietzsche gegen Strauß, in: Allgemeine Zeitung. Augsburg, Nr. 265 f. vom 22.
und 23. 09.1873.
202 Vgl. KSA 6, 318, 9–31.
203 Westminster Review, April 1875, S. 503.
90 Etikettenschwindel als ‚zeitgemässe‘ Strategie
habe, vielmehr frei nach subjektivem Belieben verfahren könne wie ein Dichter;
zweitens dass, ganz im Gegensatz zur teleologisch-heilsgeschichtlichen und ins-
besondere Hegelschen Geschichtsauffassung, nicht nur die Geschichte, sondern
auch die Geschichtsschreibung sinnlos sei, da sie aus Deutungen bestehe, die
aus vielen differierenden Standpunkten und folglich Perspektiven erzeugt werde.
Die aus dieser Argumentation resultierende Leerstelle versucht Nietzsche
durch die These zu füllen, die Geschichtsschreibung habe dem „Leben“ zu
dienen und erhalte erst dadurch einen ‚Sinn‘, obwohl sie doch – und damit gerät
er in einen circulus vitiosus – grundsätzlich keinen Sinn hat. Indirekt ergibt sich
die ihm von Schopenhauer her vertraute nihilistische Konsequenz, dass auch das
„Leben“ keinen Sinn habe.
Jenseits, oder besser gesagt: diesseits solcher noch ins Metaphysische hin-
einreichender Spekulationen sind die von Nietzsche als unzeitgemäß bezeich-
neten Erörterungen besonders zeitgemäß, weil sie sich gegen das „Jahrhundert
der Geschichte“ richten. Sie bleiben als Reaktion auf ein Zeitphänomen diesem
notwendigerweise verhaftet. Das tieferliegende eigentliche Motiv des Leidens an
der Geschichte, die als besonders aktuelles Phänomen moderner Entfremdungs-
erfahrungen aufgegriffen wird, ist das überaus ‚zeitgemäße‘ Epigonensyndrom.
Nietzsche beschwört es schon in der Geburt der Tragödie, um als Gegeninstanz
des Epigonentums das „Dionysische“ als Inbegriff des „Lebens“ zu setzen.204 In
der Historienschrift rückt er diesen an sich ganz vagen Begriff des „Lebens“ ins
Zentrum. Nietzsches Verfahren besteht in einem fortwährenden Verschieben,
Umetikettieren und Radikalisieren. Was zuerst das „Dionysische“ hieß, wird
in der Historienschrift als „Leben“ deklariert, in der Morgenröthe als „Gefühl
der Macht“, im Zarathustra als „Willen zur Macht“, im Spätwerk, immer deut
licher ontologisierend und radikalisierend, als blinder und tyrannischer Macht-
trieb.
Nur aus dem Gegenbegriff des Epigonentums erhält der des „Lebens“ über-
haupt eine Kontur: eine ganz und gar zeitgemäße Kontur. Denn seit Immermanns
Roman Die Epigonen (1836), die aus dem Eindruck entstanden, dass mit der großen
Zeit der deutschen Dichtung und Philosophie 1770–1830 auch alle schöpferische
Kraft versiegt sei und nur noch resignierte und schwächliche Nachkömmlinge
ihr kümmerliches Treiben fristen oder in restaurativer Nachzeitigkeit stagnieren,
wurde vor allem in der Literatur das Bewusstsein des Epigonentums zu einer
lähmenden Obsession. Es radikalisierte sich zum Bewusstsein eines allgemei-
nen Niedergangs, ja Verfalls: der Décadence, die Nietzsche in seinem Spätwerk
zum universellen kulturkritischen Erklärungsmodell machte und im Gefolge der
werk entlarvt hatten, waren meist älter als er! Deshalb pocht er in Stürmer- und
Drängermanier auf seine „Jugend“ als Genialitätsgarantie.212 Ja Nietzsche verkün-
det ein „Reich der Jugend“213 und beginnt das Schlusskapitel mit den pathetisch
exponierten Worten: „An dieser Stelle der Jugend gedenkend, rufe ich Land!
Land!“214 Es ist nicht das Land oder gar das „Reich“, zu dem die Jugend gelangt,
vielmehr ist die Jugend selbst dieses „Land“. Eine Leerformel geht in die andere
über: „Leben“, „Zukunft“, „Jugend“, „Macht“. Bemerkenswert ist allerdings,
dass Nietzsche seine erste Verbindung von „Wille“ und „Macht“ bald darauf
in der vierten der Unzeitgemäßen Betrachtungen: Richard Wagner in Bayreuth
herstellt, indem er von der autobiographisch und tiefenpsychologisch fassbaren
Persönlichkeit Wagners ausgeht. „Zu unterst“, schreibt er, „wühlt ein heftiger
Wille in jäher Strömung, der gleichsam auf allen Wegen, Höhlen und Schluchten
an’s Licht will und nach Macht verlangt“.215 Da Nietzsche, wenn er von Wagner
spricht, fast immer auch an sich selbst denkt, geht man wohl nicht fehl, dass er
mit dieser Aussage nicht zuletzt sich selbst meint.
Die dritte und vierte der Unzeitgemäßen Betrachtungen, Schopenhauer als
Erzieher und Richard Wagner in Bayreuth paraphrasieren weitgehend deren Ver-
lautbarungen. In Schopenhauer als Erzieher schreibt Nietzsche nur dessen Abhand-
lung Über die Universitätsphilosophie aus, in der Wagner-Schrift reproduziert er
dessen theoretische Traktate und Selbststilisierungen. Die peinlichen Partien der
Schrift Richard Wagner in Bayreuth bestehen nicht nur in den missglückten Ver-
suchen, Wagners ursprünglich revolutionäres Engagement mit seinem später um
Fürstengunst buhlenden Verhalten zu vermitteln, ja sogar Wagners Kaisermarsch
zu akzeptieren; auch nicht nur in der von gequälter Zustimmung zeugenden Fest-
stellung, dass im Weiheort Bayreuth sich eine Luxusgesellschaft treffe und daher
auch der Zuschauer selbst anschauenswert sei. Wie er schon in der ersten der
Unzeitgemäßen Betrachtungen versucht, das schwache, gleichwohl enorm erfolg-
reiche Werk des alten Strauß bis in Details hinein zu zerrupfen und den Autor
zu verunglimpfen, um die Rachsucht der Wagners zu bedienen, so ist auch die
im 9. Kapitel der Historienschrift lancierte Attacke auf das erfolgreiche Buch von
Eduard von Hartmann: Philosophie des Unbewußten. Versuch einer Weltanschau-
ung (1869) von mesquinen Motiven und Schlimmerem bestimmt.
Das „Unbewußte“ gehört durchaus in den Horizont der vierten Unzeitge-
mäßen Betrachtung, denn in Wagners eigenen Schriften ist das Unbewusste
216 Richard Wagner: Gesammelte Schriften und Dichtungen, Bd. 3, Leipzig 1907, S. 45.
217 Vgl. Eduard von Hartmann: Philosophie des Unbewußten. Versuch einer Weltanschauung,
Berlin 1869, besonders Abschnitt B III: „Das Unbewußte der Gefühle“, S. 188–201. Hierzu die
Notatgruppe 3, Winter 1869/70-Frühjahr 1870 sowie in den nachgelassenen Schriften die unter
dem Titel Die dionysische Weltanschauung stehende Vorstufe zur Tragödienschrift: „Was wir
‚Gefühl‘ nennen, das lehrt die auf Schopenhauers Bahnen wandelnde Philosophie [gemeint ist
Eduard von Hartmanns Buch] als einen Komplex von unbewußten Vorstellungen und Willens
zuständen begreifen“ (KSA 1, 572, 2–4).
218 KSA 1, 314, 1.
219 KSA 1, 314, 4.
220 KSA 1, 318, 4 f.
221 KSA 1, 324, 5.
222 KSA 1, 315, 26.
94 Etikettenschwindel als ‚zeitgemässe‘ Strategie
sigkeit ihrer Kritik, in der Unreife ihrer Menschlichkeit, in dem häufigen Ueber-
gang von Ironie zum Cynismus, von Stolz zur Skepsis, ihren modernen [d. h. zeit-
gemäßen] Charakter, den Charakter der schwachen Persönlichkeit“.223
Seit 1900 war Kafka ein Nietzsche-Leser.224 Von der Beschreibung eines Kampfes
und dem Roman Der Prozess (1914/15), die er beide nicht selbst veröffentlichte,
bis zu der von ihm vorbehaltlos bejahten und veröffentlichten Erzählung Das
Urteil sind schon seine frühen Geschichten von einer intensiven Nietzsche-Rezep-
tion bestimmt, und diese wirkt auch noch auf sein späteres Werk.225 Bereits in
224 Walter H. Sokel fasst in seinem Buch Franz Kafka. Tragik und Ironie. Zur Struktur seiner
Kunst, Frankfurt am Main 1976, S. 545, zusammen: „Der junge Kafka liebte Nietzsche, wie Kaf-
kas Jugendfreundin Frau Selma Robitschek (geb. Kohn) bezeugt, der er im Jahre 1900 unter
einer alten Eiche oft aus Nietzsche vorgelesen hat (Br., 495). Auch Wagenbach hebt hervor, daß
Kafka in seiner Jugend Nietzsche-Anhänger gewesen ist (102). Die von Avenarius herausgege-
bene Zeitschrift ‚Der Kunstwart‘, die Kafkas Jugendjahre tief beeinflußt, wurde in ihrem Entste-
hen noch von Nietzsche selbst gefördert und blieb in ihrer Grundeinstellung Nietzsches Ideen
treu (Wagenbach, 103). Übrigens war es gerade Die Geburt der Tragödie, die Kafka bis in seine
reifste Zeit schätzte. Kafka schenkte dem jungen Gustav Janouch dieses Werk, wie mir Janouch
gesprächsweise mitteilte. Wie Janouch dabei betonte, war es Kafkas Gewohnheit, nur solche
Bücher zu schenken, die ihm wertvoll waren“.
225 Hierzu Patrick Bridgewater: Kafka and Nietzsche, Bonn 1974; Bert Nagel: Kafka und die Welt-
literatur. Zusammenhänge und Wechselwirkungen, München 1983, S. 299–327; Forschungsüber-
blick von Peter U. Beicken: Franz Kafka. Eine kritische Einführung in die Forschung, Frankfurt
am Main 1974. Max Brod behauptete noch in seinem Buch Über Franz Kafka, Frankfurt am Main
1976, S. 259, der Gedanke an eine Beziehung Kafkas zu Nietzsche sei eine „Instinktlosigkeit“.
Der Autorität Brods schloss sich Claude David in seiner Abhandlung Sur Kafka: Quelques livres
parmi beaucoup an (in: Études germaniques 30 (1975), S. 55–65, hier S. 61: „Max Brod n’avait pas
tort: entre Nietzsche et Kafka, il n’y a pas de rapport“. Erich Heller dagegen bezeichnete bereits
1954 Nietzsche als „geistigen Vorfahr Kafkas“ (E. Heller: Enterbter Geist. Essays über modernes
Dichten und Denken, Frankfurt am Main 1954, S. 294). Vgl. Peter Heller: Kafka and Nietzsche, in:
Proceedings of the Comparative Literature Symposium 4 (1971), S. 71–95. Weitere Zeugnisse in dem
schon genannten Werk von Walter H. Sokel sowie bei Patrick Bridgewater: Kafka and Nietzsche.
Gerhard Kurz kritisiert in seinem Buch Traum ‒ Schrecken. Kafkas literarische Existenzanalyse,
Stuttgart 1980, dass die Arbeiten über Kafka und Nietzsche oft den Nachteil haben, „daß sie
die Parallelen zu unkritisch ziehen und die Differenzen übersehen“ (S. 215, Anm. 80). Er hebt
eine entscheidende Differenz hervor (S. 36): „Bei Nietzsche steht die Beschwörung des Unter-
96 Ausblick auf Hauptwerke der literarischen Wirkungsgeschichte
der Romantik war die von Nietzsche thematisierte Subversion des souveränen
Subjekts und des konsistenten Individuums ein markantes Thema: zuerst bei
Jean Paul, dann in großem Stil bei E. T. A. Hoffmann und, in widersprüchlicher
Weise, bei Schopenhauer. Nietzsche kannte diese Tradition, die von seinen Zeit-
genossen aktualisiert und wissenschaftlich unterbaut wurde.226 Im Gegensatz zu
seinem eigenen Plädoyer für den großen Einzelnen erklärte er: „das Ich […] ist
zur Fabel geworden, zur Fiktion, zum Wortspiel: das hat ganz und gar aufgehört,
zu denken, zu fühlen und zu wollen!“227 Er spricht von der „Seele als Subjekts-
Vielheit“228 und in einem nachgelassenen Notat von der „Mehrheit der ‚Person‘“,
wobei er den Begriff ‚Person‘ bezeichnenderweise in Anführungszeichen setzt.229
Damit reproduziert Nietzsche die von den Hauptvertretern der Experimen-
talpsychologie induzierte zeitgenössische Konjunktur von Theorien, welche das
traditionelle Individualitätsdenken konterkarierten, bis hin zum Phänomen der
gespaltenen, ja sogar in sich antagonistischen Persönlichkeit. Zwar wurde das
„Individuum“ in einer langen Tradition für ein, wie schon dieses Wort besagt,
‚Unteilbares‘, ein Atomon gehalten, aber die Spaltung der Persönlichkeit in
antagonistische Teile war schon längst ein literarisches Thema. Größtes Bei-
spiel ist Goethes Faust, in dem der Protagonist nicht nur von den „zwei Seelen in
meiner Brust“ spricht, sondern in der Konfiguration mit Mephisto auch in zwei
antagonistische Bestandteile zerfällt. Goethe psychologisiert durchdringend die
religiöse Vorstellung einer Psychomachie, wo ein von Gott gesandter Engel und
ein vom Satan abgeordneter Teufel um die menschliche Seele kämpfen.
Für Kafka relevant wurde die Pluralität von Persönlichkeitskomponenten
bis hin zum innerpsychischen Antagonismus besonders durch Nietzsches Beto-
nung des „Kampfes“, zu dem dieser Antagonismus führt, und zu dem in diesem
Kampf durchbrechenden „Willen zur Macht“. In seinem Erstling Beschreibung
eines Kampfes transformiert Kafka den innerpsychischen Kampf in eine erzäh-
lerische Konstellation, welche einen inneren Prozess als äußeres Geschehen mit
gangs noch im Dienste einer Fantasmagorie überwältigenden, glückhaften Lebens. … Bei Kafka
hingegen wird der Tod beschworen als Zurücknahme der verfehlten, schuldigen Existenz. …
Wenn man nach geistigen Vorfahren sucht, dann ist es hier Schopenhauer, zu dem Kafka wieder
zurückgeht“.
226 Am Beispiel des Doppelgängers hat der Psychoanalytiker Otto Rank, der einige Zeit zur
Freud-Schule gehörte, diesen literaturgeschichtlichen Zusammenhang eindrucksvoll darge-
stellt. Er schrieb sein Buch Der Doppelgänger 1914, einige Jahre nach Kafkas Beschreibung eines
Kampfes und anderen frühen Werken.
227 KSA 6, 91,7–9.
228 KSA 5, 27, 16.
229 NL Frühjahr 1888, 14[113], KSA 13, 290, 26.
Nietzsches ‚Wille zur Macht‘ bei Kafka 97
232 Sigmund Freud: Der Dichter und das Phantasieren, in: ders.: Studienausgabe, hg. von Alex-
ander Mitscherlich u. a., Bd. 10: Bildende Kunst und Literatur, Frankfurt am Main 1982 (Fischer-
Wissenschaft, Bd. 7310), S. 169–179, darin S. 177.
233 Goth, Maja: Der Surrealismus und Franz Kafka, in: Politzer, Heinz (Hg.): Franz Kafka, 3. Auf-
lage, Darmstadt 1991 (Wege der Forschung, Bd. 322), S. 226–266.
234 Barbara Neymeyr: Konstruktion des Phantastischen. Die Krise der Identität in Kafkas
‚Beschreibung eines Kampfes‘, Heidelberg 2004. Hier wird erstmals eine durchgreifende struk-
turelle und konzeptionelle Analyse der Erzählung geboten sowie Kafkas entscheidende Quelle –
E. T. A. Hoffmanns surrealistische Erzählung Die Abenteuer der Sylvester-Nacht – als literari-
sches Modell nachgewiesen, ferner der Kontext der Zeit eruiert. Vgl. das Konzentrat von B. N.
in Manfred Engel/Bernd Auerochs (Hg.): Kafka-Handbuch. Leben – Werk – Wirkung, Stuttgart
2010, S. 91–102. Vgl. auch die speziellere narratologische Analyse von Sophie von Glinski: Ima-
ginationsprozesse. Verfahren phantastischen Erzählens in Franz Kafkas Frühwerk, Berlin/New
York 2004, S. 26–83. Zum zeitgenössischen kulturellen Kontext: Peter Cersowsky: „Mein ganzes
Wesen ist auf Literatur gerichtet“. Franz Kafka im Kontext der literarischen Dekadenz, Würzburg
1983. Ders.: Phantastische Literatur im ersten Viertel des 20. Jahrhunderts. Untersuchungen zum
Strukturwandel des Genres, seinen geistesgeschichtlichen Voraussetzungen und zur Tradition der
„Schwarzen Romantik“, insbesondere bei Gustav Meyrink, Alfred Kubin und Franz Kafka, 2. Auf-
lage, München 1989.
Nietzsches ‚Wille zur Macht‘ bei Kafka 99
Die Entstehung der Erzählung Das Urteil hat Kafka in seinem Tagebuch vom
23. September 1912 genau datiert und zugleich als großes Durchbruchserlebnis
mit den oft zitierten Worten bezeichnet: „Diese Geschichte ‚Das Urteil‘ habe ich in
der Nacht vom 22 zum 23 von 10 Uhr abends bis 6 Uhr früh in einem Zug geschrie-
ben […] Nur so kann geschrieben werden, nur in einem solchen Zusammenhang,
mit solcher vollständigen Öffnung des Leibes und der Seele“.235 Walter H. Sokel
hat in seinem bahnbrechenden Werk: Kafka. Tragik und Ironie236 nachgewiesen,
dass die Beschreibung eines Kampfes den Grundriss einer ganzen Reihe späterer
Werke enthält. Er hat auch die Struktur-Analogie der Erzählungen Beschreibung
eines Kampfes und Das Urteil festgestellt: die Vorstellung eines inneren, aber in
die äußere Handlung projizierten Kampfes. Vor allem hat er auf „die Sehnsucht
nach dem Verlöschen und Vergehen der Individuation“ und die damit verbun-
dene „Rückkehr zum Strom der All-Einheit“ hingewiesen.237 Diese Vorstellung
entspricht der vom frühen Nietzsche in die Geburt der Tragödie übernommenen
Funktion, die Schopenhauer dem „principium individuationis“ zuweist und auf
die buddhistische Nirwana-Lehre hin perspektiviert.
In der Beschreibung eines Kampfes hat Kafka mit manchen noch experimen-
tellen Zügen eine entschieden phantastische Geschichte entworfen, aber schon
hier zeigt sich eine genau kalkulierte und jede Einzelheit bestimmende Strate-
gie. Innere, psychische Verhältnisse erscheinen als äußere. Insbesondere werden
psychische Vorgänge als körperliche Bewegungen dargestellt. Des Weiteren
findet eine Verräumlichung des Inneren statt. Die auf Projektion beruhende, nur
scheinbar äußere Wirklichkeit spottet aller für die Außenwelt geltenden Wahr-
scheinlichkeit. Die Möglichkeitskategorie scheint suspendiert. Deshalb wirkt
alles Geschehen, sofern man es als äußere Handlung auffasst und auf reale Ver-
hältnisse bezieht, inkohärent, extrem verfremdet, grotesk. Gerade dadurch aber
erfährt der Leser eine hermeneutische Provokation, die ihn in die Untiefen des
Unbewussten treibt. Der Text fordert dazu heraus, hinter der äußeren Scheinwirk-
lichkeit der Erzählung, eben weil sie in einer realistischen Lektüre zum bloßen
Nonsens geriete, einen Sinn jenseits der äußeren Realität zu suchen, einen
Sinn, der das Inkohärente kohärent, das Unwahrscheinliche einleuchtend und
das Fremde wieder vertraut macht, ohne doch den Schock der surrealistischen
Verfremdung zu negieren. Der Leser kann die Geschichte nur verstehen, wenn
er die Handlung als Metonymie innerer Vorgänge und die Figuren-Konstellation
235 Fanz Kafka: Tagebücher in der Fassung der Handschrift, hg. von Hans-Gerd Koch, Bd. 2:
1912–1914, Frankfurt am Main 1994, S. 101.
236 Sokel: Franz Kafka. Tragik und Ironie, S. 46–84.
237 S. 82 f.
100 Ausblick auf Hauptwerke der literarischen Wirkungsgeschichte
238 Vgl. Walter H. Sokel: Der literarische Expressionismus. Der Expressionismus in der deut-
schen Literatur des 20. Jahrhunderts, München 1960 [ursprünglich erschienen als: The Writer
in Extremis. Expressionism in Twentieth-Century German Literature, Stanford University Press,
1959]; und Hans-Georg Kempers Kapitel „Gestörte Kommunikation. Franz Kafka: Das Urteil“, in:
Vietta, Silvio/Kemper, Hans-Georg: Expressionismus, München 1975 (= UTB, Bd. 362), S. 286–305.
Nietzsches ‚Wille zur Macht‘ bei Kafka 101
wieder.239 In der spät, kurz vor Kafkas Tod entstandenen Erzählung Ein Hunger-
künstler radikalisiert sich diese Opposition zu einer alle menschlichen Verhält-
nisse sprengenden Polarisierung in der Vorstellung des sich zu Tode hungernden
Künstlers einerseits und andererseits des Panthers, dem „die Freude am Leben“
„mit derart starker Glut aus seinem Rachen“ kam, „daß es für die Zuschauer nicht
leicht war, ihr standzuhalten“.
Schon die Beschreibung eines Kampfes macht exemplarisch deutlich, dass die
gespaltene Persönlichkeit nicht bloß in antagonistische, sich bekämpfende Teile
zerfällt. Der Dissoziation ist auch eine unaufhebbare Assoziation eingeschrieben.
Die oppositionellen Wesensteile stehen in einem Verhältnis fortwährender Inter-
dependenz, sie brauchen einander kompensatorisch, weil der eine hat, was dem
anderen fehlt. Sie faszinieren sich gegenseitig und können sich nicht voneinander
lösen, auch wenn jeder den anderen zu überwältigen oder zu verdrängen sucht.
Die Beschreibung eines Kampfes inszeniert mit hoher bildlicher Intensität vom
„Willen zur Macht“ bestimmte Situationen solcher Überwältigungs- und Verdrän-
gungsvorgänge sowie deren notwendiges Scheitern. Immer dann, wenn der eine
Teil der gespaltenen Existenz den andern gänzlich unterdrückt zu haben scheint,
kommt es zu einem dialektischen Umschlag.
Kafka hat demnach seine Grundkonzeption einer gespaltenen, ambivalen-
ten Persönlichkeit, für die schon Goethes Faust mit der dramatischen Interaktion
von Faust und Mephisto ein klassisches und ebenfalls weitgehend psychologi-
siertes Vorbild bot240, nicht statisch, sondern im Sinne psychodynamischer Pro-
zessualität entworfen. Die Beschreibung eines Kampfes bringt die Dynamik durch
forcierte, surrealistisch verfremdete Bewegungsabläufe zum Ausdruck. Diese
Prozessualität macht es überhaupt erst möglich, aus der Grundkonstellation ein
lebendiges Geschehen zu entwickeln, führt aber nie zu einem konstruktiven Fort-
schritt, nie zu einer Lösung. Sie wäre nur denkbar, wenn in der Interaktion der
getrennten und doch aufeinander angewiesenen Teile der gespaltenen Existenz
eine Vermittlung stattfände. Dass sie unmöglich ist, zeigt in der Beschreibung
eines Kampfes nicht nur der fortwährende, wenn auch vergebliche Versuch der
beiden Ich-Bestandteile, den jeweils anderen zu überwältigen oder auszumanö-
vrieren, sondern auch das „Gespräch“ zwischen dem Beter und dem Dicken, das
lediglich die Fragwürdigkeit und das Destruktive der einseitigen Existenzformen
erkennen lässt, aber zu keinem vermittelnden Ausgleich führt. Es handelt sich
239 Eine genaue Analyse bietet Thorsten Valk: Der Jäger Gracchus, in: Müller, Michael (Hg.):
Franz Kafka. Romane und Erzählungen, 2. durchgesehene und erweiterte Auflage, Stuttgart 2003
(Reclams Universalbibliothek, Nr. 17521, Reihe Interpretationen), S. 333–345.
240 Kafka war nach Ausweis seiner Tagebücher ein großer Goethe-Verehrer und Goethe-Leser.
102 Ausblick auf Hauptwerke der literarischen Wirkungsgeschichte
um eine nach dem alten Modell der Psychomachie entworfene, aber ohne meta-
physische Überbauten auskommende Konfiguration. Sowohl Kafkas Auseinan-
derlegung des Ichs in verschiedene Bestandteile wie auch deren antagonistisches
und zugleich kompensatorisches Verhältnis zueinander entspricht Nietzsches
psychologischen Analysen.
In der Erzählung Das Urteil machte Kafka das Scheitern der Vermittlung zu
einem wesentlichen Thema. Die Forschung hat sich auf die Figuren-Konstellation
des berühmten, bis heute umrätselten Texts konzentriert, aber nicht genügend
wahrgenommen, dass im Zentrum der Problematik von Beginn an ein Schreibakt
steht.241 Dieser Schreibakt, wenn er gelänge, käme dem Glücken der Vermitt-
lung gleich. Georg Bendemann hat, so heißt es schon im zweiten Satz, „gerade
einen Brief an einen sich im Ausland befindenden Jugendfreund beendet“. Das
Entschwinden des Jugendfreunds in eine ferne Fremde als Figuration einer sehr
weit gehenden Entfremdung resultiert aus einem psychischen Dissoziationspro-
zess. Denn der von Georg Bendemann verkörperte Ich-Bestandteil hat sich immer
mehr mit der bürgerlichen Lebensrealität verbunden, die durch das wiederholt
betonte „Geschäft“ und die anvisierte Heirat repräsentiert wird. Eben dadurch hat
er sich von seiner anderen Ich-Dimension in der Gestalt des Freundes entfrem-
det. Nach der gleichen psychodynamischen Gesetzlichkeit, die auch in anderen
Erzählungen immer dann zum Umschlag führt, wenn der Dissoziationsprozess
auf ein Maximum zusteuert, wird der Impuls zum Schreiben an den Freund
durch die bevorstehende Heirat und die sich anbahnende endgültige Einhau-
sung in der bürgerlichen Lebensrealität ausgelöst. Das Schreiben an den fernen,
fremd gewordenen Freund ist ein letzter reflexhafter Versuch, die Lebensganzheit
durch Reintegration: durch einen Akt der Vermittlung zwischen den dissoziierten
Teilen wiederherzustellen. Aber wie immer bei Kafka misslingt der Vermittlungs-
versuch, weil die schon zum unaufhebbaren Verhaltenszwang gewordene Ein-
seitigkeit des einen Ich-Bestandteils diesen so vermittlungsunfähig gemacht hat,
dass er seinen eigenen Vermittlungsversuch scheitern lässt, obwohl er aus dem
tieferen Ganzheitsbedürfnis entspringt, das Nietzsche wie schon Schopenhauer
als unaufhebbares romantisches Grundverlangen versteht.
Der destruktive und letztlich auf Selbstdestruktion hinauslaufende Verhal-
tenszwang wird in Georg Bendemanns seitenlanger Reflexion über den soeben
geschriebenen Brief und generell über sein Briefe-Schreiben an den Freund mani-
241 Aufschlussreiche Hinweise geben Sokel: Franz Kafka. Tragik und Ironie, S. 46–67, sowie
Richard T. Gray in seiner eindringlichen Analyse: Das Urteil, in: Müller, Michael (Hg.): Franz
Kafka. Romane und Erzählungen, 2. durchgesehene und erweiterte Auflage, Stuttgart 2003
(Reclams Universalbibliothek, Nr. 17521, Reihe Interpretationen), S. 11–41.
Nietzsches ‚Wille zur Macht‘ bei Kafka 103
fest. Virtuos macht Kafka diese lange briefliche Reflexion zu einem Paradestück
des bei avantgardistischen Schriftstellern seiner Zeit beliebten personalen Erzäh-
lens in der „erlebten Rede“: zum sprachlichen Medium möglichst unmittelbar
wirkender Introspektion. „Was sollte man [!] einem solchen Manne schreiben“, so
denkt er über seinen Brief an den Freund nach, „der sich offenbar verrannt hatte,
den man [!] bedauern, dem man [!] aber nicht helfen konnte“. Er nennt ihn dann
in Gedanken „ein altes Kind“. All diese herabwürdigenden und abdrängenden
Suggestionen untergraben a limine den mit dem Brief unternommenen Versuch,
die innere Verbindung mit dem Freund wiederherzustellen. Schon die Bezeich-
nung „Jugendfreund“ signalisiert, dass der verdrängte, ausgegrenzte und damit
gleichsam in die Fremde exilierte Ich-Bestandteil in der Jugend noch in eine
ursprungshafte Lebensganzheit integriert war, die inzwischen verloren gegangen
ist. Wenn Georg Bendemann den Jugendfreund nun gar „ein altes Kind“ nennt,
so dementiert er seine Ganzheits- und Ursprungssehnsucht im gleichen Moment,
in dem er dem Impuls zur Reintegration des Verlorenen mit dem Akt des Brief-
schreibens folgt. Damit ist die Vermittlung des Getrennten unmöglich geworden.
Vollends zum Ausdruck kommt dies in der abschließenden Reflexion Georg Ben-
demanns über seinen Brief an den Freund: „Aus diesen Gründen konnte man [!]
ihm, wenn man [!] noch überhaupt die briefliche Verbindung aufrecht erhalten
wollte, keine eigentlichen Mitteilungen machen […]“. „Keine eigentlichen Mittei-
lungen“ – so ist die gescheiterte und zum Scheitern verurteilte Vermittlung exakt
benannt. Das Schicksal der gespaltenen Existenz ist unaufhebbar. Wie in dem
Kurztext Die Sorge des Hausvaters, wo das rätselhaft Beunruhigende, das doch
nur dem bürgerlichen Sicherheitsbedürfnis des „Hausvaters“ entspringt, in dem
ebenfalls zum „Kind“ depotenzierten Phantom Odradek exterritonalisiert wird,
und wie das Ich des Hausvaters seine persönliche Involviertheit zu verdrängen
und seine Superiorität zu behaupten sucht, indem es sich hinter ein entperso-
nalisiertes „man“ zurückzieht, so verfährt auch Georg Bendemann mit seinem
obsessiv bemühten „man“.242
Die größten Schwierigkeiten hat Georg Bendemann, dem Freund die „eigent-
liche Mitteilung“ zu machen: diejenige von seiner bevorstehenden Heirat. Als
er es schließlich doch tut, beschränkt er sich auf das Uneigentlichste: auf die
Bemerkung, dass er sich mit einem „Mädchen aus einer wohlhabenden Familie“
verlobt habe. Im übrigen aber versichert er seinem Freund wiederholt und gerade-
zu aufdringlich, wie „glücklich“ er sei. Damit will er seine eigene Überlegenheit
242 Hierzu die Interpretation von Günter Saße: Die Sorge des Hausvaters, in: Müller, Michael
(Hg.): Franz Kafka. Romane und Erzählungen, 2. durchgesehene und erweiterte Auflage, Stuttgart
2003 (Reclams Universalbibliothek, Nr. 17521, Reihe Interpretationen), S. 313–323.
104 Ausblick auf Hauptwerke der literarischen Wirkungsgeschichte
kundtun, den vom Freund verkörperten Ich-Anteil also unterdrücken und abwer-
ten. Die gleiche psychologische Strategie verfolgt Kafka schon in der Beschrei-
bung eines Kampfes, wo der erotisch und gesellschaftlich erfolgreiche Ich-Anteil
durch die ständige Versicherung, wie „glücklich“ er sei, den anderen Ich-Anteil
seine Überlegenheit fühlen lässt. Im Urteil handelt es sich um eine scheiternde
Vermittlung, weil der Vermittlungsakt selbst schon, der Brief an den Freund, zum
Gegenteil von Vermittlung gerät. Er legt eine noch größere Distanz zwischen die
dissoziierten Teile des Ichs.
Für das Verständnis der Erzählung ist es entscheidend, die Figur des Vaters
nicht als eine bloß familiäre Instanz zu sehen, die in ihrem Verhalten auf eine
biographisch-realistisch definierbare Vater-Sohn-Beziehung zu reduzieren wäre.
Zwar ist die Versuchung groß, Kafkas Brief an den Vater zu analogisieren und damit
die Geschichte lediglich biographisch zu lesen, aber dies reicht aus einem doppel-
ten Grunde nicht aus: erstens, weil Kafkas Vater gerade nicht wie die Vaterfigur im
Urteil den Part der Innerlichkeit und der Normabweichung, sondern den Part der
bürgerlichen Normalität und Lebenstüchtigkeit spielte; zweitens und grundsätz-
lich, weil eine derart realistische Lesart der insgesamt surrealistischen Geschichte
inadäquat wäre. Das Biographische243 wird lediglich zum Motiv im erzählerischen
Funktionszusammenhang. Die Figur des Vaters entspringt als psychische Instanz
erst der Aporie des Schreibens: dem Scheitern der Mitteilung. Vorher gibt es sie
gar nicht, und in einem realistischen Horizont ist auch überhaupt nicht einzu
sehen, warum der Sohn wegen des Briefes an den Freund gerade den Vater aufsu-
chen sollte. Der Sohn geht erst zum Vater, nachdem er den Brief geschrieben hat,
der nichts als eine gescheiterte Vermittlung ist, und er geht mit diesem Brief zum
Vater, in dessen Zimmer er „schon seit Monaten nicht gewesen“ ist. Daraus geht
hervor, dass gerade dem Brief und dem Akt des Schreibens eine Schlüsselfunktion
zukommt. Er wird zum Anlass, einen seit langem nicht mehr aufgesuchten Innen-
Raum zu betreten. Dass Georg mit dem Vater, sofern man diesen als reale Figur
auffasst und eine realistische Lektüre verfolgt, in einer völlig unnachvollziehba-
ren obsessiven Weise ausschließlich über seinen Freund und den an ihn geschrie-
benen Brief spricht, macht den Vater zu einer letzten und endgültigen Instanz der
Rechenschaft, wie sie Kafka in seinen Gerichtsphantasien (besonders im ‚Prozeß‘)
immer wieder entwirft – einer Rechenschaft, der sich Georg Bendemann in seinem
eigenen tiefsten Innern ausgesetzt sieht und der er sich nicht entziehen kann.
244 Heinz Politzer: Franz Kafka, der Künstler, 2. Auflage, Frankfurt am Main 1978 (Suhrkamp-
Taschenbuch, Bd. 433), S. 95, weist auf ein konkretes historisches Geschehen: auf die Oktober-
revolution des Jahres 1905, in welcher der Geistliche Georgi Gapon einen Arbeiteraufstand in
Petersburg anführte. Dieser wurde von zaristischen Soldaten blutig niedergeschlagen.
106 Ausblick auf Hauptwerke der literarischen Wirkungsgeschichte
mal Psychology (New York 1906).250 Von den Malern entwickelte vor allem Picasso
eine Vorliebe für die Gestaltung des gespaltenen Menschen, wie seine Bilder mit
den in zwei Hälften gespaltenen Gesichtern in aggressiver Deutlichkeit zeigen.
Die Literatur ist voll von Imaginationen des fragmentierten und insbesondere des
dissoziierten Ichs: von Hofmannsthal über den Expressionismus, dem die Ich-
Dissoziation zu einem Grundthema wird251, bis in mehrere Romane der Zwanzi-
ger Jahre. Musil traktierte das Thema in der Moosbrugger-Geschichte des Mannes
ohne Eigenschaften, Broch griff es in seinem Roman Die Schlafwandler auf. Kafka
steht mit seinen gespaltenen Figuren in dieser Zeitgenossenschaft als einer ihrer
größten Exponenten. Und dass die eine Komponente seiner dissoziierten Existen-
zen den mystischen Weg nach Innen nimmt, wodurch die andere überhaupt erst
die Valenz des Äußerlichen erhält, entspricht der seit dem Ende des 19. Jahrhun-
derts zu beobachtenden neumystischen Faszination. Sie hatte seit Maeterlincks
„gebatikter Metaphysik“ (Musil) eine Konjunktur, die in Deutschland alsbald
durch die irrationalistisch ideologisierte Renaissance Meister Eckarts befördert
wurde. Martin Buber trieb sie mit seinen Ekstatischen Konfessionen (1903 u. ö.)
voran und verband diese mit seiner jüdischen Religionsphilosophie. Die Schrif-
ten Walter Rathenaus, insbesondere sein Werk Zur Mechanik des Geistes, stehen
in dieser neumystischen Strömung. Sie erreichte einen neuen Höhepunkt in den
Zwanziger Jahren, als die vielbändige Mystiker-Sammlung Der Dom erschien.
Kafkas Gestaltung der Ich-Dissoziation sowohl in der Beschreibung eines
Kampfes wie im Urteil lässt darüberhinaus erkennen, dass sie in einem dialek-
tischen Zusammenhang mit der Lebensreform-Bewegung und der von Nietzsche
propagierten und seit der Jahrhundertwende zur Mode avancierenden Lebens-
philosophie steht. Denn die Lebensphilosophie verband sich nicht nur mit einem
von der Décadence-Obsession des Fin de siècle bestimmten Kult des ungebro-
chenen, starken, nicht-dekadenten Lebens, und sie entwarf nicht nur die Utopie
eines vorrationalen, ursprungshaften Lebens, das allen Verengungen des unter
der Herrschaft der Ratio entfremdeten Daseins überlegen sein sollte. Zwar spielt
in Kafkas Texte auch dies mit herein – in der Beschreibung eines Kampfes trägt das
Gesicht des Dicken, bevor er in der Strömung des Flusses untergeht, den „einfäl-
250 Zur Bedeutung für Hofmannsthal vgl. Richard Alewyn: Andreas und die ‚wunderbare Freun-
din‘. Zur Fortsetzung von Hofmannsthals Roman-Fragment und ihrer psychiatrischen Quelle, in:
Euphorion 49 (1955), S. 446–482 [wiederabgedruckt in: ders.: Über Hugo von Hofmannsthal,
4. Auflage, Göttingen 1967, S. 131–167, hier S. 135–139].
251 Hierzu: Silvio Vietta/Hans-Georg Kemper: Expressionismus, München 1975 (= UTB, Bd. 362),
S. 171–174: ‚Darstellung der Ich-Dissoziation bei Benn und van Hoddis. Totalisierung der Ver-
nunftkritik und die Sehnsucht nach dem Irrationalen‘.
110 Ausblick auf Hauptwerke der literarischen Wirkungsgeschichte
tigen Ausdruck eines Menschen, der nachdenkt“.252 Noch wichtiger scheint aber
das lebensphilosophische Ganzheitsdenken zu sein. Sowohl in der Beschreibung
eines Kampfes wie im Urteil ist das Ertrinken der Individuen in der Strömung des
Flusses ein Untergang in der großen Lebensströmung: eine aus innerer Notwen-
digkeit geschehende Selbstaufgabe der individuellen, fragmentierten Existenz im
Ganzen.
Erst aus der Fixierung auf eine solche präexistentielle Lebensganzheit erhält
die Vorstellung der fragmentierten individuellen Existenz ihre Virulenz. Sie stei-
gert sich bis zum tödlichen Zwang zur Selbstaufgabe als dem einzigen Weg zurück
zum Ganzen. Das Ganze des Lebenszusammenhangs, so die Leitvorstellung,
wird erst durch Auslöschung alles Individuellen hergestellt. Schopenhauer hatte
daher die Aufhebung des „principium individuationis“ zu einem pessimistisch
grundierten Leitmotiv seiner Philosophie gemacht. Nietzsche folgte ihm darin
in der Geburt der Tragödie. Für Kafka ist dieses Ganze des Lebenszusammen-
hangs, ganz nach Schopenhauer, nur durch Negation des individuellen Daseins
zu erreichen. Schopenhauer seinerseits war mit dieser Vorstellung durch die
buddhistische Nirwana-Lehre, den vorbuddhistischen altindischen Vedanta und
den Spruch des Anaximander vertraut, demzufolge das Heraustreten der indivi-
duellen Qualitäten aus dem ursprünglichen Ganzen ein schuldhaftes Geschehen
ist, das abgebüßt werden muss. Die vieldiskutierte Frage der „Schuld“ im Urteil
rückt damit in einen Horizont jenseits des Persönlichen und auch jenseits der
persönlichen Verantwortung. „Schuld“ ist letztlich das Schicksal der Individua-
tion. Nichts allerdings lag Kafka ferner als die vitalistisch-„dionysische“ Lebens-
berauschung, mit der Nietzsche auf das Epigonensyndrom des 19. Jahrhunderts
und die Décadence-Obsession reagierte – und sich selbst damit euphorisierte.
Dementsprechend ist die im weit fortgeschrittenen Säkularisierungsprozess des
19. Jahrhunderts auffallend oft beschworene „Erlösung“ als Erlösung vom indivi-
duellen Dasein bei Schopenhauer und Nietzsche gegensätzlich kodiert.
Seine Kritik des vom ‚Willen zur Macht‘ und von der Genie-Ideologie bestimmten Volunta-
rismus.
Musils Roman Der Mann ohne Eigenschaften ist eine großangelegte und apore-
tisch endende Diagnose der sich in der untergehenden Donaumonarchie, in
„Kakanien“, paradigmatisch abzeichnenden allgemeineren Zivilisationskrise. Sie
zeugt zugleich von einer tief zwiespältigen Nietzsche-Rezeption. Der Protagonist
erfährt den Rückstoß einer Welt der „Eigenschaften“, in der alles schon fixiert
und konventionalisiert ist. Er entschließt sich deshalb, „Urlaub vom Leben“ zu
nehmen, um „die fertigen Einteilungen und Formen des Lebens, … dieses von
Geschlechtern schon Vorgebildete, die fertige Sprache nicht nur der Zunge,
sondern auch der Empfindungen und Gefühle“ hinter sich zu lassen.253 „Eigen-
schaften“ aller Art engen das Dasein in bestehende Schablonen ein und rauben
ihm die schöpferische Freiheit. An die Stelle von scheinhaft und hinfällig gewor-
denen Wirklichkeiten, bis hin zu den sprachlichen, in Gefühlen und Denkformen
konventionalisierten „Eigenschaften“ soll die Fülle schöpferischer Möglichkeiten
treten. Das heißt aber auch, dass an die Stelle der überlieferten Moral – hier adap-
tiert er Nietzsches zentrales Thema, die Moralkritik – eine neue Moral tritt, die
den Menschen vor Entfremdung bewahren und ihm seine Authentizität sichern
soll. Mindestens hält sie ihn für ursprüngliche Erfahrungen offen und sucht seine
schöpferischen Energien freizusetzen.
Was Ulrich deshalb seine „Genie-Moral“ nennt, ist die innere Loslösung von
allem durch Gewohnheit Fixierten, eine Loslösung, die Nietzsche im Anschluss
an die zeitgenössische Freidenker-Bewegung zum Kennzeichen seines ‚Freigeists‘
und der von ihm bis zum Immoralismus radikalisierten Freigeisterei macht.254 Ent-
sprechend tritt Ulrich, der „Mann ohne Eigenschaften“ auf. Er entzieht sich allen
Festlegungen: den beruflichen, indem er „Urlaub vom Leben“ nimmt, den fami-
liären, indem er ein Junggesellen-Dasein mit anarchischem Liebesleben führt,
den politischen, indem er sich zu keiner Partei und keiner Richtung schlägt, den
ideellen, indem er skeptische Distanz zu allen Systemen und Ideologien bewahrt.
Er ist „nichts“, um alles sein zu können. Als „potentieller Mensch“255, der ver-
253 Robert Musil: Der Mann ohne Eigenschaften = ders.: Gesammelte Werke, hg. von Adolf Frisé,
Bd. 1, Reinbek bei Hamburg 1978, S. 129 (= MoE).
254 Vgl. Morgenröthe 20, KSA 3, 32 f.
255 MoE, S. 251.
112 Ausblick auf Hauptwerke der literarischen Wirkungsgeschichte
mutet, „daß wahrscheinlich auch Gott von seiner Welt am liebsten im Conjuncti-
vus potentialis spreche“256, verachtet er die Wirklichkeiten und lebt bewusst den
Möglichkeiten: dem, was noch nicht ist, aber jederzeit neu geschaffen werden
könnte. Obwohl sich im Potentialis auch eine Potenz-Phantasie und damit ein
verkappter ‚Wille zur Macht‘ ausdrückt, verkörpert der „Mann ohne Eigenschaf-
ten“ den Typus der ungefähr gleichzeitig von Karl Mannheim charakterisierten
„frei schwebenden Intelligenz“. Doch geht er auf doppelte Weise auch darüber
hinaus, da er einem leidenschaftlichen „Utopismus“ huldigt und eine bis in eine
säkularisierte Mystik reichende Innerlichkeit kultiviert, die in der Erfahrung
eines „anderen Zustands“ ihre höchste Intensität erhält.
Der Utopismus als freigesetztes Möglichkeitsdenken ist nicht messianisch
gefärbt257, sondern vom Verlangen nach rationaler Kontrolle bestimmt, das
256 MoE, S. 19.
257 Hierzu die Analyse von Klaus Schreiner: „Wann kommt der Retter Deutschlands?“ Formen
und Funktionen von politischem Messianismus in der Weimarer Republik, in: Saeculum 49 (1998),
S. 107–160. Nach dem Ersten Weltkrieg stellte Max Scheler (der schon 1928 starb) eine „beispiel-
lose Sehnsucht nach Führerschaft“ fest, die sich auch in den zahlreichen neuen ‚Kreisen‘, ‚Schu-
len‘, Sekten und sonstigen Gruppierungen „für alle Arten von Lebensinteressen“ ausprägte,
„jede mit ihrem besonderen ‚Heiland‘, ‚Propheten‘, ‚Weltverbesserer‘ in der Mitte, jede mit hohen
Ansprüchen aller Art, die Welt zu bessern und zu bekehren“ – als Surrogat für die verlorenen „bis-
herigen geschichtlichen Führerschaften“ (Max Scheler: Vorbilder und Führer, in: ders.: Schriften
aus dem Nachlass, Bd. 1: Zur Ethik und Erkenntnislehre, hg. von Maria Scheler, Berlin 1933). „Die
größte Frage der politischen Gegenwart“, so Scheler, „ist: entweder Umformung des Parteiwe-
sens oder Weg der Diktatur und der Restauration“ (S. 220). Vor allem in der Zeit zwischen 1919
und 1933 erlangten lebensreformerische Wanderprediger und Propheten Bedeutung, die sich als
‚Erlöser‘ gerierten und zur Projektionsfläche für die Heilserwartungen einer von Existenzängsten
geplagten, an Sinnverlust, Orientierungsmangel und kollektiver Verunsicherung leidenden Gene-
ration wurden. Hierzu vor allem Ulrich Linse: Barfüßige Propheten. Erlöser der zwanziger Jahre,
Berlin 1983. Vgl. Barbara Neymeyr: Psychologie als Kulturdiagnose. Musils Epochenroman ‚Der
Mann ohne Eigenschaften‘, Heidelberg 2005, S. 177; dort in Anm. 339 der Hinweis auf die literari-
schen Verarbeitungen des historischen Phänomens in Gerhart Hauptmanns Der Apostel, Rilkes
Der Apostel und Thomas Manns Beim Propheten. – Klaus Schreiner weist S. 158 f. darauf hin, dass
die Begeisterung für messianische Führergestalten schon im 19. Jahrhundert und am Anfang des
20. Jahrhunderts kein Spezifikum der Deutschen, sondern eine europäische Erscheinung war. In
dieser Strömung steht Nietzsche mit seinem Preis der „Führer“ und der „cäsarischen Züchter und
Gewaltmenschen“ (KSA 5, 136, 21). Schon in dem Vortrag V der nachgelassenen frühen Basler
Reden Ueber die Zukunft unserer Bildungsanstalten ruft er aus: „Denn ich wiederhole es, meine
Freunde! – alle Bildung fängt mit dem Gegentheile alles dessen an, was man jetzt als akademische
Freiheit preist, mit dem Gehorsam, mit der Unterordnung, mit der Zucht, mit der Dienstbarkeit.
Und wie die großen Führer der Geführten bedürfen, so bedürfen die zu Führenden der Führer“
(KSA 1, 750, 18–23). Vgl. auch das 9. Kapitel ‚Der Ruf nach dem Führer‘ in dem schon genannten
Werk von Kurt Sontheimer: Antidemokratisches Denken in der Weimarer Republlik, S. 268–280.
Musils Satire auf Nietzscheanismus und Wagnerismus im Mann ohne Eigenschaften 113
„Genauigkeit und Seele“ vereinen soll. Es soll nicht deduktiv von schwärmeri-
schen Idealen abgeleitet werden, sondern sich einer experimentellen „Utopie
der induktiven Gesinnung“ verpflichten. Mit ihr verbindet Musil das für seinen
Roman inhaltlich und strukturell zentrale Unternehmen des „Essayismus“.
Sein Protagonist orientiert sich hierfür an Nietzsche, denn dieser hatte in seiner
„mittleren“, aufklärerischen Phase, insbesondere in der Morgenröthe, ein aus
horizontloser Offenheit kommendes experimentelles, als „Versuch“ angelegtes
„Abenteuer“ propagiert: eine experimentelle Haltung, die nicht feste Ziele oder
philosophische Systembauten anvisiert, sondern wagemutig sogar die Aporie
und das Scheitern riskiert. Dem oft zitierten letzten Aphorismus der Morgen
röthe: „Wir Luft-Schifffahrer des Geistes“ entspricht diese Einstellung von Musils
‚Mann ohne Eigenschaften‘, der nicht vorhandene Realitäten erstrebt, sondern
nach unbekannten Möglichkeiten sucht – oft genug, um sie wieder zu verwerfen.
Seine Geschichte ist auf Widerruf geschrieben, so wie Ulrich auf Widerruf lebt.
Als „essayistisches“, d. h. nie abgeschlossenes und prinzipiell nie abschließbares
Gedankenexperiment erscheint das Unternehmen, folgt man Musils Perspekti-
ven, als ein „genialer“ Roman.
Ausschlaggebend ist für Musil die eigene historische Erfahrung: die im
Krieg gipfelnde Zivilisationskrise, in der sich alle „Wirklichkeit“ als scheinhaft,
brüchig und suspekt erwiesen hat. Sie findet ihren anthropologischen Ausdruck
in der Identitätsauflösung eines Mannes ohne Eigenschaften. Musil radikalisiert
sie bis zu seinem „Theorem der Gestaltlosigkeit“ und der daraus resultierenden
beliebigen Verformbarkeit, ja Funktionalisierbarkeit des Menschen. Trotz dieser
skeptisch-pessimistischen Perspektive teilt er mit vielen Zeitgenossen die Stim-
mung eines neuen Anfangs, der sich, nach vorausgegangener apokalyptischer
„Menschheitsdämmerung“, bis zur Vision eines „neuen Menschen“ steigert.
Nietzsche hatte im Zarathustra den Übermenschen als denjenigen bestimmt,
der sich permanent selbst übersteigt. Nicht ein irgendwann erreichter oder als
erreichbar vorzustellender Typus ist für ihn der Übermensch, vielmehr eine
unendliche Progression, in der jeder Zustand sofort wieder aufgehoben wird
zugunsten eines noch ferneren und vorgeblich höheren. Über-Mensch heißt immer
schon Über-Gang. Daraus ergibt sich ein Dynamismus und ein in den „Willen
zur Macht“ einmündender Voluntarismus, von dem sich Musil deutlich distan-
ziert. Zwar kennt die „Genie-Moral“ des Mannes ohne Eigenschaften ebenfalls
nur Hypothesen, Möglichkeiten, Vorläufigkeiten, aber nicht Nietzsches hybride
Potenzierung zu immer höheren Formen des Menschseins. Ulrichs schöpferische
Moral gilt als eine experimentelle und essayistische nicht dem lebensberausch-
ten Überholen ins Zukünftige hinein. Schon gar nicht ist sie vom Vitalismus und
von den biologistischen Züchtungsphantasien bestimmt, in die Nietzsche seit
dem Zarathustra abglitt. Das pseudoprophetische Pathos und der dekretierende,
114 Ausblick auf Hauptwerke der literarischen Wirkungsgeschichte
258 MoE, S. 53.
259 MoE, S. 53.
260 MoE, S. 52.
Musils Satire auf Nietzscheanismus und Wagnerismus im Mann ohne Eigenschaften 115
Dass sich Clarisse, wie immer wieder hervorgehoben wird, schon mit fünf-
zehn Jahren endgültig auf das „Genie“ festgelegt hat, mit „substanzlos flam-
mendem Willen“261, zeugt von backfischhafter Unreife. Es geht dabei überhaupt
um die Unreife einer derartigen Geisteshaltung, wie sie den sich auf Nietzsche
berufenden, in Jugendbewegung und Expressionismus einmündenden leer-
voluntaristischen und aktivistischen Irrationalismus kennzeichnet.262 Er tendiert
zu falschen Unmittelbarkeiten. Deshalb heißt es von Clarisse: „Für zeitkritische
Gespräche war sie nicht zu haben; sie glaubte schnurstracks an das Genie“.263
Indem sie nur ein Erlösungsbedürfnis auslebt und weder weiß, was das Genie ist,
noch den realen Mangel an Genie zu ertragen vermag, erweitert sich immer mehr
„die Kaverne des Unheils, das Arme, Kranke, unselig Genialische in Clarisse“264
bis zur vollständigen Wahnbildung. So werden an Clarisse die zerstörerischen
Konsequenzen einer falschen Ideologie deutlich: die Unfähigkeit, in der Reali-
tät anderes als ungeniale Trivialität zu sehen, fanatische Intoleranz, schließlich
Selbstentfremdung und Wahnbildung. Zu verhängnisvollen Verengungen dieser
Art muss es nach Musil offenbar überall dort kommen, wo nicht genügend Intel-
lektualität und innere Stärke vorhanden ist, eine horizontlose Weite als geistiges
Abenteuer zu erfahren, als Abenteuer, wie es Nietzsche im letzten Aphorismus
der Morgenröthe (‚Wir Luftschifffahrer des Geistes‘) entworfen hatte. Charakteris-
tischerweise hat Ulrich Clarisse mit Nietzsche nicht intellektuell herausgefordert,
sondern bloß infiziert, als er ihr Nietzsches Werke schenkte. Clarisse und Nietz-
sche – das ist die literarische Gestaltung eines fragwürdigen Rezeptionsvorgangs.
Ihre Virulenz erhält die Nietzsche-Krankheit nur durch besondere Disposi-
tion. Musil stellt Clarisse als ein erblich von übermäßiger Sinnlichkeit bedrohtes
Wesen dar, das nach Sublimierung der schon früh in dumpfen Ängsten erlittenen
Triebwelt sucht. Nietzsche und das „Genie“ setzt sie als erlösende Transforma-
tionsinstanzen ein. „Ihre Beine hatten nicht mehr Genie als ihr Kopf, sie hatten
genau das gleiche, sie waren es selbst“, heißt es einmal sarkastisch.265 Jenseits
seiner Reflexion auf die bloß ideologische Entwicklung, die der Genie-Kult im
deutschen Geistesleben nahm, bemüht sich Musil also noch um eine psycholo-
gische Fundierung dieser Entwicklung. Die Phantasie vom genialen Übermen-
schen entpuppt sich ihm als Flucht-Reflex allzu erdenschweren Daseins. Das eine
Extrem ruft das andere. Daher auch das spezifisch Exzentrische und Exaltierte
261 MoE, S. 62.
262 Seine Ablehnung des irrationalistischen Expressionismus kleidete Musil in die Satire auf
den Dichter „Feuermaul“, eine Werfel-Karikatur.
263 MoE, S. 62.
264 MoE, S. 63.
265 MoE, S. 441.
116 Ausblick auf Hauptwerke der literarischen Wirkungsgeschichte
von Clarisses Nietzsche-Idolatrie, mit der Musil zugleich die auffallende Rolle von
Frauen im Nietzsche-Kult thematisiert.266 Bereits im Jahr 1899 erschien in der Zeit-
schrift Die Frau ein Artikel über „Friedrich Nietzsches Einfluss auf die Frauen“.
Er hebt das „Nietzsche-Fluidum“ von „unwiderstehlichem Durchdringungsver-
mögen“ und „hypnotischer Kraft“ hervor, das „in immer steigendem Grade die
Gedanken und Worte eines großen Teils der redenden und schreibenden Men-
schen“ durchzieht: „Auch unter den Frauen hat Nietzsche eine große Zahl begeis-
terter Anhängerinnen. Sie machen das Wort des alten Weibleins … ‚du gehst zu
den Frauen, vergiß die Peitsche nicht‘ zu einem Rat voll tiefer psychologischer
Weisheit. Dem, der die Peitsche so nachdrücklich über ihnen geschwungen hat
[eine Anspielung auf Nietzsches misogyne Äußerungen], küssen sie anbetend
den Saum des Gewandes“. Der Nietzsche-Kult, so fährt die Autorin fort, „der von
ihm Hypnotisierten“ reicht so weit, „dass ihr ganzes Sein und Wesen, ihre Welt-
anschauung, ihre seelischen Äußerungen … darin eingetaucht“ sind.267
Erst aus derart existentiellem Unterbau entsteht die subjektive Plausibilität
und die psychische Valenz der Genie-Ideologie. Sie resultiert nicht aus abstrakt-
gedankenhaften Vorstellungen, sondern ist ein aus dumpfer Befangenheit auf-
steigender Erlösungstraum. Die Negativität des Ungeistigen und Ungenialen
produziert, wo sie unter pathologischen Druck gerät, die kompensatorischen
Ausbruchsversuche ins Reich des Genies, allerdings nur, um alle Lebensnormali-
tät zu zerstören und im Irrsinn zu enden.
So führt Musil an Clarisse eine ironische Variation des schon fest etablierten
Mode-Themas ‚Genie und Wahnsinn‘ vor. Nicht die geistige Gefährdung bringt
das Genie hervor, vielmehr produziert das krampfhafte Bedürfnis nach dem erlö-
senden Genie den Irrsinn – den Irrsinn einer ganzen Epoche. Das ist zugleich
eine Abrechnung mit Nietzsches Übermenschen, der sich dem „Willen“ zur Macht
hingibt und im Wahnsinn seines Autors wie der im kollektiven Kriegs-Wahnsinn
der vom Nietzsche-Kult ideologisch bestimmten Epoche endet. Die Sehnsucht
nach dem Über-Menschen endet in selbstzerstörerischer Über-Spannung. Nicht
Genie und Wahnsinn, sondern Wahnsinn ohne Genie ist das Resultat. Clarisses
zunehmende Aberration und die Reduktion ihres Interesses auf den geisteskran-
268 Auch mit dem Thema des Lustmords greift Musil ein zeittypisches Phänomen auf, das vor
allem in der expressionistischen Malerei auffällt. Otto Dix malte 1920 ein ‚Selbstbild als Lustmör-
der‘ (Fritz Löffler: Otto Dix. Leben und Werk, Dresden 1960, Tafel 23), Paul Fuhrmann 1921 das
Aquarell ‚Lustmord‘ (Berlinische Galerie, Inv. BG-G 125/6. ‚Lustmord in der Ackerstraße‘ heißt
eine berühmte Federzeichnung von George Grosz aus dem Jahre 1916 (George Grosz – Nachlaß,
Princeton, New Jersey; vgl. Hans Hess: George Grosz, Dresden 1982, S. 55). 1918 variierte Grosz
das Motiv in den beiden Gemälden ‚Der Frauenschänder‘ und ‚John der Frauenmörder‘ (Privat-
besitz Mailand, vgl. Hess S. 61; Kunsthalle Hamburg, vgl. Hess S. 59). Oskar Kokoschka schrieb
zwei kurze Dramentexte mit dem Titel ‚Mörder Hoffnung der Frauen‘ (1907/10 und 1907/16), die
mit einer Mordszene enden (Oskar Kokoschka: Das schriftliche Werk, hg. von Heinz Spielmann,
Bd. 1: Dichtungen und Dramen, Hamburg 1973, S. 33–41 und 43–51). Zeichnungen gleichen Titels
fertigte Kokoschka um 1909/10 an. Sie erschienen in der Zeitschrift Sturm. Vgl. hierzu und zum
gesamten Moosbrugger-Komplex Neymeyr: Psychologie als Kulturdiagnose, S. 238–255.
269 Robert Musil: Tagebücher, hg. von Adolf Frisé, Bd. 2: Anmerkungen, Anhang, Register, neu
durchgesehene und ergänzte Auflage, Reinbek bei Hamburg 1983, S. 1097.
118 Ausblick auf Hauptwerke der literarischen Wirkungsgeschichte
wurf hervor. Sowohl Diotimas wie auch Ulrichs Ambitionen müssen vor einer
Instanz kapitulieren, die pragmatisch Ordnung schafft. Diese Instanz verkörpert
General Stumm von Bordwehr, der Vertreter des Militärs. Ihm bleibt der „Zivil-
geist“ trotz redlichen Bemühens verschlossen. Nicht ohne innere Berechtigung
stellt er die Liederlichkeit der bloßen Schöngeisterei und auch die Unzulänglich-
keit der Genie-Moral fest. Dass Musil als die Macht des Faktischen, die Schöngeis-
terei wie experimentelle Theorie überwältigt, das Militär statt der hohen Politik
bevorzugt, liegt in seinem Plan begründet, das Geschehen dem Mechanismus
geistlos-unpolitischer Sachzwänge zu überantworten und in den Ersten Welt-
krieg einmünden zu lassen. Vor allem aber wird so in grotesker Weise offenkun-
dig, wie die idealistisch-schöngeistige und andererseits die innerlich-mystische
und „geniale“ Haltung dem äußeren Weltgeschehen in seiner grobschlächtigsten
Form zum Opfer fallen müssen.
Wohl sollte das Entstehen des Krieges aus der Durchsetzung der militäri-
schen „Ordnung“ dem Nachweis dienen, dass diese, als Pseudo-Ordnung par
excellence, in katastrophale Un-Ordnung führt und dass die geistige Orientie-
rung auf wahre und innerlich verantwortbare Ordnung um so dringlicher ist. Den
Impuls hierzu verspüren nicht zufällig gerade im Vorfeld des Ersten Weltkriegs
Diotima und Ulrich in ihrer jeweils verschiedenen Weise. Aber es geht auch um
die Demonstration der Ohnmacht, ja Irrelevanz des Geistes, die um so größer
scheint, je verinnerlichter er ist und je mehr er sich dem utopischen Wahren
anzunähern sucht. Nachdem der Roman mit soviel Elan den hohen Anspruch
eines Mannes ohne Eigenschaften, die Idee des Utopismus und Essayismus ent-
wickelt hat, nachdem der mystische „andere Zustand“ in der Verbindung Ulrichs
mit seiner Schwester Agathe trotz des schließlichen Scheiterns soviel Faszination
gewonnen hat, scheint es, als habe Musil in mühseliger Selbstanzweifelung und
sogar Selbstwiderlegung alles Frühere abzuarbeiten begonnen, ohne doch eine
weiterführende neue Perspektive zu bieten. Erledigt war damit zugleich, wie indi-
rekt auch immer, Nietzsches und Wagners, ja schon Schopenhauers Erlösungs
pathos samt der überständigen Genie-Ideologie.
war Nietzsche für ihn ‚Material‘, das er verarbeitete. Entsprechend seinen eigenen
Wandlungen, die über eine lange Lebens- und Schaffenszeit hinweg durch die
alles verändernden und erschütternden historischen Ereignisse in der ersten
Hälfte des 20. Jahrhunderts mitbedingt waren, durchlief seine Nietzsche-Rezep-
tion ganz unterschiedliche Phasen.270 Sie war von Anfang an durch seine Scho-
penhauer-Lektüre und durch den für Nietzsche selbst in unbedingter Anhänger-
schaft wie später in kritischer Distanzierung maßgebenden Schopenhauer-Bezug
mitbestimmt.
Thomas Mann erwarb sich seine umfassende und gründliche, ständig ver-
tiefte Nietzsche-Kenntnis nicht nur aus dessen Schriften, sondern auch aus zahl-
reichen Aufsätzen und Werken über Nietzsche. Unter diesen war Ernst Bertrams
Buch Nietzsche. Versuch einer Mythologie (erstmals 1918, zahlreiche Neuauflagen
noch in den zwanziger Jahren) von herausragender Bedeutung, weil Bertram sein
Werk aus dem heroisierenden Geist der George-Schule bewusst als „Mythologie“
gestaltete und damit Nietzsche zu mythisch-tragischer Größe erhob, wie dies
dem in den Jahren 1900–1930 grassierenden Nietzsche-Kult entsprach. Gegen-
über Nietzsches philosophischen Lehren allerdings blieb Thomas Mann skep-
tisch-distanziert, weil er ihre permanenten Selbstsuggestionen und andererseits
Selbstaufhebungen, ja auf „Selbstüberwindung“ angelegten Strategien erkannte.
In seinem 1930 verfassten Lebensabriß271 schreibt er „Ich nahm nichts wörtlich
bei ihm, ich glaubte ihm fast nichts“. Tiefer beeindruckte ihn nur, was Nietzsche
mit Schopenhauer und Wagner verband: „der Nietzsche, der mir eigentlich galt
und meiner Natur nach erzieherisch am tiefsten auf mich wirken mußte, war der
Wagnern oder Schopenhauern noch ganz Nahe oder immer Nahegebliebene“.272
Was Thomas Mann von Nietzsche übernahm, war dessen Lebensphiloso-
phie, als Ironiker aber sah er die „Idee des Lebens“ immer schon durch Nietz-
sches Moralkritik und Entlarvungspsychologie unterhöhlt, weil der ‚Sinn‘ des
Lebens als metaphysisches Hirngespinst der Desillusionierung verfiel. So endete
auch dieser Weg, nach mancherlei (pseudo-)naiven Verführungen, etwa in Tonio
Kröger und im Zauberberg, letztlich doch in Schopenhauers Pessimismus. Dem
von Nietzsche zum Zentrum des ‚Lebens‘ deklarierten „Willen zur Macht“ konnte
Thomas Mann sowenig abgewinnen wie der Verstiegenheit des „Über-Menschen“.
270 Thomas Manns Nietzsche-Rezeption hat mit allen wichtigen Nachweisen, sowohl aus den
Werken wie aus den Essays, Briefen und Tagebüchern, Børge Kristiansen dargestellt, in: Helmut
Koopmann (Hg.): Thomas-Mann-Handbuch, Stuttgart 1990, S. 260–283.
271 Thomas Mann: Gesammelte Werke in dreizehn Bänden, hg. von Hans Bürgin/Peter de Men-
delssohn, Bd. XI: Reden und Aufsätze 3, 2., durchgesehene Auflage, Frankfurt am Main 1974,
S. 110 (= GW).
272 GW XII, 541.
120 Ausblick auf Hauptwerke der literarischen Wirkungsgeschichte
Stattdessen gewann gerade der Gegensatz: das Kranke, Dekadente die Oberhand.
Den ‚Willen zur Macht‘ hatte ja schon Nietzsche als kompensatorische Projek-
tion des Ohnmächtigen, die „große Gesundheit“ als Wunschtraum des Kranken
zugleich lanciert und dementiert. Deshalb zeigt sich Thomas Mann dort in der
größten Nähe zu Nietzsche, wo er dessen Décadence-Diagnose übernimmt und
mit ihr die Décadence-Stimmung der Zeit. Beim Künstler wird sie zur Angst vor
dem Versiegen schöpferischer Kraft, zu einer Angst, die durch Jugendkult, durch
Hingabe an den ‚dionysischen‘ Lebensrausch, durch expressionistisches Wort
getöse und futuristische Flucht nach vorne höchstens zu übertäuben ist.
Das Mode-Thema ‚Genie und Wahnsinn‘ hatte durch Nietzsches Schick-
sal und den schon im 14. Aphorismus der Morgenröthe als höhere Legitimation
seiner Genialität herbeigewünschten Wahnsinn eine fatale Wirkungsgeschichte.
Im Gefolge Nietzsches wurde der Geisteskranke zur Verkörperung einer anarchis-
tischen Anomie, die totale Befreiung verhieß. Georg Heym schrieb 1906 in seinem
Tagebuch „O daß es mir gelingen möchte, mein Leben nun umzugestalten, um
ein Pfeil zum Übermenschen zu werden“.273 In seiner Geschichte Der Irre feiert er
den heilbringenden Wahnsinn.274 Und Marinettis Futuristisches Manifest (1909)
hat als Wunschziel die „Stadt Paralysia“. Als der expressionistische Dramatiker
Georg Kaiser wegen seiner Schulden unter Anklage gestellt wurde, verkündete
er ganz nach Nietzsche: „Unsinnig ist der Satz: ‚Alles ist gleich vor dem Gesetz‘.
Einem Genie gelte der schöpferische Akt als Höchstes, auch ‚wenn Frau und
Kinder darüber zu Blut werden sollten‘“.275
Derartiger Extremismus und Aktivismus samt den Wurzeln bei Nietzsche war
nicht Thomas Manns Sache. Er kultivierte oft eine bildungsbürgerliche, konser-
vative Sicht Nietzsches und goutierte dessen Ästhetizismus: das Artistenbekennt-
nis, das sein eigenes war. Den Radikalismus in Nietzsches Spätschriften sah er
je länger, desto mehr und besonders in der Zeit des Nationalsozialismus als ver-
hängnisvoll an, auch wenn er bis hin zum Faustus-Roman Ernst Bertrams mytho-
logisierender und verklärender Tendenz folgt, die aus dem Heros Nietzsche nun
ein Opfer, einen Märtyrer macht, der alle Last, alles Leid und alle Schuld der Zeit
zu tragen hat.
273 Georg Heym: Dichtungen und Schriften, hg. von Karl Ludwig Schneider u. a., Bd. 3: Tage-
bücher, Träume, Briefe, Hamburg 1960, S. 44. Vgl. Richard Frank Krummel: Nietzsche und der
deutsche Geist, Bd. 2: Ausbreitung und Wirkung des Nietzscheschen Werkes im deutschen Sprach-
raum vom Todesjahr bis zum Ende des Ersten Weltkrieges. Ein Schrifttumsverzeichnis der Jahre
1901–1918, 2. verbesserte und ergänzte Auflage, Berlin/New York 1998, S. 232.
274 Der Irre, in: Georg Heym: Der Dieb. Ein Novellenbuch, Leipzig 1913.
275 Zitiert nach Walter H. Sokel: The Writer in Extremis, S. 66 [deutsch: Der literarische Expres-
sionismus, S. 87 f.].
Nietzsche in Thomas Manns Werken 121
Thomas Mann hatte sich während des Ersten Weltkriegs mit seinen Betrach-
tungen eines Unpolitischen noch von einem konservativ-antidemokratischen
und antiwestlichen Standpunkt aus ganz im Sinne Nietzsches für den Krieg aus-
gesprochen. Zugleich wandte er sich gegen seinen Bruder Heinrich Mann, den
„Zivilisationsliteraten“, der zur selben Zeit seinen Roman Der Untertan mit entge-
gengesetzter Tendenz verfasste. Nach dem verlorenen Krieg und dem Untergang
des Wilhelminischen Kaiserreichs konvertierte Thomas Mann alsbald zum demo-
kratischen Wanderprediger. Und erneut glaubte er sich auf Nietzsche berufen zu
können. Den erklärten Gegner der demokratischen Bewegung und den radikal-
individualistischen Feind alles sozialen Denkens versuchte er als Demokraten
und sogar als Sozialisten zu vereinnahmen und zur legitimierenden Berufungs-
instanz der eigenen Wende zu machen. Obwohl Nietzsche den Faschismus ideo-
logisch mitformierte, schrieb Thomas Mann noch in einem Brief vom 3. Dezember
1945 an Karl Kerenyi, er habe Nietzsche gegen den „tendenziösen Mißbrauch“
durch die Faschisten verteidigen wollen.276 Und in einem Brief an Max Rychner
vom 24. Dezember 1947, im gleichen Jahr, in dem sein Doktor Faustus erschien,
machte er Nietzsche gar zum Sozialisten. „Die Wendung“, schrieb er, „vom ‚Sand
der metaphysischen Dinge‘ ist ja von Nietzsche und hat sozialistische Färbung
so gewiß wie es eine falsch-idealistische Art gibt, von ‚Materialismus‘ zu reden.
Warum sollte seine Sensibilität nicht von den sozialistischen Tendenzen der Zeit
so gut berührt gewesen sein, wie von den faschistischen …?“277 Er bedachte wohl
nicht, dass sich die Nationalsozialisten schon in ihrem Parteinamen als ‚Sozialis-
ten‘ ausgaben und derartige Etiketten kaum etwas über die politische Wirklich-
keit aussagen.
In der großen Rede vor Arbeitern in Wien 1932 kam eine Sozialismus-Defini-
tion zum Vorschein, die mit deutlichen Anklängen an Vorstellungen Nietzsches
diesen wiederum indirekt für den Sozialismus in Beschlag nahm. „Und Sozia-
lismus“, rief Thomas Mann aus, „ist nichts anderes als der pflichtmäßige Ent-
schluß, den Kopf nicht mehr vor den dringendsten Anforderungen der Materie,
des gesellschaftlichen und kollektiven Lebens in den Sand der metaphysischen
Dinge zu stecken, sondern sich auf die Seite derer zu schlagen, die der Erde einen
Sinn geben wollen, einen Menschensinn“.278 Diese auf „Sinn“ zielende Definition
des Sozialismus kehrte stereotyp in den Schriften und Reden Thomas Manns bis
1937 wieder.279 Die von ihm angeführten Wendungen vom „Sand der metaphysi-
276 Thomas Mann: Briefe, hg. von Erika Mann, Bd. II: 1937–1947, Frankfurt am Main 1963, S. 461 f.
277 Mann: Briefe II, S. 579.
278 GW XI, 899.
279 GW XII, 680; GW XIII, 343; GW XII, 809.
122 Ausblick auf Hauptwerke der literarischen Wirkungsgeschichte
schen Dinge“ und vom ‚Erden-Sinn‘ entnahm er folgender Stelle aus dem (eigent-
lich ungeliebten) Zarathustra: „Einen neuen Stolz […] lehre ich die Menschen:
nicht mehr den Kopf in den Sand der himmlischen Dinge zu stecken, sondern frei
ihn zu tragen, einen Erden-Kopf, der der Erde Sinn schafft!“280
Nach 1933 durfte Thomas Mann noch einige Jahre, bis zu seiner Ausbürge-
rung, in Deutschland publizieren. Das war ihm wichtig. Er distanzierte sich vom
Exil, nicht einmal das Engagement seines Sohnes Klaus in der Zeitschrift Die
Sammlung unterstützte er. Damit versuchte er mit dem Nazi-Regime wenigstens
soweit einen Kompromiss zu erreichen, dass seine Werke noch in Deutschland
gedruckt werden konnten. Obwohl er in seinem Brief an den Reichsinnenminister
Frick im Jahre 1934 dem Nationalsozialismus absagt, verspricht er zugleich, sich
nicht mehr öffentlich politisch zu äußern. Im Wortlaut:
Seitdem aber die Geschichte ihr Wort gesprochen, habe ich geschwiegen und mich strikt
an die Erklärung gehalten, die ich beim Austritt aus der Preußischen Akademie der Künste
abgab: Es ist mein Entschluß, alles Offizielle, das sich im Lauf der Jahre an mein Leben
gehängt hat, davon abzustreifen und in vollkommener Zurückgezogenheit meinen persönli-
chen Aufgaben zu leben.281
Erst nachdem die Nazis ihm 1936/37 die deutsche Staatsbürgerschaft und das
Bonner Ehrendoktorat aberkannt hatten, begann Thomas Mann in mehreren
politischen Kampfschriften282 auch von Nietzsche ein Stück weit abzurücken.
Zwar hatte er von einem „Keim des Schlimmen“ in Nietzsches geistiger „Revo-
lution“ bereits 1933 gesprochen283, 1935 von Nietzsches „bedenklicher Rolle“
(Tagebuch vom 8. 8. 1935), aber erst nachdem er selbst ausgebürgert worden war,
sagte er nicht nur dem Hitler-Regime den Kampf an, sondern kritisierte scharf
nun auch Nietzsche, allerdings erst nach der Katastrophe mit voller Entschie-
denheit: in den großen Essays Deutschland und die Deutschen (1945) und Nietz-
sches Philosophie im Lichte unserer Erfahrung (1947), wo er einen ebenso fulmi-
nanten wie treffenden Verriss des Zarathustra lancierte,284 der von Anfang an im
Zentrum des Nietzsche-Kults stand. Immerhin warf er schon vor 1938 in seinem
Schopenhauer-Essay Nietzsche vor, er habe mit seinen Begriffen von Krankheit
und Gesundheit eine „falsche Gesundheit auf den Plan gerufen“.285 In dem Essay
Denken und Leben (1941) kritisierte er die fragwürdigen Lieblingsbegriffe des
286 GW X, 365.
287 GW XII, 907 f.
288 Alexander Tille: Die Faustsplitter in der Literatur des sechzehnten bis achtzehnten Jahrhun-
derts nach den ältesten Quellen, Berlin 1900, S. 864.
289 Zwei Schlüsselpublikationen haben das relevante Material aufgearbeitet: Hans Schwerte in
seinem Buch Faust und das Faustische. Ein Kapitel deutscher Ideologie, Stuttgart 1962; und André
Dabezies: Visages de Faust au XXe siècle. Littérature, Idéologie et Mythe, Paris 1967.
124 Ausblick auf Hauptwerke der literarischen Wirkungsgeschichte
Zeit lag erst das 1790 erschienene Fragment von Goethes Faust vor –, Faust sei
„unsere mythologische Hauptperson“, und er begründet dies damit, dass er
„recht aus der Mitte des deutschen Charakters und seiner Grundphysiognomie
wie geschnitten ist“.290 Heine, dessen weltanschauliches Credo in der Opposition
Spiritualismus – Sensualismus seine Formel fand, propagierte gegen den reli
giösen und den idealistischen Spiritualismus die „Emanzipation des Fleisches“.
Er stülpte dieses Schema Goethes Faust über: Fausts Übergang vom Gelehrten-
dasein in das Weltleben, aus der Sphäre spekulativer Geistigkeit in die Sphäre
der Sinnlichkeit erklärte er zum Modell des Emanzipationsprozesses, den er sich
für die Deutschen wünschte. „Das deutsche Volk“, so schreibt er in der Roman-
tischen Schule, zugleich selbstironisch übertreibend, „ist selber jener gelehrte
Doktor Faust“, „jener Spiritualist, der mit dem Geiste endlich die Ungenügbarkeit
des Geistes begriffen und nach materiellen Genüssen verlangt und dem Fleische
seine Rechte wiedergibt“.
Wie sehr Faust bereits im ersten Drittel des 19. Jahrhunderts zur Identifika
tionsfigur der Deutschen geworden war, zeigt am bündigsten Grabbes 1829
erschienenes Drama Don Juan und Faust, in dem Faust ausruft (I, 2): „Nicht Faust
wär’ ich, wenn ich kein Deutscher wäre!“291
Seit Beginn des 20. Jahrhunderts amalgamierte sich diese Ideologie mit dem
nun alles Andere an weltanschaulicher Bedeutung übertreffenden Nietzschea-
nismus. Dessen Hauptelemente waren ein forcierter Dynamismus, das Über-
menschen-Pathos und ein vom „Willen zur Macht“ bestimmter „männlicher“
Voluntarismus, nicht zuletzt ein programmatischer Immoralismus. Im Medium
dieses von Nietzsche propagierten Immoralismus wurden Fausts Schuld und
Verfehlungen nicht bloß wie bisher ignoriert, sondern als notwendige Elemente
einer sich über alle Normalbeschränkungen erhebenden Größe gewertet. Beides,
der Nietzscheanismus wie die „faustische“ Ideologie, waren Ausdrucksformen
des Imperialismus und eines hybriden Nationalismus. Zugleich dienten sie der
Legitimation. Arthur Moeller van den Bruck, der 1923 aus dem Geist der kon-
servativen Revolution sein Buch Das dritte Reich veröffentlichte,292 brachte in
seinem schon 1907 erschienenen Goethe-Buch die nationale Faustideologie auf
griffige Formeln. Für das „Nationalwesen“, das er in Faust repräsentiert sah, fol-
gerte er aus Fausts Ende, wer aus der Gewissheit handle, „verpflichtet zu sein auf
290 Vorlesung über die Philosophie der Kunst, gehalten in Jena 1802/1803, postum veröffentlicht
1859 (Friedrich Wilhelm Joseph Schelling: Philosophie der Kunst, Nachdruck der Ausgabe von
1859, Darmstadt 1980, S. 83).
291 Christian Dietrich Grabbe: Don Juan und Faust. Eine Tragödie, Frankfurt am Main 1829, S. 35.
292 Arthur Moeller van den Bruck: Das dritte Reich, Berlin 1923.
Nietzsche in Thomas Manns Werken 125
ein tätiges Leben, dem kann die Schuld nichts mehr anhaben …“.293 Einer der
bekanntesten Autoren der konservativen Revolution, Werner Sombart, vollzog
die schon zitierte kriegsgerechte Adaptation im Jahr 1915. In seinem Buch Händler
und Helden. Patriotische Besinnungen heißt es: „Militarismus ist der zum kriege-
rischen Geist hinaufgesteigerte heldische Geist. Er ist Potsdam und Weimar in
höchster Vereinigung. Er ist ‚Faust‘ und ‚Zarathustra‘ und Beethovenpartitur in
den Schützengräben“.294
Nachdem Oswald Spengler in seinem Bestseller Der Untergang des Abend-
landes295 den faustischen Menschen vollends zur Leitinstanz einer „Welt
anschauung“ erhoben hatte, folgten zahlreiche Bücher, die das „Faustische“ als
das „Deutsche“ priesen. Für den bekannten Literaturhistoriker Eugen Kühne-
mann steht in seiner weitverbreiteten Monographie Goethe (1930) hinter Faust
„die ganze Geschichte des germanischen Geistes“296 und Faust ist „bis zum Ende
das rechte Wahrzeichen der Deutschheit“.297 Ja, Kühnemann ernannte Faust zum
„Führer“: „Wieder bedeutet Faust das Buch des Propheten für die deutsche Seele.
Faust ist als der Führer zur wahren Deutschheit neu geboren …“.298
Schon vor Beginn des Hitler-Regimes erhoben besonnene Gelehrte Wider-
spruch gegen die grassierende Ideologisierung der Faustgestalt – es führte keine
Einbahnstraße mit zwangsläufiger Notwendigkeit in die Vereinnahmung durch
die Nationalsozialisten, die „Faust im Braunhemd“ feierten.299 Programma-
tisch ist der Widerspruch im Titel, den ein bekannter Literaturwissenschaftler,
Wilhelm Böhm, für sein Buch wählte: Faust der Nichtfaustische.300 Dieses schon
1932 geschriebene und 1933 erschienene Werk brachte die bereits im 19. Jahr-
hundert erhobenen kritischen Einwände gegen die Ideologisierung von Goethes
Faustgestalt auf den Nenner. Böhm wies – und traf damit zugleich Nietzsche –
auf das Zerbrechen der hybriden Vorstellung vom Übermenschen schon in der
Erdgeist-Szene hin, in welcher der Elementargeist im Feuer erscheint und zu
dem, wie es in der Szenen-Anweisung heißt, „zusammenbrechenden“ Faust sagt:
„Welch erbärmlich Grauen fasst Übermenschen dich“! Böhm pointierte auch das
301 Konrad Burdach: Faust und die Sorge, in: Deutsche Vierteljahrsschrift für Literaturwissen-
schaft und Geistesgeschichte 1 (1923), S. 1–60, hier S. 27.
Nietzsche in Thomas Manns Werken 127
Es wurde schon deutlich, welche Rolle der Zarathustra als ideologischer Enthem-
mer im Ersten Weltkrieg spielte; auch dass Nietzsche mit dem Zarathustra-Kapitel
‚Vom Krieg und Kriegsvolke‘ tatsächlich ein Propagandist des Krieges und des
„Kampfes“ war und wie sehr sich deshalb der Erste Weltkrieg mit seinem Namen
verband.303 Zusammen mit der Wahnidee vom „Übermenschen“ transportierte
der zum effektvollen Schlagwort zurechtgemachte „Wille zur Macht“ Gewaltver-
herrlichung und aggressive Vernichtungsphantasien. Damit konnte Nietzsche
zum Ideologen des Krieges werden, neben vielen anderen deutschen Intellektuel-
len und Katheder-Helden, und aufgrund des inzwischen florierenden Nietzsche-
Kults alsbald sogar als Leitfigur.304 Nietzsche, der sich in der Phrenesie des Ecce
homo als „Vernichter par excellence“305 rühmte, nahm schon vorhandene Ten-
denzen und Parolen auf, die sich bei den europäischen Mächten immer mehr zur
mentalen Kriegsbereitschaft, ja zur Kriegsbegeisterung steigerten. Doch radika-
lisierte er alles bis zum Äußersten, auch die vulgärdarwinistischen Ausrottungs-
programme. Er forderte „die schonungslose Vernichtung alles Entartenden“.306
„Jene neue Partei des Lebens“, verkündete er, „welche die grösste aller Aufgaben,
die Höherzüchtung der Menschheit in die Hände nimmt, eingerechnet die scho-
nungslose Vernichtung alles Entartenden und Parasitischen, wird jenes Zuviel
von Le b e n auf Erden wieder möglich machen, aus dem auch der dionysische
Zustand wieder erwachsen muss“.
Diese „neue Partei“ kam 1933 an die Macht.
Das Giftgebräu eines rassistischen Biologismus, für das besonders Nietzsches
Spätschriften die Ingredienzien boten, wurde bereits Jahrzehnte vor der Macht-
ergreifung der Nationalsozialisten durch den Hauptherausgeber seiner Werke,
durch Heinrich Köselitz alias Peter Gast zur editorisch legitimierten politischen
Lesart. Schon 1905 und dann im Nachbericht der für Jahrzehnte maßgeben-
den Edition schrieb er zu den Abhandlungen Jenseits von Gut und Böse und Zur
Genealogie der Moral sowie im Hinblick auf das Schlagwort „Wille zur Macht“:
Liegen die Keime dieser Probleme auch schon in seinen früheren Schriften vor, so wachsen
sie doch erst mit der hier beginnenden biokritischen Psychologie des Herren- und Sklaven-
Menschen zu jener Umwerthungslehre empor, mit welcher Nietzsche’s Name für immer
verknüpft bleiben wird und in deren bewusster Anwendung durch Einzelne die künftige
Grösse und Macht der indogermanischen Rasse beschlossen liegt. Die höheren Typen sind
biologisch anders bedingt, als die niederen; der führende Mensch hat eine andere Wer
thungsweise als der geführte. Ein Zeitalter, das sich an die Forderung einer gleichen Wer
thungsweise für Alle gewöhnt hat und verlangt, der höhere Mensch solle die des niederen
zur seinigen machen, arbeitet an der Herabstimmung nicht nur des höheren Menschen,
sondern der gesammten Masse, über der er stehen soll.307
S. 132–195.; Helmut Heiber: Universität unterm Hakenkreuz, Teil 1: Der Professor im Dritten Reich.
Bilder aus der akademischen Provinz, München u. a. 1991; Teil 2: Die Kapitulation der Hohen Schu-
len. Das Jahr 1933 und seine Themen, 2 Bde., München u. a. 1992 und 1994.; Sebastian Haffner:
Geschichte eines Deutschen. Die Erinnerungen 1914–1933, Stuttgart/München 2000; Hermann
Lübbe: Politische Philosophie in Deutschland. Studien zu ihrer Geschichte, München 1974.
305 KSA 6, 366, 33.
306 KSA 6, 313, 19–23.
307 Heinrich Köselitz: Nachbericht, in: Friedrich Nietzsche: Werke, Leipzig 1894–1911 u. ö.
[Großoktav-Ausgabe], Bd. 7, S. I.
130 Der ‚Wille zur Macht‘ im Zeitalter des Imperialismus und Faschismus
Und Köselitz fährt in dem für ihn charakteristischen verschwurbelten Stil fort:
In Nietzsche’s Unterscheidung der Herren-Moral (‚Gut‘ – ‚Schlecht‘, von oben aus gesehen)
und der Sklaven-Moral (‚Gut‘ – ‚Böse‘, von unten aus gesehen) und der parallel laufenden
Moralen des aufsteigenden und des niedergehenden Lebens liegt nicht nur die einzige Mög-
lichkeit der Diagnose unsrer europäischen Willenserkrankung und Verdüsterung, sondern
zugleich das Mittel zu ihrer Sanirung. Nietzsche erkannte schliesslich das Kräftespiel der
gesammten Naturerscheinungen unter einander als im Zeichen des ‚Willens zur Macht‘
(gleichsam der Herren-Moral) stehend.308
Nietzsche, ein schwächlicher, physisch wie psychisch kranker und deshalb von
der „großen Gesundheit“ schwärmender, am Abseits seiner isolierten Existenz
leidender und doch der Einsamkeit bedürftiger Sonderling, imaginierte kom-
pensatorisch „Macht“ und nahm Zuflucht zu einem desperaten Voluntarismus –
desperat auch deshalb, weil er mit seinem Erstlingswerk Schiffbruch erlitten hatte
und bis zum Ende seiner bewussten Lebenszeit keine Beachtung, geschweige
denn Anerkennung gefunden hatte. Weil er Opfer von Ohnmachtsgefühlen war,
wollte er eine „Unzahl Menschen“ opfern,309 um sich das „Gefühl der Macht“
wenigstens auf diese Weise zu verschaffen. Weil er nahezu ausschließlich Kom-
pilator von schon längst Vorhandenem war und hauptsächlich Sekundärliteratur
und hastig herangezogene populärwissenschaftliche Publikationen abschöpfte,
wollte er sich als Originalgenie, als weltverändernder Philosoph und obendrein
als inspirierter Künstler inszenieren. Seine künstlerische Begabung aber reichte
selbst nach Einschätzung seines besten Freundes Franz Overbeck, der ihm bis
zum Zusammenbruch beistand, über Rhetorik kaum hinaus. „Nietzsche’s Künst-
lerbegabung ist eine zu beschränkt rhetorische gewesen“, stellte Overbeck in
seinen Erinnerungen fest.310 Immer mehr geriet Nietzsche ins Schwadronieren
über Alles und Jedes, auf einen großmäuligen und größenwahnsinnigen, auch
durch reichlichen Opium-Konsum beflügelten, wenngleich vielfältig gebroche-
nen Ego-Trip, in halluzinatorisch aufgeblähte Repetitionen, Redundanzen und
Variationen, mit denen er meist nur früher schon von ihm selbst Gesagtes zusam-
menrührte und verquirlte.
Immer mehr schrumpfte auch seine Gedankenwelt zusammen: auf die
modische Moralkritik, die seine Schriften von Menschliches, Allzumenschliches,
Morgenröthe, Die fröhliche Wissenschaft bis hin zum Zarathustra und zu den
Spätschriften Jenseits von Gut und Böse, Zur Genealogie der Moral, Götzen-Däm-
308 Ebd., I f.
309 KSA 5, 206, 28.
310 Overbeck: Werke und Nachlass, Bd. 7/2, S. 31.
Die vom Zarathustra ausgehende Kriegspropaganda deutscher Intellektueller 131
merung und Antichrist bestimmte. Mit ihr schloss er sich der Konjunktur des
zeitgenössischen, radikal antichristlichen Freidenkertums an. Sein Freund Paul
Rée, dessen selbstlosen Zuarbeiten und Anregungen er so viel gerade im Hin-
blick auf die Moralkritik zu verdanken hatte, bezeichnete ihn rückblickend als
„geistreich und gedankenarm“.311 Weil er so zeitgemäß war, wollte er seine Origi-
nalität als großer Unzeitgemäßer beweisen. Weil er allen anderen Philosophen,
von Platon bis zu Kant und Schopenhauer, Falschmünzerei bescheinigte, glaubte
er sich selbst berechtigt, nach Belieben als Falschmünzer und Fälscher, nicht
zuletzt als philosophischer Kosmetiker und Maskenbildner zu agieren,312 der sich
vor der Demaskierung ebenso fürchtete wie vor dem Verwechseltwerden.313 Er
sprach vom „kleinen Betrug“.314 Gerade deshalb erklärte er sich umso vehemen-
ter zum einzig „redlichen“ und rechtschaffenen, da der Wahrheit verpflichteten
Dichter-Philosophen.315 Als Frührentner von der wohlwollenden Basler Behörde
mit auskömmlichen Mitteln ausgestattet, verlegte sich der in seinem Elfenbein-
turm von Krieg und Heldentum Träumende aufs Schwadronieren vom „Willen zur
Macht“ – und dies, obwohl er selber als Sanitäter in einem Lazarett-Zug, der die
Verwundeten von der Front im deutsch-französischen Krieg von 1870/71 in die
Heimat zurückbeförderte, das Leiden und das Elend der Soldaten unmittelbar
erfahren hatte.
Von seinem Alter her hätte Nietzsche gerade noch das Ende des Ersten
Weltkriegs erleben können, des „Nietzschean War“, und vielleicht hätte er
noch 80 Jahre nach seiner Geburt den Bericht lesen können, den der Autor des
‚Radetzkymarschs‘ 1924 für die ‚Frankfurter Zeitung‘ schrieb.
In Lemberg wurde der berühmte polnische Invalide begraben, über dessen demonstrativen,
heroischen Selbstmord alle Zeitungen der Welt berichtet hatten. Dieser Invalide sprach in
einer Versammlung seiner Kameraden über die gemeinsame Not, schloß mit einem Hochruf
auf die polnische Republik und schoß sich eine Kugel durch den Kopf. Er verließ das Leben
früher als das Rednerpult.
Man begrub ihn an einem jener trüben Tage, an denen der verhängte Himmel sehr nahe
über unseren Köpfen zu hängen scheint und der liebe Gott dennoch ferner ist als je. Den
Kondukt bildeten alle Invaliden der Stadt, alle Fragmente, alle gewesenen Menschen, die
Hinkenden, die Blinden, die ohne Arme, die ohne Beine, die Gelähmten, die Zitternden, die
ohne Gesicht und die mit zerschossenem Rückgrat, die Skrofulösen, die von der Liebe Zer-
fressenen, die Verblödeten und die taubstumm Gewordenen, die das Gedächtnis verloren
hatten und sich selbst nicht erkannten und alle, für deren Krankheiten die Gelehrten noch
keinen Namen gefunden haben, und die am Heldentum zu Grunde gehen.
Es gab keinen Invaliden, der zu Hause geblieben wäre. Diejenigen, die humpeln konnten,
humpelten; die kriechen konnten, krochen, und die sich überhaupt nicht bewegen konnten,
lagen auf einem großen Lastauto. Leider fand dieses Begräbnis in Lemberg statt, im entlege-
nen Ostgalizien! Man hätte den Invaliden mitten in Europa begraben müssen, in Genf zum
Beispiel, und Diplomaten und Feldherren einladen sollen.
Denn es war ein Kondukt, wie man ihn nirgends zu sehen bekommt, und die polnischen
Invaliden waren die Repräsentanten aller Kriegskrüppel der Welt, der internationalen Kriegs-
krüppelnation, deren gemeinsames Merkmal es ist, daß man ihnen verschiedene Merkmale
weggeschossen hat, und die man unfehlbar daran erkennt, daß man sie nicht erkennen kann.
Wir haben Massengräber gesehen, verschimmelte Hände, ragend aus zugeschütteten
Gruben, Oberschenkel an Drahtverhauen und abgetrennte Schädeldecken neben Latrinen.
Wer aber weiß, wie Ruinen aussehen, die sich bewegen; Schutt der sich rührt; Trümmer, die
sich krümmen? Wer hat schon gehende Krankenhäuser gesehen, eine Völkerwanderung der
Stümpfe, eine Prozession der Überreste?
So war dieser Leichenzug. Tausende Krüppel zählte ich hinter dem Wagen. In Doppelrei-
hen, so wie sie einmal in der Marschkompanie marschiert waren, bewegten sie sich vor-
wärts. Zuerst hinkten die Lahmen, zweihundert an der Zahl. Es waren jämmerliche Dop-
pelreihen, ein entstellter Militarismus, eine groteske Truppe, und statt des gesunden,
gleichmäßigen Rhythmus der Soldaten hörte man das ungleichmäßige Klopfen der Krücken
auf dem holprigen Pflaster, eine Musik aus Holz und Stein, und dazwischen quietschten
und knarrten die Gelenke der Prothesen, und aus den Kehlen der Kranken kamen verschie-
dene zischende Räusper- und Pfeifgeräusche, Gemurmel und Gestöhn. Hinter den Lahmen
gingen die Blinden, gingen, tappten sich vorwärts in einer Welt aus schwarzem Samt, ein
Blinder war dem andern Führer, alle vier in der Reihe hielten sich an den Händen fest, sie
konnten nicht fehlgehen, sie hatten keinen Zusammenstoß zu fürchten, denn der Tote und
der Tod ebneten ihnen den Weg. Sie hatten ihre Brillen und Binden abgenommen, man sah
Die vom Zarathustra ausgehende Kriegspropaganda deutscher Intellektueller 133
die ausgeronnenen Augen unter den vorgewölbten Stirnknochen, wie hohe Torbögen über-
schatteten die unteren Stirnränder die tiefen Augenhöhlen, die unbewohnten, grauenhaft
leeren. Ein gleichmäßiges Schlürfen war hörbar, und Stöcke und Metallspitzen erklangen.
So waren sie geordnet, alle nach ihren Schicksalen. Hinter den Blinden gingen die Einar-
migen und hinter ihnen die Armlosen und nach den Armlosen die Kopfschüßler. Dann kam
ein großes Lastauto, von dem ein solcher Schrecken ausging, daß man sein Rattern nicht
hörte, denn stärker als das Hörbare wurde das Gesehene, und ein lautloser Jammer schrie
so betäubend, daß er jedes Gepolter der Räder übertönte.
Denn dieser Wagen sah aus, als käme er geradewegs aus einer furchtbaren Höllenphantasie.
Da standen die Krüppel, deren ganzes Gesicht ein einziges gähnendes rotes Loch war, von
weißem Verbandzeug eingesäumt, mit rötlichen Narbenrillen statt der Ohren. Da standen
Klumpen von Fleisch und Blut, Soldaten ohne Gliedmaßen, Rümpfe in Uniform, die losen
Ärmel auf dem Rücken zusammengebunden in einer koketten Grausamkeit. Da saßen
die Rückenmarkschüßler, wie Taschenmesser, eine knappe Sekunde vor dem Zuklappen,
die Rücken parallel zum Boden des Wagens. Da waren Männer, die ihre Finger fortwäh-
rend in der Luft herumschleuderten, wie tote Knochenbündel an Bindfäden, und andere,
deren Gesichter seitwärts gewandt waren, links oder rechts, und andere, deren Gesichter
rückwärts sahen, als hätte man ihnen den Kopf zurückgedreht. Das vorne war hinten, sie
sahen unermüdlich zurück, als bannte sie die schreckliche Vergangenheit und als ließe das
erlebte Grausen ihren Blick nicht los. Und all das war eine traumhafte Mischvision von Rot
und faulendem Fleisch und rinnendem Rückenmark und gebrochenen Halswirbeln. Ganz
hinten saß die Elite des schrecklichsten Schreckens, ein Mann, dessen Hals lang war, wie
eine auseinandergezogene Harmonika, lang und faltig, und dessen Kopf bei jeder stärkeren
Bewegung des Wagens hintenüber fiel, so daß der Boden der Mütze auf dem Nacken lag.
Ganz lose saß der Kopf, ein schwerer Kürbis an dünner Kette aus welken Hautlappen.
Hinter dem Auto schritten die Verblödeten. Sie hatten alles, Augen, Nase und Ohren, Beine
und Arme, und nur der Verstand war ihnen ausgeronnen, und sie wußten nicht, wohin und
wozu sie hier geführt wurden, sie sahen aus, wie Brüder, sie erlebten alle dasselbe große
vernichtende Nichts, wie gelbe Nullen waren ihre Gesichter, und alle Münder standen halb-
geöffnet in reglosem Lächeln. So belächelten sie blöde den Toten und die Welt, die Straße,
die Häuser, die zusehenden Menschen.
Ja, die Menschen blieben stehen und sahen zu und rührten sich nicht. Es begann zu regnen,
und niemand spannte den Regenschirm auf, obwohl viele mit Schirmen ausgerüstet waren.
Es tropfte stärker, ein Wind erhob sich, und über dem Leichenzug, knapp vor dem Knaben
im weißen Hemd, der das mattschimmernde Metallkreuz trug, segelte eine dunkelblaue
Wolke, zackig, wuchtig und schwer, und streckte vorne einen Zipfel aus, wie einen zerfetz-
ten Zeigefinger, um den Krüppeln den Weg nach dem Friedhof zu weisen.
Dritte Folge der dreiteiligen Serie ‚Reise durch Galizien“, Frankfurter Zeitung, 23. November
1924.
Nicht nur im fernen Lemberg, sondern in allen deutschen Großstädten war ähn-
liches Elend zu sehen. Es gab 2,7 Millionen Kriegsversehrte allein in Deutsch-
land. Verkrüppelte Bettler gehörten zum Straßenbild. In Berlin entstanden für sie
zwanzig Heime, und das Schlimmste blieb darin verborgen. Mehr als zwei Mil-
lionen deutsche Soldaten starben in diesem Krieg, viele Millionen Soldaten der
anderen kriegführenden Nationen.
134 Der ‚Wille zur Macht‘ im Zeitalter des Imperialismus und Faschismus
Schon zwei Monate vor Beginn des Ersten Weltkriegs hatte Heinrich Mann
seinen satirischen Zeitroman Der Untertan vollendet, der erst 1918 erscheinen
durfte. Er stellt die „Macht“-Anbetung des Untertanen ins Zentrum und anti-
zipiert prophetisch die Kriegs-Katastrophe. Ähnlich sensationellen Erfolg wie
Heinrich Manns psychologisch durchdringende Analyse der „deutschen Seele“
hatte der 1929 erschienene, realistisch-nüchterne Antikriegs-Roman Im Westen
nichts Neues. Er stellt die Greuel des Krieges dar und wurde zu einem Welt-Best-
seller. Beide Werke rangierten ganz oben auf der Liste der Bücher, welche die
Nazis bei der Bücherverbrennung am 10. Mai 1933 ins Feuer warfen. Sie standen
im scharfen Kontrast zur Kriegsverherrlichung, der Ernst Jünger im ausdrück
lichen Anschluss an Nietzsche in seinem Frontbuch In Stahlgewittern frönte.
Die Rolle der führenden Nietzsche-Publizisten Alfred Baeumler und Ernst Bertram anläss-
lich der Bücherverbrennung am 10. Mai 1933. Baeumlers Endkampf-Parolen zu Nietzsches
100. Geburtstag am 15. Oktober 1944 in der nationalsozialistischen Parteizeitung ‚Völkischer
Beobachter’
Noch einmal sollte Nietzsches Stunde kommen. Im Jahr 1944, als der Zweite
Weltkrieg viele Millionen Tote gekostet hatte, als die deutschen Städte in Schutt
und Asche versanken und Frauen und Kinder unter den Trümmern begruben,
als die Alliierten auf der Konferenz von Jalta die bedingungslose Kapitulation
(„unconditional surrender“) Deutschlands beschlossen, als fünfzehn Millionen
Flüchtlinge ihre Heimat verloren, als immer mehr die ungeheuren Verbrechen
des Hitler-Regimes und seiner Handlanger in den Konzentrationslagern und
durch die Mordbanden der sogenannten Einsatzgruppen316 und der SS-Divisio-
nen ans Licht kamen, als Kriegstreiberei und Kriegshetze das Inferno im „totalen
Krieg“ endgültig entfesselt hatten, ‒ in diesem Jubiläumsjahr erschien ein großer
Artikel zu Nietzsches hundertstem Geburtstag im ‚Völkischen Beobachter‘, dem
316 Hierzu die mustergültig recherchierte und fundierte Studie von Christopher R. Browning:
Ordinary Men. Reserve Police Battalion 101 and the Final Solution in Poland, New York 1992 [deut-
sche Übersetzung: Ganz normale Männer. Das Reserve-Polizeibataillon 101 und die „Endlösung”
in Polen, aus dem Englischen von Jürgen Peter Krause, Reinbek bei Hamburg 1993]. Die geheimen
Berichte der Einsatzgruppen aus der Sowjetunion sind dokumentiert in den von Klaus-Michael
Mallmann, Andrej Angrick, Jürgen Matthäus und Martin Cüppers herausgegebenen Bänden:
Dokumente der Einsatzgruppen in der Sowjetunion, Bd. 1: Die „Ereignismeldungen UdSSR“ 1941,
Bd. 2: Deutsche Besatzungsherrschaft in der UdSSR 1941–1945, Bd. 3: Deutsche Berichte aus dem
Osten, Darmstadt 2011–2014.
Die deutsche Universität unterm Hakenkreuz 135
317 Christoph Jahr: Die nationalsozialistische Machtübernahme und ihre Folgen, in: Bruch, Rüdi-
ger vom/Tenorth, Heinz-Elmar (Hg.): Geschichte der Universität Unter den Linden 1810–2010,
Bd. 2: Biographie einer Institution. Die Berliner Universität zwischen den Weltkriegen 1918–1945,
Berlin 2012, S. 295–324.
318 Abdruck in der Zeitung Der Angriff am 11. Mai. Es existiert auch ein Tondokument dieser
Rede.
136 Der ‚Wille zur Macht‘ im Zeitalter des Imperialismus und Faschismus
319 Ernst Bertram: Wartburg. Spruchgedichte, Leipzig 1933, S. 66. Die Gedichte entstanden im
Laufe des Jahres 1932. Abdruck in: Gerhard Sauder (Hg.): Die Bücherverbrennung. Zum 10. Mai
1933, 2. Auflage, München 1985. Dieses Buch enthält zahlreiche Foto-Dokumente von der Bücher-
verbrennung.
320 Alfred Baeumler: Männerbund und Wissenschaft, Berlin 1934.
Die deutsche Universität unterm Hakenkreuz 137
Konsum, dass Nietzsche unter einem ererbten zerebralen Übel litt, das mit
hoher Wahrscheinlichkeit durch eine syphilitische Infektion noch verschlimmert
wurde – das alles gehört zu einem multifaktoriellen Syndrom, das jede monokau-
sale Erklärung, aber auch einfache Schuld-Zuweisungen oder Entschuldigungen
problematisch erscheinen lässt. Das gilt auch für die Tatsache, dass Nietzsche
im Gegensatz zu seiner auf Originalität bedachten Selbststilisierung gerade mit
seinem „Willen zur Macht“ nur die zeitgenössischen Tendenzen des Imperialis-
mus und einer biologistisch und rassistisch deformierten Welterklärung aufnahm.
Historisch entscheidend, noch mehr als seine Kriegshetze, ist die Ideologisierung
und Mythologisierung321 des Nietzsche-Bildes durch den Nietzsche-Kult im Zeit
alter des Imperialismus und Faschismus. Unabhängig davon ist dieTatsache,
dass Nietzsche als Fälscher agierte und trotz seines Originalitäts-Anspruchs in
wesentlichen Bereichen Kompilator und Plagiator war.
321 Speziell hierzu trug der George-Kreis bei, am erfolgreichsten Ernst Bertram in einem Werk,
dessen Titel schon das Programm der Mythologisierung reflektiert: Nietzsche. Versuch einer
Mythologie, Berlin 1918. Von diesem Buch, das für Thomas Mann von großer Bedeutung bis hin
zum Doktor Faustus war, erschienen zwischen 1918 und 1929 fast jährlich Neuauflagen.
Bibliographie
Der erste Teil der Bibliographie verzeichnet Nietzsches Quellen sowie zeitgenössische Editionen
und Werke, die zum Kontext gehören. Um die Benutzung zu erleichtern, sind moderne Editionen
wichtiger Quellentexte beigefügt. Die am Ende vieler Titel stehende Sigle NPB weist auf Werke in
Nietzsches persönlicher Bibliothek, die Sigle BUB auf Werke, die er während der Arbeit aus der
Basler Universitätsbibliothek entlieh. Andere Titel sind aus Nietzsches Schriften, seinem Nach-
lass, aus seinen Briefen und den Aufzeichnungen zu seinen Vorlesungen erschlossen. Damit die
Angaben zu Nietzsches Bibliothek in vertretbaren Grenzen bleiben, werden besonders umfang-
reiche Werkkomplexe (mehrere umfassen 30 oder 40 Seiten) mit einem summarischen Hinweis
auf die detaillierten Verzeichnisse in dem 2003 erschienenen Katalog Nietzsches persönliche
Bibliothek versehen.
Der zweite Teil der Bibliographie gilt markanten Texten der Wirkungsgeschichte, der moder-
nen wissenschaftlichen Literatur und ihren Zusammenhängen, ferner übergreifenden Darstel-
lungen und Kontexten.
Baumann, Johann Julius: Handbuch der Moral nebst Abriss der Rechtsphilosophie, Leipzig 1879
(NPB 132 u. 136).
Benndorf, Otto: De anthologiae Graecae Epigrammatis quae ad artes spectant, Bonn 1862
(BUB).
Bernays, Jacob: Grundzüge der verlorenen Abhandlung des Aristoteles über Wirkung der
Tragödie, in: Abhandlungen der philosophisch-historischen Gesellschaft Breslau 1 (1857),
S. 135–202 (nicht in NPB) [Nachdruck Hildesheim/New York 1970].
Bernhardy, G[ottfried]: Grundriss der griechischen Litteratur; mit einem vergleichenden
Ueberblick der Römischen. Erster Theil, Halle 1836 (NPB 140 u. BUB).
Bernhardy, G[ottfried]: Grundriss der griechischen Litteratur; mit einem vergleichenden
Ueberblick der Römischen. Zweiter Theil: Geschichte der griechischen Poesie, Halle 1845
(nicht in NPB).
Bernhardy, G[ottfried]: Grundriss der griechischen Litteratur; mit einem vergleichenden
Ueberblick der Römischen. Dritte Bearbeitung. Erster Theil: Innere Geschichte der
griechischen Litteratur, Halle 1861 (diese Bearbeitung nicht in NPB).
Bert, Paul: La morale des Jésuites, Paris 1881 (NPB 141).
Bertram, Ernst: Nietzsche. Versuch einer Mythologie, Berlin 1918 [acht Neuauflagen bis
1965].
Bertram, Ernst: Wartburg. Spruchgedichte, Leipzig 1933.
Bilharz, Alfons: Der Heliocentrische Standpunct der Weltbetrachtung. Grundlegungen zu einer
wirklichen Naturphilosophie, Stuttgart 1879 (NPB 141).
Böhm, Wilhelm: Faust der Nichtfaustische, Halle 1933.
Boscovich, Roger Joseph: Philosophiae naturalis theoria redacta ad unicam legem virium in
natura existentium, 2 Bde., Wien 1759 (BUB).
Bourget, Paul: Nouveaux essais de psychologie contemporaine. M. Dumas fils – M. Leconte de
Lisle – M. M. de Goncourt – Tourguéniev – Amiel, Paris 1886 (NPB 148 f.).
Boyle, Robert: The works of the Honourable Robert Boyle. In five volumes. To which is prefixed
the life of the author, hg. von Thomas Birch, London 1744 (nicht in NPB).
Brochard, Victor: Les sceptiques grecs, Paris 1887 (NPB 154).
Büchner, Louis: Natur und Geist. Gespräche zweier Freunde über den Materialismus und
über die real-philosophischen Fragen der Gegenwart. In allgemeinverständlicher Form,
Frankfurt am Main 1857 (nicht in NPB).
Büchner, Ludwig: Kraft und Stoff [1855]. Natur-philosophische Untersuchungen auf
thatsächlicher Grundlage. In allgemein-verständlicher Darstellung. Vierzehnte, sehr
vermehrte und mit Hülfe der neuesten Forschungen ergänzte Auflage. Mit Bildniss und
Biographie des Verfassers, Leipzig 1876 (nicht in NPB).
Büchner, Ludwig: Die Darwin’sche Theorie von der Entstehung und Umwandlung der
Lebe-Welt. Ihre Anwendung auf den Menschen, ihr Verhältniß zur Lehre vom Fortschritt
und ihr Zusammenhang mit der materialistischen oder Einheits-Philosophie der Vergan-
genheit und Gegenwart. In sechs Vorlesungen allgemeinverständlich dargestellt. Vierte
verbesserte und mit Hülfe der neuesten Forschungen ergänzte Auflage, Leipzig 1876
(nicht in NPB).
Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Zweite
Auflage. Unter Mitwirkung von mehreren Fachgenossen bearbeitet von A[lbert] von Zahn,
3 Bde., Leipzig 1869 (NPB 161 f.).
Burckhardt, Jacob: Die Cultur der Renaissance in Italien. Ein Versuch. Zweite durchgesehene
Auflage, Leipzig 1869 (NPB 162 f.)
Quellen und zeitgenössische Literatur 141
Darwin, Charles: Der Ausdruck der Gemüthsbewegungen bei dem Menschen und den Thieren.
Aus dem Englischen übersetzt von J. Victor Carus, Stuttgart 1872 (a) (nicht in NPB).
Darwin, Charles: The Expression of the Emotions in Man and Animals, London 1872 (b) (nicht in
NPB).
Descartes, René: Discours de la méthode pour bien conduire sa raison et chercher la vérité
dans les sciences, in: Œuvres de Descartes, hg. von Victor Cousin, Bd. 1, Paris 1824,
S. 119–212 (nicht in NPB).
Descartes, René: Œuvres de Descartes, hg. von Charles Adam und Paul Tannery, 11 Bde., Paris
1897–1913 (nicht in NPB).
Descartes, René: Die Prinzipien der Philosophie. Übersetzt und erläutert von Artur Buchenau,
7. Auflage, unveränderter Nachdruck der 4. Auflage von 1922, Hamburg 1965 (= Philoso-
phische Bibliothek, Bd. 28) (keine Ausgabe in NPB).
Descartes René: Œuvres et Lettres, hg. von André Bridoux, 3. Auflage, Paris 1966
(= Bibliothèque de la Pléiade, Nr. 40) (keine Ausgabe in NPB).
Descartes, René: Discours de la Méthode/Von der Methode des richtigen Vernunftgebrauchs
und der wissenschaftlichen Forschung. Französisch/Deutsch, Hamburg 1969 (= Philoso-
phische Bibliothek, Bd. 261) (keine Ausgabe in NPB).
Deussen, Paul: Das System des Vedânta nach den Brahma-sûtra’s des Bâdarâyana und
dem Commentare des Çankara über dieselben als ein Compendium der Dogmatik des
Brahmanismus vom Standpunkte des Çankara aus, Leipzig 1883 (NPB 185).
Diderot, Denis: Le fils naturel, ou Les épreuves de la vertu, Amsterdam 1757 (nicht in NPB).
Diderot, Denis: Das Theater des Herrn Diderot. Aus dem Französischen übers. von Lessing,
2 Theile, Berlin 1760 (NPB 186 u. 189).
Diogenes Laertios [zahlreiche griechische Ausgaben und Übersetzungen in NPB 191–195].
Diogenes Laertius: Leben und Meinungen berühmter Philosophen. Übersetzt aus dem
Griechischen von O. Apelt, hg. sowie mit Vorwort, Einleitung und Anmerkungen versehen
von K. Reich und H. G. Zekl, 2. Auflage, Hamburg 1967.
Doudan, Ximénès: Mélanges et lettres. Avec une introduction par M. le Comte D’Haussonville
et des notices par Mme. de Sacy Cuvillier-Fleury. Nouvelle édition, 2 Bde., Paris 1878
(NPB 197).
Doudan, Ximénès: Pensées et fragments suivis des révolutions du goût, Paris 1881 (NPB 197).
Draper, John William: Geschichte der geistigen Entwickelung Europas. Aus dem Englischen von
A. Bartels. Zweite durchgesehene und verbesserte Auflage, Leipzig 1871 (NPB 198).
Dreher, Eugen: Der Darwinismus und seine Consequenzen in wissenschaftlicher und socialer
Beziehung, Halle 1882 (NPB 198).
Drossbach, Maximilian: Ueber die scheinbaren und die wirklichen Ursachen des Geschehens in
der Welt, Halle 1884 (NPB 199).
Dühring, Eugen: Der Werth des Lebens. Eine philosophische Betrachtung, Breslau 1865
(NPB 202).
Dühring, Eugen: Kritische Geschichte der Nationalökonomie und des Sozialismus. Zweite,
theilweise umgearbeitete Auflage, Berlin 1875 (NPB 202 f.).
Düntzer, Heinrich: Goethe’s Faust. Erster und zweiter Theil, zum erstenmal vollständig erläutert,
Leipzig 1850 [2. Auflage 1857].
Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Dritte
Auflage, 3 Theile, Leipzig 1868 (NPB 206: nur Theil 1, heute verloren).
Eliot, George [Evans, Mary Ann]: Adam Bede, 2 Bde., übersetzt von Julius Frese, Berlin 1860
(nicht in NPB).
Quellen und zeitgenössische Literatur 143
Emerson, Ralph Waldo: Versuche (Essays). Aus dem Englischen von G. Fabricius, Hannover 1858
(NPB 211–213).
Engelbrecht, Kurt: Faust im Braunhemd, Leipzig 1933.
Engelhardt, Moritz von: Das Christenthum Justins des Märtyrers. Eine Untersuchung über die
Anfänge der katholischen Glaubenslehre, Erlangen 1878 (nicht in NPB).
Epiktetos: Epiktets Handbuch. Aus dem Griechischen mit erläuternden Anmerkungen von
Gottlieb Christian Karl Link, Nürnberg 1783 (NPB 214).
Epiktetos: Les maximes d’Épictète philosophe stoïcien. Traduites par Dacier, mises dans un
nouvel ordre et précédées d’un coup d’oeil sur la Philosophie des Grecs par Hippolyte
Tampucci, 3. Auflage, Paris 1870 (NPB 214 u. 218).
Epiktetos: The Discourses as reported by Arrian, the Manual and Fragments. With an English
translation by W[illiam] A[bbott] Oldfather [1925], 2 Bde., 5. Auflage, London/Cambridge,
Mass. 1967.
Epicurus: Opere. Introduzione, testo critico, traduzione e note di Graziano Arrighetti [1960],
2. Auflage, Turin 1973.
Epikur: Epistulae tres et ratae sententiae a Laertio Diogene servatae, hg. von Peter von der
Muehll, Leipzig 1922. In NPB ist keine Epikur-Ausgabe erhalten. Nietzsche studierte das
Epikur-Kapitel bei Diogenes Laërtios und in Philosophiegeschichten.
Epikur: The Extant Remains. With short critical apparatus, translation and notes by Cyril Bailey,
Oxford 1926 [Nachdruck Hildesheim/New York 1989].
Epikur: Von der Überwindung der Furcht. Katechismus, Lehrbriefe, Spruchsammlung,
Fragmente. Eingeleitet und übertragen von Olof Gigon, 2. Auflage, Zürich 1968.
Epikur: Wege zum Glück. Griechisch/Lateinisch/Deutsch. Hg. u. übersetzt von Rainer Nickel,
2. Auflage, Düsseldorf/Zürich 2006.
Epikur: Briefe, Sprüche, Werkfragmente. Griechisch/Deutsch. Übersetzt und hg.
von Hans-Wolfgang Krautz [1980], bibliographisch erneuerte Ausgabe, Stuttgart
2000.
Erdmann, Johann Eduard: Grundriss der Geschichte der Philosophie. Bd. 2: Philosophie der
Neuzeit, Berlin 1866 (nicht in NPB).
Espinas, Alfred: Die thierischen Gesellschaften. Eine vergleichend-psychologische
Untersuchung. Nach der vielfach erweiterten zweiten Auflage unter Mitwirkung
des Verfassers. Deutsch herausgegeben von W. Schloesser. Autorisierte Ausgabe,
Braunschweig 1879 (NPB 218 f.).
Eucken, Rudolf: Die sittlichen Kräfte des Krieges, Leipzig 1914.
Faust, August (Hg.): Das Bild des Krieges im deutschen Denken, Stuttgart/Berlin 1941.
Feuerbach, Ludwig: Die Naturwissenschaft und die Revolution, in: Blätter für literarische
Unterhaltung, Nr. 268–271 (8.–12. November 1850), S. 1069–1083 (nicht in NPB).
Feuerbach, Ludwig: Das Wesen des Christenthums. Zweite vermehrte Auflage, Leipzig 1843
(nicht in NPB).
Feuerbach, Ludwig: Sämmtliche Werke. Neu hg. von Wilhelm Bonin und Friedrich Jodl, 10 Bde.,
Stuttgart 1903–1911 (keine Ausgabe in NPB).
Fichte, Johann Gottlieb: Sämmtliche Werke, 8 Bde., hg. von I. H. Fichte, Berlin 1845–1846
(nicht in NPB).
Fichte, Johann Gottlieb: Gesamtausgabe der Bayerischen Akademie der Wissenschaften. 1.
Reihe, Bd. 1: 1791–1794, hg. von Reinhard Lauth und Hans Jacob unter Mitwirkung von
Manfred Zahn u. Richard Schottky, Stuttgart-Bad Cannstadt 1964 (keine Fichte-Ausgabe in
NPB).
144 Bibliographie
Fischer, Kuno: Geschichte der neuern Philosophie, Bde. 3 u. 4: Immanuel Kant. Entwicklungs-
geschichte und System der kritischen Philosophie. Bd. 1: Entstehung und Begründung
der kritischen Philosophie. Die Kritik der reinen Vernunft. Bd. 2: Das Lehrgebäude der
kritischen Philosophie. Das System der reinen Vernunft, Mannheim 1860 (nicht in NPB).
Fischer, Kuno: Geschichte der neuern Philosophie, Bd. 1: Descartes und seine Schule. 1. Theil:
Allgemeine Einleitung. René Descartes. 2. Theil: Descartes’ Schule. Geulinx. Malebranche.
Baruch Spinoza. Zweite völlig umgearbeitete Auflage, Mannheim 1865 (nicht in NPB).
Fischer, Kuno: Geschichte der neuern Philosophie, Bd. 2: Leibniz und seine Schule. Zweite, neu
bearbeitete Auflage, Heidelberg 1867 (nicht in NPB).
Fischer, Kuno: Geschichte der neuern Philosophie, Bd. 5: Fichte und seine Vorgänger,
Heidelberg 1869 (nicht in NPB).
Fischer, Kuno: Francis Bacon und seine Nachfolger. Entwicklungsgeschichte der Erfahrungs
philosophie. Zweite völlig umgearbeitete Auflage, Leipzig 1875 (nicht in NPB).
Foerster, Richard: Der Raub und die Rückkehr der Persephone in ihrer Bedeutung für die
Mythologie-, Litteratur- und Kunst-Geschichte dargestellt, Stuttgart 1874 (BUB).
Fontane, Theodor: Irrungen, Wirrungen, in: ders.: Werke. Schriften und Briefe. 1. Abt., Bd. 2,
hg. von Walter Keitel u. Helmuth Nürnberger, 2. Auflage, München 1971, S. 319–475 (keine
Ausgabe in NPB).
Foster, Michael: Lehrbuch der Physiologie. Autorisirte deutsche Ausgabe von N. Kleinenberg.
Mit einem Vorwort von W. Kühne, Heidelberg 1881 (NPB 231).
Fouillée, Alfred: La science sociale contemporaine, Paris 1880 (NPB 231 f.).
Freud, Sigmund: Der Dichter und das Phantasieren, in: ders.: Studienausgabe, hg. von
Alexander Mitscherlich u. a., Bd. 10: Bildende Kunst und Literatur, Frankfurt am Main 1982
(Fischer-Wissenschaft, Bd. 7310).
Friedrich der Große: Œuvres de Frédéric le Grand, hg. v. Johann D. E. Preuss, Bd. 24, Berlin 1854
(nicht in NPB).
Funke, Otto: Lehrbuch der Physiologie, 2 Bde., Leipzig 1855–1857 (nicht in NPB).
Galenus, Claudius: Opera omnia, hg. von Carl Gottlob Kühn, 20 Bde., Leipzig 1821–1833 (nicht
in NPB) [Nachdruck Griechisch/Lateinisch, Hildesheim 1997].
Galenus, Claudius: Περὶ τῶν Ἱπποκράτους καὶ Πλάτωνος δογμάτων/De placitis Hippocratis et
Platonis/Über die Lehren des Hippokrates und Platons. Hg. und übersetzt von Phillip De
Lacy, Berlin 1978–1984 (= Corpus Medicorum Graecorum V 4,1,2) (keine Ausgabe in NPB).
Galton, Francis: Hereditary Genius. An Inquiry into its Laws and Consequences, London 1869
(nicht in NPB).
Galton, Francis: Inquiries into Human Faculty and its Development, London 1883 (NPB 238 f.).
Gebhardt, Émile: Les origines de la Renaissance en Italie, Paris 1879 (NPB 240).
Gellius, Aulus: Die attischen Nächte. Zum ersten Male vollständig übersetzt und mit
Anmerkungen versehen von Fritz Weiss, 2 Bde., Leipzig 1875–1876. (NPB 242 f.).
Gervinus, G[eorg] G[ottfried]: Geschichte der poetischen National-Literatur der Deutschen,
5 Bde., Leipzig 1835–1842 = ders.: Historische Schriften, Bd. 2–6 (Bd. 4–5 = Neuere
Geschichte der poetischen National-Literatur, Band 1–2).
Gervinus, G[eorg] G[ottfried]: Geschichte der Deutschen Dichtung. Vierte gänzlich
umgearbeitete Ausgabe, 5 Bde., Leipzig 1853 (nicht in NPB).
Gobineau, Joseph Arthur de: Essai sur l’inégalité des races humaines, 4 Bde., Paris 1853–1855
(nicht in NPB).
Goebbels, Joseph: Rede „bei der Verbrennung undeutschen Schrifttums“ vom 10. Mai 1933 auf
dem Opernplatz zu Berlin, in: Der Angriff vom 11. 05. 1933.
Quellen und zeitgenössische Literatur 145
Hartmann, Eduard von: Das Unbewusste vom Standpunkt der Physiologie und Descendenz-
theorie. Eine kritische Beleuchtung des naturphilosophischen Theils der Philosophie des
Unbewussten aus naturwissenschaftlichen Gesichtspunkten, Berlin 1872 (NPB 275).
Haug, Martin: Brahma und die Brahmanen, München 1871 (BUB).
Heidegger, Martin: Die Selbstbehauptung der deutschen Universität. Rede, gehalten bei der
feierlichen Übernahme des Rektorats der Universität Freiburg i. Br. am 27. 05. 1933. Das
Rektorat 1933/34. Tatsachen und Gedanken, Frankfurt am Main 1990.
Heidegger, Martin: Nietzsche [1936/61], 2 Bde., 5. Auflage, Pfullingen 1989.
Heine, Heinrich: Sämmtliche Werke, hg. von Adolf Strodtmann, 21 Bde. + 2 Supplemente,
Hamburg 1861–1884 (nicht in NPB).
Hellwald, Friedrich von: Culturgeschichte in ihrer natürlichen Entwickelung bis zur Gegenwart
[1875], 2. Auflage, Augsburg 1878 (nicht in NPB).
Helvétius, Claude Adrien: Discurs über den Geist des Menschen. Aus dem Französischen des
Herrrn Helvetius übersetzt von J. G. Forkert. Mit einer Vorrede Joh. Christoph Gottscheds,
Leipzig/Liegnitz 1760 (NPB 284 f.).
Herder, Johann Gottfried: Werke in zehn Bänden, hg. von Martin Bollacher u. a., Frankfurt am
Main 1985–2000 (keine Ausgabe in NPB).
Hermann, Karl Friedrich: Culturgeschichte der Griechen und Römer. Aus dem Nachlasse des
Verstorbenen herausgegeben von Karl Gustav Schmidt, 2 Bde., Göttingen 1857–1858
(BUB).
Hesiodos: Die Werke und Tage des Hesiodos. Nach ihrer Composition geprüft und erklärt von
August Steitz, Leipzig 1869 (NPB 295).
Hettner, Hermann: Literaturgeschichte des achtzehnten Jahrhunderts. 2. Theil: Geschichte der
französischen Literatur im achtzehnten Jahrhundert, Braunschweig 1860 (NPB 296).
Heym, Georg: Der Dieb. Ein Novellenbuch, Leipzig 1913.
Heym, Georg: Dichtungen und Schriften, hg. von Karl Ludwig Schneider u. a., Bd. 3: Tagebücher,
Träume, Briefe, Hamburg 1960.
Hillebrand, Karl: Nietzsche gegen Strauß, in: Allgemeine Zeitung. Augsburg, Nr. 265 f. vom 22.
und 23. 09.1873.
Hillebrand, Karl: Zeiten, Völker und Menschen. Erster Band: Frankreich und die Franzosen in
der zweiten Hälfte des XIX. Jahrhunderts. Eindrücke und Erfahrungen von Karl Hillebrand.
Zweite umgearbeitete und vermehrte Auflage, Berlin 1874 (NPB 296 f.).
Hillebrand, Karl: Zeiten, Völker und Menschen. Zweiter Band: Wälsches und Deutsches, Berlin
1875 (NPB 297).
Hölderlin, Friedrich: Sämtliche Werke und Briefe, 3 Bde., hg. von Jochen Schmidt, Frankfurt am
Main 1992–1994 (NPB 302 f.: zwei Hölderlin-Auswahlausgaben).
Hoffmann, E[rnst] T[heodor] A[madeus]: Prinzessin Brambilla, in: ders.: Sämtliche Werke
in sechs Bänden, hg. von Wulf Segebrecht und Hartmut Steinecke, Bd. 3: Nachtstücke.
Klein Zaches. Prinzessin Brambilla. Werke 1816–1820, hg. von Hartmut Steinecke
unter Mitarbeit von Gerhard Allroggen, Frankfurt am Main 1985 (= Bibliothek deutscher
Klassiker, Bd. 7).
Homer: Ilias. Odyssee. In der Übertragung durch Johann Heinrich Voß. Text nach den
Erstausgaben der Ilias, Hamburg 1793, und der Odyssee, Hamburg 1781. Mit einem
Nachwort von Ute Schmidt-Berger und Jochen Schmidt, 22. Auflage, München 2004
(andere Ausgaben NPB 304 f.).
Honegger, Johann Jakob: Litteratur und Cultur des 19. Jahrhunderts. In ihrer Entwicklung
dargestellt, Leipzig 1865 (nicht in NPB).
Quellen und zeitgenössische Literatur 147
Honegger, Johann Jakob: Kritische Geschichte der französischen Cultureinflüsse in den letzten
Jahrhunderten, Berlin 1875 (NPB 307, heute verloren).
Horaz [Horatius Flaccus Quintus]: Sämtliche Werke. Lateinisch/Deutsch. Hg. von Hans Färber,
10. Auflage, München/Zürich 1985 (andere Ausgaben NPB 307–312).
Jacolliot, Louis: Les législateurs religieux. Manou Moïse-Mahomet. Traditions religieuses
comparées des lois de Manou, de la Bible, du Coran, du rituel égyptien, du Zend-Avesta
des Parses et de traditions finnoises, Paris 1876 (NPB 318).
Janssen, Johannes: Geschichte des deutschen Volkes seit dem Ausgang des Mittelalters. Bd. 2:
Vom Beginn der politisch-kirchlichen Revolution bis zum Ausgang der socialen Revolution
von 1525, Freiburg i. Br. 1879 (NPB 320: nur Bd. 1).
Jodl, Friedrich: Die Culturgeschichtsschreibung, ihre Entwickelung und ihr Problem, Halle 1878
(nicht in NPB).
Joubert, Joseph: Pensées précédées de sa correspondance, d’une notice sur sa vie, son
caractère et ses travaux par M. Paul de Raynal. Et des jugements littéraires de MM. Sainte-
Beuve, Silvestre de Sacy, Saint-Marc Girardin, Geruzez et Poitou. Sixième edition, 2 Bde.,
Paris 1874 (NPB 321 f.).
Jung-Stilling, Johann Heinrich: Lebensgeschichte, oder dessen Jugend, Jünglingsjahre,
Wanderschaft, Lehrjahre, häusliches Leben und Alter. Eine wahrhafte Geschichte. 3te
Auflage. Mit einer einleitenden Vorrede von Prälat von Kapff, Stuttgart 1857 (NPB 323).
Kaegi, Adolf: Der Rigveda, die älteste Literatur der Inder. Zweite, umgearbeitete und erweiterte,
mit vollständigem Sach- und Wortregister versehene Auflage, Leipzig 1881 (nicht in NPB).
Kafka, Franz: Nachgelassene Schriften und Fragmente I, hg. von Malcolm Pasley, Frankfurt am
Main 1993 (= ders.: Schriften. Tagebücher. Briefe, hg. von Gerhard Neumann/Jürgen Born).
Kafka, Franz: Tagebücher in der Fassung der Handschrift, hg. von Hans-Gerd Koch, Bd. 2:
1912–1914, Frankfurt am Main 1994.
Kaftan, Julius: Das Evangelium des Apostels Paulus in Predigten der Gemeinde dargelegt, Basel
1879 (nicht in NPB).
Kant, Immanuel: Sämmtliche Werke, 12 Bde., hg. von Karl Rosenkranz und Friedrich Wilhelm
Schubert. Bd. 8: Grundlegung zur Metaphysik der Sitten und Kritik der praktischen
Vernunft, Leipzig 1838 (a) (nicht in NPB).
Kant, Immanuel: Sämmtliche Werke, 12 Bde., hg. von Karl Rosenkranz und Friedrich Wilhelm
Schubert. Bd. 2: Kritik der reinen Vernunft, Leipzig 1838 (b) (nicht in NPB).
Kant, Immanuel: Gesammelte Schriften. Hg. von der Königlich Preußischen Akademie
der Wissenschaften [AA]. Berlin 1902–1923 (Nietzsche hatte keine Kant-Ausgabe. Er
orientierte sich vorwiegend an der Darstellung von Kuno Fischer).
Keller, Gottfried: Sämtliche Werke in sieben Bänden, hg. von Thomas Böning u. a., Frankfurt
am Main 1985–1996 (NPB 329: nur Das Sinngedicht. Novellen in einer Ausgabe von
1882).
Kepler, Johannes: Opera omnia, hg. von C. Frisch, Frankfurt am Main 1858–1871 (nicht in NPB).
Kirchmann, Julius Hermann von: Die Grundbegriffe des Rechts und der Moral als Einleitung
in das Studium rechtsphilosophischer Werke, Berlin 1869 (nicht in NPB) [Nachdruck der
2. Auflage von 1873, Aalen 1970].
Kirchmann, Julius Hermann von: Über das Prinzip des Realismus. Ein Vortrag in der Philoso-
phischen Gesellschaft zu Berlin, Leipzig 1875 (NPB 331).
Kleist, Heinrich von: Gesammelte Werke, hg. von Heinrich Kurz, 2 Bde., Hildburghausen 1868
(NPB 331).
Klein, Julius Leopold: Geschichte des Drama’s, 13 Bde., Leipzig 1865–1876, Bd. 1.
148 Bibliographie
Koeppen, Carl Friedrich: Die Religion des Buddha. Bd. 1: Die Religion des Buddha und ihre
Entstehung. Bd. 2: Die lamaische Hierarchie und Kirche, Berlin 1857 u. 1859 (BUB).
Kokoschka, Oskar: Das schriftliche Werk, hg. von Heinz Spielmann, Bd. 1: Dichtungen und
Dramen, Hamburg 1973.
Kraepelin, Emil: Die Abschaffung des Strafmaßes. Ein Vorschlag zur Reform der heutigen
Strafrechtspflege, Stuttgart 1880 (nicht in NPB).
Kraepelin, Emil: [Rez. von] Paul Rée: Die Entstehung des Gewissens, in: Literarisches
Centralblatt, Nr. 50, 5. Dezember 1885, Sp. 1697 f. (nicht in NPB).
Kühnemann, Eugen: Goethe, 2 Bde., Leipzig 1930.
Kuh, Emil: Professor Friedrich Nietzsche und David Friedrich Strauß. Eine kritische Studie, in:
Literaturblatt. Wochenschrift für das geistige Leben der Gegenwart, Bd. 2, Nr. 19–22, Wien,
September bis Oktober 1876.
Lafargue, Paul: Le droit à la paresse, Paris 1883 (nicht in NPB).
Lagarde, Paul de: Ueber die gegenwärtige lage des deutschen reichs. Ein bericht, Göttingen
1876 (NPB 337).
Lagarde, Paul de: Deutsche Schriften, 2 Bde., Göttingen 1878 u. 1881 (nicht in NPB).
Lange, Friedrich Albert: Geschichte des Materialismus und Kritik seiner Bedeutung in der
Gegenwart, Iserlohn/Leipzig 1866 (andere Ausgabe NPB 338).
Lange, Friedrich Albert: Die Arbeiterfrage in ihrer Bedeutung für Gegenwart und Zukunft,
Duisburg 1865 (NPB 337: 3. Auflage von 1875, heute verloren).
Lao-tse: Táo-te-king. Der Weg zur Tugend. Aus dem Chinesischen übersetzt u. erklärt von
R[einhold] v[on] P[laenckner], Leipzig 1870 (NPB 338).
Larochefoucauld, François de: Réflexions, sentences et maximes morales. Précédées d’une
notice par M. Sainte-Beuve. Œuvres choisies de Vauvenargues avec un choix des notes de
Voltaire, Morellet, Fortia, etc. et précédées d’une Notice par Suard. Nouvelle édition revue
avec grand soin sur les meilleurs textes, Paris o. J. (NPB 338).
La Rochefoucauld, François de: Œuvres complètes. Introduction par Robert Kanters. Édition
établie par Louis Martin-Chauffier, revue et augmentée par Jean Marchand, Paris 1964
(= Bibliothèque de la Pléiade, Nr. 24) (Nietzsches Larochefoucauld-Ausgabe NPB 338–340).
Le Bon, Gustave: L’homme et les sociétés. Leur origine et leur histoire, Paris 1881 (nicht in
NPB).
Le Bon, Gustave: Lois psychologiques de l’évolution des peuples, Paris 1894 (nicht in NPB).
Le Bon, Gustave: Psychologie des foules, Paris 1895 (nicht in NPB).
Lecky, William Edward Hartpole: Geschichte des Ursprungs und Einflusses der Aufklärung in
Europa. Deutsch von H. Jolowicz. Zweite rechtmäßige, sorgfältig durchgesehene
und verbesserte Auflage. Bd. 1, Leipzig/Heidelberg 1873. Bd. 2, Leipzig/Heidelberg o. J.
(NPB 341–344).
Lecky, William Edward Hartpole: Sittengeschichte Europas von Augustus bis auf Karl den
Grossen. Nach der zweiten verbesserten Auflage mit Bewilligung des Verfassers übersetzt
von H. Jolowicz. Zweite, rechtmäßige Auflage, mit den Zusätzen der dritten englischen
vermehrt, und durchgesehen von Ferdinand Löwe, 2 Bde., Leipzig/Heidelberg 1879 (NPB
344 f.).
Lecky, William Edward Hartpole: Entstehungsgeschichte und Charakteristik des Methodismus.
Aus dem Englischen von Ferdinand Löwe (Besonderer Abdruck des neunten „The religious
revival“ überschriebenen Kapitels aus Band II von Lecky’s Geschichte von England im
achtzehnten Jahrhundert, autorisirte Uebersetzung von F. Löwe), Leipzig/Heidelberg 1880
(NPB 340 f.).
Quellen und zeitgenössische Literatur 149
Lecky, William Edward Hartpole: Geschichte Englands im achtzehnten Jahrhundert. Aus dem
Englischen von Ferdinand Löwe, 4 Bde., Leipzig/Heidelberg 1879–1883 (nicht in NPB).
Leopardi, Giacomo: Gedichte. Verdeutscht in den Versmaßen des Originals von Robert
Hamerling, Hildburghausen 1866 (NPB 348).
Leopardi, Giacomo: Giacomo Leopardi. Deutsch von Paul Heyse. Erster Theil: Nerina. Gedichte,
Berlin 1878 (NPB 348 f.).
Leopardi, Giacomo: Giacomo Leopardi. Deutsch von Paul Heyse. Zweiter Theil: Leopardi’s
Weltanschauung. Geschichte des Menschengeschlechts. Gespräche. Gedanken, Berlin
1878 (NPB 349).
Leopardi, Giacomo: Pensieri di varia Filosofia e di bella Letteratura [Zibaldone di pensieri],
Florenz 1898–1907.
Lessing, Gotthold Ephraim: Über den Beweis des Geistes und der Kraft. An den Herrn Director
Schumann zu Hannover [1777], in: ders.: Gesammelte Werke. Neue rechtmässige Ausgabe,
Bd. 9, Leipzig 1856, S. 79–86 (andere Ausgabe NPB 353).
Lessing, Gotthold Ephraim: Die Erziehung des Menschengeschlechts, in: ders.: Werke, Fünfter
Band, Leipzig 1867, S. 265–290 (NPB 352).
Lewes, George Henry: Geschichte der Philosophie von Thales bis Comte. Deutsch nach der
dritten Ausgabe von 1867. Erster Band = ders.: Geschichte der alten Philosophie, Berlin
1871 (BUB/NPB 727 f.).
Lichtenberg, Georg Christoph: Vermischte Schriften. Neue Original-Ausgabe, 8 Bde., Göttingen
1867 (NPB 354–356).
Liebmann, Otto: Kant und die Epigonen. Eine Kritische Abhandlung, Stuttgart 1865 (NPB 356).
Liebmann, Otto: Zur Analysis der Wirklichkeit. Eine Erörterung der Grundprobleme der
Philosophie. Zweite, beträchtlich vermehrte Auflage, Straßburg 1880 (NPB 357 f.).
Liebmann, Otto: Gedanken und Thatsachen. Philosophische Abhandlungen, Aphorismen und
Studien. Erstes Heft. Die Arten der Nothwendigkeit – Die mechanische Naturerklärung –
Idee und Entelechie, Straßburg 1882 (NPB 356).
Lippert, Julius: Die Religionen der europäischen Culturvölker, der Litauer, Slaven, Germanen,
Griechen und Römer, in ihrem geschichtlichen Ursprunge, Berlin 1881 (NPB 361).
Littré, Émile: La science au point de vue philosophique. Quatrième édition, Paris 1876
(NPB 361).
Lombroso, Cesare: Genio e follia. In rapporto alla medicina legale, alla critica ed alla storia
[1864], 4. Auflage, Rom/Turin/Florenz 1882 (nicht in NPB) [dt. Übersetzung 1887].
Lombroso, Cesare: Genio e degenerazione. Nuovi studi e nuove battaglie, Mailand/Palermo/
Neapel 1907 (keine Ausgabe in NPB).
(Pseudo-)Longinus: ΠΕΡΙ ὙΨΟΥΣ/Über das Erhabene, hg. von O. Jahn u. J. Vahlen, 1. Auflage,
Bonn 1867; 5. Auflage hg. von H. D. Blume, Stuttgart 1967. Griechisch/Französisch:
H. Lebègue, 2. Auflage, Paris 1952; Griechisch/Englisch, mit Kommentar: D. A. Russell,
Oxford 1964; Griechisch/Deutsch: R. Brandt, Darmstadt 1966; Griechisch/Deutsch:
O. Schönberger, Stuttgart 1988 (keine Ausgabe in NPB).
Lubbock, John: Die vorgeschichtliche Zeit erläutert durch die Ueberreste des Alterthums und
die Sitten und Gebräuche der jetzigen Wilden. Nach der 3. Auflage aus dem Englischen von
A. Passow. Mit einleitendem Vorwort von Rudolf Virchow, 2 Bde., Jena 1874 (nicht in NPB).
Lubbock, John: Die Entstehung der Civilisation und der Urzustand des Menschengeschlechtes,
erläutert durch das innere und äußere Leben der Wilden. Autorisierte Ausgabe für
Deutschland. Nach der dritten vermehrten Auflage aus dem Englischen von A. Passow.
Nebst einleitendem Vorwort von Rudolf Virchow, Jena 1875 (NPB 364).
150 Bibliographie
Lucretius: De rerum natura libri sex, hg. von Karl Lachmann, Berlin 1850 (BUB).
Luden, Heinrich: Handbuch der Staatsweisheit oder der Politik. Ein wissenschaftlicher Versuch,
Jena 1811 (nicht in NPB).
Lüdemann, Hermann: Die Anthropologie des Apostels Paulus und ihre Stellung innerhalb seiner
Heilslehre. Nach den vier Hauptbriefen dargestellt, Kiel 1872 (nicht in NPB).
Luther, Martin: Sämmtliche Werke, 4 Abteilungen, 67 Bde., Erlangen 1826–1857 (nicht in NPB).
Luther, Martin: Sämmtliche Werke, Bd. 58: Vierte Abteilung. Vermischte deutsche Schriften.
Bd. 6 = Tischreden, Bd. 2, Frankfurt am Main/Erlangen 1853 (nicht in NPB).
Luther, Martin: Von der Freiheit eines Christenmenschen. Nebst zwei anderen Reformations-
schriften aus dem Jahre 1520. Bearbeitet, mit Einleitung und Anmerkungen versehen von
Karl Pannier, Leipzig 1883 (nicht in NPB).
Luther, Martin: Deudsch Catechismus [Der Große Katechismus, 1529], in: Martin Luthers Werke.
Kritische Gesamtausgabe, Bd. 30, Abt. 1, Weimar 1910, S. 123–238 (nicht in NPB).
Mach, Ernst: Beiträge zur Analyse der Empfindungen, Jena 1886 (NPB 374 f.).
Machiavelli, Niccolò: Le prince. Nouvelle traduction précédée de quelques notes sur l’auteur
par C. Ferrari, Paris 1873 (NPB 375).
Mainländer, Philipp [Pseudonym für Philipp Batz]: Die Philosophie der Erlösung, Berlin 1876
(NPB 375: gekauft 1876, nicht erhalten).
Mann, Heinrich: Der Untertan, Leipzig 1918.
Mann, Thomas: Der Zauberberg, Berlin 1924 (= ders.: Große kommentierte Frankfurter
Ausgabe, Bd. 5, Frankfurt am Main 2002).
Mann, Thomas: Doktor Faustus. Das Leben des deutschen Tonsetzers Adrian Leverkühn, erzählt
von einem Freunde [1947] = ders.: Große kommentierte Frankfurter Ausgabe, Bd. 10/1,
hg. und textkritisch durchgesehen von Ruprecht Wimmer unter Mitarbeit von Stephan
Stachorski, Frankfurt am Main 2007.
Mann, Thomas: Die Entstehung des Doktor Faustus. Roman eines Romans [1949], in: ders.:
Große kommentierte Frankfurter Ausgabe. Bd. 19/1: Essays VI, 1945–1950, hg. und
textkritisch durchgesehen von Herbert Lehnert, Frankfurt am Main 2009, S. 409–581.
Mann, Thomas: Nietzsches Philosophie im Lichte unserer Erfahrung [1947], in: ders.: Große
kommentierte Frankfurter Ausgabe. Bd. 19/1: Essays VI, 1945–1950, hg. und textkritisch
durchgesehen von Herbert Lehnert, Frankfurt am Main 2009, S. 185–226 [auch in: ders.:
Gesammelte Werke in Einzelbänden, Frankfurter Ausgabe, hg. von Peter de Mendelssohn:
Leiden und Größe der Meister, Frankfurt am Main 1982].
Mann, Thomas: Briefe, 3 Bde., hg. von Erika Mann, Frankfurt am Main 1961–1965.
Mann, Thomas: Gesammelte Werke in dreizehn Bänden, hg. von Hans Bürgin/Peter de
Mendelssohn, 2. durchgesehene Auflage, Frankfurt am Main 1974.
Mann, Thomas: Große kommentierte Frankfurter Ausgabe. Werke – Briefe – Tagebücher,
36 Bde., hg. von Heinrich Detering u. a. in Zusammenarbeit mit dem Thomas-Mann-Archiv
der ETH Zürich, Frankfurt am Main 2001 ff.
Mark Aurel: Selbstgespräche. Uebersetzt und erläutert von C. Cleß, Stuttgart 1866 (NPB 377).
Mark Aurel: Wege zu sich selbst. Hg. und übertragen von Willy Theiler, Zürich 1951.
Martensen, Hans Lassen: Die Christliche Ethik. Allgemeiner Theil. Zweite, verbesserte Auflage,
Gotha 1873 (nicht in NPB).
Martensen, Hans Lassen: Die Christliche Ethik. Specieller Theil, Zweite Auflage, Abt. 1:
Die individuelle Ethik, Abt. 2: Die sociale Ethik, Gotha 1879 (nicht in NPB).
Marx, Karl/Engels, Friedrich: Manifest der Kommunistischen Partei = dies.: Werke, Bd. 4, Berlin
1959, S. 459–493 (keine Ausgabe in NPB).
Quellen und zeitgenössische Literatur 151
Renan, Ernest: L’Antéchrist. Troisième édition, Paris 1873 (a) (= Histoire des origines du
Christianisme, vol. 4) (nicht in NPB).
Renan, Ernest: Der Antichrist. Autorisirte deutsche Ausgabe, Leipzig/Paris 1873 (b) (nicht in
NPB).
Riehl, Wilhelm Heinrich: Die bürgerliche Gesellschaft, Stuttgart/Tübingen 1851 (nicht in NPB).
Ripke-Kühn, Lenore: Nietzsches Willenserziehung, in: Der Panther 5 (1917), S. 519–535.
Romundt, Heinrich: Grundlegung zur Reform der Philosophie. Vereinfachte und erweiterte
Darstellung von Immanuel Kants Kritik der reinen Vernunft, Berlin 1885 (NPB 506).
Rosenberg, Alfred: Nietzsche und die politische Wissenschaft, in: Volk im Werden 2 (1934),
S. 455–469.
Roskoff, Gustav: Das Religionswesen der rohesten Naturvölker, Leipzig 1880 (nicht in NPB).
Roskoff, Gustav: Geschichte des Teufels, 2 Bde., Leipzig 1869 (nicht in NPB).
Roth, Joseph: Die Krüppel. Ein polnisches Invalidenbegräbnis, in: Frankfurter Zeitung vom
23. 11. 1924.
Rousseau, Jean-Jacques: Bekenntnisse. Neun Theile in zwei Bänden, Dritte Auflage, Leipzig
1870 (NPB 509–511).
Rousseau, Jean-Jacques: Discours sur l’Origine de l’Inégalité parmi les Hommes, in: ders.:
Schriften zur Kulturkritik. Eingeleitet, übersetzt und hg. von Kurt Weigand, 2., erweiterte
und durchgesehene Auflage, Hamburg 1971, S. 61–268 (= Philosophische Bibliothek,
Bd. 243) (keine Ausgabe in NPB).
Rousseau, Jean-Jacques: Œuvres complètes, 5 Bde., hg. von Gagnebin, Bernard/Raymond,
Marcel u. a., Paris 1959–1995 [= Bibliothèque de la Pléiade] (NPB 509–511: andere
Ausgabe der Bekenntnisse).
Sainte-Beuve, Charles Augustin: Port Royal, 3 Bde., Paris 1840–1848 (nicht in NPB).
Sand, George: Histoire de ma vie, 20 Bde., Paris 1855 (nicht in NPB).
Scheler, Max: Der Genius des Krieges und der Deutsche Krieg, Leipzig 1914.
Scheler, Max: Krieg und Aufbau, Leipzig 1916.
Scheler, Max: Vorbilder und Führer, in: ders.: Schriften aus dem Nachlass, Bd. 1: Zur Ethik
und Erkenntnislehre, hg. von Maria Scheler, Berlin 1933 [Neuauflage: ders.: Gesammelte
Werke, hg. von Maria Scheler/Manfred S. Frings, Bd. 10, 2. durchgesehene und erweiterte
Auflage, Bern 1957].
Schelling, Friedrich Wilhelm Joseph: Philosophie der Kunst, Nachdruck der Ausgabe von 1859,
Darmstadt 1980.
Schelling, Friedrich Wilhelm Joseph: Sämmtliche Werke, hg. von Karl Friedrich August
Schelling, 14 Bde. in 2 Abtheilungen, Stuttgart/Augsburg 1856–1861 [Reprint Darmstadt
1966–1976].
Schenkel, Daniel: Das Charakterbild Jesu. Ein biblischer Versuch. Dritte Auflage, Wiesbaden
1864 (NPB 523).
Scherer, Edmond: Études sur la littérature contemporaine VIII, Paris 1885 (NPB 523).
Scherer, Wilhelm: Geschichte der deutschen Dichtung im elften und zwölften Jahrhundert,
Straßburg 1875 (nicht in NPB).
Schiller, Friedrich: Sämmtliche Werke in achtzehn Bändchen, Stuttgart/Tübingen 1822–1826
(NPB 524–527, Bd. 8 fehlt)
Schiller, Friedrich: Sämmtliche Werke in zehn Bänden, Stuttgart/Tübingen 1844 (NPB 527–529,
Bde. 1 u. 4 fehlen).
Schiller, Friedrich: Werke und Briefe, hg. von Otto Dann u. a., Bd. 5: Dramen IV, hg. von Matthias
Luserke, Frankfurt am Main 1996.
Quellen und zeitgenössische Literatur 155
Schlaikjer, Erich: [Rez. von] Ferdinand Tönnies: Der Nietzsche-Kultus, in: Die Hilfe, Jg. 5 (1899),
Nr. 10, S. 9–10 u. Nr. 13, S. 9–10.
Schlegel, August Wilhelm: Kritische Schriften und Briefe, hg. von Edgar Lohner, Bd. V/1:
Vorlesungen über dramatische Kunst und Literatur, Stuttgart u. a. 1966.
Schmid, Irmgard/Streitfeld, Erwin (Hg.): Briefwechsel Gottfried Keller – Emil Kuh, Zürich 1988.
Schmidt, Julian: Geschichte der Romantik in dem Zeitalter der Reformation und der Revolution.
Studien zur Philosophie der Geschichte, 2 Bde., Leipzig 1848.
Schmidt, Julian: Geschichte der deutschen Nationallitteratur im 19. Jahrhundert, 2 Bde., Leipzig
1853.
Schmidt, Leopold: Die Ethik der alten Griechen, 2 Bde., Berlin 1882 (NPB 531 f.).
Schneider, Georg Heinrich: Der thierische Wille. Systematische Darstellung und Erklärung der
thierischen Triebe und deren Entstehung, Entwickelung und Verbreitung im Thierreiche als
Grundlage zu einer vergleichenden Willenslehre, Leipzig o. J. [1880] (NPB 533 f.).
Schneider, Georg Heinrich: Der menschliche Wille vom Standpunkte der neueren Entwicke-
lungstheorien (des „Darwinismus“), Berlin 1882 (NPB 533).
Schoemann, G[eorg] F[riedrich]: Griechische Alterthümer, 2 Bde., Zweite Auflage, Berlin
1861–1863 (NPB 535 f.).
Schoemann, G[eorg] F[riedrich]: Die Hesiodische Theogonie ausgelegt und beurtheilt, Berlin
1868 (NPB 535).
Schopenhauer, Arthur: Aus Arthur Schopenhauer’s handschriftlichem Nachlaß. Abhandlungen,
Anmerkungen, Aphorismen und Fragmente. Hg. von Julius Frauenstädt, Leipzig 1864 (NPB
543).
Schopenhauer, Arthur: Parerga und Paralipomena. Kleine philosophische Schriften. Zweite,
verbesserte und beträchtlich vermehrte Auflage, aus dem handschriftlichen Nachlasse des
Verfassers herausgegeben von Dr. Julius Frauenstädt. Erster Band, Berlin 1862.
Schopenhauer, Arthur: Sämmtliche Werke. Hg. von Julius Frauenstädt, 6 Bde., Leipzig
1873–1874 (NPB 538–543).
Schopenhauer, Arthur: Über den Willen in der Natur. Eine Erörterung der Bestätigungen, welche
die Philosophie des Verfassers, seit ihrem Auftreten, durch die empirischen Wissen-
schaften hat. 3. verb. u. verm. Aufl., hg. von Julius Frauenstädt, Leipzig 1867 (NPB 543).
Schopenhauer, Arthur: Die Welt als Wille und Vorstellung, in: ders.: Sämtliche Werke, nach
der ersten, von Julius Frauenstädt besorgten Gesamtausgabe neu bearbeitet und hg. von
Arthur Hübscher, Bd. 2 und 3, 3. Auflage, Wiesbaden 1972.
Schweighäuser, Johannes (Hg.): Epicteteae Philosophiae Monumenta, 5 Bde., Leipzig
1799–1800 (nicht in NPB) [Nachdruck Hildesheim/New York 1977].
Semper, Karl: Die natürlichen Existenzbedingungen der Thiere. Zwei Theile, Leipzig 1880
(NPB 547).
Seneca, Lucius Annaeus: De clementia. De beneficiis = ders.: Philosophische Schriften.
Lateinisch/Deutsch. Übersetzt, eingeleitet und mit Anmerkungen versehen von Manfred
Rosenbach, Bd. 5, Darmstadt 1989 (andere Ausgaben NPB 547–550).
Shaftesbury, Anthony Ashley Cooper: The Moralists, in: ders.: Characteristicks of Men,
Manners, Opinions, Times, 3 Bde. [1711], Bd. 2, 2. Auflage, London 1714 [ins Deutsche
übersetzt von Ludwig Christoph Heinrich Hölty, in: Shaftesbury: Philosophische Werke,
3 Bde., Leipzig 1776–1779] (keine Ausgabe in NPB).
Shakespeare, William: Shakespeare’s dramatische Werke übersetzt von August Wilhelm
von Schlegel und Ludwig Tieck. Neue Ausgabe in neun Bänden, Berlin 1853–1855
(NPB 555–557: Bde. 2–9).
156 Bibliographie
Stendhal [Henri Beyle]: Correspondance inédite. Précédée d’une introduction par Prosper
Mérimée. Première série, Paris 1855 (a) (NPB 575).
Stendhal [Henri Beyle]: Nouvelles inédites, Paris 1855 (b) (nicht in NPB).
Stendhal [Henri Beyle]: Histoire de la peinture en Italie. Seule édition complète, entièrement
revue et corrigée, Paris 1868 (NPB 573).
Stendhal [Henri Beyle]: De l’amour. Seule édition complète, augmentée de préfaces et de
fragments entièrement inédits, Paris 1876 (nicht in NPB).
Stifter, Adalbert: Werke und Briefe. Historisch-kritische Gesamtausgabe. Bd. 3/2: Erzählungen,
hg. von Johannes John und Sibylle von Steinsdorff, Stuttgart 2003 (keine Ausgabe in NPB).
Stirner, Max: Der Einzige und sein Eigentum, Leipzig 1845 (nicht in NPB).
Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu für das deutsche Volk bearbeitet, 2. Auflage, Leipzig
1864 (NPB 579 f.: von N. 1868 gekauft, 1875 verkauft).
Stoicorum Veterum Fragmenta, 3 Bde., hg. von Hans von Arnim, Leipzig 1903–1905. 4 Bde.,
hg. von Hans von Arnim u. Maximilian Adler, Leipzig 1921–1924 (keine Ausgabe in NPB)
[Nachdrucke Stuttgart 1978 u. 1979].
Stückelberger, Alfred (Hg.): Antike Atomphysik. Texte zur antiken Atomlehre und zu ihrer
Wiederaufnahme in der Neuzeit. Griechisch/Lateinisch/Italienisch/Deutsch, München
1979.
Sully, James: Le pessimisme (histoire et critique). Traduit de l’anglais par MM. Alexis Bertrand
et Paul Gérard, Paris 1882 (NPB 581 f.).
Sutta Nipáta, or, Dialogues and Discourses of Gotama Buddha. Translated from the Pali, with
introduction and Notes by M. Coomára Swámy, London 1874 (nicht in NPB).
Taine, Hippolyte: Philosophie der Kunst. Autorisirte deutsche Uebersetzung, Paris/Leipzig
1866 (NPB 588 f.).
Taine, Hippolyte: Die Entstehung des modernen Frankreich. Autorisirte deutsche Bearbeitung
von L[eopold] Katscher. Erster Band: Das vorrevolutionäre Frankreich, Leipzig 1877;
Zweiter Band: Das revolutionäre Frankreich. Erste Abtheilung, Leipzig 1878 (NPB 586 f.).
Taine, Hippolyte: Geschichte der englischen Literatur. Autorisirte deutsche Ausgabe. Erster
Band: Die Anfänge und die Renaissance-Zeit der englischen Literatur. Bearbeitet und mit
Anmerkungen versehen von Leopold Katscher; Zweiter Band: Das klassische Zeitalter der
englischen Literatur. Bearbeitet von Gustav Gerth, Leipzig 1878; Dritter Band: Die Neuzeit
der englischen Literatur. Bearbeitet von Gustav Gerth, Leipzig 1880 (NPB 587 f.).
Tertullian [Quintus Septimus Tertullianus Florens]: De carne Christi, in: Patrologia Latina, Bd. 2,
S. 751–791.
Theophrastos: Charaktere. Uebersetzt und erläutert von Wilhelm Binder, Stuttgart 1865
(NPB 592).
Thomasius, Christian: Meine zu Leipzig Anno 1689 gehaltene Lectiones de praejudiciis, in:
ders.: Vernünfftige und Christliche aber nicht Scheinheilige Thomasische Gedancken Und
Erinnerungen Uber allerhand Gemischte Philosophische und Juristische Händel, Dritter
Teil, Halle 1725, S. 625–768 (nicht in NPB).
Tille, Alexander: Von Darwin bis Nietzsche. Ein Buch zur Entwicklungsethik, Leipzig 1895
(nicht in NPB).
Tönnies, Ferdinand: „Ethische Kultur“ und ihr Geleite [in der „Zukunft“ und in der
„Gegenwart“]; enth.: ‚Nietzsche-Narren‘ und ‚Wölfe in Fuchspelzen‘, Berlin 1893 (nicht in
NPB).
Tönnies, Ferdinand: Der Nietzsche-Kultus. Eine Kritik, Leipzig 1897 (nicht in NPB).
Tocqueville, Alexis de: De la démocratie en Amérique, Bd. 1, Paris 1835 (nicht in NPB).
158 Bibliographie
Tocqueville, Alexis de: L’Ancien Régime et la Révolution, 2. Auflage, Paris 1856 (nicht in NPB).
Treitschke, Heinrich von: Der Bonapartismus, in: Preußische Jahrbücher 16 (1865), S. 197–252
(a) (nicht in NPB).
Treitschke, Heinrich von: Historische und Politische Aufsätze vornehmlich zur neuesten
deutschen Geschichte [Bd. 1]. Zweite Auflage, Leipzig 1865 (b) (nicht in NPB).
Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im Neunzehnten Jahrhundert. Erster Theil: Bis
zum zweiten Pariser Frieden = Staatengeschichte der neuesten Zeit, Bd. 24, Leipzig 1879
(nicht in NPB).
Treitschke, Heinrich von: Unsere Aussichten, in: Preußische Jahrbücher 44 (1879), S. 559–576
(nicht in NPB).
Treitschke, Heinrich von: Zehn Jahre deutscher Kämpfe, 1865–1874. Schriften zur Tagespolitik,
2. Auflage, Berlin 1879 (nicht in NPB).
Tylor, Edward Burnett: Die Anfänge der Cultur. Untersuchungen über die Entwicklung der
Mythologie, Philosophie, Religion, Kunst und Sitte. Übersetzt von J. W. Spengel und
F. Poske unter Mitwirkung des Verfassers, 2 Bde., Leipzig 1873 (nicht in NPB).
Ueberweg, Friedrich: Grundriß der Geschichte der Philosophie von Thales bis auf die Gegenwart.
Erster Theil: Das Alterthum. Dritte, berichtigte und ergänzte Auflage, Berlin 1867
(NPB 627 f.). Zweiter Theil: Die patristische und scholastische Zeit. Dritte, berichtigte und
ergänzte Auflage, Berlin 1866 (NPB 628). Dritter Theil: Die Neuzeit, Berlin 1866 (NPB 628).
Usener, Hermann (Hg.): Epicurea, Leipzig 1887 (nicht in NPB) [Nachdruck Rom 1963; Stuttgart
1966; übersetzt ins Italienische mit Ergänzungen von Lidia Massa Positano, Padua 1969].
Vauvenargues, Luc de Clapiers de: Réflexions, sentences et maximes morales de La
Rochefoucauld précédées d’une notice par M. Sainte-Beuve de l’Académie Française.
Œuvres choisies de Vauvenargues avec un choix des notes de Voltaire, Morellet, Fortia,
etc. et précédées d’une Notice par Suard. Nouvelle édition revue avec grand soin sur les
meilleurs textes, Paris o. J. (NPB 630).
Vinet, Alexandre: Études sur Blaise Pascal, Paris 1848 (nicht in NPB).
Vogt, Johannes Gustav: Die Kraft. Eine real-monistische Weltanschauung. Erstes Buch. Mit 116
Holzschnitten. Die Contraktionsenergie, die letztursächliche einheitliche mechanische
Wirkungsform des Weltsubstrates, Leipzig 1878 (NPB 633).
Volkmann, Richard: Hermagoras oder Elemente der Rhetorik, Stettin 1865 (BUB).
Voltaire: Traité sur la tolérance, Genf 1763 (deutsche Voltaire-Ausgabe NPB 634 f.).
Vorländer, Karl: Geschichte der philosophischen Moral-, Rechts- und Staatslehre der Engländer
und Franzosen. Mit Einschluss Machiavell’s und einer kurzen Uebersicht der moralischen
und socialen Lehren der neueren Zeit überhaupt, Marburg 1855 (nicht in NPB).
Wackernagel, Jacob: Ueber den Ursprung des Brahmanismus. Vortrag, gehalten zu Basel am
17. November 1876, Basel 1877 (NPB 636).
Wagner, Cosima: Die Tagebücher, ediert und kommentiert von Martin Gregor-Dellin und Dietrich
Mack, hg. von der Stadt Bayreuth, 2 Bde., München 1976 und 1977.
Wagner, Richard: Ueber die Bestimmung der Oper. Ein akademischer Vortrag, Leipzig 1871.
Wagner, Richard: Gesammelte Schriften und Dichtungen, 10 Bde., Leipzig 1907.
Wahrmund, Adolf: Die Geschichtschreibung der Griechen, Stuttgart 1859 (NPB 643).
Wesley, John: The New Birth. Sermon 45, in: ders.: The Works of John Wesley. Bd. 2: Sermons II,
34–70, hg. von Albert C. Outler, Nashville 1985, S. 186–201 (keine Ausgabe in NPB).
[Winckelmann, Johann Joachim:] Gedancken über die Nachahmung der Griechischen Wercke in
der Mahlerey und Bildhauerkunst, o. O. 1755 (nicht in NPB) [Faksimiledruck Dresden 1927];
2. vermehrte Auflage, Dresden/Leipzig 1756.
Forschungsliteratur und allgemeine Literatur 159
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Gesamtregister
Namen, Themen, Begriffe
Vorbemerkung zur Anlage und zur Funktion des Registers
1. Nach der Verzeichnung eines Namens steht in Klammern der mit einem Pfeil, gegebenenfalls
mit mehreren Pfeilen versehene Hinweis auf andere Namen, auf Werke, Themen oder Begriffe,
unter denen der im Stichwort angegebene Name in diesem Buch relevant ist.
Beispiele: Abel, Günter (→ Wille zur Macht)
Alewyn, Richard (→ Hofmannsthal → Kafka)
Anaximander (→ Vedanta – Schopenhauer → Individuation als „Schuld“ → Kafka)
2. Nach der Verzeichnung eines Werktitels oder eines Begriffs steht der mit einem Pfeil versehe-
ne Hinweis auf andere Begriffe, Werktitel, Namen oder Themen, unter denen der im Stichwort
angegebene Begriff in diesem Buch relevant ist.
Beispiele: Décadence, dekadent (als Leitbegriff im späten 19. Jahrhundert und bei N.)
→ Epigonentum
Freigeist (→ N. → Ludwig Büchner)
Oper, N.’s Verfälschung der Operngeschichte (→ Wagner)
„Tod Gottes“ (als Voraussetzung für die → Umwertung aller Werte)
3. Die mit Pfeil versehenen Hinweise beziehen sich meistens auf andere im Register stehende
Stichworte, gelegentlich auch auf darüber hinaus reichende Komplexe.
Faust-Ideologie und N.-Mythologie bei Tho- Führer, führen, Geführte (N.s Plädoyer →
mas Mann, 118–127 Heidegger), 35, 257
Fehlen künstlerischer Begabung bei N. Fürst (→ Machiavelli), 22
(→ Urteil Overbecks), 39
„Fehler“ und „Mangel an Wahrheitsliebe“ Galenos (→ Stoa → Psychotherapie), 71
(Kritik von Wilamowitz an N. → Die Ge- Ganzheitsbedürfnis (→ Lebensreform-Bewe-
burt der Tragödie → Friedrich Ritschl → gung → Kafka), 110
Hermann Usener), 49–51 Gapon, Georgi (→ Kafka), 105 244
Feuerbach, 29 Gast, Peter (Pseudonym für → Köselitz, Hein-
Ficino, Marsilio (→ Platon → Neuplatonismus), rich), 7, 129–130
53 Gebote, die zehn (→ Dekalog → Moral-Ge-
Fick, Monika (→ Monismus), 19 45 setze), 41
Figal, Günter (→ Heidegger), 37 93 Gedankenarmut N.s (→ Paul Rées Urteil),
Flasch, Kurt (→ N. im 1. Weltkrieg), 128 304 38
Florenz (→ Platonismus → Neuplatonismus), „Gefühl“ (→ Wagner → Unbewusstes →
53 N.: „Gefühl der Macht“), 93 217
Fontane, Theodor (→ Adelsproblematik im „Gefühl der Macht“ (als Begriff N.s → Morgen-
19. Jahrhundert), 57 f. röthe → Ohnmachtsgefühl), 20, 22, 90
Formel(n) (N.s Formierung von Schlagwör- „Geheimcultus“ (→ Mysterien), 80
tern), 2–3 Geistphilosophie (→ Hegel → Idealismus), 18
Fornari, Maria Cristina (→ N.s persönliche (die) Gelehrten (N.s Urteile), 50
Bibliothek → Campioni) Genealogie, genealogisch, genealogische
Förster-Nietzsche, Elisabeth (→ Nietzsche-Kult Methode, 38
→ Hitler), 6 Genesis, 68 f.
Förster, Bernhard, 89 Genialitätsanspruch (N.s → Originalität), 91
Forschungsdiskussion zum „Willen zur Genie, Genialität (→ Original → Schopenhauer
Macht“, 12–14 → N.), 16, 38, 40–43, 130
Fragmentierung, fragmentierte Persönlich- Genie-Ideologie (→ Schopenhauer → N. →
keit, fragmentiertes Erzählen (→ Kafka → Musil), 114
Broch), S. 97 f., 109 „Genie und Wahnsinn“ (→ antike und neuzeit-
Frauen (→ N.s Wirkung auf Frauen → Musil), liche Tradition → Lombroso → N. → Musil
115 f. → Thomas Mann), 1 f, 116 f., 120
Frauenmörder als zeitgenössisches Thema „Genie-Moral“ (→ Musil), 111 f.
(→ Musils Moosbrugger-Figur → Lust- George-Schule (→ Ernst Bertram → Thomas
mord → zeitgenössische Malerei), 117 Mann), 137 321
268 Geschichte der Freundschaft, 52 f.
Freidenker, Freidenker-Bewegung (Bedeutung Geschichtsauffassung N.s (→ 2. Unzeitge-
für N. → Ludwig Büchner → antichristlich mäße Betrachtung), 89 f.
→ antiklerikal), 16–19 Geschichtsklitterung in Th. Manns Doktor
Freidenkertum (→ Paul Rée → N.s Übernah- Faustus, 123
men), 40–43 Geschichtsschreibung, Geschichtswissen-
Freidenker-Verband, 16 schaft, 4, 16, 90
Freigeist, freigeisterisch (→ N. → Ludwig Büch- Geschlechtsliebe, 53
ner), 40–43, 44 Gesetze (biblische Moralgesetze → Dekalog),
Freud, Sigmund (→ Kafka), 97, 98, 108 26, 28
Fronterotta, Francesco (→ N.s persönliche „Gesundheit“ als kompensatorische Ideolo-
Bibliothek → Campioni) gie bei N., 37, 130
182 Gesamtregister