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FonoForum April 1984

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dem Vergnügen privilegierter hat eine Traumkulisse der Belle nenschar noch Volk, sondern der (seit Gustav Mahlers Zei-
Münchner sibler Lenski Abschied von der
Münchner Kompagnie. Judith
sehen Darryl Phillips, gruppie-
ren sich entsprechend den Vor- Personen dienen. Sie muß den Epoche entworfen, in der Stra- ein Chor der versammelten ten) gerne die „Leonoren"-Ou-
Turos bewies in „Onegin", daß tragsbezeichnungen „Le dou- Massen zum Geschenk ge- ßenverkäuferinnen, Adel, Bal- Freimaurerlogen. In Reih und vertüre Nr. 3 gespielt wird.
Ballett-Tage 1984 sie als Tatjana sowohl über
scheue Mädchenhaftigkeit wie
ble plus lent", „Tres calme" macht werden."
Nach der Pause nochmals Be-
letthäschen und Verehrer, Ge-
neräle, Ludwig II. und Napole-
Glied singen die von ihren No-
tenblättern ab, daß der Bruder
Dieser Verzicht raubt nun wie-
derum Daniel Barenboim die
„plus allent" usw. Partnerin-
über selbstvergessene Leiden- nen, Freunde oder Gruppen; jart - und so fröhlich, spritzig, on, vor allem aber Jacques Of- seinen Bruder suche. Keine Chance, zu demonstrieren, was
schaftlichkeit an der Seite des menschliche Beziehungen wer- so herzlich hat noch keine sei- fenbach (eine quirlige, scharf Euphorie der Befreiung, son- im Orchester der Deutschen
f ünstlerische Aufbruchs- konnte nichts retten: Weitge- hervorragenden Youri Vämos den angespielt - und lösen sich ner Schöpfungen auf mich ge- konturierte Studie von Uwe dern ein historischer Verweis Oper doch noch an dramati-
k Stimmung, Innovations- hend unpsychologische Schreit- verfügt. Der Kontrast der vier entsprechend der musikali- wirkt. „Gaite Parisienne" Scholz) durcheinanderwirbeln, auf die geistesgeschichtliche scher Gestaltungskraft steckt.
freudigkeit oder Risiko- arrangements in Diagonalen; großen Pas de deux zeigte, daß schen Fortentwicklung - auch nennt er seine autobiographi- - der kleine Farbige Mark Quelle, auf die Aufklärung, der So wetteiferte Barenboim eben
bereitschaft - all dies kann man viel klassisches Schritt- und Tanzfiguren von Menschen er- des Lebens - wieder auf. Scholz sche Erzählung, in der der klei- McClain als Bim wie ein Gum- Ponnelle aber trotz aller Di- mit dem Regisseur darin, wer
der Direktion der Bayerischen Sprungrepertoire ohne drama- zählen können und sollen, nicht zeigt bei dem Aufbrechen des ne Bim zum Tanzstudium nach miball dazwischen. Pantomi- stanziertheit soviel Kraft zu- die Spielzeit dieser Oper länger
Staatsoper wirklich nicht nach- tischen Bezug; öde Bilder; be- leere Rituale darstellen. klassischen Schrittrepertoires Paris kommt, von der legendä- me, Karikatur und Hofballett traut, daß der - von Jaquino dehnen könne: Ponnelle durch
sagen. So war für jeden, der die wegungsfeindliche Kostüme. Der einzige „Festbeitrag" kam Feingefühl für Ironie, Melan- ren Madame Rousanne „ge- sowie Walzer und CanCan sind gefesselte - Bösewicht Pizarro das Einfügen von sonst (zu
„Dornröschen"- und „Giselle"- John Crankos Tanzdramatur- durch das Gastspiel „der Stutt- cholie oder Problematik. Ein- schliffen" wird, sich in seinen infernalisch verschmolzen. Die offensichtlich von der Kraft des Recht gestrichener) Dialog-
Choreographien im National- gie, Neumeiers „Illusionen - garter". Die einleitende Probe helliger Beifall. Scholz geht als Träumen von Tanz- und Le- Haydee glänzte mit einem an- Gedankens gefällt wird. Und Passagen oder Barenboim
theater kennt, absehbar, was wie Schwanensee", beides aus der Nachwuchsschmiede Choreograph nach Zürich. bensglück tröstet und schließ- rührenden Porträt von Mada- wenn am Schluß der Chor for- durch die Suche nach dem lang-
die Verpflichtung von Peter Deutungen der 70er Jahre, lie- konnte München nur vor Neid Danach die Enttäuschung des lich doch ins Ballettleben ent- me. Tobende Begeisterung. dert, „wer ein holdes Weib er- samsten Tempo. Das war nicht
Wright als neuem „Schwanen- gen um künstlerische Lichtjah- erblassen lassen. Uwe Scholz, Abends. Maurice Bejart hat für lassen wird. Thierry Bosquet Wolf-Dieter Peter rungen", solle in den Jubel ein- ohne Reiz, wenn Barenboim -
stimmen, geht dann auch noch etwa beim vielstrapazierten
Mit „Variation- das Licht im Zuschauerraum Gefangenenchor - eine neue
1" (einer Produk- an. Merke: wir sind gemeint. Spannung aufbauen konnte,
tion des Stuttgarter
Balletts) bewies
Es ist einiges zu kurz gedacht in aber dieser Effekt nutzte sich
dieser Inszenierung, die anson- zum einen ab, ließ sich zum
der 1958 geborene
Uwe Scholz wäh- „Fidelio"-Premiere sten zwischen wenigen Ansät- anderen nicht immer gegen die
rend der diesjähri- zen zum Psychogramm der Fi- Sänger (1. Gefangener oder
gen Münchner
Ballett-Tage, daß
an der Deutschen Oper guren und vielen Opernkon-
ventionen schwankt. Immerhin
auch Florestan) durchsetzen.
Und wenn Barenboim dann
er zu den großen
Hoffnungen des
Choreographen-
Berlin erspart Ponnelles Bühnenbild
der durchscheinenden Vorhän-
ausgerechnet das Duett Rocco
Fidelio fast bis zum Stillstand
Nachwuchs zu ge die sonst übliche Umbau- abbremst, dann raubt er dem
zählen ist. pause vor dem Jubelfinale, in Stück nicht nur die Intensität,
sondern führt auch den Text
eitlos ist der Traum vom („Nur hurtig fort, nur frisch
Sieg der Gerechtigkeit. gegraben") ins Absurde.
Unvergänglich die Be- Barenboims Dirigat war einsei-
wunderung für eine Liebe, de- tig, ungleichwertig, aber doch
ren Treue Kerkermauern über- zumindest partiell aufregend,
windet und Ketten sprengt. was man leider von den Ge-
Vielleicht hat gerade deshalb sangsleistungen kaum sagen
Beethovens „Fidelio" in den kann. Catarina Ligendza hatte
letzten Jahren und Jahrzehnten keinen sehr guten Abend er-
die Regisseure immer wieder wischt, sang ihre erste große
gereizt, die Aktualität dieser Arie („Abscheulicher, wo eilst
Geschichte zu unterstreichen. Du hin" - wozu sie, dank Pon-
Jean-Pierre Ponnelle aber woll- nelles Regie, gleich drei Leuten
te jetzt an der Deutschen Oper nachsehen darf) etwas ange-
Berlin weg von jeder vermeint- strengt, gewann im zweiten
lich plakativen Gleichung und Teil zwar an Impulsivität, hat-
Gleichsetzung, wollte Assozia- te aber abendfüllend das, was
tionen vermeiden und dem Ori- man im Politikerneudeutsch
ginal wieder zum Recht auf das ein „Glaubwürdigkeitsdefizit"
eigene Bild verhelfen. Doch nennt. Sie berührte zu wenig.
was als Rückkehr zur Authenti- Peter Hofmann sang die Ker-
zität gemeint war, gerann ihm ker-Arie besser, als man es
see"-Choreographen bedeute- re voraus. Jahrgang 1958 und Absolvent Marcia Haydee eine theatrali- zur artifiziellen Gebärde. Was nach seiner Schallplattenlei-
te. Die Münchner Direktion Der Kontrast war um so deutli- der Cranko-Akademie in Stutt- sche Hommage an Isadora „echt" wirken wollte, blieb • •
hätte sich ja sogar die Londo- cher, als in zwei Cranko-Klassi- gart, zeigte in „Variation - 1", Duncan entworfen. Doch cho- Theaterwirklichkeit. Und er-
ner Produktion ansehen kön- kern klar wurde, wo die Tanz- daß er nach William Forsythe reographisch kommt da nichts staunlicherweise unterliefen
nen. Obwohl Wright Petipa- kunst im Handlungsballett be- die nächste große Choreogra- außer blassen Konturen, selbst Ponnelle dann einige Einfälle, Catarina Ligendza
und Iwanow-, Gorsky-, Messe- reits angelangt war. Marcia phen-Begabung ist. Auf Pou- wenn „die Haydee" sich sicher die den Verdacht nahelegten, (Leonore) und Pe-
rer- und Samsowa-Teile in sei- Haydee und Richard Cragun lencs Konzert für zwei Klaviere dem Original nähert, soweit er mißtraue letztlich dem ter Hofmann (Flo-
Werk, dem er wieder zu seinem o restan) in Jean-
ne Choreographie eingearbei- verwandelten sich völlig in das d-Moll entwarf er ein ganz und wie menschenmöglich. Einzig Pierre Ponnelles
tet hat, wurde es der fadeste Geschlechterkampf-Paar der gar aus der musikalischen interessant der hereingespro- unverfälschten Recht verhelfen |
Neuinszenierung
Tanz-Klassiker, den München „Widerspenstigen Zähmung". Struktur abgeleitetes menschli- chene Satz der Duncan: wollte. -§• von Beethovens
derzeit zu bieten hat. Auch die Tags darauf nahmen Marielena ches Beziehungsgeflecht. Um „Gönnt die Kunst dem Volk, Besonders typisch war Ponne- § „Fidelio" an der
„Festbesetzung" mit drei ver- Mencia und Yanis Pikieris als den Mittelpunkt, den jung- das nach ihr verlangt. Die erha- les Gestaltung der Schlußsze- y Deutschen Oper
schiedenen Meisterpaaren lyrisch verspielte Olga und sen- männlichen, aber auch lyri- bene Musik darf nicht mehr nur ne. Da jubelt weder Gefange- £ Berlin

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stung erwarten durfte; seine (Jaquino) ist das nicht so leicht aber auch einen Puritanismus, rausch, der Gesten und Emo-
Technik ist allerdings immer zu sagen. Walton Grönroos der öffentliche Gefühlsäuße- tionen, Gewagtes und Triviales
noch rauhbeinig und sein etwas verströmte als Minister happy rungen unterdrückt, wieder mit sicherem Instinkt an die
gaumiger Tonansatz auch nicht
jedermanns Geschmack. Und
für die „namenlose Freude"
endlich Selbstzufriedenheit.
Was nach der Papierform der
Beteiligten ein großer Opern-
einmal nach London. In Ita-
lien, in Spanien längst zur Insti-
tution geworden, überwand er
äußersten Grenzen des Erlaub-
ten führte.
Wie eine Ernüchterung wirkte
Exklusiv-
fehlte dann doch ein bißchen
der Jubelton.
Guillermo Saräbia hatte für
den Pizarro zwar Bösewicht-
Gesten, strahlte aber stimmlich
abend hätte werden können,
versandete in Halbherzigkeit.
Selbst die Proteste gegen Pon-
nelle und Barenboim hielten
nicht lange vor. Dieser „Fide-
die Scheu vor der Engstirnig-
keit und dem Unverständnis
einer Kritik, die ihn von Eng-
land vergrault hatte, und die es
vereinzelt auch diesmal nicht
dagegen „Nijinsky The Fool",
diese Rückerinnerung des um-
nachteten Nijinsky an die Dä-
monen seines Lebens, die auf
ihre Weise die Zueignung aus
künstler ii
Dirigent
keine Bedrohlichkeit aus, Ro-
bert Lloyd sang den Rocco
lio" störte manchen, aber er
verstörte nicht, provozierte
lassen konnte, ihn vor den Kopf
zu stoßen.
dem „Faust" zu projezieren
schien. Zwei Welten standen
ORCHESTRE NATIONAL DE FRANCE »Diesen Namen sollten Sie sich merken"
zwar wohltönend, wirkte aber vielleicht Aufgeregtheiten, „Ich möchte dem Theater den sich gegenüber, deren Dimen- Sbc iNcU» Jjork (timcs
doch etwas aufgesetzt. Eine aber regte niemanden wirklich Zauber der Folies Bergeres und sionen von purer Freude über
Entdeckung könnte Marie auf. Das aber kann am Werk die Spannung des Zirkus zu- geistvolle Parodie und Theater
MacLaughlin als Marzelline nicht liegen. Und auch nicht in rückgeben, so daß dem Publi- um seiner selbst willen bis in die
sein, über Alejandro Ramirez PonnellesSinn. Rainer Wagner kum die Luft wegbleibt." Er gähnenden Abgründe von Lust
erreichte sein Ziel, mit einer und Angst reichten. Hier Puck
eigenen Version von Shake- - Eros und Hermes, Satyr und
speares „Sommernachtstraum" Clown -, der voll fassungslo-
ebenso wie mit „Nijinsky The sem Staunen wie neugeboren
Fool". Erneut zelebrierte er aus der Bühnenversenkung
Lindsay Kemps zwei Tanzmysterien, die alle
Elemente der Darstellung in
trat, unschuldig und wissend
zugleich das nächtliche Schau-
Londoner Gastspiel sich aufsaugten und deren ge-
staltende Wurzeln zu einer Zeit
spiel in Gang setzte, mit kind-
lich unbescholtener Freude ZL 30931 DX
zurückführen, die die Künste über die verzauberte Bühne (Auch als CompactDisc erhältlich) ^ ^
Zauberer der Stille noch unter einem Dach verein- huschte, seine Anstiftungen,
seinen Traum genießend; dort
Die Lindsay Kemp Nijinsky, dem Wahnsinn ver-
Company gastierte
im Londoner Sad- fallen, von einem Magier ge-
lenkt, konfrontiert mit den Fi-
WA. MOZART
ler's Well Theatre SWH'IH'"
u. a. mit „Nijinsky guren, den Tänzen, der Musik
The Fool" (unser seiner Vergangenheit.
Bild) In ihnen beiden verkörperte JAMES COM JOX
sich der Genius Lindsay Kemp,
der Maler, Tänzer, Pantomi- ... geboren 1950, New York City
me, der Gaukler, Verführer
und Zauberer der Stille, der ... studierte an derjuilliard
einzige Anarchist, dessen magi-
scher Disziplin nicht nur seine School
Truppe, sondern auch das Pu-
blikum willig folgt. Disziplin
bedeutet für ihn nicht eine In-
• • • gefeierter Gast beifast allen
stitution, sondern gemeinsame großen Orchestern der Welt
Improvisation aus schöpferi-
schem Chaos, ohne Hemm-
schwellen oder Ego-Barrieren.
ZL 30932 DX . . . ist seit September 1983 Chef-
(Auch als CompactDisc erhältlich) Dirigent der Rotterdamer
Seine drei G's, genius, genero-
sity, good looks, bilden die
Grundlage, auf der er seine i i Philharmoniker
Technik weitervermittelt und
mit seinem auf Tanz, Mimik,
Theater, Gestaltung, Farben, ßmi sQif'/fMVMl /OP.92
10N0ÖN Fl-Iü H ARMOMIC Ö K W .
Musik und Joga aufgebauten JAMES CONLON /
Training zu einem sinnlichen
Weltbild verschmilzt.
indsay Kemp, sein Stil, keit. Lindsay Kemps Welt te. Die lustige Person aus Goe- Lindsay Kemps Theater, vir-
f seine Kreationen der Stil-
...,i le auf dem schwankenden
Seil zwischen Fröhlichkeit,
spielt sich in dem schwer faßba-
ren Raum von Transzendenz
und Traum, von Emotion und
thes „Faust" muß ebenso wie
Artaud und Marceau, ebenso
wie die Stegreifkomödie, das
tuos und professionell - in sich
ein Kunstwerk - bildet den be-
glückenden Gegensatz - und
ÜMES
»3NLON
srmook Orcheslra
FREUDE AN DER
Erotik und Angst, die in keine Sinnlichkeit ab, in dem Heiliges lukullische Opernspektakel vielleicht den letzten - zum De- E
der gängigen Schubladen pas- und Banales zu einer Einheit und das Kabarett bei diesem generationsprozeß und Fach- »leisf: ABLE - MUSIK
sen wollen und doch im umfas- verwachsen. Unlängst wagte „Sommernachtstraum" Pate idiotentum unseres herkömmli-
sendsten Sinn Theater sind, sich der „ungeratene" Sohn ei- gestanden haben: 90 mitreißen- chen Kulturbetriebs.
entziehen sich der gewohnten ner Heimat, die zwar einen de, betörende Minuten, ein fas-
intellektuellen Analysierbar- Shakespeare hervorbrachte, zinierend geistreicher Sinnes- Hans-Theodor Wohlfahrt
ZL 30933 DX ZL 30934 DX
16 (Auch als Compact Disc erhältlich)
(Auch als CompactDisc erhältlich)
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Notizen die Sänger mit quasi-schauspie-
lerischen Andeutungen, wenn-
nur episodisch überzeugen
konnten, blieb das ganze Un- Harry Kupfers kleideten, wie abgerissenen
Menschen einzuklemmen dro-
„schmeichelnden Lüften", die
Grüße bringen zu ihrem Ge-
gleich die stimmlichen Mittel ternehmen im Stadium einer
zur Salzburger (Dorothea Wirtz, Janet Perry Tableau-Montage. Stuttgarter „Idomeneo"-
hen, mit Schrägen und Höhlen,
die jeden Gedanken an eine
liebten; ihr Ausdruck spricht,
gegenläufig zum Text, von der
u.a.) kaum Anhaltspunkte Wenn im Zusammenhang mit bergende Behausung von sich nackten Angst. Deutlich wird:
„Mozartwoche' über einen gesunden Stand der
Vokalkultur gaben.
der Anfossi-Präsentation von
einer philologischen Extratour Inszenierung weisen - wichtiger als derart Der Widerstand ist in den Men-
Spektakuläres ist - , was auf schen selbst. Wie er gebrochen
Die Arbeiten an der Landes- mit allen Konsequenzen für das dieser Szene geschieht. wird, wie aus Getriebenen
theater-Inszenierung von „La Aufführungsniveau gespro- Rigoros gegenwärtig Und das ist nichts Geringeres durch das Beispiel des Idaman-

F
ür das Jahr 1984, zu ei- Dieser Bezug zu Mozart moch- Clemenza di Tito", liefen paral- chen werden mußte, so kann ehern Druck. als die Befreiung des Gesanges tes Handelnde werden, davon
A He Figuren in dieser
nem Zeitpunkt also, da te eine künstliche konzertante lel zum Anfossi-Kraftakt. Viel- diese Charakterisierung mit gu- Diese sowohl überzeitliche wie aus dem inneren Widerstand. erzählt, dahinein mündet das
.•jjt Oper sind fremdbe-
man sich bei der Mozart- Beatmung des Stoffes rechtfer- leicht hätte Ralf Weikert ohne tem Recht auch auf das Kon- endzeitliche, in der Figur des Wenn Elektra (Carmen Rep- Stück.
-C 51, stimmt, können nicht
woche stärker auf das geistliche tigen. Doch, wie ich meine, diese Doppelbelastung mehr zertwesen der Mozartwoche Königssohnes Idamantes pel), die Griechin, die Emi- Dennoch muß ein Fragezei-
nach eigenem Willen entschei-
Schaffen zu konzentrieren be- hätten ein paar Beispiele unter aus der „Titus"-Partitur her- generell angewendet werden. (Zrinko Soco) zu menschen- grantin, die Fremde, von ihrer chen gesetzt werden. Erst im
den. Poseidon, eine mehr in-
ginnt, hielten die Veranstalter Bedachtnahme auf die verhält- ausgelesen, als Aufforderun- Das hiesige Mozarteum-Orche- würdigem Aufbruch drängende erfüllten Liebe und ihrer Heim- dritten Akt findet die Inszenie-
wendige als göttliche Macht,
eine Rarität von zweifelhaftem nismäßig spritzigen Aktfinali gen zu blanker Routine mit ster wird von Termin zu Termin Situation haben an der Staats- fahrt singt, muß sie gegen die rung ganz zu ihrem selbstgege-
eine unsichtbare und unnach-
künstlerischem Rang bereit. genügt, um mit der Gegenüber- flachen Spannungskurven. In- gehetzt, spielt dies und das, oper Stuttgart Harry Kupfer als Schräge ankämpfen; ihr Kör- benen Auftrag. Gesungen wird
sichtige Instanz, hält die Men-
Noch auf dem Generalplakat stellung der drei Mozart-Arien, tendant und Regisseur Federik mehr oder weniger im Stich Regisseur, Wolfgang Guss- per wird hinuntergezogen, in deutscher Sprache (nach der
schen gefangen. Alle sind auch
der Mozartwoche hatte man KV 418-20, einmal deutlich Mirdita hatte ins „Kleine gelassen von absichtslosen Di- mann als Bühnenbildner und denn wovon sie singt, das ist Übersetzung von Kurt Honol-
Flüchtlinge in diesem Stück, ob
fälschlicherweise Mozart als herauszustellen, wo handwerk- Haus" gebeten. Als „Titus"- rigenten und wenig kompeten- die mit Kupfer aus der DDR ihre Einbildung - die Instanz ka), und zwar erstaunlich gut;
sie nun das Zeichen auf der
Komponisten einer langwieri- lich gewitzte Serienfabrikation Entdecker lebt er seit Jahren ten Solisten - so etwa durch den gastverpflichtete Kostümbild- hat längst anders entschieden. daß die jungen Stimmen von
Stirn tragen, durchgekreuzt, als
gen Operngeschichte des ver- an ihre Grenzen gelangt und wo komfortabel. Da und dort hat britischen Pianisten Philip nerin Eleonore Kleiber in zwin- Sie brennt den Menschen die Zrinko Soco und Raili Viljakai-
Unpersonen markiert sind wie
mutlichen Librettisten Giovan- die Inspiration eines Meisters er das Werk in Schwung ge- Fowke, der sich besser uner- gende Optik gefaßt. Doch Zeichen der Vernichtung auf, nen noch nicht zur vollen Run-
zu Beginn die auf Kreta gefan-
ni Bertali angegeben, die unter neue Maßstäbe setzt. Der gro- bracht - und von Resten dieses kannt durch Mozarts Es-Dur- wichtiger als die Szene mit ih- mag sie Pest, Umweltkatastro- dung gereift sind - wer wollte
genen Trojaner oder ob sie sich
dem Titel „II Curioso indiscre- ßen Fleißaufgabe hatten sich Schwunges zehrte die Salzbur- Konzert KV 449 gemogelt hät- ren betongrauen Wänden, die phe, Strahlentod heißen. Ilia das kritisieren. Carmen Reppel
verstricken in ihre Affekte, in
to" („Der unbescheiden Neu- das Mozarteum-Orchester und ger Version mit Leihdekoratio- te, als hier in Salzburg auf ein bedrohlich auf- und niederge- (Raili Viljakainen) hat zu Be- steigert sich von Bild zu Bild.
ihre armseligen Befreiungsver-
gierige") von Pasquale Anfossi sein Chefdirigent Ralf Weikert nen aus Wien. Aber es reichte folgenschweres Debüt zu spe- hen, sich gegeneinander ver- ginn dieses dritten Aktes ihre Rüdiger Wohlers als Idomeneo
suche. Und alle stehen und
vertont und im Jahre 1783 in unterzogen - parallel zu den nicht ganz aus, um einer im kulieren. schieben und die grautönig ge- Sehnsuchtsarie zu singen, von kommt dem Ideal eines drama-
agieren sie unter unerträgli-
So fiel den Wiener Philharmoni- tischen Mozart-Tenors erre-
Während der Salz- kern die Aufgabe der Ehrenret- Abweisende, beton-
burger Mozartwo- gend nahe. Zugrunde liegt, mit
tung zu, die sie auch nach Kräf- graue Wände domi- bedachtsamer Strich-Öffnung
che hatte im Lan- nieren in Harry
destheater Mozarts ten zu erfüllen suchten. Mit auch gegenüber der Münche-
Leopold Hager an der Spitze Kupfers musikalisch
„La Clemenza di inspirierter Regie ner Uraufführung von 1781, die
Tito" Premiere. gelang es ihnen mit der „Pra- „Wiener Fassung", „ein Arran-
von Mozarts „Ido-
Federik Mirdita ger-Sinfonie", während unter meneo". Foto oben: gement (Mozarts) für eine qua-
inszenierte. Die der aufgeregten Fuchtel des Rüdiger Wohlers si-konzertante Aufführung auf
musikalische Lei- zweifellos zu früh emporgeho- (Idomeneo) und
tung hatte Ralf dem Privattheater im Palais des
benen Adam Fischer nur musi- Zrinko Soco (Ida- Fürsten Auersperg" 1786; so
Weikert mantes)
kalische Fußnoten übermittelt Daniel Heartz, Herausgeber
werden konnten. Zum Glück I des „Idomeneo" im Rahmen
kam Leonard Bernstein und 3 der Neuen Mozart-Ausgabe,
zeigte, daß es von Gewinn ist, "1 nach der auch in Stuttgart gear-
sich Gedanken zu machen und ^ beitet wurde.
ein individuelles, facettenreich | Von „quasi-konzertant" konn-
abgetöntes Mozart-Bild zu ver- te indes nicht die Rede sein.
treten. Sehr weich, ohne die Dennis Russell Davies an der
Harnoncourtschen Taktbe- Spitze des, wie mir schien, nicht
schwerungen, führte der Ame- optimal vorbereiteten Würt-
rikaner die Wiener durch die tembergischen Staatsorche-
Sinfonien in g-Moll KV 550 und sters musizierte mit hervorra-
C-Dur KV 551, ganz auf Vibra- gendem Ausgleich von Hoch-
tion und klangliche Extrava- spannung und Lockerheit;
ganz abgestellt. Während gleichsam deklamatorisch voll-
„sein" Konzert gewissermaßen zog er die inneren Antriebe der
als Experiment „in progress" zu Figuren nach, genauso wie
erfahren war, bot Bernard Hai- Kupfers zuinnerst musikalische
tink mit dem Concergebouw Regie die Explosivwirkung der
Wien aufgeführt worden ist. Vorbereitungen zur „Titus"- wesentlichen aus Selbstzitaten Orchestra Amsterdam eine ge- Partitur in der Bewegung von
Niemand wäre mit dieser lang- Premiere im Kleinen Festspiel- bestehenden Aufführung neue schlossene, makellos vorberei- Ensemble und Chor. Dennoch
weilig instrumentierten, text- haus. Ihre Anfossi-Darbietung Impulse zu sichern. Und da die tete und in ihrer Ausgewogen- ist das Werk verkürzt auf einen,
lich banalen und eine Menge bewegte sich insgesamt auf namhaften Gastsolisten - Wer- heit schon wieder herausfor- eben den Gegenwartsaspekt:
Zeit in Anspruch nehmenden achtbarem Niveau. Es schien, ner Hollweg (Titus), Celestina dernd wirkende Leistung (KV ein extremer Kontrast zu dem
Unterhaltung je wieder kon- als wollte man auch die Zuhö- Casapietra (Vitellia) und 297 und KV 543). Auf ähnli- ruinös-mythischen, traumhaft-
frontiert worden, hätte Mozart rer davon in Kenntnis setzen, Daphne Evangelatos (Sextus) chem Niveau bewegte sich in surrealen „Idomeneo" der
nicht für die Wiener Produk- daß übertriebene Identifika- aus Stimmdispositionellen oder diesem Januar nur das deutsche Ruth Berghaus 1981 an der
tion drei sogenannte Einlage-, tion mit dem Stoff schließlich gesundheitlichen Gründen (der Cherubini-Quartett, dessen „Linden-Oper" im anderen
genauer gesagt: Ersatzarien als Schuß nach hinten losgehen Sextus laborierte zur Premiere Können zu großen Hoffnungen Deutschland.
verfaßt. würde. Dem widersetzten sich an einer Knöchelverletzung) Anlaß gibt. Peter Cosse Claus-Henning Bachmann
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