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Vorletzter Sonntag des Kirchenjahres 14.11.

2021
Predigt über 2 Korinther 5,1-10 Pfr. M. Schmid-Lorch

Drei Häute – Predigt zum vorletzten Sonntag des Kirchenjahres über 2 Korinther 5,1-10

Hundertwasser – Drei Arten von Haut


Kennen Sie Hundertwasser, den Künstler und Architekten? Das war der, der so ungewöhnliche
Häuser gestaltet hat in ganz wilden und lebendigen Formen und Farben. Wenn Sie ihn nicht
kennen, ist auch nicht schlimm. Ich will nur auf eine Idee eingehen, die dieser Künstler gehabt
hat. Der hat nämlich mal gesagt: „Der Mensch hat drei Häute: Er wird mit der ersten geboren,
die zweite ist sein Kleid, und die dritte ist die Fassade seines Hauses.“ Drei Häute: Haut,
Bekleidung und Behausung. Ich find das irgendwie plausibel, denn diese drei Dinge haben ja
tatsächlich etwas gemeinsam. Bei allen geht es darum, dass sie uns nach innen hin Geborgenheit
geben und nach außen hin eine Gestalt.

Die erste Haut – Der natürliche Leib


Fangen wir mal bei der ersten Haut an, also der Haut, mit der wir geboren werden. Die dient
einerseits dem Körper als natürliche Schutzschicht, andererseits gibt sie uns nach außen hin ein
Gesicht. Sie verrät etwas über unsere Geschichte: Legt sich deine Haut in Sorgen- oder in
Lachfalten, ist sie glatt wie ein Baby-Popo oder rau von harter Arbeit, wird sie von Narben
geziert oder von Tattoos, hast du einen gesunden Teint, eine Solariumbräune oder siehst du
blass und krank aus. Das alles verrät etwas über dich, deine Haut redet. Deine Leiblichkeit teilt
dich mit, ganz besonders dann, wenn du dich mit jemanden teilst. Zärtlichkeit,
Streicheleinheiten, sanfte Küsse oder berauschende Erotik – ganz Vieles, das unter die Haut
geht, passiert über die Haut.

Die zweite Haut – Die Bekleidung


Die zweite Haut, das ist die Bekleidung. Das kennen wir alle, dass unsere Kleidung mehr ist,
als der Stoff, den wir am Körper tragen. Unsere Kleidung spricht: Jogginganzug oder Business-
Anzug, Wollsocken in Birkenstock-Sandalen oder Sneakers, Blaumann oder Uniform,
Markenklamotten oder Massenware – jedes Stück Kleidung spricht eine andere Sprache.
Unsere Kleidung wählen wir sehr bewusst, denn sie gibt uns einerseits Sicherheit vor Wind und
Wetter, vor neugierigen Blicken, aber sie gibt andererseits auch eine Menge über uns Preis.

Die dritte Haut – Die Behausung


Die dritte Haut, das ist die Behausung. Auch hier verhält es sich wieder so: Unsere vier Wände
geben uns Schutz und Geborgenheit, nach außen hin verraten sie aber auch eine Menge über
uns: Wohnen wir zur Miete oder im Eigenheim, zeigt die Fassade Spuren von Wind und Wetter
oder ist sie frisch geweißt, sind die Fenster geputzt oder eher nicht, wird der Briefkasten
regelmäßig gelehrt und der Garten gemäht? Darum investieren viele Menschen ja auch eine
Menge Zeit und Energie, damit sie sich den Traum vom Eigenheim erfüllen, das erträumte
Zuhause Wirklichkeit werden lassen. Das bauen sie um sich herum sozusagen wie eine dritte
Haut, die ihnen Geborgenheit bieten soll, die sie aber auch den Nachbarn und der Gesellschaft
gegenüber angemessen darstellen soll.

Drei Häute bei Paulus


Den Apostel Paulus und das, was wir eben von ihm gehört haben über das sterbliche und das
ewige Leben, können wir auch mithilfe dieser drei Häute verstehen: Denn es geht da um die
Leiblichkeit und Lebendigkeit des Menschen, das was er ist mit Haut und Haaren. Davon wird
allerdings in Bildern geredet, nämlich in zwei Bildern: Behausung und Bekleidung. Schauen
wir also, was unser Predigttext zu diesen drei Häuten zu sagen hat.
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Vorletzter Sonntag des Kirchenjahres 14.11.2021
Predigt über 2 Korinther 5,1-10 Pfr. M. Schmid-Lorch

Die Behausung – Es droht die Obdachlosigkeit


Da wäre zunächst einmal die Behausung. Da wird gesagt: Das Leben, das du in deinem Leib
lebst, ist wie ein Zelt. Wenn du schonmal im Zelt geschlafen hast, dann weißt du: Das kann
eine prima Sache sein – aber es ist nichts für die Dauer. Spätestens wenn Wind und Wetter dir
dein Zelt über dem Kopf wegpusten, merkst du, dass ein Zelt keine Behausung für die Ewigkeit
ist. Genauso ist es mit deinem irdischen Leben: Du kannst dich darin einrichten, es lässt sich
eine Weile darin aushalten – aber es ist nicht für die Ewigkeit. Irgendwann kommt der Moment,
an dem du in dieser Welt dein Zelt abbrechen musst.

Die Bekleidung – Es droht die Nacktheit


Dann wäre da die Bekleidung. Da wird gesagt: Alles, womit du dich in diesem Leben
schmückst, landet irgendwann in der Mottenkiste, nichts ist für die Dauer. Das siehst du an den
kleinen Kindern, die so schnell wachsen, dass du mit dem Kleidung-Einkaufen gar nicht
hinterher kommst, wenn du dann den süßen Strampler, der immer so putzig aussah an dem
Kleinen, auf Ebay-Kleinanzeigen stellst, weil er rausgewachsen ist. Das gilt für’s ganze Leben:
Egal in welche Kleidung du schlüpfst, irgendwann ist sie ausgeleiert, ausgeblichen und
abgetragen. Irgendwann wird sie abgelegt.

Der natürliche Leib – Es droht der Tod


Nun stimmt das ja alles: Keine Behausung dieser Welt ist für die Ewigkeit gemacht und auch
keine Bekleidung (die hält ja leider oft nicht einmal bis in die nächste Modesaison durch). Doch
Behausung und Bekleidung sind nur Bilder, Bilder für unser irdisches Leben. Durch diese
Bilder wird uns allen gesagt: Dein irdisches Leben ist nicht für die Ewigkeit. Wie ein Zelt wird
es irgendwann abgebrochen. Wie ein Kleidungsstück wirst du es einmal ablegen. Du wirst
sterben – und wie stehst du dann da? Wie stehst du da, wenn der Tod dich sozusagen häutet –
dir alles nimmt, worin du dich in deinem Leben sicher und zuhause gefühlt hast, alles was du
dir aufgebaut hast? Der Mensch angesichts des Todes steht da ohne Geborgenheit und ohne
Gestalt, obdachlos und nackt vor dem großen Nichts. Eine bedrohliche Vorstellung.

Des Lebens Fürst, der starb, herrscht lebend


Dieser bedrohlichen Vorstellung, dass wir mit dem Tod nackt und bloß im Dunkel sind,
widersetzt sich die Hoffnungsbotschaft von der Auferstehung von Jesus. Als nämlich Jesus am
Kreuz hing, ausgestoßen aus der Stadt, entblößt und entehrt, da ist er selber in das Dunkel des
Todes gegangen. Da haben Tod und Leben gekämpft und Jesus hat durch Leiden und Sterben
hindurch den Sieh davongetragen. Der Tod wollte ihn vernichten, doch Jesus hat den Tod
vernichtet. Darum, wie unser Predigttext sagt: Im Glauben an Jesus Christus ergreifen wir die
gewisse Hoffnung, dass wir mit dem Tod nicht entkleidet werden, sondern überkleidet werden,
dass das Sterbliche verschlungen werde von dem Leben.

Die Häute des neuen Menschen


Auch von dieser Hoffnung wird in Bildern geredet: Das ewige Leben ist ein Haus im Himmel,
das niemals baufällig wird. Es ist eine Wohnung, in der du ganz geborgen bist, aus der du nie
wieder ausziehen musst. Das Leben der Auferstehung ist wie ein Ehrenkleid, das dich in den
Augen Gottes wunderschön bekleidet, damit sichtbar wird, wie kostbar du bist. Das neue Leben
ist das Leben mit Jesus – und es beginnt hier und heute. Auch, wenn man es dir nicht an der
Nase ansehen kann, auch wenn du weiter in dieser vorläufigen, vergänglichen Welt lebst – die
Gewissheit, dass du eine ewige Heimat hast, Ehrenkleidung im Himmel für dich bereitliegt,
dass Jesus dein Leben ist, ja diese Gewissheit verändert dein Leben schon hier und heute.
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Vorletzter Sonntag des Kirchenjahres 14.11.2021
Predigt über 2 Korinther 5,1-10 Pfr. M. Schmid-Lorch

Informationen zum vorletzten Sonntag des Kirchenjahres

Name: Vorletzter Sonntag des Kirchenjahres


Liturgische Farbe: Grün
Thema: Weltgericht
Wochenspruch: „Wir müssen alle offenbar werden vor dem Richterstuhl Christi.“ (2
Korinther 5,10a)
Wochenlied: Es ist gewisslich an der Zeit (EG 149)
Wochenpsalm: Psalm 50 (Neue Lieder 903)
Schriftlesung (Evangelium): Lukas 18,1-8
Predigttext (Epistel): 2 Korinther 5,1-10

Erläuterungen zum Predigttext:


Korinth war eine pulsierende, multikulturelle Großstadt mit regem Leben, was nicht zuletzt
daran lag, dass sie aufgrund ihrer Lage zwischen dem Golf von Korinth und dem saronischen
Golf zu gleich zwei bedeutenden Mittelmeerhäfen Anschluss hatte. Zur Zeit des Apostels war
Korinth Hauptstadt der senatorischen Provinz Achaia. Die christliche Gemeinde in Korinth,
von Paulus selbst gegründet, war sein „Sorgenkind“. Die uns erhaltenen Briefe des Paulus an
die Korinther zeugen von den Auseinandersetzungen, die er mit ihnen und im ihretwillen
auszufechten hatte. In dem Abschnitt 2 Korinther 5,1-10 geht es um die in Christus begründete
Hoffnung auf das himmlische Auferstehungsleben. Im Kontext beschreibt der Apostel sein
Leiden: Verfolgung und Gewalt, die er erleidet, begreift Paulus als Leidensgemeinschaft mit
Christus. Wie er sich aber in seinem Leiden mit Christus verbunden weiß, so ist er auch voller
Zuversicht auf die Gemeinschaft mit Christus im himmlischen Leben. Gerade in der
Zerbrechlichkeit des irdischen Lebens strahlt so die Auferstehungshoffnung auf: „Wir tragen
allezeit das Sterben Jesu an unserm Leibe, damit auch das Leben Jesu an unserm Leibe offenbar
werde.“ (2 Kor 4,10) Die Zuversicht auf das himmlische Leben beschreibt Paulus dann in
unserem Abschnitt näher. Dabei stellt er in 2 Kor 5,1-10 irdisch-vergängliches Leben und
himmlisch-ewiges Leben einander gegenüber. Die Vergleiche, derer er sich dazu bedient,
stammen aus zwei Bildfeldern, die fließend ineinander übergehen: Behausung und Bekleidung
(Übergänge in 2 Kor 5,2b und 4). Beides ist darin verbunden, dass es Schutz und Geborgenheit
dient, aber auch der Gestaltwerdung nach außen. Der sterbliche Leib gleicht einem Zelt, d. h.
einer nicht auf Dauer angelegten Behausung, die keinen Bestand hat. Der Auferstehungsleib
hingegen gleicht einem festen Bau, von Gott selbst errichtet, der ewige Heimat und Zuflucht
bietet (2 Kor 5,1). Diese „Behausungen“, in denen der Mensch zuhause ist, sind gleichsam
Kleider, die sich um ihn legen. Der Tod ist drohende Entkleidung, die den Mensch seiner
Gestalt beraubt, ihn entblößt – der Tote steht sozusagen nackt vor dem Nichts. Die Glaubenden
jedoch hoffen darauf, dass sie nicht entblößt werden, sondern würdig eingekleidet vor Gott
stehen, nämlich überkleidet mit dem Auferstehungsleib (2 Kor 5,2b-3). Beide Bilder wollen die
Vorläufigkeit und Vergänglichkeit des irdischen Menschenlebens einerseits zum Ausdruck
bringen, andererseits von der in Jesus Christus begründeten und mit der Gabe des Heiligen
Geistes zugesicherten Hoffnung auf das himmlische Menschenleben reden (2 Kor 5,5). Das
irdische Leben der Christusglaubenden ist darum ein Leben im Vertrauen auf das verheißene
himmlische Leben, auch wenn die Glaubenden noch von Gebrechen und Sterblichkeit
gezeichnet sind (vgl. 2 Kor 5,7).

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Vorletzter Sonntag des Kirchenjahres 14.11.2021
Predigt über 2 Korinther 5,1-10 Pfr. M. Schmid-Lorch

Arbeitsübersetzung von 2 Korinther 5,1-10


1Wir wissen nämlich: Wenn das Zelt, das unsere irdische Wohnung ist,1 abgebrochen wird,
haben wir einen beständigen Bau,2 den Gott für uns bereitet hat,3 eine nicht von Händen
gefertigte, ewige Wohnung im Himmel 2und darum seufzen4 wir ja auch und sehnen uns
danach, dass wir mit unserer Wohnstätte,5 die himmlischen Ursprungs ist, überkleidet werden,6
3denn als Bekleidete werden wir auch wirklich nicht für nackt befunden werden.7 4Denn
solange wir noch im Zelt wohnen, seufzen wir schwermütig,8 da wir nicht entkleidet, sondern
überkleidet werden wollen, damit das Sterbliche vom Leben verschlungen9 werde. 5Derjenige
aber, der uns eben dazu bereitet hat, Gott, der uns als Pfand10 den Geist gegeben hat. 6So sind
wir also stets getrost, wissend dass wir, solange wir im Leib wohnen, wir weit entfernt wohnen
von dem Herrn; 7denn im Glauben gehen wir unseren Weg, noch nicht in der sichtbaren
Gestalt.11 8Wir sind aber getrost und erachten es vielmehr für gut, aus dem Leib auszuwandern
und beim Herrn wohnhaft zu werden. 9Darum streben wir auch danach, dass wir – ob wir nun
wohnen bleiben oder ob wir auswandern12 – ihm wohlgefallen. 10Denn wir alle müssen einmal
vor dem Richterstuhl Christi erscheinen, damit ein jeder seinen Lohn empfange für das, was er
im Leib getan hat, sei es gut oder sei es schlecht.

1
Das griechische Wort für „Zelt“ (σκῆνος/skénos) bezeichnet eine nur vorübergehende, provisorische Wohnstätte wie z. B. eine
Hütte oder eben ein Zelt. Es steht hier im Genitiv zu dem Wort für „Wohnung“ (οἰκία/oikia), wobei es sich m. E. um eine
Enallage handelt (vgl. HOFFMANN/V. SIEBENTHAL, § 295s), sodass zu übersetzen wäre: „das Zelt, das unsere irdische Wohnung
ist“.
2
οἰκοδομή/oikodomé als bleibender „Bau“ und festes „Gebäude“ stellt das Gegenteil zum „Zelt“ (σκῆνος/skénos) als
unbeständiger Wohnstätte dar. Um das zum Ausdruck zu bringen, umschreibe ich mit: „beständiger Bau“.
3
Wörtlich: „aus Gott“.
4
Das Verb für „seufzen“ (στενάζω/stenazó) beschreibt ein unausgesprochenes inneres Gefühl, das sich in einem Seufzen oder
Stöhnen Bahn bricht. Dabei kann an verschiedene Gefühle gedacht sein, z. B. Trauer, Wut oder Sehnsucht. An unserer Stelle
wird durch das parallel verwendete Verb für „sehnen“ (ἐπιποθέω/epipotheó) deutlich, was gemeint ist.
5
οἰκητήριον/oikétérion ist noch einmal ein anderes Wort als das für „Wohnung“ gebrauchte. Ich übersetze mit „Wohnstätte“, um
den Unterschied deutlich zu machen.
6
Das Verb für „einkleiden“ ist ἐπενδύομαι/ependyomai. Im Kern steckt das Verb δύνω/dynó, das „sinken“ bedeutet. Kommt die
Präposition ἐν/en dazu, wird daraus ἐνδύω/enduo, was wörtlich „hineinsinken“ bedeutet – gemeint ist das Hineinsinken in die
Bekleidung, also „bekleiden“. Setzt man dann noch die Präposition ἐπί/epi dazu, wird daraus das „Überkleiden“, womit mehr
als das bloße Bekleidet-Sein gemeint ist, nämlich die eine angemessene und würdige Kleidung. Das Gegenteil ist ἐκδύω/ekduó,
„entkleiden“, was bloßgestellt und schutzlos zu sein bedeutet.
7
Die in NA28 favorisierte Lesart des Partizips ist ἐκδυσάμενοι („Entkleidete“). Die Textzeugen jedoch sprechen sowohl der
Anzahl als auch dem Alter nach (der früheste Beleg ist der Papyrus P46, abgefasst ca. 200 n. Chr.) für die Lesart „ἐνδυσάμενοι“
(„Bekleidete“). Dementsprechend übersetzen Luther2017, EB, Menge, EÜ. Eine Ausnahme unter den deutschen Übersetzungen
ist die ZB, die den von NA28 favorisierten Text übersetzt: „so wahr wir nicht nackt dastehen werden, auch wenn wir unser
jetziges Kleid ablegen“. Die beiden Lesarten unterscheiden sich lediglich durch einen einzigen Buchstaben.
8
Wörtlich: „wir seufzen als Beschwerte“
9
Καταπίνω/katapinó ist wörtlich etwa „hinunterschlingen“. Die beiden Begriffe „das Sterbliche“ und „das Leben“ sind
abstractum pro concreto-Metonymien, d. h. sie stehen als abstrakte Begriffe für eine konkrete Wirklichkeit. Gemeint ist, dass
der von der Wirklichkeit des Todes gezeichnete Leib („das Sterbliche“) ganz und gar der Wirklichkeit des Lebens einverleibt
und verwandelt wird, die in der Auferstehung Jesu begründet ist („das Leben“).
10
Das „Pfand“ (ἀρραβών/arrabón) ist eine Vorauszahlung, die verbindliche Sicherheit gibt, dass auch der Rest der Zahlung
gemacht werden wird. Gemeint ist also: Durch den von Gott gegebenen Heiligen Geist haben die Glaubenden eine feste
Gewissheit, dass sie das verheißene himmlische Leben erlangen werden.
11
Luther übersetzt anders: „denn wir wandeln im Glauben und nicht im Schauen“, so auch die anderen bedeutsamen deutschen
Bibelübersetzungen. Diese Übersetzung ist verbreitet, aber falsch. Das griech. Wort εἶδος/eidos bezeichnet nirgends das Sehen
(aktiv), sondern stets das Gesehene (passiv) – also die sichtbare Gestalt (z. B. wird dasselbe Wort in Lk 3,22 für die sichtbare
Taubengestalt gebraucht). Der Sinn des Satzes ist also folgender: „Wir führen unser Leben in dieser Welt im Glauben, d. h. im
Vertrauen auf das verheißene himmlische Leben. Das sieht man allerdings unserer sichtbaren Gestalt noch nicht an.“ Die Aussage
liegt also auf der Linie etwa des in Röm 8,18-25 Gesagten. (Vgl. ferner 1 Joh 3,2.)
12
„Auswandern“ meint: sterben, „wohnen bleiben“ meint: weiter zu leben. Das Wort ist dasselbe, das in Vers 8 für das
Wohnhaftwerden beim Herrn gebraucht wird. Die noch im sterblichen Leib leben, die sind noch in der Fremde (V. 6), wohnhaft
in dieser Welt. Die aber aus dem sterblichen Leib auswandern (V. 8), die werden wohnhaft beim Herrn. Sie nehmen die
himmlische Wohnung in Empfang, d. h. den ihnen gewiss verheißenen Auferstehungsleib.

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