Beruflich Dokumente
Kultur Dokumente
2021
Predigt über 2 Korinther 5,1-10 Pfr. M. Schmid-Lorch
Drei Häute – Predigt zum vorletzten Sonntag des Kirchenjahres über 2 Korinther 5,1-10
3
Vorletzter Sonntag des Kirchenjahres 14.11.2021
Predigt über 2 Korinther 5,1-10 Pfr. M. Schmid-Lorch
1
Das griechische Wort für „Zelt“ (σκῆνος/skénos) bezeichnet eine nur vorübergehende, provisorische Wohnstätte wie z. B. eine
Hütte oder eben ein Zelt. Es steht hier im Genitiv zu dem Wort für „Wohnung“ (οἰκία/oikia), wobei es sich m. E. um eine
Enallage handelt (vgl. HOFFMANN/V. SIEBENTHAL, § 295s), sodass zu übersetzen wäre: „das Zelt, das unsere irdische Wohnung
ist“.
2
οἰκοδομή/oikodomé als bleibender „Bau“ und festes „Gebäude“ stellt das Gegenteil zum „Zelt“ (σκῆνος/skénos) als
unbeständiger Wohnstätte dar. Um das zum Ausdruck zu bringen, umschreibe ich mit: „beständiger Bau“.
3
Wörtlich: „aus Gott“.
4
Das Verb für „seufzen“ (στενάζω/stenazó) beschreibt ein unausgesprochenes inneres Gefühl, das sich in einem Seufzen oder
Stöhnen Bahn bricht. Dabei kann an verschiedene Gefühle gedacht sein, z. B. Trauer, Wut oder Sehnsucht. An unserer Stelle
wird durch das parallel verwendete Verb für „sehnen“ (ἐπιποθέω/epipotheó) deutlich, was gemeint ist.
5
οἰκητήριον/oikétérion ist noch einmal ein anderes Wort als das für „Wohnung“ gebrauchte. Ich übersetze mit „Wohnstätte“, um
den Unterschied deutlich zu machen.
6
Das Verb für „einkleiden“ ist ἐπενδύομαι/ependyomai. Im Kern steckt das Verb δύνω/dynó, das „sinken“ bedeutet. Kommt die
Präposition ἐν/en dazu, wird daraus ἐνδύω/enduo, was wörtlich „hineinsinken“ bedeutet – gemeint ist das Hineinsinken in die
Bekleidung, also „bekleiden“. Setzt man dann noch die Präposition ἐπί/epi dazu, wird daraus das „Überkleiden“, womit mehr
als das bloße Bekleidet-Sein gemeint ist, nämlich die eine angemessene und würdige Kleidung. Das Gegenteil ist ἐκδύω/ekduó,
„entkleiden“, was bloßgestellt und schutzlos zu sein bedeutet.
7
Die in NA28 favorisierte Lesart des Partizips ist ἐκδυσάμενοι („Entkleidete“). Die Textzeugen jedoch sprechen sowohl der
Anzahl als auch dem Alter nach (der früheste Beleg ist der Papyrus P46, abgefasst ca. 200 n. Chr.) für die Lesart „ἐνδυσάμενοι“
(„Bekleidete“). Dementsprechend übersetzen Luther2017, EB, Menge, EÜ. Eine Ausnahme unter den deutschen Übersetzungen
ist die ZB, die den von NA28 favorisierten Text übersetzt: „so wahr wir nicht nackt dastehen werden, auch wenn wir unser
jetziges Kleid ablegen“. Die beiden Lesarten unterscheiden sich lediglich durch einen einzigen Buchstaben.
8
Wörtlich: „wir seufzen als Beschwerte“
9
Καταπίνω/katapinó ist wörtlich etwa „hinunterschlingen“. Die beiden Begriffe „das Sterbliche“ und „das Leben“ sind
abstractum pro concreto-Metonymien, d. h. sie stehen als abstrakte Begriffe für eine konkrete Wirklichkeit. Gemeint ist, dass
der von der Wirklichkeit des Todes gezeichnete Leib („das Sterbliche“) ganz und gar der Wirklichkeit des Lebens einverleibt
und verwandelt wird, die in der Auferstehung Jesu begründet ist („das Leben“).
10
Das „Pfand“ (ἀρραβών/arrabón) ist eine Vorauszahlung, die verbindliche Sicherheit gibt, dass auch der Rest der Zahlung
gemacht werden wird. Gemeint ist also: Durch den von Gott gegebenen Heiligen Geist haben die Glaubenden eine feste
Gewissheit, dass sie das verheißene himmlische Leben erlangen werden.
11
Luther übersetzt anders: „denn wir wandeln im Glauben und nicht im Schauen“, so auch die anderen bedeutsamen deutschen
Bibelübersetzungen. Diese Übersetzung ist verbreitet, aber falsch. Das griech. Wort εἶδος/eidos bezeichnet nirgends das Sehen
(aktiv), sondern stets das Gesehene (passiv) – also die sichtbare Gestalt (z. B. wird dasselbe Wort in Lk 3,22 für die sichtbare
Taubengestalt gebraucht). Der Sinn des Satzes ist also folgender: „Wir führen unser Leben in dieser Welt im Glauben, d. h. im
Vertrauen auf das verheißene himmlische Leben. Das sieht man allerdings unserer sichtbaren Gestalt noch nicht an.“ Die Aussage
liegt also auf der Linie etwa des in Röm 8,18-25 Gesagten. (Vgl. ferner 1 Joh 3,2.)
12
„Auswandern“ meint: sterben, „wohnen bleiben“ meint: weiter zu leben. Das Wort ist dasselbe, das in Vers 8 für das
Wohnhaftwerden beim Herrn gebraucht wird. Die noch im sterblichen Leib leben, die sind noch in der Fremde (V. 6), wohnhaft
in dieser Welt. Die aber aus dem sterblichen Leib auswandern (V. 8), die werden wohnhaft beim Herrn. Sie nehmen die
himmlische Wohnung in Empfang, d. h. den ihnen gewiss verheißenen Auferstehungsleib.