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D ATENSCHUTZ
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Unsere Daten:
Daten nützen – Daten schützen

Tätigkeitsbericht
Datenschutz 2020
Herausgegeben vom Landesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit Dr. Stefan Brink
Königstraße 10a, 70173 Stuttgart
Telefon 0711/615541-0
https://www.baden-wuerttemberg.datenschutz.de
E-Mail: poststelle@lfdi.bwl.de
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Dezember 2020
Veröffentlicht als Landtags-Drucksache 16/9850
36. Datenschutz-Tätigkeitsbericht
des Landesbeauftragten für den Datenschutz und
die Informationsfreiheit Baden-Württemberg 2020
LfDI BW I 36. Tätigkeitsbericht I 2020

Inhaltsverzeichnis

Vorwort 5

1 Datenschutz in der Corona-Krise 9



1.1 Beteiligung an den Regelungen der Landesregierung 9
zur Bewältigung der Corona-Krise

1.2 Die Verarbeitung von Besucher-Daten zur Kontaktnachverfolgung 10


durch die Gesundheitsbehörden nach den Corona-Verordnungen

1.3 Datenverarbeitung zur Corona-Bekämpfung 12
- „Batman war hier“ 12
- „Hilfssheriffs“ der Behörden? 14
- Dokumentationspflichten im Verein 15
- Zugang zum Rathaus nur gegen Daten 16
- Befreiung von der Maskenpflicht: „Nicht ohne meinen Arzt“ 17

1.4 Die Polizei in der Corona-Krise 20


- Der übereifrige Beamte 20
- Polizei und SARS-CoV-2 oder: Schau mal, der Zeppelin! 21
- Die Corona-Verordnungen „Datenverarbeitung“ und „Datenverarbeitung im Auftrag“ 22

1.5 Datenschutz bei Corona-Testzentren 24

1.6 Die Digitalisierung des (öffentlichen) Gesundheitswesens zur Pandemiebekämpfung 27


- Die Datenplattform der Björn-Steiger-Stiftung – digitale Ablösung der analogen Arbeit 27
der Gesundheitsämter in der Corona-Pandemie?
- Die Software SORMAS des Helmholtz-Instituts zur Kontaktnachverfolgung 29
- Die Überarbeitung der Software survnet@rki des Robert-Koch-Instituts zur Verbesserung 30
der Kontaktnachverfolgungsfunktion

1.7 Fernunterricht an Schulen während der Corona-Krise 32


- Rechtliche Rahmenbedingungen und Empfehlungen für Videokonferenzen im Unterricht 33

1.8 Fragen an den betrieblichen Datenschutz 36


- Urlaubsrückkehr aus Risikogebieten 36
- Beratung und Unterstützung bei datenschutzkonformem Pandemieschutz 36
- Homeoffice – Datenschutzkonformer Umgang am Heimarbeitsplatz 36
- Fiebermessen am Werkstor? 38
- Sonderfall: Schlachtbetriebe 38

1.9 Datenschutzfreundliche Kommunikationsdienste und Videokonferenzen 38


- Praktische Tipps 40

1.10 Konfliktgebiet „Corona-Warn-App“ 42

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LfDI BW I 36. Tätigkeitsbericht I 2020

2 Das Schrems II – Urteil: ein Paukenschlag 47

3 Eine Bildungsplattform für Schulen 51

4 Der europäische Blick 53


- Gemeinsame Verantwortlichkeit und Auftragsverarbeitung 53
- Europäische Gremienarbeit 54
- Grenzüberschreitende Verwaltungsverfahren 55
- Schulungen 55

5 Prüfung von Tracking auf Medien-Webseiten 57

6 Aktuelles aus der Bußgeldstelle 61


- AOK – heilende Wirkung eines Bußgeldes für eine Krankenkasse 61
- Herausforderung Videoüberwachung 62

7 Exit – Abschied vom Vereinigten Königreich und Twitter 65


- Brexit – Folgen für den Transfer personenbezogener Daten 65
- Twexit – Der Ausstieg aus Twitter 67

8 Bildungszentrum 71

9 Datenschutz als KULTuraufgabe 73


- Datenschutz so ganz anders 73
- Herbstkonferenz Datenschutz 74
- Spotlights 74
- Alice lost in Cyberland 75
- Datenschutz geht zur Schule 76
- Kooperation mit der Dualen Hochschule Baden-Württemberg 76
- Datenschutz kinderleicht 77
- „Ach wie gut, dass niemand weiß …“ 77
- Online-Tagung mit der HdM Stuttgart: „Daten schützen – Kinder schützen.“ 77
- Social Distance Stacks 79

10 Datenschutz-Vielfalt, veranschaulicht von Fall zu Fall 81



10.1 Neues aus dem Amt I: Innere Sicherheit, Justiz, Kommunalwesen 81
- Auskunft durch den Verfassungsschutz 81
- Was lange währt, wird endlich gut? – Licht und Schatten beim neuen Polizeigesetz 84
- Ist eine private Stelle verpflichtet, der Polizei Auskünfte zu erteilen? 86
- Die Revanche 87
- Das Führungszeugnis 88
- Die „Liste der Auffälligen“ – Fortsetzung folgte 90
- Der Gutachterausschuss 92
- Ja, sind wir denn in China? 93

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10.2 Neues aus dem Amt II: Gesundheits-, Sozial-und Bildungswesen 94


- Die Auskunft im Sozialdatenschutz 94
- Masernschutzgesetz in Kindertageseinrichtungen und Schulen 96
- Bewertungsportale im Internet: Wenn mir deine Bewertung nicht passt, 98
gebe ich deine Identität preis!
- Rechtsanwälte: Namensnennung auf Biegen und Brechen 98

10.3 Neues aus dem Amt III: Datenschutz in der Privatwirtschaft 100
- Auskunft heißt Auskunft – so konkret wie möglich 100
- Anforderungen an die Benachrichtigung der Betroffenen bei einer Datenpanne 101
- Datenschutz in der Kreditwirtschaft: Fehlüberweisung mit Folgefehler 102
- Ausführung von Überweisungsaufträgen ohne Kontonummer 103
- Nicht ohne den Veranlasser: Werbender und Adresshändler sind regelmäßig gemeinsam 104
Verantwortliche
- Weitergabe von Schuldnerdaten an Auskunfteien 105
- Künstliche Intelligenz im Personalwesen 106
- Löschfristen im Betriebs- und Personalratsbüro 107

10.4 Neues aus dem Amt IV: Alles mit V – Videoüberwachung, Verkehr, Vereine 107
- Neue Orientierungshilfe „Videoüberwachung durch nicht-öffentliche Stellen“ 107
- Videoüberwachung in Gaststätten gibt Anlass für Vor-Ort-Kontrollen 108
- „Mein Auto sieht Dich!“ – Tesla & Co 108
- „Parkraumüberwachung“ 110
- Der Parkausweis für Menschen mit Behinderungen 111
- „Reisefieber“ in pandemischen Zeiten? 112
- Vereine I: Zuschauer-Datenerhebung 114
- Vereine II: Selbsterhebungs-Fragebögen bei der Tieradoption 115
- Vereine III: Veröffentlichungen von Fotos eines Vereinsmitglieds 115
- Vereine IV: Der Gewinner als Verlierer – die Veröffentlichung von Spenden-Daten 116

11 Einblick in die Dienststelle 119


- Auswirkungen der Corona-Pandemie auf den Behördenbetrieb 119
- Besetzung der Neustellen 120
- Vorbereitung Umzug 120
- Mobiles Arbeiten 121
- Zahlenüberblick 121

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LfDI BW I 36. Tätigkeitsbericht I 2020

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LfDI BW I 36. Tätigkeitsbericht I 2020

Vorwort

Die Pandemie, ausgelöst durch das Coronavirus


SARS-CoV-2, hat das Jahr 2020 maßgeblich be-
stimmt. Für den notwendigen Schutz der Gesundheit
wurden nicht selten persönliche Freiheiten der Bür-
ger_innen eingeschränkt. Zu Recht diskutierten wir
alle im Zuge dessen sehr intensiv darüber, ob und
wie jeder Eingriff in die persönlichen Rechte zu recht-
fertigen ist. Im Zweifel mussten Gerichte für Klarheit
sorgen. Viele Grundrechte haben unter der Pandemie
gelitten: Die Berufsfreiheit, die Reisefreiheit, die Ver-
sammlungsfreiheit und auch unser Grundrecht auf

© Kristina Schäfer
informationelle Selbstbestimmung, der Datenschutz.
Alle Grundrechtseinschränkungen verfolgten ein ho-
hes Schutzziel unserer Verfassung, das Recht auf Le-
ben und körperliche Unversehrtheit. Dr. Stefan Brink

Der Datenschutz als Grundrecht nimmt in der Pan- behauptet, dass der Datenschutz Schuld sei an der
demie eine herausgehobene Rolle ein. Durch den fehlenden Effektivität der Corona Warn-App. Auch
Druck zur digitalen Umstellung in vielen Lebensbe- hieß es, der Datenschutz sei bei Videokonferenz-
reichen sind immer wieder Fragen aufgetaucht, die systemen nicht so wichtig – Hauptsache, die Tech-
zwar drängend, doch aber bereits vor der Pandemie nik läuft. Es wurde gar angekündigt, den Datenschutz
virulent waren. Mit der Pandemie musste die digitale zurückschneiden zu wollen. Grundsätzlich ist klar: Wir
Umstellung unter verschärften Bedingungen erfolgen. müssen möglichst bald an den Punkt gelangen, wo
Behörden und Unternehmen bedienten sich oftmals alle Grundrechteeinschränkungen wieder aufgehoben
Techniken, die nicht datenschutzkonform waren oder werden können. Nach den temporären Einschränkun-
wollten Entscheidungen vollziehen, die in die Schutz- gen dann den vermeintlich sperrigen, unliebsamen
rechte der Bürgerschaft unverhältnismäßig eingreifen Datenschutz zu kappen, wäre fatal. Die informatio-
sollten. Wir haben interveniert und beraten, geholfen nelle Selbstbestimmung der Bürger_innen sollte nicht
und wo der Eingriff absolut inakzeptabel war, auch beschnitten, sie sollte weiter gestärkt werden.
unterbunden.
Gerade der Einsatz von audio-visuellen Techniken,
Digitalisierung und Datenschutz gehören zusammen. insbesondere die vermehrte Nutzung von Videoka-
Wir unterstützen die digitale Transformation. Wir meras in Zusammenhang mit der Corona-Pandemie
zeigen auf, wie diese Transformation datenschutz- zum Beispiel bei Videokonferenzen stellt hohe An-
konform gelingen kann. Dass Bürger_innen, so wie forderungen an alle Verantwortlichen. Wir erkennen
es die Datenschutz-Grundverordnung (DS-GVO) vor- seit Jahren insgesamt eine intensivere Nutzung von
sieht, selbst entscheiden, was mit ihren Daten pas- Videotechniken auch in anderen Zusammenhängen –
siert, wird umso bedeutsamer, je mehr wir uns in die auf öffentlichen Plätzen, im Wald, in Restaurants, in
digitale Welt hineinbegeben. Datenschutz ist nicht Autos. Wir werden weiterhin darauf hinwirken, dass
bürokratischer Nachteil, sondern ein echter Standort- der Technikeinsatz datenschutzkonform erfolgt.
vorteil im Wettbewerb. Und die DS-GVO gibt uns den
passenden Rechtsrahmen dafür. Wir haben in diesem Jahr mehr Beschwerden aus
dem öffentlichen Bereich erhalten. Auch wurden
Jede Krise gilt als „Zeit der Exekutive“, so auch die Co- zahlreiche Beratungen aus dem öffentlichen Bereich
rona-Krise. Im Zuge immer neuer Verordnungen un- bei uns angefragt. Zu den Corona-Verordnungen
serer Landesregierung wurde der Datenschutz nicht haben wir ausführliche Stellungnahmen verfasst,
(mehr) übergangen oder verleugnet. Das ist sehr er- oftmals unter enormen Zeitdruck, ähnlich wie ihn si-
freulich. Aber er ist Anfeindungen ausgesetzt. Es wurde cherlich auch andere Dienststellen verspürt haben.

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LfDI BW I 36. Tätigkeitsbericht I 2020

Die Corona-Verordnungen hatten zur Folge, dass Wir nehmen in Baden-Württemberg den Datenschutz
eine Vielzahl von personenbezogenen Daten gesam- ernst. Seit dem Juli 2020 können wir zudem sagen,
melt wurde. Behörden wollten wissen, welche Daten dass wir bundesweit die erste Landesbehörde sind,
sie wie verarbeiten können, Gastronomen wollten die ein eigenes Bildungszentrum für Datenschutz und
wissen, wie sie Daten richtig verwahren und wem sie Informationsfreiheit (BIDIB) betreibt. Es ist dem Par-
diese Daten übermitteln dürfen und müssen. Manch- lament zu verdanken, dass wir die Mittel dafür bereit-
mal mussten wir für Klarheit sorgen, zum Beispiel, gestellt bekamen, um konsequent und mit breiter Wir-
als die Polizei auf solche Daten zugreifen wollte – kung beraten zu können. Wir mussten zunächst das
und dies auch unter bestimmten Voraussetzungen Personal für das Bildungszentrum gewinnen, dann
durchaus durfte. sind wir in die Programmplanung eingestiegen und
schließlich haben wir die ersten Veranstaltungen kon-
Die Beratung des Kultusministeriums im Zuge der zipiert. Hier hat uns dann auch die Corona-Pandemie
möglichen Einführung einer Bildungsplattform hat getroffen, geplante Präsenzveranstaltungen mussten
enorme Kapazitäten bei uns im Haus gebunden. Da- wir leider absagen. Wir haben unser Angebot jedoch
ten von Schüler_innen sind hoch sensibel. Schulen, anpasst und noch stärker auf digitale Angebote ge-
Lehrende, Eltern und Schülerschaft haben einen An- setzt. Deswegen lief auch der Startschuss fürs BIDIB
spruch auf eine qualitativ hochwertige Bildungsplatt- – mit breiter Unterstützung der Fraktionen des Land-
form, die den Datenschutz ernst nimmt und umsetzt. tags in Form von Videobotschaften – prima. Die gute
Wir sind aktuell inmitten des Pilotprojektes und über- Nachricht: Unser BIDIB kann Online-Schulungen. Und:
prüfen in der Praxis, ob die gemachten Zusagen des Alle bisherigen online-Veranstaltungen waren binnen
Anbieters Microsoft eingehalten werden. kurzer Zeit ausgebucht. Die weitere Ausgestaltung
des Bildungszentrums haben wir zunächst zurückge-
Gerade unser Beratungserfolg bei Microsoft ist po- stellt, weil geplant war, zum Herbst dieses Jahres mit
sitiv zu werten. Wir haben in den Verhandlungen der Behörde umzuziehen. Das heißt, vieles lief noch
mit dem Unternehmen darauf gedrungen, dass es „handgestrickt“. Mit dem nun anstehenden Umzug im
den Nutzer_innen zusätzliche Garantien gibt. Mit Frühjahr werden wir das Bildungszentrum jetzt auch
Blick auf die europäische Rechtsprechung herrscht technisch so ausstatten, dass Fortbildungen, Schulun-
große Unsicherheit, ob ein US-Anbieter überhaupt gen, Vorträge, Diskussionen und Fachgespräche ana-
personenbezogene Daten in die USA übertragen log und digital konsequent und qualitativ gut möglich
darf. Microsoft hat deshalb verbindlich zusätzliche sind. Wir nehmen auch Wünsche von Vereinen, Unter-
Sicherheitsgarantien ausgesprochen und europä- nehmen, Verbänden, Schulen und Schulklassen sowie
ische Standards übernommen. Im privaten Sektor Behörden auf und setzen Fortbildungen und Schulun-
ist dies ein Erfolg für den Datenschutz. Weitere Un- gen an, wenn wir merken, dass die jeweiligen Themen
ternehmen werden dem sicher folgen. Es zeigt sich: viele Menschen betreffen und interessieren. Das Bil-
Wer in Europa Geschäfte machen möchte, der muss dungszentrum ist ein ausgezeichneter Ort für die Be-
europäische Standards erfüllen. Die DS-GVO ist ein ratung, Vermittlung, Schulung und Qualifizierung.
Standortfaktor geworden.
Der Datenschutz und die Informationsfreiheit sind
Wir haben in diesem Jahr im privaten Bereich nicht moderne Bürgerrechte. Der Umgang mit den eigenen
sehr viele Kontrollen durchgeführt. Unsere Kontrol- personenbezogenen Daten ist in der digitalen Zeit ein
le der AOK Baden-Württemberg hingegen hat große alltägliches Phänomen, es ist zu einer eigenen Kultur-
Beachtung gefunden, weil das darauffolgende Buß- technik geworden. Wir sehen diese Kulturtechnik in
geld verhältnismäßig hoch ausgefallen ist. Wir haben der digitalen Welt noch als eine sehr junge Form der
festgestellte Verstöße angemessen bewertet und Alltagspraxis. Nach wie vor. Auch wenn es bereits die
mit der AOK auch eine sehr gute Lösung gefunden. ersten Generationen gibt, die von Kindesbeinen an mit
Insgesamt haben wir im vergangenen Jahr 174 Buß- dem Smartphone umgehen. Auch der Kulturbetrieb
geldverfahren durchgeführt. Es macht wenig Freude, und die Kunst blicken intensiver auf Themen der Di-
Bußgelder zu verhängen, manchmal ist dies aber gitalisierung, der Auswirkungen von technologischer
notwendig. Die DS-GVO ist kein „nice to have“. Sie ist Entwicklung auf den Menschen und auf das Verhält-
auch kein Papiertiger. Sie ist elementares Recht, das nis von menschlicher und maschineller Intelligenz. Wir
es einzuhalten und umzusetzen gilt. sind für Künstler_innen verlässlicher Ansprechpartner

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LfDI BW I 36. Tätigkeitsbericht I 2020

und diskutieren mit ihnen, beraten und unterstützen Personen beschäftigten, arbeiten derzeit 74 Personen
sie, wo wir können. bei uns. Die Besetzung unserer offenen Stellen stellte
kein Problem dar, auch im hart umkämpften Bereich
Die Verwertung von personenbezogenen Daten ist Technik nicht. Die Behörde des Landesbeauftragten
eine ökonomische Technik. Diese hat sich schneller kann offensichtlich auf eine attraktive Aufgabe und ei-
entwickelt als die Kulturtechnik. Das Internet ist kein nen guten Ruf bauen. Wir sind offensichtlich auch für
rechtsfreier Raum und das moderne Bürgerrecht Da- Kolleg_innen aus der Verwaltung des Landes, für Inte-
tenschutz gilt auch hier. Die DS-GVO sagt nicht, dass ressierte von anderen deutschen Aufsichtsbehörden
keine Daten verarbeitet werden dürfen. Sie sagt, wie und auch für Wechselwillige aus der Privatwirtschaft
Daten verarbeitet werden dürfen. Und sie gibt jedem eine Arbeitsstelle mit Anziehungskraft.
Bürger Mittel an die Hand, mit seinen personenbe-
zogenen Daten selbstbestimmt umzugehen. Soll die Mein Dank gilt allen meinen Mitarbeitenden mit mei-
Transformation in die digitale Gesellschaft gelingen, nem Stellvertreter Herrn Broo an der Spitze für ihre
dann kommen wir nicht umhin, digitale Rechte und tolle Arbeit, die weit über das Erwartbare hinausgeht
Pflichten zu wahren. Dies gilt insbesondere, wenn – wir Datenschützer sind und bleiben eben „Überzeu-
Rechte von Kindern tangiert sind. Die DS-GVO aner- gungstäter“. Nach über 36 Jahren im Dienst für das
kennt und untersagt zum Beispiel die Verwertung von Land hat sich zum Ende des Jahres Herr Broo in den
personenbezogenen Daten von Kindern zu Werbe- Ruhestand verabschiedet. Die Pandemie hat verhin-
zwecken. dert, dass wir ihm als gesamtes Team gebührend
und persönlich Dank sagen konnten. Auch ehemalige
Die DS-GVO wirkt. Das wird immer klarer. Aber in Euro- Weggefährten wollten ihm zum Abschied ihre guten
pa funktioniert der gemeinsame und einheitliche Voll- Wünsche persönlich überbringen. Dies alles war jetzt
zug leider noch nicht. Wir haben Defizite in Irland, Lux- so nicht möglich. So danke ich ihm an dieser Stelle
emburg, Polen und anderen Staaten, auch nimmt der im Namen vieler – und freue mich darauf, diesen Ab-
Europäische Datenschutzausschuss seine Befugnis- schied im Jahr 2021 nachzuholen. Herr Broo ist ein
se nach der DS-GVO (Kohärenzverfahren) noch nicht exzellenter Beamter mit herausragender Expertise,
stringent wahr. Dies ist nicht nur ärgerlich, es ist nicht immer klar, dabei kollegial, zugewandt und hilfsbereit.
hinnehmbar. Wir müssen dringend darauf hinwirken, Wir wünschen ihm für den Ruhestand Glück, Gesund-
dass unsere gemeinsamen europäischen Standards heit, Freude und Zufriedenheit.
auch einheitlich vollzogen und durchgesetzt werden.
Letztlich gibt die DS-GVO die Marschrichtung beim Bedanken darf ich mich an dieser Stelle aber auch bei
Datenschutz klar vor. „Wenn es nicht vernünftig ist, den Abgeordneten des Landtags, welche unsere Auf-
dann ist es kein Datenschutz!“ So einfach kann das zu- gabe auch im Jahr 2020 maßgeblich gestaltet, beglei-
sammengefasst werden. Den anhaltenden Schwung tet und gefördert haben. Ich danke auch der Landesre-
der DS-GVO nehmen wir Datenschützer weiterhin op- gierung, -verwaltung und den Kommunen für die faire
timistisch auf – die Grundlagen für unsere Zuversicht und weitgehend einvernehmliche Zusammenarbeit.
finden sich in diesem Tätigkeitsbericht.

Als Behörde haben wir unsere Aufgaben in diesem Ihr Landesbeauftragter


Jahr unter besonderen Bedingungen wahrgenom-
men. Wir haben unsere persönlichen Treffen in Te-
lefon- und Videokonferenzen verlagert. Intensive
Absprachen und Flexibilität waren gefragt, um die pri-
vaten und dienstlichen Belange bei der zügigen Um-
stellung zu berücksichtigen. Wir haben eine komplette Dr. Stefan Brink
behördliche Umorganisation vorgenommen und dies
gut bewältigt.

Mit Blick auf die Entwicklung des Personals lässt sich


sagen: Unsere Behörde ist im vergangenen Jahr wei-
ter gewachsen. Nachdem wir im Jahr 2019 noch 63

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LfDI BW I 36. Tätigkeitsbericht I 2020

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LfDI BW I 36. Tätigkeitsbericht I 2020

1. Datenschutz in der Corona-Krise tenschutzgesetzes in der bis zum 20. Juni 2018 gel-
tenden Fassung). Auf diese Verpflichtung weist auch
Die Corona-Pandemie betrifft nahezu alle Lebensbe- die Verwaltungsvorschrift der Landesregierung und
reiche. Dies zeigt anschaulich bereits die Fülle der der Ministerien zur Erarbeitung von Regelungen vom
zur Bewältigung der Corona-Pandemie von der Lan- 27. Juni 2010 (Az.: 5-05/22, GABl. S. 277, zuletzt ge-
desregierung erlassenen Rechtsverordnungen und ändert durch Verwaltungsvorschrift vom 12.12.2017,
sonstigen Rechtsvorschriften. Diese wurden teilwei- GABl. 2018 S. 2) unter Nummer 2.5.3 ausdrücklich
se in rascher Abfolge abgeändert, zum Teil im Wo- hin und weist dem für den jeweiligen Normentwurf
chenrhythmus. Wir haben an diesen Regelungen der jeweils federführende Ministerium die Aufgabe zu,
Landesregierung zur Bewältigung der Corona-Krise die ordnungsgemäße Beteiligung unserer Behörde si-
mitgewirkt. Auf Grundlage der jeweils gültigen Fas- cherzustellen.
sungen der Verordnungen haben wir Ministerien,
Kommunen, Verbände, Unternehmen, Vereine, Initiati- Seit Geltung der DS-GVO handelt es sich sogar um
ven und Bürger_innen beraten und ihre Beschwerden eine europarechtliche Verpflichtung: Nach Artikel 26
bearbeitet. Absatz 4 DS-GVO konsultieren die Mitgliedstaaten
die Aufsichtsbehörde bei der Ausarbeitung eines Vor-
Aber auch außerhalb der spezifischen Regelungen schlags für von einem nationalen Parlament zu er-
durch die Corona-Verordnungen hat die Pandemie lassende Gesetzgebungsmaßnahmen oder von auf
zahlreiche bereits bekannte und auch neue Fragen des solchen Gesetzgebungsmaßnahmen basierenden
Datenschutzes aufgeworfen. Sie betreffen unter an- Regelungsmaßnahmen, welche die Verarbeitung per-
derem die Grundlagen der Digitalisierung in verschie- sonenbezogener Daten betreffen.
denen Bereichen des öffentlichen Lebens, wie etwa
in Schulen und Hochschulen, den Beschäftigtenda- Zur Bewältigung der Corona-Krise hat die Landesre-
tenschutz, die Ausgestaltung der Corona-Warn-App, gierung zahlreiche Regelungen geschaffen – insbe-
sowie das öffentliche Gesundheitswesen. sondere in den sogenannten Corona-Verordnungen
–, welche die Verarbeitung personenbezogener Daten
Der diesjährige Tätigkeitsbericht setzt einen beson- betrafen. Die Entscheidung über solche Regelungen
deren Schwerpunkt auf den Umgang mit der Coro- stand nicht immer, aber oft unter hohem politischen
na-Pandemie. Wir sprechen im Folgenden zusam- Zeitdruck, weil die Landesregierung auf die jeweilige
mengefasst über wesentliche Themen, welche die Lage des Infektionsgeschehens und auf den jeweili-
Bürger_innen im Corona-Alltag betrafen. gen Erkenntnisstand über die Verbreitung des Coron-
avirus SARS-CoV-2 zu reagieren hatte.

>> Weitere Informationen Mit dieser Situation ist die Landesregierung nicht
Übersicht zu den erlassenen Corona-Verordnungen einheitlich umgegangen. In vielen Fällen wurden wir
von den Ministerien aufgefordert, innerhalb kurzer
https://www.baden-wuerttemberg.de/de/service/ bis sehr kurzer Fristen zu den jeweiligen Vorschrifte-
alle-meldungen/meldung/pid/aktuelle-aenderun- nentwürfen Stellung zu nehmen. Die Kürze der Fristen
gen-der-corona-verordnungen/ war dabei jedenfalls oft aufgrund des Entscheidungs-
  drucks nachvollziehbar. Die Gelegenheit zur Stellung-
nahme haben wir dann in aller Regel wahrgenommen,
um – soweit irgend möglich innerhalb des vorgege-
1.1 Beteiligung an den Regelungen der Landes- benen Zeitrahmens – durch konstruktiv-kritische
regierung zur Bewältigung der Corona-Krise Beiträge datenschutzrechtliche Aspekte zur Geltung
zu bringen und die Qualität der Regelungsentwür-
Die Ministerien haben schon seit jeher nach dem Lan- fe insoweit möglichst zu verbessern. In zahlreichen
desdatenschutzgesetz unsere Behörde bei der Aus- Fällen hat uns die Landesregierung allerdings nicht
arbeitung von Rechts- und Verwaltungsvorschriften, beteiligt. Dabei scheint es in seltenen Fällen tatsäch-
welche die Verarbeitung personenbezogener Daten lich überaus eilbedürftiger Entscheidungen nachvoll-
betreffen, rechtzeitig zu beteiligen (so § 26 Absatz 2 ziehbar zu sein, wenn unsere rechtzeitige Beteiligung
LDSG, vgl. schon § 31 Absatz 4 Satz 2 des Landesda- angesichts der mit der Corona-Krise verbundenen

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LfDI BW I 36. Tätigkeitsbericht I 2020

Gefahren unausweichlich zu einer politisch nicht ver- darauf aufmerksam machen, dass die genannte Re-
tretbaren Verzögerung des Verfahrens geführt hätte gelung in datenschutzrechtlicher Hinsicht erhebliche
und unsere Beteiligung ausnahmsweise umgehend Unklarheiten aufwies und nicht rechtskonform war.
nachgeholt wurde. Wiederholt vermochten wir indes
eine derartige Eilbedürftigkeit nicht zu erkennen. So- So wurde der Begriff „Einverständnis“ genutzt. Am
weit das Unterlassen der Beteiligung auf der extrem ehesten war darunter eine „Einwilligung“ im Sinne von
hohen Auslastung der obersten Landesbehörden in- Artikel 4 Nummer 11, Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe a,
folge der enormen Anstrengungen zur Bewältigung Artikel 7 der DS-GVO zu verstehen. Nun ist aber für
der Krise beruhte, haben wir durchaus Verständnis die Wirksamkeit einer Einwilligung ihre Freiwilligkeit
für die Lage und Arbeit der Beteiligten in den jeweili- erforderlich (vgl. insbesondere Artikel 7 Absatz 3
gen Ministerien. Indes scheint uns aber in Teilen auch DS-GVO), so dass aus der Verweigerung der Einwilli-
das Bewusstsein für die Verpflichtung zur Einbindung gung keine Nachteile folgen dürfen. Die Deutung des
unserer Behörde nicht gänzlich vorhanden zu sein. „Einverständnisses“ als Einwilligung hatte mithin zur
Insgesamt halten wir die Verfahren zur Normgebung Folge, dass die Zulässigkeit der Bewirtung bzw. des
insoweit für verbesserungswürdig. Gaststättenbesuchs nicht von der Erteilung der Zu-
stimmung abhängig sein durfte. Dies teilten wir den
Unser umfangreiches Wirken im Zusammenhang mit beteiligten Ministerien mit. Ob vom Verordnungsge-
dem Erlass der Regelungen zur Bewältigung der Pan- ber etwas anderes intendiert war, konnten wir nicht
demie sollen im Folgenden beispielhaft dargestellt sicher erkennen; es lag uns keine aufklärende Ent-
werden: wurfsbegründung vor. Eine etwaige andere Intention
wäre aus unserer Sicht jedenfalls nicht hinreichend im
Normtext zum Ausdruck gebracht worden.

1.2 Die Verarbeitung von Besucher-Daten zur Die Regelung enthielt ferner weitere begriffliche Un-
Kontaktnachverfolgung durch die Gesundheitsbe- schärfen. So sollte der/die Betreiber_in die Daten „zu
hörden nach den Corona-Verordnungen Zwecken der Kontaktnachverfolgung“ verarbeiten.
Dieser Wortlaut legte nahe, dass die Kontaktnach-
Am 10. Mai 2020 erließen das Sozialministerium und verfolgung Aufgabe des Betreibers wäre. Vermutlich
das Wirtschaftsministerium – ohne uns zuvor zu be- war aber von Seiten der beteiligten Ministerien ge-
teiligen – die erste Version der Corona-Verordnung meint, dass die Kontaktverfolgung (gemäß § 25 des
„Gaststätten“, die zum 18. Mai 2020 in Kraft treten Bundes-Infektionsschutzgesetzes – IfSG) durch das
sollte. Sie enthielt erstmals eine Bestimmung zur Er- Gesundheitsamt erfolgen soll. Hierzu müsste der Be-
hebung der Kontaktdaten von Gästen, die aber weit- treiber die Daten dem jeweils zuständigen Gesund-
gehend misslungen war. heitsamt übermitteln.

Die entsprechende Bestimmung in § 2 Absatz 3 der Die beteiligten Ministerien reagierten prompt und ga-
genannten Verordnung lautete: ben zu erkennen, dass insbesondere eine Verarbei-
tung auf Einwilligungsbasis nicht gewollt war, sondern
„Zu Zwecken der Kontaktnachverfolgung erheben und für den Fall eines Gaststättenbesuchs verbindlich.
verarbeiten Betreiber mit Einverständnis der Gäste Denn eine gut funktionierende Nachverfolgung durch
folgende Daten: die Gesundheitsämter im Falle des Auftretens von
1. Name des Gastes, Infektionen mit SARS-Cov-2 sei Grundvoraussetzung
2. Datum und Uhrzeit des Besuchs, und für eine immer weiter voranschreitende Öffnung des
3. Kontaktdaten, beispielsweise E-Mail-Adresse oder öffentlichen Lebens nach dem harten „Lockdown“ im
Telefonnummer. Frühjahr 2020.

Die Daten sind vom Betreiber vier Wochen nach Erhe- Zugleich stellte das Sozialministerium dankenswerter
bung zu löschen.“ Weise auch die übrigen bereits ohne unsere Beteili-
gung erlassenen Corona-Verordnungen, die ebenfalls
Nachdem wir am 11. Mai 2020 die Verordnung ge- die Speicherung von Besucherdaten mit dem Ziel, den
sehen haben, mussten wir die beteiligten Ministerien Gesundheitsbehörden die Kontaktnachverfolgung zu

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ermöglichen, vorsahen, auf den Prüfstand (z.B. die gegenüber dem Gesundheitsamt oder der Ortspolizei-
gemeinsam mit dem Kultusministerium erlassenen behörde nach §§ 16, 25 IfSG“ verpflichtet seien.
Verordnungen „Musik- und Jugendkunstschulen“ vom
5. Mai 2020 und Sportstätten vom 10. Mai 2020). Hier Auch die von den Betreibern zu speichernden Daten-
hat das Sozialministerium umgehend die Beteiligung arten waren zu präzisieren. Insbesondere erschien
unserer Behörde nachgeholt. uns die Datenart „Kontaktdaten“ unklar, für die im
Normtext nur Beispiele angeführt wurden. Hier sei
Im Rahmen der weiteren Erörterungen mit dem Sozi- zu prüfen, welche Daten im Einzelnen hier wirklich
alministerium haben wir eine Verpflichtung der Betrei- benötigt würden. In diesem Zusammenhang wiesen
ber von Gaststätten, Daten über Besucher_innen und wir darauf hin, dass die Erhebung der E-Mail-Adresse
ihre Besuchszeiten zu erheben und zu speichern, im problematisch sei, wenn sie letztlich der Kontaktauf-
Rahmen einer Rechtsverordnung auf der Grundlage nahme zwischen Gesundheitsamt und Besucher_in
von § 32 IfSG mit Blick auf die Gefahren der Verbrei- diene, weil dem Gesundheitsamt via E-Mail in der
tung von SARS-Cov-2 akzeptiert. Regel keine datenschutzkonforme Kontaktaufnahme
möglich sein werde, zumal bei dieser typischerweise
Wir hatten bereits in unseren FAQ vom März 2020 zumindest konkludent das Gesundheitsdatum zum
darauf hingewiesen, dass Gesundheitsbehörden ent- Ausdruck gebracht werde, dass der/die Empfänger_in
sprechende (Einzel-)Anordnungen gegenüber Veran- der E-Mail zumindest verdächtig sei, mit dem neuarti-
staltern auf der Grundlage der §§ 16, 25, 28 ff. IfSG er- gen Coronavirus SARS-CoV-2 infiziert zu sein.
lassen können. Aus der Regelung einer solchen Pflicht
zur Erhebung und Speicherung ergäbe sich sodann Dankenswerter Weise sind das Sozial- und das Wirt-
auch die Befugnis des Betreibers, dies zu tun (Artikel schaftsministerium ganz überwiegend unseren Anre-
6 Absatz 1 Buchstabe c DS-GVO). gungen gefolgt. Sie haben – noch vor ihrem Inkrafttre-
ten – die Corona-Verordnung „Gaststätten“ vom 10.
Für den potentiellen Übermittlungsvorgang an das Ge- Mai 2020 wieder aufgehoben und unter dem 16. Mai
sundheitsamt hielten wir demgegenüber weitere Re- 2020 eine neue Verordnung desselben Namens erlas-
gelungen in der Verordnung nicht für erforderlich: Die sen. Die Bestimmung zur Verarbeitung der Daten der
Befugnis des Gesundheitsamts zur Datenerhebung Gäste in § 2 Absatz 3 erhielt die folgende wesentlich
im Falle des Auftretens einer Infektion folge aus § 25 verbesserte Fassung:
Absatz 1 und 2 IfSG i. V. m. § 16 Absatz 2 IfSG. Diese
Normen regelten zugleich eine Auskunftspflicht der „Der Betreiber hat, ausschließlich zum Zweck der
in Anspruch genommenen Person, so dass der/die Auskunftserteilung gegenüber dem Gesundheitsamt
Gaststättenbetreiber_in im Falle der Inanspruchnah- oder der Ortspolizeibehörde nach §§ 16, 25 IfSG, die
me durch das Gesundheitsamt auf Auskunftsertei- folgenden Daten bei den Gästen zu erheben und zu
lung keiner weiteren Übermittlungsbefugnis bedurfte speichern:
(vgl. wiederum Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe c DS- 1. Name und Vorname des Gastes,
GVO). Dies gelte entsprechend, soweit eine Erhebung 2. Datum sowie Beginn und Ende des Besuchs, und
der bei der/dem Betreiber_in gespeicherten Daten 3. Telefonnummer oder Adresse des Gastes.
durch die Gesundheitsbehörden auch zum Zweck der
Vorbeugung gegen das Auftreten einer Erkrankung für Die Gäste dürfen die Gaststätte nur besuchen, wenn
erforderlich erachtet werden (was das Sozialministe- sie die Daten nach Satz 1 dem Betreiber vollständig
rium als Fachbehörde zu entscheiden habe). Dann und zutreffend zur Verfügung stellen. Diese Daten sind
wäre für diese Auskunftsersuche nach § 16 Absatz vom Betreiber vier Wochen nach Erhebung zu löschen.
6 IfSG (in Verbindung mit der Verordnung des Sozial- Die allgemeinen Bestimmungen über die Verarbeitung
ministeriums über Zuständigkeiten nach dem Infekti- personenbezogener Daten bleiben unberührt.“
onsschutzgesetz in der damals gültigen Fassung) in
erster Linie die Ortspolizeibehörde zuständig. Zeitgleich mit der Verkündung der neuen Corona-Ver-
ordnung „Gaststätten“ haben wir, um den Betreibern
Daher schlugen wir vor zu formulieren, dass die Be- die datenschutzkonforme Umsetzung der von ihnen
treiber zur Erhebung und Speicherung der Daten verlangten Verarbeitung von Kundendaten zu er-
„ausschließlich zum Zweck der Auskunftserteilung leichtern, eine Musterinformation zur Erfüllung der

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LfDI BW I 36. Tätigkeitsbericht I 2020

Pflichten aus Artikel 13 DS-GVO erstellt und dem Ho- „soweit durch Regelungen in dieser Verordnung oder
tel- und Gaststättenverband DEHOGA des Landes Ba- aufgrund dieser Verordnung Kontaktdaten zu erhe-
den-Württemberg zum Zweck der Veröffentlichung ben sind“. In der gesamten Verordnung war jedoch
auf seiner Internetseite zur Verfügung gestellt. nirgends die Rede davon, dass „Kontaktdaten“ zu
erheben seien. Erneut ist dem Sozialministerium zu
In der zweiten Juni-Hälfte war sodann die Landesre- danken, dass es uns bei der Überarbeitung der Verord-
gierung von dem Bestreben getragen, die Corona-Ver- nung zum 28. Juli 2020 die Gelegenheit zur Stellung-
ordnungen neu zu strukturieren, indem offenbar eine nahme gab, wodurch nicht alle, aber einige der Män-
Art „allgemeiner Teil“ geschaffen werden sollte, der zur gel behoben werden konnten. Um es deutlicher zu
Anwendung gelangen sollte, soweit nicht die speziel- formulieren: Das Sozialministerium war sehr intensiv
leren Regelungen der einzelnen Ressorts etwas an- mit der Pandemie-Bekämpfung befasst, enorm einge-
deres regelten. Leider wurden wir dabei wieder nicht bunden und dennoch (wenn leider auch nicht durch-
beteiligt. Vielmehr erhielten wir am 23. Juni 2020 vom weg, so doch) immer wieder in der Lage, wenigstens
Justizministerium „den Text der neuen Corona-Ver- kurzfristig die Datenschutzbehörde einzubinden. Das
ordnung nebst Begründung“ zur Kenntnis übersandt, konnten wir nicht von jedem Ministerium sagen.
der noch am selben Tag „im Kabinett beschlossen
werden soll“. Eine frühere Übersendung sei leider nicht Die obigen Ausführungen benennen keine juristischen
möglich gewesen, da die Abstimmung zwischen den Feinheiten. Sie haben eine ganz lebenspraktische
Ressorts erst am Abend zuvor abgeschlossen habe Auswirkung. Bürger_innen haben bei uns nachgefragt,
werden können. Beschwerden eingereicht. Es ging beispielsweise da-
rum, dass Frauen telefonisch belästigt wurden, weil
Was an dieser zum 1. Juli 2020 in Kraft getretenen ihre Kontaktdaten in Restaurants herumlagen und
Neufassung der Corona-Verordnung derart eilbedürf- zweckwidrig genutzt wurden. Gastronomen haben
tig gewesen sein soll, dass wir nicht beteiligt werden uns angefragt, als plötzlich die Polizei vor deren Türe
konnten, war uns nicht ersichtlich. Jedenfalls konnte stand und Einsicht in die Kontaktlisten verlangten und
die Neuregelung der Datenverarbeitung durch Gast- dergleichen mehr.
stätteninhaber, Veranstalter_innen, Betreiber_innen
von Einrichtungen usw., welche die Besuche von „Be-
sucherinnen und Besuchern, Nutzerinnen und Nut- FaQ Coronavirus SARS-CoV-2
zern oder Teilnehmerinnen und Teilnehmern“ erfas- https://www.baden-wuerttemberg.datenschutz.de/fa-
sen und für die Zwecke der Kontaktnachverfolgung qs/#FAQ-Corona
durch die Gesundheitsbehörden speichern sollten
(§ 6), als wenig gelungen bezeichnet werden, obwohl
offenbar das Bestreben bestand, inhaltlich an den
bisherigen Regelungen nichts Wesentliches zu än- 1.3 Datenverarbeitung zur Corona-Bekämpfung
dern und obwohl dem Entwurf der Verordnung erfreu-
licherweise – nach den vielen ad hoc und ohne be- „Batman war hier“
gründende Ausführungen erlassenen Regelungen zur Besonders stark betroffen von den Corona-Regelun-
Bewältigung der Corona-Pandemie – eine Begrün- gen war und ist das Gastgewerbe. Von Anfang an
dung beigefügt war, der sich weitere wertvolle Hin- haben sich hier wichtige datenschutzrechtliche Frage-
weise zum Datenschutz entnehmen ließen, nament- stellungen aufgetan. Wer erinnert sich nicht an die Dis-
lich der von uns wiederholt zum Ausdruck gebrachte kussionen um die Zettelwirtschaft in Cafés, also das
Umstand, dass die die Daten erhebende Person nicht Notieren von Kontakten von Café-Besuchenden zur
zur Überprüfung der Richtigkeit der angegebenen möglichen Verfolgung eventueller Infektionsketten?
Personalien berechtigt oder gar verpflichtet ist. Wir haben eben ausführlich darüber berichtet.

Die Neuregelung war nicht nur durch ihre Verortung Hinzu kamen zu Beginn der Pandemie auch Unklar-
in einem allgemeinen Teil, dessen Verhältnis zum „be- heiten im Hinblick darauf, welche Bereiche des Gast-
sonderen Teil“ nicht immer klar war, schwer lesbar; gewerbes von den jeweiligen Regelungen überhaupt
sie war auch rechtstechnisch in Teilen defizitär. Bei- betroffen sind, da die Welt der Gaststätten und gast-
spielsweise sollte sie nach ihrem Wortlaut eingreifen, ronomischen Einrichtungen sehr bunt und vielfältig ist:

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LfDI BW I 36. Tätigkeitsbericht I 2020

„Sammellisten“ aus, wodurch man sämtliche vorange-


gangenen Besucher_innen und Gäste der Gaststätte,
samt privater Kontaktdaten, einsehen konnte.

Uns erreichten auch viele Beschwerden von Gästen


über diesen datenschutzwidrigen Umgang mit den
Kontaktdaten. Wir sind den Beschwerden nachgegan-
gen und haben auf die Einhaltung des Datenschutzes
durch die Betreiber hingewirkt und die Verwendung
von öffentlich einsehbaren Sammellisten weitgehend
eingestellt. Statt Sammellisten sind die Kontakte ein-
zeln zu erfassen, sicher und geschützt vor Dritten
zu verwahren und nach vier Wochen zu vernichten
– nicht im handelsüblichen Mülleimer, sondern mit
Aktenschredder. Nur so können die Vorschriften der
CoronaVO datenschutzkonform eingehalten werden.
Um die Arbeit für das Gastgewerbe möglichst gering
zu halten, haben wir die DEHOGA Baden-Württemberg
dabei unterstützt, ein Standardformular zu entwerfen,
das allen Mitgliedern zur Verfügung gestellt wurde.
Dieses Muster enthält auch die notwendigen Daten-
schutzhinweise nach Art. 13 der DS-GVO. Nach § 6
Absatz 1 der CoronaVO in der seit 16. Dezember 2020
gültigen Fassung dürfen nunmehr folgende Daten
beim Besuch (Betreten) einer Gaststätte erhoben wer-
den: Name und Vorname des Gastes, seine Adresse,
(soweit vorhanden) seine Telefonnummer sowie Da-
tum und Zeitraum der Anwesenheit in der Gaststätte
(also Beginn und Ende des Besuchs).

Dass die einzelnen Formulare mit den Daten nach


Musterbogen für die DEHOGA. dem Ausfüllen schnell vor unbefugter Einsichtnahme
geschützt zu verwahren sind, ergibt sich aus Artikel
24, 25 und 32 DS-GVO und ist ferner in § 6 Absatz 2
Gemäß § 1 GastG fallen unter den Begriff „Gastgewer- der Corona-Verordnung seit der Neufassung vom 23.
be“ sämtliche Schank- und Speisewirtschaften, also Juni 2020 noch einmal ausdrücklich bestimmt. Die
Restaurants und Gaststätten, aber auch Cafés, Bars, Verordnung gilt nicht nur mit Blick auf andere Gäste,
Vergnügungslokale, Eisdielen, Imbisse, Trinkhallen, sondern auch mit Blick auf das Personal, das auch
Shisha- und Raucherbars sowie Kantinen. Teilweise keinen Zugang zu diesen Kontaktdaten haben soll.
wurde in den Verordnungsregelungen auch innerhalb
des Gastgewerbes differenziert. Der Außer-Haus-Ver- Im Sommer 2020 wandte sich eine junge Bürgerin an
kauf sowie von Abhol- und Lieferdienste waren stets uns, da diese nach dem Besuch eines Burger-Schnell-
erlaubt, ebenso die Verpflegung im Zusammenhang restaurants Kontaktversuche via Handy von einem
mit zulässigen Übernachtungsangeboten. dort angestellten Beschäftigten erhielt. Dieser versu-
che nun mittels der erhobenen Gastdaten mit ihr pri-
Die in der Corona Verordnung (CoronaVO) enthaltene vat in Kontakt zu treten. Dieses Verhalten stellt in je-
Kontaktverfolgung im Gastgewerbe stellte nicht weni- dem Fall einen Datenschutzverstoß dar, da gegen das
ge Betriebe vor eine große Herausforderung; nicht alle Zweckbindungsgebot verstoßen wurde. Der Vorgang
hielten sich an die konkreten Vorgaben der CoronaVO ist in Bearbeitung durch unsere Bußgeldstelle. Dane-
zur Nachverfolgung der Gäste und fragten oftmals ben ist sehr fraglich, ob der verantwortliche Betreiber
„überschießend“ zu viele Daten ab oder legten einfach des Schnellrestaurants seine Beschäftigten hinsicht-

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LfDI BW I 36. Tätigkeitsbericht I 2020

lich des Umgangs mit den privaten Kontaktdaten aus- chen Angaben wahrheitsgemäß zu machen, um in die
reichend sensibilisiert und geschult hat. Gaststätte einkehren zu können.

Wir wurden immer wieder angefragt, ob man denn


Phantasienamen in die Formulare einfügen könnte, >> Weitere Informationen
– etwa aus Sorge vor missbräuchlichen Nutzungen Zu den verschiedenen Fassungen der (früheren)
gerade in Fällen, in denen die Formulare nicht sicher Corona Verordnung Gaststätten
verwahrt, sondern z. B. Listen zur Eintragung ausge- https://www.baden-wuerttemberg.de/de/service/aktu-
legt wurden. Seit der Fassung der Corona-Verordnung elle-infos-zu-corona/verordnung-gastronomie/
„Gaststätten“ vom 16. Mai 2020 ist insoweit normiert,
dass die Gäste die Gaststätte nur besuchen dürfen, Formular zur Kontaktnachverfolgung für das Gastge-
wenn sie ihre Daten dem Betreiber „vollständig und werbe
zutreffend“ zur Verfügung stellen (vgl. § 6 Absatz 5 https://www.dehogabw.de/servicecenter/servicecen-
der Corona-Verordnung in der aktuellen, ab dem 16. ter-details/formular_kontaktnachverfolgung_corona_
Dezember 2020 geltenden Fassung). Allerdings ist verordnung.html
die/der Gaststättenbetreiber_in nicht verpflichtet, die
Richtigkeit der angegebenen Personalien zu überprü-
fen; hierzu hätte sie/er ohnehin nur eingeschränkte
Möglichkeiten. Der Betreiber ist vielmehr nach § 6 Ab- „Hilfssheriffs“ der Behörden?
satz 4 der aktuellen Fassung der CoronaVO nur gehal- Wer ins Restaurant geht, hinterlegt seine Kontaktda-
ten, Personen, welche die Erhebung ihrer ganz oder ten. Dies dient dazu, den Gesundheitsbehörden zu
teilweise verweigern, von dem Gaststättenbesuch ermöglichen, Infektionswege zurückzuverfolgen. Zu
auszuschließen. diesem Zweck dürfen die Kontakt- und Anwesenheits-
daten von den Gesundheitsbehörden (der Ortspolizei-
Die Angabe von Phantasienamen wie „Batman“ oder behörde und dem Gesundheitsamt) genutzt werden
„Donald Duck“ ist – abgesehen davon, dass sie als (§§ 16 und 25 des Infektionsschutzgesetzes; § 6 Ab-
offensichtliche Verweigerung der richtigen Personali- sätze 1, 3 CoronaVO). Für andere Zwecke (z.B. Wer-
en verstanden werden kann – mit Blick auf die ernste bung) dürfen diese Daten nicht verwendet werden (§
Notwendigkeit der Kontaktverfolgung selbstverständ- 6 Absatz 3 Satz 2 CoronaVO).
lich kein Ausweg.
Die von den Gaststättenbetreibern erhobenen per-
Seit der Fassung vom 18. Mai 2020 wurde daher in sonenbezogenen Daten weckten allerdings auch Be-
der (damaligen) CoronaVO „Gaststätten“ normiert, gehrlichkeiten bei anderen Behörden, so auch der Po-
dass jeder Gast korrekte Kontaktdaten beim Betreiber lizei. Etliche Fälle in ganz Deutschland sind bekannt
der Gaststätte zu hinterlassen hat (nun § 6 Absatz 5 geworden, in denen Polizei und Staatsanwaltschaft
CoronaVO). Mit der Dritten Verordnung der Landes- bei der Ermittlung von Tätern auf die erhobenen Daten
regierung zur Änderung der Corona Verordnung vom der Kontaktnachverfolgung der Gastwirte zurückge-
6. Oktober 2020 wurde überdies eingeführt, dass fal- griffen haben. Dies ist mit Blick auf die beschriebene
sche Angaben zu einem Bußgeld gegen den/die Besu- strikte Zweckbindung der Daten, die allerdings nur in
cher_in führen können. einer Landesverordnung geregelt ist, nicht unkritisch
gewesen. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass die-
Zur Angabe seiner persönlichen Daten ist kein Gast se Zweckbindung in einzelnen Fällen durchbrochen
im strengen Sinn verpflichtet; auch wird die Richtig- werden konnte, wenn es etwa zur Strafverfolgung er-
keit seiner Angaben von den Betreibern der Gaststätte forderlich war.
nicht überprüft. Sollte der Gast seine persönlichen Da-
ten allerdings nicht zur Verfügung stellen, darf er die Als rechtliche Grundlage wurde dabei insbesonde-
Gaststätte nicht besuchen und darin nichts verzehren re auf die Strafprozessordnung hingewiesen. Nach
und lediglich ein evtl. vorhandenes Außer-Haus-Ange- dieser können Richter sowie unter Umständen auch
bot oder einen Lieferdienst nutzen (§ 6 Absatz 4 der Staatsanwälte und bestimmte Polizeibeamte anord-
CoronaVO in der aktuellen Fassung). De facto besteht nen, dass Gegenstände beschlagnahmt werden, wenn
also für den Gast die Notwendigkeit, die erforderli- diese für Ermittlungen von Bedeutung sind. Die Straf-

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LfDI BW I 36. Tätigkeitsbericht I 2020

prozessordnung ging als Bundesrecht der nur in einer Dokumentations-Listen und den Inhalten von Hygie-
Landesverordnung geregelten engen Zweckbindung ne-Konzepten nach der jeweils gültigen, den Sport be-
vor (vgl. Artikel 31 des Grundgesetzes). Gaststätten- treffenden Regelungen der Corona-Verordnungen war
betreibern empfehlen wir, sich schriftlich von der an- und ist eine Herausforderung. Wir wurden regelmäßig
fragenden Stelle die Ermächtigungsgrundlage bestäti- angefragt dabei zu helfen, datenschutzkonforme Lis-
gen zu lassen und dies als Nachweis aufzubewahren. ten und Fragebögen zu formulieren.

Hier ist aber eine aktuelle Rechtsänderung mitzutei- Im Rahmen der den Sport betreffenden Corona-Ver-
len, die zu einer Klarstellung führt: Die strenge Zweck- ordnungen wurden im Lauf des Jahres 2020 den
bindung der Daten zur Kontaktverfolgung ist seit dem Vereinsverantwortlichen mehrere Maßnahmen auf-
19. November 2020 auch bundesrechtlich festge- erlegt. Insbesondere waren Vorgänge im Hinblick auf
schrieben worden: Im Rahmen des Dritten Gesetzes den Zugang zu den Sportstätten gegenüber den Ge-
zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen sundheitsbehörden nach der jeweils geltenden Coro-
Lage von nationaler Tragweite wurde in § 28a des In- na-Verordnung Sportstätten zu dokumentieren.
fektionsschutzgesetzes eine neue Rechtsgrundlage
für Anordnungen zur Verhinderung der Verbreitung Wie komplex die Thematik war, zeigt sich an einem
des Coronavirus SARS-CoV-2 geschaffen. Nach § 28a Beispiel: Ein Sportverein wandte sich an uns und stell-
Absatz 1 Nummer 17, § 32 IfSG können die Landes- te uns einen Fragebogen vor, der zur Einschätzung
regierungen zu diesem Zweck insbesondere Rechts- von Risiken im Hinblick auf Covid-19-Fälle bei Ver-
verordnungen erlassen, die eine „Anordnung der einsmitgliedern herangezogen werden sollte. Dazu
Verarbeitung der Kontaktdaten von Kunden, Gästen wurden neben den Kontaktdaten der Mitglieder auch
oder Veranstaltungsteilnehmern“ enthalten, „um nach Fragen zu Vorerkrankungen, zu Kontakten zu bestä-
Auftreten einer Infektion mit dem Coronavirus SARS- tigten Covid-19-Fällen, Einzelheiten zu Quarantänean-
CoV-2 mögliche Infektionsketten nachverfolgen und ordnungen, Reisen innerhalb der letzten 14 Tage und
unterbrechen zu können.“ Für die aufgrund solcher bestimmten Symptomen gestellt.
Anordnungen verarbeiteten Daten gilt nunmehr nach
§ 28a Absatz 4 IfSG eine strenge Zweckbindung; so Grundsätzlich darf eine verantwortliche Stelle nach
heißt es in § 28a Absatz 4 IfSG insbesondere: dem Prinzip der Datenminimierung nur diejenigen per-
sonenbezogenen Daten erheben, die zur Erreichung
„Im Rahmen der Kontaktdatenerhebung nach Absatz eines bestimmten (legitimen) Zwecks erforderlich
1 Nummer 17 dürfen von den Verantwortlichen nur sind. Den vom Verein verfolgten Zweck sahen wir da-
personenbezogene Angaben sowie Angaben zum rin, dass er seinen gesetzlichen Verpflichtungen aus
Zeitraum und zum Ort des Aufenthaltes erhoben und der Corona-Verordnung des Kultusministeriums und
verarbeitet werden, soweit dies zur Nachverfolgung des Sozialministeriums über Sportstätten (CoronaVO
von Kontaktpersonen zwingend notwendig ist [...]. Die „Sportstätten“) – seinerzeit vom 10. Mai 2020 beim
Daten dürfen nicht zu einem anderen Zweck als der Betrieb von Freiluftanlagen – zu entsprechen hatte.
Aushändigung auf Anforderung an die nach Landes-
recht für die Erhebung der Daten zuständigen Stellen Von der Teilnahme am Trainings- und Übungsbetrieb
verwendet werden [...]. Eine Weitergabe der übermittel- ausgeschlossen waren danach Personen, die in Kon-
ten Daten durch die zuständigen Stellen [...] oder eine takt zu einer infizierten Person stehen oder standen,
Weiterverwendung durch diese zu anderen Zwecken wenn seit dem Kontakt mit einer infizierten Person
als der Kontaktnachverfolgung ist ausgeschlossen.“ noch nicht 14 Tage vergangen sind, oder sie die Sym-
ptome eines Atemwegsinfekts oder erhöhte Tempe-
Damit ist mittlerweile anderen Behörden, auch den ratur aufweisen. Dieser Ausschluss traf bei Sportver-
Strafverfolgungsbehörden, der Zugriff auf diese Daten einen oftmals die Trainierenden selbst. Der Verein
verwehrt. Eine gute Entscheidung des Gesetzgebers. kann (und sollte) auf den Ausschluss hinweisen, ist
aber weder gehalten noch befugt, die entsprechenden
Informationen zu Symptomen oder Kontaktpersonen
Dokumentationspflichten im Verein zu eigenen Zwecken zu erheben. Denn der Ausschluss
Auch Vereine hatten mit den neuen Anforderungen stellt ein unmittelbar an die davon betroffenen Trainie-
durch die Pandemie zu kämpfen. Der Umgang mit renden gerichtetes Verbot dar, nicht jedoch ein Gebot

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LfDI BW I 36. Tätigkeitsbericht I 2020

an den Verein, die Trainierenden insoweit zu überprü- Eine Kommune wollte nach den Sommerferien ihre
fen. Unter dem Gesichtspunkt des Infektionsschutzes Beschäftigten besonders schützen und verlangte
waren – nach einer anderen Vorschrift der Verord- deshalb von allen Besuchern des Behördenzentrums
nung, welche die Vereinfachung der Kontaktnachver- beim Betreten eine namentliche Erklärung über even-
folgung durch die Gesundheitsbehörden bezweckte, tuelle Aufenthalte im Ausland, insbesondere bezüg-
– demgegenüber nur die Namen der Teilnehmenden lich solcher Länder, welche zu Risikogebieten erklärt
je Trainingseinheit und des Verantwortlichen. wurden. Ihr Vorgehen sah die Gemeinde gemäß Ar-
tikel 6 Absatz 1 Unterabsatz 1 Buchstabe a der DS-
Durch die dann ab 2. Juni 2020 geltende Corona-Ver- GVO als rechtens an. Es wurde angenommen, dass
ordnung „Sportstätten“ wurde der Umfang der von die Bürger_innen mit dem Ausfüllen des Erhebungs-
den Teilnehmenden zu erhebenden und für vier Wo- bogens in die Verarbeitung ihrer persönlichen Daten
chen zu speichernden Daten etwas erweitert und um- einwilligen würden.
fasste nunmehr:
Der Gemeinde haben wir mitgeteilt, dass sie damit
• Name und Vorname der Nutzerin oder des Nutzers, falsch liegt. Jedenfalls kann sich die Gemeinde nicht
• Datum sowie Beginn und Ende des Besuchs, und auf eine wirksame, d.h. freiwillige Einwilligung in die
• Telefonnummer oder Adresse der Nutzerin oder des Datenverarbeitung berufen. Freiwilligkeit scheidet
Nutzers. nämlich beispielsweise dann aus, wenn das Erbringen
einer Dienstleistung von der Einwilligung in die Da-
Der vom Verein zur Überprüfung übersandte Frage- tenverarbeitung abhängig gemacht wird. Außerdem
bogen durfte also für den Laiensport in Baden-Würt- ist die Freiwilligkeit einer Willenserklärung zur Da-
temberg in dieser Form nicht verwendet werden. Bei tenverarbeitung immer dann genau zu prüfen, wenn
Anwendung der Corona-Verordnungen ist genau zu zwischen der betroffenen Person und dem Verant-
prüfen, welche Regelungen sich an den jeweiligen wortlichen ein klares Ungleichgewicht besteht, also
Sportstättenbetreiber richten und welche an die Besu- beispielsweise, wenn es sich bei dem Verantwortli-
cher_innen der Anlagen. Ein an die Trainierenden ge- chen um eine Behörde handelt.
richtetes Ge- oder Verbot legitimiert nicht den Verein,
(zumal: sensible Gesundheits-)Daten der Besucher_ In unserem Fall sah die Gemeinde vor, dass die Bür-
innen zu verarbeiten. ger_innen nur dann das Behördenzentrum betreten
können, wenn sie die Erklärung mit ihrem Namen,
Wir konnten schlussendlich dem Verein mit Hinwei- Adresse und zum Auslandsaufenthalt ausfüllen und
sen und Ratschlägen zu einem Fragebogen verhel- abgeben. Somit sah sich, wer etwa seinen Reisepass
fen, der sowohl den Anforderungen der CoronaVO als abholen oder die Miete für die Fahrradbox am Bahn-
auch der DS-GVO genügte. hof verlängern wollte, genötigt, seine personenbezo-
genen Daten anzugeben. Es liegt auf der Hand, dass
Betroffene unter diesen Umständen wohl kaum voll-
>> Weitere Informationen kommen freiwillig ihre Daten preisgeben.
Übersicht über die im Laufe des Jahres 2020 erlasse-
nen, den Sport betreffenden Corona-Verordnungen Auch in der Corona-Verordnung des Landes sucht
man erfolglos nach einer passenden Rechtsgrundla-
https://km-bw.de/CoronaVO+Sport ge für die Datenerhebung bei Eintritt in das Rathaus.
  Die Corona-Verordnung des Landes regelt, wer wel-
che Daten für welche Zwecke verarbeiten darf die
Datenverarbeitung (§§ 6 und 14). Nach § 6 Absatz 1
Zugang zum Rathaus nur gegen Daten CoronaVO dürfen die Daten
Auch der Gang in ein Rathaus wird durch Verordnun-
gen auf der Grundlage des Infektionsschutzgesetzes „ausschließlich zum Zwecke der Auskunftserteilung
begleitet. In diesen schwierigen Zeiten sind die Ge- gegenüber dem Gesundheitsamt oder der Ortspoli-
meinden bestrebt, ihr normales Tagesgeschäft so zeibehörde nach §§ 16, 25 IfSG erhoben und gespei-
weit wie möglich aufrecht zu erhalten. Dies ist nicht chert werden.“
immer so einfach, was folgendes Beispiel zeigt:

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LfDI BW I 36. Tätigkeitsbericht I 2020

Eine Berechtigung zur Datenerhebung zum Zweck der nischen Gründen oder aus sonstigen zwingenden
Nachverfolgung von Infektionsketten, wie sie etwa bei Gründen unzumutbar ist oder wenn ein anderweitiger
Schwimmbädern oder Gaststätten durch die Rechts- mindestens gleichwertiger baulicher Schutz besteht.“
verordnung erfolgt, besteht für Rathäuser danach Hier tauchte früh die Frage auf, wer prüfen darf oder
nicht; Gemeinden sind in dem Katalog nicht enthalten muss, ob die Voraussetzungen für die Ausnahme
(§ 14, „zur Datenverarbeitung Verpflichteten“). gegeben sind, dass das Tragen einer Maske „aus
medizinischen Gründen oder aus sonstigen Grün-
In Ermangelung sonstiger Bestimmungen wäre al- den unzumutbar ist“. Eine Pflicht der Betroffenen, die
lenfalls noch § 4 des Landesdatenschutzgesetzes in Voraussetzungen gegenüber bestimmten Stellen zu
Betracht zu ziehen. Danach können öffentliche Stellen belegen, war in der Corona-Verordnung ursprünglich
dann personenbezogene Daten verarbeiten, wenn die- nicht vorgesehen.
se zur Erfüllung der in der Zuständigkeit der öffent-
lichen Stelle liegende Aufgabe erforderlich sind. Die Wir hatten im Rahmen der uns dankenswerter Weise
Erfassung der in § 6 CoronaVO genannten Daten der vom Sozialministerium ordnungsgemäß eingeräum-
Besucher_innen von Rathäusern und Bürgerzentren ten Beteiligung an dem Erlass seiner Verordnung
zum Zweck der Auskunftserteilung für die Gesund- über Besuchsregelungen in Krankenhäusern, Pflege-
heitsbehörde oder das Ordnungsamt ist aber keine einrichtungen und vergleichbaren Einrichtungen (Co-
originäre Aufgabe der Gemeinde. Es gibt somit derzeit rona-Verordnung Besuchsregelungen) vom 14. Mai
(Stand Ende November 2020) keine Rechtsgrundlage 2020 Gelegenheit, die Frage mit der Landesregierung
für Kommunen, die Daten der Bürger_innen beim Be- zu erörtern. Diese Verordnung enthielt in § 2 Absatz
such der Verwaltung zur Nachverfolgung von Infekti- 5 – entsprechend der Regelung in der seinerzeitigen
onsketten oder zugunsten des Beschäftigungsschut- Corona-Verordnung – die folgende Bestimmung:
zes zu erheben.
„Besucherinnen und Besucher ab dem vollendeten
Für den Gesundheitsschutz der Mitarbeitenden sind sechsten Lebensjahr müssen während des gesam-
beispielsweise Hygiene- und organisatorische Maß- ten Aufenthalts in der Einrichtung eine nicht-me-
nahmen zuvorderst umzusetzen, wie Abstandspflich- dizinische Alltagsmaske oder eine vergleichbare
ten, Tragen einer Mund-Nase-Bedeckung und Desin- Mund-Nasen-Bedeckung tragen, sofern dies nicht
fektionsmöglichkeiten für die Hände. aus medizinischen Gründen oder aus sonstigen
zwingenden Gründen unzumutbar ist.“
Den Kommunen, die eine hinreichende Nachverfolg-
barkeit der Infektionsketten sicherstellen wollen, ist Im Entwurf der Verordnung war hierfür ergänzend vor-
zu empfehlen, den Publikumsverkehr einzuschränken gesehen, dass die Leitung der Einrichtung dafür Sorge
und Behördengänge nur nach vorheriger Terminver- zu tragen habe, dass die Maßgaben für Besucher_in-
einbarung zu ermöglichen. Eine umfassende Informa- nen (neben der Maskenpflicht z. B. auch die Pflicht
tion zur Rechtslage bezüglich Reiserückkehrern und zur Händedesinfektion bei Betreten der Einrichtung)
Quarantänepflichtigen sollte dabei nicht fehlen.   eingehalten werden. Sie habe die Besucher_innen im
Bereich der Zutrittsstellen der Einrichtung deutlich
sichtbar in geeigneter Weise auf diese Maßgaben
Befreiung von der Maskenpflicht: „Nicht ohne hinzuweisen. Im Rahmen der Beteiligung haben wir
meinen Arzt“ darauf hingewiesen, dass aus dem Entwurf nicht in
Mit der sechsten Verordnung der Landesregierung ausreichend eindeutiger Weise hervorgehe, welche
zur Änderung der CoronaVO vom 23. April 2020 Maßgaben die besuchende Person sicherzustellen
wurde erstmals die Verpflichtung eingeführt, in be- hat und welche die Leitung der Einrichtung. Insbeson-
stimmten Bereichen des öffentlichen Lebens (im dere werde nicht ausreichend differenziert, inwieweit
Einzelnen: im öffentlichen Personennahverkehr, an (also gegebenenfalls auch wodurch) die Leitung der
Bahn- und Bussteigen und in den Verkaufsräumen Einrichtung selbst für die Einhaltung der Maßgaben
von Ladengeschäften und allgemein in Einkaufs- „Sorge zu tragen“ habe und inwieweit diese nur Hin-
zentren) eine nicht-medizinische Alltagsmaske oder weispflichten treffen. In Bezug auf die Maskenpflicht
eine vergleichbare Mund-Nasen-Bedeckung zu tra- sei normenklar zu regeln, inwieweit die Einrichtung die
gen. Diese Pflicht galt nicht, „wenn dies aus medizi- medizinischen oder sonstigen zwingenden Gründe

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LfDI BW I 36. Tätigkeitsbericht I 2020

der Befreiung von der Maskenpflicht zu prüfen (und sein soll. Dies hat zu einer Flut von Eingaben bei uns
möglicherweise zu speichern) habe. geführt. Neben häufig auszuhaltenden Anfeindungen
im öffentlichen Raum geht es den Betroffenen auch
Auf diese Hinweise ist das Sozialministerium erfreu- um datenschutzrechtliche Fragestellungen. Im Kern
licher Weise eingegangen und hat die pauschale Be- der Anfragen an uns ging es daher sowohl um die Fra-
stimmung gestrichen, nach der die jeweiligen Leitun- ge der Anforderungen an die Glaubhaftmachung sowie
gen der Einrichtungen dafür Sorge zu tragen hätten, einen datenschutzkonformen Umgang mit diesen Er-
dass die an die Besucher_innen gerichteten Maßgaben kenntnissen.
eingehalten werden. Die Streichung sei inhaltlich un-
bedenklich, zumal sich eine vergleichbare Vorgabe für Das Kultusministerium hat – ohne unsere Beteili-
das Sorgetragen bislang auch nicht in der CoronaVO gung – am 15. Oktober 2020 eine Handreichung dazu
befinde. herausgegeben, wie mit der Maskenpflicht an Schu-
len umzugehen sei. Darin geht das Kultusministeri-
Damit war aus unserer Sicht klargestellt, dass sich die um (ohne nähere Begründung) davon aus, dass die
in der Verordnung vorgesehene Verpflichtung zum Tra- Schule das Vorliegen eines Ausnahmetatbestandes
gen eine Maske grundsätzlich (zu Ausnahmen siehe überprüfen müsse und eine Glaubhaftmachung ver-
z.B. § 1 Absatz 6 und 7 der Verordnung) ausschließ- langen könne. Gesundheitliche Gründe seien dabei
lich an die Besucher_innen richtete und namentlich das in der Regel durch die Bescheinigung eines Arztes
Vorliegen von medizinischen oder sonstigen zwingen- nachzuweisen, psychisch bedingte Ausnahmegründe
den Ausnahmegründen nicht durch die Leitung der Ein- könnten auch von approbierten Psychotherapeuten
richtung zu überprüfen war. beziehungsweise approbierten Kinder- und Jugend-
therapeuten bescheinigt werden. Der Nachweis sei in
Mit der zum 1. Juli 2020 in Kraft getretenen Verord- die an der Schule geführten Schülerakten bzw. Perso-
nung der Landesregierung über infektionsschützende nal-Teilakten aufzunehmen (Kopie genügt).
Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Coronavirus
SARS-CoV-2 (CoronaVO) vom 23. Juni hat die Lan- Immerhin führt das Kultusministerium auch aus, dass
desregierung – wie bereits ausgeführt völlig ohne un- die Bescheinigung grundsätzlich keine Diagnose ent-
sere Beteiligung – die Regelungen zur Bekämpfung halten müsse. Lediglich sofern begründete Zweifel
der Pandemie völlig neu geordnet. Dabei fanden sich daran bestünden, dass der Bescheinigung eine indivi-
in der Begründung der Verordnung erstmals Ausfüh- duelle medizinische Einschätzung zugrunde läge, die
rungen dazu, wie die Gründe für eine Ausnahme von sich an den Vorgaben der CoronaVO orientiere, könne
der Maskenpflicht „glaubhaft gemacht“ werden könn- die Vorlage eines qualifizierten Attests verlangt wer-
ten. Mit der insoweit ebenfalls ohne unsere Beteiligung den, in dem nachvollziehbar medizinisch begründet
erlassenen Zweiten Verordnung der Landesregierung wird, weshalb gesundheitliche Gründe das Tragen ei-
zur Änderung der CoronaVO vom 22. September 2020 ner Mund-Nase-Bedeckung unmöglich oder unzumut-
wurde sodann sogar der Text der CoronaVO dahinge- bar machen.
hend verändert, dass die Verpflichtung zum Tragen
einer Mund-Nasen-Bedeckung nur noch für Personen Das Verwaltungsgericht Stuttgart ging in einer Eilent-
gelten soll, scheidung vom 30.11.2020 (Az. 12 K 5502/20) mögli-
cherweise noch darüber hinaus. Nach der in der zuge-
„die glaubhaft machen können, dass ihnen das Tragen hörigen Presseerklärung geäußerten Auffassung des
einer Mund-Nasen-Bedeckung aus gesundheitlichen Verwaltungsgerichts soll möglicherweise stets eine
oder sonstigen zwingenden Gründen nicht möglich „aussagekräftige“ ärztliche Bescheinigung erforder-
oder nicht zumutbar ist, wobei die Glaubhaftmachung lich sein, die der Schulleitung und den damit befass-
gesundheitlicher Gründe in der Regel durch eine ärztli- ten Gerichten eine sachgerechte Entscheidung darü-
che Bescheinigung zu erfolgen hat“. ber ermögliche, ob der „Befreiungstatbestand“ erfüllt
sei. Ein Attest erfülle diese Voraussetzungen nicht,
Völlig offen blieb dabei jeweils die datenschutzrechtlich wenn aus ihm nicht hervorgehe, welche gesundheit-
entscheidende Frage, wem gegenüber diese Glaub- lichen Beeinträchtigungen durch das Tragen einer
haftmachung erfolgen muss, wer also zur Überprüfung Mund-Nasen-Bedeckung jeweils hervorgerufen wür-
der Ausnahmegründe berechtigt oder gar verpflichtet den und wie es dazu komme und auf welcher Grund-

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lage der attestierende Arzt zu seiner Einschätzung ge- stimmungen dazu gehören würden, wann genau be-
langt sei. Es sei nicht vorgeschrieben und auch nicht urteilende Ärzte von einer Unzumutbarkeit ausgehen
erforderlich, dass eine genaue Diagnose gestellt wird; sollen), ist das Sozialministerium bedauerlicher Weise
die durch das Tragen der Mund-Nasen-Bedeckung bislang nicht nachgekommen.
hervorgerufenen Symptome seien jedoch vom Aus-
steller des Attestes fachkundig zu umschreiben. Die Verarbeitung von sensiblen Gesundheitsdaten,
welche nach der DS-GVO als besonders schützens-
Die sämtlich ohne unsere Beteiligung erlassenen Co- wert gelten, ist nur in engen Grenzen möglich. Abge-
rona-Verordnungen „Schule“ enthalten leider keine sehen davon, dass entsprechende gesetzliche Rege-
näheren Bestimmungen zu diesen Fragen. Unserer lungen normenklar sein müssen, ist der Grundsatz der
dringenden Bitte, diese mit uns zu erörtern, um zu ei- Datenminimierung (Art. 5 Absatz 1 Buchstabe c DS-
ner einheitlichen Rechtsauffassung – etwa auch zur GVO) hierbei besonders zu beachten und dafür Sorge
Frage der Speicherungsbedürftigkeit vorgelegter At- zu tragen, dass keine überschießenden Informatio-
teste – zu gelangen und möglichst eine normenklare nen, Diagnosen oder Befunde gegenüber Dritten ex-
Regelung zu schaffen, ist das Kultusministerium lei- poniert werden müssen. Soweit nationales Recht die
der bislang nicht nachgekommen. Verarbeitung von Gesundheitsdaten ermöglicht oder
Mag man bei öffentlichen Schulen grundsätzlich we- vorschreibt, hat es angemessene und spezifische
gen ihrer besonderen Fürsorgepflicht und wegen des Maßnahmen zur Wahrung der Rechte und Freiheiten
Erziehungsauftrages weitergehende Überprüfungs- der betroffenen Person vorzusehen (vgl. Art. 9 Absatz
möglichkeiten hinsichtlich der Einhaltung der Mas- 2 Buchstaben g und i DS-GVO).
kenpflicht für vertretbar halten, so ist die mangelnde
Bestimmtheit der Corona-Verordnungen zu der Fra- Es erscheint insoweit mehr als fraglich, wie ein Gast-
ge, wer sonst noch in welcher Weise zur Überprüfung stättenbetreibender, sonstiger Geschäftsinhaber, eine
berechtigt sein soll, unerträglich. Personalchefin in einem Unternehmen oder eine nicht
medizinisch geschulte Leitung einer Behörde auf-
Das Sozialministerium hat insoweit zu der Frage aus grund eines im Attest beschriebenen Krankheitsbildes
dem Antrag der Abgeordneten Sabine Wölfle u. a., entscheiden können soll, ob dieses beim Betroffenen
SPD, vom 22. Oktober 2020 (LT-Drs.16/9117), welche zur Befreiung von der Maskenpflicht führen kann. Die-
staatlichen und nichtstaatlichen Stellen bei welchen se Entscheidung sollte allein in der Zuständigkeit der
Kontrollen die Vorlage von ärztlichen Bescheinigun- dies beurteilenden Ärzte liegen. Den Ärzt_innen sind
gen über die Maskenpflicht verlangen dürfen und in- hierfür klare Maßstäbe an die Hand zu geben, z.B. zu
wieweit sie diese prüfen dürfen, am 1. Dezember 2020 der entscheidenden Frage, für welche Dauer das Tra-
wie folgt Stellung genommen: gen einer Bedeckung der betroffenen Person jeweils
unzumutbar sein muss, um ein entsprechendes At-
„Grundsätzlich darf die ärztliche Bescheinigung jeder test ausstellen zu dürfen. Ein generelles Misstrauen in
verlangen. Allerdings besteht gegenüber nichtstaat- entsprechende ärztliche Bescheinigungen zum Nach-
lichen Stellen, insbesondere Ladenbesitzern, keine teil auch der Betroffenen erscheint demgegenüber
Vorlagepflicht. Im Falle der Nichtvorlage darf der Zu- unangemessen. Soweit – über den strafrechtlichen
tritt mittels des Hausrechts verweigert werden. Vorla- Schutz aus § 278 des Strafgesetzbuchs hinausge-
gepflicht besteht gegenüber der zuständigen Behörde hend – verhindert werden soll, dass einzelne Ärzt_in-
nach § 1 Absatz 6 bzw. 6 a der Verordnung des Sozi- nen unberechtigt Atteste ausstellen, käme in Betracht,
alministeriums über Zuständigkeiten nach dem Infek- die Ausstellung derartiger Bescheinigungen (in etwa
tionsschutzgesetz vom 14. Juli 2007.“ vergleichbar mit dem Verfahren bei Einstellungsun-
tersuchungen) nur bestimmten, nicht behandelnden
Wirklich erhellend ist diese Antwort nicht. Immerhin Ärzt_innen vorzubehalten, solange die Gesundheits-
ging das Sozialministerium in seiner Stellungnahme ämter selbst aus Gründen ihrer Kapazität keine eige-
davon aus, dass nach der CoronaVO in keiner Weise nen Prüfungsmöglichkeiten haben.
die Vorlage eines qualifizierten Attests verlangt werde.

Unsere dringende Anregung, diese Fragen in der Co-


ronaVO eindeutig zu regeln (wozu auch nähere Be-

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LfDI BW I 36. Tätigkeitsbericht I 2020

>> Weitere Informationen 1.4 Die Polizei in der Corona-Krise


CoronaVO Besuchsregelungen
https://www.baden-wuerttemberg.de/fileadmin/re- Der übereifrige Beamte
daktion/m-sm/intern/downloads/Downloads_Gesund- Als hätte der Polizeivollzugsdienst nicht ohnehin
heitsschutz/200514_SM_CoronaVO_Besuchsregelun- schon alle Hände voll zu tun, um seine Aufgaben bei
gen.pdf der Gefahrenabwehr und der Strafverfolgung zu erle-
digen, wird er in Zeiten der Corona-Pandemie immer
https://www.baden-wuerttemberg.de/fileadmin/redak- wieder gerne zu Hilfsleistungen für andere Behörden
tion/dateien/PDF/Coronainfos/200623_Corona-Ver- herangezogen, die eigentlich selbst für die Bekämp-
ordnung_Begruendung.pdf fung der Pandemie zuständig sind. Und allzu oft
lassen sich die Beamt_innen dazu verleiten, solche
Handreichung zur Maskenpflicht an Schulen, vom Aufträge anzunehmen, ohne näher darüber nachzu-
15.10.2020 denken, ob sie das eigentlich auch dürfen. Denn klar
https://km-bw.de/site/pbs-bw-km-root/get/do- ist: Der Polizeivollzugsdienst hat im Rahmen der Seu-
cuments_E-1215370759/KULTUS.Dachmandant/ chenbekämpfung keinerlei Zuständigkeiten. Diese
KULTUS/KM-Homepage/Artikelseiten%20KP-KM/1_ ist allein Sache der Gesundheitsämter und der durch
FAQ_Corona/Schreiben%20Min%20Schuljahr%20 Landesverordnung den Ortspolizeibehörden übertra-
20_21/2020%2010%2015%20Anlage%20Handrei- genen Aufgaben als „zuständige Behörde“ nach dem
chung%20Maskenpflicht.pdf Infektionsschutzgesetz (IfSG). Folgender Fall soll hier
exemplarisch für die Problematik stehen:
PRESSEMITTEILUNG vom 30. November 2020: Eilan-
trag gegen Maskenpflicht für Schüler abgelehnt Ein Bürger deutete in einem Leserbrief an, dass enge
https://verwaltungsgericht-stuttgart.justiz-bw.de/ Verwandte, die in einer anderen Stadt wohnten, an
pb/,Lde/7645658/?LISTPAGE=5597587 Covid-19 erkrankt seien. Der Ortsbürgermeister sah
sich daraufhin zu „Nachermittlungen“ veranlasst und
wandte sich diesbezüglich an das örtliche Polizeire-
vier. Ein Beamter dieses Reviers suchte umgehend
den Briefschreiber auf und befragte ihn sowie dessen
Ehefrau zu eventuellen körperlichen Kontakten zwi-
schen ihnen und den Verwandten. Ziel der Befragung
war es festzustellen, ob die Ehefrau des Briefeschrei-
bers, die kurz zuvor als Zuhörerin an einer Gemeinde-
ratssitzung teilgenommen hatte, andere anwesende
Personen möglicherweise einem Infektionsrisiko aus-
gesetzt hatte. Der Beamte kam letztlich zum Ergebnis,
dass dies nicht der Fall gewesen sei und informierte
den Bürgermeister über seine Feststellungen.

Nachdem sich der Bürger bei uns über diese Befra-


gung durch die Polizei beschwert hatte, forderten wir
das zuständige Polizeipräsidium unter Hinweis dar-
auf, dass wir die Befragung durch den Polizeibeamten
aus datenschutzrechtlicher Sicht für unzulässig hiel-
ten, zur Stellungnahme auf. In einer ersten Reaktion
beschränkte sich das Polizeipräsidium darauf, ledig-
lich eine Stellungnahme des betroffenen Polizeibeam-
ten kommentarlos zu übersenden.

Diese Vorgehensweise war ungewöhnlich, hatten wir


doch das Polizeipräsidium um seine Meinung und
nicht um die des Beamten gefragt. Uns konnte auch

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LfDI BW I 36. Tätigkeitsbericht I 2020

die auf unsere Aufforderung nachgereichte rechtliche raussetzungen für eine Eilzuständigkeit nach § 60 Ab-
Bewertung des Polizeipräsidiums nicht zufriedenstel- satz 2 PolG nicht vor. Denn offensichtlich hatten die
len. Denn dieses kam zum Ergebnis, dass die Daten- Beamten des Polizeireviers schon gar nicht den Ver-
verarbeitung durch den Polizeibeamten rechtmäßig such unternommen, das zuständige Gesundheitsamt
gewesen sei, wobei man sich dabei auf Bestimmun- zu informieren.
gen des Polizeigesetzes stützte (§ 60 Absatz 2, § 2
Absatz 1, § 20 Absatz 1, § 42 Absatz 1). Aus unserer Es war in keiner Weise nachvollziehbar, dass keine
Sicht allerdings zu Unrecht: Möglichkeit bestanden haben sollte, dem Gesundheit-
samt den Sachverhalt mitzuteilen, damit dieses prü-
Die Zuständigkeiten für die Verhütung und Bekämp- fen könne, ob und gegebenenfalls was zu veranlassen
fung übertragbarer Krankheiten und damit auch, wer sei. Der Besuch fand um 10 Uhr vormittags statt, zu
unter welchen Voraussetzungen personenbezogene einer Zeit also, zu der das Gesundheitsamt jedenfalls
Daten für diese Zwecke verarbeiten darf, ergeben sich arbeitsfähig gewesen war. Die Rechtsfertigungsver-
grundsätzlich aus dem Infektionsschutzgesetz (IfSG). suche des Polizeipräsidiums in seiner Stellungnahme
erscheinen daher wenig überzeugend.
Schon mit der Schaffung des Bundes-Seuchengeset-
zes von 1961 wurde klargestellt, dass die Vorschriften Gleichfalls unzulässig war die Übermittlung der erho-
des allgemeinen Polizeirechts in diesem Zusammen- benen personenbezogenen Daten an den Bürgermeis-
hang nicht (mehr) gelten sollten (BT-Drs. 1888 vom ter. Soweit hierfür auf § 42 Absatz 1 PolG verwiesen
27. Mai 1960, Begründung zu dem heutigen § 16 IfSG wurde, scheitert dies schon daran, dass die Bestim-
entsprechenden § 10: „Der Entwurf sieht insoweit eine mungen des allgemeinen Polizeirechts im Zusam-
abschließende Regelung vor.“). Dies entspricht auch menhang mit der Bekämpfung übertragbarer Krank-
der derzeitigen Rechtslage. Geht es um Maßnahmen heiten nicht anwendbar sind. Hinzu kommt, dass die
vor dem Auftreten übertragbarer Krankheiten, ist die Übertragung von Maßnahmenbefugnissen nach dem
„zuständige Behörde“ nach § 16 Absatz 1 IfSG (nach IfSG auf die Ortspolizeibehörden nicht mit der Über-
§ 1 Absatz 6 Satz 1 der Verordnung des Sozialminis- tragung durch die Polizei (§ 59 PolG) wahrzunehmen-
teriums über Zuständigkeiten nach dem Infektions- der „originärer“ polizeilicher Aufgaben gleichzusetzen
schutzgesetz grundsätzlich die Ortspolizeibehörde, ist. Es handelt sich vielmehr um dem Grunde nach
bei besonders hohen Inzidenzwerten nach Maßgabe nicht-polizeiliche Aufgaben, die lediglich von einer Po-
von Absatz 6a-6c allerdings ausnahmsweise eben- lizeibehörde wahrgenommen werden.
falls das Gesundheitsamt) befugt, die notwendigen
Abwehrmaßnahmen zu treffen. Geht es um Maßnah- Die völlige Verkennung der polizeirechtlichen Befug-
men nach dem Auftreten übertragbarer Krankheiten, nisse sowie das Beharren hierauf trotz entsprechen-
liegt die Zuständigkeit, die erforderlichen Ermittlungen der Hinweise durch unsere Behörde veranlasste uns,
anzustellen, nach § 25 Absatz 1 IfSG beim Gesund- die Datenverarbeitung zu beanstanden. Die Stellung-
heitsamt. Erst wenn sich aufgrund solcher Ermittlun- nahme des Innenministeriums hierzu steht noch aus.
gen ergibt, dass Schutzmaßnahmen zu treffen sind,
weist § 28 Absatz 1 Satz 1 IfSG der „zuständigen
Behörde“ (Ortspolizeibehörde bzw. – bei hohen Inzi- Polizei und SARS-CoV-2 oder: Schau mal, der
denzwerten – dem Gesundheitsamt) entsprechende Zeppelin!
Zuständigkeiten zu. Das Coronavirus SARS-CoV-2 beflügelt nicht nur Ge-
sundheitsbehörden bei der Suche nach Maßnahmen,
Im hier vorliegenden Fall ging es um die Ermittlung um die Pandemie einzudämmen. Auch die Polizei ent-
eines Krankheitsverdachts, wofür nach § 25 Absatz deckt dabei mitunter ihre kreativen Seiten. So wurden
1 IfSG das Gesundheitsamt zuständig gewesen wäre. wir von einem Bürger darauf aufmerksam gemacht,
Die Ortspolizeibehörde war dagegen nicht zuständig. dass ein Polizeipräsidium zur Überwachung der Co-
Folglich konnte der Bürgermeister den Polizeivoll- rona-Regeln einen Zeppelin einsetzte. Begründung
zugsdienst auch nicht wirksam „beauftragen“. Abge- unter anderem: Ein Zeppelin eigne sich „wegen seines
sehen davon, dass das Polizeigesetz wegen der ab- leisen Flugs besonders für eine derartige Mission“.
schließenden Regelungen im Infektionsschutzgesetz Wenn die Polizei auf Mission ist und dabei möglichst
grundsätzlich nicht anwendbar ist, lagen auch die Vo- unbemerkt bleiben will, ist das für uns immer Anlass,

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LfDI BW I 36. Tätigkeitsbericht I 2020

genauer hinzuschauen. Der Verdacht lag nahe, dass bestehen, eine solche Aktion zu wiederholen, wäre die
hier mittels verdeckter Maßnahmen personenbezo- Polizei gut beraten, im Vorhinein gründlich zu prüfen,
gene Daten erhoben wurden – weswegen wir deren ob bzw. unter welchen Rahmenbedingungen hierfür
Rechtmäßigkeit prüften. Unsere Nachfrage beim zu- eine Berechtigung besteht. Und uns gegebenenfalls
ständigen Polizeipräsidium erbrachte Folgendes: vorher zu befragen.

Um die Osterzeit 2020 steuerte die Belegung der Kran-


kenhäuser im Zuständigkeitsbereich des Polizeiprä- Die Corona-Verordnungen „Datenverarbeitung“ und
sidiums auf einen kritischen Punkt zu. Gleichzeitig „Datenverarbeitung im Auftrag“
bestand aufgrund des guten Wetters eine gewisse Im Frühjahr 2020 zeigte sich, dass der Polizeivoll-
Wahrscheinlichkeit, dass sich Bürger_innen vermehrt zugsdienst und einige andere Behörden und Institu-
nicht an die Corona-Regeln halten und Ansammlun- tionen (wie insbesondere Feuerwehr und Rettungs-
gen bilden würden. Als der Polizei angeboten wurde, dienst) ein großes Interesse daran hatten zu erfahren,
in einem Zeppelin mitzufliegen, der von einer Gemein- wer nach Kenntnis der Gesundheitsbehörden mit
de für eine Kampagne gechartert worden war, nahm dem neuartigen Coronavirus SARS-CoV-2 infiziert
man dies dankend an. Von Karfreitag bis Ostermon- war. Geltend gemacht wurde insoweit nicht nur, dass
tag flogen darauf Polizeibeamte mit, die aus circa 300 sich die Einsatzkräfte bei Kontakt mit positiv Getes-
Meter Höhe mittels Fotokameras Aufnahmen vom teten besonders schützen müssten, sondern auch,
Geschehen am Boden fertigten und Bodenstreifen dass der Polizeivollzugsdienst zur Überwachung von
verständigten, wenn der Verdacht bestand, dass sich Quarantänemaßnahmen und anderen Anordnungen
mehr als die zulässige Höchstzahl an Personen im öf- der Gesundheitsbehörden zuständig sei. Teilweise
fentlichen Raum aufhielten. erfuhren wir, dass die Gesundheitsämter und Orts-
polizeibehörden regelmäßig Listen der jeweils aktuell
Vom Polizeipräsidium ließen wir uns insbesondere ge- positiv Getesteten oder Infektionsverdächtigen dem
nau erklären, was es mit den Aufnahmen auf sich hat- Polizeivollzugsdienst übermittelten. Ebenso drängten
te. So ganz klar wurde uns das letztlich nicht. In seiner die Ortspolizeibehörden darauf, von den Gesundheits-
Stellungnahme gab das Polizeipräsidium an, dass es ämtern auch dann zu erfahren, wer ein positives Tes-
sich lediglich um Übersichtsaufnahmen gehandelt tergebnis erhalten hatte, wenn das Gesundheitsamt
habe, die beim Zoomen so stark verpixelt seien, dass eine förmliche Quarantänemaßnahme nicht für ge-
eine Identifizierung der abgebildeten Personen nicht boten hielt, weil die getestete Person sich nach Ein-
möglich sei. Dem entsprechend seien Ordnungswid- schätzung des Gesundheitsamts glaubhaft freiwillig
rigkeitsverfahren auch nicht auf der Grundlage der in häusliche Absonderung begab.
Fotoaufnahmen, sondern nach Herbeiführen der Bo-
denkräfte aufgrund deren Feststellungen unmittelbar Hiergegen schritt das Sozialministerium ein. Mit Er-
vor Ort eingeleitet worden. Dies unterstellt, läge kein lass vom 26. März 2020 (Az.: 51-1443.4 SARS-Cov2)
datenschutzrechtlich relevanter Sachverhalt vor. Ge- stellte es in Abstimmung mit uns klar, dass Übermitt-
wisse Zweifel waren jedoch angebracht. lungen gemeldeter personenbezogener Daten von Ge-
sundheitsämtern an Ortspolizeibehörden dann unzu-
So stand etwa im Einsatzbefehl, dass festgestellte lässig seien, wenn die Gesundheitsämter selbst keine
Verstöße insbesondere durch Fertigung von Lichtbil- ortspolizeilichen Maßnahmen i. S. v. §§ 16, 28 ff. IfSG
dern zu sichern seien. Außerdem waren die uns vor- vorschlagen bzw. aufgrund von Gefahr im Verzuge
gelegten Bilder bei Weitem nicht so unscharf, als dass selbst angeordnet haben. Eine Datenübermittlung an
man mit entsprechenden Zusatzinformationen, die zu andere Organisationen, beispielsweise den Polizeivoll-
beschaffen der Polizei sicher ein Leichtes gewesen zugsdienst, die Feuerwehr oder den Rettungsdienst
wäre, nicht doch einzelne Personen hätte identifizie- sei nicht zulässig. Insbesondere komme weder eine
ren können. pauschale Datenübermittlung von sensiblen Gesund-
heitsdaten nach Gesundheitsdienstgesetz in Betracht
Letztlich konnten wir aber nicht mit der nötigen Ein- noch lasse sich den Regelungen des Infektionsschutz-
deutigkeit feststellen, dass die Polizei hier daten- gesetzes eine Befugnis zur Datenübermittlung an die
schutzwidrig gehandelt hat. Wir haben die Sache des- genannten Institutionen entnehmen. Auch könne die
halb auf sich beruhen lassen. Sollte jedoch die Absicht Übermittlung nicht damit gerechtfertigt werden, dass

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LfDI BW I 36. Tätigkeitsbericht I 2020

diese zum Selbstschutz der im Einsatz befindlichen verdächtiger einzuschränken und zu kanalisieren.
Personen erforderlich sei. Es sei vielmehr angesichts Zugleich drängten wir darauf, auch die Ortspolizei-
der allgemein hohen Ansteckungsgefahr nicht er- behörden in das (sichere) Übermittlungssystem
kennbar, dass im Rahmen von Einsätzen bei einer be- einzubeziehen und zu bestimmen, dass die Über-
kanntermaßen infizierten Person eine weitergehende mittlung mittels dieses Systems alle anderen Über-
Schutzausrüstung erforderlich wäre, als im Rahmen mittlungsformen ausschließt. Auf diese Weise sahen
von Einsätzen bei Personen, deren Infektionsstatus wir im Interesse des Datenschutzes die Möglichkeit,
unbekannt sei. dass der bis dahin nach unserer Kenntnis bestehen-
de Wildwuchs an Übermittlungsformen zwischen
Dieser Argumentation setzte das Innenministerium Gesundheitsamt und der für den Infektionsschutz
entgegen, dass sie die Kenntnis des Polizeivollzugs- grundsätzlich zuständigen Ortspolizeibehörde, die
dienstes von positiv Getesteten für unentbehrlich hal- beispielsweise per Fax oder ungesicherter E-Mails
te. Denn wenn Informationen über den Verdacht auf kommunizierten, durch eine sichere Übermittlungs-
eine Covid-19-Infektion bei Fremdpersonen vorlägen, form ersetzt werden könnte.
würden die Polizeibeamt_innen – neben dem Verzicht
auf engen Körperkontakt – aus Gründen des Infekti- Dabei sollte das Landesgesundheitsamt das System
onsschutzes vor dem Erstkontakt eine persönliche als „Datenverarbeiter im Auftrag“ für die Gesund-
Schutzausstattung anlegen, die eine FFP2-Maske heitsämter und die Ortspolizeibehörden tätig werden.
und Einmalhandschuhe umfasse, unter Umständen Damit nicht jedes Gesundheitsamt und jede Ortspo-
auch eine Mund-Nasen-Maske sowie zusätzlich einen lizeibehörde mit dem Landesgesundheitsamt hierfür
Schutzoverall sowie eine Schutzbrille. Bestehe kein einen Vertrag zur Auftragsverarbeitung abschließen
Verdacht auf eine Covid-19-Infektion würden von den müsste, rieten wir zu prüfen, ob die Landesregierung
eingesetzten Polizeibeamt_innen – auch um die vor- von der Möglichkeit aus Artikel 28 Absatz 3 DS-GVO
handene Verunsicherung in der Bevölkerung nicht zu Gebrauch machen und die Bestimmungen zur „Da-
erhöhen und um Bürgernähe zu vermitteln – lediglich tenverarbeitung im Auftrag“ durch eine Rechtsver-
die allgemeinen Hygienemaßnahmen im Umgang mit ordnung als „anderes Rechtsinstrument“ festlegen
den Bürger_innen beachtet (möglichst das Einhalten könne. Bei der Formulierung der entsprechenden
des empfohlenen Mindestabstandes von 1,5 Meter, Corona-Verordnung „Datenverarbeitung im Auftrag“
Desinfektion der Hände nach Beendigung der Maß- standen wir sodann wieder mit Rat und Tat zur Sei-
nahme). Im Übrigen werde der Polizeivollzugsdienst te. Es zeigte sich einmal mehr: Bei kluger Anwendung
bei Gefahr im Verzug sowie in Amts- und Vollzugshil- eröffnet die DS-GVO durchaus praktikable Lösungen.
fe ebenfalls im Rahmen von Maßnahmen nach dem
Infektionsschutzgesetz tätig und benötige auch aus Auch bei der anschließenden Einrichtung des Abruf-
diesem Grund die Kenntnis über den Status Infizierter. verfahrens unterstützten wir das Landesgesundheit-
samt bei vielen aufkommenden Einzelfragen. Nach
Zur Lösung dieses Konflikts beschlossen die beiden dem zu urteilen, was uns von Seiten der Gesundheits-
beteiligten Ministerien nach Beratung durch unse- ämter zugetragen wird, hat sich das vielfach so ge-
re Dienststelle, auf der Grundlage einer Verordnung nannte „Quarantäneregister“ insbesondere mit Blick
nach § 32 IfSG ein Abrufsystem für den Polizeivoll- auf die Kommunikation zwischen den Gesundheits-
zugsdienst einzurichten, durch das der Polizeivoll- ämtern und den Ortspolizeibehörden bei der Bewäl-
zugsdienst unter genau geregelten Voraussetzungen tigung der Pandemie zwar nicht als perfekt, aber als
im konkreten Einzelfall abfragen kann, ob das Ge- durchaus hilfreich erwiesen. Vielfach wird sogar sein
sundheitsamt oder die Ortspolizeibehörde gegen eine Ausbau um weitere Funktionalitäten und Schnittstel-
bestimmte Person auf der Grundlage eines positiven len für sinnvoll erachtet.
Testergebnisses aktuell eine Maßnahme nach dem
Infektionsschutzgesetz angeordnet hat.

Bei der Ausgestaltung dieser Verordnung unterstütz-


ten wir die beteiligten Ministerien nach Kräften, weil
wir darin die Chance sahen, die Praxis der Übermitt-
lung von ganzen Listen Infizierter und Infektions-

– 23 –
LfDI BW I 36. Tätigkeitsbericht I 2020

>> Weitere Informationen KVBW beabsichtigte, zur Entlastung der bestehenden


Corona-Verordnung „Datenverarbeitung“ Test-Infrastruktur die negativen Testergebnisse durch
eigene nicht-ärztliche Mitarbeitende der KVBW oder
https://www.baden-wuerttemberg.de/de/service/aktu- durch Mitarbeitende aus den Notfallpraxen zu über-
elle-infos-zu-corona/corona-verordnung-datenverarbei- mitteln. Die hiermit verbundene Verarbeitung der mit
tung/#:~:text=Verordnung%20des%20Sozialministeri- dem Abstrich erhobenen Gesundheitsdaten sollte auf
ums%20und%20des%20Innenministeriums%20zur%20 Grundlage einer Einwilligung der zu Testenden erfol-
Verarbeitung,Datenverarbeitung%20%E2%80%93%20 gen.
CoronaVO%20Datenverarbeitung%29%20vom%20
4.%20Mai%202020 Wir berieten die KVBW bei der konkreten Ausgestal-
tung der Einwilligungserklärung. Dabei war ebenfalls
Gegenstand unserer Beratungen, inwieweit sicher-
  gestellt werden könne, dass die Einwilligung in eine
1.5 Datenschutz bei Corona-Testzentren Datenverarbeitung durch nicht-ärztliches Personal
der KVBW auch freiwillig erfolgte. Wir wiesen darauf
„Übersicht Corona-Tests: Behalten Sie den Durch- hin, dass die zu Testenden spätestens im Zeitpunkt
blick!“ Diese Ankündigung im Internetangebot der der Abstrichentnahme über diese Tatsache informiert
Kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg werden müssten, um sich dann gegebenenfalls noch
(KVBW) klingt vielversprechend, wenn man bedenkt, dafür entscheiden könnten, den Corona-Test alterna-
dass es seit dem Anstieg der Zahlen von Covid-19-In- tiv bei einem niedergelassenen Hausarzt machen zu
fektionen im Frühjahr 2020 ein breit gefächertes An- können.
gebot unterschiedlicher Anlaufstellen zur Durchfüh-
rung von Corona-Tests gibt: Mit ein paar Mausklicks Um nach den Sommerferien ab August 2020 zusätz-
können sich etwa Reiserückkehrende oder Patienten lich zu den Verdachtsfällen auch die Personengrup-
mit Verdacht auf eine Corona-Infektion auf der in- pen der Reiserückkehrenden, der Lehrerschaft und
teraktiven Karte der KVBW die verschiedenen in Ba- von Erzieher_innen auf das Coronavirus SARS-CoV-2
den-Württemberg eingerichteten Teststationen anzei- testen zu können, etablierte die KVBW nach eigenen
gen lassen, welche diese (mit-)organisiert. Wer sich Angaben im Auftrag des Landes Baden-Württemberg
ebenso leicht zugängliche Antworten auf die Fragen und teilweise zusammen mit anderen Akteuren des
erhofft, wer für die Verarbeitung der durch den Test Gesundheitsbereichs viele zusätzliche Corona-Ab-
erhobenen sensiblen Daten verantwortlich ist, an wen strichstellen an Verkehrsknotenpunkten wie Flughä-
die erhobenen Daten weitergeleitet werden, was mit fen, Bahnhöfen und Autobahnraststätten. Laut KVBW
den Teströhrchen und mit dem gleichzeitig erhobe- seien die hierin involvierten Ärzt_innen zu diesem
nen Genmaterial passiert, der wird indes enttäuscht. Zeitpunkt nicht in der Lage gewesen, bei bis zu 2000
Abstrichen am Tag jeweils mit dem Patienten Kontakt
Nachdem uns das Coronavirus SARS-CoV-2 nun aufzunehmen, um ihnen den Befund mitzuteilen.
schon seit vielen Monaten belastet und uns wohl
auch noch eine ganze Zeit lang verfolgen wird, kön- Vor diesem Hintergrund wandte sich die KVBW erneut
nen wir Nachlässigkeiten beim Datenschutz, die mit an uns insbesondere mit der Frage, ob den Getesteten
überlasteten Kapazitäten und der Ausnahmesituation der Befund nicht nur telefonisch oder per Post, son-
begründet werden, nicht länger hinnehmen. Insbeson- dern alternativ auf Grundlage einer Einwilligung auch
dere bei der Transparenz und bei der Art und Weise per E-Mail mitgeteilt werden könnte. Wir hatten das
der Übermittlung von Befundmitteilungen sehen wir Anliegen der KVBW im Kern wie folgt verstanden: Das
erheblichen Nachbesserungsbedarf. Ziel, trotz der massenhaften Testungen den geteste-
ten Patienten möglichst zeitnah ihr Testergebnis mit-
Die KVBW wandte sich im März 2020 an uns, als wäh- teilen zu können, könne nach Einschätzung der KVBW
rend der ersten Pandemiewelle vermehrt Testungen nur dann erreicht werden, wenn das Gros der Tester-
durchgeführt werden mussten und erkennbar wur- gebnisse rasch per E-Mail übermittelt würde.
de, dass die vorhandenen Kapazitäten im Bereich
des öffentlichen Gesundheitsdienstes und im ver- Wir wiesen die KVBW in unserer Antwort darauf hin,
tragsärztlichen Bereich hierfür nicht ausreichten. Die dass es nicht mit dem datenschutzrechtlichen Grund-

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LfDI BW I 36. Tätigkeitsbericht I 2020

satz der Integrität und Vertraulichkeit (vgl. Artikel 5 Ab- geknüpft, uns eine ausgearbeitete Datenschutzerklä-
satz 1 Buchstabe f DS-GVO) vereinbar ist, dass perso- rung zukommen zu lassen, welche sämtliche Infor-
nenbezogene (Gesundheits )Daten per nicht Ende zu mationen des Artikels 13 der DS-GVO beinhaltete (sie
Ende verschlüsselter E-Mail übermittelt werden. Un- dient der Transparenz der Datenverarbeitung nach
serer Rechtsauffassung zufolge kann auf die jeweils Artikel 5 Absatz 1 Buchstabe a DS-GVO).
angemessene Sicherheit der Verarbeitung grundsätz-
lich nicht, auch nicht in Form einer schriftlichen „Ein- Nach der Regelung des Artikels 13 DS-GVO teilt der
willigung“, verzichtet werden. Dies haben wir auch in Verantwortliche der betroffenen Person zum Zeit-
der Vergangenheit in Erörterungen diesbezüglich mit punkt der Erhebung von personenbezogenen Daten
dem Datenschutzbeauftragten der KVBW immer ge- unter anderem den Namen und die Kontaktdaten des
sagt: Nicht Ende zu Ende verschlüsselte E-Mails sind Verantwortlichen, die Rechtsgrundlage für die Verar-
für die Kommunikation über Gesundheitsdaten nicht beitung, gegebenenfalls die Empfänger der personen-
ausreichend sicher. Aber, und das haben wir als Aus- bezogenen Daten und die Dauer, für welche die perso-
nahmeregelung vorgeschlagen, um das Verfahren nenbezogenen Daten gespeichert werden, mit.
datenschutzkonform zu beschleunigen in Anbetracht
der Notsituation: Die zu testenden Patienten könnten Die hohe praktische Relevanz der Informationspflich-
ausnahmsweise zum Zweck der Übermittlung des ne- ten des Verantwortlichen zeigt sich ganz deutlich da-
gativen Testergebnisses auf die Sicherheit der Daten- ran, dass sich Betroffene aus datenschutzrechtlicher
verarbeitung schriftlich verzichten. Auf dieser Grund- Sicht eine ganze Reihe von Fragen stellten und sich
lage könne den Patienten ein negatives Testergebnis nach wie vor stellen; hier eine Auswahl:
auch per E-Mail übermittelt werden. Bei positiven Tes-
tergebnissen müsste, so die nicht ausreichend ver- • Wer ist für die Datenverarbeitung verantwortlich?
schlüsselte Mail die Alternative sei, weiterhin die te- Das Land Baden-Württemberg, die KVBW,
lefonische oder postalische Übermittlung stattfinden. das Abstrich entnehmende Personal oder etwa die
Diese Gestaltungsmöglichkeit war an die Bedingung die Befunde auswertenden Labore?

© Daniel Beckemeier – stock.adobe.com

Wer sich testen lässt, muss wissen, wer seine sensiblen Daten erhält und was mit dem gleichzeitig erhobenen Genmaterial passiert.

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LfDI BW I 36. Tätigkeitsbericht I 2020

• Wie lange werden die erhobenen Kontaktdaten wenden können und in welchem Verhältnis diese zu-
gespeichert? einander stehen.
• Wie sind die Datenlöschung und deren
Überwachung festgelegt? Bei der vom Sozialministerium eröffneten und von der
• Erhalten außer den Gesundheitsämtern und KVBW mitbetriebenen Teststation am Hauptbahnhof
den Testlaboren noch andere Dritte diese Daten? Stuttgart nahmen Mitarbeitende des Deutschen Ro-
• Was passiert mit den Teströhrchen und insbeson- ten Kreuzes Reiserückkehrern den Abstrich ab, am
dere mit dem gleichzeitig erhobenen Genmaterial? Flughafen Stuttgart wiederum führen offenbar Mitar-
• Wie erfolgt deren Vernichtung und wer überwacht beiter der KVBW die Tests durch. Den Patienten mit
das? Verdacht auf eine Covid-19-Infektion testet hingegen
• Werden genetische Auswertungen gemacht und der niedergelassene Arzt der Corona-Schwerpunkt-
mit den Personendaten verknüpft? praxis auf den Virus. Welcher dieser Akteure für den
Betrieb der Corona-Testzentren verantwortlich ist,
Den zu Testenden müssen in jedem Fall die in Artikel bleibt unklar. Letztlich kann jedoch nur ein Patient, der
13 DS-GVO vorgesehenen Informationen mitgeteilt Zugang hat zu den Informationen, wer welche Daten in
werden. Darüber hinaus wäre es mehr als wünschens- welcher Art und Weise von ihm verarbeitet, selbstbe-
wert, wenn auch alle weiteren Fragen, die in diesem stimmt darüber entscheiden, ob und gegebenenfalls
Kontext gestellt werden, in einer Datenschutzerklä- welche Teststation (seines Vertrauens) er ansteuert.
rung transparent und verständlich erläutert würden. Leider hat uns die KVBW trotz mehrmaliger Auffor-
Zu den verpflichtend mitzuteilenden Informationen derung bis zum Redaktionsschluss dieses Beitrags
gehört die Frage der Verantwortlichkeit, welche Aus- keine entsprechenden Datenschutzerklärungen vor-
gangspunkt jeder datenschutzrechtlichen Prüfung ist gelegt. Ebenso wenig ist bislang unsere Nachfrage be-
und in Artikel 13 Absatz 1 Buchstabe a DS-GVO auch antwortet worden, inwiefern und bis wann die KVBW
zuerst benannt ist. beabsichtigt, angesichts der auf unabsehbare Zeit
fortdauernden Corona-Pandemie bei der Mitteilung
Angesichts der undurchsichtigen Landschaft un- der Befunde auf eine datenschutzkonforme Lösung,
terschiedlicher Abstrichstellen in Baden-Württem- beispielsweise auf den Abruf über ein Webportal,
berg, an denen Akteure des Gesundheitswesens umzustellen. Die Befundmitteilung per passwortge-
mitwirken, stellt sich diese Frage zu Recht. Auf das schütztem pdf-Dokument, welche nach unseren letz-
Coronavirus SARS-CoV-2 kann man sich laut Inter- ten Informationen der KVBW aktuell praktiziert werde,
netseite der KVBW testen lassen in ausgewiesenen erfüllt jedenfalls nicht die rechtlichen Vorgaben an die
Corona-Schwerpunktpraxen, in eigens eingerichteten Datensicherheit. Die KVBW muss in diesen Punkten
Fieberambulanzen und Test-/Abstrichzentren, in Coro- dringend nachbessern.
na-Radiologie-Praxen bis hin zu mobilen Corona-Test-
stationen. Die interaktive Karte auf der Homepage Wichtige Voraussetzungen dafür, dass dies gelingt,
der KVBW enthält zwar eine farblich gekennzeichnete sind jedoch zunächst einmal, dass der Informations-
Aufzählung der verschiedenen Anlaufstellen, teilweise fluss mit unserer Behörde deutlich verbessert wird;
differenziert nach Personen, die Symptome aufwei- des weiteren muss auch innerhalb der KVBW ihr ei-
sen und solchen, die (noch) keine Symptome aufwei- gener behördlicher Datenschutzbeauftragter (DSB)
sen. Diese Differenzierung hilft jedoch nicht weiter mit ordnungsgemäß und frühzeitig in alle mit dem Schutz
Blick auf die Frage, wer aus datenschutzrechtlicher personenbezogener Daten zusammenhängenden
Sicht die verantwortliche Stelle ist. Fragen eingebunden werden; schließlich muss der
interne DSB sodann alle für die Erfüllung seiner Auf-
Laut eines Berichts des Staatsanzeigers hat die Lan- gaben erforderlichen Ressourcen und den Zugang
desregierung in Zusammenarbeit mit der KVBW, dem zu Daten und Verarbeitungsvorgängen erhalten. Dies
Deutschen Roten Kreuz (DRK) und dem Technischen war nach unserem Eindruck im Zusammenhang mit
Hilfswerk (THW) die Corona-Testzentren eingerichtet. den Corona-Testzentren leider nicht der Fall. Für die
Doch selbst bei Kenntnis aller mitwirkenden Akteure KVBW besteht daher dringender Handlungsbedarf.
wird anhand der folgenden Beispiele deutlich, dass
für Patienten mitnichten klar ist, an welchen der Be-  
teiligten sie sich mit ihren Fragen zum Datenschutz

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LfDI BW I 36. Tätigkeitsbericht I 2020

1.6 Die Digitalisierung des (öffentlichen) Gesund- wesens – vom Patienten zu den Ärzten über Anlauf-
heitswesens zur Pandemiebekämpfung stellen wie die Telefonseelsorge oder Ärztlichem
Bereitschaftsdienst, den Gesundheitsämtern, den
Die Corona-Pandemie offenbarte einen erheblichen Kassenärztlichen Vereinigungen, den Corona-Test-
Digitalisierungsbedarf des öffentlichen Gesundheits- zentren, bis hin zum Robert-Koch-Institut (RKI) – mit-
dienstes. Die Übermittlung von Meldungen nach §§ einander vernetzt werden sollten. Über diese digitale
6 ff. des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) an die Ge- Plattform sollten notwendige Informationsflüsse zwi-
sundheitsämter erfolgte vielfach noch per Fax, den schen diesen Beteiligten beschleunigt werden. Poten-
Gesundheitsämtern standen kaum Tools zur sicheren tiell Covid-19-Erkrankten sollte diese Plattform außer-
Kommunikation mit Bürger_innen (z. B. zur Abfrage dem die Möglichkeit bieten, ihr Risiko, sich infiziert zu
von Kontakten im Falle positiver Testergebnisse) und haben, schnell einschätzen zu können und erforderli-
mit Einrichtungen wie Krankenhäusern, Alten- und chenfalls einen raschen Zugang zu einem Testzent-
Pflegeheimen, Schulen und Kindergärten zur Verfü- rum in der Nähe erhalten.
gung.
Die Stiftung hatte sich März 2020 zunächst an den
Für die Kommunikation zwischen Gesundheitsämtern Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die
und Ortspolizeibehörden sowie dem Polizeivollzugs- Informationsfreiheit (BfDI) in Bonn gewandt mit der
dienst konnte mit dem auf der Grundlage der Coro- Bitte um datenschutzrechtliche Prüfung dieser Kon-
na-Verordnungen „Datenverarbeitung und Datenverar- zeptidee. Auch die Bremer Landesbeauftragte für den
beitung im Auftrag“ geschaffenen Bereitstellungs- und Datenschutz war mit der Prüfung dieser Projektidee
Abrufverfahren, dem sogenannten „Quarantäne-Re- befasst, da die Stiftung erstmals in Bremen mit der
gister“, bei dessen Einführung wir beratend zur Seite Plattform an den Start gehen wollte. Da die Stiftung
standen (siehe Hinweis „Die Corona-Verordnungen in Baden-Württemberg ihren Sitz hat, waren im wei-
Datenverarbeitung und Datenverarbeitung im Auf- teren Verlauf gleichermaßen auch unsere Beratungen
trag“ in Kap 1.4) eine deutliche Verbesserung erzielt und Expertise gefragt. Die Stiftung beabsichtigte, be-
werden. Darüber hinaus gab es mehrere Initiativen reits Ende März/Anfang April 2020 den Echtbetrieb zu
mit dem Ziel, die Arbeitsabläufe bei den Gesundheits- testen und so drängte sie, ihre Konzeptidee rasch zu
ämtern durch Digitalisierungstools zu verbessern. Wir prüfen.
haben hier verschiedentlich versucht, mit Rat und Tat
zur Seite zu stehen, um eine rechtzeitige Berücksich- Grundlage unserer Prüfung waren verschiedene
tigung der datenschutzrechtlichen Anforderungen in Präsentationsfolien sowie eine Anlage mit der Da-
diesem sensiblen Bereich sicherzustellen. Leider wa- tenschutzerklärung und dem Mustertext für die Ein-
ren einige dieser Initiativen nicht erfolgreich; vielfach willigung. Anfang April 2020 teilten wir der Björn-Stei-
wurden datenschutzrechtliche Belange nicht frühzei- ger-Stiftung schließlich mit, dass wir in Bezug auf das
tig mitbedacht oder nicht mit den erforderlichen Res- Projekt in der uns aktuell dargelegten Ausgestaltung
sourcen verfolgt. sowohl in datenschutzrechtlicher als auch in techni-
scher Sicht erhebliche Bedenken hatten. Wir rieten
dringend dazu, diese Bedenken auszuräumen, bevor
Die Datenplattform der Björn-Steiger-Stiftung – das Projekt in den Echtbetrieb geht.
digitale Ablösung der analogen Arbeit der Gesund-
heitsämter in der Corona-Pandemie? Die Unterlagen vermittelten uns im Ergebnis den Ge-
Als im Frühjahr 2020 durch den Anstieg der Corona-In- samteindruck, dass die Stiftung mit dieser Plattform
fektionszahlen die Gesundheitsämter große Mühe als Verantwortliche zusammen mit sämtlichen in Be-
hatten, die Infektionsketten händisch und analog im tracht kommenden Akteuren des Gesundheitswesens
Einzelnen nachzuverfolgen, hatte sich die in Winnen- – von den etablierten Akteuren bis hin zu sich spon-
den ansässige Björn-Steiger-Stiftung, eine Stiftung tan formierenden Akteuren (Stichwort: Testzentren)
des bürgerlichen Rechts mit dem Zweck, die Notfall- – während der auf unbestimmte Zeit andauernden
hilfe in Deutschland zu verbessern, ein ehrgeiziges Corona-Pandemie potentiell sämtliche personenbe-
Ziel gesetzt: Sie beabsichtigte, eine digitale Plattform zogene (Gesundheits-)Daten erheben, speichern, aus-
zu entwickeln, über die sämtliche in einer Pandemie werten und übermitteln können sollte. Eine derart weit
typischerweise beteiligten Akteure des Gesundheits- verzweigte, unbestimmte und sich jederzeit in ihrer

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LfDI BW I 36. Tätigkeitsbericht I 2020

Form potentiell veränderbare Datenverarbeitung hiel- Generell ist es jedoch problematisch, bei der Daten-
ten wir für datenschutzrechtlich unzulässig und für verarbeitung im Rahmen der öffentlichen Gesund-
einen unverhältnismäßigen Eingriff in das Recht auf heitsversorgung auf eine Einwilligung des Patienten
informationelle Selbstbestimmung. zurückzugreifen. In jedem Fall muss eine Versorgung
auch solcher Patienten sichergestellt werden, die eine
Es gab zu der Plattform im Einzelnen aus unserer solche Einwilligung nicht erteilen wollen.
Sicht viele ungeklärte Fragen, insbesondere Folgende:
• Wer sind die verantwortlichen Stellen bei dieser Wir wiesen darauf hin, dass es möglicherwiese güns-
Plattform? tiger sein könnte, wenn die Björn-Steiger-Stiftung Auf-
Die Björn-Steiger-Stiftung selbst, die Gesundheits- tragsverarbeiterin für das jeweilige Gesundheitsamt
ämter und/oder das Robert-Koch-Institut? wäre, so dass das Gesundheitsamt die Datenerhe-
• Welche Rolle spielen aus datenschutzrechtlicher bung dann aufgrund gesetzlicher Aufgabenzuweisung
Sicht die anderen beteiligten Akteure wie das (§ 25 IfSG) vornehmen würde. Ein solches Konstrukt
Software-Unternehmen als Betreiber der Platt- bedingt jedoch, dass erforderliche Verträge zur Auf-
form, die Abstrich nehmenden Ärzte, Anlaufstellen tragsverarbeitung (Artikel 28 der Datenschutz-Grund-
wie die Telefonseelsorge oder die Labore, welche verordnung, DS-GVO) vor dem Betrieb abgeschlossen
die Tests auswerten? sein müssten. Solche Verträge wurden uns im weite-
• Welche Stelle übermittelt dem Patienten das ren Verlauf nicht vorgelegt.
Testergebnis? Das Testzentrum (wer ist das
genau?) oder das örtlich zuständige Gesund - Es stieß ferner auf wesentliche Bedenken, wenn über
heitsamt? den Zugang zum Test ausschließlich ein Algorithmus
• Auf welcher/welchen Rechtsgrundlage/n verar- (bzw. künstliche Intelligenz) anstelle einer Einschät-
beitet die Björn-Steiger-Stiftung die personen- zung bzw. einer Diagnose durch einen Arzt entschei-
bezogenen Daten der Patienten? den soll. Wir konnten insoweit nicht erkennen, dass
• Ist die Benachrichtigung über positive sowie der Betrieb der Plattform die Vorgaben des Artikels 22
negative Testergebnisse via E-Mail oder SMS DS-GVO einhält.
vorgesehen?
• Ist es zulässig, dass über den Zugang zum Die Benachrichtigung über Testergebnisse via E-Mail
Corona-Test ausschließlich ein Algorithmus oder SMS ist problematisch. Die Benachrichtigung
entscheiden soll? lässt auch dann, wenn das Testergebnis negativ ist,
• Erfolgt eine Verschlüsselung der Daten auf den unter Umständen Rückschlüsse auf den Gesund-
Servern? heitszustand des Betroffenen zu. Hier sind besonde-
• Ist bei der Übermittlung der Daten eine ordentliche re technische und organisatorische Maßnahmen zu
Transportverschlüsselung vorgesehen? treffen, um sicherzustellen, dass es nicht zu Fehlüber-
• Ist die Speicherung der personenbezogenen mittlungen kommt und die Korrespondenz nicht von
Daten bei privaten (Cloud-)Anbietern zulässig? Unberechtigten eingesehen werden kann. Die Versen-
dung von Gesundheitsdaten per E-Mail an andere Ver-
Besonders problematisch erschienen uns hieraus die antwortliche (Gesundheitsämter, RKI, Ärzte, Labore
folgenden Aspekte, auf die wir die Stiftung hinwiesen: etc.) darf ausschließlich per Ende-zu-Ende-Verschlüs-
Für die von ihr zunächst favorisierte Lösung, dass selung nach aktuellem Standard stattfinden.
die Stiftung selbst verantwortlich sein sollte, kam als
mögliche Rechtsgrundlage nur eine Einwilligung in Be- Im Übrigen fehlten uns für eine genauere Prüfung
tracht. Die Björn-Steiger-Stiftung als eingetragener Ver- neben der erforderlichen Datenschutzfolgenabschät-
ein privaten Rechts kann sich offensichtlich nicht auf zung ebenfalls das Sicherheitskonzept, das Lösch-
dieselben Rechtsgrundlagen stützen wie hoheitliche konzept sowie die Schnittstellenbeschreibung, die
Beteiligte des Gesundheitswesens, z. B. das örtliche uns allesamt nicht zur Prüfung vorgelegt worden sind.
Gesundheitsamt, oder etwa ein von einem Klinikum Somit blieben im Ergebnis viele der oben aufgeworfe-
betriebenes Testzentrum. Die Stiftung zählt, anders als nen Fragen unbeantwortet.
ein Gesundheitsamt, gerade nicht zum Kreis der nach
dem Infektionsschutzgesetz (IfSG) Meldepflichtigen Schließlich erfuhren wir wenige Wochen später, dass
und kann sich folglich auch nicht auf § 8 IfSG stützen. die Plattform der Björn-Steiger-Stiftung in Bremen

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LfDI BW I 36. Tätigkeitsbericht I 2020

politisch gescheitert war und das Projekt nicht weiter Einschätzung, auf welcher Rechtsgrundlage dies
verfolgt werden sollte. geschehen soll,
• das vorgesehene Datensicherheitskonzept,
• etwaige Auftragsdatenverarbeitungsverträge im
Die Software SORMAS des Helmholtz-Instituts zur Entwurf,
Kontaktnachverfolgung • die beabsichtigte Ergänzung des Verarbeitungs-
Mitte Mai 2020 wandte sich das Landesgesundheits- verzeichnisses im Entwurf,
amt (LGA) an uns: Zur Vereinfachung und Verbesse- • die vorgesehenen Informationen nach Artikel 13
rung der Kontaktnachverfolgung bei der Bekämpfung und 14 DS-GVO im Entwurf
der Verbreitung des Coronavirus SARS-Cov-2 durch • und idealerweise eine Datenschutzfolgenab-
die Gesundheitsämter – auch über die örtlichen Zu- schätzung im Entwurf.
ständigkeitsgrenzen der Gesundheitsämter hinweg
– werde die landesweite Einführung der Software In Absprache mit dem LGA wandten wir uns auch an
SORMAS („Surveillance Outbreak Response Manage- das Sozialministerium, um möglichst eine Beschleu-
ment and Analysis System“) für den Öffentlichen Ge- nigung bei der Beschaffung der erforderlichen Unter-
sundheitsdienst in Erwägung gezogen. Hierzu bat das lagen zu bewirken. Außerdem nahmen wir im Rahmen
Landesgesundheitsamt uns um eine datenschutz- des Arbeitskreises Gesundheit und Soziales der Da-
rechtliche Beratung. Dabei beruhte die Intention zur tenschutz-Konferenz Kontakt zu den anderen deut-
Einführung von SORMAS, wie wir später erfuhren, auf schen Datenschutzbehörden auf, um in Erfahrung zu
einem entsprechenden Beschluss der Lenkungsgrup- bringen, ob bei diesen bereits weitere Informationen
pe „SARS-CoV-2 (Coronavirus)“ der Landesregierung und eigene Beurteilungen vorlägen, wodurch wir viele
von Anfang Mai 2020. nützliche Hinweise von den Kolleg_innen erhielten.

Das System SORMAS wurde – nach Internet-Infor- Ende Mai konnte uns das LGA weitere Unterlagen des
mationen des Helmholtz‐Zentrum für Infektions- HZI zukommen lassen, wobei allerdings bereits die
forschung (HZI) in Braunschweig – zusammen mit eigene Datenschutzbeauftragte des LGA bei ihrer Prü-
dem Robert‐Koch‐Institut und einigen weiteren Ins- fung – zu Recht – zu dem Ergebnis gekommen war,
titutionen ursprünglich 2014 im Zuge des Westafri- dass noch wesentliche Teile fehlten.
kanischen Ebola-Ausbruchs entwickelt und kam an-
schließend bereits bei der Bekämpfung verschiedener Wir forderten detailliert die fehlenden Informationen
Epidemien in afrikanischen Staaten zum Einsatz. Die an und rügten bereits anhand der uns zugänglichen
Variante SORMAS-ÖGD sei sodann vom HZI speziell Unterlagen feststellbare Mängel, wie z. B. die Lücken-
für die Bedürfnisse des öffentlichen Gesundheits- haftigkeit des vorgelegten Dokuments zur Datensi-
dienstes (ÖGD) in Deutschland angepasst, um ein ef- cherheit insbesondere mit Blick auf die Angaben zu
fektives Kontaktpersonenmanagement während der den technischen und organisatorischen Maßnahmen,
SARS-CoV-2-Pandemie zu ermöglichen. die Verwendung schwacher „Cipher Suites“ und ver-
alteter Protokolle, Widersprüche in der Risikoanalyse
Für die Zwecke unserer Beratung stellte uns das LGA und zahlreiche Mängel des als Muster überlassenen
zunächst nur den Entwurf des für SORMAS-ÖGD zu Auftragsdatenverarbeitungsvertrages. Ferner wiesen
verwendenden Auftragsverarbeitungsvertrages mit wir darauf hin, dass das HZI auf seinen Internetseiten
der Software-Firma und verschiedene Links zu Inter- davon spricht, dass das System eine DS-GVO-Zerti-
net-Informationen über SORMAS zur Verfügung. fizierung habe, obwohl ein Verfahren für eine solche
Zertifizierung gar nicht existiert. Vor allem machten
Wir wiesen sogleich darauf hin, dass diese Informa- wir deutlich, dass die erwogene Variante, das System
tionen zur datenschutzrechtlichen Beurteilung nicht bei landesweitem Einsatz für alle Gesundheitsämter
ausreichend seien. Zu den erforderlichen Unterlagen zentral beim LGA zu führen, datenschutzrechtlich
würden insbesondere folgende gehören: nicht zulässig wäre, weil das LGA dann mehr perso-
• eine schematische Darstellung, welche personen- nenbezogene Informationen erhalten würde als im
bezogenen Daten durch den Einsatz der Software Infektionsschutzgesetz des Bundes vorgesehen. In-
auf welche Weise verarbeitet werden sollen, soweit fehle es schlicht an den gesetzlichen Voraus-
mög lichst auch unter Angabe einer eigenen setzungen, die auch durch landesrechtliche Regelun-

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LfDI BW I 36. Tätigkeitsbericht I 2020

gen nicht ohne weiteres geschaffen werden könnten. notwendigsten datenschutzrechtlichen Dokumen-
In der Folge führten wir Besprechungen mit der Lei- tations-Anforderungen gerecht zu werden, und sich
tung des HZI und dem Geschäftsführer der zur Aus- das Prüfungsverfahren deswegen derart in die Län-
führung vorgesehenen Softwarefirma, in denen es ge zieht – was auch an unserer Behörde erheblichen
nochmals um die Zulässigkeit der zentralen Variante zusätzlichen Aufwand auslöste. Diesen haben wir mit
von SORMAS und um die fehlenden Unterlagen für die Blick auf die Bedeutung des Themas zwar stets auf-
datenschutzrechtliche Beurteilung der nicht zentralen, gebracht; bei besserer Zuarbeit seitens des HZI wäre
gesundheitsamtsübergreifenden Variante. Das HZI er aber durchaus vermeidbar gewesen.
sagte die Zusendung zu, ließ die Zusendung innerhalb
der jeweils angekündigten Fristen aber jeweils frucht-
los verstreichen. >> Weitere Informationen
https://www.sormas-oegd.de
Anfang August sandte das HZI uns schließlich überar-
beitete Unterlagen zu, die immer noch unzureichend
waren und aus denen hervorging, dass unsere Hin-
weise z. T. gar nicht berücksichtigt worden waren. Die Überarbeitung der Software survnet@rki des
Außerdem wurden weitere Mängel offenbar, wie die Robert-Koch-Instituts zur Verbesserung der Kon-
Einbindung von Google Analytics, für die wir keine taktnachverfolgungsfunktion
Rechtsgrundlage erkennen konnten. Auch dies spie- Schon seit vielen Jahren stellt das Robert-Koch-Ins-
gelten wir an das HZI, das Landesgesundheitsamt titut (RKI) den Gesundheitsämtern und anderen Lan-
und das Sozialministerium. An verschiedenen Bespre- desbehörden eine kostenlose Software namens surv-
chungen auch mit dem Landkreistag nahmen wir teil, net@rki zur Verfügung, die zur Erfassung, Auswertung
bevor wir Ende August erfuhren, dass die Lenkungs- und Weiterleitung der Meldedaten nach dem Infekti-
gruppe der Landesregierung wegen der datenschutz- onsschutzgesetz dient und auch schon bisher einige
rechtlichen Problematik und aus weiteren fachlichen Funktionen zur Erleichterung der Kontaktnachverfol-
Erwägungen heraus von der Absicht der landesweiten gung bot. Ein Teil der Gesundheitsämter des Landes
Einführung von SORMAS wieder Abstand genommen nutzt sie seit jeher insbesondere zur Übermittlung der
hatte. Meldedaten an das Landesgesundheitsamt.

Das Bundesgesundheitsministerium fördert aller- Mit einem im September 2020 erschienenen update
dings nach wie vor die Entwicklung und Einführung (Version 0.9.29) wurde die Verwaltung von Kontakt-
des Systems SORMAS – parallel u. a. zu der vom Ro- personen umfangreich geändert und erweitert. Die
bert-Koch-Institut entwickelten Software survnet@rki Gesundheitsverwaltung des Landes kam daraufhin
–, sodass die Einführung einer Variante von SORMAS mit der Bitte um datenschutzrechtliche Beratung auf
immer noch zu erwarten ist, zumal einzelne Gesund- uns zu, ob die flächendeckende Einführung der Soft-
heitsämter im Land die Variante SORMAS dezentral ware mit dem neuen Update datenschutzrechtlich
bereits in einer Art Pilotbetrieb verwenden. Das HZI zulässig wäre. Das Sozialministerium plante vor dem
wandte sich Mitte Oktober 2020 mit zum Teil erneu- Hintergrund eines entsprechenden Beschlusses der
erten Unterlagen an den Bundesbeauftragten für den Lenkungsgruppe „SARS-CoV-2 Coronavirus“ der Lan-
Datenschutz und die Informationsfreiheit und alle desregierung sogar, die Verwendung der Software
Landesbehörden, um eine gemeinsame datenschutz- den Gesundheitsämtern verbindlich vorzugeben.
rechtliche Prüfung anzustoßen. Doch auch dem Bun-
desbeauftragten genügten die zunächst übersandten Wir baten daraufhin das Landesgesundheitsamt und
Informationen nicht. Zuletzt hat das HZI Ende Dezem- das Sozialministerium, uns die zur datenschutzrecht-
ber 2020 weitere Unterlagen übersandt. Wir bringen lichen Beurteilung erforderlichen Unterlagen zukom-
uns in die datenschutzrechtliche Prüfung nach wie men zu lassen. Das Landesgesundheitsamt verwies
vor intensiv ein und finden es sehr bedauerlich, dass uns an das RKI, das wir daraufhin ebenfalls baten, uns
bei der Entwicklung einer möglicherweise sinnvollen die Dokumentation zu übersenden.
und für die Gesundheitsämter relevanten Software of-
fenbar trotz Förderung durch erhebliche Bundesmittel Das RKI teilte im Gespräch mit uns unsere Auffas-
derart wenig Ressourcen dafür investiert werden, den sung, dass für die Einführung des neuen Updates u.a.

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LfDI BW I 36. Tätigkeitsbericht I 2020

wegen der grundlegenden Änderungen der Funktio- ware nicht vor Mitte Dezember 2020 durchführen. Wir
nen zur Kontaktnachverfolgung an sich eine Daten- gingen dabei davon aus, dass das RKI seine Zusage
schutzfolgenabschätzung durch die jeweils die Soft- einhalten würde, die Dokumentation bis Ende Novem-
ware verantwortlich einsetzenden Stelle erforderlich ber 2020 nachzureichen. Allerdings wandten wir uns
wäre. Für diese müsste das RKI den Gesundheits- vor dem Hintergrund dieses Sachverhalts gegen die
ämtern entsprechende Informationen zur Verfügung Absicht der Lenkungsgruppe, die Verwendung von
stellen. Zu unserer Überraschung gab das RKI indes survnet@rki verbindlich vorzuschreiben, so lange die
zu erkennen, dass es eine entsprechende Dokumen- rechtlichen Voraussetzungen für den Einsatz der ak-
tation noch nicht erstellt habe, das Update gleichwohl tuellen Software nicht hinreichend geklärt sei.
aufgrund des hohen politischen Drucks angesichts
der Corona-Pandemie bereits herausgegeben habe. Leider hat das RKI seine Zusage, die Unterlagen bis
Auf unserer Nachfrage, bis wann spätestens die Do- Ende November 2020 zu erstellen und nachzureichen,
kumentation nachträglich erstellt würde, sagte uns nicht eingehalten. Auf mehrfache Sachstandsanfra-
das RKI eine Übermittlung bis spätestens Ende No- ge gab das RKI zu erkennen, dass aufgrund der ho-
vember 2020 zu. hen Auslastung des RKI infolge der aktuellen Pande-
mie-Situation auch sehr dringliche Aufgaben derzeit
Wir konnten daher dem Sozialministerium und dem leider etwas liegenbleiben würden. Es solle nunmehr
Landesgesundheitsamt nur mitteilen, dass die Ver- die Dokumentation so überarbeitet und vervollstän-
wendung des Updates an sich die vorherige Durchfüh- digt werden, dass sie auch alle in den letzten Wochen
rung einer Datenschutz-Folgenabschätzung durch die bzw. Monaten am Meldesystem eingeführten Ände-
die Software einsetzende Stelle erfordere. Im Rahmen rungen enthalte. Das RKI gehe davon aus, dass bis
einer solchen Datenschutz-Folgenabschätzung seien etwa Mitte Januar die wesentlichsten Arbeitspakete
die Datenverarbeitungsvorgänge unter Berücksich- für die Überarbeitung der Dokumentation abgeschlos-
tigung der konkreten Verhältnisse im einzelnen Ge- sen sein werden und diese uns dann zur Verfügung
sundheitsamt darzustellen und datenschutzrechtlich gestellt werden könne.
zu bewerten. Dies werde den Gesundheitsämtern ein-
schließlich des Landesgesundheitsamts infolge der Auch insoweit müssen wir mit Bedauern feststellen,
fehlenden Dokumentation seitens des RKI schwerlich dass im Rahmen der Bestrebungen zur Digitalisierung
möglich sein; und unsere Behörde könne aus demsel- des öffentlichen Gesundheitsdienstes offensichtlich
ben Grunde keine Vorprüfung zur Unterstützung der auch auf Bundesebene nicht genug Ressourcen dafür
Gesundheitsämter vornehmen. verwendet werden, die grundlegenden datenschutz-
Andererseits können wir die zwingende Notwendig- rechtlichen Anforderungen zu erfüllen.
keit der Installation des Updates zur Erfüllung der
Aufgaben der Gesundheitsämter und des Landesge-
sundheitsamtes im Rahmen des Infektionsschutzes >> Weitere Informationen
während der aktuellen Corona-Pandemie nicht aus Software - SurvNet@RKI:
eigener Fachkenntnis beurteilen. https://www.rki.de/DE/Content/Infekt/IfSG/Software/
software_inhalt.html
Die Gesundheitsämter und das Landesgesundheits-
amt würden daher in eigener Verantwortung prüfen https://survnet.rki.de/Content/Service/Documenta-
und entscheiden müssen, ob sie trotz Nichterfüllung tions.aspx.
der formalen datenschutzrechtlichen Anforderungen
aus zwingenden Gründen eine Installation vorneh-
men sollten. Dabei wiesen wir ausdrücklich darauf  
hin, dass die ursprünglich beabsichtigte Vorprüfung
durch uns ebenso wenig wie eine formelle Freigabe
durch uns förmliche Voraussetzung für den Einsatz
der Software sei. Wir konnten absehbar angesichts
der pandemiebedingten Sondersituation und unserer
eigenen personellen Auslastung eine Prüfung der Ge-
sundheitsämter hinsichtlich der Verwendung der Soft-

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LfDI BW I 36. Tätigkeitsbericht I 2020

1.7 Fernunterricht an Schulen während der Corona- indem Grundrechte wie die informationelle Selbstbe-
Krise stimmung nicht beachtet wurden. Ein datenschutz-
konformer Fernunterricht der Schüler_innen war
Durch die Corona-Krise waren ab März die Schulen indes auch unter den Bedingungen des Lockdowns
auf Fernunterricht-Methoden angewiesen. Bei den möglich, wie einige Schulen zeigten, welche auf die Si-
Lösungen der Schulen spielt der Datenschutz häufig tuation gut vorbereitet waren, weil sie z.B. bereits seit
leider eine geringe Rolle. Uns erreichten sehr viele Längerem ein datenschutzkonformes Lernmanage-
datenschutzrechtliche Anfragen und Beschwerden mentsystem wie etwa Moodle einsetzen.
von Schulen, Lehrkräften und vor allem von Eltern zu
den eingesetzten technischen Systemen. Wir konnten Ein großer Bedarf bestand vor allem an Videokonfe-
vielfach die rechtlichen Rahmenbedingungen mit den renzsystemen, über welche die Lehrkräfte mit den
Schulen klären und Empfehlungen aussprechen. Schüler_innen möglichst direkt in Kontakt bleiben
wollten. Es wurden dabei von den Schulen jedoch auf-
Die Lehrkräfte kommunizierten mit den Schüler_innen grund der Eilbedürftigkeit viele datenschutzrechtlich
und organisierten die Verteilung von Aufgaben. Dazu problematische Lösungen gewählt.
wurden alle möglichen Versandwege eingesetzt. Ne-
ben klassischen Lernmanagementsystemen, wie z.B. Gespräche mit den Schulen zeigte die Not, die dort
Moodle, wurden in der Not auch digitale Wege ge- herrschte, aber auch zum Teil die Unkenntnis der da-
wählt, die datenschutzrechtlich eher problematisch tenschutzrechtlichen Anforderungen. Schulen verwei-
waren. Dies war zwar einerseits nachvollziehbar, da sen auf das Kultusministerium, das ihnen signalisier-
viele Schulen auf die Situation des Lockdowns nicht te, dass sie über den Einsatz auch problematischer
vorbereitet waren und sich nunmehr plötzlich vor die Software selbst zu entscheiden hätten. Nicht beach-
Notwendigkeit gestellt sahen, den Schüler_innen zu tet wurde dabei, dass bei einer solchen Entscheidung
Hause den Lehrstoff zu vermitteln. Andererseits wur- die Schule als datenschutzrechtlich Verantwortliche
de hier vielfach das Kind mit dem Bade ausgeschüttet, die gültige Rechtslage prüfen und beachten muss,

© Taken-Pixabay

Schüler_innen hatten häufig Fernunterricht statt Präsenzunterricht.

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LfDI BW I 36. Tätigkeitsbericht I 2020

insbesondere also die DS-GVO. Vor dem Hintergrund, Unterricht zu informieren, damit sie bei der Wahl und
dass die Schulen innerhalb kurzer Zeit dafür zu sorgen dem Einsatz der Softwaretools bestmöglich entschei-
hatten, dass sie in der Situation des Lockdowns funk- den können. Denn: die Schulen sind verantwortlich –
tionsfähig blieben, stellte diese notwendige rechtliche und müssen so auch handeln.
und technische Prüfung vielfach eine Überforderung
der Schulen dar.
Rechtliche Rahmenbedingungen und Empfehlun-
Dies schien im weiteren Verlauf auch das Ministerium gen für Videokonferenzen im Unterricht
erkannt zu haben, da im Anschluss allen Schulen im Bei der Verwendung eines Videokonferenzsystems
Land Moodle – betrieben von Belwü (dem vom Land im Unterricht stellen sich neben der Frage nach der
gehosteten Landeshochschulnetz Baden-Württem- datenschutzgerechten Auswahl des technischen Sys-
berg) – kostenlos zur Verfügung gestellt wurde. Das tems (siehe Kap. 1.9 „Datenschutzfreundliche Kom-
Lernmanagement Moodle wurde schon vor einigen munikationsdienste und Videokonferenzen) auch
Jahren von uns Haus in rechtlicher sowie technischer grundsätzliche Fragen zum Einsatz eines solchen
Hinsicht allgemein geprüft und in der Konfiguration, Systems. Dabei muss geklärt werden, welche Rechts-
wie sie bei Belwü vorliegt, als datenschutzkonform grundlage(n) die Verwendung der Systeme mit Schü-
eingestuft. Wir gehen davon aus, dass auch die seit- ler_innen erlauben. Diese Rechtsgrundlagen können
dem erfolgte Weiterentwicklung – insbesondere da- sich von denen unterscheiden, die gelten, wenn nur
tenschutzrechtlich – vom Kultusministerium beglei- Lehrerkräfte beteiligt sind, beispielsweise bei Lehrer-
tet wurde. konferenzen.

Zusätzlich wurde ab dem Frühjahr im Auftrag des Mi- Zwar kann im Allgemeinen eine Schule die perso-
nisteriums das Videokonferenzsystem BigBlueButton nenbezogenen Daten ihrer Schüler_innen insoweit
in kurzer Zeit aufgebaut und – unter Erweiterung der verarbeiten, als es zur Erfüllung des Erziehungs- und
zur Verfügung stehenden Kapazitäten – in Moodle in- Bildungsauftrags erforderlich ist (vgl. Artikel 6 Absatz
tegriert und so allen Schulen im Land ebenfalls kos- 1 Unterabsatz 1 Buchstabe e DS-GVO i.V.m. § 1 des
tenlos zur Verfügung gestellt. Wie Gespräche mit den Schulgesetzes Baden-Württemberg - SchG). Die rein
Verantwortlichen zeigen, scheint hier der Datenschutz passive Teilnahme (d.h. ohne Übertragung des eige-
beachtet worden zu sein. (Zu technischen Einstellun- nen Bildes und Tons) und die Nutzung der Funktion
gen siehe Kap. 1.9 „Datenschutzfreundliche Kommu- des Text-Chats können gegebenenfalls aufgrund
nikationsdienste und Videokonferenzen“) des Erziehungs- und Bildungsauftrags der Schule
erfolgen. Soweit allerdings beim Einsatz von Video-
In der zweiten „Lockdown“-Phase, bei der dieses Mal konferenzsystemen Bild und Ton von Schüler_innen
die Schulen zwar grundsätzlich offen blieben, aber erfasst und übertragen werden, stellt dies einen tie-
dennoch vermehrt Fernunterricht beispielsweise auf- feren Grundrechtseingriff dar, der einer besonderen
grund des Auftretens von Infektionen in der Schule Rechtsgrundlage bedarf. Das hat der Gesetzgeber
oder bei Zugehörigkeit von Lehrpersonal oder Schü- des Schulgesetzes grundsätzlich auch gesehen, in-
ler_innen zu Hochrisikogruppen erforderlich wurde, dem er eine spezielle Ermächtigung zur Herstellung
zeigte sich immer noch, dass viele Schulen nicht auf und Weiterverarbeitung von Bild- und Tonaufnahmen
den digitalen Unterricht vorbereitet waren und erneut von Schüler_innen geschaffen hat (vgl. § 115 Absatz
unter besonderem Zeitdruck Lösungen für einen ge- 3a SchG), deren Anwendungsbereich hier allerdings
lingenden Unterricht erarbeiten mussten. Die Beschu- nicht eröffnet ist.
lung muss gelingen, darin sind sich alle Beteiligten
einig. Außerdem muss bei Video- und Tonübertragungen
aus dem häuslichen Umfeld zusätzlich berücksichtigt
Wir beraten nicht nur das Kultusministerium, son- werden, dass dieser Bereich besonders geschützt ist
dern auch die datenschutzrechtlich verantwortlichen (vgl. Schutz der Wohnung in Artikel 13 des Grundge-
Schulen beim Einsatz der Technik und möglicher Da- setzes). Auch deswegen kann aus datenschutzrecht-
tenschutz-Folgenabschätzungen beim Einsatz von di- licher Sicht zwar eine passive Teilnahme am Videoun-
gitalen Tools. Wir bieten Lehrenden, Eltern und Schü- terricht über den Erziehungs- und Bildungsauftrag
ler_innen zudem an, über datenschutzkonformen gerechtfertigt werden, nicht jedoch eine aktive Teil-

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nahme – das heißt eine Teilnahme, bei der Bilder und Daten umsetzt. Sofern es zur Datenverarbeitung au-
Töne von zu Hause an die Schule (und andere Schü- ßerhalb des Geltungsbereichs der DS-GVO kommt,
ler_innen) übertragen werden. Diese aktive Teilnahme sind überdies weitere Anforderungen zu beachten
ist nach geltender Rechtslage nur mit Einwilligungen (siehe Kapitel 4 zum „Schrems II- Urteil“).
nach Artikel 7 DS-GVO sowohl Schüler_in als auch der
mitbetroffenen, zu Hause wohnenden Eltern (unab- Um die Schulen zu unterstützen und die vielen Fragen
hängig vom Alter der/die Schüler_in) zulässig. Auch rund um das Thema Fernunterricht und Videokonfe-
nach Erklärung der Einwilligung muss dem/r Schüler_ renzen zu klären, haben unsere Referent_innen viele
in jederzeit freigestellt sein, die eigene Kamera oder Schulen und Eltern beraten und standen auch in ei-
das Mikrofon auszuschalten – denn datenschutz- nem Online-Seminar des Landesmedienzentrums Ba-
rechtlich ist jede Einwilligung jederzeit mit sofortiger den-Württemberg den Lehrkräften Rede und Antwort.
Wirkung für die Zukunft widerruflich. Aus den Ausführungen zur Rechtslage ergeben sich
folgende Empfehlungen:
Allerdings sind Einwilligungen vor dem Hintergrund
des Erwägungsgrundes Nummer 43 zur DS-GVO we- Das Videokonferenzsystem muss möglichst daten-
gen des Über- / Unterordnungsverhältnisses zwischen sparsam konfiguriert werden (Privacy by Default).
Schule und Schüler_innen nicht unproblematisch. Der Das System muss die Möglichkeit bieten, das Mik-
Freiwilligkeit einer solchen Einwilligung kann auch ein rofon und die Kamera durch den einzelnen Benutzer
sozialer Druck seitens der Klassenangehörigen entge- gesteuert ein- und auszuschalten. Weiterhin muss
genstehen. Dabei ist außerdem zu berücksichtigen, die Möglichkeit bestehen, seinen Bildschirm (bzw. die
dass die Schüler_innen rechtlich einen Anspruch auf Oberfläche einzelner Programme) aktiv freizugeben.
Erziehung und Bildung haben. Die Erfüllung dieses So kann beispielsweise die Lehrkraft etwas in einem
Rechts darf – mit Blick auf die erforderliche Freiwil- Programm erklären oder ein Schüler seine Lösung al-
ligkeit – nicht davon abhängig gemacht werden, dass len vorstellen. Es sind also folgende Funktionen der
eine Einwilligung erteilt wird. Deswegen muss einem Software zu unterscheiden:
Schüler, der sein Videobild bzw. seinen Ton nicht über-
tragen möchte, die Teilnahme (hörend, sehend) trotz- 1. Freigabe des Videobildes eines Teilnehmenden,
dem ermöglicht oder ein vergleichbares Bildungs- und 2. Freigabe des Tons eines Teilnehmenden,
Erziehungsangebot unterbreitet werden. Ansonsten 3. Freigabe des Bildschirms bzw. der Oberfläche
wäre eine Einwilligung datenschutzrechtlich nicht eines Programms eines Teilnehmenden und
wirksam. 4. Nutzung der Funktion eines Text-Chats.

Ohnehin sollten Lehrkräfte unter dem Gesichtspunkt Diese Funktionen sollte die Lehrkraft für den einzel-
der Datenminimierung in jedem Einzelfall prüfen, in- nen Teilnehmenden freigeben oder sperren können.
wieweit die Bild- und Tonübertragung pädagogisch Hierzu gehört auch das Wissen aller Teilnehmenden
geboten ist oder andere Angebote ausreichen (wie
z.B. Text-Chats oder Lernmanagementsysteme).

In formaler Hinsicht muss die Schule ferner für den


rechtmäßigen Betrieb eines Videokonferenzsystems
ein entsprechendes Verzeichnis der Verarbeitungs-
tätigkeiten führen (vgl. Art. 30 DS-GVO). Soweit sie
das System nicht selbst hostet, sondern einen Frem-
© phonlamaiphoto – stock.adobe.com

danbieter verwendet, hat die Schule außerdem mit


diesem einen Vertrag zur Auftragsdatenverarbeitung
(Art. 28 DS-GVO) abzuschließen. Bei der Auswahl ei-
nes solchen Verarbeiters hat sie insbesondere darauf
zu achten, dass dieser personenbezogene Daten nur
insoweit verarbeitet, als es zur Erfüllung des Auftrags
erforderlich ist, und dabei angemessene technische
und organisatorische Maßnahmen zum Schutz der Digitaler Unterricht und Schutz der Schüler gehören zusammen.

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LfDI BW I 36. Tätigkeitsbericht I 2020

über die aktuell bzw. potentiell beteiligten Teilnehmer, Häufig sehen sich die Schulen auch personell überfor-
um bewusst zu entscheiden, ob er oder sie seinen Ton dert, das (datenschutz-)rechtliche Know How aufzu-
und sein Videobild frei gibt. bieten, das für die Nutzung von Videokonferenzsyste-
men im Unterricht benötigt wird. Zwar hat jede Schule
Häufig bieten die Videokonferenzsysteme auch die seit dem Mai 2018 einen sog. behördlichen Daten-
Möglichkeit, die Konferenzen aufzunehmen (Recor- schutzbeauftragten zu berufen – häufig fehlt es die-
ding). Hierfür besteht im Unterricht grundsätzlich kei- ser Person jedoch am Zeitbudget und an praktischem
ne Erforderlichkeit. Außerdem stellt die Speicherung Wissen. Aus der Perspektive des Datenschutzes ist
einen weiteren Eingriff in das Recht auf informationel- es daher nicht hilfreich, wenn lediglich eine Person
le Selbstbestimmung dar, der von der bloßen Einwilli- als Datenschutzbeauftragte_r zwischen 100 und 150
gung zur Übertragung von Bild oder Ton nicht gedeckt Schulen betreut.
ist. Diese Funktion sollte daher grundsätzlich tech-
nisch deaktiviert werden. Das war vor der Pandemie eine unzureichende per-
Eine grundsätzlich nicht zu rechtfertigende Vertiefung sonelle Ausstattung der Schulen; im Jahr 2020 zeig-
des Eingriffs in das Recht auf informationelle Selbst- te sich durch die Pandemie nun deutlich, dass digi-
bestimmung stellt auch das Abfilmen des Monitors taler Unterricht nicht nur „Laptops für alle“ bedeutet,
durch eine Kamera oder das Mitschneiden des Tons sondern dass für einen funktionierenden digitalen
durch separates Mikrofon dar – auch soweit dies Unterricht Schulen, Lehrende, Schülerschaft und El-
durch die (Mit-)Schüler_innen geschieht. ternschaft sich auf eine gemeinsame Grundlage ver-
ständigen müssen, damit der Unterricht auch tatsäch-
Die Anfertigung solcher Mitschnitte – die sich tech- lich funktioniert. Dafür ist es auch notwendig, dass alle
nisch allerdings kaum unterbinden lässt – hat die Beteiligten Rechtssicherheit haben und wissen, dass
Schule als Verantwortliche durch organisatorische die Daten, die digital erzeugt werden, bestmöglich ge-
Maßnahmen – wie beispielsweise eine klare Unter- schützt sind. Eltern sollen nicht befürchten müssen,
sagung in der Nutzungsordnung – weitestgehend dass ihre Schutzbefohlenen im Netz bloßgestellt wer-
zu verhindern. Auch ein sonstiges überschießendes den. Kinder selbst sollen nicht unter Druck stehen, ihre
Verarbeiten personenbezogener Daten (vor allem aus möglicherweise wenig attraktive Wohnung anderen
dem häuslichen Schülerumfeld) ist möglichst zu un- zu zeigen, vielleicht offenbaren zu müssen, kein eige-
terbinden. nes Zimmer zu haben. Lehrende müssen sich darauf
verlassen können, dass ihre Kommunikation sicher
So sind klare Regeln etwa in einer Nutzungsordnung ist. All diese Aspekte des Schutzes der personenbezo-
aufzustellen (und gegebenenfalls mit Blick auf die ers- genen Informationen stärkt und fordert die DS-GVO.
ten beiden Punkte mit Sanktionen zu belegen), welche Wir wirken mit unserer Arbeit darauf hin, dass dabei
den Teilnehmenden vorschreiben insbesondere auch der Wille der Betroffenen berück-
sichtigt wird.
• nicht im Beisein anderer Personen teilzuneh-
men, soweit räumlich möglich – so auch nicht Die Corona-Pandemie hat gezeigt, dass viele Schulen
in öffentlich zugänglichen Räumen, wie z.B. Cafés, noch intensiver begleitet werden müssen, etwa bei der
Kneipen, Restaurants, ÖPNV, Warteräumen, Arzt- Organisation des Fernunterrichts; vor allem: Schulen
praxen, Läden, etc.; müssen in die Lage versetzt werden, für die Schüler-
• Mitschnitte nicht anzufertigen (gilt auch für das schaft das bestmögliche Bildungsangebot vorzuhal-
Abfilmen per Smartphone). ten. Dafür brauchen sie technischen Support und die
personellen Ressourcen, ihre datenschutzrechtliche
und ihnen empfehlen, Verantwortung konsequent selbst wahrnehmen zu
können (mehr zur Bildungsplattform in Kap. 3).
• die Kamera so aufzustellen, dass möglichst
wenig aus dem häuslichen Umfeld übertragen
wird, sowie nach Möglichkeit das Videokonferenz-
systems auf geringe Schärfentiefe bzw. auf
Weichzeichnung des Hintergrunds einzustellen
oder einen virtuellen Hintergrund zu verwenden.

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LfDI BW I 36. Tätigkeitsbericht I 2020

1.8 Fragen an den betrieblichen Datenschutz krankgeschrieben ist. Das Gesundheitsamt erlangt
Kenntnis von einer Infektion und geht dann auf die
Urlaubsrückkehr aus Risikogebieten Arbeitgeber zu und veranlasst alles Weitere. Arbeit-
Insbesondere zu Beginn der Pandemie im Frühjahr geber sind gut beraten, auf die Weisungen der Ge-
2020 spielten sich viele Beratungen primär vor dem sundheitsbehörde zu hören. Die Fürsorgepflicht von
Hintergrund der Prävention und Reichweite des Fra- Betrieben nimmt nur dann eine höhere Gewichtung
gerechts von Arbeitgebern ab, etwa ob Urlaubsrück- ein, wenn Gesundheitsämter völlig überfordert sind
kehrer vor der Rückkehr in den Betrieb zu ihrem letz- und ihre Aufgaben nicht mehr wahrnehmen können.
ten Reise-/ und Aufenthaltsort befragt werden dürfen. Natürlich entscheidet ein Beschäftigter grundsätzlich
Arbeitgeber trifft auf Grund der Fürsorgepflicht und (von besonderen Umständen wie z. B. in Kranken-
nach dem Arbeitsschutzgesetz die Verpflichtung, alle häusern abgesehen, in denen besondere Anforderun-
erforderlichen Maßnahmen zu treffen, um die Sicher- gen der Überwachung von Infektionen zu beachten
heit und Gesundheit der Belegschaft im Betrieb zu ge- sind) selbst frei, seinen Betrieb konkret über eine Co-
währleisten. Daher ist es zulässig, Urlaubsrückkehrer vid-19-Erkrankung zu informieren.
zu befragen, ob sie sich in einem durch das Robert
Koch-Institut festgelegten Risikogebiet aufgehalten Unsere Dienststelle war eine der ersten Aufsichts-
haben. behörden überhaupt, die mit einer Orientierungshilfe
„FAQ – Corona“ auf die Problematik des Umgangs
mit Corona im Betrieb eingegangen ist. Folgefragen,
Beratung und Unterstützung bei datenschutzkon- etwa des Fragerechts des Arbeitgebers nach dem
formem Pandemieschutz Aufenthalt in Risikogebieten, der Nachverfolgung von
Den Umgang mit diesen sensiblen Daten und eine Kontaktpersonen oder der Übermittlung an Gesund-
verantwortungsvolle Vorgehensweise bei der Eindäm- heitsämter, beantwortet die Orientierungshilfe „FAQ –
mung, Ermittlung und Nachverfolgung von Infizierten Corona“ dabei ebenfalls.
beschäftigen sämtliche Betriebe. So waren wir Anlauf-
stelle für öffentliche und private Arbeitgeber sowie In- Die Anfragen diesbezüglich sind nach wie vor zahl-
stitutionen, Behörden und Verbände. Aber auch viele reich und die Relevanz der Beratungen nimmt kei-
Beschäftigte und Arbeitnehmervertretungen standen neswegs ab. Zu beobachten ist allerdings, dass sich
vor der Frage, welche Gesundheitsinformationen im die Maßnahmen vieler Betriebe sowohl „professiona-
betrieblichen Umfeld weitergegeben werden müssen, lisiert“ als auch „standardisiert“ haben und sich viele
um der Gefahr von Covid-19-Infektionen effektiv ent- Betriebe auf Grund der nun schon lange anhaltenden
gegenzutreten. und dynamischen Entwicklung der Pandemie durch
Maßnahmenpakete und konkrete Meldewege besser
Die Sensibilität der Personalverwaltung für die Art der vorbereitet haben.
verarbeitenden Daten ist hierbei unerlässlich. Es han-
delt sich um die Verarbeitung von Gesundheitsdaten,
welche von vornherein als sogenannte besondere >> Weitere Informationen
Kategorien von personenbezogenen Daten nach Art. FaQ Beschäftigtendatenschutz
9 Abs. 1 DS-GVO besonders schützenswert gelten. https://www.baden-wuerttemberg.datenschutz.de/
Ferner ist zu berücksichtigen, dass die Covid-19-Er- faq-corona/
krankung eines Beschäftigten für diesen oftmals zu
einer Stigmatisierung in der übrigen Belegschaft füh-
ren kann.
Homeoffice – Datenschutzkonformer Umgang am
Grundsätzlich ist es richtig, dass die Gesundheitsäm- Heimarbeitsplatz
ter den Hut aufhaben und entscheiden, wer welche Dauerthema der vergangenen Monate ist die daten-
Informationen erhält und wer als Kontaktperson an- schutzkonforme Gestaltung des Homeoffice. Viele
gesprochen wird und wer besser zuhause bleibt, um Betriebe ermöglichten ihren Beschäftigten Heimar-
mögliche Infektionsketten zu unterbrechen. Der Be- beit. Die Gestaltung des Homeoffice ist aber mit viel
schäftigte hat dem oder der Arbeitgeber_in im Falle Vorbereitung verbunden, sowohl für die Beschäftig-
einer Infektion zunächst nur mitzuteilen, dass er/sie ten, als auch für Unternehmen. Darunter fällt unter an-

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LfDI BW I 36. Tätigkeitsbericht I 2020

derem die Schulung und Sensibilisierung der Beschäf- z. B. auch durch die Stimme, durch Codes oder ande-
tigten für den Datenschutz und die Vertraulichkeit der re Zugangssicherungen oder sonst durch nur kurzes
Arbeitsvorgänge im Homeoffice, die Einrichtung des Einschalten der Kamera erfolgen. Ohnehin sollte stets
Heim-Arbeitsplatzes und einer sicheren betrieblichen geprüft werden, ob eine Teilnahme durch Video wirk-
EDV. Aus der Praxis der Aufsichtsbehörde zeigt sich, lich erforderlich ist oder ob nicht eine Teilnahme nur
dass der Beratungsbedarf diesbezüglich nach wie vor mit Tonübertragung ausreicht. Einer besonderen da-
sehr hoch ist. tenschutzrechtlichen Rechtfertigung bedarf es in je-
dem Fall, wenn Videokonferenzen aufgezeichnet wer-
Zu Beginn des ersten Lockdowns fehlte es vielen Be- den sollen; zumeist ist hierfür eine Rechtsgrundlage
trieben noch an den technischen Voraussetzungen, nicht gegeben. Besonders problematisch ist es auch,
wie etwa einer genügenden Anzahl an Laptops oder Li- wenn die Videokonferenz unverschlüsselt übertragen
zenzen für VPN-Zugänge. Ein vollständig datenschutz- werden soll und damit Dritte auf die personenbezoge-
konformes Homeoffice war daher eine Seltenheit. nen Daten zugreifen können. Soweit die Übertragung
Grundsätzlich sollte etwa klar sein, dass Familienan- von zu Hause aus erfolgt, ist überdies – auch bei pri-
gehörige zu keinem Zeitpunkt auf die personenbezo- vaten Arbeitgebern mit Blick auf die Drittwirkung von
genen Daten oder Dokumente auf dem Dienstrechner Grundrechten – das Grundrecht aus Art. 13 GG (auf
Zugriff haben dürfen und der Laptop und Speicherme- „Unverletzlichkeit der Wohnung“) zu berücksichtigten.
dien passwortgeschützt sein müssen.

Die Arbeit im Homeoffice bedeutet häufig auch die >> Weitere Informationen
Teilnahme an Videokonferenzen. Ob ein Vorgesetz- „Tipps für sicheres mobiles Arbeiten“
ter verlangen kann, dass der Arbeitnehmer in einer https://www.bsi.bund.de/SharedDocs/Downloads/DE/
Schaltkonferenz die Kamera einzuschalten hat, etwa BSI/Cyber-Sicherheit/Themen/empfehlung_home_of-
weil die Identität der Teilnehmenden der Videokonfe- fice.html
renz geprüft werden muss oder um zu gewährleisten,
dass während der Konferenz keine Unbefugten teil- Passwortschutz im Homeoffice
nehmen, ist eine Frage des Einzelfalls (z. B. mit Blick https://www.baden-wuerttemberg.datenschutz.de/
auf den Inhalt des Gesprächs) und der tatsächlichen wp-content/uploads/2019/02/Hinweise-zum-Um-
und rechtlichen Rahmenbedingungen (etwa in Einzel- gang-mit-Passwoertern-1.0.1.pdf
oder Betriebsvereinbarungen). Eine Identifikation kann

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Homeoffice: Genug Platz haben, gut sitzen, Kinder beschulen – und auf die Sicherheit der (persönlichen) Daten achten…

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LfDI BW I 36. Tätigkeitsbericht I 2020

Fiebermessen am Werkstor? Eingriffe in sensible Beschäftigtendaten vorsieht. Lei-


Im Zuge des sprunghaften Anstiegs von Corona in der wurden nicht alle wesentlichen Hinweise von uns
Schlachtbetrieben kam es vermehrt zu Anfragen hin- insoweit beachtet. Die Verordnung sieht neben der
sichtlich der Möglichkeit der Temperaturmessung Erhebung der Kontaktdaten der Beschäftigten und
bei Beschäftigten am Werkstor. Dies ist aus daten- Besucher_innen des Betriebs vor auch Corona-Test
schutzrechtlicher Sicht bedeutsam, da Fieber zwar bei den Beschäftigten mittels PCR-Verfahren vor der
grundsätzlich symptomatisch für das Coronavirus erstmaligen Arbeitsaufnahme und danach einmal wö-
SARS-CoV-2 ist, allerdings weder eine notwendige chentlich durch den Arbeitgeber vor. Die Datenverar-
Begleiterscheinung dieser Erkrankung darstellt noch beitung betrifft sensible Gesundheitsdaten. Wir haben
das Vorhandensein von Fieber mit hinreichender daher darauf hingewirkt, dass die Corona-Testungen
Wahrscheinlichkeit auf eine Covid-19 Infektion hin- nur durch geschultes Personal und damit regelmäßig
weist. Überdies variiert die Messgenauigkeit. Für den nur durch die Betriebsmedizin erfolgen dürfen – was
flächendeckenden Einsatz von Temperaturmessung jedoch leider nicht seinen Weg in den Normtext der
besteht daher keine hinreichende Rechtsgrundlage. CoronaVO fand. Zudem bleiben wir dabei: Eine Coro-
Ferner stellen sich, insbesondere im Beschäftigten- na-Testung stellt einen Eingriff in die körperliche Un-
kontext, oftmals arbeitsrechtliche Folgefragen der versehrtheit der Beschäftigten dar – und in diese darf
Lohnfortzahlung, sollte ein Beschäftigter schlicht „am der Verordnungsgeber (vgl. § 32 IfSG) unstreitig nicht
Werkstor“ zurückgewiesen werden. Gemeinsam mit eingreifen.
der Datenschutzkonferenz DSK haben wir diesbezüg-
lich einen eigenen Beschluss gefasst, welcher als Ori-
entierungshilfe vorliegt. Insgesamt ist Fiedermessen
am Werkstor kaum datenschutzkonform darstellbar 1.9 Datenschutzfreundliche Kommunikations-
und eine Temperaturmessung nur in Ausnahmekon- dienste und Videokonferenzen
stellationen und vulnerablen Branchen und Institutio-
nen, etwa bei Einrichtungen im Bereich der Gesund- Angesichts der Situation um Covid-19 standen im
heitsversorgung oder der Pflege – hier allerdings in vergangenen Jahr zahlreiche Verantwortliche vor der
Verbindung mit weiteren, einen Verdacht auf Covid-19 Aufgabe, technische Möglichkeiten der Online-Kom-
spezifisch abklärenden Untersuchungen – und auf munikation einzuführen oder auszuweiten. Hierbei
freiwilliger Basis denkbar. stellen sich auch einige Herausforderungen bei der
Einhaltung geltender Datenschutzgesetze ebenso wie
beim Schutz von Dienst-, Betriebs- und Geschäftsge-
>> Weitere Informationen heimnissen.
Einsatz von Wärmebildkameras bzw. elektronischer
Temperaturerfassung im Rahmen der Corona-Pande- Bei den vielen eingeführten Diensten für Videokon-
mie ferenzen und andere Online-Kommunikations- und
Kollaborationsformen stand für viele zunächst die
https://www.datenschutzkonferenz-online.de/media/
dskb/20200910_beschluss_waeremebildkameras.pdf.

Sonderfall: Schlachtbetriebe
Im Sommer 2020 veranlasste der enorme Anstieg an
infizierten Beschäftigten von Schlachtbetrieben die
Landesregierung Baden-Württemberg dazu, die Vor-
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gehensweisen zum Pandemieschutz in der Branche


der Schlachtbetriebe und Fleischverarbeitung in einer
eigenen Corona-Verordnung – „CoronaVO Schlacht-
betriebe und Fleischverarbeitung“ – zu regeln. Wir wur-
den bei Erlass der Verordnung vom Sozialministerium
beteiligt, da die Verordnung an vielen Stellen intensive Videokonferenzsysteme sind nützlich und fordernd zugleich.

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LfDI BW I 36. Tätigkeitsbericht I 2020

haltsdaten der Kommunikation grundsätzlich nicht an


Dritte oder den Hersteller übertragen werden.

Zur Übersicht: Bei Kommunikations- und Videokonfe-


renzdiensten sind in Bezug auf Datenschutz bei der

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Wahl des Produkts oder Anbieters mehrere Heraus-
forderungen zu bewältigen:

• Transfer in Drittstaaten (z.B. in die USA) oder


Zugriff von Drittstaaten auf die Daten
Viele Videokonferenzdienste werden von Unterneh-
men angeboten, die ihren Sitz oder Haupt-Sitz außer-
Die DS-GVO gilt auch bei Videokonferenzsystemen. halb des Geltungsbereichs der DS-GVO haben. Damit
gehen eine Reihe von Herausforderungen einher,
Funktionalität im Vordergrund, getreu dem Motto: insbesondere nach dem Urteil des Europäischen Ge-
Hauptsache es läuft. Aber: Verantwortliche haben richtshofs (EuGH) vom 16. Juli 2020 in der Rechtssa-
auch datenschutzrechtliche Vorgaben zu beachten che C-311/18 („Schrems II“). Auf das Schrems II Urteil
und sollten schon aus eigenem Interesse Wert auf gehen wir in Kapitel 2 ein.
Vertraulichkeit des Inhalts der Kommunikation legen.
Wer digitale Techniken nutzt sollte auch wissen, wel- Echte Ende-zu-Ende-Verschlüsselung kann bei Dritt-
che Einstellungen notwendig sind, damit die Daten staatentransfers zwar das Risiko minimieren, zu be-
nicht wild durch die Gegend gejagt werden und schlus- achten ist aber, dass Diensteanbieter weiterhin Zugriff
sendlich bei irgendwem auf der Festplatte landen. auf Metadaten der Kommunikation haben.

Auch bei Videokonferenzsystemen gilt die DS-GVO, • Verarbeitung von Metadaten: Wer hat (technisch
auch dann, wenn man einen Dienstleiter beauftragt, und rechtlich) Zugriff auf die Metadaten?
der die technische Abwicklung organisiert. Insbe- Bei Kommunikationsdiensten fallen immer auch Me-
sondere ist bei der Auswahl von Kommunikations- tadaten an. Diese enthalten unter anderem Informa-
lösungen im speziellen darauf zu achten, dass die tionen, wer wann mit wem kommuniziert hat, aber
Verantwortlichkeit, gegebenenfalls die gemeinsame möglicherweise auch Standortdaten und mehr. In der
Verantwortlichkeit, geklärt ist und nötige Verträge ge- breiten Diskussion sind diese Daten im Zusammen-
schlossen werden. Es sollte auch geklärt sein, dass hang mit der unzulässigen Vorratsdatenspeicherung
Datenverarbeitung (auch von Analyse-, Telemetrie- bekannt. Diese Daten sind technisch relativ einfach
und Diagnosedaten unter jeglicher Bezeichnung) nur auszuwerten und daher ein beliebtes Ziel, um Kom-
aufgrund und im Rahmen einer Rechtsgrundlage munikations-Netzwerke auszuforschen. Da dem
stattfindet, dass die Datenverarbeitung fair und trans- Diensteanbieter diese Daten in der Regel im Klartext
parent ist und Übermittlungen in das Ausland außer- vorliegen müssen, ist es insoweit schwer, sich vor
halb des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR) nur nicht vertrauenswürdigen Dienstleistern zu schützen.
unter den besonderen einschlägigen Voraussetzun-
gen stattfindet (vgl. Art. 44 ff. DS-GVO). Hierzu sollten • Verarbeitung von Inhaltsdaten: Ist die Vertrau-
sich Verantwortliche vorab einen Überblick über Ver- lichkeit der übertragenen Inhalte gewährleistet?
tragsverhältnisse und Datenflüsse (Zwecke, übertra- Inhaltsdaten sind die eigentlichen Kommunikations-
gene Daten, Empfänger) verschaffen. daten. Also beispielsweise die Gespräche oder Videos
bei Videokonferenzen. Diese können besonders sen-
Häufig sind Anwendungen datenschutzfreundlicher, sible Informationen enthalten wie Dienst-, Betriebs-
wenn sie vom Verantwortlichen selbst betrieben wer- oder Geschäftsgeheimnisse – oder eben geschützte
den können („On Premises“), beispielsweise auf eige- personenbezogene Daten. Je nach Schutzbedarf sind
nen Servern oder mit Hilfe von Dienstleistern mit Auf- diese besonders zu vorsichtig zu verarbeiten, insbe-
tragsverarbeitungsverträgen und ausschließlich auf sondere gilt dies bei Daten nach Artikel 9 DS-GVO,
Weisung des Verantwortlichen. Der Vorteil ist, dass also z.B. personenbezogene Daten, aus denen die ras-
dort personenbezogene Daten wie Metadaten oder In- sische und ethnische Herkunft, politische Meinungen,

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LfDI BW I 36. Tätigkeitsbericht I 2020

religiöse oder weltanschauliche Überzeugungen oder halten, können die Anbieter der Analyseplattformen
die Gewerkschaftszugehörigkeit hervorgehen, sowie die Daten in der Regel oftmals eindeutig bestimmten
die Verarbeitung von genetischen Daten, biometri- Personen/Personengruppen zuordnen und nutzen die
schen Daten zur eindeutigen Identifizierung einer na- so ermittelten Daten beispielsweise zur Profilbildung
türlichen Person, Gesundheitsdaten oder Daten zum für gezielte Werbung.
Sexualleben oder der sexuellen Orientierung einer na- Auch solche Verarbeitungen bedürfen in der Regel
türlichen Person. Zu beachten ist: Teilweise kann eine einer eigenen Rechtsgrundlage, die wiederum grund-
solche Information aber auch schon aus den Metada- sätzlich nur eine wirksame Einwilligung der betroffe-
ten hervorgehen. nen Personen sein kann.

Inhaltsdaten können via Ende-zu-Ende-Verschlüs- Bei den meisten in der breiten Öffentlichkeit bekann-
selung effektiv geschützt werden. Im Bereich der ten Diensten bestehen Herausforderungen in allen
Echtzeit-Videokonferenz ist es schwer, echte En- fünf genannten Punkten. Nur weil kein Dienst perfekt
de-zu-Ende-Verschlüsselung durchzuführen und zu funktioniert, bedeutet dies aber nicht, dass es egal ist,
garantieren. Der effektivste Schutz ist, entsprechende welchen Dienst man nutzt und wie die vorgenomme-
Dienste vor allem bei sensiblen Inhalten selbst oder nen Einstellungen aussehen. Es bleibt die Forderung
durch einen vertrauenswürdigen Dienstleister unter an jeden Verantwortlichen, bestmögliche Sicherheit
Kontrolle des Verantwortlichen zu betreiben – vor- der Inhaltsdaten herzustellen.
zugsweise an Standorten innerhalb der EU.

• Werden Daten durch den Anbieter zu eigenen Praktische Tipps


Zwecken verwendet? Bei der Auswahl von Video- oder Telefonkonferenz-
Viele Diensteanbieter erheben Daten zu eigenen Zwe- systemen sollte aus technischer Sicht darauf ge-
cken, beispielsweise zur Produktverbesserung oder zu achtet werden, dass der Anbieter weder Metadaten
anderen gewerblichen Zwecken. Diese Daten werden noch die Inhaltsdaten der Kommunikation für eigene
häufig Analyse-, Telemetrie- oder Diagnosedaten ge- Zwecke auswertet oder an Dritte weitergibt. Ebenso
nannt und erschließen meist das gesamte Nutzungs- sollte ausgeschlossen sein, dass der Anbieter oder
verhalten der Anwender. Aber auch die Inhalts-Daten Hersteller Daten zu eigenen Zwecken verwendet oder
werden von einigen Anbietern für eigene Zwecke ge- an Dritte weitergibt. Dies können datenschutzrecht-
nutzt. Dies kann z.B. die Verbesserung von eigenen lich Verantwortliche am besten sicherstellen, wenn
Diensten wie Transkription oder Übersetzung sein. sie oder ihr Dienstleister (im öffentlichen Bereich sind
Diese Verarbeitungen bedürfen grundsätzlich einer das z.B. BITBW bei Landesbehörden oder Komm.ONE
eigenen Rechtsgrundlage. Dafür kommt in der Regel bei Kommunen) eine entsprechende Softwarelösung
nur die wirksame Einwilligung der betroffenen Person „On Premises“ – also im eigenen Rechenzentrum und
in Frage, und das wiederum heißt: die vorherige, infor- nicht in einer Cloud – bereitstellen oder aufbauen.
mierte und transparente, freiwillige, aktiv für den Ein- Dadurch ist es möglich, alle Datenflüsse und Datener-
zelfall und separat von anderen Erklärungen abgege- hebungen selbst zu kontrollieren. Dafür stehen auch
bene sowie widerrufliche Einwilligung. Insbesondere zahlreiche Lösungen auf Basis von Open-Source-Soft-
an der Informiertheit und Transparenz scheitern viele ware zur Verfügung, die prinzipiell datenschutzgerecht
Einwilligungserklärungen. Da es sehr schwierig ist, da- einsetzbar sind und in der Regel keine Datentransfers
für eine rechtssichere Einwilligung einzuholen, sollten zum Hersteller oder in Drittstaaten mit sich bringen.
Verantwortliche auf Diensteanbieter verzichten, die Dienstleister sollten sich befähigen, entsprechende
entsprechende Verarbeitungen zu eigenen Zwecken Dienste unter eigener Regie zu betreiben und den Kun-
durchführen. den anzubieten.

• Werden Daten an Dritte weitergegeben oder mit Verantwortliche sollten nur solche Auftragsverarbei-
anderen Daten verknüpft? ter beauftragen, die Daten nur auf Weisung und aus-
Einige Anbieter geben Nutzungsdaten an Dritte wei- schließlich im Europäischen Wirtschaftsraum (EWR)
ter. Entweder als Teil ihres Geschäftsmodells oder verarbeiten sowie keine Überwachung des Nutzungs-
zur Ermittlung von Statistiken („Web Analytics“). Auch verhaltens der Anwender durchführen.
wenn diese nur nicht-personalisierte Statistiken ent-

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LfDI BW I 36. Tätigkeitsbericht I 2020

Aufgrund der Schwierigkeiten mit zahlreichen bekann- fugte Abhören und Aufzeichnen des nichtöffentlich
ten Diensteanbietern empfehlen wir, auf selbst betrie- gesprochenen Wortes ist strafbewehrt (§ 201 StGB).
bene Angebote oder solche von vertrauenswürdigen Funktionen, welche die Aktivität von Nutzer_innen
lokalen Anbietern zu setzen. Es gibt mehrere Software- überwachen, erfordern ebenfalls eine gesonderte
produkte aus dem Bereich der Open-Source Software, Rechtsgrundlage und Transparenz. Aus unserer Sicht
bei denen die genannten Schwierigkeiten nicht auftre- sollte Teilnehmenden die Möglichkeit angeboten wer-
ten und die selbst betrieben werden können. den, auch ohne aktive Videokamera an einer Konfe-
Wir selbst nutzen für die Online-Schulungsangebote renz teilzunehmen, gerade dann, wenn diese aus ihrer
unseres Bildungszentrums die Open-Source Software Privatwohnung heraus erfolgt.
BigBlueButton auf einem selbst betriebenen Server.
Diese Software ist insbesondere für Lehr- und Lern- Trotz der Verwendung selbst betriebener Kommuni-
veranstaltungen ausgelegt und wir haben bisher gute kationslösungen kann es sein, dass personenbezoge-
Erfahrungen damit gemacht. nen Daten erhoben werden (insbesondere Hersteller
beim Analyse-, Telemetrie- und Diagnosedaten), bei-
Es empfiehlt sich sehr, Nutzer_innen den Hinweis spielweise durch die Einbindung von Tracking-Pixeln
zu geben, wie eine App möglichst datensparsam in Webseiten oder einer serverseitigen Übermittlung
eingesetzt werden kann (z.B. Deaktivierung der Er- von personenbezogenen Daten an den Hersteller, mit
hebung von Statistikdaten oder Absturzberichten). weiterer Verarbeitung für eigene Zwecke. Stichproben
Dieses ist insbesondere deshalb sinnvoll, weil wir haben ergeben, dass einige Apps für mobile Endgerä-
bei einer ersten kursorischen Prüfung von verschie- te neben der Kommunikation mit der selbst gehoste-
denen Apps Datenübertragungen festgestellt haben, ten Anwendung auch eine Kommunikation mit dem
bei denen Verantwortlicher, Zweck, Datenkategorien Hersteller der App oder mit Dritten durchführen. Daten
und Rechtsgrundlage unklar bleiben. In Datenschutz- werden dann sowohl vom Anwender als Betreiber des
hinweisen ist teilweise auch zu lesen, dass Daten Servers als auch vom Hersteller der App und von Drit-
für eigene Zwecke erhoben werden, die nicht für die ten verarbeitet.
Diensterbringung erforderlich sind, sondern unter an-
derem für die „Produktentwicklung“ genutzt werden.
Oftmals erheben die Web-Versionen von Videokonfe- >> Weitere Informationen
renz-Diensten weniger Daten als Desktop-Anwendun-
gen oder Smartphone-Apps. Datenschutzfreundliche technische Möglichkeiten der
Kommunikation
Ein datenschutzkonformer und sicherer Betrieb einer https://www.baden-wuerttemberg.datenschutz.de/
Kommunikationslösung kann nur durch entsprechen- datenschutzfreundliche-technische-moeglichkei-
de technische und organisatorische Maßnahmen er- ten-der-kommunikation/
reicht werden. Dazu zählen unter anderem:
Orientierungshilfe Videokonferenzsysteme der Konfe-
• Alle Datenflüsse sind per Transportverschlüsse- renz der unabhängigen Datenschutzaufsichtsbehörden
lung (TLS) nach dem Stand der Technik abzusichern. des Bundes und der Länder (DSK)
Dies schützt vor dem Mitschneiden durch unbeteiligte https://www.baden-wuerttemberg.datenschutz.de/
Dritte auf dem Transportweg. wp-content/uploads/2020/11/OH-Videokonferenzsys-
teme_final.pdf
• Bei sensiblen Daten oder wenn ein nicht vollstän-
dig vertrauenswürdiger Dienstleister verwendet wird, Kompendium Videokonferenzsysteme des Bundes-
sollte der Inhalt zusätzlich per Ende-zu-Ende-Ver- amts für Sicherheit in der Informationstechnik BSI
schlüsselung (E2EE) geschützt sein. https://www.bsi.bund.de/SharedDocs/Downloads/DE/
BSI/Cyber-Sicherheit/Themen/Kompendium-Videokon-
Bei Videokonferenzen sollte die Aufzeichnung von ferenzsysteme.pdf?__blob=publicationFile&v=4
Sprache und Video deaktiviert sein und nur bei Vor-
liegen einer Rechtsgrundlage aktiviert werden. In ei-
nem solchen Fall ist eine aktive Aufzeichnung allen
Teilnehmenden eindeutig zu signalisieren. Das unbe-

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LfDI BW I 36. Tätigkeitsbericht I 2020

1.10 Konfliktgebiet „Corona-Warn-App“ der weitere Kommentar. Das chinesische Modell der
Pandemie-Bekämpfung kann uns nicht als Beispiel
Die von der Bundesregierung in Auftrag gegebene dienen.
Corona-Warn-App (CWA) soll helfen, Infektionsketten
nachzuverfolgen und zu unterbrechen. Sie sorgt seit Wir mussten feststellen, dass wenig praktisch an der
geraumer Zeit für kontroverse Diskussionen. Wir be- App gearbeitet wurde, es stattdessen immer stärke-
gleiten die App konstruktiv-kritisch. Wir halten die App re dem asiatischen Modell hinterherschauende Wün-
grundsätzlich für sinnvoll und hilfreich. Wir lehnen es sche gab. Der Datenschutz wurde als Hindernis bei
aber ab, sich bei der Pandemie-Bekämpfung allein der Pandemie-Bekämpfung gesehen. Doch anstatt
auf die App zu konzentrieren. Die App kann weder die die App konkret zu verbessern, wurde sie von vielen
wichtige Arbeit der Gesundheitsämter ersetzen, noch schlecht geredet.
ist zu erwarten, dass ein überwiegender Teil der Be-
völkerung diese App freiwillig nutzt. Auch ist klar: Es Wir haben im Herbst im Austausch mit dem Minister-
ist absolut kontraproduktiv, die Attraktivität der App präsidenten Winfried Kretschmann zügig umsetzbare
durch das Versprechen von Vergünstigungen zu stei- und wirksamen Vorschläge formuliert, wie die Attrakti-
gern – etwa so: Wenn Sie die App nutzen, dürfen Sie vität der App gesteigert werden kann ohne ihre Sicher-
auch ins Theater. heit und Freiwilligkeit zu relativieren. Wir haben aber
leider erkennen müssen, dass – statt konkrete Verbes-
Ein solches Vorgehen schwächt die App, weil sie das serungen an der App vorzunehmen – verkündet wurde,
Vertrauen in die App unterminiert. Statt mit Vergüns- den Datenschutz müsse grundsätzlich geschwächt
tigungen zu arbeiten, sollten ihre Vorteile hervorgeho- werden, da die bisherigen Vorrichtungen zum Schutz
ben werden. Das sind die Anonymität und die Freiwil- der Daten der Bürger_innen zur Untauglichkeit der App
ligkeit der Nutzung. Eine Bezugnahme auf asiatische führten. Wir dagegen haben fachkundige und konst-
Länder in Zusammenhang mit der Warn-App ist be- ruktive Vorschläge zur Corona-Warn-App formuliert,
sonders heikel. Wer Südkorea, Taiwan oder gar Chi- die wir nach wie vor für ein taugliches Mittel zur Be-
na als gutes Beispiel bei der Pandemie-Bekämpfung kämpfung der Pandemie halten.
sieht, der sollte auch erklären: In Südkorea wird die
massiv eingesetzte öffentliche Videoüberwachung Welche Vorschläge haben wir in die öffentliche Debat-
zur Kontaktverfolgung genutzt, ebenso Kreditkar- te eingebracht? Wir haben darauf hingewiesen, dass
tendaten. Nicht zuletzt hat die Polizei eine herausra- alle Labore an die App angeschlossen werden müssen
gende Rolle bei der Pandemie-Bekämpfung, weniger und den Nutzer_innen angeboten wird, Testergebnisse
das Gesundheitsamt. Online werden Corona-Infizierte auch über die App zu erhalten. Hierfür muss allerdings
diffamiert und schikaniert. Zu China erübrigt sich je- das bislang unzureichende Verfahren zur Einholung

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Die Corona Warn App hilft bei der Pandemiebekämpfung.

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LfDI BW I 36. Tätigkeitsbericht I 2020

der Einwilligung der Testperson in die Übermittlung einem persönlichen Zusammentreffen mit weiteren
des Testergebnisses an das Robert-Koch-Institut als Personen einmalig einen QR-Code scannen. Die Infor-
Betreiber der App überarbeitet und datenschutzkon- mation, dass eine Person Teil einer Zusammenkunft
form ausgestaltet werden. Und weiter haben wir vor- war, wird dabei ausschließlich auf dem eigenen Gerät
geschlagen: gespeichert. Wird bekannt, dass bei dem Zusammen-
treffen Infizierte bzw. positiv Getestete anwesend
• Bereits dann, wenn die App heruntergeladen wird, waren, kann dies in Bezug auf den Code über die App
kann die Einwilligung eingeholt werden, dass im Falle ei- bekannt gegeben werden, ohne dass dies für Dritte,
nes von einem Labor eingehenden positiven Befundes die nicht auf der Veranstaltung waren, erkennbar
der App die Person als infiziert gemeldet wird. Wenn wäre. Auf diese Weise könnten die Teilnehmenden
tatsächlich ein positiver Befund vorliegt und die Person gewarnt werden, dass sie eine Veranstaltung mit Infi-
darüber informiert wird, wird sie sodann gefragt, ob die zierten/positiv Getesteten besucht hätten. Mit dieser
Einwilligung fortgelten oder widerrufen werden soll. Vo- Meldung kann ein Hinweis zum Umgang mit der ge-
raussetzung dafür ist unter anderem: Es muss wenigs- lieferten Information ergänzt werden, was den Betrof-
tens ärztlich abgeklärt sein, ob die Mitteilung via App fenen sehr helfen kann.
bei dem Betroffenen überhaupt verantwortbar ist oder
ob bei dem Betroffenen voraussichtlich eine Übermitt- Auf Veranstaltungen kann über einen weiteren QR
lung durch einen Arzt erforderlich sein wird. Code – dies ist mittlerweile teilweise üblich – auch
die Erfassung der Kontaktinformationen erfolgen und
• Für diejenigen, die zur Zeit des Downloads ihre Ein- technisch sichergestellt werden, dass der Gastwirt
willigung zur Weitergabe eines positiven Testergebnis- bzw. Veranstalter keinen Zugriff auf diese Informa-
ses an die übrigen App-Nutzer nicht erteilen, verbleibt tionen hat. Möglich ist auch, dass über die App ein
es beim bisherigen Verfahren (erneuter Versuch der Pseudonym für den/die Nutzer_in festgelegt wird und
Einholung der Einwilligung nach Eingang eines positi- der Person sodann gestattet wird, anstelle der unver-
ven Testergebnisses). Reagiert der Betroffene auf die schlüsselten Kontaktdaten das Pseudonym beim
Nachfrage nach Eingang eines positiven Testergeb- Veranstalter zu hinterlegen. Der zuständigen Ge-
nisses nicht, wird er hieran in bestimmten Abständen sundheitsbehörde wird die Möglichkeit eingeräumt,
noch mehrfach erinnert. die Pseudonymisierung aufzulösen und so auf die
Kontaktdaten zuzugreifen.
• Die Liste der Kontakt-IDs Infizierter sollte von der
App nicht wie bisher alle 24 Stunden, sondern in kürze- • Wenn die App dem/der Nutzer_in einen Kontakt
ren Intervallen, idealerweise stündlich aktualisiert wer- mit einer infizierten Person meldet, sollte sie nähere
den. Dazu müssen gegebenenfalls Serverkapazitäten Informationen zur Meldung liefern und zum Beispiel
erhöht werden. Das ist technisch schnell umzusetzen. erläutern, was ein Kontakt mit geringem Risiko genau
bedeutet.
• Die App kann den Nutzer_innen dazu dienen, ein-
fach und komfortabel die eigenen Kontakte der letzten • Eine umfangreiche Informationskampagne der
Tage zu protokollieren. Die Speicherung und Verarbei- App-Anbieter verweist klar auf die selbstbestimmte
tung dieser Daten muss dabei ausschließlich auf dem Entscheidung eines jeden und wirbt zugleich für Ge-
lokalen Gerät erfolgen. meinsinn. Das erhöht die Akzeptanz der App. Ein kla-
rer Appell an die Bürgerschaft ohne jegliche Drohung
• Der zuständigen Gesundheitsbehörde kann er- ist ein wirksames Instrument, um das Vertrauen in die
möglicht werden, sicher mit Nutzer_innen der App zu App zu stärken. Datenschutz und Freiwilligkeit sind
kommunizieren, um einwilligungsbasiert beispielswei- zentrale Attribute der App: Nutzer_innen entschei-
se Informationen aus dem Kontakt-Tagebuch zu erbit- den selbst, ob sie ihre Daten teilen wollen. Sie dürfen
ten. Lehnt ein Nutzer dies ab, wird er wie im bisherigen aber Zutrauen haben, dass sie zu keinem Zeitpunkt
analogen Vorgehen weiter aufgefordert, Informatio- bloßgestellt oder diffamiert werden können, weil die
nen zu seinen Kontakten zu übermitteln. Anonymität gewährleistet ist. Sie müssen somit keine
Nachteile erwarten, wenn sie sensible Informationen
• Eine weitgehende Einführung von festen und spon- von sich preisgeben. Dabei muss es bleiben.
tan erzeugten QR-Codes ist möglich: Man kann bei

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LfDI BW I 36. Tätigkeitsbericht I 2020

• Die App muss mit der/dem Nutzer_in interagieren und iOS funktioniert, sind folglich zwei Komponenten
und kann zu einer Informations-Stelle ausgebaut wer- notwendig:
den. Sie kann die aktuelle 7-Tages-Inzidenz in allen
Landkreisen darstellen, den Verlauf der Entwicklung • eine Contact-Tracing-App (der Client)
visualisieren und ähnliches. Damit erhalten Nutzer_ • und das GAEN-Framework von Google bzw. Apple.
innen einen praktischen Mehrwert und haben einen
Grund, die App (weiter) zu nutzen. Erst ein Zusammenspiel beider Komponenten er-
möglicht den Austausch von Kontakt-IDs bzw. den
Die Nutzung der App ist also unterstützungswürdig. notwendigen Bluetooth-Informationen mit anderen
Viele unserer Vorschläge wurden bereits oder werden Smartphones. Während die Client-Komponente (App)
noch umgesetzt, was sehr erfreulich ist. in den meisten europäischen Staaten datenschutz-
freundlich umgesetzt wurde, ist die andere Kompo-
Dennoch gibt es unabhängig davon aus datenschutz- nente, also die proprietäre Schnittstelle der Betreiber,
rechtlicher Sicht nach wie vor Mängel, die wir trotz der hinsichtlich der Wahrung der Privatsphäre durchaus
grundsätzlichen Unterstützung der App nicht einfach problematisch. Unter Android ist das GAEN-Frame-
beiseitelegen können. Diese betreffen vor allem auch work in den sog. „Google Play Services“ implemen-
die technische Seite, und hierbei den technischen tiert. Diese müssen also aktiviert sein, damit die CWA
Rahmen, in den die App eingebettet ist. Dieser Rah- funktioniert. Laut Studie sind diese beim Privatsphä-
men wird von Apple und Google bestimmt, weil die renschutz allerdings als besonders problematisch
allermeisten Smartphones mit einem der beiden Be- einzustufen, da Android-Smartphones damit etwa alle
triebssysteme der beiden Unternehmen funktionieren. zwanzig Minuten Verbindung mit Google-Servern auf-
Aus Datenschutzsicht kann europäischen Cont- nehmen und dabei etliche personenbezogene Daten
act-Tracing-Apps ein positives Urteil ausgestellt wer- übermitteln – und das selbst bei einer „datenschutz-
den. Zu diesem Urteil kommt die im Juli 2020 veröf- bewussten“ Android-Konfiguration, wie es die For-
fentlichte Studie „Contact Tracing App Privacy: What scher nennen. Zu den von den Google Play Services
Data Is Shared By Europe’s GAEN Contact Tracing übermittelten Daten zählen unter anderem:
Apps“, die im Auftrag der nationalen Gesundheitsbe-
hörden durchgeführt wurde. In der Studie haben zwei • Telefonnummer
Forscher das Datensendeverhalten europäischer • SIM-Kartennummer
Contact-Tracing-Apps untersucht – darunter auch • eindeutige Gerätenummer (IMEI)
die Lösung aus Deutschland. Insgesamt attestieren • Seriennummer des Geräts
die Forscher den Apps, die im Auftrag der nationalen • WLAN-MAC-Adresse
Gesundheitsbehörden entwickelt wurden, fast durch- • Android-ID
gehend eine datenschutzfreundliche Umsetzung. Die • E-Mail-Adresse des Google-Kontos
deutsche Lösung schneidet unter Datenschutzaspek- • IP-Adresse
ten technisch sogar am besten ab. Das ist auch kein
Zufall, denn gerade die deutschen Datenschützer ha- Aus diesen Informationen könnte Google die Nutzung
ben intensiv an ihrer Entwicklung mitgewirkt. der Contact-Tracing-App sehr genau verfolgen und
mit weiteren Kennungen verknüpfen. Allein die IP-Ad-
Gleichwohl bleibt die Verwendung der Contact-Tra- resse, die regelmäßig an Google zur „Verbesserung
cing-Apps problembehaftet, was weniger an den der Ortsbestimmung“ übermittelt wird, genügt im
Apps selbst liegt, sondern an den Systemfunktio- Grunde, um relativ genau nachzuverfolgen, wo sich
nen, auf die sie zwangsläufig zurückgreifen müssen. ein Nutzer aufhält. Die Datenschutzversprechen sei-
Die Contact-Tracing-Apps funktionieren nämlich nur tens Google, keine Daten aus dem GAEN-Framework
im Zusammenspiel mit dem von Google und Apple bzw. den darauf aufbauenden Contact-Tracing-Apps
speziell entwickelten „Google/Apple Exposure Noti- aufzuzeichnen, fallen daher kaum ins Gewicht.
fication (GAEN) Framework“ zur Kontaktverfolgung.
Dieses Framework ist bei Android wiederum Teil der Die dauerhafte Datenübermittlung an Google wird
Google Play Services – ein Bündel an proprietären durch die Nutzung einer Contact-Tracing-App unter
Hintergrunddiensten und Schnittstellen (APIs) für Umständen sogar noch ausgeweitet. Contact-Tra-
Android-Geräte. Damit Contact-Tracing auf Android cing-Apps benötigen nämlich dauerhaft Zugriff auf

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LfDI BW I 36. Tätigkeitsbericht I 2020

die „Standortermittlung“ bzw. Ortungsfunktion, damit Ein Beispiel für solch eine kritische Sicherheitslücke
sie Bluetooth-Signale mit anderen Smartphones aus- bei Bluetooth ist BlueFrag (CVE-2020-0022), von der
tauschen können. Dadurch fallen zwar keine Stand- alle Android-Geräte mit der Betriebssystem-Versi-
ortdaten an, allerdings muss der Standort dennoch on ab 8.0 bis einschließlich 9.0 betroffen sind. Die
dauerhaft aktiv sein, damit die Contact-Tracing-Apps Schwachstelle ermöglicht eine sogenannte „Remo-
funktionieren. te-Code-Execution“, also die Ausführung beliebigen
Programmcodes durch einen entfernten Angreifer.
Nun könnte man sagen: „Das ist alles bekannt, das Sofern ein Android-Gerät nicht mindestens den Si-
gehört zu Googles branchenüblicher Praxis und hat cherheitsupdate-Stand von Februar 2020 aufweist, ist
nichts mit der Corona App zu tun“. Diese Meinung ist es für diesen Angriff weiter anfällig. In Anbetracht der
natürlich nicht falsch, sie lässt allerdings außer Acht, Android-Welt und seiner veralteten Geräte bzw. der
dass die Contact-Tracing-Apps einen wertvollen Bau- Update-Problematik ist die Nutzung der App daher mit
stein bei der Bekämpfung der Pandemie bilden. In An- einem mittleren bis hohen Risiko verbunden – sofern
betracht der aufgezeigten Datenschutzproblematik, nicht die aktuellen Sicherheitsupdates bzw. mindes-
verursacht von den Google Play Services, stellt sich tens von Februar 2020 eingespielt sind.
nun allerdings die Frage, wie technische Verbesse-
rungen möglich sind, die den Schutz der personen- Es zeigt sich: Statt den Datenschutz zu relativieren
bezogenen Daten erhöhen. Letztendlich könnte die wäre es sehr hilfreich gewesen, seit der Einführung
Möglichkeit weitgehender Ausspähung durch Goo- der App kontinuierliche Updates anzubieten, Wei-
gle zahlreiche Nutzer davon abhalten, solche Apps terentwicklungen zu fördern und die Nutzer_innen-
überhaupt anzuwenden. Auf massive Kritik der Da- freundlichkeit zu erhöhen. Dass die Warn App kritisch
tenschützer hat Google inzwischen reagiert und die zu sehen ist, liegt zu allererst daran, dass zu wenig Ex-
Android-Version so angepasst, dass die App nicht auf pertise und digitaler Wille in die App eingeflossen ist.
die Standortdaten zugreift. Gleichwohl bleiben zahlrei- Wir haben in Deutschland herausragende Entwickler,
che Konflikte mit der DS-GVO bei der Betrachtung der die zukünftig besser in die Fortentwicklung der App
Google Services (Art. 5 Abs. 1 Buchstabe a) und c), eingebunden werden sollten.
Art. 25 Abs. 2 DS-GVO).

Es geht nämlich auch datensparsamer. Im Dezem- >> Weitere Informationen


ber kam dann wie erwartet die Ankündigung, dass die Studie zu Tracing Apps vom Juli 2020
deutsche Corona-Warn-App nun auch in dem freien https://www.scss.tcd.ie/Doug.Leith/pubs/contact_tra-
alternativen Android-Appstore F-Droid bereitsteht. Die cing_app_traffic.pdf
App lässt sich damit komplett ohne die proprietären
Google-Play-Dienste verwenden. Die Free Software Golem.de „Corona-Warn-App ohne Google-Dienste
Foundation Europe (FSFE) begrüßte die Erneuerun- verfügbar“
gen, einige wenige Entwickler haben offenbar hinbe- https://www.golem.de/news/f-droid-coro-
kommen, was öffentlichen Stellen nicht zu leisten ver- na-warn-app-ohne-google-dienste-verfueg-
mochten. bar-2012-152667.html 

Aber nicht nur hinsichtlich des Datenschutzes im


engeren Sinne zeichnen sich beim Einsatz der Co-
rona-Warn-App diverse Defizite ab, sondern auch in
Bezug auf die IT-Sicherheit. Die in Smartphones inte-
grierte Bluetooth-Schnittstelle ist immer mal wieder
von (schwerwiegenden) Sicherheitslücken betroffen,
die es einem Angreifer erlauben, sogar die Hoheit über
das Gerät zu erlangen. Ein wirksamer Schutz gegen
solche Angriffsszenarien ist der Verzicht auf die Blue-
tooth-Schnittstelle bzw. deren Nutzungsreduzierung.
Für die Warn-App hingegen ist es unerlässlich, dass
Bluetooth dauerhaft aktiv bleibt.

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LfDI BW I 36. Tätigkeitsbericht I 2020

2. Das Schrems II – Urteil: ein Paukenschlag Man, Israel, Jersey, Kanada, Neuseeland, Schweiz,
Uruguay sowie Japan. In alle übrigen Länder ist ein
Das mit großer Spannung erwartete Urteil des Eu- Transfer personenbezogener Daten nunmehr ohne
ropäischen Gerichtshofs (EuGH) vom 16. Juli 2020 nähere Prüfung des dortigen staatlichen Rechts oder
(Rechtssache C-311/18 – sogenanntes Schrems der Praxis, soweit Auswirkungen auf die Datenschutz-
II-Urteil) hat erneut den Blick dafür geschärft, dass rechte Betroffener denkbar sind - das betrifft insbe-
der Transfer personenbezogener Daten in Länder sondere die Reichweite der Zugriffsbefugnisse oder
außerhalb Europas nicht der Selbstläufer ist, für den tatsächlich erfolgende Zugriffe staatlicher Sicher-
er bislang überwiegend gehalten wurde und dass die heitsbehörden und den Rechtsschutz europäischer
diesbezüglichen Regelungen in Kapitel 5 der DS-GVO Betroffener hiergegen – nur in den in Artikel 49 der
erheblichen Sprengstoff in sich bergen. DS-GVO abschließend geregelten Fallgruppen aus-
nahmsweise zulässig.
Einerseits erwarten Bürger_innen, Wirtschaftsunter-
nehmen und öffentliche Stellen in Europa in einer Dabei geht es insbesondere um Übermittlungen, die
zunehmend globalisierten Welt zu Recht, dass sie auf der Grundlage einer Einwilligung des Betroffenen
personenbezogene Daten im Interesse ihrer Frei- erfolgen. Die Einwilligung muss ausdrücklich sein, hin-
zügigkeit und wirtschaftlichen Betätigung und um reichend bestimmt, das heißt: sie muss für einen klar
kulturellen und wissenschaftlichen Austausch zu er- umrissenen Fall einer Datenübermittlung beziehungs-
möglichen in Empfängerstaaten außerhalb Europas weise einer Reihe von Übermittlungen erteilt werden.
versenden und dort verarbeiten lassen können. Ande- Zudem muss sie informiert, das heißt in Kenntnis
rerseits macht das Informationsinteresse staatlicher der Sachlage erfolgen, insbesondere, was die mög-
Stellen in diesen außereuropäischen Ländern (etwa lichen Risiken der Übermittlung betrifft. Daraus folgt
der Sicherheits- und Geheimdienste oder von Gerich- eine Verpflichtung zur Information des Betroffenen
ten und Strafverfolgungsbehörden) vor den perso- über die spezifischen Risiken, die sich daraus erge-
nenbezogenen Daten europäischer Bürger_innen, die ben, dass seine Daten in ein Land übermittelt werden,
in den jeweiligen Drittstaat gelangt sind, nicht halt. das keinen angemessenen Rechtsschutz bietet und
Die DS-GVO misst solche Zugriffe grundsätzlich an in dem keine geeigneten Garantien zum Schutz der
den Vorgaben des Europäischen Rechts, weil sie die Daten vorgesehen sind.
Daten über ihre gesamte Verwendungszeit hinweg
auch bei einer Verbringung außerhalb des räumlichen Weiter fallen unter Artikel 49 Übermittlungen, die für
Anwendungsbereichs der DS-GVO durch ein einheitli- die Erfüllung eines Vertrages mit der betroffenen Per-
ches hohes Schutzniveau sichern will. son erforderlich sind, Übermittlungen, die für die Wah-
rung der zwingenden berechtigten Interessen des
Mit Urteil vom 16. Juli 2020 hat der EuGH die Ange- Verantwortlichen erforderlich sind sowie Übermittlun-
messenheitsentscheidung der Europäischen Kom- gen aus wichtigen Gründen des öffentlichen Interes-
mission für die USA, den sogenannten EU-US Pri- ses. Im Fall eines Vertrags mit dem Betroffenen oder
vacy-Shield, mit sofortiger Wirkung für unwirksam einer Übermittlung zur Wahrung der zwingenden be-
erklärt und sich auch zu Transfers in die USA auf der rechtigten Interessen des Verantwortlichen darf die
Grundlage der übrigen Transferinstrumente des Kapi- Übermittlung nach Erwägungsgrund 111 Satz 1 nur
tels 5 der DS-GVO geäußert: gelegentlich beziehungsweise nach Artikel 49 Absatz
1 Satz 2 DS-GVO nicht wiederholt erfolgen und nur
Existiert für das Zielland eine Angemessenheitsent- eine begrenzte Zahl betroffener Personen betreffen.
scheidung der Europäischen Kommission, ändert
sich für den Datenexporteur im Vergleich zur bishe- Gerade bei der Übermittlung personenbezogener Da-
rigen Rechtslage nichts. Es gibt gültige Angemessen- ten – etwa von Kunden oder Mitarbeitenden – in Zu-
heitsentscheidungen der Europäischen Kommission, sammenhang mit der Nutzung von Cloud-Diensten
die ein ausreichendes, dem europäischen Daten- oder dem Einsatz bestimmter Software werden die
schutzrecht im Wesentlichen gleichartiges allgemei- Grenzen des nach Artikel 49 DS-GVO Zulässigen häu-
nes Datenschutzniveau für alle denkbaren Transfer- fig überschritten sein. Der EuGH hat klargestellt, dass
konstellationen attestieren, für die folgenden Länder: die Nutzung alternativer Transferinstrumente – wie
Andorra, Argentinien, Färöer-Insel, Guernsey, Isle of etwa der Standardvertragsklausel der Europäischen

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LfDI BW I 36. Tätigkeitsbericht I 2020

Kommission oder sogenannter ad-hoc-Verträge, das Das betrifft zum einen das auf Sektion 702 FISA ge-
heißt individueller Vertragsklausel (Art. 46 Abs. 3 stützte sogenannte PRISM-Programm, das es US-Si-
Buchstabe a DS-GVO) oder verbindlicher Unterneh- cherheitsdiensten gestattet, Dienstleister für elek-
mensrichtlinien – stets unter dem Vorbehalt steht, tronische Kommunikation mit Sitz in den USA zur
dass die Verhältnisse im jeweiligen Zielland die ver- Herausgabe aller dort vorhandenen Informationen mit
traglich zwischen dem Datenexporteur und dem Date- Bezug zu bestimmten Verdachtspersonen, die nicht
nimporteur vereinbarten Datenschutzgrundsätze und US-Bürger_innen sind, zu verpflichten. Verdachts-
Datenschutzrechte für Betroffene nicht aushebeln, gründe können sich unter den Gesichtspunkten be-
etwa durch zu weit reichende Zugriffsbefugnisse waffneter Angriff auf die USA, Spionage, Terrorismus
der dortigen Sicherheitsbehörden oder unzureichen- und Verbreitung von Massenvernichtungswaffen er-
den Rechtsschutz für Betroffene im Fall, dass es zu geben.
solchen Zugriffen kommt (EuGH, Urteil vom 16. Juli
2020, Rd. Nr. 92). Das ebenfalls auf Sektion 702 FISA gestützte soge-
nannte Upstream-Programm verpflichtet die Unter-
Für die USA hat der Europäische Gerichtshof in sei- nehmen, die den Internet-Backbone in den USA und
nem Urteil einen Teil der von der Europäischen Kom- für den Datentransfer dorthin betreiben, dazu, der
mission in ihrem Rechtsakt zum EU-US Privacy Shield National Security Agency (NSA), dem größten Aus-
aufgeführten Zugriffsbefugnisse für die Sicherheits- landsgeheimdienst der USA, den Zugriff auf sämtli-
behörden der USA und den hiermit im Zusammen- che übertragenen Meta- und Inhaltsdaten zum Zweck
hang stehenden Rechtsschutz Betroffener aus Euro- der Filterung nach bestimmten Selektoren (vor allem
pa geprüft und ist zu dem Ergebnis gekommen, dass Kommunikation von oder über bestimmte Personen)
es insoweit an einer hinreichend klaren und präzisen zu gestatten. Darüber hinaus gibt es eine Dienstan-
Eingrenzung des Umfangs der Datenerhebung durch weisung (EO 12333), die Sicherheitsbehörden der
die Sicherheitsbehörden fehlt, ohne dass die Zugriffe USA zum Zweck der Auslandsaufklärung den Zugriff
irgend einer gerichtlichen Kontrolle unterlägen. auf Daten elektronischer Kommunikation auf dem

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Wer als Datenverarbeiter künftig auf dem europäischen Markt agieren will, muss europäische Datenschutzstandards erfüllen.

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LfDI BW I 36. Tätigkeitsbericht I 2020

Transitweg in die USA oder während der Durchleitung aus der Europäischen Union oder dem europäischen
durch die USA gestattet. Das ermöglicht der USA Zu- Wirtschaftsraum in Drittstaaten übermittelt werden
gang zu den Tiefseekabeln auf dem Grund des Atlan- sollen. Auch der Europäische Datenschutzausschuss
tischen Ozeans, in denen Daten elektronisch von Eu- hat inzwischen Empfehlungen zu zusätzlichen Maß-
ropa in die USA übertragen werden. Allerdings gibt es nahmen im technischen, organisatorischen und ver-
bislang keinen Beweis dafür, dass die NSA von dieser traglichen Bereich herausgegeben.
Möglichkeit tatsächlich Gebrauch gemacht hat.
Entscheidend ist, dass möglichst bald einheitliche
Der EuGH hat in seinem Urteil auch darauf hingewie- Bewertungen bezüglich sämtlicher relevanter Zu-
sen, dass Verantwortliche das Ergreifen zusätzlicher griffsbefugnisse von Sicherheitsbehörden und des
Maßnahmen prüfen können, um einen Transfer doch diesbezüglichen Rechtsschutzes für Betroffene aus
noch rechtmäßig zu ermöglichen, wenn das Recht Europa zumindest für die wichtigsten Zielländer per-
des Drittstaates dem dortigen Datenimporteur aus sonenbezogener Daten aus Europa gefunden werden,
der Union übermittelter personenbezogener Daten also etwa für die USA, China, Brasilien und Russland.
Verpflichtungen auferlegt, die den vertraglich über- Die Datenschutzaufsichtsbehörden der Europäischen
nommenen Pflichten in den Standarddatenschutz- Mitgliedstaaten können und sollen dafür einen wich-
klauseln oder verbindlichen Unternehmensrichtlinien tigen Beitrag leisten. Anders wird sich die dringend
und damit dem Europäischen Datenschutz wider- notwendige Rechtssicherheit auf dem Gebiet des in-
sprechen (EuGH, Urteil vom 16. Juli 2020, Rd. Nr. 133 ternationalen Datentransfers kaum (wieder-)herstel-
bis 135). len lassen.

Insoweit sind – abhängig von den konkreten Umstän- Das EuGH-Urteil führt nicht nur Unsicherheit für Da-
den des jeweiligen Einzelfalls – sowohl technisch-or- tenverarbeiter, sondern bedeutet auch: Wenn ein da-
ganisatorische Maßnahmen wie etwa eine weitge- tenverarbeitendes Unternehmen künftig auf dem eu-
hende Verschlüsslung der Daten als auch rechtliche ropäischen Markt agieren will, muss es europäische
Maßnahmen, wie die Übernahme zusätzlicher vertrag- Rechtsstandards erfüllen, insbesondere die DS-GVO
licher Pflichten durch den Datenimporteur, denkbar. einhalten. Umso erfreulicher war es, das im Novem-
Im Rahmen von letzterem könnte beispielsweise die ber Microsoft als einer der zentralen Anbieter global
Transparenz erhöht werden, indem der Datenimpor- vernetzter IT-Produkte für Unternehmen einige Vor-
teur sich verpflichtet, dem Datenexporteur und dem schläge für Garantien gemacht hat, die unmittelbar
Betroffenen Informationen über Zugriffsbefugnisse die Nutzerrechte stärken.
staatlicher Stellen auf die übermittelten Daten in sei-
nem Land zur Verfügung zu stellen. Zudem könnten Die neuen Vertragsklauseln von Microsoft enthalten
die Informationspflichten gegenüber dem Betroffe- Regelungen über den Anspruch auf Schadensersatz
nen verstärkt werden, indem dieser unverzüglich in je- für die betroffene Person, deren Daten unrechtmäßig
dem Einzelfall über seine Daten betreffende Heraus- verarbeitet wurden und die dadurch einen materiellen
gabeverlangen einer staatlichen Behörde im Zielland oder immateriellen Schaden erlitten hat. Auch infor-
informiert wird oder der Importeur und/oder Expor- miert das Unternehmen betroffene Personen, wenn
teur sich verpflichten, den Betroffenen durch rechtli- Microsoft durch eine staatliche Anordnung rechtlich
che Beratung und Vertretung bei der Wahrnehmung bindend dazu verpflichtet wurde, Daten an US-Sicher-
seiner Rechte vor den Gerichten und Kontrollstellen heitsbehörden herauszugeben. Der Software-Konzern
im Empfängerstaat zu unterstützen. verpflichtet sich auch, den Rechtsweg zu beschreiten
und die US-Gerichte anzurufen, um die behördliche
Auf die verständliche Unsicherheit unter Verantwort- Anordnung zur Herausgabe der Daten anzufechten.
lichen und Auftragsverarbeitenden, welche konkreten Damit ist zwar die Transferproblematik in die USA
Folgen das Urteil hat und wie künftige notwendige nicht generell gelöst – denn eine Ergänzung der Stan-
Datenübermittlungen in Drittstaaten rechtssicher ge- dardvertragsklauseln kann eben nicht dazu führen,
handhabt werden können, haben wir frühzeitig mit dass der vom Europäischen Gerichtshof als unver-
einer Orientierungshilfe reagiert, die Vorschläge für hältnismäßig beanstandete Zugriff der US-amerika-
ein mögliches Vorgehen und eine Prüfungsreihenfol- nischen Geheimdienste auf die Daten unterbunden
ge vorlegt, wenn weiterhin personenbezogene Daten wird.

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LfDI BW I 36. Tätigkeitsbericht I 2020

Aber Microsoft bewegt sich in die richtige Richtung.


Weitere Schritte von Microsoft müssen folgen. Und
weitere Unternehmen müssen folgen. So können wir
wirklich konkret mit der DS-GVO den europäischen
Standard durchsetzen.

>> Weitere Informationen


Orientierungshilfe „Was jetzt in Sachen Internationaler
Datentransfer“
https://www.baden-wuerttemberg.datenschutz.
de/wp-content/uploads/2020/08/Orientierungshil-
fe-Was-jetzt-in-Sachen-internationaler-Datentransfer.
pdf.

Empfehlungen des Europäischen Datenschutzaus-


schuss zum Internationalen Datentransfer
https://edpb.europa.eu/our-work-tools/public-consul-
tations-art-704/2020/recommendations-012020-mea-
sures-supplement-transfer_de

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Die DS-GVO schützt die Verarbeitung von personenbezogenen Daten von Kindern besonders.

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LfDI BW I 36. Tätigkeitsbericht I 2020

3. Eine Bildungsplattform für Schulen Der Schwerpunkt der Beratungen lag auf Microsoft
Office 365, welches das Kultusministerium als Teil
Die Digitale Bildungsplattform, welche das Kultusmi- der Digitalen Bildungsplattform einführen möchte.
nisterium seit geraumer Zeit plant, beschäftigt uns bis Damit soll den Lehrkräften die Möglichkeit zur Kom-
in diese Tage. Es ist zu begrüßen, dass das Kultusmi- munikation per E-Mail, ein Online-Speicher, eine Text-
nisterium Angebote zur Verfügung stellt, welche den verarbeitung, eine Tabellenkalkulation, eine Präsen-
Schulen das digitale Arbeiten, gerade - aber nicht nur tationssoftware und Weiteres zur Verfügung stehen.
- in der Pandemie erleichtern. Dies ist auch aus Sicht Es war dabei unstrittig, dass das Kultusministerium
des Datenschutzes sinnvoll, denn so können über- eine Datenschutz-Folgenabschätzung (DSFA) erstel-
greifend Lösungen angeboten werden, welche sicher len muss. Darin erfolgt nach Artikel 35 Absatz 7 DS-
funktionieren und die Rechte der Beteiligten achten. GVO eine systematische Beschreibung der geplanten
Unzählige Arbeitssitzungen und Besprechungen ha- Verarbeitungsvorgänge und der Zwecke der Verar-
ben wir im Rahmen der datenschutzrechtlichen Be- beitung, eine Bewertung der Notwendigkeit und Ver-
ratung des Kultusministeriums absolviert und zum hältnismäßigkeit der Verarbeitung in Bezug auf den
Teil sehr umfangreiche Stellungnahmen erarbeitet. Zweck, eine Bewertung der Risiken für die Rechte und
Bereits seit Anfang 2019 fanden hierzu Besprechun- Freiheiten der betroffen Personen und die zur Bewäl-
gen statt, welche im Jahr 2020 deutlich intensiviert tigung der Risiken geplanten Abhilfemaßnahmen, ein-
wurden. Insgesamt haben wir das Kultusministerium schließlich Garantien, Sicherheitsvorkehrungen und
im Rahmen der Digitalen Bildungsplattform in den Be- Verfahren, durch die der Schutz personenbezogener
reichen Daten sichergestellt und der Nachweis dafür erbracht
wird, dass diese Verordnung eingehalten wird, wobei
• Sofortnachrichten-Dienst, den Rechten und berechtigten Interessen der betrof-
• Lernmanagementsystem (LMS), fenen Personen und sonstiger Betroffener Rechnung
• E-Mail, Online-Speicher, Textverarbeitung, getragen wird.
Tabellenkalkulation etc. und
• Identity and Access Managementsystem (IdAM) Eine erste Version der Datenschutzfolgeabschätzung
beraten. (DSFA) wurde Ende April 2020 vorgelegt. Darin waren
als Anwender primär nur Lehrkräfte vorgesehen, wo-
Nach datenschutzrechtlicher Prüfung durch uns wur- bei das Videokonferenzsystem auch Schüler_innen
de der Sofortnachrichten-Dienst Threema bereits im nutzen sollten, ohne dass diese jedoch in die Risikobe-
April für alle Lehrkräfte in Baden-Württemberg durch trachtung integriert wurden. Anfang Juli 2020 legten
das Kultusministerium zur Verfügung gestellt. Anders wir eine umfangreiche Stellungnahme zu dieser DSFA
als der weit verbreitete US-Messenger WhatsApp dem Kultusministerium vor. Im Vordergrund standen
funktioniert Threema datenschutzkonform und ist einerseits strukturelle Kritikpunkte, wie Abflüsse per-
dabei zuverlässig und nutzerfreundlich. sonenbezogener Daten zu Zwecken von Microsoft
sowie die rechtlichen Rahmenbedingungen für den
Die Ausschreibung des Lernmanagementsystems internationalen Datenverkehr, andererseits Mängel
hingegen erfolgte ohne eine datenschutzrechtliche in den Ausführungen der DSFA nach Artikel 35 DS-
Beratung durch uns. In das anschließende Verhand- GVO, wie z.B. eine unzureichende Beschreibung, zu
lungsverfahren im Bereich Datenschutz wurden wir welchen Zwecken welche Verarbeitungen erfolgen.
dann beratend einbezogen. Dadurch konnten wir Bei Letzterem spielt auch die Rechtsgrundlage für
wichtige datenschutzrechtliche Impulse einbringen die Verarbeitungen eine zentrale Rolle, da die Schule
und Korrekturen vornehmen, welche bei der zuvor – als verantwortliche Stelle – hierüber rechenschafts-
erfolgten Erstellung des Ausschreibungstextes leider pflichtig ist (vgl. Artikel 5 Abs. 2 DS-GVO). Weiterhin
nicht beachtet wurden. Weiterhin berieten wir aktiv bezog sich dieser erste DSFA nur auf Dokumente,
in den Bieterrunden das Kultusministerium, um ein welche Microsoft zur Verfügung gestellt hatte. Eine
datenschutzkonformes Lernmanagementsystem für technische Überprüfung dieser Angaben, auch nur
die Schulen in Baden-Württemberg zu erhalten. Wie- stichprobenweise, war nicht erfolgt.
weit diese Impulse und Hinweise vom Kultusminis-
terium berücksichtigt wurden, wird sich bei der Ent- Im Ergebnis sollten daher die in unserer umfangrei-
scheidung für ein Produkt zeigen. chen Stellungnahme enthaltenen Punkte geprüft und

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eine überarbeitete Datenschutzfolgenabschätzung dass das Kultusministerium alternative datenschutz-


vorgelegt werden. Mitte Oktober haben wir vom Kul- konforme Kommunikationsmöglichkeiten bereitstel-
tusministerium eine zweite, ergänzte Version und len sollte, damit Schulen eine echte Wahl haben. Be-
erheblich überarbeitete Risiko-Abschätzung erhalten, reits jetzt steht allen Schulen kostenlos die vom Land
die zwar noch nicht alle datenschutzrechtliche Fragen selbst betriebene und auf die Bedürfnisse der Lehr-
beantwortet, aber eine hinreichende Grundlage für kräfte zugeschnittene Webkonferenz-Software Big-
den Praxistest der Software im Rahmen eines Pilot- BlueButton, das Lernmanagement-System Moodle
projektes darstellt. und der Messenger Threema zur Verfügung. Das Lan-
deshochschulnetz BelWü bietet zudem allen Schulen
Im Pilot sollen die in der DSFA beschrieben Datenflüs- schon länger E-Mail-Adressen unter eigener Adresse
se mit den tatsächlich messbaren verglichen werden der jeweiligen Schule. Hinzunehmen will das Kultus-
und es ist zu prüfen, ob Microsofts Zusagen auch ein- ministerium außerdem das Open-Source-Office-Paket
gehalten werden. „OnlyOffice“ für das gemeinsame und zeitgleiche Ar-
beiten an Dokumenten. Weitere datenschutzkonfor-
Dabei bleiben allerdings – gerade beim Einsatz von me Alternativen können zum Beispiel die Videokon-
US-Dienstleistern – erhebliche Unwägbarkeiten: Mit ferenz-Software Jitsi und der Cloud-Dienst Nextcloud
Blick auf das Schrems II-Urteil des Europäischen Ge- sein.
richtshofes vom Juli 2020 ist derzeit offen, wie zukünf-
tig Datentransfers aus der EU in die USA überhaupt Um solche datenschutzkonform nutzbare Alternati-
legal möglich sind. Und diese Frage wird nicht in Ba- ven aber auch tatsächlich nutzen zu können, müssen
den-Württemberg, sondern letztlich auf europäischer Schulen die Möglichkeiten und Kapazitäten erhalten,
Ebene entschieden. Auch dies ist ein wichtiger Grund, sich mit den Softwarelösungen genauer zu befassen,
warum Schulen bei den genutzten Softwarelösungen die Produkte technisch zu betreuen und Schulungen
immer auf verfügbare und verlässlich einsetzbare und Fortbildungsangebote zu nutzen. Unter anderem
Alternativen schauen sollten. Dass Microsoft im No- deswegen haben wir noch einmal darauf hingewie-
vember zusätzliche Garantien zu den Standardver- sen, dass das Kultusministerium endlich die schon
tragsklauseln formuliert hat, ist zu begrüßen und war bislang völlig unzureichende personelle Ausstattung
notwendig. Gleichwohl sind nicht alle Fragen damit der Schulen mit Datenschutzbeauftragten erheb-
geklärt. lich aufstocken muss. Diese – bereits im 34. Tätig-
keitsbericht 2018 kritisierten – Verhältnisse werden
In unseren Gesprächen mit Microsoft konnten wir mit zunehmender Komplexität und Digitalisierung
durchaus weitere Fortschritte erzielen: Das Angebot immer weniger tragbar. Die Schulen müssen als da-
des Kultusministeriums wird auf spezielle Software- tenschutzrechtlich Verantwortliche auch faktisch in
versionen bauen, welche hinsichtlich des Abflusses die Lage versetzt werden, im Einvernehmen mit der
von Daten an den Anbieter (sogenannte Diagno- Schüler- und Elternschaft über den konkreten daten-
se- oder Telemetriedaten) und der Beobachtung der schutzkonformen Einsatz einer Software entscheiden
Nutzer den bisher an unseren Schulen eingesetzten zu können.
Versionen wesentlich überlegen, also datensparsa-
mer sind. Microsoft kommt zudem unserer Forderung Eine zentral vom Kultusministerium verantwortete
nach, die Verschlüsselung der Daten zu verbessern, digitale Bildungsplattform ist auch aus datenschutz-
die eigenen Verarbeitungszwecke zu reduzieren und rechtlicher Sicht sinnvoll, um die Schulen zu entlasten.
auch eine Anleitung der Lehrkräfte zu datensparsa- Allerdings ist gerade dabei ein entsprechendes da-
mer Nutzung (Nutzerführung) zu implementieren. tenschutzrechtliches Niveau erforderlich, damit sich
Zum Baustein Identity and Access Managementsys- die Schulen auf die Rechtskonformität der Plattform
tem (IdAM) der Bildungsplattform gab es erste Ge- verlassen können. Wie weit dies in den hier geplan-
spräche. Dort sollen die zentralen Identitätsdaten ge- ten Komponenten umgesetzt werden kann, ist noch
speichert und allgemeine Zugriffe verwaltet werden. nicht entschieden. Deswegen darf das Kultusministe-
Es bleibt den Schulen aber weiterhin unbenommen, rium Alternativen nicht vernachlässigen und muss die
auch eigene Kommunikationsmöglichkeiten zu finden Schulen auch personell in ihren Datenschutzkompe-
und datenschutzkonforme Alternativen zu nutzen. Wir tenzen stärken.
haben im vergangenen Jahr sehr deutlich formuliert,

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LfDI BW I 36. Tätigkeitsbericht I 2020

4. Der europäische Blick formationen wird die Vorlage den Anforderungen des
Artikels 26 DS-GVO gerecht und verhilft den betrof-
Die Corona-Pandemie hat natürlich auch die Arbeiten fenen Personen zu einem umfassenden Schutz ihrer
auf europäischer Ebene und in unserer Stabsstelle Rechte. Die Konstrukte der gemeinsamen Verant-
Europa im Jahr 2020 vor erhebliche Herausforderun- wortlichkeit und der Auftragsverarbeitung waren be-
gen gestellt. Neben einem neuen Format vom Grund- reits nach der alten Rechtslage der EG-Datenschutz-
lagen-Schulungs-Videos auf unserer Homepage, mit richtlinie von 1995 bekannt, wurden dort aber nicht so
denen wir Interessierten die Möglichkeit zur Online-In- sehr im Detail normiert wie in den neuen Regelungen
formation geben, wurden auch Projekte der Arbeits- der DS-GVO. Artikel 26 und 28 der DS-GVO formu-
gruppen des Europäischen Datenschutzausschusses lieren diese Regelungen nun ausdrücklich aus und
in den digitalen Bereich verlagert und neue Wege ent- formulieren explizite Vorgaben. Für die datenschutz-
wickelt, um Zielgruppen anzusprechen. rechtliche Praxis und die Gestaltung von Verträgen
erlangen diese Formen der Verantwortlichkeitsvertei-
Gemeinsame Verantwortlichkeit und Auftragsver- lung damit umso größere Bedeutung.
arbeitung
Nach wie vor wird unterschätzt, was sich hinter der Unsere tägliche Arbeit zeigt, dass die Abgrenzung der
Formulierung „gemeinsame Verantwortlichkeit“ in verschiedenen Formen datenschutzrechtlicher Ver-
Artikel 26 der DS-GVO verbirgt. Gemeinsame Ver- antwortlichkeit jedoch komplex und auch die Gestal-
antwortung kann bedeuten: Betreibt eine Kommune tung entsprechender Verträge Verantwortliche vor
eine Facebook-Seite, so ist sowohl sie als auch Fa- Probleme stellen kann. Deshalb wurden mittlerweile
cebook dafür verantwortlich, was auf dieser Seite sowohl unser Muster zur Erstellung eines Vertrages
passiert. Werden Daten illegal verarbeitet? Kommune über die gemeinsame Verantwortlichkeit als auch das
und Facebook sind rechenschaftspflichtig! Nicht nur Muster zur Erstellung eines Vertrages über die Auf-
Facebook mit europäischem Sitz irgendwo im fernen tragsverarbeitung in englische Sprache übersetzt.
Irland. Und nach allem, was wir wissen: Die Daten-
verarbeitung von Facebook ist spätestens seit dem Der Europäische Datenschutzausschuss hat im Sep-
Schrems II Urteil vom Juli 2020 ohne zusätzliche Ga- tember 2020 noch weitere Abhilfe geschaffen und
rantien nicht DS-GVO konform. Das bedeutet: Kom- die „Guidelines on the concepts of controller and
munen, die Facebook-Seiten betreiben, sollten ihre processor in the GDPR“ – sprich „Leitlinien über die
Praxis prüfen und anpassen. Abgrenzung der Verantwortlichkeiten und des Kon-
zepts der Auftragsverarbeitung“ – verabschiedet. Zu
Bereits im vorvergangenen Jahr hatten wir durch diesen hilfreichen und umfassenden neuen Leitlinien
das erste europäische Muster zur Erstellung eines hat die Stabsstelle Europa FAQs erstellt, in denen die
Vertrages über die gemeinsame Verantwortlichkeit Kernaussagen zusammengefasst werden. Indem
die komplexen Vorgaben der DS-GVO umsetzbar ge- die FAQs die Leitlinien ergänzen und zugänglicher
macht. Anhand eines konkreten Projekts von öffent- machen, geben sie einen verständlichen Überblick
lichen und privaten Stellen des Landes war es uns über die doch recht komplexen Rechtsfragen. Damit
zudem möglich, die für die Abgrenzung im Rahmen erleichtert der Frage-Antwort-Katalog auch dem Lai-
gemeinsamer Verantwortlichkeit relevanten Aspek- en den Einstieg in das umfassende Dokument des
te herauszuarbeiten und dadurch die zugehörigen Europäischen Datenschutzausschusses und stellt
Schwerpunkte für die Vertragsgestaltung zu identifi- Querverweise zur Verfügung, um die im Einzelfall re-
zieren. levanten Ausführungen zu finden. Zusätzlich tragen
konkrete Praxisbeispiele zum Verständnis bei und
So haben wir ein Vertragsmuster entworfen, das helfen bei der praktischen Umsetzung. Noch vor der
durch eine Aufschlüsselung der verschiedenen Ver- amtlichen Übersetzung ins Deutsche wurden die Ker-
arbeitungsprozesse in sogenannte Wirkbereiche im naussagen der Guideline den Bürger_innen und ver-
Einklang mit der aktuellen Rechtsprechung des EuGH antwortlichen Stellen auf diese Weise in ihrer Landes-
zu den Voraussetzungen und Grenzen der gemeinsa- sprache zur Verfügung gestellt.
men Verantwortlichkeit steht. Durch genaue Zuord-
nung der Pflichten der einzelnen Verantwortlichen Daneben hat die Stabsstelle, die sich auch mit Grund-
und transparente Bereitstellung aller notwendigen In- satzfragen befasst, unsere Fachreferate unterstützt

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LfDI BW I 36. Tätigkeitsbericht I 2020

und die Grundlage für dort entstandene Handreichun- (Eurojust) und die Europäische Staatsanwaltschaft
gen, wie beispielsweise die Orientierungshilfe zu der (EPPO). Der horizontale Ansatz soll die koordinierte
EuGH-Rechtssache „Schrems II“, geschaffen. Überprüfung dieser Systeme im Lichte des jeweils
einschlägigen europäischen und nationalen Rechts
gewährleisten. Der Fokus liegt dabei insbesondere
Europäische Gremienarbeit auf den Schwerpunktthemen Grenzen, Asyl & Migrati-
Auf seiner 15. Plenumssitzung am 12. November on, Polizeiliche und justizielle Zusammenarbeit sowie
2019 hat der Europäische Datenschutzausschuss Digitaler Binnenmarkt. Zu allen Fragen in diesem Zu-
das neue Coordinated Supervision Committee für sammenhang, wie beispielsweise zur Verteilung von
die Aufsicht über europäische IT-Großsysteme und Verantwortlichkeiten oder der Gewährleistung von
Agenturen geschaffen. Dieses tagte am 3. Dezember Betroffenenrechten, erarbeitet das Komitee Berichte,
2019 zum ersten Mal und verfolgt einen halbjährli- Richtlinien, Empfehlungen und andere Praxishilfen.
chen Sitzungsturnus. Die Stabsstelle Europa nimmt Zusätzlich kann es neben einem Austausch mit den
für unsere Behörde in diesem Gremium als Repräsen- verantwortlichen Stellen auch Kontrollen vornehmen.
tant für Deutschland teil. Neben dieser neu hinzugekommenen Position als
Ländervertretung nehmen wir weiterhin eine Koor-
Im Coordinated Supervision Committee arbeiten der dinierungsposition in der Social Media Expert Sub-
Europäische Datenschutzbeauftragte sowie die nati- group des Europäischen Datenschutzausschusses
onalen Aufsichtsbehörden aktiv zusammen, um eine wahr. Zudem sind wir in den Bereichen internationale
wirksame Aufsicht über IT-Großsysteme und über Zusammenarbeit im Verwaltungsverfahren (Coope-
Organe, Einrichtungen und sonstige Stellen der Union ration Expert Subgroup) und im Bereich der Grund-
zu gewährleisten. Dazu zählen zum Beispiel das Bin- satzfragen (Key Provisions Expert Subgroup) Teil der
nenmarkt-Informationssystem IMI (Internal Market europäischen Familie.
Information System), die Agentur der Europäischen
Union für justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen

© Mohamed Hassan - pixabay

Der Landesbeauftragte koordiniert die Social Media Expert Subgroup des Europäischen Datenschutzausschusses.

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LfDI BW I 36. Tätigkeitsbericht I 2020

Grenzüberschreitende Verwaltungsverfahren >> Weitere Informationen


Auch die internationale Zusammenarbeit in gren- FaQ zur Abgrenzung der Verantwortlichkeit und des
züberschreitenden Verwaltungsverfahren konnte ver- Konzepts zur Auftragsverarbeitung
bessert werden. Mittlerweile sind die Mechanismen https://www.baden-wuerttemberg.datenschutz.
der DS-GVO nicht mehr neu und ihre Handhabung d e / f a q - z u r - a b g r e n z u n g - d e r - v e r a n t w o r t l i c h k e i-
konnte mit den gemeinsamen Erfahrungen der Mit- ten-und-des-konzepts-der-auftragsverarbeitung/
gliedstaaten aus den ersten beiden Geltungsjahren
weiter gestärkt werden. Insgesamt sind die interna- Richtlinien zur Auftragsverarbeitung der EU
tionalen Verwaltungsverfahren aufgrund des hohen https://www.baden-wuerttemberg.datenschutz.de/
Koordinationsaufwandes jedoch im Vergleich zu nati- faq-zur-abgrenzung-der-verantwortlichkeiten-und-des-
onalen Verwaltungsverfahren wesentlich zeitaufwän- konzepts-der-auftragsverarbeitung/
diger. Auch wenn es bei der Zusammenarbeit in die
richtige Richtung geht und wir unseren Betrag leisten: Handlungsprogramm des Coordinated Supervision
Wir haben nach wie vor keinen einheitlichen konse- Committee für die Aufsicht über europäische IT-Groß-
quenten europäischen Vollzug. systeme und Agenturen
https://edpb.europa.eu/sites/edpb/files/files/
Die erste Herausforderung für das neue Jahr steht file1/20200720_workprogramcscfinal.pdf
mit dem Brexit bereits fest. Die Stabsstelle hat für die-
sen Fall bereits Vorkehrungen getroffen, damit auch Präsentation von K. Vogt – Referentin der Stabsstelle
die davon betroffenen Verwaltungsverfahren, die Europa zum Thema „Nutzung sozialer Medien durch öf-
Baden-Württemberg tangieren, ordnungsgemäß fort- fentliche Stellen“
geführt werden können. Es ist sehr empfehlenswert, https://www.baden-wuerttemberg.datenschutz.de/
dass sich deutsche Unternehmen hier nach alternati- wp-content/uploads/2020/12/201016_Herbstkonfe-
ven EU-Dienstleistern umschauen. renz_Nutzung-sozialer-Medien-durch-oeffentliche-Stel-
len_DS-GVO_copyright-Stabstelle-Europa.pdf

Schulungen
Zur fortlaufenden Fortbildung des Hauses bietet
die Stabsstelle Europa weiterhin regelmäßig In-
house-Schulungen für alle Mitarbeitenden an, die seit
Pandemiebeginn erfolgreich auf Online-Formate um-
gestellt wurden. Daneben halten die Referentinnen
der Stabsstelle regelmäßig Vorträge im Rahmen des
Programms des neu gegründeten Bildungszentrums
BIDIB. Letzterem wird in Zukunft auch das von der
Stabsstelle entworfene Format der Online-Schulun-
gen zur Verfügung gestellt werden, um dieses weiter
erfolgreich fortzuführen und in Zukunft noch mehr
datenschutzinteressierte Personen zu begeistern.

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LfDI BW I 36. Tätigkeitsbericht I 2020

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LfDI BW I 36. Tätigkeitsbericht I 2020

5. Prüfung von Tracking auf Medien-Webseiten will, muss es auch sagen, welche und zu welchem
Zweck.
Wer das Internet nutzt, kennt Cookie-Banner. Das sind
die Texte, die mal mehr, mal weniger störend vor, ne- Mit Cookie-Bannern versuchen Webseitenbetreiber,
ben oder unter den eigentlichen Inhalt der Webseite sich Datenverarbeitungen erlauben zu lassen, die
gesetzt werden. Die Nutzer_innen sollen allerlei Infor- ohne Einwilligung gar nicht zulässig wären. In der
mationen zur Kenntnis nehmen und irgendwie damit Regel wollen sie etwa das Surfverhalten beobach-
einverstanden sein. ten, Rückschlüsse über die Person daraus ziehen,
sogenannte Profile der Nutzer_innen erstellen, und
Viele Menschen sind davon nur noch genervt und fra- beides an Unternehmen weitergeben, oft auch weiter-
gen sich, was das soll. Oft heißt es dann, „der Daten- verkaufen. Würden Webseitenbetreiber auf informa-
schutz“ verlange dies. Um es deutlich zu sagen: Tut tions- und einwilligungspflichtige Datenverarbeitun-
er nicht. „Der Datenschutz“ will ausdrücklich nicht, gen verzichten, könnten wir das Internet nutzen, ohne
dass Nutzer_innen entnervt auf irgendetwas klicken ständig auf der Hut sein zu müssen, welche rechtli-
und so vermeintlich eine Einwilligung aussprechen. chen Erklärungen man uns gerade in den Mund bzw.
„Der Datenschutz“ will, dass Nutzer_innen einfach, vor die Maus legt. Und das passiert auch noch selten
klar und übersichtlich informiert werden, damit sie auf rechtmäßige Weise, denn viele Cookie-Erklärun-
auf dieser Grundlage selbst entscheiden können, ob gen sind unvollständig, unverständlich oder schlicht
sie ihre personenbezogenen Daten preisgeben oder falsch. Noch einmal in aller Deutlichkeit: Wenn sich
eben nicht. Nervige Cookie-Banner sind unnötig und Unternehmen darauf beschränken, nur solche Daten
vor allem eins: nervig. Das sehen wir Datenschützer der Nutzer_innen zu verarbeiten, welche für die Nut-
wie die meisten Nutzer_innen. zung der Webseite erforderlich sind, dann bedarf es
keiner Einwilligung. Die nervigen Cookie-Banner wer-
Aber warum braucht es Cookie-Banner dann? Wenn den uns nur deswegen in dieser Form angezeigt, weil
Unternehmen personenbezogene Daten verarbei- der Webseitenbetreiber mehr Informationen über uns
ten wollen, dann müssen sie dies kenntlich machen. sammeln möchte, als er „eigentlich“ braucht.
Wenn ein Unternehmen personenbezogene Daten

© jdwfoto_clear cookies – stock.adobe.com

Zahlreich vorhanden, aber kaum zu verstehen: Die Erläuterungen in Cookie-Bannern.

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LfDI BW I 36. Tätigkeitsbericht I 2020

©Tarik Vision – stock.adobe.com

Cookie-Banner: Webseitenbetreiber wollen eine Erlaubnis für Datenverarbeitungen, die ohne Einwilligung gar nicht zulässig wären.

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Im Sommer 2020 haben wir daher zeitgleich mit an- gen und auch daran zu arbeiten, wirksame Einwilli-
deren deutschen Aufsichtsbehörden in einem groß gungen möglich zu machen, die nicht nervig, sondern
angelegten Verfahren begonnen, im ersten Schritt re- datenschutzkonform sind.
daktionelle Online-Angebote auf die rechtskonforme
Einbindung von Tracking-Technologien zu prüfen. Die Verantwortliche sollten, unabhängig vom Ausgang
Prüfung wurde länderübergreifend vorbereitet und dieses Prüfverfahrens, so sie nicht auf einwilligungs-
wird in enger Zusammenarbeit der beteiligten Lan- bedürftige Verarbeitungen bei Internetangeboten und
desdatenschutzbehörden innerhalb des jeweiligen Apps verzichten möchten, großen Wert darauf legen,
Zuständigkeitsbereiches durchgeführt. Dazu haben dass eine Einwilligung tatsächlich frei und wirksam
wir die laut der Informationsgemeinschaft zur Fest- erfolgen kann. Das bedeutet die Einholung einer vor-
stellung der Verbreitung von Werbeträgern e.V. (IVW) herigen, informierten und transparenten, freiwilligen,
zwölf reichweitenstärksten redaktionellen Online-Me- aktiv für den Einzelfall und separat von anderen Erklä-
dien angeschrieben und einen umfangreichen Fra- rungen eingeholten sowie widerruflichen Einwilligung.
genkatalog übermittelt.

Wir wollten wissen: >> Weitere Informationen


FaQ zu Cookies und Tracking
• Welche eingebundenen Dienste von Drittanbietern https://www.baden-wuerttemberg.datenschutz.de/faq-
einschließlich Auftragsverarbeitern genutzt zu-cookies-und-tracking-2/
werden (z. B. Zählpixel, Analysedienste, Marke-
tingdienste, Trackingdienste, Kartendienste, Orientierungshilfe der Aufsichtsbehörden für Anbieten-
Wetterdienste, Chatdienste), de von Telemedien
• Wie die jeweilige Website mit anderen Webseiten https://www.datenschutzkonferenz-online.de/media/
kommuniziert, oh/20190405_oh_tmg.pdf
• Welche Informationen, Objekte oder sonstigen  
Elemente auf den Endgeräten der Nutzer gespei-
chert werden

Wir sind noch mitten in der Prüfung. Erste vorläufige


Ergebnisse zeigen: Mancher Verlag bindet über 250
verschiedene Drittdienste an über 1.200 Endpunkten
ein und setzt dafür über 500 verschiedene Cookies
ein oder nutzt andere Tracking-Techniken wie Finger-
printing. Das sieht spannend aus.

Und heißt konkret: Mit einem entnervten Klick und der


vermeintlichen Einwilligung genehmigt sich der Ver-
lag die umfassende Verarbeitung von personenbezo-
genen Daten. „Der Datenschutz“ fordert nun, dieses
transparent zu machen. Es ist an den Verlagen, den
Nutzer_innen darzulegen, warum bis zu 500 Cookies
eingesetzt oder hunderte Drittdienste eingebunden
werden.

Wir werden die Prüfung abschließen und das Ge-


spräch mit den Verlagen suchen. Bevor es diese Coo-
kie-Banner gab, gab es Cookies und Drittanbieter auf
den Webseiten der Verlage. Mit den nervigen Cook-
ie-Bannern wurde dies zumindest in Teilen transpa-
rent gemacht. Es wird sicherlich lohnend sein, den
Weg der Nutzer_innen-Information weiter zu verfol-

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6. Aktuelles aus der Bußgeldstelle AOK – heilende Wirkung eines Bußgeldes für eine
Krankenkasse
Vom 01.01.2020 bis zum 31.12.2020 wurden bei
der Bußgeldstelle insgesamt 174 neue Verfahren Mitte Juni haben wir gegen die AOK Baden-Würt-
anhängig. Während die Anzahl der Neueingänge in temberg ein Bußgeld in Höhe von 1.240.000,- Euro
den Monaten vor Ausbruch der Corona-Pandemie verhängt, weil sie technische und organisatorische
in Deutschland noch über den Eingangszahlen der Maßnahmen zum Schutz personenbezogener Daten
Vorjahresmonate lag, gingen die Eingangszahlen ab nicht in ausreichendem Umfang implementiert hat-
dem Monat April spürbar zurück und lagen erst in den te. Es handelt sich dabei um das bisher höchste in
Sommermonaten wieder auf einem zum Vorjahr ver- Baden-Württemberg verhängte Bußgeld und um das
gleichbaren Niveau, bevor sie im Herbst wieder deut- erste Bußgeld gegen eine öffentliche Stelle.
lich abnahmen.
Durch monatelange Ermittlungsarbeit der Bußgeld-
Im Berichtszeitraum hat die Bußgeldstelle 19 Buß- stelle konnte nachgewiesen werden, dass bei Gewinn-
geldbescheide erlassen. Ein solcher Bescheid ist der spielen, welche die AOK in den Jahren 2015 bis 2019
Schlusspunkt eines umfangreichen Prüfverfahrens. durchgeführt hatte, personenbezogene Daten wie die
Diese Bescheide richteten sich sowohl gegen Einzel- Kontaktdaten und die Krankenkassenzugehörigkeit
personen als auch gegen kleine, mittlere und größere von Gewinnspielteilnehmern erhoben und ohne deren
Unternehmen. Dabei standen häufig Verstöße gegen Einwilligung an die Vertriebsabteilung der AOK zur
die technischen und organisatorischen Maßnahmen Neukundenakquise übermittelt worden waren. Auf
gem. Art. 32 DS-GVO im Zentrum der Vorwürfe. Ins- diese Weise wurden personenbezogene Daten von
gesamt wurden Bußgelder in Höhe von 1.670.050 mehr als 500 Gewinnspielteilnehmern ohne deren Ein-
Euro zuzüglich Gebühren in Höhe von 16.088 Euro willigung zu Werbezwecken verwendet. Versicherten-
festgesetzt. daten waren hiervon nicht betroffen. Neben weiteren
investigativen Maßnahmen vollzog die Bußgeldstelle
mit personeller Unterstützung der Kriminalpolizei die
zeitgleiche Durchsuchung mehrerer Niederlassungen

© LfDI BW

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LfDI BW I 36. Tätigkeitsbericht I 2020

der AOK Baden-Württemberg und wertete anschlie- Herausforderung Videoüberwachung


ßend circa 12.000 beschlagnahmte Gewinnspielkar-
ten und weitere Beweismittel aus. Dank des offenen Wegen rechtswidriger Verarbeitung personenbezo-
Umgangs mit den eigenen Versäumnissen seitens gener Daten durch Videoüberwachung des öffent-
der AOK und der sehr guten Zusammenarbeit mit lichen Raumes hat die Bußgeldstelle seit Erstellung
unserer Behörde konnte es gelingen, die technischen des letzten Tätigkeitsberichts mehrere Bußgelder
und organisatorischen Maßnahmen im Vertriebsbe- verhängt. So haben wir unter anderem im November
reich der AOK in relativ kurzer Zeit auf ein gutes und 2019 wegen der umfangreichen Videoüberwachung
datenschutzkonformes Niveau anzuheben. eines Restaurants mit 350 Sitzplätzen und insgesamt
24 Videokameras ein Bußgeld in Höhe von 5.000
Das Verfahren zeigt dabei nicht nur, dass Datensi- Euro festgesetzt. Hierbei handelte es sich zwar um
cherheit eine Daueraufgabe ist, welche die regelmäßi- einen schwerwiegenden Fall einer rechtswidrigen Vi-
ge Überprüfung und Anpassung der technischen und deoüberwachung, jedoch nicht um einen Einzelfall.
organisatorischen Maßnahmen abhängig von der So gingen im Berichtszeitraum bei der Bußgeldstel-
Entwicklung der tatsächlichen Verhältnisse erfordert. le eine Vielzahl von Anzeigen wegen der Videoüber-
Vielmehr dokumentiert das Verfahren auch, dass öf- wachung des öffentlichen, aber auch des privaten
fentliche Stellen den gleichen Anforderungen an eine Raums ein.
rechtskonforme Verarbeitung von personenbezoge-
nen Daten wie private Verantwortliche unterliegen Die mit Bußgeldern belegten Verstöße reichten von
und dass bei Datenschutzverstößen durch öffentli- der Videoüberwachung des Gehwegs mit einer Video-
che Stellen, soweit die entsprechenden Vorausset- kamera bis zur Totalüberwachung des Restaurants
zungen hierfür vorliegen, auch eine Sanktionierung mit 24 Kameras, von der Aufzeichnung von Verkehr-
durch Bußgelder in Betracht kommen kann. steilnehmern durch eine Dash-Cam bis zum Eingriff
in die Intimsphäre durch Überwachung von Umklei-
den. Die verhängten Bußgelder lagen dabei, abhängig
von den zu berücksichtigenden Kriterien des Art. 83
Abs. 2 DS-GVO wie beispielsweise der Schwere des
Verstoßes und den wirtschaftlichen Verhältnissen
der verantwortlichen Stelle, zwischen 250 Euro und
mehreren tausend Euro pro Verstoß.

Zwar kann die Verar-


beitung personenbe-
zogener Daten durch
den Einsatz von Video-
kameras im öffentlichen
Raum durchaus zulässig
sein, wenn die Verarbei-
tung zur Wahrung der be-
rechtigten Interessen der
Verantwortlichen erforder-
lich ist und nicht die Grund-
rechte und Grundfreiheiten
der betroffenen Personen
überwiegen (Art. 5 Abs. 1
Buchst. a DS-GVO i.V.m. Art. 6 Abs. 1 Buchsta-
be f DS-GVO). Im Fall der geahndeten Videoüberwa-
chung eines Restaurants vom November 2019 war
die Videoüberwachung jedoch nicht zur Wahrung der
vom Verantwortlichen verfolgten Interessen erforder-
lich. Dieser begründete die Videoüberwachung unter

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LfDI BW I 36. Tätigkeitsbericht I 2020

anderem mit dem Schutz des offen zugänglichen Buf- de gegen Ausgabe einer Garderobenmarke verwahrt.
fets vor unbefugten Eingriffen durch Dritte, wie Ver- Das durch unsere Bußgeldstelle im aktuellen Berichts-
giftungen durch Konkurrenten. Erforderlich ist eine zeitraum erstmals verhängte Bußgeld im siebenstel-
Maßnahme zur Interessenswahrung aber nur, wenn ligen Bereich gegen die AOK Baden-Württemberg
ein Grund, etwa eine Gefährdungslage, hinreichend reiht sich ein in eine Vielzahl von vergleichbar hohen
durch Tatsachen oder die allgemeine Lebenserfah- oder sogar höheren Bußgeldbeträgen, die seit Wirk-
rung belegt ist (BVerwG, Urteil vom 27.03.2019, Az. 6 samwerden der DS-GVO von deutschen und anderen
C 2.18, Rz. 26). europäischen Datenschutzaufsichtsbehörden gegen
Da ein solcher Eingriff bisher nicht erfolgt war und Verantwortliche verhängt wurden. Die Erwartung,
auch keine entsprechende konkrete Gefährdungs- dass die Bußgeldregelungen der DS-GVO zu deutlich
lage vorgetragen oder ersichtlich war, war auch die höheren Bußgeldern führen würden, hat sich also be-
Videoüberwachung nicht aus diesem Grund erfor- stätigt.
derlich. Auch die vom Verantwortlichen vorgebrachte Dennoch verhängen wir Bußgelder stets mit Augen-
Begründung des Schutzes des Eigentums der Gäste maß und zugeschnitten auf den jeweiligen Einzelfall,
vor Diebstahl, insbesondere wenn diese ihren Platz was etwa durch die Bandbreite der verhängten Buß-
und damit ihre Wertgegenstände verlassen, um sich gelder bei unzulässigen Videoüberwachungen er-
am Buffet zu bedienen, vermochte die Videoüberwa- sichtlich wird. An einem Wettlauf um möglichst hohe
chung nicht zu rechtfertigen. Zwar stellt der Dieb- Beträge oder möglichst viele Bescheide beteiligen wir
stahlschutz ein grundsätzlich berechtigtes Interesse uns ausdrücklich nicht. Vielmehr zeigt die Anzahl der
dar, welches auch – obwohl solche Diebstähle dem Bußgeldbescheide, dass eine Sanktionierung nach
Verantwortlichen nicht bekannt waren – durch die all- wie vor nur in Einzelfällen erfolgt, wenn Datenschutz-
gemeine Lebenserfahrung belegt sein kann. Jedoch verstöße auch unter Berücksichtigung sonstiger
ist eine Videoüberwachung nur dann erforderlich, Abhilfemöglichkeiten gemäß Art. 58 Abs. 2 DS-GVO
wenn gleichzeitig dem damit verfolgten Interesse sanktionsbedürftig erscheinen. Auch belegen unsere
nicht ebenso gut durch eine andere gleich wirksame, praktischen Erfahrungen, dass immer mehr Verant-
aber schonendere Maßnahme Rechnung getragen wortliche die Notwendigkeit und den Mehrwert geeig-
werden kann. neter Formen der Verarbeitung von personenbezoge-
nen Daten erkennen, bevor wir als Aufsichtsbehörde
Schonender als die Videoüberwachung sind insbe- damit befasst werden.
sondere Maßnahmen, die das informationelle Selbst-
bestimmungsrecht der Besucher_innen der öffent-
lich zugänglichen Räume nicht berühren (BVerwG,
a.a.O.). Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund
des mit der Videoüberwachung des Gastraumes
einhergehenden schwerwiegenden Eingriffs in das
Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung
der betroffenen Personen, hier der Gäste und Mitar-
beitenden. Denn in einem Restaurant verweilen Gäste
typischerweise länger, weshalb eine ständige Video-
überwachung solcher Bereiche auch eine erhebliche
Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts darstellt
(vgl. AG Hamburg, Urteil vom 22. April 2008 – 4 C
134/08), die nur dann gerechtfertigt sein kann, wenn
den berechtigten Interessen nicht in anderer Weise
zumutbar Rechnung getragen werden kann. Eine die
Persönlichkeitsrechte der betroffenen Personen nicht
verletzende und gleichzeitig mindestens ebenso wirk-
same Maßnahme wäre vorliegend z.B. das Aufstellen
von abschließbaren Spinden und Schließfächern für
die Gäste oder eine Garderobe gewesen, an welcher
ein Mitarbeiter Kleidungsstücke und Wertgegenstän-

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7. Exit – Abschied vom Vereinigten Königreich besondere die Standarddatenschutzklauseln der Eu-
und Twitter ropäischen Kommission, verbindliche interne Daten-
schutzvorschriften (sogenannte Binding Corporate
Rules, BCR) oder die Fallgruppen des Artikel 49, zum
Brexit – Folgen für den Transfer personenbezoge- Beispiel ausdrückliche Einwilligungen der betroffenen
ner Daten Personen in Betracht.

Der Austritt des Vereinigten Königreichs (UK, beste- Die Aufsichtsbehörden der Europäischen Mitglied-
hend auch England, Schottland, Wales und Nordir- staaten haben sich im Berichtszeitraum ausführlich
land) aus der Europäischen Union war zunächst zum mit den Folgen des Brexit auf dem Gebiet des Daten-
29. März 2019 vorgesehen und erfolgte nach weite- schutzes befasst. Schwerpunktmäßig ging es dabei
ren Verlängerungen zum 31. Januar 2020. In dem zum einen um die weitere Behandlung bereits laufen-
Austrittsabkommen vom 24. Januar 2020 war eine der Zusammenarbeitsverfahren nach Artikel 56 und
Übergangsphase bis zum 31. Dezember 2020 vorge- 60 der DS-GVO (sogenannte One Stop Shop-Verfah-
sehen, in der die langfristigen Beziehungen zwischen ren), an denen die Datenschutzaufsichtsbehörde des
dem Vereinigten Königreich und der Europäischen Vereinigten Königreichs als federführende oder be-
Union neu ausgehandelt werden sollten. In dieser teiligte Aufsichtsbehörde mitgewirkt hat. Insoweit ist
Übergangsphase behielt die DS-GVO trotz des zum entscheidend, ob der Verantwortliche über eine oder
31. Januar 2020 erfolgten Austritts des UK aus der mehrere andere Niederlassungen außerhalb des UK
EU weiterhin ihre Gültigkeit im Vereinigten Königreich. in der EU verfügt. In diesem Fall kann das One Stop
Es bedurfte daher in dem Übergangszeitraum auch Shop-Verfahren unter Federführung der Datenschut-
keiner besonderen Schutzmaßnahmen, wenn per- zaufsichtsbehörde am Ort der anderen Niederlas-
sonenbezogene Daten in das Vereinigte Königreich sung(-en) in der EU fortgesetzt werden. Existiert keine
übermittelt wurden. Außerdem konnten Unternehmen andere Niederlassung in der EU und wird eine solche
mit einer Niederlassung in der EU vom Kooperations- auch nicht kurzfristig vom Verantwortlichen eröffnet,
verfahren der Zusammenarbeit nach Artikel 56 und 60 kann das One Stop Shop-Verfahren mangels (Haupt-)
der Datenschutz-Grundverordnung profitieren. Niederlassung des Verantwortlichen oder Auftrags-
verarbeiters in der EU nicht fortgesetzt werden. Die
Kurz vor Weihnachten verkündeten die EU und das Zuständigkeit für solche Verfahren geht auf alle euro-
Vereinigte Königreich nun eine Einigung, welche auch päischen Aufsichtsbehörden über, in deren Hoheits-
die Frage des zukünftigen Datentransfers in die UK gebiet Betroffene ihren Wohnsitz haben, auf welche
umfasst. Soweit ersichtlich soll nun innerhalb eines die Verarbeitungstätigkeiten des Verantwortlichen
halben Jahres entweder ein Angemessenheitsbe- Auswirkungen haben oder ausgerichtet sind (Artikel
schluss der Europäischen Kommission zugunsten 55 Absatz 1 i. V. m. Erwägungsgrund 122 DS-GVO).
von UK ergehen oder ein anderer Transfermechanis-
mus etabliert werden. Ohne politische Einigung zwi- Weiter haben sich die Aufsichtsbehörden der Mit-
schen dem Vereinigten Königreich und der EU bis zur gliedstaaten mit den Folgen des Brexit auf verbind-
Jahresmitte 2021 ist diese für verantwortliche Stellen liche Unternehmensrichtlinien befasst, die von der
in Europa vergleichsweise komfortable Situation da- Datenschutzaufsichtsbehörde des Vereinigten König-
nach Geschichte. Wie bei einem Transfer personenbe- reichs, dem Information Commissioner`s Office (ICO)
zogener Daten in beliebige andere Drittstaaten auch genehmigt wurden. Insoweit gilt: Eine vom ICO vor
bedarf es dann für einen Transfer personenbezogener dem Wirksamwerden der DS-GVO am 25. Mai 2018
Daten neben den allgemeinen datenschutzrechtlichen erteilte Genehmigung von BCR noch unter der Geltung
Voraussetzungen (etwa nach Artikel 6 der DS-GVO, der Datenschutzrichtlinie aus dem Jahr 1995 (Richt-
sogenannte erste Stufe) auch eines Transfer-Instru- linie 95/46/EG) gilt zunächst weiterhin. Die 33 ver-
ments nach Kapitel 5 der DS-GVO (sogenannte zweite bindlichen Unternehmensrichtlinien, um die es dabei
Stufe). geht, müssen jedoch an die neue Situation angepasst
werden. So muss zum Beispiel ein haftendes Unter-
Solange die Europäische Kommission keine Ange- nehmen in der EU bestimmt und es müssen Neure-
messenheitsentscheidung nach Artikel 45 für das UK gelungen zur Zuständigkeit europäischer Gerichte
erlassen hat, kommen als Transfer-Instrument ins- getroffen werden.

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© Markus Mainka – stock.adobe.com


Der Brexit belastet viele Unternehmen, auch weil es bislang keine klare und dauerhafte Regelung für den Datentransfer gibt.

Für verbindliche Unternehmensrichtlinien, die der In-


formation Commissioner (ICO) nach Wirksamwerden >> Weitere Informationen
der DS-GVO genehmigt hat, ist dagegen eine neue Ge- Hinweise des Europäischen Datenschutzausschusses
nehmigung durch eine europäische Aufsichtsbehör- der EU für vom „Information Commissioner`s Office“
de erforderlich, weil die alte Genehmigung des ICO genehmigte Binding Corporate Rules
mit dem Ende der Übergangsphase ihre Wirksamkeit
verliert. Die neue federführende Aufsichtsbehörde am https://edpb.europa.eu/sites/edpb/files/files/file1/
neuen Hauptsitz des Unternehmens in der EU soll edpb_informationnoteforgroupswithicoasbcrlead-
auch bereits begonnene aber noch nicht abgeschlos- sa_20200722_de.pdf
sene Genehmigungsverfahren des ICO übernehmen
und weiterführen Übersicht zu allen Fragen rund um den Brexit, FAQs und
eine allgemeine Guideline
Es bleibt zu hoffen, dass sich im Zuge des Brexits https://ico.org.uk/about-the-ico/news-and-events/
auch geeignete Sicherheiten für den Datenschutz er- news-and-blogs/2020/01/statement-on-data-protecti-
geben, da ansonsten auf deutsche und europäische on-and-brexit-implementation-what-you-need-to-do/
Unternehmen erhebliche Unsicherheiten beim Daten-  
transfer ins Vereinigte Königreich warten – und auch
über einen Wechsel der Handelspartner nachgedacht
werden muss.

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LfDI BW I 36. Tätigkeitsbericht I 2020

Twexit – Der Ausstieg aus Twitter sondern sind für die datenschutzkonforme Umset-
zung vielmehr (mit) zuständig. Das führt auch dazu,
Wie bereits im vergangenen Tätigkeitsbericht 2019 dass zwischen den beiden gemeinsam Verantwort-
angekündigt, sind wir bei Twitter ausgestiegen und lichen ein Vertrag gemäß Artikel 26 DS-GVO abge-
haben den Account @lfdi_bw zum 31. Januar 2020 schlossen werden muss, in dem die Wahrnehmung
zurückgegeben. Seit November 2017 twitterte der der Pflichten durch die Parteien, wie beispielsweise
Landesbeauftragte als einzige deutsche Daten- die Information gegenüber Betroffenen, transparent
schutz-Aufsichtsbehörde mit einem offiziellen Ac- und eindeutig geregelt werden muss.
count über eigene News, kommentierte das aktuelle
Datenschutz-Geschehen, tauschte sich in Diskussi- Da solche Verträge in datenschutzgerechter Form
onen mit anderen Datenschützer_innen aus und war nicht vorlagen und bis heute nicht vorliegen, war und
auch für unmittelbare Fragen ansprechbar. Der Ac- ist für öffentliche sowie private Betreiber von Fan-
count war erfolgreich - 3.000 abgesetzte Tweets und pages klar: Der Social Media-Auftritt kann so nicht
mehr als 5000 Follower stehen dafür. in rechtskonformer Weise betrieben werden! Noch
verstärkt durch ein Urteil des Bundesverwaltungsge-
Doch bereits die Facebook-Fanpage-Entscheidung richts vom 11. September 2019 (Az. 6 C 15.18), das
des Europäischen Gerichtshofs vom 5. Juni 2018 nicht nur die datenschutzrechtliche Verantwortlich-
(Az. C-210/16) verhieß für Social Media-Nutzer_innen keit des Fanpagebetreibers bestätigt, sondern zu-
nichts Gutes. In diesem Urteil erklärte das Gericht, gleich den Aufsichtsbehörden das Auswahlermessen
dass auch Betreiber einer Fanpage neben dem Platt- zuspricht, zur Beseitigung von Rechtsverstößen beim
formbetreiber selbst als Verantwortliche im Sinne Betrieb der Plattform wahlweise den Plattformbetrei-
von Artikel 4 Nr. 7 DS-GVO anzusehen sind. Bei Da- ber oder den Accountinhaber als „Störer“ in die Pflicht
tenschutzverstößen können sie demnach also nicht zu nehmen, blieb für den Betrieb des LfDI-Accounts
mehr alleine auf den Plattformbetreiber verweisen, bei Twitter kein Raum mehr.

© LfDI BW

Digitale Kommunikation ist datenschutzkonform möglich – zum Beispiel auf Mastodon.

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LfDI BW I 36. Tätigkeitsbericht I 2020

Wenn auch grundsätzlich eine Verhandlungsbereit- ebendiesem Urteil grundsätzlich weiterhin als rechts-
schaft seitens der Social Media-Betreiber durchaus wirksam erachtet, müssen um „geeignete Garantien“
erkennbar ist, so sind die meisten dieser Plattformen zur Einhaltung eines angemessenen Datenschutzni-
nach wie vor nicht datenschutzkonform nutzbar. Viele veaus erweitert werden (mehr dazu in Kapitel 4). Eine
sammeln Daten von angemeldeten Nutzer_innen – genaue Prognose, was dies für die Fanpage-Betreiber
und auch Nichtnutzer_innen (!) – und übermitteln Da- auf Social Media Plattformen bedeutet, kann zum jet-
ten an Dritte, legen aber weder diese Vorgänge noch zigen Zeitpunkt jedoch noch nicht abgegeben werden.
die verwendeten Technologien, die betroffenen Daten- Es bleibt abzuwarten, welche Entscheidungen hier auf
arten, Verarbeitungszwecke oder Empfänger hinrei- europäischer Ebene getroffen werden.
chend offen. Die Verarbeitungen erfolgen zudem oft
ohne Rechtsgrundlage, wobei insbesondere die ho- Einmal mehr stellt sich damit aber die Frage nach
hen Anforderungen an das Einholen einer Einwilligung Alternativen zu Twitter und Co. Und da sieht es wei-
nach Artikel 4 Nr. 11 DS-GVO nicht erfüllt werden. Und terhin nicht besonders komfortabel aus: Eine daten-
vor allem mangelt es zumeist an der Möglichkeit, als schutzkonforme Alternative zu Facebook ist weit und
Accountinhaber_in selbst die geforderte und notwen- breit nicht in Sicht, Facebook ist jedenfalls in Europa
dige Vereinbarung nach Artikel 26 DS-GVO mit dem quasi ein Monopolist, was sich negativ auf deren Ver-
Betreiber abzuschließen. änderungsbereitschaft auswirken dürfte. Bei Twitter
gibt es zwar mit Mastodon einen funktionstüchtigen
Außerdem ergeben sich durch das am 16. Juli 2020 Konkurrenten mit datenschutzkonformer dezentraler
ergangene Urteil des Europäischen Gerichtshofs Struktur – dem fehlt es allerdings noch an Reichwei-
zu „Schrems II“ (Az. C-311/18) nochmals aktuelle te. Als Vorreiter sehen wir hier das Staatsministerium
weitere Herausforderungen bei der Frage nach ei- Baden-Württemberg, das als erstes im vergangenen
ner datenschutzkonformen Nutzung von Social Me- Jahr einen Mastodon-Account eröffnet hat. Wir ha-
dia-Plattformen wie Facebook und Twitter. In seiner ben unseren Mastodon-Account Ende des vergange-
Entscheidung erklärt das Gericht das EU-US-Privacy nen Jahres freigeschaltet – mit erstaunlich positiver
Shield für unwirksam, da das nationale amerikanische Resonanz der Community. Auch weiterhin besteht
Recht insbesondere aufgrund der Zugriffsmöglichkeit gerade im öffentlichen Sektor die Chance, durch Auf-
seitens US-Sicherheitsbehörden kein mit der EU ver- bau einer eigenen staatlichen Plattform eine autarke
gleichbares Datenschutzniveau darstellt. Dies hat die und rechtmäßige Alternative zu schaffen. Mit unse-
weitreichende Folge, dass das EU-US-Privacy Shield rem Server auf Mastodon bieten wir öffentlichen
beim Datentransfer in die USA nicht mehr als Rechts- Stellen – Ministerien, Kommunen, Universitäten und
grundlage herangezogen werden kann. Wie wir wis- weitere – an, sich bei uns einen Account einzurichten:
sen, sitzen die Mutterkonzerne der meisten großen stabil, einfach, rechtskonform. Private Nutzer_innen
Social Media- Plattformen jedoch gerade in den USA. können sich bei anderen Instanzen einen Account an-
Häufig werden Daten auf Servern bei den Mutterkon- legen und uns und den für sie besonders interessan-
zernen gehostet oder sind über Cloud-Lösungen mit ten öffentlichen Stellen folgen – ohne dafür mit ihren
diesen verbunden. Öffentliche Stellen, die dem Vor- persönlichen Daten bezahlen zu müssen.
behalt des Gesetzes unterliegen und in besonderem
Maße rechtsstaatlichem Handeln unterworfen sind, Datenschutzkonforme Plattformen mit einem ver-
müssen hier sehr sorgfältig und streng vorgehen – gleichbaren Wirkungskreis sind bislang also leider
bislang führen wir zwar Gespräche mit den öffentli- noch nicht in Sicht. Dies betrifft alle öffentliche Stellen,
chen Stellen in Baden-Württemberg, grundlegenden Behörden und Hochschulen. Auch hier stellt sich die
Veränderungen sind jedoch bislang nicht zu beobach- drängende Frage, wie man mit der Situation umgehen
ten. Aber auch Unternehmen und Vereine, die Social kann, da von Kommunen bis Hochschulen zumeist
Media-Plattformen nutzen, sind hier gleichermaßen mehrere Social Media-Kanäle parallel genutzt werden,
gefragt. Denn hier stellt sich ganz speziell die Frage, um mit Bürger_innen oder etwa Studierenden in Kon-
wie die Datenverarbeitung, die zwischen Fanpage-Be- takt zu bleiben, Bürgernähe zu schaffen und wichtige
treibern und Social Media-Plattform stattfindet, die Informationen einem möglichst breiten Zielpublikum
wiederum mit amerikanischen (Mutter-)Konzernen in- zukommen zu lassen. So nachvollziehbar und sinnvoll
teragieren, datenschutzkonform möglich ist. Die Stan- die Gründe auch sind, warum Soziale Medien einge-
darddatenschutzklauseln, welche der Gerichtshof in setzt werden, die rechtliche Lage bleibt unumstößlich

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LfDI BW I 36. Tätigkeitsbericht I 2020

und verbietet streng genommen die Nutzung der Mo- >> Weitere Informationen
nopolisten. Daher haben wir mehrfach das Gespräch Vertragsmuster zur Vereinbarung gemäß Art. 26 Abs. 1
mit Ministerien und Hochschulen gesucht, um über S. 1 Datenschutz-Grundverordnung (DS-GVO)
die Lage zu informieren und zu diskutieren, wie zum https://www.baden-wuerttemberg.datenschutz.de/
Beispiel im Arbeitskreis Datenschutz im Juni 2020 im wp-content/uploads/2019/05/190521_Vertragsmus-
Ministerium für Finanzen. Darüber hinaus veranstal- ter-Art-26.docx
teten wir gemeinsam mit der Hochschule der Medi-
en (HdM) Stuttgart eine Online-Diskussion („Öffent- Online-Diskussion mit der Hochschule der Medien
lichkeitsarbeit ohne Likes, Tweets und Follower – Ist (HdM) Stuttgart
die Nutzung von Social Media durch Behörden und „Öffentlichkeitsarbeit ohne Likes, Tweets und Follower
Hochschulen noch zulässig?“), um die verschiedenen – Ist die Nutzung von Social Media durch Behörden und
Sichtweisen auf das Thema gemeinsam zu erörtern. Hochschulen noch zulässig?“)
Die Diskutanten aus Staatsministerium, Kommunen,
Hochschulen und der Landesbeauftragte verständig- Info und Anmeldung Newsletter des Landesbeauftrag-
ten sich nach einer kontroversen Diskussion, weiter- ten
hin gemeinschaftlich das Thema zu bearbeiten. https://www.baden-wuerttemberg.datenschutz.de/oef-
fentlichkeitsarbeit-ohne-likes-tweets-und-follower/
Auch stehen wir mit einem Start-Up in Kontakt, wel-
ches schon jetzt die Möglichkeit bietet, die bestehen- Podcast Datenfreiheit!
den Social Media-Kanäle der öffentlichen Stellen da- https://www.baden-wuerttemberg.datenschutz.de/da-
tenschutz- und benutzerfreundlich auf einer Plattform tenfreiheit/
mitzulesen – auch, wenn dies die geschilderte Proble-
matik der gemeinsamen Verantwortlichkeit nicht be- Mastodon
seitigt, erscheint das Unternehmen auf einem guten https://bawü.social/@lfdi
Weg, sich durch die Weiterentwicklung seines Pro-
dukts zu einem hilfreichen Netzwerk zu entwickeln.
Dieses kann so viel Anreiz bieten, sich nur dort und da-
mit datenschutzkonform mit Informationen öffentli-
cher Stellen zu versorgen und mit diesen und anderen
Nutzer_innen zu interagieren, so dass die eigentlichen
Social Media-Kanäle der öffentlichen Stellen getrost
zu vernachlässigen wären.

Bis es soweit ist bauen wir unsere eigenen Kommuni-


kationskanäle aus. Wir haben für unseren Newsletter
4.500 Abonnenten, einen eigenen Podcast zum Da-
tenschutz „Datenfreiheit!“, von dem bereits 6 Folgen
produziert und veröffentlicht wurden; und wir kom-
munizieren mit großem Einsatz über unseren neu-
en Mastodon-Account https://bawü.social/@lfdi (@
lfdi@bawü.social). Mit unserem Twitter-Ausstieg ist
die Welt jedenfalls nicht untergegangen – wir bleiben
weiterhin kommunikativ und ansprechbar.

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LfDI BW I 36. Tätigkeitsbericht I 2020

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LfDI BW I 36. Tätigkeitsbericht I 2020

8. Bildungszentrum nen Umzug vom Herbst ins kommende Jahr konnten


wir anfangs noch kompensieren. Doch die 2. Welle der
Das Bildungszentrum Datenschutz und Informations- Corona-Pandemie machte unseren Planungen einen
freiheit Baden-Württemberg wurde am 1. Juli 2020 dicken Strich durch die Rechnung. Alle für das Jahr
unter dem Motto „Datenschutz und Informationsfrei- 2020 vorgesehenen Präsenzveranstaltungen muss-
heit zum Anfassen“ gegründet. Ermöglicht wurde die ten abgesagt werden. Es ist derzeit offen, ab wann vor
Gründung dieses Forums für Datenschutz und Infor- Ort wieder Veranstaltungen angeboten werden kön-
mationsfreiheit durch den Landtag. Wir haben Mittel nen. Doch das Bildungszentrum stellt sich dieser He-
und Stellen erhalten, um unser Bildungsangebot aus- rausforderung und baut nun das digitale Bildungsan-
zuweiten. Und die sehr positive Resonanz auf die Ar- gebot mit unterschiedlichen Formaten noch schneller
beit des Bildungszentrums bestätigt den eingeschla- aus. Auch die Inhalte der abgesagten Präsenzveran-
genen Weg, niederschwellig und nah an den Akteuren staltungen werden soweit wie möglich in digitaler
im Land, Dienstleister für den Datenschutz und die Form angeboten, etwa als Online-Veranstaltungen.
Informationsfreiheit zu sein. Wo dies nicht möglich ist, sollen die geplanten Prä-
senzveranstaltungen im Laufe des Jahres 2021 nach-
Mit dem Bildungszentrum wurde für Bürger_innen, geholt werden.
Vereine, Verbände, Unternehmen, Behörden und zi-
vilgesellschaftliche Gruppen eine Anlaufstelle ge- Wichtig für unsere Arbeit hier ist es, dass wir Anregun-
schaffen, die den Beratungsansatz der Landesbe- gen aufnehmen. Wir sind eine lernende Einrichtung,
hörde innovativ weiterführt und fortsetzt. Auch wenn die sich den Bedürfnissen und aktuellen Erforder-
Rechtsfragen einen Schwerpunkt bilden, deckt das nissen anpasst. Wir reagieren zügig auf gesetzliche
Bildungsangebot nicht nur rein rechtliche, sondern Änderungen, nehmen unmittelbar auf, wenn Unter-
auch politische, soziologische oder ethische Frage- nehmen Fragen zur datenschutzrechtlichen Praxis
stellungen ab. haben und unterstützen weiterhin die vielen Vereine
und ehrenamtlich Engagierten, die ebenfalls aufgrund
Die gewählten Veranstaltungsformate verweisen der Pandemie vermehrt digital arbeiten und hier da-
auf die Vielfältigkeit der Themen, die behandelt wer- tenschutzkonform aktiv sein wollen.
den sollen: Klassische Präsenzveranstaltungen wie
Workshops, Schulungen, Vorträge und Konferenzen
werden durch digitale Bildungsangebote wie Online- >> Weitere Informationen
veranstaltungen oder Videos ergänzt. Nach einem für Zum Veranstaltungsangebot des BIDIB
ursprünglich für Herbst 2020 vorgesehenen Umzug https://www.baden-wuerttemberg.datenschutz.de/
der Behörde, der nun in den kommenden Monaten er- offene-veranstaltungen/
folgen soll, werden dem Bildungszentrum eigene Se-
minarräume mit moderner Veranstaltungstechnik zur
Verfügung stehen.

Das Bildungszentrum profitiert als rechtlich nicht


selbstständige Einrichtung von dem Fachwissen der
Behördenmitarbeitenden. Neben fünf zusätzlichen
Stellen, die wir für das Bildungszentrum erhalten ha-
ben, bringen sich auch die übrigen Referent_innen der
Behörde mit ihrem Know-how ein.
Der Start des Bildungszentrums stieß auf sehr viel
positive Resonanz. Es gab viel Zustimmung und Un-
terstützung – gerade auch von den Fraktionen un-
seres Landtags –, wir haben auch bereits zahlreiche
Kooperationsangebote erhalten. Das zeigt: Der Be-
© LfDI BW

darf an einem solchen Zentrum ist da! Angebotene


Präsenzveranstaltungen waren so stark nachgefragt,
dass sie schnell ausgebucht waren. Den verschobe- Das Bildungszentrum erfreut sich großer Nachfrage.

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LfDI BW I 36. Tätigkeitsbericht I 2020

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LfDI BW I 36. Tätigkeitsbericht I 2020

9. Datenschutz als KULTuraufgabe zu erklären, nicht nur eine Änderung der Kommunika-
tion und der Wahrnehmung in der Gesellschaft einher-
Datenschutz so ganz anders geht. Es geht vielmehr darum, auch eine Erweiterung
In der Vergangenheit haben wir im Zusammenhang der Zielgruppe zu erreichen und Datenschutz als All-
mit „Datenschutz als KULTuraufgabe“ gerne nach- tagspraxis und Kulturtechnik zu erkennen. Plötzlich
gefragt, welche Assoziationen Bürger_innen haben, wird es möglich, mit Menschen ins Gespräch zu kom-
wenn sie an eine Behörde denken, deren Hauptauf- men und sie für ein Thema zu sensibilisieren, für das
gabe es ist, sich mit dem Thema Datenschutz zu be- sie sich bisher nicht interessiert haben – oder es so-
fassen. Zu weiten Teilen sind die Antworten genauso gar ausdrücklich ablehnten. Viele von ihnen hätten es
ausgefallen, wie es viele vermuten würden (und wie nicht einmal in Erwägung gezogen, einen klassischen
wir es befürchtet haben). Vortrag zum Thema Datenschutz zu besuchen oder
an einer Fachkonferenz dazu teilzunehmen. Unser
Viele assoziierten Datenschutz mit Paragraphen und besonderer und gleichzeitig unkomplizierter Ansatz
Erklärungen, die derzeit bei jedem Kontakt, sei es bei konnte allen – unabhängig von gesellschaftlicher Stel-
einem Arztbesuch oder auch bei Online-Einkäufen, lung, Ausbildungsgrad oder kulturellem Hintergrund
abzugeben sind. Man macht in der jeweiligen Alltags- – einen Zugang zu einem komplexen und abstrakten
situation ganz eigene Erfahrungen mit dem Thema Thema verschaffen und dabei eine Menge an Vorur-
Datenschutz, aber die Wenigsten verbinden damit teilen, die mit diesem Thema verknüpft wurden, ab-
etwas Positives oder sogar etwas Spannendes oder bauen. Letztendlich konnten wir damit ein Fundament
Unterhaltsames. legen für eine kritische und gut informierte Auseinan-
dersetzung mit den wirklich grundlegenden Fragen
Doch im Laufe des vergangenen Jahres haben wir mit des Datenschutzes im Alltag. Und genau das ist es,
großer Freude festgestellt, dass die Antworten auf Fra- worum es in der DS-GVO geht. In Artikel 57 der DS-
gen nach den Assoziationen zum Thema Datenschutz GVO ist geregelt, dass die Öffentlichkeit durch die Auf-
eben nicht mehr wie zuvor befürchtet ausfallen, son- sichtsbehörden zu beraten, zu informieren, zu sensi-
dern dass sich in der Wahrnehmung der Bürger_innen bilisieren und aufzuklären ist. Besonders werden hier
etwas Grundlegendes verändert hat. Wir merken dies spezifische Maßnahmen für Kinder hervorgehoben.
auch daran, dass unsere Veranstaltungen und unsere Aus diesem Grund haben wir das Jahr 2020 zum Jahr
Kooperationen ein wachsendes Publikum erreichen. der Kinderrechte und des Kinderschutzes erklärt.

Zwischenzeitlich erreichen uns Anfragen und Nach- Auch dieser Bereich unserer Arbeit litt unter Coro-
richten, die deutlich zum Ausdruck bringen, dass un- na-Pandemie. Datenschutz als KULTuraufgabe hat
ser Veranstaltungsformat, Datenschutz als KULTur- den Auftrag, bestehende Kontakte mit Bürger_innen
aufgabe, und die daraus resultierenden Aktionen, in
anderen Behörden, von anderen Institutionen und Un-
ternehmen und von Bürger_innen genau verfolgt und
die neuen Veranstaltungen bzw. Veröffentlichungen
bereits erwartet bzw. geradezu eingefordert werden
– und all das weit über die Grenzen von Baden-Würt-
temberg hinaus.

War es doch ein mutiger Ansatz, das Thema Daten-


schutz auf einer kulturellen und teilweise künstleri-
schen Ebene zu transportieren. Insbesondere, weil
dieser Ansatz zu Beginn die Gemüter erregt hat – ei-
nige haben diesen Neustart belächelt und skeptisch
© Alexas_Fotos_pixabay

beäugt, andere wiederum haben ihn von Anfang an


mit Spannung verfolgt.

Zwischenzeitlich dürfte hinlänglich klar sein, dass mit


dem ungewöhnlichen Ansatz – Daten zum KULTurgut Datenschutz ist unsere Kulturaufgabe.

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LfDI BW I 36. Tätigkeitsbericht I 2020

aufrechtzuerhalten und neue Kontakte zu initiieren jeweiligen Aufenthaltsort zugeschaltet. In Anbetracht


und möglich zu machen. Dazu ist es unerlässlich, im von rund 150 Teilnehmenden an jedem der drei Tage
wahrsten Sinne des Wortes greifbar, sichtbar und tat- und Referent_innen im Inland und verschiedenen
sächlich präsent zu sein – all das, was durch den ers- europäischen und außereuropäischen Ländern war
ten Lockdown im Frühjahr dieses Jahres vollständig dies nicht nur eine technische Herausforderung. Eine
und später weitestgehend unterbleiben sollte. Natür- solche Resonanz für eine Veranstaltung in digitaler
lich wäre es einfach gewesen, Datenschutz als KUL- Form ist bemerkenswert und macht auch in der Digi-
Turaufgabe einfach so lange ruhen zu lassen, bis sich talversion einmal mehr deutlich, dass der Austausch
die durch die Pandemie begründete Ausnahmesituati- zwischen Unternehmen und Behörden mit den Auf-
on wieder gelegt hat – aber das haben wir nicht getan. sichtsbehörden in der „Datenschutz-Szene“ nicht
Das ist einfach nicht unser Ding! Also haben wir uns mehr wegzudenken ist. So werden wir dieses Format
der Herausforderung gestellt und Datenschutz als auch in diesem Herbst fortführen.
KULTuraufgabe digitalisiert.
Die Herbstkonferenz Datenschutz bietet Fachvorträ-
ge, Diskussionen, Expertengespräche, Handlungsleit-
Herbstkonferenz Datenschutz fäden, Beispiele aus der Praxis für alle, die mit dem
Im Oktober 2020 waren wir ein weiteres Mal Schirm- Thema Datenschutz befasst sind. Die Formate „Wirt-
herr der Herbstkonferenz Datenschutz. Veranstalter schaft trifft Aufsicht“ und auch der Behördentag sind
dieser von unserer Behörde initiierten Fachtagung bundesweit einmalig und werden fortgesetzt.
ist der Berufsverband der Datenschutzbeauftragten Erstmalig präsentieren wir im Nachgang zu der
Deutschlands (BvD) e.V.. Die Schirmherrschaft über- Herbstkonferenz die Präsentationen unserer Behörde
nehmen zudem die beiden bayrischen Kollegen Mi- auf unserer Homepage. Wir werden diese Praxis bei-
chael Will, Präsident des Bayerischen Landesamtes behalten und im Laufe der Zeit damit ein Nachschla-
für Datenschutzaufsicht, und Prof. Dr. Thomas Petri, gewerk in Form einer „Experten-Bibliothek“ etablieren.
bayrischer Landesbeauftragter für Datenschutz. Wie
bereits in den vergangenen beiden Jahren blickten
wir die ersten beiden Tage der Konferenz intensiv auf Spotlights
das Verhältnis von „Wirtschaft“ und „Aufsicht“, getreu Um mit den Bürger_innen in Austausch zu bleiben
unserem Motto „Wirtschaft trifft Aufsicht“ – auch in haben wir mit unseren „Spotlights“ dazu eingela-
der Pandemie. den, sich und gute Projekte auf unserer Homepage
zu präsentieren. Die Idee hinter den „Spotlights“ ist,
Der dritte Tag der Veranstaltung richtet sich gezielt mit vielen verschiedenen kurzen Spots zu erzählen,
an Vertreter_innen von Behörden und öffentlichen wie es Einzelnen von uns in dieser so ganz anderen
Verwaltungen. Um den häufig in diesem Bereich sehr Zeit der Pandemie ergangen ist, welche Erfahrungen
speziellen Fragestellungen gerecht zu werden, wer- gemacht, welche Erkenntnisse gewonnen oder wel-
den die Fachvorträge und Diskussionen auf die Fra- che Dinge dabei kreativ geschaffen werden konnten.
gestellungen öffentlicher Verwaltungen spezifisch Ganz bewusst sollten bei den „Spotlights“ nicht die
zugeschnitten. Erörterung rechtlicher (Datenschutz-)Fragen im Vor-
dergrund stehen, sondern KULTurelle bzw. zwischen-
Geplant war diese Datenschutzkonferenz zunächst menschliche Themen beleuchtet werden.
als Hybridveranstaltung. Die im Vorfeld der Herbst-
konferenz erneut ansteigenden Infektionszahlen ha- Datenschutz ist kein Thema, das einen eng begrenz-
ben uns jedoch gezwungen, das Veranstaltungsfor- ten Lebensbereich betrifft – an dieser Stelle beginnt
mat abzuändern. Eine Präsenzveranstaltung erschien und an einer anderen genau definierten Stelle endet.
nicht mehr realisierbar. Plan B war eine Live-Über- Datenschutz ist in erster Linie der Schutz der Frei-
tragung der Rednerbeiträge aus einem eigens dafür heit, die Förderung der Selbstbestimmung und da-
eingerichteten Studio. Doch die stetig steigenden In- mit ein Bürgerrecht. Datenschutz gewährleistet je-
fektionszahlen machten auch diesen Plan zunichte. dem Einzelnen von uns ein Recht auf Bestimmung,
Uns blieb nur noch die Veranstaltung abzusagen oder Erfindung, Veränderung und Neukonzeption des
Plan C auszurufen. Letztendlich haben wir uns für Bildes von uns selbst und auf unsere ganz eigene Pri-
Plan C entschieden und alle Vortragenden von ihrem vatsphäre.

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LfDI BW I 36. Tätigkeitsbericht I 2020

Einige der Spotlights erlauben uns einen Blick hinter


die Kulissen, einen kleinen Blick in die jeweilige Privat-
sphäre des anderen. Auch das ist nämlich Freiheit -
entscheiden zu können, welchen Einblick ich anderen
gewähre, ob überhaupt und wenn ja, wieviel ich von
mir und meiner Privatsphäre preisgebe. Dabei sind
wunderbare Momentaufnahmen entstanden, die wir
von Ende Mai bis Ende Juli 2020 wöchentlich, immer
mittwochs präsentiert haben – denn: Mittwoch war
bei uns Spotlight-Tag!

Einen ähnlichen Gedanken hatte auch die Behörde der


Datenschutzbeauftragten des Kantons Zürich. Dr. Do-
minika Blonski hat im Sommer 2020 nachgefragt, wel-
che Themen die Menschen in Corona-Zeiten beschäf-
tigen und dazu einen Videowettbewerb ausgerufen.
Im Rahmen einer gemeinsamen, grenzüberschreiten-
den und damit internationalen Zusammenarbeit der
Aufsichtsbehörden konnten wir die Gewinnerbeiträge
des Videowettbewerbs der Schweizer Kollegen Ende
September 2020 auf unserer Homepage unter dem

© Meinhardt & Krauss


Motto „Spot an … die Zweite! Datenschutz als KULTur-
aufgabe digital & international“ präsentieren.

Alice lost in Cyberland Ein voller Erfolg: „Alice lost in Cyberland“.


Wir wussten, dass wir damit ein sehr schönes Pro-
jekt begleiten, aber die enorme Resonanz hat uns Gesprächsstoff über das Thema Datenschutz, Frei-
dann doch überrascht. Mit „A. L. I. C. E. Alice lost in heit und Privatsphäre und all das in einem digitalen
cyberland“ (Spotlight Nummer sieben) haben uns die (Kinder-)Zimmer. Wir freuen uns sehr, dass Alice und
Figurenspielerin und Regisseurin Iris Meinhardt, der das Kaninchen unser Portfolio von Datenschutz als
Regisseur und Videokünstler Michael Krauss und KULTuraufgabe auf so spannende und surreale Art
der Komponist und Musiker Thorsten Meinhardt ei- bereichert.
nen kleinen Einblick in ihre künstlerische Arbeit und
die Welt des modernen Figurentheaters gewährt. Im Rahmen unserer Spotlights ist dabei eine Koope-
„A. L. I. C. E. Alice lost in Cyberland“ basiert auf der ration mit Meinhardt & Krauss entstanden, die wir
(Kinder-) Geschichte „Alice im Wunderland“ von Le- auch im nächsten Jahr, soviel kann bereits verraten
wis Carroll. Meinhardt & Krauss ist es gelungen, den werden, mit einem weiteren (digitalen) Kinderprojekt
(Kinderbuch-)Klassiker aus dem Jahr 1865 auf beein- fortsetzen werden, das an „Alice lost in Cyberland“
druckende Weise in ein Robotermärchen zu transfor- in spielerischer Form anknüpft. In den vergange-
mieren: Wie der aktuelle Titel bereits vermuten lässt, nen Jahren sind einige Kooperationen entstanden,
bewegt sich „Alice im Cyberland“, in einer Welt, die die sich erfreulicherweise als besonders nachhaltig
nur allzu viel Potential bietet, um sich in ihr zu verlie- erweisen. Kinder, Jugendliche und junge Erwachse-
ren und „das scheinbar Unwirkliche für wahr zu neh- ne werden so auf das Spannungsfeld aufmerksam,
men“. Ist das nicht eine der zentralen Frage, die uns das zwischen stetig zunehmender Öffentlichkeit und
alle und insbesondere uns Freiheitsschützer, aktuell dem Wert der Privatsphäre und der informationellen
ganz besonders umtreibt? Selbstbestimmung besteht.

A.L.I.C.E bietet in ihrer Verschmelzung von phanta- Eine frühzeitige Diskussion über die Bedeutung des
sievollem Figurentheater und digitalisierter (Kinder-) Datenschutzes ist gerade für die „digital natives“ ele-
Geschichte jede Menge Anknüpfungspunkte und mentar. Sie bewegen sich spielend leicht in der digi-

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LfDI BW I 36. Tätigkeitsbericht I 2020

talen Welt und sind gleichzeitig extrem betroffen. Es bundenen Einschränkungen bei Präsenzveranstaltun-
muss unser gemeinsames gesellschaftliches Ziel gen noch einige Zeit begleiten werden, haben wir den
sein, unseren Nachwuchs so gut zu informieren, zu Vertretern der Initiative „Datenschutz geht zur Schu-
schulen und fortzubilden, dass er oder sie sich in einer le“ vorgeschlagen, online verfügbare Videos für eine
digitalen Welt nicht nur souverän, sondern auch sicher Version „Datenschutz geht zur Schule – digital“ zu
bewegen kann – und das ist nicht nur in technologi- produzieren. Auch hier sind schon die ersten Zeichen
scher Hinsicht gemeint. erkennbar, dass unsere bisherige länderübergreifen-
de Zusammenarbeit der Aufsichtsbehörden auch in
digitaler Form ihre Fortsetzung finden kann. Geplant
Datenschutz geht zur Schule ist eine Produktion von mehreren themenbezogenen
In diesem Sinn unterstützen wir die Initiative „Daten- Einzelbausteinen zum Ende des ersten Quartals 2021.
schutz geht zur Schule“ des Berufsverbandes der Da- Als „Hauptdarsteller“ der Videos sind Vertreter_innen
tenschutzbeauftragten Deutschlands (BvD) e.V. nicht der Aufsichtsbehörden und aus der Gruppe der eh-
nur, wir bauen diese aktiv aus. Die Initiative sensibilisiert renamtlich Aktiven von „Datenschutz geht zur Schule“
Schüler_innen zu einem bewussten Umgang mit dem vorgesehen.
Internet und den sozialen Medien. Wie in den vergange-
nen Jahren haben wir auch in diesem Jahr parallel dazu
die Kolleg_innen der anderen Datenschutzaufsichtsbe- Kooperation mit der Dualen Hochschule
hörden zu einer gemeinsamen und koordinierten Aktion Baden-Württemberg
über die Ländergrenzen hinweg eingeladen. Die länder- Die seit mehreren Jahren bestehende Kooperation mit
übergreifende Abstimmung und Koordination lag dabei der Dualen Hochschule Baden-Württemberg (DHBW)
wie bisher in Baden-Württemberg. Bedauerlicherweise konnten wir zu erfreulicherweise auch in diesem Jahr
konnten wir die geplanten Präsenzveranstaltungen in fortführen. „privacy by dhbw“ stellt sich der Frage, wie
den Schulen aufgrund der ansteigenden Infektionszah- Menschen für den Datenschutz sensibilisiert und mit
len leider nicht durchführen. welchen technischen Werkzeugen sie dabei unter-
stützt werden können.
Doch auch hier lassen wir uns durch die aktuelle Si-
tuation nicht entmutigen. Als absehbar wurde, dass Wieder einmal mehr konnten die Studierenden unter
uns die Thematik der Pandemie und die damit ver- der fachkundigen Anleitung von Professor Dr. Tobias

© smolaw11 – stock.adobe.com

Kinder sollten einen bewussten Umgang mit dem Internet und Sozialen Medien erlernen.

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Straub, Michael Schlegel und Ivana Marevic bewei- nistin Daniela Flickentanz, die unserem Haus ja schon
sen, dass Datenschutz kein trockenes und abstraktes länger und wunderbar inspirierend verbunden ist, sich
Thema bleiben muss. Die Wirtschaftsinformatik-Stu- an diesem Projekt beteiligt hat. Eine Präsentveran-
dierenden des 5. Semesters nahmen die Herausfor- staltung war pandemiebedingt nicht möglich, mit
derung mit kreativer Leidenschaft an und zeigten im „Datenschutz kinderleicht – Teil 1 – Rumpelstilzchen“
Rahmen eines Wettbewerbs, dass Unternehmenstrai- wird demnächst aber eine Toolbox inklusive eines Vi-
nings zum Thema Datenschutz und Datensicherheit deos auf unserer Homepage zur Verfügung gestellt.
nicht nur langweilige Pflichtübungen sein müssen.
Den studentischen Teams ist es gelungen, Datenströ-
me und Datenübertragungen zu visualisieren. Darü- Online-Tagung mit der HdM Stuttgart: „Daten schüt-
ber hinaus erarbeiteten sie verschiedene Schulungs- zen – Kinder schützen.“
konzepte u. a. für einen sicheren E-Mail-Versand. Zum Abschluss unserer Arbeit im vergangenen Jahr-
haben haben wir das Thema „Daten schützen – Kinder
Eine Jury – besetzt mit Martina Strifler aus der Behör- schützen!“ fortgeführt. Zusammen mit Hochschule
de des Landesbeauftragten, Dr. Rolf Häcker (Landtag der Medien, Institut für Digitale Ethik, Stuttgart, ha-
Baden-Württemberg), Tobias Birk (PROFI AG) und ben wir im Dezember eingeladen zur Online-Tagung
Christoph Haas (UKBW) – hatte die schwierige Auf- „Daten schützen – Kinder schützen. Datenschutz und
gabe, unter mehreren sehr guten Arbeiten einen Ge- Überwachung in Familie und Alltag“.
winner zu ermitteln. Letztlich fiel die Entscheidung zu-
gunsten eines von Studierenden entwickelten Spiels. Hier haben wir darüber diskutiert, wie der spezielle
Datenschutz kann auch zum Gegenstand eines „seri- Schutz von Kindern im Zuge des immer stärker daten-
ous game“ und zu „virtual reality“ werden. Das mit ei- geprägten Alltags sichergestellt werden kann. Eltern
ner 3D-Brille spielbare Spiel „solve the privacy issues“, tracken ihre Kinder, Spielzeug überwacht die Kinder,
das als Escape Room konzipiert ist, überzeugte die im Netz sind Kinder oftmals unterwegs ohne zu wis-
Jury durch seine technisch professionelle Umsetzung sen, wie sie sich und ihre Daten schützen. Gerade für
und die Tatsache, dass datenschutzrechtlich relevan- die Jüngsten ist es wichtig, denn: Ohne ein Recht auf
te Sachverhalte auf unterhaltsame und spielerische Vergessenwerden ist es sehr wahrscheinlich, dass im
Art und Weise vermittelt werden können. Netz öffentlich gemachte Informationen über Jahr-
zehnte auffindbar bleiben. Wissen Kinder das? Kön-
Die sehr erfolgreiche Kooperation mit der Dualen nen sie absehen, was das bedeutet? Wir wollten mit
Hochschule Baden-Württemberg führen wir auch im einer Tagung für diese Themen sensibilisieren und
aktuellen Semester fort. darauf hinwirken, dass ein bewusster Umgang mit
personenbezogenen Daten zum Schutz der Kinder an
Bedeutung gewinnt.
Datenschutz kinderleicht
„Ach wie gut, dass niemand weiß …“ Wie es auch schon im Rahmen des gemeinsamen
Nachdem wir so wunderbare Erfahrungen mit un- Kunstprojekts „Social Distance Stacks“ mit Florian
seren Kooperationspartnern Duale Hochschule Ba- Mehnert zum Ausdruck gebracht wurde: Soziale Di-
den-Württemberg und der BvD-Initiative „Datenschutz stanz führt dazu, dass wir vermehrt in digitaler Form
geht zur Schule“ bei der Sensibilisierung von Jugend- kommunizieren und auch handeln und dies führt un-
lichen und jungen Erwachsenen sammeln konnten, weigerlich zu viel, viel mehr Datenspuren als vor der
war es an der Zeit, auch ein Konzept für die Kleinsten Pandemie (mehr dazu weiter unten). Und all das gilt
zu entwickeln. Unter dem Motto „Datenschutz kinder- nicht nur für die „Großen“, es gilt für uns alle – für
leicht“ haben wir uns in diesem ungewöhnlichen Jahr Jugendliche, für Kinder und teilweise auch schon für
daran gewagt, einen ersten Teilaspekt des Themas Kleinkinder. Das Thema wird akut, sobald Kinder in
für Kinder im Kindergartenalter aufzubereiten. Wir der Lage sind, einen PC, ein Tablet oder ein Smart-
haben das Märchen „Rumpelstilzchen“ künstlerisch phonezu bedienen, dazu müssen sie nicht unbedingt
interpretiert und kleinen Kindern auf spielerische Wei- auch schon lesen und schreiben können.
se die Bedeutung des eigenen Namens vermittelt. Ein
Kinderlied durfte natürlich nicht fehlen, und dankbar Die angebotenen Vorträge haben das Themengebiet
sind wir dafür, dass die Wiener Sängerin und Kompo- aus psychologischer, juristischer, ethischer und teil-

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© Florian Mehnert

Datenspurensuche: Making of „Social Distance Stacks“ vom Konzeptkünstler Florian Mehnert.

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LfDI BW I 36. Tätigkeitsbericht I 2020

weise auch philosophischer Sicht vielfältig beleuch- >> Weitere Informationen


tet. Dabei ist ein Aspekt ganz besonders in den Vor- Übersicht über alle Angebote und Veranstaltungen
dergrund zu stellen: Kinder entdecken die Welt, in der https://www.baden-wuerttemberg.datenschutz.de/
sie leben, und sie sehen sie auch mit ganz anderen datenschutz-als-kulturaufgabe
Augen als wir Erwachsenen. Kinder sind und waren
schon immer Pioniere und das gilt in heutiger Zeit ins- „Spotlights“
besondere auch für die digitale Welt. Nicht umsonst https://www.baden-wuerttemberg.datenschutz.de/
sprechen wir von „digital natives“. spotlights/#alle-spotlights)

Es sollte zu unseren Hauptaufgaben gehören, die Präsentationen der BvD Herbstkonferenz 2020
kleinen Pioniere auf ihrer Entdeckungsreise durch die https://www.baden-wuerttemberg.daten-
(digitale) Welt zu begleiten und sie dabei bestmöglich schutz.de/jetzt-online-verfuegbar-praesentatio-
zu schützen. Eine der großen Fragen dabei lautet: Wie nen-der-bvd-herbstkonferenz-datenschutz-und-behoer-
können wir den Schutz, den wir Kindern und Jugend- dentag-2020/
lichen in der analogen Welt angedeihen lassen, in die
digitale Welt transferieren? Spot an … die Zweite! Datenschutz als KULTuraufgabe
digital & international
https://www.baden-wuerttemberg.datenschutz.de/vi-
Social Distance Stacks deowettbewerb-dsb-zh-2020/#alle-videos
Den sonst als eher trüb und neblig geltenden Monat
November hat der Konzeptkünstler Florian Mehnert „Datenschutz geht zur Schule“
zur Datenspursuche genutzt. Mitarbeitende der Be- https://www.bvdnet.de/datenschutz-geht-zur-schule/
hörde wurden in riesige, durchsichtige PVC-Luftbla-
sen eingepackt und gemeinsam fotografiert. Vor der „Daten schützen – Kinder schützen“ – Kooperation mit
eigentlichen Foto-Session wurde das gesamte Trep- der Hochschule der Medien Stuttgart
penhaus des Gebäudes Königstraße 10 a, Stuttgart https://www.baden-wuerttemberg.datenschutz.de/
mit bunt gesprayten und damit sichtbar gemachten ideepolis2020-daten-schuetzen-kinder-schuetzen/
Datenspuren ausgelegt. Unter dem Motto „Social Dis-
tance Stacks – Datenschützer gehen in Corona-Zeiten Kooperationsprojekte mit der Dualen Hochschule
den Datenspuren nach“ verdeutlichte Florian Mehnert Baden-Württemberg (DHBW)
auf sehr anschauliche Art, dass soziale Distanz nicht https://studium.dhbw-stuttgart.de/winf/studierenden-
nur zu vermehrter digitaler Kommunikation führt, son- projekte/privacy-by-dhbw/
dern damit unweigerlich auch zu einem erheblichen
Anstieg der Datenspuren, die wir dabei hinterlassen. https://studium.dhbw-stuttgart.de/winf/studierenden-
projekte/privacy-by-dhbw/solve-the-privacy-issues-se-
rious-game/

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LfDI BW I 36. Tätigkeitsbericht I 2020

10. Datenschutz-Vielfalt, veranschaulicht von eines aus unserer Sicht fehlerhaften Verständnisses
Fall zu Fall einer verwaltungsgerichtlichen Entscheidung nicht ge-
sehen. Soweit deshalb Auskunftsanträge allein wegen
Fehlens der formalen Voraussetzungen des § 13 Ab-
10.1 Neues aus dem Amt I: Innere Sicherheit, Justiz, satz 1 Satz 1 LVSG abgelehnt wurden, war dies feh-
Kommunalwesen, lerhaft. Tatsächlich hätte man bei sorgfältiger Prüfung
feststellen können, dass es eine ganze Reihe höch-
Auskunft durch den Verfassungsschutz strichterlicher Entscheidungen gibt, die klarstellen,
Dass wir uns mit dem Landesamt für Verfassungs- dass ein solcher Anspruch auf ermessensfehlerfreie
schutz in juristische Grundsatzdiskussionen verstri- Entscheidung besteht. So stellte das Bundesverwal-
cken, kommt eher selten vor. Ein in der Sache eher tungsgericht bereits im Jahr 1990 fest, dass dann,
weniger spektakulärer Fall einer Bürgerin, der die Aus- wenn sich ein Anspruch auf Auskunft über die zur ei-
kunft durch das Landesamt über die zu ihrer Person genen Person gespeicherten Daten weder dem Grund-
gespeicherten Daten verweigert wurde, führte aber gesetz noch einfachgesetzlichen Bestimmungen ent-
dann doch zu einer längeren Auseinandersetzung, in nehmen lasse, der betroffenen Person gleichwohl die
die auch das Innenministerium eingeschaltet wurde, Auskunftserteilung nicht schlechthin verwehrt sei. So-
und die bis heute noch nicht ganz ausgestanden ist. Es weit nicht ein gesetzliches Auskunftsverbot eingreife,
geht um Folgendes: stehe sie vielmehr im pflichtgemäßen Ermessen der
Behörde:
§ 13 Absatz 3 Satz 1 des Landesverfassungsschutzge-
setzes (LVSG) räumt Bürger_innen grundsätzlich einen „Es besteht daher Übereinstimmung in Rechtspre-
Anspruch darauf ein, vom Landesamt für Verfassungs- chung und Literatur darüber, dass die Auskunfts-
schutz Auskunft darüber zu erhalten, was dort über sie erteilung durch die von der Auskunftsverpflichtung
gespeichert ist. Formal setzt dieser Anspruch voraus, freigestellten Behörden in deren Ermessen liegt.“ (Bun-
dass man auf einen konkreten Sachverhalt hinweist desverwaltungsgericht, BVerwGE 84, 375-390).
und ein besonderes Interesse an der Auskunft dar-
legt. Diese Einschränkungen des Auskunftsanspruchs Diese Rechtsprechung setzte sich in der Folge fort. So
sollen den Verwaltungsaufwand reduzieren und eine schreibt das Bundesverfassungsgericht in seinem Be-
gezielte Ausforschung des Erkenntnisstands des Lan- schluss vom 10. Oktober 2000 (1 BvR 586/90, 1 BvR
desamts verhindern. Uns Datenschützern gefällt diese 673/90):
sehr restriktive Regelung natürlich nicht – aber so sieht
es momentan aus. Tatsächlich lässt sich gerade das „§ 15 Abs. 1 BVerfSchG [Anm.: § 15 Abs. 1 Satz 1 BVer-
besondere Interesse an der Auskunft nur schwer be- fSchG entspricht wortgleich dem § 13 Abs. 1 Satz 1
gründen; ein solches wurde von der Rechtsprechung LVSG] macht die Auskunftspflicht von dem Hinweis
bisher nur in wenigen Fallkonstellationen anerkannt auf einen konkreten Sachverhalt und von einem beson-
(Arbeit als Journalist, Stellung als Abgeordneter). Re- deren Auskunftsinteresse abhängig. […] Aber auch so-
gelmäßig scheiterte der Auskunftsanspruch deshalb weit [die Beschwerdeführerin] keine näheren Angaben
allein daran. Umso mehr kommt dem Umstand Bedeu- macht, ist § 15 Abs. 1 BVerfSchG nicht zu entnehmen,
tung zu, dass nach Auffassung der Rechtsprechung dass das Bundesamt für Verfassungsschutz ihren
selbst dann, wenn die formalen Voraussetzungen des Antrag ohne weiteres ablehnen dürfte. Nach dem ein-
§ 13 Absatz 1 Satz 1 LVSG nicht vorliegen und des- fachgesetzlichen Regelungsgehalt, der unter Beach-
halb eine Auskunft nicht erteilt werden muss, es dem tung der Grundrechtsvorgaben auszulegen und anzu-
Landesamt immer noch freisteht, diese trotzdem zu wenden ist, entfällt in einem solchen Fall lediglich die
erteilen (dürfen statt müssen). Dem Landesamt ist in- Auskunftspflicht (vgl. auch die Beschlussempfehlung
soweit ein Ermessen eingeräumt, dass es jedenfalls und den Bericht des Innenausschusses, BT-Drucks.
ausüben und über das es auch Rechenschaft ablegen 12/4094, S. 3, 11 ff.). Das verbleibende Ermessen, Aus-
muss. Darauf hat jede und jeder einen Anspruch. kunft zu erteilen, ist nach Maßgabe des Zwecks der
Regelung auszuüben.“
Diese Freiheit, Auskunft auch noch erteilen zu können,
auch wenn es hierzu nicht verpflichtet ist, hatte das Bis heute hat sich diese Rechtsprechung gehalten. Im
Landesamt in der jüngerenVergangenheit aufgrund Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 24. März

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LfDI BW I 36. Tätigkeitsbericht I 2020

2010 (6 A 2/09) steht unter Hinweis auf die genannte erschöpft sich in der Normierung einer Auskunfts-
Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts: pflicht und lässt das verbleibende Ermessen, Aus-
kunft zu erteilen, unberührt (vgl. …). Dies gilt zum
„Soweit die Voraussetzungen des § 15 Abs. 1 BVerf- einen in den Fällen, in denen die Voraussetzungen
SchG nicht vorliegen, entfällt lediglich die gesetzliche für die Pflicht zur Auskunftserteilung nach § 7 Satz
Auskunftspflicht. Das verbleibende Ermessen, Aus- 1 BNDG i.V.m. § 15 Abs. 1 BVerfSchG nicht vorliegen,
kunft zu erteilen, ist in einem solchen Fall nach Maß- muss aber mit Blick auf das informationelle Selbst-
gabe des Zwecks der Regelung auszuüben.“ bestimmungsrecht zum anderen in gleicher Weise
gelten, wenn – wie hier – die Auskunftspflicht an
Und im Urteil vom 15. Juni 2016 (6 A 7/14) führt das der gesetzlichen Ausschlussregelung des § 15 Abs.
Bundesverwaltungsgericht aus: 3 BVerfSchG scheitert. Der subsidiäre Anspruch auf
ermessensfehlerfreie Entscheidung über das Aus-
„Das durch Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG ge- kunftsbegehren kann sich grundsätzlich auch auf
währleistete Grundrecht auf informationelle Selbst- die Herkunft und die Empfänger von Übermittlungen
bestimmung wird bei einem fehlenden Zugang zum personenbezogener Daten erstrecken (…).“ (zuletzt
Wissen Dritter über die eigene Person berührt und ebenso: BVerwG, Beschluss vom 28. Juli 2020 – 6 B
verschafft seinem Träger auch Rechtspositionen, die 62/19 –, juris; OVG NRW, Urteil vom 31. Juli 2019 –
den Zugang zu den über ihn gespeicherten persön- 16 A 1009/14 –, juris).
lichen Daten betreffen. Subsidiär zu dem gesetzlich
normierten Auskunftsanspruch tritt daher ein aus Es kostete einige Mühe, das Landesamt von diesem
dem informationellen Selbstbestimmungsrecht her- Verständnis des § 13 Absatz 1 LVSG zu überzeugen,
zuleitender Anspruch des Betroffenen auf ermes- letztlich führte es aber doch dazu, dass das Landes-
sensfehlerfreie Entscheidung über sein Auskunfts- amt seine Praxis änderte und nun bei Fehlen der for-
begehren gegenüber dem Bundesnachrichtendienst. malen Voraussetzungen des § 13 Absatz 1 Satz 1
Der Regelungsgehalt der gesetzlichen Vorschriften LVSG auch das Ermessen ausübt. So weit, so gut!

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Der Verfassungsschutz darf Auskunftsersuchen nicht per se ablehnen.

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LfDI BW I 36. Tätigkeitsbericht I 2020

So ganz wollte das Landesamt dann aber doch nicht einem intendierten Ermessen im Bereich des § 15 Abs.
beidrehen und änderte seine Argumentation. Es stell- 3 BVerfSchG auf den Bereich des § 15 Abs. 1 BVerf-
te sich nun auf den Standpunkt, es handle sich hier SchG übertragbar sei. [...] Vor diesem Hintergrund
nicht um ein „freies“ (kann), sondern um ein „inten- genießt das Geheimhaltungsinteresse im Regelfall
diertes“ (soll) Ermessen. Ein „Für und Wider“ brauchte Vorrang vor dem Interesse des Betroffenen an einer
dabei nur dann abgewogen zu werden, wenn der Fall Auskunft über die Herkunft und die Empfänger seiner
so geartet sei, dass ganz bestimmte konkrete An- Daten. Dass dieser Vorrang allenfalls in atypischen
haltspunkte für die Angemessenheit einer Ausnahme Ausnahmefällen nicht greift, rechtfertigt die Annahme
vorliegen (atypischer Sonderfall). Hierzu beruft sich von intendiertem Ermessen im Bereich des § 15 Abs.
das Landesamt auf Gerichtsentscheidungen, die die- 3 BVerfSchG und stellt zugleich den entscheidenden
se Rechtsauffassung allerdings (unserer Auffassung Unterschied zu den mit § 15 Abs. 1 BVerfSchG ver-
nach) nicht stützen. folgten Zielen dar, die nicht mit einer vergleichbaren
Regelmäßigkeit zu einer ablehnenden Entscheidung
Zwar gibt es durchaus Rechtsprechung zu Auskunfts- führen müssen und das Ermessen hinsichtlich der
regelungen in den Verfassungsschutzgesetzen, die Auskunftserteilung nicht vorstrukturieren.“
von einem intendierten Ermessen ausgehen. Aller-
dings geht es bei diesen Normen um solche, denen Weiter führt es zur Gefahr der Ausforschung aus:
ein (inhaltliches) Geheimhaltungsinteresse zugrunde
liegt. So etwa § 13 Absatz 1 Satz 3 LVSG: „Soweit das Bundesamt in seinem Widerspruchsbe-
scheid vom 12. August 2009 meint, der Gesetzgeber
„Das Landesamt für Verfassungsschutz ist nicht ver- sei im Rahmen des § 15 Abs. 1 Satz 1 BVerfSchG
pflichtet, über die Herkunft der Daten und die Emp- davon ausgegangen, dass bei jedem Auskunftser-
fänger von Übermittlungen Auskunft zu erteilen.“ suchen eine latent vorhandene, abstrakte Ausfor-
schungsgefahr bestehe, der zu begegnen sei, so dass
Hier ist es in der Tat vertretbar, von einem Vorrang es bei seiner Ermessensausübung nicht auf konkrete
des Geheimhaltungsinteresses gegenüber einem Anhaltspunkte für eine Ausforschungsgefahr ankom-
unspezifischen Auskunftsinteresse eines Betroffenen me, besagt die hierfür vom Bundesamt zitierte Ent-
auszugehen. Anders dagegen in den Fällen des § 13 scheidung des Bundesverfassungsgerichts genau
Absatz 1 Satz 1 und 2 LVSG. Diese haben (lediglich) das Gegenteil. Danach stellt im Rahmen der Ermes-
zum Ziel, einen im Hinblick auf das Informationsinte- sensentscheidung des Bundesamtes die Begegnung
resse unverhältnismäßigen Verwaltungsaufwand zu von Ausforschungsgefahren einen legitimen Belang
vermeiden und Ausforschungsgefahren zu begeg- dar, „sofern die gestellten Anforderungen mit Rück-
nen. Hier ist eine Vorfestlegung der Entscheidung sicht auf die konkrete Erfüllung der jeweiligen Aufga-
durch den Gesetzgeber weder erfolgt noch begründ- be erforderlich und im Hinblick auf das jeweilige In-
bar. Deshalb haben wir gegenüber dem Landesamt formationsinteresse verhältnismäßig sind.“
weiter vertreten, dass es verpflichtet ist, in Fällen, in
denen ein Auskunftsanspruch daran scheitert, dass Weiter heißt es:
die formalen Voraussetzungen des § 13 Absatz 1
Satz 1 LVSG nicht vorliegen, auch ohne Anhaltspunk- „Die Möglichkeit, jeden Antrag, mit dem Auskunft
te für das Vorliegen eines „atypischen Sonderfalles“ über sämtliche zur Person gespeicherten Daten be-
zu prüfen, ob sich der Verwaltungsaufwand gemes- gehrt wird, pauschal abzulehnen, ergibt § 15 Abs. 1
sen an dem Informationsinteresse des Auskunfts- BVerfSchG nicht.“
begehrenden konkret als verhältnismäßig oder un-
verhältnismäßig darstellt. Dabei sehen wir uns durch Auch das Bundesverwaltungsgericht geht in seinem
neuere Gerichtsentscheidungen gestärkt. So führt Beschluss vom 28. Juli 2020 (6 B 62/19) lediglich bei
das OVG NRW in seinem Urteil vom 31. Juli 2019 (16 dem § 13 Absatz 1 Satz 3 LVSG entsprechenden § 15
A 1009/14) aus: Absatz 3 BVerfSchG von einem intendierten Ermes-
sen aus:
„Insoweit folgt der Senat nicht der vom Verwaltungs-
gericht Köln [...] geäußerten Auffassung, dass die „Daher kann daraus nicht geschlossen werden, der
Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu Gesetzgeber habe den allgemein anerkannten Er-

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LfDI BW I 36. Tätigkeitsbericht I 2020

messensanspruch ausschließen oder auf besonders Angesichts des zwischenzeitlichen teilweisen Einlen-
gelagerte Ausnahmefälle beschränken wollen.“ kens besteht die berechtigte Erwartung, dass sich das
Landesamt für Verfassungsschutz diese Rechtspre-
Weiter heißt es: chung zu Herzen nimmt und dem verfassungsrecht-
lichen Auskunftsinteresse der Bürger_innen in seiner
„[Das] Interesse, einen unverhältnismäßigen Auf- Auskunftspraxis künftig die Bedeutung zumisst, die
wand für die behördeninterne Suche nach Daten zu ihm zukommt. Wir werden weiter genau dafür eintre-
vermeiden, [...] ist nach seiner Bedeutung nicht mit ten.
dem Interesse an dem Schutz der nachrichtendienst-
lichen Arbeitsweise vergleichbar, das nach der Wer-
tung des Gesetzgebers den generellen Vorrang der Was lange währt, wird endlich gut? – Licht und
Geheimhaltung der Herkunft von Daten und deren Schatten beim neuen Polizeigesetz
Weitergabe rechtfertigt. [...] hat das § 15 Abs. 1 Satz 2 Am 17. Januar 2021 tritt das neue Polizeigesetz (vom
BVerfSchG zugrunde liegende Interesse, einen über- 6. Oktober 2020, GBl. S. 735) in Kraft. Mit einer Verzö-
mäßigen Aufwand für die Suche nach Daten in den gerung von mehr als zweieinhalb Jahren kommt der
Aktenbeständen zu vermeiden, ein erheblich geringe- Landesgesetzgeber damit seiner Verpflichtung nach,
res Gewicht. Die damit bezweckte Arbeitsentlastung die Richtlinie (EU) 2016/680 des Europäischen Parla-
des Bundesamts ist nicht gleichermaßen existenziell ments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz
für die Gewährleistung der nachrichtendienstlichen natürlicher Personen bei der Verarbeitung personen-
Aufgabenerfüllung. Die Ablehnung [aus Gründen bezogener Daten durch die zuständigen Behörden
übermäßigen Aufwands] setzt allerdings eine fallbe- zum Zwecke der Verhütung, Ermittlung, Aufdeckung
zogene Abwägung mit der Bedeutung des Auskunfts- oder Verfolgung von Straftaten oder der Strafvoll-
interesses voraus.“ streckung sowie zum freien Datenverkehr und zur
Aufhebung des Rahmenbeschlusses 2008/977/JI
Mit dieser Entscheidung hat das Bundesverwaltungs- des Rates (kurz: JI-Richtlinie) fristgerecht zum 6. Mai
gericht der Verfassungsschutzbehörde gleichzeitig 2018 umzusetzen. Dass die lange Dauer des Um-
auch den Wind aus den Segeln genommen, indem setzungsprozesses (die JI-Richtlinie war immerhin
es klarmacht, dass der für die Bearbeitung von Aus- schon am 6. Mai 2016 in Kraft getreten, man hatte
kunftsansprüchen zu erbringende Verwaltungsauf- also bereits zwei Jahre „Vorlaufzeit“) nicht allein der
wand nicht per se zu einer Ablehnung des Antrags füh- Schwierigkeit der Materie geschuldet war, darf ange-
ren darf. Allein ein hoher Verwaltungsaufwand kann nommen werden. Bedauerlich, dass die notwendige
regelmäßig nicht rechtfertigen, betroffenen Personen Anpassung der gefahrenabwehrrechtlichen Daten-
pauschal ihre Datenschutzrechte zu verweigern. Das verarbeitungsbefugnisse der Polizei offenbar (wieder
Landesamt für Verfassungsschutz kann hier grund- einmal) zum Gegenstand politischer Verhandlungen
sätzlich keine Sonderstellung gegenüber anderen geworden war. Im Bereich der Strafverfolgung war
Verwaltungsbehörden für sich beanspruchen. man da wesentlich schneller: Das Gesetz zum Schutz
personenbezogener Daten bei der Verarbeitung durch
die Justizbehörden des Landes zu Zwecken der Ver-
hütung, Ermittlung, Aufdeckung oder Verfolgung von
Straftaten und Ahndung von Ordnungswidrigkeiten
oder zum Zwecke der Strafvollstreckung sowie durch
die Behörden des Landes zum Zwecke der Ahndung
von Ordnungswidrigkeiten (kurz: Landesdatenschutz-
gesetz für Justiz- und Bußgeldbehörden – LDSG-JB)
trat (immerhin ein Jahr nach Ablauf der Umsetzungs-
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frist) bereits am 6. Juni 2019 in Kraft!

Die Hoffnung, dass die lange Phase der Umsetzung


dafür genutzt werde, auch für die Polizei ein moder-
nes, anwenderfreundliches Polizei-Datenschutzrecht
Datenschutz braucht Kontrolle. zu schaffen, erfüllte sich nur zum Teil. Dabei wird

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LfDI BW I 36. Tätigkeitsbericht I 2020

nicht verkannt, dass die Umsetzung der europarecht- Neben diesen formalen Gesichtspunkten, die das Ri-
lichen Vorgaben sowie die Anpassung an die aktuel- siko falscher Normanwendung und damit von Daten-
le Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts schutzverstößen in sich bergen, haben wir aber auch
keine leichte Aufgabe darstellte. Von daher soll an inhaltlich das eine oder andere kritisiert:
dieser Stelle auch einmal durchaus anerkennend er-
wähnt werden, dass hier ein ordentliches Stück Arbeit • So sollen die Datenverarbeitungsregelungen etwa
geleistet wurde und man sich erkennbar bemüht hat, auch gelten, soweit die Polizei im Rahmen der Verfol-
unter den gegebenen Rahmenbedingungen allen An- gung von Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten tätig
forderungen gerecht zu werden. Völlig ist das aber wird. Hier sehen wir keine Gesetzgebungskompetenz
leider nicht gelungen. Unsere schon im Rahmen un- des Landes. § 500 der Strafprozessordnung schreibt
serer Beteiligung im Gesetzgebungsverfahren vorge- für den Bereich der Strafverfolgung vielmehr die al-
brachte Kritik bezog und bezieht sich insbesondere leinige Anwendbarkeit des Teils 3 des Bundesdaten-
auf Folgendes: schutzgesetzes vor.

• Anstatt die allgemeinen Datenverarbeitungsre- • Die Datenverarbeitungsregelungen sollen nicht nur


gelungen in einem Abschnitt zusammenzufassen, für die Polizeidienststellen gelten, sondern auch für
wurden sie ohne wirklich nachvollziehbaren Grund die Einrichtungen für den Polizeivollzugsdienst (Präsi-
auseinandergerissen, so dass man bei der konkreten dium Technik, Logistik, Service der Polizei, Hochschu-
Anwendung im Gesetz hin- und herspringen muss – le der Polizei). Zu den Aufgaben dieser Einrichtungen
anwenderfreundlich geht anders. gehört jedoch nicht die Gefahrenabwehr, so dass zu
fragen ist, wozu sie dann berechtigt sein sollen, Daten
• An vielen Stellen wird durch Verweisungen auf zu verarbeiten, die im Rahmen der Gefahrenabwehr
andere Normen Bezug genommen. Das Zusammen- anfallen.
wirken der verschiedenen Tatbestandsmerkmale und
dieser Verweisungen ergibt im Gesamtgefüge der ge- • Die beharrliche Weigerung, das Datengeheimnis
wählten Regelungstechnik Mängel an hinreichender als gesetzliche Vorgabe in das Polizeigesetz auf-
Normenbestimmtheit und Normenklarheit. zunehmen, ist nicht nachvollziehbar. Gerade die in
den letzten Monaten wiederholt festgestellten Fälle
• Teilweise ergibt sich aus dem Text nicht unmittel- unberechtigter Datenabrufe aus polizeilichen Daten-
bar, unter welchen Voraussetzungen die Norm ver- beständen hätte es dringend erfordert, den Beschäf-
fassungskonform anzuwenden ist; erst durch Hinzu- tigten des Polizeivollzugsdiensts durch eine entspre-
ziehung der Gesetzesbegründung wird dies deutlich. chende ausdrückliche gesetzlich Regelung nochmals
Diese hat aber nicht jede Polizeibeamtin/jeder Polizei- deutlich vor Augen zu führen, wann und wo ihre Be-
beamte täglich zur Hand. Fehlinterpretationen sind rechtigung zur Nutzung personenbezogener Daten
damit vorprogrammiert. Es ist unerfindlich, weshalb endet. Die Weigerung mit dem Hinweis auf die dienst-
der Gesetzgeber die Normanwender solchermaßen liche Verschwiegenheitspflicht zu begründen, geht
im Dunkeln tappen lässt. Und eigentlich sollen ja die ins Leere, da schon die Kenntnisverschaffung als sol-
Bürger_innen die Gesetze verstehen und anwenden che unzulässig ist. Das, so zeigt es die Praxis, scheint
können. einigen Polizeibeamtinnen und Beamten aber nicht in
aller Deutlichkeit klar zu sein.
• Einzelne Paragrafen sind derart komplex, dass sie
auch für Datenschutzexperten nur schwer zu verste- • Ein gravierender Mangel besteht darin, dass der
hen sind (bspw. § 15). Auch der schiere Umfang ein- Datenschutzaufsichtsbehörde wirksame Befugnisse
zelner Bestimmungen dürfte die Praxis in der Anwen- vorenthalten werden, um gegen Datenschutzverstöße
dung vor manche Probleme stellen (bspw. § 49 mit 8 durch die Polizei wirksam einzuschreiten. Das Gesetz
Absätzen, wobei allein Absatz 8 insgesamt 13 Sätze beschränkt sich auf die Möglichkeit, auf Gesetzesver-
enthält). Den Ruf, ziemlich kompliziert zu sein, haben stöße hinzuweisen und die Polizei aufzufordern, diese
die Datenschützer auch wegen solcher überkomple- abzustellen. Die mangelhafte Umsetzung des Artikels
xer Regulierungen (die wir gar nicht initiiert oder ge- 47 der JI-Richtlinie verstößt gegen die Umsetzungs-
fordert haben). pflicht und ist damit europarechtswidrig. Es ist völlig
klar, welche Konsequenzen sich für uns daraus erge-

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LfDI BW I 36. Tätigkeitsbericht I 2020

ben. Ebenso klar ist, wie der Europäische Gerichtshof vor Ermittlungspersonen der Staatsanwaltschaft –
über solche Umsetzungsmängel urteilen wird. hierbei handelt es sich um bestimmte Beamten des
Polizeidienstes – zu erscheinen und zur Sache auszu-
Fazit also: Licht und Schatten, wobei zu hoffen bleibt, sagen. Voraussetzung ist jedoch, dass dieser Ladung
dass es gelingt, die Schatten in der Praxis zunehmend ein konkreter einzelfallbezogener Auftrag der Staats-
aufzuhellen. Wir werden von unserer Seite bemüht anwaltschaft zugrunde liegt. Bei den uns vorgelegten
sein, die Fackel des Datenschutzes hochzuhalten, um Schreiben handelt es sich nicht um derartige Aufträge
auch in diesem sensiblen Bereich Sicherheit für die im Sinne des § 163 Absatz 3 StPO.
handelnden Akteure wie für die betroffenen Bürger_
innen herzustellen. Das von den Staatsanwaltschaften verwendete
Schreiben erweckt bei den Angesprochenen oftmals
den falschen Eindruck, dass private Stellen aufgrund
Ist eine private Stelle verpflichtet, der Polizei Aus- dieses Schreibens verpflichtet seien, der Polizei ge-
künfte zu erteilen? genüber Auskunft zu erteilen. Dies ergibt sich aus den
Diese Frage wurde uns in den vergangenen Monaten bei uns eingehenden Anfragen. Wir haben daher das
häufig gestellt. Oftmals handelte es sich dabei um Justizministerium gebeten, die Staatsanwaltschaften
Unternehmen, die im Zusammenhang mit strafrecht- darüber zu unterrichten, dass das verwendete Schrei-
lichen Ermittlungen um Auskunft, z. B. über einen ih- ben missverständlich ist und daher umformuliert wer-
rer Kunden ersucht wurden. Die Polizeibeamt_innen den sollte. Das Justizministerium hat sich in seinem
hatten den Unternehmen dabei jeweils die Kopie Antwortschreiben zwar unserer Rechtsauffassung
eines von einer Staatsanwaltschaft stammenden angeschlossen, dass es sich bei dem Schreiben man-
Schreibens vorgelegt, das an ein Polizeipräsidium gels Einzelfallbezugs nicht um Aufträge gemäß § 163
gerichtet war. Diese uns von den Unternehmen wei- Absatz 3 StPO handelt. Eine Umformulierung hält das
tergereichten Schreiben stammen zwar von verschie- Justizministerium dagegen nicht für erforderlich. Das
denen Staatsanwaltschaften, sind inhaltlich jedoch ist bedauerlich, denn öffentliche Stellen sollten Bür-
gleichlautend. In den Schreiben beauftragt die jewei- ger_innen gegenüber nicht den Anschein erwecken,
lige Staatsanwaltschaft die Beamt_innen eines Po- über Befugnisse zu verfügen, die ihnen von Gesetzes
lizeipräsidiums unter Hinweis auf die Verpflichtung wegen nicht zustehen. Und schon der Plan, Unsicher-
der Polizei zur Erforschung von Straftaten, die für die heit bei Privaten über ihre Mitwirkungspflichten zu
Sachverhaltsaufklärung erforderlichen Auskunfts- schaffen und zu nutzen, wäre unserem Rechtsstaat
und Herausgabeersuchen zu stellen. Die allgemein nicht angemessen.
gehaltenen Ausführungen beziehen sich nicht auf ei-
nen konkreten Einzelfall. Falls ein Unternehmer auf ein bloßes Auskunftsersu-
chen freiwillig Angaben machen will, ist dies seine Ent-
Wichtig für die angefragten Unternehmen ist dies: Aus scheidung, für die er die (auch datenschutzrechtliche)
diesen Schreiben ergibt sich keine Verpflichtung Pri- Verantwortung trägt. Die Berechtigung, der Polizei auf
vater, der Polizei im Rahmen von Ermittlungsverfah-
ren Auskunft zu erteilen. Gemäß § 163 Absatz 1 Straf-
prozessordnung (StPO) ist die Polizei zwar berechtigt,
Ermittlungen jeder Art durchzuführen (die mit einem
weniger intensiven Grundrechtseingriff verbunden
sind und deshalb nicht von einer speziellen Eingriff-
sermächtigung erfasst werden) und alle Behörden um
Auskunft zu ersuchen. Eine Auskunftsverpflichtung
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der Polizei gegenüber ergibt sich aus dieser Vorschrift


jedoch nur für Behörden und ausschließlich bei Gefahr
im Verzug. Bis vor wenigen Jahren bestand für Zeu-
gen lediglich die Pflicht, bei staatsanwaltschaftlichen
Vernehmungen zu erscheinen. Erst seit der am 24.
August 2017 in Kraft getretenen Änderung des § 163
Absatz 3 StPO ist ein Zeuge verpflichtet, auf Ladung Die Polizei darf nicht immer Auskunft verlangen.

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Ersuchen personenbezogene Daten eines Kunden zu zur Person habe der Beamte wohl den Verdacht
übermitteln, kann sich aus § 24 Absatz 1 Nummer 1 gewonnen, dass die Anzeigeerstatterin und deren
des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG) ergeben. Ehemann gegen melderechtliche Bestimmungen
Nach dieser Vorschrift ist die Verarbeitung perso- verstoßen haben könnten. Deshalb habe er bei der zu-
nenbezogener Daten zu einem anderen Zweck als zu ständigen Gemeinde eine Ordnungswidrigkeit ange-
demjenigen, zu dem die Daten erhoben wurden, durch zeigt und dieser auch gleich das komplette Protokoll,
nichtöffentliche Stellen z. B. dann zulässig, wenn sie das er über die im Rahmen der Strafanzeige erfolg-
zur Verfolgung von Straftaten erforderlich ist, sofern te Zeugenvernehmung angefertigt hatte, zugeleitet.
nicht die Interessen der betroffenen Person an dem
Ausschluss der Verarbeitung überwiegen. Wendet sich Das um Stellungnahme zu dem Vorgang ersuchte Po-
die Polizei mit einem Auskunftsersuchen an einen Un- lizeipräsidium brauchte geraume Zeit, um uns dann
ternehmer, sollte dieser der Polizei dementsprechend mitzuteilen, der Beamte könne sich an nichts mehr er-
erst einmal dahingehend antworten, dass er das Ersu- innern und Akten lägen auch keine mehr vor. Über den
chen vor einer freiwilligen Beantwortung prüfen muss. Beschwerdeführer – der sich mittlerweile gegen das
Im Falle der Übermittlung empfehlen wir, die insoweit wegen eines Verstoßes gegen die melderechtliche
angestellten Überlegungen zu dokumentieren; gegen- Pflicht, den Wechsel seines Wohnsitzes der Meldebe-
läufige Interessen der von der Ermittlung Betroffenen hörde anzuzeigen, verhängte Bußgeld gewehrt hatte
kann der Unternehmer übrigens nur dann kennen und – konnte dann doch noch eine Kopie der Unterlagen
in seine Abwägungsentscheidung einbeziehen, wenn gerettet werden. Diese belegten eindeutig, dass der
er die Betroffenen zuvor befragt (was die Polizei regel- Vortrag des Beschwerdeführers den Tatsachen ent-
mäßig nicht möchte und ggf. ihr Auskunftsersuchen sprochen hatte. Das Polizeipräsidium, dem wir diese
lieber zurückzieht). Im Übrigen ist § 24 Absatz 2 BDSG Unterlagen zur Prüfung der datenschutzrechtlichen
zu beachten, soweit es um sensitive Daten im Sinne Seite des Vorgangs zugeleitet hatten, kam letztlich
des Artikels 9 der DS-GVO geht. zum Ergebnis, dass der Beamte zwar nicht berechtigt
gewesen sei, die komplette Vernehmung an die Ge-
Eine Verpflichtung, die betroffenen Personen über die meinde zu senden, im Übrigen sei sein Vorgehen aber
Offenlegung ihrer Daten gegenüber Strafverfolgungs- nicht zu beanstanden gewesen. Insbesondere sei die
behörden gemäß Artikel 13 Absatz 3 der DS-GVO zu Anzeige einer Ordnungswidrigkeit hier zulässig gewe-
informieren, besteht nach der Ausnahmeregelung in § sen. Wie man zu diesem Ergebnis gekommen war,
32 Absatz 1 Nummer 5 BDSG nicht in jedem Fall – ist wurde nicht erklärt. Eine Auseinandersetzung mit der
aber (solange es nicht mit dem Ziel der Strafvereite- von uns zuvor schriftlich und mündlich dargestellten
lung erfolgt) auch nicht verboten. Rechtslage schenkte man sich.

Es stand hier außer Zweifel, dass der Verdacht einer


Die Revanche Ordnungswidrigkeit erst im Zuge der Durchführung
Dass auch Polizeibeamt_innen das Menschliche nicht eines Strafverfahrens, nämlich aufgrund der Anga-
abgeht, ist nicht neu und bedarf eigentlich keiner Er- ben der als Zeugen vernommenen Anzeigeerstatter
wähnung. Dumm nur, wenn es allzu menschlich wird entstanden war. Mit Anzeigeerstattung hatte das
und dabei der Verstand aussetzt. So in einem Fall, der Strafverfahren begonnen. Nach § 477 Absatz 1 der
uns, was selten genug vorkommt, zu einer Beanstan- Strafprozessordnung dürfen personenbezogene Da-
dung veranlasste. ten aus Strafverfahren von Amts wegen den zustän-
digen Behörden für Zwecke der Verfolgung von Ord-
Ein Bürger wandte sich an uns und trug Folgendes nungswidrigkeiten zwar übermittelt werden, soweit
vor: Seine Ehefrau habe bei einem Polizeirevier Straf- diese Daten aus der Sicht der übermittelnden Stelle
anzeige gegen einen Nachbarn wegen Bedrohung hierfür erforderlich sind. Allerdings entscheidet nach
erstattet. Der die Anzeige aufnehmende Polizeibe- § 480 Absatz 1 Satz 1 StPO hierüber die Staatsan-
amte habe dabei deutlich erkennen lassen, dass er waltschaft. Deren Entscheidung war hier aber nicht
den Beschuldigten kenne. Er habe deshalb versucht, eingeholt worden. Der Polizeibeamte hat vielmehr
die Erstatterin der Anzeige dazu zu bewegen, von eigenmächtig und offenbar aus Ärger darüber, dass
der Anzeige abzusehen. Diese sei hierauf aber nicht er die Betroffenen nicht davon abbringen konnte,
eingegangen. Im Zuge der weiteren Vernehmung gegen seinen Bekannten Anzeige zu erstatten, unter

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LfDI BW I 36. Tätigkeitsbericht I 2020

Missachtung seiner fehlenden Zuständigkeit und da- Unzuverlässigkeit, Ungeeignetheit oder Unwürdigkeit
mit unzulässig personenbezogene Daten übermittelt. die Beschäftigung, Beaufsichtigung, Anweisung oder
Der Versuch des Polizeipräsidiums, dies nachträglich Ausbildung von Kindern und Jugendlichen verboten
mit Bezugnahme auf Datenübermittlungsbefugnisse wird.
nach dem Polizeigesetz zu rechtfertigen, konnte auf-
grund des Vorrangs der strafprozessualen Bestim- In einem Fall, der uns eine Weile beschäftigt hat, ging
mung hier nicht verfangen. es um Folgendes:

Das aus unserer Sicht nonchalante Hinweggehen des In einer Gemeinde hat sich eine Flüchtlingshilfeorga-
Polizeipräsidiums über die Rechtsgrundlagen der Da- nisation gebildet. Dabei handelt es sich um gemein-
tenverarbeitung bewog uns letztlich, dies gegenüber same Initiative der politischen Gemeinde und Kirchen,
dem Innenministerium zu beanstanden. Wie schon die von zahlreichen Ehrenamtlichen unterstützt und
Konfuzius sagte: „Wer einen Fehler macht und ver- getragen wird. Selbsterklärtes Ziel ist es, eine „Will-
sucht, diesen Fehler zu verdecken, der begeht einen kommenskultur“ zu etablieren und für die Geflüchte-
zweiten Fehler.“ ten, die in der Gemeinde leben, Angebote zu schaffen,
die eine Integration erleichtern.

Das Führungszeugnis Ein Bürger, der sich ehrenamtlich an der Arbeit der
Nicht Wenige waren schon einmal mit der Forderung Flüchtlingshilfe beteiligen wollte, hatte jedoch Be-
konfrontiert, ein Führungszeugnis, früher bekannt als denken hinsichtlich der Forderung der Gemeinde, als
polizeiliches Führungszeugnis oder Unbescholten- Voraussetzung hierfür erst einmal ein erweitertes
heitszeugnis, vorzulegen. Seine rechtliche Grundlage Führungszeugnis vorzulegen. Dazu muss man wis-
findet dieses Zeugnis im Bundeszentralregisterge- sen, dass ein erweitertes Führungszeugnis erheblich
setz (BZRG). Das Führungszeugnis gibt Auskunft mehr sensitive Informationen erhält als ein einfaches
darüber, was zur eigenen Person im Bundeszent- Zeugnis. Aus diesem Grund stellt das Bundeszentral-
ralregister eingetragen ist. Dieses beinhaltet im We- registergesetz auch weitergehende Anforderungen an
sentlichen strafgerichtliche Verurteilungen sowie die Vorlage solcher Zeugnisse. So wird es etwa nur
bestimmte Entscheidungen von Verwaltungsbehör- dann erteilt, wenn dies gesetzlich ausdrücklich vor-
den und Gerichten, durch die beispielsweise wegen gesehen ist oder wenn jemand im weitesten Sinne

© stokkete – stock.adobe.com

Eine Gemeinde darf nicht pauschal von Ehrenamtlichen ein erweitertes Führungszeugnis verlangen.

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LfDI BW I 36. Tätigkeitsbericht I 2020

Umgang mit Minderjährigen hat. So dürfen sich die Solche Informationen fehlten vollständig. Auch wurde
Träger der öffentlichen Jugendhilfe nach § 72a des den Betroffenen nicht, wie § 30a BZRG verlangt, die
Sozialgesetzbuchs (SGB) - Achtes Buch (VIII) Kinder- schriftliche Aufforderung zur Beibringung des erwei-
und Jugendhilfe - bei der Einstellung oder Vermittlung terten Führungszeugnisses an die Hand gegeben, die
und in regelmäßigen Abständen von den Personen, bestätigte, dass die gesetzlichen Voraussetzungen
die Aufgaben in der Kinder- und Jugendhilfe wahr- für die Erteilung eines solchen Zeugnisses vorlagen.
nehmen, ein solches erweitertes Führungszeugnis Schließlich konnte auch nicht überzeugend dargelegt
vorlegen lassen. Dabei hat, wer einen Antrag auf Er- werden, dass es – jedenfalls generell – solcher Zeug-
teilung eines erweiterten Führungszeugnisses stellt, nisse bedurft hätte. Vorgetragen wurde hierzu nur,
nach § 30a Absatz 2 BZRG eine schriftliche Aufforde- dass in allen Bereichen und Projektgruppen ein un-
rung vorzulegen, in der die Person, die das erweiterte mittelbarer und hinreichender Kontakt zu Kindern und
Führungszeugnis vom Antragsteller verlangt, bestä- Jugendlichen bestehe. Weder war dies zu belegen,
tigt, dass die gesetzlichen Voraussetzungen für ein noch kam es im Ergebnis darauf an. Hierzu kann auf
solches erweitertes Führungszeugnis vorliegen. Gar folgende Ausführungen im Urteil des Landesarbeits-
nicht so einfach also. gerichts Hamm (Westfalen) vom 25. April 2014 (10 Sa
1718/13) verwiesen werden:
Im konkreten Fall war es so, dass die Gemeinde
pauschal von jeder Person, die sich im Rahmen der „§ 30a BZRG trägt dem Umstand Rechnung, dass
Flüchtlingshilfe ehrenamtlich betätigen wollte, ein sol- es bei bestimmten beruflichen oder ehrenamtlichen
ches erweitertes Führungszeugnis einforderte. Da es jugend- und kindernahen Tätigkeiten ein Bedürfnis
hierfür keine gesetzliche Grundlage gab, insbesonde- für ein erweitertes Führungszeugnis gibt, weil sich
re § 72a SGB VIII nicht zutraf, verlegte man sich auf Menschen mit pädophilen Neigungen bewusst Betä-
individuelle Einwilligungen. Die hierfür verwendeten tigungsfelder mit einer Nähe zu Kindern und Jugend-
Vordrucke entsprachen jedoch in keiner Weise den lichen suchen. Damit es nicht zu Lücken beim Schutz
gesetzlichen Anforderungen an eine wirksame daten- von Kindern und Jugendlichen kommt, ist ein Füh-
schutzrechtliche Einwilligung. Unter Einwilligung ist rungszeugnis auch für Personen vorgesehen, die in
jede Willensbekundung zu verstehen, die ohne Zwang, einer der Beaufsichtigung, Betreuung, Erziehung oder
für den konkreten Fall und in Kenntnis der Sachlage Ausbildung vergleichbaren Weise die Möglichkeit ha-
erfolgt und mit der die betroffene Person akzeptiert, ben, Kontakt zu Minderjährigen herzustellen. Hierun-
dass personenbezogene Daten, die sie betreffen, ver- ter können beispielsweise Hausmeister an Schulen
arbeitet werden (BGH, Urteil vom 28. Mai 2020 – I ZR oder Bademeister in einem öffentlichen Schwimm-
7/16 –). „In Kenntnis der Sachlage“ bedeutet, bad fallen (BT-Drs. 16/12427, S. 8). Andererseits darf
die Auslegung und Anwendung des § 30a BRZG nicht
„dass der für die Verarbeitung Verantwortliche der be- zu einer uferlosen Verpflichtung zur Vorlage von Füh-
troffenen Person eine Information über alle Umstände rungszeugnissen führen. Denn stets sind auch die
im Zusammenhang mit der Verarbeitung der Daten grundgesetzlich geschützten Interessen des betrof-
in verständlicher und leicht zugänglicher Form in ei- fenen Arbeitnehmers zu berücksichtigen. Erforderlich
ner klaren und einfachen Sprache zukommen lassen ist stets die Bedingung, dass die jeweilige Berufs-
muss, da dieser Person insbesondere die Art der zu gruppe bestimmungs- oder arbeitsplatzgemäß Kon-
verarbeitenden Daten, die Identität des für die Verar- takt mit Kindern und Jugendlichen hat, der zu einer
beitung Verantwortlichen, die Dauer und die Modali- besonderen Gefahrensituation werden kann.“
täten dieser Verarbeitung sowie die Zwecke, die damit
verfolgt werden, bekannt sein müssen. Solche Infor- Tätigkeiten jedenfalls, bei denen es nicht „bestim-
mationen müssen diese Person in die Lage versetzen, mungs- oder arbeitsplatzgemäß“, sondern mehr oder
die Konsequenzen einer etwaigen von ihr erteilten weniger zufällig zu Kontakten mit Minderjährigen
Einwilligung leicht zu bestimmen, und gewährleisten, kommen kann, können damit allenfalls im Einzelfall
dass die Einwilligung in voller Kenntnis der Sachlage die Forderung nach Vorlage eines Führungszeugnis-
erteilt wird“ (EuGH, Urteil vom 11.11.2020 - C-61/19 -). ses begründen, wenn Tatsachen zur Annahme be-
rechtigen, dass es dabei zu besonderen Gefahrensitu-
ationen kommt. Andernfalls steht das Grundrecht auf
Datenschutz einer solchen Forderung entgegen.

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LfDI BW I 36. Tätigkeitsbericht I 2020

Es bedurfte hier erst der Intervention unsererseits den mit ihren/seinen Daten umgehen. Man muss sich
beim Bürgermeister, ehe die Verwaltung beidrehte also darauf verlassen können, dass sich die Behörden
und uns mitteilte, dass auf die Erhebung erweiterter an die Regeln halten. Dies war nach unserer rechtli-
Führungszeugnisse bei ehrenamtlich in der Flücht- chen Prüfung bei der Stadt Tübingen mit ihrer Liste
lingshilfe tätigen Personen künftig verzichtet werde. der auffälligen Asylbewerber offensichtlich nicht der
Fall.

Die „Liste der Auffälligen“ – Fortsetzung folgte Bei der gegenständlichen Liste handelte es sich um
Vor einem Jahr hatten wir über die sogenannte Liste eine Excel-Tabelle. In dieser wurden personenbezoge-
der Auffälligen berichtet, welche die Stadt Tübingen ne Daten aus unterschiedlichen Bereichen der Stadt-
angelegt hatte, um behördenintern Informationen verwaltung zusammengeführt. Grundsätzlich ist es
über Asylbewerber streuen zu können, die wegen Roh- so, dass eine fachübergreifende Zusammenführung
heitsdelikten auffällig geworden waren. Insbesonde- von Daten, die jeweils zu einem speziellen Verwal-
re die zögerliche Haltung der Stadt, uns im Bemühen tungszweck von einer Fachbehörde auf einer speziel-
um eine Klärung der datenschutzrechtlichen Berech- len gesetzlichen Grundlage erhoben wurden und für
tigung für das Führen einer solchen Liste zu unter- diesen Zweck auch legal genutzt werden, nur zulässig
stützen, bewog uns, damit an die Öffentlichkeit zu ist, wenn das Gesetz eine solche Zweckänderung aus-
gehen. Auch wenn sich an der Grundeinstellung der drücklich zulässt.
Stadt auch im Berichtszeitraum nicht Wesentliches
geändert hat, war es letztlich doch möglich, in einen Hier war es so, dass in der Liste personenbezogene
vernünftigen Dialog zu treten. In diesem Rahmen fand Daten von Asylbewerbern, welche die städtische Aus-
im Sommer ein persönliches Gespräch zwischen dem länderbehörde vom Polizeipräsidium Reutlingen er-
Landesbeauftragten und dem Oberbürgermeister von halten hatte und weiter erhält (und erhalten darf), mit
Tübingen statt. Letztlich blieben die unterschiedlichen Daten aus anderen Bereichen zusammengefasst wur-
Rechtsauffassungen jedoch nicht miteinander verein- den. Die Datenübermittlungen durch das Polizeipräsi-
bar. Damit blieb nichts anderes übrig, als nach Recht dium erfolgen auf der Grundlage des § 87 Absatz 4
und Gesetz zu entscheiden. Dies führte dazu, dass der Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) allein zu
Stadt untersagt wurde, bestimmte Informationen aus ausländerrechtlichen Zwecken. Nach der Gesetzes-
dem Besitz der Ausländerbehörde in die Liste aufzu- begründung ist die unverzügliche Unterrichtung durch
nehmen und bereits aufgenommene Informationen die in § 87 Absatz 4 Satz 1 AufenthG genannten Stel-
wieder zu löschen. len an die Ausländerbehörde erforderlich, damit diese
ggf. eine anstehende Entscheidung über den Aufent-
Diese Entscheidung wurde nicht nur vom OB, sondern haltstitel aussetzen kann (vgl. BT-Drs. 11/6321, 82 f.).
auch von einigen Bürger_innen mit Verständnislosig- Die Zwecke der „Liste der Auffälligen“ werden von der
keit aufgenommen und zum Teil heftig kritisiert. Uns Stadt in ihrem datenschutzrechtlichen Verfahrens-
wurde vorgeworfen, der Bevölkerung sowie den Be- verzeichnis dagegen mit dem „Schutz der Mitarbei-
hördenmitarbeitenden den Schutz vor gewalttätigen tenden im Integrationsmanagement (Fachabteilung
Ausländern zu verwehren. Dabei wurde verkannt, dass Hilfe für Geflüchtete)“ angegeben. An anderer Stelle
die Aufgabe der Datenschutzaufsichtsbehörde darin wird als weiterer Zweck der Austausch relevanter
besteht, auf die Beachtung zum Schutz des informa- Informationen über gewalttätige oder gewaltberei-
tionellen Selbstbestimmungsrechts erlassener Geset- te Flüchtlingen genannt, um Gefährdungspotentiale
ze hinzuwirken, und dies ohne Ansehung der Person rechtzeitig zu erkennen und geeignete Maßnahmen
oder Herkunft. Und genau dies haben wir getan. Fol- der Prävention und Intervention zu ergreifen. An wie-
gendes zur Verdeutlichung: der anderer Stelle heißt es zur Begründung: „Zudem
benötigen wir Informationen über die Gewaltbereit-
Der Staat mit allen seinen Ausprägungen ist bei der schaft von Bewohnern städtischer Unterkünfte, um
Verarbeitung personenbezogener Daten ganz beson- bei Verlegungen vor Gericht ausreichende Argumen-
ders dazu verpflichtet, die hierfür gezogenen gesetzli- te zu haben.“ Schließlich wurde noch allgemein der
chen Grenzen zu beachten. Denn im Gegensatz zum „Schutz der Bevölkerung“ als Verarbeitungszweck
privaten Bereich hat die Bürgerin und der Bürger in genannt. Alle diese verschiedenen Zwecke weichen
den meisten Fällen keinen Einfluss darauf, wie Behör- von dem eigentlichen und maßgeblichen Zweck ab,

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LfDI BW I 36. Tätigkeitsbericht I 2020

zu dem die Information der Ausländerbehörde durch Kriminalität die Ermittlungen im Regelfall zunächst
die Strafverfolgungsbehörden nach dem Aufenthalts- komplett selbständig führt und erst nach Abschluss
gesetz erfolgt. Keiner dieser Zwecke ist auf Maßnah- der Ermittlungen die dann vollständigen Akten zu-
men nach dem Aufenthaltsgesetz gerichtet. Sie sind sammen mit einer Formblattanzeige und ggf. einem
auch nicht mit diesen Zwecken vereinbar (Artikel 6 zusammenfassenden Ermittlungsbericht der Staats-
Absatz 4 der DS-GVO). Solche Zweckänderungen anwaltschaft vorlegt, ändert an dieser gesetzlichen
sind aber nur dann rechtmäßig, wenn es hierfür eine Zuständigkeitsverteilung nichts. Bezogen auf § 87
gesetzliche Grundlage gibt. Das war und ist hier nicht Absatz 4 Satz 1 AufenthG wird dies bestätigt durch
der Fall. Nummer 87.4.1.0 der Allgemeinen Verwaltungsvor-
schrift zum Aufenthaltsgesetz (VwV-AufenthaltsG),
Nach § 5 Absatz 1 des Landesdatenschutzgesetzes wonach die Unterrichtungspflicht (und berechtigung)
(LDSG) ist die Verarbeitung personenbezogener Daten die Polizei nur insoweit trifft, als sie als Ermittlungs-
zu einem anderen Zweck als zu demjenigen, zu dem personen der Staatsanwaltschaft tätig wird (§ 1 II 1
sie erhoben wurden, unbeschadet der Bestimmungen der Verordnung der Landesregierung über die Ermitt-
der DS-GVO zulässig, wenn eine der in den Nummern lungspersonen der Staatsanwaltschaft). Die Ermitt-
1 bis 4 näher bezeichneten Voraussetzungen erfüllt lungspersonen sind Organ der Staatsanwaltschaft
ist, soweit die Verarbeitung notwendig und verhältnis- (Kissel/Mayer/Mayer, 9. Aufl. 2018, GVG § 152 Rn. 7),
mäßig ist. Allerdings tritt das Landesdatenschutzge- trotz der organisatorischen Eigenständigkeit sind sie
setz zurück, wenn es eine speziellere Rechtsvorschrift der „verlängerte Arm der Staatsanwaltschaft“ (Döl-
gibt, die den gleichen Sachverhalt abschließend an- ling/Duttge/König/Rössner, Gesamtes Strafrecht, 4.
ders regelt (§ 2 Absatz 3 Satz 1 LDSG). So ist es hier: Auflage 2017, GVG § 152 Rn 2). Von daher können ih-
§ 5 LDSG tritt hier hinter die speziellere Vorschrift des nen keine weitergehenden als der Staatsanwaltschaft
§ 19 Absatz 1 Satz 1 des Einführungsgesetzes zum selbst zustehenden Befugnisse eingeräumt werden,
Gerichtsverfassungsgesetz (EGGVG) zurück. Danach sie unterliegen vielmehr denselben Regeln, die für
dürfen die übermittelten Daten nur zu dem Zweck ver- die Staatsanwaltschaft gelten. Deshalb steht auch
arbeitet werden, zu dessen Erfüllung sie übermittelt der Wortlaut des § 12 Absatz 1 Satz 1 EGGVG, so-
worden sind. § 19 Absatz 1 Satz 1 EGGVG normiert weit dort (nur) die Staatsanwaltschaft genannt ist, der
damit bundesrechtlich eine strenge Zweckbindung, Anwendung der Vorschriften des Zweiten Abschnitts
die durch Landesrecht nicht gelockert oder aufgeho- nicht entgegen, wenn die Unterrichtung der Auslän-
ben werden kann (Huber AufenthG/Weichert/Stoppa, derbehörden gemäß § 87 Absatz 4 Satz 1 AufenthG
2. Aufl. 2016, AufenthG § 87 Rn. 69). durch deren Ermittlungspersonen erfolgt. Werden die
Ermittlungspersonen der Staatsanwaltschaft als Org-
Sie wollen es noch genauer wissen? Kein Problem: § an und verlängerter Arm der Staatsanwaltschaft tätig,
19 EGGVG ist gemäß § 12 Absatz 1 Satz 1 EGGVG ist dies so zu behandeln, als würde die Staatsanwalt-
auch für den Fall anwendbar, dass die Datenüber- schaft selbst tätig. Sinn und Zweck der Regelung des
mittlung auf der Grundlage des § 87 Absatz 4 Satz 1 § 12 Absatz 1 Satz 1 EGGVG kann es nicht sein, die
AufenthG durch die Polizei übermittelt wurden. Dass Datenverarbeitung der Hilfsbeamten weniger stren-
§ 12 Absatz 1 Satz 1 EGGVG (im hier maßgeblichen gen Voraussetzungen zu unterwerfen als würde die
Zusammenhang) ausdrücklich nur die Staatsanwalt- Staatsanwaltschaft selbst handeln. Andernfalls könn-
schaften benennt, steht dem nicht entgegen. Nach te dies dazu führen, dass sich die Staatsanwaltschaft
dem Wortlaut des § 87 Absatz 4 Satz 1 AufenthG trifft ihrer datenschutzrechtlichen Pflichten entzieht, in-
die Informationspflicht gegenüber den Ausländerbe- dem sie statt selbst zu handeln ihre Hilfsbeamten
hörden die für die Einleitung und Durchführung eines heranzieht bzw. agieren lässt. Eine solche Umgehung
Straf- oder eines Bußgeldverfahrens zuständigen Stel- wäre erkennbar unzulässig.
len. Weder die Polizei noch die Staatsanwaltschaft
sind hier ausdrücklich benannt. Damit richtet sich die Im Ergebnis greift deshalb die enge Zweckbindung
Vorschrift grundsätzlich an die Staatsanwaltschaft. des § 19 Absatz 1 Satz 1 EGGVG auch dann, wenn
Diese ist „Herrin“ des Ermittlungsverfahrens. Der die Ausländerbehörden gemäß § 87 Absatz 4 Satz 1
Polizei kommt zunächst nur die Aufgabe des ersten AufenthG durch die Ermittlungspersonen der Staats-
Zugriffs nach der Tat zu. Dass die Polizei in der Pra- anwaltschaft unterrichtet werden.
xis in den Fällen der kleineren und oft auch mittleren

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LfDI BW I 36. Tätigkeitsbericht I 2020

Noch nicht überzeugt? OK: Selbst wenn man dem allen Personen zu unterstellen, die bisher bereits auch
nicht folgen würde, lägen auch die Voraussetzungen nur ein einziges Mal in der Öffentlichkeit „auffällig“ ge-
des § 5 Absatz 1 LDSG für eine zulässige Zweckände- worden waren, und sie damit ungerechtfertigt zu stig-
rung hier nicht vor. Als allein denkbarer Anwendungs- matisieren, geht deutlich zu weit und ist ungesetzlich.
fall käme hier die zweite Variante der Nummer 2 in Dass sich der OB der Stadt Tübingen nun um eine ent-
Betracht („zur Abwehr einer schwerwiegenden Beein- sprechende gesetzliche Änderung bemüht, ist völlig
trächtigung der Rechte und Freiheiten einer anderen in Ordnung – und belegt unsere Auffassung, dass die
Person erforderlich“). Hierauf beruft sich die Stadt, aktuelle Rechtslage die beanstandete Listenführung
indem sie geltend macht, der Schutz der städtischen nicht hergab und nicht hergibt.
Mitarbeitende mache die Nutzung der ausländer-
rechtlichen Informationen generell erforderlich. Dies Angesichts dieser Rechtslage, die für eine anderweiti-
ist indes unzutreffend. ge Interessenabwägung keinen Raum bot, sahen wir
keine andere Möglichkeit, als der Stadt die Fortset-
§ 5 Absatz 1 Nummer 2 2. Alternative LDSG setzt zung ihrer unzulässigen Datenverarbeitung zu unter-
zum einen voraus, dass die Gefahr einer „schwer- sagen. Gesetz ist Gesetz, auch wenn dessen Folgen
wiegenden Beeinträchtigung“ von Rechten und Frei- nicht auf ungeteilte Zustimmung treffen sollte. Und
heiten „einer“ anderen Person im Raum steht, die es übrigens: Das Gesetz ist gut, so wie es ist.
abzuwehren gilt, und zum anderen, dass die konkrete
Verarbeitung unter Erforderlichkeitsgesichtspunkten
die ultima ratio darstellt. Hinsichtlich der Gefährdung Der Gutachterausschuss
gilt, dass deren bloße Annahme nicht ausreichend ist, Immer wieder erreichen uns Eingaben, in denen sich
es bedarf vielmehr der hinreichenden Wahrscheinlich- Bürger_innen sorgen, wenn es etwa darum geht, dass
keit des Beeinträchtigungseintritts (Gola/Heckmann/ Grundstückskaufverträge einem Gutachterausschuss
Heckmann/Scheurer, 13. Aufl. 2019, BDSG § 23 Rn. zur Verfügung gestellt werden. Die Sorge geht dahin,
26, m.w.N.). Es müssen konkrete Tatsachen für eine dass die darin enthaltenen – aus Sicht der Betroffe-
hinreichend wahrscheinliche Schädigung der in Rede nen sensitiven – Daten, insbesondere der Verkaufs-
stehenden Rechtsgüter vorliegen (BeckOK Daten- preis, in der Gemeinde bekannt werden. Gerade in klei-
schutzR/Albers/Veit BDSG § 23 Rn. 31-32; Sydow, neren Gemeinden wird befürchtet, dass es dadurch
Bundesdatenschutzgesetz, 1. Auflage 2020, § 23 Rn. zu Gerede komme. Ob diese Sorge generell berech-
25; Taeger/Gabel, DS-GVO BDSG, 3. Auflage 2019, Rn. tigt ist, lässt sich für uns schwer verifizieren, da wir
24). Nur dann also, wenn in jedem Einzelfall diese en- noch in keinem Einzelfall entsprechende Erkenntnis-
gen Voraussetzungen erfüllt sind, kommt eine Zwe- se gewinnen konnten. Gleichwohl soll aus Sicht des
ckentfremdung in Betracht. Datenschutzes auf folgende Rechtslage hingewiesen
werden:
Unserer Aufforderung, von dem betroffenen Perso-
nenkreis allgemein und von einzelnen Betroffenen im Die Bildung von Gutachterausschüssen sowie deren
Besonderen ausgehende, auf Behördenmitarbeitende Aufgaben und Befugnisse ist in den §§ 192 bis 199 des
bezogene konkrete Gefährdungssituationen zu bele- Baugesetzbuches (BauGB) geregelt. Ergänzend gilt
gen, kam die Stadt nicht nach. Wir gehen daher davon die landesrechtliche Gutachterausschussverordnung
aus, dass es solche konkreten Gefährdungen nicht, je- (GuAVO) vom 11. Dezember 1989. Nach § 1 Absatz
denfalls nicht bezogen auf jeden einzelnen der in der 1 Satz 1 GuAVO werden Gutachterausschüsse grund-
Liste erfassten Personen, gab. Eine Rechtfertigung da- sätzlich bei den Gemeinden gebildet. Dabei handelt es
für, pauschal alle Personen, die der Ausländerbehörde sich jedoch nicht um Ausschüsse der Gemeinden als
nach § 87 Absatz 4 Satz 1 AufenthG zu einem Zeit- solche. Gemäß § 192 Absatz 1 BauGB sind sie viel-
punkt gemeldet werden, in dem weder die Staatsan- mehr selbständige und unabhängige Behörden oder
waltschaft noch ein Gericht den Tatvorwurf abschlie- öffentlich-rechtliche Stellen, denen eigene hoheitliche
ßend geprüft haben, in diese Liste aufzunehmen, gibt Aufgaben übertragen sind (VG Bayreuth, Urteil vom
es daher nicht. Allenfalls dann, wenn ein Asylbewerber 20. März 2014 – B 2 K 13.809 –; Sächsisches Oberver-
konkret durch entsprechendes Vorgehen gegen Behör- waltungsgericht, Urteil vom 9. Mai 2014 – 1 C 12/12
denmitarbeitende aufgefallen wäre, wäre ein anderes –; Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-An-
Ergebnis denkbar. Ein solches Verhalten aber generell halt, Beschluss vom 22.Januar 2015 – 4 O 177/14 –).

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Als öffentliche Stellen im Sinne des § 2 Absatz 1 Satz § 6 Absatz 1 Nummer 1 in Verbindung mit § 5 die
1 des Landesdatenschutzgesetzes (LDSG) sind sie Möglichkeiten einer Übermittlung zu anderen als den
damit datenschutzrechtlich Verantwortliche im Sinne ursprünglichen Erhebungszwecken deutlich ein. Da-
der DS-GVO sowie des Landesdatenschutzgesetzes nach dürfte eine Übermittlung regelmäßig ausschei-
(§ 2 Absatz 1 Satz 2 LDSG). § 3 Absatz 2 Nummer 1 den. Gutachter tun gut daran, hier Sorgfalt walten zu
GuAVO bestätigt dies, wobei allerdings diese Norm of- lassen, denn zu Recht weist § 3 Absatz 2 Nummer 2
fenbar noch nicht (vollständig) an die aktuelle Rechts- GuAVO darauf hin, dass Gutachter einer besonderen
lage angepasst wurde. Geheimhaltungspflicht unterliegen und sich im Zweifel
strafbar machen, wenn sie dagegen verstoßen.
Zunächst stellt das Baugesetzbuch die Rechtsgrund-  
lagen für die Verarbeitung personenbezogener Daten
durch Gutachterausschüsse zur Verfügung. Nach § Ja, sind wir denn in China?
195 Absatz 1 Satz 1 BauGB ist zur Führung der Kauf- Besorgte Bürger wandten sich an uns, weil sie befürch-
preissammlung jeder Vertrag, durch den sich jemand teten hatten, die Einführung von Einlasskontrollen per
verpflichtet, Eigentum an einem Grundstück gegen Gesichtserkennung in das Stadtbüro ihrer Gemeinde
Entgelt, auch im Wege des Tausches, zu übertragen würde zu „chinesischen Verhältnissen“ führen.
oder ein Erbbaurecht erstmals oder erneut zu bestel-
len, von der beurkundenden Stelle in Abschrift dem Gesichtserkennung ist aus Sicht des Datenschutzes
Gutachterausschuss zu übersenden. Nach § 197 Ab- ein heikles Thema. Bei klassischen Gesichtserken-
satz 1 Satz 2 BauGB kann ein Gutachterausschuss nungssystemen werden biometrische Daten verarbei-
verlangen, dass Eigentümer und sonstige Inhaber von tet. Diese sind besonders schutzbedürftig, weil sie viel
Rechten an einem Grundstück die zur Führung der über uns verraten und hoch individuell sind. Es drän-
Kaufpreissammlung und zur Begutachtung notwendi- gen sich die Bilder aus China auf, wo Rotlichtsünder
gen Unterlagen vorlegen. von den Kameras an der Ampel aufgenommen und
auf riesige Displays mit Namensnennung projiziert
Geht es dann um das Verhältnis zur Gemeinde, bei der werden – zur Abschreckung und „Erziehung“. Dies vor
der Gutachterausschuss gebildet ist, ist zu beachten, Augen kann man verstehen, dass Bürger_innen beson-
dass die Gemeinde einerseits und der Gutachteraus- ders sensibel reagieren, wenn der Eindruck entsteht,
schuss andererseits jeweils in unterschiedlichen La- auch hierzulande hielten solche Methoden Einzug.
gern stehen und deshalb personenbezogene Daten, die
sie im eigenen Wirkungskreis verarbeiten, nicht ohne Wir haben uns daher von der Gemeinde erklären las-
Weiteres miteinander austauschen dürfen. Gemäß sen, was es mit der Gesichtserkennung im Stadtbüro
dem vom Bundesverfassungsgericht geprägten Bild auf sich hat. Sie hat – wie viele andere auch – unter
der Doppeltür (zuletzt: BVerfG, Beschluss vom 27. Mai Berufung auf ihr Hausrecht festgelegt, dass in Zeiten
2020 – 1 BvR 1873/13 –) vollzieht sich ein Datenaus- der Corona-Pandemie Bürger_innen, die das Stadtbüro
tausch „durch die einander korrespondierenden Ein- betreten wollen, eine Mund-Nase-Bedeckung tragen
griffe von Abfrage und Übermittlung, die jeweils einer müssen, ansonsten kann ihnen der Zutritt zum Stadt-
eigenen Rechtsgrundlage bedürfen. Der Gesetzgeber büro verwehrt werden.
muss, bildlich gesprochen, nicht nur die Tür zur Über-
mittlung von Daten öffnen, sondern auch die Tür zu Um das Hausrecht und die Hygieneregeln in der Pan-
deren Abfrage. Erst beide Rechtsgrundlagen gemein- demiezeit durchzusetzen, wurde die Gemeinde von
sam, die wie eine Doppeltür zusammenwirken müs- einer ortsansässigen Firma für Eintrittssysteme unter-
sen, berechtigen zu einem Austausch personenbezo- stützt. Diese installierte ein Zutrittskontrollsystem mit
gener Daten.“ Das bedeutet, dass die Gemeinde, wenn Drehkreuz, Kamera und Monitor. Das System gibt den
sie Informationen vom Gutachterausschuss beziehen Weg frei, wenn die Maske richtig sitzt. Dafür sorgt die
will, nachweisen muss, dass sie diese Informationen Kamera mit intelligenter Bildverarbeitung. Sie erkennt,
zwingend benötigt, um ihre Aufgaben erledigen zu ob ein Gesicht im Mund-Nasen-Bereich bedeckt ist
können. Andererseits muss der Gutachterausschuss oder nicht. Ist dies der Fall, öffnet sich das Drehkreuz.
prüfen, ob er zur Übermittlung befugt ist. Da das Bau- Erkennt das System den Mund-Nasen-Bereich, weil
gesetzbuch insoweit keine Regelungen enthält, gilt dieser nicht durch eine Maske verdeckt wird, blockiert
das Landesdatenschutzgesetz. Diese schränkt durch das System den Zutritt.

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LfDI BW I 36. Tätigkeitsbericht I 2020

Eine Gesichtserkennung im klassischen Sinne liegt ßig. Insbesondere weil keine Bilddaten gespeichert
damit nicht vor, da das System die Identifikation von werden, sahen wir keine überwiegenden schutzwür-
Personen weder bezweckt noch ermöglicht. Insbeson- digen Interessen der betroffenen Personen, die ge-
dere werden keine Bilder gespeichert. gen den Einsatz des Maskenscanners sprechen
würden. Der Maskenscanner wurde daher nicht be-
Auch wenn es sich bei dem Maskenscanner um ein anstandet.
reines Video-Monitoring handelt, werden gleichwohl Letztlich konnten hier auch die Bedenken, bei ba-
personenbezogene Daten verarbeitet. Im Landesda- den-württembergischen Kommunen würden „chi-
tenschutzgesetz ist geregelt, dass die Beobachtung nesische Verhältnisse“ Einzug halten, ausgeräumt
öffentlich zugänglicher Räume mit Hilfe von elektro- werden.
nischer Einrichtungen (Videoüberwachung) sowie die
Verarbeitung der dadurch erhobenen personenbezo-
genen Daten zulässig ist, soweit dies im Rahmen der
Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe oder in Ausübung 10.2 Neues aus dem Amt II: Gesundheits-, Sozial-
des Hausrechts im Einzelfall erforderlich ist, um Le- und Bildungswesen
ben, Gesundheit, Freiheit oder Eigentum von Perso-
nen, die sich in öffentlichen Einrichtungen, öffentli- Die Auskunft im Sozialdatenschutz
chen Verkehrsmitteln, Amtsgebäuden oder sonstigen Die Auskunft ist ein wichtiges und oft in Anspruch
baulichen Anlagen öffentlicher Stellen oder in deren genommenes Betroffenenrecht. Dies spiegelte sich
unmittelbarer Nähe aufhalten zu schützen und keine auch in der Arbeit unserer Behörde im Berichtszeit-
Anhaltspunkte dafür bestehen, dass schutzwürdige raum wieder. Sowohl Verantwortliche als auch be-
Interessen der betroffenen Personen überwiegen (§ troffene Personen wandten sich vielfach mit Fragen
18 Abs. 1 Nr. 1 LDSG). bzw. Beschwerden zu der Thematik an unsere Be-
hörde. Im Folgenden soll auf die Besonderheiten der
Hier handelt die Gemeinde in Ausübung ihres Haus- Auskunft im Bereich des Sozialdatenschutzes einge-
rechts, um Leben und Gesundheit von Personen, die gangen werden; im Anschluss werden noch „Fälle“
sich in dem Amtsgebäude (Bürgerbüro) aufhalten, zur Auskunft aus unserer diesjährigen Praxis in die-
zu schützen. Das Eintrittssystem mit automatischer sem Bereich vorgestellt.
Maskenprüfung ist jedenfalls nicht unverhältnismä-

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Mit Verweis auf Artikel 15 der DS-GVO kann man zielführend nach seinen verarbeiteten personenbezogene Daten fragen.

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LfDI BW I 36. Tätigkeitsbericht I 2020

Das Auskunftsrecht der betroffenen Person ist in Gemäß § 83 Absatz 1 Nr.1 SGB X besteht allerdings
Artikel 15 der DS-GVO geregelt. Danach hat eine das Recht auf Auskunft der betroffenen Person aus-
Person regelmäßig ein Recht auf Auskunft über sie nahmsweise dann nicht, soweit die betroffene Person
betreffende personenbezogene Daten, die der Ver- nach § 82a Absatz 1, 4 und 5 nicht zu informieren ist.
antwortliche verarbeitet. Außerdem hat sie Anspruch
auf weitere Informationen im Zusammenhang mit Nach § 82a Absatz 1 Nummer 1 Buchstabe a SGB X
der Verarbeitung ihrer personenbezogenen Daten besteht die Pflicht zur Information u. a. dann nicht,
(z. B. über die Zwecke der Verarbeitung ihrer perso- soweit die Erteilung der Information die ordnungs-
nenbezogenen Daten) sowie auf (bei erstmaliger Be- gemäße Erfüllung der in der Zuständigkeit des Ver-
antragung kostenlose) Überlassung einer Kopie der antwortlichen liegenden Aufgaben gefährden würde
gespeicherten Daten. und deswegen das Interesse der betroffenen Person
an der Informationserteilung zurücktreten muss.
Im Bereich des Sozialdatenschutzes – Sozialdaten
sind die personenbezogenen Daten, die beispielswei- Im Beispielsfall dürfte davon auszugehen sein, dass
se von Jugendämtern, Jobcentern, Wohngeldstellen die Erteilung der Information über den Hinweisgeber
und Ämtern für Ausbildungsförderung zur Erfüllung die ordnungsgemäße Erfüllung der Aufgaben des
ihrer Aufgaben nach dem Sozialgesetzbuch verarbei- Jugendamts gefährden würde und deswegen das In-
tet werden (vgl. § 67 Absatz 2 des Zehnten Buchs teresse der betroffenen Person an der Informations-
des Sozialgesetzbuchs, SGB X) – wurde Artikel 15 erteilung zurücktreten muss. Daher besteht bei einer
DS-GVO „modifiziert“. Eine solche Abweichung von solchen Konstellation regelmäßig keine Pflicht zur
der Regelung in der Datenschutz-Grundverordnung Auskunft. Hintergrund hierfür ist, dass die Gewährung
erlaubt Artikel 23 DS-GVO, wenn bestimmte Voraus- von Diskretion Voraussetzung dafür ist, dass die Ju-
setzungen vorliegen und bestimmte Anforderungen gendämter ihrer Aufgabe, eventuelle familiäre Proble-
eingehalten werden. Geregelt sind die Modifikatio- me mit Auswirkung auf das Kindeswohl rechtzeitig zu
nen in § 83 SGB X. Da § 83 Absatz 1 SGB X auf § entdecken und zu lösen, gerecht werden können.
82a SGB X verweist, ist im Zusammenhang mit der
Auskunft auch noch diese Norm von Bedeutung. Im Folgenden werden noch drei Aspekte der Auskunft
dargestellt, mit denen unsere Behörde im Berichts-
Dieses Regelungsgeflecht bedeutet für einen Sozi- zeitraum befasst war:
alleistungsträger, der mit einem Auskunftsbegehren
zu tun hat, dass er „sein Augenmerk“ auf alle drei 1. Von Seiten der betroffenen Person ist es wichtig, die
Normen richten muss. Das Zusammenspiel der Vor- Auskunft so zu beantragen, dass der Verantwortliche
schriften soll mit dem folgenden Beispielsfall veran- weiß, „was gemeint ist“. So wird z. B. hin und wieder
schaulicht werden: die „Herausgabe von Unterlagen zu meiner Person“
verlangt. Ein solcher „Herausgabe“-Anspruch besteht
Beim Jugendamt wurde eine Kindeswohlgefährdung im Datenschutzrecht nicht. Daher kann ein entspre-
angezeigt. Die Eltern des Kinds beantragen beim Ju- chendes Begehr zu Missverständnissen und in der Fol-
gendamt Auskunft dahingehend, wer der Hinweisge- ge zu (eigentlich unnötigen) Beschwerden bei unserer
ber war. Behörde führen. Klarer ist es, beispielsweise eine For-
mulierung wie die folgende zu wählen: „Ich beantrage
Nach Artikel 15 DS-GVO hat die betroffene Person Auskunft nach Artikel 15 der Datenschutz-Grundver-
grundsätzlich ein Recht auf Auskunft in Bezug auf ordnung über von mir vom Jugendamt/Jobcenter/
über sie verarbeitete personenbezogene Daten. Ge- Wohngeldstelle/Amt für Ausbildungsförderung verar-
mäß Artikel 15 Absatz 1 Buchstabe g DS-GVO gehö- beitete personenbezogene Daten.“
ren hierzu, wenn die personenbezogenen Daten nicht
bei der betroffenen Person erhoben werden, alle ver- 2. Die Auskunft ist regelmäßig innerhalb eines Mo-
fügbaren Informationen über die Herkunft der Daten. nats zu erteilen. Die Frist kann um weitere zwei Mo-
Hiervon umfasst ist, soweit dem Jugendamt bekannt, nate verlängert werden, wenn dies unter Berücksich-
grundsätzlich – vorbehaltlich von Artikel 15 Absatz 4 tigung der Komplexität und der Anzahl von Anträgen
DS-GVO – auch der Name des Hinweisgebers. erforderlich ist. In diesem Fall erfolgt nach einem
Monat eine Unterrichtung über die Fristverlängerung

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LfDI BW I 36. Tätigkeitsbericht I 2020

zusammen mit den Gründen für die Verzögerung. In Masernschutzgesetz in Kindertageseinrichtungen


einer von unserer Behörde aufgrund einer Beschwer- und Schulen
de geprüften Angelegenheit wurden diese Vorgaben, Nachdem das Masernschutzgesetz im März 2020 in
die in Artikel 12 Absatz 3 DS-GVO geregelt sind, nicht Kraft trat, erreichten uns viele Anfragen zur Umset-
eingehalten. zung der Nachweispflicht in Schulen und Kindertages-
einrichtungen. Dabei wurde oft eine überschießende
3. In einer weiteren Angelegenheit erteilte ein Ju- Verarbeitung personenbezogener Daten seitens der
gendamt, weil die betroffene Person mit einer unver- Schulen bzw. Kindertageseinrichtungen bemängelt.
schlüsselten E-Mail die Auskunft verlangt hatte, diese
Auskunft ebenfalls per unverschlüsselter E-Mail. Das Mit dem zum 1. März 2020 in Kraft getretenen Gesetz
Jugendamt ging anscheinend davon aus, dass Artikel für den Schutz vor Masern und zur Stärkung der Impf-
15 Absatz 3 Satz 3 DS-GVO dies zulässt. Artikel 15 prävention vom 10. Februar 2020 (Masernschutzge-
Absatz 3 Satz 3 DS-GVO lautet wie folgt: „Stellt die be- setz, BGBl. I S. 148) wurde insbesondere eine Ver-
troffene Person den Antrag elektronisch, so sind die pflichtung von Kindertageseinrichtungen und Schulen
Informationen in einem gängigen elektronischen For- eingeführt, sich von den die jeweilige Einrichtung be-
mat zur Verfügung zu stellen, sofern sie nicht anderes suchenden Kindern und von ihren Beschäftigten – so-
angibt.“ Der Umstand, dass die betroffene Person die fern diese nach 1970 geboren sind – Unterlagen über
Auskunft per (unverschlüsselter) E-Mail verlangt hat- einen bestehenden Impfschutz, eine Immunität gegen
te, rechtfertigt jedoch nicht, dass auch die Auskunft Masern oder eine medizinisch begründete Impfunfä-
über die personenbezogenen Daten per unverschlüs- higkeit vorlegen zu lassen.
selter E-Mail erteilt wird. Es sind angemessene Sicher-
heitsanforderungen zu erfüllen. Im Einzelnen müssen die Kinder (bzw. deren Erzie-
hungsberechtigte) und die betroffenen Beschäftigten
Bei der Bearbeitung eines Auskunftsbegehrs ist Eini- nach den neu geschaffenen Bestimmungen in § 20
ges zu beachten. Bei Fragen kann der Datenschutzbe- Absatz 9 des Infektionsschutzgesetzes (IfSG)
auftragte des Verantwortlichen Hilfestellung geben.
a) eine Impfdokumentation,
b) ein ärztliches Zeugnis über einen ausreichenden
>> Weitere Informationen Impfschutz vor Masern,
Näheres zur Modifizierung der Auskunft im Bereich des c) ein ärztliches Zeugnis über Immunität gegen
Sozialdatenschutzes Masern,
https://dip21.bundestag.de/dip21/btd/18/126/ d) ein ärztliches Zeugnis darüber, dass sie aufgrund
1812611.pdf einer medizinischen Kontraindikation nicht gegen
Masern geimpft werde können, oder
Auskunftsrecht der betroffenen Person, Art. 15 DS-GVO e) eine Bestätigung einer anderen staatlichen Stelle
https://www.baden-wuerttemberg.datenschutz.de/ oder einer anderen (näher bezeichneten)
wp-content/uploads/2013/02/DSK-Kurzpapier-6-Aus- Einrichtung (z. B. einer anderen Kindertagesstätte
kunftsrecht.pdf). oder Schule), dass dort ein Nachweis im
vorbezeichneten Sinne bereits vorgelegen hat,

der Einrichtung vorlegen.

Die Vorlage muss grundsätzlich vor dem Besuch der


Einrichtung erfolgen. Wird ein solcher Nachweis nicht
erbracht oder ergibt sich aus dem vorgelegten Nach-
weis, dass ein ausreichender Impfschutz gegen Ma-
sern erst später erzielt werden kann, muss die Einrich-
tung dies an das zuständige Gesundheitsamt melden.
Für Kinder, die bereits bei Inkrafttreten des Masern-
schutzgesetzes am 1. März 2020 in der Einrichtung
waren, hat diese Meldung allerdings erst nach Ablauf

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LfDI BW I 36. Tätigkeitsbericht I 2020

des 31. Juli 2021 zu erfolgen (vgl. § 20 Absatz 10 und Vorlage bzw. Vorlage eines Nachweises, aus dem
11 IfSG). sich ergibt, dass ein vollständiger Impfschutz erst
später erfolgen kann) darf eine Einrichtung dies dem
Datenschutzrechtlich folgt hieraus, dass die Einrich- Gesundheitsamt mitteilen; sie ist dann dazu nach §
tung Einblick in die Nachweise nehmen und diese prü- 20 Absatz 9 Satz 4 IfSG verpflichtet. Auch die vielfach
fen muss. Eine Ablage dieses Nachweises oder einer geschilderte Praxis mancher Einrichtungen, bei Kin-
Kopie ist jedoch nicht zulässig, d.h. die Einrichtung dern, die bereits am 1. März 2020 ihre Einrichtungen
darf nur vermerken, dass ein Nachweis erfolgt ist bzw. besuchten, für die Vorlage des Nachweises eine Frist
dass ein Impfschutz erst später erreicht werden kann. weit vor Ablauf des 31. Juli 2021 zu setzen und anzu-
Nur wenn kein Nachweis erfolgt ist oder ein Impf- kündigen, bei Nichteinhaltung dieser von den Einrich-
schutz erst später erzielt werden kann, meldet dies tungen selbst gesetzten Frist das Gesundheitsamt
die Einrichtung dem zuständigen Gesundheitsamt. hiervon in Kenntnis zu setzen, hat keine gesetzliche
Grundlage; eine entsprechende vorzeitige Meldung an
Allerdings erhielten wir viele Anfragen von Erzie- das Gesundheitsamt wäre datenschutzrechtlich un-
hungsberechtigten, welche davon berichteten, dass zulässig.
gleichwohl Kopien von den Nachweisen erstellt und
abgelegt wurden. Teilweise wurden diese auch an Es erreichten uns jedoch auch Eingaben, denen zu-
das Gesundheitsamt weitergeleitet, wobei zuweilen folge die Schulen zwar keine Kopien anfertigten, aber
vorgetragen wurde, die Gesundheitsämter hätten dies die Vorlage der Nachweise innerhalb der Klasse bzw.
gegenüber der Schule bzw. der Kindertagesstätte an- eines Elternabends erfolgen sollten. Dies ist zwar
geordnet, was die Gesundheitsämter indes nicht be- möglich, muss jedoch so organisiert sein, dass nur
stätigten. die für die Prüfung zuständige Person der Schule
und das jeweilige Kind bzw. dessen Erziehungsbe-
Dieses uns vielfach geschilderte Vorgehen von Ein- rechtigte Kenntnis nehmen können. Ein Einsammeln
richtungen, standardmäßig Kopien (z.T. auch die oder ein Vorlegen vor der Klasse bzw. vor den ande-
Nachweise im Original) abzulegen oder gar an das Ge- ren Erziehungsberechtigten beim Elternabend sollte
sundheitsamt weiter zu leiten, ist allerdings nach dem vermieden werden, da hierbei die Gefahr besteht,
Vorgesagten nicht zulässig. Nur in der oben beschrie- dass Dritte gesundheitliche Informationen erhalten.
benen Konstellation (Unterlassen der fristgemäßen Wir empfehlen hier die Vorlage in einem geschützten

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Im Zuge des Masernschutzgesetzes vom März 2020 wollten viele Eltern wissen, wie der Impfnachweis des Kindes dokumentiert wird.

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LfDI BW I 36. Tätigkeitsbericht I 2020

Raum – idealerweise im Schulsekretariat, in dem zu- Bewertungsportale im Internet: Wenn mir deine Be-
gleich die Erfassung in den Akten durchgeführt wer- wertung nicht passt, gebe ich deine Identität preis!
den kann –, in welchem sich nur der bzw. die Vertre- Zwischenzeitlich gibt es kaum mehr ein Produkt oder
ter_in der Schule sowie die nachweispflichtige Person eine Dienstleistung, die nicht im Internet bewertet
aufhalten. wird. Vor allem dann, wenn jemand nicht mit der Leis-
tung eines Unternehmers oder Dienstleisters zufrie-
Das Kultusministerium hat – was grundsätzlich be- den ist, scheint das Bedürfnis zu bestehen, dies – oft
grüßenswert ist – frühzeitig für die Schulen eine auch unter einem Pseudonym - in öffentlichen Foren
Handreichung und Musteranschreiben sowie weite- publik zu machen. Unternehmer oder Dienstleister, die
res Informationsmaterial herausgegeben. Darin wird sich hierdurch ungerecht behandelt fühlen, möchten
insbesondere mit erfreulicher Deutlichkeit betont, dies wiederum richtigstellen, was absolut nachvoll-
dass die Schulen die vorgelegten Nachweise nicht zu ziehbar ist. Hierbei besteht allerdings die Gefahr, dass
archivieren haben und bei Schüler_innen, die bereits personenbezogene Daten des Bewertenden, wie etwa
am 1. März 2020 in der Schule aufgenommen waren, der Klarname einer unter einem Pseudonym agieren-
sowie Personen, die bereits am 1. März 2020 in der den Person, unzulässiger Weise öffentlich gemacht
Schule tätig waren, eine Meldung an das Gesundheit- werden.
samt erst zu erfolgen hat, wenn diese bis zum 31. Juli
2021 den erforderlichen Nachweis nicht vorlegen. Für derartige Veröffentlichungen liegt regelmäßig
Gleichwohl enthält die Handreichung (bzw. deren keine Rechtsgrundlage vor, da die Abgabe einer Be-
Anlagen), an deren Erstellung das Kultusministerium wertung nicht als Einwilligung in die Offenlegung per-
uns leider nicht beteiligt hat, auch einige datenschutz- sonenbezogener Daten in einer eventuellen Antwort
rechtlich bedenkliche Ausführungen (wie z. B. die Vor- gewertet werden kann. Besonders brisant wird es,
gaben, die Schulen müssten die Art des vorgelegten wenn es sich bei der bewerteten Person um einen
Nachweises vermerken oder sollten dann eine Kopie Berufsgeheimnisträger, wie etwa einen Rechtsanwalt
des Nachweises anfertigen und dem Gesundheitsamt oder Arzt handelt. In diesen Fällen kann die Veröffentli-
übermitteln, wenn „der vorgelegte Nachweis nicht in- chung personenbezogener Daten des (unzufriedenen)
terpretiert werden“ könne). Das schon seit einiger Zeit Mandanten/Patienten eine Schweigepflichtverletzung
von uns gesuchte Gespräch mit dem Kultusministeri- und damit eine Straftat darstellen.
um hierüber konnte leider bislang noch nicht geführt
werden.
Rechtsanwälte: Namensnennung auf Biegen und
Kurzum: In den Kindertageseinrichtungen und Schu- Brechen
len müssen Nachweise zur Masernschutzimpfung In einem der Fälle gab ein ehemaliger Mandant un-
gezeigt werden. Eine Kopie oder Ablage der Originale ter Pseudonym an, dass er den Rechtsanwalt nicht
ist jedoch nicht zulässig. Auch eine Meldung an das empfehle. Er habe die Rechnung seines Rechtsan-
Gesundheitsamt darf nur erfolgen, wenn kein Nach- walts nicht bezahlt, woraufhin der Rechtsanwalt ihn
weis innerhalb der jeweils anwendbaren gesetzlichen verklagt habe. Das Gericht habe dem Rechtsanwalt
Frist vorgelegt wurde oder die Impfung erst später aber nur einen Teilbetrag zugesprochen. Tatsäch-
möglich ist. Die Vorlage in der Kindertageseinrichtung lich war der Teilbetrag jedoch Gegenstand eines
oder Schule muss so erfolgen, dass Dritte keinen Ein- gerichtlichen Vergleichs. Der Rechtsanwalt wehrte
blick haben und nicht mithören können. sich mit einer einstweiligen Verfügung beim Land-
gericht. Daraufhin änderte der ehemalige Mandant
seine Bewertung ab und formulierte neutral, was
>> Weitere Informationen das Ergebnis des gerichtlichen Verfahrens war. Die
Hilfestellung bei der Umsetzung des Masernschutzge- Formulierung lässt offen, ob das Gericht durch einen
setzes Vergleich oder durch ein Urteil beendet wurde. Der
https://km-bw.de/,Lde/Startseite/Service/Masern- Rechtsanwalt konterte in verschiedenen Reaktionen
schutzgesetz unter Nennung des vollständigen Namens des Man-
danten. Dabei stellte er insbesondere klar, dass es
sich bei dem Teilbetrag um einen Vergleichsbetrag
handelte. Im Hinblick auf die geänderte Bewertung

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LfDI BW I 36. Tätigkeitsbericht I 2020

hat der Rechtsanwalt keine zivilrechtlichen Unter- vorliegend das Interesse des Mandanten an der Ge-
lassungs- oder Löschungsansprüche nach dem Bür- heimhaltung seiner Identität.
gerlichen Gesetzbuch, da es sich um eine zulässige Gemäß § 43a Absatz 2 der Bundesrechtsanwalts-
Meinungsäußerung sowie die Angabe einer wahren ordnung (BRAO) ist der Rechtsanwalt zur Verschwie-
Tatsache handelt. genheit verpflichtet, wobei sich diese Pflicht auf alles
bezieht, was ihm in Ausübung seines Berufes be-
Im Sinne von Artikel 6 Absatz 1 Unterabsatz 1 Buch- kanntgeworden ist, unter Ausnahme von Tatsachen,
stabe f DS-GVO wird jedoch ein berechtigtes Inter- die offenkundig sind oder ihrer Bedeutung nach kei-
esse des Rechtsanwalts anerkannt, Tatsachen an- ner Geheimhaltung bedürfen. Dies gilt gemäß § 59b
zugeben, die für potentielle Kunden von Bedeutung Absatz 2 Nummer 1 Buchstabe c BRAO i. V. m. § 2
sind, um sich ein Bild von seiner Person und seiner Absatz 1 Satz 2 der Berufsordnung der Rechtsan-
Arbeit zu machen. Das berechtigte Interesse gründet wälte auch nach Beendigung des Mandats. Von der
darauf, dass aufgrund der großen Reichweite des Verschwiegenheitspflicht umfasst ist daher bereits
Bewertungsportals eine breite Öffentlichkeit auf die das personenbezogene Datum, dass der Mandant
Bewertung zugreifen kann. Die Bewertungen kön- den Rechtsanwalt beauftragt hatte. Mandanten dür-
nen ausschlaggebend dafür sein, ob sich potentielle fen daher, nicht zuletzt aufgrund der hohen berufs-
Kunden an den Rechtsanwalt wenden oder nicht. Die rechtlichen Anforderungen an die Verschwiegenheit
Möglichkeit der Darstellung der eigenen Sicht auf die von Rechtsanwälten, grundsätzlich darauf vertrauen,
Bewertung kann daher von nicht unerheblicher Be- dass ihre personenbezogenen Daten nicht an unbe-
deutung für den künftigen beruflichen Erfolg sein. rechtigte Dritte und erst recht nicht an die Öffentlich-
Um gegenüber der Öffentlichkeit klarzustellen, dass keit via Internet gelangen.
er die Sichtweise des ehemaligen Mandanten nicht
teilt, war es jedoch keineswegs erforderlich, diesen Anders sieht das in diesem Fall die Rechtsanwalts-
mit dem vollständigen Namen anzusprechen. Statt- kammer Stuttgart, die sich ebenfalls mit einer Be-
dessen hätte beispielsweise das Pseudonym ver- schwerde des Mandanten befasste und diese zurück-
wendet werden können. Für die Öffentlichkeit dürfte wies. Obwohl wir sowohl im Rahmen der Anhörung
es kaum von Interesse sein zu erfahren, wer sich hin- als auch in der Begründung unserer Anordnung aus-
ter dem Pseudonym verbirgt. Jedenfalls überwiegt führlich darlegten, weshalb die Einschätzung der

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Negative Bewertung im Internet? Bitte nicht die Identität der Urheber offenlegen!

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LfDI BW I 36. Tätigkeitsbericht I 2020

Rechtsanwaltskammer für die datenschutzrechtli- Die Problematik, dass auf unter Pseudonym abgege-
che Bewertung nicht maßgeblich sein kann, hält der bene Bewertungen in unzulässiger Weise unter Nen-
Rechtsanwalt an seiner Auffassung fest und hat die nung des Klarnamens reagiert wird, stellt sich auch
unsere Anordnung gerichtlich angegriffen. Der An- bei anderen Berufsgeheimnisträgern, aber auch bei
trag auf vorläufigen Rechtsschutz wurde vom Ver- sonstigen Unternehmen und Organisationen. Uns
waltungsgericht abgelehnt. Die Entscheidung in der erreichten diesbezüglich zahlreiche Beschwerden.
Hauptsache steht noch aus. Daher sahen wir uns veranlasst, in einer Pressemit-
teilung darauf aufmerksam zu machen: „Negative Be-
wertung im Internet? Bitte nicht die Identität der Urhe-
Notare: Überschießende Reaktion einer Notar- ber offenlegen!“.
kanzlei
Anders als Rechtsanwälte sind Notar_innen Träger
eines öffentlichen Amtes und damit öffentliche Stel- >> Weitere Informationen
len. Aber genau wie Rechtsanwälte sind auch sie https://www.baden-wuerttemberg.datenschutz.de/ne-
bezüglich allem, was ihnen bei Ausübung ihres Am- gative-bewertung-im-internet/
tes bekannt geworden ist, zur Verschwiegenheit ver-
pflichtet. Dies gilt auch für ihre Mitarbeitenden.

Unter Hinweis auf diese Verschwiegenheitspflicht 10.3 Neues aus dem Amt III: Datenschutz in der
wurde unsere Behörde anonym auf Äußerungen ei- Privatwirtschaft
ner Notarkanzlei zu Bewertungen von Mandanten
der Kanzlei auf dem Portal „Google Bewertungen“ Auskunft heißt Auskunft – so konkret wie möglich
hingewiesen. Dem Schreiben waren zwei Seiten Das Auskunftsrecht nach Art. 15 DS-GVO ist eines der
mit Bewertungen und Antworten beigefügt. Unsere wesentlichen Rechte für die Betroffenen. Nicht ohne
Überprüfung hat ergeben, dass die vorgelegten Be- Grund erhalten wir daher auch viele Beschwerden, in
wertungen und die Antworten zu diesen tatsächlich denen dargelegt wird, dass eine begehrte Auskunft
auf „Google-Bewertungen“ eingestellt waren, sich die gar nicht oder aber nicht vollständig erteilt worden ist.
Bewertungen auf die von dem anonymen Schreiber Dies betrifft vor allem auch die Frage, an wen die Da-
genannte Notarkanzlei bezogen und die Antworten ten der Betroffenen weiterübermittelt worden sind.
auch tatsächlich von dieser Notarkanzlei stammten.
In den Standardtexten ihrer Auskunftsschreiben an
In einer dieser Antworten wurde z. B. der vollständige Betroffene nach Art. 15 DS-GVO behaupten nicht we-
Name samt Geburtsname und Wohnort einer Man- nige Unternehmen, darunter auch ein Adresshändler,
dantin genannt, die in ihrer Bewertung lediglich ihren dass ihnen ein Wahlrecht im Hinblick auf Art. 15 Abs.
Vornamen und den ersten Buchstaben ihres Nachna- 1 Buchst. c DS-GVO zustünde, sie also zwischen der
mens genannt hatte. Weiteren Antworten war z. B. zu Nennung des konkreten Empfängers (z.B. Fa. XY)
entnehmen, aus welchen Gründen Mandanten, die in oder einer Empfängerkategorie (z.B. Verlage) auswäh-
einer Bewertung ihren Klarnamen angegeben hatten, len könnten.
die Notarkanzlei aufgesucht hatten.
Dies ist aber datenschutzrechtlich unzutreffend. Die
Unsere Prüfung hat ergeben, dass diese daten- genannte Regelung ist vielmehr so zu verstehen,
schutzwidrigen Antworten ohne Wissen der Notarin dass bei erfolgten Übermittlungen über den konkre-
von Mitarbeitern veröffentlicht wurden. Dies ändert ten Empfänger Auskunft zu erteilen ist, bei künftigen
jedoch nichts daran, dass die rechtswidrigen Veröf- und geplanten Übermittlungen über die entsprechen-
fentlichungen aus datenschutzrechtlicher Sicht der de Kategorie(en). Es ist also dem Antragsteller immer
Notarin zuzurechnen sind. Denn diese ist für die von das an Informationen zu nennen, was auch an Wissen
ihren Mitarbeitenden in ihrer Notarkanzlei vorgenom- bei der verantwortlichen Stelle vorhanden ist.
menen Datenverarbeitungen und damit auch für die
im Portal Google-Bewertungen offengelegten perso- Auch aus den Regelungen der Art. 5 und Art. 12 DS-
nenbezogenen Daten „Verantwortliche“ im Sinne der GVO ergibt sich die Pflicht des Verantwortlichen, ein
DS-GVO. Da besteht offenbar Schulungsbedarf. Höchstmaß an Transparenz zugunsten der Betroffe-

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nen zu leisten. Lediglich die Nennung einer Kategorie antwortliche unverzüglich die von der Datenpanne
von Empfängern reicht da nicht aus und hilft übrigens betroffene Person benachrichtigt. Die Benachrichti-
auch dem Betroffenen nicht weiter, der so konkrete gungspflicht hat drei Ziele: Sie soll Transparenz im
Angaben wie möglich erwartet. Denn er kann (und Hinblick auf Datenschutzverletzungen schaffen, die
will auch häufig) bei den genannten Empfängern sein betroffenen Personen dabei unterstützen, Folgeschä-
Auskunftsrecht nach Art. 15 DS-GVO geltend machen den aufgrund der Datenschutzverletzung zu vermei-
und so weiterverfolgen, wer alles seine persönlichen den bzw. zu minimieren, und (beim Verantwortlichen)
Daten bekommen hat. einen Anreiz schaffen, verstärkte Anstrengungen zur
Datensicherheit zu unternehmen, so dass der Norm
Dies ist auch – wörtlich – Erwägungsgrund 63 der DS- auch präventive Funktion zukommt (vgl. Reif in Gola,
GVO („ … wer die Empfänger der personenbezogenen Kommentar zur Datenschutz-Grundverordnung, 2.
Daten sind …“) zu entnehmen. Wenn man überhaupt Auflage, Artikel 34 Rn. 1).
ein Wahlrecht annehmen würde, so stünde dieses al-
lein dem Betroffenen zu, da Art. 15 DS-GVO ein Betrof- Welche Informationen muss nun eine solche Betrof-
fenenrecht regelt. fenenbenachrichtigung enthalten? Zu dieser Frage
haben wir im Berichtszeitraum u. a. eine Einrichtung
Wir haben daher die betroffenen Unternehmen aufge- für Kinder und Jugendliche, welche Opfer eines Ha-
fordert, ihre bisherige Praxis bei der Beauskunftung ckerangriffs geworden war, beraten.
nach Art. 15 DS-GVO umgehend an die dargelegte
Rechtsauffassung anzupassen. In diesem Punkt sind Die Antwort ergibt sich weitgehend aus der Daten-
wir streng, auch sehen wir keinen Anlass für etwaige schutz-Grundverordnung selbst. Nach Artikel 34 der
andere „Auslegungen“ – denn die Rechte der Betroffe- DS-GVO in Verbindung mit Artikel 33 DS-GVO enthält
nen sind zu wahren! die Benachrichtigung zumindest die folgenden Infor-
mationen und Maßnahmen:

Anforderungen an die Benachrichtigung der Betrof- • eine Beschreibung der Art der Verletzung des
fenen bei einer Datenpanne Schutzes personenbezogener Daten in klarer und ein-
Die DS-GVO sieht vor, dass der Verantwortliche die facher Sprache,
betroffene Person von einer sog. Datenpanne zu be-
nachrichtigen hat, wenn die Verletzung des Schutzes • den Namen und die Kontaktdaten des Daten-
personenbezogener Daten voraussichtlich ein hohes schutzbeauftragten oder einer sonstigen Anlaufstelle
Risiko für seine persönlichen Rechte zur Folge hat. für weitere Informationen,
Welchen Inhalt muss eine solche Benachrichtigung
haben? • eine Beschreibung der wahrscheinlichen Folgen
der Verletzung des Schutzes personenbezogener Da-
Im Falle einer Verletzung des Schutzes personenbe- ten und
zogener Daten meldet der Verantwortliche (unverzüg-
lich und möglichst binnen von 72 Stunden, nachdem • eine Beschreibung der von dem Verantwortlichen
ihm die Verletzung bekannt wurde) diese der zustän- ergriffenen oder vorgeschlagenen Maßnahmen zur
digen Aufsichtsbehörde (es sei denn, dass die Ver- Behebung der Verletzung des Schutzes personenbe-
letzung des Schutzes personenbezogener Daten vo- zogener Daten und ggf. Maßnahmen zur Abmilderung
raussichtlich nicht zu einem Risiko für die Rechte und ihrer möglichen nachteiligen Auswirkungen.
Freiheiten natürlicher Personen führt). Eine solche Im konkreten Fall hat die Einrichtung – in Abstimmung
Verletzung – auch Datenpanne genannt – kann z. B. mit unserer Behörde – zu den einzelnen Punkten im
eine an einen falschen Adressaten versandte E-Mail Wesentlichen Folgendes ausgeführt:
mit personenbezogenen Daten sein.
• Die Einrichtung sei Opfer eines Hackerangriffs ge-
Hat die Datenpanne voraussichtlich ein hohes Risiko worden. Ein Unbekannter habe durch den Hackeran-
für die persönlichen Rechte und Freiheiten natürlicher griff Zugriff auf von der Einrichtung verarbeitete per-
Personen zur Folge, sieht die DS-GVO zusätzlich (zur sonenbezogene Daten erhalten. Im Folgenden wurde
Meldung an die Aufsichtsbehörde) vor, dass der Ver- benannt, welche Arten von personenbezogenen Daten

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LfDI BW I 36. Tätigkeitsbericht I 2020

betroffen sind (z. B. Adress- und Kommunikationsda- gesamte System aus Sicherheitsgründen herunterge-
ten, Gesundheitsdaten). Auch wurde darüber infor- fahren habe, um es neu aufzusetzen. Auch wurde mit-
miert, dass die Einrichtung den Zugriff auf die Daten geteilt, dass die Einrichtung unsere Behörde unterrich-
zeitweise verloren hatte, die Daten aber wiederherge- tet und eine Anzeige bei der Polizei aufgegeben habe.
stellt werden konnten.
Die Benachrichtigung im Falle einer Datenpanne hat
Allgemein ist an dieser Stelle noch zu erwähnen, dass also gewissen Anforderungen zu genügen. Die Einhal-
das Gebot der „klaren Sprache“ es ausschließen dürf- tung dieser Anforderungen ist allerdings kein Selbst-
te, die Information über die Verletzung unter einer zweck, sondern hilft der betroffenen Person, das Risiko
Vielzahl anderer Informationen zu verstecken oder der Verletzung ihrer personenbezogenen Daten ein-
die Information mit Werbe- oder Verkaufsangeboten schätzen zu können und Folgeschäden aufgrund der
zu verknüpfen, die nicht klar von der Verletzungsinfor- Datenschutzverletzung zu vermeiden bzw. zu minimie-
mation getrennt sind (vgl. Martini in Paal/Pauly, Kom- ren.
mentar zur DS-GVO, 2. Auflage, Artikel 34 Rn. 53).

Bei diesem Punkt stand die Rechtsfrage im Raum, ob Datenschutz in der Kreditwirtschaft: Fehlüberweisung
– da eine Veröffentlichung der Informationen in der mit Folgefehler
Tagespresse erfolgen sollte, weil individuelle Benach- Mancher Bankkunde muss mit Verdruss zur Kenntnis
richtigungen aller betroffenen Personen mit unverhält- nehmen, dass die Bank seine personenbezogenen Da-
nismäßigem Aufwand verbunden waren – statt der ten direkt an einen Dritten weitergibt, weil dieser ihm
Angabe des Namens und der Kontaktdaten des Da- versehentlich Geld überwiesen hat, das er nun zurück-
tenschutzbeauftragten oder einer sonstigen Anlauf- fordert. Die Banken haben von einer solchen Weiterga-
stelle für weitere Informationen ein Verweis auf die be abzusehen.
Internetseite der Einrichtung und die im Impressum
hinterlegten Kontaktdaten ausreichend ist. Hinter- Bisweilen sehen sich Kontoinhaber damit konfrontiert,
grund für diese Frage war die Sorge der Einrichtung, dass eine bis dahin unbekannte Person (oder ein eben-
dass auch eine veröffentlichte Telefonnummer miss- solches Unternehmen) brieflich Geld von ihnen fordert,
braucht werden könnte. Diesen sog. „Medienbruch“ dass sie zuvor angeblich irrtümlich auf sein Konto
hielten wir aufgrund des doch recht eindeutigen Wort- überwiesen haben. Auf Nachfrage stellt sich sodann
lauts der Vorschrift nicht für zulässig. heraus, dass der Zahlende den Namen und die An-
schrift des Bankkunden direkt von der kontoführenden
Bei der Beschreibung der wahrscheinlichen Folgen der Bank erhalten hat. Der hieraus erwachsende Unmut
Verletzung des Schutzes personenbezogener Daten des Bankkunden ist verständlich und begründet.
hat die Einrichtung darauf hingewiesen, dass damit Für die Weitergabe des Namens und der Anschrift des
gerechnet werden müsse, dass die Hacker oder Dritte Kontoinhabers an den nur scheinbar spendablen Zah-
die Kenntnis der Daten für Straftaten (z. B. Betrug oder ler bedarf es einer Rechtsgrundlage gemäß Artikel 6
Erpressung) zum Nachteil der betroffenen Personen Absatz 1 DS-GVO, an der es jedoch regelmäßig fehlt.
ausnutzen und insbesondere die E-Mail-Anschriften Manche Banken berufen sich auf das Abkommen über
zur weiteren Verbreitung von Malware verwenden. Es die SEPA-Inlandsüberweisung. Nach dessen Nummer
wurde erläutert, dass insbesondere Personen betrof- II.7 hat der Zahlungsdienstleister des Zahlungsempfän-
fen sein könnten, die geschäftlich oder persönlich mit gers im Fall einer Fehlüberweisung den Namen und die
der Einrichtung in Kontakt stehen oder standen. Anschrift der Person mitzuteilen, auf deren Konto der
Überweisungsbetrag gutgeschrieben wurde, damit der
Hier riet die Einrichtung zur Vorsicht bei E-Mails mit Zahler oder der Zahlungsdienstleister des Zahlers sei-
Anhängen und bei Telefonanrufen, die Forderungen ne Ansprüche gegen diese Person durchsetzen kann.
enthalten; diese E-Mails könnten auch einen nicht Voraussetzung ist zudem, dass eine Rücküberweisung
direkt offensichtlichen Bezug zu der Einrichtung auf- mangels Zustimmung des Zahlungsempfängers nicht
weisen. Weiter wurde darüber informiert, dass der möglich ist. Aus dem Abkommen ergibt sich aber al-
Verantwortliche nach Bekanntwerden des Hackeran- lenfalls eine zivilrechtliche Pflicht, die Daten des irrtüm-
griffs Maßnahmen zur Behebung der Verletzung des lichen Zahlungsempfängers an die Bank des Überwei-
Schutzes personenbezogener ergriffen habe und das senden, nicht jedoch an diesen selbst herauszugeben.

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LfDI BW I 36. Tätigkeitsbericht I 2020

Hierfür spricht insbesondere auch, dass die Übermitt- stattung des Zahlungsbetrags geltend machen kann.
lung gemäß Nummer II.7 des Abkommens dem Zah- Diese Verpflichtung trifft hingegen nicht die Bank des
ler ermöglichen soll, seine Ansprüche gegen den fal- irrtümlichen Zahlungsempfängers.
schen Zahlungsempfänger durchsetzen zu können.
Solche Ansprüche sind aber nicht in jedem Fall gege- Banken sollten daher davon absehen, den Namen und
ben. Wenn der Zahler den Zahlungsvorgang nicht au- die Anschrift oder Kontaktdaten eines Kunden, dem
torisiert hat, ist sein Zahlungsdienstleister verpflichtet irrtümlich Geld überwiesen worden ist, an den Über-
(nach § 675u Satz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs, weisenden zu übermitteln.
BGB), dem Zahler den überwiesenen Betrag zu erstat-
ten. Sofern der Betrag einem Zahlungskonto des Zah-
lers belastet worden ist, hat der Zahlungsdienstleister Ausführung von Überweisungsaufträgen ohne
dieses wieder auf den Stand zu bringen, auf dem es Kontonummer
sich ohne die Belastung durch den nicht autorisierten Moderne datenschutzsensible Bankkunden überlegen
Zahlungsvorgang befunden hätte. In einem solchen sich gut, wem gegenüber sie ihre Bankverbindung of-
Fall hat die Bank des Zahlers einen Bereicherungsan- fenlegen. Banken sollten daher bei der Mitteilung sol-
spruch gegen den Zahlungsempfänger (Zetzsche, in: cher Daten zurückhaltend sein, auch wenn diese der
Münchener Kommentar zum BGB, 8. Auflage 2020, § Ausführung eines Überweisungsauftrags dienen soll.
675u Rn. 36). Eine Übermittlung von Daten des Zah- Der Kunde einer an seinem Wohnort ansässigen Bank
lungsempfängers an den Zahler ist in solchen Fällen begab sich zwecks Veranlassung mehrerer Überwei-
nicht zu dessen Befriedigung erforderlich. sungen in die nächstgelegene Filiale. Dort übergab er
dem zuständigen Mitarbeitenden eine Liste mit den
Eine rechtliche Verpflichtung zur Übermittlung perso- Namen verschiedener Zahlungsempfänger mit den je-
nenbezogener Daten an den Überweisenden ergibt weils zu überweisenden Beträgen. Den meisten dieser
sich auch nicht aus § 675y Absatz 5 Satz 4 BGB. Nach Zahlungsempfänger war die IBAN ihres Zahlungskon-
dessen Wortlaut ist allein der Zahlungsdienstleister tos hinzugefügt, auf dem das Geld eingehen sollte. Bei
des Überweisenden verpflichtet, diesem auf schriftli- einem Namen fehlte diese Angabe jedoch. Der Über-
chen Antrag alle verfügbaren Informationen mitzutei- weisende wies lediglich darauf hin, dass diese Person
len, damit der Überweisende einen Anspruch auf Er- ebenfalls Kunde der örtlichen Bank sei. Ungeachtet

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Banken sollten keine persönlichen Daten eines Kunden, dem irrtümlich Geld überwiesen wurde, an den Überweisenden übermitteln.

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LfDI BW I 36. Tätigkeitsbericht I 2020

seiner Unvollständigkeit führte die Bank auch diesen Nicht ohne den Veranlasser: Werbender und Adress-
Überweisungsauftrag aus. Dies wurde dem Überwei- händler sind regelmäßig gemeinsam Verantwortli-
senden in seinem nächsten Kontoauszug bestätigt. che
Die Zahlungsempfängerin reagierte hierauf empört, Auf Werbebriefen ist oft, äußerst kleingedruckt, zu
zumal sie sich keiner Geschäftsbeziehung mit dem lesen: Verantwortlich im Sinne der DS-GVO: Adress-
Überweisenden bewusst und keiner Zahlung gewärtig händler XY, gerne mit Sitz in der Schweiz (weil dort
gewesen war. die DS-GVO nicht gilt). Somit muss sich der/die Emp-
fänger_in der Werbung im Hinblick auf die eigenen
Das Missbehagen der Zahlungsempfängerin ist aus Betroffenenrechte mit dem Adresshändler im Ausland
datenschutzrechtlicher Sicht durchaus berechtigt. Mit herumärgern, während sich der/die eigentliche Veran-
der Ausführung des unvollständigen Überweisungs- lasser_in bzw. Auftraggeber_in der Werbung bequem
auftrags hat die Bank dem Überweisenden bestätigt, zurücklegen kann.
dass die Zahlungsempfängerin Inhaberin eines bei
der Bank geführten Kontos war. Bereits bei dieser Mit dem Wirksamwerden der DS-GVO konnte dieser
Angabe handelt es sich um ein personenbezogenes unbefriedigende Zustand beendet werden: Nach Art. 4
Datum im Sinne der DS-GVO. Dieses Datum ist dem Nr. 7 DS-GVO ist für eine konkrete Datenverarbeitung
Überweisenden spätestens durch die Mitteilung der verantwortlich, wer allein oder gemeinsam mit ande-
Belastung seines Kontos zur Kenntnis gegeben wor- ren über die Zwecke und Mittel der Datenverarbeitung
den. Darin liegt eine Verarbeitung des vorgenannten entscheidet. Über die Zwecke und Mittel kann nämlich
personenbezogenen Datums gemäß Artikel 4 Nr. 2 nach der Rechtsprechung des EuGH auch derjenige
DS-GVO. (mit)entscheiden, der die Daten nicht selbst verarbei-
tet, also selbst gar keinen Zugriff auf die Daten hat
Die Bestätigung gegenüber dem Überweisenden, (wie es im Hinblick auf das werbende Unternehmen
dass die Zahlungsempfängerin Inhaberin eines bei bei der Verarbeitung der Adressdaten z.B. durch einen
der Beschwerdegegnerin geführten Kontos war, ist Lettershop, der die Daten durch den Adresshändler
nach Artikel 6 Absatz 1 DS-GVO unzulässig. Insbeson- übermittelt bekommt, oft der Fall ist).
dere kann die Übermittlung dieser Angabe nicht auf
eine Interessenabwägung gemäß Artikel 6 Absatz 1 Im Falle der Adressvermietung war somit im Lich-
Unterabsatz 1 Buchstabe f DS-GVO gestützt werden. te der Rechtsprechung des EuGH zu Art. 26 DS-GVO
Ein berechtigtes Interesse der Bank an der Offenba- (EuGH, Urteil vom 5. Juni 2018 – EU-C-210/16, Face-
rung des mit der Zahlungsempfängerin geschlosse- book Fanpages sowie EuGH, Urteil vom 10. Juli 2018
nen Bankvertrags ist nicht erkennbar. Ebenso wenig – C-25/17, Zeugen Jehovas) die Frage zu beantwor-
kommt ein berechtigtes Interesse des Überweisen- ten, ob das werbende Unternehmen – auch wenn es
den in Betracht, zumal dieser im Fall seiner von ihm keinen Zugriff auf die zu Werbezwecken verarbeiteten
behaupteten Geschäftsbeziehung mit der Zahlungs- Daten hat – gemeinsam mit dem Adresshändler (bzw.
empfängerin die Möglichkeit gehabt hätte, sich bei ihr Adresseigner) verantwortlich ist.
selbst nach deren Kontoverbindung zu erkundigen.
Hingegen hat die Zahlungsempfängerin grundsätz- Auch hier gilt natürlich zunächst der Grundsatz der
lich ein schutzwürdiges Interesse daran, selbst zu ent- Prüfung und rechtlichen Bewertung der jeweiligen Um-
scheiden, wer von der Existenz ihres Kontos Kenntnis stände des Einzelfalls. In der Regel ist aber davon aus-
erhält. Dabei ist nicht zuletzt denkbar, dass sie Zah- zugehen, dass eine gemeinsame Verantwortlichkeit
lungen bestimmter Personen generell ablehnt oder jedenfalls immer dann vorliegt, wenn das werbende
die Zahlung auf ein anderes Konto wünscht. Unternehmen selbst Kriterien für die Adressauswahl
festgelegt hat (z.B. Frauen ab 40 Jahren mit Hoch-
Banken sollten grundsätzlich die Ausführung von schulausbildung; Selbständige bis 45 Jahre mit Hob-
Überweisungen auf Konten ihrer Kunden ablehnen, bies im Sportbereich; Familien im eigenen Einfamilien-
wenn der Überweisungsauftrag keine IBAN enthält haus mit Einkommen über 3.000 Euro im Monat).
und sie nicht mit Sicherheit überprüfen können, ob der Auch die Auswahl bestimmter, vom Adresshändler
Überweisende tatsächlich Kenntnis von der Existenz (bzw. Adresseigner) vorgeschlagenen Selektionskri-
des Empfängerkontos hat. terien kann ausreichen, eine Verantwortlichkeit auch
des Werbenden und somit eine gemeinsame Verant-

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wortlichkeit von Werbendem und Adresshändler im mäß zugestellt bzw. solange er nicht wieder aufgeho-
Sinne des Art. 26 DS-GVO anzunehmen. Denn wie der ben worden ist,
Europäische Gerichtshof mehrfach entschieden hat,
besteht das Ziel dieser Bestimmung darin, durch eine • dem Schuldner die Forderung und deren Fälligkeit
weite Definition des Begriffs des „Verantwortlichen“ bekannt ist, und
einen wirksamen und umfassenden Schutz der be-
troffenen Personen zu gewährleisten (Urteil vom 13. • keine erheblichen Einwendungen gegen die Forde-
Mai 2014, Google Spain und Google, C-131/12, EU-C- rung - ggf. noch im Prozess – erhoben wurden. Solche
2014-317, Rn. 34). verhindern eine Einmeldung auch dann, wenn die be-
troffene Person bei Gericht unterlegen ist, dieses aber
Durch die gemeinsame Verantwortlichkeit kann nun nicht festgestellt hat, dass die Rechnung böswillig,
der Betroffene seine Rechte auch gegenüber dem aus Nachlässigkeit oder wegen Mittellosigkeit nicht
werbetreibenden Unternehmen geltend machen. Und beglichen worden ist, bzw. diese nach der Rechtskraft
auch die Datenschutzaufsichtsbehörde kann im Rah- des Urteils alsbald bezahlt wurde. Einwendungen sind
men ihrer örtlichen Zuständigkeit das werbende Un- erheblich, wenn die maßgeblichen Tatsachen sub-
ternehmen kontrollieren. Ein verbraucherfreundlicher stantiiert bestritten bzw. wenn gegen die Forderung
Fortschritt der DS-GVO. vertretbare, angesichts der Rechtsordnung akzeptab-
le Argumente vorgebracht werden.

Weitergabe von Schuldnerdaten an Auskunfteien Das Nichtbegleichen bzw. nicht rechtzeitige oder un-
Immer wieder erreichen uns Beschwerden von Bür- vollständige Begleichen einer Forderung stellt aber
ger_innen über Inkassounternehmen, die mit einer nur ein Indiz für die Unzuverlässigkeit der betroffenen
Meldung bei einer Auskunftei drohen, falls eine angeb- Person dar. Für die Zulässigkeit der Einmeldung bei
liche Forderung nicht bezahlt werde, oder welche die einer Warndatei müssen noch belastbare Umstände
Daten der betroffenen Personen bereits zu Unrecht an hinzukommen, welche die Annahme begründen, dass
eine Auskunftei weitergegeben haben. die betroffene Person auch künftig zahlungsunwillig
bzw. zahlungsunfähig sein wird und deswegen Dritte
Bei der Tätigkeit von Wirtschaftsauskunfteien, zum vor Geschäften mit dieser gewarnt werden sollten.
Zwecke des Schutzes von Verbraucher_innen vor
Überschuldung und um die Wirtschaft vor Betrüge- Bei der dabei anzustellenden Prognose zum zukünf-
reien zu schützen geschäftsmäßig bonitätsrelevante tigen Zahlungsverhalten der betroffenen Person
Daten über Unternehmen und Privatpersonen zu sam- spricht u.a. für deren Zahlungsunwilligkeit bzw. Zah-
meln und zu verarbeiten, handelt es sich um einen le- lungsunfähigkeit, wenn bei Auskunfteien bereits Ne-
gitimen Verarbeitungszweck (Art. 5 Abs. 1 Buchstabe gativmerkmale gespeichert sind. Ebenfalls zu Lasten
b der DS GVO). Deswegen dürfen die Inkassounter- des Schuldners bzw. der Schuldnerin geht, wenn die
nehmen Angaben zu einer Person, die sich in einem einzumeldende Forderung grundlos zum maßgeb-
Inkassoverfahren als „unzuverlässig“ erwiesen hat, an lichen Zeitpunkt nicht oder nur teilweise erfüllt wur-
Wirtschaftsauskunfteien übermitteln, vorausgesetzt, de, wenn die Bezahlung schleppend erfolgt ist, auch
diese_r angebliche Schuldner_in ist auch tatsächlich wenn die Forderung inzwischen vollständig nebst
„unzuverlässig“. Mahnkosten und dergleichen beglichen worden ist,
oder wenn die betroffene Person mangels ausrei-
Für ein berechtigtes Interesse an der Datenübermitt- chender finanzieller Mittel nicht in der Lage war, den
lung spricht, wenn Zahlungsanspruch zum Fälligkeitszeitpunkt vollstän-
dig zu erfüllen. Ein weiterer Einmeldegrund kann sein,
• eine begründete Forderung nicht, nicht rechtzeitig dass mit der betroffenen Person zur Begleichung ihrer
oder nur unvollständig erfüllt wird, insbesondere wenn Zahlungsrückstände ein Ratenzahlungsvergleich ge-
diese durch ein rechtskräftiges oder für vorläufig voll- schlossen wurde. Selbst verjährte Forderungen kön-
streckbar erklärtes Urteil festgestellt worden ist. Bei nen den Schluss zulassen, dass die betroffene Person
gerichtlichen Entscheidungen kann sich die betroffe- nicht gewillt ist, ihre Zahlungsverpflichtungen künftig
ne Person grundsätzlich nicht darauf berufen, der Titel rechtzeitig zu erfüllen. Auch der sorglose Umgang mit
sei zu Unrecht ergangen, wenn dieser ordnungsge- Zahlungsverpflichtungen, etwa wenn die Forderung

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LfDI BW I 36. Tätigkeitsbericht I 2020

aus Nachlässigkeit trotz Mahnung nicht rechtzeitig Pandemie, Auswahlprozesse effektivieren wollen
beglichen worden ist, kann Anlass für die Einmeldung und automatisiert etwa mittels einer KI-basierten Be-
sein. Nicht zuletzt kann auf die Unzuverlässigkeit der werberanalyse leichter vollziehen möchten. Üblicher-
betroffenen Person geschlossen werden, wenn diese weise werden die Motivations-/ Begleitschreiben der
beim Abschluss eines Vertrages unwahre Angaben Bewerbung oder im Rahmen einer Sprachanalyse die
zu ihrer Erreichbarkeit macht oder wenn sie, solange Sprache der Bewerber_innen automatisiert durch ei-
eine Verbindlichkeit noch nicht erfüllt ist, den Gläubi- nen Algorithmus analysiert und bewertet.
ger nicht von diesbezüglichen Änderungen informiert.
Dabei muss die betroffene Person nicht unbedingt Ob und auf welcher datenschutzrechtlichen Grundla-
gemahnt worden sein noch sich im Verzug befinden. ge sich der Einsatz von KI im Bewerbungskontext voll-
Auch gibt es für die Annahme von Zahlungsunwilligkeit zieht, ist im Kern noch offen. Eine ausdrückliche ge-
bzw. Zahlungsunfähigkeit keine betragsmäßige Baga- setzliche Grundlage besteht (bislang) nicht. Da es sich
tellgrenze, zumal angesichts des nicht unerheblichen um automatisierte Verfahren handelt, welche perso-
Beitreibungsaufwandes Gläubiger oftmals auf zu Un- nenbezogene Daten der Bewerber_innen verarbeiten,
recht verweigerte Kleinstbeträge verzichten müssen. legt die DS-GVO hierbei die Rahmenbedingungen fest.
In der algorithmischen Entscheidungsfindung liegt si-
Wenn eine Person eine von einem Inkassounterneh- cherlich eine Verarbeitung von personenbezogenen
men geltend gemachte Forderung für unbegründet Daten. Diese Verarbeitung findet automatisiert statt,
hält, ist zu empfehlen, nicht zu bezahlen. Die Person sodass für eine Sprachanalyse üblicherweise Art. 22
sollte allerdings gegenüber dem angeblichen Gläu- DS-GVO zum Zuge kommt. Ferner bedarf es einer
biger, gegenüber den von ihm eigeschalteten Inkas- Rechtsgrundlage, wobei zunächst an die Einwilligung
sounternehmen und gegenüber Rechtsanwälten zu denken ist. Da sich die Bewerber_innen aber sor-
jeweils genau begründen, warum sie die Zahlung ver- gen müssen, bei Nichterteilung der Einwilligung keine
weigert, damit sie nicht bei einer Auskunftei, etwa bei Berücksichtigung zu finden, erscheint die Freiwilligkeit
der SCHUFA, als „säumiger Schuldner bzw. Schuldne- der Einwilligung mehr als fraglich.
rin“ eingemeldet werden kann. Dann kann die Person
alle weiteren Schreiben in dieser Angelegenheit unbe- Die Potentiale und Möglichkeiten von KI können zu-
achtet lassen. Sollte ihr aber ein gerichtlicher Mahn- dem Begehrlichkeiten wecken. Durch KI basierte Be-
bescheid zugehen, muss sie fristgerecht Widerspruch werberanalyse dürfen daher unter keinen Umständen
erheben. überschießende Informationen, also für die Begrün-
dung des Beschäftigungsverhältnisses unerhebliche
Daten zur Persönlichkeit der Bewerber_innen erhoben
Künstliche Intelligenz im Personalwesen und analysiert werden. Die vom Bundestag eingesetz-
Formen von Künstlicher Intelligenz (KI) finden zu- te Enquete-Kommission „Künstliche Intelligenz“ sieht
nehmend auch Einzug ins Personalwesen der Be- jedoch ausdrücklich einen künftigen Anwendungs-
triebe. Im Einsatz von KI stecken enorme Potentiale, bereich von KI im Bereich der „Personalverwaltung“
dies wird unsere Gesellschaft und besonders unse- sowie der „Bewerberauswahl“ (vgl. Enquete-Kom-
re Arbeitswelt nachhaltig verändern. Entsprechend mission, Kommissionsdrucksache 19 (27) 127 v.
der „Nationalen Strategie Künstliche Intelligenz“ der 25.09.2020), sodass diesbezüglich eine gesetzliche
Bundesregierung soll der Einsatz von KI vorange- Regelung wünschenswert ist.
bracht und insbesondere die Entwicklung dieser Zu-
kunftstechnologie massive Unterstützung finden. Der
Einsatz von KI im Bewerbungsverfahren und der Per- >> Weitere Informationen
sonalverwaltung ist (kollektiv-) arbeitsrechtlich noch Hinweise zur KI-gestützten Bewerberanalyse
nicht gesetzlich normiert worden und es bestehen ei- https://www.baden-wuerttemberg.datenschutz.de/
nige Unsicherheiten. Ferner verlangt der Einsatz von wp-content/uploads/2020/04/Ratgeber-Beschäftigten-
KI eine enorme Verantwortung und ist mit viel Vorbe- datenschutz.pdf
reitungslast für Arbeitgeber verbunden.
Viele Arbeitgeber_innen wenden sich im Wege einer
Beratungsanfrage an die Behörde, da sie, gerade mit
Blick auf die Kontaktbeschränkungen während der

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LfDI BW I 36. Tätigkeitsbericht I 2020

Löschfristen im Betriebs- und Personalratsbüro 10.4 Neues aus dem Amt IV: Alles mit V – Video-
Viele Mitarbeitervertretungen wenden sich an uns und überwachung, Verkehr, Vereine
bitten um Unterstützung bei der datenschutzgerechten
Implementierung von Aufbewahrungs- oder Lösch- Neue Orientierungshilfe „Videoüberwachung durch
fristen für Beschäftigtendaten in ihren Gremien. Hier- nicht-öffentliche Stellen“
bei erreichten uns Anfragen sowohl von Betriebs- und In diesem Tätigkeitsbericht sprechen wir mit ver-
Personalräten, als auch von vielen Schwerbehinderten- schiedenen Bezügen immer wieder über das Thema
vertretungen. Auch zwei Jahre nach Inkrafttreten der Videoaufnahmen. Weil bei nicht-öffentlichen Stellen
DS-GVO nehmen die Beratungsanfragen insbesondere Videoüberwachung immer wieder auftaucht haben
zu Löschfristen keineswegs ab und die Relevanz bleibt wir unter dem Vorsitz unserer Behörde im Arbeits-
auf hohem Niveau. kreis Videoüberwachung der Datenschutzkonferenz
die Orientierungshilfe „Videoüberwachung durch
Im Betriebsverfassungsgesetz ist keine ausdrückliche nicht-öffentliche Stellen“ grundlegend überarbeitet.
Regelung enthalten, wie lange etwa Betriebsräte ihnen
überlassene Unterlagen und Dokumente aufzubewah- Täglich greift die Videoüberwachung in Rechte und
ren oder wann sie diese zu löschen haben. Das Perso- Freiheiten von Personen ein, ohne dass die Mehr-
nalvertretungsgesetz von Baden-Württemberg sieht in zahl dafür einen Anlass gegeben hat. Mit großer
§ 65 Abs. 2 für Personalräte lediglich vor, dass perso- Streubreite wird aufgezeichnet, zu welcher Uhrzeit,
nenbezogene Daten gespeichert werden dürfen, an welchem Tag, in welchem Zustand, mit welchem
Erscheinungsbild, wie lange und an welchem Ort
„soweit und solange dies zur Erfüllung ihrer Aufgaben sich Betroffene aufhalten, wie sie diesen Bereich
erforderlich ist. Nach Abschluss der Maßnahme, an der nutzen, wie sie sich dort verhalten und ob sie allein
die Personalvertretung beteiligt war, sind die ihr in die- oder in Begleitung sind. Bereits eine einfache Über-
sem Zusammenhang zur Verfügung gestellten perso- wachungsanlage verarbeitet in erheblichem Umfang
nenbezogenen Daten zu löschen und Unterlagen mit personenbezogene Daten, ohne dass der Großteil
personenbezogenen Daten der Dienststelle zurückzu- der erfassten Informationen für Überwachende je
geben“. eine nützliche Rolle spielt.

Demnach gelten hinsichtlich der Aufbewahrung und Das Risiko, dass damit die Rechte von Betroffenen
Löschung von Beschäftigtendaten für die Mitarbeiten- verletzt werden, hat sich in den vergangenen Jah-
denvertretungen im Kern dieselben Voraussetzungen ren deutlich erhöht. Grund dafür sind die geringen
wie für die Arbeitgeber_innen, welche Daten speichern Anschaffungskosten und die verbesserte Quali-
dürfen, solange dies zur Begründung, Durchführung tät der Technik. Moderne Kameras zeigen Bilder in
oder Beendigung eines Beschäftigtenverhältnisses er- höchster Auflösung. In Echtzeit können diese in der
forderlich ist. Besteht diese Erforderlichkeit nicht mehr, ganzen Welt eingesehen und fast unbegrenzt ge-
wandelt sich die Aufbewahrungspflicht in eine Lösch- speichert werden. Mehr als ein Smartphone oder
pflicht. Für auf Papier und elektronisch erfasste Daten Tablet braucht es dafür oft nicht. Dabei werden Ka-
gelten dieselben Grundsätze. Ausgangspunkt für die meras nicht nur zur Sicherheit eingesetzt. Kameras
Aufbewahrung der personenbezogenen Daten durch erfassen und verarbeiten Daten von Personen, um
die Mitarbeitervertretungen ist die Erforderlichkeit der personalisierte Werbung anzuzeigen oder Produkte
Speicherung für einen konkreten und zuvor festgeleg- zielgruppengenau anzubieten. Softwaregesteuerte
ten kollektivarbeitsrechtlichen oder sozialrechtlichen Videotechnik vermisst in der Öffentlichkeit Gesichts-
Zweck im Rahmen ihrer Gremienarbeit. züge und Gefühlsregungen von Personen oder ver-
folgt das Bewegungs- oder Einkaufsverhalten von
Kunden.

Die erfassten Informationen werden in Sekunden-


bruchteilen ausgewertet und vervielfältigt. Betroffe-
ne haben kaum Einfluss auf eine solche Erfassung
und erfahren selten, was mit den Aufnahmen ge-
schieht.

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LfDI BW I 36. Tätigkeitsbericht I 2020

Die Orientierungshilfe „Videoüberwachung durch für Ort für geboten, was wir der Betreiberin des Cafés
nicht-öffentliche Stellen“ wurde grundlegend über- auch mitteilten. Diese Ankündigung hat offenbar ge-
arbeitet und an die rechtlichen Rahmenbedingungen wirkt. Bei unserem Besuch vor Ort war keine einzige
der seit dem 25. Mai 2018 wirksamen DS-GVO an- Kamera in Betrieb. Die Leitung des Cafés erklärte, sie
gepasst. Neu hinzugekommen sind die Abschnitte wolle künftig nur noch außerhalb der Arbeits- und Öff-
zur „Videoüberwachung in der Nachbarschaft“ und nungszeit zum Schutz vor Einbrechern überwachen.
zur „datenschutzrechtlichen Bewertung von Tür- und Dem steht das Datenschutzrecht nicht entgegen.
Klingelkameras, Drohnen und Wildkameras sowie
Dashcams“. Einer Gaststätte mit gutbürgerlicher Karte statteten
wir aufgrund der Beschwerde eines Gastes einen
Mit der Orientierungshilfe erhalten Betroffene und Kontrollbesuch ab. Dort mussten wir feststellen, dass
Verantwortliche Informationen über die Vorausset- der Inhaber zeitlich unbeschränkt von seinem Smart-
zungen für eine datenschutzgerechte Videoüberwa- phone aus jederzeit auf Kamera-Livebilder zugreifen
chung in unterschiedlichen Lebensbereichen, Mus- konnte. Eine unzulässige Verhaltens- und Leistungs-
ter für Hinweisschilder und eine Checkliste mit den kontrolle der Mitarbeitenden konnte nicht ausge-
wichtigsten Prüfungspunkten im Vorfeld einer Video- schlossen werden. Abhilfe schaffte das Anbringen
überwachung. einer mechanischen Zeitschaltuhr an der Kamera, so-
dass ein Zugriff per App nur noch außerhalb der Öff-
nungs-und Arbeitszeiten möglich ist.
>> Weitere Informationen
Orientierungshilfe „Videoüberwachung durch nicht-öf- Wir erhalten Hinweise auf unzulässige Videoüberwa-
fentliche Stellen“ chungen von Behörden oder erfahren davon durch
https://www.baden-wuerttemberg.datenschutz.de/ Beschwerden betroffener Personen. Diese veranlas-
wp-content/uploads/2020/09/20200903_oh_vue.pdf sen uns auch zu Kontrollbesuchen. Gastwirte haben
auch künftig mit anlassunabhängigen Kontrollen zu
rechnen.

Videoüberwachung in Gaststätten gibt Anlass für


Vor-Ort-Kontrollen „Mein Auto sieht Dich!“ – Tesla & Co
Bereits im 33. Tätigkeitsbericht (2016/2017) haben Die Marke Tesla, Inc. steht für hochmoderne Fahr-
wir von der Zunahme der Videoüberwachung in ver- zeuge der neuesten Generation. Nicht nur, dass die
schiedenen Lebensbereichen, darunter auch Gast- Tesla-Fahrzeuge rein elektrisch unterwegs sind, der
stätten, berichtet und sind ausführlich auf die recht- Hersteller ist auch bemüht, das vollständig autonome
lichen Voraussetzungen hierfür eingegangen. Nach Fahren in nicht allzu ferner Zukunft zu ermöglichen.
wie vor erreichen uns Beschwerden von Gästen und Jetzt schon besitzen die Modelle von Tesla viele Sen-
Mitarbeitenden. In manchen Fällen sind Vor-Ort-Kon- soren für teilautonomes Fahren.
trollen nötig.
Was weniger bekannt ist: Elon Musk hat sämtliche Tes-
In einem Fall wandten sich verzweifelte Mitarbeiterin- la-Modelle bereits mit Fahrassistenzsystemen ausge-
nen eines Krankenhauscafés an uns. Nachdem wir rüstet, die auf derzeit acht kleine Kameras zurückgrei-
die Chefin des Cafés bereits zur Stellungnahme auf- fen. Diese fest mit der der Karosserie verbauten Geräte
gefordert hatten, erklärte eine Mitarbeiterin glaubhaft stellen somit bereits u.a. den technischen Einstieg für
am Telefon, dass die Leitung zwei Personen gekün- den teilautonomen und später den autonomen Fahrbe-
digt habe, weil diese nicht in die Videoüberwachung trieb dieser Fahrzeuge dar.
eingewilligt hätten. Es sei in diesem Zusammenhang
angekündigt worden, dass weitere „Köpfe rollen wer- Grundsätzlich unterscheidet sich ein Fahrzeug der
den“. Die Beschäftigten des Cafés könnten sich der Marke Tesla, Inc. dadurch nicht von einem modernen
Überwachung nicht entziehen. Es handele sich um Fahrzeug anderer Hersteller. Jedoch enthalten die Tes-
insgesammt sieben Kameras. Von externen Geräten la-Fahrzeuge weitere innovative Funktionalitäten, wie
könne über das Internet auf die Aufnahmen zugegrif- zum Beispiel den „Wächtermodus“ (Sentry Mode) und
fen werden. In diesem Fall hielten wir eine Kontrolle eine eingebaute „Dashcam“-Funktion. Diese Funktiona-

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LfDI BW I 36. Tätigkeitsbericht I 2020

litäten werden für den Betrieb des teilautonomen und Wir erhielten in zwei Fällen von Polizeidienststellen CDs
autonomen Fahrens nicht genutzt und sind auch nicht mit Videobildern von Tesla-Fahrzeugen. Es ging dabei
dafür vorgeschrieben. Sie dienen einem ganz anderen sowohl um den Wächtermodus als auch um die Das-
Zweck: Der Wächtermodus ist eine Überwachungsfunk- hcam-Funktion. Die Tesla-Fahrer hatten bei der Polizei
tion und soll laut Hersteller dem Schutz vor Diebstahl zum einen versuchten Diebstahl des Fahrzeugs und
und Vandalismus dienen. Bei einem parkenden Tesla zum anderen Verstöße gegen die Straßenverkehrsord-
sind im Wächtermodus die acht fest verbauten Kame- nung anderer Verkehrsteilnehmer im fließenden Verkehr
ras an der Karosserie aktiviert. Sie nehmen ständig die angezeigt. Auf dem Videomaterial, welches den Wäch-
Umgebung rund um das Fahrzeug auf, speichern die Vi- termodus betraf, war zu erkennen, dass die nähere Um-
deobilder vorläufig ab und überschreiben sie alle 60 Mi- gebung rund um das Fahrzeug aufgenommen wird.
nuten. Kommt es in der Nähe des parkenden Fahrzeugs Jeder, der am Fahrzeug vorbeigeht, wird erfasst. Die
zu einer verdächtigen Bewegung, wird der Warnungszu- Auflösung der Bilddateien lässt es zu, Personen eindeu-
stand aktiviert und die Videobilder der letzten 10 Minu- tig zu erkennen.
ten vor dem Ereignis und 30 Minuten danach werden auf
einer SD-Karte in dem Fahrzeug gespeichert. Videodaten von Personen oder Kfz-Kennzeichen im
Verkehrsgeschehen sind personenbezogene Daten.
Während der Fahrt funktionieren die fest verbauten Ka- Diese Daten dürfen nicht verarbeitet werden, es sei
meras wie Dashcams. In den Tesla-Fahrzeugen wird denn, es gibt eine gesetzliche Grundlage hierfür oder
das Verkehrsgeschehen erfasst, permanent aufgezeich- eine Einwilligung. Eine solche Einwilligung ist bei Vi-
net und immer wieder nach einer Stunde überschrieben. deodaten aus dem Auto heraus nicht einholbar. Die
Bei einem auslösenden Ereignis, wie z. B. Hupen oder Videoüberwachung aus einem Auto heraus ist immer
starkem Bremsen, werden die letzten 10 Minuten dau- ein Eingriff in die informationelle Selbstbestimmung
erhaft gespeichert. der Betroffenen, die sich im Verkehrsraum bewegen.

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Manche Autos wollen mit Kameraüberwachung Diebstahl verhindern und Sicherheit bieten – und schießen dabei über das Ziel hinaus.

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LfDI BW I 36. Tätigkeitsbericht I 2020

Der Wächtermodus kann zwar deaktiviert werden, die Nicht zuletzt aufgrund dieser Entscheidung ist eine
Dashcam-Funktion kann aber nicht abgeschaltet und Diskussion über den rechtskonformen Einsatz der Ka-
auch in ihren Einstellungen nicht abgeändert werden. merafunktionen bei den Tesla-Fahrzeugen entbrannt.
Somit können aufgrund der nicht zu ändernden Vor- Es bleibt zu hoffen, dass sich dies bis zur Konzernzen-
einstellungen von Tesla die beschriebenen Funktio- trale in Kalifornien herumspricht und der Hersteller in
nalitäten nicht rechtskonform betrieben werden, denn seinen Fahrzeugen zumindest für den europäischen
für die so erfolgenden Aufnahmen ist keine Rechts- Markt datenschutzgerechte Funktionalitäten gewähr-
grundlage ersichtlich. leistet. Verantwortlich dafür bleibt aber – nach den
Vorgaben der DS-GVO – der Fahrzeughalter und –füh-
Bereits der BGH hatte dahingehend entschieden, dass rer, nicht etwa Tesla, Inc.
das anlasslose und permanente Filmen einer Vielzahl
von Personen mittels einer Dashcam datenschutz-
rechtlich unzulässig ist (vgl. Urteil vom 15. Mai 2018 „Parkraumüberwachung“
(VI ZR 233/17)). Häufig erreichen uns Beschwerden, man sei von ei-
nem privaten Parkraumüberwachungsunternehmen
Ein datenschutzgerechter Einsatz zum Zweck der aufgeschrieben und nun wegen „Falschparkens“ zur
Beweissicherung bei einem Unfall mit Sach- und Per- Kasse gebeten worden. Wie verträgt sich das mit dem
sonenschäden (zivilrechtliche Ansprüche) wäre laut Datenschutz?
BGH zwar möglich, wenn technische Möglichkeiten
der Beschränkung des Eingriffs in das informationel- Wer als Fahrer auf einen privaten Stellplatz oder in ein
le Selbstbestimmungsrecht der Verkehrsteilnehmer Parkhaus fährt, schließt „stillschweigend“ mit dem Be-
bestünden wie etwa nur kurzzeitige, anlassbezogene treiber der Parkfläche einen Vertrag ab, demzufolge
Aufzeichnungen, die erst bei Kollision oder starker er eine Vertragsstrafe zu entrichten hat, wenn er die
Verzögerung des Fahrzeugs durch einen Bewegungs- dort geltende Parkordnung nicht einhält. Vorausset-
sensor ausgelöst werden, ggf. durch Verpixelung von zung ist, dass die Allgemeinen Geschäftsbedingun-
Personen oder automatisiertes und dem Eingriff des gen, welche die Vertragsstrafe vorsehen, so angezeigt
Verwenders entzogenes Löschen. Nur dann kommt werden, dass man von ihnen Kenntnis nehmen kann.
eine Güterabwägung zu Gunsten des Dashcam-Be- Der Betreiber des Parkraums kann die Einhaltung
treibers überhaupt in Betracht. der Parkordnung aufgrund seines Hausrechts selbst
überwachen oder von einem Unternehmen überwa-
Diese Zeiträume, die bei der Dashcam-Funktion von chen lassen.
Tesla voreingestellt sind, können nicht als kurzzeitig
bezeichnet werden. Auch die Speicherung der letzten Hier die Antwort auf einige Fragen, die dazu häufig an
10 Minuten vor dem auslösenden Ereignis stellt keine uns gestellt werden:
kurzzeitige, anlassbezogene Aufzeichnung im Sinne
der Rechtsprechung des BGH dar. Woher hat dieses Unternehmen meine Erreichbar-
keitsdaten?
Noch gravierender sind die Einstellungen im Wächter- Das Überwachungsunternehmen kann sich die Daten
modus. Eine dauerhafte und anlasslose Überwachung des jeweiligen Fahrzeughalters über das Kraftfahrt-
des öffentlichen Bereichs rund um das geparkte Fahr- bundesamt oder die Zulassungsstelle beschaffen.
zeug ist nicht statthaft. Dazu muss glaubhaft machen, dass u. U. ein Rechts-
anspruch im Zusammenhang mit dem Betrieb des
Aus diesem Grund sind die derzeitigen Funktio- Fahrzeuges besteht. Dazu genügt es, wenn vorgetra-
nen des Wächtermodus und der Dashcam in einem gen wird, dass der Halter zumindest Angaben zur Er-
Tesla-Fahrzeug in Europa nicht rechtskonform ein- mittlung des Fahrers machen kann.
setzbar. Wir haben die Fahrer der Tesla Fahrzeuge
aufgefordert, die Funktionen des Wächtermodus zu Was darf das Unternehmen mit meinen Daten ma-
deaktivieren und das Speichermedium für beide Funk- chen?
tionen zu entfernen. Die Fahrer zeigten sich einsichtig Das Unternehmen kann die Daten nutzen, um den
und akzeptierten die Entscheidung. Halter des fraglichen Fahrzeuges anzuschreiben und
danach zu fragen, ob er den „Parkverstoß“ begangen

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hat bzw. wer der Fahrer war, der den Vertrag abge- Verfahren genutzt werden, dürfen jedoch nicht mehr
schlossen hat. von den Sachbearbeitern eingesehen werden können.

Muss ich als Halter den Fahrer angeben? Der Parkausweis für Menschen mit Behinderungen
Nach der jüngeren Rechtsprechung des Bundesge- Welche Angaben darf ein Parkausweis für Menschen
richtshofes muss der Halter „im Rahmen des ihm Zu- mit Behinderung enthalten? Besonders heikel ist, dass
mutbaren“ dem Unternehmen mitteilen, wer als Fahrer die auf der Vorderseite des Ausweises stehenden per-
infrage kommt. Der Halter muss, wenn er nicht weiß sonenbezogenen Daten – da der Ausweis beim Par-
oder wissen sollte, wer das Fahrzeug zum fraglichen ken gut sichtbar hinter der Windschutzscheibe plat-
Zeitpunkt benutzt hat, zumindest so konkrete Anga- ziert werden muss – von „interessierten Passanten“
ben machen, die es dem Unternehmen ermöglichen, gelesen werden können. Da nur Menschen mit Be-
den „Vertragspartner“ zu ermitteln. Macht der Halter hinderung einen solchen Parkausweis erhalten, sind
das nicht, muss er besagte Vertragsstrafe selbst be- auch von der DS-GVO besonders geschützte Gesund-
zahlen. Allerdings ist es nicht zulässig, wenn das Un- heitsdaten betroffen.
ternehmen dem Halter droht, er müsse das Entgelt
stets selbst bezahlen, wenn der Fahrer letztlich nicht Jeder kennt die mit dem Zusatzzeichen „Rollstuhlfah-
ermittelbar ist. Ein solcher Hinweis ist unzutreffend rersymbol“ besonders gekennzeichneten Parkplätze
und verstößt auch gegen das Wettbewerbsrecht. Der (sogenannte Behindertenparkplätze). Zum Parken auf
Halter haftet nur, wenn er etwas verschweigt, was er einem solchen Parkplatz berechtigt der blaue Park-
sagen könnte. ausweis, den Menschen mit bestimmten Einschrän-
kungen (z.B. blinde Menschen oder Menschen mit
Was soll ich tun, wenn ich den Parkverstoß nicht einer außergewöhnlichen Gehbehinderung) erhalten
begangen habe? können. Daneben gibt es noch die „kleine Schwes-
Wenn Sie diesen Anspruch für unbegründet halten, ter“ des blauen Parkausweises, den orangefarbenen
empfehlen wir Ihnen, nicht zu bezahlen. Sie sollten Parkausweis. Auf diesen haben weitere Personen-
allerdings gegenüber dem Überwachungsunterneh- gruppen Anspruch, z.B. Personen, die zwar nicht au-
men, gegenüber den von ihm eigeschalteten Inkas- ßergewöhnlich gehbehindert sind, aber doch unter
sobüro und gegenüber Rechtsanwälten jeweils genau sehr starken Einschränkungen beim Gehen leiden.
begründen, warum Sie die Zahlung verweigern, damit Der orangefarbene Parkausweis berechtigt nicht zum
Sie nicht bei einer Auskunftei, etwa bei der SCHUFA, Parken auf einem Behindertenparkplatz, gewährt aber
als „säumiger Schuldner“ eingemeldet werden kön- beispielsweise die folgenden Berechtigungen, wenn in
nen. zumutbarer Entfernung keine andere Parkmöglichkeit
besteht:
Wie lange darf das Unternehmen meine Daten nach
Abschluss des Inkassoverfahrens speichern?
Nach Abschluss eines Inkassoverfahrens sind die Da-
ten der betroffenen Person von dem Überwachungs-
unternehmen grundsätzlich zu löschen. Die weitere
Speicherung ist für einen angemessenen Zeitraum
nur zulässig, wenn die maßgeblichen Geschäfts-
bedingungen vorsehen, dass im Wiederholungsfall
eine höhere „Gebühr“ erhoben wird, oder wenn die
Vertragsstrafe berechtigt war und das Unternehmen
bei einem neuen Verstoß auf keinen Fall im Wege der
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Kulanz auf die Gebühr verzichten will. Allerdings ist


das Unternehmen verpflichtet, auch nach dem end-
gültigen Abschluss eines Vorgangs die Daten noch
für eine angemessene Dokumentationsfrist in einer
Dokumentationsdatei gesperrt vorzuhalten. Diese
können dann nur noch für das Finanzamt, für Daten-
schutzkontrollen oder für zu erwartende gerichtliche Parkplatz für Menschen mit Behinderung.

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LfDI BW I 36. Tätigkeitsbericht I 2020

• Parken bis zu drei Stunden an Stellen, an denen • Im Verkehrsblatt (2009, Seiten 390-392), dem
das eingeschränkte Halteverbot angeordnet ist, Amtsblatt des Bundesverkehrsministeriums, ist ein
Muster des orangefarbenen Parkausweises „bekannt
• Parken über die zugelassene Zeit hinaus an Stel- gegeben“. Name und Adresse des schwerbehinderten
len, an denen Parken erlaubt, aber durch ein Zusatz- Menschen enthält der (Muster-)Parkausweis nicht.
schild eine Begrenzung der Parkzeit angeordnet ist, Der Ausweis wird mit einer Nummer einer (ebenfalls
nummerierten) Ausnahmegenehmigung zugeord-
• Parken während der Ladezeiten in Fußgängerbe- net, die Name und Adresse des schwerbehinderten
reichen, in denen das Be- und Entladen für bestimmte Menschen enthält. Aus Sicht des Bundesverkehrs-
Zeiten freigegeben ist, ministeriums wird dies für Kontrollzwecke demnach
als ausreichend angesehen. Fraglich ist auch, ob es
• Parken bis zu drei Stunden auf Parkplätzen für An- überhaupt zulässig ist, (durch Aufnahme weiterer An-
wohnerinnen und Anwohner. gaben) von dem Muster abzuweichen.

Welche Angaben dürfen auf der Vorderseite eines • Name und Adresse einer Person auf einem oran-
solchen orangefarbenen Parkausweises stehen? gefarbenen Parkausweis, den nur schwerbehinderte
Diese Frage stellte uns eine betroffene Person: Ihr Menschen erhalten, stehen in enger Verbindung mit
Parkausweis, den das zuständige Landratsamt aus- den personenbezogenen Daten im Sinne von Artikel
gestellt hatte, enthalte auf der Vorderseite ihren Vor- 9 der DS-GVO (Gesundheitsdaten) und sind daher be-
und Nachnamen und ihre Adresse. Da der Parkaus- sonders schützenswert.
weis während des Parkens gut sichtbar hinter der
Windschutzscheibe ausliegen muss, sah sie dies als Das Landratsamt hat zeitnah geantwortet, unsere
„Sicherheitsrisiko“ an. Das Landratsamt war anschei- Rechtsauffassung vollumfänglich zu teilen. Es kün-
nend der Ansicht, dass die Angaben zu „Kontrollzwe- digte weiter an, die Praxis mit sofortiger Wirkung zu
cken“ erforderlich seien. ändern und den Kreis der betroffenen Personen zu er-
mitteln. Diesen werde ein neuer Parkausweis ausge-
Besonders kritisch war im konkreten Fall, dass die stellt und zugesandt, „damit der datenschutzkonfor-
auf der Vorderseite des Parkausweises enthaltenen me Zustand wiederhergestellt werden kann“.
Angaben nicht nur Behördenmitarbeiter, deren Auf-
gabe es ist, die Einhaltung der Verkehrsvorschriften Das „Fehlermanagement“ des Landratsamts war vor-
zu kontrollieren, erfuhren, sondern auch „interessierte bildlich: Der Fehler wurde zeitnah eingeräumt, die Pra-
Passanten“. Da den orangefarbenen Parkausweis nur xis mit sofortiger Wirkung geändert und allen betroffe-
bestimmte Gruppen schwerbehinderter Menschen er- nen Inhabern des orangefarbenen Parkausweises ein
halten können, erhielten die „Vorübergehenden“ neben neuer Ausweis ausgestellt und zugesandt. Passt so.
Name und ggf. Adresse zwangsläufig auch die Infor-
mation, dass es sich hierbei um einen schwerbehin-
derten Menschen handelt. „Reisefieber“ in pandemischen Zeiten?
Über einen eingegangenen Hinweis erhielten wir
An der Zulässigkeit der Vorgehensweise des Land- Kenntnis von einem sogenannten „Corona Sicher-
ratsamts hatten wir aus folgenden Gründen massive heitskonzept“ eines Luxusfernbusunternehmens, des-
Zweifel, die wir dem Landratsamt mitteilten: sen Angebot sich auf innerdeutsche Fahrstecken be-
schränkt. Verwiesen wurde auch auf die Homepage
• Der blaue Parkausweis enthält nach unserem des Unternehmers. Demnach erfolgt bereits am Ein-
Kenntnisstand den Namen des schwerbehinderten gang des Busses mittels eines Kamerasystems eine
Menschen nur auf der Rückseite. Das heißt, dieses „Intelligente Zugangskontrolle“ der Fahrgäste. Diese
Datum ist bei Auslage des Ausweises im Fahrzeug sind bereits zu diesem Zeitpunkt im Besitz der Fahr-
nicht zu sehen. Die Adresse des schwerbehinderten tickets, da eine Buchung über das eigene Internetpor-
Menschen enthält der Ausweis nicht. Die Gestaltung tal zu erfolgen hat unter gleichzeitiger Bezahlung des
des blauen Parkausweises wird augenscheinlich für Transportpreises über einen Zahlungsdienstleister.
Kontrollzwecke als ausreichend angesehen. Das Kamerasystem soll hier mit einem Körpertempe-
ratursensor ausgestattet sein. Den Unternehmensan-

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LfDI BW I 36. Tätigkeitsbericht I 2020

gaben zufolge misst dieses „die Temperatur der Pas- Monitor abgebildet werden (vgl. hierzu BVerwG, Urteil
sagiere und meldet, wenn diese über 37 Grad liegt“. vom 27.03.2019, – 6 C 2/18, Absatz 43 der Entschei-
Der gesamte Vorgang erfolge automatisch und in dungsbegründung, in NJW 2019, 2556). Die elektroni-
Echtzeit. Mutmaßlich wird bei entsprechender Warn- sche Temperaturmessung bezweckt einzig und allein,
meldung diesen Kunden der Zutritt zum Businnen- Personen zu erkennen, die Fieber haben und mögli-
raum untersagt. cherweise mit SARS-CoV-2 infiziert sind. Dies stellt
eine Verarbeitung von Gesundheitsdaten im Sinne
Um zu prüfen, ob das System tatsächlich den daten- des Art. 4 Nr. 15 DS-GVO dar, die aber nach Art. 9 Abs.
schutzrechtlichen Anforderungen genügt, haben wir 1 DS-GVO grundsätzlich verboten ist.
darum gebeten, dass uns entsprechende Informati-
onen übersandt werden, insbesondere das gesamte Da uns derzeit keine Tatsachen vorliegen, die einen
Verfahren der Datenverarbeitung aufgezeigt wird. der Ausnahmetatbestände des Art. 9 Abs. 2 DS-GVO
begründen könnten, werden wir dem Unternehmen
Zu unserer Verwunderung erhielten wir einen Zweizei- demnach auch mitteilen, dass es ein Verarbeitungs-
ler zur Antwort mit der lapidaren Aussage, die auch verbot für solche Gesundheitsdaten gibt.
auf der Homepage veröffentlicht ist, dass keine per-
sönlichen Daten der Fahrgäste aufgezeichnet würden. Auch in pandemischen Zeiten ist zur Wahrung des
Mit dieser Kurzantwort gaben wir uns allerdings nicht Datenschutzes eine sorgfältige und detaillierte Über-
zufrieden und wandten uns erneut an das Unterneh- prüfung der Maßnahmen anhand der gesetzlichen
men. Denn die Maßnahmen sind nach unserer Mei- Anforderungen geboten. Umgesetzt wird demnach
nung durchaus geeignet, in das Recht auf informati- auch der Beschluss der Konferenz der unabhängi-
onelle Selbstbestimmung einzugreifen, auch wenn es gen Datenschutzaufsichtsbehörden des Bundes und
sich bei dem Innenraum des Busses um einen Bereich der Länder zum Einsatz von Wärmebildkameras bzw.
handelt, der dem Hausrecht des Busunternehmers elektronischer Temperaturerfassung im Rahmen der
unterliegt. Corona-Pandemie vom 10.09.2020.

Für uns unstrittig stellt die Erfassung der Körpertem-


peratur mithilfe eines Wärmebildkamerasystems eine >> Weitere Informationen
automatisierte Verarbeitung personenbezogener Da- https://www.datenschutzkonferenz-online.de/media/
ten im Sinne des Art. 4 Nr. 2 DS-GVO dar. Dies hängt dskb/20200910_beschluss_waeremebildkameras.pdf
auch nicht davon ab, ob die Aufnahmen gespeichert
werden oder ob diese nur im Live-Betrieb auf dem  

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Körpertemperatur mit einem Wärmebildkamerasystem zu messen bedeutet die automatisierte Verarbeitung personenbezogener Daten.

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LfDI BW I 36. Tätigkeitsbericht I 2020

Vereine I: Zuschauer-Datenerhebung Die Verordnung des Kultusministeriums und des So-


Eine Anfrage befasste sich mit den Daten, die bei Zu- zialministeriums über Sport regelt die Sportausübung
schauern von Fußballspielen erhoben wurden. Diese in Baden-Württemberg. Sie wurde am 25. Juni 2020
Datenerhebung gemäß der Corona-Verordnung dien- durch öffentliche Bekanntmachung des Kultusminis-
te dazu, im Falle einer Infektion eine Rückverfolgung teriums notverkündet und galt ab dem 1. Juli 2020.
möglich zu machen. In der Praxis gestaltete es sich Sie ist seit dem 13. September 2020 nicht mehr gül-
oftmals so, dass am Eingang des Sportplatzes eine tig, war jedoch für unsere Antwort heranzuziehen. Die
Liste ausgelegt wurde, in die sich die Zuschauer ein- Landesregierung Baden-Württemberg hatte die Coro-
tragen mussten. Sofern die Zuschauer sich hinterein- na-Verordnung vom 1. Juli 2020 erstmals geändert.
ander auf die einzig ausliegende Sammelliste eintru- Auch gem. § 6 Absatz 2 der CoronaVO (in der dann
gen, erhielt jeder Einsicht in die personenbezogenen geänderten Fassung vom 28. Juli 2020) ist zu gewähr-
Daten derer, die sich vor ihm eingetragen hatten. Die- leisten, dass Unbefugte keine Kenntnis von den Daten
se Listen sollen oft unbeaufsichtigt, teilweise auch erlangen. Diese dienen ausschließlich dem Zweck der
zum Abfotografieren geeignet gewesen sein. In einem Auskunftserteilung gegenüber dem Gesundheitsamt
Falle wurde der Zugang zur Veranstaltung verweigert, oder der Ortspolizeibehörde. Dies wurde von uns ab-
als sich die betreffende Person weigerte, sich in eine schließend als Antwort mitgeteilt.
offene, unbeaufsichtigte Liste einzutragen.
Die Datenerhebungen zur Erfüllung der Dokumentati-
Grundsätzlich darf eine verantwortliche Stelle die onspflichten aus der Corona-Verordnung durften zu
Daten nur in einer Weise verarbeiten, die eine ange- keiner Zeit durch offen einsehbare Listen erfolgen.
messene Sicherheit der personenbezogenen Daten Die Daten sind vielmehr so zu erheben, dass sie nur
gewährleistet, einschließlich Schutz vor unbefugter dem Verein als Sportstättenbetreiber bekannt werden,
oder unrechtmäßiger Verarbeitung. Dazu sind geeig- nicht jedoch unbefugten Personen.
nete technische und organisatorische Maßnahmen
zu ergreifen (vgl. Art. 5 Abs. 1 Buchstabe f) DS-GVO
zur „Integrität und Vertraulichkeit“).

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Auch bei Sportveranstaltungen gilt: Niemals Sammellisten auslegen zur Kontakterfassung von Besuchern.

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LfDI BW I 36. Tätigkeitsbericht I 2020

Vereine II: Selbsterhebungs-Fragebögen bei der


Tieradoption
Immer wieder wird die Situation derer ausgenutzt, die
ihre personenbezogenen Daten im Austausch für eine
begehrte Vereinsleistung offenzulegen haben. Dann
werden schon mal „überschießende“ Informationen
und Daten abgefragt, was nicht mit dem Datenmini-
mierungsgrundsatz des Art. 5 der DS-GVO vereinbar
ist.

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So wurde uns eine Datenerhebung eines Tiervermitt-
lungsvereins gemeldet. Darin ging es um die Adoption
eines Tieres, um die sich ein Antragsteller beworben
hatte. Voraussetzung für das Einleiten des Adoptions-
prozesses war dabei eine Selbstauskunft durch einen
Fragebogen. In diesem Fragebogen wurden dann
überschießende Informationen verlangt: Der Antrag-
steller sollte darin auch Fragen zu solchen Personen Tieradoption bedeutet auch Fragebögen ausfüllen.
beantworten, die außerhalb seines Haushalts leben;
auch die Übermittlung seiner Personalausweis-Num- zufiltern, die am Aussagekräftigsten erscheinen. Eine
mer war dabei vorgesehen. Seine Nachfrage bei dem Rechtsgrundlage für die auf das familiäre Umfeld
Verein habe ergeben, dass dies mit Vorgaben durch ausgedehnte Datenerhebung bestand somit nach
das Veterinäramt begründet sei. Eine Rechtsgrundla- Art. 6 DS-GVO nicht. Informationen gem. Art. 12 ff.
ge konnte vom Verein nicht benannt werden. DS-GVO fehlten außerdem.

Zur Erreichung des bestimmten (legitimen) Zwecks Um dem Datenminimierungsgrundsatz der DS-GVO
erforderlich sind hier nicht die Daten im Hinblick auf zu entsprechen, ist zwischen der Formulierung „im
sämtliche Familienangehörigen, wie deren Anzahl Haushalt lebende Personen“ und der Formulierung
oder deren Alter oder ob in der Familie (allgemein) „im familiären Umfeld lebende Personen“ zu unter-
Tierhaarallergien bekannt sind. Der Umstand, dass scheiden. Angaben zur Gesundheitssituation aller im
eine entfernt lebende Verwandte, mit der die Familie familiären Umfeld lebenden Personen waren dabei
kaum Kontakt pflegt, eine Tierhaarallergie hat, wird nicht erforderlich. Soweit es sich um personenbezo-
wohl kaum ein relevantes Datum für eine am Grund- gene Daten Dritter handelt, sind diese zusätzlich nach
satz der Verhältnismäßigkeit und dem Grundsatz Art. 14 DS-GVO zu informieren.
der Datenminimierung ausgerichtete Datenerhebung
sein. Desgleichen erschließt sich uns der Zweck nicht, Der vom Verein zur Überprüfung verwendete Frage-
allgemein die Anzahl und das Alter aller Familienmit- bogen durfte für den Antragsteller so nicht verwendet
glieder zu erfragen und damit auch diejenigen Perso- werde und wurde dementsprechend geändert.
nen zu erfassen, die außerhalb des Haushalts bzw.
des relevanten Kontakts des Antragstellers stehen.
Die Übermittlung der Personalausweis-Nummer sa- Vereine III: Veröffentlichungen von Fotos eines Ver-
hen wir zudem durch das Personalausweisgesetz einsmitglieds
nicht gedeckt. An einem Gebäude wurden großformatige Fotos ei-
nes Vereinsmitglieds zu Werbezwecken angebracht.
Den vom Verein verfolgten legitimen Zweck sahen Die Fotos entstanden im Zusammenhang mit einem
wir darin, dass er seinen Verpflichtungen dem Tier- Fotoshooting, zu dem verschiedene Mitglieder zu
wohl gegenüber zu entsprechen hat. Das beinhaltet Werbezwecken posierten. Die betroffene Beschwer-
jedoch nicht, sämtliche Daten eines Antragstellers deführerin wollte, dass Ihre Fotos von dem Gebäude
und seines familiären Umfeldes vorab „auf Vorrat“ entfernt werden. Trotz Aufforderung an die dafür zu-
und vorbeugend zu erheben, um dann aus einer mög- ständige Stelle des Vereins wurden die Fotos jedoch
lichst umfassenden Datenmenge jene Daten heraus- nicht entfernt.

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LfDI BW I 36. Tätigkeitsbericht I 2020

Im Hinblick auf die Verarbeitung zu Werbezwecken Person in aller Regel auch dahin, dass ihre Fotos an
war der Verein als für den Datenschutz Verantwort- der angekündigten Stelle unter den genannten Bedin-
licher heranzuziehen. Jegliche Verwendung perso- gungen veröffentlicht werden.
nenbezogener Daten (Art. 4 Nr. 2 DS-GVO) setzt eine
Rechtsgrundlage nach Art. 6 Abs. 1 DS-GVO voraus.
Hier kam nur eine Einwilligung in Frage. Die Einwil- Vereine IV: Der Gewinner als Verlierer – die Veröf-
ligung muss hierbei freiwillig, gut informiert und mit fentlichung von Spenden-Daten
Hinweis auf den jederzeitigen Widerruf eingeholt wer- Anfang des Jahres 2020 erhielt ein Förderverein eine
den (vgl. Art. 7 DS-GVO). Der verantwortliche Verein Spende für einen guten Zweck. Der Spender konnte
hatte nachzuweisen, dass die Beschwerdeführerin daraufhin nicht nur seinen Namen der Presse entneh-
in die Verarbeitung ihrer personenbezogenen Daten men, sondern dort gleich auch die Höhe seines ge-
(speziell zur Veröffentlichung ihrer Fotos an dem Ge- spendeten Beitrags ersehen. Eine Einwilligung zu die-
bäude) eingewilligt hatte, vgl. Art. 7 Abs. 1 DS-GVO. ser Veröffentlichung hatte er nicht erteilt. Auf seine
Art. 7 DS-GVO schreibt allerdings keine bestimmte Anfrage beim Verein erhielt er vielmehr den Hinweis,
Form für die Einwilligung vor. Somit ist grundsätz- dass er als Privatspender ja an einer Gewinnverlo-
lich nach der DS-GVO auch eine mündliche erteilte sung teilgenommen habe. Der Wunsch auf anonyme
Einwilligung denkbar. Hiervon ist allerdings mit Blick Bearbeitung hätte auf dem Überweisungsträger ver-
auf die Transparenz der Verarbeitung sowie die feh- merkt werden müssen.
lende Möglichkeit des Nachweises abzuraten. Mög-
licherweise lag eine mündliche Einwilligung zu Foto- Die Teilnahmebedingungen für die Gewinn-Auslo-
aufnahmen und deren Veröffentlichung seitens der sung informierten dann tatsächlich auch darüber,
Beschwerdeführerin vor. Dies konnte der verantwort- dass sich der Gewinner – eines durchaus attraktiven
liche Verein jedoch nicht nachweisen. Gewinns – automatisch mit der Veröffentlichung sei-
ner Daten einverstanden erkläre. Dort war auch aus-
Selbst wenn eine Einwilligung vorgelegen hätte, hätte geführt, was im Einzelnen veröffentlicht wird, nämlich
diese jederzeit, ohne die Angabe von Gründen, wider- der Name des Gewinners, sein Foto, die Berichter-
rufen werden können. Das hätte für den Verein dann stattung über die Gewinnübergabe sowie die Medi-
auch die Pflicht zur Entfernung der Fotos zur Folge en, in denen die Veröffentlichungen stattfinden. Der
gehabt. Bei der rechtmäßigen Veröffentlichung der Spender bezog diese Informationen folgerichtig auf
Fotos an dem Gebäude sind u. a. auch die Gründe den Fall seines Gewinns und nicht auf den Fall seiner
entscheidend, inwiefern die Beschwerdeführerin Spende. Ein Spenden-Fall war jedoch noch lange kein
mit einer Veröffentlichung genau an dieser Stelle zu Gewinner-Fall.
rechnen hatte. Da sie allein durch entsprechendes
Posieren zu den Fotoaufnahmen von einer Veröf- Die uns dann vom Verein übersandten Teilnahmebe-
fentlichung auszugehen hatte, blieb zudem auch der dingungen, die über deren Website abrufbar waren,
Umfang der Veröffentlichung umstritten. Es muss unterschieden sich von den Teilnahmebedingungen,
deshalb möglichst konkret festgehalten und auch da- die uns der Beschwerdeführer vorlegte. Dort wurde
rüber informiert werden (Art. 13 Abs. 2 DS-GVO), wie, dann noch ausdrücklich ausgeführt, dass die Spen-
in welcher Form, an welcher Stelle und in welchen derdaten als solche veröffentlicht würden, falls nicht
Medien die Veröffentlichungen (jeweils) geplant sind. auf der Überweisung (zur Spende) widersprochen
Eine Rechtsgrundlage für die Fotoaufnahmen sowie würde. Gemeinsam war den Bedingungen jedoch
das Vorliegen der Informationen nach Art. 13 DS-GVO die Koppelung der Veröffentlichung der personen-
konnte der Verantwortliche nicht nachweisen. Nach bezogenen Daten des Spenders (soweit er ein tat-
unserer Anfrage wurde daher die Entfernung der Fo- sächlicher Gewinner ist) mit der (automatischen)
tos am Gebäude alsbald in Auftrag gegeben. Veröffentlichung der personenbezogenen Daten des
Teilnehmers als Spender (ohne Gewinner zu sein).
Vereinsmitglieder sind über Datenverarbeitungen – Dabei ließ der Verein „großzügig“ offen, welche Da-
insbesondere Fotoaufnahmen – nach Artikel 13 DS- ten denn im Einzelnen vom Spender veröffentlicht
GVO zu informieren. Informiert der Verantwortliche würden. Mit einer ausdrücklichen und informierten
transparent und umfassend über die geplanten Ver- Einwilligung nach Art. 6 Abs. 1 Satz 1 Buchstabe a)
öffentlichungen, geht die Erwartung der betroffenen DS-GVO hatte dies alles wenig zu tun.

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LfDI BW I 36. Tätigkeitsbericht I 2020

Als Rechtsgrundlage für eine Veröffentlichung der Teilnahmebedingungen für das Gewinnspiel durften
Spenderdaten des Beschwerdeführers wird in der auch nicht als konkludente Einwilligungserklärungen
Antwort auf unsere Rückfrage beim Verantwortlichen zur Veröffentlichung der Spenderdaten herangezo-
Art. 6 Abs. 1 Satz 1 Buchstabe a) DS-GVO genannt. gen werden. Leider konnte dies erst durch die Hin-
Im Folgenden bezieht sich der Verein auf die Teilnah- zuziehung unserer Behörde aufgeklärt werden. Aber
mebedingungen zur Gewinn-Verlosung und koppelt jetzt sollte die Rechtslage allen Beteiligten klar sein.
diese mit der Verarbeitung der Spenderdaten. Beab-  
sichtigt der Verantwortliche jedoch, die personenbe-
zogenen Daten für einen anderen Zweck weiterzuver-
arbeiten als zu dem, für den die personenbezogenen
Daten vorgesehen waren (hier die Datenverarbeitung
zum Zwecke der Spende), so hat er der betroffenen
Person vor dieser Weiterverarbeitung alle erforderli-
chen Informationen über diesen anderen Zweck (hier
die Datenverarbeitung zum Zwecke der Gewinnspiel-
teilnahme) und alle anderen maßgeblichen Informa-
tionen zur Verfügung zu stellen, vgl. Art. 13 DS-GVO.
Eine Einwilligung hat dann separat zu den verschie-
denen Zwecken zu erfolgen.

Es wurde daher nicht ausreichend über eine Datenver-


arbeitung zu den jeweiligen Zwecken gem. Art. 13 DS-
GVO informiert. Außerdem dürfen nicht automatisch
so verschiedene Zwecke miteinander gekoppelt wer-
den. Vielmehr ist eine jeweils separate Einwilligungs-
erklärung erforderlich. Die vom Verein verwendeten

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... manchmal nur der Veranstalter eines Gewinnspiels.

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LfDI BW I 36. Tätigkeitsbericht I 2020

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LfDI BW I 36. Tätigkeitsbericht I 2020

11. Einblick in die Dienststelle schaffen. Neben der Beratung, Kontrolle, Prüfung und
gegebenenfalls Sanktionen bei datenschutzrechtli-
chen Verstößen informieren wir umfangreich über
Der Informationsbedarf bei datenschutzrechtlichen das Bürgerrecht Datenschutz und beteiligen uns an
Themen ist sehr hoch. Die digitale Transformation Debatten und Diskursen zu rechtlichen, ethischen und
der Gesellschaft findet nicht im luftleeren Raum statt. kulturellen Fragen des Datenschutzes. Um das wirk-
Sie betrifft fast alle Lebensbereiche. Bürger_innen, öf- sam zu leisten nutzen wir unterschiedliche Kanäle:
fentliche Stellen, Unternehmen, Verbände und Vereine Wir organisieren in Eigenregie oder in Kooperationen
sind unmittelbar betroffen und gestalten die digitale Veranstaltungen, bringen als Referent_innen und Au-
Welt aktiv mit. Digitalisierung und Datenschutz gehö- toren Fachlichkeit in den Diskurs ein. Wir bieten auf
ren zusammen, das eine funktioniert ohne das ande- unserer Homepage eine Vielzahl von Informationen
re nicht. So eindeutig, wie Digitalisierung den Alltag und Praxishilfen an, nutzen Podcasts und Videos zur
bestimmt, so eindeutig ist es, dass der Umgang mit Vermittlung, unser Newsletter interessiert rund 4.500
personenbezogenen Daten gut zu regeln und gut um- Abonnenten. Zuletzt haben wir mit unserem eigenen
zusetzen ist. Mastodon-Account wieder den direkten Kontakt zu
interessierten Nutzer_innen der Sozialen Medien auf-
Die DS GVO beschreibt ein modernes Bürgerrecht: genommen und suchen aktiv den Austausch. Wir wer-
Bürger_innen entscheiden selbstbestimmt über die den unsere Arbeit intensivieren, unsere Gesprächsfor-
Art und Weise der Verwendung ihrer personenbezo- mate stärken und auch unser Bildungszentrum weiter
genen Daten. Sie sind es, die darüber befinden, ob fördern, welches hervorragende Arbeit leistet und sehr
und wie zum Beispiel Unternehmen ihre Daten ver- viel Wissen vermittelt.
arbeiten. Es ist die Aufgabe von öffentlichen Stellen,
die Bürger_innen dazu zu befähigen, ihre Rechte auch
tatsächlich wahrnehmen zu können. Unsere Aufgabe >> Weitere Informationen
ist es, dem Bürgerrecht Datenschutz Geltung zu ver- https://bawü.social/@lfdi
https://www.baden-wuerttemberg.datenschutz.de

Auswirkungen der Corona-Pandemie auf den Be-


hördenbetrieb
Frühzeitig haben im Frühjahr des Jahres Maßnahmen
ergriffen, um die Beschäftigten vor möglichen Infek-
tionen zu schützen und dadurch auch den Dienstbe-
trieb weiterhin weitestgehend aufrechterhalten zu
können. Wir haben Schutzmasken beschafft und Hy-
gienekonzepte erarbeitet und fortgeschrieben. In en-
gem Austausch mit den Führungskräften des Hauses
haben wir unser Vorgehen kontinuierlich angepasst.
Allen, insbesondere denjenigen Beschäftigten, die zu
den Risikogruppen zählen, haben wir nahegelegt, nur
noch dann das Dienstgebäude aufzusuchen, wenn
dies zwingend erforderlich sei. Alle Möglichkeiten
des Homeoffice sollten genutzt werden, wobei dies
zunächst in erster Linie diejenigen betraf, die ohnehin
schon Telearbeitsvereinbarungen abgeschlossen hat-
ten und deshalb bereits im Besitz der nötigen tech-
nischen Ausstattung waren. Unter erheblichen orga-
nisatorischen und finanziellen Anstrengungen gelang
es dann nach und nach, alle Mitarbeitenden entspre-
Die Homepage wächst und gedeiht. chend auszurüsten, so dass, angefangen bei der Post-

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LfDI BW I 36. Tätigkeitsbericht I 2020

stelle, über Schreibdienst und Registratur bis hin zu Besetzung der Neustellen
den Abteilungsleitungen mittlerweile alle von Zuhau- Im Jahr 2020 haben wir 10 neue Planstellen besetzt.
se arbeiten können. Dabei hat sich gezeigt, dass das Wir hatten keine Schwierigkeiten qualifiziertes Per-
Arbeiten im Homeoffice reibungslos funktioniert und sonal zu finden. Die Themen Datenschutz und Infor-
der Dienstbetrieb quantitativ und qualitativ auf dem mationsfreiheit sind mittlerweile als Zukunftsthemen
gewohnt hohen Niveau weitergeführt werden konnte. erkannt. Unsere Behörde gilt als attraktive Arbeitgebe-
rin. Nicht zuletzt trägt das sich in den letzten Jahren
Eine besondere Herausforderung stellte allerdings die gewandelte Image, weg von einer reinen Aufsichts-
Eingliederung und Einarbeitung der vielen neu in der und hin zu einer modernen Dienstleistungsbehörde
Behörde hinzugekommenen Kolleg_innen dar. Dass mit einem frischen Internetauftritt und einem dynami-
dies angesichts der Abwesenheit des größten Teils schen Team, hierzu bei. Unsere Expert_innen im Haus
der Mitarbeiterschaft nicht ganz einfach war, liegt auf sind auch sehr gefragte Referent_innen. Auch andere
der Hand. Durch den verstärkten Einsatz technischer Landesbehörden haben mittlerweile erkannt, dass es
Möglichkeiten, wie Online-Schulungen und virtuelle sich lohnen kann, Kolleg_innen zu beschäftigen, die
Mitarbeiter- und Abteilungsbesprechungen, können für eine gewisse Zeit beim Landesbeauftragten gear-
die Nachteile zwar auch insoweit gemildert werden. beitet haben. Hiervon zeugt, dass es gelang, etliche
Gleichwohl hätten wir den Betroffenen einen günsti- Beschäftigte in die Innenverwaltung, in die Gerichts-
geren Einstand gewünscht. Hier hoffen wir auf die Ge- barkeit oder in Bundesministerien zu vermitteln. Wir
duld der „Neuen“ und darauf, dass die Zeiten besser hoffen, diesen Weg weiter beschreiten zu können –
werden. gewinnbringend für alle Seiten.

Alle getroffenen Maßnahmen, gepaart mit der Diszip-


lin der Mitarbeitenden und dem notwendigen Quänt- Vorbereitung Umzug
chen Glück, haben dazu geführt, dass bisher niemand Schon in den vergangenen Jahren wurden wir vom
von einer Infektion betroffen wurde. Es bleibt zu hof- Parlament dankenswerterweise mit neuen Personal-
fen, dass es weiterhin so bleibt. stellen bedacht. Diese konnten wir angesichts der

© LfDI BW

Im Monty-Python-Stil animiert und gern gesehen: Das Video „Digitalisierung und Datenschutz gehören zusammen“.

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LfDI BW I 36. Tätigkeitsbericht I 2020

gestiegenen Anforderungen an unsere Behörde auch sich gezeigt, dass diese modernen Formen des Arbei-
gut einsetzen. Dabei zeigte sich aber rasch, dass wir tens durchaus auch für andere Beschäftigte geeignet
hinsichtlich der räumlichen Gegebenheiten am bis- sein kann. Gemeinsam mit dem Personalrat sind wir
herigen Standort zunehmend an die Grenze dessen derzeit dabei, hier eine Dienstvereinbarung zu erarbei-
stoßen, was den Beschäftigten noch zumutbar ist. ten, welche die Vorzüge dieser Arbeitsform allen Be-
Doppel- und Dreifachbelegungen der Dienstzimmer schäftigten zugutekommen lässt.
sind mittlerweile der Regelfall. Insbesondere auch mit
Blick auf die unter Corona-Bedingungen erforderlichen
Hygienestandards wurde dies zunehmend zu einer Zahlenüberblick
Belastung. Erfreulicherweise konnte uns der Landes- Nach der langen Phase der Einführung und Etablie-
betrieb Vermögen und Bau, dem an dieser Stelle aus- rung der DS-GVO durch intensive Beratungen von
drücklich für seine professionelle Arbeit gedankt wird, Behörden, Unternehmen, Vereinen und Initiativen
Ersatzräumlichkeiten anbieten, die alle unsere Bedürf- sind wir im Jahr 2019 dazu übergegangen, wieder
nisse optimal erfüllen. So ist das neue Domizil nicht verstärkt zu prüfen und zu kontrollieren. Diese Kont-
nur verkehrstechnisch bestens erreichbar, was den rolltätigkeit nahm pandemiebedingt im Jahre 2020 er-
Beschäftigten wie auch Besuchern entgegenkommt. heblich ab. Die Zahl der Datenpannenmeldungen und
Die Räumlichkeiten bieten dem neu gegründeten Bil- Beschwerden hingegen stieg deutlich. Auch wurden
dungszentrum BIDIB auch beste Rahmenbedingun- wieder etliche Bußgeldverfahren durchgeführt. Insge-
gen für erfolgreiche Schulungs- und Fortbildungs- samt haben wir im Jahr 2020 Bußgelder in Höhe von
maßnahmen rund um die Themen Datenschutz und rund 1,6 Millionen Euro verhängt, so viel wie noch nie.
Informationsfreiheit. Eigentlich wollten wir damit be- Die Zahl der Beschwerden steigt von rund 3570 im
reits im Jahr 2020 beginnen. Leider verzögerte sich Jahr 2019 auf über 4500 im Jahr 2020. Die Zahl der
der Umzug allerdings um circa ein Jahr gegenüber Datenpannenmeldungen stieg im Vergleich zum Vor-
der ursprünglichen Planung, weil der Vormieter die jahreszeitraum, in dem wir einen enormen Anstieg an
Räumlichkeiten doch lieber selbst behalten wollte. Es Meldungen feststellten, noch einmal um rund 300. Be-
kostete einige Mühe und intensive Gespräche mit den ratungsanfragen reduzierten sich hingegen um rund
Verantwortlichen, um dann doch die – verspätete – 550. Die Zahl der Kontrollen sank von über 110 im
Räumung zu erreichen. Nun kann es mit den Sanie- Jahr 2019 auf etwas über 30 im Berichtszeitraum.
rungsarbeiten endlich losgehen und wir sehen dem
Einzug im zweiten Quartal 2021 mit Ungeduld und Der Überblick über die Entwicklungen der wesentli-
Vorfreude entgegen. chen Kennzahlen unserer Behörde zeigt, dass der Da-
tenschutz sehr große Beachtung erfährt. Wir haben
erst mit Wirksamwerden der DS-GVO im Mai 2018
Mobiles Arbeiten die Kompetenz zur Verfolgung von Datenschutzbuß-
Als „Stuttgarter“ Behörde sind wir zufrieden damit, geldverfahren erhalten. In den Jahren 2016 und 2017
nicht nur Kolleg_innen aus dem Schwäbischen zu be- wurden die Bußgeldverfahren noch von der zentralen
schäftigen, sondern auch solche aus weiter entfernten Bußgeldstelle des Regierungspräsidiums Karlsruhe
Landesteilen oder gar aus anderen Ländern Deutsch- verfolgt. Auskunft über die Zahlen aus den Jahren
lands. Diese Kolleg_innen nehmen den mühevollen 2016 und 2017 haben wir vom Regierungspräsidium
Weg auf sich, Tag für Tag mit öffentlichen Verkehrs- nicht erhalten.
mitteln, meist mit IC oder ICE, anzureisen. Bedingt
durch die Sanierung der Bahnstrecke von Mannheim Auch im Jahr 2020 haben wir – coronabedingt unter
nach Stuttgart verdoppelte sich die einfache Fahrzeit verschärften Bedingungen – Veranstaltungen orga-
für cirka ein halbes Jahr auf rund eineinhalb Stunden. nisiert und als Referent_innen Vorträge gehalten und
Um den Betroffenen hier entgegenzukommen, wurde an Podiumsdiskussionen teilgenommen. Unser im
als neue Arbeitsform das ‚mobile Arbeiten‘ eingeführt. Juli eröffnetes Bildungszentrum musste alle geplan-
So konnte die Zeit der Zugfahrt genutzt werden, um ten Präsenz-Veranstaltungen absagen. Leider war es
zu arbeiten und dadurch die zeitliche Belastung durch nicht möglich, alle vorgesehenen Themen stattdes-
die längere An- und Abreise etwas zu mildern. Aus den sen online anzubieten. Die vier Veranstaltungen, die
Erfahrungen hiermit und den Erfahrungen mit dem wir online durchführen konnten, erfreuten sich aller-
Homeoffice bedingt durch die Corona-Pandemie hat dings großer Nachfrage: Innerhalb weniger Tage nach

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der Ankündigung waren sie komplett ausgebucht. Das


zeigt uns für die Zukunft, dass wir mit dem BIDIB auf
einem sehr guten Weg sind und auf große Nachfrage
stoßen. Von Teilnehmenden, aber auch von anderer
Stelle, wie zum Beispiel von Nutzer_innen auf unse-
rem Social Media Kanal Mastodon, haben wir viele
Themenvorschläge für Veranstaltungen erhalten. Wir
freuen uns über die zahlreichen Anregungen und wer-
den bei der Planung für das Veranstaltungsjahr 2021
versuchen, möglichst viele davon umzusetzen. Auch
wurden wir als Referent_innen für (online-) Veranstal-
tungen anderer Institutionen angefragt, über den Da-
tenschutz und die Informationsfreiheit zu sprechen
und somit wichtige Aufklärungsarbeit zu leisten.

Insgesamt haben wir 95 Vorträge gehalten – we-


niger als im Jahr zuvor, im dem allein unsere Stab-
stelle rund 40 Mal in Schulungen aktiv war – und als
Gesprächspartner an Diskussionen teilgenommen.
Von Vorträgen zu Kinderrechten, der Teilnahme als
Kunstprojekten, Debatten zu ethischen Fragen bis hin
zu Gesprächen mit öffentliche Stellen, Unternehmen,
Verbänden, Vereinen sowie unmittelbar und direkt mit
der Bürgerschaft: Wir haben für das Bürgerrecht auf
Datenschutz und die Freiheit des Zugangs zu amtli-
chen Informationen sensibilisiert und gestritten. Im
Jahr 2021 wollen wir unsere Veranstaltungsformate
weiter ausbauen – dann auch hoffentlich wieder in
der ersehnten gemeinsamen Präsenz von Referent_
innen und Teilnehmenden.

Statistische Übersicht – Zeitraum jeweils vom 01.01. – 31.12.

2016 2017 2018 2019 2020

Beschwerden 2.048 3.058 3.902 3.757 4.782

Kontrollen 16 55 13 111 31

Beratungen 1 1.515 1.786 4.440 3.842 3.285

Datenpannen 68 121 900 2.030 2.321

Bußgeldverfahren (eingeleitet) - - 138 2 233 174


1 ohne telefonische Beratung


2 Mai – Dez

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