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BERND KOLLMANN

Jesus und die Christen


als Wundertäter
Studien zu Magie, Medizin
und Schamanismus in Antike
und Christentum

VANDENHOECK & RUPRECHT


IN GÖTTINGEN
Forschungen zur Religion und Literatur
des Alten und Neuen Testaments

Herausgegeben von
Wolfgang Schräge und Rudolf Smend

170. Heft der ganzen Reihe

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufrahme

Kollmann, Bernd:
Jesus und die Christen als Wundertäter: Studien zu Magie,
Medizin und Schamanismus in Antike und Christentum / Bernd Kollmann.
Göttingen: Vandenhoeck und Ruprecht, 1996
(Forschungen zur Religion und Literatur des Alten und
Neuen Testaments; H. 170)
Zugl.: Göttingen, Univ., Habil.-Schr., 1994/95
ISBN 3-525-53853-7
NE:GT

© 1996 Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen.


Printed in Germany. - Das Werk einschließlich aller seiner Teile
ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb
der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne
Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar.
Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen,
Mikroverfilmung und die Einspeicherung und Verarbeitung
in elektronischen Systemen.
Druck und Bindung: Hubert & Co., Göttingen.
Vorwort

Seit mir im Sommer 1979 in meinem zweiten Studiensemester Gerd


Theißens "Urchristliche Wundergeschichten" in die Hände fielen, hat
mich die Frage nach den Wundern in Antike und Christentum in beson-
derer Weise fasziniert. Schon damals hätte ich gerne mehr über den
historischen Hintergrund der christlichen wie der paganen Wunderge-
schichten erfahren. Mit der vorliegenden Untersuchung hoffe ich, in
dieser Hinsicht ein Stück weit über den bisherigen Forschungsstand
hinauszuführen. Als ich mich 1990 zu diesem Unternehmen anschickte,
hielt ich das antike Umfeld der neutestamentlichen Wundergeschichten
für weitgehend aufgearbeitet. Je tiefer ich in die Materie eindrang, desto
deutlicher wurde mir freilich, daß gerade hier ein Schwerpunkt meiner
Arbeit liegen würde.
Die vorliegende Untersuchung wurde im Januar 1994 abgeschlossen
und im Wintersemester 1994/95 von der Göttinger Theologischen Fakul-
tät als Habilitationsschrift angenommen. Mein Lehrer, Prof. H. Stege-
mann, stand wie gewohnt jederzeit mit fachkundigem Rat bereit und hat
mich freundlich durch das Habilitationsverfahren geleitet, den weiteren
Gutachten von Prof. G. Lüdemann und Prof. B. Schaller verdanke ich
mancherlei Anregung. Ermöglicht wurde diese Untersuchung durch ein
Stipendium der Fritz Thyssen Stiftung, Köln, die mir in ausgesprochen
großzügiger Weise drei Jahre unbelasteten Forschens finanzierte. Knapp
anderthalb Jahre davon, für meine Familie und mich eine unvergeßliche
Zeit, konnte ich an der Divinity School der University of Chicago ver-
bringen, wo ich mich als Visiting Scholar an dem von Prof. F. Reynolds
geleiteten Institute for the Advanced Study of Religion aufhielt und in
Prof. A.Y. Collins und Prof. H.D. Betz gleichermaßen kompetente wie
gastfreundliche Gesprächspartner hatte. Gerne denke ich auch an den
Gedankenaustausch über weite Teile dieser Arbeit mit Prof. D. Zeller,
Mainz, zurück, der zeitgleich mit mir am "Institute" war.
Prof. W. Schräge und Prof. R. Smend bin ich für die Aufnahme dieser
Arbeit in die FRLANT zu Dank verpflichtet. Die Drucklegung wurde
durch einen namhaften Druckkostenzuschuß der Evangelisch-Lutheri-
schen Landeskirche Hannovers erleichtert.

Wolfsburg, im Juni 1995 Bernd Kollmann


Inhalt

Vorwort

Abkürzungen

I. Einleitung

II. Der Stand der Forschung und die Aufgabe


1. Kontroversen über den historischen Wert der
ntl Wundergeschichten
1.1. Die Wunder Jesu als Betrug oder Fiktion (H.S. Reimarus) ...
1.2. Die rationalistische Erklärung der ntl Wundergeschichten
(C.H. Venturini, H.E.G. Paulus)
1.3. Die ntl Wundergeschichten als unhistorische Mythen
(D.F. Strauß)
1.4. Die Ableitung der ntl Wundererzählungen aus der hellenistisc
Religionsgeschichte (M. Dibelius, R. Bultmann, G. Theißen) .
1.5. Ntl Wundergeschichten als Missionsatiologien (G. Schille)
1.6. Wundererzählungen als Entfaltungen des Kerygmas
(W. Schmithals)
1.7. Jüdischer Traditionshintergrund als Indiz für Historizität
(O. Betz, B. Blackburn u.a.)
1.8. Ipsissima facta Jesu (F. Mußner)
1.9. Atopische Motive als historisch zuverlässige Angaben
(J. Jeremias, J. Roloff, R. Pesch)
1.10. Heilungswundererzählunget. als Selbstberichte
der Betroffenen (D. Zeller)
2. Bilder von Jesus als Wundertäter
2.1. Jesus als Wunderprophet (R. Meyer, E.P. Sanders,
P.W. Barnett u.a.)
2.2. Jesus als Arzt (A. von Harnack, S. Eitrem)
2.3. Jesus als pneumatisch begabter Theios Aner
(H. Windisch, L. Bieler)
2.4. Jesus als Magier (O. Böcher. M. Smith, J.D. Crossan)
2.5. Jesus als suggestiver Heiler (J. Klausner)
oder Schamane (E. Drewermann)
2.6. Jesus als Chasid (D. Flusser, G. Vermes, S. Safrai)
8 Inhalt

3. Wundercharismatikertum bei den frühen Christen 42


3.1. Machttaten als Mittel missionarischer Werbung 42
3.2. Innergemeindliche Krankenheilungen und Dämonenaustreibungen .... 44
4. Aufgabe und Methodik dieser Untersuchung 45
4.1. Die Aufgabe 45
4.2. Methodische Vorüberlegungen zur historischen Urteilsfindung 49
4.3. Begriffsklärungen 53

III. Magie, Medizin und Wundercharismatikertum


in der Umwelt des NT 61
1. Hellenismus 61
1.1. Wissenschaftliche Medizin 61
1.1.1. Die Begründung wissenschaftlicher Heilkunst durch Hippokrates ... 61
Exkurs: Die "Heilige Krankheit" und ihre Behandlung 63
1.1.2. Ärzteschulen um die Zeitenwende 66
1.2. Asklepiosheiligtümer 73
1.2.1. Der Asklepiosmythos 73
1.2.2. Epidauros 75
1.2.3. Kos 79
1.2.4. Pergamon 80
1.3. Damonenaustreibungs- und Totenerweckungsformulare
in den Zauberpapyri 83
1.3.1. PGM IV,1227-1264 83
1.3.2. PGM V,96-171 84
1.3.3. PGM IV,2157-2159 und PGM XIII,242-244 86
1.3.4. PGM XIII,277-282 87
1.4. Wunderwirkende Theioi Andres 89
1.4.1. Pythagoras 89
1.4.2. Empedokles 91
1.4.3. Asklepiades von Prusa 95
1.4.4. Simon Magus 98
1.4.5. Apollonius von Tyana 101
1.4.6. Vespasian 106
1.4.7. Alexander von Abonuteichos 109
1.4.8. Einzelne Gestalten aus Lukians Philopseudes 110
1.5. Ergebnisse 116
2. Antikes Judentum 118
2.1. Jüdische Heilkunst in hellenistisch-römischer Zeit 118
2.1.1. Göttliche Offenbarung magisch-pharmakologischer
Heilkunst im Buch Tobit 120
2.1.2. Lobpreis des Arztes bei Jesus Sirach 124
2.1.3. Magie und Medizin bei den Essenern 127
2.2. Wundercharismatiker des antiken Judentums 137
2.2.1. Choni der Kreiszieher 137
2.2.2. Jochanan ben Zakkai 141
Inhalt 9

2.2.3. Chanina ben Dosa 142


2.2.4. Die jüdischen Zeichenpropheten 144
2.2.5. Eleazar 147
2.2.6. Die Söhne des Skevas 151
2.2.7. Eliezer ben Hyrkanus 153
2.3. Magische Formulare und volksmedizinische Praktiken
des Judentums in rabbinischer Zeit 154
2.3.1. Das jüdische Exorzismusformular PGM IV,3019-3078 156
2.3.2. Magie und Volksmedizin in Mischna und Talmud 160
2.3.3. Das "Buch der Geheimnisse" (Sepher ha-Razim) 165
2.3.4. Das "Schwert des Mose" (Harba de-Mosche) 167
2.4. Ergebnisse 169

IV. Jesus als Wundertäter 174


1. Dämonenaustreibungen Jesu 174
1.1. Die Logienüberlieferung 174
1.1.1. Die Beelzebulkontroverse (Mk 3,22-27parr) 174
Exkurs: Jesus als Magier oder Goet im Talmud und bei Celsus .... 179
Exkurs: iyyiQEiv, <p9ü\>Eiv und das Problem
der "Realized Eschatology" 183
1.1.2. Warnung vor Herodes (Lk 13,31-33) 187
1.1.3. Die Entmachtung des Satans (Mk 3,27parr; Lk 10,18) 189
1.1.4. Wunderinstruktionen an die Jünger (Mk 6,6b-13parr) 195
1.1.5. Die "Exorzismusregel" Mt 12,43-45/Lk 11,24-26 199
1.2. Die synoptischen Besessenenheilungsberichte 201
1.2.1. Heilung eines Besessenen in Kapernaum (Mk 1,21-28) 201
1.2.2. Der besessene Gerasener (Mk 5,1-20) 205
1.2.3. Die Heilung des epileptischen Knaben (Mk 9,14-29parr) 209
2. Krankenheilungen Jesu 215
2.1. Die Logienüberlieferung 215
2.1.1. Die Täuferanfrage (Mt 11,2-6/Lk 7,18-23) 216
2.1.2. Seligpreisung der Augen- und Ohrenzeugen (Mt 13,16f./Lk 10,23f.)... 221
2.2. Synoptisch-johanneische Wunderheilungsberichte 222
2.2.1. Heilung der Schwiegermutter des Petrus (Mk 1,29-31) 222
2.2.2. Heilung eines Aussätzigen (Mk 1,40-45) 223
2.2.3. Die Gelähmtenheilungsberichte Mk 2,1-12/Joh 5,2-9b 225
2.2.4. Heilung der blutflüssigen Frau (Mk 5,25-34) 229
2.2.5. Die Heilung des Taubstummen (Mk 7,31-37) 231
2.2.6. Die Blindenheilungen Mk 8,22-26 und Joh 9,1-7 234
2.2.7. Die Heilung des blinden Bartimäus (Mk 10,46-52) 238
2.3. Sabbatheilungskonflikte 239
2.3.1. Heilung einer verdorrten Hand am Sabbat (Mk 3,1-6) 239
2.3.2. Sabbatheilungsberichte im lk Sondergut (Lk 13,10-17; 14,1-6) 241
2.3.3. Die Sabbatheilungskomplexe Joh 5,1-47/7,15-24 und Joh 9,1-41 ... 244
2.3.4. Sabbatlogien Jesu zur Rechtfertigung seiner Heilpraxis 247
2.4. Berichte über Fernheilungen an Heiden 254
2.4.1. Heilung der Tochter einer Syrophonizerin (Mk 7,24-30) 254
10 Inhalt

2.4.2. Heilung des Sohnes eines Zenturio (Mt 8,5-13par) oder


königlichen Beamten (Joh 4,46-54) 257
2.4.3. Die Heilung der zehn Aussätzigen (Lk 17,11-19) 259
2.5. Wiederbelebungen verstorbener Personen 263
2.5.1. Erweckung der Jairustochter (Mk 5,22-24.35-43) 263
Exkurs: Die Totenerweckung Apg 9,36-43 264
2.5.2. Der Jüngling von Nain (Lk 7,11-17) 266
2.5.3. Die Lazarusgeschichte (Joh 11,1-44) 268
3. Naturwunder 271
3.1. Umgang mit wilden Tieren (Mk 1,13) 271
3.2. Die Sturmstillung (Mk 4,35-41) 272
3.3. Die wunderbare Brotvermehrung (Mk 6,30-44par; 8,1-10) 274
3.4. Der Seewandel Jesu (Mk 6,45-52par) 275
3.5. Die Verfluchung des Feigenbaums (Mk 11,12-14.20.21) 275
3.6. Der Stater im Fischmaul (Mt 17,24-27) 277
3.7. Der wunderbare Fischfang (Lk 5,1-11/Joh 21,1-14) 277
3.8. Das Weinwunder zu Kana (Joh 2,1-12) 279
4. Die Verweigerung demonstrativer Machterweise 281
4.1. Jesu Ablehnung der Zeichenforderung (Mk 8,llf.parr) 281
4.2. Die Versuchung Jesu (Mt 4,1-11/Lk 4,1-13) 285
5. Jesus als Wundertäter in der Evangelienredaktion 287
5.1. Jesus als Theios Aner im Mk-Ev 287
5.2. Unterdrückung wunderhaft-magischer Züge im mt Jesusbild 292
5.3. Jesus als Wunderprophet bei Lk 294
5.4. Jesu Wunder als interpretationsbedürftige Offenbarungs-
zeichen im Joh-Ev 296
5.5. Analogien zur Evangelienredaktion der
christologischen Wundertradition 298
6. Ergebnisse 306

V. Frühchristliches Wundercharismatikertum
in der Nachfolge Jesu 316
1. Wunderwirkende Apostel und Propheten
in der Tradition der Aussendungsrede 316
1.1. Die Sendboten der Logienquelle 316
Exkurs : Das Verständnis der Aussendungstradition
bei Mk, Mt und Lk 318
1.2. Die Gegner des Paulus im 2 Kor 323
Exkurs : Die Aussendungsanordnungen Jesu
bei Pls und seinen Gegnern in Korinth 325
1.3. Wunderprophetentum im Umfeld des Mt-Ev (Mt 7,15-23) 330
1.4. Der fremde Dämonenaustreiber (Mk 9,38-40) 335
Inhalt 11

2. Dämonenaustreibungen und Krankenheilungen auf Befehl


des auferstandenen Christus 336
2.1. Die Wunderbevollmächtigung Mk 16,15-20 336
2.2. Krankenheilungsinstruktionen in den "Taten des Petrus
und der zwölf Apostel" 339
3. Krankenheilungen in den christlichen Gemeinden 340
3.1. Der Charismenkatalog 1 Kor 12 340
3.2. Unterweisung zu Dämonenaustreibungen durch Gebet (Mk 9,28f.)... 342
3.3. Krankenheilungen durch Presbyter (Jak 5,14-16) 344
3.4. Wiederbelebungen durch Gebet (Iren, Haer II 31,2; 32,4) 347
4. Form- und sozialgeschichtliche Aspekte frühchristlichen
Wunderchansmatikertums 348
4.1. Christliche Damonenaustreibungs- und Krankenheilungsformeln .... 348
4.1.1. Wundertaten "im Namen Jesu" 350
4.1.2. Beschwörungsformeln und Gebete zur Dämonenaustreibung 351
4.1.3. Krankenheilungsworte und -gebete 353
4.1.4. Formeln und Gebete zu Wiederbelebungen 354
4.2. Charismatiker als Uberlieferungsträger ntl Wundergeschichten .... 355
4.3. Sozialgeschichtliche Implikationen frühchristlicher Heilkunst 362
4.3.1. Der umsonst heilende Jesus und der geldgierige Asklepios 362
Exkurs: Das Theologumenon von Jesus als Arzt 363
4.3.2. Ärztliche Entlohnung in der Antike 369
4.3.3. Unentgeltliche christliche Dämonenaustreibungen
und Krankenheilungen 373
5. Ergebnisse 375

VI. Schluß 379

VII. Literaturverzeichnis 381

1. Textausgaben 381
2. Hilfsmittel 389
3. Sekundärliteratur 390

VIII. Register (in Auswahl) 432

1. Autoren 432
2. Namen und Sachen 433
3. Stellen 434
Abkürzungen

Abkürzungen für Reihen, Zeitschriften, Sammelwerke und für biblische wie


außerkanonische Schriften richten sich nach dem Abkürzungsverzeichnis der
"Theologischen Realenzyklopädie" von S.M. Schwertner, Berlin/New York
19942, ergänzt durch das Abkürzungsverzeichnis des "Theologischen Wörter-
buchs zum Neuen Testament" (ThWNT X / 1 , 53-85) und des "Exegetischen
Wörterbuchs zum Neuen Testament" (EWNT I, XII-XXXI; II, IX). Rabbini-
sche Schriften sind überwiegend nach G. Stemberger, Einleitung in Talmud
und Midrasch, München 19928, 357f., abgekürzt, die Nag Hammadi-Texte
nach K.-W. Tröger, Gnosis und Neues Testament, Gütersloh 1973, 20f. Für
klassische Autoren, Papyri, Fragment- und Inschriftensammlungen wurden
ergänzend zu ThWNT auch die Abkürzungen von Liddell-Scott und von Bauer-
Aland herangezogen. Darüber hinaus finden folgende Abkürzungen Verwen-
dung:

Apoll Parad, Hist Mir Apollonius Paradoxographus, Historia mirabilium


Cael Aur Caelius Aurelianus, ed. G. Bendz/I. Pape
Diosc, Simpl Med Dioskurides, De simplicibus medicamentis,
ed. M. Wellmann
DT Defixionum tabellae, ed. Audollent
Emped, Fragm Empedoklesfragmente, nach der Zählung
von M.R. Wright
Gal Galen, ed. C G . Kühn, mit röm. Band- und arab.
Seitenzahl (sonst Galaterbrief)
Gal, Sub Emp Galen, Subfiguratio empirica, ed. K. Deichgräber
HDM A Schwert des Mose, Rez. A, nach M. Gaster
HDM B und C Schwert des Mose, Rez. B und C, nach P. Schäfer
Kyr Kyraniden, ed. D. Kaimakis
PDM Demotischer magischer Papyrus von London und
Leiden (ed. F.L. Griffith/H. Thompson) nach der
Zählung von H.D. Betz, Greek Magical Papyri
PGM I-LXXXI Papyri Graecae Magicae, nach K. Preisendanz/
A. Henrichs
PGM LXXXIIff. Papyri Graecae Magicae, nach H.D. Betz
PGM 1-24 Christliche magische Papyri, nach K. Preisendanz/
A. Henrichs
PGM.S Papyri Graecae Magicae Supplementum, nach
R.W. Daniel/F. Maltomini
Scrib Larg, Compos Scribonius Largus, Compositiones,
ed. S. Sconocchia
SHR Buch der Geheimnisse, nach M. Margalioth oder
M.A. Morgan
W Wundertexte aus Epidauros, nach R. Herzog
I. Einleitung
"Meist pflegt man mit Bedauern festzustellen, daß Wundergeschichten
mannigfacher Art sich an die Person des Pythagoras geheftet haben und
es dem Forscher schwer machen, 'den historischen Kern aus dem
Gewebe von Sage und Dichtung herauszufinden'. ... Nur vereinzelt hat
man gesehen, daß gerade die Wundergeschichten eine Wirklichkeit nicht
verschleiern, sondern anzeigen, daß sie Aufschluß geben über die histo-
rische Wirkung einer Persönlichkeit und einer Lehre; und ob sie nicht
noch viel direktere Hinweise geben können auf Tatsachen, von denen
sie berichten, wurde kaum gefragt." Diese von W. Burkert im Hinblick
auf die Pythagorasinterpretation getroffene Äußerung1 läßt sich ohne
weiteres auf die Jesusforschung übertragen. Daß Jesus und andere
herausragende Personen der Antike Wundertaten bewirkt haben sollen,
ist vom Standpunkt neuzeitlich aufgeklärten Denkens aus schwer nach-
vollziehbar. Denn Wunder sind außerordentliche Ereignisse, die Ver-
wunderung erregen oder unbegreiflich erscheinen, weil sie sich gegen
alle bekannten Gesetze des in regelmäßiger Ordnung verlaufenden Na-
turgeschehens zutragen und folglich nicht als Resultat natürlicher oder
menschlicher Wirkungen faßbar sind. Für das Neue Testament und weite
Teile seiner Umwelt hingegen stellt die Annahme einer Einwirkung
Gottes oder anderer übernatürlicher Kräfte auf das gewohnte Naturge-
schehen nichts Befremdliches dar. Die grundsätzliche Möglichkeit von
Wundern steht außer Frage. Unterschieden wird allerdings zwischen
wahren und falschen Wundern, und zwar anhand des Kriteriums, in
wessen Vollmacht und mit welcher Zielsetzung ein Wunder bewirkt wird
(vgl. Mt 7,22f; Mk 13,22parr; Apk 13,13).
Als wirkliches Problem wird die Vorstellung, daß Gott contra naturam
Wunder wirkt und damit letztlich in einer Art Selbstwiderspruch gegen
die Gesetzmäßigkeiten seiner eigenen Schöpfung verstößt, erstmals bei
Augustin empfunden, der die Diastase zwischen Wunder und Natur
durch eine Ausdehnung des Naturbegriffes auf das uns Unbekannte als
einen nur scheinbaren Gegensatz zurückweist. Das Wunder trage sich
nicht contra naturam, sondern lediglich im Widerspruch zu unserer
Naturerfahrung zu. Wie es Gott nicht unmöglich war, nach Belieben

l Burkert, Weisheit und Wissenschaft 113


14 Einleitung

Naturen zu bilden, so sei es ihm auch nicht unmöglich, die von ihm
gebildeten Naturen nach Belieben umzugestalten (Civ Dei XXI,8).
Das von Augustin aufgeworfene Problem, daß Gott einerseits als
Schöpfer nichts im Selbstwiderspruch gegen die von ihm geschaffene
Natur tut, andererseits offenkundig gegen den gewohnten Ablauf der
Natur Wunder geschehen, wird von Thomas von Aquin aufgegriffen und
durch eine Unterscheidung zwischen unveränderlicher prima causa und
variablen secundae causae der Ordnung der Dinge einer neuen Lösung
zugeführt. Da die Naturordnung als ordo secundarum causarum auf Got-
tes freier Willensentscheidung beruht und von ihm auch anders hätte ein-
gerichtet werden können, kann Gott beliebig an ihr vorbei wirken, ohne
in Widerspruch zu seiner eigenen Gerechtigkeit zu verfallen. Gott be-
hielt sich bei der Schaffung der Naturordnung vor, zuweilen aus irgend-
welchen Gründen auch gegen sie zu handeln (Summa Theologia I 105,6).
Diese Prämisse, daß man Gott als Schöpfer mit großer Selbstver-
ständlichkeit das Recht zugestand, nach Belieben mit seiner Welt zu
verfahren und gegebenenfalls durch Wunder die von ihm eingerichtete
Naturordnung zu durchbrechen, wurde erst in der Neuzeit im Zuge der
Aufklärung und der zunehmenden Entwicklung der Naturwissenschaften
radikal in Frage gestellt 2 . Als Vorreiter der rationalen Wunderkritik
konstatierte Spinoza einen unüberbrückbaren Gegensatz zwischen Wun-
derglauben und Vernunft. Es geschehe nichts gegen die Natur mit ihren
unveränderlichen Gesetzen. Aus Gewohnheit oder aus bewußtem Wi-
derspruch gegenüber den Naturwissenschaften wolle das gemeine Volk
nichts von den natürlichen Ursachen der Dinge wissen und begehre nur
solche Dinge zu hören, die es am wenigsten kennt und deshalb am
meisten bewundern kann 3 . Speziell auf das Neue Testament bezogen
machte H.S. Reimarus mit einer rein vernunftgeleiteten Betrachtung der
Wunder ernst, indem er diese weitgehend als Blendwerk Jesu oder als
Fiktion der Evangelienschreiber ansah 4 . Konsequent widerlegt wurden
alle durch Reimarus provozierten rationalistischen wie supranaturalisti-
schen Erklärungsversuche der Wunder dann durch D.F. Strauß. Die
biblischen Wundertexte wollen ihrer Intention nach eindeutig von über-
natürlichen Ereignissen berichten, die jedoch in Wirklichkeit nicht so
geschehen sein können. Folglich handelt es sich um Mythen, die "nicht
als Abdruck einer Tatsache, sondern als Niederschlag einer Idee" zu
betrachten sind 5 .

2 Vgl. Keller/Keller, Streit um die Wunder 34ff.; Bron, Wunder 23ff.


3 Spinoza, Theologisch-politischer Traktat HOff.
4 Reimarus, Apologie 130-135.371-385.540-543.
s Strauß, Leben Jesu I 97.
Einleitung 15

Besondere Durchschlagskraft gewann die neutestamentliche Wun-


derkritik durch R. Bultmann. Dieser untermauerte nicht allein histo-
risch-exegetisch die Beurteilung der neutestamentlichen Wunderge-
schichten als Mythen, indem er mit seiner formgeschichtlichen Be-
trachtungsweise maßgeblich zur Entdeckung unhistorischer Elemente in
der synoptischen Erzählüberlieferung beitrug, sondern er erklärte zudem
auch systematisch-theologisch durch eine strenge Unterscheidung zwi-
schen Wunder und Mirakel die Frage nach der Geschichtlichkeit der
von Jesus berichteten Wunder als für den christlichen Glauben glei-
chermaßen irrelevant wie unstatthaft. Selbst wenn die grundsätzlich als
Mirakel zu betrachtenden Wunder Jesu ausnahmslos historisch gesichert
wären, "so gilt doch, daß sie als Werke eines Menschen der Vergangen-
heit uns unmittelbar nichts angehen." Sie sind "restlos der Kritik preis-
zugeben, und es ist mit aller Schärfe zu betonen, daß schlechterdings
kein Interesse für den christlichen Glauben besteht, die Möglichkeit
oder Wirklichkeit der Wunder Jesu als Ereignisse der Vergangenheit
nachzuweisen, daß im Gegenteil dies nur eine Verirrung wäre." 6 Als
eigentliches, wirklich relevantes Wunder läßt Bultmann ausschließlich
das in der eigenen Existenz sichtbar werdende Ereignis der Offenbarung
von Gottes Gnade und Vergebung gegenüber dem Gottlosen gelten und
knüpft dabei an die Position Luthers an. Dieser hatte im Vergleich mit
dem einen Wunder, daß Jesus durch sein stellvertretendes Sterben Sün-
de wie Tod überwand und ewiges Leben brachte, allen anderen
Wundern Jesu eine völlig untergeordnete Bedeutung beigemessen (WA
31 I, 412,20-34; WA 40 III, 665,29 - 666,3).
Solche systematisch-theologische Wunderkritik blieb auch für die hi-
storisch-exegetische Betrachtung der neutestamentlichen Wunderge-
schichten nicht folgenlos7, indem sich dort das Interesse nunmehr
verstärkt auf die kritische Relativierung des Wunderglaubens bei den
Evangelisten richtete. Bultmann selber wandte sich unter diesem
Aspekt in erster Linie dem Joh-Ev zu, wo den Wundern lediglich ein
gebrochener symbolischer Hinweischarakter auf die Offenbarung Jesu

6 Bultmann, Zur Frage des Wunders 227. - Unter einem Mirakel versteht
Bultmann ein dahingehend verengtes Wunder, daß man Gott nur noch als den
übernatürlichen Verursacher des Wunders betrachtet, ohne das Ereignis als
solches als Gottes Tat zu verstehen (aaO. 214).
7 Vgl. Friedrich, ThWNT III 713f., wo die reformatorische Lehre von der
Priorität des Wortes die historisch-exegetische Betrachtung der Wundertaten
Jesu leitet: "Die Wunder sind als ai|ueTa verbum visibile ähnlich wie die
Sakramente. Wie es ohne das Wort kein Sakrament gibt, so auch kein Wun-
der ohne den Prediger von Gottes Tat."
16 Einleitung

zukomme 8 . Die in der Bultmann-Schule entwickelte redaktionskritische


Methode konzentrierte sich auf eine von der theologia crucis her voll-
zogene Relativierung der Wunderchristologie bei Mk und auf die von
ekklesiologischen Interessen geleitete Bearbeitung der Wundergeschich-
ten im Mt-Ev 9 . Geschichtlich zweifelt zwar niemand an Dämonenaus-
treibungen und Krankenheilungen Jesu. Insgesamt glaubt man aber,
sowohl unter historischen als auch unter systematisch-theologischen
Gesichtspunkten den Wundertäter Jesus ohne gravierenden Substanz-
verlust preisgeben zu können, um ungetrübten Blick auf das wirklich
Bedeutsame an der Person Jesu und ihrem Wirken zu gewinnen. An
dieser Gesamteinschätzung hat auch die seit Mitte der 50er Jahre ver-
stärkt wieder einsetzende Rückfrage nach dem historischen Jesus nur
wenig geändert, zumal E. Käsemann 1954 in seiner diesbezüglich pro-
grammatischen Abhandlung forderte, "die Eigenart des irdischen Jesus in
seiner Predigt zu erblicken und seine sonst erkennbaren Taten wie sein
Geschick von dieser Predigt aus zu verstehen." 10 Den vereinzelten ntl
Hinweisen auf Wundertaten im frühen Christentum war ohnehin schon
immer eine gegenüber Predigt und Lehre untergeordnete Randbedeutung
beigemessen worden.
Recht unvermittelt in den Blickpunkt des Interesses rückte Jesus als
Wundertäter erst wieder in der jüngeren Vergangenheit durch die auf
unterschiedliche Art provokativen Jesusdarstellungen von M. Smith und
E. Drewermann. M. Smith zeichnet Jesus als zwielichtigen Magier, der
in Ägypten Zauberei erlernte, seine Anhänger in eine esoterische Taufe
einwies und dessen gesamte Wirksamkeit bis hin zur Einsetzung eines
sakramentalen Mahles maßgeblich von magischen Betätigungen geprägt
war 11. E. Drewermann hingegen setzt Jesus aufgrund seiner Wunderta-
ten in einem uneingeschränkt positiven Sinne mit Schamanen oder
Medizinmännern primitiver Stammeskulturen in Beziehung, die durch
eine Wiederherstellung der Einheit von Körper und Seele physische
wie psychische Gesundheit bewirken, und bricht dabei bewußt mit dem

8 Bultmann, Theologie 396f.; vgl. ders., Joh-Ev, passim.


9 Vgl. zu Mk die einschlägigen Monographien von K. Kertelge, D.A. Koch
und L. Schenke, zu Mt bes. Held, Mt als Interpret 155ff.
10 Käsemann, Historischer Jesus 211, vgl. Delling, Botschaft und Wunder
393ff.; Kuhn, Enderwartung 110.197 mit Anm.2; Blank, Wunderberichte
120.126f.; Pesch, Taten 24f.l47f.; Mußner, Ipsissima Facta 184; Gnilka, Jesus
133.138. Nur vereinzelt (Nielsen, Heilung und Verkündigung 103-107; van der
Loos, Miracles 280-286; Albrecht, Zeugnis 11-38; Twelftree, Jesus the Exor-
cist 166-171) wird den Wundern bei Jesus eine dem Wort gegenüber gleichbe-
rechtigte Bedeutung beigemessen.
11 M. Smith, Secret Gospel 220-237; ders., Jesus the Magician, passim.
Einleitung 17

neuzeitlichen Wunderverständnis. Ein Heilungswunder stelle keine


Durchbrechung oder Aufhebung bestimmter Naturgesetze dar, sondern
sei im Gegenteil durch eine Integration des Kranken in die universelle
Harmonie der Natur gekennzeichnet 12 . Während die Ausführungen von
Smith latent von der Tendenz geprägt sind, Jesus als Goeten zu dis-
qualifizieren und die Unsinnigkeit von Religion herauszustellen 13 , geht
es Drewermann genau entgegengesetzt darum, durch eine Wiederent-
deckung des Wundertäters Jesus den durch rein vernunftbetontes
Denken verschütteten Kraftquell der christlichen Religion überhaupt
wieder freizuschaufeln.
Durch diese breitenwirksamen, bewußt populärwissenschaftlich ge-
haltenen Jesusentwürfe gewinnt die Rückfrage nach Wundertaten bei
Jesus und im frühen Christentum über im engeren Sinne exegetisch-
historische Interessen hinaus umfassendere Aktualität. Handelt es sich
bei dem Begründer der christlichen Religion und seinen frühen Nach-
folgern um Magier, die sich mit Esoterik, Gaukelei und Schauspielerei
Geltung zu verschaffen suchten? Oder sind die Anfänge des Christen-
tums maßgeblich von einem ganzheitlich orientierten Schamanismus Jesu
und der Apostel geprägt, aus deren gleichermaßen auf Körper wie Seele
bezogener Wundertätigkeit gegenwärtig die eigentliche Wirkkraft unver-
fälschter Religion wiederentdeckt und gegen Rationalismus wie Säkula-
rismus zur Geltung gebracht werden kann? Diese und ähnliche Fragen
sind bei unserem Versuch einer historischen Erhellung der Wunder bei
Jesus und im frühen Christentum in jedem Falle mitzubedenken.

12 Drewermann, Tiefenpsychologie und Exegese II 43-309, bes. 114f.


13 Vgl. das Schlagwort der "unheilbaren Religiosität", mit dem Pls und
Apollonius ("Both boys came down with incurable religiosity") vergleichend zu
Jesus herangezogen werden (Jesus the Magician 84).
II. Der Stand der Forschung und die Aufgabe

1. Kontroversen über den historischen Wert der ntl Wundergeschichten


Die Frage nach dem historischen Wert der Wundergeschichten zählt
zu den umstrittensten Themen in der ntl Forschung der vergangenen
drei Jahrhunderte. Die syn Logien mit Wunderthematik gelten im allge-
meinen als recht zuverlässige Zeugen für Dämonenaustreibungen und
Krankenheilungen Jesu, lassen aber über deren nähere Begleitumstände
weitgehend im Unklaren. Wer in dieser Hinsicht genauere Informationen
sucht, ist zwangsläufig an die von vornherein aus der Perspektive dritter
Personen formulierten und in ihrer geschichtlichen Glaubwürdigkeit aus
unterschiedlichsten Gründen ungleich zweifelhafteren Erzähltraditionen
verwiesen. Neben radikaler geschichtlicher Skepsis auf der einen und
recht unkritischer Historisierung auf der anderen Seite findet sich in
der Forschungsgeschichte eine Reihe ernstzunehmender Versuche, aus
der ntl Erzählüberlieferung wenigstens in Ansätzen solche Informationen
über den Wundertäter Jesus zu gewinnen, die über das Zeugnis der
Jesuslogien hinausgehen.

1.1. Die Wunder Jesu als Betrug oder Fiktion (H.S. Reimarus)
Den Auftakt einer historisch-kritischen Betrachtung der Wunder Jesu
markiert H.S. Reimarus mit seiner "Apologie oder Schutzschrift für die
vernünftigen Verehrer Gottes". Dem bis dahin üblichen Fürwahrhalten
sämtlicher ntl Wunderberichte und ihrer supranaturalistischen Interpre-
tation begegnet Reimarus mit einer von der Vernunft geleiteten histori-
schen Skepsis. Die Wunder des NT seien zwar nicht so "vollkommen
widersinnig und übertrieben" wie die des AT, unterlägen aber als Be-
richte von Menschen, "welche alle Mängel und Fehler des menschlichen
Verstandes und Willens an sich hatten", erheblichen Zweifeln1. Neben
Leichtgläubigkeit, Wundersucht und mangelhafter Unterscheidung des
Natürlichen vom Übernatürlichen sei dabei auch mit gezieltem Betrug zu
rechnen, indem einzelne Personen sich als geheilt ausgaben oder indem
Jesus unter Zuhilfenahme des volkstümlichen Aberglaubens so tat, als ob

l Reimarus, Apologie 378


Historischer Wert der ntl Wundergeschichten 19

er Teufel austreibe (130-133.542f). Nicht ohne Grund habe Jesus seine


Wunder nur vor zusammengelaufenem Volk vollbracht, das die Wahrheit
nicht zu untersuchen wußte.
Sind die Wunder Jesu damit bereits an sich verdächtig, so verstärkt
sich für Reimarus dieser Eindruck noch durch die zum Teil wider-
sprüchlichen Angaben der Evangelisten, die ohnehin Jahrzehnte nach Je-
su Tod ohne kritische Gegeninstanz zahlreiche Wunder "nur zur Unter-
stützung ihres neuerfundenen Systems" erdichtet hätten 2 .

1.2. Die rationalistische Erklärung der ntl Wunder-


geschichten (C.H. Venturini, H.E.G. Paulus)

Von ähnlichen Voraussetzungen wie Reimarus, nämlich einer ver-


nunftgeleiteten Betrachtung der Wunder her kamen die vom Rationalis-
mus geprägten Leben-Jesu-Darstellungen 3 zu völlig anderen Ergebnis-
sen. Die Wundergeschichten beruhen auf Tatsachen, die bei genauerem
Hinsehen nichts Übernatürliches, der Vernunft Widersprechendes an
sich haben.
C.H. Venturini zufolge bleibt uns bei den ntl Wundergeschichten "das
Recht einer freien und natuerlichen Erklaerung der ausserordentlichen
Vorfaelle unbenommen." 4 Diese bestehe für die Heilungsberichte darin,
daß Jesus als Arzt mit Reiseapotheke und chirurgischen Instrumenten
(215) wirkte. Ein maßgeblicher Beweggrund hierfür sei darin zu sehen,
daß der "edle Mensch" Jesus aus sittlichen Gründen das Volk nicht den
Händen von Quacksalbern und Scharlatanen überlassen wollte (24f).
Zudem hätten ihm die wohltätigen Krankenheilungen "als Instructions-
mittel seiner goettlichen Lehre" Bekanntheit verschafft (181). Dem "ro-
hen und ungebildeten" jüdischen Volk freilich, "dessen ganze Arzeney-

2 Reimarus. Apologie 380, vgl. ebda. 134: "Woher sollen wir armen Leute
nach 1700 Jahren überführt werden, daß die zweydeutigen (sc. Wunder) ihre
Richtigkeit gehabt, und daß die übrigen, welche nicht so zweydeutig gewesen
seyn würden wenn sie wirklich geschehen wären, von Jesu Jüngern aufrichtig
niedergeschrieben worden, da sie bey 30 Jahre nach seinem Tode schrieben,
wie niemand mehr war, der ihr Vorgeben wiederlegen konnte, oder der es
einmal erfuhr und sich darum bekümmerte; zumal zu der Zeit alles in Judäa
in der grösten Verwirrung und Unruhe war?"
3 Vgl. Schweitzer, Leben-Jesu-Forschung 69-105. Exemplarisch werden
nachfolgend das volkstümliche Leben Jesu von C.H. Venturini und das wis-
senschaftliche Leben Jesu von H.E.G. Paulus dargestellt.
4 Venturini, Natuerliche Geschichte Bd. II 18. Sämtliche nachfolgenden
Seitenangaben beziehen sich auf diesen Band.
20 Stand der Forschung

Wissenschaft auf kuemmerliche Behandlung einiger aeußerlichen Krank-


heiten ... beschraenkt war", mußten die medizinischen Praktiken Jesu
wie ein Wunder vorkommen (14), und auch die biblischen Erzähler seien
"bey aller Redlichkeit des Characters" nicht zur sachgemäßen Beschrei-
bung des ärztlichen Wirkens Jesu fähig gewesen und hätten zur Wun-
dersucht geneigt (34f). Bei den Dämonenaustreibungen handelt es sich
für Venturini um Zugeständnisse an den Aberglauben des Kranken.
Nachdem dieser sich von Dämonen befreit fühlt, sind die Voraussetzun-
gen für eine vernünftige Behandlung durch Arzneimittel (151.176f.) oder
- wie im Falle von Mk 9,14-29parr - durch "eine geschickte chirurgi-
sche Operation" (219) gegeben. Personen, die sich nicht für besessen
halten, werden rein medizinisch behandelt. Dem Gelähmten von Mk
3,1-6 beispielsweise verabreicht "der geschickte Arzt" Jesus eine kräfti-
ge Salbe auf die hingestreckte Hand (425). Auch bei den Totenerweckun-
gen, in Wirklichkeit Wiederbelebungen Scheintoter, werden pharma-
kologische Mittel verwandt. Der Jairustochter bestreicht Jesus ebenso
wie dem Jüngling von Nain Lk 7,11-17 (293) mit einer kräftigen Tinktur
die Schläfe und tröpfelt ihr zudem stärkenden Balsam auf die Zunge
(212). Kann an Krankenheilungen Jesu für Venturini kein Zweifel beste-
hen, so beruhen die Naturwunder für ihn auf Irrtümern oder Mißver-
ständnissen 5 .
H.E.G. Paulus will in seinem "Leben Jesu" von 1828 hinter das Urteil
der biblischen Erzähler zu dem tatsächlichen Geschehen durchdringen.
Auch für ihn resultieren die ntl Wunderberichte daraus, daß Ereignisse
aus dem Leben Jesu ohne hinreichendes Wissen um die natürlichen
Ursachen als Wunder berichtet werden. Von dieser Prämisse her ergibt
sich für die Wunderheilungsberichte als Grundregel "Unterscheidet ge-
nau die reine Thatsache der Heilung, an deren Glaubwuerdigkeit kein
Zweifel seyn kann, von den Urtheilen ueber die Ursache der Krankheit
und ueber die besondere Art der Heilung!"6. Bei den Besessenen han-
delt es sich für Paulus durchweg um Nervenkranke, deren Heilung sich

5 Bei einem Sturm spricht Jesus als Wetterkundiger davon, daß dieser sich
legen müsse. Als das tatsächlich geschieht, schreiben es die Jünger fälschli-
cherweise dem Wirken Jesu zu (I67ff.). Bei der Speisung der 5000 hat keine
wunderbare Vermehrung von Lebensmitteln stattgefunden, sondern Jesu Er-
mahnung zu Freigiebigkeit und Wohltätigkeit animierte die Reichen zum Tei-
len mit den Armen (493ff.). Der Seewandelbericht erklärt sich dadurch, daß
die Jünger den am Ufer gehenden Jesus irrtümlicherweise auf dem Wasser
wähnen (497f.).
6 Paulus, Leben Jesu I, Teil I 234. Die nachfolgenden Seitenangaben be-
ziehen sich auf diesen Teil.
Historischer Wert der ntl Wundergeschichten 21

zwangsläufig vollziehen mußte, sobald in ihrer Einbildungskraft "die von


Furcht und Hoffnung gemischte Voraussetzung, daß die Daimonen vor
dem Messias nicht bestehen koennten, in Wirkung kam" (223). Die
Begegnung mit Jesus habe zu einem gesteigerten Krankheitsausbruch
(Paroxysmus) geführt, der die Genesung nach sich zog. Auch die Mehr-
heit der Krankenheilungen führt Paulus auf eine Nervenstärkung seitens
Jesu zurück, sofern es sich nicht ohnehin wie im Falle der "Fernheilun-
gen" und "Totenerweckungen" lediglich um ärztliche Prognose (201f.)
oder Diagnostizierung fortdauernder Ohnmacht (246f 282) handelt. In der
Erklärung der Naturwundererzählungen deckt sich Paulus fast uneinge-
schränkt mit Venturini 7 .
Als maßgeblicher historischer Kern der ntl Wunderberichte verbleiben
somit für Paulus rational erfaßbare Besessenen- und Krankenheilungen,
in denen Jesus allerdings nur eine lästige wie zeitraubende Pflicht gese-
hen habe, die ihn vom "Hauptgeschäft des Lehrens" (277) abhielt. Die
Heilungen werden Jesus abgenötigt. Um sie einzuschränken, belegt er
Geheilte mit einem Schweigegebot, da sein "eigentlicher Zweck und
Wunsch das Belehren war" (222).

1.3. Die ntl Wundergeschichten als unhistorische Mythen (D.F. Strauß)


Ein bis heute wegweisender Meilenstein in der Erforschung der ntl
Wundergeschichten sind die Ausführungen von D. F. Strauß, der sich im
zweiten Teil seiner Leben-Jesu-Darstellung von 1835/36 über Jesus als
Wundertäter äußert 8 und dabei eine doppelte Zielsetzung verfolgt. In
einem eher destruktiven Beweisverfahren wird zunächst für die Wun-
dergeschichten jeder rationalistische Erklärungsversuch ad absurdum
geführt und auf deren Charakter als völlig ungeschichtlicher Mythen
geschlossen. An dieses negative Beweisverfahren schließt sich jeweils
ein konstruktiver Arbeitsschritt an, der unter Heranziehung atl Traditions-
materials das Zustandekommen des im NT gegebenen Bildes von Jesus
als Wundertäter verständlich zu machen sucht.
Strauß sieht in der für seine Darstellung gewählten thematischen Ab-
folge von Dämonenaustreibungen, Krankenheilungen, Totenerweckungen
und Naturwundern eine Klimax des zunehmend Wunderhaften wie ratio-
nal immer weniger Erfaßbaren. Für die Dämonenaustreibungsberichte
ließe sich der Natur der Sache nach noch annehmen, "daß Jesus man-

7 Vgl. etwa Paulus, aaO. 228-230 (Sturmstillung).349-360 (Speisung der


5000 und Seewandel).
8 Strauß, Leben Jesu II 1-251.
22 Stand der Forschung

che an vermeintlich dämonischer Verrückung oder Nervenstörung lei-


dende Personen auf psychische Weise durch die Übermacht seines
Ansehens und Wortes geheilt habe" (49f). Doch begegneten im NT
schwerste und komplizierteste Fälle, namentlich wildeste Tobsucht und
Zerrüttung des Nervensystems bis zu periodischer Epilepsie hin, auf
welche eine psychologische Heilart gar keine Anwendung finden konnte.
Noch schwerer sei eine bleibende Hilfe durch psychologische Einwir-
kung Jesu dort vorstellbar, wo sich in der Krankheit kein unmittelbarer
Zusammenhang mit dem Geistigen zeige, nämlich bei Aussatz, Blind-
heit, Lähmung und dergleichen. Während hier aber wenigstens noch An-
satzpunkte für eine psychologische Wirkung Jesu gegeben seien, liege
der Fall bei den Totenerweckungen völlig anders. "Der Gestorbene, dem
mit dem Leben auch das Bewußtsein entflohen ist, hat den lezten An-
knüpfungspunkt für die Einwirkung des Wunderthäters verloren, er
nimmt ihn nicht mehr wahr, bekommt keinen Eindruck mehr von ihm, da
ihm selbst die Fähigkeit, Eindrücke zu bekommen, aufs Neue verliehen
werden muß. Diese aber zu verleihen, oder beleben im eigentlichen
Sinn, ist eine schöpferische Thätigkeit, welche von einem Menschen
ausgeübt zu denken, wir unsre Unfähigkeit bekennen müssen" (154). In
noch höherem Maße gelten diese Vorbehalte gegenüber den Naturwun-
dern, bei denen die "Undenkbarkeit einer unmittelbaren Einwirkung des
Willens Jesu auf die vernunftlose Natur" (205) gegeben sei.
Neben erheblichen Anleihen aus der Elia-Elisa-Tradition ist für
Strauß eine messianisch-christologische Deutung von Jes 35,5f. für die
Entstehung der ntl Wunderberichte verantwortlich, insbesondere was die
Jesuserzählungen von Heilungen Blinder, Taubstummer und Gelähmter
angehe (68.93). Auch die Totenerweckungsberichte resultierten aus
messianischen Erwartungen, wobei ergänzend 1 Kön 17 und 2 Kön 4 ge-
eignete Vorbilder geliefert hätten (171-173). Eine "mythische Deduktion"
aus der Elia-Elisa-Tradition erfolgt zudem für den Aussätzigenheilungs-
bericht Mk 1,40-45 (57) und die Erzählungen von der wunderbaren
Brotvermehrung (217-219).
Trotz heftiger Polemik und vielfältiger Versuche, an einer rationalisti-
schen Interpretation der ntl Wunderberichte festzuhalten oder sogar
in deren supranaturalistische Deutung zurückzufallen, konnte sich die
ntl Wissenschaft auf Dauer den von Strauß gewonnenen Forschungser-
gebnissen nicht entziehen. In der zweiten Hälfte des 19. Jhdt. war die
Betrachtung der ntl Wundergeschichten als ungeschichtlicher Mythen
fest etabliert. Für die Frage nach dem geschichtlichen Jesus wird die
Wunderüberlieferung zunehmend bedeutungslos, die Lehre und Verkün-
digung rücken uneingeschränkt in den Mittelpunkt des Interesses. "Mit
Historischer Wert der ntl Wundergeschichten 23

Strauß beginnt die Periode der wunderlosen Betrachtung des Lebens


Jesu." 9

1.4. Die Ableitung der ntl Wundererzählungen aus der hellenistischen


Religionsgeschichte (M. Dibelius, R. Bultmann, G. Theißen)
Während D.F. Strauß maßgeblich den atl Traditionseinfluß auf die ntl
Wunderüberlieferung herausstellte, können R. Reitzenstein und 0 . Wein-
reich mit ihren Werken "Hellenistische Wundergeschichten" (1906) bzw.
"Antike Heilungswunder" (1909) als Wegbereiter einer Betrachtung der
ntl Wundererzählungen im Rahmen der hellenistischen Religionsge-
schichte gelten, indem sie die griechisch-römischen Parallelen in den
Mittelpunkt des Interesses rückten. Angesichts frappierender inhaltlicher
wie struktureller Übereinstimmungen zwischen ntl und paganen Wunder-
geschichten lag es nahe, daß die Vertreter der klassischen Formgeschich-
te aus einem religionsgeschichtlichen Vergleich weitreichende Rück-
schlüsse auf eine Ungeschichtlichkeit der ntl Wunderberichte zogen.
M. Dibelius veranschlagt für die Novellen, denen er die Mehrzahl der
syn Wundergeschichten zurechnet, eine vielfältige Verwendung artfrem-
der Motive bis hin zur Übernahme und Umbildung ganzer nichtchristli-
cher Geschichten 10 und zieht einen Analogieschluß von den Epidauros-
mschriften auf die syn Wundertradition. Daß ältere, grundsätzlich glaub-
würdige Epidaurostexte mit solchen Heilungsgeschichten kombiniert sei-
en, in denen volkstümliche Novellistik ohne geschichtlichen Anlaß auf
Asklepios übertragen wurde, habe in der syn Tradition in dem Ne-
beneinander der recht zuverlässigen Paradigmen und der "minder bo-
denständigen" Novellen mit ihren fremden Stoffen seine Entsprechung 11 .
R. Bultmann gibt in seiner "Geschichte der synoptischen Tradition"
eine umfassende Zusammenstellung der jüdischen wie hellenistischen
Parallelen zu den syn Wundergeschichten. Das angeführte Material kön-
ne zwar in den seltensten Fällen als Quelle für bestimmte syn Wunderge-
schichten gelten, illustriere aber deren Atmosphäre und helfe, das Ein-
dringen von Wundergeschichten in die Evangelientradition zu verstehen
(253). Insbesondere die hellenistischen Befunde böten derart reiche
Parallelen, "daß sich ein Vorurteil für die Entstehung der synoptischen
Wundergeschichten auf hellenistischem Boden ergibt" (255). Letztlich
zieht Bultmann mit Ausnahme von Mk 1,40-45 und einzelnen Naturwun-

9 Schweitzer. Leben-Jesu-Forschung 145


10 Dibelius, Formgeschichte 97.
n Ebda. 170-172.
24 Stand der Forschung

dertraditionen für fast alle syn Wundererzählungen hellenistischen,


implizit auf Ungeschichtlichkeit hindeutenden Ursprung in Betracht.
Zu ähnlichen Ergebnissen wie die klassische Formgeschichte kommt
G. Theißen. Zwar will er keiner radikalen historischen Skepsis das Wort
reden und sieht die urchristlichen Wundergeschichten durch den histo-
rischen Jesus provoziert. Aber im Rahmen der gattungsspezifischen
Struktur der Wundergeschichten werde Jesus in neuem Licht gesehen,
indem der eschatologische Rahmen seines Wunderwirkens völlig ver-
blasse und gleichzeitig die Gestalt Jesu über alle Maßen hinaus wunder-
haft gesteigert werde. Reflexe des Wunderwirkens Jesu sieht Theißen
derart in ein vorgegebenes Erzählschema gepreßt, daß ihre unverwech-
selbaren historischen Aspekte völlig abgeschliffen werden. "Aus den
Wundergeschichten ein prägnantes Bild des historischen Jesus rekon-
struieren zu wollen, wäre so unsinnig, wie aus Apg 13,38f. die paulini-
sche Rechtfertigung oder aus Mk 6,17ff. die Bußpredigt des Täufers
rekonstruieren zu wollen." 12

1.5. Ntl Wundergeschichten als Missionsatiologien (G. Schille)


Eine Weiterführung der klassischen formgeschichtlichen Betrachtungs-
weise und der dort vorausgesetzten Annahme, die ntl Wundergeschich-
ten verdankten ihre Entstehung oder Tradierung aktuellen Gemeindebe-
dürfnissen, bietet G. Schille. Während in der Regel für die Mehrzahl der
ntl Wundergeschichten missionarische Werbung als "Sitz im Leben" in
Rechnung gestellt wird, betrachtet Schille diejenigen Berichte, die eine
Ortsangabe enthalten, als Missionsatiologien mit Legitimationscharakter.
Dabei sei zwischen Ortsgründungstraditionen und Gebietslegenden zu
unterscheiden. Erstere (z.B. Mk 8,22-26) erwähnten einen bestimmten
Ort aus dem Bedürfnis heraus, die dortige Gemeinde zu legitimieren.
Berichtet hingegen die Überlieferung von einer Wundertat Jesu in einem
bestimmten Gebiet (z.B. Mk 5,1-20), so solle dadurch die Missionierung
einer ganzen Region gerechtfertigt werden 13 .
Während Schille in seiner programmatischen Abhandlung über "Die
Topographie des Markusevangeliums" die historische Frage noch bewußt

12 Theißen, Wundergeschichten 278. Vgl. auch Petzke, Historizität 381:


"Man wird sicherlich dazu neigen, aufgrund der Typik der Wunderberichte
(= formgeschichtliches Argument) und aufgrund der Erkenntnisse der Wissen-
schaften (= naturwissenschaftliches Argument) die größte Zahl der berichte-
ten Wunder für unhistorisch zu halten ..."
13 Schille, Topographie des Mk-Ev 137ff.; ders., Anfänge der Kirche 64ff.;
ders., Wundertradition 26f.
Historischer Wert der ntl Wundergeschichten 25

offen hält (139), beantwortet er sie später negativ. In Anbetracht von Mk


3,22ff. sei zwar von einer exorzistischen Wirksamkeit Jesu auszugehen,
doch böten die Wundergeschichten "als das gesammelte Gerücht vom
Wundermann Jesus" lediglich den Reflex solchen Wirkens Jesu 1 4 .
Schilies Konzeption steht oder fällt bereits mit der Zuverlässigkeit
der in bewußter Abgrenzung zu den Untersuchungsergebnissen R. Bult-
manns erhobenen Behauptung, sämtliche Orts- oder Gebietsangaben in
ntl Wundergeschichten seien traditionell. Selbst wenn dies richtig sein
sollte, bedarf die These von den Wundergeschichten als Missionsatiolo-
gien dahingehend einer Absicherung, ob die frühchristliche Mission
überhaupt unter einem derart massiven Legitimationsdruck stand, wie
Schille ihn geltend macht.

1.6. Wundererzählungen als Entfaltungen des Kerygmas (W. Schmithals)


Zweifellos am weitesten in der historischen Kritik an den syn Wunder-
erzählungen geht W. Schmithals, indem er diese nicht allein als
sekundäre Entfaltungen des "abstrakten" Kerygmas in Erzählform be-
trachtet, sondern für sie sogar eine vorliterarische Traditionsgeschichte
kategorisch in Abrede stellt 15 . Letzteres hängt eng mit der von Schmit-
hals vorgebrachten grundsätzlichen Kritik an einer Anwendung der
klassischen formgeschichtlichen Methodik auf die syn Erzähltradition
zusammen. Schmithals befürwortet zwar eine Gattungseinteilung inner-
halb der syn Wunderüberlieferung aufgrund bestimmter typischer Form-
merkmale, wendet sich jedoch strikt gegen die fundamentale Einsicht
von Dibelius und Bultmann, daß diese Formen in erkennbarem Zusam-
menhang mit einer sie produzierenden oder tradierenden Gemeinde
stehen und folglich den Rückschluß auf einen bestimmten "Sitz im Le-
ben" eröffnen 16 . Statt dessen rechnet Schmithals für die mk Wunder-

14 Schille, Wundertradition 23.


15 Schmithals, Heilung des Epileptischen 232: "Die Apophthegmen und
Wundergeschichten, die Markus überliefert, stellen ... primär nicht Reste
mündlicher Überlieferung dar, sondern sind theologische Kunstprodukte, die
von Anfang an literarisch konzipiert wurden ... " Noch deutlicher ders., Kritik
der Formkritik 174: "Eine mündliche Uberlieferungsschicht, das Fundament
aller formgeschichtlichen Arbeit, läßt sich für das synoptische Erzählgut
nicht nachweisen; alles spricht vielmehr dafür, daß es diese Schicht nach-
weislich nicht gegeben hat." - Die Wundergeschichten des lk Sondergutes
hält Schmithals, sofern er sie nicht wie Lk 5,1-11 zur Grundschrift des Mk-
Ev rechnet, für durchweg redaktionell, vgl. ders., Lk-Ev 92.152.157.174f.
16 Schmithals, Kritik der Formkritik 164ff.
26 Stand der Forschung

tradition an Stelle mündlich überliefernder und schöpferisch tätiger


Gemeinden mit einem theologischen Lehrer 17 , der von vornherein lite-
rarisch das Bekenntnis der Christenheit narrativ entfaltete, wobei jede
einzelne der von ihm hervorgebrachten Wundergeschichten eine "Dog-
matik in nuce" 1 8 darstelle.
Die praktische Durchführung dieser Programmatik läßt sich plastisch
anhand des Mk-Kommentars von Schmithals verfolgen. Die von ihm
postulierte Grundschrift des Mk-Ev ist mit ihren Wundergeschichten
und anderen Jesusstoffen das literarische Werk eines Paulus oder Jo-
hannes in nichts nachstehenden Theologen, der das Christusbekenntnis
oder die Evangeliumsverkündigung seiner Gemeinde nunmehr in Erzähl-
form fasse, ohne dabei von historischen Interessen geleitet zu sein 19 .
Grundsätzliche Zweifel sind an der Bestreitung jeglicher mündlichen
Erzähltradition durch Schmithals und an den reklamierten, vielfach recht
konstruiert wirkenden Bezügen zu bestimmten Theologumena der Pls-
Briefe anzumelden. Zudem entzöge bereits die Einsicht in ein sukzessi-
ves Wachstum einzelner mk Wundergeschichten der Annahme den Bo-
den, diese seien sämtlich von ein- und demselben Theologen, und zwar
von vornherein schriftlich verfaßt worden.

1.7. Jüdischer Traditionshintergrund als Indiz für


Historizität (0. Betz, B. Blackburn u.a.)
Die von den Vertretern der religionsgeschichtlichen Schule als maß-
geblicher Traditionshintergrund für die ntl Wundergeschichten rekla-
mierte hellenistische ÖETOC. ävrjp-Konzeption stößt nicht zuletzt wegen
ihres Implikats, daß für die Mehrzahl der ntl Wundergeschichten von
einer missionspropagandistisch motivierten Entstehung im griechisch-
sprachigen Christentum ohne unmittelbaren Anhalt an irgendwelchen
Taten Jesu auszugehen sei, immer wieder auf Kritik. Meist wird dabei

17 Ders., Heilung des Epileptischen 233.


18 Ders., Wunder und Glaube 54.
19 Mk-Ev I 44f. Das Befehlswort eyeipE in dem Sabbatheilungsbericht Mk
3,1-6 beispielsweise kündige als "österlicher Ruf Jesu" im pln Sinne die
eschatologische Freiheit vom Gesetz (Gal 5,1.13) an (Mk-Ev I 198). Der
Besessenenheilung von 5,1-20 liege ein Schema zugrunde, das sich bereits
Rom 7,24 ("Ich elender Mensch! Wer wird mich erlösen von dem Leibe die-
ses Todes? Ich danke Gott durch Jesus Christus, unseren Herrn") findet
(Mk-Ev I 281). Mk 8,22-26 zeige, daß Gott den in totaler geistlicher Blind-
heit gefangenen Sünder, dem sowohl Selbst- als auch Gotteserkenntnis fehlt,
weiterhin "erkennt" (Gal 4,9; 1 Kor 13,12) und ihn erlöst (Mk-Ev I 376).
Historischer Wert der ntl Wundergeschichten 27

entweder die Existenz einer OEIOC, ivfjp-Konzeption für die Antike über-
haupt bestritten, oder man glaubt, unter einseitiger Beanspruchung eines
atl-jüdischen Traditionshintergrunds für die ntl Wundergeschichten de-
ren hellenistische Parallelen von vornherein vernachlässigen zu können.
0. Betz weist darauf hin, daß der Begriff ÖEIOC, ävrjp in der griechi-
schen Literatur relativ selten begegnet, und meldet Zweifel an einer
festgeprägten antiken ikToc, ävfip-Konzeption an. Speziell für Mk 4,35-41
und 5,1-20 konstatiert Betz eine Reihe motivgeschichtlicher Bezüge auf
das AT und fällt auf dieser Basis ein die gesamte syn-joh Wunderüber-
lieferung betreffendes Pauschalurteil: "In general, the Old Testament and
the milieu of Jewish exegesis help to explain best the miracles in the
gospels." 20
W. Grimm interpretiert sämtliche syn Wundererzählungen auf einem
atl Traditionshintergrund, ohne daß eine differenzierte Wahrnehmung
hellenistischer Parallelen auch nur in Ansätzen erkennbar wäre. Ange-
sichts der behaupteten Bezüge zwischen Jesu Heilungen und der atl
Wunderüberlieferung "erübrigt sich eine detaillierte Bestandsaufnahme
der in die synoptischen Heilungsberichte eingedrungenen Stilelemente
antiker - außeralttestamentlicher - Wundergeschichten" 21 , die unter
diesem Aspekt "einfach irrelevant" seien.
Auch R. Glöckner vermutet, "daß die neutestamentlichen Wunderge-
schichten mehr von alttestamentlicher Frömmigkeit geprägt sind, als daß
hellenistische Religiosität in ihnen zu Wort kommt." 22 Er untersucht
vier Wunderberichte (Mk 4,35-41; 5,1-20; Lk 13,10-17; 17,11-19) auf
Motivberührungen mit den atl Psalmen hin und erhofft sich davon, "die
Glaubwürdigkeit der Jesus-Erzählungen insofern zu stützen, als sie
wieder näher an ein genuin biblisches Entstehungsmilieu herangebracht
werden und damit von dem Verdacht freikommen, Produkte helleni-
stisch-heidnischer Religionspropaganda zu sein" (23). Die unmittelbaren
historischen Ergebnisse bleiben allerdings hinter dieser Programmatik
deutlich zurück, indem im wesentlichen einige angeblich unableitbar-
individuelle Topoi als Indiz für die Historizität einzelner Wunderge-
schichten gelten (167).

20 O. Betz. Divine Man 283. Vgl. bereits Fiebig, Jüd. Wundergeschichten


69-98.
21 Betz/Grimm, Wesen und Wirklichkeit der Wunder Jesu 53. Das Werk
ist allein von Grimm verfaßt, vgl. Vorwort V. Ein unfreiwilliges Eingeständ-
nis der reichlich konstruierten atl Schriftbezüge aaO. 37: "Man mußte die
Schrift schon gut kennen, um auf den Grund' von Jesu Handeln und Verkün-
digen durch die erzählten Phänomene' durch-zu-schauen und durch-zu-hören."
22 Glöckner, Ntl Wundergeschichten 13; vgl. ders., Bibl. Glaube 51-73.
2S Stand der Forschung

B. Blackburn, der auch das hellenistische Material in voller Breite zur


Kenntnis nimmt, macht auf vielfältige atl-jüdische Motivparallelen zum
mk Jesusbild, wie es sich in der Wunderüberlieferung darstellt,
aufmerksam 23 . Dabei versucht Blackburn, die Entstehung der mk Wun-
dergeschichten als eine rein innerchristliche, und zwar bereits im Ara-
mäisch sprechenden Judenchristentum Palästinas vollzogene Entfaltung
des Theologumenon von Jesus als wunderwirkendem Messias zu begrei-
fen (233-262). Schlußfolgerungen in bezug auf die Geschichtlichkeit der
mk Wundergeschichten gegenüber bleibt er zwar zurückhaltend (10.264),
sieht aber durch seine Untersuchungsergebnisse die theoretische Mög-
lichkeit hierfür fundiert.

1.8. Ipsissima facta Jesu (F. Mußner)


F. Mußner greift das durch J. Jeremias geprägte Schlagwort von der
ipsissima vox Jesu auf und überträgt es auf die syn Erzählüberlieferung,
indem er von ipsissima facta Jesu spricht. Es handelt sich dabei um
"Taten, die für ihn bezeichnend sind und die nur er gewirkt haben
kann." 24 Entscheidender methodischer Schritt zur Ermittlung solcher
authentischen Jesusüberlieferung ist das Differenzkriterium, konkret ei-
ne antipharisäische Front einzelner syn Wunderüberlieferungen, wie sie
Mußner exemplarisch an dem Aussätzigenheilungsbericht Mk 1,40-45
nachzuweisen sucht. Jesu Verhalten dort komme eine "deutlich antirab-
binische Bedeutung" zu, da er entgegen jüdischen Reinheitsvorschriften
den Aussätzigen nicht als von Gott gestraften Sünder betrachte und von
daher den Kontakt mit ihm meide, sondern durch das Berühren Ge-
meinschaft mit ihm stifte. Hier liege nicht eine "analoge" Situation im
Sinne der Religionsgeschichte vor, sondern die einmalige, unwiederhol-
bare Situation Jesu, der gegen die "frommen" Anschauungen der geistli-
chen Führer Israels das wahre Wesen der Gottesherrschaft sichtbar
mache.
Fragwürdig sind bereits die von Mußner reklamierte "antipharisäische
Front" einzelner syn Wundergeschichten und die problembehaftete An-
wendung des Differenzkriteriums auf die Erzählüberlieferung. Zusätz-
lich büßt diese Konzeption dadurch an Überzeugungskraft ein, daß
Mußner sich in einem späteren Beitrag programmatisch gegen eine

23 Blackburn, Theios Aner 97-232. Vgl. meine Besprechung in ThLZ.


24 Mußner, Wunder Jesu 33, zum Ganzen 33-44. Den Begriff ipsissima
facta Jesu hat Mußner nach eigenem Bekunden von J.B. Bauer aufgegriffen.
Historischer Wert der ntl Wundergeschichten 29

maßgebliche Einbeziehung literar-, traditions- und formkritischer Aspek-


te in die historische Urteilsfindung wendet 2 5 . Gerade der Verzicht auf
traditionsgeschichtliche Erwägungen könnte sich aber spätestens bei
Mußners Annahme, sämtliche syn Sabbatheilungsberichte wiesen eine
antipharisäische Tendenz auf und seien folglich als ipsissima facta Jesu
zu betrachten 2 6 , rächen, wenn hier ein sekundäres Eindringen der
Sabbatthematik gegeben sein sollte.

1.9. Atopische Motive als historisch zuverlässige Angaben


(J. Jeremias, J. Roloff, R. Pesch)
Vielfach werden solche Motive der ntl Wundergeschichten für histo-
risch gehalten, die weder als Einfluß hellenistischer Wundertradition
noch als Reflex nachösterlicher Gemeindeinteressen erklärbar seien.
J. Jeremias sieht in Wundergeschichten wie Mk 8,22-26 oder Lk
7,11-17 sekundäre Bildungen, da sie der Form und dem Aufbau nach im
wesentlichen hellenistischen Parallelen entsprächen. Das Fehlen stilge-
mäßer Topik, beispielsweise in der Bartimäusgeschichte Mk 10,46-52,
sei hingegen Indiz für Herkunft aus einer älteren palästinischen Über-
lieferungsschicht 27 .
J. Roloff wendet sich gegen das Axiom der Formgeschichte, die syn
Wundererzählungen seien weitgehend nachösterlichen Gemeindebedürf-
nissen entsprungen und das frühe Christentum habe dabei in erhebli-
chem Maße seine eigene Wunderpraxis in die Jesusdarstellung einfließen
lassen. Demgegenüber beobachtet Roloff in Mk 9,14-29, daß "die Entfal-
tung des Handelns Jesu in eine andere Richtung geht als die Anweisung
für das Handeln der Jünger."28 Diese Diastase zwischen nachösterlicher
Situation und dem, was über die Wunder Jesu berichtet wird, sieht
Roloff in besonderer Weise im 7tioTic.-Motiv der syn Wundergeschichten

25 Mußner, Ipsissima facta Jesu 180: "Aber ob markinisch oder vor-


markinisch, ist für unsere Fragestellung {ipsissima facta Jesu) gänzlich ohne
Belang. Das Entscheidende ist vielmehr dies, ob Mk oder sein Gewährsmann
überhaupt etwas erzählt, was im Leben Jesu vorgekommen ist ... " - "Wenn
ein Erzähler traditionelle Topoi und Termini benutzt, ist daraus noch lange
nicht der Schluß zu ziehen, daß das von ihm Erzählte nicht wirklich Gesche-
henes im Auge hat. Es war ein Grundfehler der bisherigen Handhabung der
Formgeschichte, aus formgeschichtlichen Beobachtungen Schlüsse auf Histori-
zität bzw. Nichthistorizität zu ziehen."
26 Mußner, Wunder Jesu 42f.
27 Jeremias, Theologie I 92-94.
28 Roloff, Kerygma 152.
30 Stand der Forschung

gegeben. In den auf nachösterliche Machttaten bezogenen Traditionen


des NT erscheine das 7uoTic,-Motiv entweder überhaupt nicht oder in
grundsätzlich anderer Ausrichtung als in den syn Wundergeschichten.
Folglich handele es sich hier nicht um Rückprojektion nachösterlicher
Gegebenheiten in die Darstellung der irdischen Wirksamkeit Jesu, son-
dern um ein historisches Motiv. Mit dem Ineinander von Wunder und
Glaubensangebot liege ein für das Erdenwirken Jesu charakteristischer
Zug vor, "der von der überliefernden Gemeinde als solcher erkannt und
bewußt bewahrt ... worden ist." 2 9
R. Pesch vertritt in seinem Mk-Kommentar die Auffassung, in den ntl
Wunderberichten könne bei solchen Angaben von historischer Glaub-
würdigkeit ausgegangen werden, die traditionsgeschichtlich nicht ander-
weitig ableitbar seien oder sich unter formgeschichtlichen Aspekten als
für Wunderberichte atypische Elemente erwiesen. Wunderstoffe wie Mk
1,40-45 und alle Naturwundererzählungen gelten aufgrund ihrer stilge-
mäßen Züge wie ihrer Nähe zur atl Tradition als völlig ungeschichtlich.
Besonderes historisches Zutrauen genießen hingegen neben Mk 1,29-31
auch die Jairus- und die Bartimäusgeschichte, da in allen drei Fällen mit
der Namensnennung ein biographisches Detail vorliege 30 . Auch für Er-
zählungen wie Mk 1,21-28; 2,1-12 und 8,22-26 sei wegen ihrer konkreten
Lokalisierung mit einem historischen Kern zu rechnen 3 1 . Darüber hin-
aus macht Pesch Alters- und Berufsangaben (Mk 5,22.42), die Erwäh-
nung besonderer Heilpraktiken (Mk 8,22-26) oder eine detaillierte Schil-
derung des Krankheitsbildes (Mk 9,14-29) als unverwechselbare, ge-
schichtlich glaubwürdige Züge geltend 3 2 .

1.10. Heilungswundererzählungen als Selbstberichte


der Betroffenen (D. Zeller)
D. Zeller geht von der Beobachtung aus, daß der atl Brauch, wunder-
bare Rettung kultisch als Tat Gottes zu bekennen und Dank abzustatten,
auch in einigen ntl Heilungswunderberichten begegnet (vgl. Mk 1,45;
5,20; Lk 17,15f). Er rechnet daher mit der Möglichkeit, daß von Jesus
geheilte fromme Juden tatsächlich auf solche Art und Weise ihrem Dank
Ausdruck verliehen und das ihnen widerfahrene Geschehen als Wunder-
geschichte in Umlauf setzten. "Wenn der Geheilte Gott lobt, dem Wun-

29 Ebda. 204, vgl. ders., Neues Testament 85


30 Pesch, Mk-Ev I 131.312; Mk-Ev II 170.
31 Ders., Mk-Ev I 125.157.420.
32 Ders., Mk-Ev I 312.420; Mk-Ev II 95.
Bilder von Jesus als Wundertäter 31

dertäter dankt und selbst das Erlebte weitersagt, kann doch die Vermu-
tung aufkommen, daß das Bekenntnis des Betroffenen der erste Sitz im
Leben für die Wundergeschichten war." In gewisser Analogie zu den
Gegebenheiten an den Inkubationsheilstätten von Epidauros und Lebena
"wären diese Geschichten zwar nicht am Tempel, aber in den Ortsge-
meinden von interessierten Funktionären zusammengetragen, dabei in
die 3.Person und in stereotype Form umgegossen worden" 3 3 .

2. Bilder von Jesus als Wundertäter


Trotz einer erheblichen historischen Skepsis gegenüber den ntl Wun-
dergeschichten, wie sie oben erkennbar wurde und sich indirekt auch
im Fehlen einer eigenständigen Abhandlung der Wundertaten in breiten-
wirksamen Jesusbüchern widerspiegelt 1 , hat sich in der Forschung eine
Reihe unterschiedlicher Bilder von Jesus als Wundertäter etabliert. Da-
bei steht das Bemühen im Vordergrund, die Wunder Jesu von ver-
gleichbaren antiken oder auch neuzeitlichen Phänomenen her begreiflich
zu machen. Wenn nachfolgend unterschiedliche Konzeptionen von Jesus
als Wundertäter systematisiert und in ein Grobraster eingeordnet wer-
den, sind die Grenzen zwischen den dafür gewählten Kategorien
fließend und Überschneidungen unvermeidlich.

2.1. Jesus als Wunderprophet (R. Meyer, E.P. Sanders, P.W. Barnett u.a.)
Nach wie vor recht populär ist der Versuch, die von Jesus überlieferten
* Machttaten im Kontext eines Wunderprophetentums zu betrachten,
wie es für das AT und das antike Judentum belegt ist 2 . J. Klausner
zufolge nahm Jesus die Stelle Johannes des Täufers ein, der seinerseits

33 Zeller, Wunder und Bekenntnis 211.221.


l Bultmann, Jesus 118ff., und Braun, Jesus 36-39, erwähnen die Wunder
Jesu eher beiläufig; Bornkamm, Jesus 114-117, handelt sie unter dem Stich-
wort "Glaube und Gebet" ab. Völlig unter den Tisch fällt der Wundertäter
Jesus dort, wo man eine angeblich noch keine Wunderüberlieferung auf-
weisende älteste Form von Q als geschichtlich zuverlässigste Jesusquelle
ausgibt und den historischen Jesus als kynischen Weisheitslehrer porträtiert
(Mack, The Lost Gospel 71«.).
2 In der Dogmatik wurde die Betrachtung der Wunder Jesu im Kontext ei-
nes prophetischen Selbstbewußtseins dadurch etabliert, daß sie unter dem
munus propheticum Christi abgehandelt werden, vgl. bes. Schleiermacher, Der
christliche Glaube (18312) § 103, dazu Ohst, Jesu Wunder als Thema der
Dogmatik Schleiermachers 236ff.
32 Stand der Forschung

für Elia gehalten wurde. Folglich mußte Jesus die Wunder von Elia
und dessen Schüler Elisa nachahmen oder besser noch übertreffen, um
Einfluß als Prophet zu gewinnen 3 . Auch für R. Meyer steht außer Fra-
ge, daß Jesus sich als Prophet dazu berufen sah, die Herrschaft Gottes
heraufzuführen 4 . Im Rahmen dieses prophetischen Bewußtseins mit
präsentischen Heilsbezügen habe Jesus "in seinen und auch seiner
Jünger Taten Siege über die Welt des Satans, damit aber zugleich den
Anbruch der Endzeit, in der die widergöttlichen Geistermächte gebun-
den sein würden", gesehen 5 . W. Grimm kommt unter Berufung auf Mt
ll,5par und die von ihm ohne jede historische Skepsis betrachteten syn
Heilungswundererzählungen zu dem Urteil, Jesus verstehe "seine wun-
derbare Heilstätigkeit sowohl als Erfüllung der Prophetie Jesajas als
auch in gewisser Analogie zu Elias und Elisas Wundern." 6
U.B. Müller macht nachhaltig auf prophetische Strukturen der Verkün-
digung Jesu aufmerksam und geht dabei am Rande auch auf Wunder-
aspekte ein. Das Logion vom Satanssturz Lk 10,18 markiere als prophe-
tische Berufungsvision den Auftakt des selbständigen Auftretens Jesu 7 ,
wobei die dortige Entmachtung des Satan die Voraussetzung darstelle,
aufgrund derer die Durchsetzung der Gottesherrschaft auf Erden in Jesu
Dämonenaustreibungen (Lk ll,20par) möglich sei. Ähnlich kommt E.P.
Sanders von der Verkündigung und Lehre Jesu her zu der Überzeugung,
daß es sich bei Jesus um einen eschatologischen Propheten handelte,
und sieht die für sich nicht aussagekräftigen Wundertaten damit kompa-
tibel. Zugleich rückt Sanders Jesus in die Nähe der jüdischen Zeichen-
propheten des l.Jhdt.n.Chr., von denen ihn sowohl R. Meyer als auch
U.B. Müller unter Verweis auf die Zeichenverweigerung Mt 8,12parr
scharf abgegrenzt hatten. "I am inclined to put him (sc. Jesus) closer to
Theudas than to Honi or to the magicians of the PGM, but that is be-
cause there is other evidence which leads us to think of Jesus as an
eschatological prophet, not because the miracles make him one." 8
P.W. Barnett bemüht sich demgegenüber gerade unter Berufung auf
die Wunder um den Nachweis enger Bindungen zwischen Jesus und den
Zeichenpropheten, wie sie bereits von der zelotischen Jesusinterpreta-

3 Klausner, Jesus von Nazareth 364f.371. Vgl. auch Bornhäuser, Wirken


des Christus 51-61.
4 Meyer, Der Prophet aus Galiläa 132.
5 Ebda. 126.
6 Betz/Grimm, Wesen und Wirklichkeit 31, vgl. die Einzelnachweise aaO.
32-53.
7 Müller, Vision und Botschaft 417-429.
8 Sanders, Jesus and Judaism 172.
Bilder von Jesus als Wundertäter 33

tion massiv postuliert worden waren 9 . Es bestehe ein mit Jesus einset-
zendes common pattern prophetischer Figuren, die an einem symbol-
trächtigen Ort vor einer großen Volksmenge ein Zeichen zu wirken
suchten 1 0 . Barnett verweist diesbezüglich bei Jesus ausdrücklich auf die
Speisung der 5000. RA. Horsley und J.S. Hanson, die für das ntl Zeital-
ter zwischen jüdischen "oracular prophets" und "action prophets" unter-
scheiden, ordnen Jesus zwar eher der erstgenannten Bewegung zu,
sehen aber in der von Urzeit-Endzeit-Entsprechungen ("as it was in the
days of old ... so now will it be ... ) geprägten Verkündigung Jesu Be-
rührungen mit der action prophecy der Zeichenpropheten 11 .

2.2. Jesus als Arzt (A. von Harnack, S. Eitrem)


Auf dem Hintergrund, daß sich "kaum ein Bild ... der urchristlichen
Überlieferung so tief eingeprägt (hat), wie das von Jesus als dem großen
Wunderarzt" 12 , ist es verständlich, wenn des öfteren ärztlich-helfende
oder philanthropische Motive als entscheidender Beweggrund für Jesu
Dämonenaustreibungen und Krankenheilungen angesehen werden und
man mit der Anwendung medizinischer Praktiken durch Jesus rechnet.
Breitenwirksam etabliert wurde dieses Bild durch C.H. Venturinis volks-
tümliches Leben Jesu, demzufolge Jesus mit Reiseapotheke und chirur-
gischen Instrumenten durch Palästina zog 13 . Neben den eigentlichen
Wunderheilungserzählungen wird auch den Jesuslogien Mk 2,17 ("Nicht
die Gesunden bedürfen des Arztes, sondern die Kranken") und Lk 4,23
("Arzt, heile dich selbst") ein maßgeblicher Stellenwert beigemessen. So
ist Jesus nach Auffassung von A. von Harnack als Arzt in die Mitte
seines Volkes getreten (Mk 2,17), zog Scharen von Kranken an sich und
hatte "nur den Trieb, zu helfen" 14 . Vor keiner Seelenkrankheit sei Jesus
zurückgeschreckt, und keine Leibeskrankheit sei ihm zu ekelhaft gewe-

o Vgl. etwa Eisler, IHzlOTi; BAXIAETI II 249f.


10 Barnett. Jewish Sign Prophets, bes. 689ff. Vgl. auch Aune, Magic
1528L1539, der ebenfalls Berührungen zwischen Jesus und den jüdischen
Zeichenpropheten des l.Jhdt.n.Chr. sieht und die Wunder Jesu im Kontext
messianisch-prophetischer Ansprüche betrachtet.
11 Horsley/Hanson, Bandits, Prophets and Messiahs 257: "some of the
sayings of Jesus are similiar in their typological pattern to the actions of the
prophetic movements."
12 Oepke, ThWNT II 204. Vgl. auch Dumeige, Le Christ medecin 115ff.;
Fichtner. Christus als Arzt lff.
13 Venturini, Natuerliche Geschichte II 215, näheres oben 19f.
14 von Harnack, Mission und Ausbreitung I 129.
34 Stand der Forschung

sen. "In dieser Welt von Jammer, Elend, Schmutz und Verworfenheit,
die ihn täglich umgibt, bleibt er lebendig, rein und immer tätig." 15
S. Eitrem vertritt die Auffassung, Jesus habe sich bereits vor seinem
Bekanntwerden mit der Täuferbewegung als Wunderheiler mit volkstüm-
lichen medizinischen Praktiken einen Namen gemacht, und Logien wie
Mk 2,17 und Lk 4,23 reflektierten diese "vorjohanneische Praxis". Die
Taufe durch Johannes markiere dann den entscheidenden Wendepunkt,
indem Jesus kraft des Geistbesitzes mit der "radikalen prophetischen
Vertreibung der Dämonen" nunmehr ohne besondere Techniken, sondern
allein durch das Wort begonnen habe 1 6 . Daß den Evangelien zufolge
auch nach der Taufe Jesu noch Heilungen mit volkstümlich-medizini-
schen Praktiken wie Handauflegung oder Speichelanwendung erfolgten,
erklärt Eitrem als einen durch besondere Umstände bedingten Rückfall
in die vor der Begegnung mit dem Täufer liegende Phase von Jesu "me-
dizinischem" Wunderwirken. In Momenten der Schwachheit habe Jesus,
zumal bei Ablehnung, keinen spirituellen Kontakt mit dem Volk herstel-
len können und sei dann nicht zu rein wortgewirkten Wundertaten fähig
gewesen, sondern habe sich der Handauflegung als Heiltechnik bedienen
müssen (Mk 6,2) 17 . Im Gebiet von Tyros und Sidon sowie in der Deka-
polis (vgl. Mk 7,31-37) habe man ihm zudem nicht den Glauben an die
Macht Gottes als entscheidende Voraussetzung für die ausschließlich
durch das Wort zustandekommenden Heilungen entgegengebracht.
Daß hier nicht allein die Wunderberichte selbst, sondern auch die
hochgradig redaktionelle Stoffanordnung in den Evangelien unkritisch
historisiert und zudem mit der unbeweisbaren Hypothese einer der
Johannestaufe vorangehenden medizinischen Heiltätigkeit Jesu über-
frachtet wird, läßt Eitrems Konzeption von vornherein als wenig plausi-
bel erscheinen. Nachzugehen ist allerdings der Frage, wie sich die
medizinisch-pharmakologischen Techniken in einzelnen syn-joh Wun-
dererzählungen erklären und ob Jesu Wunderwirksamkeit mit im weite-
sten Sinne ärztlichen Maßstäben sachgerecht erfaßt werden kann.

2.3. Jesus als pneumatisch begabter Theios Aner (H. Windisch, L. Bieler)
Während man in der Gegenwart die ntl Wunderüberlieferung eher von
nachösterlichen #ETOC, ävf|p-Vorstellungen geprägt sieht, suchten H.
Windisch und L. Bieler bereits Jesus selber als wunderwirkenden {tetbc.

15 Ebda. 130.
16 Eitrem, Notes 12L64
17 Ebda. 65f.
Bilder von Jesus als Wundertäter 35
ävrjp oder ÖETOC, öcvöpuTtoc. zu begreifen, wie er im Hellenismus in erster
Linie durch Apollonius von Tyana repräsentiert wird.
H. Windisch zufolge wußte sich Jesus seit seiner Taufe als Pneumati-
ker mit prophetisch-messianischen Zügen, für den sogar häufigere
ekstatische Zustände und Äußerungen wahrscheinlich seien. Speziell Je-
su "exorcistische und medizinische Taten" seien durch die ihm zuge-
schriebene E^ouoia (Mk 1,22) wie durch den Begriff Süvauic, (u.a. Mk 6,2;
Mt 11,21.23par) als pneumatisch gewirkte Krafttaten ausgewiesen 18 .
Nicht zuletzt aufgrund dieser göttlichen Wunderkräfte rechnet Windisch
Jesus den ÖEIOI av&pwitoi der griechisch-römischen Antike zu 1 9 , wie er
dies auch mit den Gottesmännern des AT und mit Paulus tut. Ein ge-
wisses Proprium gegenüber den hellenistischen ÖEIOI avdpuitoi, das Jesus
freilich mit Paulus teile, sieht Windisch in einer deutlichen Überlegen-
heit an Gotteskraft und Gottesweisheit. Von den ÖEIOI äv^purtoi des AT, na-
mentlich Mose und den Propheten, hebe sich der Prophet und Wunder-
täter Jesus hingegen duich seine Kreuzigung und Verherrlichung ab 2 0 .
Auch L. Bieler ordnet Jesus dem Typus des antiken fotöc. ävf|p, einem
sich durch besondere Taten auszeichnenden religiösen Helden, zu. Er
grenzt dabei die Wunder der ÖEIOI avSpsc. wegen eines in ihnen manife-
sten unmittelbaren Ausflusses göttlicher Kraft scharf von Magie und
Goetie ab 2 1 . Vom äußeren Erscheinungsbild her sieht Bieler offenkundig
keine nennenswerten Unterschiede zwischen Jesus und anderen ÖEIOI
ävSpEc,. Maßgebliches Unterscheidungskriterium ist vielmehr der jeweili-
ge Geist, der die Gestalten beseelt. "In ihren letzten Tiefen kann die
einzigartige Persönlichkeit Jesu nur aus sich selbst erklärt werden ...;
daß die besondere Art ihrer Formung dem homo religiosus der Zeit ent-
spricht, ist durchaus natürlich: das Bild des &. dt. (sc. &EIÖC. dtvfjp) ist
eben die feste Form, in die der jeweils neue Gehalt einer göttlichen
Botschaft eingeschlossen wird, in der er sichtbare Gestalt annimmt"
(149). Und: "... der gläubige Christ darf freilich noch einen Schritt wei-
ter gehen: für ihn ist Christus als Gottessohn Realität, der $. ä. aber die
gegebene Lebensform, deren sich der Verkünder der göttlichen Offen-
barung in seiner Zeit und Kultur bedienen konnte" (150).

18 Windisch, Jesus und der Geist 224-236.


19 Windisch, Paulus und Christus 87-89; ders., Paulus und Jesus 464f.
Wesentliches Interesse von Windisch ist es dabei, entgegen der von W. Wre-
de behaupteten völligen Diskontinuität zwischen Jesus und Paulus die Gleich-
artigkeit beider Gestalten, u.a. als OETOI ävS-puitoi, herauszustellen. Vgl.
auch Prümm, Christusdeutung von H. Windisch 22-54.
20 Windisch, Paulus und Christus 88.97
21 Bieler, GEIOX ANHP I 83-87.141.
36 Stand der Forschung

In jüngerer Vergangenheit hat sich G Petzke in modifizierter Form um


eine weitreichende Parallelisierung von Jesus und Apollonius von Tyana
bemüht. Beide Personen seien sekundär in der Traditionsbildung mit
ähnlichen Hoheitstiteln belegt und als Gottmenschen verehrt worden,
wobei sie diesen Prozeß durch die Art ihres sich in Grundzügen ent-
sprechenden Auftretens in Gang gesetzt hätten 2 2 .

2.4. Jesus als Magier (0. Böcher, M. Smith, J.D. Crossan)


Bereits in der antiken Jesuspolemik wurden die Wunder Jesu vielfach
auf Magie zurückgeführt. Hauptvertreter einer neuzeitlichen Betrachtung
Jesu als Magiers sind 0. Böcher, M. Smith und J.D. Crossan.
0 . Böcher sucht den Nachweis zu erbringen, daß im NT trotz Um-
deutung und Protest ein unbefangenes Festhalten an den dämonischen
Vorstellungen der Antike vorliege, und bezieht den historischen Jesus in
diese Sehweise mit ein. Wie bereits das Schlagwort "Christus Exorcista"
programmatisch andeutet, entwirft Böcher skizzenhaft ein recht ge-
schlossenes Bild von Jesus als magisch begabtem Exorzisten, dessen
Proprium gegenüber anderen zeitgenössischen Wundertätern allein in
der Beanspruchung göttlicher Urheberschaft und besonderer eschatolo-
gischer Bezüge seiner Dämonenaustreibungen besteht 2 3 . Ansonsten
bleibe Jesus dem dämonistischen Weltbild wie den magischen Praktiken
seiner Zeit verhaftet. Er habe nicht nur Besessene im engeren Sinne
durch Exorzismen geheilt, sondern auch bei Krankheiten des Körpers
exorzistische Therapien angewandt (Mk 1,32-34; 3,10-12 u.ö.). In Mk
5,1-20 begegne uns Jesus sogar als der gefährliche Magier, dessen
unheimliche Macht man fürchtet. Daß zudem auch seine jüdische Um-
gebung in ihm einen erfolgreichen Dämonenaustreiber sah (Mk
3,22-27parr) und bereits zu seinen Lebzeiten ein exorzistischer Ge-

22 Petzke, Apollonius von Tyana und das NT 161-194. Vgl. auch M. Smith,
Jesus the Magician 84-93, der das Auftreten von Jesus und Apollonius von
Tyana als Magiern mit göttlichem Anspruch weitgehend parallelisiert, und
Betz, RAC XII (1983) 290: Die ntl Darstellung Jesu als OETOC, dvijp könne
sich auf das Erscheinungsbild des historischen Jesus berufen.
23 Böcher, Christus Exorcista 166f.; ders., Das NT und die dämonischen
Mächte 53f. Ähnlich Twelftree, Jesus the Exorcist, der alle syn Dämonen-
austreibungsberichte im Prinzip für historisch hält und Jesus als machtvol-
len, sogar Gewalt freisetzenden (Mk 1,26; 5,11-13; 9,26) Exorzisten mit
eschatologischem Proprium betrachtet, allerdings ohne Überzeugungskraft um
jeden Preis ausschließen will, daß Jesus Magier war oder zumindest von sei-
nen Zeitgenossen als solcher betrachtet wurde (190-207).
Bilder von Jesus als Wundertäter 37

brauch seines Namens erfolgte (Mk 9,38-40), reihe Jesus in die Schar
erfolgreicher antiker Geisterbanner ein, deren machtgeladener Namen
sich spätere Zauberer häufig bedienten.
M. Smith behauptete nach seiner Entdeckung des "Secret Gospel of
Mark", in dem er den Beweis für eine magisch-esoterische Taufpraxis
sah, die gesamte Wirksamkeit Jesu sei von Magie geprägt gewesen 2 4 . In
voller Breite entfaltet wird diese Sehweise dann in "Jesus the
Magician" 25 , wo Smith aus den Evangelien das in sich stimmige und
glaubwürdige Bild einer Magierlaufbahn zu rekonstruieren sucht, die mit
Jesu Taufe einsetzt und mit der Stiftung des Abendmahls endet. Wir
können uns auf den Wunderaspekt beschränken, zumal Wundertaten für
Smith das entscheidende Merkmal eines Magiers ausmachen. Bei Magie
handelt es sich für ihn um eine lehrbare Technik, die im wesentlichen
aus Hypnose, Schauspielerei und Pharmakologie besteht. Diese Kompo-
nenten meint Smith bei Jesus wiederfinden zu können. Die Wunder Jesu
seien vollständig dem Repertoire des Magiers entnommen (107), wobei
auch das Aussenden von Geistern als "schwärzeste Art von Magie" we-
nigstens in heruntergespielter Form (Mk 5,13) begegne (110). Eine "Spe-
zialität antiker Magier" stelle das Gebet dar, das Jesus in Analogie zu
anderen Magiern seinen Schüler lehrte (Mk 9,28f; Mt 6,7ff.) (130ff).
Daneben habe Jesus zu physisch-magischen Mitteln wie Berührung
durch die Hand (u.a. Mk 1,31) und Speichelverwendung (Mk 8,23; Joh
9,6) greifen können (128). Auch die schauspielerische, der Sicherung
des Lebensunterhalts dienende Komponente des Magiertums stellt Smith
für Jesus in Rechnung (133f).
Daß sich in den Evangelien selber nur recht spärliche Hinweise auf
magische Wunderpraktiken Jesu finden, hält Smith für bedeutungslos.
Hier greift die quellenmäßig ohne Anhalt bleibende These von "sup-
pressed evidence", "unterdrücktem Beweismaterial". Aus apologetischen
Motiven heraus seien die Evangelienstoffe einer "defensiven Zensur" mit
Unterdrückung magischer Züge Jesu unterworfen worden 2 6 , und hinter

24 M. Smith, Secret Gospel 220-237. Vgl. zur Diskussion um den histori-


schen Wert dieses Evangelienfragmentes Merkel, in: Schneemelcher, Ntl Apo-
kryphen I 89-92; M. Smith, Clement of Alexandria and Secret Mark 449-461.
25 Vgl. zur Diskussion Bühner, Jesus und die antike Magie 156-176; Gar-
rett, Light on a Dark Subjekt 144-148.
26 Smith stützt sich dabei im wesentlichen auf die von Hüll, Hellenistic
Magic 116ff., herausgestellte mt Tilgung magischer Züge aus der mk Wunder-
überlieferung und setzt derartige Gestaltungstendenzen für die gesamte
mündliche wie schriftliche Überlieferungsgeschichte der Jesusstoffe voraus.
Den Abfassungszweck der E w sieht Smith primär in der apologetischen
Absicht, Jesus gegen den Vorwurf der Magie zu verteidigen (86.92L).
38 Stand der Forschung

dem sichtbaren Jesus der Evangelien steckte ursprünglich ein älterer


Jesus, dessen Praktiken näher an diejenigen des Magiers Jesus heran-
kämen 27 . Letztlich deckt sich die indirekt aus den Evangelien
erschlossene "magische Laufbahn" Jesu weitgehend mit dem Jesusbild,
das Smith bereits unabhängig von seiner Analyse der biblischen Stoffe
aus jüdischer wie hellenistischer Jesuspolemik gewonnen hatte (bes. 67).
Neben dem AAH6HX AOTOI des Celsus kommt dabei der von Smith auf
Jesus bezogenen Ben-Stada-Notiz bSchab 104bparr entscheidende Be-
deutung zu, indem sie offenbar ebenso wie Orig, Cels 1,28.38 als Bürge
für eine magische Schulung Jesu in Ägypten betrachtet wird (47f.80).
Eine eigenständige Fortentwicklung von Smith's Konzeption mit neuen
Akzenten bietet J.D. Crossan, indem er Jesus als einen in der Tradition
von Elia, Elisa und Choni stehenden Magier begreift, der eine ideale
Vision von einer besseren Gesellschaft hatte und über ein festumrisse-
nes, aus "magic and meal" bestehendes soziales Programm verfügte.
"Miracle and parable, healing and eating were calculated to force indivi-
duals into unmediated physical and spiritual contact with God and un-
mediated physical and spiritual contact with one another. He announced,
in other words, the brokerless kingdom of God." 28 Jesu Dämonen-
austreibungen komme dabei als "colonial exorcisms" symbolische revo-
lutionäre Bedeutung zu, da Besessenheit im zeitgenössischen Judentum
in hohem Maße aus mentalen Störungen bestehe, die von der Besat-
zungssituation herrührten 2 9 .

2.5. Jesus als suggestiver Heiler (J. Klausner)


oder Schamane (E. Drewermann)
Vieles von dem, was man in der Antike positiv unter einem Magier
oder Goeten verstand, ist in dem neuzeitlichen Begriff Schamane impli-
ziert. Bei den ntl Damonenaustreibungs- und Krankenheilungsberichten
erfreut es sich einer gewissen Beliebtheit, dort mit überwiegend psy-
chisch bedingten Krankheitsbildern zu rechnen und Jesus als einen
Wunderheiler mit suggestiven oder schamanistischen Fähigkeiten zu be-

27 M. Smith, Jesus the Magician 146. Ergänzend rechnet Smith, aaO. 95,
mit einem Verschweigen magischer Jesustradition aus Gründen der Arkan-
disziplin. Anders noch M. Smith, Secret Gospel 222L235: Mit dem Geist als
willfährigem Paredros habe Jesus als Magier auf ausführliche Beschwörungs-
formulare und Zaubersprüche verzichten können (vgl. PGM IV,2081ff.).
28 Crossan, Historical Jesus 422, zum Ganzen ebda. 303-353.
29 Crossan, aaO. 317f.
Bilder von Jesus als Wundertäter 39
trachten. Vereinzelt wird das Phänomen des Schamanismus auch zur
Erklärung von Naturwundern herangezogen.
J. Klausner geht davon aus, daß Galiläa in ntl Zeit voll von Hysteri-
kern und Psychopathen war, nicht zuletzt aufgrund der wirren politi-
schen Verhältnisse. Bei den von Jesus therapierten Krankheiten habe es
sich um Nervenleiden gehandelt, die ein mit besonderer Suggestivkraft
begabter Mensch körperlich und geistig bessern könne. Wie Vespasian,
Mohammed oder Napoleon habe Jesus als Wunderheiler Suggestion und
Hypnose angewandt: "Menschen mit besonderer Willensstärke und
einem reichen Innenleben können durch ihren entweder eindringlichen
oder sanften Blick oder auch nur durch die innere Festigkeit dieses
Willens auf Nervenkranke verschiedenster Art, zuweilen selbst auf völlig
Verrückte, eine heilsame Wirkung ausüben." 30 Unter Verweis auf Mt
12,43-45 rechnet Klausner mit einer gewissen Rückfallquote bei Jesu
Heilungen und bringt hiermit auch die mk Geheimhaltungsgebote in
Zusammenhang. Diese resultierten aus einer Furcht Jesu vor überstei-
gerten Ansprüchen an ihn, der bei seinen Wundern nicht immer erfolg-
reich gewesen sei und sich scheute, sie allzu oft anzuwenden 31 .
E. Drewermann zufolge bedarf es einer intensiven Beschäftigung mit
dem Verständnis von Krankheit und Wunderheilung in "primitiven"
Stammeskulturen, um überhaupt erst ein Erfassen der Faktizität und
Bedeutung des Wunderwirkens Jesu zu ermöglichen. "So paradox ist
jetzt die Lage: während die historisch-kritische Bibelwissenschaft als
ein verspäteter Bastard des Rationalismus und Säkularismus von einer
Peinlichkeit in die andere stolpert, kann ein einziger Blick auf das Le-
ben eines wirklichen Wunderheilers außerhalb des europäischen Kultur-
kreises zeigen, wie die Wunder der Heilung zu verstehen sind und vor
allem: welch eine Wirkmacht einer unverfälschten Form von Religiosität
zuzutrauen ist." 3 2 Drewermann sieht nicht den geringsten Anlaß, an der
Historizität atl, ntl oder paganer Wundertraditionen prinzipielle Zweifel
anzumelden 3 3 . Grundsätzlich könnten sich zahlreiche Heilungen in solch
einer Weise zugetragen haben, wie sie in der Bibel und anderswo be-
richtet werden. Da Krankheit bei den "Naturvölkern" mit deren ganz-

30 Klausner, Jesus von Nazareth 369, vgl. 363.


31 Ebda. 371.
32 Tiefenpsychologie und Exegese II 123. Exemplarisch wird das "primi-
tive" Schamanentum ebda. 79-114 anhand der Lebenserinnerungen von "Schwar-
zer Elch" (1863-1950), Medizinmann eines Sioux-Stammes (J.G. Neihardt,
Black Elk Speaks. Being the Life Story of a Holy Man of the Oglala Sioux,
Lincoln 1961), dargestellt und als religionsphanomenologische Entsprechung
für Jesu Wunderheilungen beansprucht.
33 Drewermann, Tiefenpsychologie und Exegese II 123f.
40 Stand der Forschung

heitlicher Leib-Seele-Anthropologie auf einer Isolation des körperlichen


Geschehens von seinen psychischen Grundlagen oder Folgen beruhe,
seien sämtliche Krankheitserscheinungen in der syn Wundertradition
psychosomatisch oder psychoneurotisch bedingt 34 und würden durch
ein in der Begegnung mit Jesus ausgelöstes Vertrauen überwunden 35 .
Auch die Naturwunder hält Drewermann für historisch. Der Schamane
lebt in Einheit mit der Natur und verfügt daher über ein besonderes
Wissen um das Wirken der mit ihm verschwisterten Elemente. Aufgrund
dieser Kommunikation mit der Natur weiß er beispielsweise, wann es
regnen oder wann ein Sturm sich legen wird, und teilt dies mit 3 6 .
Religionsphänomenologisch unterscheidet sich der Wundertäter Jesus
für Drewermann vom Typos her nicht von den Schamanen primitiver
Stammeskulturen, etwa einem Medizinmann der Sioux. Wie diese voll-
ziehe er eine Wiederherstellung der Einheit von Körper und Seele,
bewirke er ein Zurückfinden des Kranken "zur Einordnung in das Ganze
und zur Mitte der Welt". Einziges Spezifikum der Wunderheilungen Je-
su, die "von den Heilungen der Schamanen weder in der Art noch im
Sinngehalt noch in ihrer religiösen Kraft und Bedeutung wesentlich
unterschieden" sind, ist die Personalisierung des Rituellen. Was der
Schamane durch den Ritus zu vermitteln suche, bewirke Jesus fast aus-
schließlich durch seine eigene Person 3 7 .

2.6. Jesus als Chasid (D. Flusser, G. Vermes, S. Safrai)


Insbesondere in neueren jüdischen Jesusdarstellungen dominiert die
Tendenz, den Wundertäter Jesus innerhalb eines charismatisch orien-
tierten Judentums seiner Zeit zu betrachten, das in Konflikt mit dem
etablierten Pharisäertum geriet.
D. Flusser zeigt in seinem Jesusbuch enge Berührungen Jesu mit den
jüdischen Wundertätern Choni, Abba Chilkia, Chanan und Chanina ben

34 Ebda. 98f. Der Aussatz von Mk 1,40-44 etwa ist eine Krankheit der
Seele (Drewermann, Mk-Ev I 217f.), die Lähmung von Mk 2,1-12 hat hy-
sterische Ursachen (ebda. 223); vgl. auch die phantasievollen Krankenge-
schichten zu Mk 1,29-31 (Jesus als Auslöser der Krankheit!) und 5,25-34
(Mk-Ev I 205f. bzw. Tiefenpsychologie und Exegese II 28lff.). Ähnlich hatte
bereits Otto, Reich Gottes 279f., die syn Besessenenheilungen als Befreiung
von Schizophrenie und Zwangsideen interpretiert und in den Heilungsberichten
Blutfluß, Blindheit, Taubheit und Stummheit als hysterische, nervös bedingte
Krankheitssymptome betrachtet, die Jesus als Charismatiker geheilt habe.
35 Tiefenpsychologie und Exegese II 125; vgl. Mk-Ev I 200f.
36 Tiefenpsychologie und Exegese II 165-169.
37 Ebda. 125.138.
Bilder von Jesus als W u n d e r t ä t e r 41

Dosa auf 38 . Über drei dieser vier Wundertäter werde analog zu Jesus
berichtet, daß ihre Beziehung zu Gott wie die eines Sohnes zum Vater
war. Weitere Übereinstimmungen sieht Flusser in jeweiligen Spannungen
zwischen Wundercharismatikertum und Schriftgelehrtenstand, einer ge-
zwungenermaßen oder bewußt armen Lebensweise des Wundertäters
sowie in einer Vollbringung des Wunders im Verborgenen.
Noch konsequenter vertritt G. Vermes die Auffassung, Jesu Heilungen
und Dämonenaustreibungen seien erst auf dem Hintergrund eines zeit-
genössischen Wundercharismatikertums jüdischer Chasidim in ihrer
wirklichen Bedeutung zu erfassen. Jesus sei aufgrund des Verzichts auf
magische Praktiken kein professioneller, mit geheimen Kräften operie-
render Exorzist wie etwa Eleazar (Joseph, Ant VIII,46f), sondern gehöre
in ein mit dem Auftreten Elias und Elisas gesetztes jüdisches pattern
von Chasidim, die durch unmittelbaren, spontanen Kontakt mit Gott
Wundertaten vollbringen und sich dabei allein einer Kombination von
Gebet, dämonenvertreibendem Wort und Handauflegung oder anderwei-
tiger Berührung bedienten. Literarisch habe sich dieses pattern bei-
spielsweise im Genesis-Apokryphon (1 Q Gen Ap XX,12-29), dem Gebet
des Nabonid (4 Q Or Nab) und in bMeil 17b niedergeschlagen 39 . Histo-
risch sei es im Judentum des ntl Zeitalters bei Choni dem Kreiszieher
und Chanina ben Dosa greifbar, mit denen Jesus als hervorstechender
Repräsentant eines "first-century charismatic Judaism and as the para-
mount example of the early Hasidim or Devout" in besagte alte, genuin
charismatische Linie eingereiht werden könne 4 0 .
Auch S. Safrai bringt Jesus mit einer maßgeblich von Choni und Cha-
nina ben Dosa als "Männern der Tat" repräsentierten chasidischen Bewe-
gung in Galiläa in Verbindung41. Entscheidende Charakteristika dieser
Chasidim seien Armut und eine Vorordnung der guten Tat gegenüber der
Gesetzesobservanz. Ohne "actually a Hasid or a member in any form or
fashion of the basically Galilean Hasidic movement of his time" zu sein,
weise Jesus doch eine "similarity and affinity" mit den Chasidim "in
teaching, lifestyle, behaviour and relationship with the sages" auf42.

38 Flusser, Jesus 8 9 - 9 1 .
39 V e r m e s , Jesus the Jew 6 5 - 6 8 .
40 Ebda. 79.
41 Safrai, HWVT2 • »ÜJKI Cp-POPI 133-154. Vgl. bereits ders., Teaching of
Pietists 32, wo ohne Einbeziehung Jesu "the importance attributed to good
deeds in public life" als entscheidendes gemeinsames Moment im Auftreten
von Chasidim wie Choni, Chanina ben Dosa und Pinechas ben Jair (um 200n.
C h r . ) , d e r im Zusammenhang mit Gefangenenauslösungen die wunderbare
Teilung eines Flusses bewirkt haben soll (bChull 7a), gilt.
42 Safrai, Jesus and the Hasidim 16f., vgl. speziell zum W u n d e r a s p e k t 7-11.
42 Stand der Forschung

3. Wundercharismatikertum bei den frühen Christen


3.1. Machttaten als Mittel missionarischer Werbung
Grundlegend hat A. von Harnack den hohen Stellenwert von Kranken-
heilungen und Dämonenaustreibungen für die Ausbreitung des Christen-
tums in den ersten drei Jahrhunderten gewürdigt. "Als Dämonenbe-
schwörer sind die Christen in die große Welt eingetreten, und die Be-
schwörung war ein sehr wichtiges Mittel der Mission und Propaganda."1
Zur Beweisführung setzt von Harnack mit Justin ein und läßt seine
Darstellung über Irenäus und Tertullian hinaus mit Origenes ausklingen.
Auch H. Weinel wendet sich bei seiner Untersuchung der Geisteswir-
kungen im nachapostolischen Zeitalter den pneumatisch bewirkten Wun-
dertaten im rechtgläubigen wie häretischen Christentum zu und mißt ih-
nen hohe Bedeutung für die Mission bei 2 . A. Fridrichsen geht in seinem
Werk "Le probleme du miracle dans le Christianisme primitif der Be-
deutung von Wundertaten speziell in der Mission des ntl Zeitalters nach
und kommt dabei zu dem Ergebnis, daß die enge Bindung an Wunder
die christliche Mission grundlegend von der jüdischen Mission und der
Propaganda der hellenistischen Popularphilosophie unterscheide 3 . In
Paulus als dem bedeutsamsten frühchristlichen Missionar sieht Fridrich-
sen unter Verweis auf 1 Thess 1,5; 2 Kor 12,12 und Rom 15,19 den
maßgeblichen Zeugen für eine weitverbreitete christliche Propaganda
unter Einschluß von Wundertaten, wie sie auch von Hebr 2,4; Mk
16,17-20 und der Apg, in extremer Form zudem von den apokryphen
Apostelakten verbürgt werde.
Einer besonderen Gruppe von frühchristlichen Missionaren mit Wun-
derwirksamkeit, nämlich den pln Gegnern im 2 Kor, gilt das Augenmerk
von D. Georgi 4 . Es handele sich dabei um pneumatisch-ekstatische
Wandermissionare, deren Machttaten man sich in Analogie zu den Wun-
dern hellenistischer OEIOI avSpEc, vorzustellen habe (231), wobei enge
Bezüge zwischen diesem Selbstverständnis und der tradierten Jesus-
überlieferung gegeben seien. Dem Anspruch der Gegner als OEIÖL ävSpEc,
korrespondiere die einer Rechtfertigung der eigenen Wunderpraxis
dienende Berufung auf solche Tradition, in der Jesus als ÖETOC, dvrip
begegne, wobei in erster Linie an die mk Wundergeschichten zu denken

1 von Harnack, Mission und Ausbreitung I 156, zum Ganzen ebda. 151-170
Vgl. auch MacMullen, Christianizing the Roman Empire 25ff.
2 Weinel, Wirkungen des Geistes 51-57.109-127.
3 Fridrichsen, Probleme du miracle 34-40.
4 Georgi, Gegner des Paulus 31-82.219ff.
Frühchristliches Wundercharismatikertum 43

sei (213ff.289). Der Vorgehensweise nach vermutet Georgi in den pln


Gegnern des 2 Kor vom Typos her sogar die Normalerscheinung des
urchristlichen Missionars. Sie seien "keine singulären Gestalten, sondern
Repräsentanten einer großen Gruppe von Missionaren der Urchristen-
heit, vielleicht sogar einer Mehrheit." 5
Von den zahlreichen Befürwortern dieser Thesen Georgis 6 verdient
H.-W. Kuhn besondere Beachtung, da er die für die pln Gegner vermu-
tete Tradierung christologischer $ETÖC, dvfjp-Vorstellungen gezielt mit der
Annahme eines vormk Wunderzyklus in Mk 4,35-6,52 und einer dem
Joh-Ev zugrundeliegenden Semeiaquelle verknüpft. In solchen Kreisen
von Wanderaposteln, wie sie mit den pln Gegnern im 2 Kor begegnen,
müsse man den "Sitz im Leben" der ntl Wundergeschichten und ihrer
eventuellen Sammlung suchen 7 .
J. Roloff hingegen verneint entschieden eine maßgebliche Prägung der
syn Wundergeschichten von nachösterlicher kirchlicher Praxis oder
christologischer Traditionsbildung her, indem er eine Diastase zwischen
den Taten Jesu und den pneumatischen Erfahrungen der christlichen
Gemeinden auszumachen sucht. Im Gegensatz zu einem Ineinander von
Wunder und Glaubensangebot bei Jesus stimmten neben Mt 28,18-20
auch außersynoptische Zeugnisse wie 2 Kor 12,12 oder die Wundertradi-
tionen der Apg darin überein, "daß sie Machterweisen und Wundern
keine für die missionarische Verkündigung konstitutive Bedeutung ein-
räumen ...", vielmehr allein innergemeindlich eine Rolle spielten, ohne
dabei mit dem an Außenstehende ergehenden Ruf zum Glauben verbun-
den zu werden 8 .
Grundsätzlich wird aber bereits der Frage nach Wundertaten als maß-
geblichen Begleiterscheinungen der frühchristlichen Mission nur geringe
Aufmerksamkeit geschenkt. Spezialuntersuchungen zum urchristlichen
Wandercharismatikertum 9 sind fast ausnahmslos an sozialgeschichtlichen
Aspekten wie Besitzverzicht oder NichtSeßhaftigkeit interessiert und
klammern den Wunderaspekt völlig aus. Auch in neueren Standardunter-

s Georgi, aaO. 218. Vgl. auch Lüdemann, Antipaulinismus 136f., der auf
eine Verhaftung der pln Gegner in der syn Aussendungstradition aufmerksam
macht.
6 Vgl. bes. Köster, in: Köster/Robinson, Entwicklungslinien 140-143.173-179,
allgemein zur Wirkungsgeschichte den Epilog der leicht revidierten engl.
Übersetzung von 1986 (Georgi, Opponents 333-450).
7 Kuhn, Sammlungen 213; ders., Der irdische Jesus 302ff.
8 Roloff, Kerygma 203f.
9 Theißen, Soziologie der Jesusbewegung; W. Stegemann, Wanderradikalis-
mus?; Schmeller, Brechungen.
44 Stand der Forschung

suchungen zur Geschichte der urchristlichen Mission 10 kommen Kran-


kenheilungen und Dämonenaustreibungen als Charakteristikum der mis-
sionarischen Werbung de facto so gut wie nicht zur Sprache. Dem hier
repräsentierten Forschungsstand zufolge hat sich die Mission aus-
schließlich durch Predigt oder anderweitige verbale Propaganda vollzo-
gen.

3.2. Innergemeindliche Krankenheilungen und Dämonenaustreibungen


Über missionspropagandistische Wundertaten hinaus sah A. von Harnack
die Anziehungskraft des Christentums als "Religion der Heilung"
auch in einer recht hochentwickelten innergemeindlichen Krankenfür-
sorge begründet und berief sich dabei auf Befunde wie 1 Thess 5,14;
1 Clem 59; Jak 5,14 oder Just, Apol I 67 11 . W. Heitmüller geht in seinem
Werk "Im Namen Jesu" dem Gebrauch des Jesusnamens im Zusammen-
hang mit Krankenheilungen wie Dämonenaustreibungen innerhalb der
christlichen Gemeinden nach und kommt zu dem Ergebnis, "daß nicht
erst in der nachapostolischen, sondern schon in der apostolischen Zeit
der Name Jesu als mit wunderbaren Kräften ausgestattet galt und beim
Ttpo<pf|TEUEiv, bei Suv&iiEic, überhaupt, insbesondere bei dem ExßäXXEiv
SaiuÖMia verwertet, d.h. genannt wurde." 12 Es sei völlig sicher, daß von
früh an die im Exorzismus manifeste Macht über die Dämonen als Gabe
jedes im Geistbesitz befindlichen Christen galt und mit dem Namen Jesu
als Machtmittel vielfältig ausgeübt wurde. Ähnlich vermutete H. Lietz-
mann in seiner "Geschichte der alten Kirche" unter Verweis auf 1 Kor
12,28-30: "Heilung von Kranken und Austreiben von Dämonen ist noch
lange in der alten Kirche das Kennzeichen echter charismatischer
Begabung gewesen." 13
Noch weiter in seinen Überlegungen geht M. Dibelius, indem er ein
innergemeindlich fest ausgeprägtes Charisma der Krankenheilung als
"Sitz im Leben" einzelner ntl Wundergeschichten in Betracht zieht und
für Wundererzählungen mit besonders detaillierter Schilderung der
Heiltechniken (u.a. Mk 7,31-37; 8,22-26) vermutet, hier solle bestimmten
mit Heilkraft begabten Christen Vorbild und praktische Anleitung zu
Wunderheilungen gegeben werden. "Mit der ausführlichen Beschreibung

10 Hahn, Verständnis der Mission im NT; Schille, Urchristliche Kollegial-


mission; Kasting, Anfänge der urchristlichen Mission.
11 von Harnack, Mission und Ausbreitung I 147f.
12 Heitmüller, Im Namen Jesu 239f., zum Ganzen ebda. 223-252.
13 Lietzmann, Geschichte der alten Kirche I 149.
Die Aufgabe 45

der Heiltechnik, ganz besonders aber mit der Überlieferung der For-
meln, zumal in der fremden Sprache, wollen die Erzähler offenbar den
Christen nützen, denen die Gabe der Heilung (1 Kor 12,28.30) verliehen
ist." 14 Speziell für die formelhafte Wendung "Dein Glaube hat dich
gerettet" (Mk 5,34 u.ö.) zieht E. Käsemann in Erwägung, daß sie "ur-
sprünglich in der festen Sprache christlicher Exorzisten und Heiler
beheimatet" war 15 . Für die apokryphen Apostelakten hatte bereits E.
von der Goltz auf eine Reihe von Gebeten und Formeln aufmerksam
gemacht, die bei innergemeindlichen oder missionarischen Wundertaten
rezitiert worden sein dürften 16 .
Von medizinhistorischer Seite her wenden sich 0. Temkin und G.B.
Ferngren den christlichen Krankenheilungen der ersten drei Jahrhunder-
te zu. Temkin konstatiert dabei eine allmähliche Infiltration der lange
Zeit völlig beziehungslos zur hippokratischen Tradition stehenden christ-
lichen Heilkunst mit rationaler, säkularer Medizin 17 . Ferngren hingegen
stellt die These auf, daß man frühestens ab dem 4.Jhdt.n.Chr. überhaupt
vom Christentum als Religion der Heilung sprechen könne, "the eviden-
ce of the first three centuries suggests that mainstream Christianity did
not promise physical healing." 18 Ähnlich niedrig wird offenkundig der
Stellenwert von Krankenheilungen und Dämonenaustreibungen in den
frühchristlichen Gemeinden von weiten Teilen der theologischen For-
schung veranschlagt und von vornherein erst gar nicht thematisiert 19 .

4. Aufgabe und Methodik dieser Untersuchung


4.1. Die Aufgabe
In Anbetracht des skizzierten Forschungsstandes zu den Wundern bei
Jesus und im frühen Christentum ergeben sich im wesentlichen drei
Aufgabenschwerpunkte, um Ansätze der Forschung aufzugreifen, zu ver-
tiefen oder zu korrigieren und nach Möglichkeit weiterzuführen.
1. Eine historische Untersuchung aller ntl Wunderstoffe aus der Wort-
und Erzählüberlieferung mit dem Ziel, die Wundertätigkeit Jesu möglichst

14 Dibelius, Formgeschichte 81, zum Ganzen ebda. 81-84.


is Käsemann, RGG 3 II (1958) 995.
16 von der Goltz, Gebet in der ältesten Christenheit 290-298.346-348.
17 Temkin, Hippocrates in a World of Pagans and Christians 109-145.
18 Ferngren. Early Christianity 15.
19 In den "Geschichten des Urchristentums" von H. Conzelmann und
W. Schneemelcher beispielsweise findet die Heilung Kranker oder dämonisch
Besessener mit keinem Wort Erwähnung.
46 Stand der Forschung

weitgehend zu erhellen und dabei zu vergleichbaren Erscheinungen des


zeitgenössischen Judentums wie der griechisch-römischen Welt in
Beziehung zu setzen, stellt ein forschungsgeschichtliches Desiderat dar.
In der ntl Wunderforschung der letzten Jahrzehnte dominieren redak-
tionsgeschichtliche Untersuchungen. Das vorliterarische Stadium der
Wundergeschichten einschließlich ihrer historischen Bezüge war lange
Zeit nur unter dem Gesichtspunkt von Interesse, inwieweit sich die
Evangelisten kritisch vom Wunderverständnis ihrer christologischen
Tradition absetzen. Auch für religions- und formgeschichtlich orientierte
Untersuchungen zum Thema hat H. Weders Urteil aus dem Jahre 1984,
viele Abhandlungen zur Wunderthematik widmeten dem historischen
Problem einen verschwindend kleinen Bruchteil ihres Raumes und ande-
re ließen es völlig aus den Augen1, trotz eines in jüngerer Vergangenheit
verstärkt wiederentdeckten historischen Interesses an Jesus als Wun-
dertäter nach wie vor Bestand. Es existiert bislang keine kritische Un-
tersuchung aller Wunderstoffe der Jesusüberlieferung mit der Zielset-
zung, traditionsgeschichtliche wie historische Fragen konsequent in den
Mittelpunkt zu stellen und die Wundertätigkeit Jesu in ihrem vollen
Umfang und zeitgenössischen Kontext zu erfassen 2 .
Die bei einer solchen Untersuchung im Hinblick auf die Wundertätig-
keit Jesu und deren Konnotationen zu erwartenden Ergebnisse verspre-
chen genaueren Rückschluß über die Frage, in welchem Maße sich Je-
sus mit seinen Wundertaten in vergleichbare Phänomene der Antike
einordnen läßt, ob seinen Wundertaten religionsgeschichtlich analogielo-
se Bezüge zukommen und inwieweit eines der forschungsgeschichtlich
entwickelten Raster für den Wundertäter Jesus (Wunderprophet, Arzt,
&E10C, ävTJp, Magier, Schamane, Chasid) die tatsächlichen Gegebenheiten
sachgemäß zu erfassen vermag. Neben einer Erklärung für die Diastase
zwischen Wunderwirksamkeit und Verweigerung von Zeichen kommt da-
bei der Frage nach der inneren Beziehung zwischen Wundertat und
Wort besonderes Gewicht zu. Abgesehen von der starken Gewichtung
eines Magier- oder Schamanentums Jesu bei M. Smith, E. Drewermann
und J.D. Crossan zeigte sich in der Forschungsgeschichte fast einmütig
die Auffassung, daß Wundertaten gegenüber Verkündigung oder Lehre
allenfalls eine untergeordnete Randerscheinung im Wirken Jesu darstell-

1 Weder, Wunder Jesu 32.


2 Wichtige Schritte in diese Richtung sind für Einzelbereiche M. Smith.
Jesus the Magician; Nielsen, Heilung und Verkündigung; Twelftree, Jesus the
Exorcist, während van der Loos, Miracles of Jesus, wegen unkritischer Vor-
gehensweise nur von sehr begrenztem Wert ist.
Die Aufgabe 47

ten. Das hier zugrundeliegende, bereits im NT selber in vielfältiger


Ausprägung anzutreffende Bild von Jesus als Lehrer und Verkünder der
Gottesherrschaft, der die Vollmacht seiner Worte durch Wundertaten
lediglich noch untermauert oder illustriert, wird kritisch auf seinen
Wahrheitsgehalt hin zu befragen sein.
2. Ein zweiter Aufgabenschwerpunkt unserer Untersuchung besteht
darin, Wundertaten im frühen Christentum überhaupt erstmals in ihrer
vollen Bedeutung für Mission und Gemeindeleben zu erfassen. For-
schungsgeschichtlich wird von einer nahezu uneingeschränkten Domi-
nanz des Wortes im frühen Christentum ausgegangen und den durch
Verkündigung oder Unterweisung gekennzeichneten Ämtern des Prophe-
ten und des Lehrers hinreichend Aufmerksamkeit geschenkt, während
Dämonenaustreibungen, Krankenheilungen oder Wiederbelebungen mit
wenigen Ausnahmen kaum als maßgeblicher Faktor in Rechnung gestellt
werden. Sollte sich die Vermutung D. Georgis, daß die pln Gegner im
2 Kor mit ihren Wundertaten kein isoliertes Phänomen darstellten, son-
dern als Repräsentanten einer breiten Mehrheit unter den frühchristli-
chen Missionaren zu betrachten sind, fundieren lassen, so wäre dieses
Bild revisionsbedürftig. In jedem Falle sind in der Forschung vereinzelt
bereits gegebene Hinweise auf einen maßgeblichen Stellenwert von
Wundertaten für das frühe Christentum vertiefend aufzunehmen und
nach Möglichkeit in voller Bedeutung zu erschließen.
Weitergehend wird dabei zu fragen sein, inwieweit bestimmte Wun-
dergeschichten der Jesusüberlieferung in derartiger nachösterlicher
Wunderpraxis ihren "Sitz im Leben" haben oder ihre maßgebliche Prä-
gung erfuhren. Die von der klassischen Formgeschichte aufgeworfene
Frage nach Funktion und Überlieferungsinteressen eines Jesusstoffes
wird im Blick auf die stilechten ntl Wundergeschichten zu einseitig in
missionspropagandistischer Richtung beantwortet. Demgegenüber ist in
Anknüpfung an Überlegungen von M. Dibelius und E. Käsemann zu
prüfen, ob einzelne Wundergeschichten im Zusammenhang mit früh-
christlichem Wundercharismatikertum begriffen werden können - sei es,
daß sich in ihnen einschlägige Wunderpraktiken niedergeschlagen haben,
oder sei es, daß sie sogar als Anleitung für das Vorgehen christlicher
Wundertäter gedient haben, wobei neben pharmakologischen Techniken
in erster Linie an Krankenheilungs- oder Dämonenaustreibungsformeln
zu denken ist. Ergänzend sind das NT und die frühe außerkanonische
Literatur auf formelhafte Wendungen oder Gebete hin zu sichten, die
ebenfalls im Zusammenhang mit Dämonenaustreibungen, Krankenheilun-
gen, Wiederbelebungen oder anderen Machttaten stehen könnten. Sofern
sich dabei tatsächlich ein hoher Stellenwert von Wundern erweisen
48 Stand der Forschung

sollte, verdiente die Frage nach deren sozialgeschichtlichen Implikatio-


nen besondere Aufmerksamkeit.
3. Beide angesprochenen Aufgaben sind nicht ohne eine wenigstens
repräsentative Erhellung dessen zu bewältigen, was in der unmittelbaren
Umwelt des NT an Magie, Medizin und Wundercharismatikertum vor-
handen war.
Für das antike Judentum versteht sich dies im Hinblick auf Jesus von
selbst. Wer qualifiziert darüber befinden will, inwieweit sich die Wun-
dertätigkeit Jesu mit magischen oder medizinischen Praktiken des zeit-
genössischen Judentums überschneidet und mit der Vorgehensweise
jüdischer Wunderpropheten, Magier und Chasidim der Zeitenwende
deckt, muß zunächst einmal diese vergleichend heranziehbaren Phäno-
mene selber in ihrer eigentlichen Bedeutung erfassen. Erst in jüngerer
Vergangenheit edierte magische Zeugnisse des antiken Judentums, eine
sich zunehmend etablierende Neubewertung einzelner jüdischer Wun-
dertäter wie Choni oder Chanina ben Dosa und eine noch nicht hinrei-
chend erfolgte Auswertung seit langem bekannter Zeugnisse für Magie
und Medizin im antiken Judentum rechtfertigen hier eine ausführliche
neuerliche Behandlung des Themas.
Ähnliches gilt für die genuin hellenistische Umwelt des NT, die den
maßgeblichen Bezugsrahmen für die Mehrzahl der frühchristlichen
Gemeinden mit ihrem Wundercharismatikertum darstellt und in der viele
der ntl Wundergeschichten traditionsgeschichtlich ihre Prägung erfahren
haben dürften. Die einschlägigen Untersuchungen zum hellenistischen
Vergleichsmaterial der ntl Wundergeschichten stammen mit wenigen
Ausnahmen aus dem ersten Drittel dieses Jahrhunderts. Seitdem wurde
eine Vielzahl weiterer magischer oder medizinischer Zeugnisse aus
hellenistischer Zeit ediert, früher lediglich dem Namen nach bekannte
Schriften magischen oder medizinischen Inhalts sind nunmehr durch
Rückübersetzungen aus dem Arabischen zugänglich. Forschungsmäßig
vernachlässigt wurde ohnehin der medizinhistorische Hintergrund ntl wie
anderer antiker Nachrichten über Dämonenaustreibungen, Krankenhei-
lungen oder Wiederbelebungen. Zudem ist, durch an sich begrüßenswer-
te religionsgeschichtliche Textbücher oder Quellensammlungen begün-
stigt, die Tendenz vorherrschend, antike Wundertraditionen völlig losge-
löst von ihrem Kontext vergleichend bei der Interpretation ntl Wunder-
texte heranzuziehen, ohne solche Parallelen in ihrem übergeordneten
Zusammenhang zur Kenntnis genommen und in ihrer historischen Be-
deutung überhaupt erfaßt zu haben.
4. Für die Vorgehensweise ergibt sich eine Dreiteilung unserer Un-
tersuchung. Zunächst wird zur Entlastung der dem NT gewidmeten Aus-
Methodische Vorüberlegungen 49

führungen ein erster Hauptteil über "Magie, Medizin und Wundercharis-


matikertum in der Umwelt des NT' vorangestellt, der ohne Anspruch auf
Vollständigkeit und getrennt nach Hellenismus und antikem Judentum ei-
nen repräsentativen Einblick in das zeitgenössische Umfeld der ntl
Wunderüberlieferung vermitteln und dabei eine Wahrnehmung aller
wichtigeren religionsgeschichtlichen Vergleichsstoffe in ihrem Kontext-
bezug gewährleisten soll. Dabei wurde mit dem in Kauf genommenen
Nachteil zwangsläufiger späterer Rückverweise bewußt der Weg einer
eigenständigen, für sich benutzbaren Darstellung gewählt. Zwei weitere
Hauptteile unserer Untersuchung wenden sich dann Jesus als Wundertä-
ter und der Bedeutung von Wundertaten für das frühe Christentum zu.

4.2. Methodische Vorüberlegungen zur historischen Urteilsfindung


Bei der historischen Rückfrage nach Jesus als Wundertäter, die ins-
besondere bei den ntl Wundergeschichten niemals zu völlig gesicherten
Ergebnissen wird führen können, lassen sich aufgrund einer Reihe un-
terschiedlichster Kriterien zumindest Wahrscheinlichkeitsurteile mit
hoher Plausibilität fällen.
a) Im Blick auf ihre geschichtliche Zuverlässigkeit sind Wort- und Er-
zählüberlieferungen über Jesu Wundertätigkeit mit unterschiedlichen
Maßstäben zu messen. Grundsätzlich gebührt den Logien der Vorrang,
wenn es um eine Erhellung der Wunderpraxis Jesu geht 3 . Obwohl auch
bei der Logienüberlieferung vielfach mit Gemeindebildungen gerechnet
werden muß, ist dort im Prinzip die Möglichkeit gegeben, daß authenti-
sche Aussagen Jesu über sein Wunderwirken durch bloße Wieder-
holung tradiert wurden und damit in ihrem ursprünglichen Wortlaut
weitgehend unangetastet blieben. Dagegen sind sämtliche Evangelienbe-
richte über Jesu Wundertaten von vornherein aus der Perspektive des
Erzählers gefaßt4 und zudem ihrer Form nach in erheblichem Maße

3 Vgl. Füller, Wunder Jesu 31-44; Pesch, Taten 20-28.137f.; Theißen,


Wundergeschichten 274-277; Gnilka, Jesus 119ff. Wenig überzeugend Petzke,
Wundertaten Jesu 184f.: Aus der Wort- und der Erzählüberlieferung seien
keine unterschiedlichen, sondern die gleichen - nämlich negativen - Schluß-
folgerungen in bezug auf die Historizität zu ziehen.
4 Treffend Lührmann, Kriterien 64f.: Bei der Frage nach dem Handeln Je-
su könne man nur bis zu der sprachlichen Gestalt zurückgehen, welche die
Tradenten dem Handeln Jesu gegeben haben. Bei der Verkündigung hingegen
"ist das Medium der Überlieferung mit dem Medium des Überlieferten iden-
tisch, so daß in der Überlieferung von Jesus das Wort Jesu erhalten sein
kann."
50 Stand der Forschung

vorgegebenen Mustern verpflichtet. Dies hat zur Folge, daß sie uns
"weniger einen Einblick in konkret beschriebene, individuelle Gescheh-
nisse als vielmehr das allgemeine Wissen von Jesus dem Wundertäter"
vermitteln 5 , ohne daß damit ein hoher historischer Wert einzelner Wun-
dererzählungen grundsätzlich ausgeschlossen wäre. Gleichzeitig impli-
ziert die Einsicht in eine sachliche Prävalenz und vergleichsweise höhe-
re Glaubwürdigkeit der Wortüberlieferung von vornherein eine erhebli-
che geschichtliche Skepsis gegenüber Erzählungen von solchen Wun-
dern Jesu, die nicht durch Jesuslogien abgedeckt sind, wobei in erster
Linie an die Naturwunder zu denken ist.
b) Sowohl bei den Logien- als auch bei den Erzählstoffen der ntl
Wunderüberlieferung haben jedem Versuch einer historischen Urteils-
findung möglichst exakte literar-, traditions- und formkritische Analysen
voranzugehen 6 . Diese methodischen Schritte lassen sich nicht einfach
überspringen 7 , allein die älteste erreichbare Gestalt einer Wundertradi-
tion kann überhaupt auf ihre Echtheit hin befragt werden. Kein Indiz für
eine von vornherein hohe Glaubwürdigkeit der Wundergeschichten in
den Evangelien ist deren im Vergleich mit hellenistischen Parallelen
relativ überschaubare Überlieferungsgeschichte bis zur literarischen
Fixierung hin 8 .
c) Für sämtliche Wundertraditionen aus den Evangelien ist eine mög-
lichst genaue Fixierung des Entstehungs- oder Überlieferungsmilieus
geboten. Nur bei ursprünglich in Palästina beheimateten Stoffen oder bei
Wunderpraktiken, die sich für das antike Judentum der Zeitenwende
plausibel machen lassen, kann überhaupt die Möglichkeit der Authentizi-
tät erwogen werden. Sofern bei einzelnen Wundergeschichten helleni-
stische Motivparallelen gegeben sind, spricht dies allerdings nicht
zwangsläufig gegen ein judenchristlich-palästinisches Überlieferungsmi-
lieu, da Palästina in ntl Zeit in erheblichem Maße hellenisiert war 9 .

s Gnilka, Jesus 122. Über Selbstberichte der Geheilten (Zeller, Wunder


und Bekenntnis 211 ff.) lassen sich nur Mutmaßungen anstellen.
6 Lentzen-Deis, Wunder Jesu 401f.; Kertelge, Überlieferung der Wunder
Jesu 175-177; Le'gasse, L'historien 129ff.; Weder, Wunder Jesu 27ff.
7 Gegen Mußner, Ipsissima facta 180.
8 Gegen Nielsen, Heilungstätigkeit Jesu 61f., der hier die rasante Entwick-
lung und die Komplexität der christologischen Traditionsbildung im frühen
Christentum deutlich unterschätzt.
9 Vgl. grundsätzlich Hengel, Judentum und Hellenismus, speziell unter
Wunderaspekten McCasland, Asclepios Cult in Palestine 221-227; Duprez,
Jesus et les dieux guerisseurs 57-127; M. Smith, Wine God in Palestine
815-829.
Methodische Vorüberlegungen 51

Wichtige Anhaltspunkte für das Uberlieferungsmilieu liefert die Lokalkolorit-


Forschung 10 . Gibt es in einzelnen Wundertraditionen solche Details, die
zwingend oder mit hoher Wahrscheinlichkeit nach Palästina weisen? Umge-
kehrt können einzelne Motive oder ganze Stoffe, die eindeutig nichtpalästini-
sche Verhältnisse voraussetzen, a priori keinen Anspruch auf Authentizität
erheben. Ergänzend zum Lokalkolorit ist bei bestimmten Begebenheiten der
ntl Wunderüberlieferung zu prüfen, ob sie sich unter zeitgeschichtlichen oder
chronologischen Gesichtspunkten überhaupt in der geschilderten Form abge-
spielt haben können.
Daneben kommt Schriftbezügen bei der Eruierung des Traditionsmilieus ein
hoher Stellenwert zu. Bei zum ältesten Traditionskern gehörigen LXX-Zita-
ten ist mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit dann eine von vornherein griechi-
sche Formulierung des betreffenden Stoffes gegeben, wenn die Septuaginta
hier vom Masoretischen Text abweicht. Umgekehrt deuten auf MT diff. LXX
rekurrierende Schriftbezüge oder Wortspiele sowie weitere Semitismen auf
eine aramäische Urfassung der entsprechenden Tradition hin. Solche in der
Forschung vielfach für palästinische Herkunft einzelner Wunderstoffe rekla-
mierten Semitismen 11 werden allerdings genauestens auf ihren Wert und ihre
Beweiskraft hin zu befragen sein, zumal hier auch die Möglichkeit von "Sep-
tuagintismen" in Rechnung zu stellen ist.

d) Bei den Logien stellt nach wie vor das Differenzkriterium, er-
gänzt durch das auf ihm basierende Kohärenzkriterium, das methodisch
zuverlässigste Instrument zur Bestimmung authentischer Jesustradition
dar. "Einigermaßen sicheren Boden haben wir nur in einem einzigen Fall
unter den Füßen, wenn nämlich Tradition aus irgendwelchen Gründen
weder aus dem Judentum abgeleitet noch der Urchristenheit zuge-
schrieben werden kann ... ." 12 Wunderlogien, die mit zeitgenössischen
jüdischen Vorstellungen oder mit nachösterlichen christlichen Anschau-
ungen kohärent sind, können Jesus allerdings nicht automatisch abge-
sprochen werden. Die in diesem Falle vorausgesetzte völlige Dissimila-
rität zwischen den Anschauungen Jesu und denjenigen des antiken
Judentums oder des frühen Christentums stellt ein Postulat ohne zwin-
gende Beweiskraft dar.
e) Auf die Wundergeschichten ist das Differenzkriterium im Sinne
von "ipsissima facta Jesu" (F. Mußner) wegen der dort im Vergleich mit
der Wortüberlieferung andersgearteten Überlieferungsgesetzmäßigkeiten
nicht anwendbar 13 . Die rekonstruierte älteste Fassung einer Wunderge-
schichte ist unter dem Aspekt mit religionsgeschichtlichen Parallelen zu
vergleichen, ob sie in solchem Maße atl oder anderen vorchristlichen

10 Vgl. Le'gasse, L'historien 132f.; Theißen, Lokalkolorit 7-23.102-119.


11 Programmatisch beispielsweise bei Gutwenger, Machterweise Jesu 187.
12 Käsemann. Hist. Jesus 205.
13 Vgl. Kertelge, Wunder Jesu in der neueren Exegese 83; Kümmel, Je-
susforschung 279f.
52 Stand der Forschung

Vorbildern verpflichtet ist, daß sich eine sekundäre Übertragung auf


Jesus mit hoher Wahrscheinlichkeit nahelegt. Stilgemäßheit ist allerdings
nicht von vornherein mit Ungeschichtlichkeit gleichzusetzen, wie bei-
spielsweise der in Aufbau und Topik weitgehend anderen antiken Dämo-
nenaustreibungserzählungen entsprechende Augenzeugenbericht des
Josephus (Ant VIII,46-49) über den jüdischen Exorzisten Eleazar zeigt.
Formsprengende, atopische Elemente können auf historische Erinnerung
hindeuten, wobei in erster Linie an traditionelle Ortsangaben und mit
Vorbehalt auch an die Nennung beteiligter Personen bei ihrem Namen
zu denken ist 14 , während Berufsangaben recht zweifelhaft sind 15 . Wei-
tere in der Forschung als atopisch betrachtete und damit als historisch
reklamierte Details werden auf ihren Wert und auf nicht oder nur unzu-
reichend beachtete religionsgeschichtliche Parallelen hin zu prüfen sein.
Wenn sich eine ntl Wundergeschichte der Form oder Topik nach von
religionsgeschichtlichen Parallelen unterscheidet, kann dies im übrigen
auch auf bestimmten Überlieferungsinteressen christlicher Gemeinden
beruhen, ohne daß solchen formsprengenden Elementen zwangsläufig
historische Evidenz für Jesus selber zukäme.
f) Nur mit erheblichen Einschränkungen stellt Mehrfachüberlieferung
ein Indiz für ein hohes Alter und für potentielle Zuverlässigkeit eines
Stoffes dar. Grundsätzlich sagt eine derartige Überlieferungsbreite, wenn
sie von einer identischen Ausgangstradition abhängig ist, noch nichts
Zuverlässiges über deren historischen Wert aus 1 6 . Gerade bei den aus
anderen Gründen ohnehin recht glaubwürdig wirkenden syn Logienstof-
fen mit Wunderthematik ist allerdings auffällig, daß es sich überwiegend

14 Bei der mt wie lk Bearbeitung der Bartimäusgeschichte liegt eine se-


kundäre Streichung des Namens vor (Mt 20,29-34; Lk 18,35-43), die sich mög-
licherweise "mit dem Schwinden geschichtlicher Erinnerung" erklären läßt
(Gnilka, Mk-Ev II 111). Umgekehrt heißt der von Jesus am abgeschlagenen
Ohr geheilte Knecht (Mk 14,47) in Joh 18,10 plötzlich Malchus, das blutflüs-
sige Weib Mk 5,25ff. in den Pilatusakten Bernike bzw. Veronika (Act Pilati
VII), und die Syrophonizerin Mk 7,24-30 begegnet in den Pseudoklementinen
mit ihrem Kind als Justa und Bernike (PsClem, Hom ß 19,1; y73,2). Hier zeigt
sich mit der sekundären Namenserfindung (vgl. Bultmann, Syn Tradition
256L338) eine Tendenz, die auch für die vorliterarische Uberlieferungsge-
schichte der Jairus- und Bartimäuserzählung nicht grundsätzlich ausgeschlos-
sen werden kann.
15 Berufsangaben wie äpxiouvo<YWY°c; Mk 5,22 sind in Wundergeschichten
eher sekundär erfunden als historisch zuverlässig, z.B. galt der Mann mit der
verdorrten Hand Mk 3,l-6parr im Hebräerevangelium als Maurer (Hierony-
mos, Comm. in Mt 12,13, Text bei Aland, Synopse 158). Vgl. auch Bauer,
Leben Jesu 367f.
16 Vgl. die berechtigten Einwände von Pesch, Taten 136f.
Begriffsklärungen 53

um Doppelüberlieferungen handelt, die sowohl in der Logienquelle als


auch im vormk Traditionsbereich beheimatet waren, im Falle der Aus-
sendungsinstruktionen wahrscheinlich schon für Pls vorausgesetzt wer-
den können (1 Kor 9,14) und damit in jedem Falle recht alt sind. Ähnlich
signifikant ist die Überlieferungsbreite bei den Sabbatheilungstraditionen,
g) Selbst ein überwiegend negatives Ergebnis in bezug auf die Ge-
schichtlichkeit der ntl Wunderberichte würde noch nicht besagen, daß
die Erzählüberlieferung als ganze für die Erhellung des Wunderwirkens
Jesu wertlos ist. Auch die Art und Weise, in der man sekundär über
Jesus als Wundertäter dachte, hat indirekte historische Aussagekraft.
Zudem deutet das kaum auf Zensur zurückzuführende Fehlen von Wun-
dern aus dem Bereich des Demonstrations-, Liebes- und gegen Perso-
nen gerichteten Schadenszaubers in den ntl Evangelien darauf hin, daß
nicht wahllos Wundertraditionen auf Jesus übertragen wurden, sondern
sekundäre Gemeindebildung sich hier (anders dann in den apokryphen
Kindheitsevangeüen) innerhalb bestimmter, von historischer Erinnerung
abgesteckter Grenzen vollzog.

4.3. Begriffsklärungen

a) Wunder
Für besondere Machttaten Jesu und anderer antiker Personen, neben
Naturbeeinflussungen in erster Linie Dämonenaustreibungen, Kranken-
heilungen und Wiederbelebungen, hat sich der im NT mit Ausnahme von
Mt 21,15 nicht belegte Sammelbegriff Wunder (Sauna od. &auuäoiov =
miraculum) eingebürgert. Das neuzeitliche Axiom, daß es sich bei einem
Wunder um ein der kritischen Vernunft zuwiderlaufendes, die wissen-
schaftlich erfaßbare Naturkausalität durchbrechendes Ereignis handelt,
das nur supranaturalistisch erklärbar oder für fiktiv zu halten ist, ist
dem NT wie seiner Umwelt weitgehend fremd. Jenseits gezielter Refle-
xion über eine bestimmte naturgesetzliche Ordnung und deren Durch-
brechung stellt ein Wunder im biblischen Denken ein außerhalb des
Gewohnten liegendes Geschehen dar 17 . In diesem Sinne rufen die aus-
serordentlichen Taten Jesu als noch nie Dagewesenes in christologi-
schen Chorschlüssen Erstaunen oder sogar Entsetzen hervor (Mk
1,27; 2,12; 4,41) und gelten Mt 21,15 expressis verbis als Wunder. An-
sonsten dominieren im ntl Sprachgebrauch zur Umschreibung der Wun-
der Jesu oder christlicher Charismatiker die Begriffe Suvd[iEic, (Machtta-

17 Vgl. Vögtle, LThK X (1965) 1257


54 Stand der Forschung

ten), oT)(tEia (Zeichen) und Tepata (außerordentliche Erscheinungen 18 ).


Bei SuvänEic. steht dabei das Moment des personalen Machterweises im
Vordergrund, während orpEia für sich genommen die Zeichen der atl
Propheten (u.a. 1 Sam 2,34; 10,1-16) wachruft und in Verbindung mit
tEpata in deutlicher Bezugnahme auf das Exodusgeschehen (Ex 7,3;
11,9) die göttliche Urheberschaft solcher außergewöhnlichen, Verwunde-
rung erregenden Ereignisse betont.
In dieser Untersuchung wird der Begriff Wunder im überkommenen
Sinne als Sammelbezeichnung für außergewöhnliche, aufsehenerregende
Taten Jesu wie anderer Gestalten der Antike verwendet. Dieser Sprach-
gebrauch impliziert keine Vorentscheidung darüber, ob es sich bei ei-
nem sogenannten Wunder um ein rational erklärbares Ereignis oder um
ein tatsächlich die Naturkausalität durchbrechendes und somit entweder
supranaturalistisch zu interpretierendes oder für fiktiv zu haltendes
Geschehen handelt.

b) Magie, Goetie, Schamanismus


"Magic is a word with as many definitions as there have been studies
of it." Diese Feststellung von J. Middleton19 charakterisiert treffend das
bislang erfolglose Bemühen, eine allgemeingültige oder auch nur annä-
hernd konsensfähige Definition von Magie zu erzielen. Unterschiedliche
soziokulturelle, theologische oder wissenschaftstheoretische Standpunk-
te der an diesem Prozeß der Begriffsbestimmung beteiligten Personen
präjudizieren disparate Urteile über das Wesen von Magie und ihre
Beziehung zu Religion wie Wissenschaft. Ausgangspunkt für eine Um-
schreibung von Magie muß die Frage sein, was antike Zeugnisse erster
oder zweiter Hand expressis verbis unter ihr verstehen.

Bei Herodot zeichnen sich die [lötyoi durch mantische Fähigkeiten (Hist
1,107.120; VII, 19.37) und durch exorzistische Wetterbeeinflussung (VII,191)
aus, wobei jeweils Tieropfern Bedeutung zukommt (VII,113.191). Für die uäyoi
von Hippocr, Morb Sacr 1,1 Off., sind Sühneriten und Besprechungen gegen die
Epilespie sowie ebenfalls Wetterkontrolle typisch. Bei Plinius besteht Magie,
die in sich Züge von Medizin, Religion und Astrologie vereinigt (Hist Nat

18 Dem neuzeitlichen Wunderverständnis recht nahe kommt dabei Anstot,


Gen An IV,4 (770B), wo TEpac, als ein rtotpä (püoiv gerichtetes Ereignis gilt. -
In der Profangräzität begegnet vielfach auch irapäSo^ov für Wunder.
19 Middleton, Theories of Magic 82. Vgl. grundsätzlich zur Definition von
Magie ebda. 82-89; Segal, Hellenistic Magic 349-375; Luck, Arcana Mundi
3ff; H.D. Betz, Magic in Greco-Roman Antiquity 93-97; Ratschow, TRE 21
(1991) 686-691.
Begriffsklärungen 55

30,lf.), in erster Linie aus sympathetischen Krankenheilungstechniken (u.a.


Hist Nat 28,226-229.259f.). Apul, Apol 26, ist ein magus wesensmäßig dadurch
gekennzeichnet, daß er durch Kommunikation mit den Göttern über wirkungs-
mächtige Beschwörungskräfte verfügt. In den Zauberpapyri, wo uotY«« auch
exorzistischen Herbeiführungs- und Schadenszwang miteinschließt (PGM
IV,2449.2453), wird qualitativ zwischen niederen Magiern mit "Werkzeug"
und solchen uäyoi unterschieden, die sich allein eines Paredros bedienen
(PGM IV,2081ff.). Die Suda (s.v. poLytia) grenzt Magie als Anrufung guter
Dämonen (ETÜxXnoic; Sotiuövuv äyoi&oitoiSro) von Goetie ab.

Bei aller Vielfältigkeit des Bildes wird ein gemeinsamer Nenner er-
kennbar. Magie stellt in der Antike in erster Linie eine praktische Betä-
tigung mit dem Ziel dar, durch eine Zwangsbeeinflussung oder Inan-
spruchnahme von Gottheiten, Dämonen und Naturgewalten die Realisie-
rung bestimmter menschlicher Sehnsüchte oder Bedürfnisse zu betrei-
ben. Neben Mantik, Wetterkontrolle und Krankheitsbekämpfung als den
klassischen Betätigungsfeldern von Magie zählt grundsätzlich jede Art
von Begünstigungs- oder Schadenszwang zu ihrem Wiikungsbereich.
Maßgebliche Mittel zur Durchsetzung besagter Ziele sind neben Gebe-
ten, Opfern, Sühneriten und sympathetischen Techniken nicht zuletzt
auch Beschwörungsrituale.
Bei einer sachlichen Bewertung von Magie im Gegenüber zu Religion
und Wissenschaft war unter maßgeblichem Einfluß J.G. Frazers lange
Zeit die Tendenz vorherrschend, Magie von der Warte bestimmter Reli-
gions- und Wissenschaftstheorien aus als Aberglaube, Pseudowissen-
schaft oder dekadentes kulturelles Phänomen abzuqualifizieren. Demge-
genüber setzt sich in der Gegenwart zunehmend die Erkenntnis durch,
daß sich keine klaren Trennungslinien zwischen Magie und Religion oder
Magie und Wissenschaft ziehen lassen. Das Urteil darüber, ob jemand
Magier oder göttlicher Mensch, Scharlatan oder Wissenschaftler, Quack-
salber oder Arzt ist, wird entscheidend von seiner sozialen Reputation
und der Konformität mit dem vorherrschenden Religions- und Wissen-
schaftsverständnis mitbestimmt 20 .

20 Vgl. Aune, Magic 1510-1516; Crossan, Historical Jesus 305-310 (310:


"religion and magic, the religious miracle and the magical effect, are in no
way substantively distinct"), grundsätzlich zur Diskussion um die gegenwärti-
ge Bewertung von Magie in der Antike oder in "primitiven" Stammesge-
sellschaften die Beiträge in Kippenberg/Luchesi (ed.), Magie, und Petzoldt
(ed.), Magie und Religion. - Die traditionelle Bezeichnung der PGM als
"Zauberpapyri" wird in unserer Untersuchung beibehalten, ohne dabei die
implizierte, grundsätzlich negative Bewertung der dortigen Magie als Zauber
oder "Hokuspokus" zu teilen.
56 Stand der Forschung

Die Beziehung zwischen Magie und Religion war bereits in der Antike
umstritten21. Grundsätzlich kann man Magie nicht den Charakter von
Religion absprechen, da Magie maßgeblich mit der Beziehung zwischen
Mensch und Gottheit zu tun hat und sich in der Verwendung von Gebe-
ten oder Opfern wenn überhaupt, dann allenfalls unwesentlich von ande-
ren Arten der Religionsausübung unterscheidet22. Die theologische Ent-
scheidung über die Angemessenheit und Legitimität magischer Religi-
onsformen stellt allerdings nicht uneingeschränkt eine Frage des subjek-
tiven Standpunktes oder der gesellschaftlichen Machtstellung dar. Im
Gegensatz zu solchen Formen von Religion, die unter der Voraussetzung
einer prinzipiellen Unverfügbarkeit der Gottheit diese für sich gewinnen
oder versöhnlich stimmen wollen, stellt die Zwangsbeeinflussung von
Gottheiten ein maßgebliches Mittel magischer Religionsausübung dar 23 .
Neben dieser Tendenz zu meist synkretistischem Götterzwang, der
einer Durchsetzung von teilweise ohnehin fragwürdigen menschlichen
Wünschen dient, markiert die Vernachlässigung ethischer Gesichtspunk-
te, wie sie insbesondere im Bereich des Schadenszaubers zu Tage tritt,
ein entscheidendes Defizit bestimmter von Magie repräsentierten For-
men der Religionsausübung24. Magie stellt keineswegs zwangsläufig eine
problembehaftete oder negative Gestalt von Religion dar, tendiert aber in
einer Vielzahl ihrer Ausübungsarten in diese Richtung.
Ebensowenig, wie sich Magie aus dem Bereich von Religion ausgren-
zen läßt, kann ihr der Charakter von Wissenschaft abgesprochen wer-
den. Magie beruht auf bestimmten, dem Anspruch nach wissenschaftli-
chen Theorien über die verborgenen Kräfte der Natur und die Sym-

21 Während Plato die Magie des Zoroaster als 3-EÖV S-EpaitEia würdigt
(Ale 1,122A), Diog Laert 1,6 zufolge sich Magier mit dem Wesen und Ur-
sprung der Götter befassen und Apoll, Ep 17, der näyoc, als Antitypos des
SO-EOC, begegnet, gilt Plinius die Magie als degenerierte Form von Religion
(Hist Nat 30,lf.).
22 Vgl. Nock, Paul and the Magus 313-315; Graf, Prayer in Magic and
Religious Ritual 188ff.; Aune, Greco-Roman Prayer 787-795.
23 Vgl. die allerdings zu extreme Unterscheidung von Söderblom, The Liv-
ing God 35: "In religion man worships the deity. In magic man employs the
deity for his own ends." Im Gegensatz zu Magie mit ihrem Glauben an un-
beschränkte menschliche Macht beginnt für Söderblom höherentwickelte,
wirkliche Religion dort, wo der Mensch seine Ohnmacht gegenüber der Gott-
heit zu erkennen beginnt.
24 Vgl. H.D. Betz, Magic and Mystery 216. - Solche Kritik nimmt selbst-
verständlich die christliche Magie nicht aus, für die sowohl Schadenszwang
(PGM.S 59-62) als auch die massive Beschwörung Jesu, helfend einzugreifen
(PGM.S 36,13ff.), belegt ist.
Begriffsklärungen 57

pathetik des Weltalls und ist dabei eng mit Astronomie, Alchemie und
Pharmazie verbunden (Thessalos I Prooem; Plin, Hist Nat 30,2f; Apoll, Ep
52). Magie war in der Antike nicht allein maßgeblich an der Herausbil-
dung der Naturwissenschaften beteiligt 25 , sondern "funktionierte" auch
in nicht zu unterschätzendem Umfang nach gewissen Gesetzmäßigkei-
ten, wovon sich beispielsweise Galen im Falle magischer Krankenhei-
lungsanweisungen mehrfach überzeugen konnte (Gal XI,859f; XII,207).
Auf dem Gebiet der Krankheitsbekämpfung stellt allerdings eine entmy-
thisierte, konsequent rationale Medizin, die unter Zurückweisung supra-
naturaler Krankheitsätiologien den natürlichen Ursachen von Krankheit
nachgeht und die aus theoretischer Reflexion gewonnenen Heilungsmaß-
nahmen empirisch auf ihre praktische Tauglichkeit hin überprüft, eine
Magie gegenüber fortgeschrittene, höherentwickelte Form von Wissen-
schaft dar 2 6 .
Da naYEia/(iäYoc, bereits seit der nachplatonischen Zeit vielfach nega-
tiv besetzt ist, hat sich für Magie im positiven Sinne der aus sibirisch-
innerasiatischer Tradition stammende Begriff Schamanismus etabliert.
Die entscheidenden Funktionen des Schamanen sind die eines Medizin-
mannes, der die verlorengegangene oder von bösen Geistern geraubte
Seele des Kranken zu ihrem angestammten Platz im menschlichen Kör-
per zurückbringt und dadurch Heilung bewirkt, eines Priesters, der
durch Opferriten höhere Mächte versöhnt, und eines Totenführers, der
den Seelen der Verstorbenen Geleit ins Jenseits gibt 27 . Schamanen sind
in "primitiven" Stammesgesellschaften festetablierte, hochangesehene
Mittler zwischen Menschheit und Gott, die über besondere Kontakte zu
den Naturmächten verfügen und zur Kommunikation mit Tieren befähigt
sind, Dämonen als Hilfsgeister in Anspruch nehmen und sich vorüberge-
hend in ekstatischen Trancezuständen befinden, bei denen die Seele
losgelöst vom Körper auf Jenseitsreise geht. Der Sache nach können
antike Figuren wie Orpheus, Pythagoras oder Empedokles mit Schama-
nismus in Verbindung gebracht werden 2 8 . Als adäquate griechische

25 Vgl. zur Beziehung zwischen Wissenschaft und Magie in der Antike


G.E.R. Lloyd, Magic, Reason and Experience lOff. Empedokles vereinigte in
sich Züge eines Magiers und Wissenschaftlers, Pythagoras war ungleich mehr
ersteres als letzeres (vgl. Burkert, Weisheit und Wissenschaft 98-187; van
der Waerden, Pythagoreer 364ff).
26 Vgl. Edelstein, Greek Medicine 205-246.
27 Vgl. Eliade, RGG 3 V (1961) 1386-1388; ders., Art. Shamanism, The
Encyclopedia of Religion 13 (1987) 201-208.
28 Dodds, The Greek and the Irrational 135-178; Luck, Arcana Mundi
11-13; Burkert, Weisheit und Wissenschaft 124-142. Grundlegend wurde die
58 Stand d e r Forschung

Bezeichnung für den neuzeitlichen Begriff Schamane kommt neben


uaYoc, das ursprünglich einmal positiv besetzte Wort Y°1?. in Betracht,
das allerdings in spätantiker Zeit uneingeschränkt zu der schon im klas-
sischen Griechisch vielfach bezeugten, diskreditierenden Bezeichnung
für solche Personen wird, die der betrügerischen Zauberei oder niede-
ren Magie bezichtigt werden 2 9 .

c) &ETOC ävijp

Der Begriff folbc, ävijp, seltener auch {teTbc, avdponroc., hat sich in der
Forschung als Bezeichnung für solche Personen der griechisch-römi-
schen Antike eingebürgert, die aufgrund besonderer charismatischer,
magischer oder wissenschaftlicher Befähigung über das allgemein-
menschliche Maß an Begabung herausragen 30 . Es handelt sich bei OEIOC.
ävfjp um einen in den einschlägigen Stoffen nur selten tatsächlich vor-
kommenden, übergeordneten Sammelbegriff für Gestalten, die ihrem
personalen Selbstanspruch nach oder in den Augen dritter Personen als
übermenschlich, göttlich inspiriert oder von einer Gottheit abstammend
gelten. Von daher zielt der Versuch, unter Verweis auf die nur wenigen
lexikalischen Belege von ÖEIOC, ävfjp das Vorhandensein einer in unter-
schiedlichen Schattierungen ausgeprägten antiken Gottmensch-Konzep-
tion in Frage zu stellen 31 , von vornherein ins Leere. Zu besagten Befä-
higungen eines feioc, ävrjp zählen nicht zwangsläufig32, aber in hohem
Maße Wundertaten, wobei sich die Figur des rtetbc, ävfjp mit der des

Kontinuität zwischen a n t i k e m und neuzeitlichem Schamanismus von Meuli,


S c y t h i c a 121-176, e r w i e s e n .
29 B u r k e r t , FOHZ 3 6 - 5 5 . Vgl. zu a b w e r t e n d e m Tfönc, für uä"foc, Luc, Alex
5; Dio C a s s i u s L X X V I I 18,4; Orig, Cels 1,68, zu Y O 1 ? als G e g e n s t ü c k des
G o t t m e n s c h e n Iambl, Vit Pyth X X X I I , 2 1 6 , zu Goetie als n i e d e r e r oder
s c h w a r z e r Magie Suda s.v. yor\Teia.
30 Vgl. H . D . B e t z , RAC XII (1983) 235ff., zur Forschungsgeschichte auch
M. Smith, Divine M e n 188ff.; Holladay, Theios Aner 1-43; Corrington, Divine
Man 1-58; Koskenniemi, Apollonios in d e r ntl E x e g e s e 6 4 - 1 6 4 .
31 O. B e t z , S o - c a l l e d "Divine M a n " 275-283 (den 2 7 6 , Anm.6 aufgeli-
s t e t e n OETOC, ävfjp-Belegen ist Apoll, Ep 4 8 , 3 , hinzuzufügen; zu ÖETOC,
ävöpcjnoc, vgl. u.a. Iambl, Vit Pyth XI,56); ähnlich Berger, Hellenistische
G a t t u n g e n 1229-1231.
32 G e g e n die u n e i n g e s c h r ä n k t e Gleichsetzung von ÖETOC, ävfjp und W u n -
d e r t ä t e r e r h e b e n T i e d e , C h a r i s m a t i c Figure lOlff.; Holladay, Theios Aner
236ff. u.ö., u n t e r V e r w e i s auf das Mosebild bei Philo und Josephus b e r e c h -
tigte Einwände, ohne daß dies allerdings gegen eine v e r e i n b a r u n g s g e m ä ß e
V e r w e n d u n g des Begriffes OETOC, ävfjp in oben beschriebenem Sinne spräche.
Begriffsklärungen 59

herausragenden Magiers, Schamanen und Arztes überschneidet und sich


namentlich bei Empedokles wie Apollonius die Beanspruchung einer
göttlichen Natur expressis verbis von Mantik, Magie und Kranken-
heilungen ableitet (Emped, Fragm 102.132L; Apoll, Ep 16f).
Durch weitreichende Schlußfolgerungen aus der dslbc. ävfjp-These und
dadurch provozierte Gegenentwürfe ist die Debatte über weite Strecken
ideologisch geprägt. Die Befürworter einer &EIOC, ävfjp-Konzeption leiten
aus ihr ein Verständnis der ntl Wundergeschichten als unhistorischer
Produkte hellenistisch-christlicher Religionspropaganda ab (R. Bultmann,
G. Petzke), stellen die Evangelien als aretalogische Biographien in den
Rahmen antiker ÖEIOC, ävijp-Viten (M. Hadas, M. Smith) oder sehen in
der &ETOC, ävijp- Christologie die maßgebliche Negativfolie der kanoni-
schen theologia crucis (R. Bultmann, D. Georgi, Th.J. Weeden). Im
Gegenzug sucht man die {kTbc, ävfjp-Konzeption durch Destruktion von
vornherein als Traditionshintergrund für das NT auszuschalten (CR.
Holladay) und schüttet dabei das Kind mit dem Bade aus. Hat es den
Moc, ävfjp als verbreiteten Typus in griechisch-römischer Zeit nicht
gegeben, dann erscheint die genuin jüdische Herkunft und Historizität
der ntl Wundergeschichten gesichert (O. Betz), die einsame Ausnahme-
stellung der Evangelien gegenüber hellenistischen Wundertäterbiogra-
phien gesichert (H.C. Kee) und Bultmanns Wunderhermeneutik die
sachliche Grundlage entzogen (K. Berger). In unserer Untersuchung
wird {teTbc, ävfjp im oben beschriebenen Sinne als Sammelbezeichnung
für antike Wundertäter mit übernatürlichem oder göttlichem Status ver-
wendet, ohne daß dies zwangsläufig ein historisches Urteil über die ntl
Wundergeschichten oder eine Ableitung der Evangeliengattung aus der
aretalogischen Biographie impliziert.

d) Exorzismus
In der theologischen Wissenschaft hat sich ein Sprachgebrauch eta-
bliert, der Exorzismen und Dämonenaustreibungen fast uneingeschränkt
gleichsetzt 33 . Dies ist aus doppeltem Grunde unsachgemäß. Exorzismen
beschränken sich keineswegs auf Dämonenaustreibungen, und nicht bei
jeder Dämonenaustreibung handelt es sich um einen Exorzismus.

33 Vgl. Theißen, Wundergeschichten 94ff.; Thraede, RAC VII (1969) 44


(Unter Exorzismus sei "die rituelle Vertreibung böser und schädlicher Mächte
[Geister] aus bestimmten betroffenen Personen, Lebewesen und Gegenständen
mithilfe bindender Vergegenwärtigung überlegener Gegenkräfte" zu verste-
60 Stand der Forschung

Exorzismus leitet sich etymologisch von El;opxiQ|i6c. im Sinne magi-


scher Beschwörung ab. Die Verben öpxi^Eiv und E^opxif^Eiv (unter Eid
nehmen, beschwören) sind in der Antike stereotyp in den Zauberpapyri
sowie auf Defixiones oder Amuletten als Zeugnissen angewandter Magie
belegt. Dabei machen auf die Vertreibung von Krankheitsdämonen ab-
zielende Exorzismen nur einen verschwindend geringen Anteil dessen
aus, was tatsächlich an Beschwörung von Göttern oder Dämonen betrie-
ben wurde 3 4 . Umgekehrt muß sich die Vertreibung von Krankheitsgei-
stern nicht zwangsläufig durch Exorzismen vollziehen. Gesundheitsschä-
digende Geister können beispielsweise auch durch sympathetische
Techniken (z.B. Rauch, Schwefel, magische Gemmen) oder durch ver-
bale Praktiken ohne eigentliche Beschwörung (Katadesmos, Ausfahrbe-
fehl) zum Weichen gebracht werden. In Übereinstimmung mit diesen
antiken Gegebenheiten wird in unserer Untersuchung grundsätzlich
zwischen Exorzismus und Dämonenaustreibung unterschieden. Mit
Exorzismus ist jede Art der magischen Beschwörung von Gottheiten
oder Dämonen gemeint. Eine Dämonenaustreibung wird nur dann als
exorzistisch bezeichnet, wenn sie sich tatsächlich durch Beschwörung
des krankheitsverursachenden Geistes selber oder einer als Helfer in
Anspruch genommenen Gottheit vollzieht. Klare Evidenz hierfür ist bei
der Verwendung von (EFjöpxi^u-Formeln und von öpxoi oder E7i<jSai
gegeben.

hen); Böcher, TRE 10 (1982) 748 ("exorzistisch, d.h. durch Austreiben der
Krankheitsdämonen"). Deutlich differenzierter Pfister, RAC II (1954) 169f.
34 Beliebte Anwendungsbereiche von Exorzismen sind etwa Wetterbeein-
flussung (Clem Alex, Strom VI 31,2), Liebeszwang (PGM XXXVI,189ff.;
PGM.S 39,1.7) oder Schädigung von Feinden (PGM LXVI; PGM.S 54,4.30).
III. Magie, Medizin und Wundercharismatikertum
in der Umwelt des NT

1. Hellenismus
1.1. Wissenschaftliche Medizin
Die wissenschaftliche griechische Medizin sah sich in der Tradition
des Asklepios und seiner Söhne Machaon und Podaleirius, die bei Ho-
mer wie ihr Vater als Ärzte begegnen (Ilias XI,833). Spätestens seit dem
6.-5.Jhdt.v.Chr. gelten in Griechenland Ärzte mit dem Implikat als
Asklepiaden, daß sie ihre Heiikunst Asklepios verdanken und Nachfahren
dieses Heilgottes und seiner Söhne sind1. Vermutlich haben an ver-
schiedenen Orten, insbesondere Kos, Knidos und Rhodos (vgl. Gal
X,5f.), ansässige Asklepiadengeschlechter die Heilkunst zunächst nur
innerhalb der eigenen Familie von Generation zu Generation weiterge-
reicht. Bei Formulierung des hippokratischen Eides, der ausdrücklich
eine Weitergabe medizinischer Kenntnisse an nicht zur leiblichen Nach-
kommenschaft gehörige Personen voraussetzt, hat man sich die Askle-
piaden als eine Ärztezunft oder -gilde vorzustellen 2 . Die Heilfertigkeiten
der Asklepiaden scheinen sich dabei anfangs auf Wundversorgung und
pharmakologische Praktiken beschränkt zu haben 3 .

1.1.1. Die Begründung wissenschaftlicher Heilkunst durch Hippokrates


Als bedeutendster der Asklepiaden gilt Hippokrates, der um 460v.Chr.
als Abkömmling einer Ärztefamilie in Kos geboren wurde 4 , als
erster überhaupt die Medizin von der Philosophie getrennt und damit als

1 Vgl. die 'AoxXnTuäSai-Befunde bei Edelstein/Edelstein, Asclepius I


104-107; zum Ganzen Edelstein/Edelstein, Asclepius II 54ff.
2 Vgl. Deichgräber, Ärztliche Standesethik 100-103.
3 Vgl. Plato, Res Publ III 407E-408A; Cels, Med Prooem 3; Gal V,869f.
Zum Ganzen auch Kudlien, Beginn des medizinischen Denkens 31ff.
4 Soran, Vit Hippocr 1 (vgl. zum Quellenwert Deichgräber, Epidemien
147-149; Krug, Heilkunst 40f.). Als Asklepiade aus Kos gilt Hippokrates
bereits bei Plato, Prot 311B; Phaedr 270C (vgl. zur Bedeutung von Phaedr
270C für die Eruierung authentischer Hippokratesschriften Joly, Zeugnis 52ff.).
62 Magie, Medizin und Wunder im Hellenismus

selbständige Wissenschaft etabliert haben soll (Cels, Med Prooem 8) und


zudem als Begründer der diätetischen oder klinischen Medizin angese-
hen wird (Strabo XIV2,19; Plin, Hist Nat 29,4) 5 . Seit frühhellenistischer
Zeit wird unter dem Namen des Hippokrates ein Corpus von letztlich
über sechzig Schriften medizinischen Inhaltes tradiert 6 , deren Überlie-
ferungsgeschichte und Authentizität in der Mehrzahl der Fälle kaum
noch mit letzter Sicherheit aufzuhellen ist 7 .

Für die Eruierung authentischer Hippokratesschriften sind nach wie vor die
Untersuchungsergebnisse von K. Deichgräber maßgebend, der durch einen
Vergleich mit inschriftlichem Material überzeugend herausarbeitete, daß
Hippocr, Epid I und III, als älteste der sieben Bücher über die Epidemien
höchstwahrscheinlich ebenso auf Hippokrates persönlich zurückgehen, wie dies
auch für die Epid I.III nahestehende Schrift Prognostikum der Fall ist 8 . Zwei
weitere Gruppen der Epidemienbücher, nämlich Epid II.IV.V1 (Anfang 4.Jhdt.
v.Chr.) und Epid V.VII (um 360v.Chr.), lassen sich gemeinsam mit einem brei-
ten Kreis sachlich korrespondierender Schriften mit hoher Plausibilität der
koischen Asklepiadenschule zuordnen und stehen inhaltlich unmittelbar in der
Tradition von Hippokrates , sind also zumindest der Sache nach "authentisch".
Darüber hinausgehend hat H. Grensemann im Zuge des negativen Ausschluß-
verfahrens innerhalb des Corp Hippocr zahlreiche Partien oder Schichten eru-
iert, die aller Wahrscheinlichkeit nach auf die mit den Asklepiaden von Kos
konkurrierende Ärzteschule der benachbarten Halbinsel Knidos zurückgehen
und vermutlich die ältesten Teile des Corp Hippocr überhaupt darstellen .

Bei aller Disparatheit hinsichtlich Form, Inhalt und Entstehungszeit


seiner Einzelschriften repräsentiert das Corp Hippocr eine streng wis-
senschaftliche Medizin, die in die drei Hauptdisziplinen Diätetik (im
Sinne einer Regelung der gesamten Lebensweise, nicht allein der Er-
nährung), Pharmakologie und Chirurgie zerfällt. Dabei ist neben weitrei-

5 Die dortige Behauptung, Hippokrates habe die diätetischen Anweisungen


von den Votivtafeln am Asklepieion abgeschrieben, werden freilich durch die
archäologischen Befunde als Fiktion entlarvt, denenzufolge das Asklepieion
erst nach dem Tod des Hippokrates begründet wurde, s.u. III.1.2.3.
6 Ein Gesamtverzeichnis der hippokratischen wie pseudohippokratischen
Schriften und ihrer Editionen bietet Fichtner, Corpus Hippocraticum 9ff. Zu-
dem erleichtern zwei Indices die Erschließung des Corp Hippocr (Maloney/
Frohn, Concordantia in Corp Hippocr; Kühn/Fleischer, Index Hippocraticus).
7 Vgl. zur Forschungsgeschichte Diller, Hippokratesforschung 2 9ff.;
Deichgräber, Epidemien 173-185 (Nachtrag).
8 Deichgräber, Epidemien 9-23. W.D. Smith, Hippocratic Tradition 44-60,
hält hingegen Hippocr, Vict, für authentisch.
9 Deichgräber, Epidemien 24-146. Vgl. zur koischen Asklepiadenschule
Sherwin-White, Ancient Cos 256-289.
10 Grensemann, Knidische Medizin I 46ff.; ders., Knidische Medizin II llff.
Vgl. auch Lonie, Knidische Schriften 83ff.; Diller, Hippokratesforschung 42f.
Wissenschaftliche Medizin 63
chenden praktischen Erfahrungen in der Therapie auch ein hohes Maß
an theoretischer Reflexion über die Krankheitsursachen erkennbar. Im
Hinblick auf die strenge Abgrenzung von magisch-kathartischen Heil-
praktiken kommt der höchstwahrscheinlich nicht von Hippokrates selber
abgefaßten, aber wohl noch im 5.Jhdt.v.Chr. entstandenen Schrift De
morbo sacro11 zentrale Bedeutung zu, da die hier erstmals vom streng
rationalen Standpunkt aus vollzogene Bekämpfung supranaturaler Epilep-
sieätiologien für das gesamte medizinische Denken der Folgezeit rich-
tungsweisend wurde, ohne allerdings volkstümliche Behandlungsmetho-
den dauerhaft wirkungslos machen zu können.

Exkurs: Die "Heilige Krankheit" und ihre Behandlung


Die meist auf dämonische Besessenheit zurückgeführte Epilepsie galt
in der Antike grundsätzlich als die "heilige" oder "große Krankheit" 12 .
Die Erklärungen für das Zustandekommen dieser Bezeichnungen diffe-
rieren.
Hippocr, Morb Sacr, zufolge propagierten in erster Linie "Magier und Ent-
sühner" (uaYoi TE xai xa&apxati 1,10; vgl. Philo, Spec Leg 111,101) die Epilepsie
aus Hilflosigkeit ihr gegenüber als heilige Krankheit (I,10f.) und sahen in
sämtlichen Erscheinungsformen des Leidens bestimmte Götter am Werke
(1,32ff.). Aretaios hingegen erklärt sich die Bezeichnung lEpij tiäön dahinge-
hend, daß die Epilepsie auf eine Versündigung gegen den Mond zurückgeführt
wurde. Alternativ komme die Größe des Leidens (vgl. Plato, Tim 85A-B), die
als gottgewirkt erscheinende Heilung davon sowie der Glaube an seinen
dämonischen Ursprung oder alles zusammen für das Zustandekommen des
Namens "heilige Krankheit" in Betracht (Aret III 4,2).

Diese supranaturalen Epilepsieätiologien führten dazu, daß neben diä-


tetisch-pharmakologischen Behandlungsmethoden auch kathartischen
Riten und sympathetischen Praktiken ein maßgeblicher Stellenwert zu-
kommt. Die Magier und Eritsühner von Hippocr, Morb Sacr, führten

11 Vgl. zur Stellung von Morb Sacr innerhalb des Corp Hippocr Deichgrä-
ber, Epidemien 123-127 (Es handele sich um eine vor 400v.Chr. entstandene
Schrift, deren Autor in sachlicher Nähe zu den älteren Epidemiebüchern ste-
he, ohne mit einem von deren Verfassern identisch zu sein), und Grensemann,
"Über die heilige Krankheit" 7-27, der vereinzelte Bezüge zu knidischen
Lehrsätzen ausmacht. Anders etwa Pohlenz, Hippokrates 31-35.79, der von
Authentizität der Schrift ausgeht.
12 Hippocr, Morb Sacr 1,1 u.ö. (icpfj vöooc;); Aret III 4,4 (iEprj näO-n):
Cels, Med III 23,1 (morbus ... qui comitialus vel maior nominatur). Vgl.
Temkin, Falling Sickness 6ff.
64 Magie, Medizin und Wunder im Hellenismus

Epilespie auf Schuld ((tiaö(ia), Plagegeister (äXäcsropai) oder menschli-


chen Schadenszauber zurück und suchten sie mit Sühneriten und Be-
sprechungen (xadapnoTöi TE xp£uvtai xat ETtaoiSrjöü unter Verwendung von
Blut zu heilen (I,39f.) 13 . Blut galt überhaupt als eines der wirkungsvoll-
sten Mittel gegen Epilepsie, wobei neben seiner reinigenden oder süh-
nenden Wirkung auch der Aspekt der Kraftübertragung eine entschei-
dende Rolle spielte.

Cels, Med III 23,7, erwähnt als "klägliches Mittel" (miserum auxilium) ge-
gen die Epilepsie das Trinken des noch warmen Blutes eines getöteten Gladi-
ators (vgl. Scrib Larg, Compos 17; Plin, Hist Nat 28,4; Tert, Apol 9,10).
Aretaios will sogar persönlich gesehen haben, wie Epileptiker das Blut eines
gerade Erstochenen in einer Schale auffingen und zu sich nahmen (eÖEnoäuriv
8E avdpÜTtou VEoa<paYE°S ÜTtodEviac; <piäXnv t ö rpüuaxi xai äpuootuEvouc, tou
atuaroc; TtivovTac. Aret VII 4,7). Gefallene Epileptiker wurden durch Bestrei-
chen des Mundes oder der Füße mit Blut wieder aufgerichtet (Plin, Hist Nat
28,43.83).

Über Blut hinaus wurden in der volkstümlichen Medizin mit magi-


schem Einschlag zahlreiche weitere Rezepte gegen Epilepsie empfohlen.
Kallimachos, Aitia III (Fragm 75), ist von Krankheitsübertragung auf
Ziegen die Rede. Diosc, Mat Med II 56, überliefert ein sympathetisches
Ritual unter Verwendung von Schwalben 14 . Aret VII 4,7f. bezeugt den
Genuß von Geierhirn, rohen Möwenherzen, Wieseln und selbst von
Menschenleber als beliebtes Mittel bei Epilepsie. Nicht zuletzt Plinius
überliefert vielfältige volkstümliche Praktiken gegen den comitialus

13 Grundsätzlich besteht kein Anlaß, sich das Hippocr, Morb Sacr, vermit-
telte Bild von den "Magiern und Entsühnern" als inkompetenten Quacksalbern
und Scharlatanen unkritisch zu eigen zu machen. Es hat sich um Personen mit
medizinischen Kenntnissen aus dem Bereich der Diätetik (Morb Sacr I.lOff.)
und mit vermutlich ähnlich hoher Reputation gehandelt, wie sie Epimenides,
Pythagoras oder Empedokles als xtt&aprou genossen. Der gelegentlich mit
Hippocr. Morb Sacr I,39f., in Verbindung gebrachte Menekrates Zeus
(4.Jhdt.v.Chr.), der zahlreiche Personen von der "heiligen Krankheit" heilte
und im Gegenzug dazu verpflichtete, ihm in Götterverkleidung als himmli-
scher Hofstaat zu dienen (Athen, Deipnosoph VII,289AB, vgl. dazu Weinreich,
Menekrates Zeus 4ff.), verfaßte ein wissenschaftliches Werk über die Heil-
kunst (Anon Lond 22) und gilt in der Suda (s.v. MEVExpatnc,) als Lottpöc,.
14 "Die Jungen der Schwalbe (XEXISÜV) aus der ersten Brut schneide bei
wachsendem Monde auf, und du wirst im Magen Steine finden (vgl. Plin, Hist
Nat 11,203; 21,91). Von diesen nimm zwei, einen bunten und einen schlichten,
gib sie, bevor sie die Erde berührt haben, in die Haut von einem Kälbchen
oder Hirsch und binde sie an den Arm oder Nacken, so wirst du den Epilep-
tikern Hilfe bringen, oft aber wirst du sie auch ganz heilen."
Wissenschaftliche Medizin 65

morbus, deren Herkunft aus dem Bereich der antiken Magie er teil-
weise ausdrücklich hervorhebt 15 . Hist Nat 28,99 zufolge empfehlen Ma-
gier (28,92) bei Epilepsie die Aufbewahrung des Rückenwirbels von
Hyänen. Epileptikern werde Ziegenfleisch, auf dem Scheiterhaufen eines
Menschen geröstet, verabreicht, wie die Magier es wollen (Hist Nat
28,226: ut volunt magi). Zudem träufelten die Magier Ziegenhirn, durch
einen goldenen Ring getrieben, den Kindern gegen Epilepsie ein (Hist Nat
28,259). Darüber hinaus finden sich bei Plinius zahlreiche volkstümliche
Epilepsierezepte, die der Sache nach magisch sind 16 .
Auch bei den gegen Epilepsie verwendeten magischen Gemmen oder
Amuletten im ersten Buch der Kyraniden (Kyr 113,16-22; 117,15-17;
119,9-17) sind neben pharmakologischen Aspekten sympathetisch-okkulte
Kraftvorstellungen von großer Bedeutung. Die Wirksamkeit der Gem-
men hängt davon ab, daß sie aus einer Pflanze, einem Vogel, einem
Fisch und einem Stein hergestellt sind, deren Namen jeweils mit dem
gleichen Buchstaben anfangen und die als Repräsentanten der vier Ele-
mente Erde, Luft, Wasser, Feuer fungieren. Auf diese Weise ist eine
Aktivierung der verborgenen Kräfte des gesamten Universums gewähr-
leistet.

* * *

Demgegenüber erweist sich für den Verfasser von Morb Sacr die Epi-
lepsie in nichts göttlicher als alle übrigen Leiden und ist wie jede Art
von Krankheit auf natürlichem Wege rein medizinisch heilbar, ohne daß
es magischer Praktiken oder Sühneriten bedürfte (XIII,13; XVlII,l-2.6).

15 In Hist Nat 28-32, mit einem Übergewicht an magischen Rezepten eine


der wichtigsten Quellen für die antike medicina magica schlechthin, ist Pli-
nius in hohem Maße von den verlorengegangenen Heilmittellehren des Anaxilaos
und des Xenokrates, der wegen seiner magischen Tendenzen von Galen heftig
kritisiert wurde (Gal XI,793), abhängig. Vgl. zur Quellenlage in Plin, Hist
Nat 20-32, Hanslik, PRE 41 (1951) 341-392. Die Belege für expressis verbis
magische Rezepte bei Plinius sind im Hist Nat-Index von Schneider, Bd. II
5-7 (s.v. magus) zusammengestellt.
16 So begegnen als Heilmittel gegen Epilepsie das Hirnwasser eines Toten
(Hist Nat 28,7), das Fleisch von Tieren, mit einem Pfeil erlegt, der bereits
Menschen tötete (28,34), oder ein Trank aus verbrannten Schwalben und
Wieseln (30,34). Vgl. ferner Hist Nat 28,63: Ein eiserner Nagel, dort einge-
schlagen, wo ein stürzender Epileptiker erstmals aufschlug, verschafft Be-
freiung von dieser Krankheit. Vermutlich ist hier an die Vertreibung eines die
Epilepsie verursachenden Dämons gedacht, denn Eisen galt als dämonenban-
nend (Tambornino, De antiquorum daemonismo 83; Hopfner, PRE 27 [1928] 326).
66 Magie, Medizin und Wunder im Hellenismus

Es handelt sich um eine bereits durch Fehlentwicklungen beim Embryo


entstehende Phlegmakrankheit, deren Ursache im menschlichen Hirn liegt.
Das Leiden beruht auf einer im Mutterleib unzureichend vollzogenen Reini-
gung des Gehirns von Feuchtigkeitsstoffen (V,l-6). Das aufgrund übermäßiger
Flüssigkeit im Hirn durch zu starke Kälte gekennzeichnete Phlegma, eine der
vier Körperflüssigkeiten in der hippokratischen Humoralpathologie, löst auf
seinem Weg durch den menschlichen Körper die Epilepsie aus, indem es zu
Absperrungen der Luftzufuhr und zu einer Erstarrung des warmen Blutes
kommt (VII,1-15).
Bei der Therapie geht es dementsprechend darum, den Idealzustand einer
ausgewogenen Mischung in der Beschaffenheit der Körpersäfte herzustellen,
wobei die überproportional vorhandene Körperqualität durch das ihr Feindli-
che aufgerieben werden soll. Im konkreten Falle bedeutet dies, daß die über-
mäßige Feuchtigkeit des Gehirns durch Zufuhr von Wärme bekämpft wird
und geeignete diätetische Maßnahmen zur Regelung des Verhältnisses von
Trockenheit und Feuchtigkeit, von Wärme und Kälte im Körper ergriffen
werden (XVIII,3-6) 17 .

1.1.2. Ärzteschulen um die Zeitenwende


a) Aretaios von Kappadokien und die Pneumatikerschule
Um die Zeitenwende lassen sich innerhalb der wissenschaftlichen, in
der Tradition des Corpus Hippocraticum stehenden Medizin18 drei Haupt-
strömungen unterscheiden, nämlich die Theoretiker (SoYuanxoi, XOYIXOI
o.a.), die Empiriker (EUTtEipixoi) und die Methodiker ([IE&OSIXOO19. Die

17 Vgl. zu dieser auf Eukrasie abzielenden "allopathischen" Therapie


Grensemann, "Über die heilige Krankheit" 101 f.
18 Hauptquellen für die wissenschaftliche Medizin des ntl Zeitalters sind
- neben dem kontinuierlich tradierten, teilweise auch kommentierten Corp
Hippocr - die Werke einschlägiger Ärzte, Pharmakologen oder medizinischer
Schriftsteller aus dem 1.Jhdt.n.Chr., und zwar in erster Linie Celsus, Scribo-
nius Largus, Aretaios, Dioskurides, Herodot als mutmaßlicher Verfasser der
pseudogalenischen Schrift Introductio sive medicus (Kudlien, Untersuchungen
zu Aretaios 1167f.), mit Einschränkung auch der ältere Plinius, der Hist Nat
20-32 maßgeblich auf der verlorengegangenen, auch von Diosc benutzten
Heilmittellehre des Sextius Niger basiert (Riddle, Dioscorides 14-19). Aus
dem 2.Jhdt.n.Chr. besitzt neben Rufus von Ephesus insbesondere Galen wegen
seiner Rezeption älterer medizinischer Tradition unschätzbare Bedeutung. Ein
hoher Quellenwert kommt zudem den späteren medizinischen Werken von
Marcellus Empiricus (4.Jhdt.), Oribasius (4.Jhdt.), Caelius Aurelianus
(5.Jhdt.), Alexander von Tralles (6.Jhdt.) und Paulus Aegineta (7.Jhdt.) zu,
die stark enzyklopädisch orientiert sind und zahlreiche alte Exzerpte oder
Rezepte des uns interessierenden Zeitraumes enthalten.
19 Vgl. Cels, Med Prooem 9ff., und bes. Gal 1,117: tpETc, S' eiotv EV larpixrj
aipEOEic,- rj TE TÖV XOYIXÖV xai TUV EuitEipixCiv xat TÖV UES-OSIXÖV.
Wissenschaftliche Medizin 67

oben skizzierte Schrift Hippocr, Morb Sacr, mißt neben praktisch erwor-
benem Wissen auch abstrakter Reflexion über die physiologischen Vor-
gänge und über die krankheitsverursachenden Fehlentwicklungen im
menschlichen Körper hohe Bedeutung bei und ist damit - wie auch
andere Schriften des Corp Hippocr - im Prinzip der theoretischen
Medizin (medicina rationalis) zuzurechnen, deren Erkenntnisinteresse
sich in der Folgezeit programmatisch auf vier Punkte richtete. Die The-
oretiker wollten möglichst viel über die verborgenen wie die offenbaren
Krankheitsursachen, über die natürlichen Verrichtungen des Körpers
und schließlich auch über seine innere Beschaffenheit in Erfahrung
bringen, wobei letzteres die Autopsie und insbesondere in Alexandria
sogar die Vivisektion einzelner zum Tode verurteilter Verbrecher mit-
einschloß (Cels, Med Prooem 13-26).
In der ersten Hälfte des l.Jhdt.n.Chr. vollzog sich unter Einfluß
der mittleren Stoa eine Weiterentwicklung der theoretischen oder
dogmatischen Medizin zur Pneumatikerschule 20 , als deren Begründer
Galen sogar den Stoiker Chrysipp ansieht (Gal VIII,631), die aber in
Wirklichkeit auf Athenaios von Attalia zurückgeht 21 . Eine der frühesten
wie wichtigsten Figuren der Pneumatikerschule überhaupt war Aretaios
von Kappadokien, der zu den herausragenden Ärzten des l.Jhdt.n.Chr.
zählt und erst in jüngerer Zeit zunehmend in seiner vollen Bedeutung
erfaßt wird, nachdem sich die von M. Wellmann etablierte und über
Jahrzehnte hin unangefochtene Spätdatierung des Aretaios in die Wende
von zweiten zum dritten Jahrhundert als nicht länger aufrechtzuerhalten
erwies.

Dioskurides, der um 60 - 7 8 n . C h r . s c h r i e b 2 2 , zitiert A r e t a i o s in Simpl


Med II 119,2 ("ApETaToc; EV TOTC; VEtppmxoTc, EYpaiJiEv). M . Wellmann, der
b e r e i t s unabhängig von d e r zunächst für pseudepigraph gehaltenen Diosku-
ridesschrift Simpl Med eine Datierung von Aretaios in die Zeit nach Galen
etabliert h a t t e 2 3 , e r k l ä r t e s p ä t e r b e s a g t e Stelle Diosc, Simpl M e d II 119,2, zur
C l o s s e , nachdem er zur Einsicht in die Echtheit der Schrift gelangt war .
Daß diese Beurteilung des A r e t a i o s z i t a t e s als Glosse ohne hinreichende

20 Vgl. G a l VIII,642: ä p E o x o v t a i Yäp OUTOI TtävTEC, oi TtvEuuaTixoi xaXoü-


UEVOI TOTC, ä i t ö rrjc, OTOSC, SÖYuaoiv.
21 Vgl. zu den Ursprüngen der Pneumatikerschule Wellmann, Pneumat.
Schule Sff.; Kudlien, U n t e r s u c h u n g e n zu Aretaios 1177ff.
22 Vgl. zur Datierung Riddle, Dioscorides 13f.
23 W e l l m a n n . Pneumat. Schule 2 3 - 6 4 , b e s . 63f.
24 Wellmann, Die Schrift des Dioskurides Ilspi ärrXöv <papuäxuv 3 8 - 4 0 ;
vgl. Dioskurides ed. W e l l m a n n Bd. III 298, zur Diskussion um die Echtheit
von Diosc, Simpl Med, auch Riddle, Dioscorides XXVIf.
68 Magie, Medizin und Wunder im Hellenismus

Anhaltspunkte bleibt und zudem weitere gewichtige Indizien für eine Wirk-
samkeit des Aretaios in der Mitte des l.Jhdt.n.Chr. sprechen, hat F. Kudlien
1965 überzeugend herausgearbeitet 2 5 . Während sich die von Diosc, Simpl Med
II 119,2, her ohnehin naheliegende Datierung des Aretaios in die Mitte des
l.Jhdt.n.Chr. in Philologen- und Medizinhistorikerkreisen durchgesetzt hat,
zeigen sich theologische Werke völlig unberührt davon 26 .

Die besondere Hochachtung des Aretaios gegenüber der hippokrati-


schen Medizin kommt bereits in seinem schriftstellerischen Stil zum
Ausdruck. Aretaios schreibt in bewußter Imitation des Corp Hippocr im
ionischen Dialekt und versucht zudem auch durch verstärkte Rezitation
von Homer den Stil der hippokratischen Schriften nachzuahmen 27 .
Deutlich erkennbar ist bei Aretaios der Einfluß der Stoa auf die medizi-
nische Theoriebildung. Neben der stoischen Lehre von der eingepflanz-
ten Wärme (E[KPUTÖC, #Epnr|)28 spielt dabei das Pneumaverständnis
der Stoa eine entscheidende Rolle 2 9 . Chrysipp zufolge zirkuliert das
stofflich gedachte Pneuma, von dem menschlichen Herzen als seinem
Zentralsitz (SVF II897) ausgehend, durch den gesamten Organismus
(SVF II 826,8-10). Diese Vorstellung vom Pneuma als derjenigen sub-
stantiellen Kraft, die den menschlichen Körper durchflutet und belebt,
ist auch bei Aretaios wirksam. Das gesamte körperliche wie seelische
Wohlbefinden des Menschen wird von der sachgemäßen Beschaffenheit
des Pneuma bzw. der ihm zugerechneten Qualitäten Wärme, Kälte,
Feuchtigkeit und Trockenheit in Abhängigkeit gesehen. Gesundheit be-
ruht für Aretaios wie für die gesamte Pneumatikerschule auf einer
Spannung (TOVOC,)30 des Pneuma sowie auf einer harmonischen Mischung
(cpüoic. Euxparoc,) der ihm zugeordneten Grundqualitäten (vgl. bes. Aret
113,5). Umgekehrt stellt Krankheit grundsätzlich das Resultat einer Un-
ausgewogenheit, negativen Veränderung oder sonstigen Fehlentwicklung
im Pneuma dar.

25 Kudlien, Untersuchungen zu Aretaios 1162ff.; vgl. ders., Kleiner Pauly I


(1964) 529.
26 Kee, Medicine, erwähnt Aretaios mit keinem Wort, während er auf die
deutlich späteren Ärzte Rufus und Galen ausführlich eingeht. In der sechsten
Auflage des Bauer'schen Wörterbuches wird als Lebenszeit des Aretaios nach
wie vor das 2.Jhdt.n.Chr. angegeben (Bauer-Aland XIII).
27 Vgl. dazu Deichgräber, Aretaeus 19-29.
28 Aret IV12,3f. ; IV 13,9; VI 11,3 u.ö.; vgl. SVF II 410,19.
29 Vgl. zu Aretaios als Pneumatiker Wellmann, Pneumat. Schule 23ff.13lff.;
Kudlien, Untersuchungen zu Aretaios 1176ff.; Stannard, Philosophie Theory
30ff.; zum Ganzen auch Pohlenz, Stoa I 362f.
30 Aret 113,5; vgl. SVF 11471,31-33.
Wissenschaftliche Medizin 69

Im Falle der Epilepsie ziehen mangelnde Entfaltungsmöglichkeiten des ein-


geschlossenen Pneuma (Ttveuua EYxatEtpx-&Ev) die Krankheit nach sich (Aret
15,7). Ansonsten resultiert die krankheitsverursachende Verderbnis des Pneu-
ma auf einer unausgewogenen Mischung (Dyskrasie) der Elementarqualitäten
oder der eingeborenen Wärme (IV 12,4). Die Synanche beispielsweise, eine
Erscheinungsform der Angina, wird auf einen zu hohen Grad von Trockenheit
und Wärme des Pneuma zurückgeführt (Aret 17,2). Die Mehrzahl der Krank-
heiten gilt als Resultat einer übermäßigen Feuchtigkeit oder zu starken Kälte
im Pneuma 31 .

Diesen Krankheitsätiologien, denenzufolge sämtliche Leiden des


menschlichen Körpers durch eine negative Veränderung in der Beschaf-
fenheit des Pneuma hervorgerufen werden, tragen die von Aretaios
empfohlenen Behandlungsmethoden konsequent Rechnung. Grundsätzlich
geht es darum, durch geeignete Mittel die im Körper zu Krankheitser-
scheinungen führende Dominanz von übermäßiger Wärme, Kälte, Feuch-
tigkeit oder Trockenheit im Pneuma zu regulieren und letztlich eine
ausgewogene Mischung der verschiedenen Qualitäten zu bewirken. In
der Mehrzahl der Krankheitsfälle setzt die Therapie mit Blutentzug
durch Aderlaß und mit Verabreichung von Abführmitteln ein, bevor sich
diätetisch-pharmakologische und teilweise auch physiotherapeutische Be-
handlungsmethoden anschließen. Der Chirurgie im engeren Sinne kommt
dagegen eine eher untergeordnete Rolle z u 3 2 . Neben der festen Über-
zeugung des Aretaios, daß die Heilung von schwerer Krankheit letztlich
in göttlicher Hand liegt (Aret IV1,1), ist seine konsequente Absage an
jede Form magisch-sympathetischer Heilkunst bemerkenswert.

Dies zeigt sich insbesondere in den Ausführungen über die Kur der Epilep-
sie, wo Aretaios allein wegen der besonderen Schwere der Krankheit und der
daraus resultierenden Verzweiflung bei den Betroffenen auch mehrere ma-
gisch-volkstümliche Rezepte erwähnt, deren Wirksamkeit ihm freilich mehr
als zweifelhaft erscheint (Aret VII4,7f.). Mit dieser Haltung erweist sich
Aretaios als kompromißloser Vertreter der wissenschaftlichen hippokratischen
Medizin, während der von ihm abhängige, ebenfalls der Pneumatikerschule
zugehörige Archigenes (Anfang 2. Jhdt.n.Chr.) der magischen Pharmakologie
und der Verwendung von Amuletten gegenüber aufgeschlossen war .

31 Vgl. etwa die Ausführungen zu den Ursachen von Wassersucht (IV 1,2)
und Diabetes (IV2.1); zum Ganzen Wellmann, Pneumat. Schule 157ff. -
Speziell zum religiösen Wahnsinn Aret 1116,11 vgl. Kollmann, Mysterienweihe
bei Aretaios 252-257.
32 Aret VII 4,3 ist freilich bei der Therapie der Epilepsie, gegen die man
"große und sehr mächtige" Mittel zur Anwendung bringen muß, von einem
komplizierten chirurgischen Eingriff am Kopf die Rede.
33 Archigenes bei Alex Trall 1,15 (Puschmann Bd. I 561-563.567); Gal
XII,573-576. Vgl. auch Kudlien, Untersuchungen zu Aretaios 1171-1173.
70 Magie, Medizin und Wunder im Hellenismus

b) Die Empiriker
Nicht zuletzt extreme Strömungen in der theoretischen Medizin, un-
ter Vernachlässigung der praktischen ärztlichen Erfahrung den Schwer-
punkt auf philosophisches Spekulieren über die verborgenen Krank-
heitsursachen und die Physiologie des Körpers zu verlagern, evozierten
das Auftreten der Empiriker, über deren Entstehung differierende Tra-
ditionen überliefert sind 3 4 .

Quellenmäßig sind wir über die Empirikerschule und ihre Lehren fast aus-
schließlich durch deren Rezeption bei Nichtempirikern informiert. Neben
Cels, Med Prooem, und der pseudogalenischen Introductio kommt dabei insbe-
sondere den Galen-Schriften itEpt TTJC; iaTpixrjc, EuitEipiac; und Subfiguratio
empirica maßgebliche Bedeutung zu 3 5 .
Während Plinius den Ursprung der Empirikerschule in Sizilien bei Akron
von Akragas (5.Jhdt.v.Chr.) sieht (Hist Nat 29,5) 36 , gilt dem Verfasser der
Introductio Philonos von Kos (um 250v.Chr.) als Begründer der empirischen
Medizin (Gal XIV,683). Cels, Med Prooem 10, zufolge lehrte hingegen Sera-
pion von Alexandria (um 200v.Chr.) als erster, daß theoretische Lehren nicht
zur Heilkunde gehörten, sondern diese allein auf praktischer Erfahrung wie
auf Experimenten beruhe. Um die Zeitenwende hat die empirische Medizin
ihre wichtigsten Vertreter in Herakleides von Tarent, Apollonius von Kition
(beide 1.Jhdt.v.Chr.) und Zeuxis (um 50n.Chr.), die insbesondere durch ihre
umfassende Kommentierung von Hippokratesschriften hervortraten .

Gedanklich zeigt sich die empirische Medizin in hohem Maße vom


Skeptizismus geprägt 3 8 . Dessen grundsätzliche Zweifel an der Möglich-
keit objektiver menschlicher Erkenntnis wird von den Vertretern der
empirischen Medizin gegen das Axiom der Theoretiker geltend gemacht,
daß eine Reflexion über die verborgenen Krankheitsursachen und eine
Erkundung der Anatomie wie Physiologie des menschlichen Körpers un-

34 Vgl. dazu Wellmann, PRE 10 (1905) 2517; Deichgräber, Empiriker-


schule 2S4ff.
35 Die griechisch-römischen Fragmente der Empirikerschule einschl. einer
Rückübersetzung der nur lateinisch erhaltenen Galenschrift Subfiguratio
empirica ins Griechische bietet Deichgräber. Empirikerschule 37-249. Galens
Frühschrift TtEpi TTJC; iaTpixrjc, EUTtEipiac, (um 150n.Chr.) ist in einer englischen
Übersetzung aus dem Arabischen zugänglich (ed. R. Walzer).
36 Für Sizilien spricht zudem, daß der dortige Arzt Diokles aus Karystos
(Mitte 4.Jdt.v.Chr.) spekulative Krankheitsätiologien ablehnte und der Erfah-
rung Vorrang einräumte (Jaeger, Diokles von Karystos 37-40; Kudlien,
Probleme um Diokles 197f.).
37 Vgl. Deichgräber, Empirikerschule 258-263; W.D. Smith, Hippocratic
Tradition 211-215.
38 Vgl. Deichgräber, Empirikerschule 279-281; Edelstein, Skepsis 296ff.
Wissenschaftliche Medizin 71

abdingbare Aufgaben der wissenschaftlichen Medizin darstellten. Dem


wird mit einer doppelten Argumentationsstruktur entgegengetreten:
Gesicherte theoretische Erkenntnis läßt sich in der Mehrzahl der Fälle
von vornherein nicht erzielen, und selbst wo dies anders ist, kann der
Empiriker auf sie verzichten, da er bereits unabhängig von der Theorie
auf dem Wege der praktischen Erfahrung die notwendigen Kenntnisse
gewonnen hat.

So stößt die Erforschung der verborgenen Krankheitsursachen mit der Be-


gründung auf Ablehnung, daß die Natur unbegreiflich sei, wie sich bereits an
den differierenden, einander teilweise widersprechenden Krankheitsätiologien
der Theoretiker zeige (Cels, Med Prooem 27ff.). Zudem deckten sich speku-
lative. Allgemeingültigkeit beanspruchende Krankheitstheorien nicht mit der
praktischen Erfahrung, daß ein- und dieselbe Krankheit den lokalen Gegeben-
heiten entsprechend an verschiedenen Orten unterschiedliche Behandlungs-
methoden erfordere (Cels, Med Prooem 30). Selbst wenn hier gesicherte Er-
kenntnisse möglich wären, erwiesen sie sich für die empirische Medizin als
entbehrlich, da diese bereits eigenständig auf praktischem Wege die sachge-
rechte Therapieform erkannt habe (vgl. Gal X,104).
Ähnliche Skepsis wird gegenüber der Prämisse der Theoretiker geltend ge-
macht, eine Sektion von Verstorbenen oder noch Lebenden verhelfe zu gesi-
cherter Erkenntnis über die Anatomie und Physiologie des Körpers. Nichts sei
törichter als die Wahnvorstellung, im lebenden Körper seien die Teile ebenso
beschaffen, wie dies im sterbenden oder bereits toten Körper der Fall ist
(Cels, Med Prooem 42). Zudem sei die grausame Autopsie schon aus dem
Grunde nutzlos, daß ihre wenigen verwertbaren Ergebnisse ohne weiteres
auch bei der praktischen Behandlung Schwerstverwundeter Gladiatoren, Sol-
daten oder Verbrechensopfer gewonnen werden könnten (Prooem 43).

Positiv werden von den Empirikern als Quellen ärztlicher Erkenntnis


die eigene Beobachtung (aötoihia od. Tfjpnoic,, observatio) oder Erprobung
(itEipa, experimentum) sowie die lotopia im Sinne der geschichtlich
überlieferten, auf ihre Glaubwürdigkeit hin geprüften empirischen Er-
kenntnis früherer Mediziner anerkannt. Vervollständigt wird die Trias
durch das Analogieverfahren (f| TOU ö(ioiou uEtäpaoicJ, indem die aus
bestimmten Therapieerfahrungen gewonnenen Erkenntnisse auf neue,
ähnlich gelagerte Krankheitsfälle übertragen werden 3 9 . Die Heilkunde ist
nach Überzeugung der Empiriker ohnehin von vornherein aus Experi-
mentieren und Beobachten entstanden; wie ein Landwirt oder Steuer-
mann verdankt auch ein Arzt seine Qualifikation allein der praktischen
Erfahrung (Cels, Med Prooem 32f; Gal, nEpi TTJC; iaTpixrjc, EUTtEipiac, IX,2ff).

39 Vgl. zu diesen für die Empiriker maßgeblichen Erkenntnisquellen insbes.


Gal, Sub Emp Ulf. (Deichgräber, Empirikerschule 46-51.291ff.; Atzpodien,
Galens Subfiguratio Emperica 30-34.80ff.).
72 Magie, Medizin und Wunder im Hellenismus

Bei den Behandlungsmethoden kommt der Pharmakologie ein hervorge-


hobener Stellenwert zu.

c) Die Methodikerschule
Eine Mittelstellung zwischen Theoretikern und Empirikern nehmen
die Methodiker ein, die mit ihrer pragmatischen Vorgehensweise die
römische Medizin des 1. und 2.Jhdt.n.Chr. dominierten und von Galen
auf das entschiedenste bekämpft werden. Mit den Verfechtern der
theoretischen oder dogmatischen Richtung in der Medizin teilen die
Methodiker die Überzeugung, daß die Erfahrung nur einen beschränkten
Teil der Heilkunst ausmacht, da in der reinen Beobachtung der Erfah-
rungstatsachen zu wenig Wissenschaft stecke (Cels, Med Prooem 57:
parum artis esse in observatione experimentorum). Umgekehrt wird ge-
gen die Theoretiker geltend gemacht, daß die Heilkunde nicht auf Ver-
mutungen über verborgene Dinge beruhe. Vielmehr genüge es völlig, drei
allen Krankheiten gemeinsame Züge (communia morborum) zu beachten
und dabei zwischen akuten und chronischen Leiden zu differenzieren
(Prooem 54-56).
Ihre volle Ausprägung gewann die Methodikerschule unter Themison
(frühes l.Jhdt.n.Chr.) und Thessalos, einem Zeitgenossen Neros 4 0 . Als
ihr ideeller Begründer kann freilich, wie der Verfasser der pseudogale-
nischen Introductio mit Recht vermerkt (Gal XIV,684), der Bithynier
Asklepiades von Prusa, Lehrer des Themison (Plin, Hist Nat 29,6), gelten.
Da Asklepiades aufgrund seiner besonderen ärztlichen Befähigung,
welche die Wiederbelebung eines Totgeglaubten miteinschloß, als Ge-
sandter des Himmels verehrt wurde, ist seinen für die Methodiker in
gewissem Maße repräsentativen Krankheitstheorien und Behandlungs-
methoden im Zusammenhang mit dem antiken Gottmenschentum näher
nachzugehen (III.1.4.3.).

40 Vgl. zur historischen Bewertung der unterschiedlichen antiken Nach-


richten von der Gründung der Methodikerschule Edelstein, Methodists 173ff.
(dt. PRE.S 6 [19351 358-373). Der astrologisch-pharmakologische Thessalos-
brief (vgl. J.Z. Smith, The Temple and the Magician 172-189) ist pseudepi-
graph (gegen Reitzenstein, Mysterienreligionen 127ff.; Branham, Unruly
Eloquence 263f.).
Asklepiosheiligtümer 73

1.2. Asklepiosheiligtümer
1.2.1. Der Asklepiosmythos
Neben der säkularen wissenschaftlichen Heilkunst existierte in der
Antike eine weitverzweigte, religiös geprägte Tempelmedizin, wobei in
hellenistischer Zeit Asklepios den klassischen griechischen Heilgott
Apollo nahezu völlig verdrängt hat. Der in der Grundstruktur festgepräg-
ten, in den Details variierenden antiken Asklepioslegende zufolge han-
delt es sich bei Asklepios um einen Sohn von Apollo, der sich durch
besondere Heilfähigkeiten auszeichnete, dafür von Zeus mit dem Tod
bestraft wurde und anschließend in den Götterhimmel aufrückte.
Erstmalige Erwähnung findet Asklepios, den es historisch wohl nie
gegeben hat, bei Homer. Hom, Ilias IV,194, begegnet er als untadeliger
Arzt (&\i\)[uo\) ir|Tf|p), in Hom, Hymn 16,1-5, wird er als Arzt der Krank-
heiten und große Freude der Menschheit gepriesen und gilt als
Sohn der Königstochter Coronis und des Apollo, in dessen ärztlichen
Wirkungsbereich er in der Folgezeit zunehmend eintritt und dessen
Heilfunktion er schließlich vollends übernimmt. Einen festen Topos stellt
die medizinische Grundausbildung des Asklepios durch den Zentaur Chi-
ron dar 1 . Die ärztliche Wirksamkeit des Asklepios ist dabei durch eine
Verquickung magischer, chirurgischer und pharmakologischer Praktiken
gekennzeichnet (vgl. Pindar, Pythia 111,51-54) und schloß nach allgemei-
ner Auffassung die Heilung lebensbedrohlicher Erkrankungen bis hin zu
Totenerweckungen mit ein 2 . Die Legende besagt, daß Asklepios auf-
grund seiner außergewöhnlichen ärztlichen Fertigkeiten von Zeus durch
einen Blitzschlag getötet wurde, wobei die Begründungen im einzelnen
variieren. Meist gilt der Tod des Asklepios als Strafe dafür, daß er sich
gegen Entgelt dazu verleiten ließ, einen bereits dem Tode geweihten
Menschen wieder in das Leben zurückzuholen (Pindar, Pythia 111,55-58;
Plato, Res Publ III 408 B-C). Alternativ oder ergänzend wird der Tod des
Asklepios darauf zurückgeführt, daß sich der Hades wegen der stetig
zurückgehenden Zahl Sterbender bei Zeus über Asklepios beklagte
(Diod Sic IV71,4) oder daß Zeus befürchtete, Asklepios könne die Men-
schen dazu befähigen, sich ohne Inanspruchnahme göttlicher Hilfe selbst

1 Vgl. Hom, Ilias IV,218f.; Pindar, Pythia III,45f.; Apollodor. Biblioth III
10,3. Zahlreiche weitere Befunde bei Edelstein/Edelstein, Asclepius I 32-36.
2 Apollodor. Biblioth III 10,3, nennt die Namen von insgesamt sechs
Personen, die Asklepios vom Tode erweckt haben soll, darunter Hippolyt,
über dessen Erweckung Ovid ausführlich berichtet (Fasti VI,743ff.). An Kran-
ken soll Asklepios zu Lebzeiten u.a. Tobsüchtige (EUuavETcJ und Erblindete
(TutpXudEVTEC,) geheilt haben, vgl. Sext Emp, Adv Math 1,260-262.
74 Magie, Medizin und Wunder im Hellenismus

Rettung zu verschaffen (Apollodor, Biblioth III 10,4). Dem Mythos zu-


folge verbleibt Asklepios freilich nach seinem Tod nicht im Hades,
sondern der Blitzschlag zieht eine Apotheose nach sich, indem Asklepios
in die Reihen der Götter aufgenommen wird 3 .
Als Gottheit übt Asklepios nunmehr weiterhin die von ihm angeblich
bereits zu Erdenzeiten praktizierte Heilkunst aus, indem sich an spe-
ziellen, ihm geweihten Kultstätten Epiphanien (vgl. Strabo VIII 6,15)
vollziehen. Das älteste dieser Heiligtümer, an denen die Gottheit im
Schlaf erschien und Heilung brachte oder Ratschläge dazu erteilte, be-
fand sich im thessalischen Trikka 4 . Der hohe Stellenwert der Schlange
als Symbol des Asklepioskultes könnte darauf hindeuten, daß der Arzt
und Heilgott Asklepios in Trikka mit bereits dort ansässigen Erdgott-
heiten identifiziert oder verschmolzen wurde 5 .
Im Gegensatz zum Asklepieion in Trikka konnten die Asklepioshei-
ligtümer von Epidauros, Kos und Pergamon, denen nachfolgend unser
Augenmerk gilt, aufgespürt und freigelegt werden.

Die besondere Würdigung von Epidauros als unumschränkten Zentrum des


antiken Asklepioskultes versteht sich von selbst, zumal sich aufgrund der dort
aufgefundenen Stelen mit ihren Heilungsberichten die Quellenlage außerge-
wöhnlich günstig darstellt. Das Asklepieion von Kos verdient hervorgehobenes
Interesse, weil es aufgrund seiner Unabhängigkeit von Epidauros und seiner
engen Verflochtenheit mit der koischen Asklepiadenschule einen Sonderstatus
innehatte. Das Asklepiosheiligtum von Pergamon schließlich ist unter dem
Aspekt von herausragender Bedeutung, daß es im 1.-2. Jhdt. n.Chr. stark von
rationaler Medizin geprägt war und sein regelmäßiger Patient Aelius Aristides
in hohem Maße zur religiösen Verehrung von Asklepios als wahrem Retter
des Körpers und der Seele beigetragen hat.
Von den mehreren hundert bekannten weiteren Asklepioskultstätten des
Rom. Reiches 6 , in der Regel direkte oder indirekte Filialgründungen von
Epidauros, verdienen noch die Heiligtümer von Athen, Lebena und Rom
besonders hervorgehoben zu werden. Für Athen sind der komödiantischen

3 Vgl. zur Vergottung des Asklepios Edelstein/Edelstein, Asclepius II


91-101; Dölger, Heiland 248-250, jeweils mit zahlreichen Belegen.
4 Strabo 1X5,17: Tpixxn, OTTOU TÖ iEpöv TOÖ 'AaxXi|Ttiou TÖ äpxaiÖTarov.
Vgl. auch Kerenyi, Göttlicher Arzt 87ff.
5 Vgl. Herzog, Wunderheilungen 140-142. Umstritten ist, ob Asklepios
etymologisch als eidechsen- oder schlangenartiger Gott aufgefaßt werden
kann und damit bereits der Name selber auf eine chthonische Gottheit hin-
deutet, vgl. zur Diskussion Fauth, Kleiner Pauly I (1964) 645f.
6 Vgl. die Übersicht bei Thraemer, PRE 4 (1896) 1662-1677, sowie die
Quellenbefunde bei Edelstein/ Edelstein, Asclepius I 370-452. Im l.Jhdt.n.Chr.
dürfte der Asklepioskult auch in Palästina Fuß gefaßt haben, vgl. McCasland,
Asclepios Cult in Palestine 221-227.
Asklepiosheiligtümer 75

Schilderung des Aristophanes (Plutos 410-412; 633-747) wichtige Informatio-


nen über die Inkubationsmodalitäten und vorausgehende Opferpraktiken am
Asklepieion entnehmbar. Die inschriftliche Auflistung von Votivgaben deutet
- insbes. für das 3.Jhdt.v.Chr. - auf die Behebung von Augenleiden als
Schwerpunkt der Krankenheilungspraxis hin 7 ; zudem ist aus dem 2.Jhdt.n.Chr.
ein an Asklepios gerichtetes Gebet um Heilung von Fußgicht (iroSaYpa) über-
liefert (IG II 2 4514). Den Asklepieien von Lebena und Rom gebührt wegen
der für sie überkommenen, den Epidaurosinschriften vergleichbaren Heilungs-
berichte Aufmerksamkeit 8 .
Vermutlich unter Einfluß des Asklepioskultes (vgl. Tac, Hist IV 84,5) be-
saßen im Osten des Rom. Reiches Isis und Sarapis eine ähnlich hohe Reputa-
tion als Heilgottheiten, wobei sich hier die Quellenlage allerdings ungleich
ungünstiger darstellt (vgl. aber Artemidor 11,44; Ael, Nat An XI,31f.34f).
Isis gilt als Erfinderin zahlreicher Heilmittel, darunter eine Unsterblichkeits-
arznei. Sie soll ebenso wie Asklepios vielfältige Traumanweisungen zur
Heilung gegeben und dabei selbst schwerste Fälle (u.a. Verlust des Augen-
lichtes) kuriert haben, bei denen Ärzte versagt hatten (Diod Sic 125,2-7). Für
Sarapis verbürgt Strabo am Heiligtum von Canabos einen umfangreichen
Heilbetrieb mit Inkubationspraxis (Strabo XVII 1,17), wie er Tac Hist IV
81,1; Suet, Vesp VII,2; Diog Laert V,76 zufolge auch für das Sarapeion in
Alexandria charakteristisch war 9 .

1.2.2. Epidauros
Das unumschränkte Zentrum des antiken Asklepioskultes lag in Epi-
dauros, von wo aus ab dem 5. Jhdt.v.Chr. systematisch Filialgründungen
betrieben wurden. Strabo zufolge bezog Epidauros seinen Ruhm in er-
ster Linie aus der EititpävEia des Asklepios, dem die Heilung jeglichen
Leidens zugetraut werde und dessen Heiligtum immer voller Kranker sei
(TOU 'AOXXT)TUOU #Epa7t£ÜEiv VOÖOUC, TtavToSaitär, TTETCIOTEUIIEVOU, xai TÖ ispöv
TIXTJPEC. E'XOVTOC. äsi TÖV TE xau.v6vTüv VIII 6,15). Zudem erwähnt Strabo
Votivtafeln (irivaxEc,, vgl. W 1.3), auf denen die Heilungen festgehalten
seien (EV oiq ävaYEypamiEvai TUYX«VOUÖIV ai ÖEpaitEiai). Eine detaillierte
Beschreibung des Heiligtums verdankt sich Pausanias 10 , der um 165n.Chr.
Epidauros besuchte und nach eigenem Bekunden sechs Inschriftenplat-

7 Aleshire, Athenian Asklepieion 40-42, vgl. dies., Asclepios at Athens,


speziell zum dortigen Heilbetrieb auch Krug, Heilkunst 147-152.
8 Für Lebena auf Kreta handelt es sich um die teilweise aus dem 3.Jhdt.v.
Chr. stammenden Heilungsberichte W Leb 1-7 (Herzog, Wunderheilungen
52-57; W Leb 6.7. entspricht dabei SIG 3 1172.1171); für Rom sind vier Hei-
lungsberichte aus dem 2.-3.Jhdt.n.Chr. überkommen (SIG 3 1173).
9 Vgl. zum Sarapisheiligtum in Alexandria weitergehend unten III.1.4.6.
10 Paus II 26,1-27,5. Vgl. den Grundriß des ausgegrabenen Asklepieions in
IG IV,l 2 (Tab. 2) und die topographischen Angaben sowie die Abbildungen des
Heiligtums bei Voutsas, Epidauros llff.; Tomlinson, Epidauros 40ff.
76 Magie, Medizin und Wunder im Hellenismus

ten (öTijXai) vorfand, von denen früher eine noch größere Zahl existiert
habe. Auf diesen Stelen seien in dorischem Dialekt die Namen der von
Asklepios geheilten Personen, die Art der Krankheit und die näheren
Umstände der Heilung mitgeteilt worden (rauTaic, iyyBypa^niiva xai
ävSpuv xai yuvaixuv EOTIV övöiiara äxEadEVTUV ÜTIÖ TOU "AoxXr|7tiou, TtpoOETi
SE xai vööT)[ia o TI ExacsToc, EVÖÖT|OE xai ÖTKJC, id-&ir YEYpaTrrai SE cpüivfi TTJ
AupiSi Paus II 27,3). In seiner späteren Beschreibung von Halieis teilt
Pausanias ergänzend mit, daß Bewohner dieser Stadt auf den Stelen von
Epidauros erwähnt seien (II 36,1). Ab 1883 wurden dann bei Ausgrabun-
gen in Epidauros von den sechs Stelen, die Pausanias noch vorfand, drei
vollständig und eine weitere bruchstückhaft gefunden11. Der auf Stele
A mit 'Idirara TOU 'AiroXXwvoc, xai TOU 'AöxXaitiou überschriebene Inhalt
der insgesamt siebzig Wunderberichte deckt sich fast uneingeschränkt
mit den Angaben des Pausanias. Auf Stele B ist tatsächlich von der
Heilung eines 0EpoavSpoc; 'AXixöc. und einer damit zusammenhängenden
Filialgründung in Halieis die Rede (W 33).

Der Text der Stelen beruht im wesentlichen darauf, daß - dem paläogra-
phischen Befund zufolge im 4.Jhdt.v.Chr. 12 - zahlreiche der wohl hölzernen
TiivaxEC,, wie sie auch weiterhin Verwendung fanden (vgl. Strabo VIII 6,15) ,
auf Stein übertragen wurden. Bei diesem Vorgang ist eine deutliche Steige-
rung des Wunderhaften in Rechnung zu stellen, wie W 1 beweist. Dem dort
wiedergegebenen Wortlaut des Ttival; zufolge war ursprünglich lediglich davon
die Rede, daß eine gewisse Kleo nach fünfjähriger Schwangerschaft durch
Inkubation geheilt wurde. Der Redaktor der Stele hingegen weiß ergänzend
mitzuteilen, daß sie einen Knaben gebar, der unmittelbar nach der Geburt in
der Lage war, sich selbst zu waschen und herumzulaufen. Zudem bot sich bei
Anfertigung der Stelen die Möglichkeit, auch solche Wunder einfließen zu
lassen, die nicht durch TtivaxEC, als Vorlagen abgedeckt waren.

Daß in Epidauros tatsächlich Krankenheilungen vollzogen wurden,


kann trotz der legendarischen Ausgestaltung und der erbaulichen wie
propagandistischen Interessen der dortigen Heilungsberichte nicht be-
zweifelt werden, auch wenn die Heilungserfolge nicht überschätzt wer-

11 Maßgebliche Textgrundlage ist Herzog, Wunderheilungen 8-35. Es


handelt sich dabei um einen korrigierten bzw. ergänzten Text von IG IV,l 2
121-124, wobei allerdings insbes. den Ergänzungen Herzogs gegenüber Vor-
sicht geboten erscheint. Für die Wundergeschichten W 44-48 jederfalls hat
W. Peek einen zuverlässigeren Text vorgelegt (Peek, Wundergeschichten
4-8). Vgl. zur Korrektur von IG IV,l 2 auch Peek, Inschriften, wo allerdings
die Heilungsberichte bewußt ausgeklammert werden (53).
12 Vgl. Herzog, Wunderheilungen 2.
13 Daß Strabo die OTijXat mit keinem Wort erwähnt, dürfte aus ih-er still-
schweigenden Subsumierung unter die TtivaxEC, resultieren.
Asklepiosheiligtümer 77

den sollten 14 . Zumindest für diejenigen Berichte, die auf einen vom
Geheilten gestifteten itiva^ zurückgehen, ist mit einem historischen Kern
zu rechnen. Dabei handelt es sich um Inkubationsheilungen. Nach einem
Voropfer (irpo&uoiq; SokolowskiLSCG.S 22, vgl. W 5; IG IV,1 2 128,27ff.)
übernachten die Heilungssuchenden im Abaton oder Enkoimeterion
gegenüber dem Asklepiostempel (vgl. Paus. II 27,2f. TOU vaoü SE EÖTI itEpav
Evöa oi ixETai TOU ÖEOU xaÖEÜSouoiv), wo ihnen Asklepios im Schlaf er-
scheint und entweder sofort Heilung bringt oder Anweisungen erteilt,
deren Ausführung später die Genesung nach sich zieht 15 .
Unter den vielfältigen Krankheiten, über deren Heilung berichtet wird,
nehmen Augenleiden bis hin zur völligen Sehunfähigkeit und Lähmungs-
erscheinungen besonders breiten Raum ein. Wie man sich im einzelnen
den Heilvorgang vorzustellen hat, bleibt in der Mehrzahl der Fälle im
Dunklen. Insbesondere bei chirurgischen Techniken, aber auch bei
einzelnen pharmakologischen Praktiken ist meist unklar, ob die diesbe-
züglichen Schilderungen Anhalt an der Realität haben oder allein Frodukt
der Phantasie sind 16 . Grundsätzlich gehört der Kult von Epidauros in
seiner Früh- und Blütezeit eher in den Bereich volkstümlicher Heil-
kunst, als daß er von wissenschaftlicher Medizin geprägt wäre. Dies
geht nicht zuletzt aus W 62 hervor, wo in krassem Gegensatz zu
Hippocr, Morb Sacr I,lff., offenkundig an der traditionellen Rückführung
von Epilepsie auf dämonische Besessenheit festgehalten wird.

Die dortige Heilung eines Epileptikers (EitiXauTiToc^ aus Argos vollzieht


sich dergestalt, daß Asklepios ihm im Schlaf einen Fingerring auf Mund,
Nasenlöcher und Ohren drückt. Aller Wahrscheinlichkeit nach wurden in
Epidauros solche magisch-pharmakologischen Ringe verwendet, wie sie in der
Antike zur Heilung von Epilepsie (Kyr I 19,9ff.) bzw. dämonischer Besessen-
heit (Kyr I 13,16«.; Joseph, Ant VIII,47; Luc, Philops 17; PGM XII,271ff.)
weit verbreitet waren.

Andererseits bestehen vielfältige Berührungen mit wissenschaftlicher


Heilkunst, indem die Epidaurosinschriften solche Heilpraktiken reflek-

14 Paus II 27,6 zufolge starben viele Kranke (f| TEXEUTTJ TOTC, xdtuvouoiv
ÜTtafOpioc, EYIVETO).
15 Vgl. zum antiken Glauben an mantische Träume und Traumheilungen
Weinreich, Antike Heilungswunder 76ff., zu denkbaren tiefenpsychologischen
Aspekten der Inkubationsheilungen von Epidauros Drewermann, Tiefenpsycho-
logie und Exegese II 180-188. Medizinischen Träumen wurde in der Antike
auch bei wissenschaftlichen Ärzten hohe diagnostische und prognostische
Bedeutung beigemessen, vgl. Oberhelman, Diagnostic Dream 47-60; ders.,
Dream in Graeco-Roman Medicine 121-156.
16 Vgl. Edelstein/Edelstein, Asclepius II 158-173, bes. 164ff.
78 M a g i e , Medizin und Wunder im Hellenismus

tieren, wie sie auch für die hippokratische Medizin bezeugt sind. Für
zahlreiche Inschriften läßt sich dabei der Heilungsvorgang wenigstens
erahnen.
Lähmungserscheinungen wurden in Epidauros offenbar hauptsächlich a u f psy-
chosomatische Funktionsstörungen zurückgeführt und durch S c h o c k t h e r a p i e
behandelt, wie dies in der wissenschaftlichen Medizin Hippocr, Epid V 2 3 ,
der Fall ist: Ein g e l ä h m t e r Junge schlägt mit dem Kopf gegen einen Stein und
wird dadurch geheilt. Eine Verquickung d e r a r t i g e r Schocktherapie mit einer
W i e d e r e i n r e n k u n g d e r Glieder spiegelt sich in zwei Inschriften. W 3 springt
Asklepios dem heilungssuchenden Gelähmten (tac; Xlpöc, SaxrüXouc, äxpaTETc,
E'XUV) im T r a u m auf die Hand, und W 38 fährt dem Kranken sogar ein Pfer-
degespann über die gelähmten Kniee. Ärztliche Willensstärkung z u r Ü b e r -
windung h y s t e r i s c h e r Lähmungserscheinungen dürfte in W 35 v o r a u s g e s e t z t
sein, wo ein G e l ä h m t e r (xuXöc,) auf einen Befehl von Asklepios hin eine
Leiter h i n a u f s t e i g t 1 7 . Darüber hinaus wurden in Epidauros Lähmungen durch
Heilquellen kuriert ( W 37; vermutlich auch für W 64 v o r a u s z u s e t z e n ) , wie es
von wissenschaftlich-medizinischer Seite h e r etwa Cels, Med III 27, gegen
Paralyse empfiehlt.
Auch bei den mehrfach b e r i c h t e t e n Heilungen Stummer (äcpuvoi, W 5.44.
51) dürfte es sich um Affektheilungen neurogener Funktionsstörungen handeln,
wobei W 4 4 (Schrei beim plötzlichen Anblick einer Schlange) auf S c h o c k t h e -
rapie hindeutet und in der v e r d e r b t e n Inschrift W 51 vermutlich eine B e r ü h -
rung der Zunge v o r a u s g e s e t z t ist.
Die Blindenheilungsberichte von Epidauros reflektieren das Einträufeln von
9<ipuaxa ( W 4.9) oder " K r a u t " (Ttoia, W 40) in das sehunfähige Auge .
Darüber hinaus wurden wahrscheinlich manuelle Heiltechniken a n g e w a n d t 1 9 .
Bei W a s s e r s u c h t nahm die hippokratische Medizin auch o p e r a t i v e Eingriffe
durch Schneiden oder Brennen vor (Hippocr, Aphor VI,27; Epid VI 7,4; Äff
22; Int 23-26). Der Epidaurosinschrift W 21 zufolge schneidet Asklepios einer
an W a s s e r s u c h t (üSpunia) leidenden Frau im T r a u m den Kopf a b , läßt das
W a s s e r aus der Kranken herausfließen und setzt anschließend den Kopf w i e -
der auf den Hals. In diesem phantastischen Bericht dürften sich allerdings
keine tatsächlichen chirurgischen Eingriffe niedergeschlagen h a b e n 2 0 , zumal
W 4 8 g e r a d e z u auf chirurgiefeindliche Tendenzen in Epidauros hindeutet. Bei
nichtoperativer Behandlung von W a s s e r s u c h t spielt in der hippokratischen
Medizin die Verabreichung spanischer Fliegen (Kanthariden) eine gewichtige
Rolle (Hippocr, Acut [ S p . l 26), wie es offenbar auch von der v e r d e r b t e n I n -
schrift W 49 v o r a u s g e s e t z t wird.

17 Vgl. H e r z o g , Wunderheilungen 104.


18 Ähnliche pharmakologische Blindenheilungspraktiken des Asklepioskultes
(vgl. noch S I G 3 1171) haben sich Aristoph, Plutos 716ff., niedergeschlagen.
19 W 18: ESÖXEI OI ö ÖEÖC, TCOTEXÖÜV TOTC, SaxTÜXoic, Siäysiv TÖ c u u a r a .
Vgl. die manuellen Augenheiltechniken Marcell Emp, Med VIII,190; X X X I , 3 3 .
20 Vgl. H e r z o g , Wunderheilungen 76f.; ähnlich E d e l s t e i n / E d e l s t e i n , A s c l e -
pius II 164-166. - Einen ähnlich phantastischen Heilungsbericht aus Epidau-
ros (Entfernung eines W u r m e s nach Abtrennen des Kopfes) gibt Ael, Nat An
I X , 3 3 , wieder.
Asklepiosheiligtümer 79

Trotz dieser Bezüge zum Corpus Hippocraticum deutet für die alten
Iamata nichts auf das Wirken wissenschaftlich ausgebildeter Ärzte in
Epidauros hin, was allerdings in der Kaiserzeit anders ausgesehen haben
wird 21 .

1.2.3. Kos
Die ältesten Nachrichten über die Existenz eines Asklepieions mit
Heilbetrieb in Kos verdanken sich Herondas (frühes 3.Jhdt.v.Chr.), der
Mim IV,l-20 im Zusammenhang mit der Opferung eines Hahnes "zum
Dank für die Krankheiten, die der Gott mit milder Hand geheilt hat" Kos
und Epidauros als Wohnstätten von Asklepios erwähnt. Im Gegensatz
zum Asklepioskult von Epidauros mit seinen Inkubationsheilungen ohne
einen im engeren Sinne wissenschaftlich-medizinischen Betrieb war das
Asklepieion von Kos von vornherein auf das engste mit der dort ansäs-
sigen Ärzteschule der Asklepiaden verbunden.

Dieser Sonderstatus des koischen Asklepioskultes wird bereits daraus er-


sichtlich, daß er sich ausdrücklich von Trikka als ältestem Asklepiosheiligtum
herleitete (Herondas, Mim 11,97), also offenkundig keine Filialgründung von
Epidauros darstellte. Bei der Etablierung des Asklepioskultes in Kos dürfte
das dortige Asklepiadengeschlecht maßgeblich beteiligt gewesen sein. Tac,
Ann XII.61, zufolge ist in Kos durch die Ankunft des Asklepios die Heilkunst
eingeführt worden und unter seinen Nachkommen zu besonderer Berühmtheit
gelangt (mox adventu Aesculapii artem medendi inlatam maximeque inter
posteros eius celebrem fuisse).
Der berühmteste dieser koischen Asklepiaden war Hippokrates (vgl. Plato,
Phaedr 270C; Soran, Vit Hippocr 1), der einer breitbezeugten antiken Tradi-
tion zufolge die diätetische bzw. klinische Medizin dadurch begründet haben
soll, daß er von den Votivtafeln des Asklepiosheiligtums in Kos die dort
erwähnten Heilkuren abschrieb 2 2 . Der legendarische Charakter dieser Tradi-
tion wurde durch die von R. Herzog in den Jahren 1898 bis 1907 vorge-
nommene Ausgrabung des Asklepieions von Kos erwiesen, derzufolge das
Heiligtum überhaupt erst Mitte des 4.Jhdt.v.Chr. und damit nach dem Tod des

21 Vgl. die Apellasstele W 79 (=SIG 3 1170) aus dem 2.Jhdt.n.Chr., die ei-
ne deutliche Nähe zu diätetischen, physiotherapeutischen und pharmakologi-
schen Praktiken der zeitgenössischen Medizin aufweist.
22 Strabo XIV 2,19: <paoi S' TTt7toxpdTT)v uäXiota EX TÖV EvraöOa
ävaxEiuEvuv öEpanEiöv Yuuväoao&ai rä Ttepi räc, Siaftac, (Strabo spielt damit
auf die Votivtafeln [itivaxEc;] in Kos an, die er auch in VIII 6,15 erwähnt);
Plin, Hist Nat 29,4 (unter Berufung auf Varro). An anderer Stelle (Hist Nat
20.264) gibt Plinius ein pflanzliches Heilrezept wieder, das im Asklepioshei-
ligtum von Kos in Stein geschlagen sei.
so Magie, Medizin und Wunder im Hellenismus

Hippokrates begründet wurde 2 3 . Historischer Kern dieser Legende ist aller-


dings die auch aus Urkunden von Kos hervorgehende enge Beziehung zwischen
Asklepioskult und den dortigen Asklepiaden, die sich aller Wahrscheinlichkeit
nach mit ihren wissenschaftlich-medizinischen Praktiken am Heilbetrieb
beteiligt haben 2 4 . Unter dem Monarchat des Arztes Phylotimos (um 300
v.Chr.) wurde der Einbau eines Thesauros in den Asklepiostempel beschlos-
sen 2 5 . Der koische Arzt und Asklepiade Xenophon kehrte, nachdem er als
Leibarzt von Claudius Steuerfreiheit für die koische Bevölkerung bewirkt hat-
te (Tac, Ann XII61,lf.), unter Nero auf seine Heimatinsel zurück und ließ
dort dem Asklepiosheiligtum zahlreiche Stiftungen zukommen 26 .

Daß sich von Votivtafeln oder Stelen mit Heilungsberichten, wie sie
Strabo VIII6,15 und Plin, Hist Nat 29,4, erwähnt sind, bei den Ausgra-
bungen in Kos keinerlei Spuren gefunden haben, spricht keineswegs ge-
gen ihre Existenz 2 7 . Wenn Strabo die Votivtafeln in einem Atemzug mit
denjenigen von Trikka und Epidauros erwähnt, deutet dies darauf hin,
daß auch in Kos Inkubationsheilungen geschahen. Diese waren freilich
aller Wahrscheinlichkeit nach von einer verstärkten Anwendung wissen-
schaftlicher Heilkunst begleitet.

1.2.4. Pergamon
Bei dem Asklepiosheiligtum von Pergamon handelt es sich um eine
Filialgründung von Epidauros. Paus II 26,8f. zufolge etablierte Archias,
Sohn des Aristaichmos, in Pergamon den Asklepioskult, nachdem er im
Asklepieion zu Epidauros von einer Jagdverletzung geheilt worden war.
Es handelt sich dabei höchstwahrscheinlich um denselben Archias, der
OGIS 264 zufolge in Pergamon die Demokratie einführte 28 und dessen
Wirksamkeit in die erste Hälfte des 4.Jhdt.v.Chr. fällt 29 . Die Angaben

23 Herzog, Heilige Gesetze von Kos 46f.; Herzog/Schazmann, Kos I XI.


Ebda. lff. findet sich ein umfassender Bericht über die Ausgrabungsergeb-
nisse mit Abbildungen.
24 Vgl. Herzog, Wunderheilungen 147f., samt den kritischen Einschränkun-
gen bei Sherwin-White, Ancient Cos 275-278. Zudem wurden in Kos ärztli-
che Instrumente gefunden (Herzog, Wunderheilungen 148).
25 Text und Kommentar der Urkunde, auf der im Zusammenhang mit dem
Asklepioskult die Namen weiterer koischer Ärzte bzw. Asklepiaden begegnen,
bei Herzog, Heilige Gesetze von Kos 37-39.
26 Vgl. Herzog/Schazmann, Kos I XII.
27 Vgl. Sherwin-White, Ancient Cos 275f., die auf Zerstörung des Askle-
pieions durch Erdbeben und auf seine spätere Funktion als Steinbruch hinweist.
28 Vgl. Dittenberger, OGIS I 427.
29 Vgl. zur Datierung Stähelin, PRE.S 3 (1918) 143.
Asklepiosheiligtümer 81

des Pausanias decken sich darüber hinaus erstaunlich gut mit dem
archäologischen Befund, der "auf eine Datierung der frühesten Bauten
des pergamenischen Asklepieions im späten 5Jh.v.Chr. oder Anfang des
4." schließen läßt 3 0 . Seine Blütezeit hatte das Asklepieion von Pergamon
im 2.Jhdt.n.Chr., wo es unter Hadrian zu einer umfassenden baulichen
Neugestaltung des Heiligtums kam 31 , "ganz Asien" dorthin strömte
(Philostr, Vit Apoll IV,45) und Lukian sich Zeus darüber beklagen läßt,
daß aufgrund der Popularität des Asklepieions von Pergamon die Zeus-
altäre "kälter als Piatos frostige Gesetze" seien (Luc, Icaromenipp 24).
Besonders gut sind wir über die Zulassungsbedingungen zur Inkuba-
tion am Asklepieion von Pergamon informiert. Dem Betreten des Askle-
piostempels bzw. des Inkubationsraumes hatte ein rituelles Reinigungs-
bad vorauszugehen 32 . Auf das Genaueste werden die weiteren Vorbe-
dingungen für die Inkubanten in einer 1965 gefundenen "lex sacra"
geregelt 3 3 . Der Inkubant hat vielfältige Opfer darzubringen, sich des
Geschlechtsverkehrs wie des Genusses von Ziegenfleisch und Käse zu
enthalten (Habicht Nr.161,11-13) und durch Benennung von Bürgen eine
Entrichtung des späteren Honorars sicherzustellen (161,29ff).
Im Gegensatz zu den Epidaurosstelen halten sich die in Pergamon
von den Geheilten gestifteten, kaiserzeitlichen Weihegaben mit näheren
Informationen über die Art der Krankheit oder gar die Umstände der
Heilung mit wenigen Ausnahmen völlig bedeckt. Eine gewisse Eueteria
dankt Asklepios für die Genesung von einer Augenkrankheit (Habicht
Nr.86 EÜETT)pia öipdaXu-oüc, &EpaitEu&EToa 'AÖXXTITUUI Xünijpi EÜXTJV), und ei-
ne von Unfruchtbarkeit geheilte Frau namens Claudia Panthagathe stiftet
ÜTtEp TEXVUV einen Altar (Habicht Nr.100). Zudem ist in einer Inschrift
von Aderlaß die Rede (Habicht Nr.139), wie er auch durch Aristides für
das Asklepieion von Pergamon verbürgt ist (Ael Arist, Or 48,47f; 49,34).
Daß sich die Inkubationsheilungen in Pergamon, ähnlich wie dies für Kos
vorauszusetzen ist, unter Mitwirkung wissenschaftlich ausgebildeter

30 Ziegenaus/de Luca, Asklepieion I 96. Einen ausführlichen Bericht der


Ausgrabungsergebnisse bieten dies., Asklepieion Bd. I-IV. Vgl. ferner de Lu-
ca, Le sanctuaire d'Askle'pios ä Pergame 12ff.
31 Vgl. Habicht, Inschriften 9ff, der ein persönliches Engagement Hadrians
zugunsten des Asklepieions von Pergamon wahrscheinlich macht. Umfassende
Beschreibung der hadrianischen Bauten bei Ziegenaus, Asklepieion III 5ff.
32 Paus V 13,3; Fränkel, IVP 264; dort wird zusätzlich das Tragen weißer
Gewänder und das Ablegen von Fingerring und Gürtel vorgeschrieben.
33 Edition und Kommentierung durch M. Wörrle, in: Habicht, Inschriften
167-190 (= Habicht Nr.161). Die Inschrift stammt aus dem frühen 2.Jhdt.n.
Chr., ist aber die Abschrift eines älteren Textes (vgl. Wörrle aaO. 169L187).
82 Magie, Medizin und Wunder im Hellenismus

Ärzte vollzogen, wird bereits durch den Fund chirurgischer Instrumente


bei den Ausgrabungen nahegelegt 34 . Als am Heilbetrieb mitwirkende
Ärzte kommen Satyros (Ael Arist, Or 49,8-10), der Lehrer Galens (Gal
II,224f), sowie Theodot (Or 47,13.55f; 48,34f. u.ö.) und vielleicht auch
Porphyrion (Or 51,12.24) in Betracht. Auch einschlägige Äußerungen von
Galen deuten auf eine enge Bindung des priesterlichen Heilbetriebs an
die wissenschaftliche Medizin hin.

Galen, der aus Pergamon gebürtig ist (Gal II,224f.) und sich selber nach
der auf das Wirken des Heilgottes zurückgeführten Genesung von einem
Abszeß als O-EpaTTEUTrjc, des Asklepios versteht (Gal XIX,19), gibt eine unein-
geschränkt positive Haltung zur Heilpraxis des Asklepioskultes zu erkennen.
Er erklärt sich damit einverstanden, daß "bei uns in Pergamon" die Patienten
den Anordnungen des Asklepios mehr als denjenigen der Ärzte Folge leisten
(Gal XVIIb,137), und weiß von einer schwierigen Heilung durch Asklepios zu
berichten (Gal VI,869). Darüber hinaus verbürgt Galen, daß am Asklepieion
von Pergamon die wissenschaftlich-medizinische Technik der "Krankheitsver-
setzung" gehandhabt wurde. Einem von Elephantiasis befallenen Mann werden
Schlangengift und Ölsalbungen verordnet, die eine Umwandlung des Leidens
in XETtpa bewirken, welche anschließend pharmakologisch kuriert wird (Gal
XII,315f.). Von einem ganz ähnlichen Fall, der sich bereits um 100 n.Chr. am
Asklepieion von Pergamon zugetragen haben soll, berichtet Rufus von Ephesus
(bei Oribasius, Collectionum medicarum reliquiae XLV 30,10-14): Der Epilep-
tiker Teukras von Kyzikos wird durch eine Quartanfieberkur geheilt (xai a ü t ö
fjxEi TETapraToc; TtupETÖc,, xai TÖ äitö TOUSE Tf]c, ETtiXniJiia^ E^ävTnc, YIVETOI) .
Philostr, Vit Soph I 25,5; 1125,5, bezeugt für das l.-2.Jhdt.n.Chr. Diätetik am
Asklepieion von Pergamon.

Wie man sich das Ineinandergreifen von Inkubation und ärztlichem


Wirken vorzustellen hat, ist einschlägigen Schilderungen von Aristides
entnehmbar, dessen sechs Bücher umfassende Hieroi Logoi (= Or
47-52) diesbezüglich eine schier unerschöpfliche Quelle darstellen 36 .
Im Traum werden ihm seitens der Gottheit detaillierte, überwiegend
diätetisch-pharmakologische, aber auch Aderlaß miteinschließende An-
weisungen zuteil, die anschließend unter Heranziehung von Ärzten wie
medizinischem Tempelpersonal beratschlagt und in die Praxis umgesetzt
werden (Or 47,57; 48,31-35; 48,47). Darüber hinaus erwähnt Aristides
teilweise paradox erscheinende Anordnungen des Tempelpersonals,

34 Beschreibung der - freilich kaum datierbaren - chirurgischen Instru-


mente bei de Luca, Asklepieion IV 59 (Nr. 660-669); Abbildung ebda. Tafel 22
sowie de Luca, Le sanctuaire d'Asklepios ä Pergame 18.
35 Edelstein/Edelstein, Asclepius II 158 mit Anm.2, übergehen solche
Zeugnisse für wissenschaftliche Medizin am Asklepieion von Pergamon. Vgl.
dagegen auch Ilberg, Galens Praxis 365 mit Anm.7.
36 Vgl. dazu Behr, Sacred Tales 23-40.116-130.162-170.
Zauberpapyri 83

beispielsweise Barfußlaufen im Winter oder Pferdereiten (Or 47,65). Es


handelt sich dabei offensichtlich um solche körperlichen Betätigungen,
wie sie auch Galen für das Asklepieion von Pergamon bezeugt und we-
gen ihrer positiven Auswirkungen auf die xpäoic, TOU otiuaToc. ausdrück-
lich befürwortet (Gal VI,41). Besondere Heilkraft mißt Aristides schließ-
lich den Quellen von Pergamon bei, die selbst Blindheit, Fußlähmungen
und Stummheit kuriert haben sollen (Or 39,14f.) 37 .

1.3. Damonenaustreibungs- und Totenerweckungs-


formulare in den Zauberpapyri
1.3.1. PGM IV,1227-1264
Eine Sonderform der volkstümlich-magischen Medizin der Antike
stellen ausführliche Formulare zur Heilung dämonisch Besessener bis
hin zur Auferweckung bereits verstorbener Personen dar, wie sie sich in
den griechischen Zauberpapyri finden. Bei PGM IV,1227-1264 handelt es
sich um eine rtpä^ic; YEvvaia ExßäXXouoa Saiuovac, in Form eines "Gebe-
tes" (Xöyoc,), das über dem Kopf des Besessenen gesprochen wird.
Zunächst erfolgt eine jeweils durch XAIPE eingeleitete, in der prjoic,
ßapßapixfj Koptisch gehaltene Begrüßung der Gottheiten (vgl. IV,670ff;
lllSff.) 1 mit gleichzeitiger Bitte um Vertreibung des Krankheitsdämons
(IV,1232-1239). Bei diesem Traditionsstück dürfte es sich um ein ur-
sprünglich judenchristliches Gebet handeln 2 , während das eigentliche
Beschwörungsritual IV,1239-1248 aller Wahrscheinlichkeit nach heid-
nisch ist. Der Exorzist wendet sich nunmehr direkt an den Dämon,
indem er ihn bei Gott beschwört (E^opxit](j OE, Sai^ov, öouc, ITOT' oüv EI,
xara TOÜTOU TOU OEOÜ) und einen Ausfahrbefehl (E^EXÖE Saijiov, ÖÖTIC, TTOT'
OUV EI, xai äitooTriOi änö TOU Sstva) mit Beschleunigungsformel (apu, apu,

37 Eine Untersuchung des Quellwassers hat radioaktiven Gehalt ergeben,


vgl. Habicht, Inschriften 14.
1 Eine ganz ähnliche Götterbegrüßung findet sich bereits in einem altägyp-
tischen Liebeszauber (ca. 1100 v.Chr.): "Sei du gegrüßt, Re Hor-achti, Vater
der Götter* Seid ihr gegrüßt, die sieben Hathor-Göttinnen, die geschmückt
sind mit Bändern von roten Fäden! Seid ihr gegrüßt, die Götter, Herren des
Himmels und der Erde!" (Text nach Roeder, Ausklang der ägypt. Religion
184).
2 M. Smith, Jesus the Magician 183, vermutet judenchristlich-gnostische
Herkunft. Die Schreibweise Chrestus statt Christus zeigt aber, daß nunmehr
eine pagane Adaption des Christusnamens vorliegt (vgl. Suet, Claudius 25;
Tert, Apol 3,5; zum Ganzen K. Weiß, ThWNT IX 473).
S4 Magie, Medizin und Wunder im Hellenismus

fjSr], rjSr|)3 erteilt. Ein nochmaliges Ausfahrwort, nunmehr mit Epipompe


des Dämons in das "schwarze Chaos der Hölle" (EF,EX$E, Satuov, ETIEI ÖE
oc
SEÖIIEÜU SEÖ[1OTC; äSaiiavTivoic, äXirroic,, xai TtapaSi5u(it OE EIC, TÖ [liXav x°< ,
EV tafc. äTtuXEtaic,), beschließt das Beschwörungsritual, bei dem beglei-
tend sieben Ölzweige Verwendung finden. Sechs davon werden am Kopf
bzw. an den Füßen des Besessenen einzeln angebunden, mit dem sieb-
ten soll der Exorzist während der Beschwörung schlagen (IV,1251: t u SE
Evi SspE Erjopxif^uv).
Als weitergehende antidämonische Schutzmaßnahme schließt sich das
Umhängen eines Amulettes mit Zauberworten sowie der Formel <püXa!;ov
(TÖV Ssiva) oder eines Amulettes mit einem Zauberzeichen an.

Von der Anfertigung derartiger dämonenabwehrender Amulette ist in den


Zauberpapyri vielfach die Rede. PGM IV,86f. wird ein (puXaxtfjpiov Ttpöc,
Saiuövia mit Zaubernamen erwähnt. Das mit Homerversen zu beschriftende
Eisentäfelchen PGM IV,2145-2240 wehrt Dämonen ab (IV,2170f. xai Saiuovac,
ärcoTtEUitEi). PGM XXXVI,276-280 leitet zur Anfertigung eines auch bei Be-
sessenen wirksamen ("TCOIET SE xai Ttpöc, SaiuovioTtXfjxTouc,") Amulettes a n 4 .

1.3.2. PGM V.96-171


5
In PGM V,96-171 ist ein griechisch-ägyptisches Dämonenaustreibungs-
formular mit vereinzelten jüdischen Traditionselementen überliefert,
das vorgibt, aus einem Brief des Hieroglyphenschreibers 'IEOU zu stam-
men (V,96f.)6.

Anders als PGM IV,3007-3086, wo die Adaption und Ausgestaltung eines


genuin jüdischen Dämonenbeschwörungsrituals durch ägyptische Magier vor-
liegt, sind in PGM V,96-171 die jüdischen Traditionselemente sekundär einge-
flossen, indem Osiris nachträglich mit Jahwe ('Iaßac,, Mau) identifiziert wird.
Sollte das magische Formular überhaupt jemals von Juden benutzt worden
sein , so handelte es sich um ein synkretistisches Judentum, das selbst die
Anbetung von Osiris nicht scheute.

3 Vgl. zur Beschleunigungsformel in der antiken Magie Niggemeyer, Be-


schwörungsformeln 118 mit Anm.12.
4 Vgl. als Ergebnis der praktischen Umsetzung solcher magischen Rezepte
die dämonenabwehrenden Amulette PGM CXIV; PGM.S 6; PGM.S 13, ferner
die gegen Epilepsie gedachten Amulette bei Kotansky, Amulets 117f.
5 Vgl. die leicht revidierte Wiedergabe und ausführliche Kommentierung
des Preisendanz-Textes bei Merkelbach/Totti, Abrasax II 153-170.
6 Vgl. die koptisch-gnostischen "Bücher des Jeu" aus Nag Hammadi (ed.
C. Schmidt/V. MacDermot, NHS 13, Leiden 1978).
7 Goodenough, Jewish Symbols II 197.
Zauberpapyri 85
Formal zerfällt das Formular in ein Gebets- (V,98-144) und ein un-
mittelbares Dämonenaustreibungsritual (V.145-158), das durch ergänzen-
de Durchführungsbestimmungen (V,159-171) vervollständigt wird. PGM
V,98-144 ist dabei an die Gottheit gerichtet, die hier zunächst unter
Appellation an ihre Schöpfermacht angerufen wird (V,98-112). Daß der
angebetete Gott als "Kopfloser" (ö äxEcpaXoc.) gilt, weist deutlich auf
Osiris, den dem Mythos zufolge zerstückelten, auf Bildern kopflos
dargestellten und in V,101 mit 'Ooopovviocppic, ("guter Osiris") 8 nunmehr
direkt beim Namen genannten Herrscher der Unterwelt hin 9 , der in
V,102f. (ÖÜ EI 'Iaßac,)10 sekundär mit Jahwe identifiziert wird. PGM
V,108ff. schlüpft der Magier - der Anrufung von Osins-Jahwe entspre-
chend - gleichermaßen in die Rolle des Mose (EY" EIU.I MOÜOTJC, Ö TtpocpfJTT)c,
ÖOU V^OSf.)11 wie in die Rolle eines "Boten des König Osiris" (EYÜ
£411 OYYEXOC, TOU «Danpw 'Oöopovvdxppic, V,113f.) und bittet die Gottheit um
Gehör für eine Befreiung der besessenen Person von dem sie beherr-
schenden Dämon (äTt6oTpEi]jov TÖ Saqiöviov).

Die mit zahlreichen Zauberworten und anderen Götternamen durchsetzte


Bitte um Abwendung des Krankheitsdämons durch Osiris lautet: "Heiliger
Kopfloser, befreie den N.N. von dem Dämon, von dem er besessen ist
(äitäXXa^ov töv SsTva äitö TOU OUVEXOVTOC, aüröv SaiuovocJ , ... starker Kopf-
loser, befreie den N.N. von dem Dämon, von dem er besessen ist, ... befreie
den N.N." (PGM V,125-133).

Durch den V, 134ff. erfolgenden, der Herkunft nach jüdischen Lob-


preis der Schöpfermacht Gottes mit ähnlichen Epitheta ("Isak, Sabaoth,
Iao, dieser ist der Herr der Götter, dieser ist der Herr der bewohnten
Erde, dieser ist es, den die Winde fürchten, dieser ist es, der mit dem
Befehl seiner Stimme alles gemacht hat"), wie sie sich in jüdischen Be-
schwörungsformeln finden 12 , soll wohl dem Dämon Furcht eingeflößt
werden. PGM V,139-144 wird die Gottheit nochmals angerufen und um
Rettung der Seele des Besessenen gebeten (ouoov iJiuxTiv).

8 Vgl. die altägyptische Dämonenbeschwörung bei Borghouts, Ancient


Egyptian Magical Texts Nr. 22, wo ebenfalls Osiris Onnophris begegnet. -
Weitere altägyptische Krankheitsdämonenbeschwörungen, teilweise ebenfalls
mit Erwähnung von Osiris, bei von Deines/Grapow/Westendorf, Grundriß
IV,1 155f.; Borghouts, aaO. Nr. 23-26.69.
9 Preisendanz, RAC I (1950) 211-213; Merkelbach/Totti, Abrasax II 153-155
(jeweils mit Abbildungen), vgl. ebda. 162 die Belege zur Schöpfermacht der Isis.
10 Vgl. zu Taßa, den Kirchenvätern zufolge die samaritanische Aussprache
des Tetragramm, Blau, Zauberwesen 130-132; Deißmann, Bibelstudien 13-20.
11 Vgl. dazu Gager, Moses in Greco-Roman Paganism 142-144.
12 Vgl. beispielsweise SHR I,226ff.; IV,30ff.
86 Magie, Medizin und Wunder im Hellenismus

Während somit PGM V,108-144 ein an die Gottheit gerichtetes Gebet


um Dämonenabwehr darstellt, das die Aporie einer Unterscheidung
zwischen Magie und (synkretistischer) Religion deutlich macht, wenden
sich die Formulierungen von V.145-158 offenkundig an den Krankheits-
geist selber. Der Magier identifiziert sich dabei mit dem "kopflosen Dä-
mon" Osiris (EYÜ Eiui ö dx^aXoc, Saiuuv), trägt möglicherweise sogar ein
Kostüm des "Kopflosen"13 und richtet in dessen Rolle an den Geist den
Ausfahrbefehl EF,EXÖE xai ÖXOXOU&T|ÖOV (V,158).
Aus den ergänzenden Durchführungsbestimmungen V.159-171 geht
hervor, daß sich der Magier zum Machtgewinn über die Dämonen zu-
sätzlich ein mit Zaubernamen beschriebenes Blatt (xaprdpiov) von einer
Schläfe zur anderen zu spannen und dabei die Formel üirÖTaFpv uoi itävta
rä Sauaövia, t'va (toi rjv ÜTtfjxooc, Ttac, Saiuuv ... auszusprechen hatte.

1.3.3. PGM IV,2157-2159 und PGM XIII,242-244


Kürzere Dämonenaustreibungsanleitungen finden sich PGM IV,
2157-2159 und XIII.242-244. PGM IV.2157-2159 steht innerhalb eines
umfassenden Formulars, das sich den Möglichkeiten einer magischen
Verwendung dreier Homerverse 14 widmet und dabei auch auf deren
antidämonische Wirkung eingeht. Wenn sich jemand als Opfer eines
Bindezwanges wähnt (EitEiSdv uc. xaraSESEöftai VOUI^TJ), wie er in der
Antike vorzugsweise durch an Totengeister als ausführende Instanzen
gerichtete Fluchtafeln vollzogen wurde 15 , spreche er gegen die ausge-
sandten Dämonen (itpöc, ETtntouTtäc,) die drei genannten Homerverse, in-
dem er sich mit Meerwasser besprengt 16 . Den Homerstychoi wird dabei
offenkundig dämonenbeschwörende Wirkung zugesprochen, was auf
pythagoreischen Einfluß hindeutet.

Pythagoras und seine Nachfolger stellten bei psychosomatischen Leiden


mit gesungenen Homer- und Hesiodversen das seelische Gleichgewicht wie-

13 Vgl. die Erwägungen von Merkelbach/Totti, Abrasax II 155.


14 "Sprach so und lenkte den Graben hindurch die stampfenden Rosse (Ilias
X,564), "und noch zappelnd die Männer in schreckenvoller Ermordung (Ilias
X.521), "selber wuschen sie ab ihren reichlichen Schweiß in der Meerflut"
(Ilias X.572).
15 Vgl. Hopfner, Offenbarungszauber I 85f.; Preisendanz. RAC VIII (1972)
lff.; Gager, Curse Tablets 42ff.
16 Dies erscheint als die nächstliegende Übersetzung von ETCIXEYETW O'San
öaXaooiu paivuv (vgl. zur heidnischen Dämonenvertreibung durch Wasserbe-
sprengung Pesiqta Rabbati 14,14). Gegen Preisendanz, Zauberpapyri I 139: "so
spreche er die Verse über Meerwasser und besprenge (das Täfelchen)".
Zauberpapyri 87

der her (Porph, Vit Pyth 26; Iambl, Vit Pyth XIV.63; XXV.lll; XXIX.164).
Einer bei Alexander von Tralles (6.Jhdt. n.Chr.) zitierten angeblichen
Galen-Schrift itEpi TTJC; xaS-' "OuEpov iaTpixrjc; zufolge hat selbst Galen die
Rezitation von Homerversen bei Skorpionstichen und im Halse steckenge-
bliebenen Knochen befürwortet (Alex Trall XI,1 CPuschmann Bd.II 4751) 17 .
Eine umfassende Auflistung von Homerversen zu magischen Zwecken bie-
tet PGM VII,1-148. PGM XXIIa leitet zu Heilungen von Blutfluß und Ele-
phantiasis durch Rezitation von Homerversen an. Bei Blutfluß (aiuäppoia)
wird empfohlen, Ilias 1,75 ("Zürnen Apolls, des weit in die Ferne schießenden
Herrschers") gegen das Blut zu sprechen (EIC, alua XEYÖUEVOC;). Gegen Ele-
phantiasis soll man Ilias IV, 141 "Wie wenn ein Weib das Elfenbein UXEtpavta)
färbt mit leuchtendem Purpur" aufschreiben und zu tragen geben. Vermutlich
sind auch diese Heilungen letztlich als Dämonenvertreibungen verstanden.

Um eine den magischen Räucherpraktiken von Kyr III 51,20f; IV 13,


2f; 55,4 vergleichbare Dämonenaustreibungsanleitung ohne expliziten
Exorzismus handelt es sich bei PGM XIII ,242-244. Werden einem Be-
sessenen Schwefel und Erdharz (&EIOV xai äoqjaXtov) unter Aussprechen
eines bestimmten Namens vor die Nase gehalten, wird er zum Reden
gebracht 18 , und der Dämon wird die Flucht ergreifen.

1.3.4. PGM XIII.277-282


Mit PGM XIII,277-282 findet sich in den Zauberpapyri sogar eine
exorzistische Totenerweckungsanleitung, die wohl nicht auf die in der
antiken Magie weitverbreitete Totenbefragung (Nekromantie) abzielt. Die
Formulierung TOSE TÖ oöua legt nahe, daß es der Magier mit einem un-
mittelbar vor ihm liegenden menschlichen Körper zu tun hat und an die
tatsächliche Wiederbelebung einer scheinbar verstorbenen Person (EYEPOIC.
oüuaToc, vExpoü) gedacht ist. Vermutlich wurde das Beschwörungsritual
unmittelbar nach dem Ableben eines Menschen angewandt und dürfte in
bestimmten Fällen von Scheintod auch Erfolg gehabt haben. Allerdings

17 Vgl. Luc, Charon 7; Marceil Emp, Med VIII,58: Homerverse gegen


Augenleiden.
18 Es geht nicht darum, dem Dämon Informationen zu entlocken (Luc,
Philops 16; PGM IV,3037ff), sondern offenkundig ohnmächtige Besessene
werden hier durch Riechmittel wieder zum Sprechen gebracht (vgl. das von
Gordon, Aramaic Incantation 106ff., edierte Epilepsieheilungsformular mit
der an den Besessenen gerichteten Aufforderung "Rede, verrückter Mann!
Steh auf, Tauber und Stummer!"). Asklepiades hat auf glühende Kohlen ge-
legtes Galbanumharz wegen seines üblen Geruches zur Reanimation bei epi-
leptischen Anfällen oder hysterischen Erstickungserscheinungen empfohlen
(Cael Aur, Cel Pass 11,37); Plin, Hist Nat 21,156, zufolge bringt Thymian als
Riechmittel ohnmächtige Epileptiker wieder zu sich.
88 Magie, Medizin und Wunder im Hellenismus

kann nicht völlig ausgeschlossen werden, daß bei PGM XIII,272-282 an


eine vorübergehende leibliche Reanimation zu nekromantischen Zwecken
gedacht ist, wie sie Apul, Met II 28 (reducere paulisper ab inferis cor-
pusque istud postliminio mortis animare; vgl. auch W 63; Luc, Philops
14)19 als magische Praktik begegnet.
Die Beschwörungsanweisung lautet: 'öpxifyt OE, TCVEUU.O EV ctEpi <POITÜUEVOV,
EIOEXÖE, evirvEuuÖTuaov, Suvduunov, SiaEYEipov rfj SuväuEi TOU aiuviou -&EOÜ
T6SE TÖ ofiua, xai TtEpiTtaTEiTiü Eiri TÖVSE TÖV TÖTTOV, ÖTI EYÜ EIUI 6 Ttoiöv TTJ
SuväuEi TOU 6auS, ÜYIOU SEOÖ.' XEYE TÖ övo[ia ("Ich beschwöre dich, luft-
schreitender Geist, komm herein, erfülle mit Atem und Lebensstärke, erwek-
ke durch die Macht des ewigen Gottes diesen Körper, und er wandle an
diesem Ort, weil ich es bin, der es wirkt durch die Macht des Thayth, des
heiligen Gottes. Sprich den Namen" [Preisendanz, Zauberpapyri II lOlf.l).

Vom Zeitpunkt der literarischen Fixierung her stammen die bespro-


chenen Krankenheilungs- und Totenerweckungsformulare fast durchweg
aus dem 4.Jhdt.n.Chr. Allerdings ist davon auszugehen, daß ihre traditio-
nellen, teilweise in der altägyptischen oder mesopotamischen Magie
wurzelnden Praktiken im Kern bereits für die ntl Zeit vorausgesetzt
werden können.
Die von Wünsch und Audollent edierten Defixiones stammen großenteils
aus vorchristlicher Zeit. Speziell exorzistische Besprechungen (ETtoiSai)
besessener Personen sind bereits Hippocr, Morb Sacr I,39f., bezeugt (vgl.
auch Plato, Res Publ II 364B-365A), die Verwendung von Homerversen zu
Heilzwecken geht auf Pythagoras zurück. Von magischen Handbüchern nach
Art der Zauberpapyri ist Apg 19,19 und Luc, Philops 12.31, die Rede, späte-
stens für die Mitte des 2.Jhdt.n.Chr. ist der Gebrauch solcher der Dämonen-
vertreibung dienenden Exorzismen, wie sie sich in den Zauberpapyri finden,
verbürgt (u.a. Just, Dial 85,3; Luc, Philops 11.16; Celsus bei Orig, Cels 1,68).
Daß aus früheren Jahrhunderten keine griechischen magischen Kompendien
überkommen sind 2 0 , dürfte im wesentlichen zwei Gründe haben. Einerseits
handelt es sich bei magischen Formularen um Gebrauchstexte, die immer
wieder neu abgeschrieben und durch Veränderung aktuellen Bedürfnissen
angepaßt wurden 21 , womit frühere Fassungen des Textes entbehrlich wurden.
Andererseits ist für die ersten Jahrhunderte von einer weitreichenden Ver-
nichtung älterer magischer Werke aus freien Stücken heraus oder auf staatli-

19 Vgl. Luck, Magie 223-265; Fischbach, Totenerweckungen 136-142.


20 Vgl. aber das nur fragmentarisch erhaltene Formular PGM LXXXV
(1.-2.Jhdt.n.Chr.), das Bestandteil eines umfassenderen magischen Kompendi-
ums war (vgl. H.D. Betz, Magical Papyri 301).
21 Besonders gut läßt sich dies für PGM XIII nachweisen, vgl. Brinkmann,
Schreibgebrauch 482f.; Merkelbach, Abrasax III 86-92. Zahlreiche For-
mulare in PGM geben sich expressis verbis als Kopien oder Abschriften zu
erkennen, vgl. H.D. Betz, Authoritative Tradition 180f., mit Belegen.
Theios Aner 89

che Anordnung hin auszugehen 22 . In keinem Falle sollte die relativ späte
literarische Fixierung der uns bekannten griechischen Zauberpapyri, die
grundsätzlich der Geheimhaltung unterlagen und durch glückliche Umstände
bedingte Zufallsfunde sind, zu dem Fehlschluß verleiten, es habe die dort
repräsentierte Magie um die Zeitenwende und davor noch nicht gegeben.

1.4. Wunderwirkende Theioi Andres


Von den zahlreichen Personen der griechisch-römischen Antike, die
durch Charisma, Magie und Wissenschaft aufsehenerregende Wunderta-
ten vollbrachten, beanspruchten einige für sich eine göttliche Physis
oder wurden von ihren Anhängern als göttlich angesehen und sind da-
mit im oben erläuterten Sinne (11.4.3.) dem Typos des Theios Aner
zuzurechnen 1 .

1.4.1. Pythagoras
Für Pythagoras (6.Jhdt.v.Chr.), den "göttlichsten und weisesten über
allen Menschen" (Iambl, Vit Pyth 11,12), der das Auftreten späterer Ge-
stalten wie Apollonius von Tyana oder Alexander von Abonuteichos
entscheidend mitprägte, hat W. Burkert überzeugend herausgestellt,
daß es sich bei ihm historisch um einen Magier oder Schamanen han-
delte, der den Menschen direkten Kontakt zu den göttlichen Kräften
vermittelte 2 . Die recht späten Hauptquellen, neben den maßgeblich von
Apollonius von Tyana und von Nikomachus von Gerasa abhängigen

22 Für das römische Kaiserreich (vgl. etwa Dio Cassius LXXV 13,2: sy-
stematische Vernichtung aller Geheimschriften in den ägyptischen Tempeln
unter Septimius Severus) und nicht zuletzt für den christlichen Staat nach der
Konstantinischen Wende ist die gezielte Vernichtung magischer Literatur
durch die Obrigkeit verbürgt (Speyer, Büchervernichtung 54.59f.l30-134u.ö.,
vgl. auch MacMullen, Enemies of the Roman Order 95-162; Segal, Helleni-
stic Magic 356ff.). Zudem war es weit verbreitet, daß Heiden beim Über-
tritt zum Christentum in ihrem Besitz befindliche magische Werke verbrann-
ten (Speyer, Büchervernichtung 169-173).
1 Vgl. über die nachfolgend besprochenen Gestalten hinaus Athen, Deip-
nosoph VH,289Aff. (Menekrates hält sich als "König der Heilkunst" für
Zeus); Dio Chrys III,30f. (Xerxes schreitet über das Meer und steht damit
den Göttern in nichts nach); Plut, Pyrrhus 111,5 (die heilkräftige Zehe indi-
ziert eine göttliche Dynamis des Pyrrhus).
2 Burkert, Weisheit und Wissenschaft 86-142; vgl. zur sachlichen Konti-
nuität zwischen Alt- und Neupythagoreismus ders., Hellenistische Pseudo-
pythagorica 226-246. Mit wenig Überzeugungskraft bestritten werden scha-
manistische Züge des Pythagoras durch Philip, Pythagoras 159-162.
90 Magie, Medizin und Wunder im Hellenismus

Pythagorasviten des Porphyrius und Iamblichus noch Diog Laert VIII,


1-50, basieren im Kern auf dem jahrhundertelangen Weiterreichen vor-
gefundener Pythagorasnachrichten, wobei die Wunderüberlieferung zur
ältesten Pythagorastradition mit hohem geschichtlichen Wert gehört.
Maßgebliche Bedeutung kommt einem auf die verlorengegangene Pytha-
gorasschrift des Aristoteles (Aristot, Fragm 191) zurückgehenden Wun-
dergeschichtenkatalog 3 zu, der hauptsächlich Naturwunder enthält. Eine
ebenfalls bereits im 4.Jhdt.v.Chr. greifbare mantische Wundergeschich-
tensammlung mit Unheilsvorhersagen könnte dagegen ursprünglich mit
Pherekydes verbunden gewesen und erst sekundär auf Pythagoras
übertragen worden sein (FGH II 115,70; Diog Laert 1,116).
Nicht zu bezweifeln ist, daß Pythagoras die Seelenwanderung lehrte,
von einer Präexistenz der Seele in früheren Lebewesen überzeugt war
und sich als Schamane oder xa&apTfjc, schwerpunktmäßig einer Reini-
gung und Zurustung der menschlichen Seele widmete 4 . Das in der
Seelenwanderungslehre implizierte menschliche Wissen um das ver-
gangene und zukünftige Geschick der Seele im Jenseits setzt einen
Zugang zum Bereich der Dämonen oder Götter voraus, mit denen der
Schamane in Verbindung tritt, indem seine in Ekstase vom Körper
gelöste Seele sich auf Himmels- oder Unterweltreise begibt. In diesen
Zusammenhang gehören neben den Pythagoraslegenden vom gleichzeiti-
gen Erscheinen an unterschiedlichen Orten durch Flugwunder (Iambl,
Vit Pyth XXVIII,134.136) und vom Wissen um die frühere Inkarnation
des Myllias als Midas (Ael, Var Hist IV,17) auch die von Hieronymos
von Rhodos (Diog Laert V1II,21), Aristophon (Diog Laert VIII,38) und
Hermippus (Diog Laert VIII,41) überlieferten Traditionen von einer Ha-
desfahrt des Pythagoras, was im Zusammenhang mit einer rituell voll-
zogenen Katabasis in die Unterwelt (vgl. Luc, Menippus 6ff.) stehen
dürfte. Diese Katabasis verfolgte wohl den Zweck, den Seelen der
Verstorbenen Totengeleit ins Jenseits zu geben (vgl. Iambl, Vit Pyth

3 Apoll Parad, Hist Mir VI; Ael, Var Hist 11,26; IV,17; Diog Laert
VIII,11; Iambl, Vit Pyth XXVIII,140-143; vgl. Porph, Vit Pyth 23-28/Iambl,
Vit Pyth VIII,36; XIII,60-62; XVIII,134-136.
4 Vgl. zur Seelenwanderungslehre die alten Pythagorastraditionen bei
Diog Laert VIII,4f.l4.30-32.36, zum Ganzen Rohde, Psyche II 160-170.417-421;
Stettner, Seelenwanderung 7ff.; Burkert, Weisheit und Wissenschaft 98ff.
Pythagoras steht damit in der Tradition des Epimenides (Porph, Vit Pyth
29/Iambl, Vit Pyth XXVIII,135 stellt das Lehrer-Schüler-Verhältnis auf den
Kopf), der ebenfalls die Seelenwanderung lehrte (Diog Laert 1,114), die
eigene Seele auf Reisen schickte (Suda s.v. 'ETCIUEVISTIC;), als xaöapTrjc;
wirkte (Iambl, Vit Pyth XXVIII,136) und als OETOC; ävfjp galt (Plato, Leg I
642D).
Theios Aner 91

XXVIII,155) oder den Lebenden präzise Informationen über die Präexi-


stenz ihrer Seele in früheren Lebewesen zu verschaffen (Porph, Vit
Pyth 26/Iambl, Vit Pyth XIV,63).
Neben der Vermittlung solchen Wissens um das Vorleben der Psy-
che, das vermutlich einer Offenlegung von Verfehlungen im vorherigen
Leben und daraus resultierender Leiden diente, schloß die Seelenbe-
treuung Musiktherapie mit ein, um die Seelenkräfte in ihr ursprüngli-
ches harmonisches Gleichgewicht zurückzubringen. Die der Reinigung
der Seele und der Behebung physischer wie psychischer Gebrechen
dienende Musiktherapie vollzog sich bevorzugt durch Gesang von Ho-
mer- und Hesiodversen zur Lyra (Porph, Vit Pyth 26; Iambl, Vit Pyth
XIV,63; XXV,111; XXIX,164). Da für die Pythagoreer die irdische Musik
eine Imitation der himmlischen Sphärenharmonie darstellt und die
Eigenschaften wie Verhältnisse der musikalischen Harmonie auf Zahlen
basieren, kommt Astronomie und Arithmetik hohe Bedeutung bei der
Anwendung von Musiktherapie zu (vgl. Apoll, Ep 52) .
Auch das schamanistische Motiv der Kommunikation mit Tieren, das
sich in den Wundergeschichten Porph, Vit Pyth 23-25/Iambl, Vit Pyth
XIII,60-62 niedergeschlagen hat, dürfte historisch sein. Die Seelenwan-
derungslehre des Pythagoras schloß Herakleides Pontikus und Xeno-
phanes zufolge die Reinkarnation menschlicher Seelen in Tierkörpern
mit ein (Diog Laert VIII,4.36), mit denen Pythagoras in Kontakt treten
konnte, wie es für einen Schamanen typisch ist 6 .
Spätestens seit Aristoteles (Fragm 191) wurde Pythagoras als Apollo
betrachtet und damit als göttlich verehrt, wie es später insbesondere
bei lamblichus stereotyp der Fall ist. Den Schlüssel hierfür liefert
Hermippus, indem er den göttlichen Status des Pythagoras (ÄEIOV riva)
als Resultat von dessen Hadesfahrt ansieht (Diog Laert VIII,41). Wer
wie Pythagoras in Ekstase seine Seele auf Jenseitsreise schickte und
dabei in freundschaftlichen Kontakt zu Göttern und Dämonen trat, galt
als einer der Ihren (vgl. Apoll, Ep 50) und hat vermutlich selber eine
übernatürliche Natur beansprucht.

1.4.2. Empedokles
Neben Pythagoras war der im Pythagoreismus wurzelnde (Timaios
bei Diog Laert V1II,54; Iambl, Vit Pyth XXVIII,135) Empedokles von

5 Vgl. van der Waerden, Pythagoreer 364-367; Garman, Pythagoras 153-170.


6 Vgl. zum Erlernen der Tiersprache im Schamanismus Eliade, Shama-
nism 96-99.
92 Magie, Medizin und Wunder im Hellenismus

Akragas (5.Jhdt.v.Chr.) eine der einflußreichsten Gestalten des antiken


Theios Aner. Empedokles verdient für den uns interessierenden Zeitraum
höchstes Interesse, weil die mit ihm verbundene Theios Aner-Tradition
ebenfalls über Jahrhunderte hinweg überliefert und ausgestaltet wurde.
Einen vorläufigen Abschluß fand diese Entwicklung im 3.Jhdt.n.Chr. bei
Diogenes Laertius, der mit seiner Sammlung unterschiedlichster antiker
Empedoklestraditionen (Diog Laert VIII,51-77) zugleich die Hauptgrund-
lage für eine Eruierung der historischen Figur des Empedokles dar-
stellt 7 . Die in erster Linie aus mantischer Wirksamkeit und aus Kran-
kenheilungen resultierenden Theios Aner-Ansprüche sind einem im Ich-
Stil formulierten, authentischen Empedoklesfragment entnehmbar.

"Ich aber wandle euch daher als ein unsterblicher Gott, nicht mehr sterb-
lich (EYU S' ÜUTV $EÖC, außpoToc;, OÜXETI $VT|TÖC; TtuXEuuai) ... Wann auch
immer ich in blühende Städte komme, werde ich von Männern wie Frauen
verehrt. Sie folgen mir in Zehntausenden, um den Weg zum Nutzen zu
erkunden. Die einen suchen Orakel, andere, die an allen möglichen Ge-
brechen leiden, begehren ein heilbringendes Wort, lange schon von Schmer-
zen durchbohrt." 8 Maßgebliches Licht auf das Selbstverständnis und den
personalen Anspruch des Empedokles wirft darüber hinaus die von ihm
überlieferte, höchstwahrscheinlich auf sein eigenes Wirken bezogene Aussage
"Zuletzt aber werden sie Seher und Sänger und Ärzte und Fürsten (uävTEic;
TE xai üuvoTtöXoi xai irjTpoi xai 7tp6uoi) den irdischen Menschen, woraus sie
emporwachsen als Götter, an Ehren reichste, den anderen Unsterblichen
Herdgenossen, Tischgefährten, menschlicher Leiden unteilhaft, unverwüstlich." 9

In einem weiteren Fragment, in dem Empedokles von der Weiterga-


be seiner Befähigungen an einen Dritten - am ehesten Pausanias -
spricht, ist über Krankenheilungen hinaus auch von Totenerweckungen
und Naturwundern die Rede.

"Und Heilmittel (9apuaxa), so viele nur geworden sind als Hilfe gegen
Übel und Alter, wirst du kennenlernen, denn dir allein will ich dies alles
erfüllen. Stillen wirst du auch der unermüdlichen Winde Gewalt, die gegen

7 Empedokles-Tradition findet sich darüber hinaus u.a. Plin, Hist Nat


7,175; Strabo VI 2,8; Plut, Mor 51SC; 1126B; Philostr, Vit Apoll VIII 7,6.8;
Clem Alex, Strom VI 30,lff.
8 Diog Laert VIII,62 (Emped, Fragm 102/Diels 31 B 112). Es handelt sich
um den Anfang der Empedoklesschrift oi xaöapuoi, vgl. Diog Laert VIII,54.
Das keineswegs ironisch gemeinte Fragment belegt, daß Empedokles mit
personalem göttlichen Anspruch auftrat (Panagiotou, Divinity 276ff.). - Völ-
lig legendarisch und teilweise von dem polemischen Topos des betrügeri-
schen Philosophen geprägt sind die Traditionen vom wundersamen Tod und
der Apotheose des Empedokles, vgl. dazu Empedokles ed. Wright 15-17.
9 Emped, Fragm 132f./Diels 31 B 146f.
Theios Aner 93

die Erde losbrechen und mit ihrem Wehen die Felder vernichten, und um-
gekehrt wirst du, wenn du den Willen hast, zum Ausgleich die Lüfte her-
beiholen. Schaffen wirst du aus dunklem Regen rechtzeitige Trockenheit den
Menschen, schaffen wirst du aber auch aus sommerlichen Trockenheit baum-
ernährende Regengüsse, die dem Himmel entströmen. Zurückführen wirst
du aus dem Hades die Kraft eines verstorbenen Mannes." 10

Empedokles rückt mit dieser Kombination von Heilung und Kontrolle


der Naturgewalten in die Nähe jener Hippocr, Morb Sacr, bekämpften
Magier, die neben exorzistisch-kathartischen Krankenheilungen auch
Wetterbeeinflussung betreiben (I,10ff). Wie Pythagoras lehrte Empedo-
kles die Seelenwanderung (Fragm 131 = Diels 31 B 127), war davon
überzeugt, selber bereits Knabe, Mädchen, Pflanze, Vogel und Fisch
gewesen zu sein (Fragm 108 = Diels 31 B 117), und verfaßte Kathar-
moi, die wohl im Zusammenhang mit der Reinigung der Seele von
präexistenter Schuld standen. In enger Verbindung mit diesen im Py-
thagoreismus wurzelnden schamanistischen Zügen von Empedokles 11 ,
dessen Yor)TEüav Gorgias persönlich beobachtet haben will (Diog Laert
VIII,59), sind seine Krankenheilungen und Wiederbelebungen scheinbar
Verstorbener in hohem Maße von wissenschaftlicher Medizin mitge-
prägt.

Empedokles verfaßte eine nur dem Titel nach bekannte Schrift namens
iatpixöc, XÖYOC; (Diog Laert VIII,77), Emped, Fragm 101, sind pharmakologi-
sche Heilpraktiken entnehmbar, und Celsus (Med Prooem 7) wie Galen (Gal
X,6) betrachten ihn als Vertreter der wissenschaftlichen Heilkunst.
Herakleides Pontikus (4.Jhdt.v.Chr.) berichtete in seiner nur fragmenta-
risch erhaltenen Schrift "Über die Scheintode oder über die Krankheiten"
(itEpi TTJC; fiitvou rj TtEpi vöawv) 12 von der Wiederbelebung einer Frau durch
Empedokles, die weder Puls noch Atem hatte, sich nur durch einen Rest an
Körperwärme von einer Verstorbenen unterschied und von den Ärzten für
tot erklärt worden war 1 3 . Sofern die Notiz Plin, Hist Nat 7,175, daß eine

10 Satyrus bei Diog Laert VIII,59 (Emped, Fragm 101/Diels 31 B 111).


Obwohl die Herkunft des Fragments fraglich ist - Clem Alex, Strom
VI 30,2. und Diog Laert VIII,59 geben lediglich "Gedichte" des Empedokles
als Quelle an (vgl. auch Empedocle ed. Bollak 111,1 19ff.) -, dürfte es
authentisch sein und der an Pausanias gerichteten (Emped, Fragm 4/Diels
31 B 1) Empedoklesschrift TtEpi <püo£(oc; zugehören (Flashar, Empedokles
Frgm. B 111 223-227).
11 Vgl. zu Empedokles als "Seherarzt" Kranz, Empedokles 22-37, zu seiner
Seelenreinigung Rohde, Psyche 171-187; Stettner, Seelenwanderung 19-29.
12 Text der Fragmente (Fragm 76-89) bei Wehrli, Herakleides Pontikus
27-32, Komm. ebda. 86ff. Vgl. ferner Gottschalk, Heraclides 13-22.
13 Herakleides, Fragm 79/Gal VIII,414f.; vgl. Fragm 77.83/Diog Laert
VIII,60-62.67. Die Heilung der von den Ärzten aufgegebenen Panthea (Her-
mipp bei Diog Laert VIII,69) dürfte mit dieser Wiederbelebung identisch sein.
94 Magie, Medizin und Wunder im Hellenismus

falsche Lage der Gebärmutter die Atmung außer Kraft gesetzt hatte, auf
Herakleides Pontikus zurückgeht 14 , reflektierte dieser im Sinne der hippo-
kratischen Medizin auch über die Ursachen des Scheintodes. Die in hohem
Maße knidisch geprägte Schrift De muliebribus beschreibt ausführlich, wie
Uterusverlagerungen Komazustände (Hippocr, Mul 11,123 ILittre VIII,2661),
Atemnot, Stummheit, Erstarrung des Kopfes und der Zunge (öp-8-ÖTivooc;
YIVETOI, avauSoi Y^ovrai, xai rä äutpi rfjv XEtpaXfjv xai TTJV YXöooav vapxri
EXEI, II, 126 [Littre VIII,2701) bis hin zur Erkaltung der Gliedmaßen (11,151
[Littre VIII,3261) nach sich ziehen 15 . Im 2.Jhdt.n.Chr. widmet sich Galen
ausführlich diesem Problem und zitiert dabei Herakleides Pontikus zustim-
mend, indem er dessen Beschreibung der Scheintodsymptome mit Fällen aus
seiner eigenen Praxis in Einklang sieht (Gal VIII,414ff.; vgl. auch VII,773).
Galen erklärt sich den Scheintod damit, daß trotz fehlender Atmung durch
Mund und Nase in den Arterien noch Respiration herrscht, und zieht ver-
gleichend den totenähnlichen Winterschlaf der Tiere heran (VIII,415).
Bei der Wiederbelebung der scheintoten Frau durch Empedokles hat es
sich wahrscheinlich um eine auf medizinischem Wege bewirkte Wiederher-
stellung der Atmungsfähigkeit gehandelt, denn für Empedokles sind sowohl
Erwägungen über die menschliche Respiration als auch Reflexionen über die
physiologischen Grundlagen von Schlaf und Tod und deren Unterscheidung
bezeugt 16 . Vermutlich war diese ärztliche Wiederbelebung mit einer scha-
manistischen Hadesfahrt, auf der Empedokles die Seele der Scheintoten aus
der Unterwelt zurückholte (vgl. Emped, Fragm 101). gekoppelt, zumal die
Empedoklestradition bei Herakleides, Fragm 78.81 (Orig, Cels 11,16; Plin,
Hist Nat 7,175), im Kontext der Seelenwanderung begegnet.

Über die Heilungswirksamkeit hinaus wird ausführlicher über eine


ihm den Beinamen "Windbezwinger" (Clem Alex, Strom VI 30,1) ein-
bringende Sturmstillung des Empedokles berichtet, wobei es sich nicht
zwangsläufig um eine sekundäre erzählerische Entfaltung von Emped,
Fragm 101,3f, handeln muß. Empedokles soll seine Heimatstadt Akragas

14 Vgl. dazu Gottschalk, Heraclides 20. Plin, Hist Nat 7,175 (Fragm 81),
heißt es: "Das weibliche Geschlecht scheint diesem Übel (sc. dem Schein-
tod) wegen der Umstülpung der Gebärmutter am meisten unterworfen zu
sein; hat man diese wieder in die richtige Lage gebracht, setzt die Atmung
wieder ein (spiritus restituitur). Hierher gehört auch jenes bei den Griechen
berühmte Buch des Herakleides über eine Frau, die nach einem Scheintod
von sieben Tagen wieder ins Leben gerufen wurde (septem diebus feminae
exanimis ad vitam revocatae)." Vgl. auch Lonie, Medical Theory 135-143.
15 Vgl. Plato, Timaios 91C; Aret 1111,2 (TOUVEXEV anvota ^uvsTvai SOXEEIV
xai ä<puviTi); Gal VIII,425.
16 Vgl. die Ausführungen über die Respiration in Emped, Fragm 91/Diels
31 B 100, und Aetius IV 22,1/PsPlut, Mor 903D. Aetius V24,2; 25,4/PsPlut,
Mor 909DE; 910AB/Diels 31 A 85 zufolge hat Empedokles den Schlaf auf
die teilweise und den Tod auf die vollständige Erkaltung des Blutes zurück-
geführt und beides mit dem Erlöschen des Feuerelementes im menschlichen
Körper in Verbindung gebracht.
Theios Aner 95

vor einem schädigenden Wind bewahrt haben. Dieses Ereignis wird


erst im Laufe der Überlieferungsgeschichte zunehmend als wunderhaft
stilisiert (vgl. Clem Alex, Strom VI30,1; Philostr, Vit Apoll VIII7,8),
während in der älteren Tradition durchaus glaubwürdig davon die Rede
ist, daß Empedokles durch Aufhängen von Eselshäuten die Kraft des
Windes brach 1 7 .
Von den weiterhin berichteten Wundertaten des Empedokles hat die
Erzählung von der Bewahrung der Stadt Selinus vor einer durch ver-
seuchtes Flußwasser verursachten Pest (Diog Laert VIII,70) einen
ernstzunehmenden historischen Haftpunkt18, während der späte, allein
bei Iambl, Vit Pyth XXV,113, überlieferte Bericht von der Beschwichti-
gung eines Tobsüchtigen durch Musik völlig legendarisch sein dürfte.
Letztlich handelte es sich bei Empedokles, der auch als Rhetor
(Diog Laert VIII,57) und Politiker (VIII,64ff.) wirkte, um eine mit Theios-
Aner-Anspruch auftretende, universal begabte Gestalt. Mit seinen aus-
sergewöhnlichen Heilungen, Wiederbelebungen und Naturbeeinflussun-
gen, die er durch eine Verquickung magischer Fähigkeiten wie wissen-
schaftlicher Kenntnisse bewirkte, stieß Empedokles in der griechisch-
römischen Welt über Jahrhunderte hinweg auf hervorgehobenes Inter-
esse und besaß für das Auftreten späterer Wundertäter idealtypischen
Vorbildcharakter.

1.4.3. Asklepiades von Prusa


Asklepiades von Prusa, der in der ersten Hälfte des l.Jhdt.v.Chr.19
wirkte, trug als einer der bedeutendsten Ärzte seiner Zeit und als
eigentlicher Begründer der Methodikerschule maßgeblich zur Etablie-
rung der wissenschaftlichen Medizin in Rom bei. Den menschlichen
Leib sah er aus unzähligen, ständig zirkulierenden kleinen Körperchen

17 Timaios bei Diog Laert VIII,60 (vgl. Plut, Mor S1SC; 1126B). Die
Anordnung zum Schlachten von Eseln allerdings ist weder mit der Reinkar-
nationslehre noch mit der Blutopferkritik des Empedokles vereinbar.
18 Münzen (S.Jhdt.v.Chr.) aus Selinus bilden einen Mann ab, der Askle-
pios durch Opfer Heildank abstattet. Dies wird vielfach mit der Bewahrung
der Stadt vor Pest Diog Laert VIII,70 in Verbindung gebracht, was aller-
dings unsicher bleibt (Abb. der Münzen und kritische Bewertung bei A.H.
Lloyd, Coin Types of Selinus 73-93 + Plate IV).
19 Diese allgemein angenommene Datierung stützt sich auf Cic, Or
I 14,62 (Asklepiades als Freund des 91v.Chr. gestorbenen Crassus), und Plin,
Hist Nat 26,12 (Asklepiades als Zeitgenosse von Pompeius). Rawson, Life
and Death of Asclepiades 360ff., nimmt hingegen 91 v.Chr. als spätesten To-
destermin von Asklepiades an.
96 Magie, Medizin und Wunder im Hellenismus

(6ivap[ioi ÖYXOI) zusammengesetzt, von deren Beschaffenheit und Ver-


hältnis zu den zwischen ihnen gelagerten Hohlräumen Krankheit oder
Gesundheit abhängig seien 2 0 . Von den mindestens siebzehn der bei
diversen antiken Autoren zitierten Schriften des Asklepiades 21 ist frei-
lich keine einzige erhalten. Zusätzlich wird ein adäquates Erfassen der
historischen Bedeutung des Asklepiades dadurch erschwert, daß seine
Therapien bald auf massive Kritik stießen, der ältere Plinius ihn als
Scharlatan verunglimpfte und seinem Werk auch später bei Galen
Verachtung zuteilwurde.

Für eine sachgerechte Beurteilung des Asklepiades wird man sich am


ehesten an Celsus und Scribonius Largus halten können. Celsus zitiert As-
klepiades vielfach 2 2 , würdigt sine studio et ira teils zustimmend, teils
ablehnend dessen medizinische Leistungen und läßt insgesamt nicht den ge-
ringsten Zweifel daran, daß es sich bei Asklepiades um einen uneinge-
schränkt in der wissenschaftlichen medizinischen Tradition stehenden Arzt
mit hoher Reputation handelt. Dabei wird deutlich, daß Asklepiades der
Pharmakologie zurückhaltend gegenüberstand, stattdessen der Diätetik ver-
stärktes Gewicht einräumte (Cels, Med V Praef 2 ) , und hier insbesondere
Bädern einen hohen medizinischen Stellenwert beimaß . Spätestens im
l.Jhtd.n.Chr. kursierten in Rom wegen dieser pharmakologiekritischen Hal-
tung die wildesten Gerüchte über Asklepiades, gegen die ihn Scribonius
Largus als einen maximus auctor medicinae verteidigt . Wenn Plinius
behauptet, Asklepiades habe in Rom zunächst als Rhetor gewirkt und sich
dann ohne die geringsten medizinischen Vorkenntnisse aus reiner Gewinn-
sucht der Heilkunst zugewandt (Hist Nat 26,12f.), entspricht dies zumindest
in bezug auf eine fehlende ärztliche Ausbildung nachweislich nicht den
Tatsachen 2 6 . Im 2.Jhdt.n.Chr. sieht man Asklepiades der bissigen Kritik des

20 Vgl. bes. die Ad Asclepiadem gerichteten Ausführungen des Cael Aur


(Cel Pass 1105ff.), zum Ganzen Harig, System des Asklepiades 44ff.;
Green, Asclepiades 83-87; Vallance, Lost Theory of Asclepiades 8ff.
21 Titel und Belegstellen bei Wellmann, PRE 4 (1896) 1633; Green,
Asclepiades 66f.; von Vilas, Asklepiades 34-36.79-82.
22 Vgl. Richardson, Index to Celsus 177.
23 Vgl. neben der Cels, Med 1114,1, zitierten Asklepiadesschrift De
communibus auxiliis auch Plin, Hist Nat 26,13, zum Ganzen: von Vilas, As-
klepiades 67ff. Falsch ist aber, daß Asklepiades die Pharmakologie grund-
sätzlich ablehnte, vgl. Scarborough, Drug Lore of Asclepiades 43ff.
24 Cels, Med II 17,2; vgl. Plin, Hist Nat 26,14. Benedum, Badearzt As-
klepiades 25ff., macht plausibel, daß Asklepiades sich seine hydrotherapeuti-
schen Fähigkeiten bereits vor seiner Niederlassung in Rom in seiner bithyni-
schen Heimat aneignete.
25 Scrib Larg, Compos Praef 7ff. (ed. Sconocchia) bzw. 55ff. (ed. Deich-
gräber, vgl. ebda. 862-864 zur berechtigten Inschutznahme des Asklepiades).
26 Vgl. von Vilas, Asklepiades 18-23; Wellmann, Asklepiades aus Bi-
thynien 688-703 (anders noch ders., PRE 4 [1896] 1632L), die - wie viele
Theios Aner 97

Methodikerverächters Galen ausgesetzt (Gal, ÜEpi TT[C; iarpixfjc; EUTtEipiac;


I,2ff; Gal 11,165 u.ö.).

Besondere Berühmtheit erlangte Asklepiades, der Plin, Hist Nat


26,13, zufolge von seinen Anhängern als "Gesandter des Himmels" (cae-
lo demissus) verehrt wurde und von daher dem Typus des Theios Aner
zuzurechnen ist, durch die Wiederbelebung eines totgeglaubten Man-
nes. Plinius, der bereits Hist Nat 7,124 eher beiläufig auf dieses Ereig-
nis zu sprechen gekommen war (relato e funere homine et conserva-
to), stellt es Hist Nat 26,15 geradezu als bewußt betrügerisches Schau-
spiel dar: " ... als er, dem Begräbnis eines Unbekannten begegnend,
den Mann vom Scheiterhaufen herabholte und rettete, daß aber ja nie-
mand glaube, eine solch große Wendung sei mit einfachen Mitteln
erreicht worden." 27 Den Parallelen bei Celsus und Apuleius ist dage-
gen deutlich entnehmbar, daß es sich bei der Wiederbelebung nicht um
Goetie, sondern um ärztliches Eingreifen handelte.

Celsus, ohnehin der älteste Zeuge für diese Wiederbelebung, kommt im


Zusammenhang seiner Ausführungen über die sicheren Zeichen des Todes
(certa mortis indicia) auf sie zu sprechen. Um sich zu vergegenwärtigen,
welche Schwierigkeiten und Fehlerquellen in der Antike selbst für fundiert
ausgebildete Ärzte eine zuverlässige Diagnose des eingetretenen Todes in
sich barg, lohnt sich eine Betrachtung der Asklepiadesnotiz in ihrem Kon-
text: "Es kann mich sehr wohl jemand fragen: Wenn es sichere Zeichen
des bevorstehenden Todes gibt, wie kommt es dann, daß mitunter von den
Ärzten aufgegebene Kranke wieder gesund werden, ja daß einige sogar beim
Leichenbegräbnis wieder lebendig geworden sein sollen (quosdamque fama
prodiderit in ipsis funeribus revixisse) ?' Selbst der mit Recht berühmte
Demokritus lehrte: Nicht einmal die Kennzeichen des erfolgten Todes,
welche die Ärzte angenommen hätten, seien zuverlässig', und umso weniger
gibt er zu, daß man sichere Kennzeichen für den bevorstehenden Tod hat.
Hierauf will ich nicht einmal erwidern, daß oft einander sehr nahe stehende
Kennzeichen täuschen können, wenn auch nicht die guten, so aber die uner-

andere (vgl. dazu Rawson, Life and Death of Asclepiades 365f.) - eine
Verwechslung mit dem Rhetor Asklepiades Myrleanus vermuten. Scar-
borough, Roman Medicine 38-42, macht sein Bild von Asklepiades als
medizinischem Autodidakten unkritisch an Plin, Hist Nat 26,12-17, fest.
27 Plin, Hist Nat 26,15, cum occurisset ignoto funeri, relato homine ab
rogo atque servato, ne quis levibus momentis tantam conversionem factam
existemet. Wellmann, PRE 4 (1896) 1632, übernimmt dies recht unkritisch
und spricht von einer Komödie des Asklepiades.
28 Plinius berichtet Hist Nat 7,173.176 von konkreten, durchaus glaub-
würdigen Scheintodfällen in Capua (unter Berufung auf Varro), Aquino und
Rom, bei denen der "Tote" teilweise schon auf einer Bahre zum Begräbnis
getragen wurde und zu Fuß nach Hause zurückkehrte.

Bayerische
Staatsbibliothek
München
98 Magie, Medizin und Wunder im Hellenismus

fahrenen Ärzte . Dies wußte Asklepiades wohl, als er, einem Leichenzuge
begegnend, ausrief: 'Der, welcher da hinausgetragen wird, lebt noch (quod
Asclepiades funeri obvius intellexit quendam vivere qui efferebatur)!', und
daß, wenn der Arzt einen Fehler begeht, derselbe nicht gleich der ärztli-
chen Kunst zur Last gelegt werden darf. Gemäßigter will ich nur folgendes
hinzufügen: Die Heilkunde beruht auf Vermutungen, und diese können mit-
unter täuschen, wenn sie sich auch oft als richtig erwiesen haben" (Cels,
Med 116,13-16).

Die sachlich referierte, in ihrer Glaubwürdigkeit von Celsus nicht im


mindesten angezweifelte Wiederbelebung durch Asklepiades wird hier
als medizinische Korrektur der fehlerhaften Diagnose unerfahrener
Ärzte, wie sie offenkundig nicht selten vorkam, aufgefaßt. Dies deckt
sich mit der Tatsache, daß Asklepiades eine wissenschaftliche Abhand-
lung über Respiration und Pulsschlag (itEpi TTJC; dtvaitvorjc, xai töv
ocppuYuuv) abfaßte (Gal VHI,757f), aus der Aetius IV22,2 (PsPlut, Mor
903EF) zitiert wird 3 0 . Noch pointierter hebt Apuleius, der die aus-
führlichste Schilderung des Ereignisses bietet (Flor 19,92-96), das
ärztliche Wirken des Asklepiades hervor. Dieser nähert sich dem Lei-
chenzug aus wissenschaftlicher Neugier (19,93f), diagnostiziert bei dem
Scheintoden noch Zeichen des verborgenen Lebens (Flor 19,95 per-
trectavit corpus hominis et invenit in illo vitam latentem) und bringt
ihn unter Verwendung bestimmter Medikamente wieder zum Leben
(19,96 confestimque spiritum recreavit, confestim animam in corporis
latibulis delitiscentem quibusdam medicamentis provocavit). Asklepiades
erweist sich mit dieser grundsätzlich glaubwürdigen Wiederbelebung als
hervorgehobener Repräsentant einer wissenschaftlich-medizinischen
Tradition, die über die physiologischen Grundlagen des Scheintodes so-
wie über geeignete Gegenmaßnahmen reflektiert und von der sich, wie
oben deutlich wurde (III.1.4.2.), bereits im Corpus Hippocraticum, bei
Empedokles und bei Herakleides Pontikus Spuren finden.

1.4.4. Simon Magus


Das älteste Zeugnis für Simon Magus, der vermutlich unter Claudius
auftrat (Just, Apol I 26,2), liegt in Apg 8,9-13, einer im Kern glaubwürdi-

29 Einzelne Ärzte hielten bei vermutetem Scheintod Wollfasern unter


die Nase oder plazierten ein Gefäß mit Wasser auf dem Bauch, um aus
etwaigen Bewegungen eine im Innern noch vorhandene Respiration erkennen
zu können (Gal VIII,415).
30 Vgl. Vallance, Lost Theory of Asclepiades 80-85.
Theios Aner 99

gen vorlk Tradition über Konflikte des Stephanuskreises mit Simon


Magus-Anhängern bei der Samariamission, vor 31 . Diesem Bericht ist
entnehmbar, daß es sich bei Simon um einen Magier handelte, der
aufgrund seiner diesbezüglichen Betätigung in Samaria als "höchste
Kraft" (Süva^ic, uEYaXn)32 verehrt wurde.

An einer Wirksamkeit Simons in Samaria dürfte nicht zu zweifeln sein,


zumal dort im 2.Jhdt.n.Chr. das Zentrum der kultischen Simon Magus-Ver-
ehrung lag (Just, Apol 126,3) und in der Tradition die samarische Stadt
Gitta als Geburtsort Simons gilt (Just, Apol 126,2; PsClem, Hom ß22,2).
uaYEÜuv/iiaYEia Apg 8,9.11 ist zwar offenkundig abwertend gemeint, aber
ernst zu nehmen. Auch Justin hebt magische Machttaten (SUVÖUEIC, uaYixai)
Simons hervor (Apol 126,2). Die Aktivitäten Simons umfaßten oder schlössen
mit ein, was man unter Magie oder Goetie verstand.

Bei Süvauic. iiEYaXri handelt es sich um eine Beschreibung des Got-


tesnamens, die im Judentum, bei den Samaritanern und in der Gnosis
nachweisbar ist 3 3 . Simon Magus wurde also von seinen Anhängern als
göttlich verehrt, wie es im 2.Jhdt.n.Chr. auch Justin (Apol I 26,2f.) und
die Petrusakten (Act Petr 10) bezeugen, und hat möglicherweise perso-
nale Theios Aner-Ansprüche erhoben. Unklar bleibt, worin die Magie
Simons bestand und inwieweit er als Urheber der simonianischen
Gnosis in Betracht kommt. Wenn die Frage nach der historischen
Beurteilung Simons in der Regel auf die Alternative "Magier oder Gno-
stiker" zugespitzt wird, scheint dabei eine den Tatsachen nicht ent-
sprechende Ausklammerung von Magie aus dem Bereich der Religion
impliziert zu sein. Man vermag sich einen Magier offenkundig nicht als
Urheber einer Soteriologie oder als Religionsstifter vorzustellen. Eine
genauere Sichtung der Textbefunde führt hier zu dem Ergebnis, daß
die Magie Simons vermutlich auf das engste mit seiner Seelenerlö-
sungslehre zusammenhängt 34 .

Jl Vgl. Lüdemann, Frühes Christentum 103f.l06f. Ob die Taufe Simons


Apg 8.13 historisch ist (Berger, Propaganda 313-317: Es habe sich bei Simon
Magus um einen Repräsentanten frühen samaritanischen Christentums gehan-
delt), bleibt fraglich. Die Konfrontation Simons mit Petrus Apg 8,14-24
dürfte erst auf Lk zurückgehen (anders Koch, Geistbesitz 72ff.).
32 In Apg 9,10b XEYOVTEC;- OÜTÖC; EOTIV f| Süvauic; TOU SEOU rj xaXouuEvi)
UEYäXr), eine möglicherweise auf eine EYÜ Eiui-Aussage des historischen
Simon rekurrierende Prädikation, ist i\ xaXouuEVT] zur Näherbestimmung
typisch lk (Apg 1,12.23; 3,11 u.ö.) und TOÜ &EOU wie in Lk 22,69 redaktio-
nelles Interpretament zu Süvauic,.
33 Vgl. die Belege bei Lüdemann, Simonianische Gnosis 42ff.; Beyschlag,
Simon Magus 106ff.
34 Gegen Beyschlags These von der simonianischen Gnosis als erst
christlicher Häresie des 2.Jhdt. (Simon Magus 127-219) ist davon auszuge-
100 M a g i e , Medizin und Wunder im Hellenismus

Als zentrale magische Praktiken werden Simon in der Tradition die


Inanspruchnahme von (Toten-)Geistern als Paredroi 35 und das Voll-
bringen von Rugwundern (Act Petr 4.31f.) zugeschrieben. Beides weist
in den Bereich des Schamanismus. Vermutlich reklamierte Simon Ma-
gus Kontakt zum Jenseits und unternahm wie Abaris oder Pythagoras
ekstatische Himmelsreisen (Act Petr 4; PsClem, Recogn III60,l) 3 6 , was
den historischen Haftpunkt für die polemische christliche Legende vom
Absturz oder der mißglückten Himmelfahrt Simons Act Petr 32 dar-
stellt. Daß Simon vom Typus her dem antiken Schamanentum pythago-
reischer Prägung zuzurechnen ist, legt auch seine Soteriologie nahe.
Simon behauptete frühere Inkarnationen der Helena (Iren, Haer I 23,2)
und hat dabei in Übereinstimmung mit Pythagoras und der Orphik die
Seelenwanderung gelehrt und den menschlichen Körper als Gefängnis
der Seele betrachtet (vgl. Plato, Gorgias 493A; Crat 400C) 3 7 . Die Nag
Hammadi-Schrift "Exegese über die Seele" (Ex An [NHC 11,6]),
die pythagoreisch-platonische Anschauungen über das Erdenexil der
Seele und ihre Rückkehr in den Himmel reflektiert, gilt in der neue-
ren Gnosisforschung als wichtige Quelle zur Rekonstruktion des
Simonianismus, die indirekt Licht auf den historischen Simon Magus
wirft 38 . Im Zentrum der Erlösungslehre Simons stand offenkundig das
Bemühen, den auf Erden geknechteten Seelen nach dem Tod ungehin-

hen. daß der historische Simon in enger Verbindung mit der e n t s t e h e n d e n


Gnosis stand, "da nur so die b e r e i t s in der 1.Hälfte des 2.Jh.s v o r h a n d e n e
simon. Überlieferung voll verständlich wird." (Rudolph, Simon 351, vgl.
grundsätzlich Lüdemann, Simonianische Gnosis 55ff.). Zudem könnte ETtivoia
Trjc; xapSiac; Apg 8,22 eine Kenntnis des simonianischen Systems andeuten,
vgl. Lüdemann, Beginnings of Simonian Gnosis 424f.
35 Just, Apol 126,2 (Siä TTJC; TÖV EVEPYOUVTQIV Saiuövwv TEXvnc; SuväuEic;
TroiTJaac; uaYixäcJ; PsClem, Hom ß26,1 (Seele eines Knaben als Hilfsgeist);
Act P e t r 31 (ETTOIEI TtvEÜuaTa Tiva Ttpöc; aütoüc; EioaYEoS-ai, <paivöuEva uövov,
oüx ö v r a SE äXi)9Qc;, ähnlich PsClem, Hom 8 4,2). Vgl. zu s c h a m a n i s t i s c h e r
Inanspruchnahme von Paredroi Eliade, Shamanism 8 8 - 9 5 .
36 Vgl. Burkert, Weisheit und Wissenschaft 127: "Abaris konnte nicht
wirklich' fliegen, aber er konnte ... den Flug vorführen, Zuschauer ihn
miterleben lassen - in s c h a m a n i s t i s c h e r Ekstase".
37 Das S i m o n - R e f e r a t Iren, H a e r 1 2 3 , wird zu Recht auf das K e t z e r -
syntagma Justins (Apol 126,8) zurückgeführt und läßt sich damit zumindest
bis in die M i t t e des 2.Jhdt.n.Chr. hochdatieren. Die S e e l e n w a n d e r u n g s l e h r e
dürfte dabei integrativer Bestandteil des älteren Simonianismus des
1.-2.Jhdt. n.Chr. gewesen sein (Rudolph, Simon 3 4 8 ; anders Lüdemann. S i m o -
nianische Gnosis 77f.: die Seelenlehre sei s p ä t e r e Erweiterung des Ennoia-
Mythus).
38 Rudolph, Simon 3 5 4 - 3 5 9 .
Theios Aner 101

derten Aufstieg zur obersten Gottheit zu verschaffen. Im Rahmen der


gnostischen Kosmologie stehen allerdings die in den verschiedenen
Himmeln ansässigen feindlichen Gestirnmächte dem Seelenaufstieg im
Wege, was gezwungenermaßen wie im Falle der Helena neuerliche
Inkarnationen der Seele im menschlichen Körper nach sich zieht. Hier
liegt aller Wahrscheinlichkeit nach bei Simon Magus in Analogie
zu Gnostikern des 2.Jhdt.n.Chr. der entscheidende Ansatzpunkt für
Magie 3 9 .

Iren, Haer 121,5, zufolge wird von Gnostikern an Sterbenden eine Ölung
vollzogen, die dem Schutz der Seele vor den feindlichen Gestirnmächten
dient und in Verbindung mit der Rezitation festgelegter Sprüche die Durch-
querung der verschiedenen feindlichen Himmelssphären gewährleistet. Ver-
mutlich ist die auf den Simon-Schüler Menander bezogene Aussage, daß die
von ihm gelehrte magia die Engel bezwingt (Haer 123,5), auf diesem Hin-
tergrund zu sehen. Celsus berichtet von christlich-gnostischen Magiern
(icXävoi xai YÖITEC,), die die Seelen zu Gott führen und die Gläubigen dazu
veranlassen, die Namen der Türwächter in den verschiedenen Himmeln zum
ungehinderten Seelenaufstieg auswendig zu lernen (Orig, Cels VII,40; vgl.
VI,30f.).

Vermutlich handelte es sich bei Simon Magus um einen Schamanen,


der den Gläubigen das zum ungehinderten Seelenaufstieg notwendige
Geheimwissen erteilte, durch das Beherrschern von Totengeistern und
den Vollzug ekstatischer Himmelsreisen Kontakt zum Jenseits herstell-
te und vielleicht den Seelen Verstorbener Totengeleit durch die Him-
melssphären gab.

1.4.5. Apollonius von Tyana

Hauptzeugnis für die Vita des eher in der Mitte als am Anfang des
l.Jhdt.n.Chr. geborenen 4 0 Neupythagoreers Apollonius von Tyana ist die

39 Vgl. grundsätzlich zur Verbindung von Seelenaufstieg und Magie in


der Gnosis Rudolph, Gnosis 186ff.
40 Philostr, Vit Apoll 1,12, zufolge hielt sich der jugendliche Apollonius
17n.Chr. in Aigai auf, Vit Apoll VIII,29ff. verläßt er nach dem Tode Domi-
tians die Welt; vgl. zur grundsätzlichen Plausibilität dieser Chronologie
Graf, Maximos von Aigai 68-70. Nach Dio Cassius LXXVII 18,4 lag freilich
die Blütezeit (AVS-ETV) des Apollonius unter Domitian, und auch die mut-
maßlich echten Apolloniusbriefe Apoll, Ep 23 (an Trajans Leibarzt Kriton),
und Ep 58 (wohl an den 108/109n.Chr. als Prokonsul amtierenden Valerius
Asiaticus Saturninus, vgl. Eck, Testamentum Dasumii 292-295), legen für
Apollonius als Todesdatum eher den Anfang des 2.Jhdt.n.Chr. nahe, vgl.
Dzielska, Apollonius of Tyana 32ff.
102 Magie, Medizin und Wunder im Hellenismus

in ihrem historischen Wert recht zweifelhafte Biographie Philostrats


mit ihrer tendenziösen Verherrlichung des Apollonius als eines allseits
verehrten, göttlich inspirierten Philosophen und Kultusreformators, der
über jeden Verdacht magischer Betätigung oder finanzieller Interessen
erhaben ist. Nicht zuletzt der von Philostrat immer wieder als Ge-
währsmann beanspruchte Damis, angeblich Weggefährte des Apollonius
und authentischer Protokollant seines Wirkens, hat sich samt den von
ihm verfaßten ÜTto[j.vfju.aTa als literarische Fiktion erwiesen 4 1 . In der
Hauptsache geht es Philostrat darum, Apollonius vom Vorwurf der
Goetie freizusprechen (Vit Apoll 1,2; V,12; VII,17.33.39) und damit ein in
der älteren Tradition verwurzeltes, den tatsächlichen Gegebenheiten im
Prinzip entsprechendes Bild von Apollonius als Magier zu verdrängen.

Philostr, Vit Apoll 1,7-12, zufolge verbrachte Apollonius seine Jugend am


Asklepieion von Aigai, wo er nicht allein mit dem Inkubationsheilungsbetrieb
in Berührung kam, sondern auch philosophisch geschult wurde und sich dem
Pythagoreismus zuwandte 4 2 . Diese Informationen basieren auf dem Vit Apoll
1,3.12 als Quelle genannten Werk des Maximus von Aigai über die Jugend
des Apollonius, an dessen Existenz wie hohem historischen Wert keine
Zweifel bestehen können 43 . Als Philosoph (Orig, Cels VI,41) stand Apollo-
nius zweifellos in neupythagoreischer Tradition und verfaßte ein Ilu&aYÖpou
ßioc; (Suda s.v. "Ait.), das sowohl Porphyrius (Vit Pyth 2) als auch lambli-
chus (Vit Pyth XXXV,254-264) bei Abfassung ihrer Pythagorasbiographien
vorlag. Von daher ist es glaubwürdig, daß Apollonius die pythagoreische
Seelenwanderungslehre vertrat (Philostr, Vit Apoll 111,19.23; VI,21.43; VIII,
7,4). Das authentische Fragment Euseb, Praep Ev IV,13, aus der Apollo-
niusschrift TiEpt 9-uoiöv (Vit Apoll 111,41; Suda s.v. 'Art.), das für den höch-
sten Gott jeden Opferdienst ablehnt (vgl. Apoll, Ep 26f.) 4 4 , und der wohl
echte Brief Apoll, Ep 58, weisen Apollonius als Eklektiker aus, bei dem
neben pythagoreischen auch platonische und stoische Einflüsse vorliegen .

41 Umstritten ist lediglich, ob die Damispapiere als vorphilostrateische


Fälschung tatsächlich existent waren (Speyer, Zum Bild des Apollonius
48-53) oder Erfindung Philostrats sind (grundlegend: E. Meyer, Apollonius
von Tyana 371ff.; ferner Bowie, Apollonius of Tyana 1653-1671; Koskenniemi,
Der philostrateische Apollonios 9-15).
42 Vgl. zu den Asklepieien als Zentren des geistigen Lebens etwa die
Gegebenheiten in Pergamon (Habicht, Inschriften des Asklepieions 15-17).
43 Vgl. Graf, Maximos von Aigai 66-73; gegen E. Meyer, Apollonius von
Tyana 401-405, der auch bei dem Werk des Maximus von einer Erfindung
Philostrats ausging.
44 Diese opferkritische Haltung (vermutlich von der pythagoreischen
Lehre einer Reinkarnation der menschlichen Seele in Tieren herrührend)
könnte maßgeblicher Grund für die Loslösung des Apollonius vom Asklepios-
kult in Aigai gewesen sein.
45 Vgl. Norden, Agnostos Theos 37-45; Dzielska, Apollonius of Tyana
138-151.
Theios Aner 103

Der Pythagoreismus hat sich bei Apollonius deutlich in seinem


Auftreten als Magier niedergeschlagen. Der betrügerischen Magie wird
Apollonius Dio Cassius LXXVII 18,4 (Y°T|C, xai {täyoc; äxpißfjc.) und indi-
rekt Luc, Alex 5, bezichtigt. Die von Philostrat kritisierte und angeb-
lich nicht benutzte (Vit Apoll 1,3) Biographie des Moiragenes zeichnete
Apollonius hingegen wohl im positiven Sinne 4 6 als uaYoc, xai <piX6oo<poc,
und beinhaltete hierauf bezogene Auseinandersetzungen zwischen
Apollonius auf der einen Seite, dem Stoiker Euphrates und einem nicht
näher bekannten Epikureer auf der anderen Seite (Orig, Cels VI,41).
Da die Kritik von Euphrates an magischen Betätigungen des Apollonius
damit als alte vorphilostrateische Tradition erwiesen ist, verdienen auch
die von diesem Konflikt handelnden Apolloniusbriefe an Euphrates
(bes. Apoll, Ep 8.16L52) und der sachlich eng damit zusammenhängen-
de Brief an Kriton (Apoll, Ep 23) hohe historische Glaubwürdigkeit 47
und können sogar von Apollonius persönlich stammen. Apoll, Ep 16,
zufolge wurde Apollonius seines Pythagoreertums wegen von Euphrates
als Magier verunglimpft. Apollonius beruft sich demgegenüber auf eine
bereits bei Plato belegte positive Bestimmung der Magie als Gottes-
dienst (Ale I 122A &EUV dEpartEia) und weitet dies dahingehend aus, daß
der Magier über eine göttliche Physis verfügt (Apoll, Ep 17 U.OYOC. ouv 6
&EpaTtEUTT)c, tuv 9-EWV ff ö Trjv cpüoiv OETOC,), während es sich bei dem
Nichtmagier um einen adEoc, handele. Apoll, Ep 23, gilt die Heilkunst
im Sinne einer gleichermaßen auf das seelische wie das körperliche
Wohlergehen bedachten Fertigkeit unter Berufung auf Pythagoras als TÖ
&Ei6raTov, und Apoll, Ep 52, werden unter den von Pythagoras erlern-
baren Künsten u.a. die Astronomie, Medizin und Mantik sowie das
Wissen über die Dämonen genannt. Die Befähigung zu Mantik, von
Philostrat in Vit Apoll IV,44 tendenziös verneint, und zu Heilung hatte
Apollonius bereits Ep 8 in positivem Sinne für sich geltend gemacht.
Die historische Zuverlässigkeit dieser Befunde aus den Apolloniusbrie-
fen wird dadurch untermauert, daß Moiragenes eine mantisch-astrologi-
sche Apolloniusschrift TtEpi ^avtEiac, äoTEpuv ßißXouc, TETrapac, bekannt
war (Vit Apoll 111,41), die mit dem der Suda zufolge von Apollonius
verfaßten Werk xPW°i (Orakelsprüche) identisch sein könnte 4 8 . Die

46 Vgl. gegen die weitverbreitete Ansicht, Moiragenes habe Apollonius


ebenfalls als Goeten gezeichnet, Raynor, Moeragenes and Philostratus
222-226.
47 Vgl. Bowie, Apollonius of Tyana 1676-1678; Dzielska, Apollonius of
Tyana 44-49.
48 In arabischer Tradition sind mehrere astrologisch-magische und al-
chemistische Schriften unter dem Namen des Apollonius (Balinus) überlie-
104 Magie, Medizin und Wunder im Hellenismus

schwerpunktmäßig auf Krankenheilung gerichtete Orakeltätigkeit des


Alexander von Abonuteichos scheint in noch höherem Maße bereits
von Apollonius herzurühren, als dies Luc, Alex 5, ohnehin nahelegt.
Allem Anschein nach verfügte Apollonius von Tyana über Fertigkei-
ten auf den Gebieten der Philosophie, Astronomie, Magie, Mantik und
Medizin und ist damit in Grundzügen einer ähnlich universal begabten
Gestalt wie Empedokles vergleichbar, zumal er wie dieser (Emped,
Fragm 102) eine göttliche Physis für sich beansprucht zu haben scheint
(Apoll, Ep 17; vgl. 44,1; 48,3) und im Pythagoreismus wurzelt. Von die-
sem Gesamtbild des historischen Apollonius her kann nunmehr ein kri-
tischer Blick auf die wichtigsten der von ihm in Vit Apoll überlieferten
Wundergeschichten 4 9 geworfen werden, die überwiegend den Vit Apoll
1,3 angesprochenen Lokaltraditionen zuzurechnen sein werden.

Daß Apollonius auf Initiative des Asklepios hin in Aigai einen Wasser-
süchtigen durch diätetische Anweisungen heilte (Vit Apoll 1,9), ist glaubwür-
dig, da Diätetik die bevorzugte Heilmethode der Pythagoreer war (Iambl,
Vit Pyth XXIX,163) und Apollonius selber in seiner Pythagorasvita von ihr
handelte (Iambl, Vit Pyth XXXV,264). Zudem rühmt sich Apollonius Ep 52
der iaTpixfj und ist indirekter Urheber der medizinischen Fertigkeiten des
Alexander von Abonuteichos (Luc, Alex 5), der seinerseits einen Askle-
pios-Glykon-Kult etablierte.
Dem in Tarsus lokalisierten Krankenheilungsbericht Vit Apoll VI,43 zu-
folge kuriert Apollonius einen von Tollwut befallenen Jüngling durch Sym-
pathetik, indem der als Krankheitsverursacher ausgemachte tollwütige Hund
durch Lecken der Bißwunde die Krankheit wieder auf sich nimmt. Ange-
sichts seines Pythagoreertums ist Apollonius die Anwendung solcher sympa-
thetischen Heilpraktiken zuzutrauen; der in der Suda als Pythagoreer gel-
tende Bolos von Mendes, der wie Apollonius Sammler von Pythagorastradi-
tion war (Apoll Parad, Hist Mirab I.VI), handelte in seiner magisch-phar-
makologischen Schrift «tuoixä von Sympathetik und Antipathetik (Suda s.v.
BöXoc,). Auch daß Apollonius den Hund anschließend durch das Wasser
trieb, hat realistischen Anhalt, denn antike Ärzte haben tollwütige Patienten
in Säcke gebunden und ins Wasser gelassen, um sie kurieren (Artorius bei
Cael Aur, Cel Pass 111,133; vgl. Cels, Med V 27,2).
Von der Heilung eines an Manie 5 0 leidenden Jünglings in Athen ist Vit
Apoll IV,20 die Rede. Maßgebliche Praktik ist die massive Bedrohung des

fert, bei denen es sich aber durchweg um Pseudepigrapha handeln dürfte,


vgl. Weisser, Das "Buch über das Geheimnis der Schöpfung" von Pseudo-
Apollonios von Tyana 28-39.
49 Umfassende Zusammenstellung des Materials bei Petzke, Apollonius
von Tyana und das NT 125-134.
50 Vgl. zum Krankheitsbild (unvermitteltes Lachen oder Weinen, Selbst-
gespräche) die Ausführungen des Aretaios über die Manie (Aret III 6).
Theios Aner 105

Krankheitsdämons 51 . Durch bloßes Anblicken (öpav) wird er in Furcht


gesetzt und ausfahrwillig gemacht. Anschließend spricht Apollonius den Dä-
mon in zorniger Erregung (F,üv öpYrj) wie ein Herr seinen heimtückischen
Sklaven an und gebietet ihm, sichtbar zu entweichen (XEXEÜOVTOC, a ü r ö !;üv
TEXUTipiu änaXXäTTEo&ai)52, woraufhin der Dämon unter Zertrümmerung
einer Säule die Flucht ergreift (vgl. Joseph, Ant VIII,48; Act Petr 11). G e -
schichtlicher Haftpunkt der Erzählung ist vermutlich eine Dämonenaustrei-
bung des Apollonius in Athen. Apoll, Ep 52, zufolge verfügte Apollonius
über EiSnoic; Saiuövuv, und ein Athenaufenthalt dürfte für ihn historisch ge-
sichert sein 5 3 . Fragwürdig erscheinen hingegen vom Pythagoreismus des
Apollonius her die ihm Vit Apoll IV,20 zugeschriebenen Praktiken. Lukian
läßt zwar in ähnlicher Weise den pythagoreischen Philosophen Arignotus
durch eine furchterregende ägyptische Zauberformel aus einem magischen
Kompendium einen Totengeist vertreiben (Philops 30f.). Gerade bei Manie,
wie sie Vit Apoll IV,20 vorausgesetzt ist, stellt aber eine auf Wiederher-
stellung des psychischen Gleichgewichts und der Körperharmonie abzielende
Musiktherapie, die sich bestimmter Rhythmen, Gesänge oder Beschwörun-
gen bedient und in Einzelfällen um eine Rezitation von Homer- und
Hesiodversen ergänzt wird, die im Pythagoreismus normalerweise gehand-
habte Heilungsmethode d a r 5 4 . Die Apoll, Ep 52, vorliegende Auflistung von
Harmonie, Musik und Heilkunst als wichtiger von Pythagoras herrührender
Fähigkeiten legt für Apollonius nahe, daß dieser dämonisch verursachte Ma-
nie nicht in der Vit Apoll IV,20 beschriebenen Weise, sondern seinem
Pythagoreertum gemäß durch Seelenreinigung (vgl. Vit Apoll VI,5) und Mu-
siktherapie heilte. Da Apollonius die Seelenwanderungslehre vertrat, ist da-
mit zu rechnen, daß er wie Pythagoras auf ekstatische Jenseitsreise ging
(vgl. Vit Apoll 111,51), um die zur Heilung notwendigen Informationen über
das Vorleben der Seele zu erkunden.
Völlig unhistorisch dürfte der Vit Apoll IV,45 von Philostrat wiedergege-
bene und rational kommentierte Bericht von der Wiederbelebung einer jun-
gen Frau in Rom sein. Für die Annahme, daß sich Apollonius überhaupt
irgendwann in Rom aufgehalten hat, gibt es außerhalb der Vit Apoll keine
gesicherten Hinweise. Apoll, Ep 14, legt vielmehr nahe, daß Apollonius Ita-
lien weder auf Einladung hin noch aus eigener Initiative jemals besuchte.
Zudem sind Wiederbelebungen für den historischen Apollonius zweifelhaft.
In den Briefen finden sie keine Erwähnung, und Reflexionen über den
Scheintod sind für Apollonius im Gegensatz zu Empedokles oder Asklepiades
nirgends bezeugt. Vit Apoll IV,45 ist ohnehin bereits dadurch als sekundäre
Übertragung verdächtig, daß Lk 7,11-17 eine von Aufbau wie Inhalt her
frappierend ähnliche Totenerweckungserzählung begegnet.

51 Auch die Vertreibung der Empuse Vit Apoll IV,25 (Anderson, Philo-
stratus 141, vermutet einen historischen Kern) vollzieht sich durch massive
Einschüchterung.
52 Vgl. zur Epipompe PGM IV.1247L, zu an Dämonen gerichtetem
KEXEÜEIV o.a. PGM 111,89.231f.
53 Vgl. Norden, Agnostos Theos 37-45.
54 Vgl. Porph, Vit Pyth 30.33; Iambl, Vit Pyth XV,64; XXV,110f.ll4;
XXIX,164.
106 Magie, Medizin und Wunder im Hellenismus

Vit Apoll IV,10; VI,41; VIII,7,9 zufolge hat Apollonius Ephesus vor der
Pest und einzelne hellespontische Städte vor Erdbeben bewahrt. Hier kommt
als historischer Kern in Betracht, daß Apollonius in bestimmten Regionen
magische Figuren oder Säulen als Talismane zur Abwehr von Krankheit und
Naturkatastrophen errichtete 5 5 .
Von den zahlreichen Beispielen für wunderbare seherische Fähigkeiten
des Apollonius (u.a. Vit Apoll V,24.42; VI,39) schließlich dürfte am ehesten
Vit Apoll VIII,26 (Apollonius sagt in Ephesus den gerade in Rom erfolgen-
den Tod Domitians voraus) auf einer historischen Begebenheit beruhen. In
jedem Falle handelt es sich dabei um eine vorphilostrateische Tradition, die
auch bei Dio Cassius LXVII 18,lf. überliefert ist.

1.4.6. Vespasian
Von dem römischen Feldherrn und deklarierten Kaiser Vespasian
wird in dreifacher Überlieferung berichtet, daß er in Alexandria
69/70n.Chr. einen nahezu Erblindeten und einen Mann mit gelähmter
Hand heilte, die sich beide auf Geheiß des Heilgottes Sarapis hin an
ihn gewandt hatten (Tac, Hist IV81,1-3; Suet, Vesp VII,2f.; Dio Cassius
LXV8,lf). Tac, Hist IV81,2, gilt dies als Zeichen göttlicher Erwählung
(divino ministerio principem electum). Meist rechnet man hier mit ei-
ner vom antiken Herrscherkult geprägten legendarischen Theios Aner-
Tradition und ordnet insbesondere den Gelähmtenheilungsbericht den-
jenigen Wunderüberlieferungen zu, in denen der bloßen Berührung des
Kranken durch den Wundertäter Zauberkraft beigemessen wird 5 6 .
Demgegenüber läßt die historische Zuverlässigkeit der chronologisch-
geographischen Eckdaten von Tac, Hist IV81,l-3parr, von vornherein
auch den dortigen Krankenheilungstraditionen ein hohes Maß an Glaub-
würdigkeit zukommen, zumal Tacitus offenkundig noch Augenzeugen
dieser Geschehnisse persönlich bekannt sind (IV81,3) 57 .

55 Vgl. dazu Petzke, Apollonius von Tyana und das NT 24-28; Weis-
ser, "Buch über das Geheimnis der Schöpfung" 15f.23-25. Wohl pseudepi-
graph ist die Apolloniusschrift über Talismane ßißXoc, oocpiac, xai OUVEOEUC;
äitoTEXEOuäTUv (ed. F. Boll, CCAG 7, 1908, 174-181).
56 Vgl. Weinreich, Heilungswunder 67ff.; Berger/Colpe, Textbuch 37f.50,
als Beispiel aus dem Herrscherkult Plin, Hist Nat 7,20; 28,34; Plut, Pyrrhus III,
4f.: Heilung eines Milzkranken durch bloßen Kontakt mit der Zehe von Pyrrhus.
57 Chilver/Townend, Commentary 84 ("as if witnesses were still avail-
able well over thirty years later, perhaps in the imperial household"), vgl.
auch Henrichs, Vespasian's Visit 65-72. Daß Tacitus selber dem Geschehen
ohne Sympathie gegenübersteht - der Sarapiskult entspringt für ihn dem
Aberglauben (IV81,1), und die Heilungen hält er offenbar für Lüge (IV81,3)
- erhöht die Glaubwürdigkeit des Berichtes, vgl. Morenz, Vespasian, Heiland
der Kranken 372.
Theios Aner 107

Zutreffend ist Tac, Hist IV81,l-3parr, die Angabe, daß Vespasian


sich von Dezember 69 bis ca. Anfang September 70n.Chr. in Alexan-
dria aufhielt 58 . Auch die Nachricht von einem Besuch Vespasians im
dortigen Sarapisheiligtum mit dem Ziel, ein Orakel der Gottheit für die
bevorstehenden gewagten politischen Unternehmungen in Rom zu
erhalten (Tac, Hist IV82; Suet, Vesp VII,l) 5 9 , verdient angesichts der
ausgeprägten Empfänglichkeit Vespasians für Astrologie und Mantik
uneingeschränkte Glaubwürdigkeit 60 . Für eine historische Beurteilung
der in diesem Zusammenhang überlieferten Krankenheilungen Vespa-
sians sind die in beiden Fällen rational nachvollziehbaren Heilungsvor-
gänge sowie der Sachverhalt, daß es sich letztlich um Inkubationshei-
lungen des Sarapiskultes handelt, von entscheidender Bedeutung.

Sarapis gewann in hellenistischer Zeit in Ägypten unter maßgeblichem


Einfluß des Asklepioskultes zunehmend den Status einer Heilgottheit 6 1 .
Nach übereinstimmendem Zeugnis von Tac, Hist IV81,l/Suet, Vesp VII,2/
Dio Cassius LXV8,1 wenden sich die beiden Heilungsbedürftigen auf eine
im Traum ergangene Anweisung des Sarapis hin an Vespasian. Man wird
damit für Alexandria den gleichen Inkubationsbetrieb voraussetzen dürfen,
wie er von Strabo (XVII 1,17) für das Sarapisheiligtum von Canabos verbürgt

58 Vgl. zur zeitgeschichtlichen Einordnung Heubner/Fauth, Komm. IV 175f.;


Chilver/Townend, Commentary 83; Schürer/Vermes, History I 499-501.
59 Tac, Hist IV 82. erscheint die Orakelbefragung des Sarapis als Kon-
sequenz der zuvor berichteten Krankenheilungen, während Sueton eine
umgekehrte Abfolge der Ereignisse bietet. Dio Cassius, dessen Bericht
einerseits verkürzt, andererseits um ein weiteres Wunder (Überschwemmung
des Nils beim Einzug Vespasians in Alexandria) bereichert ist, übergeht die
Orakelszene. - Vgl. zum Sarapeion von Alexandria Rowe, Temple 19ff.
60 Vespasian maß Orakeln und Prophezeiungen, wie beispielsweise der
Basilidesverheißung (Tac, Hist 1178,3) oder der Josephusverkündigung von
der künftigen Kaiserwürde (Joseph, Bell III,399ff.; IV,622ff.; Suet, Vesp
V,6), einen hohen Stellenwert bei und umgab sich später mit dem Astrolo-
gen und Wahrsager Seleucus als Ratgeber (Tac, Hist 1178,1). Dies dürfte
auch den historischen Haftpunkt für die fiktive Tradition von Apollonius als
Berater Vespasians (Philostr, Vit Apoll V,27ff.) darstellen. Vgl. zum Gan-
zen Weber, Josephus und Vespasian 44f.; Lattimore, Portents and Prophe-
cies 441ff.; Heubner/Fauth, Komm. II 252f.; IV 177.
61 Vgl. zum Asklepioseinfluß Tac, Hist IV 84,5 (Viele identifizierten
Sarapis aufgrund seiner Heilungstätigkeit mit Asklepios), und dazu Wilcken,
Papyrusurkunden I 34f.; Heubner/Fauth, Komm. IV 201f. Auf einem Graffito
aus Alexandria ist neben Sarapis eine Schlange abgebildet (Kater-Sibbes/
Vermaseren, Apis I Nr.97). - Artemidor 11,44 (ähnlich Ael Arist, Or 45,29)
berichtet von der Existenz zahlreicher Bücher mit Heilungsberichten aus
dem Sarapiskult (ouvtaYac, xai dEpaitEiac, tac, ÜTTÖ ZapamSoc; SoO-Eioac;).
Mehrere Beispiele für solche Erzählungen finden sich bei Ael, Nat An
XI,31f.34f. (vgl. Weinreich, Heilungswunder 120ff.).
108 Magie, Medizin und Wunder im Hellenismus

wird und den Gegebenheiten an den Asklepieien entspricht . Im Traum


erteilt die Gottheit den Kranken Anweisungen zur Heilung, deren - meist
erst nach beratender Hinzuziehung des medizinisch geschulten Tempelperso-
nals vollzogene - Ausführung dann Genesung nach sich zieht.
Im Falle Vespasians wenden sich die Heilungssuchenden mit genauen
Vorstellungen von den erforderlichen therapeutischen Maßnahmen, deren
Kenntnis sie dem Inkubationstraum bzw. dessen Deutung durch das Tempel-
personal verdanken, an den Wundercharismatiker. In beiden Fällen werden
rationale Heilpraktiken aus dem Bereich der antiken Medizin begehrt. Dem
an stark verminderter Sehfähigkeit leidenden Mann soll Vespasian "die
Wangen und die Augenhöhlen mit der Absonderung des Mundes benetzen"
(ut genas et oculorum orbes dignaretur respergere oris excremento, Tac,
Hist IV81,1). Speichel diente in der Antike als wirkungsvolles Augenheil-
mittel 6 3 . Der zweite Heilungsbedürftige, dessen Hand offenbar durch Ver-
renkung (Tac, Hist IV81,2) bewegungsunfähig wurde, sucht exakt um dieje-
nige Heilpraktik nach, welche die hippokratische Medizin in derartigen
Fällen empfiehlt. Vespasian soll ihm auf die Hand t r e t e n 6 4 , um die Gelen-
ke wieder einzurenken 6 5 . Das für den Gelähmten von Tac, Hist IV 81,2,
vorauszusetzende Inkubationserlebnis entspricht dem in der Epidaurosin-
schrift W 3 dokumentierten Heiltraum, wo einem an den Fingern gelähmten
Mann Asklepios im Schlaf auf die Hand springt (£<paXEO$ai ETti t ä v x*iPa)-

Beiden Heilvorgängen kommt somit ein hohes Maß an historischer


Plausibilität zu, zumal sie im Zusammenhang mit weiteren zuverlässigen

62 Artemidor IV,22 identifiziert den Inkubationsheilungsbetrieb von Alex-


andria uneingeschränkt mit demjenigen von Pergamon. Vgl. auch Ael Arist,
Or 45,7ff., und dazu Höfler, Sarapishymnos 54-58.
63 Plin, Hist Nat 28,37.76; Marcell Emp, Med VIII,43.166; Paul Aeg
VII,3. Indizien für die Heilung von Augenleiden am Sarapisheiligtum von
Alexandria liefert zudem die Tradition bei Diog Laert V,76, derzufolge der
Philosoph Demetrius (um 300v.Chr.) dort durch Sarapis von Blindheit geheilt
wurde. Vgl. zu Sarapis als "Augenarzt" auch die legendarische Erzählung
Ael, Nat An XI,31 (Heilung eines erblindeten Pferdes durch Sarapis).
64 Tac, Hist IV81.1 (calcare); Dio Cassius LXV8,1 (itaTETv). Es geht
also nicht um bloße Berührung (Suet, Vesp VII,2 contingere; auch die dorti-
ge Beinlähmung debili crure ist sekundär) und damit verbundene Heilung
allein durch Kontakt mit göttlicher Dynamis, sondern um kräftiges Auftreten.
65 Die hippokratische Schrift "Über das Einrenken der Gelenke" gibt
exakte Anweisungen für das Einrenken von Handgelenken, wobei die hervor-
stehenden Partien der Gelenke vom Arzt mittels der Hand oder unter
gleichzeitiger Heranziehung seiner Ferse zurückgedrängt werden sollen (TÖ
SE EC]EXOV i)' O-Evapi r\' TtTEpvi) äua äTtav&ETv Hippocr, Art 26 [Littre IV,
1361). Der Empiriker Apollonius von Kition (1.Jhdt.v.Chr.) kommentiert dies
zustimmend und fügt ergänzend ein Schaubild für schwere Fälle von Ver-
renkung bei, wo das Handgelenk vom Arzt ohne manuelle Praktiken, viel-
mehr allein mittels der Ferse in seine ursprüngliche Lage zurückzuzwingen
ist (ßiaoTEOv Sia TTJC; TtTEpvi|c, Apoll Cit, Comm in Hippocr Art II ICMG
XI 1,1, 46 + Abb.XIII1). - Henrichs, Vespasians Visit 69-71, vermutet angesichts
Theios Aner 109

Nachrichten über einen Alexandriaaufenthalt Vespasians überliefert


sind. Dabei ist ernsthaft mit der Möglichkeit zu rechnen, daß die
Sarapispriesterschaft von Alexandria Vespasian gezielt mit zwei minder
schweren, a priori von hohen Heilungsaussichten gekennzeichneten
Krankheitsfällen konfrontierte, um sich bei positivem Ausgang Sympa-
thie und Protektion des bereits zum römischen Kaiser ausgerufenen
Herrschers für den Sarapiskult zu sichern 6 6 . Umgekehrt würde Vespa-
sian aufgrund der Neigung, außergewöhnlichen Ereignissen schicksal-
hafte Bedeutung beizumessen (Tac, Hist 1178,2; vgl. 110), seinerseits
einen im Bereich des Möglichen liegenden Heilungserfolg als Zeichen
göttlichen Wohlwollens (vgl. Tac, Hist IV81,2) und damit als weiteres
gutes Omen für seine politische Zukunft gewertet haben und kann aus
diesem Grunde dem Begehren der Hilfesuchenden nachgekommen sein.

1.4.7. Alexander von Abonuteichos


Letzter herausragender Vertreter des antiken Schamanentums pythago-
reischer Prägung ist Alexander von Abonuteichos, der in der Mitte des
2Jhdt.n.Chr. mit großem Erfolg eine Synthese zwischen Pythagoreismus
und Asklepioskult vollzog, die sich bereits bei Apollonius von Tyana
eng berührt hatten (Philostr, Vit Apoll 1,7-12). Alexander, dessen histo-
rische Konturen durch die verzerrende Darstellung Lukians noch deut-
lich hindurchscheinen 67 , trat mit massiven Theios Aner-Ansprüchen auf.
Einerseits gab er sich als göttlicher Abkömmling des Asklepiossohnes
Podaleirius aus (Luc, Alex 11.39), behauptete, mit Selene eine Tochter
gezeugt zu haben (Alex 35), und erwartete, wie einst Asklepios durch
Blitzschlag mit nachfolgender Apotheose aus dem irdischen Leben
zu scheiden (Alex 59). Andererseits betrachtete er sich als Reinkar-
nation des Pythagoras und verfügte angeblich wie dieser über einen gol-
denen Schenkel (Alex 4.40). Gemeinsamer Nenner ist die für Asklepios
und Podaleirius wie für Pythagoras mit seinem goldenen Schenkel voraus-
gesetzte Abstammung von Apollo (Hom, Hymn 16,1-5; Aristot, Fragm 191).

alexandrinischer Münzen, auf denen Sarapis mit überdimensionalem Fuß darge-


stellt ist, daß Vespasian mit seiner Gelähmtenheilung für Sarapis gehalten wurde.
66 Vgl. dazu Weber, Josephus und Vespasian 257; Morenz. Vespasian,
Heiland der Kranken 373L377; Heubner/Fauth, Komm. IV 177, und ebda.
180f. die ansprechende Vermutung, daß es sich bei den Vespasian zureden-
den medici von Hist IV 81,2 um Sarapispriester handelte.
67 Vgl. zur Intention und literarischen Umsetzung von Lukians polemi-
scher Alexanderdarstellung Weinreich, Alexandros der Lügenprophet 129ff.;
Caster, Alexandre 79-93; Jones, Culture and Society in Lucian 133-148; Bran-
ham, Unruly Eloquence 181-210; Clay, Four Philosophical Lives 3430-3448.
110 Magie, Medizin und Wunder im Hellenismus

Mit dem Pythagoreismus kam Alexander durch einen Schüler des


Apollonius von Tyana in Berührung, der als öffentlicher Arzt wirkte
und ihn ärztlich-pharmakologisch ausbildete (Alex 5). In seiner Hei-
matstadt Abonuteichos etablierte Alexander offenkundig in Anlehnung
an den Amphilochus-Kult in Mallus (Alex 19.29) einen Glykon-Asklepios-
Orakelbetrieb, der antiken Münzen zufolge bis mindestens in das
späte 3.Jhdt.n.Chr. hinein Bestand hatte 6 8 . Dort betätigte sich Alexan-
der als ein zwischen Gottheit und Mensch vermittelnder mantischer
Prophet, indem er bei dem "neuen Asklepios" Glykon im Gebet für die
hilfsbedürftigen Bittsteller eintrat ('AXEcrxvSpoc. ö Ttpo9f|TT|c, |iou SEiiO-Tf xai
EÜFjitai ÜTCEP i)uSt\) Alex 22) und im Auftrag der Gottheit Orakel erteilte.
Ähnlich wie bei Pythagoras, Empedokles und Apollonius erstreckt sich
das allerdings an eine feste Kultstätte gebundene Wirken des Alexan-
der schwerpunktmäßig auf Heilungen bis hin zu Wiederbelebungen
(Alex 24) und auf die Vorhersage oder Abwendung von Pest und Na-
turkatastrophen (Alex 36). Unter dem Heilungsaspekt betätigt sich
Alexander dabei gleichermaßen als Schamane, der die frühere Existenz
und das zukünftige Schicksal der Seele freilegt (Alex 34.43), wie als
Arzt, der pharmakologische oder diätetische Therapien verordnet (Alex
22).
Entgegen der tendenziösen Lebensbeschreibung durch Lukian dürfte
es sich bei Alexander um eine seriöse Person 6 9 mit schamanistischer
wie medizinischer Befähigung gehandelt haben, an deren von Lukian
mit Bitternis eingestandener ärztlich-pharmakologischer Kompetenz
(Alex 22) wie hoher gesellschaftlicher Reputation (Alex 30ff.57) kein
Zweifel bestehen kann.

1.4.8. Einzelne Gestalten aus Lukians Philopseudes


Über die Alexanderkritik hinaus geht Lukian im Philopseudes auf das
Wirken weiterer fiktiver oder real existenter Magier ein, wobei man
der Sache nach von ins Lächerliche gezogener Theios Aner-Tradition
sprechen kann, ohne daß dieser terminus technicus fiele. Der Epiku-
reer Lukian schiebt die von ihm verarbeiteten Wundergeschichten,

68 Vgl. Weinreich, Alexandros der Lügenprophet 149f.; Nock, Alexander


of Abonuteichos 160; Caster, Alexandre 94-98.
69 Ähnliches dürfte für den tic; SEÖV verehrten (Luc, Peregr 11), von Lu-
kian gleichermaßen als Goet abgestempelten (Luc, Peregr 13) und mit bissi-
gem Spott überzogenen Kyniker Peregrinus gelten, über dessen Wundertaten
allerdings nichts Näheres verlautet.
Theios Aner 111

über deren historischen Wert keine Pauschalurteile gefällt werden


können, den Repräsentanten einschlägiger Philosophenschulen seiner
Zeit in den Mund, um in Person des Tychiades den Wunderglauben der
Platoniker, Peripatetiker, Stoiker und Neupythagoreer verächtlich ma-
chen zu können 7 0 .

a) Der chaldäische Wunderheiler und Schlangenbeschwörer


Der erste Wundertäter, über dessen Auftreten und Vorgehensweise
Lukian in Philops llf. den Platoniker Ion ausführlich berichten läßt, ist
ein Chaldaer, der sich als Heiler von Schlangenbissen und als Schlan-
genbeschwörer betätigt. Ob es sich dabei um eine historische oder um
eine idealtypisch-fiktive Person handelt, läßt sich kaum entscheiden. In
jedem Falle wird die mit dem Chaldaer verbundene Wundertopik nicht
erst lukianische Erfindung sein, sondern den Stand der zeitgenössi-
schen Magie repräsentieren.
Zunächst ist Luc, Philops 11, davon die Rede, daß der Winzersklave
Midas nach Verwundung durch einen Schlangenbiß auf einer Bahre
herbeigebracht wird und diese im nachhinein als Zeichen der erfolgten
Heilung eigenhändig wieder davonträgt. Die Heilpraktiken selbst weisen
den Chaldaer als Magier aus. Durch einen Beschwörungsspruch (ETU^ST!),
wie er auch Ael, Nat An 1,54, als Mittel gegen Schlangenbisse empfoh-
len wird, entfernt er das Schlangengift aus dem Körper. Ergänzend
wird am Fuß des Verletzten ein Stein befestigt, der von dem Grabmal
einer verstorbenen Jungfrau stammt und wohl den Genesungssprozeß
beschleunigen soll. Speziell solchen Gegenständen, die unmittelbar mit
gewalttätig oder frühzeitig Verstorbenen in Zusammenhang stehen,
wurde besondere Heilkraft beigemessen 71 .
Daß Lukian den Chaldaer Philops 12 völlig treffend als U.<XYOC. be-
zeichnet, zeigt der dortige Bericht von einer Schlangenbeschwörung.
Der Chaldaer spricht dazu sieben heilige Namen, offenbar Zauberwor-
te, "aus einem alten Buch" aus, verfügt also über ein magisches Hand-
buch. Zudem reinigt er den Ort mit Schwefel und Pinienspänen, um-

70 Vgl. zur Kompositionstechnik in Luc, Philops, Anderson, Studies in


Lucian's Comic Fiction 23-33, zu Lukians Beurteilung der Philosophenschu-
len seiner Zeit Helm, Lucian und die Philosophenschulen 188ff. (zu den
im Philops abgehandelten, fiktiven Philosophen ebda. 193.207.212.276); Jo-
nes, Culture and Society in Lucian 24-32.
7i Vgl. etwa Plin, Hist Nat 28,41.45f. (u.a. Haare eines Gekreuzigten und
Kreuzesnägel gegen Fieber).
112 Magie, Medizin und Wunder im Hellenismus

kreist ihn dreimal und bannt auf diese Weise alle Schlangen innerhalb
der Gegend, um sie dann zu verbrennen. Im Gegensatz zu Choni, der
sich mit apotropäischem Kreisziehen einen dämonenfreien Raum ver-
schafft (Taan 111,8), geht es hier vorstellungsmäßig darum, das Feindli-
che in einem magischen Zirkel einzuschließen und zu vernichten 72 .

b) Der Hyperboreer
Der Peripatetiker Kleodomos berichtet Luc, Philops 13f., von den
wunderbaren Taten eines Magiers aus dem sagenumwobenen Land der
Hyperboreer (vgl. Plin, Hist Nat 4,89). In dem summarienhaften Wun-
derkatalog Philops 13 sind Liebeszauber und Nekromantie des Magiers
der nachfolgenden Wundererzählung Philops 14 entnommen. Als weitere
Fähigkeiten werden Riegen, Wasserwandel und Durchschreiten des
Feuers genannt. Für ersteres hat wohl die Tradition des auf einem
Pfeil die Lüfte durchschreitenden Hyperboreers Abaris (u.a. Iambl, Vit
Pyth XXVIII,135f; vgl. auch PGM 1,119; XXXIV,9f.) Pate gestanden,
während das Motiv des Wasserwandels eine Reproduktion der Lukian-
notiz über die auf dem Meer wandelnden "Korkfüßler" (Luc, Ver Hist
11,4) darstellen dürfte.
In der ausführlichen Liebes- und Herbeibringungszaubergeschichte
Philops 14 ist davon die Rede, wie der Hyperboreer dem Philosophen-
schüler Glaukias gegen beträchtliches Entgelt die von ihm begehrte
Chrysis zufuhrt. Als magische Begleithandlung begegnet Nekromantie,
indem der verstorbene Vater des Glaukias vorübergehend in das Leben
zurückgerufen wird, um seine Einwilligung in die Liebesbeziehung zu
erlangen. Der eigentliche Herbeibringungszauber vollzieht sich derge-
stalt, daß eine vom Magier ausgesandte Erosstatuette dem Glaukias die
Geliebte zuführt. Dies deckt sich mit Praktiken der Zauberpapyri, wo
sich der Magier eines Paredros bedient, um bestimmte Personen her-
beizubringen (PGM I,96ff; IV,2090ff). Unmittelbare Parallelen zu Luc,
Philops 14, bieten die Zauberformulare PGM IV,1390ff.2708ff, wo der
Magier jeweils in Analogie zu dem Hyperboreer eine Epiphanie der
Göttin Hekate erzwingt (IV,1443ff.2745ff), damit diese samt den ihr
untergebenen Totengeistern eine bestimmte Frau vor Liebe zum Auf-
traggeber entflammen läßt.

72 Vgl. als unmittelbare Parallele zur Vorgehensweise des Chaldäers


Plin, Hist Nat 22,60: Einschließung und Tötung eines Skorpions in einem magi-
schen Zirkel.
Theios Aner 113

Grundlage von Luc, Philops 14, ist wahrscheinlich eine traditionelle


Liebeszaubererzählung, die auch vom Verfasser der "Bekehrung Cyprians"
aufgegriffen und ausgestaltet wurde 7 3 . Der Heide Aglaides hat sich in
das Christenmädchen Justina verliebt und wendet sich mit der Bitte
um Zubringungszauber an den Magier Cyprian. Dieser nimmt gegen
Entrichtung von zwei Talenten den Auftrag an und sucht mit Hilfe ei-
nes ausgesandten Dämons dem Aglaides die Geliebte zuzuführen, wo-
bei er allerdings scheitert, sich zum Christentum bekehrt und später
Bischof von Antiochien wird.
Letztlich handelt es sich damit bei dem Hyperboreer von Luc,
Philops 13f., um eine idealtypische Figur, die Lukian selber durch Ver-
arbeitung unterschiedlicher magischer Traditionen geschaffen hat.

c) Der palästinische Exorzist


Luc, Philops 16, ist - wiederum im Munde Ions - von der Heilung
eines Mondsüchtigen, also eines Epileptikers (vgl. Aret 1114,2; Gal
IX,903) durch den "allen bekannten Syrer aus Palästina" (itdvTEc, tbaoi
TÖV üüpov TÖV EX TT[C, naXaicnivric,) die Rede. Diese Formulierung läßt
kaum einen Zweifel daran aufkommen, daß es sich nicht um eine fikti-
ve Gestalt, sondern um eine zur Zeit Lukians einem breiteren Publi-
kum bekannte historische Figur handelt, deren Identität freilich offen-
bleibt.

Bereits der Scholiast wollte in dem palästinischen Exorzisten Jesus von


Nazareth sehen 7 4 , der allerdings Luc, Peregr 11 (vgl. 13), als "jener große
Mensch, der in Palästina gekreuzigt wurde, weil er jene neue Religion ins
Leben rief" Erwähnung findet, ohne daß Anhaltspunkte für eine Identifizie-
rung beider Gestalten durch Lukian gegeben wären. Zudem ist von dem
"Syrer aus Palästina" im Präsens als von einer in der Gegenwart des Lukian
wirkenden Person die Rede, und literarische Abhängigkeit zwischen Luc,
Philops 16, und der Jesus-Erzählung Mt 9,14-29 kommt kaum in Betracht 7 5 .
Die alternativ erwogene Möglichkeit, es habe sich bei dem palästinischen

73 Lat. Text der Erzählung in: Acta Sanctorum Septembris VII, Brüssel
1970 (Nachdruck) 196, vgl. Radermacher, Cyprian der Magier 234f.; Herzig,
Lukian als Quelle für die antike Zauberei 18f.; Krestan/Hermann, RAC III
(1957) 470f. - Darüber hinaus sind im Erzählgerüst von Luc, Philops 14,
Berührungen mit der Liebesgeschichte Luc, Toxaris 12-16, gegeben, vgl.
Anderson, Theme and Variation 51f.
74 Scholia in Luciani Philops 16, ed. H. Rabe, Leipzig 1906, 163.
75 Vgl. H.D. Betz, Lukian und das NT llf.; Berger/Colpe, Textbuch 32.
Überhaupt wird Lukian keine direkte Kenntnis ntl Schriften besessen haben,
vgl. H.D. Betz, Lukian und das Christentum lOff.
114 Magie, Medizin und Wunder im Hellenismus

Exorzisten um einen christlichen Wundertäter in der Nachfolge der Apostel


gehandelt, erweist sich angesichts seiner erheblichen finanziellen Forderun-
gen (ETÜ uioftö UEYaXii)) als wenig plausibel, da sich christliche Dämonenaus-
treibungen in aller Regel unentgeltlich vollzogen (Mt 10,8). Eine jüdische
Volkszugehörigkeit besagten Wunderheilers liegt wegen der Herkunftsbe-
zeichnung "aus Palästina" nahe, auch wenn sie sich nicht zwingend beweisen
läßt 7 6 .

Von seinen - historisch glaubwürdigen - Praktiken her erweist sich


der "Syrer aus Palästina" als professioneller Exorzist, der nach Art der
Hippocr, Morb Sacr I, lOff., bekämpften Magier und Entsühner von Ort
zu Ort zieht und mit der Heilung dämonisch besessener Epileptiker
seinen Lebensunterhalt bestreitet. Er tritt an den Besessenen heran
und erkundet zunächst, woher und auf welchem Wege der Dämon
Einzug in den Besessenen hielt. Vermutlich liegt die Vorstellung zu-
grunde, die Ausfahrt müsse sich auf demselben Wege vollziehen 77 .
Daneben dürfte bei der Dämonenbefragung Philops 16 das Interesse
mitschwingen, aus den verbalen Artikulationen des Besessenen Rück-
schlüsse hinsichtlich der Nationalität des im Körper weilenden Krank-
heitsdämons zu gewinnen, um letzteren mit der prjöic. ßapßapixfj in der
ihm verständlichen Sprache anreden zu können (vgl. Orig, Cels 1,24).
Nachdem der Dämon in seiner Muttersprache preisgegeben hat, auf
welche Weise und von woher er in den Kranken eingedrungen ist,
wird er vom Exorzisten durch Beschwörungsformeln und Bedrohung
ausgetrieben (ö SE opxouc, E7täY<J'v • •• xoti äitEiXöv E^EXOÜVEI TÖV Saijiova).
Vermutlich handelte es sich dabei um solche dämonenbannende Be-
schwörungsriten, wie sie in den magischen Papyri zur Heilung Beses-
sener begegnen.

d) Arignotus
Philops 30f. läßt Lukian den Philosophen Arignotus, wie Apollonius
von Tyana (Philostr, Vit Apoll 1,8) ein langhaariger Pythagoreer (Philops
29), genauestens darüber berichten, wie dieser persönlich in Korinth
ein durch einen Totengeist besetztes Haus wieder bewohnbar gemacht
hat. Arignotus benutzte zu diesem Zwecke ägyptische Zauberbücher,
wobei er den Dämon durch ein schauerliches Zauberwort (ETtippiiöic,) in

76 Jüdische Nationalität wird von Stern, Greek and Latin Authors II 221
mit Anm.4, vorausgesetzt. Vgl. dagegen Kudlien, Jüdische Ärzte 40f.
77 H.D. Betz, Lukian und das NT 156.
Theios Aner 115

ägyptischer Sprache vertreibt, sich also der 'pfjoic, ßapßapixfj bedient 78 .


Offenkundig ist hier an ein magisches Kompendium nach Art der aus
Ägypten stammenden griechischen Zauberpapyri mit ihren dämonenban-
nenden Beschwörungsformeln gedacht. An der Stelle, wo Arignotus den
Totengeist in das Erdreich entschwinden sah, wird am folgenden Tage
ein Toter ausgegraben, nach dessen nunmehr ordnungsgemäßer Bestat-
tung das Haus fortan wieder bewohnbar ist.
Selbst wenn es sich bei dem Pythagoreer Arignotus um eine histori-
sche Figur gehandelt haben sollte, so ist doch die Luc, Philops 30f.,
mit ihm verbundene Wundertradition in jedem Falle legendarisch, ohne
daß Lukian sie durchweg erfunden hätte. Bereits bei dem jüngeren Pli-
nius begegnet eine in Athen lokalisierte und von dem Stoiker Atheno-
dor handelnde Variante der Erzählung (Plin, Ep VII 27,4-11), die nicht
allein von der literarischen Fixierung her, sondern auch unter traditi-
onsgeschichtlichen Aspekten älter als Philops 30f sein dürfte 7 9 .
Lukian hat diese Legende sekundär auf den Pythagoreer Arignotus
übertragen und insbesondere die wunderhaften Züge massiv ausgebaut,
um den Glauben an die Existenz von Totengeistern (vgl. Philops 29)
und nicht zuletzt die pythagoreische Lehre von der Seelenwanderung
zu karikieren. Auf das Konto Lukians gehen die bei Plinius fehlenden
Angaben, daß der Totengeist schwarz war (vgl. Philops 16), den Philo-
sophen in unterschiedlicher Tiergestalt anfiel und speziell durch ägyp-
tische Zauberformeln aus einem magischen Kompendium vertrieben
wurde. Lukian greift damit magische Vorstellungen und Praktiken seiner
Zeit auf und läßt sie in die traditionelle Erzählung einfließen. Einen
pythagoreischen Exorzisten Arignotus, der in der Philops 30f. ge-
schilderten Weise Magie betrieben hätte, hat es hingegen historisch
nicht gegeben.

78 Vgl. Apul, Apol 38: magica nomina Aegyptio vel Babylonica ritu;
Orig, Cels 1,24: Ägyptische Worte gegen bestimmte Dämonen. Vgl. zu dem
magischen Kompendium des Arignotus das "alte Buch" Philops 12, aus dem
der chaldäische Magier heilige Namen zitiert, sowie die Apg 19,19 zufolge
in Ephesus verbrannten Zauberbücher. In den griechischen Zauberpapyri
finden sich vereinzelt ägyptische Partien. So enthält das griechischsprachige
Amulett gegen Dämonen PGM IV,86f. ägyptische Worte, und PGM IV, 123lff.
begegnet ein koptisches Dämonenaustreibungsgebet.
79 Vgl. Herzig, Lukian als Quelle für die antike Zauberei 26f.; Ander-
son, Studies in Lucian's Comic Fiction 28.
116 Magie, Medizin und Wunder im Hellenismus

1.5. Ergebnisse

1. Um die Zeitenwende existiert in der griechisch-römischen Welt eine


hochentwickelte wissenschaftliche Medizin, die in der Tradition des
seit frühhellenistischer Zeit kontinuierlich tradierten, ergänzten und
kommentierten Corpus Hippocraticum steht und sich in unterschiedli-
cher Weise von bestimmten philosophischen Theorien geprägt zeigt.
Grob lassen sich dabei die drei Schulrichtungen der Theoretiker, der
Empiriker und der Methodiker unterscheiden, wobei innerhalb der
theoretischen Medizin im l.Jhdt.n.Chr. der Pneumatikerschule eine
hervorgehobene Stellung zukommt. Gemeinsam ist diesen wissen-
schaftlich-medizinischen Strömungen die Einsicht, daß jede Art von
Krankheit natürliche Ursachen hat und folglich die Therapie ohne
Rückgriff auf Magie oder Kathartik auf rein medizinischem Wege diä-
tetisch, pharmakologisch oder chirurgisch zu erfolgen hat.
2. Breiten Raum nehmen in der Antike Inkubationsheilungen an be-
stimmten Kultstätten ein, wobei den vom 5.Jhdt.v.Chr. bis 3.Jhdt.n.Chr.
in kontinuierlicher Blüte stehenden, im l.Jhdt.n.Chr. auch nach Palästi-
na vorgedrungenen Asklepiosheiligtümern eine alles überragende Stel-
lung zukommt. An der Historizität dort vollzogener Krankenheilungen
ist grundsätzlich nicht zu zweifeln. Bewirkt wurden sie offenkundig
durch eine Verquickung religiöser, psychologischer und volkstümlich-
medizinischer Elemente. Ausgeprägte Frömmigkeit in Form eines un-
bedingten Vertrauens in die Heilkraft der Kultgottheit und für die Psy-
che förderliche Traumerlebnisse bei der Inkubation ziehen im Zusam-
menspiel mit im weiteren Sinne medizinischen, hauptsächlich diätetisch
oder pharmakologisch ausgerichteten Praktiken Genesung nach sich.
Gesteigert werden die Heilerfolge und die daraus resultierende expo-
nierte Stellung der Asklepioskultstätten durch einen von der hellenisti-
schen Zeit an kontinuierlich zunehmenden Einfluß der wissenschaftli-
chen Medizin auf den Inkubationsbetrieb, wie es in Kos vermutlich von
Anfang an der Fall war.
3. Neben der streng wissenschaftlichen Heilkunst und der an Kult-
stätten gebundenen Tempelmedizin existierte eine weitverzweigte
Volksmedizin mit magischem Einschlag. In der Regel herrscht dabei
das Verständnis vor, daß Krankheit auf personaler oder präexistenter
Schuld wie auf dem schädigenden Wirken von Dämonen beruht. Als
Folge supranaturalistischer Krankheitsätiologien kommt neben der
Anwendung medizinischer Praktiken auch Beschwörungsritualen, ka-
thartischen Sühneriten, sympathetischer Inanspruchnahme der Kräfte
des Weltalles und einem Schutz durch Amulette maßgebliche Bedeu-
Ergebnisse 117

tung bei der Krankheitsbekämpfung zu. Diese Volksmedizin läßt sich


nicht als inkompetente Quacksalberei abqualifizieren. In vielen Fällen
werden pharmakologische oder diätetische Praktiken mit rational verifi-
zierbarer Heilkraft um magische Begleithandlungen ergänzt, und dort,
wo der Glaube an Schuld und dämonische Wirksamkeit als Krankheits-
ursachen fest verwurzelt ist, haben Seelenreinigung, Sühneriten und
Dämonenvertreibungsrituale ernstzunehmende heilungsfördernde Ein-
wirkungen auf die Psyche.
4. Eine Sonderform der magischen Volksmedizin stellen die Kran-
kenheilungsformulare der Zauberpapyri dar, wo Krankheit fast uneinge-
schränkt als Resultat des schädigenden Wirkens bestimmter, im
menschlichen Körper befindlicher Dämonen gilt und Beschwörungs-
praktiken sympathetische oder pharmakologisch-magische Behand-
lungsmethoden weitgehend in den Hintergrund treten lassen. Die meist
unter festgeschriebenen Begleithandlungen zu vollziehenden Beschwö-
rungsriten richten sich in der Regel direkt an den Krankheitsdämon,
wobei ergänzend bestimmte Gottheiten durch Gebet oder Opfer dazu
bewogen werden sollen, bei der Vertreibung des Dämons helfend
mitzuwirken. Eine klare Trennung zwischen Religion und Magie läßt
sich von daher kaum vollziehen.
5. Von den unzähligen Personen der Antike, die durch Charisma,
Magie und Wissenschaft aufsehenerregende Krankenheilungen oder an-
dere Wundertaten bewirkten und erst von der Warte des von ihnen
maßgeblich mitgeprägten, nunmehr aber entmythisierten wissenschaftli-
chen Denkens aus zum Ärgernis wie zur Zielscheibe des Spottes wur-
den, ragen einzelne Gestalten durch besonders außergewöhnliche Be-
fähigung und daraus resultierende Theios Aner-Bezüge hervor. Pythagoras
und Empedokles wirkten hier als Idealtypos prägend und stießen über
Jahrhunderte hinweg auf Interesse. Im 1.-2.Jhdt.n.Chr. erlebt das un-
terschwellig immer lebendige pythagoreische Magiertum, bei dem Bolos
von Mendes (2.Jhdt.v.Chr.) ein wichtiges Bindeglied zwischen Alt- und
Neupythagoreismus darstellt, mit dem Auftreten des Apollonius von
Tyana und des Alexander von Abonuteichos eine bemerkenswerte Re-
naissance. Vermutlich hat hier auch Simon Magus mit seiner Seelener-
lösungskonzeption ernstzunehmende Wurzeln.
Religionsgeschichtlich handelt es sich bei diesen Personen, deren
Wundertradition sich historisch als erstaunlich zuverlässig erweist, um
Schamanen mit Seelenwanderungslehre, die durch ekstatische Jenseits-
reisen die Kluft zwischen Mensch und Gottheit überbrücken, über den
Schlüssel zu den wahrhaft lebensentscheidenden Kenntnissen verfügen
und mit ihren magischen, in hohem Maße auch wissenschaftlichen
118 Magie, Medizin und Wunder im Judentum

Fertigkeiten Krankenheilungen und Naturwunder vollbringen. Als Perso-


nen, die in ständigem Kontakt mit Gottheiten wie Dämonen stehen und
sich des künftigen Geschicks ihrer Seele gewiß sind, wähnten sich
Pythagoras, Empedokles, Apollonius von Tyana oder Alexander von
Abonuteichos dem gewöhnlichen Menschsein enthoben und beanspruch-
ten für sich göttliche Physis oder Unsterblichkeit. Während ihnen dies
ebenso wie dem Arzt Menekrates Zeus von ihren Anhängern gewährt
wurde und in vergleichbarer Weise auch die Wiederbelebung eines
Totgeglaubten durch Asklepiades und die von Sarapispriestern initiierten
Krankenheilungen Vespasians in Alexandria als Zeichen göttlicher Her-
kunft oder Erwählung galten, überzieht Lukian von Samosata solche
personalen Ansprüche auf göttliche Physis und den Theios Aner-Glauben
seiner Zeit mit Spott, ohne damit dem eine wichtige religiöse Mittler-
funktion erfüllenden und maßgeblich am Aufkommen der Naturwissen-
schaften beteiligten antiken Magier- oder Schamanentum in seiner
Bedeutung gerecht zu werden.

2. Antikes Judentum

2.1. Jüdische Heilkunst in hellenistisch-römischer Zeit


Im Vergleich mit der Umwelt spielten sowohl Magie als auch Medizin
in Israel eine erstaunlich untergeordnete Rolle. Während Ägypten und
Mesopotamien als Mutterländer und Hochburgen der antiken Magie
gelten können, stellten in Israel magische Praktiken eher ein Rand-
phänomen dar. Israel war zwar keineswegs frei von magischen Anschau-
ungen und Betätigungen 1 . Doch unterscheidet es sich von seinen Nach-
barn grundlegend dadurch, daß die Magie vom Gottesglauben her ständi-
ger kritischer Überprüfung unterzogen und gegebenenfalls auf das Ent-
schiedenste bekämpft wurde (vgl. bes. Dtn 18,9-14; Ez 13,17-23), wobei
in schlimmsten Fällen die Todesstrafe drohte (Ex 22,17; Lev 20,27). Die
grundsätzlichen Vorbehalte gegenüber magischen Vorstellungen und
Praktiken resultieren in erster Linie daraus, daß diese die Gefahr eines
mit dem monotheistischen Glauben nicht zu vereinbarenden Synkretis-
mus in sich bargen. Darüber hinaus war die Möglichkeit eines Miß-
brauchs des Gottesnamens zu Beschwörungszwecken und damit eines
Verstoßes gegen Ex 20,7/Dtn 5,11 gegeben.

1 Vgl. zu Magie in atl Zeit Blau, Zauberwesen 16-19; Eißfeldt, Jahwe-


Name und Zauberwesen 151-157; Fohrer, Prophetie und Magie 28ff.; Albertz,
TRE 21 (1991) 691-695.
Jüdische Heilkunst in hellenistisch-römischer Zeit 119

Ähnlichen religiösen Vorbehalten sah sich die Medizin ausgesetzt,


die in der antiken Krankheitsbekämpfung mit der Magie oft Hand in
Hand geht und sich ebenso wie diese in Israel bis in die nachexilische
Zeit hinein nicht fest etablieren konnte. Bereits die antiken Hochkultu-
ren Ägyptens und Mesopotamiens verfügten über erstaunlich hoch ent-
wickelte medizinische Kenntnisse und ärztliche Fertigkeiten 2 . Vollends
gilt dies für die wissenschaftliche Medizin Griechenlands, wie sie durch
das Hippokrates zugeschriebene Schrifttum begründet wurde. In Israel
hat hingegen ein prinzipielles Verständnis jeglicher Krankheit als Resultat
eines nur von Gott vergebbaren Fehlverhaltens 3 sowie das Theologu-
menon von Jahwe als Arzt (Ex 15,26) 4 , dessen uneingeschränkte Heil-
kompetenz durch das Wirken menschlicher Ärzte beschnitten zu werden
droht, das Aufkommen einer über akute Wundversorgung hinausge-
henden rationalen Medizin weitgehend verhindert 5 . Freilich wurde ins-
besondere das Diasporajudentum Ägyptens und Mesopotamiens massiv
mit magischen Techniken wie medizinischen Praktiken seiner Umwelt
konfrontiert, und mit der in der Ptolemäerzeit einsetzenden Helleni-
sierung Palästinas faßten Magie und Medizin im antiken Judentum

2 Vgl. Diepgen, Geschichte der Medizin I 25-36; Koelbing, Arzt und Pa-
tient 27-47; speziell für Ägypten Grapow, Grundriß I—HI; Westendorf, Erwa-
chen der Heilkunst; für Mesopotamien Sigerist, Arzt in der mesopotamischen
Kultur.
3 Vgl. u.a. Num 12,9-15; 1 Kön 13,4-6; Ps 103,3. Wenn in den Büchern
Hiob und Tobit von weisheitlichem Denken her ein traditioneller Tun-Ergehen-
Zusammenhang, der Krankheit als Strafe für Fehlverhalten auffaßt, durchbro-
chen wird (vgl. Hiob 2,lff.; Tob l,6ff.), stellt dies die Ausnahme dar und ist
für die Folgezeit nicht repräsentativ (vgl. Sir 38,10; Test Sim 2,11-14; 1 Q
Gen Ap XX,18ff.).
4 Vgl. zur Entstehung und zum traditionsgeschichtlichen Hintergrund die-
ses wohl erst nachexilischen Theologumenon Lohfink, "Ich bin Jahwe, dein
Arzt" 15ff.; Niehr, JHWH als Arzt 3-17. Auch Philo äußert von Ex 15,26
herrührende Vorbehalte gegenüber einer Uberbetonung rationaler Medizin
(SacrAC 70). In rabbinischer Tradition ist das Urteil über den Arzt ambiva-
lent. Neben völlig ablehnenden Stellungnahmen (Qid IV,14; bPes 113a; Arzt-
polemik ist allerdings ein fester antiker Topos) ist eine positive Beurteilung
ärztlicher Praktiken im Rahmen der von Ex 15,26 vorgegebenen Prämissen
erkennbar (bBer 60a).
s Wichtiger Unterschied zur Umwelt Israels ist, daß dem Priester keine
ärztliche Funktion zukam, sondern seine Rolle sich auf die Konstatierung der
nach Heilungen wiederhergestellten Kultfähigkeit beschränkte (Lev 14,2-4).
Zudem ließ die jüdische Reinheitsgesetzgebung Leichensektionen, ihrerseits
Voraussetzung für die Entstehung einer inneren Chirurgie, nicht zu (Hempel,
Arzt 811). Vgl. grundsätzlich zur relativ niedrig entwickelten Medizin in
Israel Preuß, Biblisch-talmudische Medizin 1-43; Hempel, Heilung, passim;
Muntner, Medicine 3-21; Seybold, Krankheit und Heilung 11-79.
120 Magie, Medizin und Wunder im Judentum

zunehmend Fuß, ohne daß die genannten, hauptsächlich von Ex 20,


11/Dtn 5,11 und Ex 15,26 herrührenden religiösen Vorbehalte dabei
an grundsätzlicher Bedeutung eingebüßt hätten. Entsprechend bedurfte
es auf Seiten der Befürworter magischer oder ärztlicher Betätigung
einer umfassenden theologischen Reflexion und Auseinandersetzung, um
die Anwendung einzelner Praktiken aus dem Bereich der antiken Magie
und Medizin als dem Willen Gottes gemäß zu erweisen und letztlich
derart in den jüdischen Glauben zu integrieren, daß das erste Gebot und
die gedanklich eng damit zusammenhängende Vorstellung von Gott als
Arzt in ihrer prinzipiellen Gültigkeit nicht angetastet wurden. Hauptzeu-
gen für diesen Legitimations- und kritischen Aneignungsprozeß sind das
Buch Tobit und Jesus Sirach. Speziell für volksmedizinisch-magische
Praktiken der Zeitenwende kommt den Zeugnissen über Heilung und
Dämonenabwehr bei den Essenern bzw. in der Qumrangemeinde her-
vorgehobene Bedeutung zu.

2.1.1. Göttliche Offenbarung magisch-pharmakologischer


Heilkunst im Buch Tobit
Im Buch Tobit 6 erfolgt eine offenbarungstheologische Legitimation dä-
monenabwehrender Räucherpraktiken und der pharmakologischen Be-
handlung von Augenleiden 7 . Die zur Erblindung führende Krankheit
des Tobit (Tob 2,10) gilt als Folge einer Verunreinigung der Augen mit
Vogelkot und hat somit eine natürliche Ursache. Für den von Sara be-
reits sieben Mal in der Hochzeitsnacht erlittenen Verlust des Eheman-
nes durch Tod wird dagegen das schädigende Wirken des Dämons As-
modaios verantwortlich gemacht (3,7f). Abhilfe schafft in beiden Fällen
die richtige Verwendung der Innereien des von Tobias gefangenen
Fisches. Bei der Vertreibung des Dämons Asmodaios durch das Räu-
chern von Leber und Herz des Fisches (8,2f.) handelt es sich um einen
genuin magischen Ritus ohne medizinische Implikationen. Speziell für
die antidämonische Verbrennung von Fischinnereien gibt es in der anti-
ken Magie offenkundig keine Parallelen. Das vierte Buch der aus Ägyp-
ten stammenden und im Kern in hellenistische Zeit zurückreichenden

6 Tob stammt aus dem späten 3.Jhdt.v.Chr., vgl. Deselaers, Buch Tobit
320-343; Schürer/Vermes, History 111,1 222ff. Über den Entstehungsort, sei
es Ägypten, Babylonien oder Palästina, lassen sich keine gesicherten Angaben
machen (zur Diskussion: Deselaers, aaO.; Rabenau, Studien 175-190). Auf
jeden Fall war Tob in Palästina bekannt, wie die Qumranfunde zeigen.
7 Vgl. zum Ganzen Kollmann, Heilkunst im Buch Tobit 289-299.
Jüdische Heilkunst in h e l l e n i s t i s c h - r ö m i s c h e r Zeit 121

Kyraniden empfiehlt allerdings das Räuchern von Fischmaul und Fisch-


knochen zur Dämonenabwehr 8 . Breit bezeugt ist zudem die Tob 8,2f.
vorausgesetzte Vorstellung, daß Dämonen sich durch übelriechende
Substanzen vertreiben lassen 9 . Justin dürfte richtig liegen, wenn er die
Anwendung solcher exorzistischen Räucherpraktiken im antiken Juden-
tum auf heidnischen Einfluß zurückführt 10 . Das antidämonische Räu-
chern von Fischinnereien Tob 8,2f. liegt gänzlich auf der Linie magi-
scher Techniken aus der Umwelt Israels, die auf eine Bannung von
Krankheitsdämonen durch üblen Geruch abzielen. Tob 6,8 zeigt dabei,
daß dieser Ritus nicht allein im speziellen Falle des tödlichen Wirkens
von Asmodaios, sondern grundsätzlich bei jeglicher dämonischen Bedro-
hung eines Menschen Abhilfe schafft.
Die Galle des von Tobias gefangenen Fisches hingegen findet als
Heilmittel gegen Erblindung Anwendung. Tob 2,10 zufolge leidet Tobit an
XEuxunata, weißen Hornhautflecken, die bei ihm zur völligen Sehunfä-
higkeit geführt haben. Bei dem in LXX außerhalb von Tob nicht belegten
Begriff XEÜxuua (lat. albugo) handelt es sich um einen terminus techni-
cus aus der antiken Medizin11. Die Heilung Tob 11,11 erfolgt durch Ein-
salbung der erblindeten Augen mit Fischgalle unter Aussprechen der
Worte ftdipöEi, TtdtTEp. Tiergalle war bereits in den alten Hochkulturen
Ägyptens und Assyriens ein verbreitetes Mittel gegen Erkrankungen des
menschlichen Auges. Als maßgeblicher Anschauungshintergrund für die
Heilung Tobits wird in aller Regel die für Assyrien bezeugte Verwen-
dung von Fischgalle als Ingredienz von Augensalbe reklamiert 12 . Minde-
stens genau so nahe fuhren allerdings ägyptische Augenheilrezepte aus

8 Kyr IV 13,2f.; 55,4. Vgl. auch die für Babylonien und A s s y r i e n b e l e g t e


V e r w e n d u n g von Fischsymbolen und Fischgewändern als d ä m o n e n a b w e h r e n d e r
G l ü c k s z e i c h e n (Dölger, I X 9 T I II 2 2 2 L 2 3 4 - 2 4 0 ) .
9 Vgl. Kyr III 51,20f. ( g e r ä u c h e r t e W i l d g a n s e x k r e m e n t e gegen D ä m o n e n ) ;
Pesiqta Rabbati 14,14 (Rauch v e r b r e n n e n d e r W u r z e l n als heidnisches D ä m o -
n e n a b w e h r m i t t e l ) ; PGM X I I I , 2 4 2 - 2 4 4 (Schwefel und E r d h a r z zu B e s e s s e n e n -
heilungen).
10 Dial 85,3 (an den Juden Trypho g e r i c h t e t ) : ffSri UEVTOI OI iE, üuCiv
ETtopxiotai rrj TEXvrj, üoTCEp x a i r ä ES-VI), X P " C E V O I E^opxi^ouoi x a i fl-uuiäuaot
x a i xaraSEauoic, x p ö v r a i ... .
11 Eine präzise wissenschaftliche Diagnose dieses Augenleidens gibt die
u n t e r dem Namen Galens überlieferte, in W i r k l i c h k e i t a b e r b e r e i t s aus dem
l . J h d t . n . C h r . s t a m m e n d e (Kudlien, Untersuchungen zu A r e t a i o s 1167f.) Schrift
Introductio sive medicus. Dort wird das XEÜxuua (albugo) als g e s t e i g e r t e
Form d e r oüXfj ( c i c a t r i x ) beschrieben, einer aus Verwundung d e r Iris r e s u l -
t i e r e n d e n Vernarbung, die das Aussehen des Auges weiß e r s c h e i n e n läßt (Gal
X I V . 7 7 5 ; vgl. ferner Gal XIV,411).
12 Vgl. b e s . von Soden, Fischgalle als Heilmittel 81f.
122 Magie, Medizin und Wunder im Judentum

dem Papyrus Ebers, in denen neben Schweine- und Schildkrötengalle


auch Fischgalle als Heilmittel begegnet, an die Befunde in Tob heran.
Speziell gegen albugines {shdw = weiße Stelle), wie sie bei Tobit zur
absoluten Sehunfähigkeit führten, sind zwei Rezepte überliefert 13 . Wie
schon bei den Räucherpraktiken von Tob 6,8; 8,2f. bietet wiederum das
vierte Buch der Kyraniden mit seinen zahlreichen Fischgalle-Rezepten
gegen XEuxüu.ata (u.a. Kyr IV 9,5f; 13,3f; 23,2f.) die unmittelbarsten
Parallelen zum Buch Tobit. Weitere detaillierte Informationen über die
pharmakologische Bedeutung von Fischgalle für die antike Augenheil-
kunde verdanken wir Dioskurides, Plinius d.Ä. und Pseudo-Galen.

Dioskurides gibt zunächst eine Anleitung zur ordnungsgemäßen Kon-


servierung der Gallenblase (Mat Med II 78,1) und liefert dann die entschei-
dende rationale Erklärung für die besondere Heilkraft von Tiergalle. Alle
Arten Galle sind scharf und erwärmend (Mat Med II 78,2 Eioi SE Ttaoai ai
XoXai SpiuETai, • &EpuavTixai), wobei allerdings Abstufungen in der Heilwirkung
bestehen. Allem voran wird die Galle des Seeskorpions genannt, die Diosku-
rides an anderer Stelle speziell gegen XEuxüuata empfiehlt (Mat Med II 12
TOU SE &aXaooiou oxopniou fj X°XTI äpuot^Ei Tcpöc, räc, EV öcp-ftaXuoTc; ÜTCOXÜOEIC,
xai XEuxüuata xai äußXuuTtiacJ. Der Galle des Seeskorpions steht Mat Med
II 78,2 zufolge die des Kallionymos, eines Fisches, an Heilkraft in nichts
nach. Deutet bereits der Kontext darauf hin, daß auch in diesem Falle an die
Heilung von Augenleiden gedacht ist, so wird dies von Plinius her bestätigt,
der die pharmakologische Behandlung der mit dem XEÜxuua bzw. der albugo
eng verwandten cicatrix mittels der Galle des Kallionymos bezeugt (Hist Nat
32,69 callionymi fei cicatrices sanat et carnes oculorum supervacuas consu-
mit). Das zweite Buch der wohl pseudepigraphen Galen-Schrift De remediis
parabilibus schließlich empfiehlt gegen XEuxüuata neben der Galle des
Seehundes, des Hahnes und des Löwen auch Ziegengalle (Gal XIV,411f.), wie
sie bereits in der hippokratischen Medizin als Augenheilmittel verwandt
wurde (Hippocr, Mul 1,102 [Littre VIII,2241).

In der Blindenheilung Tob 11,11 spiegelt sich somit eine pharmakologi-


sche Praktik der Antike, die nichts Wunderhaftes an sich hat, sondern

13 Pap Eb 360 (58,6-15) bietet eine magisch-pharmakologische Anweisung


in Form eines Zauberspruches, der über einer aus Schildkrötengalle und Ho-
nig hergestellten Augensalbe zu rezitieren ist, und Pap Eb 405 (62,6-7) wird
Fischgalle, mit schwarzer Augenschminke verrieben, empfohlen (Texte bei
von Deines/Grapow/Westendorf, Grundriß IV,1 48f.; vgl. dazu Westendorf,
Erwachen der Heilkunst 72f. Weitere Augenheilrezepte unter Verwendung von
Schweine- und Schildkrötengalle bei von Deines/Grapow/Westendorf aaO.
43.48.) Etwa zeitgleich mit Tobit empfehlen im 3.Jhdt.v.Chr. in Ägypten
sowohl der wissenschaftliche Arzt Herophilus von Alexandria (Herophilus,
Fragm 260) als auch der Magier Bolos von Mendes (Marceil Emp, Med
VIII,42, vgl. Wellmann, 4>uoixä des Bolos Demokritos 24) Hyänengalle gegen
Augenleiden.
Jüdische Heilkunst in hellenistisch-römischer Zeit 123

rational nachvollziehbar ist 14 . Das Buch Tobit gibt dabei ein beachtliches
Maß an volksmedizinischem Wissen zu erkennen. Das Augenleiden wird
mit dem einschlägigen medizinischen Fachbegriff als XEÜxuua identifi-
ziert und dem damaligen pharmakologischen Erkenntnisstand entspre-
chend mit Fischgalle behandelt. Die Notiz, daß Tobit die Augen brannten
(öuvSdxvEö&ai 11,12 BA, vgl. 11,8), verrät nicht allein empirisches Wissen
um schmerzhafte Begleitumstände dieses Heilverfahrens, sondern läßt
zudem eine Kenntnis dessen durchschimmern, daß die Heilkraft von
Fischgalle entscheidend auf deren scharfer, wärmeentfaltender Wirkung
beruht (vgl. Diosc, Mat Med II 78,2). Die an Tobit exemplarisch veran-
schaulichte Blindenheilungstechnik, die Tob 6,9 als die bei XEuxüuata
grundsätzlich gebotene Heilmethode gilt, markiert die Anfänge einer im
antiken Judentum relativ hochentwickelten Augenheilkunde. Gerade im
Vergleich mit späteren magischen Rezepten gegen weiße Augenflecken
(np~Q) 1 5 zeigt sich, in welchem Maße die Blindenheilung Tobits von
rationaler Heilkunst geprägt ist.
Bei dem magischen Räuchern von Fischleber und -herz und der
pharmakologischen Verwendung von Fischgalle handelt es sich somit um
Praktiken aus dem Bereich der antiken Magie oder Volksmedizin, deren
Anwendung im Judentum von vornherein religiösen, hauptsächlich von
Ex 15,26 herrührenden Vorbehalten ausgesetzt war und die aus diesem
Grunde besonderer theologischer Legitimation bedurften. Dies vollzieht
sich dergestalt, daß der zum himmlischen Thronrat gehörige (Tob 12,15)
Engel Raphael im ausdrücklichen Auftrage Gottes als Offenbarer von
Heilkunst in Erscheinung tritt. Raphael erteilt die Anweisung zum Fan-
gen des Fisches (6,4f.) und vermittelt das Wissen um die magisch-phar-
makologischen Verwendungsmöglichkeiten der Fischinnereien (6,8f).
Tob 12,6ff. gibt Raphael dabei zu erkennen, daß er gänzlich als Reprä-
sentant Gottes fungiert. Sein Kommen beruht nicht auf eigener Initiative,
sondern geht auf Gottes Ratschluß zurück, die Menschen mit antidämo-
nischen wie medizinischen Techniken vertraut zu machen (vgl. 12,14).
Folglich ist jeglicher religiöser Vorbehalt gegen deren von Gebet (8,4ff.)
und Lobpreis Gottes (8,15ff; 11,Uff.) begleitete Anwendung fehl am

14 Vgl. zu den rationalen Implikationen der bis zum Anfang des 20.Jhdt.
selbst in der Schulmedizin noch üblichen Behandlung von Augenleiden durch
Tiergalle Münchow, Geschichte der Augenheilkunde 240-242 (Lit!); Papa-
yannopoulos/Laskaratos/Marketos, Remarks on Tobits Blindness 181ff.
15 bSchab 78a (Einpinseln des Auges mit Tierblut); SHR II,181ff. (Bedro-
hung des Blindheitsdämons unter Verwendung von Stierfett und Engelnamen);
HDM A 111,11 (Rezitation magischer Worte über Öl und Sesam als Augen-
heilmitteln).
124 Magie, Medizin und Wunder im Judentum

Platze. In ihrer vollen Tragweite läßt sich diese Konzeption von der
göttlichen Offenbarung magisch-pharmakologischer Heilkunst durch den
Engel Raphael erst im Kontrast zu solchen Traditionen erfassen, denen-
zufolge das menschliche Wissen um Magie und Pharmakologie Resultat
des gegen Gott gerichteten Wirkens gefallener Engel ist 16 . Vermutlich
setzt sich die offenbarungstheologische Konzeption im Buch Tobit
wenigstens implizit mit derartigen Vorstellungen auseinander, indem sie
Magie und Medizin nicht als Produkt des widergöttlichen Wirkens gefal-
lener Engel betrachtet, sondern durch den in uneingeschränkter Über-
einstimmung mit dem Willen Gottes handelnden Engel Raphael vermittelt
sieht.

2.1.2. Lobpreis des Arztes bei Jesus Sirach


Jesus Sirach veranschaulicht demgegenüber mit seiner von weisheitli-
chem Denken geprägten, streng schöpfungstheologischen Legitimation
des Ärztestandes wie der Pharmakologie (Sir 38,1-15)17 eine andere
Möglichkeit, die sachliche Diskrepanz zwischen menschlicher Heil-
kunst und Gottes uneingeschränkter Vollmacht über Krankheit und Tod
gedanklich zu bewältigen. Zunächst werden grundsätzliche Vorbehalte
gegenüber dem Arzt (XD"n) ausgeräumt (38,1-3). Auch das Wirken des
Arztes geht auf den unmittelbaren Ratschluß Gottes zurück, der ihn zur
Wahrnehmung einer sinnvollen, ihm zugewiesenen Aufgabe bestimmt
ip^n) und mit der dazu erforderlichen Weisheit ausgestattet hat
(38,1.2a)18. Ergänzt wird der schöpfungstheologische Begründungszu-

16 Im Wächterbuch des äth Hen lehren die gefallenen Engel die Menschen
Zauberei und Beschwörungen sowie das Schneiden von Wurzeln und Pflanzen
zu pharmakologischen Zwecken (äth Hen 7,1; 8,3). Ähnlich PsPhilo, Lib Ant
34,1-4, wo Aod von dem Heiligtum Midians nach Unterweisung durch die
Engel Zauberei betreibt. - Eine ganz ähnliche offenbarungstheologische Legi-
timation von Magie und Medizin wie bei Tob findet sich Jub 10,12f. (Noah
wird von den Engeln in pharmakologische Heilpraktiken eingewiesen und hält
dies für die Nachwelt in einem Buch fest, vgl. Tob 12,20!) und Test Sal I,6f.
(Der Erzengel Michael instruiert Salomo zu Dämonenaustreibungen mit Sie-
gelring). Vgl. grundsätzlich zur Weisheitsoffenbarung durch Engel Mach,
Jüdischer Engelglaube 133-142.
17 Zugrundegelegt wird der - LXX eindeutig vorzuziehende - hebräische
Text von Sir 38,1-15 nach der Edition von Schechter/Taylor, Wisdom of Ben
Sira (17)f. bzw. in der dt. Übersetzung von Sauer, JSHRZ 111,5 596f. (vgl.
ebda. 484ff. zur Textgeschichte). Sir stammt aus dem frühen 2.Jhdt.v.Chr.,
vgl. Sauer, aaO. 489f.
18 Vgl. die ganz ähnliche Argumentation in Sap 7,16-20.
Jüdische Heilkunst in hellenistisch-römischer Zeit 125

sammenhang um einen empirischen Beweis. Die Legitimität des Arztes


erhellt bereits daraus, daß er bei Königen und Fürsten in hohem Anse-
hen steht (38,2b.3) und damit die gleiche gesellschaftliche Reputation
gemeßt wie der Weise (vgl. 11,1).
In Sir 38,4-8 schließt sich eine weisheitlich-schöpfungstheologische
Rechtfertigung pharmakologischer Behandlungsmethoden an 19 . Ein kluger
Mensch soll die von Gott geschaffenen Arzneien ( m s i i n , <päpuaxa)
nicht verachten (38,4), mit denen der Arzt zur Linderung der Schmer-
zen beiträgt (38,7). Hier ist vorausgesetzt, daß sich unter den Gen l,llf.
erwähnten Pflanzen auch solche zur Heilung befunden haben. Religiös
motivierte Vorbehalte gegenüber pharmakologischen Heilmethoden wi-
dersprechen somit der Schöpfungsintention Gottes, der die Heilmittel
aus der Erde hervorgehen ließ 2 0 . Fundiert wird diese Argumentation in
Sir 38,5 durch einen Schriftbeweis aus Ex 15.25 21 . Die Erwähnung des
np"H/uupEiJiöc, (Sir 38,8a, "Salbenmischer") deutet zudem auf die Her-
ausbildung eines "Apothekerstandes" hin 2 2 .
Nach dieser grundsätzlichen Rechtfertigung des Ärztestandes und der
Heilmittel gibt Sir 38,9-14 konkrete Verhaltensmaßregeln für den Krank-
heitsfall und steckt dabei den theologischen Rahmen ab, innerhalb des-
sen sich eine legitime, gottgewollte Anwendung pharmakologischer Be-
handlungsmethoden zu vollziehen hat. Die Anweisungen von 38,9-11
tragen dem traditionellen Umgang mit Krankheit Rechnung und stellen
ohne Zweifel den überkommenen Rahmen dar, in den nunmehr das
ärztliche Wirken als neues Element integriert wird. Die Mahnung "Bete
zu Gott, denn er ist es, der heilt" (38,9) ruft Ex 15,26 wach und trägt
dem dortigen Theologumenon von der alleinigen Heilkompetenz Gottes

19 Ein chirurgisches Wirken des Arztes liegt nicht im Blickfeld. Die Diä-
tetik, neben der Pharmakologie und der Chirurgie eine der drei Hauptdis-
ziplinen der wissenschaftlichen griechischen Medizin (vgl. Cels, Med Prooem
9), kommt hingegen in Sir 37,27-31 zur Sprache, wo traditionelle weisheit-
lich-philosophische Appelle zum Maßhalten speziell auf das körperliche
Wohlbefinden bezogen werden. In übermäßigem Essen nistet Krankheit (37,
30), Zurückhaltung verlängert das Leben (37,31; vgl. Plut, Mor 122Bff.).
20 Treffend Marböck, Weisheit im Wandel 157: "Für den Weisen wird
Gott durch die Medizin nicht an den Rand gerückt. Vielmehr wird auch da-
durch Gottes Kraft (38,5) offenbar, und seine Stärke, die man preisen soll (38,6)."
21 Sir 38,5 setzt dabei voraus, daß der von Mose in das ungenießbare
Wasser geworfene Stock ein eigens dafür von Gott geschaffenes (vgl. Philo,
Vit Mos I 185) Heilmittel darstellte.
22 Anders Lührmann, Arzt 62-64: Der Beruf des "Salbenmischers" sei
nicht pharmakologisch qualifiziert, sondern wegen seiner allgemeinen Akzep-
tanz vergleichend herangezogen, um die Unbedenklichkeit einer Inanspruch-
nahme des Arztes zu veranschaulichen.
126 Magie, Medizin und Wunder im Judentum

Rechnung. Zahlreiche Gebete um Heilung, wie sie in Sir 38,9 gemeint


sein dürften, finden sich in den Psalmen 23 . Die Aufforderung zur Reini-
gung von Sünden (38,10) zeigt, daß Sir an der traditionellen Zurückfüh-
rung von Krankheit auf persönliches Fehlverhalten festhält und ein
Sündenbekenntnis (vgl. etwa Ps 32,1-5) als unumgängliche Voraussetzung
für Genesung betrachtet 2 4 . Darüber hinaus sind Opfergaben des Kran-
ken geboten (38,11). Gesprengt wird der traditionelle Rahmen dadurch,
daß diesen althergebrachten Verhaltensweisen nunmehr die Hinzuzie-
hung des Arztes als gleichberechtigtes neues Element zur Seite gestellt
wird. Auch der Arzt hat bei dem Prozeß der Heilung eine festumrissene
Aufgabe (38,12f). Die Bedeutung von Ex 15,26 bleibt durch eine konse-
quente Unterordnung des ärztlichen Wirkens gegenüber dem Heilshan-
deln Gottes gewahrt. Auch der Arzt betet 2 5 , und das Gelingen seines
Tuns liegt allein in Gottes Hand (38,14). Der Lobpreis des Arztes endete
Sir 38,15 (hebr.) ursprünglich mit einer Warnung vor hochmütigem,
Sünde gleichkommenden Verhalten gegenüber dem Arzt, während LXX
und eine sekundäre hebräische Lesart die Aussage arztkritisch umfor-
mulieren 26 .
Mit den skizzierten schöpfungs- und offenbarungstheologischen Argu-
mentationsmustern von Tob und Sir ist ein grundsätzlicher Reflexions-
prozeß geleistet, durch den nunmehr nchtlimenartig der Rahmen abge-
steckt ist, innerhalb dessen sich im antiken Judentum eine rechtmäßige
Anwendung von Magie und Medizin zu vollziehen hat. Wenn magische
Praktiken derart durch Gebet und Lobpreis Gottes in den mono-
theistischen Glauben integriert sind wie das dämonenabwehrende
Fischräuchern von Tob 8,2ff., handelt es sich um "weiße Magie", die

23 Vgl. Seybold, Gebet des Kranken 98ff.


24 Ein anschauliches Beispiel für die Kombination von Sündenbekenntnis
und Gebet bietet Test Sim 2,13: "und Buße tuend (uETavofjoac,) weinte ich und
betete zum Herrn, daß er meine Hand wieder herstellt und ich zurückgehal-
ten werde von aller Befleckung."
25 Hier wird offenkundig, daß Sir 38,1-15 an den gottgläubigen jüdischen
Arzt denkt (Temkin, Hippocrates 90 mit Anm.4). Eine Legitimation profaner
Heilkunst ist nicht beabsichtigt. Folglich läßt sich Sir 38,1-15 auch nicht
gegen Tob 2,10 (negative Beurteilung profaner Ärzte) ausspielen, wie dies
oftmals geschieht.
26 Sir 38,15LXX "Wer gegen seinen Schöpfer sündigt, möge in die Hände
des Arztes fallen." Vgl. zum sekundären Charakter dieser der Grundintention
von Sir 38,1-14 widersprechenden Sentenz gegenüber dem hebr. Text Lühr-
mann, Arzt 66f.; Noorda, Illness and Sin 220f. mit Anm.18; Hogan, Healing
45-47. Gegen von Rad, Weisheit 179; Marböck, Weisheit im Wandel 159f.,
die hier offenbar LXX den Vorzug geben.
Jüdische Heilkunst in hellenistisch-römischer Zeit 127

keine Gefahr synkretistischer Tendenzen in sich birgt. Durch Gebet,


Sündenbekenntnis und Opfer (Sir 38,9-11) oder Lobpreis Gottes (Tob
ll,14ff.) begleitete medizinisch-pharmakologische Behandlungsmethoden
sind legitim, da die Entscheidung über Krankheit oder Heilung nach wie
vor Gott vorbehalten bleibt (Tob 13,2; Sir 38,99) 2 7 . Im Judentum kann
nunmehr im Falle akuter dämonischer Bedrohung und bei Krankheiten
mit natürlichen Ursachen durch Rückgriff auf "bewährte" magische oder
medizinische Praktiken der Umwelt ein eigenständiger Beitrag des Men-
schen zur Heilung geleistet werden, ohne daß damit die alleinige Verfü-
gungsgewalt Gottes über Leben und Tod grundsätzlich in Frage gestellt
oder auch nur beschnitten wäre.

In der Folgezeit ist im antiken Judentum überwiegend von volkstümlich-


medizinischen, in erster Linie pharmakologischen Heilverfahren auszugehen,
deren Grenzen zu Magie hin fließend sind, wie es sich für die (Qumran-) Es-
sener und Eleazar nachweisen läßt. Auch wenn für das Judentum des ntl
Zeitalters keine ausgeprägte wissenschaftliche Medizin vorausgesetzt werden
kann und insbesondere der Bereich der Chirurgie eine völlig untergeordnete
Rolle spielte, so lassen sich aber doch die bei Tobit und Jesus Sirach gege-
benen Ansätze in Richtung rationaler Heilkunst weiterverfolgen 28 . Auf einer
Grabinschrift aus dem ägyptischen Leontopolis (117v.Chr.) handelt es sich bei
dem verstorbenen Demas höchstwahrscheinlich um einen jüdischen Arzt (CPJ
1490). In Palästina waren im l.Jhdt.n.Chr. Ärzte im Sinne der wissenschaftli-
chen Medizin hauptsächlich am Hofe des Herodes tätig (Joseph, Bell 1,657;
Ant XVII, 17lf.); vereinzelt gab es sie wohl auch in Galiläa . Celsus ver-
weist zweimal auf Rezepte eines Iudaeus (Med V 19,11; V22,4), bei dem es
sich um einen jüdischen Arzt oder Pharmakologen handeln wird. Lukian
erwähnt Trag 265ff. syrische Wanderärzte aus Damaskus, für die eine jüdi-
sche Volkszugehörigkeit ernsthaft in Erwägung zu ziehen ist. Ebenfalls im
2.Jhdt.n.Chr. wirkt in Rom der von Galen mehrfach erwähnte jüdische Arzt
und Hippokrateskommentator Rufus von Samaria 3 0 . Die Grabinschrift CIJ 745
aus Ephesus (2.-3.Jhdt.) schließlich ist dem dortigen jüdischen äpxiatpöc; Ju-
lius gewidmet.

2.1.3. Magie und Medizin bei den Essenern


Für die Essener stehen Kenntnisse und Fertigkeiten in der Heilkunst
außer Frage. Die Annahme von G. Vermes, der Name Essener leite sich

27 Vgl. dazu Philo, Leg All 111,178: Heilung von körperlicher Krankheit
gewähre Gott durch Wissenschaft und ärztliche Heilkunst, indem er diesen
den Anschein des Heilens lasse, in Wirklichkeit aber selber sowohl durch
diese als auch ohne sie heile.
28 Vgl. dazu Kudlien, Jüdische Ärzte im Rom. Reich 40ff.
29 Joseph, Vita 404; vgl. auch Jeremias, Jerusalem zur Zeit Jesu I 19.
30 Vgl. Edelstein, PRE.S 6 (1935) 646.
128 Magie, Medizin und Wunder im Judentum

etymologisch von IOOX ($EpaTtEUTfjc,, Heiler) her und es handele sich um


eine mit den Therapeuten identische, auf "healing both body and soul"
(vgl. Philo, Vit Cont 2) bedachte Gemeinschaft, dürfte aber kaum den
tatsächlichen Gegebenheiten entsprechen, da 'EoGT)voi/'Eöoaioi am ehe-
sten auf KOn ("fromm") rekurriert 31 . Als "Windei" erwies sich zudem
das sogenannte "4 Q Therapeia", das als Bürge für weitreichende
Kenntnisse der Essener in wissenschaftlicher hellenistischer Medizin
angesehen wurde 3 2 , bei dem es sich in Wirklichkeit aber lediglich um
eine Schreibübung ohne irgendwelche medizinischen Inhalte handelt 33 .
Die ausgeprägte Dämonologie der Qumranschriften läßt bei den Esse-
nern ohnehin keine streng wissenschaftliche Heilkunst, sondern ungleich
eher mit magischen Elementen durchsetzte volksmedizinische Praktiken
erwarten. Zuverlässige Anhaltspunkte in diese Richtung bieten Josephus
und die Qumranschriften.

a) Josephus über heilkräftige Wurzeln und Steine bei den Essenern


Joseph, Bell 11,136, zufolge durchforschten die Essener die "Schriften
der Alten" (tä TUV TtaXaiuv öuvTäyiiata) darauf hin, was Seele und Leib
nützt, und maßen in diesem Zusammenhang zur Heilung von Krankheiten
dienenden Wurzeln und "Eigenschaften von Steinen" besondere Bedeu-
tung bei (iipöc, ÖEpaitEiav Tta&öv pif^ai TE äXEF,T]Tfjpioi xai Xi&uv ISIÖTTTTEC,
ävEpEuvuvtai).

Ob bei den von den Alten abgefaßten bzw. gelesenen Schriften nur an
jüdische oder auch an heidnische Werke gedacht ist, bleibt unklar. Die Wen-
dung t ä TÖV naXaiöv ouvTaYuara ist innerhalb der hellenistisch-jüdischen
Literatur singulär, und oi iraXaioi kann sowohl die jüdischen als auch die
nichtjüdischen Vorfahren bezeichnen 34 .

31 Hengel, Judentum und Hellenismus 319f., gegen Vermes, Etymology of


"Essenes" 435ff.; ders., Essenes and Therapeutai 497ff.
32 Vgl. Allegro, The Dead Sea Scrolls and the Christian Myth 235-240;
Charlesworth, Discovery, passim; ders., in: Kee, Medicine 128-134.
33 Naveh, The So-called 4 Q Therapeia 54f.
34 Sofern man aus den zwei weiteren Josephus-Belegen für substantivier-
tes TtaXaioi überhaupt Rückschlüsse ziehen will, scheint Josephus hier eher an
die jüdischen Vorfahren zu denken. Bell 111,513 zufolge vermuteten die Alten
die Quelle des Jordan am Panium; Ant 1,105 sind mit den TtaXaioi die hochbe-
tagten Patriarchen von Gen 5 gemeint, während 1,108 dann die heidnischen
Alten als ol äpxaToi bezeichnet werden. Philo freilich rechnet neben den jü-
dischen Ahnen u.a. auch Sokrates (Plant 80), Hesiod (Ebr 150) und Diogenes
(Deus Imm 146) zu den TtaXaioi.
Jüdische Heilkunst in hellenistisch-römischer Zeit 129

Das Sichten nicht genuin essenischer Schriften auf heilkräftige Wur-


zeln hin läßt an das Henoch- und das Jubiläenbuch denken 3 5 , die sich
beide im Besitz der Qumrangemeinde befanden. Äth Hen 7,1; 8,3 - in 4
Q En I enthalten - unterweisen die gefallenen Engel die Menschen in
Beschwörungspraktiken und in dem Schneiden von Wurzeln. Jub 10,12f.
erhält Noah Anweisungen zur Heilung dämonisch verursachter Krank-
heiten mittels Pflanzen und schreibt dies in einem Buch nieder. Mögli-
cherweise kursierte sogar dieses Noahbuch, das man sich als magisch-
pharmakologisches Kompendium nach Art des "Buches der Heilmittel"
(Pes IV,9) vorzustellen haben wird, als TÖV itaXatöv oüvTayua in Esse-
nerkreisen; Noah wird jedenfalls Ant 1,105 expressis verbis zu den
TtaXaioi gerechnet. Das Erforschen heilkräftiger Steine hingegen hat in
den Qumranschriften keine Anhaltspunkte.

Steine können dadurch heilkräftig sein, daß man sie in zerriebenem Zu-
stand als Medikament zu sich nimmt oder daß sie - meist als Amulett oder
Ring getragen - allein durch Berührung oder sogar durch bloßes Anschauen
Genesung verschaffen. Beides ist im antiken Judentum belegt, was der Jose-
phusnotiz Bell 11,136 hohe historische Plausibilität verleiht.
Als mineralogischem Arzneimittel kommt in der Antike dem in Palästina
gewonnenen TouSatxöc, Xi&oc, hervorgehobene Bedeutung zu. Dioskurides
empfiehlt ihn, zerrieben und mit heißem Wasser vermischt, gegen Schwierig-
keiten beim Harngang und zur Beseitigung von Steinen in der Harnblase
(Mat Med V,137). Galen spricht dem MouSaixöc, XiSoc, zwar diesbezüglich jeg-
liche Heilkraft ab, hält ihn aber bei Nierensteinen für nützlich (Gal XII,199).
Das Interesse des antiken Judentums an Steinen mit magisch-sympatheti-
scher Heilwirkung zeigt sich plastisch in bBB 16b, wo aus Gen 24,1 ("und der
Herr hatte Abraham in allem gesegnet") gefolgert wird, daß um Abrahams
Hals ein heilkräftiger Stein hing, der durch bloßes Anschauen jedem Kranken
Genesung verschaffte. Sap 18,24 ist von antidämonischem Schmuck aus Stei-
nen (XiO-uv YXücpri) die Rede, vor dem der "Verderber" (6 ÖXESPEÜUV) flieht.
PsPhilo, Lib Ant 25,12, erwähnt Steine (lapides) in Heiligtümern der Amori-
ter, die auf Berührung mit den Augen hin von Blindheit heilen.

Das Durchforschen überkommener Schriften auf heilkräftige Steine


hin ist am ehesten dahingehend aufzufassen, daß Essenerkreise sich mit
solchen Büchern über die Heilkraft und die Wunderwirkung von Steinen
beschäftigten, wie sie ab dem 4.Jhdt.v.Chr. in der Umwelt Israels be-
zeugt sind und im Zuge der Hellenisierung oder durch Vermittlung des
babylonischen Diasporajudentums auch nach Palästina gelangt sein dürften.

Bereits Aristoteles hatte am Ende seiner Metereologie nach kurzen Be-


merkungen zu Mineralien und Metallen die Notwendigkeit detaillierterer

35 Hengel, Judentum und Hellenismus 440; Kottek, Essenes and Medicine 83f
130 Magie, Medizin und Wunder im Judentum

Studien in dieser Richtung betont (Meteor 378AB), ohne dieses Vorhaben je


zu verwirklichen 3 6 . Sein Schüler Theophrast erwähnt in De lapidibus bei al-
ler Zurückhaltung gegenüber pharmakologischen oder magischen Aspekten
zumindest, daß dem Smaragd Heilkraft für die Augen zukomme (IV,24 xai
Ttpöc, t ä 5u.u.aTa äyaöfi). Um 200v.Chr. verfaßte der im Pythagoreismus wur-
zelnde ägyptische Magier Bolos von Mendes seine magisch-pharmakologische
Schrift 4>uoixa, als deren Inhalt die Suda vermerkt: EXEI SE TtEpi ouuTta-<teiöv
xai ävTiTta-9-Eiöv, Xiöuv x a r ä OTOIXETOV . Ein Werk dieser Art ist uns mit
dem ersten Buch der Kyraniden überkommen, das in hellenistischer Zeit in
Ägypten entstand und neben pharmakologischen Pflanzen- oder Steinrezepten
auch Instruktionen zur Herstellung heilkräftiger Amulette bzw. Ringe enthält,
die in der Regel aus einem gravierten Stein (Xiöoc,) mit einer darunter ver-
borgenen Planzenwurzel (pi^a od. 'pitjov) bestehen 3 8 . Dem pseudepigraphen
Brief des Thessalos an Claudius oder Nero zufolge will Thessalos in Alexan-
dria eine astrologisch-pharmakologische Schrift des Königs Nechepso mit
Rezepten "zur Heilung des ganzen Körpers und aller Leiden gemäß dem
Tierkreis durch Steine und Pflanzen (Stä XiSoiv TE xai ßoravöv)" vorgefunden
haben 3 9 . Ausführliche, im Kern wohl auf antiken Steinbüchern beruhende
pharmakologische Abhandlungen TtEpi Xiöuv finden sich in den Arzneimittel-
lehren von Dioskurides (Mat Med V,123-150) 4 ° und Galen (Simpl Med IX,2
[Gal XII,192ff.l). Galen hat dabei persönlich die Heilkraft eines der von Ne-
chepso als Amulett empfohlenen Steine, nämlich des grünen Jasper, überprüft
und im Prinzip bestätigt gefunden (Gal XII,207) 41 .
Als höchstwahrscheinlich jüdischer Verfasser von Steinbüchern ist uns Za-
chalias der Babylonier bekannt 4 2 , der mehrere Bücher schrieb, in denen er

36 Diesen Sachverhalt konnte sich der Verf. eines um 600n.Chr. zusammen-


gestellten Steinbuches (ed. J. Ruska) zunutzemachen, indem er seine Sammlung
alter magisch-pharmakologischer Steinrezepte als Werk des Aristoteles ausgab.
37 Suda s.v. BöXoc, MEVSTJOIOC, (Adler 1,490); vgl. Wellmann, Die 4>uoixä des
Bolos Demokritos lOff. Wellmanns Überzeugung, Joseph, Bell 11,136, müsse sich
auf die 4>uoixä des Bolos beziehen (aaO. 9), basiert auf einer Fehlbeurteilung
der Essener als missionarischer neupythagoreischer Sektengründung in Pa-
lästina (vgl. kritisch Hengel, Judentum und Hellenismus 445-453, zu pythago-
risierenden Quellen des Joseph auch Bergmeier, Essenerberichte 114ff.u.ö.).
38 Edition der gesamten Kyraniden (vgl. auch die Steinrezepte in Kyr VI)
durch Kaimakis, Kyraniden 14ff.; Text und Kommentierung besagter Amulette
bei Waegeman, Amulet and Alphabet 13ff.
39 Thessalos I Prooem 6 (Friedrich 47,5ff.); vgl. Hengel, Judentum und
Hellenismus 390f. Die ebenfalls pseudepigraphe, fragmentarisch überlieferte
Nechepso-Schrift (Nechepsonis et Petosiridis fragmenta magica ed. E. Riess)
stamm, aus der Mitte des 2.Jhdt.v.Chr., wobei in den Fragmenten medizini-
schen Inhalts (Fragm 27-32) mehrfach auch Steine erwähnt sind.
40 Vgl. dazu Riddle, Dioscorides on Pharmacy 158-162.
41 Vgl. Bonner, Magical Amulets 54, zur sympathetischen Heilwirkung des
Jasper auch Diosc, Mat Med V,142; Plin, Hist Nat 37,118; Archigenes bei
Alex Trall 1,15 (Puschmann Bd. I 567).
42 Vgl. zur jüdischen Identität von Zachalias (wohl = Zacharias) Neusner,
History of the Jews in Babylonia I 10 mit Anm.2. Skeptisch: Stern, Greek and
Latin Authors I 467.
Jüdische Heilkunst in hellenistisch-römischer Zeit 131

das gesamte Geschick des Menschen vom Einfluß der Steine abhängig sah und
bestimmten Steinen Heilkraft im Falle von Augen- und Leberleiden beimaß
(Plin. Hist Nat 37,169).

Über Joseph, Bell 11,136, hinaus eröffnet auch das Verbot in CD


XI,10, am Sabbat Medikamente (D^JOD) herumzutragen, sowie der Dank
für Heilmittel (mKlDl) in 4 Q 511 Fragm 20,1,4 Rückschlüsse auf phar-
makologische Kenntnisse der Essener. Vielleicht darf man im Zusam-
menhang mit den Qumran-Essenern auch an jene palästinischen "Goe-
ten" erinnern, die den als Heilmittel berühmten jüdischen Asphalt (Scrib
Larg, Compos 207.209; Diosc, Mat Med 173,1; Gal XIV,60f.) aus dem
Toten Meer gewannen und unter Beschwörungen wie magisch-katharti-
schen Riten preßten und härteten 4 3 . Wenn Philo hervorhebt, daß die
Essener die Behandlungskosten für Erkrankte aus der Gemeinschafts-
kasse bestreiten 4 4 , deutet dies allerdings auch auf eine Inanspruchnah-
me von außerhalb der Gemeinschaft stehenden Ärzten und damit auf ei-
ne Begrenztheit essenischer Heilkunst hin.

b) Damonenaustreibungen in Qumran
Neben diesen gewichtigen Hinweisen auf magisch-pharmakologische
Kenntnisse der Essener sind Indizien für Dämonenaustreibungen in
Qumran gegeben. Mit 1 Q Gen Ap XIX,10-XX,34 und 4 Q Or Nab finden
sich in den Qumranschriften zwei Wundertraditionen, die auf Heil-
praktiken der Essener hin transparent sein könnten.
Bei 1 Q Gen Ap XIX,10-XX,34 45 handelt es sich um eine midrasch-
artige Nacherzählung von Gen 12,10-20, dem Bericht vom Aufenthalt
Abrahams in Ägypten, wobei zusätzlich Elemente aus der Variante Gen
20,1-18 eingeflossen sind. 1 Q Gen Ap setzt gegenüber seinen biblischen
Leitbildern nicht zuletzt auch in bezug auf die Bestrafung Pharaos und
deren spätere Außerkraftsetzung neue Akzente. Während Gen 12,17
allgemein von "Schlägen" (D^ül}) Gottes gegen Pharao die Rede ist,

43 Poseidonius bei Strabo XVI 2,43 (Strabo selber verwechselt hier das
Tote Meer mit dem See Sirbonis, vgl. Stern, Greek and Latin Authors I
309); vgl. Joseph, Bell IV.480-482.
44 Philo, Omn Prob Lib 87 t ä Ttpöc, räc, voanXEiac; EX TÖV XOIVÖV EXOVTEQ
EV EToiutp/Euseb. Praep Ev VIII 11,13 xai urjv EI TIC; aüröv äo-0-EvfjoEiEv, EX
TÖV XOIVÖV VOOT)XEÜETai.
45 Text nach Fitzmyer, Genesis Apocryphon Slff. Die Schriftrolle ist
ungefähr auf Ende l.Jhdt.v.Chr./Anfang l.Jhdt.n.Chr. zu datieren, vgl. ebda.
12ff., als ursprüngliche Abfassungszeit von 1 Q Gen Ap kommt das 2.Jhdt.
v.Chr. in Betracht (vgl. Schürer/Vermes, History 111,1 323).
132 Magie, Medizin und Wunder im Judentum

sieht 1 Q Gen Ap hier speziell einen Krankheitsdämon (m~i) 4 6 am Wer-


ke. Nach vergeblichen Heilungsversuchen ägyptischer Zauberer und
Ärzte (XX,19f.) wird offenkundig, daß Pharaos Begierde nach Sara die ei-
gentliche Ursache der somit auf individuellem Fehlverhalten beruhenden
Krankheit darstellt. Nachdem Pharao Sara freigegeben hat, sind die
Voraussetzungen für eine Heilung geschaffen, deren Vollzug Abraham in
Ich-Form schildert (XX,28f). Zunächst erfolgen Gebet und Handaufle-
gung (nü^X-l] bV "»"P rODCH... m b s i ) . Dann wird der Krankheitsdä-
mon offenbar noch eigens durch eine Bedrohung ( m y j n x i ) 4 7 unter
Kontrolle gebracht und gebannt, woraufhin sich die völlige Genesung
einstellt. Das Motiv des Gebetes um Heilung wird dabei aus Gen 20,17
eingeflossen sein, während sich mit der Handauflegung und der Bedro-
hung des Dämons magische Praktiken des Zweistromlandes in der 1 Q
Gen Ap XX,28f. vorliegenden, über Gen 12,10-20 hinausgehenden Schil-
derung der Heilung niedergeschlagen haben dürften 4 8 .
Nur bruchstückhaft erhalten und in seiner Bedeutung entsprechend
schwierig zu erfassen ist das "Gebet des Nabonid" 4 Q Or Nab. Die
bislang beste Textrekonstruktion für diese traditionsgeschichtlich eng
mit Dan 4 verwandte, vom paläographischen Befund her spätestens auf
das 1.Jhdt.v.Chr. zu datierende 4 9 Schrift hat F.M. Cross geleistet 5 0 . In
4 Q Or Nab ist von einer bösartigen Entzündung (]Hü) Nabonids, des
Königs von Babylon, die Rede, von der er auf sein Gebet zu Gott hin
geheilt wird. Daß die Krankheit als dämonisch verursacht gilt, ist nahe-
liegend, bleibt aber unsicher, da das oft mit Exorzist übersetzte 5 1 "1T3

46 Vgl. zu dieser Wiedergabe von m~! 11 Q Ps a Plea XIX,15 "Laß weder


weder Satan noch einen unreinen Geist (HXÜU m ~ n ] ü ü ) über mich herr-
schen." Vgl. ferner Fitzmyer, Genesis Apocryphon 116f; Kirchschläger, Exor-
zismus in Qumran? 140, und bes. Sekki, Meaning of ruah at Qumran 145-171.
47 Vgl. zur Bedeutung von ~IP3 in dämonistischem Kontext (1 Q M XIV,10
für die Bannung der Geister Belials durch Gott verwendet und in LXX durch
ETtiTiuav wiedergegeben, vgl. Hatch-Redpath I 537) Kee, Terminology 233;
Caquot, ThWAT I 55. Gegen Greenfield, Observations XXXVIIIf., dem-
zufolge IV ^ hier einfach "austreiben" meint, ohne noch gesonderte Bedro-
hungsworte miteinzuschließen.
48 Vgl. Dupont-Sommer, Exorcismes 252 Anm.l.
49 Milik, Priere de Nabonide 407. Sollte 4 Q Or Nab traditionsgeschicht-
lich älter als Dan 4 sein, käme eine deutlich frühere Abfassungszeit als die-
ser von der Schriftrolle her gegebene terminus ad quem 1.Jhdt. v.Chr. in Be-
tracht, vgl. R. Meyer, Gebet des Nabonid 106f. (5. Jhdt. v.Chr.); Garcia Marti-
nez, Prayer of Nabonidus 135f. (3.Jhdt.v.Chr.).
50 Cross, Prayer of Nabonidus 260-264.
51 Dupont-Sommer, Exorcismes 256-258; Annen, Heil für die Heiden 120;
Garcia Martinez, Prayer of Nabonidus 125f.
Jüdische Heilkunst in hellenistisch-römischer Zeit 133

eher mit "Wahrsager", "Astrologe" wiederzugeben sein dürfte 5 2 . In je-


dem Falle wird Nabonids Entzündung als Resultat von Schuld betrachtet,
da der Heilung eine Sündenvergebung vorausgeht. Eine Reihe von Exe-
geten hält dabei in 4 Q Or Nab 4 (... i n rb p3ltf ^ u m ) den i n für
das Subjekt von pDÜ und sieht einen Sündenvergebungszuspruch durch
einen Menschen gegeben 5 3 . Demgegenüber dürfte allerdings i n eher
den Beginn eines neuen Satzes markieren und für die vorausgehende
Aussage von der Sündenvergebung Gott als gedankliches Subjekt zu
ergänzen sein 5 4 . Der als Exiljude charakterisierte i n , bei dem wahr-
scheinlich an Daniel gedacht ist, wäre dann überhaupt kein aktiv an der
Heilung beteiligter Wundertäter gewesen, sondern seine Rolle hätte sich
darauf beschränkt, die dem Gotteslob dienende schriftliche Fixierung
der wie in Dan 4,31 allein gottgewirkten Genesung zu veranlassen (4 Q
Or Nab 5ff.).
Weder bei 1 Q Gen Ap noch bei 4 Q Or Nab handelt es sich um ge-
nuin essenische Schriften 55 . Folglich erlauben diese Stoffe keine un-
mittelbaren Rückschlüsse auf Wunderheilungen in Qumran. Speziell
1 Q Gen Ap XX,12-34 konnte allerdings als Anleitung zu Dämonenaus-
treibungen durch Gebet, Handauflegung und Bedrohung des Dämons
aufgefaßt werden 5 6 und spiegelt wahrscheinlich magische Praktiken der
Essener wider 5 7 , zumal sich mit der auf Gebet hin erfolgenden Heilung
dämonisch verursachter, aus Sünde resultierender Krankheit Verbindun-
gen zu den Bitten um Sündenvergebung und Dämonenabwehr in 11 Q
Ps a 155 XXIV,12f. und 11 Q Ps a Plea XIX,13-16 ergeben 5 8 .
Daß in Qumran tatsächlich Besessenenheilungen oder apotropäische
Dämonenbeschwörungen vollzogen wurden, hat zudem in 11 Q Ps Ap a

52 R. Meyer, Gebet des Nabonid 24; Hengel, Judentum und Hellenismus


438 Anm. 772; Hogan, Healing 154f.
53 Dupont-Sommer, Exorcismes 245 ("et un exorciste remit mes peches");
Vermes, Jesus the Jew 68
54 R. Meyer, Gebet des Nabonid 36f.; van der Woude, Gebet des Nabonid
124f.; Grelot, Priere de Nabonide 485; Cross, Prayer of Nabonidus 163f.;
Hogan, Healing 151-157.
55 Vgl. zum nicht-essenischen Charakter beider Schriften, der bereits
durch die engen Berührungen mit Jub (1 Q Gen Ap) bzw. Dan 4 (4 Q Or
Nab) offenkundig wird, etwa Schürer/Vermes, History 111,1 322f.440f.
56 Ähnliches gilt für das ebenfalls im Besitz der Qumrangemeinde befind-
lich gewesene Buch Tobit mit seiner Anleitung zu antidämonisch-pharmakolo-
gischen Praktiken (Tob 6,8f.; 8,2f.; 11,11).
57 Vgl. Dupont-Sommer, Exorcismes 248-253; Flusser, Healing 108;
Fitzmyer, Genesis Apocryphon 124f. Skeptisch: Kirchschläger, Exorzismus in
Qumran? 143.151L
58 Text bei Sanders, DJD IV 71.77. Vgl. Flusser, Apotropaic' Prayers 194ff.
134 Magie, Medizin und Wunder im Judentum

gesicherte Anhaltspunkte 59 . Es handelt sich dabei um eine Zusammen-


stellung des "Schutzpsalmes" Ps 91, seinerseits wohl bereits in atl Zeit zu
Beschwörungszwecken verwendet 6 0 , mit weiteren, apokryphen "Psalmen
Davids" (1,2; IV,4), die motivmäßig stark von der jüdischen Dämonologie
geprägt sind 61 . In diesen apokryphen Psalmen findet sich, textlich aller-
dings nicht völlig gesichert, zweimal die Wendung "Worte der Beschwö-
rung im Namen Gottes" (11 Q PsAp a I,l[2]; IV,4 m»~P DEQ wrb ^ I D l ) 6 2
In 11 Q Ps Ap a 1,3 werden die David zugeschriebenen antidämonischen
Beschwörungsworte zudem mit Salomo in Verbindung gebracht, was
Assoziationen zu den Joseph, Ant VIII,45.47, erwähnten, angeblich von
Salomo verfaßten Exorzismusformeln Eleazars sowie zu der dämonen-
bannenden Formel Ssupo xaXEi ÖE 6 ZoXouwv Test Sal 1,9.11 wachruft 63 .
Zudem kündigt David PsPhilo, Lib Ant 60,3, den bösen Geistern einen
aus seinen Lenden hervorgehenden, künftigen Dämonenbeherrscher an
(... de qua nascetur post tempus de lateribus meis qui vos domabit), mit
dem am ehesten Salomo gemeint sein dürfte 64 .
Der Sache nach weist die 11 Q Ps Ap a gegebene Zusammenstellung
mehrerer Psalmen zu Beschwörungszwecken in den Bereich der pytha-
goreischen Musiktherapie 65 . 1 Sam 16,14-23 berichtet davon, daß David

59 Dieterich, Abraxas 143ff., wollte sogar PGM IV,3007-3086 den Esse-


nern oder Therapeuten zuschreiben.
60 Vgl. Nicolsky, Spuren 14-29.
61 Vgl. bes. Delcor, L' utilisation des psaumes 63-67.
62 11 Q Ps Ap a 1,1(2) liest van der Ploeg, Psaumes apocryphes 130, lediglich
ü, Puech, Rituel d' exorcismes 386, hingegen C - TXW) DE/3 fj2ft"6 1 3 1 ... ).
11 Q Ps Ap a IV,4 lautet van der Ploeg, aaO. 135, zufolge (njIPP DÜD E/(),
während Puech, aaO. 381, (.- ii)VV D2/3 ür\(b m i ) rekonstruiert.
63 Außerdem ist 11 Q Ps Ap a IV,3 offenkundig von Raphael die Rede. Da-
mit ergeben sich Bezüge zu der schon des öfteren mit magischen Heilprakti-
ken in Verbindung gebrachten (vgl. etwa Brayer, Psychosomatics 215) Nach-
richt des Josephus, daß die Novizen schwören mußten, die Namen der Engel
sorgfältig zu bewahren (Bell 11,142).
64 Vgl. zur Diskussion um Lib Ant 60,3 Perrot/Bogaert, in: Ps-Philo (ed.
DJ. Harrington u.a.) II 235f.
65 Porph, Vit Pyth 30 (vgl. Iambl, Vit Pyth XV.64; XXV.llOf.), ist neben
Rhythmen und Gesängen expressis verbis auch von Beschwörungen zur Wie-
derherstellung des seelischen Gleichgewichts und zur Heilung psychischer wie
physischer Krankheiten die Rede (xatExfiXEi SE 'pu&uoTc, xai UEXEOI xai
ETKfiSaTc, rä iJnJXwä 7täör| xai xa ou^iaTixä; ähnlich Cels, Med III 18,10: The-
rapie der Melancholie durch Musik, Pauken und Lärm). Vgl. in diesem Zu-
sammenhang die Josephusnotiz Bell 11,154-158, derzufolge die Essener in
Übereinstimmung mit der pythagoreisch-platonischen Seelenlehre an die
Unsterblichkeit der Seele glaubten und den menschlichen Körper als deren
Gefängnis betrachteten.
Jüdische Heilkunst in hellenistisch-römischer Zeit 135

durch Lautenspiel einen Melancholie verursachenden Krankheitsdämon


( m i ) von Saul vertrieb. PsPhilo, Lib Ant 60,1-3, präzisiert dies dahinge-
hend, daß in Form eines apokryphen dämonenbannenden Psalmes der
genaue Wortlaut des angeblich von David gesungenen Liedes mitgeteilt
wird 6 6 . 11 Q Ps a Dav Comp XXVII ist davon die Rede, daß David insge-
samt 4050 Psalmen verfaßt habe, darunter "vier Lieder zur Musik über
den Geschlagenen" (XXVII, 9f. 1UD1K D^yusn bv )üb l^)67,
bei denen es sich offenkundig um dämonisch Besessene handelt. Damit
liegt die Annahme nahe, daß 11 Q Ps Ap a zu den angesprochenen
vier Liedern gerechnet wurde 6 8 , zumal Ps 91 im Talmud als dämo-
nenvertreibendes "Lied der Geschlagenen (D^yusn TtÖ)" o.a. gilt 69 .
Daß die auf David zurückgeführte Psalmenkombination 11 Q Ps Ap a
tatsächlich liturgischen Zwecken diente, ist auch dem rfPO in V,3.14
entnehmbar 70 .
Wie bereits für 1 Q Gen Ap und 4 Q Or Nab festgestellt, ist auch
11 Q Ps Ap a dem Inhalt und Zweck nach vermutlich nicht-essenischer
Herkunft. Freilich handelt es sich um eine Psalmenkombination "copie et
utilise par les Esseniens dans leurs pratiques incantatoires et prophy-
lactiques" 71 , die somit Rückschlüsse auf magische Techniken in Qumran
rechtfertigt. Für m m DE/3 11 Q Ps Ap a 1,1(2); IV,4 bestand dabei die
Gefahr eines verbotenen Aussprechens des Tetragramms (vgl. Sanh X,l).

66 Vgl. zu den Berührungen zwischen 11 Q Ps Ap a und Lib Ant 60,1-3


Delcor, L' utilisation des psaumes 67ff.
67 Text nach Sanders, DJD IV 92. - Auf exorzistische Musiktherapie als
Spezifikum des antiken Judentums deutet auch die Verspottung magischer
Praktiken in Luc, Trag 171-173, hin (TouSatoc; ETEpov uoipöv E^CJSEI Xaßtiv
Trag 173 [E^ÖSEIV = Beschwörungsgesang betreiben, vgl. Liddell-Scott 5811).
68 Vgl. van der Ploeg, Psaumes apocryphes 128f.; Puech, Rituel d' exor-
cismes 399f.
69 Sanders. DJD IV 93; Duling, Solomon 239; Grözinger, Musik und Ge-
sang 166-170. Vgl. neben jErub 10,11 (26c); jSchab 6,2 (8b) und MidrPs 91,1
insbesondere die Kontroverse bScheb 15b, ob man Ps 91 zu Heilzwecken oder
lediglich apotropäisch verwenden darf. - Ps 91,1 findet sich auf einer zu
Heilzwecken dienenden jüdischen Zauberschale (Naveh/Shaked B 11,6f.).
70 Vgl. dazu van der Ploeg, Psaume XCI 212; ders., Psaumes apocryphes
138f.; Eißfeldt, Qumran-Textform des 91. Psalms 85. Vermutlich ging dem
1 7 D dabei ein ]ÜK ]DX voraus, vgl. Puech, Rituel d' exorcismes, der auch
in 11 Q Ps Ap a 1,1; IV,3 1 ^ 0 ]DX )UH liest und auf die mehrfache Bezeu-
gung dieser Wendung auf jüdischen Zauberschalen aufmerksam macht (400,
Anm.24).
71 Puech, Rituel d' exorcismes 403, vgl. insgesamt zur Frage essenischer
Herkunft von 11 Q Ps Ap a ebda. 401-403 und ders., Psaumes davidiques du
rituel d'exorcisme 78-89. Die Schriftrolle selbst stammt wohl aus dem frü-
hen l.Jhdt.n.Chr., vgl. van der Ploeg, Psaume XCI 210.
136 Magie, Medizin und Wunder im Judentum

Von daher ergeben sich Verbindungen zu der Anordnung 1 Q S VI,27,


derzufolge jeder, der etwas "im Namen des Hochgeehrten" ausspricht,
mit Ausschluß aus der Gemeinschaft oder sogar mit dem Tod bestraft
werden soll 7 2 . Vermutlich tritt 1 Q S VI,27 nicht zuletzt einem Aus-
sprechen des Tetragramms bei Beschwörungen entgegen.
Über 11 Q Ps Ap a hinaus dürften schließlich auch 4 Q 510.511 73 und
4 Q 5 6 0 7 4 im Zusammenhang mit Dämonenaustreibungen in Qumran
stehen. Bei 4 Q 510.511 handelt es sich um nur bruchstückhaft überlie-
ferte, weisheitlich geprägte Lieder (l">2/), wobei für die rund 400 Ein-
zelfragmente von 4 Q 511 eine Rekonstruktion nur noch sehr bedingt
möglich ist. Die Hymnen von 4 Q 510.511 weisen eine terminologische
Nähe zu 11 Q Ps Ap a auf 75 . Während allerdings für die Psalmen von 11 Q
Ps Ap a eine Urheberschaft Davids reklamiert wird, gelten die Lieder von
4 Q 510.511 als von einem oder für einen (*?) nicht näher identifizierba-
ren "Weisen" C?"OK/0) abgefaßt 76 , den man sich wohl als einen hervor-
gehobenen Dämonenbeschwörer der Qumrangemeinde vorzustellen hat.
Bei 4 Q 510,4f. "und ich, der Weise, proklamiere die Majestät seiner
Schönheit, um in Furcht und Schrecken zu versetzen alle Geister der
Zerstörungsengel und die Geister der Bastarde, die Dämonen, Lilith ... "
und der ähnlich lautenden Wendung 4 Q 511, Fragm 35,6f. dürfte es
sich um Formeln zur Dämonenabwehr handeln 77 . 4 Q 560 mit seinen
offenkundig apotropäischen Beschwörungen (XO'1) gegen Krankheitsgei-
ster (vgl. bes. 4 Q 560 II,5f.) diente vermutlich als Anleitungsformular
zur Beschriftung dämonenabwehrender Amulette und stellt damit wohl
das älteste jüdische Zeugnis für die Anfertigung solcher magischen
Amulette und Zauberschalen dar, wie sie aus späterer Zeit vielfältig
bekannt sind 7 8 .

72 Vgl. zur Ergänzung des beschädigten Textes Lohse, Texte 284 Anm.53.
73 Text bei Baillet, DJD VII 215-262. Die Schriftrollen stammen wohl aus
dem Ende des l.Jhdt.v.Chr., vgl. aaO. 215.219.
74 Text bei Eisenman/Wise, Dead Sea Scrolls 266f.
75 Vgl. Delcor, L' utilisation des psaumes 67.
76 Vgl. 4 Q 510,4; 4 Q 511 Fragm 2,1,1; Fragm 8,4. Von daher können die
Hymnen von 4 Q 510.511 nicht mit den Liedern Davids für die Geschlagenen
11 Q Ps a Dav Comp XXVII,9f. identifiziert werden, vgl. Baillet, Le Volume
VII de "Discoveries in the Judaean Desert" 84 Anm.34.
77 Vgl. Sekki, Meaning of ruah at Qumran 153f., und bes. Nitzan, Hymns
from Qumran 53-56. - Auch die der Vertreibung von Krankheitsdämonen
dienenden Beschwörungstexte auf jüdischen Zauberschalen und Amuletten
gelten teilweise ausdrücklich als Lieder (I^K/), vgl. Isbell Nr. 67,1; 69,2; Na-
veh/Shaked A 3,2.
78 Vgl. Eisenman/Wise, Dead Sea Scrolls 256f.265.
Jüdische Wundercharismatiker 137

Insgesamt ergibt sich der Rückschluß auf eine ausgeprägte Volksme-


dizin der Essener, die neben pharmakologischen Praktiken mit magi-
schem Einschlag auch vielfältige Beschwörungsriten zur Dämonenabwehr
im Krankheitsfall miteinschloß und dabei Affinitäten zur pythagoreischen
Musiktherapie aufweist. Da sich die auf Dämonenaustreibungen hindeu-
tenden Befunde aus Qumran der Herkunft nach als überwiegend nicht-
essenisch erwiesen, sind die dort implizierten Heilpraktiken über die
Qumrangemeinde hinaus für weitere Teile des zeitgenössischen Juden-
tums repräsentativ.

2.2. Wundercharismatiker des antiken Judentums

2.2.1. Choni der Kreiszieher


Für das antike Judentum sind zahlreiche Wundercharismatiker, die
überwiegend Krankenheilungen oder Dämonenaustreibungen, teilweise
aber auch Naturwunder vollbrachten, vom Namen und ihrer Vorgehens-
weise her bekannt 1 . Ein anschauliches Beispiel für den nach wie vor
schwelenden Konflikt zwischen Magie und dem Gebot der Heiligung
Gottes bietet der Fall von Choni dem Kreiszieher 2 , der nach überein-
stimmendem Zeugnis von Josephus und der rabbinischen Tradition ein
Regenwunder 3 bewirkte und wahrscheinlich im Jahre 63v.Chr. unter
Aristobul II (67-63v.Chr.) starb.
Josephus charakterisiert Onias alias Choni als gerechten und frommen
Mann (Sixaioc, ävijp xai &Eo<piXf|c. Ant XIV,22), der allein durch sein Ge-

1 Die nachfolgende Übersicht orientiert sich an der mutmaßlichen chrono-


logischen Abfolge im Auftreten der einzelnen Personen. Vgl. neben dem Ende
des l.Jhdt.n.Chr. hingerichteten Magier Ben Stada (dazu IV.1.1.1) auch den
nach Eliezer ben Hyrkanus wirkenden Rabbi Simon ben Jochai, von dem
bMeila 17b eine Dämonenaustreibung berichtet wird, und die noch späteren
jüdischen Wundertäter bei Billerbeck IV,1 534f
2 Vgl. zu den Chonistoffen und ihrer Uberlieferungsgeschichte die Über-
sicht bei van Cangh, Miracles de rabbins 31-37.
3 Abba Chilkia und Chanan, beides Enkel Chonis. sollen ebenfalls Regen-
wunder bewirkt haben (bTaan 23ab); scheinbar wurden magisch-schamanisti-
sche Fertigkeiten innerhalb der Familie von Generation zu Generation wei-
tergereicht (vgl. auf griechischem Boden etwa das in Korinth für Wetterma-
gie zuständige Geschlecht der 'AvEuoxoTtai [Suda s.v.]). Historisch hat man
sich ein Regenwunder wohl so vorzustellen, daß Magier oder Schamanen auf-
grund ihres Einklanges mit dem Kosmos und aufgrund naturwissenschaftlicher
Kenntnisse über ein Vorherwissen zukünftiger Naturereignisse verfügen, vgl.
Fiedler, Antiker Wetterzauber 17ff.; Drewermann, Tiefenpsychologie und
Exegese II 166-169.
138 Magie, Medizin und Wunder im Judentum

bet Gott dazu bewog, es regnen zu lassen. In bTaan 23a wird Choni als
Rabbi stilisiert, der als bedeutendster Gesetzeslehrer seiner Generation
im Lehrhaus Schülerfragen beantwortete. In anderen Talmud-Traditionen
und in der Mischna schimmert dagegen ein dem tatsächlichen histori-
schen Befund ungleich eher entsprechendes Bild von Choni als umstrit-
tenem Magier durch, der sogar die Qualität des Regens steuern kann
und nur knapp dem "Synagogenbann" entgeht.
Taan 111,8 zufolge versucht Choni zunächst, das Regenwunder durch
gewöhnliches Beten zu Gott zu wirken, scheitert aber dabei. Erst die
Anwendung magischer Praktiken zur Zwangsbeeinflussung Gottes bringt
den gewünschten Erfolg4. Choni zieht einen vermutlich der Dämonenab-
wehr dienenden magischen Kreis und bedient sich damit einer Technik,
die bereits für die Magie Mesopotamiens bezeugt ist.
Schurpu 1,1-3 ist von einem magischen Kreis aus Mehl um das Räucher-
becken die Rede (When you perform the rituals for the Schurpu [-seriesl, you
set up a brazier, you put trimmed reeds crosswise on top of the brazier, you
Surround it with a magic circle of flour) 5 . Ähnlich umkreisen die Baalsprie-
ster 1 Kön 18,26 den Altar. Menippus wird vor seiner schamanistischen
Hadesfahrt zum Schutz vor den Geistern magisiert und eingekreist ( x a t a -
uaYEÜoac; xai TtEpiEXOüv Luc, Menippus 7). Der lädierte Ringkämpfer Demo-
krates umschließt sich mit einem der Schadensabwehr dienenden magischen
Kreis (TtEpiYpäiptov Eautö xüxXov), aus dem er nicht herausgezogen werden
kann (Ael, Var Hist IV,15). Eine frappierende Parallele zu Chonis magischem
Kreis nach einem gescheiterten Gebet bietet PGM 111,273-275: Wenn ein G e -
bet zur Sonne um wunderbares Vorherwissen erfolglos bleibt, soll zu den
Winden gesprochen werden, indem der Ausführende sich im Kreise bewegt
(XUXXEÜUV). Eine Taan 111,8 vergleichbare Kombination von Zwangsbeeinflus-
sung und magischem Kreis begegnet Polybius XXIX,27: Popilius schließt An-
tiochus IV. in einen mit einem Weinstock gezogenen magischen Kreis ein
(itEpiEYpaipE TU xXfjuari TÖV 'AVTIOXOV; vgl. Livius XLV 12,5f. virga quam in
manu gerebat circumscripsit regem) und befiehlt ihm, vor Verlassen des
Kreises Stellung zu einem Senatsbeschluß zu beziehen 6 .

4 Auch in den Zauberpapyri (z.B. PGM II,45ff.; IV,1434ff.) stellen massi-


ve magische Techniken zuweilen ein letztes, nicht durch permanenten Ge-
brauch abzunutzendes Zwangsmittel nach dem Scheitern anderer Praktiken
dar, vgl. Graf, Prayer in Magic 194.
5 Text nach Reiner, Schurpu 11. Vgl. zum "magischen Rundgang" auch Ei-
trem, Opferritus 6-29.
6 Auch biblische Traditionen wurden sekundär um das Motiv des magischen
Kreises bereichert. Targum Hab 3,1 (längere Version) weigert sich Habakuk,
den magischen Kreis zu verlassen, bevor ihm Gott Gerichtsvisionen offenbart
hat (Berger/Colpe, Textbuch 47f.; vgl. zum Textproblem Cathcart/Gordon,
The Targum of the Minor Prophets, 1989, 155 Anm.l). ARN A 9 umschließt
sich Mose mit einem magischen Kreis und fleht Gott um Heilung der Mirjam
Jüdische Wundercharismatiker 139

Zudem leistet Choni einen Schwur beim "großen Namen" Gottes


( b i i a i ^ttE/D "'im V3Ü1)7, sich bis zum Eintreten des Wunders nicht
von der Stelle zu bewegen. Offenkundig liegt damit der Versuch einer
Zwangsbeeinflussung oder Nötigung Gottes vor. In welchem Maße hier
die Grundfesten jüdischer Rechtgläubigkeit, insbesondere die Beachtung
von Ex 20,7/Dtn 5,11, angetastet werden, zeigt die nachfolgende, im
Kern wohl authentische und vermutlich zunächst eigenständig tradierte 8
Stellungnahme des Gesetzeslehrers Simon ben Schatach, von Rechts
wegen müsse über Choni der Bann verhängt werden (113).

Taan 111,8 als älteste Tradition gibt hierfür keine Begründung, setzt aber
offenbar einen Verstoß gegen Ex 20,7/Dtn 5,11 voraus. In bBer 19a und
bTaan 19a ist jedenfalls davon die Rede, daß Choni sich gegen Gott vergan-
gen habe, und bTaan 23a spricht konkret von einer Entweihung des Gottesna-
mens. Allein Beschwörungen beim Namen Gottes sind freilich in spätestens
herodianischer Zeit mit 11 Q Ps Ap a bezeugt, ohne in irgendeiner Weise
problematisiert zu werden. Choni gerät offenkundig nicht zuletzt dadurch ins
Zwielicht, daß seine Beschwörungspraktiken eine besonders massive Zwangs-
beeinflussung Gottes implizieren, indem sie von der magischen Technik des
Kreisziehens begleitet sind. In bTaan 23a wird die Brisanz dieses magischen
Ritus durch ein Zitat aus Hab 2,1 entschärft.

Was Choni vor dem Bann bewahrte, war allein das tatsächliche Ein-
treten des Regenwunders. Dies wurde als Indiz für eine besonders
intensive Gottesbeziehung 9 und damit im Sinne einer göttlichen Legiti-
mierung der magischen, allerdings streng monotheistischen Praktiken
Chonis gedeutet. In jTaan 3,8 (66d)/bTaan 23a ist zusätzlich von einem
Stieropfer Chonis zum Stoppen des Regenfalls die Rede.
Daß Choni bei seinen Zeitgenossen im Rufe eines Magiers stand, geht
zudem aus dem Bericht über seinen Tod (Joseph, Ant XIV,22-25) her-
vor. Gefolgsleute von Hyrcanus II. ergriffen Choni mit der Absicht, daß

an (vgl. Num 12,13). - Gegen Goldin, Honi the Circle-Maker 234-237 (... in
the story of Honi there is no trace of thaumaturgy"), spricht weder ARN A
9 noch Polybius XXIX,27 dagegen, daß es sich bei dem Kreisziehen um eine
magische Technik handelt.
7 Vgl. die Vorgehensweise des ägyptischen Magiers Arnuphis, der 174
n.Chr. durch "Tricks" (uayravEia) und Anrufung verschiedener Gottheiten ein
Regenwunder vollbracht haben soll (Dio Cassius LXXI 8,4).
8 Vgl. Neusner, Pharisees I 91f., zur historischen Gestalt des Simon ben
Schatach, dem Sanh VI,5 die Kreuzigung von 80 Hexen an einem Tag zuge-
schrieben wird, Hengel, Rabbinische Legende 36-41.
9 Vgl. die Selbstbezeichnung "Sohn des Hauses" (Taan 111,8) (dazu: Cor-
rens, Gießener Mischna 11,9, 87; Green, Palestinian Holy Men 633f.), die
personale Gottessohn-Ansprüche Chonis nahelegt und ihn in Verbindung mit
seinen magisch-schamanistischen Praktiken in die Nähe eines Theios Aner rückt.
140 Magie, Medizin und Wunder im Judentum

er "wie er (einst) betend die Dürre beendete, so (jetzt) Verfluchungen


auf Aristobul und seine Anhänger lege (üc, EitauoE rfjv ävo[tßpiav EüF,auEvoc,,
iv' oÜTioc, äpac, Orj xarä 'ApiöToßoüXov xai TUV öuoTaoiaöTÖiv aüTou)10".
Unter Bezugnahme auf sein Regenwunder wird Choni die Befähigung zu
Schadenszauber, ebenfalls zum festen Betätigungsfeld eines antiken
Magiers zählend, beigemessen. Choni weigert sich freilich, und wird aus
diesem Grunde gesteinigt.
Insgesamt ist Josephus und der rabbinischen Tradition in hinreichen-
der Deutlichkeit entnehmbar, daß es sich bei dem historischen Choni
um einen Magier oder Schamanen handelte 11 . Mit der Legende von
seinem siebzigjährigen Schlaf (bTaan 23a) rückt er in frappierende Nähe
zu Epimenides (Apoll Parad, Hist Mir I; Plin, Hist Nat 7,175; Diog Laert
1,109), und wie Empedokles (Emped, Fragm 101) verfügte er über die
Fähigkeit, Regen hervorzubringen und ihn zu stoppen. Choni bediente
sich nicht allein der dämonenabwehrenden Technik des Kreisziehens,
sondern gebrauchte zudem den Gottesnamen zu Beschwörungszwecken
unter Einschluß einer massiven Zwangsbeeinflussung Gottes und ver-
stieß damit gegen Ex 20,7/Dtn 5,11. Insbesondere unter letztgenanntem
Aspekt stand Choni hart an der Grenze zum Häretikertum und war der
Gefahr des Synagogenbanns ausgesetzt. Erst im Zuge der Überliefe-
rungsgeschichte der Choni-Stoffe kommt es zu einer zunehmend positi-
ven Integration Chonis in das "rechtgläubige" Rabbinentum bis hin zu
seiner Stilisierung als vollmächtiger Schriftgelehrter (bTaan 23a) 12 .
Festzuhalten sind der strikte Monotheismus und die Weigerung Chonis,
Schadenszauber zu vollbringen. Trotz dieses Verzichtes auf synkretisti-
sche "schwarze Magie" ohne ethische Reflexion dürfte es allerdings
verfehlt sein, die historische Chonigestalt in gezielter Abgrenzung gegen
Magie als Prototyp jüdischer Chasidim zu beanspruchen 13 . Ein Chasid im
engeren Sinne betet ohne magische Praktiken und Zwangsbeeinflussung
Gottes um Regen (TTaan 2,13).

10 Vgl. zur geschichtlichen Einordnung der im Kern zuverlässigen Szene


Schürer/Vermes, History I 233-242; O. Betz, Tod des Choni-Onias 60-66.
11 Treffend Green, Palestinian Holy Men 647: "first Century B.C. Palesti-
nian magician"; vgl. auch Blau, Zauberwesen 33.
12 Vgl. zu diesem "process of rabbinization" Green, aaO. 628-647.
13 Gegen Vermes, Jesus the Jew 69ff. Während der Magier Vermes zufol-
ge seine Fähigkeiten "secret powers" verdankt, ist der Chasid wesensmäßig
durch "immediate contact with God" gekennzeichnet (69).
Jüdische Wundercharismatiker 141

2.2.2. Jochanan ben Zakkai


Dämonenaustreibungen wurden im antiken Judentum der Zeitenwende
nicht allein bei den Essenern, sondern vermutlich auch in Pharisäerkrei-
sen vollzogen. Das Logion Mt 12,27par "Wenn ich aber durch Beelzebul
Dämonen austreibe, durch wen treiben sie dann eure Söhne aus? Des-
halb werden sie eure Richter sein" setzt die Existenz jüdischer Wun-
dertäter im Umfeld Jesu voraus. Aus dem argumentativen Duktus von Mt
12,27par geht hervor, daß das Wirken dieser jüdischen Dämonenaustrei-
ber als von Gott autorisiert gilt und damit in einem Analogieschluß der
gegen Jesus erhobene Vorwurf des Beelzebulbündnisses entkräftet
werden soll, indem dieser ebensowenig wie die angesprochenen Zeitge-
nossen seine Dämonenaustreibungen mit Hilfe Beelzebuls bewirkt. Mit
oi uiot üiiuv Mt 12,27par dürften Wundertäter aus Pharisäerkreisen ge-
meint sein, wobei allerdings das in diese Richtung weisende $apioaioi
Mt 12,24 gegenüber dem unbestimmten TIVEC, Lk 11,15 sekundär wirkt 14 .
Vereinzelt meint man, die Identität der jüdischen Wundertäter von Mt
12,27 durch einen Verweis auf Jochanan ben Zakkai (ca. l-80n.Chr.) als
"anerkannten Exorzisten" der Pharisäer entscheidend erhellen zu
können 15 . Als Hauptbeleg hierfür gilt bSukka 28a (par bBB 134a). Das
dort erwähnte regelmäßige Gespräch Jochanan ben Zakkais mit Dä-
monen deutet allerdings nicht zwingend auf Exorzismen hin und unter-
liegt ohnehin traditionsgeschichtlichen Bedenken. Denn in ARN A 14
findet sich eine Parallele zu bSukka 28a/bBB 134a, in der die magische
Topik fehlt und die in diesem Punkte ursprünglicher sein könnte. Auch
Pesiqta Rabbati 14,14, wo Jochanan ben Zakkai im Dialog mit einem
Heiden jüdische Reinheitsriten und pagane Dämonenaustreibungsprakti-
ken parallelisiert, sind keine Wundertaten, sondern lediglich magische
Grundkenntnisse Jochanan ben Zakkais entnehmbar. Bei der Wundertra-
dition in bJoma 39b schließlich, derzufolge Jochanan allein durch Worte
ein Stillstehen der sich von selbst öffnenden Tempeltore bewirkt, wird
es sich um eine gesteigerte, wunderhafte Ausschmückung der jJoma 6,3
(43c) in ursprünglicherer Form vorliegenden Tradition handeln, wo
Jochanan dieses Ereignis nicht aktiv bewirkt, sondern nur konsta-

14 Vgl. Lührmann, Redaktion 32; Laufen, Doppelüberlieferungen 127. Auch


wenn 4>apioaToi redaktionell ist, bekundet dies aber in jedem Falle mt Kennt-
nis von pharisäischen Dämonenaustreibern. Abwegig Shirock, Exorcists 41-51:
Mit oi uioi tiuüv seien die Jünger Jesu gemeint.
15 Gnilka, Mt-Ev I 458 Anm.15; ähnlich Luz, Mt-Ev II 259 mit Anm. 60.
Vgl. ferner Klausner, Jesus 362.
142 Magie, Medizin und Wunder im Judentum

tiert 16 . Der historische Jochanan ben Zakkai war allem Anschein nach
überhaupt kein Wundertäter und kann folglich unter diesem Aspekt auch
nicht mit den jüdischen Dämonenaustreibungen von Mt 12,27 in Verbin-
dung gebracht werden.

2.2.3. Chanina ben Dosa

Der Gebetscharismatiker Chanina ben Dosa wirkte als Zeitgenosse


Jochanan ben Zakkais wahrscheinlich noch vor der Tempelzerstörung,
also nur unwesentlich später als Jesus und ebenfalls in Galiläa17.

Die genaue Wirkungszeit von Chanina ben Dosa ist der rabbinischen Tra-
dition nicht entnehmbar und kann nur indirekt daraus erschlossen werden, daß
er zeitgleich mit Gamaliel, Jochanan ben Zakkai und Nechumiah lebte (bBer
34b; bBQ 50a). Da Jochanan ben Zakkai (ca. 1-80 n.Chr.) und Nechumiah
recht eindeutig in die Zeit vor der Tempelzerstörung einzuordnen sind, dürfte
es sich bBer 34b um Gamaliel den Älteren (Apg 22,3) handeln, so daß Cha-
nina ben Dosas Wirken etwa in der Mitte des l.Jhdt.n.Chr. anzusetzen ist 1 8 .

Nicht allein von der literarischen Fixierung her, sondern auch unter
traditionsgeschichtlichen Aspekten bietet Ber V,5 die älteste wie
zuverlässigste Überlieferung von Chanina ben Dosas Wunderwirk-
samkeit. Ber V,5 zufolge betete er für lebensbedrohlich Erkrankte
( D ^ i r i r r b ü 'p'psrip i"PrK$) und konnte aufgrund dessen, ob ihm das
Gebet flüssig oder stockend über die Lippen kam, die Überlebens-
chancen des betreffenden Kranken vorhersagen. Chanina ben Dosa
wirkte also charismatische Gebetsheilungen 19 , die letztlich von Gott als
Adressat des Gebetes vollzogen wurden, und verfügte dabei über ein
Vorherwissen um den Erfolg seiner Gebete. Legendarisch ausgestaltet
findet sich der Aspekt des intensiven Betens von Chanina ben Dosa in

16 Vermutlich handelt es sich bei bJoma 39b/jJoma 6,3 (43c) um eine an


Joseph, Bell VI,293ff./Tac, Hist V,13 bzw. an die dortige Tradition (vgl. dazu
Weinreich, Gebet und Wunder 105-113; Kratz, Rettungswunder 368-371)
anknüpfende Jochanan-Legende (Neusner, Life of Yohanan ben Zakkai 64f.)
17 jBer 4,1 (7c) legt Arav nördlich von Nazareth als Wohnort von Chanina
ben Dosa nahe.
18 Vgl. zu dieser Frühdatierung von Chanina ben Dosas Wirksamkeit
Neusner, Life of Yohanan ben Zakkai 47-53; ders., Phansees I 394f.; Vermes,
Hanina ben Dosa II 59-61. Gegen Schlatter, Wunder in der Synagoge 74.
19 Vgl. zur charismatischen Gebetsheilung Num 17,13f.; 1 Kön 13,4-6;
17,2lf.; 1 Q Gen Ap XX,28f.; bChag 3a; bErub 29b, zum Ganzen auch Rosner,
Medicine 141-148.
Jüdische Wundercharismatiker 143

der Erzählung vom unbeschadeten Überstehen eines Schlangenbisses


TBer 3,20/jBer 5,l(9a)/bBer 33a, was die Erinnerung an die verwandte
Pythagorastradition Apoll Parad, Hist Mir VI; Iambl, Vit Pyth XXVIII,142
wachruft.
Weitere historische Aspekte von Chanina ben Dosas Wunderwirken
dürften sich am ehesten bBer 34b und bBQ 50a finden, wo offenkundig
erzählerische Ausgestaltungen von Ber V,5 begegnen. Der Fernheilungs-
tradition bBer 34b 2 0 zufolge bewirkt Chanina ben Dosas Gebet, daß sich
der Sohn Gamaliels vom Fieber erholt. Ebenfalls nach bBer 34b genest
der Sohn Jochanan ben Zakkais auf Chaninas Gebet hin von einer nicht
näher charakterisierten, auf jeden Fall lebensbedrohlichen Krankheit.
Chaninas Gebetskraft wird dabei auf eine intensive Gottesbeziehung
zurückgeführt, über die Jochanan ben Zakkai nicht verfügt. Hier werden
Spannungen zwischen charismatischer Gebetsfrömmigkeit und etablier-
tem Pharisäertum deutlich. bBQ 50a zufolge weiß Chanina ben Dosa,
wohl wiederum aufgrund seines Gebetes, daß die Tochter Nechumiahs
aus einer Grube gerettet wird; wie im Falle von Gamaliels Sohn liegt ein
Distanzwunder vor. Allen drei Wunderstoffen dürfte als historischer
Haftpunkt der bereits Ber V,5 entnehmbare Sachverhalt innewohnen,
daß Chaninas Gebeten zu Gott um Heilung oder Rettung bedrohter
Personen bereits zu seinen Lebzeiten eine besondere Wirkung ein-
schließlich Vorherwissen um den Erfolg beigemessen wurde. Mögli-
cherweise deutet darüber hinaus die konkrete Nennung der Hilfsbedürf-
tigen in bBer 34b und bBQ 50a auf historische Erinnerung an entspre-
chende Heilungen oder Rettungen hin.
Ungeschichtlich wirken hingegen neben der Episode in bPes 112b
(Begegnung mit der Dämonin Agrath) auch die zahlreichen, in Mischna,
Tosefta und jT fehlenden Naturwundertraditionen von bTaan 24b.25a 21 ,
die zudem teilweise die Tendenz verfolgen, Chanina ben Dosa der Ge-
stalt des Elisa (Brotwunder) und des Elia oder des Choni (Regenwunder)
anzugleichen, während Chanina selber ein prophetisches Verständnis
seiner Wunder zurückwies (bBer 34b; bBQ 50a).
In der rabbinischen Tradition gilt Chanina ben Dosa stereotyp als
Rabbi. Doch dürfte dies - wie schon bei Choni - kaum den Tatsachen
entsprechen, sofern man den Begriff Rabbi in seiner eigentlichen Be-
deutung faßt. Chanina ben Dosa zugeschriebene weisheitliche Lehr-

20 Die kürzere Variante jBer 5,5 (9d) ist demgegenüber sekundär, vgl.
Vermes, Hanina ben Dosa I 31.
21 Vgl. dazu Fiebig, Jüdische Wundergeschichten 22-25; Vermes, Hanina
ben Dosa I 39-44; Freyne, The Charismatic 228-235; van Cangh, Miracles de
rabbins 41-43.
144 Magie, Medizin und Wunder im Judentum

tradition begegnet nur im geringen Maße (Aboth III,9f; Pirqe Rabbi Elie-
zer 29.31), Gesetzesauslegung im engeren Sinne ist von ihm nicht über-
liefert. In allererster Linie erscheint Chanina ben Dosa, der bTaan 24b
zufolge täglich von einer Himmelsstimme als Gottessohn proklamiert
wurde und damit Züge eines Theios Aner trägt, als Wundertäter 2 2 ,
" ... if Hanina had appeared in non-rabbinic sources, ... we should not
have called him a Pharisee, and non of the stories about him is quintes-
sentially Pharisaic." 23
Ähnlich wie bei Choni erfolgt auch im Falle des Charismatikers Cha-
nina ben Dosa, dessen Gebet zu Gott außergewöhnliche Kraft beige-
messen wurde und der historisch weder als Gesetzeslehrer noch als
Wunderprophet wirkte, eine zunehmende Vereinnahmung seitens des
rabbinischen Judentums 2 4 , ohne daß es sich bei ihm historisch speziell
um einen Magier gehandelt haben m u ß 2 5 .

2.2.4. Die jüdischen Zeichenpropheten

Einen völlig anderen Typus jüdischen Wundercharismatikertums, als


es bislang sichtbar wurde, repräsentiert das für das l.Jhdt.n.Chr. durch
Josephus und die Apg bezeugte Zeichenprophetentum mit politischen
Implikationen. Ein vorher angekündigtes und innerhalb überschaubarer
Frist auf sein Eintreffen hin überprüfbares Zeichen ist bereits in atl

22 Vgl. die programmatische Aussage Sota IX,15parr: Mit dem Tod von
Chanina ben Dosa verschwanden die Männer der Tat (HE/ÜO "'C^K).
23 Neusner, Pharisees I 395f. Noch deutlicher Vermes, Hanina ben Dosa II
62: "Despite attempts to insinuate the contrary, it is likely that Hanina was
not a rabbi, a professional religious teacher."
24 Vgl. Safrai, Teaching of Pietists 18f. Zu den möglichen Gründen der
Stilisierung Chaninas als Rabbi vgl. Bokser, Wonder-Working 80f.: Die Dar-
stellung Chaninas als Wundercharismatiker mit speziellem Zugang zu Gott
hätte im Widerspruch zu rabbinischen Vorstellungen einer "piety available to
all Jews" gestanden. Folglich sei der Wundercharismatiker für die Rabbinen
als "religiöses Modell" nicht in Frage gekommen. Freyne, Charismatic 245,
vermutet hingegen eine Vereinnahmung Chaninas als "model of the piety of
the synagogue", um Galiläa für die pharisäische Gesetzeslehre zu gewinnen.
25 Anders Crossan, Historical Jesus 148-156, der ähnlich wie bei Choni
eine von der Maxime "magic must become prayer, and magician must become
rabbi" geleitete rabbinische Korrektur der Chanina-Tradition vermutet. Abge-
sehen von Chaninas Imitation des vielleicht magischen (H.-Ch. Schmitt, Elisa
185 mit Anm. 31) Gebetsritus Elias (Verbergen des Kopfes zwischen den
Knieen 1 Kön 18,42) in bBer 34b, sind in der historisch glaubwürdigen Chani-
na-Tradition keine Anzeichen für magische Zwangsbeeinflussung Gottes gege-
ben.
Jüdische Wundercharismatiker 145

Tradition als göttliche Legitimierung prophetischer Rede breit bezeugt 2 6 .


Besondere Ausprägung hat dieser traditionelle Zusammenhang zwischen
dem Anspruch prophetischer Sendung und dessen Erweis durch das
Eintreffen vorhergesagter oiiuETa für das von Josephus als Goetie abqua-
lifizierte Zeichenprophetentum erfahren, das Ende der dreißiger Jahre
des l.Jhdt.n. Chr. einsetzte und in den Wirren des Jüdischen Krieges
seinen Höhepunkt erreichte 2 7 .

Noch unter Pontius Pilatus fällt die Wirksamkeit eines unbekannten Sama-
ritaners, der eine beträchtliche Anzahl bewaffneter Landsleute auf den Gari-
zim zu führen gedachte, um dort die von Mose vergrabenen Tempelgefäße zu
zeigen (Ant XVIII,85-87). Im Hintergrund steht eine wahrscheinlich aus
2 Makk 2,4-8 entwickelte oder damit eng verwandte samaritanische Sonder-
tradition, derzufolge das Auffinden der Tempelgefäße auf dem Garizim den
Anbruch der Heilszeit markiert 2 8 .
Unter Fadus (44-48n.Chr.) tritt ein gewisser Theudas mit prophetischem
Anspruch (TcpocpfJTric, fäp EXEYEV Elvai) auf und führt eine Volksmenge - Apg
5,36 zufolge rund 400 Personen 29 - mit dem Versprechen zum Jordan, auf
seinen Befehl hin werde sich der Fluß teilen (Ant XX,97-99). Dies ruft die
Erinnerung an das Schilfmeerwunder Ex 14 wach, zumal die Theudasanhänger
wie seinerzeit die Exodusgemeinde (vgl. Ex 12,11.3lff.) ihre gesamte bewegli-
che Habe mit sich führten (Ant XX,97). Ergänzend liegen Bezüge zum unbe-
schadeten Durchschreiten des Jordan bei der Landnahme (Jos 3) und zur
Teilung des Jordan durch Elias Mantel (2 Kön 2,6-8) vor.
Wenn während der Prokuratur des Felix (52-60 nChr.) "Goeten" (Ant
XX,167) unter Ankündigung von TEpara xai anusTa (Ant XX,168) bzw. or|U£Ta
EXEuÖEpiac; (Bell 11,259) zum Zug in die Wüste aufrufen, ist dabei wiederum
an eine Wiederholung einzelner Exoduswunder gedacht, die Ant 11,327 eben-
falls als "Zeichen der Freiheit" gelten. Ungefähr zur gleichen Zeit führte ein
"Ägypter" - wohl ein Diasporajude - mit prophetischem Sendungsbewußtsein
eine Volksmenge von 30 000 Personen von der Wüste her (Bell 11,262; vgl.
Apg 21,38) mit dem Versprechen auf den Ölberg, auf sein Kommando hin
werde die Stadtmauer zusammenfallen (Ant XX,169-172; vgl. Bell 11,261-263).

26 Vgl. bes. Dtn 13,1-5; zum Ganzen: Helfmeyer, ThWAT I 199-203;


Stolz, Zeichen und Wunder 126-129.
27 Vgl. R. Meyer, Prophet 82-88; Hengel, Zeloten 235-251; Barnett, Sign
Prophets 679-690; Aune, Prophecy 126-129; Horsley, Types of Populär Prophets
454-461; Horsley/Hanson, Bandits, Prophets and Messiahs 160-172 ("action
prophets"); Bittner, Jesu Zeichen 57-70, Gray, Prophetic Figures 112-144.
28 Vgl. Kippenberg, Garizim und Synagoge 113f. (ebda. 227 mit Anm.159
Belege aus Memar Marqah, denenzufolge Mose sich am Garizim aufhielt),
und bes. M.F. Collins, Hidden Vessels 101-116, wo der vorstellungsgeschicht-
liche Hintergrund von Ant XVIII,85-87 genauestens erhellt wird.
29 Lk setzt allerdings das Wirken des Theudas Apg 5,36 rund ein Jahr-
zehnt zu früh an.
146 Magie, Medizin und Wunder im Judentum

Dies läßt zweifellos an die Eroberung Jerichos (Jos 6) denken 30 . Bei dem
"Ägypter" handelt es sich im übrigen um den einzigen der von Josephus
erwähnten Zeichenpropheten, für den politisch-messianische Ansprüche ernst-
haft in Rechnung zu stellen sind, da er die "Herrschaft über das Volk" (TOU
Sfjuou TupawsTv Bell 11,262) anstrebte .
Unter Festus (60-62n.Chr.) verheißt ein weiterer "Goet" denjenigen Ret-
tung und Ende des Bösen (oGiTiipiav xai naöXav xaxöv), die ihm in die Wü-
ste nachfolgen (Ant XX,188). Im Jahre 70n.Chr. verursacht nach Bell VI,285
ein iJ'EuSoTcpotpfJTTic; unter Verheißung von onuEta TTJC; ouTiipiac; den Tod von
6000 Menschen im Heiligtum, und noch nach der Zerstörung Jerusalems
kündigt der Weber Jonathan von Cyrene dem Volk oiiuETa xai (päauata in der
Wüste an (Bell VII,438).

Den indirekt erschließbaren Selbstbezeichnungen, der Art der in


Aussicht gestellten Zeichen sowie den Orten, an denen diese sich voll-
ziehen sollen, sind die zentralen Implikationen des skizzierten Zeichen-
prophetentums in hinreichender Deutlichkeit entnehmbar. Obgleich die
unterschiedlichen Propheten offenbar in keinerlei unmittelbarer Bezie-
hung zueinander standen, deuten die Ausfuhrungen des Josephus auf ein
relativ einheitliches Schema in der Art ihres Auftretens hin. In allen
Fällen wird zunächst ein göttliches Zeichen mit heilsgeschichtlichen, aus
dem AT gespeisten Bezügen in Aussicht gestellt. Die angekündigten
Zeichen stellen Wiederholungen einzelner Exodus- oder Landnahme-
wunder dar und sollen somit den Beginn der Befreiung des fremdbe-
herrschten Israel durch Gott dokumentieren, wie dies seinerzeit beim
Auszug aus Ägypten der Fall war. Die Zeichenankündigung gewinnt damit
den Charakter einer eschatologischen Hellszusage. Dies zeigt sich auch
an dem hohen Stellenwert, den die ihrerseits bereits in der atl Prophetie
eschatologisierte (Hos 2,14ff; Jes 35,lff; 40,3) Wüstentradition 32 hier
im Sinne der Erwartung eines neuerlichen Exodus (vgl. E^oSoq Bell
VII,439) einnimmt. Indem die der Zeichenankündigung Glauben schen-
kenden Personen den Propheten in die Wüste nachfolgen, werden sie
zur eschatologischen Exodusgemeinde und ihre Führer zum Mose redi-
vivus, wie er Dtn 18,15.18 als endzeitlicher Prophet in Aussicht gestellt

30 Barnett, Sign Prophets 683, verweist auf 4 Q Test 22-28, wo Jos 6,26
(Fluch gegen die Wiedererbauer Jerichos) offenbar auf Jerusalem bezogen
wird (vgl. aber Eshel, Joshua's Curse 413-420). Abwegig ist die Identifizie-
rung des ägyptischen Zeichenpropheten mit Ben Stada (gegen Klausner, Jesus
von Nazareth 22; Goldstein, Jesus in the Jewish Tradition 61f.).
31 Grundsätzlich wird - vermutlich auch unter dem Eindruck von Mk 13.22 -
nicht scharf genug zwischen rein prophetischem und messianischem Anspruch
differenziert, vgl. etwa R. Meyer, Prophet 82ff., der stereotyp von den Zei-
chenpropheten als "messianischen Propheten" spricht.
32 Vgl. zur Heilsbedeutung der Wüstentradition Hengel, Zeloten 258.
Jüdische Wundercharismatiker 147

wird. Das tatsächliche Eintreffen des Wunders war dabei als Beweis für
die Richtigkeit der Heilsverkündigung und damit zugleich als Garant für
die Legitimität der prophetischen Ansprüche gedacht. Daneben dürfte
der Gedanke an ein Erzwingen des endzeitlichen Eingreifens Gottes
mitgeschwungen haben. Würde sich auch nur eines der Exoduszeichen
wiederholen, wäre in einer Art von Automatismus ein unaufhaltsames
Abrollen der neuerlichen Befreiungstaten Gottes für sein fremdbe-
herrschtes Volk in Gang gesetzt. Über die Wunderpraktiken der Zei-
chenpropheten ist nichts bekannt, zumal in der Mehrzahl der Fälle
römische Truppen dem Geschehen vorzeitig ein Ende bereiteten. Der
von Josephus erhobene Vorwurf der Goetie (vgl. Luc, Alex 5; Dio Cass
LXXVII 18,4; Orig, Cels 1,68) deutet allerdings auf magische Techniken
hin.
Die von den Zeichenpropheten nur angekündigten, niemals auch wirk-
lich eingetretenen Wunder zielten auf den sichtbaren Erweis des gegen-
wärtig einsetzenden endzeitlichen Heilshandelns Gottes in der Welt ab.
Die in Aussicht gestellten or^Eia xai TEpata sollten in Orientierung an
eschatologisierten Exodustraditionen die Wiederholung der damals von
Gott gewirkten Wunder im Sinne einer einsetzenden national-politischen
Befreiung Israels manifest machen und damit gleichzeitig personale
politisch-prophetische Ansprüche legitimieren.

2.2.5. Eleazar

Unsere Kenntnisse von der Existenz und der Vorgehensweise des


jüdischen 3 3 Exorzisten Eleazar verdanken sich dem Umstand, daß
Josephus in Ant VIII, 46-49 im übergreifenden Sachzusammenhang sei-
ner Salomodarstellung auf ihn zu sprechen kommt 3 4 . Ant VIII,44 erfolgt
eine gesteigerte Wiedergabe von 1 Kön 5,12f.(4,32f), wo von 3000
Sprüchen und 1005 Liedern Salomos die Rede ist. Diese biblische Tra-
dition ergänzt Josephus nunmehr in Ant VIII,45 um die Angabe, Salomo
habe darüber hinaus auch "Beschwörungen, wodurch Krankheiten beho-
ben werden" (ETtuSäc, ... aic, TtapriyopEifai TÖ voafjiiata) und Exorzismus-
anleitungen (TPÖTTOUC, Ef;opx(jöEuv) hinterlassen. Um dies plastisch zu ver-
anschaulichen, greift Josephus auf das Beispiel des Eleazar zurück, der

33 Daß es sich bei Eleazar um einen Juden handelt, geht daraus hervor,
daß ihn Josephus als "Stammesgenossen" (öuöcpuXocJ bezeichnet. Zu weiter-
gehenden Konkretisierungen s.u.
34 Vgl. zum Kontext und den redaktionsgeschichtlichen Implikationen von
Ant VIII,45-49 Duling, Eleazar Miracle 6-23.
148 Magie, Medizin und Wunder im Judentum

sich solcher angeblich von Salomo herrührenden Beschwörungssprüche


bediente. Das Ant VIII,46-49 angesprochene Ereignis vollzog sich vor
den Augen des Feldherrn und späteren Kaisers Vespasian, muß folglich
zwischen 67 und 69n.Chr. stattgefunden haben, als Josephus zunächst
Gefangener und dann freiwilliger Begleiter Vespasians war (Bell III,392ff;
IV,622ff). Zu grundsätzlichen Zweifeln an der Vorgehensweise des
Eleazar bietet der offenkundige Augenzeugenbericht (icrt6p7|oa) des Jo-
sephus keinerlei Anlaß. Zudem ist es historisch wahrscheinlich, daß
Vespasian mit seiner hohen Empfänglichkeit für Mantik, Astrologie und
außergewöhnliche Krankenheilungen, die oben im Zusammenhang mit
seinem Alexandriaaufenthalt Tac, Hist IV 81,1-3, deutlich wurde
(III.1.4.6.), dem Auftreten Eleazars mit Interesse beiwohnte.
Nach Ant VIII,47 verwendet Eleazar einen Fingerring (SaxrüXioc.) mit
einer "von Salomo beschriebenen" Wurzel (pi^a) 35 unter dem Siegel
(ocppaytc.), dank deren Geruch sich der Dämon durch die Nasenlöcher
des Besessenen geradezu magnetisch herausziehen läßt (vgl. die dämo-
nenbannende Wurzel Bell VII, 185). Er bedient sich dabei eines magi-
schen Instrumentes, das speziell zur Heilung von Epilepsie in der Anti-
ke breit bezeugt ist.

Ein Ring mit offenkundig dämonenvertreibender Wirkung begegnet bereits


in W 62, dem einzigen Epileptikerheilungsbericht aus Epidauros, wo Asklepios
dem scheinbar Besessenen im Schlaf einen Fingerring auf Mund, Nasenlöcher
und Ohren drückt. Luc, Philops 17, behauptet Eukrates, von einem Araber
einen aus dem Eisen eines zu Hinrichtungen verwendeten Kreuzes bestehen-
den Ring (SaxTÜXioc/acppaYic;) und Zaubersprüche zur Dämonenabwehr erhal-
ten zu haben. Philostr, Vit Apoll 111,15, zufolge verwendeten indische Brach-
manen wunderwirksame Fingerringe und Stäbe. PGM XII,271ff. schließlich
enthält die Anleitung zur Herstellung eines Ringes mit Heliotropstein; trägt
ihn ein Besessener, wird der Dämon sofort fliehen (XII, 28lf.) .
Auch im antiken Judentum ist der dämonenbannende Ring breit bezeugt.
Test Sal l,9ff. 37 wird dem Dämon ein Ring mit Steinsiegel (oippa-yic/
SaxTuXiSiov) unter Verwendung der Formel SEupo xaXsT OE 6 ZoXouöv entge-
gengeschleudert. In bGit 68a erfolgt die Gefangennahme des Dämonenherr-
schers Asmodai mittels eines Ringes, bGit 68b ist auf einem derartigen Ring

35 In der "Weisheit Salomos" ist von dem menschlichen Wissen um die


"Gewalten der Geister" (TtvEutiätuv ßiac) und die "Kräfte der Wurzeln"
(SuväuEic, bi^öv) die Rede (Sap 7,20).
36 Weitere Anleitungen zur Herstellung magischer Fingerringe begegnen
PGM V,213-303; VII,628-642; PDM XII,6-20; PGM XII, 201-269 (dazu:
Merkelbach/Totti, Abrasax I 155-167); XII,27Sf.
37 Die in ihrer Endgestalt christliche Schrift enthält eine wahrscheinlich
aus dem l.Jhdt.n.Chr. stammende jüdische Grundschicht (vgl. McCown. Te-
stament of Solomon 59ff.; Duling, in: Charlesworth, Pseudepigrapha I
940-943), wobei in Test Sal 1 keinerlei christlicher Einfluß erkennbar ist.
Jüdische Wundercharismatiker 149

der Gottesname eingraviert (vgl. PGM XII,206). Sehr nahe kommt dem Ring
Eleazars SHR V,38ff., wo die Herstellung eines dämonenabwehrenden Sie-
gelringes (HPDU) aus Silber beschrieben wird, der eine weiße Pflanze und
Asbest enthält.
Die unmittelbarsten Parallelen zur Vorgehensweise Eleazars bieten frei-
lich drei sympathetisch-medizinische Instruktionen aus dem ersten Buch der
Kyraniden. Kyr I 13,16ff. zufolge eignet sich ein Ring aus Nemesis-Stein mit
einem darunter verborgenen Pflanzenstück zu Besessenenheilungen (säv oöv
TÖV SaxTÜXiov TOUTOV TtpooEVEYxrjc, Sautovi^ouEvu, Ttäpauta 6 Saiuuv E^OUO-
Xoyr|öäuEvoc; Eautöv (pEÜ^ETai). Der Rhinozerus-Stein mit einer Wurzel (ÜTTÖ
SE TÖV Xiöov bif.iov TTJC; ßorävtic^ Kyr I 17,15-18 dient ebenfalls der Dämonen-
abwehr (Saiuovac, äitoSiüxEi), und Kyr I 19,9ff. wird ein Ring (SaxrüXioc;) aus
Taites-Stein mit einer Wurzel zur Heilung von Epilepsie empfohlen.

Für die magisch-sympathetische Besessenenheilung Eleazars durch


einen Ring mit darunter verborgener Wurzel sind rational erklärbare
medizinisch-pharmakologische Implikationen in Rechnung zu stellen 3 8 .
Anschließend bringt Eleazar exorzistische Praktiken und antidämonische
Schutzmaßnahmen zur Anwendung, indem er den Dämon zunächst
beschwört, niemals mehr in den Besessenen zurückzukehren (vgl.
Philostr, Vit Apoll IV,20). Dies vollzieht sich durch ein Aussprechen des
Namens Salomos (ZoXouwvöc, TE UEUVTHIEVOCJ und eine Rezitation einzelner
Salomo zugeschriebener Beschwörungsformeln (xai räc. ETcuSäc, äc,
GUVE#T|XEV EXEIVOC, ETtiXE^uv). Als weitere magische Technik begegnet eine
Epipompe (vgl. PGM IV, 1247f). Zum Beweis seines Entweichens soll
der Dämon ein Wasserglas umstürzen und damit wie der eine Säule
zertrümmernde Dämon Vit Apoll IV,20 sichtbar ausfahren.
In jedem Falle ist Ant VIII,45-48 entnehmbar, daß es sich bei Eleazar
dem Bericht des Josephus zufolge um einen "professionellen" Exorzi-
sten handelt, der eine Reihe magisch-sympathetischer Techniken der
Antike zur Anwendung bringt. Dabei dürfte Eleazar keine singulare
Erscheinung des antiken Judentums gewesen sein. Josephus erwähnt ihn
lediglich exemplarisch im übergreifenden Sachzusammenhang einzelner
auf Salomo zurückgeführter Krankheitsbeschwörungsformeln und Exor-
zismusanleitungen, die offenbar als magische Kompendien kursierten
und auch von anderen jüdischen Wundertätern verwendet wurden.

38 Insbesondere der Wurzel der Päonia wurde Heilkraft bei Epilepsie


respektive Besessenheit beigemessen (Thessalos II 2,3), wie Galen es aus
eigener Erfahrung bestätigt fand. Ein die Wurzel tragender Epileptiker blieb
acht Monate von seinem Leiden verschont, erlitt hingegen nach Verlust der
Wurzel sogleich einen Anfall (Gal XI,859). Galen erklärt sich die Heilkraft
der Wurzel damit, daß Teile von ihr mit gesundheitsfördernder Wirkung di-
rekt eingeatmet werden oder die Wurzel eine positive Veränderung der
150 M a g i e , Medizin und W u n d e r im Judentum

Eines dieser Werke war wahrscheinlich das "Buch der Heilmittel"


( m i O S I ISO), das Hiskia der rabbinischen Tradition zufolge im Zuge
seiner Kultusreform verbannt haben soll (Pes IV,9; bBer 10b; bPes 56a).
Hierfür fehlt allerdings jegliche Schriftgrundlage (vgl. 2 Kön 18-20; 2
Chron 29-31); offenbar soll ein im antiken Judentum existentes magisch-
medizinisches Werk als häretisch disqualifiziert werden 3 9 . Daß für
m x i s i ISO eine Verfasserschaft Salomos reklamiert wurde, ist zwar
in der jüdischen Tradition erst bei Maimonides nachweisbar, geht aber
bereits aus einem griechischen Fragment von Hippolyts Hoheliedkom-
mentar hervor und wird auch von der Suda bestätigt 40 . Zudem bezeugt
Origenes, daß Exorzisten sich bei ihren Dämonenbeschwörungen einzel-
ner angeblich von Salomo verfaßter, teilweise in hebräischer Sprache
vorliegender Bücher bedienten 41 . Auch das "Buch der Geheimnisse",
das neben erwähnter Anweisung zur Herstellung eines dämonenbannen-
den Ringes (SHR V,38ff.) mehrere magische Krankenheilungsanleitungen
enthält (SHR I,28ff; II,95ff.l23ff.l81ff), soll sich in den Händen Salomos
befunden haben (SHR Prooem 26ff).
Mit Ausnahme von SHR lassen sich über den genaueren Inhalt besag-
ter magischen Kompendien mit ideeller Urheberschaft Salomos nur
Vermutungen anstellen, so daß der exakte Wortlaut der von Eleazar
rezitierten ETtuSai und Tpöitot E^OPXÜÖEUV Ant VIII,45 ungewiß bleibt.
Möglicherweise bediente sich Eleazar solcher antidämonischen Be-
schwörungsworte, wie sie 11 Q Ps Ap a 1,3 mit Salomo in Verbindung
gebracht werden 4 2 . Darüber hinaus kommt für ihn wegen der Verwen-
dung eines Siegelringes Salomos eine Rezitation von OTI öpxt^u ÖE xatä

Atemluft hervorruft (XI,860). Vgl. dazu Temkin, Falling Sickness 25. Auch
Kyr Il.lOf.; 19,16f. empfiehlt um den Hals g e t r a g e n e W u r z e l n gegen Epilepsie.
39 Vgl. Speyer, Büchervernichtung 111 ("vielleicht aber wurde eine e r s t in
hellenistischer Zeit erfolgte kritische Sichtung in die Königszeit z u r ü c k d a -
tiert").
40 Hippolyt I ( G C S 1) 343: EV SE rate, f|UEpaic, 'Er,Exiou r ä UEV TÖV
ßißXiuv E^EXEYr|oav, r ä 5E x a i TtEpiticpdrioav. 63-EV <pi]oiv i\ YPa<pfj ' " a ü r a i a i
TtapoLuiai ZOXOUÖVTOC, a i äSiäxpiTot, 'ac, E!;EYpä4>avTO oi ipiXoi "Et^xiou TOU
ßaoiXEioc,." Suda s.v. 'E^Exiac, (Adler 11,208): fjv ZoXouövi ßißXoc, EauÖTWv
itä-Souc, TcavTÖc,. Vgl. zur Rückführung von H l i O S I I S O auf Salomo H a l p e -
rin, Book of Remedies 271ff., allgemein zur Bedeutung Salomos für die antike
M a g i e Preisendanz, PRE.S 8 (1956) 666-704; Duling, in: C h a r l e s w o r t h , P s e u d -
epigrapha I 9 4 4 - 9 5 1 ; A l e x a n d e r , in: S c h ü r e r / V e r m e s , History 111,1 375-379.
41 Orig, Comm. ad M t 26,63 (GCS 38, 230): ... quod a Salomone scriptis
adiurationibus solent daemones adiurari. sed ipsi, qui utuntur adiurationibus
illis, aliquotiens nee idoneis constitutis libris utuntur, quibusdam autem et de
H e b r a e o aeeeptis adiurant daemonia.
42 Vgl. van der Ploeg, Psaumes apocryphes 131; Puech, Rituel d' e x o r c i s -
m e s 389f.
Jüdische Wundercharismatiker 151

TTJC, öippayTSor,, fjc, E&ETO ZOXOHUV ETII TT)V yXöcoav TOU TTIPE^IOU, xai
EXIXXTIÖEV (PGM IV,3039-3041) und SEÜPO xaXsi OE Ö IOXOHÖV (Test Sal 1,9.11)
ernsthaft m Betracht 43 . Neben Beschwörungsformeln enthielt das magi-
sche Kompendium Eleazars aller Wahrscheinlichkeit nach ähnliche
Anleitungen zur Herstellung dämonenbannender Fingerringe mit Wur-
zeln, wie sie im ersten Buch der Kyraniden zusammengestellt sind. Die
vielfach geäußerte Vermutung, es habe sich bei Eleazar um einen Esse-
ner gehandelt, bleibt zwar unbeweisbar, gewinnt aber durch seine Vor-
gehensweise (Krankenheilungen durch Verwendung eines Ringes mit
heilkräftiger Wurzel und durch Rezitation von Beschwörungsformeln
Salomos) im Lichte von 11 Q Ps Ap a 1,3 und Joseph, Bell 11,136, hohe
Plausibilität44.

2.2.6. Die Söhne des Skevas

Während sich über die Wunderwirksamkeit des auf Zypern ansässigen


jüdischen Magiers Barjesus Elymas (Apg 13,4-12) keine genaueren Anga-
ben machen lassen 4 5 , geht aus Apg 19,13-17, der Episode von den Ske-
vassöhnen, die Existenz jüdischer Dämonenbeschwörer hervor, die sich
bei ihren Exorzismen des Namens Jesu bedienten.

Apg 19,13-17 stellt innerhalb der Darstellung des pln Wirkens in Ephesus
(19,1-20) eine in sich geschlossene, durch die summarienartigen Abschnitte
19,1 lf. und 19,18-20 gerahmte eigenständige Erzählung dar. Es handelt sich
dabei um eine im Kern vorlk Tradition, die vereinzelt Spuren redaktioneller
Prägung aufweist und zudem von Lk um 19,17 bereichert wurde 4 6 .

43 Vgl. auch die aramäische Dämonenbeschwörung unter Erwähnung des


Siegelrings Salomos Kotansky/Naveh/Shaked, Amulet Z.16, und die her-
kunftsmäßig jüdische Fieberheilungsformel PsPlin, Med III 15,7 "Recede ab il-
lo Gaio Seio, Tertiana, Solomon te sequitur".
44 Die Nähe zu Joseph. Bell 11,136 (heilkräftige Wurzeln und Steine bei
den Essenern), ist in noch höherem Maße gegeben, wenn das Siegel des von
Eleazar verwendeten Ringes aus Stein gefertigt war, wie dies bei den wurzel-
tragenden Ringen von Kyr I und dem Ring Salomos Test Sal 1,6 der Fall ist.
45 Die Bezeichnung uäyoc; i^EuSoitpoepfiTTic, Apg 13,6 könnte auf einen ma-
gisch-mantischen Propheten nach Art des Alexander von Abonuteichos hin-
deuten. Vermutlich wirkte Barjesus Elymas dabei als eine Art "Hofastrologe",
vgl. Nock, Paul and the Magus 325ff.
46 Lk Vorzugswörter in 19,13-16 sind EitixEipEiv (im NT nur Lk 1,1; Apg
9,29; 19,13) und tpaunoTiCEiv (außer Apg 19,16 nur Lk 20,12 diff. Mk). Zudem
handelt es sich bei "öv IlauXoc, xnpüooEi Apg 19,13 um kontextbedingte lk
Redaktion, vgl. Weiser, Apg II 524. Der lk Charakter von Apg 19,17 erhellt
152 Magie, Medizin und Wunder im Judentum

Trotz des anekdotenhaften Charakters von Apg 19,13-16 und gewichti-


gen Zweifeln an der Existenz eines Hohenpriesters namens Skevas 4 7
dürfte die Erzählung als historisch zutreffenden Aspekt bewahrt haben,
daß bereits in vorlk Zeit hellenistisch-jüdische Wundertäter mittels der
Formel öpxi^u üuac, TÖV TTIOOUV die Beschwörung von Krankheitsgeistern
betrieben. Dämonenaustreibungen im Namen Jesu sind für das frühe
Christentum vielfach verbürgt 48 . Die Strafwundererzählung Apg 19,13-16
verfolgt offenkundig nicht zuletzt den Zweck, die christliche Dämonen-
austreibungsformel öpxiC.u üu.äc. TÖV 'IT|ÖOUV vor unrechtmäßiger Aneig-
nung oder Profanierung zu schützen. Dem Namen Jesu wurden in der
Antike besondere magische Qualitäten beigemessen. Orig, Cels 1,6, zufolge
übt er solche Gewalt über die Dämonen aus, daß er sogar dann wirk-
kräftig ist, wenn er von schlechten Menschen zu exorzistischen Zwek-
ken benutzt wird. Act Joh 31 ist offenkundig von dem Jesusnamen als TÖ
Hayixöv ovo[ia die Rede. Dies deckt sich mit der mehrfachen Bezeugung
von TTIGOUC, in den griechischen Zauberpapyri, wobei PGM IV, 3019f.
öpxi^d) ÖE xara TOU S-EOU TUV 'Eßpaiuv, 'IT)ÖOU ... die unmittelbarste Paral-
lele zu Apg 19,13 darstellt 4 9 . Zudem sind dem rabbinischen Schrifttum
Kontroversen darüber entnehmbar, ob sich Juden im Namen Jesu (Je-
schu ben Pandera) heilen lassen dürfen 50 , und Iren, Haer 11,5 (Domini
nostri nomini subiecta sunt omnia, et propter hoc Iudaei usque nunc hac
ipsa advocatione daemonas effugant) ist eher auf jüdische Dämonenaus-
treibungen im Namen Jesu als im Namen Gottes gemünzt.

aus den fast wörtlichen Übereinstimmungen mit Apg 1,19a bzw. Apg 2,43. Für
eine durchweg lk Formulierung von Apg 19,13-17 (so Klein, Synkretismus
271ff.) sind hingegen keine hinreichenden Anhaltspunkte gegeben, vgl. Weiser,
Apg II 523f.; Roloff, Apg 285; Lüdemann, Frühes Christentum 221f.
47 Über einen amtierenden Hohenpriester ZXEUSC, ist nichts bekannt (vgl.
Schürer/Vermes, History II 227-232); Conzelmann, Apg 111, hält ihn für
"reine Legendenfigur". Bei Josephus werden freilich auch solche Personen als
apxiEpETc, bezeichnet, die niemals als amtliche Hohepriester fungierten,
sondern - wie dies offenbar auch für Apg 4,6 gilt - lediglich den hohenprie-
sterlichen Familien zugehörten (Mastin, Scaeva the Chief Priest 405f.; Schü-
rer/Vermes, History II 233-235). Die historische Möglichkeit von Skevas-
söhnen als Dämonenbeschwörern muß damit offengehalten werden, wobei
allerdings die Siebenzahl in jedem Falle ideell sein wird.
48 Vgl. u.a. Mt 7,22; Mk 16,17; Lk 10,17; Apg 16,18; Just, Dial 30,3: 85,2.
49 Vgl. zum Ganzen Eitrem, Notes 8, Anm.l; M. Smith, Jesus the
Magician 61-64, mit weiteren Belegen.
so Vgl. neben TChull 2,22/jAZ 2,2 (40d-41a)/jSchab 14,4 (14d-15a) (nä-
heres unter V.2.1) auch die Josua ben Levi-Tradition jAZ 2,2 (40d)/jSchab
14,4 (14d). Ob es sich dort bei dem Krankenheiler um einen Juden oder einen
Christen handelt, bleibt ebenso unklar, wie dies für den im Namen Jesu wir-
Jüdische Wundercharismatiker 153

Apg 19,13-17 markiert damit den Beginn einer weitreichenden Tra-


ditionslinie, seitens von Juden oder Heiden speziell den Namen Jesu
magischen Zwecken dienstbar zu machen. Bei den Apg 19,13 angespro-
chenen Exorzisten, möglicherweise tatsächlich Söhne eines dem hohen-
priesterlichen Geschlecht zugehörigen Skevas, handelt es sich um hel-
lenistisch-jüdische Magier mit synkretistischer Tendenz, die einen für
besonders wirkkräftig gehaltenen "Götternamen" aus einer anderen
Religion zu Beschwörungszwecken nutzten.

2.2.7. Eliezer ben Hyrkanus


Bereits deutlich in die Zeit nach der Tempelzerstörung fällt die sich
ungefähr von 90 bis 130n.Chr. erstreckende Wirksamkeit von Eliezer
ben Hyrkanus, dem im Talmud eine Reihe von Wundertaten zugeschrie-
ben wird.
Nach Abot 11,8 war Eliezer ben Hyrkanus ein Schüler von Jochanan
ben Zakkai. Er führte in Jabne offenbar die pharisäische Gesetzestradi-
tion aus der Zeit vor der Tempelzerstörung fort und wurde bBM 59b;
jMQ 3,1 (81cd) zufolge vom dortigen Sanhedrium mit dem Bann belegt,
wobei in der Tradition Gamaliel II. als maßgeblicher Betreiber der Ex-
kommunikation Eliezers gilt51. In diese Auseinandersetzung um Geset-
zesfragen, namentlich aus dem Bereich der Reinheitsvorschriften, gehö-
ren nahezu sämtliche mit Eliezer verbundenen Wundertraditionen. Es
handelt sich dabei durchweg um gegenüber der Gesetzeslehre unter-
geordnete, als gottgewirkt geltende Beglaubigungs- oder Normenwunder,
mit denen die Richtigkeit der von Eliezer gelehrten Halakha und damit
die Unrechtmäßigkeit des über ihn verhängten Bannes bewiesen werden
soll. Gott persönlich bestätigt durch das Eintreffen der von Eliezer
angekündigten Wunder, daß allein dessen halakhischer Standpunkt der
legitime ist.
Kritischer Prüfung halten die Eliezer in diesem Zusammenhang zuge-
schriebenen Wundertaten freilich kaum stand. Zum Erweis der Recht-
mäßigkeit seiner Gesetzesauslegung hat Eliezer bBM 59b zufolge die
Entwurzelung eines Johannisbrotbaumes sowie das Zurückweichen eines

kenden Dämonenaustreiber von Mk 9,38-40 der Fall ist (vgl. dazu Teil V.l.4.
dieser Untersuchung).
51 Vgl. das Strafwunder vom Seesturm und die Interpretation von Gama-
liels Tod als Folge der Bannung Eliezers in bBM 59b. Aberbach. Ban of Rab-
bi Eliezer 201ff., erhebt allerdings ernstzunehmende Bedenken gegen dieses
traditionelle Bild und sieht in Joshua ben Chananja den tatsächlichen Betrei-
ber der Bannung Eliezers.
154 Magie, Medizin und Wunder im Judentum

Wasserkanals bewirkt und zudem erreicht, daß Hauswände sich neigen


und eine Himmelsstimme zu seinen Gunsten Partei bezieht. Ergänzend
soll Eliezer nach seiner Bannung über die Fähigkeit verfügt haben,
durch bloßes Hinschauen Feuer zu entfachen. Die hier mit bBM 59b
vorliegende Tradition über Eliezers Bannung und damit zusammenhän-
gende Normenwunder hat in jMQ 3,1 (81cd) eine ältere Parallele, aus der
hervorgeht, daß sich die bBM 59b mit Eliezer in Verbindung stehende
Wundertopik überwiegend erst einem späteren Stadium der rabbinischen
Traditionsbildung verdankt 5 2 . Mit der Einsicht in ein gegenüber bBM
59b höheres Alter von jMQ 3,l(81cd) reduziert sich die ernsthaft in Er-
wägung zu ziehende Wunderwirksamkeit Eliezers von vornherein auf die
Johannisbrotbaumentwurzelung und die Entfachung von Feuer durch
bloßes Hinschauen 5 3 . Allerdings wirkt auch diese Wundertopik zu le-
gendarisch, als daß sie einen historischen Kern beanspruchen könnte,
was im übrigen auch für den Eliezer zugeschriebenen "Gurkenzauber"
in bSanh 68a gilt.
Bei Eliezer ben Hyrkanus dürfte es sich in Analogie zu seinem Leh-
rer Jochanan ben Zakkai allein um einen Rabbi 54 , nicht aber auch um
einen Wundertäter gehandelt haben. Zu letzterem wurde Eliezer ben
Hyrkanus offensichtlich erst in der späteren rabbinischen Tradition 55 .

2.3. Magische Formulare und volksmedizinische Praktiken


des Judentums in rabbinischer Zeit
Für das antike Judentum in rabbinischer Zeit ist eine umfassende Be-
tätigung auf dem Gebiet der Volksmedizin und der Magie von unterschied-

52 Detaillierter Nachweis bei Neusner, Eliezer ben Hyrcanus I 422-427;


II 410f. Vgl. auch Fiebig, Jüdische Wundergeschichten 31-35.
53 Diff. bBM 59b vollzieht sich die Baumentwurzelung in jMQ 3,1 (81cd)
erst nach der Bannung. Das Motiv von den wankenden Hauswänden und der
Himmelsstimme begegnet zwar auch in jMQ, doch geschieht beides hier noch
nicht auf das Geheiß Eliezers hin.
54 Vgl. zu der mit Eliezer in Verbindung stehenden Lehrtradition Gilat,
Eliezer ben Hyrcanus, passim.
55 Gegen Guttmann, Significance 383ff, der in Eliezers Berufung auf
Wunder den entscheidenden Grund für dessen Bannung sieht. Vgl. aber A.I.
Baumgarten, Miracles and Halakah 246-253, der herausstellt, daß einzelne,
insbesondere in der schwächeren Ausgangsposition befindliche Rabbinen zur
Unterstützung ihrer Gesetzesauslegung Wunder oder andere supranaturale
Ereignisse heranzogen. - Medizinische oder magische Fertigkeiten, teilweise
mit Wunderbezügen, sind in der Folgezeit für die babylonischen Rabbinen
vielfältig bezeugt, vgl. Neusner, Wonder-Working Lawyers 54-70.190-230.
Magie und Volksmedizin in rabbinischer Zeit 155

lichster Seite her verbürgt. Neben einschlägigen Passagen in Mischna,


Tosefta und Talmud finden sich in den griechischen Zauberpapyri ganze
Formulare jüdischer Herkunft oder Prägung.

Besondere Bedeutung kommt dabei Mose zu, der in der Antike neben Sa-
lomo als der jüdische Magier schlechthin galt und unter dessen Namen zahl-
reiche magische Handbücher mutmaßlich jüdischer Herkunft umliefen 1 . Im
hellenistischen Judentum Ägyptens wird Mose bereits bei Artapanus über den
biblischen Befund hinausgehend massiv mit wunderhaft-magischen Zügen
versehen (FGH IIIC 726, Fragm 3). Strabo XVI 2,39 stellt "Mose und seine
Nachfolger" mit persischen Magiern auf eine Stufe 2 . Plinius konstatiert in
seinem Abriß der Geschichte der Magie (Hist Nat 30,1-18): est et alia magi-
ces factio a Mose et Ianne et Lotape 3 ac Iudaeis pendens (30,11), und auch
Apuleius erwähnt Mose als Magier (Apol 90) 4 . Celsus bezichtigte die Juden,
auf Unterweisung des Mose hin Engelverehrung und Goetie zu betreiben
(TouSaiouc, ... OEßEiv ä-fYEXouc, xai YonTEia TtpooxEtodai, fjc, 6 MWÜOTJC; aütoTc,
YEYOVEV Et^r|YT)Tt)c; Orig, Cels 1,26; V,6), und spielte dabei vermutlich auf das
"Erzengelbuch des Mose" 5 oder ein eng damit verwandtes Werk an. PGM
XIII ist neben diesem Erzengelbuch von einem "Achten Buch des Mose" die
Rede (XIII,3f.344), und zudem wird mehrfach auf ein Werk namens "Schlüs-
sel des Mose" (xXsic, MUÜOTJC,) verwiesen (u.a. XIII,21). PGM VII,619-627
erfolgt die Wiedergabe eines magischen Formulars aus einem offenbar um-
fassenderen "Diadem des Mose" (vgl. auch PGM V,109f.; XIII,1057).

Darüber hinaus sind mit dem "Buch der Geheimnisse" und dem
"Schwert des Mose" zwei magische jüdische Handbücher dem im gro-
ßen und ganzen vollständigen Inhalt nach bekannt. Abgerundet wird die-
ses Gesamtbild durch zahlreiche jüdische Amulette, Zauberschalen und
Defixiones aus Mesopotamien, Ägypten und Palästina als Beispielen an-
gewandter Magie.
In der Mehrzahl stammen die besagten Zeugnisse aus dem 4.Jhdt.
n.Chr. Aufgrund der Äußerungen antiker heidnischer wie christlicher
Schriftsteller über die jüdische Magie und Pharmakologie läßt sich aber
ein teilweise deutlich höheres Alter dieser vergleichsweise spät fixierten
magischen oder medizinischen Praktiken plausibel machen oder sogar

1 Vgl. Gager, Moses in Greco-Roman Paganism 134-161.


2 In dem Abriß der Magie Diog Laert I,8f. gelten die Juden sogar wie die
Gymnosophisten als direkte Abkömmlinge der Magi.
3 Torrey, Magic of "Lotapes", vermutet, die ursprüngliche Lesart sei lota-
pe für m?"P. - Plin ist in Hist Nat 30,1-11 in jedem Falle von einer älteren
Quelle abhängig, vgl. Wellmann, Die 4>uoixä des Bolos Demokritos 64ff.
4 Vgl. dazu Abt, Apologie 321f.
5 Aus diesem Buch wird PGM XIII,971 zitiert (üc; SE Muüorjc, EV TTJ
'ApxaYYEXixij ... ). Zudem ist es in der "Koptisch-gnostischen Schrift ohne Titel
aus Codex II von Nag-Hammadi" (ed. A. Böhlig/P. Labib, Berlin 1962) er-
wähnt (150,7-9).
156 Magie, Medizin und Wunder im Judentum

beweisen. Zudem ist hier wie bei den paganen Zauberpapyri in hohem
Maße von gezielter Zerstörung älteren Materials auszugehen, wobei über
bereits erwähnte staatliche Verfolgungen hinausgehend Schriften magi-
schen Inhalts in den ersten Jahrhunderten n.Chr. auch durch Juden beim
Übertritt zum Christentum (vgl. Apg 19,18f.) oder durch der Magie ge-
genüber feindlich gesonnene Teile des Rabbinentums vernichtet wur-
den 6 .

2.3.1. Das jüdische Exorzismusformular PGM IV,3019-3078

Innerhalb des Großen Pariser Zauberpapyrus findet sich PGM IV,


3007-3086 eine umfassende Anleitung zur Heilung dämonisch Beses-
sener, die sich zwar in ihrer jetzigen Endgestalt als Zeugnis heidnischer,
und zwar ägyptischer Magie erweist, der jedoch in IV, 3019-3078 ein
komplexes Dämonenbeschwörungsritual (öpxiöuoc) jüdischer Herkunft
einverleibt wurde.
Als Urheber des magischen Formulars PGM IV, 3007-3086 wird der
Ägypter Pichebes 7 reklamiert (IV, 3007). Die eindringliche Anordnung,
den Besessenen beim Exorzismus, also wohl bei jeder der zuvor mitge-
teilten Einzelbeschwörungen, einmal von den Fußenden bis zum Kopf hin
anzuhauchen (IV, 3081ff), weist ebenfalls deutlich in den Bereich ägyp-
tischer Magie 8 . Daß es sich bei PGM IV,3007-3086 trotz ausgeprägter
jüdischer Traditionselemente um eine heidnisch redigierte Dämonenaus-
treibungsanleitung handelt, zeigt zudem neben der fehlerhaften Schreib-
weise 'Oopaf|X (IV, 3034 statt 'IopafjX) auch die an den Beschwörer
gerichtete Aufforderung zum Verzicht auf Schweinefleisch (IV, 3078ff),
was bei einem jüdischen Adressaten keiner besonderen Erwähnung be-
durft hätte.
Auch die dem Exorzismus vorangehende Handlung hat nichts spezi-
fisch Jüdisches an sich. Zunächst soll unter Aussprechen des an den
Dämon gerichteten Ausfahrwortes ET;EX0E änö (TOU SEIVOC.) aus Oliven und
Kräutern eine Flüssigkeit gekocht werden (IV, 3008-3013). Daß diese zur
Salbung des Besessenen Verwendung findet, wird nicht mitgeteilt, ist
aber zu vermuten. Anschließend wird dem Besessenen ein dämonenab-

6 Vgl. zur Büchervernichtung durch Rabbinen Speyer, Büchervernichtung


112-119.
7 Vgl. dazu Preisendanz, PRE 39 (1941) 1310-1312.
8 Orig, Cels 1,68, zufolge trieben Exorzisten, die ihre magischen Techni-
ken in Ägypten erlernt hatten, Dämonen aus und bliesen Krankheiten weg.
Vgl. dazu Eitrem, Notes 47-49.
M a g i e und Volksmedizin in rabbinischer Zeit 157

schreckendes Amulett (cpuXaxTfjpiov) in Form eines Zinntäfelchens mit


Zauberworten umgehängt und das eigentliche Beschwörungsritual vollzo-
gen, das sich als fast durchweg jüdisch erweist, wie bereits seine Be-
zeichnung als Xöyoc, 'Eßpatxöc., "gehütet von reinen Männern" (IV,
3084f.) 9 , andeutet.
Dieser PGM IV,3019-3078 vorliegende öpxiö^öc, jüdischer Herkunft
setzt mit einer wohl an den Dämon gerichteten Beschwörung "bei dem
Gott der Hebräer" (öpxi^u OE xarä TOÜ &EOU TUV 'Eßpaiuv) ein, wie sie
nach Origenes im antiken Judentum gebräuchlich war (Cels IV,34 ... 6
ÖEÖC; TUV 'Eßpaiuv ... icoXXäxic; övouä^Etat TtapaXanßavöuEvoc, xatä
Satuovuv)10 und von dorther in die heidnische Magie Einzug hielt. Bei
dem nachfolgenden 'IT)ÖOU und der Rezitation weiterer Götternamen oder
Zauberworte handelt es sich aller Wahrscheinlichkeit nach um spätere
Hinzufügungen beim Gebrauch der eigentlich jüdischen Formel durch
Heiden 11 . Mit Ttupicpavi] IV,3023, wohl eine Anspielung auf die Offenba-
rung Gottes in der Feuersäule Ex 13,21f, wird dann Gott direkt ange-
sprochen und um Sendung eines Engels zur Fesselung des umherflat-
ternden Dämons gebeten (IV,3024f), was die Erinnerung an das Wirken
Raphaels (Tob 8,3; äth Hen 10,4) wachruft 12 . PGM IV,3033ff. wird der
Dämon selber durch stereotypes 6pxif> ÖE bei Gott beschworen, wobei
die hierauf bezogenen, weitgehend aus dem AT ableitbaren 13 Gottesaus-
sagen primär auf Gottes Schöpfermacht und sein Heilshandeln an Israel
rekurrieren. Besondere Bedeutung kommt dabei dem Exodusgeschehen
zu, das gleich in zwei Beschwörungsformeln angesprochen wird, nämlich

9 Speziell auf die Essener oder T h e r a p e u t e n deutet dabei allerdings


nichts hin (gegen Dieterich, A b r a x a s 143ff.).
10 D a n e b e n sind jüdische Dämonenbeschwörungen x a t ä TOU $EOÖ 'Aßpaöqi
x a i &EOU ' l o a ä x x a i ÖEOU Taxtiß o.a. bezeugt (Just, Dial 85,2; P G M
XXXV,13f.; vgl. Orig, Cels 1,22; IV,33f.; DT 271).
11 Deißmann, Licht vom Osten 222, Anm.9; Knox, Exorcism 193. Auf
C h r i s t e n wird die Einfügung von TnooD und die daraus r e s u l t i e r e n d e B e z e i c h -
nung Jesu als " G o t t der H e b r ä e r " kaum zurückgehen (gegen Goodenough,
Jewish Symbols II 191, Anm. 138). Überhaupt sind keinerlei Indizien dafür
gegeben, daß dieses Dämonenaustreibungsformular jemals von Christen b e -
nutzt w u r d e .
12 Vgl. f e r n e r die magischen Formeln Test Sal 18,5ff., mit denen ein-
zelne Engel zur Bindung b e s t i m m t e r Dämonen angehalten werden (MixarjX,
EYXXEIOOV 'Ptia!;; I'aßpifjX, EYXXEIOOV BapoacpafjX usw.).
13 Eine u m f a s s e n d e Zusammenstellung der biblischen Parallelen zu PGM
IV,3019ff. b i e t e t Deißmann, Licht vom Osten 2 2 2 - 2 2 4 . Das im AT nicht
b e l e g t e Motiv d e r 140 Nationen (IV,3056-3058) basiert auf haggadischer
Tradition, wie sie auch im rabbinischen Schrifttum begegnet (vgl. Sperber,
Rabbinic T h e m e s 94f.).
158 Magie, Medizin und Wunder im Judentum

in IV,3033ff. "Ich beschwöre dich bei dem, der Israel geoffenbart wurde
in einer Lichtsäule und einer Wolke bei Tag und sein Volk gerettet hat
vor dem Pharao und gebracht hat gegen Pharao die Zehnzahl der Plagen,
weil er ihn nicht hörte" und IV,3052ff. "Ich beschwöre dich beim großen
Gott Sabaoth 14 , dessentwegen der Jordanfluß zurückwich und das Rote
Meer, durch das Israel zog, unbegehbar wurde."

Dies deckt sich mit der Aussage des Origenes, daß Dämonen bei "Gott,
der den ägyptischen König und die Ägypter im Roten Meer ertränkte" b e -
schworen wurden (Orig, Cels IV,34). Ähnliche Beschwörungsformeln mit Be-
zug auf das Exodusgeschehen finden sich in einem aus dem 3. Jhdt.n.Chr. stam-
menden Liebeszauberformular jüdischer Herkunft (6pxiC,u OE TÖV SiaorrjoavTa
TT|V päßSov EV TiJ öaXäaoij, vgl. Ex 14,15f.) is und in SHR VI,35ff. ("Ich
beschwöre euch ... bei dem Herrn, der Israel aus Ägypten gerettet hat.") 1 6 .

Darüber hinaus wird der Dämon PGM IV,3037ff.17 bei dem "Siegel"
beschworen, "welches Salomo auf die Zunge des Jeremias legte, und er
redete". Bezugspunkt dieser Aussage ist zweifellos Jer 1,9 "Und der
Herr streckte seine Hand aus und berührte meinen Mund. Und er
sprach zu mir: Damit lege ich meine Worte in deinen Mund." PGM
IV,3039f. rekurriert offenkundig auf eine unbekannte haggadische Tradi-
tion, die - vielleicht zur Umgehung des Anthropomorphismus von Jer 1,9 -

14 ZaßauO- bei Dämonenbeschwörungen ist auch Orig, Cels 1,24, bezeugt.


Vgl. ferner die Engelbeschwörung bei m K 2 2 SHR V,25.
15 Text und Komm, bei Deißmann, Bibelstudien 25-54; Audollent, DT 271;
Gager, Curse Tablets 112-115. Vgl. dazu Blau, Zauberwesen 96-112; Eißfeldt,
Jahwe-Name 160f.; Goodenough, Jewish Symbols II 190f., zu Liebeszauber
auch den jüdischen Magier Atomus (Joseph, Ant XX,142). Das auf einer
Bleilamelle fixierte, an einen Totengeist gerichtete Formular enthält zudem
- PGM IV,3019ff. vergleichbar - mehrere Beschwörungsformeln mit Bezug
auf die Schöpfermacht Gottes. Ähnlich die Fluchtafel DT 242 (3. Jhdt.n.Chr.).
16 Darüber hinaus sind weitere signifikante Berührungen zwischen den Be-
schwörungsformeln in PGM IV,3019ff. und SHR gegeben, vgl. insbes. PGM
IV,3045 ("Denn ich beschwöre dich bei dem lichtbringenden, unbezwinglichen
Gott, der kennt, was im Herzen jeglichen Lebens ist") mit SHR IV,47ff. ("Ich
beschwöre euch ... bei dem König, der alles Verborgene aufdeckt, der alle
Geheimnisse sieht ... ") sowie PGM IV,3065f. (" Ich beschwöre dich bei dem,
der die vier Winde zusammen bewegt von den heiligen Ewigkeiten her ... ")
mit SHR I,226ff. ("Ich beschwöre dich ... bei dem, der die Winde schuf, die
durch die Luft fliegen ... "). Sämtliche genannten Beschwörungsformeln aus
SHR dienen dort allerdings nicht der Heilung Besessener, sondern anderwei-
tigen magischen Zwecken.
17 IV,3037ff. opxi^u OE, icav itvEuua Saiuöviov, XaXfjaat, örroTov xai 'av
T]c,, ÖTI 6pxiC,w OE x a t ä TTJC, o<ppaYTSoc,, fjc, EÖETO LOXOUÜV Eni TT)V YXOooav
TOÖ TripEuiou, xai EXÜXIIOEV. xai oü XäXr|oov, ÖKOTOV EÄV rjc, ...
Magie und Volksmedizin in rabbinischer Zeit 159

davon sprach, daß nicht unmittelbar Gottes Hand, sondern ein auf die
Zunge gelegtes "Siegel Salomos" den Propheten zum Sprechen brachte.
Vermutlich wurde bei Rezitation der Beschwörungsformel PGM IV,3037ff.
die Zunge des Besessenen mit einem Siegelring berührt 1 8 , um den
Dämon zum Reden zu bringen. Nach antiker Auffassung gibt es einen
Grad von Besessenheit, in dem nicht mehr der Kranke selbst, sondern
der in ihm weilende Dämon sich verbal artikuliert 19 . Je mehr der Exor-
zist über den Dämon in Erfahrung bringt, desto größer wird seine Macht
über ihn, indem er gezielt gegen ihn vorgehen kann. Für IV,3037ff.
kommt dabei am ehesten eine Namenserfragung in Betracht 2 0 . Daneben
ist für die antike Magie auch eine Erkundung der Herkunft und des
Einfahrweges des Dämons bezeugt (Luc, Philops 16). Möglicherweise
setzt aber PGM IV,3037ff. bei dem Besessenen einfach dämonisch
verursachte Stummheit voraus, womit die Verwendung des "Siegels
Salomos" den Zweck verfolgte, den die Zunge des Besessenen binden-
den und ihn dadurch am Reden hindernden Dämons zu schwächen 2 1 .
Die Datierung der jüdischen Dämonenbeschwörungsformeln von PGM
IV.3019-3078 ist fraglich. Der Große Pariser Zauberpapyrus PGM IV
stammt aus dem frühen 4.Jhdt.n.Chr. 22 , was allerdings lediglich den
terminus ad quem der dort zusammengestellten traditionellen Formulare
markiert. PGM IV.3007-3086 erwies sich als komplexe Dämonenaustrei-
bungsanleitung, in die ein älteres, nunmehr heidnisch redigiertes und um
Anweisungen zu Begleithandlungen bereichertes jüdisches Exorzismus-
ritual integriert wurde. Die Berührungen zwischen PGM IV,3019-3078,
dem jüdischen Liebeszauber DT 271 und SHR zeigen, daß hier unabhän-
gig voneinander ein Rückgriff auf verwandte traditionelle Beschwörungs-
formeln vorliegt, die bereits vor Abfassung dieser magischen Formulare
in Umlauf waren. Einzelelemente der Beschwörungen von PGM IV,3019ff,
namentlich die Exorzismen bei Sabaoth oder bei dem Gott der He-
bräer unter Bezugnahme auf dessen machtvolles Wirken beim Exodus-

18 Vgl. zu derartigen Praktiken Sperber, Rabbinic Themes 95-99.


19 Plato zufolge geben Besessene nicht eigene Laute von sich, sondern
diejenigen der in sie eingedrungenen Dämonen (Clem Alex, Strom 1143,1; vgl.
Plato, Res Publ III 396B; Philostr, Vit Apoll IV,20).
20 ÖTCOTOV xai av rjc, kann allerdings grammatikalisch nicht auf XaXfjoai
bezogen werden, als ob unmittelbar nach dem Namen des Dämons gefragt
würde, vgl. die Einwände bei Bonner, Technique of Exorcism 42; Eitrem,
Notes 19.
21 Preisendanz, PRE.S 8 (1956) 673; Eitrem, Notes 18f. Vgl. zur dämo-
nischen Bindung der Zunge auch Deißmann, Licht vom Osten 259-261.
22 Vgl. Preisendanz, Zauberpapyri I 64.
160 Magie, Medizin und Wunder im Judentum

geschehen, werden ohnehin bereits von Origenes bezeugt (Cels 1,24;


IV,34), waren also spätestens im frühen 3. Jhdt.n.Chr. völlig gebräuch-
lich. Besondere Bedeutung für Datierungsfragen kommt der Exorzis-
musformel PGM IV,3069ff. "Ich beschwöre (dich) bei dem im reinen
Jerusalem, vor und neben dem das unauslöschliche Feuer in alle Ewig-
keit brennt" zu, die auf den Tempel als Aufenthaltsort Gottes und das
dort brennende ewige Feuer (Ex 27,20; Lev 6,12f.; Joseph, Ap 1,199, vgl.
PGM IV,1217ff.) anspielt und vor der Tempelzerstörung 70 n.Chr. ent-
standen sein kann 2 3 . Ein ähnlich hohes Alter kommt für die Beschwö-
rung bei dem Siegel Salomos IV,3037ff. in Betracht, denn mit Salomo in
Verbindung stehende Siegelringe sind bereits für jüdische Dämonenaus-
treibungen des l.Jhdt.n.Chr. nachweisbar (Joseph, Ant VIII,47; Test Sal
l,9ff).
Letztlich handelt es sich bei PGM IV,3019-3078 um ein genuin jüdi-
sches, später von ägyptischen Magiern übernommenes und ausgestalte-
tes Dämonenbeschwörungsritual, dessen Exorzismusformeln wenigstens
teilweise bereits in ntl Zeit gebräuchlich gewesen sein dürften.

2.3.2. Magie und Volksmedizin in Mischna und Talmud

a) Rezitation von Bibelversen und Heilformeln bei Krankheit


Vereinzelt bereits in der Mischna, in ungleich höherem Maße dann in den
Talmudim (insbes. bT) finden sich zahlreiche Hinweise für eine durch
Verquickung magischer, pharmakologischer und diätetischer Elemente
gekennzeichnete jüdische Volksmedizin. Hervorgehobene Bedeutung
kommt dabei der von den Rabbinen überwiegend mißbilligten Verwen-
dung von Bibelversen zur Krankenheilung z u 2 4 . Sanh X,l sucht die
offenbar gängige Praxis zu unterbinden, daß über Verwundungen Ex
15,26 ("Alle Krankheit, die ich über Ägypten gebracht habe, will ich
nicht über dich bringen, denn ich bin der Herr dein Arzt") rezitiert

23 Deißmann, Licht vom Osten 224, Anm.11 (" ... ist jedenfalls dieser Teil
des Papyrus vor der Zerstörung Jerusalems entstanden."); Knox, Exorcism
200; vgl. auch Eitrem, Notes 15. Dieterich, Abraxas 143, erwägt für PGM
IV,3007-3086 sogar eine Entstehung im 2.Jhdt.v.Chr. Ablehnend Nock, Magi-
cal Papyri 183: " ... need not to be dated before the fall of Jerusalem ... ,
for the writer's Jerusalem may well be a Jerusalem of the imagination".
24 Vgl. grundsätzlich zur magischen Verwendung von Bibelversen Blau,
Zauberwesen 68-71; Trachtenberg, Jewish Magic 104-113.
Magie und Volksmedizin in rabbinischer Zeit 161

wurde 2 5 . In Tosefta und Talmud wird dieses Verbot faktisch außer Kraft
gesetzt, indem nicht mehr die Rezitation von Ex 15,26, sondern nur
noch ein dabei erfolgendes apotropäisches Ausspeien und die damit
verbundene Entweihung des Gottesnamens untersagt wird (TSanh 12,10;
bSanh 101a; jSanh 10,2 [28b]). Daß Aussätzige mit Lev 13,9 und andere
Kranke mit "und Gott sprach zu Moses" besprochen wurden, geht aus
bSanh 101a hervor. Ein ausführliches magisches Ritual gegen Fieber un-
ter Verwendung von Ex 3,2-5 findet sich bSchab 67a. Ein Dornbusch ist
täglich einzukerben, wobei am ersten Tag Ex 3,2, am zweiten Tag Ex
3,3 usw. zu sprechen ist. Nachdem das Ritual mit Rezitation von Ex 3,5
zum Abschluß geklommen ist, wird das "Feuer" beschworen, sich von
dem Fieberkranken zu entfernen.
Speziell zur Dämonenabwehr oder zur Heilung von Besessenheit kam
dem Singen von Psalmen hervorgehobene Bedeutung zu, wie es bereits
im Zusammenhang mit 11 Q Ps Ap a für Ps 91 deutlich wurde. Wie dieser
galt auch Ps 3 als "Lied der Geschlagenen" (jSchab 6,2 [8b]); jErub 10,11
[26c]). Ps 107,40 wurde gegen unreine Geister rezitiert (bPes lila), Ps
29,3-9 Schutzfunktion gegen Dämonen im Trinkwasser beigemessen
(bPes 112a). Darüber hinaus diente Sach 3,2 "Und m n 1 sprach zum
Satan: ' m r P bedrohe (lUP/ETtiTmfjoai) dich, Satan ... '" der Bannung
böser Geister oder des Satan persönlich (bBer 51a; bQid 81b).

Vermutlich liegt bereits in Sach 3,2 selber ein formelhafter Gebrauch vor,
wie dies in der Folgezeit eindeutig der Fall ist. In einer Judas 9 zitierten
apokryphen jüdischen Tradition, die Clemens Alexandrinus zufolge aus der
nur unvollständig überkommenen Assumptio Moses (vor 70 n.Chr.) stammt ,
bedient sich der Erzengel Michael der Worte E7UTiu.fjoai ooi xüpioc, gegen den
Teufel. Diese verkürzte Form von Sach 3,2 dient auch Vit Ad 39; bQid 81b
zur Vertreibung des Satan. Die vollständigere Fassung von Sach 3,2 wird
bBer 51a gegen unreine Geister zur Anwendung gebracht und auf jüdischen
Amuletten oder Zauberschalen zur Dämonenabwehr vielfach zitiert 2 7 .

Neben Bibelversen wurden auch Sprüche unbekannter Herkunft zu


Heilzwecken verwandt. So findet sich in bSchab 67a eine Engelanrufung
("Bazbaziah, Masmasiah, Kaskasiah, Sarlai und Amarlai sind Engel, die
aus dem Land Sodom geschickt wurden, um die schmerzhaften Ge-
schwüre zu heilen"), bevor das Geschwür selber unter Nennung unver-
ständlicher magischer Worte beschworen wird, sich nicht zu vergrößern.

25 Ex 15,26 wurde auch auf Amulette geschrieben, die der Abwehr von
Krankheitsdämonen dienten, vgl. Naveh/Shaked A 13,12ff.; G 8,22ff.
26 Clem Alex, GCS 17, 207,23f. ; vgl. dazu Schelkle, Judasbrief 158f.
27 Montgomery Nr. 3,12; 5,5; 16,14; 26,2f.; Naveh/Shaked A 1,5; B 11,5.
162 Magie, Medizin und Wunder im Judentum

Gegen "IS" 1 ::" 2 8 soll "Gezücktes Schwert, losgelassene Schleuder, sein


Name ist nicht Jochab ... ", gegen einen Krankheitsdämon (Kl"1^) die
Formel "rPin p p s i p">pS1 1 1 1 , sei verflucht, sei zerbrochen, sei
verbannt, Bar-Tit, Bar-Tame, Bar-Tina, ... " gesprochen werden (bSchab
67a). Zudem existierten Heilformeln mit D p . Gegen Blutfluß begegnet
bSchab 110b eine Reihe pharmakologischer wie magischer Rezepte, wo
die Verabreichung der Heilmittel stereotyp von der Formel "Steh auf
von deinem Blutfluß" ("pDTO D"ip) begleitet ist. Festgeprägte formelhafte
Wendungen fanden schließlich auch bei sympathetischer Krankheitsbe-
kämpfung durch Übertragungs- oder Analogiezauber Anwendung.

So wird bSchab 66b gegen Fieber empfohlen, an einem Kreuzweg eine


große Ameise in einem Kupferrohr zu fangen, dieses zu versiegeln und mit-
tels der Worte "Deine Last auf mich und meine Last auf dich" oder "Meine
und deine Last auf dich" das Fieber auf die Ameise zu übertragen. Das ver-
siegelte Kupferrohr wurde möglicherweise als Amulett getragen. Ein frappie-
rend ähnlicher Übertragungszauber findet sich schon bei Plinius . Nacht-
blindheit suchte man in einem magischen Ritual mittels der Formel "Die
Blindheit des N., Sohn der N., möge N., Sohn der N., verlassen und in den
Augapfel des Hundes fahren" zu heilen (bGit 69a).
Ähnliche Wendungen finden sich bei der Krankheitsbekämpfung durch Ana-
logiezauber. Bei Nasenbluten stellte man sich unter eine Traufe und sprach
"Wie dieses Wasser aufhört, so möge die Blutung des N., Sohn der N., auf-
hören" (bGit 69a), gegen Milzbeschwerden wurde eine Ziegenmilz mit den
Worten "Wie diese Milz trocken wird, so werde auch die Milz des N., Sohn
der N. trocken" am Ofen plaziert oder sogar die Hand eines Toten unter
Aussprechen der Formel "Wie diese Hand vertrocknet ist, so werde die Milz
des N., Sohn der N., trocken" auf die erkrankte Milz gelegt (bGit 69b).

b) Amulette
In welchem Maße das antike Judentum magisch geprägt war, zeigt
sich auch an der Verwendung von Amuletten (vgl. 2 Makk 12,40; 4 Q
560). Schab VI,2 wird für den Sabbat das Umhergehen mit einem "nicht
bewährten" Amulett (l^ftp) untersagt. Aus bSchab 61ab geht hervor, daß
solche vornehmlich der Heilung oder apotropäischen Abwehr von Epi-
lepsie dienenden Amulette eine Beschriftung ( S i n ) tragen oder Wurzeln
(• pip-'U, vgl. Joseph, Bell 11,126; Ant VIII,47) beinhalten konnten, wobei

28 Gemeint ist nicht Besessenheit (Goldschmidt, Bab. Talmud I 475), son-


dern wohl Hitzblatter (*O"0), vgl. Levy, Wörterbuch II 283.
29 Hist Nat 28,86: Die abgeschnittenen Nägel eines Fieberkranken sind vor
eine Ameisenhöhle zu legen. Die erste Ameise, die ein Stück davon wegzu-
tragen beginnt, wird um den Hals gebunden, und das Fieber weicht.
Magie und Volksmedizin in rabbinischer Zeit 163

für letzteres pharmakologische Implikationen in Rechnung zu stellen


sind (vgl. Thessalos II 2,3; Gal XI,859f). Ergänzend ist bSchab 115b in
bezug auf immaterielle, beschriebene Amulette entnehmbar, daß diese
die Buchstaben des Gottesnamens oder Teile aus der Tora trugen.

Für Amulette mit dem Gottesnamen findet sich bJoma 84a ein anschauli-
ches Beispiel. Bei einem Biß durch einen tollwütigen Hund sind neben unver-
ständlichen Zauberformeln auch die Worte 1 ^ 0 "|DN p H P I K 3 2 H i n 1 iT I 1
auf Otternhaut zu schreiben. Das wohl jüdische Fieberamulett PGM VII,218-221
enthält die Worte T a u 3 0 Xaßaüft "ASuvai äxpaiiuaxauuapEi "Aßpaoä!;31.
Nicht allein der Gottesname, sondern auch zahlreiche Schriftbezüge, wie
sie bSchab 115b angesprochen sein dürften, finden sich auf den von Naveh/
Shaked und Schiffman/Swartz edierten, überwiegend der Abwehr von Fieber-
dämonen oder anderen Krankheitsgeistern dienenden Amuletten 3 2 . Diese ent-
halten ausführliche Dämonenbeschwörungsrituale mit ähnlichen Exorzismus-
formeln, wie sie beispielsweise in PGM IV,3019-3078 oder SHR begegnen .
Grundsätzlich konnte ein Magier all das, was er dem Krankheitsdämon an
Beschwörungen und magischen Formeln verbal entgegenbrachte, auch schrift-
lich an ihn richten. Auf Amuletten begegnen folglich solche Beschwörungs-
sprüche oder nomina magica, wie sie auch bei Dämonenaustreibungen rezitiert
wurden 3 .

Beispiele für materielle Amulette finden sich hauptsächlich in den


Sabbatbestimmungen von Mischna und Talmud. Aus Schab VI,10 geht

30 Tau, die griechische Form für 111" 1 (Diod Sic 194,2), wird dabei
zweimal im für die antike Magie weitverbreiteten Schwindeschema wiederholt
(au, u), das beispielsweise auch bPes 112b in der dämonenabwehrenden For-
mel n , " > T , n n , n n a , "»-rna» belegt ist.
31 Ähnlich das Amulett CIJ 674. - Abrasax (PGM VII,221) spricht im
übrigen nicht gegen jüdische Herkunft, ist vielmehr auch auf den jüdischen
Amuletten Naveh/Shaked A 2,3; 12,2 und HDM A 111,44 belegt.
32 Speziell der Gottesname ( m r p ) begegnet auf den Amuletten und Zau-
berschalen bei Naveh/Shaked, Amulets A 4,7; A 7,11; B 3,5; B ll,5f.; B 12b;
Schiffman/Swartz, TS Kl.18,1. - Vielfältige Anweisungen zur Anfertigung
magischer Amulette mit Engel- oder Zaubernamen finden sich im "Schwert
des Mose" (HDM A III,3-7.14-16.31.35.46f.50.53).
33 Ein instruktives Beispiel bietet der Text von A 9 bei Naveh/Shaked,
Amulets 82f.: "Against you, the spirit which is called fever (and) shivering:
Be exorcised (1U3K) from the body of Marian the daughter of Esther ... I
adjure you (USC£)0), be exorcised from her, in the name of He who lives and
exists, of He who suspended the sky without chains, and set up the earth with-
out pillars, and the sea and the wilderness are terrified from His presence,
and the mountains and the hüls tremble."
34 Vgl. auch das Amulett CIJ 802 (Erstedition und Komm, bei Wünsch,
Deisidaimoniaka 24-32), wo der in Ich-Form schreibende und sich dabei mit
Gott identifizierende Magier "im Namen Moses" (EÜ; 6v6u.au Muüofj) von
einer gewissen Rufina Schaden abzuwenden sucht.
164 Magie, Medizin und Wunder im Judentum

hervor, daß Heuschreckeneier, Fuchszähne und Nägel von Gehenkten


als Heilmittel getragen wurden, bSchab 67a zufolge gegen Ohrensausen,
Schlafprobleme und Entzündungen. Speziell gegen Fieber sind bSchab
66b mehrere materielle Amulette belegt, beispielsweise aus Salz, das an
einer Haarsträhne festgebunden ist. In diesen Fällen ist deutlich eine
Übernahme magischer Praktiken aus der Umwelt gegeben 3 5 .

c) Pharmakologisch-diätetische Medizin
Im rabbinischen Schrifttum finden sich unzählige Hinweise auf volks-
medizinische Praktiken aus dem Bereich der Pharmakologie und Diäte-
tik, für deren ausgiebige Erörterung hier kein Raum ist 3 6 .

Es genügt der Hinweis auf einige Befunde, die im Hinblick auf die ntl
Krankenheilungsberichte von Bedeutung sind. Relativ hochentwickelt war im
antiken Judentum die Augenheilkunde 37 . Gegen Fieber findet sich neben
pharmakologischen Rezepten (bGit 69b.70a) die diätetische Anweisung, auf
Kohlen gebratenes Fleisch sowie verdünnten Wein zu verabreichen (bGit
67b) . Auch im Falle von Blutfluß waren pharmakologische Rezepte verfüg-
bar (bSchab 110b), während dies bei Aussatz eher die Ausnahme gewesen zu
sein scheint 3 9 . Im Blick auf Manie konstatiert bGit 70b "Für einen Wahnsin-
nigen ( l ü i c y ) haben wir kein Mittel in der Hand."

35 Vgl. u.a. Plin, Hist Nat 28,41 (Haare eines Gekreuzigten gegen Quar-
tanfieber; Kinderzähne zur Schadensabwehr); 28,45 (Menschen- und Hunde-
zähne als Amulette); 28,46 (Kreuzesnägel u.a. gegen Quartanfieber); 28,70f.
(magischer Gebrauch von Haarsträhnen, vgl. auch Gager, Curse Tablets
16-18); Apul. Met 11117,4 (Nägel mit dem Fleisch von Gehenkten als magi-
sches Mittel).
36 Vgl. zum Ganzen Berendes, Pharmazie 82-122; Preuß, Biblisch-talmud.
Medizin 157ff.; Rosner, Medicine 43ff. Die wichtigsten Befunde sind bAZ
28a-29a; bGit 67b-70a; bSchab 108b.109a. 110b.
37 In der rabbinischen Literatur sind u.a. Salbe, Speichel (vgl. Plin, Hist
Nat 28,37.76), Wein, Salzwasser und Augenschminke als Augenheilmittel
belegt, vgl. Schab VIII,1; jAZ 2,2(40d); bAZ 28b; bBB 126b; bBetsa 22a; bGit
69a; bSchab 80a.108b.109a. Darüber hinaus sind bSanh 101a manuelle Augen-
heiltechniken unter Verwendung bestimmter Gegenstände und bSchab 78a
kathartisch-magisches Einpinseln des Auges mit Tierblut entnehmbar. Vgl.
auch Preuß, Biblisch-talmudische Medizin 320-323.
38 Gegen Goldschmidt, der mit "Sonnenstich" übersetzt, dürfte XK/OCOü
bGit 67b mit "hitziges Fieber" wiederzugeben sein (Levy, Wörterbuch IV 583;
vgl. auch Billerbeck I 479).
39 bKet 77b erwähnt Mangold und Met als vorbeugende Mittel gegen Aus-
satz, bGit 70a zufolge hat Rabbi Schimi ben Aschi einen Aussätzigen (IHK
meint hier wohl Aussatz, vgl. auch Levy, Wörterbuch I 56f.) mit dem Saft
verbrannter Weizenkörner geheilt.
Magie und Volksmedizin in rabbinischer Zeit 165

Für die im rabbinischen Schrifttum vielfältig repräsentierte Arznei-


mittelkunde läßt sich mit gewisser Wahrscheinlichkeit davon ausgehen,
daß sie wenigstens partiell bereits in ntl Zeit eine gewichtige Rolle
spielte. Spätestens seit dem LJhdt.v.Chr. standen Arzneimittel oder
Medikamentengrundstoffe jüdisch-palästinischer Herkunft bei antiken
Pharmakologen und Ärzten in hohem Ansehen 4 0 , und Galen hat aus
pharmakologischen Interessen heraus sogar Palästina einen Besuch
abgestattet (Gal XII,171.215f).

2.3.3. Das "Buch der Geheimnisse" (Sepher ha-Razim)

Bei dem bereits mehrfach angesprochenen "Buch der Geheimnisse"


(SHR) handelt es sich um ein jüdisches Gegenstück zu den griechischen
Zauberpapyri, das Anleitungen zu unterschiedlichsten magischen Zwecken
(Heilungen, Liebes- und Schadenszauber, Willensbeeinflussungen etc.)
enthält. Selbst die im AT und in der Mischna unter Todesstrafe gestellte
(Lev 20,27; Sanh VII,11) Nekromantie begegnet in SHR I,178ff, wo unter
Anrufung von Engelnamen und Verwendung eines Gemisches von Öl und
Honig ein Totengeist beschworen wird, eine bestimmte tote Person
aufstehen zu lassen, damit sie eine dringend benötigte Auskunft erteilen
kann.

Die bislang einzige, allerdings problembehaftete 41 Edition wurde von M.


Margalioth nach der Entdeckung von Genizafragmenten geleistet. Die wohl in
Palästina oder Ägypten vollzogene Endredaktion des Werkes dürfte in das
3.-4.Jhdt.n.Chr. fallen , wobei die magischen Anweisungen älter als der
kosmologische Rahmen von SHR sein werden. Insbesondere gilt dies für die
Beschwörungsformeln, die sich eng mit vergleichbaren Befunden in PGM
IV,3019ff.; DT 271 und auf jüdischen Amuletten wie Zauberschalen berühren 4 3
und teilweise auch zu anderen Zwecken verwendbar waren, als dies im jetzi-
gen Kontext von SHR der Fall ist.

40 Neben dem schon erwähnten MouSaixöc, Xi-O-oc, (Diosc, Mat Med V,137;
Gal XII,199) und jüdischen Asphalt (Poseidonius bei Strabo XVI 2,43; Scrib
Larg, Compos 207.209; Diosc, Mat Med 173,1; Gal XIV,60f.u.ö.; vgl. Joseph,
Bell IV,481) kommt dabei dem jüdischen Balsam (Strabo XVI 2,41; Diosc,
Mat Med I 19,1; Plin, Hist Nat 12,111-123; Gal XIV,60f.) hervorgehobene
Bedeutung zu. Vgl. zum Ganzen Kudlien, Jüdische Ärzte im Rom. Reich 48f.
41 Vgl. Niggemeyer, Beschwörungsformeln 16f.; Gruenwald, Merkavah
Mysticism 226f.
42 Vgl. Morgan, Sepher ha-Razim 8-11; Stemberger, Einleitung 340;
Alexander, in: Schürer/Vermes, History 111,1 348f.
43 Vgl. zur Verhaftung der Beschwörungsformeln von SHR in traditionel-
ler magischer Topik Niggemeyer, Beschwörungsformeln 63ff.
166 Magie, Medizin und Wunder im Judentum

Trotz synkretistischer Elemente - SHR IV,60ff. bietet sogar ein Ge-


bet an Helios - handelt es sich bei SHR nicht einfach um eine Imitation
paganer Kompendien, sondern um ein spezifisch jüdisches Werk. Sämt-
liche Beschwörungen (meist ... ""1K STSE/O) erfolgen im Namen des
Gottes Israels, wobei die als Beschwörungsobjekte angesprochenen
Engel, Geister oder Gestirnmächte als untergeordnete Kräfte dieses
einen Gottes fungieren. Dabei verfügt SHR über eine systematisierte
Kosmologie und Angelologie, die das Werk in geistige Nähe zur Merka-
bah- und Hekhalot-Mystik rücken läßt 4 4 .
SHR setzt mit einem Prooemium ein, das über Herkunft und Weiter-
gabe des Buches Aufschluß geben will und der Sache nach an die of-
fenbarungstheologische Legitimation von Magie als einer durch Engel
vermittelten Gabe Gottes in Tob 8,2f. und Jub 10,12f. anknüpft. Der En-
gel Raziel machte Noah mit einem (!) der "Bücher der Geheimnisse"
bekannt (Prooem 1-3), und dieser reichte es an die nachfolgenden Ge-
nerationen weiter (Prooem 22ff.) 45 . Formal ist SHR nach diesem Pro-
oemium von einem festumrissenen kosmologisch-angelologischen Gerüst
getragen. Das Werk gliedert sich in sieben Teile, in denen die Namen
wie Funktionen der in den sieben Himmeln ansässigen Engel Erwähnung
finden und dabei magische Anweisungen erteilt werden, wie und zu
welchen Zwecken die jeweilige Engelklasse beschworen oder anderwei-
tig nutzbar gemacht werden kann. In unserem Zusammenhang sind
insbesondere die vier Formulare in SHR von Bedeutung, die der Kran-
kenheilung dienen.

SHR I,28ff. bietet eine Engelbeschwörung zur Heilung nicht näher be-
stimmter Krankheiten. In der ersten oder zweiten Stunde der Nacht sollen
Myrrhe und Weihrauch auf brennende Kohlen gelegt werden. Danach sind der
über das erste Lager des ersten Himmels herrschende Engel I X ^ S I I X und
die ihm untergebenen 72 Dienstengel mit der Bitte anzurufen, dem Magier die
Heilung gelingen zu lassen. Ausschlaggebend für den Heilungserfolg ist zu-
dem die rituelle Reinheit des Beschwörenden.
Die Heilungsanweisung SHR II,95ff. bezieht sich offenkundig auf einen
Schlaganfall mit Lähmungsfolgen 46 , verursacht durch einen Dämon oder
durch Schadenszauber. Eine Woche lang sind dreimal täglich die Namen des
Heilungsbedürftigen, seiner Mutter sowie der im sechsten Lager des zweiten

44 Maier, Buch der Geheimnisse 100-103; Gruenwald, Merkavah Mysti-


cism 228ff. Vgl. zu den überwiegend auf Erlangung von Weisheit abzielenden
Engelbeschwörungen in der Hekhalotliteratur Schäfer, Hekhalot-Studien
258-265.
45 Vgl. die ganz ähnliche Traditionskette in Abot 1,1, wo die Tora Mose
übergeben und von Generation zu Generation weitergereicht wird.
46 Vgl. Niggemeyer, Beschwörungsformeln 44 mit Anm.190.
Magie und Volksmedizin in rabbinischer Zeit 167

Himmels ansässigen Engel zu rezitieren. Am siebten Tag wird der Patient


nackt in die Sonne gestellt und unter Rauchopfern mit Öl Übergossen, wobei
ihm zusätzlich ein silbernes Amulett mit Engelnamen und Zauberzeichen
umgehängt wird.
SHR 11,123-125 zufolge dient eine ähnliche Silberlamelle, als Amulett ge-
tragen oder als Defixio vergraben, zum Schutz vor Krankheitsdämonen, die
Totgeburten verursachen.
SHR 11.181 ff. schließlich erfolgen Instruktionen zur Heilung von Kopf-
schmerz und dämonisch verursachter Blindheit 47 , wobei der "Geist der Blind-
heit" anzufahren (10X) oder zu bedrohen (1X71) ist. Zudem soll ein Fettstück
aus dem Gehirn eines schwarzen Stieres mit den Namen der im zwölften
Lager des zweiten Himmels beheimateten Engel, denen besondere Heilkraft
beigemessen wird, beschrieben und auf die kranke Stelle gelegt werden. Wie
schon in SHR I,28ff., so sind auch hier kultische Reinheit des Magiers und
zudem auch Askese für den Heilungserfolg mitausschlaggebend.

2.3.4. Das "Schwert des Mose" (Harba de-Mosche)

Wie bei SHR, so handelt es sich auch bei der in drei recht unter-
schiedlichen Rezensionen überkommenen Schrift "Schwert des Mose"
(HDM) um ein magisches Kompendium, das dem weiteren Umfeld der
Hekhalot-Mystik zuzurechnen ist.
Mit Abstand am umfangreichsten wie bedeutendsten ist HDM A (Cod Hebr
Gaster 178) mit seinen 136, etwa zur Hälfte der Krankenheilung dienenden
Formularen, wobei nach wie vor die Edition von M. Gaster aus dem Jahre
1896 maßgeblich i s t 4 8 . Die seinerzeit von Gaster auf der Grundlage von MS
Oxford als Appendix beigegebene Edition von HDM B hingegen ist durch die
auf MS Oxford und MS New York basierende Textausgabe von P. Schäfer 4 9 ,
der zudem auch die allein von MS New York überlieferte Fassung HDM C
edierte 5 0 , überholt. Das Alter der Einzeltraditionen von HDM A-C bleibt
ungewiß. Als Zeitpunkt ihrer nunmehr vorliegenden Fixierung oder Endredak-
tion in HDM kommt wie bei SHR und der Mehrzahl der griechischen Zau-
berpapyri das 4.Jhdt.n.Chr. in Betracht 5 1 .

47 n p I S (weiße Augenflecken), vgl. Tob 2,10; bSchab 78a; HDM A 111,11.


48 Gaster, Sword of Moses I-XX(Text). 27-44 (engl. Übers.).
49 Schäfer, Synopse zur Hekhalot-Lit. 230-237/ders., Übersetzung der
Hekhalot-Lit. IV 1-17 (jeweils § 598-622).
so Schäfer, Synopse zur Hekhalot-Lit. 240-242/ders., Übersetzung der
Hekhalot-Lit. IV 42-50 (jeweils § 640-650).
51 Vgl. zu Einleitungsfragen Gaster, Sword of Moses 3-26; Alexander, in:
Schürer/Vermes, History 111,1 350-352; Schäfer, Übersetzung der Hekha-
lot-Lit. IV, VII-XVII, speziell zur Datierung ebda. X-XII.
168 Magie, Medizin und Wunder im Judentum

Das eigentliche "Schwert" 5 2 sind die HDM AII,lff; HDM B § 598ff.


und HDM C § 640ff. aufgelisteten, dem Mose angeblich im Dornbusch
geoffenbarten (HDM B § 606) unverständlichen Engel- und Zauber-
namen. Diese nomina sind bei den späteren magischen Einzelanwei-
sungen in der Regel zu rezitieren oder niederzuschreiben. Von der
Bandbreite der magischen Betätigungen her entsprechen die drei Fas-
sungen von HDM mit ihren vielfältigen Formen von Begünstigungs-
und Schadenszauber dem SHR und den griechischen Zauberpapyri.
Neben den zahlreichen Krankenheilungsinstruktionen von HDM A ver-
dienen dabei auch mehrere Naturwunderanleitungen in HDM A und B
Beachtung.

Die überwiegend in HDM A 111,3-47 zusammengestellten Heilungsrezepte


gegen nahezu alle körperlichen Gebrechen sind in der Mehrzahl pharmakolo-
gisch-magisch ausgerichtet, indem die Verabreichung pflanzlicher Heilmittel,
allen voran Ol, mit der Rezitation magischer Worte und zuweilen auch mit
der Verwendung von Amuletten verquickt wird, wie dies etwa HDM A 111,14
im Falle von Lähmung geschieht. Daneben begegnen vereinzelt rein magische
Krankenheilungsinstruktionen, wofür die ohne pharmakologische Mittel erfol-
gende Beschwörung eines Aussätzigen in HDM A 111,46 ein anschauliches
Beispiel bietet: "Um Aussatz (XX733) zu heilen, bringe den Kranken zum Ufer
des Flusses und sage zu ihm: 'Ich beschwöre (X3X7SC70) dich, Aussatz, im
Namen von (Engelnamen), weiche und gehe weg von N.N. Amen, Amen,
Selah"; anschließend hat sich der Patient siebenmal im Fluß zu baden (vgl. 2
Kön 5,10-14), bevor ihm ein Amulett mit obigen Beschwörungsworten umge-
hängt wird. Während HDM C keine Krankenheilungsanweisungen enthält,
bietet HDM B § 603 zumindest ein SHR I,28ff. vergleichbares Gebet mit
Auflistung von nomina barbara, offensichtlich Namen von Engeln, die mit den
Worten 1 X 1 S 1 1 7 131 um Gewährung von Heilung angerufen werden.
Die besagten Naturwunderinstruktionen finden sich wiederum nur in HDM
A und B. Neben Rezepten zu unermeßlichem Fischfang (HDM B § 608 "Wenn
du Fische fangen willst, tsol nimm Sand vom Meer und [diel Wurzel einer
Dattelpalme in die linke Hand. [Dann! sprich das Schwert darüber, und sie
kommen an die Stelle, lauf diel du den Sand wirfst"; ähnlich HDM A 111,54)
und zu unbeschadetem Seewandel (HDM B § 609: "Wenn du auf dem Meer
laufen willst, tsol nimm den Holzlgriffl eines Eisenlgerätsl, durchbohre ihn,
führe ein scharlachrotes Band tdurch das Loch! und binde es an deine Ferse.
[Dann] schreib und sprich das Schwert [darüber], geh, betritt [das Wasser]
und komm unbeschadet wieder heraus"; ähnlich HDM A 111,125) findet sich
HDM B § 619 schließlich auch eine magische Anweisung zu Sturm-
stillung 53 ("Wenn du auf dem Meer bist und sich ein Sturm über dir er-
hebt, [so] steh auf gegen die Wellen und sprich das Schwert, und sie lassen

52 Vgl. zum Titel "Schwert des Mose" PGM IV,1716f. (Eicpoc, AapSovou'
Ttpal;ic. r\ xaXouuEvr] f;i<poc; ... ) und Dtn 33,29.
53 Vgl. bBB 73a: Die bei Seesturm das Schiff gefährdenden Wellen wer-
den mit einem Stab bedroht, der mit dem Tetragramm beschriftet ist.
Ergebnisse 169

nach. [Dann! schreib [das Schwert] auf ein Plättchen, Ton oder ein [Stück]
Holz und häng es vor das Schiff, und es wird nicht sinken").

2.4. Ergebnisse
1. Wundercharismatikertum im antiken Judentum war, insbesondere
wenn es auf Krankenheilungen abzielte, maßgeblich mit magischen oder
schamanistischen Betätigungen verbunden. Es handelt sich dabei über-
wiegend um eine von synkretistischen oder polytheistischen Elementen
gereinigte "weiße Magie", die allerdings unter dem Aspekt der Zwangs-
beeinflussung Gottes und des Gebrauches des Gottesnamens zu Be-
schwörungszwecken immer wieder als problembehaftet empfunden wird,
a) Im Buch Tobit und im Jubiläenbuch erfolgt im 3.-2.Jhdt.v.Chr. eine
normative offenbarungstheologische Legitimation von Magie, indem das
durch Engel vermittelte menschliche Wissen um dämonenabwehrende
Räuchertechniken (Tob) und um pharmakologische Heilkunst mit magi-
schem Einschlag (Jub) als ausdrücklicher Wille Gottes betrachtet wird.
Prinzipiell ist damit einer weitreichenden Übernahme und eigenständigen
Fortentwicklung magischer Praktiken im Judentum der Weg geebnet,
sofern sie sich in den vorgegebenen monotheistischen Rahmen integrie-
ren lassen und die alleinige Heilkompetenz Gottes gewahrt bleibt.
b) Mit Choni begegnet uns im Judentum des l.Jhdt.v.Chr. ein Wun-
dertäter, der aufgrund seines Wissens um bevorstehende Naturereignis-
se Züge eines Schamanen trägt und mit der von ihm reklamierten Got-
tessohn-Beziehung in die Nähe eines Theios Aner rückt. Sein Regenwun-
der zeigt zugleich die Möglichkeiten und Grenzen magischer Betätigung
im zeitgenössischen Judentum auf. Choni bedient sich der in der Antike
weitverbreiteten magischen Technik des Kreisziehens und verwendet als
"Sohn des Hauses" den Gottesnamen zu Beschwörungszwecken. Er
unternimmt damit massiv den Versuch der magischen Zwangsbeein-
flussung Gottes und steht in unverkennbarer Spannung zu Ex 20,7/Dtn
5,11, so daß er trotz seines konsequenten Monotheismus und seiner
hervorgehobenen Gottesbeziehung in Konflikt mit dem "religiösen Estab-
lishment" gerät und vom Bann durch die Pharisäer bedroht ist. Eine in
gezielter Abgrenzung gegen Magie vorgenommene Beanspruchung Chonis
als Chasid wird den tatsächlichen Gegebenheiten nicht gerecht.
c) Um die Zeitenwende läßt sich für die Essener eine vielgestaltige
Volksmedizin mit pharmakologischen wie magischen Elementen nach-
weisen. Bestimmte Essenerkreise widmeten sich einer Erkundung der
Heilkraft von Pflanzen wie Steinen. Sie verfügten dabei vermutlich über
ähnliche Wurzel- und Steinbücher ägyptischer Herkunft, wie sie mit den
170 Magie, Medizin und Wunder im Judentum

Werken von Bolos, Nechepso-Petosiris und Thessalos sowie mit den


Kyraniden bekannt sind, oder über davon beeinflußte jüdische Pendants,
vielleicht sogar über das Jub 10,12f. erwähnte Noahbuch. Für die Qum-
rangemeinde deuten 1 Q Gen Ap XX und möglicherweise auch 4 Q Or
Nab auf Dämonenaustreibungen hin, 4 Q 560 dürfte im Zusammenhang
mit apotropäischer Dämonenabwehr durch Amulette stehen. Zudem
wurde in Qumran schamanistische Musiktherapie an dämonisch Beses-
senen unter Verwendung von Davidpsalmen und Liedern des "Weisen"
betrieben, was in der pythagoreischen Verwendung von gesungenen
Homer- und Hesiodversen zur therapeutischen Seelenreinigung seine
Entsprechung und vielleicht sein Vorbild hat, zumal die Essener Jose-
phus zufolge die pythagoreisch-platonische Seelenlehre vertraten. Bei
dem in diesen Sachzusammenhang gehörigen Exorzismusformular 11 Q
Ps Ap a sind Hinweise auf einen Gebrauch des Gottesnamens bzw. des
Tetragramms zu Beschwörungszwecken gegeben, wie es bereits bei
Choni der Fall war und in den späteren Zeugnissen für die jüdische
Magie gang und gäbe ist. Da die genannten Qumrantexte fast durchweg
nichtessenischer Herkunft sind, partizipierte die Qumrangemeinde hier
offenkundig an einer magischen Volksmedizin, die für weitere Teile des
palästinischen Judentums prägend war.
d) Seiner Vorgehensweise nach ist der vielleicht sogar aus Essener-
kreisen stammende, jedenfalls in den 60er Jahren des l.Jhdt.n.Chr. akti-
ve Exorzist Eleazar ein Vertreter solcher magisch-pharmakologischen
Volksmedizin des antiken Judentums, indem er sich eines Fingerringes
mit dämonenbannender Wurzel und einschlägiger, angeblich von Salo-
mo herrührender Beschwörungsformeln bedient. Hier wird deutlich, in
welchem Maße sich spätestens im l.Jhdt.n.Chr. unter hellenistischem
Einfluß eine eigenständige jüdische Magie herausgebildet hat, die phar-
makologische Praktiken aus der Umwelt mit spezifisch jüdischen Exor-
zismusritualen verbindet. Zum Inhalt des von Eleazar benutzten magi-
schen Kompendium Salomos, das möglicherweise sogar mit dem "Buch
der Heilmittel" identisch ist und auch anderen jüdischen Magiern als
Anleitung zu Exorzismen an dämonisch besessenen Personen gedient
haben wird, zählten neben 11 Q Ps Ap a , Test Sal 1,9.11 oder PGM IV,
3039-3041 vergleichbaren Beschwörungsformularen wohl auch Instruk-
tionen zur Herstellung wurzeltragender Ringe, wie sie sich in den Kyra-
niden zu Besessenenheilungen finden. Neben Eleazar, hervorgehobener
Repräsentant einer breiteren magischen Strömung im antiken Judentum,
sind uns an jüdischen Magiern des l.Jhdt.n.Chr. noch Barjesus Elymas
(Apg 13,4-12), die Skevassöhne (Apg 19,13-16), Atomus (Joseph, Ant
XX,142) und Ben Stada (TSanh 10,11; TSchab 11,15) bekannt.
Ergebnisse 171

e) Bereits um die Zeitenwende und im l.Jhdt.n.Chr. übt die jüdische


Magie, insbesondere soweit sie mit dem Namen des Mose in Verbindung
gebracht wird, eine ausgesprochen starke Faszination auf heidnische
Schriftsteller wie Strabo und den älteren Plinius aus. Dies läßt die Ver-
mutung plausibel erscheinen, daß die meist im 4.Jhdt.n.Chr. literarisch
fixierten magischen Formulare in uns dem Namen oder sogar auch dem
Inhalt nach bekannten jüdischen Kompendien (Erzengelbuch des Mose,
Achtes Buch Mose, Schlüssel des Mose, Diadem des Mose, Schwert
des Mose, Buch der Geheimnisse), im Großen Pariser Zauberpapyrus
(PGM IV.3019-3078) und im Talmud, aber auch der Wortlaut von Amu-
letten und Zauberschalen als Zeugnissen angewandter Magie in der
Substanz bis in ntl Zeit zurückreichen. Der Sache nach sind viele dieser
späteren magischen Praktiken des Judentums jedenfalls bereits ab der
Mitte des 2.Jhdt.n.Chr. durch Justin, Irenäus, Celsus und Origenes be-
zeugt.
2. Eine im engeren Sinne wissenschaftliche Medizin ist im antiken
Judentum des ntl Zeitalters nur in Ansätzen greifbar.
a) Vergleichsweise weitreichende Berührungen mit der wissenschaftli-
chen Medizin zeigen sich im Buch Tobit und bei Jesus Sirach. Beide
Schriften suchen traditionelle, hauptsächlich von Ex 15,26 herrührende
Ressentiments gegenüber menschlicher Heilkunst auszuräumen, indem
sie medizinische Praktiken unter der Bedingung als gottgewollt betrach-
ten, daß sie von Gebet und Lobpreis begleitet sind und Ex 15,26 in
seiner grundsätzlichen Bedeutung unangetastet bleibt. Im Buch Tobit
geht es dabei speziell um die Behandlung von Augenleiden mit Fischgal-
le, eine antike Augenheiltechnik mit rationalen Implikationen, während
Jesus Sirach grundsätzlich auf eine Legitimation des Ärztestandes und
der Pharmakologie abzielt.
b) Im weiteren Sinne der wissenschaftlichen Medizin zuzurechnende
Ärzte stellten in Palästina zur ntl Zeit offenkundig eine Ausnahmeer-
scheinung dar, und dem Priester kam im Gegensatz zur Umwelt keine
Heilfunktion zu. Bei griechisch-römischen Pharmakologen, Ärzten und
medizinischen Schriftstellern des 1.-2.Jhdt.n.Chr. ist allerdings vielfach
von Medikamentengrundstoffen oder ganzen Heürezepten jüdisch-palä-
stinischer Herkunft die Rede, was auf ein nicht zu unterschätzendes
Niveau der Arzneimittelkunde hindeutet.
c) In der rabbinischen Literatur finden sich, bereits in der Mischna
einsetzend, neben magisch geprägten Heilrezepten auch vielfältige phar-
makologische wie diätetische Anweisungen mit rationalem Hintergrund,
die von ihrem Alter her wenigstens teilweise bereits für den uns inter-
essierenden Zeitraum vorauszusetzen sein dürften.
172 Magie, Medizin und Wunder im Judentum

3. Neben einem komplexen, auf Krankenheilungen oder Naturwunder


gerichteten jüdischen Magier- oder Schamanentum waren im l.Jhdt.
n.Chr. die alten Traditionen des politischen Zeichenprophetentums und
der charismatischen Gebetsheilung nach wie vor wach.
a) Der aus dem AT bekannte Typus des Wunderpropheten, der die
Rechtmäßigkeit seiner Verkündigung durch das Eintreffen vorher ange-
sagter Wunder erweist, erlebt im Vorfeld des Jüdischen Krieges eine
beachtliche Renaissance. In Orientierung an eschatologisierten Exodus-
traditionen werden von zahlreichen Zeichenpropheten Wunder angekün-
digt, die auf den sichtbaren Erweis des einsetzenden endzeitlichen
Heilshandelns Gottes und auf eine Manifestation der beginnenden natio-
nal-politischen Befreiung Israels abzielten, wie es sich seinerzeit beim
Auszug aus Ägypten ereignet hatte. Es handelt sich hier nicht um auf
Notsituationen wie Krankheit oder Dürre bezogene Wunder, sondern um
reine Legitimationszeichen mit Symbolcharakter.
b) Das in Form innigen Gebetes erfolgende stellvertretende Bitten für
den Kranken bei Gott, das ebenfalls in atl Tradition wurzelt, erfuhr in
der Mitte des l.Jhdt.n.Chr. in der Person von Chanina ben Dosa seine
besondere Ausprägung. Chanina ben Dosa trat allein durch intensives
Gebet für Kranke oder Bedrohte ein, verfügte offenbar über ein beson-
deres Vorherwissen um die Erfolgsaussichten seiner diesbezüglichen
Wirksamkeit und stand aufgrund dessen bei seinen Zeitgenossen im Ruf
eines Wundercharismatikers und Gottessohnes, für den wie im Falle
Chonis Spannungen zum etablierten Pharisäertum erkennbar sind.
c) Den Typus des Wunderrabbi im Sinne eines Gesetzeslehrers, der
die Rechtmäßigkeit seiner Halakha durch das Vollbringen von Wunderta-
ten zu untermauern sucht, scheint es dagegen im Judentum der Zeiten-
wende nicht gegeben zu haben. Die Wundercharismatiker Choni und
Chanina ben Dosa werden erst sekundär im Zuge der rabbinischen Tra-
ditionsbildung auch zu Schriftgelehrten, während umgekehrt die Geset-
zeslehrer Jochanan ben Zakkai und Eliezer ben Hyrkanus wohl niemals
irgendwelche Wundertaten bewirkt haben.
4. Zusammenfassend lassen sich grob folgende Typen von "Wundertä-
tern" im antiken Judentum des griechisch-römischen Zeitalters unter-
scheiden.
a) Es gibt den im weiteren Sinne der rationalen Medizin zuzurech-
nenden jüdischen Arzt, dessen pharmakologische und diätetische Heil-
kunst unter Gebet und Lobpreis Gottes in Anspruch genommen wird.
b) Choni, Abba Chilkia und Chanan verkörpern den Typus des zu Re-
genwundern befähigten, in Harmonie mit dem Kosmos lebenden und
über Naturkenntnisse verfügenden Magiers oder Schamanen.
Ergebnisse 173

c) Die palästinisch-jüdische mainstream magic der Zeitenwende wird


von Krankenheilern und Dämonenaustreibern in der David-Salomo-Tra-
dition repräsentiert, die sich pharmakologisch-sympathetischer Heilver-
fahren, verbunden mit schamanistischer Seelenreinigung oder mit Dämo-
nenvertreibung durch Beschwörungsformeln Salomos und Psalmen Da-
vids, bedienten und dabei auf magische Kompendien wie das "Buch der
Heilmittel" zurückgreifen konnten.
d) Schwerpunktmäßig im ägyptischen Judentum beheimatet waren Ma-
gier in der thaumaturgischen Mosetradition, deren Wirken sich mit
Ausnahme von HDM A offenbar weniger auf Krankenheilungen, sondern
eher auf Liebeszauber, magische Weihepraktiken u.a. konzentrierte.
e) Eine gewichtige Rolle spielt in der eschatologisch aufgeheizten At-
mosphäre des l.Jhdt.n.Chr. die Gestalt des Zeichenpropheten, in der das
traditionelle Bild vom Propheten, der seine Botschaft durch Wunder be-
glaubigt, und die Vorstellung vom Endzeitpropheten wie Mose (Dtn
18.15.18) ineinanderfließen.
f) Chanina ben Dosa repräsentiert den Typus des Gebetscharismati-
kers oder Chasid, der allein durch stellvertretende Fürsprache bei Gott
Heilung oder Rettung bewirkt.
IV. Jesus als Wundertäter

1. Dämonenaustreibungen Jesu

Den ntl Evangelien zufolge hat Jesus Dämonenaustreibungen, Kranken-


heilungen - bis hin zur Wiederbelebung bereits verstorbener Perso-
nen - und Naturwunder bewirkt 1 . Wir wenden uns zunächst dem in der
syn Tradition breiten Raum beanspruchenden Komplex der Dämonen-
austreibungen zu und setzen mit einer Analyse der Logienstoffe ein.

1.1. Die Logienüberlieferung

1.1.1. Die Beelzebulkontroverse (Mk 3,22-27parr)

a) Analyse
Die Beelzebulkontroverse ist als Doppelüberlieferung in Mk 3,22-27
und mit erheblichen Stoffüberschüssen in der Q-Version Mt 12,22-30/
Lk 11,14-23 überkommen 2 . Mk, bei dem der Beelzebulvorwurf recht
abrupt einsetzt, hat offenkundig einen Lk 11,14 in ältester Form vorlie-
genden Dämonenaustreibungsbericht, der in Q als Exposition diente,
weggebrochen 3 .

1 Im von der hippokratischen Medizin unbeeinflußten antiken Volksglauben


wurde fast jede Krankheit auf das Wirken böser Geister zurückgeführt. Bei
Dämonenaustreibungen ist allerdings eine direkte Konfrontation zwischen
Wundertäter und dem im Kranken weilenden Geist gegeben, während man es
bei Heilungen allein mit Krankheitserscheinungen zu tun hat, die im einzelnen
nichtsdestoweniger als dämonisch verursacht gelten können, vgl. Bultmann,
Syn Tradition 241f.; Theißen, Wundergeschichten 94ff.
2 Völlig willkürlich ist die Ausklammerung der Beelzebulperikope aus der
ältesten Q-Stufe (Kloppenborg, Formation of Q 322-325; Mack, Lost Gospel
71 ff.). Ebensowenig besteht Grund, hier bei Mt und Lk mit Deutero-Mk statt
mit Q als Quelle zu rechnen (gegen Fuchs, Beelzebulkontroverse; richtig
Boring, Beelzebul Pericope 617f.). Die als Erklärung für die minor agree-
ments von Mt und Lk hilfreiche Dt-Mk-Hypothese wird mit Spekulationen
über ein vom Umfang her weit über Mk hinausgehendes, diesen aber nicht
verdrängendes Evangelium überzogen.
3 Mit Jülicher, Gleichnisreden II 214f.; Bultmann, Syn Tradition 10; Gnil-
ka, Mk-Ev I 145; Hultgren, Adversaries 104f. • Schmithals, Mk-Ev I 221.
Die Logienüberlieferung 175

Mt 12,22f. erweist sich gegenüber Lk 11,14 mit dem als Einleitung typisch
mt TÖTE, der Verwendung von 7tpoa<pEpEiv und Saiu.ovi^Eiv (vgl. Mt 4,24; 8,16
diff. Mk 1,32), der Einfügung von tucpXöc, samt xai. PXETIELV4 und mit dem von
Mt bevorzugten (Mt 1,1; 9,27; 15,22; 21,15) Davidssohntitel als redaktionell.
Die ältere Exposition hat Mt in dem von ihm formulierten Wunderbericht
9,32-34 verarbeitet, doch ist auch dieser gegenüber Lk 11,14 sekundär. Mt
9,32 ist der gen.abs. aütöv SE E^EPXOUEVUV eine auf E^EXÖÖVTEC; Mt 9,31
rekurrierende redaktionelle Naht, und zudem liegt eine mt Glättung des
schwierigen, in einem Teil der Textüberlieferung Korrekturen hervorrufenden
xai T\\> ExßäXXtov Sauxöviov xaxpov Lk 11,14 vor. In Mt 9,33 handelt es sich
bei OÜSETTOTE E<pävr| OÜTOK; EV TU TopafjX um mt Variation der Mt 9,8 über-
gangenen Akklamation Mk 2,12 OÜTUC. OÜSETCOTE EISOUEV.

Bei den verbleibenden Divergenzen ist jedoch Mk 3,22-27 gegenüber


Mt 12,22-30/Lk 11,14-23 mit wenigen Ausnahmen traditionsgeschichtli-
che Priorität einzuräumen.
Lk 11,15a ist das unbestimmte TIVEC, ursprünglich, da es sich bei den YpauuaTETc;
(Mk 3,22) und den $apiaaToi (Mt 12,24) um die bei Mk bzw. Mt jeweils
typischen, oft redaktionellen Gegner Jesu handelt . Der gegnerische Vorwurf
liegt Mk 3,22c/Lk 11,15b (vgl. Mt 9,34) in ältester Form vor, während sich
ÖTI BEEX^EPOÜX E/EI Mk 3,22b als mk Parallelbildung zu OTI E^EOTT] Mk 3,21
erweist und auch OUTOC, OÜX ExßäXXei r ä Saiuövia EI ufj Mt 12,24b redaktio-
nell sein dürfte . Der Hinweis auf das wunderbare Wissen Jesu um die
Absichten seiner Gegner Mt 12,25/Lk 11,17 ist ein Q-Zuwachs, den Mk kaum
ausgelassen hätte (vgl. Mk 2,8). Die Bildworte vom geteilten Reich und Haus
dürften Mk 3,24-26 in ursprünglicher Form vorliegen. In Mt 11,25 wird
jedenfalls TTÖXIC, mt Zusatz sein, und Lk ll,17f. begegnet die lk Vorzugsvoka-
bel SiauEpit^Eiv (von 11 ntl Belegen entfallen 6 auf das Lk-Ev und 2 auf Apg)
und mit 11,18b zudem eine redaktionelle Erweiterung.
Die im Vergleich mit Mk 3,22-27 überschießenden Logien Mt 12.27f./l.k
ll,19f. bieten als einzige nennenswerte Divergenz das auf Mt zurückgehende

Gegen Dibelius, Formgeschichte 221 ("situationslos überliefert"); Haenchen,


Weg Jesu 151f.; W. Weiß, Neue Lehre 168-170; Fuchs, Beelzebulkontroverse
35-49 (Deutero-Mk habe exemplarisch eine Dämonenaustreibung [Lk
ll,14par] vorangestellt).
4 Käsemann, Lk 11,14-28 242; Gnilka, Mt-Ev I 456. Sand, Mt-Ev 261,
verweist zudem auf redaktionelles ruipXöc; in Mt 15,30f.; 21,14.
5 Vgl. zu YpauuaTETc,, im Mk-Ev die bevorzugten, meist redaktionell ein-
gebrachten Gegner Jesu: Jülicher, Gleichnisreden II 216; Hultgren, Adversa-
ries 102; Lührmann, Mk-Ev 50f.; zu sekundärem 4>apioaToi in Mt 12,24:
Manson, Sayings of Jesus 83; Lührmann, Redaktion 32; Laufen, Doppel-
überlieferungen 127.
6 Laufen, Doppelüberlieferungen 133; Gnilka, Mk-Ev I 145; gegen Fuchs,
Beelzebulkontroverse 37-39. Darüber hinaus ist 3,23a mk geprägt: vgl. zu
TtpooxaXEaäuEvoc; aütoüc, u.a. Mk 6,7; 7,14; 8,1.34; 10,42; 12,43, zu EV Ttapa-
ßoXafc, Mk 4,2.11; 12,1.
7 Red. oüx ... EI UTJ begegnet Mt 14,17; 15,24, vgl. OÜSEV ... EI u.ij Mt 5,13 (red.).
176 Dämonenaustreibungen Jesu

EV TÖ TtvEÜu.aTi 3-EOÜ (Mt 12,28) diff. EV SaxTÜXu ÖEOU Lk 11,20 8 . Eine Til-
gung dieser Jesuslogien durch Mk läßt sich nicht plausibel machen. Für Mk
waren weder "fremde Exorzismen" (vgl. Mk 9,38-40) noch Dämonenaustrei-
bungen Jesu anstößig (Mk 1,23-29.32-34; 3,11; 5,1-20; 7,24-31; 9,14-29) 9 .
Speziell die Mt 12,28/Lk 11,20 entnehmbaren theologischen Bezüge der
Wunderwirksamkeit Jesu hätten sich mit den mk Dämonenbekenntnissen zu
Jesus als äyio^ oder uiöc, TOU -&EOU (Mk 1,24; 3,11; 5,7) in Einklang bringen
lassen. Ebensowenig stellen eschatologische Gesichtspunkte einen Grund für
eine mk Nichtberücksichtigung von Mt 12,27f./Lk ll,19f. dar, da sich das
dortige Etp-9-aoEV scp' üuac, fj ßaoiXsia TOU 0-EOU wohl in die mk Konzeption
von der Gottesherrschaft (Mk 1,15; 9,1) hätte integrieren lassen 10 . Auch eine
spurlose Eliminierung dieser zentralen Jesuslogien im vormk Uberlieferungs-
stadium der Beelzebultradition ist unwahrscheinlich 11 . Die Logien Mt 12,
27f./Lk ll,19f. waren kein ursprünglicher Bestandteil der Beelzebultradition,
sondern wuchsen dieser sekundär zu, wobei die Replik Jesu Mk 3,23b ent-
behrlich wurde 1 2 .
Die erheblichen Differenzen zwischen Mt 12,29 und Lk ll,21f. dürften sich
dadurch erklären, daß Mt hier Mk 3,27, Lk hingegen Q folgt 13 . Auch wenn
die Verbindung dieses Gleichnisses mit der Beelzebulperikope damit sehr alt
ist, wird sie traditionsgeschichtlich sekundär sein. Entfernte Parallelen in Jes
49,24 und Ps Sal 5,3 sowie eine Variante ohne Bezug zur Beelzebulperikope
in EvTh Log 35 legen für Mk 3,27parr deutlich eine selbständige Traditions-

8 Da Lk mit seiner ausgeprägten Pneumatologie ein vorgefundenes EV


TtvEÜuaTi kaum abgeändert hätte und Mt an einer Beseitigung des auf Ex 8,15
basierenden Anthropomorphismus EV SaxTÜXw 9-EOU gelegen haben kann, ge-
bührt EV SaxTÜXo) der Vorzug, vgl. Windisch, Jesus und der Geist 217f.;
Manson, Teaching of Jesus 82f.; Schulz, Q 205; Laufen, Doppelüberlieferun-
gen 129f.; Nielsen, Heilung 33, Anm.95. - Anders Harnack, Sprüche 20; Jülicher,
Gleichnisreden II 229; Hamerton-Kelly, Note on Mt XII.28 167-169; Yates,
Luke's Pneumatology 295-299; van Cangh, Par l'esprit de Dieu 337-342.
9 Gegen Polag, Christologie 38, Anm.110: Mk habe die Logien Mt 12,27f.par
ausgelassen, da er die Parallelisierung der Dämonenaustreibungen Jesu mit
denen der Rabbinen als anstößig empfunden habe.
10 Syx, Jesus and the Unclean Spirit 172f., zufolge überging Mk das Logion
Mt 12,28par, weil er die Gottesherrschaft nicht den Pharisäern zugespro-
chen wissen wollte. Warum hat Mk dann nicht einfach £<p' üuac, weggelassen?
11 Gegen Gnilka, Mk-Ev I 145 ("zersagte Einzeltradition"); Luz, Mt-Ev II
256f: Lk ll,14.19.(20)par sei älter als Mk 3,22-27.
12 Vgl. Fuchs, Beelzebulkontroverse 67, der allerdings wiederum mit deu-
tero-mk Redaktion rechnet.
13 Daß dieses Gleichnis nicht in Q stand, sondern erst von Mt wie Lk un-
ter Einfluß von Mk 3,27 mit der Q-Beelzebulperikope verbunden wurde
(Lührmann, Redaktion 33; Schulz, Q 203, Anm.200; Schüling, Studien 109f.),
ist unplausibel. Während sich von Mk her eine Anfügung des Gleichnisses an
Mt 12,26/Lk 11,18a nahegelegt hätte, bieten Mt und Lk es unter Q-Einfluß
zwischen Mt 12,28/Lk 11,20 und Mt 12,30/Lk 11,23 (Laufen, Doppelüberlie-
ferungen 130f.). Ohnehin läßt sich Lk ll,21f. nicht als lk Bearbeitung von Mk
3,27 erklären, sondern bietet Sondertradition (Manson, Sayings of Jesus 84).
Die Logienüberlieferung 177

geschichte nahe 1 4 . Bei der generalisierenden Schlußsentenz Mt 12,30/Lk


11,23 handelt es sich um einen isoliert überlieferungsfähigen (vgl. Mk 9,40)
Q-Zuwachs.

In der frühesten Überlieferung war folglich von der Heilung einer


dauerhaft stummen oder aufgrund epileptischer Anfälle vorübergehend
sprechunfähigen (Hippocr, Morb Sacr VII,10; X,6) Person durch Vertrei-
bung des Krankheitsgeistes die Rede (Lk 11,14). Dies zog den Vorwurf
nach sich, Jesus bewirke EV BEEXf^ßoüX TU apxovri TUV Sai^oviuv Dämo-
nenaustreibungen, was durch die Replik Mk 3,23b und deren Explikation
durch die Bildworte vom in sich geteilten Reich und Haus (Mk 3,24f./Mt
12,25par) in Abrede gestellt wird. Von diesem ältesten Traditionskern ist
nicht nur das selbständige Gleichnis Mk 3,27parr, sondern auch der in
Q hinzugetretene Passus Mt 12,27f./Lk ll,19f. getrennt zu betrachten.
Dieses Doppellogion setzt im argumentativen Duktus ebenfalls den
Vorwurf des Satansbündnisses voraus. Dies könnte zu der Annahme
verleiten, hier spiegele sich eine zu Mk 3,22parr analoge Situation im
Leben Jesu, in der ebenfalls eine Dämonenaustreibung den Vorwurf des
Teufelspaktes evozierte und Jesus sich mit Mt 12,27f./Lk ll,19f. vertei-
digte. In Q sei dann aufgrund der identischen Ausgangssituation eine
Verschmelzung dieser Tradition mit der Beelzebulkontroverse vollzogen
worden 15 . Wahrscheinlich wurde aber Mt 12,27par sekundär formuliert,
um die Integration des eigenständigen Jesuslogions Mt 12,28par in die
Beelzebulkontroverse zu ermöglichen 16 .

b) Interpretation von Mk 3,22-26parr


Zunächst ist dem eigentlichen Streitgespräch mit der Anschuldigung,
Jesus treibe mit Hilfe des Beelzebul Dämonen aus, nachzugehen. Der
Beelzebul gilt hier als ein mit dem Satan identischer (vgl. Mk 3,23)
Dämonenfürst. Vorausgesetzt ist dabei die traditionelle jüdische Vorstel-

14 Bultmann, Syn Tradition 11; Pesch, Mk-Ev I 215; Laufen, Doppelüber-


lieferungen 133.137L; Klauck, Allegorie 127 ("ad vocem oixia angefügt");
Nielsen, Heilung 31f.; W. Weiß, Neue Lehre 164-166.
15 Schulz, Q 205: "Obwohl später hinzugefügt, setzen auch diese Logien
(sc. Lk 11,18-20) denselben Vorwurf voraus!".
16 Käsemann, Lk 11,14-28 243; Lührmann, Redaktion 33f.; Merklein,
Gottesherrschaft als Handlungsprinzip 158; Laufen, Doppelüberlieferungen
148; Hultgren, Adversaries 105. Ähnlich Kümmel, Verheißung 98f.; Perrin,
Jesus 64f.; die ebenfalls keinen ursprünglichen Zusammenhang zwischen Mt
12,27/Lk 11,19 und Mt 12,28/Lk 11,20 annehmen.
178 Dämonenaustreibungen Jesu

lung eines Dämonenreiches, über das der Satan oder eine ähnliche
Gestalt als Oberhaupt der bösen Geister regiert.
N ä c h s t l i e g e n d e P a r a l l e l e n sind Jub 10,8 ( M a s t e m a als Fürst der G e i s t e r )
und griech Jub 17,16 (MaoTicpöu 6 a p x u v TUV S a i u o v i u v ) 1 7 . BEEXC,EßoöX ist
a u ß e r c h r i s t l i c h nicht b e l e g t und etymologisch u m s t r i t t e n . Ausgangspunkt
dürfte die in T e x t e n aus U g a r i t titular für Baal g e b r a u c h t e W u r z e l zbl
("Fürst") s e i n 1 9 , die als Kakophemie 3"OT 7XJ3 ( " H e r r der Fliegen" 2 Kön 1,
2ff.) und 713" 1 ? 1XJ3 ( " H e r r des M i s t e s " ) nach sich zog. Alternativ kommt e i -
ne Rückführung auf 11S.T 7X73 ("Baal der Wohnung") in B e t r a c h t (vgl. M t
10,25), wobei am e h e s t e n an den himmlischen Aufenthaltsort des Teufels oder
der D ä m o n e n g e d a c h t w ä r e . Da in der ältesten Tradition M k 3,22parr B e e l -
zebul als D ä m o n e n f ü r s t b e g e g n e t , ist es völlig abwegig, hier von einer J e s u s -
b e z e i c h n u n g a u s z u g e h e n , die s e k u n d ä r zur dämonischen G r ö ß e geworden s e i 2 1 .

Mit EV Mk 3,22parr im Sinne von 3 ist an Beelzebul als eigentlichen


Urheber des Handelns Jesu gedacht. Es wird vorausgesetzt, daß der
Wundertäter grundsätzlich instrumental im Dienst einer höheren Macht
steht, sei es Gott oder sei es der Satan. Dämonenaustreibungen Jesu
sind dabei als unbestrittene Tatsache vorausgesetzt. Die Kontroverse
kreist ausschließlich um die Frage, mit wessen Kraft sie geschehen.
Was sich konkret hinter dem Vorwurf der Dämonenaustreibungen EV
BEEXf^EßoüX verbirgt, bleibt unklar.

Im H o r i z o n t von äth Hen 7,1; 8,3; 9,7v.l. (ähnlich PsPhilo, Lib Ant 34,
2 - 4 ) , wo die gefallenen Engel mit S e m y a z a als ihrem Oberhaupt (äth Hen
9,7) die M e n s c h e n in B e s c h w ö r u n g s p r a k t i k e n oder Zauberei u n t e r w e i s e n , steht
am e h e s t e n die Vorstellung im H i n t e r g r u n d , daß Jesus seine dämonenbannen-

17 Denis, F r a g m e n t a P s e u d e p i g r a p h o r u m 9 4 . Vgl. ferner äth Hen 6,3.7


( S e m y a z a als O b e r s t e r der gefallenen Engel, griech Hen a p x u v a ü r u v ) ; 1 Q M
XIV,9f. (Belial und s e i n e G e i s t e r ) .
18 Vgl. F o e r s t e r , T h W N T I 605f., wobei aber für die Belege in Test Sal
(vgl. M c C o w n , T e s t a m e n t of Solomon, Index 130 j hinsichtlich der Abhän-
gigkeit vom N T U n s i c h e r h e i t e n bleiben. G e g e n ü b e r der v.l. BEE^EßoüX wird
BEEXt^EßoüX w e g e n des ungewöhnlichen X£ lectio difficilior sein (Gaston,
B e e l z e b u l 2 4 7 ; gegen F o e r s t e r , T h W N T I 605), während die V u l g a t a - L e s a r t
B e e l z e b u b von 2 Kön 1,2 beeinflußt ist.
19 Vgl. M a c L a u r i n , Beelzeboul 157-159; Lührmann, M k - E v 75.
20 L i m b e c k , B e e l z e b u l 38f. mit A n m . 3 9 . - F o e r s t e r , T h W N T I 605, Anm.4,
denkt a l t e r n a t i v an das Einwohnen im Besessenen. Abwegig Gaston, Beelzebul
2 5 3 - 2 5 5 ("Lord of the T e m p l e " ) , der einen von den Pharisäern m i ß v e r s t a n d e -
nen Anspruch Jesu auf den J e r u s a l e m e r Tempel (Mk 14,58; 15,29f.) postuliert.
21 G e g e n L i m b e c k , Beelzebul 31ff., der M t 10,25 als jüngsten ntl Beleg
für B e e l z e b u l viel zu hoch b e w e r t e t . M t 10,25b (EI TÖV oixoSEOTtÖTiiv BEEX^EßoüX
ETtExäXEoav ... ) diff. Lk 6,40 ist v e r m u t l i c h redaktionell, s e t z t jedenfalls ein
b e r e i t s c h r i s t o l o g i s c h e s V e r s t ä n d n i s von OIXOSEOTCÖTIIC, (vgl. M t 12,27.37; Lk
13,25) und wohl auch Kenntnis von Mk 3,22 OTI BEEXt^ßoüX EXEI v o r a u s .
Die Logienüberlieferung 179

den Fähigkeiten und Kenntnisse dem Beherrscher der bösen Geister verdankt.
Mk scheint mit der Einfügung von OTI BEEXt^ßoüX EXEI 3,22, das sachlich Sri
E^EOTT] 3,21 und ÖTI TtvEÜ[ia äxä-9-apTov EXEI 3,30 entspricht, vom Vorwurf dämo-
nischer Besessenheit Jesu auszugehen, wie er auch Joh 7,20; 8,48-52 und
10,20 erhoben wird. Daß Jesus der Manie bezichtigt wurde, dürfte historisch
sein, da dies auch für den Täufer der Fall war (Mt ll,18par), und wird auf
pneumatisch-ekstatische Erregung Jesu bei seinen Wundertaten zurückgehen 2 2 .
Weitergehend kann Mk 3,22parr den Vorwurf implizieren, daß Jesus im
Zusammenhang mit Dämonenaustreibungen Beelzebul anrief, wie es von
Origenes als magische Praktik der Antike bezeugt wird (Orig, Hom in Num
13,5: magi sunt qui invocant Beelzebul) 23 . Die Pilatusakten präzisieren den
Beelzebulvorwurf in Richtung auf Goetie (Y°T]C; EOTIV, xai EV BEEX^EßoüX
XTX.), wie sie auch Empedokles (Diog Laert VIII,59), Apollonius von Tyana
(Dio Cassius LXXVII 18,4). Alexander von Abonuteichos (Luc, Alex 6) und
den Zeichenpropheten nachgesagt wurde, und weisen mit TOÜTO OÜX EOTIV EV
TtvEÜnati äxaS-äpru ExßäXXEiv r ä Saiuövia die Auffassung zurück, Jesus habe
sich bei seinen Dämonenaustreibungen eines in seine Abhängigkeit gebrachten
Geistes (vgl. PGM 1,1-42; IV,1928ff.3024f.) als Paredros bedient (Act Pilati
1,1). Der Paredrosvorwurf, der vielfach hinter Mk 3,22parr vermutet wird 2 4 ,
ist als Diskreditierung auch gegen Sokrates (Philostr, Vit Apoll 1,2), Simon
Magus (Just, Apol 126,2; PsClem, Hom ß 26,1) und Markus (Iren, Haer 113,3)
bezeugt. Speziell schamanistische Krankenheilungen unter Inanspruchnahme
von Hilfsgeistern sind aber für Jesus unwahrscheinlich, weil er die dafür
konstitutive Seelenwanderungslehre offenkundig nicht vertreten h a t 2 5 .

Exkurs: Jesus als Magier oder Goet im Talmud und bei Celsus
Außerhalb des NT ist sowohl im Talmud als auch im AAH8HX AOTOX
des Celsus stereotyp davon die Rede, daß Jesus Zauberei oder Goetie
betrieb (bSanh 43a; 107b; Orig, Cels 1,6.71; 11,32) und sich zum Erwerb
magischen Wissens in Ägypten aufhielt (Orig, Cels 1,28.38.46.68; bSanh
107b). Der gegen Jesus erhobene Vorwurf der Magie und Volksverfüh-
rung ist auch Justin bekannt (Apol 130,1; Dial 69,7; 108,2).
M. Smith führt diese antike Jesuspolemik auf ein von ihm vermutetes
jüaisch-palästinensisches "Gegenevangelium" mit einem über das Zeug-

22 Windisch, Jesus und der Geist 225-236, vermutet plausibel eine Un-
terdrückung pneumatisch- ekstatischer Züge Jesu im Traditionsprozeß (vgl.
die mt-lk Auslassung von Mk 3,21.30).
23 Vgl. Samain, L' accusation de magie 467f.
24 Kraeling, Necromancy 154-157; Böcher, Christus Exorcista 161f.;
M. Smith, Jesus the Magician 98ff.
25 ipuxri bezeichnet in der syn Tradition in Übereinstimmung mit E?g)3 ge-
wöhnlich das Leben oder die ganzheitliche Person. Lediglich Mt 10,28par
setzt überhaupt einen griechischen Leib-Seele-Dualismus, freilich keine
Seelenwanderung voraus.
180 Dämonenaustreibungen Jesu

nis der kanonischen Ew hinausgehenden historischen Wert zurück 2 6 .


Maßgebliche Bedeutung kommt dabei den Ben Stada-Traditionen in
Tosefta und Talmud zu. TSanh 10,11/jSanh 7,16 (25c-d)/jJeb 16,6 (15d)
zufolge wurde Ben Stada (Sutra, Satra), der offenkundig in der Zeit nach
70n.Chr. wirkte, vom Sanhedrin in Lydda zur Steinigung verurteilt, weil
er Götzendienst betrieben hatte. In einer weiteren, TSchab 11,15; jSchab
12,4 (13d)/bSchab 104b greifbaren Tradition ist davon die Rede, daß Ben
Stada geisteskrank (i"lU1Ei>) war und gegen die Sabbatruhe verstieß, indem
er seinen Körper mit magischen Zeichen (bSchab 104b: aus Ägypten)
beschriftete. M. Smith behauptet, nur die erstgenannte Tradition TSanh
10,llparr beziehe sich auf den historischen Ben Stada, während TSchab
ll,15parr von vornherein auf Jesus gemünzt sei, und beruft sich dabei
auf die textkritisch und vom Alter her umstrittene Identifikation von Ben
Stada und Ben Pandera (alias Jesus) in bSanh 67a/bSchab 104b 2 7 . Auch
wenn die dortige Verschmelzung beider Gestalten für den ursprüngli-
chen Text gesichert sein sollte, handelt es sich um eine spätere Kombi-
nation der Ben Stada-Tradition TSchab ll,15parr mit der talmudischen
Jesusüberlieferung bSanh 43a, derzufolge Jesus am Vorabend des Passa
wegen Zauberei aufgehängt wurde 2 8 . Entsprechend ist bSanh 67a
nunmehr von Gehängtwerden als Todesart Ben Stadas die Rede. In
TSchab ll,15parr sind nicht die geringsten Anhaltspunkte dafür gegeben,
daß hier in Blick auf Manie und magische Tätowierung an eine andere
Person als den wegen Verführung zum Götzendienst durch Steinigung
hingerichteten historischen Ben Stada von TSanh 10,llparr gedacht wäre.
Dies gilt umso mehr, als das Ägyptenmotiv, das im Horizont von Mt
2,13-15 die Hauptlast für eine Ben Stada-Jesus-Identifikation trägt, in
TSchab 11,15 als wohl ältester Tradition fehlt und erst im Talmud zuge-
wachsen ist.
Die bSanh 67a/bSchab 104b vollzogene Identifikation Jesu mit dem
des Wahnsinns und des Imports von (ägyptischer) Magie bezichtigten
Ben Stada dürfte maßgeblich dadurch mitbedingt sein, daß Jesus in den
Ew Manie (Mk 3,21.30; Joh 7,20; 8,48-52; 10,20) wie Magie (Mk

26 M. Smith, Jesus the Magician 45-67.


27 Ebda. 47f. 178, ähnlich bereits Bauer, Leben Jesu 462. Vgl. dagegen
Klausner, Jesus von Nazareth 20-23 ; Goldstein, Jesus in the Jewish Tradition
57-60, und - extrem kritisch gegenüber einer Ben Stada-Jesus-Identifikation -
Maier, Jesus von Nazareth 203-218.
28 Die Jesustradition bSanh 43a (vgl. dazu Maier, Jesus von Nazareth
219-237) scheint mit der Datierung des Todestages auf den 14. Nisan Kennt-
nis der joh Chronologie vorauszusetzen und führt mit dem Vorwurf der Zau-
berei sachlich nicht über die Beelzebulbezichtigung Mk 3,22parr hinaus.
Die Logienüberlieferung 181

3,22parr) vorgeworfen wird, beide Personen mit Sabbatverletzung in


Verbindung gebracht werden und bei Celsus die aus jüdischer Quelle
gespeiste, auch in bSanh 107b eingeflossene Behauptung einer magischen
Ausbildung Jesu in Ägypten begegnet (Orig, Cels 1,28.38.46.68)29.
Der Erwerb magischer Kenntnisse in fernen Ländern ist ein grundsätz-
lich mit historischer Skepsis zu betrachtender, fester Topos in der Le-
bensbeschreibung herausragender antiker Gestalten. Von Pythagoras,
Empedokles, Demokrit, Plato, Thessalos von Tralles oder Apollonius
wurde ebenso wie von Simon Magus behauptet, daß sie sich zur Aneig-
nung wunderbaren Geheimwissens in Ägypten, Babylonien oder Indien
aufhielten 30 . Im Falle von Jesus wurde die magische Schulung in Ägyp-
ten offenkundig aus dem hochgradig redaktionellen ägyptischen Kind-
heitsaufenthalt Mt 2,13-15 herausgelesen, auf den sich Celsus bzw. sein
jüdischer Gewährsmann ausdrücklich berief (Orig, Cels 1,38.61.66)31.
Weder der Vorwurf der Zauberei oder Goetie noch der Topos einer
magischen Ausbildung in Ägypten führt traditionsgeschichtlich oder
historisch hinter die in den Ew greifbare jüdische Jesuspolemik zurück,
sondern stellt einen wirkungsgeschichtlichen Reflex des dort grundsätz-
lich gegebenen Bildes von Jesus als Wundertäter und konkreter Einzel-
traditionen wie Mt 2,13-15; Mk 3,22parr oder Joh 7,20 dar.

* * *

Jesus betrachtet in Mk 3,22-26parr die Anschuldigung, seine Dämo-


nenaustreibungen im Dienste des Dämonenoberhauptes Beelzebul zu

29 Mit der Einführung eines fiktiven Juden (Orig, Cels 1,28.71; 11,31) gibt
Celsus zu erkennen, daß diese Jesuspolemik jüdischer Herkunft ist. Vgl. zum
Ganzen Bauer, Leben Jesu 452ff.; Fridrichsen, Probleme du miracle 59-64;
Andresen, Logos und Nomos 46ff.; Gallagher, Divine Man 48ff.; Remus,
Conflict over Miracle 104ff., Maier, Jesus von Nazareth 251-258, zur Rekon-
struktion der Celsus-Schrift Bader. AAH6HZ AOTOZ, passim.
30 Plin, Hist Nat 30,9; Philostr, Vit Apoll 1,2; Diog Laert VIII,3; Iambl,
Vit Pyth IV,18f.; Thessalos I Prooem; Diod Sic I 69,4; PsClem, Hom ß 22,3.
31 Offenkundig hatte die Quelle des Celsus Mt 2,13-15 dahingehend korri-
giert oder ausgestaltet, daß Jesus erst im Jugendalter als Tagelöhner nach
Ägypten ging und dort Magie erlernte. Von Mt 2,13-15 unabhängige histori-
sche Tradition liegt dabei kaum vor (gegen Luz, Mt-Ev I 128 mit Anm.20,
der in Orig, Cels 1.38, den Ägyptenaufenthalt Jesu als Tagelöhner für glaub-
würdig hält). Unwahrscheinlich ist die Annahme, Mt habe einen Ägyptenauf-
enthalt in die Kindheit Jesu zurückdatiert, um Jesus vom dortigen Erlernen
magischer Künste freizusprechen (M. Smith, Jesus the Magician 48). Wie
man einen Ägyptenaufenthalt des Wundertäters entschärft und positiv ein-
färbt, zeigt Philostr, Vit Apoll 1,2; Iambl, Vit Pyth 11,12; IV,18f.
182 Dämonenaustreibungen Jesu

vollbringen, mit der Replik Ttuc, Süvarai oaTavac, oaravav ExßdXXEiv


und der dies illustrierenden Bildworte vom in sich gespaltenen Reich
und Haus als widersinnig. Da der Satan nicht gegen sein eigenes Reich
vorgehen würde, handelt es sich bei der hinter Jesu Wirken stehenden
höheren Macht nicht um das Oberhaupt der Dämonen, sondern um
Gott 3 2 Die Formulierung oaravav ExßaXXEiv spielt auf solche Traditionen
an, denenzufolge Gott den Teufel durch "Hinauswerfen" entmachtet
(Apk Mos 39; Test Jud 25,3; vgl. Joh 12,31; Apk 12,9f), und steht damit
in engem sachlichen Bezug zu dem Logion vom Satanssturz Lk 10,18.
Sämtliche Züge des Streitgespräches wurzeln in zeitgenössischer jüdi-
scher Tradition und sind grundsätzlich glaubwürdig33, zumal jegliche
weitergehende christologische Explikation fehlt. Zudem spricht auch der
Sachverhalt, daß im Gegensatz zur Mehrzahl der als Gemeindebildung
geltenden syn Streitgespräche hier kein Verhalten der Jünger, sondern
ein Aspekt des Wirkens Jesu zur Diskussion steht, für Historizität.

c) Interpretation von Lk ll,20par

Ähnlich hohe Glaubwürdigkeit wie Mk 3,22-26parr kommt dem Logion


Lk 11,20/Mt 12,28 zu, das "den höchsten Grad der Echtheit" beanspru-
chen kann, "den wir für ein Jesuswort anzunehmen in der Lage sind" 3 4 .
Neben einer nur impliziten Christologie in Lk ll,20par rechtfertigt auch
der singulare Bezug zwischen Dämonenaustreibungen und präsentischer
Gottesherrschaft dieses Urteil 35 .
Steht somit der direkte innere Zusammenhang zwischen dem Wei-
chen der Dämonen und der Verwirklichung des Heils außer Zweifel, so
bleibt doch aufgrund differierender Interpretationen von E<p$aoEv um-

32 Treffend Jülicher, Gleichnisreden II 225: "Jesus hat offenbar seine


Verteidigungsrede von der Voraussetzung aus gehalten, dass man nur durch
Gott oder göttliche Kräfte Teufel austreiben kann."
33 Gegen Käsemann, Lk 11,14-28 243; Limbeck, Beelzebul 37f. mit Anm. 20.
34 Bultmann, Syn Tradition 174; vgl. Perrin, Jesus 64-69; Böcher, Christus
Exorcista 19; Gräßer, Gottesherrschaft 7-15; Merklein, Gottesherrschaft als
Handlungsprinzip 159; Nielsen, Heilung 32-40. - Sanders, Jesus and Judaism
133-156, spielt die Bedeutung von Mt 12,28par herunter, um sein Konzept von
einer futurischen Eschatologie Jesu aufrechterhalten zu können.
35 Lorenzmeier, Logion 293, nivelliert dieses Proprium Jesu, indem er kei-
nen qualitativen Unterschied zu anderen jüdischen Dämonenaustreibungen
sieht, und bezweifelt daher die Echtheit von Lk ll,20par. Dabei wird aber Lk
ll,19par nicht als sekundäre Vorschaltung von ll,20par erkannt und die Ge-
genwart der Gottesherrschaft fälschlicherweise auch für die jüdischen Dämo-
nenaustreibungen von Lk ll,19par reklamiert.
Die Logienüberlieferung 183

stritten, welcher Grad der Nähe hier für die Gottesherrschaft vorausge-
setzt ist. Dieses Problem wird nicht zuletzt dadurch virulent, daß neben
dem <p$dvEiv von Lk ll,20par in der Q-Aussendungsrede Lk 10,9/Mt 10,7
(vgl. noch Mk 1,1536) von einem kyyifyiv der Gottesherrschaft die Rede
ist, und zwar ebenfalls im Zusammenhang mit Wundertaten.

Exkurs: EyyirEiv, tp&dv£iv und das Problem der "Realized Eschatology"

Seit J. Weiß die Auffassung vertrat, zwischen Ecp&aöEv Ecp' üuac; fj


ßaoiXEia TOU &EOÜ und TJYYIXEV fj ßaötXsta TOU $EOÜ bestehe kein sachlicher
Unterschied, ist eine kaum überschaubare Diskussion um die Beziehung
zwischen Mk 1,15; Lk 10,9par einerseits, Lk ll,20par andererseits im
Gange. Kontrovers beurteilt wird dabei, ob die Aussagen vom iyyK,ziv
und vom cpödvEiv der Gottesherrschaft synonym zu fassen sind. Selbst
wo dies bejaht wird, bleibt weitergehend umstritten, ob syy'djEiv/<p^ivEi\i
dann "nahekommen, vor der Tür stehen" oder "ankommen, da sein" meint.

J. Weiß hielt TJYYIXEV Mk 1,15; Lk 10,9par und EcpdaoEV Lk ll,20par für


übersetzungsbedingte Varianten des aramäischen KHQ und interpretierte bei-
des eher futurisch: "die ßaoiXEia ist in Eure unmittelbare Nähe gekommen,
sie berührt Euch schon." 37 Diese Sicht der Dinge suchte W. Clark weiterge-
hend zu fundieren, indem er cp-&ävEiv mit dem Ergebnis untersuchte, das Verb
beschreibe "arrival upon the threshold of fulfillment and accessible experience,
not the intrance into that experience"; folglich seien die Synonyma EYYI^EIV
und (p&ävEiv mit "to draw near, even to the very point of contact" zu
übersetzen 3 8 . C.H. Dodd hingegen faßte beide Aussagen präsentisch im Sinne
von "the Kingdom of God has come" 3 9 . Während J. Becker in grundsätzlicher
Übereinstimmung damit eher den präsentischen Charakter von f)YYt>(Ev/
EipöaoEv £<p' üu.5c, ij ßaoiXEia TOU 3-EOÜ betont 4 0 , bemüht sich R.F. Berkey um

36 Mk l,14f. wurde, wie alle Summarien des Mk-Ev, unter Verwendung


von Traditionsmaterial redaktionell formuliert (Egger, Frohbotschaft 43-67).
In Mk 1.15 stammt TCETtXfjpuTai 6 xaipöc, aus einer Gal 4,4 nahestehenden
Tradition, während TJYYIKEV fj ßaoiXEia TOU 9-EOÜ Mk durch die Aussendungs-
tradition überkommen sein wird (vgl. Mt 10,7/Lk 10,9). Mk hat die Wendung
in 6,6b-13 offenbar gestrichen, um sie in 1,15 programmatisch als entscheiden-
den Verkündigungsinhalt Jesu vorzustellen (vgl. Lührmann, Mk-Ev 41.109.112).
37 J. Weiß, Predigt Jesu 70f.220f.
38 Clark, Realized Eschatology 379.382, vgl. Campbell, Kingdom of God
91-94.
39 Dodd, Parables 44f.; ders., Kingdom of God 138: " ... I take E<p$aoEV
at its face value and try to make fJYYi*Ev conform."
40 Becker, Heil Gottes 201: Bei TJYYIXEV handele es sich um bewußt ge-
wähltes Perfekt. Es bringe das Eingetroffensein im Sinne eines sich ereignen-
den Prozesses zum Ausdruck, und sowohl Mk 1,15 als auch Lk 11,20 seien mit
"Jetzt vollzieht sich das Herrwerden Gottes" zu übersetzen.
184 Dämonenaustreibungen Jesu

einen Ausgleich präsentischer und futurischer Aspekte. In beiden Fällen sei


sowohl "realized" als auch "unrealized eschatology" impliziert, eine akzepta-
ble Beschreibung hierfür böten die Begriffe "inaugurated eschatology" oder
"eschatology in the process of being realized" 41 .
Zu anderen Ergebnissen kommt man dort, wo eine Synonymität der Aussa-
gen vom EYYICEIV und vom <p-&ävEiv der Gottesherrschaft verneint wird. So
lehnt W.G. Kümmel eine Harmonisierung von Lk ll,20par mit Mk 1,15: Lk
10,9par entschieden ab. Lk ll,20par sei bewußt Etp-9-aoEV im Sinne einer in
Jesu Wirken bereits begonnenen Gottesherrschaft verwendet, und dies dürfe
nicht an die Verkündigung von deren Nähe Mk 1,15; Lk 10,9par angeglichen
werden 4 2 . Ähnlich wendet sich H.-W. Kuhn gegen die Annahme, EYY^EIV und
<p-&ävEiv seien Ubersetzungsvarianten von XPfa. Im Gegensatz zu Kümmel,
der das Nebeneinander präsentischer und futurischer Aussagen als entschei-
dendes Charakteristikum der Eschatologie Jesu betrachtet, löst Kuhn die
Spannung durch eine Zuweisung an unterschiedliche Traditionsschichten.
Während i'tp&aoEV Etp' üuac, fj ßaoiXEia TOU -9-EOÜ auf Jesus selbst zurückgehe,
könne das dem urgemeindlichen Denken gemäßere fJYYtXEv fj ßaoiXEia TOU
• 8-EOÜ Gemeindebildung s e i n 4 3 .

Für sich betrachtet, ist EcpftaöEv etp' üuac; fj ßaoiXeia TOU OEOU Lk
ll,20par präsentisch zu fassen, da tp&ävEiv (ursprünglich "zuvorkommen,
voraussein") im späteren Griechisch und dem davon beeinflußten LXX-
und NT-Sprachgebrauch die Bedeutung "hingelangen, ankommen" hat 4 4 .
Erst der Sachverhalt, daß mit TJYYIXEV tj ßaoiXEia TOÜ ÖEOU Lk 10,9par eine
fast gleichlautende und ebenfalls in Wunderkontext stehende, an und für
sich aber futurische 4 5 Aussage Jesu begegnet, reizt zu einem Ausgleich
beider Traditionen und damit zu einer Relativierung des präsentischen
Charakters vom cp&dvEiv der Gottesherrschaft oder der futurischen
Bezüge von deren Eyyilßiv. Überschneidungen ergeben sich insofern, als
in LXX beide Verben der Übersetzung von VH dienen 4 6 . Eine zumin-
dest bedingte Synonymität erhellt auch aus Dan 4,9.19, wo x n o in LXX
mit iyyil[sLv, bei Theodot dagegen mit ipOdvEiv wiedergegeben wird.
Zudem meint EYYI&IV vereinzelt nicht nur ein "nahe sein", sondern

41 Berkey, ErriZEIN 186f. Vgl. auch Jüngel, Paulus und Jesus 185-188.
42 Kümmel. Verheißung 99-101; ähnlich Strecker, Weg der Gerechtigkeit
168f.; Nielsen, Heilung 41-43.
43 Kuhn, Enderwartung 191 f.
44 Fitzer, ThWNT IX 92f.; Bauer-Aland, Wörterbuch 1708.
45 EYY^EIV hat grundsätzlich die Bedeutung "sich nähern, nahekommen",
ohne daß dies bereits die Ankunft einschlösse (vgl. Campbell, Kingdom of
God 91f.; Clark, Realized Eschatology 367-371).
46 Vgl. zu (p&ävEiv für VH Ri 20,34; 2 Chron 28,9; 2 Esr 3.1; Koh 8,14;
12,1; Cant 2,12; Dan 8,7»'; 12.120'; zu EYY^EIV für W Ps 31,6LXX;
87,4LXX; 106.18LXX; Jona 3,6; Jer 28.9LXX.
Die Logienüberlieferung 185

bereits ein "da sein" 4 7 , ohne daß solche Ausnahmen allerdings die Be-
weislast für ein grundsätzlich präsentisches Verständnis zu tragen ver-
mögen. Entsprechend der jeweiligen Grundbedeutung dürfte r\yyixsv fj
ßaoiXEia TOU 9EOÜ mit futurischem Akzent, Eip$aoEV Ecp' üuac; fj ßaoiXsia TOU
#EOÜ hingegen uneingeschränkt präsentisch aufzufassen sein. Beide
Aussagen sind grundsätzlich auf Jesus zurückführbar, da eine Spannung
zwischen präsentischen und futurischen Bezügen in der eschatologi-
schen Verkündigung durch weitere authentische Jesustraditionen bestä-
tigt wird 4 8 .

* * *

Auf das Logion Lk ll,20par bezogen, hat Ecp&aoEv Ecp' üuac; rj ßaoiXEia
TOU ÖEOÜ präsentische Bedeutung, indem das in Jesu Wirken manifeste
Weichen der Dämonen bereits gegenwärtig den Einbruch der Gottes-
herrschaft anzeigt. Neben diesen religionsgeschichtlich analogielosen
präsentischen Heilsbezügen ist Lk ll,20par eine direkte Urheberschaft
Gottes bei Jesu Wundertätigkeit entnehmbar, wie sie bereits auch Mk
3,23 implizit zum Ausdruck kam. Die Dämonenaustreibungen Jesu ge-
schehen EV SaxrüXu &EOÜ, womit er sich dem Selbstverständnis nach in-
strumental als Mittler oder Werkzeug Gottes sieht 4 9 .

Die dabei implizierte göttliche U r h e b e r s c h a f t 5 0 schließt gezielte D ä m o n e n -


a u s t r e i b u n g s p r a k t i k e n Jesu, über die das Logion weder positiv noch negativ
Auskunft gibt, keineswegs aus. Auch die M a g i e r hinter PGM IV,1227-1264
und V,96-171 b e t r a c h t e n die von ihnen vollzogenen Dämonenaustreibungen als
g o t t g e w i r k t (IV,1237-1239; V.119) oder v e r s t e h e n sich sogar als Bote d e r
G o t t h e i t Osiris (EYU EIUI 6<YYEXOC; TOU 4>arcpu 'Ooopovvucppic, V,113f.). N e b e n
dem direkten Bezug auf Ex 8,15 ruft EV SaxtüXu 9-EOÜ auch die Erinnerung

47 Vgl. Jona 3,6 x a i TJYYIXEV 6 XÖYOC, Ttpöc, töv ßaoiXsa: Die Botschaft des
Jona ist nicht nur nahe, sondern hat den König von Ninive erreicht, denn
sonst w ü r d e er nicht Buße tun. Auch Lk 21,28 könnte EYY^EIV b e r e i t s ein
Eingetroffensein der Erlösung bei der Parusie des Menschensohns meinen.
48 Lk 17,21 zufolge ist die G o t t e s h e r r s c h a f t EVTÖC, üuuv, Mk 9,1 s t e h t sie
EV SuväuEi noch aus, und Lk 6,10par wird um ihr Kommen gebeten. Es handelt
sich bei d e r G o t t e s h e r r s c h a f t um ein dynamisches Geschehen, das u n w i d e r -
ruflich in Gang g e s e t z t und damit grundsätzlich bereits eingetroffen ist (Lk
l l , 2 0 p a r ) , in seiner universalen Durchsetzung oder Vollerfüllung aber noch
a u s s t e h t , wie auch die syn W a c h s t u m s - und Kontrastgleichnisse zeigen. Vgl.
P e r r i n , Kingdom of God 185-201; Becker, Heil G o t t e s 199-209.
49 Treffend Manson, Sayings of Jesus 86: "Jesus Himself is the medium
through which the power of the Kingdom b e c o m e s operative."
so Vgl. Hahn, Hoheitstitel 298f.; Schulz, Q 208f.
186 Dämonenaustreibungen Jesu

an Gottes machtvolle Hand (Ex 9,3: Dtn 2,15; Ps 107,27) und seinen starken
Arm (Jes 40,10; 51,5; 52,10) wach. Unmittelbarste Parallele zu Lk 11,20 ist
1 QM I,14f., wo von der endzeitlichen Unterwerfung Belials und seiner En-
gel durch die "große Hand Gottes" die Rede ist 5 1 . Im antiken Judentum wur-
den Krankheitsdämonen nicht nur im Namen Gottes (11 Q Ps Ap a 1,1; IV,4),
sondern auch bei seiner machtvollen rechten Hand (Naveh/Shaked A 4,31f.;
vgl. SHR Vl,35f.) beschworen. Auf Exorzismen Jesu beim Finger Gottes er-
laubt Lk 11,20 allerdings keine gesicherten Rückschlüsse.

Für das Verhältnis von Wundertat und Wort geht aus Lk ll,20par eine
Vorordnung der Dämonenaustreibungen gegenüber der Basileia-Verkün-
digung hervor, indem das Weichen der Dämonen den Verkündigungsin-
halt als direkte Folgeerscheinung (apa) bedingt (EI) und dieser somit als
Reflex oder Kommentar dessen erscheint, was sich in der vorausliegen-
den Wundertat ereignet hat. Umgekehrt vertieft das Wort das Tatge-
schehen interpretativ als präsentischen Anbruch der Gottesherrschaft
und erschließt auf diese Weise den qualitativen Unterschied von Jesu
Wunderwirksamkeit gegenüber vergleichbaren Phänomenen seiner
Zeit 5 2 . Eine Dämonenaustreibung impliziert im antiken Judentum noch
keine Gegenwart eschatologischen Heils (vgl. 11 Q Ps Ap a ; Joseph, Ant
VIII,45-49). Von daher öffnet in Lk ll,20par das Wort den Blick auf die
Besonderheit der Tat Jesu, ohne daß dies zu einer grundsätzlichen
Überordnung der Verkündigung und zu einer Degradierung der Dämo-
nenaustreibungen als deren Beglaubigungszeichen berechtigte 5 3 . Das im
Wunderwirken Jesu manifeste Weichen des Bösen ist Prämisse für die
präsentische Gottesherrschaftsverkündigung und ruft diese hervor.
Letztlich geht die Beelzebulperikope Mk 3,22-26parr auf ein histo-
risch glaubwürdiges Streitgespräch zurück, in dem eine durch Dämo-
nenvertreibung bewirkte Stummenheilung den Vorwurf des Beelzebul-
bündnisses evoziert und Jesus dies durch impliziten Hinweis auf die
göttliche Urheberschaft seiner Wunderwirksamkeit zurückweist. In Q
wurde mit Mt 12,28/Lk 11,20 ein authentisches Logion integriert, dem-
zufolge Jesus sich bei seinen Dämonenaustreibungen, über deren Zu-
standekommen hier nichts näheres verlautet, als Werkzeug Gottes
verstand und interpretativ aus dem Weichen der Krankheitsgeister den
Anbruch der Gottesherrschaft ableitete. Dem selbständigen Gleichnis
Mk 3,27par wird im Zusammenhang mit dem Logion vom Satanssturz Lk
10,18 näher nachzugehen sein.

si Vgl. zur Rekonstruktion des beschädigten Textes Lohse, Texte 182.


52 Perrin, Jesus 67.
53 So aber von Delling, Botschaft und Wunder 392f. (vgl. auch Gnilka, Mt-
Ev I 458), unter Berufung auf Mt ll,4f.par. für Mt 12,28par vorausgesetzt.
Die Logienüberlieferung 187

1.1.2. Warnung vor Herodes (Lk 13,31-33)

Ergänzend zur Beelzebulperikope deutet die zum lk Reisebericht ge-


hörige Sonderguttradition Lk 13,31-33 auf Dämonenaustreibungen und
zudem auch auf Krankenheilungen Jesu hin. Entgegen der Annahme, Lk
habe die gesamte Szene unter Verwendung unterschiedlichen Materials
fiktiv gestaltet 5 4 , dürfte eher ein vorgegebenes Traditionsstück (13,31f.)
sprachlich redigiert und um 13,33 erweitert worden sein.

'Ev aÜTfj TTJ üpa (Lk 13.31) kommt im NT nur bei Lk vor (Lk 2,38; 10,21;
12,12; 20,19; 24,33;'Apg 16,18; 22,13), und auch die Kombination von E^EpxEo&ai
und TropEÜEodai ist abgesehen von Mt 24,1 ausschließlich im lk Doppel-
werk belegt 5 5 . Weitere Lukanismen sind in 13,3lf. nicht auszumachen 56 . G e -
gen rein lk Verfasserschaft von 13,31f. spricht zudem 13,31c mit der Tötungs-
absicht des Herodes, denn in dem wohl redaktionellen Sondergutstück Lk
23,8-12 ist Herodes demgegenüber Jesus zunächst wohlgesonnen. Lk 13,33
dürfte angesichts der lk Vorliebe für TTXTJV (Mk lmal; Mt 5mal; Lk 15mal;
Apg 4mal) als redaktionelles Interpretament von 13,32 und zugleich als
Überleitung zu 13,34f. von Lk angeschlossen worden sein 5 7 .

Eine weitergehende Dekomposition von Lk 13,31f. scheitert daran, daß


nicht begreiflich wäre, wie aus dem Logion Lk 13,32b die Szene
13,31.32a entwickelt worden sein könnte 5 8 . In der lk Endgestalt der
Perikope meint xai TTJ Tpirrj TEXEiouuai 13,32b im Horizont von 13,33, daß
Jesus auf göttlichen Ratschluß hin (SET, vgl. Mk 8,31; Joh 3,14) in Jerusa-
lem das gewaltsame Geschick der Propheten erleiden muß und daher
die im Widerspruch zu Gottes Heilsplan stehenden Tötungsabsichten
des Herodes in Galiläa (13,31) zum Scheitern verurteilt sind. Für Lk

54 Denaux, L'hypocrisie 258-285: Lk 13,31-33 sei unter Verwendung von


Traditionsmaterial (u.a. aus Mk 6,6b-29) von Lk als Einleitung für 13,34f.
geschaffen worden. Ähnlich Rese, Erwägungen, bes. 224f.
55 Jeremias, Sprache 234, in Anlehnung an Denaux, L' hypocrisie 260.
56 Jeremias, Sprache 234, hält das im NT nur bei Lk belegte laoic, (Lk
13,32; Apg 4,22.30) in 13,32 für redaktionell, doch bleibt dies unsicher (vgl.
Steck, Israel 41, Anm.3). Denaux, L' hypocrisie 261, will das Verhalten der
Pharisäer und die Machtlosigkeit des Herodes Lk zuschreiben, Füller, Wunder
Jesu 92, spricht gar von Lk 13,32 als "programmatischer Erklärung" des Lk.
57 Steck, Israel 43f.; Schneider, Lk-Ev II 310; Schnackenburg, Lk 13,31-33
237f.; ähnlich Jeremias, Drei-Tage-Worte 222f., der allerdings Lk 13,33 für
ein echtes Jesuswort hält (225); vgl. ferner Bultmann, Syn Tradition 35. -
Blinzler, Reisebericht 42-46, vermutet dagegen unter Streichung von ofniEpov
xai aüpiov Lk 13,33 einen originären Zusammenhang von 13,31-33 (ähnlich
bereits Wellhausen, Lk-Ev 75f.). Für Einheitlichkeit von Lk 13,31-33 plädieren
dagegen Grimm, Eschatologischer Saul 129ff.; Hoehner, Herod Antipäs 215
(vgl. auch Conzelmann, Mitte der Zeit 60).
58 Vgl. Bultmann, Syn Tradition 35.
188 Dämonenaustreibungen Jesu

13,31f. als vorlk Tradition ist dagegen unklar, ob xai TTJ TPITTJ TEXstoüuai
13,32b im medialen Sinne von "ich komme zum Abschluß" als logische
Fortführung von äitoTEXu öfjuEpov xai aüpiov Jesu aktives Vollenden sei-
ner Dämonenaustreibungen und Krankenheilungen meint oder eher als
Passivum Divinum aufzufassen ist.
Christologisch qualifiziertes, passives TcXEioübdai begegnet im NT nur
im Hebr (5,9; 7,28), und zwar für die himmlische Vollendung Jesu nach
seinem Kreuzestod. Mediales TeXEioüoöai ist zumindest in der Profan-
gräzität belegt 59 . Folglich kommen zwei Übersetzungsvarianten für
TEXEiouuai in Betracht. Diese Verbform kann medial mit "ans Ziel kom-
men, vollenden" wiedergegeben werden und Lk 13,32 den Sinn haben,
daß Jesus sich von den Tötungsabsichten des Herodes nicht beeindruk-
ken läßt, sondern mit seiner Wundertätigkeit bis zu deren Abschluß
fortfährt. Alternativ besteht die Möglichkeit, TEXEiouuai als Passivum
Divinum aufzufassen. Lk 13,32 brächte in diesem Falle die Überzeugung
zum Ausdruck, daß nicht Herodes, sondern allein Gott nach einer unbe-
stimmten Fortdauer der Dämonenaustreibungen und Krankenheilungen
dem Wirken Jesu ein Ende setzen wird 6 0 .
Nicht allein die Aporie, einen plausiblen nachösterlichen "Sitz im Le-
ben" für Lk 13,31f. in seiner ältesten Gestalt zu ermitteln 61 , deutet auf
ein hohes Maß an Glaubwürdigkeit hin. Daß Herodes Antipas, der den
Täufer hinrichten ließ (Mk 6,14-29; Joseph, Ant XVIII,116-119), auch ge-
genüber Jesus Tötungsabsichten hegte, erscheint historisch als plausi-
bel 6 2 . Das Lk 13,31 entnehmbare, in der Evangelientradition singulare
Bild der Pharisäer als einer Jesus wohlgesonnenen Gruppierung spricht
gegen eine sekundäre Formulierung des Stoffes 63 . Zudem ist durch iSoü
ixßäXXu Saiuovia eine Kohärenz zu Lk ll,20par gegeben, ohne daß die
ergänzende Erwähnung von Krankenheilungen oder das Schweigen hin-

59 Iambl, Vit Pyth XXIX,158 ( x a i rfjv XOYIXTJV ETEXEiüoaro); Iambl, Protr


20 ((ia&ETv x a i Yvövra TEXeüaao-9-ai).
60 Im Horizont von Lk l l , 2 0 p a r , wo Jesu Damonenaustreibungen EV SaxrüXu
&EOU den Anbruch der G o t t e s h e r r s c h a f t markieren, kann man erwägen, ob
bei TEXEIOCUÖI an die Beendigung der Wirksamkeit Jesu durch den universalen
Durchbruch oder die Vollendung der G o t t e s h e r r s c h a f t gedacht ist.
61 Vgl. Bultmann, Syn Tradition 35: Es liege keine ideale Szene, sondern
ein singuläres, im eigentlichen Sinne biographisches Stück vor.
62 Vgl. Tyson, Jesus and Herod 245f.: Gnilka. Jesus 272.
63 Tyson, Jesus and Herod 245; Hoehner, Herod Antipas 214 mit Anm.4.
Das relativ positive Pharisäerbild im lk Doppelwerk (vgl. S t e m b e r g e r , Phari-
säer 30-35) r e c h t f e r t i g t hier kaum die Annahme eines redaktionellen Motivs
(gegen Rese, Überlegungen 212, vgl. 210 mit Anm. 4 8 ) . Heuchlerische A b -
sichten der Pharisäer ( W e t t s t e i n , N T - G r a e c u m I 748 Simulant autem se
Christo bene velle) liegen bei der Warnung von Lk 13,31 nicht vor.
Die Logienüberlieferung 189

sichtlich der Urheberschaft Gottes in Lk 13,32 eine unüberbrückbare


Diastase zwischen beiden Traditionen darstellte. Sofern Lk 13,32 tat-
sächlich ein authentisches Jesuswort vorliegt, hat Jesus den Dämonen-
austreibungen und Krankenheilungen einen derart hohen Stellenwert
beigemessen, daß er mit den Worten ExßaXXu Satuövta xai läöEic, (XTCOTEXU
geradezu seine gesamte galiläische Wirksamkeit zusammenfassend
umschreiben konnte 6 4 , ohne einen expliziten Hinweis auf die dortige
Verkündigungs- und Lehrtätigkeit zu geben.

1.1.3. Die Entmachtung des Satans (Mk 3,27parr; Lk 10,18)

Die in der Beelzebulperikope Mk 3,22-26parr verarbeiteten Traditionen


und mit Vorbehalt auch Lk 13,31f. verbürgen Dämonenaustreibungen
Jesu mit ideeller Urheberschaft Gottes und gegenwärtiger Heilsverwirk-
lichung. Mk 3,27 und Lk 10,18 gewähren demgegenüber einen weiter-
gehenden Einblick in die Voraussetzungen des Wunderwirkens Jesu und
machen verständlich, warum Jesus im Gegensatz zu anderen Wundertä-
tern seiner Zeit aus Dämonenaustreibungen die Gegenwart der Gottes-
herrschaft ableitete.

a) Das Gleichnis von der Überwindung des Starken (Mk 3,27)


Das bereits früh mit der Beelzebulperikope verbundene, ursprünglich
aber selbständige Gleichnis von der Überwindung des Starken liegt
neben Mk 3,27/Mt ll,29f. in einer deutlich abweichenden Q-Fassung Lk
ll,21f. vor 6 5 . Die Ansicht, Lk ll,21f. repräsentiere hier eher die ältere
Tradition 66 , läßt sich nicht verifizieren.

Die gehäufte militärische Terminologie in Lk ll,21f. (xa9-uTtXiau.Evoc„


ipuXäooTj, vixfjoTj, TtavoTtXiav, oxüXa) deutet auf eine Allegorisierung des Mk
3,27 besser bewahrten Gleichnisses unter dem Einfluß des Motivs vom himm-
lischen Krieg gegen den Satan hin 67 . Vollständig auf Lk wird 11,22c xai t ä

64 Vgl. Jeremias, Theologie 96; Hollenbach, Jesus' Exorcisms 125.


65 Zur Q-Zugehörigkeit und ursprünglichen Selbständigkeit des Gleichnis-
ses siehe oben IV.1.1.1.
66 Offenbar von Jülicher, Gleichnisreden II 226-229; Grimm, Jesu Ver-
kündigung 88-93, vorausgesetzt.
67 Als Anschauungshintergrund kommt Test Lev 3,3; Test Dan 5,10f.; 1 QM
I,4f.l4f.;XV-XIX; Apk 12,7-12 in Betracht. Gegen eine rein lk Verfasser-
schaft dieser Ausgestaltung (Klauck, Allegorie 183) sprechen die lk Hapax-
legomena xa^UTtXiouEvoc,, vixav und icavoTtXia (vgl. Eph 6,11).
190 Dämonenaustreibungen Jesu

oxüXa aütoü SiaSiSuoiv zurückgehen . Diese Anspielung auf Jes 53,12LXX


(xai TUV ioxupuv uspiET oxüXa) christologisiert das Gleichnis unter Rückgriff
auf Gottesknechtstradition 6 9 . Zudem ist in Lk 11,22 ioxupÖTEpoc, titular auf
Jesus gemünzt (vgl. Lk 3,16; Apg 13,25).

Als ursprünglich selbständiges, erst sekundär zur Beelzebulperikope


hinzugetretenes Gleichnis könnte Mk 3,27 sprichwörtliche Erfahrungs-
weisheit ohne damonistische Bezüge beinhalten 70 . Demgegenüber drängt
eine begriffs- und motivgeschichtliche Analyse zu der Annahme, daß Mk
3,27 originär in den Sachzusammenhang einer Entmachtung des Satans
und Bekämpfung der ihm untergebenen Dämonen hineingehört.

Die Wendung TÖV ioxupöv Sfjoij ruft das in jüdischer Tradition für die
eschatologische Zeit erwartete Binden des Satans wach (Test Lev 18,12 xai 6
BsXiap 8EÖfjoETai ürt' aüroü [sc. &EOÜ 7 1 1), zumal ioxupöc, Mk 3,27 titular für
den Satan gebraucht zu sein scheint. Zudem ist SETV im Wächterbuch des
Henoch terminus technicus für das Fesseln von Dämonen. Raphael bindet auf
Gottes Befehl hin Azael (griech Hen 10,4 Sijoov TÖV 'A^afjX; 13,1), Michael
soll Semyaza und seine Gefährten fesseln (10,12). Die oixia TOU ioxupoü Mk
3,27 schließlich ist auf die Vorstellung vom menschlichen Körper als Wohn-
stätte des Teufels (Test Napht 8,6) hin transparent.

Die damonistische Metaphorik von Mk 3,27 stellt keine esoterische


Geheimlehre dar, die auf nachösterliche Allegorisierung hindeutete,
sondern knüpft an geläufige Topoi jüdischer Eschatologie an 7 2 . Auch
wenn unbekannt ist, in welchem Zusammenhang Jesus das Gleichnis
lehrte, deutet dessen Motivinventar darauf hin, daß der traditionsge-
schichtlich sekundäre Kontextbezug zur Beelzebulperikope insoweit den
tatsächlichen Gegebenheiten entspricht, als es sich bei Mk 3,27 um ei-
nen Kommentar Jesu zu seinen Dämonenaustreibungen handelt. Daß in
jüdischer Tradition das eschatologische Binden des Teufels (Test Lev
18,12) oder dessen Vernichtung im Endgericht (Test Jud 25,3; griech

68 Weitere Lukanismen sind neben cpuXäooEiv (6mal im Lk-Ev; 8mal Apg;


bei Mk wie Mt je lmal) auch ünäpxEiv, eipfjvr], ETiEpxEoS-ai und TCEIÖEIV, vgl.
Klauck, Allegorie 183, Anm.180 ; Fuchs, Beelzebulkontroverse 96. Enge Bezü-
ge von Lk 11,21b.22c zu den ebenfalls redaktionellen Besitzverzichtsaussagen
in Apg 4,34f. weist Legasse, L' "Homme fort" 8f., nach.
69 Jülicher, Gleichnisreden II 228; vgl. auch Grundmann, ThWNT III 403;
Grimm, Verkündigung 88-93, der allerdings bei Lk ll,21f. mit einem authen-
tischen Jesuswort rechnet.
70 Lührmann, Mk-Ev 76 ("allgemeine Regel"). Vgl. Jes 49,24; Ps Sal 5,3.
71 Test Lev 18,12 ist ursprünglich nicht der messianische Hohepriester,
sondern Gott handelndes Subjekt, vgl. Becker, Untersuchungen 297f.; ders.,
JSHRZ 111,1 61.
72 Vgl. Klauck, Allegorie 182.357L
Die Logienüberlieferung 191

Apk Esr 4,43) normalerweise Gott vorbehalten bleibt, spricht gegen eine
weitverbreitete christologische Interpretation von Mk 3,27. Die Aussa-
geintention liegt nicht in der Enthüllung eines Sendungsbewußtseins
Jesu, stärker als der Satan zu sein und diesen besiegt zu haben 7 3 ,
sondern es handelt sich um ein Gottesgleichnis 74 . Wie man das Haus
eines Starken dann berauben kann, wenn man ihn gefesselt hat, dringt
Gott in den Machtbereich des Teufels ein, nachdem er diesen gebunden
hat, was hier als ein bereits eingetretenes und vermutlich mit dem
Satanssturz Lk 10,18 identisches Ereignis vorausgesetzt ist 7 5 . Die
eschatologische Fesselung des Dämonenbeherrschers impliziert eine
Schwächung der unter seinem Kommando stehenden, ihres Oberhauptes
beraubten bösen Geister (Test Lev 18,12). Mit seinen EV SaxtüXu TOÜ
S-EOU vollzogenen Dämonenaustreibungen versteht sich Jesus offenkundig
als Werkzeug Gottes bei dem Unterfangen, nach der definitiven
Entmachtung des Teufels gegen die nunmehr herrenlos gewordenen
Dämonen als verbliebene Verursacher des Bösen vorzugehen. Die Bin-
dung Satans zieht Dämonenaustreibungen Jesu nach sich.

b) Das Logion vom Satanssturz Lk 10,18


Vom Aussagegehalt her mit Mk 3,27 weitgehend deckungsgleich ist das
Sondergutlogion vom Satanssturz Lk 10,18. Dieses ursprünglich eigen-
ständige Jesuswort wurde erst sekundär in den Sachzusammenhang von
Dämonenaustreibungen im Namen Jesu (Lk 10,17.19) hineingestellt 76 und
ist daher losgelöst von diesem Kontextbezug auf seinen Sinngehalt hin

73 So Dibelius, Formgeschichte 221; Dodd, Parables 95f.; Jeremias,


Gleichnisse 123 ("Satana maior Christus!"); Grundmann, ThWNT III 404 ("daß
Jesus der ioxupÖTEpoc, ist, der den ioxupöc, besiegt hat und seine Beute
raubt"); Laufen, Doppelüberlieferungen 138; Böcher, EWNT I 508. Die Be-
rührungen zwischen Mk 3,27 und Jes 49,24 sind zu entfernt, als daß sie eine
christologische Gottesknechtsdeutung des ursprünglichen Gleichnisses recht-
fertigten.
74 Percy, Botschaft 184f.; Käsemann, Lk 11,14-28 245; Klauck, Alle-
gorie 182; Sand, Mt-Ev 262; Schmithals, Lk-Ev 133; Wiefei, Lk-Ev 221;
Vollenweider, Satan 197 Anm.48.
75 Gegen Lührmann, Mk-Ev 76 (Mk 3,27 zeige nicht, daß der Satan schon
gefesselt ist). - Daß Mk 3,27 auf die Versuchung Jesu rekurrierte (u.a.
Jeremias, Gleichnisse 123), davon ist hier "gar nichts wahrzunehmen" (Jüli-
cher, Gleichnisreden II 226).
76 Vgl. Bultmann, Syn Tradition 170.174; Miyoshi, Reisebericht 99f.; Fitz-
myer, Luke II 859. Gegen Vollenweider, Satan 189-191. Ausführliche Analyse
von Lk 10,17-20 in Teil V.l.l. dieser Untersuchung.
192 Dämonenaustreibungen Jesu

zu befragen. Der Blitzschlag dient dabei nicht einfach nur als Bild für
den Sturz des Satans, ohne daß an dessen Anwesenheit im Himmel
gedacht w ä r e 7 7 , sondern das Herabfallen eines Blitzes vom Himmel auf
die Erde veranschaulicht einen analogen Sturz des Satans 7 8 . Folglich
setzt Lk 10,18 eine dem Fall vorausgehende Anwesenheit des Satans im
Himmel voraus, wo er nach traditioneller jüdischer Anschauung als
Ankläger der Menschen vor Gott fungiert.

Locus classicus für dieses Motiv ist Hiob 1,6-12; 2,1-6, wo der Satan vor
Gott Hiobs Bewährung im Leid bezweifelt (vgl. auch Sach 3,1 und Ps 109,6).
Breit entfaltet ist die Funktion des Satans oder einer ähnlichen Gestalt als
himmlischen Anklägers in der atl-apokryphen Literatur. Jub 1,20 bittet Mose
für sein Volk, daß es nicht von Beichor (Belial) vor Gott angeklagt werde.
Jub 48,15.18 ist von einer vorübergehenden Fesselung Mastemas die Rede,
damit er die Kinder Israels nicht anklage. Äth Hen 40,7 werden mehrere Sa-
tane daran gehindert, an Gott heranzutreten und die Menschen anzuklagen.

Die Imperfektform EÖEÜpouv Lk 10,18 zeigt, daß Jesus eine ihm in der
Vergangenheit zuteilgewordene Vision 79 wiedergibt. Diese Vision be-
stand nicht aus der Vorwegschau eines zukünftigen, noch nicht einge-
tretenen Ereignisses, sondern beinhaltete ein bereits Wirklichkeit ge-
wordenes Geschehen 8 0 . IlEoövTa ist dabei im Sinne eines gottgewirkten
Gestürztwerdens des Satans aufzufassen 81 . Daß der Sturz des Satans
und das damit verbundene grundsätzliche Zerbrechen seiner Macht Lk
10,18 wie in Mk 3,27 als ein schon vollzogener Akt gilt, steht in deutli-
cher Diskrepanz zu zeitgenössischen jüdischen Anschauungen, denen-
zufolge sich die definitive Entmachtung des Satans in der Zukunft ereig-
net und erst die kommende Heilszeit satansfreie Zeit sein wird.

77 Gegen Michaelis, ThWNT VI 163, Anm.11: TtiitTEiv könne Lk 10,18 die


übertragene Bedeutung gestürzt werden = die Macht verlieren haben, wobei
der Vergleich mit dem Blitz dann nur die Raschheit illustriere, mit der dies
geschah. - Auch in der Parallele Test Sal 20,16f. fallen dagegen die Dämo-
nen üc, äoTpaTtai vom Himmel auf die Erde (dazu: Vollenweider, Satan
192-194; Crump, Scribal-Intercessor 54f.).
78 Müller, Vision 418, Anm.8; vgl. auch J. Weiß, Predigt Jesu 92f.
79 Vgl. zum Visionscharakter von Lk 10,18 J. Weiß, Predigt Jesu 93; Mül-
ler, Vision 417ff.; Sato, Q 114-116. Völlig abwegig Hill, Who Saw Satan
Fall? 26-40: E-8-EÜpouv sei 3.Pers.PL, und nicht Jesus, sondern die Dämonen
hätten den Satanssturz beobachtet.
80 Kümmel, Verheißung 107; Merklein, Jesu Botschaft 60 mit Anm.8. Ge-
gen Zerwick, Vidi satanam 110-114.
81 Michaelis, ThWNT VI 163, Anm.11. Gegen Spitta, Satan 161f: Im Ge-
gensatz zu Joh 12,31; Apk 12,9 könne man Lk 10,18 nicht von einer Verdrän-
gung Satans aus dem Himmel sprechen, sondern das TCITTTEIV EX TOU oüpavoü
sei als aktiver Versuch Satans anzusehen, Schaden auf Erden anzurichten.
Die Logienüberlieferung 193

Der Topos von Gottes endzeitlicher Vernichtung oder Entmachtung des


Satans begegnet im antiken Judentum in unterschiedlicher Ausformung. Test
Lev 3,3; Test Dan 5,10f. 8 2 und 1 Q M XV-XIX erwarten einen eschatologi-
schen Krieg Gottes gegen Beliar/Belial und seine Heerscharen. Ähnlich
liegt der Fall 11 Q Melch 11,12ff., wo allerdings Melchisedek als eschatolo-
gischer Richter über Belial fungiert 8 3 . Test Jud 25,3 zufolge wird Beliar
nach der Auferstehung der Patriarchen (25,lf.) in das Feuer geworfen werden
(EußXTiS-fjoETai), und griech Apk Esr 4,43 kündigt Gott sogar eine Einschmel-
zung der gesamten Erde zur Vernichtung des sich versteckt haltenden "Wi-
dersachers" an. Nach Apk Mos 39 (vgl. Vit Ad 47) wird Adam am Ende der
Tage auf des Verführers Thron gesetzt, jener aber gestürzt (ßXr|-&tjoETai) und
gerichtet werden (xaTaxpt&fjoETai).
Mit der endzeitlichen Vernichtung des Satans wird Gottes alleinige Herr-
schaft über seine Schöpfung wiederaufgerichtet, und es erfolgt eine Restitu-
tion der satansfreien Heilszeit wie einst im Paradies. Besonders anschaulich
erhellt dies aus Ass Mos 10,1 (et tunc parebit regnum illius in omni creatura
illius et tunc zabulus finem habebit et tristitialml cum eo adducetur). Auch
Test Lev 18,10-14 ist die Fesselung Beliars in die Wiederherstellung des
Paradieszustandes eingebunden. Test Dan 5,10f. folgen dem Sieg über Beliar
ebenso ewiger Friede und ein Verharren der Heiligen im Garten Eden wie
Jub 23,29 "und alle ihre Tage werden sie in Frieden und in Freude vollenden
und leben. Und es gibt auch keinen Satan, und es gibt auch keinen Bösen, der
zugrunde richtet" (vgl. Jub 50,5; Test Sim 6,6) 8 4 . Syr Bar 73,1-3 zieht die
eschatologische Königsherrschaft das Ende von Krankheit und vorzeitigem
Tod nach sich.

Hebt sich Lk 10,18 von zeitgenössischen jüdischen Vorstellungen


durch die bereits vollzogene Entmachtung des Satans durch Gott ab, so
besteht der entscheidende Unterschied zu vergleichbaren ntl Aussagen
im Fehlen christologischer Bezüge 8 5 . Joh 12,31 und Apk 12,9-12 ist
dagegen die Entfernung des Satans aus dem Himmel eng mit Jesu Tod
und Erhöhung verknüpft und damit trotz nach wie vor gegebener Wirk-
samkeit Gottes ein maßgeblich christologisch qualifiziertes Geschehen.

Joh 12,31 vöv ö apxuv TOU xöouou TOÜTOU ExßXiv&fjoETai E^U erfolgt das
Gericht am Satan in der Todesstunde Jesu (vüv, vgl. Joh 12,27.33). Auch der
zum Sturz des Satans und seiner Engel auf die Erde führende himmlische
Krieg Apk 12,7-12 ist christologisch eingefärbt, da Apk 12,5 auf die Geburt

82 Bei Test Dan 5,10b-13 handelt es sich wohl um ein ehemals selbständi-
ges Traditionsstück, das an Goft als Kriegsherrn gegen Beliar denkt, vgl.
Becker, Untersuchungen 352-354; ders., JSHRZ 111,1 95f.
83 Vgl. von der Osten-Sacken, Gott und Belial 207f.; Reiser, Gerichtspre-
digt Jesu 68f. Zur Textrekonstruktion von 11 0 Melch: Puech, Notes 485ff.
84 Vgl. die satanslose eschatologische Neuschöpfung kopt Apk Elias 5,38.
85 Müller, Vision 419; Nielsen, Heilung 48.
194 Dämonenaustreibungen Jesu

und Entrückung Jesu anspielt 8 6 und der Sieg über den Teufel Apk 12,11 mit
christologischen Sühnetodvorstellungen verknüpft wird.

Es handelt sich bei Lk 10,18 um ein authentisches, von nachösterli-


cher Traditionsbildung unbeeinflußtes und mit seinen präsentischen
Heilsbezügen zugleich in deutlicher Spannung zu zeitgenössischer
jüdischer Eschatologie stehendes Logion. Jesus betrachtete die Gegen-
wart dahingehend als Heilszeit, daß die Macht des Satans von Gott be-
reits gebrochen wurde und als Folge Gottes Herrschaft über seine
Schöpfung fortschreitend wiederaufgerichtet wird, wie dies zeitge-
nössischen jüdischen Anschauungen vom (allerdings zukünftigen) Sa-
tanssturz entspricht. Dabei ist offenkundig nach der Entfernung des
Satans aus dem Himmel noch ein vorübergehendes Weiterwirken der
ihm untergebenen Dämonen auf der Erde vorausgesetzt. Wird damit die
ßaoiXEia TOU &EOÜ nach Jesu Verständnis noch nicht EV SuvduEi (Mk 9,1)
realisiert, so zeigt doch umgekehrt der Satanssturz aus dem Himmel,
daß Gott die Herrschaft über seine Schöpfung unwiderruflich durchzu-
setzen beginnt. Folglich macht es in bezug auf die Mk 3,22parr; Lk
ll,20par; 13,32 bezeugten Dämonenaustreibungen Jesu Sinn, dort im
Horizont von Lk 10,18 von "Nachhutgefechten" eines bereits entschiede-
nen Kampfes Gottes gegen den Satan zu sprechen 8 7 . Es geht Jesus als
"Handlanger" Gottes darum, die Dämonen als verbliebene Repräsentan-
ten des grundsätzlich besiegten Bösen zu eliminieren.
Wann und wo Jesus den Satanssturz Lk 10,18 beobachtete, kann nicht
mehr ermittelt werden, da der jetzige Kontextbezug sekundär ist. Trotz
aller Hypothetik spricht vieles dafür, daß es sich bei der Schau des
Satanssturzes um das entscheidende Ereignis handelt, das die Loslösung
von Johannes dem Täufer hervorrief, der keine Wunder vollbrachte (Joh
10,41). Lk 10,18 hätte dann als eine Art Berufungsvision den Beginn der
eigenständigen Wirksamkeit Jesu mit Damonenaustreibungen und darauf
bezogener Basileia-Verkündigung markiert 8 8 . Die Eschatologie Jesu mit
ihren präsentischen Zügen und einer eindeutigen Heilsprävalenz, durch
die Gerichtsvorstellungen an den Rand gedrängt werden oder sogar als

86 Im Horizont von Apk 19,15 ist 12,5 auf Jesus gemünzt (Holtz, Christo-
logie 98-101; Kraft, Offb 166; gegen Roloff, Offb 128).
87 Becker, Heil Gottes 210; Klauck, Allegorie 182; ähnlich Müller, Vision
421; Nielsen, Heilung 50f. Gegen Merklein, Jesu Botschaft 64.
88 Vgl. Müller, Vision 427-429. Ähnlich Merklein, Jesu Botschaft 62: Die
Vision Lk 10,18 könne Jesus nach seiner Taufe in der Wüste zuteilgeworden
sein. Vielleicht darf man in diesem Zusammenhang religionsphänomenologisch
an die Geistervisionen erinnern, die den Auftakt im Wirken von Schamanen
markieren (Eliade, Shamanism 85-88).
Die Logienüberlieferung 195

bedeutungslos erscheinen 89 , dürfte jedenfalls historisch der maßgebliche


Grund für Jesu Trennung von Johannes dem Täufer gewesen sein 90 .

1.1.4. Wunderinstruktionen an die Jünger (Mk 6,6b-13parr)


Jesus hat der Überlieferung zufolge nicht allein persönlich Dämonen-
austreibungen und Krankenheilungen vollbracht, sondern in seiner Aus-
sendungsrede auch Jünger zu derartigen Taten bevollmächtigt (Mk 6,
6b-13parr).
Quellenmäßig handelt es sich zweifelsfrei um eine Doppelüberlieferung. Lk
9,1-6 orientiert sich dabei an Mk 6,6b-13, während Lk 10,1-12 auf Q beruht.
Mt hat die Aussendungstradition der Logienquelle mit Mk 6,6b-13 verschmol-
zen (9,37f.; 10,5-16).
Ein Vergleich von Q mit Mk 6,6b-13 verdeutlicht, daß die vier Elemente
a) Vorschrift über die Ausrüstung, b) Anweisung für das Verhalten in einem
Haus, c) Bevollmächtigung zu Wunder und Verkündigung sowie d) Regelung
des Verhaltens bei Ablehnung den ältesten Kern der Aussendungstradition
ausmachen 91 . Daß 0 quantitativ deutlich über Mk 6,6b-13 hinausgeht, wird
vereinzelt - etwa im Falle des Gerichtswortes Lk 10,12par - aus späterem
Wachstum resultieren, überwiegend aber auf einem exzerptartigen Charakter
von Mk 6,6b-13 beruhen, wobei einzelne Instruktionen der Q-Tradition für die
(vor)mk Missionssituation offenbar nicht mehr aktuell waren 9 2 .
In den Wunderinstruktionen Mk 6,6b.7 und deren Durchführung 6,12f.(30)
ist Mk gegenüber Q sekundär. Die Exposition Mk 6,6b.7 einschließlich einer

89 Vgl. Becker, Johannes der Täufer 88-104, ferner Reiser, Gerichts-


predigt Jesu 303-307, der freilich den Stellenwert der Gerichtsthematik in
der Verkündigung Jesu zu hoch veranschlagen dürfte.
90 Jesus teilte zunächst die Täuferverkündigung vom unmittelbar bevorste-
henden Endgericht, da er sich andernfalls nicht der Johannestaufe unterzogen
hätte. Umso dringlicher stellt sich dann die Frage, warum Jesus die Ge-
richtsbotschaft des Täufers nicht in das Zentrum seiner Verkündigung rückte
und die damit eng verbundene Taufe des Johannes überhaupt nicht oder allen-
falls kurze Zeit (Joh 3,22.26; 4,1) fortführte. Eine plausible Erklärung dafür
bietet die Entwicklung einer eigenständigen, von präsentischen Heilsbezügen
dominierten Eschatologie. Vgl. auch H. Stegemann, Essener 316-330.
91 Gegen Uro, Sheep among the Wolves 98-116, der allein Lk 10,4ab.5-7ab
als Kern betrachtet und die Instruktionen von Lk 10,8-llpar ohne überzeu-
gende Begründung für einen Zuwachs hält.
92 Vgl. hier zum Verhältnis von Mk und Q Hahn, Mission 34f.; Laufen,
Doppelüberlieferungen 246-260; Nielsen, Heilung 82-85; Schüling, Studien
17-55. Gegen Schürmann, Vorgeschichte 137-149, zählt das samariakritische
Logion Mt 10,5b.6 nicht zur ursprünglichen Aussendungsrede, sondern ist wohl
in Q M t zugewachsen. Abwegig Fuchs, Aussendungsrede 80ff., der in Lk
10,l-12par in hohem Maße mit dt-mk Redaktion statt mit Q-Stoff rechnet und
die Abweichungen gegenüber Mk 6,6b-13 von vornherein für sekundär hält.
196 Dämonenaustreibungen Jesu

Sendung der Zwölf geht auf Mk zurück. Mk 6,6b enthält das typisch mk
Motiv vom lehrenden Jesus (u.a. Mk l,21f.; 2,13; 8,31). Mk 6,7 mit der uns
interessierenden Notiz ESISOU aütoTc, E^ouoLav töv TrvEuu.aTuv TUV äxaS-äpruv
ist eine Reproduktion von Mk 3,14f.93. Freilich basieren sowohl Mk 3,15 als
auch Mk 6,7 auf einer älteren, auch in Q fest mit der Jüngeraussendung ver-
bundenen Bevollmächtigung zu Dämonenaustreibungen (Mt 10,8). Mk 6,12f.
konstatiert den Vollzug der Aussendung in Form von Umkehrruf, Dämonen-
austreibungen und Krankenheilungen mittels Öl, wobei das Wirken der Jünger
an die Verkündigungs- und Heilungstätigkeit Jesu in dem mk Summarium 1,39
angeglichen wird. Als Verkündigungsinhalt war auch Mk T}YYIXEV fj ßaoiXEia
TOU S-EOÜ überkommen, was er redaktionell in Mk 1,15 einfließen ließ, um es
als entscheidenden Aspekt des Evangeliums dem Beginn der öffentlichen
Wirksamkeit Jesu programmatisch voranzustellen (vgl. IV.l.l.c).

Die älteste Gestalt der Jüngerbevollmächtigung zu Heilung und Ver-


kündigung ist folglich aus Mt 10,7f./Lk 10,9 zu ermitteln. Mt 10,7f. wird
die Verkündigung der Gottesherrschaft den Wundern vor- und damit
sachlich überordnet, wobei es sich um jeweils eigenständige, nicht
unmittelbar korrellierende Größen handelt. Lk 10,9 ist dagegen eine
Abfolge von Heilungen und darauf bezogener Wortverkündigung ent-
nehmbar, indem zunächst eine Beauftragung zu Krankenheilungen ergeht
und dann den Geheilten die Nähe der Gottesherrschaft zugesprochen
werden soll (XEYETE aürou; sc. TOTC, äö&EVEQiv Lk 10,9) 94 . Ob E<p' üuac,
dabei dem Q-Wortlaut entspricht oder sich lk Assimilation von Lk 10,9
an das Logion Lk ll,20par verdankt, kann nicht mit Gewißheit entschie-
den werden. Der lk Abfolge von Heilung und Ansage der Gottesherr-
schaft kommt trotz eines bei Lk mehrfach redaktionellen Tat-Wort-
Schemas höchstwahrscheinlich Ursprünglichkeit zu, da Mt seinerseits

93 Zu Mk 3,14f. iva äTtoaTEXXrj aüroüc, xiipüooEiv xai EXEIV E^ouoiav


ixßäXXEiv r ä Saiuövia vgl. Reploh, Markus 46: "Offensichtlich ist 3,14f. im
Blick auf 6,6b-13 formuliert, und umgekehrt greift 6,6b-13 auf die Formulie-
rung von 3,14f. zurück." Erst Mk ordnet also die Wundertaten der Verkündi-
gung unter.
94 Diese Abfolge läßt sich weder stillschweigend umkehren (Schulz, Got-
tesherrschaft 59: "Nach der Aussendungsrede ILk 10,2ff.l sollen die von Jesus
ausgesandten Jünger und apokalyptischen Erntearbeiter in Israel ausrufen:
'Die Gottesherrschaft ist nahe herbeigekommen' und die Kranken heilen";
Laufen, Doppelüberlieferungen 258) noch dadurch beseitigen, daß man die
Aufnahme der Gesandten (Lk 10,8) als Folge vorheriger Verkündigung ausgibt
(Roloff, Kerygma 186f.: "Heilungen und Exorzismen erfolgen also erst da, wo
die Botschaft grundsätzlich angenommen ist ... Die Grundsatzentscheidung der
Städte fällt gegenüber der Botschaft von der Gottesherrschaft, während die
Wunder nur nachfolgende Zeichen ihrer heilvollen Gegenwart sind"). Die
Ansage der nahen Gottesherrschaft ist Lk 10,9 Folgeerscheinung der Heilun-
gen, von vorheriger Verkündigung verlautet nichts.
Die Logienüberlieferung 197

stereotyp die Lehre oder Verkündigung den Taten vorordnet 9 5 und hier
in 10,7f. die Rangordnung beider Größen zudem an die redaktionelle
Notiz Mt 9,35 anpaßt 96 , indem die Jünger genau dazu beauftragt wer-
den, was auch Jesus tat.
Was den Umfang der aufgetragenen Wundervollmacht angeht, so ist
bei Lk eine Beschränkung auf Krankenheilungen (xat &EpaTtEÜETE TOÜC,
äö&EVEÜ;) gegeben, während bei Mt ergänzend auch Totenerweckungen,
Aussätzigenheilungen und Dämonenaustreibungen erwähnt werden. Un-
verkennbar hat Mt dabei die Jüngerbevollmächtigung Mt 10,8 an den
Wunderkatalog Mt 11,Spar angeglichen und unter Einfluß des dortigen
XEitpoi xadapif^ovTai ... xai vExpoi EYEtpovtai die Q-Aussendungsinstruktion
um den Befehl zu Aussätzigenheilungen und Totenerweckungen berei-
chert. Lediglich mit der Erwähnung von Dämonenaustreibungen, die in
dem Wunderkatalog Mt 11,5 keine Rolle spielen und folglich auch nicht
von dort her in Mt 10,8 eingeflossen sein können, dürfte Mt dem Q-
Wortlaut näher stehen. Lk tilgt mehrfach Hinweise auf Dämonenaustrei-
bungen der Jünger 97 , und im Horizont des authentischen Jesuslogions
Lk ll,20par ist im ältesten Kern der Aussendungsrede neben der Ver-
kündigungsbevollmächtigung von vornherein eine Beauftragung zur Ver-
treibung von Krankheitsgeistern zu erwarten, zumal auch Mk 6,7.12 eine
Ursprünglichkeit des Saiuövia ExßäXXETE Mt 10,8 nahelegt 9 8 . Die älteste
Fassung der Wunder- und Verkündigungsinstruktion Jesu lautete somit
Saiuövia ExßäXXETE, äa^EvoüvTac, &EpartEÜETE xai XEYETE (XT)PÜÖÖETE) aÜToTc;-
fJYYixEV (E<P' üuac;) i) ßacsiXsia TOU &EOU.
Entgegen der Auffassung, bei den syn Aussendungsanordnungen han-
dele es sich um Gemeinderegeln, die nachösterliche Gegebenheiten

95 Vgl. Hoffmann, Instruktionsrede 39, Anm.9; ders., Studien 275; Schulz,


Q 406, Anm. 22; Laufen, Doppelüberlieferungen 221; Polag, Christologie 69;
Nielsen, Heilung 80; anders Miyoshi, Reisebericht 65-67. - Mk 6,30 xai
aTfJYYEiXav aütü Ttävra öoa ETtoiriaav xai öoa iSiSa^av deutet darauf hin, daß
auch in der Mk zugänglichen Fassung der Aussendungstradition die Wun-
dertaten dem Wort vorgeordnet waren, da für Mk selber diese Reihenfolge
untypisch ist (3,14f.; 6,12f.).
96 Vgl. auch Mt 10,14, wo Mt unter Einfluß von Mk 6,11 (UT]SE äxoüouoiv)
in die - Lk 10,10 wortgetreu wiedergegebene - Q-Vorlage [IT|SE äxoüorj TOÜC;
XÖYOUC, üpuv einfügt. Nach mt Sehweise ist das missionarische Wirken der
Jünger in erster Linie durch das Wort gekennzeichnet.
97 Lk 6,12-16 diff. Mk 3,14b.15; Lk 9,2.6 diff. Mk 6,12f.; vgl. ferner das
wohl redaktionelle wunderkritische Logion Lk 10,20.
98 Hahn, Mission 35. Gegen Hoffmann, Studien 275: Erst Mt habe unter
Einfluß der Rahmenbemerkung Mt 10,1 die Dämonenaustreibungen eingebracht,
um Jesu und der Jünger Handeln zu parallelisieren; ähnlich Laufen, Doppel-
überlieferungen 223; Nielsen, Heilung 80.
198 Dämonenaustreibungen Jesu

spiegelten und in Analogie zu Mt 28,19f. oder Lk 24,47ff. ursprünglich


überhaupt nicht im Erdenleben Jesu angesiedelt gewesen seien 9 9 , be-
steht kein Anlaß, an einer Historizität des ältesten Überlieferungskerns
von Mk 6,6b-13parr zu zweifeln. Während die nachösterlichen Jünger-
beauftragungen Mt 28,19f; Lk 24,47-49 und Joh 20,22f. in hohem Maße
christologische Traditionsbildung voraussetzen und von ekklesiologisch-
soteriologischen Interessen wie Taufe, Sündenvergebung und universaler
Heidenmission geprägt sind, enthält die Aussendungstradition Mk 6,
6b-13parr mit der Bevollmächtigung zu Wundertaten und Verkündigung
nichts, was nicht auch in anderen Zusammenhängen für Jesus verbürgt
wäre. "Alles bleibt hier dem Lebenskreis des vorösterlichen Jesus ver-
haftet, und es fehlt jede Anspielung auf christologische Verkündigungs-
inhalte, wie sie in der nachösterlichen Missionspraxis zentral waren." 1 0 0
Daß Jesus einzelne Personen in die Nachfolge berufen hat, kann ange-
sichts im Kern glaubwürdiger Traditionen wie Mk 1,16-20 oder Mt
8,18-22 nicht bezweifelt werden 101 . Dieser Ruf in die Nachfolge stand
aller Wahrscheinlichkeit nach in engem sachlichen Zusammenhang mit
der Beauftragung dazu, was nach Zeugnis der syn Tradition das Zentrum
des Wirkens Jesu markierte, nämlich Wundertaten und Verkündigung
der Gottesherrschaft 102 . Wie in Lk ll,20par besteht dabei eine enge
wechselseitige Beziehung zwischen Wundertat und Verkündigung, indem
weder ein Primat des Wortes gegenüber der Tat noch ein unverbunde-
nes Nebeneinander beider Größen gegeben ist, sondern die Zusage der
nahegekommenen ßaoiXEia TOU ÖEOÜ wiederum als Reflex oder Konse-
quenz der zuvor geschehenen Dämonenaustreibungen und Heilungen
erscheint. In den auf Jesu Anordnung hin gewirkten Wundertaten mani-

99 Bultmann, Syn Tradition 156; ähnlich Wellhausen, Mk-Ev 46; Haen-


chen, Weg Jesu 223.229ff.; Schmithals, Mk-Ev I 307f.; ders., Markusschluß
402f. (Mk 6,7.12f. sei in einer Grundschrift des Mk-Ev eine Ostertradition
gewesen und nunmehr unter Einarbeitung von Logientradition 16,8-111 in das
Erdenleben Jesu zurückprojiziert). Schulz, Q 409ff., rechnet die Aussendungs-
tradition erst der hellenistisch-judenchristlichen Traditionsschicht von Q zu.
100 Roloff, Apostolat 151.
101 Hengel, Nachfolge und Charisma, passim; Bammel, Jesu Nachfolger
27-30 u.ö.; Gnilka, Jesus 166ff.
102 Vgl. zur Historizität der Jüngeraussendung, sei es als demonstrativer
singulärer Akt oder als wiederholtes Ereignis, Manson, Sayings 73f. (dessen
Urteil "one of the best attested facts in the life of Jesus" freilich auf fragli-
chen Quellenhypothesen gründet); Lohmeyer, Mk-Ev 115; Hahn, Mission 36;
Roloff, Apostolat 150f; Hengel, Nachfolge und Charisma 82-89; Schürmann,
Lk-Ev I 505; Hoffmann, Studien 262; Pesch, Mk-Ev I 330f.; Gnilka, Mk-Ev I
241; Laufen, Doppelüberlieferungen 260-278, speziell zur Wundertopik
266-268; Nielsen, Heilung 85-88; Luz, Mt-Ev II 89.
Die Logienüberlieferung 199

festiert sich eine Vergegenwärtigung des Heils, die im nachhinein verba-


tim als Nähe der Gottesherrschaft bestimmt wird. Hinsichtlich der Dis-
krepanz zwischen der bei aller Naherwartung doch futurisch akzentu-
ierten Aussage vom EYYICEIV der Basileia gegenüber deren cpöävEiv in Lk
ll,20par zeigte sich bereits, daß eine Spannung zwischen uneinge-
schränkt präsentischen und die Vollerfüllung als noch ausstehend be-
trachtenden Zügen für die eschatologische Verkündigung Jesu mit ihrem
Verständnis der Gottesherrschaft als dynamischem Prozeß typisch war.
Übereinstimmung herrscht aber insoweit, als in beiden Fällen die Heils-
zusage in dem Weichen der Dämonen gründet.
Insgesamt zeigt die Aussendungstradition, die nachösterlich bei den
Q-Boten und anderen Wandercharismatikern als normative Missions-
agende galt (vgl. V.l.), daß Jesus über sein eigenes Wirken hinaus auch
"Jünger" in die Wundertätigkeit und die darauf bezogene Verkündigung
miteinbezog. Vom religionsphänomenologischen Typus her handelt es
sich damit bei Jesus um einen jener antiken Wundertäter wie Pythago-
ras, Empedokles oder Apollonius, die durch eine Weitergabe ihres Wis-
sens um Dämonenvertreibung und Krankheitsbekämpfung gezielt Anhän-
ger instruierten und eine Art Schule in Gang setzten 1 0 3 .

1.1.5. Die "Exorzismusregel" Mt 12,43-45/Lk 11,24-26


Vermutlich gehört Mt 12,43-45/Lk 11,24-26 in den Sachzusammen-
hang solcher Dämonenaustreibungsinstruktionen Jesu, wie sie von der
Aussendungsrede verbürgt werden. Diese Warnregel vor Rückfall in
dämonische Besessenheit begegnet bei Lk der Q-Stoffolge gemäß im
unmittelbaren Anschluß an die Beelzebulperikope (Lk ll,14-23) 104 .

Mt plaziert die Tradition dagegen hinter die Zeichenforderung Mt 12,38-42/


Lk 11,29-32. Hieraus resultiert die inhaltlich einzig relevante Abweichung
gegenüber Lk 11,24-26, nämlich die kontextbedingte (vgl. Mt 12,39 YEVEÖ
Ttovripä; 12,42 TTJC; YEVESC tarnnc;) mt Anfügung von 12,45c OÜTUC, EOTOI xai rrj
YEVES raÜTTj TTJ Ttovripä . Damit wird 12,43-45ab zu einer Gleichniserzäh-

103 Pythagoras hat für seine Schüler exorzistische Musiktherapien zusam-


mengestellt (Iambl, Vit Pyth XV,64), Empedokles seine Befähigung zu Kran-
kenheilungen, Totenerweckungen und Naturwundern auf Pausanias übertragen
(Emped, Fragm 101), Apollonius von Tyana den Lehrer des Alexander von
Abonuteichos magisch-pharmakologisch ausgebildet (Luc, Alex 5). Vgl. auch
Choni, der seine Befähigung auf dem Gebiet der Wettermagie offenbar an
seine Enkel weitergegeben hat (bTaan 23a-b).
104 Vgl. Laufen, Doppelüberlieferungen 140; Gnilka, Mt-Ev I 463.
105 Jülicher, Gleichnisreden II 237; Schulz, Q 477; Böcher, Dämonische
Mächte 5; Laufen, Doppelüberlieferungen 140; Gnilka, Mt-Ev I 464. Gegen
200 Dämonenaustreibungen Jesu

lung umgestaltet, die allegorisch das Geschick Israels deutet. In Analogie zu


einem neuerlich Besessenen, der Schlimmeres erleidet als vor der Dämonen-
austreibung, stellt sich angesichts der Verschmähung des in Jesus gekomme-
nen Heils die Lage Israels aussichtsloser dar, als dies vor dem Auftreten
Jesu der Fall war.

Dieser allein aus 12,45c resultierende allegorische Sinngehalt von Mt


12,43-45/Lk 11,24-26 läßt sich nicht für die Q-Fassung des Stoffes
reklamieren 106 , denn diese enthält ursprünglich "nichts gleichnishaftes,
sondern will eine fundamentale Frage der Dämonologie beantworten." 107
Dabei geht es nicht darum, die jüdischen Dämonenaustreibungen von Mt
12,27/Lk 11,19 dahingehend abzuqualifizieren, daß sie nur vordergründig
oder vorübergehend helfen und letztlich zu einem schlechteren Zustand
des Kranken als zuvor führen 1 0 8 . Mt 12,43-45/Lk 11,24-26 rechnet
grundsätzlich mit der Möglichkeit eines Rückfalls in Besessenheit, ohne
dies als eine unabänderliche, allgemeine Erfahrungstatsache verstanden
wissen zu wollen 1 0 9 . Die Formulierung xai EX&ÖV EÜpioxEi Mt 12,44/Lk
11,25 hat konditionalen Sinn 110 , womit die Rückkehr ausgetriebener
Dämonen nicht als der Normalfall betrachtet wird. Es handelt sich in
dem Sinne um eine Warnregel für Wundertäter, daß ein "Leerstehen des
Hauses" dem Krankheitsgeist die Möglichkeit der Wiederkehr bietet, so-
fern keine präventiven Gegenmaßnahmen ergriffen werden. Vermutlich
liegt die Vorstellung zugrunde, daß immer irgendwelche Geister im
menschlichen Körper Wohnung nehmen (vgl. Herm, Mand Vl,lff.) und der
Einzug eines guten Geistes das neuerliche Eindringen schädigender Dä-
monen zu verhindern vermag111. In jedem Falle verfolgt Mt 12,43-45/Lk
11,24-26 die Absicht, Belehrung über das Wesen von Krankheitsgeistern

Bultmann, Syn Tradition 176: Mt 12,45c sei möglicherweise ursprüngliche


Gleichnisanwendung.
106 Gegen Käsemann, Lk 11,14-28 246, der offenbar auch Lk 11,24-26 dem
Judentum sein Schicksal angekündigt sieht.
107 Jülicher, Gleichnisreden II 239.
108 Gegen Schulz, Q 479 (Es liege eine unüberhörbare, beispielhafte War-
nung vor den gängigen jüdischen Dämonenbannungen vor); Sand, Mt-Ev 268,
ist dem Text nicht die geringste Polemik in diese Richtung entnehmbar.
Treffend Jülicher, Gleichnisreden II 238 "und wer denkt Lc 24 noch an die
flüchtig 19 berührten pharisäischen Exorcisten?"; Laufen, Doppelüberlieferun-
gen 142f.
109 Gegen Luz, Mt-Ev II 281: "exorzistische Volksweisheit".
lio Jülicher, Gleichnisreden II 236; Nyberg, Verständnis, bes. 23f; Jere-
mias, Gleichnisse 196f.
111 Eitrem, Notes 33, unter Verweis auf entsprechende Praktiken assyri-
scher Dämonenaustreiber. Vgl. auch Manson, Sayings of Jesus 88: Jeremias,
Gleichnisse 197.
Besessenenheilungsberichte 201

zu geben und zur Vermeidung eines Rückfalls die Notwendigkeit nicht


näher bestimmter antidämonischer Schutzmaßnahmen im Anschluß an
die eigentliche Dämonenaustreibung einzuschärfen. Bei dieser durch-
weg in Vorstellungen jüdischer Dämonologie wurzelnden Tradition dürfte
es sich um authentische Jesusüberlieferung handeln 112 .

1.2. Die synoptischen Besessenenheilungsberichte

1.2.1. Heilung eines Besessenen in Kapernaum (Mk 1,21-28)

Im Mk-Ev setzt die öffentliche Wirksamkeit Jesu sogleich mit der


Heilung einer besessenen, wohl an Epilepsie leidenden (oitapäc^av aütöv
TÖ TtvEÜua) Person in Kapernaum ein (1,21-28). Mk stellt in l,21f. dem
Wunderbericht eine redaktionelle Exposition mit dem Motiv des in be-
sonderer Vollmacht stehenden Lehrers Jesus voran1. Bei der Lokalisie-
rung in Kapernaum handelt es sich um eine vormk, aber vermutlich zu
dem Heilungsbericht 1,29-31 gehörige und erst im nachhinein auch auf
die Dämonenaustreibung von 1,23-28 bezogene Ortsangabe 2 . Der Be-
richt selber weist mit SiSaxrj xaivrj xar' E^ouoiav einen redaktionellen
Eingriff auf, der in Verbindung mit l,21f. die Absicht verfolgt, Jesu Wun-
derwirksamkeit inklusionsartig durch Lehraussagen zu rahmen 3 . Das auf
einer Linie mit den redaktionellen Schweigegeboten Mk 1,34 und 3,llf.
liegende ipiuüOrru 1,25 wird ebenso auf Mk zurückgehen 4 wie die Ver-

112 Vgl. Jülicher, Gleichnisreden II 239; Klausner, Jesus von Nazareth 371;
Böcher, Dämonische Mächte 9, und Kilgallen, Return of the Unclean Spirit
45-59, der enge Bezüge zur Beelzebulperikope ausmacht. Vgl. zur Sieben-
zahl der TcvEÜuara Test Rüben 2f., zur Angst vor einer Wiederkehr von Dä-
monen Tob 6,8.17; Joseph, Ant XV1II,45.47, zu wasserlosen Stätten als ihrem
Aufenthaltsort Tob 8,3, zum menschlichen Körper als Wohnstätte des Teufels
oder der Dämonen Test Napht 8,6 (ö SiäßoXoc, oExEiourai aüröv).
1 Vgl. Stein, Markan Seam 83-89; Kertelge, Wunder Jesu 50f.; Koch, Wun-
dererzählungen 43f.; Scholtissek, Vollmacht Jesu 119ff. Lediglich EIOEXS-ÜV EIC,
tfjv ouvaYUYfjv wird der ursprünglichen Einleitung von l,23ff. gedient haben.
2 Vgl. Pesch, Mk-Ev I 117; Gnilka, Mk-Ev I 77. - Lührmann, Mk-Ev 49,
rechnet dagegen mit der Möglichkeit, daß die Lokalisierung in Kapernaum
bereits vormk an 1,23-27 haftete.
3 Anders Theißen, Wundergeschichten 165: xaivrj SiSaxfj sei Missionstermi-
nus und der Erzählung in der mündlichen Überlieferung als Hörerreaktion auf
die Wiedergabe des Wunderberichtes in der Missionspraxis zugewachsen.
4 Nicht aufrechterhalten läßt sich die von Bultmann, Syn Tradition 239 mit
Anm.3, etablierte, fast uneingeschränkt anerkannte Ansicht, Verstummungsbe-
fehle an Dämonen zählten zum antiken Dämonenaustreibungsritual. Vgl.
Kollmann, Schweigegebote 267-273.
202 Dämonenaustreibungen Jesu

breitungsnotiz 1,285, so daß als vormk Tradition ein 1,23-27 (ohne


tpiuü&r|Ti xai und StSaxrj xaivrj xar' EFpuaiav) umfassender Dämonenaus-
treibungsbericht judenchristlicher Herkunft verbleibt.

Die Bedrohung des Krankheitsgeistes (ETTETIUTIOEV aürtj) ö Ti|ooüc, Mk 1,25)


zählt zu den typischen dämonenbannenden Praktiken der Antike. Allerdings
begegnet hierfür in den hellenistischen Wundertraditionen einschließlich der
Zauberpapyri niemals ETUTIUSV6, während umgekehrt das in LXX überwiegend
mit ETUTIUSV wiedergegebene ""IUI im antiken Judentum - nicht zuletzt in der
formelhaften Wendung Sach 3,2 - typisch für die Bedrohung von krankheits-
verursachenden Dämonen oder von dem Satan persönlich ist 7 . Folglich geht
ETUTIUSV Mk 1,25 höchstwahrscheinlich auf hebräisches oder aramäisches "1173
zurück 8 und ist ein Semitismus mit hohem historischen Wert. Dabei liegt es
im Bereich des Möglichen, daß Jesus sich der Formel " m r P bedrohe dich,
Satan" bediente. Dies deckte sich damit, daß einerseits Mk 1,25; 9,25 histo-
risch glaubwürdig die Bedrohung als maßgebliches Machtmittel Jesu gegen
die Dämonen begegnet, andererseits dem authentischen Logion Lk ll,20par
zufolge Jesus dem Selbstverständnis nach bei seinen Dämonenaustreibungen
instrumental für Gott in Erscheinung tritt. Zudem würde eine Verwendung
von Sach 3,2 zwanglos erklären, warum die implizite Wirksamkeit Gottes
kein Proprium der Dämonenaustreibungen Jesu darstellte, sondern auch für
andere jüdische Wundertäter gegeben war (Mt 12,27par).
Unmittelbare Parallelen zu dem Ausfahrwort E^EXS-E E!; aütoü Mk 1,25 hin-
gegen finden sich in nichtchristlicher Tradition allein in den Zauberpapyri 9 .
PGM IV, 1242-1244 heißt es I7;EXÖE SaTuov, ÖOTIC, TTOT' ouv et, xai OTIÖOTT]&I
äirö TOU SETVO, a p u , a p u , f|8r|, fjSr). E^EXÖE SaTpov ... . PGM IV,3007ff. ist bei

s Koch, Wundererzählungen 45f.; Schenke, Wundererzählungen 98f.; Lühr-


mann, Mk-Ev 49. - Kertelge, Wunder Jesu 51; Pesch. Mk-Ev I 125; Gnilka,
Mk-Ev I 82, halten dagegen lediglich TTJC, TaXiXaiac; Mk 1,28 für redaktionell.
6 Vgl. Luc, Philops 16 (xai ETIEIXÖV E^EXOÜVEI TÖV Sai(iova); Philops 31
(Vertreibung des Dämons durch eine "sehr schreckliche Formel"); Philostr,
Vit Apoll 111,38 (an den Dämon gerichteter Brief mit massiven Drohungen);
Vit Apoll IV,20 (der Dämon wird wie ein heimtückischer Sklave angespro-
chen), zum Sonderstatus von ETUTIUSV Kee, Exorcism Stories 240ff. - Die von
Gundry, Mark 77, behaupteten EiuuuSv-Belege in PGM sind nicht existent.
7 Vgl. neben Sach 3,2 " m r P bedrohe ("IUVEHIUUSV) dich, Satan" als
festgeprägter Formel gegen Dämonen oder den Satan (Judas 9 = Ass Mos; Vit
Ad 39; bBer 51a; bQid 81b) noch "IUI in 1 Q M 14,10; 1 Q Gen Ap XX,28f.;
SHR II,181ff.; Naveh/Shaked A 2,8.11; A 9,2.4; A 14,9; G 4,3 (= Schiffman/
Swartz TS K 1.68,3).
8 Ein Septuagintismus liegt kaum vor, da ETUTIUSV in LXX nie auf Krank-
heitsgeister bezogen ist, überhaupt nur an einer einzigen Stelle (Sach 3,2) in
einem expressis verbis dämonistischen Kontext begegnet und sonst die Bedro-
hung des Meeres (Ps 105,9LXX) und gottloser Mächte oder Personen (Ps 9,6;
67,31LXX; 118.21LXX) durch Gott bezeichnet.
9 Vgl. aus jüdischer Tradition allenfalls bMeila 17b: "Hinaus, Ben Tamal-
jon, hinaus, Ben Tamaljon" (XS JT»bDri p , KS • pP^On p ) , dazu Geller,
Jesus' Theurgic Powers 141f.
Besessenenheilungsberichte 203

der Zubereitung einer dämonenbannenden Tinktur E^EXS-E STCÖ (TOU SETVOC.) ZU


sprechen. P G M V,1S8 bietet, ebenfalls an den Dämon g e r i c h t e t 1 0 , das A u s -
fahrwort E^EXÖE x a i äxoXoüöi|oov. Aller W a h r s c h e i n l i c h k e i t nach haben auch
christliche W u n d e r t ä t e r solche mit E^EX-SkTv/exire f o r m u l i e r t e n A u s f a h r w o r t e
an Dämonen verwendet (vgl. Apg 16,18; Act P e t r 11; A c t T h o m 73; 7 4 ; 77).
In Dämonenaustreibungserzählungen aus der U m w e l t des N T (1 Q G e n Ap
X X , 1 2 - 3 4 ; Joseph, Ant V I I I , 4 6 - 4 8 ; Luc, Philops 16.31; Philostr, Vit Apoll
IV,20.25) sind in wörtliche Rede gefaßte A u s f a h r w o r t e an D ä m o n e n im Munde
des W u n d e r t ä t e r s hingegen nicht belegt. H i e r liegt ein r e c h t e i g e n s t ä n d i g e s
F o r m m e r k m a l der ntl D ä m o n e n a u s t r e i b u n g s g e s c h i c h t e n vor, das auf den
Einfluß nachösterlicher W u n d e r p r a k t i k e n h i n d e u t e t .

Seinen gegenüber religionsgeschichtlichen Parallelen besonderen Cha-


rakter bezieht der Wunderbericht Mk 1,23-27 darüber hinaus aus der Ge-
staltung des Abwehrwortes Mk 1,24 unter Einfluß von 1 Kön 17,18 und aus
dem christologischen Dämonenbekenntnis zu Jesus als dem ä^ioc, TOU ÖEOÜ.

M k 1,24 liegt eine Abwehrformel des Dämons v o r 1 1 , die mit t i fjuTv x a i


ooi auf 1 Kön 17,18 r e k u r r i e r t , wo die W i t w e von S a r e p t a eine ähnliche
Wendung an Elia als W u n d e r t ä t e r richtet. T h e o r e t i s c h ist in Mk 1,24 L X X -
Einfluß von u Euoi x a i ooi 3 Kön 17,18 ebenso gut denkbar wie eine vom
griechischen AT unabhängige Orientierung an " p l * ? - H O .
Für die olSa-Wendung gibt es auffällige P a r a l l e l e n in den Z a u b e r p a p y r i ,
wobei die vielzitierte Stelle P G M VIII,13f. olSdi OE, "Epurj, uc, el x a i TTÖ&EV
E?, x a i TIQ fj TtöXtc, aou ' 'EpuoÜTroXic, die w e i t e s t r e i c h e n d e n Ü b e r e i n s t i m m u n -
gen mit olSa OE UC. EI, 6 SYIOC; TOU OEOÜ Mk 1,24 a u f w e i s t 1 3 . Allerdings
begegnen sämtliche vergleichbaren ofSa-Formeln in P G M nicht im M u n d e von
Dämonen, sondern werden vom M a g i e r an G o t t h e i t e n oder D ä m o n e n g e r i c h -
tet, um eine Kenntnis von deren Namen zum V e r s u c h der Z w a n g s b e e i n f l u s -
sung zu nutzen. Eine Herkunft der o l S a - F o r m e l aus m a g i s c h e r Tradition ist
damit zwar wahrscheinlich. Aufgrund des d e m g e g e n ü b e r a n d e r e n B e n u t z e r s
wie A d r e s s a t e n in Mk 1,24 handelt es sich aber nur um eine formale A n a l o -
gie, die keinen G e g e n z a u b e r des Dämons impliziert, zumal d i e s e r mit seinem
christologischen Bekenntnis vor der Hoheit J e s u k a p i t u l i e r t 1 4 .
Nächstliegender Anknüpfungspunkt zur Erhellung von ö äYioc, TOU 0-EOÜ Mk
1,24 sind angesichts des Rekurses von u fjuTv x a i ooi auf 3 Kön 17,18LXX
die dortige Bezeichnung Elias als avQpuitoc, TOU -0-EOÜ sowie die C h a r a k t e r i -
sierung Elisas als av&puTtoc, TOÖ OEOD ixyioc; 4 Kön 4 , 9 L X X 1 S . Indem Jesus

10 M e r k e l b a c h / T o t t i , A b r a s a x II 161.169.
11 Vgl. zur G e g e n w e h r von Dämonen Apg 19,16; T e s t Sal 1,12; Luc, Philops 31.
12 Vgl. zum atl Hintergrund der Formel Bächli, " W a s habe ich ... " 69ff.
13 Vgl. Bauernfeind, W o r t e der Dämonen 14f., mit ausführlicher B e s p r e -
chung des V e r g l e i c h s m a t e r i a l s .
14 Koch, W u n d e r e r z ä h l u n g e n 59, betont zu Recht, daß von einem wirklichen
Kampf zwischen dem Dämon und Jesus keine Rede sein kann.
15 Hahn, Hoheitstitel 237f.; Gnilka, M k - E v I 8 1 . Pesch, M k - E v I 122,
r e c h n e t in Mk 1,24 sogar mit u n m i t t e l b a r e r E r s e t z u n g des av&puTtE TOÖ $EOÜ
1 Kön 17.18 durch äYioc TOÖ 9-EOÖ.
204 Dämonenaustreibungen Jesu

im Zusammenhang mit seinen Dämonenaustreibungen als "Heiliger Gottes"


(Mk 1,24) oder als Gottessohn (Mk 5,7) gilt, erscheint er in der ntl Erzähl-
überlieferung vom Typus her als einer jener antiken 9-ETOI ävSpEC,, die sich
durch die außerordentliche Befähigung zu Wundertaten als übermenschlich
oder gottähnlich erweisen 16 .

Eine judenchristliche Prägung von Mk 1,23-27 steht außer Frage. Ne-


ben dem mutmaßlichen Semitismus lyi/ETUTiuav könnten dabei weitere
Indizien für eine aramäische oder hebräische Vorlage der Erzählung
gegeben sein.

Das Nebeneinander von TTJOOÜ Na£apr|v£ und äYioc; TOÖ SEOU Mk 1,24 re-
sultiert vielleicht aus einem Wortspiel mit dem Gleichklang von ",~12J3H ("aus
Nazareth") und T U ("geweiht") 1 '', zumal DVfrXn T U Ri 13,7;= 16,17 in
LXX (B) durch äYioc; -&EOÜ (A: va^ipaToc,) wiedergegeben wird. Allerdings ist
eine Wiedergabe von T U durch äYioc; recht ungewöhnlich. Von den unzähli-
gen äYiocj-Belegen in LXX gehen ausschließlich diejenigen von Ri 13,7B;
16,17B auf T T J zurück. Basierte Mk 1,24 tatsächlich auf einer hebräischen
Vorlage, läge für das dortige äYioc, als Bezugspunkt das in LXX stereotyp
mit äYioc, übersetzte 2T"lp näher als T T J .
Keinen Rückschluß auf eine semitische Vorlage von Mk 1,21-28 erlauben
das pluralische TOTC, oäßßaoiv 1,21b sowie die angeblich semitisierend wirken-
de Wendung olhä OE UC, EZ, Ö äYioc, TOÖ ÖEOÜ (statt o ß a oü E7 Ö äYioc, TOU
SEOD)18.

Daß der Wunderbericht Mk 1,23-27 hauptsächlich mit dem Dämonen-


bekenntnis 1,24 aus dem Rahmen stilgemäßer antiker Parallelen heraus-
fällt, deutet auf ein erzählerisches Primärinteresse an einer Propagierung
Jesu als aYioc, TOU 9EOÜ hin, der den atl Wunderpropheten Elia und Elisa
mindestens ebenbürtig ist und den sogar die Dämonen für den "Heiligen
Gottes" halten. Folglich verdankt die Erzählung ihre Tradierung in erster
Linie missionarischen Interessen, wobei die Bezüge zum Elia-Elisa-
Zyklus einschließlich der christologischen Titulatur OYIOC, TOU &EOÜ am
ehesten bei AT-kundigen jüdischen Adressaten Sinn machen.
Daneben war Mk 1,23-27 in geringem Maße geeignet, christlichen
Wundercharismatikern Motivation oder Anleitung zu Dämonenaustrei-
bungen zu geben, da die Erzählung mit ETTETIUTIÖEV aüru und der Ausfahr-

16 Vgl. H.D. Betz, Jesus als göttlicher Mensch 419ff.


17 Mußner, Wortspiel 285-286; ähnlich Schweizer, Nazoräei 53f.
18 Gegen Gnilka, Mk-Ev I 77; vgl. auch Lohmeyer, Mk-Ev 36. Plurali-
sches TÖ oäßßara für den einzelnen Sabbattag ist im hellenistischen Judentum
geläufig (Philo, Abr 28 TTJV EßS6[iT)v, rjv 'HßpaToi oäßßara xaXoüoiv; Joseph.
Ant 1,33; 111,237; XII,259.276) und begegnet sogar bei Plutarch (Mor 671E
TTJV TUV oaßßäruv EopTfjv). Zur vermeintlich semitisierenden Konstruktion der
ofSa-Aussage Mk 1,24 vgl. die oben zitierte Parallele PGM VIII, 13.
Besessenenheilungsberichte 205

formel I^EXÖE E!; aütoü nachahmungsfähige Wunderpraktiken enthält. Ne-


ben der Lokalisierung des Geschehens in einer Synagoge dürfte auch
der mutmaßliche Semitismus TJJ/ETtiTiuäv auf eine durch Bedrohung des
Krankheitsdämons vollzogene Besessenenheilung Jesu als historischen
Haftpunkt hindeuten, wobei das Ausfahrwort EF,EX&E EI; aütoü allerdings
eher einen Reflex nachösterlicher Wunderpraktiken als eine tatsächliche
Dämonenaustreibungsformel Jesu darstellt.

1.2.2. Der besessene Gerasener (Mk 5,1-20)

Eine vom Erzählmuster und Überlieferungsmilieu her eng mit Mk


1,21-28 verwandte Wundererzählung liegt Mk 5,1-20 vor. Dort verdankt
sich Mk 5,1.2a.l8a19 der Integration der Gerasenererzählung in die See-
fahrtkomposition Mk 4 , 3 5 - 5 , 4 3 2 0 , und das Nachfolgemotiv 5,18b sowie
die Ausgestaltung des Wunderberichtes zu einer Missionsätiologie für
die Dekapolis 5,20 sind redaktionell 21 . Zudem scheint es sich bei der
erst in Mk 5,13 zu erwartenden Apopompe 5,8 um eine vormk Ergän-
zung zu handeln 22 . Der ausführliche Erzählstil dieses Wunderberichtes
berechtigt nicht von vornherein zu weitergehenden literarkritischen
Analysen oder traditionsgeschichtlichen Dekompositionen 23 . Lediglich

19 Die Ortsangabe ist aber traditionell, wobei l'Epaor|vuv als lectio diffici-
lior (das "Gebiet der Gerasener" reichte nicht bis zum See Genezareth) Prä-
ferenz zukommt. Vormk war die Erzählung im Heidenland (vgl. die Schwei-
neherde) am See Genezareth (öäXaoori 5,1.13) angesiedelt, der am ehesten
zum Ertrinken von 2000 Schweinen paßt. Möglicherweise hat Gerasa als be-
deutende Stadt der Dekapolis (vgl. Kraeling /Klauser, RAC X C19781 223ff.)
eine ältere Ortsangabe (Gergesa? tvgl. Gnilka, Mk-Ev 2011) verdrängt.
20 Schenke, Wundererzählungen 174-176; Pesch, Besessener 14-17; Ker-
telge, Wunder 101; Annen, Heil für die Heiden 40-44.
21 Vgl. zu Iva UET' aÜTOÜ ^| insbes. 'iva uoiv UET' aüroö Mk 3,14 (wohl
red.). Mk 5,19.20 ist durch das mk Nebeneinander von Geheimhaltungsabsicht
und deren Nichteinhaltung (bes. l,44f.) geprägt, vgl. Koch, Wundererzählun-
gen 78-84; Annen, Heil für die Heiden 67-69. Als ursprünglicher Schluß des
Wunderberichtes kann 5,19 (vgl. Mk 1,44; 2,11; Philostr, Vit Apoll IV.4S
E7ravfjXl>E TE EC, TTJV oixiav TOÖ TTarpöc,) mit Admiration im Hause des Geheil-
ten (TCSVTEC, £-&aüuaC,ov Mk 5,20; vgl. zu Heilungsadmirationen mit 0-auuä^Eiv
Tob 11,16; Lk 11,14; Plut, Coriolanus XXIV,3; Luc, Abdicatus 5) gelten.
22 Bei mk Formulierung von 5,8 (Cave, Unclean Spirits 96; Koch, Wun-
dererzählungen 62f.; Annen, Heil für die Heiden 50-52) wäre eine deutlichere
Angleichung an die Ausfahrworte 1,25 oder 9,25 zu erwarten.
23 Vgl. Gnilka, Mk-Ev I 200-202; Lührmann, Mk-Ev 99. Gegen Annen,
Heil für die Heiden 39-74, der in 5,1-3.8.9.15.17-20 weitreichende mk Ein-
griffe veranschlagt, und Pesch, Besessener 41-49 (ähnlich Kertelge, Wunder
Jesu 104-107), der mit vier vormk Traditionsstufen rechnet.
206 D ä m o n e n a u s t r e i b u n g e n Jesu

bei der ausführlichen Krankheitsschilderung Mk 5,3-5 und der dadurch


bedingten nochmaligen Begegnung Jesu mit dem Besessenen 5,6 ist
aufgrund erheblicher Spannungen zum Kontext von einem weiteren
vormk Zuwachs auszugehen.

Zwischen UVT)U.ETOV Mk 5,2 und dem im NT recht seltenen uvfjua (5,3.5)


liegt ein t e r m i n o l o g i s c h e r Bruch vor. Zudem ist mit EX TUV UVIIUEIUV 5,2 und
oq TTJV xaroixTioiv E?XEV EV TOTC; uvfjuaaiv Mk 5,3 eine überflüssige Doppelung
g e g e b e n . Ähnlich ü b e r f r a c h t e t wirkt die zweifache Begegnung J e s u mit dem
B e s e s s e n e n Mk 5,2.6, wobei 5.6 eine aus der Einfügung von 5,3-5 r e s u l t i e r e n -
de W i e d e r a u f n a h m e von 5,2 d a r s t e l l e n dürfte.
W a h r s c h e i n l i c h handelt es sich bei Mk 5,3-5(6) um eine e r z ä h l e r i s c h e
A u s g e s t a l t u n g von i x TUV UVT|UEIUV ävdpuitoc; 5,2 unter Einfluß von Jes
6 5 , 4 L X X und Ps 6 7 , 7 L X X . Die A n n a h m e , x a i EV TÖIC, uvfjuaaiv ... Koiuövrai
(sc. die Heiden) Jes 6 5 , 4 L X X habe auf die sekundäre Formulierung von Mk
5,3.5 e i n g e w i r k t , b i e t e t eine plausible Erklärung für den Begriffswechsel von
UVTHTETOV Mk 5,2 auf uvfjua 5,3.5. Allerdings stellt Mk 5,1-20 in s e i n e r G e -
s a m t h e i t kaum einen c h r i s t l i c h e n M i d r a s c h zu Jes 65,1-5 dar . Aus Ps
6 7 , 7 L X X (diff. MT!) könnte TCETCESTIUEVOUC. (vgl. 8fjoai/SE8Eo-&ai M k 5,3f.) und
TOÜC; xaToixouvTac, EV räcpoiq Mk 5,3-5 mitbeeinflußt haben.

Für ein weitergehendes vormk Wachstum der verbleibenden Tradition


Mk 5,(1).2b.7.9-17.18b.19 ergeben sich keine Anhaltspunkte. Von der
Grundstruktur her bestehen derart weitreichende Übereinstimmungen
mit Mk 1,23-27, daß von einem in wesentlichen Zügen identischen
Erzählgerüst beider Geschichten ausgegangen werden kann 2 6 . Dieses
Grundmuster begegnet allerdings Mk 5,1-20 in christologisch deutlich
fortentwickelter und zudem in sekundär um antike Dämonenaustrei-
bungspraktiken bereicherter Gestalt.

Bei dem b e s e s s e n e n G e r a s e n e r handelt es sich um einen G e i s t e s g e s t ö r t e n ,


wie b e r e i t s die v e r g e b l i c h e n Fesselungen zeigen, denn g e w a l t t ä t i g e I r r e
wurde n für gewöhnlich gebunden ( C e l s , Med III 18,21). Zudem deuten alle
B e g l e i t e r s c h e i n u n g e n des Leidens auf M a n i e hin. Daß der B e s e s s e n e sich an
G r a b s t ä t t e n oder in G r a b h ö h l e n aufhält (Mk 5,2f.), deckt sich e b e n s o wie die

24 C r a g h a n , G e r a s e n e Demoniac 529f.; Pesch, B e s e s s e n e r 30f; ähnlich


C a v e , Unclean Spirits 95f.
25 G e g e n Sahlin, G e r a s e n i s c h e r B e s e s s e n e r 160-162. Die in Mk 5.1-20
angeblich von J e s 65,3f.LXX h e r r ü h r e n d e n Motive Saiu.6viov und xpia ÜEia
begegnen dort in völlig a n d e r e m S a c h z u s a m m e n h a n g (den Heiden wird das
Opfern zugunsten von Dämonen sowie der Genuß von S c h w e i n e - und G ö t z e n -
opferfleisch v o r g e w o r f e n ) .
26 Vgl. W e n d l i n g , Entstehung 45f.; K e r t e l g e , Wunder Jesu 104; Pesch,
B e s e s s e n e r 4 1 . A n s t a t t s e k u n d ä r e r Parallelbildung zu Mk 1,23-27 kommt eher
in B e t r a c h t , daß beide W u n d e r b e r i c h t e auf ein v e r w a n d t e s E r z ä h l m u s t e r
r e k u r r i e r e n , vgl. Bauernfeind, W o r t e der Dämonen 24; Kertelge, a a O .
Besessenenheilungsberichte 207

aus M k 5,15 indirekt hervorgehende N a c k t h e i t mit j T e r 1,1 ( 4 0 b ) / b C h a g 3b,


wo n ä c h t l i c h e s Herumlaufen, die Ü b e r n a c h t u n g an einer G r a b s t ä t t e und das
Z e r r e i ß e n der Kleider als Symptome für Wahnsinn gelten. Das g e s a m t e
Krankheitsbild M k 5,3-5.15 entspricht dem, was A r e t a i o s ü b e r die M a n i e
b e r i c h t e t ( A r e t III 6). Von ihr Betroffene haben sich schon die Kleider z e r -
rissen (Ea&fJTäc, TE Eppfj^avTO, vgl. Mk 5,15) und Hand an sich gelegt (EUUTEOIÖI
XETpac, ETtfjvEYxav, vgl. xaraxÖTttuv Eauröv Xi&oic, Mk 5,5). Zudem leiden von
M a n i e Befallene an Schlaflosigkeit, lachen, s c h e r z e n und t a n z e n T a g und
N a c h t (YEXUOI, Ttai^ouai, ö p x u v t a i VUXTÖC. x a i fjuipric,, vgl. Sia TtavTÖc. VUXTÖC,
x a i fjuEpac, ... J\v x p ä ^ u v Mk 5,5), laufen wild h e r u m oder fliehen in die
E i n s a m k e i t . Die Schilderung in Mk 5,1-20 ist damit u n e i n g e s c h r ä n k t r e a l i -
stisch, w e i s t a b e r umgekehrt auch keine u n v e r w e c h s e l b a r e n , zwangsläufig auf
h i s t o r i s c h e r Erinnerung basierenden Züge a u f 2 7 .
Die D ä m o n e n a u s s a g e Mk 5,7 enthält wie Mk 1,24 eine aus 1 Kön 17,18
eingeflossene Abwehrformel ( u Euoi x a i ooi), wobei a b e r als c h r i s t o l o g i s c h e
A n r e d e , n u n m e h r mit lauter Stimme g e s p r o c h e n , Tnaoü UIE TOU SEOÜ TOÖ
ÜIJIIOTOU b e g e g n e t . Könnte Mk 1,24 noch als V e r s u c h d ä m o n i s c h e r G e g e n w e h r
aufgefaßt w e r d e n , so handelt es sich bei öpxif^u ÖE TÖV 9-EÖV, ufj UE ßaoavioTjc.
M k 5,7 von v o r n h e r e i n um eine Kapitulation vor der Ü b e r l e g e n h e i t des W u n -
d e r t ä t e r s , wie b e r e i t s die sonst als G e s t u s H e i l u n g s s u c h e n d e r b e k a n n t e
P r o s k y n e s e ( M t 8,2; 9,18; 14,33; 15,25) und die frappierend ähnliche V e r s c h o -
nungsbitte der Empuse Philostr, Vit Apoll IV,25 (ESETTO UT) ßaoavi^Eiv a ü r ö )
zeigen. 'OpxiC,u OE s t a m m t zwar aus m a g i s c h e r T r a d i t i o n 2 8 , b e g e g n e t aber in
Analogie zur o l S a - F o r m e l Mk 1,24 in den Z a u b e r p a p y r i nie im Munde von
D ä m o n e n . W i e schon in Mk 1,24 wurde w i e d e r u m ein t r a d i t i o n e l l e r m a g i s c h e r
Topos s e i n e r ursprünglichen Funktion entkleidet und als an Jesus g e r i c h t e t e
D ä m o n e n a u s s a g e christologischen H o h e i t s t e n d e n z e n d i e n s t b a r g e m a c h t .
In Mk 5,8 hat sich ein Apg 16,18; Act Thom 77 v e r g l e i c h b a r e s A u s f a h r -
w o r t c h r i s t l i c h e r W u n d e r t ä t e r n i e d e r g e s c h l a g e n . Die Ep Ap 5 v e r a r b e i t e t e
V a r i a n t e von M k 5,1-20 bietet s t a t t d e s s e n im M u n d e Jesu mit " G e h e aus d i e -
s e m M a n n e h e r a u s , ohne ihm i r g e n d e t w a s zuzufügen!" eine a n d e r s l a u t e n d e
E p i p o m p e , die ihrerseits Act Petr 11 (exi a iuvene, nihil nocens eum) als
n a c h ö s t e r l i c h e Dämonenaustreibungsformel b e z e u g t ist. Die J e s u s ü b e r l i e f e r u n g
w u r d e offenkundig in Anlehnung an das Vorgehen c h r i s t l i c h e r W u n d e r t ä t e r
a u s g e s t a l t e t oder modifiziert.
Mk 5,9 spiegelt sich als magische Praktik ohne E n t s p r e c h u n g in M k 1,23-27
die N a m e n s e r f r a g u n g . Die Befragung von Dämonen mit dem Ziel, sie zum
S p r e c h e n zu bringen und das daraus r e s u l t i e r e n d e W i s s e n zu einem gezielten
V o r g e h e n gegen sie zu verwenden, ist für die jüdische M a g i e P G M IV,
3 0 3 7 - 3 0 4 1 (Beschwörung des Dämons beim Siegel Salomos, zu r e d e n ) und als
P r a k t i k des syrischen Exorzisten aus Palästina Luc, Philops 16, b e z e u g t .
Theophil, Autolyc 2,8 (2.Jhdt.n.Chr.) "Bis zum heutigen Tage w e r d e n die von

27 G e g e n Annen, Heil für die Heiden 161f., d e r die N a c k t h e i t des B e s e s s e -


nen für einen individuellen, historisch zuverlässigen Zug hält.
28 Vgl. e t w a die Befunde bei W ü n s c h , Antike Fluchtafeln 13ff., und die
u n z ä h l i g e n ( i Ö o p x i ^ u OE-Formeln in P G M , e t w a 111,76; IV.978.1239.3019.3037L;
XVI,lff. W e n i g e r zwingend sind die Bezüge zu öpxirju OE 3 Kön 2 2 , 1 6 L X X ;
2 C h r o n 1 8 , 1 5 L X X , da dort keinerlei d ä m o n i s c h e r K o n t e x t g e g e b e n ist.
208 Dämonenaustreibungen Jesu

Dämonen Besessenen manchmal im Namen des wahrhaftigen Gottes beschwo-


ren, und die betrügerischen Geister bekennen, daß sie Dämonen sind (xai
ÖUOXOYET a ü t ä r ä TtXäva TtvEÜuara E?vai SaiuovEC,)" zeigt, daß es zu den
Techniken christlicher oder jüdischer Wundercharismatiker zählte, Dämonen
zum Sprechen zu zwingen. Ein Mk 5,8f. vergleichbarer christlicher Ausfahrbe-
fehl mit Dämonenbefragungsformel hat sich Act Thom 74 niedergeschlagen:
"Vor allem hier stehenden Volk, fahrt aus und sagt mir, welchen Geschlech-
tes ihr seid (E^EX-9-ÖVTE^ Elitäre uoi itoiou Y^VOUC, EOTE, vgl. auch Test Sal 2ff.)".
Der Epipompe Mk 5,13 2 9 liegt die Vorstellung zugrunde, daß sich die Aus-
fahrt ausgetriebener Dämonen nach Möglichkeit sichtbar manifestieren soll 3 0
und sie dauerhaft eines neuen Aufenthaltsortes bedürfen, damit die Gefahr
einer Rückkehr ausgeschlossen ist (vgl. Tob 8,3; Plin, Ep VII 27,11/Luc,
Philops 31). Zu den Techniken des jüdischen Exorzisten Eleazar zählte der
Befehl an den Dämon, beim Entweichen ein Wasserglas umzustürzen (Joseph,
Ant VIII,48). Act Petr 11 enthält ein mutmaßliches Ausfahrwort christlicher
Wundercharismatiker an den Dämon, für jedermann sichtbar auszufahren
(quicumque es daimon, in nomine domini nostri Iesu Christi exi a iuvene, nihil
nocens eum; ostende te omnibus adstantibus). Direkte Parallelen für die
Epipompe in die dann ertrinkende Schweineherde Mk 5,13 sind Paus VI 6,10
(der besiegte Dämon stürzt sich ins Meer) und PGM IV,1247 (Bannung des
ausgetriebenen Dämons in die Unterwelt).

Unverkennbar war die Erzählung ursprünglich im Judenchristentum


beheimatet, da sich zahlreiche Erzählmotive (Wohnstätte in Grabhöhlen,
Rekurs auf 1 Kön 17,18; Vernichtung der Schweineherde) und magische
Techniken (Befragung des Dämons; Befehl zum sichtbaren Entweichen)
am besten oder zumindest problemlos aus jüdischer Tradition erklären.
Für eine aramäische oder hebräische Vorlage sind keine Indizien gege-
ben, spätestens bei Ausgestaltung durch Mk 5,3-5 war die Erzählung im
griechischsprachigen Judenchristentum beheimatet, da uvfjua 5,3.5
LXX-Einfluß indiziert und möglicherweise auch Ps 67,7LXX (diff. MT)
den Passus 5,3-5 mitprägte.
Als primäres Überlieferungsinteresse legt sich in Analogie zu Mk
1,23-27 die Werbung mit Jesus als Wundertäter nahe, worauf bereits die
Entlassung des Geheilten zur Bekanntmachung des Wunders in seinem
Haus (5,19) und vielleicht auch 5,17 als Reflex gescheiterter Mission im
Heidenland hindeutet. Dieser vermuteten Überlieferungsintention korre-
spondiert die gegenüber 1,23-27 deutlich gesteigerte christologische

29 Gegen O. Betz, "Divine Man" 282f., liegen kaum Bezüge zum Unter-
gang der Ägypter im Roten Meer (Ex 14; Ps 106,11) und damit verbunden ei-
ne Mose-Jesus-Typologie vor.
30 Philostr, Vit Apoll IV,20, und Act Petr 11 demonstriert das Zerstören
eines Standbildes sichtbar das Weichen des Dämons. Luc, Philops 16, sollen
die Geister "schwarz und rußig" aus dem Besessenen ausgefahren sein.
Besessenenheilungsberichte 209

Stilisierung der Erzählung, denn der Gottessohn Jesus beherrscht eine


Legion von rund 6000 Dämonen nach Belieben 31 . Von den Wundertech-
niken können der Versuch, Dämonen zum Sprechen zu bringen, und der
Befehl zur sichtbaren Ausfahrt für die palästinische Magie des l.-2.Jhdt.
als gebräuchlich vorausgesetzt und damit für Jesus theoretisch in Be-
tracht gezogen werden, wie das Beispiel Eleazars und des "Syrers aus
Palästina" zeigt. Das gegenüber Mk 1,23-28 fortgeschrittene Traditions-
stadium 32 der Gerasenererzählung deutet allerdings in Verbindung mit
dem vormk offenbar eigens nachgetragenen Ausfahrwort 5,8 darauf hin,
daß hier weniger historische Erinnerung an Begleitumstände des Wir-
kens Jesu vorliegt, sondern sich eher solche christlichen Wundertechni-
ken niedergeschlagen haben, wie sie zumindest für das 2.Jhdt.n.Chr.
bezeugt sind und Mk 5,1-20 - über christologische Werbung für den
dämonenbezwingenden "Sohn des höchsten Gottes" hinausgehend - auch
als Anleitung zu Dämonenaustreibungen in der Nachfolge Jesu geeignet
erscheinen lassen. Daß dabei eine tatsächliche, den näheren Umständen
nach nicht bekannte Dämonenaustreibung Jesu in heidnischem Gebiet zu
derartiger Traditionsbildung veranlaßte, liegt im Bereich des Möglichen 33 .

1.2.3. Die Heilung des epileptischen Knaben (Mk 9,14-29parr)

Als letzter der drei mk Besessenenheilungsberichte ist nunmehr Mk


9,14-29 zu untersuchen, einer der literarkritisch wie traditionsge-

31 Gegen innergemeindliche Auseinandersetzungen um die Legitimität der


Heidenmission als "Sitz im Leben" (Annen, Heil für die Heiden 186-190,
ähnlich Schille, Topographie 140) spricht der Sachverhalt, daß die Gerase-
nererzählung Jesu Wirksamkeit im heidnischen Land in keiner Weise proble-
matisiert oder gar in apologetischer Absicht expressis verbis autorisiert (vgl.
dagegen Mk 7,24-30 und Mt 8,5-13par).
32 Daß Mk 5,1-20 nicht nur unter christologischen, sondern auch unter
magischen Aspekten ein späteres Traditionsstadium als Mk 1,23-28 markiert,
spricht gegen die These von M. Smith, Jesus the Magician 146, bereits die
gesamte vorliterarische Überlieferungsgeschichte der ntl Wundererzählungen
sei von einer tendenziösen Unterdrückung magischer Praktiken Jesu geprägt
gewesen. Für die Gerasenererzählung gilt offenbar genau das Gegenteil.
33 Craghan, Gerasene Demoniac 536 ("At some point in His public life
Jesus exorcized a demoniac in pagan territory on the other side of the Sea of
Galilee"); Annen, Heil für die Heiden 196; Pesch, Besessener 44. - Die von
Dibelius, Formgeschichte 98, vermutete Übertragung einer jüdischen Erzäh-
lung auf Jesus bleibt ohne Anhalt; Joseph, Ant VIII,45-49, aus der Zeit nach
Abfassung des Mk-Ev scheidet hier von vornherein aus. Ebenso unplausibel
ist angesichts der zahlreichen jüdischen Züge in Mk 5,1-20 die Hypothese von
210 Dämonenaustreibungen Jesu

schichtlich umstrittensten syn Wunderstoffe. Klarheit besteht hinsicht-


lich der redaktionellen Gestaltung der Exposition 9,14-16 und des se-
kundären Charakters der Jüngerunterweisung 9,28f. 34 . Entscheidend er-
leichtert wird die weitergehende Rekonstruktion der vormk Fassung da-
durch, daß Mt 17,14-21 und Lk 9,37-43a nicht primär auf Mk 9,14-29 als
literarischer Vorlage basieren. Beide Seitenreferenten des Mk bieten
diese Erzählung zwar unter Einfluß der Mk-Akoluthie, doch deutet die
große Zahl der Übereinstimmungen gegen Mk darauf hin, daß Mt und Lk
hier im wesentlichen einer von Mk 9,14-29 literarisch unabhängigen, und
zwar vergleichsweise ursprünglicheren Traditionsvariante folgen.

Ganze Teile von Mk 9,14-29 fehlen in Mt 17,14-21/Lk 9,37-43a, wobei Mk


9,14-16.21-24.25b-26 von beiden Seitenreferenten fast völlig übergangen wird.
Auch gegen Mk übereinstimmende oder gemeinsam über ihn hinausgehende
Formulierungen 35 lassen sich hier in ihrer Häufung entgegen einer schemati-
schen Handhabung der Zwei-Quellen-Theorie nicht als unabhängig voneinan-
der vollzogene Verbesserungen des Mk-Textes erklären, sondern legen den
mt wie lk Rückgriff auf eine Variante von Mk 9,14-29 nahe 3 6 . Ohnehin kann
Mk 9,14-29 kaum die alleinige Vorlage für Lk 9,37-43a gewesen sein. Im
Gegensatz zu Mt neigt Lk in der Wunderüberlieferung nicht zu Kürzungen
größeren Ausmaßes und bietet sogar Mk 5,1-20 fast in voller Länge (Lk
8,26-39). Auch eine Tilgung der Apopompe Mk 9,25b, die Mt 17,18/Lk 9,42
fehlt, läßt sich für Lk nicht plausibel machen, da Lk 4,35 und 8,29 die Aus-
fahrbefehle Mk 1,25 und 5,8 jeweils wiedergegeben werden.
Da die Mk 9,14-29 im Vergleich mit Mt und Lk überschießenden Elemente
im wesentlichen sekundär (Mk 9,21-24.25b.26b) oder sogar erst redaktionell
(vgl. 9,14-16) sind und damit der kürzeren mt-lk Fassung gegenüber Mk
9,14-29 traditionsgeschichtliche Priorität zukommt, basieren die mt-lk agree-

Bousset, Kyrios Christos 61, und Bultmann, Syn Tradition 225, eine rein
hellenistische Erzählung sei auf Jesus übertragen worden.
34 Vgl. Koch, Wundererzählungen 119-121; Kertelge, Wunder Jesu 176f.;
Gnilka, Mk-Ev II 45; Lührmann, Mk-Ev 160, speziell zu Mk 9,28f. Kuhn,
Sammlungen 189 (weitergehend zu 9,28f.: V.3.2.) Daß Mk 9,14-27 vor der
Integration in das Mk-Ev bereits einen längeren Traditionsprozeß durch-
laufen hat, steht angesichts des komplizierten Aufbaus außer Frage (gegen
Schmithals, Heilung des Epileptischen 21 lff.: Es handele sich um eine ein-
heitliche theologische Kunsterzählung mit Entfaltung pln Theologumena).
35 Vgl. a) fjSuvfjdriaav Mt 17,16/Lk 9,40 diff. loxuoav Mk 9,18; b) Mk 9,19
fehlendes xai SiEotpauuEvii und USE in Mt 17,17/Lk 9,41 und c) xai EO-EpaTtEÜ-ÖT]
6 TtaTc, Mt 17,18/xai iäaato TÖV TtaTSa Lk 9,42 diff. ö SE fJYEipEV aütöv Mk
9,27. Eine exakte Auflistung der mt-lk Übereinstimmungen gegen Mk 9.14-29
bietet Neirynck, Minor Agreements 126-130.
36 Vgl. Lohmeyer, Mt-Ev 269; Vaganay, Probleme Synoptique 405-425;
Schramm, Mk-Stoff 99L129; Roloff, Kerygma 147; Theißen. Wunderge-
schichten 139 (anders aber 180); Bovon, Lk-Ev I 507f.; Luz, Mt-Ev II 519f.
Dagegen u.a. Achtemeier, Miracles and the Historical Jesus 473-475; Gnilka,
Mt-Ev II 105.
Besessenenheilungsberichte 211

ments nicht auf einer geglätteten oder gekürzten deutero-mk Fassung von Mk
9,14-29 als Vorlage für Mt und Lk 3 7 .

Aus diesen literarkritischen Erwägungen resultiert die Einsicht in eine


ältere, vorliterarische Version von Mk 9,14-29parr, die den Mk 9,14a.15c.
17-20.25a.26a.27/Mt 17,14-21/Lk 9,37-43 gemeinsamen Überlieferungs-
bestand umfaßte, ohne daß der exakte Wortlaut noch rekonstruierbar
wäre 3 8 . Mit der recht ausführlichen Krankheitsschilderung, dem Motiv
des Jüngerversagens und dem Fehlen eines Dämonenbekenntnisses
unterscheidet sich dieser Wunderbericht in auffälliger Weise von Mk
1,23-28 und 5,1-20.

Bei grundsätzlicher Übereinstimmung in der Charakterisierung der Krank-


heit als Besessenheit differieren die drei Versionen von der Heilung des
epileptischen Knaben doch in Details, indem sie sich an unterschiedlichen
(volks)medizinischen "Diagnosen" epileptischer Symptome orientieren.
Die ausführlichste, teilweise gegenüber Mt und Lk sekundäre Krankheits-
schilderung bietet Mk, wo 9,17 zunächst von einem nvEÜua äXaXov (9,25 TÖ
aXaXov xai xuipöv nvEÜua) die Rede ist. Da nicht der Kranke selbst (vgl. Mt
9,32; 12,22), sondern der von ihm Besitz nehmende Dämon als "sprachlos"
gilt, dürfte eine nur vorübergehende Stummheit als Begleiterscheinung epi-
leptischer Anfälle vorausgesetzt s e i n 3 9 . Folglich besteht keine Veranlassung,
in Mk 9,14-29 zwei sich im Grunde widersprechende Krankheitsschilderungen
anzunehmen und dies als Indiz für eine Mehrschichtigkeit des Textes zu
beanspruchen 4 0 . Mk 9,18 schildert den Verlauf des epileptischen Anfalls.

37 Gegen Aichinger, Epileptiker-Perikope 144ff.


38 Roloff, Kerygma 143149, zählt von ähnlichen Quellenvoraussetzungen
her Mk 9,(14-17a?)17b-19a.l9c-20.25-27 zur ältesten Tradition. Petzke, Wun-
dertaten Jesu 188-191, bestimmt allein aufgrund einer literarkritischen Analy-
se des Mk-Textes Mk 9,17-19a.l9d.20.25-27 als ursprünglichen Kern. - W e -
gen einer einseitigen Verabsolutierung wortstatistischer Kriterien abzulehnen
ist die Rekonstruktion von Schenk, Epileptiker-Perikope, bes. 93f.: Der ge-
scheiterte Heilungsversuch sei ursprünglich nicht von den Jüngern, sondern
von den Pharisäern unternommen worden (ähnlich Pesch, Mk-Ev II 84ff.).
39 Vgl. zu Mk 9,17f. bereits die Charakterisierung eines besessenen Epi-
leptikers in Schurpu VII,31-34: "his mouth filled with spittle (and) foam;
dumbness (and) daze have come upon this man" (Reiner, Schurpu 37). Plut,
Mor 438 B, wird Pythia von einem stummen und bösen Geist ergriffen (aXäXou
xai xaxou TtvEÜuaTOC, oüoa TtXfjpric;). Hippocr, Morb Sacr VII,1; X,6 zählt
vorübergehender Sprachverlust (ätpuvoc. YivEtai/xai ä<puvoc. YEVÖUEVOCJ ZU
den Begleiterscheinungen eines epileptischen Anfalls (ebenso Hippocr, Epid
VII 46; Aret I 5,5 ätpuvir]), wie es auch PGM XIII,242-244 (der Besessene
wird mit Schwefel und Harz zum Sprechen gebracht) voraussetzt.
40 Bornkamm, IIvEuua äXaXov 24: In der vormk Erzählung gingen Epilep-
sie und Taubstummheit durcheinander, folglich seien zwei Heilungsberichte
miteinander verschmolzen worden (ähnlich Bultmann, Syn Tradition 225;
Koch, Wundererzählungen llSf.; Achtemeier, Miracles 476-482). Theißen,
212 Dämonenaustreibungen Jesu

Der Dämon reißt den Besessenen h e r u m , so daß e r s c h ä u m t und mit den


Zähnen knirscht und " a u s g e z e h r t " wird ( x a i äcppi^Ei x a i rpi^Ei TOÜC; öSövtac,
x a i ^ijpaivETai). Dies deckt sich mit der C h a r a k t e r i s i e r u n g epileptischer
Anfälle bei Hippocr, M o r b Sacr VII,1 "und Schaum fließt aus dem Mund, und
die Zähne sind z u s a m m e n g e p r e ß t ( x a i äippöc, EX TOU OTÖuaroc, ÖET, x a i oi
ÖSOVTEC, ouvT|pEixaoi), Aretaios ( A r e t I 5,4.7 ^uvEpEioouoiv oi ÖSÖVTEC, ...
ä<ppöv SE änoitTÜouai) und der vom M t - E v unbeeinflußten P a r a l l e l e Luc, Philops
16: Der palästinische Exorzist nimmt sich d e r e r an, die mondfällig ( x a r a -
TtiTtTOVTac. irpöc, tfjv 0EXfjvT)v) sind, die Augen v e r d r e h e n und d e r e n Mund sich
mit Schaum füllt ( x a i ätppoü TuuirXauEvouc, TÖ o r ö u a ) . Zudem e n t s p r i c h t das
dortige xaTaTtinTOVTac, ... x a i ÖKppoO TtiU-iiXauEvouc; TÖ o r ö u a weitgehend der
Schilderung von Mk 9,20 x a i TIEOÜV Eni Tfjc, Y 1 !?, EXUXIETO ä(ppir,uv (vgl. auch
Cels, M e d III 23,1). Daß die Besessenheit nach Mk 9,21 b e r e i t s EX TtaiSiö&EV
datiert, s t e i g e r t die Schwere der Krankheit (vgl. EX YEV£TTJC, Joh 9,1) und
damit die G r ö ß e des W u n d e r s , entspricht aber gleichzeitig der antiken m e d i -
zinischen Einsicht, daß Epilepsie häufig b e r e i t s im K i n d e s a l t e r auftritt und
daher als puerilis passio gilt (vgl. A r e t 1114,1; C a e l Aur, T a r d Pass 1,60). Der
letzte Verweis auf Begleiterscheinungen der Anfälle Mk 5,22 fügt sich n a h t -
los in das bisherige Bild ein: Vollzieht sich das Hinfallen von 5,20 in der
Nähe einer F e u e r s t e l l e oder eines G e w ä s s e r s , droht L e b e n s g e f a h r für den
Besessenen, und es scheint, als wolle der Dämon ihn t ö t e n 4 1 . Insgesamt
bleibt die Mk 9,17.18.20-22 vorliegende K r a n k h e i t s s c h i l d e r u n g d u r c h w e g dem
verhaftet, was man in der Antike über epileptische Anfälle w u ß t e oder j e d e r -
zeit b e o b a c h t e n konnte, und erlaubt daher t r o t z i h r e r r e a l i s t i s c h e n Details
keine Rückschlüsse auf individuelle, historische Züge d e r E p i l e p t i k e r p e r i k o p e 4 2 .
Bei M t findet sich anstelle einer ausführlichen Krankheitsschilderung in
17,15 lediglich die Notiz x a i OEXiiviä^ETai x a i x a x u c , TtäoxEi, e r g ä n z t um eine
Mk 9,22 weitgehend e n t s p r e c h e n d e Schilderung der Folgen e i n z e l n e r Anfälle.
Dabei ist als Krankheit ebenfalls Epilepsie v o r a u s g e s e t z t ; denn diese gilt als
OEXTIVKXC.EIV o.a. (Kyr 124,42 u.ö.; L u c , Philops 16), da nach Ansicht antiker
Medizin der Mond das Intervall zwischen den einzelnen epileptischen Anfäl-
len b e s t i m m t 4 3 .
Die lk Krankheitsschilderung entspricht Mk 9,18 mit dem Unterschied, daß
der Besessene während des Anfalls nicht s t u m m ist, sondern der Dämon

W u n d e r g e s c h i c h t e n 139f., zeigt dagegen, daß Mk 9,22-24 - v e r m e i n t l i c h e r


Bestandteil einer zweiten, eigenständigen W u n d e r g e s c h i c h t e in 9,14-29 -
9,14ff. v o r a u s s e t z t . Dies spricht auch gegen die Analyse von K e r t e l g e , W u n -
der Jesu 174ff.: Grundbestand sei Mk 9,20-27 als a p o p h t h e g m a t i s c h e r w e i t e r -
te W u n d e r g e s c h i c h t e , die Mk k l a m m e r a r t i g mit dem M o t i v des bleibenden
Unverständnisses und Unvermögens der Jünger umschlossen habe.
41 Philostr, Vit Apoll 111,38, droht der Dämon mit "Felsen und Abgründen"
und der Tötung des Sohnes; nach J o s e p h , Bell VII,185, t r a c h t e n die Dämonen
den M e n s c h e n nach dem Leben.
42 G e g e n Pesch, M k - E v II 95: Die detaillierte B e s c h r e i b u n g des Krank-
heitsbildes e r k l ä r e sich ungezwungen aus der V o r l a g e eines konkreten Falles,
nicht aus e r z ä h l e r i s c h e r Erfindung.
43 G a l IX,903; Luc, Toxaris 2 4 . A r e t III 4,2 zufolge befällt Epilepsie
diejenigen, die sich am Mond versündigen (EC, TTJV OEXTJVT|V äXrrpöioi).
Besessenenheilungsberichte 213

Laute von sich gibt (xai E^aitpvnc; xpä^Ei Lk 9,39). Als die Hilfsbedürftigkeit
steigerndes Motiv findet sich zudem die wohl redaktionelle Notiz, daß es sich
um das einzige Kind gehandelt habe (vgl. Lk 7,12). Lk bietet aber cum grano
salis die vergleichsweise ursprünglichste Schilderung der Krankheit. Der mk
Bericht weist dagegen eine sekundär wirkende Ausgestaltung mit Anleihen in
antiker Epilepsiediagnose auf, während Mt offenbar eine Lk 9,39 vergleichba-
re Schilderung stark gekürzt hat und in 17,15b Formulierungen aus Mk 9,22 in
seine von Mk 9,14-29 literarisch weitgehend unabhängige, lediglich in Mt 17,
19 eindeutig auf Mk basierende Fassung der Epileptikerperikope einfließen ließ.

Daß sich Mk 9,14-27 mit dem fehlgeschlagenen Heilungsversuch der


Jünger und einer darauf bezogenen Reaktion Jesu (9,18b.19) von den
verwandten Berichten Mk 1,23-28 und 5,1-20 abhebt, ist kein Indiz für
Historizität 44 . Eher dürfte das Motiv bereits gescheiterter Heilungsbe-
mühungen, das in antiken Wundertraditionen ein fester Topos ist 4 5 , mit
dem Ziel eingeflossen sein, auf der Negativfolie des Jüngerversagens die
Kompetenz Jesu selbst in schwersten Fällen von Besessenheit betont
hervorzuheben 46 . Auch wenn diese christologische Stilisierung werben-
de Interessen verfolgt 47 , fehlen Mk 9,14-27parr im Vergleich mit Mk
1,23-28 und 5,1-20 solche Züge, die sich speziell einer Verwendung der
Besessenenheilungsberichte in Missionszusammenhängen verdanken. Es
begegnet weder ein Dämonenbekenntnis (Mk 1,24; 5,7) noch ein wer-
bender Schluß (Mk 1,27; 5,19). Dies erklärt, warum die Erzählung mit
der Thematisierung wahren Glaubens (9,23f.) wie mit der Ausgestaltung
zur Jüngerunterweisung (9,28f.) bald gemeindeinterne Lehrinteressen
verfolgte und bei Mk nicht innerhalb des Wunderzyklus 4,35-5,43,
sondern im zweiten Hauptteil seines Evangeliums in paranetischem
Kontext steht.
In solchen Lehrzusammenhängen sind auch die Wunderpraktiken von
Mk 9,14-27parr zu betrachten, denn hier ist eine Reflexion magischer
Praktiken des frühen Christentums oder eine bewußte Anleitung dazu
noch weniger von der Hand zu weisen als in Mk 1,23-28 und 5,1-20.

44 Anders Roloff, Kerygma 147-149, der geschichtliche Erinnerung an ge-


scheiterte Dämonenaustreibungen des Zwölferkreises beim Vollzug der Aus-
sendungsanordnungen Jesu (Mk 6,7.12f.) vermutet. Vgl. auch Gnilka, Mk-Ev II
50.
45 Vgl. zum Motiv des Jüngerversagens neben 2 Kön 4,29-31 bes. Luc,
Philops 3Sf. ; Ael, Nat An IX,33. Vergleichbar ist auch der Topos gescheiter-
ter Heilungsversuche durch Ärzte (u.a. Tob 2,10; Philostr, Vit Apoll IV,45).
Zum Ganzen: Weinreich, Antike Heilungswunder 81-87.195ff.
46 Schürmann, Lk-Ev I 568; Petzke, Wundertaten Jesu 191; Bornkamm,
IIvEÜua äXaXov 25 ("thaumaturgisches Meisterstück Jesu"). Pesch, Mk-Ev II
95, sieht dagegen "fehlende christologische Stilisierung".
47 Petzke. Wundertaten Jesu 202f.; Gnilka, Mk-Ev II 45.
214 Dämonenaustreibungen Jesu

Kein ntl Wunderbericht zeigt ein derart ausgeprägtes Interesse an de-


taillierter "ärztlicher" Diagnose des Krankheitsbildes wie Mk 9,14-27.
Bereits die Jüngerunterweisung Mk 9,28f. impliziert offenbar eine (aller-
dings erfolglose) Anwendung der Dämonenaustreibungspraktiken von
9,14-27. Das Ausfahrwort 9,25 weist mit EY<J EitiTdocsu ooi eine Formel
auf, die in den Pendants Mk 1,25; 5,9 ohne Entsprechung bleibt, dagegen
Parallelen in den Zauberpapyri hat 4 8 . Mit dem Verbot der Wiedereinkehr
an den Dämon (xai UIIXETI EEOEX&TJC; EIC, aütöv Mk 9,25) ergeben sich
Bezüge zur Vorgehensweise Eleazars, der durch Beschwörungsformeln
den Dämon an der Rückkehr in den Besessenen zu hindern suchte
(UT|XET' EIC, aÜTÖv E7iavf|FiEiv Joseph, Ant VIII,47; vgl. Philostr, Vit Apoll
IV,20) und dabei dem EYU ETtiTäoöw ooi vergleichbare Befehlsworte an
den Dämon richtete (ty Saiuoviu TtpooEtaTTEv VIII,48), ohne daß Josephus
deren Wortlaut mitteilte. Auch wenn solche Praktiken somit für das
palästinische Judentum des l.Jhdt.n.Chr. verbürgt sind und Jesus selber
vor einer Wiederkehr von Dämonen warnte (Mt 12,43-45par), hat sich
Mk 9,25 offenkundig sekundär, weil in der mt-lk Fassung fehlend, ein
bei christlichen Dämonenaustreibungen verwendeter Ausfahrbefehl mit
Rückkehrverbot niedergeschlagen. Act Thom 77 begegnet im Munde des
Thomas eine höchstwahrscheinlich von christlichen Dämonenbeschwö-
rern benutzte Formel, die Mk 9,25 der Sache nach entspricht: "Jesus
befiehlt (XEXEÜEI) dir (sc. dem Dämon) und deinem Sohn durch mich, daß
du nicht mehr in eine Menschenwohnung eingehst (i'va urrxETt EIOEXÖTJC,
EIC. xaToixrioiv ävöpÜTtou), sondern zieht aus (E^EXÖETE) und geht (äitEXÖETE)
und wohnt gänzlich außerhalb der Wohnung der Menschen!" 49 . Auch in
Mk 9,26b.27 könnte sich eine Wunderinstruktion spiegeln. Daß der
Besessene nach der Dämonenaustreibung wie tot erscheint, deckt sich
mit der Realität 50 . Aus Mk 9,27 geht hervor, daß in solchen Fällen ein
Heilgestus mit Berührung durch die Hand (vgl. Mk 1,29; 5,41) zur Reani-
mation führt (ähnlich Philostr, Vit Apoll IV,45).
Für die älteste Fassung von Mk 9,14-27parr, in der sich die Dämonen-
austreibung ohne Ausfahrbefehl allein durch die Bedrohung (ETIETIUTIOEV

48 PGM 1,254 ETtirä^u üuTv; VII,331 ipäviiS-i uoi, xüpiE "Avoußt, ETtitäoou
ooi; XII,171 ETtiTaoou ooi, ö UEYac, ... SaTuuv; IV,1038 EitiräooEi ooi ö UEYac,
C,öv ÖEÖC,, siehe Eitrem, Notes 33f. Vgl. auch die nachösterliche Dämonenaus-
treibungsformel Apg 16,18 napayyEXXu ooi ... E^EXO-ETV.
49 In der verwandten Formel Act Andr 5 wird dem ausfahrenden Dämon
befohlen, von Christen betretene Gebiete in Zukunft völlig zu meiden.
50 Joseph, Ant VIII,47: Der Besessene fällt nach der Dämonenaustrei-
bung sogleich zusammen; Vit Apoll IV,20: "Der Jüngling aber rieb sich die
Augen wie ein Erwachender." Act Thom 77 liegen die beiden Frauen nach der
Dämonenaustreibung wie Tote hingestreckt und sind stumm.
Besessenenheilungsberichte 215

aütu) vollzog (Mt 17,18/Lk 9,42), ist aufgrund des vermutlich wiederum
auf IUI rekurrierenden ETUTIUSV51 die Heilung eines epileptischen Kna-
ben durch Jesus als historischer Haftpunkt wahrscheinlich 52 , zumal es
sich bei dem Gewässer von Mk 9,22par, das zumindest die zum Ertrin-
ken notwendige Tiefe aufgewiesen haben muß, um den See Genezareth
handeln könnte 5 3 . Sämtliche über die Bedrohung hinausgehenden Wun-
derpraktiken wurden aus aktuellen Bedürfnissen heraus nachgetragen 54 .
Wie schon in Mk 5,1-20 war auch hier die vorliterarische Überliefe-
rungsgeschichte nicht durch eine Unterdrückung, sondern eine Verstär-
kung magischer Techniken Jesu gekennzeichnet.

2. Krankenheilungen Jesu
2.1. Die Logienüberlieferung
Die ntl Evangelien berichten nicht allein von Krankenheilungen Jesu,
sondern auch von der Heilung solcher Gebrechen, die zwar im einzel-
nen auf das Wirken böser Geister zurückgeführt werden können, bei
denen jedoch keine Anwesenheit von Dämonen in der erkrankten Person
angenommen wird. Bereits Lk 13,32 war neben Dämonenaustreibungen
auch von Krankenheilungen Jesu die Rede. Bevor den ntl Heilungser-
zählungen nachgegangen wird, sind als weitere Logienstoffe noch Mt
ll,2-6par und Mt 13,16f.par auf ihre Authentizität und ihren Aussage-
gehalt hin zu untersuchen.

51 Ausnahmslos abzulehnen sind die von Pesch, Mk-Ev II 95 mit Anm. 38,
reklamierten Semitismen. Die xai-Parataxe ist ebensowenig Indiz für eine
aramäische Vorlage wie das pluralische üSata Mk 9,22 (vgl. die pluralischen
Belege bei Liddell/Scott 1846) und das inkludierende TtoXXoi Mk 9,26 (vgl.
Rom 5,15.19). Noch unbegreiflicher ist, wie Pesch TtvEÜu.a äxädaprov für
palästinisches Uberlieferungsmilieu beanspruchen kann, denn als unrein gelten
Dämonen sogar Philostr, Vit Apoll IV,19 ( t ä Saqiövia u.fj xaS-apöv Efvai).
52 Achtemeier, Miracles and the Historical Jesus 490 ("... the historical
Jesus did in fact perform deeds such as the exorcism reported of him in the
early tradition underlying Mark 9:14-29"); zu weitgehend Pesch, Mk-Ev II 95.
Gegen Petzke, Wundertaten Jesu 201: "Erzählerische Darstellung des chri-
stologischen Titels 'Wundertäter' ".
53 Pesch, Mk-Ev II 95, Anm. 38; Gnilka, Mk-Ev II 45. Überzogen Schenk,
Epileptiker-Perikope 81, der wegen Eic, ÜSata in der Heilung des Epilepti-
schen sogar eine der SuväuEtc, in Bethsaida (Mt ll,20f.) sehen will.
54 Kurzschlüssige petitio principii ist die Behauptung von Twelftree, Jesus
the Exorcist 95, "that there were no particular reasons why the early Church
should have added the details of the address to the demon", folglich seien
Ausfahrworte wie Mk 9,25 historisch.
216 Krankenheilungen Jesu

2.1.1. Die Täuferanfrage (Mt 11,2-6/Lk 7,18-23)


Der bedeutendste syn Logienstoff mit Heilungsthematik ist das in
seinem historischen Wert allerdings fragliche Apophthegma von der
Täuferanfrage Mt 11,2-6/Lk 7,18-23, das von Mt und Lk nahezu gleich-
lautend in der Q-Fassung wiedergegeben wird.

Die Mt 11,2 mit EV TU SEOUUTTIPIU expressis verbis gegebene Gefangenschaft


des Täufers ist auch Lk 7,18-23 impliziert (vgl. Lk 3,20). Lk hat die Notiz EV
TU SEOuuTnpiu gestrichen, da sie ihm von 3,20 her als entbehrlich e r s c h i e n 1 ,
und zudem die Exposition Lk 7,18-21 a u s g e s t a l t e t . Die Ü b e r s c h ü s s e in Lk
7,18.20 gegenüber Mt sind aufgrund zahlreicher lk V o r z u g s w ö r t e r r e d a k t i o n e l l 2 .
Lk 7,21 EV EXEIVTJ TTJ ü p a EÖEpaTtEuoEV TtoXXoüc, äirö vöouv x a i uaoriYuv x a i
TtvEuuäruv TtovT|puv, x a i TucpXoTc, TtoXXoTc, Exapioato ßXETCEiv - ohne Parallele
bei M t - wird Lk unter Rückgriff auf die s u m m a r i s c h e Notiz Mk 3,10f. (dort
Lk 7,21 v e r g l e i c h b a r TtoXXoüc, E-9-EpäTtEUOEv, TcvEÜuata ä x ä S - a p r a und das ntl
lediglich sechsmal belegte uäoTi!;) und unter Verwendung von xapiC°|rai (im
NT nur im L k - E v und in der Apg) formuliert h a b e n 3 .
Priorität dürfte bei Lk allerdings der gegenüber dem mt <x (XXOÜETE x a i
PXETCETE abweichenden Abfolge von W o r t und T a t in Lk 7,22 a EISETE x a i
rjxoüoaTE zukommen. Eine Vorordnung der Verkündigung Jesu gegenüber den
W u n d e r t a t e n ist bei M t mehrfach redaktionell n a c h w e i s b a r 4 , und in dem
M a k a r i s m u s M t 13,16f./Lk 10,23f. bieten beide Evangelisten übereinstimmend
die Q-Rangfolge ßXETtEiv - äxoÜEiv.

Völlig umstritten ist die vorliterarische Traditionsgeschichte des


Apophthegmas. Teilweise gilt Mt ll,2-6par in seiner Gesamtheit als

1 von H a r n a c k , Sprüche 64; Klostermann, L k - E v 89; Kümmel, Jesu Ant-


wort 193; Fitzmyer, Luke I 665. Zudem kommt für SEOUUTTJPIOV als mt H a -
paxlegomenon eher vormt Herkunft als mt Redaktion in B e t r a c h t . Anders
Lührmann, Redaktion 26, Anm.4; Schürmann, L k - E v I 184; Vögtle, W u n d e r
und W o r t 221; Schulz, Q 191; Gnilka, M t - E v I 4 0 5 : M t habe EV ttp
SEOuuTiipiu eingefügt, um die Mt 4,12 erwähnte Gefangensetzung des Täufers
nochmals in Erinnerung zu rufen.
2 Hoffmann, Studien 193 mit Anm.12; Schulz, Q 191f; Vögtle, W u n d e r und
W o r t 220; zu den lk Vorzugswendungen in Lk 7,18.20 zählen TcapaYtvEoS-ai,
ävfjp und TCOC,. Lührmann, Redaktion 26, v e r m u t e t dagegen mt Kürzungen.
3 Vgl. auch Dibelius, Johannes der Täufer 3 3 , Anm.l; Schürmann, Lk-Ev I
410, Anm.19.
4 Vgl. neben der Komposition Mt 5-9 noch Mt 9,35; 13,14. Aus der mt
Umstellung von ßXETtEiv und äxoÜEiv in Mt ll,4f. resultiert ein Chiasmus mit
der Betonung auf den Außengliedern a ÖXOÜETE ... Ttruxoi EÜaYYE^ifpvTai
(Grundmann, M t - E v 304; Vögtle, Wunder und W o r t 221f.; vgl. Hoffmann,
Studien 193). Für eine Priorität des mt a ÖXOÜETE x a i ßXETtETE plädieren da-
gegen Conzelmann, M i t t e der Zeit 179; Pesch, T a t e n 36, Anm.3; Schulz, Q
192; Schürmann, L k - E v I 410, Anm.20, vgl. 232, Anm.74; Kümmel, Jesu
Antwort 193, Anm. 70; Völkel, Täuferanfrage 171f.; Gnilka, M t - E v I 406;
Bovon, L k - E v I 369.
Die Logienüberlieferung 217

historisch glaubwürdiger Bericht 5 . Hiergegen spricht bereits der Sach-


verhalt, daß Johannes der Täufer die Frage oü EI Ö EPXÖUEVOC, "ij aXXov/
ETEPOV itpooSoxuuEv dem Inhalt nach nicht an Jesus gerichtet haben
würde 6 , da das aus der authentischen Täuferverkündigung eruierbare
Bild vom kommenden Stärkeren auf Gott hindeutet.

Nach Mk 1,8 wird der kommende Stärkere ausschließlich die Geisttaufe


vollziehen. Q zufolge dagegen auch als Feuerrichter auftreten (Mt 3,11/Lk
3,16). Da sich letzteres nahtlos in die im Kern authentische Gerichtspredigt
Mt 3,7-10.12par einfügt, kommt Mt 3,11/Lk 3,16 gegenüber Mk l,7f. Priorität
zu 7 , und Johannes der Täufer hat einen eschatologischen Geistausgießer und
Feuerrichter angekündigt . Gegen dessen Identität mit dem Menschensohn
oder einer ähnlichen richterlichen Endzeitgestalt spricht EV TtvEÜuaTi aYiu,
da die eschatologische Geistausgießung Gott vorbehalten bleibt (vgl. bes. Ez
36,25ff.; Joel 2,28-32) 1 0 . Zudem ist 1 QS IV,18-23 in Analogie zu Mt 3,llpar
von dem Gericht und der Geistausgießung Gottes die Rede.

Ist mit dem kommenden Stärkeren Gott gemeint, dann wäre es für
den Täufer völlig abwegig gewesen, seine Ankündigung des EPXÖUEVOC, in
der Mt 11,3/Lk 7,19 beschriebenen Weise mit Jesus in Verbindung zu
bringen 11 . Gegen eine Historizität von Mt ll,2-6par dürften zudem auch

5 Kümmel, Jesu Antwort 192-200; Twelftree, Jesus the Exorcist 121; mit
Vorbehalt auch Luz, Mt-Ev II 164-166.
6 Hoffmann, Logienquelle 201; Vögtle, Wunder und Wort 223-225.
7 Gnilka, Mt-Ev I 64. Gegen Laufen, Doppelüberlieferungen 107-109: xai
Ttupi sei sekundärer Zusatz der Q-Redaktion.
8 Ohne Textanhalt bleibt die Annahme, lediglich die Feuertaufe gehe auf
Johannes zurück, während die Geisttaufe des Stärkeren sich einer Rückpro-
jektion der christlichen Taufe in die Verkündigung des Täufers verdanke, so
Dibelius, Johannes der Täufer 56; Manson, Sayings of Jesus 40f.; Hoffmann,
Studien 29f.; von Dobbeler, Gericht 55-59; Bovon, Lk-Ev I 177.
9 Becker, Johannes der Täufer 34-37.
10 Test Jud 24,2, wo von einer Geistausgießung durch den Messias die Re-
de ist, verdankt sich höchstwahrscheinlich christlicher Interpolation (Becker,
Untersuchungen 319-323). Test Lev 18,11 "und er wird den Heiligen vom
Baum des Lebens zu essen geben, und der Geist der Heiligung wird auf ihnen
ruhen" spricht von Gott, nicht vom Messias, vgl. Becker, Untersuchungen
297f. Vgl. zur Identität des kommenden Stärkeren mit Gott Thyen, Sünden-
vergebung 137; von Dobbeler. Gericht 144-147; Ernst, Johannes der Täufer
49-55; Reiser, Gerichtspredigt Jesu 170-175.
11 Der Einwand, 6 EPXÖUEVOC, sei kein gebräuchliches Messiasprädikat ge-
wesen, folglich müßte bei Gemeindebildung mit einer geläufigeren Titulatur,
als ö EPXÖUEVOC, sie darstellt, gerechnet werden (Kümmel, Verheißung und
Erfüllung 103; ders.. Jesu Antwort 196f.), ist nicht zwingend. Denn 6 EPXÖUEVOC;
wurde nicht erst von der christlichen Gemeinde auf Jesus hin formuliert,
sondern war ihr aus der Täuferverkündigung Mk l,7f.parr vorgegeben.
218 Krankenheilungen Jesu

chronologische Aspekte sprechen. Die in vielem historisch zuverlässiger


als Mk 6,14-29 wirkende Darstellung von Gefangenschaft und Tod des
Täufers Joseph, Ant XVIII,116-119, deutet darauf hin, daß Johannes der
Täufer erst nach Jesu Kreuzigung verhaftet und hingerichtet wurde.

Der syn Chronologie zufolge setzt Jesu Verkündigungstätigkeit nach der


Gefangennahme des Täufers ein (Mk 1,14) und erstreckt sich über dessen Tod
(Mk 6,17-29) hinaus. Demgegenüber vertritt W. Schenk die Auffassung, Jesu
Wirksamkeit sei von der des Täufers um mehrere Jahre überdauert worden,
und beruft sich auf die engen Bezüge zwischen dem Todesgeschick des Täu-
fers und der auf 36n.Chr. zu datierenden Niederlage von Herodes Antipas
gegen Aretas IV. in Joseph, Ant XVIII, 116-119. Auslöser des Krieges war die
geplante Verstoßung der Aretastochter durch Herodes Antipas, nachdem
dieser eine neue Ehe mit Herodias, der Frau seines Bruders Herodes (Joseph,
Ant XVIII,109f.) - nicht Philippus (Mk 6,17) - einzugehen gedachte. Daß der
Täufer diese nach jüdischem Recht (Lev 18,16) ungesetzliche Heirat kri-
tisierte, war nach Mk 6,18 entscheidender Grund für seine Gefangennahme
und Hinrichtung. Da zwischen der militärischen Auseinandersetzung und ih-
rem Anlaß (Brüskierung der Aretastochter aufgrund neuer Eheschließung, was
die Verhaftung des Täufers als Kritiker nach sich zog) kein längerer Zeit-
raum gelegen haben wird und Joseph, Ant XVIII, 116, die Antipas-Niederlage
als unverzügliche göttliche Strafe für die Hinrichtung des Täufers zu gelten
scheint, dürften in der Tat Gefangenschaft und Tod des Täufers erst auf etwa
35n.Chr. zu datieren sein . Da EV Tip SEOU.UTT|PIU Mt 11,2 ursprünglich ist,
resultierte hieraus zwingend Ungeschichtlichkeit von Mt ll,2-6par, da sich
der Täufer dann zu Lebzeiten Jesu überhaupt noch nicht in Gefangenschaft
befand und erst Jahre nach Jesu Kreuzigung hingerichtet wurde. Gleichzeitig
wäre damit die Behauptung ad absurdum geführt, daß Jesus von seinen Zeit-
genossen bezichtigt wurde, sich den Totengeist des verstorbenen Täufers als
Paredros dienstbar gemacht zu haben 14 .

Bei Mt 11,5f. handelt es sich um einen jener ursprünglich eigenständig


umlaufenden 15 , von (dt-)jesajanischen Heilsaussagen mit Jes 35,5f./61,l
als Zentrum her entwickelten Wunderkataloge, wie sie literarisch unab-
hängig von der Täuferperikope sowohl in jüdischer (4 Q 521 Fragm 1,
II 8-12) als auch in christlicher Tradition 16 breit bezeugt sind.

12 Schürer/Vermes, History of the Jewish People I 350 mit Anm.34.


13 Schenk, Gefangenschaft und Tod des Täufers 461-463; dagegen Ernst,
Joh der Täufer 345, Anm.256.
14 So postuliert von Kraeling, Necromancy 155-157; M. Smith, Jesus the
Magician 33f., unter Berufung auf Mk 6,14-16; 8,28.
15 Bultmann, Syn Tradition 22.56; Schürmann, Lk-Ev I 413f.; Kuhn, End-
erwartung 195-197. Gegen Stuhlmacher, Evangelium 223f.; Hoffmann, Stu-
dien 210; Kümmel, Jesu Antwort 197; Bovon, Lk-Ev I 370, die Mt ll,5par
nicht für isoliert tradierfähig halten.
16 Hills, Miracle Lists 389f, verzeichnet aus den atl wie ntl Apokryphen
und aus den Schriften der Kirchenväter über 30 solcher Wunderkataloge, bei
Die Logienüberlieferung 219

Als Material für Mt 11,5 diente Jes 26,19; 29,18f. 35,5f. und 61,1, ergän-
zend kommt Einfluß von Jes 42,7.18 in Betracht. Die Kombination von Blin-
denheilung und Totenerweckung begegnet auch 4 Q 521 Fragm 1, II 8-12, wo
aber offenkundig wie im AT Gott die Wunder der messianischen Zeit wirkt.
Eine LXX-Abhängigkeit von Mt 11,5 wäre gesichert, wenn es sich um ein
Mischzitat ausschließlich aus Jes 35,5f. und Jes 61,1 handelte. In diesem
Falle verdankte sich xucpoi öxoüouoiv LXX-Einfluß, da gegen äxoÜEiv Jes
35,5 LXX im hebräischen Text nicht VW2J, sondern HPS ("öffnen") steht 1 7 .
Zudem ginge tucpXoi ävaßXETtouoiv Mt 11,5 zwingend auf Jes 61,1 LXX xnpü^ai
... TucpXöTc, äväßXEi))iv zurück, während MT hier P p p T I p S D'HIOfcOI ("den
Gefangenen Entfesselung") bietet 1 8 .
Da allerdings das von Jes 26,19 herrührende vExpoi EYEipovtai auf eine
freie Kombination unterschiedlichster Jesajastellen in Mt 11,5 hindeutet,
könnten sich besagte Abweichungen gegenüber Jes 35,5; 61,1 MT nicht LXX,
sondern Jes 42,18 (MT m x n b 1U' , 3? D n i ü r P 1PQÜ CPennn ; LXX oi
xu<poi, äxoüoarE, xai oi rucpXoi, ävaßXEijiaTE ISETV) verdanken. Dabei steht ei-
nem Rückgriff auf den hebräischen Text von Jes 42,18 theoretisch nichts im
Wege, da die Wiedergabe von UOC7 durch äxoÜEiv und von HJO durch
ävaßXEitEiv (vgl. 1 Kön 14,27LXX) nichts Ungewöhnliches darstellte. Eine
semitische Urfassung von Mt 11.5 liegt damit im Bereich des Möglichen, ohne
daß sie zwingend beweisbar wäre.

Traditionsgeschichtliche Vorstufen von Mt ll,5par ohne Erwähnung


von Totenerweckungen und Aussätzigenheilungen lassen sich nicht nach-
weisen 19 . Das Fehlen jeden Hinweises auf die für Jesus konstitutiven
Dämonenaustreibungen spricht gegen die Auffassung, hier liege eine
authentische Stellungnahme Jesu zu seinem Wunderwirken v o r 2 0 . Bei
Mt ll,5par handelt es sich um einen nachösterlichen Wunderkatalog, der
nicht erst Anlaß zur sekundären Formulierung von Krankenheilungs- und

denen in der Mehrzahl keine direkte Abhängigkeit von Mt 11,Spar feststellbar


ist. Vgl. ferner Frankfurter, Miracle-List Tradition 344-374.
17 Vgl. Gundry, Use of the OT 80.
18 Stendahl, School of St. Matthew 91; Gundry, Use of the OT 79f.;
Vögtle, Wunder und Wort 232 .
19 Als Möglichkeit bei Strobel, Verzögerungsproblem 274, Anm.l; Pesch,
Taten 49. Die im mandäischen Joh-Buch Kap. 76 (dt. Text: Lidzbarski, Joh-
Buch II 243) auf Ano's'-Uthra bezogene Parallele zu Mt 11,Spar ohne Toten-
erweckungen wird ebenso wie die Wunderkataloge im Rechten Ginza (GR
29,9f.; 53,6ff.) und im Joh-Buch Kap. 72 von der syn Tradition abhängig sein
(Bultmann, Syn Tradition 22f., Anm.2; Schürmann, Lk-Ev I 412, Anm.34;
Rudolph, Mandäer I 103-105).
20 Richtig Vögtle, Wunder und Wort 233; Gnilka, Mt-Ev I 410; vgl. fer-
ner Stuhlmacher, Evangelium 218-223; Pesch, Taten 36-44; Hoffmann, Stu-
dien 198-215. - Sekundäre Varianten von Mt ll,5par mit Dämonenaustreibun-
gen begegnen u.a. Act Pauli 10 (PHamb 8); Tert, Apol 21,17, und im Abgar-
brief (Euseb, Hist Eccl I 13,6).
220 Krankenheilungen Jesu

Totenerweckungsberichten Jesu gab 21 , sondern seinerseits bereits die


Kenntnis solcher Wundergeschichten voraussetzt. Wie ta spYa TOU
XptöToü Mt 11,2/TtEpi TtävTuv Lk 7,18 zeigt, ist schon in Q bei den Mt
ll,5par aufgelisteten Wundern an Taten Jesu gedacht 22 , was von Lk
durch Einfügung von 7,21 noch deutlich ausgebaut wird. Wenn zudem
die Schriftorientierung an (Dt-)Jesaja mit XEitpoi xaöapif^ovtai durchbro-
chen wird, dürfte sich dies einer Kenntnis von Aussätzigenheilungsbe-
richten wie Mk 1,40-44 verdanken 23 . Das die gezielte Zusammenstel-
lung von Mt ll,5par leitende Kriterium bestand offensichtlich darin, über
Jesus erzählte Wunder, die einen Haftpunkt in der eschatologisch-
prophetischen Wundertopik des AT besaßen, als Erfüllung der Schrift-
verheißungen zu qualifizieren (vgl. Mk 7,37). Von daher ist das Fehlen
von Dämonenaustreibungen in Mt ll,5par nicht verwunderlich, da solche
weder in prophetischen Heilsaussagen des AT noch im Elia-Elisa-Zyklus
Anhalt haben.
Die Relation zwischen Wundertat und Wort ist auch in Mt ll,5par
durch eine wechselseitige Bezogenheit beider Formen des Wirkens Jesu
mit Schwerpunkt auf der Tat gekennzeichnet. Die Wunder stehen im
Vordergrund, bevor mit TCTUXOI EÜaYYEXi^ovtai im nachhinein die Verkün-
digung Erwähnung findet. Auch wenn diese Abfolge aus Jes 29,18f. vor-
gegeben ist und damit nur bedingt Rückschlüsse auf die bei den Tra-
denten von Mt ll,2-6par dominante Verhältnisbestimmung beider Größen
zuläßt, erhielt hier doch Jes 29,18f. gegenüber Jes 61,lf. mit der umge-
kehrten Rangordnung von Wundergeschehen und Verkündigung den
Vorzug. Zudem ist auch Lk 7,22 (Q) mit a EISETE xai äxoüoaTE eine for-
male Vorordnung der Tat gegenüber dem Wort gegeben. Das Wunder

21 Bultmann, Syn Tradition 22: Mt ll,5par wolle lediglich mit den Farben
(Dt-)Jesajas die selige Heilszeit schildern, die Jesus gegenwärtig anbrechen
spüre, ohne daß man die einzelnen Aussagen auf bereits geschehene Ereignis-
se beziehen dürfe. Ebenso Jeremias, Gleichnisse 116; Kuhn, Enderwartung
196; Müller, Krankheit und Heilung 99-101; Kertelge, Überlieferung 187f.;
Merklein, Jesu Botschaft 67.
22 Zudem wird Mt 11,5 gegen äXXEo-9-ai Jes 35,6 mit TtEpntaTEtv ein Wort
benutzt, das für die ntl Gelähmtenheilungserzählungen (Mk 2,9; Joh 5,8-12;
Apg 3,6-12; 14,8.10) typisch ist (Pesch, Taten 43). Ebenfalls als Rekurs auf
bereits erzählte Wunder Jesu betrachten Mt 11,5 Schille, Wundertradition
42f; Stuhlmacher, Evangelium 220-225; Hoffmann, Studien 203; Polag, Chri-
stologie 36, Anm.100.
23 Bei XEirpoi xaS-apt^ovrai Mt 11,5 könnte 2 Kön 5,1-19 im Hintergrund
stehen (dort in LXX mehrfach XETtpa und xaöapi^Eiv). Daß der xaOapö öhöq
von Jes 35,8 zur Erwähnung der Aussätzigenheilungen inspirierte (so Dupont,
L'ambassade 950), ist dagegen unwahrscheinlich.
Die Logienüberlieferung 221

ruft das Wort hervor, und umgekehrt vertieft das Wort das Wunderge-
schehen im Sinne präsentischer Erfüllung dessen, was in der atl Pro-
phetie an künftigem Heil verheißen wird 2 4 .
Auch wenn Mt ll,5par mit dem Fehlen von Dämonenaustreibungen
nicht unmittelbar auf Jesus zurückführbar ist, liegt dort ein recht ar-
chaisches Verständnis seiner Wunder vor. In sachgemäßer Anknüpfung
an deren präsentische Heilsbezüge (vgl. Lk ll,20par) 2 5 wird das in der
jüdischen Eschatologie für die Zukunft erwartete Weichen von Krank-
heit, Leid und Tod 2 6 als ein mit dem Auftreten Jesu bereits realisiertes
Geschehen betrachtet.

2.1.2. Seligpreisung der Augen- und Ohrenzeugen (Mt 13,16f./Lk 10,23f.)


In engem Zusammenhang mit Mt 11,5/Lk 7,22 und Mt 12,28/Lk 11,20
steht die Seligpreisung der Augen- und Ohrenzeugen Mt 13,16f./Lk
10,23f. Der ursprüngliche Kontext dieses Q-Makarismus, der bei Mt wie
Lk sekundär der Jüngerbelehrung dient 2 7 , ist nicht nicht mehr auszu-
machen. Die vergleichsweise wortgetreuere Q-Fassung findet sich bei Lk.

Der einleitende Makarismus dürfte Lk 10,23b in ursprünglicher Form vor-


liegen; denn die Einfügung von üuüv, das die wörtliche Bedeutung des ßXETtEiv
spiritualisierende öu ßXEitouoiv28 und das kontextkonform zu einer Paralleli-
tät von Sehen und Hören führende xai t ä Uta üuüv äxoüouoiv werden sich
mt Redaktion verdanken 29 . In Mt 13,17 diff. Lk 10,24 hat Mt ßaoiXEÜc, durch

24 Gegen Delling, Botschaft und Wunder 395, der Mt 11,5 in den Taten
Jesu lediglich eine Bestätigung des Wortes sieht.
25 Hoffmann, Studien 208 (vgl. 203 "Endzeit im Vollzug"); Merklein, Jesu
Botschaft 68: Bei Mt 11,Sf. handele es sich um einen sehr frühen Kommentar
zu Jesu Wirken, der auf dessen Taten in wirkungsgeschichtlich adäquater
Weise reagiere; Nielsen, Heilung 63: Mt 11,5f. sei zumindest in dem Sinne
authentisch, daß das dortige eschatologische Wunderverständnis sachgerecht
Jesu eigenes Verständnis seiner Heilungstätigkeit wiedergebe.
26 In jüdischer Eschatologie ist das endzeitliche Weichen von Krankheit,
Leiden und Tod ein fester Topos, vgl. Jub 23,29f.; äth Hen 96,3; slav Hen
65,9; syr Bar 73,1-3; 4 Esra 7,121(äth).123; 8,S3f.
27 Lührmann, Redaktion 61; Hoffmann, Studien 287. Mt integriert 13,16f.
ad vocem äxoÜEiv xai ßXETtEiv in seine Version der "Parabeltheorie" Mt
13,10-17, während Lk durch 10,23a eine redaktionelle (Schulz, Q 419 mit
Anm.105) Anbindung von 10,23f. an die Q-Tradition 10,21f. herstellt.
28 Strecker, Weg der Gerechtigkeit 197.
29 Vgl. Schulz, Q 420; Luz, Mt-Ev II 302 mit Anm.20. - Conzelmann,
Mitte der Zeit 177-190; Kuhn, Enderwartung 194, vermuten dagegen lk Til-
gung von xai t ä ura üuuv ÖTI äxoüouoiv, motiviert durch ein lk Primat der
Tat gegenüber dem Wort.
222 Krankenheilungen Jesu

sein Vorzugswort Sixaioc, ersetzt 3 0 , während Lk äu.fjv gestrichen haben wird


(vgl. Lk 9,27; 21,3; 22,18.34 diff. Mk). Als mutmaßlicher Q-Text ergibt sich
uaxapioi oi öcpO-aXuoi oi ßXETtovTEC, a ßXETtETE. äufjv Y<xp XEYU fjuTv OTI TtoXXoi
TtpoipfJTai xai ßaaiXETc, rjÖEXinoav (ETtE$üuT|oav) iSEtv a ßXETtETE xai oüx slSav,
xai äxoüoai 5 äxoÜETE xai oüx rjxouoav.

In grundsätzlicher Übereinstimmung mit Jesu Antwort auf die Täufer-


anfrage Mt 11,5/Lk 7,22 liegt hier ein präsentisches Verständnis der
Heilsbezüge von Tat und Wort vor. Was selbst für Propheten und Köni-
ge als höchste Repräsentanten der Geschichte Israels Gegenstand zu-
kunftsorientierter Hoffnung blieb 31 , hat sich in Jesu Wirken und der da-
mit verbundenen Verkündigung gegenwärtig erfüllt und ist für die Augen-
und Ohrenzeugen Wirklichkeit geworden. Die Betonung liegt dabei
wiederum auf den Taten Jesu. Im Makarismus Lk 10,23b wurden ur-
sprünglich wohl allein die Sehenden seliggepriesen, im anschließenden
Amen-Wort ist eine Vorordnung des Sehens vor dem Hören gegeben,
wie es in der ältesten Form von Mt 11,5/Lk 7,22 der Fall war. Da Mt
13,16f. keine christologische Traditionsbildung aufweist und dem Inhalt
nach mit dem Wunderverständnis von Mt 12,28/Lk 11,20 kohärent ist,
dürfte eine authentische Aussage Jesu zu dem mit seinem Auftreten ver-
bundenen Tatgeschehen, am ehesten Dämonenaustreibungen und Kran-
kenheilungen, und der darauf bezogenen Verkündigung gegeben sein 3 2 .

2.2. Synoptisch-johanneische Wunderheilungsberichte


2.2.1. Heilung der Schwiegermutter des Petrus (Mk 1,29-31)
Den Auftakt der Krankenheilungen Jesu im Mk-Ev markiert Mk
1,29-31, wo die fieberkranke Schwiegermutter des Simon Petrus auf
Jesu Eingreifen hin genest. Dieser bereits vormk in Kapernaum lokali-
sierte Traditionsstoff1 enthält zwar die allernotwendigsten Bestandteile

30 Sixaioc, begegnet 17mal bei Mt (Mk 2mal; Lk llmal); vgl. auch Strecker,
Weg der Gerechtigkeit 197, Anm.3; Kuhn, Enderwartung 194, Anm.3 .
31 Vgl. die futurische Aussage Ps Sal 17,44 uaxapioi oi YEVÖUEVOI EV taTc,
fjüEpaic, EXEivaic, ISETV ra äYadä TopafjX ... a noifjoEi ö OEÖC,.
32 Bultmann, Syn Tradition 135; Kuhn, Enderwartung 195; Kümmel, Ver-
heißung 105; Grimm, Selige Augenzeugen 172-179; Hoffmann, Studien 210;
Merklein. Gottesherrschaft als Handlungsprinzip 162; Sato, Q 261; Nielsen,
Heilung 55-57. - Schulz, Q 421, rechnet dagegen mit Gemeindebildung in Q,
Käsemann, Anfänge 90f., mit einer Gemeindeordnung aus dem palästinisch-
syrischen Grenzraum.
1 xai EioTtopEÜovtai EIC. Kaipapvaoüu Mk 1,21 dürfte die ursprüngliche
Einleitung von 1,29-31 darstellen, vgl. Schenke, Wundererzählungen 96.109;
Wunderheilungsberichte 223

eines typischen Wunderheilungsberichtes, läßt jedoch keine christologi-


sche oder anderweitige kerygmatische Stilisierung erkennen. Dies deutet
darauf hin, daß die Erzählung ihre Tradierung primär einem biographi-
schen Interesse an Simon Petrus und seiner Familie verdankt. Historisch
ist an Mk 1,29-31, daß Simon Petrus verheiratet war (1 Kor 9,5). Dar-
über hinaus kann der Wunderbericht die geschichtliche Erinnerung an
eine Fieberheilung bewahrt haben, die Jesus an der Schwiegermutter
des Petrus in Kapernaum vollzog2. Vermutlich handelte es sich dabei
um eine Dämonenaustreibung. Fieber galt im antiken Volksglauben weit-
hin als dämonisch verursacht 3 , in Mk 1,30 (xai äcpfjxEv aütfjv ö TtupEtöcJ
wirkt es personifiziert, und Lk führt die Heilung durch Einfügung von
ETtETiurioEv ttp TtupEty (4,39) expressis verbis auf die Bedrohung eines
Fieberdämons zurück. Auffällig ist der schlichte Heilgestus von Mk 1,31.
Jesus richtet die Frau durch Handergreifung auf4, woraufhin das Fieber
weicht und die Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit (xai SiaxövEi
aÜTotc;) erfolgt. Von charismatischem Gebet (bBer 34b) oder magischen
Praktiken (4 Q 560 1,4; bSchab 66b.67a; HDM A 111,23), wie sie sonst im
antiken Judentum bei Fiebererkrankungen bezeugt sind, ist keine Rede.

2.2.2. Heilung eines Aussätzigen (Mk 1,40-45)


In dem Aussätzigenheilungsbericht Mk 1,40-45 wirken 1,43 und das
darauf bezogene Geheimhaltungsgebot 1,44a sekundär 5 , zumal in PapEg
2 eine Parallelfassung der Erzählung begegnet, die 1,43.44a nicht enthält
und in dieser Hinsicht traditionsgeschichtlich ursprünglicher sein könnte 6 .

Pesch, Mk-Ev I 116f. Die jetzige Exposition 1,29a ist ebenso redaktionell wie
die unter Einfluß von Mk 1,16-20 vollzogene Erwähnung dreier weiterer
Jünger neben Petrus (vgl. Kertelge, Wunder Jesu 60; Gnilka, Mk-Ev I 83).
2 Lohmeyer, Mk-Ev 40; Roloff, Kerygma 115f; Schenke, Wunderer-
zählungen 120ff.; Pesch, Mk-Ev I 131; Gnilka, Mk-Ev I 84f.
3 Vgl. 4 Q 560 1,4; Test Sal 7,6f; Naveh/Shaked A 9; PGM XIII,15-17
sowie antike Fluchtafeln, auf denen Totengeistern die Verursachung von
Fieber bei mißliebigen Personen befohlen wird (z.B. Ziebarth, Fluchtafeln
Nr. 24 EvßäXETE irupETOüc, xaXETtoüc, EIC, Ttävta rä UEXT]).
4 Möglicherweise ist an Kraftübertragung gedacht (Böcher, Christus Exor-
cista 81; Pesch, Mk-Ev I 130), da die Handergreifung dem Eintritt der Gene-
sung vorausgeht (ähnlich Mk 5,41; 9,26). Vgl. zur Handauflegung als christli-
chem Fieberheilgestus Apg 28,8; Act Barn 15 (ETUOEVTEC, tac, xE?pac; EÜ&EUC,
äTtEOTijaauEV TÖV TtupETÖv aütoü, ETtixaXEaä(jEvoi TÖ övoua TOU xupiou Triaoö).
5 Mk 1,45 ist recht eindeutig redaktionell (gegen Pesch, Taten 59).
6 Lührmann, Mk-Ev 54; Crossan, Historical Jesus 321-323. Anders Pesch,
Taten 107-113; Neirynck, PapEg 2 and the Healing of the Leper 773-779.
Text der Parallele in PapEg 2 bei Aland, Synopse 60.
224 Krankenheilungen Jesu

Indem der Hilfsbedürftige Mk 1,40 als XEitpöc, gilt, ist eine derjenigen
Hauterkrankungen vorausgesetzt, die in LXX unter dem Sammelbegriff
XEitpa (MT n u n ? ) begegnen.

Im Corp Hippocr wird mit XETtpa die recht harmlose, nicht ansteckende
Schuppenflechte bezeichnet 7 , die auch bei den minder schweren Fällen von
Lev 13 gemeint sein dürfte. Daneben scheinen unter Xinpa/DV'^i'S auch
lebensgefährliche, übertragbare Krankheiten subsumiert worden zu sein. Wenn
Aussätzige den Toten gleichgestellt werden (Num 12,12; Joseph, Ant 111,264),
dürfte dies über kultische Unreinheit hinaus implizieren, daß es sich bei
bestimmten Formen von XETtpa/PUn^J um eine schlimmstenfalls tödliche,
allein von Gott heilbare Krankheit handelt (2 Kön 5,7). Entsprechend wird
bSanh 47a die Heilung Naemans einer Totenerweckung gleichgestellt. Folg-
lich werden bei der primär aus Gründen kultischer Reinheit erfolgten Isola-
tion Aussätziger 8 auch medizinisch-hygienische Aspekte eine Rolle gespielt
haben, indem bei einzelnen Formen von XETtpa/nPn^ Ansteckungsgefahr
bestand 9 . Herodot berichtet, daß bei den Persern an XETtpa Leidenden der
Zugang zu den Städten und der Umgang mit anderen Personen verwehrt blieb
(Hist 1,138), und auch Ktesias, Pers 41 (FGH IIIC 688,14), zufolge wurden
dort XETtpoi abgesondert (itäoiv aTtpöoiTOC,). Dies deckt sich mit den Maß-
nahmen gegen Elephantiasiskranke, von denen Aretaios berichtet 1 0 . Die
schweren, lebensbedrohlichen Fälle von XETtpa/nPHi können die meist tödli-
che Elephantiasis 11 oder den bei Paul Aeg IV,5 erwähnten, oft unheilbaren
"weißen Aussatz" (XEÜXT|) miteingeschlossen haben.

Folglich ist fraglich, ob der XEiipöc, von Mk 1,40-45 als ein von harm-
loser Schuppenflechte (Psoriasis) Befallener angesehen und mit einer
psychotherapeutischen Spontanheilung solcher Hautveränderungen durch
Jesus gerechnet werden kann 1 2 , zumal sich weitere Zweifel gegen die
Historizität der Erzählung erheben. Wie die zahlreichen AT-Bezüge

7 Hippocr, Morb 3, gilt XETtpri als eine der Krankheiten ohne tödlichen
Ausgang, Hippocr, Äff 35, wird sie sogar mehr den Unansehnlichkeiten als
den Krankheiten zugerechnet.
8 Vgl. zum Umgang mit Aussatz neben Lev 13f. und dem darauf bezogenen
Mischnatraktat Negaim u.a. 11 Q TR 45,16-18; 48,14-49,4 (dazu: Yadin,
Temple Scroll I 293f.); 4 Q Zadokite Fragments on Skin Desease (ed. J.M.
Baumgarten, vgl. dazu auch Qimron, Notes 256ff.); Joseph, Ap 1,281; Bell
V,227; Ant 111,261. Vgl. auch Billerbeck IV,2 745-763.
9 Bayer, RAC I (1950) 1026; ähnlich Preuß, Biblisch-talmudische Medizin
371-373. Vgl. zur Bestimmung von n u n ^ a u c h Seidl, ThWAT VI 1131f. (Lit.).
10 Aret IV 13,19 zufolge wurden bei Elephantiasis aus Furcht vor An-
steckung sogar engste Verwandte in der Wüste oder im Gebirge ausgesetzt
und teilweise nicht einmal mit Nahrung versorgt.
11 Vgl. zur Elephantiasis Cels, Med III 25,lff; Aret IV13,lff; VIII 13,lff;
Diosc. Mat Med 112; 1170,3; 1178,4; Simpl Med I 195; Plin, Hist Nat 26,7f.;
Kyr I 4,22; PGM XXIIa,15.
12 Gegen Fenner, Krankheit 67f.; Koehler, "Aussatz" 291.
Wunderheilungsberichte 225

zeigen, wurzelt Mk 1,40-44 traditionsgeschichtlich im Judenchristentum,


wobei mit einer maßgeblichen Beeinflussung durch die Aussätzigenhei-
lungserzählung 2 Kön 5,1-19 zu rechnen ist. Die wörtlichen Überein-
stimmungen zwischen Mk l,41f. und 4 Kön 5,13f. (xa&apiodr|Ti, xai ExaO-a-
piöOi|) deuten auf LXX-Einfluß und damit auf eine von vornherein grie-
chische Formulierung des Stoffes hin 1 3 . Die Mk 1,40-44 vorliegende
Traditionsbildung verdankt sich wesentlich dem Theologumenon von
Jesus als eschatologischem Propheten oder "Gottesmann", der die Hei-
lung Naemans durch Elisa übertrifft 14 . Über eine Handauflegung, wie sie
2 Kön 5,11 als gebräuchlicher Aussätzigenheilgestus vorausgesetzt zu
sein scheint, und die Worte ÖEXU, xa&apiö$rrri hinausgehend werden
keine Heiltechniken Jesu erwähnt, während bSanh 101a zufolge Aussät-
zige mit Lev 13,9 besprochen wurden und HDM A 111,46 ein jüdisches
Dämonenbeschwörungsformular gegen Aussatz bietet.
Über physische Genesung hinaus impliziert Heilung von Aussatz im
antiken Judentum die Wiederherstellung der Kult- und Kontaktfähig-
keit 1 5 . Sollte Jesus mit Aussätzigen als gesellschaftlich wie kultisch
weitgehend isolierten Personen Umgang gehabt und sie geheilt haben,
stünde dies in deutlichem Gegensatz zu den Qumran-Essenern. Dort
führte die auch für Jesu Denken maßgebliche Vorstellung einer von
Krankheit freien eschatologischen Heilsgemeinschaft in Verbindung mit
strengen kultischen Reinheitsvorschriften dazu, daß Aussätzige wie
andere Gebrechliche nicht in die das Israel der Endzeit repräsentieren-
de Gemeinde aufgenommen wurden und von deren kultischen Begehun-
gen ausgeschlossen blieben (vgl. 11 Q TR 48,14-49,4; 1 Q Sa 11,5-7; 1 Q M
VII,4f). Von Mk 1,40-44 her ergeben sich allerdings keine gesicherten
Anhaltspunkte für Aussätzigenheilungen Jesu, da hier offenkundig eine
christologische Adaption und Überbietung von 2 Kön 5 vorliegt.

2.2.3 Die Gelähmtenheilungsberichte Mk 2,1-12/Joh 5,2-9b


a) Mk 2,1-12
Von Gelähmtenheilungen Jesu, wie sie in dem Logion Mt ll,5par be-
gegneten, ist in der Erzählüberlieferung Mk 2,1-12 und Joh 5,2-9b (vgl.

13 Vgl. auch SE"U;OV TU iEpET Mk 1,44 mit SEÜJEI TU IEPET Lev 13,49. Ob die
Anweisung Mk 1,44 prophetische Kritik an den religiösen Führern Israels
impliziert (Broadhead, Witness of the Leper 260-265), erscheint zweifelhaft.
14 Vgl. Pesch, Taten 76-78 mit Anm.84a.
15 Vgl. zu diesen kultisch-sozialen Implikationen von Mk 1,40-45 Kaz-
mierski, Evangelist and Leper 41ff.
226 Krankenheilungen Jesu

auch Mk 3,1-6; Lk 13,10-17) die Rede. Daß in Mk 2,1-12 die Exposition


2,lf. weitgehend redaktionell ist und mit 2,5b(6)-10 als vormk Ein-
schub 1 6 eine ältere Wundergeschichte zum Apophthegma ausgestaltet wur-
de, kann keinen ernsthaften Zweifeln unterliegen.

Mit xai EioEX&üv TtdXiv EIC, Kacpapvaoüu (2,1) knüpft Mk an 1,21 an 1 7 ,


nachdem er zwischenzeitlich Jesus in "ganz Galiläa" (1,39) hatte auftreten
lassen. Mk 2,2 ist wohl in seiner Gesamtheit redaktionell. Daß sich viele um
Jesus versammelten, wird auch Mk 4,1 und 5,21 in redaktionellen Rahmenbe-
merkungen erwähnt; Ttpöc, TTJV öüpav nimmt steigernd 1,33 auf, und xai EXIXXEI
aÜToTc, TÖV XÖYOV schließlich ist ebenfalls typisch mk (4,33; 8,32). Da Mk 2,4
Jesu Anwesenheit in einem Haus voraussetzt, dürfte fjxoüo$r| OTI EV oixu
EOTIV 2,1b die ursprüngliche Exposition darstellen, an die sich mit xai Epxovtai
(pEpovTEC. ein ähnlich abrupter Beginn anschloß, wie dies Mk 7,32; 8,22
mit xai tpEpouoiv der Fall ist.

Die oft als widersprüchlich empfundenen und für eine zuverlässige


Eingrenzung des Überlieferungsmilieus in Anspruch genommenen Wen-
dungen dbiEOTEYaoav TTJV OTEYT]V und erjopü^avTEc; in Mk 2,4 sind hingegen
ohne weiteres miteinander in Einklang zu bringen.

'ATtEOTEYaoav TTJV OTEYT|V läßt an die ziegelgedeckte griechisch-römische


Dachbauweise denken, E^opü^avtEQ dagegen an das flache palästinische
Lehmdach. Dies könnte darauf hindeuten, daß die Erzählung ursprünglich in
einem palästinischen Uberlieferungsmilieu beheimatet war und später um das
Motiv des Dachabdeckens erweitert wurde, um den Vorgang an griechisch-
römische Gegebenheiten anzupassen 1 8 . Zwingend ist dieser Rückschluß auf
palästinische Herkunft der Gelähmtenheilungserzählung aber kaum, da flache
Lehmdächer ebensogut außerhalb Palästinas bezeugt sind und Ei;opü!;avTEC, sich
auch auf eine unter dem ziegelgedeckten Schrägdach befindliche, horizontale
Zwischendecke oder auf eine den Dachziegeln als Unterlage dienende Lehm-
schicht beziehen könnte , ohne daß ein auf sekundäres Wachstum hindeuten-
der Widerspruch in Mk 2,4 gegeben wäre.

16 Vgl. bes. Maisch, Heilung des Gelähmten 21-48; ähnlich Klauck, Sün-
denvergebung 225-236. Gegen Koch, Wundererzählungen 49f.; Lührmann,
Mk-Ev 58, geht die Einfügung nicht auf Mk zurück, denn Mk 2,1-12 war als
Apophthegma bereits Bestandteil einer vormk Streitgesprächsammlung, vgl.
Kuhn, Sammlungen 53ff.; Thissen, Befreiung 90ff.
17 Thissen, Befreiung 47-49. - Pesch, Mk-Ev I 151; Gnilka, Mk-Ev I 98,
rechnen Kapernaum zur vormk Tradition.
18 Lohmeyer, Mk-Ev 51; Maisch, Heilung des Gelähmten 17; Gnilka,
Mk-Ev I 97.
19 Vgl. zu entsprechenden Dachkonstruktionen in der Antike Deichmann,
RAC III (1957) 520f.631-636, zu Flachdächern außerhalb Palästinas ebda.
517-519.
Wunderheilungsberichte 227

Vermutlich verdankt sich die Schilderung von Mk 2,4 dem Motiv eines
erschwerten Zugangs zum Wundertäter 20 , wie die gesamte Erzählung
von der Topik her typische Elemente antiker, speziell hellenistischer
Heilungswundertraditionen aufweist. In den Gelähmtenheilungsberichten
von Epidauros werden die Patienten stereotyp auf einer Bahre (ETÜ
xXivacJ zum Asklepieion gebracht (W 35.64.70), und W 15 bietet einen
Mk 2,llf. entsprechenden Demonstrationsschluß, indem die von ihrer
Lähmung geheilte Person als Erweis der Genesung einen größtmöglichen
Stein zum Heiligtum zu bringen hat. Enge Berührungen mit Mk 2,1-12
weist zudem eine unterschiedlich ausgestaltete antike Wanderlegende
(Cic, De Div 126,55; Livius 1136,1-8; Plut, Coriolanus XXIV.1-3) auf, der-
zufolge ein zur Strafe Gelähmter auf der Bahre (lectic[ul]a od. xXiviSiov)
zum Senat getragen wird, dort nach ordnungsgemäßer Berichterstattung
wieder genest und zum Erstaunen aller auf eigenen Füßen den Heim-
weg antritt 21 . Noch weiterreichende Analogien zu Mk 2,1-12 bietet Luc,
Philops 11, wobei es sich dort allerdings nicht um eine Lähmung, son-
dern um einen Schlangenbiß handelt. Midas wird auf einer Liege (ETÜ
oxiuTtoSoc,) von seinen Mitsklaven gebracht und trägt nach erfolgter
Heilung die Bahre auf seinen Schultern davon. Die Pistis in die Kraft
des Wunderheilers (Mk 2,5a) ist außerhalb des NT im Zusammenhang
mit Asklepios und Sarapis belegt 22 .
Hauptunterschied der ntl Erzählung gegenüber den genannten reli-
gionsgeschichtlichen Parallelen ist neben dem Lobpreis Gottes Mk 2,12b,
daß der Heilungsbefehl EYEIPE xai apov töv xpaßarröv oou xai TtEpiitaTEi
2,11 in direkter Rede wortgetreu wiedergegeben wird 2 3 . Wegen der

20 Theißen, Wundergeschichten 62f. Für damonistische Bezüge (Jahnow,


Abdecken des Daches: Dem Dämon solle der eigentliche Weg in das Haus
verheimlicht werden; vgl. auch Berger/Colpe, Textbuch 34) sind nicht die
geringsten Hinweise gegeben. Pesch, Mk-Ev I 158, vermutet im Dachabdecken
gar historische Erinnerung.
21 Vgl. dazu Maisch, Heilung des Gelähmten 61-64.
22 Gegen Roloff, Kerygma 204 (Pistis als historisches Motiv in Wunder-
kontext); Gnilka, Jesus 130 (Glaube als Proprium ntl Wunderberichte; ähn-
lich bereits Bieler, 9EIOZ ANHP 113ff.). Vgl. dagegen Strabo VIII 6,15
('AOXXT|TIIOÜ ÖEpaTiEÜEtv vöoouc, TtavToSanäc, TtETtiatEUUEVou); XVII 1,17 (Selbst
die angesehensten Männer glaubten an Heilungen im Sarapisheiligtum von
Canabos und fänden sich dort zur Inkubation ein); W 3 (Ein an den Fingern
Gelähmter glaubt nicht an die Heilkraft des Asklepios; als er im Traum
seinen Unglauben ablegt, erwacht er geheilt, erhält aber zur Strafe den
Namen "ATUOTOC,); LUC, Abdicatus 5 (Dem seinen Vater heilenden Arzt be-
gegnet die Stiefmutter als änioTouoa), zum Ganzen Theißen, Wunderge-
schichten 133-136; Aune, Magic 1535.
23 Vermutlich ist hier ein Heilwort christlicher Wundercharismatiker ein-
geflossen, vgl. bes. Apg 3,6 EV T(J> övouan Tnooü Xpioroö TOU Na^upaiou
228 Krankenheilungen Jesu

offenkundigen engen Berührungen mit griechisch-römischen Wundertra-


ditionen, die überwiegend vorchristlichen Alters sind, erscheint es recht
fraglich, ob sich hinter der traditionellen Topik von Mk 2,1-12 tatsächlich
eine Gelähmtenheilung Jesu als historischer Haftpunkt verbirgt 24 .

b) Joh 5,2-9b
Ein Mk 2,1-12 im Kern entsprechender Gelähmtenheilungsbencht be-
gegnet Joh 5,2-9b, einer erst sekundär in 5,9c-18 zum Sabbatkonflikt
ausgeweiteten Tradition. Fast wörtliche Übereinstimmungen bei dem
Heilungswort Joh 5,8/Mk 2,9.11 wie dem Demonstrationsschluß Joh
5,9ab/Mk 2,12a und die jeweilige Verwendung des seltenen xpäßatToc.
lassen an einer traditionsgeschichtlichen Verwandtschaft beider Erzäh-
lungen kaum Zweifel aufkommen 25 , zumal Joh 5,14 in Entsprechung zu
Mk 2,5b eine Beziehung zwischen Krankheit und Sünde hergestellt
wird. Unterschiede bestehen dahingehend, daß es sich bei dem Gelähm-
ten Mk 2,3 um einen TtapaXuTixoc, Joh 5,4 hingegen um einen X"^°c;
handelt, wobei zur Betonung der Schwere des Falles eine Krankheits-
dauer von 38 Jahren vermerkt wird. Zudem sind die Begleitumstände
der Heilung bei Joh anders, da sich die gesamte Szene in Jerusalem an
der Teichanlage Br|ÖEoSä26 abspielt.
Dort wartet Joh 5,4 zufolge eine Reihe Gebrechlicher, um beim Spru-
deln einer intermittierenden Quelle in das Wasser herabzusteigen und
Heilung zu finden 27 . Heilende Quellen sind in der Antike für den As-
klepioskult charakteristisch (vgl. bes. Ael Arist, Or 39,14f). Eine direkte
Parallele zu Joh 5,2b-9 findet sich in der Epidaurosinschrift W 37, wo
von der Heilung des gelähmten Kleimenes von Argos berichtet wird, den
Asklepios im Traum zu einem außerhalb des Heiligtums liegenden Teich
führt. Als Kleimenes erwacht, badet er und kommt gesund aus dem

EYEIPE xai TtEpiTtaTEi, ferner Apg 9,34; 14,10. In keiner der griechisch-römi-
schen Parallelen zu Mk 2,1-12 begegnet hingegen eine in wörtlicher Rede an
den Kranken gerichtete Heilungsformel.
24 So vermutet von Pesch, Mk-Ev I 157f.; Gnilka, Mk-Ev I 98.
25 Gegen Becker, Joh-Ev I 231; ähnlich Schnackenburg, Joh-Ev II 122.
26 Vgl. zum textkritischen Problem Jeremias, Discovery of Bethesda llf.;
Barrett, Joh-Ev 268f., zu den archäologischen Fragen von Joh 5,2 Jeremias,
aaO. 13-38; Duprez, Jesus et les dieux gue'risseurs 28ff. Die Existenz von
Bethesda in ntl Zeit verbürgt aber nicht eo ipso die Historizität von Joh
5,2-9b, sondern dürfte ihrerseits zur Lokalisierung der ursprünglich situations-
los überlieferten Wunderheilungserzählung Anlaß gegeben haben.
27 Cels, Med III 27,1, empfiehlt bei Lähmung (paralysis) so oft als möglich
künstliche oder natürliche Heilbäder.
Wunderheilungsberichte 229

Wasser heraus (E^EYEDÖEIC. 8' EXOÜTO xai äaxridfjc, EF,TJX&E). Auch der Um-
stand, daß die im NT ausschließlich Joh 5,9 belegte Wendung EYEVETO
ÜYifjc. in den Epidaurosinschriften nicht zuletzt im Zusammenhang mit
Gelähmtenheilungen stereotyp begegnet 2 8 , deutet auf eine unmittelbare
Beziehung zwischen Joh 5,2-9b und Wunderheilungstraditionen des
Asklepioskultes hin 2 9 . Dabei dürfte das Interesse wirksam sein, die
Überlegenheit Jesu gegenüber Asklepios als Wundertäter herauszustel-
len. Neben der Betonung der Krankheitsdauer als Steigerungsmotiv
spricht hierfür der Sachverhalt, daß Jesus bei seiner Gelähmtenheilung
Joh 5,8 nicht wie Asklepios einer Heilquelle bedarf, sondern allein durch
ein Befehlswort die Gesundung bewirkt 3 0 .
Daß in Joh 5,2-9b eine Traditionsvariante von Mk 2,1-12, die ähnli-
cher historischer Skepsis wie jene Erzählung unterliegt, nunmehr in
Jerusalem lokalisiert wird, spricht keineswegs gegen solch eine Ausein-
andersetzung mit dem Asklepioskult. Dieser hatte sich im l.Jhdt.n.Chr.
in Phönizien (Strabo XVI 2,22; vgl. Paus VII 23,7f.) und wohl auch in
Galiläa etabliert, wobei für die von Josephus (Bell 11,614; Ant XVIII,36)
erwähnten Heilquellen von Tiberias durch Münzen aus dem Jahre 99n.Chr.
Asklepiosbezüge gesichert erscheinen 31 . Die Bindung des Geschehens
von Joh 5,2-9b an Bethesda schließlich wird dadurch motiviert sein, daß
sich dort im l.-2.Jhdt.n.Chr. vermutlich ein Asklepios-Sarapis-Heilbe-
trieb befand 32 .

2.2.4. Heilung der blutflüssigen Frau (Mk 5,25-34)


In dem erst redaktionell in die Jairusgeschichte integrierten Heilungs-
bericht Mk 5,25-34 dürften Vv 28.31 und die vielleicht unter Einfluß von
Mk 10,52 formulierte Wendung ftuYarrip, fj trionc. oou OEOUXEV OE (5,34b)
auf Mk zurückgehen 33 . Die verbleibende vormk Wundertradition erzählt
von der Heilung einer Frau, als deren Leiden Blutfluß ('püoic, aqiaToc.)

28 ÜYifjc; EYEVETO bei Gelähmtenheilungen: W 16.57 (ähnlich W 70: ÜYifjc;


YEVouEvocj, im Zusammenhang mit sonstigen Heilungen u.a. W 5.11.23.
29 Rengstorf, Anfänge 16f.
30 Vgl. Arnobius, Adv Nat 1,48 (CSEL 4, 32): Die Heilungen durch As-
klepios seien menschlich, da er sie im Gegensatz zu Jesus unter Heranzie-
hung von Heilmitteln bewirke.
31 Vgl. McCasland, Asclepios Cult in Palestine 223f.
32 Duprez, Jesus et les dieux gue'risseurs 89-97.
33 Gnilka, Mk-Ev I 213. Koch, Wundererzählungen 136-138, hält dagegen
Mk 5,30-34 für eine vormk Erweiterung. Vgl. zur mk Verschachtelungstech-
nik in 5,21-43 insbes. Mk 11,12-21.
230 Krankenheilungen Jesu

angegeben wird. Es handelt sich dabei um eine krankhaft intensive Men-


struationsblutung oder eher noch um eine chronische Gebärmutterblu-
tung. Als Steigerungsmotiv begegnen die Angabe einer Krankheitsdauer
von zwölf Jahren und der traditionelle Topos vom Versagen der Ä r z t e 3 4 .

Der Kontakt mit einer Menstruierenden galt in der Antike grundsätzlich


als numinos-schädigend . In besonderem Maße trifft dies im Judentum zu,
wo die Berührung mit einer Menstruierenden kultisch unrein macht und sich
eine Vielzahl von Reinheitsgesetzen dem Problem des Blutflusses widmet 3 6 .
Die Krankheitsbeschreibung Mk 5,25 (xai YUVTJ oüoa EV DÜOEI a'ijiaToc, SüSExa
ETT|) greift Formulierungen aus Lev 15,19 LXX (xai Yuvfj, fJTic, EÜV T| pEouoa
a'iuari, Eorat rj püoic, aÜTrjc. EV TU oüuau aÜTfjc, ... ) auf, ohne daß expressis
verbis die permanente kultische Unreinheit der blutflüssigen Frau reflektiert
würde.

Deutet bereits diese LXX-Orientierung 37 auf ein hellenistisch-juden-


christliches Traditionsmilieu hin, so wird dies auch durch die Kontakt-
heilung ohne Wissen des Wundertäters Mk 5,28f. bestätigt. Jesus er-
scheint in Übereinstimmung mit antiken Herrscherkulttraditionen als
ÖETOC, ävfjp, der magisch mit einer heilenden Kraft (Süvainc.) geladen
ist 3 8 , die ohne sein Zutun durch einfache Berührung wirksam gemacht
werden kann.

Die Vorstellung, daß die Berührung des Gewandes bedeutsamer Personen


Teilhabe an deren Kraft oder Glück sichert, ist im Zusammenhang mit Alex-
ander und Sulla belegt . Speziell Heilungen durch bloßen Körperkontakt

34 Vgl. ergänzend zu den Belegen bei Weinreich, Antike Heilungswunder


195f., noch Tob 2,10; 1 Q Gen Ap XX,20; Luc, Abdicatus 4 (speziell dazu:
Wöhrle, Medizinische Theorie 104ff.). Eine Reihe ärztlich-pharmakologi-
scher Heilmittel gegen Blutfluß findet sich Plin, Hist Nat 20,180; 26,131.155;
28,255f.; Diosc, Mat Med IV43L; bSchab 110b; PDM XIV,953-955.961-965.
35 Vgl. Diosc, Mat Med II79, und Plin, Hist Nat 7,64ff.; 28,77ff.: Men-
struationsblut mache neuen Wein sauer, lassen Bienen sterben, Spiegel er-
blinden, Hunde wahnsinnig werden etc. (dazu: McDaniel, Medical and Magi-
cal Significance 531ff.).
36 Vgl. Lev 15,19-30; 11 Q TR 48,15-17; Joseph, Bell VI,426f.; Ant 111,261;
Zabim V,6f., zur magisch-schädigenden Wirkung, einer Menstruierenden zu
begegnen, bPes lila. Vgl. auch Trümmer, Blutende Frau 109-118.
37 Für einen Rückgriff auf den MT sind keinerlei Indizien gegeben. Völlig
abwegig Pesch, Mk-Ev I 303: uäouf; Mk 5,29 rekurriere auf 1733 in den von
Aussatz (!) handelnden Stellen Lev 14,3.48 MT diff. ätpfj LXX.
38 Vgl. Preisigke, Gotteskraft 210ff.; Bieler, 9 E I O I ANHP I 80-82; Hahn,
Hoheitstitel 312f.
39 Arrian, Alexandri Anabasis VI,13 (ed. E.I. Robson, LCL); Plut, Sulla
XXXV,3f. Vgl. auch Act Joh 62: Bei Ankunft des Johannes in Ephesus be-
rührten die dortigen Christen "seine Füße und legten sich seine Hände auf ihr
Wunderheilungsberichte 231

werden von Pyrrhus berichtet, dessen rechter großer Zehe man eine Süvauic,
&Eta nachsagte, die sich u.a. in der Heilung Milzsüchtiger mit der Fußspitze
zeigte (Plut, Pyrrhus III,4f.; Plin, Hist Nat 7,20; 28,34).

Bei Mk 5,25-34 handelt es sich um eine im Judenchristentum ent-


standene Wundergeschichte hellenistischer Prägung, die keine histori-
schen Anhaltspunkte für die Heilung einer blutflüssigen Frau durch
Jesus aufweist 40 . Ihre Entstehung verdankt sie missionarisch-werbenden
Interessen, wie neben der Betonung der langen Krankheitsdauer und des
Ärzteversagens auch die Darstellung Jesu als eines besonders kraftgela-
denen Thaumaturgen zeigt 41 .

2.2.5. Die Heilung des Taubstummen (Mk 7,31-37)


Der ursprünglich ohne geographischen oder chronologischen Rahmen
tradierte Taubstummenheilungsbericht Mk 7,32-37, der erst von Mk
durch Voranstellung von 7,31 in der Dekapolis lokalisiert wird 4 2 , ist von
einem besonders ausgeprägten Interesse an Heiltechniken gekennzeich-
net. Jesus weist hier Züge eines volkstümlichen Arztes auf, indem er
sich pharmakologisch-manipulativer Praktiken mit magischem Einschlag
bedient. Bei dem Kranken handelt es sich um einen Taubstummen
(xutpöc, xai uoYiXäXocJ, wobei SEGpiöc, TTJC; Y^ U Ö Ö T I? Mk 7,35 als Bindung
der Zunge durch einen Krankheitsdämon aufzufassen sein dürfte 43 . Der

Gesicht und küßten sie, und sie streckten ihre eigenen Hände aus und küßten
sie, wenn sie ihn berührten, weil sie wenigstens seine Kleider berührt hatten
(ÖTI x'äv ijiJiavTo TÖV iuariuv aüroü)".
40 Gegen Pesch, Mk-Ev I 305f., der sogar die Krankheitsdauer für ein
historisches Motiv hält, obgleich er sie zuvor als festen Wundergeschichten-
topos erkannt hatte (Mk-Ev I 301).
41 Vgl. Schenke, Wundererzählungen 208; Gnilka, Mk-Ev I 215-219.
42 Vgl. Lohmeyer, Mk-Ev 149; Gnilka, Mk-Ev I 296; Lührmann, Mk-Ev
132. Marxsen, Evangelist 43f.; Pesch, Mk-Ev I 393, halten die Lokalisierung
"inmitten der Dekapolis" dagegen für traditionell. - Zudem ist Mk 7,34.36
redaktionell beeinflußt. Die griechische Übersetzung von Ecptpaöa 7,34 wird
auf Mk zurückgehen, vgl. die analogen Befunde in Mk 5,41 und 15,22.34. In
Mk 7,36 wurde vermutlich ein vormk im Singular an den Geheilten gerichte-
tes Geheimhaltungsgebot (7,36a; vgl. Theißen, Wundergeschichten 152) redak-
tionell ausgestaltet.
43 Die Fluchtafel SIG 1175 enthält mehrfach die Wendung (xatJESnoa
TTJV Y^uo°av, wobei an einen Vollzug des Schadenszaubers durch Dämonen
gedacht sein dürfte. Dämonisch verursachte Stummheit ist auch Schurpu
VII,33; Plut, Mor 438B, und PGM XIII,242-244 vorausgesetzt. Vgl. auch
Deißmann, Licht vom Osten 258-261; Pesch, Mk-Ev I 397.
232 Krankenheilungen Jesu

Taubstumme wird beiseitegenommen, um die Geheimhaltung der Wun-


derpraktiken zu gewährleisten 4 4 , bevor Jesus ihm zunächst die Finger
in die Ohren steckt. Das nachfolgende Tnüoac. ist mehrdeutig. Es könnte
sich dabei um ein dämonenbannendes Ausspucken handeln, das Plin,
Hist Nat 28,36, zufolge bei jedem Heilverfahren als unterstützende Be-
gleitmaßnahme üblich war (despuere precatine in omni medicina mos est
atque ita effectus adiuvare, vgl. Hist Nat 26,93) 45 . Da Speichel in der
Antike ein beliebtes Heilmittel darstellte 4 6 , dürfte TtTÜoac. allerdings
eher eine therapeutische Speichelverwendung als ein apotropäisches
Ausspeien implizieren. Jesus bespuckt seine Hand und bestreicht die
Zunge des Taubstummen mit Speichel.

Hippocr, Epid V,80 (par VII,85), erleidet der stumme Epileptiker Andro-
phanes ('AvSpotpavET ä<puvin, XfjpT|oicJ nach seiner Heilung regelmäßig Rück-
fälle und muß die trockene, wohl am Gaumen festklebende Zunge anfeuchten,
um die Sprache zurückzugewinnen (fj SE Y^E>oaot SIETEXEI Ttävra TÖV xpövov
f;T|pij • xai EI ufj SiaxXü^oiTO, SiaXEYEO&at oüx °föc, TE fjv). Cael Aur, Tard
Pass 11,22, empfiehlt bei chronischer, zu Stummheit führender (11,6) Lähmung
der Zunge, ein Gemisch aus warmem Wasser und Öl in den Mund zu geben,
um die Zunge zu lockern 4 7 . Sofern SEOUÖC, TTJC, Y^ÜOOTIC, tatsächlich auf einen
dämonischen Ursprung der Krankheit anspielt, könnte ergänzend zu solcher
Verwendung des Speichels auch an eine antidämonische Wirkung gedacht sein,
indem der die Zunge bindende Dämon durch Speichel entkräftet wird 4 8 .

Der Speicheltherapie schließen sich ein Aufblick zum Himmel, bei


dem es sich in Analogie zu Mk 6,41 um einen Gebetsritus handeln

44 Vgl. Theißen, Wundergeschichten 70f., mit Belegen, bes. Luc, Philops


16, und PGM III,616f.; XII,36f.
45 Vgl. zur apotropäischen, der Schadensabwehr dienenden Speichelver-
wendung ferner Gal 4,14; Plin, Hist Nat 7,15; 28,35-39; Test Sal 7,3; HDM
A 111,26.
46 Vgl. Kallias bei Ael, Nat An XVI.28; Plin, Hist Nat 28,25.37.76; Diosc,
Mat Med I 67,2; Gal XII,288-290; Paul Aeg VII,3; in jüdischer Tradition bBB
126b; bSchab 108b. Auch das TSanh 12,10; bSanh 101a; ARN A 36 (dort unter
Berufung auf den um HOn.Chr. wirkenden Jochanan ben Nuri) bezeugte Ausspeien
bei Rezitation von Ex 15,26 erfolgte auf die Wunde ( r O O n bv ppTim
ARN A 36) und impliziert somit eine pharmakologische Speichelverwendung.
47 Vgl. auch Plin, Hist Nat 22,105: Verwendung von Silphion bei Lähmung
der Zunge (linguae paralysis). Eine Berührung der Zunge eines Stummen
durch Asklepios könnte in der verderbten Epidaurosinschrift W 51 vorliegen,
vgl. Herzog, Wunderheilungen 97f.
48 Die Exorzismusformel PGM IV,3039f. setzt eine Haggada von Jer 1,9
voraus, derzufolge die Stummheit Jeremias durch eine mit Siegelring Salomos
vorgenommene Manipulation an der Zunge gelöst wurde, und deutet auf
entsprechende jüdische Praktiken zur Behebung dämonisch verursachter Stumm-
heit hin, vgl. Sperber, Rabbinic Themes 95-99, zum Ganzen oben III.2.3.1.
Wunderheilungsberichte 233

dürfte, und ein Seufzen (EOTEvaF.Ev) als magische Technik zum Kraftein-
holen 4 9 an, bevor das auf die hörunfähigen Ohren gemünzte semitische
Wort E<p<pada50 die vollständige Heilung nach sich zieht.

In dem griechisch formulierten Wunderbericht Mk 7,31-37 handelt es sich


bei E<p<pa-9-a um eine pfjoic, ßapßapixfj (Luc, Philops 9). Fremdsprachige Zau-
berworte sind fester Bestandteil des antiken Wunderrituals (vgl. Plin, Hist
Nat 28.20: Apul, Apol 38; Clem Alex, Strom 1143,6; Orig, Cels I,24f.). Mk
7,34 wird das fremdsprachige Heilungswort verbatim mitgeteilt, während sich
hellenistische Wundererzählungen auf die bloße Feststellung beschränken, daß
sich der Wundertäter der bfjoic, ßapßapixfj bedient hat (Luc, Philops 31 ETÜ-
ppTjoiv aiYUTtTiö^uv; Philostr, Vit Apoll IV,45 ätpavüc, ETIEITTÜV). Speziell he-
bräische Zauberworte sind neben PGM 111,120 (E^opxi^u OE x a t ä TTJC, Eßpaixfjc,
(puvfjcj; IV,3084f.; V,47Sf. auch im "Achten Buch Mose" (XIII ,150-152.458f.)
überliefert, wo sie analog zu Mk 7,34 in ihrer griechischen Bedeutung mitge-
teilt werden. Auch Alexander von Abonuteichos bediente sich hebräischer
oder phönizischer Wörter, um seine Anhänger zu beeindrucken (Luc, Alex 13).

Zumindest im 2.Jhdt.n.Chr. ist für Griechisch sprechende Christen ei-


ne Verwendung fremdsprachiger, in erster Linie hebräischer Wunderfor-
meln verbürgt. Celsus will bei christlichen Presbytern Bücher gesehen
haben, in denen nichtgriechische Dämonennamen und "Gaukeleien",
wohl nomina magica, aufgeführt waren (Orig, Cels VI ,40 ßißXia ßäpßapa,
Saiuövuv övöuata Exovra xai TEpaTEiac,). Dabei kann es sich um solche in
Hebräisch vorliegenden magischen Kompendien Salomos gehandelt
haben kann, wie sie sich Origenes zufolge im Besitz von Dämonenbe-
schwörern befanden 51 . Irenäus berichtet von christlichen Häretikern,
die sich bei der Taufe hebräischer Wörter bedienten, um die Täuflinge
in Erstaunen zu versetzen (Haer 121,3). In dem Strafwunder Act Phil 132
rezitiert der Apostel eine hebräische Formel (xai xpäf.uv EßpaiöTi •
'AßaXü, äpi(iouvi, SouöafjX, öapoEXEriv, vaxaüO, ÜEiSouvätp, TEXETEXOEIV), wie
sie vermutlich von griechischsprachigen christlichen Wunderchansmati-
kern verwendet wurde. Folglich spricht E(p<pada nicht zwangsläufig für

49 Dibelius, Formgeschichte 82f. Vgl. PGM IV,2492f. ävaoTEvä^ac,; XIII,


945 OTEvä^a^.
so Vgl. HDM A 111,9, wo bei Ohrenleiden nomina magica in das erkrankte
Ohr zu flüstern sind. - Ecpcpaöa kann hebräisch (Rabinowitz, "Be Opened"
229-238) oder aramäisch (Black, E4><t>A6A 57-62) sein, vgl. zur Diskussion
auch Horton, Nochmals Eiptpa&ä 101-108.
si Orig, Comm. ad Mt 26,63 (GCS 38, 230): sed ipsi, qui utuntur adiura-
tionibus illis, aliquotiens nee idoneis constitutis libris utuntur, quibusdam
autem de Hebraeo aeeeptis adiurant daemonia. Offenbar sind dabei christliche
Dämonenbeschwörer miteingeschlossen (etsi aliquando a nostris tale aliquid
fiat), vgl. PGM 17; PGM.S 24 sowie Preisendanz, PRE.S 8 (1956) 668.
234 Krankenheilungen Jesu

eine semitische Urfassung des Wunderberichtes 5 2 , sondern kann im


hellenistischen Christentum als ein wegen seines fremdsprachigen Klan-
ges besonders wirksames magisches Wort eingeflossen sein, das bei
christlichen Wunderheilungen Verwendung fand. Neben Etptpaöa deuten
auch das Beiseitenehmen des Kranken, die detaillierte Beschreibung der
Heiltechniken und das Geheimhaltungsgebot 7,36a darauf hin, daß sich
in Mk 7,31-37 die Vorgehensweise christlicher Charismatiker spiegelt
und dieser Wunderbericht bedingt als Heilungsinstruktion aufgefaßt
werden konnte 5 3 .
Von den Wunderpraktiken her kommen für das Judentum der Zeiten-
wende neben dem Mk 7,34 angedeuteten Gebet auch die pharmakologi-
sche Speichelverwendung (vgl. TSanh 12,10parr; bBB 126b) und die
Schwächung von stummheitsverursachenden Dämonen durch Manipulati-
onen an der Zunge des Kranken (vgl. PGM IV,3039f.) in Betracht, so daß
ein palästinisches Überlieferungsmilieu und historische Haftpunkte kei-
neswegs ausgeschlossen sind. Zudem knüpft die schöpfungstheolo-
gisch-eschatologische Akklamation Mk 7,37 5 4 der Sache nach zutref-
fend an präsentische Heilsbezüge der Wundertaten Jesu an. Mk 7,31-37
dürfte aber von Anfang an auf Griechisch formuliert gewesen sein, zu-
mal die Rezitation eines semitischen Wortes als prjoic; ßapßapixfj und das
Seufzen als magischer Ritus in die geistige Nähe der griechisch-ägypti-
schen Zauberpapyri weisen.

2.2.6. Die Blindenheilungen Mk 8,22-26 und Joh 9,1-7


a) Der Blinde von Bethsaida Mk 8,22-26
Eine ähnlich ausführliche Beschreibung der Heilpraktiken wie in Mk
7,31-37 findet sich in den Blindenheilungstraditionen Mk 8,22-26 und
Joh 9,1-7. In Mk 8,22-26 verdankt sich die Exposition xai Epxovrai EIC;

52 Gegen Lohmeyer, Mk-Ev 152.


53 Vgl. Dibelius, Formgeschichte 81; Böcher, Christus Exorcista 90;
Lührmann, Mk-Ev 133.
54 xaXuc; Ttävta TtETtoii)XEV ruft Gen 1,31 wach, xai toüc, xutpoüc, TTOIET
äxoÜEiv xai TOÜC, äXäXouc, XOXETV läßt an Jes 29,18; 35,5f. denken und eröff-
net damit ein metaphorisches Verständnis im Sinne einer Behebung geistlicher
Taubheit und Stummheit. Vermutlich ist Mk 7,37 ein sekundärer Schriftbezug,
der aus einer späteren Verwendung der Erzählung in der Mission des helleni-
stischen Judenchristentums resultiert. Gegen Pesch, Mk-Ev I 399 ("ge-
wollt-gekonnte Inszenierung der Realisierung der Verheißung von Jes 35,5f.
durch Jesus"), ist Mk 7,31-37 weder aus Jes 35,5f. entwickelt noch von vorn-
herein auf Heilung geistlicher Taubheit und Stummheit hin konzipiert.
Wunderheilungsberichte 235

Bri&oaiSäv 8,22a mk Redaktion 55 . Folglich erlaubt diese Ortsangabe


keinerlei Rückschlüsse auf eine Historizität des Wunderberichtes 5 6 . Bei
der Heilung spuckt Jesus dem Blinden zunächst in die Augen und be-
rührt diese dann mit den Händen, womit er sich einer in der antiken
Volksmedizin weitverbreiteten Augenheiltechnik bedient.
Als Augenheilmittel ist Speichel (saliva) bei Plinius ( H i s t N a t 28,37.86)
gegen Augenentzündungen (lippitudines) und blutende Augen oder Augenfluß
(oculi c r u e n t a t i , e p i p h o r a ) , bei M a r c e l l u s Empiricus ( M e d VIII,43.166) gegen
Rauheit der Augen ( a c r i t u d o lippitudinis) und Augenflecken oder g r a u e n S t a r
(livor, suffusiones) b e z e u g t . Paulus Aegineta, d e r Speichel gegen A u g e n -
schwielen (ÜTtünia) empfiehlt, führt seine Heilkraft auf eine v e r t e i l e n d e und
reinigende Wirkung z u r ü c k (oiaXov TÖ TUV ä v S p ü n u v , VTJOTEUV u ä X i o t a ,
SiatpopT|TlXÖV TE x a i OUTtTlXÖV EOTI V I I , 3 ) 5 7 .
Daß sich T a c , Hist I V 8 1 , l p a r r , ein Blinder auf G e h e i ß des Sarapis mit
dem Begehren an V e s p a s i a n w e n d e t , ihm die W a n g e n und Augenhöhlen mit
Speichel zu b e n e t z e n (ut genas et oculorum orbes d i g n a r e t u r r e s p e r g e r e oris
e x c r e m e n t o ) , d e u t e t für das l . J h d t . n . C h r . auf die Handhabung dieser A u g e n -
heilmethode am S a r a p e i o n von A l e x a n d r i a hin. Aus den S a b b a t b e s t i m m u n g e n
jSchab 1 4 , 4 ( 1 4 d ) / b S c h a b 108b; j A Z 2 , 2 ( 4 0 d ) / b A Z 28b und aus j S o t a l,4(16d)
geht hervor, daß auch im antiken Judentum Speichel als Augenheilmittel
Verwendung fand, wobei wie in der g r i e c h i s c h - r ö m i s c h e n Medizin dem S p e i -
chel einer n ü c h t e r n e n P e r s o n b e s o n d e r e W i r k u n g b e i g e m e s s e n wird. W e n n in
der Chanina ben D o s a - T r a d i t i o n bBB 126b von der Heilkraft des Speichels
eines E r s t g e b o r e n e n die Rede ist, dürfte dies ebenfalls die Behebung von
Augenleiden miteinschließen.
Eine Parallele zu der Mk 8,25 gegebenen Abfolge von A u g e n b e r ü h r u n g und
W i e d e r h e r s t e l l u n g der Sehkraft (ETTEÖIIXEV täc, XEiP a c . ETU TOÜC, öcpdaXuoüc,
a ü r o ö ... x a i EVEßXEitEV TT]XauYuc, ärcavTa) findet sich S I G 3 1173, wo ein
Blinder im Asklepieion von Rom die Asklepiosstatue b e r ü h r t , seine Hand auf
die erblindeten Augen legt und sehend wird ( ... x a i a p a i trjv x ^ i p a x a i ETTI-
9-ETvai ETti TOÜC; iSiouc, öipöaXuoüc," x a i öp&öv ävEßXEtpE).

In Mk 8,22-26 vollzieht sich die Heilung nach der Speicheltherapie


sukzessive. Der Blinde sieht zunächst die Menschen wie Bäume (uc.

55 Bultmann, Syn Tradition 227: Ursprünglich spiele die E r z ä h l u n g in einer


xüun (8,23), was auf Bethsaida nicht zutreffe; f e r n e r Roloff, K e r y g m a 128f.;
Johnson, Blind M a n 370-372. - Das dem G e h e i m h a l t u n g s g e b o t M k 7,36 k o r -
respondierende V e r b r e i t u n g s v e r b o t 8,26b ist kaum redaktionell ( K e r t e l g e ,
W u n d e r Jesu 161; Gnilka, M k - E v I 313; L ü h r m a n n , M k - E v 139), sondern
diente wie 7,36 v o r m k einem Schutz der H e i l p r a k t i k e n .
56 G e g e n Pesch, M k - E v I 420, der Mk 8,22a in Verbindung mit Mt 11,
21par Jesu W u n d e r w i r k e n in Bethsaida v e r b ü r g t s i e h t .
57 Nicht den T a t s a c h e n e n t s p r e c h e n d ist folglich die Behauptung von K e e ,
Magic and M e s s i a h 138, Speichel sei in der g r i e c h i s c h - r ö m i s c h e n Medizin
kein Heilmittel g e w e s e n , folglich gehe es in Mk 7,31-37; 8,22-26 um "Jesus's
defiance of ritual S t a n d a r d s " (Lev 15,8; Num 12,14).
236 Krankenheilungen Jesu

SsvSpa) umherwandeln 58 , und erst nach nochmaliger Handberührung der


Augen wird die volle Sehkraft wiedergewonnen. Die wie in Mk 7,33 zur
Geheimhaltung der therapeutischen Praktiken abseits der Öffentlichkeit
stattfindende Heilung geschieht rational nachvollziehbar in zwei Stufen
unter Anwendung einer pharmakologischen Augenheiltechnik der Antike.
Da aufgrund des Fehlens wunderhafter Züge oder einer ausgeprägten
christologischen Stilisierung keine missionsspezifischen Interessen er-
kennbar sind 5 9 , deutet alles darauf hin, daß Mk 8,22-26 christlichen
Wundercharismatikern als Krankenheilungsanleitung diente. Nachösterli-
che Blindenheilungen unter Verwendung von Speichel sind auch Act Phil
128 entnehmbar, wo in Analogie zu Plin, Hist Nat 28,76, und Marc Emp,
Med VIII,43.166, dem Speichel der Frau besondere Heilkraft beige-
messen wird (xat ETtoirioav ävaßXEi|iai Sia TtTÜoiiaToc, Yuvaixöc).
Daß der Wunderbericht Mk 8,22-26 auf eine geschichtliche Begeben-
heit zurückgeht, liegt im Bereich des Möglichen. Die bSchab 108parr;
jSota 1,4 (16d) bezeugte Verwendung von Speichel als Augenheilmittel,
die allem Anschein nach im l.Jhdt.n.Chr. auch am Sarapeion von Alex-
andria gehandhabt wurde, war vermutlich bereits um die Zeitenwende
im antiken Judentum üblich (vgl. bBB 126b) und zeigt, daß die Erzählung
keineswegs auf außerpalästinischem Boden entstanden sein muß. Da
Tac, Hist IV81,l-3parr, unserer Analyse zufolge (III.1.4.6.) wahrschein-
lich auf ein historisches Ereignis aus dem Winter 69/70n.Chr. zurück-
geht, kann diese Parallele im Blick auf Mk 8,22-26 jedenfalls nicht als
Indiz für vormk Übertragung einer antiken Wunderlegende auf Jesus in
Anspruch genommen werden.

b) Heilung des Blindgeborenen Joh 9,1-7


Eine ganz ähnliche Blindenheilungserzählung begegnet Joh 9,1-7. Dort
dürfte der älteste Überlieferungskern 9,1.6.7 umfassen, während mit

58 Eine frappierende Parallele dazu bietet die Epidaurosinschrift W 18, wo


sich wie in Mk 8,25 nach einer manuellen Augenheiltechnik (TOTC, SaxTÜXoic,
SUXYEIV rä öuuara) die Heilung schrittweise vollzieht und der Blinde zunächst
im Traum die Bäume im Heiligtum (ISETV TÖ SEvSpi) Ttpärov i ä EV TÖ. iapöi)
sieht, bevor er dieses am nächsten Morgen mit voller Sehkraft verläßt.
59 Im Gegensatz zu dem propagandistischen Lobpreis des von Asklepios
durch eine Augensalbe aus Hahnenblut und Honig geheilten Blinden SIG 3
1173 (xai T)üxapioTT)OEV Sripooia TU $EU) fehlt in Mk 8,22-26 eine Doxologie
oder ein Chorschluß. Zweifelhaft erscheint die Annahme, Mk 8,22-26 sei
vormk als Vorspann zu Mk 7,31-37 tradiert worden und der Lobpreis 7,37
habe auch der Blindenheilung gegolten (so Gnilka, Mk-Ev I 296).
Wunderheilungsberichte 237

9,2-5 vorjoh oder joh Erweiterungen vorliegen 60 . Insbesondere die Ver-


wendung von Speichel als Heilmittel legt nahe, daß es sich bei Joh
9,1.6.7 um eine traditionsgeschichtliche Variante oder Parallelbildung zu
Mk 8,22-26 handelt 61 . Unterschiede bestehen dahingehend, daß der
Speichel hier als Ingredienz einer TCTIXOC, genannten Augenheilsalbe gilt
(9,6) und der Wiederherstellung der Sehkraft eine Waschung (9,7) 6 2
vorausgeht.

Ein ähnliches Heilmittel aus THIXÖC, und Flüssigkeit 63 begegnet Kyr


III SO,24f., wo der "Dreck" aus dem Schwalbennest mit Wasser vermischt ge-
gen Entzündungen auf den Hals aufzutragen ist (ö SE rtr|Xöc, EX TTJC; xaXiac,
aürou UE-&' üSaToc, XEiufl-Eic. xai TtEpixpiöuEvoc, TpaxijXu). Mit TIT|XÖC, ist hier
Kot 6 4 gemeint. Diese Bedeutung liegt auch für Joh 9,6 im Bereich des Mög-
lichen, da Tierkot in der Antike ein weitverbreitetes Augenheilmittel w a r 6 5 .

Vermutlich haben sich auch in Joh 9,6 Augenheilpraktiken christlicher


Wundercharismatiker niedergeschlagen, wobei eine gegenüber Mk
8,22-26 leicht veränderte "Rezeptur" vorliegt. Auch wenn die Blindheit
von Geburt an (9,1) ein Steigerungselement darstellt, dürfte Joh 9,1.6.7
keine unmittelbare Konkurrenz zwischen Christentum und Asklepioskult
reflektieren, da der ntl Heilungsbericht im Vergleich mit den Blinden-
heilungstraditionen des Asklepioskultes kaum dazu geeignet war, die
Überlegenheit Jesu als Augenarzt zu erweisen 6 6 . Wie bei Mk 8,22-26

60 Vgl. Roloff, Kerygma 136; Becker, Joh-Ev I 315f. - Bultmann, Joh-Ev


250; Schnackenburg, Joh-Ev II 309; Haenchen, Joh-Ev 382, halten zumindest
Vv 3b(4)-5 für sekundär.
61 Vgl. Lührmann, Mk-Ev 139; Roloff, Kerygma 135f.
62 Vgl. Ael Arist, Or 39,14f., zur Heilkraft der Asklepiosquelle von Per-
gamon: "Denn viele haben darin gebadet und ihre Augen gesund empfangen
(noXXoi UEV Yäp TOÜTU Xouoäp.Evoi ö<p-9-aXu.oüc. ExouioavTo)."
63 Zur Verwendung eines Gemisches von Speichel und Staub als Zauber-
mittel (zur Zeichnung der Stirn): Petronius, Satyrica 131,4.
64 Ttr|Xöc; bezeichnet neben Lehm, Schlamm oder Morast auch Kot, vgl.
Pape, Griech. Handwörterbuch II 610; Rengstorf, ThWNT VI 118.
65 In den altägyptischen Augenheilrezepten des Pap Ebers begegnen Tier-
kot, Mineralien und Wasser als Ingredienzen von Augensalben (von Deines/
Grapow/Westendorf, Grundriß IV,1 41ff.). Tierkot wird u.a. auch Herophi-
los, Fragm 260; Kyr III43,3f.; Plin, Hist Nat 28,172, als Augenheilmittel
empfohlen.
66 Vgl. neben den Blindenheilungsberichten aus Epidauros noch SIG 3 1173
und Paus X 38,13. Im Blick auf eine Tradition wie W 32 (Asklepios setzt
einem durch Speerstich Erblindeten neue Pupillen ein) erscheint die Einschät-
zung, Joh 9,1-7 wolle durch die Unerhörtheit der von Jesus bewirkten Heilung
seine schlechthinnige Überlegenheit gegenüber Asklepios erweisen (Rengstorf,
ThWNT VI 119; vgl. ders. Anfänge 39f.), wenig plausibel.
238 Krankenheilungen Jesu

läßt sich als geschichtlicher Haftpunkt ebenfalls die Verwendung von


Speichel als Augenheilmittel durch Jesus vermuten. Die Erwähnung des
Siloahteiches ist hingegen kaum ein Indiz für Historizität 67 , sondern
dürfte sich wie Bethesda Joh 5,2 einer sekundären Lokalisierung der
Tradition in Jerusalem verdanken.

2.2.7. Die Heilung des blinden Bartimäus (Mk 10,46-52)


Die Bartimäusgeschichte war bereits vormk in Jericho lokalisiert,
wird aber von Mk durch Einfügung von xai EXTtopEuouEvou aütou ärtö
'lEpiXu ... nunmehr auf den Weg von Jericho nach Jerusalem verlegt 68 .
Dieser Redaktionstendenz korrespondiert das ebenfalls mk EV TTJ ÖSU
10,52 im Sinne des Weges in die Passion, wobei wohl die gesamte
Nachfolgethematik von 10,52c erst auf Mk zurückgeht 69 .
Auf eine Mehrschichtigkeit der vormk Erzählung deutet neben der
atypischen Ausschmückung in 10,49f. auch die differierende Anrede Jesu
als uiöc, AauiS (10,47f.) und als baßßouvi (10,51) hin, wobei letzteres ar-
chaischer wirkt. Von daher liegt es nahe, eine Mk 10,46.47 (ohne UEE
AauiS).51.52ab umfassende, relativ stilgemäße Heilungswundergeschichte
als älteste Tradition anzunehmen und 10,48f. als sekundäre Ausgestal-
tung aufgrund eines besonderen Interesses an der Figur des Bartimäus
zu betrachten 7 0 .
Als ursprüngliches Überlieferungsmilieu kommt das palästinische
Judenchristentum in Betracht, wie es neben der Anrede paßßouvi und
dem Namen Bapttuaioc,, einer Kombination von ""13 mit dem griechischen
Tiuaiöc,71, auch durch die der Erzählung von vornherein inhärente Loka-

67 Gegen Schnackenburg, Joh-Ev II 311.


68 Gnilka, Mk-Ev II 108. Denkbar ist auch, daß 10,46a redaktionell (vgl.
8,22a), 10,46b hingegen traditionell ist, vgl. Kertelge, Wunder Jesu 180;
Roloff, Kerygma 121. Gegen mk Einfügung von TEpixü (von Lührmann, Mk-Ev
184, erwogen) spricht, daß Mk kaum ohne Traditionsbindung einen Ein- und
Auszug aus Jericho (10,46) erfunden haben wird. Abwegig Schmithals, Mk-Ev
II 472: Eine Grundschrift des Mk-Ev habe an dieser Stelle eine von Mk
ausgelassene, in Jericho spielende Mahltradition (Lk 7,36-50) enthalten.
69 Robbins, Blind Bartimaeus 227f.; Gnilka, Mk-Ev II 109; Lührmann,
Mk-Ev 184. Gegen Steinhauser, Bartimaeus Narrative 589ff, dessen Klassifi-
zierung von Mk 10,46-52 als Berufungsgeschichte sich maßgeblich auf 10,52c
als integrativen Erzählbestandteil stützt.
70 Vgl. die Rekonstruktion von Roloff, Kerygma 123; ähnlich Hahn, Ho-
heitstitel 262; Burger Davidssohn 43f.; Kertelge, Wunder Jesu 180f. Dagegen
Gnilka, Mk-Ev II 109; Achtemeier, Miracles and Discipleship 121.
71 Griechische Namen waren in Palästina zu ntl Zeit keine Seltenheit, vgl.
Hengel, Judentum und Hellenismus 114-120.
Sabbatheilungskonflikte 239

lisierung in Jericho nahelegt wird. Damit erscheint ein historischer Kern


wahrscheinlich, zumal die Namenserwähnung und die vormk Lokalisie-
rung auf geschichtlicher Erinnerung beruhen können 72 . Da das Schwer-
punktinteresse der Erzählung auf der Person des Bartimäus liegt, ver-
lautet in Mk 10,46-52 im Gegensatz zu Mk 8,22-26/Joh 9,1-7 nichts
über Heilpraktiken.

2.3. Sabbatheilungskonflikte
2.3.1. Heilung einer verdorrten Hand am Sabbat (Mk 3,1-6)
Eine eigenständige Gruppe unter den Wunderheilungsberichten der
Jesusüberlieferung machen die in Streitgesprächsituationen eingebunde-
nen Sabbatheilungserzählungen aus, die quellenmäßig recht breit bezeugt
sind (Mk 3,l-6parr; Lk 13,10-17; 14,1-6; Joh 5,1-47; 7,15-24; 9,1-41). In
dem mutmaßlich ältesten Sabbatheilungsbericht Mk 3.1-51 wird wie in
Mk 2,1-12 die Heilung durch eine Zwischenszene mit Streitgespräch-
charakter unterbrochen. Dies legt die Vermutung nahe, daß auch hier
ein stilechter, später dann apophthegmatisch zum Sabbatkonflikt ausge-
stalteter Heilungsbericht am Anfang der Traditionsbildung stand 2 .

Als für Apophthegmata typische Elemente können in Mk 3,1-5 die streit-


bare Gesinnung der Gegner (3,2), das in die Mitte Stellen des als "Streitob-
jekt" fungierenden Hilfsbedürftigen (3,3; vgl. 9,36) und Jesu Legitimation
seines Verhaltens durch ein Logion (3,4) gelten. Daß Mk 3,4 als Frage gefaßt
ist, spricht nicht gegen eigenständige Tradierfähigkeit 3 , da es sich um eine

72 Roloff, Kerygma 123f.; Gnilka, Mk-Ev II 111; Kirchschläger, Bartimäus


1119f.; überzogen Pesch, Mk-Ev II 174.
1 Bei Mk 3,1a handelt es sich um eine auf 1,21 rekurrierende mk Exposi-
tion, und der Tötungsbeschluß 3,6 ist (einschließlich der ihn vorbereitenden
Notiz i'va xatriYopfjouoiv aüroü 3,2b) als redaktioneller Vorverweis auf die
Passion zu beurteilen (vgl. Kuhn, Sammlungen 88; Sauer, Überlegungen
185-189; gegen Roloff, Kerygma 63f.; Pesch, Mk-Ev I 188).
2 Thissen, Befreiung 217-219; Sauer, Überlegungen 196-200. - Dietzfel-
binger, Sabbatheilungen 288, rechnet damit, daß sich die gesamte Heilungs-
szene um das Jesuslogion Mk 3,4 als primären Kern herumgruppiert habe.
Gegen ein solches - für die Mehrzahl der syn Apophthegmata wahrscheinli-
ches - Wachstum spricht hier der Sachverhalt, daß die in Mk 3,Ib.5 eruier-
bare Wundererzählung eigenständig tradierfähig ist, also wohl nicht als
ideale Szene zu Mk 3,4 formuliert wurde.
3 Bultmann, Syn Tradition 9, wertet die Frage Mk 3,4 als kontextbezogen
und rechnet mit einem organischen Apophthegma (ebenso Kertelge, Wunder
Jesu 82; Hübner, Gesetz in der syn Tradition 128; Pesch, Mk-Ev I 189;
Lührmann, Mk-Ev 66). Dies zöge zwangsläufig eine Historizität der gesam-
ten Szene 3,1-5(6) nach sich, sofern Mk 3,4 echt ist.
240 Krankenheilungen Jesu

rhetorische, Einverständnis voraussetzende Frage handelt und das gleicherma-


ßen in Frageform gekleidete Jesuslogion Mk 2,19a ebenfalls zunächst isoliert
umlief. Zudem sind literarkritische Indizien für ein Zuwachsen der apophtheg-
matischen Elemente Mk 3,2-4 gegeben 4 , während umgekehrt bei Ausklamme-
rung dieser Streitgesprächszene eine zwar knappe, aber in sich überliefe-
rungsfähige (vgl. Mk 1,29-31) Wundererzählung mit typischen Stilmerk-
malen verbleibt. Im einzelnen sind dies a) Auftreten des Hilfsbedürftigen
(3,1b), b) pneumatische Erregung des Wundertäters ([IET' öpYfjc, 3,5), c) Hei-
lungswort EXTEIVOV TTJV x £ ?P a u n ^ <Ö Konstatierung der Heilung (3,5c). Dabei
ist die Möglichkeit einzukalkulieren, daß bei der redaktionellen Anfügung des
Tötungsbeschlusses 3,6 eine Akklamation verdrängt wurde 5 .
Die durch Einfügung von Mk 3,4 in Gang gesetzte Ausgestaltung des ur-
sprünglichen Wunderheilungsberichtes zum Apophthegma Mk 3,1-5 verdankt
sich dem Bedürfnis, die Übertretung einzelner Sabbatvorschriften zu legiti-
mieren. Als Tradenten ist an Heidenchristen zu denken, die sich nicht an die
jüdische Sabbatobservanz gebunden fühlten und zur Verteidigung ihrer Position
christologische Autorität (3,4) beanspruchten 6 . Das Thema Sabbatheilung
kann dabei als nicht aktueller Konfliktfall paradigmatisch die grundsätzliche
Freiheit vom jüdischen Gesetz demonstrieren. Alternativ kommt in Betracht,
daß konkret Krankenheilungen zur Diskussion stehen, die von heidenchristli-
chen oder gesetzesfreien judenchristlichen Wundercharismatikern am Sabbat
vollzogen wurden und bei gesetzestreuen Judenchristen Kritik hervorriefen 7 .

Die Mk 3,1-5 zugrundeliegende Wundererzählung weist eine Reihe


motivgeschichtlicher wie terminologischer Übereinstimmungen mit 1(3)
Kön 13,4-6 8 auf. Wörtlich entsprechen sich xai E^ETEIVEV in 3 Kön 13,4
und Mk 3,5c, der Sache nach besteht in der Krankheitsschilderung (3
Kön 13,4 Er;r|päv&Ti rj xEip aütoü; Mk 3,1b EF,r]pau.u.EVT]v EYWV TTJV xEip«) und
in der Heilungskonstatierung als Wiederherstellung (3 Kön 13,6 xai
ETrEöTpEiJ)Ev rrjv x£ip« TOU ßaoiXEuc, Ttpöc, aÜTÖv, xai EYEVETO xadüc, TÖ npoTEpov;
Mk 3,5 xai E^ETEIVEV xai äTtExaTEOTäDr] fj XEip aüroü) Übereinstimmung.
Auch wenn die atl Parallele, bei der es sich um ein Strafwunder handelt,

4 Sauer, Überlegungen 199f., mit Verweis auf doppeltes xai XEYEI Ttj)
ävöpuTtu 3,3.5 (vgl. die Wiederaufnahme von XEYEI TU TtapaXurixu Mk 2,5.10).
5 So von Dibelius, Formgeschichte 42, vermutet. Vgl. auch Kertelge,
Wunder Jesu 85, der von Mk 3,6 als einem "negativen Chorschluß" spricht.
6 Folglich handelt es sich bei den impliziten Gegnern nicht um "orthodoxe
Juden" (Schenke, Wundergeschichten 169; Gnilka, Mk-Ev I 129; vgl. auch
Klinghardt, Gesetz 230), sondern um am Sabbat festhaltende, auf Christusau-
torität hin ansprechbare Judenchristen (Kuhn, Sammlungen 89ff.)
7 Vgl. zur judenchristlichen Sabbatobservanz Kol 2,16; Hippolyt, Refutatio
IX 16,3 (Elkesai); Euseb, Hist Eccl III 27,5 (Ebioniten). Eine verrenkte Hand
durfte am Sabbat nicht einmal in Wasser geschwenkt, sondern nur gewöhnlich
gewaschen werden (Schab XXII,6).
8 Vgl. auch Test Sim 2,11-14: Simeon, mit einer halb verdorrten Hand (fj
XEip ... fjui!;Tipoc, fjv) gestraft, tut Buße, betet zu Gott und wird geheilt.
Sabbatheilungskonflikte 241

nicht erst die Formulierung von Mk 3,1-5 veranlaßt haben wird, ist ihr
Einfluß auf Mk 3,Ib.5 unverkennbar 9 . Die Berührungen mit dem grie-
chischen Text sind dabei nicht derart weitreichend, als daß man
zwangsläufig LXX-Benutzung annehmen müßte 1 0 . Daß der noch nicht
von Sabbatthematik geprägte älteste Traditionskern auf die Heilung eines
Mannes mit gelähmter Hand durch Jesus zurückgeht, kann man zumin-
dest erwägen 11 . Auffällig ist im Vergleich mit 1 Kön 13,4-6 und Test Sim
2,11-14, daß die Heilung ohne Gebet, vielmehr allein durch ein Befehls-
wort Jesu erfolgt. Die Frage nach der Authentizität und dem ursprüngli-
chen Kontextbezug des Logions Mk 3,4 ist gesondert zu klären.

2.3.2. Sabbatheilungsberichte im lk Sondergut (Lk 13,10-17; 14,1-6)


a) Heilung der gelähmten Frau Lk 13,10-17
Über den von Mk übernommenen Wunderbericht Lk 6,6-11 hinaus ist
im Sondergut des Lk-Ev von zwei weiteren Sabbatheilungen Jesu die
Rede (Lk 13,10-17 und 14,1-6). Bei Lk 13,10-17 handelt es sich nicht
einfach um eine redaktionelle Analogiebildung zu Mk 3,1-5/Lk 6,6-ll 1 2 ,
sondern um eine eigenständige Variation des Themas Sabbatheilung, die
keine unmittelbare Kenntnis jener Tradition voraussetzt. Obgleich eine
ursprüngliche Eigenständigkeit des Lk 14,5par ähnelnden Sabbatlogions
13,15 offenkundig ist 13 , bleibt die Traditionsgeschichte des apophtheg-
matischen Wunderberichtes umstritten.

9 Lohmeyer, Mk-Ev 70; Pesch, Mk-Ev I 189 mit Anm. 5; Sauer, Überle-
gungen 199f. Gegen Schmithals, Mk-Ev I 194: 1 Kön 13,4-6 sei für das
Verständnis von Mk 3,1-6 relativ unwichtig.
10 xai E^ETEIVEV, einzige wörtliche Übereinstimmung mit 3 Kön 13,4-6, be-
zieht sich dort auf die in feindlicher Absicht gegen den Gottesmann ausge-
streckte Hand Jerobeams, Mk 3,5 hingegen auf den Heilungsvorgang.
n Lohse, Jesu Worte 67 (Von allen ntl Sabbatgeschichten könnte "Mc 3,
1-5 am ehesten eine Situation im Wirken des historischen Jesus wiedergeben");
Pesch, Mk-Ev I 194 ("von lebendiger Erinnerung gespeiste Überlieferung").
Zurückhaltender Dietzfelbinger, Sabbatheilungen 287: "typisierter Bericht ... ,
in dem sich eine Mehrzahl von Sabbatheilungen Jesu verdichtet hat".
12 Gegen Schmithals, Lk-Ev 15; Green, Daughter of Abraham 644-649.
Eindeutig redaktionell sind lediglich Lk 13,10, eine lk Rekapitulation von Mk
1,23/Lk 4,31, und die summarisch-typisierende Notiz 13,17 (vgl. dort zu nac, ö
öxXoc, Lk 6,19 diff. Mk 3,10; ävTixETo&ai begegnet in den E w nur Lk 13,17;
21,15 red.). Die Lukanismen in 13,11-13 (vgl. Jeremias, Sprache 228f.; Sau-
er, Rückkehr 372f.) erklären sich zwanglos aus lk Redigierung der vorge-
fundenen Wundertradition.
13 Roloff, Kerygma 68, sieht Lk 13,15 dagegen von 13,16 beeinflußt, das er
für den Ausgangspunkt der Überlieferung hält.
242 Krankenheilungen Jesu

Der unlk Charakter von 13,14-16 könnte nahelegen, dort ein von dem Kern
13,15 her sukzessive erweitertes, selbständiges Streitgespräch zu sehen, dem
erst Lk die Wunderheilungsszene 13,11-13 vorgeschaltet habe 1 4 . Demgegen-
über würde aber Lk 13,14-16 für sich genommen ohne eine kurze Schilde-
rung des konfliktträchtigen Geschehens recht abrupt beginnen, und zudem
setzt 13,16 den Inhalt von 13,11-13 - nicht zuletzt die weibliche Identität der
geheilten Person - voraus. Da umgekehrt die Heilung in 13,14ff. recht unver-
mittelt zu einem Sabbatkonflikt ausgeweitet wird (13,10 geht auf Lk zu-
rück), dürfte in 13,11-16 vorlk ein ehemals eigenständiger Wunderbericht se-
kundär zum Apophthegma ausgestaltet worden sein 15 .

In dem Wunderbericht Lk 13,11-13 geht es krankheitsmäßig um Läh-


mungserscheinungen. Die heilungsbedürftige Frau ist verkrümmt und
vermag sich nicht vollständig oder sogar überhaupt nicht 1 6 aufzurichten.
Diese Lähmung gilt als dämonisch verursacht (TtvEÜua i'xouöa äaÖEVEiac,),
ohne daß die Heilung expressis verbis als Dämonenaustreibung ge-
schildert wird. Der Gestus der Handauflegung, der in Verbindung mit
den Worten YÜWI, dbroXEXuöai TTJC, äo&EVEiac; ÖOU eine sofortige Wieder-
herstellung der Bewegungsfähigkeit bewirkt, dient allerdings auch in 1 Q
Gen Ap XX,28f. der Vertreibung eines Krankheitsgeistes. Diese jüdische
Motivparallele läßt eine Dämonenaustreibung Jesu durch Handauflegung
als historischen Haftpunkt möglich erscheinen, wobei sich die Ausge-
staltung zur Sabbatheilung allerdings sekundär vollzog 17 .

b) Heilung eines Wassersüchtigen (Lk 14,1-6)


Ein weiterer Sabbatheilungsbericht mit apophthegmatischen Zügen
findet sich Lk 14,1-6. Die dortige Heilung eines Wassersüchtigen

14 Sauer, Rückkehr 375-379: Lk 13,15 sei zunächst um 13,14, dann um


13,16 erweitert worden; erst Lk habe diesem Streitgespräch einen auf 13,16
beruhenden Rahmen gegeben.
15 Haenchen, Weg Jesu 128. Ebenso Busse, Wunder 293-298; Trautmann,
Zeichenhafte Handlungen 291-293, die aber mit erst lk Formulierung von
13,14-16 rechnen. Für die apophthegmatische Ausgestaltung kommt wie in
Mk 3,1-5 entweder grundsätzliche Freiheit vom Gesetz oder speziell die
Rechtfertigung von Sabbatheilungen in Betracht. Klinghardt, Gesetz 238f.,
vermutet dagegen Diskussionen zwischen Gemeinde und Synagoge um die
Zulässigkeit christlicher Missionsverkündigung im sabbatlichen Synagogen-
gottesdienst.
16 Vgl. zu diesen beiden Übersetzungsmöglichkeiten von Eic, TÖ TtavTEXEc,
Bauer-Aland, Wörterbuch 1230f.
17 Gegen Fitzmyer, Luke II 1011: Die Erzählung reflektiere "one of the
real-life situations of Jesus' own ministry: a eure and debate over the Sab-
bath"; vgl. auch Roloff, Kerygma 68.
Sabbatheilungskonflikte 243

(üSpuTtixöc,)18 wurde erst von Lk durch 14,1a, eine redaktionelle Wieder-


aufnahme von 7,36 1 9 , innerhalb einer Gastmahlszene im Hause eines
Pharisäers angesiedelt. Allein das Logion Lk 14,5 läßt sich aufgrund der
Parallele Mt 12,llf. mit Sicherheit als vorlk Tradition bestimmen.

Der M t - F a s s u n g gebührt dabei im Prinzip der V o r z u g . Zu Tic. EOtai E!;


üuöv av&pwTroc, öc, ... M t 12,11 diff. rivoc, üuöv Lk 14,5 ist M t 7 , 9 / L k 11,11
zu v e r g l e i c h e n , wo Lk den Q - W o r t l a u t Tic, EOTIV E!; ÜUÖV äv&puTtoc in r i v a SE
E!; ÜUÖV a b ä n d e r t 2 0 . TEöc, Lk 14,5 wird s e k u n d ä r h i n z u g e t r e t e n sein , w ä h r e n d
das lk ßoüc. g e g e n ü b e r dem mt Ttpößatov EV P r ä f e r e n z v e r d i e n t 2 2 . Die D i v e r -
genz sie, ßö&uvov (Mt)/Eic, cppEap (Lk) ist kaum zu w e r t e n und sachlich
ohnehin b e d e u t u n g s l o s . Da övaoitäv im N T ausschließlich bei Lk b e g e g n e t
(neben 14,5 noch Apg 11,10), r e p r ä s e n t i e r t xpatfjoEi a ü r ö x a i EYEPET M t 12,11
gegenüber ävaoTtdoEi a ü t ö v Lk 14,5 den Q - W o r t l a u t . Auch TOTC, o ä ß ß a o i v bei
M t wird g e g e n ü b e r dem lk EV fjU-Epa TOU o a ß ß ä r o u u r s p r ü n g l i c h e r sein, da Lk
pluralisches r ä o ä ß ß a r a 6,7.9 aus seiner M k - V o r l a g e (Mk 3,2.4) in den
Singular a b ä n d e r t . Das nur M t 12,12a b e l e g t e Ttöou ouv SiacpEpEi äv&puTtoc,
Ttpoßärou hingegen e x p l i z i e r t nachträglich den M t 1 2 , l l p a r ohnehin i n h ä r e n t e n
a minori ad m a i u s - S c h l u ß .

Dieses in Q vermutlich isoliert tradierte 2 4 , von Mt in seine Version


von Mk 3,1-6 integrierte Sabbatlogion diente offenbar als Formulierungs-
basis für die Gestaltung der Szene Lk 14,l-6 2 5 , ohne daß für die Wun-
dertopik 14,2.4b eine davon unabhängige, eigenständige Überlieferungs-
geschichte in Betracht käme. Weitreichende Übereinstimmungen mit Mk
3,1-5 zeigen vielmehr, daß es sich um eine Analogiebildung zu der
dortigen Sabbatheilungserzählung handelt. Die versucherische Absicht
der Gegner wird in beiden Fällen mit Ttapatripoüv umschrieben (Lk 14,1b;
Mk 3,2), EMOTIV TU oaßßäru ÖEpaitEuoai Lk 14,5 deckt sich weitgehend

18 Vgl. zur W a s s e r s u c h t und deren Rückführung auf Sünde im antiken J u -


dentum das M a t e r i a l bei BiUerbeck II 203f., insbes. Joseph, Ant 111,273; LevR
15,2. Eine wissenschaftlich-medizinische Pathologie der üSpuiJj aus dem
l . J h d t . n . C h r . b i e t e t A r e t IV 1,1-15.
19 Typisch lk ist zudem die Konstruktion x a i EYEVETO EV Ttj) + Inf.Aor.
EXÖETV, vgl. J e r e m i a s , S p r a c h e 25-27; B l a ß - D e b r . - R e h k o p f § 4 0 4 , 1 .
20 Vgl. Schulz, Q 161; Gnilka, M t - E v I 261.
21 Vgl. Lohse, J e s u W o r t e 70.
22 Vgl. das h e r v o r g e h o b e n e mt I n t e r e s s e an der W i e d e r g e w i n n u n g des EV
Ttpößatov in M t 1 8 , 1 2 - 1 4 ( 0 ) samt Kontext (18,15-18).
23 Vgl. Luz, M t - E v II 238 mit Anm.10.
24 Vgl. zur Q-Zugehörigkeit von M t 12,11/Lk 14,5 b e s . Kosch, T o r a
2 0 0 - 2 0 4 . Daß es sich bei Lk 14,1-6 in seiner G e s a m t h e i t um einen von Mt
ü b e r g a n g e n e n Q-Stoff handelt (von Schürmann, S p r a c h e i g e n t ü m l i c h k e i t e n 213;
S c h n e i d e r , L k - E v II 312, in Erwägung gezogen), kommt kaum in B e t r a c h t ,
vgl. N e i r y n c k , Luke 14,1-6 2 4 3 - 2 6 3 .
25 Bultmann, Syn Tradition 10; Roloff, K e r y g m a 66.
244 Krankenheilungen Jesu

mit E^EÖTIV TU oaßßäru aYa&oTtoifjoat Lk 6,9 (vgl. Mk 3,4), und hier wie
dort werden die Gegner Jesu durch diese Frage zum Schweigen ge-
bracht (Lk 14,4; Mk 3,4). Sprachliche Indizien lassen eine lk Verfasser-
schaft dieser Analogiebildung zu Mk 3,1-5 als gutbegründete Annahme
erscheinen 2 6 , wobei das lk Interesse sich weniger auf eine Erörterung
von Sabbatfragen als vielmehr auf eine Betonung der Überlegenheit Jesu
richtet 2 7 . Im Blick auf die Wunderheilpraxis Jesu ist Lk 14,1-6 damit
nichts Zuverlässiges entnehmbar. Lediglich für das Sabbatlogion Lk
14,5/Mt 12,11 bleibt wiederum die Möglichkeit gegeben, daß es von
Anfang an einer Rechtfertigung von Sabbatheilungen Jesu diente.

2.3.3 Die Sabbatheilungskomplexe Joh 5,1-47/7,15-24 und Joh 9,1-41


a) Joh 5,1-47/7,15-24
Im vierten Evangelium ist in zwei längeren Redekompositionen (Joh
5,1-47/7,15-24 und Joh 9,1-41) sekundär von Sabbatheilungen Jesu die
Rede. Joh 5,1-47 bildet dabei mit dem versprengten Abschnitt Joh
7,15-24, der vom Evangelisten offenkundig als Fortsetzung von 5,47
konzipiert war 2 8 , sachlich eine Einheit. In Joh 5,9c-16(18); 7,19-23 gilt
die Gelähmtenheilung von 5,2-9b völlig unvermittelt im nachhinein als
Sabbatheilung. Eine gehäuft unjoh Sprache in 5,9c-16; 7,23 und der
Sachverhalt, daß die Gesetzesproblematik von 5,9c-18 in 5,19-47 keine
Rolle spielt, spricht für eine bereits vorjoh Ausgestaltung des Wunder-
heilungsberichtes 5,2-9b zu einem Streitgespräch über Sabbatfragen 29 ,
wobei 7,19-23 ursprünglich unmittelbar auf 5,9c-16(18) folgte 30 .

26 Vgl. Busse, Wunder 306ff.; Trautmann, Zeichenhafte Handlungen


287-291; Sauer, Rückkehr 380-384; Neirynck, Luke 14,1-6 247ff. Gegen
Wiefei, Lk-Ev 267, der mit - Mk 3,1-6 gegenüber eigenständiger - Überlie-
ferung aus dem lk Sondergut rechnet; ähnlich Fitzmyer, Luke II 1038f.
27 Die Sabbatproblematik hat für Lk nur paradigmatische Bedeutung und
ist im Prinzip gegen jedes andere konfliktträchtige Thema austauschbar
(Klumbies, Sabbatheilungen 173-175; gegen Klinghardt, Gesetz 232ff.).
28 Schnackenburg, Joh-Ev II 183f., mit detailliertem Nachweis sprachli-
cher Indizien für Zugehörigkeit von Joh 7,15-24 zu 5,1-47; vgl. ferner Bult-
mann, Joh-Ev 177f.; Becker, Joh-Ev I 227f. Dagegen: Schneider, Komposition
114f.; Barrett, Joh-Ev 325f.; Brown, John I 315f.
29 Vgl. Bultmann, Joh-Ev 177f., und Becker, Joh-Ev I 229f. (mit Hinweis
auf einen kausalen Zusammenhang zwischen Sünde und Krankheit in Joh 5,14,
den der Verf. des Joh-Ev in 9,2f. verneint). Für eine einheitliche Komposition
des Evangelisten halten 5,9c-47 dagegen Schnackenburg, Joh-Ev II 116;
Schnelle, Antidoket. Christologie 112; ähnlich Fortna, Gospel 52f.
30 Joh 5,17 mit der typisch joh Vater-Sohn-Thematik geht mit Sicherheit
auf den Evangelisten zurück. Ursprünglich folgte auf 5,16 wohl der Todesbe-
Sabbatheilungskonflikte 245

Joh 5,9cff. steht vordergründig nicht ein Gesetzesbruch Jesu, sondern


des Geheilten zur Diskussion, der auf Jesu Befehl (Joh 5,8) hin seine
Bahre wegträgt und damit das Arbeitsverbot am Sabbat verletzt (5,10;
vgl. Jer 17,21f; Schab VII,2). Der Todesbeschluß gegen Jesus als eigent-
lichen Urheber des Sabbatbruches (5,13.16.18) zeigt aber, daß es kaum
um nachösterliche Sabbatobservanz geht, sondern die Joh 5,9cff. vorlie-
gende Traditionsbildung durch christologische Kontroversen motiviert
ist 31 . Zur Widerlegung des von jüdischer Seite vorgebrachten Vorwurfs,
Jesus habe Sabbatverletzungen angeordnet und damit gegen das Gesetz
verstoßen, dient das Logion Joh 7,22f. mit qal wachomer-Schluß. Ähn-
lich wie in rabbinischer Tradition, dort allerdings auf Lebensgefahr
beschränkt (TSchab 15,16; bJoma 85b), wird aus der am Sabbat gebote-
nen Beschneidung 32 die Legitimität von Sabbatheilungen abgeleitet.
Wenn die lediglich ein Körperteil betreffende Beschneidung am Sabbat
vollzogen werden darf, gilt dies vollends für die Heilung des ganzen
Menschen, und Jesus hat mit seiner Gelähmtenheilung keinesfalls
schwererwiegend gegen das Gesetz verstoßen, als dies jüdischerseits
regelmäßig mit der Beschneidung am Sabbat geschieht.
Der eng auf den Kontext abgestimmte Wortlaut von Joh 7,23b 3 3
spricht gegen die Annahme, daß 7,22f. ein älteres, auf Jesus zurückge-
hendes Logion darstellt. Allerdings könnte ein ähnlichlautendes, authen-
tisches Sabbatlogion Jesu bei Integration in die Streitgesprächszene Joh
5,9c-16(18)/7,19-23 situationsbezogen umformuliert worden sein 3 4 .

b) Joh 9,1-47
In Joh 9 wurde ein älterer Bhndenheilungsbericht mit 9,1.6.7 als Tradi-
tionskern etappenweise durch Dialogszenen ausgestaltet (9,8-41; vgl.

schluß von 5,18, an den sich die Frage 7,19 anschloß, vgl. Bultmann, Joh-Ev
178; Attridge. Source Elaboration in John 7,1-36 165-168.
31 Vgl. Meeks, Prophet-King 294. Anders H. Weiss, Sabbath in the Fourth
Gospel 312ff., der für das vorjoh Streitgespräch ähnliche nachösterliche Kon-
troversen um die Sabbateinhaltung wie bei den Synoptikern veranschlagt.
32 Die Anordnung der Beschneidung am achten Tage (Lev 12,3) setzte das Ge-
bot der Sabbatruhe außer Kraft, vgl. Schab XIX,1-3; Ned 111,1; Just, Dial 27,5.
33 Euoi X°^5TE 7,23 scheint den Vorwurf von 5,10ff. vorauszusetzen, ÜYifjc.
begegnet im Joh-Ev neben 7,23 lediglich in 5,4.6.9.11.14f., in Verbindung mit
KOIETV im NT nur Joh 5,11.15 und 7,23, vgl. Sauer, Rückkehr 389.
34 Während Joh 5,9cff. der Sabbatbruch im Wegtragen der Bahre besteht,
wird in dem Logion Joh 7,22f. eine Heilung Jesu gerechtfertigt (vgl. auch
Haenchen, Joh-Ev 284f.). Dies deutet darauf hin, daß das Logion älter als
der Kontext ist bzw. ursprünglich unabhängig davon tradiert wurde.
246 Krankenheilungen Jesu

auch 10,19-21) und dabei wiederum nachträglich das Motiv des Sabbat-
bruchs eingebracht. Konkurrierende Deutungen der Blindenheilung in
9,8-34 einerseits, 9,35-41 andererseits sprechen dagegen, daß 9,8-41 in
seiner Gesamtheit vom Verf. des Joh-Ev stammt.

Joh 9,8-34 wirkt geschlossen und gliedert sich kompositorisch in vier in-
einander verschachtelte Einzelszenen. Die Abschnitte 9,8-12 und 9,18-22
verlaufen von der Zielsetzung her parallel, indem in einer Befragung des
Geheilten (9,8-12) und seiner Eltern (9,18-22) dessen Identität mit dem
Blindgeborenen und damit die Faktizität des Wunders erwiesen wird. Dies
zieht in 9,13-17 und 9,24-34 jeweils die christologische Kontroverse nach
sich, ob das zweifellos eingetretene Wunder die göttliche Autorisierung Jesu
verbürgt. Von Seiten der Pharisäer als Repräsentanten des Judentums wird
dies verneint, da es sich bei der Heilung um eine Versündigung gegen die von
Gott angeordnete Sabbatruhe gehandelt habe (9,15f.24f.) 35 .
Joh 9,35-41 erschließt über 9,8-34 hinausgehend die tiefere Dimension der
Wundertat von 9,1-7 als Heilung geistlicher Blindheit. Dem Geheilten mit
seinem Glauben werden die "Pharisäer" kontrastierend als solche Personen
gegenübergestellt, die trotz physischer Sehkraft mit geistlicher Blindheit
geschlagen und dem Gericht verfallen sind. Diese symbolische Deutung der
Blindenheilung deckt sich der Sache nach mit der mutmaßlich auf den Evan-
gelisten zurückgehenden Prädizierung Jesu als (pöc, TOU XÖOUOU 9,5 und spricht
für eine joh Verfasserschaft von 9,35-41. Demgegenüber dürfte es sich bei
9,8-34 im wesentlichen um vorjoh Tradition handeln 36 , da der Evangelist mit
seinem betonten Interesse an der Heilung geistlicher Blindheit kaum derart
massiv das Wiedereintreten der physischen Sehkraft hervorgehoben haben
würde, wie dies Joh 9,8-34 der Fall ist. Joh teilt die dortige positive Offen-
barungsfunktion der Wundertat als Beweis der Gottessohnschaft Jesu (9,33),
unterzieht sie aber spiritualisierend einer vertiefenden Neuinterpretation.

Das apologetische Lehrstück Joh 9,8-34 will Zweifeln an der Faktizität


der Wundertaten Jesu und einer daraus ableitbaren Gottessohnschaft
entgegentreten. Wie Joh 5,9b-16(18)/7,19-23 zeigt auch Joh 9,8-34, daß
sich die joh Gemeinde in einem vor Abfassung des Joh-Ev liegenden

35 Das Kneten von Teig (vgl. Enoir|OEv THIXÖV Joh 9,6) zählt ebenso zu den
am Sabbat untersagten Tätigkeiten (Schab VII,2) wie die Augenbehandlung
mit Speichel (jSchab 14,4[14dlparr; vgl. Thomas, Fourth Gospel and Rabbinic
Judaism 172f.). Lediglich die Heilung akuter Augenerkrankungen, worunter die
Blindheit von Geburt an natürlich nicht fällt, war erlaubt (bAZ 28b).
36 Vgl. Bultmann, Joh-Ev 250; Becker, Joh-Ev I 315f. Ähnlich Haenchen,
Joh-Ev 382f.: Der Evangelist habe in Kap. 9 eine "kunstvoll aufgebaute
Vorlage" um 9,4f.39-41 erweitert. Entgegen der Zuweisung von Joh 9,8-34 zu
einer Semeiaquelle (Bultmann, aaO.; Becker, aaO.) dürfte allerdings eher da-
mit zu rechnen sein, daß es sich um ein apologetisches Lehrstück aus joh
Schultradition handelt, das der Evangelist aufgriff und in 9,35-41 mit einer
neuen Deutung versah. Für einheitlich joh halten 9,8-34 dagegen Schnacken-
burg, Joh-Ev II 303; Schnelle, Antidoket. Christologie 134-140.
Sabbatheilungskonflikte 247

Stadium in Auseinandersetzung mit einem pharisäisch geprägten Juden-


tum um Fragen der Christologie befand. Jüdischerseits wurde dabei
vorgebracht, daß Jesus bei seinen Krankenheilungen sowohl andere zum
Sabbatbruch animierte (5,8) als auch persönlich die Sabbatruhe verletzte
(9,6) und folglich sein Handeln nicht im Einvernehmen mit Gott erfolgt
sein könne. Diese Polemik, die offenbar maßgeblich den Synagogenaus-
schluß der joh Gemeinde mitbedingte (9,22f.34), erklärt sich plausibel
als historische Erinnerung an tatsächliche Begleitumstände des Wirkens
Jesu, zumal das der Rechtfertigung von Sabbatheilungen dienende Lo-
gion Joh 7,22f. zumindest "dem Geist Jesu entspricht" 3 7 .

2.3.4. Sabbatlogien Jesu zur Rechtfertigung seiner Heilpraxis


Aus dem Joh-Ev haben sich erste zuverlässige Hinweise auf Sabbat-
heilungen Jesu ergeben. Auch die in unserer Analyse von Mk 3,1-5; Lk
13,10-17 und Lk 14,1-6 gewonnene Einsicht, daß dort die Verbindung von
Heilung und Sabbat sekundär ist, spricht nicht grundsätzlich gegen die
Historizität solcher Sabbatheilungen. Für ehemals situationslos tradierte
Sabbatlogien Jesu ist damit zu rechnen, daß sie ursprünglich (Mk 2,27)
oder von Anfang an (Mk 3,4; Mt 12,11/Lk 13,15; Lk 14,5; vgl. auch Joh
7,22f.) einer Rechtfertigung und Kommentierung von Heilungen oder
Dämonenaustreibungen am Sabbat dienten 3 8 .

a) Mk 2,27
Mk 2,27 "Der Sabbat wurde um des Menschen willen und nicht der
Mensch um des Sabbat willen" existierte höchstwahrscheinlich zunächst
getrennt von dem Streitgespräch über das Ährenraufen am Sabbat 3 9 , so

37 Vgl. Schnackenburg. Joh-Ev II 189; ähnlich Brown, John I 317.


38 Vgl. Schaller, Jesus und der Sabbat 20-27. - Mk 2,28 scheidet hier
wohl aus, da es sich aufgrund christologischer Stilisierung (Menschensohn-
Titel) um Gemeindebildung handeln wird, vgl. Lohmeyer, Mk-Ev 66; Tödt,
Menschensohn 123f.; Lohse, Jesu Worte 66.
39 Mk 2,27f. wurde vermutlich sekundär an 2,23-26 angehängt (Bultmann,
Syn Tradition 14; Lohmeyer, Mk-Ev 63; Roloff, Kerygma 58f.; Pesch, Mk-Ev
I 178f.; Gnilka, Mk-Ev I 120), wobei das Menschensohnwort 2,28 eine nach-
trägliche christologische Kommentierung von 2,27 bieten dürfte. Auch für den
Fall, daß Mk 2,27 die ursprüngliche Erwiderung des gegnerischen Einwandes
2,24 darstellt, ist mit einer früheren Eigenständigkeit von 2,27 zu rechnen,
vgl. Hübner, Gesetz in der syn Tradition 122; Lindemann, Sabbatperikope 101.
Vgl. zur Forschungsgeschichte, die literar- und traditionskritischen Fragen
von Mk 2,23-28 betreffend, Neirynck, Jesus and the Sabbath 231-268.
248 Krankenheilungen Jesu

daß der ursprüngliche historische Bezugspunkt dieses Logions nur


hypothetisch erschlossen werden kann. Das Fehlen christologischer
Stilisierung und die in EYEVETO manifesten, auch für einen authentischen
Jesusstoff wie Mk 10,6f. maßgeblichen schöpfungstheologischen Bezüge
auf Gen 1-2 deuten mit hoher Wahrscheinlichkeit auf ein echtes Jesus-
wort hin 4 0 . Ohne die Sabbatordnung grundsätzlich in Frage zu stellen,
wird in Mk 2,27 das Wohlergehen des Menschen der Sabbatobservanz
sachlich übergeordnet und implizit mit der Gen 1,26 - 2,3 entnehmbaren
Erschaffung des Menschen vor der Einsetzung des Sabbat argumentiert.
Vom Inhalt her läßt sich zwar nicht beweisen, aber doch mit hoher
Plausibilität vermuten, daß der ursprüngliche Bezugspunkt von Mk 2,27
in der Rechtfertigung einer Dämonenaustreibung oder Heilung am Sabbat
zu sehen ist, die nicht durch eine ausnahmsweise Außerkraftsetzung der
Sabbatruhe aufgrund akuter Lebensgefahr abgedeckt wird.
Bei welchen Krankheitsfällen am Sabbat eine Heilung erlaubt oder die
Anwendung medizinischer Techniken zulässig ist, wird im antiken Judentum
breit erörtert. In der Damaskusschrift und im Mischnatraktat Schab wird
ausdrücklich untersagt, "Medikamente" ( D ^ O D CD X,10) oder zur Heilung
gedachte ("IXID - !?"! Schab X,l) Mittel am Sabbat herumzutragen. Richt-
schnur für die Beurteilung von Sabbatheilungen ist die Frage, inwieweit dem
Kranken oder Verletzten Lebensgefahr droht. Dabei wird nach dem Grundsatz
verfahren, daß die Rettung eines Menschenlebens dem Sabbatgebot überge-
ordnet ist und dieses gegebenenfalls außer Kraft setzt (Joma VIII,6; Schab
XVIII,3; XXII,6; TSchab 15,16; bJoma 84b; MekhEx 31,13). Gleichzeitig ent-
wickelt sich eine vielfältige Kasuistik darüber, in welchen Fällen eine unmit-
telbare Gefährdung menschlichen Lebens besteht 4 1 .

Wie die Parallele "Euch ist der Sabbat übergeben und nicht seid ihr
dem Sabbat übergeben" MekhEx 31,13 samt Kontext zeigt, läßt sich Mk
2,27 vom Inhalt her zwanglos im Zusammenhang von Krankenheilungen
verstehen. Dabei deuten die schöpfungstheologischen Bezüge in Mk
2,27 auf eine grundsätzlichere Überordnung des menschlichen Wohler-
gehens gegenüber dem Sabbatgesetz hin, als dies MekhEx 31,13f. mit
der Beschränkung auf Lebensgefahr der Fall ist 4 2 .

40 Lohse, Jesu Worte 68; Hübner, Gesetz in der syn Tradition 121-123;
Gnilka, Mk-Ev I 123.
41 Joma VIII,6: Bei Halsschmerzen darf man am Sabbat Medizin einflößen,
da jeder Zweifel der Lebensgefahr den Sabbat verdrängt; bJoma 84b: Ist ein
Kind versehentlich eingeschlossen und könnte sich zu Tode ängstigen, darf die
Tür zertrümmert und damit die Sabbatruhe gebrochen werden.
42 Vgl. Sauer, Rückkehr 392f. Ähnlich Lindemann, Sabbatperikope 88f.,
der aber nicht ausschließen will, daß Jesus das Wort in einer durch drohende
Lebensgefahr gekennzeichneten Situation wie in MekhEx 31,13f. verwendet
Sabbatheilungskonflikte 249

b) Mk 3,4
Ähnliche Rückschlüsse auf Sabbatheilungen Jesu legen sich für das
Logion Mk 3,4 nahe, das in seiner Konsequenz über das zeitgenössische
Sabbatverständnis hinausgeht und als authentisches Jesuswort anzusehen
ist 4 3 . Die Alternative, ob am Sabbat Leben zu retten oder zu töten sei,
wurde zur Zeit Jesu zweifellos im Sinne des i}iuxr|v csuoai beantwortet,
da Lebensgefahr die Sabbatobservanz verdrängt (Joma VIII,6). Die Prä-
valenz des dYaööv noifjoai Mk 3,4 gegenüber dem Gebot der Sabbatruhe
hingegen sprengt den Rahmen der uns bekannten zeitgenössischen
Sabbatgesetzgebung, zumal der zweite Teil der Frage von Mk 3,4 offen-
kundig eine Verschärfung des ersten Teils darstellt, indem Gutes zu tun
mit Lebensrettung, Böses zu tun hingegen mit Lebenszerstörung gleich-
gesetzt wird 4 4 . Da es Mk 3,4 bei aYadöv iroiijoai der Sache nach um
helfende Zuwendung gegenüber Menschen geht, ist es naheliegend, in
dieser auf Einverständnis bei den Hörern setzenden Frage einen Bezug
zu Dämonenaustreibungen oder Heilungen am Sabbat zu sehen 4 5 .

c) Mt 12,11/Lk 14,5 und Lk 13,15


Das bei Mt im großen und ganzen in der Q— Fassung bewahrte Logion
Mt 12,11/Lk 14,5 setzt es als erlaubt voraus, ein in einen Brunnen gefal-
lenes Tier am Sabbat zu retten.
CD XI,13f. wird grundsätzlich untersagt, Vieh am Sabbat aus einem Brun-
nen oder einer Grube zu retten, und bSchab 128b zufolge darf man lediglich
Decken und Polster unterlegen oder das Tier füttern, damit es sich selbstän-
dig befreien kann. Demgegenüber gibt Mt 12,llf. über einen liberaleren
halakhischen Standpunkt Aufschluß, demzufolge auch ein aktives Herausholen
des Tieres zulässig ist.

Das in Frageform gefaßte, ohne weiteres für die Verkündigung Jesu


reklamierbare 46 Logion impliziert einen qal wachomer-Schluß. Ist die

hat, und zu recht die Inkonsequenz kritisiert, bei einer Interpretation von Mk
2,27 gewöhnlich nicht nach dem ursprünglichen Kontext zu fragen.
43 Lohse, Jesu Worte 68; Dietzfelbinger, Sabbatheilungen 288f. Gegen
Thissen, Befreiung 250f. (In Mk 3,4 liege eine christologische Verdichtung
vor, die nicht auf Jesus zurückführbar sei); W. Weiß, Lehre in Vollmacht 123.
44 Dietzfelbinger, Sabbatheilungen 288, unter Verweis auf Mt 5,21f.
45 Schweizer, Mk-Ev 41; vgl. auch Gnilka, Mt-Ev I 449.
46 Lohse, Jesu Worte 70; Hübner, Gesetz in der syn Tradition 139; Dietz-
felbinger, Sabbatheilungen 286; Kosch, Tora 209. Vgl. auch Greeven, "Wer
unter euch ... ", der Tic; E!; üuöv-Fragen für typisch jesuanisch hält (deutlich
250 Krankenheilungen Jesu

Rettung gefährdeten Viehs am Sabbat erlaubt, gilt dies erst recht für
heilvolles Handeln an hilfsbedürftigen Menschen. Auch hier ist von der
Thematik her ein Zusammenhang mit Heilungen oder Dämonenaustrei-
bungen gut vorstellbar 47 .
Das vom Aussagegehalt her recht ähnliche Sabbatwort Lk 13,15
schließlich gilt meist als sekundäre Parallelbildung zu Mt 12,11/Lk 14,5.
Als Hauptargument gegen die Authentizität von Lk 13,15 wird dabei
angeführt, daß dieses Logion nur geringen Anhalt an der jüdischen
Sabbatpraxis zur Zeit Jesu habe 4 8 .
Dieses Negativurteil unterschätzt die offenkundige Vielgestaltigkeit der
zeitgenössischen Sabbatregelung. Wie es bereits Mt 12,llpar der Fall war,
spiegelt sich auch in Lk 13,15 ein liberalerer halakhischer Standpunkt als im
rabbinischen Schrifttum. Lk 13,15 setzt es als erlaubt voraus, am Sabbat das
Vieh loszubinden und zu tränken. Schab VII,2 gilt dagegen das Lösen von
Knoten (XÜEI Lk 13,15) als eine der am Sabbat verbotenen Tätigkeiten, und
bErub 20b.21a wird entgegen dem TIOTI^EI Lk 13,15 nur ein indirektes Tränken
des Viehs am Sabbat erlaubt. Allerdings ist Schab XV,lf. Rabbi Meir zu-
folge das Lösen eines Knotens mit einer Hand - offenbar ist an eine Schleife
gedacht - erlaubt, und aus CD XI,5f. geht hervor, daß man am Sabbat Vieh
bis zu 2000 Ellen weit außerhalb der Stadt zum Weiden führen durfte.

Offenkundig reflektiert Lk 13,15 eine zur Zeit Jesu verbreitete libera-


lere Sabbatpraxis als Schab VII,2 und bErub 20b.21a, und die Möglich-
keit einer Echtheit des Logions bleibt gegeben 4 9 . Unter dieser Voraus-
setzung bietet Lk 13,15 einen gegenüber Mt 12,llpar eigenständigen,
weiteren qal wachomer-Schluß, der aus der unbestrittenen Tränkung von
Vieh am Sabbat die Legitimät auch von Heilungen oder Dämonenaustrei-
bungen folgern dürfte.
Die Ausweitung von Wunderheilungsberichten zu Streitgesprächen mit
Sabbatthematik, die im frühen Christentum auf breiter Basis (Mk 3,1-5;
Lk 13,10-17; 14,1-6; Joh 5,l-16(18)/7,19-23; 9,1-7.13ff.) und weitgehend
ohne unmittelbare gegenseitige Beeinflussung erfolgte, ist damit jenseits
aktueller Gemeindeprobleme um die Sabbatobservanz offenkundig auch
von historischer Erinnerung an Jesu Wunderhandeln geprägt 49 . Die se-

relativiert durch Berger, Materialien 31-33, der auf Tic,-Gleichnisse in weis-


heitlicher und popularphilosophischer Tradition hinweist). Kritisch im Blick
auf Echtheit: Luz, Mt-Ev II 237f. mit Anm.8.
47 Vgl. Dietzfelbinger, Sabbatheilungen 286; Trautmann, Zeichenhafte
Handlungen 314f.
48 Roloff, Kerygma 67; Sauer, Rückkehr 380. Vgl. auch Dibelius, Form-
geschichte 94.
49 Vgl. Grundmann, Lk-Ev 280; Trautmann, Zeichenhafte Handlungen
312ff.; Braun, Jesus 65-67.
Sabbatheilungskonflikte 251

kundär in Wunderberichte integrierten authentischen Logien Mk 3,4; Mt


12,llpar und Lk 13,15 dienten ebenso wie Mk 2,27 und vielleicht auch
Joh 7,22f. von vornherein einer Rechtfertigung von Heilungen oder
Dämonenaustreibungen, die am Sabbat an nicht lebensbedrohlich er-
krankten Personen vollzogen wurden. Bei einer Hinterfragung der sach-
lichen Bedeutung solcher Sabbatheilungen Jesu ist über ethische
Aspekte 5 0 hinausgehend auch die schöpfungstheologisch-eschatologische
Dimension mitzubedenken, wie sie insbesondere in EYEVETO Mk 2,27
deutlich wird. Von der zentralen Stellung der ßaoiXEia TOU ÖEOU in Jesu
Verkündigung und von den Mt 12,28par gegebenen Bezügen zwischen
Wundertaten und Gottesherrschaft her legt sich dieser Interpretations-
hintergrund für die Sabbatheilungen Jesu von vornherein nahe 5 1 , wobei
die zeitgenössische Symbolkraft des Sabbat auf die eschatologische
Heilszeit hin von maßgeblicher Bedeutung ist.

Im nachexilischen Judentum wurde das Sabbatgebot "geradezu zum wichtig-


sten Stück des göttlichen Gesetzes" . Instruktiv sind die mit Todesstrafe bei
Nichteinhaltung drohenden Sabbatausführungen des Jubiläenbuchs. Der Sabbat
versinnbildlicht die Vollendung der Schöpfung (Jub 2,1; vgl. Gen 2,1-3), so
daß seine Begehung einer jeweils neuerlichen Vergegenwärtigung der Schöp-
fermacht Gottes oder seiner Königsherrschaft (vgl. Jub 50,9) dient 53 , und es
handelt sich um einen genuin himmlischen Feiertag, der erst sekundär auch
auf Erden eingesetzt wurde (Jub 2.30) und gemeinsam mit Gott begangen wird
(2,18-31). Von dieser Transparenz des Sabbat auf die schöpfungsmäßigen G e -
gebenheiten her wird verständlich, daß er im Zusammenhang von Urzeit-End-
zeit-Entsprechungen als Symbol für die himmlische Vollendung betrachtet

50 Vgl. etwa Theißen, Wundergeschichten 114 ("Die absolute Verpflichtung


zu menschlicher Hilfeleistung setzt sich hier gegen rituelle Gebote durch");
Schmithals, Mk-Ev I 195-198; Trautmann, Zeichenhafte Handlungen 316 ("....
daß die Hilfeleistung zur Pflicht auch am Sabbat werden kann, wenn die
Möglichkeit der Gesundung eines Menschen besteht"); Sand, Mt-Ev 258 (zu
Mt 12,9-14: "... daß Jesus die Tora nicht nach formal-kasuistischen Aspekten
interpretiert, sondern nach 'ethischen' ").
si Dietzfelbinger, Sabbatheilungen 285.294ff.; Hengel, Jesus und die Tora
166; Schaller. Jesus und der Sabbat 26f. ("dürfte Jesus im Bewußtsein der
Nähe der Herrschaft Gottes gemeint haben, jetzt schon gerade am Sabbat
heilen zu können, vielleicht sogar heilen zu müssen, um so ... den eigentli-
chen Sinn des Sabbat aufzuweisen").
52 Lohse, ThWNT VII 5; vgl. für die nachexilische Zeit Robinson, Sabbath
261ff., für das rabbinische Judentum Goldenberg, Sabbath in Rabbinic Ju-
daism 31-44, sowie die Belege bei Billerbeck I 905 zur exponierten Stellung
des Sabbatgebotes gegenüber allen anderen Geboten (bSchab 118b: Beginge
Israel zwei Sabbate vorschriftsmäßig, bräche die Erlösung an; ähnlich ExR
XXV,12 im Blick auf das Kommen des Messias).
53 Vgl. Liebreich, Jubilees 50.9 169.
252 Krankenheilungen Jesu

wurde. Der Sabbat besitzt die Heiligkeit der künftigen Welt (MekhEx 31,13)
und gilt als Abbild (GenR XVII,5; XLIV.17) oder als ein Sechzigstel (bBer
57b) der kommenden Heilszeit, die ein gänzlicher Sabbat sein wird (Tamid
VII,4; bRH 31a; MidrPs 92,2) und in der wie einst im Paradies Krankheit und
Tod keine Rolle spielen (Jub 23,29f.; syr Bar 73,1-3). Diese zeichenhafte Ab-
bildung zukünftigen Heils im Sabbat 5 4 zeigt sich auch darin, daß er mit
üppigem Essen begangen wird (bSchab 117b) und Fasten wegen Unverein-
barkeit mit der Sabbatfreude grundsätzlich untersagt ist (Judith 8,6; Jub
50,12; bBer 31b). Auch die rigoros wirkende Halakha der Schammaiten, der-
zufolge am Sabbat weder für die Kranken gebetet (TSchab 16,22) noch Leid-
tragende oder Kranke besucht werden sollten (bSchab 12ab), wurzelt in die-
sem Verständnis, daß sich der Sabbat als Abbild der eschatologischen Freu-
denzeit nicht mit Krankheit und Leid verträgt, "a person is to behave on the
Sabbath as if the peace and harmony of the Messianic age had already
come" 5 5 .

Da sich im Sabbat in besonderer Weise die Schöpfermacht Gottes


und eine zeichenhafte Abbildung des zukünftigen Heils spiegelt, war
dieser Tag "geradezu dafür prädestiniert, daß an ihm die Heilungen des
anbrechenden Gottesreiches vollzogen wurden" 5 6 . Jesu Dämonenaus-
treibungen und Heilungen sind Folgeerscheinungen des durch die Ent-
machtung des Satans (Mk 3,27parr; Lk 10,18) grundsätzlich entschiede-
nen Kampfes gegen das Böse. Von daher bot sich der Sabbat als Mani-
festation von Gottes Schöpfermacht und als Sinnbild der eschatologi-
schen Heilszeit in besonderer Weise dazu an, die angebrochene Wie-
deraufrichtung der Herrschaft Gottes über seine Schöpfung und das da-
mit verbundene Weichen des Bösen in Form von Krankenheilungen oder
Dämonenaustreibungen wirksam werden zu lassen, wobei die ursprüngli-
che Schöpfungsordnung über die Sinaitora und deren zeitgenössische
Auslegung gestellt wird.

Diese schöpfungstheologischen Bezüge der Sabbatheilungen Jesu und der in


den synjoh Sabbatlogien implizierte Rechtfertigungszwang Jesu legen einen
tatsächlichen Sabbatbruch nahe und sprechen gegen die beliebte These, Jesus
habe nicht gegen die Tora oder die zeitgenössische Halakha verstoßen, da
die Heilung durch das Wort nirgendwo eine am Sabbat verbotene Arbeit

54 Vgl. auch Vit Ad 51 (zum Hintergrund der dortigen, für das antike Ju-
dentum singulären Deutung der Sabbatruhe auf die Auferstehung und zur Fra-
ge christlichen Einflusses: Schaller, Gen 1.2. im antiken Judentum 114-116),
grundsätzlich zur eschatologischen Symbolkraft des Sabbat Friedman, Antici-
pation of Redemption 443-452; Bacchiocchi, Sabbatical Typologies 153-176;
Griffith, Eschatological Significance 73-78.
55 Bacchiocchi. Sabbatical Typologies 156, vgl. Friedman, Anticipation of
Redemption 448.
56 Hengel, Jesus und die Tora 166.
Sabbatheilungskonflikte 253

darstelle 5 7 . Da der Rahmen der ntl Sabbatlogien durchweg sekundär ist,


entzieht es sich unserer Kenntnis, mit welchen - möglicherweise auch unter-
sagten - Mitteln Jesus Sabbatheilungen bewirkt hat. Zudem sollen TSchab
7,23 zufolge am Sabbat scheinbar keine Dämonenaustreibungen vorgenommen
werden (vgl. auch bSanh 101a). Vielleicht geriet Jesus mit seinen Sabbathei-
lungen auch nur speziell mit der strengen Halakha der Schammaiten (TSchab
16,22, bSchab 12ab) in Konflikt.

Im Horizont der von Jesus intendierten Wiederherstellung der schöp-


fungsgemäßen Bestimmung des Sabbat als eines Feiertags, der der
Erschaffung des Menschen zeitlich nach- und dem menschlichen Wohl-
ergehen damit sachlich untergeordnet ist und der bereits vor Einbruch
des Bösen in die Welt (Gen 3) eingesetzt wurde, wird verständlich, daß
die Heilung auch nicht lebensbedrohlich Erkrankter den von Urzeit-
Endzeit-Entsprechungen geprägten eschatologischen Vorstellungen Jesu
gemäß keinen Aufschub duldete. Die Überzeugung, daß der für die
Schöpfermacht Gottes und das eschatologische Heil symbolträchtige
Sabbat sich nicht mit Krankheit und Leid vereinbaren läßt, zieht hier im
Gegensatz zu dem auf ähnlichen Voraussetzungen gründenden Geset-
zesverständnis der Schammaiten als Konsequenz nach sich, daß das
krankheitsverursachende Böse am Sabbat nicht zu ignorieren und zu
verdrängen ist, sondern gerade auch an diesem Tag bekämpft und besei-
tigt werden muß, indem der kranke Mensch in den der Schöpfungssitua-
tion entsprechenden Zustand zurückversetzt wird. Bezüge zu dem von
Dtn 5,15 herrührenden, von der Exodustradition beeinflußten Verständ-
nis des Sabbat als Feiertag mit Symbolkraft für die national-politische
Befreiung Israels (vgl. auch Jes 61,lf.) sind dagegen bei Jesus nicht
erkennbar. Während die Zeloten im Befreiungskampf gegen die römische
Besatzung das Sabbatgebot nicht nur zur Selbstverteidigung, sondern
auch durch offensive kriegerische Auseinandersetzungen übertraten 5 8 ,
hat Jesus im Horizont von Gen 1-2 die Heilung des Menschen über die
Sabbatobservanz gestellt.
Von solchen Sabbatheilungen her fällt zudem neues Licht auf den ge-
gen Jesus erhobenen Vorwurf des Beelzebulbündnisses und der Manie,
was gegen andere jüdische Wundertäter wie Choni oder Chanina ben
Dosa trotz ihrer teilweise umstrittenen Praktiken als Bezichtigung nicht
belegt ist. Wer hingegen wie Jesus im Zusammenhang mit Wundertaten

57 Gegen Flusser, Jesus 47f. (außer in Joh 9 liege bei keiner ntl Sabbat-
heilung verbotene Arbeit vor); Sanders, Jesus and Judaism 266 ("no work was
performed"); ders., Jewish Law 19-23; Murphy, World of Jesus 332 ("Speak-
ing healing words is forbidden nowhere in Torah").
58 Vgl. dazu Hengel, Zeloten 293-296.
254 Krankenheilungen Jesu

die Sabbattora oder deren weithin anerkannte Halakha brach, wurde


vom Standpunkt konsequenter Gesetzesobservanz aus zwangsläufig der
Manie und Zauberei verdächtig, wie das Beispiel des wegen magischer
Betätigung am Sabbat für geisteskrank erklärten (TSchab 11,15) und
wegen Verführung zum Götzendienst gesteinigten (TSanh 10,11) Ben
Stada zeigt.

2.4. Berichte über Fernheilungen an Heiden


Mit Mk 7,24-30, Mt 8,5-13par und Lk 17,11-19 enthalten die Evangelien
drei Wunderüberlieferungen, in denen von Dämonenaustreibungen oder
Heilungen Jesu an heidnischen Personen die Rede ist. Daß es sich dabei
um apophthegmatische Kompositionen mit sachlicher Unterordnung des
Wunders gegenüber einer Dialogszene handelt und in allen drei Fällen
das im NT nur hier belegte Motiv der Fernheilung maßgeblich ist, recht-
fertigt eine gesonderte Behandlung dieser Stoffe, die mit einer Analyse
von Mk 7,24-30 einsetzen soll.

2.4.1. Heilung der Tochter einer Syrophonizerin (Mk 7,24-30)


Die Erzählung von der Heilung der Tochter einer syrophönizischen Frau
wurde erst von Mk durch die Rahmenbemerkungen 7,24.31 in der Ge-
gend um Tyros angesiedelt 1 . Darüber hinaus bietet Mk 7,27a mit dem
einschränkenden nputov eine sekundäre 2 , möglicherweise erst mk Ab-
schwächung von 7,27b. In der vormk Fassung von 7,25-30, einem durch
die Dialogszene 7,27f. unterbrochenen Dämonenaustreibungsbericht mit
Fernheilungsthematik, läßt sich das Bildwort Mk 7,28 als älteres Tra-
ditionsmotiv bestimmen. Das breit bezeugte 3 Füttern von Hunden mit
Tischabfällen evozierte die Redewendung von Menschen, die sich wie
Hunde sinnbildlich von den Brosamen anderer nähren.

1 Vgl. zum redaktionellen Charakter von Mk 7,24 und zu den Überein-


stimmungen mit der mk Rahmennotiz 10,1 Kertelge, Wunder Jesu 151; Koch,
Wundererzählungen 89-91; Gnilka, Mk-Ev I 290; Lührmann, Mk-Ev 130. Mk
hat offenbar aus der ihm vorgegebenen Herkunftsbezeichnung der Frau als
Syrophonizerin (7,26) einen Tyrosaufenthalt Jesu (7,24.31) abgeleitet (gegen
Pesch, Mk-Ev I 387, der die Ortsangaben 7,24.31 für traditionell hält).
2 Treffend Jeremias, Jesu Verheißung 25, Anm.94: "Durch das Wort Ttpötov,
das auf ein eschatologisches üotEpov weist, wird bei Mk aus dem Exklu-
sivrecht Israels (Mth 15,24) ein zeitlich begrenztes, vorübergehendes Vor-
recht." Vgl. zur Sache Rom 1,16; Apg 13,46.
3 Belege bei Luz, Mt-Ev II 435, Anm.59, vgl. ergänzend Jos As 10,13; 13,8.
Fernheilungen an Heiden 255

Philostr, Vit Apoll 1,19, wird Damis, weil er auch die unbedeutend e r -
scheinenden Äußerungen des Apollonius sammelt, als Hund verhöhnt, der die
Tischabfälle vertilgt ( ... TrapaTtXfjoiöv Ttou TOTC, xuai TipdtTTEiv TÖIC, OITOUUEVOIC,
r ä EXTiirtTovra TTJC, SaiTÖc,). In der Erwiderung des Damis spiegelt sich wie
in Mk 7,28 eine positive V e r w e r t u n g des an sich eher negativen Bildes:
"Wenn es sich um Mahlzeiten der G ö t t e r handelt und es G ö t t e r sind, die da
schmausen, gibt es zweifellos auch Diener, denen viel daran liegt, daß nichts,
was an Ambrosia übrigbleibt, verlorengeht." Analog dazu ist Mk 7,28 das
Israel gegebene "Brot" ein d e r a r t heilvolles Gut, daß selbst der V e r z e h r der
B r o s a m e n lohnt 4 .

In der Dialogszene Mk 7,27f. dient das "geflügelte Wort" 7,28 einer


Korrektur von Mk 7,27b. Bei 7,27b handelt sich um ein isoliert durchaus
überlieferungsfähiges Logion, das vom Bildgehalt her in Mt 7,6a eine
entfernte Parallele hat und der Aussageintention nach deckungsgleich
mit Mt 10,5b.6; 15,245 ist. In Analogie zur dortigen Sendung Jesu oder
der Jünger allein zu den verlorenen Schafen Israels wird in Mk 7,27b
das in Jesus gekommene, hier mit dem Bild des Brotes umschriebene 6
Heil auf die Israeliten als Kinder der atl Verheißungen begrenzt gese-
hen und eine Ausweitung auch auf Heiden kategorisch verneint 7 . Mk
7,27f. zeigt sich damit von Debatten des frühen Christentums um die
Mission geprägt, die einzelne judenchristliche Kreise unter Berufung auf
das Jesus zugeschriebene 8 Logion Mk 7,27b allein auf Israel beschränkt
wissen wollten.

Nicht a u f r e c h t e r h a l t e n läßt sich der Einwand von H. Kasting, im frühen


C h r i s t e n t u m sei niemals die grundsätzliche Berechtigung der Heidenmission,

4 N e g a t i v im Sinne von Parasitentum begegnet das Motiv (ohne die H u n d e -


metaphorik) dagegen Ps-Phokylides 156f.: "Iß nicht den Tischabfall vom
G a s t m a h l eines anderen (ur) S' aXXou rtapä SaiTÖc, ESOIC, oxußäXioua TpaTtEf.iic,),
sondern iß von deinem eigenen Lohn ohne Luxus." Vgl. ferner bBB 8a.
s M t 15,21-28 basiert allein auf Mk 7 , 2 4 - 3 0 , nicht auf einer Sondertradi
tion ( L o h m e y e r , M t - E v 252) als literarischer Grundlage, vgl. Gnilka, M t - E v
II 28f.; Luz, M t - E v II 430f.
6 Vgl. zu B r o t v e r z e h r im übertragenen Sinne: Prov 9,5 EXÖTXTE tpaYETE TÖV
EU-UV (sc. der Sophia) a p r u v .
7 Mit TEXva wird Mk 7,27f. bildhaft die Zugehörigkeit zu Israel als Kind-
schaft u m s c h r i e b e n (vgl. die Belege T h W N T VIII 352-354.355.360). "Hund"
ist in j ü d i s c h e r Tradition als Schimpfwort für Heiden vielfältig belegt, vgl.
äth Hen 89,42ff., wo Hunde (griech Hen XÜVEC,, feindliche Völker) die Schafe
(Israel) b e d r ä n g e n , ferner das rabbinische M a t e r i a l bei Billerbeck I 724f.
8 Für Echtheit plädiert dagegen J e r e m i a s , Jesu Verheißung 24f. Pesch,
M k - E v I 390 mit A n m . 2 0 ; Gnilka, M k - E v I 294, und Murphy, World of Jesus
319, v e r m u t e n in M k 7,27b zumindest historische Erinnerung daran, daß Jesus
sich in s e i n e m Wirken auf das jüdische Volk k o n z e n t r i e r t e .
256 Krankenheilungen Jesu

sondern lediglich die Frage der Gesetzesverpflichtung umstritten gewesen 9 .


Diese Behauptung basiert auf der unzutreffenden Beurteilung von Mt 10,5b.6
und 15,24 als redaktioneller Formulierungen und auf einer Unterbewertung
von Mt 10,23. In Mt 10,5b.6; 15,24 fehlen sprachliche Indizien für eine mt
Verfasserschaft. Zudem ist ein Widerspruch zu der universalistischen Missions-
konzeption von Mt 28,19f. gegeben, die eine redaktionelle Formulierung von
10,5b.6; 15,24 völlig unplausibel erscheinen läßt. Mt hat beide Logien als
Traditionsgut übernommen und die Spannungen zu 28,19f. dadurch bewältigt,
daß er die Gültigkeit der Sendung allein an Israel historisierend auf die
Jesuszeit beschränkt wissen will 10 . Vormt wird hinter den kaum auf Jesus
zurückführbaren Logien Mt 10,5b.6 und 15,24 eine judenchristlich-partikulari-
stische, die Heidenmission ablehnende Strömung des frühen Christentums
erkennbar 11 , die offenkundig auch für die Formulierung von Mk 7,27b verant-
wortlich zeichnet. Für diese Ausklammerung der Heiden dürften in erster
Linie pragmatische Gesichtspunkte ausschlaggebend gewesen sein. Dem ver-
mutlich zu Q oder Q M t gehörigen Amen-Wort Mt 10,23b ist entnehmbar, daß
in Teilbereichen des Judenchristentums aufgrund unmittelbarer Parusieerwar-
tung einer Bekehrung der "Städte Israels" gegenüber der Heidenmission
Vorrang eingeräumt wurde 1 2 .

Die hinter dem Apophthegma 7,25-30 stehenden Befürworter der Hei-


denmission schwächen unter Rückgriff auf die traditionelle Metapher
der sich in positivem Sinne von Tischabfällen nährenden Hunde (vgl.
Philostr, Vit Apoll 1,19) die Aussageintention von Mk 7,27b in Richtung
auf eine Zulassung der Heidenmission bei gleichzeitiger Wahrung der
heilsgeschichtlichen Prärogative Israels ab 1 3 . Zur Illustration dieses
Sachverhalts wird der Wunderbericht Mk 7,25.26.29.30 angeführt, der
wohl niemals eigenständig existierte, sondern mit der heidenchristlichen
Identität der hilfsbedürftigen Person eng auf die Aussage von Mk 7,28

9 Kasting, Anfänge 109-114 (vgl. Roloff, Kerygma 161, Anm. 201; Wegner,
Hauptmann 425). Für Mk 7,24-30 erfolgt nicht einmal eine traditionsge-
schichtliche Analyse (vgl. Kasting, aaO. 115) - daß der Stoff in seiner Endge-
stalt die Heidenmission befürwortet, versteht sich von selbst.
10 Vgl. Strecker, Weg der Gerechtigkeit 108f.194-196; Schürmann, Vorge-
schichte 138 mit Anm. 5; ähnlich Luz, Mt-Ev II 88-93.434L, der allerdings
Mt 15,24 für redaktionelle Neuformulierung von 10,5b.6 hält (430).
11 Strecker, Weg der Gerechtigkeit 109; Hahn, Mission 43-48; Luz, Mt-
Ev II 89f.; ähnlich Gnilka, Mt-Ev I 363.
12 Vgl. zur Herkunft von Mt 10,23b aus Q oder Q M t Luz, Mt-Ev II 114.
13 Gegen Theißen, Lokal- und Sozialkolorit 204f. ("Warum sollte eine
urchristliche Gruppe eine von ihr abgelehnte Meinung Jesus zuschreiben,
wenn sie diese Meinung bei anderen Christen bekämpfen will?"), war Mk 7,
27b von den impliziten Gegnern als Jesuslogion vorgegeben. Dadurch, daß Je-
sus in 7,25-30 zu der Dämonenaustreibung argumentativ "überredet" wird, er-
folgt nunmehr ebenfalls die Beanspruchung von christologischer Autorität: Mk
7,27b war nicht Jesu "letztes Wort" in der Angelegenheit der Heidenmission.
Fernheilungen an Heiden 257

zugeschnitten ist 1 4 . Ob die apophthegmatische Wundererzählung zu-


nächst speziell die Mission in Syrophönizien 15 oder von Anfang an
grundsätzlich die Heidenmission (vgl. den diesbezüglich paradigmati-
schen Charakter der Zusatzbezeichnung 'EXXiivic, Mk 7,26) rechtfer-
tigen wollte, läßt sich ebensowenig mit Sicherheit entscheiden wie die
Frage nach dem historischen Entstehungsort von Mk 7,25-30 16 .

2.4.2. Heilung des Sohnes eines Zenturio (Mt 8,5-13par) oder


königlichen Beamten (Joh 4,46-54)
Eine der Form und dem Inhalt nach mit Mk 7,24-30 verwandte Wun-
dertradition begegnet Mt 8,5-13/Lk 7,1-10 und Joh 4,46-54 in einer
literarisch davon unabhängigen Parallele 17 . Während sich Mt 8,llf. als
ein vormt noch nicht in die Erzählung integrierter (vgl. Lk 13,28f.) Ein-
schub erweist, entspricht Mt 8,5-10.13 im wesentlichen dem Q-Wortlaut.

Daß das mt TtaTc, (im Sinne von Kind) dem SoüXoc. von Lk 7,1-10 vorzu-
ziehen ist, zeigt neben dem "Lapsus" naTc, in Lk 7,7 auch Joh 4,46-54 (uiöc,).
Unklar bleibt für den ältesten Traditionskern die Art der Krankheit. Lk und
Joh, der speziell von Fieber spricht (4,52), schildern sie übereinstimmend als

14 Gegen Kertelge, Wunder Jesu 152f., der Mk 7,25.26.29.30 als ursprüng-


lich eigenständigen Wunderbericht betrachtet, wurde die Heilungsschilderung
wohl erst nachträglich aus der Dialogszene Mk 7,27f. entwickelt (Lohmeyer,
Mk-Ev 145; Burkill, Development 175-177). Koch, Wundererzählungen 86f.;
Gnilka, Mk-Ev I 290; Lührmann, Mk-Ev 130, gehen von einer einheitlichen
Komposition aus; Hahn, Mission 24, sieht in Mk 7,24-30 ähnlich wie Twelf-
tree, Jesus the Exorcist 145-147, sogar "eine historische Begebenheit ziemlich
unverändert wiedergegeben".
15 Schille, Wundertradition 26f., beurteilt Mk 7,24-30 als "Gebietslegen-
de" mit dem Ziel, die Mission in Syrien und Phönizien zu legitimieren.
16 Das "Lokalkolorit" (dazu: Theißen, Lokal- und Sozialkolorit 207-221)
könnte für eine Entstehung in Palästina sprechen, vgl. Gnilka. Mk-Ev I 290.
Fraglich ist aber, ob der Begriff Xupo<poivixiooa 7,26, der eine Unterschei-
dung zwischen Syro- und Lybophönizien voraussetzt, in einem palästinischen
Uberlieferungsmilieu überhaupt denkbar ist (ablehnend: Niederwimmer, Jo-
hannes Markus 182; ähnlich Theißen, Lokal- und Sozialkolorit 221-223; Luz,
Mt-Ev II 433, Anm. 29; zustimmend Gnilka, Mk-Ev I 292, Anm.17, unter
Verweis auf Just, Dial 78,10).
17 Daß Mt 8,5-13par und Joh 4,46-54 auf eine Grundtradition zurückge-
hen, steht außer Zweifel, vgl. Schnackenburg, Joh-Ev I 501-506; Brown, John
I 192f.; Schnider/Stenger, Johannes und die Synoptiker 54-57; Wegner,
Hauptmann 18-21. Literarische Abhängigkeit (Neirynck, John et les synopti-
ques 93-120: Joh 4,46-53 sei eine "relecture" von Mt 8,5-13par) ist dabei
nicht erkennbar.
258 Krankenheilungen Jesu

lebenbedrohlich (Lk 7,2; Joh 4,47.49), was gegenüber dem mt TtapaXuTixöc,


als sekundäre Steigerung wirkt 1 8 . Andererseits begegnet TtapaXuTixöc, Mt
4,24 redaktionell, und SEIVUC. ßaoavi^öuEvoc, Mt 8,6 deutet darauf hin, daß ur-
sprünglich auch bei Mt von einer akuten Erkrankung die Rede war.
Lk 7,1-10 weist erhebliche Textüberschüsse auf, indem Lk 7,3-5.6b Jesus
eine zweifache Gesandtschaft entgegentritt und dadurch kein unmittelbarer
Kontakt zwischen Wundertäter und stellvertretendem Bittsteller zustande-
kommt. Auch wenn Mt gerade bei Wundererzählungen Kürzungen größe-
ren Ausmaßes zuzutrauen sind 19 , dürfte hier bei Lk eine sekundäre Ausge-
staltung vorliegen 2 0 . Mt 8,13 diff. Lk 7,10 wird unter Verweis auf ähnliche
Heilungskonstatierungen in Mt 9,22; 15,28; 17,18 meist für mt gehalten 21 .
Demgegenüber begegnet aber die Hervorhebung des Genesungszeitpunktes (Mt
8,13) auch Joh 4,52 und bBer 34b als traditioneller Topos von Fernheilungs-
berichten, und in Lk 7,10 sind sekundäre sprachliche Reminiszenzen an den
von Lk übergangenen Mk-Stoff 7,24-30 feststellbar (vgl. Mk 7,30).
Joh 4,46-54, der Form nach eine stilechte Wundererzählung, eröffnet
kaum Rückschlüsse auf eine ältere Fassung ohne Dialogszene 22 . Vielmehr
handelt es sich wohl um eine gegenüber Mt 8,5-10.13 weiterentwickelte
Version, die mit dem Glaubensmotiv (Joh 4,50.53) noch Rudimente der Q-
Dialogszene (vgl. Mt 8,10par) aufweist, ansonsten aber primär an der Fakti-
zität der Heilung interessiert ist und dazu die Wunderkonstatierung in 4,51-53
massiv ausbaut 2 3 . Das detaillierte "Heilungsfeststellungsverfahren" 4,51-53
läßt in Verbindung mit der Notiz vom Weichen des Fiebers an einen motivge-
schichtlichen Einfluß solcher jüdischen Wundertopik denken, wie sie auch in
der Chanina ben Dosa zugeschriebenen Fernheilung bBer 34b begegnet.

Kann damit Mt 8,5-10.13 cum grano salis als traditionsgeschichtlich


älteste Fassung betrachtet werden, so sind die frappierenden Struktur-

18 Schulz, Q 236; Gnilka, Mt-Ev I 299.


19 Vgl. bes. Mt 8,28-34/Mk 5,1-20; Mt 9,18-26/Mk 5,21-43, zum Ganzen
Held, Mt als Interpret 158ff.
20 Schulz, Q 236-240; Wegner, Hauptmann 102-243; Busse, Wunder
142-150; Gnilka, Mt-Ev I 299f.; Luz, Mt-Ev II 12f.; ähnlich Bovon, Lk-Ev I
346; möglicherweise vollzog sich die sekundäre Ausgestaltung zumindest
teilweise bereits vorlk in Q L k , vgl. Wegner, Hauptmann 243ff. Für Ur-
sprünglichkeit der längeren Lk-Fassung tritt dagegen Schürmann, Lk-Ev I 395
(ähnlich Theißen, Wundergeschichten 183), ein.
21 Vgl. Schulz, Q 240; Luz, Mt-Ev II 13.
22 So Lührmann, Redaktion 57; Fortna, Gospel of Signs 45. - Neben dem
sekundären Itinerar Joh 4,46a.47a.54 handelt es sich bei 4,48 um einen Ein-
schub des Evangelisten, der 4,49 als Wiederaufnahme von 4,47 notwendig
macht (Becker, Joh-Ev I 185f.; Schnelle, Antidoket. Christologie 96-100); mit
geringfügig weitergehenden Eingriffen rechnen Bultmann, Joh-Ev 151f.; Schni-
der/Stenger, Johannes und die Synoptiker 64-73; Schnackenburg, Joh-Ev I 500f.
23 Vgl. zum traditionsgeschichtlich gegenüber Mt 8,5-10.13par sekundären
Charakter von Joh 4,46-54: Bultmann, Joh-Ev 151; Schweizer, Heilung 408f.;
Schnider/Stenger, Johannes und die Synoptiker 72f; Wegner, Hauptmann 55f.;
Haenchen, Joh-Ev 261.
Fernheilungen an Heiden 259

analogien zu dem apophthegmatischen Wunderheilungsbericht Mk 7,


24-30 klärungsbedürftig. In beiden Fällen verweigert Jesus einer heid-
nischen Person die Bitte um Heilung ihres erkrankten Kindes 2 4 , läßt
sich dann durch eine argumentativ geschickte und von besonderem
Zutrauen in den Wundertäter zeugende Erwiderung umstimmen und
vollzieht das Wunder schließlich als Fernheilung. Dieses eng verwandte
Strukturschema deutet darauf hin, daß Mt 8,5-10.13 eine traditionsge-
schichtliche Variante von Mk 7,24-30 darstellt 25 , die allerdings durch
historische Erinnerung an die Heilung eines heidnischen Kindes in Ka-
pernaum mitgeprägt sein könnte 2 6 . Maßgebliches Interesse bei der
Traditionsbildung wird wiederum die Legitimation einer Einbeziehung
von Heiden in das mit Jesus gekommene Heil gewesen sein, während
einzelne judenchristliche Kreise demgegenüber die Mission auf Israel
beschränkt wissen wollten 27 .

2.4.3. Die Heilung der zehn Aussätzigen (Lk 17,11-19)


Als letztem ntl Fernheilungsbericht hat das Augenmerk schließlich der
Sonderguttradition von der Heilung der zehn Aussätzigen zu gelten, die

24 Mt 8,7 ist als zurückweisende Frage, nicht als Aussage (Haenchen,


Weg Jesu 97) aufzufassen, vgl. Schulz, Q 242 mit Anm.447; Gnilka, Mt-Ev I
301; Luz, Mt-Ev II 12 mit Anm.l. Abwegig ist der Versuch von Catchpole,
The Centurion's Faith 527f.539f., die heidnische Identität des Zenturio anzu-
zweifeln (vgl. dagegen Burchard, Zu Mt 8,5-13 278-280) und für Mt
8,S-13par eine Befürwortung der Heidenmission zu bestreiten.
25 Bultmann, Syn Tradition 39; ähnlich Sand, Mt-Ev 177f. Schulz, Q 241,
hält Mk 7,24-30/Mt 8,5-13par sogar für eine der Doppelüberlieferungen des
Mk-Ev und der Logienquelle.
26 Für einen historischen Kern plädieren Wegner, Hauptmann 426-428;
Gnilka, Mt-Ev I 305, und offenbar auch Schnackenburg, Joh-Ev I 497.
27 Dabei geht es nicht speziell um eine Rechtfertigung der gesetzesfreien
Heidenmission (gegen Bovon, Lk-Ev I 352f., der im Glauben des Hauptmanns
Beschneidung und Ritualverpflichtungen überholt sieht). Das jüdische Ritual-
gesetz (Ohal XVIII,7b zufolge ist jedes heidnische Haus rituell unrein; vgl.
Jub 22,16; Demai 11,3) wird von dem heidnischen Hauptmann respektiert (Mt
8,8par) und auch von Jesus nicht normativ außer Kraft gesetzt (vgl. dagegen
Mk 2,13-17; Lk 19,1-10), sondern durch die Fernheilung gewahrt. Folglich ist
es kaum sachgemäß, von Mt 8,5-13 in der Q-Fassung als einer "heidenchrist-
lichen Geschichte" zu sprechen (Haenchen, Weg Jesu 98; vgl. auch Bovon,
aaO.). Die Erzählung ist vielmehr "ursprünglich ... vom Standort Israels aus
geschrieben, indem sie am israelitischen Vorrang festhielt" (Strecker, Weg
der Gerechtigkeit 100) und wurzelt vermutlich in der Auseinandersetzung um
die Aufnahme von "gottesfürchtigen" Heiden in judenchristliche Gemeinden
(Schürmann, Lk-Ev I 396f.).
260 Krankenheilungen Jesu

von Lk mittels der redaktionellen Naht 17,ll 2 8 in den Reisebericht inte-


griert wird. Die Lukanismen in 17.12-19 29 erklären sich zwanglos durch
umfassende Redigierung eines vorgefundenen Traditionsstückes und be-
rechtigen nicht zu der Annahme, die gesamte Erzählung gehe erst auf
Lk zurück 3 0 . Dies gilt auch für den meist als redaktionell eingestuften
V.19, der mit dem Glaubensmotiv ein typisches Stilelement solcher
apophthegmatischen Wunderheilungserzählungen, wie Lk 17,12-19 sie
darstellt, enthält 31 .
Die erste Szene (Lk 17,12-14) schildert die Heilung von zehn Aus-
sätzigen und weist mit XsTtpoi, ETtiSEi^aTE EauToüc, TOTC, IEPEUQIV und
ExaOapiöör|öav enge Berührungen mit Mk 1,40-44 auf. Offenkundig ist
diese Aussätzigenheilungserzählung als bekannt vorausgesetzt, allerdings
in deutlicherer Anlehnung an 2 Kön 5 ausgestaltet, als dies für Mk
1,40-44 zutrifft. Die Heilung vollzieht sich im Gegensatz zu Mk l,41f.
nicht an Ort und Stelle, sondern die Aussätzigen werden analog zu Nae-
man 2 Kön 5,10 fortgeschickt und erst dann von ihrem Leid befreit, wo-
mit Lk 17,14 eine Fernheilung impliziert. Noch deutlicher zeigt sich die
Orientierung an 2 Kön 5 in der zweiten Szene (Lk 17,15-19), wo einer
der Geheilten zum Gotteslob zurückkehrt (vgl. 2 Kön 5,15). Bei ihm
handelt es sich um einen Samaritaner, also wie bei Naeman um eine
nicht dem Volk Israel zugehörige Person.
Die durch Lk 17,15-19 gegebene apophthegmatische Ausgestaltung des
Aussätzigenheilungsberichtes 17,12-14 zeigt, daß es auch hier um die
autoritative Regelung eines theologischen Problems unter Beanspruchung
von Jesustradition geht. Gegenüber der Annahme, es handele sich dabei
in scharfer wunderkritischer Akzentuierung um die Unterscheidung von
Heilung (17,12-14) und Heil (17,15-18) 32 , dürfte die eigentliche Pointe
des Textes darin bestehen, daß ähnlich wie in Lk 10,30-36 ausgerechnet
ein Samaritaner zum Vorbild wahren Glaubens wird. Dies deutet darauf
hin, daß Lk 17,12-19 seine Entstehung Konflikten um die Berechtigung

28 Vgl. Conzelmann, Mitte der Zeit 60-66; H.D. Betz, Cleansing 314f.;
Jeremias, Sprache 264. - Pesch, Taten 118f., hält dagegen Siä UEOOV FaXiXaiac,
für traditionell.
29 Bruners, Reinigung 133ff.; Jeremias, Sprache 264-266.
30 So Füller, Wunder Jesu 40.74; Bruners, Reinigung 297-305. Vgl. dagegen
Jeremias, Sprache 264-266, zu für Lk atypischem Sprachgebrauch in 17,12-19.
31 Vgl. Mt 8,5-13par; Mk 10,46-52; zum Ganzen: Roloff, Kerygma 157f.;
H.D. Betz, Cleansing 315f. Für redaktionell halten Lk 17,19 Pesch. Taten
121f.; Wiefei, Lk-Ev 306.
32 H.D. Betz, Cleansing 323-325: "... sharp critique of the belief in heal-
ing miracles as not being identical with the experience of salvation itself". Lk
17,12ff. sei die Parodie einer Wundergeschichte.
Fernheilungen an Heiden 261

der Samariamission verdankt 33 , die in Teilbereichen des Judenchristen-


tums umstritten war.

Das sekundär in die Aussendungsrede integrierte Logion Mt 10,5b.6 enthält


ein ausdrückliches Verbot an die Jünger, sie, TTÖXIV Eau.apiTuv hineinzugehen.
Dies steht in unüberbrückbarer Spannung zu dem authentischen Gleichnis Lk
10.30-36 und wurde aller Wahrscheinlichkeit nach in einer judenchristlichen
Gemeinde formuliert, die sich unter Teilung der traditionellen jüdischen Res-
sentiments gegenüber Samaria 3 4 oder aufgrund unmittelbarer Parusiererwar-
tung (vgl. Mt 10,23) gegen eine dortige Mission wandte und ihre Wirksamkeit
auf die "verlorenen Schafe Israels" begrenzt sah.

Eine derartige streng judenchristliche Position, wie sie hinter Mt


10,5b.6 sichtbar wird, dürfte zur Formulierung des apophthegmatischen
Wunderberichtes Lk 17,12-19 seitens hellenistischer Judenchristen 3 5
veranlaßt haben. Die Lk 17,12-19 entnehmbare Legitimation der Samaria-
mission als wichtiger Etappe beim Übergang des Evangeliums an die
Heiden war jedenfalls für Lk der ausschlaggebende Grund für die Be-
rücksichtigung dieser Erzählung (vgl. Lk 4,27; Apg 1,8; 8,4-25).
Allen drei analysierten apophthegmatischen Berichten von Fernheilun-
gen Jesu an Heiden ist als maßgebliches traditionsbildendes Interesse
gemeinsam, daß sie unter Verweis auf eine besondere Glaubensbereit-
schaft der Heiden deren Zugang zu dem in Jesus gekommenen Heil zu
legitimieren suchen. Als Frontstellung wird hinter diesen Stoffen ein
sich auch Mt 10,5b.6 und 15,24 zu Wort meldendes Judenchristentum
erkennbar, das die planmäßige Samaria- oder Heidenmission ablehnte
und vermutlich die Einbeziehung der Heiden in das Heil dem endzeitli-
chen Handeln Gottes vorbehalten sah. Bei der tricrnc,, die einem solchen
Heilspartikularismus gegenüber expressis verbis (Mt 8,10/Lk 7,9; Lk
17,19) oder implizit (Mk 7,24-30; vgl. Mt 15,28) für eine Heilswürdigkeit
der Heiden angeführt wird, handelt es sich nicht um Glaubensgerechtig-
keit im pln Sinne, da weder das jüdische Ritualgesetz (Mt 8,8par; Lk

33 Vgl. Schille, Anfänge 71: Die Würdigkeit Samarias für das Wort werde
programmatisch sichtbar. - Gegen Glöckner, Lob Gottes, der die Abhängig-
keit von Mk 1,40-44 und 2 Kön 5 unterschätzt (131-139) und mit einem hi-
storischen Kern rechnet (155-158).
34 Vgl. Jeremias, ThWNT VII 89ff.; Kippenberg, Garizim und Synagoge 87ff.
35 Apg 8,4-25 dürfte als historischen Aspekt enthalten, daß die Anfänge
der Samariamission auf Teile des Stephanuskreises zurückgehen, vgl. Lüde-
mann, Frühes Christentum 106. Geschichtliches Wissen um den umstrittenen
Charakter der Samariamission setzt offenkundig auch die lk Darstellung von
Apg 8,14-17 voraus, derzufolge erst die Jerusalemer Autoritäten Petrus und
Johannes die Geisttaufe in Samaria spenden und dadurch die dortige Mission
nunmehr durch das Pneuma göttlich legitimiert wird.
262 Krankenheilungen Jesu

17,14) noch der uneingeschränkte heilsgeschichtliche Vorrang Israels


(Mk 7,27f.) in Frage gestellt werden, sondern um ein Zutrauen in die
Kraft Jesu als Wundertäter.
Da in allen ntl Fernheilungsberichten Heiden oder Samaritaner als
Hilfsbedürftige auftreten, ist die Erklärung des Fernheilungsmotivs als
thaumaturgisches Steigerungselement 36 allein nicht ausreichend. Dies
gilt auch für die Annahme, die Heiden würden aufgrund ihrer Inferiorität
keines persönlichen Kontaktes mit Jesus für würdig befunden und hätten
sich mit einer Fernheilung als qualitativ schlechterer Art des Wunders
zu begnügen 3 7 . Wie die atl-jüdischen Beispiele 2 Kön 5,7.15; bBer 34b
zeigen, kommt in Fernheilungen, die außerhalb der biblischen und der
rabbinischen Tradition praktisch nicht belegt sind 3 8 , in besonders aus-
geprägter Weise das Wunderwirken Gottes zum Ausdruck, so daß es
von untergeordneter Bedeutung ist, ob sich der Wundertäter selber in
unmittelbarer Nähe des Kranken aufhält oder nicht. Auf die Legitimation
der Heidenmission als mutmaßliches Interesse der ntl Stoffe Mk
7,24-30; Mt 8,5-13par und Lk 17,11-19 bezogen, soll das Fernheilungs-
motiv offensichtlich gezielt zum Ausdruck bringen, daß Gott persönlich
auf Jesu Initiative hin die Heilung an den Heiden vollzogen und damit
deren Integration in das Heil ausdrücklich befürwortet hat.
Unter historischen Aspekten ist von Bedeutung, daß in Mk 7,24-30;
Mt 8,5-13par und Lk 17,11-19 die Heidenmission speziell mit dem Ver-
weis auf Wundertaten Jesu an nicht zum jüdischen Volk gehörigen Per-
sonen legitimiert wird. Hier zeigt sich, daß Missionare christologische
Wundertradition zur Rechtfertigung ihrer Vorgehensweise in Anspruch

36 Bultmann, Syn Tradition 240: "Besonders wunderbar sind Fernheilun-


gen". In diesem Sinne hat sicher der Verf. von Joh 4,46a das Fernheilungs-
motiv verstanden, indem er durch diese Rahmennotiz die Fernheilung nicht
mehr innerhalb von Kapernaum (Mt 8,5-13par), sondern nunmehr über die
Entfernung Kana-Kapernaum hin erfolgen läßt und damit die Größe des Wun-
ders nochmals steigert.
37 Lohmeyer, Mk-Ev 148; Burkill, Development 176: Die Fernheilung Mk
7,30 sei Konzession an die 7,24-30 bekämpften Gegner der Heidenmission;
Koch, Wundererzählungen 87: Die Fernheilung in Mk 7,24-30 entspreche dem
distanziert-ablehnenden Ausgangspunkt des Gesprächs (7,27) und zeige, daß
die Begegnung Jesu mit einer NichtJüdin für den Erzähler eine Ausnahme
darstelle.
38 Vgl. neben 2 Kön 5,lff.; bBer 34b mit Vorbehalt bBQ 50a; aus helleni-
stischer Tradition kommen allenfalls Philostr, Vit Apoll 111,38 (Bedrohung ei-
nes Dämons per Brief), und Julian, Ep 77,447 (Fieberheilung per Brief), als
entferntere Parallelen in Betracht. In der Epidaurosinschrift W 21 und Strabo
XVII 1,17 handelt es sich nicht um Fernheilung, sondern um stellvertretende
Inkubation.
Wiederbelebungen 263

nahmen und einem judenchristlichen Heilspartikularismus vielleicht sogar


mit historischer Erinnerung an die Heilung heidnischer Personen durch
Jesus entgegentraten. Im Horizont der Einbeziehung von Heiden in
die eschatologische Heilsverkündigung (Mt 8,llpar) 3 9 ist es vorstellbar,
daß Jesus Dämonenaustreibungen oder Heilungen an heidnischen Perso-
nen vollzogen hat, um deren Partizipation an der Gottesherrschaft zum
Ausdruck zu bringen.

2.5. Wiederbelebungen verstorbener Personen


2.5.1. Erweckung der Jairustochter (Mk 5,22-24.35-43)
Ein Sonderfall von Heilungswundern liegt dann vor, wenn die er-
krankte Person bis zum Eintreffen des Wundertäters bereits verstorben
ist oder zu sein scheint, wie dies in den Evangelien Mk 5,22-24.35-43;
Lk 7,11-17 und Joh 11,1-44 der Fall ist. Der redaktionell mit Mk 5,25-34
verschachtelte Totenerweckungsbericht 5,22-24.35-43 zeichnet sich da-
bei ähnlich wie Mk 7,31-37 und 8,22-26 durch eine detaillierte Schilde-
rung der Wunderpraktiken aus. Nach Entfernung des Publikums (5,40;
vgl. 7,33; 8,23) ergreift Jesus das verstorbene Mädchen an der Hand,
spricht das Heilwort taXi&a xouu. und belegt die Eltern nach der Wie-
derbelebung mit einem Geheimhaltungsgebot (5,43; vgl. 7,36a)1.

Bei dem Ergreifen der Hand handelt es sich nicht einfach um ein Aufrich-
ten der wiederbelebten Person (Apg 9,41), sondern um einen Heilritus, da das
Wunder erst im nachhinein erfolgt (Mk 5,42) 2 . TaXtS-a xouu, das höchstwahr-
scheinlich erst von Mk mit TÖ xopäoiov, ooi XEYU, EYEIPE übersetzt wurde ,
stellt in dem griechisch formulierten Wunderbericht wie E(p<paS-a Mk 7,34 ei-
ne pfjoic, ßapßapixfj 4 des Wundertäters dar. Vermutlich handelt es sich bei
raXiöa xouu um eine traditionelle jüdische Heilformel. Die Anweisungen ge-
gen Blutfluß in bSchab 110b, denenzufolge sich die Anwendung pharmakologi-

39 Zum Ganzen: Jeremias, Jesu Verheißung 40-44.47ff.


1 Dieses oft für redaktionell gehaltene (vgl. Koch, Wundererzählungen
66f.; Schenke, Wundererzählungen 204f.), der Absonderung des Publikums
korrespondierende Geheimhaltungsgebot 5,43a dürfte vormk sein.
2 xpatElv TTJC. XEip6c, (vgl. Mk 1,31) dient Mk 9,26f. ähnlich wie in 5,41
zur Wiederbelebung des wie tot am Boden liegenden Besessenen.
3 Gegen Pesch, Mk-Ev I 309. Vgl. neben Mk 7,34 (Etpipaöa, o EOTIV
Siavoix-&T)ti) auch Mk 15,22.34, wo bei der Übersetzung von Golgatha und von
EXUI EXUI XEU.a oaßaxöavi wie in Mk 5,41 die Einleitungsformel ö EOTIV
UEHEPHTIVEUÖUEVOV vorangestellt ist.
4 Als topische pfjoic, ßapßapixfj erlaubt taXi&a xouu keinen zwingenden
Rückschluß auf eine aramäische Fassung des Totenerweckungsberichtes (gegen
Lohmeyer, Mk-Ev 104.107; Pesch, Mk-Ev I 309).
264 Krankenheilungen Jesu

scher Mittel unter Rezitation des Spruches "j^DTO D l p ("Steh auf von deinem
Blutfluß") zu vollziehen hat, beweisen, daß im antiken Judentum Heilformeln
mit Dlp/xouu verbreitet waren.
Die Mk 5,41 in Form von Berührung und Aussprechen eines wunderwirksa-
men fremdsprachigen Wortes vorliegende Totenerweckungspraktik hat Philostr,
Vit Apoll IV,45, eine Entsprechung, wo Apollonius das tote Mädchen berührt,
"irgendetwas Geheimnisvolles" spricht und es so zum Leben erweckt. Ähnli-
che Techniken spiegeln sich Ovid, Fasti VI,753f., wo von Asklepios eine in
die Zeit vor seiner Apotheose fallende Totenerweckung durch dreimaliges
Berühren der Brust des verstorbenen Hippolytus und durch dreimaliges Aus-
sprechen von Heilworten geschildert wird (pectora ter tetigit, ter verba
salubria dixit: depositum terra sustullit ille caput). Im Gegensatz zu diesen
Parallelen teilt Mk 5.41 aber den Wortlaut der Totenerweckungsformel mit.

Exkurs: Die Totenerweckung Apg 9,36-43


Kaum als Zufall erklärbar ist die Tatsache, daß in dem Totener-
weckungsbericht Apg 9,36-43 das Wunderwort TaßiDä, äväoTr|$i fast
exakt raXi&a xouu (= äväöTT|Oi, EYEIPE) entspricht. Bei Apg 9,36-43, der
Erweckung der Tabitha durch Petrus, handelt es sich nicht einfach um
eine Parallelbildung zu Mk 5,22-24.35-43/Lk 8,40-42.49-56, sondern um
einen demgegenüber eigenständigen Wunderbericht, der sich stark an
den Totenerweckungen der Elia-Elisa-Tradition orientiert und teilweise
wörtliche Anleihen aus 4 Kön 4,18-41LXX enthält 5 . In beiden Fällen
wird der Wundertäter zur Totenerweckung herbeigeholt, entfernt das
Publikum (4 Kön 4,33; Apg 9,40) und betet (TtpoairüF.aTo 4 Kön 4,33/Apg
9,40). Weitere signifikante Übereinstimmungen sind mit xai ETCEÖTPEIJJEV 4
Kön 4,35/xai ETriöTpEiJiac, Apg 9,40 und der Wunderkonstatierung fjvoiF,£v
TOÜC; ötpdaXuoüc, aüroü/aÜTTJc, 4 Kön 4,35/Apg 9,40 gegeben.
Für die Parallelität von Taßi&ä, äväoTT|$i Apg 9,40 und raXiöa xouu Mk
5,41 bieten sich zwei Erklärungsmöglichkeiten an. Eine aus 4 Kön
4,18-41 entwickelte Legende von einer Totenerweckung Petri kann
bereits die Formel raXida xouu enthalten haben und aus diesem Grunde
nachträglich mit einer in Joppe ansässigen Christin namens Taßi&d6 in
Verbindung gebracht geworden sein. Alternativ kommt in Betracht, daß

5 Weniger wahrscheinlich ist für Apg 9,36-43 eine redaktionelle Imitation


von Lk 8,40-42.49-56 (als Möglichkeit bei Lüdemann, Frühes Christentum
128). Während die Tabithaerzählung unter maßgeblichem Einfluß der Elia-
Elisa-Tradition steht (vgl. die Synopse bei Weiser, Apg I 238), weist die lk
Bearbeitung der Jairusgeschichte keine Anklänge an die atl Totenerweckungs-
erzählungen auf.
6 Zur Historizität von Tabitha: Lüdemann, Frühes Christentum 129; Pesch,
Apg I 325.
Wiederbelebungen 265

Apg 9,36-43 von vornherein von einer Wundertat Petri an Tabitha han-
delte und sekundär taXi&a xouu als frei umlaufende oder aus Mk 5,41
bekannte Heilformel an sich zog 7 , wobei raXifta in Taßi&ä abgewandelt
wurde.

* * *

Neben missionspropagandistischen Interessen der Jairuserzählung, die


sich Mk 5,43 mit der Exoraoic, uEYäXr] der Zuschauer und der Altersan-
gabe ijv Y«P ETÜV SüSsxa als Steigerungsmotiv8 zeigen, läßt die weitrei-
chende Spiegelung von Wiederbelebungspraktiken (Entfernung des Pu-
blikums, Handergreifung als Heilritus, fremdsprachige Heilformel raXiöa
xouu, Geheimhaltungsgebot) auch einen Bezug zu Wundertaten christli-
cher Charismatiker denkbar erscheinen.

In früheren Teilen unserer Untersuchung war davon die Rede, daß der
Scheintod in der Antike ein verbreitetes und von Medizinern vielerörtertes
Phänomen darstellte (Hippocr, Mul 11,123.126.151; Plin, Hist Nat 7,175; Gal
VIII,414ff.). Empedokles (Herakleides, Fragm 77ff.; vgl. Emped, Fragm 101),
Asklepiades (Cels, Med 116,13-16; Plin, Hist Nat 7,124; 26,13; Apul, Florida
19.92-96) und wahrscheinlich auch Alexander von Abonuteichos (Luc, Alex
24) haben totgeglaubte Personen mit medizinischen Mitteln wiederbelebt. Daß
Scheintode sogar bei der Beerdigung wieder zu sich kamen, ist offenbar nicht
selten vorgekommen (Cels, Med 116,13; Plin, Hist Nat 7,173.176). PGM
XIII,277ff. zeigt, daß auch mit magischen Mitteln der Versuch der tatsächli-
chen Wiederbelebung oder der Totenbefragung (Nekromantie) unternommen
wurde.
Speziell für das Christentum berichtet Iren, Haer II 31,2; 32,4, von Toten-
erweckungen auf Gebet und Fasten hin. Von daher besteht eine hohe Wahr-
scheinlichkeit, daß christliche Wundercharismatiker neben Dämonenaustrei-
bungen oder Heilungen auch Wiederbelebungen scheintoter Personen bewirk-
ten und sich dabei solcher Praktiken bedienten, wie sie Mk 5,40f. beschrieben
werden, zumal xafl-EÜSEi als Hinweis auf Scheintod interpretierbar ist. Daß
griechischsprachige Christen hebräische Wunderworte verwendeten, wurde
bereits im Zusammenhang mit Mk 7,34 deutlich. Zahlreiche christliche
Wiederbelebungsformeln mit äviotävai/surgere (= Glp) begegnen in den
apopkryphen Apostelakten (Act Joh 22; 24; 47; 52; 80; 83; Act Petr 27), wo-
bei iuvenis, surge et ambula (Act Petr 27, vgl. Lk 7,14); äväoTT|l}i EV TU

7 Vgl. Roloff, Apg 160: Der ursprünglich in der Lokaltradition von Joppe
verankerte Name einer dort tatsächlich von Petrus geheilten Frau (Tabitha)
habe die Erinnerung an die fast gleichklingende Totenerweckungsformel Jesu
(Mk 5,41) provoziert.
8 Die Altersangabe erhöht die Dramatik des Todesfalles (mit zwölf Jahren
ist das Mädchen kurz vor Erreichen der Heiratsfähigkeit verstorben, vgl. die
Belege bei Billerbeck II 10), stellt also kein atopisches, historisch zuver-
lässiges Detail dar (gegen Pesch, Mk-Ev I 312).
266 Krankenheilungen Jesu

övöuati Tnooü Xpioroü (Act Joh 22) und Apouoiavfj, äväaTTV&i (Act Joh 80) die
unmittelbarsten Parallelen zu taXi&a xouu Mk 5,41 sind.

Vom Überlieferungsmilieu her gehört die Jairuserzählung aufgrund ih-


rer Lokalisierung im Hause eines Synagogenvorstehers in das grie-
chischsprachige Judenchristentum 9 . Historische Reminiszenzen an eine
Wundertat Jesu sind fraglich10, zumal sich unter traditionsgeschichtli-
chen wie medizinhistorischen Aspekten grundsätzliche Bedenken gegen
Wiederbelebungen durch Jesus erheben (s.u.).

2.5.2. Der Jüngling von Nain (Lk 7,11-17)


Die Erzählung von der Erweckung des Jüngling zu Nain (Lk 7,11-17)
wird von Lk zur Illustration des vsxpoi EYEipovrai 7,22 in die Q-Stoffolge
Lk 7,1-10.18-35 eingeschoben. Sie stammt aus Sonderüberlieferung und
enthält zahlreiche Lukanismen11, die auf eine umfassende redaktionelle
Überarbeitung des zugrundeliegenden Traditionsstückes hindeuten. Von
der Topik her weist Lk 7,11-17 enge Bezüge zu Philostr, Vit Apoll IV,45,
auf. Übereinstimmungen bestehen dahingehend, daß der Wundertäter
in beiden Fällen dem von einer großen Volksmenge begleiteten Trauer-
zug begegnet 12 , ohne Hilfsbegehren aus eigenen Stücken die Initiative
ergreift und das Wunder wirkt, indem er die tote Person oder deren
Sarg berührt (rfipaTo TTJC; oopoü Lk 7,14/TtpoaaiJid|iEvoc, aütfjc, Vit Apoll
IV,45) und sie anredet. Zudem dient hier wie dort die wiedergewonnene
Sprachfähigkeit zum Erweis des erfolgten Wunders (rjpFTrto XaXstv Lk
7,15/<puvfjv TE rj itaiq äcprjxEv Vit Apoll IV,45; vgl. 3 Kön 17,22)13. Ver-

9 Vgl. Schenke, Wundererzählungen 211. Kuhn, Sammlungen 198f., will


dagegen ein heidenchristliches Uberlieferungsmilieu nicht völlig ausschließen.
10 Einen phantasievollen Rückfall in den Rationalismus des frühen 19.Jhdt.
bietet Wilcox, TAAIBA KOTM(I) 476: Jesus habe das wegen niedrigen Blut-
zuckerspiegels im Koma befindliche Mädchen durch Nahrungszufuhr (Mk
5,43) wieder zu sich gebracht. Pesch, Mk-Ev I 312, will über die Alters-
angabe Mk 5,43 hinaus auch die Berufs- und Namensbezeichnung des Vaters
als nichttopische, auf eine Heilungstat Jesu hinweisende Daten verstanden
wissen. Die Annahme, es handele sich bei der Jairusgeschichte ursprünglich
um eine Wunderheilungserzählung (Pesch, aaO.; Rochais, Les recits 110f.;
Suhl, Wunder Jesu 505; Kertelge, Wunder Jesu 113; Fischbach, Totener-
weckungen 178-181), bleibt rein hypothetisch.
11 Harbarth, Gott 17-79; Busse, Wunder 165-170; Jeremias, Sprache 156-160.
12 Dies ist allerdings auch bei Asklepiades (Plin, Hist Nat 7,124; 26.15;
Apul, Florida 19,92f) und dem Adler Par Jer 7,15f. der Fall.
13 In anderen Totenerweckungstraditionen wird das Wunder dagegen durch
Niesen und Augenaufschlagen (2 Kön 4,35), Heben des Kopfes (Ovid, Fasti
Wiederbelebungen 267

mutlich wurde eine ältere hellenistische Wundererzählung in dem einen


Fall auf Jesus, in dem anderen Fall auf Apollonius übertragen 14 .
Über diese Berührungen mit Vit Apoll IV.45 hinaus ist allerdings die
Endgestalt von Lk 7,11-17 ohne eine direkte Beeinflussung von 3 Kön
17,10.17-24LXX nicht erklärbar. Wie dort handelt es sich bei dem toten
Kind um den Sohn einer Witwe 15 , und das Wunder zieht eine göttliche
Legitimation des Wundertäters als Gottesmann (3 Kön 17,24) oder "gro-
ßer Prophet" (Lk 7,16) nach sich. Zudem lehnt sich die Exposition Lk
7,llf. mit EitopEÜdri EIC; itöXiv xaXouuEviiv Naiv und üc, SE TJYYIÖEV TTJ TtüXrj
TTJC, TIÖXEUC, offenkundig an 3 Kön 17,10 xai EitopEÜdri EIC; XdpETtTa EIC; TÖV
TtuXuva TTJC; TIÖXEUC, an, und xai ESUXEV aüröv rrj urrrpi aüroü 3 Kön 17,23
findet sich wörtlich in Lk 7,15 wieder. Während dieser Schriftbezug in
Lk 7,15 redaktionell ist (vgl. ESUXEV aüröv TU rtarpi aüroü Lk 9,42 diff. Mk
9,27/Mt 17,18), dürften die weiteren aufgezeigten Berührungen mit 3
Kön 17,10.17-24 und auch die Proklamation Jesu als großer Prophet
bereits vorlk zustandegekommen sein 16 .
Plausibelste Erklärung für die Entstehung von Lk 7,11-17 ist die An-
nahme, daß im hellenistischen Judenchristentum ein Totenerweckungs-
bericht, der Vit Apoll IV,45 in Grundzügen entspricht und auf Jesus
übertragen wurde, sekundär in den traditionsgeschichtlichen Sog von 3
Kön 17,10.17-24 geriet. Lk hat dann diese Bezüge zu der atl Eliatradition
durch das Zitat von 3 Kön 17,23 in 7,15 noch ausgebaut 17 . Ein historisch

VI,754), Umhergehen (Mk 5,42; Joh 11,44; PGM XIII, 280f.) oder Essensver-
zehr (Mk 5,43) der auferweckten Person demonstriert.
14 Bultmann, Syn Tradition 230.248L; Theißen, Wundergeschichten 273;
Jeremias, Theologie I 92; Roloff, Neues Testament 81; Bovon, Lk-Ev I 359
mit Anm. 24. Vgl. zur Parallelität von Lk 7,11-17 und Vit Apoll IV,45 auch
Petzke, Historizität 371ff. Eine Abhängigkeit Philostrats vom Christentum (in
jüngerer Zeit wieder von Fitzmyer, Luke I 657; Koskenniemi, ApoUonios in
der ntl Exegese 193-198.203-206, erwogen) kommt angesichts der Unter-
schiede kaum in Betracht (vgl. bereits Weinreich, Heilungswunder 171 mit
Anm.2).
15 Lk verschärft dies durch redaktionelles UOVOYEVTJC, wie in Lk 8,42 und
9,38 (diff. Mk 5,21ff.; 9,14-29par).
16 Auch wenn Lk 18,43 diff. Mk 10,46 (vgl. auch Lk 9,43) eine redaktio-
nelle Akklamation begegnet und die Legitimation Jesu als Prophet Lk 7,16 ein
Leitmotiv der lk Wunderchristologie darstellt (vgl. Lk 4,16-30; Lk 24,19,
zum Ganzen: Nebe, Prophetische Züge 64ff), spricht in Lk 7,16 die Formu-
lierung Ttpo<pfJTT|c, UEYac, fJYEp&T| gegen lk Verfasserschaft (vgl. redaktionelles
TtpoipfJTr|c, ävEOTTi in Lk 9,8.19 gegen Mk 6,16 fJY£p&T|; 8,28).
17 Gegen Brodie, Luke's Use of the OT 249-259, der Lk 7,11-17 unter völ-
liger Vernachlässigung von Vit Apoll IV,45 als uneingeschränkt redaktionelle
Imitation von 3 Kön 17,10.17-24 betrachtet. Auch Schmithals, Lk-Ev 92, hält
Lk für den "ersten Erzähler der vorliegenden Geschichte".
268 Krankenheilungen Jesu

verifizierbares Ereignis ist hinter Lk 7,11-17 nicht zu erkennen 18 . Viel-


mehr verdankt die Erzählung ihre Entstehung wohl dem Interesse, unter
Rückgriff auf hellenistische Tradition und auf 1 Kön 17 Jesus als einen
Elia gleichwertigen Totenerwecker und großen Propheten darzustellen 19 .
Mit vsavioxE, ooi XEYU, EYEP&T|TI Lk 7,14 ist zudem ein raXi&a xouu. (Mk
5,41) entsprechendes Heilungswort eingeflossen, wie es offenbar von
christlichen Wundercharismatikern benutzt wurde oder sogar aus Lk
7,11-17 "erlernt" werden konnte 2 0 . Während in der Parallele Vit Apoll
IV,45 die ebenfalls maßgeblich durch das wunderwirkende Wort be-
stimmte Totenerweckungspraktik aus der Erzählperspektive geschildert
wird (TI äipavuc, EitEiTtüv), legt Lk 7,14 besonderen Wert darauf, die
Wunderformel in ihrem genauen Wortlaut wieder- und damit weiterzu-
geben.

2.5.3. Die Lazarusgeschichte (Joh 11,1-44)


Bei der Lazarusgeschichte Joh 11,1-44 handelt es sich um einen
mehrschichtigen Textkomplex, dessen Endgestalt sich der Unterbre-
chung oder Ausgestaltung einer Totenerweckungserzählung durch meh-
rere Dialogszenen verdankt. Herrscht über die Komplexität von Joh
11,1-44 Einigkeit, so zeigt doch bereits eine Vielzahl literarkritischer
Modelle mit teilweise erheblich divergierenden Ergebnissen 21 , daß die
Rekonstruktion des Joh 11 zugrundeliegenden Wunderberichtes mit si-
cheren Ergebnissen kaum noch zu leisten ist.

Literarkritische Indizien für Brüche im Text führen in Verbindung mit


formgeschichtlichen Erwägungen über den regulären Aufbau einer Totener-
weckungserzählung zu der Einsicht, daß der älteste Traditionskern 22 in einem

18 Gegen Schürmann, Lk-Ev I 404f.; Wiefei, Lk-Ev 145, enthält die Er-
zählung keinerlei "palästinisches Lokalkolorit", das nicht aus der Beeinflus-
sung durch 3 Kön 17,10.17-24 ableitbar wäre. Eine Entstehung in Palästina ist
damit nicht zwingend beweisbar, zumal Nain (möglicherweise sogar durch das
in unmittelbarer Nähe gelegene Sunem, den Schauplatz der Totenerweckung
2 Kön 4,18-37, bedingt; zur Lokalisierung von Nain: Bovon, Lk-Ev I 360f.)
kaum auf eine Lokaltradition hindeutet.
19 Vgl. Rochais, Les recits 31. Allzu spekulativ ist dessen Vermutung von
Damaskus oder Antiochia als Entstehungsort der Perikope.
20 Act Petr 27 begegnet eine offenkundig aus Lk 7,14 abgeleitete Totener-
weckungsformel: vocem accipiens Christi domini mei, dico tibi: iuvenis, surge
et ambula.
21 Vgl. den Forschungsüberblick bei Wagner, Auferstehung 42-87.
22 Die im "Secret Gospel of Mark" überkommene Version der Lazarusge-
schichte stellt kaum die Urfassung von Joh 11 dar (M. Smith, Secret Gospel
Wiederbelebungen 269

stilechten Totenerweckungsbericht bestand, der sich in Grundzügen Joh


11,1.3.17.38.39.41.43.44 wiederfindet und als ungefähren Wortlaut (1) fjv Se
Tic; äo-9-Evuv, Aä^apoc, äirö Br)-&aviac, (3) aTCEOTEiXav ouv ai äSEXcpai itpöc;
aüröv XEYouoai" xüpiE, ISE 'ÖV <PIXETC, äo-9-EVEt. (17) iXdüv ouv ö Tiiaouc, EupEV
aüröv TEaoapac; TJST] fjuipac, E'xovra EV T U UVT|UEIU. (38) 'Ir)aoüc, ouv EpxETai sie;
TÖ UVT|UETOV rjv SE OTtfjXaiov xai Xi-9-oc, ETCEXEITO ETC' a ü r u (39) XEYEI Ö
Tiioouc," apaTE TÖV Xi&ov. (41) ijpav ouv TÖV XiS-ov. 6 SE TTIOOUC, (43) cpuvrj
UEYaXij ExpaÜYaoEV Aät^apE, SEÜpo E^U. (44) E!;TJX-&EV Ö TE&VT|XÜC; SESEUEVOC,
TOÜC; iröSac. x a i räc, xETpaC. XEipiac, x a i fj öcpic, aüroü oouSapiu TCEPIESESETO.
XEYEI aÜToTc, ö Triooüc," XüoarE aüröv x a i ätpETE aüröv üttaYEiv umfaßte .

Dieser Wunderbericht weist von der Grundstruktur her Übereinstim-


mungen mit der Jairusgeschichte Mk 5,22ff. auf24, da Jesus wiederum
zu einer kranken, bis zu seinem Eintreffen bereits verstorbenen, Joh 11
allerdings schon im Verwesungszustand befindlichen Person gerufen
wird und sich das Wunder jeweils durch ein Befehlswort Jesu (Mk
5,41/Joh 11,43) vollzieht. Weitergehende Wunderpraktiken, etwa ein Mk
5,40 vergleichbares Handergreifen oder die Rezitation eines wunder-
wirksamen Wortes (vgl. Mk 5,41), werden in Joh 11 nicht erwähnt 25 .
Umstritten ist das Problem eines historischen Haftpunktes der Laza-
rusgeschichte, wobei der Frage nach traditionsgeschichtlichen Berüh-
rungen mit der lk Beispielerzählung vom reichen Mann und armen Laza-
rus (Lk 16,19-31) ein hoher Stellenwert zukommt. Nicht völlig von der
Hand zu weisen ist die Vermutung, daß es sich bei dem Totenerwek-
kungsbericht in Joh 11 um eine erzählerische Ausgestaltung von Lk 16,30
äXX' säv Tic, öbrö vExpuv TtopEuOrj itpöc; aütoüc; uETavofjoouoiv ohne jeden
Anhalt am Wirken Jesu handelt. "Wird hier die Rückkehr des Lazarus
gefordert, so wird sie dort als Tatsache erzählt" 2 6 Da eine traditions-

of Mark 146-194; Crossan, Four Other Gospels 111-121; ders., Historical


Jesus 328-332), sondern setzt offenkundig Kenntnis der kanonischen Evan-
gelien voraus (Merkel, Urmarkus? 130-140; ders., in: Schneemelcher, Ntl
Apokryphen I 89-92; Gundry, Mark 603-621).
23 Vgl. zu dieser Analyse Wilkens, Erweckung 23-28 (der zusätzlich 11,33
zum Traditionskern rechnet); Becker, Joh-Ev II 344f.; Kremer, Lazarus 88f.
Völlig abwegig dagegen Lindars, Rebuking the Spirit 98-100: EVEßpiufjoaTo Tip
TtvEÜuaTi und das Wiederbelebungsmotiv deuteten auf einen Mk 9,14-29 ent-
sprechenden Dämonenaustreibungsbericht als Traditionsgrundlage hin.
24 Vgl. Kremer, Lazarus 43-45.
25 Das an 1 Kön 17,21; 2 Kön 4,33 erinnernde Gebet zu Gott in 11,41b.42
geht erst auf den Evangelisten zurück, vgl. Schnackenburg, Joh-Ev II 425f.;
Schnelle, Antidoket. Christologie 148.
26 Ernst, Lk-Ev 477. Vgl. bereits Holtzmann, Joh-Ev 158: "Hinsichtlich
des Lazarus aber leiten schon alte Spuren auf die Parabel Lc 16,19-31. Der
Arme, welcher begraben wird und nach der Ansicht des Reichen wieder auf
die Erde zurückkehren soll, ... wird hier zum Helden einer Auferstehungssce-
270 Krankenheilungen Jesu

geschichtliche Beeinflussung von Joh 11 durch Lk 16,19-31 aber nicht mit


letzter Sicherheit nachweisbar ist 2 7 , bleibt die Möglichkeit gegeben, daß
der Name Lazarus nicht von dort her Eingang in Joh 11 fand, sondern in
Verbindung mit der Herkunftsbezeichnung äitö Bridaviac. auf eine histori-
sche Person hindeutet, der durch Jesus vielleicht in Form einer später
zur Totenerweckung gesteigerten Krankenheilung Hilfe zuteilwurde 28 .
Letztlich erweist sich der unmittelbare historische Wert von Mk
5,25ff.; Lk 7,11-17 und Joh 11,1-44 als gering. Gegen Totenerweckungen
Jesu spricht bereits der Sachverhalt, daß von ihnen im Gegensatz zu
Dämonenaustreibungen und Krankenheilungen in der authentischen
Wortüberlieferung (vgl. Mt 12,28par; Lk 10,9; 13,32) keine Rede ist. Oh-
nehin sind unter medizinhistorischen Gesichtspunkten Wiederbelebungen
scheinbar toter Personen für das palästinische Judentum der Zeitenwen-
de eher unwahrscheinlich 29 . Für die "Totenerwecker" Empedokles und
Asklepiades sind wissenschaftliche Reflexionen über die menschliche
Respiration und den Scheintod bezeugt, und beide verfügten ähnlich wie
Alexander von Abonuteichos über fundierte ärztliche Fertigkeiten, die
sie zu Wiederbelebungen befähigten. Im palästinischen Judentum des
l.Jhdt.n.Chr. hingegen war derartige medizinische Theoriebildung und
darauf bezogene ärztliche Praxis kaum gegeben, und ebensowenig liegen
hier Anhaltspunkte für magische Formulare zur Wiederbelebung Schein-
toder vor.
Hauptmotiv für die durch nachösterliche Wunderpraxis mitgeprägte
Formulierung von Totenerweckungsberichten, die bereits in Mt ll,5par
als bekannt vorausgesetzt werden, war es offenkundig, Jesus grie-
chisch-römischen ÖETOI avSpEc; (Empedokles, Asklepiades, vgl. Apol-
lonius von Tyana und Alexander von Abonuteichos) oder Gottheiten (As-
klepios), die zu ihren Lebzeiten tatsächlich oder angeblich Wiederbele-
bungen vollbracht haben, in nichts nachstehen zu lassen. Zudem ist zu-
mindest in Lk 7,11-17 auch das Interesse erkennbar, Jesus mit Totener-
weckungen als einen Elia und Elisa (vgl. 1 Kön 17,17-24; 2 Kön 4,18-37;

ne." Überzogen Busse, Lazarusperikope 289-306, der mit weitreichender


literarischer Abhängigkeit vom Lk-Ev rechnet.
27 Vgl. Schnackenburg, Joh-Ev II 429f.; Brown, John I 428f.; Becker,
Joh-Ev II 346; Kremer, Lazarus 102-105; Wagner, Auferstehung 361-367.
28 Kremer, Lazarus 105-108. Schnackenburg, Joh-Ev II 433 ("daß ein
außergewöhnliches Geschehen in Bethanien nahe Jerusalem in lokaler Tradition
jerusalemer Kreise festgehalten wurde") scheint die Lazarusgeschichte sogar
für einen im Kern authentischen Augenzeugenbericht zu halten.
29 Völlig legendarisch ist die Totenerweckungstradition Par Jer 7,12-20,
wo zudem der Adler uneingeschränkt als Repräsentant Gottes, des alleinigen
Herrschers über Leben und Tod (Dtn 32,39; 1 Sam 2,6), fungiert.
Umgang mit wilden Tieren 271

MekhEx 17,9) übertreffenden Wundertäter darzustellen 30 . Da die Er-


weckung von Toten in jüdischer Tradition einen Bestandteil des end-
zeitlichen Handelns Gottes darstellt 31 , konnten die Erzähltraditionen von
Totenerweckungen Jesu in Analogie zu den Heilungswunderberichten
schöpfungstheologisch reflektiert und in ihrer präsentischen Heilsbedeu-
tung vertieft werden (Mt ll,5par).

3. Naturwunder
3.1. Umgang mit wilden Tieren (Mk 1,13)
Unter dem Sammelbegriff Naturwunder subsumiert man all diejenigen
Wundererzählungen der Evangelien, in denen über Dämonenaustreibun-
gen, Krankenheilungen und Totenerweckungen hinausgehend ein unmit-
telbarer Eingriff in das Naturgeschehen vorliegt.
In der mk Versuchungsgeschichte ist davon die Rede, daß Jesus in der
Wüste mit (wilden) Tieren Kontakt hatte und ihm Engel dienten. In
einem hellenisierten Überlieferungsmilieu mußte dies fast zwangsläufig
dahingehend aufgefaßt werden, daß es sich bei Jesus um einen Magier
oder Schamanen handelte, der Dienstengel als Paredroi befehligt1 und
wie Pythagoras oder Apollonius mit den Tieren kommuniziert 2 . Dies
dürfte allerdings kaum der ursprüngliche Sinn der geschichtlich ohnehin
fragwürdigen Tradition Mk 1,13 sein.

Mk l,12f. wirkt völlig unhistorisch. Die Versuchung des Gerechten ist ein
gängiges Motiv (Sir 2,1), die 40-tägige Erprobung in der Wüste ruft den
40-jährigen Wüstenaufenthalt Israels (Ex 16,35; Dtn 1,3) wach, die Gemein-

30 Ein maßgeblicher Einfluß des Theologumenon von der Auferweckung


Jesu ist dagegen in den ältesten Fassungen der syn-joh Totenerweckungsbe-
richte (anders Joh 11,1-44 in der Endgestalt) nicht erkennbar (gegen Weiser,
Apg I 242).
31 Jes 26,19; Dan 12,2; 4 Q 521 Fragm 1, II 12, vgl. zum Ganzen: Volz,
Eschatologie 229-256.
1 Vgl. M. Smith, Jesus the Magician 104f., der dies allerdings historisch
für bare Münze nimmt.
2 Pythagoras hat wie Orpheus mit den wilden Tieren kommuniziert (Iambl,
Vit Pyth XIV,63) und sie "durch Worte und Taten bezähmt" (Iambl, Vit Pyth
XXIV,108; vgl. die Wundergeschichten Aristot, Fragm 191; Ael, Var Hist
IV,17; Porph, Vit Pyth 23-2S/Iambl, Vit Pyth XIII,60-62). Auch Apollonius
soll die Tiersprache beherrscht haben (Philostr, Vit Apoll 1,20; IV,3; V,42)
und blieb von wilden Tieren unbehelligt (VI,24), wobei sich deutlich zeigt,
daß dieses schamanistische Motiv eng mit der Lehre von der Reinkarnation
der menschlichen Seele in Tieren zusammenhängt (V,42). Vgl. auch Buchheit,
Tierfriede in der Antike 143-167.
272 Naturwunder Jesu

schaft mit den Tieren (vgl. Jes 11,6-9; syr Bar 73; Sib 111,787-795) und das
Bedientwerden von den Engeln knüpfen an traditionelle jüdische Endzeitvor-
stellungen a n 3 . Eine direkte Parallele ist Test Napht 8,4 "Wenn ihr das Gute
tut, werden euch Menschen und Engel segnen, .... und der Teufel wird von
euch fliehen, und die Tiere werden euch fürchten, und der Herr wird euch
lieben, und die Engel werden sich eurer annehmen." Jesus führt Mk l,12f.
zufolge das paradiesische Zeitalter wieder herbei, indem er wie einst Adam
in Frieden mit den Tieren lebt (Gen 2,19f.) und von den Engeln bedient wird
(bSanh 59b; ARN A 1). Mk l,12f. verbürgt damit keinen Schamanismus Jesu,
zumal dieser weder die Reinkarnation menschlicher Seelen in Tieren gelehrt
noch als Folge davon Vegetarianismus propagiert hat.

3.2. Die Sturmstillung (Mk 4,35-41)


Die Sturmstillungserzählung Mk 4,35-41 4 , in der es um das ebenfalls
schamanistische Motiv einer unmittelbaren Beeinflussung der Naturge-
walten geht, weist starke Anklänge an die atl Jonageschichte (vgl. auch
Ps 107,23-32; Test Napht 6,1-10) auf.

Kai YivETai XaTXaiJi UEYaXn Mk 4,37 erinnert an xai EYEVETO XXÜSUV UEY<*C,
Jona 1,4. Wie Jona (1,5), so schläft auch Jesus während des Sturmes (Mk
4,38). Mk 4,38c oü UEXEI ooi ÖTI aTToXXüu.E$a schließlich läßt xai urj ättoXü-
UE-&a Jona 1,6 anklingen. In Mk 4,39 kommt für ETIETIUTIOEV TU (XVELIU Einfluß
von Ps 105,9LXX (Bedrohung [ETIETIUTIOEV 1 des Roten Meeres durch Gott; vgl.
auch Gottes ETtiTiu.T)öic. der Himmelssäulen Hiob 26,11) in Betracht 5 .

Im Gegensatz zur Jonageschichte vollzieht sich die Sturmstillung Mk


4,39 implizit als Dämonenbannung, denn ETtEuurioEv TU ävEutp ruft die fast
gleichlautende, an den Krankheitsdämon gerichtete Wendung in Mk 1,25
und Mk 9,25 wach. Mk 4,39 setzt damit die auch für das antike Juden-
tum belegte Vorstellung voraus, daß der Wind von Engeln oder Dämonen
gesteuert wird 6 , die in gleicher Weise beeinflußt werden können, wie es

3 Vgl. Gräßer, KAI HN META TON OHPION 144-154. - Ps-Mt-Ev XIX


(ed. Tischendorf) gilt Jesu Harmonie mit den wilden Tieren ausdrücklich als
Erfüllung von Jes ll,6f.
4 Bei Mk 4,35f. handelt es sich um sekundäre, vermutlich redaktionelle
szenische Einleitung (Kertelge, Wunder Jesu 91; Koch, Wundererzählungen
94f.). Zudem stellt der vom typisch mk Motiv des Jüngerunverständnisses ge-
prägte Jüngertadel 4,40 einen redaktionellen Einschub dar (Schenke, Wunder-
erzählungen 33-44; Koch, Wundererzählungen 97).
s Vgl. Glöckner, Lob Gottes 72, der allerdings die Bedeutung der Psalmen
für Mk 4,35-41 deutlich überschätzt und die griechischen Parallelen völlig
übergeht (63ff.).
6 Vgl. Jub 2,2 (Engel des Geistes des Windes); äth Hen 69,22 (Geister der
Winde).
Sturmstillung 273

bei krankheitsverursachenden Geistern der Fall ist. Auch das Meer gilt
hier als eine personale dämonische Macht 7 , die mit dem Schweigebefehl
öiÜTta bedacht und durch TtE(piuuöo einem Bindezwang unterworfen wird 8 .
Jesus begegnet als Magier, der durch Schelte, Verstummungsbefehl und
Katadesmos die hinter den Naturelementen stehenden Geister bändigt.

Zwangsbeeinflussung von Wind und Wasser zählte zum festen Betätigungs-


feld antiker Magier, Schamanen und mantischen Philosophen 9 . Herodot,Hist
VII,191 bringen Magier einen der persischen Flotte gefährlichen Sturm durch
an den Wind gerichtete Zaubersprüche und durch Tieropfer zum Verstummen.
Auch Pythagoras verfügte angeblich über die Fähigkeit, Winde und Wellen zu
beschwichtigen (Iambl, Vit Pyth XXVIII,135; vgl. auch PGM XXIX), Empe-
dokles trug den Beinamen "Windabweiser" (Clem Alex, Strom VI 30,1; Iambl,
Vit Pyth XXVIII,136). Die Magier in Hippocr, Morb Sacr, nahmen über
Krankenheilungen hinaus für sich in Anspruch, Sturm wie gutes Wetter her-
vorbringen und das Meer unbefahrbar machen zu können (1,29). Auch von
Sophokles wird berichtet, daß er mit Zaubersprüchen gegen die Winde vorging
(Philostr, Vit Apoll VIII 7,8). Magier aus Kleonai sollen die hinter den Wol-
ken wirksamen Dämonen mit Gesängen und Opfern beschwichtigt haben
(Clem Alex, Strom VI31,lf.) 1 0 .
Solche schamanistische Zwangsbeeinflussung des Meeres begegnet verein-
zelt auch in magischen Traditionen des Judentums (HDM B § 619; bBB 73a),
während in den Sturmstillungstraditionen Ps 107,23-32; Jona 1; Test Napht
6,1-10; bBM 59b; jBer 9,1 (13b) die Beschwichtigung der Naturelemente als
alleiniges Werk Gottes auf ein an ihn gerichtetes Bittgebet hin geschieht.

Die Mk 4,35-41 prägende, für die jüdische Magie nur vereinzelt


(HDM B § 619; bBB 73a) belegte Vorstellung, daß die hinter Wasser und
Wind wirksamen feindlichen Dämonen von einem Wundercharismatiker
durch Bedrohung und Bindezwang beschwichtigt werden können, ist

7 Vgl. äth Hen 60,16 ("und der Geist des Meeres ist männlich und stark");
69,22 (Geister der Wasser). Eine Parallele zu der Mk 4,39 implizierten Vor-
stellung, daß feindlich gesonnene Dämonen Wind und Meer beherrschen,
bietet der jüdische Schadenszauber SHR 1,70-73: "Ich beschwöre euch, Engel
des Zorns und der Vernichtung. ... kein Fahrtwind soll zu ihm (sc. dem Schiff
des NN) gelangen, bringt es hinaus aufs Meer und schleudert es auf dessen
Mitte hin und her, daß von ihm weder Mann noch Fracht gerettet wird."
8 cpiuoüv ist in der antiken Magie als Synonym von xaraSETv terminus
technicus für das Binden von mißliebigen Menschen, vgl. Rohde, Psyche II
424; Pfister, RAC II (1954) 174; Kollmann, Jesu Schweigegebote 268-270.
9 Vgl. dazu auch Kratz, Rettungswunder 95-106.
10 PGM 111,226-228 ("Ich beschwöre dich beim Siegel des Gottes, ... vor
dem das Meer schweigen muß, wenn es ihn hört") deutet freilich kaum auf
Sturmbeschwörung hin (gegen Theißen, Wundergeschichten 73; Pesch, Mk-Ev
I 272). Hier wird vielmehr die Schöpfermacht der Gottheit über die Naturge-
walten zur Zwangsbeeinflussung bestimmter Mächte dienstbar gemacht (vgl.
u.a. PGM IV,3062ff.; V,137ff.).
274 Naturwunder Jesu

genuin hellenistisch und markiert den entscheidenden Unterschied zu


den atl, zwischentestamentarischen und meisten rabbinischen Sturmstil-
lungstraditionen. Umgekehrt deuten die engen Bezüge zu Jona 1 auf ein
judenchristliches Milieu hin. Vermutlich handelt es sich bei Mk 4,35-41
um eine im griechischsprechenden Judenchristentum unter Einfluß
paganer magischer Tradition vollzogene Ausgestaltung der Jonaerzählung.
Maßgebliches Ziel wird es dabei gewesen sein, den Wundertäter Jesus,
was den Einfluß auf Naturgewalten angeht, in nichts hinter griechischen
Magiern, Schamanen und mantischen Philosophen zurückstehen zu
lassen 11 .

3.3. Die wunderbare Brotvermehrung (Mk 6,30-44par, 8,1-10)


Die Erzählung von der wunderbaren Brotvermehrung 12 liegt in zwei
syn Fassungen (Mk 6,30-44parr; 8,l-10par) und einer demgegenüber
sekundären joh Version (Joh 6,1-15) vor. Die aus Mk 6,30-44 und 8,1-10
rekonstruierbare älteste Tradition berichtete davon, daß Jesus am See
Genezareth eine Volksmenge von 4000 Personen mit sieben Broten und
wenigen Fischen sättigte und sieben Körbe mit Speiseresten übrigblie-
ben. Historischer Haftpunkt der Erzählung ist wahrscheinlich eine Mahl-
gemeinschaft Jesu und seiner Anhänger bei Brot und Fisch am See Ge-
nezareth, wobei die Heilsbezüge dieses Ereignisses im nachhinein durch
das atl-jüdische Traditionsmotiv von unermeßlichen Speisemengen als
Charakteristikum für die Freuden der Endzeit (äth Hen 10,18f; syr Bar
29,5f; Sib 111,744-750) zum Ausdruck gebracht werden. Bei dieser Aus-
gestaltung zur Wundergeschichte erfolgten starke Anleihen aus der
Elisa-Erzählung 2 Kön 2,42-44, die Struktur und Handlungsablauf der ntl
Speisevermehrungserzählung entscheidend prägt. Jesus erscheint nun-
mehr als ein Elisa bei weitem überbietender Wundertäter, der mit weit-
aus geringeren Speisemengen eine ungleich größere Anzahl von Per-
sonen zu sättigen vermag, und wird dadurch sekundär zum vollmächtigen
Wunderpropheten.

n Vgl. zu den missionspropagandistischen Aspekten der Erzählung Schen-


ke, Wundererzählungen 70ff.; Pesch, Mk-Ev I 276. Ob zudem Konkurrenz
zum Asklepios- und Sarapiskult vorliegt (Schenke, aaO. 73), bleibt fraglich.
Beide Gottheiten werden offenbar erst im 2.Jhdt.n.Chr. als Retter auch aus
Seenot gepriesen (Ael Arist, Or 42,1.10; 45,29.33; vgl. zu Sarapis auch Deiß-
mann, Licht vom Osten 145-150).
12 Vgl. ausführlicher Kollmann, Ursprung und Gestalten 197-205.
Seewandel 275

3.4. Der Seewandel Jesu (Mk 6,45-52par)


In Analogie zu Mk 4,35-41 handelt es sich bei der Erzählung vom
Seewandel Jesu (Mk 6,45-52/Joh 6,16-21) 13 um eine sekundäre Bildung
ohne historischen Anhalt, die das Ziel verfolgt, Jesu Überlegenheit im
Vergleich mit hellenistischen &EIOI ötvSpEc, zu erweisen 1 4 .

Dio Chrys 111,30 formuliert programmatisch, daß derjenige, welcher das


Meer zu Fuß überschreitet (itE^EÜEoS-ai TTJV daXarrav), den Göttern an Dyna-
mis in nichts nachsteht (UT)SE TÖV ÖEUV aüruv iJTrova EXUV Süvauiv), und
verweist auf das Beispiel des Xerxes, der sein Fußvolk über das Wasser
führte (111,31). Ähnliche Vorstellungen scheinen hinter dem Ansinnen von An-
tiochus IV. in 2 Makk 5,21 zu stehen. Auch Euphemus (Pind, Pyth IV,61), dem
hyperboreeischen Magier (Luc, Philops 13) und den "Korkfüßlern" (Luc, Ver
Hist 11,4) wird die Befähigung zu Wasserwandel zugeschrieben.
Vereinzelt scheinen von antiken Magiern tatsächlich Versuche in diese
Richtung unternommen oder in schamanistischer Ekstase vorgeführt worden zu
sein. In dem auf Gewinn eines Dienstgeistes zielenden Formular PGM I,42ff.
ist davon die Rede, daß dieser Paredros Flüsse und Meere auf der Stelle ge-
frieren lasse, so daß der Magier aufrecht darauf laufen kann (ÖTIUC, EvSiaTpEXTjc.
OTaSiuc. 1,121; vgl. auch PGM XXXIV,7ff.). Zwei jüdische magische For-
mulare zu Wasserwandel finden sich im "Schwert des Mose" (HDM A
111,125; HDM B § 609).

3.5. Die Verfluchung des Feigenbaums (Mk 11,12-14.20.21)


Mk 11,12-14.20.21 stellt die einzige Strafwundererzählung der ntl
Jesusüberlieferung dar. R. Pesch rechnet hier mit einer authentischen,
von Mk unverändert aus seiner Passionsgeschichte übernommenen
Tradition, die Schadenszauber Jesu verbürge 1 5 . Jesus habe ohne tiefere

13 Joh 6,16-21 bietet dabei eine partiell ältere Fassung, die zwar um die
wunderbare Landung 6,21 bereichert ist, aber weder das wohl mk Motiv des
Jüngerunverstandes (Mk 6,52) enthält, noch von einer durch Seenot der Jün-
ger motivierten Sturmstillung (Mk 6,48.51) zu berichten weiß, vgl. Bultmann,
Joh-Ev 155; Schnackenburg, Joh-Ev II 37f.
14 A.Y. Collins, Rulers 211-225, vermutet plausibel eine Verschmelzung atl
und hellenistischer Tradition. Jesus werde als Messias die im AT Gott vorbe-
haltene Befähigung zu Wasserwandel zugeschrieben und dies unter Anknüpfung
an hellenistische Traditionen vom auf dem Wasser wandelnden göttlichen
Menschen einem griechisch-römischen Publikum einsehbar gemacht. Vgl. zu
den atl Traditionsbezügen der Seewandelerzählung Heil, Jesus Walking on the
Sea 37-56, der allerdings die hellenistischen Parallelen völlig übergeht.
15 Pesch, Mk-Ev II 193-197. Hirsch, Frühgeschichte I 125, vermutet einen
Zornesausbruch Jesu. Vgl. zur Auslegungsgeschichte auch Giesen, Feigenbaum
96-101. - Breit entfaltet ist das Bild von Jesus als Schadensmagier im
2.Jhdt.n.Chr. im Kindheitsevangelium des Thomas (3-5.14).
276 Naturwunder Jesu

zeichenhaft-symbolische Bedeutung ein magisches Fluchwort gegen ei-


nen Feigenbaum gesprochen, der dann tatsächlich am nächsten Tag
verdorrte. Demgegenüber zeigt eine hterarkritische Analyse, daß erst
Mk die Erzählung mit der Tempelreinigungsszene verschachtelt (vgl. Mk
5,25-43) und in den Passionsbericht integriert hat 1 6 , womit sich die
Datierung des Ereignisses auf den Tag nach dem Einzug in Jerusalem
und seine Lokalisierung in Bethanien als redaktionell erweisen. Für das
Verständnis des vormk Traditionskerns 17 ist die symbolträchtige Bedeu-
tung von ÖUXTJ, piCct und F,iipaivEiv entscheidend.

Der Feigenbaum (ouxrj) symbolisiert im AT ähnlich wie der Weinstock das


Volk Israel (Joel l,6f.). Jer 24,1-10 werden Exilanten und Daheimgebliebene
mit zwei Körben voller Feigen verglichen, Hos 9,10 gelten die Väter als
Frühfrucht am Feigenbaum. Mk 11,20 EISOV TTJV ouxfjv Ef;T]pauuEVT|v EX bi^öv
wurzelt uneingeschränkt in atl-prophetischer Gerichtstopik. Das gerichtete
Israel gleicht einem Feigenbaum ohne Früchte (Jer 8,13; Micha 7,1), und auch
^npaivEiv steht für das Gericht. Ephraim ist ein geschlagener Baum, dessen
Wurzeln vertrocknet sind (tac, pi^äc, aüroü E^npäv-9-ri) und keine Frucht mehr
bringen (Hos 9,16). Das Gericht an den Amoritern, einst groß wie Zedern und
stark wie Eichen, vollzieht sich durch Austrocknen der Früchte und Wurzeln
(i^TJpa TÖV xapitöv aütoü ETCÜVU&EV xai täc, bi^äc, aüroü ÜTtoxäTuv&EV Arnos 2,9).

Die Strafwundererzählung Mk 11,13.14.20.21 ist von ihrem Bildgehalt


her von vornherein auf das endzeitliche Gericht an Israel gemünzt. Die
durch Jesu Verfluchung hervorgerufene Vertrocknung des Feigenbaums
an seinen Wurzeln symbolisiert das Ende der Heilsgeschichte Israels.
Im Hintergrund steht somit jene christliche Position, die Pls in Rom
ll,16ff. entschieden bekämpft, indem er auf die nach wie vor lebendige,
die Christen als aufgepfropfte Zweige tragende Wurzel Israel verweist.
Die Nähe zu dieser hinter Rom ll,16ff. erkennbaren Haltung und zu
anderen nachösterlichen Stoffen wie Mt 8,12par, wo das Ende der
Heilsgeschichte Israels propagiert wird, sprechen für eine sekundäre
Formulierung von Mk 11,13.14.20.21. Dafür, daß Jesus nach Art "schwar-
zer Magie" Schadenszauber, und sei er auch nur gegen die Natur ge-
richtet, praktiziert hätte, liefert diese Erzählung keinen Beweis.

16 Auch die "besserwisserische" Bemerkung "denn es war keine Zeit für


Früchte" Mk 11,13 ist redaktionell. Vgl. zur literarkritischen Analyse Mün-
derlein, Verfluchung des Feigenbaums 89-91; Gnilka, Mk-Ev II 122f.
17 Ältere Traditionsstufen sind nicht erkennbar. Zu spitzfindig Münderlein,
Verfluchung des Feigenbaums 90: Da Mk 11,14 von Unfruchtbarkeit, 11.20
hingegen von Verdorrung die Rede ist, handele es sich bei ll,20f. um eine
nachträgliche Anfügung. Ähnlich Bartsch, "Verfluchung" des Feigenbaums 257,
der Mk 11,13.14a im Sinne eines als Fluch mißverstandenen apokalyptischen
Jesuswortes als älteste Überlieferung ansieht.
Stater im Fischmaul 277

3.6. Der Stater im Fischmaul (Mt 17,24-27)


In der Tempelsteuerkontroverse Mt 17,24-27, einer aus der Zeit vor
der Tempelzerstörung herrührenden mt Sondergutüberlieferung, ist die
Wunderthematik von dem Stater im Fischmaul (17,27) erst sekundär
eingeflossen. Ältester Überlieferungskern sind die tempelkritischen
Logien Mt 17,25b.26, in denen die grundsätzliche Freiheit von der Tem-
pelsteuer propagiert wird. Hier spiegelt sich wahrscheinlich die Geset-
zeshaltung einer vormt judenchristlichen Gruppierung, die sich bereits
vom Tempelkult gelöst hat und diesen nicht mehr mitfinanziert 18 . In
ihrer um Mt 17,24.25a. 27 bereicherten Endgestalt signalisiert die
Perikope demgegenüber Kompromißbereitschaft, indem eine Relativie-
rung der 17,25b.26 gegebenen konsequenten Absage an die Tempelsteu-
er erfolgt und diese wider besseres Wissen um die grundsätzliche
Freiheit von ihr dennoch entrichtet werden soll. Als normbegründend
fungiert dabei ein Wunder, denn auf Geheiß Jesu hin findet Petrus den
benötigten Steuerbetrag von einem Stater im Maul eines Fisches. Zur
Abschwächung der älteren Kultkritik von Mt 17,25b.26 und zur Legiti-
mation der eigenen Position 19 wird hier von moderateren Judenchristen
die antike Wanderlegende vom Geld- oder Schmuckstück im Inneren
eines Fisches 2 0 in die Tempelsteuertradition integriert und mit Jesus in
Verbindung gebracht. Für eine Erhellung der Wunderpraxis Jesu trägt
Mk 17,27 als sekundär in die Jesustradition eingedrungene antike Wan-
derlegende nichts aus.

3.7. Der wunderbare Fischfang (Lk 5,1-11/Joh 21,1-14)


Von einem durch Jesus in Gang gesetzten Fischfangwunder berichten
in Grundzügen übereinstimmend sowohl Lk 5,1-11 als auch Joh 21,1-14.
Lk 5,1-11 basiert auf der redaktionellen Verknüpfung mindestens dreier un-
terschiedlicher Traditionsvorlagen. Bei Lk 5,1-3 handelt es sich um eine lk

18 Gnilka, Mt-Ev II 118. Alternativ könnte die tempelkritische Haltung


von Mt 17,25b.26 mit ihrer sachlichen Nähe zu Mk ll,15-17par von Jesus sel-
ber herrühren (Luz, Mt-Ev II 533f.). Vollenweider, Freiheit 173f., hält dage-
gen das "Jein" zur Tempelsteuer in Mt 17,24-27 für ursprünglich.
19 Vgl. dazu im antiken Judentum A.I. Baumgarten, Miracles and Halakah
246-253, sowie die Eliezer ben Hyrkanus zugeschriebene Wundertradition
bBM 59b. Dort wird allerdings eine vorher feststehende Gesetzeshaltung im
nachhinein durch Wunder beglaubigt, während Mt 17,24-27 erst im Wunder
selber die richtungsweisende Normierung der Halakha offenbar wird.
20 Herodot, Hist 111,42; Strabo XIV 1,16; bSchab 119a, vgl. zum Ganzen
R. Meyer, Ring des Polykrates 665ff.
278 Naturwunder Jesu

Ausgestaltung der Seepredigtszene Mk 4,lf. (vgl. Mk 3,7-9) 21 . Lediglich Lk


5,2 könnte, sofern nicht eine Abwandlung von Mk 1,19 vorliegt, ein Rudiment
der Lk 5,4 einsetzenden, aus lk Sonderüberlieferung stammenden Fischfang-
erzählung sein. Diese findet Lk 5,9 in der Admiration mit Furchtmotiv (vgl.
Mk 1,27; 4,41; Lk 7,16) ihren stilgemäßen Abschluß, während die Anfügung
von Lk 5,10f. mit der Nachfolgethematik uneingeschränkt durch Mk 1,16-20
motiviert ist und die Fischfangerzählung folglich vorlk weder das Menschen-
fischerwort noch eine anderweitige Verheißung an Petrus beinhaltete. Daß
Jesus sich während des Wunders im Boot auf dem See befindet, kommt erst
durch die redaktionelle Vorschaltung von Mk 4,lf. in Lk 5,1-3 zustande.
In dem ebenfalls mehrschichtigen Komplex Joh 21,1-14 2 2 wurde eine von
Lk literarisch unabhängige Traditionsvariante der Fischfangerzählung, die
neben 21,2-8 auch 21,11 als Wunderkonstatierung umfaßte, durch redakti-
onelle Nahtstellen (21,1.9a.10.14) mit einer Ostermahlszene (21,9b.12.13) ver-
schmolzen 23 . Mit der Nichterkennungsthematik von 21,4 als integrativem
Bestandteil 2 4 handelte es sich bei der Fischfangerzählung bereits vorjoh um
eine Ostergeschichte. Auch die Rekognitionsszene Joh 21,7 wird mit der Ein-
schränkung, daß der Lieblingsjünger hier wie in Joh 20,1-10 Petrus als Erst-
erkennenden verdrängt hat 2 5 , zum ältesten Erzählbestand gehört haben.

Das Wunder beschränkt sich auf das außerordentliche Vorauswissen


Jesu um einen erfolgreichen Fischfang der Jünger bei Tage. Nur ent-
fernte Berührungen sind mit Porph, Vit Pyth 25/Iambl, Vit Pyth VIII,36
gegeben, wo Pythagoras die exakte Anzahl der gefangenen Fische vor-

21 Vgl. zur Analyse von Lk 5,1-3 Pesch, Fischfang 53-57; Bovon, Lk-Ev I
231f.
22 Die Mehrschichtigkeit erhellt aus Unstimmigkeiten im Handlungsab-
lauf. Joh 21,5f. zufolge soll der Fischfang zur Nahrungsbeschaffung dienen,
entsprechend bringt Petrus 21,11 die Fische herbei, während 21,9 im Gegen-
satz dazu schon ein Mahl bereitsteht. Zudem haftet an der Fischfangtradition
iX&ÜEc,, während in der Speisungsszene von öijiäpiov die Rede ist.
23 Joh 21,1.14 sind redaktionelle Rahmenstücke, 21,9a verklammert die
Fischfang- mit der Speisungstradition, und 21,10 dient der Glättung des Wi-
derspruches zwischen 21,5 und 21,9. Vgl. auch Pesch, Fischfang 86-107; Ro-
loff, Kerygma 258-260; Schnackenburg, Joh-Ev III 410-413; Becker, Joh-Ev II
626ff., die mit freilich differierender Umfangsbestimmung eine durch redak-
tionelle Rahmenpartien miteinander verbundene Fischfang- und Speisungs-
überlieferung rekonstruieren.
24 Gegen Roloff, Kerygma 258-260, der Joh 21,1.3c.4.9.12.13 für die
Mahlszene beansprucht, sind keine literarkritischen Indizien für eine Heraus-
lösung des eng mit 21,5 verbundenen Verses 21,4 aus der Fischfanggeschichte
gegeben. Gleichermaßen abzulehnen ist die Zuweisung von 21,4a an die
Fischfang- und von 21,4b an die Speisungstradition (so Pesch, Fischfang
93-95), da 21,4 eine homogene Einheit darstellt.
25 Die Gestalt des Lieblingsjüngers ist interpoliert, da er 21,7 unvermit-
telt auftritt, ohne in der Jüngerliste 21,2 Erwähnung gefunden zu haben
(Becker, Joh-Ev II 637).
Weinwunder zu Kana 279

aussagt und zudem bewirkt, daß während seiner Anwesenheit keiner der
zur Zählung dem Wasser entnommenen Fische verendet. Auch von ma-
gischen Praktiken, wie sie HDM A 111,54 und HDM B § 608 zur Ge-
währleistung eines erfolgreichen Fischfanges überliefert sind, ist in Lk
5,1-11/Joh 21,2-8.11 keine Rede.
Da die Joh 21,1-14 ohnehin nicht gegebene Bindung des Fischfangwun-
ders an das Menschenfischerwort in Lk 5,1-11 erst redaktionell zustan-
dekam, dürfte die Erzählung kaum aus dem Logion Mk 1,17/Lk 5,11
heraus entwickelt worden sein 2 6 . Wesentlich plausibler erscheint die
Annahme, daß es sich bei der Fischfangerzählung um eine erst bei Lk in
das Erdenleben Jesu zurückdatierte Ostergeschichte handelt 27 , die
entweder eine erzählerische Ausgestaltung des Erscheinungskerygmas
1 Kor 15,5; Lk 24,34 bietet oder tatsächlich auf eine Christusvision des
Jüngerkreises um Petrus am See Genezareth zurückgeht und ihrer-
seits die historische Grundlage von 1 Kor 15,5; Lk 24,34 darstellt. Für
Joh 21,2-8.11 ist aufgrund von 21,4.7 der Status einer Ostergeschichte
mit Wiedererkennungsthematik vorjoh gesichert, und für Lk 5,4-9 ist
das im Fischfangkontext befremdliche, aus der Perspektive der Verleug-
nungsszene Mk 14,66-72parr dagegen zwanglos verständliche Sündenbe-
kenntnis des Petrus wichtigstes Indiz in diese Richtung. Daß Jesus zu
seinen Lebzeiten am See Genezareth kraft außergewöhnlichen Voraus-
wissens ein Fischfangwunder in Gang gesetzt hat, ist Lk 5,1-11/Joh
21,1-14 somit nicht entnehmbar.

3.8. Das Weinwunder zu Kana (Joh 2,1-12)


Mit der Kanaerzählung bietet das Joh-Ev eine weitere Naturwunder-
tradition, die ursprünglich wohl mit der "Weinregel" Joh 2,10 als stilge-
mäßer Konstatierung des Verwandlungswunders endete 2 8 . Seit W.
Bousset sieht man hier ohne Anhalt am Wirken Jesu das Eindringen hel-
lenistischer Wundertradition in die Evangelienüberlieferung gegeben, be-
ruft sich dabei auf mehrere Dionysoslegenden, in denen von der Bereit-

26 Gegen Schürmann, Lk-Ev I 273: Lk 5,1-11 sei eine aufgrund von Erin-
nerungen ausgebaute Uberlieferungsvariante von Mk 1,16-20; Bovon, Lk-Ev I
234: Es handele sich um einen Midrasch zu Mk 1,16-20 oder um eine Wei-
terentwicklung. Ähnlich bereits Bultmann, Syn Tradition 26f.232.
27 Graß, Ostergeschehen 75ff.; Fitzmyer, Luke I 56lf.
28 Bultmann, Joh-Ev 79.85; Schnackenburg, Joh-Ev I 338.358; Fortna,
Gospel of Signs 34-38; Becker, Joh-Ev I 101.110; Schnelle, Antidoket. Ch'ri-
stologie 91. Innerhalb von Joh 2,1-10 dürften die Zeitangabe 2,1 und die
Parenthese 2,9 auf den Evangelisten zurückgehen.
280 Naturwunder Jesu

Stellung großer Weinmengen berichtet wird, und wertet die Kanaerzäh-


lung als Versuch des hellenistischen Christentums, Dionysos durch
Jesus zu überbieten 2 9 .

Wichtigste Parallele aus dem Dionysoskult ist Theopompos FGH II 115,


277; Paus VI 26,lf.: Im Heiligtum zu Elis brachten die Priester am Vorabend
des jährlichen Dionysosfestes drei leere Kessel in einen dafür vorgesehenen
Raum, versiegelten dessen Tür und präsentierten - vermutlich durch Manipu-
lation - die Gefäße am nächsten Tag mit Wein gefüllt. Vielfach ist im Zu-
sammenhang mit Dionysos die Vorstellung belegt, daß zu bestimmten Zeiten
Wein aus Quellen sprudelt (Plin, Hist Nat 2,231; Diod Sic 11166,2; Luc, Ver
Hist 1,7; Philostr, Imag 1,14).

Da unsicher bleibt, ob die für das Kanawunder charakteristische


Verwandlung von Wasser in Wein im Zusammenhang mit Dionysos eine
Rolle spielt 3 0 , kann allerdings mit mindestens gleicher Berechtigung das
atl-jüdische Traditionsmotiv vom Wein als Sinnbild für die eschato-
logischen Freuden als ideengeschichtlicher Hintergrund für Joh 2,1-10
beansprucht werden 3 1 . Vermutlich ist die bezüglich des Traditionshin-
tergrundes von Joh 2,1-10 aufgestellte Alternative zwischen Dionysoskult
einerseits, atl-jüdischer Weinmetaphorik andererseits in dieser Aus-
schließlichkeit ohnehin falsch, da bereits in vorchristlicher Zeit Diony-
sosvorstellungen das palästinische Judentum beeinflußten und von daher
das für den Dionysoskult maßgebliche Weinmotiv mit traditionellen
jüdischen Vorstellungen von Gott als Trank- oder Weinspender ver-
schmolzen werden konnte.

Unter den Seleukiden wurde der Dionysoskult in Jerusalem 167v.Chr.


zwangsweise eingeführt (2 Makk 6,7), in ntl Zeit war er in Palästina nach-
weislich in Tyros, Sidon und Scythapolis etabliert 3 2 . Dabei kam es offenkun-
dig zu einer Integration von Dionysoselementen in den jüdischen Gottesglau-
ben. Plut, Mor 671C-672B, bietet eine Parallelisierung von Jahwe- und

29 Bousset, Kyrios Christos 62.270-274; Bultmann, Joh-Ev 83; Becker,


Joh-Ev I 110f.; Broer, Ableitung 120-122. Modifiziert Linnemann. Hochzeit zu
Kana 414-418: Es handele sich um einen bewußten christlichen Gegen-
entwurf zu den Dionysoslegenden.
30 Plin, Hist Nat 2,231; Luc, Ver Hist 1,7; Philostr, Imag 1,14, setzen
nicht zwingend die vorübergehende Verwandlung sonst aus der Quelle flie-
ßenden Wassers in Wein voraus (so Broer, Ableitung 115ff.; Berger/Colpe,
Textbuch 151f.).
31 Jeremias, Jesus als Weltvollender 28f.; Noetzel, Christus und Dionysos
39-58; Schnackenburg, Joh-Ev I 341; Brown, John I 105. Vgl. als Belege Gen
49,llf.; äth Hen 10,19; syr Bar 29,5; Sib III 620-622.744f. und die Papiastra-
dition Iren, Haer V33,3. Rabbinisches Material bei Noetzel, aaO. 43-46.
32 M. Smith, Wine God in Palestine 815ff; Hengel, Wine Miracle 108ff.
Zeichenforderung 281

Dionysoskult bis hin zur Identifikation beider Gottheiten 33 . Speziell das mit
Dionysos verbundene Weinmotiv konnte mit der Vorstellung von Gott als Ge-
währer wunderbaren Trankes (Ex 17,1-7; Num 20,7ff.) sowie mit dem Tra-
ditionsmotiv der von Gott gegebenen Weinfülle als Sinnbild der endzeitlichen
Freuden verknüpft werden, ohne als Fremdkörper empfunden zu werden 3 4 .

Folglich liegt der Skopus von Joh 2,1-10 nicht zwangsläufig in einer
bewußten Überbietung des Weingottes Dionysos durch Jesus. Die Impli-
kate "Hochzeit" und "Überfluß besten Weines" dürften hier eher als mit
Jesu Gegenwart verbundene Charakteristika der Heilszeit zu begreifen
sein, indem unter Rückgriff auf das atl-jüdische, vermutlich von Diony-
sosbezügen mitgespeiste Motiv vom unermeßlichen Wein als Symbol der
heilszeitlichen Freuden das Auftreten Jesu als Phase gegenwärtiger
Heilserfüllung gekennzeichnet wird. Dabei könnte als geschichtlicher
Haftpunkt die Teilnahme Jesu, der in den Augen seiner Gegner als
oivoTtÖTTic; galt (Mt ll,19par), an einer Hochzeitsfeier zu Kana zugrunde-
liegen. Ein Weinwunder Jesu läßt sich dagegen aus Joh 2,1-10 historisch
nicht ableiten.
Letztlich bestätigen die Einzelanalysen den von der syn Logienüber-
lieferung vermittelten Eindruck, daß Jesu Wunderwirksamkeit auf Dämo-
nenaustreibungen und Krankenheilungen beschränkt blieb und er keine
Naturwunder vollbrachte. Bei der Mehrzahl der Naturwundererzählungen
sind unterschiedlichste geschichtliche Haftpunkte gegeben, die im nach-
hinein wunderhaft ausgestaltet wurden, in einigen Fällen liegen uneinge-
schränkt sekundäre Bildungen vor. Im Kontrast zu Pythagoras, Empedo-
kles oder Apollonius wird Jesus nur ansatzweise mit Zügen des die
Natur beherrschenden oder mit ihr vertrauten Magiers und Schamanen
ausgestattet (Mk 1,13; 4,35-41; 6,45-52), Erzählungen über die Vorhersa-
ge oder Abwehr von Naturkatastrophen fehlen völlig.

4. Die Verweigerung demonstrativer Machterweise


4.1. Jesu Ablehnung der Zeichenforderung (Mk 8,llf.parr)
Nicht nur die enge Verquickung von Wunder und Wort, sondern auch
die Nähe von Lk 10,18 zu prophetischen Berufungsvisionen könnten zu
der Annahme verleiten, daß Jesus als Wunderprophet auftrat, indem er

33 Vgl. Stern, Greek and Latin Authors I 559-562, ferner Tac, Hist V5,5,
und dazu Heubner/Fauth, Komm V 87-90.
34 Hengel, Wine Miracle 11 f., unter Verweis auf die vom Dionysoskult
geprägte Ausgestaltung der Exodustradition in MekhEx 18,9 (dem Wüstenfel-
sen entströmt Wein).
282 Verweigerung von Machterweisen

eine bestimmte Art prophetischer Verkündigung durch demonstrative


Machterweise zu beglaubigen suchte. Demgegenüber wird in der Dop-
pelüberlieferung Mk 8,llf.parr das Ansinnen einer prophetischen Zei-
chengewährung abgewiesen. Während dies Mk 8,llf. ohne Einschränkung
der Fall ist, wird in Q positiv das "Jonazeichen" in Aussicht gestellt.
Bei Mt begegnet die Zeichenforderungsperikope in 16,1-4 unter Einfluß der
Mk-Akoluthie, wobei allerdings neben Mk 8,llf. l auch die Mt 12,38-42
wiedergegebene Q-Fassung mit dem Mk 8,1 lf. fehlenden Motiv des Jonazei-
chens mitverarbeitet wurde (Mt 16,4). Lk hingegen bietet den Stoff allein ge-
mäß der Q-Stoffolge (Lk 11,29-32). Er läßt aber in dem redaktionellen
Vorverweis 11,16 (7t£ipär,ovTEC,, CJ]TETV Ttap' aüroü) und in 11,29 (XEYEIV, fj
YEVEa aÜTT), OT)U.ETOV OITET) Formulierungen aus Mk 8,llf. einfließen, die in
der weitgehend auf Q basierenden Parallele Mt 12,38-42 nicht belegt sind.
Weder die 4>apioaToi Mk 8,11 noch die davon beeinflußten YPap.u.aTETc. xai
«fcapioaToi Mt 12,38, sondern unbestimmte Personen (Lk 11,16) dürften die
ursprünglichen Erheber der Zeichenforderung gewesen sein, da in Jesu Ant-
wort Mk 8,12parr von der YEVEÖC aürn die Rede ist 2 . Erst auf Mk geht äitö
TOÖ oüpavoü 8,11 zurück, das sowohl in Q (Mt 12,38) als auch in Jesu Ant-
wort Mk 8,12 fehlt . Die Zeichenverweigerung Mk 8,12b hat gegenüber der
Q-Fassung Mt 12,39/Lk 11,29 als Amen-Wort und mit ablehnendem Ei als
DN entsprechender Einleitung einer Beteuerungsformel ein höheres Alter
bewahrt 4 .
Entscheidender Unterschied zwischen vormk und Q-Fassung der Zeichen-
forderung ist die Ablehnung jeglichen Zeichens in Mk 8,llf., während nach
Q das "Zeichen des Jona" in Aussicht gestellt (Mt 12,39/Lk 11,29) und mit
Deutesprüchen versehen wird (Mt 12,40-42/Lk 11,30-32), die bei Lk in älte-
rer Form vorliegen 5 . Die bereits in Q mit Mt 12,40/Lk 11,30 verbundenen
Gerichtssprüche Mt 12,41f./Lk ll,31f. stellen dabei höchstwahrscheinlich
einen Zuwachs dar 6 . Auch bei Lk 11,30 (Q) handelt es sich kaum um einen

1 Mk 8,13 zählt nicht mehr zur Tradition, sondern ist redaktionelle Über-
leitung, vgl. Koch, Wundererzählungen 156 mit Anm. 4; Gnilka, Mk-Ev I 305;
Lührmann, Mk-Ev 136f.
2 Gegen Vögtle, Jonaszeichen 111, Anm.42. Vgl. zum sekundären
Charakter von <t>apioaToi in Mk 8,11 Kertelge, Wunder Jesu 23f.; Schulz, Q
254, Anm.537; Lührmann, Mk-Ev 136; zur mt Parallelisierung von YPOWXTETC,
xai <J>apioaToi in Mt 12,38 neben 5,20 insbesondere Mt 23,2-34.
3 Linton, Sign from Heaven 117; Kertelge, Wunder Jesu 24; Lührmann,
Mk-Ev 136. Die pneumatische Erregung Jesu Mk 8,12a ist ebenfalls mk.
4 Vgl. Edwards, Sign of Jonah 75; Vögtle, Jonaszeichen 110; Pesch, Mk-
Ev I 409. Hasler, Amen 31, hält dagegen dufjv Mk 8,12 für redaktionell.
5 Erst Mt hat mittels des Schriftzitats Jon 2,1 expressis verbis das Ge-
schick des Jona auf Jesu Tod und Auferstehung hin gedeutet und zu diesem
Zwecke wohl auch die bei Lk exakter bewahrte Reihenfolge der Logien Lk
12,31f.par vertauscht, vgl. Bultmann, Syn Tradition 118; Vögtle, Jonaszeichen
116-127; Schulz, Q 252; Gnilka, Mt-Ev I 464.
6 Bultmann, Syn Tradition 118; Klostermann, Mt-Ev 112; Jeremias,
ThWNT III 412; Lührmann, Redaktion 37ff.; Schulz, Q 253.
Zeichenforderung 283

originären Bestandteil der Zeichenforderungstradition, sondern um eine s e -


kundäre Parusie- oder Gerichtsankündigung 7 . Das Jonazeichen in Q war also
ursprünglich nicht erläutert. Es aus diesem Grunde im Sinne eines unver-
ständlichen Rätselspruches Jesu als authentisch zu betrachten 8 , widerspricht
der fundamentalen Einsicht der ntl Gleichnisforschung, daß Jesus nicht EV
uuoTT)pioic, sprach, sondern sich allgemeinverständlicher Verkündigungsinhalte
bediente. Ohnehin ruft das Jonazeichen die Rettung aus dem Walfisch wach 9 ,
womit die zukünftige (SoöfjoETai) Gewährung des Jonazeichens Mt 12,39/Lk
11,29 von vornherein einen Verweis auf Jesu Errettung aus dem Tode durch
Auferstehung oder Parusie darstellt.
Folglich ist die plausibelste Erklärung für die differierende Zurückweisung
der Zeichenforderung in Mk 8,12 und Q, daß das OTJUETOV Tuva in Mt
12,39/Lk 11,29 erst im Zusammenhang mit der Anfügung des Logions Mt
12,40/Lk 11,30 eingebracht wurde und Mk 8,12 mit der kategorischen Ableh-
nung einer Zeichengewährung die älteste, historisch glaubwürdige Reaktion
Jesu auf die Zeichenforderung darstellt 1 0 .

Für das Zeichenbegehren Mk 8,llparr stellt der atl Begriff m x (LXX


der Wundertaten miteinschließt, ohne sich darin zu erschöpfen,
OTIUEIOV),
und seine enge Verbindung mit der göttlichen Beglaubigung propheti-
schen Anspruchs den nächstliegenden Anknüpfungspunkt dar.
Eine n l X , die den Propheten als eine in göttlicher Autorität handelnde
Person beglaubigt, kann in Form eines Wunders geschehen, muß dies aber
nicht zwangsläufig tun. Entscheidend ist nicht Art oder Größe der HTX,
sondern eine möglichst weitgehende Übereinstimmung zwischen Prophezeiung
und tatsächlichem Geschehen, indem es sich um eine auf ihr Eintreffen hin
überprüfbare Zeichenansage mit Legitimationsfunktion handelt 11 . Anschauliche
Beispiele aus dem AT sind etwa die mosaischen n l n i X in Ex 10,lff., das

7 Klostermann, Mt-Ev 112; Tödt, Menschensohn 48f.; Vögtle, Jonaszei-


chen 127-134; Gnilka, Mt-Ev I 468.
8 Gnilka, Mt-Ev I 468: "Die Rätselhaftigkeit dieser Antwort (sc. Mt
12,39par) spricht sehr dafür, daß sowohl sie als auch die vorangehende Zei-
chenforderung in das Leben Jesu zurückreichen." Ähnlich Kümmel, Verhei-
ßung und Erfüllung 61 f.; Seidelin, Jonaszeichen 129f; Vögtle, Jonaszeichen 133.
9 Vgl. Jeremias, ThWNT III 412: ("das dem Jonas widerfahrene Wunder");
Seidelin, Jonaszeichen 122-130. Gegen G. Schmitt, Zeichen des Jona 123-129:
OT)LIETOV Tuva rekurriere als gen.subj. auf die als Zeichen (tEpac,) geltende
Ankündigung der Zerstörung Jerusalems durch Jona Vit Proph 10,10 (Rez. B).
10 Lohmeyer, Mk-Ev 156, Anm.4; Lührmann, Redaktion 37.42; Edwards,
Sign of Jonah 83-87; Linton, Sign from Heaven 119; Pesch, Mk-Ev I 409;
Schenk, Einfluß 153f.: Merklein, Gottesherrschaft als Handlungsprinzip 126;
Sand, Mt-Ev 266; Sato, Q 282. Gegen Kümmel, Verheißung und Erfüllung
61f.; Vögtle, Jonaszeichen 134; Schulz, Q 254; Perrin, Jesus 219f.; Gnilka,
Mk-Ev I 305; Schmithals, Mk-Ev I 367; Luz, Mt-Ev II 274f„ die das Jona-
zeichen für ursprünglich halten.
n Vgl. Linton, Sign from Heaven 123-129; Helfmeyer, ThWAT I 199-203;
Stolz, Zeichen und Wunder 126-129; Bittner, Jesu Zeichen 24-27.
284 Verweigerung von Machterweisen

Sterben beider Eli-Söhne an demselben Tage 1 Sam 2,34, die Saul von Sa-
muel gewährten drei Zeichen 1 Sam 10,1-16 und die ebenfalls als HIX ge-
kennzeichnete Immanuelverheißung Jes 7,14-16. Darüber hinaus ist auch Dtn
13,1-5 entnehmbar, daß "Zeichen oder Wunder" gewöhnlich der Legitimation
prophetischer Rede dienen.
Besondere Ausprägung hat der traditionelle, bis in die rabbinische Zeit
bedeutsame 1 2 Zusammenhang zwischen dem Anspruch prophetischer Sendung
und dessen Erweis durch angekündigte onuEla für das von Josephus geschil-
derte Auftreten jüdischer Zeichenpropheten im l.Jhdt.n.Chr. erfahren 13 .

Das Ansinnen von Mk 8,11 ist somit im Horizont einer in jüdischer


Tradition fest verwurzelten Verbindung zwischen Zeichengewährung und
Legitimierung prophetischen Anspruchs zu sehen 14 . Mk 8,11 setzt offen-
kundig bei den an Jesus herantretenden Personen ein prophetisches
Verständnis seines Wirkens voraus. Es wird eine Zeichenforderung mit
der Absicht erhoben, Klarheit hinsichtlich der göttlichen Autorisierung
Jesu als eines Propheten oder als des Endzeitpropheten zu gewinnen.
Bei diesem ÖTIUEIOV ist am ehesten an eine Wundertat gedacht 15 , die
sich den traditionellen Konnotationen einer PIX entsprechend von den
sonstigen Wundern Jesu qualitativ dadurch unterscheidet, daß sie vorher
angekündigt wird und somit auf ihr Eintreffen hin überprüfbar ist. Jesu
Dämonenaustreibungen und Heilungen galten offenbar bei seinen Zeitge-
nossen nicht als hinreichende Legitimationserweise. Dabei ergeben sich
Berührungspunkte zu der Beelzebulkontroverse, die in Q der Zeichen-
forderung vorangeht und in der gleichermaßen die göttliche Urheber-
schaft des Wirkens Jesu problematisiert wird (Mt ll,24par). Möglicher-
weise haben solche Satansbündnisbezichtigungen, wie sie in der Beel-
zebulkontroverse bezeugt sind, sogar das Zeichenbegehren evoziert, in-

12 j Sanh 11,8(6) (30c): "(Wie verhält es sich bei) einem Propheten, der
(erst) anfängt zu prophezeien? Wenn er ein Zeichen und ein Wunder gibt,
hört man auf ihn; aber wenn nicht, hört man nicht auf ihn." Vgl. ferner
bSanh 89b; 98ab, zum Ganzen: Schlatter, Wunder in der Synagoge 67f.; Bil-
lerbeck I 640f.726f.; Rengstorf, ThWNT VII 225f.; Bittner, Jesu Zeichen 35-37.
13 Bell 11,259.261-263; V1.285; VII,438; Ant XVIII,85-87; XX.97-99.167-172.
Vgl. auch die Zeichengewährung (OT|UETOV) des Pythagoras Iambl, Vit Pyth
XXVIII,142 (Auftreten der weißen Bärin).
14 Hahn, Hoheitstitel 390: "Das Beglaubigungswunder hat von jeher seinen
Platz im Zusammenhang mit dem Anspruch der Propheten." Vgl. auch Schlat-
ter, Wunder in der Synagoge 54. Geringe Bedeutung kam offenbar im Juden-
tum der Zeitenwende der von Klostermann, Mt-Ev 111; Lohmeyer, Mk-Ev
156, für Mk 8,llf.parr als Hintergrund beanspruchten Vorstellung zu, der
Messias müsse sich durch Zeichen und Wunder ausweisen (vgl. allenfalls
Just, Dial 110,1, zum Ganzen Wilckens, Weisheit 34f. mit Anm.l; Billerbeck
I 641; Volz, Eschatologie 209).
15 OTIUETOV für die Wunder Jesu: Apg 2,22 und stereotyp im Joh-Ev.
Versuchungsgeschichte 285

dem eine auf ihr Eintreffen hin überprüfbare Wundertat Jesu eindeutigen
Aufschluß darüber geben sollte, ob Jesus im Einvernehmen mit Gott
handelt. Alternativ könnte Jesu Verständnis der Gottesherrschaft, das
mit seinen präsentischen Bezügen die Dimensionen zeitgenössischer jü-
discher Eschatologie sprengte, den Ruf nach einem Beglaubigungszei-
chen nach sich gezogen haben 16 . Ob in der Zeichenforderung Mk 8,11
speziell politisch-prophetische Ansprüche an Jesus als Führer im escha-
tologischen Befreiungskampf gegen Rom eine zentrale Rolle spielen 17 ,
bleibt dagegen fraglich. Das in diesem Zusammenhang als maßgeblicher
Hintergrund für Mk 8,11 reklamierte Phänomen politischer Prophetie mit
Ankündigung von orniEta fällt nach Josephus und der Apg erst in die
Jahrzehnte nach Jesu Auftreten.
Geht es bei der Gewährung von Zeichen traditionellerweise um die
Verifizierung prophetischer Rede, so zeigt Jesu bedingungslose Ableh-
nung jedes Zeichenbegehrens, daß er sich gegen ein Mißverständnis
seiner Person als Wunderprophet wendet und demonstrative Schauwun-
der verweigert. Die niniX der Propheten sind symbolisch höchst be-
deutsame, aber grundsätzlich austauschbare, nicht auf Notsituationen
bezogene Machterweise mit legitimatorischer Funktion. Indirekt ist Jesu
Weigerung Mk 8,12, ein derartiges Zeichen zu vollbringen, entnehmbar,
daß er seine Wunder nicht als demonstrative Beglaubigungszeichen im
Dienste von Verkündigung oder Lehre verstanden wissen will 18 , sondern
ihnen demgegenüber in unmittelbarem Zusammenhang mit der Durchset-
zung der Gottesherrschaft eigenständige Bedeutung zukommt.

4.2. Die Versuchung Jesu (Mt 4,1-11/Lk 4,1-13)


Weist die syn Zeichenforderungstradition somit ein Verständnis der
Wunder Jesu als demonstrativer Machterweise zurück, so deckt sich
dies der Sache nach mit der Aussageintention der Q-Versuchungsge-
schichte. Diese begegnet Mt 4,1-11 nicht allein in der Abfolge der Ver-
suchungen, sondern mit Einschränkungen auch dem Wortlaut nach in
ursprünglicherer Form, als dies Lk 4,1-13 der Fall ist 19 . Zwei der

16 Vgl. Linton, Sign from Heaven 128; Vögtle, Jonaszeichen 111.


17 Bittner, Jesu Zeichen 284: Jesus werde mit der Zeichenforderung ge-
fragt, ob er sich als der eschatologische Prophet und damit als Führer im
politisch-eschatologischen Freiheitskampf verstehe, und verneine dies, da
seine Sendung die des (davidischen) Messias sei (vgl. ebda. 52); ähnlich Hahn,
Hoheitstitel 391 mit Anm.3.
18 Vgl. Delling, Botschaft und Wunder 391; Merklein, Jesu Botschaft 71.
19 Vgl. Schulz, Q 177-181; Mahnke, Versuchungsgeschichte 170-182;
Gnilka, Mt-Ev I 83f.; Luz, Mt-Ev I 159f. Nicht in Q stand das aus Mk 1,13
286 Verweigerung von Machterweisen

drei Versuchungen von Mt 4,1-llpar bestehen in der Forderung von


Beglaubigungswundern zum Erweis der Gottessohnschaft Jesu, nämlich
der Verwandlung von Steinen in Brot (Mt 4,3par) und dem Sturz Jesu
von der Tempelzinne (Mt 4,6par). Die Q-Versuchungsgeschichte reflek-
tiert kein geschichtliches Ereignis 20 , sondern stellt eine Ausgestaltung
der den Versuchungsinhalt offenlassenden Traditionsvariante Mk l,12f.
dar 21 , wobei die wörtlichen LXX-Bezüge in Mt 4,1-llpar auf eine von
vornherein griechische Fassung hindeuten 22 .
Das Mk l,12f. inhärente Bild von Jesus als Magier oder Schamanen
wird einer Korrektur unterzogen, indem die dahingehend auffaßbaren
Motive des freundschaftlichen Umgangs mit Tieren und der Inanspruch-
nahme von Dienstengeln wegfallen und eine ablehnende Haltung gegen-
über der Auffassung eingenommen wird, daß magische Speisegewährung
und schamanistische Flugwunder als demonstrative Machttaten Jesu
Gottessohnschaft legitimieren. Vermutlich liegt dabei Kritik an einer
Überbetonung christologischer Theios Aner-Vorstellungen vor, wie sie sich
in der vormk Wunderüberlieferung mit ihrer Gottessohnchristologie (Mk
5,7; vgl. 1,24; 3,11) finden. Die in Machttaten manifeste Gottessohnschaft
Jesu schließt keine magisch-schamanistischen Schauwunder mit ein,
wobei dies im Horizont der dritten Versuchung speziell auch für Macht-
erweise zur Legitimation politisch-messianischer Ansprüche gilt 23 .
Sowohl die im Kern glaubwürdige Zeichenforderungstradition Mk
8,llf.parr als auch die als sachgemäßer urchristlicher Reflex 24 auf das

stammende Motiv der Dienstengel Mt 4,11. Gegen Fuchs, Versuchung 143f.,


der Mt 4,1-llpar Deutero-Mk zurechnet, ist an einer Q-Zugehörigkeit der
Perikope nicht zu zweifeln, vgl. Tuckett, Temptation Narrative 479ff.
20 Gegen Dupont, Versuchungen 104-123; Neugebauer, Jesu Versuchung
9-18.99-120.
21 Vgl. Bultmann, Syn Tradition 272-275; Schürmann, Lk-Ev I 219;
Schmithals, Mk-Ev I 90. Für eine Ursprünglichkeit der Q-Fassung gegen-
über Mk l,12f. tritt Schulz, Q 182, ein. Keinen direkten literarischen oder
traditionsgeschichtlichen Zusammenhang zwischen Mk l,12f. und Mt 4,1-llpar
sehen Davies/Allision, Matthew I 350.
22 Vgl. Stendahl, School of St. Matthew 150; Schulz, Q 185; Zeller,
Versuchungen 62.
23 Hoffmann, Versuchungsgeschichte 218f.; ähnlich Bultmann. Syn Tradi-
tion 273; Lohmeyer, Mt-Ev 58; Bornkamm, Enderwartung 33f.; Pokorny,
Temptation 124f. Vgl. zu den magisch-schamanistischen Implikationen oder
Theios Aner-Bezügen der Versuchungen Eitrem. Versuchung Christi 5-23;
Schulz, Q 182.186L
24 Bovon, Lk-Ev I 202: Die Diskussion Jesu mit Pharisäern über göttliche
Zeichen könne die historische Verwurzelung der Versuchungen Jesu darstel-
len. Vgl. auch Schürmann, Lk-Ev I 220: Aufgrund sachlicher Berührungen von
Markus-Evangelium 287

dortige Wunderverständnis zu beurteilende Q-Versuchungsgeschichte


deuten darauf hin, daß Jesus eine Gewährung demonstrativer Legitima-
tionserweise oder Schauwunder abgelehnt hat und sich folglich nicht als
Wunderprophet verstand. Das dafür maßgebliche Charakteristikum,
bestimmte Verkündigungsinhalte durch vorher festgelegte Zeichen als
gottgewirkt auszuweisen, ist bei Jesus nicht gegeben. Ähnlich wie Cha-
nina ben Dosa (bBer 34b; bBQ 50a) wehrt er sich dagegen, in die Scha-
blone des Wunderpropheten hineingepreßt zu werden 2 5 .

5. Jesus als Wundertäter in der Evangelienredaktion

Das in verschiedenen Schattierungen etablierte Bild von Jesus als


Wundertäter wird entscheidend von der redaktionellen Bearbeitung der
christologischen Wunderüberlieferung durch die Evangelisten mitgeprägt,
die in ihren unterschiedlichen Akzentuierungen deutlich von dem vorli-
terarischen und historischen Befund zu trennen ist. Bedeutsam ist in
diesem Zusammenhang die allerdings nur mit Einschränkungen aufrecht-
zuerhaltende Beobachtung von J.Z. Smith, daß Evangelien in Analogie zu
antiken Viten als "reverse aretalogies" mit doppelter Zielsetzung den
Gottessohn einerseits nach außen vor dem Verdacht der Magie schützen
wollen, andererseits nach innen einer mißverständlichen Reduktion
seiner Bedeutung auf die thaumaturgische Befähigung vorzubeugen
suchen, "the demonstration of divinity through miracles is relativized by
the motif of misunderstanding"1.

5.1. Jesus als Theios Aner im Mk-Ev


Als Mk mit seiner biographischen Darstellung des Lebens Jesu die li-
terarische Gattung "Evangelium" schuf, stand er vor der nicht zu unter-
schätzenden Aufgabe, als erster überhaupt eine Zusammenschau der
christologischen Wundertradition mit den vielfältigen anderen Jesusüber-
lieferungen zu bieten und dabei eine schlüssige Verhältnisbestimmung

Lk 4,l-13par mit Lk 10,18 und Mk 3,27parr "wäre es unkritisch, jeglichen


geschichtlichen Haftpunkt zu leugnen."
25 Auch für Ben Stada ist bSanh 67a im Blick auf seine Steinigung aus-
drücklich vermerkt, daß es sich bei ihm nicht um einen Propheten handelte.
l J.Z. Smith, Good News is No News 193.204L Vgl. auch M. Smith, Jesus
the Magician 86: Wie die Vita sei das Evangelium "in part an apologetic
work, written not only to glorify its hero, but also to defend him against the
Charge of practicing magic."
288 Jesus als Wundertäter bei den Evangelisten

zwischen Jesu Wunderwirken einerseits, Jesu Lehre und Verkündigung


andererseits zu treffen. Vormk war lediglich in den apophthegmatisch
ausgestalteten Wunderberichten Mk 2,1-12; 3,1-5 und 7,24-30 eine
direkte Beziehung zwischen Wunder und Wort gegeben, wobei die
Wundertat Jesu jeweils eine autoritative Lehrentscheidung über Fragen
der Sündenvergebungsvollmacht, der Sabbatobservanz oder der Zuwen-
dung zu Heiden normiert und von daher der Lehre untergeordnet ist.
Ansonsten wurden Traditionen von Jesus als Wundertäter und von Jesus
als Lehrer in der Mk überkommenen Überlieferung, seien es Einzelpe-
rikopen oder seien es umfassendere Stoffsammlungen, ohne wechselsei-
tigen Bezug und ohne Reflexion des inneren Zusammenhangs zwischen
Tat und Wort im Wirken Jesu unverbunden nebeneinander tradiert.

Sieht man von der Passionsgeschichte ab, so wurden Stoffsammlungen


vormk nicht unter biographisch-chronologischen, sondern unter thematischen
Gesichtspunkten erstellt. Neben einer Streitgesprächsammlung in Mk 2,1-3,5,
einer Gleichnissammlung in Mk 4,1-32 und einer Schulgesprächsammlung in
Mk 10 stand Mk dabei wahrscheinlich auch ein Wunderzyklus zur Verfügung.
Die redaktionell verschachtelten Wundererzählungen Mk 5,21-43 waren wohl
vormk ad vocem SüSExa (5,25.42) aneinandergefügt, und für Mk 6,34-52 legt
sich durch die parallele Stoffanordnung Joh 6,1-21 ein vormk Überlieferungs-
zusammenhang von Speisungswunder und Seewandel nahe. Da die Wunderge-
schichten in Mk 4,35-6,52 zudem mehrheitlich bereits vormk am See Gene-
zareth lokalisiert waren und vom Uberlieferungsmilieu wie der Christologie
her weitreichende Übereinstimmungen aufweisen, läßt sich hier mit hoher
Plausibilität ein vormk Wunderzyklus vermuten 2 , ohne daß er allerdings
zwingend beweisbar wäre.

Was Mk mit Jesus als Wundertäter verband und wie er sich das Zu-
sammenspiel von Wundern, Verkündigung oder Lehre und Leidensweg
im Auftreten Jesu dachte, ist der Stoffanordnung im Mk-Ev, mk Eingrif-
fen in seine Wunderüberlieferung und den überwiegend redaktionellen
Summarien Mk 1,32-39; 3,7-12 und 6,53-56 entnehmbar. Daß Wunderta-

2 Kuhn, Sammlungen 191-213. Reines Konstrukt ist der Versuch von Ach-
temeier, Isolation of Pre-Markan Miracle Catenae 265-291; ders., Function of
the Pre-Marcan Miracle Catenae 198-221, zwei parallelel laufende vormk
Wunderzyklen, die als Eucharistieliturgie gedient haben sollen, zu rekonstru-
ieren, zumal hier sogar Mk 6,34-44 und 6,45-51 unterschiedlichen Katenen
zugeordnet werden (dieser Rekonstruktion folgend: Kee, Aretalogies 13f.;
Mack, Myth of Innocence 216-219). Noch willkürlicher ist die von M. Smith,
Aretalogy Used by Mark 1-25, behauptete vormk Aretalogie, die mit Jesu
Taufe eingesetzt und mit der Epileptikerperikope Mk 9,14-29 geendet haben
soll. Kritisch gegenüber vormk Wunderzyklen: van Cangh, Collections 76-85;
Koch, Wundererzählungen 30-39.
Markus-Evangelium 289

ten für Mk einen konstitutiven Bestandteil des Wirkens Jesu ausmachen,


zeigt sich bereits daran, daß er eine verhältnismäßig hohe Anzahl von
Wundergeschichten in sein Evangelium aufnimmt und in 1,23-45 die
öffentliche Wirksamkeit Jesu nach der ersten Jüngerberufung sogleich
mit mehreren Wundertaten beginnen läßt. Maßgeblicher Stellenwert
kommt für Mk den Damonenaustreibungs- und Krankenheilungsberichten
zu, nur sie werden von allen Wundererzählungen in den Summarien
generalisierend als für Jesu Wirken typische Ereignisse ausgeweitet. Mk
zeigt sich dabei insbesondere an den traditionellen Dämonenbekennt-
nissen zu Jesus als Gottessohn (5,7; vgl. 1,24) positiv interessiert, indem
er sie in grundsätzlicher Zustimmung 3,11 redaktionell verstärkt. Auch
wenn dies durch die redaktionellen Schweigebefehle an Dämonen
(1,24.34; 3,12) und das Rückzugsmotiv (1,35; 3,7) eine gebrochene, erst
vom Kreuz her vollgültige Offenbarung darstellt (15,39), betrachtet Mk in
kritischer Übereinstimmung mit seiner Tradition Jesus aufgrund seiner
Wunder als Theios Aner 3 . In den Summarien 3,7-12 und 6,53-56 wird
selbst das unserer Analyse von Mk 5,25-34 zufolge aus hellenistischer
Theios Aner-Tradition stammende Motiv, daß die Berührung des Gewandes
Jesu auf magische Weise Anteil an seiner Dynamis sichert, nochmals
betont hervorgehoben. Mit deutlicher Distanz begegnet Mk den Natur-
wundererzählungen, die ihm zwar ebenfalls wegen der Epiphanie Jesu
als göttlicher Mensch wichtig sind (4,35-41; 6,45-52), aber in den Sum-
manen nicht vertieft werden. Die Naturwunder rufen Unverständnis
hervor (4,40; 6,52; 8,17-21), dem in der Speisungswundertradition
6,30-44 und 8,1-10 dominanten Bild von Jesus als Elia wie Elisa über-
treffendem Wunderpropheten kommt in der mk Christologie keine er-
kennbare Bedeutung zu. Für Mk ist Jesus mit seinen Machttaten kein
eschatologischer Wunderprophet, sondern Theios Aner, dessen vom Kreuz
her in voller Bedeutung erschließbare Gottessohnschaft in Dämonenaus-
treibungen und Krankenheilungen zumindest gebrochen offenbar wird.
Inwieweit Mk bei der Aufnahme von Wundergeschichten eine gezielte
Auswahl aus einem breiteren Traditionsstrom treffen konnte, entzieht
sich unserer Kenntnis. Im Gegensatz zu Mt und Lk nimmt er an Erzäh-
lungen mit schamanenhafter Porträtierung (Mk l,12f.) oder massiven

3 H.D. Betz, Jesus als göttlicher Mensch 424-427; Koch, Wundererzäh-


lungen 188-193. Schon aufgrund der redaktionellen Wundersummarien abwegig
ist die These von Weeden, Häresie 238-258; ders., Traditions in Conflict
162ff., Mk habe die Theios Aner-Christologie nur deshalb aufgenommen, um
sie als Häresie und "theological cancer" entschieden bekämpfen zu können
(ähnlich Schenke, Wundererzählungen 396-416). Nicht einmal der fremde
Dämonenaustreiber im Namen Jesu (Mk 9,38-40) gilt als Häretiker.
290 Jesus als Wundertäter bei den Evangelisten

Wunderpraktiken Jesu (Mk 7,31-37; 8,22-26) keinen Anstoß. Auch die


Berücksichtigung der nicht völlig in sein Konzept passenden Naturwun-
dergeschichten spricht dafür, daß Mk die ihm überkommene Wundertra-
dition in repräsentativer Breite bewahrt hat, und macht eine weitgrei-
fende Zensur oder eine "Unterdrückung von Beweismaterial" eher
unwahrscheinlich 4 .
Die in den vormk Stoffsammlungen und Einzelperikopen so gut wie
nicht in den Blick kommende Frage, in welcher Beziehung die Wunder
Jesu zu seiner Lehre und Verkündigung stehen, hat Mk dahingehend
beantwortet, daß die Wundertaten bei Jesus einer Beglaubigung der
Vollmacht des Wortes dienten. Die Verkündigung des Evangeliums in
Gestalt der nahen Gottesherrschaft steht Mk l,14f. dem Beginn des
Wunderwirkens Jesu programmatisch voran, während umgekehrt der für
Jesu Machttaten zentrale Wunderzyklus Mk 4,35 - 5,43 den Streitge-
sprächen von Mk 2-3 und den Gleichnissen von Mk 4,1-34 komposito-
risch nach- und damit sachlich untergeordnet ist. Zudem zeigt die für
die mk Christologie paradigmatische 5 , den Auftakt des Wunderwirkens
Jesu markierende Erzählung Mk 1,23-28, daß dem Evangelisten an einer
Reduktion der eigenständigen Bedeutung von Jesu Wundern zugunsten
einer Fundierung und Aufwertung von Jesu Lehre oder Verkündigung
gelegen ist. Mk stellt dem Wunderbericht 1,23-28 das Motiv des in be-
sonderer Vollmacht stehenden (SiSöoxuv uc, E^ouoiav EYUV), die Schrift-
gelehrten übertreffenden Lehrers Jesus voran. In Verbindung mit der
ebenfalls redaktionellen Formulierung SiSaxrj xaivrj xat' Er;ouoiav (1,27)
wird die erste Dämonenaustreibung Jesu inklusionsartig von Lehraussa-
gen gerahmt, folglich das Wunder vom Wort umschlossen und dies
programmatisch als für Jesu gesamtes Wirken typisch dargestellt 6 .

Die Inanspruchnahme der Wundertat zum Erweis der Vollmacht des Wortes
findet sich neben Mk 1,22.27 auch in der redaktionellen Plazierung des Mo-
tivs vom lehrenden Jesus vor die Heilung des Gelähmten Mk 2,1-12 (2,2b xai

4 Gegen M. Smith, Jesus the Magician 92f. Sofern Mk apologetisch dem


Verdacht der Magie oder Goetie vorbeugen wollte, hat er dies jedenfalls im
Vergleich mit Mt oder Philostrat (s.u.) mehr als ungeschickt angestellt.
5 Wellhausen, Evangelium Marci 12.
6 Ganz ähnlich stellt sich die mk Bearbeitung der "Tempelreinigung Jesu"
Mk 11,15-19 dar, wo Mk den mutmaßlich 11,15.16.17c umfassenden Uberliefe-
rungskern (vgl. die Gemeinsamkeiten mit Joh 2,14-17) redaktionell um das
Motiv des lehrenden Jesus (11,17ab) und das von dieser SiSaxfj hervorgerufene
Staunen (11,18) erweitert und damit gleichermaßen die Tat dem Wort unter-
ordnet. Als Auftakt des Jerusalemer Wirkens Jesu kommt dabei Mk 11,15-19
eine ähnlich exponierte Stellung zu, wie dies bei Mk 1,23-28 als überhaupt
erster öffentlicher Tat Jesu der Fall ist.
Markus-Evangelium 291

EXÖXEI aÜToTc, TÖV XÖYOV) und vor die Speisung der 5000 (Mk 6,34c xai fjp^aTO
SiSäoxEiv aüroüc, TtoXXä)7. In Mk 1,39, dem Abschluß des wohl in seiner
Gesamtheit auf den Evangelisten zurückgehenden Abschnitts 1.32-398 , resul-
tiert aus der Abfolge IJX-&EV xripüoouv EIC; täc; ouvaYUYac, aüruv ... xai rä
Sai[iövia ExßäXXuv ebenfalls eine Vorordnung des Wortes gegenüber der
dieses beglaubigenden Tat. Das gleiche Bild zeigt sich in der redaktionellen 9
Notiz Mk 6,2, wo zunächst Jesu Weisheit und erst an zweiter Stelle dann
seine Machttaten Erwähnung finden. Wenn der mk Jesus in Wundergeschich-
ten vereinzelt als Lehrer angesprochen wird (Mk 4,38; 5,35; 9,17), könnte
auch dies ein erst von Mk stammendes Motiv sein 10 .

Bei seiner Integration der Wunder in die Darstellung des Lebens Jesu
und der dabei erwachsenen Notwendigkeit, die Wundergeschichten mit
der übrigen Jesusüberlieferung in einen sinnvollen Zusammenhang zu
bringen, ordnet Mk die Taten Jesu als Beweise für die Vollmacht des
Wortes in den szenischen Rahmen der Lehre wie Verkündigung Jesu ein
und reduziert damit die eigenständige Hinweisfunktion der Wunder für
die Bedeutung Jesu.
Historisch betrachtet, hat Mk das richtige Gespür dafür, daß Dämo-
nenaustreibungen und Krankenheilungen im Zentrum des Wunderwirkens
Jesu standen. Nur sie werden in den Summarien generalisierend ver-
stärkt und begründen mit Einschränkung die Gottessohnschaft Jesu,
während Naturwunder in den Summarien fehlen und Unverständnis her-
vorrufen. Die mk Verhältnisbestimmung von Wundertat und Wort ent-
spricht dagegen nicht den tatsächlichen Gegebenheiten. Der von Q
bewahrte Sachverhalt, daß die Entmachtung des Satans (Mk 3,27; Lk
10,18) und daraus resultierende Dämonenaustreibungen die Prämisse wie
den Bezugspunkt der Verkündigung von der Gottesherrschaft darstellen
(Lk ll,20par; vgl. 10,9par; Mt ll,5par), wird in der mk Konzeption von
den Wundern als nachgeordneten Beweisen für die Vollmacht von Jesu
Lehre im Prinzip auf den Kopf gestellt.

7 Dies gilt auch für Mk 3,1-6, sofern dieser Stoff nicht Bestandteil der
vormk Streitgesprächsammlung Mk 2,1 ff. war, sondern erst von Mk ange-
schlossen (Kuhn, Sammlungen 88) und in der "Synagoge" als klassischem Ort
der Lehre lokalisiert wurde.
8 Vgl. Kertelge, Wunder Jesu 31-33. Egger, Frohbotschaft 64-79, rechnet
dagegen in 1,32-34 mit einem vormk Sammelbericht als Traditionsgrundlage.
9 Gräßer, Jesus in Nazareth 17-21; ähnlich Koch, Wundererzählungen 152;
Lührmann, Mk-Ev 106. Vormk Herkunft von Mk 6,2 setzen dagegen Pesch,
Mk-Ev I 315; Gnilka, Mk-Ev I 228, voraus.
10 Vgl. Schenk, Epileptiker-Perikope 84.
292 Jesus als Wundertäter bei den Evangelisten

5.2. Unterdrückung wunderhaft-magischer Züge im mt Jesusbild


Daß auch bei Mt den Wundern Jesu hervorgehobene Bedeutung zu-
kommt, zeigt sich an zusätzlichen redaktionellen Hinweisen auf Kran-
kenheilungen Jesu (Mt 14,14; 21,14), der Steigerung mk Wunderberichte
durch Verdoppelung der Anzahl der Geheilten (Mt 8,28-34; 9,27-31;
20,29-34) und der Ausgestaltung einzelner Wundertraditionen durch
Erfüllungszitate (Mt 8,16f.; 12,15-21). Mt unterzieht dabei aber das von
Mk her überkommene Bild von Jesus als Wundertäter einer grundlegen-
den Revision und Neuinterpretation. An den für die mk Christologie
konstitutiven Dämonenbekenntnissen zu Jesus als Gottessohn (Mk 1,24;
3,11; 5,7) zeigt Mt nur geringes Interesse (Mt 8,29), während umgekehrt
durch eine Bereicherung der Wunderüberlieferung um Davidssohn- und
Gottesknechtbezuge die Vorstellung von Jesus als Wundermessias in
den Vordergrund tritt.

Die vormt nur für die Bartimäusgeschichte Mk 10,46-52 maßgebliche Kon-


zeption, daß Jesus sich mit Wundertaten als Davidssohn erweist, wird von Mt
konsequent ausgebaut (Mt 9,27; 11,23; 15,22; 21,15), wobei der Davidssohntitel
messianische Konnotationen hat (Ps Sal 17) 11 . Auf der gleichen Linie liegt die
an das Wunderverständnis in Q (Mt ll,5par) anknüpfende mt Ausgestaltung
von Mk 1,29-31 und 3,7-12 durch Erfüllungszitate aus Dt-Jesaja (Mt 8,16f.;
12,15-21), wobei Jesus unter Rückgriff auf Jes 42,1-4; 53,4 als im AT verhei-
ßener messianischer Retter der Kranken und Besessenen erscheint.

Ein weiterer entscheidender Aspekt der umfassenden Revision des


Bildes von Jesus als hellenistischem Theios Aner, wie Mt es im Mk-Ev
vorfand, ist die fast vollständige Eliminierung solcher Wundertechniken
aus der Jesusüberlieferung, die Parallelen in den Zauberpapyri haben
oder magisch verstanden werden konnten 12 .

Von den mk Dämonenaustreibungsberichten wird Mk 1,23-28 von vornherein


ausgelassen, der mt Bearbeitung der Gerasenererzählung (Mt 8,28-34) fielen
das Ausfahrwort Mk 5,8 und die Dämonenbefragung Mk 5,9 zum Opfer. In
Mt 17,14-21 gibt Mt in Übereinstimmung mit Lk einer Traditionsvariante von
Mk 9,14-27 den Vorzug, in der die ETtiTaoou-Formel, das Ausfahrwort mit
Rückkehrverbot und die Handergreifung zur Wiederbelebung des ohnmächtigen
Besessenen fehlen.

11 Vgl. Burger, Jesus als Davidssohn 72-91; Luz, Mt-Ev II 59-61. Ver-
mutlich liegen traditionsgeschichtliche Bezüge zur jüdischen Betrachtung des
Davidssohnes Salomo als Experte für Krankenheilungen und Dämonenaustrei-
bungen (Joseph, Ant VIII, 45-49; Sap 7,20) vor, vgl. Berger, Königl. Messias-
traditionen 3-15; Duling, Solomon 249-252.
12 Vgl. dazu Hüll, Hellenistic Magic 128-141; Böcher, Matthäus und die
Magie 14-24; Trunk, Messianischer Heiler 201-212.
Matthäus-Evangelium 293

Von den durch magisch-pharmakologische Techniken Jesu bestimmten


Krankenheilungsberichten Mk 7,31-37 und 8,22-26 wird der eine durch das
Summarium Mt 15,29-31 ersetzt, der andere völlig übergangen. In der mt
Version des Totenerweckungsberichtes Mk 5,21-24.35-43 sind die Absonde-
rung des Publikums und TaXi&a xouu als pfjoic; ßapßapixfj (Mt 9,18-26) weg-
gefallen, und die Sturmstillung vollzieht sich Mt 8,23-27 ohne den Binde-
zwang oiürta, TtEcpiuuoo Mk 4,39.

Der mt Jesus bedient sich bei seinen Wundertaten weder festgepräg-


ter Dämonenaustreibungsformeln, wie sie aus den Zauberpapyri bekannt
sind, noch volkstümlicher pharmakologischer Praktiken, fremdsprachiger
Zauberworte oder naturbezwingender Katadesmoi. Mt macht dabei vieles
von dem wieder rückgängig, was der Jesustradition unter Einfluß der
Vorgehensweise frühchristlicher Wundercharismatiker in der vormk Tra-
ditionsgeschichte an Wunderpraktiken zugewachsen ist.
Wesentlich konsequenter als Mk hat Mt die Wunder Jesu zu Begleit-
erscheinungen der Lehre und Verkündigung degradiert, wie sich insbe-
sondere an der kompositorischen Stoffanordnung des Mt-Ev zeigt.
Bevor der mt Jesus mit der bei Mk (1,40-45) in die Anfangsphase des
öffentlichen Wirkens fallenden Aussätzigenheilung Mt 8,1-4 das erste
Wunder vollbringt, wird zunächst in der Bergpredigt der "Messias des
Wortes" vorgestellt 13 . Die redaktionelle Bearbeitung der Wunderberich-
te in der nachfolgenden, für das mt Wunderverständnis maßgeblichen
Komposition Mt 8,1 - 9,34 ist von einer Reduktion typischer Wunder-
erzählungselemente und parallel dazu von einer Ausgestaltung der Dia-
logszenen geleitet 14 . Als Resultat ergibt sich ein deutliches Zurücktre-
ten des Wunders bei gleichzeitiger Hervorhebung des gesprochenen
Wortes, zumal Mt in 9,27-31.32-34 den Wunderzyklus mit zwei von ihm
als Parallelbildungen zu Mk 10,46-52 bzw. Mt 12,22-24par formulierten
apophthegmatischen Heilungsberichten beschließt und Mt 9,35 als re-
daktionelles Resümee von Bergpredigt und Wunderzyklus in Überein-
stimmung mit 4,23 Jesu Heilungstätigkeit der Lehre und Verkündigung
unterordnet 15 . Mit ihrer redaktionell zustandegekommenen Transparenz

13 Schniewind, Mt-Ev 37. Vor der Bergpredigt ist Mt 4,23 lediglich sum-
marisch von Wundertaten Jesu die Rede, wobei die Abfolge von Wort und Tat
aus Mk 1,39 nicht nur beibehalten wird, sondern über xnpüooEiv hinaus auch
von Jesu SiSäoxEiv die Rede ist.
14 Held, Mt als Interpret 158ff. Vgl. auch Strecker, Weg der Gerech-
tigkeit 176; Kingsbury, Miracle Chapters 568ff.
15 Albrecht, Zeugnis 58-61; Gnilka, Mt-Ev I 351; Sand, Mt-Ev 206. Vgl.
ferner Mt 11,4 ä axoÜETE xai ßXETtETE diff. Lk 7,22 a EISETE xai fjxoüoaTE,
sowie Mt 13,14 wo das Schriftzitat aus Jes 6,9, das Mk 4,12 gegen LXX in
der Abfolge ßXETtEiv - ÖXOÜEIV begegnet, korrekt nach dem LXX-Wortlaut
294 Jesus als Wundertäter bei den Evangelisten

auf aktuelle Gemeindegegebenheiten hin wollen die Wundergeschichten


von Mt 8-9 weniger Auskunft über das Wesen Jesu als über die Situa-
tion der Kirche erteilen, womit ihre christologische Bedeutung zugun-
sten ekklesiologischer Gesichtspunkte zurücktritt 16 und die Funktion
Jesu als Wundertäter spürbar reduziert wird.

5.3. Jesus als Wunderprophet bei Lk


Lk übernimmt die mk Wunderkonzeption von Jesus als Theios Aner
grundsätzlich (Lk 4,34.41, 8,28), setzt aber eigenständige Akzente. Die
in der vormk Überlieferung nur vereinzelt greifbare (Mk 1,40-44;
6,32-44; 8,1-10) und weder von Mk noch von Mt redaktionell aufgegrif-
fene, hingegen für die Sondergutstoffe Lk 7,11-17 und 17,11-19 charakte-
ristische Vorstellung von Jesus als einem Elia und Elisa bei weitem
überlegenen Wunderpropheten gewinnt im Lk-Ev hervorgehobene Be-
deutung. Der lk Jesus ist ein Kpo<prJTT)c; ävfjp Suvaröc; EV EPYU xai XÖYU (Lk
24,19; vgl. 7,16) 17 . Da bei einem Wunderpropheten Machttaten ein ent-
scheidendes Mittel zur Beglaubigung der Botschaft darstellen, mißt Lk
noch über Mk hinausgehend und in deutlichem Gegensatz zu Mt den
Wundern Jesu hohe Bedeutung zu und kann positiv von ihnen als onusTct
sprechen (Apg 2,22).
Bereits in der "Antrittspredigt" Jesu in Nazareth Lk 4,16-30, die dem
Evangelisten als "Urbild und Schlüssel" 18 des gesamten Auftretens Jesu
gilt, wird Jesus gleichermaßen als Verkündiger wie als Wundertäter mit
prophetischen Zügen dargestellt. Entgegen der Mk-Vorlage stellt Lk dem
Beginn des öffentlichen Wirkens Jesu nicht programmatisch die Verkün-
digung von der nahegekommenen Gottesherrschaft (Mk 1,15) voran, son-
dern bietet eine auf der Basis von Mk 6,l-6a redaktionell formulierte 19
Redekomposition, derzufolge Jesu Sendung nicht zuletzt den "Geschla-
genen" (wohl Besessene) und den Blinden gilt. Ab Lk 4,23 bestimmt die

mit der dortigen Vorordnung des Hörens gegenüber dem Sehen wiedergegeben
wird.
16 Burger, Jesu Taten 272-287; Luz, Wundergeschichten 149-165; ders.,
Mt-Ev II 65-68. Vgl. auch Künzel, Gemeindeverständnis 143-149, und Moi-
ser, Structure of Matthew 8-9, der im mt Wunderzyklus einzelne Themen
der Bergpredigt illustriert sieht.
17 Vgl. Busse, Wunder des Propheten Jesus 381ff.; Nebe, Prophetische
Züge 64ff.
18 Wiefei, Lk-Ev 104.
19 Vgl. neben der detaillierten Analyse von Busse, Nazareth-Manifest
13ff., bes. Conzelmann, Mitte der Zeit 25-32. Gegen Schürmann, Lk-Ev I
241-244; Bovon, Lk-Ev I 207f., die mit Sondertradition rechnen.
Lukas-Evangelium 295

Wunderthematik vollends die Szenerie, indem Jesus als ein Elia und
Elisa vergleichbarer Wunderprophet gezeichnet wird, der in seiner Hei-
mat nichts gilt. Von den aus dem atl Elia-Elisa-Zyklus argumentativ
herangezogenen Wundertaten sind dabei das Brotvermehrungswunder
Elias und die Aussätzigenheilung Elisas auf Jesu Wirken hin transparent
(Lk 5,12-16; 9,12-17; 17,11-19).
Kompositorisch ist darüber hinaus von Bedeutung, daß der lk Jesus in
4,16-41 entgegen der Mk-Akoluthie bereits vor der Jüngerberufung 5,1-11
(vgl. Mk 1,16-20) zahlreiche Wunder gewirkt hat. Nachfolge beruht hier
wesentlich auf den Machttaten Jesu 2 0 . Umgekehrt geht freilich in der
"kleinen Einschaltung" Lk 6,20-8,3 die Feldrede den Wunderstoffen von
Lk 7,1-23 voran. Lk balanciert das Verhältnis von Wunder und Wort im
Auftreten Jesu aus. Einerseits ordnet er dabei mehrfach redaktionell die
Wunder dem Wort (Lk 24,19; Apg 1,1) oder das Sehen dem Hören (Apg
2,33; 4,20; 22,14) betont vor 21 und richtet vereinzelt im Jesuskerygma
der Actareden den Focus auf die Taten Jesu, ohne die Verkündigung
und Lehre überhaupt zu erwähnen 2 2 ; andererseits kann er ohne Hinweis
auf die Wunder auch allein die Verkündigung als das Entscheidende am
Auftreten Jesu betrachten (Lk 4,43) 2 3 . Von daher erscheint es übertrie-
ben, von einer den Wundern gegenüber zweitrangigen Bedeutung der

20 Conzelmann, Mitte der Zeit 178: "Ist bei M c die Berufung der Zwölf
Beginn, Voraussetzung des Auftretens, bedarf Jesus keiner Beglaubigung,
da sein W o r t mächtig ist, so erzählt Lukas die Berufungen an Stellen, wo
der W u n d e r b e w e i s bereits vorausgegangen ist." Zudem bewirkt die Auslassung
von Mk 2,13, daß die Nachfolge des Levi Lk S,27-32 nicht durch die L e h r e ,
sondern durch die Gelähmtenheilung Lk 5,17-26 motiviert ist ( A c h t e m e i e r ,
Lucan P e r s p e c t i v e 555). Vgl. auch die wohl redaktionelle Notiz Lk 8,1-3, daß
M a r i a M a g d a l e n a und andere Frauen Jesus aufgrund von Heilungen n a c h -
folgten.
21 Vgl. auch Lk 4,36, wo Lk die von Mk 1,27 vorgegebene Unterordnung der
T a t u n t e r das W o r t beseitigt, indem er x a t ' Ecouoiav nicht auf die SiSaxfj
Jesu, sondern nunmehr auf das Ausfahrwort an den Dämon bezieht und damit
W u n d e r und W o r t parallelisiert ( A c h t e m e i e r , Lucan Perspective 549f.).
22 Apg 2,22 Tnooüv TÖV NaC.upaTov, ävSpa ÖTtoSESEiYliEvov ä n ö TOÜ SEOÜ
Eic; ü[iac, SUVÖUEOI x a i TEpaoi x a i or|UEioic, ... ; Apg 10,38 6c; (sc. Jesus)
SifjX&EV EÜEPYETUV xai EÜUEVOC, TiävTac, TOÜC; xaTaSuvaoTEuouEvouc, ÜTIÖ TOU
SiaßöXou. Vgl. zum redaktionellen C h a r a k t e r dieser Wendungen Wilckens,
M i s s i o n s r e d e n 108.123L
23 Vgl. auch Lk 4 , 4 4 , wo der in der M k - V o r l a g e (Mk 1,39) enthaltene
Verweis auf Dämonenaustreibungen fehlt und allein die Verkündigungs-
tätigkeit Jesu erwähnt wird. Anders Lk 9,11 diff. Mk 6,34, wobei es sich
allerdings möglicherweise um ein deuteromk bedingtes minor a g r e e m e n t mit
M t 14,14 handelt. Vgl. grundsätzlich zur lk Bewertung der D ä m o n e n a u s t r e i -
bungen J e s u Kirchschläger, Jesu e x o r z i s t . Wirken, passim.
296 Jesus als Wundertäter bei den Evangelisten

Botschaft im Lk-Ev zu reden 2 4 . Lk wertet die Wundertaten im Kontrast


zu Mk und Mt zu einer dem Wort grundsätzlich gleichwertigen Größe
auf, wobei allerdings bei einem Wunderpropheten Machttaten letztend-
lich die Wahrheit der Botschaft legitimieren (vgl. 1 Kön 17,24).
Im Hinblick auf die Korrektur magischer Züge im überkommenen
Jesusbild ist bei Lk keine derart konsequente Linie erkennbar, wie sie
sich bei Mt zeigt. Einerseits übergeht auch Lk die massiv von Wun-
dertechniken geprägten Erzählstoffe Mk 7,31-37; 8,22-26 2 5 , streicht in
Mk 4,39 den Katadesmos ebenso wie in Mk 5,41 das fremdsprachige
Zauberwort raXiöa xouu und gibt anstelle von Mk l,12f; 9,14-27 weniger
wunderhaften Traditionsvarianten den Vorzug. Andererseits wird durch
Einfügung von ETCETIUTIOEV xcp TtupEtu Lk 4,39 die Fieberheilung Mk 1,29-31
expressis verbis zur Dämonenvertreibung ausgestaltet und damit das
magische Element gesteigert 2 6 .

5.4. Jesu Wunder als interpretationsbedürftige


Offenbarungszeichen im Joh-Ev
Im Joh-Ev besteht die auffälligste Veränderung des Bildes Jesu als
Wundertäter darin, daß die für die älteste Tradition zentralen Dämo-
nenaustreibungen Jesu, die bereits bei Mt deutlich in den Hintergrund
traten, nunmehr völlig fehlen. Da sich über die dem Verf. des Joh-Ev
zur Verfügung stehenden Wundertraditionen nichts genaues sagen läßt,
kann man nur darüber spekulieren, ob hier durch gezielte Stoffunter-
drückung eine bewußte Korrektur des überkommenen Jesusbildes vor-
liegt. Gut vorstellbar ist, daß aufgrund des von jüdischer Seite erhobe-
nen Vorwurfes der ekstatischen Manie Jesu (Joh 7,20; 8,48-52; 10,20)
Dämonenaustreibungsberichte völlig aus der Jesusüberlieferung eliminiert
wurden. Möglicherweise steht sogar solche jüdische Verunglimpfung Je-
su als Goet im Hintergrund, wie sie bei Celsus und im Talmud begegnet.
Grundsätzlich kommt den Wundern Jesu als orjuEia oder EpYa eine
wichtige christologische Zeugnisfunktion zu, indem sie der Offenbarung
der Doxa (Joh 2,11; 11,4.40) und dem Erweis der göttlichen Sendung Je-

24 Gegen Füller, Wunder 97: Die Wunder stellten für Lk den neben der
Passion wichtigsten Teil seiner "Jesusbiographie" dar. Von der Tendenz her
ähnlich: Conzelmann, Mitte der Zeit 31.178L
25 Die "lk Lücke" verdankt sich bewußter Auslassung von Mk 6,45-8,26,
da in Lk 11,16.29 Teile von Mk 8,llf. verarbeitet sind.
26 Überzogen und größtenteils auf Befunden der Apg basierend ist die
These von Hüll, Hellenistic Magic 87-115, bei Lk sei die gesamte Tradition
von magischen Vorstellungen durchdrungen.
Johannes-Evangelium 297

su (5,36; 10,25) dienen 2 7 . Solcher auf dem Schauen von onusta grün-
dende Glaube ist nicht grundsätzlich verfehlt 2 8 , jedoch durch den sach-
lich übergeordneten Glauben aufgrund der Wortannahme ergänzungsbe-
dürftig.
In Joh 3,1-13 wird eine Überbewertung der - als Beglaubigungszeichen des
SiSäoxaXoc, Jesus verstandenen (3,2) - ornxETa durch die Notwendigkeit einer
Neugeburt aus dem Geiste relativiert. Auch die wunderkritische Aussage EÖV
urj OT)U£Ta xai TEpara IST]TE, OÜ nfj TCIOTEÜOTITE Joh 4,48 dürfte sich joh Redak-
tion verdanken 2 9 , und Joh 6,26ff. vertieft das OT|UETOV (6,14) des Brotwunders
mittels der - 6,59 expressis verbis als "Lehre" geltenden - Brotrede. In Joh
20,24-29, einer joh Ausgestaltung der Epiphanietradition 20,19-23 (par Lk
24,36-43) 3 0 , wird der Glaube der u.fj iSövTEC, (20,29) dem Schauen von Zei-
chen übergeordnet.

Weitergehend wird die Bedeutung der Wundertaten Jesu dadurch ein-


geschränkt, daß sie Anlaß für streitgesprächartige Auseinandersetzungen
oder für Offenbarungsreden Jesu bieten und damit dem Wort unterge-
ordnet werden. Den önuEia von Joh 5-11 ist eine Ausgestaltung ehemals
stilgemäßer Wundergeschichten zu Redekompositionen gemeinsam, die
überwiegend bereits vorjoh einsetzte. Die grundlegende Bedeutung der
Wundertaten bleibt unangetastet, doch bedarf es der Offenbarungsrede,
um den tieferen Sinn unmißverständlich zu explizieren. Insbesondere
für Joh 6,1-25; 9,1-7 und die Totenerweckung von Joh 11 bleiben bei
isolierter Betrachtung die für den Evangelisten zentralen Aspekte ver-
borgen. Erst das Wort erschließt hier interpretativ die eigentliche Be-
deutung der Wundertat als Gewährung wahren Lebensbrotes (Joh 6),
Heilung von geistlicher Blindheit (Joh 9) und Auferweckung zu ewigem
Leben (Joh 11). Die Wunderberichte Joh 2,1-11 und 4,46-54 besitzen
dagegen eigenständige Offenbarungsfunktion, ohne nachträglicher vertie-
fender Interpretation durch das Wort unterzogen zu werden.

Dieser Sonderstatus von Joh 2,1-11 und 4,46-54 deutet in Verbindung mit
der im Widerspruch zu Joh 2,23; 4,45 stehenden Zählung in 2,11; 4,54 darauf
hin, daß diese Erzählungen Bestandteil einer vorjoh Wundergeschichtensamm-

27 Vgl. Schnackenburg, Joh-Ev I 347-354; Schnelle, Antidoket. Christo-


logie 182ff.
28 Selbst wenn man sämtliche den Taten Jesu uneingeschränkt positiv ge-
genüberstehenden onuETa-Belege im Joh-Ev einer joh Zeichenquelle zu-
schreibt (Becker, Wunder und Christologie 444), zeigt bereits die joh Über-
nahme dieser Befunde, daß der Evangelist dem Glauben aufgrund von Wun-
dern nicht prinzipiell ablehnend gegenübersteht.
29 Bultmann, Joh-Ev 152f.; Becker, Joh-Ev I 186.
30 Dauer, Tomasperikope 56-76; Schnelle, Antidoket. Christologie 156-161.
298 Jesus als Wundertäter bei den Evangelisten

lung waren, die Semeia Jesu mit Zählung enthielt 3 1 . Die übrigen Wunderge-
schichten, die keine Zählung aufweisen, sind dem Evangelisten hingegen nicht
aus einer reinen Wundergeschichtensammlung, sondern bereits in Verbindung
mit Redekompositionen überkommen. Hier läßt sich lediglich erwägen, ob
auch sie in einem früheren Stadium der Traditionsbildung der Joh 2,1-11,
4,46-54 fragmentarisch erhaltenen Semeiaquelle zugehörten, bevor sie vorjoh
zum Ausgangspunkt lehrhafter Abhandlungen gemacht wurden.

Zusammenfassend ist festzuhalten, daß im Joh-Ev Wundergeschichten


quantitativ deutlich zurücktreten und Jesus dort die Mehrzahl seiner
Wundertaten durch Offenbarungsreden in ihrem Sinn erschließt, was zu
einer Dominanz der Lehre gegenüber den Zeichen führt. Dämonen-
austreibungen mit ihren magischen Implikationen sind, sei es bewußt oder
quellenbedingt, völlig aus der Jesusbiographie eliminiert.

5.5. Analogien zur Evangelienredaktion der


christologischen Wundertradition

a) Die rabbinische Revision der Choni- und Chanina ben Dosa-Stoffe


Mehrere Gesichtspunkte, die für die Bearbeitung der christologischen
Wunderüberlieferung durch die Evangelisten typisch sind, lassen sich
auch für die rabbinische Traditions- und Redaktionsgeschichte der Cho-
ni- und Chanina ben Dosa-Stoffe nachweisen. Im einzelnen handelt es
sich dabei um eine Relativierung des Wunders durch Aufwertung der
Lehre, um eine Legitimation von Wundertaten durch Erfüllungszitate aus
der Schrift und um eine Angleichung des Wundertäters an den von Elia
repräsentierten Typus des atl Wunderpropheten.
Choni, von dem überhaupt keine Lehrtradition überliefert ist, wird in
bTaan 23a zum wichtigsten Gesetzeslehrer seiner Generation. In ver-
gleichbarer Weise erscheint Chanina ben Dosa, der zwar Weisheitsworte
von sich gegeben, aber keine Halakha gelehrt hat, in TBer 3,20 als
Rabbi mit Schülerkreis und erforscht in bBer 34b vor seinem Heilungs-
wunder gemeinsam mit Jochanan ben Zakkai die Tora. Hier ergeben sich
Entsprechungen zu der bei Mk vorgezeichneten und bei Mt wie Joh in

31 Vgl. Heekerens, Zeichenquelle 13lf., der aber der Zeichenquelle Joh


21,1-14 als drittes Wunder zurechnet. Berger, Hellenistische Gattungen 1231;
Schnelle, Antidoket. Christologie 105-108, sehen dagegen die Zählung Joh
2,11; 4,54 ohne Widerspruch zu 2,23; 4,45 allein auf die Wunder in Kana
gemünzt. Vgl. zur Forschungsgeschichte und zu Einwänden gegen die Semeia-
quelle Heekerens, aaO. 17-43; Schnelle, aaO. 168-182; Bittner, Jesu Zeichen
2-14.
Analogien aus der Umwelt 299

besonderem Maße wirksamen Tendenz, der Lehre Jesu gegenüber sei-


nen Wundertaten Übergewicht zu verschaffen, wobei von Jesus al-
lerdings von Anfang an auch vielfältige Weisheits- und Gesetzestraditio-
nen überliefert wurden. Auch die mt Legitimation der Wunder Jesu
durch Erfüllungszitate (Mt 8,16f; 12,15-21) hat in der rabbinischen Tra-
dition Parallelen und vielleicht sogar ein Vorbild. Taan 111,8 heißt es zur
Fundierung der im Regenwunder manifesten Gottesbeziehung Chonis
"Und über dich sagt die Schrift 'Es freue sich dein Vater und deine
Mutter, und es frohlocke deine Gebärerin (Prov 23,25)'", in bTaan 23a
wird die umstrittene magische Technik des Kreisziehens im nachhinein
durch ein in der Mischna noch fehlendes Schriftzitat aus Hab 2,1 als
Nachahmung der Vorgehensweise Habakuks gerechtfertigt. Im Falle von
Chanina ben Dosas Schlangenwunder ist über TBer 3,20 als ältere Tra-
dition hinausgehend in jBer 5,1 (9a) davon die Rede, daß es sich um
Erfüllung von Ps 145,19 handele. Speziell für die lk Konzeption von
Jesus als Wunderpropheten ergeben sich dahingehend Entsprechungen,
daß Chanina ben Dosa, der wie Jesus prophetische Bezüge seiner Wun-
der zurückwies (bBer 34b, bBQ 50a), in bBer 61b als eschatologisches
Pendant Ahabs (1 Kön 16,29ff.) und damit implizit als Elia redivivus
begegnet.
In Analogie zu der Evangelienredaktion zeigen diese rabbinischen Be-
funde, daß sich die Reputation eines umstrittenen jüdischen Wundertä-
ters steigern läßt, indem man ihm sekundär Halakha zuschreibt oder mit
ihm verbundene Lehrüberlieferung betont in den Vordergrund rückt,
seine Wundertaten als Erfüllung von Schriftverheißungen ausgibt und ihn
an die über jeden Zweifel erhabene Person des Elia angleicht. Grund-
sätzlich ist allerdings der Rahmen, in dem dies geschieht, anders als im
NT. Mit Choni und Chanina ben Dosa werden aus vielfältigen Gründen
für wichtig gehaltene Gestalten, die zu Lebzeiten wie Jesus wegen ihrer
Wunderwirksamkeit in Spannung zum Pharisäertum standen, nunmehr in
ihrer Brisanz entschärft und als religiöse Leitbilder in das rechtgläubige
Rabbinentum integriert, ohne daß dies eine biographische Darstellung
ihres Lebens mit sich brächte. Direktere Parallelen zur kritischen Rela-
tivierung von Wundertraditionen im Rahmen einer umfassenden Lebens-
beschreibung bieten neben Philos Mosevita auch die Apolloniusbiogra-
phie Philostrats und die Pythagorasvita von lamblichus, die trotz ihrer
vergleichsweise späten Entstehung nicht literarisch von den ntl Evange-
lien beeinflußt zu sein scheinen 3 2 .

32 Grundsätzlich stellt die antike Biographie bei aller Originalität der


Evangeliengattung die unmittelbarste zeitgenössische Parallele zu ihr dar,
300 Jesus als Wundertäter bei den Evangelisten

b) Philos Mosevita
Entscheidendes Anliegen von Philos Mosevita ist es, Mose als "König,
Gesetzgeber, Hohenpriester und Propheten" (Vit Mos 11,3; 11,292) zu
präsentieren. In kritischer Distanz zu älteren Darstellungen will Philo
darlegen, wie Mose "in Wirklichkeit" war (1,2), und beansprucht, über
besseres Wissen als seine Vorgänger zu verfügen (1,4). Eine maßgebli-
che Frontstellung dürfte dabei die zur Zeit Philos bei Heiden wie bei
hellenistischen Juden festetablierte Betrachtung Moses als Magier
• 33
sein .
Bei Strabo (XVI 2,39) und in der Plin, Hist Nat 30,1-18, verarbeiteten Ge-
schichte der Magie gilt Mose ebenso als Magier wie in den griechischen
Zauberpapyri (PGM XIII) und dem um lOOv.Chr. vermutlich in Alexandria
verfaßten und von daher Philo kaum unbekannten Werk des Artapanus "Über
die Juden". Artapanus (FGH IIIC 726, Fragm 3) zeichnete Mose nicht nur als
Erfinder der Wissenschaften und der Philosophie, sondern auch als Lehrer
einer schamanistischen Gestalt wie Orpheus (Fragm 3,4), porträtierte ihn als
Theios Aner, der von den Ägyptern göttlicher Ehre (IOO-&EOU Tiurjc,) für würdig
erachtet und als Hermes-Thot angesehen wurde (Fragm 3,6), und stattete ihn
über das AT hinausgehend massiv mit magischen Zügen und neuen Wunderta-
ten aus (Fragm 3.20-37) 3 4 . Die Kehrseite des magischen Mosebildes zeigt
sich darin, daß Lysimachus (200v.Chr.?) und Apollonius Molon (l.Jhdt.v.Chr.)
in ihren polemischen Äußerungen gegen die Juden Mose als Goeten und
Betrüger abstempelten (Joseph, Ap 11,145).

Philo hält trotz eines alles beherrschenden Interesses an der gesetz-


geberischen Funktion Moses an ihm als Wundertäter fest. Die den
Ruhm des Mose bei Heiden begründenden Exoduswunder finden Be-
rücksichtigung, während unbequeme Traditionen wie die Tötung eines
Ägypters Ex 2,12 fehlen. Allerdings wird die aus biblischer Überlieferung
vorgegebene Funktion des Mose als Wundertäter nicht wie bei Artapa-
nus ausgebaut und gesteigert, sondern reduziert und rationalisiert 35 ,
wobei die thaumaturgischen Qualitäten grundsätzlich als Folgeerschei-

vgl. zum Stand der Diskussion Berger, Hellenistische Gattungen 1231-1264;


Strecker, Literaturgeschichte 122-148.
33 Vgl. Hadas/Smith, Heroes and Gods 130f.
34 Vgl. Walter, JSHRZ 1,2 122f.; Tiede, Charismatic Figure 146-177;
Blackburn, Theios Aner 61-64. Holladay, Theios Aner 199-232, spielt diesen
seiner Grundthese zuwiderlaufenden Aspekt im Mosebild des Artapanus
herunter.
35 Beim Schilfmeerwunder vollzieht sich die zum Ertrinken der Ägypter
führende Rückkehr der Fluten nicht auf Moses Handausstreckung hin (Ex
14,27), sondern wird allein durch den Wind bewirkt (Vit Mos 1,179). Für den
wasserspendenden Felsen bietet Philo natürliche Erklärungen (1,211).
Analogien aus der Umwelt 301

nung prophetischer Begabung betrachtet werden. Die zentrale Stelle für


diese Wunderhermeneutik Philos ist Vit Mos 1,156. In seiner Funktion
als Prophet ist Mose Freund Gottes (91X05 ÖEOÜ, vgl. ÖETOC, Ttpo<pfJTT]c;
11,188) und partizipiert aufgrund dessen an Gottes Vollmacht über die
Natur ("Daher gehorchte ihm denn wie einem Herrn jedes der Elemen-
te, indem es seine Eigenschaft veränderte und sich seinen Anordnungen
unterwarf"[1,156]), womit die thaumaturgische Befähigung "eine eigenar-
tig schöne philosophische Erklärung" findet 36 . Die Wunder Moses haben
kein Eigengewicht, sondern sind Ausfluß seines sachlich vorgeordneten
und in der Partnerschaft mit Gott begründeten Prophetenamtes, das
seinerseits maßgeblich durch Gesetzesetablierung und -anwendung
gekennzeichnet ist (11,187-287).

c) Philostrats Korrektur der magischen Apolloniusüberlieferung


Ausgangspunkt und direkte Frontstellung von Philostrats Werk über
Apollonius von Tyana ist die Apolloniusvita des Moiragenes (Philostr, Vit
Apoll I , 3 ) 3 7 , die bis dahin offenkundig das Standardwerk über den
Tyanenser darstellte. Moiragenes stand als mutmaßlich erster Apol-
loniusbiograph vor einer ähnlich schwierigen Aufgabe wie Mk als Be-
gründer der Evangeliengattung, indem er die disparaten Einzeltraditionen
über Apollonius als Wundertäter und über Apollonius als philosophischen
Weisheitslehrer zu einer Zusammenschau zu bringen und zu einer in
sich stimmigen Lebensbeschreibung zu verbinden hatte. Moiragenes be-
wältigte das Problem in seinen ctTtouvr|uovEÜuaTa des Apollonius dahinge-
hend, daß er diesen unter gleichwertiger Berücksichtigung von Wundern
und Lehre als uaYoc. xai piXöaocpoc; porträtierte (Orig, Cels VI,41), wobei
die Reihenfolge nahelegt, daß der Akzent auf der magischen Betätigung
lag, wie es für den historischen Apollonius den Tatsachen entsprochen
haben dürfte (vgl. Apoll, Ep 16.17.52).
Daß Moiragenes Apollonius nicht nur als Philosophen, sondern auch
als Magier zeichnete, dürfte das entscheidende Motiv für Philostrats er-

36 Bieler, 8EIOJ; ANHP II 35, vgl. Georgi, Gegner 153f.; Tiede, Cha-
rismatic Figure 126f.; Blackburn, Theios Aner 68f. - Holladay, Theios Aner
129, der Vit Mos 1,156 "not even a hint of thaumaturgic activity on the part
of Moses" sieht, sucht offenkundig eine Verbindung zwischen Wundertä-
tigkeit und göttlichem Wesen des Mose für Philo um jeden Preis auszuschließen.
37 Vgl. dazu Bowie, Apollonius of Tyana 1673-1679; Raynor, Moeragenes
and Philostratus 222-226. Reitzenstein, Hellenist. Wundererzählungen 53;
Norden, Agnostos Theos 35f., Anm.l, betrachten dieses aus dem 2.Jhdt.n.Chr.
stammende Werk als enge Parallele zur ntl Evangeliengattung.
302 Jesus als Wundertäter bei den Evangelisten

folgreiches Unterfangen dargestellt haben, das Werk seines Vorgängers


durch eine Neufassung definitiv zu verdrängen. Die Biographie des
Moiragenes soll wegen ihrer Unkenntnis über entscheidende Punkte im
Leben des Apollonius (itoXXct SE TUV TtEpi TÖV avSpa äYvofjoavti) nach
Möglichkeit völlig ignoriert werden (Philostr, Vit Apoll 1,3), wobei solche
aYvoia für Philostrat in erster Linie im Mißverstehen des Apollonius als
eines Magiers besteht (1,2). Vielleicht war Philostrat auch bereits eine
Beanspruchung des Apollonius durch die Magier der Zauberpapyri (PGM
XIa) bekannt. Von dieser grundsätzlichen Zielsetzung her ist von vorn-
herein klar, daß Philostrat an einer kritischen Stellung gegenüber der
Wundertradition gelegen ist. Dabei befindet er sich zwischen den Stüh-
len. Auf der einen Seite war das vorphilostrateische Apolloniusbild
maßgeblich von wunderhaften oder magischen Zügen geprägt, die ent-
scheidend zur Popularität und Reputation des Apollonius beitrugen und
von daher unverzichtbar erschienen. Auf der anderen Seite galt es, den
daraus resultierenden Vorwurf zurückzuweisen, es habe sich bei Apol-
lonius um einen yöi\c, gehandelt (Dio Cassius LXXVII 18,4; vgl. Luc, Alex
5). Die Lösung dieses Dilemmas 38 sieht für Philostrat so aus, daß er
der Philosophie oder Weisheitslehre des Apollonius Übergewicht ver-
schafft und sich bei der kritischen Integration der nach wie vor konsti-
tutiven Wundertradition von dem hermeneutischen Prinzip leiten läßt,
daß die Wunder des Apollonius nicht uritYu TEXVTJ, sondern xata oo<piav
geschahen (1,2).
Die Wundertätigkeit wird in der Vit Apoll nicht nur summarisch aus-
geweitet (IV,11) und in ihrer Faktizität bekräftigt (VI,27), sondern trägt
auch entscheidend zur Apolloniusnachfolge bei (IV,20.25; vgl. Lk 5,1-11).
Zudem sind die Wunder für Philostrat zum Erweis der Göttlichkeit des
Apollonius maßgeblich, wie die Selbstbefreiung aus den Fesseln (VII,38)
plastisch veranschaulicht: "Damals zuerst, bemerkt Damis, habe er die
wahre Natur dieses Mannes erkannt und daß sie, über alles Menschliche
erhaben, wirklich göttlich gewesen sei" 3 9 . Während sich aber der histo-
rische Apollonius offenkundig positiv als uaYoc; verstand (Apoll, Ep 16f.)
und bei Moiragenes auch als solcher begegnete, macht sich Philostrat
die in der Apolloniuskritik von Euphrates (Orig, Cels VI,41), Lukian und
Dio Cassius implizierte Gleichsetzung von Magie mit Goetie zu eigen

38 Vgl. Raynor, Moeragenes and Philostratus 225f.; Anderson, Philostra-


tus 138ff.; Koskenniemi, Der philostrateische ApoUonios 58-69.
39 Den vorherigen Wundern kommt von daher nur gebrochene Offenba-
rungsqualität zu, womit sich entfernte Parallelen zur mk Wunderkonzeption
ergeben (vgl. auch J.Z. Smith, Good News is No News 195), wo allerdings die
vollgültige Offenbarung vom Kreuz her erfolgt (Mk 15,39).
Analogien aus der Umwelt 303

und spricht Apollonius zur Ehrenrettung jegliche magische Betätigung


ab, um ihn erst gar nicht in die Schußlinie des Goetieverdachts geraten
zu lassen. Selbst dort, wo in der Tradition noch Spuren von Magie, wie
die Dämonenbedrohung mit Epipompe IV,25 oder das Flüstern geheim-
nisvoller Worte IV,45, durchschimmern, wird betont das außergewöhnli-
che Vorauswissen hervorgehoben 4 0 , das bei Philostrat grundsätzlich für
alle Wundertaten des Apollonius verantwortlich zeichnet und als Fol-
geerscheinung von Weisheit streng gegenüber Mantik und Goetie abge-
grenzt wird (IV,44; VIII,7,9). Die astronomisch-mantische Apollonius-
schrift TtEpi uavtEiac, äöTEpuv, die von Moiragenes benutzt wurde und
dort wohl zur Reputation des Apollonius als Magier beitrug, gilt Philo-
strat als Resultat des gemeinsamen Philosophierens (F,uu<piXoö09Eiv) mit
Iarchas (111,41). Zudem wird in dem Summarium IV,11 wie in der Kom-
position IV,19f. den Wundern gezielt Lehre vorgeschaltet und durch
fiktive Apollomusreden und -briefe 4 1 der Lehrstoff in erheblichem
Umfang erweitert, womit die Wunder quantitativ zwangsläufig in den
Hintergrund treten. Letztlich ist durch gezielte Korrektur der Apollonius-
überlieferung aus dem vorphilostrateischen uaYoc, xai tptXöooipoc; nun-
mehr ein reiner Philosoph oder Sophist geworden, dessen Wunder ohne
jede Magie ausnahmslos Ausfluß seiner Weisheit sind.

d) Das Pythagorasbild bei lamblichus


Die von lamblichus verfaßte Schrift über die pythagoreische Lebens-
weise stellt faktisch über weite Strecken eine Pythagorasvita dar. Von
der Zielsetzung her geht es lamblichus offenkundig darum, frühere
Pythagorasviten - allen voran die von ihm als Quellenschriften benutzten
Pythagorasbiographien des Apollonius von Tyana 42 und des Nikomachus
von Gerasa - zu überbieten und zu verdrängen 43 , wie es grundsätzlich

40 Ergänzend wird IV,45 von Philostrat die Möglichkeit ärztlich-wissen-


schaftlicher Reanimation als ernsthafte Alternative zu wunderhafter Wieder-
belebung in den Raum gestellt.
41 Vgl. Petzke, Apollonius und das NT 94-110; Apoll, Ep ed. Panella 23-26.
42 Dieses Werk aus dem l.Jhdt.n.Chr., das Pythagoras maßgeblich als
Wundertäter und Magier präsentiert haben dürfte, ist eine der ernstzuneh-
mendsten Parallelen zur ntl Evangeliengattung. Auf Mk hat die Pythagorasvi-
ta des Apollonius allerdings kaum Einfluß genommen, da sie mit Geburtsge-
schichten einsetzte (Porph, Vit Pyth 2).
43 Von der ebenfalls maßgeblich auf Apollonius und Nikomachus basieren-
den, unter redaktionellen Gesichtspunkten aber ungleich konservativeren
Pythagorasvita des Porphyrius ist lamblichus nicht abhängig, vgl. zum Ganzen
304 Jesus als Wundertäter bei den Evangelisten

auch der Intention von Mt und Lk im Hinblick auf das Mk-Ev entspricht.
Im Kampf gegen "lügenhafte Schriften" (Iambl, Vit Pyth 1,2) werden der
wunderbaren Geburt des Pythagoras gegenüber kritische Traditionen
korrigiert (11,7). Unterschwellig ist das Motiv leitend, Pythagoras, der
bereits bei Heraklit (Diels 22 B, Fragm 81) als "Anführer der Schwind-
ler" gilt, als Gottmenschen vom Verdacht der Goetie freizusprechen
(vgl. XXXII,216) und vielleicht auch seiner Vereinnahmung durch Magier
(PGM VII,795) entgegenzuwirken. Die Wunder werden dabei ähnlich am-
bivalent wie in den Evangelien, bei Philo (Vit Mos) und bei Philostrat
(Vit Apoll) betrachtet, indem sie einerseits als unentbehrlich gelten,
andererseits dahingehend als Gefahr empfunden werden, daß sie eine
Reduktion des Theios Aner auf seine thaumaturgische Befähigung nach
sich ziehen könnten.
Grundsätzlich kommt den Wundern bei lamblichus eine unverzichtbare
positive Funktion zu, indem sie die Göttlichkeit des Pythagoras erweisen
(XXVIII,140), Zeugnischarakter für seine Frömmigkeit haben (tExufjpia
TTJC, EÜöEßEiac;, XXV1II,137) und der Glaubenserweckung (itpöc; TCIOTIV)
dienen (XXVIII,143; vgl. Joh 20,30f.!). Der maßgebliche Stellenwert von
Wundern wird dadurch unterstrichen, daß lamblichus im Vergleich mit
Porphyrius die Wunderstoffe in beträchtlichem Umfang vermehrt, indem
er seinem Werk um den Preis von Dubletten offenkundig alle ihm zu-
gänglichen wunderhaften Pythagoraslegenden einverleibt, während etwa
in der Pythagorasdarstellung des Diog Laert die Wunder bis auf eine
Randbemerkung (VIII,11) keine besondere Rolle spielen.

Der von Porphyrius als erratischer Block übernommene Wunderzyklus aus


Nikomachus (Porph, Vit Pyth 23-28) wird bei lamblichus in neuer Stoffanord-
nung komplett wiedergegeben (Iambl, Vit Pyth VIII,36; XIII,60-62; XXVIII,
134-136) und zudem um zwei mantische Wunder bereichert (XXVIII,136), die
direkt oder durch Vermittlung aus Androns Katalog wunderbarer Unheilsvor-
aussagen des Pythagoras (FGH II 115,70) stammen. In XXVIII,140-143 bringt
lamblichus über Nikomachus/Porphyrius hinausgehend einen möglicherweise
der Pythagorasvita von Apollonius entnommenen weiteren Wundergeschich-
tenkatalog 4 4 , der sich mit Porph, Vit Pyth 23-28/Iambl, Vit Pyth VIII,36;
XIII,60-62; XXVIII,134-136 teilweise überschneidet und wie dieser Zyklus
letztlich auf der Sammlung von Pythagoraswundern bei Aristoteles (vgl.

Rohde, Quellen des Jamblichus 567ff.23ff.; Le'vy, Sources 102-117; Burkert,


Weisheit und Wissenschaft 88-93.
44 Gegen Rohde, Quellen des Jamblichus 44f., gehen die Wunderge-
schichten XXVIII,140-143 nicht als von Porphyrius ausgelassene Stoffe auf
Nikomachus zurück. lamblichus unterbricht die Wunderdarstellung kaum
zufällig genau an der Stelle (XXV1II,136), wo sie bei Porphyrius endet; folg-
lich stellt XXVIII,140-143 einen Neuansatz aus anderer Quelle dar.
Analogien aus der Umwelt 305

Fragm 191) beruht. Die dadurch bereits als Dublette präsente (XXVT.II,
135.140) Wundergeschichte vom goldenen Schenkel als Erweis der Göttlichkeit
des Pythagoras hat für lamblichus offenbar derart hohe Bedeutung, daß er sie
aus Sondertradition sogar noch ein drittes Mal bietet (XIX,90-93).

Kritisch relativiert wird die Wundertradition durch eine betonte Her-


vorhebung der Befähigung des Pythagoras auf dem Gebiet der Weis-
heitslehre und Wissenschaft 45 . Offenkundig soll damit die Reputation
des Wundertäters gesteigert werden, indem er vom Verdacht gereinigt
wird, nicht mehr als ein Thaumaturge oder ein Goet zu sein. Bevor
Pythagoras Iambl, Vit Pyth VIII,36, das erste Wunder vollbringt, wird er
als vollmächtiger Redner präsentiert (VI,30f.; VII,33). Zudem sind die
Wunder kompositorisch in den Dienst der Lehre gestellt, wie es sich
an der redaktionellen Zerteilung und Neuanordnung des Wunderzyklus
Porph, Vit Pyth 23-28 (Nikomachus), gut beobachten läßt. lamblichus
entnimmt der bei Nikomachus vorgefundenen Sammlung die Fischwun-
dererzählung Porph, Vit Pyth 25, um "dies Mirakel als das bedeutungs-
reiche Debüt des Pythagoras in Italien darzustellen" 46 , und schaltet da-
bei gezielt Lehre vor. Zum Auftakt der Italienereignisse schart Pythago-
ras Hörer um sich und versetzt sie in Erstaunen (VIII,35), bevor er dann
das Wunder bewirkt (VIII,36). In vergleichbarer Weise werden die Tier-
wundergeschichten Porph, Vit Pyth 23-25/Iambl, Vit Pyth XIII,60-62 als
nunmehr isolierter Dreierzyklus in den Dienst der Lehre gestellt. Der
redaktionellen, weil bei Porphyrius fehlenden und daher kaum von Niko-
machus herrührenden Exposition zufolge dienen diese Wunder dem
Erweis, daß Pythagoras durch seine SiSaoxaXia allen, die Geist besitzen,
bei weitem überlegen ist (XIII,60). Zudem wird in Summarien vereinzelt
das Wort der Tat vorgeordnet (wv TE EXÖXEI Tj EitparrEv 11,10; EV TE TOU;
XÖYOIC; xai rate; itpd^Eoi VII,35), wie es bei Mk und Mt in bezug auf Jesus
stereotyp der Fall ist. Auch das Motiv, daß der Charismatiker bei Lehre

45 Nicht überzeugend und von unzureichender Kenntnisnahme der Quellen-


lage in Iambl, Vit Pyth, getrübt sind die Ausführungen von J.Z. Smith, Good
News is No News 200-203, zur Wunderkritik. Die Vermehrung des Wunder-
stoffes durch lamblichus wird nicht erfaßt, die von Smith zu Unrecht wun-
derkritisch beanspruchte Wendung xai t a ü r a UEV EOTU TEXufjpia TT[C, EÜOEßsiac;
aüroü XXVIII,136 tendenziös mit "But these are sufficient as an indication of
his piety" übersetzt, und XIX,90-94 schließlich ist weder erkennbar wunder-
kritisch noch "attributed by scholars to Nichomachus, who was a critic of
mere' miracle-stories". Als Quelle werden hier vielmehr die Pythagorasvita
des Apollonius (Rohde, Quellen des Jamblichus 34) oder die Abaris-Schrift
von Herakleides Pontikus (Burkert, Weisheit und Wissenschaft 92, Anm.32;
127, Anm.183) in Erwägung gezogen.
46 Rohde, Quellen des Jamblichus 26.
306 Ergebnisse

oder Forschung als seinen eigentlich bevorzugten Tätigkeiten mit der


Notwendigkeit der Wunderwirksamkeit konfrontiert wird, kehrt bei
lamblichus wieder. So wie Jesus seine Lehrtätigkeit durch Dämonenaus-
treibungen, Heilungen oder Speisevermehrungen unterbrechen muß (Mk
l,21ff; 2,lff.; 6,2.34ff.), Chanina ben Dosa durch Heilungsbegehren vom
Torastudium abgehalten wird (bBer 34b) und Apollonius sich mitten in
seiner Belehrung über sachgerechten Opferdienst zur Therapie des be-
sessenen Jünglings genötigt sieht (Vit Apoll IV,20), ist Pythagoras gerade
in astronomische Forschungen vertieft, als sich die Notwendigkeit zur
Heilung des wahnsinnigen Jünglings durch Musiktherapie ergibt (XXV,
112). Pythagoras, der historisch schwerpunktmäßig als Magier oder Scha-
mane wirkte, erscheint nunmehr in erster Linie als Philosoph und Wis-
senschaftler, der zudem auch noch Wunder zu vollbringen vermag.
Übereinstimmend teilen die Evangelien mit der rabbinischen Choni-
und Chaninarezeption und mit antiken Theios Aner-Viten die grundsätzli-
che Überzeugung, daß Wundertaten zum Erweis übernatürlicher Her-
kunft konstitutive Bedeutung haben, einseitig betrachtet oder verabsolu-
tiert aber kein adäquates Erfassen der betreffenden Personen in ihrer
vollen oder eigentlichen Bedeutung gewährleisten. Als Konsequenz wird
mit unterschiedlicher Akzentuierung die Lehre/ gegenüber der Wunder-
tätigkeit ausgeweitet oder in den Vordergrund gestellt. Expressis verbis
(Philostr) oder implizit (Philo, Mt, Lk, Joh, Iambl) erfolgt eine Tilgung
magischer Züge, um den Wundertäter vor Mißverständnis zu schützen
und ihn aus der Schußlinie des Goetieverdachts zu nehmen. Nicht zu-
letzt wegen ihrer starken Gewichtung von Magie und Wunder als anstö-
ßig oder unzulänglich empfundene "Biographien" (Mosedarstellung des
Artapanus, Mk-Ev, Pythagorasvita des Apollonius, Apolloniusvita des
Moiragenes) werden unter Beanspruchung besseren Wissens mit dem
Ziel korrigiert, sie nach Möglichkeit völlig zu verdrängen. Die Wirkungs-
geschichte des Wundertäters Jesus ist damit über weite Strecken mit
derjenigen von Magiern oder Charismatikern wie Moses, Pythagoras,
Choni, Chanina ben Dosa oder Apollonius identisch.

6. Ergebnisse

1. Das Wunderwirken Jesu beschränkte sich höchstwahrscheinlich auf


Dämonenaustreibungen und Krankenheilungen, an deren Faktizität nicht
zu zweifeln ist. Die Beelzebulperikope, in der die Vertreibung eines
Stummheit verursachenden Krankheitsgeistes den Vorwurf des Satans-
bündnisses evoziert, setzt Dämonenaustreibungen Jesu als unbestrittene
Ergebnisse 307

Tatsache voraus. Jesus selber erwähnt oder kommentiert sie Mt


12,28/Lk 11,20 und Lk 13,32. Bei den Besessenenheilungserzählungen
der syn Tradition, die in ihren Bezügen zu zeitgenössischer jüdischer
Magie und in ihrem geschichtlichen Wert meist unterschätzt werden,
sind zumindest für Mk 1,23-27 und 9,14-27parr ein palästinisches Über-
lieferungsmilieu und historische Haftpunkte wahrscheinlich. Wenn Jesus
der Logienüberlieferung zufolge darüber hinaus auch Heilungen voll-
brachte (Lk 13,32; Mt ll,5par), wird als Krankheitsursache ebenfalls das
schädigende Wirken von Dämonen vorausgesetzt sein. Einzelne Wunder-
heilungsberichte der Ew beruhen dabei vermutlich auf tatsächlichen
Begebenheiten. Für Mk 1,29-31 und 10,46-52 legen die Namensnennung
und die bereits vormk an diesen Erzählungen haftenden Ortsangaben
geschichtliche Erinnerung nahe (ähnlich Mt 8,5-13par). In Mk 7,31-37
und 8,22-26 spiegeln sich pharmakologische Praktiken, die im l.Jhdt.
n.Chr. in Palästina gebräuchlich gewesen sein dürften und damit für Jesus
theoretisch in Betracht kommen, während in anderen Fällen entweder
atl (Mk 1,40-45) oder hellenistische Wundertradition (Mk 2,1-12;
5,25-34) erst im nachhinein mit ihm in Verbindung gebracht wird. Ur-
sprünglich eigenständige Logien wie Mk 2,27; 3,4; Mt 12,llpar oder Lk
13,15, die das menschliche Wohlergehen über die Sabbatobservanz
stellen, deuten zudem auf anstoßerregende Dämonenaustreibungen oder
Krankenheilungen am Sabbat hin, die von Jesus verbatim gerechtfertigt
werden. Zudem hat Jesus wie andere Wundercharismatiker der Antike
seine Befähigung auf dem Gebiet der Dämonenvertreibung und Heilung
an Schüler weitergegeben, indem er eine unbestimmte Zahl von Anhän-
gern in seine diesbezügliche Wirksamkeit miteinbezog (Mk 6,6b-13parr).
Das Theologumenon von Jesus als Totenerwecker ist zwar recht früh
aufgekommen (Mt ll,5par). Es fehlt aber in der authentischen Logientra-
dition (Lk 10,9; ll,20par; 13,32) und wird von daher ungeschichtlich sein.
Zudem sind für Jesus im Gegensatz zu solchen Gestalten wie Empe-
dokles, Asklepiades von Prusa oder Alexander von Abonuteichos, die tat-
sächlich Wiederbelebungen bewirkt zu haben scheinen, weder physiolo-
gische Reflexionen über die menschliche Respiration mit darauf bezoge-
nen ärztlichen Fertigkeiten bezeugt, noch eine Beanspruchung der scha-
manistischen Befähigung zur Rückholung der Seele aus dem Totenreich
wahrscheinlich. Ohne historischen Anhalt sind schließlich auch die
überwiegend unter Einfluß der atl Elia-Elisa-Überlieferung oder helleni-
stischer Schamanentradition mit Jesus in Verbindung gebrachten Natur-
wunder. Von ihnen ist nicht einmal in der sekundär formulierten (Mt
ll,5par), geschweige denn in der authentischen Wortüberlieferung (Lk
10,9par, ll,20par; 13,32) die Rede (vgl. dagegen Emped, Fragm 101).
308 Ergebnisse

2. Für ein sachgemäßes Erfassen der Bedeutung von Dämonenaustrei-


bungen und Krankenheilungen Jesu ist die in der Verbindung damit
religionsgeschichtlich singulare Heilsvergegenwärtigung entscheidend.
Jesus teilt grundsätzlich die jüdische Dämonologie seiner Zeit, wie sie
sich in der Henochliteratur, dem Jubiläenbuch, den Testamenten der
zwölf Patriarchen oder den genuinen Qumranschriften findet. Krankheit,
Schmerz und Tod, die als Folge des Sündenfalls in die Welt kamen
(Gen 3,16-19; Vit Ad 34), werden auf das schädigende Wirken eines Dä-
monenheeres mit dem Teufel an der Spitze zurückgeführt. Das eschato-
logische Gericht Gottes an diesem Dämonenoberhaupt und der dadurch
bedingte Machtverlust der bösen Geister über die Menschen führen den
Gen 1-2 gegebenen Zustand der uneingeschränkten Herrschaft Gottes
über seine Schöpfung als satansfreie Heilszeit wieder herbei. Einzig
erkennbares, allerdings entscheidendes Proprium der Dämonologie Jesu
ist die Überzeugung, daß Gott die Macht des Satans bereits gebrochen
hat und die allgemein für die Zukunft erwartete Wiederaufrichtung der
unumschränkten Herrschaft über seine Schöpfung schon im Gange ist.
Während Jesus zunächst die Täuferbotschaft vom unmittelbar bevor-
stehenden Gericht Gottes uneingeschränkt teilte, markiert die auf den
Satanssturz rekurrierende Vision Lk 10,18 vermutlich den Auftakt des
eigenständigen, von Johannes dem Täufer losgelösten Wirkens Jesu und
stellt den maßgeblichen Interpretationshorizont für seine Wundertaten
dar. Weil der Satan im Himmel mit der Konsequenz von Gott gerichtet
ist, daß sich die ihm untergebenen, nunmehr herrenlosen bösen Geister
unter Kontrolle bringen lassen (vgl. Test Lev 18,12; Test Sim 6,6), kann
auf Erden in Form von Dämonenaustreibungen in seinen Herrschaftsbe-
reich eingedrungen und sukzessive das nach seiner Entmachtung noch
wirksame Böse ausgeschaltet werden (Mk 3,27), wozu Jesus auch "Jün-
ger" herangezogen und gezielt instruiert hat. Dies zieht in einem dyna-
mischen Prozeß die fortschreitende Wiederaufrichtung der schöpfungs-
mäßigen Gegebenheiten nach sich, indem der kranke oder besessene
Mensch vom Bösen befreit und in seiner ursprünglichen Bestimmung
wiederhergestellt wird. Als Folge ergibt sich aus dem Weichen der
Dämonen der interpretative Rückschluß auf die Gegenwart der Gottes-
herrschaft (Lk ll,20par; vgl. 10,9par). Was selbst den Propheten und
Königen Israels an Heilserfüllung versagt blieb, hat sich im Wirken Jesu
für die Augen- und Ohrenzeugen realisiert (Mt 13,16fpar). Der Satans-
sturz gibt dabei den grundsätzlichen Interpretationshorizont, die Wun-
derwirksamkeit als weitere Prämisse den unmittelbaren Bezugspunkt von
Jesu Basileia-Verkündigung ab. Die syn Wachstums- oder Kontrast-
gleichnisse dienten wahrscheinlich in hohem Maße einer Kommentierung
Ergebnisse 309

des eng mit Dämonenaustreibungen zusammenhängenden Prozesses der


erst in den Anfängen begriffenen, aber unaufhaltsamen Restitution der
Gottesherrschaft. Die Wunder stellen keinen entbehrlichen Neben-
aspekt, sondern eine der konstitutiven Voraussetzungen von Jesu Ver-
kündigung und Lehre dar.
Die vorstellungsmäßig von Urzeit-Endzeit-Entsprechungen geprägte
Heilsvergegenwärtigung im Zusammenhang mit Wundertaten hat im
Auftreten der jüdischen Zeichenpropheten des l.Jhdt.n.Chr. eine ge-
wichtige Analogie. Diese erhofften sich allerdings von der Heilszeit
keine Restitution des Schöpfungszustandes von Gen 1-2, sondern eine
Wiederholung der Exodusereignisse mit Befreiung des fremdbeherrsch-
ten Israel, und kündigten hierauf bezogene, unmittelbar bevorstehende
Beglaubigungswunder an, die sie in Gang zu setzen versuchten.
Eine wichtige Begleiterscheinung dieses eschatologischen Denkmu-
sters Jesu sind Dämonenaustreibungen oder Krankenheilungen am Sab-
bat. Zur Restitution der schöpfungsmäßigen Bestimmung des Sabbat als
eines Feiertags, der von Gott zum Wohlergehen des Menschen vor dem
Einbruch des Bösen in die Welt eingesetzt wurde und daher im zeitge-
nössischen Judentum ein Sinnbild für die eschatologische Heilszeit
darstellt, hat Jesus am Sabbat nicht lebensbedrohlich erkrankte Perso-
nen geheilt und damit die Schöpfungsordnung über die Sinaitora gestellt
(Mk 2,27; vgl. 10,2-9). Dieser bewußte Bruch der Sabbattora oder ihrer
zeitgenössischen Halakha dürfte maßgeblich dazu beigetragen haben, daß
Jesus als Wundertäter bereits zu Lebzeiten äußerst umstritten war und
ähnlich wie der wegen Götzendienst und Sabbatverletzung gesteinigte
Magier Ben Stada des Teufelsbündnisses (Mk 3,22parr) wie der Manie
(Mk 3,21; Joh 7,20) bezichtigt wurde.
3. Die Frage nach den von Jesus angewandten Wunder- oder Heil-
praktiken läßt sich aufgrund der ungünstigen Quellenlage nicht mit Si-
cherheit beantworten. Für die Dämonenaustreibungen ist in der ältesten
Überlieferung historisch plausibel von der auch 1 Q Gen Ap XX,28f.
erwähnten Bedrohung (£7tiTi|iav/~iyj) des Krankheitsgeistes als maßgeb-
lichem Machtmittel Jesu die Rede. Möglicherweise vollzog sich dies wie
bei anderen jüdischen Wundertätern durch Rezitation von ""n"!"1 be-
drohe dich, Satan" (Sach 3,2). Diese dämonenbannende Formel bietet
jedenfalls einen Schnittpunkt zwischen göttlicher Urheberschaft von
Jesu Dämonenaustreibungen einerseits (Lk ll,20par) und Jesu Bedrohung
von Krankheitsgeistern durch ETtitiuav/iy: andererseits (Mk 1,25; 9,25).
Zudem würde ihre Inanspruchnahme durch Jesus zwanglos erklären,
warum seine gottgewirkten Dämonenaustreibungen im antiken Judentum
keine singulare Erscheinung darstellten (Mt 12,27par).
310 Ergebnisse

Als weitere Dämonenaustreibungstechniken werden Jesus Ausfahrbe-


fehle (Mk 1,25; 5,8; 9,25), Namenserfragung (Mk 5,9), Epipompe (Mk
5,13) und Rückkehrverbot (Mk 9,25) zugeschrieben. Auch wenn solche
Praktiken mehrheitlich für die palästinische oder jüdische Magie des
l.-2.Jhdt.n.Chr. verbürgt sind und nicht vorschnell als hellenistische
Gemeindebildung abgetan werden können, haben sie wahrscheinlich
unter Einfluß der Vorgehensweise christlicher Wundercharismatiker ihre
Prägung erfahren und sind überwiegend sekundär in die Jesusüberliefe-
rung eingedrungen. In wörtlicher Rede gehaltene Ausfahrworte, Dämo-
nenbefragungen und Epipompai haben Parallelen in magischen Formula-
ren (PGM IV,1242ff.3007ff; V.158), während in Dämonenaustreibungsbe-
richten aus der Umwelt des NT (1 Q Gen Ap XX,12-34; Joseph, Ant
VIII,46-48; Luc, Philops 16.31; Philostr, Vit Apoll IV.20.25) immer in der
dritten Person aus der Erzählperspektive über die Wunderpraktiken
berichtet wird. Ähnlich wie den magischen Papyri geht es den ntl Dä-
monenaustreibungsberichten offenkundig um bewußte Wiedergabe fest-
geprägter Ausfahrworte, Befragungsformeln und Epipompai, zumal
christliche Wundertäter wahrscheinlich mit E^EXÖEiv/exire formulierte
Ausfahrworte (Apg 16,18; Act Petr 11; Act Thom 74; 77) verwendeten,
Dämonen zum Reden (Theophil, Autolyc 2,8; Act Thom 74) oder zur
sichtbaren Ausfahrt (Act Petr 11) zwangen und ihnen die Rückkehr
untersagten (Act Andr 5; Act Thom 77). In der jüdischen wie grie-
chisch-römischen Welt breitbezeugte Beschwörungen sind für Jesus
nirgendwo belegt, so daß man in Anbetracht dieser Quellenlage für ihn
im Zusammenhang mit seinen Dämonenaustreibungen die Bezeichnung
Exorzist am besten vermeidet.
Von den Krankenheilungstechniken liegt für Jesus neben der Hand-
auflegung oder Handergreifung auch die pharmakologische Speichelver-
wendung (Mk 7,33; 8,23; Joh 9,6f.), die für das antike Judentum des
l.Jhdt.n.Chr. als Heilpraktik vorauszusetzen sein dürfte, historisch im
Bereich des Möglichen, ohne daß dies unbedingt eine Betrachtung Jesu
als Arzt nahelegte. Berührungspunkte mit wissenschaftlicher Medizin
sind für Jesus nicht gegeben, eine Verabsolutierung ärztlich-helfender
Motive seiner Dämonenaustreibungen und Krankenheilungen verstellt
den Blick auf deren vorrangig eschatologisch-heilsgeschichtliche Dimen-
sion. Wie es bei den Dämonenaustreibungserzählungen der Fall ist,
unterscheiden sich auch einzelne Wunderheilungsberichte der Evange-
lien von ihren unmittelbaren religionsgeschichtlichen Parallelen der Form
nach dadurch, daß ein Interesse an wortgetreuer Wiedergabe von for-
melhaften Heilungsworten (Mk 2,11/Joh 5,8; Mk 7,34) besteht, was wie-
Ergebnisse 311

derum im Zusammenhang mit der Vorgehensweise nachösterlicher Wun-


dercharismatiker stehen dürfte.
Da der Logienüberlieferung nicht an Informationen über Wunderprak-
tiken gelegen ist und die diesbezüglichen, ohnehin spärlichen Angaben
der Erzählüberlieferung in hohem Maße von nachösterlichen Gegeben-
heiten her geprägt sind, kann grundsätzlich nicht ausgeschlossen wer-
den, daß Jesus sich bei seinen Wunderheilungen auch solcher zeitge-
nössischen Techniken wie Gebet oder Beschwörung bedient hat. Histo-
risch verantwortete Forschung muß sich hier allerdings wohl oder übel
mit der gegebenen Quellenlage arrangieren, Mutmaßungen über nicht
erhaltene esoterische Geheimlehren Jesu oder über zensierte magische
Jesus-Traditionen führen in den Bereich der Spekulation. Eine Unter-
drückung "magischen Beweismaterials" ist vor Mt kaum nachweisbar.
Erzählungen wie Mk 1,13; 4,35-41; 5,1-20 oder 9,14-27 legen nahe, daß
die vorliterarische Traditionsgeschichte der Evangelienstoffe eher von
der gegenläufigen Tendenz einer Verstärkung magischer oder schama-
nenhafter Züge Jesu geprägt war.
4. Obwohl sich die Wunder Jesu punktuell mit den Machttaten zeitge-
nössischer Krankenheiler, Magier und Propheten berühren, läßt er sich
weder einer breiteren charismatischen Strömung des antiken Judentums
noch einem festgeprägten Typus von jüdischem Wundertäter zuordnen.
Wohl am auffälligsten ist in dieser Hinsicht, daß Jesus mit seinen Dä-
monenaustreibungen und Krankenheilungen in keiner erkennbaren Be-
ziehung zu der mit David und Salomo verbundenen, von den Essenern
und Eleazar repräsentierten magisch-pharmakologischen Heilkunst steht,
die so etwas wie die palästinisch-jüdische mainstream magic der Zei-
tenwende darstellt. Jesus hat aller Wahrscheinlichkeit nach weder al-
chemistische Wurzel- und Steinbücher ägyptischer Prägung noch David-
psalmen und Beschwörungsformeln Salomos zu Heilzwecken verwendet
oder über magische Kompendien wie das "Buch der Heilmittel" verfügt.
Die Konzeption des Wunderpropheten scheidet als Erklärungsmodell
für das Auftreten Jesu schon aus dem Grunde aus, daß Jesus sich mit
der Verweigerung von Zeichengewährungen (Mk 8,12) gegen ein prophe-
tisches Verständnis seiner Wunder gewandt hat. Lk 10,18 weist zwar in
die Nähe prophetischer Berufungsvisionen, und mit den Zeichenprophe-
ten teilt Jesus in begrenztem Umfang eine Urzeit-Endzeit-Eschatologie
mit Heilsvergegenwärtigung durch Wunder. Seine Dämonenaustreibungen
und Krankenheilungen sind jedoch ebensowenig Legitimationserweise im
Dienste prophetischer Verkündigung wie Beglaubigungszeichen für die
Rechtmäßigkeit und Vollmacht von Lehre oder Halakha, und im Gegen-
satz zu den an eschatologisierten Exodustraditionen orientierten Natur-
312 Ergebnisse

wundern der im Umfeld des Zelotentums anzusiedelnden Zeichenpro-


pheten bewirkte Jesus Wunderheilungen mit Rückbezug auf die Schöp-
fungssituation. Das populäre Bild von Jesus als Wunderprophet ver-
dankt sich wesentlich dem Umstand, daß Jesus unter Einfluß der Elia-
Elisa-Tradition sekundär Aussätzigenheilungen (Mk 1,40-45; Lk 17,11-19),
Speisevermehrungswunder (Mk 6,30-44parr; 8,1-10) wie Totenerweckun-
gen (Lk 7,11-17) zugeschrieben werden und prophetische Züge Jesu als
Wundertäter für die christologische Konzeption des Lk-Ev einen hohen
Stellenwert haben (Lk 4,13-30; 24,19).
Das von G. Vermes als Verständnishintergrund für die Wunder Jesu
beanspruchte, festgeprägte pattern wunderwirkender Chasidim erweist
sich als brüchig, da die herangezogenen Wundertraditionen sich in ihrer
Komplexität der Zuordnung zu einer übergeordneten charismatischen
Bewegung und deren scharfer Abgrenzung von Magie entziehen. Über-
einstimmend reklamierten allerdings Jesus, Choni und Chanina ben Dosa
im Zusammenhang mit ihren Wundertaten eine intensive Gottesbezie-
hung, wegen der sie aus freilich recht unterschiedlichen Gründen mit
dem Pharisäertum in Spannung gerieten, und evozierten eine ähn-
liche Wirkungsgeschichte, indem die in allen drei Fällen historisch
im Zentrum des Wirkens stehenden Wundertaten im nachhinein durch
Hervorhebung von Lehre relativiert und als Erfüllung von Schriftverhei-
ßung legitimiert werden. Speziell mit Chanina ben Dosa teilt Jesus zu-
dem die Zurückweisung prophetischer Implikationen seiner Wunder
(bBer 34b; bBQ 50a). Grundsätzlich erscheint es allerdings bereits
zweifelhaft, ob der Magier Choni mit seinem schamanistischen Regen-
wunder und der charismatische Gebetsheiler Chanina ben Dosa gemein-
same Wurzeln in einer übergeordneten chasidischen Bewegung haben.
Selbst wenn dies der Fall sein sollte, liegen hier allerdings kaum die
Ursprünge Jesu. Im Gegensatz zu Choni hat er wahrscheinlich weder
Naturwunder vollbracht noch solche Praktiken wie den magischen Kreis
oder die Beschwörung Gottes angewandt. Sowohl von Choni als auch
von Chanina unterscheidet er sich dadurch, daß dem Gebet zu Gott kei-
ne erkennbare Bedeutung bei seinen Wundertaten zukommt (vgl. allen-
falls Mk 7,34; Joh ll,41f), während umgekehrt deren eschatologische
Bezüge samt darauf bezogener Halakha bei den erst später als Geset-
zeslehrern vereinnahmten "Chasidim" ohne Entsprechung bleiben. Ein
schwaches Bindeglied zwischen Choni, Jesus, Chanina ben Dosa und
Ben Stada besteht darin, daß es sich offenkundig in allen Fällen um
Wundercharismatiker oder Magier ohne Prophetenstatus handelt.
Auch Johannes der Täufer, der "kein Zeichen tat" (Joh 10,41), kommt
kaum als Urheber der Befähigung Jesu auf dem Gebiet der Dämonen-


Ergebnisse 313

austreibung oder Krankenheilung in Betracht, und die aus Mt 2,13-15


entwickelte polemische Tradition einer magischen Schulung Jesu in
Ägypten entbehrt einer geschichtlichen Grundlage. Die Dämonenaustrei-
bungen und Krankenheilungen Jesu resultierten wahrscheinlich nicht aus
dessen direkter Verwurzelung in einer der charismatischen Bewegungen
jüdischer Magier, Zeichenpropheten oder Chasidim. Sie sind offenkundig
eher das Resultat eines individuellen Entwicklungsprozesses, indem
Jesus sich nach der Herausbildung einer eigenständigen Eschatologie
mit präsentischen Heilsbezügen von dem Täufer löste und vielleicht
aufgrund einer Art "schamanistischer Geistervision" (Lk 10,18) ohne
thaumaturgische Vorbildung "mit dem Finger Gottes" im Horizont der
fortschreitenden Restitution der Gottesherrschaft Wunderheilungen voll-
brachte. Grundsätzlich ist aber festzuhalten, daß Wundercharisma und
Magie im palästinischen Judentum der Zeitenwende eine größere Rolle
als gemeinhin angenommen spielten und von daher Jesus ohne erkenn-
bare direkte Abhängigkeit doch in einer umfassenderen Tradition steht.
5. Von der Dämonologie, dem Erscheinungsbild und der Wirkungsge-
schichte her ist Jesus im weiteren Sinne dem religionsgeschichtlichen
Typus des Magiers oder Theios Aner zuzuordnen. Die über weite Strek-
ken kontroverse Diskussion um Jesus als Magier oder Theios Aner wird in
sachlichere Bahnen gelenkt, wenn man sich vergegenwärtigt, daß eine
Betrachtung Jesu als Theios Aner für das hellenisierte Palästina der Zei-
tenwende nicht automatisch Ungeschichtlichtkeit der ntl Wundererzäh-
lungen nach sich zieht und Magie nicht zwangsläufig etwas Negatives
anhaften muß, da sie sich nicht aus dem Bereich von Religion und Wis-
senschaft ausgrenzen läßt. Bei antiken Magiern oder Schamanen handelt
es sich grundsätzlich um seriöse religiöse Mittler mit hoher Reputation,
die erst vom Standpunkt des von ihnen maßgeblich mitentwickelten,
dann aber entmythisierten naturwissenschaftlichen Denkens her und
wegen ihrer Nonkonformität mit dem vorherrschenden Religions- und
Wissenschaftsverstandnis zur Zielscheibe des Spottes oder zum Objekt
staatlicher Verfolgung wurden.
In Kontrast zu wissenschaftlicher Medizin teilte Jesus mit der Magie
das damonistische Weltbild der Antike, führte Krankheit im wesentli-
chen auf das schädigende Wirken der dem Satan untergebenen bösen
Geister zurück und verfügte über spezielle Kenntnisse und Befähigun-
gen auf dem Gebiet der Dämonenaustreibung. Das Erscheinungsbild Jesu
deckt sich in hohem Maße mit dem griechischer Magier oder Schama-
nen. Jesu Auftreten ist entscheidend durch Dämonenaustreibungen und
Krankenheilungen gekennzeichnet, in den Evangelien sind authentische
dämonische Lehren überliefert (Mk 3,27; Mt 12,43-45par), wie Pythago-
314 Ergebnisse

ras, Empedokles oder Apollonius von Tyana hat er Schüler zu Wunder-


taten instruiert (Mk 6,6b-13). Spätestens seitdem Jesus in der vormk
Tradition in erheblichem Umfang mit magischen oder schamanenhaften
Zügen ausgestattet wurde, ist seine Wirkungsgeschichte mit der umstrit-
tener antiker Magier über weite Strecken deckungsgleich. Dem Namen
Jesu wird innerhalb wie außerhalb des Christentums magische Bedeu-
tung beigemessen, wie Mose (PGM XIII), Pythagoras (PGM VII,795) und
Apollonius (PGM XIa,l) taucht er in den Zauberpapyri auf (PGM IV,1232f.
3019f). Die Verehrer Jesu propagieren ihn aufgrund seiner Wunderta-
ten als Gottessohn (Mk 5,8) und damit als Theios Aner. Seine Gegner be-
streiten dies, indem sie ihn der schwarzen Magie (Mk 3,22parr), des
Wahnsinns (Mk 3,21; Joh 7,20) und der Goetie (Orig, Cels 1,6.71; 11,32)
bezichtigen, wie sie praktisch allen herausragenden Magiern und Scha-
manen der griechisch-römischen Welt vorgeworfen wird. Zur Erhöhung
der Reputation Jesu wird in den Evangelien, insbesondere bei Mt, das
Jesusbild einer ähnlichen Revision unterzogen, wie dies bei der Integra-
tion von Choni und Chanina ben Dosa in das Rabbinentum und bei der
Porträtierung von Mose, Pythagoras oder Apollonius in hellenistischen
Biographien der Fall ist, indem bei grundsätzlichem Festhalten an der
Bedeutung von Wundertaten eine Aufwertung der Lehre und eine Ent-
schärfung oder Reduktion magisch-thaumaturgischer Züge erfolgt.
6. Trotz dieser Wirkungsgeschichte, die bereits zu Lebzeiten Jesu
einsetzt und der eine nicht zu unterschätzende indirekte historische
Aussagekraft zukommt, sind allerdings an der These von Jesus als Ma-
gier, Schamane oder Theios Aner gewichtige Abstriche vorzunehmen. Auf
die Distanz Jesu zur schamanistischen Regenmagie Chonis und zur ma-
gischen Heilkunst in der David-Salomo-Tradition wurde bereits hinge-
wiesen. Von Pythagoras, Empedokles, Apollonius von Tyana und Alexan-
der von Abonuteichos, den herausragenden Magiern der griechisch-rö-
mischen Welt mit nicht zu unterschätzenden wissenschaftlichen Kennt-
nissen, unterscheidet sich Jesus maßgeblich dadurch, daß er offenkundig
kein Schamane im eigentlichen Sinne war. Jesus hat weder die für
schamanistische Krankenheilungen konstitutive Lehre von der Seelen-
wanderung vertreten noch losgelöst vom Körper ekstatische Jenseits-
reisen unternommen, um den Seelen der Verstorbenen Totengeleit zu
geben oder den Seelen der Lebenden heilungsfördernde Informatio-
nen aus der Präexistenz zu verschaffen. Die Wirksamkeit von Schama-
nen richtet sich grundsätzlich auf das individuelle Geschick der Seele,
während die Wunderheilungen Jesu kollektive Heilsgeschichte implizie-
ren, indem der einzelne in die sich universell Durchbruch verschaffende
Gottesherrschaft hineingenommen wird. Ebensowenig reklamierte Jesus
Ergebnisse 315

allem Anschein nach die Fähigkeit, mit den in Tieren oder Pflanzen
reinkarnierten Seelen zu kommunizieren und aufgrund des dabei gewon-
nenen schamanistischen Wissens Naturereignisse vorherzusagen oder
Naturkatastrophen durch kathartische Riten abzuwenden. Auch daß für
Jesus im Gegensatz zu Empedokles (Fragm 102), Apollonius (Ep 17) und
Alexander (Luc, Alex 11) keine personalen Ansprüche auf Göttlichkeit
überliefert sind und es sich von daher bei ihm dem Selbstverständnis
nach nicht um einen Theios Aner gehandelt hat, dürfte maßgeblich mit
dem Fehlen einer Seelenwanderungslehre zusammenhängen. Die grie-
chischen Schamanen wähnten sich mit ihren naturwissenschaftlichen
Kenntnissen und ihrem auf ekstatischen Jenseitsreisen gewonnenen
freundschaftlichen Verhältnis zu Göttern und Dämonen dem gewöhnli-
chen Menschsein enthoben, wußten um das künftige Geschick ihrer
Seele und beanspruchten von daher eine göttliche Physis, wie es für
Jesus offenkundig nicht der Fall war.
In noch deutlicherer Distanz steht Jesus zu der im Hellenismus von
den griechisch-ägyptischen Zauberpapyri, im antiken Judentum von dem
"Buch der Geheimnisse" und dem "Schwert des Mose" repräsentierten
komplexen Magie. Mit Dämonenaustreibungen und Krankenheilungen
vollbringt Jesus von vornherein nur einen Bruchteil dessen, was dort an
Begünstigungs- und Schadenspraktiken in den Aufgabenbereich oder das
Repertoire eines Magiers fällt. Die Berührungen zwischen der syn Wun-
dertradition und einzelnen Dämonenaustreibungsformularen der Zauber-
papyri verdanken sich im wesentlichen sekundärer Traditionsbildung. Für
Beschwörungsformeln oder ausführliche magische Rituale gibt es in der
uns überkommenen Jesusüberlieferung keine Anhaltspunkte.
Letztlich teilt Jesus mit Magiern die Dämonologie, die grundsätzliche
Art der Krankheitsbekämpfung und weite Teile der Wirkungsgeschichte,
ohne daß er einer der uns bekannten breiteren Strömungen der antiken
Magie oder des Schamanismus zugeordnet werden könnte. Solche
Aspekte, die Magie zu einer problembehafteten Erscheinungsform von
Religion machen (Synkretismus, Zwangsbeeinflussung von Gottheiten,
Schadens- oder Begünstigungspraktiken ohne ethische Reflexion), sind
für die Wunder Jesu mit ihrer ohnehin nicht aus Magie ableitbaren
heilsgeschichtlichen Perspektive grundsätzlich bedeutungslos. Als Wun-
dertäter, der den eschatologischen Satanssturz mit einsetzender Wie-
deraufrichtung der Gottesherrschaft bereits vollzogen sah und sich dem
Selbstverständnis nach mit Dämonenaustreibungen wie Krankenheilungen
als Werkzeug Gottes bei der dynamischen Restitution des Schöpfungs-
zustandes von Gen 1-2 betrachtete, stellt Jesus trotz vielfältiger Berüh-
rungspunkte mit anderen Wundercharismatikern ein singuläres Phänomen
der Antike dar.
V. Frühchristliches Wundercharismatikertum
in der Nachfolge Jesu
Für das frühe Christentum läßt sich sowohl in der Mission als auch
im Gemeindeleben eine vielfältige Wunderpraxis nachweisen. Wir wen-
den uns zunächst den Wanderpropheten oder Wanderaposteln zu, die
ihr Auftreten entscheidend von den Aussendungsanordnungen Jesu
und den dortigen Wunderinstruktionen ableiteten.

1. Wunderwirkende Apostel und Propheten in der


Tradition der Aussendungsrede
1.1. Die Sendboten der Logienquelle
a) Aussendungsrede und Wehesprüche Lk 10,l-15par
Wenn Jesus nicht nur persönlich Dämonenaustreibungen und Kran-
kenheilungen vollbrachte, sondern auch Jünger in diese Wirksamkeit
miteinbezog und dazu anleitete, ergibt sich von vornherein eine hohe
Wahrscheinlichkeit dafür, daß die Anordnungen der Aussendungsrede
nachösterlich als Instruktionen für die Missionstätigkeit christlicher Ge-
meinden aufgefaßt wurden.
Den Überlieferungsträgern der Logienquelle diente die Aussendungs-
tradition als normative Agende, indem die Q-Missionare in Übereinstim-
mung mit den Anweisungen von Lk 10,l-12par auftraten und handelten 1 .
Als Bezeichnung dieser Wandercharismatiker kommt am ehesten EpYätai
(Lk 10,2.7par) in Betracht, das hier titularen Sinn hat (vgl. 2 Kor 11,13;
Phil 3,2) und auf eine Beanspruchung des Unterhaltsrechtes hinweist.
Daneben galten die Q-Boten wohl auch als "Apostel und Propheten" (Lk
11,49, vgl. Did 11,3) , zumal sich der Aposteltitel bereits von äitooTEXXEiv

1 Vgl. Hoffmann, Studien 294ff.; Sato, Q 311; Schindler, Brechungen


95-98.
2 Lk 11,49 änooTEXu sie; aüroüc, TtpoipfJTac, xai änooTÖXouc; bietet diff. Mt
23,34 ärtooTEXXu Ttpöc, uu.Sc, Ttpoipfjtac, xai ao90üc; xai YP^UOTETC. den Q-
Wortlaut (Schulz, Q 336f.; Gnilka, Mt-Ev II 298). Lk 11,49-51 ist auf die
noch anhaltende missionarische Bemühung der Q-Boten um Israel gemünzt
(Hoffmann, Studien 169; vgl. Steck, Israel 223f.; Schmeller, Brechungen 96).
Sendboten der Logienquelle 317

Lk 10,1.3par her nahelegt. Speziell auf die Aussendungsanordnung Mt


10,7f. /Lk 10,8 mit ihrer bei Lk authentisch bewahrten Abfolge von
Heilungen und Ansage der Gottesherrschaft bezogen, ist der aktualisie-
renden Rezeption für die Missionspraxis der Q-Gemeinden ein hoher
Stellenwert von Wundertaten und darauf bezogener Wortverkündigung
entnehmbar. Der Hauptakzent lag nach wie vor auf Dämonenaustreibun-
gen und Krankenheilungen, als deren Folge die nahegekommene Gottes-
herrschaft zugesprochen wurde. Die eschatologische Verkündigung der
Q-Boten ist Interpretament der von ihnen bewirkten Machttaten.
Daß die Missionspraxis der hinter der Logienquelle stehenden früh-
christlichen Gemeinden schwerpunktmäßig von Dämonenaustreibungen
und Heilungen in der Nachfolge Jesu geprägt ist, geht aber nicht allein
aus der normativ für eigenes Handeln empfundenen Aussendungsbevoll-
mächtigung Mt 10,7f./Lk 10,8 hervor, sondern wird auch durch den We-
he-Spruch Mt 11,21/Lk 10,13 bestätigt. Dessen kompositorischen Ort in
Q als Fortsetzung der Aussendungsrede hat Lk im Gegensatz zu Mt
sachgerecht bewahrt 3 , während dem Wortlaut nach Mt 11,21 Ursprüng-
lichkeit gegenüber Lk 10,13 zukommt 4 . Dieser Weheruf geht kaum auf
Jesus zurück, sondern wurzelt als Reflex negativer Missionserfahrungen
in der Verkündigung der Q-Propheten 5 . In Form eines prophetischen
Drohwortes wird Chorazin und Bethsaida das Gericht angekündigt, da
sich beide Orte trotz dort geschehener Machttaten (SuväuEic;), welche
sogar Tyros und Sidon (vgl. Jes 23; Ez 26-28) zur Umkehr bewegt hät-
ten, der christlichen Botschaft gegenüber verweigerten. Selbst dort, wo
man treffend mit Gemeindebildung von Mt 11,21/Lk 10,13 rechnet, wer-
den allerdings die Machttaten überwiegend als Rückblick "auf die in die-
sen beiden galiläischen Orten geschehenen Wunder und Heilstaten des
irdischen Jesus" 6 aufgefaßt.

3 Vgl. Lührmann, Redaktion 61f.; Hoffmann, Studien 284; Laufen, Dop-


pelüberlieferungen 228f. - Mt plaziert den Stoff 11,20 hinter das Gleichnis
von den spielenden Kindern 11,16-19.
4 xa&fjuEvoi Lk 10,13 geht als präzisierende Beschreibung des Bußrituals
auf Lk zurück (Hoffmann. Studien 285). - Mt 12,23b.24 mit seinen Wunder-
aussagen stellt mt Parallelbildung zu Mt 12,21b.22 dar (gegen Manson, Say-
ings of Jesus 77).
5 Vgl. Bultmann, Syn Tradition 118; Lührmann, Redaktion 93 mit Anm.4;
Schulz, Q 362ff.; Sato, Q 199. Für Authentizität sprechen sich dagegen Küm-
mel, Verheißung 30f.; Hahn, Mission 27f.; Grundmann, Lk-Ev 211; Nielsen,
Heilung 67-71; Gnilka, Mt-Ev I 430, aus.
6 Schulz, Q 364; ähnlich Bultmann, Syn Tradition 118 ("die Worte blicken
auf die abgeschlossene Wirksamkeit Jesu zurück"); Lührmann, Redaktion 64.
Anders dagegen Schenk, Verwünschung 485f.
318 Wunderwirkende Apostel und Propheten

Dies entspricht zwar der Sehweise des Mt, wie die redaktionelle Notiz Mt
11,20 TÖTE fjp^aTO övEiSit^Eiv räc; TTÖXEIC, EV alc, EYEVOVTO ai TCXETOTOI SuvauEic,
aüroü ... zeigt, deckt sich jedoch kaum mit den Gegebenheiten in Q, wo
nichts darauf hindeutet, daß es in Mt ll,21par um Wundertaten Jesu in Cho-
razin und Bethsaida geht. Über eine Wirksamkeit Jesu in Chorazin ist der ntl
Evangelientradition nichts entnehmbar, und eine Bezeichnung der Wunder Jesu
als SuvauEic; wäre hier für Q Singular. Die Q-Stoffolge mit ihrer Anfügung
von Lk 10,13-15 an die Aussendungsrede Lk 10,1-12 und deren Wunderbeauf-
tragung impliziert, daß es sich bei den SuvauEic; um Machttaten der Q-Missio-
nare handelt, die in Anlehnung an die Aussendungsinstruktion Lk 10,9par in
Chorazin und Bethsaida gewirkt wurden, um diese Städte erfolglos zur Um-
kehr zu bewegen. In diesem Sinne hat auch Lk noch die SuvauEic; aufgefaßt,
indem er erst 10,17-20 von der Rückkehr der Zweiundsiebzig berichtet, ohne
den engen Q-Zusammenhang von Jüngeraussendung mit Wunderinstruktion
einerseits, Gerichtsdrohung gegen die sich den Wundertaten verschließenden
galiläischen Städte andererseits, zu zerstören.

Diese Interpretation von Mt 11,21/Lk 10,13 wird dadurch gestützt, daß


sich die pln Gegner im 2 Kor, wie die Q-Boten Wandermissionare,
ebenso wie die Wunderpropheten von Mt 7,22 auf von ihnen bewirkte
SuvauEic; stützten (2 Kor 12,12), und auch Pls solche Machttaten zu den
Begleiterscheinungen seines Apostolats rechnet (2 Kor 12,12; Rom
15,18f). Bemerkenswert ist in Mt 11,21/Lk 10,13 die kausale Bindung der
Umkehr an Machttaten. Dies deutet auf eine Missionskonzeption mit
sachlichem Übergewicht von Wundern gegenüber der Verkündigung hin
und erklärt sich am ehesten dadurch, daß sich die Tradenten des Wehe-
spruchs Mt 11,21/Lk 10,13 an der Missionsinstruktion Lk 10,9 mit ihrer
Vorordnung der Wundertaten gegenüber der Ankündigung der Gottes-
herrschaft orientierten. Vermutlich hat der im Kern authentische Q-Ma-
kansmus Mt 13,16f./Lk 10,23f. (Seligpreisung der Augen- und Ohrenzeu-
gen) mit seiner Vorordnung des Sehens gegenüber dem Hören hier
ebenso seinen nachösterlichen Sitz im Leben wie die "Exorzismusregel"
Mt 12,43-45par.

Exkurs: Das Verständnis der Aussendungstradition bei Mk, Mt und Lk

Für das redaktionelle Verständnis von Mk 6,6b-13/Lk 10,l-12par ist


es von Bedeutung, ob die Evangelisten bei der Bearbeitung der ihnen
überkommenen Aussendungsüberlieferung allein von historisierenden
oder darüber hinaus auch von aktualisierenden Interessen geleitet sind.
Während Historisierungstendenzen durch eine kritische Haltung gegen-
über christlichen Wundercharismatikern mitbedingt sein können, sind
einer aktualisierenden Rezeption der Aussendungsanordnungen Rück-
Sendboten der Logienquelle 319

Schlüsse auf die Wunderpraxis der von den Evangelisten repräsentierten


Gemeinden entnehmbar.
Mk hat die Aussendung der Jünger nicht als ein nur der vergangenen
Jesuszeit zugehöriges Ereignis ohne Gegenwartsbedeutung aufgefaßt, da
insbesondere die Rahmenbemerkungen Mk 6,7.12f. ein deutliches Inter-
esse auf aktuelle Gegebenheiten seiner Zeit hin bekunden 7 . Speziell auf
die Wunderthematik von Mk 6,7.13 bezogen, ergibt sich als Konsequenz,
daß Mk aus der Missionspraxis seiner Gemeinde Dämonenaustreibungen
und Krankenheilungen unter Verwendung von Öl (vgl. Jak 5,14) geläufig
waren, die allerdings in ihrer Bedeutung anders als bei den Q-Boten (Lk
10,9) nunmehr der Wortverkündigung als deren Begleiterscheinungen
untergeordnet sind. Speziell die Erwähnung von Öl als Heilmittel deutet
darauf hin, daß christliche Wundertäter neben magischen Dämonenaus-
treibungskenntnissen auch über pharmakologisch-medizinische Fertig-
keiten verfugten und sich dabei vermutlich bestimmter Heilmittellehren
der Antike bedienten 8 .
Daß hingegen für Mt keine derartige Transparenz der Aussendungs-
anordnungen auf die Gemeindesituation gegeben ist, zeigt sich im Ver-
gleich von Mt 10,1-16 mit Mt 28,19f., der für die mt Kirche maßgebli-
chen Missionsagende. Bereits die Wiedergabe des die universale Hei-
denmission ausschließenden Logions Mt 10,5b.6 durch Mt zeigt, daß die
allein auf Israel beschränkte Sendung Mt 9,35-10,15 ein für seine Ge-
genwart nicht mehr normatives Ereignis darstellt (vgl. Mt 28,19f), son-
dern einer längst überholten Epoche zugehört 9 . Ebensowenig wird in
der Wunderbevollmächtigung Mt 10,8 die historische Situation bewußt

7 Reploh, Markus 56; Hoffmann, Studien 243; Laufen, Doppelüberlie-


ferungen 300f.; Lührmann, Mk-Ev 112. Gegen Dibelius, Formgeschichte 226f.
(Mk liege an der historisierenden Darstellung der Jüngeraussendung, er
dichte keine Legenden); Bultmann, Syn Tradition 156: "Als hellenistischer
Evangelist empfand er (sc. Mk) wohl, daß diese Instruktion für die Mission
der Oikumene nicht mehr paßte, und machte eine Anweisung für die Mission
der Zwölf während der Zeit des Wirkens Jesu daraus."
8 Hier ist beispielsweise an die Materia medica von Dioskurides zu den-
ken, die zahlreiche Rezepte mit Ol (EXOIOV oder uüpov) als Heilmittel enthält
(I 30-63). Speziell bei Epilepsie, wie sie Mk 6,13 miteingeschlossen sein
dürfte, spielen in den therapeutischen Maßnahmen des Rufus von Ephesus
Ölsalbungen mit ihrer wärmeentfaltenden Wirkung eine wichtige Rolle (Kran-
kenjournale XIV,4ff.; XV,6-11). Tert, Scapul 4,6, zufolge wurde Septimius
Severus von dem Christen Proculus mit Ol (per oleum) geheilt.
9 Vgl. Hummel, Auseinandersetzung 138, und Strecker, Weg der Ge-
rechtigkeit 196, der hier die mt Jüngerdarstellung von einer historisierenden
Differenzierung zwischen der Zeit der Jünger und der Gegenwart des Mt
gekennzeichnet sieht.
320 Wunderwirkende Apostel und Propheten

auf eine Transparenz zur mt Zeit hin gesprengt 10 . Mt hat die Aussen-
dungsanordnung 10,8 in Orientierung an dem Wunderkatalog Mt 11,5 mit
dem Interesse ausgestaltet, das einstige Wirken Jesu und der Jünger zu
parallehsieren, ohne daß dieser Angleichung eine Vorbildfunktion für die
mt Gemeinde zukäme, in deren Missionspraxis Wundertaten offenkundig
keine Rolle mehr spielten (28,19f). Mt steht grundsätzlich wundercha-
rismatischen Strömungen seiner Zeit äußerst reserviert gegenüber.
Maßgeblicher Grund dafür dürfte ein pneumatischer Enthusiasmus ein-
zelner Wundercharismatiker im Umfeld des Mt-Ev gewesen sein, der
sich in "Pseudoprophetie" manifestierte (Mt 7,15-23; 24,23-28).

Spiegelt der Weheruf Mt 11,21/Lk 10,13 in der Logienquelle in missionari-


scher Intention begangene SuvauEic, der Q-Boten, so werden diese von Mt
durch die redaktionelle Formulierung und Voranstellung von 11,20 als Wunder
Jesu ausgegeben. Mt gibt damit zu erkennen, daß Machttaten in der Mis-
sionspraxis seiner Gemeinde nicht mehr aktuell sind oder von ihm aus sachli-
chen Gründen abgelehnt werden. Auf der gleichen Linie liegen die Nichtbe-
rücksichtigung von Mk 9,29, einer Jüngerinstruktion zu Dämonenaustreibungen
durch Gebet, und die oben (IV.5.2) beobachtete Reduktion nachahmungsfähiger
Wunderpraktiken oder sogar das Übergehen ganzer Wundergeschichten aus
der Jesustradition, die wie Mk 7,31-37 und 8,22-26 als Anleitung für die
Wirksamkeit christlicher Wundertäter verstanden werden können.

Ob Lk die Q-Aussendungstradition ausschließlich retrospektiv-histori-


sierend im Sinne einer Regelung der Jüngerbeauftragung zur Zeit Jesu
auffaßte oder auch als Instruktion für gegenwärtiges Gemeindehandeln
betrachtete und entsprechend ausgestaltete, dürfte wie bei Mk 6,6b-13
im letztgenannten Sinne zu entscheiden sein. Mit EOÖIETE rot itapaTiÖEUEva
üuiv Lk 10,8 findet sich eine über Q hinausgehende Anordnung, die
wahrscheinlich judenchristlichen Missionaren in heidnischem Gebiet
einen Genuß nicht verzehnteter oder unreiner Speisen gebietet, um den
Missionserfolg nicht zu gefährden 11 . Diese Zufügung stellt eine Anpas-
sung der nach wie vor als normativ empfundenen Aussendungstradition
an aktuelle Missionsbedürfnisse dar 12 . Auch für die von Mk übernom-

10 Gegen Luz, Jünger 156; ders., Jüngerrede 87.90; Gnilka, Mt-Ev I 357;
Schmeller, Brechungen 102. Vgl. ferner Hoffmann, Studien 255f.; Schulz, Q
404; Sand, Mt-Ev 222, die ebenfalls starke ekklesiologisch-aktualisierende
Interessen der mt Aussendungsrede vermuten.
n Vgl. Laufen, Doppelüberlieferungen 220. - Ähnlich Pls in 1 Kor 9,21:
(EYEVÖ(IT|V) TOTC; ävöp.oic; üc, avoitoc, ... , iva xEpSävu TOÜC; ävöuoug.
12 Vgl. auch Füller, Wunder Jesu 95f.; Hoffmann, Studien 244; Bovon,
Lk-Ev I 455, die ebenfalls eine Transparenz von Lk 10,1-12 auf die Gegen-
wart hin vermuten. Gegen Schulz, Q 404: Lk verstehe die Q-Aussendungs-
rede als Regelung der Sendung der 72 zur Zeit Jesu, ohne in ihr eine für sei-
Sendboten der Logienquelle 321

mene, von Lk partiell mit Formulierungen der Q-Tradition Lk 10,1-12


durchsetzte Aussendung der Zwölf Lk 9,1-6 läßt sich eine solche Trans-
parenz auf die lk Gemeindesituation vermuten 1 3 .

Von daher ist bemerkenswert, daß Lk fast überall die Jüngerbevollmäch-


tigung zu Dämonenaustreibungen bei gleichzeitiger Aufwertung der Kranken-
heilungsvollmacht getilgt hat. Nur in 9,1 hält Lk unter Einfluß von Mk 6,7 an
einer EFouoia ETÜ itävta t ä Saiuövia fest, ergänzt allerdings x a i vöoouc.
9-EpattEÜEiv. In der auf Mk 6,12f. basierenden Aussendungsnotiz Lk 9,2 finden
Dämonenaustreibungen keine Erwähnung mehr; neben der Verkündigung ist
nunmehr ausschließlich von Krankenheilungen die Rede. In der Vollzugskon-
statierung Lk 9,6 übergeht Lk wiederum gegen Mk 6,13 Dämonenaustreibun-
gen der Jünger. In diese Redaktionstendenz fügt sich die lk Bearbeitung von
Mk 3,14b.15, wo Lk in 6,12-16 die mk Jüngerbevollmächtigung zu Dämonen-
austreibungen nicht übernimmt, und die lk Auslassung von Saiuövia ExßäXXETE
in der Q-Aussendungstradition Mt 10,8 nahtlos ein. Sofern Dämonenaustrei-
bungen hier nicht stillschweigend unter Heilungen subsumiert werden, kam
ihnen in der Missionspraxis der lk Gemeinde keine maßgebliche Bedeutung zu
oder Lk steht ihnen ablehnend gegenüber, wobei letzteres in Anbetracht der
"exorzismuskritischen" Tendenz des Logions Lk 10,20 die größere Wahr-
scheinlichkeit für sich hat.

* «*

b) Die Rückkehr der Ausgesandten (Lk 10,17-20)


Unter dem Vorbehalt einer unsicheren Quellenlage deutet auch Lk
10,17-20, wo Lk über Mt hinausgehend von einer Rückkehr der Ausge-
sandten (vgl. Mk 6,30/Lk 9,10) berichtet, auf Dämonenaustreibungen der
Q-Boten hin. Die Einleitung 10,17a weist zwar mit dem Rückbezug auf
die lk Aussendungsnotiz 10,1a und der lk Vorzugswendung ÜTtoorpEipEiv
uEtd xaP<*?14 redaktionelle Elemente auf, basiert aber auf einer in Q
enthaltenen, Mk 6,30 entsprechenden Vollzugsnotiz als Traditions-

ne Gegenwart unverändert gültige Anweisung zu sehen und sie für die Kirche
seiner Zeit verwendbar zu machen.
13 Vgl. Schürmann, Lk-Ev I 499.505. Ähnlich Bovon, Lk-Ev I 455, der
allerdings in Lk 10,1-12 aktualisierende, in Lk 9,1-6 hingegen offenbar eher
historisierende Tendenzen wirksam sieht. Daß Lk nicht an einer derartigen
Unterscheidung zwischen beiden Sendungen gelegen ist, zeigt der Rekurs Lk
22,35, wo die Zwölf angesprochen werden, in der Wortwahl dagegen auf die
Sendung der Zweiundsiebzig zurückgegriffen wird (Hoffmann, Studien 244).
14 Vgl. Lk 24,52 ÜTtEötpEtjiav sie; 'lEpouoaXfju UETÖ xaP<xc, UEYäXric,; UETÖt
Xapac, noch Lk8,13; ürcoöTpEtpEiv 35mal im NT, davon 21mal im Lk-Ev und
llmal in Apg.
322 Wunderwirkende Apostel und Propheten

grundlage. Weiterhin legt die lk Vorliebe für irXfjv-Anschlüsse15 nahe,


daß Lk das Logion 10,20 angefügt oder sogar erst formuliert hat 1 6 . Da
Lk 10,17b-19 keine lk Stileigentümlichkeiten aufweist 17 und zudem im
sekundären Mk-Schluß eine traditionsgeschichtliche Variante hat, kann
die vorlk Herkunft dieses Stoffes als gesichert gelten.

Mk 16,17f. EV Tip övöuari uou Saiuövia ExßaXoüoiv ... xai EV rate, xEP°iv
ocpEic, äpoüoiv ... oü \IT) aüroüc. ßXätJjrj deutet auf einen vorlk Uberlieferungs-
zusammenhang von Lk 10,17b.19 xüpiE, xai t a Saiuövia ÜTtotäaoETai fjuTv EV
TU övöuari oou ... iSoü SsSuxa üuTv TTJV E^ouoiav TOU TtatETv ETtävu otpEuv
xai oxopttiuv ... xai OÜSEV üuac; oü u.f) äSixTJOTj hin . In diese Tradition wur-
de wohl ebenfalls bereits vorlk das ursprünglich isoliert tradierte Jesuslogion
Lk 10,18 eingefügt 20 . Auffällige Parallelen zu der Lk 10,18f. nunmehr gege-
benen Abfolge von Satansturz und Jüngervollmacht über das Böse bietet die
- allerdings futurische - Aussage Test Lev 18,12 xai ö BEXKXP SEÖTJOEtai ÜTI'
aüroü, xai SÜOEI E^ouoiav TOTC; TEXVOIC; aüroü TOU TCOTETV ETÜ t ä Ttovripä
nvEÜu.aTa (ähnlich Test Sim 6,6).

Dem lk Bericht von der Rückkehr der Zweiundsiebzig liegt somit ein
älteres Überlieferungsstück zugrunde, das in schulgesprächartiger Form
den erfolgreichen Vollzug von Dämonenaustreibungen im Namen Jesu
theologisch reflektiert, indem diese auf den Sturz des Satans (Lk 10,18)
mit Schwächung der ihm untergebenen Geister und auf eine Wunder-

15 Bultmann, Syn Tradition 170. - HXfjv (31mal im NT) begegnet 15mal im


Lk-Ev und 4mal in Apg (Mk 1/Mt 5). Anders Jeremias, Sprache 139f., der
adversatives TtXfjv im Lk-Ev offenbar durchweg der von ihm vermuteten lk
Sonderquelle zuschreibt.
16 Neben dem eher unlk ünoräooEiv (außer Lk 10,17.20 lediglich noch 2,51
verwendet) begegnet das lk Vorzugswort xaipEiv (Lk 12/Apg 7/Mk 2/Mt 6),
und EV röte; oüpavou; bietet Lk in 18,22 gegen EV oüpavy Mk 10,21.
17 Gegen Miyoshi, Reisebericht 97, berechtigt t ä Saiuövia 10,17b (Saiuöviov
bei Lk 4,41; 7,33; 9,49; 11,15.19.20 jeweils traditionell) nicht im mindesten zu
der Annahme, auch Lk 10,17b sei redaktionell.
18 Die Vollmacht über Schlangen ist typisches Kennzeichen von Wunder-
tätern und Schamanen, vgl. TBer 3,20 (Chanina ben Dosa); Apoll Parad, Hist
Mir Vl/Iambl, Vit Pyth XXVIII,142 (Pythagoras), siehe auch Bokser. Won-
der-Working 49 mit Anm.25.
19 Gegen Schmithals, Lk-Ev 124: Mk 16,17f. habe Lk in einer Grund-
schrift des Mk-Ev vorgelegen und sei Lk 10,19 redaktionell verarbeitet wor-
den. Ebensowenig kommt umgekehrte literarische Abhängigkeit des Passus Mk
16,17f. von Lk 10,17.19 in Betracht.
20 Daß EITCEV SE aütoTc; (Lk 10,18) im NT ausschließlich bei Lk bezeugt ist
(Miyoshi, Reisebericht 99; vgl. Jeremias, Sprache 33), verbürgt noch nicht
eine erst lk Einfügung von Lk 10,18. Denn ebensogut kann Lk ein vorgefunde-
nes xai ElTtEV aütoTc; o.a. in EZTCEV SE aüroTc, abgeändert haben, wie es Lk
8,25; 9,20 diff. Mk 4,40; 8,29 nachweisbar ist.
Gegner des Paulus im 2 Kor 323

bevollmächtigung Jesu (10,19; vgl. 10,9par) als tragenden Grund zurück-


geführt werden 2 1 . Der vorlk Charakter von 10,17b-19 sowie der Sach-
verhalt, daß auch die mk Aussendungstradition von einer Rückkehr der
Jünger berichtete (Mk 6,30) 21 , legt die Annahme nahe, daß Lk 10,17-19
bereits in Q oder in Q L k an die Aussendungsrede und die Wehesprüche
Lk 10,l-16par anschloß 2 2 und in Verbindung mit einem vorlk Wander-
charismatikertum steht. Eine deutliche Akzentverschiebung zeigt sich
dagegen in der lk Anfügung des Logions 10,20, das die Bedeutung sol-
cher nachösterlichen Dämonenaustreibungen erheblich relativiert, indem
ihnen in wunderkritischer Intention das "Eingetragensein in den himmli-
schen Büchern" übergeordnet wird 2 3 .

1.2. Die Gegner des Paulus im 2 Kor


Ein vom Typus her frappierend ähnliches, durch Machttaten und eine
Beanspruchung des apostolischen Unterhaltsrechtes gekennzeichnetes
Wandercharismatikertum judenchristlicher Herkunft, wie es hinter den
syn Aussendungstraditionen erkennbar wurde, begegnet uns mit den
Gegnern des Pls im 2 Kor. Für eine Erhellung ihrer Identität und Lehren
stellt der Briefabschnitt 2 Kor 10-13 die maßgebliche Quellengrundlage
dar 2 4 .
2 Kor 11,22 zufolge rühmten sich die pln Gegner als Hebräer, Israeli-
ten und Same Abrahams. Es handelt sich also eindeutig um Judenchri-
sten. Eine vielfach vermutete Herkunft aus Palästina 25 läßt sich dabei
ebensowenig beweisen wie ausschließen, da sämtliche Bezeichnungen

21 Mk 6,30 ist nicht uneingeschränkt redaktionell, wie die für Mk atypi-


sche Vorordnung der Tat gegenüber dem Wort zeigt.
22 Vgl. Sato, Q SSf., der mit einer Herkunft aus Q L k rechnet, allerdings
den gesamten V.17 für redaktionell hält. Schmithals, Lk-Ev 124, stuft zumin-
dest Lk 10,18 als Q-Logion ein.
23 Treffend Bultmann, Syn Tradition 170: Lk 10,20 stamme "aus einer
Zeit, in der die Überschätzung des Wunders zu einer Gefahr für die Ge-
meinde wurde."
24 Mit Einschränkung ist darüber hinaus 2 Kor 2,14-7,4 von Bedeutung.
Die unterschiedlichen Teilungshypothesen zum 2 Kor bedürfen hier keiner
näheren Erörterung. Auch wenn 2 Kor 2,14-7,4 und 2 Kor 10-13 unter-
schiedlichen Korintherbriefen zugehören werden (vgl. Bornkamm, Vorge-
schichte 172ff.; Becker, Paulus 234), bleibt die Frontstellung oder die Geg-
nerschaft in beiden Briefen dieselbe.
25 Käsemann, Legitimität 479ff.; Lüdemann, Antipaulinismus 141-143. vgl.
zur Forschungsgeschichte, die Gegnerfrage betreffend, Ellis, Paul and his
Opponents 102ff.; Sumney, Identifying Pauls Opponents 15-73.
324 Wunderwirkende Apostel und Propheten

auch für Diasporajuden zutreffen 26 . Daß die Gegner für sich den Apo-
steltitel beanspruchten, geht aus der pln Polemik von 2 Kor 11,13 hervor,
es handele sich um Pseudoapostel, die sich in Apostel Christi verwan-
delt hätten. Zudem dürfte auch die ironische Bezeichnung "Überapostel"
(11,5; 12,11) auf die Gegner und nicht auf die Jerusalemer Autoritäten
gemünzt s e i n 2 7 . "Pseudoapostel" 11,13 deutet daraufhin, daß die Gegner
nicht zu dem für Pls geschlossenen, durch eine Epiphanie des aufer-
standenen Christus konstituierten Apostelkreis von 1 Kor 15,7 zählten.
Sie traten als Apostel auf, wurden aber von Pls nicht als solche aner-
kannt, da ihnen eine Christusvision als das nach seiner Auffassung
entscheidende Merkmal apostolischer Würde fehlte. Der apostolische
Anspruch der Gegner leitete sich aller Wahrscheinlichkeit nach von der
Q-Aussendungstradition (vgl. dmooTEXXu Lk 10,3par) ab, wie dies auch
hinter den antipln Tendenzen von 1 Kor 9,1-18 erkennbar wird. In der
polemischen Wendung EpYatai SöXioi greift Pls mit EpYaTTic,, das im Cor-
pus Paulinum sonst nur noch Phil 3,2 belegt ist, eine Selbstbezeichnung
seiner Gegner auf, die in der Q—Aussendungstradition (Mt 9,37f;
10,10/Lk 10,2.7) in Verbindung mit dem Unterhaltsrecht der Ausgesand-
ten begegnet. Zudem ruft der wohl ebenfalls von den Gegnern rekla-
mierte Titel "Diener der Gerechtigkeit" (2 Kor 11,15) die Erinnerung
daran wach, daß auf Gemeindekosten lebende Wandercharismatiker als
Sixaioi auftraten (Mt 10,41). Beides deckt sich mit den pln Ausführungen
von 2 Kor 11,7-11 und 12,11-16, denenzufolge die Gegner das Recht auf
Unterhalt als unverzichtbaren Bestandteil apostolischer Autorität be-
trachteten, offenbar nicht unbeträchtliches Entgelt für ihre Tätigkeit
beanspruchten (vgl. 11,20; 12,13) 28 und umgekehrt die pln Nichtinan-
spruchnahme des apostolischen Unterhaltsrechtes als Sünde einstuften
(11,7) 29 .
Unverkennbar stehen sich hier zwei völlig gegensätzliche, mit den
Schlagworten "Tradition" und "Offenbarung" charakterisierbare Auffas-
sungen von Apostolat gegenüber. Bei den pln Gegnern dominiert ein

26 Vgl. Georgi, Gegner 51-82; speziell zu 'EßpaToc; auch Gräßer, Hebr I


42-44.
27 Vgl. zur Identität der "Überapostel" mit den in Korinth eingedrungenen
Gegnern Roloff, Apostolat 79 mit Anm.129; Lüdemann, Antipaulinismus
133-135. Gegen Käsemann. Legitimität 485-493; Barrett, Opponents 246.252L,
die den Begriff auf die Jerusalemer Urapostel beziehen.
28 Vgl. Georgi, Gegner 234-241; H.D. Betz, Paulus lOOff., speziell zum
sozialgeschichtlichen Hintergrund Theißen, Legitimation 202-214.226-229.
29 Friedrich, Gegner 188, vermutet unter Verweis auf die für Pls atypi-
sche Verwendung von änaptia für eine Tatsünde plausibel, daß 11,7 mit
äuaptia ein gegnerisches Schlagwort aufgegriffen wird.
Gegner des Paulus im 2 Kor 325

Traditionsprinzip, das durch einen formalen Bezug auf Jesusüberliefe-


rung (Lk 10,7.9par), verbunden mit einer Betonung jüdischer Abstam-
mung (2 Kor 11,22) und einer Berufung auf Empfehlungsschreiben
(3,1) 30 , gekennzeichnet ist. Pls sieht dagegen seinen Apostolat allein
durch eine Christusvision mit Sendungsbefehl konstituiert (1 Kor 9,1;
15,6-11; Gal l,12ff.)31 und kann sich um des von Anfang an zentralen
(Gal l,15f.) Verkündigungsauftrags an die Heiden willen über traditionelle
Elemente des apostolischen Selbstverständnisses, im konkreten Falle
die das Unterhaltsrecht betreffende Aussendungsinstruktion Jesu, hin-
wegsetzen 3 2 . Dies war auch schon 1 Kor 9,1-18 der Fall. Ein ent-
scheidender Grund für den beträchtlichen Erfolg der im 2 Kor be-
kämpften Opponenten dürfte darin bestehen, daß bereits bei Abfassung
des 1 Kor antipln Tendenzen in Korinth wirksam waren, die den Apo-
stolat des Pls von einem grundlegend auf einzelnen Missionsinstruk-
tionen der Q-Tradition basierenden Apostelverständnis her in Frage ge-
stellt hatten und an die nunmehr nahtlos angeknüpft werden konnte.

Exkurs: Die Aussendungsanordnungen Jesu bei Pls


und seinen Gegnern in Korinth
Daß Pls die Aussendungsanordnungen der Q-Tradition zumindest par-
tiell bekannt waren, belegt die Apologie seines Apostolats 1 Kor 9,1-18
im übergreifenden Sachzusammenhang der Götzenopferproblematik von
1 Kor 8-10. Den auf ihrer Ef;ouoia beharrenden (8,9) Starken in Korinth
hält Pls in 1 Kor 9,1-18 ein persönliches Beispiel dafür vor Augen, wie

30 Da die Gegner auch in Korinth Empfehlungsbriefe erhielten (E^ ÜUUV


2 Kor 3,1), handelt es sich nicht um Schreiben der Jerusalemer Autoritäten
(Windisch, 2 Kor 103f.), sondern um Referenzen der Ortsgemeinden mit Bei-
spielen für die pneumatischen Machterweise der Wanderapostel (Georgi,
Gegner 241ff.). Vermutlich haben sich die Gegner des Pls an die Vorge-
hensweise anderer von Ort zu Ort ziehender Wundertäter und Krankenheiler
der Antike angelehnt. Pythagoras (Diog Laert VIII,3; Porph, Vit Pyth 7) soll
ebenso wie der Astrologe und Arzt Eudoxos von Knidos (Diog Laert VIII,87)
und Apollonius von Tyana (Philostr, Vit Apoll 11,17.40-41) Empfehlungsbriefe
auf Reisen verwendet haben. Mit Apoll, Ep 53, ist ein wohl fiktives Empfeh-
lungsschreiben des Claudius für Apollonius an die Bürgerschaft von Tyana
enthalten, in dem die Verdienste des Apollonius während seines Wirkens in
Griechenland gepriesen werden. Vgl. zu jüdischen Empfehlungsschreiben
jChag 1,8 (76d); jMQ 3,1 (81c).
31 Vgl. Hahn, Mission 82ff; Dietzfelbinger, Berufung 137ff.
32 Vgl. zu diesem pln Umgang mit Jesustradition die Relativierung des
Ehescheidungslogion 1 Kor 7,10 in 7,15f.
326 Wunderwirkende Apostel und Propheten

eine grundsätzlich verbürgte E^ouoia zugunsten übergeordneter Interes-


sen zurücktreten kann. Pls besitzt wie die übrigen Apostel das Recht
auf Unterhalt durch die Gemeinde (9,4-11.13f.) 33 , nimmt es aber in
Korinth (vgl. dagegen 2 Kor ll,7ff; Phil 4,10ff.) bewußt nicht in An-
spruch, weil es ein Hindernis für die Verbreitung des Evangeliums dar-
stellen kann (9,12) und in Spannung zu seinem Selbstverständnis als
Apostel steht (9,15-18).
Daß Pls über den von 1 Kor 8,1-12 vorgegebenen Argumentationszu-
sammenhang hinausgehend letztlich einer in Korinth aufgekommenen
Infragestellung seines Apostolats begegnen will, beweist 1 Kor 9,1-3.
"Andere" (äXXoi) haben in Korinth die Unterhaltspflicht der Gemeinde
gegenüber geltend gemacht (9,12) und Pls wegen seiner Nichtinan-
spruchnahme dieses apostolischen Rechtes massiv kritisiert (9,2f.) 34 .
Aus der Antithetik von äXXoi und üuac; 1 Kor 9,3 geht hervor, daß sich
diese Gegner des Pls, bei denen es sich offenkundig um durchreisende
Wandercharismatiker handelte, bei Abfassung des 1 Kor wieder außer-
halb der Gemeinde befinden.
Das Apostolatsverständnis, mit dem sich Pls konfrontiert sieht und auf
das sich die "anderen" von 1 Kor 9,2.12 aller Wahrscheinlichkeit nach
stützten, ist 9,4-6 in hinreichender Klarheit entnehmbar. Ein Apostel hat
auf Kosten der Gemeinde das Recht, zu essen und zu trinken (9,4),
eine christliche Schwester als Ehefrau mitzuführen (9,5) und nicht zu
arbeiten (9,6). Die Formulierung von 9,4 urj oüx EYOUEV E^ouoiav cpaYEiv
xai TtEiv weist deutliche Anklänge an die Q—Aussendungsanordnung Lk
10,7a EV aÜTTJ SE oixia UEVETE EÖ\KOVTEC; xai TCIVOVTEC; auf. Daß tatsächlich
ein Rekurs auf die Aussendungsrede vorliegt, zeigt 1 Kor 9,14. Dort
bezieht sich Pls auf eine Anordnung des Kyrios, derzufolge die Verkün-
diger des Evangeliums das Recht haben, von dieser Tätigkeit zu leben.
Wie bereits der Verf. von 1 Tim 5,18 erkannte 3 5 , handelt es sich um
eine sinngemäße Zitation des Q-Logions Lk 10,7b SFioc, Y«P Ö EpYaTric;
TOU UIÖOOÜ (Mt 10,10b rfjc; Tpocprjc;) aüroü, zumal Pls in 1 Kor 9,17f. von
daher das Stichwort uio&öc; aufzugreifen scheint.
Pls skizziert in 1 Kor 9,4-6 ein grundsätzlich auch von ihm bean-
spruchbares Apostolatsverständnis, das sich konstitutiv auf die Aussen-

33 Vgl. dazu Pratscher, Verzicht 284ff., zur Funktion von 1 Kor 9,1-18 im
argumentativen Duktus von 1 Kor 8-10 Probst, Paulus und der Brief 152-199.
34 Anders Wolff, 1 Kor 25 (Die aXXoi von 9,2 seien nicht mit denen von 9,
12 identisch); Schräge, 1 Kor II 280ff. (Die Apologie ende mit 9,3. Pls wolle
dabei die E^ouota als Apostel, nicht den Verzicht auf Unterhalt verteidigen).
35 Vgl. zur Abhängigkeit der Aussage 1 Tim 5,18 von 1 Kor 9,8-14: Ro-
loff, 1 Tim 305f., zur Geschichte des Logions Mt 10,10par im frühen Chri-
stentum Harvey, Workman 209-221.
Gegner des Paulus im 2 Kor 327

dungsanordnung Jesu Lk 10,7par stützt und die daraus resultierende


Unterhaltspflicht der Gemeinde nunmehr auch auf mitreisende Ehefrau-
en ausgeweitet hat. Da als maßgebliche Repräsentanten dieses Apostel-
konzepts in einer Klimax die "übrigen Apostel", die Brüder Jesu - also
auch Jakobus - und Kephas genannt werden 3 6 , wurzelt es im palästini-
schen Judenchristentum, wie bereits die normative Orientierung an der
im Kern authentischen Aussendungsrede Jesu nahelegt. Bei ihrer Beru-
fung auf das 1 Kor 9,4-6 entnehmbare Apostelverständnis der Jerusale-
mer Autoritäten werden die in Korinth eingedrungenen Wanderapostel
von 9,2f.l2 zumindest bei der Kephaspartei auf positive Resonanz ge-
stoßen s e i n 3 7 . Dem daraus resultierenden Antipaulinismus stellt Pls
seine eigene Nichtinanspruchnahme des Unterhaltsrechts gegenüber, die
er mit Barnabas teilte. Die Q-Aussendungsinstruktion Lk 10,7 war Pls
dabei nicht allein dem Inhalt nach, sondern auch als ausdrückliche An-
ordnung des Kyrios bekannt 3 8 , ohne daß er sie für sich selbst als bin-
dend betrachtet hätte.

* * *

Die im 2 Kor bekämpften, wiederum von außen in die Gemeinde ein-


gedrungenen (3,1; 11,4) Gegner des Pls stehen zu denjenigen von 1 Kor
9,2f.l2 insofern in sachlicher Kontinuität, als auch sie judenchristlicher
Herkunft sind (11,22), in Übereinstimmung mit der Missionsinstruktion
Lk 10,7par das apostolische Unterhaltsrecht gegenüber der Gemeinde
geltend machen und von diesen Voraussetzungen her den Apostolat des

36 Bei den "übrigen Aposteln" denkt Pls wohl an den geschlossenen Apo-
stelkreis von 1 Kor 15,7 (vgl. Gal 1,17.19). Wenn Petrus bereits von Jesus
selber zu Wundertaten instruiert wurde (Lk 10,l-12par) und sich 1 Kor 9,5
zufolge nachösterlich als Missionar an der Aussendungsrede orientierte, ist
für die Heilungswunder des Petrus in Apg 3,1-10; 9,32-35.36-42 ein ernstzu-
nehmender historischer Haftpunkt gegeben.
37 Lüdemann, Antipaulinismus 124, vermutet sogar, daß das Auftreten der
äXXoi 1 Kor 9,2.12, die möglicherweise den Xoitroi äTtöotoXoi zugehörten
(113), unmittelbar zur Bildung der Kephaspartei führte.
38 In welchem Umfang Pls die Aussendungstradition kannte, ist nicht aus-
zumachen. Dautzenberg, Unterhaltsrecht 217, sieht 1 Kor 9,7-13 durch das
Logion von der großen Ernte und den wenigen Arbeitern (Lk 10,2par) beein-
flußt. Allison, Paul and the Missionary Discourse 370-375, vermutet wei-
tergehend, daß Pls eine Q-nahe Fassung der Aussendungsrede in ihrer Ge-
samtheit vorlag. Vgl. auch Neirynck, Paul and the Sayings of Jesus 550-552.
Von 2 Kor 12,12 her ergibt sich eine hohe Wahrscheinlichkeit dafür, daß Pls
auch die Wunderinstruktion Lk 10,9/Mt 10,8 der Sache nach bekannt war
(siehe gleich).
328 Wunderwirkende Apostel und Propheten

Pls massiv untergraben. Als entscheidender neuer Vorwurf gegen Pls


kommt nun ein Fehlen von Wundertaten als konstitutiven Apostelzei-
chen hinzu. Daß für das Apostolatsverständnis der pln Gegner im 2 Kor
das Vollbringen von Wundertaten einen zentralen Aspekt darstellte, ist
hinter 2 Kor 12,11-13 erkennbar. Dort betont Pls, in nichts hinter den
seinen Apostolat bestreitenden "Überaposteln" zurückzustehen, da die
önuEia TOU äiroöTÖXou als GT||iEra TE xai TEpara xai SuvauEic, während seiner
Anwesenheit in Korinth gewirkt und damit der Gemeinde nicht vorent-
halten worden seien.

2 Kor 12,12a und 12,12b liegt eine unterschiedliche Bedeutung von OTIUETOV
zugrunde. ZnuETa TOU airoaTÖXou meint allgemein die Kennzeichen des Apo-
stels, während in der Trias onuEta TE xai TEpata xai SuvauEic, (vgl. Apg 2,22;
2 Thess 2,9; Hebr 2,4) unter ar|UETa speziell Wundertaten als solches Cha-
rakteristikum apostolischer Würde zu verstehen sind. Von onuEta xai TEpara,
die in der Nachfolge Jesu gewirkt werden, ist in Entsprechung zu 2 Kor
12,12b auch Rom 15,19; Apg 2,43; 4,30; 5,12; 6,8; 7,36; 14,3; 15,12 die Rede
(vgl. auch Mk 16,17.20). Das dabei gegebene positive onuETov-Verständnis hat
Parallelen in der joh Wunderüberlieferung (Joh 2,11.23; 6,2 u.ö.), während in
der syn Tradition der Begriff onuETov negativ besetzt ist (Mk 8,llf.parr.;
13,22). Auvä[iEic; im Sinne nachösterlicher Machttaten sind neben 2 Kor 12,12
auch 1 Kor 12,10.28f; Mt 7,22; ll,20-24parr; Apg 8,13; 19,11; Hebr 2,4 belegt.

Die Apologetik 2 Kor 12,11-13 zeigt, daß in Korinth Pls gegenüber der
Vorwurf erhoben wurde, aufgrund unzureichender Machttaten nicht über
die geforderten Zeichen eines Apostels zu verfügen. Bei oiiuEia TOU
äitoöTÖXou handelt es sich folglich um ein Schlagwort der Gegner 39 , die
sich ihrer OTIUEUX TE xai TEpara xai SuvauEic, rühmten 4 0 . Da sich die
"Überapostel" mit ihrer Selbstbezeichnung als EpYärai (vgl. 11,13) und
dem daraus resultierenden Unterhaltsanspruch an die Gemeinde auf
Anordnungen der Q-Aussendungstradition stützten, stellt diese auch für
die 12,12 entnehmbare Hochschätzung von Wundertaten als Kennzeichen
wahrer apostolischer Autorität den nächstliegenden traditionsgeschichtli-
chen Bezugspunkt dar (Lk 10,9par)41.

39 Vgl. Windisch, 2 Kor 396; Käsemann, Legitimität 477; ähnlich Ber-


ger. Gegner 373. Gegen Barrett, Opponents 245: Die Phrase stamme von
Christen aus Korinth, die sich als Richter über die Apostolizität betrachteten.
40 Vgl. auch H.D. Betz, Christus-Aretalogie 304, der aus der von ihm
hinter 2 Kor 12,7-10 vermuteten Christus-Aretalogie folgert, daß Heilungs-
wunder bei den pln Gegnern eine zentrale Rolle spielten.
41 Lüdemann, Antipaulinismus 136f. Vgl. auch Theißen, Legitimation 221f.
Wenig überzeugend ist der Versuch von Sumney, Identifying Pauls Opponents
181-186, die Gegner im 2 Kor als singuläres Phänomen des frühen Christen-
tums darzustellen.
Gegner des Paulus im 2 Kor 329

Phil 3,2 ßXETtETE TOÜC; xaxoüc; EpYarac; deutet darauf hin, daß auch die pln
Gegner in Philippi als EpYatai mit einem auf der Q-Aussendungstradition
gründenden apostolischen Anspruch auftraten. Folglich besteht trotz offen-
kundiger Unterschiede im Gesetzesverständnis von der Grundstruktur des
Wandercharismatikertums her eine enge Beziehung zu den EpYatai SöXioi des
2 K o r 4 2 . Auch wenn im Phil speziell von Wundertaten nichts verlautet,
können sie im Wirken der dortigen pln Gegner doch ebenfalls eine Rolle
gespielt haben, ohne daß sie besonderer Erwähnung bedurft hätten. Im 2 Kor
kommen Wundertaten als Apostelzeichen nur deshalb zur Sprache, weil sie
gegen Pls geltend gemacht werden, was in Philippi offenkundig nicht der Fall
war.

Wenn Pls 2 Kor 12,12 in apologetischer Zielsetzung betont, während


seines Wirkens in Korinth seien der Gemeinde die von den Gegnern
angemahnten oiiuETa TOU äitooTÖXou nicht vorenthalten worden, besteht
kein Grund dazu, ihn hier nicht beim Wort zu nehmen 4 3 . Als solche Wun-
der des Pls kommen unter Mitberücksichtigung von 1 Kor 12,9-11.28-30
hauptsächlich Krankenheilungen, Dämonenaustreibungen und Glossolalie,
vielleicht aber noch weitere, durch das Pneuma gewirkte Geschehnisse
in Betracht 4 4 . Die Bedeutung derartiger Wundertaten kann allerdings
nur im Horizont der pln theologia crucis sachgerecht erfaßt werden.
Während das Passivum Divinum xaTEipYäoÖT] 2 Kor 12,12 Gott als eigent-
lichen Urheber der Wunder herausstellt und eine Abgrenzung der pln
Apostelzeichen von den Machttaten selbstherrlicher Thaumarurgen
impliziert, zeigt der Vollzug der Wunder "in aller Geduld" (EV Ttäcsrj
ÜTtouovfj) ebenso wie der gesamte Kontext von 2 Kor 12,11-13, daß für
Pls der im Leiden manifeste Nachvollzug der Niedrigkeit Christi den
entscheidenden Aspekt seines Wundertaten miteinschließenden Apostel-
wirkens darstellt und sich für ihn Süvauic, in der Schwachheit manife-

42 Vgl. Gnilka, Phil 186 mit Anm.10; 213; Ellis, Paul and his Opponents
108f; Lüdemann. Antipaulinismus 157f.; Wolff, 2 Kor 7.
43 Pls erwähnt 1 Kor 12,9f.28f. die xapiouara iauäruv wie die EVEpYfjuara
Suvä^Euv (vgl. Gal 3,5) als bei vielen Christen vorhandene Geistesgaben und
rechnet onpETa xai TEpara neben 2 Kor 12,12 auch Rom 15,18f. zu den selbst-
verständlichen Begleiterscheinungen seines Apostelwirkens (ähnlich 1 Thess
1,5), vgl. Jervell, Charismatiker 189ff.; ders., Zeichen des Apostels 68-74;
Gatzweiler, Wunderbegriff 397-402; Furnish, 2 Cor 555f.; Wolff, 2 Kor
252f. ; Heckel, Kraft in Schwachheit 216-219. - Gegen Schmithals, Apostel-
amt 27: Pls habe am ehesten an die Wunderwirkung des Wortes gedacht
oder mit der Formel onuETa TE xai TEpara xai SuvauEic, sogar überhaupt keine
konkrete Vorstellung mehr verbunden; H.D. Betz, Paulus 7lff.
44 Windisch, 2 Kor 397, denkt zusätzlich an Bekehrungen mit besonderen
Begleitumständen (vgl. Bultmann, 2 Kor 234) sowie an Strafwunder (1 Kor
5,3ff.).
330 Wunderwirkende Apostel und Propheten

stiert (2 Kor 11,23-33; 12,9f.) 45 . Ohnehin handelt es sich bei den Wun-
dern von 2 Kor 12,12 offenkundig um solche Taten, deren Erwähnung
Pls von gegnerischer Seite aufgezwungen wird und die nicht speziell mit
seinem Apostolat zusammenhängen oder für diesen unabdingbar sind,
sondern theoretisch zu den geistgewirkten Charismen eines jeden Chri-
sten zählen können (1 Kor 12,29f). Während die antipln Wandermissio-
nare des 2 Kor über die das Unterhaltsrecht betreffende Anordnung Lk
10,7par hinaus auch die Wunderinstruktion Lk 10,9par als ein die Apo-
stelwürde entscheidend konstituierendes Traditionselement betrachteten,
mißt Pls dem Wirken von Machttaten eine für seinen Apostolat lediglich
untergeordnete Rolle b e i 4 6 . Zwar setzt sich Pls über diesen traditionel-
len Bestandteil apostolischen Wirkens nicht derart weitgehend hinweg,
wie dies in bezug auf das Unterhaltsrecht der Fall ist. Er erwähnt aller-
dings seine Wundertaten hier lediglich auf gegnerischen Druck hin und
hält sie für nebensächlich, da ihn der auferstandene Christus als Apostel
zur gesetzesfreien Evangeliumsverkündigung beauftragt hat (1 Kor 1,17;
Gal 1,151).

1.3. Wunderprophetentum im Umfeld des Mt-Ev (Mt 7,15-23)


Auch im Umfeld des Mt-Ev wirkten solche in der Tradition der Aus-
sendungsrede stehenden Wandermissionare, wie sie uns mit den Q-Bo-
ten und den pln Gegnern im 2 Kor begegneten. Die Endgerichtsszene
Mt 7,21-23 belegt die Existenz eines umstrittenen Charismatikertums,
das durch Prophetie und Wundertaten gekennzeichnet ist. Diese Q-
Tradition steht in engem Zusammenhang mit der 7,15-20 vorangehenden
Warnung vor Pseudopropheten. Dabei sind zumindest vormt die im

45 Vgl. Roloff, Kerygma 181f.; Strecker, Legitimität des pln Apostolates


576-579; Heckel, Kraft in Schwachheit 220-300.
46 Die Gegner stehen im Gegensatz zu Pls in ungebrochener Kontinuität
zu den Anordnungen des historischen Jesus und sind so gesehen formal im
Recht. Windisch, 2 Kor 26, sieht hier nicht allein "eine mehr oder weniger
legitime Abwandlung der ursprünglichen Verkündigung Jesu", sondern be-
trachtet es sogar als Tragik, "daß dieser an sich berechtigte Vorstoß von Pa-
lästina gegen die paulin. Mission in die Hände bornierter und kleinlicher
Männer gelegt war." Allerdings dürfte der pln Apostolat den Erfordernissen
der Mission in höherem Maße Rechnung getragen haben als ein rein formales
Festhalten an Jesustradition. Gerade die großzügige Inanspruchnahme des
Unterhaltsrechtes, bereits 1 Kor 9,5 auf mitreisende Ehefrauen ausgeweitet,
stellte ein eher missionshemmendes Element dar (vgl. zur Problematik Did
11,1 ff.; Luc, Peregr 13.16) und entspricht kaum der sachlichen Intention des-
sen, was Jesus einst mit seinen Aussendungsinstruktionen verband.
W u n d e r p r o p h e t e n im M t - E v 331

Namen Jesu Prophetie betreibenden und Heilungen bewirkenden Charis-


matiker von 7,22 der Sache nach mit solchen Wanderpropheten iden-
tisch, wie sie von Mt in 7,15-20 bekämpft werden.
Bei 7,15-20 handelt es sich um eine k o m p l e x e mt Komposition. G r u n d l a g e
ist der Q-Stoff M t 1 2 , 3 3 - 3 5 / L k 6 , 4 3 - 4 5 , ein Gleichnis, das M t entgegen der
ursprünglichen Aussageintention n u n m e h r speziell einer W a r n u n g vor P s e u d o -
prophetie mit " s c h l e c h t e n F r ü c h t e n " d i e n s t b a r m a c h t , indem e r es in 7,19 um
das Gerichtslogion der T ä u f e r p r e d i g t M t 3,10par b e r e i c h e r t und mit der Rah-
mung 7,15.16a.20 v e r s i e h t 4 7 . Bei den P s e u d o p r o p h e t e n handelt es sich e i n d e u -
tig um W a n d e r c h a r i s m a t i k e r , die von außen in die G e m e i n d e eindringen
(ffpxovTai Ttpöc; üuac, 7,15).
Auch M t 7,21-23 ist m e h r s c h i c h t i g . 7,21 hat eine P a r a l l e l e in Lk 6,46. Das
dort weitgehend in der Q - F a s s u n g vorliegende Logion w u r d e von M t zu einem
Einlaßspruch, den Zugang zur ßaoiXEia TÖV o ü p a v u v betreffend, u m f o r m u -
l i e r t 4 8 . M t 7,22f. schließlich geht ebenfalls auf Q zurück (par Lk 13,25-27).
Eine enge V e r z a h n u n g von M t 7,15-20 und 7,21-23 ist dadurch gegeben, daß
7,16b-18.21 dem Q - Z u s a m m e n h a n g Lk 6 , 4 3 - 4 6 e n t s p r i c h t und mit TIOIETV M t
7,17f.21 und i]jEuSoTtpotpr|Tai/TTpo<priTEÜEiv 7,15.22 S t i c h w o r t v e r b i n d u n g e n b e s t e -
hen.

Entscheidender Unterschied zwischen Mt 7,22f. und der Q-Parallele


Lk 13,25-27 ist der Sachverhalt, daß sich die im Endgericht Verworfe-
nen Mt 7,22 auf ihre Prophetie und Wundertaten, Lk 13,26 hingegen auf
ihre Mahlgemeinschaft mit Jesus und auf das Hören seiner Lehre beru-
fen. Daneben bestehen Differenzen im Wortlaut des Schriftzitats aus Ps
6.9LXX.

In Lk 13,26 handelt es sich bei TÖTE SP^EOOE XEYEIV um eine lk F o r m u l i e -


rung unter Einfluß von ap^no&E 13,25, w ä h r e n d das mt TtoXXoi Epouoiv uoi EV
EXEIVTI TTJ fjpEpa den Q - W o r t l a u t r e p r ä s e n t i e r t 4 9 . Ü b e r h a u p t ist die bei Mt
vorliegende G e s t a l t u n g als J e s u s r e d e im I c h - S t i l u r s p r ü n g l i c h e r , da Lk den
Stoff k o n t e x t k o n f o r m u m g e s t a l t e t und als direkte A n r e d e in d e r 2.Pers.Pl.
faßt.
Ob die S e l b s t r e c h t f e r t i g u n g der Abgewiesenen in d e r M t 7,22 oder der Lk
13,26 vorliegenden Form in Q stand, läßt sich kaum e n t s c h e i d e n . G e g e n Lk
13,26 spricht das massive lk I n t e r e s s e an M a h l t o p i k 5 0 . U m g e k e h r t ist M t 7,22
speziell auf C h r i s t e n gemünzt und s e t z t n a c h ö s t e r l i c h e P r o p h e t i e mit W u n -
d e r p r a x i s v o r a u s , während Lk 13,26 - wie aus dem K o n t e x t h e r v o r g e h t -
Juden a n g e s p r o c h e n w e r d e n und die Mahlsituation im E r d e n l e b e n Jesu a n g e -

47 Vgl. zum redaktionellen C h a r a k t e r von M t 7,15.16a.20 Gnilka, M t - E v I


272f.; Luz, M t - E v I 401f.
48 In 7,21 e r w e i s t sich ö Ttoiuv TÖ \h=Xr|ua TOU Tcarpöc, uou EV TÖIC; oüpavoTc,
als eindeutig mt (vgl. M t 12,50 diff. M k 3,35; f e r n e r M t 6,10; 18,14).
49 Hoffmann, EpYatai 200 mit Anm. 37; Schulz, Q 4 2 5 .
so Redaktionelle Parallelisierung von EOOXEIV x a i TtivEiv begegnet Lk 5,
30.33; 17,27f; vgl. zum G a n z e n Bösen, Jesusmahl 8 1 - 8 4 .
332 Wunderwirkende Apostel und Propheten

siedelt ist. Von daher wird gegen Ursprünglichkeit von Mt 7,22 meist einge-
wandt, daß eine sekundäre Umsiedelung des Stoffes aus der Mt 7,22 gegebe-
nen Gemeindesituation in die Zeit des irdischen Jesus unwahrscheinlich sei 5 1 .
Selbst wenn dies zutreffen und folglich Lk 13,26 Priorität zukommen sollte,
weist Mt 7,22 allerdings keinerlei mt Spezifika auf 52 , die eine redaktionelle
Umformulierung von Lk 13,26 nahelegten. Mt hat den Stoff offenkundig in Q
oder in Q M t bereits vorgefunden.
Mt 7,23a ist gegenüber Lk 13,27a im wesentlichen ursprünglich. Die Ab-
weichungen zwischen Mt 7,23b änoxupETiE an' EUOU oi EpYa05u.Evoi TTJV
avouiav und Lk 13.27b äTtöorriTE an/ EUOU nävTEC, EpYarai äSixiac, erklären
sich am plausibelsten dadurch, daß Lk im ersten, Mt im zweiten Teil an den
ursprünglich frei zitierten Ps 6,9LXX (änöoTTyTE an' EUOU, nävTEC, oi EpYa^ö-
UEVOI rf|v avouiav; vgl. auch 1 Makk 3,6 TtävTEC, oi EpYarai TTJC, ävotiiac;)
angeglichen hat. In Q war also - und dies ist nachdrücklich festzuhalten -
entgegen dem exakten Wortlaut von Ps 6,9LXX von EpYatai äSixiac, die
Rede . Die Mt überkommene Tradition lautete wahrscheinlich noXXoi Epoüotv
liot EV EXEivrj TTJ f|UEpa ' xüpis xüpiE, oü TU ou övö^aTi ETtpotpT|TEÜoauEV, xai
TU oö övöuari Saiuövia E^EßaXo[iEV, xai TU ou övöuari SuvauEic, noXXac;
EnoifjoauEv; xai TÖTE Ö(1OXOYIIOU aüroTc; ÖTI OÜSETTOTE EYVUV üiiSc;' änoxupETTE
an' E|ioü nävTEc; EpYarai äSixiac;.

Die im Gegensatz zu Lk 13,25-27 hier vorliegende Zuspitzung auf


christliche Charismatiker war damit bereits vormt gegeben, so daß die
Frage nach der Identität der Propheten und Wundertäter von 7,22 für
Mt selbst und für die ihm überkommene Tradition getrennt zu beant-
worten ist. Vormt hat es sich dabei recht eindeutig um solche "pseudo-
prophetischen" Wandercharismatiker gehandelt, wie sie 7,15 erwähnt
werden. Dies geht insbesondere aus der von Mt in EpYat]6[iEvoi TT]V
avouiav abgeänderten, polemischen Bezeichnung EpYarai äSixiaq hervor.
Der Begriff EpYarai ruft Assoziationen zu den EpY<rrai SöXioi von 2 Kor
11,13 und den xaxoi EpYatai von Phil 3,2 wach, während äSixiac; daran
denken läßt, daß die pln Gegner im 2 Kor als Siäxovoi Sixaiooüvric, auf-
traten (2 Kor 11,15) und Unterhalt beanspruchende Wanderchansmatiker
im Umfeld des Mt-Ev den Titel Sixaioc; trugen (Mt 10,41). Für 2 Kor
11,13 und Phil 3,2 ist mit hoher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen,

51 Vgl. Hoffmann, EpYarai 200; Schulz, Q 425; Gnilka, Mt-Ev I 273; Luz,
Mt-Ev I 402. Anders freilich Käsemann, Anfänge 84; Strecker, Bergpredigt
172 (Lk nehme sekundär die Intention seines Kontextes auf).
52 Vgl. Strecker, Bergpredigt 172 mit Anm.32; Luz, Mt-Ev I 402.
53 Abwegig ist die Annahme, Lk habe EpYaCöuEvoi tfjv avouiav in EpYarai
äSixiac, abgeändert (Hoffmann, EpYatai 202; Schulz, Q 426, Anm.169). 'ASixia
begegnet zwar in den E w ausschließlich bei Lk, doch ausnahmslos traditio-
nell, nämlich neben 13,26 in Sondergutgleichnissen (16,8f.; 18,6). Umgekehrt
ist ävouia in den E w ausschließlich bei Mt, und zwar durchweg redaktionell
belegt (neben 7,23 noch 13,41; 23,28; 24,12).
Wunderpropheten im Mt-Ev 333

daß sich die dortigen Gegner des Pls jeweils unter Berufung auf die
Aussendungstradition als EpYctTai bezeichneten und Pls dies ironisch in
EPYctTai S6X101 bzw. xaxoi EpYarai wendet. Ein derartiger polemischer
Bezug zu den Logien von der großen Ernte und den wenigen Arbeitern
(Mt 9,37par) und von dem Arbeiter, der seines Lohnes wert ist (Mt
10,10bpar), legt sich auch für die EpYarai äSixiac; nahe 5 4 , zumal sich mit
deren Dämonenaustreibungen und SuvauEic; - am ehesten Krankenheilun-
gen 5 5 - im Namen J e s u 5 6 ein weiterer Topos traditionsgeschichtlich in
den Aussendungsanordnungen Jesu fixieren läßt (Mt 10,8par) 57 . Die
Wanderpropheten von Mt 7,22f. und die pln Gegner im 2 Kor sind Re-
präsentanten eines eng miteinander verwandten, durch ein Selbstver-
ständnis als "Arbeiter" und "Gerechte" sowie durch eine Hochschätzung
von Machttaten gekennzeichneten Typus von Wandercharismatikertum
mit traditionsgeschichtlichen Wurzeln in den Q-Aussendungsinstruktio-
nen. Daß auch das Unterhaltsrecht beansprucht wurde, ist zwar Mt
7,22f. expressis verbis nicht entnehmbar, aber im Horizont von Mt
10,10par bereits in dem Titel EpYärric; impliziert und angesichts der
Gemeinderegel Mt 10,40-42, die Wanderpropheten ein Gastrecht in der
mt Gemeinde zuspricht, ohnehin naheliegend. Die vormt Tradition 7,22f.
steht solchen Charismatikern äußerst ablehnend gegenüber, indem ihnen
in Form eines Gerichtsspruches für den Jüngsten Tag die Verwerfung
durch den Kyrios vorhergesagt wird.
Für Mt ist umstritten, ob er in 7,22f. die Frontstellung seines Tradi-
tionsstoffs teilt und die dortigen Aussagen ebenfalls auf Wandercharis-

54 Grundsätzlich dürfte überall dort im NT, wo ipyäxT]q titular als "Mis-


sionsarbeiter" begegnet, ein Bezug zu der Aussendungstradition und dem
Unterhaltsrecht impliziert sein (vgl. Haraguchi, Unterhaltsrecht 178-195).
Von den elf Belegen für ipyäx^q als Missionsarbeiter (im wörtlichen Sinne
dagegen Mt 20,1.2.8; Apg 19,25; Jak 5,4) lassen sich sieben (Mt 9,37f.; 10,10;
Lk 10,2.7; 1 Tim 5,18) eindeutig und drei (Lk 13,27; 2 Kor 11,13; Phil 3,2) mit
extrem hoher Wahrscheinlichkeit der Aussendungstradition zuordnen, wie es
auch für den verbleibenden Befund 2 Tim 2,15 naheliegt.
55 Käsemann, Anfänge 84; Schweizer, Mt-Ev 114; Sand, Mt-Ev 155.
56 Bei den Dämonenaustreibungen und Machttaten EV TÖ OU övöuari Mt
7,22f. dürfte über ein rein instrumentales Handeln in der Kraft Jesu (Bieten-
hard, ThWNT V 276f.) hinausgehend die Beschwörung von Krankheitsgeistern
beim Namen Jesu impliziert sein (Heitmüller. Im Namen Jesu 58). Vgl. zu
den unterschiedlichen Interpretationsmöglichkeiten auch Davies/Allison,
Matthew I 715f.
57 Treffend Hill, False Prophets 340: "They are Christians whose cha-
rismatic activity amounts in a sense to a continuation of that of Jesus himself
(in proclamation, exorcism and healing) in fulfillment of the apostolic com-
missioning (Mt 10,7-8) and which is in no way abnormal in the life of the
early church."
334 Wunderwirkende Apostel und Propheten

matiker, konkret auf die von außen die mt Gemeinde bedrohenden


Pseudopropheten von 7,15, bezieht. Alternativ kann Mt 7,22f. auf der re-
daktionellen Ebene, isoliert von 7,15-20, als Hinweis auf eine mt Ausein-
andersetzung mit innergemeindlichem Charismatikertum betrachtet wer-
den.

Neben der beobachteten engen Verzahnung von 7,15-20 mit 7,21-23 spricht
auch Mt 24,1 lff. für die überwiegend vertretene Auffassung, Mt 7,21-23 sei
vom Evangelisten auf die von außen die Gemeinde bedrohenden Pseudoprophe-
ten von 7,15 gemünzt . 24,1 lff. ist von (J)EuSonpo<pfJTai außerhalb der Gemeinde
die Rede, die - EpYa^öuEvoi TTJV ävo(iiav 7,23 entsprechend - mit ävojiia in
Verbindung gebracht werden (24,1 lf.) und deren orniEfa xai TEpara (24,24)
der Verbindung von Prophetie und Wunderwirksamkeit in 7,22f. entsprechen.
Alternativ kommt in Betracht, daß 7,21 mit dem generalisierenden oü nac,
ein Wechsel der Perspektive vorliegt, indem Mt sich nicht mehr einem von
außen einzudringen drohenden Pseudoprophetentum (7,15-20), sondern nunmehr
innergemeindlichen ekstatischen Äußerungen des Gemeindelebens zuwen-
det . Trifft dies zu, dann ergibt sich für die mt Gemeinde ein partiell mit
den Gegebenheiten in Korinth deckungsgleiches Bild, insofern als einzelne
Christen mit der Befähigung zu Prophetie, Dämonenaustreibungen und weite-
ren Wundertaten, darunter wohl Krankenheilungen, ausgestattet sind (vgl.
1 Kor 12,9f.28-30).

Mt hat die ihm in 7,23 bereits überkommene kritische Haltung gegen-


über solcher charismatischen Prophetie mit Wunderpraxis durch Voran-
stellen des Einlaßspruches 7,21 noch deutlich zugespitzt. Vom Primat
der Ethik her ordnet Mt das Tun des väterlichen Willens den 7,22 er-
wähnten prophetisch-ekstatischen Äußerungen des christlichen Glaubens
sachlich über und erhebt es zum alleinigen Maßstab für das Bestehen
im Endgericht und den Zugang zur Gottesherrschaft 6 0 .

58 Barth, Gesetzesverständnis 68f.l52; Luz, Mt-Ev I 401ff.; Gnilka, Mt-


Ev I 272-274; Davies/Allison, Matthew I 701f. Meist wird dabei unter Beru-
fung auf EpYatpuEvoi TT)V avouiav 7,23 mit heidenchristlichen Antinomisten
gerechnet (vgl. bes. Barth, aaO.); ävo[iia ist freilich für Mt jegliches Abwei-
chen vom Tun der besseren Gerechtigkeit, das selbst Pharisäern und Schrift-
gelehrten vorgeworfen werden kann (23,28), und die Bezüge zur Aussen-
dungstradition deuten darauf hin, daß es sich bei den kritisierten Charisma-
tikern um Judenchristen handelt.
59 Hill, False Prophets 340-348; Strecker, Bergpredigt 167, Anm. 15; 171.
Ähnlich H.D. Betz, Episode 27f.
60 Welches Ausmaß die Wunderkritik bei Mt annimmt, ist allerdings um-
stritten. Keine prinzipielle Ablehnung, sondern lediglich Zurückhaltung bzw.
Bindung der Wunder an das Tun der besseren Gerechtigkeit sehen Strecker,
Bergpredigt 175; Luz, Mt-Ev I 406; Davies/Allision, Matthew I 716. Wesent-
lich weitergehend Käsemann, Anfänge 84: Mt wolle von solcher enthusiasti-
schen Frömmigkeit, wie sie 7,22 zutage tritt, nichts mehr wissen; vgl. auch
Der fremde Dämonenaustreiber 335

Vermutlich lassen sich von dem Mt 7,15-23 angesprochenen "pseudo-


prophetischen" Wandercharismatikertum Verbindungslinien zu der im
unmittelbaren Wirkungsbereich des Mt-Ev anzusiedelnden Didache
ziehen, wo Did 11,3ff. von Pseudoaposteln und -propheten die Rede ist,
die das Unterhaltsrecht gegenüber der Gemeinde auszunutzen suchen.
Daß sie sich dabei auf die Aussendungsinstruktion Mt 10,10 beriefen,
geht indirekt aus Did 13,lf. hervor. Dort betont der Didachist, daß das
äcjiöc; EOTIV ö EpYäTnc; TTJC; Tpo9rjc; (vgl. Mt 10,10 diff. uioöoü Lk 10,7!) aüroü
ausschließlich auf solche wahren Propheten und Lehrer dauerhaft an-
wendbar sei, die sich unter Aufgabe ihrer Wanderexistenz fest in der
Gemeinde niederlassen. Ob die Pseudoapostel und -propheten in Anleh-
nung an Mt 10,8 auch Wundertaten bewirkten, ist Did 11,3ff. nicht ent-
nehmbar, hat aber eine gewisse Wahrscheinlichkeit für sich 6 1 . Der
Erwähnung bedurfte offenbar nur die einer normativen Regelung harren-
de Frage des Unterhaltsmißbrauchs.

1.4. Der fremde Dämonenaustreiber (Mk 9,38-40)


Möglicherweise handelt es sich auch bei dem "fremden Exorzisten"
Mk 9,38-40 um den Repräsentanten eines christlichen, wie die Pseudo-
propheten von Mt 7,15-23 am Rande der "Rechtgläubigkeit" angesiedel-
ten Wandercharismatikertums. Mk 9,38-40 stellt innerhalb der Jünger-
belehrung Mk 9,33-50 eine eigenständige, vormk Tradition 62 dar, deren
ursprünglicher Uberlieferungskern in Vv 38f. zu sehen ist 6 3 . Der Form
nach liegt ein Lehr- oder Schulgespräch vor, indem die vom Jüngerkreis
mit Johannes an der Spitze mißbilligten fremden Dämonenaustreibungen
durch eine autoritative Weisung Jesu toleriert werden.
Der besagte Wundertäter treibt "EV xcp övöuari oou", also wohl
unter Beschwörungen beim Namen Jesu (Apg 19,13), Dämonen aus und

Hüll, Hellenistic Magic 128ff.; Böcher, Mt und die Magie 22-24; Trunk,
Messian. Heiler 224-235. - Erwähnenswert ist in diesem Zusammenhang auch
die mt Auslassung von Mk 9,38-40, wo Mt 7,22 entsprechende Wundercha-
rismatik im Namen Jesu toleriert wird.
61 Vgl. Niederwimmer, Entwicklungsgeschichte 156: "Als Funktion des
Apostels der Did.-Tradition dürfen wir vermuten: eschatologische Verkündi-
gung, Bußruf, Exorzismen."
62 Gegen Schmithals, Mk-Ev II 430f.; Fleddermann, Discipleship Dis-
course 64-66: Mk 9,38-40 sei mk Bildung.
63 Daß Mk 9,40 eine sekundäre Generalisierung darstellt (Bultmann, Syn
Tradition 23; Pesch, Mk-Ev II 107; Schnackenburg, Mk 9,33-50 146f.; gegen
Wilhelms, Exorzist 166, der 9,38-40 für einheitlich hält), zeigt die eigen-
ständige Q-Parallele Mt 12,30/Lk 11,23.
336 Wunder auf Befehl des Auferstandenen

wird von den Jüngern daran gehindert. Zwar kann nicht völlig ausge-
schlossen werden, daß es sich dabei um eine Begebenheit aus der
Zeit Jesu handelt 6 4 . Für eine spätere Entstehung sprechen allerdings
die eher nachösterlich vorstellbaren Dämonenaustreibungen im Namen
Jesu und das auf Regelung von Gemeindeproblematik hindeutende oüx
rlxoXoülfEi f|u.Tv65. Dieser Wendung ist zugleich entnehmbar, daß die
Wirksamkeit des umstrittenen Wundertäters den Rahmen "angemesse-
ner" Jesusnachfolge sprengt. Meist wird hier im Horizont von Apg
19,13-17 mit jüdischen oder heidnischen Versuchen gerechnet, den
Namen Jesu zu magischen Zwecken zu gebrauchen 66 . Doch verträgt
sich dies schlecht mit der ausgesprochen toleranten Haltung, die im
Gegensatz zu den Skevassöhnen dem fremden Dämonenaustreiber von
Mk 9,38f. entgegengebracht wird. Aus diesem Grunde ist eher damit zu
rechnen, daß innerchristliche Diskussionen um "Häresie" und "Orthodo-
xie" eine Rolle spielen (vgl. Mt 7,22f.) 67 , und es spricht nichts dagegen,
in Mk 9,38f. ebenfalls Spuren eines umstrittenen christlichen Wan-
dercharismatikertums mit Wunderwirksamkeit zu sehen, wie es von der
Grundstruktur her auch mit den Q-Boten, den pln Gegnern im 2 Kor
und den "Pseudopropheten" von Mt 7,15-23 begegnet.

2. Dämonenaustreibungen und Krankenheilungen


auf Befehl des auferstandenen Christus
2.1. Die Wunderbevollmächtigung Mk 16,15-20
Neben Dämonenaustreibungen und Krankenheilungen in der Tradition
der Aussendungsinstruktionen Jesu ist spätestens für das 2. Jhdt.n.Chr.
ein christliches Wundercharismatikertum bezeugt, das seine Legitimität
maßgeblich von einer Beauftragung durch den auferstandenen Christus
ableitete. Innerhalb des längeren sekundären Markusschlusses findet
sich Mk 16,17f. im Zusammenhang mit einer Missionsinstruktion Jesu die
Ankündigung zukünftig von den Jüngern gewirkter, als oriuEta im positi-
ven Sinne gekennzeichneter Wunder, darunter Dämonenaustreibungen
und Krankenheilungen durch Handauflegung. Dabei handelt es sich um

64 Wilhelm, Exorzist 168-170; Eitrem Notes 4f.llf.; M. Smith, Jesus the


Magician 35f.; Pesch, Mk-Ev II 109.
65 Vgl. Bultmann, Syn Tradition 23f.; Lohmeyer, Mk-Ev 195; Gnilka, Mk-
Ev II 431; Lührmann, Mk-Ev 166.
66 Gnilka, Mk-Ev II 60; Lohmeyer, Mk-Ev 194f.
67 Vgl. Shirock, Exorcists 45, als Möglichkeit auch bei Lührmann, Mk-
Ev 166.
Der unechte Markusschluß 337

eine normative Missionsinstruktion, die in dem uns unbekannten Über-


lieferungsmilieu die gleiche Funktion erfüllte wie der Missionsbefehl Mt
28,19f. in der mt Gemeinde.

Textkritisch ist Mk 16,9-20 sekundär, da dem Mk-Schluß Etpoßoüvto Yap


16,8 nicht nur aufgrund seiner Bezeugung durch X und B, sondern auch als
lectio brevior et difficilior Präferenz gebührt 1 . Der Versuch von E. Linne-
mann, unter Vermutung von Blattabbruch in einem Teil der Textüberliefe-
rung eine Zugehörigkeit von Mk 16,15-20 zum ursprünglichen Mk-Text plau-
sibel zu machen, kann als gescheitert gelten 2 , und auch die Annahme von
W. Schmithals, Mk 16,15-20 sei von Mk getilgter Abschluß des vormk Pas-
sionsberichts gewesen 3 , vermag nicht zu überzeugen. Die in diesem Zusam-
menhang beanspruchte mt Verarbeitung von Mk 16,18-20 in Mt 28,16-20 läßt
sich nicht zwingend erweisen, und zudem bleibt unklar, wie Mt unabhängig
vom Mk-Ev Zugriff auf die vormk Passionsüberlieferung gewonnen haben
sollte. Folglich ist daran festzuhalten, daß der vormk Passionsbericht wie das
Mk-Ev selbst ursprünglich mit EtpoßoüvTo Y<*P 16,8 schloß und Mk 16,9-20
mit der uns interessierenden Wunderthematik 16,17f. sekundär aus dem Be-
dürfnis heraus angefügt wurde, auch das Mk-Ev mit Epiphanien des Aufer-
standenen enden zu lassen.

Spätester terminus ad quem für die Entstehung der Erscheinungstra-


dition Mk 16,9-20 ist deren eindeutige Bezeugung durch Irenäus 4 . Ver-
mutlich spielt aber bereits Just, Apol I 45,5 oi änöoroXoi aüroü E^EXÖÖVTEC;
navraxoü Exfjpuc]av auf Mk 16,20 an. Dieses recht späte Datum spricht
nicht gegen ein hohes Alter einzelner in Mk 16,9-20 verarbeiteter Tra-
ditionen. Während es sich bei Mk 16,9-14 um eine exzerptartige Kompi-
lation unterschiedlicher lk und joh Ostertraditionen handelt 5 , bietet der
demgegenüber eigenständige Abschnitt 16,15-20 eine von Mt 28,19f. (vgl.
auch Lk 24,47-49) literarisch unabhängige Variante eines Missionsbe-

1 Farmer, Last Twelve Verses of Mark 107f., rechnet Mk 16,9-20 als


redaktionelle Bearbeitung älteren Materials zum ursprünglichen Mk-Ev, kann
aber angesichts der klaren literarischen Beeinflussung von Mk 16,9-14 durch
lk und joh Ostertraditionen diese Hypothese nur unter Bestreitung der Mk-
Priorität aufrechterhalten. Zudem widerspricht das positive onuETa-Ver-
ständnis von Mk 16,17.20 dem mk Zeichenverständnis, wie es 8,1 lf.; 13,22
zutage tritt.
2 Linnemann, Markusschluß 260ff. Vgl. dagegen Aland, Markusschluß 3-13.
3 Schmithals, Markusschluß 403ff.; ders., Mk-Ev II 720f.
4 Iren, Haer III 10,6 Eni TEXEI SE TOU EÜaYY£^tou cpijoiv ö Mäpxoc; • "ö [isv
ouv Küpioc; 'Irioouc; (IETÖ TÖ XaXijaai aüroTc; ävEXfju<pS-T| EEC; TÖV oüpavöv xai
ExäöioEV EX SE!;I(JV TOU &EOU".
5 Im einzelnen setzt Mk 16,9f. eine Kenntnis von Joh 20,1.11 und Lk 8,2
voraus. Mk 16,12f. rekurriert auf die Emmauslegende Lk 24,13-35. Mk 16,14
schließlich dürfte auf Lk 24,36-43/Joh 20,19-23 anspielen.
338 Wunder auf Befehl des Auferstandenen

fehls des Auferstandenen 6 , die mit dem Fehlen einer triadischen Tauf-
formel sogar partiell älter als Mt 28,19f. sein könnte. Das Grundgerüst
des Wunderkatalogs Mk 16,17f. besteht aus einem auch Lk 10,17b.19
zugrundeliegenden Traditionszusammenhang zwischen Dämonenaustrei-
bungen im Namen Jesu und einer Vollmacht über Schlangen, hier er-
gänzt um die Befähigung zu Glossolalie, unbeschadetem Genuß tödlichen
Trankes und Krankenheilungen durch Handauflegung7. Unter Berück-
sichtigung der ekklesiologischen Implikationen vergleichbarer kanoni-
scher (Mt 28,19f; Lk 24,47-49; Joh 20,22f.) wie außerkanonischer 8
Instruktionen oder Bevollmächtigungen durch den Auferstandenen ergibt
sich eine hohe Wahrscheinlichkeit dafür, daß auch Mk 16,17f. seine
Entstehung aktuellen Gemeindeinteressen verdankt und Dämonenaus-
treibungen im Namen Jesu (Mt 7,22; Mk 9,38; Lk 10,17; Apg 16,18),
Glossolalie (1 Kor 12,10.30; 14,1-5) und Krankenheilungen durch Handauf-
legung (Apg 28,8; vgl. Jak 5,14f; 1 Kor 12,9.30) aus legitimatorischen
Gründen auf eine Anordnung des erhöhten Herrn zurückfuhren will 9 . In
dem Missionsbefehl Mk 16,17 und in der Vollzugskonstatierung Mk 16,20

6 Vgl. Lohmeyer, Mk-Ev 362; Schweizer, Mk-Ev 209; Hahn, Mission 53f. -
Linnemann, Markusschluß 270ff.; Schmithals, Mk-Ev II 720, vermuten sogar,
Mt 28,18-20 sei Redaktion von Mk 16,15-20. Gnilka, Mk-Ev II 353, rechnet
dagegen bei Mk 16,15-20 offenbar mit literarischer Abhängigkeit von Lk
24,47 (ähnlich E. Helzle, ThLZ 85 [i960! 470).
7 Gegen Schweizer, Mk-Ev 209, der Mk 16,17f. unter Verweis auf Apg
2,1-11; 3,1-10; 9,31-35; 14,8-10; 16,16-18; 19,13-18; 28,3-9 uneingeschränkt
von der Apg abhängig sieht. Weder die Glossolalie noch die Krankenheilungen
von Mk 16,17f. setzen zwangsläufig eine Kenntnis der Apg voraus, zumal das
Motiv unbeschadeten Genusses von Gifttrank (vgl. Papias bei Euseb, Hist
Eccl III 39,9) ohnehin aus anderer Tradition stammt.
8 Vgl. dazu Vielhauer, Urchristliche Literatur 680ff.; Schneemelcher. Ntl
Apokryphen I 189ff.
9 Vgl. Iren, Haer II 32,4 (Euseb, Hist Eccl V 7,4), über im Namen Jesu
gewirkte Wunder seiner Gegenwart: "Die einen nämlich treiben zuverlässig
und wahrhaft Dämonen aus (Saiuovac, EXOÜVOUOIV) ... andere aber heilen die
Kranken durch Handauflegung und machen sie gesund." Auch die Glossolalie
(Mk 16,17) ist in der Zeit des Irenäus noch lebendig (Iren, Haer V 6,1/Euseb,
Hist Eccl V 7,6). Vgl. auch den im Namen Jesu (Jeschu ben Pandera) einen
Juden von Schlangenbissen heilenden Jakob aus Kephar Sama/Sekhanja
(TChull 2,22/jAZ 2,2 [40d-41al/jSchab 14,4 [14d-15al), bei dem es sich oh-
ne weiteres um einen in der Tradition von Mk 16,18/Lk 10,19 stehenden
christlichen (bAZ 17a) Wundercharismatiker des 2.Jhdt.n.Chr. gehandelt haben
kann (anders Maier, Jesus im Talmud 182-192). Schweizer, Mk-Ev 210, sieht
Mk 16,15-20 jedenfalls zu Recht vom immer noch lebendigen Enthusiasmus
einer Gemeinde geprägt, in der Wunder und charismatische Begabungen
hochgeschätzt wurden (ähnlich Schottroff, Feindliche Welt 247 mit Anm.2;
gegen Gnilka, Mk-Ev II 353).
Taten des Petrus und der zwölf Apostel 339

werden dabei die Wunder der Wortverkündigung als Beglaubigungszei-


chen untergeordnet. Die Machttaten sind nicht unmittelbares Instrument
zur Glaubenserweckung und Bekehrung (Lk 10,9; Iren, Haer II 32,4;
Orig, Cels 1,46), sondern dienen den bereits Glaubenden und Getauften
als zusätzliche, der Missionsverkündigung nachgeordnete Bestätigung.

2.2. Krankenheilungsinstruktionen in den


"Taten des Petrus und der zwölf Apostel"
Eine Mk 16,15-20 vergleichbare Beauftragung zu Krankenheilungen
findet sich in den zu den Nag Hammadi-Funden zählenden, allerdings
nicht genuin gnostischen "Taten des Petrus und der zwölf Apostel" (Act
Pt 8,11-12,19)10. Dort erscheint der auferstandene Christus dem Petrus
und den übrigen Jüngern in Gestalt eines Arztes mit Salbenkästchen,
wobei sich ein Gehilfe mit einem weiteren Koffer voller Arzneien in
seiner Begleitung befindet. Der anfangs unerkannt bleibende Aufer-
standene vollbringt vorbildhaft eine Krankenheilung (9,32-34), bevor er
sich den Jüngern zu erkennen gibt und ihnen den Arzneikoffer mit den
Worten "Heilt alle Kranken dieser Stadt, die (an) meinen Namen glau-
ben!" (10,34) überreicht. Während hier ähnlich wie in Mk 6,12f; 16,20
pharmakologisch bewirkte Krankenheilungen an bereits zum Christentum
bekehrten Personen vorausgesetzt sind, ist in Spannung dazu Act Pt
11,18-24 auch von solchen Heilungen die Rede, die ohne Zuhilfenahme
von Medikamenten in der missionspropagandistischen Absicht vollzogen
werden, Glauben zu erwecken (vgl. Iren, Haer 1132,4; Orig, Cels 1,46):
"Heilt also zuerst die Körper, damit auf Grund dieser aufweisbaren
Wunder der Heilung ihres Leibes, (die) ohne Arznei aus diesem Äon
(erfolgt), sie euch glauben, daß ihr die Vollmacht habt, auch die Krank-
heiten der Herzen zu heilen."
Hinter dieser Ostertradition wird ein asketisch ausgerichtetes (Act Pt
ll,26ff), vermutlich in Syrien zu lokalisierendes Charismatikertum des
2.Jhdt.n.Chr.11 ersichtlich, das Krankenheilungen im Zuge des missiona-

10 Koptischer Text und Zählung nach Parrott (ed.), Nag Hammadi Codices
V.2-5 and VI 204-229. Dt. Übersetzung nach H.M. Schenke, in: Schnee-
melcher, Ntl Apokryphen II 368-380.
u Die ursprünglich in Griechisch abgefaßten "Taten des Petrus und der 12
Apostel" sind noch im 2.Jhdt.n.Chr. in Syrien entstanden (Schenke, aaO. 370),
wobei Act Pt 8,11-12,19 eine von drei älteren, in Act Pt kompilierten apokry-
phen Einzeltraditionen darstellt (vgl. Krause, Petrusakten 46-51). Terminus a
quo ist das frühe 2.Jhdt.n.Chr., da Act Pt 8,11-12,19 nicht nur Kenntnis von
Mt 16,16-19, sondern auch von Apg 3 vorauszusetzen scheint, vgl. Tuckett,
Nag Hammadi and the Gospel Tradition 107-112.
340 Krankenheilungen in den Gemeinden

rischen Wirkens einen entscheidenden Stellenwert beimaß und dabei,


wie das Motiv des Arztkoffers zeigt, über weitreichende pharmakologi-
sche Kenntnisse verfügte. Aus einem offenkundig erheblichen Legitima-
tionszwang heraus, der sich am ehesten aus Versuchen erklärt, diese
asketischen Wandermissionare mit ihren Krankenheilungen in den Be-
reich der Häresie abzudrängen, wurde die Heilungstätigkeit autoritativ
auf eine Weisung des auferstandenen Christus zurückgeführt. Die Not-
wendigkeit solch einer Sonderoffenbarung ergab sich vermutlich da-
durch, daß die syn Aussendungstraditionen für die Missionspraxis dieser
Wanderasketen, die in deutlicher Spannung zu Lk 10,7par das Gastrecht
in den Häusern der Reichen bewußt ablehnten (Act Pt ll,26ff), nicht als
normative Agenden geeignet erschienen.

3. Krankenheilungen in den christlichen Gemeinden


3.1. Der Charismenkatalog 1 Kor 12
Die bisherigen Untersuchungen haben gezeigt, daß Dämonenaustrei-
bungen und Krankenheilungen von Anfang an einen zentralen Aspekt im
Wirken christlicher Missionare darstellten und maßgeblich zur Verbrei-
tung des Christentums beigetragen haben. Daneben zählte die Heilung
Besessener oder Kranker auch zu den selbstverständlichen Erscheinun-
gen des innerchristlichen Gemeindelebens. Das älteste Zeugnis hierfür
ist der pln Charismenkatalog 1 Kor 12. Einer Anfrage der Korinther über
die Bedeutung der Geistesgaben (1 Kor 12,1) verdanken wir in 12,
4-11.28-30 einen Einblick in die Vielfalt des Gemeindelebens. Auch
wenn in Korinth ein besonders ausgeprägter Pneumatismus mit ekstati-
schen Begleiterscheinungen zu veranschlagen ist, dürften doch die
Charismen von 1 Kor 12,4-11 zumindest für Teilbereiche des hellenisti-
schen Juden- wie Heidenchristentums in Grundzügen repräsentativ
sein 1 .
Für unsere Fragestellung sind die pneumatischen Wundertaten in
1 Kor 12,9f.28-30 von besonderer Bedeutung. 1 Kor 12,9b zufolge besit-
zen einzelne Christen in Korinth das xäpioua iauätuv 2 und verfügen so-

1 Vgl. neben Gal 3,5; Mt 7,22 auch die aktualisierende Rezeption von
1 Kor 12,7-10 bei Just, Dial 39,2.
2 Ta^a (im NT nur 1 Kor 12,9.28.30), das in LXX wie in der griechi-
schen Literatur überwiegend in seiner ursprünglichen Bedeutung "Heilmittel"
verwendet wird, begegnet hier bei Pls als terminus technicus für Krankenhei-
lungen, wie dies auch SIG 3 1168,1; Paus 1136,1 in bezug auf den Asklepioskult
der Fall ist.
Der Charismenkatalog 1 Kor 12 341

mit über die Befähigung zu Krankenheilungen. Ergänzend ist in 12,10


von EVEpYfluaTa SuväuEtov die Rede 3 , wobei SuvauEic; recht eindeutig auf
Wundertaten gemünzt ist. Da diese EvspYtluara Suväusuv gezielt von den
Krankenheilungen in 12,9 abgehoben werden, ist bei ihnen am ehesten
an Dämonenaustreibungen zu denken 4 . Selbst wenn die Zuordnung von
xapiouara und nvEÜua einerseits, von EvspYriuara und ÖEÖC; andererseits in
12,4.6 gezielt erfolgt sein sollte 5 , handelt es sich allenfalls um Akzentu-
ierungen in theologischer und pneumatologischer Hinsicht. 1 Kor 12,11
zufolge werden nicht allein die xotPi(3lt0(Ta. sondern auch die EVEpYfluaTa
SuväuEtov durch den Geist gewirkt.

Eine aus dem Geistbesitz resultierende Wunderwirksamkeit in der G e -


meinde geht auch aus Gal 3,5 6 ouv EmxopT|YÖv üulv TÖ nvEÜu.a xai EVEPYÖV
SuvauEic, (vgl. EVEpYWara Suvä(iE(jv 1 Kor 12,9) EV ü[iTv hervor. Wie in 1 Kor
12,4-11 ist dabei in erster Linie an das geistgewirkte Charisma der Kranken-
heilungen oder Dämonenaustreibungen zu denken .

Über die in Korinth angewandten Krankenheilungs- und Dämonenaus-


treibungspraktiken läßt uns Pls im Unklaren. Zu vermuten sind pharma-
kologische Heilpraktiken aus der hellenistisch-römischen Volksmedizin
und Dämonenbeschwörungen im Namen Jesu, beides möglicherweise
von Gebeten begleitet. Für Pls ist die Wunderwirksamkeit einzelner
Christen eine selbstverständliche Erscheinungsform des Gemeindele-
bens, da er die Heilungswunder und Machttaten als "ganz bekannte,
häufige und unzweifelhafte Tatsachen" 7 erwähnt, ohne sie zu kritisieren
oder gar grundsätzlich in Frage zu stellen 8 . In 12,28-30 sind die SuväuEiq

3 Auch die Befähigung zu SuvauEic, zählt zu den Charismen (12,31). Folg-


lich ist mit EVEpYfiuata keine von den x ot P" 3 t ja T ot unterschiedene Sondergruppe
gemeint, sondern es handelt sich um eine betonte Hervorhebung der in dieser
Art von Charismen in besonderer Weise wirksamen Kraft Gottes, vgl. Gree-
ven, Geistesgaben 112; Schürmann, Gnadengaben 240.
4 Vgl. J. Weiß, 1 Kor 301; Plummer, 1 Cor 266; Lietzmann, 1 Kor 61;
Conzelmann, 1 Kor 255 mit Anm.29, zu SuvauEic; für Dämonenaustreibungen
o.a. Mt ll,20f.23par; Mk 6,5; 9,39; Apg 8,13; 19,11.
5 Conzelmann, 1 Kor 253; anders Lietzmann, 1 Kor 62.
6 Schlier, Gal 125f.; ähnlich Mußner, Gal 208.211 mit Anm.33; Nielsen,
Heilung 203f. - H.D. Betz, Gal 248 mit Anm.75; Rohde, Gal 135 mit
Anm.48, denken allgemein an Manifestationen des Pneuma bei den Galatern,
ohne speziell Heilungen und Dämonenaustreibungen zu veranschlagen.
7 J. Weiß, 1 Kor 301; vgl. Schulz, Charismenlehre 455f.; Kee, Miracle in
the Early Christian World 170-173.
8 In dem Charismenkatalog Rom 12,6-8 ist allerdings von Wundertaten
wie von Glossolalie nicht mehr die Rede. Vermutlich hängt die zunehmende
pln Zurückhaltung gegenüber pneumatisch-ekstatischen Äußerungen des G e -
342 Krankenheilungen in den Gemeinden

und tauata zwar der Trias Apostel-Lehrer-Propheten nachgeordnet,


werden aber noch vor der gezielt an den Schluß gestellten (vgl. 12,10)
Glossolalie genannt 9 , wobei für Pls die Bindung sämtlicher Charismen
von 12,4-11 an das übergeordnete Ziel der Oikodome der Gemeinde
(14,12.26, vgl. npöc, TÖ ouucpEpov 12,7) der entscheidende Aspekt ist.
Faktisch bietet die Gemeinde von Korinth, indem einzelne ihrer Mitglie-
der über das Charisma der Krankenheilung und der Dämonenaustreibung
verfugen, nicht allein eine Alternative zur Inanspruchnahme profaner
Heilkunst, sondern auch eine ernstzunehmende Konkurrenz zum Inku-
bationsheilungsbetrieb am Asklepieion von Korinth.

Das aus dem 4.Jhdt.v.Chr. stammende Asklepieion Korinths stand mit sei-
nem regen Heilbetrieb bis zur Zerstörung der Stadt 146v.Chr. in Blüte 10 .
Bald nach der Neugründung Korinths 44v.Chr. wurde das Heiligtum neuerlich
in Betrieb genommen und, wenn auch wohl in bescheidenerem Maße als
zuvor, höchstwahrscheinlich die Inkubationsheilungspraxis wiederaufgenom-
men 11 . In einer vermutlich aus dem späten l.Jhdt.n.Chr. stammenden Weihe-
inschrift des Heiligtums wird der Korinther Bürger Gaius Vibius Euelpistus,
der möglicherweise medizinisch am Heilbetrieb des Asklepieions mitwirkte,
als Arzt und als Priester des Asklepios (iatpöv ... 'AoxXnniou iEpEa)
geehrt 1 2 .

3.2. Unterweisung zu Dämonenaustreibungen durch Gebet (Mk 9,28f.)


Mk 9,28f., ein im Kern bereits vormk Anhang zu der Epileptiker-
perikope 9,14-27 13 , deutet auf Dämonenaustreibungen durch Gebet im

meindelebens maßgeblich mit den 2 Kor dokumentierten Auseinandersetzungen


zusammen, vgl. auch Käsemann, Rom 320; Hom, Angeld des Geistes 284.
9 Schürmann, Lehrer 125; Wolff, 1 Kor 103, vermuten in 12,28-30 und der
Letzterwähnung der Glossolalie in 12,10 sogar die bewußte Korrektur einer
Pls aus Korinth vorgegebenen Charismenliste.
10 Vgl. Roebuck, Asklepieion 152ff.; Lang, Cure and Cult 3ff. (mit Ab-
bildungen der Votivglieder); Wiseman, Corinth and Rome I 487f.; Krug,
Heilkunst 141-145.
11 Roebuck, Asklepieion 155ff.; Wiseman, Corinth and Rome I 509f.;
Murphy-O'Connor, St. Pauls Corinth 162-167. Im 2.Jhdt.n.Chr. findet das
Heiligtum bei Paus 114,5 Erwähnung.
12 Text und Kommentar bei Roebuck, Asklepieion 156f.
13 Entgegen der Einschätzung, Mk 9,28f. sei in seiner Gesamtheit redaktio-
nell (Koch, Wundererzählungen 120f.; Schenk, Epileptiker-Perikope 79f.;
Schmithals, Heilung des Epileptischen 211 ff.; Lührmann, Mk-Ev 160), dürfte
die angehängte Jüngerunterweisung vormk sein und auf Mk lediglich das Mo-
tiv der esoterischen Geheimlehre (EIOEXOÖVTOC, aüroü EÜ; o?xov .... xar' LStav)
zurückgehen, vgl. Kuhn, Sammlungen 189 (unter Verweis auf den analogen
Befund in Mk 4,10.13; 7,17f.; 10,10f., wo Mk jeweils eine bereits vorgefundene
Die Jüngerbelehrung Mk 9,28f. 343

frühen Christentum hin. Als Jüngerbelehrung rekurriert 9,28f. mit OTI


fjuEic, oüx fjSuvf|ÖTiuEv ExßaXEiv aürö auf das Jüngerversagen von 9,18 und
reflektiert in Form nachösterlicher Gemeindeunterweisung eine fehlge-
schlagene Besessenenheilungspraxis christlicher Wundertäter. Dabei
scheint vorausgesetzt zu sein, daß der gescheiterte Heilungsversuch
nach Muster der Mk 9,25 von Jesus geschilderten Dämonenaustrei-
bungstechnik unternommen wurde. Einer Bewältigung der Problematik
dient die Einsicht TOÜTO TÖ YEVOC; EV OÜSEVI Süvarai EF;£X\>EIV EI u.fj EV npoo-
EUX?J. Solche Dämonen wie der Sprachverlust und Taubheit verursa-
chende Krankheitsgeist von Mk 9,17ff. lassen sich nicht einfach durch
eine Bedrohung mit Ausfahrwort austreiben, wie dies 9,25 zufolge bei
Jesus der Fall war, sondern weichen allein durch das Gebet.
Dieser Verweis auf das Gebet wird oftmals dahingehend interpretiert,
daß jede Betätigung der Gemeinde auf dem Gebiet der Dämonenaustrei-
bung kritisch relativiert oder sogar völlig unterbunden werden solle 14 .
Offenkundig liegt dabei eine aus religionsgeschichtlicher Perspektive
nicht nachvollziehbare Unterscheidung zwischen Religion und Magie zu-
grunde, als ob Gebet und magische Praktiken einander ausschlössen. In
der Umwelt des NT zählt hingegen das Gebet an die Gottheit zu den
konstitutiven Bestandteilen magischer Dämonenaustreibung. Bei Mk 9,29
handelt es sich um eine Anleitung zu dämonenbannender Gebetsheilung
in solchen Fällen von Besessenheit, die der Krankheitsschilderung von
9,17ff. entsprechen 1 5 .

In 1 Q Gen Ap XX,21-29 vollzieht sich das Weichen des Krankheitsdä-


mons nicht nur durch Handauflegung und Bedrohung, sondern auch durch Ge-
bet. PGM IV.1227-1264.3019-3078; V.96-171 ist das Gebet um Dämonenver-
treibung ebenso fester Bestandteil des Exorzismusrituals, wie dies für die
christlichen Wunderheilungen in Act Thom 81; Act Joh 41; 57; Act Andr 5 und
in PGM 9 gilt. Daß Mk 9,28f. tatsächlich als Anleitung zu dämonenbannenden
Gebetspraktiken aufgefaßt wurde, zeigt PsClem, Virg (wohl frühes 3.Jhdt.) 16 ,
wo es I 12,2.5 unter Berufung auf Mk 9,29 heißt: "Auch dies ziemt den Ge-
schwistern in Christo und ist gerecht und ihnen rühmlich, daß sie die be-
suchen, die von bösen Geistern gequält werden, und beten und Beschwörungen

sekundäre Jüngerbelehrung zur Geheimunterweisung ausgestaltet); Roloff,


Kerygma 148; Schenke, Wundergeschichten 331; Gnilka, Mk-Ev II 45f.
14 Koch, Wundererzählungen 123 (der Verweis auf das Gebet impliziere
das "Ende" aller eigenen Praxis); ähnlich Schille, Wundertradition 18 (Die
Gemeinde werde auf die Grenzen ihrer Vollmacht hingewiesen); Roloff,
Kerygma 149; Lührmann, Mk-Ev 162.
15 Klostermann, Mk-Ev 89 ("Wunderrezept für den praktischen Ge-
brauch der Gemeinde"); Theißen, Wundergeschichten 74f.; Pesch, Mk-Ev II 96f.
16 Vgl. zur Datierung Funk-Diekamp, Patres Apostolici II Vllf.; Altaner-
Stuiber, Patrologie 47.
344 Krankenheilungen in den Gemeinden

über ihnen aussprechen (atque orent et adiurationes super eos faciant) ... So
mögen sie die Kranken also unter Fasten und Gebet beschwören (itaque ieiu-
nio et oratione exorcicent illos)... ".
Auf Dämonenaustreibung abzielende christliche Gebetsbeschwörungen sind
für das 2. und 3.Jhdt.n.Chr. auch durch Justin und Origenes verbürgt. Just,
Dial 30,3, berichtet - in einem Atemzug mit Dämonenbeschwörungen x a t ä
TOU övöuatoc, 'Inoou Xpioroü - von Gebeten an Gott um Schutz vor Dämonen
(änö Yäp TÖV Saiuovitov ... TÖV OEÖV äsi Siä Tnaoü Xpioroü ouvTT)pT)-&fjvai
napaxaXouuEv). Dies deckt sich mit Orig, Cels VII,4 ("Nicht wenige Christen
trieben Dämonen ohne jede Zauberei und Magie oder Pharmazie aus, indem
sie sich allein des Gebetes und einfacher Beschwörungsformeln bedienten
toüv oüSEvi nspiEpYiji xai uaYixö fj" cpapuaxEUTixö npaYuati äXXä pövTj EÜXTJ
xai öpxüoEöiv anXouoTEpaic,])" und Orig, Hom Jos 24,1 (si inimica virtus
daemonis ... obsideat alicuius corpus, ... adhibeantur autem multae orationes,
multa ieiunia, multae exorcistarum invocationes ... ; ähnlich Orig, Comm Mt
XIII,6). Ausführliche christliche Dämonenaustreibungsgebete, wie sie bei Ju-
stin, Origenes und PsClem im Hintergrund stehen dürften und maßgebliches
Licht auf Mk 9,29 werfen könnten, bieten die apokryphen Apostelakten (Act
Thom 81; Act Joh 41; 57; Act Andr 5) und PGM IV,1232-1239. Daß das
Gebet Mk 9,29 nicht einfach als Glaubensmanifestation seitens des Besesse-
nen oder der Gemeinde fungiert, sondern exorzistische Bezüge hat, zeigt zu-
dem auch die gutbezeugte v.l. E! \IT) EV npooEuxfj xai vnoTEia. Fasten zählte
im frühen Christentum wie überhaupt in der Antike zu den antidämonischen
Riten17.

Mk 9,28f. will als Gemeindeunterweisung Wundertäter dazu anleiten,


im Falle dämonischer Besessenheit durch die Rezitation von Gebeten
den krankheitsverursachenden Geist zu vertreiben. Der Wortlaut dazu
geeigneter Gebete wird nicht mitgeteilt. Es ist allerdings zu vermuten,
daß an ähnliche Gebetstraditionen gedacht ist, wie sie im 2.Jhdt.n.Chr.
in den apokryphen Apostelakten im Zusammenhang mit christlichen
Dämonenaustreibungen begegnen (vgl. V.4.1.2).

3.3. Krankenheilungen durch Presbyter (Jak 5,14-16)


Innerhalb der Schlußparänese des Jak-Briefes ergehen in 5,14-16 An-
weisungen zum Umgang mit Krankheit in der Gemeinde, denen für das
nachpaulinische Zeitalter Rückschlüsse auf eine genauestens geregelte
therapeutische Gebetspraxis in einzelnen christlichen Gemeinden ent-
nehmbar sind.

17 Vgl. Apk Elia 23,8-13; PsClem, Virg 112,3.5 (dabei Zitat von Mk 9,29
in der v.l.!); PsClem, Hom »10,3; Orig, Hom Jos 24,1; Orig, Comm Mt
XIII,6. Vgl. ferner die magischen Heilpraktiken Plin, Hist Nat 24,181 (ieiuno
ieiunum medicamentum dare); 26,93, zum Ganzen auch Arbesmann, RAC VII
(1969) 463f.
Krankenheilung durch Presbyter 345

Die Vv 14-16 sind Bestandteil des Abschnittes 5,13-18, der nach der über-
schriftartigen Einleitungssentenz 5,13 in zwei Teile zerfällt: 5,14-16a handelt
speziell vom Gebet im Krankheitsfall 18 , 5,16b-18 dagegen allgemein von der
Kraft des Gebetes, ist allerdings durch die Wundertopik aus der Elia-Tradi-
tion eng mit der Krankenheilungsinstruktion 5,14-16a verklammert.

Jak 5,14 zufolge soll man im Krankheitsfall die npsoßÜTEpoi xr\q


ExxXi)öiac;, die Ältesten der Ortsgemeinde, zu sich rufen lassen. Die Be-
fähigung zur Krankenheilung, die zur Zeit des 1 Kor ein durch den
Pneumabesitz theoretisch für jeden Christen in Betracht kommendes
Charisma darstellt (12,9f.28-30), erscheint hier fest institutionalisiert und
fällt in den Aufgabenbereich des Presbyterdienstes 19 . Daß Jak 5,14 dabei
keine Ausnahme darstellt, zeigt neben Pol, Phil 6,1 (oi npEoßürEpoi ... ini-
oxEnröuEvoi nävrac; CTOO-EVEIC;), die Behauptung des Celsus, er habe in den
Händen christlicher Presbyter magische Handbücher zur Dämonenaus-
treibung gesehen (Orig, Cels VI ,40 E<PT|OEV EupaxEvai napä TIÖI npEoßuTEpoic;
TTJC; f|iiET£pac; Sovile; TUYX«VOUÖI ßißXia ßäpßapa, Saiu.övuv övö^ara i'xovTa xai
TEpatEiac;). Auch der Hadrian-Brief in Script Hist Aug, Saturninus 8,
bringt das christliche Presbyteramt mit Astrologie, Mantik und Phar-
makologie in Verbindung (nemo Christianorum presbyter non mathemati-
cus, non haruspex, non aliptes). Da der Jakobusbrief theologiegeschicht-
lich im Wirkungsbereich des Mt-Ev anzusiedeln ist, könnten Probleme
mit einem prophetisch-ekstatisch geprägten Wundercharismatikertum,
wie sie Mt 7,21-23 zutagetreten, die institutionalisierte Bindung der
Krankenheilung an das kirchliche Amt mitbedingt haben. Die Formel EV

18 Gegen Mußner, Jak 22Sff., der 5,16-18 als eigenständige Paränese be-
trachtet und önoic, ia-0-f|TE nicht auf die Krankenheilungen von 5,14f. bezieht,
sondern in übertragenem Sinne als "Heilung von Sünden" auffaßt. - Ohne
Anhalt am Text sind die Versuche, in 5,15 OÜOEI und EYEPET nicht als logi-
sches Futur auf körperliche Heilung, sondern eschatologisch-futurisch auf die
Rettung zum Heil und auf die Auferstehung zu beziehen (Meinertz, Kranken-
salbung 27-36). Vgl. dagegen zu aüC,ETv für die Heilung körperlicher Gebre-
chen Mk 5,23.28.34; 6,56; 10,52, zu EYEipEtv für das Aufrichten von Kranken
Mk 1,31; 2,9.llf.; Apg 3,7.
19 Ob dabei jüdischer Einfluß vorliegt (vgl. zur vorbildlichen Krankenfür-
sorge im antiken Judentum Billerbeck IV,1 573-578). bleibt zweifelhaft. Die
vielzitierte Sentenz "Wer einen Kranken in seinem Hause hat, der gehe zu
einem Gelehrten, daß dieser für ihn um Erbarmen flehe" (bBB 116a) stammt
aus dem 4.Jhdt.n.Chr. und setzt eine stellvertretende Fürbitte voraus (vgl.
Ber V,5; bBer 34b), ohne daß der Kranke aufgesucht und pharmakologisch
behandelt würde. - Wenn 1 Tim 5,5 und Pol, Phil 4,3, der Witwenstand spe-
ziell durch Beauftragung zu Gebeten gekennzeichnet ist, könnte dies ebenfalls
im Zusammenhang mit Krankenheilungs- oder Dämonenaustreibungsgebeten
stehen.
346 Krankenheilungen in den Gemeinden

TU övöuari TOÜ xupiou, von der ergänzend zum Gebet "in Richtung auf
den Kranken" (en aüröv) und zur Ölsalbung (vgl. Mk 6,13) als Heiltech-
nik die Rede ist, impliziert ein Aussprechen des Namens Jesu und legt
nahe, daß es sich um Dämonenaustreibungen handelt.

Vom Text her nächstliegend ist ein Bezug von EV XQ övöuari TOÜ xupiou
auf äXEÜJiavTEc; aüröv EXaiu. Die Namensanrufung wäre dann ein gegenüber
dem Gebet eigenständiger, mit der Ölsalbung verknüpfter Akt , und es
könnte sich bei der Krankenheilung um eine Dämonenaustreibung handeln, in-
dem der Krankheitsdämon eigens beim Namen Jesu beschworen wird (vgl. Mt
7,22; Mk 9,38; Apg 19,13). Alternativ besteht die Möglichkeit, EV tqi övöuau
TOÜ xupiou mit npooEu^äo&uoav in dem Sinne zu verbinden, daß die Namens-
anrufung im Gebet erfolgte 2 1 . Auch in diesem Falle kann über ein reguläres
Krankenheilungsgebet (vgl. 1 Clem 59,21-34) hinausgehend wie in Mk 9,29
speziell an ein Gebet zur Dämonenvertreibung gedacht sein (vgl. Act Thom
81; Act Joh 41; 57; PGM IV,1232-1239) 22 . Zudem ist aXEÜliavTEC, aüröv EXaitp
jenseits pharmakologischer Bezüge (vgl. Schab VIII,1; XIV,3f.; Diosc, Mat
Med I 30-63) im Sinne einer dämonenbannenden Ölsalbung interpretierbar 2 3 .

Die Jak 5,14-16 beschriebene Vorgehensweise fand bei Krankheiten


mit Bettlägerigkeit Anwendung. Der Kranke ist nicht in der Lage, sich
selber zu den Presbytern zu begeben (5,14), und nach erfolgter Heilung
wird er aufgerichtet (5,15). Den Verben äo\tevoüv 5,14 und xäuvEiv 5,15
ist allerdings nicht entnehmbar, daß es sich speziell um lebensbedrohlich
oder unheilbar Erkrankte handelt 2 4 . Bei der Heilung kommt dem Gebet
und dem dabei wirksamen Glauben die maßgebliche Bedeutung zu, r\ EÜxfj
TTJC; TttoTEucj ÖÜÖEI TÖV xauvovTa (5,15). Als eigentliche Heilungsinstanz
fungiert der Kyrios J e s u s 2 5 , der den Kranken aufrichtet und dem nun-

20 Ropes, James 307; auch von Heitmüller, Im Namen Jesu 86, offen-
kundig vorausgesetzt.
21 Dibelius, Jak 300; Mußner, Jak 219.
22 Dibelius, Jak 299f. Dagegen: Wilkinson, Healing 332f.; Seybold/Müller,
Krankheit 162.
23 Vgl. Test Sal 18,34: ECÜV Tic; ßaXsT öiXac, Eic, ifXaiov xai EnaXEÜJiEi TÖV
äoÖEvfjv XEYUV 'xEpoußiu, OEpacpi(i, ßoiidETTE', EÜ&ÜC, ä v a x u p ö (sc. der Dämon);
HDM A 111,14.21.41; SHR II,95ff.; V,38-42. Ob die Ölsalbung gleichzeitig mit
dem Gebet erfolgte oder diesem vorausging, ist dem Part.Aor. äXEiiJjavTEC,
nicht entnehmbar, vgl. Blaß-Debr.-Rehkopf § 339.
24 Gegen Poschmann, Paenitentia Secunda 54: TÖV xäuvovra Jak 5,15 deute
auf einen Schwerkranken hin. - 'O xä(ivtov bezeichnet allgemein den Kranken
im Gegensatz zum Gesunden (Artemidor IV,22), und xäp.vEiv schließt folglich
auch nicht akut lebensbedrohliche, heilbare Krankheiten, beispielsweise Au-
genleiden, mit ein (Herodot, Hist 11,111; vgl. auch 1,197).
25 Mit xüpioc, Jak 5,15 ist, wie aus der christologischen Formel EV övöuari
TOÜ xupiou (die Auslassung von T. X. durch den Vaticanus ist sekundär) 5,14
hervorgeht, Jesus und nicht Gott gemeint (gegen Ropes, James 308).
Wiederbelebungen durch Gebet 347

mehr die in atl Tradition Gott vorbehaltene (Ex 15,26; Ps 103,3; Sir 38,9)
Heilungsfunktion zugesprochen wird.
Etwas nachklappend kommt in 5,15b.16 das Thema Sünde zur Spra-
che. Falls der Kranke Verfehlungen begangen hat, werden sie ihm ver-
geben werden. Gegenüber der in atl-jüdischer Tradition wurzelnden
Rückführung von Krankheit auf S ü n d e 2 6 liegt eine bemerkenswerte Ak-
zentverschiebung vor, da Jak 5,15 zufolge Krankheit nicht notwendiger-
weise das Resultat von Fehlverhalten darstellt, sondern durch solches
bedingt sein kann. Da Jak 5,16 auf den Krankheitsfall von 5,14f. gemünzt
ist, geht dem Gebet der Presbyter gegebenenfalls ein Sündenbekenntnis
des Erkrankten voraus.
Die Möglichkeit profaner medizinischer Hilfe bei Krankheit kommt
Jak 5,14-16 nicht in den Blick. Die Ortsgemeinde verfügt über Presbyter,
in deren Funktionsbereich es fällt, durch ein Zusammenspiel von phar-
makologischen Praktiken, Gebetsriten und vermutlich Dämonenbeschwö-
rungen beim Namen Jesu eine Wiederherstellung der Gesundheit zu be-
wirken. Dies ist in der Praxis kaum anders vorstellbar, als daß ausge-
wählte Amtspersonen eine pharmakologisch-magische Ausbildung erhiel-
ten, sich bei der Ausübung ihrer Krankenheilungsaufgaben bestimmter
Handbücher bedienten, wie Celsus sie für christliche Presbyter bezeugt,
und faktisch eine Art "Ärztestand" innerhalb der christlichen Gemein-
den bilden.

3.4. Wiederbelebungen durch Gebet (Iren, Haer II 31,2; 32,4)


Irenäus betont in Auseinandersetzung mit Wundertaten der Häretiker,
daß bis in seine Zeit hinein Totenerweckungen auf Gebet und Fasten
der christlichen Gemeinde hin nichts Ungewöhnliches darstellten. Schon
oft sei in solchen Fällen das Pneuma des Verstorbenen zurückgekehrt.
"Sie (sc. die Häretiker) haben nicht die Kraft, in gleicher Weise einen To-
ten zu erwecken, wie der Herr sie erweckt hat und wie es die Apostel getan
haben durch ihr Gebet und wie es oftmals in der Gemeinde der Brüder ge-
schah, wo dann, wenn aus wichtigen Gründen die ganze Kirche einer Gegend

26 Num 12,9-15; 1 Kön 13,4-6; Ps 103,3; Test Rüben 1,7-10; Test Sim
2,12f.; Test Seb 5,2-4; Test Gad 5,9-11; 1 Q Gen Ap XX,12-29; 4 Q Or Nab;
bNed 41a; im NT Mk 2,5 und Joh 9,2. Von christologischen Akzentverschie-
bungen in Jak abgesehen, entspricht Sir 38 das Zusammenspiel von medizi-
nisch-pharmakologischen Praktiken (38,4.8), ärztlichem Gebet (38,9.14) und
Abkehr von Verfehlungen (xai änö näonc; äuaptiac; xaO-äpioov xapSiav 38,10)
Jak 5,14-16 in Grundzügen. - Vgl. zur Rückführung von Krankheit auf Sünde
auch Kudlien, Beichte und Heilung 1-14.
348 Form- und sozialgeschichtliche Aspekte

unter vielen Fasten und Opfern darum gefleht hatte, der Geist des Verstor-
benen zurückkehrte und der Mensch den Gebeten der Heiligen geschenkt
wurde (xai EV TTJ äSEXepÖTTyu noXXäxic, Siä TÖ ävaYxaTov xai TTJC; x a r ä rönov
EXxXr|oiac; näoric; aiTi)oauEVT|c; UETÖ viioTEiac; xai XiravEiac, noXXfjc; EnEOTpEiJiEV
tö nvEÜua TOU TETEXEUTIIXÖTOC; xai Exapio-&T| o äv&punoc; rate; EÜxaTc. TÖV
Ayid>\>) ... Wie wir erwähnten, sind selbst Tote bereits erweckt worden, um
noch mehrere Jahre unter uns zu weilen (xadüc, E(pauEv, xai VExpoi r\yip9r\ootv
xai napEUEivav oüv fjuTv ETEOIV ixavote, Iren, Haer II 31,2; 32,4/Euseb, Hist
Eccl V 7,2.4).

Zu grundsätzlichen Zweifeln an dem Wahrheitsgehalt dieser Aussage


ist kein Anlaß gegeben. Der Scheintod stellte in der Antike ein weitver-
breitetes Phänomen dar, Versuche zur Wiederbelebung totgeglaubter
Personen sind sowohl für die rationale Medizin als auch in magischer
Tradition belegt und haben in zahlreichen Fällen nachweislich Erfolg
gehabt 27 . Auch der Presbyter Johannes soll in Ephesus eine Wiederbe-
lebung bewirkt haben (Euseb, Hist Eccl V 18,14). Der Wendung EV TTJ
äSEX(pÖTr|Ti Iren, Haer 1131,2, ist entnehmbar, daß es sich bei den schein-
bar verstorbenen Personen, an denen die Wiederbelebungen vollzogen
werden, um Christen handelt. Es geht also nicht um missionspropagan-
distische Wundertaten an außerhalb der Gemeinde stehenden Personen,
sondern um innergemeindliche Krankenfürsorge. Bewirkt werden die
Wiederbelebungen durch eine Kombination von Fasten und Gebet, wie
es auch bei christlichen Dämonenaustreibungen üblich war (Mk 9,29 v.l.;
PsClem, Virg 112,lff; Orig, Hom Jos 24,1), ohne daß Irenäus den Wort-
laut der rezitierten Gebete mitteilte. In den apokryphen Apostelakten
begegnen freilich zahlreiche Gebete um Totenerweckung (Act Petr 26-27;
Act Thom 30; 53; Act Joh 21; 75), die das von Irenäus beschriebene
Vorgehen plastisch veranschaulichen. Offenkundig setzt Iren, Haer
1131,2; 32,4, ähnliche Totenerweckungsgebete an Gott oder Jesus voraus,
wie sie in die Petrus-, Thomas- und Johannesakten eingeflossen sind
und vor dieser literarischen Fixierung vermutlich als liturgische Traditio-
nen in Umlauf waren.

4. Form- und sozialgeschichtliche Aspekte


frühchristlichen Wundercharismatikertums
4.1. Christliche Damonenaustreibungs- und Krankenheilungsformeln
Die Erhellung der genaueren Begleitumstände des Wirkens früh-
christlicher Wundercharismatiker wird durch die Quellenlage vor Schwie-

27 Vgl. dazu III.1.3.4, III.1.4.2 und III.1.4.3 in dieser Untersuchung


Wunderformeln und -gebete 349

rigkeiten gestellt. Auf der einen Seite kann angesichts unserer bisheri-
gen Untersuchungsergebnisse historisch kein Zweifel daran bestehen,
daß seit den Anfängen des Christentums Wandermissionare das Voll-
bringen von Machttaten als elementaren Bestandteil ihres Auftretens
betrachteten und auch innerhalb der christlichen Gemeinden charisma-
tisch befähigte oder durch das Presbyteramt dazu verpflichtete Christen
Dämonenaustreibungen und Krankenheilungen bewirkten. Auf der ande-
ren Seite sind über die Fakten hinaus, daß diese Wundertaten "im Na-
men Jesu" geschahen, dem Gebet eine maßgebliche Rolle zukam (Mk
9,29; Jak 5,14-16; Iren, Haer 1131,2) und Öl ein wichtiges Heilmittel dar-
stellte (Mk 6,13; Jak 5,14), keine weitergehenden Details bekannt. In
Analogie zu den Gegebenheiten in der jüdischen wie griechisch-römi-
schen Umwelt des NT können wir vermuten, daß christliche Wundertä-
ter Handbücher mit Formeln, Gebeten und pharmakologischen Instruk-
tionen zu Dämonenaustreibungen oder Krankenheilungen verwendeten,
die der Geheimhaltung unterlagen und ebenso wie unzählige pagane
Zauberpapyri der ersten Jahrhunderte n.Chr. verlorengingen oder gezielt
vernichtet wurden 1 . Für das 2.-3.Jhdt.n.Chr. ist die Existenz magischer
Kompendien christlicher Prägung durch Celsus (Orig, Cels VI,40) und,
sofern Orig, Comm ad Mt 26,63, christliche Dämonenbeschwörer mit-
einschließt, auch durch Origenes verbürgt.
Trotz der ungünstigen Quellenlage ist allerdings die Eruierung christ-
licher Formeln und Gebete, die im Zusammenhang mit Wunderheilungen
rezitiert wurden, nicht völlig aussichtslos. Bereits in früheren Teilen
dieser Untersuchung wurde deutlich, daß sich die Wundergeschichten
der Evangelien und der Apg der Form nach von den meisten ihrer reli-
gionsgeschichtlichen Parallelen durch die Preisgabe festgeprägter Wen-
dungen unterscheiden, wie sie von christlichen Wundertätern benutzt
worden sein dürften. In ähnlicher Weise haben sich offenkundig in den
apokryphen Apostelgeschichten des 2.-3.Jhdt.n.Chr. ältere Wunder-
heilungsformeln und -gebete niedergeschlagen, die im Kern bis in das
ntl Zeitalter zurückreichen können 2 . Wenn schließlich bei christlichen

1 Die von Preisendanz (PGM 1-24) und Daniel (PGM.S 20-36) edierten
christlichen Papyri stammen überwiegend aus dem 4. und 5.Jhdt.n.Chr., wie
dies auch für die Mehrzahl der von Kropp, Ausgewählte koptische Zauber-
texte, herausgegebenen Zeugnisse christlicher Magie der Fall sein dürfte.
Die christlichen Amulette bei V. Stegemann, Koptische Zaubertexte, gehören
in das 5.-11.Jhdt.n.Chr., die christlichen Fluchtexte PGM.S 59-62 in das
5.-6.Jhdt.n.Chr. Dem Charakter nach weist das in der Endgestalt christliche
Test Sal (Endredaktion wohl 3.Jhdt.n.Chr.) in die Nähe magischer Kompendien.
2 Eine Übersicht der apokryphen Wundertraditionen, allerdings ohne Be-
zugnahme auf diesen Aspekt, bieten Achtemeier, Miracle Workers in the
350 Form- und sozialgeschichtliche Aspekte

Schriftstellern wie Justin, Irenäus, Tertullian oder Origenes aus der neu
erwachsenen Notwendigkeit der Verteidigung des Christentums oder aus
der gezielten Häretikerbekämpfung heraus zahlreiche Details über das
Vorgehen christlicher Wundertäter verlauten, darf ebenfalls mit hoher
Plausibilität vermutet werden, daß solche Praktiken nicht in ihrer Ge-
samtheit Neuentwicklungen der nachneutestamentlichen Epoche dar-
stellen, sondern in sachlicher Kontinuität zu den Anfängen christlichen
Wundercharismatikertums stehen und Licht auf das apostolische Zeital-
ter werfen.

4.1.1. Wundertaten "im Namen Jesu"


Ähnlich wie es im Taufritual der Fall ist 3 , kommt bei den Wunderhei-
lungspraktiken des frühen Christentums dem Namen Jesu eine alles
beherrschende Bedeutung zu. Von Dämonenaustreibungen oder Kran-
kenheilungen EV Tip övouati Jesu, wie sie in der nachneutestament-
lichen Literatur breit bezeugt sind 4 , ist im NT in Mt 7,22; Mk 9,38par;
16,17; Lk 10,17; Apg 16,18; Jak 5,14 die Rede, ohne daß die dabei still-
schweigend als bekannt vorausgesetzten Modalitäten näher erläutert
würden. In aller Regel kann hier von einer Anrufung oder Nennung des
Namens Jesu ausgegangen werden, wie es bereits die Vorgehensweise
der Skevassöhne Apg 19,13 nahelegt (övoud^Eiv äni TOÜC; Exovrac; ra TCVEÜ-
liara rä novripd TÖ ovoua TOÜ xupiou 'Ir)ooü). Iren, Haer II 32,5, betont, daß
die christliche Gemeinde bei ihren Wundertaten weder Engelbeschwö-
rungen noch Zaubersprüche anwende, sondern Gebete an den Schöpfer-
gott richte und "den Namen unseres Herrn Jesu Christi" anrufe (nomen

Apocryphal NT 161-177; van Cangh, Miracles apocryphes 2277-2319. Daß die


Wundergebete der apokryphen Apostelakten als liturgische Traditionen im
Prinzip die tatsächliche Gebetspraxis jener Zeit widerspiegeln, betont zu
Recht von der Goltz, Gebet 290ff.
3 In seiner Bedeutung nicht überschätzt werden sollte für das 1. und
2.Jhdt.n.Chr. der "Taufexorzismus" (gegen Böcher, Christus Exorcista 170-180).
Wenn in Apg und den apokryphen Apostelakten der Taufe vielfach Wunderta-
ten vorangehen, ist dies auf deren hohe Bedeutung für die missionarische
Glaubenserweckung zurückzuführen, ohne den Rückschluß auf systematisch
vor dem Taufakt vollzogene Dämonenaustreibungen zu erlauben. Vgl. grund-
sätzlich zum "Taufexorzismus" Dölger, Exorzismus im altchristl. Taufritual
9ff.; Thraede, RAC VII (1969) 76ff.
4 Vgl. Just, Dial 35,8 (töv änö TOÜ övö[iaroc; aüroü xai vüv Y'VOIIEVUV
SuväuEtov); Iren, Haer 1132,5; Act Thom 41 (EYEtpai ... Siä TOÜ övöuaroc, "Inooü
Xpioroü): Act Joh 22; 83; Orig, Cels 1,25 (6 fjuitEpoc, 'Ii|ooüc;, oü TÖ 6vou.a
pupiouc, fjSii EvapYÖc, EÜparai Saiu.ovac, E^EXäaav ipiJXÖv xai ou(iäTtov);
TChull 2,22; jAZ 2,2 (40d), zum Ganzen Heitmüller, Im Namen Jesu 223ff.
Wunderformeln und -gebete 351

domini nostri Jesu Christi invocans). Nach Tert, Apol 23,15, beruht die
Macht und Gewalt der Christen über die Dämonen maßgeblich auf der
Aussprache des Namens Christi (omnis haec nostra in illos dominatio et
potestas de nominatione Christi valet), und auch Orig, Cels 111,24, zufol-
ge sprechen die Christen bei ihren Krankenheilungen entweder den
Namen Gottes oder den Namen Jesu aus (xaXoüvTEc, Eni TOÜC; SEOUEVOUC;
ÖEpanEiac; 'i\ TÖV Eni naoi ÖEÖV xai TÖ TOÜ 'IT)ÖOÜ ovoua, vgl. 1,6 XpiöTiavoi
OÜSEHIS UEXETTJ EnySuv XPÜUEVOI TUYX^VOUÖIV äXXä xcp övöuari TOÜ Mncsoü).
In vielen Fällen vollzogen sich solche Wundertaten "im Namen Jesu"
durch eine Beschwörung von Krankheitsgeistern mit Exorzismusformeln
wie öpxic/o üuac; 'hiooüv (Apg 19,13) oder E^opxt^u OE xardt TOÜ övöuaroc;
'Iijcsoü Xpioroü (Just, Dial 30,3; 85,2; Apol II 6,6). Daneben können
Machttaten im Namen Jesu eine Rezitation von 'bicsoüc; (Xpioröc;) (Apg
9,34; Act Thom 77) oder von EV xtp övöuari 'Iriooü als festgeprägter Wen-
dungen in Damonenaustreibungs- oder Heilungsformeln (Apg 16,18;
Act Joh 22; 83) implizieren. Die Mehrzahl der nachfolgend im Überblick
zusammengestellten Formeln und Gebete, die von christlichen Wunder-
tätern zu Damonenaustreibungs- und Heilzwecken verwendet worden
sein dürften, enthalten in irgendeiner Weise den Namen Jesu.

Methodisch hat sich eine Identifizierung und Rekonstruktion mutmaßlicher


Wunderheilungsformeln und -gebete des frühen Christentums an denjenigen
Kriterien zu orientieren, die sich grundsätzlich bei der Eruierung vorliterari-
scher Formen bewährt haben 5 . Entscheidende Gesichtspunkte zur Bestim-
mung von Traditionsgut sind a) an Dämonen gerichtetes Ef;opxi^Eiv, XEXEÜEIV,
napaYY^XXsiv o.a. als Hinweis auf das Einsetzen einer Formel, b) sich vom
Kontext abhebende wörtliche Rede oder ein den Zusammenhang sprengender
Inhalt als Indiz für die Rezitation von Traditionsgut, c) ein formelhafter oder
liturgischer Charakter einzelner im Zusammenhang mit Dämonenaustreibungs-
oder Krankenheilungsberichten rezitierter Wendungen oder Gebete, d) die
Wiederkehr gleicher oder ähnlicher formelhafter Wendungen in unterschiedli-
chen Schriften, zwischen denen keine literarische Abhängigkeit besteht, und
e) als nahezu zwingendes Merkmal das Vorkommen gleichlautender oder ähn-
licher Wunderformeln in magischen Papyri paganer oder christlicher Prägung.
Sämtliche in Formeln auftauchende Namen von Wundertätern oder heilungs-
bedürftigen Personen sind austauschbar und werden daher durch NN ersetzt.

4.1.2. Beschwörungsformeln und Gebete zur Dämonenaustreibung


In den Dämonenaustreibungsberichten des NT, der Apg und der apo-
kryphen Apostelakten haben sich mit E!;£XdETv/exire gebildete Ausfahr-
worte an Dämonen und mit (EFJOPXIC.U eingeleitete Dämonenbeschwö-

s Vielhauer, Urchristliche Literatur 12f.


352 F o r m - und sozialgeschichtliche A s p e k t e

rungsformeln christlicher Wundertäter, wie sie auch Justin verbürgt,


niedergeschlagen. Im einzelnen handelt es sich um folgende Formeln mit
Parallelen in den magischen Papyri:
Fahre aus ihm aus (E^EXS-E 6 EF, a ü r o ü , M k 1,25)!
F a h r e a u s , unreiner Geist, aus dem M e n s c h e n (EF^EXÖE TÖ nvEÜua TÖ
äxä&apTov EX TOU äv&pünou, M k 5,8)!
Stummer und tauber Geist, ich befehle dir, fahre aus ihm a u s und fahre
nicht mehr in ihn ein (TÖ äXaXov x a i xtoipöv nvEÜua, E Y Ü Eniräooco ooi,
E^EXÖE EI; aüroü x a i unxEti EIOEXSTJC; EIC; aüröv, M k 9,25)!
Ich gebiete dir im Namen Jesu Christi, aus ihr a u s z u f a h r e n (napaYYEXXu
ooi EV övöuari 'lnooü Xpioroü EF.EXO-ETV a n ' aÜTfjc,, Apg 16,18)!
Ich b e s c h w ö r e euch bei Jesus (öpxit/i) üu.ac; TÖV TT)ÖOÜV 7 , A p g 19,13).
Ich b e s c h w ö r e dich beim Namen J e s u C h r i s t i , d e s v o n Pontius Pilatus
G e k r e u z i g t e n (E^opxi^u oe x a t ä TOU övöuaroc; Tnooü Xpioroü TOÜ
OTaupiOrUvroc, Eni üovTiou IliXäTou, Just, Dial 30,3; 76,6; 8 5 , 2 ; Apol II 6,6).
Fahre aus diesem Manne aus, ohne ihm i r g e n d e t w a s zuzufügen ( E p Ap 5)!
Und du nun, w a s für ein Dämon auch immer du seist (quicumque es d a i -
mon, vgl. P G M IV,1239f. Sat[iov ÖOTIC. n o r ' ouv EZ), im N a m e n u n s e r e s
H e r r n Jesu Christi fahre aus dem Jüngling a u s , ohne ihm zu s c h a d e n ;
zeige dich allen Umstehenden (in nomine domini nostri Iesu C h r i s t i e x i a
iuvene, nihil nocens eum; ostende t e omnibus a d s t a n t i b u s , A c t P e t r 11)!
Es sagt euch N N , d e r Apostel und Schüler J e s u C h r i s t i : F a h r t h i e r h e r
heraus (EXSETE USE E^U, A c t Thom 73)!
Es sagt euch aber NN, d e r Apostel Christi, d e s Jesus . . . : V o r allem hier
stehenden Volk, fahrt a u s und sagt m i r , welchen G e s c h l e c h t e s ihr seid
(EF.EXS'ÖVTEC, EinaTE uoi noiou YEVOUC, EOTE, A c t Thom 74)!
Im Namen Jesu, verlaßt sie und t r e t e t z u r Seite (EIC, TÖ övoua TOÜ "lnooü
änöoTriTE a n ' aÜTÖv8 x a i EX nXEupac, OTfJTE, A c t Thom 75)!
Jesus befiehlt dir und deinem Sohn durch mich, daß du nicht m e h r in eine
Menschenwohnung eingehst, sondern fahrt aus und geht w e g und wohnt
gänzlich außerhalb der Wohnung d e r M e n s c h e n (XEXEÜEI ooi Tnoouc, 9 x a i
TÖ o u naiSi Si' EUOU i'va unxETi EIOEXÖTJC; Eic; xaToixiioiv äv&pünou • äXX'
E^EXÖETE x a i änEX^ETE x a i oixfjoaTE E^IO navTEXöc; TTJC; oixfjoEuc, TÖV
äv&pünuv, A c t Thom 77)!
Nicht nur aus dieser Stadt zu fliehen, befehle ich dir, s o n d e r n wo auch
immer die Fußspur eines meiner Brüder auftaucht, v e r b i e t e ich dir, jene
Landstriche zu b e t r e t e n (oü növov OE xr\q nöXEioc; raürric; XEXEÜW
(puYaSEUöfjvai10, äXX' E! x a i nou ixvoc; äSEXtpixöv uou ünäpxEi, EIPYÜI OE
TÖV xüptov EXEIVUV ufj Enißfjvai, A c t Andr 5)!

6 Vgl. zu den Et>X»ETv/exire-Formeln P G M IV,1242ff. (E^EX&E, SaTuov);


IV,3013 (E^EX-9-E ä n ö TOÜ SETVOCJ; V,158 (E^EXOE x a i äxoXoü&naov).
7 Vgl. P G M IV,3019f. öpxif.to OE x a r ä TOU OEOU TÖV ' E ß p a i u v Tr|ooü.
8 Vgl. P G M IV, 1242f. Saqiuv ... änöorriöi ä n ö TOÜ SsTva und K o t a n s k y /
N a v e h / S h a k e d , Amulet Z.36f. einschl. Komm.
9 Vgl. die Exorzismusformel P G M 10,41ff. "Ich b e s c h w ö r e euch ... zurückzu-
weichen ..., weil Jesus, der H e r r t e s befiehlt] (OTI xüpioc, 'tnoouc, IXEXEÜEII).
10 Vgl. die F i e b e r a m u l e t t e P G M 5b "Flieh (CPEUYE), v e r h a ß t e r G e i s t , C h r i -
stus verfolgt dich!" und P G M . S 23 (tpÜYE x a i ooi, biYonupETiv).
Wunderformeln und -gebete 353

Daneben kommen an Dämonenaustreibungsgebeten, wie sie neben Mk


9,29, Iren, Haer 1132,5, und PsClem, Virg 112,lff, vermutlich auch Jak
5,14-16 als christliche Wunderpraktik vorausgesetzt sind, folgende an
Gott oder an Jesus gerichteten liturgischen Traditionen in Betracht:

"Mein Herr und mein Gott ... ich bitte Dich, mögen diese Seelen geheilt
aufstehen und werden, wie sie waren, bevor sie von den Dämonen ge-
schlagen wurden (xüpiE u.ou xai DEE uou, ... Ssouai oou, iaS-sToai ai
(Jwxai ävaoTrJTGioav xai Y^VEodoioav otai fjoav npö TOU nXr|Yfjvai ünö
TÖV Saiu.6viov, Act Thom 81)".
"Gott, der Du über allen sogenannten Göttern bist ... auf dessen Name
hin jeder Götze flüchtet sowie jeder Dämon, jede Macht und jedes unrei-
ne Wesen - auch jetzt erweise ... an diesem Orte dein Erbarmen, indem
auf Deinen Namen hin der hiesige Dämon entflieht (CPEÜYOVTOC, övöuari
TÖ oö TOÜ EV&CÜSE Saiuovoc;, Act Joh 41)".
"Der Du stets die Niedrigen tröstest und als Beistand gerufen wirst, der
Du niemals als Beistand gerufen zu werden brauchst, weil Du nämlich
selbst, bevor wir beginnen, zugegen bist, die unreinen Geister sollen aus
NN vertrieben werden (änEXaoO-fJTiooav r a äxäS-apra nvEÜ^ara änö NN,
Act Joh 57)".
"Gott, der Du den Magiern nicht willfährig bist, der Du Dich den Nichts-
nutzen nicht darbietest, der Du allen Fremden fernstehst, der Du das
Deine immer den Eigenen gewährst, gewähre auch jetzt, daß meine eilige
Bitte in Gegenwart von diesen allen an NN sich erfülle, und vertreibe
den Dämon (cpuYaSEÜcov TÖV Saiuova, Act Andr 5) 1 2 ".
"Sei gegrüßt, Gott Abrahams, sei gegrüßt, Gott Isaaks, sei gegrüßt, Gott
Jakobs, Jesus Christus, heiliger Geist, Sohn des Vaters, der unter den
Sieben, und der in den Sieben ist. Bring Iao Sabaoth, möge eure Kraft
fort sein von NN, bis ihr vertreibt diesen unreinen Dämon, den Satan, der
auf ihm ist, PGM IV, 1232-1239) 13 ".

4.1.3. Krankenheilungsworte und -gebete


Nicht nur bei Dämonenaustreibungen, sondern auch bei Krankenhei-
lungen fanden formelhafte, an die erkrankte Person gerichtete Wendun-
gen Gebrauch:

Steh auf, nimm deine Bahre und gehe umher (EYEIPE xai apov TÖV
xpaßarröv oou xai KEpUt&tEl, Mk 2,9/Joh 5,8)!

11 Vgl. PGM.S 30,4f. "Jesus Christus, heile (EiaoE) ... Seele ((jiuxfjv) und
Körper ..."; PGM V,139f. xüpiE ... oöoov ijiuxfjv (sc. des Besessenen).
12 Vgl. das Gebet des Magiers PGM 13a "[Christus] ... unterwirf mir jeg-
lichen Geist Verderben schaffender, unreiner Dämonen ...", zur "eiligen Bitte"
die Beschleunigungsformeln in magischen Papyri (z.B. PGM IV,1245).
13 Vgl. auch das Gebet des Silvanus PGM 9 "daß du (seil. Gott) von mir,
deinem Knecht, vertreibst (Siü^rjc;) den Dämon der Behexung ...".
354 Form- und sozialgeschichtliche Aspekte

- Tu dich auf (Ecpipa-9-a, Mk 7,34)!


Im Namen Jesu Christi, des Nazoräers, steh auf und geh umher (EV TÖ
övöuari TT|ÖOÜ Xpioroü TOÜ Na^copaiou EYEIPE xai nEpmÖTEi, Apg 3,6)!
- NN, es heilt dich Jesus Christus 1 4 ; steh auf (iatai OE Tipouc; Xpioröc;.
äväariidi, Apg 9,34)!
Stell dich aufrecht auf deine Füße (äväaTiiS-i Eni TOÜC, nöSac, oou öpO-öc,,
Apg 14,10)!
- Jesus ... sagt dir durch mich: Öffne deine Augen und sieh und gehe allein
(Iesus ... tibi per me dicit: Aperi oculos et vide et sola ambula, Act Petr 20)!
Erhebe dich von deinem Platze, ohne daß jemand dir hilft außer Jesus al-
lein, und wandle gesund vor diesen allen (Act Petr kopt. [PBerlin 8502,
130/Schneemelcher II 256])!
Steh gesund auf (EYEPÖTJTU ÜYITJC,, PsClem, Hom iß 23,6)!

Ein umfassendes Krankenheilungsgebet ist in Act Thom 156 (vgl. auch


1 Clem 59,4) eingeflossen. An Gott oder an Jesus gerichtete Bitten um
Heilung finden sich auch vielfältig auf christlichen Amuletten 15 .

4.1.4. Formeln und Gebete zu Wiederbelebungen


Im NT und den apokryphen Apostelakten begegnen zahlreiche Wieder-
belebungsformeln, die zur Reanimation scheintoter Personen und in "hä-
retischen" Strömungen des Christentums auch zur Nekromantie (fiktive
Erweckung eines Toten zwecks Befragung oder Inanspruchnahme als
Paredros) benutzt worden sein können:

Mädchen, steh auf (taXi-Sa xouu, Mk 5,41; vgl. die Heilformeln mit Dlp
bSchab 110b)!
Jüngling, ich sage dir: Steh auf (vsavioxE, ooi XEYU, EYEP&T|TI, Lk 7,14)!
- NN, steh auf (äväotr]»i, Apg 9,40/Act Joh 80)!
Herr, erwecke ihn durch meine Stimme mit deiner Kraft (domine, per
meam vocem tua virtute suscita eum, Act Petr 26)!
Ich nehme das Wort meines Herrn Christus und sage dir: Jüngling, steh
auf und geh umher (vocem accipiens Christi domini mei, dico tibi: iuvenis,
surge et ambula, Act Petr 27)!
Steh auf im Namen Jesu Christi (äväoTnöx EV TÖ övöuari TT]OOU Xpioroü,
Act Joh 22)!
Steh auf, preise den Namen Gottes, denn er schenkt Toten Tote wieder
(ävaotäc, Sö^aoov TOÜ -&EOÜ TÖ övoua, ÖTI vsxpoüc; VExpoTc; xapiC ET ai, A c t
Joh 24)!
Es sagt dir der Knecht Gottes, NN: Steh auf (XEYEI ooi ö toü -9-EOÜ
SoOXoc, NN' äväara, Act Joh 47)!
Steh nun auf, und gib Gott die Ehre an dem gewordenen Werk (ävaoräc.
ouv Söc; TOÜ EnixEipou YEYEVT|U.EVOU E
PY°u SöF,av TÖ 9-E(j>, A c t Joh 52)!

14 Vgl. PGM.S 34 "Jesus Christus heilt (ÖEpanEÜEi)


15 PGM 5b; PGM.S 20-22.29-31.36.
C h a r i s m a t i k e r als T r a d e n t e n von Wundern 355

Steh auf, N N , im N a m e n Jesu Christi, unseres H e r r n ( ä v ä o t a , NN, EV TÖ


ö v ö u a r i *lr|oou Xpioroü TOU xupiou f|tiöv, Act Joh 83)!

Für die Mehrzahl dieser Formeln ist damit zu rechnen, daß sie nicht
nur speziell bei Wiederbelebungen, sondern allgemein bei Krankenhei-
lungen in Gebrauch waren. Formelhafte Wendungen mit ävicstavai sind
auch im Zusammenhang mit Gelähmtenheilungen überliefert (Apg 9,40;
14,10) und konnten grundsätzlich bei jeder mit Bettlägerigkeit verbunde-
nen Krankheit oder zur Reanimation ohnmächtiger Epileptiker (Mk 9,27;
Act Thom 77) Anwendung finden. Ergänzend zu diesen Formeln sind
folgende Totenerweckungsgebete an Gott oder Jesus überliefert, wie sie
Iren, Haer II 31,2; 32,4, im Hintergrund stehen dürften:

"Heiliger V a t e r Deines Sohnes Jesu Christi, der Du uns Deine Kraft v e r -


liehen hast, daß wir durch Dich bitten und erlangen und alles, was in
dieser W e l t ist, v e r a c h t e n , und Dir allein folgen, der Du von wenigen
gesehen wirst und von vielen erkannt werden willst: u m s t r a h l e , H e r r , e r -
leuchte, e r s c h e i n e , e r w e c k e den Sohn (suscita filium) der NN, die sich
ohne Sohn nicht helfen kann (Act P e t r 27)."
" H e r r , R i c h t e r der Lebendigen und der Toten, welche hier dabeistehen,
und d e r T o t e n , w e l c h e (hier) liegen, und H e r r aller und Vater - Vater
aber nicht der noch in den Körpern wohnenden Seelen, sondern d e r e r , die
sie v e r l a s s e n haben ... ,- komm in dieser Stunde, in der ich Dich anrufe,
und zeige Deine H e r r l i c h k e i t an diesem, der hier liegt (Act Thom 30)."
"Jesus, d e r Du uns j e d e r z e i t erscheinst ... Wir bitten nun, weil wir wegen
u n s e r e r Sünden Furcht haben. W i r bitten Dich aber nicht um Reichtum,
w e d e r um Gold noch um Silber noch um Vieh noch um ein anderes der
von d e r Erde k o m m e n d e n und wieder zur Erde zurückkehrenden Dinge,
sondern deshalb bitten wir Dich und rufen um Deine Hilfe, daß Du in
Deinem heiligen N a m e n diese, die hier liegt, durch Deine Kraft aufer-
w e c k s t , (Dir) zum Ruhm und zum Glauben der Anwesenden (Act Thom
53)."
- " G o t t , d e s s e n N a m e von mir geziemend gepriesen wird; Gott, der Du jeg-
liche s c h ä d l i c h e Kraft bezwingst; G o t t , dessen Wille in Erfüllung geht,
der Du uns allzeit e r h ö r s t , auch j e t z t komme Deine G n a d e zur Vollen-
dung an diesem jungen M a n n e hier. Und wenn durch ihn irgend eine
Heilsfügung vor sich gehen soll, zeige uns diese an, wenn er auferweckt
ist (Act Joh 75)."

4.2. Charismatiker als Überlieferungsträger ntl Wundergeschichten


Im Verlauf unserer Untersuchung wurde deutlich, daß die Mehrzahl
der ntl Wundergeschichten einerseits durch eine Werbung mit der
Vollmacht Jesu oder der Apostel gekennzeichnet ist, andererseits sich
in ihnen formelhafte Wendungen und Heilpraktiken niedergeschlagen
356 Form- und sozialgeschichtliche Aspekte

haben, die für christliche Wundertäter des l.-2.Jhdt.n.Chr. zuverlässig


oder mit hoher Plausibilität bezeugt sind. Die derart ausgestalteten
Wundergeschichten konnten über Missionspropaganda hinaus der Moti-
vation, Legitimation oder direkten Anleitung zu Wunderheilungen dienen.
Von daher ist mit der Möglichkeit zu rechnen, daß christliche Wunder-
täter solche Wundergeschichten, wie sie sich in den Evangelien und der
Apg finden, nicht nur zu Zwecken missionarischer Werbung tradierten,
sondern ihnen auch Vorbildcharakter für das eigene Auftreten beimaßen.
Daß Missionare maßgeblich an der Tradierung von Wundergeschichten
beteiligt waren, zeigt bereits die Inanspruchnahme christologischer
Wunderüberlieferung zur Rechtfertigung der Samaria- oder Heidenmis-
sion (Mk 7,24-30; Mt 8,5-13par; Lk 7,11-19). Zudem waren Wunderge-
schichten aller Voraussicht nach Bestandteil der Missionsverkündigung.

M. Dibelius sah von ihm als Paradigmen klassifizierte Erzählungen wie Mk


1,23-28 oder 2,1-12 als Predigtbeispiele an und vermutete für die stilechten
Wundergeschichten (Novellen), daß sie eigenständig an Stelle der Missions-
predigt treten konnten. Während die Novellen an sich missionarisch wirkten,
gehe es bei den Paradigmen um eine Illustration des Jesuskerygmas durch
exemplarische Verweise auf Jesu Wundertaten . Für letzteres berief sich
Dibelius auf die Missionsreden Apg 2,14-36 und 10,34-43, wo er von einem
altertümlichen Predigtschema mit Erwähnung von Machterweisen Jesu (Apg
2,22; 10,38) ausging.
Auch wenn bei den Actareden in ungleich höherem Maße mit lk Redaktion
zu rechnen ist als Dibelius annahm 17 , dürfte sich Lk an ihm bekannten Mo-
dalitäten der christlichen Missionspredigt orientieren und seiner Darstellung
hoher historischer Wert zukommen. Für Mk 1,23-28 sind in dem werbenden
Dämonenbekenntnis zu Jesus als dem Heiligen Gottes (1,24) Berührungen mit
der Verkündigung Jesu als äYioc, in der an Juden gerichteten Missionspredigt
(Apg 3,14) gegeben, während in Mk 5,1-20 die Proklamation Jesu als "Sohn
des höchsten Gottes" (Mk 5,7) mit der an Heiden gerichteten Missionspredigt
korrespondiert, die als festen Topos die Abwendung vom Polytheismus und die
Hinwendung zu dem Gott der Bibel, dem Vater Jesu, enthielt (1 Thess l,9f.;
Hebr 6,1; Apg 14.15) 18 .

« 16 Dibelius, Formgeschichte 22-25.34-100. Unwahrscheinlich ist die sich


allein auf die späte Abgarlegende (Ende 3.Jhdt.n.Chr.) stützende These von
Theißen, Wundergeschichten 259-261, die ntl Wundergeschichten seien nicht
von Wanderaposteln tradiert worden, sondern gehörten als vorangehende Pro-
paganda in das Vorfeld der Mission. Wer sollte in heidnischem Gebiet den
Wandermissionaren als werbender Vorbote vorausgereist sein, oder an wen
hätte man dort Wundergeschichten als "Werbematerial" schicken können?
17 Vgl. Wilckens, Missionsreden, zu Apg 2,22; 10,38 bes. 106ff.
18 Das Jesuskerygma Apg 3,13-15 knüpft mit dem Kontrast von Jesu Ver-
werfung durch die Juden und Gottes Heilshandeln an ihm als äYioc, an ein
traditionelles Predigtschema an (Steck, Israel 267ff.; Wilckens, Missionsreden
200-208). Die uns "auf den Boden polytheistischen Empfindens" (Bousset-
Charismatiker als Tradenten von Wundern 357

Auf einen entscheidenden Stellenwert christologischer Wundertradi-


tionen in der christlichen Missionsverkündigung deuten zudem die zahl-
reichen, maßgeblich an Jes 35,5f. orientierten Wunderkataloge mit Mt
ll,5par als Urbild hin. Diese summarienhaften Auflistungen von Machtta-
ten Jesu begegnen in den apokryphen Apostelakten (u.a. Act Pauli 10;
Act Petri et Pauli 41) und bei den Kirchenvätern (u.a. Just, Apol 48,1-2;
Tert, Apol 21,17) derart stereotyp in apologetisch-missionarischen Zu-
sammenhängen, daß von einem festgeprägten traditionellen Schema aus-
zugehen ist 19 . Für die Sendboten der Logienquelle hat G. Theißen eine
Beteiligung an der Überlieferung ntl Wundergeschichten mit der Be-
gründung verneint, daß ihnen zwar Wundertaten aufgetragen würden (Lk
10,9par), in Q aber keine Theios Aner-Christologie erkennbar sei 2 0 . Dem-
gegenüber zeigt der Wunderkatalog Mt ll,5par, der Krankenheilungs-
und Totenerweckungserzählungen Jesu als Bezugspunkt voraussetzt, daß
in dem von Q repräsentierten Teilbereich des Urchristentums über Mt
8,5-13par und 12,22-24par hinaus weitere Wundergeschichten bekannt
waren 21 . Als summarienhafte oder kompendienartige Tradition steht Mt
ll,5par stellvertretend für einen umfassenderen Wunderzyklus mit ent-
sprechenden Erzählberichten und stellt das älteste Beispiel für jene
christlichen, von (dt-)jesajanischen Heilsaussagen her entwickelten
Wunderkataloge dar, die zu werbenden Zwecken Verwendung fanden
und in der Regel durch eine Kenntnis ausführlicherer Wundergeschich-
tensammlungen abgedeckt sind.

Wer summarienhafte Zusammenstellungen von Wundertaten Jesu in der


Mission oder Apologetik verwendete, mußte gewappnet sein, im Bedarfsfall
genauere Auskunft erteilen zu können. Für die Wunderkataloge des 2.Jhdt.n.Chr.
ist mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Abhängigkeit von den Evangelien anzu-
nehmen. Ep Ap 5 legt nahe, daß die Wundergeschichten der ntl E w aus

Greßmann, Religion 310f.) versetzende Rede vom höchsten Gott Mk 5,9 im-
pliziert einen Vergleich mit anderen Gottheiten, denen gegenüber er sich als
der mächtigste erweist (vgl. 1 Clem 59,3), und erinnert an das traditionelle
(Wilckens, Missionsreden 81-91.190-193) Predigtschema der Heidenmission
(1 Thess l,9f.; Hebr 6,1; Apg 14,15).
19 Vgl. Frankfurter, Miracle-List Tradition 355-369; Hills, Miracle Lists
in Apocryphal Acts 375-390.
20 Theißen, Legitimation 222, Anm.3.
21 Vgl. Vielhauer, Urchristliche Literatur 325f. ("Q kennt und akzeptiert
eine reiche ... Tradition von Jesuswundern samt der dazugehörigen $EToc,-ävfip-
Christologie"). Auch die wunderkritische Q-Versuchungsgeschichte setzt eine
Kenntnis von Theios Aner-Christologie voraus (vgl. IV.4.2.). Ohnehin stellt Q
keine auf Vollständigkeit bedachte biographische Jesusdarstellung, sondern
eine Stoffsammlung unter funktionalen Gesichtspunkten dar.
358 Form- und sozialgeschichtliche Aspekte

missionarisch-werbenden Motiven heraus exzerptartig zu Wunderkompendien


zusammengestellt wurden. Für die aus der Zeit vor Entstehung der Evange-
lien stammende Wunderliste Mt ll,5par steht hingegen wahrscheinlich eine
vorliterarische Stoffsammlung von Wundergeschichten im Hintergrund, wie
sie sich oben (IV.5) auch für das Mk-Ev und bedingt für das Joh-Ev als
plausible Vermutung erwies.
In der Umwelt des NT sind solche Sammlungen von Wundergeschichten
(Aretalogien) zu Zwecken religiöser Propaganda breit bezeugt 2 2 . Für den
Asklepioskult verdient neben den Epidaurosstelen die Kombination vierer
Krankenheilungsberichte aus Rom (SIG 3 1173). die der Form nach den ntl
Wundergeschichten frappierend nahe kommen, der Erwähnung. Eine Sammlung
von Isiswundern ist Diod Sic I 25,2-7 eingeflossen. Für den Sarapiskult bezeu-
gen Artemidor 11,44 und Ael Arist, Or 45,29, die Existenz zahlreicher Bücher
mit Aufzeichnungen von Wunderheilungen; die Erzählungen Ael, Nat An XI,31f.
34f., dürften einem solchen Werk entnommen sein.
Noch weiterreichende Parallelen haben die für das NT vermuteten vorlite-
rarischen Wunderzyklen in der im Pythagoreertum ausgeprägten Zusammen-
stellung von Pythagoraswundern zur Propaganda. Andron von Ephesus
(4.Jhdt.v.Chr.) ist Gewährsmann für eine Sammlung von Pythagoras- oder
Pherekydeswundern aus dem Bereich der Mantik (FGH II 115,70). Ein weite-
rer thematisch gebundener Komplex von Machttaten des Pythagoras an wilden
Tieren ist Porph, Vit Pyth 23-25/Iambl, Vit Pyth XIIL60-62 verarbeitet. Of-
fenkundig bildete er in der Porphyrius und lamblichus gemeinsamen Quelle
(Nikomachus) eine Einheit mit dem auf Aristoteles (Fragm 191) zurückgehen-
den Wundergeschichtenkatalog (Apoll Parad, Hist Mir VI; Porph, Vit Pyth
27-29; Iambl, Vit Pyth XXVIII,134-143; Diog Laert VIII,11; Ael, Var Hist
11,26; IV,17) 23 , der Iambl, Vit Pyth XXV1II,143, zufolge den Pythagoreern
dazu diente, Glauben zu erwecken (raOrä TE ouv XEYOUOI npöc, nioriv) und die
übermenschliche Natur des Pythagoras zu erweisen. Speziell der Sachverhalt,
daß christliche Missionare Wundergeschichten Jesu tradierten und gleichzeitig
selber Machttaten vollbrachten, hat hier seine Entsprechung. Pythagoreer wie
Bolos von Mendes, dem Apoll Parad seine Pythagoraswunder verdankt (Hist
Mir I), Apollonius von Tyana (Porph, Vit Pyth 2; Iambl, Vit Pyth XXXV.254)
und Alexander von Abonuteichos (Luc, Alex 4.40) betätigten sich als Bewah-
rer von Pythagorasüberlieferung und praktizierten in der Nachfolge des
Pythagoras Magie oder vollzogen seine Wunder nach. Auch die Magier von
PGM tradierten mit enger Ausrichtung auf ihre Praktiken stilechte Wunder-
geschichten (PGM IV,2446-2455).

In dem Apophthegma Mt ll,2-6par begegnet der Wunderkatalog


ll,5par in apologetisch-werbender Funktion, indem Jesus wegen seiner

22 Vgl. zu den Asklepiosaretalogien Wolter, Inschriftliche Heilungsberich-


te 139-170, aus atl-jüdischer Tradition den Elia-Elisa-Zyklus und die Samm-
lung von Chanina ben Dosa-Wundern bTaan 24b/25a, die Vermes, Hanina
ben Dosa 57, sogar zur Annahme eines "'gospel' of Hanina" mit Wunderge-
schichten und Weisheitslogien verleitete.
23 Vgl. Rohde, Quellen des Jamblichus 29-45; Burkert, Weisheit und Wis-
senschaft 87L117-120.
Charismatiker als Tradenten von Wundern 359

als Erfüllung atl Heilsprophetie geltenden Wunder als der von dem
Täufer angekündigte Kommende propagiert wird. Von daher legt sich die
Vermutung nahe, daß der Wunderkatalog Mt ll,5par seinen "Sitz im
Leben" in der missionarischen Werbung hat, wie es grundsätzlich für
eine Vielzahl der Mt ll,5par vergleichbaren frühchristlichen "miracle-
lists" der Fall ist, und Bestandteil der Missionsverkündigung der Q-
Boten war. Für Wandermissionare, die sich bei der Verkündigung auf
Überlieferungen von Jesus als Wundertäter stützten und gleichzeitig das
Vollbringen von Machttaten als konstitutiven Bestandteil ihres Apostolats
betrachteten, war es ein ebenso naheliegender wie folgerichtiger Schritt,
dem Wunderhandeln Jesu Vorbildfunktion für das eigene Wirken beizu-
messen.

Mk 9,28f. legt nahe, daß nach dem Vorbild Jesu (Mk 9,14-27) vergebliche
Dämonenaustreibungsversuche unternommen wurden. Die Wiederbelebung Act
Petr 27 orientiert sich an dem Beispiel Jesu von Lk 7,11-17. PsClem, Recogn
11160,2, läßt Petrus nach einer Mt ll,5par vergleichbaren Auflistung von
Wundertaten Jesu verlauten: "et alia his similia quae etiam per me fieri vi-
detis" (vgl. auch Mart Andr 3). Zudem appellierten christliche Magier in
Gebeten (Act Thom 47) oder von ihnen abgefaßten Amulettexten (PGM 5b.18;
PGM.S 30.31) an die in Wundergeschichten manifeste Heilkraft Jesu, um den
Hilfsbedürftigen zu ermutigen und das neuerliche Eingreifen Jesu in ver-
gleichbaren Krankheitsfällen herbeizuführen.

Für die pln Gegner im 2 Kor dürfte der Auffassung, ein Apostel müs-
se sich durch Wundertaten auszeichnen, eine Theios Aner-Christologie
korrespondiert haben, die sie ernsthaft als Überlieferungsträger einzel-
ner syn oder joh Wundererzählungen in Betracht kommen läßt 24 . Die in
Korinth eingedrungenen Wandermissionare betrachteten im Gegensatz zu
Pls Machttaten als konstitutiven Aspekt der Apostelwürde und stützten
sich mit ihren orniEÜx TE xai TEpara xai SuvauEic, (2 Kor 12,12) auf eine
formelhafte Trias, die Apg 2,22 in der Missionspredigt auf Jesu Wunder-
taten bezogen begegnet. 2 Kor 11,4 25 (EI UEV Y«P Ö EPXÖUEVOC; aXXov
'Iiioouv xijpüööEi ov oüx Exripü^auEv) ist entnehmbar, daß neben pneumato-
logischen speziell auch christologische Aspekte eine unüberbrückbare

24 Georgi, Gegner 210-218.282-292; Fortna, Gospel of Signs 223-225;


Kuhn, Sammlungen 211-213; ders., Irdischer Jesus 302-308; Köster/Robin-
son, Entwicklungslinien 176-178. Vgl. auch H.D. Betz, Christus-Aretalogie
304f.: "Im Verständnis der Gegner des Paulus ist der Apostel Aretaloge, der
zum Zwecke missionarischer Propaganda Aretalogien vorträgt."
25 ÄVEXEodE ( P 4 6 , B03, D06, 33) ist in 2 Kor 11,4 den v.l. ävEtXEOÖE
bzw. f|VEtXEO-&E vorzuziehen. Die Aussage 11,4 ist also nicht als Irrealis
aufzufassen, wie bereits Lütgert, Freiheitspredigt 63-66, herausstellte.
360 Form- und sozialgeschichtliche Aspekte

Differenz zwischen Pls und seinen Gegner markierten. Zumindest die


negative Abgrenzung, welchen Jesus die Gegner nicht verkündigten, liegt
im Horizont von 1 Kor 1,23 (vgl. auch 1 Kor 15,12) auf der Hand. Dem
für Pls wie für die vorpln christologische Traditionsbildung zentralen
Theologumenon vom gekreuzigten Christus kam bei den Gegnern als
Verkündigungsinhalt offenbar keine hervorgehobene Bedeutung zu, "at
the very minimum, 'another Jesus' is one who is not weak, suffering or
humilated." 26 Entgegen der Vermutung, die gegnerische Christologie sei
doketistisch geprägt gewesen 27 , erscheint angesichts der Bezüge zwi-
schen dem apostolischen Selbstverständnis der pln Gegner und der
Q-Aussendungstradition die Annahme näherliegend, daß sich hinter der
Verkündigung eines öiXXoc; 'ITIÖOUC. 11,4 ein einseitiger Rückgriff auf sol-
che Jesustradition verbirgt, in der formal vom irdischen Jesus die Rede
ist 2 8 . Dies schließt die Möglichkeit mit ein, daß sich die Gegner ei-
ner vorliterarischen Wundergeschichtensammlung bedienten, wie sie
sich hinter Mt ll,5par und Mk 4,35-6,52 mit hoher Plausibilität vermu-
ten läßt und Joh 2,1-11; 4,46-54 fragmentarisch erhalten zu sein
scheint. Dabei handelt es sich um eine Engführung, wenn lediglich mit
der Tradierung christologischer Wunderüberlieferung zu Missionszwecken
gerechnet wird, da die pln Gegner dazu geeignete Wunderberichte auch
als Motivation und Anleitung für ihre öiiuEia TE xai TEpara xai SuvauEic;
(12,12) betrachtet oder sich legitimatorisch auf das Vorbild Jesu berufen
haben können. Für eine bei den pln Gegnern bestehende Korrelation
zwischen Wunderwirksamkeit und christologischen Theios Aner-Vorstel-
lungen spricht auch der Sachverhalt, daß Pls 2 Kor 13,4 apologetisch
seinen durch Niedrigkeit gekennzeichneten Apostolat gezielt an die
theologia crucis bindet 29 . Dies erlaubt den Analogieschluß, daß unter

26 Murphy-O'Connor, Another Jesus 248. In diese Richtung weist auch das


einfache 'Irioouc; 11,4. Für Pls ist "ITIOOUC; in erster Linie der Gekreuzigte
(1 Thess 4,14a; Gal 6,17; 2 Kor 4,10; vgl. Foerster, ThWNT III 289; Friedrich,
Gegner 189), die Gegner verkündigen einen äXXoc, 'Iriooüc..
27 Schmithals, Gnosis 126f.
28 So auch Windisch, 2 Kor 328; Käsemann, Legitimität 495; Friedrich,
Gegner 189f.; Georgi, Gegner 286ff.; Murphy-O'Connor, Another Jesus 250.
29 Nach der Gegnerparole 2 Kor 10,10 ist das Auftreten des Pls durch
äoO-EVEia geprägt (vgl. 11,6). Pls sieht gerade darin seine Dynamis als Apostel
begründet (12,9f.) und stellt dies 13,4 in einen christologischen Bezugsrahmen,
indem er Verbindungslinien von seiner äo-DivEia zur Kreuzigung Christi EF,
äoÖEVEiac, zieht (ähnlich 4,10-12). Vgl. zur pln Prägung des apostolischen Selbst-
verständnisses durch die Kreuzeschristologie Güttgemanns, Leidender Apostel
94-198; Kleinknecht, Leidender Gerechtfertigter 197ff.; Strecker, Legitimität des
pln Apostolates 573-579. Kritisch Kolenkow, Paul and Opponents 351-364: Leiden
sei "common Standard" des Apostels, den die Gegner mit Pls teilten.
Charismatiker als Tradenten von Wundern 361

veränderten Vorzeichen auch die pln Gegner ihr Selbstverständnis als


Apostel und ihr Verständnis der Person Jesu eng aufeinander bezogen
sahen, indem sie sich mit ihrem durch Hochschätzung von Wundertaten
charakterisierten apostolischen Anspruch in erster Linie auf Traditionen
von Jesus als vollmächtigen Wundertäter stützten.
In ähnlicher Weise kommen die christlichen Wundertäter hinter Mt
7,21-23 als Überlieferungsträger von Wundergeschichten in Betracht.
Für diese Annahme spricht, daß bei Mt eine Kritik an Machttaten im
Namen Jesu (Mt 7,21.23; Auslassung von Mk 9,38-40; Historisierung der
Aussendungstradition) mit einer zielgerichteten Korrektur des Bildes von
Jesus als Wundertäter Hand in Hand geht, indem Wundergeschichten
mit Instruktionscharakter (Mk 7,31-37; 8,22-26) und nachahmungsfähige
Wundertechniken (u.a. Mk 5,8f; 9,29) aus der Jesusüberlieferung elimi-
niert werden. Offenbar soll Wundercharismatikern hier ihre christologi-
sche Legitimationsbasis entzogen werden.
Expressis verbis werden christliche Wundertäter bei Origenes mit der
Tradierung und Verwendung von Jesusstoffen in Verbindung gebracht.
Orig, Cels 1,6/111,24, zufolge vollziehen sich christliche Dämonenaustrei-
bungen durch eine Anrufung des Namens Jesu zusammen mit einer Ver-
kündigung der Geschichten über ihn (uEtd TTJC; obraYYEXXiac, TUV nspi
aüröv EoToptuv/uETa TTJC, nspi aütou iQTopiac,). Über den genauen Inhalt der
rezitierten Jesustradition läßt uns Origenes im Unklaren. Da es sich
aber um Erzählstoffe handelt, kommt am ehesten eine die Dämonenaus-
treibungen begleitende Darbietung von Wundergeschichten in Betracht.
Dies deckt sich mit Zeugnissen christlicher Magie, denenzufolge die
Anrufung Jesu zum rettenden Eingreifen mit einem geschichtlichen Ver-
weis auf seine Wundertaten zu Erdenzeiten gekoppelt ist.

Besonders verbreitet war die Praxis, im Zusammenhang mit Fieberhei-


lungen Mk 1,29-31 zu vergegenwärtigen (PGM 18; PGM.S 31; Kropp Nr.XVI).
Auf einem offenbar zum Schutz vor Ertrinken dienenden Amulett wird Mt
14,30-33 in Erinnerung gerufen (PGM 23), zu magischem Fischfang Lk 5,1-11
rezitiert (Kropp Nr.XXX). Das Amulett zur Erleichterung von Geburt Kropp
Nr.XVII enthält eine apokryphe Wundergeschichte (Jesus hilft einer kreisen-
den Hirschkuh).

Sollte der von Origenes für das 3.Jhdt.n.Chr. bezeugte Brauch, im


Zusammenhang mit Dämonenaustreibungen Wundergeschichten Jesu zu
rezitieren, in älteren christlichen Praktiken wurzeln, wäre dies ein
zusätzlicher Beweis für die Annahme, daß zu Machttaten befähigte
Charismatiker sich als Tradenten ntl Wundergeschichten betätigten. Zu-
dem wäre dadurch die Spiegelung nachösterlicher Heilformeln in der
syn-joh Jesusüberlieferung plausibel gemacht. Wundercharismatiker re-
362 Form- und sozialgeschichtliche Aspekte

zitierten über Hilfsbedürftigen Erzählungen von Dämonenaustreibungen


oder Krankenheilungen Jesu und ließen dabei solche formelhaften Wen-
dungen einfließen, wie sie von ihnen selber benutzt wurden. Auch wenn
dies hypothetisch bleibt, lag jedenfalls bei den bereits für die Zeit vor
Abfassung der Evangelien bezeugten (Mt 7,22; Mk 9,38) Wundertaten im
Namen Jesu von vornherein eine Vergegenwärtigung jener Traditionen
nahe, denenzufolge Jesus zu seinen Lebzeiten in vergleichbaren Notsi-
tuationen machtvoll gehandelt hatte. Die beiden tragenden Säulen fast
aller ntl Wundergeschichten, nämlich Werbung mit der Vollmacht Jesu
und Reflexion nachahmungsfähiger Heiltechniken, weisen recht eindeutig
in den Bereich christlicher Apostel, für deren Auftreten die missionari-
sche Werbung mit Jesusüberlieferung und das Vollbringen von Wunder-
taten typisch waren. Die Wundergeschichten waren zwar kaum als
detaillierte Heilungsinstruktionen geeignet - diesbezüglich verfügte man
über magische oder pharmakologische Kompendien - und haben daher
formgeschichtlich nicht die Funktion von Zauberpapyri erfüllt. Christli-
che Charismatiker konnten sie aber zur grundsätzlichen Legitimation
ihres Auftretens oder im direkten Zusammenhang mit Wunderheilungen
vergegenwärtigen und in begrenztem Umfang auch nachahmungsfähige
Formeln oder Praktiken aus ihnen erlernen.

4.3. Sozialgeschichtliche Implikationen


frühchristlicher Heilkunst
4.3.1. Der umsonst heilende Jesus und der geldgierige Asklepios
Die vorbildhafte, stark in jüdischer Tradition verwurzelte innerge-
meindliche Krankenfürsorge und die unentgeltliche Heilung von nicht
dem Christentum zugehörigen Personen stellen ein für die Popularität
der sich ausbreitenden Kirche nicht zu unterschätzendes Moment dar.
Christliche Wundertäter wirkten von Anfang an ohne finanzielle Gegen-
leistungen. In der Aussendungsinstruktion Mt 10,8 heißt es im Blick auf
das Krankenheilungs- und Dämonenaustreibungscharisma der Q-Boten
SupEäv EXäßETE, Supsäv SOTE. Irenäus hebt es als Spezifikum des
"rechtgläubigen" 1 Christentums hervor, daß nicht allein kostenlos Kran-
kenheilungen vollbracht werden (sine mercede et gratis perficiatur),
sondern die Christen zudem noch das Ihrige zum Wohl der Geheilten

l Vgl. zu den als häretisch geltenden Strömungen des Christentums, wo


Frauen als Wundercharismatikern eine hervorgehobene Rolle zukam (Tert,
Praescr Haer 41: ipsae mulieres haereticae ... quae audeant ... exorcismos
agere, curationes repromittere), Weinel, Wirkungen des Geistes 120-127.
Soziale Implikationen christlicher Heilungen 363

beisteuern, indem sie diesen meist mittellosen Personen zusätzlich


materielle Unterstützung zuteilwerden lassen (Haer II 31,3). Daß dabei
an außerhalb der Kirche stehende Heilungsbedürftige gedacht ist, geht
aus Haer II 32,4 hervor, wo zugleich der Grund für dieses Verhalten
genannt wird. Weil die Kirche ihre Charismen von Gott umsonst emp-
fangen hat, setzt sie diese tagtäglich ohne Betrug oder Selbstbereiche-
rung zum Segen der Völker ein 2 . Eindrücklich hat sich dieser den
tatsächlichen Gegebenheiten grundsätzlich entsprechende, auch von
Tertullian (Apol 37,9) betonte Aspekt unentgeltlicher Dämonenaustrei-
bungen und Krankenheilungen an Nicht-Christen in den apokryphen
Apostelakten in Form des Theologumenons von Jesus als umsonst hei-
lendem Arzt (Act Joh 22; 56; 108; Act Thom 156) niedergeschlagen.

Exkurs: Das Theologumenon von Jesus als Arzt


Bei dem im frühen 2.Jhdt.n.Chr. expressis verbis aufgekommenen Theo-
logumenon von Jesus als Arzt 3 rechnet man in der Regel allein mit
der Übertragung eines Asklepiosprädikates auf Jesus 4 , ohne daß dies
der komplexen Traditionsgeschichte des Motivs gerecht würde. Die
Betrachtung Jesu als Arzt wurzelt in zwei unterschiedlichen, später
dann miteinander verwachsenen Vorstellungskreisen. Einerseits wird Je-
su Hinwendung zu den sündigen Menschen bildhaft mit der Tätigkeit ei-
nes Arztes verglichen. Andererseits ist die Anschauung wirksam, daß
Jesus bereits zu seiner Erdenzeit als Arzt im eigentlichen Sinne an Be-
sessenen oder Kranken wirkte und dies nach seiner Erhöhung bei nach-
österlichen Wunderheilungen auch weiterhin tut. Beide Vorstellungs-
kreise überschneiden sich darin, daß in Anknüpfung an atl Traditionen
wie Jes 35,5f. nach christlichem Verständnis die Heilung körperlicher
Gebrechen und seelisches Heil eng miteinander verbunden sind und er-
steres auf letzteres hin transparent ist 5 .
Die angesprochene Metapher von Jesus als Arzt begegnet Mk 2,17a
im Munde Jesu. Nicht die Gesunden, sondern die Kranken, bei denen es

2 Iren, Haer II 32,4/Euseb, Hist Eccl V 7,5. Vgl. dazu Speigl, Wunder im
vorkonstantinischen Christentum 299-302.
3 Eine Zusammenstellung und kurze Besprechung der christologischen
iarp6c;-Befunde des 2.-3.Jhdt.n.Chr. bietet Dumeige, Le Christ medecin 118-141.
4 Bousset, Kyrios Christos 242 mit Anm.5; Rengstorf, Anfänge 15f. Vgl.
auch Fichtner, Christus als Arzt 7ff., der ergänzend von einem Einfluß ky-
nisch-stoischer Arzt-Metaphorik ausgeht (llf.).
5 Vgl. dazu Schräge, Heil und Heilung 197-214.
364 Form- und sozialgeschichtliche Aspekte

sich im Kontext von Mk 2,13-17 um Zöllner und Sünder handelt, bedür-


fen des Arztes. In diesem vermutlich erst sekundär unter hellenisti-
schem Einfluß 6 zum Jesuswort avancierten Logion ist die spätere Vor-
stellung von Jesus als dem Seelenarzt 7 angelegt. Zudem zog Mk 2,17
iarpöc; als christologischen Titel nach sich 8 .

Keine Anhaltspunkte für Jesus als Arzt bietet hingegen Lk 4,23 "Arzt, hilf
dir selbst!" 9 Wie ein Arzt in der Lage sein muß, sich im Krankheitsfalle
selbst zu heilen, wird von Jesus erwartet, daß er der Anfeindung in Nazareth
eigenhändig den Boden entzieht, indem er dort die bereits in Kapernaum
gewirkten Wunder wiederholt.

Soteriologisch vertieft wird die Metaphorik vom ärztlichen Wirken Je-


su bereits 1 Clem 16,5 und später in Barn 5,2 durch eine christologische
Interpretation von Jes 53,5LXX (TU uuXuni aÜToü f|UEic; iäör|UEv). Jesus
hat uns durch sein Leiden von den Sünden geheilt. Im übertragenen
Sinne ist auch der älteste christologische iarp6c;-Beleg Ign, Eph 7,2 (ELC;
iarpöc; EOTIV, oapxixöc; TE xai nvEuuarixöcj), gemeint. Die Mahnung, sich vor
schwer heilbarer Häresie in acht zu nehmen (7,1), wird durch den Ver-
weis auf den EIC, iatpöc; Jesus Christus fundiert. Ohnehin liebt Ignatius
Vergleiche aus der Medizin 10 , und oapxixöc, TE xai nvEuuarixöc; bezieht
sich nicht auf die Heilung körperlicher und geistlicher Gebrechen 11 ,
sondern dient einer Explikation der gleichermaßen sarkischen wie pneu-

6 Vgl. die griechischen Parallelen bei Jülicher, Gleichnisreden II 176f.;


Lohmeyer, Mk-Ev 56, Anm.2.
7 Act Thom 10 (ö iatpöc; TÖV EV vöotp xaraxEiuEvuv ijiuxöv Idas Gebet ist
an Jesus, nicht an Gott gerichtet, wie bereits die Joh 20,28 entlehnte Anrede
ö xupiöc, uou xai 6 O-EÖC; uou zeigt!); Act Thom 143 (moTEÜoaTE TÖ nävtuv
iarpö öparöv TE xai äoparöv ournpiav TÖV IJJUXÖU); Orig, Cels 1,9 (Jesus als
6 noXXöv ijjuxäc; &EpanEÜoac;). Dabei liegt eine Christologisierung einschlä-
giger, aus Ex 15,26 gespeister Traditionen von Gott als Seelenarzt vor, vgl.
Philo, Sacr AC 70 (Gott als uövoc; iarpöc; iJ'uX')?); Theophil, Autolyc 1,7
(Gott als ö iatpöc; TTJC; ijiuxfjc; xai TTJC; xapSiac;).
8 Iren, Haer III 5,2, konstatiert unter Rezitation von Mk 2,17 ö xüpioc.
iatpöc; T^XO-E TÖV xaxöc, EXÖVTUV. Ähnlich Orig, Cels 11,67, in Anspielung auf
Mk 2,17: Der Kyrios sei üq iarpöc; äYaö-öc, zu den Sündern gekommen.
9 Vgl. aber die Variante PapOxy I,6/Ev Thom Log 31, derzufolge Jesus
sich selbst als Arzt bezeichnet (OÜSE iatpöc; noiET ÖEpanEiac, EIC, TOÜC;
Yivüaxovrac; aüröv). Zusammenstellung der antiken Parallelen zu Lk 4,23 bei
Nolland, Parallels 193-209.
10 Vgl. Ign, Eph 20,2; Trall 6,2; Pol 1,3; 2,1.
11 Gegen Bauer-Aland, Wörterbuch 750, wo fälschlicherweise mit "Arzt
des Leibes und der Seele" übersetzt wird. Dies scheitert daran, daß die
nachfolgenden Wendungen Y£VVT|TÖC; xai äYEvvrtroc;, EV oapxi YEVÖUEVOC; deöc;
der Explikation von oapxixöc; TE xai nvEuuarixöc, dienen.
Soziale Implikationen christlicher Heilungen 365

matischen Seinsweise Jesu (vgl. Ign, Sm 3,3; 12,2): "Einer ist Arzt, aus
Heisch zugleich und aus Geist." 12
Eine Betrachtung Jesu als Arzt im eigentlichen Sinne ist in den ntl
Heilungswundertraditionen insbesondere dort impliziert, wo Jesus volks-
tümlich-medizinische Praktiken zugeschrieben werden (Mk 7,31-37;
8,22-26; Joh 9,1-7). Eine plastische Ausprägung hat das im 2.Jhdt.n.Chr.
voll entfaltete Motiv in den "Taten des Petrus und der zwölf Apostel"
gewonnen, wo der Auferstandene die Jünger in Gestalt eines Arztes mit
Medikamentenkoffer zu Krankenheilungen beauftragt (Act Pt 9,32ff).
Dabei wird deutlich, daß das Theologumenon von Jesus als Arzt nicht in
erster Linie darauf abzielt, im nachhinein den irdischen Jesus historisie-
rend als Arzt zu betrachten, sondern ungleich stärker von dem aktuali-
sierenden Interesse christlicher Wundercharismatiker geleitet ist, die
von ihnen vollbrachten Krankenheilungen auf eine ideelle ärztliche
Wirksamkeit des erhöhten Christus zurückzuführen. Dies findet von
anderen apokryphen Apostelakten her Bestätigung, wo die christologi-
sche Arzt-Titulatur vielfach im Kontext nachösterlicher Dämonen-
austreibungen, Krankenheilungen oder Totenerweckungen begegnet (Act
Joh 56; Act Thom 156; Act Phil 41) und Bestandteil solcher formelhaften
Wendungen oder Gebete ist (Act Joh 22; 108), wie sie bei den im
Namen Jesu gewirkten Wundertaten rezitiert worden sein dürften. Für
diese christologischen iatpöc;-Befunde im Kontext von Krankenheilungen
ist eine maßgebliche Prägung durch Auseinandersetzungen zwischen
Christentum und Asklepioskult in Rechnung zu stellen. Der als Erhöhter
im Wirken christlicher Wundercharismatiker präsente Arzt Jesus tritt in
Konkurrenz zu Asklepios, der an Heiligtümern in Epiphanien oder durch
seine Kultpriester Krankenheilungen bewirkt.

Besonders offenkundig ist dies in dem Gebet Act Joh 108, das eine massive
Konkurrenz zwischen Christentum und Asklepioskult erkennen läßt, indem e x -
klusiv für Jesus solche Prädikationen in Anspruch genommen werden, wie sie
sonst für Asklepios typisch sind. Bereits das stereotype uövoc; deutet in Act
Joh 108 auf eine Abgrenzung gegenüber anderen Heilgottheiten, am ehesten
Asklepios, hin 13 , wobei an die Tradition von Gott als dem pövoc, iatpöc;
(Philo, SacrAC 70) angeknüpft werden konnte. Die christologische Titulatur
iatpöc; Supsäv iüiiEvoc, Act Joh 108 wendet sich deutlich gegen das weitver-
breitete Bild von Asklepios als geldgierigem Arzt (s.u.), und mit ö uövoc;

12 So richtig Fischer, Apost. Väter 147; vgl. ferner Bauer/Paulsen, Ign 33,
und Schoedel, Ign 117f., der hier den Kern der christologischen Zwei-Natu-
ren-Lehre sieht.
13 Fichtner. Christus als Arzt 7.
366 Form- und sozialgeschichtliche Aspekte

EÜEPYETT|C;, 6 uövoc, ... (piXäv&punoc, sowie 6 uövoc; OUTTJP werden Asklepios


zentrale Prädikate seiner Verehrer abgesprochen 14 .
Justin betrachtet die Traditionen von Asklepios als Totenerwecker und
Wunderheiler als unrechtmäßige Aneignung atl Verheißungen. Nachdem die
Heiden aus den Prophezeiungen des AT erfahren hätten, daß Jesus jegliche
Krankheit heilen und Tote auferwecken werde, sei Asklepios als teuflische
Imitation dieser Prophetie hervorgebracht worden (Apol I 54,10, Dial 69,3).
Aristides polemisiert gegen die Verehrung von Asklepios als -9-EÖC; und iarpöc;.
Da er sich bei seinem Tod durch Blitzschlag nicht helfen konnte, sei er auch
nicht fähig, anderen Hilfe zu bringen (Apol 10,5f.). Origenes qualifiziert
Asklepios als dämonischen Arzt ab (Cels 111,25), ohne dabei allerdings die
Faktizität von Krankenheilungen in Frage zu stellen.

Spätestens an der Schwelle vom 2. zum 3.Jhdt.n.Chr. sind die beiden


aus unterschiedlichen Wurzeln entsprungenen Traditionskreise, die
Betrachtung Jesu als Arzt im eigentlichen wie im übertragenen Sinne,
fest miteinander verwachsen, indem sich das ärztliche Wirken des
erhöhten Herrn gleichermaßen auf den Bereich des Körpers wie der
Seele erstreckt. Jesus ist der iatpöc; ouudtuv xai ijiuxuv (Act Thom 156),
ö iatpöc;, ö TUV xpunruv xai ipavEpuv ÖEpanEUTTJc; (Act Phil 41), der den
Körper wie auch die Seele von den Leiden heilt (Clem Alex, Strom III
104,4).

i i i

Die unentgeltlichen Dämonenaustreibungen und Heilungen im frühen


Christentum lassen sich erst dann in ihrer vollen Tragweite erfassen,
wenn man sich vor Augen hält, in welchem Maße finanzielle Gesichts-
punkte im antiken Heilungswesen eine Rolle spielten. Speziell das ange-
sprochene Theologumenon von Jesus als umsonst heilendem Arzt hat
seine volle Ausprägung allem Anschein nach in der Auseinanderset-
zung zwischen Christentum und Asklepioskult gewonnen.

Dem Mythos zufolge tötete Zeus den Asklepios durch einen Blitz, weil
dieser für Gold (uioS-ö XP UO °C;) einem bereits dem Tode verfallenen Men-
schen geholfen hatte (Pindar, Pythia 111,55-58). Dies wurde von den christli-
chen Apologeten dankbar aufgegriffen. Athenagoras und Tertullian werfen As-
klepios eine gewinnsüchtige Anwendung seiner Heilkunst vor 1 5 . Clem Alex,

14 Vgl. zu EÜEpYETTic; Orig, Cels 111,3: aüröc; (sc. Celsus) ... napau-lteTai
"AoxXnniöv EÜEPYETOUVTO. Als (piXav-9-punÖTaTOc; begegnet Asklepios bei Ael
Arist, Or 39,5, und Ael, Nat An IX,33, als (6) ouTfjp in Inschriften (SIG 3
1172; Habicht Nr.64ff., vgl. Index zu Asklepios Soter ebda. 196) und stereo-
typ bei Ael Arist, Or 39ff. (dazu: Dölger, Heiland 259-263).
is Athenag, Suppl 29, Tert, Nat II 14,12; Apol 14,5. Vgl. ferner Euseb,
Praep Ev III 13,19.
Soziale Implikationen christlicher Heilungen 367

Prot II 30,1, gilt Asklepios ebenfalls unter Berufung auf Pindar als geld-
gieriger Arzt (EXEIC, xai Latpöv ... EV 3-EOTC,' Ö SE iarpöc, (ptXäpYupoc, ffa,
'AoxXi|niöc; Svoua aürö). Von Jesus heißt es dagegen Act Joh 56 ö EUÖC,
iarpöc; uio&öv äpYupiou oü Xa[ißävEi, und Act Joh 108 gilt Jesus im Zu-
sammenhang mit seinen unentgeltlichen Heilungen als ö [lövoc, EXETJUCOV xai
cpiXäv&punoc;, womit für Asklepios wegen seiner finanziellen Forderungen das
Prädikat "höchster Menschenfreund" (Ael Arist, Or 39,5; Ael, Nat An IX,33)
ausgeschlossen wird.

Letztlich entbehrt diese christliche Polemik nicht eines gewissen


Wahrheitsgehaltes. Bei Ael, Fragm 100, ist zwar davon die Rede, daß
Asklepios mittellose Personen (anopoi) heilte. Für den Asklepioskult
fehlen hingegen Belege für unentgeltliche Kuren 16 , und die Inschriften
von Epidauros und Pergamon geben Zeugnis davon ab, in welchem Maße
die Asklepiospriester um angemessene Entlohnung für die Heilungen
bemüht waren.
In Epidauros ging der Inkubation ein Voropfer voraus, für das eine
Gebühr von drei Obolen zu entrichten war 17 . Die eigentliche Bezahlung
schloß sich spätestens binnen Jahresfrist (vgl. W 5.68.69) nach erfolgter
Heilung an, wobei die W8 von Asklepios gestellte Frage "Was gibst du
mir, wenn ich dich gesund mache (tö uoi SUOETC; ai tu xa ÜYITJ noifjou)?"
geradezu programmatisch wirkt. Apellas erscheint im Heiltraum ein As-
klepiospriester mit den Worten: "Du bist geheilt, nun ist das Honorar zu
zahlen" 18 . Konkrete Zahlen für die Behandlungskosten in Epidauros
bieten W 68 (100 Drachmen Silber) und W 89 (200 Drachmen Silber).
W4 zufolge muß eine gewisse Ambrosia aus Athen ein silbernes
Schwein stiften, weil sie unzureichendes Vertrauen in die Heilfähigkei-
ten von Asklepios gesetzt hatte.
Die zahlreichen mit Geldfragen zusammenhängenden Strafwunder-
erzählungen unter den Epidaurosinschriften enthalten bei allen humo-

16 Vgl. gegen das ohne Quellenanhalt bleibende Bild von Asklepios als gü-
tigem Heilgott der sozial Benachteiligten bei Edelstein/Edelstein, Asclepius
II 175ff. (ähnlich Theißen, Wundergeschichten 233-236; vgl. auch Pfeffer,
Einrichtungen der sozialen Sicherung 26f. mit Anm.40) die Einwände von
Vlastos, Religion and Medicine 288-290; Kudlien, Griech. Arzt 12 ("Auch
Heilgötter nehmen Bezahlung - von Armen gegebenenfalls geringe - entge-
gen. Dies unterscheidet sie nicht von Ärzten ... und macht sie nicht zu spe-
ziellen Heilern der 'otherwise neglected poor").
17 Sokolowski LSCG.S 22. Für die npoUüoEic; wurde Bedürftigen aber of-
fenbar eine Beihilfe geleistet, vgl. Peek, Inschriften Nr.336,lff.
18 SIG 3 1170,20f. (um 160n.Chr.): ÖEpänEuoai, xpr) SE änoSiSövai t ä Tarpa.
Recht eindrücklich ist in dieser Hinsicht auch Paus X 38,13: Das erste, was
der erblindete Phalysius in Naupactus nach seiner Heilung durch Asklepios zu
sehen bekommt, ist die Rechnung über 2000 Goldstater.
368 Form- und sozialgeschichtliche Aspekte

resken Zügen eine eindringliche Warnung davor, Asklepios und damit


dem Heiligtum zustehende Entlohnungen für Heilungen nicht zu leisten.
Probleme in dieser Hinsicht ergaben sich offenkundig dadurch, daß ge-
heilte Personen den in der ersten Euphorie geleisteten finanziellen
Zusagen später nicht nachkamen 19 . W22 wird der Geheilte wieder blind,
weil er die Abführung der Dankesgaben verweigerte. W 47 berichtet von
einem Strafwunder an dem Fischträger Amphimnestos, der sein Gelübde
nicht einhält, den zehnten Teil seines Gewinnes an Asklepios zu spen-
den. W55 wird der Geheilte erneut mit Blindheit geschlagen, weil er
statt des gelobten Goldbildwerkes als Dankesgabe eine aus Holz beste-
hende, lediglich mit Gold überzogene Fälschung abzuliefern versucht.
Die Inschrift W25 (Asklepios befiehlt einer erst auf dem Rückweg von
Epidauros geheilten Frau, den Heildank abzuliefern) verfolgt den Zweck,
auch solche Personen zur Entlohnung der Priesterschaft anzuhalten, die
nach scheinbar erfolgloser Behandlung später doch noch gesunden.
Am Asklepieion von Pergamon gingen der Inkubation vielfältige Tier-
opfer voraus (Habicht Nr.l61,lff), die dem Dekret SIG 3 1007 gemäß den
Priestern als gesetzlicher Opferanteil zufielen und wie in Epidauros eine
Entrichtung von drei Obolen mit sich brachten (161,8). Zur Inkubation
wurden ohnehin nur solche Personen zugelassen, die durch Benennung
von Bürgen eine Begleichung der Heilgebühren innerhalb eines Jahres
nach der Genesung gewährleisteten (161,29f. xa&iotätuoav SE EYYUOUC, TUV
iarpEtuv TUI OEUI, 'ä *av aüroüc, npäcsar]Tai, änoSuöEiv EVTÖC; Eviaurou). Als
Dankesgaben für die Heilung waren einjährige Tiere darzubringen und
ein Betrag von mindestens zwei phokäischen Hekten zu zahlen
(161,31-34) 20 . An dem von Alexander in Abonuteichos etablierten Glykon-
Asklepios-Heiligtum, dessen mantische Anweisungen auch Krankenhei-
lungsinstruktionen miteinschlossen, kostete jeder Orakelspruch eine
Drachme und zwei Obolen (Luc, Alex 23). Dabei räumt selbst Lukian
ein, daß dies nicht zur Selbstbereicherung erfolgte, sondern der Ab-
deckung des kostenintensiven Kultbetriebes diente.
Während im Asklepioskult dem finanziellen Aspekt für den Unterhalt
der Kultstätten und die Entlohnung des Tempelpersonals maßgebliche
Bedeutung zukam, vollzogen sich christliche Dämonenaustreibungen und
Krankenheilungen, sei es an Bedürftigen oder sei es an Wohlhabenden,
unentgeltlich. In diesem Punkt wird nicht allein speziell im Kontrast
zum Asklepioskult, sondern grundsätzlich ein Proprium christlicher
Heilkunst in der Antike deutlich.

19 Vgl. auch die Veruntreuung der für Epidauros bestimmten Gelder in W 7


20 Vgl. dazu Wörrle, in: Habicht, Inschriften des Asklepieions 184-186.
Soziale Implikationen christlicher Heilungen 369

4.3.2. Arztliche Entlohnung in der Antike


In den griechischen Poleis gab es bereits recht früh eine kommunale
Krankenfürsorge, indem öffentliche Ärzte (Srpöoioi iatpoi od. STIUOÖIEÜOVTECJ)
angestellt wurden, die bedürftige Personen teilweise unentgeltlich b e -
handelten.

Glaubt man Diod Sic, dann hat bereits spätestens im 6.Jhdt.v.Chr. eine
öffentliche Krankenfürsorge existiert. Charondas habe die Schulpflicht einge-
führt und damit frühere Gesetzgeber übertroffen, die eine kostenlose Kran-
kenpflege beschlossen hatten 2 1 . Xenoph, Cyropaedia I 6,15, konstatiert nöXEic;
ai xP T J^ o u o a t ÜYiaivEiv Eatpoüc; aipouvrai. Für Athen sind seit dem 5.Jhdt.
v.Chr. öffentliche Ärzte bezeugt, wobei Aristoph, Ach 1030, betont, daß sie
umsonst heilten (ST|U.ÖOIOI npoTxa EÖEpänEuov). Herodot berichtet, daß der
Arzt Demokedes aus Kroton zunächst ein Jahr lang in Aigina für ein Talent
im öffentlichen Dienst wirkte (8r|u.oairj uio-Uoüvtai), danach die gleiche Zeit in
Athen für 100 Minen (Hist 111,131).
Bezahlt wurden die öffentlichen Ärzte wohl durch eine Sondersteuer
(Latpixöv), wie sie SIG 3 437,5 für Delphi bezeugt. Um des persönlichen
Vorteils oder einer Erhöhung der Standesreputation willen wurde zumindest
vorübergehend freiwillig auf eine Entlohnung verzichtet. Als sich in Athen
der Arzt Pheidias dazu bereiterklärt, unentgeltlich als Gemeindearzt zu
wirken (SnuooiEÜEiv Supsöv), wird ihm auf Volksbeschluß ein Ölkranz zuer-
kannt und eine Tafel im Asklepieion errichtet (SIG 3 335). Ähnlich wird der
nach 188 v.Chr. in Tenos zunächst umsonst wirkende (Supsäv XEITOUPYTJOEIV)
Arzt Apollonius Milesius geehrt (SIG 3 620).

In hellenistischer Zeit scheint die kommunale Krankenfürsorge spe-


ziell in Ägypten einen hohen Stand erreicht zu haben, wo ab dem
3.Jhdt.v.Chr. die Besoldung öffentlicher Ärzte durch besondere Abgaben
breit bezeugt ist.

Locus classicus hierfür ist Diod Sic I 82,3: "Bei Feldzügen und Missionen
auf das Land werden aber alle ärztlich behandelt, ohne selbst Honorar zu
entrichten (ÖEpanEÜovtai nävTEc; OÜSEVO iSia SISÖVTEC,). Denn die Ärzte emp-
fangen den Lebensunterhalt aus der Gemeindekasse (oi Yäp iatpoi räc, uiv
rpotpäc; EX TOÜ XOIVOÜ Xau.ßävouoi)." Hier ist zweifellos an die entweder in
Naturalien oder in Geld zu entrichtende Arztsteuer (iatpixöv) gedacht, die
durch zahlreiche Papyri verbürgt ist 2 2 .

21 Diod Sic XII 13,4: xai TOOOÜTOV ünEpEßäXETO TOÜC; npörspov vouo-
8-ETTJoavTac; ST)(IOOIU [tioöö TOÜC; voooüvTac; TÖV ISUOTÖV ünö iarpöv HspanEÜEoSai.
22 PapHib I 102 (248v.Chr.; Text und Komm, bei Sudhoff, Ärztliches aus
griech. Papyrusurkunden 268): "Kyrenaios ... entbietet dem Arzte Eukarpos
seinen Gruß! Es ist angeordnet, daß ich Dir 10 Artaben Spelt oder 4 Drach-
men als Arztsteuer für das 38. Jahr (sc. des Ptolemaios Philadelphos =
247v.Chr.) zahlen soll ... ." Vgl. ferner PapHamb II 171 (246v.Chr.; Text und
Komm, bei Hengstl, Griechische Papyri aus Ägypten 269f); PapHib I 103
370 Form- und sozialgeschichtliche Aspekte

Die skizzierten Gegebenheiten in griechischen Stadtstaaten und


ländlichen Regionen Ägyptens sind allerdings für das Imperium Romanum
des ntl Zeitalters kaum repräsentativ. Eine relativ hoch entwickelte
Krankenfürsorge mit Anstellung öffentlicher Ärzte war nicht flächen-
deckend 2 3 und wird in zahlreichen Gegenden bereits an finanziellen
Voraussetzungen gescheitert sein. Zudem scheint die unentgeltliche
Behandlung bedürftiger Personen durch öffentliche Ärzte in Griechen-
land und Ägypten nicht gesetzlich festgeschrieben gewesen zu sein,
sondern eher auf einem nicht institutionalisierten und oft zeitlich befri-
steten, freiwilligen Entgegenkommen des Arztes beruht zu haben 2 4 .
In jedem Falle waren öffentliche Ärzte, die bedürftige Personen um-
sonst oder gegen ein geringes Fixgehalt aus Steuermitteln behandelten,
darauf angewiesen, die Einkommenseinbußen bei wohlhabenderen Pa-
tienten wieder wettzumachen. Das Corp Hippocr weist hinsichtlich der
Entlohnung ein hohes ärztliches Ethos auf. Um den Kranken nicht un-
nötig in Aufruhr zu versetzen, soll der Arzt von einem Aushandeln des
Honorars vor Behandlungsbeginn Abstand nehmen (Hippocr, Praec IV)
und zumindest in Ausnahmefällen Bedürftige und insolvente Fremde
umsonst (npotxa) heilen (Hippocr, Praec VI) 2 5 . In der Praxis dürfte dies
meist anders ausgesehen haben. Antike Quellen heben das nicht am
Gewinn orientierte Wirken von Ärzten als Besonderheit hervor 2 6 . In

(231 v.Chr.; bei Sudhoff, aaO. 268f; Hengstl, aaO. 71f); zum Ganzen: Sud-
hoff, aaO. 266-272 (mit weiteren Belegen); Kudlien, Griech. Arzt 18ff.
23 Während etwa Strabo IV 1,5 für die Kelten die Anstellung von Ärzten
aus öffentlichen Mitteln bezeugt und auch der Lehrer des Alexander von
Abonuteichos als öffentlicher Arzt wirkte (Luc, Alex 5), ist für Rom in ntl
Zeit die Existenz unentgeltlich heilender, aus Steuermitteln entlohnter Ärzte
fraglich, vgl. Bolkestein, Wohltätigkeit 379.
24 Vgl. Cohn-Haft, Public Physicians 32-45 ; Kudlien, Griech. Arzt 10-40;
Koelbing, Le medecin dans la cite greques 33, die mit überzeugenden Argu-
menten der idealtypischen These von einem antiken Wohlfahrtsstaat mit
sozialisiertem Gesundheitsdienst entgegentreten. - Der Arzt Menekrates Zeus
wirkte zwar unentgeltlich (Suda s.v. MEVExpätiic;: oüroc; SE uiaS-öv (XEV oüSsva
Exo[iiC,ETO TTJC; O-EpansiacJ, verpflichtete aber die geheilten Epileptiker zum
Sklavendienst in seinem olympischen Hofstaat.
25 Vgl. zu Hippocr, Praec IV.VI, und den rechtlichen wie ethischen
Aspekten der antiken Arztentlohnung Kudlien, Honorarproblem 7ff.
26 SIG 3 943: In Kos wird der Arzt Xenotimos geehrt, weil er allen Kran-
ken Heilung zu bringen gewillt war, ohne einzelne zu bevorzugen. IG V/1
1145,19-20 wird ein Arzt gepriesen, weil er Arme und Reiche, Sklaven und
Freie unterschiedslos behandelte (ähnlich SIG 3 538A). Vgl. ferner die röm.
Grabinschrift ILCV 1233,5ff. "Den Erfolg seiner Kunst ergänzte oft eine
Spende, und seine gütige Hand fühlte manch ärmlicher Mann. Jedem Kranken,
der kam, gewährte er umsonst Hilfe."
Soziale Implikationen christlicher Heilungen 371

aller Regel war bei ärztlichem Eingreifen Vorauszahlung üblich (Plin,


Hist Nat 28,9) 2 7 , wobei die Behandlung an den finanziellen Möglichkei-
ten des Kranken scheitern konnte. Ael, Var Hist XII,1, verweigert der
Arzt die Heilung eines Mädchens, weil der Vater die im voraus gefor-
derte Summe von drei Stater nicht aufzubringen vermag. Ohne weiteres
konnte es auch vorkommen, daß im nachhinein mehr als vorher verein-
bart verlangt wurde. Diod Sic XXXII 11,3 berichtet von einem Fall, wo
der Arzt nach einem komplizierten operativen Eingriff den doppelten
Lohn fordert. Das Begleichen der Arztrechnung führte des öfteren in
den finanziellen Ruin. Philo rühmt an den Essenern, daß diese die Be-
handlungskosten für Kranke aus der Gemeinschaftskasse bestreiten
(Omn Prob Lib 87/Euseb,Praep Ev VIII11,13)28. Lk 8,43 zufolge hatte
die blutflüssige Frau ihr gesamtes Vermögen erfolglos für die Ärzte
aufgewandt. In einem Privatbrief aus den Straßburger Papyri bittet eine
in finanzieller Not befindliche Person den Bruder um materielle Unter-
stützung, da nach schwerer Krankheit ein Zusammenborgen von 20
Drachmen zur Entlohnung des Arztes notwendig gewesen war 2 9 .
Quellenmäßig sind wir über das pagane wie christliche Heilungswesen
im Rom des 1. und 2.Jhdt.n.Chr. besonders gut informiert 30 , wo sich der
Arztberuf größter Attraktivität erfreute. Bereits Cäsar hatte eine Verlei-
hung des Bürgerrechts an sich in Rom niederlassende Ärzte verfügt
(Suet, Caesar 42,1). Nachdem Augustus von Antonius Musa geheilt
worden war, räumte er dem Ärztestand dauerhaft das Privileg der Be-
freiung von Abgaben ein (Plin, Hist Nat 29,6; Dio Cassius LIII 30,3). Da
umgekehrt de facto jegliche Zulassungsprüfungen auf fachliche Eignung
hin fehlten, ist die antike Medizin in Rom über weite Strecken durch
beträchtliche Honorarforderungen bei vergleichsweise unqualifizierten,
wenn nicht gar lebensbedrohlichen Behandlungsmethoden gekennzeich-
net. Plinius polemisiert heftig gegen das römische Ärztewesen und
behauptet, nicht der Anstand, sondern allein die Konkurrenz halte das

27 Vgl. aus jüdischer Tradition bKet 105a (vorherige Honorarentrichtung


unabhängig vom Heilungserfolg) und bBQ 85a (ein Arzt, der umsonst heilt,
taugt nichts).
28 Unsicher ist, ob im griechisch-römischen Vereinswesen für eine kosten-
lose Behandlung kranker Mitglieder Vorsorge getroffen wurde, vgl. Pfeffer,
Einrichtungen der sozialen Sicherung 60f.l20f.
29 PapStraßb 73,10ff. (3.Jhdt.n.Chr.) rj[nc, Y<xp l161^ T 0 oe EF.EXOETV ... vöoou
HEYäXrj. ... Exovoua E^oi TOÜ iarpoü ExnXE^ac; npöc, aüröv Eni Spaxuäc; x. Aiö
napaxaXö, aSEXipE, Eäv [tEXXrjc; u , TCEU.I|J£ EIC; nXoTov ...
30 Vgl. zum Ganzen auch Friedländer, Sittengeschichte Roms I 189ff.; Kud-
lien, Stellung des Arztes in der röm. Gesellschaft 154ff.
372 Form- und sozialgeschichtliche Aspekte

Arzthonorar in Grenzen 31 . Einzelne Ärzte waren offenkundig derart


inkompetent, daß sie zu einem Berufswechsel gezwungen waren. Martial
witzelt über einen Diaulus, der nach seinem Scheitern im Arztberuf
nunmehr als Leichenträger das Gleiche wie vorher tue, nämlich die
Menschen unter die Erde zu bringen 32 . Daß solche satirische Polemik
nicht völlig aus der Luft gegriffen ist 3 3 , legen römische Grabinschriften
nahe, wo der in der Antike weitverbreitete Topos vom Ärzteversagen
Wirklichkeitsgehalt gewinnt 34 . Im 2.Jhdt.n.Chr. hat sich die skizzierte
Entwicklung scheinbar noch zugespitzt. Galen zufolge ziehen die im
Vergleich mit den Provinzstädten immensen Verdienstmöglichkeiten für
Ärzte 3 5 in Scharen "Scharlatane" nach Rom (Gal XIV,620ffi). Angesichts
einer nur sechs Monate umfassenden medizinischen Ausbildung gäben
selbst Schuster, Zimmerleute, Färber und Schmiede ihr Handwerk auf
und wendeten sich der Heilkunst zu 3 6 . Hier ist von vornherein kaum
mit einer fundierten Ausbildung in wissenschaftlicher Medizin zu rech-
nen.
Wer sich ohnehin keinen eigentlichen Arzt leisten konnte oder das
Vertrauen in die rationale Heilkunst verloren hatte (Plut, Mor 920B),
wandte sich an Wundertäter, die freilich ihre überwiegend magischen

31 Plin, Hist Nat 29,21. Vgl. Cels, Med 1114,10, zur ärztlichen Gewinnsucht
bei Fiebererkrankungen.
32 Mart, Epigram 1,47: Nuper erat medicus, nunc est vispillo Diaulus:
quod vispillo facit, fecerat et medicus (vgl. 1,30; ähnlich VIII, 74 zu einem
ehemaligen Augenarzt und späterem Ringkämpfer: oplomachus nunc es, fueras
ophtalmicus ante fecisti medicus quod facis oplomachus). Vgl. ferner Iuvenal
X.219-221.
33 Selbstverständlich handelt es sich bei dem Vorwurf der ärztlichen In-
kompetenz und Raffsucht um einen festen Topos, der grundsätzlich kritisch zu
betrachten ist, allerdings im Blick auf die historischen Gegebenheiten in Rom
der Sache im Prinzip gerecht wird, vgl. dazu Kudlien, Stellung des Arztes in
der röm. Gesellschaft 190-198.
34 ILCV 3480 "Falsche Medizin vermehrte die tödlichen Schmerzen, und
durch die menschliche Heilkunst wuchs meine Krankheit"; ILS 9441 "Un-
schuldige Seele, welche die Ärzte operierten und umbrachten". Auch Plinius
berichtet von derartigen Inschriften (Hist Nat 29,11: Hinc illa infelix monu-
mentis inscriptio, turba se medicorum perisse).
3S Vgl. zum Arzthonorar in Rom beispielsweise Plin, Hist Nat 29,7f., zum
Ganzen Friedländer, Sittengeschichte Roms 195. Auch Inschriften geben über
die beträchtlichen Vermögen einzelner Ärzte Auskunft, vgl. etwa die Grabin-
schrift ILS 7812 (Assisi): Der Arzt Publius Decimius, ein Freigelassener,
stiftete nahezu 70 000 Sesterze für öffentliche Zwecke und hinterließ bei
seinem Tode 500 000 Sesterze.
36 Gal X,5, vgl. Gal XIX,9: Die meisten Ärzte könnten nicht einmal
richtig lesen.
Soziale Implikationen christlicher Heilungen 373

Praktiken ebensowenig kostenlos darboten. Hippocr, Morb Sacr 1,32,


vermutet Mangel an Lebensunterhalt (ßiou SEÖUEVOI noXXä) als Hauptmotiv
der Magier, die durch Sühneriten die Epilepsie zu kurieren suchen
(ähnlich Plato, Res Publ II, 364B-C; Leg 909B). Der palästinische Exor-
zist Luc, Philops 16, heilt die Mondsüchtigen nur Eni uiodö uEYaXu37. In
ägyptischer Magie geschulte Goeten treiben Celsus zufolge auf den
Marktplätzen gegen geringes Entgelt (ÖXIYUV ößoXuv) Dämonen aus und
blasen Krankheiten weg (Orig, Cels 1,68). Während solche von Ort zu
Ort ziehenden Magier und Schamanen zur Bestreitung ihres Lebensun-
terhaltes zwingend auf Entlohnung angewiesen waren, konnten christli-
che Wanderchansmatiker mit Unterstützung der Ortsgemeinden rechnen
(Lk 10,7par; Did 11,lff; Luc, Peregr 13.16) und bei ihren Dämonenaus-
treibungen und Heilungen dem SupEäv EXäßETE, Supsäv SÖTE Mt 10,8 ent-
sprechen.

4.3.3. Unentgeltliche christliche Dämonenaustreibungen


und Krankenheilungen
Auf dem umrissenen Hintergrund ist den von Justin und Tertullian be-
haupteten großen Heilungserfolgen der Christen im Imperium Romanum
ohne weiteres Glauben zu schenken. Justin zufolge sind in Rom wie auf
der ganzen Welt bis in seine Gegenwart hinein zahlreiche Besessene,
bei denen pagane Beschwörer, Zauberer oder Arzneimischer bereits
versagt hatten (ünö TUV aXXuv ndvtuv Enopxiotöjv xai Enaotuv xai <f><xp\ia-
XEUTUV ufj iaÖEVTacJ, von den Christen durch Exorzismen beim Namen
Jesu Christi geheilt worden 3 8 . Tertullian hält den Feinden des Christen-
tums entgegen: "Wer aber würde euch jenen verborgenen und allenthal-
ben euren Geist und eure Gesundheit verwüstenden Feinden entreißen,
vom Ansturm der Dämonen spreche ich, die wir aus euch ohne Lohn,
ohne Entgelt austreiben (a daemoniorum incursibus dico, quae de vobis
sine praemio, sine mercede depellimus)? Ausgereicht hätte allein das
für unsere Rache, daß ihr dann als herrenloser Besitz den unreinen
Geistern offen stündet" (Apol 37,9). Er nennt dabei konkrete Einzelfäl-
le, denen entnehmbar ist, daß die Christen mit ihren Wunderheilungen

37 Vgl. auch Luc, Philops 14 (16 Minen, davon 4 als Vorschuß, für Lie-
beszauber des Hyperboreers), und die Pachrates-Hadrian-Erzählung PGM
IV,2446-2455.
38 Apol II 6,6; ähnlich Dial 85,2f. Im 3.Jhdt.n.Chr. sind für die Christen in
Rom 52 "Lektoren, Exorzisten und Pförtner" bezeugt (Cornelius bei Euseb,
Hist Eccl VI 43,11). Offenbar verfügte jede Gemeinde über einen eigenen
Exorzisten.
374 Form- und sozialgeschichtliche Aspekte

bis in höchste gesellschaftliche Schichten vorstießen und sich dort


Sympathie verschafften 39 . Zugleich zeigen diese Beispiele, daß die
Heilkunst der christlichen Wundertäter nicht in den Bereich rationaler
Medizin fällt, sondern mit paganer magisch-pharmakologischer Volksme-
dizin konkurriert 40 . Selbst hochgebildete christliche Schriftsteller wie
Justin, Irenäus, Tertullian und Origenes teilen uneingeschränkt die volks-
tümliche antike, von der wissenschaftlichen Medizin strikt verneinte
Auffassung, daß Krankheit im wesentlichen auf dämonischer Besessen-
heit beruht und folglich in erster Linie durch Exorzismen zu bekämpfen
ist, wobei Origenes ausdrücklich den christlichen Dämonenglauben ge-
genüber rationalen Epilepsiediagnosen verteidigt (Comm Mt XIII,6) 41 .
Neben dem im Gebot der Nächstenliebe implizierten und in Mt 10,8
manifesten diakonischen Auftrag zu unentgeltlicher Zuwendung gegen-
über dem Kranken sind für die kostenlosen christlichen Dämonenaus-
treibungen und Krankenheilungen besondere missionsbedingte Aspekte
in Rechnung zu stellen. Daß Jesus, wie er es bereits zu seinen Lebzei-
ten getan hatte, nunmehr auch als Erhöhter ohne finanzielle Gegenlei-
stungen Heilungen wirkt (Act Joh 22; 56; 108; Act Thom 104; 156), ver-
bürgt in besonderem Maße seine göttliche Herkunft und hebt ihn gerade
von seinem Hauptkonkurrenten Asklepios entscheidend ab. Ein wirkli-
cher Gott ist bedürfnislos und über finanzielle Begierden erhaben 4 2 .

39 Tert, Scapul 4,5f. (vgl. 2,9), nennt neben Dämonenaustreibungen an


römischen Beamten und deren Angehörigen (Nam et cuiusdam notarius cum a
daemone praecipitaretur, liberatus est et quorundam propinquus et puerulus;
et quanti honesti viri - de vulgaribus enim non dicimus - aut a daemonibus
aut valitudinibus remediati!) eine Krankenheilung des Christen Proculus an
Septimius Severus, der infolgedessen den Christen wohlgesonnen ist.
40 Vgl. an christlichen Ärzten neben Lukas (Kol 4,14 ) noch den Märtyrer
Alexander (Euseb, Hist Eccl Vl,49). Wenn die Theodotianer in Rom Galen
anbeteten (Euseb, Hist Eccl V 28,14: I'aXnvöc; Yäp Taue; ünö tivuv xai npoa-
xuvETtai), dann weniger in seiner Eigenschaft als Arzt, sondern als Philoso-
phen und Logiker, vgl. Walzer, Galen on Jews and Christians 75-86; Lam-
pe, Stadtröm. Christen 292f., grundsätzlich zum Verhältnis des frühen Chri-
stentums zur Wissenschaft Grant, Miracle and Natural Law 104ff. Eindeutig
befürwortet wird die rationale Medizin von Clem Alex , der den Arzt als
guten Menschen beispielhaft hervorhebt (Strom I 34,1) und seine Fertigkeiten
hochschätzt (Strom I 44,1; 171,2).
41 Vgl. aber für Origenes auch die gegenüber dem Dämonenglauben kriti-
schen Bemerkungen in Cels VIII,60f. und seine positiven Äußerungen zum
Ärztestand (Schweiger, Medizinisches im Werk des Origenes lSff., vgl. zum
Ganzen Frings, Medizin und Arzt bei den griech. Kirchenvätern 8ff; Brox,
Magie und Aberglaube 161-166; Trunk, Messian. Heiler 411-425).
xal
42 Athenag, Suppl 29 (ävEmSEEc; Y<*P XPETTTOV Eni-&uu.iac; TÖ OETOV).
Vgl. ferner Arist, Apol 10,5: Der als Gott angesehene Asklepios sei in Wirk-
Soziale Implikationen christlicher Heilungen 375

Zudem sind enge Bezüge zwischen Heilung und Heil gegeben, indem
die umsonst gewirkten Wundertaten auf eine Bekehrung der geheilten
Personen abzielten (vgl. Act Pt 11,18-24). Irenäus zufolge bewirkten
speziell Dämonenaustreibungen in zahlreichen Fällen, daß die von den
Krankheitsgeistern Befreiten gläubig wurden und der Kirche beitraten
(ÜÖTE noXXäxic; xai TUGTEÜEIV EXEIVOUC; aütoüc; TOÜC; xadapio-&EVTac; änö TUV
novnpuv nvEuuäruv xai Eivai EV TT[ ExxXr|öia Haer II 32,4/Euseb, Hist Eccl
V 7,4). Daß sich bei christlichen Wundertätern mit kostenlosen Heilun-
gen an außerhalb der Kirche stehenden Personen geradezu die Erwar-
tung einer Bekehrung zum Christentum verband, erhellt anschaulich aus
den Johannes- und Thomasakten. Der Apostel Johannes weist die ihm
für eine Dämonenaustreibung gebotenen zehntausend Goldstücke mit
der Begründung zurück, der umsonst heilende Arzt Jesus nehme kein
Silber, sondern ernte als Gegenleistung die Seelen der Geheilten (Act
Joh 56). Der im Namen Jesu heilende Thomas fordert keinen Lohn,
sondern Glauben und Heiligkeit, um Genossen für sein Tun zu gewinnen
(Act Thom 104). Von diesem Gesamtbild her wird es den historischen
Gegebenheiten vollauf gerecht, wenn Origenes den von der apostoli-
schen Zeit bis in seine Gegenwart hinein in ungebrochener Kontinuität
bestehenden, unverzichtbaren Wert christlicher Wundertaten als Mittel
der Mission betont. Ohne Machttaten und Wunder (xupic. Suväusuv xai
napaSö^uv) hätten die Apostel niemanden dazu bringen können, die
Religion ihrer Väter zu verlassen und sich trotz drohender Todesgefah-
ren der christlichen Lehre zuzuwenden, "und auch jetzt noch haben
sich Spuren des Heiligen Geistes, der in Gestalt einer Taube gesehen
wurde, bei den Christen erhalten. Sie treiben Dämonen aus, vollbringen
viele Krankenheilungen und tun dem Willen Gottes gemäß manchen
Blick in die Zukunft" (Cels 1,46).

5. Ergebnisse

1. Für das frühe Christentum läßt sich eine breite Bewegung von
Wandermissionaren nachweisen, die ihre Legitimität und die Art ihres
Auftretens entscheidend von der im Kern authentischen Aussendungs-
tradition Lk 10,l-12par ableiteten. Die wesentlichen Charakteristika sind

lichkeit ein auf Erwerb angewiesener (EnEvSEfjc; Y^P ?V) Arzt gewesen, der
mit der Herstellung von Heilmitteln seinen Lebensunterhalt bestritten habe.
Bereits Plato hatte Sokrates Zweifel daran äußern lassen, ob es sich bei dem
aus Gewinnsucht heilenden Asklepios um einen Gottessohn gehandelt haben
könne (Res Publ III, 408BC).
376 Ergebnisse

neben der Verkündigungstätigkeit ein Bewirken von Dämonenaustreibun-


gen und Krankenheilungen, verbunden mit einer Beanspruchung des
Unterhalts rechtes gegenüber den Ortsgemeinden. Als Titulaturen oder
Selbstbezeichnungen dieser Wandermissionare, die wegen einer Über-
betonung pneumatischer Fähigkeiten und wegen einer oft allzu großzügi-
gen Inanspruchnahme des apostolischen Unterhaltsrechts in weiten
Teilen des Christentums dem Verdacht der Häresie ausgesetzt waren
und zunehmend zurückgedrängt wurden, begegnen expressis verbis oder
implizit erschließbar Schrie. (Lk 10,2.7par; Mt 7,23; 2 Kor 11,13; Phil
3,2; Did 13,2), änöoroXoc (Lk 10,1.3par; 11,49; 2 Kor 11,5.13; 12,11; Did
ll,3ffi), npocpfJTiK (Lk 11,49; Mt 7,22; Did ll,3ff.) und hlxawq (Mt 7,23;
10,41; 2 Kor 11,15). Eine maßgebliche Bedeutung von Wundertaten läßt
sich dabei mit relativer Sicherheit für die Q-Boten, die Gegner des Pls
im 2 Kor und die Pseudopropheten im Umfeld des Mt-Ev belegen, für
die Gegner im Phil und die Wanderapostel oder Wanderpropheten der
Didache wegen ihrer Verwurzelung in der Aussendungstradition wenig-
stens mit gewisser Plausibilität vermuten. Bis in das frühe 2.Jhdt.n.Chr.
hinein waren jedenfalls die Aussendungsanordnungen Jesu mit ihren
Wunderinstruktionen als normative Agenden für das Auftreten von Cha-
nsmatikern in Gebrauch. Darüber hinaus vollzogen sich Wundertaten in
der Mission auch auf sekundär formulierte Anordnungen des Auferstan-
denen hin (Mk 16,15-20; Act Pt 8,11-12,19).
Der pln Apostolat stellt demgegenüber offenkundig eine Ausnahmeer-
scheinung im frühen Christentum dar. Die Apostelwürde wird hier nicht
von Aussendungsinstruktionen des irdischen Jesus abgeleitet und inhalt-
lich gefüllt, sondern durch eine Epiphanie des Auferstandenen mit Be-
auftragung zur gesetzesfreien Verkündigung konstituiert (1 Kor 9,1).
Zudem hält Pls die Christusvisionen mit der ihm als letztem zuge-
kommenen Epiphanie für beendet (1 Kor 15,8) und den Apostelkreis für
nunmehr geschlossen, während die Didache noch für die Wende vom
1. zum 2.Jhdt.n.Chr. Apostel in der Tradition der Aussendungsrede be-
zeugt (vgl. Apk 2,2). Von seinem speziellen, offensichtlich analogielosen
Apostolatsverständnis her fühlt sich Pls nicht an die auch ihm in Grund-
zügen bekannten Aussendungsinstruktionen der Jesustradition gebunden.
Über das Unterhalts recht setzt er sich fast völlig hinweg, Wundertaten
stellen für ihn lediglich eine Randerscheinung seines in erster Linie die
Verkündigung des gesetzesfreien Evangeliums umfassenden und an der
theologia crucis orientierten Apostelwirkens dar. In weiten Teilbereichen
des frühen Christentums war es demgegenüber offenkundig die Regel,
daß Wanderapostel unter Berufung auf Jesustradition Unterhalt bean-
spruchten und neben ihrer Verkündigungstätigkeit auch Dämonenaustrei-
Ergebnisse 377

bungen, Krankenheilungen und weiteren Machttaten einen unverzichtba-


ren, wenn nicht gar den entscheidenden Stellenwert beimaßen. Auch
dort, wo ähnlich wie bei Pls die Sendung auf Sonderoffenbarungen des
erhöhten Christus zurückgeführt wird, kommt Wundertaten eine hervor-
gehobene Bedeutung zu (Mk 16,15-20; Act Pt 8,11-12,19).
2. Daneben zählte die Heilung Besessener oder Kranker von vorn-
herein auch zu den selbstverständlichen Erscheinungen des innerchrist-
lichen Gemeindelebens. Zunächst handelte es sich dabei um ein geistge-
wirktes Charisma, das theoretisch jedem getauften Christen zukommen
konnte. Ansatzweise bereits in 1 Kor 12, deutlicher dann bei den Geg-
nern des 2 Kor und den Wanderpropheten im Umfeld des Mt-Ev (Mt
7,21-23) zeigen sich Probleme mit ekstatisch geprägten, die pneumati-
schen Gaben in den Vordergrund stellenden Wundercharismatikern. Dies
dürfte maßgeblich die Entwicklung mitbedingt haben, daß spätestens ab
Beginn des 2.Jhdt.n.Chr. Dämonenaustreibungen und Krankenheilungen
normalerweise in den Aufgabenbereich des Presbyteramtes fallen (Jak
5,14-16, Pol, Phil 6,1; Celsus bei Orig, Cels VI,41; Script Hist Aug, Satur-
ninus 8). Mit ihrer charismatischen oder an das Amt gebundenen Heil-
kunst verfügten die christlichen Gemeinden für ihre Mitglieder über eine
Alternative zur Inanspruchnahme paganer Volksmedizin und zum Besuch
der Inkubationsheilstätten griechisch-römischer Gottheiten.
3. Den Gegebenheiten in der Umwelt entsprechend vermutlich von
Anfang an, spätestens aber seit dem 2.Jhdt.n.Chr. (Celsus bei Orig, Cels
VI ,41) bedienten sich christliche Wundertäter magischer Kompendien,
ohne daß diese überkommen wären. Unsere daraus resultierenden Wis-
senslücken hinsichtlich der näheren Begleitumstände missionarisch ge-
wirkter oder innergemeindlich vollzogener Dämonenaustreibungen und
Krankenheilungen lassen sich in erheblichem Maße von den Wunderge-
schichten der Evangelien, der Apg und der apokryphen Apostelakten her
auffüllen. Die ntl und apokryphen Wundertraditionen waren zwar form-
geschichtlich betrachtet nicht die Zauberpapyri der christlichen Wun-
dercharismatiker, geben aber über deren Vorgehensweise Auskunft. In
ihnen haben sich vielfach formelhafte Wendungen oder Gebete und
pharmakologische Praktiken niedergeschlagen, wie sie aller Wahrschein-
lichkeit nach zu Zwecken der Dämonenaustreibung, Krankenheilung und
Wiederbelebung Anwendung fanden. Zudem deutet das Fortleben der
magischen Salomo-Tradition im Christentum (Test Sal; PGM 17; PGM.S
24) darauf hin, daß auch jüdische Dämonenaustreibungspraktiken allen-
falls leicht verändert adaptiert wurden. Insgesamt wird deutlich, daß es
sich bei den christlichen Wundertätern im Prinzip um Magier oder
Schamanen handelt, die zu der volkstümlich-magischen Heilkunst der
378 Ergebnisse

Antike in Konkurrenz treten und deren Vorgehensweise sich vielfältig


mit den Praktiken in den griechischen Zauberpapyri überschneidet.
Krankheit wird fast uneingeschränkt als Resultat dämonischer Beses-
senheit betrachtet, trotz vereinzelter Hinweise auf pharmakologische
Therapien sind für die christliche Heilkunst des 1. und 2.Jhdt.n.Chr. so
gut wie keine Bezüge zu der in der hippokratischen Tradition wurzeln-
den wissenschaftlichen Medizin der Antike auszumachen. Im Mittel-
punkt stehen Exorzismen im Namen Jesu und an Gott oder an Jesus ge-
richtete Gebete um Dämonenvertreibung und Heilung.
4. Sozialgeschichtlich ist bedeutsam, daß sich die christlichen Wunder-
heilungen im Gegensatz zu den sonstigen Gepflogenheiten der Antike
grundsätzlich ohne finanzielle Gegenleistung vollzogen und damit die
nach innen wie nach außen gerichtete Krankenfürsorge entscheidend
zur Attraktivität des Christentums beitrug. Die Institution des unentgelt-
lich wirkenden öffentlichen Arztes wird in ihrer Bedeutung für die
Antike meist überschätzt, pagane Magier machten die Preisgabe religiö-
sen Wissens und die Anwendung ihrer Praktiken von der Zahlungswillig-
keit des Klienten abhängig. Das für den Asklepioskult virulente Problem
der Unterhaltung kostenintensiver Inkubationsheilstätten mit Tempelper-
sonal stellte sich für die christliche Heilkunst von vornherein erst gar
nicht. Gegenüber konkurrierenden, ebenfalls von Ort zu Ort ziehenden
Wundertätern der Antike verfügten christliche Wandermissionare über
den entscheidenden Vorteil, daß sie in den jeweiligen Ortsgemeinden
das Unterhaltsrecht in Anspruch nehmen konnten und daher nicht auf
Entgelt für ihre Dämonenaustreibungen und Krankenheilungen angewie-
sen waren. Neben der im SupEav EXäßETE, SupEav SÖTE von Mt 10,8 mani-
festen christlichen Philanthropie spielten dabei missionsstrategische
Überlegungen eine nicht zu unterschätzende Rolle. Mit in seinem Na-
men unentgeltlich gewirkten Krankenheilungen vermochte sich der Arzt
und Soter Jesus Christus entscheidend von seinem Hauptkonkurrenten
Asklepios abzusetzen und als wahrer, weil bedürfnisloser Gott zu er-
weisen, in vielen Fällen verband sich mit kostenlosen Wundertaten die
Erwartung eines Übertritts der Geheilten zum christlichen Glauben. Dä-
monenaustreibungen und Krankenheilungen waren ein entscheidender
Grund für die Ausbreitung und Etablierung des Christentums, das glei-
chermaßen Heil wie Heilung bot und dabei in hohem Maße durch eine
(kritische) Adaption der für das Magische offenen Volksreligiosität ge-
kennzeichnet ist. Das Gemeindeleben und die Mission des frühen Chri-
stentums sind über Verkündigung, Lehre und Unterweisung hinaus auch
von Wunder und Magie als wichtigem Wesensmerkmal der Kirche ge-
prägt gewesen.
VI. Schluß
Unsere Untersuchung hat einen Einblick in die aus neuzeitlich-
aufgeklärter Perspektive recht fremde Welt von Wundercharisma, Magie
und Schamanismus in Antike und Christentum gewährt. In der prote-
stantischen Theologie wurde unter dem Eindruck vernunftgeleiteten
Denkens der Aufklärung und von der zentralen Stellung des Wortes
Gottes her eine Entscheidung gegen Wunder und Magie gefällt, wovon
lediglich das für den christlichen Glauben zentrale Auferstehungs- und
Erscheinungskerygma weitgehend unberührt blieb. Die in das Erdenleben
Jesu fallenden Wunder hingegen gelten weithin als nebensächliche und
damit entbehrliche Begleiterscheinungen seiner Lehre und Verkündigung.
Magie wird als unangemessene oder dekadente Form der Religionsaus-
übung betrachtet, zumal sich an magische Riten vielfach die Erwartung
einer ex opere operato eintretenden, in unüberbrückbarer Spannung
zum reformatorischen sola fide stehenden Wirkung knüpft.
Diese berechtigten systematisch-theologischen Vorbehalte gegenüber
Wunder und Magie lassen sich freilich nicht bereits dadurch legitimieren
und untermauern, daß man die neuzeitliche Wunderhermeneutik oder
die reformatorische Wort Gottes-Theologie in die historische Betrach-
tung Jesu und des frühen Christentums zurückprojiziert und dort bereits
eine Bewältigung der Problematik im modernen Sinne präfiguriert sieht.
Kritik am Wunder und am magischen Element christlichen Glaubens ist
in unterschiedlicher Akzentuierung und mit differierenden Lösungen
schon im Neuen Testament bei Paulus und den Evangelisten angelegt.
Die Wirkungsgeschichte Jesu deckt sich in ihrer Zwiespältigkeit mit der
anderer herausragender Wundertäter der Antike - hochangesehener und
vielgepriesener Theios Aner auf der einen Seite, Goet oder Marktplatz-
magier auf der anderen Seite. Auf diesem Hintergrund tat reflektierte
frühchristliche Theologie gut daran, im Horizont des Passions- und
Osterkerygmas eine mißverständliche Reduktion Jesu auf seine thauma-
turgische Befähigung entschieden zu bekämpfen und einem christolo-
gisch einseitig an der Wunderüberlieferung orientierten pneumatischen
Enthusiasmus entgegenzutreten. Dies sollte allerdings nicht den Blick
auf die geschichtlichen Tatsachen verstellen, daß nicht nur Jesus
selber, sondern auch eine Vielzahl frühchristlicher Charismatiker oder
Amtsträger Dämonenaustreibungen wie Krankenheilungen entscheiden-
380 Schluß

den Stellenwert in ihrem Wirken einräumten und dabei ohne engere Be-
rührungspunkte zu wissenschaftlicher Medizin oder rationalen Krank-
heitsdiagnosen grundsätzlich dem Bereich der Magie und des Schama-
nismus zuzuordnen sind.
Solche historischen Fakten begründen keinen christlichen Glauben,
"damit daß Jesus als Wundermann herausgestellt wird, ist noch niemand
in echtem Sinne vor die Entscheidung zwischen Glauben und Unglauben
gezwungen" 1 . Sie können allerdings in ihrer geschichtlichen Bedeutung
nicht ignoriert werden und zudem belebende Wirkung auf die kirchliche
Praxis ausüben. Das in der Hinwendung zu ausgegrenzten Besessenen
oder Kranken gesetzte, im frühen Christentum in der Tradition der Aus-
sendungsüberlieferung in ungebrochener Kontinuität fortgeführte Beispiel
Jesu steckt Leitlinien für das diakonische Handeln der Kirche ab. Von
dem Vorurteil befreit, zwangsläufig degenerierte Form von Religion oder
Aberglaube zu sein, können Magie und Schamanismus mit ihrem ganz-
heitlich orientierten Welt- und Menschenbild in Rückbesinnung auf die
Heilungswunder bei Jesus und den frühen Christen befruchtend auf die
seelsorgerlich-therapeutische Praxis wirken. Theologisch verantwortete
Reflexion hat nicht nur die Aufgabe, Volksreligiosität mit Tendenz zum
wunderhaften oder magischen Element kritisch auf ihre Legitimität und
Angemessenheit hin zu befragen, sondern kann aus der Begegnung mit
Formen religiösen Denkens, die im Horizont des vom Rationalismus ge-
prägten neuzeitlichen Wirklichkeitsverständnisses bei oberflächlicher
Betrachtung Unverständnis hervorrufen oder als Anachronismus erschei-
nen, auch Gewinn und neue Impulse beziehen.

**

l Käsemann, Problem des historischen Jesus 191


VII. Literaturverzeichnis

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Medizinhistorisches Journal 25 (1990), 104-114.
Literaturverzeichnis 431

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Auslegung der Kapitel 8-16 (ThHK VII,2), Berlin 1982.
ders., Der zweite Brief des Paulus an die Korinther (ThHK VIII), Berlin
1989.
WOLTER, M., Inschriftliche Heilungsberichte und neutestamentliche Wun-
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in: K. Berger u.a., Studien und Texte zur Formgeschichte (TANZ 7),
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cor (ed.), Qumran. Sa piete, sa theologie et son milieu (BEThL 46),
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gamon XI,1.2.), Berlin 1968/1975.
ZIEGENAUS, O., Das Asklepieion III (Altertümer von Pergamon XI,3), Ber-
lin 1981.
VIII. Register (in Auswahl)

1. Autoren

B a r n e t t , P.W. 32f. Goltz, E. v. der 45 R e i m a r u s , H.S. 14.18L

Betz, H.D. 3622 G r e n s e m a n n , H. 62 RoloffJ. 29L43

B e t z , O. 27 G r i m m , W. 27.32 Safrai, S. 41

Bieler, L. 34f. Hanson, L S . 33 S a n d e r s , E.P. 32

Blackburn, B. 28 H a r n a c k , A. v. 33L42 Schille, G. 24f.


44
B ö c h e r , O. 36f. Schmithals, W . 2Sf.
Heitmüller. W. 44
Bousset, W. 279f. Smith, J.Z. 287.305
Horsley, R.A. 33
Bultmann, R. 15f.23f. Smith, M. 16f.37f.
J e r e m i a s , J. 29 179-181
B u r k e r t , W. 13.89L
Käsemann, E. 16.45 S t r a u ß , D.F. 21-23
C r o s s a n , J.D. 38
Klausner, J. 31L39 Temkin, O. 45
D e i c h g r ä b e r , K. 62
Kümmel, W . G . 184 Theißen, G. 24.356L
Dibelius, M. 23.44L
356 Kuhn. H.W. 43.184 T w e l f t r e e , G. 3623

D r e w e r m a n n , E . 16f.39f. Lietzmann, H. 44 Venturini, C.H . 19L33

E i t r e m S. 34 M e y e r , R. 32 V e r m e s , G. 41.14013
312
F e r n g r e n , G.B. 45 Middleton, J. 54
W e d e r , H. 46
Flusser, D. 40f. Müller, U.B. 32
W e i n e l , H. 42
F r a z e r , J.G. 55 Mußner, F. 28f.51
W e i ß , J. 183
F r i d r i c h s e n , A. 42 Paulus, H.E.G. 20f.
Windisch, H. 34f.
G e o r g i , D. 42f. Pesch, R. 30
Zeller, D. 30f.
G l ö c k n e r , R. 27 Petzke, G. 2412.36
Register 433

2. Namen und Sachen

Aelius Aristides Buch der Heilmittel Epimenides


81-83 129.150 904.140

Alexander Chanina ben Dosa Fasten


von Abonuteichos 142-144.298L 344.347L
104.109f.368
Choni Fieber
Apollonius von Tyana 112.137-140.298f. 143.161-164.222f.257f.361
101-106.301-303
Cyprian der Magier Galen
Aretaios 113 82f.87.94.129f .149.165.374
63.67-69.207.224
David Gelähmtenheilung
Arignotus 134f. 78.106-109.225-229.239-
114f. 242
Dioskurides
Asklepiades von Prusa 67f.122.129f. Goetie
72.95-98 58.102.145-147.179.300.
Eleazar 302-306
Asklepios 134.147-151.214
61.73-83.104.107-110. Hippokrates
148.227-229.235-237. Elia 61-63.79f.
342.362-368 143f.267f.299
Isis
Aussatz Eliezer ben Hyrkanus 75
161.164.168.220.223- 153f.
225.259-262 Jakob von Kephar Sama
Elisa 3389
Barjesus Elymas 143.225.260.274
151 Jochanan ben Zakkai
Empedokles 141-143
Ben Stada 91-95
14630.180f.2S4 Johannes der Täufer
Empfehlungsbriefe 194f.216-221.312f.
Blindenheilung 32530
75.78.81.106-109.120- Kommunale Kranken-
124.129f.164.167.234- Empiriker fürsorge
238 70-72.1086S 369-372

Blutfluß Engel Kyraniden


87.162.164.229-231 123f.13463.155.165- 65.120-122.130.149
167.27H.
Bolos von Mendes Magie
104.117.12113.130.358 Epilepsie 54-58 u.ö.
22.63-66.69.77.82.
Buch der Geheimnisse 87i8.113f.148f.211- Manie
149L158.165-167 214 104f.164.206f.
434 Register

M e n e k r a t e s Zeus Pythagoras Theios Aner (Forts.)


6413.891.37024 89-91.103.109.2712. 1399.144.289.357.359
303-306
Methodiker Thessalos von Tralles
72.95.97 pfjoic, ßapßapixfj 72.130.181
115.233.263
Moiragenes Tobit
103.301-303 Sabbatbruch 120-124
180L239-254
Mose Totenerweckung
155.16334.167f.300f. Salomo s. Wiederbelebung
134.147-151.160
Musiktherapie Vespasian
86f.91.95.105.134- Sarapis 106-109.148.235
137.161 75.106-109.227.229
Wassersucht
Naturwunder Schamanismus 78.242-244
92-94.106.137-140.143 57f.89-91.93J.00f.
153f.l68f.271-281 271-273 Wiederbelebung
87f.93f.97f.10S.110.263
Öl Schwert des Mose 271.347L
167f.196.319.346 16332.167-169
Wunder
Peregrinus Simon Magus 53f. und passim
11069 98-101
Wundersammlungen
Petrus Speichel 219f.288.297f.304f.357
222f.264f.327 108.232.234-238 359

Pneumatikerschule Theios Aner Zeichenprophetie


67-69 34-36.42f.S8f.89-115 144-147.283-285

3. Stellen

a) AT

Exodus / Sam Psalmen


15,26 119L123. 16,14-23 134f. 3 161
125.169L 29,3-9 161
20,7 118.139L / Kön 91 134M61
13,4-6 240f. 107,23-32 272f.
Num 17,17-24 267f.
12,9-15 1193.1386 Jona
2 Kön 1 272-274
Dtn 4,18-41 264
13,1-5 284 4,42-44 274 Sach
18,9-14 118 5,1-19 260 3,2 161.202
Register 435

b) Atl. Apokryphen und Pseudepigraphen

Ass Mos Sap Test 12 Patriarchen


10.1 193 7,20 1483S Dan 5,10f. 193
Jud 25,3 193
Jub Sir Lev 18,12 191.322
10,12f. 12416.129 38,1-15 124-127 Napht 8,4 272
8,6 190.201112
Par Jer syr Bar Sim 2,11-14 2408
7,12-20 27029 71,1-3 193
Tobit
Pseudo -Philo Tesf Sal 8,2f. 120f.
LibAnt 60,1-3 134f. 1,9.11 151 11,11 121-123

c) Qumran
/ QGenAp 4 0 510.511 136 11 QPsApa 134L150
XlXJOff. 131f.
4 0 560 136 UQPsDav Comp
4 QOrNab 132f. XXVII 135

d) Hellenistisch-jüdische Autoren

Artapanus Josephus (Forts.) Philo


Fragm 3 300 Ant LegAllIII,178 12727
VIII.45-49 147-151 Omn Prob
Josephus XIV.22-25 137-139 Lib 87 13144.371
Bell 11,136 128-131.151 XVIII,116-119 218 S a c r A C 70 1194
VII,185 148.162 Ap 11,145 300 Vit Mos 1,156 301

e) Rabbinisches Schrifttum u.a.


a) Mischna d) bT e) Sonstiges
Ber V.5 142f. BB 73a 168S3 .273 Pesiqta Rabbati
San X,l 160 Ber 34b 142f.257f. 14,14 1219.141
T a a n 111,8 138L299 BM 59b 153f.
BQ 50a 142f. HDM
b) Tosefta Git 68ab 148f. B § 608 168.279
Ber 3,20 143 69ab 162 B § 609 168.275
Chull 2,22 3389 Joma 39b 141f. B § 619 168.273
Taan 2,13 140 Meila 17b 2029
Pes 112b 143 SHR
c) jT Schab 66b.67:i 161f. Prooem 26ff. 150
Ber 9,1 273 Sukka 28a 141 II, 95ff. 166f.
Joma 6,3 141 Taan 23a 138f.: 299 II,181ff. 12315.167
M Q 3,1 154 24b 144 V,38ff. 149
436 Register

f) Griechisch-römische Autoren

Aelian Diogenes Laertius (Forts.;VII,38 302


NatAn Xl.llff. 75.358 VIII,1-50 90f.
VIII,51ff. 91-95 Plinius d. Ältere
Aelius Aristides HistNat7,20 106 56
Or 39,14f.: 23762 Dioskurides 7,175 93f.
45,29 75.358 MatMed 11,56 64l4 26,15 97
SimplMed
Apuleius 11119,2 67f. Plinius d. Jüngere
Apol 26 55 Ep VII27,4ff. 115
38 11578 Empedokles (ed. Wright)
Flor 19,92-96 98 Fragm 101 92L307 Plutarch
132f. 92. Mor 920B 372
Apollodor Pyrrhus 3,4f. 89l. 10656
Bibl 11110,3 73f. Hippokrates
M o r b S a c r lff. 6 3 - 6 6 Porphyrius
Apollonius Parad. P r a e c IV.VI 370 V i t P y t h 2 3 - 2 5 91.305
H i s t M i r VI 90.104.358
Lukian von Samosata Pseudo -Plinius
Apollonius vor i Tyana Alex 24 110 Med III 15.7 15143
Ep 16f. 103.302 Philops llf. lllf.227
13f. 112f. Script Hist Aug
Aretaios 16 113f.207.212 Saturninus 8 345
VII 4,7f. 64 17 148
30f. 114f. Sueton
Aristoteles T r a g 171-173 13567 Vesp 7,2f. 106-109
F r a g m 191 30.358 265ff. 127
Tacitus
Celsus Pausanias Hist IV81,1-3 106-109
Med Prooem 71f. V126,lf. 280 235f.
116,13-16 97f. X38.13 36718
Theophrast
Diodorus Siculus Philos trat Lapid IV,24 130
125,2-7 75.358 VitApoll 1,19 254f.
182,3 369 IV,20 104f.214.302 Thessalos
XII 82,3 369 IV,45 105.266- 268 I Prooem 130.181

g) Papyri und Inschriften

a) PGM XIII,242-44 87 c) Inschriften


IV.1227-64 83f. XIII,277-282 87f. IG I V , 1 2
IVJ232-1239 353 XIIL971 155s 121-124 76ll
IV,2157-59 86f. XXIIa 87 I L C V 1233 37026
IV,2446-55 358.37337 3480 37234
IV,3019f. 152 b) Sonstige Papyri ILS 9 4 4 1 37234
IV,3019-78 156-160 P a p H a m b l l 171 36922 O G I S 264 80
IV.3039-41 lS0f.207 PapHib I 102f. 36922 S I G 3 1171f. 758
V.96-171 84-86 P a p S t r a ß b 73 37129 1173 235L35
Register 437

h) Neues Testament
Mt-Ev Lk-Ev Apg (Forts.)
4,1-11 285-287 4,1-13 285-287 14,10 354
7,15-23 330-335 4,39 223 16,18 21448.352
7,21-23 361 5,1-11 277-279 19,13 335.350.352
8,5-13 257-259 7,1-10 257-259 19,13-17 151-153.336
10,1-16 316-321 7,11-17 266-268
10,5b.6 195.2S5f.261 7,18-23 216-221
10,8 362.373.378 10,l-15par 316-321 Rom
10,7f. 196f. 10,9 196L328. 15,18f. 32943
11,2-6 216-221 330 15,19 328
11,5 357-359 10,17-20 321-323
12,11 249f. 10,18 191-195
12,27f. 141.176.182ff. 10,23f. 221f. 1 Kor
12,43-45 199-201.214 ll,19f. 141.176.182- S,3ff. 32944
13,16f. 221f. 186.202 9,1-18 325-327
17,24-27 277 11,24-26 199-201 12,lff. 340-342
13,10-17 241f. 15,7 324f.
13,15 250
Mk-Ev 13,25-27 331f.
l,12f. 271L286 13,31-33 187-189 2 Kor
1,21-28 201-205.290 14,1-6 242-244 10-13 323-330.
1,29-31 222f. 14,5 249f. 359-361
2,1-12 225-228 17,11-19 259-262 12,12 318.359
2,27 247f. 24,19 26716.294
3,1-6 239-241
3,4 249 Gal
3,14f. 196 Joh-Ev 3,5 341
3,22-26 174-182 2,1-12 279-281
3,27 176L189-191 4,46-54 257-259
4,35-41 272-274 5,1-47 244f. Phil
5,1-20 205-209 5,2-9b 228f. 3,2 324.329
5,22-43 263-266 5,8 353
5,25-34 229-231 6,1-15 274
6,6b-13 195-199.319 6,16-21 275 1 Thess
6,30-44 274 7,15-24 244f. 1,5 32943
6,45-52 275 9,1-7 236-238 l,9f. 356
7,24-30 254-257 9,1-47 245-247
7,31-37 231-234 11,1-44 268-270
8,1-10 274 21,1-14 277-279 / Tim
8,llf. 281-285 5,18 326.33354
8,22-26 234-236
9,14-29 209-215 Apg
9,28f. 342-344 2,22 29522.356 Jak
9,38-40 335f. 3,6 22723.354 5,14-16 344-347
10,46-52 238f. 5,36 145
ll,12ff. 275f. 9,34 354
16,15-20 336-339 9,36-43 264f. Apk
16,17f. 322 10,38 29522.356 2,2 376
438 Register

i) Ntl. Apokryphen
Act Andr Act Petr Act Thom
5 352f. 11 207L3S2 30 355
27 354L359 53 355
Act Joh 75 355
41 353 Act Phil 77 214.352
56 374f. 128 236 81 353
57 353
75 355 Act Pt (Nag Hammadi) Ep Ap
83 355 8,llff. 339f.365.375 5 207.352.357f.

j) Apostolische Väter, christliche Apologeten, Kirchenväter


Aristides Irenäus Origenes ( Forts.)
Apol 10,5 37442 Haer123 lOOf. VI ,40 233.345
115 152 VII,4 344
Athenagoras 1131,2 265.347L Comm ad
Suppl 29 36615.37442 1132,4 265.3389. M t 26,26 15041.2335.
347L37S 349
Clemens Alexandrinus 1132,5 350f. Pol
P r o t 1130,1 366f. Phil 6,1 345
StromV130 94f. Justin
VI 31 273 Apol 126 98-100 Pseudo-Clemens
116,6 373 V i r g l 12 343L353
Didache Dial 30,3 344.352
ll,3ff. 335 85,3 12110.352 Tertullian
Apol23,15 351
Hippolyt Origenes 37,9 373
G C S 1,343 150 Cels 1,6 351.361 Scap 4,5f. 3198.37439
1,46 375
Ign 111,24 351.361 Theophilus von Antioch,
Eph 7,2 364f. IV,34 157f. Autolyc2,8 207f.
Forschungen zur Religion und Literatur des Alten und
Neuen Testaments
Herausgegeben von Wolfgang Schräge und Rudolf Smend. Eine Auswahl:

169: Andreas Dettwiler 163: Werner Kahl


Die Gegenwart des Erhöhten New Testament Miracle Stories in their
Eine exegetische Studie zu den johanne- Religious-Historical Setting
ischen Abschiedsreden (Joh 13,31 - 16,33) A Religionsgeschichtliche Comparison from
unter Berücksichtigung ihres Relecture- a Structural Perspective. 1994. 259 Seiten,
Charakters. 1995. 328 Seiten, geb. Leinen. ISBN 3-525-53845-6
ISBN 3-525-53852-9
162: Rüdiger Lux
168: Ferdinand Ahuis Jona. Prophet zwischen "Verweigerung"
Exodus 11,1-13,16 und die Bedeutung der und "Gehorsam"
Trägergruppen fürdas Verständnis des Passa Eine erzählanalytische Studie. 1994. 240
1996. 126 Seiten, kartoniert Seiten, Leinen. ISBN 3-525-53844-8
ISBN 3-525-53851-0 161: Martin Winter
167: Albrecht Scriba Das Vermächtnis Jesu und die
Die Geschichte des Motivkomplexes Abschiedsworte der Väter
Theophanie Gattungsgeschichtliche Untersuchung der
Seine Elemente, Einbindung in Geschehens- Vermächtnisrede im Blick auf Joh. 13-17.
abläufe und Verwendungsweisen in altisrae- 1994. 370 Seiten, Leinen
litischer, frühjüdischer und frühchristlicher ISBN 3-525-53843-X
Literatur. 1995. 274 Seiten, 1 Tabelle, 160: Odil Hannes Steck
Leinen. ISBN 3-525-53850-2 Das apokryphe Baruchbuch
166: Brigitte Seifert Studien zu Rezeption und Konzentration
Metaphorisches Reden von Gott im "kanonischer" Überlieferung. 1993.
Hoseabuch XI, 340 Seiten, Leinen. ISBN 3-525-53842-1
1996. 285 Seiten, Leinen 159: Hans Jonas
ISBN 3-525-53848-0 Gnosis und spätantiker Geist
Teil 2: Von der Mythologie zur mystischen
165: Jan Christian Gertz
Philosophie. Erste und zweite Hälfte.
Die Gerichtsorganisation Israels im
Hrsg. von Kurt Rudolph. 1993. XVI, 410 Sei-
deuteronomischen Gesetz
ten, Leinen. ISBN 3-525-53841-3
1994. 256 Seiten, Leinen
Teil 1: Die mythologische Gnosis
ISBN 3-525-53847-2
Band 33 dieser Reihe. ISBN 3-525-53123-0
164- Gerhard Saß
Leben aus den Verheißungen
Traditionsgeschichtliche und biblisch-theo-
logische Untersuchungen zur Rede von
Gottes Verheißungen im Frühjudentum und
beim Apostel Paulus. 1995. 579 Seiten,
VctR
Vandenhoeck
Leinen. ISBN 3-525-53846-4 &. Ruprecht

A
Glaube und Heilung

Bernhard Bron Gerd Theißen / Annette Merz


Das Wunder Der historische Jesus
Das theologische Wunderverständnis im Ein Lehrbuch. 1996. Ca. 560 Seiten,
Horizont des neuzeitlichen Natur- und kartoniert: ISBN 3-525-52143-X
Geschichtsbegriffs. (Göttinger Theologische Leinen: ISBN 3-525-52149-9
Arbeiten, 2). 2. Auflage 1979. 346 Seiten,
kartoniert. ISBN 3-525-87350-6 Das Lehrbuch will auf möglichst
sachliche und verständliche Weise
Der Verfasser stellt zunächst die über die Ergebnisse der wissenschaft-
Geschichte des Wunderbegriffs von lichen Forschung zum historischen
Augustin bis Schleiermacher dar und Jesus informieren. Jesus wird als eine
sodann das Verständnis des Wunders, auch heute noch erkennbare, tief im
wie dieses angesichts des geistigen Judentum verwurzelte, profilierte
Umbruchs der Neuzeit in der Theolo- Gestalt dargestellt. Abschließend wird
gie des 20. Jahrhunderts durch drei der Weg von seinem Selbstverständnis,
verschiedene Grundkonzeptionen in Gottes Handeln eine entscheidende
artikuliert worden ist. Ein besonderer Rolle zu spielen, zur Verehrung seiner
Wert dieser Arbeit liegt in der kon- Person als Messias und Gottessohn
struktiven Erschließung der Denk- verständlich gemacht.
strukturen, die den verschiedenen
theologischen und philosophischen Der Text ist didaktisch aufgearbeitet,
Positionen zugrunde liegen. u.a. durch viele Übersichten und
Tabellen sowie Anstöße zur hermeneu-
tischen Reflexion über die Gegen-
Urban Forell wartsbedeutung und -problematik der
diskutierten historischen Sachverhalte.
Wunderbegriffe und logische
Analyse
Logisch-philosophische Analyse von
Begriffen und Begriffsbildungen aus der
deutschen protestantischen Theologie des
20. Jahrhunderts. (Forschungen zur
systematischen und ökumenischen
Theologie, 17). 1967. 461 Seiten, kartoniert
ISBN 3-525-56219-5

V&R
Vandenhoeck
&_ Ruprecht

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