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BERND KOLLMANN
Herausgegeben von
Wolfgang Schräge und Rudolf Smend
Kollmann, Bernd:
Jesus und die Christen als Wundertäter: Studien zu Magie,
Medizin und Schamanismus in Antike und Christentum / Bernd Kollmann.
Göttingen: Vandenhoeck und Ruprecht, 1996
(Forschungen zur Religion und Literatur des Alten und
Neuen Testaments; H. 170)
Zugl.: Göttingen, Univ., Habil.-Schr., 1994/95
ISBN 3-525-53853-7
NE:GT
Vorwort
Abkürzungen
I. Einleitung
V. Frühchristliches Wundercharismatikertum
in der Nachfolge Jesu 316
1. Wunderwirkende Apostel und Propheten
in der Tradition der Aussendungsrede 316
1.1. Die Sendboten der Logienquelle 316
Exkurs : Das Verständnis der Aussendungstradition
bei Mk, Mt und Lk 318
1.2. Die Gegner des Paulus im 2 Kor 323
Exkurs : Die Aussendungsanordnungen Jesu
bei Pls und seinen Gegnern in Korinth 325
1.3. Wunderprophetentum im Umfeld des Mt-Ev (Mt 7,15-23) 330
1.4. Der fremde Dämonenaustreiber (Mk 9,38-40) 335
Inhalt 11
1. Textausgaben 381
2. Hilfsmittel 389
3. Sekundärliteratur 390
1. Autoren 432
2. Namen und Sachen 433
3. Stellen 434
Abkürzungen
Naturen zu bilden, so sei es ihm auch nicht unmöglich, die von ihm
gebildeten Naturen nach Belieben umzugestalten (Civ Dei XXI,8).
Das von Augustin aufgeworfene Problem, daß Gott einerseits als
Schöpfer nichts im Selbstwiderspruch gegen die von ihm geschaffene
Natur tut, andererseits offenkundig gegen den gewohnten Ablauf der
Natur Wunder geschehen, wird von Thomas von Aquin aufgegriffen und
durch eine Unterscheidung zwischen unveränderlicher prima causa und
variablen secundae causae der Ordnung der Dinge einer neuen Lösung
zugeführt. Da die Naturordnung als ordo secundarum causarum auf Got-
tes freier Willensentscheidung beruht und von ihm auch anders hätte ein-
gerichtet werden können, kann Gott beliebig an ihr vorbei wirken, ohne
in Widerspruch zu seiner eigenen Gerechtigkeit zu verfallen. Gott be-
hielt sich bei der Schaffung der Naturordnung vor, zuweilen aus irgend-
welchen Gründen auch gegen sie zu handeln (Summa Theologia I 105,6).
Diese Prämisse, daß man Gott als Schöpfer mit großer Selbstver-
ständlichkeit das Recht zugestand, nach Belieben mit seiner Welt zu
verfahren und gegebenenfalls durch Wunder die von ihm eingerichtete
Naturordnung zu durchbrechen, wurde erst in der Neuzeit im Zuge der
Aufklärung und der zunehmenden Entwicklung der Naturwissenschaften
radikal in Frage gestellt 2 . Als Vorreiter der rationalen Wunderkritik
konstatierte Spinoza einen unüberbrückbaren Gegensatz zwischen Wun-
derglauben und Vernunft. Es geschehe nichts gegen die Natur mit ihren
unveränderlichen Gesetzen. Aus Gewohnheit oder aus bewußtem Wi-
derspruch gegenüber den Naturwissenschaften wolle das gemeine Volk
nichts von den natürlichen Ursachen der Dinge wissen und begehre nur
solche Dinge zu hören, die es am wenigsten kennt und deshalb am
meisten bewundern kann 3 . Speziell auf das Neue Testament bezogen
machte H.S. Reimarus mit einer rein vernunftgeleiteten Betrachtung der
Wunder ernst, indem er diese weitgehend als Blendwerk Jesu oder als
Fiktion der Evangelienschreiber ansah 4 . Konsequent widerlegt wurden
alle durch Reimarus provozierten rationalistischen wie supranaturalisti-
schen Erklärungsversuche der Wunder dann durch D.F. Strauß. Die
biblischen Wundertexte wollen ihrer Intention nach eindeutig von über-
natürlichen Ereignissen berichten, die jedoch in Wirklichkeit nicht so
geschehen sein können. Folglich handelt es sich um Mythen, die "nicht
als Abdruck einer Tatsache, sondern als Niederschlag einer Idee" zu
betrachten sind 5 .
6 Bultmann, Zur Frage des Wunders 227. - Unter einem Mirakel versteht
Bultmann ein dahingehend verengtes Wunder, daß man Gott nur noch als den
übernatürlichen Verursacher des Wunders betrachtet, ohne das Ereignis als
solches als Gottes Tat zu verstehen (aaO. 214).
7 Vgl. Friedrich, ThWNT III 713f., wo die reformatorische Lehre von der
Priorität des Wortes die historisch-exegetische Betrachtung der Wundertaten
Jesu leitet: "Die Wunder sind als ai|ueTa verbum visibile ähnlich wie die
Sakramente. Wie es ohne das Wort kein Sakrament gibt, so auch kein Wun-
der ohne den Prediger von Gottes Tat."
16 Einleitung
1.1. Die Wunder Jesu als Betrug oder Fiktion (H.S. Reimarus)
Den Auftakt einer historisch-kritischen Betrachtung der Wunder Jesu
markiert H.S. Reimarus mit seiner "Apologie oder Schutzschrift für die
vernünftigen Verehrer Gottes". Dem bis dahin üblichen Fürwahrhalten
sämtlicher ntl Wunderberichte und ihrer supranaturalistischen Interpre-
tation begegnet Reimarus mit einer von der Vernunft geleiteten histori-
schen Skepsis. Die Wunder des NT seien zwar nicht so "vollkommen
widersinnig und übertrieben" wie die des AT, unterlägen aber als Be-
richte von Menschen, "welche alle Mängel und Fehler des menschlichen
Verstandes und Willens an sich hatten", erheblichen Zweifeln1. Neben
Leichtgläubigkeit, Wundersucht und mangelhafter Unterscheidung des
Natürlichen vom Übernatürlichen sei dabei auch mit gezieltem Betrug zu
rechnen, indem einzelne Personen sich als geheilt ausgaben oder indem
Jesus unter Zuhilfenahme des volkstümlichen Aberglaubens so tat, als ob
2 Reimarus. Apologie 380, vgl. ebda. 134: "Woher sollen wir armen Leute
nach 1700 Jahren überführt werden, daß die zweydeutigen (sc. Wunder) ihre
Richtigkeit gehabt, und daß die übrigen, welche nicht so zweydeutig gewesen
seyn würden wenn sie wirklich geschehen wären, von Jesu Jüngern aufrichtig
niedergeschrieben worden, da sie bey 30 Jahre nach seinem Tode schrieben,
wie niemand mehr war, der ihr Vorgeben wiederlegen konnte, oder der es
einmal erfuhr und sich darum bekümmerte; zumal zu der Zeit alles in Judäa
in der grösten Verwirrung und Unruhe war?"
3 Vgl. Schweitzer, Leben-Jesu-Forschung 69-105. Exemplarisch werden
nachfolgend das volkstümliche Leben Jesu von C.H. Venturini und das wis-
senschaftliche Leben Jesu von H.E.G. Paulus dargestellt.
4 Venturini, Natuerliche Geschichte Bd. II 18. Sämtliche nachfolgenden
Seitenangaben beziehen sich auf diesen Band.
20 Stand der Forschung
5 Bei einem Sturm spricht Jesus als Wetterkundiger davon, daß dieser sich
legen müsse. Als das tatsächlich geschieht, schreiben es die Jünger fälschli-
cherweise dem Wirken Jesu zu (I67ff.). Bei der Speisung der 5000 hat keine
wunderbare Vermehrung von Lebensmitteln stattgefunden, sondern Jesu Er-
mahnung zu Freigiebigkeit und Wohltätigkeit animierte die Reichen zum Tei-
len mit den Armen (493ff.). Der Seewandelbericht erklärt sich dadurch, daß
die Jünger den am Ufer gehenden Jesus irrtümlicherweise auf dem Wasser
wähnen (497f.).
6 Paulus, Leben Jesu I, Teil I 234. Die nachfolgenden Seitenangaben be-
ziehen sich auf diesen Teil.
Historischer Wert der ntl Wundergeschichten 21
entweder die Existenz einer OEIOC, ivfjp-Konzeption für die Antike über-
haupt bestritten, oder man glaubt, unter einseitiger Beanspruchung eines
atl-jüdischen Traditionshintergrunds für die ntl Wundergeschichten de-
ren hellenistische Parallelen von vornherein vernachlässigen zu können.
0. Betz weist darauf hin, daß der Begriff ÖEIOC, ävrjp in der griechi-
schen Literatur relativ selten begegnet, und meldet Zweifel an einer
festgeprägten antiken ikToc, ävfip-Konzeption an. Speziell für Mk 4,35-41
und 5,1-20 konstatiert Betz eine Reihe motivgeschichtlicher Bezüge auf
das AT und fällt auf dieser Basis ein die gesamte syn-joh Wunderüber-
lieferung betreffendes Pauschalurteil: "In general, the Old Testament and
the milieu of Jewish exegesis help to explain best the miracles in the
gospels." 20
W. Grimm interpretiert sämtliche syn Wundererzählungen auf einem
atl Traditionshintergrund, ohne daß eine differenzierte Wahrnehmung
hellenistischer Parallelen auch nur in Ansätzen erkennbar wäre. Ange-
sichts der behaupteten Bezüge zwischen Jesu Heilungen und der atl
Wunderüberlieferung "erübrigt sich eine detaillierte Bestandsaufnahme
der in die synoptischen Heilungsberichte eingedrungenen Stilelemente
antiker - außeralttestamentlicher - Wundergeschichten" 21 , die unter
diesem Aspekt "einfach irrelevant" seien.
Auch R. Glöckner vermutet, "daß die neutestamentlichen Wunderge-
schichten mehr von alttestamentlicher Frömmigkeit geprägt sind, als daß
hellenistische Religiosität in ihnen zu Wort kommt." 22 Er untersucht
vier Wunderberichte (Mk 4,35-41; 5,1-20; Lk 13,10-17; 17,11-19) auf
Motivberührungen mit den atl Psalmen hin und erhofft sich davon, "die
Glaubwürdigkeit der Jesus-Erzählungen insofern zu stützen, als sie
wieder näher an ein genuin biblisches Entstehungsmilieu herangebracht
werden und damit von dem Verdacht freikommen, Produkte helleni-
stisch-heidnischer Religionspropaganda zu sein" (23). Die unmittelbaren
historischen Ergebnisse bleiben allerdings hinter dieser Programmatik
deutlich zurück, indem im wesentlichen einige angeblich unableitbar-
individuelle Topoi als Indiz für die Historizität einzelner Wunderge-
schichten gelten (167).
dertäter dankt und selbst das Erlebte weitersagt, kann doch die Vermu-
tung aufkommen, daß das Bekenntnis des Betroffenen der erste Sitz im
Leben für die Wundergeschichten war." In gewisser Analogie zu den
Gegebenheiten an den Inkubationsheilstätten von Epidauros und Lebena
"wären diese Geschichten zwar nicht am Tempel, aber in den Ortsge-
meinden von interessierten Funktionären zusammengetragen, dabei in
die 3.Person und in stereotype Form umgegossen worden" 3 3 .
2.1. Jesus als Wunderprophet (R. Meyer, E.P. Sanders, P.W. Barnett u.a.)
Nach wie vor recht populär ist der Versuch, die von Jesus überlieferten
* Machttaten im Kontext eines Wunderprophetentums zu betrachten,
wie es für das AT und das antike Judentum belegt ist 2 . J. Klausner
zufolge nahm Jesus die Stelle Johannes des Täufers ein, der seinerseits
für Elia gehalten wurde. Folglich mußte Jesus die Wunder von Elia
und dessen Schüler Elisa nachahmen oder besser noch übertreffen, um
Einfluß als Prophet zu gewinnen 3 . Auch für R. Meyer steht außer Fra-
ge, daß Jesus sich als Prophet dazu berufen sah, die Herrschaft Gottes
heraufzuführen 4 . Im Rahmen dieses prophetischen Bewußtseins mit
präsentischen Heilsbezügen habe Jesus "in seinen und auch seiner
Jünger Taten Siege über die Welt des Satans, damit aber zugleich den
Anbruch der Endzeit, in der die widergöttlichen Geistermächte gebun-
den sein würden", gesehen 5 . W. Grimm kommt unter Berufung auf Mt
ll,5par und die von ihm ohne jede historische Skepsis betrachteten syn
Heilungswundererzählungen zu dem Urteil, Jesus verstehe "seine wun-
derbare Heilstätigkeit sowohl als Erfüllung der Prophetie Jesajas als
auch in gewisser Analogie zu Elias und Elisas Wundern." 6
U.B. Müller macht nachhaltig auf prophetische Strukturen der Verkün-
digung Jesu aufmerksam und geht dabei am Rande auch auf Wunder-
aspekte ein. Das Logion vom Satanssturz Lk 10,18 markiere als prophe-
tische Berufungsvision den Auftakt des selbständigen Auftretens Jesu 7 ,
wobei die dortige Entmachtung des Satan die Voraussetzung darstelle,
aufgrund derer die Durchsetzung der Gottesherrschaft auf Erden in Jesu
Dämonenaustreibungen (Lk ll,20par) möglich sei. Ähnlich kommt E.P.
Sanders von der Verkündigung und Lehre Jesu her zu der Überzeugung,
daß es sich bei Jesus um einen eschatologischen Propheten handelte,
und sieht die für sich nicht aussagekräftigen Wundertaten damit kompa-
tibel. Zugleich rückt Sanders Jesus in die Nähe der jüdischen Zeichen-
propheten des l.Jhdt.n.Chr., von denen ihn sowohl R. Meyer als auch
U.B. Müller unter Verweis auf die Zeichenverweigerung Mt 8,12parr
scharf abgegrenzt hatten. "I am inclined to put him (sc. Jesus) closer to
Theudas than to Honi or to the magicians of the PGM, but that is be-
cause there is other evidence which leads us to think of Jesus as an
eschatological prophet, not because the miracles make him one." 8
P.W. Barnett bemüht sich demgegenüber gerade unter Berufung auf
die Wunder um den Nachweis enger Bindungen zwischen Jesus und den
Zeichenpropheten, wie sie bereits von der zelotischen Jesusinterpreta-
tion massiv postuliert worden waren 9 . Es bestehe ein mit Jesus einset-
zendes common pattern prophetischer Figuren, die an einem symbol-
trächtigen Ort vor einer großen Volksmenge ein Zeichen zu wirken
suchten 1 0 . Barnett verweist diesbezüglich bei Jesus ausdrücklich auf die
Speisung der 5000. RA. Horsley und J.S. Hanson, die für das ntl Zeital-
ter zwischen jüdischen "oracular prophets" und "action prophets" unter-
scheiden, ordnen Jesus zwar eher der erstgenannten Bewegung zu,
sehen aber in der von Urzeit-Endzeit-Entsprechungen ("as it was in the
days of old ... so now will it be ... ) geprägten Verkündigung Jesu Be-
rührungen mit der action prophecy der Zeichenpropheten 11 .
sen. "In dieser Welt von Jammer, Elend, Schmutz und Verworfenheit,
die ihn täglich umgibt, bleibt er lebendig, rein und immer tätig." 15
S. Eitrem vertritt die Auffassung, Jesus habe sich bereits vor seinem
Bekanntwerden mit der Täuferbewegung als Wunderheiler mit volkstüm-
lichen medizinischen Praktiken einen Namen gemacht, und Logien wie
Mk 2,17 und Lk 4,23 reflektierten diese "vorjohanneische Praxis". Die
Taufe durch Johannes markiere dann den entscheidenden Wendepunkt,
indem Jesus kraft des Geistbesitzes mit der "radikalen prophetischen
Vertreibung der Dämonen" nunmehr ohne besondere Techniken, sondern
allein durch das Wort begonnen habe 1 6 . Daß den Evangelien zufolge
auch nach der Taufe Jesu noch Heilungen mit volkstümlich-medizini-
schen Praktiken wie Handauflegung oder Speichelanwendung erfolgten,
erklärt Eitrem als einen durch besondere Umstände bedingten Rückfall
in die vor der Begegnung mit dem Täufer liegende Phase von Jesu "me-
dizinischem" Wunderwirken. In Momenten der Schwachheit habe Jesus,
zumal bei Ablehnung, keinen spirituellen Kontakt mit dem Volk herstel-
len können und sei dann nicht zu rein wortgewirkten Wundertaten fähig
gewesen, sondern habe sich der Handauflegung als Heiltechnik bedienen
müssen (Mk 6,2) 17 . Im Gebiet von Tyros und Sidon sowie in der Deka-
polis (vgl. Mk 7,31-37) habe man ihm zudem nicht den Glauben an die
Macht Gottes als entscheidende Voraussetzung für die ausschließlich
durch das Wort zustandekommenden Heilungen entgegengebracht.
Daß hier nicht allein die Wunderberichte selbst, sondern auch die
hochgradig redaktionelle Stoffanordnung in den Evangelien unkritisch
historisiert und zudem mit der unbeweisbaren Hypothese einer der
Johannestaufe vorangehenden medizinischen Heiltätigkeit Jesu über-
frachtet wird, läßt Eitrems Konzeption von vornherein als wenig plausi-
bel erscheinen. Nachzugehen ist allerdings der Frage, wie sich die
medizinisch-pharmakologischen Techniken in einzelnen syn-joh Wun-
dererzählungen erklären und ob Jesu Wunderwirksamkeit mit im weite-
sten Sinne ärztlichen Maßstäben sachgerecht erfaßt werden kann.
2.3. Jesus als pneumatisch begabter Theios Aner (H. Windisch, L. Bieler)
Während man in der Gegenwart die ntl Wunderüberlieferung eher von
nachösterlichen #ETOC, ävf|p-Vorstellungen geprägt sieht, suchten H.
Windisch und L. Bieler bereits Jesus selber als wunderwirkenden {tetbc.
15 Ebda. 130.
16 Eitrem, Notes 12L64
17 Ebda. 65f.
Bilder von Jesus als Wundertäter 35
ävrjp oder ÖETOC, öcvöpuTtoc. zu begreifen, wie er im Hellenismus in erster
Linie durch Apollonius von Tyana repräsentiert wird.
H. Windisch zufolge wußte sich Jesus seit seiner Taufe als Pneumati-
ker mit prophetisch-messianischen Zügen, für den sogar häufigere
ekstatische Zustände und Äußerungen wahrscheinlich seien. Speziell Je-
su "exorcistische und medizinische Taten" seien durch die ihm zuge-
schriebene E^ouoia (Mk 1,22) wie durch den Begriff Süvauic, (u.a. Mk 6,2;
Mt 11,21.23par) als pneumatisch gewirkte Krafttaten ausgewiesen 18 .
Nicht zuletzt aufgrund dieser göttlichen Wunderkräfte rechnet Windisch
Jesus den ÖEIOI av&pwitoi der griechisch-römischen Antike zu 1 9 , wie er
dies auch mit den Gottesmännern des AT und mit Paulus tut. Ein ge-
wisses Proprium gegenüber den hellenistischen ÖEIOI avdpuitoi, das Jesus
freilich mit Paulus teile, sieht Windisch in einer deutlichen Überlegen-
heit an Gotteskraft und Gottesweisheit. Von den ÖEIOI äv^purtoi des AT, na-
mentlich Mose und den Propheten, hebe sich der Prophet und Wunder-
täter Jesus hingegen duich seine Kreuzigung und Verherrlichung ab 2 0 .
Auch L. Bieler ordnet Jesus dem Typus des antiken fotöc. ävf|p, einem
sich durch besondere Taten auszeichnenden religiösen Helden, zu. Er
grenzt dabei die Wunder der ÖEIOI avSpsc. wegen eines in ihnen manife-
sten unmittelbaren Ausflusses göttlicher Kraft scharf von Magie und
Goetie ab 2 1 . Vom äußeren Erscheinungsbild her sieht Bieler offenkundig
keine nennenswerten Unterschiede zwischen Jesus und anderen ÖEIOI
ävSpEc,. Maßgebliches Unterscheidungskriterium ist vielmehr der jeweili-
ge Geist, der die Gestalten beseelt. "In ihren letzten Tiefen kann die
einzigartige Persönlichkeit Jesu nur aus sich selbst erklärt werden ...;
daß die besondere Art ihrer Formung dem homo religiosus der Zeit ent-
spricht, ist durchaus natürlich: das Bild des &. dt. (sc. &EIÖC. dtvfjp) ist
eben die feste Form, in die der jeweils neue Gehalt einer göttlichen
Botschaft eingeschlossen wird, in der er sichtbare Gestalt annimmt"
(149). Und: "... der gläubige Christ darf freilich noch einen Schritt wei-
ter gehen: für ihn ist Christus als Gottessohn Realität, der $. ä. aber die
gegebene Lebensform, deren sich der Verkünder der göttlichen Offen-
barung in seiner Zeit und Kultur bedienen konnte" (150).
22 Petzke, Apollonius von Tyana und das NT 161-194. Vgl. auch M. Smith,
Jesus the Magician 84-93, der das Auftreten von Jesus und Apollonius von
Tyana als Magiern mit göttlichem Anspruch weitgehend parallelisiert, und
Betz, RAC XII (1983) 290: Die ntl Darstellung Jesu als OETOC, dvijp könne
sich auf das Erscheinungsbild des historischen Jesus berufen.
23 Böcher, Christus Exorcista 166f.; ders., Das NT und die dämonischen
Mächte 53f. Ähnlich Twelftree, Jesus the Exorcist, der alle syn Dämonen-
austreibungsberichte im Prinzip für historisch hält und Jesus als machtvol-
len, sogar Gewalt freisetzenden (Mk 1,26; 5,11-13; 9,26) Exorzisten mit
eschatologischem Proprium betrachtet, allerdings ohne Überzeugungskraft um
jeden Preis ausschließen will, daß Jesus Magier war oder zumindest von sei-
nen Zeitgenossen als solcher betrachtet wurde (190-207).
Bilder von Jesus als Wundertäter 37
brauch seines Namens erfolgte (Mk 9,38-40), reihe Jesus in die Schar
erfolgreicher antiker Geisterbanner ein, deren machtgeladener Namen
sich spätere Zauberer häufig bedienten.
M. Smith behauptete nach seiner Entdeckung des "Secret Gospel of
Mark", in dem er den Beweis für eine magisch-esoterische Taufpraxis
sah, die gesamte Wirksamkeit Jesu sei von Magie geprägt gewesen 2 4 . In
voller Breite entfaltet wird diese Sehweise dann in "Jesus the
Magician" 25 , wo Smith aus den Evangelien das in sich stimmige und
glaubwürdige Bild einer Magierlaufbahn zu rekonstruieren sucht, die mit
Jesu Taufe einsetzt und mit der Stiftung des Abendmahls endet. Wir
können uns auf den Wunderaspekt beschränken, zumal Wundertaten für
Smith das entscheidende Merkmal eines Magiers ausmachen. Bei Magie
handelt es sich für ihn um eine lehrbare Technik, die im wesentlichen
aus Hypnose, Schauspielerei und Pharmakologie besteht. Diese Kompo-
nenten meint Smith bei Jesus wiederfinden zu können. Die Wunder Jesu
seien vollständig dem Repertoire des Magiers entnommen (107), wobei
auch das Aussenden von Geistern als "schwärzeste Art von Magie" we-
nigstens in heruntergespielter Form (Mk 5,13) begegne (110). Eine "Spe-
zialität antiker Magier" stelle das Gebet dar, das Jesus in Analogie zu
anderen Magiern seinen Schüler lehrte (Mk 9,28f; Mt 6,7ff.) (130ff).
Daneben habe Jesus zu physisch-magischen Mitteln wie Berührung
durch die Hand (u.a. Mk 1,31) und Speichelverwendung (Mk 8,23; Joh
9,6) greifen können (128). Auch die schauspielerische, der Sicherung
des Lebensunterhalts dienende Komponente des Magiertums stellt Smith
für Jesus in Rechnung (133f).
Daß sich in den Evangelien selber nur recht spärliche Hinweise auf
magische Wunderpraktiken Jesu finden, hält Smith für bedeutungslos.
Hier greift die quellenmäßig ohne Anhalt bleibende These von "sup-
pressed evidence", "unterdrücktem Beweismaterial". Aus apologetischen
Motiven heraus seien die Evangelienstoffe einer "defensiven Zensur" mit
Unterdrückung magischer Züge Jesu unterworfen worden 2 6 , und hinter
27 M. Smith, Jesus the Magician 146. Ergänzend rechnet Smith, aaO. 95,
mit einem Verschweigen magischer Jesustradition aus Gründen der Arkan-
disziplin. Anders noch M. Smith, Secret Gospel 222L235: Mit dem Geist als
willfährigem Paredros habe Jesus als Magier auf ausführliche Beschwörungs-
formulare und Zaubersprüche verzichten können (vgl. PGM IV,2081ff.).
28 Crossan, Historical Jesus 422, zum Ganzen ebda. 303-353.
29 Crossan, aaO. 317f.
Bilder von Jesus als Wundertäter 39
trachten. Vereinzelt wird das Phänomen des Schamanismus auch zur
Erklärung von Naturwundern herangezogen.
J. Klausner geht davon aus, daß Galiläa in ntl Zeit voll von Hysteri-
kern und Psychopathen war, nicht zuletzt aufgrund der wirren politi-
schen Verhältnisse. Bei den von Jesus therapierten Krankheiten habe es
sich um Nervenleiden gehandelt, die ein mit besonderer Suggestivkraft
begabter Mensch körperlich und geistig bessern könne. Wie Vespasian,
Mohammed oder Napoleon habe Jesus als Wunderheiler Suggestion und
Hypnose angewandt: "Menschen mit besonderer Willensstärke und
einem reichen Innenleben können durch ihren entweder eindringlichen
oder sanften Blick oder auch nur durch die innere Festigkeit dieses
Willens auf Nervenkranke verschiedenster Art, zuweilen selbst auf völlig
Verrückte, eine heilsame Wirkung ausüben." 30 Unter Verweis auf Mt
12,43-45 rechnet Klausner mit einer gewissen Rückfallquote bei Jesu
Heilungen und bringt hiermit auch die mk Geheimhaltungsgebote in
Zusammenhang. Diese resultierten aus einer Furcht Jesu vor überstei-
gerten Ansprüchen an ihn, der bei seinen Wundern nicht immer erfolg-
reich gewesen sei und sich scheute, sie allzu oft anzuwenden 31 .
E. Drewermann zufolge bedarf es einer intensiven Beschäftigung mit
dem Verständnis von Krankheit und Wunderheilung in "primitiven"
Stammeskulturen, um überhaupt erst ein Erfassen der Faktizität und
Bedeutung des Wunderwirkens Jesu zu ermöglichen. "So paradox ist
jetzt die Lage: während die historisch-kritische Bibelwissenschaft als
ein verspäteter Bastard des Rationalismus und Säkularismus von einer
Peinlichkeit in die andere stolpert, kann ein einziger Blick auf das Le-
ben eines wirklichen Wunderheilers außerhalb des europäischen Kultur-
kreises zeigen, wie die Wunder der Heilung zu verstehen sind und vor
allem: welch eine Wirkmacht einer unverfälschten Form von Religiosität
zuzutrauen ist." 3 2 Drewermann sieht nicht den geringsten Anlaß, an der
Historizität atl, ntl oder paganer Wundertraditionen prinzipielle Zweifel
anzumelden 3 3 . Grundsätzlich könnten sich zahlreiche Heilungen in solch
einer Weise zugetragen haben, wie sie in der Bibel und anderswo be-
richtet werden. Da Krankheit bei den "Naturvölkern" mit deren ganz-
34 Ebda. 98f. Der Aussatz von Mk 1,40-44 etwa ist eine Krankheit der
Seele (Drewermann, Mk-Ev I 217f.), die Lähmung von Mk 2,1-12 hat hy-
sterische Ursachen (ebda. 223); vgl. auch die phantasievollen Krankenge-
schichten zu Mk 1,29-31 (Jesus als Auslöser der Krankheit!) und 5,25-34
(Mk-Ev I 205f. bzw. Tiefenpsychologie und Exegese II 28lff.). Ähnlich hatte
bereits Otto, Reich Gottes 279f., die syn Besessenenheilungen als Befreiung
von Schizophrenie und Zwangsideen interpretiert und in den Heilungsberichten
Blutfluß, Blindheit, Taubheit und Stummheit als hysterische, nervös bedingte
Krankheitssymptome betrachtet, die Jesus als Charismatiker geheilt habe.
35 Tiefenpsychologie und Exegese II 125; vgl. Mk-Ev I 200f.
36 Tiefenpsychologie und Exegese II 165-169.
37 Ebda. 125.138.
Bilder von Jesus als W u n d e r t ä t e r 41
Dosa auf 38 . Über drei dieser vier Wundertäter werde analog zu Jesus
berichtet, daß ihre Beziehung zu Gott wie die eines Sohnes zum Vater
war. Weitere Übereinstimmungen sieht Flusser in jeweiligen Spannungen
zwischen Wundercharismatikertum und Schriftgelehrtenstand, einer ge-
zwungenermaßen oder bewußt armen Lebensweise des Wundertäters
sowie in einer Vollbringung des Wunders im Verborgenen.
Noch konsequenter vertritt G. Vermes die Auffassung, Jesu Heilungen
und Dämonenaustreibungen seien erst auf dem Hintergrund eines zeit-
genössischen Wundercharismatikertums jüdischer Chasidim in ihrer
wirklichen Bedeutung zu erfassen. Jesus sei aufgrund des Verzichts auf
magische Praktiken kein professioneller, mit geheimen Kräften operie-
render Exorzist wie etwa Eleazar (Joseph, Ant VIII,46f), sondern gehöre
in ein mit dem Auftreten Elias und Elisas gesetztes jüdisches pattern
von Chasidim, die durch unmittelbaren, spontanen Kontakt mit Gott
Wundertaten vollbringen und sich dabei allein einer Kombination von
Gebet, dämonenvertreibendem Wort und Handauflegung oder anderwei-
tiger Berührung bedienten. Literarisch habe sich dieses pattern bei-
spielsweise im Genesis-Apokryphon (1 Q Gen Ap XX,12-29), dem Gebet
des Nabonid (4 Q Or Nab) und in bMeil 17b niedergeschlagen 39 . Histo-
risch sei es im Judentum des ntl Zeitalters bei Choni dem Kreiszieher
und Chanina ben Dosa greifbar, mit denen Jesus als hervorstechender
Repräsentant eines "first-century charismatic Judaism and as the para-
mount example of the early Hasidim or Devout" in besagte alte, genuin
charismatische Linie eingereiht werden könne 4 0 .
Auch S. Safrai bringt Jesus mit einer maßgeblich von Choni und Cha-
nina ben Dosa als "Männern der Tat" repräsentierten chasidischen Bewe-
gung in Galiläa in Verbindung41. Entscheidende Charakteristika dieser
Chasidim seien Armut und eine Vorordnung der guten Tat gegenüber der
Gesetzesobservanz. Ohne "actually a Hasid or a member in any form or
fashion of the basically Galilean Hasidic movement of his time" zu sein,
weise Jesus doch eine "similarity and affinity" mit den Chasidim "in
teaching, lifestyle, behaviour and relationship with the sages" auf42.
38 Flusser, Jesus 8 9 - 9 1 .
39 V e r m e s , Jesus the Jew 6 5 - 6 8 .
40 Ebda. 79.
41 Safrai, HWVT2 • »ÜJKI Cp-POPI 133-154. Vgl. bereits ders., Teaching of
Pietists 32, wo ohne Einbeziehung Jesu "the importance attributed to good
deeds in public life" als entscheidendes gemeinsames Moment im Auftreten
von Chasidim wie Choni, Chanina ben Dosa und Pinechas ben Jair (um 200n.
C h r . ) , d e r im Zusammenhang mit Gefangenenauslösungen die wunderbare
Teilung eines Flusses bewirkt haben soll (bChull 7a), gilt.
42 Safrai, Jesus and the Hasidim 16f., vgl. speziell zum W u n d e r a s p e k t 7-11.
42 Stand der Forschung
1 von Harnack, Mission und Ausbreitung I 156, zum Ganzen ebda. 151-170
Vgl. auch MacMullen, Christianizing the Roman Empire 25ff.
2 Weinel, Wirkungen des Geistes 51-57.109-127.
3 Fridrichsen, Probleme du miracle 34-40.
4 Georgi, Gegner des Paulus 31-82.219ff.
Frühchristliches Wundercharismatikertum 43
s Georgi, aaO. 218. Vgl. auch Lüdemann, Antipaulinismus 136f., der auf
eine Verhaftung der pln Gegner in der syn Aussendungstradition aufmerksam
macht.
6 Vgl. bes. Köster, in: Köster/Robinson, Entwicklungslinien 140-143.173-179,
allgemein zur Wirkungsgeschichte den Epilog der leicht revidierten engl.
Übersetzung von 1986 (Georgi, Opponents 333-450).
7 Kuhn, Sammlungen 213; ders., Der irdische Jesus 302ff.
8 Roloff, Kerygma 203f.
9 Theißen, Soziologie der Jesusbewegung; W. Stegemann, Wanderradikalis-
mus?; Schmeller, Brechungen.
44 Stand der Forschung
der Heiltechnik, ganz besonders aber mit der Überlieferung der For-
meln, zumal in der fremden Sprache, wollen die Erzähler offenbar den
Christen nützen, denen die Gabe der Heilung (1 Kor 12,28.30) verliehen
ist." 14 Speziell für die formelhafte Wendung "Dein Glaube hat dich
gerettet" (Mk 5,34 u.ö.) zieht E. Käsemann in Erwägung, daß sie "ur-
sprünglich in der festen Sprache christlicher Exorzisten und Heiler
beheimatet" war 15 . Für die apokryphen Apostelakten hatte bereits E.
von der Goltz auf eine Reihe von Gebeten und Formeln aufmerksam
gemacht, die bei innergemeindlichen oder missionarischen Wundertaten
rezitiert worden sein dürften 16 .
Von medizinhistorischer Seite her wenden sich 0. Temkin und G.B.
Ferngren den christlichen Krankenheilungen der ersten drei Jahrhunder-
te zu. Temkin konstatiert dabei eine allmähliche Infiltration der lange
Zeit völlig beziehungslos zur hippokratischen Tradition stehenden christ-
lichen Heilkunst mit rationaler, säkularer Medizin 17 . Ferngren hingegen
stellt die These auf, daß man frühestens ab dem 4.Jhdt.n.Chr. überhaupt
vom Christentum als Religion der Heilung sprechen könne, "the eviden-
ce of the first three centuries suggests that mainstream Christianity did
not promise physical healing." 18 Ähnlich niedrig wird offenkundig der
Stellenwert von Krankenheilungen und Dämonenaustreibungen in den
frühchristlichen Gemeinden von weiten Teilen der theologischen For-
schung veranschlagt und von vornherein erst gar nicht thematisiert 19 .
vorgegebenen Mustern verpflichtet. Dies hat zur Folge, daß sie uns
"weniger einen Einblick in konkret beschriebene, individuelle Gescheh-
nisse als vielmehr das allgemeine Wissen von Jesus dem Wundertäter"
vermitteln 5 , ohne daß damit ein hoher historischer Wert einzelner Wun-
dererzählungen grundsätzlich ausgeschlossen wäre. Gleichzeitig impli-
ziert die Einsicht in eine sachliche Prävalenz und vergleichsweise höhe-
re Glaubwürdigkeit der Wortüberlieferung von vornherein eine erhebli-
che geschichtliche Skepsis gegenüber Erzählungen von solchen Wun-
dern Jesu, die nicht durch Jesuslogien abgedeckt sind, wobei in erster
Linie an die Naturwunder zu denken ist.
b) Sowohl bei den Logien- als auch bei den Erzählstoffen der ntl
Wunderüberlieferung haben jedem Versuch einer historischen Urteils-
findung möglichst exakte literar-, traditions- und formkritische Analysen
voranzugehen 6 . Diese methodischen Schritte lassen sich nicht einfach
überspringen 7 , allein die älteste erreichbare Gestalt einer Wundertradi-
tion kann überhaupt auf ihre Echtheit hin befragt werden. Kein Indiz für
eine von vornherein hohe Glaubwürdigkeit der Wundergeschichten in
den Evangelien ist deren im Vergleich mit hellenistischen Parallelen
relativ überschaubare Überlieferungsgeschichte bis zur literarischen
Fixierung hin 8 .
c) Für sämtliche Wundertraditionen aus den Evangelien ist eine mög-
lichst genaue Fixierung des Entstehungs- oder Überlieferungsmilieus
geboten. Nur bei ursprünglich in Palästina beheimateten Stoffen oder bei
Wunderpraktiken, die sich für das antike Judentum der Zeitenwende
plausibel machen lassen, kann überhaupt die Möglichkeit der Authentizi-
tät erwogen werden. Sofern bei einzelnen Wundergeschichten helleni-
stische Motivparallelen gegeben sind, spricht dies allerdings nicht
zwangsläufig gegen ein judenchristlich-palästinisches Überlieferungsmi-
lieu, da Palästina in ntl Zeit in erheblichem Maße hellenisiert war 9 .
d) Bei den Logien stellt nach wie vor das Differenzkriterium, er-
gänzt durch das auf ihm basierende Kohärenzkriterium, das methodisch
zuverlässigste Instrument zur Bestimmung authentischer Jesustradition
dar. "Einigermaßen sicheren Boden haben wir nur in einem einzigen Fall
unter den Füßen, wenn nämlich Tradition aus irgendwelchen Gründen
weder aus dem Judentum abgeleitet noch der Urchristenheit zuge-
schrieben werden kann ... ." 12 Wunderlogien, die mit zeitgenössischen
jüdischen Vorstellungen oder mit nachösterlichen christlichen Anschau-
ungen kohärent sind, können Jesus allerdings nicht automatisch abge-
sprochen werden. Die in diesem Falle vorausgesetzte völlige Dissimila-
rität zwischen den Anschauungen Jesu und denjenigen des antiken
Judentums oder des frühen Christentums stellt ein Postulat ohne zwin-
gende Beweiskraft dar.
e) Auf die Wundergeschichten ist das Differenzkriterium im Sinne
von "ipsissima facta Jesu" (F. Mußner) wegen der dort im Vergleich mit
der Wortüberlieferung andersgearteten Überlieferungsgesetzmäßigkeiten
nicht anwendbar 13 . Die rekonstruierte älteste Fassung einer Wunderge-
schichte ist unter dem Aspekt mit religionsgeschichtlichen Parallelen zu
vergleichen, ob sie in solchem Maße atl oder anderen vorchristlichen
4.3. Begriffsklärungen
a) Wunder
Für besondere Machttaten Jesu und anderer antiker Personen, neben
Naturbeeinflussungen in erster Linie Dämonenaustreibungen, Kranken-
heilungen und Wiederbelebungen, hat sich der im NT mit Ausnahme von
Mt 21,15 nicht belegte Sammelbegriff Wunder (Sauna od. &auuäoiov =
miraculum) eingebürgert. Das neuzeitliche Axiom, daß es sich bei einem
Wunder um ein der kritischen Vernunft zuwiderlaufendes, die wissen-
schaftlich erfaßbare Naturkausalität durchbrechendes Ereignis handelt,
das nur supranaturalistisch erklärbar oder für fiktiv zu halten ist, ist
dem NT wie seiner Umwelt weitgehend fremd. Jenseits gezielter Refle-
xion über eine bestimmte naturgesetzliche Ordnung und deren Durch-
brechung stellt ein Wunder im biblischen Denken ein außerhalb des
Gewohnten liegendes Geschehen dar 17 . In diesem Sinne rufen die aus-
serordentlichen Taten Jesu als noch nie Dagewesenes in christologi-
schen Chorschlüssen Erstaunen oder sogar Entsetzen hervor (Mk
1,27; 2,12; 4,41) und gelten Mt 21,15 expressis verbis als Wunder. An-
sonsten dominieren im ntl Sprachgebrauch zur Umschreibung der Wun-
der Jesu oder christlicher Charismatiker die Begriffe Suvd[iEic, (Machtta-
Bei Herodot zeichnen sich die [lötyoi durch mantische Fähigkeiten (Hist
1,107.120; VII, 19.37) und durch exorzistische Wetterbeeinflussung (VII,191)
aus, wobei jeweils Tieropfern Bedeutung zukommt (VII,113.191). Für die uäyoi
von Hippocr, Morb Sacr 1,1 Off., sind Sühneriten und Besprechungen gegen die
Epilespie sowie ebenfalls Wetterkontrolle typisch. Bei Plinius besteht Magie,
die in sich Züge von Medizin, Religion und Astrologie vereinigt (Hist Nat
Bei aller Vielfältigkeit des Bildes wird ein gemeinsamer Nenner er-
kennbar. Magie stellt in der Antike in erster Linie eine praktische Betä-
tigung mit dem Ziel dar, durch eine Zwangsbeeinflussung oder Inan-
spruchnahme von Gottheiten, Dämonen und Naturgewalten die Realisie-
rung bestimmter menschlicher Sehnsüchte oder Bedürfnisse zu betrei-
ben. Neben Mantik, Wetterkontrolle und Krankheitsbekämpfung als den
klassischen Betätigungsfeldern von Magie zählt grundsätzlich jede Art
von Begünstigungs- oder Schadenszwang zu ihrem Wiikungsbereich.
Maßgebliche Mittel zur Durchsetzung besagter Ziele sind neben Gebe-
ten, Opfern, Sühneriten und sympathetischen Techniken nicht zuletzt
auch Beschwörungsrituale.
Bei einer sachlichen Bewertung von Magie im Gegenüber zu Religion
und Wissenschaft war unter maßgeblichem Einfluß J.G. Frazers lange
Zeit die Tendenz vorherrschend, Magie von der Warte bestimmter Reli-
gions- und Wissenschaftstheorien aus als Aberglaube, Pseudowissen-
schaft oder dekadentes kulturelles Phänomen abzuqualifizieren. Demge-
genüber setzt sich in der Gegenwart zunehmend die Erkenntnis durch,
daß sich keine klaren Trennungslinien zwischen Magie und Religion oder
Magie und Wissenschaft ziehen lassen. Das Urteil darüber, ob jemand
Magier oder göttlicher Mensch, Scharlatan oder Wissenschaftler, Quack-
salber oder Arzt ist, wird entscheidend von seiner sozialen Reputation
und der Konformität mit dem vorherrschenden Religions- und Wissen-
schaftsverständnis mitbestimmt 20 .
Die Beziehung zwischen Magie und Religion war bereits in der Antike
umstritten21. Grundsätzlich kann man Magie nicht den Charakter von
Religion absprechen, da Magie maßgeblich mit der Beziehung zwischen
Mensch und Gottheit zu tun hat und sich in der Verwendung von Gebe-
ten oder Opfern wenn überhaupt, dann allenfalls unwesentlich von ande-
ren Arten der Religionsausübung unterscheidet22. Die theologische Ent-
scheidung über die Angemessenheit und Legitimität magischer Religi-
onsformen stellt allerdings nicht uneingeschränkt eine Frage des subjek-
tiven Standpunktes oder der gesellschaftlichen Machtstellung dar. Im
Gegensatz zu solchen Formen von Religion, die unter der Voraussetzung
einer prinzipiellen Unverfügbarkeit der Gottheit diese für sich gewinnen
oder versöhnlich stimmen wollen, stellt die Zwangsbeeinflussung von
Gottheiten ein maßgebliches Mittel magischer Religionsausübung dar 23 .
Neben dieser Tendenz zu meist synkretistischem Götterzwang, der
einer Durchsetzung von teilweise ohnehin fragwürdigen menschlichen
Wünschen dient, markiert die Vernachlässigung ethischer Gesichtspunk-
te, wie sie insbesondere im Bereich des Schadenszaubers zu Tage tritt,
ein entscheidendes Defizit bestimmter von Magie repräsentierten For-
men der Religionsausübung24. Magie stellt keineswegs zwangsläufig eine
problembehaftete oder negative Gestalt von Religion dar, tendiert aber in
einer Vielzahl ihrer Ausübungsarten in diese Richtung.
Ebensowenig, wie sich Magie aus dem Bereich von Religion ausgren-
zen läßt, kann ihr der Charakter von Wissenschaft abgesprochen wer-
den. Magie beruht auf bestimmten, dem Anspruch nach wissenschaftli-
chen Theorien über die verborgenen Kräfte der Natur und die Sym-
21 Während Plato die Magie des Zoroaster als 3-EÖV S-EpaitEia würdigt
(Ale 1,122A), Diog Laert 1,6 zufolge sich Magier mit dem Wesen und Ur-
sprung der Götter befassen und Apoll, Ep 17, der näyoc, als Antitypos des
SO-EOC, begegnet, gilt Plinius die Magie als degenerierte Form von Religion
(Hist Nat 30,lf.).
22 Vgl. Nock, Paul and the Magus 313-315; Graf, Prayer in Magic and
Religious Ritual 188ff.; Aune, Greco-Roman Prayer 787-795.
23 Vgl. die allerdings zu extreme Unterscheidung von Söderblom, The Liv-
ing God 35: "In religion man worships the deity. In magic man employs the
deity for his own ends." Im Gegensatz zu Magie mit ihrem Glauben an un-
beschränkte menschliche Macht beginnt für Söderblom höherentwickelte,
wirkliche Religion dort, wo der Mensch seine Ohnmacht gegenüber der Gott-
heit zu erkennen beginnt.
24 Vgl. H.D. Betz, Magic and Mystery 216. - Solche Kritik nimmt selbst-
verständlich die christliche Magie nicht aus, für die sowohl Schadenszwang
(PGM.S 59-62) als auch die massive Beschwörung Jesu, helfend einzugreifen
(PGM.S 36,13ff.), belegt ist.
Begriffsklärungen 57
pathetik des Weltalls und ist dabei eng mit Astronomie, Alchemie und
Pharmazie verbunden (Thessalos I Prooem; Plin, Hist Nat 30,2f; Apoll, Ep
52). Magie war in der Antike nicht allein maßgeblich an der Herausbil-
dung der Naturwissenschaften beteiligt 25 , sondern "funktionierte" auch
in nicht zu unterschätzendem Umfang nach gewissen Gesetzmäßigkei-
ten, wovon sich beispielsweise Galen im Falle magischer Krankenhei-
lungsanweisungen mehrfach überzeugen konnte (Gal XI,859f; XII,207).
Auf dem Gebiet der Krankheitsbekämpfung stellt allerdings eine entmy-
thisierte, konsequent rationale Medizin, die unter Zurückweisung supra-
naturaler Krankheitsätiologien den natürlichen Ursachen von Krankheit
nachgeht und die aus theoretischer Reflexion gewonnenen Heilungsmaß-
nahmen empirisch auf ihre praktische Tauglichkeit hin überprüft, eine
Magie gegenüber fortgeschrittene, höherentwickelte Form von Wissen-
schaft dar 2 6 .
Da naYEia/(iäYoc, bereits seit der nachplatonischen Zeit vielfach nega-
tiv besetzt ist, hat sich für Magie im positiven Sinne der aus sibirisch-
innerasiatischer Tradition stammende Begriff Schamanismus etabliert.
Die entscheidenden Funktionen des Schamanen sind die eines Medizin-
mannes, der die verlorengegangene oder von bösen Geistern geraubte
Seele des Kranken zu ihrem angestammten Platz im menschlichen Kör-
per zurückbringt und dadurch Heilung bewirkt, eines Priesters, der
durch Opferriten höhere Mächte versöhnt, und eines Totenführers, der
den Seelen der Verstorbenen Geleit ins Jenseits gibt 27 . Schamanen sind
in "primitiven" Stammesgesellschaften festetablierte, hochangesehene
Mittler zwischen Menschheit und Gott, die über besondere Kontakte zu
den Naturmächten verfügen und zur Kommunikation mit Tieren befähigt
sind, Dämonen als Hilfsgeister in Anspruch nehmen und sich vorüberge-
hend in ekstatischen Trancezuständen befinden, bei denen die Seele
losgelöst vom Körper auf Jenseitsreise geht. Der Sache nach können
antike Figuren wie Orpheus, Pythagoras oder Empedokles mit Schama-
nismus in Verbindung gebracht werden 2 8 . Als adäquate griechische
c) &ETOC ävijp
Der Begriff folbc, ävijp, seltener auch {teTbc, avdponroc., hat sich in der
Forschung als Bezeichnung für solche Personen der griechisch-römi-
schen Antike eingebürgert, die aufgrund besonderer charismatischer,
magischer oder wissenschaftlicher Befähigung über das allgemein-
menschliche Maß an Begabung herausragen 30 . Es handelt sich bei OEIOC.
ävfjp um einen in den einschlägigen Stoffen nur selten tatsächlich vor-
kommenden, übergeordneten Sammelbegriff für Gestalten, die ihrem
personalen Selbstanspruch nach oder in den Augen dritter Personen als
übermenschlich, göttlich inspiriert oder von einer Gottheit abstammend
gelten. Von daher zielt der Versuch, unter Verweis auf die nur wenigen
lexikalischen Belege von ÖEIOC, ävfjp das Vorhandensein einer in unter-
schiedlichen Schattierungen ausgeprägten antiken Gottmensch-Konzep-
tion in Frage zu stellen 31 , von vornherein ins Leere. Zu besagten Befä-
higungen eines feioc, ävrjp zählen nicht zwangsläufig32, aber in hohem
Maße Wundertaten, wobei sich die Figur des rtetbc, ävfjp mit der des
d) Exorzismus
In der theologischen Wissenschaft hat sich ein Sprachgebrauch eta-
bliert, der Exorzismen und Dämonenaustreibungen fast uneingeschränkt
gleichsetzt 33 . Dies ist aus doppeltem Grunde unsachgemäß. Exorzismen
beschränken sich keineswegs auf Dämonenaustreibungen, und nicht bei
jeder Dämonenaustreibung handelt es sich um einen Exorzismus.
hen); Böcher, TRE 10 (1982) 748 ("exorzistisch, d.h. durch Austreiben der
Krankheitsdämonen"). Deutlich differenzierter Pfister, RAC II (1954) 169f.
34 Beliebte Anwendungsbereiche von Exorzismen sind etwa Wetterbeein-
flussung (Clem Alex, Strom VI 31,2), Liebeszwang (PGM XXXVI,189ff.;
PGM.S 39,1.7) oder Schädigung von Feinden (PGM LXVI; PGM.S 54,4.30).
III. Magie, Medizin und Wundercharismatikertum
in der Umwelt des NT
1. Hellenismus
1.1. Wissenschaftliche Medizin
Die wissenschaftliche griechische Medizin sah sich in der Tradition
des Asklepios und seiner Söhne Machaon und Podaleirius, die bei Ho-
mer wie ihr Vater als Ärzte begegnen (Ilias XI,833). Spätestens seit dem
6.-5.Jhdt.v.Chr. gelten in Griechenland Ärzte mit dem Implikat als
Asklepiaden, daß sie ihre Heiikunst Asklepios verdanken und Nachfahren
dieses Heilgottes und seiner Söhne sind1. Vermutlich haben an ver-
schiedenen Orten, insbesondere Kos, Knidos und Rhodos (vgl. Gal
X,5f.), ansässige Asklepiadengeschlechter die Heilkunst zunächst nur
innerhalb der eigenen Familie von Generation zu Generation weiterge-
reicht. Bei Formulierung des hippokratischen Eides, der ausdrücklich
eine Weitergabe medizinischer Kenntnisse an nicht zur leiblichen Nach-
kommenschaft gehörige Personen voraussetzt, hat man sich die Askle-
piaden als eine Ärztezunft oder -gilde vorzustellen 2 . Die Heilfertigkeiten
der Asklepiaden scheinen sich dabei anfangs auf Wundversorgung und
pharmakologische Praktiken beschränkt zu haben 3 .
Für die Eruierung authentischer Hippokratesschriften sind nach wie vor die
Untersuchungsergebnisse von K. Deichgräber maßgebend, der durch einen
Vergleich mit inschriftlichem Material überzeugend herausarbeitete, daß
Hippocr, Epid I und III, als älteste der sieben Bücher über die Epidemien
höchstwahrscheinlich ebenso auf Hippokrates persönlich zurückgehen, wie dies
auch für die Epid I.III nahestehende Schrift Prognostikum der Fall ist 8 . Zwei
weitere Gruppen der Epidemienbücher, nämlich Epid II.IV.V1 (Anfang 4.Jhdt.
v.Chr.) und Epid V.VII (um 360v.Chr.), lassen sich gemeinsam mit einem brei-
ten Kreis sachlich korrespondierender Schriften mit hoher Plausibilität der
koischen Asklepiadenschule zuordnen und stehen inhaltlich unmittelbar in der
Tradition von Hippokrates , sind also zumindest der Sache nach "authentisch".
Darüber hinausgehend hat H. Grensemann im Zuge des negativen Ausschluß-
verfahrens innerhalb des Corp Hippocr zahlreiche Partien oder Schichten eru-
iert, die aller Wahrscheinlichkeit nach auf die mit den Asklepiaden von Kos
konkurrierende Ärzteschule der benachbarten Halbinsel Knidos zurückgehen
und vermutlich die ältesten Teile des Corp Hippocr überhaupt darstellen .
11 Vgl. zur Stellung von Morb Sacr innerhalb des Corp Hippocr Deichgrä-
ber, Epidemien 123-127 (Es handele sich um eine vor 400v.Chr. entstandene
Schrift, deren Autor in sachlicher Nähe zu den älteren Epidemiebüchern ste-
he, ohne mit einem von deren Verfassern identisch zu sein), und Grensemann,
"Über die heilige Krankheit" 7-27, der vereinzelte Bezüge zu knidischen
Lehrsätzen ausmacht. Anders etwa Pohlenz, Hippokrates 31-35.79, der von
Authentizität der Schrift ausgeht.
12 Hippocr, Morb Sacr 1,1 u.ö. (icpfj vöooc;); Aret III 4,4 (iEprj näO-n):
Cels, Med III 23,1 (morbus ... qui comitialus vel maior nominatur). Vgl.
Temkin, Falling Sickness 6ff.
64 Magie, Medizin und Wunder im Hellenismus
Cels, Med III 23,7, erwähnt als "klägliches Mittel" (miserum auxilium) ge-
gen die Epilepsie das Trinken des noch warmen Blutes eines getöteten Gladi-
ators (vgl. Scrib Larg, Compos 17; Plin, Hist Nat 28,4; Tert, Apol 9,10).
Aretaios will sogar persönlich gesehen haben, wie Epileptiker das Blut eines
gerade Erstochenen in einer Schale auffingen und zu sich nahmen (eÖEnoäuriv
8E avdpÜTtou VEoa<paYE°S ÜTtodEviac; <piäXnv t ö rpüuaxi xai äpuootuEvouc, tou
atuaroc; TtivovTac. Aret VII 4,7). Gefallene Epileptiker wurden durch Bestrei-
chen des Mundes oder der Füße mit Blut wieder aufgerichtet (Plin, Hist Nat
28,43.83).
13 Grundsätzlich besteht kein Anlaß, sich das Hippocr, Morb Sacr, vermit-
telte Bild von den "Magiern und Entsühnern" als inkompetenten Quacksalbern
und Scharlatanen unkritisch zu eigen zu machen. Es hat sich um Personen mit
medizinischen Kenntnissen aus dem Bereich der Diätetik (Morb Sacr I.lOff.)
und mit vermutlich ähnlich hoher Reputation gehandelt, wie sie Epimenides,
Pythagoras oder Empedokles als xtt&aprou genossen. Der gelegentlich mit
Hippocr. Morb Sacr I,39f., in Verbindung gebrachte Menekrates Zeus
(4.Jhdt.v.Chr.), der zahlreiche Personen von der "heiligen Krankheit" heilte
und im Gegenzug dazu verpflichtete, ihm in Götterverkleidung als himmli-
scher Hofstaat zu dienen (Athen, Deipnosoph VII,289AB, vgl. dazu Weinreich,
Menekrates Zeus 4ff.), verfaßte ein wissenschaftliches Werk über die Heil-
kunst (Anon Lond 22) und gilt in der Suda (s.v. MEVExpatnc,) als Lottpöc,.
14 "Die Jungen der Schwalbe (XEXISÜV) aus der ersten Brut schneide bei
wachsendem Monde auf, und du wirst im Magen Steine finden (vgl. Plin, Hist
Nat 11,203; 21,91). Von diesen nimm zwei, einen bunten und einen schlichten,
gib sie, bevor sie die Erde berührt haben, in die Haut von einem Kälbchen
oder Hirsch und binde sie an den Arm oder Nacken, so wirst du den Epilep-
tikern Hilfe bringen, oft aber wirst du sie auch ganz heilen."
Wissenschaftliche Medizin 65
morbus, deren Herkunft aus dem Bereich der antiken Magie er teil-
weise ausdrücklich hervorhebt 15 . Hist Nat 28,99 zufolge empfehlen Ma-
gier (28,92) bei Epilepsie die Aufbewahrung des Rückenwirbels von
Hyänen. Epileptikern werde Ziegenfleisch, auf dem Scheiterhaufen eines
Menschen geröstet, verabreicht, wie die Magier es wollen (Hist Nat
28,226: ut volunt magi). Zudem träufelten die Magier Ziegenhirn, durch
einen goldenen Ring getrieben, den Kindern gegen Epilepsie ein (Hist Nat
28,259). Darüber hinaus finden sich bei Plinius zahlreiche volkstümliche
Epilepsierezepte, die der Sache nach magisch sind 16 .
Auch bei den gegen Epilepsie verwendeten magischen Gemmen oder
Amuletten im ersten Buch der Kyraniden (Kyr 113,16-22; 117,15-17;
119,9-17) sind neben pharmakologischen Aspekten sympathetisch-okkulte
Kraftvorstellungen von großer Bedeutung. Die Wirksamkeit der Gem-
men hängt davon ab, daß sie aus einer Pflanze, einem Vogel, einem
Fisch und einem Stein hergestellt sind, deren Namen jeweils mit dem
gleichen Buchstaben anfangen und die als Repräsentanten der vier Ele-
mente Erde, Luft, Wasser, Feuer fungieren. Auf diese Weise ist eine
Aktivierung der verborgenen Kräfte des gesamten Universums gewähr-
leistet.
* * *
Demgegenüber erweist sich für den Verfasser von Morb Sacr die Epi-
lepsie in nichts göttlicher als alle übrigen Leiden und ist wie jede Art
von Krankheit auf natürlichem Wege rein medizinisch heilbar, ohne daß
es magischer Praktiken oder Sühneriten bedürfte (XIII,13; XVlII,l-2.6).
oben skizzierte Schrift Hippocr, Morb Sacr, mißt neben praktisch erwor-
benem Wissen auch abstrakter Reflexion über die physiologischen Vor-
gänge und über die krankheitsverursachenden Fehlentwicklungen im
menschlichen Körper hohe Bedeutung bei und ist damit - wie auch
andere Schriften des Corp Hippocr - im Prinzip der theoretischen
Medizin (medicina rationalis) zuzurechnen, deren Erkenntnisinteresse
sich in der Folgezeit programmatisch auf vier Punkte richtete. Die The-
oretiker wollten möglichst viel über die verborgenen wie die offenbaren
Krankheitsursachen, über die natürlichen Verrichtungen des Körpers
und schließlich auch über seine innere Beschaffenheit in Erfahrung
bringen, wobei letzteres die Autopsie und insbesondere in Alexandria
sogar die Vivisektion einzelner zum Tode verurteilter Verbrecher mit-
einschloß (Cels, Med Prooem 13-26).
In der ersten Hälfte des l.Jhdt.n.Chr. vollzog sich unter Einfluß
der mittleren Stoa eine Weiterentwicklung der theoretischen oder
dogmatischen Medizin zur Pneumatikerschule 20 , als deren Begründer
Galen sogar den Stoiker Chrysipp ansieht (Gal VIII,631), die aber in
Wirklichkeit auf Athenaios von Attalia zurückgeht 21 . Eine der frühesten
wie wichtigsten Figuren der Pneumatikerschule überhaupt war Aretaios
von Kappadokien, der zu den herausragenden Ärzten des l.Jhdt.n.Chr.
zählt und erst in jüngerer Zeit zunehmend in seiner vollen Bedeutung
erfaßt wird, nachdem sich die von M. Wellmann etablierte und über
Jahrzehnte hin unangefochtene Spätdatierung des Aretaios in die Wende
von zweiten zum dritten Jahrhundert als nicht länger aufrechtzuerhalten
erwies.
Anhaltspunkte bleibt und zudem weitere gewichtige Indizien für eine Wirk-
samkeit des Aretaios in der Mitte des l.Jhdt.n.Chr. sprechen, hat F. Kudlien
1965 überzeugend herausgearbeitet 2 5 . Während sich die von Diosc, Simpl Med
II 119,2, her ohnehin naheliegende Datierung des Aretaios in die Mitte des
l.Jhdt.n.Chr. in Philologen- und Medizinhistorikerkreisen durchgesetzt hat,
zeigen sich theologische Werke völlig unberührt davon 26 .
Dies zeigt sich insbesondere in den Ausführungen über die Kur der Epilep-
sie, wo Aretaios allein wegen der besonderen Schwere der Krankheit und der
daraus resultierenden Verzweiflung bei den Betroffenen auch mehrere ma-
gisch-volkstümliche Rezepte erwähnt, deren Wirksamkeit ihm freilich mehr
als zweifelhaft erscheint (Aret VII4,7f.). Mit dieser Haltung erweist sich
Aretaios als kompromißloser Vertreter der wissenschaftlichen hippokratischen
Medizin, während der von ihm abhängige, ebenfalls der Pneumatikerschule
zugehörige Archigenes (Anfang 2. Jhdt.n.Chr.) der magischen Pharmakologie
und der Verwendung von Amuletten gegenüber aufgeschlossen war .
31 Vgl. etwa die Ausführungen zu den Ursachen von Wassersucht (IV 1,2)
und Diabetes (IV2.1); zum Ganzen Wellmann, Pneumat. Schule 157ff. -
Speziell zum religiösen Wahnsinn Aret 1116,11 vgl. Kollmann, Mysterienweihe
bei Aretaios 252-257.
32 Aret VII 4,3 ist freilich bei der Therapie der Epilepsie, gegen die man
"große und sehr mächtige" Mittel zur Anwendung bringen muß, von einem
komplizierten chirurgischen Eingriff am Kopf die Rede.
33 Archigenes bei Alex Trall 1,15 (Puschmann Bd. I 561-563.567); Gal
XII,573-576. Vgl. auch Kudlien, Untersuchungen zu Aretaios 1171-1173.
70 Magie, Medizin und Wunder im Hellenismus
b) Die Empiriker
Nicht zuletzt extreme Strömungen in der theoretischen Medizin, un-
ter Vernachlässigung der praktischen ärztlichen Erfahrung den Schwer-
punkt auf philosophisches Spekulieren über die verborgenen Krank-
heitsursachen und die Physiologie des Körpers zu verlagern, evozierten
das Auftreten der Empiriker, über deren Entstehung differierende Tra-
ditionen überliefert sind 3 4 .
Quellenmäßig sind wir über die Empirikerschule und ihre Lehren fast aus-
schließlich durch deren Rezeption bei Nichtempirikern informiert. Neben
Cels, Med Prooem, und der pseudogalenischen Introductio kommt dabei insbe-
sondere den Galen-Schriften itEpt TTJC; iaTpixrjc, EuitEipiac; und Subfiguratio
empirica maßgebliche Bedeutung zu 3 5 .
Während Plinius den Ursprung der Empirikerschule in Sizilien bei Akron
von Akragas (5.Jhdt.v.Chr.) sieht (Hist Nat 29,5) 36 , gilt dem Verfasser der
Introductio Philonos von Kos (um 250v.Chr.) als Begründer der empirischen
Medizin (Gal XIV,683). Cels, Med Prooem 10, zufolge lehrte hingegen Sera-
pion von Alexandria (um 200v.Chr.) als erster, daß theoretische Lehren nicht
zur Heilkunde gehörten, sondern diese allein auf praktischer Erfahrung wie
auf Experimenten beruhe. Um die Zeitenwende hat die empirische Medizin
ihre wichtigsten Vertreter in Herakleides von Tarent, Apollonius von Kition
(beide 1.Jhdt.v.Chr.) und Zeuxis (um 50n.Chr.), die insbesondere durch ihre
umfassende Kommentierung von Hippokratesschriften hervortraten .
c) Die Methodikerschule
Eine Mittelstellung zwischen Theoretikern und Empirikern nehmen
die Methodiker ein, die mit ihrer pragmatischen Vorgehensweise die
römische Medizin des 1. und 2.Jhdt.n.Chr. dominierten und von Galen
auf das entschiedenste bekämpft werden. Mit den Verfechtern der
theoretischen oder dogmatischen Richtung in der Medizin teilen die
Methodiker die Überzeugung, daß die Erfahrung nur einen beschränkten
Teil der Heilkunst ausmacht, da in der reinen Beobachtung der Erfah-
rungstatsachen zu wenig Wissenschaft stecke (Cels, Med Prooem 57:
parum artis esse in observatione experimentorum). Umgekehrt wird ge-
gen die Theoretiker geltend gemacht, daß die Heilkunde nicht auf Ver-
mutungen über verborgene Dinge beruhe. Vielmehr genüge es völlig, drei
allen Krankheiten gemeinsame Züge (communia morborum) zu beachten
und dabei zwischen akuten und chronischen Leiden zu differenzieren
(Prooem 54-56).
Ihre volle Ausprägung gewann die Methodikerschule unter Themison
(frühes l.Jhdt.n.Chr.) und Thessalos, einem Zeitgenossen Neros 4 0 . Als
ihr ideeller Begründer kann freilich, wie der Verfasser der pseudogale-
nischen Introductio mit Recht vermerkt (Gal XIV,684), der Bithynier
Asklepiades von Prusa, Lehrer des Themison (Plin, Hist Nat 29,6), gelten.
Da Asklepiades aufgrund seiner besonderen ärztlichen Befähigung,
welche die Wiederbelebung eines Totgeglaubten miteinschloß, als Ge-
sandter des Himmels verehrt wurde, ist seinen für die Methodiker in
gewissem Maße repräsentativen Krankheitstheorien und Behandlungs-
methoden im Zusammenhang mit dem antiken Gottmenschentum näher
nachzugehen (III.1.4.3.).
1.2. Asklepiosheiligtümer
1.2.1. Der Asklepiosmythos
Neben der säkularen wissenschaftlichen Heilkunst existierte in der
Antike eine weitverzweigte, religiös geprägte Tempelmedizin, wobei in
hellenistischer Zeit Asklepios den klassischen griechischen Heilgott
Apollo nahezu völlig verdrängt hat. Der in der Grundstruktur festgepräg-
ten, in den Details variierenden antiken Asklepioslegende zufolge han-
delt es sich bei Asklepios um einen Sohn von Apollo, der sich durch
besondere Heilfähigkeiten auszeichnete, dafür von Zeus mit dem Tod
bestraft wurde und anschließend in den Götterhimmel aufrückte.
Erstmalige Erwähnung findet Asklepios, den es historisch wohl nie
gegeben hat, bei Homer. Hom, Ilias IV,194, begegnet er als untadeliger
Arzt (&\i\)[uo\) ir|Tf|p), in Hom, Hymn 16,1-5, wird er als Arzt der Krank-
heiten und große Freude der Menschheit gepriesen und gilt als
Sohn der Königstochter Coronis und des Apollo, in dessen ärztlichen
Wirkungsbereich er in der Folgezeit zunehmend eintritt und dessen
Heilfunktion er schließlich vollends übernimmt. Einen festen Topos stellt
die medizinische Grundausbildung des Asklepios durch den Zentaur Chi-
ron dar 1 . Die ärztliche Wirksamkeit des Asklepios ist dabei durch eine
Verquickung magischer, chirurgischer und pharmakologischer Praktiken
gekennzeichnet (vgl. Pindar, Pythia 111,51-54) und schloß nach allgemei-
ner Auffassung die Heilung lebensbedrohlicher Erkrankungen bis hin zu
Totenerweckungen mit ein 2 . Die Legende besagt, daß Asklepios auf-
grund seiner außergewöhnlichen ärztlichen Fertigkeiten von Zeus durch
einen Blitzschlag getötet wurde, wobei die Begründungen im einzelnen
variieren. Meist gilt der Tod des Asklepios als Strafe dafür, daß er sich
gegen Entgelt dazu verleiten ließ, einen bereits dem Tode geweihten
Menschen wieder in das Leben zurückzuholen (Pindar, Pythia 111,55-58;
Plato, Res Publ III 408 B-C). Alternativ oder ergänzend wird der Tod des
Asklepios darauf zurückgeführt, daß sich der Hades wegen der stetig
zurückgehenden Zahl Sterbender bei Zeus über Asklepios beklagte
(Diod Sic IV71,4) oder daß Zeus befürchtete, Asklepios könne die Men-
schen dazu befähigen, sich ohne Inanspruchnahme göttlicher Hilfe selbst
1 Vgl. Hom, Ilias IV,218f.; Pindar, Pythia III,45f.; Apollodor. Biblioth III
10,3. Zahlreiche weitere Befunde bei Edelstein/Edelstein, Asclepius I 32-36.
2 Apollodor. Biblioth III 10,3, nennt die Namen von insgesamt sechs
Personen, die Asklepios vom Tode erweckt haben soll, darunter Hippolyt,
über dessen Erweckung Ovid ausführlich berichtet (Fasti VI,743ff.). An Kran-
ken soll Asklepios zu Lebzeiten u.a. Tobsüchtige (EUuavETcJ und Erblindete
(TutpXudEVTEC,) geheilt haben, vgl. Sext Emp, Adv Math 1,260-262.
74 Magie, Medizin und Wunder im Hellenismus
1.2.2. Epidauros
Das unumschränkte Zentrum des antiken Asklepioskultes lag in Epi-
dauros, von wo aus ab dem 5. Jhdt.v.Chr. systematisch Filialgründungen
betrieben wurden. Strabo zufolge bezog Epidauros seinen Ruhm in er-
ster Linie aus der EititpävEia des Asklepios, dem die Heilung jeglichen
Leidens zugetraut werde und dessen Heiligtum immer voller Kranker sei
(TOU 'AOXXT)TUOU #Epa7t£ÜEiv VOÖOUC, TtavToSaitär, TTETCIOTEUIIEVOU, xai TÖ ispöv
TIXTJPEC. E'XOVTOC. äsi TÖV TE xau.v6vTüv VIII 6,15). Zudem erwähnt Strabo
Votivtafeln (irivaxEc,, vgl. W 1.3), auf denen die Heilungen festgehalten
seien (EV oiq ävaYEypamiEvai TUYX«VOUÖIV ai ÖEpaitEiai). Eine detaillierte
Beschreibung des Heiligtums verdankt sich Pausanias 10 , der um 165n.Chr.
Epidauros besuchte und nach eigenem Bekunden sechs Inschriftenplat-
ten (öTijXai) vorfand, von denen früher eine noch größere Zahl existiert
habe. Auf diesen Stelen seien in dorischem Dialekt die Namen der von
Asklepios geheilten Personen, die Art der Krankheit und die näheren
Umstände der Heilung mitgeteilt worden (rauTaic, iyyBypa^niiva xai
ävSpuv xai yuvaixuv EOTIV övöiiara äxEadEVTUV ÜTIÖ TOU "AoxXr|7tiou, TtpoOETi
SE xai vööT)[ia o TI ExacsToc, EVÖÖT|OE xai ÖTKJC, id-&ir YEYpaTrrai SE cpüivfi TTJ
AupiSi Paus II 27,3). In seiner späteren Beschreibung von Halieis teilt
Pausanias ergänzend mit, daß Bewohner dieser Stadt auf den Stelen von
Epidauros erwähnt seien (II 36,1). Ab 1883 wurden dann bei Ausgrabun-
gen in Epidauros von den sechs Stelen, die Pausanias noch vorfand, drei
vollständig und eine weitere bruchstückhaft gefunden11. Der auf Stele
A mit 'Idirara TOU 'AiroXXwvoc, xai TOU 'AöxXaitiou überschriebene Inhalt
der insgesamt siebzig Wunderberichte deckt sich fast uneingeschränkt
mit den Angaben des Pausanias. Auf Stele B ist tatsächlich von der
Heilung eines 0EpoavSpoc; 'AXixöc. und einer damit zusammenhängenden
Filialgründung in Halieis die Rede (W 33).
Der Text der Stelen beruht im wesentlichen darauf, daß - dem paläogra-
phischen Befund zufolge im 4.Jhdt.v.Chr. 12 - zahlreiche der wohl hölzernen
TiivaxEC,, wie sie auch weiterhin Verwendung fanden (vgl. Strabo VIII 6,15) ,
auf Stein übertragen wurden. Bei diesem Vorgang ist eine deutliche Steige-
rung des Wunderhaften in Rechnung zu stellen, wie W 1 beweist. Dem dort
wiedergegebenen Wortlaut des Ttival; zufolge war ursprünglich lediglich davon
die Rede, daß eine gewisse Kleo nach fünfjähriger Schwangerschaft durch
Inkubation geheilt wurde. Der Redaktor der Stele hingegen weiß ergänzend
mitzuteilen, daß sie einen Knaben gebar, der unmittelbar nach der Geburt in
der Lage war, sich selbst zu waschen und herumzulaufen. Zudem bot sich bei
Anfertigung der Stelen die Möglichkeit, auch solche Wunder einfließen zu
lassen, die nicht durch TtivaxEC, als Vorlagen abgedeckt waren.
den sollten 14 . Zumindest für diejenigen Berichte, die auf einen vom
Geheilten gestifteten itiva^ zurückgehen, ist mit einem historischen Kern
zu rechnen. Dabei handelt es sich um Inkubationsheilungen. Nach einem
Voropfer (irpo&uoiq; SokolowskiLSCG.S 22, vgl. W 5; IG IV,1 2 128,27ff.)
übernachten die Heilungssuchenden im Abaton oder Enkoimeterion
gegenüber dem Asklepiostempel (vgl. Paus. II 27,2f. TOU vaoü SE EÖTI itEpav
Evöa oi ixETai TOU ÖEOU xaÖEÜSouoiv), wo ihnen Asklepios im Schlaf er-
scheint und entweder sofort Heilung bringt oder Anweisungen erteilt,
deren Ausführung später die Genesung nach sich zieht 15 .
Unter den vielfältigen Krankheiten, über deren Heilung berichtet wird,
nehmen Augenleiden bis hin zur völligen Sehunfähigkeit und Lähmungs-
erscheinungen besonders breiten Raum ein. Wie man sich im einzelnen
den Heilvorgang vorzustellen hat, bleibt in der Mehrzahl der Fälle im
Dunklen. Insbesondere bei chirurgischen Techniken, aber auch bei
einzelnen pharmakologischen Praktiken ist meist unklar, ob die diesbe-
züglichen Schilderungen Anhalt an der Realität haben oder allein Frodukt
der Phantasie sind 16 . Grundsätzlich gehört der Kult von Epidauros in
seiner Früh- und Blütezeit eher in den Bereich volkstümlicher Heil-
kunst, als daß er von wissenschaftlicher Medizin geprägt wäre. Dies
geht nicht zuletzt aus W 62 hervor, wo in krassem Gegensatz zu
Hippocr, Morb Sacr I,lff., offenkundig an der traditionellen Rückführung
von Epilepsie auf dämonische Besessenheit festgehalten wird.
14 Paus II 27,6 zufolge starben viele Kranke (f| TEXEUTTJ TOTC, xdtuvouoiv
ÜTtafOpioc, EYIVETO).
15 Vgl. zum antiken Glauben an mantische Träume und Traumheilungen
Weinreich, Antike Heilungswunder 76ff., zu denkbaren tiefenpsychologischen
Aspekten der Inkubationsheilungen von Epidauros Drewermann, Tiefenpsycho-
logie und Exegese II 180-188. Medizinischen Träumen wurde in der Antike
auch bei wissenschaftlichen Ärzten hohe diagnostische und prognostische
Bedeutung beigemessen, vgl. Oberhelman, Diagnostic Dream 47-60; ders.,
Dream in Graeco-Roman Medicine 121-156.
16 Vgl. Edelstein/Edelstein, Asclepius II 158-173, bes. 164ff.
78 M a g i e , Medizin und Wunder im Hellenismus
tieren, wie sie auch für die hippokratische Medizin bezeugt sind. Für
zahlreiche Inschriften läßt sich dabei der Heilungsvorgang wenigstens
erahnen.
Lähmungserscheinungen wurden in Epidauros offenbar hauptsächlich a u f psy-
chosomatische Funktionsstörungen zurückgeführt und durch S c h o c k t h e r a p i e
behandelt, wie dies in der wissenschaftlichen Medizin Hippocr, Epid V 2 3 ,
der Fall ist: Ein g e l ä h m t e r Junge schlägt mit dem Kopf gegen einen Stein und
wird dadurch geheilt. Eine Verquickung d e r a r t i g e r Schocktherapie mit einer
W i e d e r e i n r e n k u n g d e r Glieder spiegelt sich in zwei Inschriften. W 3 springt
Asklepios dem heilungssuchenden Gelähmten (tac; Xlpöc, SaxrüXouc, äxpaTETc,
E'XUV) im T r a u m auf die Hand, und W 38 fährt dem Kranken sogar ein Pfer-
degespann über die gelähmten Kniee. Ärztliche Willensstärkung z u r Ü b e r -
windung h y s t e r i s c h e r Lähmungserscheinungen dürfte in W 35 v o r a u s g e s e t z t
sein, wo ein G e l ä h m t e r (xuXöc,) auf einen Befehl von Asklepios hin eine
Leiter h i n a u f s t e i g t 1 7 . Darüber hinaus wurden in Epidauros Lähmungen durch
Heilquellen kuriert ( W 37; vermutlich auch für W 64 v o r a u s z u s e t z e n ) , wie es
von wissenschaftlich-medizinischer Seite h e r etwa Cels, Med III 27, gegen
Paralyse empfiehlt.
Auch bei den mehrfach b e r i c h t e t e n Heilungen Stummer (äcpuvoi, W 5.44.
51) dürfte es sich um Affektheilungen neurogener Funktionsstörungen handeln,
wobei W 4 4 (Schrei beim plötzlichen Anblick einer Schlange) auf S c h o c k t h e -
rapie hindeutet und in der v e r d e r b t e n Inschrift W 51 vermutlich eine B e r ü h -
rung der Zunge v o r a u s g e s e t z t ist.
Die Blindenheilungsberichte von Epidauros reflektieren das Einträufeln von
9<ipuaxa ( W 4.9) oder " K r a u t " (Ttoia, W 40) in das sehunfähige Auge .
Darüber hinaus wurden wahrscheinlich manuelle Heiltechniken a n g e w a n d t 1 9 .
Bei W a s s e r s u c h t nahm die hippokratische Medizin auch o p e r a t i v e Eingriffe
durch Schneiden oder Brennen vor (Hippocr, Aphor VI,27; Epid VI 7,4; Äff
22; Int 23-26). Der Epidaurosinschrift W 21 zufolge schneidet Asklepios einer
an W a s s e r s u c h t (üSpunia) leidenden Frau im T r a u m den Kopf a b , läßt das
W a s s e r aus der Kranken herausfließen und setzt anschließend den Kopf w i e -
der auf den Hals. In diesem phantastischen Bericht dürften sich allerdings
keine tatsächlichen chirurgischen Eingriffe niedergeschlagen h a b e n 2 0 , zumal
W 4 8 g e r a d e z u auf chirurgiefeindliche Tendenzen in Epidauros hindeutet. Bei
nichtoperativer Behandlung von W a s s e r s u c h t spielt in der hippokratischen
Medizin die Verabreichung spanischer Fliegen (Kanthariden) eine gewichtige
Rolle (Hippocr, Acut [ S p . l 26), wie es offenbar auch von der v e r d e r b t e n I n -
schrift W 49 v o r a u s g e s e t z t wird.
Trotz dieser Bezüge zum Corpus Hippocraticum deutet für die alten
Iamata nichts auf das Wirken wissenschaftlich ausgebildeter Ärzte in
Epidauros hin, was allerdings in der Kaiserzeit anders ausgesehen haben
wird 21 .
1.2.3. Kos
Die ältesten Nachrichten über die Existenz eines Asklepieions mit
Heilbetrieb in Kos verdanken sich Herondas (frühes 3.Jhdt.v.Chr.), der
Mim IV,l-20 im Zusammenhang mit der Opferung eines Hahnes "zum
Dank für die Krankheiten, die der Gott mit milder Hand geheilt hat" Kos
und Epidauros als Wohnstätten von Asklepios erwähnt. Im Gegensatz
zum Asklepioskult von Epidauros mit seinen Inkubationsheilungen ohne
einen im engeren Sinne wissenschaftlich-medizinischen Betrieb war das
Asklepieion von Kos von vornherein auf das engste mit der dort ansäs-
sigen Ärzteschule der Asklepiaden verbunden.
21 Vgl. die Apellasstele W 79 (=SIG 3 1170) aus dem 2.Jhdt.n.Chr., die ei-
ne deutliche Nähe zu diätetischen, physiotherapeutischen und pharmakologi-
schen Praktiken der zeitgenössischen Medizin aufweist.
22 Strabo XIV 2,19: <paoi S' TTt7toxpdTT)v uäXiota EX TÖV EvraöOa
ävaxEiuEvuv öEpanEiöv Yuuväoao&ai rä Ttepi räc, Siaftac, (Strabo spielt damit
auf die Votivtafeln [itivaxEc;] in Kos an, die er auch in VIII 6,15 erwähnt);
Plin, Hist Nat 29,4 (unter Berufung auf Varro). An anderer Stelle (Hist Nat
20.264) gibt Plinius ein pflanzliches Heilrezept wieder, das im Asklepioshei-
ligtum von Kos in Stein geschlagen sei.
so Magie, Medizin und Wunder im Hellenismus
Daß sich von Votivtafeln oder Stelen mit Heilungsberichten, wie sie
Strabo VIII6,15 und Plin, Hist Nat 29,4, erwähnt sind, bei den Ausgra-
bungen in Kos keinerlei Spuren gefunden haben, spricht keineswegs ge-
gen ihre Existenz 2 7 . Wenn Strabo die Votivtafeln in einem Atemzug mit
denjenigen von Trikka und Epidauros erwähnt, deutet dies darauf hin,
daß auch in Kos Inkubationsheilungen geschahen. Diese waren freilich
aller Wahrscheinlichkeit nach von einer verstärkten Anwendung wissen-
schaftlicher Heilkunst begleitet.
1.2.4. Pergamon
Bei dem Asklepiosheiligtum von Pergamon handelt es sich um eine
Filialgründung von Epidauros. Paus II 26,8f. zufolge etablierte Archias,
Sohn des Aristaichmos, in Pergamon den Asklepioskult, nachdem er im
Asklepieion zu Epidauros von einer Jagdverletzung geheilt worden war.
Es handelt sich dabei höchstwahrscheinlich um denselben Archias, der
OGIS 264 zufolge in Pergamon die Demokratie einführte 28 und dessen
Wirksamkeit in die erste Hälfte des 4.Jhdt.v.Chr. fällt 29 . Die Angaben
des Pausanias decken sich darüber hinaus erstaunlich gut mit dem
archäologischen Befund, der "auf eine Datierung der frühesten Bauten
des pergamenischen Asklepieions im späten 5Jh.v.Chr. oder Anfang des
4." schließen läßt 3 0 . Seine Blütezeit hatte das Asklepieion von Pergamon
im 2.Jhdt.n.Chr., wo es unter Hadrian zu einer umfassenden baulichen
Neugestaltung des Heiligtums kam 31 , "ganz Asien" dorthin strömte
(Philostr, Vit Apoll IV,45) und Lukian sich Zeus darüber beklagen läßt,
daß aufgrund der Popularität des Asklepieions von Pergamon die Zeus-
altäre "kälter als Piatos frostige Gesetze" seien (Luc, Icaromenipp 24).
Besonders gut sind wir über die Zulassungsbedingungen zur Inkuba-
tion am Asklepieion von Pergamon informiert. Dem Betreten des Askle-
piostempels bzw. des Inkubationsraumes hatte ein rituelles Reinigungs-
bad vorauszugehen 32 . Auf das Genaueste werden die weiteren Vorbe-
dingungen für die Inkubanten in einer 1965 gefundenen "lex sacra"
geregelt 3 3 . Der Inkubant hat vielfältige Opfer darzubringen, sich des
Geschlechtsverkehrs wie des Genusses von Ziegenfleisch und Käse zu
enthalten (Habicht Nr.161,11-13) und durch Benennung von Bürgen eine
Entrichtung des späteren Honorars sicherzustellen (161,29ff).
Im Gegensatz zu den Epidaurosstelen halten sich die in Pergamon
von den Geheilten gestifteten, kaiserzeitlichen Weihegaben mit näheren
Informationen über die Art der Krankheit oder gar die Umstände der
Heilung mit wenigen Ausnahmen völlig bedeckt. Eine gewisse Eueteria
dankt Asklepios für die Genesung von einer Augenkrankheit (Habicht
Nr.86 EÜETT)pia öipdaXu-oüc, &EpaitEu&EToa 'AÖXXTITUUI Xünijpi EÜXTJV), und ei-
ne von Unfruchtbarkeit geheilte Frau namens Claudia Panthagathe stiftet
ÜTtEp TEXVUV einen Altar (Habicht Nr.100). Zudem ist in einer Inschrift
von Aderlaß die Rede (Habicht Nr.139), wie er auch durch Aristides für
das Asklepieion von Pergamon verbürgt ist (Ael Arist, Or 48,47f; 49,34).
Daß sich die Inkubationsheilungen in Pergamon, ähnlich wie dies für Kos
vorauszusetzen ist, unter Mitwirkung wissenschaftlich ausgebildeter
Galen, der aus Pergamon gebürtig ist (Gal II,224f.) und sich selber nach
der auf das Wirken des Heilgottes zurückgeführten Genesung von einem
Abszeß als O-EpaTTEUTrjc, des Asklepios versteht (Gal XIX,19), gibt eine unein-
geschränkt positive Haltung zur Heilpraxis des Asklepioskultes zu erkennen.
Er erklärt sich damit einverstanden, daß "bei uns in Pergamon" die Patienten
den Anordnungen des Asklepios mehr als denjenigen der Ärzte Folge leisten
(Gal XVIIb,137), und weiß von einer schwierigen Heilung durch Asklepios zu
berichten (Gal VI,869). Darüber hinaus verbürgt Galen, daß am Asklepieion
von Pergamon die wissenschaftlich-medizinische Technik der "Krankheitsver-
setzung" gehandhabt wurde. Einem von Elephantiasis befallenen Mann werden
Schlangengift und Ölsalbungen verordnet, die eine Umwandlung des Leidens
in XETtpa bewirken, welche anschließend pharmakologisch kuriert wird (Gal
XII,315f.). Von einem ganz ähnlichen Fall, der sich bereits um 100 n.Chr. am
Asklepieion von Pergamon zugetragen haben soll, berichtet Rufus von Ephesus
(bei Oribasius, Collectionum medicarum reliquiae XLV 30,10-14): Der Epilep-
tiker Teukras von Kyzikos wird durch eine Quartanfieberkur geheilt (xai a ü t ö
fjxEi TETapraToc; TtupETÖc,, xai TÖ äitö TOUSE Tf]c, ETtiXniJiia^ E^ävTnc, YIVETOI) .
Philostr, Vit Soph I 25,5; 1125,5, bezeugt für das l.-2.Jhdt.n.Chr. Diätetik am
Asklepieion von Pergamon.
der her (Porph, Vit Pyth 26; Iambl, Vit Pyth XIV.63; XXV.lll; XXIX.164).
Einer bei Alexander von Tralles (6.Jhdt. n.Chr.) zitierten angeblichen
Galen-Schrift itEpi TTJC; xaS-' "OuEpov iaTpixrjc; zufolge hat selbst Galen die
Rezitation von Homerversen bei Skorpionstichen und im Halse steckenge-
bliebenen Knochen befürwortet (Alex Trall XI,1 CPuschmann Bd.II 4751) 17 .
Eine umfassende Auflistung von Homerversen zu magischen Zwecken bie-
tet PGM VII,1-148. PGM XXIIa leitet zu Heilungen von Blutfluß und Ele-
phantiasis durch Rezitation von Homerversen an. Bei Blutfluß (aiuäppoia)
wird empfohlen, Ilias 1,75 ("Zürnen Apolls, des weit in die Ferne schießenden
Herrschers") gegen das Blut zu sprechen (EIC, alua XEYÖUEVOC;). Gegen Ele-
phantiasis soll man Ilias IV, 141 "Wie wenn ein Weib das Elfenbein UXEtpavta)
färbt mit leuchtendem Purpur" aufschreiben und zu tragen geben. Vermutlich
sind auch diese Heilungen letztlich als Dämonenvertreibungen verstanden.
che Anordnung hin auszugehen 22 . In keinem Falle sollte die relativ späte
literarische Fixierung der uns bekannten griechischen Zauberpapyri, die
grundsätzlich der Geheimhaltung unterlagen und durch glückliche Umstände
bedingte Zufallsfunde sind, zu dem Fehlschluß verleiten, es habe die dort
repräsentierte Magie um die Zeitenwende und davor noch nicht gegeben.
1.4.1. Pythagoras
Für Pythagoras (6.Jhdt.v.Chr.), den "göttlichsten und weisesten über
allen Menschen" (Iambl, Vit Pyth 11,12), der das Auftreten späterer Ge-
stalten wie Apollonius von Tyana oder Alexander von Abonuteichos
entscheidend mitprägte, hat W. Burkert überzeugend herausgestellt,
daß es sich bei ihm historisch um einen Magier oder Schamanen han-
delte, der den Menschen direkten Kontakt zu den göttlichen Kräften
vermittelte 2 . Die recht späten Hauptquellen, neben den maßgeblich von
Apollonius von Tyana und von Nikomachus von Gerasa abhängigen
22 Für das römische Kaiserreich (vgl. etwa Dio Cassius LXXV 13,2: sy-
stematische Vernichtung aller Geheimschriften in den ägyptischen Tempeln
unter Septimius Severus) und nicht zuletzt für den christlichen Staat nach der
Konstantinischen Wende ist die gezielte Vernichtung magischer Literatur
durch die Obrigkeit verbürgt (Speyer, Büchervernichtung 54.59f.l30-134u.ö.,
vgl. auch MacMullen, Enemies of the Roman Order 95-162; Segal, Helleni-
stic Magic 356ff.). Zudem war es weit verbreitet, daß Heiden beim Über-
tritt zum Christentum in ihrem Besitz befindliche magische Werke verbrann-
ten (Speyer, Büchervernichtung 169-173).
1 Vgl. über die nachfolgend besprochenen Gestalten hinaus Athen, Deip-
nosoph VH,289Aff. (Menekrates hält sich als "König der Heilkunst" für
Zeus); Dio Chrys III,30f. (Xerxes schreitet über das Meer und steht damit
den Göttern in nichts nach); Plut, Pyrrhus 111,5 (die heilkräftige Zehe indi-
ziert eine göttliche Dynamis des Pyrrhus).
2 Burkert, Weisheit und Wissenschaft 86-142; vgl. zur sachlichen Konti-
nuität zwischen Alt- und Neupythagoreismus ders., Hellenistische Pseudo-
pythagorica 226-246. Mit wenig Überzeugungskraft bestritten werden scha-
manistische Züge des Pythagoras durch Philip, Pythagoras 159-162.
90 Magie, Medizin und Wunder im Hellenismus
3 Apoll Parad, Hist Mir VI; Ael, Var Hist 11,26; IV,17; Diog Laert
VIII,11; Iambl, Vit Pyth XXVIII,140-143; vgl. Porph, Vit Pyth 23-28/Iambl,
Vit Pyth VIII,36; XIII,60-62; XVIII,134-136.
4 Vgl. zur Seelenwanderungslehre die alten Pythagorastraditionen bei
Diog Laert VIII,4f.l4.30-32.36, zum Ganzen Rohde, Psyche II 160-170.417-421;
Stettner, Seelenwanderung 7ff.; Burkert, Weisheit und Wissenschaft 98ff.
Pythagoras steht damit in der Tradition des Epimenides (Porph, Vit Pyth
29/Iambl, Vit Pyth XXVIII,135 stellt das Lehrer-Schüler-Verhältnis auf den
Kopf), der ebenfalls die Seelenwanderung lehrte (Diog Laert 1,114), die
eigene Seele auf Reisen schickte (Suda s.v. 'ETCIUEVISTIC;), als xaöapTrjc;
wirkte (Iambl, Vit Pyth XXVIII,136) und als OETOC; ävfjp galt (Plato, Leg I
642D).
Theios Aner 91
1.4.2. Empedokles
Neben Pythagoras war der im Pythagoreismus wurzelnde (Timaios
bei Diog Laert V1II,54; Iambl, Vit Pyth XXVIII,135) Empedokles von
"Ich aber wandle euch daher als ein unsterblicher Gott, nicht mehr sterb-
lich (EYU S' ÜUTV $EÖC, außpoToc;, OÜXETI $VT|TÖC; TtuXEuuai) ... Wann auch
immer ich in blühende Städte komme, werde ich von Männern wie Frauen
verehrt. Sie folgen mir in Zehntausenden, um den Weg zum Nutzen zu
erkunden. Die einen suchen Orakel, andere, die an allen möglichen Ge-
brechen leiden, begehren ein heilbringendes Wort, lange schon von Schmer-
zen durchbohrt." 8 Maßgebliches Licht auf das Selbstverständnis und den
personalen Anspruch des Empedokles wirft darüber hinaus die von ihm
überlieferte, höchstwahrscheinlich auf sein eigenes Wirken bezogene Aussage
"Zuletzt aber werden sie Seher und Sänger und Ärzte und Fürsten (uävTEic;
TE xai üuvoTtöXoi xai irjTpoi xai 7tp6uoi) den irdischen Menschen, woraus sie
emporwachsen als Götter, an Ehren reichste, den anderen Unsterblichen
Herdgenossen, Tischgefährten, menschlicher Leiden unteilhaft, unverwüstlich." 9
"Und Heilmittel (9apuaxa), so viele nur geworden sind als Hilfe gegen
Übel und Alter, wirst du kennenlernen, denn dir allein will ich dies alles
erfüllen. Stillen wirst du auch der unermüdlichen Winde Gewalt, die gegen
die Erde losbrechen und mit ihrem Wehen die Felder vernichten, und um-
gekehrt wirst du, wenn du den Willen hast, zum Ausgleich die Lüfte her-
beiholen. Schaffen wirst du aus dunklem Regen rechtzeitige Trockenheit den
Menschen, schaffen wirst du aber auch aus sommerlichen Trockenheit baum-
ernährende Regengüsse, die dem Himmel entströmen. Zurückführen wirst
du aus dem Hades die Kraft eines verstorbenen Mannes." 10
Empedokles verfaßte eine nur dem Titel nach bekannte Schrift namens
iatpixöc, XÖYOC; (Diog Laert VIII,77), Emped, Fragm 101, sind pharmakologi-
sche Heilpraktiken entnehmbar, und Celsus (Med Prooem 7) wie Galen (Gal
X,6) betrachten ihn als Vertreter der wissenschaftlichen Heilkunst.
Herakleides Pontikus (4.Jhdt.v.Chr.) berichtete in seiner nur fragmenta-
risch erhaltenen Schrift "Über die Scheintode oder über die Krankheiten"
(itEpi TTJC; fiitvou rj TtEpi vöawv) 12 von der Wiederbelebung einer Frau durch
Empedokles, die weder Puls noch Atem hatte, sich nur durch einen Rest an
Körperwärme von einer Verstorbenen unterschied und von den Ärzten für
tot erklärt worden war 1 3 . Sofern die Notiz Plin, Hist Nat 7,175, daß eine
falsche Lage der Gebärmutter die Atmung außer Kraft gesetzt hatte, auf
Herakleides Pontikus zurückgeht 14 , reflektierte dieser im Sinne der hippo-
kratischen Medizin auch über die Ursachen des Scheintodes. Die in hohem
Maße knidisch geprägte Schrift De muliebribus beschreibt ausführlich, wie
Uterusverlagerungen Komazustände (Hippocr, Mul 11,123 ILittre VIII,2661),
Atemnot, Stummheit, Erstarrung des Kopfes und der Zunge (öp-8-ÖTivooc;
YIVETOI, avauSoi Y^ovrai, xai rä äutpi rfjv XEtpaXfjv xai TTJV YXöooav vapxri
EXEI, II, 126 [Littre VIII,2701) bis hin zur Erkaltung der Gliedmaßen (11,151
[Littre VIII,3261) nach sich ziehen 15 . Im 2.Jhdt.n.Chr. widmet sich Galen
ausführlich diesem Problem und zitiert dabei Herakleides Pontikus zustim-
mend, indem er dessen Beschreibung der Scheintodsymptome mit Fällen aus
seiner eigenen Praxis in Einklang sieht (Gal VIII,414ff.; vgl. auch VII,773).
Galen erklärt sich den Scheintod damit, daß trotz fehlender Atmung durch
Mund und Nase in den Arterien noch Respiration herrscht, und zieht ver-
gleichend den totenähnlichen Winterschlaf der Tiere heran (VIII,415).
Bei der Wiederbelebung der scheintoten Frau durch Empedokles hat es
sich wahrscheinlich um eine auf medizinischem Wege bewirkte Wiederher-
stellung der Atmungsfähigkeit gehandelt, denn für Empedokles sind sowohl
Erwägungen über die menschliche Respiration als auch Reflexionen über die
physiologischen Grundlagen von Schlaf und Tod und deren Unterscheidung
bezeugt 16 . Vermutlich war diese ärztliche Wiederbelebung mit einer scha-
manistischen Hadesfahrt, auf der Empedokles die Seele der Scheintoten aus
der Unterwelt zurückholte (vgl. Emped, Fragm 101). gekoppelt, zumal die
Empedoklestradition bei Herakleides, Fragm 78.81 (Orig, Cels 11,16; Plin,
Hist Nat 7,175), im Kontext der Seelenwanderung begegnet.
14 Vgl. dazu Gottschalk, Heraclides 20. Plin, Hist Nat 7,175 (Fragm 81),
heißt es: "Das weibliche Geschlecht scheint diesem Übel (sc. dem Schein-
tod) wegen der Umstülpung der Gebärmutter am meisten unterworfen zu
sein; hat man diese wieder in die richtige Lage gebracht, setzt die Atmung
wieder ein (spiritus restituitur). Hierher gehört auch jenes bei den Griechen
berühmte Buch des Herakleides über eine Frau, die nach einem Scheintod
von sieben Tagen wieder ins Leben gerufen wurde (septem diebus feminae
exanimis ad vitam revocatae)." Vgl. auch Lonie, Medical Theory 135-143.
15 Vgl. Plato, Timaios 91C; Aret 1111,2 (TOUVEXEV anvota ^uvsTvai SOXEEIV
xai ä<puviTi); Gal VIII,425.
16 Vgl. die Ausführungen über die Respiration in Emped, Fragm 91/Diels
31 B 100, und Aetius IV 22,1/PsPlut, Mor 903D. Aetius V24,2; 25,4/PsPlut,
Mor 909DE; 910AB/Diels 31 A 85 zufolge hat Empedokles den Schlaf auf
die teilweise und den Tod auf die vollständige Erkaltung des Blutes zurück-
geführt und beides mit dem Erlöschen des Feuerelementes im menschlichen
Körper in Verbindung gebracht.
Theios Aner 95
17 Timaios bei Diog Laert VIII,60 (vgl. Plut, Mor S1SC; 1126B). Die
Anordnung zum Schlachten von Eseln allerdings ist weder mit der Reinkar-
nationslehre noch mit der Blutopferkritik des Empedokles vereinbar.
18 Münzen (S.Jhdt.v.Chr.) aus Selinus bilden einen Mann ab, der Askle-
pios durch Opfer Heildank abstattet. Dies wird vielfach mit der Bewahrung
der Stadt vor Pest Diog Laert VIII,70 in Verbindung gebracht, was aller-
dings unsicher bleibt (Abb. der Münzen und kritische Bewertung bei A.H.
Lloyd, Coin Types of Selinus 73-93 + Plate IV).
19 Diese allgemein angenommene Datierung stützt sich auf Cic, Or
I 14,62 (Asklepiades als Freund des 91v.Chr. gestorbenen Crassus), und Plin,
Hist Nat 26,12 (Asklepiades als Zeitgenosse von Pompeius). Rawson, Life
and Death of Asclepiades 360ff., nimmt hingegen 91 v.Chr. als spätesten To-
destermin von Asklepiades an.
96 Magie, Medizin und Wunder im Hellenismus
andere (vgl. dazu Rawson, Life and Death of Asclepiades 365f.) - eine
Verwechslung mit dem Rhetor Asklepiades Myrleanus vermuten. Scar-
borough, Roman Medicine 38-42, macht sein Bild von Asklepiades als
medizinischem Autodidakten unkritisch an Plin, Hist Nat 26,12-17, fest.
27 Plin, Hist Nat 26,15, cum occurisset ignoto funeri, relato homine ab
rogo atque servato, ne quis levibus momentis tantam conversionem factam
existemet. Wellmann, PRE 4 (1896) 1632, übernimmt dies recht unkritisch
und spricht von einer Komödie des Asklepiades.
28 Plinius berichtet Hist Nat 7,173.176 von konkreten, durchaus glaub-
würdigen Scheintodfällen in Capua (unter Berufung auf Varro), Aquino und
Rom, bei denen der "Tote" teilweise schon auf einer Bahre zum Begräbnis
getragen wurde und zu Fuß nach Hause zurückkehrte.
Bayerische
Staatsbibliothek
München
98 Magie, Medizin und Wunder im Hellenismus
fahrenen Ärzte . Dies wußte Asklepiades wohl, als er, einem Leichenzuge
begegnend, ausrief: 'Der, welcher da hinausgetragen wird, lebt noch (quod
Asclepiades funeri obvius intellexit quendam vivere qui efferebatur)!', und
daß, wenn der Arzt einen Fehler begeht, derselbe nicht gleich der ärztli-
chen Kunst zur Last gelegt werden darf. Gemäßigter will ich nur folgendes
hinzufügen: Die Heilkunde beruht auf Vermutungen, und diese können mit-
unter täuschen, wenn sie sich auch oft als richtig erwiesen haben" (Cels,
Med 116,13-16).
Iren, Haer 121,5, zufolge wird von Gnostikern an Sterbenden eine Ölung
vollzogen, die dem Schutz der Seele vor den feindlichen Gestirnmächten
dient und in Verbindung mit der Rezitation festgelegter Sprüche die Durch-
querung der verschiedenen feindlichen Himmelssphären gewährleistet. Ver-
mutlich ist die auf den Simon-Schüler Menander bezogene Aussage, daß die
von ihm gelehrte magia die Engel bezwingt (Haer 123,5), auf diesem Hin-
tergrund zu sehen. Celsus berichtet von christlich-gnostischen Magiern
(icXävoi xai YÖITEC,), die die Seelen zu Gott führen und die Gläubigen dazu
veranlassen, die Namen der Türwächter in den verschiedenen Himmeln zum
ungehinderten Seelenaufstieg auswendig zu lernen (Orig, Cels VII,40; vgl.
VI,30f.).
Hauptzeugnis für die Vita des eher in der Mitte als am Anfang des
l.Jhdt.n.Chr. geborenen 4 0 Neupythagoreers Apollonius von Tyana ist die
Daß Apollonius auf Initiative des Asklepios hin in Aigai einen Wasser-
süchtigen durch diätetische Anweisungen heilte (Vit Apoll 1,9), ist glaubwür-
dig, da Diätetik die bevorzugte Heilmethode der Pythagoreer war (Iambl,
Vit Pyth XXIX,163) und Apollonius selber in seiner Pythagorasvita von ihr
handelte (Iambl, Vit Pyth XXXV,264). Zudem rühmt sich Apollonius Ep 52
der iaTpixfj und ist indirekter Urheber der medizinischen Fertigkeiten des
Alexander von Abonuteichos (Luc, Alex 5), der seinerseits einen Askle-
pios-Glykon-Kult etablierte.
Dem in Tarsus lokalisierten Krankenheilungsbericht Vit Apoll VI,43 zu-
folge kuriert Apollonius einen von Tollwut befallenen Jüngling durch Sym-
pathetik, indem der als Krankheitsverursacher ausgemachte tollwütige Hund
durch Lecken der Bißwunde die Krankheit wieder auf sich nimmt. Ange-
sichts seines Pythagoreertums ist Apollonius die Anwendung solcher sympa-
thetischen Heilpraktiken zuzutrauen; der in der Suda als Pythagoreer gel-
tende Bolos von Mendes, der wie Apollonius Sammler von Pythagorastradi-
tion war (Apoll Parad, Hist Mirab I.VI), handelte in seiner magisch-phar-
makologischen Schrift «tuoixä von Sympathetik und Antipathetik (Suda s.v.
BöXoc,). Auch daß Apollonius den Hund anschließend durch das Wasser
trieb, hat realistischen Anhalt, denn antike Ärzte haben tollwütige Patienten
in Säcke gebunden und ins Wasser gelassen, um sie kurieren (Artorius bei
Cael Aur, Cel Pass 111,133; vgl. Cels, Med V 27,2).
Von der Heilung eines an Manie 5 0 leidenden Jünglings in Athen ist Vit
Apoll IV,20 die Rede. Maßgebliche Praktik ist die massive Bedrohung des
51 Auch die Vertreibung der Empuse Vit Apoll IV,25 (Anderson, Philo-
stratus 141, vermutet einen historischen Kern) vollzieht sich durch massive
Einschüchterung.
52 Vgl. zur Epipompe PGM IV.1247L, zu an Dämonen gerichtetem
KEXEÜEIV o.a. PGM 111,89.231f.
53 Vgl. Norden, Agnostos Theos 37-45.
54 Vgl. Porph, Vit Pyth 30.33; Iambl, Vit Pyth XV,64; XXV,110f.ll4;
XXIX,164.
106 Magie, Medizin und Wunder im Hellenismus
Vit Apoll IV,10; VI,41; VIII,7,9 zufolge hat Apollonius Ephesus vor der
Pest und einzelne hellespontische Städte vor Erdbeben bewahrt. Hier kommt
als historischer Kern in Betracht, daß Apollonius in bestimmten Regionen
magische Figuren oder Säulen als Talismane zur Abwehr von Krankheit und
Naturkatastrophen errichtete 5 5 .
Von den zahlreichen Beispielen für wunderbare seherische Fähigkeiten
des Apollonius (u.a. Vit Apoll V,24.42; VI,39) schließlich dürfte am ehesten
Vit Apoll VIII,26 (Apollonius sagt in Ephesus den gerade in Rom erfolgen-
den Tod Domitians voraus) auf einer historischen Begebenheit beruhen. In
jedem Falle handelt es sich dabei um eine vorphilostrateische Tradition, die
auch bei Dio Cassius LXVII 18,lf. überliefert ist.
1.4.6. Vespasian
Von dem römischen Feldherrn und deklarierten Kaiser Vespasian
wird in dreifacher Überlieferung berichtet, daß er in Alexandria
69/70n.Chr. einen nahezu Erblindeten und einen Mann mit gelähmter
Hand heilte, die sich beide auf Geheiß des Heilgottes Sarapis hin an
ihn gewandt hatten (Tac, Hist IV81,1-3; Suet, Vesp VII,2f.; Dio Cassius
LXV8,lf). Tac, Hist IV81,2, gilt dies als Zeichen göttlicher Erwählung
(divino ministerio principem electum). Meist rechnet man hier mit ei-
ner vom antiken Herrscherkult geprägten legendarischen Theios Aner-
Tradition und ordnet insbesondere den Gelähmtenheilungsbericht den-
jenigen Wunderüberlieferungen zu, in denen der bloßen Berührung des
Kranken durch den Wundertäter Zauberkraft beigemessen wird 5 6 .
Demgegenüber läßt die historische Zuverlässigkeit der chronologisch-
geographischen Eckdaten von Tac, Hist IV81,l-3parr, von vornherein
auch den dortigen Krankenheilungstraditionen ein hohes Maß an Glaub-
würdigkeit zukommen, zumal Tacitus offenkundig noch Augenzeugen
dieser Geschehnisse persönlich bekannt sind (IV81,3) 57 .
55 Vgl. dazu Petzke, Apollonius von Tyana und das NT 24-28; Weis-
ser, "Buch über das Geheimnis der Schöpfung" 15f.23-25. Wohl pseudepi-
graph ist die Apolloniusschrift über Talismane ßißXoc, oocpiac, xai OUVEOEUC;
äitoTEXEOuäTUv (ed. F. Boll, CCAG 7, 1908, 174-181).
56 Vgl. Weinreich, Heilungswunder 67ff.; Berger/Colpe, Textbuch 37f.50,
als Beispiel aus dem Herrscherkult Plin, Hist Nat 7,20; 28,34; Plut, Pyrrhus III,
4f.: Heilung eines Milzkranken durch bloßen Kontakt mit der Zehe von Pyrrhus.
57 Chilver/Townend, Commentary 84 ("as if witnesses were still avail-
able well over thirty years later, perhaps in the imperial household"), vgl.
auch Henrichs, Vespasian's Visit 65-72. Daß Tacitus selber dem Geschehen
ohne Sympathie gegenübersteht - der Sarapiskult entspringt für ihn dem
Aberglauben (IV81,1), und die Heilungen hält er offenbar für Lüge (IV81,3)
- erhöht die Glaubwürdigkeit des Berichtes, vgl. Morenz, Vespasian, Heiland
der Kranken 372.
Theios Aner 107
kreist ihn dreimal und bannt auf diese Weise alle Schlangen innerhalb
der Gegend, um sie dann zu verbrennen. Im Gegensatz zu Choni, der
sich mit apotropäischem Kreisziehen einen dämonenfreien Raum ver-
schafft (Taan 111,8), geht es hier vorstellungsmäßig darum, das Feindli-
che in einem magischen Zirkel einzuschließen und zu vernichten 72 .
b) Der Hyperboreer
Der Peripatetiker Kleodomos berichtet Luc, Philops 13f., von den
wunderbaren Taten eines Magiers aus dem sagenumwobenen Land der
Hyperboreer (vgl. Plin, Hist Nat 4,89). In dem summarienhaften Wun-
derkatalog Philops 13 sind Liebeszauber und Nekromantie des Magiers
der nachfolgenden Wundererzählung Philops 14 entnommen. Als weitere
Fähigkeiten werden Riegen, Wasserwandel und Durchschreiten des
Feuers genannt. Für ersteres hat wohl die Tradition des auf einem
Pfeil die Lüfte durchschreitenden Hyperboreers Abaris (u.a. Iambl, Vit
Pyth XXVIII,135f; vgl. auch PGM 1,119; XXXIV,9f.) Pate gestanden,
während das Motiv des Wasserwandels eine Reproduktion der Lukian-
notiz über die auf dem Meer wandelnden "Korkfüßler" (Luc, Ver Hist
11,4) darstellen dürfte.
In der ausführlichen Liebes- und Herbeibringungszaubergeschichte
Philops 14 ist davon die Rede, wie der Hyperboreer dem Philosophen-
schüler Glaukias gegen beträchtliches Entgelt die von ihm begehrte
Chrysis zufuhrt. Als magische Begleithandlung begegnet Nekromantie,
indem der verstorbene Vater des Glaukias vorübergehend in das Leben
zurückgerufen wird, um seine Einwilligung in die Liebesbeziehung zu
erlangen. Der eigentliche Herbeibringungszauber vollzieht sich derge-
stalt, daß eine vom Magier ausgesandte Erosstatuette dem Glaukias die
Geliebte zuführt. Dies deckt sich mit Praktiken der Zauberpapyri, wo
sich der Magier eines Paredros bedient, um bestimmte Personen her-
beizubringen (PGM I,96ff; IV,2090ff). Unmittelbare Parallelen zu Luc,
Philops 14, bieten die Zauberformulare PGM IV,1390ff.2708ff, wo der
Magier jeweils in Analogie zu dem Hyperboreer eine Epiphanie der
Göttin Hekate erzwingt (IV,1443ff.2745ff), damit diese samt den ihr
untergebenen Totengeistern eine bestimmte Frau vor Liebe zum Auf-
traggeber entflammen läßt.
73 Lat. Text der Erzählung in: Acta Sanctorum Septembris VII, Brüssel
1970 (Nachdruck) 196, vgl. Radermacher, Cyprian der Magier 234f.; Herzig,
Lukian als Quelle für die antike Zauberei 18f.; Krestan/Hermann, RAC III
(1957) 470f. - Darüber hinaus sind im Erzählgerüst von Luc, Philops 14,
Berührungen mit der Liebesgeschichte Luc, Toxaris 12-16, gegeben, vgl.
Anderson, Theme and Variation 51f.
74 Scholia in Luciani Philops 16, ed. H. Rabe, Leipzig 1906, 163.
75 Vgl. H.D. Betz, Lukian und das NT llf.; Berger/Colpe, Textbuch 32.
Überhaupt wird Lukian keine direkte Kenntnis ntl Schriften besessen haben,
vgl. H.D. Betz, Lukian und das Christentum lOff.
114 Magie, Medizin und Wunder im Hellenismus
d) Arignotus
Philops 30f. läßt Lukian den Philosophen Arignotus, wie Apollonius
von Tyana (Philostr, Vit Apoll 1,8) ein langhaariger Pythagoreer (Philops
29), genauestens darüber berichten, wie dieser persönlich in Korinth
ein durch einen Totengeist besetztes Haus wieder bewohnbar gemacht
hat. Arignotus benutzte zu diesem Zwecke ägyptische Zauberbücher,
wobei er den Dämon durch ein schauerliches Zauberwort (ETtippiiöic,) in
76 Jüdische Nationalität wird von Stern, Greek and Latin Authors II 221
mit Anm.4, vorausgesetzt. Vgl. dagegen Kudlien, Jüdische Ärzte 40f.
77 H.D. Betz, Lukian und das NT 156.
Theios Aner 115
78 Vgl. Apul, Apol 38: magica nomina Aegyptio vel Babylonica ritu;
Orig, Cels 1,24: Ägyptische Worte gegen bestimmte Dämonen. Vgl. zu dem
magischen Kompendium des Arignotus das "alte Buch" Philops 12, aus dem
der chaldäische Magier heilige Namen zitiert, sowie die Apg 19,19 zufolge
in Ephesus verbrannten Zauberbücher. In den griechischen Zauberpapyri
finden sich vereinzelt ägyptische Partien. So enthält das griechischsprachige
Amulett gegen Dämonen PGM IV,86f. ägyptische Worte, und PGM IV, 123lff.
begegnet ein koptisches Dämonenaustreibungsgebet.
79 Vgl. Herzig, Lukian als Quelle für die antike Zauberei 26f.; Ander-
son, Studies in Lucian's Comic Fiction 28.
116 Magie, Medizin und Wunder im Hellenismus
1.5. Ergebnisse
2. Antikes Judentum
2 Vgl. Diepgen, Geschichte der Medizin I 25-36; Koelbing, Arzt und Pa-
tient 27-47; speziell für Ägypten Grapow, Grundriß I—HI; Westendorf, Erwa-
chen der Heilkunst; für Mesopotamien Sigerist, Arzt in der mesopotamischen
Kultur.
3 Vgl. u.a. Num 12,9-15; 1 Kön 13,4-6; Ps 103,3. Wenn in den Büchern
Hiob und Tobit von weisheitlichem Denken her ein traditioneller Tun-Ergehen-
Zusammenhang, der Krankheit als Strafe für Fehlverhalten auffaßt, durchbro-
chen wird (vgl. Hiob 2,lff.; Tob l,6ff.), stellt dies die Ausnahme dar und ist
für die Folgezeit nicht repräsentativ (vgl. Sir 38,10; Test Sim 2,11-14; 1 Q
Gen Ap XX,18ff.).
4 Vgl. zur Entstehung und zum traditionsgeschichtlichen Hintergrund die-
ses wohl erst nachexilischen Theologumenon Lohfink, "Ich bin Jahwe, dein
Arzt" 15ff.; Niehr, JHWH als Arzt 3-17. Auch Philo äußert von Ex 15,26
herrührende Vorbehalte gegenüber einer Uberbetonung rationaler Medizin
(SacrAC 70). In rabbinischer Tradition ist das Urteil über den Arzt ambiva-
lent. Neben völlig ablehnenden Stellungnahmen (Qid IV,14; bPes 113a; Arzt-
polemik ist allerdings ein fester antiker Topos) ist eine positive Beurteilung
ärztlicher Praktiken im Rahmen der von Ex 15,26 vorgegebenen Prämissen
erkennbar (bBer 60a).
s Wichtiger Unterschied zur Umwelt Israels ist, daß dem Priester keine
ärztliche Funktion zukam, sondern seine Rolle sich auf die Konstatierung der
nach Heilungen wiederhergestellten Kultfähigkeit beschränkte (Lev 14,2-4).
Zudem ließ die jüdische Reinheitsgesetzgebung Leichensektionen, ihrerseits
Voraussetzung für die Entstehung einer inneren Chirurgie, nicht zu (Hempel,
Arzt 811). Vgl. grundsätzlich zur relativ niedrig entwickelten Medizin in
Israel Preuß, Biblisch-talmudische Medizin 1-43; Hempel, Heilung, passim;
Muntner, Medicine 3-21; Seybold, Krankheit und Heilung 11-79.
120 Magie, Medizin und Wunder im Judentum
6 Tob stammt aus dem späten 3.Jhdt.v.Chr., vgl. Deselaers, Buch Tobit
320-343; Schürer/Vermes, History 111,1 222ff. Über den Entstehungsort, sei
es Ägypten, Babylonien oder Palästina, lassen sich keine gesicherten Angaben
machen (zur Diskussion: Deselaers, aaO.; Rabenau, Studien 175-190). Auf
jeden Fall war Tob in Palästina bekannt, wie die Qumranfunde zeigen.
7 Vgl. zum Ganzen Kollmann, Heilkunst im Buch Tobit 289-299.
Jüdische Heilkunst in h e l l e n i s t i s c h - r ö m i s c h e r Zeit 121
rational nachvollziehbar ist 14 . Das Buch Tobit gibt dabei ein beachtliches
Maß an volksmedizinischem Wissen zu erkennen. Das Augenleiden wird
mit dem einschlägigen medizinischen Fachbegriff als XEÜxuua identifi-
ziert und dem damaligen pharmakologischen Erkenntnisstand entspre-
chend mit Fischgalle behandelt. Die Notiz, daß Tobit die Augen brannten
(öuvSdxvEö&ai 11,12 BA, vgl. 11,8), verrät nicht allein empirisches Wissen
um schmerzhafte Begleitumstände dieses Heilverfahrens, sondern läßt
zudem eine Kenntnis dessen durchschimmern, daß die Heilkraft von
Fischgalle entscheidend auf deren scharfer, wärmeentfaltender Wirkung
beruht (vgl. Diosc, Mat Med II 78,2). Die an Tobit exemplarisch veran-
schaulichte Blindenheilungstechnik, die Tob 6,9 als die bei XEuxüuata
grundsätzlich gebotene Heilmethode gilt, markiert die Anfänge einer im
antiken Judentum relativ hochentwickelten Augenheilkunde. Gerade im
Vergleich mit späteren magischen Rezepten gegen weiße Augenflecken
(np~Q) 1 5 zeigt sich, in welchem Maße die Blindenheilung Tobits von
rationaler Heilkunst geprägt ist.
Bei dem magischen Räuchern von Fischleber und -herz und der
pharmakologischen Verwendung von Fischgalle handelt es sich somit um
Praktiken aus dem Bereich der antiken Magie oder Volksmedizin, deren
Anwendung im Judentum von vornherein religiösen, hauptsächlich von
Ex 15,26 herrührenden Vorbehalten ausgesetzt war und die aus diesem
Grunde besonderer theologischer Legitimation bedurften. Dies vollzieht
sich dergestalt, daß der zum himmlischen Thronrat gehörige (Tob 12,15)
Engel Raphael im ausdrücklichen Auftrage Gottes als Offenbarer von
Heilkunst in Erscheinung tritt. Raphael erteilt die Anweisung zum Fan-
gen des Fisches (6,4f.) und vermittelt das Wissen um die magisch-phar-
makologischen Verwendungsmöglichkeiten der Fischinnereien (6,8f).
Tob 12,6ff. gibt Raphael dabei zu erkennen, daß er gänzlich als Reprä-
sentant Gottes fungiert. Sein Kommen beruht nicht auf eigener Initiative,
sondern geht auf Gottes Ratschluß zurück, die Menschen mit antidämo-
nischen wie medizinischen Techniken vertraut zu machen (vgl. 12,14).
Folglich ist jeglicher religiöser Vorbehalt gegen deren von Gebet (8,4ff.)
und Lobpreis Gottes (8,15ff; 11,Uff.) begleitete Anwendung fehl am
14 Vgl. zu den rationalen Implikationen der bis zum Anfang des 20.Jhdt.
selbst in der Schulmedizin noch üblichen Behandlung von Augenleiden durch
Tiergalle Münchow, Geschichte der Augenheilkunde 240-242 (Lit!); Papa-
yannopoulos/Laskaratos/Marketos, Remarks on Tobits Blindness 181ff.
15 bSchab 78a (Einpinseln des Auges mit Tierblut); SHR II,181ff. (Bedro-
hung des Blindheitsdämons unter Verwendung von Stierfett und Engelnamen);
HDM A 111,11 (Rezitation magischer Worte über Öl und Sesam als Augen-
heilmitteln).
124 Magie, Medizin und Wunder im Judentum
Platze. In ihrer vollen Tragweite läßt sich diese Konzeption von der
göttlichen Offenbarung magisch-pharmakologischer Heilkunst durch den
Engel Raphael erst im Kontrast zu solchen Traditionen erfassen, denen-
zufolge das menschliche Wissen um Magie und Pharmakologie Resultat
des gegen Gott gerichteten Wirkens gefallener Engel ist 16 . Vermutlich
setzt sich die offenbarungstheologische Konzeption im Buch Tobit
wenigstens implizit mit derartigen Vorstellungen auseinander, indem sie
Magie und Medizin nicht als Produkt des widergöttlichen Wirkens gefal-
lener Engel betrachtet, sondern durch den in uneingeschränkter Über-
einstimmung mit dem Willen Gottes handelnden Engel Raphael vermittelt
sieht.
16 Im Wächterbuch des äth Hen lehren die gefallenen Engel die Menschen
Zauberei und Beschwörungen sowie das Schneiden von Wurzeln und Pflanzen
zu pharmakologischen Zwecken (äth Hen 7,1; 8,3). Ähnlich PsPhilo, Lib Ant
34,1-4, wo Aod von dem Heiligtum Midians nach Unterweisung durch die
Engel Zauberei betreibt. - Eine ganz ähnliche offenbarungstheologische Legi-
timation von Magie und Medizin wie bei Tob findet sich Jub 10,12f. (Noah
wird von den Engeln in pharmakologische Heilpraktiken eingewiesen und hält
dies für die Nachwelt in einem Buch fest, vgl. Tob 12,20!) und Test Sal I,6f.
(Der Erzengel Michael instruiert Salomo zu Dämonenaustreibungen mit Sie-
gelring). Vgl. grundsätzlich zur Weisheitsoffenbarung durch Engel Mach,
Jüdischer Engelglaube 133-142.
17 Zugrundegelegt wird der - LXX eindeutig vorzuziehende - hebräische
Text von Sir 38,1-15 nach der Edition von Schechter/Taylor, Wisdom of Ben
Sira (17)f. bzw. in der dt. Übersetzung von Sauer, JSHRZ 111,5 596f. (vgl.
ebda. 484ff. zur Textgeschichte). Sir stammt aus dem frühen 2.Jhdt.v.Chr.,
vgl. Sauer, aaO. 489f.
18 Vgl. die ganz ähnliche Argumentation in Sap 7,16-20.
Jüdische Heilkunst in hellenistisch-römischer Zeit 125
19 Ein chirurgisches Wirken des Arztes liegt nicht im Blickfeld. Die Diä-
tetik, neben der Pharmakologie und der Chirurgie eine der drei Hauptdis-
ziplinen der wissenschaftlichen griechischen Medizin (vgl. Cels, Med Prooem
9), kommt hingegen in Sir 37,27-31 zur Sprache, wo traditionelle weisheit-
lich-philosophische Appelle zum Maßhalten speziell auf das körperliche
Wohlbefinden bezogen werden. In übermäßigem Essen nistet Krankheit (37,
30), Zurückhaltung verlängert das Leben (37,31; vgl. Plut, Mor 122Bff.).
20 Treffend Marböck, Weisheit im Wandel 157: "Für den Weisen wird
Gott durch die Medizin nicht an den Rand gerückt. Vielmehr wird auch da-
durch Gottes Kraft (38,5) offenbar, und seine Stärke, die man preisen soll (38,6)."
21 Sir 38,5 setzt dabei voraus, daß der von Mose in das ungenießbare
Wasser geworfene Stock ein eigens dafür von Gott geschaffenes (vgl. Philo,
Vit Mos I 185) Heilmittel darstellte.
22 Anders Lührmann, Arzt 62-64: Der Beruf des "Salbenmischers" sei
nicht pharmakologisch qualifiziert, sondern wegen seiner allgemeinen Akzep-
tanz vergleichend herangezogen, um die Unbedenklichkeit einer Inanspruch-
nahme des Arztes zu veranschaulichen.
126 Magie, Medizin und Wunder im Judentum
27 Vgl. dazu Philo, Leg All 111,178: Heilung von körperlicher Krankheit
gewähre Gott durch Wissenschaft und ärztliche Heilkunst, indem er diesen
den Anschein des Heilens lasse, in Wirklichkeit aber selber sowohl durch
diese als auch ohne sie heile.
28 Vgl. dazu Kudlien, Jüdische Ärzte im Rom. Reich 40ff.
29 Joseph, Vita 404; vgl. auch Jeremias, Jerusalem zur Zeit Jesu I 19.
30 Vgl. Edelstein, PRE.S 6 (1935) 646.
128 Magie, Medizin und Wunder im Judentum
Ob bei den von den Alten abgefaßten bzw. gelesenen Schriften nur an
jüdische oder auch an heidnische Werke gedacht ist, bleibt unklar. Die Wen-
dung t ä TÖV naXaiöv ouvTaYuara ist innerhalb der hellenistisch-jüdischen
Literatur singulär, und oi iraXaioi kann sowohl die jüdischen als auch die
nichtjüdischen Vorfahren bezeichnen 34 .
Steine können dadurch heilkräftig sein, daß man sie in zerriebenem Zu-
stand als Medikament zu sich nimmt oder daß sie - meist als Amulett oder
Ring getragen - allein durch Berührung oder sogar durch bloßes Anschauen
Genesung verschaffen. Beides ist im antiken Judentum belegt, was der Jose-
phusnotiz Bell 11,136 hohe historische Plausibilität verleiht.
Als mineralogischem Arzneimittel kommt in der Antike dem in Palästina
gewonnenen TouSatxöc, Xi&oc, hervorgehobene Bedeutung zu. Dioskurides
empfiehlt ihn, zerrieben und mit heißem Wasser vermischt, gegen Schwierig-
keiten beim Harngang und zur Beseitigung von Steinen in der Harnblase
(Mat Med V,137). Galen spricht dem MouSaixöc, XiSoc, zwar diesbezüglich jeg-
liche Heilkraft ab, hält ihn aber bei Nierensteinen für nützlich (Gal XII,199).
Das Interesse des antiken Judentums an Steinen mit magisch-sympatheti-
scher Heilwirkung zeigt sich plastisch in bBB 16b, wo aus Gen 24,1 ("und der
Herr hatte Abraham in allem gesegnet") gefolgert wird, daß um Abrahams
Hals ein heilkräftiger Stein hing, der durch bloßes Anschauen jedem Kranken
Genesung verschaffte. Sap 18,24 ist von antidämonischem Schmuck aus Stei-
nen (XiO-uv YXücpri) die Rede, vor dem der "Verderber" (6 ÖXESPEÜUV) flieht.
PsPhilo, Lib Ant 25,12, erwähnt Steine (lapides) in Heiligtümern der Amori-
ter, die auf Berührung mit den Augen hin von Blindheit heilen.
35 Hengel, Judentum und Hellenismus 440; Kottek, Essenes and Medicine 83f
130 Magie, Medizin und Wunder im Judentum
das gesamte Geschick des Menschen vom Einfluß der Steine abhängig sah und
bestimmten Steinen Heilkraft im Falle von Augen- und Leberleiden beimaß
(Plin. Hist Nat 37,169).
b) Damonenaustreibungen in Qumran
Neben diesen gewichtigen Hinweisen auf magisch-pharmakologische
Kenntnisse der Essener sind Indizien für Dämonenaustreibungen in
Qumran gegeben. Mit 1 Q Gen Ap XIX,10-XX,34 und 4 Q Or Nab finden
sich in den Qumranschriften zwei Wundertraditionen, die auf Heil-
praktiken der Essener hin transparent sein könnten.
Bei 1 Q Gen Ap XIX,10-XX,34 45 handelt es sich um eine midrasch-
artige Nacherzählung von Gen 12,10-20, dem Bericht vom Aufenthalt
Abrahams in Ägypten, wobei zusätzlich Elemente aus der Variante Gen
20,1-18 eingeflossen sind. 1 Q Gen Ap setzt gegenüber seinen biblischen
Leitbildern nicht zuletzt auch in bezug auf die Bestrafung Pharaos und
deren spätere Außerkraftsetzung neue Akzente. Während Gen 12,17
allgemein von "Schlägen" (D^ül}) Gottes gegen Pharao die Rede ist,
43 Poseidonius bei Strabo XVI 2,43 (Strabo selber verwechselt hier das
Tote Meer mit dem See Sirbonis, vgl. Stern, Greek and Latin Authors I
309); vgl. Joseph, Bell IV.480-482.
44 Philo, Omn Prob Lib 87 t ä Ttpöc, räc, voanXEiac; EX TÖV XOIVÖV EXOVTEQ
EV EToiutp/Euseb. Praep Ev VIII 11,13 xai urjv EI TIC; aüröv äo-0-EvfjoEiEv, EX
TÖV XOIVÖV VOOT)XEÜETai.
45 Text nach Fitzmyer, Genesis Apocryphon Slff. Die Schriftrolle ist
ungefähr auf Ende l.Jhdt.v.Chr./Anfang l.Jhdt.n.Chr. zu datieren, vgl. ebda.
12ff., als ursprüngliche Abfassungszeit von 1 Q Gen Ap kommt das 2.Jhdt.
v.Chr. in Betracht (vgl. Schürer/Vermes, History 111,1 323).
132 Magie, Medizin und Wunder im Judentum
72 Vgl. zur Ergänzung des beschädigten Textes Lohse, Texte 284 Anm.53.
73 Text bei Baillet, DJD VII 215-262. Die Schriftrollen stammen wohl aus
dem Ende des l.Jhdt.v.Chr., vgl. aaO. 215.219.
74 Text bei Eisenman/Wise, Dead Sea Scrolls 266f.
75 Vgl. Delcor, L' utilisation des psaumes 67.
76 Vgl. 4 Q 510,4; 4 Q 511 Fragm 2,1,1; Fragm 8,4. Von daher können die
Hymnen von 4 Q 510.511 nicht mit den Liedern Davids für die Geschlagenen
11 Q Ps a Dav Comp XXVII,9f. identifiziert werden, vgl. Baillet, Le Volume
VII de "Discoveries in the Judaean Desert" 84 Anm.34.
77 Vgl. Sekki, Meaning of ruah at Qumran 153f., und bes. Nitzan, Hymns
from Qumran 53-56. - Auch die der Vertreibung von Krankheitsdämonen
dienenden Beschwörungstexte auf jüdischen Zauberschalen und Amuletten
gelten teilweise ausdrücklich als Lieder (I^K/), vgl. Isbell Nr. 67,1; 69,2; Na-
veh/Shaked A 3,2.
78 Vgl. Eisenman/Wise, Dead Sea Scrolls 256f.265.
Jüdische Wundercharismatiker 137
bet Gott dazu bewog, es regnen zu lassen. In bTaan 23a wird Choni als
Rabbi stilisiert, der als bedeutendster Gesetzeslehrer seiner Generation
im Lehrhaus Schülerfragen beantwortete. In anderen Talmud-Traditionen
und in der Mischna schimmert dagegen ein dem tatsächlichen histori-
schen Befund ungleich eher entsprechendes Bild von Choni als umstrit-
tenem Magier durch, der sogar die Qualität des Regens steuern kann
und nur knapp dem "Synagogenbann" entgeht.
Taan 111,8 zufolge versucht Choni zunächst, das Regenwunder durch
gewöhnliches Beten zu Gott zu wirken, scheitert aber dabei. Erst die
Anwendung magischer Praktiken zur Zwangsbeeinflussung Gottes bringt
den gewünschten Erfolg4. Choni zieht einen vermutlich der Dämonenab-
wehr dienenden magischen Kreis und bedient sich damit einer Technik,
die bereits für die Magie Mesopotamiens bezeugt ist.
Schurpu 1,1-3 ist von einem magischen Kreis aus Mehl um das Räucher-
becken die Rede (When you perform the rituals for the Schurpu [-seriesl, you
set up a brazier, you put trimmed reeds crosswise on top of the brazier, you
Surround it with a magic circle of flour) 5 . Ähnlich umkreisen die Baalsprie-
ster 1 Kön 18,26 den Altar. Menippus wird vor seiner schamanistischen
Hadesfahrt zum Schutz vor den Geistern magisiert und eingekreist ( x a t a -
uaYEÜoac; xai TtEpiEXOüv Luc, Menippus 7). Der lädierte Ringkämpfer Demo-
krates umschließt sich mit einem der Schadensabwehr dienenden magischen
Kreis (TtEpiYpäiptov Eautö xüxXov), aus dem er nicht herausgezogen werden
kann (Ael, Var Hist IV,15). Eine frappierende Parallele zu Chonis magischem
Kreis nach einem gescheiterten Gebet bietet PGM 111,273-275: Wenn ein G e -
bet zur Sonne um wunderbares Vorherwissen erfolglos bleibt, soll zu den
Winden gesprochen werden, indem der Ausführende sich im Kreise bewegt
(XUXXEÜUV). Eine Taan 111,8 vergleichbare Kombination von Zwangsbeeinflus-
sung und magischem Kreis begegnet Polybius XXIX,27: Popilius schließt An-
tiochus IV. in einen mit einem Weinstock gezogenen magischen Kreis ein
(itEpiEYpaipE TU xXfjuari TÖV 'AVTIOXOV; vgl. Livius XLV 12,5f. virga quam in
manu gerebat circumscripsit regem) und befiehlt ihm, vor Verlassen des
Kreises Stellung zu einem Senatsbeschluß zu beziehen 6 .
Taan 111,8 als älteste Tradition gibt hierfür keine Begründung, setzt aber
offenbar einen Verstoß gegen Ex 20,7/Dtn 5,11 voraus. In bBer 19a und
bTaan 19a ist jedenfalls davon die Rede, daß Choni sich gegen Gott vergan-
gen habe, und bTaan 23a spricht konkret von einer Entweihung des Gottesna-
mens. Allein Beschwörungen beim Namen Gottes sind freilich in spätestens
herodianischer Zeit mit 11 Q Ps Ap a bezeugt, ohne in irgendeiner Weise
problematisiert zu werden. Choni gerät offenkundig nicht zuletzt dadurch ins
Zwielicht, daß seine Beschwörungspraktiken eine besonders massive Zwangs-
beeinflussung Gottes implizieren, indem sie von der magischen Technik des
Kreisziehens begleitet sind. In bTaan 23a wird die Brisanz dieses magischen
Ritus durch ein Zitat aus Hab 2,1 entschärft.
Was Choni vor dem Bann bewahrte, war allein das tatsächliche Ein-
treten des Regenwunders. Dies wurde als Indiz für eine besonders
intensive Gottesbeziehung 9 und damit im Sinne einer göttlichen Legiti-
mierung der magischen, allerdings streng monotheistischen Praktiken
Chonis gedeutet. In jTaan 3,8 (66d)/bTaan 23a ist zusätzlich von einem
Stieropfer Chonis zum Stoppen des Regenfalls die Rede.
Daß Choni bei seinen Zeitgenossen im Rufe eines Magiers stand, geht
zudem aus dem Bericht über seinen Tod (Joseph, Ant XIV,22-25) her-
vor. Gefolgsleute von Hyrcanus II. ergriffen Choni mit der Absicht, daß
an (vgl. Num 12,13). - Gegen Goldin, Honi the Circle-Maker 234-237 (... in
the story of Honi there is no trace of thaumaturgy"), spricht weder ARN A
9 noch Polybius XXIX,27 dagegen, daß es sich bei dem Kreisziehen um eine
magische Technik handelt.
7 Vgl. die Vorgehensweise des ägyptischen Magiers Arnuphis, der 174
n.Chr. durch "Tricks" (uayravEia) und Anrufung verschiedener Gottheiten ein
Regenwunder vollbracht haben soll (Dio Cassius LXXI 8,4).
8 Vgl. Neusner, Pharisees I 91f., zur historischen Gestalt des Simon ben
Schatach, dem Sanh VI,5 die Kreuzigung von 80 Hexen an einem Tag zuge-
schrieben wird, Hengel, Rabbinische Legende 36-41.
9 Vgl. die Selbstbezeichnung "Sohn des Hauses" (Taan 111,8) (dazu: Cor-
rens, Gießener Mischna 11,9, 87; Green, Palestinian Holy Men 633f.), die
personale Gottessohn-Ansprüche Chonis nahelegt und ihn in Verbindung mit
seinen magisch-schamanistischen Praktiken in die Nähe eines Theios Aner rückt.
140 Magie, Medizin und Wunder im Judentum
tiert 16 . Der historische Jochanan ben Zakkai war allem Anschein nach
überhaupt kein Wundertäter und kann folglich unter diesem Aspekt auch
nicht mit den jüdischen Dämonenaustreibungen von Mt 12,27 in Verbin-
dung gebracht werden.
Die genaue Wirkungszeit von Chanina ben Dosa ist der rabbinischen Tra-
dition nicht entnehmbar und kann nur indirekt daraus erschlossen werden, daß
er zeitgleich mit Gamaliel, Jochanan ben Zakkai und Nechumiah lebte (bBer
34b; bBQ 50a). Da Jochanan ben Zakkai (ca. 1-80 n.Chr.) und Nechumiah
recht eindeutig in die Zeit vor der Tempelzerstörung einzuordnen sind, dürfte
es sich bBer 34b um Gamaliel den Älteren (Apg 22,3) handeln, so daß Cha-
nina ben Dosas Wirken etwa in der Mitte des l.Jhdt.n.Chr. anzusetzen ist 1 8 .
Nicht allein von der literarischen Fixierung her, sondern auch unter
traditionsgeschichtlichen Aspekten bietet Ber V,5 die älteste wie
zuverlässigste Überlieferung von Chanina ben Dosas Wunderwirk-
samkeit. Ber V,5 zufolge betete er für lebensbedrohlich Erkrankte
( D ^ i r i r r b ü 'p'psrip i"PrK$) und konnte aufgrund dessen, ob ihm das
Gebet flüssig oder stockend über die Lippen kam, die Überlebens-
chancen des betreffenden Kranken vorhersagen. Chanina ben Dosa
wirkte also charismatische Gebetsheilungen 19 , die letztlich von Gott als
Adressat des Gebetes vollzogen wurden, und verfügte dabei über ein
Vorherwissen um den Erfolg seiner Gebete. Legendarisch ausgestaltet
findet sich der Aspekt des intensiven Betens von Chanina ben Dosa in
20 Die kürzere Variante jBer 5,5 (9d) ist demgegenüber sekundär, vgl.
Vermes, Hanina ben Dosa I 31.
21 Vgl. dazu Fiebig, Jüdische Wundergeschichten 22-25; Vermes, Hanina
ben Dosa I 39-44; Freyne, The Charismatic 228-235; van Cangh, Miracles de
rabbins 41-43.
144 Magie, Medizin und Wunder im Judentum
tradition begegnet nur im geringen Maße (Aboth III,9f; Pirqe Rabbi Elie-
zer 29.31), Gesetzesauslegung im engeren Sinne ist von ihm nicht über-
liefert. In allererster Linie erscheint Chanina ben Dosa, der bTaan 24b
zufolge täglich von einer Himmelsstimme als Gottessohn proklamiert
wurde und damit Züge eines Theios Aner trägt, als Wundertäter 2 2 ,
" ... if Hanina had appeared in non-rabbinic sources, ... we should not
have called him a Pharisee, and non of the stories about him is quintes-
sentially Pharisaic." 23
Ähnlich wie bei Choni erfolgt auch im Falle des Charismatikers Cha-
nina ben Dosa, dessen Gebet zu Gott außergewöhnliche Kraft beige-
messen wurde und der historisch weder als Gesetzeslehrer noch als
Wunderprophet wirkte, eine zunehmende Vereinnahmung seitens des
rabbinischen Judentums 2 4 , ohne daß es sich bei ihm historisch speziell
um einen Magier gehandelt haben m u ß 2 5 .
22 Vgl. die programmatische Aussage Sota IX,15parr: Mit dem Tod von
Chanina ben Dosa verschwanden die Männer der Tat (HE/ÜO "'C^K).
23 Neusner, Pharisees I 395f. Noch deutlicher Vermes, Hanina ben Dosa II
62: "Despite attempts to insinuate the contrary, it is likely that Hanina was
not a rabbi, a professional religious teacher."
24 Vgl. Safrai, Teaching of Pietists 18f. Zu den möglichen Gründen der
Stilisierung Chaninas als Rabbi vgl. Bokser, Wonder-Working 80f.: Die Dar-
stellung Chaninas als Wundercharismatiker mit speziellem Zugang zu Gott
hätte im Widerspruch zu rabbinischen Vorstellungen einer "piety available to
all Jews" gestanden. Folglich sei der Wundercharismatiker für die Rabbinen
als "religiöses Modell" nicht in Frage gekommen. Freyne, Charismatic 245,
vermutet hingegen eine Vereinnahmung Chaninas als "model of the piety of
the synagogue", um Galiläa für die pharisäische Gesetzeslehre zu gewinnen.
25 Anders Crossan, Historical Jesus 148-156, der ähnlich wie bei Choni
eine von der Maxime "magic must become prayer, and magician must become
rabbi" geleitete rabbinische Korrektur der Chanina-Tradition vermutet. Abge-
sehen von Chaninas Imitation des vielleicht magischen (H.-Ch. Schmitt, Elisa
185 mit Anm. 31) Gebetsritus Elias (Verbergen des Kopfes zwischen den
Knieen 1 Kön 18,42) in bBer 34b, sind in der historisch glaubwürdigen Chani-
na-Tradition keine Anzeichen für magische Zwangsbeeinflussung Gottes gege-
ben.
Jüdische Wundercharismatiker 145
Noch unter Pontius Pilatus fällt die Wirksamkeit eines unbekannten Sama-
ritaners, der eine beträchtliche Anzahl bewaffneter Landsleute auf den Gari-
zim zu führen gedachte, um dort die von Mose vergrabenen Tempelgefäße zu
zeigen (Ant XVIII,85-87). Im Hintergrund steht eine wahrscheinlich aus
2 Makk 2,4-8 entwickelte oder damit eng verwandte samaritanische Sonder-
tradition, derzufolge das Auffinden der Tempelgefäße auf dem Garizim den
Anbruch der Heilszeit markiert 2 8 .
Unter Fadus (44-48n.Chr.) tritt ein gewisser Theudas mit prophetischem
Anspruch (TcpocpfJTric, fäp EXEYEV Elvai) auf und führt eine Volksmenge - Apg
5,36 zufolge rund 400 Personen 29 - mit dem Versprechen zum Jordan, auf
seinen Befehl hin werde sich der Fluß teilen (Ant XX,97-99). Dies ruft die
Erinnerung an das Schilfmeerwunder Ex 14 wach, zumal die Theudasanhänger
wie seinerzeit die Exodusgemeinde (vgl. Ex 12,11.3lff.) ihre gesamte bewegli-
che Habe mit sich führten (Ant XX,97). Ergänzend liegen Bezüge zum unbe-
schadeten Durchschreiten des Jordan bei der Landnahme (Jos 3) und zur
Teilung des Jordan durch Elias Mantel (2 Kön 2,6-8) vor.
Wenn während der Prokuratur des Felix (52-60 nChr.) "Goeten" (Ant
XX,167) unter Ankündigung von TEpara xai anusTa (Ant XX,168) bzw. or|U£Ta
EXEuÖEpiac; (Bell 11,259) zum Zug in die Wüste aufrufen, ist dabei wiederum
an eine Wiederholung einzelner Exoduswunder gedacht, die Ant 11,327 eben-
falls als "Zeichen der Freiheit" gelten. Ungefähr zur gleichen Zeit führte ein
"Ägypter" - wohl ein Diasporajude - mit prophetischem Sendungsbewußtsein
eine Volksmenge von 30 000 Personen von der Wüste her (Bell 11,262; vgl.
Apg 21,38) mit dem Versprechen auf den Ölberg, auf sein Kommando hin
werde die Stadtmauer zusammenfallen (Ant XX,169-172; vgl. Bell 11,261-263).
Dies läßt zweifellos an die Eroberung Jerichos (Jos 6) denken 30 . Bei dem
"Ägypter" handelt es sich im übrigen um den einzigen der von Josephus
erwähnten Zeichenpropheten, für den politisch-messianische Ansprüche ernst-
haft in Rechnung zu stellen sind, da er die "Herrschaft über das Volk" (TOU
Sfjuou TupawsTv Bell 11,262) anstrebte .
Unter Festus (60-62n.Chr.) verheißt ein weiterer "Goet" denjenigen Ret-
tung und Ende des Bösen (oGiTiipiav xai naöXav xaxöv), die ihm in die Wü-
ste nachfolgen (Ant XX,188). Im Jahre 70n.Chr. verursacht nach Bell VI,285
ein iJ'EuSoTcpotpfJTTic; unter Verheißung von onuEta TTJC; ouTiipiac; den Tod von
6000 Menschen im Heiligtum, und noch nach der Zerstörung Jerusalems
kündigt der Weber Jonathan von Cyrene dem Volk oiiuETa xai (päauata in der
Wüste an (Bell VII,438).
30 Barnett, Sign Prophets 683, verweist auf 4 Q Test 22-28, wo Jos 6,26
(Fluch gegen die Wiedererbauer Jerichos) offenbar auf Jerusalem bezogen
wird (vgl. aber Eshel, Joshua's Curse 413-420). Abwegig ist die Identifizie-
rung des ägyptischen Zeichenpropheten mit Ben Stada (gegen Klausner, Jesus
von Nazareth 22; Goldstein, Jesus in the Jewish Tradition 61f.).
31 Grundsätzlich wird - vermutlich auch unter dem Eindruck von Mk 13.22 -
nicht scharf genug zwischen rein prophetischem und messianischem Anspruch
differenziert, vgl. etwa R. Meyer, Prophet 82ff., der stereotyp von den Zei-
chenpropheten als "messianischen Propheten" spricht.
32 Vgl. zur Heilsbedeutung der Wüstentradition Hengel, Zeloten 258.
Jüdische Wundercharismatiker 147
wird. Das tatsächliche Eintreffen des Wunders war dabei als Beweis für
die Richtigkeit der Heilsverkündigung und damit zugleich als Garant für
die Legitimität der prophetischen Ansprüche gedacht. Daneben dürfte
der Gedanke an ein Erzwingen des endzeitlichen Eingreifens Gottes
mitgeschwungen haben. Würde sich auch nur eines der Exoduszeichen
wiederholen, wäre in einer Art von Automatismus ein unaufhaltsames
Abrollen der neuerlichen Befreiungstaten Gottes für sein fremdbe-
herrschtes Volk in Gang gesetzt. Über die Wunderpraktiken der Zei-
chenpropheten ist nichts bekannt, zumal in der Mehrzahl der Fälle
römische Truppen dem Geschehen vorzeitig ein Ende bereiteten. Der
von Josephus erhobene Vorwurf der Goetie (vgl. Luc, Alex 5; Dio Cass
LXXVII 18,4; Orig, Cels 1,68) deutet allerdings auf magische Techniken
hin.
Die von den Zeichenpropheten nur angekündigten, niemals auch wirk-
lich eingetretenen Wunder zielten auf den sichtbaren Erweis des gegen-
wärtig einsetzenden endzeitlichen Heilshandelns Gottes in der Welt ab.
Die in Aussicht gestellten or^Eia xai TEpata sollten in Orientierung an
eschatologisierten Exodustraditionen die Wiederholung der damals von
Gott gewirkten Wunder im Sinne einer einsetzenden national-politischen
Befreiung Israels manifest machen und damit gleichzeitig personale
politisch-prophetische Ansprüche legitimieren.
2.2.5. Eleazar
33 Daß es sich bei Eleazar um einen Juden handelt, geht daraus hervor,
daß ihn Josephus als "Stammesgenossen" (öuöcpuXocJ bezeichnet. Zu weiter-
gehenden Konkretisierungen s.u.
34 Vgl. zum Kontext und den redaktionsgeschichtlichen Implikationen von
Ant VIII,45-49 Duling, Eleazar Miracle 6-23.
148 Magie, Medizin und Wunder im Judentum
der Gottesname eingraviert (vgl. PGM XII,206). Sehr nahe kommt dem Ring
Eleazars SHR V,38ff., wo die Herstellung eines dämonenabwehrenden Sie-
gelringes (HPDU) aus Silber beschrieben wird, der eine weiße Pflanze und
Asbest enthält.
Die unmittelbarsten Parallelen zur Vorgehensweise Eleazars bieten frei-
lich drei sympathetisch-medizinische Instruktionen aus dem ersten Buch der
Kyraniden. Kyr I 13,16ff. zufolge eignet sich ein Ring aus Nemesis-Stein mit
einem darunter verborgenen Pflanzenstück zu Besessenenheilungen (säv oöv
TÖV SaxTÜXiov TOUTOV TtpooEVEYxrjc, Sautovi^ouEvu, Ttäpauta 6 Saiuuv E^OUO-
Xoyr|öäuEvoc; Eautöv (pEÜ^ETai). Der Rhinozerus-Stein mit einer Wurzel (ÜTTÖ
SE TÖV Xiöov bif.iov TTJC; ßorävtic^ Kyr I 17,15-18 dient ebenfalls der Dämonen-
abwehr (Saiuovac, äitoSiüxEi), und Kyr I 19,9ff. wird ein Ring (SaxrüXioc;) aus
Taites-Stein mit einer Wurzel zur Heilung von Epilepsie empfohlen.
Atemluft hervorruft (XI,860). Vgl. dazu Temkin, Falling Sickness 25. Auch
Kyr Il.lOf.; 19,16f. empfiehlt um den Hals g e t r a g e n e W u r z e l n gegen Epilepsie.
39 Vgl. Speyer, Büchervernichtung 111 ("vielleicht aber wurde eine e r s t in
hellenistischer Zeit erfolgte kritische Sichtung in die Königszeit z u r ü c k d a -
tiert").
40 Hippolyt I ( G C S 1) 343: EV SE rate, f|UEpaic, 'Er,Exiou r ä UEV TÖV
ßißXiuv E^EXEYr|oav, r ä 5E x a i TtEpiticpdrioav. 63-EV <pi]oiv i\ YPa<pfj ' " a ü r a i a i
TtapoLuiai ZOXOUÖVTOC, a i äSiäxpiTot, 'ac, E!;EYpä4>avTO oi ipiXoi "Et^xiou TOU
ßaoiXEioc,." Suda s.v. 'E^Exiac, (Adler 11,208): fjv ZoXouövi ßißXoc, EauÖTWv
itä-Souc, TcavTÖc,. Vgl. zur Rückführung von H l i O S I I S O auf Salomo H a l p e -
rin, Book of Remedies 271ff., allgemein zur Bedeutung Salomos für die antike
M a g i e Preisendanz, PRE.S 8 (1956) 666-704; Duling, in: C h a r l e s w o r t h , P s e u d -
epigrapha I 9 4 4 - 9 5 1 ; A l e x a n d e r , in: S c h ü r e r / V e r m e s , History 111,1 375-379.
41 Orig, Comm. ad M t 26,63 (GCS 38, 230): ... quod a Salomone scriptis
adiurationibus solent daemones adiurari. sed ipsi, qui utuntur adiurationibus
illis, aliquotiens nee idoneis constitutis libris utuntur, quibusdam autem et de
H e b r a e o aeeeptis adiurant daemonia.
42 Vgl. van der Ploeg, Psaumes apocryphes 131; Puech, Rituel d' e x o r c i s -
m e s 389f.
Jüdische Wundercharismatiker 151
TTJC, öippayTSor,, fjc, E&ETO ZOXOHUV ETII TT)V yXöcoav TOU TTIPE^IOU, xai
EXIXXTIÖEV (PGM IV,3039-3041) und SEÜPO xaXsi OE Ö IOXOHÖV (Test Sal 1,9.11)
ernsthaft m Betracht 43 . Neben Beschwörungsformeln enthielt das magi-
sche Kompendium Eleazars aller Wahrscheinlichkeit nach ähnliche
Anleitungen zur Herstellung dämonenbannender Fingerringe mit Wur-
zeln, wie sie im ersten Buch der Kyraniden zusammengestellt sind. Die
vielfach geäußerte Vermutung, es habe sich bei Eleazar um einen Esse-
ner gehandelt, bleibt zwar unbeweisbar, gewinnt aber durch seine Vor-
gehensweise (Krankenheilungen durch Verwendung eines Ringes mit
heilkräftiger Wurzel und durch Rezitation von Beschwörungsformeln
Salomos) im Lichte von 11 Q Ps Ap a 1,3 und Joseph, Bell 11,136, hohe
Plausibilität44.
Apg 19,13-17 stellt innerhalb der Darstellung des pln Wirkens in Ephesus
(19,1-20) eine in sich geschlossene, durch die summarienartigen Abschnitte
19,1 lf. und 19,18-20 gerahmte eigenständige Erzählung dar. Es handelt sich
dabei um eine im Kern vorlk Tradition, die vereinzelt Spuren redaktioneller
Prägung aufweist und zudem von Lk um 19,17 bereichert wurde 4 6 .
aus den fast wörtlichen Übereinstimmungen mit Apg 1,19a bzw. Apg 2,43. Für
eine durchweg lk Formulierung von Apg 19,13-17 (so Klein, Synkretismus
271ff.) sind hingegen keine hinreichenden Anhaltspunkte gegeben, vgl. Weiser,
Apg II 523f.; Roloff, Apg 285; Lüdemann, Frühes Christentum 221f.
47 Über einen amtierenden Hohenpriester ZXEUSC, ist nichts bekannt (vgl.
Schürer/Vermes, History II 227-232); Conzelmann, Apg 111, hält ihn für
"reine Legendenfigur". Bei Josephus werden freilich auch solche Personen als
apxiEpETc, bezeichnet, die niemals als amtliche Hohepriester fungierten,
sondern - wie dies offenbar auch für Apg 4,6 gilt - lediglich den hohenprie-
sterlichen Familien zugehörten (Mastin, Scaeva the Chief Priest 405f.; Schü-
rer/Vermes, History II 233-235). Die historische Möglichkeit von Skevas-
söhnen als Dämonenbeschwörern muß damit offengehalten werden, wobei
allerdings die Siebenzahl in jedem Falle ideell sein wird.
48 Vgl. u.a. Mt 7,22; Mk 16,17; Lk 10,17; Apg 16,18; Just, Dial 30,3: 85,2.
49 Vgl. zum Ganzen Eitrem, Notes 8, Anm.l; M. Smith, Jesus the
Magician 61-64, mit weiteren Belegen.
so Vgl. neben TChull 2,22/jAZ 2,2 (40d-41a)/jSchab 14,4 (14d-15a) (nä-
heres unter V.2.1) auch die Josua ben Levi-Tradition jAZ 2,2 (40d)/jSchab
14,4 (14d). Ob es sich dort bei dem Krankenheiler um einen Juden oder einen
Christen handelt, bleibt ebenso unklar, wie dies für den im Namen Jesu wir-
Jüdische Wundercharismatiker 153
kenden Dämonenaustreiber von Mk 9,38-40 der Fall ist (vgl. dazu Teil V.l.4.
dieser Untersuchung).
51 Vgl. das Strafwunder vom Seesturm und die Interpretation von Gama-
liels Tod als Folge der Bannung Eliezers in bBM 59b. Aberbach. Ban of Rab-
bi Eliezer 201ff., erhebt allerdings ernstzunehmende Bedenken gegen dieses
traditionelle Bild und sieht in Joshua ben Chananja den tatsächlichen Betrei-
ber der Bannung Eliezers.
154 Magie, Medizin und Wunder im Judentum
Besondere Bedeutung kommt dabei Mose zu, der in der Antike neben Sa-
lomo als der jüdische Magier schlechthin galt und unter dessen Namen zahl-
reiche magische Handbücher mutmaßlich jüdischer Herkunft umliefen 1 . Im
hellenistischen Judentum Ägyptens wird Mose bereits bei Artapanus über den
biblischen Befund hinausgehend massiv mit wunderhaft-magischen Zügen
versehen (FGH IIIC 726, Fragm 3). Strabo XVI 2,39 stellt "Mose und seine
Nachfolger" mit persischen Magiern auf eine Stufe 2 . Plinius konstatiert in
seinem Abriß der Geschichte der Magie (Hist Nat 30,1-18): est et alia magi-
ces factio a Mose et Ianne et Lotape 3 ac Iudaeis pendens (30,11), und auch
Apuleius erwähnt Mose als Magier (Apol 90) 4 . Celsus bezichtigte die Juden,
auf Unterweisung des Mose hin Engelverehrung und Goetie zu betreiben
(TouSaiouc, ... OEßEiv ä-fYEXouc, xai YonTEia TtpooxEtodai, fjc, 6 MWÜOTJC; aütoTc,
YEYOVEV Et^r|YT)Tt)c; Orig, Cels 1,26; V,6), und spielte dabei vermutlich auf das
"Erzengelbuch des Mose" 5 oder ein eng damit verwandtes Werk an. PGM
XIII ist neben diesem Erzengelbuch von einem "Achten Buch des Mose" die
Rede (XIII,3f.344), und zudem wird mehrfach auf ein Werk namens "Schlüs-
sel des Mose" (xXsic, MUÜOTJC,) verwiesen (u.a. XIII,21). PGM VII,619-627
erfolgt die Wiedergabe eines magischen Formulars aus einem offenbar um-
fassenderen "Diadem des Mose" (vgl. auch PGM V,109f.; XIII,1057).
Darüber hinaus sind mit dem "Buch der Geheimnisse" und dem
"Schwert des Mose" zwei magische jüdische Handbücher dem im gro-
ßen und ganzen vollständigen Inhalt nach bekannt. Abgerundet wird die-
ses Gesamtbild durch zahlreiche jüdische Amulette, Zauberschalen und
Defixiones aus Mesopotamien, Ägypten und Palästina als Beispielen an-
gewandter Magie.
In der Mehrzahl stammen die besagten Zeugnisse aus dem 4.Jhdt.
n.Chr. Aufgrund der Äußerungen antiker heidnischer wie christlicher
Schriftsteller über die jüdische Magie und Pharmakologie läßt sich aber
ein teilweise deutlich höheres Alter dieser vergleichsweise spät fixierten
magischen oder medizinischen Praktiken plausibel machen oder sogar
beweisen. Zudem ist hier wie bei den paganen Zauberpapyri in hohem
Maße von gezielter Zerstörung älteren Materials auszugehen, wobei über
bereits erwähnte staatliche Verfolgungen hinausgehend Schriften magi-
schen Inhalts in den ersten Jahrhunderten n.Chr. auch durch Juden beim
Übertritt zum Christentum (vgl. Apg 19,18f.) oder durch der Magie ge-
genüber feindlich gesonnene Teile des Rabbinentums vernichtet wur-
den 6 .
in IV,3033ff. "Ich beschwöre dich bei dem, der Israel geoffenbart wurde
in einer Lichtsäule und einer Wolke bei Tag und sein Volk gerettet hat
vor dem Pharao und gebracht hat gegen Pharao die Zehnzahl der Plagen,
weil er ihn nicht hörte" und IV,3052ff. "Ich beschwöre dich beim großen
Gott Sabaoth 14 , dessentwegen der Jordanfluß zurückwich und das Rote
Meer, durch das Israel zog, unbegehbar wurde."
Dies deckt sich mit der Aussage des Origenes, daß Dämonen bei "Gott,
der den ägyptischen König und die Ägypter im Roten Meer ertränkte" b e -
schworen wurden (Orig, Cels IV,34). Ähnliche Beschwörungsformeln mit Be-
zug auf das Exodusgeschehen finden sich in einem aus dem 3. Jhdt.n.Chr. stam-
menden Liebeszauberformular jüdischer Herkunft (6pxiC,u OE TÖV SiaorrjoavTa
TT|V päßSov EV TiJ öaXäaoij, vgl. Ex 14,15f.) is und in SHR VI,35ff. ("Ich
beschwöre euch ... bei dem Herrn, der Israel aus Ägypten gerettet hat.") 1 6 .
Darüber hinaus wird der Dämon PGM IV,3037ff.17 bei dem "Siegel"
beschworen, "welches Salomo auf die Zunge des Jeremias legte, und er
redete". Bezugspunkt dieser Aussage ist zweifellos Jer 1,9 "Und der
Herr streckte seine Hand aus und berührte meinen Mund. Und er
sprach zu mir: Damit lege ich meine Worte in deinen Mund." PGM
IV,3039f. rekurriert offenkundig auf eine unbekannte haggadische Tradi-
tion, die - vielleicht zur Umgehung des Anthropomorphismus von Jer 1,9 -
davon sprach, daß nicht unmittelbar Gottes Hand, sondern ein auf die
Zunge gelegtes "Siegel Salomos" den Propheten zum Sprechen brachte.
Vermutlich wurde bei Rezitation der Beschwörungsformel PGM IV,3037ff.
die Zunge des Besessenen mit einem Siegelring berührt 1 8 , um den
Dämon zum Reden zu bringen. Nach antiker Auffassung gibt es einen
Grad von Besessenheit, in dem nicht mehr der Kranke selbst, sondern
der in ihm weilende Dämon sich verbal artikuliert 19 . Je mehr der Exor-
zist über den Dämon in Erfahrung bringt, desto größer wird seine Macht
über ihn, indem er gezielt gegen ihn vorgehen kann. Für IV,3037ff.
kommt dabei am ehesten eine Namenserfragung in Betracht 2 0 . Daneben
ist für die antike Magie auch eine Erkundung der Herkunft und des
Einfahrweges des Dämons bezeugt (Luc, Philops 16). Möglicherweise
setzt aber PGM IV,3037ff. bei dem Besessenen einfach dämonisch
verursachte Stummheit voraus, womit die Verwendung des "Siegels
Salomos" den Zweck verfolgte, den die Zunge des Besessenen binden-
den und ihn dadurch am Reden hindernden Dämons zu schwächen 2 1 .
Die Datierung der jüdischen Dämonenbeschwörungsformeln von PGM
IV.3019-3078 ist fraglich. Der Große Pariser Zauberpapyrus PGM IV
stammt aus dem frühen 4.Jhdt.n.Chr. 22 , was allerdings lediglich den
terminus ad quem der dort zusammengestellten traditionellen Formulare
markiert. PGM IV.3007-3086 erwies sich als komplexe Dämonenaustrei-
bungsanleitung, in die ein älteres, nunmehr heidnisch redigiertes und um
Anweisungen zu Begleithandlungen bereichertes jüdisches Exorzismus-
ritual integriert wurde. Die Berührungen zwischen PGM IV,3019-3078,
dem jüdischen Liebeszauber DT 271 und SHR zeigen, daß hier unabhän-
gig voneinander ein Rückgriff auf verwandte traditionelle Beschwörungs-
formeln vorliegt, die bereits vor Abfassung dieser magischen Formulare
in Umlauf waren. Einzelelemente der Beschwörungen von PGM IV,3019ff,
namentlich die Exorzismen bei Sabaoth oder bei dem Gott der He-
bräer unter Bezugnahme auf dessen machtvolles Wirken beim Exodus-
23 Deißmann, Licht vom Osten 224, Anm.11 (" ... ist jedenfalls dieser Teil
des Papyrus vor der Zerstörung Jerusalems entstanden."); Knox, Exorcism
200; vgl. auch Eitrem, Notes 15. Dieterich, Abraxas 143, erwägt für PGM
IV,3007-3086 sogar eine Entstehung im 2.Jhdt.v.Chr. Ablehnend Nock, Magi-
cal Papyri 183: " ... need not to be dated before the fall of Jerusalem ... ,
for the writer's Jerusalem may well be a Jerusalem of the imagination".
24 Vgl. grundsätzlich zur magischen Verwendung von Bibelversen Blau,
Zauberwesen 68-71; Trachtenberg, Jewish Magic 104-113.
Magie und Volksmedizin in rabbinischer Zeit 161
wurde 2 5 . In Tosefta und Talmud wird dieses Verbot faktisch außer Kraft
gesetzt, indem nicht mehr die Rezitation von Ex 15,26, sondern nur
noch ein dabei erfolgendes apotropäisches Ausspeien und die damit
verbundene Entweihung des Gottesnamens untersagt wird (TSanh 12,10;
bSanh 101a; jSanh 10,2 [28b]). Daß Aussätzige mit Lev 13,9 und andere
Kranke mit "und Gott sprach zu Moses" besprochen wurden, geht aus
bSanh 101a hervor. Ein ausführliches magisches Ritual gegen Fieber un-
ter Verwendung von Ex 3,2-5 findet sich bSchab 67a. Ein Dornbusch ist
täglich einzukerben, wobei am ersten Tag Ex 3,2, am zweiten Tag Ex
3,3 usw. zu sprechen ist. Nachdem das Ritual mit Rezitation von Ex 3,5
zum Abschluß geklommen ist, wird das "Feuer" beschworen, sich von
dem Fieberkranken zu entfernen.
Speziell zur Dämonenabwehr oder zur Heilung von Besessenheit kam
dem Singen von Psalmen hervorgehobene Bedeutung zu, wie es bereits
im Zusammenhang mit 11 Q Ps Ap a für Ps 91 deutlich wurde. Wie dieser
galt auch Ps 3 als "Lied der Geschlagenen" (jSchab 6,2 [8b]); jErub 10,11
[26c]). Ps 107,40 wurde gegen unreine Geister rezitiert (bPes lila), Ps
29,3-9 Schutzfunktion gegen Dämonen im Trinkwasser beigemessen
(bPes 112a). Darüber hinaus diente Sach 3,2 "Und m n 1 sprach zum
Satan: ' m r P bedrohe (lUP/ETtiTmfjoai) dich, Satan ... '" der Bannung
böser Geister oder des Satan persönlich (bBer 51a; bQid 81b).
Vermutlich liegt bereits in Sach 3,2 selber ein formelhafter Gebrauch vor,
wie dies in der Folgezeit eindeutig der Fall ist. In einer Judas 9 zitierten
apokryphen jüdischen Tradition, die Clemens Alexandrinus zufolge aus der
nur unvollständig überkommenen Assumptio Moses (vor 70 n.Chr.) stammt ,
bedient sich der Erzengel Michael der Worte E7UTiu.fjoai ooi xüpioc, gegen den
Teufel. Diese verkürzte Form von Sach 3,2 dient auch Vit Ad 39; bQid 81b
zur Vertreibung des Satan. Die vollständigere Fassung von Sach 3,2 wird
bBer 51a gegen unreine Geister zur Anwendung gebracht und auf jüdischen
Amuletten oder Zauberschalen zur Dämonenabwehr vielfach zitiert 2 7 .
25 Ex 15,26 wurde auch auf Amulette geschrieben, die der Abwehr von
Krankheitsdämonen dienten, vgl. Naveh/Shaked A 13,12ff.; G 8,22ff.
26 Clem Alex, GCS 17, 207,23f. ; vgl. dazu Schelkle, Judasbrief 158f.
27 Montgomery Nr. 3,12; 5,5; 16,14; 26,2f.; Naveh/Shaked A 1,5; B 11,5.
162 Magie, Medizin und Wunder im Judentum
b) Amulette
In welchem Maße das antike Judentum magisch geprägt war, zeigt
sich auch an der Verwendung von Amuletten (vgl. 2 Makk 12,40; 4 Q
560). Schab VI,2 wird für den Sabbat das Umhergehen mit einem "nicht
bewährten" Amulett (l^ftp) untersagt. Aus bSchab 61ab geht hervor, daß
solche vornehmlich der Heilung oder apotropäischen Abwehr von Epi-
lepsie dienenden Amulette eine Beschriftung ( S i n ) tragen oder Wurzeln
(• pip-'U, vgl. Joseph, Bell 11,126; Ant VIII,47) beinhalten konnten, wobei
Für Amulette mit dem Gottesnamen findet sich bJoma 84a ein anschauli-
ches Beispiel. Bei einem Biß durch einen tollwütigen Hund sind neben unver-
ständlichen Zauberformeln auch die Worte 1 ^ 0 "|DN p H P I K 3 2 H i n 1 iT I 1
auf Otternhaut zu schreiben. Das wohl jüdische Fieberamulett PGM VII,218-221
enthält die Worte T a u 3 0 Xaßaüft "ASuvai äxpaiiuaxauuapEi "Aßpaoä!;31.
Nicht allein der Gottesname, sondern auch zahlreiche Schriftbezüge, wie
sie bSchab 115b angesprochen sein dürften, finden sich auf den von Naveh/
Shaked und Schiffman/Swartz edierten, überwiegend der Abwehr von Fieber-
dämonen oder anderen Krankheitsgeistern dienenden Amuletten 3 2 . Diese ent-
halten ausführliche Dämonenbeschwörungsrituale mit ähnlichen Exorzismus-
formeln, wie sie beispielsweise in PGM IV,3019-3078 oder SHR begegnen .
Grundsätzlich konnte ein Magier all das, was er dem Krankheitsdämon an
Beschwörungen und magischen Formeln verbal entgegenbrachte, auch schrift-
lich an ihn richten. Auf Amuletten begegnen folglich solche Beschwörungs-
sprüche oder nomina magica, wie sie auch bei Dämonenaustreibungen rezitiert
wurden 3 .
30 Tau, die griechische Form für 111" 1 (Diod Sic 194,2), wird dabei
zweimal im für die antike Magie weitverbreiteten Schwindeschema wiederholt
(au, u), das beispielsweise auch bPes 112b in der dämonenabwehrenden For-
mel n , " > T , n n , n n a , "»-rna» belegt ist.
31 Ähnlich das Amulett CIJ 674. - Abrasax (PGM VII,221) spricht im
übrigen nicht gegen jüdische Herkunft, ist vielmehr auch auf den jüdischen
Amuletten Naveh/Shaked A 2,3; 12,2 und HDM A 111,44 belegt.
32 Speziell der Gottesname ( m r p ) begegnet auf den Amuletten und Zau-
berschalen bei Naveh/Shaked, Amulets A 4,7; A 7,11; B 3,5; B ll,5f.; B 12b;
Schiffman/Swartz, TS Kl.18,1. - Vielfältige Anweisungen zur Anfertigung
magischer Amulette mit Engel- oder Zaubernamen finden sich im "Schwert
des Mose" (HDM A III,3-7.14-16.31.35.46f.50.53).
33 Ein instruktives Beispiel bietet der Text von A 9 bei Naveh/Shaked,
Amulets 82f.: "Against you, the spirit which is called fever (and) shivering:
Be exorcised (1U3K) from the body of Marian the daughter of Esther ... I
adjure you (USC£)0), be exorcised from her, in the name of He who lives and
exists, of He who suspended the sky without chains, and set up the earth with-
out pillars, and the sea and the wilderness are terrified from His presence,
and the mountains and the hüls tremble."
34 Vgl. auch das Amulett CIJ 802 (Erstedition und Komm, bei Wünsch,
Deisidaimoniaka 24-32), wo der in Ich-Form schreibende und sich dabei mit
Gott identifizierende Magier "im Namen Moses" (EÜ; 6v6u.au Muüofj) von
einer gewissen Rufina Schaden abzuwenden sucht.
164 Magie, Medizin und Wunder im Judentum
c) Pharmakologisch-diätetische Medizin
Im rabbinischen Schrifttum finden sich unzählige Hinweise auf volks-
medizinische Praktiken aus dem Bereich der Pharmakologie und Diäte-
tik, für deren ausgiebige Erörterung hier kein Raum ist 3 6 .
Es genügt der Hinweis auf einige Befunde, die im Hinblick auf die ntl
Krankenheilungsberichte von Bedeutung sind. Relativ hochentwickelt war im
antiken Judentum die Augenheilkunde 37 . Gegen Fieber findet sich neben
pharmakologischen Rezepten (bGit 69b.70a) die diätetische Anweisung, auf
Kohlen gebratenes Fleisch sowie verdünnten Wein zu verabreichen (bGit
67b) . Auch im Falle von Blutfluß waren pharmakologische Rezepte verfüg-
bar (bSchab 110b), während dies bei Aussatz eher die Ausnahme gewesen zu
sein scheint 3 9 . Im Blick auf Manie konstatiert bGit 70b "Für einen Wahnsin-
nigen ( l ü i c y ) haben wir kein Mittel in der Hand."
35 Vgl. u.a. Plin, Hist Nat 28,41 (Haare eines Gekreuzigten gegen Quar-
tanfieber; Kinderzähne zur Schadensabwehr); 28,45 (Menschen- und Hunde-
zähne als Amulette); 28,46 (Kreuzesnägel u.a. gegen Quartanfieber); 28,70f.
(magischer Gebrauch von Haarsträhnen, vgl. auch Gager, Curse Tablets
16-18); Apul. Met 11117,4 (Nägel mit dem Fleisch von Gehenkten als magi-
sches Mittel).
36 Vgl. zum Ganzen Berendes, Pharmazie 82-122; Preuß, Biblisch-talmud.
Medizin 157ff.; Rosner, Medicine 43ff. Die wichtigsten Befunde sind bAZ
28a-29a; bGit 67b-70a; bSchab 108b.109a. 110b.
37 In der rabbinischen Literatur sind u.a. Salbe, Speichel (vgl. Plin, Hist
Nat 28,37.76), Wein, Salzwasser und Augenschminke als Augenheilmittel
belegt, vgl. Schab VIII,1; jAZ 2,2(40d); bAZ 28b; bBB 126b; bBetsa 22a; bGit
69a; bSchab 80a.108b.109a. Darüber hinaus sind bSanh 101a manuelle Augen-
heiltechniken unter Verwendung bestimmter Gegenstände und bSchab 78a
kathartisch-magisches Einpinseln des Auges mit Tierblut entnehmbar. Vgl.
auch Preuß, Biblisch-talmudische Medizin 320-323.
38 Gegen Goldschmidt, der mit "Sonnenstich" übersetzt, dürfte XK/OCOü
bGit 67b mit "hitziges Fieber" wiederzugeben sein (Levy, Wörterbuch IV 583;
vgl. auch Billerbeck I 479).
39 bKet 77b erwähnt Mangold und Met als vorbeugende Mittel gegen Aus-
satz, bGit 70a zufolge hat Rabbi Schimi ben Aschi einen Aussätzigen (IHK
meint hier wohl Aussatz, vgl. auch Levy, Wörterbuch I 56f.) mit dem Saft
verbrannter Weizenkörner geheilt.
Magie und Volksmedizin in rabbinischer Zeit 165
40 Neben dem schon erwähnten MouSaixöc, Xi-O-oc, (Diosc, Mat Med V,137;
Gal XII,199) und jüdischen Asphalt (Poseidonius bei Strabo XVI 2,43; Scrib
Larg, Compos 207.209; Diosc, Mat Med 173,1; Gal XIV,60f.u.ö.; vgl. Joseph,
Bell IV,481) kommt dabei dem jüdischen Balsam (Strabo XVI 2,41; Diosc,
Mat Med I 19,1; Plin, Hist Nat 12,111-123; Gal XIV,60f.) hervorgehobene
Bedeutung zu. Vgl. zum Ganzen Kudlien, Jüdische Ärzte im Rom. Reich 48f.
41 Vgl. Niggemeyer, Beschwörungsformeln 16f.; Gruenwald, Merkavah
Mysticism 226f.
42 Vgl. Morgan, Sepher ha-Razim 8-11; Stemberger, Einleitung 340;
Alexander, in: Schürer/Vermes, History 111,1 348f.
43 Vgl. zur Verhaftung der Beschwörungsformeln von SHR in traditionel-
ler magischer Topik Niggemeyer, Beschwörungsformeln 63ff.
166 Magie, Medizin und Wunder im Judentum
SHR I,28ff. bietet eine Engelbeschwörung zur Heilung nicht näher be-
stimmter Krankheiten. In der ersten oder zweiten Stunde der Nacht sollen
Myrrhe und Weihrauch auf brennende Kohlen gelegt werden. Danach sind der
über das erste Lager des ersten Himmels herrschende Engel I X ^ S I I X und
die ihm untergebenen 72 Dienstengel mit der Bitte anzurufen, dem Magier die
Heilung gelingen zu lassen. Ausschlaggebend für den Heilungserfolg ist zu-
dem die rituelle Reinheit des Beschwörenden.
Die Heilungsanweisung SHR II,95ff. bezieht sich offenkundig auf einen
Schlaganfall mit Lähmungsfolgen 46 , verursacht durch einen Dämon oder
durch Schadenszauber. Eine Woche lang sind dreimal täglich die Namen des
Heilungsbedürftigen, seiner Mutter sowie der im sechsten Lager des zweiten
Wie bei SHR, so handelt es sich auch bei der in drei recht unter-
schiedlichen Rezensionen überkommenen Schrift "Schwert des Mose"
(HDM) um ein magisches Kompendium, das dem weiteren Umfeld der
Hekhalot-Mystik zuzurechnen ist.
Mit Abstand am umfangreichsten wie bedeutendsten ist HDM A (Cod Hebr
Gaster 178) mit seinen 136, etwa zur Hälfte der Krankenheilung dienenden
Formularen, wobei nach wie vor die Edition von M. Gaster aus dem Jahre
1896 maßgeblich i s t 4 8 . Die seinerzeit von Gaster auf der Grundlage von MS
Oxford als Appendix beigegebene Edition von HDM B hingegen ist durch die
auf MS Oxford und MS New York basierende Textausgabe von P. Schäfer 4 9 ,
der zudem auch die allein von MS New York überlieferte Fassung HDM C
edierte 5 0 , überholt. Das Alter der Einzeltraditionen von HDM A-C bleibt
ungewiß. Als Zeitpunkt ihrer nunmehr vorliegenden Fixierung oder Endredak-
tion in HDM kommt wie bei SHR und der Mehrzahl der griechischen Zau-
berpapyri das 4.Jhdt.n.Chr. in Betracht 5 1 .
52 Vgl. zum Titel "Schwert des Mose" PGM IV,1716f. (Eicpoc, AapSovou'
Ttpal;ic. r\ xaXouuEvr] f;i<poc; ... ) und Dtn 33,29.
53 Vgl. bBB 73a: Die bei Seesturm das Schiff gefährdenden Wellen wer-
den mit einem Stab bedroht, der mit dem Tetragramm beschriftet ist.
Ergebnisse 169
nach. [Dann! schreib [das Schwert] auf ein Plättchen, Ton oder ein [Stück]
Holz und häng es vor das Schiff, und es wird nicht sinken").
2.4. Ergebnisse
1. Wundercharismatikertum im antiken Judentum war, insbesondere
wenn es auf Krankenheilungen abzielte, maßgeblich mit magischen oder
schamanistischen Betätigungen verbunden. Es handelt sich dabei über-
wiegend um eine von synkretistischen oder polytheistischen Elementen
gereinigte "weiße Magie", die allerdings unter dem Aspekt der Zwangs-
beeinflussung Gottes und des Gebrauches des Gottesnamens zu Be-
schwörungszwecken immer wieder als problembehaftet empfunden wird,
a) Im Buch Tobit und im Jubiläenbuch erfolgt im 3.-2.Jhdt.v.Chr. eine
normative offenbarungstheologische Legitimation von Magie, indem das
durch Engel vermittelte menschliche Wissen um dämonenabwehrende
Räuchertechniken (Tob) und um pharmakologische Heilkunst mit magi-
schem Einschlag (Jub) als ausdrücklicher Wille Gottes betrachtet wird.
Prinzipiell ist damit einer weitreichenden Übernahme und eigenständigen
Fortentwicklung magischer Praktiken im Judentum der Weg geebnet,
sofern sie sich in den vorgegebenen monotheistischen Rahmen integrie-
ren lassen und die alleinige Heilkompetenz Gottes gewahrt bleibt.
b) Mit Choni begegnet uns im Judentum des l.Jhdt.v.Chr. ein Wun-
dertäter, der aufgrund seines Wissens um bevorstehende Naturereignis-
se Züge eines Schamanen trägt und mit der von ihm reklamierten Got-
tessohn-Beziehung in die Nähe eines Theios Aner rückt. Sein Regenwun-
der zeigt zugleich die Möglichkeiten und Grenzen magischer Betätigung
im zeitgenössischen Judentum auf. Choni bedient sich der in der Antike
weitverbreiteten magischen Technik des Kreisziehens und verwendet als
"Sohn des Hauses" den Gottesnamen zu Beschwörungszwecken. Er
unternimmt damit massiv den Versuch der magischen Zwangsbeein-
flussung Gottes und steht in unverkennbarer Spannung zu Ex 20,7/Dtn
5,11, so daß er trotz seines konsequenten Monotheismus und seiner
hervorgehobenen Gottesbeziehung in Konflikt mit dem "religiösen Estab-
lishment" gerät und vom Bann durch die Pharisäer bedroht ist. Eine in
gezielter Abgrenzung gegen Magie vorgenommene Beanspruchung Chonis
als Chasid wird den tatsächlichen Gegebenheiten nicht gerecht.
c) Um die Zeitenwende läßt sich für die Essener eine vielgestaltige
Volksmedizin mit pharmakologischen wie magischen Elementen nach-
weisen. Bestimmte Essenerkreise widmeten sich einer Erkundung der
Heilkraft von Pflanzen wie Steinen. Sie verfügten dabei vermutlich über
ähnliche Wurzel- und Steinbücher ägyptischer Herkunft, wie sie mit den
170 Magie, Medizin und Wunder im Judentum
1. Dämonenaustreibungen Jesu
a) Analyse
Die Beelzebulkontroverse ist als Doppelüberlieferung in Mk 3,22-27
und mit erheblichen Stoffüberschüssen in der Q-Version Mt 12,22-30/
Lk 11,14-23 überkommen 2 . Mk, bei dem der Beelzebulvorwurf recht
abrupt einsetzt, hat offenkundig einen Lk 11,14 in ältester Form vorlie-
genden Dämonenaustreibungsbericht, der in Q als Exposition diente,
weggebrochen 3 .
Mt 12,22f. erweist sich gegenüber Lk 11,14 mit dem als Einleitung typisch
mt TÖTE, der Verwendung von 7tpoa<pEpEiv und Saiu.ovi^Eiv (vgl. Mt 4,24; 8,16
diff. Mk 1,32), der Einfügung von tucpXöc, samt xai. PXETIELV4 und mit dem von
Mt bevorzugten (Mt 1,1; 9,27; 15,22; 21,15) Davidssohntitel als redaktionell.
Die ältere Exposition hat Mt in dem von ihm formulierten Wunderbericht
9,32-34 verarbeitet, doch ist auch dieser gegenüber Lk 11,14 sekundär. Mt
9,32 ist der gen.abs. aütöv SE E^EPXOUEVUV eine auf E^EXÖÖVTEC; Mt 9,31
rekurrierende redaktionelle Naht, und zudem liegt eine mt Glättung des
schwierigen, in einem Teil der Textüberlieferung Korrekturen hervorrufenden
xai T\\> ExßäXXtov Sauxöviov xaxpov Lk 11,14 vor. In Mt 9,33 handelt es sich
bei OÜSETTOTE E<pävr| OÜTOK; EV TU TopafjX um mt Variation der Mt 9,8 über-
gangenen Akklamation Mk 2,12 OÜTUC. OÜSETCOTE EISOUEV.
EV TÖ TtvEÜu.aTi 3-EOÜ (Mt 12,28) diff. EV SaxTÜXu ÖEOU Lk 11,20 8 . Eine Til-
gung dieser Jesuslogien durch Mk läßt sich nicht plausibel machen. Für Mk
waren weder "fremde Exorzismen" (vgl. Mk 9,38-40) noch Dämonenaustrei-
bungen Jesu anstößig (Mk 1,23-29.32-34; 3,11; 5,1-20; 7,24-31; 9,14-29) 9 .
Speziell die Mt 12,28/Lk 11,20 entnehmbaren theologischen Bezüge der
Wunderwirksamkeit Jesu hätten sich mit den mk Dämonenbekenntnissen zu
Jesus als äyio^ oder uiöc, TOU -&EOU (Mk 1,24; 3,11; 5,7) in Einklang bringen
lassen. Ebensowenig stellen eschatologische Gesichtspunkte einen Grund für
eine mk Nichtberücksichtigung von Mt 12,27f./Lk ll,19f. dar, da sich das
dortige Etp-9-aoEV scp' üuac, fj ßaoiXsia TOU 0-EOU wohl in die mk Konzeption
von der Gottesherrschaft (Mk 1,15; 9,1) hätte integrieren lassen 10 . Auch eine
spurlose Eliminierung dieser zentralen Jesuslogien im vormk Uberlieferungs-
stadium der Beelzebultradition ist unwahrscheinlich 11 . Die Logien Mt 12,
27f./Lk ll,19f. waren kein ursprünglicher Bestandteil der Beelzebultradition,
sondern wuchsen dieser sekundär zu, wobei die Replik Jesu Mk 3,23b ent-
behrlich wurde 1 2 .
Die erheblichen Differenzen zwischen Mt 12,29 und Lk ll,21f. dürften sich
dadurch erklären, daß Mt hier Mk 3,27, Lk hingegen Q folgt 13 . Auch wenn
die Verbindung dieses Gleichnisses mit der Beelzebulperikope damit sehr alt
ist, wird sie traditionsgeschichtlich sekundär sein. Entfernte Parallelen in Jes
49,24 und Ps Sal 5,3 sowie eine Variante ohne Bezug zur Beelzebulperikope
in EvTh Log 35 legen für Mk 3,27parr deutlich eine selbständige Traditions-
lung eines Dämonenreiches, über das der Satan oder eine ähnliche
Gestalt als Oberhaupt der bösen Geister regiert.
N ä c h s t l i e g e n d e P a r a l l e l e n sind Jub 10,8 ( M a s t e m a als Fürst der G e i s t e r )
und griech Jub 17,16 (MaoTicpöu 6 a p x u v TUV S a i u o v i u v ) 1 7 . BEEXC,EßoöX ist
a u ß e r c h r i s t l i c h nicht b e l e g t und etymologisch u m s t r i t t e n . Ausgangspunkt
dürfte die in T e x t e n aus U g a r i t titular für Baal g e b r a u c h t e W u r z e l zbl
("Fürst") s e i n 1 9 , die als Kakophemie 3"OT 7XJ3 ( " H e r r der Fliegen" 2 Kön 1,
2ff.) und 713" 1 ? 1XJ3 ( " H e r r des M i s t e s " ) nach sich zog. Alternativ kommt e i -
ne Rückführung auf 11S.T 7X73 ("Baal der Wohnung") in B e t r a c h t (vgl. M t
10,25), wobei am e h e s t e n an den himmlischen Aufenthaltsort des Teufels oder
der D ä m o n e n g e d a c h t w ä r e . Da in der ältesten Tradition M k 3,22parr B e e l -
zebul als D ä m o n e n f ü r s t b e g e g n e t , ist es völlig abwegig, hier von einer J e s u s -
b e z e i c h n u n g a u s z u g e h e n , die s e k u n d ä r zur dämonischen G r ö ß e geworden s e i 2 1 .
Im H o r i z o n t von äth Hen 7,1; 8,3; 9,7v.l. (ähnlich PsPhilo, Lib Ant 34,
2 - 4 ) , wo die gefallenen Engel mit S e m y a z a als ihrem Oberhaupt (äth Hen
9,7) die M e n s c h e n in B e s c h w ö r u n g s p r a k t i k e n oder Zauberei u n t e r w e i s e n , steht
am e h e s t e n die Vorstellung im H i n t e r g r u n d , daß Jesus seine dämonenbannen-
den Fähigkeiten und Kenntnisse dem Beherrscher der bösen Geister verdankt.
Mk scheint mit der Einfügung von OTI BEEXt^ßoüX EXEI 3,22, das sachlich Sri
E^EOTT] 3,21 und ÖTI TtvEÜ[ia äxä-9-apTov EXEI 3,30 entspricht, vom Vorwurf dämo-
nischer Besessenheit Jesu auszugehen, wie er auch Joh 7,20; 8,48-52 und
10,20 erhoben wird. Daß Jesus der Manie bezichtigt wurde, dürfte historisch
sein, da dies auch für den Täufer der Fall war (Mt ll,18par), und wird auf
pneumatisch-ekstatische Erregung Jesu bei seinen Wundertaten zurückgehen 2 2 .
Weitergehend kann Mk 3,22parr den Vorwurf implizieren, daß Jesus im
Zusammenhang mit Dämonenaustreibungen Beelzebul anrief, wie es von
Origenes als magische Praktik der Antike bezeugt wird (Orig, Hom in Num
13,5: magi sunt qui invocant Beelzebul) 23 . Die Pilatusakten präzisieren den
Beelzebulvorwurf in Richtung auf Goetie (Y°T]C; EOTIV, xai EV BEEX^EßoüX
XTX.), wie sie auch Empedokles (Diog Laert VIII,59), Apollonius von Tyana
(Dio Cassius LXXVII 18,4). Alexander von Abonuteichos (Luc, Alex 6) und
den Zeichenpropheten nachgesagt wurde, und weisen mit TOÜTO OÜX EOTIV EV
TtvEÜnati äxaS-äpru ExßäXXEiv r ä Saiuövia die Auffassung zurück, Jesus habe
sich bei seinen Dämonenaustreibungen eines in seine Abhängigkeit gebrachten
Geistes (vgl. PGM 1,1-42; IV,1928ff.3024f.) als Paredros bedient (Act Pilati
1,1). Der Paredrosvorwurf, der vielfach hinter Mk 3,22parr vermutet wird 2 4 ,
ist als Diskreditierung auch gegen Sokrates (Philostr, Vit Apoll 1,2), Simon
Magus (Just, Apol 126,2; PsClem, Hom ß 26,1) und Markus (Iren, Haer 113,3)
bezeugt. Speziell schamanistische Krankenheilungen unter Inanspruchnahme
von Hilfsgeistern sind aber für Jesus unwahrscheinlich, weil er die dafür
konstitutive Seelenwanderungslehre offenkundig nicht vertreten h a t 2 5 .
Exkurs: Jesus als Magier oder Goet im Talmud und bei Celsus
Außerhalb des NT ist sowohl im Talmud als auch im AAH8HX AOTOX
des Celsus stereotyp davon die Rede, daß Jesus Zauberei oder Goetie
betrieb (bSanh 43a; 107b; Orig, Cels 1,6.71; 11,32) und sich zum Erwerb
magischen Wissens in Ägypten aufhielt (Orig, Cels 1,28.38.46.68; bSanh
107b). Der gegen Jesus erhobene Vorwurf der Magie und Volksverfüh-
rung ist auch Justin bekannt (Apol 130,1; Dial 69,7; 108,2).
M. Smith führt diese antike Jesuspolemik auf ein von ihm vermutetes
jüaisch-palästinensisches "Gegenevangelium" mit einem über das Zeug-
22 Windisch, Jesus und der Geist 225-236, vermutet plausibel eine Un-
terdrückung pneumatisch- ekstatischer Züge Jesu im Traditionsprozeß (vgl.
die mt-lk Auslassung von Mk 3,21.30).
23 Vgl. Samain, L' accusation de magie 467f.
24 Kraeling, Necromancy 154-157; Böcher, Christus Exorcista 161f.;
M. Smith, Jesus the Magician 98ff.
25 ipuxri bezeichnet in der syn Tradition in Übereinstimmung mit E?g)3 ge-
wöhnlich das Leben oder die ganzheitliche Person. Lediglich Mt 10,28par
setzt überhaupt einen griechischen Leib-Seele-Dualismus, freilich keine
Seelenwanderung voraus.
180 Dämonenaustreibungen Jesu
* * *
29 Mit der Einführung eines fiktiven Juden (Orig, Cels 1,28.71; 11,31) gibt
Celsus zu erkennen, daß diese Jesuspolemik jüdischer Herkunft ist. Vgl. zum
Ganzen Bauer, Leben Jesu 452ff.; Fridrichsen, Probleme du miracle 59-64;
Andresen, Logos und Nomos 46ff.; Gallagher, Divine Man 48ff.; Remus,
Conflict over Miracle 104ff., Maier, Jesus von Nazareth 251-258, zur Rekon-
struktion der Celsus-Schrift Bader. AAH6HZ AOTOZ, passim.
30 Plin, Hist Nat 30,9; Philostr, Vit Apoll 1,2; Diog Laert VIII,3; Iambl,
Vit Pyth IV,18f.; Thessalos I Prooem; Diod Sic I 69,4; PsClem, Hom ß 22,3.
31 Offenkundig hatte die Quelle des Celsus Mt 2,13-15 dahingehend korri-
giert oder ausgestaltet, daß Jesus erst im Jugendalter als Tagelöhner nach
Ägypten ging und dort Magie erlernte. Von Mt 2,13-15 unabhängige histori-
sche Tradition liegt dabei kaum vor (gegen Luz, Mt-Ev I 128 mit Anm.20,
der in Orig, Cels 1.38, den Ägyptenaufenthalt Jesu als Tagelöhner für glaub-
würdig hält). Unwahrscheinlich ist die Annahme, Mt habe einen Ägyptenauf-
enthalt in die Kindheit Jesu zurückdatiert, um Jesus vom dortigen Erlernen
magischer Künste freizusprechen (M. Smith, Jesus the Magician 48). Wie
man einen Ägyptenaufenthalt des Wundertäters entschärft und positiv ein-
färbt, zeigt Philostr, Vit Apoll 1,2; Iambl, Vit Pyth 11,12; IV,18f.
182 Dämonenaustreibungen Jesu
stritten, welcher Grad der Nähe hier für die Gottesherrschaft vorausge-
setzt ist. Dieses Problem wird nicht zuletzt dadurch virulent, daß neben
dem <p$dvEiv von Lk ll,20par in der Q-Aussendungsrede Lk 10,9/Mt 10,7
(vgl. noch Mk 1,1536) von einem kyyifyiv der Gottesherrschaft die Rede
ist, und zwar ebenfalls im Zusammenhang mit Wundertaten.
Für sich betrachtet, ist EcpftaöEv etp' üuac; fj ßaoiXeia TOU OEOU Lk
ll,20par präsentisch zu fassen, da tp&ävEiv (ursprünglich "zuvorkommen,
voraussein") im späteren Griechisch und dem davon beeinflußten LXX-
und NT-Sprachgebrauch die Bedeutung "hingelangen, ankommen" hat 4 4 .
Erst der Sachverhalt, daß mit TJYYIXEV tj ßaoiXEia TOÜ ÖEOU Lk 10,9par eine
fast gleichlautende und ebenfalls in Wunderkontext stehende, an und für
sich aber futurische 4 5 Aussage Jesu begegnet, reizt zu einem Ausgleich
beider Traditionen und damit zu einer Relativierung des präsentischen
Charakters vom cp&dvEiv der Gottesherrschaft oder der futurischen
Bezüge von deren Eyyilßiv. Überschneidungen ergeben sich insofern, als
in LXX beide Verben der Übersetzung von VH dienen 4 6 . Eine zumin-
dest bedingte Synonymität erhellt auch aus Dan 4,9.19, wo x n o in LXX
mit iyyil[sLv, bei Theodot dagegen mit ipOdvEiv wiedergegeben wird.
Zudem meint EYYI&IV vereinzelt nicht nur ein "nahe sein", sondern
41 Berkey, ErriZEIN 186f. Vgl. auch Jüngel, Paulus und Jesus 185-188.
42 Kümmel. Verheißung 99-101; ähnlich Strecker, Weg der Gerechtigkeit
168f.; Nielsen, Heilung 41-43.
43 Kuhn, Enderwartung 191 f.
44 Fitzer, ThWNT IX 92f.; Bauer-Aland, Wörterbuch 1708.
45 EYY^EIV hat grundsätzlich die Bedeutung "sich nähern, nahekommen",
ohne daß dies bereits die Ankunft einschlösse (vgl. Campbell, Kingdom of
God 91f.; Clark, Realized Eschatology 367-371).
46 Vgl. zu (p&ävEiv für VH Ri 20,34; 2 Chron 28,9; 2 Esr 3.1; Koh 8,14;
12,1; Cant 2,12; Dan 8,7»'; 12.120'; zu EYY^EIV für W Ps 31,6LXX;
87,4LXX; 106.18LXX; Jona 3,6; Jer 28.9LXX.
Die Logienüberlieferung 185
bereits ein "da sein" 4 7 , ohne daß solche Ausnahmen allerdings die Be-
weislast für ein grundsätzlich präsentisches Verständnis zu tragen ver-
mögen. Entsprechend der jeweiligen Grundbedeutung dürfte r\yyixsv fj
ßaoiXEia TOU 9EOÜ mit futurischem Akzent, Eip$aoEV Ecp' üuac; fj ßaoiXsia TOU
#EOÜ hingegen uneingeschränkt präsentisch aufzufassen sein. Beide
Aussagen sind grundsätzlich auf Jesus zurückführbar, da eine Spannung
zwischen präsentischen und futurischen Bezügen in der eschatologi-
schen Verkündigung durch weitere authentische Jesustraditionen bestä-
tigt wird 4 8 .
* * *
Auf das Logion Lk ll,20par bezogen, hat Ecp&aoEv Ecp' üuac; rj ßaoiXEia
TOU ÖEOÜ präsentische Bedeutung, indem das in Jesu Wirken manifeste
Weichen der Dämonen bereits gegenwärtig den Einbruch der Gottes-
herrschaft anzeigt. Neben diesen religionsgeschichtlich analogielosen
präsentischen Heilsbezügen ist Lk ll,20par eine direkte Urheberschaft
Gottes bei Jesu Wundertätigkeit entnehmbar, wie sie bereits auch Mk
3,23 implizit zum Ausdruck kam. Die Dämonenaustreibungen Jesu ge-
schehen EV SaxrüXu &EOÜ, womit er sich dem Selbstverständnis nach in-
strumental als Mittler oder Werkzeug Gottes sieht 4 9 .
47 Vgl. Jona 3,6 x a i TJYYIXEV 6 XÖYOC, Ttpöc, töv ßaoiXsa: Die Botschaft des
Jona ist nicht nur nahe, sondern hat den König von Ninive erreicht, denn
sonst w ü r d e er nicht Buße tun. Auch Lk 21,28 könnte EYY^EIV b e r e i t s ein
Eingetroffensein der Erlösung bei der Parusie des Menschensohns meinen.
48 Lk 17,21 zufolge ist die G o t t e s h e r r s c h a f t EVTÖC, üuuv, Mk 9,1 s t e h t sie
EV SuväuEi noch aus, und Lk 6,10par wird um ihr Kommen gebeten. Es handelt
sich bei d e r G o t t e s h e r r s c h a f t um ein dynamisches Geschehen, das u n w i d e r -
ruflich in Gang g e s e t z t und damit grundsätzlich bereits eingetroffen ist (Lk
l l , 2 0 p a r ) , in seiner universalen Durchsetzung oder Vollerfüllung aber noch
a u s s t e h t , wie auch die syn W a c h s t u m s - und Kontrastgleichnisse zeigen. Vgl.
P e r r i n , Kingdom of God 185-201; Becker, Heil G o t t e s 199-209.
49 Treffend Manson, Sayings of Jesus 86: "Jesus Himself is the medium
through which the power of the Kingdom b e c o m e s operative."
so Vgl. Hahn, Hoheitstitel 298f.; Schulz, Q 208f.
186 Dämonenaustreibungen Jesu
an Gottes machtvolle Hand (Ex 9,3: Dtn 2,15; Ps 107,27) und seinen starken
Arm (Jes 40,10; 51,5; 52,10) wach. Unmittelbarste Parallele zu Lk 11,20 ist
1 QM I,14f., wo von der endzeitlichen Unterwerfung Belials und seiner En-
gel durch die "große Hand Gottes" die Rede ist 5 1 . Im antiken Judentum wur-
den Krankheitsdämonen nicht nur im Namen Gottes (11 Q Ps Ap a 1,1; IV,4),
sondern auch bei seiner machtvollen rechten Hand (Naveh/Shaked A 4,31f.;
vgl. SHR Vl,35f.) beschworen. Auf Exorzismen Jesu beim Finger Gottes er-
laubt Lk 11,20 allerdings keine gesicherten Rückschlüsse.
Für das Verhältnis von Wundertat und Wort geht aus Lk ll,20par eine
Vorordnung der Dämonenaustreibungen gegenüber der Basileia-Verkün-
digung hervor, indem das Weichen der Dämonen den Verkündigungsin-
halt als direkte Folgeerscheinung (apa) bedingt (EI) und dieser somit als
Reflex oder Kommentar dessen erscheint, was sich in der vorausliegen-
den Wundertat ereignet hat. Umgekehrt vertieft das Wort das Tatge-
schehen interpretativ als präsentischen Anbruch der Gottesherrschaft
und erschließt auf diese Weise den qualitativen Unterschied von Jesu
Wunderwirksamkeit gegenüber vergleichbaren Phänomenen seiner
Zeit 5 2 . Eine Dämonenaustreibung impliziert im antiken Judentum noch
keine Gegenwart eschatologischen Heils (vgl. 11 Q Ps Ap a ; Joseph, Ant
VIII,45-49). Von daher öffnet in Lk ll,20par das Wort den Blick auf die
Besonderheit der Tat Jesu, ohne daß dies zu einer grundsätzlichen
Überordnung der Verkündigung und zu einer Degradierung der Dämo-
nenaustreibungen als deren Beglaubigungszeichen berechtigte 5 3 . Das im
Wunderwirken Jesu manifeste Weichen des Bösen ist Prämisse für die
präsentische Gottesherrschaftsverkündigung und ruft diese hervor.
Letztlich geht die Beelzebulperikope Mk 3,22-26parr auf ein histo-
risch glaubwürdiges Streitgespräch zurück, in dem eine durch Dämo-
nenvertreibung bewirkte Stummenheilung den Vorwurf des Beelzebul-
bündnisses evoziert und Jesus dies durch impliziten Hinweis auf die
göttliche Urheberschaft seiner Wunderwirksamkeit zurückweist. In Q
wurde mit Mt 12,28/Lk 11,20 ein authentisches Logion integriert, dem-
zufolge Jesus sich bei seinen Dämonenaustreibungen, über deren Zu-
standekommen hier nichts näheres verlautet, als Werkzeug Gottes
verstand und interpretativ aus dem Weichen der Krankheitsgeister den
Anbruch der Gottesherrschaft ableitete. Dem selbständigen Gleichnis
Mk 3,27par wird im Zusammenhang mit dem Logion vom Satanssturz Lk
10,18 näher nachzugehen sein.
'Ev aÜTfj TTJ üpa (Lk 13.31) kommt im NT nur bei Lk vor (Lk 2,38; 10,21;
12,12; 20,19; 24,33;'Apg 16,18; 22,13), und auch die Kombination von E^EpxEo&ai
und TropEÜEodai ist abgesehen von Mt 24,1 ausschließlich im lk Doppel-
werk belegt 5 5 . Weitere Lukanismen sind in 13,3lf. nicht auszumachen 56 . G e -
gen rein lk Verfasserschaft von 13,31f. spricht zudem 13,31c mit der Tötungs-
absicht des Herodes, denn in dem wohl redaktionellen Sondergutstück Lk
23,8-12 ist Herodes demgegenüber Jesus zunächst wohlgesonnen. Lk 13,33
dürfte angesichts der lk Vorliebe für TTXTJV (Mk lmal; Mt 5mal; Lk 15mal;
Apg 4mal) als redaktionelles Interpretament von 13,32 und zugleich als
Überleitung zu 13,34f. von Lk angeschlossen worden sein 5 7 .
13,31f. als vorlk Tradition ist dagegen unklar, ob xai TTJ TPITTJ TEXstoüuai
13,32b im medialen Sinne von "ich komme zum Abschluß" als logische
Fortführung von äitoTEXu öfjuEpov xai aüpiov Jesu aktives Vollenden sei-
ner Dämonenaustreibungen und Krankenheilungen meint oder eher als
Passivum Divinum aufzufassen ist.
Christologisch qualifiziertes, passives TcXEioübdai begegnet im NT nur
im Hebr (5,9; 7,28), und zwar für die himmlische Vollendung Jesu nach
seinem Kreuzestod. Mediales TeXEioüoöai ist zumindest in der Profan-
gräzität belegt 59 . Folglich kommen zwei Übersetzungsvarianten für
TEXEiouuai in Betracht. Diese Verbform kann medial mit "ans Ziel kom-
men, vollenden" wiedergegeben werden und Lk 13,32 den Sinn haben,
daß Jesus sich von den Tötungsabsichten des Herodes nicht beeindruk-
ken läßt, sondern mit seiner Wundertätigkeit bis zu deren Abschluß
fortfährt. Alternativ besteht die Möglichkeit, TEXEiouuai als Passivum
Divinum aufzufassen. Lk 13,32 brächte in diesem Falle die Überzeugung
zum Ausdruck, daß nicht Herodes, sondern allein Gott nach einer unbe-
stimmten Fortdauer der Dämonenaustreibungen und Krankenheilungen
dem Wirken Jesu ein Ende setzen wird 6 0 .
Nicht allein die Aporie, einen plausiblen nachösterlichen "Sitz im Le-
ben" für Lk 13,31f. in seiner ältesten Gestalt zu ermitteln 61 , deutet auf
ein hohes Maß an Glaubwürdigkeit hin. Daß Herodes Antipas, der den
Täufer hinrichten ließ (Mk 6,14-29; Joseph, Ant XVIII,116-119), auch ge-
genüber Jesus Tötungsabsichten hegte, erscheint historisch als plausi-
bel 6 2 . Das Lk 13,31 entnehmbare, in der Evangelientradition singulare
Bild der Pharisäer als einer Jesus wohlgesonnenen Gruppierung spricht
gegen eine sekundäre Formulierung des Stoffes 63 . Zudem ist durch iSoü
ixßäXXu Saiuovia eine Kohärenz zu Lk ll,20par gegeben, ohne daß die
ergänzende Erwähnung von Krankenheilungen oder das Schweigen hin-
Die Wendung TÖV ioxupöv Sfjoij ruft das in jüdischer Tradition für die
eschatologische Zeit erwartete Binden des Satans wach (Test Lev 18,12 xai 6
BsXiap 8EÖfjoETai ürt' aüroü [sc. &EOÜ 7 1 1), zumal ioxupöc, Mk 3,27 titular für
den Satan gebraucht zu sein scheint. Zudem ist SETV im Wächterbuch des
Henoch terminus technicus für das Fesseln von Dämonen. Raphael bindet auf
Gottes Befehl hin Azael (griech Hen 10,4 Sijoov TÖV 'A^afjX; 13,1), Michael
soll Semyaza und seine Gefährten fesseln (10,12). Die oixia TOU ioxupoü Mk
3,27 schließlich ist auf die Vorstellung vom menschlichen Körper als Wohn-
stätte des Teufels (Test Napht 8,6) hin transparent.
Apk Esr 4,43) normalerweise Gott vorbehalten bleibt, spricht gegen eine
weitverbreitete christologische Interpretation von Mk 3,27. Die Aussa-
geintention liegt nicht in der Enthüllung eines Sendungsbewußtseins
Jesu, stärker als der Satan zu sein und diesen besiegt zu haben 7 3 ,
sondern es handelt sich um ein Gottesgleichnis 74 . Wie man das Haus
eines Starken dann berauben kann, wenn man ihn gefesselt hat, dringt
Gott in den Machtbereich des Teufels ein, nachdem er diesen gebunden
hat, was hier als ein bereits eingetretenes und vermutlich mit dem
Satanssturz Lk 10,18 identisches Ereignis vorausgesetzt ist 7 5 . Die
eschatologische Fesselung des Dämonenbeherrschers impliziert eine
Schwächung der unter seinem Kommando stehenden, ihres Oberhauptes
beraubten bösen Geister (Test Lev 18,12). Mit seinen EV SaxtüXu TOÜ
S-EOU vollzogenen Dämonenaustreibungen versteht sich Jesus offenkundig
als Werkzeug Gottes bei dem Unterfangen, nach der definitiven
Entmachtung des Teufels gegen die nunmehr herrenlos gewordenen
Dämonen als verbliebene Verursacher des Bösen vorzugehen. Die Bin-
dung Satans zieht Dämonenaustreibungen Jesu nach sich.
zu befragen. Der Blitzschlag dient dabei nicht einfach nur als Bild für
den Sturz des Satans, ohne daß an dessen Anwesenheit im Himmel
gedacht w ä r e 7 7 , sondern das Herabfallen eines Blitzes vom Himmel auf
die Erde veranschaulicht einen analogen Sturz des Satans 7 8 . Folglich
setzt Lk 10,18 eine dem Fall vorausgehende Anwesenheit des Satans im
Himmel voraus, wo er nach traditioneller jüdischer Anschauung als
Ankläger der Menschen vor Gott fungiert.
Locus classicus für dieses Motiv ist Hiob 1,6-12; 2,1-6, wo der Satan vor
Gott Hiobs Bewährung im Leid bezweifelt (vgl. auch Sach 3,1 und Ps 109,6).
Breit entfaltet ist die Funktion des Satans oder einer ähnlichen Gestalt als
himmlischen Anklägers in der atl-apokryphen Literatur. Jub 1,20 bittet Mose
für sein Volk, daß es nicht von Beichor (Belial) vor Gott angeklagt werde.
Jub 48,15.18 ist von einer vorübergehenden Fesselung Mastemas die Rede,
damit er die Kinder Israels nicht anklage. Äth Hen 40,7 werden mehrere Sa-
tane daran gehindert, an Gott heranzutreten und die Menschen anzuklagen.
Die Imperfektform EÖEÜpouv Lk 10,18 zeigt, daß Jesus eine ihm in der
Vergangenheit zuteilgewordene Vision 79 wiedergibt. Diese Vision be-
stand nicht aus der Vorwegschau eines zukünftigen, noch nicht einge-
tretenen Ereignisses, sondern beinhaltete ein bereits Wirklichkeit ge-
wordenes Geschehen 8 0 . IlEoövTa ist dabei im Sinne eines gottgewirkten
Gestürztwerdens des Satans aufzufassen 81 . Daß der Sturz des Satans
und das damit verbundene grundsätzliche Zerbrechen seiner Macht Lk
10,18 wie in Mk 3,27 als ein schon vollzogener Akt gilt, steht in deutli-
cher Diskrepanz zu zeitgenössischen jüdischen Anschauungen, denen-
zufolge sich die definitive Entmachtung des Satans in der Zukunft ereig-
net und erst die kommende Heilszeit satansfreie Zeit sein wird.
Joh 12,31 vöv ö apxuv TOU xöouou TOÜTOU ExßXiv&fjoETai E^U erfolgt das
Gericht am Satan in der Todesstunde Jesu (vüv, vgl. Joh 12,27.33). Auch der
zum Sturz des Satans und seiner Engel auf die Erde führende himmlische
Krieg Apk 12,7-12 ist christologisch eingefärbt, da Apk 12,5 auf die Geburt
82 Bei Test Dan 5,10b-13 handelt es sich wohl um ein ehemals selbständi-
ges Traditionsstück, das an Goft als Kriegsherrn gegen Beliar denkt, vgl.
Becker, Untersuchungen 352-354; ders., JSHRZ 111,1 95f.
83 Vgl. von der Osten-Sacken, Gott und Belial 207f.; Reiser, Gerichtspre-
digt Jesu 68f. Zur Textrekonstruktion von 11 0 Melch: Puech, Notes 485ff.
84 Vgl. die satanslose eschatologische Neuschöpfung kopt Apk Elias 5,38.
85 Müller, Vision 419; Nielsen, Heilung 48.
194 Dämonenaustreibungen Jesu
und Entrückung Jesu anspielt 8 6 und der Sieg über den Teufel Apk 12,11 mit
christologischen Sühnetodvorstellungen verknüpft wird.
86 Im Horizont von Apk 19,15 ist 12,5 auf Jesus gemünzt (Holtz, Christo-
logie 98-101; Kraft, Offb 166; gegen Roloff, Offb 128).
87 Becker, Heil Gottes 210; Klauck, Allegorie 182; ähnlich Müller, Vision
421; Nielsen, Heilung 50f. Gegen Merklein, Jesu Botschaft 64.
88 Vgl. Müller, Vision 427-429. Ähnlich Merklein, Jesu Botschaft 62: Die
Vision Lk 10,18 könne Jesus nach seiner Taufe in der Wüste zuteilgeworden
sein. Vielleicht darf man in diesem Zusammenhang religionsphänomenologisch
an die Geistervisionen erinnern, die den Auftakt im Wirken von Schamanen
markieren (Eliade, Shamanism 85-88).
Die Logienüberlieferung 195
Sendung der Zwölf geht auf Mk zurück. Mk 6,6b enthält das typisch mk
Motiv vom lehrenden Jesus (u.a. Mk l,21f.; 2,13; 8,31). Mk 6,7 mit der uns
interessierenden Notiz ESISOU aütoTc, E^ouoLav töv TrvEuu.aTuv TUV äxaS-äpruv
ist eine Reproduktion von Mk 3,14f.93. Freilich basieren sowohl Mk 3,15 als
auch Mk 6,7 auf einer älteren, auch in Q fest mit der Jüngeraussendung ver-
bundenen Bevollmächtigung zu Dämonenaustreibungen (Mt 10,8). Mk 6,12f.
konstatiert den Vollzug der Aussendung in Form von Umkehrruf, Dämonen-
austreibungen und Krankenheilungen mittels Öl, wobei das Wirken der Jünger
an die Verkündigungs- und Heilungstätigkeit Jesu in dem mk Summarium 1,39
angeglichen wird. Als Verkündigungsinhalt war auch Mk T}YYIXEV fj ßaoiXEia
TOU S-EOÜ überkommen, was er redaktionell in Mk 1,15 einfließen ließ, um es
als entscheidenden Aspekt des Evangeliums dem Beginn der öffentlichen
Wirksamkeit Jesu programmatisch voranzustellen (vgl. IV.l.l.c).
stereotyp die Lehre oder Verkündigung den Taten vorordnet 9 5 und hier
in 10,7f. die Rangordnung beider Größen zudem an die redaktionelle
Notiz Mt 9,35 anpaßt 96 , indem die Jünger genau dazu beauftragt wer-
den, was auch Jesus tat.
Was den Umfang der aufgetragenen Wundervollmacht angeht, so ist
bei Lk eine Beschränkung auf Krankenheilungen (xat &EpaTtEÜETE TOÜC,
äö&EVEÜ;) gegeben, während bei Mt ergänzend auch Totenerweckungen,
Aussätzigenheilungen und Dämonenaustreibungen erwähnt werden. Un-
verkennbar hat Mt dabei die Jüngerbevollmächtigung Mt 10,8 an den
Wunderkatalog Mt 11,Spar angeglichen und unter Einfluß des dortigen
XEitpoi xadapif^ovTai ... xai vExpoi EYEtpovtai die Q-Aussendungsinstruktion
um den Befehl zu Aussätzigenheilungen und Totenerweckungen berei-
chert. Lediglich mit der Erwähnung von Dämonenaustreibungen, die in
dem Wunderkatalog Mt 11,5 keine Rolle spielen und folglich auch nicht
von dort her in Mt 10,8 eingeflossen sein können, dürfte Mt dem Q-
Wortlaut näher stehen. Lk tilgt mehrfach Hinweise auf Dämonenaustrei-
bungen der Jünger 97 , und im Horizont des authentischen Jesuslogions
Lk ll,20par ist im ältesten Kern der Aussendungsrede neben der Ver-
kündigungsbevollmächtigung von vornherein eine Beauftragung zur Ver-
treibung von Krankheitsgeistern zu erwarten, zumal auch Mk 6,7.12 eine
Ursprünglichkeit des Saiuövia ExßäXXETE Mt 10,8 nahelegt 9 8 . Die älteste
Fassung der Wunder- und Verkündigungsinstruktion Jesu lautete somit
Saiuövia ExßäXXETE, äa^EvoüvTac, &EpartEÜETE xai XEYETE (XT)PÜÖÖETE) aÜToTc;-
fJYYixEV (E<P' üuac;) i) ßacsiXsia TOU &EOU.
Entgegen der Auffassung, bei den syn Aussendungsanordnungen han-
dele es sich um Gemeinderegeln, die nachösterliche Gegebenheiten
112 Vgl. Jülicher, Gleichnisreden II 239; Klausner, Jesus von Nazareth 371;
Böcher, Dämonische Mächte 9, und Kilgallen, Return of the Unclean Spirit
45-59, der enge Bezüge zur Beelzebulperikope ausmacht. Vgl. zur Sieben-
zahl der TcvEÜuara Test Rüben 2f., zur Angst vor einer Wiederkehr von Dä-
monen Tob 6,8.17; Joseph, Ant XV1II,45.47, zu wasserlosen Stätten als ihrem
Aufenthaltsort Tob 8,3, zum menschlichen Körper als Wohnstätte des Teufels
oder der Dämonen Test Napht 8,6 (ö SiäßoXoc, oExEiourai aüröv).
1 Vgl. Stein, Markan Seam 83-89; Kertelge, Wunder Jesu 50f.; Koch, Wun-
dererzählungen 43f.; Scholtissek, Vollmacht Jesu 119ff. Lediglich EIOEXS-ÜV EIC,
tfjv ouvaYUYfjv wird der ursprünglichen Einleitung von l,23ff. gedient haben.
2 Vgl. Pesch, Mk-Ev I 117; Gnilka, Mk-Ev I 77. - Lührmann, Mk-Ev 49,
rechnet dagegen mit der Möglichkeit, daß die Lokalisierung in Kapernaum
bereits vormk an 1,23-27 haftete.
3 Anders Theißen, Wundergeschichten 165: xaivrj SiSaxfj sei Missionstermi-
nus und der Erzählung in der mündlichen Überlieferung als Hörerreaktion auf
die Wiedergabe des Wunderberichtes in der Missionspraxis zugewachsen.
4 Nicht aufrechterhalten läßt sich die von Bultmann, Syn Tradition 239 mit
Anm.3, etablierte, fast uneingeschränkt anerkannte Ansicht, Verstummungsbe-
fehle an Dämonen zählten zum antiken Dämonenaustreibungsritual. Vgl.
Kollmann, Schweigegebote 267-273.
202 Dämonenaustreibungen Jesu
10 M e r k e l b a c h / T o t t i , A b r a s a x II 161.169.
11 Vgl. zur G e g e n w e h r von Dämonen Apg 19,16; T e s t Sal 1,12; Luc, Philops 31.
12 Vgl. zum atl Hintergrund der Formel Bächli, " W a s habe ich ... " 69ff.
13 Vgl. Bauernfeind, W o r t e der Dämonen 14f., mit ausführlicher B e s p r e -
chung des V e r g l e i c h s m a t e r i a l s .
14 Koch, W u n d e r e r z ä h l u n g e n 59, betont zu Recht, daß von einem wirklichen
Kampf zwischen dem Dämon und Jesus keine Rede sein kann.
15 Hahn, Hoheitstitel 237f.; Gnilka, M k - E v I 8 1 . Pesch, M k - E v I 122,
r e c h n e t in Mk 1,24 sogar mit u n m i t t e l b a r e r E r s e t z u n g des av&puTtE TOÖ $EOÜ
1 Kön 17.18 durch äYioc TOÖ 9-EOÖ.
204 Dämonenaustreibungen Jesu
Das Nebeneinander von TTJOOÜ Na£apr|v£ und äYioc; TOÖ SEOU Mk 1,24 re-
sultiert vielleicht aus einem Wortspiel mit dem Gleichklang von ",~12J3H ("aus
Nazareth") und T U ("geweiht") 1 '', zumal DVfrXn T U Ri 13,7;= 16,17 in
LXX (B) durch äYioc; -&EOÜ (A: va^ipaToc,) wiedergegeben wird. Allerdings ist
eine Wiedergabe von T U durch äYioc; recht ungewöhnlich. Von den unzähli-
gen äYiocj-Belegen in LXX gehen ausschließlich diejenigen von Ri 13,7B;
16,17B auf T T J zurück. Basierte Mk 1,24 tatsächlich auf einer hebräischen
Vorlage, läge für das dortige äYioc, als Bezugspunkt das in LXX stereotyp
mit äYioc, übersetzte 2T"lp näher als T T J .
Keinen Rückschluß auf eine semitische Vorlage von Mk 1,21-28 erlauben
das pluralische TOTC, oäßßaoiv 1,21b sowie die angeblich semitisierend wirken-
de Wendung olhä OE UC, EZ, Ö äYioc, TOÖ ÖEOÜ (statt o ß a oü E7 Ö äYioc, TOU
SEOD)18.
19 Die Ortsangabe ist aber traditionell, wobei l'Epaor|vuv als lectio diffici-
lior (das "Gebiet der Gerasener" reichte nicht bis zum See Genezareth) Prä-
ferenz zukommt. Vormk war die Erzählung im Heidenland (vgl. die Schwei-
neherde) am See Genezareth (öäXaoori 5,1.13) angesiedelt, der am ehesten
zum Ertrinken von 2000 Schweinen paßt. Möglicherweise hat Gerasa als be-
deutende Stadt der Dekapolis (vgl. Kraeling /Klauser, RAC X C19781 223ff.)
eine ältere Ortsangabe (Gergesa? tvgl. Gnilka, Mk-Ev 2011) verdrängt.
20 Schenke, Wundererzählungen 174-176; Pesch, Besessener 14-17; Ker-
telge, Wunder 101; Annen, Heil für die Heiden 40-44.
21 Vgl. zu Iva UET' aÜTOÜ ^| insbes. 'iva uoiv UET' aüroö Mk 3,14 (wohl
red.). Mk 5,19.20 ist durch das mk Nebeneinander von Geheimhaltungsabsicht
und deren Nichteinhaltung (bes. l,44f.) geprägt, vgl. Koch, Wundererzählun-
gen 78-84; Annen, Heil für die Heiden 67-69. Als ursprünglicher Schluß des
Wunderberichtes kann 5,19 (vgl. Mk 1,44; 2,11; Philostr, Vit Apoll IV.4S
E7ravfjXl>E TE EC, TTJV oixiav TOÖ TTarpöc,) mit Admiration im Hause des Geheil-
ten (TCSVTEC, £-&aüuaC,ov Mk 5,20; vgl. zu Heilungsadmirationen mit 0-auuä^Eiv
Tob 11,16; Lk 11,14; Plut, Coriolanus XXIV,3; Luc, Abdicatus 5) gelten.
22 Bei mk Formulierung von 5,8 (Cave, Unclean Spirits 96; Koch, Wun-
dererzählungen 62f.; Annen, Heil für die Heiden 50-52) wäre eine deutlichere
Angleichung an die Ausfahrworte 1,25 oder 9,25 zu erwarten.
23 Vgl. Gnilka, Mk-Ev I 200-202; Lührmann, Mk-Ev 99. Gegen Annen,
Heil für die Heiden 39-74, der in 5,1-3.8.9.15.17-20 weitreichende mk Ein-
griffe veranschlagt, und Pesch, Besessener 41-49 (ähnlich Kertelge, Wunder
Jesu 104-107), der mit vier vormk Traditionsstufen rechnet.
206 D ä m o n e n a u s t r e i b u n g e n Jesu
29 Gegen O. Betz, "Divine Man" 282f., liegen kaum Bezüge zum Unter-
gang der Ägypter im Roten Meer (Ex 14; Ps 106,11) und damit verbunden ei-
ne Mose-Jesus-Typologie vor.
30 Philostr, Vit Apoll IV,20, und Act Petr 11 demonstriert das Zerstören
eines Standbildes sichtbar das Weichen des Dämons. Luc, Philops 16, sollen
die Geister "schwarz und rußig" aus dem Besessenen ausgefahren sein.
Besessenenheilungsberichte 209
Bousset, Kyrios Christos 61, und Bultmann, Syn Tradition 225, eine rein
hellenistische Erzählung sei auf Jesus übertragen worden.
34 Vgl. Koch, Wundererzählungen 119-121; Kertelge, Wunder Jesu 176f.;
Gnilka, Mk-Ev II 45; Lührmann, Mk-Ev 160, speziell zu Mk 9,28f. Kuhn,
Sammlungen 189 (weitergehend zu 9,28f.: V.3.2.) Daß Mk 9,14-27 vor der
Integration in das Mk-Ev bereits einen längeren Traditionsprozeß durch-
laufen hat, steht angesichts des komplizierten Aufbaus außer Frage (gegen
Schmithals, Heilung des Epileptischen 21 lff.: Es handele sich um eine ein-
heitliche theologische Kunsterzählung mit Entfaltung pln Theologumena).
35 Vgl. a) fjSuvfjdriaav Mt 17,16/Lk 9,40 diff. loxuoav Mk 9,18; b) Mk 9,19
fehlendes xai SiEotpauuEvii und USE in Mt 17,17/Lk 9,41 und c) xai EO-EpaTtEÜ-ÖT]
6 TtaTc, Mt 17,18/xai iäaato TÖV TtaTSa Lk 9,42 diff. ö SE fJYEipEV aütöv Mk
9,27. Eine exakte Auflistung der mt-lk Übereinstimmungen gegen Mk 9.14-29
bietet Neirynck, Minor Agreements 126-130.
36 Vgl. Lohmeyer, Mt-Ev 269; Vaganay, Probleme Synoptique 405-425;
Schramm, Mk-Stoff 99L129; Roloff, Kerygma 147; Theißen. Wunderge-
schichten 139 (anders aber 180); Bovon, Lk-Ev I 507f.; Luz, Mt-Ev II 519f.
Dagegen u.a. Achtemeier, Miracles and the Historical Jesus 473-475; Gnilka,
Mt-Ev II 105.
Besessenenheilungsberichte 211
ments nicht auf einer geglätteten oder gekürzten deutero-mk Fassung von Mk
9,14-29 als Vorlage für Mt und Lk 3 7 .
Laute von sich gibt (xai E^aitpvnc; xpä^Ei Lk 9,39). Als die Hilfsbedürftigkeit
steigerndes Motiv findet sich zudem die wohl redaktionelle Notiz, daß es sich
um das einzige Kind gehandelt habe (vgl. Lk 7,12). Lk bietet aber cum grano
salis die vergleichsweise ursprünglichste Schilderung der Krankheit. Der mk
Bericht weist dagegen eine sekundär wirkende Ausgestaltung mit Anleihen in
antiker Epilepsiediagnose auf, während Mt offenbar eine Lk 9,39 vergleichba-
re Schilderung stark gekürzt hat und in 17,15b Formulierungen aus Mk 9,22 in
seine von Mk 9,14-29 literarisch weitgehend unabhängige, lediglich in Mt 17,
19 eindeutig auf Mk basierende Fassung der Epileptikerperikope einfließen ließ.
48 PGM 1,254 ETtirä^u üuTv; VII,331 ipäviiS-i uoi, xüpiE "Avoußt, ETtitäoou
ooi; XII,171 ETtiTaoou ooi, ö UEYac, ... SaTuuv; IV,1038 EitiräooEi ooi ö UEYac,
C,öv ÖEÖC,, siehe Eitrem, Notes 33f. Vgl. auch die nachösterliche Dämonenaus-
treibungsformel Apg 16,18 napayyEXXu ooi ... E^EXO-ETV.
49 In der verwandten Formel Act Andr 5 wird dem ausfahrenden Dämon
befohlen, von Christen betretene Gebiete in Zukunft völlig zu meiden.
50 Joseph, Ant VIII,47: Der Besessene fällt nach der Dämonenaustrei-
bung sogleich zusammen; Vit Apoll IV,20: "Der Jüngling aber rieb sich die
Augen wie ein Erwachender." Act Thom 77 liegen die beiden Frauen nach der
Dämonenaustreibung wie Tote hingestreckt und sind stumm.
Besessenenheilungsberichte 215
aütu) vollzog (Mt 17,18/Lk 9,42), ist aufgrund des vermutlich wiederum
auf IUI rekurrierenden ETUTIUSV51 die Heilung eines epileptischen Kna-
ben durch Jesus als historischer Haftpunkt wahrscheinlich 52 , zumal es
sich bei dem Gewässer von Mk 9,22par, das zumindest die zum Ertrin-
ken notwendige Tiefe aufgewiesen haben muß, um den See Genezareth
handeln könnte 5 3 . Sämtliche über die Bedrohung hinausgehenden Wun-
derpraktiken wurden aus aktuellen Bedürfnissen heraus nachgetragen 54 .
Wie schon in Mk 5,1-20 war auch hier die vorliterarische Überliefe-
rungsgeschichte nicht durch eine Unterdrückung, sondern eine Verstär-
kung magischer Techniken Jesu gekennzeichnet.
2. Krankenheilungen Jesu
2.1. Die Logienüberlieferung
Die ntl Evangelien berichten nicht allein von Krankenheilungen Jesu,
sondern auch von der Heilung solcher Gebrechen, die zwar im einzel-
nen auf das Wirken böser Geister zurückgeführt werden können, bei
denen jedoch keine Anwesenheit von Dämonen in der erkrankten Person
angenommen wird. Bereits Lk 13,32 war neben Dämonenaustreibungen
auch von Krankenheilungen Jesu die Rede. Bevor den ntl Heilungser-
zählungen nachgegangen wird, sind als weitere Logienstoffe noch Mt
ll,2-6par und Mt 13,16f.par auf ihre Authentizität und ihren Aussage-
gehalt hin zu untersuchen.
51 Ausnahmslos abzulehnen sind die von Pesch, Mk-Ev II 95 mit Anm. 38,
reklamierten Semitismen. Die xai-Parataxe ist ebensowenig Indiz für eine
aramäische Vorlage wie das pluralische üSata Mk 9,22 (vgl. die pluralischen
Belege bei Liddell/Scott 1846) und das inkludierende TtoXXoi Mk 9,26 (vgl.
Rom 5,15.19). Noch unbegreiflicher ist, wie Pesch TtvEÜu.a äxädaprov für
palästinisches Uberlieferungsmilieu beanspruchen kann, denn als unrein gelten
Dämonen sogar Philostr, Vit Apoll IV,19 ( t ä Saqiövia u.fj xaS-apöv Efvai).
52 Achtemeier, Miracles and the Historical Jesus 490 ("... the historical
Jesus did in fact perform deeds such as the exorcism reported of him in the
early tradition underlying Mark 9:14-29"); zu weitgehend Pesch, Mk-Ev II 95.
Gegen Petzke, Wundertaten Jesu 201: "Erzählerische Darstellung des chri-
stologischen Titels 'Wundertäter' ".
53 Pesch, Mk-Ev II 95, Anm. 38; Gnilka, Mk-Ev II 45. Überzogen Schenk,
Epileptiker-Perikope 81, der wegen Eic, ÜSata in der Heilung des Epilepti-
schen sogar eine der SuväuEtc, in Bethsaida (Mt ll,20f.) sehen will.
54 Kurzschlüssige petitio principii ist die Behauptung von Twelftree, Jesus
the Exorcist 95, "that there were no particular reasons why the early Church
should have added the details of the address to the demon", folglich seien
Ausfahrworte wie Mk 9,25 historisch.
216 Krankenheilungen Jesu
Ist mit dem kommenden Stärkeren Gott gemeint, dann wäre es für
den Täufer völlig abwegig gewesen, seine Ankündigung des EPXÖUEVOC, in
der Mt 11,3/Lk 7,19 beschriebenen Weise mit Jesus in Verbindung zu
bringen 11 . Gegen eine Historizität von Mt ll,2-6par dürften zudem auch
5 Kümmel, Jesu Antwort 192-200; Twelftree, Jesus the Exorcist 121; mit
Vorbehalt auch Luz, Mt-Ev II 164-166.
6 Hoffmann, Logienquelle 201; Vögtle, Wunder und Wort 223-225.
7 Gnilka, Mt-Ev I 64. Gegen Laufen, Doppelüberlieferungen 107-109: xai
Ttupi sei sekundärer Zusatz der Q-Redaktion.
8 Ohne Textanhalt bleibt die Annahme, lediglich die Feuertaufe gehe auf
Johannes zurück, während die Geisttaufe des Stärkeren sich einer Rückpro-
jektion der christlichen Taufe in die Verkündigung des Täufers verdanke, so
Dibelius, Johannes der Täufer 56; Manson, Sayings of Jesus 40f.; Hoffmann,
Studien 29f.; von Dobbeler, Gericht 55-59; Bovon, Lk-Ev I 177.
9 Becker, Johannes der Täufer 34-37.
10 Test Jud 24,2, wo von einer Geistausgießung durch den Messias die Re-
de ist, verdankt sich höchstwahrscheinlich christlicher Interpolation (Becker,
Untersuchungen 319-323). Test Lev 18,11 "und er wird den Heiligen vom
Baum des Lebens zu essen geben, und der Geist der Heiligung wird auf ihnen
ruhen" spricht von Gott, nicht vom Messias, vgl. Becker, Untersuchungen
297f. Vgl. zur Identität des kommenden Stärkeren mit Gott Thyen, Sünden-
vergebung 137; von Dobbeler. Gericht 144-147; Ernst, Johannes der Täufer
49-55; Reiser, Gerichtspredigt Jesu 170-175.
11 Der Einwand, 6 EPXÖUEVOC, sei kein gebräuchliches Messiasprädikat ge-
wesen, folglich müßte bei Gemeindebildung mit einer geläufigeren Titulatur,
als ö EPXÖUEVOC, sie darstellt, gerechnet werden (Kümmel, Verheißung und
Erfüllung 103; ders.. Jesu Antwort 196f.), ist nicht zwingend. Denn 6 EPXÖUEVOC;
wurde nicht erst von der christlichen Gemeinde auf Jesus hin formuliert,
sondern war ihr aus der Täuferverkündigung Mk l,7f.parr vorgegeben.
218 Krankenheilungen Jesu
Als Material für Mt 11,5 diente Jes 26,19; 29,18f. 35,5f. und 61,1, ergän-
zend kommt Einfluß von Jes 42,7.18 in Betracht. Die Kombination von Blin-
denheilung und Totenerweckung begegnet auch 4 Q 521 Fragm 1, II 8-12, wo
aber offenkundig wie im AT Gott die Wunder der messianischen Zeit wirkt.
Eine LXX-Abhängigkeit von Mt 11,5 wäre gesichert, wenn es sich um ein
Mischzitat ausschließlich aus Jes 35,5f. und Jes 61,1 handelte. In diesem
Falle verdankte sich xucpoi öxoüouoiv LXX-Einfluß, da gegen äxoÜEiv Jes
35,5 LXX im hebräischen Text nicht VW2J, sondern HPS ("öffnen") steht 1 7 .
Zudem ginge tucpXoi ävaßXETtouoiv Mt 11,5 zwingend auf Jes 61,1 LXX xnpü^ai
... TucpXöTc, äväßXEi))iv zurück, während MT hier P p p T I p S D'HIOfcOI ("den
Gefangenen Entfesselung") bietet 1 8 .
Da allerdings das von Jes 26,19 herrührende vExpoi EYEipovtai auf eine
freie Kombination unterschiedlichster Jesajastellen in Mt 11,5 hindeutet,
könnten sich besagte Abweichungen gegenüber Jes 35,5; 61,1 MT nicht LXX,
sondern Jes 42,18 (MT m x n b 1U' , 3? D n i ü r P 1PQÜ CPennn ; LXX oi
xu<poi, äxoüoarE, xai oi rucpXoi, ävaßXEijiaTE ISETV) verdanken. Dabei steht ei-
nem Rückgriff auf den hebräischen Text von Jes 42,18 theoretisch nichts im
Wege, da die Wiedergabe von UOC7 durch äxoÜEiv und von HJO durch
ävaßXEitEiv (vgl. 1 Kön 14,27LXX) nichts Ungewöhnliches darstellte. Eine
semitische Urfassung von Mt 11.5 liegt damit im Bereich des Möglichen, ohne
daß sie zwingend beweisbar wäre.
21 Bultmann, Syn Tradition 22: Mt ll,5par wolle lediglich mit den Farben
(Dt-)Jesajas die selige Heilszeit schildern, die Jesus gegenwärtig anbrechen
spüre, ohne daß man die einzelnen Aussagen auf bereits geschehene Ereignis-
se beziehen dürfe. Ebenso Jeremias, Gleichnisse 116; Kuhn, Enderwartung
196; Müller, Krankheit und Heilung 99-101; Kertelge, Überlieferung 187f.;
Merklein, Jesu Botschaft 67.
22 Zudem wird Mt 11,5 gegen äXXEo-9-ai Jes 35,6 mit TtEpntaTEtv ein Wort
benutzt, das für die ntl Gelähmtenheilungserzählungen (Mk 2,9; Joh 5,8-12;
Apg 3,6-12; 14,8.10) typisch ist (Pesch, Taten 43). Ebenfalls als Rekurs auf
bereits erzählte Wunder Jesu betrachten Mt 11,5 Schille, Wundertradition
42f; Stuhlmacher, Evangelium 220-225; Hoffmann, Studien 203; Polag, Chri-
stologie 36, Anm.100.
23 Bei XEirpoi xaS-apt^ovrai Mt 11,5 könnte 2 Kön 5,1-19 im Hintergrund
stehen (dort in LXX mehrfach XETtpa und xaöapi^Eiv). Daß der xaOapö öhöq
von Jes 35,8 zur Erwähnung der Aussätzigenheilungen inspirierte (so Dupont,
L'ambassade 950), ist dagegen unwahrscheinlich.
Die Logienüberlieferung 221
ruft das Wort hervor, und umgekehrt vertieft das Wort das Wunderge-
schehen im Sinne präsentischer Erfüllung dessen, was in der atl Pro-
phetie an künftigem Heil verheißen wird 2 4 .
Auch wenn Mt ll,5par mit dem Fehlen von Dämonenaustreibungen
nicht unmittelbar auf Jesus zurückführbar ist, liegt dort ein recht ar-
chaisches Verständnis seiner Wunder vor. In sachgemäßer Anknüpfung
an deren präsentische Heilsbezüge (vgl. Lk ll,20par) 2 5 wird das in der
jüdischen Eschatologie für die Zukunft erwartete Weichen von Krank-
heit, Leid und Tod 2 6 als ein mit dem Auftreten Jesu bereits realisiertes
Geschehen betrachtet.
24 Gegen Delling, Botschaft und Wunder 395, der Mt 11,5 in den Taten
Jesu lediglich eine Bestätigung des Wortes sieht.
25 Hoffmann, Studien 208 (vgl. 203 "Endzeit im Vollzug"); Merklein, Jesu
Botschaft 68: Bei Mt 11,Sf. handele es sich um einen sehr frühen Kommentar
zu Jesu Wirken, der auf dessen Taten in wirkungsgeschichtlich adäquater
Weise reagiere; Nielsen, Heilung 63: Mt 11,5f. sei zumindest in dem Sinne
authentisch, daß das dortige eschatologische Wunderverständnis sachgerecht
Jesu eigenes Verständnis seiner Heilungstätigkeit wiedergebe.
26 In jüdischer Eschatologie ist das endzeitliche Weichen von Krankheit,
Leiden und Tod ein fester Topos, vgl. Jub 23,29f.; äth Hen 96,3; slav Hen
65,9; syr Bar 73,1-3; 4 Esra 7,121(äth).123; 8,S3f.
27 Lührmann, Redaktion 61; Hoffmann, Studien 287. Mt integriert 13,16f.
ad vocem äxoÜEiv xai ßXETtEiv in seine Version der "Parabeltheorie" Mt
13,10-17, während Lk durch 10,23a eine redaktionelle (Schulz, Q 419 mit
Anm.105) Anbindung von 10,23f. an die Q-Tradition 10,21f. herstellt.
28 Strecker, Weg der Gerechtigkeit 197.
29 Vgl. Schulz, Q 420; Luz, Mt-Ev II 302 mit Anm.20. - Conzelmann,
Mitte der Zeit 177-190; Kuhn, Enderwartung 194, vermuten dagegen lk Til-
gung von xai t ä ura üuuv ÖTI äxoüouoiv, motiviert durch ein lk Primat der
Tat gegenüber dem Wort.
222 Krankenheilungen Jesu
30 Sixaioc, begegnet 17mal bei Mt (Mk 2mal; Lk llmal); vgl. auch Strecker,
Weg der Gerechtigkeit 197, Anm.3; Kuhn, Enderwartung 194, Anm.3 .
31 Vgl. die futurische Aussage Ps Sal 17,44 uaxapioi oi YEVÖUEVOI EV taTc,
fjüEpaic, EXEivaic, ISETV ra äYadä TopafjX ... a noifjoEi ö OEÖC,.
32 Bultmann, Syn Tradition 135; Kuhn, Enderwartung 195; Kümmel, Ver-
heißung 105; Grimm, Selige Augenzeugen 172-179; Hoffmann, Studien 210;
Merklein. Gottesherrschaft als Handlungsprinzip 162; Sato, Q 261; Nielsen,
Heilung 55-57. - Schulz, Q 421, rechnet dagegen mit Gemeindebildung in Q,
Käsemann, Anfänge 90f., mit einer Gemeindeordnung aus dem palästinisch-
syrischen Grenzraum.
1 xai EioTtopEÜovtai EIC. Kaipapvaoüu Mk 1,21 dürfte die ursprüngliche
Einleitung von 1,29-31 darstellen, vgl. Schenke, Wundererzählungen 96.109;
Wunderheilungsberichte 223
Pesch, Mk-Ev I 116f. Die jetzige Exposition 1,29a ist ebenso redaktionell wie
die unter Einfluß von Mk 1,16-20 vollzogene Erwähnung dreier weiterer
Jünger neben Petrus (vgl. Kertelge, Wunder Jesu 60; Gnilka, Mk-Ev I 83).
2 Lohmeyer, Mk-Ev 40; Roloff, Kerygma 115f; Schenke, Wunderer-
zählungen 120ff.; Pesch, Mk-Ev I 131; Gnilka, Mk-Ev I 84f.
3 Vgl. 4 Q 560 1,4; Test Sal 7,6f; Naveh/Shaked A 9; PGM XIII,15-17
sowie antike Fluchtafeln, auf denen Totengeistern die Verursachung von
Fieber bei mißliebigen Personen befohlen wird (z.B. Ziebarth, Fluchtafeln
Nr. 24 EvßäXETE irupETOüc, xaXETtoüc, EIC, Ttävta rä UEXT]).
4 Möglicherweise ist an Kraftübertragung gedacht (Böcher, Christus Exor-
cista 81; Pesch, Mk-Ev I 130), da die Handergreifung dem Eintritt der Gene-
sung vorausgeht (ähnlich Mk 5,41; 9,26). Vgl. zur Handauflegung als christli-
chem Fieberheilgestus Apg 28,8; Act Barn 15 (ETUOEVTEC, tac, xE?pac; EÜ&EUC,
äTtEOTijaauEV TÖV TtupETÖv aütoü, ETtixaXEaä(jEvoi TÖ övoua TOU xupiou Triaoö).
5 Mk 1,45 ist recht eindeutig redaktionell (gegen Pesch, Taten 59).
6 Lührmann, Mk-Ev 54; Crossan, Historical Jesus 321-323. Anders Pesch,
Taten 107-113; Neirynck, PapEg 2 and the Healing of the Leper 773-779.
Text der Parallele in PapEg 2 bei Aland, Synopse 60.
224 Krankenheilungen Jesu
Indem der Hilfsbedürftige Mk 1,40 als XEitpöc, gilt, ist eine derjenigen
Hauterkrankungen vorausgesetzt, die in LXX unter dem Sammelbegriff
XEitpa (MT n u n ? ) begegnen.
Im Corp Hippocr wird mit XETtpa die recht harmlose, nicht ansteckende
Schuppenflechte bezeichnet 7 , die auch bei den minder schweren Fällen von
Lev 13 gemeint sein dürfte. Daneben scheinen unter Xinpa/DV'^i'S auch
lebensgefährliche, übertragbare Krankheiten subsumiert worden zu sein. Wenn
Aussätzige den Toten gleichgestellt werden (Num 12,12; Joseph, Ant 111,264),
dürfte dies über kultische Unreinheit hinaus implizieren, daß es sich bei
bestimmten Formen von XETtpa/PUn^J um eine schlimmstenfalls tödliche,
allein von Gott heilbare Krankheit handelt (2 Kön 5,7). Entsprechend wird
bSanh 47a die Heilung Naemans einer Totenerweckung gleichgestellt. Folg-
lich werden bei der primär aus Gründen kultischer Reinheit erfolgten Isola-
tion Aussätziger 8 auch medizinisch-hygienische Aspekte eine Rolle gespielt
haben, indem bei einzelnen Formen von XETtpa/nPn^ Ansteckungsgefahr
bestand 9 . Herodot berichtet, daß bei den Persern an XETtpa Leidenden der
Zugang zu den Städten und der Umgang mit anderen Personen verwehrt blieb
(Hist 1,138), und auch Ktesias, Pers 41 (FGH IIIC 688,14), zufolge wurden
dort XETtpoi abgesondert (itäoiv aTtpöoiTOC,). Dies deckt sich mit den Maß-
nahmen gegen Elephantiasiskranke, von denen Aretaios berichtet 1 0 . Die
schweren, lebensbedrohlichen Fälle von XETtpa/nPHi können die meist tödli-
che Elephantiasis 11 oder den bei Paul Aeg IV,5 erwähnten, oft unheilbaren
"weißen Aussatz" (XEÜXT|) miteingeschlossen haben.
Folglich ist fraglich, ob der XEiipöc, von Mk 1,40-45 als ein von harm-
loser Schuppenflechte (Psoriasis) Befallener angesehen und mit einer
psychotherapeutischen Spontanheilung solcher Hautveränderungen durch
Jesus gerechnet werden kann 1 2 , zumal sich weitere Zweifel gegen die
Historizität der Erzählung erheben. Wie die zahlreichen AT-Bezüge
7 Hippocr, Morb 3, gilt XETtpri als eine der Krankheiten ohne tödlichen
Ausgang, Hippocr, Äff 35, wird sie sogar mehr den Unansehnlichkeiten als
den Krankheiten zugerechnet.
8 Vgl. zum Umgang mit Aussatz neben Lev 13f. und dem darauf bezogenen
Mischnatraktat Negaim u.a. 11 Q TR 45,16-18; 48,14-49,4 (dazu: Yadin,
Temple Scroll I 293f.); 4 Q Zadokite Fragments on Skin Desease (ed. J.M.
Baumgarten, vgl. dazu auch Qimron, Notes 256ff.); Joseph, Ap 1,281; Bell
V,227; Ant 111,261. Vgl. auch Billerbeck IV,2 745-763.
9 Bayer, RAC I (1950) 1026; ähnlich Preuß, Biblisch-talmudische Medizin
371-373. Vgl. zur Bestimmung von n u n ^ a u c h Seidl, ThWAT VI 1131f. (Lit.).
10 Aret IV 13,19 zufolge wurden bei Elephantiasis aus Furcht vor An-
steckung sogar engste Verwandte in der Wüste oder im Gebirge ausgesetzt
und teilweise nicht einmal mit Nahrung versorgt.
11 Vgl. zur Elephantiasis Cels, Med III 25,lff; Aret IV13,lff; VIII 13,lff;
Diosc. Mat Med 112; 1170,3; 1178,4; Simpl Med I 195; Plin, Hist Nat 26,7f.;
Kyr I 4,22; PGM XXIIa,15.
12 Gegen Fenner, Krankheit 67f.; Koehler, "Aussatz" 291.
Wunderheilungsberichte 225
13 Vgl. auch SE"U;OV TU iEpET Mk 1,44 mit SEÜJEI TU IEPET Lev 13,49. Ob die
Anweisung Mk 1,44 prophetische Kritik an den religiösen Führern Israels
impliziert (Broadhead, Witness of the Leper 260-265), erscheint zweifelhaft.
14 Vgl. Pesch, Taten 76-78 mit Anm.84a.
15 Vgl. zu diesen kultisch-sozialen Implikationen von Mk 1,40-45 Kaz-
mierski, Evangelist and Leper 41ff.
226 Krankenheilungen Jesu
16 Vgl. bes. Maisch, Heilung des Gelähmten 21-48; ähnlich Klauck, Sün-
denvergebung 225-236. Gegen Koch, Wundererzählungen 49f.; Lührmann,
Mk-Ev 58, geht die Einfügung nicht auf Mk zurück, denn Mk 2,1-12 war als
Apophthegma bereits Bestandteil einer vormk Streitgesprächsammlung, vgl.
Kuhn, Sammlungen 53ff.; Thissen, Befreiung 90ff.
17 Thissen, Befreiung 47-49. - Pesch, Mk-Ev I 151; Gnilka, Mk-Ev I 98,
rechnen Kapernaum zur vormk Tradition.
18 Lohmeyer, Mk-Ev 51; Maisch, Heilung des Gelähmten 17; Gnilka,
Mk-Ev I 97.
19 Vgl. zu entsprechenden Dachkonstruktionen in der Antike Deichmann,
RAC III (1957) 520f.631-636, zu Flachdächern außerhalb Palästinas ebda.
517-519.
Wunderheilungsberichte 227
Vermutlich verdankt sich die Schilderung von Mk 2,4 dem Motiv eines
erschwerten Zugangs zum Wundertäter 20 , wie die gesamte Erzählung
von der Topik her typische Elemente antiker, speziell hellenistischer
Heilungswundertraditionen aufweist. In den Gelähmtenheilungsberichten
von Epidauros werden die Patienten stereotyp auf einer Bahre (ETÜ
xXivacJ zum Asklepieion gebracht (W 35.64.70), und W 15 bietet einen
Mk 2,llf. entsprechenden Demonstrationsschluß, indem die von ihrer
Lähmung geheilte Person als Erweis der Genesung einen größtmöglichen
Stein zum Heiligtum zu bringen hat. Enge Berührungen mit Mk 2,1-12
weist zudem eine unterschiedlich ausgestaltete antike Wanderlegende
(Cic, De Div 126,55; Livius 1136,1-8; Plut, Coriolanus XXIV.1-3) auf, der-
zufolge ein zur Strafe Gelähmter auf der Bahre (lectic[ul]a od. xXiviSiov)
zum Senat getragen wird, dort nach ordnungsgemäßer Berichterstattung
wieder genest und zum Erstaunen aller auf eigenen Füßen den Heim-
weg antritt 21 . Noch weiterreichende Analogien zu Mk 2,1-12 bietet Luc,
Philops 11, wobei es sich dort allerdings nicht um eine Lähmung, son-
dern um einen Schlangenbiß handelt. Midas wird auf einer Liege (ETÜ
oxiuTtoSoc,) von seinen Mitsklaven gebracht und trägt nach erfolgter
Heilung die Bahre auf seinen Schultern davon. Die Pistis in die Kraft
des Wunderheilers (Mk 2,5a) ist außerhalb des NT im Zusammenhang
mit Asklepios und Sarapis belegt 22 .
Hauptunterschied der ntl Erzählung gegenüber den genannten reli-
gionsgeschichtlichen Parallelen ist neben dem Lobpreis Gottes Mk 2,12b,
daß der Heilungsbefehl EYEIPE xai apov töv xpaßarröv oou xai TtEpiitaTEi
2,11 in direkter Rede wortgetreu wiedergegeben wird 2 3 . Wegen der
b) Joh 5,2-9b
Ein Mk 2,1-12 im Kern entsprechender Gelähmtenheilungsbencht be-
gegnet Joh 5,2-9b, einer erst sekundär in 5,9c-18 zum Sabbatkonflikt
ausgeweiteten Tradition. Fast wörtliche Übereinstimmungen bei dem
Heilungswort Joh 5,8/Mk 2,9.11 wie dem Demonstrationsschluß Joh
5,9ab/Mk 2,12a und die jeweilige Verwendung des seltenen xpäßatToc.
lassen an einer traditionsgeschichtlichen Verwandtschaft beider Erzäh-
lungen kaum Zweifel aufkommen 25 , zumal Joh 5,14 in Entsprechung zu
Mk 2,5b eine Beziehung zwischen Krankheit und Sünde hergestellt
wird. Unterschiede bestehen dahingehend, daß es sich bei dem Gelähm-
ten Mk 2,3 um einen TtapaXuTixoc, Joh 5,4 hingegen um einen X"^°c;
handelt, wobei zur Betonung der Schwere des Falles eine Krankheits-
dauer von 38 Jahren vermerkt wird. Zudem sind die Begleitumstände
der Heilung bei Joh anders, da sich die gesamte Szene in Jerusalem an
der Teichanlage Br|ÖEoSä26 abspielt.
Dort wartet Joh 5,4 zufolge eine Reihe Gebrechlicher, um beim Spru-
deln einer intermittierenden Quelle in das Wasser herabzusteigen und
Heilung zu finden 27 . Heilende Quellen sind in der Antike für den As-
klepioskult charakteristisch (vgl. bes. Ael Arist, Or 39,14f). Eine direkte
Parallele zu Joh 5,2b-9 findet sich in der Epidaurosinschrift W 37, wo
von der Heilung des gelähmten Kleimenes von Argos berichtet wird, den
Asklepios im Traum zu einem außerhalb des Heiligtums liegenden Teich
führt. Als Kleimenes erwacht, badet er und kommt gesund aus dem
EYEIPE xai TtEpiTtaTEi, ferner Apg 9,34; 14,10. In keiner der griechisch-römi-
schen Parallelen zu Mk 2,1-12 begegnet hingegen eine in wörtlicher Rede an
den Kranken gerichtete Heilungsformel.
24 So vermutet von Pesch, Mk-Ev I 157f.; Gnilka, Mk-Ev I 98.
25 Gegen Becker, Joh-Ev I 231; ähnlich Schnackenburg, Joh-Ev II 122.
26 Vgl. zum textkritischen Problem Jeremias, Discovery of Bethesda llf.;
Barrett, Joh-Ev 268f., zu den archäologischen Fragen von Joh 5,2 Jeremias,
aaO. 13-38; Duprez, Jesus et les dieux gue'risseurs 28ff. Die Existenz von
Bethesda in ntl Zeit verbürgt aber nicht eo ipso die Historizität von Joh
5,2-9b, sondern dürfte ihrerseits zur Lokalisierung der ursprünglich situations-
los überlieferten Wunderheilungserzählung Anlaß gegeben haben.
27 Cels, Med III 27,1, empfiehlt bei Lähmung (paralysis) so oft als möglich
künstliche oder natürliche Heilbäder.
Wunderheilungsberichte 229
Wasser heraus (E^EYEDÖEIC. 8' EXOÜTO xai äaxridfjc, EF,TJX&E). Auch der Um-
stand, daß die im NT ausschließlich Joh 5,9 belegte Wendung EYEVETO
ÜYifjc. in den Epidaurosinschriften nicht zuletzt im Zusammenhang mit
Gelähmtenheilungen stereotyp begegnet 2 8 , deutet auf eine unmittelbare
Beziehung zwischen Joh 5,2-9b und Wunderheilungstraditionen des
Asklepioskultes hin 2 9 . Dabei dürfte das Interesse wirksam sein, die
Überlegenheit Jesu gegenüber Asklepios als Wundertäter herauszustel-
len. Neben der Betonung der Krankheitsdauer als Steigerungsmotiv
spricht hierfür der Sachverhalt, daß Jesus bei seiner Gelähmtenheilung
Joh 5,8 nicht wie Asklepios einer Heilquelle bedarf, sondern allein durch
ein Befehlswort die Gesundung bewirkt 3 0 .
Daß in Joh 5,2-9b eine Traditionsvariante von Mk 2,1-12, die ähnli-
cher historischer Skepsis wie jene Erzählung unterliegt, nunmehr in
Jerusalem lokalisiert wird, spricht keineswegs gegen solch eine Ausein-
andersetzung mit dem Asklepioskult. Dieser hatte sich im l.Jhdt.n.Chr.
in Phönizien (Strabo XVI 2,22; vgl. Paus VII 23,7f.) und wohl auch in
Galiläa etabliert, wobei für die von Josephus (Bell 11,614; Ant XVIII,36)
erwähnten Heilquellen von Tiberias durch Münzen aus dem Jahre 99n.Chr.
Asklepiosbezüge gesichert erscheinen 31 . Die Bindung des Geschehens
von Joh 5,2-9b an Bethesda schließlich wird dadurch motiviert sein, daß
sich dort im l.-2.Jhdt.n.Chr. vermutlich ein Asklepios-Sarapis-Heilbe-
trieb befand 32 .
werden von Pyrrhus berichtet, dessen rechter großer Zehe man eine Süvauic,
&Eta nachsagte, die sich u.a. in der Heilung Milzsüchtiger mit der Fußspitze
zeigte (Plut, Pyrrhus III,4f.; Plin, Hist Nat 7,20; 28,34).
Gesicht und küßten sie, und sie streckten ihre eigenen Hände aus und küßten
sie, wenn sie ihn berührten, weil sie wenigstens seine Kleider berührt hatten
(ÖTI x'äv ijiJiavTo TÖV iuariuv aüroü)".
40 Gegen Pesch, Mk-Ev I 305f., der sogar die Krankheitsdauer für ein
historisches Motiv hält, obgleich er sie zuvor als festen Wundergeschichten-
topos erkannt hatte (Mk-Ev I 301).
41 Vgl. Schenke, Wundererzählungen 208; Gnilka, Mk-Ev I 215-219.
42 Vgl. Lohmeyer, Mk-Ev 149; Gnilka, Mk-Ev I 296; Lührmann, Mk-Ev
132. Marxsen, Evangelist 43f.; Pesch, Mk-Ev I 393, halten die Lokalisierung
"inmitten der Dekapolis" dagegen für traditionell. - Zudem ist Mk 7,34.36
redaktionell beeinflußt. Die griechische Übersetzung von Ecptpaöa 7,34 wird
auf Mk zurückgehen, vgl. die analogen Befunde in Mk 5,41 und 15,22.34. In
Mk 7,36 wurde vermutlich ein vormk im Singular an den Geheilten gerichte-
tes Geheimhaltungsgebot (7,36a; vgl. Theißen, Wundergeschichten 152) redak-
tionell ausgestaltet.
43 Die Fluchtafel SIG 1175 enthält mehrfach die Wendung (xatJESnoa
TTJV Y^uo°av, wobei an einen Vollzug des Schadenszaubers durch Dämonen
gedacht sein dürfte. Dämonisch verursachte Stummheit ist auch Schurpu
VII,33; Plut, Mor 438B, und PGM XIII,242-244 vorausgesetzt. Vgl. auch
Deißmann, Licht vom Osten 258-261; Pesch, Mk-Ev I 397.
232 Krankenheilungen Jesu
Hippocr, Epid V,80 (par VII,85), erleidet der stumme Epileptiker Andro-
phanes ('AvSpotpavET ä<puvin, XfjpT|oicJ nach seiner Heilung regelmäßig Rück-
fälle und muß die trockene, wohl am Gaumen festklebende Zunge anfeuchten,
um die Sprache zurückzugewinnen (fj SE Y^E>oaot SIETEXEI Ttävra TÖV xpövov
f;T|pij • xai EI ufj SiaxXü^oiTO, SiaXEYEO&at oüx °föc, TE fjv). Cael Aur, Tard
Pass 11,22, empfiehlt bei chronischer, zu Stummheit führender (11,6) Lähmung
der Zunge, ein Gemisch aus warmem Wasser und Öl in den Mund zu geben,
um die Zunge zu lockern 4 7 . Sofern SEOUÖC, TTJC, Y^ÜOOTIC, tatsächlich auf einen
dämonischen Ursprung der Krankheit anspielt, könnte ergänzend zu solcher
Verwendung des Speichels auch an eine antidämonische Wirkung gedacht sein,
indem der die Zunge bindende Dämon durch Speichel entkräftet wird 4 8 .
dürfte, und ein Seufzen (EOTEvaF.Ev) als magische Technik zum Kraftein-
holen 4 9 an, bevor das auf die hörunfähigen Ohren gemünzte semitische
Wort E<p<pada50 die vollständige Heilung nach sich zieht.
2.3. Sabbatheilungskonflikte
2.3.1. Heilung einer verdorrten Hand am Sabbat (Mk 3,1-6)
Eine eigenständige Gruppe unter den Wunderheilungsberichten der
Jesusüberlieferung machen die in Streitgesprächsituationen eingebunde-
nen Sabbatheilungserzählungen aus, die quellenmäßig recht breit bezeugt
sind (Mk 3,l-6parr; Lk 13,10-17; 14,1-6; Joh 5,1-47; 7,15-24; 9,1-41). In
dem mutmaßlich ältesten Sabbatheilungsbericht Mk 3.1-51 wird wie in
Mk 2,1-12 die Heilung durch eine Zwischenszene mit Streitgespräch-
charakter unterbrochen. Dies legt die Vermutung nahe, daß auch hier
ein stilechter, später dann apophthegmatisch zum Sabbatkonflikt ausge-
stalteter Heilungsbericht am Anfang der Traditionsbildung stand 2 .
4 Sauer, Überlegungen 199f., mit Verweis auf doppeltes xai XEYEI Ttj)
ävöpuTtu 3,3.5 (vgl. die Wiederaufnahme von XEYEI TU TtapaXurixu Mk 2,5.10).
5 So von Dibelius, Formgeschichte 42, vermutet. Vgl. auch Kertelge,
Wunder Jesu 85, der von Mk 3,6 als einem "negativen Chorschluß" spricht.
6 Folglich handelt es sich bei den impliziten Gegnern nicht um "orthodoxe
Juden" (Schenke, Wundergeschichten 169; Gnilka, Mk-Ev I 129; vgl. auch
Klinghardt, Gesetz 230), sondern um am Sabbat festhaltende, auf Christusau-
torität hin ansprechbare Judenchristen (Kuhn, Sammlungen 89ff.)
7 Vgl. zur judenchristlichen Sabbatobservanz Kol 2,16; Hippolyt, Refutatio
IX 16,3 (Elkesai); Euseb, Hist Eccl III 27,5 (Ebioniten). Eine verrenkte Hand
durfte am Sabbat nicht einmal in Wasser geschwenkt, sondern nur gewöhnlich
gewaschen werden (Schab XXII,6).
8 Vgl. auch Test Sim 2,11-14: Simeon, mit einer halb verdorrten Hand (fj
XEip ... fjui!;Tipoc, fjv) gestraft, tut Buße, betet zu Gott und wird geheilt.
Sabbatheilungskonflikte 241
nicht erst die Formulierung von Mk 3,1-5 veranlaßt haben wird, ist ihr
Einfluß auf Mk 3,Ib.5 unverkennbar 9 . Die Berührungen mit dem grie-
chischen Text sind dabei nicht derart weitreichend, als daß man
zwangsläufig LXX-Benutzung annehmen müßte 1 0 . Daß der noch nicht
von Sabbatthematik geprägte älteste Traditionskern auf die Heilung eines
Mannes mit gelähmter Hand durch Jesus zurückgeht, kann man zumin-
dest erwägen 11 . Auffällig ist im Vergleich mit 1 Kön 13,4-6 und Test Sim
2,11-14, daß die Heilung ohne Gebet, vielmehr allein durch ein Befehls-
wort Jesu erfolgt. Die Frage nach der Authentizität und dem ursprüngli-
chen Kontextbezug des Logions Mk 3,4 ist gesondert zu klären.
9 Lohmeyer, Mk-Ev 70; Pesch, Mk-Ev I 189 mit Anm. 5; Sauer, Überle-
gungen 199f. Gegen Schmithals, Mk-Ev I 194: 1 Kön 13,4-6 sei für das
Verständnis von Mk 3,1-6 relativ unwichtig.
10 xai E^ETEIVEV, einzige wörtliche Übereinstimmung mit 3 Kön 13,4-6, be-
zieht sich dort auf die in feindlicher Absicht gegen den Gottesmann ausge-
streckte Hand Jerobeams, Mk 3,5 hingegen auf den Heilungsvorgang.
n Lohse, Jesu Worte 67 (Von allen ntl Sabbatgeschichten könnte "Mc 3,
1-5 am ehesten eine Situation im Wirken des historischen Jesus wiedergeben");
Pesch, Mk-Ev I 194 ("von lebendiger Erinnerung gespeiste Überlieferung").
Zurückhaltender Dietzfelbinger, Sabbatheilungen 287: "typisierter Bericht ... ,
in dem sich eine Mehrzahl von Sabbatheilungen Jesu verdichtet hat".
12 Gegen Schmithals, Lk-Ev 15; Green, Daughter of Abraham 644-649.
Eindeutig redaktionell sind lediglich Lk 13,10, eine lk Rekapitulation von Mk
1,23/Lk 4,31, und die summarisch-typisierende Notiz 13,17 (vgl. dort zu nac, ö
öxXoc, Lk 6,19 diff. Mk 3,10; ävTixETo&ai begegnet in den E w nur Lk 13,17;
21,15 red.). Die Lukanismen in 13,11-13 (vgl. Jeremias, Sprache 228f.; Sau-
er, Rückkehr 372f.) erklären sich zwanglos aus lk Redigierung der vorge-
fundenen Wundertradition.
13 Roloff, Kerygma 68, sieht Lk 13,15 dagegen von 13,16 beeinflußt, das er
für den Ausgangspunkt der Überlieferung hält.
242 Krankenheilungen Jesu
Der unlk Charakter von 13,14-16 könnte nahelegen, dort ein von dem Kern
13,15 her sukzessive erweitertes, selbständiges Streitgespräch zu sehen, dem
erst Lk die Wunderheilungsszene 13,11-13 vorgeschaltet habe 1 4 . Demgegen-
über würde aber Lk 13,14-16 für sich genommen ohne eine kurze Schilde-
rung des konfliktträchtigen Geschehens recht abrupt beginnen, und zudem
setzt 13,16 den Inhalt von 13,11-13 - nicht zuletzt die weibliche Identität der
geheilten Person - voraus. Da umgekehrt die Heilung in 13,14ff. recht unver-
mittelt zu einem Sabbatkonflikt ausgeweitet wird (13,10 geht auf Lk zu-
rück), dürfte in 13,11-16 vorlk ein ehemals eigenständiger Wunderbericht se-
kundär zum Apophthegma ausgestaltet worden sein 15 .
mit E^EÖTIV TU oaßßäru aYa&oTtoifjoat Lk 6,9 (vgl. Mk 3,4), und hier wie
dort werden die Gegner Jesu durch diese Frage zum Schweigen ge-
bracht (Lk 14,4; Mk 3,4). Sprachliche Indizien lassen eine lk Verfasser-
schaft dieser Analogiebildung zu Mk 3,1-5 als gutbegründete Annahme
erscheinen 2 6 , wobei das lk Interesse sich weniger auf eine Erörterung
von Sabbatfragen als vielmehr auf eine Betonung der Überlegenheit Jesu
richtet 2 7 . Im Blick auf die Wunderheilpraxis Jesu ist Lk 14,1-6 damit
nichts Zuverlässiges entnehmbar. Lediglich für das Sabbatlogion Lk
14,5/Mt 12,11 bleibt wiederum die Möglichkeit gegeben, daß es von
Anfang an einer Rechtfertigung von Sabbatheilungen Jesu diente.
b) Joh 9,1-47
In Joh 9 wurde ein älterer Bhndenheilungsbericht mit 9,1.6.7 als Tradi-
tionskern etappenweise durch Dialogszenen ausgestaltet (9,8-41; vgl.
schluß von 5,18, an den sich die Frage 7,19 anschloß, vgl. Bultmann, Joh-Ev
178; Attridge. Source Elaboration in John 7,1-36 165-168.
31 Vgl. Meeks, Prophet-King 294. Anders H. Weiss, Sabbath in the Fourth
Gospel 312ff., der für das vorjoh Streitgespräch ähnliche nachösterliche Kon-
troversen um die Sabbateinhaltung wie bei den Synoptikern veranschlagt.
32 Die Anordnung der Beschneidung am achten Tage (Lev 12,3) setzte das Ge-
bot der Sabbatruhe außer Kraft, vgl. Schab XIX,1-3; Ned 111,1; Just, Dial 27,5.
33 Euoi X°^5TE 7,23 scheint den Vorwurf von 5,10ff. vorauszusetzen, ÜYifjc.
begegnet im Joh-Ev neben 7,23 lediglich in 5,4.6.9.11.14f., in Verbindung mit
KOIETV im NT nur Joh 5,11.15 und 7,23, vgl. Sauer, Rückkehr 389.
34 Während Joh 5,9cff. der Sabbatbruch im Wegtragen der Bahre besteht,
wird in dem Logion Joh 7,22f. eine Heilung Jesu gerechtfertigt (vgl. auch
Haenchen, Joh-Ev 284f.). Dies deutet darauf hin, daß das Logion älter als
der Kontext ist bzw. ursprünglich unabhängig davon tradiert wurde.
246 Krankenheilungen Jesu
auch 10,19-21) und dabei wiederum nachträglich das Motiv des Sabbat-
bruchs eingebracht. Konkurrierende Deutungen der Blindenheilung in
9,8-34 einerseits, 9,35-41 andererseits sprechen dagegen, daß 9,8-41 in
seiner Gesamtheit vom Verf. des Joh-Ev stammt.
Joh 9,8-34 wirkt geschlossen und gliedert sich kompositorisch in vier in-
einander verschachtelte Einzelszenen. Die Abschnitte 9,8-12 und 9,18-22
verlaufen von der Zielsetzung her parallel, indem in einer Befragung des
Geheilten (9,8-12) und seiner Eltern (9,18-22) dessen Identität mit dem
Blindgeborenen und damit die Faktizität des Wunders erwiesen wird. Dies
zieht in 9,13-17 und 9,24-34 jeweils die christologische Kontroverse nach
sich, ob das zweifellos eingetretene Wunder die göttliche Autorisierung Jesu
verbürgt. Von Seiten der Pharisäer als Repräsentanten des Judentums wird
dies verneint, da es sich bei der Heilung um eine Versündigung gegen die von
Gott angeordnete Sabbatruhe gehandelt habe (9,15f.24f.) 35 .
Joh 9,35-41 erschließt über 9,8-34 hinausgehend die tiefere Dimension der
Wundertat von 9,1-7 als Heilung geistlicher Blindheit. Dem Geheilten mit
seinem Glauben werden die "Pharisäer" kontrastierend als solche Personen
gegenübergestellt, die trotz physischer Sehkraft mit geistlicher Blindheit
geschlagen und dem Gericht verfallen sind. Diese symbolische Deutung der
Blindenheilung deckt sich der Sache nach mit der mutmaßlich auf den Evan-
gelisten zurückgehenden Prädizierung Jesu als (pöc, TOU XÖOUOU 9,5 und spricht
für eine joh Verfasserschaft von 9,35-41. Demgegenüber dürfte es sich bei
9,8-34 im wesentlichen um vorjoh Tradition handeln 36 , da der Evangelist mit
seinem betonten Interesse an der Heilung geistlicher Blindheit kaum derart
massiv das Wiedereintreten der physischen Sehkraft hervorgehoben haben
würde, wie dies Joh 9,8-34 der Fall ist. Joh teilt die dortige positive Offen-
barungsfunktion der Wundertat als Beweis der Gottessohnschaft Jesu (9,33),
unterzieht sie aber spiritualisierend einer vertiefenden Neuinterpretation.
35 Das Kneten von Teig (vgl. Enoir|OEv THIXÖV Joh 9,6) zählt ebenso zu den
am Sabbat untersagten Tätigkeiten (Schab VII,2) wie die Augenbehandlung
mit Speichel (jSchab 14,4[14dlparr; vgl. Thomas, Fourth Gospel and Rabbinic
Judaism 172f.). Lediglich die Heilung akuter Augenerkrankungen, worunter die
Blindheit von Geburt an natürlich nicht fällt, war erlaubt (bAZ 28b).
36 Vgl. Bultmann, Joh-Ev 250; Becker, Joh-Ev I 315f. Ähnlich Haenchen,
Joh-Ev 382f.: Der Evangelist habe in Kap. 9 eine "kunstvoll aufgebaute
Vorlage" um 9,4f.39-41 erweitert. Entgegen der Zuweisung von Joh 9,8-34 zu
einer Semeiaquelle (Bultmann, aaO.; Becker, aaO.) dürfte allerdings eher da-
mit zu rechnen sein, daß es sich um ein apologetisches Lehrstück aus joh
Schultradition handelt, das der Evangelist aufgriff und in 9,35-41 mit einer
neuen Deutung versah. Für einheitlich joh halten 9,8-34 dagegen Schnacken-
burg, Joh-Ev II 303; Schnelle, Antidoket. Christologie 134-140.
Sabbatheilungskonflikte 247
a) Mk 2,27
Mk 2,27 "Der Sabbat wurde um des Menschen willen und nicht der
Mensch um des Sabbat willen" existierte höchstwahrscheinlich zunächst
getrennt von dem Streitgespräch über das Ährenraufen am Sabbat 3 9 , so
Wie die Parallele "Euch ist der Sabbat übergeben und nicht seid ihr
dem Sabbat übergeben" MekhEx 31,13 samt Kontext zeigt, läßt sich Mk
2,27 vom Inhalt her zwanglos im Zusammenhang von Krankenheilungen
verstehen. Dabei deuten die schöpfungstheologischen Bezüge in Mk
2,27 auf eine grundsätzlichere Überordnung des menschlichen Wohler-
gehens gegenüber dem Sabbatgesetz hin, als dies MekhEx 31,13f. mit
der Beschränkung auf Lebensgefahr der Fall ist 4 2 .
40 Lohse, Jesu Worte 68; Hübner, Gesetz in der syn Tradition 121-123;
Gnilka, Mk-Ev I 123.
41 Joma VIII,6: Bei Halsschmerzen darf man am Sabbat Medizin einflößen,
da jeder Zweifel der Lebensgefahr den Sabbat verdrängt; bJoma 84b: Ist ein
Kind versehentlich eingeschlossen und könnte sich zu Tode ängstigen, darf die
Tür zertrümmert und damit die Sabbatruhe gebrochen werden.
42 Vgl. Sauer, Rückkehr 392f. Ähnlich Lindemann, Sabbatperikope 88f.,
der aber nicht ausschließen will, daß Jesus das Wort in einer durch drohende
Lebensgefahr gekennzeichneten Situation wie in MekhEx 31,13f. verwendet
Sabbatheilungskonflikte 249
b) Mk 3,4
Ähnliche Rückschlüsse auf Sabbatheilungen Jesu legen sich für das
Logion Mk 3,4 nahe, das in seiner Konsequenz über das zeitgenössische
Sabbatverständnis hinausgeht und als authentisches Jesuswort anzusehen
ist 4 3 . Die Alternative, ob am Sabbat Leben zu retten oder zu töten sei,
wurde zur Zeit Jesu zweifellos im Sinne des i}iuxr|v csuoai beantwortet,
da Lebensgefahr die Sabbatobservanz verdrängt (Joma VIII,6). Die Prä-
valenz des dYaööv noifjoai Mk 3,4 gegenüber dem Gebot der Sabbatruhe
hingegen sprengt den Rahmen der uns bekannten zeitgenössischen
Sabbatgesetzgebung, zumal der zweite Teil der Frage von Mk 3,4 offen-
kundig eine Verschärfung des ersten Teils darstellt, indem Gutes zu tun
mit Lebensrettung, Böses zu tun hingegen mit Lebenszerstörung gleich-
gesetzt wird 4 4 . Da es Mk 3,4 bei aYadöv iroiijoai der Sache nach um
helfende Zuwendung gegenüber Menschen geht, ist es naheliegend, in
dieser auf Einverständnis bei den Hörern setzenden Frage einen Bezug
zu Dämonenaustreibungen oder Heilungen am Sabbat zu sehen 4 5 .
hat, und zu recht die Inkonsequenz kritisiert, bei einer Interpretation von Mk
2,27 gewöhnlich nicht nach dem ursprünglichen Kontext zu fragen.
43 Lohse, Jesu Worte 68; Dietzfelbinger, Sabbatheilungen 288f. Gegen
Thissen, Befreiung 250f. (In Mk 3,4 liege eine christologische Verdichtung
vor, die nicht auf Jesus zurückführbar sei); W. Weiß, Lehre in Vollmacht 123.
44 Dietzfelbinger, Sabbatheilungen 288, unter Verweis auf Mt 5,21f.
45 Schweizer, Mk-Ev 41; vgl. auch Gnilka, Mt-Ev I 449.
46 Lohse, Jesu Worte 70; Hübner, Gesetz in der syn Tradition 139; Dietz-
felbinger, Sabbatheilungen 286; Kosch, Tora 209. Vgl. auch Greeven, "Wer
unter euch ... ", der Tic; E!; üuöv-Fragen für typisch jesuanisch hält (deutlich
250 Krankenheilungen Jesu
Rettung gefährdeten Viehs am Sabbat erlaubt, gilt dies erst recht für
heilvolles Handeln an hilfsbedürftigen Menschen. Auch hier ist von der
Thematik her ein Zusammenhang mit Heilungen oder Dämonenaustrei-
bungen gut vorstellbar 47 .
Das vom Aussagegehalt her recht ähnliche Sabbatwort Lk 13,15
schließlich gilt meist als sekundäre Parallelbildung zu Mt 12,11/Lk 14,5.
Als Hauptargument gegen die Authentizität von Lk 13,15 wird dabei
angeführt, daß dieses Logion nur geringen Anhalt an der jüdischen
Sabbatpraxis zur Zeit Jesu habe 4 8 .
Dieses Negativurteil unterschätzt die offenkundige Vielgestaltigkeit der
zeitgenössischen Sabbatregelung. Wie es bereits Mt 12,llpar der Fall war,
spiegelt sich auch in Lk 13,15 ein liberalerer halakhischer Standpunkt als im
rabbinischen Schrifttum. Lk 13,15 setzt es als erlaubt voraus, am Sabbat das
Vieh loszubinden und zu tränken. Schab VII,2 gilt dagegen das Lösen von
Knoten (XÜEI Lk 13,15) als eine der am Sabbat verbotenen Tätigkeiten, und
bErub 20b.21a wird entgegen dem TIOTI^EI Lk 13,15 nur ein indirektes Tränken
des Viehs am Sabbat erlaubt. Allerdings ist Schab XV,lf. Rabbi Meir zu-
folge das Lösen eines Knotens mit einer Hand - offenbar ist an eine Schleife
gedacht - erlaubt, und aus CD XI,5f. geht hervor, daß man am Sabbat Vieh
bis zu 2000 Ellen weit außerhalb der Stadt zum Weiden führen durfte.
wurde. Der Sabbat besitzt die Heiligkeit der künftigen Welt (MekhEx 31,13)
und gilt als Abbild (GenR XVII,5; XLIV.17) oder als ein Sechzigstel (bBer
57b) der kommenden Heilszeit, die ein gänzlicher Sabbat sein wird (Tamid
VII,4; bRH 31a; MidrPs 92,2) und in der wie einst im Paradies Krankheit und
Tod keine Rolle spielen (Jub 23,29f.; syr Bar 73,1-3). Diese zeichenhafte Ab-
bildung zukünftigen Heils im Sabbat 5 4 zeigt sich auch darin, daß er mit
üppigem Essen begangen wird (bSchab 117b) und Fasten wegen Unverein-
barkeit mit der Sabbatfreude grundsätzlich untersagt ist (Judith 8,6; Jub
50,12; bBer 31b). Auch die rigoros wirkende Halakha der Schammaiten, der-
zufolge am Sabbat weder für die Kranken gebetet (TSchab 16,22) noch Leid-
tragende oder Kranke besucht werden sollten (bSchab 12ab), wurzelt in die-
sem Verständnis, daß sich der Sabbat als Abbild der eschatologischen Freu-
denzeit nicht mit Krankheit und Leid verträgt, "a person is to behave on the
Sabbath as if the peace and harmony of the Messianic age had already
come" 5 5 .
54 Vgl. auch Vit Ad 51 (zum Hintergrund der dortigen, für das antike Ju-
dentum singulären Deutung der Sabbatruhe auf die Auferstehung und zur Fra-
ge christlichen Einflusses: Schaller, Gen 1.2. im antiken Judentum 114-116),
grundsätzlich zur eschatologischen Symbolkraft des Sabbat Friedman, Antici-
pation of Redemption 443-452; Bacchiocchi, Sabbatical Typologies 153-176;
Griffith, Eschatological Significance 73-78.
55 Bacchiocchi. Sabbatical Typologies 156, vgl. Friedman, Anticipation of
Redemption 448.
56 Hengel, Jesus und die Tora 166.
Sabbatheilungskonflikte 253
57 Gegen Flusser, Jesus 47f. (außer in Joh 9 liege bei keiner ntl Sabbat-
heilung verbotene Arbeit vor); Sanders, Jesus and Judaism 266 ("no work was
performed"); ders., Jewish Law 19-23; Murphy, World of Jesus 332 ("Speak-
ing healing words is forbidden nowhere in Torah").
58 Vgl. dazu Hengel, Zeloten 293-296.
254 Krankenheilungen Jesu
Philostr, Vit Apoll 1,19, wird Damis, weil er auch die unbedeutend e r -
scheinenden Äußerungen des Apollonius sammelt, als Hund verhöhnt, der die
Tischabfälle vertilgt ( ... TrapaTtXfjoiöv Ttou TOTC, xuai TipdtTTEiv TÖIC, OITOUUEVOIC,
r ä EXTiirtTovra TTJC, SaiTÖc,). In der Erwiderung des Damis spiegelt sich wie
in Mk 7,28 eine positive V e r w e r t u n g des an sich eher negativen Bildes:
"Wenn es sich um Mahlzeiten der G ö t t e r handelt und es G ö t t e r sind, die da
schmausen, gibt es zweifellos auch Diener, denen viel daran liegt, daß nichts,
was an Ambrosia übrigbleibt, verlorengeht." Analog dazu ist Mk 7,28 das
Israel gegebene "Brot" ein d e r a r t heilvolles Gut, daß selbst der V e r z e h r der
B r o s a m e n lohnt 4 .
9 Kasting, Anfänge 109-114 (vgl. Roloff, Kerygma 161, Anm. 201; Wegner,
Hauptmann 425). Für Mk 7,24-30 erfolgt nicht einmal eine traditionsge-
schichtliche Analyse (vgl. Kasting, aaO. 115) - daß der Stoff in seiner Endge-
stalt die Heidenmission befürwortet, versteht sich von selbst.
10 Vgl. Strecker, Weg der Gerechtigkeit 108f.194-196; Schürmann, Vorge-
schichte 138 mit Anm. 5; ähnlich Luz, Mt-Ev II 88-93.434L, der allerdings
Mt 15,24 für redaktionelle Neuformulierung von 10,5b.6 hält (430).
11 Strecker, Weg der Gerechtigkeit 109; Hahn, Mission 43-48; Luz, Mt-
Ev II 89f.; ähnlich Gnilka, Mt-Ev I 363.
12 Vgl. zur Herkunft von Mt 10,23b aus Q oder Q M t Luz, Mt-Ev II 114.
13 Gegen Theißen, Lokal- und Sozialkolorit 204f. ("Warum sollte eine
urchristliche Gruppe eine von ihr abgelehnte Meinung Jesus zuschreiben,
wenn sie diese Meinung bei anderen Christen bekämpfen will?"), war Mk 7,
27b von den impliziten Gegnern als Jesuslogion vorgegeben. Dadurch, daß Je-
sus in 7,25-30 zu der Dämonenaustreibung argumentativ "überredet" wird, er-
folgt nunmehr ebenfalls die Beanspruchung von christologischer Autorität: Mk
7,27b war nicht Jesu "letztes Wort" in der Angelegenheit der Heidenmission.
Fernheilungen an Heiden 257
Daß das mt TtaTc, (im Sinne von Kind) dem SoüXoc. von Lk 7,1-10 vorzu-
ziehen ist, zeigt neben dem "Lapsus" naTc, in Lk 7,7 auch Joh 4,46-54 (uiöc,).
Unklar bleibt für den ältesten Traditionskern die Art der Krankheit. Lk und
Joh, der speziell von Fieber spricht (4,52), schildern sie übereinstimmend als
28 Vgl. Conzelmann, Mitte der Zeit 60-66; H.D. Betz, Cleansing 314f.;
Jeremias, Sprache 264. - Pesch, Taten 118f., hält dagegen Siä UEOOV FaXiXaiac,
für traditionell.
29 Bruners, Reinigung 133ff.; Jeremias, Sprache 264-266.
30 So Füller, Wunder Jesu 40.74; Bruners, Reinigung 297-305. Vgl. dagegen
Jeremias, Sprache 264-266, zu für Lk atypischem Sprachgebrauch in 17,12-19.
31 Vgl. Mt 8,5-13par; Mk 10,46-52; zum Ganzen: Roloff, Kerygma 157f.;
H.D. Betz, Cleansing 315f. Für redaktionell halten Lk 17,19 Pesch. Taten
121f.; Wiefei, Lk-Ev 306.
32 H.D. Betz, Cleansing 323-325: "... sharp critique of the belief in heal-
ing miracles as not being identical with the experience of salvation itself". Lk
17,12ff. sei die Parodie einer Wundergeschichte.
Fernheilungen an Heiden 261
33 Vgl. Schille, Anfänge 71: Die Würdigkeit Samarias für das Wort werde
programmatisch sichtbar. - Gegen Glöckner, Lob Gottes, der die Abhängig-
keit von Mk 1,40-44 und 2 Kön 5 unterschätzt (131-139) und mit einem hi-
storischen Kern rechnet (155-158).
34 Vgl. Jeremias, ThWNT VII 89ff.; Kippenberg, Garizim und Synagoge 87ff.
35 Apg 8,4-25 dürfte als historischen Aspekt enthalten, daß die Anfänge
der Samariamission auf Teile des Stephanuskreises zurückgehen, vgl. Lüde-
mann, Frühes Christentum 106. Geschichtliches Wissen um den umstrittenen
Charakter der Samariamission setzt offenkundig auch die lk Darstellung von
Apg 8,14-17 voraus, derzufolge erst die Jerusalemer Autoritäten Petrus und
Johannes die Geisttaufe in Samaria spenden und dadurch die dortige Mission
nunmehr durch das Pneuma göttlich legitimiert wird.
262 Krankenheilungen Jesu
Bei dem Ergreifen der Hand handelt es sich nicht einfach um ein Aufrich-
ten der wiederbelebten Person (Apg 9,41), sondern um einen Heilritus, da das
Wunder erst im nachhinein erfolgt (Mk 5,42) 2 . TaXtS-a xouu, das höchstwahr-
scheinlich erst von Mk mit TÖ xopäoiov, ooi XEYU, EYEIPE übersetzt wurde ,
stellt in dem griechisch formulierten Wunderbericht wie E(p<paS-a Mk 7,34 ei-
ne pfjoic, ßapßapixfj 4 des Wundertäters dar. Vermutlich handelt es sich bei
raXiöa xouu um eine traditionelle jüdische Heilformel. Die Anweisungen ge-
gen Blutfluß in bSchab 110b, denenzufolge sich die Anwendung pharmakologi-
scher Mittel unter Rezitation des Spruches "j^DTO D l p ("Steh auf von deinem
Blutfluß") zu vollziehen hat, beweisen, daß im antiken Judentum Heilformeln
mit Dlp/xouu verbreitet waren.
Die Mk 5,41 in Form von Berührung und Aussprechen eines wunderwirksa-
men fremdsprachigen Wortes vorliegende Totenerweckungspraktik hat Philostr,
Vit Apoll IV,45, eine Entsprechung, wo Apollonius das tote Mädchen berührt,
"irgendetwas Geheimnisvolles" spricht und es so zum Leben erweckt. Ähnli-
che Techniken spiegeln sich Ovid, Fasti VI,753f., wo von Asklepios eine in
die Zeit vor seiner Apotheose fallende Totenerweckung durch dreimaliges
Berühren der Brust des verstorbenen Hippolytus und durch dreimaliges Aus-
sprechen von Heilworten geschildert wird (pectora ter tetigit, ter verba
salubria dixit: depositum terra sustullit ille caput). Im Gegensatz zu diesen
Parallelen teilt Mk 5.41 aber den Wortlaut der Totenerweckungsformel mit.
Apg 9,36-43 von vornherein von einer Wundertat Petri an Tabitha han-
delte und sekundär taXi&a xouu als frei umlaufende oder aus Mk 5,41
bekannte Heilformel an sich zog 7 , wobei raXifta in Taßi&ä abgewandelt
wurde.
* * *
In früheren Teilen unserer Untersuchung war davon die Rede, daß der
Scheintod in der Antike ein verbreitetes und von Medizinern vielerörtertes
Phänomen darstellte (Hippocr, Mul 11,123.126.151; Plin, Hist Nat 7,175; Gal
VIII,414ff.). Empedokles (Herakleides, Fragm 77ff.; vgl. Emped, Fragm 101),
Asklepiades (Cels, Med 116,13-16; Plin, Hist Nat 7,124; 26,13; Apul, Florida
19.92-96) und wahrscheinlich auch Alexander von Abonuteichos (Luc, Alex
24) haben totgeglaubte Personen mit medizinischen Mitteln wiederbelebt. Daß
Scheintode sogar bei der Beerdigung wieder zu sich kamen, ist offenbar nicht
selten vorgekommen (Cels, Med 116,13; Plin, Hist Nat 7,173.176). PGM
XIII,277ff. zeigt, daß auch mit magischen Mitteln der Versuch der tatsächli-
chen Wiederbelebung oder der Totenbefragung (Nekromantie) unternommen
wurde.
Speziell für das Christentum berichtet Iren, Haer II 31,2; 32,4, von Toten-
erweckungen auf Gebet und Fasten hin. Von daher besteht eine hohe Wahr-
scheinlichkeit, daß christliche Wundercharismatiker neben Dämonenaustrei-
bungen oder Heilungen auch Wiederbelebungen scheintoter Personen bewirk-
ten und sich dabei solcher Praktiken bedienten, wie sie Mk 5,40f. beschrieben
werden, zumal xafl-EÜSEi als Hinweis auf Scheintod interpretierbar ist. Daß
griechischsprachige Christen hebräische Wunderworte verwendeten, wurde
bereits im Zusammenhang mit Mk 7,34 deutlich. Zahlreiche christliche
Wiederbelebungsformeln mit äviotävai/surgere (= Glp) begegnen in den
apopkryphen Apostelakten (Act Joh 22; 24; 47; 52; 80; 83; Act Petr 27), wo-
bei iuvenis, surge et ambula (Act Petr 27, vgl. Lk 7,14); äväoTT|l}i EV TU
7 Vgl. Roloff, Apg 160: Der ursprünglich in der Lokaltradition von Joppe
verankerte Name einer dort tatsächlich von Petrus geheilten Frau (Tabitha)
habe die Erinnerung an die fast gleichklingende Totenerweckungsformel Jesu
(Mk 5,41) provoziert.
8 Die Altersangabe erhöht die Dramatik des Todesfalles (mit zwölf Jahren
ist das Mädchen kurz vor Erreichen der Heiratsfähigkeit verstorben, vgl. die
Belege bei Billerbeck II 10), stellt also kein atopisches, historisch zuver-
lässiges Detail dar (gegen Pesch, Mk-Ev I 312).
266 Krankenheilungen Jesu
övöuati Tnooü Xpioroü (Act Joh 22) und Apouoiavfj, äväaTTV&i (Act Joh 80) die
unmittelbarsten Parallelen zu taXi&a xouu Mk 5,41 sind.
VI,754), Umhergehen (Mk 5,42; Joh 11,44; PGM XIII, 280f.) oder Essensver-
zehr (Mk 5,43) der auferweckten Person demonstriert.
14 Bultmann, Syn Tradition 230.248L; Theißen, Wundergeschichten 273;
Jeremias, Theologie I 92; Roloff, Neues Testament 81; Bovon, Lk-Ev I 359
mit Anm. 24. Vgl. zur Parallelität von Lk 7,11-17 und Vit Apoll IV,45 auch
Petzke, Historizität 371ff. Eine Abhängigkeit Philostrats vom Christentum (in
jüngerer Zeit wieder von Fitzmyer, Luke I 657; Koskenniemi, ApoUonios in
der ntl Exegese 193-198.203-206, erwogen) kommt angesichts der Unter-
schiede kaum in Betracht (vgl. bereits Weinreich, Heilungswunder 171 mit
Anm.2).
15 Lk verschärft dies durch redaktionelles UOVOYEVTJC, wie in Lk 8,42 und
9,38 (diff. Mk 5,21ff.; 9,14-29par).
16 Auch wenn Lk 18,43 diff. Mk 10,46 (vgl. auch Lk 9,43) eine redaktio-
nelle Akklamation begegnet und die Legitimation Jesu als Prophet Lk 7,16 ein
Leitmotiv der lk Wunderchristologie darstellt (vgl. Lk 4,16-30; Lk 24,19,
zum Ganzen: Nebe, Prophetische Züge 64ff), spricht in Lk 7,16 die Formu-
lierung Ttpo<pfJTT|c, UEYac, fJYEp&T| gegen lk Verfasserschaft (vgl. redaktionelles
TtpoipfJTr|c, ävEOTTi in Lk 9,8.19 gegen Mk 6,16 fJY£p&T|; 8,28).
17 Gegen Brodie, Luke's Use of the OT 249-259, der Lk 7,11-17 unter völ-
liger Vernachlässigung von Vit Apoll IV,45 als uneingeschränkt redaktionelle
Imitation von 3 Kön 17,10.17-24 betrachtet. Auch Schmithals, Lk-Ev 92, hält
Lk für den "ersten Erzähler der vorliegenden Geschichte".
268 Krankenheilungen Jesu
18 Gegen Schürmann, Lk-Ev I 404f.; Wiefei, Lk-Ev 145, enthält die Er-
zählung keinerlei "palästinisches Lokalkolorit", das nicht aus der Beeinflus-
sung durch 3 Kön 17,10.17-24 ableitbar wäre. Eine Entstehung in Palästina ist
damit nicht zwingend beweisbar, zumal Nain (möglicherweise sogar durch das
in unmittelbarer Nähe gelegene Sunem, den Schauplatz der Totenerweckung
2 Kön 4,18-37, bedingt; zur Lokalisierung von Nain: Bovon, Lk-Ev I 360f.)
kaum auf eine Lokaltradition hindeutet.
19 Vgl. Rochais, Les recits 31. Allzu spekulativ ist dessen Vermutung von
Damaskus oder Antiochia als Entstehungsort der Perikope.
20 Act Petr 27 begegnet eine offenkundig aus Lk 7,14 abgeleitete Totener-
weckungsformel: vocem accipiens Christi domini mei, dico tibi: iuvenis, surge
et ambula.
21 Vgl. den Forschungsüberblick bei Wagner, Auferstehung 42-87.
22 Die im "Secret Gospel of Mark" überkommene Version der Lazarusge-
schichte stellt kaum die Urfassung von Joh 11 dar (M. Smith, Secret Gospel
Wiederbelebungen 269
3. Naturwunder
3.1. Umgang mit wilden Tieren (Mk 1,13)
Unter dem Sammelbegriff Naturwunder subsumiert man all diejenigen
Wundererzählungen der Evangelien, in denen über Dämonenaustreibun-
gen, Krankenheilungen und Totenerweckungen hinausgehend ein unmit-
telbarer Eingriff in das Naturgeschehen vorliegt.
In der mk Versuchungsgeschichte ist davon die Rede, daß Jesus in der
Wüste mit (wilden) Tieren Kontakt hatte und ihm Engel dienten. In
einem hellenisierten Überlieferungsmilieu mußte dies fast zwangsläufig
dahingehend aufgefaßt werden, daß es sich bei Jesus um einen Magier
oder Schamanen handelte, der Dienstengel als Paredroi befehligt1 und
wie Pythagoras oder Apollonius mit den Tieren kommuniziert 2 . Dies
dürfte allerdings kaum der ursprüngliche Sinn der geschichtlich ohnehin
fragwürdigen Tradition Mk 1,13 sein.
Mk l,12f. wirkt völlig unhistorisch. Die Versuchung des Gerechten ist ein
gängiges Motiv (Sir 2,1), die 40-tägige Erprobung in der Wüste ruft den
40-jährigen Wüstenaufenthalt Israels (Ex 16,35; Dtn 1,3) wach, die Gemein-
schaft mit den Tieren (vgl. Jes 11,6-9; syr Bar 73; Sib 111,787-795) und das
Bedientwerden von den Engeln knüpfen an traditionelle jüdische Endzeitvor-
stellungen a n 3 . Eine direkte Parallele ist Test Napht 8,4 "Wenn ihr das Gute
tut, werden euch Menschen und Engel segnen, .... und der Teufel wird von
euch fliehen, und die Tiere werden euch fürchten, und der Herr wird euch
lieben, und die Engel werden sich eurer annehmen." Jesus führt Mk l,12f.
zufolge das paradiesische Zeitalter wieder herbei, indem er wie einst Adam
in Frieden mit den Tieren lebt (Gen 2,19f.) und von den Engeln bedient wird
(bSanh 59b; ARN A 1). Mk l,12f. verbürgt damit keinen Schamanismus Jesu,
zumal dieser weder die Reinkarnation menschlicher Seelen in Tieren gelehrt
noch als Folge davon Vegetarianismus propagiert hat.
Kai YivETai XaTXaiJi UEYaXn Mk 4,37 erinnert an xai EYEVETO XXÜSUV UEY<*C,
Jona 1,4. Wie Jona (1,5), so schläft auch Jesus während des Sturmes (Mk
4,38). Mk 4,38c oü UEXEI ooi ÖTI aTToXXüu.E$a schließlich läßt xai urj ättoXü-
UE-&a Jona 1,6 anklingen. In Mk 4,39 kommt für ETIETIUTIOEV TU (XVELIU Einfluß
von Ps 105,9LXX (Bedrohung [ETIETIUTIOEV 1 des Roten Meeres durch Gott; vgl.
auch Gottes ETtiTiu.T)öic. der Himmelssäulen Hiob 26,11) in Betracht 5 .
bei krankheitsverursachenden Geistern der Fall ist. Auch das Meer gilt
hier als eine personale dämonische Macht 7 , die mit dem Schweigebefehl
öiÜTta bedacht und durch TtE(piuuöo einem Bindezwang unterworfen wird 8 .
Jesus begegnet als Magier, der durch Schelte, Verstummungsbefehl und
Katadesmos die hinter den Naturelementen stehenden Geister bändigt.
7 Vgl. äth Hen 60,16 ("und der Geist des Meeres ist männlich und stark");
69,22 (Geister der Wasser). Eine Parallele zu der Mk 4,39 implizierten Vor-
stellung, daß feindlich gesonnene Dämonen Wind und Meer beherrschen,
bietet der jüdische Schadenszauber SHR 1,70-73: "Ich beschwöre euch, Engel
des Zorns und der Vernichtung. ... kein Fahrtwind soll zu ihm (sc. dem Schiff
des NN) gelangen, bringt es hinaus aufs Meer und schleudert es auf dessen
Mitte hin und her, daß von ihm weder Mann noch Fracht gerettet wird."
8 cpiuoüv ist in der antiken Magie als Synonym von xaraSETv terminus
technicus für das Binden von mißliebigen Menschen, vgl. Rohde, Psyche II
424; Pfister, RAC II (1954) 174; Kollmann, Jesu Schweigegebote 268-270.
9 Vgl. dazu auch Kratz, Rettungswunder 95-106.
10 PGM 111,226-228 ("Ich beschwöre dich beim Siegel des Gottes, ... vor
dem das Meer schweigen muß, wenn es ihn hört") deutet freilich kaum auf
Sturmbeschwörung hin (gegen Theißen, Wundergeschichten 73; Pesch, Mk-Ev
I 272). Hier wird vielmehr die Schöpfermacht der Gottheit über die Naturge-
walten zur Zwangsbeeinflussung bestimmter Mächte dienstbar gemacht (vgl.
u.a. PGM IV,3062ff.; V,137ff.).
274 Naturwunder Jesu
13 Joh 6,16-21 bietet dabei eine partiell ältere Fassung, die zwar um die
wunderbare Landung 6,21 bereichert ist, aber weder das wohl mk Motiv des
Jüngerunverstandes (Mk 6,52) enthält, noch von einer durch Seenot der Jün-
ger motivierten Sturmstillung (Mk 6,48.51) zu berichten weiß, vgl. Bultmann,
Joh-Ev 155; Schnackenburg, Joh-Ev II 37f.
14 A.Y. Collins, Rulers 211-225, vermutet plausibel eine Verschmelzung atl
und hellenistischer Tradition. Jesus werde als Messias die im AT Gott vorbe-
haltene Befähigung zu Wasserwandel zugeschrieben und dies unter Anknüpfung
an hellenistische Traditionen vom auf dem Wasser wandelnden göttlichen
Menschen einem griechisch-römischen Publikum einsehbar gemacht. Vgl. zu
den atl Traditionsbezügen der Seewandelerzählung Heil, Jesus Walking on the
Sea 37-56, der allerdings die hellenistischen Parallelen völlig übergeht.
15 Pesch, Mk-Ev II 193-197. Hirsch, Frühgeschichte I 125, vermutet einen
Zornesausbruch Jesu. Vgl. zur Auslegungsgeschichte auch Giesen, Feigenbaum
96-101. - Breit entfaltet ist das Bild von Jesus als Schadensmagier im
2.Jhdt.n.Chr. im Kindheitsevangelium des Thomas (3-5.14).
276 Naturwunder Jesu
21 Vgl. zur Analyse von Lk 5,1-3 Pesch, Fischfang 53-57; Bovon, Lk-Ev I
231f.
22 Die Mehrschichtigkeit erhellt aus Unstimmigkeiten im Handlungsab-
lauf. Joh 21,5f. zufolge soll der Fischfang zur Nahrungsbeschaffung dienen,
entsprechend bringt Petrus 21,11 die Fische herbei, während 21,9 im Gegen-
satz dazu schon ein Mahl bereitsteht. Zudem haftet an der Fischfangtradition
iX&ÜEc,, während in der Speisungsszene von öijiäpiov die Rede ist.
23 Joh 21,1.14 sind redaktionelle Rahmenstücke, 21,9a verklammert die
Fischfang- mit der Speisungstradition, und 21,10 dient der Glättung des Wi-
derspruches zwischen 21,5 und 21,9. Vgl. auch Pesch, Fischfang 86-107; Ro-
loff, Kerygma 258-260; Schnackenburg, Joh-Ev III 410-413; Becker, Joh-Ev II
626ff., die mit freilich differierender Umfangsbestimmung eine durch redak-
tionelle Rahmenpartien miteinander verbundene Fischfang- und Speisungs-
überlieferung rekonstruieren.
24 Gegen Roloff, Kerygma 258-260, der Joh 21,1.3c.4.9.12.13 für die
Mahlszene beansprucht, sind keine literarkritischen Indizien für eine Heraus-
lösung des eng mit 21,5 verbundenen Verses 21,4 aus der Fischfanggeschichte
gegeben. Gleichermaßen abzulehnen ist die Zuweisung von 21,4a an die
Fischfang- und von 21,4b an die Speisungstradition (so Pesch, Fischfang
93-95), da 21,4 eine homogene Einheit darstellt.
25 Die Gestalt des Lieblingsjüngers ist interpoliert, da er 21,7 unvermit-
telt auftritt, ohne in der Jüngerliste 21,2 Erwähnung gefunden zu haben
(Becker, Joh-Ev II 637).
Weinwunder zu Kana 279
aussagt und zudem bewirkt, daß während seiner Anwesenheit keiner der
zur Zählung dem Wasser entnommenen Fische verendet. Auch von ma-
gischen Praktiken, wie sie HDM A 111,54 und HDM B § 608 zur Ge-
währleistung eines erfolgreichen Fischfanges überliefert sind, ist in Lk
5,1-11/Joh 21,2-8.11 keine Rede.
Da die Joh 21,1-14 ohnehin nicht gegebene Bindung des Fischfangwun-
ders an das Menschenfischerwort in Lk 5,1-11 erst redaktionell zustan-
dekam, dürfte die Erzählung kaum aus dem Logion Mk 1,17/Lk 5,11
heraus entwickelt worden sein 2 6 . Wesentlich plausibler erscheint die
Annahme, daß es sich bei der Fischfangerzählung um eine erst bei Lk in
das Erdenleben Jesu zurückdatierte Ostergeschichte handelt 27 , die
entweder eine erzählerische Ausgestaltung des Erscheinungskerygmas
1 Kor 15,5; Lk 24,34 bietet oder tatsächlich auf eine Christusvision des
Jüngerkreises um Petrus am See Genezareth zurückgeht und ihrer-
seits die historische Grundlage von 1 Kor 15,5; Lk 24,34 darstellt. Für
Joh 21,2-8.11 ist aufgrund von 21,4.7 der Status einer Ostergeschichte
mit Wiedererkennungsthematik vorjoh gesichert, und für Lk 5,4-9 ist
das im Fischfangkontext befremdliche, aus der Perspektive der Verleug-
nungsszene Mk 14,66-72parr dagegen zwanglos verständliche Sündenbe-
kenntnis des Petrus wichtigstes Indiz in diese Richtung. Daß Jesus zu
seinen Lebzeiten am See Genezareth kraft außergewöhnlichen Voraus-
wissens ein Fischfangwunder in Gang gesetzt hat, ist Lk 5,1-11/Joh
21,1-14 somit nicht entnehmbar.
26 Gegen Schürmann, Lk-Ev I 273: Lk 5,1-11 sei eine aufgrund von Erin-
nerungen ausgebaute Uberlieferungsvariante von Mk 1,16-20; Bovon, Lk-Ev I
234: Es handele sich um einen Midrasch zu Mk 1,16-20 oder um eine Wei-
terentwicklung. Ähnlich bereits Bultmann, Syn Tradition 26f.232.
27 Graß, Ostergeschehen 75ff.; Fitzmyer, Luke I 56lf.
28 Bultmann, Joh-Ev 79.85; Schnackenburg, Joh-Ev I 338.358; Fortna,
Gospel of Signs 34-38; Becker, Joh-Ev I 101.110; Schnelle, Antidoket. Ch'ri-
stologie 91. Innerhalb von Joh 2,1-10 dürften die Zeitangabe 2,1 und die
Parenthese 2,9 auf den Evangelisten zurückgehen.
280 Naturwunder Jesu
Dionysoskult bis hin zur Identifikation beider Gottheiten 33 . Speziell das mit
Dionysos verbundene Weinmotiv konnte mit der Vorstellung von Gott als Ge-
währer wunderbaren Trankes (Ex 17,1-7; Num 20,7ff.) sowie mit dem Tra-
ditionsmotiv der von Gott gegebenen Weinfülle als Sinnbild der endzeitlichen
Freuden verknüpft werden, ohne als Fremdkörper empfunden zu werden 3 4 .
Folglich liegt der Skopus von Joh 2,1-10 nicht zwangsläufig in einer
bewußten Überbietung des Weingottes Dionysos durch Jesus. Die Impli-
kate "Hochzeit" und "Überfluß besten Weines" dürften hier eher als mit
Jesu Gegenwart verbundene Charakteristika der Heilszeit zu begreifen
sein, indem unter Rückgriff auf das atl-jüdische, vermutlich von Diony-
sosbezügen mitgespeiste Motiv vom unermeßlichen Wein als Symbol der
heilszeitlichen Freuden das Auftreten Jesu als Phase gegenwärtiger
Heilserfüllung gekennzeichnet wird. Dabei könnte als geschichtlicher
Haftpunkt die Teilnahme Jesu, der in den Augen seiner Gegner als
oivoTtÖTTic; galt (Mt ll,19par), an einer Hochzeitsfeier zu Kana zugrunde-
liegen. Ein Weinwunder Jesu läßt sich dagegen aus Joh 2,1-10 historisch
nicht ableiten.
Letztlich bestätigen die Einzelanalysen den von der syn Logienüber-
lieferung vermittelten Eindruck, daß Jesu Wunderwirksamkeit auf Dämo-
nenaustreibungen und Krankenheilungen beschränkt blieb und er keine
Naturwunder vollbrachte. Bei der Mehrzahl der Naturwundererzählungen
sind unterschiedlichste geschichtliche Haftpunkte gegeben, die im nach-
hinein wunderhaft ausgestaltet wurden, in einigen Fällen liegen uneinge-
schränkt sekundäre Bildungen vor. Im Kontrast zu Pythagoras, Empedo-
kles oder Apollonius wird Jesus nur ansatzweise mit Zügen des die
Natur beherrschenden oder mit ihr vertrauten Magiers und Schamanen
ausgestattet (Mk 1,13; 4,35-41; 6,45-52), Erzählungen über die Vorhersa-
ge oder Abwehr von Naturkatastrophen fehlen völlig.
33 Vgl. Stern, Greek and Latin Authors I 559-562, ferner Tac, Hist V5,5,
und dazu Heubner/Fauth, Komm V 87-90.
34 Hengel, Wine Miracle 11 f., unter Verweis auf die vom Dionysoskult
geprägte Ausgestaltung der Exodustradition in MekhEx 18,9 (dem Wüstenfel-
sen entströmt Wein).
282 Verweigerung von Machterweisen
1 Mk 8,13 zählt nicht mehr zur Tradition, sondern ist redaktionelle Über-
leitung, vgl. Koch, Wundererzählungen 156 mit Anm. 4; Gnilka, Mk-Ev I 305;
Lührmann, Mk-Ev 136f.
2 Gegen Vögtle, Jonaszeichen 111, Anm.42. Vgl. zum sekundären
Charakter von <t>apioaToi in Mk 8,11 Kertelge, Wunder Jesu 23f.; Schulz, Q
254, Anm.537; Lührmann, Mk-Ev 136; zur mt Parallelisierung von YPOWXTETC,
xai <J>apioaToi in Mt 12,38 neben 5,20 insbesondere Mt 23,2-34.
3 Linton, Sign from Heaven 117; Kertelge, Wunder Jesu 24; Lührmann,
Mk-Ev 136. Die pneumatische Erregung Jesu Mk 8,12a ist ebenfalls mk.
4 Vgl. Edwards, Sign of Jonah 75; Vögtle, Jonaszeichen 110; Pesch, Mk-
Ev I 409. Hasler, Amen 31, hält dagegen dufjv Mk 8,12 für redaktionell.
5 Erst Mt hat mittels des Schriftzitats Jon 2,1 expressis verbis das Ge-
schick des Jona auf Jesu Tod und Auferstehung hin gedeutet und zu diesem
Zwecke wohl auch die bei Lk exakter bewahrte Reihenfolge der Logien Lk
12,31f.par vertauscht, vgl. Bultmann, Syn Tradition 118; Vögtle, Jonaszeichen
116-127; Schulz, Q 252; Gnilka, Mt-Ev I 464.
6 Bultmann, Syn Tradition 118; Klostermann, Mt-Ev 112; Jeremias,
ThWNT III 412; Lührmann, Redaktion 37ff.; Schulz, Q 253.
Zeichenforderung 283
Sterben beider Eli-Söhne an demselben Tage 1 Sam 2,34, die Saul von Sa-
muel gewährten drei Zeichen 1 Sam 10,1-16 und die ebenfalls als HIX ge-
kennzeichnete Immanuelverheißung Jes 7,14-16. Darüber hinaus ist auch Dtn
13,1-5 entnehmbar, daß "Zeichen oder Wunder" gewöhnlich der Legitimation
prophetischer Rede dienen.
Besondere Ausprägung hat der traditionelle, bis in die rabbinische Zeit
bedeutsame 1 2 Zusammenhang zwischen dem Anspruch prophetischer Sendung
und dessen Erweis durch angekündigte onuEla für das von Josephus geschil-
derte Auftreten jüdischer Zeichenpropheten im l.Jhdt.n.Chr. erfahren 13 .
12 j Sanh 11,8(6) (30c): "(Wie verhält es sich bei) einem Propheten, der
(erst) anfängt zu prophezeien? Wenn er ein Zeichen und ein Wunder gibt,
hört man auf ihn; aber wenn nicht, hört man nicht auf ihn." Vgl. ferner
bSanh 89b; 98ab, zum Ganzen: Schlatter, Wunder in der Synagoge 67f.; Bil-
lerbeck I 640f.726f.; Rengstorf, ThWNT VII 225f.; Bittner, Jesu Zeichen 35-37.
13 Bell 11,259.261-263; V1.285; VII,438; Ant XVIII,85-87; XX.97-99.167-172.
Vgl. auch die Zeichengewährung (OT|UETOV) des Pythagoras Iambl, Vit Pyth
XXVIII,142 (Auftreten der weißen Bärin).
14 Hahn, Hoheitstitel 390: "Das Beglaubigungswunder hat von jeher seinen
Platz im Zusammenhang mit dem Anspruch der Propheten." Vgl. auch Schlat-
ter, Wunder in der Synagoge 54. Geringe Bedeutung kam offenbar im Juden-
tum der Zeitenwende der von Klostermann, Mt-Ev 111; Lohmeyer, Mk-Ev
156, für Mk 8,llf.parr als Hintergrund beanspruchten Vorstellung zu, der
Messias müsse sich durch Zeichen und Wunder ausweisen (vgl. allenfalls
Just, Dial 110,1, zum Ganzen Wilckens, Weisheit 34f. mit Anm.l; Billerbeck
I 641; Volz, Eschatologie 209).
15 OTIUETOV für die Wunder Jesu: Apg 2,22 und stereotyp im Joh-Ev.
Versuchungsgeschichte 285
dem eine auf ihr Eintreffen hin überprüfbare Wundertat Jesu eindeutigen
Aufschluß darüber geben sollte, ob Jesus im Einvernehmen mit Gott
handelt. Alternativ könnte Jesu Verständnis der Gottesherrschaft, das
mit seinen präsentischen Bezügen die Dimensionen zeitgenössischer jü-
discher Eschatologie sprengte, den Ruf nach einem Beglaubigungszei-
chen nach sich gezogen haben 16 . Ob in der Zeichenforderung Mk 8,11
speziell politisch-prophetische Ansprüche an Jesus als Führer im escha-
tologischen Befreiungskampf gegen Rom eine zentrale Rolle spielen 17 ,
bleibt dagegen fraglich. Das in diesem Zusammenhang als maßgeblicher
Hintergrund für Mk 8,11 reklamierte Phänomen politischer Prophetie mit
Ankündigung von orniEta fällt nach Josephus und der Apg erst in die
Jahrzehnte nach Jesu Auftreten.
Geht es bei der Gewährung von Zeichen traditionellerweise um die
Verifizierung prophetischer Rede, so zeigt Jesu bedingungslose Ableh-
nung jedes Zeichenbegehrens, daß er sich gegen ein Mißverständnis
seiner Person als Wunderprophet wendet und demonstrative Schauwun-
der verweigert. Die niniX der Propheten sind symbolisch höchst be-
deutsame, aber grundsätzlich austauschbare, nicht auf Notsituationen
bezogene Machterweise mit legitimatorischer Funktion. Indirekt ist Jesu
Weigerung Mk 8,12, ein derartiges Zeichen zu vollbringen, entnehmbar,
daß er seine Wunder nicht als demonstrative Beglaubigungszeichen im
Dienste von Verkündigung oder Lehre verstanden wissen will 18 , sondern
ihnen demgegenüber in unmittelbarem Zusammenhang mit der Durchset-
zung der Gottesherrschaft eigenständige Bedeutung zukommt.
Was Mk mit Jesus als Wundertäter verband und wie er sich das Zu-
sammenspiel von Wundern, Verkündigung oder Lehre und Leidensweg
im Auftreten Jesu dachte, ist der Stoffanordnung im Mk-Ev, mk Eingrif-
fen in seine Wunderüberlieferung und den überwiegend redaktionellen
Summarien Mk 1,32-39; 3,7-12 und 6,53-56 entnehmbar. Daß Wunderta-
2 Kuhn, Sammlungen 191-213. Reines Konstrukt ist der Versuch von Ach-
temeier, Isolation of Pre-Markan Miracle Catenae 265-291; ders., Function of
the Pre-Marcan Miracle Catenae 198-221, zwei parallelel laufende vormk
Wunderzyklen, die als Eucharistieliturgie gedient haben sollen, zu rekonstru-
ieren, zumal hier sogar Mk 6,34-44 und 6,45-51 unterschiedlichen Katenen
zugeordnet werden (dieser Rekonstruktion folgend: Kee, Aretalogies 13f.;
Mack, Myth of Innocence 216-219). Noch willkürlicher ist die von M. Smith,
Aretalogy Used by Mark 1-25, behauptete vormk Aretalogie, die mit Jesu
Taufe eingesetzt und mit der Epileptikerperikope Mk 9,14-29 geendet haben
soll. Kritisch gegenüber vormk Wunderzyklen: van Cangh, Collections 76-85;
Koch, Wundererzählungen 30-39.
Markus-Evangelium 289
Die Inanspruchnahme der Wundertat zum Erweis der Vollmacht des Wortes
findet sich neben Mk 1,22.27 auch in der redaktionellen Plazierung des Mo-
tivs vom lehrenden Jesus vor die Heilung des Gelähmten Mk 2,1-12 (2,2b xai
EXÖXEI aÜToTc, TÖV XÖYOV) und vor die Speisung der 5000 (Mk 6,34c xai fjp^aTO
SiSäoxEiv aüroüc, TtoXXä)7. In Mk 1,39, dem Abschluß des wohl in seiner
Gesamtheit auf den Evangelisten zurückgehenden Abschnitts 1.32-398 , resul-
tiert aus der Abfolge IJX-&EV xripüoouv EIC; täc; ouvaYUYac, aüruv ... xai rä
Sai[iövia ExßäXXuv ebenfalls eine Vorordnung des Wortes gegenüber der
dieses beglaubigenden Tat. Das gleiche Bild zeigt sich in der redaktionellen 9
Notiz Mk 6,2, wo zunächst Jesu Weisheit und erst an zweiter Stelle dann
seine Machttaten Erwähnung finden. Wenn der mk Jesus in Wundergeschich-
ten vereinzelt als Lehrer angesprochen wird (Mk 4,38; 5,35; 9,17), könnte
auch dies ein erst von Mk stammendes Motiv sein 10 .
Bei seiner Integration der Wunder in die Darstellung des Lebens Jesu
und der dabei erwachsenen Notwendigkeit, die Wundergeschichten mit
der übrigen Jesusüberlieferung in einen sinnvollen Zusammenhang zu
bringen, ordnet Mk die Taten Jesu als Beweise für die Vollmacht des
Wortes in den szenischen Rahmen der Lehre wie Verkündigung Jesu ein
und reduziert damit die eigenständige Hinweisfunktion der Wunder für
die Bedeutung Jesu.
Historisch betrachtet, hat Mk das richtige Gespür dafür, daß Dämo-
nenaustreibungen und Krankenheilungen im Zentrum des Wunderwirkens
Jesu standen. Nur sie werden in den Summarien generalisierend ver-
stärkt und begründen mit Einschränkung die Gottessohnschaft Jesu,
während Naturwunder in den Summarien fehlen und Unverständnis her-
vorrufen. Die mk Verhältnisbestimmung von Wundertat und Wort ent-
spricht dagegen nicht den tatsächlichen Gegebenheiten. Der von Q
bewahrte Sachverhalt, daß die Entmachtung des Satans (Mk 3,27; Lk
10,18) und daraus resultierende Dämonenaustreibungen die Prämisse wie
den Bezugspunkt der Verkündigung von der Gottesherrschaft darstellen
(Lk ll,20par; vgl. 10,9par; Mt ll,5par), wird in der mk Konzeption von
den Wundern als nachgeordneten Beweisen für die Vollmacht von Jesu
Lehre im Prinzip auf den Kopf gestellt.
7 Dies gilt auch für Mk 3,1-6, sofern dieser Stoff nicht Bestandteil der
vormk Streitgesprächsammlung Mk 2,1 ff. war, sondern erst von Mk ange-
schlossen (Kuhn, Sammlungen 88) und in der "Synagoge" als klassischem Ort
der Lehre lokalisiert wurde.
8 Vgl. Kertelge, Wunder Jesu 31-33. Egger, Frohbotschaft 64-79, rechnet
dagegen in 1,32-34 mit einem vormk Sammelbericht als Traditionsgrundlage.
9 Gräßer, Jesus in Nazareth 17-21; ähnlich Koch, Wundererzählungen 152;
Lührmann, Mk-Ev 106. Vormk Herkunft von Mk 6,2 setzen dagegen Pesch,
Mk-Ev I 315; Gnilka, Mk-Ev I 228, voraus.
10 Vgl. Schenk, Epileptiker-Perikope 84.
292 Jesus als Wundertäter bei den Evangelisten
11 Vgl. Burger, Jesus als Davidssohn 72-91; Luz, Mt-Ev II 59-61. Ver-
mutlich liegen traditionsgeschichtliche Bezüge zur jüdischen Betrachtung des
Davidssohnes Salomo als Experte für Krankenheilungen und Dämonenaustrei-
bungen (Joseph, Ant VIII, 45-49; Sap 7,20) vor, vgl. Berger, Königl. Messias-
traditionen 3-15; Duling, Solomon 249-252.
12 Vgl. dazu Hüll, Hellenistic Magic 128-141; Böcher, Matthäus und die
Magie 14-24; Trunk, Messianischer Heiler 201-212.
Matthäus-Evangelium 293
13 Schniewind, Mt-Ev 37. Vor der Bergpredigt ist Mt 4,23 lediglich sum-
marisch von Wundertaten Jesu die Rede, wobei die Abfolge von Wort und Tat
aus Mk 1,39 nicht nur beibehalten wird, sondern über xnpüooEiv hinaus auch
von Jesu SiSäoxEiv die Rede ist.
14 Held, Mt als Interpret 158ff. Vgl. auch Strecker, Weg der Gerech-
tigkeit 176; Kingsbury, Miracle Chapters 568ff.
15 Albrecht, Zeugnis 58-61; Gnilka, Mt-Ev I 351; Sand, Mt-Ev 206. Vgl.
ferner Mt 11,4 ä axoÜETE xai ßXETtETE diff. Lk 7,22 a EISETE xai fjxoüoaTE,
sowie Mt 13,14 wo das Schriftzitat aus Jes 6,9, das Mk 4,12 gegen LXX in
der Abfolge ßXETtEiv - ÖXOÜEIV begegnet, korrekt nach dem LXX-Wortlaut
294 Jesus als Wundertäter bei den Evangelisten
mit der dortigen Vorordnung des Hörens gegenüber dem Sehen wiedergegeben
wird.
16 Burger, Jesu Taten 272-287; Luz, Wundergeschichten 149-165; ders.,
Mt-Ev II 65-68. Vgl. auch Künzel, Gemeindeverständnis 143-149, und Moi-
ser, Structure of Matthew 8-9, der im mt Wunderzyklus einzelne Themen
der Bergpredigt illustriert sieht.
17 Vgl. Busse, Wunder des Propheten Jesus 381ff.; Nebe, Prophetische
Züge 64ff.
18 Wiefei, Lk-Ev 104.
19 Vgl. neben der detaillierten Analyse von Busse, Nazareth-Manifest
13ff., bes. Conzelmann, Mitte der Zeit 25-32. Gegen Schürmann, Lk-Ev I
241-244; Bovon, Lk-Ev I 207f., die mit Sondertradition rechnen.
Lukas-Evangelium 295
Wunderthematik vollends die Szenerie, indem Jesus als ein Elia und
Elisa vergleichbarer Wunderprophet gezeichnet wird, der in seiner Hei-
mat nichts gilt. Von den aus dem atl Elia-Elisa-Zyklus argumentativ
herangezogenen Wundertaten sind dabei das Brotvermehrungswunder
Elias und die Aussätzigenheilung Elisas auf Jesu Wirken hin transparent
(Lk 5,12-16; 9,12-17; 17,11-19).
Kompositorisch ist darüber hinaus von Bedeutung, daß der lk Jesus in
4,16-41 entgegen der Mk-Akoluthie bereits vor der Jüngerberufung 5,1-11
(vgl. Mk 1,16-20) zahlreiche Wunder gewirkt hat. Nachfolge beruht hier
wesentlich auf den Machttaten Jesu 2 0 . Umgekehrt geht freilich in der
"kleinen Einschaltung" Lk 6,20-8,3 die Feldrede den Wunderstoffen von
Lk 7,1-23 voran. Lk balanciert das Verhältnis von Wunder und Wort im
Auftreten Jesu aus. Einerseits ordnet er dabei mehrfach redaktionell die
Wunder dem Wort (Lk 24,19; Apg 1,1) oder das Sehen dem Hören (Apg
2,33; 4,20; 22,14) betont vor 21 und richtet vereinzelt im Jesuskerygma
der Actareden den Focus auf die Taten Jesu, ohne die Verkündigung
und Lehre überhaupt zu erwähnen 2 2 ; andererseits kann er ohne Hinweis
auf die Wunder auch allein die Verkündigung als das Entscheidende am
Auftreten Jesu betrachten (Lk 4,43) 2 3 . Von daher erscheint es übertrie-
ben, von einer den Wundern gegenüber zweitrangigen Bedeutung der
20 Conzelmann, Mitte der Zeit 178: "Ist bei M c die Berufung der Zwölf
Beginn, Voraussetzung des Auftretens, bedarf Jesus keiner Beglaubigung,
da sein W o r t mächtig ist, so erzählt Lukas die Berufungen an Stellen, wo
der W u n d e r b e w e i s bereits vorausgegangen ist." Zudem bewirkt die Auslassung
von Mk 2,13, daß die Nachfolge des Levi Lk S,27-32 nicht durch die L e h r e ,
sondern durch die Gelähmtenheilung Lk 5,17-26 motiviert ist ( A c h t e m e i e r ,
Lucan P e r s p e c t i v e 555). Vgl. auch die wohl redaktionelle Notiz Lk 8,1-3, daß
M a r i a M a g d a l e n a und andere Frauen Jesus aufgrund von Heilungen n a c h -
folgten.
21 Vgl. auch Lk 4,36, wo Lk die von Mk 1,27 vorgegebene Unterordnung der
T a t u n t e r das W o r t beseitigt, indem er x a t ' Ecouoiav nicht auf die SiSaxfj
Jesu, sondern nunmehr auf das Ausfahrwort an den Dämon bezieht und damit
W u n d e r und W o r t parallelisiert ( A c h t e m e i e r , Lucan Perspective 549f.).
22 Apg 2,22 Tnooüv TÖV NaC.upaTov, ävSpa ÖTtoSESEiYliEvov ä n ö TOÜ SEOÜ
Eic; ü[iac, SUVÖUEOI x a i TEpaoi x a i or|UEioic, ... ; Apg 10,38 6c; (sc. Jesus)
SifjX&EV EÜEPYETUV xai EÜUEVOC, TiävTac, TOÜC; xaTaSuvaoTEuouEvouc, ÜTIÖ TOU
SiaßöXou. Vgl. zum redaktionellen C h a r a k t e r dieser Wendungen Wilckens,
M i s s i o n s r e d e n 108.123L
23 Vgl. auch Lk 4 , 4 4 , wo der in der M k - V o r l a g e (Mk 1,39) enthaltene
Verweis auf Dämonenaustreibungen fehlt und allein die Verkündigungs-
tätigkeit Jesu erwähnt wird. Anders Lk 9,11 diff. Mk 6,34, wobei es sich
allerdings möglicherweise um ein deuteromk bedingtes minor a g r e e m e n t mit
M t 14,14 handelt. Vgl. grundsätzlich zur lk Bewertung der D ä m o n e n a u s t r e i -
bungen J e s u Kirchschläger, Jesu e x o r z i s t . Wirken, passim.
296 Jesus als Wundertäter bei den Evangelisten
24 Gegen Füller, Wunder 97: Die Wunder stellten für Lk den neben der
Passion wichtigsten Teil seiner "Jesusbiographie" dar. Von der Tendenz her
ähnlich: Conzelmann, Mitte der Zeit 31.178L
25 Die "lk Lücke" verdankt sich bewußter Auslassung von Mk 6,45-8,26,
da in Lk 11,16.29 Teile von Mk 8,llf. verarbeitet sind.
26 Überzogen und größtenteils auf Befunden der Apg basierend ist die
These von Hüll, Hellenistic Magic 87-115, bei Lk sei die gesamte Tradition
von magischen Vorstellungen durchdrungen.
Johannes-Evangelium 297
su (5,36; 10,25) dienen 2 7 . Solcher auf dem Schauen von onusta grün-
dende Glaube ist nicht grundsätzlich verfehlt 2 8 , jedoch durch den sach-
lich übergeordneten Glauben aufgrund der Wortannahme ergänzungsbe-
dürftig.
In Joh 3,1-13 wird eine Überbewertung der - als Beglaubigungszeichen des
SiSäoxaXoc, Jesus verstandenen (3,2) - ornxETa durch die Notwendigkeit einer
Neugeburt aus dem Geiste relativiert. Auch die wunderkritische Aussage EÖV
urj OT)U£Ta xai TEpara IST]TE, OÜ nfj TCIOTEÜOTITE Joh 4,48 dürfte sich joh Redak-
tion verdanken 2 9 , und Joh 6,26ff. vertieft das OT|UETOV (6,14) des Brotwunders
mittels der - 6,59 expressis verbis als "Lehre" geltenden - Brotrede. In Joh
20,24-29, einer joh Ausgestaltung der Epiphanietradition 20,19-23 (par Lk
24,36-43) 3 0 , wird der Glaube der u.fj iSövTEC, (20,29) dem Schauen von Zei-
chen übergeordnet.
Dieser Sonderstatus von Joh 2,1-11 und 4,46-54 deutet in Verbindung mit
der im Widerspruch zu Joh 2,23; 4,45 stehenden Zählung in 2,11; 4,54 darauf
hin, daß diese Erzählungen Bestandteil einer vorjoh Wundergeschichtensamm-
lung waren, die Semeia Jesu mit Zählung enthielt 3 1 . Die übrigen Wunderge-
schichten, die keine Zählung aufweisen, sind dem Evangelisten hingegen nicht
aus einer reinen Wundergeschichtensammlung, sondern bereits in Verbindung
mit Redekompositionen überkommen. Hier läßt sich lediglich erwägen, ob
auch sie in einem früheren Stadium der Traditionsbildung der Joh 2,1-11,
4,46-54 fragmentarisch erhaltenen Semeiaquelle zugehörten, bevor sie vorjoh
zum Ausgangspunkt lehrhafter Abhandlungen gemacht wurden.
b) Philos Mosevita
Entscheidendes Anliegen von Philos Mosevita ist es, Mose als "König,
Gesetzgeber, Hohenpriester und Propheten" (Vit Mos 11,3; 11,292) zu
präsentieren. In kritischer Distanz zu älteren Darstellungen will Philo
darlegen, wie Mose "in Wirklichkeit" war (1,2), und beansprucht, über
besseres Wissen als seine Vorgänger zu verfügen (1,4). Eine maßgebli-
che Frontstellung dürfte dabei die zur Zeit Philos bei Heiden wie bei
hellenistischen Juden festetablierte Betrachtung Moses als Magier
• 33
sein .
Bei Strabo (XVI 2,39) und in der Plin, Hist Nat 30,1-18, verarbeiteten Ge-
schichte der Magie gilt Mose ebenso als Magier wie in den griechischen
Zauberpapyri (PGM XIII) und dem um lOOv.Chr. vermutlich in Alexandria
verfaßten und von daher Philo kaum unbekannten Werk des Artapanus "Über
die Juden". Artapanus (FGH IIIC 726, Fragm 3) zeichnete Mose nicht nur als
Erfinder der Wissenschaften und der Philosophie, sondern auch als Lehrer
einer schamanistischen Gestalt wie Orpheus (Fragm 3,4), porträtierte ihn als
Theios Aner, der von den Ägyptern göttlicher Ehre (IOO-&EOU Tiurjc,) für würdig
erachtet und als Hermes-Thot angesehen wurde (Fragm 3,6), und stattete ihn
über das AT hinausgehend massiv mit magischen Zügen und neuen Wunderta-
ten aus (Fragm 3.20-37) 3 4 . Die Kehrseite des magischen Mosebildes zeigt
sich darin, daß Lysimachus (200v.Chr.?) und Apollonius Molon (l.Jhdt.v.Chr.)
in ihren polemischen Äußerungen gegen die Juden Mose als Goeten und
Betrüger abstempelten (Joseph, Ap 11,145).
36 Bieler, 8EIOJ; ANHP II 35, vgl. Georgi, Gegner 153f.; Tiede, Cha-
rismatic Figure 126f.; Blackburn, Theios Aner 68f. - Holladay, Theios Aner
129, der Vit Mos 1,156 "not even a hint of thaumaturgic activity on the part
of Moses" sieht, sucht offenkundig eine Verbindung zwischen Wundertä-
tigkeit und göttlichem Wesen des Mose für Philo um jeden Preis auszuschließen.
37 Vgl. dazu Bowie, Apollonius of Tyana 1673-1679; Raynor, Moeragenes
and Philostratus 222-226. Reitzenstein, Hellenist. Wundererzählungen 53;
Norden, Agnostos Theos 35f., Anm.l, betrachten dieses aus dem 2.Jhdt.n.Chr.
stammende Werk als enge Parallele zur ntl Evangeliengattung.
302 Jesus als Wundertäter bei den Evangelisten
auch der Intention von Mt und Lk im Hinblick auf das Mk-Ev entspricht.
Im Kampf gegen "lügenhafte Schriften" (Iambl, Vit Pyth 1,2) werden der
wunderbaren Geburt des Pythagoras gegenüber kritische Traditionen
korrigiert (11,7). Unterschwellig ist das Motiv leitend, Pythagoras, der
bereits bei Heraklit (Diels 22 B, Fragm 81) als "Anführer der Schwind-
ler" gilt, als Gottmenschen vom Verdacht der Goetie freizusprechen
(vgl. XXXII,216) und vielleicht auch seiner Vereinnahmung durch Magier
(PGM VII,795) entgegenzuwirken. Die Wunder werden dabei ähnlich am-
bivalent wie in den Evangelien, bei Philo (Vit Mos) und bei Philostrat
(Vit Apoll) betrachtet, indem sie einerseits als unentbehrlich gelten,
andererseits dahingehend als Gefahr empfunden werden, daß sie eine
Reduktion des Theios Aner auf seine thaumaturgische Befähigung nach
sich ziehen könnten.
Grundsätzlich kommt den Wundern bei lamblichus eine unverzichtbare
positive Funktion zu, indem sie die Göttlichkeit des Pythagoras erweisen
(XXVIII,140), Zeugnischarakter für seine Frömmigkeit haben (tExufjpia
TTJC, EÜöEßEiac;, XXV1II,137) und der Glaubenserweckung (itpöc; TCIOTIV)
dienen (XXVIII,143; vgl. Joh 20,30f.!). Der maßgebliche Stellenwert von
Wundern wird dadurch unterstrichen, daß lamblichus im Vergleich mit
Porphyrius die Wunderstoffe in beträchtlichem Umfang vermehrt, indem
er seinem Werk um den Preis von Dubletten offenkundig alle ihm zu-
gänglichen wunderhaften Pythagoraslegenden einverleibt, während etwa
in der Pythagorasdarstellung des Diog Laert die Wunder bis auf eine
Randbemerkung (VIII,11) keine besondere Rolle spielen.
Fragm 191) beruht. Die dadurch bereits als Dublette präsente (XXVT.II,
135.140) Wundergeschichte vom goldenen Schenkel als Erweis der Göttlichkeit
des Pythagoras hat für lamblichus offenbar derart hohe Bedeutung, daß er sie
aus Sondertradition sogar noch ein drittes Mal bietet (XIX,90-93).
6. Ergebnisse
•
Ergebnisse 313
allem Anschein nach die Fähigkeit, mit den in Tieren oder Pflanzen
reinkarnierten Seelen zu kommunizieren und aufgrund des dabei gewon-
nenen schamanistischen Wissens Naturereignisse vorherzusagen oder
Naturkatastrophen durch kathartische Riten abzuwenden. Auch daß für
Jesus im Gegensatz zu Empedokles (Fragm 102), Apollonius (Ep 17) und
Alexander (Luc, Alex 11) keine personalen Ansprüche auf Göttlichkeit
überliefert sind und es sich von daher bei ihm dem Selbstverständnis
nach nicht um einen Theios Aner gehandelt hat, dürfte maßgeblich mit
dem Fehlen einer Seelenwanderungslehre zusammenhängen. Die grie-
chischen Schamanen wähnten sich mit ihren naturwissenschaftlichen
Kenntnissen und ihrem auf ekstatischen Jenseitsreisen gewonnenen
freundschaftlichen Verhältnis zu Göttern und Dämonen dem gewöhnli-
chen Menschsein enthoben, wußten um das künftige Geschick ihrer
Seele und beanspruchten von daher eine göttliche Physis, wie es für
Jesus offenkundig nicht der Fall war.
In noch deutlicherer Distanz steht Jesus zu der im Hellenismus von
den griechisch-ägyptischen Zauberpapyri, im antiken Judentum von dem
"Buch der Geheimnisse" und dem "Schwert des Mose" repräsentierten
komplexen Magie. Mit Dämonenaustreibungen und Krankenheilungen
vollbringt Jesus von vornherein nur einen Bruchteil dessen, was dort an
Begünstigungs- und Schadenspraktiken in den Aufgabenbereich oder das
Repertoire eines Magiers fällt. Die Berührungen zwischen der syn Wun-
dertradition und einzelnen Dämonenaustreibungsformularen der Zauber-
papyri verdanken sich im wesentlichen sekundärer Traditionsbildung. Für
Beschwörungsformeln oder ausführliche magische Rituale gibt es in der
uns überkommenen Jesusüberlieferung keine Anhaltspunkte.
Letztlich teilt Jesus mit Magiern die Dämonologie, die grundsätzliche
Art der Krankheitsbekämpfung und weite Teile der Wirkungsgeschichte,
ohne daß er einer der uns bekannten breiteren Strömungen der antiken
Magie oder des Schamanismus zugeordnet werden könnte. Solche
Aspekte, die Magie zu einer problembehafteten Erscheinungsform von
Religion machen (Synkretismus, Zwangsbeeinflussung von Gottheiten,
Schadens- oder Begünstigungspraktiken ohne ethische Reflexion), sind
für die Wunder Jesu mit ihrer ohnehin nicht aus Magie ableitbaren
heilsgeschichtlichen Perspektive grundsätzlich bedeutungslos. Als Wun-
dertäter, der den eschatologischen Satanssturz mit einsetzender Wie-
deraufrichtung der Gottesherrschaft bereits vollzogen sah und sich dem
Selbstverständnis nach mit Dämonenaustreibungen wie Krankenheilungen
als Werkzeug Gottes bei der dynamischen Restitution des Schöpfungs-
zustandes von Gen 1-2 betrachtete, stellt Jesus trotz vielfältiger Berüh-
rungspunkte mit anderen Wundercharismatikern ein singuläres Phänomen
der Antike dar.
V. Frühchristliches Wundercharismatikertum
in der Nachfolge Jesu
Für das frühe Christentum läßt sich sowohl in der Mission als auch
im Gemeindeleben eine vielfältige Wunderpraxis nachweisen. Wir wen-
den uns zunächst den Wanderpropheten oder Wanderaposteln zu, die
ihr Auftreten entscheidend von den Aussendungsanordnungen Jesu
und den dortigen Wunderinstruktionen ableiteten.
Dies entspricht zwar der Sehweise des Mt, wie die redaktionelle Notiz Mt
11,20 TÖTE fjp^aTO övEiSit^Eiv räc; TTÖXEIC, EV alc, EYEVOVTO ai TCXETOTOI SuvauEic,
aüroü ... zeigt, deckt sich jedoch kaum mit den Gegebenheiten in Q, wo
nichts darauf hindeutet, daß es in Mt ll,21par um Wundertaten Jesu in Cho-
razin und Bethsaida geht. Über eine Wirksamkeit Jesu in Chorazin ist der ntl
Evangelientradition nichts entnehmbar, und eine Bezeichnung der Wunder Jesu
als SuvauEic; wäre hier für Q Singular. Die Q-Stoffolge mit ihrer Anfügung
von Lk 10,13-15 an die Aussendungsrede Lk 10,1-12 und deren Wunderbeauf-
tragung impliziert, daß es sich bei den SuvauEic; um Machttaten der Q-Missio-
nare handelt, die in Anlehnung an die Aussendungsinstruktion Lk 10,9par in
Chorazin und Bethsaida gewirkt wurden, um diese Städte erfolglos zur Um-
kehr zu bewegen. In diesem Sinne hat auch Lk noch die SuvauEic; aufgefaßt,
indem er erst 10,17-20 von der Rückkehr der Zweiundsiebzig berichtet, ohne
den engen Q-Zusammenhang von Jüngeraussendung mit Wunderinstruktion
einerseits, Gerichtsdrohung gegen die sich den Wundertaten verschließenden
galiläischen Städte andererseits, zu zerstören.
auf eine Transparenz zur mt Zeit hin gesprengt 10 . Mt hat die Aussen-
dungsanordnung 10,8 in Orientierung an dem Wunderkatalog Mt 11,5 mit
dem Interesse ausgestaltet, das einstige Wirken Jesu und der Jünger zu
parallehsieren, ohne daß dieser Angleichung eine Vorbildfunktion für die
mt Gemeinde zukäme, in deren Missionspraxis Wundertaten offenkundig
keine Rolle mehr spielten (28,19f). Mt steht grundsätzlich wundercha-
rismatischen Strömungen seiner Zeit äußerst reserviert gegenüber.
Maßgeblicher Grund dafür dürfte ein pneumatischer Enthusiasmus ein-
zelner Wundercharismatiker im Umfeld des Mt-Ev gewesen sein, der
sich in "Pseudoprophetie" manifestierte (Mt 7,15-23; 24,23-28).
10 Gegen Luz, Jünger 156; ders., Jüngerrede 87.90; Gnilka, Mt-Ev I 357;
Schmeller, Brechungen 102. Vgl. ferner Hoffmann, Studien 255f.; Schulz, Q
404; Sand, Mt-Ev 222, die ebenfalls starke ekklesiologisch-aktualisierende
Interessen der mt Aussendungsrede vermuten.
n Vgl. Laufen, Doppelüberlieferungen 220. - Ähnlich Pls in 1 Kor 9,21:
(EYEVÖ(IT|V) TOTC; ävöp.oic; üc, avoitoc, ... , iva xEpSävu TOÜC; ävöuoug.
12 Vgl. auch Füller, Wunder Jesu 95f.; Hoffmann, Studien 244; Bovon,
Lk-Ev I 455, die ebenfalls eine Transparenz von Lk 10,1-12 auf die Gegen-
wart hin vermuten. Gegen Schulz, Q 404: Lk verstehe die Q-Aussendungs-
rede als Regelung der Sendung der 72 zur Zeit Jesu, ohne in ihr eine für sei-
Sendboten der Logienquelle 321
* «*
ne Gegenwart unverändert gültige Anweisung zu sehen und sie für die Kirche
seiner Zeit verwendbar zu machen.
13 Vgl. Schürmann, Lk-Ev I 499.505. Ähnlich Bovon, Lk-Ev I 455, der
allerdings in Lk 10,1-12 aktualisierende, in Lk 9,1-6 hingegen offenbar eher
historisierende Tendenzen wirksam sieht. Daß Lk nicht an einer derartigen
Unterscheidung zwischen beiden Sendungen gelegen ist, zeigt der Rekurs Lk
22,35, wo die Zwölf angesprochen werden, in der Wortwahl dagegen auf die
Sendung der Zweiundsiebzig zurückgegriffen wird (Hoffmann, Studien 244).
14 Vgl. Lk 24,52 ÜTtEötpEtjiav sie; 'lEpouoaXfju UETÖ xaP<xc, UEYäXric,; UETÖt
Xapac, noch Lk8,13; ürcoöTpEtpEiv 35mal im NT, davon 21mal im Lk-Ev und
llmal in Apg.
322 Wunderwirkende Apostel und Propheten
Mk 16,17f. EV Tip övöuari uou Saiuövia ExßaXoüoiv ... xai EV rate, xEP°iv
ocpEic, äpoüoiv ... oü \IT) aüroüc. ßXätJjrj deutet auf einen vorlk Uberlieferungs-
zusammenhang von Lk 10,17b.19 xüpiE, xai t a Saiuövia ÜTtotäaoETai fjuTv EV
TU övöuari oou ... iSoü SsSuxa üuTv TTJV E^ouoiav TOU TtatETv ETtävu otpEuv
xai oxopttiuv ... xai OÜSEV üuac; oü u.f) äSixTJOTj hin . In diese Tradition wur-
de wohl ebenfalls bereits vorlk das ursprünglich isoliert tradierte Jesuslogion
Lk 10,18 eingefügt 20 . Auffällige Parallelen zu der Lk 10,18f. nunmehr gege-
benen Abfolge von Satansturz und Jüngervollmacht über das Böse bietet die
- allerdings futurische - Aussage Test Lev 18,12 xai ö BEXKXP SEÖTJOEtai ÜTI'
aüroü, xai SÜOEI E^ouoiav TOTC; TEXVOIC; aüroü TOU TCOTETV ETÜ t ä Ttovripä
nvEÜu.aTa (ähnlich Test Sim 6,6).
Dem lk Bericht von der Rückkehr der Zweiundsiebzig liegt somit ein
älteres Überlieferungsstück zugrunde, das in schulgesprächartiger Form
den erfolgreichen Vollzug von Dämonenaustreibungen im Namen Jesu
theologisch reflektiert, indem diese auf den Sturz des Satans (Lk 10,18)
mit Schwächung der ihm untergebenen Geister und auf eine Wunder-
auch für Diasporajuden zutreffen 26 . Daß die Gegner für sich den Apo-
steltitel beanspruchten, geht aus der pln Polemik von 2 Kor 11,13 hervor,
es handele sich um Pseudoapostel, die sich in Apostel Christi verwan-
delt hätten. Zudem dürfte auch die ironische Bezeichnung "Überapostel"
(11,5; 12,11) auf die Gegner und nicht auf die Jerusalemer Autoritäten
gemünzt s e i n 2 7 . "Pseudoapostel" 11,13 deutet daraufhin, daß die Gegner
nicht zu dem für Pls geschlossenen, durch eine Epiphanie des aufer-
standenen Christus konstituierten Apostelkreis von 1 Kor 15,7 zählten.
Sie traten als Apostel auf, wurden aber von Pls nicht als solche aner-
kannt, da ihnen eine Christusvision als das nach seiner Auffassung
entscheidende Merkmal apostolischer Würde fehlte. Der apostolische
Anspruch der Gegner leitete sich aller Wahrscheinlichkeit nach von der
Q-Aussendungstradition (vgl. dmooTEXXu Lk 10,3par) ab, wie dies auch
hinter den antipln Tendenzen von 1 Kor 9,1-18 erkennbar wird. In der
polemischen Wendung EpYatai SöXioi greift Pls mit EpYaTTic,, das im Cor-
pus Paulinum sonst nur noch Phil 3,2 belegt ist, eine Selbstbezeichnung
seiner Gegner auf, die in der Q—Aussendungstradition (Mt 9,37f;
10,10/Lk 10,2.7) in Verbindung mit dem Unterhaltsrecht der Ausgesand-
ten begegnet. Zudem ruft der wohl ebenfalls von den Gegnern rekla-
mierte Titel "Diener der Gerechtigkeit" (2 Kor 11,15) die Erinnerung
daran wach, daß auf Gemeindekosten lebende Wandercharismatiker als
Sixaioi auftraten (Mt 10,41). Beides deckt sich mit den pln Ausführungen
von 2 Kor 11,7-11 und 12,11-16, denenzufolge die Gegner das Recht auf
Unterhalt als unverzichtbaren Bestandteil apostolischer Autorität be-
trachteten, offenbar nicht unbeträchtliches Entgelt für ihre Tätigkeit
beanspruchten (vgl. 11,20; 12,13) 28 und umgekehrt die pln Nichtinan-
spruchnahme des apostolischen Unterhaltsrechtes als Sünde einstuften
(11,7) 29 .
Unverkennbar stehen sich hier zwei völlig gegensätzliche, mit den
Schlagworten "Tradition" und "Offenbarung" charakterisierbare Auffas-
sungen von Apostolat gegenüber. Bei den pln Gegnern dominiert ein
33 Vgl. dazu Pratscher, Verzicht 284ff., zur Funktion von 1 Kor 9,1-18 im
argumentativen Duktus von 1 Kor 8-10 Probst, Paulus und der Brief 152-199.
34 Anders Wolff, 1 Kor 25 (Die aXXoi von 9,2 seien nicht mit denen von 9,
12 identisch); Schräge, 1 Kor II 280ff. (Die Apologie ende mit 9,3. Pls wolle
dabei die E^ouota als Apostel, nicht den Verzicht auf Unterhalt verteidigen).
35 Vgl. zur Abhängigkeit der Aussage 1 Tim 5,18 von 1 Kor 9,8-14: Ro-
loff, 1 Tim 305f., zur Geschichte des Logions Mt 10,10par im frühen Chri-
stentum Harvey, Workman 209-221.
Gegner des Paulus im 2 Kor 327
* * *
36 Bei den "übrigen Aposteln" denkt Pls wohl an den geschlossenen Apo-
stelkreis von 1 Kor 15,7 (vgl. Gal 1,17.19). Wenn Petrus bereits von Jesus
selber zu Wundertaten instruiert wurde (Lk 10,l-12par) und sich 1 Kor 9,5
zufolge nachösterlich als Missionar an der Aussendungsrede orientierte, ist
für die Heilungswunder des Petrus in Apg 3,1-10; 9,32-35.36-42 ein ernstzu-
nehmender historischer Haftpunkt gegeben.
37 Lüdemann, Antipaulinismus 124, vermutet sogar, daß das Auftreten der
äXXoi 1 Kor 9,2.12, die möglicherweise den Xoitroi äTtöotoXoi zugehörten
(113), unmittelbar zur Bildung der Kephaspartei führte.
38 In welchem Umfang Pls die Aussendungstradition kannte, ist nicht aus-
zumachen. Dautzenberg, Unterhaltsrecht 217, sieht 1 Kor 9,7-13 durch das
Logion von der großen Ernte und den wenigen Arbeitern (Lk 10,2par) beein-
flußt. Allison, Paul and the Missionary Discourse 370-375, vermutet wei-
tergehend, daß Pls eine Q-nahe Fassung der Aussendungsrede in ihrer Ge-
samtheit vorlag. Vgl. auch Neirynck, Paul and the Sayings of Jesus 550-552.
Von 2 Kor 12,12 her ergibt sich eine hohe Wahrscheinlichkeit dafür, daß Pls
auch die Wunderinstruktion Lk 10,9/Mt 10,8 der Sache nach bekannt war
(siehe gleich).
328 Wunderwirkende Apostel und Propheten
2 Kor 12,12a und 12,12b liegt eine unterschiedliche Bedeutung von OTIUETOV
zugrunde. ZnuETa TOU airoaTÖXou meint allgemein die Kennzeichen des Apo-
stels, während in der Trias onuEta TE xai TEpata xai SuvauEic, (vgl. Apg 2,22;
2 Thess 2,9; Hebr 2,4) unter ar|UETa speziell Wundertaten als solches Cha-
rakteristikum apostolischer Würde zu verstehen sind. Von onuEta xai TEpara,
die in der Nachfolge Jesu gewirkt werden, ist in Entsprechung zu 2 Kor
12,12b auch Rom 15,19; Apg 2,43; 4,30; 5,12; 6,8; 7,36; 14,3; 15,12 die Rede
(vgl. auch Mk 16,17.20). Das dabei gegebene positive onuETov-Verständnis hat
Parallelen in der joh Wunderüberlieferung (Joh 2,11.23; 6,2 u.ö.), während in
der syn Tradition der Begriff onuETov negativ besetzt ist (Mk 8,llf.parr.;
13,22). Auvä[iEic; im Sinne nachösterlicher Machttaten sind neben 2 Kor 12,12
auch 1 Kor 12,10.28f; Mt 7,22; ll,20-24parr; Apg 8,13; 19,11; Hebr 2,4 belegt.
Die Apologetik 2 Kor 12,11-13 zeigt, daß in Korinth Pls gegenüber der
Vorwurf erhoben wurde, aufgrund unzureichender Machttaten nicht über
die geforderten Zeichen eines Apostels zu verfügen. Bei oiiuEia TOU
äitoöTÖXou handelt es sich folglich um ein Schlagwort der Gegner 39 , die
sich ihrer OTIUEUX TE xai TEpara xai SuvauEic, rühmten 4 0 . Da sich die
"Überapostel" mit ihrer Selbstbezeichnung als EpYärai (vgl. 11,13) und
dem daraus resultierenden Unterhaltsanspruch an die Gemeinde auf
Anordnungen der Q-Aussendungstradition stützten, stellt diese auch für
die 12,12 entnehmbare Hochschätzung von Wundertaten als Kennzeichen
wahrer apostolischer Autorität den nächstliegenden traditionsgeschichtli-
chen Bezugspunkt dar (Lk 10,9par)41.
Phil 3,2 ßXETtETE TOÜC; xaxoüc; EpYarac; deutet darauf hin, daß auch die pln
Gegner in Philippi als EpYatai mit einem auf der Q-Aussendungstradition
gründenden apostolischen Anspruch auftraten. Folglich besteht trotz offen-
kundiger Unterschiede im Gesetzesverständnis von der Grundstruktur des
Wandercharismatikertums her eine enge Beziehung zu den EpYatai SöXioi des
2 K o r 4 2 . Auch wenn im Phil speziell von Wundertaten nichts verlautet,
können sie im Wirken der dortigen pln Gegner doch ebenfalls eine Rolle
gespielt haben, ohne daß sie besonderer Erwähnung bedurft hätten. Im 2 Kor
kommen Wundertaten als Apostelzeichen nur deshalb zur Sprache, weil sie
gegen Pls geltend gemacht werden, was in Philippi offenkundig nicht der Fall
war.
42 Vgl. Gnilka, Phil 186 mit Anm.10; 213; Ellis, Paul and his Opponents
108f; Lüdemann. Antipaulinismus 157f.; Wolff, 2 Kor 7.
43 Pls erwähnt 1 Kor 12,9f.28f. die xapiouara iauäruv wie die EVEpYfjuara
Suvä^Euv (vgl. Gal 3,5) als bei vielen Christen vorhandene Geistesgaben und
rechnet onpETa xai TEpara neben 2 Kor 12,12 auch Rom 15,18f. zu den selbst-
verständlichen Begleiterscheinungen seines Apostelwirkens (ähnlich 1 Thess
1,5), vgl. Jervell, Charismatiker 189ff.; ders., Zeichen des Apostels 68-74;
Gatzweiler, Wunderbegriff 397-402; Furnish, 2 Cor 555f.; Wolff, 2 Kor
252f. ; Heckel, Kraft in Schwachheit 216-219. - Gegen Schmithals, Apostel-
amt 27: Pls habe am ehesten an die Wunderwirkung des Wortes gedacht
oder mit der Formel onuETa TE xai TEpara xai SuvauEic, sogar überhaupt keine
konkrete Vorstellung mehr verbunden; H.D. Betz, Paulus 7lff.
44 Windisch, 2 Kor 397, denkt zusätzlich an Bekehrungen mit besonderen
Begleitumständen (vgl. Bultmann, 2 Kor 234) sowie an Strafwunder (1 Kor
5,3ff.).
330 Wunderwirkende Apostel und Propheten
stiert (2 Kor 11,23-33; 12,9f.) 45 . Ohnehin handelt es sich bei den Wun-
dern von 2 Kor 12,12 offenkundig um solche Taten, deren Erwähnung
Pls von gegnerischer Seite aufgezwungen wird und die nicht speziell mit
seinem Apostolat zusammenhängen oder für diesen unabdingbar sind,
sondern theoretisch zu den geistgewirkten Charismen eines jeden Chri-
sten zählen können (1 Kor 12,29f). Während die antipln Wandermissio-
nare des 2 Kor über die das Unterhaltsrecht betreffende Anordnung Lk
10,7par hinaus auch die Wunderinstruktion Lk 10,9par als ein die Apo-
stelwürde entscheidend konstituierendes Traditionselement betrachteten,
mißt Pls dem Wirken von Machttaten eine für seinen Apostolat lediglich
untergeordnete Rolle b e i 4 6 . Zwar setzt sich Pls über diesen traditionel-
len Bestandteil apostolischen Wirkens nicht derart weitgehend hinweg,
wie dies in bezug auf das Unterhaltsrecht der Fall ist. Er erwähnt aller-
dings seine Wundertaten hier lediglich auf gegnerischen Druck hin und
hält sie für nebensächlich, da ihn der auferstandene Christus als Apostel
zur gesetzesfreien Evangeliumsverkündigung beauftragt hat (1 Kor 1,17;
Gal 1,151).
siedelt ist. Von daher wird gegen Ursprünglichkeit von Mt 7,22 meist einge-
wandt, daß eine sekundäre Umsiedelung des Stoffes aus der Mt 7,22 gegebe-
nen Gemeindesituation in die Zeit des irdischen Jesus unwahrscheinlich sei 5 1 .
Selbst wenn dies zutreffen und folglich Lk 13,26 Priorität zukommen sollte,
weist Mt 7,22 allerdings keinerlei mt Spezifika auf 52 , die eine redaktionelle
Umformulierung von Lk 13,26 nahelegten. Mt hat den Stoff offenkundig in Q
oder in Q M t bereits vorgefunden.
Mt 7,23a ist gegenüber Lk 13,27a im wesentlichen ursprünglich. Die Ab-
weichungen zwischen Mt 7,23b änoxupETiE an' EUOU oi EpYa05u.Evoi TTJV
avouiav und Lk 13.27b äTtöorriTE an/ EUOU nävTEC, EpYarai äSixiac, erklären
sich am plausibelsten dadurch, daß Lk im ersten, Mt im zweiten Teil an den
ursprünglich frei zitierten Ps 6,9LXX (änöoTTyTE an' EUOU, nävTEC, oi EpYa^ö-
UEVOI rf|v avouiav; vgl. auch 1 Makk 3,6 TtävTEC, oi EpYarai TTJC, ävotiiac;)
angeglichen hat. In Q war also - und dies ist nachdrücklich festzuhalten -
entgegen dem exakten Wortlaut von Ps 6,9LXX von EpYatai äSixiac, die
Rede . Die Mt überkommene Tradition lautete wahrscheinlich noXXoi Epoüotv
liot EV EXEivrj TTJ f|UEpa ' xüpis xüpiE, oü TU ou övö^aTi ETtpotpT|TEÜoauEV, xai
TU oö övöuari Saiuövia E^EßaXo[iEV, xai TU ou övöuari SuvauEic, noXXac;
EnoifjoauEv; xai TÖTE Ö(1OXOYIIOU aüroTc; ÖTI OÜSETTOTE EYVUV üiiSc;' änoxupETTE
an' E|ioü nävTEc; EpYarai äSixiac;.
51 Vgl. Hoffmann, EpYarai 200; Schulz, Q 425; Gnilka, Mt-Ev I 273; Luz,
Mt-Ev I 402. Anders freilich Käsemann, Anfänge 84; Strecker, Bergpredigt
172 (Lk nehme sekundär die Intention seines Kontextes auf).
52 Vgl. Strecker, Bergpredigt 172 mit Anm.32; Luz, Mt-Ev I 402.
53 Abwegig ist die Annahme, Lk habe EpYaCöuEvoi tfjv avouiav in EpYarai
äSixiac, abgeändert (Hoffmann, EpYatai 202; Schulz, Q 426, Anm.169). 'ASixia
begegnet zwar in den E w ausschließlich bei Lk, doch ausnahmslos traditio-
nell, nämlich neben 13,26 in Sondergutgleichnissen (16,8f.; 18,6). Umgekehrt
ist ävouia in den E w ausschließlich bei Mt, und zwar durchweg redaktionell
belegt (neben 7,23 noch 13,41; 23,28; 24,12).
Wunderpropheten im Mt-Ev 333
daß sich die dortigen Gegner des Pls jeweils unter Berufung auf die
Aussendungstradition als EpYctTai bezeichneten und Pls dies ironisch in
EPYctTai S6X101 bzw. xaxoi EpYarai wendet. Ein derartiger polemischer
Bezug zu den Logien von der großen Ernte und den wenigen Arbeitern
(Mt 9,37par) und von dem Arbeiter, der seines Lohnes wert ist (Mt
10,10bpar), legt sich auch für die EpYarai äSixiac; nahe 5 4 , zumal sich mit
deren Dämonenaustreibungen und SuvauEic; - am ehesten Krankenheilun-
gen 5 5 - im Namen J e s u 5 6 ein weiterer Topos traditionsgeschichtlich in
den Aussendungsanordnungen Jesu fixieren läßt (Mt 10,8par) 57 . Die
Wanderpropheten von Mt 7,22f. und die pln Gegner im 2 Kor sind Re-
präsentanten eines eng miteinander verwandten, durch ein Selbstver-
ständnis als "Arbeiter" und "Gerechte" sowie durch eine Hochschätzung
von Machttaten gekennzeichneten Typus von Wandercharismatikertum
mit traditionsgeschichtlichen Wurzeln in den Q-Aussendungsinstruktio-
nen. Daß auch das Unterhaltsrecht beansprucht wurde, ist zwar Mt
7,22f. expressis verbis nicht entnehmbar, aber im Horizont von Mt
10,10par bereits in dem Titel EpYärric; impliziert und angesichts der
Gemeinderegel Mt 10,40-42, die Wanderpropheten ein Gastrecht in der
mt Gemeinde zuspricht, ohnehin naheliegend. Die vormt Tradition 7,22f.
steht solchen Charismatikern äußerst ablehnend gegenüber, indem ihnen
in Form eines Gerichtsspruches für den Jüngsten Tag die Verwerfung
durch den Kyrios vorhergesagt wird.
Für Mt ist umstritten, ob er in 7,22f. die Frontstellung seines Tradi-
tionsstoffs teilt und die dortigen Aussagen ebenfalls auf Wandercharis-
Neben der beobachteten engen Verzahnung von 7,15-20 mit 7,21-23 spricht
auch Mt 24,1 lff. für die überwiegend vertretene Auffassung, Mt 7,21-23 sei
vom Evangelisten auf die von außen die Gemeinde bedrohenden Pseudoprophe-
ten von 7,15 gemünzt . 24,1 lff. ist von (J)EuSonpo<pfJTai außerhalb der Gemeinde
die Rede, die - EpYa^öuEvoi TTJV ävo(iiav 7,23 entsprechend - mit ävojiia in
Verbindung gebracht werden (24,1 lf.) und deren orniEfa xai TEpara (24,24)
der Verbindung von Prophetie und Wunderwirksamkeit in 7,22f. entsprechen.
Alternativ kommt in Betracht, daß 7,21 mit dem generalisierenden oü nac,
ein Wechsel der Perspektive vorliegt, indem Mt sich nicht mehr einem von
außen einzudringen drohenden Pseudoprophetentum (7,15-20), sondern nunmehr
innergemeindlichen ekstatischen Äußerungen des Gemeindelebens zuwen-
det . Trifft dies zu, dann ergibt sich für die mt Gemeinde ein partiell mit
den Gegebenheiten in Korinth deckungsgleiches Bild, insofern als einzelne
Christen mit der Befähigung zu Prophetie, Dämonenaustreibungen und weite-
ren Wundertaten, darunter wohl Krankenheilungen, ausgestattet sind (vgl.
1 Kor 12,9f.28-30).
Hüll, Hellenistic Magic 128ff.; Böcher, Mt und die Magie 22-24; Trunk,
Messian. Heiler 224-235. - Erwähnenswert ist in diesem Zusammenhang auch
die mt Auslassung von Mk 9,38-40, wo Mt 7,22 entsprechende Wundercha-
rismatik im Namen Jesu toleriert wird.
61 Vgl. Niederwimmer, Entwicklungsgeschichte 156: "Als Funktion des
Apostels der Did.-Tradition dürfen wir vermuten: eschatologische Verkündi-
gung, Bußruf, Exorzismen."
62 Gegen Schmithals, Mk-Ev II 430f.; Fleddermann, Discipleship Dis-
course 64-66: Mk 9,38-40 sei mk Bildung.
63 Daß Mk 9,40 eine sekundäre Generalisierung darstellt (Bultmann, Syn
Tradition 23; Pesch, Mk-Ev II 107; Schnackenburg, Mk 9,33-50 146f.; gegen
Wilhelms, Exorzist 166, der 9,38-40 für einheitlich hält), zeigt die eigen-
ständige Q-Parallele Mt 12,30/Lk 11,23.
336 Wunder auf Befehl des Auferstandenen
wird von den Jüngern daran gehindert. Zwar kann nicht völlig ausge-
schlossen werden, daß es sich dabei um eine Begebenheit aus der
Zeit Jesu handelt 6 4 . Für eine spätere Entstehung sprechen allerdings
die eher nachösterlich vorstellbaren Dämonenaustreibungen im Namen
Jesu und das auf Regelung von Gemeindeproblematik hindeutende oüx
rlxoXoülfEi f|u.Tv65. Dieser Wendung ist zugleich entnehmbar, daß die
Wirksamkeit des umstrittenen Wundertäters den Rahmen "angemesse-
ner" Jesusnachfolge sprengt. Meist wird hier im Horizont von Apg
19,13-17 mit jüdischen oder heidnischen Versuchen gerechnet, den
Namen Jesu zu magischen Zwecken zu gebrauchen 66 . Doch verträgt
sich dies schlecht mit der ausgesprochen toleranten Haltung, die im
Gegensatz zu den Skevassöhnen dem fremden Dämonenaustreiber von
Mk 9,38f. entgegengebracht wird. Aus diesem Grunde ist eher damit zu
rechnen, daß innerchristliche Diskussionen um "Häresie" und "Orthodo-
xie" eine Rolle spielen (vgl. Mt 7,22f.) 67 , und es spricht nichts dagegen,
in Mk 9,38f. ebenfalls Spuren eines umstrittenen christlichen Wan-
dercharismatikertums mit Wunderwirksamkeit zu sehen, wie es von der
Grundstruktur her auch mit den Q-Boten, den pln Gegnern im 2 Kor
und den "Pseudopropheten" von Mt 7,15-23 begegnet.
fehls des Auferstandenen 6 , die mit dem Fehlen einer triadischen Tauf-
formel sogar partiell älter als Mt 28,19f. sein könnte. Das Grundgerüst
des Wunderkatalogs Mk 16,17f. besteht aus einem auch Lk 10,17b.19
zugrundeliegenden Traditionszusammenhang zwischen Dämonenaustrei-
bungen im Namen Jesu und einer Vollmacht über Schlangen, hier er-
gänzt um die Befähigung zu Glossolalie, unbeschadetem Genuß tödlichen
Trankes und Krankenheilungen durch Handauflegung7. Unter Berück-
sichtigung der ekklesiologischen Implikationen vergleichbarer kanoni-
scher (Mt 28,19f; Lk 24,47-49; Joh 20,22f.) wie außerkanonischer 8
Instruktionen oder Bevollmächtigungen durch den Auferstandenen ergibt
sich eine hohe Wahrscheinlichkeit dafür, daß auch Mk 16,17f. seine
Entstehung aktuellen Gemeindeinteressen verdankt und Dämonenaus-
treibungen im Namen Jesu (Mt 7,22; Mk 9,38; Lk 10,17; Apg 16,18),
Glossolalie (1 Kor 12,10.30; 14,1-5) und Krankenheilungen durch Handauf-
legung (Apg 28,8; vgl. Jak 5,14f; 1 Kor 12,9.30) aus legitimatorischen
Gründen auf eine Anordnung des erhöhten Herrn zurückfuhren will 9 . In
dem Missionsbefehl Mk 16,17 und in der Vollzugskonstatierung Mk 16,20
6 Vgl. Lohmeyer, Mk-Ev 362; Schweizer, Mk-Ev 209; Hahn, Mission 53f. -
Linnemann, Markusschluß 270ff.; Schmithals, Mk-Ev II 720, vermuten sogar,
Mt 28,18-20 sei Redaktion von Mk 16,15-20. Gnilka, Mk-Ev II 353, rechnet
dagegen bei Mk 16,15-20 offenbar mit literarischer Abhängigkeit von Lk
24,47 (ähnlich E. Helzle, ThLZ 85 [i960! 470).
7 Gegen Schweizer, Mk-Ev 209, der Mk 16,17f. unter Verweis auf Apg
2,1-11; 3,1-10; 9,31-35; 14,8-10; 16,16-18; 19,13-18; 28,3-9 uneingeschränkt
von der Apg abhängig sieht. Weder die Glossolalie noch die Krankenheilungen
von Mk 16,17f. setzen zwangsläufig eine Kenntnis der Apg voraus, zumal das
Motiv unbeschadeten Genusses von Gifttrank (vgl. Papias bei Euseb, Hist
Eccl III 39,9) ohnehin aus anderer Tradition stammt.
8 Vgl. dazu Vielhauer, Urchristliche Literatur 680ff.; Schneemelcher. Ntl
Apokryphen I 189ff.
9 Vgl. Iren, Haer II 32,4 (Euseb, Hist Eccl V 7,4), über im Namen Jesu
gewirkte Wunder seiner Gegenwart: "Die einen nämlich treiben zuverlässig
und wahrhaft Dämonen aus (Saiuovac, EXOÜVOUOIV) ... andere aber heilen die
Kranken durch Handauflegung und machen sie gesund." Auch die Glossolalie
(Mk 16,17) ist in der Zeit des Irenäus noch lebendig (Iren, Haer V 6,1/Euseb,
Hist Eccl V 7,6). Vgl. auch den im Namen Jesu (Jeschu ben Pandera) einen
Juden von Schlangenbissen heilenden Jakob aus Kephar Sama/Sekhanja
(TChull 2,22/jAZ 2,2 [40d-41al/jSchab 14,4 [14d-15al), bei dem es sich oh-
ne weiteres um einen in der Tradition von Mk 16,18/Lk 10,19 stehenden
christlichen (bAZ 17a) Wundercharismatiker des 2.Jhdt.n.Chr. gehandelt haben
kann (anders Maier, Jesus im Talmud 182-192). Schweizer, Mk-Ev 210, sieht
Mk 16,15-20 jedenfalls zu Recht vom immer noch lebendigen Enthusiasmus
einer Gemeinde geprägt, in der Wunder und charismatische Begabungen
hochgeschätzt wurden (ähnlich Schottroff, Feindliche Welt 247 mit Anm.2;
gegen Gnilka, Mk-Ev II 353).
Taten des Petrus und der zwölf Apostel 339
10 Koptischer Text und Zählung nach Parrott (ed.), Nag Hammadi Codices
V.2-5 and VI 204-229. Dt. Übersetzung nach H.M. Schenke, in: Schnee-
melcher, Ntl Apokryphen II 368-380.
u Die ursprünglich in Griechisch abgefaßten "Taten des Petrus und der 12
Apostel" sind noch im 2.Jhdt.n.Chr. in Syrien entstanden (Schenke, aaO. 370),
wobei Act Pt 8,11-12,19 eine von drei älteren, in Act Pt kompilierten apokry-
phen Einzeltraditionen darstellt (vgl. Krause, Petrusakten 46-51). Terminus a
quo ist das frühe 2.Jhdt.n.Chr., da Act Pt 8,11-12,19 nicht nur Kenntnis von
Mt 16,16-19, sondern auch von Apg 3 vorauszusetzen scheint, vgl. Tuckett,
Nag Hammadi and the Gospel Tradition 107-112.
340 Krankenheilungen in den Gemeinden
1 Vgl. neben Gal 3,5; Mt 7,22 auch die aktualisierende Rezeption von
1 Kor 12,7-10 bei Just, Dial 39,2.
2 Ta^a (im NT nur 1 Kor 12,9.28.30), das in LXX wie in der griechi-
schen Literatur überwiegend in seiner ursprünglichen Bedeutung "Heilmittel"
verwendet wird, begegnet hier bei Pls als terminus technicus für Krankenhei-
lungen, wie dies auch SIG 3 1168,1; Paus 1136,1 in bezug auf den Asklepioskult
der Fall ist.
Der Charismenkatalog 1 Kor 12 341
Das aus dem 4.Jhdt.v.Chr. stammende Asklepieion Korinths stand mit sei-
nem regen Heilbetrieb bis zur Zerstörung der Stadt 146v.Chr. in Blüte 10 .
Bald nach der Neugründung Korinths 44v.Chr. wurde das Heiligtum neuerlich
in Betrieb genommen und, wenn auch wohl in bescheidenerem Maße als
zuvor, höchstwahrscheinlich die Inkubationsheilungspraxis wiederaufgenom-
men 11 . In einer vermutlich aus dem späten l.Jhdt.n.Chr. stammenden Weihe-
inschrift des Heiligtums wird der Korinther Bürger Gaius Vibius Euelpistus,
der möglicherweise medizinisch am Heilbetrieb des Asklepieions mitwirkte,
als Arzt und als Priester des Asklepios (iatpöv ... 'AoxXnniou iEpEa)
geehrt 1 2 .
über ihnen aussprechen (atque orent et adiurationes super eos faciant) ... So
mögen sie die Kranken also unter Fasten und Gebet beschwören (itaque ieiu-
nio et oratione exorcicent illos)... ".
Auf Dämonenaustreibung abzielende christliche Gebetsbeschwörungen sind
für das 2. und 3.Jhdt.n.Chr. auch durch Justin und Origenes verbürgt. Just,
Dial 30,3, berichtet - in einem Atemzug mit Dämonenbeschwörungen x a t ä
TOU övöuatoc, 'Inoou Xpioroü - von Gebeten an Gott um Schutz vor Dämonen
(änö Yäp TÖV Saiuovitov ... TÖV OEÖV äsi Siä Tnaoü Xpioroü ouvTT)pT)-&fjvai
napaxaXouuEv). Dies deckt sich mit Orig, Cels VII,4 ("Nicht wenige Christen
trieben Dämonen ohne jede Zauberei und Magie oder Pharmazie aus, indem
sie sich allein des Gebetes und einfacher Beschwörungsformeln bedienten
toüv oüSEvi nspiEpYiji xai uaYixö fj" cpapuaxEUTixö npaYuati äXXä pövTj EÜXTJ
xai öpxüoEöiv anXouoTEpaic,])" und Orig, Hom Jos 24,1 (si inimica virtus
daemonis ... obsideat alicuius corpus, ... adhibeantur autem multae orationes,
multa ieiunia, multae exorcistarum invocationes ... ; ähnlich Orig, Comm Mt
XIII,6). Ausführliche christliche Dämonenaustreibungsgebete, wie sie bei Ju-
stin, Origenes und PsClem im Hintergrund stehen dürften und maßgebliches
Licht auf Mk 9,29 werfen könnten, bieten die apokryphen Apostelakten (Act
Thom 81; Act Joh 41; 57; Act Andr 5) und PGM IV,1232-1239. Daß das
Gebet Mk 9,29 nicht einfach als Glaubensmanifestation seitens des Besesse-
nen oder der Gemeinde fungiert, sondern exorzistische Bezüge hat, zeigt zu-
dem auch die gutbezeugte v.l. E! \IT) EV npooEuxfj xai vnoTEia. Fasten zählte
im frühen Christentum wie überhaupt in der Antike zu den antidämonischen
Riten17.
17 Vgl. Apk Elia 23,8-13; PsClem, Virg 112,3.5 (dabei Zitat von Mk 9,29
in der v.l.!); PsClem, Hom »10,3; Orig, Hom Jos 24,1; Orig, Comm Mt
XIII,6. Vgl. ferner die magischen Heilpraktiken Plin, Hist Nat 24,181 (ieiuno
ieiunum medicamentum dare); 26,93, zum Ganzen auch Arbesmann, RAC VII
(1969) 463f.
Krankenheilung durch Presbyter 345
Die Vv 14-16 sind Bestandteil des Abschnittes 5,13-18, der nach der über-
schriftartigen Einleitungssentenz 5,13 in zwei Teile zerfällt: 5,14-16a handelt
speziell vom Gebet im Krankheitsfall 18 , 5,16b-18 dagegen allgemein von der
Kraft des Gebetes, ist allerdings durch die Wundertopik aus der Elia-Tradi-
tion eng mit der Krankenheilungsinstruktion 5,14-16a verklammert.
18 Gegen Mußner, Jak 22Sff., der 5,16-18 als eigenständige Paränese be-
trachtet und önoic, ia-0-f|TE nicht auf die Krankenheilungen von 5,14f. bezieht,
sondern in übertragenem Sinne als "Heilung von Sünden" auffaßt. - Ohne
Anhalt am Text sind die Versuche, in 5,15 OÜOEI und EYEPET nicht als logi-
sches Futur auf körperliche Heilung, sondern eschatologisch-futurisch auf die
Rettung zum Heil und auf die Auferstehung zu beziehen (Meinertz, Kranken-
salbung 27-36). Vgl. dagegen zu aüC,ETv für die Heilung körperlicher Gebre-
chen Mk 5,23.28.34; 6,56; 10,52, zu EYEipEtv für das Aufrichten von Kranken
Mk 1,31; 2,9.llf.; Apg 3,7.
19 Ob dabei jüdischer Einfluß vorliegt (vgl. zur vorbildlichen Krankenfür-
sorge im antiken Judentum Billerbeck IV,1 573-578). bleibt zweifelhaft. Die
vielzitierte Sentenz "Wer einen Kranken in seinem Hause hat, der gehe zu
einem Gelehrten, daß dieser für ihn um Erbarmen flehe" (bBB 116a) stammt
aus dem 4.Jhdt.n.Chr. und setzt eine stellvertretende Fürbitte voraus (vgl.
Ber V,5; bBer 34b), ohne daß der Kranke aufgesucht und pharmakologisch
behandelt würde. - Wenn 1 Tim 5,5 und Pol, Phil 4,3, der Witwenstand spe-
ziell durch Beauftragung zu Gebeten gekennzeichnet ist, könnte dies ebenfalls
im Zusammenhang mit Krankenheilungs- oder Dämonenaustreibungsgebeten
stehen.
346 Krankenheilungen in den Gemeinden
TU övöuari TOÜ xupiou, von der ergänzend zum Gebet "in Richtung auf
den Kranken" (en aüröv) und zur Ölsalbung (vgl. Mk 6,13) als Heiltech-
nik die Rede ist, impliziert ein Aussprechen des Namens Jesu und legt
nahe, daß es sich um Dämonenaustreibungen handelt.
Vom Text her nächstliegend ist ein Bezug von EV XQ övöuari TOÜ xupiou
auf äXEÜJiavTEc; aüröv EXaiu. Die Namensanrufung wäre dann ein gegenüber
dem Gebet eigenständiger, mit der Ölsalbung verknüpfter Akt , und es
könnte sich bei der Krankenheilung um eine Dämonenaustreibung handeln, in-
dem der Krankheitsdämon eigens beim Namen Jesu beschworen wird (vgl. Mt
7,22; Mk 9,38; Apg 19,13). Alternativ besteht die Möglichkeit, EV tqi övöuau
TOÜ xupiou mit npooEu^äo&uoav in dem Sinne zu verbinden, daß die Namens-
anrufung im Gebet erfolgte 2 1 . Auch in diesem Falle kann über ein reguläres
Krankenheilungsgebet (vgl. 1 Clem 59,21-34) hinausgehend wie in Mk 9,29
speziell an ein Gebet zur Dämonenvertreibung gedacht sein (vgl. Act Thom
81; Act Joh 41; 57; PGM IV,1232-1239) 22 . Zudem ist aXEÜliavTEC, aüröv EXaitp
jenseits pharmakologischer Bezüge (vgl. Schab VIII,1; XIV,3f.; Diosc, Mat
Med I 30-63) im Sinne einer dämonenbannenden Ölsalbung interpretierbar 2 3 .
20 Ropes, James 307; auch von Heitmüller, Im Namen Jesu 86, offen-
kundig vorausgesetzt.
21 Dibelius, Jak 300; Mußner, Jak 219.
22 Dibelius, Jak 299f. Dagegen: Wilkinson, Healing 332f.; Seybold/Müller,
Krankheit 162.
23 Vgl. Test Sal 18,34: ECÜV Tic; ßaXsT öiXac, Eic, ifXaiov xai EnaXEÜJiEi TÖV
äoÖEvfjv XEYUV 'xEpoußiu, OEpacpi(i, ßoiidETTE', EÜ&ÜC, ä v a x u p ö (sc. der Dämon);
HDM A 111,14.21.41; SHR II,95ff.; V,38-42. Ob die Ölsalbung gleichzeitig mit
dem Gebet erfolgte oder diesem vorausging, ist dem Part.Aor. äXEiiJjavTEC,
nicht entnehmbar, vgl. Blaß-Debr.-Rehkopf § 339.
24 Gegen Poschmann, Paenitentia Secunda 54: TÖV xäuvovra Jak 5,15 deute
auf einen Schwerkranken hin. - 'O xä(ivtov bezeichnet allgemein den Kranken
im Gegensatz zum Gesunden (Artemidor IV,22), und xäp.vEiv schließt folglich
auch nicht akut lebensbedrohliche, heilbare Krankheiten, beispielsweise Au-
genleiden, mit ein (Herodot, Hist 11,111; vgl. auch 1,197).
25 Mit xüpioc, Jak 5,15 ist, wie aus der christologischen Formel EV övöuari
TOÜ xupiou (die Auslassung von T. X. durch den Vaticanus ist sekundär) 5,14
hervorgeht, Jesus und nicht Gott gemeint (gegen Ropes, James 308).
Wiederbelebungen durch Gebet 347
mehr die in atl Tradition Gott vorbehaltene (Ex 15,26; Ps 103,3; Sir 38,9)
Heilungsfunktion zugesprochen wird.
Etwas nachklappend kommt in 5,15b.16 das Thema Sünde zur Spra-
che. Falls der Kranke Verfehlungen begangen hat, werden sie ihm ver-
geben werden. Gegenüber der in atl-jüdischer Tradition wurzelnden
Rückführung von Krankheit auf S ü n d e 2 6 liegt eine bemerkenswerte Ak-
zentverschiebung vor, da Jak 5,15 zufolge Krankheit nicht notwendiger-
weise das Resultat von Fehlverhalten darstellt, sondern durch solches
bedingt sein kann. Da Jak 5,16 auf den Krankheitsfall von 5,14f. gemünzt
ist, geht dem Gebet der Presbyter gegebenenfalls ein Sündenbekenntnis
des Erkrankten voraus.
Die Möglichkeit profaner medizinischer Hilfe bei Krankheit kommt
Jak 5,14-16 nicht in den Blick. Die Ortsgemeinde verfügt über Presbyter,
in deren Funktionsbereich es fällt, durch ein Zusammenspiel von phar-
makologischen Praktiken, Gebetsriten und vermutlich Dämonenbeschwö-
rungen beim Namen Jesu eine Wiederherstellung der Gesundheit zu be-
wirken. Dies ist in der Praxis kaum anders vorstellbar, als daß ausge-
wählte Amtspersonen eine pharmakologisch-magische Ausbildung erhiel-
ten, sich bei der Ausübung ihrer Krankenheilungsaufgaben bestimmter
Handbücher bedienten, wie Celsus sie für christliche Presbyter bezeugt,
und faktisch eine Art "Ärztestand" innerhalb der christlichen Gemein-
den bilden.
26 Num 12,9-15; 1 Kön 13,4-6; Ps 103,3; Test Rüben 1,7-10; Test Sim
2,12f.; Test Seb 5,2-4; Test Gad 5,9-11; 1 Q Gen Ap XX,12-29; 4 Q Or Nab;
bNed 41a; im NT Mk 2,5 und Joh 9,2. Von christologischen Akzentverschie-
bungen in Jak abgesehen, entspricht Sir 38 das Zusammenspiel von medizi-
nisch-pharmakologischen Praktiken (38,4.8), ärztlichem Gebet (38,9.14) und
Abkehr von Verfehlungen (xai änö näonc; äuaptiac; xaO-äpioov xapSiav 38,10)
Jak 5,14-16 in Grundzügen. - Vgl. zur Rückführung von Krankheit auf Sünde
auch Kudlien, Beichte und Heilung 1-14.
348 Form- und sozialgeschichtliche Aspekte
unter vielen Fasten und Opfern darum gefleht hatte, der Geist des Verstor-
benen zurückkehrte und der Mensch den Gebeten der Heiligen geschenkt
wurde (xai EV TTJ äSEXepÖTTyu noXXäxic, Siä TÖ ävaYxaTov xai TTJC; x a r ä rönov
EXxXr|oiac; näoric; aiTi)oauEVT|c; UETÖ viioTEiac; xai XiravEiac, noXXfjc; EnEOTpEiJiEV
tö nvEÜua TOU TETEXEUTIIXÖTOC; xai Exapio-&T| o äv&punoc; rate; EÜxaTc. TÖV
Ayid>\>) ... Wie wir erwähnten, sind selbst Tote bereits erweckt worden, um
noch mehrere Jahre unter uns zu weilen (xadüc, E(pauEv, xai VExpoi r\yip9r\ootv
xai napEUEivav oüv fjuTv ETEOIV ixavote, Iren, Haer II 31,2; 32,4/Euseb, Hist
Eccl V 7,2.4).
rigkeiten gestellt. Auf der einen Seite kann angesichts unserer bisheri-
gen Untersuchungsergebnisse historisch kein Zweifel daran bestehen,
daß seit den Anfängen des Christentums Wandermissionare das Voll-
bringen von Machttaten als elementaren Bestandteil ihres Auftretens
betrachteten und auch innerhalb der christlichen Gemeinden charisma-
tisch befähigte oder durch das Presbyteramt dazu verpflichtete Christen
Dämonenaustreibungen und Krankenheilungen bewirkten. Auf der ande-
ren Seite sind über die Fakten hinaus, daß diese Wundertaten "im Na-
men Jesu" geschahen, dem Gebet eine maßgebliche Rolle zukam (Mk
9,29; Jak 5,14-16; Iren, Haer 1131,2) und Öl ein wichtiges Heilmittel dar-
stellte (Mk 6,13; Jak 5,14), keine weitergehenden Details bekannt. In
Analogie zu den Gegebenheiten in der jüdischen wie griechisch-römi-
schen Umwelt des NT können wir vermuten, daß christliche Wundertä-
ter Handbücher mit Formeln, Gebeten und pharmakologischen Instruk-
tionen zu Dämonenaustreibungen oder Krankenheilungen verwendeten,
die der Geheimhaltung unterlagen und ebenso wie unzählige pagane
Zauberpapyri der ersten Jahrhunderte n.Chr. verlorengingen oder gezielt
vernichtet wurden 1 . Für das 2.-3.Jhdt.n.Chr. ist die Existenz magischer
Kompendien christlicher Prägung durch Celsus (Orig, Cels VI,40) und,
sofern Orig, Comm ad Mt 26,63, christliche Dämonenbeschwörer mit-
einschließt, auch durch Origenes verbürgt.
Trotz der ungünstigen Quellenlage ist allerdings die Eruierung christ-
licher Formeln und Gebete, die im Zusammenhang mit Wunderheilungen
rezitiert wurden, nicht völlig aussichtslos. Bereits in früheren Teilen
dieser Untersuchung wurde deutlich, daß sich die Wundergeschichten
der Evangelien und der Apg der Form nach von den meisten ihrer reli-
gionsgeschichtlichen Parallelen durch die Preisgabe festgeprägter Wen-
dungen unterscheiden, wie sie von christlichen Wundertätern benutzt
worden sein dürften. In ähnlicher Weise haben sich offenkundig in den
apokryphen Apostelgeschichten des 2.-3.Jhdt.n.Chr. ältere Wunder-
heilungsformeln und -gebete niedergeschlagen, die im Kern bis in das
ntl Zeitalter zurückreichen können 2 . Wenn schließlich bei christlichen
1 Die von Preisendanz (PGM 1-24) und Daniel (PGM.S 20-36) edierten
christlichen Papyri stammen überwiegend aus dem 4. und 5.Jhdt.n.Chr., wie
dies auch für die Mehrzahl der von Kropp, Ausgewählte koptische Zauber-
texte, herausgegebenen Zeugnisse christlicher Magie der Fall sein dürfte.
Die christlichen Amulette bei V. Stegemann, Koptische Zaubertexte, gehören
in das 5.-11.Jhdt.n.Chr., die christlichen Fluchtexte PGM.S 59-62 in das
5.-6.Jhdt.n.Chr. Dem Charakter nach weist das in der Endgestalt christliche
Test Sal (Endredaktion wohl 3.Jhdt.n.Chr.) in die Nähe magischer Kompendien.
2 Eine Übersicht der apokryphen Wundertraditionen, allerdings ohne Be-
zugnahme auf diesen Aspekt, bieten Achtemeier, Miracle Workers in the
350 Form- und sozialgeschichtliche Aspekte
Schriftstellern wie Justin, Irenäus, Tertullian oder Origenes aus der neu
erwachsenen Notwendigkeit der Verteidigung des Christentums oder aus
der gezielten Häretikerbekämpfung heraus zahlreiche Details über das
Vorgehen christlicher Wundertäter verlauten, darf ebenfalls mit hoher
Plausibilität vermutet werden, daß solche Praktiken nicht in ihrer Ge-
samtheit Neuentwicklungen der nachneutestamentlichen Epoche dar-
stellen, sondern in sachlicher Kontinuität zu den Anfängen christlichen
Wundercharismatikertums stehen und Licht auf das apostolische Zeital-
ter werfen.
domini nostri Jesu Christi invocans). Nach Tert, Apol 23,15, beruht die
Macht und Gewalt der Christen über die Dämonen maßgeblich auf der
Aussprache des Namens Christi (omnis haec nostra in illos dominatio et
potestas de nominatione Christi valet), und auch Orig, Cels 111,24, zufol-
ge sprechen die Christen bei ihren Krankenheilungen entweder den
Namen Gottes oder den Namen Jesu aus (xaXoüvTEc, Eni TOÜC; SEOUEVOUC;
ÖEpanEiac; 'i\ TÖV Eni naoi ÖEÖV xai TÖ TOÜ 'IT)ÖOÜ ovoua, vgl. 1,6 XpiöTiavoi
OÜSEHIS UEXETTJ EnySuv XPÜUEVOI TUYX^VOUÖIV äXXä xcp övöuari TOÜ Mncsoü).
In vielen Fällen vollzogen sich solche Wundertaten "im Namen Jesu"
durch eine Beschwörung von Krankheitsgeistern mit Exorzismusformeln
wie öpxic/o üuac; 'hiooüv (Apg 19,13) oder E^opxt^u OE xardt TOÜ övöuaroc;
'Iijcsoü Xpioroü (Just, Dial 30,3; 85,2; Apol II 6,6). Daneben können
Machttaten im Namen Jesu eine Rezitation von 'bicsoüc; (Xpioröc;) (Apg
9,34; Act Thom 77) oder von EV xtp övöuari 'Iriooü als festgeprägter Wen-
dungen in Damonenaustreibungs- oder Heilungsformeln (Apg 16,18;
Act Joh 22; 83) implizieren. Die Mehrzahl der nachfolgend im Überblick
zusammengestellten Formeln und Gebete, die von christlichen Wunder-
tätern zu Damonenaustreibungs- und Heilzwecken verwendet worden
sein dürften, enthalten in irgendeiner Weise den Namen Jesu.
"Mein Herr und mein Gott ... ich bitte Dich, mögen diese Seelen geheilt
aufstehen und werden, wie sie waren, bevor sie von den Dämonen ge-
schlagen wurden (xüpiE u.ou xai DEE uou, ... Ssouai oou, iaS-sToai ai
(Jwxai ävaoTrJTGioav xai Y^VEodoioav otai fjoav npö TOU nXr|Yfjvai ünö
TÖV Saiu.6viov, Act Thom 81)".
"Gott, der Du über allen sogenannten Göttern bist ... auf dessen Name
hin jeder Götze flüchtet sowie jeder Dämon, jede Macht und jedes unrei-
ne Wesen - auch jetzt erweise ... an diesem Orte dein Erbarmen, indem
auf Deinen Namen hin der hiesige Dämon entflieht (CPEÜYOVTOC, övöuari
TÖ oö TOÜ EV&CÜSE Saiuovoc;, Act Joh 41)".
"Der Du stets die Niedrigen tröstest und als Beistand gerufen wirst, der
Du niemals als Beistand gerufen zu werden brauchst, weil Du nämlich
selbst, bevor wir beginnen, zugegen bist, die unreinen Geister sollen aus
NN vertrieben werden (änEXaoO-fJTiooav r a äxäS-apra nvEÜ^ara änö NN,
Act Joh 57)".
"Gott, der Du den Magiern nicht willfährig bist, der Du Dich den Nichts-
nutzen nicht darbietest, der Du allen Fremden fernstehst, der Du das
Deine immer den Eigenen gewährst, gewähre auch jetzt, daß meine eilige
Bitte in Gegenwart von diesen allen an NN sich erfülle, und vertreibe
den Dämon (cpuYaSEÜcov TÖV Saiuova, Act Andr 5) 1 2 ".
"Sei gegrüßt, Gott Abrahams, sei gegrüßt, Gott Isaaks, sei gegrüßt, Gott
Jakobs, Jesus Christus, heiliger Geist, Sohn des Vaters, der unter den
Sieben, und der in den Sieben ist. Bring Iao Sabaoth, möge eure Kraft
fort sein von NN, bis ihr vertreibt diesen unreinen Dämon, den Satan, der
auf ihm ist, PGM IV, 1232-1239) 13 ".
Steh auf, nimm deine Bahre und gehe umher (EYEIPE xai apov TÖV
xpaßarröv oou xai KEpUt&tEl, Mk 2,9/Joh 5,8)!
11 Vgl. PGM.S 30,4f. "Jesus Christus, heile (EiaoE) ... Seele ((jiuxfjv) und
Körper ..."; PGM V,139f. xüpiE ... oöoov ijiuxfjv (sc. des Besessenen).
12 Vgl. das Gebet des Magiers PGM 13a "[Christus] ... unterwirf mir jeg-
lichen Geist Verderben schaffender, unreiner Dämonen ...", zur "eiligen Bitte"
die Beschleunigungsformeln in magischen Papyri (z.B. PGM IV,1245).
13 Vgl. auch das Gebet des Silvanus PGM 9 "daß du (seil. Gott) von mir,
deinem Knecht, vertreibst (Siü^rjc;) den Dämon der Behexung ...".
354 Form- und sozialgeschichtliche Aspekte
Mädchen, steh auf (taXi-Sa xouu, Mk 5,41; vgl. die Heilformeln mit Dlp
bSchab 110b)!
Jüngling, ich sage dir: Steh auf (vsavioxE, ooi XEYU, EYEP&T|TI, Lk 7,14)!
- NN, steh auf (äväotr]»i, Apg 9,40/Act Joh 80)!
Herr, erwecke ihn durch meine Stimme mit deiner Kraft (domine, per
meam vocem tua virtute suscita eum, Act Petr 26)!
Ich nehme das Wort meines Herrn Christus und sage dir: Jüngling, steh
auf und geh umher (vocem accipiens Christi domini mei, dico tibi: iuvenis,
surge et ambula, Act Petr 27)!
Steh auf im Namen Jesu Christi (äväoTnöx EV TÖ övöuari TT]OOU Xpioroü,
Act Joh 22)!
Steh auf, preise den Namen Gottes, denn er schenkt Toten Tote wieder
(ävaotäc, Sö^aoov TOÜ -&EOÜ TÖ övoua, ÖTI vsxpoüc; VExpoTc; xapiC ET ai, A c t
Joh 24)!
Es sagt dir der Knecht Gottes, NN: Steh auf (XEYEI ooi ö toü -9-EOÜ
SoOXoc, NN' äväara, Act Joh 47)!
Steh nun auf, und gib Gott die Ehre an dem gewordenen Werk (ävaoräc.
ouv Söc; TOÜ EnixEipou YEYEVT|U.EVOU E
PY°u SöF,av TÖ 9-E(j>, A c t Joh 52)!
Für die Mehrzahl dieser Formeln ist damit zu rechnen, daß sie nicht
nur speziell bei Wiederbelebungen, sondern allgemein bei Krankenhei-
lungen in Gebrauch waren. Formelhafte Wendungen mit ävicstavai sind
auch im Zusammenhang mit Gelähmtenheilungen überliefert (Apg 9,40;
14,10) und konnten grundsätzlich bei jeder mit Bettlägerigkeit verbunde-
nen Krankheit oder zur Reanimation ohnmächtiger Epileptiker (Mk 9,27;
Act Thom 77) Anwendung finden. Ergänzend zu diesen Formeln sind
folgende Totenerweckungsgebete an Gott oder Jesus überliefert, wie sie
Iren, Haer II 31,2; 32,4, im Hintergrund stehen dürften:
Greßmann, Religion 310f.) versetzende Rede vom höchsten Gott Mk 5,9 im-
pliziert einen Vergleich mit anderen Gottheiten, denen gegenüber er sich als
der mächtigste erweist (vgl. 1 Clem 59,3), und erinnert an das traditionelle
(Wilckens, Missionsreden 81-91.190-193) Predigtschema der Heidenmission
(1 Thess l,9f.; Hebr 6,1; Apg 14,15).
19 Vgl. Frankfurter, Miracle-List Tradition 355-369; Hills, Miracle Lists
in Apocryphal Acts 375-390.
20 Theißen, Legitimation 222, Anm.3.
21 Vgl. Vielhauer, Urchristliche Literatur 325f. ("Q kennt und akzeptiert
eine reiche ... Tradition von Jesuswundern samt der dazugehörigen $EToc,-ävfip-
Christologie"). Auch die wunderkritische Q-Versuchungsgeschichte setzt eine
Kenntnis von Theios Aner-Christologie voraus (vgl. IV.4.2.). Ohnehin stellt Q
keine auf Vollständigkeit bedachte biographische Jesusdarstellung, sondern
eine Stoffsammlung unter funktionalen Gesichtspunkten dar.
358 Form- und sozialgeschichtliche Aspekte
als Erfüllung atl Heilsprophetie geltenden Wunder als der von dem
Täufer angekündigte Kommende propagiert wird. Von daher legt sich die
Vermutung nahe, daß der Wunderkatalog Mt ll,5par seinen "Sitz im
Leben" in der missionarischen Werbung hat, wie es grundsätzlich für
eine Vielzahl der Mt ll,5par vergleichbaren frühchristlichen "miracle-
lists" der Fall ist, und Bestandteil der Missionsverkündigung der Q-
Boten war. Für Wandermissionare, die sich bei der Verkündigung auf
Überlieferungen von Jesus als Wundertäter stützten und gleichzeitig das
Vollbringen von Machttaten als konstitutiven Bestandteil ihres Apostolats
betrachteten, war es ein ebenso naheliegender wie folgerichtiger Schritt,
dem Wunderhandeln Jesu Vorbildfunktion für das eigene Wirken beizu-
messen.
Mk 9,28f. legt nahe, daß nach dem Vorbild Jesu (Mk 9,14-27) vergebliche
Dämonenaustreibungsversuche unternommen wurden. Die Wiederbelebung Act
Petr 27 orientiert sich an dem Beispiel Jesu von Lk 7,11-17. PsClem, Recogn
11160,2, läßt Petrus nach einer Mt ll,5par vergleichbaren Auflistung von
Wundertaten Jesu verlauten: "et alia his similia quae etiam per me fieri vi-
detis" (vgl. auch Mart Andr 3). Zudem appellierten christliche Magier in
Gebeten (Act Thom 47) oder von ihnen abgefaßten Amulettexten (PGM 5b.18;
PGM.S 30.31) an die in Wundergeschichten manifeste Heilkraft Jesu, um den
Hilfsbedürftigen zu ermutigen und das neuerliche Eingreifen Jesu in ver-
gleichbaren Krankheitsfällen herbeizuführen.
Für die pln Gegner im 2 Kor dürfte der Auffassung, ein Apostel müs-
se sich durch Wundertaten auszeichnen, eine Theios Aner-Christologie
korrespondiert haben, die sie ernsthaft als Überlieferungsträger einzel-
ner syn oder joh Wundererzählungen in Betracht kommen läßt 24 . Die in
Korinth eingedrungenen Wandermissionare betrachteten im Gegensatz zu
Pls Machttaten als konstitutiven Aspekt der Apostelwürde und stützten
sich mit ihren orniEÜx TE xai TEpara xai SuvauEic, (2 Kor 12,12) auf eine
formelhafte Trias, die Apg 2,22 in der Missionspredigt auf Jesu Wunder-
taten bezogen begegnet. 2 Kor 11,4 25 (EI UEV Y«P Ö EPXÖUEVOC; aXXov
'Iiioouv xijpüööEi ov oüx Exripü^auEv) ist entnehmbar, daß neben pneumato-
logischen speziell auch christologische Aspekte eine unüberbrückbare
2 Iren, Haer II 32,4/Euseb, Hist Eccl V 7,5. Vgl. dazu Speigl, Wunder im
vorkonstantinischen Christentum 299-302.
3 Eine Zusammenstellung und kurze Besprechung der christologischen
iarp6c;-Befunde des 2.-3.Jhdt.n.Chr. bietet Dumeige, Le Christ medecin 118-141.
4 Bousset, Kyrios Christos 242 mit Anm.5; Rengstorf, Anfänge 15f. Vgl.
auch Fichtner, Christus als Arzt 7ff., der ergänzend von einem Einfluß ky-
nisch-stoischer Arzt-Metaphorik ausgeht (llf.).
5 Vgl. dazu Schräge, Heil und Heilung 197-214.
364 Form- und sozialgeschichtliche Aspekte
Keine Anhaltspunkte für Jesus als Arzt bietet hingegen Lk 4,23 "Arzt, hilf
dir selbst!" 9 Wie ein Arzt in der Lage sein muß, sich im Krankheitsfalle
selbst zu heilen, wird von Jesus erwartet, daß er der Anfeindung in Nazareth
eigenhändig den Boden entzieht, indem er dort die bereits in Kapernaum
gewirkten Wunder wiederholt.
matischen Seinsweise Jesu (vgl. Ign, Sm 3,3; 12,2): "Einer ist Arzt, aus
Heisch zugleich und aus Geist." 12
Eine Betrachtung Jesu als Arzt im eigentlichen Sinne ist in den ntl
Heilungswundertraditionen insbesondere dort impliziert, wo Jesus volks-
tümlich-medizinische Praktiken zugeschrieben werden (Mk 7,31-37;
8,22-26; Joh 9,1-7). Eine plastische Ausprägung hat das im 2.Jhdt.n.Chr.
voll entfaltete Motiv in den "Taten des Petrus und der zwölf Apostel"
gewonnen, wo der Auferstandene die Jünger in Gestalt eines Arztes mit
Medikamentenkoffer zu Krankenheilungen beauftragt (Act Pt 9,32ff).
Dabei wird deutlich, daß das Theologumenon von Jesus als Arzt nicht in
erster Linie darauf abzielt, im nachhinein den irdischen Jesus historisie-
rend als Arzt zu betrachten, sondern ungleich stärker von dem aktuali-
sierenden Interesse christlicher Wundercharismatiker geleitet ist, die
von ihnen vollbrachten Krankenheilungen auf eine ideelle ärztliche
Wirksamkeit des erhöhten Christus zurückzuführen. Dies findet von
anderen apokryphen Apostelakten her Bestätigung, wo die christologi-
sche Arzt-Titulatur vielfach im Kontext nachösterlicher Dämonen-
austreibungen, Krankenheilungen oder Totenerweckungen begegnet (Act
Joh 56; Act Thom 156; Act Phil 41) und Bestandteil solcher formelhaften
Wendungen oder Gebete ist (Act Joh 22; 108), wie sie bei den im
Namen Jesu gewirkten Wundertaten rezitiert worden sein dürften. Für
diese christologischen iatpöc;-Befunde im Kontext von Krankenheilungen
ist eine maßgebliche Prägung durch Auseinandersetzungen zwischen
Christentum und Asklepioskult in Rechnung zu stellen. Der als Erhöhter
im Wirken christlicher Wundercharismatiker präsente Arzt Jesus tritt in
Konkurrenz zu Asklepios, der an Heiligtümern in Epiphanien oder durch
seine Kultpriester Krankenheilungen bewirkt.
Besonders offenkundig ist dies in dem Gebet Act Joh 108, das eine massive
Konkurrenz zwischen Christentum und Asklepioskult erkennen läßt, indem e x -
klusiv für Jesus solche Prädikationen in Anspruch genommen werden, wie sie
sonst für Asklepios typisch sind. Bereits das stereotype uövoc; deutet in Act
Joh 108 auf eine Abgrenzung gegenüber anderen Heilgottheiten, am ehesten
Asklepios, hin 13 , wobei an die Tradition von Gott als dem pövoc, iatpöc;
(Philo, SacrAC 70) angeknüpft werden konnte. Die christologische Titulatur
iatpöc; Supsäv iüiiEvoc, Act Joh 108 wendet sich deutlich gegen das weitver-
breitete Bild von Asklepios als geldgierigem Arzt (s.u.), und mit ö uövoc;
12 So richtig Fischer, Apost. Väter 147; vgl. ferner Bauer/Paulsen, Ign 33,
und Schoedel, Ign 117f., der hier den Kern der christologischen Zwei-Natu-
ren-Lehre sieht.
13 Fichtner. Christus als Arzt 7.
366 Form- und sozialgeschichtliche Aspekte
i i i
Dem Mythos zufolge tötete Zeus den Asklepios durch einen Blitz, weil
dieser für Gold (uioS-ö XP UO °C;) einem bereits dem Tode verfallenen Men-
schen geholfen hatte (Pindar, Pythia 111,55-58). Dies wurde von den christli-
chen Apologeten dankbar aufgegriffen. Athenagoras und Tertullian werfen As-
klepios eine gewinnsüchtige Anwendung seiner Heilkunst vor 1 5 . Clem Alex,
14 Vgl. zu EÜEpYETTic; Orig, Cels 111,3: aüröc; (sc. Celsus) ... napau-lteTai
"AoxXnniöv EÜEPYETOUVTO. Als (piXav-9-punÖTaTOc; begegnet Asklepios bei Ael
Arist, Or 39,5, und Ael, Nat An IX,33, als (6) ouTfjp in Inschriften (SIG 3
1172; Habicht Nr.64ff., vgl. Index zu Asklepios Soter ebda. 196) und stereo-
typ bei Ael Arist, Or 39ff. (dazu: Dölger, Heiland 259-263).
is Athenag, Suppl 29, Tert, Nat II 14,12; Apol 14,5. Vgl. ferner Euseb,
Praep Ev III 13,19.
Soziale Implikationen christlicher Heilungen 367
Prot II 30,1, gilt Asklepios ebenfalls unter Berufung auf Pindar als geld-
gieriger Arzt (EXEIC, xai Latpöv ... EV 3-EOTC,' Ö SE iarpöc, (ptXäpYupoc, ffa,
'AoxXi|niöc; Svoua aürö). Von Jesus heißt es dagegen Act Joh 56 ö EUÖC,
iarpöc; uio&öv äpYupiou oü Xa[ißävEi, und Act Joh 108 gilt Jesus im Zu-
sammenhang mit seinen unentgeltlichen Heilungen als ö [lövoc, EXETJUCOV xai
cpiXäv&punoc;, womit für Asklepios wegen seiner finanziellen Forderungen das
Prädikat "höchster Menschenfreund" (Ael Arist, Or 39,5; Ael, Nat An IX,33)
ausgeschlossen wird.
16 Vgl. gegen das ohne Quellenanhalt bleibende Bild von Asklepios als gü-
tigem Heilgott der sozial Benachteiligten bei Edelstein/Edelstein, Asclepius
II 175ff. (ähnlich Theißen, Wundergeschichten 233-236; vgl. auch Pfeffer,
Einrichtungen der sozialen Sicherung 26f. mit Anm.40) die Einwände von
Vlastos, Religion and Medicine 288-290; Kudlien, Griech. Arzt 12 ("Auch
Heilgötter nehmen Bezahlung - von Armen gegebenenfalls geringe - entge-
gen. Dies unterscheidet sie nicht von Ärzten ... und macht sie nicht zu spe-
ziellen Heilern der 'otherwise neglected poor").
17 Sokolowski LSCG.S 22. Für die npoUüoEic; wurde Bedürftigen aber of-
fenbar eine Beihilfe geleistet, vgl. Peek, Inschriften Nr.336,lff.
18 SIG 3 1170,20f. (um 160n.Chr.): ÖEpänEuoai, xpr) SE änoSiSövai t ä Tarpa.
Recht eindrücklich ist in dieser Hinsicht auch Paus X 38,13: Das erste, was
der erblindete Phalysius in Naupactus nach seiner Heilung durch Asklepios zu
sehen bekommt, ist die Rechnung über 2000 Goldstater.
368 Form- und sozialgeschichtliche Aspekte
Glaubt man Diod Sic, dann hat bereits spätestens im 6.Jhdt.v.Chr. eine
öffentliche Krankenfürsorge existiert. Charondas habe die Schulpflicht einge-
führt und damit frühere Gesetzgeber übertroffen, die eine kostenlose Kran-
kenpflege beschlossen hatten 2 1 . Xenoph, Cyropaedia I 6,15, konstatiert nöXEic;
ai xP T J^ o u o a t ÜYiaivEiv Eatpoüc; aipouvrai. Für Athen sind seit dem 5.Jhdt.
v.Chr. öffentliche Ärzte bezeugt, wobei Aristoph, Ach 1030, betont, daß sie
umsonst heilten (ST|U.ÖOIOI npoTxa EÖEpänEuov). Herodot berichtet, daß der
Arzt Demokedes aus Kroton zunächst ein Jahr lang in Aigina für ein Talent
im öffentlichen Dienst wirkte (8r|u.oairj uio-Uoüvtai), danach die gleiche Zeit in
Athen für 100 Minen (Hist 111,131).
Bezahlt wurden die öffentlichen Ärzte wohl durch eine Sondersteuer
(Latpixöv), wie sie SIG 3 437,5 für Delphi bezeugt. Um des persönlichen
Vorteils oder einer Erhöhung der Standesreputation willen wurde zumindest
vorübergehend freiwillig auf eine Entlohnung verzichtet. Als sich in Athen
der Arzt Pheidias dazu bereiterklärt, unentgeltlich als Gemeindearzt zu
wirken (SnuooiEÜEiv Supsöv), wird ihm auf Volksbeschluß ein Ölkranz zuer-
kannt und eine Tafel im Asklepieion errichtet (SIG 3 335). Ähnlich wird der
nach 188 v.Chr. in Tenos zunächst umsonst wirkende (Supsäv XEITOUPYTJOEIV)
Arzt Apollonius Milesius geehrt (SIG 3 620).
Locus classicus hierfür ist Diod Sic I 82,3: "Bei Feldzügen und Missionen
auf das Land werden aber alle ärztlich behandelt, ohne selbst Honorar zu
entrichten (ÖEpanEÜovtai nävTEc; OÜSEVO iSia SISÖVTEC,). Denn die Ärzte emp-
fangen den Lebensunterhalt aus der Gemeindekasse (oi Yäp iatpoi räc, uiv
rpotpäc; EX TOÜ XOIVOÜ Xau.ßävouoi)." Hier ist zweifellos an die entweder in
Naturalien oder in Geld zu entrichtende Arztsteuer (iatpixöv) gedacht, die
durch zahlreiche Papyri verbürgt ist 2 2 .
21 Diod Sic XII 13,4: xai TOOOÜTOV ünEpEßäXETO TOÜC; npörspov vouo-
8-ETTJoavTac; ST)(IOOIU [tioöö TOÜC; voooüvTac; TÖV ISUOTÖV ünö iarpöv HspanEÜEoSai.
22 PapHib I 102 (248v.Chr.; Text und Komm, bei Sudhoff, Ärztliches aus
griech. Papyrusurkunden 268): "Kyrenaios ... entbietet dem Arzte Eukarpos
seinen Gruß! Es ist angeordnet, daß ich Dir 10 Artaben Spelt oder 4 Drach-
men als Arztsteuer für das 38. Jahr (sc. des Ptolemaios Philadelphos =
247v.Chr.) zahlen soll ... ." Vgl. ferner PapHamb II 171 (246v.Chr.; Text und
Komm, bei Hengstl, Griechische Papyri aus Ägypten 269f); PapHib I 103
370 Form- und sozialgeschichtliche Aspekte
(231 v.Chr.; bei Sudhoff, aaO. 268f; Hengstl, aaO. 71f); zum Ganzen: Sud-
hoff, aaO. 266-272 (mit weiteren Belegen); Kudlien, Griech. Arzt 18ff.
23 Während etwa Strabo IV 1,5 für die Kelten die Anstellung von Ärzten
aus öffentlichen Mitteln bezeugt und auch der Lehrer des Alexander von
Abonuteichos als öffentlicher Arzt wirkte (Luc, Alex 5), ist für Rom in ntl
Zeit die Existenz unentgeltlich heilender, aus Steuermitteln entlohnter Ärzte
fraglich, vgl. Bolkestein, Wohltätigkeit 379.
24 Vgl. Cohn-Haft, Public Physicians 32-45 ; Kudlien, Griech. Arzt 10-40;
Koelbing, Le medecin dans la cite greques 33, die mit überzeugenden Argu-
menten der idealtypischen These von einem antiken Wohlfahrtsstaat mit
sozialisiertem Gesundheitsdienst entgegentreten. - Der Arzt Menekrates Zeus
wirkte zwar unentgeltlich (Suda s.v. MEVExpätiic;: oüroc; SE uiaS-öv (XEV oüSsva
Exo[iiC,ETO TTJC; O-EpansiacJ, verpflichtete aber die geheilten Epileptiker zum
Sklavendienst in seinem olympischen Hofstaat.
25 Vgl. zu Hippocr, Praec IV.VI, und den rechtlichen wie ethischen
Aspekten der antiken Arztentlohnung Kudlien, Honorarproblem 7ff.
26 SIG 3 943: In Kos wird der Arzt Xenotimos geehrt, weil er allen Kran-
ken Heilung zu bringen gewillt war, ohne einzelne zu bevorzugen. IG V/1
1145,19-20 wird ein Arzt gepriesen, weil er Arme und Reiche, Sklaven und
Freie unterschiedslos behandelte (ähnlich SIG 3 538A). Vgl. ferner die röm.
Grabinschrift ILCV 1233,5ff. "Den Erfolg seiner Kunst ergänzte oft eine
Spende, und seine gütige Hand fühlte manch ärmlicher Mann. Jedem Kranken,
der kam, gewährte er umsonst Hilfe."
Soziale Implikationen christlicher Heilungen 371
31 Plin, Hist Nat 29,21. Vgl. Cels, Med 1114,10, zur ärztlichen Gewinnsucht
bei Fiebererkrankungen.
32 Mart, Epigram 1,47: Nuper erat medicus, nunc est vispillo Diaulus:
quod vispillo facit, fecerat et medicus (vgl. 1,30; ähnlich VIII, 74 zu einem
ehemaligen Augenarzt und späterem Ringkämpfer: oplomachus nunc es, fueras
ophtalmicus ante fecisti medicus quod facis oplomachus). Vgl. ferner Iuvenal
X.219-221.
33 Selbstverständlich handelt es sich bei dem Vorwurf der ärztlichen In-
kompetenz und Raffsucht um einen festen Topos, der grundsätzlich kritisch zu
betrachten ist, allerdings im Blick auf die historischen Gegebenheiten in Rom
der Sache im Prinzip gerecht wird, vgl. dazu Kudlien, Stellung des Arztes in
der röm. Gesellschaft 190-198.
34 ILCV 3480 "Falsche Medizin vermehrte die tödlichen Schmerzen, und
durch die menschliche Heilkunst wuchs meine Krankheit"; ILS 9441 "Un-
schuldige Seele, welche die Ärzte operierten und umbrachten". Auch Plinius
berichtet von derartigen Inschriften (Hist Nat 29,11: Hinc illa infelix monu-
mentis inscriptio, turba se medicorum perisse).
3S Vgl. zum Arzthonorar in Rom beispielsweise Plin, Hist Nat 29,7f., zum
Ganzen Friedländer, Sittengeschichte Roms 195. Auch Inschriften geben über
die beträchtlichen Vermögen einzelner Ärzte Auskunft, vgl. etwa die Grabin-
schrift ILS 7812 (Assisi): Der Arzt Publius Decimius, ein Freigelassener,
stiftete nahezu 70 000 Sesterze für öffentliche Zwecke und hinterließ bei
seinem Tode 500 000 Sesterze.
36 Gal X,5, vgl. Gal XIX,9: Die meisten Ärzte könnten nicht einmal
richtig lesen.
Soziale Implikationen christlicher Heilungen 373
37 Vgl. auch Luc, Philops 14 (16 Minen, davon 4 als Vorschuß, für Lie-
beszauber des Hyperboreers), und die Pachrates-Hadrian-Erzählung PGM
IV,2446-2455.
38 Apol II 6,6; ähnlich Dial 85,2f. Im 3.Jhdt.n.Chr. sind für die Christen in
Rom 52 "Lektoren, Exorzisten und Pförtner" bezeugt (Cornelius bei Euseb,
Hist Eccl VI 43,11). Offenbar verfügte jede Gemeinde über einen eigenen
Exorzisten.
374 Form- und sozialgeschichtliche Aspekte
Zudem sind enge Bezüge zwischen Heilung und Heil gegeben, indem
die umsonst gewirkten Wundertaten auf eine Bekehrung der geheilten
Personen abzielten (vgl. Act Pt 11,18-24). Irenäus zufolge bewirkten
speziell Dämonenaustreibungen in zahlreichen Fällen, daß die von den
Krankheitsgeistern Befreiten gläubig wurden und der Kirche beitraten
(ÜÖTE noXXäxic; xai TUGTEÜEIV EXEIVOUC; aütoüc; TOÜC; xadapio-&EVTac; änö TUV
novnpuv nvEuuäruv xai Eivai EV TT[ ExxXr|öia Haer II 32,4/Euseb, Hist Eccl
V 7,4). Daß sich bei christlichen Wundertätern mit kostenlosen Heilun-
gen an außerhalb der Kirche stehenden Personen geradezu die Erwar-
tung einer Bekehrung zum Christentum verband, erhellt anschaulich aus
den Johannes- und Thomasakten. Der Apostel Johannes weist die ihm
für eine Dämonenaustreibung gebotenen zehntausend Goldstücke mit
der Begründung zurück, der umsonst heilende Arzt Jesus nehme kein
Silber, sondern ernte als Gegenleistung die Seelen der Geheilten (Act
Joh 56). Der im Namen Jesu heilende Thomas fordert keinen Lohn,
sondern Glauben und Heiligkeit, um Genossen für sein Tun zu gewinnen
(Act Thom 104). Von diesem Gesamtbild her wird es den historischen
Gegebenheiten vollauf gerecht, wenn Origenes den von der apostoli-
schen Zeit bis in seine Gegenwart hinein in ungebrochener Kontinuität
bestehenden, unverzichtbaren Wert christlicher Wundertaten als Mittel
der Mission betont. Ohne Machttaten und Wunder (xupic. Suväusuv xai
napaSö^uv) hätten die Apostel niemanden dazu bringen können, die
Religion ihrer Väter zu verlassen und sich trotz drohender Todesgefah-
ren der christlichen Lehre zuzuwenden, "und auch jetzt noch haben
sich Spuren des Heiligen Geistes, der in Gestalt einer Taube gesehen
wurde, bei den Christen erhalten. Sie treiben Dämonen aus, vollbringen
viele Krankenheilungen und tun dem Willen Gottes gemäß manchen
Blick in die Zukunft" (Cels 1,46).
5. Ergebnisse
1. Für das frühe Christentum läßt sich eine breite Bewegung von
Wandermissionaren nachweisen, die ihre Legitimität und die Art ihres
Auftretens entscheidend von der im Kern authentischen Aussendungs-
tradition Lk 10,l-12par ableiteten. Die wesentlichen Charakteristika sind
lichkeit ein auf Erwerb angewiesener (EnEvSEfjc; Y^P ?V) Arzt gewesen, der
mit der Herstellung von Heilmitteln seinen Lebensunterhalt bestritten habe.
Bereits Plato hatte Sokrates Zweifel daran äußern lassen, ob es sich bei dem
aus Gewinnsucht heilenden Asklepios um einen Gottessohn gehandelt haben
könne (Res Publ III, 408BC).
376 Ergebnisse
den Stellenwert in ihrem Wirken einräumten und dabei ohne engere Be-
rührungspunkte zu wissenschaftlicher Medizin oder rationalen Krank-
heitsdiagnosen grundsätzlich dem Bereich der Magie und des Schama-
nismus zuzuordnen sind.
Solche historischen Fakten begründen keinen christlichen Glauben,
"damit daß Jesus als Wundermann herausgestellt wird, ist noch niemand
in echtem Sinne vor die Entscheidung zwischen Glauben und Unglauben
gezwungen" 1 . Sie können allerdings in ihrer geschichtlichen Bedeutung
nicht ignoriert werden und zudem belebende Wirkung auf die kirchliche
Praxis ausüben. Das in der Hinwendung zu ausgegrenzten Besessenen
oder Kranken gesetzte, im frühen Christentum in der Tradition der Aus-
sendungsüberlieferung in ungebrochener Kontinuität fortgeführte Beispiel
Jesu steckt Leitlinien für das diakonische Handeln der Kirche ab. Von
dem Vorurteil befreit, zwangsläufig degenerierte Form von Religion oder
Aberglaube zu sein, können Magie und Schamanismus mit ihrem ganz-
heitlich orientierten Welt- und Menschenbild in Rückbesinnung auf die
Heilungswunder bei Jesus und den frühen Christen befruchtend auf die
seelsorgerlich-therapeutische Praxis wirken. Theologisch verantwortete
Reflexion hat nicht nur die Aufgabe, Volksreligiosität mit Tendenz zum
wunderhaften oder magischen Element kritisch auf ihre Legitimität und
Angemessenheit hin zu befragen, sondern kann aus der Begegnung mit
Formen religiösen Denkens, die im Horizont des vom Rationalismus ge-
prägten neuzeitlichen Wirklichkeitsverständnisses bei oberflächlicher
Betrachtung Unverständnis hervorrufen oder als Anachronismus erschei-
nen, auch Gewinn und neue Impulse beziehen.
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lin 1981.
VIII. Register (in Auswahl)
1. Autoren
B e t z , O. 27 G r i m m , W. 27.32 Safrai, S. 41
E i t r e m S. 34 M e y e r , R. 32 V e r m e s , G. 41.14013
312
F e r n g r e n , G.B. 45 Middleton, J. 54
W e d e r , H. 46
Flusser, D. 40f. Müller, U.B. 32
W e i n e l , H. 42
F r a z e r , J.G. 55 Mußner, F. 28f.51
W e i ß , J. 183
F r i d r i c h s e n , A. 42 Paulus, H.E.G. 20f.
Windisch, H. 34f.
G e o r g i , D. 42f. Pesch, R. 30
Zeller, D. 30f.
G l ö c k n e r , R. 27 Petzke, G. 2412.36
Register 433
3. Stellen
a) AT
c) Qumran
/ QGenAp 4 0 510.511 136 11 QPsApa 134L150
XlXJOff. 131f.
4 0 560 136 UQPsDav Comp
4 QOrNab 132f. XXVII 135
d) Hellenistisch-jüdische Autoren
f) Griechisch-römische Autoren
h) Neues Testament
Mt-Ev Lk-Ev Apg (Forts.)
4,1-11 285-287 4,1-13 285-287 14,10 354
7,15-23 330-335 4,39 223 16,18 21448.352
7,21-23 361 5,1-11 277-279 19,13 335.350.352
8,5-13 257-259 7,1-10 257-259 19,13-17 151-153.336
10,1-16 316-321 7,11-17 266-268
10,5b.6 195.2S5f.261 7,18-23 216-221
10,8 362.373.378 10,l-15par 316-321 Rom
10,7f. 196f. 10,9 196L328. 15,18f. 32943
11,2-6 216-221 330 15,19 328
11,5 357-359 10,17-20 321-323
12,11 249f. 10,18 191-195
12,27f. 141.176.182ff. 10,23f. 221f. 1 Kor
12,43-45 199-201.214 ll,19f. 141.176.182- S,3ff. 32944
13,16f. 221f. 186.202 9,1-18 325-327
17,24-27 277 11,24-26 199-201 12,lff. 340-342
13,10-17 241f. 15,7 324f.
13,15 250
Mk-Ev 13,25-27 331f.
l,12f. 271L286 13,31-33 187-189 2 Kor
1,21-28 201-205.290 14,1-6 242-244 10-13 323-330.
1,29-31 222f. 14,5 249f. 359-361
2,1-12 225-228 17,11-19 259-262 12,12 318.359
2,27 247f. 24,19 26716.294
3,1-6 239-241
3,4 249 Gal
3,14f. 196 Joh-Ev 3,5 341
3,22-26 174-182 2,1-12 279-281
3,27 176L189-191 4,46-54 257-259
4,35-41 272-274 5,1-47 244f. Phil
5,1-20 205-209 5,2-9b 228f. 3,2 324.329
5,22-43 263-266 5,8 353
5,25-34 229-231 6,1-15 274
6,6b-13 195-199.319 6,16-21 275 1 Thess
6,30-44 274 7,15-24 244f. 1,5 32943
6,45-52 275 9,1-7 236-238 l,9f. 356
7,24-30 254-257 9,1-47 245-247
7,31-37 231-234 11,1-44 268-270
8,1-10 274 21,1-14 277-279 / Tim
8,llf. 281-285 5,18 326.33354
8,22-26 234-236
9,14-29 209-215 Apg
9,28f. 342-344 2,22 29522.356 Jak
9,38-40 335f. 3,6 22723.354 5,14-16 344-347
10,46-52 238f. 5,36 145
ll,12ff. 275f. 9,34 354
16,15-20 336-339 9,36-43 264f. Apk
16,17f. 322 10,38 29522.356 2,2 376
438 Register
i) Ntl. Apokryphen
Act Andr Act Petr Act Thom
5 352f. 11 207L3S2 30 355
27 354L359 53 355
Act Joh 75 355
41 353 Act Phil 77 214.352
56 374f. 128 236 81 353
57 353
75 355 Act Pt (Nag Hammadi) Ep Ap
83 355 8,llff. 339f.365.375 5 207.352.357f.
A
Glaube und Heilung
V&R
Vandenhoeck
&_ Ruprecht