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C OROMA •S•S•A•M•

Collège Romand de Médecine de l'Addiction Schweizerische Gesellschaft für Suchtmedizin

herunterzuladen von : www.ssam.ch

Neurowissenschaften
und Sucht
Herausgeber: Collège romand de médecine de l'addiction
www.romandieaddiction.ch

© CoRoMA
Vervielfältigung bedarf der schriftlichen Genehmigung und Angabe der Quelle

November 2009

Information : info@romandieaddiction.ch

Autoren: Société Axess


www.axess-lab.ch

Eine Publikation im Auftrag und mit der finanziellen Unterstützung des Bundesamtes für Gesundheit

Mit der wissenschaftlichen Unterstützung der Schweizerischen Gesellschaft für Suchtmedizin


www.ssam.ch

Zeichnung auf der Titelseite : Aloys Lolo


Layout : Fillion imprimerie
Neurowissenschaften
und Sucht
Das Gehirn
INHALTSVERZEICHNIS

Begleitwort p. 7

Vorwort p. 9

1. Einleitung

SUBSTANZKONSUM
p. 11

2. Das Gehirn
2.1. Organisation p. 11
2.2. Neuronen p. 11
2.3. Limbisches System p. 12
2.4. Belohnungssystem p. 14
2.5. Dopamin p. 15

3. Substanzkonsum

ABHÄNGIGKEIT
3.1. Alkohol p. 16
3.2. Nikotin p. 17
3.3. Cannabis p. 18
3.4. Kokain p. 18
3.5. Heroin p. 19

4. Abhängigkeit
4.1. Anpassung des Belohnungssystems p. 20
4.2. Molekulare Mechanismen p. 20
4.3. Entzug p. 21

5. Sucht

SUCHT
5.1. Hinweisreize und Gedächtnis p. 22
5.2. Substanzungebundene Süchte p. 23
5.3. Präfrontaler Kortex p. 23

6. Individuelle Faktoren der Suchtanfälligkeit


6.1. Genetische Faktoren p. 24
6.2. Stress und Sucht p. 24
6.3. Risikofaktoren während der Adoleszenz p. 25
FAKTOREN

6.4. Persönliche Vorgeschichte p. 25

7. Behandlungsformen
7.1. Psychologische Therapien p. 26
7.2. Pharmakologische Behandlungen p. 26

8. Fazit p. 28

BEHANDLUNGSFORMEN

Glossar p. 29

Referenzen p. 30

5
Das Gehirn
BEGLEITwort

Die Erkenntnisse der Neurowissenschafter haben in der Debatte über Suchtfragen zunehmend an
Bedeutung gewonnen. Dieser Umstand ist nicht weiter verwunderlich, denn in den vergangenen
zehn Jahren haben die Neurowissenschaften auf dem Gebiet der Sucht eine bemerkenswerte
Entwicklung durchgemacht.

SUBSTANZKONSUM
Die Sucht- und Abhängigkeitsphänomene entfachen seit jeher leidenschaftlich geführte
Diskussionen, bei denen gesichertes Wissen und vorgefasste Meinungen nicht immer leicht
auseinanderzuhalten sind. So tauchten denn auch in der jüngsten Auseinandersetzung über die
Revision des Betäubungsmittelgesetzes erneut Ansichten auf, die jeglicher wissenschaftlicher
Grundlage entbehren und eine klare Betrachtung erschweren.

Das Bundesamt für Gesundheit hat sich schon immer darum bemüht, im öffentlichen und
fachlichen Diskurs auf Fakten basierende Argumente einzubringen. Dies ist das primäre
Ziel der vorliegenden Broschüre, die sich als populärwissenschaftliche Publikation versteht.
Die Mechanismen des Gehirns sind äusserst komplex. Für deren Verständnis sind profunde
Kenntnisse erforderlich, über welche nur die Spezialisten verfügen. Eine Standortbestimmung in
einer breiten Öffentlichkeit aus Fachleuten und Entscheidungsträgern zugänglichen Sprache tat

ABHÄNGIGKEIT
daher Not.

Angesichts des rasanten Wandels der wissenschaftlichen Disziplinen und Technologien, welche
die Entwicklung der Neurobiologischen Suchtforschung vorantreiben, wird die Broschüre in
elektronischer Form publiziert, damit sie mit den Forschungsergebnissen Schritt halten kann.
Sie richtet sich in erster Linie an Fachkräfte, die ihr Wissen auf den neusten Stand bringen
möchten, und lässt sich auch als didaktisches Instrument einsetzen. Ein umfangreiches
Literaturverzeichnis soll Studierenden bei der Vertiefung der Thematik behilflich sein. Für die
politischen Entscheidungsträger und die breite Öffentlichkeit wurde eine Kurzfassung erstellt.

Ich danke den Mitarbeitenden von aXess für die Erarbeitung der vorliegenden Broschüre, dem
Collège romand de médecine de l’addiction für die Projektleitung und den Mitgliedern des entspre-
chenden Netzwerkes für deren wertvollen Anregungen sowie dem wissenschaftlichen Beirat der

SUCHT
Schweizerischen Gesellschaft für Suchtmedizin für die Sicherstellung der wissenschaftlichen
Qualität-der vorliegenden Publikation.

Bern, September 2009, René Stamm, Projektleiter im BAG

FAKTOREN
BEHANDLUNGSFORMEN

7
Das Gehirn
Vorwort

Das Collège romand de médecine de l’addiction (COROMA), die vom Bundesamt für Gesundheit
(BAG) unterstützte Expertengruppe Weiterbildung Sucht (EWS) sowie die Schweizerische
Gesellschaft für Suchtmedizin (SSAM) freuen sich, der interessierten Öffentlichkeit eine
Informationsschrift zur Thematik „Neurowissenschaften und Sucht“ zu präsentieren. Diese
populärwissenschaftliche Arbeit in einem aktuellen und aufstrebenden Gebiet deckt ein echtes

SUBSTANZKONSUM
Bedürfnis nicht nur aller betreffenden Fachleute, sondern auch der breiten Öffentlichkeit ab.

Um das Thema Sucht ranken sich nämlich Vorurteile und Meinungsverschiedenheiten, denen
mit einem wissenschaftlichen Austausch auf dem aktuellen Stand der Erkenntnis zu begegnen
ist. Das Konzept der Suchtwissenschaften begründet eine neue fachübergreifende Disziplin,
die auf einem ganzheitlichen Wissensideal (logos) aufbaut. In dieser Interdisziplinarität spielen
viele Berufsfelder und Fachgebiete eine wichtige Rolle. Die Suchtmedizin setzt ihrerseits
grosse Hoffnungen in die Neurobiologie, damit sich Fortschritte im Bereich der Diagnose und
Behandlung erzielen lassen. Sie ist sich indessen bewusst, dass bei Personen mit komplexen
Krankheitsbildern stets ein holistischer und mehrdimensionaler Ansatz angezeigt ist. Im Falle
von psychischen Erkrankungen beispielsweise prägen sich die biologische, psychologische und
soziale Vulnerabilität in Abhängigkeit vom Kontext und von der Umwelt aus.

ABHÄNGIGKEIT
Neurowissenschaften sind facettenreich und bedienen sich zahlreicher Subdisziplinen, von der
Molekularbiologie (Genetik) über die Psychopharmakologie und Neuropsychologie bis hin zu den
Humanwissenschaften (soziale Neurowissenschaften). Die Neurowissenschaften machen derzeit
eine beeindruckende Entwicklung durch, die vor allem durch die neuen bildgebenden Techniken des
Gehirns beflügelt wird. Tausende von Forschern begeben sich mit der Ergründung des Bewusstseins
auf die Reise zum letzten Abenteuer der Menschheit. Wie alle jungen Wissenschaftszweige lassen
sich Vertreter der Neurowissenschaften bisweilen von ihrer Begeisterung hinreissen und laufen
Gefahr, einem potenziell reduktionistischen Erfolgsoptimismus zu verfallen. Den erfahrenen
Neurowissenschaftern ist indessen bewusst, dass sie der Forschungsgegenstand zur grössten
Bescheidenheit mahnt.

Die neurowissenschaftliche Herangehensweise eignet sich ausgesprochen gut für die Suchtproble-

SUCHT
matik, denn die psychoaktiven Substanzen üben einen beobachtbaren und nachweisbaren Einfluss
auf das Gehirn aus. Dies trifft auf Tiermodelle zu, die dem Verständnis menschlichen Verhaltens
vor allem im Bereich des Paradigmas der Selbstverabreichung psychoaktiver Substanzen dienen.

Vor diesem Hintergrund können die Leserinnen und Leser erkennen, dass die vorliegende
Broschüre in das Zusammenspiel der bereits bestehenden interdisziplinären Ansätze einen
interessanten und wichtigen Standpunkt einbringt. Die Neurobiologie der Sucht fügt der
Suchtwissenschaft (Addictologie) einen weiteren Baustein hinzu und trägt dazu bei, dass in der
Öffentlichkeit moralische Werturteile klinischen und wissenschaftlichen Aussagen weichen und an
Suchtkrankheiten leidende Menschen von ihrem Stigma befreit werden.
FAKTOREN

Lausanne, September 2009 Robert Hämmig,


Präsident der SSAM

Jacques Besson,
BEHANDLUNGSFORMEN

Präsident des wissenschaftlichen Beirates der SSAM

9
Das Gehirn
1. Einleitung Hirnregionen sind insbesondere für die
Steuerung gewisser Aspekte des Verhaltens
oder des Denkens verantwortlich. Diese
Auf der Suche nach dem Schlüssel für Unterteilung ist allerdings nicht strikt, denn
das Verständnis der Mechanismen, die Informationen werden in der Regel durch
die der Sucht* zugrunde liegen, ein Netzwerk von Strukturen verarbeitet.
setzen die Neurowissenschaftler ihre Dennoch lässt sich grob eine schematische
Forschungsarbeiten nicht nur auf der Karte der einzelnen Hirnareale aufgrund
molekularen und zellulären, sondern auch ihrer Beteiligung an verschiedenen

SUBSTANZKONSUM
auf der kognitiven und verhaltensbezogenen physiologischen und psychologischen
Ebene fort. Dank der Fortschritte der Funktionen erstellen.
Forschungsmethoden liessen sich die
Veränderungen der Hirnfunktionen bei
gelegentlichem oder chronischem Konsum 2.2. Neuronen
psychotroper Substanzen* visuell darstellen
und die Mechanismen der Abhängigkeit* Das Gehirn besteht aus erregbaren
und der Sucht differenzieren. Die Daten der Zellen, den Neuronen. Wird eine solche
Neuropsychologie, der Neurobiologie und Nervenzelle erregt, sendet sie elektrische
der zerebralen Bildgebung konnten folglich Signale (Aktionspotenziale) in ihren als Axon
nachweisen, dass die Abhängigkeit von bezeichneten Fortsatz. Nach den aktuellen
psychoaktiven Substanzen das Ergebnis der

ABHÄNGIGKEIT
neurowissenschaftlichen Erkenntnissen
durch die psychotrope Wirkung ausgelösten stellt die Frequenz dieser Aktionspotenziale
Adaptionsprozesse des Gehirns ist und den Hauptweg der Informationsübertragung
Sucht nichts mit Willensschwäche zu tun dar. Die Zellfortsätze berühren einander
hat, sondern mit einer Veränderung der nicht, sondern sind über hoch spezialisierte
Lernmechanismen im Gehirn, welche die Strukturen, die so genannten Synapsen,
Motivations- und Entscheidungsprozesse verbunden. Damit der elektrische Impuls
beeinflussen. Dies erklärt denn auch die vom Ende des Axons an die nachgeschaltete
Schwierigkeiten der betroffenen Personen, Nervenzelle weitergeleitet wird, muss er
ihr Konsumverhalten zu kontrollieren oder zu
einen rund 10 bis 40 Nanometer messenden
stoppen.
Zwischenraum überwinden: den synaptischen
Indem neurowissenschaftliche Erkenntnisse
Spalt. Schätzungen zufolge können die
über die Sucht in der Gesellschaft verbreitet
Synapsen bis zu 40 % der Oberfläche eines
werden, bietet sich die Möglichkeit,

SUCHT
Neurons einnehmen.
mit gewissen hartnäckigen Vorurteilen
Auf dieser Ebene ändert sich die Art der
aufzuräumen, die zur Stigmatisierung der
Informationsübertragung, indem das
Drogenabhängigkeit sowie zu falschen
elektrische Signal die Ausschüttung eines
therapeutischen und administrativen
chemischen Botenstoffs (Neurotransmitter*)
Massnahmen führen.
auslöst. Die Frequenz der Aktionspotenziale
Die vorliegende Broschüre widmet sich zwar
moduliert in der Synapse die Konzentration
dem Zusammenhang zwischen psychotropen
an Neurotransmittern, welche zur Membran
Substanzen und Gehirn, es gilt aber zu
der Empfängerzelle gelangen. Die Bindung
bedenken, dass weitere wichtige Faktoren
beim Gebrauch psychoaktiver Substanzen* des Neurotransmitters an seinen spezifischen
Rezeptor, die nach dem Schlüssel-Schloss-
FAKTOREN

und beim Ausstieg aus deren Konsum mit im


Spiel sind: Dazu gehören unter anderem das Prinzip funktioniert, ruft eine physiologische
familiäre, soziale, kulturelle und wirtschaftliche Antwort hervor, die als postsynaptisches
Umfeld. Potenzial bezeichnet wird. Die sowohl
zeitliche als auch räumliche Summation dieser
postsynaptischen Potenziale „entscheidet“
aufgrund eines Schwellenwertes, ob ein
Aktionspotenzial in der postsynaptischen
2. Das Gehirn Nervenzelle aufgebaut wird oder nicht.
Das Gehirn produziert Dutzende
BEHANDLUNGSFORMEN

verschiedener Typen von Neurotransmittern:


2.1. Organisation Einige davon sind an den Mechanismen des
Konsums psychoaktiver Substanzen beteiligt,
Das Gehirn verfügt über eine strukturelle so die Botenstoffe Dopamin, Noradrenalin,
und funktionelle Organisation. Bestimmte Serotonin, endogene Opiate, Cannabinoide,

11
GABA (Gamma Amino Butyric Acid) oder Depression der Synapse erfolgt. Diese
Glutamat. Mechanismen werden unter dem Begriff der
Die Veränderung des neuronalen Signals synaptischen Plastizität subsumiert. Es wird
findet vorwiegend in den Synapsen statt: angenommen, dass die Mechanismen der
Hier kann es entweder zu einer Verstärkung
synaptischen Plastizität, durch welche sich
des Signals kommen, wenn die Synapse
potenziert wird (über einen Anstieg der die Effizienz der Informationsübertragung
Neurotransmitterkonzentration oder eine zwischen den Neuronen zeitlich modifizieren
Erhöhung der Rezeptorenzahl) oder lässt, den Lern- und Gedächtnisprozessen
auch zu einer Abschwächung, wenn eine zugrunde liegen.

Die synapse

12
Das Gehirn
2.3. Limbisches System endokrine System (Hormonsekretion)
als auch das autonome Nervensystem,
Das limbische System stellt keine eigentliche das für die unwillkürlichen Funktionen
Gehirnstruktur dar, sondern bildet ein (Atmung, Verdauung, Herzrhythmus usw.)
Netzwerk aus Nervenbahnen: Dazu gehören und die Aufrechterhaltung des inneren
bestimmte Strukturen in der Tiefe der Gleichgewichts (Homöostase) verantwortlich
Temporallappen wie der Hippocampus, der ist. Es handelt sich entwicklungsgeschichtlich
für die Speicherung von erfahrungsbasierten um eine der ältesten Hirnstrukturen, die

SUBSTANZKONSUM
Gedächtnisinhalten verantwortlich ist, oder auch bei Fischen und Reptilien vorkommt.
die Amygdala (Mandelkern), die bei der Eine der Hauptfunktionen des limbischen
emotionalen Bewertung eines Ereignisses Systems besteht darin, die zentralen
mithilft. Das limbische System hängt sehr arterhaltenden Verhaltensweisen wie
eng mit dem Hypothalamus zusammen, Fortpflanzung, Nahrungsaufnahme oder
der eine zentrale Rolle bei der Steuerung Verteidigung gegenüber Angreifern zu
der Körperfunktionen spielt (Regulation der verstärken. In gewissem Sinne stellt es
Körpertemperatur, circadianer Rhythmus, eine Art Kreuzung dar, an welcher die
Nahrungsaufnahme usw.), sowie mit Informationen aus mehreren verschiedenen
dem Präfrontales Kortex, der für die Hirnstrukturen verarbeitet werden mit dem
kognitiven Funktionen, die Planung, die Ziel, zur Ausübung eines der jeweiligen
Motivation und die Entscheidungsfindung Situation angemessenen Verhaltens zu

ABHÄNGIGKEIT
zuständig ist. Es beeinflusst sowohl das führen.

SUCHT
FAKTOREN
BEHANDLUNGSFORMEN

Das limbische System

13
2.4. Belohnungssystem Ausscheidung, Temperaturregulation, Ruhe
und Schlaf, Muskel- und Nervenaktivität,
Allen Suchtmitteln ist gemeinsam, körperliche Unversehrtheit, soziale Kontakte,
dass sie auf einen bestimmten Teil des Sexualität) und werden anschliessend an
limbischen Systems einwirken, und zwar eine andere Hirnstruktur, den weiter vorne
auf das Belohnungssystem: Sie aktivieren im Gehirn gelegenen Nucleus accumbens
insbesondere ein als „ventrales Tegmentum“
weitergeleitet. Dank dieses Schaltkreises
bezeichnetes Areal, das sich im Zentrum
des Gehirns befindet. In dieser Struktur werden die für den Menschen interessanten
laufen aus mehreren Gebieten des Handlungen ermittelt und verstärkt, damit
limbischen Systems Informationen über den sie künftig in derselben Situation erneut
Befriedigungsgrad der Grundbedürfnisse ausgeführt werden. Der von diesen Neuronen
zusammen (Atmung, Nahrungsaufnahme, verwendete Neurotransmitter ist Dopamin.

Der Belohnungsschaltkreis
setzt sich aus dem ventralen
NA Tegmentum (ATV) und dem
ATV
Nucleus accumbens (NA)
zusammen.

Das Belohnungssystem ermittelt


die unerwarteten und positiven
Folgen eines Verhaltens in
einer gegebenen Situation
und generiert ein Lernsignal,
damit dieses Verhaltensmuster
in Zukunft wiederholt wird.
Beispiel: Ein Mann geht in ein
neues Restaurant, um zu essen.
Die Speisen, die Atmosphäre
und die zuvorkommende
Bedienung sagen im so sehr zu,
dass sein Belohnungssystem
stimuliert wird und ein Lernsignal
aussendet. Dank dieses Signals
prägt er sich ein, dass die
Konsequenz seiner Handlung
äusserst positiv ist, was ihn
nächstens zu einem erneuten
Restaurantbesuch bewegen
könnte.

14
Das Gehirn
2.5. Dopamin soll wahrscheinlich ein zu gutes Erlernen von
Verhaltensmustern verhindern, damit diese
Dopamin ist der zentrale Botenstoff des wieder gelöscht oder modifiziert werden
Belohnungssystems. Die bahnbrechenden können, wenn sich ihre Konsequenzen
Affenexperimente von Schultz (1998, ändern sollten.
2000a,b) an der Universität Cambridge Anders, als man lange Zeit angenommen
haben gezeigt, dass die Aktivität der hat, ist Dopamin demzufolge nicht für die
Dopamin produzierenden Nervenzellen des hedonistischen Zustände verantwortlich,

SUBSTANZKONSUM
Belohnungssystems stark erhöht ist, wenn sondern kommt vielmehr einem Lernsignal
ein Affe eine Belohnung erhält, die er nicht gleich, das mit einer Belohnung in einer
vorausgesehen hat. Wird das Tier hingegen bestimmten Situation verbunden ist. Dies
in der erwarteten Weise belohnt, aktivieren würde bedeuten, dass das Dopamin
sich die dopaminergen Neuronen in das Herausragende (Salience) oder die
normalem Mass. Wenn der Affe vergeblich Bedeutung eines Ereignisses oder eines
auf eine Belohung wartet, verringert sich Verhaltens signalisiert.
die Aktivität der dopaminergen Neuronen Studien im Bereich der neuronalen
deutlich, und die Dopaminkonzentration bildgebenden Verfahren haben
fällt unter den normalen Wert. Dopamin nachgewiesen, dass sich dieselben
informiert auf diese Weise das Verstärkungsprinzipien auch auf den
Nervensystem über eine Abweichung Menschen übertragen lassen, obwohl

ABHÄNGIGKEIT
zwischen der erwarteten und der tatsächlich andere kognitive Systeme dieses evolutionär
erhaltenen Belohung. Der Umstand, dass primitive System noch ergänzen, verändern
eine vorhergesehene Belohnung keine oder beeinträchtigen (McClure et al., 2003,
maximale Dopaminfreisetzung hervorruft, 2003b, 2004).

Suchtmittel Dopamin, das vom Gehirn bei einer positiven und unvorhergesehe-
nen Konsequenz eines Verhaltens in einer bestimmten Situation ausgeschüt-
tet wird, entspricht einem regelrechten Lernsignal. Auf diese Weise erhöht das
Gehirn die Auftretenswahrscheinlichkeit dieses Verhaltensmusters.

SUCHT
FAKTOREN
BEHANDLUNGSFORMEN

15
3. Substanzkonsum greifen in dieses System ein, indem sie die
Serotoninkonzentration in verschiedenen
Bereichen des Nervensystems verändern.
Jede Substanz entfaltet eine ihr eigene
Nachfolgend sind die wichtigsten
Wirkung, die je nach Zugehörigkeit zu einer
der drei grossen Gruppen psychoaktiver physiologischen und verhaltensbezogenen
Substanzen anregend, dämpfend oder Wirkungen der fünf meist erforschten
halluzinogen sein kann. psychoaktiven Substanzen beschrieben:
Entsprechend unterschiedlich fallen auch das Alkohol, Nikotin, Cannabis, Kokain und
Verhalten, die Schnelligkeit der Ausbildung Heroin. Die genannten Substanzen ahmen
einer Toleranz*, die Symptome des Entzugs* die Aktivität endogener Moleküle nach.
sowie die kurz- und langfristigen Folgen der Indem sie an bestimmte Rezeptoren auf

Substanz Anregung Dämpfung Halluzination

Alkohol X

Nikotin X

Cannabis X X

Kokain X

Heroin X

jeweils konsumierten Substanz aus.


den Neuronen ankoppeln, können sie diese
Neben ihrer spezifischen Einwirkung auf
aktivieren oder inaktivieren und dadurch
das Gehirn ist sämtlichen Suchtmitteln
biochemische Reaktionen in den Synapsen
ein Merkmal gemeinsam: Sie haben alle
auslösen.
eine erhöhte Dopaminausschüttung im
Belohungssystem zur Folge. Dies bedeutet,
dass bei ihrer Einnahme ein starkes Lernsignal
entsteht, das einen erneuten Konsum fördert. 3.1. Alkohol
Während die Dopaminkonzentration in der
Regel nur dann ansteigt, wenn das Verhalten Ethanol, die im Alkohol enthaltene
eine positive und vor allem überraschende psychoaktive Substanz, wird direkt vom
Konsequenz hat, führt jede Substanzzufuhr Verdauungstrakt über das Blut in das Gehirn
unweigerlich zu einer Steigerung der transportiert, wo es mit dem dopaminergen,
Dopaminfreisetzung. Das Gehirn strebt in serotoninergen und endorphinergen
der Folge nach einem neuen Gleichgewicht, (schmerzhemmenden) System interagiert.
damit es trotz der psychoaktiven Bis jetzt konnte der Rezeptor, an welchen sich
Substanzen wieder normal funktionieren Ethanol anlagert, noch nicht entdeckt werden.
kann. Diese Regulierungsvorgänge Man weiss aber, dass diese Substanz
werden in Kapitel 4.1 näher beschrieben. praktisch überall im Gehirn die inhibitorischen
Zusätzlich zu den dopaminergen Neuronen Neuronen aktiviert und die exzitatorischen
werden zahlreiche weitere Nervenzellen Neuronen hemmt! Inhibitorische Nervenzellen
durch die psychotropen Substanzen haben die Funktion von Bremsen, während
beeinflusst: Dazu gehört beispielsweise exzitatorische Nervenzellen den Vorgang der
das serotoninerge System, dessen neuronalen Signalübertragung stimulieren.
Verzweigungen von den Raphekernen Diese beiden gleichzeitig ausgeübten
ausgehen und sich nahezu im gesamten Wirkungen von Ethanol haben eine allgemeine
Gehirn sowie im Rückenmark ausdehnen. Verlangsamung der Funktionsweise des
Dieses System ist an den Prozessen zur zentralen Nervensystems zur Folge und rufen
Regulierung der Körpertemperatur, des ein beruhigendes und entspanntes Gefühl
Schlafes, des Gemütszustandes, des Appetits hervor, machen schläfrig, beeinträchtigen
und der Schmerzempfindung beteiligt. die motorischen Fähigkeiten, verlangsamen
Kokain, Amphetamine, LSD und Alkohol die Atemfrequenz, verursachen Übelkeit

16
Das Gehirn
und können je nach Dosis bis zum Koma Alzheimer und Parkinson, auf molekularer
führen. Die Aktivität des Hippocampus wird Ebene, sondern auch wegen seiner
gestört, was die bei Missbrauch* von Alkohol stimulierenden Eigenschaften auf die kogni-
allgemein bekannten Gedächtnisausfälle tiven Aufmerksamkeits-, Konzentrations- und
erklärt. Die Urteilsfähigkeit wird durch diese Gedächtnisfunktionen (Picciotto et Zoli, 2008).
Verlangsamung ebenfalls beeinträchtigt. Beim Tabakkonsum wird Nikotin über die
Im Belohnungssystem entfaltet Ethanol eine Mund-, Nasen- und Lungenschleimhäute
andere Wirkung als im restlichen Gehirn aufgenommen und im gesamten Körper

SUBSTANZKONSUM
und inaktiviert die inhibitorischen Neuronen, verteilt. Im Gehirn ahmt es die Aktivität von
welche die dopaminergen Nervenzellen Azetylcholin nach und bindet sich an einen
hemmen. Auf die Alkoholzufuhr folgt daher seiner beiden Rezeptoren. Azetylcholin ist
eine Zunahme der Dopaminfreisetzung ein Neurotransmitter, der hauptsächlich
im Belohnungssystem. Dieses Lernsignal dafür bekannt ist, die Übertragung zwischen
verstärkt das Verhaltensmuster und erhöht Neuronen und Muskeln der Motorik, der
die Wahrscheinlichkeit eines erneuten Herztätigkeit, der Atmung oder auch der
Alkoholkonsums. Verdauung sicherzustellen. Ihm kommt aber
Eine längerfristige Alkoholeinnahme zwingt auch beim Schlaf-Wach-Rhythmus eine
die Leber zu einem schnelleren Ethanolabbau, tragende Rolle zu. Nach der Freisetzung in
wodurch die Rauschempfindung abnimmt. die Synapse wird das an den Rezeptoren
Das Gehirn passt sich seinerseits an, damit angedockte Azetylcholin rasch von Enzymen
es weniger empfindlich wird und trotz des abgebaut. Nikotin übt zwar dieselben

ABHÄNGIGKEIT
Alkoholkonsums wieder zu einer „normalen“ Funktionen aus, kann aber durch die
Funktionsweise findet. Aufgrund dieser Enzyme nicht abgebaut werden. Es hält sich
adaptiven Vorgänge werden grössere daher länger im synaptischen Spalt auf als
Mengen benötigt, um weiterhin die Wirkung Azetylcholin. Indem es an den Rezeptoren
des Alkohols zu spüren. Beim Absetzen des haften bleibt, wirkt es entsprechend stärker.
Alkoholkonsums kommt es aufgrund der Die grössere Wirkung von Nikotin fördert
beschriebenen Anpassungsvorgänge, welche die Konzentrationsfähigkeit, vermittelt ein
die Alkoholwirkung durch die Hemmung der Gefühl der Entspannung, verbessert die
inhibitorischen Nervenzellen und durch die Stimmungslage und die Wachheit und steigert
Steigerung der Aktivität der exzitatorischen das Genussempfinden. Reaktionsfähigkeit,
Nervenzellen abgeschwächt haben, zu einer Ängstlichkeit und Appetit nehmen ab (vgl.
Überstimulation des Gehirns. Die Folge Rose, 2007; Benowitz, 2008, für Literatur-
davon sind Rastlosigkeit, Schlaflosigkeit oder Reviews zur Nikotintoleranz).

SUCHT
sogar epileptische Anfälle. Die Zelltodrate Azetylcholin ist auch für seine stimulierende
steigt mit regelmässigem Alkoholkonsum an Wirkung auf dopaminerge Neuronen
und das Volumen des Gehirns, insbesondere des Belohnungssystems bekannt. Durch
des präfrontalen Kortex schwindet. Dadurch eine massive Nikotinzufuhr werden die
werden kognitive Defizite bis hin zum exzitatorischen Neuronen, welche die
Korsakow-Syndrom mit Gedächtnis-, Denk-, Dopamin produzierenden Nervenzellen
Verhaltens- und Affektstörungen verursacht. stimulieren, aktiviert und die inhibitorischen
(Für Literaturübersichten vgl. Nevo et Neuronen, welche die Dopamin
Hamon, 1995; Fadda et Rossetti, 1998; produzierenden Nervenzellen hemmen,
Oscar-Berman und Marinkovic, 2007). inaktiviert. Da die Enzyme, die normalerweise
FAKTOREN

für den Abbau von Azetylcholin zuständig


sind, Nikotin nicht abbauen können, verbleibt
3.2. Nikotin eine erhöhte Dopaminkonzentration im
Belohnungssystem und generiert ein starkes
In der Zusammensetzung von Zigaretten Lernsignal, welches die Wiederholung des
wurden Tausende chemischer Substanzen Nikotinkonsums begünstigt.
nachgewiesen. Der Fokus der Bei einem Tabakkonsum über eine längere
wissenschaftlichen Untersuchungen richtete Zeit erhöhen die Neuronen die Anzahl
sich schnell auf das Nikotin, es scheint aber, der nikotinergen Rezeptoren, um den
BEHANDLUNGSFORMEN

dass weitere Alkaloide ebenfalls bei der unregelmässigen Nikotinzufluss besser


Tabaksucht mitspielen. regulieren zu können. Diese Modifizierung
Als isolierte Substanz war Nikotin übrigens erfolgt über eine neue genetische Aktivität.
wegen seiner neuroprotektiven Wirkung Es treten folglich Entzugserscheinungen auf,
bei neurodegenerativen Krankheiten, wie wenn das Rauchen eingestellt wird.

17
3.3. Cannabis Entwicklung psychotischer Störungen und
paranoiden Verhaltens kontrovers beurteilt
Die Forschung über die Cannabiswirkung hat (Laqueille, 2005; Ben Amar et Potvin, 2007;
zur Entdeckung von natürlichen (endogenen) DeLisi, 2008; Cooper et Haney, 2008; Fattore
Cannabinoiden im Gehirn geführt. Eine et al., 2008).
Studie weist ihnen eine Funktion bei den
nach grösserer Anstrengung entstehenden
Empfindungen zu. Lange Zeit ging man davon 3.4. Kokain
aus, dass die Schmerzunterdrückung und das
Rauschgefühl, welche sich bei körperlicher Kokain hat eine aufputschende,
Anstrengung einstellen, auf die Endorphine euphorisierende und erregende Wirkung, belebt
(endogene Opiate) zurückzuführen sind. Nun das Denken und führt zu Allmachtsphantasien
scheinen vielmehr die Cannabinoide dafür sowie Bewegungsunruhe. Aggressivität kann
zuständig zu sein. Sie haben zweifelsohne manchmal ebenfalls auftreten. Kokain wirkt
weitere physiologische und psychologische schnell und kurzfristig: Gerauchtes Kokain
Effekte (Sparling et al., 2003), deren ruft innerhalb weniger Sekunden euphorische
Mechanismen indessen noch zu erforschen Gefühle hervor, die lediglich während fünf bis
sind. zehn Minuten andauern. Injiziert stellt sich in
Cannabinoid-Rezeptoren sind an der wenigen Minuten ein Hochgefühl ein, das 20
Modulation der Ausschüttung verschiedener bis 60 Minuten anhalten kann. Geschnupft
Neurotransmitter beteiligt. Sie beeinflussen tritt die Wirkung innerhalb von wenigen
die Lern- und Gedächtnisprozesse, spielen Minuten ein und kann 60 bis 90 Minuten
eine Rolle bei der motorischen Kontrolle, dauern. Diesen kurzfristigen Effekten folgt eine
der Schmerzempfindung sowie bei der durch Depression, Ängstlichkeit und durch
Sinneswahrnehmung und wirken auch auf das sehr unangenehme Muskelverspannungen
Immunsystem ein. gekennzeichnete Phase, die gemeinhin als
Von THC (psychoaktives Molekül von „Crash» bezeichnet wird. Als Folge davon
Cannabis) wird angenommen, dass es sich an entsteht ein Drang zu einer raschen erneuten
dieselben Rezeptoren andockt wie endogene Kokainzufuhr oder zu einem Umstieg auf eine
Cannabinoide- allerdings dort eine grössere andere Substanz wie Cannabis oder Heroin,
Wirkung entfaltet. um die Auswirkungen des Crashs zu mildern.
Auf der Ebene des Belohnungssystems In physiologischer Hinsicht verhindert
blockiert THC durch die Rezeptorenanbindung Kokain die Wiederaufnahme* von Dopamin,
die Neuronen, welche die dopaminergen Serotonin und Noradrenalin. Diese
Nervenzellen hemmen. Die Wirkung auf die Neurotransmitter verbleiben daher länger
Dopaminausschüttung ist demzufolge im Falle im synaptischen Spalt, wodurch sich ihre
von Alkohol und THC vergleichbar, obwohl es Wirkung beträchtlich steigert. Wenn Kokain
sich um verschiedene Rezeptoren handeln in Wechselwirkung mit Nervenzellen tritt, die
dürfte. Infolge dieser Blockade steigt der für die Bewegungskontrolle verantwortlich
Dopaminspiegel an, was Verhaltensmuster sind, führt dies zu einer Erhöhung der
in Zusammenhang mit dem Cannabiskonsum motorischen Aktivität. Bei einer Interaktion von
verstärkt. Kokain mit serotoninergen Neuronen werden
Mit anhaltender Aktivität von THC kommt Schlafstörungen und Appetitverlust verursacht.
es zu einer Anpassung der Cannabinoid- Da das Dopamin nach seiner Freisetzung
Rezeptoren: Sowohl ihre Anzahl als auch ihre in den synaptischen Spalt nicht wieder
Empfindlichkeit verringern sich. Es müssen aufgenommen werden kann, erfolgt eine
daher immer grössere Mengen konsumiert unnatürliche Verlängerung seiner Wirkung
werden, bis der erwünschte Effekt eintritt. auf der Ebene des Belohnungssystems. Die
Diese Rezeptorenveränderungen setzen Verhaltensmuster in Zusammenhang mit dem
auch die Empfindlichkeit gegenüber den Kokainkonsum werden dadurch verstärkt.
körpereigenen Endocannabinoiden herab. Bei fortgesetztem Kokaingebrauch erhöht sich
Epidemiologische Studien beziffern den die Zahl der Rezeptoren auf den inhibitorischen
Anteil an „süchtigen“ Personen unter den Neuronen um rund 20 % (Unterwald et al.,
regelmässigen Cannabiskonsumenten auf 1994; Chevalley, 2002). Das Gehirn passt
10 %. Das amotivationale Syndrom wurde sich also an und greift auf präsynaptischer
häufig als Merkmal für einen exzessiven Ebene ein, indem es Möglichkeiten entwickelt,
Cannabiskonsum beschrieben. Heute werden die Dopamin produzierenden Neuronen zu
allerdings eine direkte Beziehung zum hemmen (für eine Literaturübersichten vgl.
Cannabiskonsum wie auch die Gefahr der Nestler, 2005; Thomas et al., 2008).

18
Das Gehirn
3.5. Heroin der Folge entspannt sich der Organismus,
manchmal bis hin zur Euphorie, und dämpft die
Heroin bindet sich an die Opioidrezeptoren Schmerzen. Heroin ist potenter als natürliche
der Nervenzellen, die normalerweise von Endorphine und entfaltet eine entsprechend
Endorphinen (vom Gehirn selbst produzierte grössere Wirkung.
Substanzen) besetzt werden. Entsprechend Heroin setzt die Aktivität der inhibitorischen
den zugehörigen neuronalen Systemen sind Neuronen (welche Dopamin produzierende
diese Rezeptoren an der Schmerzlinderung, Neuronen hemmen) im Belohnungssystem

SUBSTANZKONSUM
der Atemkontrolle, der Darmpassage, der herab. Das Wegfallen dieser Hemmung,
Pupillenkontraktion, der Hormonmodulation, die normalerweise eine Überaktivierung der
am Schlafanstoss, an der Empfindung von dopaminergen Neuronen verhindert, führt zu
Lust und Euphorie und an der Stressreduktion einem Anstieg der Dopaminkonzentration,
beteiligt. was ein starkes Lernsignal bildet. Die
Nach der Freisetzung von Endorphinen in Wiederholung des Heroinkonsums wird
die Synapse hemmen diese in der Regel entsprechend wahrscheinlicher.
die Neuronen und rufen dadurch einen Wird über längere Zeit Heroin konsumiert,
analgetischen Zustand hervor. Endorphine kommt es zu Adaptionsvorgängen des Gehirns,
können in geringerem Masse bestimmte welche die Empfindlichkeit der Rezeptoren
Nervenzellen auch erregen. Bei körperlicher verringern. (Für Literatur-Reviews über die
Betätigung, anstrengender Arbeit oder heroininduzierten zerebralen Mechanismen
Stress werden Endorphine ausgeschüttet. In vgl. Büttner et al., 2000; Christie, 2008).

ABHÄNGIGKEIT
Wirkung Anhaltender
Substanz Allgemeine Wirkung Suchtpotenzial
auf Belohnungssystem Substanzkonsum
Einwirkung auf das Dopamin-,
Serotonin-, und Endorphinsystem. Abschwächung des
Aktivierung von inhibitorischen Enthemmung von dopaminergen Rauschempfindens.
Neuronen. Neuronen. Anpassung des Gehirns.
Alkohol Mässig bis erhöht
Hemmung von exzitatorischen Erhöhung der Dopamin- Überstimulierung bei Entzug.
Neuronen. konzentration. Abnahme des Gehirnvolumens.
Verlangsamung des zentralen Kognitive Defizite.
Nervensystems.
Direkte Aktivierung von dopami-
Wirkung auf einen Typ choliner- nergen Neuronen.
gischer Rezeptoren. Stimulierung von Neuronen,

SUCHT
Langsamer synaptischer Abbau. die dopaminerge Neuronen
Steigerung von Entspannung, aktivieren.
Regulierung des Nikotins durch
Nikotin Stimmung, Wachheit und Wohl- Enthemmung von dopaminergen Erhöht
Zunahme der Rezeptorenzahl.
gefühl. Neuronen.
Abnahme von Reaktions- Verlängerung der
vermögen, Ängstlichkeit und Dopamin-ausschüttung.
Appetit. Erhöhung der Dopamin-
konzentration.
Modulierte Freisetzung mehrerer
Neurotransmitter.
Verschlechterung von Aufnahme-
fähigkeit und Gedächtnisleistung.
Enthemmung von dopaminergen
Beeinträchtigung der motorischen
Neuronen. Herabsetzung der Anzahl und Mässig bis
FAKTOREN

Cannabis Kontrolle.
Erhöhung der Dopamin- Empfindlichkeit von Rezeptoren. schwach
Störung der Schmerz-
konzentration.
empfindung.
Veränderung der Sinnes-
wahrnehmungen.
Störung des Immunsystems.

Stimulierende Wirkung gefolgt


Zunahme der Rezeptorenzahl
von depressivem Stadium. Hemmung der Dopamin-Wiede-
auf inhibitorischen Neuronen.
Hemmung der Wiederaufnahme raufnahme.
Kokain Grössere Möglichkeit der Erhöht
von Neurotransmittern. Erhöhung der Dopamin-Konzen-
Hemmung von dopaminergen
Potenzierung der tration.
Neuronen.
BEHANDLUNGSFORMEN

Neurotransmitter-Aktivität.

Andockung auf Rezeptoren Enthemmung von dopaminergen


endogener Opioide. Neuronen. Anpassung von Opioidrezep-
Heroin Hoch
Hemmung, die zu analgetischem Erhöhung der Dopamin- toren.
Zustand führt. Konzentration.

19
4. Abhängigkeit Nervenzellen des Belohnungssystems
schrittweise verändert. Auf zellulärer Ebene
gibt das Gehirn auf die Überstimulierung
Da psychotrope Substanzen die Aktivität der dopaminerger Nervenzellen Gegensteuer,
vom Gehirn selbst produzierten Moleküle indem es beispielsweise die
nachahmen, stört ihr Vorhandensein im Dopaminrezeptoren ins Zellinnere der
Organismus das innere Gleichgewicht. Neuronen verlegt. Dieser Mechanismus
Bei wiederholtem Konsum psychotroper macht die Rezeptoren für Dopamin
Substanzen passt sich das Gehirn an, da es unerreichbar, was eine Abnahme der
wieder ein Gleichgewicht anstrebt. Lernsignale nach sich zieht. Leider erfolgt
Das Gehirn kann hierfür vielfältige diese Verringerung der Lernsignale auch
Mechanismen entwickeln: Verringerung in alltäglichen Lebenssituationen, in denen
der Rezeptorenanzahl an der Oberfläche kein Substanzkonsum vorliegt. Das Gehirn
der Nervenzellen, Veränderung der verliert auf diese Weise seine Fähigkeit,
Empfindlichkeit der Rezeptoren, Drosselung die Wiederholung eines für das Überleben
der Neurotransmitter-Ausschüttung und sogar vorteilhaften Verhaltens durch das Aussenden
von Lernsignalen zu fördern. Forscher
Aktivierung bisher inaktiver Gene. All diese
haben diesen Regulationsmechanismus des
Anpassungen können langfristig erfolgen und
Nervensystems als einen „zu den Drogen
liegen den Toleranzmechanismen zugrunde,
gegenläufigen Prozess“ bezeichnet (Koob et
die mit regelmässigem Konsum psychotroper
Le Moal, 2008; Solomon et Corbit, 1974).
Stoffe auftreten. Als Folge davon müssen
immer grössere Dosen konsumiert werden,
um die ursprüngliche Wirkung zu erzielen.
Psychoaktive Substanzen stören die
Die gelegentliche Einnahme psychotroper
normale Funktionsweise nicht nur von
Substanzen vermittelt zwar ein angenehmes
neuronalen Schaltkreisen wie des Beloh-
Gefühl, dessen Intensität im Vergleich zum
nungssystems, sondern auch von zahlrei-
Normalzustand deutlich grösser ist. Bei
chen weiteren zerebralen Schaltkreisen.
wiederholtem und chronischem Konsum
Man nimmt daher an, dass eine wie-
passt sich aber das Gehirn an, um die
derholte Exposition zur Ingangsetzung
Wirkungen der Substanz abzuschwächen,
anhaltender Kompensationsprozesse
und es entsteht ein Gefühlsgemisch aus
führt, die den verursachten Störungen
Traurigkeit, Ängstlichkeit und Reizbarkeit
entgegenwirken. Es handelt sich dabei
(Dysphorie). Dieser negative Gemütszustand
um eine Art „Sicherheitsnetz“, dank wel-
veranlasst zu einem erneuten Konsum.
chem die Hirnfunktion in einem gewissen
Dabei stehen nicht mehr die positiven
Grad aufrechterhalten werden soll. Diese
Wirkungen der Substanz im Vordergrund,
dynamische Suche nach einem neuen
sondern es geht vielmehr darum, die
Gleichgewicht würde zusammen mit
nachteiligen Folgen der Abstinenz zu
weiteren Substanzeinnahmen zu einer
vermeiden. Die Frustrationsgefühle drängen
allmählichen Herabsetzung des dopami-
also zum Konsum erhöhter Mengen bzw.
nergen Stoffwechsels führen. Jeder er-
zum Gebrauch einer zusätzlichen oder einer
neute Konsum, mit dem die Wiederhers-
neuen Substanz. Ziel des Substanzkonsums
tellung des Ausgangsniveaus angestrebt
ist daher nicht mehr, eine Verbesserung des
wird, würde aber im Gegenteil den Meta-
Normalzustandes herbeizuführen, sondern
bolismus weiter reduzieren. Diese Dyna-
diesen wiederzufinden. Das Problem besteht
mik könnte zur Wiederholung der Subs-
jedoch darin, dass dieser Zustand in der
tanzkonsums und zur Dosissteigerung
Zwischenzeit unerreichbar geworden ist. Nur
animieren.
über die Zufuhr psychoaktiver Substanzen
lässt sich das aus dieser Abweichung
resultierende psychische Unwohlsein
teilweise und vorübergehend beheben. 4.2. Molekulare Mechanismen

Die Neurowissenschaftler versuchen zu


4.1. Anpassung erforschen, wie der chronische Gebrauch
des Belohnungssystems psychotroper Substanzen die Hirnfunktion
ausnützt und modifiziert. Untersuchungen an
Der wiederholte Substanzkonsum Tiermodellen konnten auf molekularer Ebene
bewirkt, dass sich die Funktionsweise der zwei Arten von Mechanismen nachweisen:

20
Das Gehirn
Der erste Mechanismus erfolgt Vorhandensein psychotroper Substanzen
kurzfristig: Es handelt sich dabei um die stark angepasst haben. Wenn der
Überaktivierung des so genannten CREB- Substanzkonsum gestoppt wird, vollzieht
Proteins im Belohnungssystem. Dieses nämlich das Gehirn diese Änderung
Protein stimuliert die Expression bestimmter nicht sofort nach. Es erhält im Gegenteil
Gene, von denen insbesondere ein Gen die die Mechanismen aufrecht, welche die
Hemmung dopaminerger Neuronen bewirkt Substanzwirkung durchbrechen sollen.
(über ein als Dynorphin bezeichnetes Die Entzugserscheinungen* widerspiegeln
lediglich dieses neue Ungleichgewicht.

SUBSTANZKONSUM
Molekül). Als Folge davon wird das
Belohnungssystem teilweise blockiert. Aus klinischer Perspektive dienen diese
Mit dem zweiten Mechanismus scheint eine Symptome als Kriterium für die Diagnose
etwas längerfristige Wirkung verbunden zu der Abhängigkeit, von welcher 100%
sein: Es handelt sich um die Überexpression der Personen mit wiederholter Zufuhr
des Proteins delta-FosB. Dieses Protein einer psychotropen Substanz betroffen
ist äusserst stabil und bleibt nach einer sind. Ein Gleichgewicht stellt sich je nach
chronischen Substanzeinnahme lange Zeit konsumierter Substanz und individuellen
in den Neuronen aktiv (während Wochen Faktoren in ein paar Wochen bzw. Monaten
oder sogar Monaten). Es bewirkt die wieder ein. Oft wird eine schrittweise
Dosisverringerung empfohlen, um die
Aktivierung von Genen, welche Änderungen

ABHÄNGIGKEIT
Entzugssymptome zu mildern. Doch auch
in den Neuronenstrukturen hervorrufen
nach einem geglückten Ausstieg bleibt
(Nestler et al., 2005; Kalivas et O’Brien,
das Gehirn von den verschiedentlich
2008).
durchgemachten Umbauprozessen
Auf zellulärer Ebene lösen die
gezeichnet, womit eine bleibende
psychoaktiven Substanzen eine Kaskade
„Vulnerabilität“ gegenüber psychotropen
von Vorgängen aus, die bis zu erstaunlichen
Substanzen einhergeht. Entsprechend
morphologischen Veränderungen gehen gross ist denn auch die Rückfallgefahr.
kann! Viele Fragen sind aber nach wie vor offen:
Nach wie langer Abstinenzzeit erreichen
die Rezeptoren wieder ihre ursprüngliche
4.3. Entzug Anzahl? Ist eine solche Normalisierung
überhaupt noch möglich oder sind die
Die heftigen Reaktionen des Körpers Veränderungen irreversibel? Es wird
auf einen Entzug lassen sich durch ein die Aufgabe weiterer wissenschaftlicher

SUCHT
massives Ungleichgewicht in der Funktion Studien sein, Antworten auf diese Fragen
der Neuronen erklären, die sich an das zu finden.

FAKTOREN
BEHANDLUNGSFORMEN

21
5. Sucht einem adrenergen Wirkmechanismus)
rufen zwar häufig eine Abhängigkeit
hervor, erzeugen aber keine Sucht.
Zwischen Abhängigkeit und Sucht Die letztendlich ähnliche Wirkungsweise
herrscht häufig eine Begriffsverwirrung: sämtlicher Suchtmittel könnte ausserdem
Unter Abhängigkeit, wie sie in Kaptitel 4 erklären, weshalb viele süchtige Patienten
beschrieben ist, wird der Mechanismus eine Politoxikomanie aufweisen wie z. B.
verstanden, über den der regelmässige eine Nikotin- und Cannabissucht oder eine
Substanzkonsum ein Ungleichgewicht der Nikotin- und Alkoholsucht.
neurobiologischen Funktionsweise des
Individuums herbeigeführt hat. Dieses
Die Suchtwirkung beruht auf dem
Ungleichgewicht erzeugt ein körperliches und
Umstand, dass nicht nur das Ausmass
psychisches Unwohlsein, wodurch sich ein
der Dopaminfreisetzung um ein
Drang zur Fortsetzung des Konsums bildet.
Vielfaches grösser ist, sondern auch
Dabei stehen nicht mehr die angenehmen
die Suchtmittel im Gegensatz zu den
Wirkungen der psychotropen Substanz
natürlichen Belohnungen bei jeder
im Zentrum, sondern die Vermeidung der
Exposition unweigerlich eine erhöhte
negativen Folgen eines Konsumstopps.
Dopaminausschüttung bewirken und
Im Gegensatz zur Abhängigkeit betrifft
dadurch jedes Mal ein starkes Lernsignal
die Sucht nur einen Teil der chronischen
erzeugen. Bei der Wahl zwischen dem
Konsumenten psychotroper Substanzen.
Substanzkonsum und einer natürlichen
Sie ist durch ein übermächtiges Verlangen
Belohnung wird folglich das Suchtmittel
charakterisiert, die Substanz zu konsumieren
überbewertet, was das Pendel zu
trotz der schädlichen Auswirkungen auf die
seinen Gunsten ausschlagen lässt und
Gesundheit und das soziale Leben.
zu verzerrten Entscheidungen verleitet.
Wie die neurowissenschaftlichen Arbeiten
der vergangenen Jahre zeigen, handelt
es sich bei der Sucht um eine Krankheit,
die mit der Ingangsetzung pathologischer
Lernprozesse zusammenhängt. 5.1. Hinweisreize und Gedächtnis
Sucht entsteht, wenn willentliche
Verhaltensweisen in automatisierte und Der Suchtzustand äussert sich nicht nur in
zwanghafte Verhaltensschemata abgleiten. der grossen Bedeutung, die einer Substanz
Folglich ist die Sucht nicht alleine das zugemessen wird, sondern auch in der
Ergebnis eines Substanzkonsums. Sie kann Abspeicherung von damit assoziierten
auch im Falle von Verhaltensformen wie Hinweisreizen im Gedächtnis. Der Park, in
Essen, Glücksspielen, Internet-Surfen usw. welchem die Substanz gekauft wurde, das
auftreten. Nach diesem Erklärungsmodell Gesicht einer Person, die an den Konsum
können Konsumenten zwar abhängig, aber erinnert, ein beim Arzt erhaschter Blick auf
nicht süchtig sein, und Menschen können eine Spritze usw. Diese Hinweise verankern
nach einem Verhalten süchtig, aber nicht sich so tief im Gedächtnis, dass sie alleine
von einer Substanz abhängig sein. das Annäherungsverhalten und den
Eine für das Suchtgeschehen grundlegende Substanzkonsum auslösen können.
Erkenntnis der Neurowissenschaften war Bei „süchtigen» Personen ist das Verhalten
der Nachweis, dass zwar die einzelnen nicht mehr zielgeleitet (Substanzwirkung),
Suchtmittelgruppen ihre eigenen sondern hängt von einem Automatismus
pharmakologischen Wirkmechanismen ab und wird von Hinweisreizen beeinflusst,
entfalten, ihnen allen aber eine die in der Vergangenheit mit dem
Erhöhung der Dopaminausschüttung im Konsum psychotroper Substanzen in
Belohnungssystem gemeinsam ist (für Beziehung gebracht wurden. Unter
eine Literaturübersicht vgl. Lüscher et diesen Voraussetzungen reiht die
Ungless, 2006). Nach diesem Prinzip betroffene Person automatische Reiz-
lässt sich eine Substanz, die abhängig Reaktions-Verbindungen aneinander,
machen kann, von einem Suchtmittel in denen sie die Konsequenzen ihres
unterscheiden. Fluoxetin beispielsweise, Verhaltens ausblendet (Waelti et al., 2001).
das als Antidepressivum eingesetzt wird (mit Die Verstärkung dieses Reiz-Reaktions-
einem serotoninergen Wirkmechanismus), Lernens würde die hohe Rückfallquote
oder einzelne Bronchiodilatatoren (mit bei Patienten erklären, die mit der

22
Das Gehirn
Substanzzufuhr bestimmte Hinweisreize nur schon durch das Beobachten anderer
verknüpfen. Die Sucht wäre demnach eine Personen beim Spielen oder Sprechen
Folge davon, dass sich psychotrope Stoffe davon Veränderungen der Gehirnaktivität
neuronale Lern- und Gedächtnisprozesse in denselben Arealen feststellbar sind wie
zu eigen machen (Hyman et al., 2005). bei Kokainsüchtigen, die kokainassoziierten
Auf molekularer und zellulärer Ebene Reizen ausgesetzt werden (Goldstein et al.,
zieht die Exposition gegenüber 2007).
psychotropen Substanzen bereits mit Die fortschreitenden Erkenntnisse über die
den ersten Einnahmen grundlegende

SUBSTANZKONSUM
Sucht fördern generell eine ganzheitlichere
Adaptionsvorgänge nach sich. Einige davon Sichtweise dieser Krankheit und liefern
bilden sich rasch wieder zurück, andere Argumente für eine Vernetzung der
hingegen dauern auch nach Absetzen der Behandlungsstrategien.
Substanz weiter fort. Bei wiederholtem
Substanzgebrauch kumulieren sich diese
5.3. Präfrontaler Kortex
mittel- und langfristigen Veränderungen
und können über Jahre anhalten oder sogar
Auf psychologischer Ebene kommt dem
irreversibel sein. Besondere Angriffspunkte
Kontrollverlust als Schlüsselkriterium
für solch dauerhafte Anpassungen sind die
für die Definition der Sucht seit einigen
Synapsen, die den neuronalen Netzwerken
zu Grunde liegen, und die Genexpression, Jahren eine wachsende Bedeutung in der
die bei der Gedächtnisspeicherung eine neurowissenschaftlichen Suchtforschung

ABHÄNGIGKEIT
tragende Rolle spielt. zu. Der präfrontale Kortex, der im Zentrum
der an der Entscheidungsfindung beteiligten
zerebralen Mechanismen steht, ist bei
suchtkranken Menschen beeinträchtigt.
5.2. Substanzungebundene Süchte
Neuro-Studien mit bildgebenden Verfahren
Interessanterweise entwickelt sich das haben bei Personen, die eine Sucht aufgrund
Suchtkonzept weiter: Wie immer mehr verschiedener psychoaktiver Substanzen
wissenschaftliche Artikel betonen, können entwickelt haben, eine Herabsetzung des
sich substanzunabhängige Suchtformen Grundmetabolismus im präfrontalen Kortex
wie z. B. Spiel-, Arbeits-, Sex- oder gezeigt (Volkow et Fowler, 2000). Werden
Internetsucht ausprägen, welche dieselben diese Personen mit Hinweisreizen, die mit
Veränderungen des Gehirns auslösen der Substanz assoziiert sind, konfrontiert,

SUCHT
wie die an psychotrope Substanzen steigert sich hingegen der Metabolismus
gebundenen Suchterkrankungen (Grant et im präfrontalen Kortex wesentlich
al., 2006; Potenza, 2006). Klinisch betrachtet deutlicher, als wenn ihnen Hinweisreize im
ruft beispielsweise das pathologische Zusammenhang mit einer gewöhnlicheren
Glücksspiel eine Euphorie, ein Craving* Belohnung gezeigt werden (Childress et
(zwanghaftes Verlangen, das Suchtverhalten al., 1999). Der präfrontale Kortex dieser
zu wiederholen), eine Toleranzbildung und Personen scheint die Fähigkeit verloren
Entzugserscheinungen beim Aufhören mit zu haben, die Suche nach natürlichen
dieser Tätigkeit hervor. Potenza und seine Belohnungen auszulösen und das
Mitarbeiter (2001) konnten nachweisen, dass Annäherungsverhalten an psychoaktive
im Falle von pathologischen Glücksspielern Substanzen zu unterbinden.
FAKTOREN
BEHANDLUNGSFORMEN

23
6. Individuelle Faktoren Das Problem bei diesen Techniken besteht
jedoch darin, dass nicht bekannt ist, ob
der Suchtanfälligkeit die beobachteten Unterschiede in den
Expressionsprofilen der Gene die Ursache
oder die Folge einer Suchtentwicklung sind.
Das Abhängigkeitsphänomen tritt zwar Es mögen zwar genetische Faktoren für
systematisch nach einer wiederholten die Anfälligkeit gegenüber Suchtmitteln
Einnahme psychoaktiver Substanzen auf, existieren, die in gewisser Weise günstige
dennoch entwickelt sich dieser Prozess Voraussetzungen für eine Suchtentwicklung
lediglich bei vulnerablen Personen bis schaffen, diese lassen sich aber mit den
zur Sucht. Weder die Häufigkeit der aktuellen Methoden noch nicht erfassen.
Substanzzufuhr noch die konsumierten Dabei darf auch nicht vergessen gehen, dass
Mengen bieten eine hinreichende Erklärung sich ein Gen in einem bestimmten Umfeld
für den Umstand, dass gewisse Menschen ausdrückt; Angeborenes und Erworbenes sind
für die Entwicklung einer Sucht anfälliger daher untrennbar miteinander verbunden.
sind als andere. Worauf lassen sich diese Dennoch bleiben genetische Studien von
Unterschiede zurückführen? zentraler Bedeutung und müssen aus
medizinischen Gründen fortgeführt werden.
Genetische Merkmale könnten nämlich die
6.1. Genetische Faktoren Entwicklung von therapeutischen Molekülen
je nach identifiziertem Zielmechanismus
Untersuchungen zur Vererbung mit Zwillingen beeinflussen.
und adoptierten Personen beleuchten die
Bedeutung genetischer Faktoren bei der
Entstehung einer Suchtkrankheit (Johnson 6.2. Stress und Sucht
et al., 1996). Aufschlussreich war vor allem
der Übergang zu Tiermodellen: Es wurden In Stresssituationen werden im Gehirn
Nagetierstämme aufgrund ihrer Appetenz grosse Mengen an Stresshormonen
oder ihres Desinteresses für psychotrope (Glucocorticoide) ausgeschüttet. Diese
Substanzen wie Alkohol, Amphetamine, Hormone erhöhen die Empfindlichkeit
Kokain, Nikotin oder Morphin gezüchtet. des Gehirns gegenüber psychotropen
Dabei bestätigte sich, dass die Disposition Substanzen und begünstigen die Entstehung
für eine Abhängigkeit oder eine Sucht mit von Suchtverhalten bei regelmässig unter
genetischen Faktoren zu tun hat (Gardner et Stress stehenden Tieren (Piazza et Le Moal,
al., 2000). Genetiker forschten daher nach 1998; Marinelli et Piazza, 2002). Versuche
Gensequenzen, die möglicherweise mit einer an „süchtig“ gemachten Ratten zeigen
Vulnerabilität der Tiere korrelieren. Die Liste gleichzeitig, dass die Gabe von Molekülen,
der Gene, von denen einen Variante (ein welche die Aktivität von Stresshormonen
Allel) statistisch mit einem Suchtverhalten in herabsetzen, eine Verringerung des
Verbindung zu stehen scheint, wurde im Zuge Substanzkonsums der Nagetiere bewirkt
der Untersuchungen immer länger (Goldman (Richardson et al., 2008; Shalev et al.,
et al., 2005; Ball, 2008) und die experimentelle 2006; Specio et al., 2008; Zislis et al., 2007).
Ausschaltung einiger dieser Gene brachte Jeder Mensch besitzt eine individuelle
Tiere hervor, die gegenüber psychotropen Stresstoleranzschwelle. Die Sekretion von
Substanzen offenbar nicht anfällig sind. Mit Glucocorticoiden ist daher unterschiedlich
der Zeit wies diese Liste allerdings so viele hoch. Diese Stressempfindlichkeit hat
Gene auf, dass sie an Aussagekraft verlor. einen Einfluss auf die Anfälligkeit für
Ein neues Forschungsfeld eröffnete sich mit Suchterkrankungen (Piazza et Le Moal,
den Genomanalysen, welche die gleichzeitige 1996). Der umgekehrte Fall liess sich kürzlich
Messung des Expressionsniveaus Tausender ebenfalls nachweisen. Kokainsüchtige weisen
von Genen ermöglichen. Auf diese Weise in der Tat eine gesteigerte Empfindlichkeit
konnte nach einem suchtspezifischen gegenüber Stressereignissen auf (Fox et
Expressionsprofil von «gewöhnlichen» al., 2008). Stress wird daher zum wichtigen
Genen und nicht mehr nach einzelnen Allelen Risikofaktor für einen Rückfall. Ausserdem
gesucht werden. Die Forscher ermittelten kann sich der Stress bei suchtkranken
in der Folge Hunderte von Genen, deren Personen verselbstständigen und sich in einer
Expression bei vulnerablen Nagetieren Überaktivierung bestimmter Nervenzellen der
verändert ist (Rhodes et Crabbe, 2005). Amygdala äussern, welche Stresshormone

24
Das Gehirn
produzieren. Die Beziehung zwischen Stress Substanzen in der Jugendphase kann
und Sucht weist eine weitere Besonderheit möglicherweise die Vulnerabilität gegenüber
auf: Sie besteht auch nach Beendigung des psychotropen Wirkungen steigern und
Stressereignisses fort. Ein früher Stress schädliche Auswirkungen auf die Entwicklung
während der Kindheit oder sogar intrauterin, des Gehirns haben (Crews et al., 2007).
d. h. wenn sich das Gehirn noch mitten in Ausserdem scheinen Suchtprobleme im
der Entwicklung befindet, scheint dessen Erwachsenenalter umso ausgeprägter zu
Empfindlichkeit gegenüber psychotropen sein, je früher mit dem Suchtmittelkonsum
Substanzen irreversibel zu beeinflussen, begonnen wird (Stansfield et Kirstein,

SUBSTANZKONSUM
indem Anomalien in der Entwicklung von 2007). Dies bedeutet, dass eine frühzeitige
Nervenzellen des Hippocampus und Exposition mit einer psychoaktiven Substanz
von Systemen der Neurotransmission die Anfälligkeit für eine Suchterkrankung im
hervorgerufen werden (Deminière et al., 1992; Erwachsenenalter begünstigen kann.
Henry et al., 1995; Andersen et Teicher, 2008).
Die Rolle von Stress als Risikofaktor für die
Entwicklung einer Suchtkrankheit muss daher 6.4. Persönliche Vorgeschichte
in der Prävention und in der Behandlung
unbedingt Berücksichtigung finden. Das Genom* bietet kein allumfassendes
Erklärungsmodell. Die persönliche
Vorgeschichte stellt ebenfalls einen wichtigen
6.3. Risikofaktoren während

ABHÄNGIGKEIT
Faktor dar, dem es bei der Suchtdisposition
der Adoleszenz Rechnung zu tragen gilt. Dabei handelt es
sich nicht nur um die Auswirkungen der
Ein Kennzeichen von Sucht ist, dass wieder- Umwelt, sondern auch um persönliche
holt planlos Entscheide getroffen werden ohne Wesensmerkmale, die durch die Umwelt
Berücksichtigung von deren Konsequenzen. geformt wurden. Wenn ein aufreibendes
Diese „Verhaltensenthemmung“ lässt Umfeld die spätere Entwicklung einer
sich in geringerer Ausprägung auch bei Sucht begünstigen kann, liesse sich dann
gesunden Menschen beobachten und nennt angenehme Umgebungsbedingungen
sich Impulsivität. Sensation Seeking und eine Schutzwirkung zuschreiben? In einer
Gefahrenbereitschaft, zwei Komponenten bereichernden Umgebung gezüchtete Mäuse
von Impulsivität (Sarramon et al., 1999), (Gruppenhaltung in grosszügigen Käfigen mit
sind typische Merkmale der Adoleszenz regelmässig ausgewechselten Gegenständen
zur Beschäftigung der Tiere) sind vor der

SUCHT
(Kelley et al., 2004). Das erste Ausprobieren
psychotroper Substanzen verschiebt sich Suchtwirkung von Kokain «geschützt» (Bezard
heute tendenziell immer weiter nach vorne, et al., 2003). Erschliessen sich hier neue
was sehr gefährlich ist, denn das jugendliche Erkenntnisse für den Menschen, auch wenn
Gehirn (~12 bis 25 Jahre) reagiert auf die diese Schutzmechanismen noch unerforscht
toxischen und Sucht erzeugenden Wirkungen sind? Eines ist gewiss: Die Suchtforschung
psychoaktiver Substanzen viel empfindlicher darf weder die psychologischen und kognitiven
als das Gehirn im Erwachsenenalter Aspekte aussparen, noch den persönlichen
(Crews et al., 2007). Die Entwicklung des und sozialen Hintergrund des Individuums
Gehirns setzt sich nämlich weit über das vernachlässigen.
FAKTOREN

Kindes- und Jugendalter hinaus fort. Das


jugendliche Gehirn ist noch unreif und erfährt
weiterhin eine bedeutende Umgestaltung Die Frage nach den individuellen
(Wachstum des Gehirns und Schaffung neuer Unterschieden bezüglich der Vulnerabilität
Verbindungen). Gemäss den Erkenntnissen für die Entwicklung einer Suchtkrankheit
aus jüngsten zerebralen Bildgebungsstudien ist komplex. Es scheint sich um ein
gehört der präfrontale Kortex, der am Zusammenspiel mehrerer biologischer,
Urteilsvermögen, der Entscheidungsfindung persönlicher, umweltbedingter, sozialer
und der affektiven Kontrolle beteiligt ist, zu und kultureller Faktoren zu handeln,
den zuletzt reifenden Gehirnarealen (Gur,
BEHANDLUNGSFORMEN

das die Wahrscheinlichkeit einer


2005). Die Unreife des Gehirns mag teilweise Suchtentwicklung erhöht oder senkt. Eine
die Risikobereitschaft, die Suche nach dem effiziente Betreuung von suchtkranken
Nervenkitzel und die daraus resultierenden Menschen muss daher auf all diesen
Konsequenzen erklären (Chambers et al., Ebenen ansetzen.
2003). Die Exposition mit psychoaktiven

25
7. Behandlungsformen eine wichtige Erkenntnisgrundlage
für die Konzipierung und Erarbeitung
von Behandlungen zu liefern, die sich
Psychotrope Substanzen nehmen die mit Entzugssymptomen, Substitution,
zerebralen Systeme in Beschlag, die Komorbidität, Suchtgenese oder
normalerweise aktiviert werden, wenn ein Rückfallprävention befassen.
Verhaltensmuster zu einem interessanten
Ergebnis geführt hat und daher wiederholt
eingesetzt werden soll, um das Überleben 7.1. Psychologische Therapien
des Individuums und der Art zu sichern.
Das Gehirn wird durch diese regelrechten Die psychologischen Suchttherapien
„trojanischen Pferde“ getäuscht und das arbeiten mit denselben zerebralen
Individuum zu Verhaltenweisen animiert, Motivationsvorgängen, die sich auch
als ob diese Substanzen und der damit die psychoaktiven Substanzen zu Nutze
verbundene Kontext für sein Überleben machen. Dabei soll die Motivation, solche
zu einer biologischen Notwendigkeit Substanzen zu gebrauchen, durch die
geworden wären. Moleküle, Gene und Motivation, andere Verhaltensweisen zu
neuronale Systeme tragen von den vollziehen, ersetzt werden. Zusammen
Änderungsprozessen des Gehirns, die mit der Rückfallprävention helfen diese
der Konsum psychotroper Substanzen Therapieformen den Betroffenen, neue
ausgelöst hat, und den damit verbundenen Reiz-Reaktions-Verbindungen herzustellen,
Folgen dauerhafte Spuren davon. Sogar die sowohl vom Substanzgebrauch als
noch nach Monaten oder Jahren der auch vom Verlangen danach losgelöst
Abstinenz kann sich das Interesse für sind. Mithilfe dieser Prinzipien sollen
psychoaktive Substanzen durch das Umfeld, substanzassoziierte Verhaltensmuster
durch Personen oder konsumassoziierte verlernt und andere adaptive Antworten
Gegenstände erneut heftig entfachen. Das erlernt werden.
sich zurückmeldende mächtige Verlangen
kann den Betroffenen überwältigen
und einen Rückfall herbeiführen. Die
Rückfallneigung widerspiegelt damit nicht
7.2. Pharmakologische
nur den Einfluss des Suchtobjekts auf das Behandlungen
Gedächtnis, sondern auch das Unvermögen
der betroffenen Person, dem Verlangen Es gibt ein breites Spektrum an
zu widerstehen: Sie zeigt den Verlust pharmakologischen Behandlungs-möglich-
der Fähigkeit auf, das Suchtverhalten keiten: Dazu gehören z. B. Arzneimittel
zu kontrollieren und zu unterbinden. Es oder Methoden, welche die Wirkung der
handelt sich dabei in keiner Weise um psychotropen Substanz auf den Organismus
Willensschwäche, sondern vielmehr modifizieren und die angenehmen Aspekte
um die Unfähigkeit, einen Willen auch ausschalten. Naloxon und Naltrexon
tatsächlich in ein Verhalten umzuwandeln. beispielsweise schwächen die Wirkung
Die dopaminergen Bahnen des von Opiaten und Alkohol ab, indem sie die
Belohnungssystems sind eng mit den Opioidrezeptoren blockieren (Haile et al.,
Motivations- und Entscheidungsprozessen 2008). Disulfiram (Antabus) ruft eine äusserst
verknüpft. Die Motivation stellt unangenehme Reaktion bei Alkoholkonsum
den Vorgang dar, über welchen je hervor, indem es auf dessen Metabolismus
nach den antizipierten Folgen einer einwirkt (Carper et al., 1987). Heute wird in
Handlung die Aufmerksamkeits- und Frage gestellt, ob der psychologische Effekt
Verhaltensressourcen mobilisiert werden. des Arzneimittels bzw. die Angst vor den
Wenn eine Person z. B. Hunger hat, unangenehmen Wirkungen nicht stärker
können der Anblick oder der Geruch eines ins Gewicht fällt als die chemische Wirkung
Nahrungsmittels ihre Aufmerksamkeit an sich. Eine weitere pharmakologische
vermehrt auf diese Stimuli fokussieren und Behandlungsform, die unter der Bezeichnung
sie ein Verhalten annehmen lassen, das der der Substitutionstherapie bekannt ist, beruht
Beschaffung des Nahrungsmittels dient. auf dem Einsatz chemischer Komponenten,
Dank der präziseren Identifizierung der die einzelne Effekte psychotroper
Mechanismen des Suchtgeschehens Substanzen nachahmen, ohne allerdings
beginnen die Neurowissenschaften die schädlichen Wirkungen hervorzurufen.

26
Das Gehirn
Auf diese Weise sollen sowohl das eine Abnahme der Dosis, der Häufigkeit, der
Suchtverhalten als auch das Sterberisiko substanzinduzierten Risiken oder auch der
reduziert werden, das mit der Qualität der Rückfallgefahr als Erfolg gewertet werden?
auf der Gasse beschafften Mittel, mit deren Die Sucht ist eine chronische und
Dosierung und der Beschaffungskriminalität rezidivierende Krankheit und die Gefahr
einhergeht. Es handelt sich um die meist eines Rückfalls stellt selbst nach einer
verbreitete Methode bei der Behandlung langen Abstinenzphase eine der grössten
von Opiatabhängigen mit Methadon oder Herausforderungen der Suchtbehandlung
Buprenorphin (Kreek et al., 2002). Allerdings

SUBSTANZKONSUM
dar. Das Krankheitsbild wird noch dadurch
ist diese Behandlungsform nicht für alle kompliziert, dass die Sucht oft zusammen
psychoaktiven Substanzen wie z. B. Kokain
mit anderen physischen oder psychischen
verfügbar. Hauptgrund dafür sind die mit der
Störungen auftritt (Brady et al., 2007). Gute
somatischen Wirkung des Substanzkonsums
Behandlungs- und Interventionspraktiken
verbundenen medizinischen Risiken.
Heute wird grosse Hoffnung in die Entwicklung müssen daher der Komorbidität zwischen
chemischer Komponenten gesetzt, welche Suchtmittelkonsum und anderen Störungen
der Substanzwirkung vorgreifen und unbedingt Beachtung schenken.
beispielsweise die Appetenz oder das
zwanghafte Annäherungsverhalten mindern.
Selbstverständlich ist eine ergänzende
psychosoziale Begleitung unerlässlich, damit

ABHÄNGIGKEIT
Nach dem heutigen Stand der neu-
der Komplexität des Betroffenen in seinem rowissenschaftlichen Forschung über
Umfeld Rechnung getragen werden kann Suchtbehandlungen dürfte den Patien-
und die Behandlung erfolgreich verläuft. Eine ten am effizientesten mit einer Kombi-
heikle Frage ist jene nach der Wirksamkeit nation aus pharmakologischen und psy-
der Behandlung: Zeugt mit Blick auf die chologischen Therapieformen geholfen
Resultate nur eine totale Abstinenz von der werden (Roques, 2000).
Wirksamkeit einer Therapie oder kann auch

SUCHT
FAKTOREN
BEHANDLUNGSFORMEN

27
8. Fazit Rolle des präfrontalen Kortex bei den kogni-
tiven und verhaltens-spezifischen Folgen
des Suchtphänomens hin. Da die präfron-
Die Neurowissenschaftler gehen heute talen Hirnregionen an zentralen Kontroll-
darin einig, dass sich Suchtmittel die und Hemmungsmechanismen beteiligt sind,
Entscheidungs- und Gedächtnisprozesse ruft eine fortgesetzte Exposition gegenüber
sowohl auf zellulärer als auch auf kogniti- psychotropen Substanzen kognitive Fehl-
ver Ebene zu Nutze machen, indem sie das funktionen hervor, die dazu führen, dass die
an Verstärkung und Motivation beteiligte Verhaltensmuster der Substanzsuche und
neuronale Schaltkreisgefüge überlisten. des Substanzkonsums nicht mehr unter-
Die Lernmechanismen geraten dadurch bunden werden können. Schwer-wiegende
ausser Kontrolle und werden fehlgeleitet. strukturelle und funktionelle Anomalien des
Die Suchtmittel verändern insbesondere präfrontalen Kortex sowie die Verschlech-
die Plastizität des Gehirns, sodass das terung der hemmenden Kontrollfunktionen
Suchtverhalten „erlernt“ und anschliessend und der Entscheidungsfindung veranlassen
in hohem Masse verstärkt wird. Dadurch die betroffene Person dazu, sich ungezügelt
fördern sie die zwanghafte Substanzzufuhr für die unmittelbare Belohnung zu entschei-
und führen ungeachtet der bekannten ne- den und ihr Verhalten nicht hinauszuzögern.
gativen Auswirkungen auf physi-scher, psy- Die Fähigkeit, zwischen Verhal-
chischer, affektiver, familiärer, sozialer und tensweisen auszuwählen, und fol-
beruflicher Ebene zum Verlust der Konsu- glich die Handlungsfreiheit sind bei
mkontrolle. suchtkranken Menschen beeinträchtigt.
Alle Suchtmittel können je nachdem, auf Doch welches Ausmass der Substan-
welche Art, in welcher Menge und mit wel-
zkonsum auch annehmen mag, alle Mens-
cher Häufigkeit sie konsumiert werden,
chen haben dieselben Rechte und Chancen
schädliche Auswirkungen auf die Gesund-
auf Gesundheit und gesellschaftliche Wie-
heit haben. Eine erste Einnahme psycho-
dereingliederung.
troper Substanzen führt nicht zwangsläufig
Wie die Erkenntnisse der Neurowissens-
in die Abhängigkeit und noch weniger in die
chaften zeigen, ist Sucht kein Zeichen von
Sucht. Je grösser die zugeführten Mengen
und je häufiger der Konsum erfolgt, umso Charakterschwäche, sondern eine kom-
höher ist allerdings das Abhängigkeitsrisiko; plexe Störung, welche biologische Mecha-
ausserdem können bestimmte individuelle nismen in Zusammenhang mit den Lernvor-
Vulnerabilitäten die Entwicklung einer Sucht gängen des Gehirns und der Fähigkeit der
begünstigen. Anzufügen ist, dass sich die Konsumkontrolle tangiert. Die Determinan-
Schäden für die Gesellschaft nicht nur den ten sind allerdings nicht nur biologischer
suchtkranken Personen anlasten lassen. und genetischer, sondern auch psychologis-
Beträchtlichen gesellschaftlichen Schaden cher, sozialer, umweltbedingter und kultu-
verursachen nämlich akute Intoxikatio- reller Natur. Vor diesem Hintergrund kommt
nen oder Überdosen, wie dies die jüngste der Präventionspolitik eine wichtige Funk-
Mode des Botellón oder des Binge Drinking tion zu, indem sie die Öffentlichkeit aufklärt,
(Rauschtrinken) auf dem Gebiet der Alkoho- auf Risikoverhalten aufmerksam macht und
logie deutlich vor Augen führen. die Entwicklung von Kompetenzen fördert,
Studien zu neurowissenschaftlichen bildge- dank denen eine selbstbestimmte Haltung
benden Verfahren weisen auf die tragende gegenüber Suchtmitteln möglich ist.

28
Das Gehirn
GLOSSAR Neurotransmitter
Chemischer Botenstoff, welcher die Signal-
übertragung zwischen zwei Nervenzellen
Abhängigkeit sicherstellt.
Zustand einer Person, die nicht mehr auf
eine psychoaktive Substanz verzichten Psychotrope / psychoaktive Substanz
kann. Unter dem klinischem Gesichtspunkt Substanz, welche die Psyche, insbesondere
definiert sich die Abhängigkeit durch die die Stimmung, das Denken und die Wahr-

SUBSTANZKONSUM
Entzugssymptome, die bei Beendigung nehmung verändert. Diese Substanzen
des Konsums auftreten und psychischer können eine stimulierende, halluzinogene
Art (Unbehagen, Ängstlichkeit, depressiver oder dämpfende Wirkung entfalten.
Zustand) oder körperlicher Art (Schmer-
zen, Krämpfe, Übelkeit und Durchfall) sein Sucht
können.
Sucht bezeichnet den Prozess, mit wel-
chem ein Verhaltensmuster, das anfänglich
Craving ein Wohlbefinden verschaffen oder ein Un-
Heftiges und unabweisbares Verlangen, das behagen lindern soll, unkontrolliert und trotz
Suchtverhalten auszuführen. des Wissens um die nachteiligen Folgen
fortgesetzt wird (Goodman, 1990).
Entzug

ABHÄNGIGKEIT
Einstellung des Konsums einer psychoak- Toleranz
tiven Substanz. Der Entzug kann abrupt Dieselbe Dosis einer Substanz entfaltet we-
(totale und unverzügliche Abstinenz) oder niger Wirkung als vorher. Um die ursprün-
schrittweise erfolgen: Der Konsum wird all- glich durch niedrigere Dosis erreichten Wir-
mählich verringert, manchmal mit Hilfe einer kungen hervorzurufen, werden die Mengen
Substitutionsbehandlung. und die Häufigkeit der Einnahme gesteigert,
wodurch sich auch die mit der konsumierten
Entzugserscheinungen Substanz verbundenen Risiken erhöhen.
Auch Entzugssyndrom genannt: Die psychis-
chen und körperlichen Beeinträchtigungen Wiederaufnahme
oder Leiden einer von einer psychoaktiven Die Informationsübertragung im Gehirn er-
Substanz abhängigen Person, nachdem sie folgt auf der Ebene der Synapsen, indem

SUCHT
mit dem Konsum aufgehört hat. Neurotransmitter durch ein Senderneuron
an das Empfängerneuron ausgeschüttet
Genom werden. Gewisse Neurotransmitter ver-
Gesamtheit des genetischen Materials ei- bleiben im synaptischen Spalt; sie werden
nes Individuums, das durch die DNA kodiert anschliessend entweder durch das Sender-
ist und auch als Erbgut bezeichnet wird. neuron wieder-aufgenommen (Reuptake)
oder abgebaut. Auf diese Weise wird die Ak-
Missbrauch tivität der Neurotransmitter zeitlich begrenzt.
Fortwährender oder periodischer exzessiver Wenn die Wiederaufnahme blockiert wird,
und freiwilliger Gebrauch einer oder mehre- verbleibt der Neurotransmitter im synaptis-
FAKTOREN

rer psychoaktiver Substanzen, die schädli- chen Spalt und die Informationsübertragung
che Auswirkungen auf die physische oder an das Empfängerneuron fällt entsprechend
psychische Gesundheit haben. länger und stärker aus.
BEHANDLUNGSFORMEN

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Autoren Mit der wissenschaftlichen Unterstützung der im Auftrag und mit der finanziellen
• S •S • A• M • Unterstützung des
Swiss Society of Addiction Medicine Bundesamtes
www.axess-lab.ch www.ssam.ch für Gesundheit

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