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Horst Przuntek z Thomas MuÈller (Hrsg.

Das serotonerge System aus neurologischer und psychiatrischer Sicht


Horst Przuntek ´ Thomas Mçller (Hrsg.)

Das serotonerge System


aus neurologischer
und psychiatrischer Sicht

STEINKOPFF
DARMSTADT
Prof. Dr. Horst Przuntek
Prof. Dr. Thomas Mçller
Neurologische Klinik
der Ruhr-Universitåt Bochum
St. Josef-Hospital
Gudrunstraûe 56
44791 Bochum

ISBN 3-7985-1499-2 Steinkopff Verlag, Darmstadt

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Steinkopff Verlag Darmstadt
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° Steinkopff Verlag Darmstadt 2005
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çberprçft werden.
Reaktion: Dr. Maria Magdalene Nabbe, Jutta Salzmann
Umschlaggestaltung: Erich Kirchner, Heidelberg
Satz: K+V Fotosatz GmbH, Beerfelden
SPIN 11377481 80/7231-5 4 3 2 1 0 ± Gedruckt auf såurefreiem Papier
Vorwort

Dieses 2003 in Bukarest veranstaltete Symposium soll die ver-


schiedenen Facetten der serotonergen Neurotransmission inter-
disziplinår bei psychiatrischen und neurologischen Erkrankun-
gen widerspiegeln. Alle Teilnehmer konnten neue Erkenntnisse
aus den unterschiedlichen Vortrågen gewinnen, was durch die-
ses Buch weitervermittelt werden soll. In den lebhaften Diskus-
sionen reifte die Erkenntnis, dass Neurologie, Psychiatrie und
Innere Medizin sehr eng kooperieren mçssen, da sich diese
Disziplinen erheblich çberschneiden. Dies zeigt sich auch bei
der Beleuchtung des serotonergen Systems, das peripher und
zentral bei physiologischen Regulationsvorgången und bei der
Manifestation krankhafter Prozesse immer wieder mehr oder
weniger stark involviert ist. Neben der daraus resultierenden
Erweiterung des Horizonts lassen sich die in den verschiedenen
Fachdisziplinen gewonnenen Erkenntnisse ± oft çber letztend-
lich immer wieder synchron ablaufende Prozesse im Kærper ±
im Sinne eines ganzheitlichen Therapieansatzes bçndeln und
optimieren. Deshalb ist die zunehmende Spezialisierung und
Trennung der einzelnen medizinischen Disziplinen, z. B. Psy-
chiatrie, Neurologie und Geriatrie, nicht unbedingt vorteilhaft;
sie sollte eher einer neurobiologischen Gesamtsichtweise auf
Kærper, Gehirn und Psyche weichen.
Wir danken der Firma Lundbeck und hier insbesondere
Herrn Dr. Sgonina und Herrn Lappan, ohne deren unermçdli-
ches persænliches Engagement dieses gelungene Symposium
und das jetzt vorliegende Buch nicht mæglich gewesen wåren.

Bochum, im Februar 2005 Horst Przuntek


Thomas Mçller
Inhaltsverzeichnis

Die Lust am serotonergen System


A. Rodenbeck, G. Hçther, E. Rçther . . . . . . . . . . . . . . 1

Zentrales Serotoninsystem und Serotonin-Neurotoxine


L. Lachenmayer, H. G. Baumgarten . . . . . . . . . . . . . . . . 11

Serotonergic neurotoxicity ± the example MDMA


A. G. Ludolph, A. C. Ludolph . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25

Das serotonerge System und Kognition


D. Jokisch, C. Bellebaum, I. Daum . . . . . . . . . . . . . . . . . 39

Serotonin, Kognition, Demenz


H. Færstl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55

Serotonerges System und Halluzinationen ±


Das Beispiel der Parkinson-Halluzinose
D. Kæmpf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67

Serotonerge Dysfunktionen
bei Patienten mit Alkoholabhångigkeit
A. Heinz, A. Bartholomå, H. Witthaus,
F. Forstreuter, G. Juckel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79

Serotonin und chronische Mçdigkeit


T. Mçller . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87

Suizidalitåt und das serotonerge System


M. Wolfersdorf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93
Autorenverzeichnis

Andrea Bartholomå Prof. Dr. Hans Færstl


Charit ± Klinik und Poliklinik
Universitåtsmedizin Berlin fçr Psychiatrie
Campus Charit Mitte und Psychotherapie
Klinik fçr Psychiatrie Klinikum rechts der Isar
und Psychotherapie der TUM
Schumannstraûe 20/21 Ismaninger Straûe 22
10117 Berlin 81675 Mçnchen

Prof. Dr. Frank Forstreuter


Hans-Georg Baumgarten Charit ±
Freie Universitåt Berlin Universitåtsmedizin Berlin
Institut fçr Anatomie Campus Charit Mitte
Kænigin-Luise-Straûe 15 Klinik fçr Psychiatrie
14195 Berlin und Psychotherapie
Schumannstraûe 20/21
Dipl.-Psych. 10117 Berlin
Christian Bellebaum
Institut fçr Kognitive Prof. Dr. Andreas Heinz
Neurowissenschaft Charit ±
Abteilung Neuropsychologie Universitåtsmedizin Berlin
Ruhr-Universitåt Bochum Campus Charit Mitte
Universitåtsstraûe 150 Klinik fçr Psychiatrie
44780 Bochum und Psychotherapie
Schumannstraûe 20/21
Prof. Dr. Irene Daum 10117 Berlin
Institut fçr Kognitive
Neurowissenschaft Prof. Dr. Gerald Hçther
Abteilung Neuropsychologie Klinik fçr Psychiatrie
Ruhr-Universitåt Bochum und Psychotherapie
Universitåtsstraûe 150 Georg-August-Universitåt
44780 Bochum Gættingen
Von-Siebold-Straûe 5
37075 Gættingen
X z Autorenverzeichnis

Dr. Daniel Jokisch Prof. Dr. Thomas Mçller


Institut fçr Kognitive Neurologische Klinik
Neurowissenschaft St. Josef-Hospital
Abteilung Neuropsychologie Ruhr-Universitåt Bochum
Ruhr-Universitåt Bochum Gudrunstraûe 56
Universitåtsstraûe 150 44791 Bochum
44780 Bochum
Priv.-Doz. Dr.
Priv.-Doz. Dr. Georg Juckel Andrea Rodenbeck
Charit ± Klinik fçr Psychiatrie
Universitåtsmedizin Berlin und Psychotherapie
Campus Charit Mitte Georg-August-Universitåt
Klinik fçr Psychiatrie Gættingen
und Psychotherapie Von-Siebold-Straûe 5
Schumannstraûe 20/21 37075 Gættingen
10117 Berlin
Prof. Dr. Eckart Rçther
Prof. Dr. Detlef Kæmpf Klinik fçr Psychiatrie
Klinik fçr Neurologie und Psychotherapie
Universitåtsklinikum Georg-August-Universitåt
Schleswig-Holstein Gættingen
Campus Lçbeck Von-Siebold-Straûe 5
Ratzeburger Allee 160 37075 Gættingen
23538 Lçbeck
Henning Witthaus
Prof. Dr. Lutz Lachenmayer Charit ±
Allgemeines Krankenhaus Universitåtsmedizin Berlin
Barmbek Campus Charit Mitte
Neurologische Abteilung Klinik fçr Psychiatrie und
Rçbenkamp 148 Psychotherapie
22291 Hamburg Schumannstraûe 20/21
10117 Berlin
Prof. Dr. Albert C. Ludolph
Universitåtsklinikum Ulm Prof. Dr.
Abteilung fçr Neurologie Manfred Wolfersdorf
Rehabilitationskrankenhaus Klinik fçr Psychiatrie
Ulm und Psychotherapie
Oberer Eselsberg 45 Depressionszentrum
89081 Ulm Bezirkskrankenhaus Bayreuth
Nordring 2
Dr. Andrea G. Ludolph 95445 Bayreuth
Universitåtsklinik
fçr Kinder- und Jugend-
psychiatrie/Psychotherapie
Steinhævelstraûe 5
89075 Ulm
Die Lust am serotonergen System
A. Rodenbeck, G. Hçther, E. Rçther

z Einfçhrung in die Funktionsweise des serotonergen Systems


Serotonin bekam seinen Namen erst nach einem långeren Verwirrspiel.
Rapport hatte die vasokonstriktorische Wirkung dieser Substanz als Erster
entdeckt und sie deshalb ¹Serotoninª genannt (obwohl wir heute wissen,
dass sie auch eine vasodilatatorische Wirkung hat). Sein Kontrahent, Ers-
pamer, hatte die Substanz jedoch schon sehr viel frçher aus dem Darm
isoliert und sie deshalb Enteramin genannt (was zutreffender war, da Sero-
tonin zu çber 90% von den enterochromaffinen Zellen des Darms gebildet
wird). Erst Jahre spåter merkten die Chemiker, dass es sich in beiden Fål-
len um ein und dieselbe Verbindung, 5-Hydroxytryptamin (5-HT), handel-
te. Lustvoll wurde die Serotoninforschung erst viel spåter, als nåmlich die
halluzinogenen Wirkungen des LSD auf dessen Serotonin-agonistische Wir-
kung zurçckgefçhrt werden konnten, und als deutlich wurde, dass auch die
stimmungsveråndernden Effekte der substituierten Amphetamine wie
MDMA (¹Ecstasyª) auf deren Fåhigkeit beruhten, das in den Speichervesi-
keln serotonerger Pråsynapsen enthaltene Serotonin freizusetzen. Als die
stimmungsaufhellenden antidepressiven Wirkungen der Serotonin-Wieder-
aufnahmehemmer bekannt und zur Therapie einer Vielzahl angstmediierter
psychiatrischer Stærungen erfolgreich eingesetzt wurden, begann die Sero-
toninforschung auch fçr all jene lustvoll zu werden, die durch den Verkauf
dieser Substanzen Geld verdienten. Nach inoffiziellen Schåtzungen nehmen
inzwischen 35 Mio. US-Amerikaner regelmåûig Serotonin-Wiederaufnah-
mehemmer ein, um ihre (schlechte) Stimmung aufzubessern.
Heute wissen wir, dass Serotonin an den Fortsåtzen eines weit ausgebrei-
teten Transmittersystems freigesetzt wird, das global-modulatorische Wir-
kungen besitzt und dessen Aktivitåt praktisch jeden Lebensbereich, wie
z. B. Stimmung, Aggressivitåt, Ess- und Schlaf-Wach-Verhalten beeinflusst.
Die serotonergen Neurone der Raphe-Kerne werden frçh in der Hirnent-
wicklung angelegt und innervieren mit ihren auswachsenden Axonen die
sich noch ausdifferenzierenden distalen Zielgebiete. Die in den Raphe-Ker-
nen im Mittelhirn lokalisierten Perikaryen besitzen lange und stark ver-
zweigte Axone, die alle Bereiche des ZNS vom frontalen Kortex bis zum
kaudalen Rçckenmark erreichen. Gleichzeitig verfçgt das serotonerge Sys-
tem çber eine enorme Vielfalt postsynaptisch exprimierter Rezeptoren mit
unterschiedlichen Bindungseigenschaften, unterschiedlichen Verteilungs-
2 z A. Rodenbeck et al.

mustern und unterschiedlichen Wirkungen auf die postsynaptischen Zellen.


Nur ein Teil der serotonergen Nervenendigungen bildet klassische Synap-
sen aus, der weitaus græûere Teil endet frei im Parenchym und entlåsst Se-
rotonin in den extrazellulåren Raum. Damit werden vor allem von den As-
trozyten exprimierte Rezeptoren aktiviert und so die Synthese und Freiset-
zung von astrozytåren neurotrophen Faktoren stimuliert. Im Vergleich zu
anderen Neurotransmittersystemen verfçgt das serotonerge System çber
das græûte Spektrum an Mæglichkeiten zur Beeinflussung der neuronalen
Aktivitåt in råumlich weit verteilten lokalen Netzwerken. Gleichzeitig ist
das serotonerge System ein tonisches System, d. h. es feuert wåhrend des
Wachens mit stets gleich bleibender Frequenz, unabhångig von inneren
oder åuûeren Faktoren wie z. B. Stress, sensorische Stimulation, Hypogly-
kåmie oder Hyperthermie. Die Feuerungsrate kann lediglich çber die prå-
synaptischen 5-HT1A-Rezeptoren beeinflusst werden, die Serotoninfreiset-
zung in den Projektionsgebieten låsst sich jedoch durch die Aktivierung
unterschiedlicher pråsynaptischer Heterorezeptoren modulieren. Mit seiner
konstant bleibenden Entladungsfrequenz bei hoher Innervationsdichte in
allen Gebieten des ZNS ist das serotonerge System in der Lage, die Aktivi-
tåt nachgeschalteter neuronaler Netzwerke zu beeinflussen und die dort an-
gelegten synaptischen Verschaltungen zu stabilisieren. Die Bedeutung der
stabilisierenden Funktion des serotonergen Systems auf neuronale Netzwer-
ke låsst sich eindrucksvoll durch die tierexperimentelle Låsion serotonerger
Eingånge demonstrieren. Im Kortex fçhrt eine serotonerge Denervierung
zu einer bis zu 50%igen Reduktion der synaptischen Dichte. Die struktu-
relle Plastizitåt des serotonergen Systems bleibt auch im adulten Gehirn er-
halten. Nach chemischen oder mikrochirurgischen Låsionen der serotoner-
gen Projektionen kommt es zu z. T. çberschieûendem Wiederauswachsen
(collateral sprouting) und zur verstårkten Synaptoneogenese von serotoner-
gen Axonen in den betroffenen Regionen, wobei die neu entstandenen Ver-
bindungen funktionell aktiv sind. Werden durch lokale Låsionen der sero-
tonergen Innervation einzelne funktionelle Netzwerke, etwa der Bulbus ol-
factorius, der integrativen globalen Kontrolle durch das serotonerge System
entzogen, so sind ausgeprågte Ønderungen des Verhaltens, der neuroendo-
krinen Regulation und der Steuerung peripherer Systeme die Folge. Offen-
bar ist weniger die Aktivitåt des serotonergen Systems per se, sondern viel-
mehr der balancierte Einfluss dieses Systems auf råumlich getrennte lokale
Netzwerke fçr die Koordination und Integration zentralnervæser Leistungen
von Bedeutung.

Die prinzipiellen Funktionen des serotonergen Systems bestehen daher in


z der Stimulation der Synthese und Sekretion von astrozytåren neurotro-
phen Faktoren,
z der Stabilisierung bereits angelegter synaptischer Verschaltungen bzw. in
der strukturellen Plastizitåt des serotonergen Systems selbst und
z der kooperativen Integration der Aktivitåt råumlich getrennter lokaler
neuronaler Netzwerke.
Die Lust am serotonergen System z 3

Diese prinzipiellen Funktionen des serotonergen Systems erklåren auch,


warum ganz unterschiedliche Verhaltensweisen und Emotionen durch ein
einziges Neurotransmittersystem beeinflusst werden kænnen, weshalb sich
akute von chronischen Effekten unterscheiden, warum sehr unterschiedli-
che psychische Stærungen mit gleichen Medikamenten therapiert werden
kænnen oder warum die direkten oder indirekten 5-HT-Rezeptoragonisten
oder -antagonisten ihre antidepressive Wirkungen erst dann besonders
sichtbar entfalten, wenn die Balance der Aktivitåt verschiedener lokaler
Netzwerke gestært ist.
Nach der akuten Verabreichung von Serotonin-Wiederaufnahmehem-
mern fçhrt der Anstieg des extrazellulåren Serotoninspiegels im Bereich
der Raphe-Kerne zur Aktivierung der somatodendritischen 5-HT1A-Rezep-
toren. Somit wird die Feuerungsrate serotonerger Neurone zunåchst redu-
ziert und die impulsgetriggerte Freisetzung von Serotonin vermindert. Erst
die långerfristige Gabe fçhrt zu einer Herabregulierung der Dichte dieser
Autorezeptoren und zu einer zunehmenden Aufhebung der Eigenhemmung.
Es ist nicht unwahrscheinlich, dass sich die therapeutische Wirksamkeit
dieser Substanzen, unabhångig von der Beteiligung spezifischer Rezeptorty-
pen, çber die strukturelle Plastizitåt des serotonergen Systems und dessen
stabilisierende Wirkung auf bereits bestehende synaptische Verbindungen
entfaltet. Die Interaktionen des serotonergen Systems mit anderen Trans-
mittersystemen wurden bisher nur wenig beachtet und auch genetische
Einflçsse erklåren nur einen geringen Teil der natçrlichen Varianz. Gleich-
zeitig bleibt unklar, ob das serotonerge System von Patienten, deren Symp-
tomatik erfolgreich mit serotonerg wirksamen Substanzen behandelbar ist,
çberhaupt in seinen funktionellen Wirkungen veråndert ist, oder ob eine
solche Verånderung primår an der Manifestation des Erkrankungsbildes
beteiligt ist oder als sekundåres Phånomen betrachtet werden muss.
Die prinzipiellen Funktionen des serotonergen Systems sollten uns daher
weniger zu einer Suche nach spezifischen Wirkungen der verschiedenen
Rezeptorsubtypen verleiten, sondern vielmehr zur Entwicklung von Strate-
gien fçhren, die diese Funktionen, insbesondere eine verbesserte Seroto-
nin-mediierte Synchronisierung und Harmonisierung einzelner lokaler
neuronaler Netzwerke, therapeutisch nutzbar machen. Die Betrachtung se-
rotonerger Wirkungen unter basalen Bedingungen, d. h. zunåchst einmal
ohne den Einfluss manifester psychischer Stærungen, ist dazu ein erster
Schritt.

z Begeisterung durch Serotonin: Ecstasy

¹Ecstasyª ist eine Szenebezeichnung fçr bewusstseinsveråndernde Substan-


zen (Psychedelika, Entaktogene) mit einem sehr åhnlichen Wirkungsspekt-
rum. Chemisch handelt es sich hierbei um substituierte Amphetamine, ins-
besondere 3,4-Methylendioxymethamphetamin (MDMA, ¹Ecstasyª, ¹XTCª,
¹Eª, ¹adamª), Methylendioxyethylamphetamin (MDE, ¹eveª) und Methylen-
4 z A. Rodenbeck et al.

dioxyamphetamin (MDA). Diese Substanzen werden çber den Serotonin-


transporter selektiv in serotonerge Pråsynapsen aufgenommen, verdrången
Serotonin aus seinen vesikulåren Speichern und hemmen den Abbau von
Serotonin durch die Monoaminooxidase. Die daraus resultierende massive
Serotoninfreisetzung fçhrt zu einer generellen Verstårkung Serotonin-medi-
ierter Einflçsse auf zentralnervæse Verarbeitungsprozesse. Es kommt unter
dieser Bedingung zu einer extrem gesteigerten Harmonisierung der norma-
lerweise sehr unterschiedlichen Aktivitåten in råumlich getrennten neura-
len Netzen des ZNS. Auf psychischer Ebene åuûert sich dieser Effekt als ei-
ne åuûerst positiv empfundene Verånderung der allgemeinen Stimmungs-
lage (euphorische-empathische Gefçhle, verstårkte Offenheit, emotionale
Stabilisierung). Diese erlebte Wirkung bildet die Grundlage fçr die Ausbil-
dung einer psychischen Abhångigkeit.
Die fçr diese Wirkung verantwortliche massive Serotoninausschçttung
kann unter bestimmten Umstånden aber auch zum Untergang der betroffe-
nen serotonergen Pråsynapsen, insbesondere in den distalen Projektions-
gebieten der Raphe-Neurone, fçhren. Verantwortlich hierfçr ist eine durch
die Drogen ausgelæste fatale Reaktionskette. Die in die vesikulåren Speicher
der serotonergen Pråsynapsen aufgenommenen substituierten Ampheta-
mine verhindern die erfolgreiche Abspeicherung des ausgeschçtteten Sero-
tonins. Die serotonergen Nervenendigungen verbrauchen deshalb sehr viel
Energie beim vergeblichen Versuch, ihren Transmitter wieder vesikulår ab-
zuspeichern. Es kommt so zu einer bedrohlichen Verarmung der pråsynap-
tischen Energie(ATP, Glukose)-Reserven. Gleichzeitig læsen diese Drogen
çber das von ihnen freigesetzte Serotonin sowie durch die zusåtzliche Frei-
setzung von Katecholaminen eine Reihe von systemischen Reaktionen aus,
die alle dazu beitragen, die ohnehin schon problematische Energieversor-
gung in den serotonergen Pråsynapsen weiter zu verschlechtern. Durch die
Verengung der Blutgefåûe im Gehirn wird ihre Versorgung mit Glukose
und Sauerstoff verringert. Der Anstieg der Kærpertemperatur kann nur un-
ter groûem Energieverbrauch gedrosselt werden und der erforderliche Wår-
meaustausch funktioniert um so schlechter, je wårmer es in einer Dis-
kothek ist und je weniger getrunken wird, um den Flçssigkeitsverlust durch
Schwitzen auszugleichen. Die durch die Drogen ausgelæste z.T. extreme
kærperliche Aktivitåt beim Tanzen verstårkt diese Aufheizung und vergeu-
det die letzten noch vorhandenen Energiereserven. So kænnen immer weni-
ger Ausgangsstoffe fçr die Energiegewinnung im Gehirn bereitgestellt wer-
den, und die serotonergen Nervenendigungen sind çber kurz oder lang
nicht mehr in der Lage, die fçr die Erhaltung ihrer Integritåt erforderli-
chen Energietråger herzustellen. Sie degenerieren nicht deshalb, weil sie
durch die Droge vergiftet werden, sondern weil ihnen aufgrund der durch
die Drogen im ganzen Kærper ausgelæsten Energieverschwendung der fçr
ihren vermehrten Energieverbrauch erforderliche Nachschub ausgeht. Aus
diesem Grund fçhrt die direkte Injektion dieser Substanzen in das Gehirn
auch nicht zur Zerstærung der serotonergen Nervenendigungen. Da die sys-
temischen Reaktionen letztlich fçr ihren Untergang verantwortlich sind,
Die Lust am serotonergen System z 5

låsst sich aus deren Intensitåt auch das Ausmaû der Schådigung serotoner-
ger Nervenendigungen nach der Einnahme einer bestimmten Menge
MDMA durch eine bestimmte Person abschåtzen. Fçr die Konsumenten be-
sonders fatal ist der Umstand, dass die noch einigermaûen ¹sichereª Dosie-
rung fçr den Einzelnen nicht vorhersagbar ist. Es muss mit einer erhebli-
chen interindividuellen genetischen Variabilitåt der systemischen und neu-
rotoxischen Wirkungen substituierter Amphetamine gerechnet werden.
Hinzu kommt noch, dass die aktuelle Verfassung des Einzelnen (sein Ge-
sundheitszustand, seine Ernåhrungslage etc.) sowie die jeweils herrschen-
den åuûeren Bedingungen (die Raumtemperatur, die Flçssigkeitszufuhr, die
Musik als Stimulanz fçr kærperliche Anstrengung etc.) bei ein und dersel-
ben Dosierung zu unterschiedlich starken systemischen Reaktionen und
damit neurotoxischen Wirkungen fçhren kann.
Immer mehr Jugendliche scheinen somit auf ihrer Suche nach Harmonie
und einem kurzen Glçcksgefçhl genau das System in ihrem Gehirn zu zer-
stæren, das fçr die Generierung dieser Empfindungen notwendig ist. Die
psychischen Auswirkungen sind im Einzelfall schwer abschåtzbar. Durch
den Verlust des serotonergen ¹Puffersystemsª wåre eine Akzentuierung be-
stimmter psychischer Anlagen und Grundstrukturen zu erwarten, die als
anhaltende Verånderungen bestimmter Persænlichkeitsmerkmale zutage
tritt. In Abhångigkeit von der individuellen Prådisposition kann es daher
zur Manifestation atypischer Psychosen (Affektverflachung, Kontaktstæ-
rung, Denkstærungen), paranoider Psychosen (Verfolgungswahn, Bezie-
hungswahn), depressiver Syndrome, zu Angst- und Panikerkrankungen,
Depersonalisationssyndromen, verschiedenartigsten Verhaltensauffålligkei-
ten, Schlafstærungen und generellem Antriebsverlust kommen.

z Glçcklich durch Serotonin: Kohlenhydrate und Fett


Serotonin kann im Gehirn nur aus seinem Pråkursor Tryptophan syntheti-
siert werden. Tryptophan wiederum ist eine essenzielle Aminosåure, die
dem Kærper entsprechend von auûen zugefçhrt werden muss. Serotonin
selbst ist zwar in Lebensmitteln wie z. B. Tomaten enthalten, kann aber die
Blut-Hirn-Schranke nicht passieren. Die Menge an Tryptophan, die fçr die
Serotoninsynthese zur Verfçgung steht, wird durch zwei wesentliche Me-
chanismen beeinflusst: Zum einen ist Tryptophan im Plasma an Albumin
gebunden und kann in dieser gebundenen Form die Blut-Hirn-Schranke
ebenfalls nicht passieren. Zum anderen erfolgt die Aufnahme in die Neuro-
ne durch einen Aminosåuretransporter, um dessen Bindungsstellen alle
groûen neutralen Aminosåuren, einschlieûlich des Tryptophans, miteinan-
der konkurrieren.
Diese Mechanismen kænnen durch Ernåhrungsfaktoren beeinflusst wer-
den. Freie Fettsåuren verdrången das Tryptophan aus seiner Albuminbin-
dung. Kohlenhydrate bewirken çber eine verstårkte Insulinsekretion eine
Aufnahme der groûen neutralen Aminosåuren ± mit Ausnahme des Trypto-
6 z A. Rodenbeck et al.

phans ± in die Muskulatur und damit eine hæhere Aufnahme von Trypto-
phan am Transporter (s. Abb. 1). Unabhångig von allen anderen Inhalts-
stoffen sind dies die Hauptmechanismen, die der eher populårwissenschaft-
lichen Schlagzeile ¹Schokolade macht glçcklichª zugrunde liegen. Viele Be-
obachtungen und wissenschaftliche Untersuchungen zeigen einen mehr
oder weniger engen Zusammenhang zwischen der Zufuhr von Kohlenhy-
draten und der Stimmungslage. Die stimmungsaufhellende Wirkung einer
gesteigerten Kohlenhydratzufuhr ist abhångig vom Ausgangszustand des
Einzelnen: Dient eine kohlenhydratreiche Mahlzeit nur dem Zweck einer
schnellen Energiezufuhr, so finden sich praktisch keine Effekte auf die
Stimmung oder die Leistung. Wichtige Faktoren sind dagegen Angst, Unsi-
cherheit und Stress, also Reaktionen, die zu Stærungen des regionalen
Gleichgewichts zwischen den verschiedenen neuronalen Netzwerken inner-
halb des Gehirns fçhren kænnen. Unter diesen Bedingungen ist die Ver-
suchung einer gesteigerten Kohlenhydrat- oder Fettzufuhr besonders groû,
es entsteht ein Heiûhunger auf Sçûes. So wåhlen Versuchspersonen nach
der Beendigung einer experimentell erzeugten Stressbelastung vermehrt
kohlenhydratreiche Nahrungsmittel aus bzw. essen mehr Sçûes. Umgekehrt
kann bei stressempfindlichen Personen der stressinduzierte Anstieg depres-
siver Symptome bzw. die Stimmungsverschlechterung nach Stress durch
den vorhergehenden Genuss von Sçûigkeiten oder kohlenhydratreiche
Mahlzeiten vermindert werden.
Ernåhrung kann aber auch einen Abfall der Tryptophankonzentration
zur Folge haben. Beispielsweise bewirkt eine 10-tågige Tryptophan-arme
Diåt eine Verminderung der Tryptophan-Plasmakonzentration um 15±20%.
Eine relative Tryptophanverarmung kann insbesondere bei Veganern recht
schnell erreicht werden, wenn neben deren prinzipiellem Verzicht auf
Fleisch, Eier und Milchprodukte die Nahrung zudem wenig Hçlsenfrçchte,
Tofu oder Getreideprodukte enthålt. Experimentell fållt nach der Verabrei-
chung eines Aminosåuretrunks ohne Tryptophan (Tryptophandepletion)
als Mahlzeitersatz die Tryptophankonzentration nicht nur im Plasma, son-
dern nach etwa acht Stunden auch im Liquor um ca. 90% ab und die Sero-
toninsynthese reduziert sich um 90±95%. Diese Effekte sind geschlechtsspe-
zifisch: Die Reduktion der Tryptophan-Plasmakonzentration ist nach einer
Tryptophan-armen Diåt bei Frauen stårker ausgeprågt. Zudem weisen Mån-
ner im Vergleich zu Frauen nach einer Tryptophandepletion eine um 50%
hæhere Serotoninsyntheserate auf, was wiederum auf die unterschiedlichen
Tryptophan-Plasmakonzentrationen zurçckgefçhrt wird. Zahlreiche Arbei-
ten beschreiben zudem, dass die stimmungsverschlechternden Effekte einer
Tryptophandepletion sich bei Patienten mit zumindest einem erhæhten Ri-
siko fçr psychische Stærungen zeigen, besonders aber bei Frauen. Ins-
gesamt scheinen Frauen daher empfindlicher auf Verånderungen der Nah-
rungszusammensetzung zu reagieren als Månner.
Dramatische Auswirkungen hat die Regulation des serotonergen Systems
durch die Ernåhrung bei adipæsen Menschen. Hier ist das Verhåltnis von
Tryptophan zu den anderen groûen neutralen Aminosåuren signifikant ver-
Die Lust am serotonergen System z 7

mindert, d. h. es liegt eine relative Tryptophanarmut vor. Diese Verån-


derung bleibt auch nach erheblicher Gewichtsreduktion bestehen
(s. Abb. 1). Als mæglicher Grund ist eine Insulinresistenz zu diskutieren.
Bei den Betroffenen fçhrt die relative Tryptophanarmut dazu, dass sie ver-
suchen, dieses Defizit durch eine verstårkte Zufuhr von Fetten und/oder
Kohlenhydraten zu kompensieren. Dabei geraten sie in einen Teufelskreis
aus Adipositas, metabolischen und endokrinen Verånderungen, verminder-
ter Serotoninsynthese und einer eigentlich kontraindizierten erhæhten Nah-
rungszufuhr.

z Freude am Verzicht: Fasten

Aus Tierversuchen ist schon seit långerem bekannt, dass es bei kurzzeitiger
Nahrungskarenz zu einer erhæhten Tryptophanverfçgbarkeit im Gehirn
und daher zu einer gesteigerten Serotoninsynthese und -freisetzung durch
serotonerge Pråsynapsen kommt. Noch interessanter ist ein zweiter Effekt
auf das serotonerge System, der erst nach einigen Tagen eintritt: Nahrungs-
restriktion vermindert die Anzahl von Serotonintransportern in den Ner-
venendigungen serotonerger Neurone. Wenn Ratten nur die Hålfte ihrer
normalerweise tåglich aufgenommenen Futtermenge bekommen, fçhrt die-
se restriktive Ernåhrung (die mit einer 10±20%igen Gewichtsreduktion ein-
hergeht) nach einer Woche zu einer deutlichen Verringerung der Dichte
von Serotonintransportern im Kortex. Nach vierzehntågiger Nahrungsres-
triktion ist dieser Effekt noch ausgeprågter. Aufgrund der verringerten Se-
rotonintransporterdichte im Kortex kommt es zu einer permanent vermin-
derten Effizienz der Wiederaufnahme des freigesetzten Transmitters. Die
erhæhte Konzentration und långere Verweildauer von Serotonin im extra-
zellulåren Raum (s. Abb. 1) ermæglicht eine långer andauernde und weiter
reichende Wirkung dieses Transmitters und Neuromodulators auf nach-
geschaltete neuronale oder gliale Zellen. Durch die zusåtzlich bei restrikti-
ver Ernåhrung gesteigerte Serotoninsynthese und -freisetzung wird die ex-
trazellulåre Konzentration des Serotonins und damit die Dauer und der Ra-
dius der Transmitterwirkung in noch stårkerem Ausmaû als durch die Ein-
nahme selektiver Wiederaufnahmehemmer erhæht.
Die psychischen Effekte des Fastens sind ebenso beeindruckend wie alt-
bekannt, aber bis vor kurzem nur eher anekdotisch beschrieben. Zunåchst
beherrscht das Hungergefçhl und das damit verbundene Unbehagen die
Stimmung des Fastenden. Dieses starke Hungergefçhl verschwindet jedoch
nach einigen Tagen; es folgt eine durch Nahrungsrestriktion ausgelæste
Anorexie. Jetzt kommt der stimmungsstabilisierende und spannungslæsende
Effekt des Fastens zum Tragen. In vielen Kulturen wird das Fasten zur Er-
langung transzendentaler Bewusstseinszustånde im Rahmen religiæser oder
spiritueller Handlungen eingesetzt. Selbst religiæse Gebråuche wie unsere
voræsterliche Fastenperiode oder der islamische Ramadan scheinen auf der
empirischen Erfahrung dieser biologischen Effekte zu beruhen. Das Fasten
8 z A. Rodenbeck et al.

wurde aber auch von verschiedenen medizinischen Schulen zu Heilzwecken


benutzt. Schon im vierten Jahrhundert v. Chr., zur Zeit des Hippokrates,
begann man, das Fasten zur Therapie kærperlicher und geistiger Erkran-
kungen einzusetzen. Heute wird es verstårkt im Rahmen der Ganzheits-
medizin, z. B. in Fastenkliniken, angewendet. Nach zwei oder drei freiwil-
ligen Fastentagen, also etwa dann, wenn sich auch bei Versuchstieren die
Herabregulation der Dichte von Serotonintransportern beobachten låsst,
schwindet bei den meisten Menschen das Hungergefçhl. Am Ende einer
einwæchigen Fastenperiode sind emotionale Ausgeglichenheit, Konzentrati-
onsfåhigkeit sowie Schlafdauer und -qualitåt signifikant verbessert. Ein
Fasten mit dem primåren Ziel der Gewichtsreduktion bei Adipæsen fçhrt
dagegen zu einer psychischen Belastung und zu einem Anstieg der neuro-
endokrinen Stressparameter. Die positiven Effekte einer zeitlich begrenzten
Fastenperiode kænnen also hauptsåchlich von zumindest normalgewichti-
gen, nicht jedoch von adipæsen Personen wahrgenommen werden.
Die bei långer andauernder Nahrungsrestriktion auftretende permanente
Herabregulation der Serotonintransporter, die daraus resultierende Stimula-
tion serotonerger Aktivitåt und ihre subjektiv erlebten psychischen Auswir-
kungen bieten eine mægliche Erklårung fçr die Entstehung von Essstærun-
gen. Da die Herabregulation der Serotonintransporter durch Nahrungsres-
triktion zumindest tierexperimentell bei jugendlichen Tieren besonders gut
auslæsbar ist und das çber die Medien verbreitete Idealbild von ¹schænen =
schlankenª Menschen besonders junge Frauen zum Fasten motiviert, ist
die hohe Pråvalenz von Essstærungen in diesem Bevælkerungssegment we-
nig erstaunlich. Patientinnen mit Anorexie weisen im Blut eine im Ver-
gleich zu den konkurrierenden groûen neutralen Aminosåuren erhæhte
Tryptophankonzentration auf. Dieses Ungleichgewicht bleibt auch nach er-
folgreicher Therapie bestehen (Abb. 1). Wenn vulnerable Personen anhal-
tenden schwer kontrollierbaren Belastungen ausgesetzt sind, ist die Gefahr
besonders groû, dass die psychischen Effekte des Fastens von ihnen als ei-
ne Mæglichkeit der Stressbewåltigung entdeckt werden. Personen, die die
stimmungsstabilisierenden Effekte des Fastens als besonders positiv emp-
finden, kænnen so sehr leicht in einen Teufelskreis geraten, der nur sehr
schwer zu durchbrechen ist.

Abb. 1. Beeinflussung des se-


rotonergen Systems durch Er-
nåhrung. LNAA groûe neutrale
Aminosåuren, SSRI Selektive
Serotonin-Wiederaufnahme-
hemmer
Die Lust am serotonergen System z 9

z Endlich tråumen: Das serotonerge System im Schlaf


Wie eingangs erwåhnt, weist das serotonerge System eine weitere Besonder-
heit auf. Wåhrend des aktiven Wachens feuert es, unbeeinflusst von åuûeren
oder inneren Faktoren, tonisch mit einer Frequenz von etwa 5±7 Hz. Diese
Frequenz sinkt im Tiefschlaf auf etwa 3±5 Hz ab und wåhrend des ¹rapid-eye-
movementª(REM)-Schlafs kommt die serotonerge Aktivitåt vællig zum Erlie-
gen (Abb. 2). Allein diese Aktivitåtscharakteristika lassen vermuten, dass die
serotonergen Efferenzen der Raphe-Kerne wesentlich an der Koordination
und Organisation zirkadianer Rhythmen einschlieûlich des Schlafens und
Wachens beteiligt sind. Tatsåchlich bedingt eine pharmakologische Hem-
mung oder eine mechanische Låsion der Raphe-Kerne eine vorçbergehende
Stærung der Schlaf-Wach-Rhythmik. Die Interaktionen zwischen serotoner-
ger Aktivitåt und Schlaf haben vor allem einen groûen Einfluss auf die soge-
nannte interne Schlafregulation, d. h. auf den regelmåûigen Wechsel zwischen
NonREM- und REM-Schlaf. So sind an der Regulierung des Tiefschlafs vor
allem 5-HT2C-Rezeptoren beteiligt, wåhrend eine Aktivierung der serotoner-
gen Autorezeptoren das Auftreten des REM-Schlafs verlångert und dessen
prozentualen Anteil am Gesamtschlaf vermindert.
Das reziproke Interaktionsmodell von aminergen und cholinergen Neuro-
nenverbånden wåhrend des Schlafens erklårt unter Berçcksichtigung eines
relativen Serotoninmangels und/oder eines cholinergen Ûbergewichts bei Pa-
tienten mit psychiatrischen Stærungen auch die bei diesen Patienten gehåuft
auftretenden Verånderungen der internen Schlafregulation (z. B. eine gerin-
gere Zeitlatenz bis zum Auftreten der ersten REM-Schlafphase oder eine
græûere REM-Dichte). Wird ein Tryptophandepletionstest am frçhen Nach-
mittag durchgefçhrt, so wird die minimale Tryptophankonzentration etwa
zum Zeitpunkt des Schlafbeginns erreicht. Dieser Versuchsansatz fçhrt, bei
einem nachfolgenden Serotoninmangel, bei gesunden Probanden zu einer
verkçrzten REM-Latenz und gleichzeitig zu einem Anstieg der Kortisol-Plas-
makonzentration bei weiblichen, nicht jedoch bei månnlichen gesunden Per-
sonen. Somit ist ein nachmittåglich durchgefçhrter Tryptophandepletionstest
zumindest bei weiblichen Gesunden ein praktikables Modell, mit dem die be-
kannten Verånderungen bei depressiven Patienten simuliert werden kænnen.
Auch ohne diese experimentellen Verånderungen des serotonergen Sys-
tems im Schlaf bedeutet allein die physiologische Aktivitåtsånderung des se-
rotonergen ± wie auch des noradrenergen ± Systems im Schlaf einen Wegfall
der tonischen aminergen Kontrolle. So kommt es wåhrend des REM-Schlafs
vor allem auch zu einem vælligen Erliegen des hemmenden serotonergen Ein-
flusses auf den frontalen Kortex und zu einem Wegfall der stabilisierenden
Funktion des serotonergen Systems auf bestehende neuronale Netzwerke. So-
mit hebt sich der scheinbare Widerspruch zwischen den verschiedenen Inter-
pretationen des REM-Schlafs als entweder ¹neuronales Gewitter ohne Funk-
tionª oder als physiologisches Korrelat der Tråume als Ausdruck unerfçllter
Wçnsche zumindest ansatzweise auf. Vielmehr werden die mehr teleologi-
schen Funktionen des REM-Schlafes (Abb. 2) als Zeitråume des affektbeto-
10 z A. Rodenbeck et al.: Die Lust am serotonergen System

Abb. 2. Feuerungsrate serotoner-


ger Neurone und Teleologie des
Tråumens

nen Tråumens deutlich: Die Schwåchung der zentral ordnenden Kontrolle be-
wirkt eine assoziative Lockerung der Hirnfunktionen, sodass bestehende af-
fektive Muster çberschrieben bzw. neue Muster spielerisch erprobt, aus-
gewåhlt und bereitgestellt werden kænnen.

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Zentrales Serotoninsystem
und Serotonin-Neurotoxine
L. Lachenmayer, H. G. Baumgarten

Die Erkenntnis, dass die Membrantransportsysteme und die Speicherein-


richtungen sowie die Biosynthese- und Metabolismus-katalysierenden En-
zyme monoaminerger Neuronensysteme nur eine begrenzte Substratspezifi-
tåt aufweisen und strukturverwandte Bindungspartner akzeptieren, war die
Voraussetzung fçr die Entwicklung und Testung von so genannten ¹fal-
schenª Transmittern, die die Transmissionseigenschaften der Neurone so
veråndern kænnen, dass die Transmissionsqualitåt abgeschwåcht oder sogar
irreversibel geschådigt wird. Beispiele fçr transmissionsmodifizierende Ei-
genschaften falscher Transmitter im adrenergen Funktionsgefçge sind
a-Methyldopa oder 3,4,5-Trihydroxyphenylethylamin (¹5-Hydroxydopaminª,
5-OH-DA), die zu einer Stimulierung der pråsynaptischen Hemmung (via
a-Methyldopamin und a-Methylnoradrenalin) bzw. zu einer Abschwåchung
der postsynptischen Transmissionswirkung der adrenergen Ûbertragung
(via 5-OH-DA und 5-OH-NA) oder auch zu einer axonalen Degeneration
peripherer und (nach Instillation des falschen Amins in das Liquorkompar-
timent) zentraler katecholaminerger Neurone fçhren (nach Anwendung
von 2,4,5-Trihydroxyphenylethylamin, ¹6-Hydroxydopaminª, 6-OH-DA), so-
fern bestimmte Schwellenkonzentrationen im Axon çberschritten werden.
Die Entwicklung solcher strukturverwandter Isomere natçrlicher Ûber-
trågerstoffe war die Voraussetzung fçr die Etablierung eines Verfahrens zur
Erzeugung einer ¹selektiven chemischen Axotomieª, das gezielte Deafferen-
zierungsexperimente an katecholaminerg innervierten Zielorganen der Pe-
ripherie und des ZNS ermæglichte. Dieses methodische Prinzip war ein
Fortschritt im Vergleich zu den frçher çblichen mechanischen oder elek-
trolytischen Låsionsverfahren, die in den meisten Hirnregionen wegen der
¹Durchdringungs- und Konvergenzstrukturª des Neuropils zu einer undis-
kriminierten Zerstærung von transmitterdefinierten Netzwerkkomponenten
im ZNS fçhren. Aus mechanischen oder groûen elektrolytischen Låsions-
resultaten interpolierte Folgerungen zur Frage funktioneller Eigenschaften
von Transmittersystemen unterliegen deshalb einem betråchtlichen Irr-
tumsrisiko. Allerdings muss eingeråumt werden, dass auch die Selektivitåt
von ¹Monoaminneurotoxinenª begrenzt ist und abhångig vom Verfahren
zur Erzeugung von Axotomien (z. B. intrathekale versus intrazerebrale Ap-
plikationsweise). Die methodischen Qualitåtsanforderungen an Neurotoxin-
induzierte Låsionsverfahren sind daher hoch und nicht immer gewåhrleis-
tet. Die Nichtberçcksichtigung von zeitverlaufsabhångig çberlappenden
12 z L. Lachenmayer, H. G. Baumgarten

Phasen der Neurotoxineffekte (akute Freisetzung des Transmitters, frçhe


direkte Terminaldegeneration, spåte anterograde Degeneration von Termi-
nalen nach initial proximaler Axotomie, frçhe pråterminal-kollaterale und
spåter einsetzende terminal-axonale Sprossungsphånomene, verzægerter re-
trograder Zelltod nach primårer, zellkærpernaher Axotomie) kann zu Fehl-
deutungen biochemischer Ergebnisse fçhren, wenn diese nicht durch mor-
phologische Untersuchungen ergånzt werden.
Das Prinzip der selektiven chemischen Axotomie von katecholaminergen
Transmittersystemen im PNS verdanken wir den sorgfåltigen pharmakolo-
gischen, elektronenmikroskopischen und den in-vitro-toxikologischen Be-
obachtungen von Thoenen und Tranzer nach Applikation von strukturiso-
meren Trihydroxyphenylethylaminen, von denen sich nur das 2,4,5-Isomer
(¹6-Hydroxydopaminª) als versatiles Neurotoxin bewåhrt hat (Tranzer u.
Thoenen 1967; Thoenen u. Tranzer 1968, 1973). Die Befunde von Thoenen
und Tranzer wurden von schwedischen Arbeitsgruppen beståtigt und er-
weitert (Jonsson u. Sachs, 1970, 1971, Jonsson et al., 1972). Zur gleichen
Zeit wurde 6-OH-DA von anderen Arbeitsgruppen als potenzielles Neuroto-
xin zur Induktion von Axotomien und Terminaldegerationen im ZNS ange-
wendet (intrathekale Anwendung, z. B. Uretsky u. Iversen 1970, Breese u.
Taylor 1970, bzw. intrazerebrale Injektion, z. B. Ungerstedt 1971, Hækfelt u.
Ungerstedt 1973).
Die Bewertung der physikochemischen Eigenschaften des Trihydroxy-
phenylethylamins 6-OH-DA im Reagenzglas und im biologischen Milieu
(Redoxsystem mit Autoxidationstendenz) lieû uns postulieren, dass struk-
turisomere Dihydroxytryptamine fçr die neurotoxische Axotomie serotoni-
nerger Neurone geeignet sein sollten, obwohl die Redoxchemie von substi-
tuierten Indolen komplexer ist als diejenige von Phenylethylaminen. Unsere
Vorhersage erfçllte sich fçr das 5,6- und das 5,7-Dihydroxytryptamin
(Abb. 1) (Baumgarten et al. 1971; Baumgarten u. Lachenmayer 1972; Baum-
garten et al. 1973). Die Unterschiede in der Redoxchemie und im Autoxida-
tionsverhalten von 5,6- und 5,7-Dihydroxytryptamin (5,6- bzw. 5,7-DHT)
sind betråchtlich (s. die Ûbersicht von Baumgarten u. Zimmermann 1992;
Sinhababu u. Borchardt 1988; Tabatabaei u. Dryhurst 1998). Aus Grçnden
der Redoxchemie, der Stabilitåt und Praktikabilitåt hat sich 5,7-DHT als Lå-
sionsprinzip durchgesetzt. Diese Substanz wird auch in neueren Studien
zur Bedeutung serotonerger Systeme und Mechanismen in der Verhaltens-
physiologie und -pharmakologie eingesetzt. Neben neurotoxischen Trihy-
droxyphenylethylaminen und Dihydroxytryptaminen verfçgt die experi-

Abb. 1. Die dihydroxylierten Tryptamine enthalten


an Stelle 5 und 6 (5,6-DHT) und an Stelle 5 und 7
(5,7-DHT) eine OH-Gruppe
Zentrales Serotoninsystem und Serotonin-Neurotoxine z 13

mentelle Forschung çber systemisch applizierbare Amphetaminderivate zur


Erzeugung einer Axotomie in zentralen monoaminergen Projektionssyste-
men (e.g. p-Chloramphetamin (pCA), Methylendioxymetamphetamin
(MDMA), Fenfluramin). Diese Amphetaminderivate sind fçr die medizi-
nische und biologische Forschung wichtige Modellneurotoxine zur Erzeu-
gung von grenzwertigen Seelenzustånden, aber gleichzeitig mit Akut- und
Langzeitrisiken verbundene Pharmaka (psychotische Episoden und post-
psychotische Defektzustånde).
Bevor wir uns mit den Axotomieeffekten der Indolethylneurotoxine be-
fassen, stellen wir kurz den aktuellen Wissensstand zur Anatomie und
funktionellen Bedeutung zentraler serotonerger Projektionssysteme im Såu-
gergehirn und beim Menschen vor:

z Charakteristika serotonerger Neurone und Transmission:

z Archetypische retikulåre Neurone, die auf allen Stufen der Zerebralisati-


on als verhaltensmodulierende Neurone hoch entwickelt sind
z Geringe absolute Zahl von Neuronen (Homo sapiens <500 000)
z Z.T. extrem axonkollaterisierte Neurone mit expansiven Innervationster-
ritorien in zahlreichen Zielstrukturen; serotonerge Neurone haben des-
halb z.T. systemçbergreifend koordinative Aufgaben
z Ein Neuron etabliert bis zu 500 000 Kontakte an Netzwerkelementen
z In dicht innervierten Zielstrukturen (uni- und polymodale sensorische,
assoziative und limbische Kortizes) ist jedes Netzwerkelement serotonerg
beeinflusst ± Zielstrukturen sind Interneurone und Projektionsneurone
z Ein hoher Prozentsatz serotonerger Kontakte ist nichtsynaptisch (spe-
ziesabhångig)
z Die Innervation im Neokortex ist laminaselektiv und komplementår zum
Verhalten der noradrenergen Neurone
z Axonterminalplexus existieren nicht nur im Parenchym, sondern auch
supraependymal im Ventrikel
z Die Hauptafferenzen zu den oberen Raphekernen stammen aus limbi-
schen Vorderhirnzentren und der Raphe selbst
z Nur ein geringer Teil aller Rezeptoren liegt subsynaptisch, die meisten
extrasynaptisch; es existiert ± abhångig von der 5-HT-Konzentration im
EZR ± daher eine hohe Rezeptorreserve, die z. B. durch Wiederaufnah-
mehemmer angesprochen werden kann (pharmakologische Effekte ent-
sprechen deshalb nicht nur gesteigerten physiologischen Effekten)
z Die Wirkungen von Serotonin sind langzeitmodulatorisch und zustands-
abhångig-homæostatisch, nicht ereigniskorreliert (mit Ausnahme des
5-HT3-Rezeptors sind alle Rezeptoren Angehærige der G-Proteinsuper-
familie)
z 5-HT-Neurone sind regelmåûig und langsam (0,1±5 Hz) spontan ent-
ladende Neurone mit Schrittmachereigenschaften (sehr stærgræûen-
unempfindlich); es besteht eine enge Korrelation von Entladungsfre-
14 z L. Lachenmayer, H. G. Baumgarten

quenz und zentralmodulatorischer Vigilanzsituation/Verhaltensaktivie-


rung im Schlaf-Wach-Zyklus
z Bis zu 50% der Rapheneurone zeigen temporår rhythmische Salvenent-
ladungen in zeitlicher Zuordnung zur Aktivierung von zentralen Muster-
generatoren, die repetitiv-motorische Verhaltensablåufe organisieren
(Kauen, Lecken, Beiûen, Kærperpflege, Schreiten, Atmung)
z Serotonin steigert die Entladungsrate von olivozerebellåren Projektions-
neuronen, verlangsamt ihre Oszillationsfrequenz und synchronisiert die
Oszillationen ganzer Verbånde von Neuronenpopulationen; so wird der
Synchronisationsgrad von Purkinjezellen erhæht; Serotonin færdert da-
durch die zeitliche Koordinierung von motorischen Leistungen. Erhæhte
Serotoninfreisetzung in der unteren Olive kann sichtbar werden als Tre-
mor und fçhlbar als ¹innere Unruheª.
z Glutamaterge sensorische und limbische Afferenzen kænnen phasische
Mehrentladungen in Rapheneuronen erzeugen
z Serotonin desamplifiziert die somato- und nozisensible und die sensori-
sche Afferenzverarbeitung (Abnahme der Signal-Geråusch-Relation) und
kontrolliert die Amplitude der Schreckreaktion (¹prepulse inhibitionª)
z Serotonin kontrolliert die Erregbarkeit telenzephaler Netzwerke (Netz-
werkkohårenz und Netzwerkstabilitåt, Stærgræûendåmpfung, Krampf-
schwellenhebung)
z Serotonin hilft bei der kognitiven Unterscheidung/Bewertung von wichti-
gen/unwichtigen, gefåhrlichen/ungefåhrlichen Signalen (çber signalver-
stårkende 5-HT2A/C-Rezeptoren) mit Vigilanzverstårkung
z Serotonin verlångert die Reaktionslatenz (Impulskontrolle)
z Serotonin færdert die nahrungsaufnahmeabhångige Såttigungsempfin-
dung und begrenzt Kohlenhydrat- und Substanzcravingverhalten
z 5-HT moduliert die lichtinduzierte Phasenverschiebung von freilaufen-
den Aktivitåtsrhythmen
z Serotonin færdert die Freisetzung von ACTH, Prolaktin, Oxytocin, Vaso-
pressin, Renin und b-Endorphin (besonders unter Stressbedingungen);
es vermittelt die Hypoglykåmie-induzierte ACTH-Sekretion und die
durch Saugreize induzierte maternale Prolaktinsekretion; es ist beteiligt
an der durch Osmostressoren induzierten Vasopressinsekretion (mit Do-
pamin)
z Serotonin begrenzt dopaminerg und noradrenerg dominierte Verhaltens-
ablåufe (lokomotorische und exploratorische, belohnungssuchende und
strafvermeidende Aktivitåten) und begçnstigt intraspezifische Sozialver-
haltensmuster durch Irritabilitåts- und Aggressionsdåmpfung und durch
Verlångerung der Reaktionslatenz. Bei Ûberschreiten des Regelbereiches
ist Serotonin an der Aktivierung von dopaminerg induzierten oralen
Stereotypien bzw. Hyperlokomotionen beteiligt, die durch potente
5-HT2A/C-Antagonisten abgeschwåcht werden kænnen.

Die serotoninergen Neurone des Gehirns entwickeln sich aus zwei Anlagen
im Hirnstamm, einem mesopontinen und einem pontomedullåren Pri-
Zentrales Serotoninsystem und Serotonin-Neurotoxine z 15

Abb. 2. Das zentrale Serotoninsystem. Aus einem


mesopontinen Ursprungsteil (A) stammen aszen-
dierende Projektionen zum Vorderhirn. Der ponto-
medullåre Ursprungsteil (B) projiziert zu Hirn-
stammzentren, zum Zerebellum und deszendiert
zum Rçckenmark (Einzelheiten siehe Text)

mordium. Die Neurone liegen in der paramedianen Raphe und in medialen


Anteilen der Formatio reticularis (Abb. 2). Sie çberschreiten die zytoarchi-
tektonisch definierten Grenzen der Kerne der Retikulårformation. Da diese
Neurone zum neuronalen Grundbauprinzip des Wirbeltiergehirns gehæren,
erfahren sie eine art- und aufgabengerechte Anpassung an die Entfaltung
spezialisierter Netzwerke in der Gehirnevolution. Bei Primaten ist die An-
zahl der Neurone im mesopontinen Ursprungsteil parallel zur Entfaltung
des heteromodalen Assoziationskortex erhæht. Damit çbernimmt das sero-
tonerge Neuronensystem hochkomplexe modulatorische Aufgaben in der
Verhaltensanpassung. Der mesopontine Ursprungsteil (Abb. 2 A) sendet auf-
steigende Projektionen ins Vorderhirn, die aus parallelen, aber çberlappen-
den Systemen morphologisch spezialisierter Axone bestehen, ein feinkali-
briges System aus der dorsalen Raphe mit spindelfærmigen Varikositåten
ohne Merkmale von typischen Synapsen, die eine hohe Empfindlichkeit ge-
gençber substituierten Amphetaminen zeigen, und ein axonales System aus
der mediozentralen Raphe mit groûen Varikositåten, die in einigen Termi-
nalfeldern echte chemische Synapsen an Neuronen ausbilden. Das unter-
schiedliche Kontaktverhalten von Untersystemen aus dem rostralen Raphe-
Kernkomplex zu Zielneuronen in kortikalen Netzwerken (Prinzipal- versus
Interneurone) låsst auf eine differenzierte Einflussnahme des Serotonins
auf verschiedene Netzwerkfunktionen schlieûen. Diese Vielseitigkeit der
pråsynaptischen serotonergen Transmission wird durch zielzelltypisches
Ko-Clustering von verschiedenen Rezeptorvarianten noch erweitert. Der
pontomedullåre Ursprungsteil (Abb. 2 B) projiziert zu Hirnstammzentren,
zum Kleinhirn und çber zwei absteigende Axonbçndel zur Columna poste-
rior, intermedia und anterior des Rçckenmarks. Eine Besonderheit groûer,
multipolarer serotonerger Neurone ist der hohe Grad axonaler Kollaterali-
sierung. Durch dieses Divergenzprinzip werden funktionell verwandte, aber
regional unterschiedlich lokalisierte Zielnetzwerke (motorisch, somatosen-
sorisch, limbisch) in konzertierter Weise regulatorisch beeinflusst. Nur so
lassen sich die von phasischen sensorischen Einflçssen weitgehend unab-
hångig ablaufenden, stabilen Modulatorleistungen serotonerger Neurone in
16 z L. Lachenmayer, H. G. Baumgarten

der Vigilanzkontrolle, in der Antinozizeption, in der Angstmodulation, in


der Impulskontrolle und in grundlegenden elektrophysiologischen Eigen-
schaften von Netzwerken (Kohårenzsicherung) verstehen.
Nach unserer Auffassung besteht die Aufgabe der aszendierenden seroto-
nergen Projektionssysteme in erster Linie in einer Ausblendung von bedeu-
tungslosen sensorischen Stærgræûen (Filterfunktion) und der Sicherstellung
einer langfristigen Vigilanzkontrolle im Schlaf-Wach-Zyklus sowie der kor-
tikalen Netzwerkstabilitåt durch pråsynaptische Hemmung von retikulåren
Verstårkersystemen (NA-, DA,- Ach- und histaminerge Systeme), der
Dåmpfung sensorischer und assoziativer Funktionssysteme (pråsynaptische
Hemmung von Glutamat-/Aspartatsystemen) und der Aktivierung von GA-
BAergen Interneuronen. Die Wegnahme dieses protektiven Filters, z. B.
durch intraventrikulåre Injektion einer Standarddosis von 5,7-DHT, 150 lg
der freien Base in den Seitenventrikel bei jung-adulten månnlichen Ratten,
fçhrt zu bizarrem Sozialverhalten, Impulskontrollstærung, Hyperemotiona-
litåt, verstårkten Angstreaktionen, Aggressivitåt, Ûberempfindlichkeit ge-
gençber sensorischen Stimuli und Stressmaladaptation (Baumgarten u. La-
chenmayer 1972, Baumgarten u. Grozdanovic 1985). Dieses Beispiel zeigt,
dass eine subtotale akute Unterbrechung serotonerger Funktionen durch ei-
ne Serotonin-verwandte neurotoxische Analogverbindung (ein m-substitu-
iertes Dihydroxytryptamin) zu einem abnormen Verhaltenssyndrom fçhrt,
das teilweise und abgeschwåcht durch systemische Gabe hoher Dosen von
p-Chlorphenylalanin (pCPA; einem Hemmstoff der Tryptophan-5-Hydroxy-
lase und der Phenylalaninhydroxylase) bzw. durch einmalige oder wieder-
holte systemische Gabe von p-Chloramphetamin (pCA) erzeugt werden
kann. Wåhrend pCPA eine transitorische irreversible Enzymhemmung be-
wirkt, die durch Neusynthese ausgeglichen wird, fçhrt pCA zu einer Axoto-
mie in Projektionen der dorsalen Raphe und eines korrespondierenden
feinaxonalen Systems der kaudalen Serotoninzellgruppe, die Netzwerke der
dorsalen und intermediåren Såule des Rçckenmarks innervieren. Hier ist
auch MDMA einzureihen, das eine diskrete, partielle Låsion distaler Termi-
nalplexus in heteromodalen Kortexarealen erzeugt, die offenbar nicht durch
axonale Sprossung und Regeneration ausgeglichen werden kann. Fçr diese
Annahme sprechen neurologische und psychiatrische Daten, die an
MDMA-Konsumenten erhoben wurden (McCann u. Ricaurte 1994) und die
morphologisch-biochemischen Beobachtungen an Versuchstieren (u. a.
auch Primaten) (Axt et al. 1994). Das Risiko der missbråuchlichen Anwen-
dung von substituierten Amphetaminen, besonders MDMA, besteht nicht
nur in der Provokation von neuropsychiatrischen Syndromen (s. McCann
u. Ricaurte 1994), sondern mæglicherweise in der vorzeitigen Pråzipitation
von latenten schizotypischen Merkmalen als psychotische Episode aus dem
schizophrenen oder schizoaffektiven Formenkreis.
Entsprechend den Ergebnissen unserer monographischen Beitråge zum
Thema ¹biochemische Wirkungsweise von Indolneurotoxinen im ZNSª ver-
gleichen wir exemplarisch Dosis-Wirkungs-Daten nach intraventrikulårer
Gabe von drei abgestuften Dosen von 5,6-DHT an einzelnen Regionen des
Zentrales Serotoninsystem und Serotonin-Neurotoxine z 17

Abb. 3. Wirkung von drei verschiedenen Dosen von 5,6-DHT (25 lg weiûe Såulen; 50 lg
schraffierte Såulen; 75 lg schwarze Såulen) auf die Serotoninkonzentration (dargestellt als Pro-
zent der Kontrolle) in verschiedenen Hirnregionen und im Rçckenmark. Daten aus Baumgarten
et al. 1971

Abb. 4. Wirkung verschiedener Dosen von 5,7-DHT auf den Serotoningehalt (dargestellt als Pro-
zent der Kontrolle) des Gehirns (schwarze Såulen) und des Rçckenmarks (weiûe Såulen). Daten
aus Baumgarten et al. 1973 a

Rattenhirns (Abb. 3) mit Dosis-Wirkungs-Daten am Gehirn und Rçcken-


mark nach Gabe von sechs abgestuften Dosen von 5,7-DHT (Abb. 4). Dabei
wird deutlich, dass zehn Tage nach Gabe von 75 lg 5,6-DHT das Ausmaû
der mittleren Reduktion des 5-HT-Gehalts in den meisten Regionen des
ZNS geringer ist als das nach Gabe derselben Dosis von 5,7-DHT. Es fållt
auf, dass in mehreren Regionen des ZNS (Rçckenmark, Pons-Medulla und
Mesenzephalon) keine Dosis-Wirkungs-Relation besteht, wåhrend im Ge-
hirn nach Gabe abgestufter Dosen von 5,7-DHT klare Dosis-Wirkungs-Be-
ziehungen erkennbar sind; diese fehlen allerdings im Rçckenmark nach
Gabe unterschiedlicher Dosen von 5,7-DHT. Das erklårt sich durch die
oberflåchennahe Lage der deszendierenden Axone im Rçckenmark, die be-
18 z L. Lachenmayer, H. G. Baumgarten

reits durch geringe Dosen beider Neurotoxine erreicht und subtotal lådiert
werden. Das Fehlen von Dosis-Wirkungs-Beziehungen in mehreren Regio-
nen des Rattengehirns nach Gabe unterschiedlicher Dosen von 5,6-DHT
låsst sich teilweise durch das ungçnstige Diffusionsverhalten von 5,6-DHT
erklåren. Eine langsame Infusion von 5,6-DHT in den rechten Seitenventri-
kel fçhrt zu einer messbaren Asymmetrie in der Reduktion des Serotonin-
gehalts in Regionen der rechten Gehirnhålfte verglichen mit der linken Ge-
hirnhålfte. Wåhrend solche Asymmetrien nach 5,6-DHT-Gabe persistieren,
verschwinden die Asymmetrien nach Gabe hæherer Dosen von 5,7-DHT
nach 10 bis 14 Tagen als Ausdruck eines anterograden Untergangs der Ter-
minalplexus, die nicht direkt durch das Neurotoxin geschådigt werden.
Wenn man die zeitabhångig aufeinander folgenden, sich aber teilweise
çberlappenden Prozesse von akuter 5-HT-Freisetzung, subakuter direkter
Terminaldegeneration, mittelfristig indirekter, anterograder Terminaldege-
neration im Gefolge axonaler Primårlåsion und ersten Zeichen von Kollate-
ral- und Terminalsprossung verstehen will, dann muss man biochemische
Verlaufsuntersuchungen an einzelnen Hirnregionen mit morphologischen
Techniken kombinieren, weil sonst eine sinnvolle Deutung der Vorgånge
nicht mæglich ist (Baumgarten u. Lachenmayer 1973; Baumgarten et al.
1973; Baumgarten u. Lachenmayer 1974; Baumgarten et al. 1974; Nobin et
al. 1973). Wåhrend 5,7-DHT den Vorteil der besseren Stabilitåt mit dem
Dosis-Wirkungs-Verhalten kombiniert, hat es den Nachteil einer im Ver-
gleich zu 5,6-DHT hæheren Affinitåt zum NA-Transporter. Dem kann man
durch Gabe eines Aufnahmehemmers (z. B. Desmethylimipramin, DMI) be-
gegnen (Bjærklund et al. 1975). Um auch dopaminerge Neurone gegençber
5,7-DHT zu schçtzen, haben wir vorgeschlagen, Nomifensin mit DMI zu
kombinieren (Baumgarten et al. 1981). Weil 5,7-DHT gçnstige physikoche-
mische Eigenschaften mit hoher intrinsischer neurotoxischer Potenz und
leichter Steuerbarkeit der Selektivitåt vereinigt, wird es noch heute in expe-
rimentellen Arbeiten, in denen die Eliminierung der pråsynaptischen Kom-
ponente als Nachweisverfahren fçr die physiologische Rolle serotonerger
Mechanismen in Netzwerk- oder Zellfunktionen gilt, eingesetzt.
Die physikochemischen Eigenschaften von Serotoninneurotoxinen sind
substanzabhångig verschieden. Die Autoxidationskaskade von 6-OH-DA
wird hier vorgestellt, weil sie ± modellhaft und in Teilschritten ± das Oxi-
dationsverhalten von 5,6-DHT veranschaulicht (Reaktion 4 > 5 > 6 in Abb. 5;
Baumgarten u. Grozdanovic 2000) und weil sie unerwartete Øhnlichkeiten
zum Autoxidationsverhalten von 5,7-DHT aufweist. Bei Anwesenheit von
Sauerstoff entsteht aus 6-OH-DA (Formel 1, Abb. 5) das korrespondierende
p-Chinon (Formel 2, Abb. 5). Diese Reaktion ist reversibel. Das Redox-
potenzial dieser Substanzen liegt im Optimalbereich von Redoxzyklusre-
aktionen; Partner dieser Reaktionen kænnen Ascorbat/Dehydroascorbat
oder GSH/GSSG sein. Bei solchen Zyklusreaktionen kænnen erhebliche
Mengen freier Radikale gebildet werden, die als Oxidationsbeschleuniger
wirken (Baumgarten u. Zimmermann 1992) und zytotoxisch sind. Das
p-Chonin des 6-OH-DA addiert bereitwillig SH-Reagenzien (Reaktion 2 > 3,
Abb. 5. Autoxidationswege des 6-Hydroxydopamins und Reaktionen seiner chinoiden Intermediåre mit SH-Reagenzien. 1) 2,4,5,-Trihydroxyphenylethylamin
(6-OH-DA); 2) p-Chinon des 6-OH-DA; 3) Aminochrom 1 (ein Indolin); 4) 5,6-Dihydroxyindol; 5) Aminochrom 2; 6) 2,4,5,-Trihydroxy-6-S-R-phenylethylamin;
7) 5,6-Dihydroxy-4-S-R-indolin; 8) 5,6-Dihydroxy-4-S-R-indol; 9) p-chinoides Oxidationsprodukt der Additionsverbindung 7; 10) p-Chinonimin-Oxidationspro-
dukt der Additionsverbindung 7; 11) p-Chinonimin-Oxidationsprodukt der Additionsverbindung 8. Weitere Erlåuterungen siehe Text (aus Baumgarten u.
Zentrales Serotoninsystem und Serotonin-Neurotoxine

Grozdanovic 2000)
z
19
20 z L. Lachenmayer, H. G. Baumgarten

Abb. 5). Das 5,6-Dihydroxyindol (Formel 4, Abb. 5) autoxidiert zum korres-


pondierenden p-Chinonimin (Formel 5, Abb. 5), das kovalente Bindungen
an Position 4 akzeptiert, oder alternativ zum 5,6-o-Indolchinon umgewan-
delt wird. Das 5,6-Dihydroxyindol (Formel 4, Abb. 5) ist das natçrliche
Zwischenprodukt der enzymkatalysierten Dopamin-Melanogenese. 5,6-DHT
autoxidiert analog zum 5,6-Dihydroxyindol und wird im Reagenzglas als
melanoides Polymer aus der Læsung ausgefållt. Bei der zweistufigen Au-
toxidation des 5,6-DHT zum o-Chinon wird Wasserstoffperoxid gebildet.
Noch komplexer ist die Autoxidationskaskade von 5,7-DHT (Sinhababu
u. Borchardt 1988; Baumgarten u. Zimmermann 1992; Tabatabei u. Dry-
hurst 1998, s. Formel 1, Abb. 6). In der Abwesenheit von katalysierenden
Agenzien (e.g. Ûbergangsmetallionen, Superoxidanion) fçhrt die basenver-
mittelte Autoxidation çber eine Deprotonierung in Position 5 zum Carbani-
on (Formel 4, Abb. 6), das als Elektronendonator fçr molekularen Sauer-
stoff dient; dieses fçhrt zum freien radikalischen Superoxidkomplex an Po-
sition 4 des Molekçls. Als Zwischenstufe entsteht ein Carbonradikal an Po-
sition C 4 (Formel 3, Abb. 6). Das Hydroperoxid (Formel 7, Abb. 6) wird
durch Basenkatalyse unter Wasserentzug in die Zwischenstufe des 4,5-Di-
chinons umgewandelt (Formel 8, Abb. 6). Aus energetischen Grçnden tau-
tomerisiert diese Form in das stabilere 5-OH-4,7-Dichinon (Formel 9,
Abb. 6). Diese Reaktionen erfolgen sehr langsam. In Gegenwart von Ge-
hirngewebe und Sauerstoff låuft dieser Prozess bei Anwesenheit von Spuren
natçrlich vorkommender Ûbergangsmetallionen (Fe++(+), Cu+(+)) effizient

Abb. 6. Autoxidationswege des 5,7-Dihydroxytryptamin. Weitere Erlåuterungen siehe Text. (Aus


Baumgarten u. Zimmermann 1992)
Zentrales Serotoninsystem und Serotonin-Neurotoxine z 21

ab; im Entstehungszustand ist das Dichinon kovalent reagibel. Es entstehen


Addukte (e.g. mit der gleichen Spezies, so werden blaugefårbte Dimere des
Chinons generiert). Als Bindungspartner kænnen in vivo auch andere
Strukturen dienen (SH-Gruppentråger). Das Redoxpotenzial von 5,7-DHT
und seiner Autoxidationsfolgeprodukte liegt im Optimalbereich zellulårer
Redoxzyklus-unterhaltender Reagenzien, wie Ascorbat/Dehydroascorbat
oder GSH/GSSG. So entstehen beachtliche Mengen an freien Radikalen, die
alle Zellbestandteile attackieren und zerstæren kænnen. Dieses Verhalten
teilt 5,7-DHT mit 6-OH-DA.
Versuche zum Nachweis neurotoxischer Analogverbindungen oder ihrer
Autoxidationsfolgeprodukte nach Gabe von Amphetaminen oder MAO-
Hemmern sind nur sporadisch gelungen und waren nicht reproduzierbar.
Es ist deshalb nicht wahrscheinlich, dass solche Analogverbindungen unter
natçrlichen Stoffwechselbedingungen in neurotoxischen Konzentrationen
gebildet werden. Das mindert in keiner Weise ihren Wert als Modellneuro-
toxine in der experimentellen Forschung.
Substituierte Amphetamine (p-Chloramphetamin, Fenfluramin, MDMA)
haben den Vorteil der systemischen Anwendbarkeit, sie produzieren aller-
dings, wie oben dargestellt, abgestuft restriktive Låsionsmuster an be-
stimmten feinkalibrigen Axonen von auf- und absteigenden serotonergen
Projektionssystemen (Axt et al. 1998). Der Wirkmechanismus fçr die drei
Prototypen ist åhnlich; sie fçhren zu einer Hemmung der Membrantrans-
porter im Axolemm und im Vesikel, zum beschleunigten Export des Amins
aus den Vesikeln in das Axoplasma und, durch Umkehrung der Membran-
transporterfunktion, zur Freisetzung des Amins aus dem Axoplasma in
den Extrazellulårraum. Die Freisetzung aus Speicherorganellen und aus
dem Axoplasma wird unterstçtzt durch die kompetitive Hemmung der Mo-
noaminoxidase. Dabei wird Energie verbraucht und es fallen freie Radikale
an. Hierbei spielt auch die Freisetzung von Dopamin (DA), das als falscher
Transmitter in serotonerge Axone transportiert werden kann, eine Rolle.
Die Hemmung der MAO-Aktivitåt in den dopaminergen Neuronen durch
die lipophilen Amphetamine und die temporåre pharmakologische Freiset-
zung von DA aus den dopaminergen Axonen spielt hier eine pathogeneti-
sche Rolle. Der Stellenwert des Dopamins in der Neurotoxizitåt substituier-
ter Amphetamine (z. B. MDMA) låsst sich durch die Gabe von potenten
DA-Wiederaufnahmehemmern (z. B. Nomifensin) verdeutlichen. Ferner
wird sekundår die Úkonomie der Glutamatfreisetzung und -wiederverwer-
tung durch Beeinflussung pråsynaptischer 5-HT- und DA-Rezeptoren auf
den glutamatergen Axonen gestært, sodass çberschçssiges Glutamat çber
intrazellulåre Ca++-Erhæhung zytotoxisch auf monoaminerge Axone einwir-
ken kann. Diese Zusammenhånge sind noch nicht abschlieûend geklårt.
Die Vorbehandlung mit einem potenten Serotonin-Wiederaufnahmehem-
mer kann die pathogenetische Kaskade, die durch diese substituierten Am-
phetamine angestoûen wird, weitgehend unterbrechen. Mæglicherweise las-
sen sich neurodegenerative Wirkungen der Einnahme von Ecstasy (MDMA)
durch diesen Kunstgriff abschwåchen oder sogar vermeiden. Die potenziel-
22 z L. Lachenmayer, H. G. Baumgarten

le Neurotoxizitåt hoher Dosen von Fenfluramin oder d-Fenfluramin an Se-


rotoninneuronen des menschlichen Gehirns spielt keine Rolle mehr, nach-
dem die beiden Anorektika wegen kardiovaskulårer Komplikationen vor ei-
nigen Jahren aus dem Handel genommen worden sind. p-Chloramphetamin
ist nur ein experimentelles Pharmakon. Das Hauptproblem ist die illegale
Vermarktung und Anwendung von MDMA als so genannte Partydroge.
McCann u. Ricaurte (1998) verdanken wir die kasuistischen Hinweise auf
die neuropsychiatrischen Langzeitfolgen diskreter pharmakogener Låsionen
serotonerger Modulatorsysteme im Gehirn des Menschen.

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Serotonergic neurotoxicity ± the example MDMA
A. G. Ludolph, A. C. Ludolph

z Abstract. In contrast to the potential neurotoxic effects of several other


neurotransmitters, serotonergic neurotoxicity is less explored in both the
clinical and experimental setting. Although the selective neurotoxicity of se-
rotonin is well-established, in the real world neurotoxic effects of this trans-
mitter are equivocal. This is best exemplified by the designer drug MDMA
(3,4-methylenedioxy-methamphetamine), a compound which receives a lot
of public interest. However, in practice the pharmacology of MDMA itself
is not well-defined, it is not known whether toxicity is direct or indirect,
and although acute neurotoxic effects of MDMA are based on solid observa-
tions, chronic neurotoxicity remains unproven even though a number of
claims have been published. From the scientific viewpoint, the contribution
of serotonergic neurotoxicity to MDMA neurotoxicity, in particular in the
chronic situation, remains ill-defined and awaits further clarification.

z Selective neurotoxins as tools

The usefulness of selective neurotoxins as tools to produce lesions of the


central nervous system is dependent on the selectivity of their effects on
target structures. If this selectivity exists, these compounds can be used to
improve our understanding of various aspects of the vulnerability of the
neuronal populations in different disease states (Spencer et al. 2000). Exci-
tatory amino acids, such as glutamate, have been proven very useful to pro-
duce these experimental lesions. In contrast, serotonergic compounds are
currently rarely used to improve our understanding of the chemical prop-
erties of target cells.
The dorsal and median raphe nuclei provide serotonergic afferences to al-
most all telodiencephalic target centers. Whereas the median raphe projec-
tions preferentially provide telodiencephalic input (preoptic, septal and olfac-
toric), the superficial laminae of the neocortex and the hippocampus, the
dorsal raphe projections supply the deep laminae of the entire neocortex,
the basal ganglia, thalamic nuclei, and the amygdaloid complex. Functionally,
the median raphe neurons seem to have an influence on cortical intrinsic in-
hibition and thalamic afferences; in contrast, pyramidal neurons and thala-
mic afferences are influenced by the dorsal raphe neurons. Both systems
are differentially affected by the neurotoxicity of substituted amphetamines;
26 z A. G. Ludolph, A. C. Ludolph

a higher affinity to the dorsal raphe axon serotonin (5-HT) transporter may
explain this selective vulnerability (see Lachenmayer, this volume).
The differential vulnerability to neurotoxic compounds is greatly influ-
enced by the ªfalse transmitterº concept. This concept means that limited
substrate specificity allows chemically related compounds to accumulate
and influence storage, release, and metabolism of the natural transmitter. A
prominent established example for the false transmitter concept is the
dopaminergic neurotoxin MPP+. This toxin interferes with dopamine trans-
port, is actually taken up by this mechanism and inhibits intracellularly
the mitochondrial chemical energy production. Neurons are critically de-
pendent on glucose; therefore, the glucose transporter is also a candidate
for bringing toxic substances into the cell. A clinically relevant candidate is
linamarin, a toxin present in Manihot esculenta, the bitter cassava. Lina-
marin is a glycoside in which the glucose molecule binds to the toxin cya-
nide; this innocent combination is taken up by the cell and in the cell cya-
nide poisons the mitochondrial chain (Ludolph & Spencer 1996). An even
less explored mechanism is the uptake of the glycoside cycasine; this mole-
cule combines glucose with the alkylating agent, methylazoxymethanol,
one of the most potent carcinogens we know of, which is epidemiologically
relevant in the etiology of the ALS/Parkinsonism-Dementia-Complex of
Guam (Ludolph & Spencer 1996). The consequence of the uptake of such a
compound into the cell is unknown and challenges former views on the
presence of genotoxic mechanisms being relevant only for mitotic cells. In
the adrenergic nervous system, 3,4,5-trihydroxyphenylethylamine (5-hydro-
xydopamine) and 2,4,5-trihydroxyphenylethylamine (6-hydroxydopamine)
are important examples for selective neurotoxicity. Both compounds show
selectivity for the adrenergic nerve populations because they interfere with
cocaine- and desipramin-dependent transport.
In the 1970s, Baumgarten and Zimmermann discovered the concept of
serotonergic neurotoxicity; the most important examples for this concept
are the compounds 5,6-dihydroxytryptamine and 5,7-dihydroxytryptamine
(see Lachenmayer, this volume). Also, the neurotoxic effects of MDMA
(3,4-methylenedioxy-methamphetamine) obviously largely fall into the con-
cept of serotonergic neurotoxicity. However, it is a major difference that
MDMA and related compounds are not very specific for the serotonergic
system since they also interfere with the function of noradrenergic and
dopaminergic neurons and possibly with mitochondrial function directly.

z MDMA ± principles of experimental neurotoxicity


and the serotonergic system

MDMA (3,4-methylenedioxy-methamphetamine; N, alpha-dimethyl-1,3-


benzodioxole-5-ethanamine) is a white crystalline solid of bitter taste and
of a molecular weight of 193.25, a melting point of 147±148 8C (hydrochlor-
ide crystals from isopropanol-n-hexane) or 152±153 8C (hydrochloride crys-
Serotonergic neurotoxicity ± the example MDMA z 27

tals from isopropanol ether). Alternative chemical names are 3,4-methyle-


nedioxymetamphetamine or n-methyl-3,4-methylenedioxyphenylisopropyla-
mine. Popular names are ªecstasyº, ªeº, ªxtcº or ªadamº. The LD 50 in
mice is 97 mg/kg after intraperitoneal injection, in rats 49 mg/kg, in guinea
pigs 98 mg/kg implying differential susceptibility of the respective species
(Spencer et al. 2000).
MDMA was first synthesized in 1912, patented by Merck as an anorectic
compound in 1914, but it was never marketed. In the 1950s and 1960s the
US Army tested MDMA extensively for unknown purposes. Much later, in
the 1970s and 1980s, the abuse potential of MDMA was clearly recognized
by UK and US officials. In the late 1980s, MDMA became popular as a
drug for ªrave partiesº; at these parties, it was documented that about 80%
of the participants take ecstasy pills to improve their dancing performance
(for a review, see Cole & Sumnall 2003). MDMA has a high bioavailability,
being independent from its form of application. In rats, the peak serum
level is reached after 30 minutes and the compound is eliminated after 24
hours. Peak concentrations in the brain were measured after 50 minutes,
with no regional differences observed. In humans, serum levels of MDMA
peak after two hours. MDMA is metabolized and biotransformed by n-di-
methylation, o-dialkylation, diamination and conjugation. Its breakdown is
critically dependent on the cytochrome P450 enzyme CYP2D6; however,
other enzymes are also involved in its degradation. Being water-soluble
after metabolization, the compound is predominantly excreted in the urine
(for a review, see Cole and Sumnall 2003).
MDMA is a potent inhibitor of presynaptic 5-hydroxytryptamine (5-HT)
release; it also inhibits 5-HT re-uptake. In addition, it inhibits tryptophan hy-
droxylase, the rate-limiting enzyme for 5-hydroxytryptamine (5-HT) synthe-
sis. These mechanisms result in a reduction of 5-hydroxytryptamine (5-HT)
and 5-hydroxyindolacetic acid (5-HIAA) levels which recover after 24 hours.
The resulting increase in synaptic serotonin is followed by an increased re-
lease of dopamine especially in the nucleus accumbens and striatum. In be-
havioral studies, it was shown that after the first dosage, the threshold for the
second dosage of MDMA is clearly reduced even after days (Cole & Sumnall
2003). In experimental animals, MDMA has well-defined behavioral effects.
In dogs, after a dosage of 15 mg/kg body weight over 28 days, behavioral
changes, weight loss, but no CNS lesions are observed. In rats, after applica-
tion of 100 mg/kg body weight over 28 days hyperactivity, hyperexcitability
and anorexia are also seen, but no CNS lesions evolve. In macaques, after es-
calating dosages (twice daily, 0,1±20 mg/kg) behavioral changes, short-term
memory deficits, impairment of learning behavior of discrimination tasks
and tolerance development were described; this has also been documented
chronically over a period of months (Spencer et al. 2000).
Chronic effects in rats include a regional-specific and persistent reduc-
tion of 5-HT and 5-HIAA, and a reduction of 5-HT transporter density
(Stone et al. 1987; Battaglia et al. 1987; Commins et al. 1987; Chu et al.
1996). These changes can reportedly still be observed up to 12 months
28 z A. G. Ludolph, A. C. Ludolph

after acute application. Sabol et al. (1996) showed that the striatum, hippo-
campus and prefrontal cortex are most severely affected by these changes.
In 1988, Ricaurte et al. showed selective damage of serotonergic neurons
and a reduction of 5-HT terminals in baboons suggesting permanent dam-
age to the serotonergic system. They also included studies of 5-HT axons
in this species, showing that the density of 5-HT axons is still decreased
seven years after application of MDMA. The dosage in these studies was
5 mg/kg body weight twice daily on four days only.
In conclusion, MDMA seems to induce a loss of thin axons projecting from
the dorsal raphe nuclei. The selectivity is demonstrated by relative sparing of
axons of higher caliber of the medial raphe nuclei (Axt et al. 1994). There is a
selective loss of axon terminals in the striatum, prefrontal cortex and hippo-
campus; in contrast, the cell somata are intact (Battaglia et al. 1991). It has
been shown in primates and rodents that other neurotransmitter systems
are morphologically unaffected; lesions are only seen after systemic but not
after intracerebroventricular injections (Esteban et al. 2001), suggesting that
a metabolizing step is necessary to produce neurotoxicity.

z MDMA ± dopaminergic neurotoxicity


MDMA is not only toxic for the serotonergic system, it also interferes with
the dopaminergic system. It has been convincingly shown that MDMA
leads to dopamine release which correlates with the serotonin transporter
deficit (Gudelsky & Nash 1996; White et al. 1996). This effect seems to be
dependent on serotonergic effects since 5-HT2A antagonists reduce dopa-
mine levels, antagonize the effects on dopamine and finally the neurotoxi-
city of MDMA (Nash 1990; Malberg et al. 1996). Complementary are results
showing that MDMA toxicity is reduced after inhibition of dopamine syn-
thesis (Schmidt et al. 1990; Brodkin et al. 1993). Conversely, if dopamine
levels are elevated (Schmidt et al. 1990), MDMA neurotoxicity is increased.
In conclusion, the neurotoxicity of MDMA may not be confined to the se-
rotonergic system; it is rather dependent on a complex interaction of the
serotonergic system with dopaminergic neurons.
There are three relevant hypotheses for the neurotoxicity of MDMA:
First, a role of toxic metabolites is possible. In a bioactivation step MDMA
is metabolized to a toxic metabolite (2,4,5-trihydroxymetamphetamine,
THM); this compound alone is responsible for the dose-dependent reduc-
tion of striatal and hippocampal tryptophan hydroxylase activity. Also, the
metabolite THM is a potent oxidizing agent producing reactive oxygen spe-
cies; thereby presumably indirectly inhibiting chemical energy production
of neurons. Second, the role of the dopaminergic system is in principle evi-
dent; however, the mechanism of toxicity is partially unexplored. Third, it
is also well-known that MDMA neurotoxicity is dependent on a hyperther-
mic effect of this compound (see below). This again may be dependent on
a molecular mediator of thermoregulation in mitochondria, uncoupling
Serotonergic neurotoxicity ± the example MDMA z 29

proteins (UCP). It has been shown recently that the pathological thermo-
genic response resulting from MDMA toxicity is largely mediated by UCP-
3. It remains to be shown that MDMA or a metabolite directly stimulates
uncoupling activity (Mills et al. 2003).

z Clinical neurotoxicity of MDMA

Is ecstasy identical with MDMA?


The answer to this question is clearly ªnoº. It has been shown that the
amount of ecstasy per dosage (or pill or tablet) is very variable. Also quali-
tatively, the pharmacology of ecstasy is not confined to MDMA since it has
been shown that ecstasy pills can contain MDE, amphetamines, ketamines
or even ephedrine (Baggott et al. 2000; Cole et al. 2002 a, b). In a study
done in Holland (Spruit 1990), only 34% of ecstasy tablets contained
MDMA. Therefore, the WHO (1997) concluded that the word ªecstasyº is
generic for a wide range of compounds. Ecstasy is a party drug; most users
take one to two tablets which is equivalent to 60 to 120 mg MDMA mean-
ing that most users take 1±4 mg/kg body weight. Serum peaks are reached
after two hours, the pharmacokinetics are non-linear and individually de-
pendent from the activity of the hepatic metabolic enzyme CYP2D6. The
compound has a half-life of eight hours and is excreted in the urine. Toler-
ance development is fast and, therefore, most users restrict MDMA use to
a fortnightly interval. Studies in the UK and US (Mc Dermott 1993; Bradley
& Baker 1999; Johnston et al. 2001) demonstrate that 8 to 10% of all 15- to
20-years-olds have experience with ecstasy. In contrast, in the study by
Winstock et al. (2001) nearly 90% of all visitors of night clubs and rave
bars had admitted contact with the drug. Bean et al. (1997) and Forsyth
(1996) showed that at ªrave eventsº ecstasy is taken by the majority of par-
ticipants; its use is followed by amphetamines, LSD and psylocibine.

Clinical effects in humans


In humans, after intake of 1.5 mg/kg MDMA heart rate and blood pressure
rise; this is associated with prolonged profound sweating and finally nausea
and vomiting. The experience of the individual includes improved commu-
nication, empathy, understanding, introspection, euphoria, religious, and
transcendental experiences without any effect on efficiency and energy.
This ªsocialº effect of MDMA is commonly ascribed to increased serotonin
concentrations in the brain, whereas the stimulant effect is explained by
dopamine release. At higher dosages, muscle tone increases, tics and brux-
ism as well as ataxia and finally grand mal seizures are observed. MDMA
induces insomnia, a reduction of REM sleep and ªflashbacksº are often
seen (McGuire & Fahy 1992). Fatal intoxications are characterized by the
observation of generalized rigidity, hyperthermia (42±44 8C) and rhabdo-
30 z A. G. Ludolph, A. C. Ludolph

myolysis which may lead to acute renal failure. Death may occur in pa-
tients suffering from vascular disease, during car driving and during intox-
ications of mixtures of compounds (Gore 1999). However, the official fig-
ures show that there are fewer fatalities after MDMA than after the use of
amphetamines and cocaine (Office for National Statistics, UK, 2000 and
2001). Typical psychobiological effects of MDMA like euphoria, ªreduced
defensivenessº, feeling of relaxation and sedation are antagonized by com-
pounds acting on the serotonergic system like citalopram or ketanserin; in
contrast haloperidol antagonizes only euphoria (Liechti et al. 2000).
The acute toxicity of MDMA is largely dependent on body temperature.
In general, application of 0.25 mg±1.9 mg/kg per os in humans increases
the body temperature by 0.4 8C. However, hyperthermia is more marked
during increased environmental temperatures; during low temperatures,
hypothermia is induced (Farfel & Seiden 1995; Malberg & Seiden 1998).
The occurrence of rave fatalities is directly correlated to body temperature
(Gordon et al. 1991; Malberg & Seiden 1998). During intoxication, neuro-
protective effects can be produced by pentobarbital, haloperidol and ketan-
serin; they are directly correlated to the decrease of body temperature. The
molecular explanation of this phenomenon is presumably related to uncou-
pling of the mitochondrial chain (Mills et al. 2003).
The acute psychobiological side-effects of MDMA are well acknowl-
edged; panic attacks often occur early after intake of MDMA. More contro-
versial is the development of toxic psychoses since they may be dependent
on the premorbid personality and polytoxicomania. There are some cred-
ible reports on depression after continuous MDMA intake; however, the as-
sumption that a decrease of serotonergic metabolism is responsible for this
observation may be wrong. Many authors have shown that reduced 5-HT
and 5-HIAA levels in the cerebrospinal fluid are not a prerequisite for the
occurrence of a depressive disorder.

z Chronic neurotoxicity of ecstasy

In contrast to the acute toxic effects of MDMA, chronic effects are contro-
versial. Clinically, users may report symptoms of depression, anxiety, im-
pulsivity, aggression, and impairment of cognitive function (see Thomasius
et al. 2003). Consequences of neurotoxicity may even include asocial be-
havior, and disturbances of verbal and visual memory. However, conclu-
sions of a number of studies were subject to typical confounding factors
such as polytoxicomania, lack of knowledge of drug use history, or preex-
isting psychopathology. It seems if more studies are trying to control for
these factors, then the fewer deficits are found; however, some uncertainties
remain (Thomasius et al. 2003). 5-HIAA in CSF is reportedly decreased in
MDMA users; but it does not (see above) correlate with the development of
depression. The majority of measurements of 5-HIAA were done by one
Serotonergic neurotoxicity ± the example MDMA z 31

group only (including Bolla et al. 1998); a study coming from a second lab
(Peroutka et al. 1987) found normal 5-HIAA levels.
Much attention has been raised by imaging studies, in particular PET
studies in humans. Measurements with C11-McN-5652 which is a compound
that seems to bind selectively to serotonin transporters showed that in prior
MDMA users binding in several parts of the brain are reduced (McCann et al.
1998). Imaging studies include studies which show a recovery of 5-HT trans-
porter binding after more than one year (Reneman et al. 2001 a, b) but with-
out a clear-cut dosage effect (Reneman et al. 2001 b). Studies also seemed to
show that women have a better recovery rate. However, all these imaging
studies are prone to uncertainty; in particular, serotonine transporter mea-
surements seem to be unreliable because the radioprobes used do not have
optimal specificity, sensitivity and validity (Heinz & Jones 2000; Kish
2002). Also, populations were insufficiently characterized with regard to
polymorphisms of the 5-HT transporter (Heinz et al. 2000). Therefore, there
is common agreement that the imaging studies of ecstasy users may be mis-
leading because of technical reasons alone. Moreover, the subjects of the
McCann study (which seemed to be a landmark study) were only three weeks
abstinent and there was no account of their premorbid personality. In addi-
tion, no clear-cut dose-effect curve could be shown; there was no account or
study of reversibility. Also, there was no convincing, quantitative account of
the total dosage the subjects had used; in particular, no documentation of
contents of MDMA. No correlations to clinical parameters were seen.
Spectroscopy showed a reduced NAA/creatine ratio (NAA was normal)
(Obergriesser et al. 2001; Reneman et al. 2001 c, d). Chang et al. (1999,
2000) have shown that the glial marker myo-Inositol was increased in the pa-
rietal white matter. However, these studies did not use current standards of
techniques; in particular, absolute quantification (LC model) and short echo
times for metabolite measuring were not used. Electrophysiological studies,
including EEG and AEP studies, are partially contradictory (Croft et al. 2001).
Cognitive studies showed increased aggression and impulsivity (e.g. Ger-
ra et al. 1998; McCann & Ricaurte 1991; McCann & Ricaurte 1992) in some
studies. However, taken together the results are contradictory and a consis-
tent picture does not develop. The most consistent results are obtained in
studies on the chronic learning and memory defects after MDMA use (e.g.
Bhattachary and Powell 2001); the most convincing is a prospective study
done by Zakzanis and Young (2001) showing a progressive decrease of
memory curves. It must be mentioned that no study has convincingly and
reproducibly shown a relation between cognitive abilities and surrogate
markers (Cole and Sumnall 2003).
It has been claimed that MDMA may cause Parkinson's disease after a la-
tency; but this is a matter of speculation and mechanistically unlikely (Kish
2003). Although three case reports have been published, none proves a causal
link, rather coincidence is likely (Kish 2003). The claim is also based on the
publication of a study which seemed to show striatal dopamine nerve termi-
nal damage in experimental nonhuman primates (Ricaurte et al. 2002); how-
32 z A. G. Ludolph, A. C. Ludolph

ever, this study had to be retracted since the animals had been treated mis-
takenly by the dopaminergic neurotoxin methamphetamine (Ricaurte et al.
2003). In summary, the claim that MDMA use is in any way related to Parkin-
son's disease remains unsubstantiated.

z Which evidence exists for acute and chronic neurotoxicity of MDMA?

Four arguments have been developed (Spencer et al. 2000) for a causal rela-
tionship between a chemical and its toxic effect in the nervous system.
Which evidence do we have for acute and chronic effects of MDMA?

The compound is found in the environment of the victim


Whereas this relation is clear in most acute studies, documentation of the
contents of ªecstasy tabletsº is far from being clear in the chronic studies.
Many questions must be raised:
z What does the use of ªecstasyº mean pharmacologically in retrospective
studies?
z Which dosage has been used?
z Which chemicals have been found in ecstasy pills?
z Was polytoxicomania excluded?

The recruitment for the clinical studies is also a major concern; this is not
only true for chronic studies, but may also be of relevance for more acute
studies. Typically in these studies, academics, in particular students are in-
cluded; there is a lack of studies in less privileged groups. Also, many stud-
ies lack the appropriate controls. It is often overseen that the so-called
ªchronic raver syndromeº has many features in common with the so-called
ªair-crewº syndrome. The common feature of these two syndromes is that
both groups suffer from sleep deprivation and circadian abnormalities
which could be responsible for the psychobiological changes (Cho et al.
2000). Last, but not least, the problem is that we know that not MDMA
alone but a metabolite is responsible for the neurotoxic effects. There is a
lot of evidence that hepatic metabolism should be examined in a single in-
dividual, not in groups.

Onset and severity of the disease are commensurate with dosage


and time of exposure
In most acute studies, more or less convincing dose-effect curves have
been demonstrated. However, given the reservations discussed in the pre-
vious paragraph, there is no chance of showing a convincing dose-effect
curve in retrospective studies. All studies with surrogate markers, including
the PET markers, are questionable and do not show any relation to clinical
findings.
Serotonergic neurotoxicity ± the example MDMA z 33

The clinical picture of the syndrome is stereotyped


In acute MDMA intoxications, effects are stereotyped, show a convincing
dose-effect relationship and therefore are believable. However, for chronic ef-
fects a number of psychobiological syndromes have been observed, including
impulsivity, aggression, memory deficits and depression. Here, features of the
syndrome may be influenced by the premorbid personality and there is a se-
vere lack of longitudinal studies in most retrospective analyses.

The neurotoxic effect is self-limited, not progressive


The reversibility of the acute effects has been convincingly shown; for the
chronic effect, an attempt has been repeatedly made, but in our view, stud-
ies are not conclusive. This represents a large chance for future studies, in-
cluding studies with surrogate markers which should collect arguments for
a causal relationship.

What evidence exists for acute and chronic neurotoxicity?


For the reasons (listed in sections 6.1±6.4), we suggest the following neuro-
toxicity rating for MDMA at the present time (Spencer et al. 2000): There
is evidence for an acute encephalopathy, including tremors, hallucination
and ataxia. There is also convincing evidence for an acute seizure disorder.
There are believable reports on the presence of an autonomic syndrome,
including hyperthermia and myonecrosis and the observation of a chronic
encephalopathy which is most likely reversible. There is no evidence for a
chronic psychobiological reaction, in other words, the development of a
chronic psychosis. For MDMA, there is convincing experimental evidence
for the development of a serotonergic axonopathy which may be related to
the consistently observed hyperactivity syndrome in experimental animals.

z Conclusions

Taken together, experiments show that there is a specific neurotoxic syn-


drome after administration of MDMA to rodents and non-human primates.
There is also evidence for acute neurotoxicity of MDMA in humans. How-
ever, there is a lot of material, but it remains controversial on quantitative
and qualitative chronic neurotoxic effects. Future attempts to develop a
strategy for the determination of chronic neurotoxicity of MDMA can in-
clude a controlled observation of consumers of ecstasy (MDMA), studies
on the reversibility of MDMA toxicity and improvement of surrogate mark-
ers. In our view, the most interesting perspective in the studies on seroto-
nergic neurotoxicity is the application to neurodegenerative diseases affect-
ing the central serotonergic system; studies which were given up in the
early 1980s, but seem to be timely 20 years later.
34 z A. G. Ludolph, A. C. Ludolph

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Das serotonerge System und Kognition
D. Jokisch, C. Bellebaum, I. Daum

z Einleitung

Das serotonerge System spielt eine zentrale Rolle in der Regulation von
kognitiven, emotionalen und neuroendokrinen Prozessen und ist somit an
einer Vielzahl verhaltensrelevanter Funktionen beteiligt. Entsprechend sind
Dysfunktionen der serotonergen Signalçbertragung sowohl mit neuropsy-
chiatrischen Erkrankungen als auch mit Verånderungen im emotionalen
Erleben und mit kognitiven Beeintråchtigungen assoziiert. Serotonin ist an
der Regulation der Stimmung, der Entstehung von Angst und Aggression,
der Regulation des Ess- und Sexualverhaltens und an der Steuerung der
zirkadianen Rhythmik und des Schlafes beteiligt. Bei der Verarbeitung von
Schmerzreizen und Stress sowie bei motorischen Aktivitåten spielt das se-
rotonerge System ebenfalls eine wichtige Rolle. Auûerdem ist Serotonin mit
kognitiven Leistungen wie Lernen, der Gedåchtnisbildung, Aufmerksam-
keitsprozessen und exekutiven Funktionen assoziiert.
Das serotonerge System ist durch eine breite anatomische Verteilung in-
nerhalb des zentralen Nervensystems gekennzeichnet. Serotonin zeigt sehr
unterschiedliche Wirkungsweisen, bedingt durch verschiedene Rezeptorty-
pen und den daraus resultierenden unterschiedlichen Wirkmechanismen.
So kann Serotonin sowohl prå- als auch postsynaptisch mit Rezeptoren in-
teragieren und je nach Rezeptorsubtyp eine exzitatorische oder inhibitori-
sche Wirkung entfalten. Serotonin çbt seine Wirkung hauptsåchlich çber
die Modulation von dopaminergen, cholinergen und GABAergen Neuronen
aus.

Serotonin
Serotonin ist ein Neurotransmitter, der zu der Gruppe der Monoamine
gehært. Er kann die Blut-Hirn-Schranke nicht çberwinden und muss des-
wegen aus seiner Vorlåufersubstanz, der Aminosåure Tryptophan, im Ge-
hirn synthetisiert werden. Das Enzym Tryptophanhydroxylase oxidiert
Tryptophan zu 5-Hydroxytryptophan (5-HTP). 5-HTP-Dekarboxylase, ein
weiteres Enzym, entfernt eine Karboxylgruppe, wodurch 5-HT (Serotonin)
entsteht.
40 z D. Jokisch et al.

Serotonerge Bahnen im Gehirn


Serotonerge Zellen befinden sich çberwiegend in den Raphe-Kernen des
Hirnstamms. Von dort projizieren sie in das gesamte ZNS. Zwei sehr wich-
tige Projektionen haben ihren Ursprung in den dorsalen und medialen Ra-
phe-Kernen. Beide projizieren in den zerebralen Kortex, darçber hinaus in-
nerviert der dorsale Teil die Basalganglien und der mediale Teil den Gyrus
dentatus, einen Teil des Hippokampus (Carlson 2001).
Serotonin interagiert sehr eng mit anderen Neurotransmittersystemen,
vor allem dem dopaminergen, cholinergen und GABAergen System. Fçr
Lern- und Gedåchtnisleistungen ist das funktionelle Zusammenwirken von
serotonergem und cholinergem System von groûer Bedeutung. Serotonin
trågt zur Regulation der cholinergen Bahnen vom medialen Septum zum
Hippokampus und vom Nucleus basalis magnocellularis zum Kortex und
zur Amygdala bei (Cassel u. Jeltsch 1995; Steckler u. Sahgal 1995; Buhot et
al. 2000).

Serotoninrezeptortypen und ihre neuroanatomische Verteilung


Bis heute sind mehr als 20 Serotoninrezeptoren bekannt, die in die Grup-
pen der 5-HT1- bis 5-HT7-Rezeptortypen eingeteilt werden. In der Regel
sind die Rezeptoren metabotrop. Die einzige Ausnahme bildet der ionotro-
pe 5-HT3-Rezeptor (Meneses 1999; Carlson 2001).
Die unmittelbare Wirkung eines Rezeptortyps, d. h. ob er einen exzitato-
rischen oder inhibitorischen Effekt auf die Serotoninausschçttung ausçbt,
hångt zum einen davon ab, ob es sich um einen pråsynaptischen Hetero-
oder Autorezeptor oder einen postsynaptischen Rezeptor handelt und zum
anderen davon, in welcher Weise der Rezeptor an ein bestimmtes Second-
Messenger-System gebunden ist. So sind beispielsweise die 5-HT1A- und
5-HT1B-Rezeptoren positiv mit der Adenylzyklase gekoppelt, wohingegen
der 5-HT4-Rezeptor negativ an diese Zyklase gekoppelt ist (Buhot et al.
2000).
Aufgrund der anatomischen Verteilung, die fçr jeden Rezeptor spezifisch
ist, spielen bestimmte Rezeptoren fçr den Zusammenhang zwischen Seroto-
nin und Kognition eine græûere Rolle als andere. Die Rezeptoren
5-HT1A/1B/1D, 5-HT2A/2B/2C, 5-HT3A/3B, 5-HT4A/4B, 5-HT5A/5B, 5-HT6 und
5-HT7 scheinen aufgrund ihrer Lokalisation prådestiniert zu sein, kognitive
Prozesse, vor allem Lern- und Gedåchtnisprozesse, zu modulieren (Meneses
1999). Sie kommen im Hippokampus, den Basalganglien, der Amygdala, dem
Frontalhirn und zum Teil in anderen kortikalen Regionen vor. Ûberwiegend
aus tierexperimenteller Forschung stammende Hinweise auf einen tatsåch-
lichen Einfluss auf Lern- und Gedåchtnisvorgånge gibt es momentan jedoch
nur fçr einige der genannten Rezeptoren (Meneses 1999; Buhot et al. 2000).
Dabei scheinen verschiedene Rezeptor-Subtypen funktionell zu interagieren,
so die 5-HT1A-, 5-HT1B-, 5-HT3- und 5-HT4-Rezeptoren im Hippokampus
und die 5-HT2- und 5-HT3-Rezeptoren im Frontalhirn (Buhot et al. 2000).
Das serotonerge System und Kognition z 41

z Tierexperimentelle Befunde:
Einfluss von Serotonin auf Lernen und Gedåchtnis

Eine Fçlle von empirischen Studien zeigt, dass serotonerge Neurone in


Hirnarealen vorhanden sind, die entscheidend in Lern- und Gedåchtnis-
funktionen involviert sind. Diese Areale umfassen vor allem den septohip-
pokampalen Komplex und den Nucleus basalis magnocellularis. Zwei aktu-
elle Ûbersichtsartikel (Meneses 1999; Buhot et al. 2000) kommen nach der
Reanalyse von 130 bzw. 120 Studien çbereinstimmend zu der Schlussfolge-
rung, dass die Gabe von Serotoninagonisten und Serotoninantagonisten
Einfluss auf die Gedåchtnisleistung in tierexperimentellen Untersuchungen
hat. Eine entscheidende Rolle spielen hierbei die unterschiedlichen Rezep-
tortypen. So verhindert die Gabe von 5-HT2A/2C- und 5-HT4-Rezeptor-Ago-
nisten oder 5-HT1A/1B- und 5-HT3-Rezeptor-Antagonisten Gedåchtnisbeein-
tråchtigungen und unterstçtzt das Lernen in Situationen, die hohe An-
sprçche an die kognitive Verarbeitung stellen. 5-HT2A/2C- und 5-HT4-Re-
zeptor-Antagonisten oder 5-HT1A/1B- und 5-HT3-Rezeptor-Agonisten haben
den entgegengesetzten Effekt. Mæglicherweise kænnten diese Befunde neue
therapeutische Strategien fçr pathologische Verånderungen des Lernens
und der Gedåchtnisbildung begrçnden.

z Einfluss von Serotonin auf kognitive Leistungen im Humanbereich


In diesem Abschnitt werden zunåchst die verschiedenen Untersuchungs-
ansåtze im Humanbereich vorgestellt. Anschlieûend werden die Befunde
zur Beteiligung des serotonergen Systems an kognitiven Leistungen ge-
trennt fçr die verschiedenen methodischen Ansåtze dargestellt.

Untersuchungsansåtze
Im Humanbereich gibt es verschiedene Untersuchungsansåtze, um den Ein-
fluss von Serotonin auf kognitive Fåhigkeiten zu klåren. Bei diesen Ansåt-
zen wird der Serotoninspiegel entweder bei einer gesunden Probanden-
gruppe experimentell manipuliert, oder es wird eine Probandengruppe un-
tersucht, von der eine Beeintråchtigung des serotonergen Systems bekannt
ist. Wåhrend der Phase eines erhæhten oder erniedrigten Serotoninspiegels
wird die kognitive Leistungsfåhigkeit mittels standardisierter neuropsycho-
logischer Untersuchungsverfahren erfasst und mit dem Leistungsprofil ei-
ner Kontrollgruppe verglichen.
Um den Serotoninspiegel zu manipulieren, werden in entsprechenden
Studien zwei Methoden angewandt. Bei der ersten Methode wird die Menge
von Tryptophan, einer Aminosåure, die fçr die Synthese von Serotonin es-
senziell ist, çber die Nahrungsaufnahme variiert. Dies geschieht durch eine
Tryptophan-reiche bzw. Tryptophan-arme Diåt, wodurch nach einer kurzen
42 z D. Jokisch et al.

Latenz ein Serotoninçberschuss bzw. ein Serotoninmangel induziert wird.


Bei der zweiten Methode wird entweder çber selektive Serotonin-Wieder-
aufnahmehemmer (SSRI) erreicht, dass Serotonin långer im synaptischen
Spalt verbleibt und somit eine långere Wirkung auf die neuronale Sig-
nalçbertragung erzielen kann, oder es werden Serotoninagonisten appli-
ziert, die an Serotoninrezeptoren binden und eine åhnliche Wirkung wie
Serotonin selbst entfalten.
Der zweite Untersuchungsansatz fokussiert auf eine Probandengruppe,
bei der eine Serotonindysfunktion bekannt ist. Die Substanz 3,4-Methylen-
dioxymetamphetamin (MDMA), die der Hauptbestandteil der Modedroge
Ecstasy ist, beeinflusst das serotonerge System durch eine neurotoxische
Wirkung auf serotonerge Neurone. Der genaue Mechanismus der pathologi-
schen Verånderung ist noch unbekannt. Konsumenten dieser illegalen Sub-
stanz weisen daher eine Dysfunktion des serotonergen Systems auf. Ent-
sprechend lassen sich Beeintråchtigungen in der kognitiven Leistungsfåhig-
keit bei Probanden, die MDMA konsumiert haben, als Folge der Dysfunk-
tion im serotonergen System interpretieren.

Auswirkung von Serotoninmangel bzw. -çberschuss


durch Tryptophan-freie bzw. Tryptophan-reiche Diåt
auf die kognitive Leistungsfåhigkeit
Die Aminosåure Tryptophan ist als Vorlåufersubstanz essenziell fçr die
Synthese von Serotonin im Gehirn. Akuter Tryptophanmangel verringert
daher den Serotoninspiegel im Gehirn durch eine verminderte Serotonin-
synthese. Eine Reihe von Studien hat den Einfluss von Serotoninmangel
bzw. -çberschuss auf die kognitive Leistungsfåhigkeit auf diese Weise unter-
sucht. Im Folgenden werden die wesentlichen Befunde dieser Studien in
den Bereichen Lernen und Gedåchtnis und exekutive Funktionen auf-
gefçhrt.
Eine Beeintråchtigung der Lern- und Merkfåhigkeit durch Serotonin-
mangel konnte in mehreren Studien belegt werden (Park et al. 1994; Riedel
et al. 1999; Schmitt et al. 2000). Diese Beeintråchtigungen betreffen ins-
besondere das Langzeitgedåchtnis, wåhrend Serotoninmangel keinen Ein-
fluss auf das kurzfristige Behalten zu haben scheint. Beeintråchtigungen
des Arbeitsgedåchtnisses bei Serotoninmangel konnten in Studien ebenfalls
nicht nachgewiesen werden.
Im Gegensatz dazu hat ein Ûberschuss an Serotonin durch Tryptophan-
reiche Diåt jedoch einen negativen Effekt auf die Spanne des Arbeits-
gedåchtnisses. Dieser Effekt zeigt sich sowohl fçr das verbale Arbeits-
gedåchtnis als auch insbesondere fçr das Arbeitsgedåchtnis fçr Stimuli af-
fektiven Inhalts (Luciana et al. 2001).
Durch Tryptonphan-freie Diåt induzierter Serotoninmangel beeintråch-
tigt auch Teilaspekte exekutiver Funktionen. Insbesondere sind davon Ent-
scheidungsfindungsprozesse betroffen. Diese Beeintråchtigungen åuûern
sich durch das Treffen von nicht optimalen Entscheidungen trotz verlånger-
Das serotonerge System und Kognition z 43

ter Zeitspanne fçr das Abwågen dieser Entscheidungen (Rogers et al. 1999).
Ein niedriger Serotoninspiegel scheint dabei den Entscheidungsfindungs-
prozess durch ein veråndertes Verarbeiten von Belohnungsreizen zu beein-
flussen, indem groûe und kleine Belohnungsreize schlechter diskriminiert
werden und sich weniger effektiv in der getroffenen Entscheidung manifes-
tieren (Rogers et al. 2003). Neben Entscheidungsfindungsprozessen ist auch
die mentale Umstellungsfåhigkeit und die Verhaltenshemmung durch inhi-
bitorische Hinweisreize beeintråchtigt (Murphy et al. 2002). Diese Befunde
stçtzen die Hypothese, dass eine serotonerge Dysfunktion stårker exekutive
Funktionen beeinflusst, die durch den orbitofrontalen Pråfrontalkortex ver-
mittelt werden, als solche, die durch den dorsolateralen Pråfrontalkortex
vermittelt werden, wie beispielsweise die Fåhigkeit zur vorrausschauenden
Handlungsplanung und zum Problemlæsen. Letztere sind von Ønderungen
des Serotoninspiegels nicht beeinflusst.

Administration von Serotoninagonisten


und selektiven Serotonin-Wiederaufnahmehemmern (SSRI) bei Gesunden
Die Befunde zu kognitiven Beeintråchtigungen durch Manipulation des Se-
rotoninspiegels durch Tryptophan-reiche bzw. -freie Diåt werden durch
Studien unterstçtzt, die durch Gabe von Serotoninagonisten oder SSRI auf
das serotonerge System wirken. Eine Ûberaktivitåt des serotonergen Sys-
tems beeintråchtigt das Arbeitsgedåchtnis und verbessert das Langzeitge-
dåchtnis. So verschlechtert die Gabe von Fenfluramin, einem Serotoninago-
nisten, das råumliche Arbeitsgedåchtnis, was nicht auf unspezifische Ver-
ånderungen der Aktivierung oder der Aufmerksamkeit zurçckgefçhrt wer-
den kann (Luciana et al. 1998). Dagegen verbessert die Gabe eines SSRI die
Leistungsfåhigkeit des Langzeitgedåchtnisses fçr verbales Material durch
eine effektivere Konsolidierung des Gelernten (Harmer et al. 2002).

MDMA (Ecstasy): Wirkmechanismus, Neurotoxizitåt


und kognitive Verånderungen

z Akute Symptome, Wirkmechanismus und Neurotoxizitåt. Unter Ecstasy ver-


steht man ein Gemisch verschiedener Amphetaminderivate. Die chemische
Formel fçr Ecstasy ist 3,4-Methylendioxymethylamphetamin (MDMA). Als
Modedroge ist MDMA in der Rave-Szene sehr beliebt.
Fçr den Zusammenhang von Serotonin und Kognition ist MDMA des-
halb von Bedeutung, weil die von ihm ausgehende Wirkung vor allem das
Serotoninsystem betrifft. Es wirkt als indirekter Monoaminagonist, indem
es die Ausschçttung von Serotonin und in geringerem Ausmaû von Dopa-
min erhæht und die Wiederaufnahme hemmt (Schmidt 1987).
Entsprechend kænnen die akuten Symptome nach der Einnahme von
Ecstasy mit denen des Serotonin-Syndroms verglichen werden (Parrott
2002). Hyperaktivitåt, Verwirrung und Hyperthermie gehæren zu den am
44 z D. Jokisch et al.

håufigsten auftretenden Symptomen (Parrott und Lasky 1998). Die Kon-


sumenten berichten von euphorischen Zustånden, erhæhter Aktivierung,
Selbstbewusstsein, græûerer sensorischer Sensitivitåt und Gefçhlen von Nå-
he und Intimitåt zu anderen (Peroutka et al. 1988; Cohen 1995).
Untersuchungen zum Serotoninhaushalt nach Einnahme von MDMA ge-
ben Anlass zu der Vermutung, dass es eine neurotoxische Wirkung hat.
Die Verabreichung einer einzelnen Dosis MDMA (10 mg/kg) hat bei Ratten
eine zweiphasische Wirkung (Schmidt 1987). Drei bis sechs Stunden nach
Einnahme findet sich ein deutlicher Rçckgang des Serotoninstoffwechsels,
der sich nach 24 Stunden jedoch wieder normalisiert. Eine Woche nach
Verabreichung ist ein weiterer Rçckgang des Stoffwechsels zu verzeichnen.
Durch eine einzige græûere Dosis oder zwei kleinere tåglich an vier auf-
einander folgenden Tagen konnten im Tierversuch langfristige neurotoxi-
sche Effekte ausgelæst werden, die bei Ratten noch ein Jahr und bei Affen
sieben Jahre nach Gabe von MDMA nachgewiesen werden konnten (Battag-
lia et al. 1987; Hatzidimitriou et al. 1999).
Im Humanbereich gibt es unterschiedliche Untersuchungsansåtze zu den
Auswirkungen von Ecstasy auf das serotonerge System (Morgan 2000). In
Bezug auf die 5-HIAA-Konzentration, ein Abbauprodukt von 5-HT, in der
Zerebrospinalflçssigkeit sind die Befunde uneinheitlich. Die Mehrzahl
spricht jedoch fçr eine reduzierte Konzentration bei Ecstasy-Konsumenten
im Vergleich zu Konsumenten anderer Drogen (Morgan 2000). Eine indi-
rekte Technik zur Ûberprçfung der Serotoninfunktion ist die Gabe von Se-
rotoninagonisten und die Untersuchung der Auswirkungen z. B. auf die
Prolaktinkonzentration. Øltere Befunde zeigten keinen signifikanten Unter-
schied in der Prolaktinkonzentration zwischen Ecstasy-Konsumenten und
drogenfreien bzw. andere Drogen konsumierenden Kontrollpersonen (Price
et al. 1989; McCann et al. 1994). Im Gegensatz dazu wurden in jçngeren
Studien reduzierte Prolaktin- bzw. Kortisolantworten bei Ecstasy-Kon-
sumenten gefunden (Gerra et al. 1998; McCann et al. 1999 b; Verkes et al.
2001).
Mit Hilfe bildgebender Verfahren wie PET und SPECT wurde nachgewie-
sen, dass die Serotonintransporter-Dichte in den Gehirnen von Ecstasy-
Konsumenten signifikant verringert ist (McCann et al. 1998; Semple et al.
1999). Eine erhæhte Dichte des 5-HT2A-Rezeptors im Okzipitallappen von
Ecstasy-Konsumenten deutet ebenfalls auf eine Verringerung des Serotonin-
stoffwechsels hin (Reneman et al. 2000). Der Hippokampus und die Amyg-
dala sind in besonderer Weise von einer Verånderung des Glukosemetabo-
lismus durch Ecstasy betroffen (Obrocki et al. 1999).
Obwohl es bei einigen der zitierten Arbeiten methodische Probleme gibt,
wie z. B. die mangelnde Berçcksichtigung des Konsums zusåtzlicher Dro-
gen, sprechen doch die meisten Befunde dafçr, dass MDMA eine neuroto-
xische Wirkung hat, die sich vor allem in einer Reduktion des Serotonin-
stoffwechsels zeigt. Es ist sehr wahrscheinlich, dass die neuropsychobiolo-
gischen Langzeitfolgen von Ecstasy-Konsum beim Menschen direkte Folge
der akuten serotonergen Ûberaktivierung sind (Parrott 2002).
Das serotonerge System und Kognition z 45

z Psychopathologie. Die Tatsache, dass MDMA zu einer dauerhaften Verrin-


gerung des Serotoninstoffwechsels fçhrt, legt die Vermutung nahe, dass Ecsta-
sy-Konsumenten håufiger von psychiatrischen Erkrankungen betroffen sind
als Nichtkonsumenten. Ein reduzierter Serotoninstoffwechsel wird als mægli-
che Ursache fçr viele neuropsychiatrische Erkrankungen diskutiert. Tatsåch-
lich gibt es zahlreiche Einzelfallbeschreibungen chronischer psychiatrischer
Stærungsbilder bei Personen mit hohem Ecstasy-Konsum. Die berichteten
Symptome und Syndrome sind u. a. Zwangserkrankungen, Panikattacken, Psy-
chosen und depressive Zustånde (Morgan 2000). Neuere Gruppenstudien be-
ståtigen im Wesentlichen die hæhere Wahrscheinlichkeit einer psychiatrischen
Erkrankung fçr Ecstasy-Konsumenten. In einer groûen Stichprobe von 150
Drogenkonsumenten, die mindestens einmal Ecstasy konsumiert hatten, zeig-
ten mehr als die Hålfte der Probanden psychopathologische Auffålligkeiten,
am håufigsten Depressionen (Schifano et al. 1998). Eine genauere Analyse er-
gab, dass Psychopathologie mit Ecstasy-Konsum und nicht mit dem Konsum
anderer Drogen einherging. In einer weiteren Studie fanden sich erhæhte Wer-
te fçr Depression und Angst als Eigenschaft bei starken Ecstasy-Konsumenten
(Verkes et al. 2001). Unter Berçcksichtigung verschiedener Moderatorvaria-
blen war der Unterschied zu einer drogenfreien Kontrollgruppe und zu Pro-
banden mit moderatem Ecstasy-Konsum allerdings nicht signifikant. Trotz der
besonderen Anfålligkeit von Ecstasy-Konsumenten fçr psychiatrische Erkran-
kungen spielt der Konsum anderer Drogen ebenfalls eine wichtige Rolle. Ecsta-
sy-Konsumenten und Konsumenten anderer Drogen zeigten im Vergleich zu
drogenfreien Probanden signifikant erhæhte Werte sowohl im Summenwert als
auch in allen einzelnen Skalen eines Verfahrens zur Erfassung psychopatho-
logischer Symptome, darunter z. B. phobische Angst, Depression, Zwang und
Aggression/Feindseligkeit (Thomasius et al. 2003). Obwohl der Vergleich zwi-
schen Ecstasy-Konsumenten und Konsumenten anderer Drogen keine signifi-
kanten Unterschiede erbrachte, war die Anzahl der Gelegenheiten, bei denen
Ecstasy konsumiert wurde, eine signifikante Kovariate des Summenwertes und
der Subskalen zu Angst und Psychotizismus. Cannabiskonsum hing signifi-
kant mit den Skalen fçr Zwang und Aggression zusammen.

z Kognitive Verånderungen als Folge von Ecstasy-Konsum


Beeintråchtigungen von Lernen und Gedåchtnis
Im Vergleich zu Kontrollpersonen, die noch nie Ecstasy genommen hatten,
zeigten auch Neukonsumenten (absoluter Konsum 1- bis 9-mal) und gele-
gentliche Konsumenten (absoluter Konsum æfter als 10-mal) Gedåchtnis-
beeintråchtigungen beim sofortigen und verzægerten freien Abruf von
Wærtern (Parrott und Lasky 1998; Parrott et al. 1998).
Probanden mit stårkerem Ecstasy-Konsum erwiesen sich sowohl im Ver-
gleich zu Nicht-Ecstasy-Konsumenten (McCann et al. 1999a) bzw. drogenfrei-
en Probanden (Reneman et al. 2000) als auch zu drogenkonsumierenden Kon-
trollpersonen als beeintråchtigt (Morgan 1999; Gouzoulis-Mayfrank et al.
2000; Verkes et al. 2001). Im Vergleich zu Konsumenten anderer Drogen konn-
46 z D. Jokisch et al.

ten die bereits erwåhnten Defizite im verbalen Gedåchtnis reproduziert wer-


den (Morgan 1999), jedoch zeigte sich, dass auch andere Gedåchtnisfunktio-
nen betroffen waren: Konsumenten von Ecstasy und Cannabis reproduzierten
weniger visuell-råumliche Gedåchtnisinhalte als Cannabis-Konsumenten und
drogenfreie Kontrollpersonen unmittelbar nach der Darbietung. Darçber hi-
naus zeigten Ecstasy-Konsumenten Defizite im verbalen Arbeitsgedåchtnis
(Gouzoulis-Mayfrank et al. 2000), die bei starkem Konsum auch nach sechs
Monaten Abstinenz noch nachgewiesen werden konnten (Wareing et al.
2000). Bei der Auswahl von geeigneten Kontrollgruppen spielt nicht nur Dro-
genkonsum allgemein (unabhångig von Ecstasy) eine Rolle, sondern auch der
demographische bzw. soziokulturelle Hintergrund. Wie eingangs bereits er-
wåhnt, ist MDMA besonders in der Rave-Szene sehr beliebt. Diesem Umstand
Rechnung tragend wurden Ecstasy-Konsumenten mit starkem und modera-
tem Konsum mit einer Kontrollgruppe von Nichtkonsumenten aus der glei-
chen Szene verglichen (Verkes et al. 2001). Starke Konsumenten waren im ver-
balen und visuell-råumlichen Arbeitsgedåchtnis, im visuell-råumlichen Kurz-
zeitgedåchtnis und bei einfachen Reaktionszeitaufgaben beeintråchtigt. Pro-
banden mit moderatem Konsum zeigten nur in den visuell-råumlichen Ge-
dåchtnisaufgaben Defizite.
In einer aktuellen Studie wurden Ecstasy-Konsumenten, ehemalige
Ecstasy-Konsumenten, Konsumenten anderer Drogen und drogenfreie Pro-
banden verglichen (Thomasius et al. 2003). Interessanterweise zeigten nur
ehemalige, nicht aber aktuelle Ecstasy-Konsumenten verbale Gedåchtnis-
beeintråchtigungen.

Beeintråchtigungen in anderen kognitiven Bereichen


In den meisten Untersuchungen zu kognitiven Beeintråchtigungen von
Ecstasy-Konsumenten wurden nicht nur Gedåchtnisleistungen gemessen,
sondern auch andere kognitive Leistungen wie Aufmerksamkeit und exe-
kutive Funktionen çberprçft. Wåhrend håufig Defizite in der Gedåchtnis-
leistung festgestellt werden konnten, waren die Leistungen in anderen Be-
reichen oft nicht signifikant schlechter als die von Kontrollpersonen.
Normgerechte Leistungen fanden sich in verschiedenen Reaktionszeit- und
Aufmerksamkeitsaufgaben (Parrott et al. 1998; Thomasius et al. 2003), in
einer Aufgabe zur visuellen Suche (Parrott und Lasky 1998) und in ver-
schiedenen Teilbereichen exekutiver Funktionen (Morgan 1998; Klugman et
al. 1999; Wareing et al. 2000; Verkes et al. 2001).
Oftmals beschrånkten sich die neuropsychologischen Defizite von Ecsta-
sy-Konsumenten jedoch nicht auf Gedåchtnisleistungen. Insbesondere in
kognitiv sehr anspruchsvollen Aufgaben, so die Schlussfolgerung, ist håufig
mit Beeintråchtigungen zu rechnen. Am håufigsten sind exekutive Leistun-
gen beeintråchtigt: Ecstasy-Konsumenten zeigten leichte Defizite in einer
Planungsaufgabe (Schifano et al. 1998) und hatten erhæhte Fehlerraten in
einer Sortieraufgabe und einer Aufgabe zur kognitiven Impulsivitåt, die ne-
ben exekutiven Leistungen auch Aufmerksamkeit und visuelle Diskrimina-
tion erfasste (Morgan 1998; Dafters et al. 1999).
Das serotonerge System und Kognition z 47

Schlieûlich wurden in einigen Untersuchungen auch reduzierte Aufmerk-


samkeitsleistungen berichtet. So zeigten Ecstasy-Konsumenten erhæhte Feh-
lerraten in einer Aufgabe zur Informationsverarbeitungsgeschwindigkeit
(Wareing et al. 2000), hatten erhæhte Reaktionszeiten bei einfachen Reak-
tionen und bei Wahlreaktionen (Verkes et al. 2001) und zeigten reduzierte
Leistungen in Aufgaben zur selektiven und geteilten Aufmerksamkeit (Gou-
zoulis-Mayfrank et al. 2000).

Zur Interpretation der Befunde


Eine Reihe methodologischer Probleme erschwert die vergleichende Unter-
suchung von Ecstasy-Konsumenten und Kontrollgruppen (Morgan 2000).
Die durchgefçhrten Studien unterscheiden sich teilweise erheblich in der
Definition von Ecstasy-Konsum, d. h. in der Intensitåt und Dauer des Kon-
sums der Probanden. Darçber hinaus sind die Angaben sehr fehleranfållig,
weil sie auf Berichten der Probanden beruhen und diese, aus unterschiedli-
chen Grçnden, eventuell ihren Drogenkonsum nicht korrekt angeben. Ne-
ben der Erfassung des Ecstasy-Konsums ist auch die Erfassung des Kon-
sums anderer Drogen, legaler und illegaler, von groûer Bedeutung, weil
auch sie einen Einfluss auf die untersuchten Parameter ausçben kænnen. In
vielen Studien wurden Ecstasy-Konsumenten mit drogenfreien Probanden
verglichen, sodass alle gefundenen Unterschiede auch auf den Konsum an-
derer Drogen zurçckgefçhrt werden kænnen, der in der Regel bei Ecstasy-
Konsumenten ebenfalls erhæht ist. Somit ist die Zusammenstellung der
Kontrollgruppe ein sehr wichtiger Punkt fçr die Interpretation von Studien
zu kognitiven oder psychopathologischen Verånderungen von Ecstasy-Kon-
sumenten. In diesem Zusammenhang bewåhrt hat sich die Heranziehung
einer drogenfreien Kontrollgruppe und einer Kontrollgruppe mit Proban-
den, die noch nie Ecstasy konsumiert haben, sich jedoch hinsichtlich des
Konsums anderer Drogen nicht von der Gruppe der Ecstasy-Konsumenten
unterscheiden. In einer relativ aktuellen Studie wurde zusåtzlich darauf ge-
achtet, dass die drogenfreie Kontrollgruppe aus dem gleichen soziokulturel-
len Umfeld kam (Verkes et al. 2001): Neben zwei Gruppen von Ecstasy-
Konsumenten wurde eine Gruppe von regelmåûigen Rave-Party-Besuchern
untersucht.
Ein weiteres Problem bei der Interpretation von Befunden ist die Frage
der Kausalitåt. Aufgrund der Art der Studien kann nicht entschieden wer-
den, ob beispielsweise psychopathologische Auffålligkeiten Folge oder Ursa-
che von Ecstasy-Konsum sind. Diese Einschrånkung gilt ebenso fçr Befun-
de zu kognitiven Leistungsbeeintråchtigungen bei Ecstasy-Konsumenten.

Zusammenfassung
Insgesamt kann als gesichert gelten, dass Ecstasy-Konsum zu Beeintråchti-
gungen der Lern- und Merkfåhigkeitsleistung fçhren kann. Unklarheit
herrscht lediglich darçber, welche Gedåchtnisbereiche betroffen sind. In-
konsistente Befunde liegen in Bezug auf Kurzzeit- und Arbeitsgedåchtnis
und Gedåchtnis fçr visuell-råumliches Material vor: Ecstasy-Konsumenten
48 z D. Jokisch et al.

zeigten in einigen Studien normgerechte Ergebnisse in diesen Bereichen


(Morgan 1998; Klugman et al. 1999; Wareing et al. 2000). Das verbale Ge-
dåchtnis war hingegen sehr håufig beeintråchtigt.
Ausgelæst werden die Defizite mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit durch
den bei Ecstasy-Konsumenten nachgewiesenen Rçckgang des Serotoninstoff-
wechsels. Es wird vermutet, dass kognitive Defizite nicht unbedingt direkt
mit nachgewiesener Neurotoxizitåt einhergehen mçssen, sondern erst dann
auftreten, wenn die Neurotoxizitåt einen bestimmten Schwellenwert çber-
schritten hat. Ehemalige Konsumenten kænnen so unter Umstånden zunåchst
unbeeintråchtigt bleiben und erst dann Defizite zeigen, wenn altersbedingt
ein weiterer Rçckgang des Serotoninstoffwechsels erfolgt (Morgan 2000).

z Einfluss der Serotoninfunktion auf Impulskontrolle


und Affektregulation
In den letzten Jahren hat das Interesse an der Rolle von Serotonin bei der
Entstehung von Aggressionen stark zugenommen. Die Bedeutung von Sero-
tonin fçr bestimmte Formen aggressiven Verhaltens wird durch Befunde
aus human- und tierexperimentellen Studien, aus der pharmakologischen
Forschung, aus Untersuchungen mit bildgebenden Verfahren und Befunden
aus molekularbiologischen Studien gestçtzt (Krakowski 2003).
Aggressives Verhalten låsst sich in drei Komponenten unterteilen: Im-
pulskontrolle, Affektregulation und vertrågliches Sozialverhalten. Impulsivi-
tåt und starke emotionale Zustånde begleiten håufig aggressive Handlun-
gen. Aggressive Individuen zeigen wiederum generelle Schwierigkeiten bei
der Impulskontrolle und emotionalen Regulation. Auûerdem zeigen sie be-
eintråchtigte soziale Kognitionen und håufig fehlende soziale Einbindung.
Der Einfluss von Serotonin auf aggressives Verhalten låsst sich am besten
untersuchen, wenn man diese Komponenten einzeln betrachtet.
Aggressive Handlungen geschehen in der Regel in einem breiten sozialen
Kontext. Entsprechend hat die serotonerge Wirkweise nicht nur Einfluss
auf das Verhalten eines Individuums, sondern auch auf gruppendynami-
sche Prozesse, die reziprok individuelles Verhalten beeinflussen.

Tierexperimentelle Befunde
Das serotonerge System vermittelt verschiedene Arten aggressiven Verhal-
tens in einer Vielzahl unterschiedlicher Spezies. Bei Nagetieren fçhrt ein
verminderter Serotoninspiegel zu vermehrten aggressiven Verhaltensweisen
(Gibbons et al. 1979). Eine åhnliche Steigerung von aggressiven Verhaltens-
weisen låsst sich auch bei einer gezielten Zerstærung von serotonergen
Neuronen beobachten (Molina et al. 1987).
Wåhrend ein niedriger Serotoninspiegel bei Nagetieren mit adaptiven
aggressiven Verhaltensweisen assoziiert ist, besteht bei nichtmenschlichen
Primaten und beim Menschen ein Zusammenhang zwischen niedrigem Se-
Das serotonerge System und Kognition z 49

rotoninspiegel und maladaptiven aggressiven Handlungen (Miczek et al.


1989). Aggressives Verhalten assoziiert mit einem niedrigen Serotoninspie-
gel fçhrt bei nichtmenschlichen Primaten in Konfliktsituationen håufig zu
Verletzungen oder zum Tod und wird von einem erhæhten Stressniveau be-
gleitet (Higley et al. 1992). Fehlangepasstes Verhalten dieser Tiere schlieût
auch soziale Dysfunktion und impulsives, risikofreudiges Verhalten ein
(Mehlman et al. 1994). In Ûbereinstimmung mit den genannten Befunden
fçhrt ein erhæhter Serotoninspiegel zu einer Reduzierung von aggressivem
Verhalten (Raleigh 1987).
Tierexperimentelle Befunde bezçglich des Einflusses des serotonergen
Systems auf das Sozialverhalten von Primaten zeigen, dass eine erhæhte Ak-
tivitåt des serotonergen Systems zu einer erhæhten Anzahl positiver und ei-
ner verminderten Anzahl negativer sozialer Interaktionen fçhrt (Mehlman
et al. 1995). Reduzierte Aktivitåt des serotonergen Systems fçhrt zu umge-
kehrten Effekten auf der Verhaltensebene (Raleigh und McGuire 1990).

Serotoninfunktion und aggressives Verhalten beim Menschen


In Studien, die den Zusammenhang zwischen Serotoninfunktion und ag-
gressivem Verhalten beim Menschen untersuchen, wird entweder die Menge
von Serotoninmetaboliten als Maû fçr die Aktivitåt des serotonergen Sys-
tems erhoben und in Relation zu aggressiven Verhaltensweisen gesetzt oder
der Serotoninspiegel selbst wird experimentell manipuliert, um dessen Aus-
wirkungen auf aggressives Verhalten zu untersuchen. Gewalt, Impulsivitåt,
Affekt und vertrågliches Sozialverhalten werden als Maû fçr Aggression
durch verschiedene Methoden wie Verhaltensbeobachtungen, die Durch-
fçhrung experimenteller Aufgaben und Selbstberichtsfragebægen erfasst.
Eine verminderte Aktivitåt des serotonergen Systems scheint mit einer
Dysregulation der Impulskontrolle assoziiert zu sein, die sich in einer im-
pulsiven Form von Gewalt åuûert (Linnoila et al. 1983; Roy et al. 1988;
Virkkunen et al. 1989; Virkkunen et al. 1994).
Studien, die den Serotoninspiegel experimentell manipulierten, zeigten
çberwiegend, dass ein erhæhter Serotoninspiegel mit einer Abnahme von
aggressiven Verhaltensweisen einhergeht (Coccaro et al. 1997; Knutson et
al. 1998), wåhrend eine Verringerung des Serotoninspiegels dagegen ag-
gressive Verhaltensweisen færdert (Cleare und Bond 1995; Moeller et al.
1996; Bjork et al. 1999). Als Indikatoren fçr Aggressionen dienen meistens
erhæhte Impulsivitåt und gesteigertes affektives Verhalten.
Zwischen den Konzepten Impulsivitåt und emotionaler Dysregulation
gibt es vielfåltige Wechselwirkungen (Krakowski 2003). Starke emotionale
Empfindungen bzw. emotionale Dysregulation gehen håufig mit Gewalt-
taten einher. Affektive Zustånde wie Ørger, Reizbarkeit und Wut kænnen
die Intensitåt von Handlungsimpulsen verstårken, die in einer aggressiven
Handlung resultieren. Hierbei findet eine verminderte Reflektion wåhrend
des Entscheidungsfindungsprozesses statt, resultierend in einer verminder-
ten Hemmung von Handlungsimpulsen. Aggressives Verhalten in Form von
50 z D. Jokisch et al.

impulsiven und affektgesteuerten Handlungen wird daher als Resultat einer


serotonergen Dysfunktion im orbitalen pråfrontalen Kortex gesehen.
Zusammenfassend låsst sich feststellen, dass aggressives Verhalten nicht
von Impulskontrolle, Affektregulation und sozialem Funktionieren getrennt
werden kann. Serotonin beeinflusst psychologische Eigenschaften und so-
ziale Interaktionen, die einen Einfluss auf gewalttåtiges Verhalten haben.
Gleichzeitig bestimmen psychologische und soziale Faktoren, wie ein Orga-
nismus auf einen erhæhten oder verminderten Serotoninspiegel reagiert.
Das Ausmaû, in dem serotonerge Dysfunktionen mit aggressivem Verhalten
assoziiert sind, hångt von multiplen, interagierenden Faktoren ab. Diese
Faktoren çben Einfluss auf die Inhibition von Impulsen, auf die Regulation
von Emotionen und auf ein vertrågliches Sozialverhalten aus.

z Zusammenfassung: Serotonerges System und Kognition

Das serotonerge System beeinflusst die Regulation von kognitiven und


emotionalen Prozessen und ist somit an einer Reihe verhaltensrelevanter
Funktionen beteiligt. Serotoninmangel wirkt sich negativ auf die Lern- und
Merkfåhigkeit und Teilaspekte exekutiver Funktionen aus. Vor allem solche
Aspekte exekutiver Funktionen sind betroffen, die durch den orbitalen Prå-
frontalkortex vermittelt werden. Beeintråchtigungen der Impulskontrolle
und der Affektregulation kænnen als Folge von Serotoninmangel auftreten
und werden ebenfalls mit einer serotonergen Dysfunktion des orbitalen
Pråfrontalkortex in Zusammenhang gebracht.

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Serotonin, Kognition, Demenz
H. Færstl

z Serotonin und Kognition

Die L-Tryptophan-Depletion beeintråchtigt das Lernen von Wortpaaren


und reduziert die Leistung in visuellen Diskriminationsaufgaben. Bei vorab
gelernten Planungsaufgaben verlångerte eine L-Tryptophan-reduzierte Diåt
die Denkzeiten; dies kann als Hinweis auf eine weitreichende Stærung von
Erinnerungsprozessen aufgefasst werden (Park et al. 1994). Verzægertes
Wiedererinnern, verzægertes Wiedererkennen und die Verlångerung der Re-
aktionszeiten bei gleichzeitigem Erhalt des Kurzzeitgedåchtnisses, der sen-
sorischen und motorischen Leistungen weisen auf ein Defizit im Langzeit-
gedåchtnisbereich hin (Riedel et al. 1999). Im Stroop-Test und bei dichoti-
schen Hæraufgaben ist sogar eine Verbesserung der Aufmerksamkeitsleis-
tungen durch die Tryptophan-Depletion zu demonstrieren (Schmitt et al.
2000). Daueraufmerksamkeitsleistungen nehmen erst bei einer kombinier-
ten Serotonin-Katecholamin-Reduktion ab (Matrenza et al. 2004). Visuelle
Inspektionszeiten bleiben unveråndert (Harrison et al. 2002). Es handelt
sich also nicht um unspezifisch sedierende oder depressiogene Effekte der
Diåt (Hughes et al. 2003; Murphy et al. 2002); die Verzægerung kann vor al-
lem emotional positive visuelle Diskriminationsaufgaben ± nicht aber trau-
rige Bilder ± betreffen (Murphy et al. 2002). Im Humanexperiment ver-
schlechterte der Serotoninatagonist Fenfluramin Leistungen im Bereich des
verzægerten råumlichen Gedåchtnisses (Luciana et al. 1998).
Tryptophandepletion bei Patienten mit manifester Alzheimer Demenz
(AD) fçhrte zu einer Beeintråchtigung des Arbeitsgedåchtnisses (Porter et
al. 2003), ohne eine Stressreaktion mit Verånderungen des Plasma- und
Speichelkortisols zu verursachen (Porter et al. 2002).

z Serotonin und Neurodegeneration

In-vitro-Studien ergaben Hinweise auf eine 5-HT2a- und 5-HT2c-Rezeptor-


vermittelte Vermehrung in der Freisetzung von læslichem, nichtamyloidoge-
nem Amyloidvorlåuferprotein (sAPP) (Nitsch et al. 1996). Im Tierexperi-
ment war bei einer Stimulation der 5-HT2c-Rezeptoren durch mehrtågige
Gabe von mCPP ein Anstieg des sAPP im Liquor nachzuweisen (Arjona et
al. 2002).
56 z H. Færstl

Die pharmakologische Stimulation von 5-HT4-Rezeptoren fçhrt ebenfalls


zu einer vermehrten sAPP-Freisetzung (Lezoualc'h u. Robert 2003). Ferner
konnte im Tierexperiment eine 5-HT4-Rezeptorstimulation Lernstærungen,
die durch den muskarinergen Rezeptorantagonisten Scopolamin induziert
waren, wieder vermindern; die Azetylcholinfreisetzung wurde durch
5-HT4-Agonisten dosisabhångig erhæht (Matsumoto et al. 2001).

z Altern

Beim ¹normalen Alternª findet sich eine Abnahme der Imipraminbindung


im Gyrus cinguli und eine Zunahme ± die mæglicherweise auf eine unspe-
zifische Bindung an Membrankomponenten zurçckzufçhren ist ± im Be-
reich des Frontalkortex und des Putamens (Marcusson et al. 1987). Wesent-
liche Verånderungen der Dichte und Affinitåt des 5-HT1A-Rezeptors, der
40% der 5-HT-Rezeptoren im Frontalhirn und 60% im Hippokampus aus-
macht, wurden im Alter nicht registriert (Cheetham et al. 1989; Palego et
al. 1997), jedoch eine Reduktion der 5HT2a-Bindung (Versijpt et al. 2003).
Bei Vertebraten nehmen jedoch die Dichte der Serotonintransporter im se-
rotonergen dorsalen Raphe-Kern (Duncan u. Hensler 2002) und die Aktivi-
tåt der Tryptophanhydroxylase in Medulla, Pons und Mittelhirn ab (Hus-
sain u. Mitra 2000), wåhrend die Aktivitåt der Monoaminoxidase-B ansteigt
(Gottfries 1990).

z Alzheimer-Demenz

z Genetik. Zur Frage, ob 5-HTR2a-, HTR6- und 5-HT-Transporter(=


5HTT)-Polymorphismen Risikofaktoren fçr die Alzheimer-Demenz (AD)
darstellen, liegen noch keine einheitlichen Ergebnisse vor; die Mehrzahl
der Ergebnisse spricht dagegen (Alvarez-Alvarez et al. 2003; Kunugi et al.
2000; Nishimura et al. 2000; Rocchi et al. 2003; Thome et al. 2001; Tsai et
al. 2001; Zill et al. 2000).
Im Gegensatz hierzu verdichten sich jedoch die Hinweise auf einen Zu-
sammenhang von Genotyp und Stærungen des Erlebens und Verhaltens in-
nerhalb der Gruppe von Patienten mit AD. Bei Patienten mit AD und ¹psy-
chotischenª Stærungen fand sich eine erhæhte Pråvalenz eines 5HT2a-
(C102; Holmes et al. 1998; Nacmias et al. 2001; Rocchi et al. 2003) oder ei-
nes 5-HTT-Polymorphismus (L/L; Suckonick et al. 2001; Sweet et al. 2001);
Wahn und Halluzinationen waren meist mit Aggressivitåt assoziiert. In ei-
ner Studie ergab sich ein Zusammenhang zwischen 5-HT2a- und
5-HT2c-Polymorphismen und depressiven Stærungen frçh im Krankheits-
verlauf (Holmes et al. 2003). Keine Beziehung war erkennbar zwischen
Apolipoprotein E und alpha-1-Anti-Chymotrypsin-Polymorphismen und
der Zeit bis zur Entwicklung von Wahn, Halluzinationen oder Verhaltens-
stærungen (Sweet et al. 2002).
Serotonin, Kognition, Demenz z 57

z Neurobiologie. Bei der AD ist die Zahl der serotonergen Neuronen in Nu-
cleus Raphe dorsalis, Raphe obscurus und Nucleus pallidus vermindert
(Kovacs et al. 2003). Die Tryptophanhydroxylase-Aktivitåt, die Serotonin-
und die 5-HIAA-Konzentration im dorsalen Raphe-Kern sind gesteigert,
aber der Transport in die Zielgebiete ist eingeschrånkt (Burke et al. 1990;
Gottfries, 1990). Eine Reduktion der zerebralen Serotoninrezeptorendichte
und Verånderungen des Serotoninmetabolismus bei manifester AD sind
seit langem bekannt (Cross et al. 1984, 1986; Garcia-Allosa et al. 2004;
Gottfries et al. 1986; Marcusson et al. 1987; Procter et al. 1999; Quirion et
al. 1986; Reinikainen et al. 1988; Reynolds et al. 1984; Sparks 1989; Storga
et al. 1996; Tohgi et al. 1992, 1995). Die 5-HT2-Bindung kann pråfrontal
unveråndert im Vergleich zu altersgleichen Kontrollen sein (Dewar et al.
1990). Auch die Dichte der 5-HT3-Rezeptoren in Hippokampus und Nukle-
us amygdalae erscheint unveråndert (Barnes et al. 1990).

z Stadium. Zwischen dem Stadium der AD und der Ausprågung neuro-


pathologischer Verånderungen der Raphe-Neuronen (Halliday et al. 1992)
oder Verånderungen der 5-HT-Rezeptorendichte (Cross et al. 1984; Lai et
al. 2003) ergab sich kein enger Zusammenhang. Eine erhæhte frontale
5-HT1a-Rezeptordichte und eine verminderte Serotoninkonzentration sind
mæglicherweise mit einem rascheren Rçckgang der kognitiven Leistung
(Garcia-Allosa et al. 2004; Lai et al. 2002) und ausgeprågtere neuropatholo-
gische Verånderungen im dorsalen Raphe-Kern sind mit einem schnelleren
Fortschreiten der Erkrankung korreliert (Halliday et al. 1992).

z Symptomatik. Keine enge Beziehung scheint zwischen dem Neuronenver-


lust in den dorsalen Raphe-Kernen und Verhaltensstærungen zu bestehen
(Chen et al. 2000). Nach unseren Ergebnissen weisen demente Patienten
mit Wahn und auditorischen Halluzinationen etwas niedrigere Neuronen-
zahlen im dorsalen Raphe-Kern auf (Færstl et al. 1994). Die temporale
5-HT1a-Rezeptordichte (Lai et al. 2003) oder die temporale 5-HT6-Rezep-
tordichte (Garcia-Alloza et al. 2004) sind jedoch angeblich invers mit dem
Auftreten von Unruhe und Aggressivitåt assoziiert. Dass hierbei gleichzei-
tig cholinerge und andere Mechanismen beteiligt sind, steht auûer Zweifel
(Garcia-Alloza et al. 2004; Minger et al. 2000). Kein Zusammenhang ergab
sich zwischen Verhaltensstærungen und 5-HT4-Dichte in Frontal- oder
Temporallappen (Lai et al. 2003). Patienten, die nach Fenfluramingabe mit
einem stårkeren Prolaktinanstieg reagierten, (Hinweis auf zentral seroto-
nerge Dysfunktion) zeigten klinisch stårkere Reizbarkeit und Aggressivitåt
(Lanctot et al. 2002). Wåhrend die Dichte der Serotonintransporter bei der
AD im Allgemeinen abnimmt, bleibt sie mæglicherweise im Temporallap-
pen bei ångstlichen dementen Patienten erhalten (Tsang et al. 2003). Ob
die Beziehung zwischen Serotonin und depressiver Symptomatik bei Pa-
tienten mit AD eine wesentliche Rolle spielt, ist derzeit noch offen (Meltzer
et al. 1998).
58 z H. Færstl

z Periphere Marker. Kontrovers werden derzeit etwaige periphere Alzhei-


mer-assoziierte Verånderungen des serotonergen Systems diskutiert. Teil-
weise wurde ein vermehrter Serotoningehalt der Plåttchen, eine erhæhte
Plåttchenzahl (Meszaros et al. 1998) und eine erhæhte Transporterdichte
(Arora et al. 1991) berichtet. In anderen Untersuchungen ergaben sich kei-
ne Unterschiede zwischen AD und Kontrollgruppe hinsichtlich der genann-
ten Parameter, der Bindungsstellen, der Affinitåt (Andersson et al. 1991;
Spigset et al. 2000) und der Plåttchenaggregation (Thomas et al. 1988).

z Andere Demenzen

z Demenz mit Lewy-Kærperchen/Parkinson-Demenz. Die 5-HT2-Bindung ist


reduziert; diese Verånderung ist besonders in den tieferen kortikalen
Schichten ± v. a. Lamina V ± jener Patienten ausgeprågt, die nicht halluzi-
nieren (Cheng et al. 1991). Daneben sind 5-HT4-Bindungsstellen reduziert
(Wong et al. 1996). Die Verminderung der Serotoninbindung ist nicht eng
mit dem Ausmaû des cholinergen Defizits korreliert (Perry et al. 1984). Die
Serotoninkonzentration ist in Neokortex und Putamen niedriger als bei AD
(Ohara et al. 1998).

z Progressive supranukleåre Parese (PSP). Bei der PSP ist die Aktivitåt der
Tryptophanhydroxylase im Nucleus centralis superior erhæht (Kovacs et al.
2003) und die 5-HT-Konzentration in den Basalganglien im Gegensatz zur
AD nicht erniedrigt (Hornykiewicz u. Shannah 1994), wodurch die seroto-
nerge motorische Inhibition çberwiegt. Versuche der Neurotransmitterkom-
pensation schlugen bei der PSP auch mit SSRI fehl (Kompoliti et al. 1998).

z Trisomie 21. Bei einigen Patienten fand sich eine erniedrigte Serotonin-
konzentration in Nukleus amygdalae, Gyrus cinguli und Nucleus caudatus
(Yates et al. 1986). Diese Erniedrigung erscheint im Nucleus caudatus we-
sentlich deutlicher als bei der AD (Seidl et al. 1999).

z Frontotemporale Degenerationen. Hier wurde ein Verlust von 5-HT-Re-


zeptoren in Frontal- und Temporalkortex festgestellt (Procter et al. 1999).

z ¹Vaskulåre Demenzenª. Die Serotoninkonzentration im Liquor ist bei de-


menten Patienten mit mikroangiopathischen Hirnverånderungen signifi-
kant erniedrigt (Tohgi et al. 1995). In einer Studie wurde eine 50%ige Ab-
nahme der Imipraminbindung im Putamen und eine 30%ige Abnahme im
Gyrus cinguli gezeigt (Marcusson et al. 1987), neuere Ergebnisse ergaben
jedoch keine Unterschiede der Rezeptorendichte und -affinitåt zwischen de-
menten Patienten mit vaskulåren Hirnverånderungen und Kontrollen
(Hansson et al. 1996). Die Dichte der nach einem Hirninfarkt erhaltenen
linksfrontalen Serotoninbindung korreliert mit der kognitiven Leistung
(Morris et al. 1993). Patienten mit emotionaler Instabilitåt (pathologisches
Serotonin, Kognition, Demenz z 59

Weinen) nach Hirninfarkten weisen eine erniedrigte 5-HAT-Transporter-


Dichte in Mittelhirn und Pons auf (Murai et al. 2003).

z Demenzsyndrom der Depression. Der Beitrag mæglicherweise degenerativ


bedingter Verånderungen des serotonergen Systems ist nicht endgçltig ge-
klårt (Owens u. Nemeroff 1994; Ressler u. Nemeroff 2000). So ist noch zu
beantworten, welcher Anteil dieser Stærungen auf eine Koinzidenz unter-
schiedlicher Øtiologien zurçckzufçhren ist (Moretti et al. 2002). Nach un-
seren eigenen Ergebnissen sind die neuropathologischen Verånderungen
im Bereich des Locus coeruleus bei dementen Patienten mit ausgeprågt de-
pressiven Symptomen besonders stark (Færstl et al. 1992).

z Therapeutische Ansåtze
z Theorie. Die kortikale Konzentration von Serotonin bleibt im Tierexperi-
ment durch Cholinesterase-Hemmung unbeeinflusst (Mori et al. 1995).
Ginkgo biloba wird die Fåhigkeit nachgesagt, einen altersassoziierten Ver-
lust von 5-HT1a-Rezeptoren auszugleichen (DeFeudis u. Drieu 2000). Anti-
depressiva erhæhen die BDNF-RNA im Hippokampus von Versuchstieren
(Garza et al. 2004).
Nach Gabe von Citalopram stieg sowohl bei Patienten mit AD als auch
bei Patienten mit mikroangiopathischen Hirnverånderungen die Konzen-
tration von Serotonin im Liquor signifikant an (Tohgi et al. 1995). Der an-
tinozizeptive Effekt, etwa von Mirtazapin, wird unter anderem serotonerg
vermittelt (Schreiber et al. 2002).
Neue 5-HT1a-Agonisten sind mæglicherweise imstande, durch eine Blo-
ckade frontaler Rezeptoren heterosynaptische Bahnen zu aktivieren und
damit zu einer kognitiven Stimulation beizutragen (Middlemiss et al. 1986;
Schechter et al. 2002).
Unter Behandlung mit dem 5-HT1a-Agonisten Tandospiron verringerten
sich depressive Symptome bei Patienten mit AD (Masuda et al. 2002).

z Praxis. Nebenwirkungsarme selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer


(SSRIs) und andere nicht anticholinerge Antidepressiva besitzen klinisch
einen hohen Stellenwert in der Behandlung dementer Patienten mit depres-
siven und anderen Stærungen des Erlebens und Verhaltens (Laux 2003).
Bei FTD wurden wiederholt SSRIs angewandt und Vorteile beschrieben
(Litvan 2001; Perry u. Miller 2001). Auch neuere Studien zu Fluvoxamin
und Paroxetin, in denen ein Nutzen der Substanzen angegeben wurde, wur-
den jedoch offen durchgefçhrt und entsprechen damit keinen hohen me-
thodischen Standards (Ikeda et al. 2004; Moretti et al. 2003). Jçngst war
fçr Paroxetin keine signifikante Besserung der Verhaltensstærungen nach-
zuweisen (Deakin et al. 2004).
Bei depressiven Patienten mit kognitiven Stærungen wurde in einer offe-
nen Studie eine deutlichere Besserung der affektiven Symptomatik und ei-
60 z H. Færstl

niger kognitiver Funktionen beobachtet (Devanand et al. 2003). Die Be-


handlung wird auch bei ålteren Patienten im Allgemeinen gut vertragen
(Rabheru 2004), die Indikationsstellung muss jedoch gezielt erfolgen (Ulf-
varson et al. 2003).
Es liegt eine Reihe von Beobachtungen zu SSRI-Effekten bei manifester
Demenz vor. Beschrieben wurde die Besserung zwangartiger Stærungen bei
Patienten mit AD unter Behandlung mit Fluoxetin (Marksteiner et al.
2003), eine Verminderung von Stereotypien unter Behandlung mit Fluvoxa-
min (Trappler u. Vinuela 1997) und eine Besserung affektiver und ¹psycho-
tischerª Symptome durch diverse SSRIs (Burke et al. 1997). Die Zahl kon-
trollierter randomisierter doppelblinder Studien ist gering: Citalopram er-
wies sich in der stationåren Akutbehandlung dementer Patienten signifi-
kant wirksam gegen ¹psychotischeª und Verhaltensstærungen (Pollock et
al. 2002); in einer 12-wæchigen Behandlung war Sertralin Placebo in der
Behandlung depressiver Symptome signifikant çberlegen (Lyketsos et al.
2000, 2003). Zuverlåssige Prådiktoren waren nicht zu eruieren (Steinberg et
al. 2004). In einer kleineren Studie an schwer dementen Patienten in Pfle-
geheimen war kein wesentlicher Effekt von Sertralin auf depressive Sympto-
me zu erkennen (Magai et al. 2000). Eine weitere Untersuchung demon-
strierte Vorteile einer Kombination von Donepezil und Sertralin hinsicht-
lich der Globalfunktion, teilweise auch hinsichtlich von Stærungen des Ver-
haltens und Erlebens (Finkel et al. 2004).
In einer Cochrane-Analyse wurde beståtigt, dass Antidepressiva depres-
sive Stærungen bei einer Demenz bessern kænnen (Bains et al. 2002). Durch
kritische Beobachtungen bei den atypischen Neuroleptika (Hirninfarktrisi-
ko! auûerdem kænnen Neuroleptika zu einem serotonergen Defizit beitra-
gen; Chen et al. 1996) wird die Behandlung agitierter, aggressiver dementer
Patienten mit selektiven Serotonin-Wiederaufnahmehemmern zur verbes-
serten Impulskontrolle und Stimmungsstabilisierung weiter an Bedeutung
gewinnen (Korthals-Altes u. Kurz 2000) ± trotz des bisherigen Fehlens ei-
ner ausreichenden Zahl wissenschaftlich çberzeugender Untersuchungen.

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Serotonerges System und Halluzinationen ±
Das Beispiel der Parkinson-Halluzinose
D. Kæmpf

Halluzinationen sind definitionsgemåû Trugwahrnehmungen ohne entspre-


chenden åuûeren Reiz. Nach Jaspers [21] liegt Halluzinationen ein Mangel
an Erkenntnis zugrunde, dass das Wahrgenommene irreal ist. Demgegen-
çber handelt es sich um Pseudohalluzinationen, wenn das Wahrgenom-
mene als subjektiv und unwirklich, also nicht in der Auûenwelt, sondern
im eigenen Inneren entstanden erkannt wird. Die meisten halluzinatori-
schen Wahrnehmungen in der Neurologie gehæren in diese Kategorie. Als
klinisches Klassifizierungskriterium ist die Unterscheidung von echten Hal-
luzinationen und Pseudohalluzinationen jedoch nur bedingt verwendbar,
die Ûbergånge sind flieûend. Pseudohalluzinationen nehmen insbesondere
dann vorçbergehend den Charakter echter Halluzinationen an, wenn eine
Stærung des Bewusstseins eingetreten ist; klart das Bewusstsein auf, wird
der Charakter der Halluzinationen håufig wieder richtig eingeschåtzt [28].
Halluzinationen kænnen einfacher und komplexer Natur sein. Einfache
visuelle Halluzinationen beinhalten die Wahrnehmung bunter oder
schwarz-weiûer Punkte, Linien, Kurven, Kreise, Blitze, Flammen, Sterne
(Photome, Photopsien oder Phosphene). Man spricht von komplexen visu-
ellen Halluzinationen, wenn unbelebte oder belebte Objekte aus der
persænlichen Vorstellungswelt Gestalt annehmen oder wenn ganze sze-
nische Ablåufe gesehen werden.

z Visuelle Halluzinationen [28]

z Entoptische Phånomene
z Psychophysiologische Phånomene
± ¹mental imageryª
± Tagtråume
± Eidetik
± hypnagoge Halluzinationen
± Tråume
± Halluzinationen nach Reizdeprivation
± Visionen
z Visuelle Phånomene bei elektrischer Kortexstimulation
z Visuelle Halluzinationen bei neurologischen Krankheitsbildern
± Charles-Bonnet-Syndrom
68 z D. Kæmpf

± pedunkulåre Halluzinose
± halluzinatorische Phånomene und visuelles System
± Palinopsie, visuelle Perseveration, illusory visual spread,
visuelle Allaesthesie
± visuella Migråne-Aura
± epileptische Halluzinationen
z Medikamenten-, drogeninduzierte Halluzinationen

Entoptische Phånomene sind definiert als reproduzierbare sichtbare Phåno-


mene, die entweder im Auge selbst ihren Ursprung haben oder nach einer
inadåquaten Reizung der Netzhaut auftreten kænnen.
Unser Gehirn kann ¹durch Vorstellungskraftª Bilder ¹aus der Erinne-
rungª herstellen: Mental imagery. Dies hilft im tåglichen Leben, Aufgaben
zu planen. Diese Fåhigkeit ist wahrscheinlich eine wichtige Quelle der bil-
denden Kunst, Maler ¹sehenª auf der leeren Leinwand. Die inneren Bilder
sind eine unserer kreativsten Funktionen ± man muss sie jedoch auch un-
terdrçcken kænnen. Es gibt kaum einen Menschen, bei dem nach einer ge-
gebenen Aufforderung wie z. B. ¹Denken Sie jetzt auf gar keinen Fall an ein
Krokodilª, nicht zumindest fçr den Bruchteil einer Sekunde das Bild eines
Krokodils vor dem inneren Auge erscheint.
Bei eidetischen Phånomenen werden vorangegangene optische Eindrçcke
weiter im åuûeren Raum gesehen [20]. Hypnagoge Halluzinationen sind an
einen Zustand zwischen Wachen und Schlafen gebunden. Diese nur im Zu-
stand der Mçdigkeit auftretenden Halluzinationen sind bei Gesunden sel-
ten, sie treten besonders charakteristisch bei der Narkolepsie auf. Letztere
werden auf REM-Phasen wåhrend des Wachzustands zurçckgefçhrt. Ein-
samkeit und Monotonie kænnen Halluzinationen hervorrufen. Dies war lan-
ge bekannt, bevor von den 50er Jahren des 20. Jahrhunderts an systemati-
sche Untersuchungen der halluzinogenen Wirkung sensorischer Deprivation
erfolgten. Naturgemåû lassen sich heute die historisch berichteten Halluzi-
nationen und visionåren Erscheinungen retrospektiv åtiologisch nicht zu-
ordnen. Die vielen visionåren Beispiele aus Geschichte, Mythologie und Re-
ligion ± von Moses çber Hildegard von Bingen bis hin zu Jeanne D'Arc ±
belegen die Bedeutung des soziokulturellen Umfeldes fçr Wirkung und
Deutung eines halluzinatorischen Erlebnisses.
Die elektrische Kortexstimulation ergibt im Bereich des Okzipitallappens
nur einfache Halluzinationen (Sterne, Linien und Kreise etc.), abhångig
von Reizort und Reizart, wohingegen bei Temporallappenstimulationen
komplexe szenische Halluzinationen auftreten, und durch Untersuchungen
mit Tiefenelektroden konnte die Bedeutung des limbischen Systems bei der
Entstehung von subjektiven Erlebnissen einschlieûlich Halluzinationen be-
legt werden [3, 12, 35, 39].
Generell wird halluzinatorischen Phånomenen in der klinischen Neurolo-
gie nur wenig Beachtung geschenkt, da in aller Regel die den Patienten
stårker belastenden negativen, defizitåren Symptome im Vordergrund ste-
hen. Die håufige visuelle Halluzinose bei visusgeminderten ålteren Patien-
Serotonerges System und Halluzinationen ± Das Beispiel der Parkinson-Halluzinose z 69

ten wird als Charles-Bonnet-Syndrom beschrieben [2, 6, 10]. Die seltenen,


jedoch pathophysiologisch und topisch sehr interessanten Halluzinationen
im Rahmen mesodienzephaler Insulte werden als pedunkulåre Halluzinose
bezeichnet [26]. Generell ist das Substrat einer organischen visuellen Hallu-
zinose jedoch meist kortikal (oder nicht zu bestimmen, z. B. Delir). Eine
eingehende systematische Untersuchung der Phånomenologie optischer
Wahrnehmungen bei Patienten mit homonymer Hemianopsie wurde von
Kælmel durchgefçhrt [23±25]. Die Photopsien kænnen nach ihren Struktur-
und Farbmerkmalen sowie nach Helligkeit unterschieden werden. Geo-
metrische Strukturen und die bei den Mustern beschriebenen vier Farben
(grçn, rot, gelb, blau) werden als Sichtbarwerden der funktionellen Neuro-
nenarchitektonik des visuellen Kortex interpretiert. Komplexe visuelle Hal-
luzinationen sind deutlich seltener, die Schådigungsmuster reichen hier
von okzipital bis nach temporal [12].
Die alte Kontroverse um die diagnostische und lokalisatorische Bedeutung
von (Pseudo-)Halluzinationen in der Neurologie ist bis heute nicht entschie-
den. Generell kænnen sowohl einfache als auch komplexe Halluzinationen im
Bereich des gesamten visuellen Systems ± einschlieûlich der hæheren visuel-
len Verarbeitungszentren auûerhalb der Sehbahn und der Area striata ± aus-
gelæst werden. Betrachtet man Halluzinationen als isoliertes Phånomen, ist
ihre topische Bedeutung relativ gering. Schon eine so simple Tatsache jedoch
wie das gleichzeitige Vorliegen von Gesichtsfelddefekten und die Berçcksich-
tigung der Frage, ob die Halluzinationen nur im hemianopen Feld auftreten,
erlaubt eindeutige klinische Schlussfolgerungen.
Ein interessantes, wenngleich seltenes Phånomen stellt die Palinopsie dar.
Hierunter wird das erneute Auftreten visueller Bilder mit einer kurzen La-
tenz nach Entfernung des Stimulus bezeichnet [27]. Ergånzend erwåhnt
werden soll in diesem Zusammenhang auch die sehr håufige visuelle Mig-
råneaura. Epileptische Halluzinationen sind åuûerst vielfåltig und variabel.
Es finden sich vor allem positive Phånomene, wie einfache und komplexe
Halluzinationen und illusionåre Verkennungen.

z Pathogenese visueller Halluzinationen [9, 10, 29, 37]

Pathogenetisch kænnen prinzipiell zwei Mechanismen unterschieden wer-


den:
1. Lokale kortikale Irritationen bzw. auch eine kortikale Fehlverarbeitung
sensorisch-visueller Informationen.
Entladungen werden generiert (¹Ûberaktivitåtª) und fålscherlicherweise
als sensorischer Input interpretiert und ein normaler Input wird im vi-
suellen Kortex falsch prozessiert.
2. Release-Phånomene (Disinhibition, Wegfall von Hemmung): Ein defekter
Input bewirkt eine fehlerhafte kortikale Stimulation, eine Freisetzung lo-
kal gespeicherter Informationskreise; d. h. die Sehrinde zum Beispiel, die
keine Eindrçcke mehr empfångt, erzeugt dann selbst Erregungen. So re-
70 z D. Kæmpf

sultiert auch hier eine Ûberaktivitåt, die fålscherlicherweise als sensori-


scher Input verarbeitet wird.

Die åhnliche Phånomenologie halluzinierter Bilder weist hin auf


1. verwandte Entstehungsmechanismen und
2. eine kortikale Phånomenologie, wobei bei sicher extrakortikalen Ursa-
chen von indirekten Mechanismen ausgegangen werden muss.

Drei Strukturen sind prinzipiell bei visuellen Halluzinationen involviert:


1. das visuelle System,
2. Gedåchtnisstrukturen und
3. der frontale Assoziationskortex.

Der Assoziationskortex ist beim Denken aktiv ± er steuert die Information,


die ins Bewusstsein stræmt und entscheidet ¹was unterdrçckt wirdª: Bei
Problemlæsungen sortiert der Assoziationskortex die relevanten Gedåcht-
nisinhalte und Assoziationen, der Rest wird supprimiert. Eine Fehlfunktion
hier wird insbesondere bei schizophrenen Halluzinationen vermutet (Hypo-
frontalismus). Halluzinationen kænnen hierbei als Ausdruck einer gestærten
Wechselwirkung dieser Kortexareale verstanden werden: die Halluzinose,
ein verzerrter Output einer komplexen virtuellen Maschine.

z Neurotransmitter/Halluzinationen [29, 31, 33, 38]

Ein erster direkter Anknçpfungspunkt ± Neurotransmitter/Halluzinationen


± sind die Halluzinogene Meskalin, Psilocybin und LSD. Das sind Seroto-
ninagonisten mit Wirkung auf den 5-Hydroxytryptamin(5HT2)-Rezeptor.
Sie verursachen die typische Halluzinose mit farbigen Mustern, visuellen
Verzerrungen bis hin zur Wahrnehmung von Tier- und Menschenfiguren.
Es besteht dabei eine lineare Korrelation zwischen serotonerger Aktivitåt
von Halluzinogenen und ihrem halluzinogenen Potenzial.
Der zweite Anknçpfungspunkt ist die bekannte klinische Tatsache, dass
die klassischen antidopaminergen Antipsychotika eine gute Wirkung bei
der halluzinatorischen Schizophrenie haben.
Die neurodegenerative Parkinsonerkrankung verursacht eine komplexe
Neurotransmitterstærung; hauptursåchlich liegt eine Degeneration der neuro-
melaninhaltigen, dopaminergen Neurone der Pars compacta der Substantia
nigra im Mesenzephalon zugrunde. Diese Neurone projizieren vornehmlich
in das Corpus striatum, das sich aus Putamen und Nucleus caudatus zusam-
mensetzt. Primår handelt es sich um eine Dopaminmangelerkrankung, wobei
das Putamen initial am stårksten betroffen ist. Ûber das dopaminerge System
hinaus kommt es jedoch auch zu einem Untergang noradrenerger Neurone
des Locus coeruleus, serotonerger Neurone insbesondere der dorsalen Raphe-
Kerne sowie cholinerger pedunkulopontiner Kerne des Tegments im Hirn-
stamm (Ûbersicht [32]). Gerade diese pedunkulopontinen Kerne des Teg-
Serotonerges System und Halluzinationen ± Das Beispiel der Parkinson-Halluzinose z 71

ments sind bei der pedunkulåren Halluzinose (s. o.) håufig betroffen, sodass
sich hier eine mægliche Ûberschneidung in der Pathogenese visueller Hallu-
zinationen beim Morbus Parkinson vermuten låsst.
Im Hinblick auf Transmitterverånderungen infolge des Untergangs sero-
tonerger Neurone im Hirnstamm bedeuten diese nicht zwangslåufig auch
eine Reduktion der Serotonin-vermittelten Aktivitåt; eine Reduktion von
Serotonin kann durchaus çber eine vermehrte postsynaptische Expression
zu einer Vermehrung von Serotoninrezeptoren mit einer konsekutiv gestei-
gerten Empfindlichkeit fçhren, sodass hier gut nachvollziehbar gegenlåufi-
ge tierexperimentelle Serotoninbefunde vorliegen kænnen.

z Parkinson-Halluzinose [2, 7, 11, 15, 16, 19, 22, 32, 36, 40]
Dieses pathophysiologische/pathobiochemische Muster stellt die entschei-
dende Prådisposition fçr die Parkinson-Halluzinose dar, wobei der Morbus
Parkinson allein nicht zu einer Halluzinose fçhrt, sondern immer eine ±
meist mehrjåhrige ± medikamentæse Therapie vorausgeht. Tritt im Rahmen
dieser neurodegenerativen Erkrankung eine Halluzinose ohne Medikamen-
tengabe auf, ist differenzialdiagnostisch insbesondere eine Lewy-Kærper-
Krankheit zu vermuten [17]. Es ist insbesondere nach frçheren psycho-
tischen Episoden in der Anamnese zu fragen.
Interessant ist, dass auch hochdosierte Levodopa-Infusionen bei Parkin-
sonpatienten ohne Halluzinose nicht zu Halluzinationen fçhren [13] und
eine Halluzinose bei bereits halluzinierenden Parkinsonpatienten durch
entsprechende Infusionen nicht verstårkt wird. Es kann hieraus gefolgert
werden, dass die Halluzinationen beim Morbus Parkinson nicht mit einem
plætzlichen Wechsel des L-Dopa-Plasmalevels zusammenhången.
Visuelle Halluzinationen beim Morbus Parkinson kænnen phånomenolo-
gisch einfacher oder komplexer Natur sein, wobei sie von Elementarhalluzi-
nationen bis hin zu szenischen Halluzinationen alles beinhalten kænnen.
Am håufigsten sind figçrliche Halluzinationen wie Menschen oder Tiere.
Diese sind oft mobil und weisen eine normale Physiognomie auf. Zwar
werden sie auch von normaler Kærpergræûe beschrieben, sind aber oft ver-
kleinert (Lilliput-Halluzinationen). Bei figçrlichen Halluzinationen wird da-
bei der Hintergrund oft abgedeckt wahrgenommen, sie werden also als
nicht durchscheinend erlebt. Die folgenden Inhalte lassen sich in absteigen-
der Håufigkeit reihen: Erwachsene, Kinder, Haustiere, Gegenstånde.
Auffållig ist die geringe emotionale Betroffenheit und der oft fehlende Ich-
Bezug der visuellen Halluzinationen, sodass diese ± im Gegensatz zu visuel-
len Halluzinationen bei anderen Erkrankungen ± nicht angstbesetzt sind.

Weitere Charakteristika der Parkinson-Halluzinose sind:


z sie åhnelt phånomenal der pedunkulåren Halluzinose, teilweise auch
dem Charles-Bonnet-Syndrom (s. o.)
z sie tritt vor allem abends auf und ist
72 z D. Kæmpf

Abb. 1. Kaskade der Entstehung visueller Halluzinationen bis zur paranoid-halluzinatorischen


Psychose

z assoziiert mit lebhaften Tråumen und Schlafstærungen sowie generell


z einem kognitiven Abbau; Demenz und Alter sind die wichtigsten Risiko-
faktoren.

Kaskade der Halluzinationsentstehung


Die Symptomatik bahnt sich håufig in der Nacht an, die Tråume werden
lebhafter und farbiger (vivid dreams). Es treten illusionåre Verkennungen
vor allem in den Abend- und Nachtstunden auf, es kommt zu ¹Anwesen-
heitsphånomenenª von Personen und Tieren. Es finden sich Patienten, die
çber Jahre von diesen benignen Halluzinationen berichten, die nahezu all-
abendlich auftreten, ¹unterhaltsamenª Charakter haben, ohne dass es zur
Entwicklung einer psychotischen Symptomatik kommt. In Ausnahmefållen
treten auch akustische Halluzinationen auf, ganz selten auch taktile [8].
Håufig signalisieren jedoch eine gesteigerte Traumaktivitåt und die zu-
nehmende Zerstærung der Schlafstruktur die Frçhzeichen und Vorboten ei-
ner Kaskade bis hin zu einer akuten exogenen halluzinatorischen Psychose
(Kontinuum-Hypothese, Abb. 1).

Halluzinationen und Schlaf [1, 5, 18, 30, 34]


Krankheitsbedingte Schlafstærungen treten bei 50% der Parkinsonpatienten
auf; sie umfassen verlångerte Einschlafzeiten, kçrzere Gesamtschlafzeiten
und verkçrzte REM-Schlafphasen. Diese medikamenteninduzierte Schlaf-
stærung findet sich vorwiegend in spåteren Erkrankungsstadien sowohl un-
ter L-Dopa als auch unter Dopaminagonisten. L-Dopa beeinflusst die
Schlafstruktur und fçhrt dabei zur Verminderung der REM-Aktivitåt, ins-
besondere, wenn es kurz zuvor eingenommen wurde. Eine gesteigerte
Traumaktivitåt im Rahmen der Schlafstærung wird dagegen eher auf eine
Serotonerges System und Halluzinationen ± Das Beispiel der Parkinson-Halluzinose z 73

Zunahme der REM-Aktivitåt zurçckgefçhrt. Polysomnographisch låsst sich


ein Auftreten von visuellen Halluzinationen im Anschluss an REM-Schlaf-
phasen nachweisen. Wåhrend des Tages auftretende visuelle Halluzinatio-
nen im Rahmen einer Parkinsonerkrankung sind vermehrt an Non-REM-
Schlafphasen wåhrend des Tages gekoppelt.
Eine åhnliche Assoziation zwischen Halluzinationen und Schlafphase fin-
det sich bei hypnagogen Halluzinationen von Patienten mit einer Narkolepsie.

Therapie der Parkinson-Halluzinose [14, 36]


Treten visuelle Halluzinationen nach einer Medikamentenånderung auf,
sollte diese zunåchst zurçckgenommen werden. Bei Halluzinationen ohne
vorherige Medikamentenånderung empfiehlt sich eine langsame Reduktion,
vor allem der Abenddosis, von Dopaminagonisten, Amantadin und Anti-
cholinergika sowie Selegelin. Erst zuletzt sollte die L-Dopa-Gesamtdosis re-
duziert werden, da sich die Beweglichkeit drastisch verschlechtern kann.
Reichen diese Maûnahmen nicht aus oder sind sie nicht mæglich, sind
medikamentæs so genannte atypische Neuroleptika ± såmtlich ausgeprågte
Serotoninantagonisten ± die Mittel der Wahl.

z Atypische Neuroleptika

z Clozapin (Leponex) 5HT2 > D2-Antagonist


z Ondansetron (Zofran) sel. 5HT3-Antagonist
z Quetiapin (Seroquel) 5HT2 > D2-Antagonist
z Risperidon * (Risperdal) 5HT2 > D2-Antagonist
z Olanzapin * (Zyprexa) 5HT2 > D2 > D1, D4-Antagonist
* cave: motorische Verschlechterung

Serotoninantagonisten sind somit die klassischen Therapeutika bei der Par-


kinson-Halluzinose.

Neurotransmitter und Parkinson-Halluzinose [29, 31, 33, 38]


Zwar existieren eine Reihe von Erklårungsansåtzen zur Entstehung von vi-
suellen Halluzinationen bei der Behandlung des Morbus Parkinson, letzt-
lich ist aber der genaue biochemische Mechanismus noch unbekannt. Am
wahrscheinlichsten ist eine kombinierte Modulation der dopaminergen und
serotonergen Systeme durch die Behandlung. Die folgenden biochemischen
Ansåtze bei der Entstehung von visuellen Halluzinationen beim Morbus
Parkinson kænnen zusammengefasst werden als:
z Imbalance zwischen serotonergen und cholinergen Afferenzen in die vi-
suellen Thalamuskerne (Corpus geniculatum dorsolaterale (CGD) und
Pulvinar) oder direkt in den Kortex,
74 z D. Kæmpf

z direkte Ûberstimulation des serotonergen Systems, induziert durch


L-Dopa bzw. Dopamin,
z Entstehung von atypischen Metaboliten aus L-Dopa bzw. Dopamin mit
konsekutiver Bindung an Serotonin- oder Opiatrezeptoren,
z Ûberstimulation des dopaminergen mesokortikolimbischen Systems
durch L-Dopa bzw. Dopamin.

Dass die letztlich toxisch hervorgerufenen visuellen Halluzinationen zumin-


dest in der Endstrecke aber çber einen serotonergen Mechanismus zustan-
de kommen, ist aus mehreren Grçnden wahrscheinlich:
z Halluzinogene Drogen wie Lysergsåurediethylamin (LSD) besitzen eine
dem Serotonin åhnliche Struktur und binden an den relevanten
5-HT2-A-Serotonin-Rezeptorsubtyp. Auch andere potenziell halluzinoge-
ne Substanzen wie Fluoxetin wirken als Serotoninaufnahmeblocker çber
Serotonin.
z Die Assoziation mit Schlafstærungen weist auf Serotonin als entscheiden-
den Neurotransmitter hin. Dem Wechsel zwischem REM- und Non-
REM-Schlafphasen bzw. Arousal liegt ein Wechselspiel zwischen Seroto-
nin, Acetylcholin und Noradrenalin zugrunde.
z Es finden sich Stærungen im Serotoninstoffwechsel als Folge einer Lang-
zeittherapie mit L-Dopa. Darçber hinaus greifen atypische L-Dopa-Meta-
boliten (als Folge einer L-Dopa-Therapie) in den Serotoninstoffwechsel ein.
z Medikamente sind bei (visuellen) Halluzinationen wirksam, wenn sie an-
tiserotonerge Eigenschafen haben (z. B. Clozapin, s.o.).

Interessant ist, dass L-Dopa auch hoch dosiert und çber långere Zeit ver-
abreicht ohne Parkinsonerkrankung nicht zu Halluzinosen fçhrt (z. B. fal-
sche Therapie eines essenziellen Tremors, Therapie des Restless-legs-Syn-
droms). Dies spricht dafçr, dass das pathophysiologische und pathobioche-

Abb. 2. Interaktion von Hirnstammlåsionen beim M. Parkinson, Transmitterimbalance und Stæ-


rungen der zentralen Sehbahn in der Generierung visueller Halluzinationen
Serotonerges System und Halluzinationen ± Das Beispiel der Parkinson-Halluzinose z 75

mische Muster des Morbus Parkinson, insbesondere im Bereich des Hirn-


stamms und hier der dorsalen Raphe-Kerne, eine entscheidende Prådis-
position fçr visuelle Halluzinationen darstellt und die Behandlung fçr sich
alleine genommen keine hinreichende Erklårung bietet.
Abbildung 2 fasst die derzeitigen Vorstellungen zusammen, wie die be-
schriebene Parkinsonhirnstammpathologie mit folgender komplexer
Stærung der Neutrotransmitterbalance çber das Corpus geniculatum dorso-
laterale (CGD) und das Pulvinar zu einer Disinhibition des visuellen Cor-
tex fçhren kann und sich so die ± kortikale ± Ursache visueller Halluzina-
tionen verstehen låsst. Zu betonen ist die groûe pathogenetische Bedeutung
insbesondere des CGD und des lateralen Pulvinar; beide Strukturen stellen
ein Bindeglied zwischen Hirnstamm und visuellem Kortex dar und sind
fçr Schlaf und Arousal von wesentlicher Bedeutung.
Da insbesondere das CGD eine Vielzahl serotonerger (dorsale Raphe-
Kerne) und cholinerger Afferenzen aus dem Hirnstamm erhålt, fçhrt die
Degeneration der dorsalen Raphe-Kerne zu einem Wegfall der serotonergen
CGD-Inhibition, d. h. der direkt cholinergisch bedingten Exzitation [29].

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Serotonerge Dysfunktionen
bei Patienten mit Alkoholabhångigkeit
A. Heinz, A. Bartholomå, H. Witthaus, F. Forstreuter, G. Juckel

z Zusammenfassung. Serotonerge Funktionsstærungen spielen eine Rolle in


der Pathogenese verschiedener psychiatrischer Erkrankungen. Bei der Al-
koholabhångigkeit wurde eine serotonerge Dysfunktion insbesondere bei
Patienten mit frçhem Krankheitsbeginn beobachtet. Studien zeigten bei
dieser Patientengruppe eine erniedrigte Konzentration des Serotoninmeta-
boliten 5-Hydroxyindolessigsåure (5-HIAA) im Liquor. Studien mit Prima-
ten ergaben, dass frçhe soziale Stresserfahrungen mit einem verminderten
Serotoninumsatz und einer erhæhten Verfçgbarkeit der Serotonintranspor-
ter im Hirnstamm verbunden waren. Die Tiere waren nach der Geburt
ångstlich und zeigten im weiteren Verlauf eine erhæhte Aggressivitåt und
eine verminderte Sensitivitåt gegençber akuten Alkoholwirkungen. Beide
Faktoren wurden in prospektiven Studien mit einem erhæhten Risiko in
Verbindung gebracht, an Alkoholabhångigkeit zu erkranken, und tatsåch-
lich konsumierten diese Tiere vermehrt Alkohol, wenn er frei zugånglich
war. Chronischer Alkoholkonsum kann zu einer weitergehenden Schådi-
gung serotonerger Neurone im Hirnstamm fçhren, die mit einem Verlust
der Serotonintransporter und erhæhter Depressivitåt verbunden ist. Eine
stressbedingte Erhæhung der Kortisolsekretion im akuten Entzug kænnte
hier eine entscheidende Rolle spielen. Nach ersten Befunden sind nicht alle
Menschen gegençber dieser Alkoholwirkung auf die Serotonintransporter
gleich empfindlich. In-vivo-Studien zeigten, dass nur Patienten mit einem
bestimmten Genotyp des Serotonintransporters unter chronischem Alko-
holkonsum deutliche Verånderungen aufweisen. Zusammenfassend ergibt
sich als gemeinsames Korrelat der serotonergen Funktionsstærung ein Auf-
treten negativer Stimmungszustånde, die mit erhæhtem Alkoholkonsum
verbunden sein kænnen und durch neurotoxische Alkoholwirkungen weiter
verstårkt werden.

z Einleitung

Durch Rapport et al. wurde 1948 erstmals 5-Hydroxytryptamin, das Seroto-


nin, beschrieben, das seitdem das Interesse der Forschung auf sich gezogen
hat. Wåhrend anfangs die Wirkung von LSD und das serotonerge System
im Mittelpunkt der Untersuchungen stand, wurde seit der Beschreibung
von Coppen et al. (1967) die Bedeutung einer verminderten Aktivitåt sero-
80 z A. Heinz et al.

tonerger Neurone in der Pathogenese verschiedener neuropsychiatrischer


Erkrankungen wie z. B. der Depression untersucht. Das serotonerge System
entspringt im zentralen Nervensystem in den oberen und unteren Raphe-
Kernen des Hirnstamms. Die Zahl der serotonergen Neurone ist gering, al-
lerdings haben ihre Projektionsbahnen einen sehr hohen Verteilungsgrad
und innervieren fast alle kortikalen und subkortikalen Hirnareale (Baum-
garten und Grozdanovic 1997). Insbesondere werden das limbische System,
das Septum, der Hippokampus, nigrostriåre Areale und Gebiete, die fçr die
endokrinologische Steuerung verantwortlich sind, serotonerg innerviert.
Dies sind Bereiche, die fçr die Psychiatrie bedeutsam sind, da sie bei der
Steuerung von Emotionen und Affekten eine wichtige Rolle spielen.
Das serotonerge System ist vermutlich das phylo- und ontogenetisch ål-
teste Neurotransmittersystem (Lauder 1990, 1995). Den 5HT2A- und
5HT2C-Rezeptoren wird die Vermittlung der neuronalen Zelldifferenzierung
im sich entwickelnden Gehirn durch Serotonin zugeschrieben (Lauder et
al. 1994). Wåhrend der Embryonalphase hat Serotonin einen neurotrophen
Effekt auf verschiedene neuronale Zellen und Gliazellen. So werden die Bil-
dung von Synapsen und die dendritische Verzweigung von Neuronen durch
Serotonin entscheidend mitbeeinflusst. In Zellkulturen konnte gezeigt wer-
den, dass exogen zugefçhrtes Serotonin sowohl einen Zuwachs des Lången-
wachstums der Neuriten als auch die Zunahme der Neuronenverzweigung
bewirkt (Riad et al. 1994).
Wåhrend der postnatalen Phase und im Erwachsenenalter ist Serotonin
vermutlich ein wichtiger Mediator in der Regulation der Dichte der dendri-
tischen Spinae und der Synapsen (Azmitia et al. 1995).
Verånderungen im serotonergen System stehen im Zusammenhang mit
verschiedenen psychopathologischen Korrelaten. Es werden zwei auf den
ersten Blick widersprçchlich erscheinende Hypothesen diskutiert. Auf der
einen Seite werden Depression und Angsterkrankungen mit einer seroto-
nergen Hypofunktion in Verbindung gebracht, andererseits werden auch
Impulsivitåt, Aggressivitåt oder frçh beginnende Alkoholabhångigkeit mit
einer niedrigen serotonergen Aktivitåt assoziiert.
Man suchte fçr beide Hypothesen Erklårungsansåtze. So postulierte Gray
1982, dass es ein verhaltensinhibierendes System gibt, das die Gebiete des
periaquåduktalen Graus, des Septums und des Hippokampus umfasse. Die-
ses System wird durch noradrenerge und serotonerge Innervation reguliert.
Die akute Stimulierung werde subjektiv als Angst erlebt, chronische Akti-
vierung fçhre zur Depression. Cloninger ordnete 1987 der hypothetisch
verminderten Reaktion auf Bestrafung ein neurobiologisches Defizit zu
und postulierte, eine verminderte serotonerge Aktivitåt fçhre zur Dysfunk-
tion des zentralen verhaltensinhibierenden Systems und zeige sich klinisch
in einem impulsiven und aggressiven Verhalten. Auch Patterson und
Newman postulierten 1993, eine Minderfunktion dieses Systems induziere
eine Verhaltensenthemmung, die sich klinisch als Impulsivitåt und Aggres-
sivitåt manifestiere. Fçr die Argumentation, dass Serotonindefizite negative
Emotionen wie Angst und Depressivitåt auslæsen oder verstårken, sprechen
Serotonerge Dysfunktionen bei Patienten mit Alkoholabhångigkeit z 81

dagegen Untersuchungen, bei denen der Anstieg einer primår reduzierten


serotonergen Aktivitåt mit Remission der Depression einherging (Neumeis-
ter et al. 1997). Im Folgenden werden Studien am Menschen und Tierver-
suche dargestellt, die den Schluss nahelegen, das primåre Korrelat der zen-
tralen serotonergen Funktionsminderung sei eine erhæhte Øngstlichkeit
und Erfahrung von Bedrohtheit, die erst sekundår in Aggressivitåt und
erhæhten Alkoholkonsum umschlågt.

z Serotonerge Dysfunktion und die Disposition zur Alkoholabhångigkeit

Man vermutet, dass serotonerge Funktionsstærungen bei verschiedenen Ver-


laufsstadien der Alkoholabhångigkeit, nåmlich bei der Entstehung und der
Aufrechterhaltung von abhångigem Verhalten, eine Rolle spielen. Die Bezie-
hung der serotonergen Dysfunktion zur Alkoholabhångigkeit spielt bei Pa-
tienten mit frçhem Beginn der Erkrankung eine besondere Rolle. Defizite
in der zentralen serotonergen Neurotransmission fanden sich gehåuft bei
Personen mit frçhem Beginn der Alkoholabhångigkeit und sogenannten
¹antisozialenª Persænlichkeitszçgen mit impulsiven und aggressiven Verhal-
tensweisen (Cloninger 1987). Es wurde postuliert, dass eine verminderte
serotonerge Aktivitåt ein neurobiologisches Korrelat der antisozialen Persæn-
lichkeit darstelle und dass diese Personen unter einem erhæhten Risiko litten,
alkoholabhångig zu werden (Cloninger 1987, Roy et al. 1988, Virkunnen et al.
1996). Dazu passend wurden erniedrigte Konzentrationen des Serotoninme-
taboliten 5-Hydroxyindolessigsåure (5-HIAA) im Liquor bei dieser Patien-
tengruppe gefunden (Virkunnen et al. 1994, Fils-Aime et al. 1996).
Ergebnisse der Arbeitsgruppe von Oxenstierna (1985) weisen daraufhin,
dass die serotonerge Aktivitåt beim Menschen sehr stark durch Umweltfak-
toren beeinflusst wird und genetischen Faktoren nur ca. 35% der Varianz
des Serotoninumsatzes (gemessen als 5-HIAA im Liquor) zugeschrieben
werden konnte. Deshalb wurde nach frçh einsetzenden Umweltfaktoren ge-
sucht, die zu einer çberdauernden Stærung der serotonergen Neurotrans-
mission fçhren kænnten. Soziale Isolation durch die frçhe Trennung von
den Eltern kænnte ein solcher Faktor sein. In einem Tierversuch, bei dem
Rhesusaffen dieser sozialen Stressbedingung ausgesetzt waren, zeigte sich
ein dauerhaft verminderter Serotoninumsatz bei den primår ångstlichen
und angespannten Tieren (Higley et al. 1996). Die verminderte serotonerge
Aktivitåt konnte bis ins Erwachsenenalter hinein beobachtet werden und
korrelierte im Erwachsenenalter mit verminderter sozialer Kompetenz,
erhæhter Aggressivitåt und einer verminderten Sensitivitåt gegençber den
akuten Wirkungen des Alkoholkonsums. Zudem fand sich ein Zusammen-
hang zwischen dem reduzierten Serotoninumsatz und einer erhæhten Zahl
durch das Serotonin unbesetzter Transporter (Heinz et al. 1998a). Bei freier
Zugånglichkeit des Alkohols zeigte sich ein erhæhter Alkoholkonsum bei
den Tieren, die die stårkste Erhæhung ihrer Serotonintransporter im Hirn-
stamm aufwiesen (Heinz et al. 2003). Bei den serotonerg am stårksten ver-
82 z A. Heinz et al.

ånderten Tieren kompensierte die erhæhte Aggressivitåt also offenbar die


anfångliche Øngstlichkeit und soziale Inkompetenz. Deshalb kænnte man
das primåre Korrelat der serotonergen Dysfunktion in einer ångstlich-ange-
spannten Grundstimmung suchen, die Umweltreize als bedrohlich wahr-
nimmt und die sekundår mit einer erhæhten Aggressionsneigung und ei-
nem verstårkten Alkoholkonsum verbunden ist.
Auch beim Menschen zeigte sich in Adoptionsstudien, dass frçhe soziale
Stressexposition durch spåte Adoption und inkonstante Bezugspersonen
mit erhæhtem Alkoholkonsum im Erwachsenenalter verbunden war (Clo-
ninger et al. 1981). Zum erhæhten Alkoholkonsum bei Menschen mit frçher
Stressexposition kænnte neben der erhæhten Øngstlichkeit und Impulsivitåt
auch eine verminderte Sensitivitåt gegençber den akuten Alkoholwirkun-
gen fçhren. In Untersuchungen von Schuckit und Smith (1996) konnte ge-
zeigt werden, dass junge Månner, die nach Einnahme einer standardisier-
ten Alkoholmenge verstårkt mit Ataxie, subjektiver Euphorie und Kor-
tisolausschçttung reagierten, im weiteren Lebenslauf signifikant seltener er-
krankten als Månner, die kaum Wirkungen bei der akuten Alkoholgabe
zeigten. Dieses Ergebnis war unabhångig davon, ob eine positive Familien-
anamnese bezçglich der Alkoholabhångigkeit vorlag oder nicht. Die ver-
minderte Sensitivitåt gegençber den akuten Alkoholwirkungen kann sich
offenbar ebenfalls aufgrund genetischer Faktoren ausbilden, die åhnlich
wie die frçhen Stresserfahrungen zu einer erhæhten Verfçgbarkeit der Sero-
tonintransporter im Bereich des Hirnstamms fçhren (Schuckit et al. 1999;
Heinz et al. 2000).
Auf die Frage, wie die serotonerge Dysfunktion zur Alkoholtoleranz bei-
tragen kann, findet sich eine Antwort in einer Studie von Doudet et al.
(1995). Die frçhem sozialen Stress ausgesetzten Rhesusaffen zeigten einen
verminderten Serotoninumsatz, der mit einem verminderten Ansprechen
auf GABAerge Sedation verbunden war. Da auch Alkohol GABAerg sedie-
rend wirkt (June el al. 1998) und zudem die glutamaterge exzitatorische
Neurotransmission bei hæherer Dosierung hemmt (Tsai et al. 1995),
kænnten Individuen, die ein ångstliches und angespanntes Verhalten zeigen,
græûere Alkoholmengen konsumieren, bevor die beruhigende und sedie-
rende Wirkung eintritt. Da ein ansteigender Alkoholspiegel Dopamin frei-
setzt, kænnte eine verspåtet seinsetzende alkoholbedingte Sedation dazu
fçhren, dass die verhaltensverstårkenden Wirkungen des Alkoholkonsums
stårker und långerfristig wirksam werden und die Alkoholaufnahme stei-
gern.

z Chronische Alkoholwirkungen auf das serotonerge System

Man weiû, dass chronischer Alkoholkonsum zu zahlreichen Schåden an


zentralen und peripheren Nervenzellen fçhrt (Mann und Widmann 1995).
Im weiteren Verlauf der Erkrankung werden somit auch die serotonergen
Nervenzellen im Bereich der Raphe-Kerne geschådigt (Heinz und Batra
Serotonerge Dysfunktionen bei Patienten mit Alkoholabhångigkeit z 83

2003). So kænnte die zur Erkrankung disponierende serotonerge Dysfunk-


tion durch eine alkoholtoxische Schådigung der Zellkerne der Ursprungs-
region des serotonergen Systems verstårkt und aufrechterhalten werden.
Untersuchungen zur serotonergen Neurotransmission zeigten bei alkohol-
abhångigen Månnern eine 30±40%ige Reduktion des effektiven Bindungs-
potenzials der serotonergen Transporter im Bereich der Raphe-Kerne des
Hirnstamms (Heinz et al. 1998 b). Eine Untersuchung der genetischen Ein-
flçsse auf die Verminderung der Serotonintransporter bei alkoholabhångi-
gen Patienten zeigte, dass sich die Reduktion nur bei Patienten mit einem
bestimmten Genotyp des Promotors fçr den Serotonintransporter fand
(Heinz et al. 2000, Lesch et al. 1996).
Die Personen waren zum Untersuchungszeitpunkt vier Wochen abstinent
gewesen. Die Reduktion der Serotonintransporter korrelierte signifikant
mit der im bisherigen Verlauf des Lebens konsumierten Alkoholmenge
(Heinz et al. 1998 b) und mit der Hæhe des Kortisols im Plasma, das im
Entzugsstress regelhaft erhæht ist (Heinz et al. 2002). Die verminderte
Verfçgbarkeit serotonerger Transporter im Bereich des Hirnstamms war
klinisch mit dem Ausmaû der Depressivitåt verbunden. Depressive Patien-
ten weisen ein langfristig erhæhtes Rçckfallrisiko auf (Hartka et al. 1991).
Patientengruppen, die auch mehrere Jahre nach der Entgiftung noch unter
anhaltend negativen Emotionen leiden, sind deutlich gefåhrdeter, einen
Rçckfall zu erleiden und einen schlechteren Verlauf zu zeigen, als Patienten
mit ausgeglichener Stimmungslage. Somit ist die emotionale Stabilisierung
auf lange Sicht ein entscheidender Faktor im Rahmen der Behandlung al-
koholabhångiger Patienten, kurzfristig vermindert die antidepressive Be-
handlung das Rçckfallrisiko allerdings nicht, wahrscheinlich, weil etwas
ångstlichere Patienten auch vorsichtiger sind und zumindest kurzfristig
den Alkoholkonsum offenbar besser vermeiden kænnen (Heinz et al. 1996).
Serotonerge Funktionsstærungen scheinen also nosologieçbergreifend
mit negativen Stimmungszustånden wie Angst und Depressivitåt verbun-
den zu sein und kænnen im Rahmen weiterer genetischer und Umweltfak-
toren zu erhæhter Aggressivitåt und einem erhæhten Alkoholkonsum bei-
tragen. Gerade bei davon betroffenen Individuen sind offenbar die akuten
Alkoholwirkungen im Sinne der Sedation und Ataxie vermindert, sodass
ein natçrliches Warnzeichen des exzessiven Alkoholkonsums fehlt. Bei wei-
terem Alkoholkonsum kænnen serotonerge Nervenzellen im Hirnstamm of-
fenbar weiter geschådigt werden. Die Reduktion der Serotonintransporter
war mit Depressivitåt verbunden und findet sich in åhnlicher Weise auch
bei Patienten mit majorer Depression. Ob hier gemeinsame Pathomechanis-
men im Sinne einer verstårkten Kortisolfreisetzung eine Rolle spielen, wird
derzeit in weiterfçhrenden Studien untersucht.
84 z A. Heinz et al.

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Serotonin und chronische Mçdigkeit
T. Mçller

z Zusammenfassung. Periphere und zentrale Alterationen des Tryptophan-


und Serotoninmetabolismus sind eng mit der physiologischen Regulierung
des Schlaf-Wach-Rhythmus verknçpft. Diese mit Serotonin assoziierten
Stoffwechselverånderungen kænnen sich insbesondere im Hirnstamm als Fol-
ge kærperlicher Erkrankungen manifestieren und zur Ausbildung eines chro-
nischen Erschæpfungszustandes entscheidend beitragen. Typische Beispiele
hierfçr sind chronische neurodegenerative Prozesse bei Morbus Parkinson
oder Morbus Alzheimer. Bei diesen lieûen sich oft vor der klinisch fassbaren
Manifestation mit daraus resultierender Diagnose erst temporåre, doch dann
an Intensitåt zunehmende Symptome einer chronischen Mçdigkeit oder Er-
schæpfbarkeit mit verminderter Belastbarkeit bei zunehmenden depressiven
Stærungen auch in retrograden Untersuchungen nachweisen.

z Grundlagen

Der Neurotransmitter Serotonin ist in die Regulation der Vigilanz invol-


viert. Erhæhte Sensitivitåt postsynaptischer serotonerger Rezeptoren oder
vermehrte serotonerge Neurotransmission insbesondere im Hirnstamm
(Formatio reticularis) læst zentral Mçdigkeit und ein Bedçrfnis nach Schlaf
aus [20]. Eine Fehlregulierung dieser physiologischen Serotoninfunktionen
mit einer långer anhaltenden serotonergen Ûberaktivitåt insbesondere im
Hirnstamm kann zur Chronifizierung einer zentral ausgelæsten Mçdigkeit
fçhren, wobei auch eine Ûberstimulation nachgeordneter eng assoziierter
Gehirnareale, z. B. dopaminerger Rezeptoren im Frontallappen, retrograd
hypothetisch mitbeteiligt sein kann [7]. So ruft die Stimulierung des dopa-
minergen Systems initial Schlåfrigkeit hervor, obwohl auch behauptet wird,
eine der zentralen Wirkungen von Dopamin kænne auch eine Vigilanzerhæ-
hung sein. Bei Studien mit den selektiven Dopaminrezeptor-2-Agonisten
Pramipexol und Ropinirol wurde eine erhæhte Schlafneigung erfasst [2, 3,
9, 11, 12, 14]. Darçber hinaus ist bekannt, dass Mçdigkeit, so wie als ini-
tiales Phånomen davon das Gåhnen, auch çber dopaminerge Neurotrans-
mission vermittelt werden kann. Man nimmt an, dass dabei eine vermin-
derte Anzahl der Oxytocin ausschçttenden Neurone des im Hypothalamus
gelegenen Nucleus paraventricularis mit eine entscheidende Rolle spielt.
Ebenfalls im Hypothalamus gelegene dopaminerge Nervenzellen kænnen
88 z T. Mçller

die histaminerge Neurotransmission hemmen und so konsekutiv Mçdigkeit


verursachen, da hypothalamische histaminerge Neurone die Vigilanz posi-
tiv modulieren. Einen anderen Mechanismus der dopaminerg vermittel-
teten Sedierung kænnten auch Interaktionen der dopaminerg-adrenergen
Neurotransmission darstellen, denn die Stimulation von pråsynaptischen
D2-Rezeptor-åhnlichen Autorezeptoren auf noradrenergen Nervenendigun-
gen kann zu einer verminderten Synthese und Freisetzung von die Vigilanz
steigerndem Noradrenalin fçhren [2, 3, 9, 14].
Mçdigkeit geht auch von peripher ablaufenden metabolischen Vorgången
aus, denn der Gehalt an Tryptophan, dem metabolischen Vorlåufer von Se-
rotonin, wird in der Peripherie im Blut durch die Kapazitåt der Albumin-
bindung reguliert. In freier Form kann Tryptophan die Blut-Hirn-Schranke
mit Hilfe eines aktiven Aminosåuretransportmechanismus çberwinden, um
dann zentral zu Serotonin umgewandelt zu werden und, abhångig von der
Menge, çber bestimmte Hirnstammkerne Mçdigkeit auszulæsen, wåhrend
die Bindung von Tryptophan an den Tråger Albumin dies verhindert [7].
Dies fçhrt dazu, dass Albuminmangel mit konsekutivem vermehrten
Auftreten von freiem Albumin im Blutplasma zentral zu Mçdigkeit fçhrt,
z. B. nach chirurgischen Eingriffen oder bei Ûberlastung der Albumintrans-
portkapazitåt durch Toxine bei chronischer Hepatitis oder Nierendysfunk-
tion [2].

z Chronic Fatigue als Syndrom

Ein chronisches Erschæpfungssyndrom, also eine dauernd oder intermittie-


rend ohne erkennbare Besserungstendenz auftretende gesteigerte kærperli-
cher Ermçdung und Erschæpfung seit mindestens sechs Monaten, kann so-
mit peripherer oder zentraler Genese sein. Es handelt sich nicht um eine
einheitliche Erkrankung, sondern um ein Syndrom mit åtiopathogenetisch
unterschiedlichen Symptomen [1, 4, 15, 19] (Tabelle 1). Daraus resultieren
einerseits diagnostische, andererseits therapeutische Unsicherheiten mit

Tabelle 1. Håufige Symptome des Chronic-Fatigue-Syndroms


Entzçndlich Psychisch Somatisch
plætzlicher Beginn Depression allgemeine Muskelschwåche
Halsschmerzen Konzentrationsstærungen Myalgien
Lymphknotenschwellungen Denkschwåche Empfindungsstærungen
Temperaturabweichungen Vergesslichkeit Morgensteifigkeit
Husten Mçdigkeit Gelenkschmerzen
Schlafstærungen Husten
Angst Skotome
dumpfer Kopfschmerz
Serotonin und chronische Mçdigkeit z 89

der Konsequenz einer geringen Akzeptanz in Gesellschaft und Ørzteschaft


und mit der Tendenz, dieses Syndrom dem Bereich der psychiatrischen Er-
krankungen zuzuordnen. Auch besteht eine Kontroverse, das Chronic-Fati-
gue-Syndrom als eigenståndige Erkrankung anzuerkennen oder als ein
Syndrom, das aus einer Vielzahl unterschiedlicher pathophysiologischer
Prozesse resultiert und das deswegen und auch wegen der ausgeprågten
Symptomvielfalt einer Subklassifikation bedarf [1, 4, 15, 19].

z Dysregulation des Serotoninmetabolismus im Hirnstamm


als gemeinsame Endstrecke?

Man kann auch postulieren, dass die unterschiedlichen Ursachen chro-


nischer Ermçdbarkeit in eine gemeinsame Endstrecke mçnden, einer Dys-
und Heraufregulation des Serotoninstoffwechsels im Hirnstamm und den
dort mit Vigilanz assoziierten zentralen Kernarealen. Dafçr spricht, dass
Untersuchungen mit den zur Zeit verfçgbaren Techniken wie Magnetreso-
nanztomographie oder funktionelle Bildgebung bei Patienten mit einer
symptomatischen, bekannten Genese eines chronischen Erschæpfungs-
zustandes immer wieder Hirnstammverånderungen zeigen [17]. Auch zei-
gen mit der Hirnstammfunktion eng assoziierte nachgeordnete Strukturen
dementsprechend Defizite. Beispiele sind eine verringerte Response der
neuroendokrinen Achse auf serotonerge Stimulation oder neuropsychologi-
sche und damit verbundene neurophysiologische Defizite zur Beurteilung
exekutiver Funktionen im Frontallappen durch ein Ungleichgewicht zwi-
schen Dopamin und Serotonin und die daraus resultierende mangelnde
Aktivierung kortikaler Funktionen [1, 4, 8, 15, 16, 19].
Leider reichen die zur Zeit verfçgbaren diagnostischen und apparativen
Mæglichkeiten nicht aus, um die vielen sich mit chronischer Erschæpfung
oder Mçdigkeit manifestierenden krankhaften Prozesse frçhzeitiger zu er-
fassen [1, 4, 8, 15, 16, 19]. Ein typisches Beispiel hierfçr ist der Morbus
Parkinson, bei dem jetzt neue neuropathologische Hypothesen eine prå-
motorische Phase der Erkrankung mit einer Manifestation nichtmotori-
scher, eher unspezifischer Symptome lange vor dem Auftreten von Akinese,
Rigor und Tremor postulieren, die erhebliche Ûberschneidungen zur klini-
schen Symptomatik eines chronischen Erschæpfungszustandes aufweisen
(Tabelle 2). Auch Patienten mit demenziellen Prozessen, wie z. B. Morbus
Alzheimer, weisen åhnliche unspezifische Symptome vor der klinischen Di-
agnose von Kurzzeitgedåchtnisstærungen und der damit verbundenen
schon weiter fortgeschrittenen pathophysiologischen Geschehnisse auf [5,
6, 10, 18].
Unter der hypothetischen Pråmisse einer çber den Hirnstamm aufstei-
genden Neurodegeneration kann man postulieren, dass sich durch den
neuronalen Zelluntergang in dieser neuroanatomisch sehr begrenzten, aber
doch bedeutsamen Region eine erhæhte Vulnerabilitåt gegençber Neuro-
transmitterungleichgewichten entwickelt. Dies hat zur Folge, dass die Få-
90 z T. Mçller

Tabelle 2. Morbus Parkinson ± klinische Symptomatik (nach [18])


Pråmotorisches Frçhsyndrom Parkinson-Spåtsyndrom
Motorik und Psyche
I IV
z Riechstærungen z Akinese
z Verminderte Darmmotilitåt z Rigor
II z Tremor
z Stærung der Stellreflexe
z Schlafstærungen
z Kopfschmerzen V
z Herzschmerzen z Fluktuationen der Beweglichkeit
z Reduzierte Motivation: (auch ohne Medikamente)
± Zielwahl, z Rasche Ermçdbarkeit
± Intensitåt, das Ziel zu erreichen VI
± Ausdauer, das Ziel zu verfolgen
z Emotionale Stærungen z Psychosen:
z Erhæhte Stressanfålligkeit ± Halluzinosen
± Verkennungen
III z Demenzielle Symptome
z Stærung des Farbenkontrastsehens
z Stærung der Thermoradiation
z Kognitive Stærungen
z Depression
z Rçckenschmerzen (low turnover Osteoporose)
z Hormonelle Stærungen
z Vorzeitige Ermçdbarkeit

higkeit, diese Dysbalancen der verschiedenen Botenstoffe in den unter-


schiedlichen, zum Teil die Vigilanz oder den Atem steuernden Hirnarealen
zu kompensieren, deutlich abnimmt. Eine Folge davon kann die zunåchst
temporåre, spåter långer andauernde Manifestation von mit chronischer
Mçdigkeit assoziierten klinischen Symptomen hinsichtlich des serotoner-
gen Systems sein. Diese gehen einher mit einer vermehrten Neigung zu
Stimmungsschwankungen im Sinne einer långer anhaltenden Affektlabilitåt
bei Dysregulation von katecholaminergen Neurotransmittersystemen in den
spezifischen Hirnarealen [13]. Daraus resultieren wiederum prå- und post-
synaptische Adaptationsprozesse mit einer Chronifizierung der Mçdigkeit,
der Erschæpfbarkeit und der Verlangsamung des Denkens oder mit einer
ersten temporåren Ausbildung von Tremor bei bestimmten Subtypen des
Morbus Parkinson [13].
Serotonin und chronische Mçdigkeit z 91

z Therapieansåtze

Auf diesen hypothetischen Ûberlegungen basiert der therapeutische Einsatz


von Substanzen, die dieses Neurotransmitterungleichgewicht mehr mit den
physiologischen Regelmechanismen ausbalancieren und nicht durch Substi-
tution oder durch postsynaptische Stimulation deutlich veråndern. Die In-
hibition des pråsynaptischen Reuptakes oder die Hemmung mehr sekundår
metabolisierender schwåcherer Enzyme, z. B. der Monoaminooxidase,
durch Selegilin oder durch hinsichtlich des Wirkprinzips eng verwandte
pflanzliche Substanzen wie Johanniskrautextrakt, sind solche Therapie-
ansåtze [13]. Johanniskraut zeigt bei den Chronic-Fatigue-åhnlichen Symp-
tomen aus dem Formenkreis der somatoformen Stærungen eine erhebliche
therapeutische Effizienz [21]. Durch diese nur gering den Neurotransmit-
terhaushalt modulierenden, dafçr aber langfristig stårker modulierenden
Substanzen wird eine dem physiologischen Gleichgewicht der Neurotrans-
mission åhnelnde Balance der Botenstoffe im Hirnstamm hypothetisch eher
wiederhergestellt als bei stårkeren, teilweise nur postsynaptisch stårker
wirksamen Substanzen, die die endogene Neurotransmittersynthese da-
rçber hinaus teilweise wie die Dopaminagonisten çber pråsynaptische Au-
torezeptoren downregulieren [13].

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Suizidalitåt und das serotonerge System
M. Wolfersdorf

z Einleitung

Das Thema Suizid hat in Zusammenhang mit der Selbsttætung des Politi-
kers Jçrgen Mællemann durch Sturz aus der Hæhe bei Nichtæffnen seines
Fallschirms wieder tragische Aktualitåt gewonnen. Man fragt sich, so die
Anmerkung eines Journalisten in einem Interview mit dem Autor, was
denn die Selbsttætungen von prominenten Menschen gemeinsam håtten, ob
denn der ¹Jobª eines Politikers so stressvoll sei, dass er mit einem erhæh-
ten Suizidrisiko einhergehe.
Verschiedene Modellvorstellungen bestehen dazu in der heutigen Suizi-
dologie, z. B. die ¹Serotoninmangelhypothese der Suizidalitåtª (Bronisch
2000, 2002) als gemeinsame Endstrecke beim Suizid, bei der final angeleg-
ten bzw. durchgefçhrten suizidalen Handlung, oder das ¹Konzept der nar-
zisstischen Kriseª in psychodynamisch-tiefenpsychologischer Hinsicht nach
Henseler (1974), das ¹Konzept der Objektsicherungª nach Kind (1992) vor
dem Hintergrund der Objektbeziehungstheorien. Gætze (2002) formuliert
neuerdings, dass es in der Psychodynamik der Suizidalitåt in archaisch an-
mutender Weise sowohl um die Zerstærung des verloren geglaubten gelieb-
ten Objekts als auch um die Rettung einer Objektbeziehung und in beiden
Reaktionsweisen des hoch ambivalenten Konfliktes es immer auch um die
Rettung des Selbstwertgefçhls gehe.

Begriffsbestimmung von Suizidalitåt


Wenn wir als Ørzte/Therapeuten von Suizidalitåt reden, geschieht dies vor
dem Hintergrund eines medizinisch-psychosozialen Paradigmas (Wolfers-
dorf 1996) und wir meinen damit
z Suizidalitåt im Kontext von Hilfsbedçrftigkeit des betroffenen Individu-
ums. Dabei wird nicht geredet von
z Suizidalitåt im Kontext von Kultur und Religionen (Rituale, Amok, Op-
fertod, Mårtyrertum), es wird auch nicht geredet von
z Selbsttætung (angestrebt oder in Kauf genommen) im Rahmen primår
fremdaggressiver Handlungen (der Suizident als Waffe).
z Es wird auch nicht geredet von Suizidalitåt als primårer Selbsttætung un-
ter Inkaufnahme der tædlichen Einbeziehung anderer Menschen (Beispiel
Geisterfahrer, erweiterter Suizid).
94 z M. Wolfersdorf

Dazu einige grundsåtzliche Bemerkungen: Suizidalitåt ist einerseits eine


menschliche Eigenschaft und per se keine Erkrankung, tritt aber gehåuft
bei allen psychischen Erkrankungen und psychischen Zustånden auf, die
mit Hoffnungslosigkeit und Perspektivelosigkeit, mit dem Empfinden tiefer,
vitaler Schmerzhaftigkeit einhergehend, die subjektive Wahrnehmung und
das Erleben der eigenen Person und des Umfeldes beeintråchtigen, negativ
besetzen und den aktuellen Charakter von Ausweglosigkeit aufweisen. An-
dererseits unterliegt Suizidalitåt auch kulturellen Einflçssen, kann religiæs
und gesellschaftlich erwçnscht bis verurteilt sein. Suizidales Denken und
Handeln ist in Beziehungen angesiedelt, z. B. bei Trennungen bzw. der Vor-
stellung oder Erwartung einer Trennung, wobei allerdings Trennungen und
die nachfolgende Trauer ein Charakteristikum menschlichen Lebens sind.
Die psychische Befindlichkeit bei Suizidalitåt ist durch Hoffnungslosigkeit,
durch Einengung des Denkens, durch paranoide Gedanken, im Ablauf
durch Aggression in der Ûbertragung, durch das Wiedererleben frçherer
Beziehungserfahrungen und -katastrophen, durch Selbstentwertung und ne-
gative Sichtweise der eigenen Person gekennzeichnet. Damit verbunden
sind oft psychovegetative Symptome wie Schlafstærungen, Appetitlosigkeit
und Gewichtsverlust, Beeintråchtigungen im kardiovaskulåren Bereich.
Unser Wissen hinsichtlich der neurobiologischen Ebene ist heute besser
als vor 20 Jahren, eine systematische neurobiologische Suizidforschung gibt
es aber bis heute nicht. Die psychotherapeutisch-psychodynamische Suizid-
pråvention und die hierzu gehærigen Theorien sind gut eingefçhrt; dazu
kommt endlich ein eingefçhrtes nationales Suizidpråventionsprogramm,
d. h. Suizidalitåt und Suizidpråvention werden auch als gesundheitspoliti-
sche und gesellschaftliche Aufgabe in Deutschland begriffen. Im Bereich
der Psychiatrie und der Epidemiologie ist Suizidforschung seit langem Be-
standteil der klinischen Erfahrung.
In Tabelle 1 ist eine Definition von Suizidalitåt wiedergegeben, ergånzt
durch Tabelle 2, vor dem Hintergrund eines Kontinuitåtsmodelles. Das der-
zeitige Spannungsfeld, in dem Suizidalitåt in der Úffentlichkeit erlebt wird,
sieht folgendermaûen aus:
z Freizeitrisikoverhalten
z autoaggressives Verhalten mit suizidaler Intention bzw. Inkaufnahme der
Selbsttætung
z suizidales Verhalten als Ausdruck einer Selbstwertkrise (narzisstische
Krise)
z suizidales Verhalten als Ausdruck einer Wendung der Aggression gegen
sich selbst
z altruistisch erweiterter Suizid (Mitnahmesuizid)
z fremdaggressiv erweiterter Suizid (z. B. Geisterfahrer)
z Opfer-Suizid (fçr andere Menschen oder eine Ûberzeugung sich tæten
lassen)
z Massensuizid (Tætung ± Selbsttætung)
Suizidalitåt und das serotonerge System z 95

Tabelle 1. Suizidalitåt als menschliche Mæglichkeit


z Suizidalitåt ist ureigene menschliche Denk- und Verhaltensmæglichkeit und per se keine
Krankheit
z Suizidalitåt ist stets nur eine Verhaltensmæglichkeit im Leben, in Krisen- und Krankheits-
situationen. Suizid ist endgçltig und nicht wiederholbar
z Suizidalitåt erfåhrt durch psychische Erkrankung, psychosoziale Krisen und weitere lebens-
beeintråchtigende Faktoren Verstårkung und Einengung
z Psychische Stærung und psychosoziale Krisen fçhren aufgrund verånderten und eingeeng-
ten Erlebens und Wahrnehmens nåher an Suizidalitåt heran

Tabelle 2. Beschreibung von Suizidalitåt. Kontinuitåtsannahme mit Handlungskonsequenzen:


zunehmende ¹sichernde Fçrsorgeª. Eigenverantwortung
? Fremdverantwortung
z Wunsch nach Ruhe, Pause
Unterbrechung im Leben (mit dem Risiko von eher passive Suizidalitåt
Versterben)
z Todeswunsch
(jetzt oder in einer unverånderten Zukunft
lieber tot sein zu wollen)
z Suizidgedanke
zunehmender Handlungsdruck,
± Erwågung als Mæglichkeit Zunahme des Handlungsrisikos
± Impuls (spontan, sich aufdrångend, zwanghaft)
z Suizidabsicht
± mit bzw. ohne Plan
± mit bzw. ohne Ankçndigung
z Suizidhandlung
± vorbereiteter Suizidversuch, begonnen und
abgebrochen (Selbst- und Fremdeinfluss)
± durchgefçhrt (selbst gemeldet, gefunden) t eher aktive Suizidalitåt
± gezielt geplant, impulshaft durchgefçhrt

z Mærder-Suizid (¹murder suicideª, Kamikaze-Selbstmord u. å.)


z sog. Freitod (Selbsttætung in Abwesenheit psychischer, somatischer, so-
zialer Not)

z Modelle von Suizidalitåt heute

Wir wissen heute, dass schizophrene Patienten wie auch Depressive vor ih-
rem Suizid çberwiegend ein depressives Bild aufweisen; auch bipolare Sui-
zidenten versterben zu 70±80% in einer depressiven Episode (Bronisch
96 z M. Wolfersdorf

2002; Wolfersdorf et al. 2002 a±e; Schmidtke et al. 2002). Auch bei kærperli-
chen Erkrankungen, insbesondere bei Erkrankungen des ZNS, gilt grund-
såtzlich die Aussage, dass Suizidalitåt besonders dann auftritt, wenn De-
pressivitåt hinzukommt (Wolfersdorf 2000).

Es gibt also bei Suizidalitåt:


z eine psychopathologische Endstrecke, die affektiv gekennzeichnet ist
durch eine depressive Herabgestimmtheit, kognitiv durch Hoffnungs-
und Hilflosigkeit, evtl. durch paranoid-halluzinatorisches Erleben, inten-
tional (auf der Ebene des Antriebs) durch ¹Dranghaftigkeitª (Felber
1993) bzw. ¹Handlungsdruckª (Wolfersdorf 1996). Letzteres wird als
massiver innerer Druck beschrieben, ¹Wegsein zu mçssenª, als tief emp-
fundener vitaler Schmerz. Auch Unruhe in der depressiven und angst-
besetzten Getriebenheit bzw. auch Nebenwirkungen von Medikamenten
(z. B. eine Neuroleptika-bedingte Akathisie) kænnen dies bewirken.
z Psychodynamisch gesichert kænnen heute gelten: das Narzissmus-Kon-
zept von Henseler (1974) im Sinne der Selbstwertrettung, das Objekt-Be-
ziehungskonzept von Kind (1992) im Sinne der Objektbeziehungssiche-
rung und das Aggressionskonzept, wie es von Gætze (2002) als Kombina-
tion von Aggressions- und Selbstwertverlustkonzept vertreten wird.
z Neurobiochemisch wird derzeit die ¹Serotoninmangelhypothese von
Suizidalitåtª formuliert, wie sie z. B. von Bronisch et al. (2001) beschrie-
ben wurde. In diesem Zusammenhang sind Themen wie Suizidfærderung
durch Antidepressiva oder Neuroleptika und medikamentæse Suizidprå-
vention diskutiert worden.

Es bestehen die folgenden Modellvorstellungen zur Entstehung und Ent-


wicklung von Suizidalitåt:
z Psychodynamisches Modell (i. e. S. psychosoziales Paradigma)
Suizidalitåt als Endpunkt einer biographisch beschreibbaren Entwicklung
einer Person
Suizidalitåt als Ergebnis bzw. Ausdruck einer mehr oder minder bewuss-
ten Konfliktdynamik zwischen Personen
Suizidalitåt als Ausdruck aktuellen Bedrohtheiterlebens (Krise) vor dem
Hintergrund von Biographie und Schicksal
z Biologisches Modell (i. e. S. medizinisches Paradigma)
Suizidalitåt als Ausdruck einer neurobiochemisch-biologisch beschreib-
baren Funktionsstærung
Suizidalitåt ist Ausdruck bzw. Handlungsendpunkt von Krise bzw.
Krankheit
(Krankheitsmodell; i. e. S. medizinisches Paradigma)
z Soziologisches Modell (i. e. S. psychosoziales Paradigma)
Suizidalitåt als Ausdruck sich veråndernder gesellschaftlich-kultureller
Werthaltungen
Suizidalitåt und das serotonerge System z 97

Ú
Ú

Abb. 1. Modell zur Genese der Suizidalitåt

Abbildung 1 (Wolfersdorf 1996) stellt åtiopathogenetisch ein Krisenmodell


einem Krankheitsmodell von Suizidalitåt gegençber, Abbildung 2 versucht
die pråsuizidale Entwicklung, das Kontinuitåtsmodell der Suizidalitåt vom
Ruhe-/Todeswunsch bis hin zur suizidalen Handlung çber die entsprechen-
den Zeitablåufe sowie Phasen mit einer Zunahme von Handlungsdruck zu
kombinieren und dabei die Abnahme serotonerger Modulationsfåhigkeit
und psychophysischer Adaptation, wie es die Habituationsforschung von De-
pression und Suizidalitåt gezeigt hat, zu integrieren. Dies ist als ein sehr ver-
kçrzter und nur holzschnittartiger Versuch zu verstehen, Zeitablåufe und Ent-
wicklungsaspekte, Psychopathologie, Psychophysiologie und neurobiologi-
sche Aspekte im Verlauf einer suizidalen Handlung und nicht nur im Sinne
der biologischen Disposition in Verbindung zu bringen (wie das Krankheits-
modell suizidalen Verhaltens ± biologische Disposition ¹Impulskontrollstæ-
rungª als åtiopathogenetische Grundlage spåterer Impulskontrollstærung ±
98 z M. Wolfersdorf

Abb. 2. Entwicklung zur Suizidbehandlung ± mægliche psychobiologische Aspekte

es formuliert; s. dazu u. a. Bronisch et al. 2001; Wolfersdorf und Kaschka 1996;


Bronisch et al. 2002; Brunner u. Bronisch 1999 als wesentliche Ûbersichten
zur Neurobiologie suizidalen Verhaltens im deutschsprachigen Bereich).

z Untersuchungen zur Neurobiologie suizidalen Verhaltens

Nachfolgend werden verschiedene Themenbereiche aufgegriffen, die sich


mit der neurobiologischen Seite der Suizidalitåt im engeren und weiteren
Sinne beschåftigt haben: Befunde zum Serotonin, hier: Post-mortem-Studi-
Suizidalitåt und das serotonerge System z 99

en, CSF-Studien; Befunde zum Habituationsverhalten bei Suiziden; Hypo-


these der Impulskontrollstærung durch Hypocholesterinåmie; zur Psycho-
pharmakologie und Suizidfærderung bzw. Reduktion von Suizidalitåt, hier
insbesondere Antidepressiva, Neuroleptika sowie Lithium (diese Felder
werden zusammenfassend behandelt; auf die genannten Ûbersichten wird
verwiesen).
Dabei kann grundsåtzlich von folgenden klinischen Implikationen der
neurobiologischen Rahmenbedingungen im Nervensystem ausgegangen
werden (so Audenart et al. 2001): Bei depressiven Patienten sowie bei Men-
schen mit Impulskontrollstærungen sind im pråfrontalen Kortex des zentra-
len Nervensystems Perfusion und Metabolismus gestært, Folge davon sind
neurobiologische und funktionelle Dysfunktionen. Die klinischen Implika-
tionen sind reduzierte Lernfåhigkeit und reduzierte exekutive Funktionen
in der akuten Depression bzw. in der akuten suizidalen Krise. Reduzierte
Copingstrategien und eine reduzierte Aufnahmefåhigkeit fçr Psychothera-
pie kænnten durch spezifische Psychotherapie-Strategien und durch antide-
pressive Medikation zur Erhæhung der frontalen Perfusion verbessert wer-
den (s. auch Bronisch et al. 2001).

Serotonerges System
Baumgarten und Grozdanovic (1996) haben zur Neuroanatomie und
Neurophysiologie der zentralen noradrenergen und serotonergen Neuro-
nensysteme zusammengefasst, dass die protektiven Eigenschaften der sero-
tonergen Neuromodulation eine ¹ausgewogene und stabile Stimmungs-
regulationª begçnstigen und ¹nichtaggressive Sozialverhaltensmusterª
færdern. ¹Es wird vermutet, dass Stærungen der serotonergen Transmission
fçr das Auftreten bestimmter diagnoseçbergreifender psychopathologischer
Phånomene im Rahmen eines weiten Spektrums von psychiatrischen Syn-
dromen ± und dabei auch fçr auto- und fremdaggressives Verhalten ± ver-
antwortlich sindª (Baumgarten und Grozdanovic 1996). Weiterhin gilt nach
den Autoren als Hauptcharakteristikum serotonerger Verhaltensmodulatio-
nen die Unterdrçckung situationsirrelevanter, ablenkender und irritieren-
der sensorischer Stærgræûen sowie die Sicherstellung einer ausreichenden
Reaktionslatenz zur Verhinderung von selbst- (oder fremd-) gefåhrdender
Impulshandlungsbereitschaft. Diese protektiven Eigenschaften der seroto-
nergen Neuromodulation, die im Wesentlichen auf den desamplifizierenden
Eigenschaften von 5-HT1-Rezeptoren beruhen, færdern die Entfaltung von
nichtaggressiven Sozialverhaltensmustern, begçnstigen ausgewogene, stabile
Stimmungsregulation und helfen bei der Begrenzung von Cravingverhalten.
Nach den Autoren beruhen diese Wirkungen z. T. auf einer kontrollieren-
den Beeinflussung dopaminerger Mechanismen in relevanten motivations-
gestaltenden Netzwerken des Vorderhirns, z. B. im Nucleus accumbens sep-
ti, im Tuberculum olfactorium, in limbisch-bezogenen Kortexfeldern. Zum
anderen Teil beruhe diese Wirkung auf einer serotonergen Dåmpfung der
sensorische Stimulusparameter verstårkenden Eigenschaften des Locus ce-
100 z M. Wolfersdorf

ruleus, womit die serotonergen Modulatorsysteme eine çbergeordnete hom-


æostatische Kontrollfunktion fçr die anderen monaminergen Verstårkersys-
teme des Wirbeltiergehirns aufweise. Weiterhin vermuten die Autoren, dass
Stærungen der serotonergen Transmission fçr das Auftreten bestimmter di-
agnoseçbergreifender psychopathologischer Phånomene im Rahmen eines
weiten Spektrums von psychiatrischen Syndromen verantwortlich seien,
und fçhren insbesondere erhæhte Irritabilitåt und Stress-Sensibilitåt, redu-
zierte emotionale Stabilitåt und Frustrationstoleranz sowie beeintråchtigte
Impuls- und Aggressionskontrolle beispielhaft an.
Tabelle 3 fasst in Anlehnung an Brunner u. Bronisch (1999) und Bro-
nisch et al. (2001) wesentliche Aspekte zusammen, çber die in der Literatur
Ûbereinstimmung besteht. In Tabelle 4 sind die Studien nach Bronisch u.
Brunner (2002) zitiert, in denen die Anzahl der 5-HT2-Bindungsstellen im
Hirngewebe von Suizidopfern untersucht werden.
Bronisch u. Brunner (2002) fassen in ihrer Synopsis der neurobiologi-
schen Befunde zur ¹Serotoninmangelhypothese der Suizidalitåtª zusam-
men, dass im Liquor auch die CSF-5-HIAA-Konzentration insgesamt er-
niedrigt sei; auch dies sei durchgångiges Ergebnis. Hinsichtlich der Post-
mortem-Studien weisen sie auf eine çberwiegend gefundene erhæhte
5-HT2-Rezeptorendichte im pråfrontalen Kortex hin, hinsichtlich periphe-
rer Parameter auf eine ebenfalls erhæhte 5-HT2-Rezeptorendichte am
Thrombozytenmodell.
Die Daten der eigenen Forschungsgruppe (z. B. Straub et al. 1992; Wol-
fersdorf et al. 1996; s. Tabelle 5) haben die frçheren schwedischen Ergeb-
nisse beståtigt: Menschen mit harten Suizidversuchmethoden und Suizid
weisen eine erniedrigte elektrodermale Reaktivitåt auf. Die in Tabelle 5
beschriebenen Daten zeigen, dass Suizid und Suizidversuch mit harter Me-
thode hochsignifikant durch Nichtreaktivitåt in der EDA in einem Habitua-
tionsexperiment differieren, das bei den spåter durch Suizid verstorbenen
Patienten und auch bei den anderen Depressiven ohne Suizid in der Auf-
nahmewoche der stationåren Therapie durchgefçhrt worden war. Dieser

Tabelle 3. Zur Psychobiologie suizidalen Verhaltens


z Neurobiochemie *
± pråsynaptisches serotonerges Defizit mit kompensatorischer Zunahme der 5-HT2-Rezeptoren
im pråfrontalen Kortex
± reduzierte Liquor-5-HIAA, insbesondere bei Suizid mit harter Methode, bei Månnern
z Psychophysiologie *
± elektrodermale Hyporeaktivitåt, insbesondere bei harter Suizidmethode, bei Månnern
z Psychopharmakologie *
± zentrale Ûberstimulation durch AD als Suizidfærderung; Reduktion von Suizidalitåt durch
adåquate Therapie mit Psychopharmaka
* einige Aspekte (siehe auch Brunner u. Bronisch 1999)
Suizidalitåt und das serotonerge System z 101

Tabelle 4. Studien zur Anzahl der 5-HT2-Bindungsstellen im Hirngewebe von Suizidopfern (zi-
tiert nach Bronisch u. Brunner 2002)
Autoren n Suizid Anzahl 5-HT2- Lokalisation der 5-HT2-
violent/ Bindungsstellen Rezeptoren
nonviolent
Stanley u. Mann 11 +/± erhæht 1 pråfrontaler Kortex
(1983)
Mann et al. 21 +/± erhæht pråfrontaler Kortex
(1986)
Owen et al. 19 (+)/+ kein Unterschied pråfrontaler okzipitaler Kortex,
(1986) Hippokampus
Cheetham et al. 19 (+)/+ kein Unterschied frontaler, temporaler okzipi-
(1988) taler Kortex, Amygdala
Arora u. Meltzer 32 +/(+) erhæht pråfrontaler Kortex
(1989)
Arango et al. 11 +/± erhæht pråfrontaler Kortex
(1990)
Gross-Isserhoff 24 +/± erniedrigt pråfrontaler Kortex,
et al. (1990) Hippokampus
Hrdina et al. 19 +/± erhæht pråfrontaler Kortex, Amygdala
(1993)
Lowther et al. 79 +/+ kein Unterschied pråfrontaler Kortex, Hippo-
(1994) kampus, Nucleus caudatus
1
Dichte postsynaptischer 5-HT2-Rezeptoren im Vergleich zu Kontrollen
2
Diagnosen meist Depression, Schizophrenie, Persænlichkeitsstærung, keine Sucht
3
Variablen der Kontrollen: Alter, Geschlecht, postmortem delay

Unterschied zeigt sich nur bei den Månnern. Am eindeutigsten trennen die
Bereiche ¹nichtsuizidalª und ¹Suizid mit harter Methodeª wåhrend und
nach stationårer Behandlung. Diese Befunde deuten darauf hin, in Ûbe-
reinstimmung mit den Untersuchungsbefunden von Edman et al. (1986),
dass sich Hyporeaktivitåt vor allem bei solchen depressiven Patienten ab-
bildet, die harte Suizidmethoden wåhlen, und dass sich dieser biologische
Faktor, zentral serotonerg vermittelt, insbesondere beim månnlichen Ge-
schlecht ausdrçckt. Der Vergleich von 424 stationår behandelten depressi-
ven Patienten (ohne Wahnsymptomatik und nicht einer bipolaren affekti-
ven Stærung zuzurechnen, såmtlich mit Antidepressiva behandelt) ¹nicht-
suizidal versus Suizideª ergab im ¹two-tailed-t-testª (Wolfersdorf 1995,
1996) eine hochsignifikant erniedrigte Habituation bei den Suiziden im
Vergleich zur nichtsuizidalen Gruppe Depressiver. Die Ergebnisse aus der
EDA-Forschung belegen Ûberlegungen hinsichtlich einer eingeschrånkten
Anpassungsfåhigkeit (Habituationsleistung) bei einlaufenden Reizen in der
Gruppe mit harter suizidaler Verhaltensweise.
102 z M. Wolfersdorf

Tabelle 5. Habituationsrate der nach Alter und Geschlecht parallelisierten Gruppen: Månner
(n = 13) und Frauen (n = 10), gesamt n = 23
Suizidalitåt Habituationsrate
Methode
0±5 (nicht reaktiv) 6±10 (reaktiv)
z Suizid hart 22 1
z nicht suizidal 15 7
z Suizidversuch weich 16 7
z Suizidversuch hart 20 3
Fisher exact probability test (one sided)
z Suizid hart SV hart p = 0,8 ns SV weich p = 0,04* nicht suizidal p = 0,02*
z Suizid hart p = 0,009*
+ SV hart
Depressive Månner bzw. Frauen Suizid hart versus Kontrollen (matched pairs nach
Alter, Geschlecht, Diagnose), elektrodermale Reaktivitåt (EDA), Habituation (Mediane,
Mann-Whitney U-Test)
Suizid nicht suizidal SV weich Median SV hart Median
hart Median
Median
Månner (n = 13) (n = 13) p (n = 13) p (n = 13) p
z Habituation 1,0 5,0 0,03 * 1,0 0,75 1,0 0,89
z 1. Amplitude 0,2 0,06 0,01 ** 0,03 0,55 0,08 0,29
z SCLH 1,6 2,7 0,00 ** 2,5 0,09(*) 2,3 0,30
z spontane 0,0 1,0 0,59 0,0 0,93 0,0 0,57
Fluktuationen

Frauen (n = 10) (n = 10) p (n = 10) p (n = 10) p


z Habituation 0,0 0,5 0,36 0,5 0,28 0,0 0,67
z 1. Amplitude 0,0 0,01 0,27 0,02 0,22 0,0 0,59
z SCLH 1,3 1,25 0,93 2,6 0,27 1,25 0,73
z spontane 0,0 0,0 0,96 0,0 0,70 0,0 0,87
Fluktuationen

* sign. 5%-Niveau, ** sign. 1%-Niveau, (*) Trend

Suizidalitåt und Serumcholesterin


Die Metaanalyse von sechs primår pråventiven Studien zur Bedeutung des
Serumcholesterins fçr Arteriosklerose und koronare Herzkrankheit durch
die Gruppe um Muldoon et al. (z. B. 1992) fçhrte zu der Beobachtung, dass
es zwar zu einer erwarteten Abnahme der Sterblichkeit an den Folgen einer
Suizidalitåt und das serotonerge System z 103

koronaren Herzkrankheit kam, gleichzeitig jedoch eine signifikante Zunah-


me von Todesfållen, z. B. durch Unfålle und Suizide, als so genannte Non-
Illness-Mortality auftrat. Fritze et al. (1992) konnten bei insgesamt 1088
Patienten mit affektiven Psychosen keine signifikante Korrelation zwischen
suizidalem Verhalten und Cholesterinspiegel, wohl aber zwischen Suizidver-
such und niedrigem Kærpergewicht finden, die Suizidrate (1,6%) war bei
normaler und erhæhter Cholesterinkonzentration åhnlich. Wolfersdorf et al.
(1996) stellten die Ergebnisse einer prospektiven Vergleichsstudie zu Se-
rumcholesterin, HDL- und LDL-Cholesterin bei depressiven Patienten mit
bzw. ohne Suizid im Vergleich zu Epilepsie- und Bandscheibenpatienten
zusammen. Ein wichtiges Ergebnis war u. a., dass sich die 12 durch Suizid
verstorbenen Depressiven von den 4fach parallelisierten Depressiven ohne
Suizid signifikant sowohl hinsichtlich des Gesamtserumcholesterins als
auch hinsichtlich des LDL-Cholesterins durch deutlich niedrigere Werte
unterschieden. Dies galt im Ûbrigen auch beim Vergleich der Suizidpatien-
ten mit parallelisierten Epilepsie- bzw. Bandscheibenpatienten. Engelberg
(1992) hatte diskutiert, die Lipidmikroviskositåt biologischer Membranen
steige durch einen hæheren Cholesteringehalt, dadurch nehme die spezifi-
sche Bindung von Serotonin an Membranrezeptoren der Neurone zu, um-
gekehrt fçhre eine erniedrigte Viskositåt zu einem Serotoninmangel der
Nervenzellen.

Psychopharmakotherapie und Suizidalitåt


Die ¹klassischenª klinischen Annahmen hinsichtlich Suizidalitåt und anti-
depressiver Medikation sind:
z Antriebssteigernde AD færdern Suizidalitåt.
z Besserung des Antriebs vor Stimmungsbesserung bzw. bei Stimmungs-
verschlechterung færdert Suizidalitåt.
z Serotonerge AD færdern bzw. reduzieren nicht Suizidalitåt.
z Noradrenerge AD færdern Suizidalitåt.
z Suizidalitåt bedarf der Sedierung.

Erwçnschte Wirkung der antidepressiven Medikation und auch der Phasen-


prophylaxe mit Lithium ist die Verhçtung der Umsetzung von Hoffnungs-
losigkeit in Suizidideen, von Suizidideen in Suizidabsichten, von Suizid-
absichten in suizidale Handlungen. Der rezidivprophylaktisch erwçnschte
suizidpråventive Effekt einer langfristigen Therapie ist dabei, das Wieder-
auftreten von Hoffnungslosigkeit und/oder Suizidideen sowie suizidalen
Handlungen zu vermeiden. Nicht erwçnscht ist also die Færderung bzw.
Auslæsung neuer suizidaler Impulse durch den Krankheitsverlauf, z. B. Rezi-
divierung, Chronifizierung, Rapid Cycling bei den bipolaren affektiven Er-
krankungen, Wiederauftreten von suizidfærdernden Halluzinationen bei
Psychoseerkrankungen usw. Nicht erwçnscht sind weiterhin suizidale
Schwankungen, quålende Antriebsverstårkungen, Therapieresistenz und
natçrlich auch Suizidalitåt aus anderen, z. B. psychosozial-psychoreaktiven
104 z M. Wolfersdorf

Grçnden in Zusammenhang mit der Beziehungssituation, der Lebens- und


Arbeitssituation oder der Krankheitsbewåltigung.
Zur Psychopharmakotherapie unter dem Aspekt der Suizidalitåt gibt es
eine Reihe von Ûbersichtsarbeiten; verwiesen sei in diesem Zusammenhang
auf Mæller (1992), Ahrens (1995, 1997), Barg et al. (1995), Demling (1996),
Felber (1995), Mçller-Oerlinghausen (1995), Verkes et al. (1998), Wolfers-
dorf (1992), Wolfersdorf et al. (2002 c).

Wie kann man nun die bisherigen Ergebnisse zur Therapie


mit Antidepressiva oder Neuroleptika allgemein zusammenfassen?
z Eine adåquate Therapie mit Antidepressiva reduziert çblicherweise die
depressive Symptomatik, damit veråndert sie die depressive Sichtweise
von Hoffnungslosigkeit, Perspektivelosigkeit und reduziert damit direkt
oder indirekt auch Suizidideen.
z Klassische klinische Hypothese war, dass antriebssteigernde Antidepres-
siva zu einer unter Therapie neu auftretenden Suizidalitåt fçhren bzw.
vorhandene Suizidideen in Suizidabsichten und Suizidhandlungen
çberfçhren. Der derzeitige Wissensstand geht dahin, dass eine adåquate
antidepressive Medikation wohl die Suizidideen, Todes- und Ruhewçn-
sche reduziert, nicht aber insgesamt die Anzahl der suizidalen Handlun-
gen in einer Gruppe und insbesondere auch nicht die Anzahl der suizi-
dalen Handlungen çber eine Lebenszeitperspektive hinweg. So hat sich
die Lebenszeitsuizidmortalitåt bei der Depression insgesamt nicht redu-
ziert, sondern liegt bis heute çber die gesamte Gruppe leichter, mittel-
schwerer, schwerer und sehr schwerer Depression bei 4% und ist in ei-
ner Kohorte Schwerstdepressiver bei bis zu 15% geblieben.

Ob es eine spezifische antisuizidale Wirkung von selektiven Serotonin-Wie-


deraufnahmehemmern gibt, passend zur Serotoninmangelhypothese der
Suizidalitåt, ist bis heute offen. Fçr die Akutbehandlung der Depression
mit SSRI scheint sich dies nicht zu zeigen; allerdings haben Verkes et al.
(1998) zeigen kænnen, dass in einer mit dem SSRI Paroxetin behandelten,
nicht depressiven High-Repeater-Gruppe von Menschen mit Suizidver-
suchen im Vergleich zur nicht mit dem SSRI behandelten Gruppe die Sui-
zidversuchsrate hoch signifikant abnahm. Auch die zwischenzeitlich zu Li-
thium vorliegenden Ergebnisse (Ûbersicht Felber 1993, 1995) hinsichtlich
der Normalisierung von Exzessmortalitåt, insbesondere durch Suizidalitåt
(Ahrens 1995; Mçller-Oerlinghausen et al. 1995), verweisen erneut auf die
Bedeutung des serotonergen Systems im Zusammenhang mit Suizidalitåt.
Interessant sind in diesem Zusammenhang auch die neueren, zu Cloza-
pin erschienenen Untersuchungen aus der Inter-SePT-Study-Group (Meltzer
und Okayli 1995), die die Bedeutung des atypischen Neuroleptikums Cloza-
pin und dessen Ûberlegenheit in der Behandlung schizophrener Patienten
unter dem Aspekt der Suizidpråvention und der Reduzierung von Suizid-
mortalitåt diskutieren. Dass Nebenwirkungen von Neuroleptika, insbeson-
Suizidalitåt und das serotonerge System z 105

dere die Akathisie, ein wesentlicher Bestandteil der Suizidproblematik sein


kænnen, wurde von anderer Seite bereits gezeigt (s. dazu Wolfersdorf et al.
2002 c, e).

z Abschlussbemerkung
Die neurobiologischen Hypothesen zur Suizidalitåt fokussieren auf eine Se-
rotoninmangelhypothese. Psychodynamisch stehen das Narzissmuskonzept,
die Objektbeziehungstheorie und die Aggressionstheorie im Zentrum unse-
res Verståndnisses der Suizidalitåt. Psychopathologisch geht es um Hoff-
nungs- und Hilflosigkeit, um unertråglichen vital empfundenen Schmerz
mit massiven Fluchtimpulsen, um tief empfundene Angst und existenzielle
Bedrohung, um pathologisch veråndertes Wahrnehmen und Erleben von
Situationen, Menschen und auch der eigenen Person.
Studien zur Neurobiologie bei auto- und fremdaggressivem Verhalten
sind letztendlich immer bei sozial auffålligen bzw. psychopathologisch ge-
kennzeichneten Menschen durchgefçhrt worden. Interessant wåre natçrlich
die grundsåtzliche Ûberlegung, ob auch die eingangs genannte Suizidalitåt,
mit der sich das therapeutisch-pflegerische Personal çblicherweise nicht
beschåftigt, nåmlich die kulturell, religiæs und gesellschaftlich bestimmte
Suizidalitåt, ebenfalls durch neurobiochemische Auffålligkeit charakterisier-
bar wåre bzw. ob das hier und anderweitig postulierte ¹Serotoninmangel-
syndrom bei auto- und fremdaggressiven Impulskontrollstærungenª wirk-
lich ein allgemeingçltiges åtiopathogenetisches Konzept darstellt. Das heiût,
die Frage ist letztendlich erneut die nach ¹Henne und Eiª: Liegt ein Seroto-
ninmangel, gleichgçltig welcher Øtiologie und welcher Genese, suizidalem
Verhalten als einer Form des aggressiven Verhaltens zugrunde, oder ist ein
Serotoninmangel und damit der Verlust von Adaptations- und Modulati-
onsfåhigkeit in der akuten Situation Ausdruck eben dieser akuten Situation
und ihrer nicht gelungenen Bewåltigung. Serotoninmangel als ¹Stateª oder
¹Traitª?
Einer Beantwortung dieser Frage wird man erst nåher kommen, wenn
man in der akuten suizidalen Situation gleichzeitig neurobiochemische
Forschung betreiben kann, neben der Erhebung der Psychopathologie, der
Psychodynamik, des aktuellen åuûerlich sichtbaren, hier dann suizidalen
Verhaltens. Oder man kann langfristig Menschen beobachten, die mit SSRI
oder mit Substanzen, die das serotonerge System in Richtung einer Erhæ-
hung des Basisniveaus beeinflussen, behandelt werden, und die u. a. hin-
sichtlich ihres auto- oder fremdaggressiven Verhaltens, ihrer Selbstverlet-
zungstendenzen und ihres selbstschådigenden Verhaltens beobachtbar sind.
Bis dahin wird man bei der von anatomischer Seite geåuûerten Meinung
bleiben mçssen, dass das serotonerge System eben eine Art Modulations-
funktion aufweist, dessen Wegfall bei entsprechenden Auûenreizen die
Mæglichkeit der Extremreaktion ± çberschieûend oder çberhaupt nicht ±
nahe legt. Bis dahin werden Psychopathologie, Psychophysiologie und Psy-
106 z M. Wolfersdorf

chodynamik die zentralen therapeutisch-diagnostischen Handlungsan-


weisungen fçr die Bewåltigung des suizidalen Alltags bleiben, wie im Fol-
genden am Beispiel der Entstehung und Entwicklung von Suizidalitåt bei
Schizophrenie, Depression und Manie dargestellt.

z Schizophrenie, Psychosen und Suizid (ICD-9: 295.x; ICD-10 F2x.xx)


± åtiopathogenetische Konzepte

Akute psychotische/pråpsychotische Symptomatik


z wahnhafte Befçrchtung von Verfolgung, Vernichtung, Bedrohung, Unter-
gang, damit Angst und Panik: Vorwegnahme des Untergangs durch
Selbsttætung
z akustische Halluzinationen: Stimmen die zum Suizid bzw. zum Vollzug
dessen, was man sowieso schon sei, nåmlich tot, auffordern
z Depersonalisation, Derealisation: Ich-Stærung, damit Angst, Panik: Vor-
wegnahme der Auflæsung und Ich-Desintegration durch Selbsttætung
z Wahnstimmung und Gewissheit von Desintegration, Untergang: Suizid
als Vorwegnahme, ¹Panik-Reaktionª
z Selbsttætung zur Vermeidung von Fremdschådigung z. B. bei psychoti-
scher Ûberzeugung von Besessenheit, Teufel, Tod u. å.
z Grandiose Verschmelzungsphantasien mit Natur, Welt, All, Gott im çber-
wåltigenden Glçcksgefçhl.

Akute depressive bzw. dysphorische Gestimmtheit


z Angstzustånde, Dysphorie, Depressivitåt als affektiver Teil der Akut-
symptomatik gemeinsam mit psychotischen Symptomen: Suizidalitåt als
Ausdruck der Affektivitåt
z Depressivitåt, Hoffnungslosigkeit im so genannten postremissiven Er-
schæpfungssyndrom nach Abklingen paranoid-halluzinatorischer Symp-
tomatik: Suizidalitåt aus z. B. hoffnungsloser Zukunftssicht
z Depressivitåt und akinetisches Syndrom, neuroleptisches Parkinsonsyn-
drom: Suizidalitåt im Zusammenhang mit nicht akzeptablen Nebenwir-
kungen
z Akathisie und Depressivitåt, Dysphorie als Neuroleptika-Nebenwirkun-
gen: Suizidalitåt z. B. im Zusammenhang mit quålender Unruhe
z Depressivitåt als Reaktion auf narzisstische Krise/Selbstwertkrise: Nicht-
leben-kænnen mit Krankheit und Krankheitsfolgen, z. B. Einschrånkun-
gen, Verlusten im Beziehungs- und Leistungsbereich
Suizidalitåt und das serotonerge System z 107

Krankheitsverlauf
z Nicht-leben-kænnen bzw. -wollen mit Stigma: Suizidalitåt als Folge von
gesellschaftlicher Øchtung
z Nicht-leben-kænnen bzw. -wollen mit der Perspektive, immer wieder zu
erkranken, evtl. die eigene Persænlichkeit zu veråndern: Suizidalitåt als
Ausdruck von ¹Bilanzierungª
z Nicht-leben-kænnen bzw. -wollen mit den psychosozialen Folgen der Er-
krankung: Beziehungsverlust, Arbeitsplatzverlust, Leistungseinschrån-
kung, sozialer Abstieg, Verlust der eigenen Wohnung.

Behandlungsfolgen
z Verlust der psychotischen Weltsicht, -struktur, in der man sich einge-
richtet hat, durch Therapie: Suizidalitåt als Ausdruck von Orientierungs-
losigkeit
z Ûberforderung durch Rehabilitation z. B. auf der Arbeits- oder Wohn-
achse: Suizidalitåt als Ausdruck schmerzhaft erlebten subjektiven Schei-
terns
z Verlust von stçtzendem Rahmen (¹Heimat-Klinikª) durch Klinikfixie-
rung von ¹Heil- und Pflegeanstaltenª, ¹forcierte Enthospitalisierungenª,
fachlich nicht begrçndbare, zu kurze Behandlungsdauern
z Nebenwirkungen von Neuroleptika, sofern quålend und Lebensqualitåt
beeintråchtigend erlebt: Suizidalitåt bei Akathisie, bei neuroleptischem
Parkinsonsyndrom, bei kognitiven Stærungen durch Neuroleptika, bei
nicht akzeptablen sexuellen Stærungen
z krankheits- bzw. verhaltensbedingte Einschrånkungen: Suizidalitåt z. B.
bei Freiheitsentzug (Unterbringung), Zwangsbehandlung
z Verånderung von Behandlungsbedingungen, z. B. Suizidalitåt nach Ver-
lust eines jahrelangen Ergotherapieplatzes bei einem chronisch schizo-
phren Kranken.

z Affektive Psychosen und Suizid (ICD-9: 296.x, 298.0; ICD-10:


melancholischer Subtyp bzw. mit psychotischen Symptomen
bei depressiver Episode) ± eine Ûbersicht

Depression
z nach epidemiologischen Daten (Suizid in der Allgemeinbevælkerung) De-
pression (unklar ¹endogenª oder ¹psychoreaktiv-neurotischª) ca. 40±70%
Anteil an allen Suiziden
z Lebenszeitsuizidmortalitåt (LBZM) bei neurotischer und endogener De-
pression einerseits gleich hoch ± bis 15% ± angegeben, andererseits soll
LBZM bei endogen Depressiven hæher sein. Bei schwer Depressiven
(Schweregrad nach ICD-10) LBZM ca. 15%, bei allen Depressiven inklu-
108 z M. Wolfersdorf

sive leicht Depressiven ca. 4% (deutliches Ûberwiegen der leichter De-


pressiven!)
z grundsåtzlich Psychopathologie: Hoffnungslosigkeit/Wahn/Wertlosigkeits-
gefçhle, Verzweiflung/Ohnmachtsgefçhle, Unruhe/Schlafstærung besonde-
re Bedeutung als Suizidalitåt færdernd zugeschrieben
z Psychodynamik suizidalen Geschehens bei Depression entspricht i. W.
der anderer suizidaler Krisen; Depression bringt durch ihre bereits der
Suizidalitåt nåhere Symptomatik hæheres Risiko ein. Depressiver Wahn
akzentuiert suizidale Dynamik
z Neurobiologisch und psychophysiologisch gibt es Hinweise auf Impuls-
kontrollstærung als Grundlage, mæglicherweise åtiologischer Art, auto-
und fremdaggressiven Verhaltens, insbesondere der harten Suizide
schwer Depressiver.

Manie
z insgesamt unbefriedigender Wissensstand zu Suizidalitåt bei manifor-
men Syndromen
z keine epidemiologischen Daten vorhanden
z suizidale Handlungen bzw. Suizide bei Maniker (manisch-depressiv, bi-
polar) klinisch bekannt
z åtiopathogenetische Ûberlegungen vor klinischem Hintergrund sind:
Suizidalitåt i. Z. mit
± Frustration manischer Græûenideen und z. B. reaktiver Depressivitåt
auf manischen Wahn
± raschen Switch-Phånomenen, d. h. raschem Umkippen in Depressivi-
tåt/Dysphorie
± eher gereizter Manie mit impulshafter Auto- und Fremdaggression
± Konfrontation mit sozialen Folgen, mit Beziehungsabbrçchen, mit kri-
minellen Handlungen in Manie
± Einbruch von Scham- und Schuldgefçhlen infolge Verhaltens in der
Manie
± schizoaffektivem Mischbild
± manisch-depressivem Mischbild
z keine neurobiologischen oder psychophysiologischen Daten zur Suizida-
litåt in Manie bekannt.

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